108 33 30MB
German Pages 1336 [1338] Year 2016
Lexikon Qualitätsmanagement
Weitere empfehlenswerte Titel: Grundlagen Qualitätsmanagement, 3. Auflage Zollondz, 2012 978-3-486-59798-1
Beschaffenheitsmanagement – Nature Management Geiger, 2013 978-3-486-58929-0
Grundlagen Lean Management Zollondz, 2013 978-3-486-71647-4
Lexikon Qualitätsmanagement Handbuch des Modernen Managements auf Basis des Qualitätsmanagements 2., komplett überarbeitete und erweiterte Auflage Herausgegeben von Hans-Dieter Zollondz, Michael Ketting, Raimund Pfundtner
ISBN 978-3-486-58465-3 e-ISBN (PDF) 978-3-486-84520-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039808-3 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Sylvia Zollondz Layout und Satz: Hans-Dieter Zollondz (Herausgeber) Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort Qualitätsmanagement erwächst aus guter Projekt- und Teamarbeit. Deshalb gilt unser herzlicher Dank den Autoren in besonderem Maße, die mit ihren detaillierten und prägnanten Stichwortartikeln die Inhalte geliefert haben. Für die vielfach abgestimmte und geleistete Arbeit konnten 127 Autoren gewonnen werden, die es geschafft haben, mit ihrem Wissen und Können Stichwortartikel und Definitionen extra für die Zwecke des Lexikons zu verfassen. Sie verdeutlichen in ihren Darstellungen die zahlreichen Facetten des Qualitätsbegriffes und seiner Anwendung in der Managementlehre. Gegenüber der ersten Auflage wurden Inhalt und Form vollständig revidiert. Im Januar 2016
Vichy, Dipl.-Soz. Hans-Dieter Zollondz Bochum, Prof. Dr. Michael Ketting Lünen, Prof. Dr. Raimund Pfundtner
_________ Der Inhalt dieses Lexikons wurde von den einzelnen Autoren sorgfältig recherchiert und geprüft. Die Herausgeber können keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und die Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter übernehmen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Herausgeber. Die in dem Werk von den Autoren geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen der Herausgeber übereinstimmen.
Die Begriffe von DIN und ISO dürfen nicht ohne Zustimmung des DIN e. V., Berlin, vervielfältigt werden. Die Begriffe der DGQ dürfen nicht ohne Zustimmung der DGQ, Frankfurt am Main, vervielfältigt werden. Die in dem Lexikon enthaltenen Abbildungen und Bilder entstammen den Autoren- und dem Herausgeberarchiven und sind größtenteils (sofern nicht auf Quellen verwiesen wurde) eigens für das Lexikon entwickelt worden.
Inhaltsübersicht abc
Vorwort
Seite
V
Aus dem Vorwort zur 1. Auflage
IX
Einführung
X
1 2 3 4 5
Warum ein Lexikon zum Qualitätsmanagement fehlt Zur verfolgten Zielsetzung Zu den Begriffen der ISO 9000 Zur Konzeption des Lexikons Qualitätsmanagement Zum Umgang mit dem Lexikon – Benutzerhinweise
Abkürzungsverzeichnis XV Wege in das Qualitätsmanagement
XXI
Alphabetischer Lexikonteil
1-1288
Autorenverzeichnis
1289-1312
1 Nicht nur zum Nachschlagen 2 Lexikonlernen mit „Advance Organizer“, die Begriffe der ISO 9000 Tableau: Kernbegriffe der DIN EN ISO 9000:2015-11 nach 13 kategorialen Feldern (Seite XXII-XXIII) 3 Total Quality Management (TQM), Wissen aus dem Lexikon 4 Ausblick
Das Lexikon Qualitätsmanagement wurde in einer Serifenschrift, der Arno Pro, gesetzt. Diese, wie viele andere moderne Serifenschriften (auch die Times New Roman), basieren auf dem Font, der zu Ehren von Christoffer Plantijn benannten Schrift Plantin. Christoffer Plantijn (1520-1589) hat unter den widrigen Umständen der damaligen Zeit die größte Druckerei Europas aufgebaut. Plantijn begründete damals den industriellen Buchdruck. Seinem Andenken folgend, einem Unternehmer für den Qualität Zeit seines Lebens eine „conditio sine qua non“* war, soll hier sein Leitsatz „Labore et Constantia“, „Travail et Persévérance“ (Arbeit und Ausdauer) in dem vielfältig nachempfundenen Motiv, das Herkules als dem Gott der Arbeit und Hermes als den des Handels zeigt, das Motto des Buches bilden. Qualität manifestierte sich bereits damals im Buchdruck immer auch als Herausbildung von Markenqualität. *Der lateinische Ausdruck „conditio sine qua non“ ist besonders im Recht üblich. Er meint, dass eine bestimmte Bedingung (= conditio) gegeben sein muss, wenn etwas als Rechtstatbestand gelten soll (ohne diese Bedingung geht es nicht!). Sehr anschaulich lässt sich der Begriff aber auch auf den Sport beziehen: Dass beim Fußballspiel ein Tor da ist, ist eine notwendige Bedingung, um Fußball spielen zu können. Ohne das Fußballtor geht es nicht. Modernes Qualitätsmanagement „funktioniert“ auch nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Im gesamten Lexikon wird immer wieder hierauf eingegangen. Eine dieser Bedingungen ist darin zu sehen, die Organisation prozesshaft zu gestalten, wie es ja auch in der ISO 9001 gefordert wird.
Vorwort 1. Auflage Aus dem Vorwort der 1. Auflage „Die Praxis sollte das Ergebnis des Nachdenkens sein, nicht umgekehrt.“ (Hermann Hesse)
Die Bestrebungen von Wissenschaftlern aus dem universitären Bereich, zur Fundierung einer wissenschaftlichen Basis und Perspektive für den Objektbereich Qualitätsmanagement sind unverkennbar. In einem Stichwortartikel zur ►Qualitätswissenschaft werden diese Bemühungen gewürdigt.
Qualitätsmanagement wird im vorliegenden Lexikon als Ba siskonzept des modernen Managements verstanden. Von dieser Grundannahme ausgehend ist es zugleich als Handbuch des Modernen Managements einzuordnen. Qualitätsmanagement hat es – wie keine andere Managementkonzeption – in den letzten vierzig Jahren verstanden, einerseits Wissen und Methoden der Managementlehre zu integrieren und andererseits im Zusammenspiel damit eine eigene Pragmatik zu entwickeln. An den japanischen, amerikanischen und europäischen Entwicklungen lässt sich nicht nur die integrierende Wirkung dieser sich anfangs nur aus einer statistischen Funktionstechnik (Industriestatistik) entwickelnden Praxeologie heraus begreifen, sondern auch zu gleich als Anwendungskonzept einer ►Qualitätswissenschaft verstehen, die sich als interdisziplinäres Projekt zu konstituieren begonnen hat (►Paradigma). Eine solche Qualitätswissenschaft, welchen Reifegrad man ihr auch immer zusprechen mag, muss sich nicht erst ihren Gegenstand schaffen, sie verfügt bereits über ihn und hat mit ihrem Objekt, dem Qualitätsmanagement bereits einen hohen Abstraktionsgrad erreicht. Deutlich wird dies ansatzweise an der international abgestimmten Terminologie. Inhaltlich werden deshalb nicht nur die Konzepte und Begriffe des Qualitätsmanagements im engeren Sinn behandelt, sondern auch solche Gebiete, die das Qualitätsmanagement beeinflusst haben, derzeit beeinflussen und beeinflussen werden. Insofern verfolgt das Lexikon auch einen prospektiven Charakter, wobei zusätzlich historische und philosophische Bezüge in ausführlichen Einzelstichwörtern den Gegenstand thematisieren. Außerdem sind in alphabetisch eingeordneten Personenartikeln die sog. ►Qualitätsexperten aufgenommen. …… München, im Jahr 2000
••• ⨀⨀⨀ •••
IX
Einführung Einführung „Und jedes Licht und jedes Buch Und jedes Bild ist ein Enthüllen Ein neuer, tausendster Versuch Des Lebens Einheit zu erfüllen.“ Hermann und Curtis Hesse
1 Warum ein Lexikon zum Qualitätsmanagement fehlt Braucht man im Zeitalter von Google, Wikipedia & Co. eigentlich noch ein Lexikon? Und braucht man eines zum Qualitätsmanagement? Wird in der Praxis der Unternehmen danach verlangt? Die Tatsache, dass Sie dieses Buch in Händen halten, liefert in lapidarer Weise unsere Antwort: Ja, wir finden Nachschlagwerke auch heute noch nützlich; und ja, es ist zweckmäßig, den Gegenstandsbereich des Qualitätsmanagements von ausgewiesenen Fachleuten ins Zentrum eines Lexikons zu rücken. Dies umsomehr, als es viele blinde Flecken gibt, die sowohl von den nationalen wie internationalen Normungsorganisationen bewusst ausgeklammert werden (s. zu den Gründen Kapitel 3).
Im Lexikon Qualitätsmanagement haben ausgewiesene Fachleute ihr Wissen in Stichwortartikeln prägnant dargestellt. Dagegen ist in Internettexten die Fachqualifikation des Autors oft nicht erkennbar.
2 Zur verfolgten Zielsetzung Wir sehen es als unsere Aufgabe an, das Qualitätsmanagement in seinem Bestand und in seiner Weiterentwicklung lexikalisch aufzuarbeiten. Einer ähnlichen Aufgabenstellung verschreiben sich Lehr- und Handbücher zum Qualitätsmanagement. Für jedes Lehrbuch – gleichgültig wie gut es geschrieben ist – gilt freilich, dass es das Fach unvermeidlich aus der Perspektive und mit den Schwerpunktsetzungen des jeweiligen Autors abhandelt. Ein Lexikon versucht, diese Selektions-, Strukturierungs- und Gewichtungseffekte zu minimieren, indem es die Beiträge möglichst vieler einschlägig ausgewiesener Fachleute versammelt und zudem durch sein Format erlaubt, mehrere Thematiken und Aspekte anzusprechen, als es in einem Lehrbuch gemeinhin möglich ist. Eine programmatische Absicht dieses Lexikons ist also, das derzeitige Wissen des Qualitätsmanagements im Überblick und umfassend zu bündeln, und zwar so, dass es auch jenseits der Grenzen des Fachs (interessierte Laien) relativ problemlos rezipiert werden kann. Bei diesem Bemühen geht es immer wieder darum, bestehende Begriffe zu benennen und sich mit ihnen je nach Kontextsetzung auch kritisch auseinanderzusetzen, um zu neuen Definitionen vorstoßen zu können. Dem modernen Qualitätsmanagement ist immer wieder vorgeworfen worden, dass es eine ingenieurwissenschaftliche Sichtweise widerspiegelt, die sich nicht einfach bruchlos auf andere Bereiche übertragen lässt. Diesem Einwand wurde bereits in der ersten Auflage versucht, Rechnung zu tragen; umsomehr wurde er in dieser zweiten Auflage beachtet. Qualität und Management sind schon für sich jeweils Begriffe mit Tradition. Ihr wird nachgegangen, in philosophischer Sicht und aus der Sicht der Managementlehre. Ein Management der Qualität hat sich auch in anderen Teilbereichen von Wirtschaft und Verwaltung entwickelt, so im Gesundheitswesen. Und die Wissenschaft fordert einen besonderen Zugang zur Qualität (►Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb). Schließlich spiegelt sich im Begriff der ►Qualitätsentwicklung der Qualitätsbegriff, auf den sich Institutionen des Bildungswesens beziehen. Er wird abgegrenzt vom gän-
X
Programmatische Absicht des Lexikons ist es, das derzeitige Wissen zum Qualitätsmanagement so zu bündeln, dass es auch jenseits der Grenzen des Fachs relativ problemlos rezipiert werden kann. Dabei wird in der Arbeit am Begriff ein Schwerpunkt gesehen.
Ein Management von Qualität hat sich in vielen Bereichen von Wirtschaft und öffentlichem Leben entwickelt, so im Gesundheitswesen. Die folgenden Stichwortartikel zeigen diesen Trend beispielhaft auf: ►Dienstleistungen in der Gesundheitsversorgung – QMS Requirements: ISO 15224:2012-12, ►Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb, ►Exzellenzcluster, ►Qualitätsentwicklung im ►Bildungswesen, ►Bildungsqualität, ►Qualitätsmanagement in Schulen.
Einführung gigen Begriff der Qualität wie er sich in den Kernbegriffen der ISO 9000 findet. 3 Zu den Begriffen der ISO 9000 Begriffe sind Produkte wie andere auch. So ließe sich das Begriffsinstrumentarium charakterisieren, das von der ISO im Qualitätsmanagement entwickelt und seit seinem ersten Erscheinen in der ISO 8402 ständig revidiert wird. Unterstützt wird diese Einschätzung, wenn man einen Blick auf die alphabetisch aufgelisteten sogenannten Kernbegriffe der neuen ISO 9000:2015 wirft (diese Mühe muss man sich machen, denn in der Begriffsnorm sind sie nach Sachzusammenhängen geordnet). Jeder am Qualitätsmanagement interessierte Leser erkennt sofort, dass mit der getroffenen Auswahl und Abwahl von zu normenden Begriffen Zielsetzungen verfolgt wurden, denen die Frage unterlegt sein mag, ob denn dieses oder jenes Werkzeug (Begriffe Die Begriffe der ISO 9000 finden ihre Verhaben ja durchaus Werkzeugcharakter) „praxistauglich“ sei. ankerung in der Darlegungsnorm ISO 9001. „Mutternorm“ und Begriffsnorm Von den praktisch denkenden ISO-TC-Mitgliedern wurde viel stehen in enger wechselseitiger Beziehung verlangt. Immer wieder mussten sie entscheiden „Bleibt der Bezueinander. griff?“, „Muss er neu gefasst werden?“, „Wie sollen wir ihn neu bestimmen?“, „Weiß nicht jeAbb. Vo01: Ableitung der ISO 9000:2015 von der Darlegungsnorm ISO 9001:2015 der, was Terminus X bedeutet, wozu definieren?“, „Passt der ISO 9001:2015 Darlegungsnorm ISO 9000:2015 Begriffsnorm Begriff in die vorgegebenen Ka◼ Personenbezogene Begriffe 1 Anwendungsbereich tegorien der ISO 9000?“ „Sollten ◼ Organisationsbezogene Begriffe 2 Normative Verweisungen vielleicht die Kategorien verän◼ Tätigkeitsbezogene Begriffe dert werden, um einen neuen ◼ Prozessbezogene Begriffe Begriff aufnehmen zu können?“ 3 Begriffe Begriffsnorm „Mutternorm“* ◼ Systembezogene Begriffe Bei der Suche nach dem Angel◼ Anforderungsbezogene Begriffe punkt eines solchen Entschei◼ Ergebnisbezogene Begriffe 4 Kontext der Organisation dungshandelns zeigt sich die ◼ Daten-, informations-, und 5 Führung Verankerung der Begriffsstrukdokumentenbezogene Begriffe 6 Planung ◼ Kundenbezogene Begriffe tur in der Darlegungsnorm 7 Unterstützung ◼ Merkmalsbezogene Begriffe 8 Betrieb ISO 9001:2015. Abbildung Vo01 ◼ Bestimmungsbezogene Begriffe 9 Bewertung der Leistung verdeutlicht die Ableitung der ◼ Maßnahmenbezogene Begriffe 10 Verbesserung Begriffe zum Qualitätsmanagement aus der ISO 9001:2015. * Die beiden Normen sind komplementär zu sehen. Ihre Beziehung zueinander ist wechselseitig. Die Begriffe der ISO 9000 bilden eine Teilmenge der ISO 9001. Sie werden ausschließlich in der ISO 9000:2015 definiert. In das Managementsystemnormen der Lexikon Qualitätsmanagement wurden sie mit dem gesamten Definitionsinhalt übernommen. Die Bennennungen ISO werden auf der Basis der sämtlicher Kernbegriffe finden sich in dem Tableau hier auf Seite XVIII und XIX. ►High Level Structure (HLS) entwickelt, die das in der AbLiteratur: Graebig, K.: DIN EN ISO 90015 – Vergleich mit DIN bildung erkennbare Zehnpunkte-Struktur-Schema vorgibt. In EN ISO 9001:2008, Änderungen und Auswirkungen. 5. Auflage. ISO 9001:2015 ist die HLS bereits eingeflossen; Punkt 3 (Begriffe) Berlin-Wien-Zürich (Beuth) 2016 schreibt vor, dass für die Anwendung der ISO 9001 die in ISO 9000 formulierten Begriffe zu gelten haben. Der Normtext der ISO 9001 bildet somit die Quelle des Begriffsinstrumentariums zum Qualitätsmanagement, nicht das Gutdünken der ISO-WCMitglieder. Dabei ist keineswegs eine stringente Ableitung und Definition aller möglichen Begriffe der Norm vorgenommen worden. Vielmehr sind die Anzahl und der Begriffsrahmen und -inhalt im kommunikativen Abstimmungsprozess aufgrund von Plausiblitätsüberlegungen festgelegt worden. So lassen sich mit recht die genormten Begriffe als Produkte bezeichnen. Sie wurden für die Zielgruppe der Anwender der Forderungsnorm ISO 9001:2015 entwickelt und „auf den Markt gebracht“. Sie sollen zufriedener sein im Umgang mit der Forderungsnorm ISO 9001. ________
XI
Einführung 4 Zur Konzeption des Lexikons Qualitätsmanagement Über das in Kapitel 3 beschriebene Grundverständnis der Beziehung zwischen ISO 9000 und 9001 sollte der Leser verfügen, der im Lexikons die dort sog. „ISO-Terms“ nachschlägt. Sie wurden im ISO/TC 176 von den „Abgesandten“ der Normungsinstitute entwickelt. In das Lexikon wurden die Kernbegriffe der ISO 9000:2015-11 alphabetisch eingeordnet. Weitere genormte Begriffe wurden je nach Kontext aufgegriffen.
Die ins Deutsche übersetzten Begriffe der ISO 9000:2015 wurden in die alphabetische Struktur des Lexikons eingeordnet. Weitere genormte Begriffe wurden aufgenommen, ebenfalls ausgewählte Begriffe, die von Autoren der DGQ entwickelt wurden.
Für die Herausgabe eines Lexikons Qualitätsmanagement bedurfte es erweiterter Fragestellungen die sich wie folgt umreißen lassen: 1 Vernetzung intern (mit den ISO-Managementsystemnormen) – Die Qualitätsmanagementsystemnorm der ISO 9000-Serie steht nicht für sich da. Ganz im Sinne der ISO wird sie auch von den Herausgebern als sehr weit vorangetriebenes Musterbeispiel gesehen. Weitere Managementsystemnormen der ISO waren mit ihren zentralen Begriffen einzubinden und aufeinander zu beziehen. Sie tangieren Qualität und Qualitätsmanagement nicht nur, sondern es ist generell die Frage nach einem gemeinsamen Dach, dem ►Beschaffenheitsmanagement (en: nature management) zu stellen, unter dem Umweltschutzmanagement, Energiemanagement, IT-Management, Compliance Management, Arbeitsschutzmanagement, Gesundheitsschutzmanagement und weitere Aufgabenbereiche des Managements einzuordnen sind. In dieser Hinsicht ist auch von ►Integrativen Managementsystemen die Rede. 2 Vernetzung extern – Neben der ISO befassen sich auch andere Organisationen mit der Definition und Erörterung von Begriffen. Im Lexikon wurden besonders die seit Jahrzehnten betriebenen Bemühungen der DGQ hervorgehoben. So hat gerade eine Arbeitsgruppe um Kai Behrends, Leiter der DGQ-Geschäftsstelle Nord, die Frage gestellt, warum eigentlich – was auch bei dem Ansatz der ISO erkennbar ist – zwei „Zwillinge“ (QM und Lean) „auseinandergerissen“ werden. In einem DGQ-Whitepaper wird für die Zusammengehörigkeit von Lean- und Qualitätsmanagement plädiert. Andere Beispiele aus der Begriffswelt des Qualitätsmanagement, die im ISO-Rahmen bisher nicht oder nicht erschöpfend behandelt werden konnten, greifen Arbeitsgruppen der DGQ auf. Deren Ergebnisse spiegeln sich in den ausgewählten DGQ-Begriffen im Lexikon wider und wurden berücksichtigt: DGQ-Begriff. 3 EFQM und der Trend zu Exzellenz – Dem TQM-Ansatz hat sich – seit ihrer Gründung vor etwa 20 Jahren – besonders die EFQM mit dem EFQM-Modell verschrieben. Die in diesem Umkreis entwickelten Begriffe und Ansätze finden im Lexikon Berücksichtigung. 4 Brancheneinbezug – Der Ansatz der ISO, ein generelles QM-System zu schaffen, das für alle Organisationen, gleich welcher Branche, Geltung beanspruchen kann, wird offenbar in der Praxis nicht durchgehend angenommen. Es wurden teilweise in Anlehnung an die ISO 9000er Serie, aber auch völlig eigenständig QM-Systeme entwickelt. Dieser Entwicklung im Sinne eigenständiger Systembildung wurde im Lexikon aufgegriffen. Beispiele finden sich im medizinischen und im Weiterbildungsbereich. 5 Historische Perspektiven – Sich seines Gegenstandes zu vergewissern, heißt immer auch in die Vergangenheit zu schauen und Quellen sprechen zu lassen, die nicht unbedingt dem ökonomischen Blick von Qualität folgen. Für das Lexikon konnten Autoren gewonnen werden, die das Thema Qualität unter praktischen und theoretischen Aspekten ihrer Fachdiszi-
XII
Managementsystemnormen, die in der Zukunft das ►Integrative Managementsystem bilden werden, wurden in den Lexikontext einbezogen. Hierzu zählen: ►Arbeitschutzmanagement, ►Gesundheitsschutzmanagement, ►Energiemanagement, ►Compliance Management, ►IT-Management u.a.
Weiteren – im Rahmen der ISO-WCs bisher nicht einbezogenen – Ansätzen und Begriffen des Qualitätsmanagements – wurde Rechnung getragen (Beispiel Lean Management).
Den begrifflichen Entwicklungen im Total Quality Management, wie sie von der EFQM verfolgt werden, wurde Rechnung getragen. Die in den Branchen zu beobachtenden Aktivitäten, eigene QM-Systeme zu entwickeln, wurden in mehreren Stichwortartikeln aufgegriffen (Beispiel KTQ-Modell im Gesundheitsbereich).
Zu historischen und eher philosophischen Gesichtspunkten des Qualitätsmanagements wurden von ausgewählten Fachautoren grundlegende Artikel verfasst.
Einführung
Die Entstehung und Entwicklung des modernen Qualitätsmanagements ist ohne die Aktivitäten der frühen Fachvertreter nicht denkbar. Deren Beiträge haben mehr als Erinnerungswert. Sie fundieren das Fachgebiet Qualitätsmanagement. So ist der PDCA-Zyklus in die Begriffswelt der ISO 9000ff aufgenommen worden. Doch ihre Bestrebungen müssen auch aus den jeweiligen organisatorischen Kontexten heraus verstanden werden. Eine „Heldengeschichte“ von Einzelkämpfern verbietet sich. Relevante Rechtsbegriffe dürfen im Qualitätsmanagement nicht vernachlässigt werden. So konnten für die Abhandlungen zum Produktsicherheitsgesetz und zur Produkt-/Produzentenhaftung kompetente Fachleute gewonnen werden. Die Entwicklung des Qualitätsmanagements wird in der Gegenwart durch engagierte Qualitätsexperten bestimmt. Diese wurden in Personenstichwörtern monografiert.
plin sowie philosophischen und wissenschaftstheoretischen Perspektiven zusammengefasst haben. 6 Personenperspektiven – Wir stehen – wie in allen Wissensdisziplinen – immer auf den Schultern von „Riesen“. Mit ihren je spezifischen Beiträgen haben explizit sogenannte Qualitätsexperten (manchmal salopp auch als Gurus bezeichnet) im Qualitätsmanagement Impulse gesetzt, indem sie größtenteils eigenständige Systeme entwickelt haben, die die Entwicklung der Disziplin stark beeinflusst haben. Deren Begriffe wurden sogar normativ verankert (z. B. im sog. PDCA-Zyklus in der ISO 9000ff). Ganz im Sinne des Gedankens, das Qualitätsmanagement nicht als monolithischen Block nur einer Disziplin zu sehen, wurden ergänzend zu diesen Qualitätsexperten auch Wissenschaftler von Nachbardisziplinen (z. B. der Statistik) in ihrer Leistung in Bezug zum Qualitätsmanagement in monografischen Kurzdarstellungen einbezogen. 7 Verrechtlichung – Der Begriff Qualität kommt im BGB nicht vor. Stattdessen ist von Beschaffenheiten die Rede (►Beschaffenheitsmanagement). Relevante Rechtsbegriffe wurden im Lexikon sowohl als Stichwörter wie auch als ausführlichere Abhandlungen berücksichtigt (z. B. ►Produktsicherheitsgesetz). Ob es hier zu einer Harmonisierung der Begriffe kommen wird, ist schwer zu sagen. 8 Vergegenwärtigung – Wie setzt sich das Qualitätsmanagement im deutschsprachigen Raum fort und welche Personen lassen sich benennen, die in den letzten Jahrzehnten den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit in seiner Fortentwicklung gesehen und dazu publiziert haben? Im Lexikon werden sie als ►Qualitätsexperten bezeichnet und in Personenstichwörtern gewürdigt. Mit diesem Ansatz des Fortschreibens der Begriffswelt des Qualitätsmanagements kann man mit Poppers Sichtweise einer „DreiWelten-Theorie“ konform gehen [1]. Danach wird angenommen, dass das „System Qualitätsmanagement“ ständig Begriffe produziert und revidiert, indem auf den genannten acht Ebenen die Begriffsentwicklung beobachtet wird und sich „in the long run“ ein Begriffssystem Qualitätsmanagement konstituiert, dessen Grenzen offen sind. 5 Zum Umgang mit dem Lexikon – Benutzerhinweise Damit dieses Lexikon der Erkenntnis und dem gegenseitigen Verständnis in optimaler Weise dienlich sein kann, ist ein besonderes Layout entwickelt worden. In Abbildung Vo02 werden die Strukturierungsmerkmale verdeutlicht, die dem Leser gewissermaßen als „Gebrauchsanweisung“ dienlich sein mögen. ____________
Literaturanmerkung [1] In Popper/Eccles 1977 (Das Ich und sein Gehirn) heißt es „Da gibt es zunächst die physische Welt – das Universum physischer Gegenstände (…); ich möchte sie ‚Welt 1‘ nennen. Zweitens gibt es die Welt psychischer Zustände, einschließlich der Bewusstseinszustände, der psychischen Dispositionen und unbewussten Zustände; diese will ich ‚Welt 2‘ nennen. Doch es gibt noch eine dritte Welt, die Welt der Inhalte des Denkens und der Erzeugnisse des menschlichen Geistes; diese will ich ‚Welt 3‘ nennen.“ (S. 63). Popper postuliert also, neben der äußeren „Welt der physikalischen Gegenstände“ und der inneren „Welt der subjektiven Erlebnisse“ eine weitere äußere Welt, die mit unserer inneren Welt in besonderer Weise in Beziehung steht, aber dennoch eine äußere Welt ist, nämlich die der „Erzeugnisse des menschlichen Geistes“. (S. 38) Dieser Welt gehören in erster Linie Erzeugnisse bewusster plannvoller geistiger Tätigkeiten an, wissenschaftliche Theorien, Hypothesen (wahre/falsche) und Begriffsbildungen. Auch die menschliche Sprache ist Teil von „Welt 3“, auch wenn sie kein planvolles menschliches Erzeugnis ist. Begriffswelten entstehen nur begrenzt auf der Basis planvollen Handelns. Was in der Praxis aus den Begriffen der ISO 9000 entsteht, folgt nicht einem geplanten Implementierungsprozess. Begriffe verändern sich und vermischen sich im Kontext der Alltagswelt. Es entwickeln sich ►Rhizome. Sie „beschreiben“ immer eine Bewegung des Werdens, der andauernden „Produktion“.
XIII
Einführung
Deming, William Edwards
▶Shewhart ▶Deming Price ▶Demingsche Reaktionskette ▶14 Punkte für das Management (Managementregeln) ▶7 tödliche Krankheiten ▶PDCA-Zyklus ▶Lernende Organisation
oder auf Übersetzungen, z. B.: Qualität
▶en: quality ▶fr: qualité
Begriff
en = englisch fr = französisch it = italienisch ja = japanisch
Bitte beachten: Normierte Begriffe von ISO, IEC, DIN u. a. Normungsorganisationen dürfen nicht ohne Genehmigung des DIN vervielfältigt werden. Bitte wenden Sie sich an das DIN e. V., Berlin.
Im Text der Stichwörter enthaltene Begriffe, die im Lexikon-Alphabet abgehandelt werden, sind durch einen Verweispfeil [►] besonders hervorgehoben (Beispiel):
Am Schluss von Stichwörtern und Stichwortartikel wird auf verwendete oder beachtenswerte Quellen/ Literatur verwiesen. Auch andere Quellen werden genannt, wie Websites (URL).
Die zur ►Rückverfolgbarkeit nötigen Aufzeichnungen über das Los bzw. die Charge müssen verifiziert und genehmigt werden und …
Über im Lexikon verwendeten Abkürzungen und Symbole informiert das Abkürzungsverzeichnis.
Biografische Informationen zu den Autoren finden sich im Autorenverzeichnis am Schluss des Lexikons mit Ihren Beiträgen im Lexikon. Außerdem … ▶sind die Autoren am Ende des Stichwortartikels genannt ▶und im Alphabet zu Beginn eines jeden Buchstabens
XIV
DIN-Term
▶ISO-Term: normiert ▶DIN-Term: normiert ▶DGQ-Begriff: nicht normiert. Von einer DGQ-Arbeitsgruppe entwickelter Begriff ▶Begriff: vom Autor entwickelt
DGQ--Begriff
Begriffe sind blau hinterlegt gekennzeichnet als
Begriff
Unter den Begriffen wird zu Beginn oft auf im Kontext stehende Begriffe verwiesen, wie dieses Beispiel zeigt:
ISO-Term
Abb. Vo02: Formalia zur Begriffsstruktur im Lexikon Qualitätsmanagement
A
Abkürzungen ⨀ abbreviations ⨀ abréviations
C
Abkürzungsverzeichnis*) A AAI Average Amount of Inspection AC Acceptance Number ADLZ Auftragsdurchlaufzeit AEF Ausschuss für Einheiten und Formelgrößen im ▶DIN e. V. AFNOR Association Française de Normalisation AGB Allgemeine Geschäftsbe dingungen AIAG Automotive Industry Action Group (Verband der Auto mobilindustrie der USA, Michigan) ANFIA Associazione Nazionale Filiera Industrie Automobilistiche (Verband der italienischen Automobilindustrie, Turin) AOQ Average Outgoing Quality AOQL Average Outgoing Quality level (Maximum des Durchschlupfs bei einer Stichprobenan weisung) APC Automatic Process Control APQP Advance Product Quality Planning (Vorausplanung der Produktqualität – Teil der QS-9000) AQAP Allied Quality Assurance Publications (NATO) AQI Annual Quality Improvement AQL Average Quality Level (vorgegebene annehmbare Qualitätsgrenzlage) AQS Ausschuss für Qualitätssiche rung und Angewandte Statistik (jetzt ►NQSZ) ARL Average Run Length ASI American Supplier Institute ASPQ Association Suisse pour la Promotion de la Qualité ►ASQ American Society for Quality (am. Gesellschaft für Qualitätsmanagement) ASQ Arbeitsgemeinschaft für Statistische Qualitätskontrolle (bis 1952, jetzt ►DGQ) ASQC American Society for Quality Control; alt, jetzt ►ASQ
►ASTM American Society for Testing and Materials (Amerikanische Gesellschaft für Materialtests) ATI Average Total Inspected AV Arbeitsvorbereitung AWF Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Fertigung A2LA American Association for Laboratory Accreditation (Amerikanisches Institut für Akkreditierung von Labo ratorien) B BAM Bundesamt für Materialfor schung und -prüfung BAU Bundesanstalt für Arbeits schutz, Dortmund BCS British Calibration Service BCSD Business Council for Sustainable Development BE Business Excellence BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn BGB Bürgerliches Gesetzbuch BgVV Bundesinstitut für gesund heitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, Berlin, aufgelöst und umgegliedert BIPM Bureau International des Poids et Mesures, Paris BMBF Bundesministerium für Bildung, Wisenschaft, Forschung und Technologie. Bonn und Berlin BPMN ►Business Process Model and Notation BPR Business Process Reengineering (►BR) BQB Betriebs-Qualitäts-Bogen BPM Business Process Management BR ►Business Reengineering BS 7750 British Standard 7750 BSI British Standards Institution BVVW Betriebliches Verbesserungs vorschlagswesen BVW ►Betriebliches Vorschlagswesen ►BYOD Bring Your Own Device
C c2c ►Cradle to Cradle C2E ►Commited to Excellence CAD Computer aided design (Com putergestütztes Konstruieren) CAE Computer aided engineering (Rechnergestützte Entwicklung) ►CAF Common Assessment Framework ►CAQ Computer aided Quality Management (Computer gestütztes Qualitätsmanagement) CAM Computer aided Manufacturing (Computergestützte Fertigung) CAP Computer aided planning (Computergestützte Arbeitsplanerstellung) CAR Corrective Action Request CAS Computer aided Selling (Computergestützter Verkauf) CASCO Committee on Conformity Assessment (de: Komitee für Konformitätsbeurteilung) der ▶ISO (ISO/CASCO) CASE Computer aided Software Engi neering (Computergestützte Softwareentwicklung) CASE Conformity Assessment Systems Evaluation CAT Corrective Action Team CC Critical characteristic (besonderes Merkmal) CCA Cenelec Certification Agreement CCP ►Critical Control Point CCFA Comité des Constructeurs Français d’Automobiles, Paris (Verband der französischen Automobilindustrie) CEDAC Cause-Effect Diagram with the addition of Cards CE ►CE-Kennzeichnung ►CEN Comité Européen de Normalisation ►CENELEC Comité Européen de Normalisation Electrotechnique CEPT aufgelöst; neu ►ETSI ►CETPM Centre of Excellence for TPM CI Corporate Identity ►CI Continous Improvement
____ *) Die im Abkürzungsverzeichnis eingebetteten Pfeile (►) verweisen auf den alphabetischen Lexikontextteil.
XV
C
Abkürzungen ⨀ abbreviations ⨀ abréviations
►CIM Computer Integrated Manufacturing (►CAQ) CIP Computer Integrated Processing (Computerinte grierte Prozessfertigung) CIT ►Critical Incident Technique CMM Capability Maturity Model ►CMMI Capability Maturity Model Integration CNC Computerized Numerical Control (Computergestützte numersiche Steuerung) ►COBITControl Objectives for Information and Related Technology CONTROL sic acr: ►Control = Internat. Fachmesse für Qalitätssicherung ►COPQ Cost of poor Quality CPI ►Continous Process Improvement ►CPM Critical-path-Method CPS ►Cyber Physisches System CQI Continous Quality Improve ment (Kontinuierliche Quali tätsverbesserung), wird teil weise als eigenständige Be zeichnung für QM verwendet ►CRM Customer Relationship Management CSR ►Corporate Social Responsibility CR Consumer Risk (Kundenrisiko, früher Abnehmerrisiko – Begriff der Qualitätsprüfung) CRP Consumer’s Risk Point CSAZ299 Z299-Normenreihe der Canadian Standards Association CSD Commission for Sustainable Development CSCW Computer Supported Coope rative Work (Computerunter stützte Gruppenarbeit) CSF Critical Success Factor CSI Customer Satisfaction Index CTQ ►Critical to Quality CWQC Company Wide Quality Control (so wird international oft ►TQM bezeichnet)
XVI
D D7 Q-Techniken für Dienstleister DAA Department Activity Analysis ►DAkkS Deutsche Akkreditierungsstelle DAP ►Deming Application Price DCGK ►Deutscher Corporate Government Kodex DEKITZ Deutsche Koordinierungs stelle für IT-Normenkonfor mitätsprüfung und -zertifizie rung (►DAkkS) DFM ►Design for Manufacturing (Fertigungsorientiertes Design) DFMA ►Design for Manufacturing and Assembly DGI Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. DGPI Deutsche Gesellschaft für Produktinformation mbH DGQ ►Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V., Frankfurt/Main DGWK Deutsche Gesellschaft für Warenkennzeichnung mbH DIN ►Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin ►DINCERTCO Zertifizierungsgesell schaft des ►DIN e. V., Berlin DINZERT Deutscher Zertifizierungsrat (im ►DIN e.V.) DIS Draft International Standard (Vornorm) DITR Deutsches Informationszen trum für Technische Regeln = DITR-Datenbank enthält das Register der Regelwerke DKB Deutsches Kundenbarometer Kundenmonitor Deutschland DKD Deutscher Kalibrierdienst DKE Deutsche Kommission Elektro technik Informationstechnik im DIN und VDE DMADV Design – Measure – Analyse – Design – Verify (►Six Sigma) DMAIC Define – Measure – Analyse – Improve – Control (►Six Sigma) ►DOE Design of Experiments ►DQS Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von QM Systemen m.b.H. (heutige Bezeichnung: Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen mbH
E
►DRBFM Design Review Based on Failure Modes DRP dispute resolution process (►DRP-Anbieter) DSI Dealer Satisfaction Index E EA European Accreditation EC European Commission / European Communities ECE UN-Wirtschaftskommission für Europa = United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) ECTC European for Testing and Certification (jetzt ►EOTC) EEA ►European Excellence Award EEA European Environment Agency EFQM European Foundation for Quality Management EIS Executive Information System (►ARIS) EM ►Energiemanagement ►EMAS Eco Management and Audit Scheme EN Europäische Norm EOL End-of-Life EOQ ►European Organization for Quality EPK Ereignisgesteuerte Prozesskette (►ARIS) EQ Europäische Qualität EQA European Quality Award (jetzt: ►European Excellence Award) EQM ►Ethik-Qualitätsmanagement EQNet European Network for Quality System Assessment and Certification EQS European Committee for Quality System Assessment and Certification ES Engineering specification (Technische Spezifikation) ►ETSI European Telecommunications Standards Institute, Sophia Antipolis, Frankreich EUROLAB European Federation of Na tional Associations of Measure ment, Testi ng an Analytical Laboratoriese, Brüssel
F
Abkürzungen ⨀ abbreviations ⨀ abréviations
F FBA Fehlerbaumanalyse (►FTA) FDA Food & Drug Administration (USA) FDT Formal Description Technique FIEV Fédération des Industries des Équipements pour Véhicules (Verband der fran zösischen Zulieferindustrie) ►FIFO First In-First Out FIT Failure In Time ►FMEA Failure Mode and Effect Analysis (Fehlermöglichkeits und -einflussanalyse) ►FMECA Failure Mode, Effect and Criticality Analysis FPM ►Fehler-Prozess-Matrix (►FPM und PE²®) FQS Forschungsgemeinschaft für Qualität (►Forschung im QM) FRAP Frequenz Relevanz Analyse von Problemen FTA ►Fault Tree Analysis G ►GATT General Agreement on Tariffs and Trade GCS Gauge Capability Study GD&T Geometric dimensioning and tolerancing (Form- und Lagetoleranzen) GGS Gütezeichen Software e. V. ►GI-Club Gute Ideen-Club ►GLP Gute Laborpraxis GMA VDI/VDE-Gesellschaft Mess und Automatisierungstechnik ►GMP Good Manufacturing Practices GPM ►Geschäftsprozessmanagement GPO Geschäftsprozesssoptimierung GPS Ganzheitliche Produktionssysteme ►GQW Gesellschaft für Qualitäts wissenschaft e.V. ►GS Geprüfte Sicherheit GSG Gerätesicherheitsgesetz (ersetzt 6.1.2004 durch das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz) GPSG Geräte- und Produkt sicherheitsgesetz GUP Gütebedingungen und Prüfbe- stimmungen (►RAL)
H HACCP Hazard Analysis and Critical Control Point System (►HACCP-System) HAZOP Hazard and Operability Study ►HdA Humanisierung der Arbeit HLS ►High Level Structure HoQ ►House of Quality HRM ►Human Ressource Management HW Hardware I ►IAF International Accreditation Forum ►IAQ International Academy for Quality ►IATF Internationale Automobil Task Force ICC International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer) ►IEC International Electrotechnical Commission IECEE IEC System of Conformity Assessment Schemes for Electrotechnical Equipment and Components (►IEC) IECQ International Electrotechnical Commission Quality Assess ment System for Electronic Components (►IEC) IED Inside exchange Dies IEV International Electrotechnical Vocabulary IFAN International Federation for the Application of Standards ►IFS Food International Featured Standard Food ►ILAK International Laboratory Accreditation Cooperation ►ILU Intermodal Loading Unit IMEKO International Measurement Confederation (deutsch GMA) IMS Intelligent Management System INFOTERM Internationales Informa tionszentrum für Terminologie, Wien IPC Integrated Process Control IQM Integrated Quality Manage ment (►Integriertes Qualitäts management)
J
►ISA Industry Standard Architecture ►ISA International Federation of the National Standardizing Associations (►ISO) ►ISO International Organization for Standardization (Internationale Organisation für Normung) ISO/TC 69 Technical Committee 69 on Appplications of statistical methods of International Organization for Standardization ISO/TC 176 Technical Committee 176 on quality management and quality assurance of Interna tional Organization for Standardization ISO/TS ISO-Dokument als Technische Spezfikation IT Information Technology ITIL® IT Infrastructure Library (►IT Service Management mit ITIL®) J ►JAMA Japan Automobile Manu facturers Association, Inc. JCG Joint Coordinating Group ►JDS Job Diagnostic Survey JIS ►Just-in-Sequence JIT ►Just-in-time JQA ►Japan Quality Award ►JSQC Japanese Society for Quality Control ►JTC Joint Technical Committee (CEN/CENELEC-ISO/IEC: JTC 1) ►JUSE Union of Japanese Scientists and Engineers
XVII
K
Abkürzungen ⨀ abbreviations ⨀ abréviations
K K Internationale Qualitätszahl als Bezeichnung des Annahme faktors (früher acceptance factor) KBA Kraftfahrt-Bundesamt, Flensburg KCC Key Control Characteristic (Wesentliches Überwachungs- merkmal – General Motors) KI Künstliche Intelligenz KLB Kunden-Lieferanten Beziehung (-en), interne KMG Koordinatenmessgeräte KMO Kleine und mittlere Organisa tionen (normgerechte Ab kürzung für KMU) (en: ►SMO) KMU Kleine und mittlere Unterneh men (nicht normgerechte Ab kürzung; ►KMO) KonTraG Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmens bereich (►Corporate Gover nance) KPC Key Product Characteristic (Wesentliches Produkt- merkmal – General Motors) ►KPI Key Performance Index KPL Kreatives Problemlösen (►KPL-Techniken) KTA Kerntechnische Anlagen (►KTA 1401) ►KTQ Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesund heitswesen ►KVP Kontinuierlicher Verbesserungsprozess L LA Lenkungsausschuss (für Nor menausschüsse des ►DIN) ►LAN Local Area Network LBA Lob- und Beschwerdeanalyse ►LEP Ludwig-Erhard-Preis LCC Life Cycle Costs LM Lean Management LoE ►Levels of Excellence LP Lean Production LQ limiting quality (rückzuwei sende Qualitätsgrenzlage) LQL Limiting Quality Level LQM Lexikon Qualitätsmanagement
XVIII
M M7 Sieben Managementwerkzeuge MBNQA ►Malcolm Baldrige National Quality Award ►MbO Management by Objectives MDM ►Mobile Device Management MDT Mean Down Time (mittlere Störungsdauer) MFU Maschinenfähigkeits Untersuchung MGM Materialgruppenmanagement MGM-Teams Interdisziplinäre Teams im MGM ►MIL-Q 9858 Quality Programm Requirement (USA), beinhaltet die Forderungen für militärische Qualitäts sicherungssysteme MLA Multilateriale Abkommen MIT Massachusetts Institute of Technology MNPQ Mess-, Normen-, Prüf- und Qualitätsmanagementwesen MOTBF Mean Operating Time between Failures MRP Machine Resource Planing MSA Measurement System Analysis (Messsystem-Analyse) MSR Messen, Steuern, Regeln MTBF Mean Time between Failures ►MTM Methods-Time-Measurement MTTFF Mean Time to first Failure (auch MTTF) MTTR Mean Time to Repair MUT Mean up Time (mittlere Klardauer) N ►NA 147 Normenausschuss Qualitäts management, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen NADI Normenausschuss der Deutschen Industrie (gegr. 1917; 1975 Umbenennung in: ►DIN) NAGUS Normenausschuss Grundlagen des Umweltschutzes (►DIN) NDT Non-destructive testing NIST National Institute of Standards and Technology (USA) NOAC Next Operation as Customer NQSZ Normenausschuss Qualitäts management, Statistik und Zer tifizierungsgrundlagen (►DIN) NSB Neue Soziale Bewegungen
O
O ÖBVSV Öffentlich bestellter und ver eidigter Sachverständiger (Qualifikation) OC Operationscharakteristik (Ope- rating Characteristic Curve) ODM Object Data Management OE ►Organisationsentwicklung OEE ►Overall Equipment Effectiveness (►Total Productive management) ►OEM Original Equipment Manufac turer (Automobilhersteller) QMC Qualitätsmanagement Center (►VDA) ON Österreichisches Normungs institut (nicht ÖN) – en: Austrian Standards Institute OOD Object-oriented Design OR ►Operations Research OTBF Operating Time between Failures OTTFF Operating Time to first failure ÖVQ Österreichische Vereinigung für Qualitätssicherung; alt! (►Quality Austria)
P
Abkürzungen ⨀ abbreviations ⨀ abréviations
P ►PCGK Public Corporate Governance Kodex des Bundes PCM Parts Count Method PD Policy Deployment ►PDCA Plan-Do-Check-Act PDM ►Problem Detecting Method PFMEA Potential Failure mode and effects analysis (wie ►FMEA) PFU Prozessfähigkeits-Untersuchung ►PIMS Profit Impact of Market Strategie PjG ►Projektgruppe PPAP Production Part Approval Process (Produktionsteil Freigabeprozess) PPB Parts per Billion (= deutsch Milliarde) (109) PPM Parts per Million (106) – Fehlerteile pro eine Million PPS Produktionsplanung und -steuerung (►PPSS) PPSS Produktionsplanungs- und -steuerungs-System (►PPS) PR Producers Risk (Rückweise- wahrscheinlichkeit: Lieferantenrisiko) ►ProdHaftG Produkthaftungsgesetz ProdSG ►Produktsicherheitsgesetz PRP Producer’s Risk Point PTB Physikalisch-Technische Bundesanstalt Q Q1 ►Q1 Award von Ford Q2E ►Qualitätsmanagement in Schulen (Q2E-Modell) ►Q7 Sieben Qualitätswerkzeuge ►Q101 Regelwerk von Ford QA Quality Assurance ►Q-Berufe Berufe der Bereiche QM/QS Quality Circle QC QE Qualitätselement (en: Quality Element); seit ISO 9000:2000 nicht mehr genormter Begriff ►QEP Qualität und Entwicklung in Praxen QFD Quality Function Deployment (Kundenorientierte Produktentwicklung) QIT Quality Improvement Team QK Qualitätsbezogene Kosten QKE Qualitätskosten-Element
QKZ Qualitätskennzahl Q-LOSS Funktion von Qualitäts verlusten QM Qualitätsmanagement (en: Quality Management) QMB Qualitätsmanagementbeauftragter seit ISO 9000:2015 nicht mehr genormter Begriff (►Qualitäts beauftragter, ►Qualitätsmanage ment-Beauftragter) QMC Qualitätsmanagement Center (für Qualitätsmanagement zuständiges Referat beim ►VDA, genannt VDA-QMC) QME ►QM-Element (Quality Management Element); seit ISO 9000:2000 nicht mehr genormter Begriff QMH Qualitätsmanagement-Hand buch (en: Quality Management Manual); seit ISO 9000:2015 neu genormter Begriff (►QM-Handbuch) QMS ►QM-System QSC Quality Steering Committee QMV Qualitätsmanagement Vereinbarung QQN Qualitätsnorm der Firma Quelle QOS Quality Operating System (Systematisches QM-System zur Verbesserung der Kunden zufriedenheit – Ford) OPEX Operational Excellence QRK ►Qualitätsregelkarte (en: Control Chart) QS Qualitätssicherung (en: quality assurance) ►QS-9000 Quality System Requirements ►QTK-Kreis Qualitäts-Termin-Kosten Kreis QVF ►Qualitätsverlustfunktion QZ ►Qualitätszirkel (en: Quality Circle) ►QZ Qualität und Zuverlässigkeit (Fachzeitschrift der ►DGQ)
S
R R4E (►RADAR-Bewertungsmethodik) RAB Registrar Accredition Board – U.S. accreditation body (de: US-amerik. Akkredi tierungsstelle) RADAR Results – Approach – Deployment – Assessment – Refinement (►RADAR Bewertungsmethodik) ►RAL Deutsches Institut für Güte sicherung und Kennzeich nung e. V., Bonn (RAL = Reichsausschuss für Liefer bedingungen, gegr. 1925) ►RAMS Reliability, Availability, Maintainability, Safety RFID Radio Frequency IDentification RM Reference Model RoC Return on Complaint RoQ Return on Quality RPP Rahmenprüfplan RQL Rejectable Quality Level (frühere Bezeichnung für LQ) RvC Raad voor de Certificatie – Dutch Council for Certifi cation (Niederländische Akkre ditierungsstelle) S SAP SAE SAQ SAGE SC SC ►SCC SCC SCM SCS SD SE
Systemanalyse und Programmentwicklung (►Qualitätsmanagement mit SAP) Society of Automotive Engineers (Verband amerikanischer Ingenieure) Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Qualitätsförderung Strategic Advisory Group on Environment Significant characteristic (Signifikantes Merkmal – Chrysler, Ford) Sub Committee der ►ISO Safety Certificat Contractor (Arbeitssicherheit) Standards Council of Canada (Kanadisches Institut für Normung) ►Supply Chain Management Service Control System Sustainable Development ►Simultaneous Engineering
XIX
S
Abkürzungen ⨀ abbreviations ⨀ abréviations
SEM Sequentielle Ereignismethode ►SERVQUAL Service and Quality SI Système International d’Unités SI Source Inspection SIPOC Supplier – Input – Process – Output – Customer SMED Single-Minute Exchange of Die SMMT Ltd Society of Motor Manufacturers and Traders Ltd. (Verband der britischen Automobil- und Zuliefer industrie, London) SMO Small and medium-sized Organizations (de: ►KMO) SMS Sicherheitsmanagementsysteme SNV Schweizerische Normen vereinigung ►SPC Statistical Prozess Control (Statistische Prozesslenkung) Strategic Planning Institutes SPI (►PIMS) SPP Strukturierter Planungsprozess (►Hoshin Kanri) ►SQAS Standard Quality Assessment System SQE ►Software Quality Engineering SQM Software-Qualitätsmanagement SOP Standard Operating Procedure SQRTF Supplier Quality Requirements Task Force (Arbeitsgruppe für Lieferantenforderungen der big three – ►QS-9000) SQS Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Management systeme SS Schnittstelle SW Software ►SWOT Strengths – Weakness – Oppor tunities – Threats T ►TAMS Total Arbeitsschutz Manage mentsystem ►TAT Turn around Time TBF Time between Failures TC Technical Committee der ►ISO TCS Total Customer Satisfaction TC 176 Technical Committee der ISO Zuständig ist für die Normen zum Qualitätsmanagement (►ISO/TC176) TFF Technikfolgenforschung
TGA Trägergemeinschaft für Akkrediiterung GmbH aufgelöst und aufgegangen in: ►DAkkS THERBLIG System der Zeiteinheiten im ►MTM-System: benannt nach Frank Bunker ►Gilbreth (rückwärts buchstabiert) TL 9000 Telecommunications Leadership TM Transformationsmanagement TMC Toyota Motor Corporation TNC Transnational Corporations TNU Transnationale Unternehmen ToC Theory of Constraints TPM Total Productive Maintenance TPM Total Productive Management TPM Third-party Maintenance TPS Toyota Production System TQ Total Quality TQA Total Quality Awareness TQC Total Quality Control (►TQM) TQC Top Quality Control ►TQM Total Quality Management (Umfassendes Qualitätsmanage ment) ►TRIZ Theory of inventive problem solving TS Technische Spezifikation TTFF Time to First Failure (eigentlich OTTFF = Operating Time to First Failure) TÜV Technischer Überwachungs verein e. V. U UBA Umweltbundesamt, Berlin UDC Universal Decimal Classification UGA Umweltgutachterausschuss 76 UIMS User Interface Management System UM Umweltmanagement UMAG Umweltgutachterausschuss UMS Umweltmanagementsystem UNEP United Nation Environments Programe ►Unicode Universal Coded Character Set (UCS) UNIDO United Nations Industrial Development Organization, Wien
Z
V Value Analysis (►WA) VA VAS Value-added Services VDA Verband der Automobil industrie eV, Frankfurt am Main VDI Verein Deutscher Ingenieure VE Value Engineering (Wertentwicklung) VIM International Vocabulary of Basic and General Terms in Metrology VMPA Verband der Materialprüfan stalten VOB Verdingungsordnung für Bauleistungen ►VOC Voice of the Customer VOL Verdingungsordnung für Leistungen (außer Bauleistungen) vQM virtuelles QM VU Virtuelle Unternehmung W WA
Wertanalyse (►VA) – Analyse des Kosten-Nutzen-Verhältnis ses von Funktionen WAQ World Alliance for Quality WC Working Committee der ►ISO (de: Arbeitsausschuss) WCM World Class Manufacturing WHO World Health Organisation (de: Weltgesundheitsorganisation) ►WSC World Standards Cooperation WTO World Trade Organisation (de: Welthandelsorganisation) WSS Werkstattsteuerung Z Z 299 Quality Assurance Program Requirements (kanadische Norm, war Vorbild für viele nationale Normen) ZD Zero Defects ZDS Zuverlässigkeits-Datensystem Zf P Zerstörungsfrei Prüfung ZLG Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, Bonn ZLS Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik ZS Zertifizierungsstelle ZVP Zuverlässigkeitsprüfung ••• ⨀⨀⨀ •••
XX
Wege in das Qualitätsmanagement Wege in das Qualitätsmanagement „Als es aber dann galt, das Vorhandene zu begreifen, suchte man nach Wegen. Doch man fand es nicht mehr. Die Stätten, wo man es hätte finden können, die Bibliotheken, gab es nicht mehr, nur noch Devices, Devices ….“ (J.J. Cale, Journal intime de la choutte, Marseille 2013)
1 Nicht nur zum Nachschlagen Lexika sind eigentlich zum Nachschlagen da. Dazu ist es lediglich erforderlich, das Alphabet anzuwenden, auf dem die Lexika in der Regel aufgebaut sind.
Der Einstieg in die Begriffe des Qualitätsmanagements wird oft als schwierig empfunden. Wir versuchen, Ihnen in diesem Abschnitt bewährte Methoden aufzuzeigen.
Beim Lexikon Qualitätsmanagement sollten Sie sich nicht damit zufrieden geben. Wie Sie bereits beim ersten Zugriff gesehen haben, können sie sich auch zu Beginn eines jeden Buchstabens an den Autoren orientieren, die für Sie geschrieben haben (Autorenfoto). Das Autorenverzeichnis (Seite 1277) weist zudem am Schluss der Kurzvita eines jeden Autors die Stichwortartikel aus, die im Lexikon von ihm verfasst wurden. Also eine weitere Orientierung zum interessierten Nachschlagen.
Drei Arten der Wissensaneignung: 1 Nachschlagen: Sie kennen den Begriff und wollen wissen, was er bedeutet. 2 Orientierung am Autor: Sie kennen den Autor und interessieren sich für seinen Beitrag im Lexikon. 3 Advance Organizer: Sie nutzen eine von einem Dritten entwickelte Lernstruktur, indem Sie gemäß dessen Vorgaben ein Stichwort nach dem anderen nachschlagen und so die relevanten Inhalte/Aspekte entdecken und zu ihrem eigenen Wissenskomplex zusammenfügen. Wenn Sie bereits über etwas Fachwissen/Problembewusstsein verfügen, können Sie auf den „Dritten“ verzichten und selbst den Advance Organizer entwickeln. Ihr Vorgehen hat dann eher hypothetischen Charakter.
2 Lexikonlernen mit „Advance Organizer“, die Begriffe der ISO 9000 Eine weitere Möglichkeit, das Lexikon nutzen zu können, ist der sog. „Advance Organizer“. Erschließen Sie mit seiner Hilfe das Lexikon gezielt, indem Sie zu dem, was Sie suchen, bereits eine Vorstruktur entwickeln. Wir geben Ihnen hier als Beispiel eine Vorstruktur zur Fragestellung „Ich möchte die ISO und die von ihr entwickelten Begriffe zur ISO 9000 kennenlernen. Im Lexikon komme ich da nur sehr schwer weiter. Die Begriffe sind alphabetisch eingeordnet. Gibt es einen ‚Advance Organizer‘?“
Advance Organizer: Folge der Spur des Weges, aber nicht blind, sondern nach einer Struktur, die einem zunächst wie ein Leuchtturm den Weg zeigt, den man dann selbst weitergehen kann.
ISO-9000-Begriffe mit dem Lexikon lernen
Ja, wir empfehlen Ihnen folgenden „Advance Organizer“: 1 Schlagen Sie die folgenden Stichwörter/Texte im Lexikon nach. Die darin enthaltenen Informationen geben Ihnen einen Überblick. ◼ Zu den Begriffen der ISO (S. VII) ◼ ISO ◼ ISA ◼ DIN e. V. ◼ Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 2 Schlagen Sie nun Seite XVIIIf auf. Dort finden Sie ein Tableau aller Begriffe aus der ISO 9000:2015-11. Sie können nun ganz nach Belieben diejenigen Begriffe nachschlagen, die Ihr besonderes Interesse finden. Damit haben Sie sich eine solide Wissensbasis angeeignet, die es Ihnen ermöglicht, weitere Fachliteratur besser zu verstehen. Entsprechend dieser Vorgehensweise, ein Lexikon zu nutzen, indem man sich zunächst eines „Advance Organizer“ bedient, den man selbst erarbeitet hat oder der einem von einem Mentor zur Verfügung gestellt wurde, ist es effektiver, fundiertes Wissen zu erlangen. Das umso mehr, zumal es so leichter möglich ist, den Verweispfeilen und den angehängten Literaturhinweisen im Lexikon zu folgen.
XXI
Tableau: Kernbegriffe der DIN EN ISO 9000:2015-11 nach 13 kategorialen Feldern
Bestimmungsbezogene Begriffe ► ► ► ► ► ► ► ► ►
Bestimmung Bewertung Überwachung Messung Messprozess Messmittel Prüfung Test Beurteilung des Fortschritts
Merkmalsbezogene Begriffe ► ► ► ► ► ► ►
Merkmal Qualitätsmerkmal menschlicher Faktor Kompetenz metrologisches Merkmal Konfiguration Bezugskonfiguration
Maßnahmenbezogene Begriffe ► ► ► ► ► ► ► ► ►
Vorbeugungsmaßnahme Korrekturmaßnahme Korrektur Neueinstufung Sonderfreigabe Freigabe Nacharbeit Reparatur Verschrottung
12
11
10
Kundenbezogene Begriffe ► ► ► ► ► ►
Rückmeldungen Kundenzufriedenheit Reklamation Kundendienst Verhaltenskodex zur Kundenzufriedenheit Konflikt
Begr ISO 9000
9
Daten-, informations-, und dokumentenbezogene Begriffe ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ►
Daten Information objektiver Nachweis Informationssystem Dokument dokumentierte Information Spezifikation Qualitätsmanagement-Handbuch Qualitätsmanagementplan Aufzeichnung Projektmanagementplan Verifizierung Validierung Konfigurationsbuchführung spezifischer Fall
► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ►
XXII
8
7
6
Ergebnisbezogene Begriffe
Anforderungsbezogene Begriffe
Ziel Qualitätsziel Erfolg nachhaltiger Erfolg Ergebnis Produkt Dienstleistung Leistung Risiko Effizienz Wirksamkeit
► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ►
Objekt Qualität Anspruchsklasse Anforderung Qualitätsanforderung gesetzliche Anforderung behördliche Anforderung Produktkonfigurationsangaben Nichtkonformität Mangel Konformität Fähigkeit Rückverfolgbarkeit Zuverlässigkeit Innovation
Auditbezogene Begriffe ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ►
Audit kombiniertes Audit gemeinschaftliches Audit Auditprogramm Auditumfang Auditplan Auditkriterien Auditnachweis Auditfeststellung Auditschlussfolgerungen Auditauftraggeber auditierte Organisation Betreuer Auditteam Auditor Sachkundiger Beobachter
Personenbezogene Begriffe ► ► ► ► ► ►
oberste Leitung Qualitätsmanagementsystem-Berater Einbeziehung Engagement Konfigurationsstelle Konfliktlöser
1
13
Organisationsbezogene Begriffe
2
► ► ► ► ► ► ► ► ►
Organisation Kontext der Organisation interessierte Partei Kunde Anbieter externer Anbieter DRP-Anbieter Verband Funktionsbereich Metrologie
riffe 0:2015-11 Tätigkeitsbezogene Begriffe
3
5 System Infrastruktur Managementsystem Qualitätsmanagementsystem Arbeitsumgebung metrologische Bestätigung Messmanagementsystem Politik Qualitätspolitik Vision Mission Strategie
Verbesserung fortlaufende Verbesserung Management Qualitätsmanagement Qualitätsplanung Qualitätssicherung Qualitätslenkung Qualitätsverbesserung Konfigurationsmanagement Änderungsüberwachung Tätigkeit Projektmanagement Konfigurationsobjekt
4
Systembezogene Begriffe ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ►
► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ►
Prozessbezogene Begriffe ► ► ► ► ► ► ► ►
Prozess Projekt Realisierung eines QM-Systems Kompetenzerwerb Verfahren ausgliedern Vertrag Entwicklung
Quelle: DIN EN ISO 9000:2015-11: Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe. Berlin (Beuth) 2015
XXIII
Wege in das Qualiätsmanagement 3 Total Quality Management (TQM), Wissen aus dem Lexikon Als weiteres Beispiel soll das Total Quality Management herausgegriffen werden. Was hat es mit diesem Managementkonzept auf sich? Wo sind seine Wurzeln? Welche Bedeutung hat es in der heutigen Managementlehre?
Total Quality Management als Musterbeispiel, wie man mit dem Lexikon Qualitätsmanagement lernen kann.
Aufschlussreiche Inhalte enthalten die Stichwortartikel, wie sie in Abbildung Vo03 systematisiert wurden. Es handelt sich gewissermaßen um drei Lernstränge, die das „curriculare“ Programm darlegen. Es empfiehlt sich, mit dem Stichwortartikel „Total Quality Management“ zu beginnen und diesen Lernstrang weiter zu verfolgen, bevor über den MBNQA die Abb. Vo03: Total Quality Management – Zugänge zum Lexikon Qualitätsmanagement Perspektive des EFQMLEP-Ludwig-ErhardIntegriertes Modells verfolgt wird. Preis Qualitätsmanagement, Losgelöst von diesen beiden Zugängen kann der St. Galler Ansatz die eher historische PerQualitätsauszeichnungen spektive über die Qua(European Excellence Berliner litätsexperten nachgeAward) TQMschlagen werden. Umsetzungsmodell Die Anstrengung lohnt EFQM sich, denn am Schluss Business wurde nicht nur reiner Exzellenz EFQM-Modell Stoff gepaukt, sondern durch TQM auch Erkenntnis gewonMBNQA nen, und man ist mit Business dem Wissen up to date. Exzellenz 4 Ausblick Damit konnte an zwei Qualität des Managements Beispielen gezeigt werden, dass es mit dem Qualitätsmanagement Lexikon Qualitätsma(Stichwortartikel) nagement sowohl möglich ist, Wissensinhalte nachzuschlagen wie Total Quality TQM Qualitätsexperten auch, sich Wissen anManagement Total Quality zueignen. Sicherlich ge(Stichwortartikel) Management lingt es Ihnen, weitere Deming, zentrale Themen als William Edwards Advance Organizer zu entwickeln. Feigenbaum, Armand Vallin •• ⨀⨀⨀ ••
Ishikawa, Kaoru Company-Wide Quality Control (CWQC) Total Quality Control (TQC)
XXIV
Alphabetischer Lexikonteil abc
Der Leitsatz „Constantia et Labore“ (fr: Travail et Persévérance, de: Arbeit und Ausdauer) wird Christoffer Plantijn (1520-1589) zugeschrieben, nach dem der Schriftfont „Plantin“ benannt wurde, auf den wiederum moderne Serifenschriften, wie die Times New Roman basieren. Er mag unserem Lexikon als Leitmotiv vorangestellt sein, das nun in der Tat mit Arbeit, Kraft und Ausdauer in die zweite Auflage gegangen ist. Manch einer mag die Ansicht vertreten „Das findet sich ja alles im Internet!“. Wir nicht!
1f 1... • Ziffern • Numerics • Numériques
3C-Modell 5F-Five Forces 5S-Arbeitsplatzgestaltung und -verbesserung 5W-Fünfmal Warum 7S-Modell 7W-Checkliste 8D-Report 10R-Regeln zur qualitätssicheren Medikamentengabe
Hans-Dieter Zollondz
1f 1... • Ziffern • Numerics • Numériques
3C-3C-Modell
5F-Five Forces 1... • Ziffern • Numerics • Numériques
3C-3C-Modell
◼ die Bedrohung durch neue Konkurrenten Das 3C-Modell ist eines der ersten Managementmodelle im ◼ die Bedrohung durch Ersatzprodukte Strategischen Managementdenken. Es wurde von dem Japa◼ die Verhandlungsmacht der Abnehmer ner und McKinsey-Direktor Kenichi Ohmae (genannt „Mr. ◼ die Verhandlungsstärke der Lieferanten Strategy“) entwickelt. Die drei C-Faktoren (oft 3C-Dreieck ◼ die Rivalität unter den existierenden Unternehmen genannt) bestimmen sich wie folgt: ◼ C1 = Customer (de: Kunde) Diese „Five Forces“ sind durch eine weitere Kraft, nämlich ◼ C2 = Competition (de: Wettbewerber) die der sog. Stakeholder zu ergänzen, wie die auf Porter ba◼ C3 = Corporation (de: Unternehmung) sierende Abbildung 01 der 5+1=6 Wettbewerbskräfte einer Branche zeigt: Obwohl der strategische Denkansatz aus den 1970er Jahren stammt (The Mind of the Strategy erschien im Amerika◼ die potentielle Macht und der Einfluss und die Möglichnischen 1982 und die japanische Erstausgabe im Jahr 1978 keit der Stakeholder in die Branchengeschehnisse einzu[1]), können die drei Cs noch heute als grundlegend für stragreifen und sie zu verändern tegisches Denken, wie es japanischer Denkweise eigen ist, Porter selbst hat diese sechste Kraft als Faktor zwar nie bestritangesehen werden. Im Zentrum strategischen Denkens steht ten, sie als Analysekategorie aber nicht in sein Schema intein Japan der Kunde mit seinen Forderungen, der sowohl aus griert. Diese Sicht ist jedoch nicht haltbar [2]. Die Bedeutung der Sicht des Wettbewerbs wie des eigenen Unternehmens in der Stakeholder wird sogar in den aktuellen ISO-9000-Kerneinem integrativen Strategieansatz konzentriert wird. Für jabegriffen herausgestellt. Dort werden sie ►interessierte Parpanische Strategien dürfen Kunden als strategische Basis nie tei/Partner am Markt genannt. Wenn die Branchenanalyse aus den Blick kommen. Daher hat das primäre Ziel der Straabgeschlossen ist zeigt sich im Ergebnis, also nach Einbezug tegie das Interesse am Kunden zu sein. Eine der Grundfragen und ausführlicher Analyse aller sechs Kräfte, ob es sinnvoll ist wäre, wie Kunden das Produkt nutzen. Die strategische Ausfür das Unternehmen in eine neue Branche einzutreten oder richtung wäre hieran anknüpfend eine Segmentierungsstratedie Tätigkeit darin aufzugeben. Bei dieser Entscheidung ist ins gie, indem die Hauptfaktoren bestimmt werden (KFS = key Kalkül zu ziehen, dass die kombinierte Stärke dieser Kräfte, factors for sucess). Hat der Wettbewerb diese KFS bereits bealso aller sechs Faktoren, auf manchmal schmerzhafte Weise setzt muss es darum gehen die Regeln des strategischen Spiels dem einen oder anderen, oft sogar sehr großen Unternehmen, neu zu bestimmen, also neue KFS einzuführen. Die Bedeutung dieser kurzen Skizze, die ja Abb. 01: Die fünf (+1) Wettbewerbskräfte nach Porter (5/6 Forces) nur ein Schlaglicht auf Ohmaes Strategiekonzeption wirft, ist für das QualitätsmaPotentielle Potentielle neue weitere nagement offensichtlich, aber auf Ohmae Wettbewerber Stakeholder zurückgreifend doch noch nicht nachgezeichnet worden: Kundenorientierung wird Potentielle Bedrohung spätestens seit ►Demings Seminaren in JaVerhandlungsmacht durch und die Möglichkeit, neue pan als ein Fixpunkt für qualitätsbezogenes Wettbewerber in die Branchengeschehnisse Denken gesehen. einzugreifen Literatur [1] Ohmae, K.: Mind of the Strategist. 2. edition. Ney York (McGraw-Hill) 1991
3Mu
▶ Muda, Mura, Muri
5F-Five Forces
▶interessierte Partei Im Rahmen der Branchenanalyse muss sich die oberste Leitung eines Unternehmens neben der Wettbewerbsanalyse mit der Dynamik in der Branche befassen. Nach Porter bestimmen fünf Faktoren (Kräfte oder engl. Forces) maßgeblich den Wettbewerb in der Branche [1]. Er schlägt folgendes Analyseschema (5f = five forces):
Wettbewerber in der Branche Lieferanten
Verhandlungsstärke der Lieferanten
Rivalität unter den etablierten Branchenanbietern
Verhandlungsmacht der Kunden
Kunden
Bedrohung durch Substitutionsprodukte oder -dienstleistungen
Ersatzprodukte
5
1...
5S-Arbeitsplatzgestaltung und -verbesserung
1...
5S-Arbeitsplatzgestaltung und -verbesserung
1... • Ziffern • Numerics • Numériques demonstriert hat, gezwungenermaßen aus der Branche auszusteigen. Oft wurden Signale einfach ignoriert, geschweige denn gründliche Branchenanalysen durchgeführt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Im Deutschen kann auch der Buchstabe S bemüht werden. Aber für manche Autoren ist der Begriff 5A (A = Arbeitsplatz/ Arbeitsplatzgestaltung) gebräuchlich. Er führt zu folgenden sprachlichen Anpassungen, die wohl auch mnemotechnisch einprägsamer erscheinen:
Literatur
◼ ◼ ◼ ◼ ◼
[1] Porter M. E.: Wettbewerbsstrategie (Competitive Strategy). Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten. 5. Aufl. Frankfurt am Main (Campus) 1988 [2] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Marketing. Von der Vermarktungsidee zum Marketinkonzept. 3. Aufl. Berlin (Cornelsen) 2006, S. 38ff
5S-Arbeitsplatzgestaltung und -verbesserung Die Qualität der Umgebung sagt etwas über die Qualität der Arbeit und der Arbeitsprozesse aus.
Begriff
5S ist eine auf den Raum (Arbeitsplatz) und die Tätigkeit zielende entsprechend dem Verbesserungsprinzip bottom-up angewandte Technik zur Arbeitsplatzgestaltung, die auf einer definierten Schrittfolge (5S) beruht und die es ermöglicht Verschwendung (jap.: Muda) zu identifizieren und zu elimenieren. Der Begriff 5S bezieht sich auf die folgenden japanischen Wörter, die alle – wie auch die englischen Übersetzungen – mit einem S-Laut beginnen: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
seiri sort seiton simplify seiso sweep seiketsu standardize shitsuke self diszipline
Sortiere! Systematisiere! Sauberkeit! Standardisere! Selbstdisziplin!
Abb. 02: 5S in japanischen Schriftzeichen
◼ seiri
◼ seiton
5S
◼ seiso
◼ seiketsu
◼ shitsuke
6
Aussortieren (seiri) Aufräumen (seiton) Arbeitsplatzsauberkeit (seiso) Anordnung zur Regel machen (seiketsu) Alle Punkte einhalten und verbessern (shitsuke)
Manchmal wird noch ein sechstes S für Safety (Sicherheit ) angehängt. Aber auch die Verkürzung ist bekannt. So hat Toyota eine Vierer-Systematik eingeführt, indem die ersten beiden Schritte (seiton und seiso) miteinander kombiniert werden. Die Ursprünge von 5S lassen sich im Schrifttum zuerst bei Osada [1] und Hirano [2] finden. In der Literatur zum Toyota Produktionssystem ist von 5S bzw. 4S zunächst nicht die Rede. Offenbar geht die 5S-Systematik nicht direkt auf Toyota zurück, wohl aber wendet Toyota 5S in der o. g. Version 4S an. Wenn von 5S die Rede ist, werden meistens Beispiele aus dem Produktionsbereich bemüht. Doch der Ansatz ist universell, gilt also sehr wohl auch für den administrativen Bereich. Es sollte bedacht werden, dass er sich auf Tätigkeiten bezieht und nicht auf Prozesse. Deshalb ist 5S der erste Schritt und für Prozessmanagement voraussetzend. Die Schrittfolge ist zudem zyklisch zu sehen, baut aufeinander auf, und nachdem sie einmal durchlaufen wurde, heißt es in Schritt 5 wieder „seiri, seiton, seiso, seiketsu, shitsuke“. Zur Erhöhung der Verständlichkeit kann den appellativen Ausführungen in [3, S. 14] gefolgt werden: 1 Sortieren (seiri) – Trenne „Notwendigkeites“ (für den laufenden Gebrauch) und „nicht Notwendiges“. Markiere alles, was nicht jede Woche benötigt wird, und entscheide über die Verwendung. Eliminiere Abfall. Finde Lösungen für „nich Notwendiges“. Schaffe einen Quarantänebereich, falls notwendig. Räume auf. 2 Systematisieren (seiton) – Alles Notwendige (von Phase 1) muss geordnet, organisiert und Gegenstände müssen korrekt platziert werden, um diese schnell und einfach wiederzufinden. Mache sichtbar, wo etwas ist, was es ist und wo es nach Gebrauch wieder hinzulegen ist: Was häufig benötigt wird, muss in der Nähe platziert sein. Die Plätze müssen klar gekennzeichnet sein. Entscheide über den Anordnungsfsfluss im Arbeitsbereich. 3 Sauberkeit (seiso) – Führe eine Grundreinigung des Arbeitsbereichs durch. Suche nach Quellen von Schmutz und Staub und reduziere oder vermeide diese. Manchmal ist es notwendig, Böden, Wände oder Decken zu streichen. Nütze die Reinigung zur Inspektion von Ma-
5S-Arbeitsplatzgestaltung und -verbesserung
5W-Fünfmal Warum
1... • Ziffern • Numerics • Numériques schinen und Anlagen. Repariere alles, was kaputt ist oder nicht funktioniert. 4 Standardisieren (seiketsu) – Integriere die ersten 3S dauerhaft in den Arbeitsalltag. Wirke dem Verhalten entgegen, wieder in altbewährte Muster zu verfallen: Reduziere oder eliminiere die Gründe für Staub und Schmutz. Entwickle One-Page-Standards. Führe optische Hilfsmittel und Checklisten ein. 5 Selbstdisziplin (shitsuke) – Stelle dauernde und konsequente Anwendung der ersten 4S sicher, damit diese ein ständiger Bestandteil der Arbeitskultur werden. Mache geregelte 5S-Runden (alle 2 Wochen/einmal pro Monat) mit der 5S-Checkliste. Anmerkungen und Abweichungen werden bearbeitet. Koninuierliche Verbesserung durch das 5S-Team. Bei konsequenter und dauerhafter Anwendung von 5S wird Muda beseitigt und der Arbeitsbereich völlig neu gestaltet. Fehler und Probleme werden reduziert, Informationsverluste vermieden und Termintreue gesteigert. 5S ist als „Bottomup-Maßnahme“ zu verstehen. Jedem Mitarbeiter obliegt es, Verschwendung zu vermeiden und zu eliminieren. Der Identifizierung von Muda können direkt Aktionen folgen, die im Verantwortungsbereich des Mitarbeiters liegen. Die Aufgaben der leitenden Mitarbeiter sind es, ihre Mitarbeiter zu trainieren, Freiräume zu schaffen und Veränderungen aktiv zu unterstützen. Was wird mit 5S gewonnen? ◼ Qualitätssteigerung durch mehr Ordnung und Sauberkeit ◼ Standardisierung ◼ Reduktion von Suchzeiten ◼ Steigerung der Qualität der Arbeitsleistung ◼ Hohe Umsetzbarkeit durch Integration in den Arbeitsalltag ◼ Vermeiden und Eliminieren von Muda. 5S kann als Basis des operativen Qualitätsmanagements angesehen werden. Es grenzt den Raum ein, indem das unmittelbare Umfeld des Arbeitshandelns als Bezugsebene angenommen wird. Die Anwendung ist somit überschaubar. Erfolge sind bereits kurzfristig (mit jedem Schritt) erkennbar. Ein Ergebnis der systematischen Anwendung kann in der Aufdeckung möglicher Probleme und verschütteter Praxen gesehen werden wie sie im Verlauf der Jahre entstanden sind. Betrachten wir beispielhaft einen Büroarbeitsplatz, so lassen sich die folgenden Merkmale bestimmen, die einen gut organisierten Arbeitsplatzes ausmachen [4, S. 21]: ◼ „Es liegt nichts Überflüssiges herum. ◼ Er ist tadellos sauber und aufgeräumt. ◼ Der notwendige Papierkrieg ist minimal und einfach. ◼ Gegenstände oder Informationen können in maximal 30 Sekunden gefunden werden.
◼ Gegenstände oder Informationen können in maximal 30 Sekunden am richtigen Ort verstaut werden. ◼ Es ist eindeutig festgelegt, welche Arbeitsweise Standard ist. ◼ Der Arbeitsplatz ist so übersichtlich, dass Abweichungen sofort auffallen.“ Dieses Bild zeigt: 5S ist mehr als „Aufräumen“. Es ist nachhaltige verschwendungsfreie Arbeitsplatzgestaltung mit der Option zur Langfristigkeit (►KVP). Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Osada Takashi: The 5S‘s: five keys to a total quality environment. San Francisco (Asian Productivity Organization) 1991 [2] Hirano, H.: 5S for Operators: 5 Pillars of the Visual Workplace. Portland, Oreg. (Productivity Press) 1995 [3] Kroslid, D., F. Gorzel und D. Ohnesorge: 5S – Prozesse und Arbeitsumgebung optimieren. München (Hanser) 2011 [4] Teeuwen, B. und Chr. Schaller: 5S. Die Erfolgsmethode zur Arbeitsplatzorganisation. 3. Auflage. Ansbach (CETPM) 2015
5W-Fünfmal Warum
▶Toyota Managementsystem ▶Lean Management Das Fünffache Warum findet der interessierte Leser in dem Buch von ►Ohno Taiichi zum Toyota Produktionssystem erstmals dargestellt [1, S. 43f]. Doch es ist älter. Es geht auf den legendären Gründer von Toyota, Toyoda Sakichi, zurück, der es als erstes Prinzip einer guten Organisation verstanden haben wollte. Sakichi hatte sich nie mit verkürzten schnellen Lösungen zufrieden gegeben. So hat er auf die Einhaltung dieses Prinzips in seiner Umgebung gepocht. Es war dann aber Ohno, der es zum ersten Prinzip des TPS erhob. Ohno selbst hatte ja Sakichi nie kennen können. Es wurde über seinen Sohn Kiichiro tradiert [2, S. 78]. Diese Qualitätstechnik, bei der die wahre Ursache ermittelt werden soll, wird an einem Beispiel – wie es sich ähnlich auch bei Ohno findet – wie folgt erläutert: ◼ Beispiel: „Das Lager einer Maschine ist heißgelaufen“ – Analyse: Wende die Fünf-Mal-Warum-Analyse an! 1 Warum hat die Maschine angehalten? – Weil das Lager heißgelaufen war. 2 Warum ist das Lager heißgelaufen? – Weil es nicht ausreichend geschmiert war. 3 Warum war das Lager nicht ausreichend geschmiert? – Weil es vom Schmiersystem nicht ausreichend versorgt wurde. 4 Warum wurde es nicht ausreichend versorgt? – Weil es eine kleine Beschädigung am Versorgungsschlauch gab. 5 Warum war der Schlauch beschädigt? – Das Material war durch ständige Bewegung durchgescheuert. – Maßnahme: Schlauch ersetzen und so verlegen, dass er in Zukunft nicht mehr belastet wird.
7
1...
1...
5W-Fünfmal Warum
7S-Modell 1... • Ziffern • Numerics • Numériques
Ohno empfiehlt fünfmal Warum zu fragen, wenn ein Problem auftritt, weil er davon ausgeht, dass sich dann – wie bei einer Zwiebel – Schale für Schale die wahre Problemursache herausbilden wird. Ein Musterbeispiel ist die o. erläuterte angehaltene Maschine. Doch diese Qualitätstechnik des fünfmaligen Fragens, um eine Antwort auf die (wahre) Ursache zu erhalten ist nicht irgendeine Qualitätstechnik. Sie steht mit ihrer symbolischen FÜNF im Zentrum des TPS [1, S. 43]: „Wenn man nach dieser Art fünfmal warum fragt, kann man dadurch das Grundproblem eher finden und beseitigen. Geht man nicht so vor, wird man wahrscheinlich einfach … Dann wird das Problem in ein paar Monaten wieder auftreten.“ … „Das ToyotaProduktionssystem beruht auf der Anwendung und Weiterentwicklung dieses Ansatzes. Wenn man fünfmal warum fragt und jedesmal nach der Antwort sucht, hat man gute Chancen, die wahre Ursache des Problems aufzudecken, die oft hinter offensichtlicheren Symptomen versteckt ist.“ Das Beispiel und die Schlussfolgerung mögen zu der Ansicht führen, dass es lediglich um das Hinterfragen technischer oder organisatorischer Phänomene geht. So wird die Anwendung des Prinzips jedenfalls heute in der Fachliteratur dargestellt. Für Ohno ist das eine verkürzte Denkart. Er weist darauf hin, dass die systematische Anwendung der Warum-Fragetechnik bei Toyota zur Erkenntnis von Prinzipien geführt hat, die heute grundlegend im TPS angewandt werden, wie die Produktionsnivellierung, die visuelle Kontrolle, das Kanban u.v.a.m. [1, S. 44]. Diese wichtige Passage in Ohnos Grundlagenwerk zeigt, dass Toyotas Produktionssystem nicht aus zig Trial-and-Error-Situationen entstanden und konfiguriert Abb. 03: Erkenntnisgewinnung duch Fünfmal Warum fragen
Fünfmal Warum fragen
Verbesserung (evtl. Standardisierung)
Erkenntnisgewinnung (Entdeckung neuer organisatorischer Prinzipien)
JiT Kanban …
8
Literatur
[1] Ohno, T.: Das Toyota Produktionssystem. Frankfurt am MainNew York (Campus) 1993 (jap. 1978) [2] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. München (Oldenbourg) 2013
7M-7M-Checkliste
▶Ishikawa-Diagramm Die von manchen Autoren und Praktikern sog. 7M-Checkliste zielt auf das ►Ishikawa-Diagramm. Die im Ishikawa-Diagramm bestimmten Kategorien werden als immer wieder zu prüfende Faktoren bei Problemen aufgelistet.
7S-Modell
▶en: 7S model ▶McKinsey 7S-Modell ▶Business Exzellenz ▶Business Exzellenz durch TQM ▶Erfolgsfaktoren „Nur diese einfach denkenden Menschen … haben ihre simplizistische Sicht bewahrt. Und ihre Unternehmen sind damit bemerkenswert gut gefahren.“ (Peters & Waterman 1984, S 370)
Unter der Bezeichnung 7S-Modell versteht man ein „Erfolgsfaktorenschema“ (►Erfolgsfaktoren) von sieben aufeinanderbezogenen zentralen Schlüsselfaktoren, die sowohl Ansatzpunkte für Interventionen wie auch zur Gestaltung der Organisation bieten. Von Binsenweisheiten und Platitüden ist in [1, S. 7] die Rede, wenn es um die Nennung von ►Erfolgsfaktoren geht. Die sieben in einem Modell integrierten Schlüsselfaktoren bilden dennoch wichtige Quellen für nachhaltige Wettbewerbsvorteile. Sie wurden in [1] und [2] von den McKinsey-Kollegen Richard Pascale & Anthony Athos zusammen mit Tom Peters & Robert M. Waterman jun. erstmals Anfang der 1980er
Begriff
Neugestaltung (z. B. neue Prozesse)
wurde, sondern sich einer stringenten empirischen Basis verdankt, die auf Fakten und Schlussfolgerungen beruht, wie es nur bei einer wissenschaftlichen Vorgehensweise möglich ist, die ja auch auf dem Stellen von Fragen beruht. Abbildung 03 zeigt die möglichen Ergebnisse bei systematischer Anwendung des fünfmaligen Warum-Fragens. Im Vordergrund stehen die für den Praktiker wichtigen Ergebnisse der Neugestaltung. Doch zumindestens genauso essentiell ist es, dass die Warum-Führung konsequent verfolgt zu neuen Erkenntnissen führen wird, die – wenn man nur an die organisatorische Neugestaltung der Produktion durch JiT im TPS denkt – möglicherweise im Widerspruch bisher geübter Praxis steht. Diese abschließenden Ausführungen erinnern an Sokrates, der uns auch – jedenfalls zeugen davon einige Dialoge des Platon – eine erkenntnisleitende Fragemethodik geliefert hat. Ohnos Anliegen – auf den bescheideneren Bereich der Organisation bezogen – ist ähnlich zu sehen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
7S-Modell
7S-Modell 1... • Ziffern • Numerics • Numériques
Jahre in Buchform publiziert. Man sollte sie Abb. 04: 7S-Modell mit den acht Grundtugenden jedoch nicht – was meistens geschieht – isoliert, sondern „ergebnisbezogen“, wie Abbildung 04 zeigt (s. Tugenden). Entstanden ist das Schema aus dem Versuch, Structure allgemeine Erfolgsfaktoren für Unternehmen zu entwickeln. Während Pascale & Athos diese in japanischen Unternehmen untersuchten Systems Strategy erforschten Peters & Waterman US-amerikanische Unternehmen. Als Untersuchungsmethode wurden vor allem Experteninterviews Shared mit den Repräsentanten der Unternehmen SelbstverValues/ geführt. Die Ergebnisse dienten der Fundie= ständnis Superordinate rung der Beratungsarbeit von McKinsey. Die goals Idee, die Ergebniss von Peters & Waterman dann doch als Buch zu veröffentlichen ist darauf zurückzuführen, dass die Firma PepsiCo Style Skills in den USA eine geraffte eintägige Ergebnispräsentation wünschte. So sahen sich die Autoren gezwungen über das Schema hinaus Ergebnisse herauszuarbeiten und diese zu Staff verbalisieren. So ist das Buch „In Search of Excellence“, in dem es im quantitativ umfangreicheren Teil um die von ihnen sogenannten acht Grundtugenden geht, aus den ErgebAcht Grundtugenden nissen der Untersuchung entstanden. Die 7S 1 Primat des Handelns 5 Sichtbar gelebtes Wertsystem dienten so gesehen nur als Mittel zum Zweck, 2 Nähe zum Kunden 6 Bindung an das angestammte Geschäft als kategoriales Raster. 3 Freiraum für Unternehmertum 7 Einfacher, flexibler Aufbau Die in Abbildung 04 skizzierten 7S lassen 4 Produktivität durch Menschen 8 Straff-lockere Führung Quelle: In Anlehnung an Peters & Waterman 1982, S. 32; Pascale & Athos 1981, S. 245 sich nach Pascale & Athos wie folgt beschreiben [2, S. 94]: ◼ Strategy (Strategie) – Aktionsplan oder Vorgehensweise, In der Abbildung sind die drei blau hinterlegten Faktoren welche die Mittel einer Firma für eine bestimmte Zeit so Strategy, Structure und Systems als „harte“, rationale Faktoren einsetzt, dass Zielvorstellungen realisiert werden. besonders hervorgehoben. Sie gelten schon immer als aus◼ Structure (Struktur) – Kennzeichen des „Schaltplans“ der schlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg. Sie sind messOrganisation (z. B. funktional, dezentralisiert usw.). bar und lassen sich auch relativ schnell verändern. Dagegegen ◼ Systems (Systeme) – Festgelegte Berichte und routinemäsind die vier „weichen“ Faktoren Skills, Staff, Style und suborßige Prozesse, wie z. B. Besprechungsstruktur. dinate Goals von emotionaler, intuitiver Natur und schlecht◼ Staff (Personal) – „Demografische“ Beschreibung wichmessbar. Die Autoren betonen die gleichrangige Bedeutung tiger Personalkategorien innerhalb der Firma (z. B. Ingesowohl der „harten“ wie auch der „weichen“ Faktoren. Unternieure, Selbst-Starter usw.). nehmen sollte es auch gelingen die eher längerfristig orien◼ Style (Stil) – Kennzeichen, wie sich Schlüsselmanager tierten „weichen“ Faktoren fest zu institutionalisieren. Keiner verhalten, um die Ziele der Organisation zu realisieren; der sieben Erfolgsfaktoren darf unberücksichtigt bleiben. Es auch der kulturelle Stil der Organisation. wird angenommen, dass im Laufe der Zeit der eine oder an◼ Skills (Fähigkeiten) – Besondere Fähigkeiten des Schlüsdere Faktor mehr in den Vordergrund rückt, was aber nicht selpersonals oder der Firma als Einheit. bedeutet, dass einer der anderen Faktoren in die Bedeutungs◼ Superordinate Goals (Übergeordnete Ziele) – Die wesentlosigkeit zurückfallen darf. lichen Bedeutungen oder Führungsrichtlinien, mit welchen eine Organisation ihre Mitglieder versieht. In manWas zeichnet erfolgreiche Unternehmen wirklich aus? Die chen Versionen des Modells wird dieser Faktor Shared von Peters & Waterman sog. acht Grundtugenden lassen sich Values also Geteilte Werte genannt. Damit soll ausgedrückt wie folgt charakterisieren [1, S. 117-370]: werden, dass diese Ziele von allen Mitarbeitern getragen werden sollen.
9
1...
1...
7S-Modell
◼
◼
◼
◼
◼
◼
◼
10
7S-Modell
1... • Ziffern • Numerics • Numériques Primat des Handelns – Agilität und Schnelligkeit sind die geführt habe [1, S. 351]. Die Begriffe Prozessorganisation Merkmale erfolgreicher Unternehmen. Über die Grenoder Prozessmanagement findet man in der Studie nicht. zen der Organisation hinaus wird agiert. Probleme werVon Flexibilität und wenig Managementeben ist die Rede. den erkannt, Chancen genutzt und aus Fehlern wird geAuch sollten Freiräume maximiert werden. Drei Prinlernt, anstatt diese zu vertuschen. zipien werden genannt, die eine zukünftige Organisation Nähe zum Kunden – Kundenzufriedenheit ist hier das auszeichnene sollte [1, S. 360]: „Das Prinzip der StabiThema, Erwartungen der Kunden gilt es zu übertreffen. lität für das effiziente Wahrnehmen der Grundaufgaben, Hier ist auch das Thema Qualität zu verorten: „Service, das Prinzip des Unternehmertums für regelmäßige InnoQualität, Zuverlässigkeit sind Strategien, die auf Kunvationen und schließlich das Prinzip der Mobilität für Redenbindung und langfristige Ertragssteigerung (und aktionsfähigkeit und das Vermeiden von Verkrustungen.“ -absicherung) ausgerichtet sind. Die Hauptaussage … Diese Prinzipien kommen den Führungssystemen vieler ist, dass die besten Unternehmen sich besonders auf die der exzellenten Unternehmen sehr nahe. Erzielung von Erträgen zu verstehen scheinen. Das eine ◼ Straff-lockere Führung – Peters & Waterman vertreten ergibt aus dem anderen.“ [1, S. 190]. Schließlich gelingt hier eine Sowohl-als-auch-Argumentation, indem sie es den besonders erfolgreichen Unternehmen ihre Mitzu erkennen glauben, dass erfolgreiche Unternehmen arbeiter zu der Überzeugung zu bringen, dass diese Quaeinerseits sehr strenge Regeln eingeführt haben (z. B. pelität und die Lösung von Kundenproblemen zu ihrem dantisches Bemühen um Details), aber gleichzeitig ihre persönlichen Anliegen zu machen. Mitarbeiter sehr selbständig, unternehmerisch und innoFreiraum für Unternehmertum – Suchen nach neuen Ideen vativ denken und handeln lassen. Diese werden hierbei und Experimentieren der Mitarbeiter wird gefördert, was gestützt durch die Wertsysteme. Es geht also darum, die einschließt, dass den Mitarbeitern bei Mißerfolgen und Balance zu finden zwischen straffer zentraler Führung Fehlschlägen ein hohes Maß an Toleranz erwarten könund möglichst große Selbstängikeit des einzelnen. nen. Bleibt festzuhalten, dass die Tugenden oder Binsenweisheiten Produktivität durch Menschen – Ein hohes Maß an Verzeitgemäßen Managements wie sie von Peters & Waterman trauen, das den Mitarbeitern spürbar entgegengebracht beschrieben werden, zwar einfach und eingängig klingen, wird, sorgt für persönliches Engagement. Respekt vor aber immer noch schwer umzusetzen sind. Deshalb müssen dem Einzelnen, Förderung von Eigeninitiative und jegdie Erkenntnisse aus „in Search of Excellence“ auch heute liche Art von Weiterbildung für die Mitarbeiter sorgen noch als bemerkens- und beachtenswert angesehen werden, dafür, dass die Produktivität der Mitarbeiter steigt. gerade weil den weichen Faktoren nach wie vor eine sehr Sichtbar gelebtes Wertsystem – Erfolgreiche Unternehmen große Bedeutung beigemessen werden muss. Faktoren wie kommunzieren ihre Wertvorstellungen sowohl den MitWerte, Fähigkeiten, Kultur, Stil und Personal gilt es zunächst arbeitern gegenüber wie auch gegenüber der Öffentlichals Schlüsselfaktoren zu begreifen und zu verstehen, um sie keit (►Leitbild). Sie nehmen die Gestaltung eines Werdann als Managementaufgabe operational werden zu lassen. systems sehr ernst. Es wird als Selbstverständnis gesehen, das von allen Mitarbeitern gestützt werden muss. Zitiert Der Aspekt Qualität bzw. Qualitätsmanagement findet sich wird das Buch von Th. Watson jun. „A Business and Its zwar nicht auf der obersten kategorialen Ebene und wird Beliefs“ aus dem Jahr 1961. Die Autoren weisen aber auch bei den Tugenden nicht vorrangig genannt. Abgeleitet auch darauf hin, dass ein klar aufgebautes Wertsystem aus der zweiten Grundtugend „Nähe zum Kunden“ sahen Pegelebt werden muss und der ►Mindset aller sich daran ters & Waterman aber bereits Anfang der 1980er Jahre darin auszurichten habe. Hier ist das Management gefordert, einen wesentlichen Erfolgsfaktor, den sie an vielfältigen Beiindem es durch Vorbild führt. spielen illustrieren. Bindung an das angestammte Geschäft – Hingewiesen wird Hans-Dieter Zollondz, auf das Risiko, das angestammte Geschäft zu verlassen Vichy und in Bereiche vorzustoßen, in denen das Unternehmen Literatur über keine Kompetenzen verfügt. Die Autoren plädieren [1] Peters, Th. J., Waterman, R. H. jun.: Auf der Suche nach Spitdafür, das angestammte Geschäft, in dem man über Kernzenleistungen. Was man von den bestgeführten US-Unternehmen kompetenzen verfügt, nicht zu verlassen, weil ihre Analernen kann. Landsberg (mi) 1984 (orig.: In Search of Excellence. lysen zeigen, dass die erfolgreichen Unternehmen sich Lessons from America’s Best-Run Companies. New York [Harper & immer auf ihre Kernkompetenzen beziehen. Inwieweit Row] 1982) [2] Pascale, R. T., Athos, A. G.: Geheimnis und Kunst des japadas grundsätzlich zutrifft mag angezweifelt werden. nischen Managements. München (Heyne) 1982 (orig.: The Art of Einfacher flexibler Aufbau – Hier geht es um die OrganisaJapanese Management. Applications for American Business. New tion, die trotz Größe nicht zu komplex sein sollte. So arYork [Simon & Schuster] 1981) gumentieren die Autoren gegen die Matrixorganisation, die Unternehmen schon in ein „hoffnungsloses Chaos“
7W-7W-Checkliste
8D-Report 1... • Ziffern • Numerics • Numériques
7W-7W-Checkliste
▶7W-Fragen ▶Projektmanagement Egal ob man einen Maßnahmeplan erstellen muss oder ob es darum geht, eine gründliche Problemanalyse vorzubereiten, man tut gut daran, einen Blick in die Antike zu werfen. Sowohl Denker des Qualitätsmanagements wie auch neuerdings des Projektmanagement [1] greifen auf Marcus Tullius Cicero (106 v. Chr.-43 v. Chr.) mit seiner Fragetechnik (im „de oratore“ zu finden) zurück und präsentieren den Wissbegierigen, dass es schlicht und einfach darum geht, sich am bewährten Fragegerüst von sieben Fragen zu halten und diese Fragestruktur immer wieder zu bemühen, indem man auf die zu bearbeitende Sache konzentrierte Unterfragen stellt. Es lassen sich dann lt. Cicero durch korrekte Beantwortung dieser offenen Fragestruktur die Umstände menschlichen Handelns eindeutig nachvollziehen. Analog dazu das Qualitätsmanagement: Es lassen sich die Hintergründe von Qualitätsproblemenen fragetechnisch ermitteln. Das Instrument ist universell, also anwendbar auf alle Qualitätsprobleme. Die sieben Fragen Ciceros lauten: was (quid), wer (quis), warum (cur), wie (quomodo), wann (quando), wo (ubi) und wie (quomodo). Für das ►Projektmanagement lassen sich die Fragen wie folgt fassen [1]: 1 2 3 4 5 6 7
Wo stehen wir? Warum machen wir das Projekt? Was soll konkret erreicht werden? Wer ist involviert? Wie strukturieren wir das Projekt? Bis wann müssen Teilziele erreicht werden? Wie viel kostet das Projekt?
Der Japaner Kiyoshi Suzaki hat die sieben Fragen Ciceros bereits 1991 in seinem damals vielbeachteten Buch empfohlen, um komplexe Sachverhalte im Qualitätsmanagement aufzuschlüsseln und transparent so der Analyse zuführen zu können. Seine Unterfragen differenzieren den Gegenstand. Sie sollen in Zeitintervallen wiederholt werden, bis man den Kern der Problemstellung durchdrungen hat und Lösungen entwickeln kann [2]: 1 Was (Objekt)? Was ist zu tun?
Was wurde bereits getan? Was soll getan werden? Was kann noch getan werden? Was sollte sonst noch getan werden? Warum können wir diese Aufgabe, dieses Material, usw. nicht eliminieren?
2 Wer (Person)? Wer macht das?
Wer macht das zur Zeit? Wer sollte das tun? Wer kann das sonst noch tun? Wer sollte das sonst noch tun? Warum soll ich (oder er/sie) das tun?
3 Warum (Zweck)? Warum macht er das?
Warum wird das getan? Warum wird das dort getan? Warum wird das auf diese Weise getan? Warum wird das in diesem Fall getan?
Wie ist das getan worden? Wie sollte das getan werden? Gibt es eine andere Möglichkeit das zu tun? Ist das die beste Möglichkeit?
Wann ist das getan worden? Wann sollte das getan werden? Ist es notwendig, das dann zu tun?
Wo ist das getan worden? Wo sollte das getan werden? Wo kann das sonst noch getan werden? Warum sollte das da getan werden?
Wie viel kostet das? Wie viel sollte das kosten? Wie viel können wir sparen?
4 Wie (Methode)? Wie wird das getan?
5 Wann (Zeit)? Wann ist das zu tun?
6 Wo (Ort)? Wo wird das getan?
7 Wie viel (Kosten)? Wieviel ist das?
Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Literatur
[1] URL: http://projekte-leicht-gemacht.de/blog/pm-in-derpraxis/einen-projektplan-erstellen-nur-7-schritten/– abgerufen am 10.11-2015 [2]Suzaki, K.: Die ungenutzten Potentiale. Neues Management im Produktionsbetrieb. München-Wien (Hanser) 1994, S. 340f
8D-Report
▶Qualitätstechniken ▶VDA Beim 8D-Report handelt es sich um ein Dokument im Rahmen des Reklamationsmanagements (►ISO 10002:20105). Es ist jedoch nicht spezifisch für das Thema Reklamation formuliert und kann somit universell eingesetzt werden, also auch, wenn z. B. in der laufenden Fertigung Störungen auftreten und ein Team „Troubleshooting“ betreibt. Das D in 8D ist englisch zu lesen und bedeutet Disciplines, was ins Deutsche mit Schritt übertragen wurde. Der 8D-Report wurde vom VDA entwickelt und standardisiert [1]. Er findet vorwiegend bei den Unterlieferanten in der Automobilindustrie Anwendung. Der Report beinhaltet neben der Art der Reklamation auch die Verantwortlichkeiten und Maßnahmen zur Behebung von Problemen. Die 8D-Problemlösungsmethodik zwingt zu einer systematischen Vorgehensweise und konsequenten Dokumentation der Lösungsschritte. Damit können
11
1...
1...
8D-Report
10R-Regeln zur qualitätssicheren Medikamentengabe 1... • Ziffern • Numerics • Numériques
Problemursachen erkannt und behoben werden. 8D kommt bei Problemen zur Anwendung, die neben der nachhaltigen Problembeseitung auch Sofortmaßnahmen erfordern. Es ist also ein Report für Notfälle, bei denen professionell und schnell gehandelt werden muss. Im Report selbst signalisiert der Begriff Sofortmaßnahme den Notfall. Der Reportprozess folgt acht Schritten: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Zusammenstellung des Teams für die Problemlösung, Problembeschreibung, Festlegung von Sofortmaßnahmen, Feststellung der Ursachen, Planung von Korrekturmaßnahmen, Korrekturmaßnahmen organisatorisch verankern, Vorbeugungsmaßnahmen treffen, Problemlösungsprozess abschließen – Teamleistung würdigen.
Diese Phasen können nur dann wirksam sein, wenn das Fortschreiten auch zeitnah dokumentiert wird, es also als fortzuschreibendes Arbeitsinstrument genutzt wird. Der 8DReport darf nicht nach Abschluss einer Reklamation, quasi als Pflichtübung, erstellt werden. Es empfiehlt sich den 8DReport in der Weise zu standardisieren, dass den einzelnen Schritten häufig genutzte ►Qualitätstechniken zugeordnet werden. So wird der 8D-Report als Roadmap zum Instrument des ►Wissensmanagements. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Jung, B., S. Schweißer und J. Wappis: 8D und 7STEP. Systematisch Probleme lösen. München (Hanser) 2011 [2] VDA: VDA-Band 4: Sicherung der Qualität in der Prozesslandschaft, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage 2009, aktualisiert März 2010, ergänzt, Dezember 2011. Frankfurt am Main (VDA) 2011
10R-Regeln zur qualitätssicheren Medikamentengabe Ob im Krankenhaus, in Reha-Einrichtungen, im Pflegeheim oder auch privat zuhause, das Bereitstellen und Geben von Medikamenten sind eine wichtige Aufgabe. Das Thema dieser Checkliste gehört ins Gebiet der Arzneimittelsicherheit und natürlich zum Qualitätsmanagement im medizinischen Bereich. In Lehrbüchern galt bisher die 5R-Regel immer als ausreichende Checkliste (R steht für Richtig). Inzwischen wurden die „Regeln zur qualitätssicheren Medikamentengabe” zu einer 10er Klassifikation erweitert. Die folgenden Ausführungen zur Zehnerliste illustrieren und sind keineswegs ausführlich: 1 Richtige Person (richtiger Patient) – Auch bei scheinbar gleicher Symptomatik darf das Medikament nicht an andere Personen verabreicht werden. 2 Richtiges Arzneimittel – Es besteht Verwechselgefahr bei ähnlichen Medikamentennamen oder bei ähnlichem Aussehen verschiedener Medikamente bzw. deren Verpackungen. 3 Richtige Dosierung (oder Konzentration) – Viele Arzneimittel haben eine hohe therapeutische Breite, die sich in der Milligramm-Angabe ausdrückt. Die genaue Dosis muss angegeben und kontrolliert werden. 4 Richtige Applikation (auch Applikationsart) – Auch hier kann es zu Verwechslungen kommen, z. B. rektal/vaginal, subcutan/intravenös. 5 Richtige Zeit (richtiger Zeitpunkt) – Manche Medikamente verlangen genaue Angaben zur Einnahmezeit und zum Intervall der Einnahme. 6 Richtige Anwendungsdauer – Manche Medikamente dürfen nur in einem begrenzten Zeitraum verabreicht werden. 7 Richtige Aufbewahrung – Medikamente dürfen nicht in der Sonne liegen oder an ähnlichen Aufbewahrungsorten gelagert werden. 8 Richtiges Risikomanagment (Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Allergien, Selbstmedikation, falsche Medikamente, Überdosierung/Unterdosierung). 9 Richtige Dokumentation (verantwortlich: Arzt bzw. Institution, eineindeutige Aufzeichnungen, bei ärztlicher Anordnung per Telefon, nachträgliche Bestätigung). 10 Richtige Entsorgung von Medikamenten. – Medikamente dürfen nicht über den Haushaltmüll entsorgt werden, sonderen gehören in fachkundige Hände (Apotheke), wenn sie im privaten Bereich nicht mehr verwendet werden. Im institionellen Bereich sind die entsprechenden Entsorgunsvorschriften zu beachten und die Entsorgung auch zu dokumentieren. Als am häufigsten vorkommende Fehler gelten wohl die folgenden (empirische Erhebungen fehlen leider):
12
10R-Regeln zur qualitätssicheren Medikamentengabe
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
10R-Regeln zur qualitätssicheren Medikamentengabe
1... • Ziffern • Numerics • Numériques falscher Einnahmezeitpunkt: z. B. morgens statt abends Viel ist gewonnen, wenn jeder Patient seine Medikamente falsche Dosierung: z. B. 40 mg eines Wirkstoffs statt der täglich richtig zur gleichen Zeit in der richtigen Dosierung vorgesehenen 10 mg einnimmt. Dazu könnte auch die IT beitragen mit einem Dofalsches Medikament: verabreichte Präparate waren gar sierungsinstrument, das mehr als ein Spielzeug ist. nicht im Medikationsblatt aufgeführt Hans-Dieter Zollondz, fehlendes Medikament: nicht verabreichte Präparate trotz Vichy Anweisungen in Patientenakte Literatur überzähliges Medikament: z. B. versehentlich doppelte [1] Jaehde, U., C. Kloft und M. Kulick: ArzneimitteltherapiesicherVerabreichung von Präparaten heit – Herausforderung und Zukunftssicherung. In: Pharmazeuinkorrekte Tablettenteilung: Tabletten wurden ungenau getische Zeitung, Ausgabe 18/2013 teilt, verabreichte Dosen sind somit uneinheitlich beschädigtes Medikament: ein Teil einer Tablette ist z. B. abgebrochen. ••• ⨀⨀⨀ •••
13
1...
1...
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe A
Aachener Qualitätsmanagement Modell
Robert Schmitt
Yoji Akao + Akao Price
A A3-Report
ABC-Analyse
Ablauforganisation: Structure follows Process Agilität
Georg Herzwurm
Akkreditierung
Aktives BeschwerdemanagementSystem (ABMS)
ANQ-Asian Network for Quality Arbeit Arbeitsschutz-Managementsystemansätze (AMS) Arbeitszufriedenheit
Bernd Günter
Aufbauorganisation: Process follows Structure
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
Augmented Reality (AR) Austauschbau Autonome Produktion
August-Wilhelm Scheer
Hans-Dieter Zollondz
A
A3-Report
A3-Report
A3-Report
2 Zielsetzungen Zusammenfassend lassen sich im Anschluss an Kudernatsch die Ziele und Vorteile nennen, die die Anwendung des A3Reports bringt [4, S. 79-80]:
Begriff
▶Hoshin Kanri
1 Grundzüge Beim A3-Report handelt es sich um eine Technik zur Darstellung von Problemlösungen. Er soll auf Joseph Moses ►Juran zurückgehen, der ihn bei seinen Seminaren in Japan angewandt hat. Nachweislich ging es Juran um eine Standardisierung von Berichten in Formularen [2, S. 403]: „Ein Standardformular sollte eingeführt werden.“
◼ „Problemlösung: Der A3-Report dient der Vereinheitlichung und Vereinfachung von Problemlösungsprozessen. ◼ Standardisierte Methodik: Die Bearbeitung eines A3-Reports muss in der Reihenfolge der sieben Schritte durchgeführt werden, wobei eine Auswahl an Standardwerkzeugen zur Verfügung steht. ◼ Visualisierung: Die Inhalte aller sieben Schritte eines Verbesserungsprojektes werden mit verschiedenen Abbildungen möglichst einfach visuell (Grafiken, Diagramme, Tabellen etc.) dargestellt. ◼ Storytelling: Der Inhalt eines A3-Reports kann in kürzester Zeit als ’runde Story’ Dritten erzählt werden. ◼ Übersichtlichkeit: Die relevanten Informationen werden in konzentrierter Form auf einem DIN-A3-Blatt dargestellt. ◼ Entscheidungshilfe: Da allen Mitarbeitern die gleiche Informationsbasis zur Verfügung gestellt wird, kann eine schnelle und standardisierte Entscheidung durch Mitarbeiter und Management herbeigeführt werden. ◼ Kontinuierliche Prozessverbesserung: Der kontinuierliche Verbesserungsprozess wird vereinfacht und beschleunigt. ◼ Feedback-Prozesse: Der A3-Report wird während eines laufenden Projektes überarbeitet und dient der Steuerung von Projekten oder von Besprechungen. Strate-
Ob Juran damals gerade das Format A3 (quer = 594 mm x 420 mm) verwandte bzw. empfohlen hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls kann heute beobachtet werden, dass die Toyota Company Jurans Vorschlag aufgegriffen hat und seitdem A3 für diverse Einsatzzwecke verwendet, und auch in der Fachliteratur wird selbstredend A3 empfohlen. John Shook hat das methodische Vorgehen von Toyota aufgegriffen und die folgenden sieben Phasen herausgearbeitet, die den A3-Report sowohl als Problemlösungs- wie auch als Innovationsprozess ausmachen [5, S. 30]: ◼ „establish the business context and importance of a specific problem or issue; ◼ describe the current conditions of the problem; ◼ identify the desired outcome; ◼ analyze the situation to establish causality; ◼ propose countermeasures; ◼ prescribe an action plan for getting it done; ◼ map out the follow-up process.“ In seinem Aufsatz finden sich zwei ausführlich illustrierte Beispiele von Toyota. Die phasenhafte Beschreibung lässt sich nun in das A3-Formular transformieren, wie die sieben Kategorien der Abbildung A01 zeigen. Erkennbar ist, dass sich A3-Denken am ►PDCA-Zyklus orientiert. Die Plan-Phase umfasst die Punkte 1 bis 4. Die Do-Phase konzentriert sich darauf, was für Maßnahmen geplant werden. In der Check-Phase steht die Wirksamkeit im Mittelpunkt, indem man sich auf Erfahrungswerte bezieht. Bei der Act-Phase steht die Frage nach der Fortentwicklung im Zentrum. – Bedacht werden muss, dass der PDCA-Zykus ein Denkschema ist. Er kann sich inhaltlich ändern und unterscheidet sich dann von dem hier präsentierten Beispiel, das in [4, S. 8184] ausführlich beschrieben ist. Man kann den A3-Report auch als Storyboard (Film, Comics etc.) auffassen. Der A3 fordert Kommunikation heraus, ist im Fluss, in ihm wird versucht die Realität und die Zukunft einzufangen.
Abb. A01: A3-Report – Musterbeispiel A3
Titel
1 Hintergrund
Name/Datum
Plan
5 Maßnahmenplan (Gegenmaßnahmen) (countermeasures)
Do
2 Ist-Zustand 6 Implementierungsplan (mit Zeiten)
3 Soll-Zustand – Ziele und Zielvorgaben
Check 7 Follow up
4 Ursachenanalyse
Act Signature
gische A3-Reports bauen aufeinander auf und erlauben so die Entwicklung und Verfolgung von Strategien über die Zeit. Verschiedene A3-Reports greifen ineinander
17
A
A3-Report
A
3 Fazit „A3-Denken“ Wie verdeutlicht wurde setzt der A3-Report als Kommunikationsinstrument nicht nur auf die Schrift, sondern auch auf symbolische Darstellungen wie Schaubilder, Diagramme, Skizzen und andere grafische Elemente, die in jeder der sieben Phasen eingesetzt werden. Einen Überblick zeigt [4, S. 85]. Inwieweit A3-Reports digitalisiert entwickelt werden oder nachträglich, also erst nach durchgeführter kommunikativer Phase digital abgespeichert werden, ist nicht nur eine kosmetische Sache. Hier gehen die Meinungen auseinander. Puristen vertreten die Ansicht, dass ausschließlich mit Stift und Papier gearbeitet werden sollte. Da es aber immer auch um die Speicherung von Wissen geht, muss man sich für eine angemessene Aufbewahrung entscheiden. Und dies führt heute wohl zur digitalen A3-Bibliothek. Allerdings muss klar sein, dass A3-Reports nicht irgendwie nachträglich erstellt werden dürfen. Ihr instrumenteller Charakter, als Kommunikationsdokument zu fungieren, muss erhalten bleiben. Sie sollten auch als Element der ►Unternehmenskultur aufgefasst werden. So bietet A3-Denken einen wirkmächtigen Ansatz einer systematischen Methode zur Realisierung von Verbesserungen. So ist der Kern von A3 eigentlich in der bewussten Gestaltung einer auf Kommunikation ausgerichteten Unternehmenskultur zu sehen, in der kommunikatives Handeln auf der Basis einer einheitlichen Vorgehensweise in der gesamten Organisation im Mittelpunkt steht. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Juran, J. M.: Managerial Breakthrough. New York (McGrawHill) 1964 (2. erweiterte Auflage 1996) [2] Juran, J. M.: Offensive Führungstaktik. Eine systematische Methode zur Geschäftsbelebung. Landsberg (mi) 1966 (Deutsche Übersetzung von [1]) [3] Kudernatsch, D. (Hrsg.): Hoshin Kanri. Unternehmensweite Strategieumsetzung mit Lean-Managments-Tools. Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2013 [4] Kudernatsch, D.: Einführung und Umsetzung von Hoshin Kan-
18
ri. In: Kudernatsch, D. (Hrsg.): Hoshin Kanri. Unternehmensweite Strategieumsetzung mit Lean-Managements-Tools. Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2013, S. 1-137 [5] Shook, J.: Toyota‘s Secret: The A3 Report. How Toyota solves problems, creates plans, and gets new things done while. In: Sloan Management Review. 2009, Vol. 50, No 4, p. 30-34
Aachener Qualitätsmanagement Modell
▶The Model of Aachen Quality Management ▶Qualitätsregelkreis | ▶Pfeifer | ▶Schmitt Das Aachener Qualitätsmanagement Modell ist ein Ordnungsrahmen für die Beschreibung, Bewertung und Gestaltung unternehmerischer Geschäfts-, Management- und Supportprozesse. Dem Modell liegt das Unternehmerische Qualitätsverständnis zugrunde, das die auf das Produkt und die Erfüllung von Kundenforderungen bezogene Qualitätsdefinition der ISO 9000 um die Perspektiven von Unternehmen erweitert. 1 Das Unternehmerische Qualitätsverständnis Gemäß der Definition der ISO 9000 ist Qualität der „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Forderungen erfüllt“. Im Gegensatz zu den zwei Polen des sog. „magischen Dreiecks“, Zeit und Kosten, weist die Definition der Zielgröße „Qualität“ die Besonderheit auf, dass sie keine absolut messbare, sondern eine relative Größe darstellt, die als solche nicht unmittelbar erfassbar ist. Aus dem Qualitätsverständnis der Norm als relative Zielgröße leitet sich auch das Null-FehlerParadigma ab, das seit ►Crosby, ►Taguchi und ►Deming fest im Qualitätsverständnis in Wissenschaft und Praxis verankert liegt: Qualitätsmanagement wird zum Management eines Maximierungsproblems, welches besagt, dass alle unternehmerischen Prozesse auf die kundenforderungsgerechte Umsetzung der Produktmerkmale auszurichten sind (Abbildung A02). Bei der Umsetzung des Qualitätsverständnisses der Norm und dem Null-Fehler-Prinzip (►Null-Fehler-Management) sehen sich jedoch Unternehmer und Führungskräfte auf strategischer, taktischer und operativer Ebene mit drei grundsätzlichen Fragen konfrontiert: 1 Wie können die Forderungen des Marktes/der Kunden erfasst oder beeinflusst werden? – Die Forderungen der Kunden im Markt an ein Produkt sind nicht immer homogen und können stark voneinander abweichen. Zudem artikulieren Kunden ihre Forderungen an Produkte oftmals nicht explizit in konkreten Vorgaben und Spezifikationen an das Unternehmen. Die Kunden und ihre Forderungen werden stark durch das vorhandene Umfeld geprägt. 2 Wie platziert sich das Unternehmen gegenüber den Forderungen des Marktes/der Kunden? – Die Umsetzung aller Kundenforderungen ist in vielen Fällen weder technisch machbar, noch wirtschaftlich vertretbar. Das Unternehmen muss also Strategien festlegen, welche Märkte, Kundensegmente oder Kunden oder wie neue Segmente erschlossen werden sollen.
Begriff
und ermöglichen die Koordination von Projekten und Strategien. ◼ Wissensspeicher: Ein A3-Report ist die Dokumentation einer Problemlösung, Entscheidung oder Strategie. Er wird aufbewahrt und steht als Wissensspeicher zur Verfügung. ◼ Logischer Denkprozess: Die Mitarbeiter werden befähigt zu denken und effektiv zu entscheiden und Probleme zu lösen. Die Basisstruktur und die Technik im A3 ist eine Kombination aus Disziplin der Umsetzung des PDCA, kombiniert mit bestimmten Analysemethoden. ◼ Objektivität: Der Autor beginnt mit einem Bild der Situation und erklärt es auf allgemeinverständliche Weise. Es werden Zahlen, Daten und Fakten gesammelt und das eigene Bild wird mit anderen besprochen. Objektivität ist ein zentraler Punkt von A3-Denken. Der Prozess startet damit, dass das Problem mit relevanten Fakten und Details eingegrenzt wird und zwar so objektiv wie möglich.“
Aachener Qualitätsmananagement Modell
Aachener Qualitätsmanagement Modell
Aachener Qualitätsmanagement Modell
Abb. A02: Qualitätsdefinition der ISO 9000
derungen unterliegen. Die übergeordneten Aufgaben des Qualitätsmanagementsystems liegen folglich im Festlegen und Umsetzen geeigneter Strategien und Methoden sowie in der Umsetzung korrigierender Maßnahmen um das Feld der Unternehmerischen Qualität möglichst sukzessive zu vergrößern und zu stabilisieren. Hierzu lassen sich drei wesentliche Perspektiven einnehmen, aus denen sich die Unternehmensqualität betrachten lässt:
„Qualität“ … … ist der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Forderungen erfüllt.“ Quelle: ISO 9000
Soll-Zustand
Qualität
Ist-Zustand
Die Einnahme der Kundenperspektive dient der strikten Konzentration des Unternehmens auf die Erfüllung der Kundenforderungen. Dazu wird der Transformationsprozess der Kundenforderungen in Produkte kontinuier3 Sind die Prozesse qualifiziert die Vorgaben der Unternehlich beobachtet und eine stetige Verbesserung der Produkte mensführung sowie die Forderungen der Kunden verlässlich angestrebt, die den Kunden begeistern sollen. Der Bewerzu realisieren? – Prozesse im Unternehmen müssen mittungsmaßstab für den Erfolg durchgeführter Veränderungssamt der materiellen und personellen Infrastruktur so maßnahmen ist demzufolge in der von dem Kunden wahrgegestaltet, beschrieben und qualifiziert werden, dass diese nommenen Qualität anzusetzen. Es gilt also, für den Kunden den Vorgaben des Kunden und der Unternehmensführelevante Komponenten und Produkteigenschaften zu identirung entsprechen. fizieren und in Kundenforderungen zu übersetzen. Die Aufgabe des Unternehmens liegt darin, die Kundenforderungen Entsprechend dieser drei Kernfragen lässt sich das Spansystematisch in die Produktentstehung zu integrieren und nungsfeld der ISO 9000 zum Handlungsrahmen eines „Unden Erfolg der Integration durch geeignete kundenspeziternehmerischen Qualitätsverständnisses“ erweitern (Abbilfische Tests zu erfassen. Durch eine dezidierte Betrachtung dung A03). der Möglichkeiten zur Erhöhung der vom Kunden wahrgenommenen QuaAbb. A03: Unterschiedliche Qualitätsperspektiven lität und der langfristigen Veränderung Unternehmensausrichtung der Forderungen können sich zudem Ansätze zur Differenzierung des UnterUnterIst-Zustand nehmens auf bereits gesättigten MärknehmeUnternehmensrische leistungen ten ergeben. Nach der Philosophie des Qualität Soll-Zustand Total Quality Managements fokussiert Unternehmensfähigkeiten Marktforderungen die Kundenperspektive auf die Produktqualität.
Marktforderungen
▽
Unternehmensleistungen
Das unternehmerische Qualitätsverständnis ermöglicht die Einnahme verschiedener Perspektiven
Führungsperspektive: Kundenperspektive: Betriebsperspektive:
▽
Die strategische Ausrichtung des Unternehmens, die Bildung bzw. Formulierung von Unternehmenszielen und einer Unternehmenspolitik unter Berücksichtigung der Marktforderungen und Unternehmensfähigkeiten gehören zu den Bereichen, deren Ausgestaltung und Weiterentwicklung aus der Führungsperspektive erfolgt. Die Unternehmensleitung ist dazu in der Lage, durch Anpassung der normativen, strategischen und taktisch/operativen Ausrichtung des Unternehmens sowie durch aktive und verantwortliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen Einfluss auf die Gesamtqualität zu nehmen. Der Fokus liegt hierbei darauf, die unternehmerischen Interessen im Sinne der verschiedenen Stakeholder durch Ableitung geeigneter Maßnahmen und Bewirtschaftung der Prozesse optimal umzusetzen bzw. die vorhandenen Fähigkeiten des Unternehmens so zu steuern, dass das Unternehmen auch langfristig wettbewerbsfähig
Festlegung der Unternehmensausrichtung vor dem Hintergrund der Marktforderungen und Unternehmensfähigkeiten Erhebung von Marktforderungen und Felddaten und Abgleich mit den Eigenschaften der gelieferten Leistungen Qualifikation der Ressourcen und Dienste zur Erfüllung der Vorgaben aus der Unternehmensausrichtung
Dem unternehmerischen Qualitätsverständnis liegt somit die Beobachtung zugrunde, dass sich die in den Produkten realisierten Merkmale unmittelbar aus der Unternehmensausrichtung und den Unternehmensfähigkeiten ableiten lassen. Aus dem ursprünglichen reinen Maximierungsproblem wird somit ein Stabilisierungsproblem, das zur Festlegung der Unternehmensausrichtung und Fähigkeiten gezielter Aktivitäten, also eines Managementsystems, bedarf. Dabei sollte zudem beachtet werden, dass die einzelnen Felder gemäß dem Qualitätsverständnis häufig nicht gegen einen stationären Zustand streben, sondern in globalen und schnelllebigen Märkten einer wachsenden Dynamik und ständigen Verän-
19
A
Aachener Qualitätsmanagement Modell bleibt. Das Ziel der Unternehmensführung sollte dabei stets eine Steigerung der Systemqualität nach dem Total Quality Management sein. Die Betriebsperspektive konzentriert sich im Gegensatz zu dem übergeordneten Ansatz, den die Führungsperspektive verfolgt, auf die operative Umsetzung der strategischen Unternehmensausrichtung bzw. auf die Umsetzung der aus der Führungsperspektive abgeleiteten Ziele und versucht diese mit den Kundenforderungen in Einklang zu bringen. Es gilt, die materiellen und immateriellen Ressourcen und Infrastruktur so bereitzustellen und zu qualifizieren, dass die vorgegebenen qualitätsgeleiteten Prozesse entsprechend der Vorgaben arbeiten. Unter Ressourcen werden neben den Mitarbeitern alle Betriebsmittel, die Infrastruktur, das Technologiewissen, die Methodenkenntnisse sowie die Werkzeuge zur Information und Kommunikation verstanden. Das unterliegende Ziel, das Treiber der Betriebsperspektive sein sollte, ist die kontinuierliche Verbesserung der Leistungserstellungsprozesse, um so eine optimale Nutzung bzw. Bereitstellung von Ressourcen und Diensten sicherzustellen. Die Orientierung der Betriebsperspektive lässt sich grundsätzlich als „bottom-up“ beschreiben, da einerseits Vorgaben der Unternehmensleitung, andererseits Kundenforderungen bestmöglich umgesetzt werden sollen und hieraus die für die Umsetzung erforderlichen Ressourcen abgeleitet werden. Die Betriebsperspektive fokussiert somit auf die Prozessqualität gemäß des Total Quality Management Ansatzes. 2 Das Aachener Qualitätsmanagement Modell Das Aachener Qualitätsmanagement-Modell operationalisiert das Unternehmerische Qualitätsverständnis für die Anwendung in Unternehmen und Organisationen. Wie auch das ISO-Modell bildet das Modell nicht die Aufbauorganisation eines Unternehmens ab, sondern stellt einen operationalen Ordnungsrahmen zur Verfügung, in den sich Prozesse ein-
ordnen, beschreiben, bewerten und gestalten lassen. Abbildung A04 zeigt den Aufbau des Aachener Qualitätsmanagement Modells. Wie auch das Modell der ISO 9000-Nomenreihe, ist das Aachener Qualitätsmanagement-Modell nicht an die Anwendung in produzierenden Unternehmen gebunden, sondern kann gezielt in unterschiedlichen Organisationsformen und auf jeder Organisationsebene angewendet werden. 2.1 Der Quality Stream Das Modell greift viele Elemente des Prozessmodells der ISO 9000er Reihe auf und gruppiert diese um den zentralen Quality Stream. Dieser lässt sich weiter in seine Bestandteile, die Quality Forward Chains und die Quality Backward Chain auflösen. Diese beiden Elemente bilden die konstituierenden Merkmale des Modells und schlagen für die qualitätsschöpfenden Prozesse von Unternehmen und Organisationen in die Zukunft gerichtete und Feedback getriebene Aktivitäten vor. Der Begriff „Quality Forward Chains“ wurde eingeführt, um bewusst die Betrachtung der Produktrealisierung vom bekannten Wertstrom abzugrenzen. Anders als im Produktionsund Logistikmanagement stehen im Qualitätsmanagement somit nicht der Materialfluss von Gütern, sondern vielmehr die lebenszyklusorientierte Transformation von Kundenforderungen bis in das den Vertrieb und die Betreuung des Produktes im Fokus. Dabei sind die im Produktions- und Logistikmanagement behandelten Mengen der Güter eine von vielen Kundenforderungen. Vielmehr stellt sich in den Quality Forward Chains die Frage, wie Kundenforderungen aufgenommen, bewertet, gestaltet, realisiert und abgesichert werden können. Dabei wird bewusst im Plural, also von Quality Forward Chains, gesprochen, um das zeitgleiche Auftreten von Varianten oder Produktfamilien in unterschiedlichen
Abb. A04: Das Aachener Qualitätsmanagement Modell
Ziele und Strategien
Organisationsstrukturen Managementsysteme
Identität und Werte
Management
Quality Forward Chains
Produkte
Quality Backward Chain
Felddaten
BetriebsInformation Technologien mittel und und Kommu- Mitarbeiter und Controlling Infrastruktur nikation Methoden
20
Ressourcen und Dienste
Markt
Forderungen
Quality Stream Markt
A
Aachener Qualitätsmanagement Modell
Aachener Qualitätsmanagement Modell
Aachener Qualitätsmanagement Modell Phasen ihres Lebenszyklus zu betonen. Somit rückt die Realisierung der Kundenforderungen durch einen Produktrealisierungsprozess nach dem ISO 9000-Modell gegenüber der Übertragung von Wissen, Erkenntnissen und ►Lessons Learned zwischen den Produktlinien zentral in den Fokus der Betrachtungen. Berücksichtigen die Quality Forward Chains die Maßnahmen zur präventiven Absicherung und Realisierung forderungsgerechter Produkte, behandelt die Quality Backward Chain das Management aller korrigierenden und verbessernden Aktionen. Durch die Einführung der Quality Backward Chain nach der Logik eines Regelkreises wird es möglich, die Ergebnisse der Quality Forward Chains ständig zu prüfen, mit den Zielen abzugleichen und anzupassen. Die Quality Backward Chain bündelt somit die bereichs- und hierarchieübergreifenden Tätigkeiten, um das Ergebnis der Prozesse zu prüfen und bei Bedarf korrigierend oder verbessernd einzugreifen, um diese Produkte und das Gesamtsystem im Sinne einer unternehmerischen Qualität zu optimieren. Typische Beispiele für Prozesse der Quality Backward Chain sind dabei Änderungs-, Fehlerabstell-, Reklamations- und Beschwerdeprozesse sowie andere Tätigkeiten zur kontinuierlichen Verbesserung. 2.2 Perspektiven im Aachener Qualitätsmanagement Modell Die Elemente rund um den Quality Stream „Markt“, „Management“ und „Ressourcen und Dienste“ dienen der Übertragung der Perspektiven aus dem Unternehmerischen Qualitätsverständnis auf das Aachener Qualitätsmanagement Modell. Der Quality Stream ist Betrachtungsobjekt jeweils einer der drei Perspektiven (Abbildung A05). Die Kundenperspektive wird eingenommen, indem das Element „Markt“, rechts- und linksseitig im Modell, auf den Quality Stream bezogen werden. Für das Verständnis der Kundenperspektive ist es dabei grundsätzlich wichtig zu definieren, wer die Kunden des betrachteten Quality Streams sind. So ist denkbar, nicht nur die Kunden, die unmittelbar Forderungen
an ein Produkt an den Quality Stream übergeben oder das Produkt später käuflich erwerben, zu betrachten, sondern auch Stakeholder wie Lieferanten, Konkurrenten, Partner, Gesetzgeber, Verbände mit einzubeziehen. Wichtige Fragestellungen der Kundenperspektive für die Gestaltung der Abläufe im Quality Stream sind somit beispielsweise, wie Kunden identifiziert, Kundenforderungen aufgenommen, bewertet und verhandelt werden sowie wie die Produkte zu den Kunden gelangen und auf welche Art und Weise Felddaten über die Nutzung der Produkte erhoben werden können. Die Aufgabe des Managements liegt in der aktiven Umsetzung der Führungsperspektive, also konkret darin, die dem Unternehmen eigenen Ziele und Strategien mit dessen Wertverständnis in Einklang zu bringen. Die Unternehmenswerte und -kultur haben einen hohen Einfluss auf die Ausgestaltung des Managementsystems, da tendenziell implizite Regeln und Abläufe, die fester Bestandteil der Unternehmenskultur sind, nicht mehr in jedem Fall einer expliziten Beschreibung und Vorgabe durch das Management bedürfen. Das Managementsystem legt somit fest, in welchem Umfang und welcher Art die Unternehmensprozesse im Quality Stream beschrieben, gestaltet und gelenkt werden und welche Systeme integrierter Bestandteil des Managementsystems sein müssen (z. B. Arbeitssicherheit, Umwelt, Energie). Zudem ist es Bestandteil der Führungsleistung, geeignete Organisationsstrukturen zu definieren, die die Umsetzung der qualitätsschöpfenden Prozesse gewährleisten. Während aufbauorganisatorische Aspekte fast vollständig von der ISO Norm und weiteren Qualitätsmanagement-Modellen wie etwa dem EFQM-Modell ausgeblendet werden, geht die Organisationsstruktur im Aachener Qualitätsmanagement Modell als fester Bestandteil des Ordnungsrahmens in alle Betrachtungen durch die Führungsperspektive mit ein. Gemäß der Betriebsperspektive wird insbesondere die Ausstattung der Prozesse mit den erforderlichen Ressourcen und der Infrastruktur betrachtet. Hierzu gehören im Aachener
Fähigkeiten Ausrichtung Forderungen Fähigkeiten Ausrichtung Forderungen Fähigkeiten
Kundenperspektive
Forderungen
◼ Die Kundenperspektive unterstützt die Transformation der Kundenforderungen in begeisternde Produkte, indem ◼ eine kontinuierliche Beobachtung der Transformation durchgeführt wird und somit ◼ die „Stimme des Kunden“ mit dem Fokus auf die Produktqualität umgesetzt wird.
Führungsperspektive
Ausrichtung
◼ Die Führungsperspektive beschreibt die normative und strategische Ausrichtung sowie ◼ die Fähigkeiten des Unternehmens, ◼ fokussiert auf die Systemqualität, und ◼ betrachtet die aktive und verantwortliche Gestaltung der Rahmenbedingungen
Betriebsperspektive
Abb. A05: Drei Perspektiven im Aachener Qualitätsmanagement-Modell
◼ Die Betriebsperspektive beinhaltet die operative Ausgestaltung und Umsetzung der beiden anderen Perspektiven ◼ mit dem Fokus auf Prozessqualität, ◼ wodurch sichergestellt wird, dass die Ressourcen und Dienste optimal zur Verfügung gestellt werden.
21
A
Aachener Qualitätsmanagement Modell
Aachener Qualitätsmanagement Modell
3 Umsetzung des Aachener Qualitätsmanagement Modells Das Modell wurde bereits vielfach erfolgreich in der Praxis in unterschiedlichen Industrien und Organisationen als Beschreibungs-, Erklärungs- und Gestaltungsmodell eingesetzt. 3.1 Das Aachener Qualitätsmanagement Modell als Ordnungsrahmen des Prozessmanagements Das zunächst generische Modell lässt sich zur Beschreibung und Verortung von Prozessen in Organisationen anpassen. Dabei hat es sich etabliert, die zentralen Geschäftsprozesse im Quality Stream der Organisation zu verankern, während die Führungs- und Supportprozesse, entsprechend der Organisationsfunktionen gegliedert, dem Management oder als Supportprozesse den Ressourcen und Diensten zugeordnet werden. Dabei bildet die Quality Backward Chain eine Besonderheit, die es erfordert, zentrale und dezentrale Korrektur- und Verbesserungsprozesse nicht lediglich als Supportprozesse, sondern als kundenbezogenen Geschäftsprozess mit in den Quality Stream aufzunehmen. Die besondere Qualitätspolitik und das Qualitätsverständnis von Organisationen und Unternehmen schlagen sich somit unmittelbar in der Prozessdarstellung nieder. Abbildung A06 zeigt ein anonymisiertes Beispiel für die oberste Ebene einer Prozesslandkarte eines produzierenden Unternehmens. Dabei ist das Modell grundsätzlich rekursiv zu verstehen. Durch Auswahl der Elemente im Aachener Qualitätsmanagement Modell können die Mitarbeiter die Prozesse über mehrere Ebenen beschreiben und verfolgen.
Das Modell lässt sich variabel an die Organisationsstrukturen größerer Unternehmen mit mehreren Geschäftsbereichen anpassen. So können Ebenen und Elemente bis hin zu Prozessschritten für alle Unternehmensbereiche fest vorgegeben oder aber auch frei zur individuellen Konfiguration im Rahmen des Ordnungsrahmens vorgegebenen werden. 3.2 Das Aachener Qualitätsmanagement Modell zur Bewertung von Prozessen und Organisationen Darüber hinaus lässt sich das Modell als Analyse-Werkzeug zur Gestaltung und Verbesserung von Prozessen nutzen. Hierzu werden gezielt die drei Perspektiven eingenommenen, um Schwachstellen in den Systemen, Prozessen und Produkten zu identifizieren. Anhand der so vorgenommenen Darstellung eines Gesamtbildes der Qualitätsforderungen und Qualitätstreiber im Unternehmen, können entsprechend Handlungsbedarfe für die weitere Verbesserung identifiziert werden. Zur Durchführung von „Big Picture-Analysen“ werden sieben Leitfragen herangezogen, die grundsätzlich das Einnehmen der Perspektiven unterstützen und weniger erfahrene Anwender unterstützen. Die sieben Kernfragen sind wie auch das Aachener Qualitätsmanagement-Modell vom gesamten Unternehmen bis hin zur einzelnen Tätigkeit skalierbar Sie lauten: 1 Wer ist der/ sind die Kunde(n) und wie wird er/werden sie sich voraussichtlich entwickeln? 2 Welche Kundenforderungen ergeben sich aus Kundensicht? 3 Wie sind die Kernprozesse zur Leistungserstellung im Unternehmen gestaltet? 4 Welche Systematik besteht bei der Felddatenaufnahme bzw. bei der Erhebung von Kundenfeedback? 5 Wie funktionieren die Rückkopplungsprozesse zur Umsetzung der aus den erhobenen Felddaten abgeleiteten Verbesserungsmaßnahmen? 6 Wie wird die organisatorische Komplexität, die sich für die Unternehmensführung ergibt, beherrscht?
Abb. A06: Das Aachener Qualitätsmanagement Modell als Ordnungsrahmen des Prozessmanagements
Führungsprozesse
Innovationsprozess
Auftragsabwicklungsprozess Serviceprozess Kundenbeziehungsprozess
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Produktbeobachtung
Rückrufprozess Beschwerdeprozess Mitarbeiter und Personal
22
Produkte
Vertriebsprozess
Finanzen
Betriebsmittel IT-Systeme u. Ressourcen
Kommunikation
Controlling
Modellierungs- QualitätsMethoden management
Supportprozesse
Kunden/Markt
Produktplanungsprozess Produktentwicklungsprozess
Forderungen
Kunden
Markt
Strategie- und Führungsprozess
Lieferanten
A
Qualitätsmanagement Modell im Kern die Mitarbeiter, flankiert von den Ressourcen zur Information und Kommunikation, Betriebsmitteln und weiterer Infrastruktur. Die Betrachtung von Methoden und die Berücksichtigung des Controllings sind wesentliche Elemente der Betriebsperspektive. Die Berücksichtigung des Controllings verweist dabei unmittelbar auf die erforderliche Integration des ProzessControllings mit dem Finanz-Controlling.
ABC-Analyse
Abbescher Grundsatz
gleichstrecke der Maßverkörperung fluchtend hintereinander anzuordnen sind (Beispiele: Messschraube, Endmaßkombination). Damit werden Messabweichungen 1. Ordnung vermieden, wie sie bei Parallelversatz von Mess- und Vergleichstrecke auftreten (z. B. beim Messschieber).
7 Sind die Befähigungsprozesse optimal auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet? Zur Dokumentation der Fragen und besseren Übersicht, empfiehlt es sich, die Antwort auf die Fragen und diskutierten Inhalte direkt in das Schema des Aachener Qualitätsmanagement-Modell zu übertragen.
ABC-Analyse
Das Einnehmen der Perspektiven steuert somit die ganzheitliche und systematische Betrachtungsweise des Unternehmens oder der Organisation, die im Fokus der Analyse steht. Das zyklische Einnehmen einer der Perspektive zeigt somit jeweils neue Facetten zur Weiterentwicklung qualitäts- und erfolgsgetriebener Unternehmen. Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt, Aachen
▶en: ABC analysis ▶Q7 (Pareto-Diagramm) ▶Controlling Die Technik der ABC-Analyse deckt in der Unternehmung strukturelle Muster zwischen Mengen- und Wertegrößen auf, die es ermöglichen, die Ressourcen der Unternehmung effizient zu steuern und auf die als bedeutsam erkannten Handlungsfelder zu konzentrieren. Die ABC-Analyse basiert dabei auf der Erkenntnis, dass ein relativ kleiner Mengenanteil eines Gesamtvolumens häufiger den Hauptteil des gesamten Wertes dieses Volumens repräsentiert. Sie kann mit besonderem Nutzen im Rahmen des Beschaffungs-, Produktions- und Vertriebscontrollings eingesetzt werden. Es lassen sich auf diese Weise Analysen von Waren- und Lieferantenstrukturen, von Leistungs- und Kapazitätsstrukturen wie auch von Produkt-, Markt-, Kunden- oder Vertriebswegestrukturen einer ersten, groben Untersuchung zuführen.
Literatur
Pfeifer, T; Schmitt, R.: Qualitätsmanagement. Strategien – Methoden – Techniken, 5. überarbeitete Auflage. München-Wien (Hanser) 2015 Pfeifer, T; Schmitt, R. (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement. 6. überarbeitete Auflage. München-Wien (Hanser) 2014
a.a.R.d.T. Unter der Bezeichnung „allgemeine Regeln der Technik“, die oft einfach als „a.a.R.d.T.“ abgekürzt wird, versteht man Regeln, die von der Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt und in der Praxis bewährt und anerkannt sind. Sie gehen über die gültigen technischen Vorschriften und Normen hinaus. Der Ausdruck stammt aus der Bautechnik und dem Baurecht. Da sich Wissenschaft und Praxis im ständigen Wandel befinden, handelt es sich bei den a.a.R.d.T. letztendlich auch nie um starre Regeln. Dennoch gilt zu einer bestimmten Zeit: Die a.a.R.d.T. bilden die Summe der anerkannten wissenschaftlichen, handwerklichen und technischen Erfahrungswerte, die als allgemein bekannt gelten und als richtig und notwendig anerkannt und damit als verbindliches Gemeingut angesehen werden.
Abbescher Grundsatz
▶Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagment ▶Taylorscher Grundsatz Neben einer Vielzahl von Einflussparametern, die auf den Messprozess einwirken, hängt die Genauigkeit der Messung insbesondere von der Lage der zu messenden Strecke am Prüfgegenstand zur Länge des Vergleichsnormales ab. Der Abbesche Grundsatz bzw. das Abbesche Komperatorprinzip ist ein erstmalig von Ernst Abbe 1893 in Bremen während einer Naturforschertagung aufgestellter bzw. beschriebener wichtiger messtechnischer Grundsatz. Der Abbesche Grundsatz sieht vor, dass die zu messende Strecke des Prüflings und die Ver-
Im Ergebnis wird eine Einteilung des relevanten Untersuchungsgegenstandes nach seinem relativen Anteil am Ge samtwert vorgenommen und der A-, B- oder C-Klasse zugeordnet (Abbildung A07). Dabei bilden bspw. A-Produkte oder A-Kunden etwa 75-80 % des Gesamtumsatzwertes, Deckungsbeitrages oder Gewinns der Unternehmung ab. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Produkte oder Kunden der Unternehmung ist hingegen relativ gering. Der Anteil der BGruppe beträgt ungefähr 15% der betrachteten Wertegröße und ca. 30-40% des entsprechenden Volumens. Die C-Klasse repräsentiert schließlich nur mehr etwa 5-10% des betrachteten Wertes, ist jedoch an der Menge mit 40-55% beteiligt.
Abb. A07: Beispiel einer ABC-Analyse nach Produktgruppen und Umsatzanteil 100% 90% 80% 70% 60% Umsatz- 50% anteil 40%
B
A
C
30% 20% 10% 0% |
0%
| 10%
| 20%
| 30%
| 40%
| 50%
| 60%
| 70%
| 80%
| 90%
| 100%
Produktgruppen
23
A
Ablauf-Diagramm
ABC-XYZ-Analyse
A
Der methodische Ablauf einer ABC-Analyse kann anhand des Vertriebscontrollings wie folgt in fünf Schritten beschrieben werden: ◼ Ermittlung des jährlichen Absatzvolumens je Produktart, ◼ Umrechnung in den Umsatzwert je Produktart, ◼ Sortieren der Produktarten nach ihrem Umsatzrang in absteigender Folge, ◼ Errechnen der kumulierten Prozentsätze der Produkte am Gesamtumsatz, ◼ Identifizierung markanter Entwicklungsbrüche in der Umsatzentwicklung und Zuordnung der jeweiligen Pro duktarten entsprechend ihres kumulierten Umsatzanteils zu den Klassen A, B und C.
ABC-XYZ-Analyse ▶ABC-Analyse ▶XYZ-Analyse
Die XYZ-Analyse bedeutet in der Materialwirtschaft zunächst eine Klassifizierung von Beschaffungsobjekten hinsichtlich ihrer Verbrauchseigenschaften (z. B. regelmäßig, saisonal bedingt, unregelmäßig). Generell wird im Unterschied zur ►ABC-Analyse nicht nach Wertigkeit klassifiziert, sondern nach anderen Kriterien (z. B. erforderlicher men-
24
Abfall
▶en: waste ▶Ökobilanz Jeder Output eines Produktsystems, der beseitigt wird. Normquelle: DIN EN ISO 14040 (3.20) ⟪Originalbegriff⟫
Abfall
▶en: waste Produkt, Stoff, Gegenstand oder alle beweglichen Sache, deren sich der Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss, so dass eine Verwendung für den ursprünglichen Zweck nicht mehr möglich ist. Das Abfallrecht unterscheidet gefährliche Abfälle, nicht gefährliche Abfälle, Abfälle zur Verwertung und Abfälle zur Beseitigung. Beispiele: Ausschuss, Produktionsrückstände, Schrott, Altöle. Normquelle: DIN 55350-11:2004-03 ⟪Originalbegriff⟫
Ablauf-Diagramm
▶Ablauforganisation ▶M7 (Netzplan-Diagramm) Ein Planungs- und Darstellungsmittel, mit dem oft unter Verwendung von Aktionspfeilen, Entscheidungsknoten und Symbolen klare Visualisierungen von Zusammenhängen und Aktivitäten, also logische Abfolgen von Entwicklungs- und Abfolgeprozessen transparent gemacht werden.
Zwingend notwendig sollte die Anwendung von AblaufDiagrammen in der Organisation und modernen Informa tionsverarbeitung sein. Aus Ablauf-Diagrammen müssen sachliche und zeitliche Zusammenhänge klar erkennbar sein. Fluß-Diagramme, wie sie oft in Verfahrensanweisungen benutzt werden, zählen zu den Ablauf-Diagrammen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Ablaufelement
▶ QM-Ablaufelement
DIN-Term
Bei der Absatz- und Vertriebsplanung sowie aus Sicht der Marketingaktivitäten stehen in der Konsequenz der Ergebnisse zunächst die Produktarten der Klasse A im Vordergrund. Hier werden z.B. die Mengen- und Preisentwicklungen besonders exakt geplant und überwacht sowie die erforderlichen Marketingaktivitäten fokussiert, da bereits geringfügige Veränderungen erhebliche Konsequenzen für die Ergebniserwirtschaftung zur Folge haben. Hingegen wird das Vertriebscontrolling der C-Klasse möglichst stark vereinfacht und standardisiert. Ähnlich lässt sich auch bspw. bei der ABC-Analyse der Warenbestände argumentieren. Bei Waren der A-Klasse werden Bestellmenge, Meldemenge, Richtbestände und Bestellperiode besonders exakt geplant und überwacht, da sie bspw. von besonderer Bedeutung für den Leistungsprozess sind oder eine hohe Kapitalbindung durch die Vorratshaltung resultiert. Hingegen wird das Warencontrolling der C-Waren zumeist dahingehend vereinfacht, dass die Bestellabwicklung standardisiert wird, der gesamte Bedarf einer Planperiode auf einmal beschafft wird und die Warenkontrolle nur noch stichprobenhaft erfolgt. Die ABC-Analyse ermöglicht somit dem Entscheidungsträger, bei der Planung, dem Instrumenteneinsatz sowie der Kontrolle Schwerpunkte zu setzen und seine Aktivitäten auf wenige, für den Erfolg der Unternehmung besonders bedeutsame Waren, Produkte, Kunden, Märkte usw. zu konzentrieren. Allerdings dürfen die Elemente der B- und C-Klasse nicht derart in den Hintergrund treten, dass durch nicht erkannte Fehlentwicklungen (z. B. Fehlmengen, Qualitätsmängel u. a.) die angestrebte Ergebnissteuerung in Frage gestellt wird. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
genmäßiger Material- oder Ressourceneinsatz: hoch, mittel, niedrig). Um die Effektivität einer reinen ABC-Analyse oder einer reinen ►XYZ-Analyse zu verbessern, kombiniert man beide zu einer reinen ABC-XYZ-Analyse. So wird sichtbar, dass beispielsweise geringerwertige Produkte einen hohen Anteil am Lagerbestand ausmachen und zugleich einen hohen Einsatz an Ressourcen zu ihrer Lagerung verlangen. Der Vorteil dieser Analysenmethode liegt darin, dass sie auf wenige Dimensionen beschränkt bleibt und so vergleichsweise einfach Schwachstellen erkennen lässt, die dann detaillierter betrachtet werden können.
Ablauforganisation: Structure follows Process!
Ablauforganisation: Structure follows Process!
Ablauforganisation: Structure follows Process!
Grundsätzlich wird die Ablauforganisation als Element der ►Arbeitsorganisation gesehen.
▶operational structure ▶Aufbauorganisation: Process follows Structure! ▶Organisation ▶Organisationsgestaltung ▶Prozessorganisation ▶Prozessmanagement
1 Aufbau- und Ablauforganisation Die innere Organisation von Unternehmen wird mit den Begriffen Aufbau- und Ablauforganisation beschrieben. Während bei der ►Aufbauorganisation die Aufgabengliederung, Bildung von Organisationsein hei ten (Stellen und Abteilungen und die Weisungs- und Informationsbeziehungen zwischen Organisationseinheiten geregelt sind (Schlüsselfrage: Wer macht was?), geht es bei der Ablauforganisation um das dynamische Phänomen der Organisation in Zeit und Raum: den Ablauf der Aufgabenerfüllung (Schlüsselfrage: Was ist wann in welcher Reihenfolge zu tun?). [1]
Niklas Luhmann hat als einer der ersten (1964) die Trennung von Aufbau- und Ablauforganisation kritisiert [4]: „Unvermeidlich kommt es zu Widersprüchen, wenn man nach wie vor Aufbau- und Ablaufgestaltung je für sich aus dem Betriebszweck ableitet und erst nachträglich einen Kompromiß erstrebt. Das Dominieren des Aufgabenbegriffs führt zusammen mit der Trennung von Aufbau und Ablauf notwendig in dieses Dilemma. Deshalb gewinnt in Theorie und Praxis und nicht zuletzt unter dem Einfluss der zunehmenden Automation ein Organisationsdenken an Raum, das nicht von einem durch Zweckzerlegung gewonnen Arbeitsteilungsschema ausgeht, sondern vom Arbeitsfluss, und das die Systemstruktur nur noch als einen Kom plex von ‚Entscheidungsprämissen‘ behandelt, die den Arbeitsfluss ‚programmieren‘.“
In der ►Aufbauorganisation finden die Hierarchie- und Abbildung A08 zeigt in Gegenüberstellung die beiden OrgaMachtverhältnisse des Unter nehmens ihren sichtbaren nisationsbereiche, wie sie von der traditionellen Betriebswirt Ausdruck. Im pyramidenhaften Gebilde der Aufbauorgani schaftslehre verstanden werden. Abbildung A09 verdeutlicht sation (beginnend mit den ausführenden Tätigkeiten bis hin den organisatorischen Zusammenhang von Struktur und Prozu den Managementfunktionen der Unternehmensspitze) zess, also das Zusammenspiel von Aufbau- und Ablauforgani lassen sich die Grundlagen der organisatorischen Macht – oft informell durch stillschweigende Übereinkunft Abb. A08: Aufbau- und Ablauforganisation in klassischer Sicht und Duldung eingeübt – erkennen. Dabei wird der ►Aufbauorganisation im Wesentlichen der folgende Organisation Aufgabenbereich zugeschrieben [2]: ◼ „Festlegung der Arbeitsteilung durch lückenlose Aufbauorganisation Ablauforganisation Aufteilung aller im Unternehmen wahrzuneh(Gebildestrukturierung) (Prozessstrukturierung) menden Aufgaben. ◼ Zusammenfassung der Teilfunktionen in FunkArbeitssynthese tionsbereiche von führungsmäßig praktikabler Aufgabenanalyse Aufgabensynthese Arbeitsanalyse Größenordnung und deren Einordnung in einen Quelle: [2], S. 2 gestuften hierarchischen Aufbau. sation im Zuge einer Auftragsabwicklung. Daraus wird klar, ◼ Kooperationsgerechte Gestaltung der Unterneh-mensdass es sich um zwei Seiten einer Medaille handelt, wo zahl struktur, die es ermöglicht, die aufgeteilten Funktionen reiche Wechselwirkungen bestehen, die Gestaltungsfeldern zur angestrebten Gesamtleistung zusammenzuführen. offenstehen. Abbildung A09 läßt sehr gut erkennen, dass das ◼ Regelung der Beziehungen und Ordnung des ZusamHin e in l au f en der Prozesse in die Abteilungsgliederung durch menwirkens der Funktionsbereiche.“ zahlreiche Schnittstellen charakterisiert ist. Diese lassen sich Die Ablauforganisation wird traditionell der folgende Aufgadurch eine Umorientierung organisatorischen Denkens in benbereich zugeschrieben [3]: Richtung einer prozessorientierten Organisation ausschalten (►Prozessmanagement; ►Geschäftsprozessmanagement; ◼ „Ordnung der Funktionsabläufe in und zwischen den ►Organisationsgestaltung). Funktionsbereichen ein schließlich ihrer Voraussetzungen und Auswirkungen. 2 Aufbauorganisation des Qualitätsmanagements ◼ Schaffung benötigter Planungs-, Steue rungs-, DispoObwohl das Qualitätsmanagement grundsätzlich unabhängig sitions- und Kontrollsysteme und Regelung der Ent von bestehenden Aufb au- und Ablauforganisationen zu sehen scheidungsbefugnisse zur Ordnung des Betriebsgeist, sich folglich an alle vorfindbaren Organisationsformen schehens einschließlich der zugehörigen Unterlagen, anpasst, ist eine bestehende Organisationsstruktur doch nicht Informationsflüsse und Regelsysteme. neutral zu sehen [6]. Die Erfolge des japanischen Manage ◼ Einsatz der geeignetsten und rationellsten technischen mentdenkens zeigen klar, dass Qualitätsmanagementsysteme Hilfsmittel hierfür.“ dann erfolgreich implementiert werden können, wenn sich
25
A
Abnehmer
Ablauforganisation: Structure follows Process! die QM-Aufbau- und AblaufElemente an den Prozessen orientieren und nicht die Dominanz der Aufbaustruktur zur übergeordneten Maxime erhoben wird (►Lean Management). Wesentlich ist folglich die gleichrangige Betrachtung von Aufbauund Ablauforganisation. Der Ausgangspunkt bei der Gestaltung von Prozessen wird heute verstärkt auf die Ablauforganisation gelegt, welche die Unternehmensleistung erzeugt und damit den Kundennutzen bringt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
A
Abb. A09: Zusammenhang von „Struktur“ und „Prozess“
Leitung Beschaffung
Produktion
Absatz
Transport
Verwaltung
Auftragspapiere
Fertigung Warenversand
Lagerentnahme
Lagerauftrag
Fakturierung
Fertigungsauftrag Auftrag
Kunde Quelle: [5], S. 119
Literatur
DGQ-Term
Ablaufprüfung
▶ Prozessprüfung Zwischenprüfung an einer Tätigkeit oder einem Prozess anhand der Merkmale der Tätigkeit oder des Prozesses.
DIN-Term
Anmerkung 1: Die Ablaufprüfungen anlässlich einer probeweisen Durchführung einer Tätigkeit oder eines Prozesses während der Planung dieser Tätigkeit oder dieses Prozesses heißt auch „Probeablaufplanung“. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009 ⟪Originalbegriff⟫
Ablieferungsprüfung
Annahmeprüfung vor Ablieferung des Produkts.
Anmerkung: Es muss festgelegt sein, auf welche ►Qualitätsmerkmale sich eine Ablieferungsprüfung bezieht. Wenn nichts anderes vereinbart wurde, ist derjenige für die Ablieferungsprüfung zuständig, der für die Erfüllung der ►Qualitätsforderung verantwortlich ist. Normquelle: DIN 55350-17:1987-07 ⟪Originalbegriff⟫
26
Abnahme
▶Annahme ▶Abnahmeprüfung
Abnahmeprüfung
▶en: acceptance inspection ►Annahmeprüfung auf Veranlassung und unter Beteiligung Kunden bzw. Auftraggebers oder seines Beauftragten.
Anmerkung 1: Die Abnahmeprüfung ist zu unterscheiden von der ‚Abnahme‘ im Sinne BGB § 640 und § 433, Absatz II. Die Abnah meprüfung steht stets im sachlichen, jedoch nicht notwendigerweise in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Abnah me. Anmerkung 2: Die Annahmeprüfung kann durch den Empfänger der Leistung selbst, durch den Lieferanten im Beisein des Empfängers oder eines von ihm Beauftragten oder durch einen von ihm beauftragten Dritten durchgeführt werden, z. B. durch einen Sachverständigen. Anmerkung 3: Die Abnahmeprüfung kann sowohl beim Lieferanten als auch beim Abnehmer als auch bei einer neutralen Stelle als auch teilweise hier und dort erfolgen. Anmerkung 4: Für die Abnahmeprüfung, die stets vor dem Gefahrenübergang gemäß BGB § 446 und § 447 erfolgt, wird vielfach verein bart, dass der Abnehmer die Abnahmeprüfung in Verbindung mit der ►Endprüfung durchführt oder mindestens an dieser teilnimmt. Normquelle: DIN 55350-17:1987-07 ⟪Originalbegriff⟫
Abnehmer ▶ Kunde
DIN-Term
[1] Braun, J.: Aufgaben und Ziele der Organisationsgestaltung. In: Bullinger, H.-J.; Warnecke, H.-J.: Neue Organisationsformen im Unternehmen, Berlin-Heidelberg-New York: Springer 1996, S. 7ff [2] Koschnick, W.: Management. Enzyklopädisches Lexikon. Berlin-New York (de Gruyter) 1995, S. 46f [3] s. [2], S. 2 [4] Luhmann, N.: Funktionen und Folgen formaler Organisation. 3. Auflage. Berlin (Duncker & Humblot) 1976 [5] Krüger, W.: Organisation der Un ter nehmung, 3. Auflage. Stuttgart-Berlin-Köln (Kohlhammer) 1994 [6] Hering, E. et al. (Hrsg.): Qualitätsmanagement für Ingenieure. 4. Auflage, Berlin et al. (Springer) 1999, S. 276ff
Adhokratie
DIN-Term
Abnehmerrisiko Abnehmerrisiko
▶Consumer’s risk ►Annahmewahrscheinlichkeit für ein Los, dessen ►Qualitätslage gleich der annehmbaren ►Qualitätsgrenzlage (AQL) ist. Anmerkung: Es ist zu unterscheiden zwischen dem LQL der betreffenden Stichprobenanweisung gehörigen Abnehmerrisiko und der Annahmewahrscheinlichkeit, die zu einer von der LQL abwei chenden Qualitätslage gehört. Normquelle: DIN 55350-31:1985-12 ⟪Originalbegriff⟫
Abschlussgespräch
DIN-Term
▶ Audit Das Abschlussgespräch findet nach der Durchführung eines ►Audits statt und fasst die Auditergebnisse (inkl. der Auditschlussfolgerungen) zusammen. Es hat folgende Inhalte: Zusammenfassung der Feststellungen, Hinweis auf Stichprobencharakter, Erwähnung positiver Feststellungen, Beobachtungen, Empfehlungen und Abweichungen, Klärung von Missverständnissen, Dokumentation eventueller Meinungsverschiedenheiten, Auditschlussfolgerungen und ggf. Vereinbarungen, Diskussion über Art, Termin und Verantwortlichkeiten von Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen.
Abweichung (allgemein)
▶deviation Unterschied zwischen einem Merkmalswert oder einem dem Merkmal zugeordneten Wert und einem Bezugswert. Bei einem qualitativen Merkmal: Merkmalswert oder ein dem Merkmal zugeordneter Wert minus Bezugswert. Normquelle: DIN 55350-12 :1989-03 ⟪Originalbegriff⟫
Abweichung (▶Audit)
▶finding Nichterfüllung oder nicht ausreichende Erfüllung einer gültigen Forderung. Vor der Zertifikatserteilung sind die Hauptund Nebenabweichungen zu dokumentieren.
DIN-Term
Quelle: nach ISO/IEC 17021-01:2015-11
Abweichungsgenehmigung
DGQ-Term
Anmerkung 1 zum Begriff: Eine Abweichungsgenehmigung wird üblicherweise für eine begrenzte Menge von Produkten und Dienstleistungen oder eine begrenzte Zeitspanne und für einen bestimmten Gebrauch erteilt. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Abweichungsgrenzbetrag
Betrag der unteren Grenzabweichung oder der oberen Grenzabweichung unabhängig davon, ob deren Beträge gleich sind oder sich unterscheiden. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009 ⟪Originalbegriff⟫
A
▶AQL ▶de: Annehmbare Qualitätsgrenzlage ▶Qualitätsverlustfunktion Ein statistischer Zahlenwert, der die Höhe des Ausschussanteils angibt, bei dem das Los mit der Wahrscheinlichkeit Fehler 1. Art irrtümlich abgelehnt wird (Risiko des Produzenten). Bei AQL handelt es sich um eine wichtige Stichprobenanweisung zur Attributprüfung, die in der ISO 2859 geregelt ist. Dort heißt es: Schlechteste hinnehmbare Qualitätslage eines (Realisierungs-)Prozesses für eine fortlaufende Serie von Prüflosen, die für eine Annahmestichprobenprüfung vorgestellt werden. Normquelle: Nach DIN ISO 2859-1:2004-01
Adaptive Qualitätsregelkarte ▶Qualitätsregelkarten
Adhokratie
▶adhocracy ▶Agilität ▶Dezentralisation „We all sit in front of our iPhones and communicating but are we really communicating?“ (Henry Mintzberg)
Bekanntgeworden ist die Adhokratie als dynamische Organisationsform durch Alvin Tofflers Buch „Der Zukunftsschock“. Doch der Begriff geht auf Warren G. Bennis zurück [2] und gewann dann durch den kanadischen Wirtschftswissenschaftler Henry Mintzberg in dessen einflussreichem Werk „The Structuring of Organizations“ aus dem Jahr 1979 seine Bedeutung in der Organisationstheorie [3]. Begriff und Bedeutung: Das Wort enthält das aus dem lateinischen stammende Adverb „ad hoc“, das zunächst soviel bedeutet wie „zu diesem, hierfür“, aber auch als „aus dem Moment heraus“ oder „für diesen Augenblick gemacht“, und auch „eigens für diesen Zweck geschaffen“ übersetzt werden kann. In dem Wort kommt eine gewisse Spontanität zum Ausdruck. Kritisch könnte man einwenden, dass etwas ohne Planung, improvisiert, ja vielleicht sogar überstürzt gemacht wird. Der Begriff hat sicherlich im beruflichen Alltag viele Bedeutungserweiterungen erfahren, so zum Beispiel „bei Bedarf “. Als Adhokratie kann folglich eine Organisationsform bezeichnet werden, deren Struktur einen „Mechanismus“ enthält, der Flexiblität nicht nur zulässt, sondern zur Regel macht. Team- und Projektarbeit stehen im Vordergrund und sind geprägt von autonomen Handlungsmustern: „Any form of organization that cuts across normal bureaucratie lines to capture opportunities, solve problems, and get results.“ [4] Mintzberg zufolge ist die Adhokratie das Gegenteil von Bürokratie. Sie ist dezentralisiert, flexibel und schnell, die Organisationsstruktur ist flach, die Informationsflüsse sind schnell und die Teams sind wandelbar.
27
Begriff
▶en: deviation permit vor der Realisierung erteilte Erlaubnis, von ursprünglich festgelegten ►Anforderungen an ein ►Produkt oder eine ►Dienstleistung abzuweichen
Acceptance Quality Level (AQL) auch: Acceptance Quality Limit
Agilität
Ad-hoc-Team
A
Literatur
[1] Burns T. and Stalker G. M.: The management of innovation. Londone (Tavistock) 1961 [2] Bennis, W. G. and Ph. E. Slater: The temporary society. New York (Harper & Row) 1968 [3] Mintzberg. H.: The Structuring of Organizations. A synthesis of research. New Jersey (Englewood Cliffs) 1979 [4] Waterman, R.: Adhocracy. New York-London (Norton & Co) 1990
Ad-hoc-Team
Für eine begrenzte Dauer gebildetes Team, um temporäre Einzelprobleme oder Sonderaufgaben zu lösen.
Affinitätsdiagramm ▶M7
AFNOR
Association Française de Normalisation. Offizielle französische Normungsorganisation. – URL: www.afnor.org
Agenda 21
▶M7 ▶Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement Entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert. 1992 wurde auf der „Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen“ (UNCED) dieses Leitpapier zur nachhaltigen Entwicklung von mehr als 170 Staaten in Rio de Janeiro beschlossen. Mittlerweile gilt die Agenda 21 (nachhaltige Entwicklung) auch als Leitlinie öffentlichen Handelns.
AIAG
Automotive Industry Action Group. Verband der Automobilundustrie in den USA mit Sitz in Michigan. URL: www.aiag.org
Agiles Qualitätsmanagement ▶Agilität
Agilität
▶IT-Agilität ▶Virtuelles Unternehmen „Eine ’mannlose’ Fabrik kann keine Innovation betreiben.“ (H.-J. Warnecke [1], S. 22)
1 Begriffsklärung Das Adjektiv agil bedeutet, dass eine Person sich sowohl physisch wie auch psychisch in einer sehr guten Verfassung befindet und auch aktiv und beweglich ist. Das Substantiv lässt sich mit Beweglichkeit oder Wendigkeit umschreiben. Etymologisch geht Begriff „agil“ auf das lateinische „agilis“ zurück, das mit „leichtbeweglich, behende, schnell, rasch“ übersetzt werden kann. Im Duden findet man für „agil“ die Wortbedeutungen „flink, wendig, beweglich“. Im amerikanischen Merriam Webster Dictionary werden zwei Bedeutungsvarianten genannt: ◼ „marked by ready ability to move with quick easy grace“ und ◼ „having a quick resourceful and adaptable charakter“. Es ist interessant, dass „adaptable character“, also die Anpassbarkeit, im deutschen Duden nicht vorkommt. Wir haben es also mit einer Bedeutungserweitung zu tun, indem mit Agilität im heutigen Sprachverständnis sehr wohl die Anpassungsfähigkeit wie auch die Initiative zum Wandel gemeint sind. Proaktivität kennzeichnet also den Begriff Agilität, wenn erkannt wurde, dass es sinnvoll erscheint zu handeln, die Situation zu verändern, die Initiative zu ergreifen. 2 Organisatorische Agilität Dieser Bedeutungszusammenhang lässt sich leicht auf die Organisation übertragen. Die Idee der Agilität von Organisationen hatten wohl als erste Richard Pascale und Anthony G. Athos Anfang der 1980er Jahre als sie anhand von Fallstudien japanischer im Vergleich zu amerikanischen Unternehmungen festgestellt hatten, dass der Schlüssel zur Agilität im Wesen der Organisation selbst und in der Art („Kunst“) ihres Managements liegt und nicht so sehr in dem was getan wird. Der Begriff Agilität entstand somit als Reaktion auf langsame bürokratische Organisationen, um veränderten Marktbedingungen zu begegnen. Allerdings sucht man den Begriff in dem Buch vergebens. Die Rede ist davon, dass der Agile initiativ und flexibel ist. Verdichtet wird die Analyse schließlich in dem ►7 S-Modell, das hier erstmals veröffentlicht wurde [1]. In der Folge hat besonders Hans-Jürgen Warnecke Agilität als Reaktion auf Komplexität herausgestellt (►Fraktales Unternehmen) [2]. Bis heute taucht der Begriff in vielfältigen Zusammenhängen im Management auf, z. B. als agile Produktion [3]. Angesichts der zunehmenden Komplexität und Dynamik der Umwelt erscheint es als folgerichtige Antwort, Agilität zu entwickeln, ja Agilität als Fähigkeit eines Managementsystems zu fordern. Damit wird gleichzeitig ausgedrückt, dass die Unternehmensführung befähigt sein muss, den jeweils praktizierten Führungsansatz entsprechend den sich ständig ver-
28
Begriff
Die Bedeutung der Adhokratie u. a. neuer Organisationsformen für das Qualitätsmanagement wird klar, wenn bedacht wird, dass das Denken in Prozessen jeden QM-Ansatz auszeichnet. Die damit verbundene Konzentration auf die Kundenperspektive wurde Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Agilität
Begriff
ändernden Verhältnissen fortzubilden. Somit kann Agilität als die Fähigkeit eines Unternehmens verstanden werden, auf erkannte und veränderte Umweltbedingungen aktiv, schnell und flexibel reagieren zu können und dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen oder auszubauen. Unter Agilität wird die Fähigkeit einer Einheit (z. B. einer Organisation) verstanden, erfolgreiche Veränderungen zu bewirken, mit ihnen fertig zu werden und/oder sie zum eigenen Vorteil zu nutzen. Dabei bedeutet erfolgreich, dass im Falle der organisationalen Agilität die Organisation in der Lage ist, die Merkmale, an denen der Erfolg zu bemessen ist, zu antizipieren und proaktiv nachhaltig zu gestalten [4]. Dieser Begriff lässt sich in sechs Fähigkeitsdimensionen operationalisieren [4]:
Diese Fähigkeitsdimensionen können in vielfältiger Weise interagieren und dabei Synergien bewirken, die eine überproportionale Verbesserung der Agilität ermöglichen. Für die Organisation bzw. deren Systeme geht es also nicht darum, diese Fähigkeiten einzeln zu maximieren, sondern darum, sie unter Berücksichtigung ihrer Synergien so zu dimensionieren, damit ein Höchstmaß an Agilität erreicht wird, das notwendig ist, um im Rahmen der Organisation Veränderungen herbeizuführen oder Veränderungen erfolgreich zu bewältigen oder auszunützen. Neben dieser Managementsicht, die sich auf die wertschöpfende Produktion bezieht, wird auch die strukturelle Sicht betont, die sich auf die Flexibilität und schnelle Änderung durch die IT bzw. die IT selbst bezieht (IT-Agilität [6]). 3 Agile Organisationen mit SCRUM aufbauen Im Projektmanagement und besonders im Management von Softwareprojekten der Softwareindustrie hat man immer schon nach Wegen gesucht, die in zeitlicher und kostenmä-
ßiger Hinsicht ausufernden Projekte zu begrenzen. Über Kelly Johnson, dem Konstrukteur von Lockheed Martin wird berichtet, dass er im Kriegsjahr 1943 für einen Projektauftrag zum Bau eines Kampfjet ( Jet Fighter XP-80) nur 143 Tage benötigte. Sein Vorgehen wird heute als agil bezeichnet [8]: „Alle dafür notwendigen Ingenieure in ein Zelt packen, bürokratische Störungen fernhalten und die Experten selbstorganisiert machen lassen und sie in Kontakt mit den Nutzern bringen: mit den Piloten.“
A
Kommentar von Lookheed: „He broke the rules, challenging the current bureaucratic system that stifled innovation and hindered progress.“ Viele Softwareentwickler sehen bereits hierin quasi die Geburtsstunde des agilen Softwaremanagements, das später unter der Bezeichnung ►SCRUM das klassische Projektmanagement revolutionieren sollte. Kelly Johnson hat denn auch sein Vorgehen begründet, indem er die nach ihm benannten 14 Regeln für Skunk Works Manager formulierte (Kelly’s Rules & Practices). Das heute noch gültige Prinzip wird von Boris Gloger wie folgt auf den Punkt gebracht [8, S. 6]: „Fokussiere das Problem und dann zerlege es in kleine, überschaubare Einheiten. Arbeite eng mit dem Anwender zusammen und verbessere so Schritt für Schritt dein Produkt.“ Hieraus schlussfolgernd lässt sich aus den Projekterfahrungen des Software Engineering eine Definition einer agilen Organisation formulieren [8, S. 10]: „Die agile Organisation ist eine nach außen gerichtete Organisation! Sie stellt den Kunden in den Mittelpunkt, statt sich ständig mit sich selbst zu beschäftigen und schafft für den Kunden den WOW-Effekt. Dieser wird sich dann einstellen, wenn der Kunde die Lösung für ein Problem bekommt, das er noch gar nicht kennt oder noch nicht wahrgenommen hat. Eine agile Organisation ist eine Organisation, die alle internen Prozesse darauf ausrichtet, das richtige Produkt dann, wenn es gebraucht wird, zu liefern. Deshalb ist sie so strukturiert, dass sie auf die Forderungen von außen sofort reagieren kann. Sie bewegt sich immer schneller als die Kundenbedürfnisse wachsen können und denkt, was sich der Kunde gar nicht vorstellen kann. Dazu muss aber die Arbeitsumgebung menschengerecht gestaltet sein – also kreativ, anregend und sozial.“ 4 Agiles Qualitätsmanagement Für das Qualitätsmanagement lässt sich feststellen, dass die Vorschläge der amerikanischen Qualitätsexperten ►Deming und ►Juran einen starken Einfluss auf die Ausformung des Qulitätsmanagements in Japan hatten. Sowohl die QM-Ansätze von ►Ishikawa wie auch das ►Toyota Produktionssystem und natürlich auch das in der Folge sich entwickelnde ►Lean Management sind als agile Systeme anzusehen. Im Toyota Produktionssystem und Lean Management lassen sich bei genauer Betrachtung sogar die in Kapitel 1 genannten sechs Fähigkeitsdimensionen wiederfinden. Neuerdings haben nun Tilo ►Pfeifer et al. den Begriff „Agiles Qualitätsmanagement“ formuliert [10, S. 64-65]: „Ein unter-
29
Begriff
1 Flexibilität (flexibility) beinhaltet die Fähigkeit, mehrere Lösungsmöglichkeiten alternativ einzusetzen und nahtlos von einer zur anderen überzugehen; 2 Anpassungsfähigkeit (adaptability) bezieht sich auf die Fähigkeit, die Arbeitsprozesse und/oder die Organisation zu ändern; 3 Reaktionsfähigkeit (responsiveness) kennzeichnet die Fähigkeit, auf Veränderungen der Umstände rechtzeitig, also vorausschauend zu reagieren; 4 Qualitätsfähigkeit (quality capability) bezieht sich auf die Fähigkeit einer Organisation, die Qualitätsforderungen vollständig erfüllen zu können. 5 Innovationsfähigkeit (innovativeness) kennzeichnet die Fähigkeit, neue Wege oder Methoden zu finden, um ein Problem zur Problemlösung oder alte Methoden auf eine neue Art und Weise einzusetzen. 6 Resilienz/Widerstandsfähigkeit (resilience) kennzeichnet die Fähigkeit erfolgreich externe, widrige Einflüsse abzuwehren und zu einem positiven akzeptablen Zusatend zurückkehren zu können (Selbstregulation).
Agilität
Akao, Yoji
Agilität
Auflage. Reinbek (Rowohlt) 1996 [3] Milberg, J.: Die agile Produktion. In: Klocke, F. und G. Pritschow: Autonome Produktion. Berlin u.a. (Springer) 2004, S. 549-563 [4] Fortentwickelt im Anschluss an: Huber, R. K. und J. Römer: C2 Agilität: Modell einer kirtischen Fähigkeit. In: Europäische Sicherheit und Technik. Nr. 11/2013, S. 3 [5] Warnecke, H.-J: Von der Produktionslinie zum Netzwerk. In: Klocke, F. und G. Pritschow: Autonome Produktion. Berlin u.a. (Springer) 2004, S. 19-24 [6] Nissen, V.: Einige Grundlagen zum Management von IT-Agilität. Arbeitsbericht Technische Universität Ilmenau. Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Institut für Wirtschaftsinformatik. Ilmenau 2008 [7] Gloger, B. und J. Margetich (Hrsg.): Das Scrum-Prinzip. Agile Organisationen aufbauen und gestalten. Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2014 [8] Gloger, B.: Auf der Suche nach der agilen Organisation. In: Gloger, B. und J. Margetich (Hrsg.): Das Scrum-Prinzip. Agile Organisationen aufbauen und gestalten. Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2014, S. 5 [9] Pfeifer, T., R. Schmitt und M. Bernards: Das Konzept des agilen Qualitätsmanagements. In: Pfeifer, T. und R. Schmitt (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement. 5. Auflage, München (Hanser) 2007, S. 58-63 [10] Pfeifer, T., R. Schmitt und P. Beaujean: Qualitätsgerechte Organisationsstrukturen. In: Pfeifer, T. und R. Schmitt (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement. 6. Auflage, München (Hanser) 2014, S. 51-65 [11] Schmitt, R. und T. Pfeifer: Qualitätsmanagement. Strategien – Methoden – Techniken. 4. Auflage. München (Hanser) 2010
„Es wird deutlich, dass neueren Organisationsformen immer der Gedanke einer hohen Agilität zu Grund liegt. Agilität selbst charakterisiert die Art und Weise, wie sich Strukturen an die sie umgebenden Umstände anpassen. Verschiedene Konzepte zum agilen Qualitätsmanagement präsentieren eine effektive Gestaltung aller notwendigen Aktivitäten zur dynamischen Anpassung.“ Einzelne Konzepte zum agilen Qualitätsmanagement werden nicht behandelt, wohl aber wird ein eigenes Modell vorgestellt, das ►Aachener Qualitätsmanagement Modell, das wohl als das „agile Modell“ für das Qualitätsmanagement anzusehen ist, das die Autoren präferieren ([9], [10]). 5 Fazit Der Blick auf den Agilitätsbegriff in ausgewählten Bereichen der Managementlehre erbrachte ein interessantes Ergebnis: Agilität verlangt nach Reduktion von Komplexität, Wandel der Organisation und der Unternehmensführung. Neben der Dimension Flexibilität kennzeichnen weitere Merkmale eine agile Organisation. Was vom Qualitätsmanagement her bekannt ist, gilt besonders für die agile Organisation: Der Kundenfokus verlangt im innerorganisationalen Verhältnis als Pendant den Mitarbeiter, der kompetent und schnell entscheiden kann (one voice to the customer). Interne und externe Flexibilität sind somit als Elemente von Agilität zwei Seiten (Fähigkeitsdimensionen) derselben Medaille. Agiles Qualitätsmanagement setzt die agile Organisation voraus. Und diese gilt es entlang der genannten Fähigkeitsdimensionen zu gestalten. Die ►BigPicture-Methode kann dazu dienen, unternehmerische Zusammenhänge aufzuzeigen und Schwachstellen zu erkennen [11, S. 795-798]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Pascale, R. und A. G. Athos: The Art of Japanese Management. Applications for American Executives. New York (Simon & Schuster) 1981 (dtsch. 1982); vgl. auch Zollondz, H.-D.: Lean Management. München (Oldenbourg) 2013 [2] Warnecke, H.-J.: Komplexität und Agilität. Gedanken zur Zukunft produzierender Unternehmen. In: Schuh, G. und H.-P. Wiendahl (Hrsg.): Komplexität und Agilität: Steckt die Produktion der Sackgasse? Berlin u.a. (Springer) 1997, S. 1-8; vgl. auch: Warnecke, H.-J.: Die Fraktale Fabrik. Revolution der Unternehmenskultur. 2.
30
Akao, Yoji
Japanischer Qualitätsexperte
A
nehmerisches Grundverständnis von Qualität setzt voraus, dass auch das unternehmerische Handeln zur Realisierung der Qualität stets den veränderlichen Rahmenbedingungen des lokalen und globalen Umfeldes angepasst wird. Agile Strukturen tragen hier zu einer bedarfsgerechten Organisation von Qualität im Unternehmen bei.“ Es werden verschiedene Organisationsstrukturen unter dem Gesichtspunkt diskutiert, ob sie sich qualitätsgerecht ausgestalten lassen. Dabei werden auch neuere Organisationsformen wie die ►Adhocratie miteinbezogen, denen im Ergebnis der Vorzug gegeben wird [10, S. 55]:
▶Akao Prize ▶QFD ▶House of Quality ▶Hoshin Kanri Prof. Dr. Yoji Akao ist ein japanischer Wissenschaftler und Wirtschaftstheoretiker. Auf ihn geht die Methode des ►Quality Function Deployment (QFD) zurück, die das Ziel verfolgt, Produkte und D i e n s t l e i s t u nge n zu konzeptionieren die maßgeblich den Kundenforderungen entsprechen. Außerdem gilt Akao als internationale Größe und Pionier des sogenannten HoshinManagements (jap. ►Hōshin Kanri), einem unternehmensweiten Planungs- und Steuerungssystem, das sämtliche Mitarbeiter einer Unternehmung in einen systematischen Kaskadierungsprozess einbindet um Innovationsprozesse voranzutreiben und Wettbewerbsvorteile durchzusetzen.
Akao, Yoji Geboren am 6. Oktober 1928 in Japan, studierte Akao am Department of Ceramics, Tokyo Institute of Technology und promovierte dort 1964 zum Ph.D.. Von 1991 bis 1994 war er als Professor an der Tawagawa University, Faculty of Engineering tätig, wo er zudem die Position des Dekans im Bereich der Ingenieurwissenschaften innehatte. Inzwischen ist er als Gastprofessor an der Graduiertenschule der Yamagata University tätig. 1960 und 1978 wurde Akao der „Quality Control Literature Prize“ durch die Nippon Keizai Shinbunsha verliehen. Gleichfalls erhielt er 1978 von der ►JUSE den hochdotierten ►Deming Prize. Er erhielt den Vision Award of GOAL/QPC in 1990. 1993 wurde er mit dem „Best on Quality Award“ von der ►International Academy for Quality (IAQ) geehrt. In 2001 verlieh man ihm die Distinguished Service Medal of American Society for Quality (ASQ) sowie die Distinguished Service Medal of Japanese Society of Mechanical Engineers. 2007 wurde er mit der Shainin Medal of ASQ ausgezeichnet und in 2010 mit dem Ishikawa-Kano Award of Asian Network for Quality (ANQ). Über die Jahre wurde Akao mit zahlreichen weiteren lokalen wie internationalen Preisen ausgezeichnet, welche vornehmlich seine Arbeiten im Rahmen des QFD sowie des Total Quality Management ehren. Akao ist Mitglied des Deming Prize Committee seit 1964, der International Academy for Quality seit 1989, Senior Adviser des QFD-Institutes, USA, seit 1994, Chairman des Month of Quality Committee, Japan, seit 1995, Chairman des QC Committee der JUSE seit 1996, Vice Chairman des Subcommittee of Deming Prize Committee seit 1977, Chairman des International Council for QFD seit 1997 und Chairman des International Symposium on QFD (ISQFD) Committee seit 1997. Zudem war er von 1973 bis 1993 Vice Councilor des Head Office of QC Circle, 1975 bis 1977 Direktor des Editing Committee des Journal of Quality, JSQC, von 1975 bis 1985 Chairman des QFD Research Committee des JSQC, 1988 bis 1997 leitete er das gleichnamige Komitee des JUSE. 1990 bis 1991 leitete er die Japanese Society for Quality Control. Dem Editing Committee des Journal of Total Quality Control des JUSE stand er 1993 und 1994 als Direktor vor. In diesen Jahren hatte er zudem den japanischen Sitz des ASQC inne. Akao war zudem im Jahr 1999 Ehrenmitglied der Japan Society for Quality Control ( JSQC), 2006 Ehrenmitglied des QFD-ID und im Jahr 2010 Ehrenmitglied der ASQ und der IAQ. Akaos Forschungsaktivitäten umfassen v. a. Arbeiten auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements sowie der angewandten Statistik. Er führte 1966 zusammen mit Shigera Mizuno das Konzept des QFD als Methode für die Produktentwicklung ein. Insbesondere durch Fallstudien stellte er in der Folgezeit den praktischen Nutzen der Methode heraus, um ihr so letztlich zum Durchbruch zu verhelfen. Akao war außerdem seit den 1990er Jahren Begründer und Pionier von verschiedenen Qualitätsmethoden, aus welchen sich letztlich die übliche Praxis des Strategischen Qualitäts-
Akao, Yoji management in Japan entwickelte. Diese auch als „Hoshin Kanri“ bezeichnete Managementmethode kann als umfangreiches und unternehmensweites Planungs- und Steuerungssystem verstanden werden, das der Ausrichtung der gesamten Unternehmung an strategischen Durchbruchzielen dient. In der westlichen Welt und insbesondere den USA ist die Methode unter der Bezeichnung des „Policy Deployment“ bekannt.
A
In den vergangenen 40 Jahren hat Akao über 70 Artikel und wissenschaftliche Aufsätze veröffentlicht. Nebst dem besuchte er zur Förderung der Methode QFD zahlreiche Länder, darunter die folgenden: Vereinigte Staaten, Großbritannien, Australien, China, Indien, Schweden, Brasilien, Singapur, Deutschland, Kanada, Thailand, Malaysia, Mexiko und Chile. Prof. Dr. Georg Herzwurm, Stuttgart Literatur
Mizuno, S., Akao, Y.: Quality Function Deployment – An Approach for Total Quality Control, JUSE, 1978 Kogure, M., Akao, Y.: Quality Function Deployment and Companywide Quality Control in Japan – A strategy for assuring that quality is built into new products. In: Quality Progress, Vol. 16, No. 10, 1983, S. 25-29 Akao, Y., Tadashi, O., Tomoyoshi, N.: Survey and Reviews on Quality Function Deployment in Japan. In: Proceeding of International Conference for Quality Control, Tokyo 1987, S.171-176, JUSE & IAQ Akao, Y.: Practical Applications of Quality Deployment in New Product Development, JUSE, 1988 Akao, Y.: Practical Applications of Policy Management, Japan Standards Association, 1988 Akao, Y. Tadashi, O.: Recent Aspects of Quality Function Deployment on Service Industry in Japan. In: Proceeding of International Conference for Quality Control, Rio de Janeiro 1989, S. 17-26 Akao, Y.: Introduction to Quality Function Deployment, JUSE, 1990 Akao, Y.: History of Quality Function Deployment in Japan. In: The Best on Quality, JAQ Book Series Vol. 3, 1990, S. 183-196 Akao, Y. (Hrsg.): Hoshin Kanri – Policy Deployment for Successful TQM, Productivity Press, 1991 Yoshizawa, T., Akao, Y., Ono, M., Shindo, H.: Recent Aspects of QFD in the Japanese Software Industry. In: Quality Engineering, Vol. 5, No. 3, 1993, S. 495-504 Akao, Y. Ono, M.: Recent Developments in Cost Development and QFD in Japan. In: Proceedings of EQQ´93 World Quality Congress, Vol. 2, Helsinki 1993, S. 252-256
31
Akkreditierung
Akao Prize
A
Mizuno, S., Akao, Y. (Hrst.).: QFD- The Customer driven Approach to Quality Planning and Deployment, Asian Productivity Organization, 1994 Kaneichiro, I., Akao, Y., Koura, K.: Systemization of Total Quality Control (TQC) in Japan – An Excerpt from the Report of The Study Committee on the Systemization of TQC, JSQC Rep. Stat. Appl. Res., JUSE, o.J. Akao, Y. Mazur, G.H.: The leading edge in QFD: past, present and future. In: International Journal of Quality & Reliability Management, Vol. 20, No. 1, 2003, S. 20-35 Akao, Y. (Hrsg.): Hoshin Kanri: policy development for successful TQM, 2004 Akao, Y. (Hrsg.): Quality Function Deployment - Integrating Customer Requirements into Product Design, Productivity Press, 2004 Akao, Y.: QFD for innovation & competitiveness. In: Proceedings of the 13th International Conference on ISO 9000 & TQM, 24th–26th March, Subang Jaya, 2008
Akao Prize
URL: www.qfdi.org/who_is_qfdi/akao_prize.html
Die folgenden deutschen Personen wurden bisher mit dem Akao Prize ausgezeichnet: 2000 Georg Herzwurm 2009 Wolfram Pietsch 2011 Jutta Saatweber 2013 Sixten Schockert
32
▶DAkkS ▶Akkreditierung
Stelle, der eine Akkreditierung erteilt wurde. Bei solchen Stellen handelt es sich um „qualifizierte Gesellschaften“, die durch eine nationale Stelle (in Deutschland durch die ►DAkkS – die DAkkS ist als Akkreditierungsstelle definiert) akkreditiert wurden und die Befähigung haben, Audits, z. B. nach DIN EN ISO 9001 bei Organisationen durchzuführen. Oft werden solche Gesellschaften auch Zertifizierungsgesellschaften (oder salopp „Zertifzierer“) genannt. Davon zu unterscheiden sind Beratungsgesellschaften („ohne Lizenz Zertifzierungen durchführen zu dürfen.“) Über die DAkkS lassen sich die Adressen von akkreditierten Stellen in Deutschland ermitteln (URL: www.dakks.de). Große und in Deutschland bekannte akkrediterte Stellen sind (ohne Wertung): ◼ DQS ◼ Det Norske Veritas ◼ TÜV CERT-Zertifizierungsgemeinschaft e.V. ◼ LRQA – Lloyd‘s Register Quality Assurance GmbH ◼ DNV GL ◼ DEKRA Certification GmbH In Anlehnung an Normquelle: DIN EN 45020:2007-03
Akkreditierung
▶en: accreditation ▶DAkkS Der Begriff Akkreditierung leitet sich vom Lateinischen accredere ab, was soviel bedeutet wie glaubhaft machen, Glauben schenken. Einem Dritten gegenüber wird ein Sachverhalt als glaubhaft bestätigt. Im hier gemeinten wirtschaftlichen Zusammenhang versteht man unter Akkreditierung gemäß ISO/IEC 17011:2005 die Bestätigung durch eine dritte Stelle, die formal darlegt, dass eine Konformitätsbewertungsstelle die Kompetenz besitzt, bestimmte Konformitätsbewertungsaufgaben durchzuführen. Mit der Akkreditierung gem. ISO/IEC 17011:2005 wird folglich durch eine anerkennende Stelle (Akkreditierungsstelle) bestätigt, dass eine Organisation (auch Konformitätsbewertungsstelle) nachweislich die Forderungen erfüllt, um Konformitätsbewertungen (z. B. Prüfung, Inspektion, Zertifizierung von Managementsystemen, Personen und Produkten) durchzuführen. In DIN EN 45020:2007-03 ist Akkreditierung definiert als ein Verfahren, nach dem eine autorisierte Stelle die formelle Anerkennung erteilt, dass eine Stelle oder Person kompetent ist, bestimmte Aufgaben auszuführen. Gesetzliche Regelungen bestehen für benannte Stellen durch das Medizinproduktegesetz und für Konformitätsbewertungsstellen z. B. in Deutschland durch das deutsche Akkreditierungsstellengesetz [1].
Begriff
Akao rief 1996 den Akao Prize ins Leben, der seitdem durch das QFD Institute an Personen vergeben wird, die sich um die Weiterentwicklung und Förderung der QFD-Methode über Jahre verdient gemacht haben. Bei der Wahl des Preisträgers finden folgende Leistungen in Kontext der Methode QFD Berücksichtigung: Spitzenforschung, Autorenschaften, Lehre, Praxis, Innovationen und persönlicher Einsatz sowie Dienst an der QFD-Community weltweit, einschließlich Präsentationen auf den Internationalen Symposien zur Methode QFD, Beitrag in QFDI/ICQFD Forschungsaktivitäten und die kontinuierliche Weiterbildung der durch die QFD zertifizierten Ausbildungsprogramme. Die Nominierung folgt dem Modell des ►Deming Prize, wobei Kandidaten von einem Ausschuss – bestehend aus Akao, dem Direktor des QFD Institut sowie früheren Preisträgern – vorgeschlagen werden. Der Preis wird jährlich von Akao selbst, zusammen mit dem Exekutivdirektor des QFD Instituts auf dem internationalen QFD Symposium überreicht. Er wird verwaltet vom ►QFD Institute (USA). Prof. Dr. Georg Herzwurm, Stuttgart
Akkreditierte Stelle
Akkreditierungsstellengesetz Die Errichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle erfolgte nach der Vorgabe der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 und nach Maßgabe des deutschen Akkreditierungsstellengesetzes [1]. In der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 heißt es in (15): „Da der Zweck der Akkreditierung darin besteht, eine offizielle Aussage darüber zu machen, ob eine Stelle über die Kompetenz verfügt, Konformitätsbewertungstätigkeiten durchzuführen, sollten die Mitgliedstaaten nicht mehr als eine nationale Akkreditierungsstelle unterhalten und gewährleisten, dass diese Stelle durch ihre Organisationsweise objektiv und unparteilich arbeitet. Solche nationalen Akkreditierungsstellen sollten von gewerblichen Konformitätsbewertungstätigkeiten unabhängig sein. Es ist daher angemessen festzulegen, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die nationalen Akkreditierungsstellen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unabhängig von ihrer rechtlichen Stellung als hoheitlich handelnd angesehen werden.“
Literatur
DIN-Term
[1] Verordnung (EG) Nr. 765/2008. – Akkreditierungsstellengesetz (AkkStelleG) vom 31. Juli 2009, BGBl. I S. 2625 [2] http://www.dakks.de
Akkreditierungskriterien
▶Akkreditierung ▶Konformität Forderungen, die von einer Akkreditierungsstelle angewendet werden und von einer Konformitätsbeurteilungsstelle zu erfüllen sind, um akkredidiert zu werden. Normquelle: DIN EN 45020:2007-03
Akkreditierungsstelle ▶Akkreditierung
Akkreditierungsstellengesetz
▶AkkStelleG ▶Akkreditierung Gesetz über die Akkreditierungsstelle [1]. Hier werden u. a. die Aufgaben und Befugnisse der nationalen Akkreditierungsstelle und des Akkreditierungsbeirats geregelt. Grundlage ist die Verordnung (EG) Nr. 765/2008, die vorsieht, dass innerhalb der EU in jedem Mitgliedsstaat zum 01.01.2010
jeweils eine einzige nationale Akkreditierungsstelle errichtet wird. Das war vorher in Deutschland nicht der Fall.
A
Literatur
[1] Akkreditierungsstellengesetz (AkkStelleG) vom 31. Juli 2009, BGBl. I S. 2625
Aktionsforschung (en: action research)
▶OE-Organisationsentwicklung Eine durch die Anwendung wissenschaftlicher Methoden kontrollierte und sich ständig an die Bedingungen in der Praxis adaptierende Einführung von Verbesserungsmaßnahmen, wobei der Wissenschaftler nicht die klassische Distanz zum Forschungsobjekt behält, sondern in seiner Funktion als externer Berater direkt in die Auswirkungen seiner Maßnahmen eingebunden ist.
Aktives Beschwerdemanagement-System (ABMS) ▶Active Compliant Management System ▶Beschwerdemanagement
1 Beschwerdemanagement und Kundenzufriedenheit Beschwerdemanagement kennzeichnet die Behandlung geäußerter oder auch nicht geäußerter (versteckter) Unzufriedenheit von Kunden durch einen Anbieter. Insofern geht es um den Umgang von Kundenreaktionen auf Anbieteraktionen, soweit in diesen Nachfrageraktivitäten Unzufriedenheit mit dem Anbieter artikuliert wird. Die Behandlung von Reaktionen unzufriedener Kunden durch einen Anbieter kann entweder passiv-reaktiv und dann eher unsystematisch erfolgen oder aktiv auf der Basis eines geplant gestalteten Beschwerdebehandlungssystems. Ziel ist in beiden Fällen die Herstellung bzw. Wiederherstellung von ►Kundenzufriedenheit (Customer Satisfaction). Voraussetzung ist in beiden Fällen die Kenntnis des Zufriedenheitsgrades eines einzelnen Kunden bzw. ganzer Kundengruppen (Marktsegmente), also Zufriedenheitserhebungen im Rahmen von Markt- und Kundenanalysen. Die unmittelbare Behebung eines Kundenproblems (Reparaturfunktion) steht im Beschwerdemanagement zumeist im Vordergrund, insbesondere im rein reaktiven Beschwerdemanagement. Bei stärker aktiver Ausrichtung wird daneben das längerfristige Ziel der Verbesserung der Anbieterleistungen (Lernfunktion) wichtig. Schließlich tritt in jüngster Zeit ein controllingorientierter Gedanke hinzu, die Findung von Messmarken für die Vertriebssteuerung und für das Personalmanagement (Human Ressource Management-Funktion; s. a. Controlling und ►Human Ressource Management). Dabei sollen Messzahlen der Kundenzufriedenheit als Maßstab und Anreiz für kundenorientiertes Verhalten sowie damit als Messlatte des Marketing-Controlling dienen. Die Information über Kundenzufriedenheit wirkt auf verschiedene Weise auf den Prozess des Beschwerdemanagements ein. Eine direkt oder indirekt über Absatzmittler bzw. Außendienstmitarbeiter erfolgende Unzufriedenheitsartiku-
33
Begriff
In Deutschland ist daher seit dem 1. Januar 2010 ausschließlich die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) für die Erteilung und Aufrechterhaltung von Akkreditierungen zuständig. Damit wurden die vorher verteilten Aufgabenbereiche gebündelt. Gesellschafter der DAkkS sind zu gleichen Teilen die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer und die durch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vertretene Wirtschaft [2]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Aktives Beschwerdemanagement-System (ABMS)
Aktives Beschwerdemanagement-System (ABMS)
A
Aktives Beschwerdemanagement-System (ABMS)
lation von Abnehmern ist typischerweise Auslöser der Beschwerdebehandlung. Systematisches Beschwerdemanagement kann in einer solchen Situation nur betrieben werden, wenn die Informationskanäle nicht verstopft sind. Zudem besteht in derartigen Fällen „mehrstufigen ZufriedenheitsFeedbacks“ stets die Gefahr der Selektion und Verzerrung durch die eingeschalteten Mittler.
tives Beschwerdemanagement (Beschwerdeprophylaxe) greift zurück auf den Grundgedanken und die Methoden des ►Total Quality Management. Kundenanalyse und eine sorgfältige Anforderungsspezifizierung im Pre-sales-Marketing sowie Qualitätsorientierung in den Prozessen der Leistungserstellung tragen dazu bei, Anlässe für Unzufriedenheit von Abnehmern zu vermindern.
Nicht jede Unzufriedenheit wird als offene Beschwerde geäußert, sondern oft als stille/versteckte Beschwerde (unvoiced complaint) zurückgehalten. Beschwerderaten sind z.T. sogar erstaunlich niedrig; daher reicht eine auf die tatsächlich vorgebrachten Beschwerden (Beschwerdeerfassung) beschränkte Informationsgewinnung allein nicht aus. Vielmehr muss die Informationspolitik auch auf die Ermittlung und Analyse der unvoiced complaints gerichtet sein, was umfassende Zufriedenheitsanalysen, insbesondere Kundenbefragungen (Erhebungsmethoden Kundenforschung), erfordert.
Grundlage für die Beschwerdebehandlung ist entweder die reaktive Aufnahme von Kundenanfragen und -beschwerden (Beschwerdeerfassung) oder die aktive Abfrage von Zufriedenheitsinformationen. In aller Regel wird die erste Vorgehensweise – die allerdings unabdingbar ist – nur begrenzte Daten liefern. Ein vollständigerer Überblick wird erst durch regelmäßige Untersuchungen, durch Außendienst-, Kundendienst- und Händlerinformationen sowie durch besondere Maßnahmen des Kundenkontaktes erzielt. Insbesondere sind hier häufige/laufende Online-Befragungen zur Kundenzufriedenheit im Internet zu nennen, Customer Call-Einrichtungen (►Call Center Management), User Groups oder Customer Care-Funktionen. Zielsetzung ist es, die Feedback-Kanäle zu öffnen und dabei Informationsverlust wie Versickern oder interessenbedingte Verzerrungen zu reduzieren. Hierbei gilt es, insbesondere Mitarbeiter für die Beschwerdestimulierung sowie die aktive Annahme und Weiterleitung von Beschwerden zu sensibilisieren und den daraus entstehenden Informationsnutzen zu verarbeiten.
2 Ziele und Aufgaben eines ABMS Beschwerdemanagement als System von Handlungsanweisungen und deren Implementierung verfolgt unter- schiedliche Ziele. Eine erste Zielsetzung besteht darin, über die Wiederherstellung von Kundenzufriedenheit durch Ausbessern von Defiziten (Beschwerdeursachen) zu erhöhter Kundenbindung zu gelangen. Diese einzelfall- bezogene Beschwerdebehandlung betrifft die Reparaturfunktion des Beschwerdemanagements. Grundlage dafür ist die Zufriedenheitsinformation durch artikulierte Kundenbeschwerden oder das anbieterseitige Aufdecken von unvoiced complaints, in Einzelfällen auch das Sammeln von indirekter Information über Empfänger der von unzufriedenen Kunden verbreiteten Zufriedenheitsinformationen. Daneben müssen Beschwerdeursachen identifiziert werden und ggf. Beschwerdewege verfolgt werden. Das zweite Ziel kann darin gesehen werden, über die Auswertung von Leistungsdefiziten Ansatzpunkte für Innovationen, Weiterentwicklungen und damit Marktchancen zu gewinnen. In weiteren Schritten erfolgt eine Implementierung der expliziten oder impliziten Verbesserungsvorschläge, die aus der Kritik erkennbar werden. Ferner – oftmals als positiver Effekt nicht beachtet – spielt die Reduzierung interner und externer ►Fehler und der damit verbundenen Kosten eine wichtige Rolle in der Zielsetzung des Beschwerdemanagement sowie die Vermeidung von Opportunitäts- und Folgekosten anderer Reaktionsformen unzufriedener Kunden. Nicht zuletzt signalisieren Unternehmen mit dem Beschwerdemanagement eine kundenorientierte Unternehmensstrategie. Diesen Zielsetzungen dient ein systematisches aktives Beschwerdemanagement mit organisationalen „Spielregeln“ eher als planloses und rein reaktives Verhalten. Zu den Aufgaben eines Aktiven BeschwerdemanagementSystems zählt auch, Unzufriedenheit von Kunden möglichst nicht erst entstehen zu lassen. Ein in diesem Sinne präven-
34
Eine oft wenig beachtete Funktion des Beschwerdemanagements ist die Erfassung der Beschwerdezufriedenheit. Dabei ist zu prüfen, ob der unzufriedene Kunde mit der Beschwerdebehandlung als solcher zufrieden ist und sich sein Zufriedenheitsgrad nach der Beschwerdebehandlung erhöht hat oder nicht. Bei dieser Art des „Follow-Up-Beschwerdemanagements“ geht es neben der Erfassung des Zufriedenheitsgrads nach der Beschwerdebehandlung auch um präventive Maßnahmen, um eine weitere Folgebeschwerde abzuwenden und die gewonnenen Informationen für Qualitätsverbesserungen auszunutzen. Der übliche Weg zur Ermittlung der Beschwerdezufriedenheit und des vom Kunden wahrgenommenen Handlungsbedarfs besteht in persönlichen oder telefonischen Interviews. 3 Elemente eines ABMS Ein Aktives Beschwerdemanagement-System (ABMS) besteht aus zehn Elementen, die in der Abbildung A10 aufgelistet sind. Diese Elemente sind als aktiv zu handhabendes System konzipiert – anders als die unsystematische, punktuelle und reaktive Verhaltensweise, die in vielen Unternehmen und öffentlichen Institutionen vorzufinden ist. ◼ Element 1 umfasst die systematische Analyse der Kundenforderungen. Um am Markt kundenorientiert Leistungen anbieten zu können, müssen zunächst die entscheidungs- und damit letztlich zufriedenheitsrelevanten Forderungen ermittelt werden. ◼ Element 2 besteht aus eher prophylaktischen Instrumenten, um späteren Beschwerden vorzubeugen. Hier-
Aktives Beschwerdemanagement-System (ABMS)
Aktives Beschwerdemanagement-System (ABMS)
zu zählt eine Anzahl von Abb. A10: Elemente eine Aktiven Beschwerdemanagementsystems (ABMS) Instrumenten des Total Elemente eines Aktiven Beschwerdemanagementsystems • A B M S Quality Management. Dabei spielen z. B. Ze1 Systematische Kundenanalyse 6 Unternehmensübergreifendes ro-Defect-Maßnahmen Qualitäts manage ment ( ► Nu l l -Fe h l e r-Pro gramm) und FMEA- Me- 2 Vorbeugende Qualitätspolitik 7 Einsatz der Vertragspolitik als Marketing-Instrument thoden (►FMEA-Fehler-Möglichkeits- und 8 Personelle Sicherung des ABMS -Einflussanalyse = Fai- 3 Einrichtung eines Informationssystems lure Mode and Effects 4 Einrichtung eines Handlingsystems 9 Aufstellung von Grundsätzen und Analysis) ebenso eine für Beschwerden Richtlinien für das Beschwerdemanagement wichtige Rolle, wie um10 Außendarstellung zur Erzielung fassende, sorgfältige und 5 Einrichtung eines Lernsystems von Außenwirkungen aus Kundenperspektive entwickelte Verwenderabnehmerinduziert sind. Die Auswertung kritischer informationen und Technische Dokumentationen (BeKundenäußerungen stellt ein zentrales Instrument zur dienungsanleitungen, Anlagen-Dokumentationen u.ä.). Findung markt- und kundenorientierter Neuprodukti◼ Element 3 enthält die Rückkopplung über Kunden(un) deen und Produktvariationen dar. zufriedenheit. Im Vordergrund steht die Öffnung von ver◼ Element 6 konzentriert den Fokus auf ein ►Unternehstopften Informationskanälen. Zum einen ist von besonmensübergreifendes Qualitätsmanagement. Dies desderer Bedeutung, dass dem unzufriedenen Kunden ein halb, weil Lieferanten wie auch Absatzmittler in die Ansprechpartner bekannt ist und dass möglichst ständige Kanalisierung von Zufriedenheitsinformationen und in Erreichbarkeit gewährleistet ist. Eine stetige Verlagerung die Beschwerderegelungen einbezogen werden sollten. des Beschwerdeaufkommens in verschiedenen Branchen Ebenso erscheint es für ein ABMS zweckmäßig, Koopeauf Online-Kanäle führt bei den Kunden zu der Erwarrationspartner (z. B. Prüf- und Zertifizierungsinstitutitung verkürzter Beschwerdereaktionszeiten. Zum andeonen) zu berücksichtigen oder einzubeziehen. ren geht es um die regelmäßige Ermittlung der unvoiced ◼ Element 7 betrifft ein im Beschwerdemanagement noch complaints und insbesondere der Beschwerden, die über unzureichend berücksichtigtes Instrument: der EinInternetforen und Social Media verbreitet werden, aksatz der Vertragspolitik (Kontrahierungspolitik) als tuelle oder potentielle Kunden sowie Dritte erreichen. Marketing-Instrument. Beispielsweise lässt sich über die Ein systematisches Monitoring von Online-Kanälen ist Abgabe von Garantien (z. B. Zufriedenheitsgarantien) Voraussetzung um auf öffentlich gemachte Beschwerden Vertrauen erzeugen, Zufriedenheit erhöhen und im Falle schnell zu reagieren. Schwierig wird die aktive Kundenvon Unzufriedenheit dessen Artikulation gegenüber dem ansprache zur Wiedergutmachung, wenn Beschwerden Lieferanten anregen. Im Mittelpunkt steht die Schaffung im Internet anonym verfasst werden. von Commitment sowie die Transparenz der Ansprüche ◼ Im Mittelpunkt von Element 4 steht die Behandlung der von Beschwerdeführern. aktuell einlaufenden Anfragen und Beschwerden (Re◼ Element 8 berücksichtigt die für das Beschwerdemanageparaturfunktion). Für ein systematisches kunden- oriment notwendigen personalpolitischen Maßnahmen. entiertes Beschwerdemanagement sind dabei folgende Hierbei geht es insbesondere darum, mit den InstruAspekte zu beachten: Die unkomplizierte Aufnahme der menten des internen personalorientierten Marketings Beschwerde, eine klare Systematisierung des BeschwerAnreizsysteme zu schaffen, die die aktive Entgegennahdeinhalts sowie Festlegung geeigneter, transparenter me und Bearbeitung von Beschwerden fördern. Die daSpielregeln für die weitere Bearbeitung bis zur Behebung mit nicht selten notwendigen Verhaltensänderungen von der Beschwerdeursache. Zudem haben Kunden einen Mitarbeitern lassen sich häufig nur mit konsequenter Anspruch auf Information über den weiteren Ablauf der Aus- und Weiterbildung im Hinblick auf KundenorienBeschwerdebehandlung sowie Zwischenbescheide über tierung und den Umgang mit unzufriedenen Kunden erden Stand der Beschwerdebearbeitung. In diesem Sinne zielen. gewinnt das aktive telefonische und Internet- bzw. e◼ Element 9 richtet den Fokus auf die notwendige Aufmailbasierte Beschwerdemanagement an Bedeutung. stellung von Grundsätzen und Richtlinien für ein Be◼ Beim Element 5 geht es darum, Beschwerden auszuschwerdemanagement. Die Formulierung und letztliche werten. Dadurch können Weiterentwicklungen geförKontrolle von internen wie externen Qualitäts-/Servicedert und Innovationen generiert werden. Die Bedeutung standards (Service Level Agreements; aber auch Testdieses Lernsystems wird insbesondere in Branchen kunden/Mystery Customer-Einsatz) spielen hierbei eine deutlich, in denen mehr als die Hälfte der Innovationen bedeutende Rolle.
35
A
Anbieter
Aktives Beschwerdemanagement-System (ABMS)
A
Die Lernfunktion hingegen ist nur effizient zu realisieren, wenn die kundeninduzierten Verbesserungsideen – trotz zumeist dezentraler Erfassung – zentral ausgewertet und weiterverfolgt werden. Zu den Gefahren einer zu starken Zentralisierung der Beschwerdebehandlung zählen einerseits die verringerte Kundennähe, mangelnde Flexibilität und fehlende Schnelligkeit. Auf der anderen Seite sollte keinem Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben werden, Defizite in kundenorientiertem Verhalten durch den Hinweis auf eine zuständige zentrale Anlaufstelle (Beschwerdestelle) zu entschuldigen. Univ.-Prof. Dr. Bernd Günter, Düsseldorf Literatur
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ▶ QM-Vereinbarungen
AMS-Ansätze
▶ Arbeitsschutz-Managementsystemansätze
Anbieter
▶en: provider ▶Lieferant | en: supplier ►Organisation, die ein ►Produkt oder eine ►Dienstleistung bereitstellt
Beispiel: Hersteller, Vertriebseinrichtung, Einzelhändler oder Verkäufer eines Produkts oder einer Dienstleistung. Anmerkung 1 zum Begriff: Ein Anbieter kann der Organisation angehören oder ein Außenstehender sein. Anmerkung 2 zum Begriff: In einer Vertragssituation wird ein Anbieter manchmal als „Auftragnehmer“ bezeichnet. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Anbietererklärung
Nach einem festgelegten Verfahren durch einen Lieferanten gegebene schriftliche Erklärung, dass eine von ihm zu liefernde, noch nicht realisierte Einheit die Qualitätsforderung erfüllen wird, oder eine bereits realisierte Einheit die Qualitätsforderung erfüllt, oder beides der Fall ist. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Änderungsaudit
Dient der Erhaltung des Zertifikats. Wenn auftretende größere Veränderungen eintreten, sind diese dem Zertifizierer mitzuteilen. Dieser entscheidet dann, ob ein Änderungsaudit durchzuführen ist, oder im Rahmen von jährlichen Überwachungsaudits Änderungen auditiert werden. Änderungsaudits können Aufstockungsaudits oder Ergänzungsaudits sein. Das Aufstockungsaudit dient der Neueinstufung eines Zertifikats (neue Darlegungsstufe, z. B. damals von DIN EN ISO 90021994 auf 9001:2000, oder auf VDA 6.1). Ergänzungsaudits sind durchzuführen, wenn z. B. der Unternehmensbereich ausgedehnt wird, d. h. bei Ausweitung des Geltungsbereichs des Unternehmens, aber auch bei Eingrenzung (z. B. bei Ausgliederung von Unternehmensteilen).
Änderungsüberwachung
▶en: change control
Aktivitäten zur Überwachung des ►Ergebnisses nach formeller Genehmigung der dazugehörigen ►Produktkonfigurationsangaben [Quelle: ISO 10007:2003, 3.1, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
36
ISO-Term
[1] Homburg, Chr. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte – Methoden – Erfahrungen, 8. Aufl., Wiesbaden (Gabler) 2012 [2] Stauss, B., Seidel, W.: Beschwerdemanagement: Unzufriedene Kunden als profitable Zielgruppe, 4. Aufl., München-Wien (Hanser) 2007
▶aaRdT
DGQ-Term
4 Zentrale versus dezentrale Organisation eines ABMS Die Frage nach der Organisation von Beschwerdemanagementfunktionen ist nur differenziert zu beantworten. Wenn das Ziel der Kundenorientierung konsequent verfolgt wird, dann erfordert die „Reparaturfunktion“ des Beschwerdemanagements eine eher dezentrale Erfassung und Bearbeitung von Beschwerden. In diesem Zusammenhang muss insbesondere darauf geachtet werden, die Verantwortlichkeiten im Sinne des ►Empowerment für und während der Beschwerdebearbeitung festzulegen. Das Empowerment selbst besteht in der Zuweisung größerer Handlungsspielräume, um kundennahes Handeln und schnelle Reaktionen zu ermöglichen sowie kostenintensive interne Beschwerdebearbeitungsprozesse zu vermeiden. Ein Missbrauch solcher Handlungsspielräume durch Mitarbeiter ist nach punktuell vorliegenden empirischen Erfahrungen kaum zu erwarten.
Allgemein anerkannte Regeln der Technik
ISO-Term
Angesichts der Funktionsweise von Beschwerdemanagement-Systemen dürften diese geeignet sein, das Image eines Unternehmens zu verbessern und Vertrauen zu schaffen bzw. zu erhöhen (Element 10). Maßnahmen, wie z. B. die L.L. Bean 100%-Guarantee (►Dienstleistungsgarantie), die Darstellung von Ergebnissen des Deutschen Kundenbarometers in der Werbung, Dokumentationen über erhaltene ►Qualitätsauszeichnungen z. B. ►Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA); ►European Excellence Award (EEA) der ►European Foundation for Quality Management (EFQM), sind geeignet, kunden-orientiertes Engagement eines Unternehmens zu signalisieren.
Anhalten des Fließbands
Anforderung Andon
▶ TPS ▶ Japanische Qualitätstechniken
ANFIA
ISO-Term
Associazione Nazionale Industria Automobilistica. Verband der italienischen Automobilindustrie mit Sitz in Turin, Italien. URL: www.anfia.it
Anforderung
▶en: requirement Erfordernis oder Erwartung, das oder die festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist
Anforderung
▶en: request oder demand ▶Forderung versus Anforderung Der Begriff Anforderung wird in den Kernbegriffen zur ISO 9000-family seit DIN EN ISO 9000:2000 (zuletzt in 2015) überraschenderweise mit „Erfordernis oder Erwartung, das oder die festgelegt, übicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist“ definiert. Dieses Definition von request ist aber falsch. Es handelt sich um die Definition von requirement (=Forderung). Request (synonym demand) drückt dagegen das Verlangen aus, unter vorgegebenen Bedingungen in den Besitz einer bezeichneten Einheit zu kommen. Siehe auch ausführlich hierzu unter ►Forderung versus Anforderung. Literatur
Geiger, W.: Beschaffenheitsmanagement. München (Oldenbourg) 2013, S. 190-192
A
▶en: requirements management ▶Forderungen versus Anforderungen Beim Anforderungsmanagement handelt es sich um einen Begriff aus dem Softwareengineering. Es gehört zu den elementaren Prozessen in den Software- und System-ReifegradModellen ►CMMI und ISO/IEC 15504 (SPICE) sowie zum Normenbereich der ISO/IEC 12207. Im IT-Projektmanagement kommt es außerdem besonders bei komplexen Projekten zur Anwendung. Grundsätzlich ist zu bemerken, dass schon der englische Begriff requirements falsch ins Deutsche übertragen wurde. Es muss Forderungsmanagement heißen (s. Stichwort ►Forderung versus Anforderung). Es empfiehlt sich deshalb, nur den englischen Begriff zu verwenden. Positiv hervorzuheben ist, dass in der IT erkannt wurde, dass das alleinige Setzen von Forderungen nicht ausreicht, sondern für die Realisierung eines Produktes oder Systems der weitergehende Prozess eines Forderungsmanagements notwendig ist, denn schließlich ist die Zielsetzung zu verfolgen, dass es zwischen den Forderungen des Kunden und letztendlich dem Verständnis der Softwareentwickler eine gemeinsame Verständnisbasis erreicht wird, die neben dem „inhaltlichen Gleichklang“ auch kommunikativ stimmen muss (►Kommunikation in Führung und Qualitätsmanagement).
Angebotsprodukt
▶en: offered product ►Produkt, das durch die ►Organisation dem ►Kunden (dem Markt) zum Verkauf angeboten oder ihm als Besitz oder zur Benutzung zur Verfügung gestellt wird. Anmerkung 1: Vom Angebotsprodukt sind interne Produkte zu unterscheiden, welche in der Organisation für die Organisation er bracht werden, beispielsweise der Betriebsabrechnungsbogen. Anmerkung 2: Auch aus Steuern finanzierte, für den Empfänger aber unmittelbar unentgeltliche Leistungen der öffentlichen Hand sind Angebotsprodukte. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 · OrigZit
NEU: Produkt, das eine Organisation zur Erreichung ihrer Ziele für externe Organisationen oder Personen vorsieht. Normquelle: E DIN 55350-11:2004-03
Anhalten des Fließbandes
▶Toyota Produktionssystem Ein Fließband, das nicht anhält, ist entweder perfekt oder arbeitet sehr fehlerhaft. Wenn viele Leute an einem Band arbeiten und der Lauf nicht unterbrochen wird, bedeutet dies, dass Probleme nicht an die Oberfläche kommen. Das ist schlecht. Es ist wichtig, ein Band so einzurichten, dass es nötigenfalls angehalten werden kann (Es gibt keinen Grund, einen Bandstop zu fürchten), ◼ um die Herstellung defekter Produkte zu verhindern, ◼ um Verbesserungen mit nur wenigen Arbeitern vorzunehmen, und um ein Band zu entwickeln, das leistungsfähig ist und selten angehalten werden muss. Quelle: Ohno, T.: Das Toyota-Produktionssystem. Frankfurt a. MainNew York (Campus) 1993, S. 148ff
37
DIN-Term
Anmerkung 1 zum Begriff: „Üblicherweise vorausgesetzt“ bedeutet, dass es für die ►Organisation und ►interessierte Parteien üblich oder allgemeine Praxis ist, dass das entsprechende Erfordernis oder die entsprechende Erwartung vorausgesetzt ist. Anmerkung 2 zum Begriff: Eine festgelegte Anforderung ist eine, die beispielsweise in dokumentierter ►Information enthalten ist. Anmerkung 3 zum Begriff: Ein Bestimmungswort kann verwendet werden, um eine spezifische Anforderungsart zu bezeichnen, z. B. ►Produktanforderung, ►Qualitätsmanagementanforderung, ►Kundenanforderung, ►Qualitätsanforderung. Anmerkung 4 zum Begriff: Anforderungen können von verschiedenen interessierten Parteien oder durch die Organisation selbst aufgestellt werden. Anmerkung 5 zum Begriff: Zum Erreichen hoher ►Kundenzufriedenheit kann es erforderlich sein, eine Erwartung eines Kunden zu erfüllen, auch wenn diese weder festgelegt noch üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist. Anmerkung 6 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition wurde durch Hinzufügen der Anmerkungen 3 bis 5 zum Begriff geändert. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Anforderungsmanagement
ANQ-Asian Network for Quality
Anlaufmangement Anlaufmanagement
A
▶en: ramp-up-management Beim Anlaufmanagement handelt es sich um einen Begriff aus dem Projektmanagement industrieller Praxis. Es umfasst die Koordination aller Aktivitäten mit Beginn der Erstellung erster physischer Prototypen, die erledigt werden müssen, also anlaufen bis zur Produktion kundenfähiger Produkte. Eingeschlossen im Anlaufmanagement sind die logistischen Forderungen in der Serienfertigung. Nach Schuh et al. [1] ist es das Ziel des Anlaufmanagements, die termingerechte Verfügbarkeit aller Bauteile für den Serienanlauf eines Produkts sicherzustellen, den Serienanlauf zu verkürzen (Time-toMarket), die Situation der Termine sowie den Reifegrad des Produkts transparenter zu gestalten und die Anlaufkosten zu reduzieren. Literatur
DIN-Term
[1] Schuh, G., W. Stölzle und F. Straube: Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen. Ein Leitfaden für die Praxis. Springer, Berlin (Springer) 2008, S. 21
Annahme
▶en: acceptance Feststellung, dass die Kriterien für die Annehmbarkeit des Prüfloses erfüllt sind
Anmerkung 1: Nach ISO 3534-1977 wird die Annahme wie folgt definiert: Einverständnis, ein Los wie angeboten entgegenzunehmen. Anmerkung 2: Vom Begriff ‚Annahme‘ in der Qualitätsprüfung ist der juristische Begriff ‚Abnahme‘ im Sinne BGB § 640 und § 433, Absatz (2), zu unterscheiden Normquelle: DIN 55350-31:1985-12 ⟪Originalbegriff ⟫
Annahmeprüfung
▶en: acceptance inspection ►Qualitätsprüfung zur Feststellung, ob ein Produkt wie bereitgestellt oder geliefert annehmbar ist (DIN 5535017:1987-07). Erläuterung: Bei der Annahmeprüfung geht es um die Prüfung, inwieweit eine ►Einheit annehmbar ist, die geliefert oder für eine Lieferung angeboten ist. Das Ergebnis einer Qualitätsprüfung wird häufig nichtquantitativ ausgedrückt: Man ist zufrieden oder nicht, die Forderungen und Erwartungen sind erfüllt oder nicht. So ist es auch bei der Annahmeprüfung: Schlussfolgerung aus ihr ist Annahme oder Rückweisung der Einheit. Wird eine Annahmeprüfung anhand von Stichproben durchgeführt, heißt sie ►Annahmestichprobenprüfung.
Annahmestichprobenplan
▶Annahmeprüfung Verfahren, das auf statistischen Grundlagen basiert. Danach wird ermittelt, ob ein Los angenommen wird oder nicht.)
Annahmequalitätsregelkarte ▶ Qualitätsregelkarten
38
Annehmbare Qualitätsgrenzlage
▶AQL ▶en: acceptance quality limit | en: acceptance quality limit Maximaler Prozentsatz fehlerhafter Einheiten in der Stichprobe eines Prüfloses. Normquelle: Nach DIN 55350-31;1985:12 Literatur: Zur kritischen Einschätzung vgl. Geiger, W.: Qualitätslehre. 3. Auflage. Braunschweig (Vieweg) 1998, S. 374
Annex SL
▶High Level Structure
ANOVA
▶en: Analysis of Variance ▶de: Varianzanalyse Statistikwerkzeug im Bereich der Hypothesentests, um mehr als zwei Mittelwerte gleichzeitig miteinander zu vergleichen. Im Fachjargon des Qualitätsmanagements ist es offenbar (seit Bekanntwerden von ►Six Sigma) üblich geworden die englische Abkürzung ANOVA statt der deutschen Benennung Varianzanalyse zu verwenden.
ANQ-Asian Network for Quality
▶Slogan: „quality for prosperity and integration“ Das Asian Quality Symposium (AQS) war die Vorgängerorganistion des Asian Network for Quality. AQS wurde von der koreanischen KSQC (heute KSQM-Korean Society for Quality Management) und der chinesischen CSQC (heute CSQ-Chinese Society for Quality) gegründet. Das erste Symposium wurde am 9. Juli 1987 in Seoul abgehalten. Die japanische JSQC trat der AQS dann im Jahr 1991 bei. Beim Steering Committee Meeting im Jahr 2001 wurde der Vorschlag angenommen, das AQS um alle asiatischen Länder zu erweitern. Das war die „geistige“ Geburtsstunde des ANQ. Im Jahr 2002 konstituierte sich dann im November in Tokyo das Asian Network for Quality, ANQ, an deren Bildung wesentlich auch Dr. Noriaki ►Kano, President of ►JSQC, mitgewirkt hat. In diesem Jahr erfolgte der Beitritt vieler asiatischer Qualitätsgesellschaften, so dass sich heute das ANQ aus folgenden Mitgliedsgesellschaften zusammensetzt: ◼ BSTQM-Bangladesh Society for Total Quality Management, Bangladesh ◼ CAQ-China Association for Quality, China ◼ CSQ-Chinese Society for Quality, Chinese Taipei ◼ DQG-Dubai Quality Group, Dubai ◼ HKSQ-Hong Kong Society for Quality, Hong Kong ◼ KOQIM-Kazakh Organization for Quality and Innovation Management, Kasachstan ◼ ISQ-Indian Society for Quality, India
ANSI
ANQ-Asian Network for Quality ◼ IQMA-Indonesian Quality Management Association, Indonesia ◼ ISQM-Iranian Society of Quality Managers, Iran ◼ JSQC-Japanese Society for Quality Control, Japan ◼ KSQM-Korean Society for Quality Management, Korea ◼ NQPCN-Network for Quality, Productivity and Competitiveness Nepal, Nepal ◼ QPSP-Quality and Productivity Society of Pakistan, Pakistan ◼ ROQ-Russian Organization for Quality, Russland ◼ SQI-Singapore Quality Institute, Singapore ◼ SQAT-The Standards and Quality Association of Thailand, Thailand ◼ VQAH-Vietnam Quality Association of Ho Chi Minh City, Vietnam Der ANQ-Weg – Statement 2003 wird wie folgt erläutert: Asian Network for Quality (ANQ) consisting of all non-profit organizations in Asia that seek to improve quality of human life by contributing to the progress of science and technology; and to the development of industry through promotional activities for the research and development of philosophy, theory, methodology and application in the field of quality and quality management. ANQ provides a platform and the opportunity for enhanced mutual sharing and learning of the knowledge and experiences obtained through the research and development and practices in quality performed by the member organizations. Dieser Weg gründet auf den folgenden Werten (Core Values) … ◼ Quality of Human Life – Contributing to quality of human life where people live with dignity and achieve balance in fulfilling physical, emotional, intellectual and self-actualization needs in harmony with nature. ◼ Prosperity – Contributing to the prosperity of not only the current generation but also leaving a legacy for the future generations through appropriate focus on material, social and environmental issues; limiting consumption of abundant natural resources that may not be easy to renew; limiting damage to the environment that can be restored through natural activity. ◼ Uniqueness, Integration and Interdependence – Working for the integration of various elements within the society and amongst societies respecting uniqueness while harnessing the power of inter- dependence thereby reducing the disparities while enhancing prosperity for all members. ◼ 3C’s – Customer satisfaction through Competitiveness and Creativity – Contributing for developing creativity of people and competitive ness of the regions that would lead to satisfaction of customers around the world. … und wird mit folgenden Attributen der asiatischen Kultur, die sich von anderen Kulturen unterscheiden, unterlegt:
◼ Harmony in Diversity – Working in harmony with nature and amongst each other, sharing common interests; while respecting the diversity of language, culture, beliefs and living habits of different people. Creating a balance between the needs of the various stakeholders and ecological systems. ◼ Mutual Respect and Compassion – Mutual learning and knowledge sharing by respecting each others thoughts, beliefs and actions; Compassion towards others through kindness, empathy and sympathy; Warm hearted hospitality. ◼ Austerity and Simple Living – Austere & simple living; making do with what we have; living within our means ◼ Effective and Efficient Use of Abundant Resources – Effective and efficient utilization of resources even when in abundance, particularly the people; Eliminating waste of all kind through a habit of saving and sharing ◼ Honesty and Sincerity – To follow the ANQ way even in face of adverse circumstances. It is the courage and will power to stand up to our ideals and convictions in the face of all challenges. Walk the Talk; Practice what we preach. ◼ Flexibility and Adaptability – Ability of being able to accommodate the diverse needs in a given situation to create harmony without sacrificing long-term purpose; Flexibility in thinking, behavior and action while responding with agility & speed. ◼ Self control and Responsibility – It is a self-imposed curb on expenditure of human energy in wasteful channels and redirecting the energy thus conserved to constructive work, using the inherent intellectual talent in a responsible way. Es ist nicht bekannt, dass eine westliche Organisation im Qualitätsmanagement ein derart differenziertes Wertesystem vorgelegt hat, geschweige denn danach lebt. Man sollte das sehr ernst nehmen. Übrigens, das ANQ lobt auch einen Preis aus, den „Asian Quality Recognition/Award“. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Web http://anforq.org
Anreizsysteme
▶ Implementierung ▶ Management der Dienstleistungsqualität
ANSI American National Standards Institute, Wahshington D.C.. Das American National Standards Institute ist das US-Pendant zum ►Deutsches Institut für Normung e. V. (DIN). Es ist eine private, gemeinnützige Organisation zur Koordinierung der Entwicklung freiwilliger Normen in den Vereinigten Staaten. Es ist Mitglied in der ►ISO und wurde 1919 als American Engineering Standards Commitee gegründet. Die Umbenennung in ANSI erfolgte 1969. Zwischenzeitlich
39
A
Anspruchsgruppen waren die Bezeichnungen ASA (American Standards Assoc., 1928-1966) und USASI (United States of America Standards Institute, 1966-1969). ISO-Term
A
Hinweis: Eine bestimmte Gruppe von Zeichensätzen wird in der Computertechnik als ANSI bezeichnet. Dafür gibt es aber direkt keine ANSI-Norm. Die entsprechende Norm ist die ISO 8859-1. URL: www.ansi.org
Anspruchsberechtigte
▶ Produkt-/Produzentenhaftung im QM
Anspruchsgruppen
ISO-Term
▶Partner im Markt ▶Interessierte Partei (ISO 9000:2015-11) ▶Stakeholder-Ansatz Jene Gruppen, die an Organisationen Ansprüche erheben. Zu nennen sind u.a. Kunden, Lieferanten, Aktionäre, Banken, Versicherungen, Behörden, Konsumentenorganisationen, Medien und Umweltverbände. Im Rahmen des ►Öko-Audits bzw. Umweltmanagements (►Umweltmanagementsysteme nach DIN EN ISO 14001ff) zielen die Ansprüche primär auf betriebliche Umweltschutzmaßnahmen ab. Für diese Gruppen ist in ISO 9000:2015 der Begriff „Interessierte Partei“ eingeführt worden.
Anspruchsklasse
▶en: grade Kategorie oder Rang, die oder der den verschiedenen ►Anforderungen an ein ►Objekt mit demselben funktionellen Gebrauch zugeordnet ist
Beispiel: Klassen bei Flugscheinen oder Kategorien von Hotels in einem Hotelkatalog. Anmerkung 1 zum Begriff: Bei der Festlegung einer ►Qualitätsanforderung (3.6.5) ist die Anspruchsklasse üblicherweise angegeben. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
AOQ
▶en: Average Outgoing Quality ▶de: Durchschlupf
AOQL
▶en: Average Outgoing Quality Level ▶Maximaler Durchschlupf
Approbationsprüfung
▶ Qualifikationsprüfung
AQAP
▶Allied Quality Assurance Publications ▶MIL-Q9858 1969 beginnend bis Anfang der 70er Jahre wurde aus der Norm ►MIL-Q9858 das NATO-Regelwerk AQAP ent-
40
Arbeit wickelt. Es diente der Qualitätssicherung von Lieferungen militärischer Güter und wurde zum verbindlichen Vertrags bestandteil aller Verträge mit Unterlieferanten der NATO. In zwischen hat der weltweit bestehende Bedarf an aufeinander abgestimmten und international anerkannten QM-Systemen dazu geführt, dass die NATO sich entschieden hat, sich an den ISO-Normen zum Qualitätsmanagement zu orientieren und insbesondere die Darlegungsnorm DIN EN ISO 9001 zur Grundlage der Vertragsgestaltung mit ihren Unterlieferanten zu machen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Moll, K., Hase, B.: Qualitätsmanagement-Normen. Schriftenreihe TQM-Koordinator, Band 4. Eschborn 1996
AQL
▶en: Acceptance Quality Level | ▶Acceptance Quality Limit ▶de: Annehmbare Qualitätsgrenzlage
AQL-Prüfung
Ziel der AQL-Prüfung ist es, den maximalen Anteil fehlerhafter Einheiten innerhalb einer Stichprobe einer Losprüfung in Prozent zu bestimmen. Hierzu sind zwei Normen zu beachten: DIN ISO 2859 und DIN ISO 2951, die unterschiedliche Vorgehensweisen beschreiben. Es wird empfohlen die Fachliteratur hernzuzeihen [1] Literatur
[1] Brückner, C.: Qualitätsmanagement. Das Praxishandbuch für die Automobilindustrie. München (Hanser) 2011
Arbeit
▶en: work | ▶fr: travail, emploi ▶Qualität der Arbeit ▶Wertewandel 1 Problemaufriss Arbeit hat sowohl für die Gesellschaft und deren Organisationen wie auch für die Individuen und deren Lebenszusammenhänge eine herausragende Bedeutung: Durch Arbeitstätigkeit wird die Gesellschaft gestaltet und gleichzeitig der Mensch als Subjekt geformt. Der Organisation in Form von Betrieben, Unternehmen, öffentlichen Institutionen und anderen nicht-privatwirtschaftlichen Organisationen kommt dabei die Rolle der vermittelnden (intermediären) Instanz zu, der Mesoebene zwischen den arbeitenden Individuen (Mikroebene) und der gesellschaftlichen Praxis (Makroebene). Zwischen Arbeit und Organisation besteht eine wechselseitige Interdependenz: Organisationen konstituieren sich durch die Arbeit der tätigen Menschen, denn die Mehrzahl der Arbeit realisiert sich in „organisierter“ Form. Zudem macht Arbeitsteilung Organisation nötig. Folglich ist Organisation der strukturelle Rahmen, in den die Arbeitstätigkeit eingebettet ist, unterstützt und auch reglementiert wird. Daraus folgt, dass es unerlässlich ist die Kategorie Arbeit in or-
Arbeitsorganisation
Arbeit ganisatorische Analysen und praktische Zusammenhänge des Qualitätsmanagements einzubeziehen.
3 Neubestimmung von Arbeit im Qualitätsmanagement Soll der Arbeitsbegriff in das Qualitätsmanagement eingebracht werden, muss er theoretisch sowohl auf einer kategorialen Ebene zusammen mit Qualität, Zeit, Kosten und Raum eingeordnet, aber auch bis zur Mikroebene bestimmt werden. Nur über die den Begriff auf der Mikroebene konstituierenden Merkmale lassen sich Zusammenhänge aufzeigen, die im Qualitätsmanagement konkrete Arbeit ausmachen. Bekanntermaßen wird hier kein Neuland beschritten, denn mit dem Slogan „gemba walk“ ist bereits aus der Top DownPerspektive heraus ein Weg der Einbettung des Arbeitsbegriffs vorgezeichnet, der Ort des Geschens, der „Tatort“. Nichtsdestotrotz muss die Kluft zwischen Mikro-, Meso- und Mikroebene überwunden werden, denn das, was Menschen (Mitarbeiter, Arbeiter) tatsächlich an ihrem Arbeitsplatz an qualitätsbestimmender Arbeit vollbringen, ist komplex, vielseitig und dynamisch. Es vollzieht sich einerseits in der Zunahme sozialer Interaktionsarbeit und andererseits darin, dass Produkte und Dienstleistungen nicht einfach da sind, sondern vermehrt in einem Prozess des kontinuierlichen Aushandelns zwischen Unternehmen, Kunden und Unterlieferanten entstehen. Dies geschieht auf der Folie internalisierender Märkte, netzwerkartiger, besonders virtuell verknüpfter Unternehmen, deren Mitarbeiter oft global agieren und Raum- und Zeitgrenzen überwinden müssen, Grenzen, die innerhalb und zwischen den Organisationen erst aufzubrechen und neu zu definieren sind. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
A
Arbeitsanweisung
▶QM-Verfahrensanweisung ▶work instruction Detaillierte Beschreibung, wie eine Aufgabe auszuführen und aufzuzeichnen ist. Normquelle: ISO/TR 10013:2001
Arbeitsform
Grundlegend sind Einzelarbeit, Partnerarbeit, Gruppenarbeit (einfache ausführende und hochqualifizierte) zu unterscheiden. Neben diesem formalen Aspekt ist als Arbeitsform die Art und Weise zu verstehen, wie unter Berücksichtigung technologischer und arbeitsorganisatorischer Erkenntnisse und Forderungen die Arbeit zu verrichten ist. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Arbeitsgruppe
▶Gruppenarbeit Arbeitsgruppen bearbeiten über eine gewisse Zeit nach gewissen Regeln und Normen, eine aus mehreren Teilaufgaben bestehende Arbeitsaufgabe, um gemeinsame Ziele zu er reichen. Arbeitsgruppen arbeiten unmittelbar zusammen und fühlen sich als Gruppe (Wir-Gefühl). Abstrakt spricht man von selbstaktiven sozialen Systemen, die aus handelnden Per sonen bestehen, die aufgabengerichtetes Verhalten zeigen. Der Begriff wird in Organisationen oft mit Gruppe oder Team gleichgesetzt. In der Praxis werden Gruppen dann als Arbeits gruppen bezeichnet, wenn sie von Leitern/Führern/Gruppen meistern/Gruppenleitern geführt werden, was nicht zwingend ist. Arbeitsgruppen sind somit eine arbeitsorganisatorische Einheit, die durch eine gemeinsame Aufgabenstellung (Ziel) charakterisiert sind. Es können selbstgestellte Aufgaben und Arbeits aufträge un ter schie den werden. Die Arbeits- und Organisationspsychologie unterscheidet objektive Arbeitsaufträge und die Übernahme von Arbeitsaufgaben. In beiden Fällen erfolgt in den Gruppen explizit oder implizit eine Redefinition (►Konstruktivismus). Wird diese transparent gemacht, wird damit sichergestellt, dass der Arbeitsauftrag (Zielsetzung) von allen in der gleichen Weise verstanden wird. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Arbeitsorganisation
▶en: work organisation ▶Ablauforganisation ▶Aufbauorganisation Als Arbeitsorganisation wird das planmäßig koordinierte Zusammenwirken von Menschen zur Erstellung eines gemeinsamen Produkts bezeichnet. Diese Kurzdefinition muss da-
41
ISO-Term
2 Programmatische Bestimmung Im Qualitätsmanagement ist der Begriff Arbeit ein „blinder Fleck“. Obwohl er in Wortkombinationen oft vorkommt und – wie oben gezeigt wurde – auch eine zentrale Kategorie der Organisation ist wird er im Qualitätsmanagement nicht nur nie definiert, er wird auch höchst selten verwendet. Sein Wesen wird umgangen, indem auf den Begriff der ►Tätigkeit zurückgegriffen wird. „Das, was den Zustand einer Einheit verändert“ heißt es in der Qualitätslehre von Walter Geiger für Tätigkeit [1], der u. a. Maßnahmen und Handlungen als Tätigkeiten nennt. Lässt sich hieraus das Konstrukt eines Arbeitsbegriffs entwickeln, der für das Qualitätsmanagement taugt? Tätigkeit könnte dann als das Kernelement von Arbeit begriffen werden. Arbeit wäre als übergeordnete Kategorie auf identischer Ebene wie Zeit, Kosten, Qualität und Raum zu bestimmen. Damit müsste zunächst das sog. QTK-Modell der Qualitätslehre [1, S. 25ff] neu gefasst, also erweitert werden. Programmatisch gesehen bedarf es eines archimedischen Punktes, um eine solche Fünfersystematik zusammenzuhalten und ihre Wechselwirkungen zu bestimmen. Diesen Punkt könnte die Biade (in Anlehnung zu Triade) Verbessern (Kaizen) und Verschwenden (Muda) bilden. Zwei im Qualitätsmanagement fest verankerte Konzepte.
Literatur
[1] Geiger, W.: Qualitätslehre. 3. Auflage. Braunschweig (Vieweg) 1998, S. 89
Arbeitsschutz-Managementsystemansätze
Arbeitsorganisation
A
rum ergänzt werden, dass Arbeitszusammenhänge prinzipiell arbeitsteilig und nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten geplant werden, wobei ein enger Zusammenhang zwischen Arbeitsteilung und Kooperation angenommen werden muss. Damit beides optimal zusammenwirken kann, bedarf es der Planung, Steuerung und Kontrolle durch das Management. Die Gestaltungsfelder einer so bestimmten Arbeitsorganisation beziehen sich auf die Aufbau- und Ablauforganisation, die sich auf folgende Bereiche bezieht: ◼ Arbeitsstrukturierung ◼ Arbeitszeitsystem ◼ Entgeltsysteme ◼ Technische Unterstützungssysteme Das Ergebnis der Arbeitsorganisation ist an folgenden Faktoren erkennbar [1]: ◼ der Anzahl und Vernetzung gebildeter Organisationseinheiten, ◼ den gebildeten Stellen, ◼ der Zuordnung von Aufgaben auf diese Stellen und damit Arbeitspersonen, ◼ der Arbeitsteilung zwischen Arbeitspersonen, ◼ den Prinzipien und Methoden, nach denen die Arbeitsaufgaben räumlich und zeitlich angeordnet sind ◼ der Festlegung des Sachmitteleinsatzes und ◼ den Formen und Regeln der Zusammenarbeit der Arbeitspersonen Es lässt sich ein breites Spektrum an Formen der Arbeitsorganisation finden, von einfachen Arbeitsformen, in denen „Sweat Shops“ als Teilelieferanten genauso die arbeitsorganisatorischen Zusammenhänge formen müssen wie große Hersteller, die auf der Basis von modernen Produktionssystemen dezentral organisiert sind. Bedingt durch die seit den 1990er Jahren einsetzende hohe Reorganisationsdynamik kommt es immer mehr zu arbeitsorganisatorischen Systembildungen mit internationalen Bezügen, die besonders durch konkrete Produktionssysteme geprägt wurde (►Lean Production, ►Ganzheitliche Produktionssysteme). Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Grabner, Th.: Operations Management. Auftragserfüllung bei Sach- und Dienstleistungen. Wiesbaden (Springer-Gabler) 2012, 155
griff, der sich auf später durchzuführende Tätigkeiten und Ressourcenbestimmungen bezieht. Arbeitspakete müssen auch Aufwandsbestimmungen enthalten. In der Summe müssen sämtliche Arbeitspakete eines Projekts mit dem Inhalt des Projekts identisch sein. Sie sollten den einzelnen Projektphasen zugeordnet werden. Informationen zu Arbeitspaketen werden oft auf Formularen in Dokumenten festgehalten, damit eindeutig das jeweilige Arbeitspaket identifiziert werden kann. Literatur
[1] DIN 69901-5:2009-01 – Projektmanagement – Projektmanagementsysteme. Teil 5: Begriffe. Berlin (Beuth) 2009 [2] DIN ISO 21500:2013-06 – Guidance on Project Management. 2013
Arbeitsschutz
▶en: Safety and Health Security ▶Arbeitsschutzmanagement ▶Arbeitsschutz-Managementsystemansätze ▶Gesundheitsförderung im Unternehmen In der EU durch einheitliche Richtlinien geregelt, die von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen sind. Zum Arbeitsschutz gehören sichere Arbeitsbedingungen (z. B. Helmpflicht), der Gesundheitsschutz (Vermeidung chronischer Erkrankungen oder Schädigungen durch Gefahrstoffe, Lärm usw.) und personenbezogener Schutz (Mutterschutz, Jugendschutz). Grundlage ist das „Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit“. Quelle: Nach Arbeitsschutzgesetz vom 07.08.1996
Arbeitsschutzmanagement
▶en: Health, Safety, Security und Environment Management ▶Arbeitsschutz-Managementsystemansätze Alle koordinierten Tätigkeiten und Maßnahmen zur Etablierung, dauerhaften Gewährleistung oder Verbesserung des ►Arbeitsschutzes. Dabei obliegt dem Arbeitsschutzmanagement vor allem die Erfüllung zahlreicher gesetzlicher Forderungen, nach denen geeignete technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen anzuwenden sind, die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sichern und verbessern.
Arbeitsschutz-Managementsystemansätze
▶en: work package ▶Projektmanagement
▶ASM-Ansätze ▶Gesundheitsförderung im Unternehmen ▶Risk Management ▶Zuverlässigkeitsmanagement
Ein Begriff aus dem ►Projektmanagement: Innerhalb eines Projektstrukturplans werden Arbeitspakete definiert. Sie umfassen eine in sich geschlossene Aufgabenstellung, die bis zu einem festgelegten Zeitpunkt mit einem definierten Ergebnis erledigt werden soll. Arbeitspaket ist somit ein Planungsbe-
1 Einführung Allgemein ist der deutsche Arbeitsschutz, für dessen Einhaltung die Arbeitsschutzbehörden zuständig sind, auf hohem Niveau. Zu beachten ist, dass die EU im Rahmen der Har monisierung verstärkt auf die Schaffung gleicher Arbeitsbe-
Arbeitspaket
42
Arbeitsschutz-Managementsystemansätze dingungen in allen Mitgliedsstaaten hinwirken wird (Richt linienarbeit der EU). Das Thema ist zudem zunehmend Gegenstand öffentlicher Diskussion geworden [1]. Die Inhalte des Arbeitsschutzes werden üblicherweise wie folgt gegliedert [2]: ◼ technischer Arbeitsschutz ◼ organisatorischer Arbeitsschutz ◼ personeller Arbeitsschutz. Eine andere Gliederung folgt den Arbeitsschutzbezogenen Bereichen: ◼ Sicherheitstechnischer Arbeitsschutz ◼ Sozialer Arbeitsschutz ◼ Medizinischer Arbeitsschutz. Diese Inhalte und Bereiche werden auf einen präventiv auszurichtenden Arbeitschutz bezogen, in dessen rechtlichen Grundlagen im neuen Arbeitsschutzgesetz gefordert wird, dass Gefährdungsbeurteilungen für alle Arbeitsplätze durchzuführen sind. Ausführlich wird dies in [2] dargelegt. Präven tion verfolgt im Arbeitsschutz das Ziel, Unfälle vorbeugend zu verhindern und Gesundheitsgefahren für die Beschäftigten während der Arbeit entscheidend zu verringern. Dieses Prin zip liegt allgemein auch dem Qualitätsmanagement zugrunde (z. B. ausgedrückt im Schlagwort: Do it right the first time.). 2 Arbeitsschutz-Managementsysteme „Prävention im Arbeitsschutz ist nach heutigem Verständnis die umfassende Gewährleistung von Sicherheit und Gesund heitsschutz am Arbeitsplatz.“ So postuliert Horst und stellt drei wichtige Konzepte zur Realisation dieses Prinzips vor: ◼ die Einbeziehung der Prävention in die unternehmerische Gesamtstrategie, ◼ die umfassende Beteiligung von Management und Arbeitnehmern und ◼ die Gewinnung von handlungsauslösenden Informationen. [3] Diese Forderungen liegen aus der Systemperspektive betrachtet auch den folgenden sieben Managementsystemansätzen zum Arbeitsschutz zugrunde [4]: ◼ SCC – Managementsystem für Sicherheit – Sicherheits Certificat für Contractoren) ◼ Arbeitsschutzmanagementsystem nach BS 8800 ◼ Managementsystem für Sicherheit und Umweltschutz ◼ OHRIS – Occupational Health- and Risk-Managementsystem ◼ Hamburger Arbeitsschutzmodell ◼ ASCA-Modell – Arbeitsschutz und Si cher heitstechnischer Check in Anlagen ◼ OHSAS 18001:2007/18002:2008 – Occuppational Health and Safety Management System Diese Managementsysteme zum Ar beits schutz verfolgen – wie die hier im Lexikon behandelten QM-Systeme – die allgemeine Zielsetzung des systematischen Führens von Mit-
Arbeitsschutz-Managementsystemansätze arbeitern und die Steuerung von Prozessen. Es lassen sich die folgenden Systemkriterien nennen, die auch als Ableitungs grundlage für ASM dienen [5]: „Festlegen einer Aufbauorganisation, Beschreibung der Ablauforganisation, Umsetzung von externen und internen Zielsetzungen, Bestimmung von Systemverantwortlichen, Schutz vor Haftungsansprüchen, Dokumentation, Interne Selbstüberwachung, Externe Überprüfung.“ In Anlehnung an die Ausführungen in [6] kann folgende Explikation bestimmend für ASM-Ansätze sein: Arbeitsschutz wird – wie andere themenorientierte Managementaufgaben (z. B. Qualität) – als selbständig zu steuernde Managementaufgabe begriffen, die ihren Ausgangspunkt bei der Leitung der Organisation findet. Die oberste Leitung nutzt das formalisierte und instituionalisierte System zur Erreichung von Zielen auf der Grundlage einer formulierten Arbeitsschutzpolitik und -strategie. Das ASM ist in die Organisationsstruktur des Unternehmens eingefügt. Arbeits- und Gesundheitsschutz sind gleichwertige Unternehmensziele. Aufsicht und Kontrolle durch staatliche Organe und Berufsgenossenschaften beziehen sich auf das ASM und nicht wie traditionelle auf die Umsetzung. Auf der Grundlage von bestehenden QM-Systemen sind diese Systeme teilweise bereits von einigen Unternehmen eingeführt. Häufig verfügen die Unternehmen bereits über einen traditionell gut ausgebauten Arbeitsschutz. Dieses positive Ergebnis darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass exakte Vergleiche zum herangezogenen Modell nicht möglich sind, da es sich nicht um genormte Systeme handelt, die nach ausgewiesenen Darlegungsforderungen extern auditiert werden. Die Zertifikate sprechen somit noch viel zu sehr die Sprache der Betriebe. Die Forderungen dienen als wandelbare Meslatte. Die Normung auf dem Gebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ist weder national noch international abgeschlossen. Verdienstvoll ist in diesem Zusammenhang die Übersicht von B. Schmager, in der mittels eines Stärken-/ Schwächenprofils Unterschiede und Gemeinsamkeiten der sieben Systeme herausgearbeitet werden (Abbildung A11). So können Anwender den passenden Leitfaden begründet auswählen. 3 ASM-Ansatz von Schmager In formaler und teilweise auch inhaltlicher Anlehnung an die Managementmodelle des Qualitäts- und Umweltmanagements entwickelt B. Schmager einen Leitfaden zum Aufbau eines Arbeitsschutzmanagementsystems. Der Leitfaden stellt zunächst Forderungen an die Einbindung des Arbeitsschutzes in die betriebliche Aufbauorganisation. Die Gesamtverantwortung liegt bei der obersten Leitung der Organisation. Die Struktur wird in Anlehnung an die QM- und Umweltmanagement-Systeme der ISO gewählt und läßt die Gestalt der ISO 9001 erkennen, indem vier übergreifende AMS-Elemente die komplexe Systemstruktur reduzieren:
43
A
Arbeitsschutz-Managementsystemansätze
Arbeitsschutz-Managementsystemansätze
A
◼ Führungselemente ◼ Systemstützende Elemente ◼ Prozessbezogene Elemente ◼ Prozesssichernde Elemente Abbildung A12 zeigt einen Überblick über die Systemstruktur im Ganzen und verdeutlicht zugleich für denjenigen, der den traditionellen Arbeitsschutz kennt, dass alle für den klassischen Arbeitsschutz unabdingbaren Elemente aufgenommen wurden. Hier zeigt sich die Flexibilität des Systems, die es erlaubt, einen umfassenden Arbeitsschutzansatz zu verfolgen, in das Risiko aspekte ge nauso integriert werden können wie zentrale Elemente des Gesundheits management (TAMS = Total Arbeitsschutzmanagement system).
Abb. A11: Stärken-Schwächen-Profil ausgewählter ASM-Ansätze Ansatz/ Land
Schwerpunkt
Stärke
Schwäche
Nutzen
SCC-Modell Niederlande
Sicherheitsaspekte Umweltschutz
Konkrete Auditfragen direkte Überprüfbarkeit
Zielgruppe: Contractoren der Mineralölindustrie
Zertifizierbar einfache Handhabung geringer Dokumentationsaufwand
BS 8800 Großbritannien
Arbeitsschutz
Unterschiedliche Ausgangssituationen werden berücksichtigt KVP-Orientierung
Unterschiedliche Ansätze nicht klar genug abgegrenzt Nicht auf KMU bezogen Allgemeine Darstellung
Prozeßbezogene Realisierung und Nutzung möglich KVP wird angestoßen
OHRIS-Modell Arbeitsschutz Deutschland Gesundheitsschutz
Konzentration auf Präventionsgedanken für Gesundheits- und Arbeitsschutz, berücksichtigt aktuelle Normenentwicklung
Sehr umfangreicher Aufbau Komplexe Struktur nicht auf KMU bezogen Keine Mitarbeiterbeteiligung
Prozeßbezogene Realisierung und Nutzung möglich
Managementsystem Sicherheit und Umwelt Deutschland
Anlagensicherheit Umweltschutz
Integrierbar in andere Managementsysteme
Arbeitsschutz nur in Teilen berücksichtigt
Umfassendes RiskManagement zur Reduzierung von Betriebsrisiken Synergien
ASCA-Modell Deutschland
Arbeitsschutz
Umfassender Arbeitsschutzansatz
Prozessorientierung fehlt Großer Dokumentationsaufwand Kein KMU-Bezug
Gut in QMS, Stärkung des Arbeitsschutzes im Betrieb
ABS – Hamburger Arbeitsschutzmodell Deutschland
Arbeitsschutz
Konkrete Handlungserfordernisse werden deutlich schneller Einstieg in ein AMS
Frageliste Kein Einführungsleitfaden
Verringerung der Überwachungsfrequenzen
OHSAS 18001 International ISO
Sicherheitsschutz Gesundheitsschutz
Umfassender Systemansatz Keine direkten länderübergreifende Umsetzungshinweise Systematik; auch in weiteren Sprachfassungen (engl. ...)
3 Ausblick Mit diesem in (2) kurz skizzierten Entwurf zeigt der Quelle: [2], S. 49-50 Autor den Arbeitsschutz in einer neuen Form als umfassendes Managementsystem. Die Fachleute erwarten, dass es in den nächsten Jahren eine ähnliche Entwicklung in der Normung geben wird, wie sie sich bereits in den Qualitäts- und Umweltnormen gezeigt hat. Konkret heißt diese Wendung zum Management des Ar beitsschutzes, dass Arbeitsschutz nicht allein eine Sache von Experten ist, sondern eine Jedermanns-Tätigkeit, die Arbeits schutzaktivitäten auch in den KVP integrieren. ASM ist schließlich ein zukünftiges Managementsystem innerhalb der langfristigen Konzeption ►Integrativer Manage mentsysteme. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Einführend hierzu: Schmager, B.: Präventiver Arbeitsschutz (GB 7). 7 Bausteine der Gefährdundsbeurteilung als Instrument des vorbeugenden Arbeitsschutzes. München-Wien: Hanser 1998. – Weiterführend derselbe: Schmager, B.: Leitfaden ArbeitsschutzManagementsystem. Aufbau und Umsetzung in der betrieblichen Praxis, München-Wien: Hanser 1999, S. 2-14 [2] Ausführlich zu diesen Bereichen in Glossarform: Schmager, B.: Leitfaden Arbeitsschutz-Managementsystem. Aufbau und Um setzung in der betrieblichen Praxis, München-Wien: Hanser 1999,
44
Zertifizierbar lt. erstellender Organisationen
S. 2-14 [3] Beide Zitatquellen aus: Horst, A.: Präventionskonzepte. In: Luczak, H. u. Volpert, W. (Hrsg.): Handbuch Arbeitswissenschaft. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 1997, S. 815-818 [4] Erläutert in [2] [5] Aufzählung aus [2], S. 24 [6] s. [2], S. 16-17
Internetquellen
http://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/wienzyklopaedie/lexikon/daten-wissen/Informationsmanagement/Business-Engineering/-Business-Engineering--Ansatze-des/Architektur-integrierter-Informationssysteme-/index. html/?searchterm=aris
Arbeitsfreude
▶ Arbeitszufriedenheit
Arbeitskraftunternehmer ▶ Selbstorganisation
Arbeitsschutzmanagementsystem nach BS 8800 ▶ Arbeitsschutz-Managementsystemansätze
Arbeitsstrukturierung
▶ Gesundheitsförderung im Unternehmen
Arbeitswissenschaft
Arbeitsumgebung Abb. A12: Struktur des Arbeitsschutz-Managementsystems
A
STRUKTUR DES ASM-SYSTEMS
e ent em sel ng hru Fü
t stü tem Sys de zen
■ Aufbauorganisation ■ Arbeitsschutzgremien ■ Struktur im ASM-System ■ Arbeitsschutzpolitik ■ Arbeitsschutzziele ■ Dokumentation ■ Bewertung ■ Kommunikation
nte me Ele
■ Korrekturmaßnahmen ■ Beschaffung von ■ VerbesserungsmaßRessourcen nahmen, KVP ■ Personal Schulung, Training, Unterweisung ■ Vorbeugungsmaßnahmen zur Sicherstellung ■ Lenkung der des Präventionsgedankens Aufzeichnungen ■ Auditsystem Prozessbezogene Elemente ■ ■ ■ ■
Arbeitsgestaltung Genehmigungsverfahren Beschaffung, Vertragsprüfung Einrichtung, Aufstellung von Arbeitsmitteln ■ Kennzeichnung, Betriebsanweisungen ■ Probebetrieb ■ Vorschriftenmanagement ■ Auflagenmanagement ■ Beauftragtenwesen
■ ■ ■ ■ ■ ■
Inbetriebnahme Persönliche Schutzausrüstung Wartung Überwachung, Inspektion Instandsetzung Außerbetriebnahme ■ Fremdfirmeneinbindung ■ Notfallsystem ■ Gesundheitsschutz
Prozesssichernde Elemente
ISO-Term
Quelle: [2], S. 60
Arbeitsumgebung
▶en: work environment Satz von Bedingungen, unter denen Arbeiten ausgeführt werden
Anmerkung 1 zum Begriff: Bedingungen können physikalische, soziale, psychologische und Umweltfaktoren (wie Temperatur, Beleuchtung, Anerkennungsprogramme, arbeitsbedingter Stress, Ergonomie und Zusammensetzung der Atmosphäre) umfassen. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Arbeitsunzufriedenheit ▶ Arbeitszufriedenheit
Arbeitswissenschaft
▶en: Industrial science | ▶en: Occupational science ▶Qualitätswissenschaft Arbeitswissenschaft ist eine auf Frederick Winslow ►Taylor zurückgehende ursprünglich ingenieurwissenschaftliche Disziplin (Industrial science), die sich heute interdisziplinär (Occupational science) versteht. Nach diesem weiteren Verständnis geht es ihr um die wissenschaftliche, methodische und systematische Behandlung aller Fragen die mit der Planung, Gestaltung, Leistung und Durchführung menschlicher Arbeit zusammenhängen. Manchmal wird Arbeitswissenschaft
45
Arbeitzufriedenheit
[1] Laske, St. und M. Schweres (Hrsg.): Arbeitsorientierung in den Wirtschaftswissenschaften: Vielfalt als Krisenindikator oder als Potenzial? Mering (Hampp) 2014
Arbeitszufriedenheit
▶ job satisfaction ▶ work satisfaction ▶ Mitarbeiterzufriedenheit ▶ Mitarbeiterbefragungen im QM ▶ Motivationsmanagement im QM „Es ist bei einer Zufriedenheitsäußerung nur schwer feststellbar, ob sie tatsächlich durch die Situation bedingt wird („Kraft durch Freude“) oder einfach daher kommt, dass man gelernt hat, nicht mehr zu wünschen („… oder Euphorie im Unglück?“).“ (Oswald Neuberger 1985)
1 Einführung und Begriff Ein wichtiger Indikator für die Qualität des Arbeitslebens ist die Zufriedenheit mit der Arbeit, die sog. Arbeitszufriedenheit. Begriff und Konzept sind in der Arbeitspsychologie seit Jahrzehnten Forschungsthema. Historisch gesehen reicht das Thema sogar bis in die Zeit der beginnenden Industrialisierung zurück (Entfremdung). Enge Beziehungen bestehen zu den Konzepten von Maslow (Bedürfnispyramide) und Herzberg (Zweifaktorentheorie der Arbeitsmotivation). Auch der Gegenbegriff Arbeitsunzufriedenheit ist konzeptualisiert. Die Vielzahl an empirischen Belegen verweist auf die Forderung nach einer Theorie der Arbeitstätigkeit, die den Rahmen bildet, um die vorliegenden Einzelergebnisse zusammenzuführen und auch die Forschung methodisch entsprechend auszurichten (qualitative Arbeitszufriedenheitsforschung). Das Qualitätsmanagement hat den Begriff Arbeitszufriedenheit nicht thematisiert, er taucht auch nicht als genormter Begriff auf. Im Zuge der Übernahme amerikanischer Konzepte wurde er bisher nicht in den Begriffsrahmen des QM aufgenommen, obwohl gerade in der Schweiz und in Deutschland eine lange Tradition festzustellen ist. Allerdings bildet innerhalb der QM-Modelle (►EFQM-Modell) der Begriff Mit arbeiterzufriedenheit mit dessen Verknüpfung zu ►Mitar beiterorientierung und ►Kundenzufriedenheit eine leitende Perspektive. Ansatzweise werden Fragen der Motivation im Qualitätsmanagement aufgegriffen (►Motivationsmanagement im QM). Das Konzept der Arbeitszufriedenheit ist folglich eher als „blinder Fleck“ im Qualitätsmanagement anzusehen. Das ist umso verwunderlicher, als Arbeitszufriedenheit oft mit der Annahme einhergeht, dass hohe Arbeitszufriedenheit die Produktivität steigert und zudem eine entscheidende Determinante der Lebenszufriedenheit darstellt.
46
Grundsätzlich ist Arbeitszufriedenheit als erwünschter Zustand zu begreifen. Werden die individuellen Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen in der Arbeitssituation nicht erfüllt, kommt es zur Arbeitsunzufriedenheit. Entsprechend versteht man in der Arbeitspsychologie unter Arbeitszufriedenheit die Einstellung des Arbeitnehmers zur Arbeit, die sich aus dem subjektiven Befinden und seinen Ansprüchen bezogen auf die Arbeitssituation ergibt (inneres Erleben über die Arbeitssituation). Im Ergebnis der meisten Untersuchungen zeigt sich allerdings, dass Zufriedenheitsurteile wohl eher in den Bereich der „sozialen Wünschbarkeit“ (Schutzfunktion) gehören, denn als empirische Fakten gesehen werden können [1, 143]: „Schließlich muss eine Person, die Unzufriedenheit äußert, damit rechnen danach gefragt zu werden, weshalb sie in der unbefriedigenden Situation verbleibt oder diese nicht verändert. … Wir müssen daher annehmen, dass die globalen Zufriedenheitskonzepte nur wenig trennscharf sind und der Realität kaum gerecht werden.“ 2 Prozessmodell der Arbeitszufriedenheit nach Agnes Bruggemann Ein differenziertes Modell zu den Formen der Arbeitszufriedenheit hat Agnes Bruggemann vorgelegt (Bruggemann 1974 nach [1, 143ff]). In dem Modell werden nicht nur die einzelnen Aspekte der Arbeitszufriedenheit beschrieben, sondern versucht, den gesamte Entstehungsprozess nachzuzeichnen. Danach ist Arbeitszufriedenheit das Ergebnis eines inneren Vergleichs der eigenen Bedürfnisse und Erwartungen (= Soll) mit den Möglichkeiten ihrer Realisierung in der gegebenen Arbeitssituation wie sie personenspezifisch je wahrgenommen werden (= Ist). Thematisiert wird also die SollIst-Differenz. In Abbildung A13 erklärt Bruggemann Arbeitszufriedenheit, indem – vom Soll-Ist-Vergleich ausgehend – die folgenden Ebenen in die Analyse einbezogen werden: ◼ Soll-Ist-Vergleich ◼ Anspruchsniveau (und seine Veränderbarkeit) ◼ Arbeitssituation ◼ Problembewältigung. Zunächst zeigt sich in zwei Fällen, dass der Soll-Ist-Vergleich positiv ausfallen kann. Unterscheidendes Merkmal ist dabei der Erhalt oder die graduelle Veränderung (Erweiterung) des Anspruchsniveaus: 1 Progressive Arbeitszufriedenheit: Die Zufriedenheit hat sich zunächst stabilisiert. – Fällt dann der Soll-Ist-Vergleich positiv aus und steigt das Anspruchsniveau, so können bestimmte Erwartungen in der gegenwärtigen Situation nicht erfüllt werden, aber die positive Grundeinstellung zur Arbeit wird beibehalten: Schöpferische Unzufriedenheit. 2 Stabilisierte Arbeitszufriedenheit: Der Soll-Ist-Vergleich fällt positiv aus und das Anspruchsniveau bleibt unverändert. Die Erwartungen bleiben wie sie sind, die Situation bleibt erhalten und kann sich zunächst im Status-Quo konservieren.
Begriff
A
sehr eng im Sinne von ergonomics verstanden. Ohne Zweifel berührt die Arbeitswissenschaft Problemstellungen des Qualitätsmanagements. Sie ist als interdisziplinäres Paradigma zudem eines der Wissenschaftsgebiete, die die im Entstehen begriffene ►Qualitätswissenschaft konstituiert. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Arbeitzufriedenheit
Arbeitzufriedenheit
Arbeitzufriedenheit In den anderen Fällen fällt der Soll-Ist-Vergleich negativ aus. Aus der darauf folgenden Reaktion des Anspruchsniveaus resultieren die folgenden vier unterschiedlichen Formen von „diffuser“ Arbeitszufriedenheit:
Abb. A13: Formen der Arbeitszufriedenheit als Ergebnisse von Abwägungs- und Erlebnisverarbeitungsprozessen
Formen der Arbeitszufriedenheit als Ergebnis von Abwägungs- und Erlebnisverarbeitungsprozessen Allgemeine Merkmale der Arbeitssituation Ist-Wert
Generelle Bedürfnisse und Erwartungen Soll-Wert
Konkrete Merkmale
Konkrete Bedürfnisse
3 Resignative Arbeitszufrieder Arbeitssituation und Erwartungen Ist-Wert bezogen auf die denheit: Der Soll-IstArbeitssituation Vergleich ist negativ. In Soll-Wert der Folge sinkt das Anspruchsniveau, was daDifferenz Soll-Ist-Wert mit eine Kompensation bewirkt hat (Sollwert? Reduktion). Es entsteht eine resignative Haltung, die wohl eher frustriend Stabilisierende Diffuse wahrgenommen wird. Zufriedenheit Unzufriedenheit 4 Pseudo-Arbeitszufriedenheit: Der Soll-Ist-Ver? ? gleich ist wie in 3 negativ, aber das AnspruchsniAufrechterhaltung des Senkung des Aufrechterhaltung des Erhöhung des veau bleibt unveränAnspruchsniveaus Anspruchsniveaus Anspruchsniveaus Anspruchsniveaus dert, allerdings wird die Situation verfälscht ? (geschönt) wahrgenommen. Der Arbeitnehmer Verfälschung Ohne neue Neue macht sich gewissermader SituationsProblemProblemßen was vor, er verfälscht Wahrnehmung lösungsversuche lösungsversuche die Situation. und tut so, als ob alles für ihn in 1 2 3 4 5 6 Ordnung wäre, obwohl Progressive Stabilisierte Resignative PseudoFixierte Konstruktive Möglichkeiten der ProArbeitsArbeitsArbeitsArbeitsArbeitsArbeitsblembewältigung sehr zufriedenheit zufriedenheit zufriedenheit zufriedenheit zufriedenheit zufriedenheit wohl gesehen werden. 5 Fixierte Arbeitsunzufriedenheit: Der Soll-Ist-Vergleich fällt wieder wie in Problembewältigung 3 negativ aus, und das Verarbeitung von Befriedigung und Frustation Anspruchsniveau bleibt ►Richtgröße für weitere Entwicklung der Bedürfnisse und Erwartungen und der Einstellung unverändert, allerdings zum Arbeitsverhalten wird auf Lösungsversuche verzichtet. Der Quelle: [1]; Änderungen durch den Autor. Arbeitnehmer verharrt Entsprechend diesem Modellverständnis, das in der Diszigewissermaßen in der als adäquat wahrgenommenen Siplin heute weitgehend geteilt wird, verbieten sich sowohl tuation. Es finden keine Versuche statt, die Situation zu statische Annahmen von Arbeitszufriedenheit im Sinne von verändern. Skalierungen (hoch/niedrig) auf der Basis von standardisier6 Konstruktive Arbeitsunzufriedenheit: Der Soll-Ist-Vergleich ten Befragungen wie auch inhaltliche Gleichsetzungen von fällt wieder wie in 3 negativ aus, und das AnspruchsniArbeitszufriedenheit mit Arbeitsfreude. Jegliche Erhebungen veau bleibt unverändert, aber man setzt sich mit Lösungsvon Arbeitszufriedenheit müssen vor diesem theoretischen versuchen auseinander, um die als unbefriedigend empHintergrund als Momentaufnahmen begriffen werden, aus fundene Situation zu verändern. deren Ergebnissen nur sehr vorsichtige Schlüsse gezogen werden dürfen. Ulich weist noch zusammenfassend auf Er-
47
A
Arbeitzufriedenheit/Arbeitsfreude
A
gebnisse der Forschung hin, die er als „resignative Arbeitszufriedenheit“ interpretiert [4]: „Aus den Ergebnissen vorliegender Untersuchungen lässt sich im Übrigen mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass ein Teil der Zufriedenheitsäußerungen von Beschäftigten mit hochgradiger Arbeitsteilung auf die aus einer Reduzierung des Anspruchsniveaus resultierende ’resignative Arbeitszufriedenheit’ entfällt.“ 3 Arbeitsfreude
„Der Mensch ist eine Einheit. Um ihn zu erfassen, muss unausweichlich auch die Wissenschaft eine Einheit werden.“ (Georges Friedmann 1952, 362 [6])
Das Erleben von Arbeitsfreude (verstanden als spontanes positives Gefühl) darf angesichts der Ausführungen in Kapitel 2 nicht gleichgesetzt werden mit Arbeitszufriedenheit. Es setzt voraus, dass den Arbeitnehmern tatsächlich ein Einfluss auf die Ziele und Mittel ihrer beruflichen Tätigkeit zugestanden wird [5]. Wenn – wie Georges Friedmann [6] feststellt – Arbeitsfreude nur dann entstehen kann, wenn die Arbeit als Ganzes aus einer Summe von Arbeitsaufgaben besteht, dann stellt sich Arbeitsfreude sowohl im Prozess der Aufgabenbewältigung wie auch als Ergebnis der Erfüllung von Aufgaben ein. Voraussetzung dafür, ob sich Arbeitsfreude einstellen kann, sieht Friedmann ursächlich im Management begründet [7]: „Wenn bei den Arbeitern in einem Bereich Sichgehenlassen, nachlässiges und unloyales Verhalten zu beobachten sind, läßt sich die Ursache dafür fast immer in den Irrtümern und im unloyalen Vorgehen der Betriebsleitung finden. Durch das Beispiel einer loyalen Einstellung gegenüber der Belegschaft kann eine Betriebsleitung viel mehr erreichen als durch eine Vermehrung der technischen Schulungskurse oder der Vorträge über ’Berufsmoral’, die das Berufsethos entwickeln sollen.“ Für Friedmann zeigen die Untersuchungen zur Arbeitsfreude, „dass … der Integration, der Freisetzung der physischen und psychischen Kräfte des Arbeiters und der Arbeitsfreude zur leichteren Analysierung drei Phänomene voneinander zu unterscheiden haben, die so eng aneinander greifen, dass sie zuweilen wie verschiedene Seiten ein und derselben Wirklichkeit erscheinen. Die Integration bindet den Menschen an die Produktionsgemeinschaft und erwirkt seine freiwillige Zustimmung und Mitarbeit; sie ist zu gleicher Zeit Voraussetzung für eine größere Entfaltung seiner physischen Produktionskräfte und seiner psychischen Kräfte – technisches Verständnis, Erfindergabe und Initiative.“ [8] Daran zeigt sich, dass das, was wir heute ►Unternehmenskultur nennen, prägend dafür ist, ob und wie sich Arbeitsfreude einstellt [9]: „Integration, Freisetzung von Kräften und Arbeitsfreude sind wie verschiedene Aufnahmen derselben Wirklichkeit, von verschiedenen Standpunkten aus fotografiert.“
48
Arbeitzufriedenheit Die Forschung zu diesem Komplex zeigt immer wieder, dass es zu kurz greift aus einer bestimmten Interessenlage heraus, Arbeitszufriedenheitskennzahlen zu erheben, um dann an „Stellschrauben“ ansetzen zu können, die den „Mindset“ verändern können. Um engagierte Mitarbeiter an sich zu binden bedarf es mehr [10]: „Die Forschung zur Arbeitszufriedenheit hat gezeigt, dass es durchaus nicht allein von der aktuellen Zufriedenheit abhängt, inwieweit sich Mitarbeiter engagieren oder ob sie das Unternehmen verlassen. Tatsächlich verlassen Mitarbeiter ein Unternehmen, obwohl sie eigentlich ganz zufrieden sind, während andere im Unternehmen bleiben, obwohl sie mit vielen Dingen unzufrieden sind. Ebenso engagieren sich einige mehr als andere, obwohl sie sich hinsichtlich ihrer Zufriedenheit nicht unterscheiden. Unterschiede in der Verbundenheit könnten diese Widersprüche erklären helfen.“ 4 Mitarbeiterzufriedenheit im EFQM-Modell Zum Begriff Arbeitszufriedenheit wurde in den ersten Versionen des EFQM-Modells als Äquivalent der Begriff Mitarbeiterzufriedenheit eingeführt. Im europäischen Exzellenzmodell 2013 wird dieser Begriff allerdings nicht mehr thematisiert. In Abschnitt 3a werden dafür ►Mitarbeiterbefragungen und andere Formen der Rückmeldungen gefordert: „Exzellente Organisationen … Setzen Mitarbeiterbefragungen und andere Formen der Rückmeldungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein, um die Personalstrategie, die Personalpolitik und die Personalpläne zu verbessern.“ Damit wird das Thema Arbeitszufriedenheit eher auf der methodischen Ebene behandelt. In den Stichwortartikeln ►Mitarbeiterzufriedenheit und ►Mitarbeiterorientierung wird vertiefend auf den Mitarbeiter in der Organisation eingegangen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur [1] Ulich, E.: Arbeitspsychologie. 7. Auflage. Stuttgart (SchäfferPoeschel) 2011 [2] Bruggemann, A.: Zur Unterscheidung verschiedener Formen von „Arbeitszufriedenheit“. In: Arbeit und Leistung 1974 (28), 281284 [3] Bruggemann, A., P. Groskurth u. E. Ulich: Arbeitszufriedenheit. Schriften zur Arbeitspsychologie. Band 17. Bern (Huber) 1975 [4] siehe [1, 146] [5] siehe [1, 146] [6] Friedmann, G.: Der Mensch in der mechanisierten Produktion. Köln (Bund) 1952, 355ff [7] siehe [6, 357] [8] siehe [6, 361] [9] siehe [6, 362] [10] Felfe, J.: Mitarbeiterbindung. Göttingen (Hogrefe) 2008, 13
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
Arbeitszeitorganisation
Jene Aspekte, die die in den Prozessen durchgeführten Aktivitäten umfassen, sind in der Funktionssicht enthalten. reiche Funktionen können eine Reihe von Teil Umfang funktionen umfassen. So kann die Funktion ‘Beschaffung’ aus den Teilfunktionen ‘Bedarf ermitteln’, ‘Lieferanten auswählen’, ‘Bestellung durchführen’ usw. bestehen. Diese können wiederum untergliedert sein. Eine derartige mehrstufige Zerlegung kann durch einen Funktionsbaum visualisiert werden.
▶ Gesundheitsförderung in Unternehmen
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
Begriff
▶ en: architecture of integrated information systems ▶ Geschäftsprozessmanagement ▶ Geschäftsmodell
Die Architektur integrierter Infor ma tions systeme (ARIS) stellt einen Rahmen zur durchgängigen Beschreibung und Gestaltung von ►Geschäftsprozessen und be trieblichen Informationssystemen dar. Sie bildet damit u. a. eine wesentliche Grundlage für die Geschäftsprozessoptimierung (►Geschäftsprozessmanagement), die Ein führung von Standardsoftware, die Entwicklung von Individualsoftware, die Konfiguration von Workflow-Systemen und die Prozess kostenrechnung. Insbesondere können Geschäftsprozessmodelle auf Grundlage von ARIS zur qualitätsgerechten Doku mentation der Prozesse nach DIN EN ISO 9001 verwendet werden. Sie stellen damit einen wichtigen Bestandteil eines konsequenten, geschäftsprozessorientierten Qualitätsma nagements dar. 1 ARIS-Sichten Bei der Betrachtung von Geschäftsprozessen spielt eine ganze Reihe von Aspekten eine wichtige Rolle. Hierzu gehören zu nächst die im Laufe des Prozesses durchgeführten Aktivitäten oder Funktionen. Für die Durchführung von Funktionen sind Organisationseinheiten und deren Mitarbeiter zuständig. Ziel der Durchführung eines Geschäftsprozesses ist die Erstellung einer Leistung, wobei es sich um materielle Leistungen, d. h. physische Produkte, oder immaterielle Leistungen, d. h. Dienstleistungen handeln kann. Zur Durchführung von Funktionen werden meist Daten benötigt, ebenso kann eine Funktion neue Daten erzeugen. Funktionen werden einerseits von bestimmten Ereignissen ausgelöst, andererseits er zeugen sie selbst wieder ein oder mehrere Ereignisse, welche wiederum nachfolgende Funktionen auslösen können. Der durch diese Folge von Ereignissen und Funktionen entstehende Kontrollfluss des Prozesses kann auch Verzweigungen und Parallelabläufe enthalten. Die aufgrund der Vielzahl der zu berücksichtigenden Komponenten eines Geschäftsprozesses entstehende Komplexität erfordert es, die verschiedenen Aspekte zunächst getrennt voneinander zu betrachten. ARIS sieht daher eine Zerlegung des Betrachtungsgegenstandes Geschäftsprozess in folgende unterschiedliche Sichten vor (vgl. Abbildung A14): ◼ Die Organisationssicht umfasst die Mitarbeiter und die ►Aufbauorganisation des Unternehmens. Diese wird typischerweise mit Hilfe von Organigrammen dargestellt. ◼ Die Datensicht beschreibt die logischen Zusammenhänge und Strukturen der in den Geschäftsprozessen verwendeten Daten (z. B. Materialstämme oder Kun dendaten), welche beispielsweise mit Hilfe von ►EntityRelationship-Modellen (ERM) abgebildet werden können.
In der Leistungssicht kann die Zusammensetzung von Leistungen aus Einzelkomponenten beschrieben werden. So besteht etwa die Dienstleistung „Reiseorganisation“ aus Einzel leistungen, wie „Flugbuchung“, „Hotelbuchung“, „Betreuung vor Ort“ usw. Die Steuerungssicht enthält schließlich den Kontrollfluss des Geschäftsprozesses, welcher beispielsweise in Form einer „ereignisgesteuerten Prozesskette“ (EPK) als Folge von Ereignissen und Funktionen dargestellt werden kann. Neben der Komplexitätsreduktion führt die Sichtenbildung allerdings auch zu einem Verlust des Zusammenhangs zwischen den in den einzelnen Sichten dargestellten Kom ponenten. Deswegen findet in der Steuerungssicht eine Zu sam menführung dieser unterschiedliche Komponenten statt, indem ihr Zusammenspiel bezüglich des Prozessablaufs in der EPK modelliert wird. Dies bedeutet zum einen, dass die EPK aus in der Funktionssicht modellierten Aktivitä ten besteht, andererseits können für jede dieser Funktionen ein- und ausgehende Daten, durchführende Organisations einheiten sowie erstellte und konsumierte Leistungen modelliert werden, wodurch der Zusammenhang mit den weiteren Sichten hergestellt wird. Abbildung A15 zeigt einen Ausschnitt aus einer solchen EPK. Der dargestellte Geschäftsprozess wird durch das Ereignis „Auftrag eingegangen“ ausgelöst. Hiermit ist als eingehende Leistung der vom Kunden erstellte „Auftrag“ verbunden. Zunächst wird die Funktion „Auftrag prüfen“ durchgeführt, wel che den „Auftrag“ in einen „geprüften Auft rag“ überführt. Zuständig hierfür ist die Organisationseinheit „Vertrieb“. Für die Prüfung des Auftrags werden Kunden- und Lieferantendaten benötigt. Die Funktion „Auftrag prüfen“ hat zwei mögliche Endereignisse, von denen nur eines zugleich eintreten kann: „Auftrag angenommen“ und „Auftrag abgelehnt“. Im Falle des angenommenen Auftrags werden parallel die Funktionen „Beschaffung planen“ und „Fertigung planen“ angestoßen. Für diese sind wiederum Organisationseinheiten, Daten und Leistungen angegeben. Diese Darstellung läßt sich bis zur Auslieferung des fertigen Produktes fortsetzen. Eine derartige EPK kann noch verfeinert werden, indem den einzelnen Funktionen detailliertere EPKs hinterlegt werden. Neben EPKs spielt heute die ►Business Process Model and Notation (BPMN) eine wichtige Rolle.
49
A
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
A
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
Abb. A14: ARIS-HAUS
Netzwerkarchitekturen oder Programmiersprachen) angepasst. Auch hierbei wird noch kein Bezug zu konkreten Produkten der Informationstechnik hergestellt.
ARIS-HAUS
Fachkonzept DV-Konzept Implementierung
OR
GA
NI
SA TI
ON
Fachkonzept
Fachkonzept
Fachkonzept
DV-Konzept
DV-Konzept
DV-Konzept
Implementierung
Implementierung
Implementierung
DATEN
STEUERUNG
Fachkonzept DV-Konzept Implementierung
2 Phasenmodell Neben der Sichtenbildung findet in ARIS eine Unterteilung in Ebenen statt, wobei diese einem Phasenmodell der Soft wareentwicklung entsprechen. In Abb. A8 ist für jede der Sichten diese Unterteilung dargestellt, wobei jeweils von oben nach unten eine zunehmende Informationssystemnähe gegeben ist.
FUNKTION
Die im DV-Konzept beschriebenen Anforderungen werden im Rahmen der Implementierung (Implementation Description) in physische Datenstrukturen, HardwareKom ponenten und Program me auf oder mit konkreten Produkten der Informa tions technik umgesetzt. Mit diesem Phasenkonzept ist keinesfalls eine strenge Abfolge des Entwicklungspro zes ses verbunden. Auch im Rahmen eines evolutionären Prototyping-Prozesses wer den diese unterschiedlichen Darstellungsebenen benötigt (►Prototyping).
Für die Geschäftsprozessmodellierung und Soft wareentwicklung nach dem ARIS-Konzept sind keine bestimmten Model lie rungsmethoden vorgeschrieben. Es lassen sich vielmehr die unterschiedlichsten Darstel LEISTUNG lungsmethoden in das ARISHaus ein ord nen und miteinander verbinden. Die oben genannten Modellierungsmethoden des Fachkonzepts stellen ein Beispiel für einen vielfach erprobten Satz aufeinander abgestimmter Methoden dar.
Auf der Ebene des Fachkonzepts (Requirements Definition) findet zunächst eine Dar stellung der betriebswirtschaftlich-organisatorischen Inhalte statt. Hierbei werden noch keine detaillierten Festlegungen bzgl. einer Informations systemunterstützung getroffen. Die oben genannten Model lierungsmethoden, wie EPK, Funktionsbäume oder ERM, dienen alle der ►Modellierung des Fachkonzepts.
3 Geschäftsprozessmanagement Neben der reinen Darstellung von Geschäftsprozessen und Informationen mit Hilfe des ARIS-Hauses ist für den praktischen Einsatz auch das ►Geschäftsprozessmanagement von größter Bedeutung, d. h. die Planung und Steuerung der jeweils aktuellen Geschäftsabläufe und ihre ständige Verbes serung im Sinne eines ►Continuous Process Improvement (CPI). Mit „ARIS-House of Business Engineering“ (HOBE) liegt eine Vier-Ebenen-Architektur für das Ge schäfts prozessmanagement vor (vgl. Abbildung A16).
Auf der zweiten Ebene, dem DV-Konzept (Design Specification), werden die Modelle des Fachkonzepts an die An forderungen der Benutzer schnitt stel len von Implemen tie rungswerkzeugen (z. B. den Datenbanken syste men,
3.1 Prozessgestaltung Auf Ebene I, der Prozessgestaltung, werden die Geschäftsprozesse nach dem ARIS-Konzept beschrieben und modelliert. Gleichzeitig werden Verfahren zur Optimierung, Bewertung
50
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme und Qualitätssicherung der Abläufe eingesetzt. Hierzu liegt eine ganze Reihe von Hilfsmitteln vor, insbesondere ein leistungsfähiges Modellierungswerkzeug, das ARIS-Tool-set, welches eine konsistente Modellierung über alle ARIS-Sichten und -Ebenen hinweg er mög licht. Es stehen Funktionalitäten zur Navigation durch komplexe Modelle, zur Ge nerierung von Reports und zur Aus wer tung und Ana lyse der Geschäftsprozesse in Form von Kennzahlenanalysen, Prozesskostenrech nungen und Simulationen zur Verfügung.
Abb. A15: Ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK)
Kunden Lieferanten
Auftrag
Beschaffungsplan
Auftrag
Beschaffung planen
Beschaffung geplant
Auftrag angenommen
Beschaffung
Geprüfter
Auftrag prüfen
Auftrag eingegangen
Lieferanten, Material
XOR
Auftrag abgelehnt
Vertrieb
Legende Ereignis
Funktion
A
Arbeitsplan
Fertigungsplan
Fertigung planen
Fertigung geplant
Organisationseinheit XOR
Verzweigung /Zusammenführung: „Exklusives Oder“
Für die wichtigsten Daten Verzweigung /ZusammenFertigung Branchen und Anwen führung: „Und“ dungsbereiche wurden Leistung Referenzmodelle nach dem ARIS-Konzept entwickelt, welche idealtypische AbVerfahren zur Berechnung von Zeiten und zur Einplanung auf läufe und Strukturen enthalten. Diese können als Grundlage Ressourcen verwendet werden. Der entstehende Plan kann für die Entwicklung unternehmensspezifischer Modelle verbeispielsweise als Gantt-Diagramm dargestellt werden. Zeitwendet werden, wobei durch das Vorliegen einer bewährten und Kapazitätsplanungen sind für Fertigungsprozesse seit Ausgangslösung deutliche Zeit- und Kosteneinsparungen langem gebräuchlich, sie gewinnen jedoch auch außerhalb resultieren. Referenzmodelle können auch als Grundlage für der Produktion zunehmend an Bedeutung. Über ein Pro ein Prozessbenchmarking (►Benchmarking) herangezogen zessmonitoring kann sich der Prozessmanager aktuell über werden. die Bearbeitungszustände seiner Prozesse informieren. In formationen aus den laufenden Geschäftsprozessen können Eine spezielle Art von Referenzmodellen sind Vorgehensfür das Management zu einem Führungsinformationssystem modelle, die beschreiben, wie beispielsweise Projekte zur oder EIS (Executive Information System) verdichtet werden. Geschäftsprozessoptimierung (►Busi ness Process Reengineering – BPR), zur Einführung von Standardsoftware, zur Eigenentwicklung von Software oder zur Vorbereitung einer Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 durchgeführt werden (►Zertifzierungssysteme).
Als Dokumentation der Ablauforganisation repräsentieren ARIS-Modelle wichtiges organisationales Wissen. Sie bilden damit einen wertvollen Baustein für das ►Wissens management im Unternehmen. Schließlich sind die ►Dokumentation und ständige Weiterentwicklung von Geschäftsprozessen eine wesentliche Vor aussetzung für das Qualitätsmanagement. 3.2 Prozesssteuerung Auf Ebene II, der Prozesssteuerung, werden die laufenden Geschäftsprozesse geplant und gesteuert. Dazu werden Verfahren zur Zeit- und Kapazitätssteuerung sowie zur Prozess kostenanalyse eingesetzt. Da Geschäftsprozesse ►Vorgangsnetze im Sinne der Netzplantechnik bilden, können deren
3.3 Workflowsteuerung Auf Ebene III, der Workflowsteuerung (►Workflow-Management), werden die zu bearbeitenden Objekte, also z. B. Kundenaufträge mit ihren Dokumenten oder Schadensmeldungen in einer Versicherung, von Arbeitsplatz zu Arbeits platz transportiert. Bei elektronisch gespeicherten Doku menten führen Workflow-Systeme den Transport aus, wobei für die einzelnen Aufgaben jeweils unterschiedliche Anwen dungssysteme zum Einsatz kommen können. Das Workflow-System übernimmt nach Abschluss eines Arbeitsschrittes das Dokument aus dem elektronischen Post ausgangskorb des Sachbearbeiters und transportiert es in den elektronischen Eingangskorb des nächsten Bearbeiters. 3.4 Anwendungssystem Auf Ebene IV, dem Anwendungssystem, werden die zu den Arbeitsplätzen transportierten Dokumente konkret bearbeitet, also die Funktionen des Geschäftsprozesses ausgeführt.
51
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
den aus den Definitionen der Modellierungsebene I konfiProzessmanagement nach dem ARIS-House of Business Engineering guriert. Aktuelle Architekturen wie Scheer Business Process I. Prozessgestaltung as a Service (BPaaS) sind auf Referenzmodelle Bewertung Simulation Qualitätssicherung ess eine direkte Ausführung der c Wissensmanagement Benchmarking o r sP t uou emen in der Modellierungkomn i t v n Co Impro ponente definierten Inhalte ausgelegt. Sie verschmelzen II. Prozesssteuerung das Phasenkonzept der Build Executive Zeit- und Monitoring Timen nahltos mit dem EbeInformation System Kapazitätssteuerung nenkonzept der Runtime (vgl. Abbildung A17). Solche agilen Architekturen ermöglichen III. Workflowsteuerung Mappe beispielsweise auch die AbbilDokumentenfluss Funktionsaufruf Datenaufruf dung von Industrie 4.0-Szenarien (►Industrie 4.0) unter Einbeziehung von Sensorik, Aktorik und ►CyberphyIV. Anwendungssystem StandardsoftObjektbiblioInternet-Applets sischen Produktionssystemen waremodule theken (CPS). Die entstehenden KOMPONENTEN DATENBANK Datenmengen (►Big Data) werden in objektorientierten Datenbanksystemen integriert, Hierfür werden computergestützte Anwendungssysteme von ausgewertet und als Basis für iterative Planungszyklen heraneinfachen Textverarbeitungsprogrammen bis hin zu komplegezogen. Ansätze wie Individual Product Development, Indixen Standardsoftwaremodulen und Internet-Applets eingevidual Service Development, Omnic-Chanel Logistics oder setzt. auch der ►Smart Factory werden umsetzbar. Für den Aufruf der jeweils korrekten Anwendung ist das 4 Qualitätsmanagement mit ARIS Workflow-System zuständig. Der Benutzer braucht also das 4.1 Prozessorientierte Dokumentation Anwendungssystem nicht zu kennen. Sobald er aus dem Die bisherige Praxis zur Strukturierung von ►QM-Systemen Eingangskorb einen Bearbeitungsfall aktiviert, startet das orientierte sich bis zur Phase 2-Revision 2000-12 an den benötigte Anwendungssystem, und die Benutzermaske er20 Elementen der DIN EN ISO 9001, die die Basisforde scheint mit den für den Fall zutreffenden Daten. Während run g en an ein QM-System definieren. Die nach dieser Norm dies für Office-Anwendungen (Textverarbeitung, Tabellenstrukturierten Systeme sind jedoch für den einzelnen Mitarkalkulation) relativ einfach ist, erfordert die Integration da beiter schwer ver s tänd l ich, da für eine Tätigkeit häufig mehretenbankgestützter betrieblicher Informationssystem einen re Forde r un g en aus verschiedenen Elementen berücksichtigt modularen Aufbau dieser Systeme. Dem kommt die gegenwerden müssen. Daraus resultiert häufig eine mangelhafte wärtig zu beobachtende Tendenz zur Aufspaltung von komIdentifikation der Mitarbeiter mit dem QM-System. Dies plexen Informationssystemen in Komponenten, insbesondehat sich seit der Phase 3-Revision geändert. Moderne Strare sogenannte „Business Objects“, entgegen. Damit wird es tegien erfordern da h er einen QM-Ansatz, der konsequent auf möglich sein, die jeweils bestgeeigneten Komponenten undie Geschäftsprozesse ausgerichtet ist. Be d eu t ende ►Total terschiedlicher Softwarehersteller in die HOBE-Architektur Quality Management (TQM)-Modelle wie der ►Malcolm zu integrieren und miteinander zu verbinden. Baldridge Award und das ►EFQM-Modell stellen daher die 3.5 Integration der vier Ebenen Geschäftsprozesse in den Mittelpunkt ihrer BewertungskriteDie vier Ebenen sind durch Regelkreise (►Qualitätsregelkreis) rien, um über eine Fokussierung auf die Kundenorientierung miteinander verknüpft: Die Prozesssteuerung liefert Infor den Unternehmenserfolg zu steigern. mationen über die Wirschaftlichkeit der laufenden Prozesse. Die ganzheitliche Beschreibung der Geschäfts prozesse Diese sind Ausgangspunkt für die kontinuierliche Anpassung nach dem ARIS-Konzept gewährleistet die durchgängige und Verbesserung im Sinne eines Continuous Process ImKonsistenz der Darstellung. Die Forderungen der DIN EN provement (CPI). Die Workflowsteuerung meldet Ist-Daten ISO 9000ff-Normenreihe lassen sich damit vollständig ab über die auszuführenden Prozesse (Mengen, Zeiten, orgadecken. Dazu gehören u. a. die Beschreibungen für organi nisatorische Zuordnungen) an die Prozesssteuerungsebene satorische Verantwortlichkeiten, Identifikation und Rück zurück. Die Module zur Anwendungsunterstützung werden verfolgbarkeit von Produkten, Beschaffung und Herstellung vom Workflow-System aufgerufen. Die Ebenen II bis IV wer-
52
Build-Time-Konfiguration
F R A M E W OR K
Abb. A16: Prozessmanagement nach dem ARIS-House of Business Engineering
V.
A
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme von Produkten, Lenkung von Dokumenten und Pro dukten, Handhabung, Lagerung, Verpackung und Versand von Produkten.
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
Abb. A17: Scheer Business Process as a Service Platform
A
process2people
4.2 Werkzeugunterstützung Werkzeuge wie ARIS oder die Scheer BPaaS B(usiness Process as a Service)-Lösung Scheer BPaaS unterstützen die quali täts gerechte Prozessbeschrei◼ Application Platform ◼ bung, indem Querverweise ◼ Process Platform ◼ innerhalb und zwischen Modellen stets konsistent gehal◼ Integration Platform ◼ ten werden, ohne dass eine manuelle Pflege erforderlich Smart Production Smart Products Cloud/Big Data ERP/Office ist. Das ►QM-Handbuch, die ►Verfahrens- und Arbeitsanweisungen sowie Stellenbeschreibungen können aus den Modellen heraus 10 automatisch er zeugt werden. Auf die Erstellung der Enterprise Applications ►QM-Dokumentation in Papierform kann verzichtet 1 Strategische Planung: Diese umfasst die Aufnahme der rewerden. Die Modelle werden über Cloud-Technologien belevanten strategischen Unternehmensziele. Hieraus wird reitgestellt, so dass alle Mitarbeiter darauf zugreifen können. eine geeignete Strategie für die Zertifizierung und das Es entfällt auch die Problematik der jeweils lückenlosen Ak TQM abgeleitet. tualisierung aller im Unternehmen verteilten Exemplare des 2 Projektvorphase QM: Die Projekt vor pha se besteht in QM-Handbuchs. der Regel aus einem oder mehreren Workshops (TQMDa die Modelle nicht ausschließlich für das QualitätsmaWorkshops; Train-the-Trainer-Konzepte), wobei eine nagement entwickelt werden, sondern noch eine ganze unternehmensspezifische Bewertung des Problemkreises Reihe von wei teren Anwendungen, u. a. für das ►Ge der Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 erfolgt. Es schäftsprozessmanagement und die Stan dard softwarewerden der ►QM-Beauftragte ernannt und die ►Qua entwicklung, aufweisen, entfällt durch die werkzeuggestützte litätspolitik formuliert. Anschließend werden der grobe Modellierung mit ARIS oder der BPaaS-Plattform die Not Projektablauf und die Projektorganisation skizziert. wendigkeit, gleiche Sachverhalte für unterschiedliche Verwen 3 Ist-Analyse QM: Vorhandene Struk tu ren, Regelungen dungszwecke mehrfach zu dokumentieren. Dadurch wird und Dokumente werden gesichtet und normbezogen geeine hohe Übereinstimmung zwischen den im QM-System ordnet. Es wird überprüft, welche Normforderungen in dokumentierten und den tatsächlich durchgeführten Prozeswelchem Umfang für die konkrete Situation des Untersen erreicht – insbesondere dann, wenn die Geschäftspro nehmens relevant sind. Zur Dokumentation des Hand zessmodelle unmittelbar zur automatischen Ablaufsteuerung lungs bedarfs ist zu be stimmen, welche bestehenden in einem Workflow-System verwendet werden. Prozesse für die qualitätsgerechte Dokumentation über nommen werden können, welche überarbeitet, und wel 4.3 Vorgehensmodell zur ISO-9001-Zertifizierung che zusätzlich definiert werden müssen. Das ARIS-Vorgehensmodell zur ISO-9001-Zertifizierung be4 Soll-Konzept DIN EN ISO 9001 mit ARIS: In der Sollinhaltet einen kompletten Referenzprojektverlauf, der in idekonzeptphase wird be stimmt, welche Modellierungs altypischer Weise alle Schritte von der strategischen Planung methoden unter Berücksichtigung unternehmensspezi bis hin zur Erreichung des ISO-9001-Zertifikats beschreibt. fischen Gegebenheiten zu verwenden sind. Diese werden Durch Hinzufügen oder Streichen einzelner Schritte und die in einem Konventionenhandbuch festgeschrieben. Die Möglichkeit, den Schritten benötigte Ressourcen zuzuordMitarbeiter müssen im Umgang mit den Methoden und nen, ist es im konkreten Einzelfall einfach an die unternehdem Modellierungswerkzeug geschult werden. Außermensspezifischen Bedürfnisse anpaßbar. dem wird in der Sollkonzeptphase die grobe Prozess Das Vorgehensmodell besteht aus insgesamt acht Phasen: architektur definiert. Die identifizierten Prozesse können 00100100101000 00100100101000 00100100101000
53
Arzneimittelsicherheit
ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
A 5
6
7
8
54
den ►QM-Elementen zugeordnet werden, um einen Überblick zu erhalten, über welche Prozesse die verschiedenen Normforderungen abgedeckt werden. Aufbau des QM-Systems: Die Prozesse werden ausgehend von der ►Wertschöpfungskette topdown als ereignisgesteuerte Prozessketten modelliert. Für die darin enthal tenen Funktionen werden textuelle Beschreibungen gepflegt. Außerdem werden die organisatorischen Verant wortlichkeiten, die anzuwendenden mitgeltenden Dokumente sowie die unterstützenden Anwendungssysteme dargestellt. Zur Beschreibung der Organisationssicht wird die ►Aufb auorganisation in Form von Organi grammen abgebildet. Außerdem wird häufig ein Rol lenmodell erstellt, in denen QM-relevante Rollen wie Qualitätsverantwortliche, Projektleiter, Sachbearbeiter usw. abgebildet sind, welche von unterschiedlichen Stellen im Unternehmen wahrgenommen werden können. Wenn die von den jeweiligen Prozessverantwortlichen modellierten Prozesse fachlich abgestimmt, geprüft und freigegeben sind, wird die QM-Dokumentation aus dem ARIS-Toolset als Report generiert. Alternativ können die Prozessmodelle auch unternehmensweit über ein Intranet zugänglich gemacht werden, so dass auf die Gene rierung von QM-Dokumenten in Papierform verzichtet werden kann. Anwendung und Überprüfung des QM-Systems: Nachdem die QM-Dokumentation offiziell in Kraft gesetzt wurde, sollen die Prozesse gemäß den dokumentierten Standards ausgeführt werden. Nach Ablauf einer Einführungsphase kann die interne Auditierung des QM-Systems beginnen. Erforderliche Prozessänderungen können leicht in die toolbasierte Prozessdokumentation aufgenommen werden. Wenn das QM-System erfolgreich implementiert und zumindest einmal intern auditiert (►Auditierung) wurde, kann die Zertifizierung in Angriff genommen werden. Zertifizierung des QM-Systems: Bei der Auditierung des Unternehmens durch einen externen Zertifizierer wird geprüft, ob die Regelungen die Erfüllung der Normfor derungen gewährleisten, den Betroffenen bekannt sind und auch entsprechend angewendet werden. Da auch nach Erteilung des QM-Zertifikats ein jährliches ReAudit und alle drei Jahre eine neue Zertifizierung erfolgt, ist die ständige Aktualisierung der QM-Dokumentation unabdingbar. Dies wird durch eine toolgestützte Modell ver waltung wesentlich erleichtert. TQM – Total Quality Management: Mit der Erteilung des Zertifikats nach DIN EN ISO 9001 sind die Anstrengungen zur Steigerung der ►Qualität nicht abgeschlossen. Qualität muss ständig an den Forderungen der internen und externen Kunden gemessen werden. Durch die prozessorientierte Gestaltung des QM-Systems hat sich der Prozessgedanke bereits im Unternehmen etabliert. Für die ständige Verbesserung der Abläufe im Unterneh men ist es ein besonderer Vorteil, wenn die Geschäfts-
prozesse des QM-Systems mit ARIS dokumentiert sind, denn dann können sie als Grundlage für Kennzahlen analysen (►BSC-Balanced Scorecard), Simulationen und die Prozesskostenrechnung verwendet werden. Die nen die Prozessmodelle zur Steuerung eines Workflowsystems (►Workflow-Management), so können aus den bei der Prozessdurchführung angefallenen Daten Rück schlüsse auf die Effizienz der Abläufe gezogen werden, wodurch weitere Opti mierungspotentiale aufgedeckt werden. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. August-Wilhelm Scheer, Saarbrücken Literatur
[1] Scheer, A.-W.: Wirtschaftsinformatik. Referenzmodelle für industrielle Geschäftsprozesse. 7. Auflage. Berlin et al. (Springer) 1997 [2] Scheer, A.-W.: ARIS – Vom Geschäftsprozess zum Anwendungs system. 4. Auflage. Berlin et al. (Springer) 2001 [3] Scheer, A.-W.: ARIS – Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen. 4. Auflage. Berlin et al. (Springer) 2002 [4] Helling, K.; Hermann, J.: Änderungen flexibel meistern: Inte grierte Managementsysteme erfordern prozessorientierte Unter nehmensmodelle. In: QZ 42 (1997), S. 670-675
Arzneimittelsicherheit
▶AMS ▶10R-Regeln zur qualitätssicheren Medikamentengabe Arzneimittelsicherheit ist die Gesamtheit der Maßnahmen, mit denen Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und reproduzierbare Qualität der in den Verkehr gebrachten Arzneimittel sowie die Bereitstellung der für den Nutzer erforderlichen Informationen gewährleistet werden. Hervorzuheben sind insbesondere die Prüfung und Zulassung von Arzneimitteln, deren Herstellung, die Pharmakovigilanz, der Vertrieb und die Überwachung des Arzneimittelverkehrs.
Arzneimitteltherapiesicherheit
▶AMTS ▶10R-Regeln zur qualitätssicheren Medikamentengabe Arzneimitteltherapiesicherheit ist die Gesamtheit der Maßnahmen zur Gewährleistung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs eines Arzneimittels. Damit wird eine optimale Organisation des Medikationsprozesses mit dem Ziel angestrebt, unerwünschte Arzneimittelereignisse insbesondere durch Medikationsfehler zu vermeiden und damit das Risiko für Patientinnen und Patienten bei einer Arzneimitteltherapie zu minimieren.
ASCA-Modell-Arbeitsschutz und Sicherheitstechnischer Check in Anlagen ▶Arbeitsschutz-Managementsystemansätze
Ashbysches Gesetz
Ashbysches Gesetz
Ashbysches Gesetz
In deutscher Übersetzung heißt es unter der Überschrift „Erforderliche Vielfalt“ [2, S. 299]:
▶Ashby‘s Law ▶Gesetz der erforderlichen Varietät (Vielfalt) ▶Law of Requisite Variety | ▶Qualitätsregelkreis
Zum Verständnis von Varietät folgendes Beispiel: Man nehme an, jemand fährt Fahrrad, weiß aber nichts über die Handbremse seines Fahrrads. Plötzlich muss er stoppen (Störung). Er tritt rückwärts, weil er intuitiv so das Fahrrad zum Stehen bringen möchte, was ihm nicht gelingt. Es passiert ein Unfall. Die Erklärung im Sinne des Law of Variety lautet: Der lenkende Fahrradfahrer (System I) verfügt über eine geringere Handlungsvarietät als das Fahrrad (System II). System I vermag auf die Störung nicht angemessen zu reagieren, konnte sie nicht beseitigen, weil ihm Informationen fehlen. Wir können also etwas verständlicher und allgemein formulieren: Ein System wird bestimmt durch Varietät. Je größer die Varietät eines Systems ist, über desto mehr Alternativen verfügt es, um auf seine Umwelt Einfluss nehmen zu können. Umgekehrt führt absorbierte Varietät zu eingeschränktem Handeln. Der Fahrradfahrer im Beispiel verfügt nur über eine begrenzte Varietät an Handlungsweisen. Aus seinem Handlungsrepertiore wurde das „Element Handbremse“ absorbiert. Umgekehrt könnte das System II derart umgebaut werden, indem eine „Rücktritt-Fußbremse“ montiert würde, damit im Falle einer Störung auch mit den Füßen gebremst werden kann. Näher an die kybernetische Terminologie formuliert kann nun gesagt werden: Die Varietät des Steuerungssystems muss mindestens ebenso groß sein wie Varietät des zu steuernden Systems. Nur wenn ein System über einen wachsenden Vorrat (= zunehmende Varietät) an Wirk-, Handlungsund Kommunikationsmöglichkeiten verfügt, ist es in der Lage die Komplexität des anderen Systems zu beeinflussen.
Varietät ist die Anzahl möglicher, unterschiedlicher Zustände, die ein System aufweisen oder annehmen kann.
Einfache Systeme kann man mit einfachen Mitteln unter Kontrolle bringen. Komplexe Systeme benötigen komplexe Maßnahmen.
Die auf diesem Begriff aufbauende Erkenntnis wurde später nach ihm als Gesetz benannt. In seiner ursprünglichen Fassung lautet Ashby‘s Law [1, S. 207]:
Wer ein System unter Kontrolle bringen will, benötigt mindestens so viel Varietät (oder Komplexität), wie das System selbst vorrätig hat. Varietätsdefizite können verheerende Folgen haben. Man denke nur an Mensch-Maschine-Interaktionen, wo der Mensch nicht ausreichend trainiert Maschinen bedient. Wer nur wenige Handlungsweisen beherrscht, kann
„Variety can destroy variety.“
55
Begriff
Einen Schwerpunkt seines Werkes bildet die Abhandlung über Varietät (Vielfalt), die er als eine zentrale Erkenntnis der Kybernetik formuliert. Der Begriff ist wie folgt bestimmt (nach [1, S. 124 ff]):
Varität gilt als Maß der Komplexität, denn die Anzahl der unterscheidbaren Zustände lässt sich mit den geeigneten Messinstrumenten feststellen und verändern, indem sie verstärkt oder reduziert wird. Dabei sollte die Faustformel beachtet werden:
Begriff
Jeder Qualitätsmanager sollte Ashby‘s Gesetz kennen. Der Brite William Ross Ashby (*06.09.1903-15.11.1972†) war ein vielseitig interessierter Mensch, der sich als Autodidakt verstand. In der britischen Armee diente er als Major. Er hatte in Zoologie einen Bachelor-Abschluss und später ein Medizinstudium absoviert, war dann v. a. als Neurologe und Psychiater tätig und widmete sich schließlich mehr und mehr der Kybernetik und systemtheoretischen Studien (►Kybernetik ist die Lehre von der Struktur und vom Verhalten dynamischer Systeme). „Design for a Brain“ (1952) und „Introduction to Cybernetics“ (1956) werden heute als Klassiker in den Neurowissenschaften bzw. in der Kybernetik angesehen. 1964 erschien die deutsche Übersetzung seiner „Einführung“ mit dem Titel „Einführung in die Kybernetik“. Das Buch zeichnet sich durch eine klare terminologische Fundierung mit Akzentsetzung auf einen übergreifenden Zusammenhang aus. Ashby gelang es im Anschluss an Norbert Wiener (*26.11.1894-18.03.1964†), dem Begründer der Kybernetik, eine einheitliche Terminologie zu entwickeln, in der Begriffe wie Rückkoppelung, Regelung, Feedback, Stabilität, Varietät unabhängig vom Fachkontext einer Disziplin definiert wurden. So hat er erstmals den Begriff der Maschine unabhängig von mechanischen Eigenschaften als Konstrukt terminologisch verortet.
Was ist unter „zerstören“ zu verstehen? Eine treffendere Übersetzung scheint „absorbieren“ zu sein: Informationen, Zustände werden absorbiert.
Begriff
Begriff
Begründer der Kybernetik
„Nicht mit der materiellen Substanz wollen wir uns beschäftigen, sondern mit der Determiniertheit.“ (William Ross Ashby [2, S. 46])
A
„Nur Vielfalt kann Vielfalt zerstören.“
Ashbysches Gesetz
Ashbysches Gesetz
A
nicht eine Vielzahl an Reaktionen, über die die Maschine verfügt, steuern. In vielen Bereichen lässt sich Ashby‘s Law nachweisen. So im Sprachbereich: Wer nur einen geringen Wortschatz und kaum die Konjugationen beherrscht, der ist weder in der Lage Prosa ins Deutsche zu übertragen noch zutreffende Dialoge im Beruf zu führen. Gerade in der Messtechnik spielt das Gesetz von Ashby – oft ohne dass es ausgewiesen wird – eine wichtige Rolle, wie das Beispiel des „Assistenzsystems“ (Varietätsverstärkung) in Abbildung A18 demonstriert.
Viele Modellvorstellungen lassen die Erkenntnis vermissen, dass unser Handlungsspektrum abhängig ist von der Varität (Komplexität) des Systems, das wir so gerne beherrschen möchten. Man denke nur an die Abbildungen zur ISO 9001 oder zum EFQM-Modell. Doch auch wenn wir Komplexität voraussetzend einplanen, dürfen wir nicht davon ausgehen, dass alle noch so komplexen Systeme in gewisser Weise beherrschbar oder lenkbar seien, wenn nur die geeigneten Instrumente zur Verfügung stehen würden. Dieses Diktum gilt selbstverständlich auch für die Annahme, dass Qualitätsmanagementsysteme in toto beherrschbar Abb. A18: Ashby‘s Law in der Messtechnik am Beispiel eines Assistenzsystems seien. Ashby’ Law in der Messtechnik
Das BMBF-Verbundprojekt „OptAssyst“ hat die Entwicklung eines softwarebasierten benutzerfreundlichen Assistenzsystems zur optischen 3D Geometrieerfassung an technischen Oberflächen zum Ziel. Dem Anwender soll damit ein Assistenzsystem zur Seite gestellt werden, um das Potential seiner flächenhaft messenden Messgeräte optimal auszunutzen und sicher im industriellen Produktionsumfeld einzusetzen. Hierzu erhält er abhängig von der Messaufgabe, von seiner Erfahrung und von den Umgebungseinflüssen Vorschläge zur Wahl des Geräteaufbaus und der Kalibrierstrategie, zur Konfiguration
der Signalverarbeitung und Empfehlungen für zur Anwendung passende Kenngrößen. Weiterhin wird für die Messaufgabe die Unsicherheitsbilanz nach GUM aufgestellt, um die Qualität der Messung bewerten zu können. Gemeinschaftlich mit den Automobilherstellern wurde das Projekt federführend vom Lehrstuhl für Messtechnik und Sensorik (MTS) des Fachbereichs für Maschinenbau und Verfahrenstechnik der Universität Kaiserslautern initiiert. Quelle:
Das Law of Requisite Variety von Ashby hat Eingang gefunden in die moderne Systemtheorie [4]. Interessanterweise findet im Ansatz der Fabrikplanung von Peter Claussen Ashby‘s Law Beachtung [5]. Auch die auf den Schweizer Hans Ulrich aufbauende Managementlehre registriert Ashby in ihren Grundlagen. Fredmund Malik zeigt dies explizit in seinen Schriften und seiner Definition von Management [6]:
http://www.mv.uni-kl.de/mts/forschung/optassyst/ (abgerufen am 25.02.2015)
Der gerade im Management verbreitete Slogan hat nur eine begrenzte Berechtigung, nämlich dort, wo es wirklich nur um „einfache“ Systeme geht. Aber meistens sind die Dinge (Systeme) nicht einfach, wir halten sie nur für wenig komplex. Im Qualitätsmanagement haben wir es mit Komplexität zu tun, mit komplexen Umwelten. Anspruchsvolle Kunden, Mitbewerber, die immer besser werden, die Organisation selbst und ihre Prozesse. Die Qualität von Produkten zu bestimmen und zu produzieren erfordert den Umgang mit Komplexität auf hohem Niveau. Sowohl der Einzelne wie auch das Unternehmen müssen in der Lage sein, ausreichende Komplexität zu entwickeln, um richtig reagieren zu können. „Keep it simple“, ist somit nur die halbe Wahrheit, die nur dort wirksam sein kann, wo sie anwendbar ist. Dagegen ist der Slogan „Learn to cope with complexity“ ein besserer Merksatz, der im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gesetz von Ashby steht. Er ist besser geeignet, um sich in einer immer komplexer werdenden Welt behaupten zu können. Es macht keinen Sinn und kann sogar gefährlich sein, Komplexität in der Wirklichkeit durch ein vereinfachtes Bild der Wirklichkeit in der gedanklichen Vorstellung (Realität) bewältigen zu wollen.
56
„Management kann verstanden werden als Herstellung und Aufrechterhaltung einer dynamischen Ordnung zwischen Komponenten eines Systems …“ Darüberhinaus zeigt die deutschsprachige Managementlehre eher eine Leerstelle. Diese Einschätzung trifft auch auf die Fachliteratur zum Qualitätsmanagement zu. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Ashby, W. R.: An introduction to Cybernetis. London (Chapman & Hall) 1956 [2] Ashby, W. R.: Einführung in die Kybernetik. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1974 [3] Beer, S.: Kybernetik und Management. Frankfurt am Main (Fischer) 1967 (orig. engl. 1959) [4] Luhmann, N.: Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1987. – Baecker, D.: Organisation als System. Aufsätze. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1999 (darin der Aufsatz „Einfache Komplexität“: S. 169-197). [5] Claussen, P.: Die Fabrik als soziales System. Wandlungsfähigkeit durch systematische Fabrikplanung und Organisationsentwicklung – ein Beispiel aus der Automobilindustrie. Wiesbaden (SpringerGabler) 2012 [6] Malik, F.: Systemisches Management, Evolution, Selbstorganisation. Grundrobleme, Funktionsmechanismen und Lösungsansätze für komplexe Systeme. Bern-Stuttgart-Wien (Haupt) 2009, S. 297
Begriff
„Keep the system simple, keep it simple!“
ASQ
ASTM international
ASM
tional Quality Award beteiligt. Die ASQ vergibt jährlich zudem die Dorian ►Shainin Medaille für die Entwicklung und Anwendung von kreativen und einzigartigen Arbeiten im Bereich der Statistischen Methodenlehre des Qualitätsmanagements. Die ASQ ist außerdem Gründungspartner des American Customer Satisfaction Index (ACSI), dem vierteljährlich veröffentlichten Konjunkturindikator in den USA. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
▶Arbeitsschutz-Managementsystemansätze
ASQ
▶American Society for Quality Die ASQ ist die älteste aller Qualitäts-Fachorganisationen. Sie wurde 1946 gegründet (damaliger Name: American Society for Quality Control, ASQC). Ihr vordergründiges Interesse war es damals, die während der Kriegszeit entwickelten Qualitästechniken zu sammeln und zu bündeln. Bis in die 1970er Jahre konzentrierten sich Ihre Bemühungen auf Produkte und Dienstleistungen, damit diese die Spezifikationen erfüllen. Ihr Interesse galt der Fertigung und den industriellen Prozessen. Die damals sog. Qualitätskontrollabteilung stand im Zentrum. Erst ab Mitte der 1980er Jahre kam es zum Wechsel des Paradigmas hin zum Gedanken, dass Qualität eine Managementaufgabe war und einen Schwerpunkt unternehmerischer Tätigkeit darstellt. Neben methodisch geordneten Committees und industrie spezifischen Sectionen organisiert sich die ASQ in nach Staa ten gegliederte Chapters. Ein internationales Chapter fasst die Mitglieder in jenen Staaten zusammen, in denen keine nationalen Chapters bestehen. Sehr ausführliche und aktuelle Informationen erhält man auf der Website der ASQ, so auch zum Networking, das auf der Ebene von Gemeinden beginnt und sich auf lokale und regionale Ebenen ausweitet.Ansatzweise ist die deutsche ►DGQ mit ihren Zielsetzungen und ihrem organisatorischem Ansatz mit der ASQ vergleichbar. Die ASQ ist heute weltweit die größte Fachorganisation des Qualitätsmanagements. Sie ist eine globale Organisation mit Mitgliedern in mehr als 140 Ländern. Sie unterhält Servicezentren in Mexiko, China und Indien, und ist strategische Allianzen mit zahlreichen Organisationen in Ländern wie Brasilien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu ihren Produkten und zur Förderung der Ausbildung eingegangen. Die ASQ hat über 25 Foren und Geschäftsbereiche zu verschiedenen Aspekten in Qualitätsfragen eingerichtet. Diese Foren und Sparten decken bestimmte Themenbereiche des Qualitätsmanagements ab. Ein wichtiger Bereich sind die auf hohem Niveau editierten Fachzeitschriften, die im Geschäftsbereich Quality Press vertrieben werden. Seit 1989 ist die ASQ an der führenden Qualitätsauszeichnung der Vereinigten Staaten, dem ►Malcolm Baldrige Na-
Adresse
ASQ-American Society for Quality 600 North Plankinton Avenue P.O. Box 3005 Milwaukee, WI 53201-3005 – USA URL: http://www.asq.org
Assembler
▶ Produkt-/Produzentenhaftung
Assessment
▶ Qualitätsassessment
Assessment Center (AC)
▶ Qualitätsfähigkeit ≠Assessment; ≠Qualitätsassessment
Der Begriff ist nicht neu. Er stammt von Henry A. Murray (Explorations in Personality, New York 1938), der mit Assessment Center die Vielfalt an (eignungsdiagnostischen) Verfahren und Beurteilerkonzepten zusammenfaßte. Die von ihm herausgearbeiten Elemente sind auch heute noch grundlegend für ACs (Verhaltensorientierung, Methodenvielfalt, Mehrfachbeurteilung, Anforderungsbezogenheit). Das Ziel von Assessment Centern ist immer die Prognose möglicher beruflicher Entwicklung, v. a. im Zusammenhang mit der Auswahl von ►Führungskräften. Zweck von AC ist zwar sehr oft die Personalauswahl, sie können aber auch zur Bestim mung des individuellen Entwicklungspotentials und zur Personalförderung (v. a. bei Führungskräften) eingesetzt werden (Feedback-Gespräche). Assessment Center sollten von psychologischem Fachpersonal geleitet werden. Sie stellen eines von mehreren Verfahren zur Personalauswahl und -entwicklung dar (Interviews, biografische Fragebogen, Kognitive Tests, Persönlichkeitstests, Arbeitsproben). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
ASTM International
▶ASTM = American Society for Testing and Materials Die ASTM International ist eine internationale Normungsorganisation mit Sitz in den USA im Bundesstaat Pennsylvania. Sie entwickelt und veröffentlicht technische Normen für Waren und Dienstleistungen. Zur Entstehung: ASTM wurde 1898 durch eine Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren um den promovierten
57
A
Audit / Auditarten
ASTM International
ASTM hat im Jahr 2015 mehr als 12.000 ASTM-Normen (Standards) herausgebracht. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Entwicklung von standardisierten Prüf- und Analyseverfahren. Das Annual Book of ASTM Standards ( Jahrbuch der ASTM-Normen) umfasst inzwischen 81 Bände. Herstellung und Vertrieb der Normen erfolgt über einen Verlag. Die Anwendung von ASTM-Standards ist freiwillig. Im öffentlichen Bereich der USA ist sie zwingend vorgeschrieben. Die Mitglieder der ASTM setzen sich aus Herstellern, Anwendern, Regierungen und Akademikern aus inzwischen 140 Ländern zusammen. Wegen ihrer globalen Ausrichtung wurde die Gesellschaft 2001 in ASTM International umbenannt. Adresse
ASTM International Headquarters 100 Barr Harbor Drive P.O. Box C700 West Conshohocken, Pennsylvania, USA. URL: www.astm.org
Audit
▶en: audit systematischer, unabhängiger und dokumentierter ►Prozess zum Erlangen von objektiven ►Nachweisen und zu deren objektiver Auswertung, um zu bestimmen, inwieweit ►Auditkriterien erfüllt sind
Anmerkung 1 zum Begriff: Die grundlegenden Elemente eines Audits umfassen die ►Bestimmung der ►Konformität eines ►Objekts nach einem ►Verfahren, das durch Personal durchgeführt wird, das nicht für das auditierte Objekt verantwortlich ist. Anmerkung 2 zum Begriff: Ein Audit kann ein internes (ErstparteienAudit) oder ein externes (Zweitparteien- oder Drittparteien-Audit) Audit sein, und es kann ein kombiniertes ►Audit oder ein ►gemeinschaftliches Audit sein. Anmerkung 3 zum Begriff: Interne Audits, manchmal auch „Erstparteien-Audits“ genannt, werden von der ►Organisation selbst oder in ihrem Auftrag für eine Managementbewertung (►Management, ►Bewertung) und andere interne Zwecke durchgeführt. Sie können die Grundlage für eine Konformitätserklärung einer Organisation bilden. Die Unabhängigkeit kann durch die Freiheit von Verantwortung für die zu auditierenden Tätigkeiten dargelegt werden. Anmerkung 4 zum Begriff: Externe Audits schließen ein, was allgemein „Zweit-“ oder „Drittparteien-Audits“ genannt wird. Zweitparteien-Audits werden von Parteien, die ein Interesse an der Organisation haben, z. B. ►Kunden, oder von Personen in deren Auftrag durchgeführt. Drittparteien-Audits werden von externen unabhängigen Organisationen durchgeführt, wie zum Beispiel denjenigen, die eine Registrierung oder Zertifizierung der Konformität bieten, oder durch staatliche Behörden. Anmerkung 5 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition und die Anmerkungen zum Begriff wurden geändert, um die Wirkung eines Zirkelbezugs zwischen den Begriffen „Auditkriterien“ und „Auditnachweis“ zu entfernen, und die Anmerkungen 3 und 4 zum Begriff wurden ergänzt. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Auditarten
▶Audit | ▶Qualitätsaudit Audits haben unterschiedliche Charaktere, die sich als Auditarten begreifen lassen und nach vier Kategorien gebildet werden können. Diese sind allerdings nicht trennscharf. Abbildung A19 zeigt diese in der Praxis gebräuchlichen nichtgenormten Begriffe. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es noch eine Vielzahl an firmenspezifischen Auditbezeichnungen gibt, die sich aber letztlich auf die in Abbildung A19 genannten vier Kategorien zurückführen lassen. ▶en: audit client ►Organisation oder Person, die ein ►Audit anfordert
[Quelle: ISO 19011:2011, 3.6, geändert — Anmerkung zum Begriff wurde gelöscht] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
ISO-Term
Auditauftraggeber
58
ISO-Term
A
Chemiker Charles Benjamin Dudley (1842-1909) gegründet. Dudley war in der Zeit von 1902 bis 1908 Präsident der ASTM. Zur damaligen Zeit war Bruch von Stahl eines der größten Probleme in der Industrie und betraf v.a. den Schienverkehr. Dudley schuf eine neue Stahlqualität und ließ diese dann durch die ASTM normen. Die BranchenNorm verlangte strenge Tests von Materialien, um die Konformität zu überprüfen. Dudley entwickelte eine komplette Palette an Normen für die Pennsylvania Railroad, wo er beschäftigt war, nicht nur für Stahl, sondern auch für Kraftstoffe, Schmierstoffe, Farben und sogar Lokomotiven.
auditierte Organisation
Auditarten / Auditbericht Abb. A19: Auditarten
A
Auditarten
Auditobjekt ◼ Systemaudit (Sicht auf das Managementsystem, z. B. ISO 9001) ◼ Prozessaudit (Sicht auf Prozesse)) ◼ Projektaudit (Entwicklung Projekt) ◼ Produktaudit (Sicht: Forderungen des Kunden) ◼ Performanceaudit (Sicht: Rechtsmäßigkeit, Zielerreichung/Effektivität) ◼ Finanzaudit (Sicht: Rechnungwesen) ◼ Complianceaudit (Sicht: Regelwerk)
Status des Auditors ◼ Internes Audit (1st Party-Audit) ◼ Lieferantenaudit (2nd Pary-Audit) ◼ Zertifizierungsaudit (3rd Pary-Audit)
Auditbericht Die Ergebnisse des Qualitätsaudits werden vom Auditor in Abstimmung mit dem verantwortlichen Leiter des auditierten Bereichs in einem Bericht zusammengefaßt. Dieser Bericht enthält die Ergebnisse eines Audits und wird deshalb Auditbericht genannt. Die Ergebnisse werden i. d. R. nach dem Audit an den Auftraggeber übergehen. Der Bericht enthält Auditziele und Auditumfang. Auditnummer mit Datum, auditierte Stelle, Auftraggeber, Art des Audits, Auditgrundlage, Teilnehmer des Audits, Auditbeauftragter, Auditor, Auditorenteam, Auditfestellungen, Auditschlussfolgerungen, Hinweis auf Nachaudit, zusammenfassende Bewertung, Unterschrift des leitenden Auditors und Datum. Literatur
ISO-Term
[1] Brakhahn, W.; Vogt, U.: ISO 9000 für Dienstleister. Schnell und effektiv zum Zertifikat. Landsberg (mi) 1996, S. 116ff
Auditfeststellung
▶en: audit findings Ergebnisse der Beurteilung der zusammengestellten ►Auditnachweise gegen ►Auditkriterien
◼ Voraudit (Feststellung der Zertifizierungsfähigkeit) ◼ Zertifzierungsaudit (Prüfung der Dokumenten und der Erfüllung der Forderungen) ◼ Überwachungsaudit (Überwachung der weiteren Entwicklung des Managementsystems) ◼ Wiederholungsaudit (auch Rezertifizierungsaudit) – Drei-Jahre-Intervall
◼ Code-Audit (Qualität der Quelltextformatierung etc.) ◼ Security-Audit (Suche nach Sicherheitslücken, Schwachstellen- und Risikoanalyse etc.) ◼ Lizenzen-Audit (Überprüfung durch Softwareunternehmen, ob eine Organisation die entsprechenden Lizenzen in entsprechender Anzahl besitzt – Unterlizensierung)
Auditfragetechnik Audit kommt vom Lateinischen auditus (audire = hören, zuhören). Gehört, also zugehört, wurde bei der öffentlichen Buch- und Rechnungsprüfung sehr wohl, denn es wurde damals immer mündlich vorgetragen. Naheliegend ist deshalb die Herleitung und Tradierung des Begriffs Audit aus dem Finanzbereich, der auch heute noch beim Audit eine Rolle spielt: Der Auditor stellt Fragen an die Mitarbeiter in einer Organisation. Richtig Fragen zu stellen bedarf der Beherrschung von Fragetechniken. In vielen Berufen ( Juristen, Lehrer, Journalisten, Psychologen, Soziologen etc.) spielt Fragetechnik eine wichtige Rolle. Insofern ist das Beherrschen von Techniken beim Befragen der Mitarbeiter auch im Audit sehr wichtig. Evtl. können Erfolg und Misserfolg des Audits damit in Zusammenhang gebracht werden. Fragetechnik im Audit: Vor allem geht es zunächst um die Frage, wie der Auditor Mitarbeiter zum Sprechen bringt: Offene Fragen (W-Fragen) bringen viele Informationen und sind zu bevorzugen. Suggestivfragen können das Gesprächsklima verhärten und Alternativfragen ermöglichen ausweichende Antworten. Bei geschlossenen Fragen sind die Antwortmöglichkeiten eingeschränkt und der Auditierte kann die Antwort nicht frei gestalten. Problematisch sind Kettenfragen. Der Gesprächspartner wird mit Fragen überflutet, sucht sich die einfachste aus und geht auf die anderen nicht mehr ein. Dieser Einblick in die Gesprächsführung mag genügen. Zur Fragetechnik, die ja nicht Audit-spezifisch zu sehen ist, existiert ausreichend gute Fachliteratur (z. B. empfiehlt sich dieses Handbuch [1]) Literatur
[1] Müller-Dofel, Mario: Interviews führen. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis, Düsseldorf (Econ) 2009
auditierte Organisation
ISO-Term
Anmerkung 1 zum Begriff: Auditfeststellungen zeigen ►Konformität (3.6.11) oder ►Nichtkonformität (3.6.9) auf. Anmerkung 2 zum Begriff: Auditfeststellungen können dazu führen, dass ►Verbesserungsmöglichkeiten (3.3.1) aufgezeigt oder bewährte Praktiken aufgezeichnet werden. Anmerkung 3 zum Begriff: Wenn die ►Auditkriterien (3.13.7) aus gesetzlichen ►Anforderungen (3.6.6) oder behördlichen ►Anforderungen (3.6.7) ausgewählt werden, wird die Auditfeststellung im Englischen als „compliance“ (Übereinstimmung) oder „noncompliance“ (Nichtübereinstimmung) bezeichnet. [Quelle: ISO 19011:2011, 3.4, geändert — Anmerkung 3 zum Begriff wurde geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Software
Zertifzierungszusammenhang
▶en: auditee ►Organisation, die auditiert wird
[Quelle: ISO 19011:2011, 3.7] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
59
Auditumfang
▶en: audit criteria Satz von ►Politiken, ►Verfahren oder ►Anforderungen, die als Bezugsgrundlage (Referenz) verwendet werden, anhand derer ein Vergleich mit dem objektiven ►Nachweis erfolgt [Quelle: ISO 19011:2011, 3.2, geändert — Der Begriff „Auditnachweis“ wurde durch „objektiver Nachweis“ ersetzt] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Auditleiter
ISO-Term
Steuerung des Einsatzes von kompetenten Auditoren in den unterschiedlichen Auditarten und die Überprüfung der Wirksamkeit des Auditwesens.
Auditnachweis
ISO-Term
[Quelle: ISO 19011:2011, 3.3, geändert — Anmerkung zum Begriff wurde gelöscht] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Auditor
▶en: auditor Person, die ein ►Audit durchführt
ISO-Term
[Quelle: ISO 19011:2011, 3.8] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Auditplan
▶en: audit plan Beschreibung der Tätigkeiten und Vorkehrungen für ein ►Audit [Quelle: ISO 19011:2011, 3.15] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
60
[Quelle: ISO 19011:2011, 3.13, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Auditprotokoll
Dokumentation aus Audits: z. B. ausfgefüllte Checklisten oder handschriftliche Aufzeichnungen.
Auditschlussfolgerungen
▶en: audit conclusion Ergebnis eines ►Audits nach Berücksichtigung der ►Auditziele und aller ►Auditfeststellungen [Quelle: ISO 19011:2011, 3.5] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Auditteam
▶en: audit team eine oder mehrere Personen, die ein ►Audit durchführen, nötigenfalls unterstützt durch ►Sachkundige
Anmerkung 1 zum Begriff: Ein ►Auditor des Auditteams wird als Leiter des Auditteams eingesetzt. Anmerkung 2 zum Begriff: Zum Auditteam können auch in der Ausbildung befindliche Auditoren gehören. [Quelle: ISO 19011:2011, 3.9, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Auditumfang
▶en: audit scope Ausmaß und Grenzen eines ►Audits
Anmerkung 1 zum Begriff: Der Auditumfang schließt üblicherweise eine Beschreibung der physischen Standorte, der Organisationseinheiten, der Tätigkeiten und ►Prozesse (3.4.1) ein. [Quelle: ISO 19011:2011, 3.14, geändert — Anmerkung zum Begriff wurde geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Aufbauelement
▶ QM-Aufbauelement
ISO-Term
▶en: audit evidence Aufzeichnungen, Tatsachenfeststellungen oder andere Informationen, die für die ►Auditkriterien zutreffen und verifizierbar sind
▶en: audit programme Satz von einem oder mehreren ►Audits, die für einen spezifischen Zeitraum geplant werden und auf einen spezifischen Zweck gerichtet sind
ISO-Term
Auditmanagement
Auditprogramm
Prinzipien, die die Grundlage für ein wirksames Audit bilden. In der DIN EN ISO 19011:2011 werden die folgenden sechs Prinzipien genannt: Integrität, sachliche Darstellung, angemessene berufliche Sorgfalt, Vertraulichkeit, Unabhängigkeit und nachweisbasierte Vorgehensweise.
ISO-Term
▶en: leda auditor Der Begriff ist nicht genormt worden. Es handelt sich um einen ►Auditor, der aufgrund eines Befähigungsnachweises als Leiter des ►Auditteams eingesetzt wird. Er trägt die Gesamtverantwortung für das Audit. Die wesentlichen Aufgaben eines Audit(team)-Leiters sind: Auditplanung und Ressourceneinsatz im Audit, Vertretung des Auditteams gegenüber dem Auftraggeber und der zu auditierenden Organisation, Bildung des Auditteams und Aufgabenzuordnung, Leitung des Audditeams, um objektive Auditergebnisse zu sammeln und ►Auditschlussfolgerungen zu ziehen, Verhinderungen bzw. Lösung von Konflikten bis hin zum Abbruch des Audits, wenn keine Unterstützung durch den zu auditierenden Bereich gegeben ist, Zeitmanagement für die Durchführung des Audits und Erstellung des Auditberichts sowie der Abweichungsberichte.
Auditprinzipien
ISO-Term
Auditkriterien
ISO-Term
A
ISO-Term
Auditkriterien
Aufbauorganisation: Process follows Structure!
Aufbauorganisation: Process follows Structure!
Aufbauorganisation: Process follows Structure!
Zielsetzung des organisatorischen Gestaltungshandelns ist es, aus generellen und dauerhaften Regeln bestehende formale Organisationsstrukturen zu planen.
▶Ablauforganisation: Structure follows Process! ▶Organisationsgestaltung ▶Prozessmanagement ▶Geschäftsprozessmanagement
„Die Vorherrschaft der Aufbauorganisation über die Prozessstruktur war in seiner ruhigen und überschaubaren Umwelt relativ unproblematisch.“ (Fischermanns 2013)
1 Zum Grundverständnis Das Konstrukt, das der Regelung und Abgrenzung von Aufgaben, Kompetenzen und Unterstellungsverhältnissen zugrundeliegt, wird als Aufbauorganisation bezeichnet. Wer es anwendet, der gestaltet bewusst, sein Denken nimmt als Ausgangspunkt die Frage „Was ist zu tun, welches sind die durchzuführenden Aufgaben?“ Sie, die Aufgaben, sind der wichtigste Anknüpfungspunkt organisatorischer Regelungen, egal ob es sich um einen Industriebetrieb oder eine Verwaltung handelt. Grafisch spiegelt sich ein solches Konstrukt in einem Organigramm wieder, das die formale Festlegung der Aufbauorganisation zu einem bestimmten Zeitpunkt zeigt (Abbildung A20). Es verdeutlicht sowohl die (grobe) Aufgabenverteilung auf Stellen und Abteilungen, d. h. den Grad der Arbeitsteilung, als auch die hierarchische Struktur des Leitungssystems. In Abbildung A20 wird lediglich die oberste Abb. A20: Aufbauorganisation 1. Ebene Leitung
Beschaffung
Produktion
Absatz
Verwaltung
Als Aufbauorganisation wird in der Praxis das hierarchisches Gerüst bzw. die Struktur einer Organisation bezeichnet. Dort sind Zuständigkeiten, Aufgaben- und Ressourcenverteilung geregelt. Zur Aufbauorganisation gehören die Unternehmenshierarchie (oft dargestellt im Organigramm), die Struktur der Bereiche oder Abteilungen, der Stellenplan, die geografische Verteilung (Standorte, Niederlassungen) sowie die Beziehung zu verbundenen Unternehmen wie beispielsweise Tochter-, Mutter- oder Partnerfirmen. – Von dieser konkreten Vorstellung einer Aufbauorganisation unterscheidet sich die analytische Vorgehensweise der Organisationslehre, in der die Aufbau- und Ablauforganisation als Konstrukt gesehen werden. Diese Sicht ist der Konkretion in gewisser Hinsicht vorgeschaltet. Zur in der Praxis üblichen Vorstellung von Aufbauorganisation gelangt man erst durch gestalterische Maßnahmen (Analyse/Synthese).
Ebene dargestellt. Daneben werden unterstützende Stellen und ergänzende vertikale Kommunikationswege abgebildet. Häufig ist die personelle Besetzung der Stelle vermerkt, d. h. erkennbar ist, welche Aufgaben sind von welchen Mitarbeitern (und Sachmitteln). Organigramme spiegeln zwar jedem Organisationsmitglied in leicht verständlicher und nachvollziehbarer Form in Kästchen und Kreisen die horizontalen und vertikalen Verbindungen wider, gleichwohl handelt es sich um die Charakterisierung eines Gestaltungsbereiches, ein Ergebnis, das dann in einem zweiten Schritt dem Zweck dient, sich der weiteren Organisationsgestaltung zuzuwenden, der ►Ablauforganisation, welche die raum-zeitliche Abstimmung der Arbeitsprozesse zur Zielerreichung regelt.
2 Begriffe und Zusammenhänge Interessant ist die Erkenntnis, dass sich die analytische Trennung in aufbau- und ablauforganisatorische Gestaltungsbereiche ausschließlich im deutschen Sprachraum etabliert hat, indem so strukturtechnischen Fragestellungen der Gestaltungssystematik nachgegangen wurde. Einheitlich geht die Organisationslehre der Betriebswirtschaft davon aus, dass Organisation als System geltender Regelungen behandelt werden muss, deren Sinnzusammenhang durch die oberste Betriebsaufgabe vorgegeben ist. Nordsieck hat dies wie folgt formuliert [1]: „Wenn man das ganze Betriebsgeschehen als eine Erledigung von Aufgaben im Sinne einer bestimmten Oberaufgabe ansieht, so wird man die Aufgaben zum Ausgangspunkt der Organisationsuntersuchung machen.“ Die in einer Organisation zu erfüllende Aufgabe kann allgemein als Zielsetzung für zweckbezogene menschliche Handlungen definiert werden. Aufgaben sind dauerhaft wirksame Aufforderungen, etwas Bestimmtes zu tun (►Aufgabe). Aufgaben sind nur vollständig beschrieben, wenn Objekt (woran) und Verrichtung (was) genannt werden. Es ist üblich, diese aufgabenbezogenen Handlungen als Verrichtungen zu bezeichnen, die an gegebenen Objekten vollzogen werden. Aufgabenerfüllung erfolgt dann durch die sachgerechte Zuordnung von Rechten und Pflichten auf die Aufgabenträger sowie den effizienten Einsatz von Sachmitteln. Diese sind die Gestaltungselemente der Erfüllung der Aufgabensituation. Methodisch folgt man bei der Gestaltungssystematik einer so aufeinander aufbauenden Systematik. Zunächst müssen die Aufgaben inhaltlich betimmt und in verteilungsfähige Teilaufgaben zerlegt werden. Dieser Schritt wird Aufgabenanalyse genannt. Ihm folgt die Aufgabensynthese als „eigentlicher organisatorischer Akt“: Die einzelnen Teilaufgaben werden wieder zu aufgaben- und arbeitsteiligen Handlungen zusammengefügt. Es ergibt sich eine differenzierte Ausformung einer Struktur entsprechend Abbbildung A01 in Folge, die dann den Gesamtzusammenhang der Aufbauorganisation darstellt: Mit der Zerlegung komplexer Aufgaben in Teileinheiten, der Stellen- und Abteilungsbildung sowie der Festlegung der Kommunikations- und Weisungsbeziehungen schafft die Aufbauorganisation sozusagen die statische organisatorische Infrastruktur, der der Ablauf in der Organisation, die „Bewegung“ folgt. In Anlehnung an Chandler lässt sich in der Tat sagen, dass die Bewegung der geschaffenen Struktur folgt: „Process follows Structure!“ Die in der Aufbauorganisation geschaffenen Potentiale können nun von der ►Ablauforganisation genutzt werden. 3 Structure follows Process! Die in Kapitel 2 erörterte Vorherrschaft der Aufbauorganisation über die Prozessstruktur war in einer ruhigen und über-
61
A
Aufgabe
Aufbauorganisation: Process follows Structure!
A
schaubaren Umwelt relativ unproblematisch. Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg war dies ökonomisch gesehen. Ziele wie Stabilität, Standardisierungs- und Spezialisierungsvorteile sowie Sicherheit beherrschten organisatorische Gestaltungsüberlegungen. Im Zuge dynamischer und komplexer Zeiten hat sich die Zielpriorität in Richtung Schnelligkeit, Reaktionsfähigkeit, Innovationsfähigkeit und Flexibilität entwickelt (s. Stichwort ►Agilität). Prozesse können dieser Ziele maßgeblich beeinflussen, so dass heute vom Primat der Prozessorganisation gesprochen werden kann (Structure follows Process!). Die Summe aller Prozesse bildet dann die Prozessorganisation. Somit gilt es nun festzuhalten: Der neue Begriff der Prozessorganisation leitet sich aus der klassischen Ablauforganisation her und ersetzt diesen wie manche Autoren sagen. Die Ablauforganisation beinhaltet die Gestaltung der Arbeitsprozesse, was bedeutet, dass Arbeitsgänge und Arbeitsgangfolgen unabhängig von dem aufbauorganisatorischen Kontext zu entwerfen und Stellen erst auf der Basis ingebgrierter Verrichtungskomplexe zu bilden sind. Anstelle der Logik „Ablauforganisation folgt Aufbauorganisation“ gilt hiernach „Aufbauorganisation folg Ablauforganisation“. Der gelingenden oder misslingenden Umorientierung organisatorischen Denkens – von der Strukturorganisation (Aufbau) zur Prozessorganisation – kommt weiterhin ein großer Stellenwert zu. Es verhalten sich ja Aufbau- und Ablauforganisation grundsätzlich zueinander wie zwei Seiten einer Medaille. Aber welche Seite der Medaille liegt oben? Die neueren Managementkonzepte zeigen es deutlich, angefangen vom ►Business Reengineering bis zum ►Qualitätsmanagement nach ISO 9000: Es ist die Prozessperspektive! Bildet sie wirklich immer den Ausgangspunkt, der alles andere nach sich zieht? 4 Vom Struktur- zum Prozessdenken – Gedanken So plausibel der Paradigemenwechsel „Primat der Prozessorganisation“ auch klingen mag, einige praktische Schwierigkeiten werden dabei häufig übersehen, die den Sinneswandel (►Mindset) betreffen. So fehlt es häufig an einer Prozessorientierung im Bewusstsein der Mitarbeiter. Im Wirtschaftsleben fällt es den meisten Mitarbeitern relativ leicht „aufbauorganisatorisch“ zu denken. Wenn sich z. B. jemand in einer neuen Gruppe persönlich vorstellt, so nennt er seinen Namen, seine Organisationseinheit, seine Aufgabenbereiche und vielleicht noch seine hierarchische Position. Jeder kann sich ein Bild von dem Mitarbeiter machen, weil jeder mit Aussagen über Aufgaben, Kompetenzen und Veranwortungen aufgewachsen ist. Organigramme dokumentieren schon imm die Aufbaustruktur eines Unternehmens und sind ein Teil der betrieblichen Sozialisation. Wird jedoch die Frage nach Prozessen aufgeworfen, tritt eine gewisse Unsicherheit auf. Welches sind die wichtigen Unternehmensprozesse? Wie hängen die Prozesse zusammen? Wie hoch ist der eigene Beitrag zum Prozesserfolg? Ist es nicht die IT, die die Prozesse
62
„macht“ und dafür die Lorbeeren erntet? Die funktionale Gliederung vieler Unternehmen hat das prozessorientierte Denken in der Vergangenheit erschwert. Daran hat auch der Siegeszug der ISO 9001 wenig geändert. Wer einen Bereich wie beispielsweise Verkauf leitet oder in dieser Organisationseinheit arbeitet, der schaut in erster Linie darauf, dass seine Bereichsziele erfüllt werden. Seine Vorgaben sind vor allem Budgets, Qualitätsziele oder Termine. Werden diese Ziele erfüllt, winkt der Aufstieg. Wen wundert es da, dass bereichsübergreifende Interessen zweitrangig sind? Zur gelebten Prozessorientierung muss wohl erst noch „erzogen“ werden? Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur [1] Nordsiek, F.: Die schaubildliche Erfassung und Untersuchung der Betriebsorganisation. Stuttgart 1932
Aufgabe
▶en: task | ▶en: duty | ▶en: job | ▶en: function ▶Aufbauorganisation: Process follows Structure! „Eine Aufgabe ist etwas, was jemandem zu tun aufgegeben ist. Man nennt sie auch Auftrag, Obliegenheit, Verpflichtung.“
Mit Leontjev lässt sich Aufgabe als ein Ziel begreifen, das unter gegebenen Bedingungen erreicht werden soll. Dabei ist das Ziel das Kriterium, das unter verschiedenen Bedingungen zu erreichen ist. Es lassen sich eine Vielzahl an Bedingungen unterscheiden: physikalische, technische, organisatorische, soziale, ökonomische u. a. Oft werden Aufgaben auch in repetitive und kreative unterschieden. Arbeits- und Aufgaben analysen sind v. a. Gegenstand der Arbeits- und Ingenieurpsychologie. Volpert definiert allgemein die Aufgabe als den einer handelnden Person zugewiesenen und von ihr übernommenen Ausschnitt aus den gesellschaftlichen Handlungsforderungen [1]. In arbeitspsychologischen Gestaltungskonzepten steht die Aufgabe im Mittelpunkt der Umsetzungbemühungen (►Tä tigkeit). Aufgaben werden als Handlungsforderungen gesehen, Aufgaben enthalten Zielstellungen, sie sind an die Auf gabenstruktur gebunden. Nach ISO 6385:2004-05 gibt die Aufgabe das globale Ziel und den Zweck der Arbeit vor. Um eine Aufgabe durchführen zu können, bedarf es Tätigkeiten. Tätigkeiten sind auf Teil ziele ausgerichtet. Sie werden durch Ketten von Handlungen realisiert. Dieser Zusammenhang wurde von Hacker [2] bis zu elementaren Muskelaktionen aufgezeigt. Der gesamte Ablauf wird als Handlungsregulation bezeichnet. Explizit befasst sich die Theorie der Handlungsregulation innerhalb der Arbeitspsychologie mit der Struktur der Arbeitstätigkeit. Sie greift auf den Aufgabenbegriff zurück, der im Schnittpunkt zwischen Organisation und Individuum gesehen wird. Während aus arbeitswissenschaftlicher Sicht die Aufgabe einen zentralen operablen Begriff darstellt, ist dieser Begriff im Qualitätsmanagement bisher nicht im Zusammenhang
Augmented Reality (AR)
Auftraggeber / Auftragnehmer
ISO-Term
[1] Volpert, W.: Psychische Struktur der Arbeitstätigkeit. In: Luczak, H. u. Volpert, W. (Hrsg.): Handbuch Arbeitswissenschaft, Stuttgart 1997, S. 453-458 [2] Hacker, W.: Arbeitspsychologie. Psychische Regulation von Arbeitstätigkeiten. Berlin 1986
Auftraggeber / Auftragnehmer
▶purchaser / ▶contractor ►Kunde in einer Vertragssituation (auch „Käufer“). / Lieferant in einer Vertragssituation. – Dieses Begriffspaar war bis zum Jahr 2000 in der ISO 8402:1995-08 genormt. Es folgten sogar Anmerkungen: Anmerkung: Der Auftraggeber wird manchmal als die „business second party“ bezeichnet. Anmerkung: Der Auftragnehmer wird manchmal als die „business first party“ bezeichnet. Anmerkung: Im Französischen wird der ‘titulaire du contrat’ gelegentlich „contractant“ genannt.
Jeder weiß schließlich, was ein Auftraggeber und was ein Auftragnehmer ist. Und so wurde das Begriffspaar ersatzlos gestrichen.
ISO-Term
Normquelle: DIN EN ISO 8402:1995-08 Qualitätsmanagement – Be griffe ⟪Von der ISO zurückgezogenes Originalbegriffspaar D⟫
Aufzeichnung
▶en: record ►Dokument, das erreichte Ergebnisse angibt oder einen Nachweis ausgeführter Tätigkeiten bereitstellt Anmerkung 1 zum Begriff: Aufzeichnungen können beispielsweise angewendet werden zur Darlegung von ►Rückverfolgbarkeit und zum Nachweis von ►Verifizierung, ►Vorbeugungsmaßnahmen und ►Korrekturmaßnahmen. Anmerkung 2 zum Begriff: Aufzeichnungen bedürfen üblicherweise nicht einer Überwachung durch Revision. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Augenblicke der Wahrheit
▶ Moments of Truth ▶ D7-Q-Techniken für Dienstleister
Augmented Reality (AR)
A
▶Industrie 4.0 ▶Poka Yoke ▶Training
„Ich mache eigentlich immer, was ich nicht kann, um Neues dazuzulernen.“ (Pablo Picasso)
Die Realität von Augmented Reality liegt im Schnittbereich zwischen physischem und virtuellen Raum [1]. Augmented Reality wird als die vergrößerte oder erweiterte Realitätswahrnehmung bestimmt. Konkret heißt dies, dass die Umwelt des Betrachters durch zusätzliche Elemente (Bilder, Grafiken, Informationen wie Hinweise oder Erläuterungen, allgemein Daten, Informationen, etc.) angereichert wird. Augmented Reality erschafft so eine neue Realitätsebene, indem reale Bilder mit zusätzlichen Informationen ergänzt und auf diese Weise eine Erweiterung sowohl der virtuellen als auch der realen Umwelt erreicht wird. Zunehmend geschieht dies in Echtzeit. Ende des 20ten Jahrhunderts ging man noch von der Annahme aus, dass die Realität irgendwann im Netz verschwinden würde, sich also virtuell aufzulösen beginne. Diese Annahme erwies sich als falsch: Es verhält sich genau umgekehrt: Das Netz integriert sich in die physische Welt. Mit Augmented Reality-Anwendungen ist es möglich, die Realität mit Informationen aus dem Internet anzureichern. Festzuhalten ist, dass der physisch existente Raum der zentrale Dreh- und Angelpunkt von Augmented Reality ist. Dieser wird virtuell überlagert. Jede Betrachtung eines Fußballspiels im modernen Fernsehen zeigt uns diese Überlagerungseffekte (Einblendungen und Visualisierungen, wie z. B. die Entfernung zum Tor beim Freistoß u. a. m.), die im Zusammenhang mit dem Spiel selbst (= physische Realität) die Augmented Reality bilden, also voraussetzend zu sehen sind. Paradoxerweise kann die physische Ebene aber auch gegen Null gehen, doch nicht wirklich, sondern durch visuelle Überdeckung mittels Computergrafik. Diese digitalen grafischen Anwendungen, die ja konstitutiv für die Augmented Reality sind, ermöglichen es so, Gegenstände zum Verschwinden zu bringen. Augmented Reality ermöglicht breite Anwendungen in unterschiedlichen Bereichen. Diese Anwendungen werden mit Hilfe von AR-Technologien realisiert. Die Einbindung erfolgt oft in dreidimensionaler Form. Hier nur einige Beispiele: ◼ In der Produktentwicklung können durch den Einsatz von Augmented Reality-Techniken schriftliche und visuelle Informationen durch Konstruktionen oder Prototypen erweitert werden. Virtuelle Produktentwicklung wird bereits in vielen Industrien eingesetzt, z. B. in der Automobilbranche. ◼ Im Produktionsanlagenbau ist es mit Hilfe von Augmented Reality-Techniken möglich, die geplanten Maschinen und Systeme direkt im Areal zu plazieren. ◼ Für Marketingzwecke eingebundene Augmented Reality kann durch Animation das Erlebnis nachhaltiger wirken.
63
Begriff
des QM-Begriffssystems expliziert, also auch nicht genormt worden. Das Qualitätsmanagement setzt auf der Betrach tungsebene von ►Tätigkeiten an, indem es aus dem Mög lichkeitsraum aller Arbeitstätigkeiten die qualitätsbezogenen Tätigkeiten bestimmt (►qualitätsbezogen). Im QM spricht man von zentralen ►Tätigkeitsbegriffen des Qualitätsma nage ments. Ein Zusammen hang zum Begriffssystem der Arbeitswissenschaft ist nicht hergestellt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Ausschuss
Ausbeute
A
Ausbeute
▶en: yield Unter dem Begriff Ausbeute versteht man die Anzahl der Teile aus einer Produktion, welche als fehlerfrei in der Endkontrolle begutachtet werden. Dabei bleibt unberücksichtigt, ob fehlerhafte Produkte bereits während der Produktion nachgearbeitet wurden.
64
▶en: failure ▶Zuverlässigkeitsmanagement Beendigung der Funktionsfähigkeit einer materiellen ►Einheit im Rahmen der zugelassenen Beanspruchung.
Anmerkung 1: Ein Ausfall ist ein Ereignis. (…) Anmerkung 4: Ein Ausfallkriterium ist eine Festlegung zur Feststellung, ob ein Ausfall vorliegt. Ein Ausfall kann auch unter vielen anderen Blickwinkeln betrachtet werden, z.B. Ausfallursache, Ausfallart, Ausfallmechanismus, Vorhersehbarkeit des Ausfalls, Ausfallfolgen, Ausfallkosten, Ausfallrate. Quelle: DGQ-Schrift 11-04 1.5.6.27 ⟪Originalbegriff D⟫
ausgliedern
▶en: outsource eine Vereinbarung treffen, bei der eine externe ►Organisation einen Teil einer Funktion oder eines ►Prozesses einer Organisation wahrnimmt bzw. durchführt
Anmerkung 1 zum Begriff: Eine externe Organisation befindet sich außerhalb des Anwendungsbereiches des ►Managementsystems, obwohl die ausgegliederte Funktion oder der ausgegliederte Prozess im Rahmen des Anwendungsbereichs liegen. Anmerkung 2 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Ausreißer
▶en: outlier Istwert einer Stichprobe, dessen Abweichung von den anderen, zufällig von einander abweichenden Istwerten der Stichprobe dem Betrag nach so groß ist, dass die Vermutung nahe liegt, sie stamme aus einer anderen Grundgesamtheit oder dass ein Fehler bei der Messung vorliegt. Quellen: ISO 3534, Teil 1, Abs. 2.64; DGQ-Schrift 11-04 3.6 ⟪Originalbegriff D⟫
Ausschuss
▶en: scrap; waste Fertigungs- oder montagebedingtes Fehlprodukt, bei dem die ►Qualitätsforderung auch nachträglich durch ►Nacharbeit nicht erfüllt werden kann oder soll, und das für einen anderen Verwendungszweck unter angemessenen Umständen nicht verwendet werden kann. Anmerkung 1: Die Bedeutung von Ausschuss für die betriebliche Abwicklung geht wegen der Störung des planmäßigen Fertigungsablaufs meist weit über die Ausschußkosten hinaus. Anmerkung 2: Produkte, bei denen die ►Qualitätsforderung erfüllt ist, die jedoch dennoch nicht verwendet werden können, sind nicht Ausschuss im Sinn der obigen Definition, son-
DGQ-Term
[1] Binder, G.: Der Raum ist die Botschaft. Mediologische Analyse der Nutzung von digitalen Rauminformationen. Graz (Binder) 2010 [2] Azuma, R. T.: Augmented Reality: Approaches and Technical Challanges, in: Fundamentals of Wearable Computers and Augmented Reality. Ed. by W. Barfield and Th. Caudell. New Jersey 2001, pp 27-63
Ausfall
ISO-Term
Fazit: Augmented Reality reduziert die Komplexität der Realität und bietet eine innovative Möglichkeit auf eine völlig neue Art und Weise visuelle und auditive Informationen genau dort ganz gezielt zu positionieren, wo sie benötigt werden, nämlich im Blickfeld des Anwenders, wie das Beispiel ►Poka Yoke zeigt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
▶QM-Ausbildungsorganisationen | ▶Q-Berufe
ISO-Term
Ein weites Feld stellt die Entwicklung von Apps dar, die in Tablets und Smartphones zum Einsatz gelangen. Die ursprüngliche Anwendungsbasis von Augmented Reality im industriellen Bereich hat sich inzwischen fest etabliert. So zum Beispiel in Ausbildung und Training. Immer wenn etwas anderen gezeigt werden soll, kann Augmented Reality zum Einsatz kommen. So bieten heute bereits Didaktik und die Ausgestaltung von Trainings kreative Einsatzmöglichkeiten. Gerade für das Qualitätsmanagement bieten sich direkt im Arbeitsbereich Möglichkeiten an, die Realitätswahnehmung zu erweitern, wie zum Beispiel beim Erkennen und Vermeiden von Fehlhandlungen (►Poka Yoke). Und wem fällt da nicht gleich das ►QM-Handbuch ein, das sich sinnvoll durch AR-Technologie anreichern ließe. Diese Beispiele deuten bereits ein Spektrum an bisher eigentlich noch gar nicht ausgeleuchteten Einsatzmöglichkeiten von Augmented Reality im Qulitätsmanagement an.
Ausbildung im Qualitätsmanagement
DGQ-Term
So ist die Tourismusbranche hierfür ein typisches Einsatzfeld: Museumsführer, Stadtführer, Kiosk-Systeme. ◼ Architektur: Augmented Reality-Techniken werden für die erweiterte Darstellung von Immobilien genutzt. ◼ Geovisualisierung: Gegebenheiten des Geländes werden zum Beispiel in der geländeorientierten Planung szenarisch erfasst und dann mit Techniken der Augmented Reality angereichert. Hierdurch wird eine deutlich realitätsnähere Darstellung erzielt. ◼ Trainingsszenarien: In manchen Anwendungsfeldern lässt sich mit Filmen, Seminaren oder Lehrbüchern die Realität nur unzureichend oder aus Sicherheitsgründen gar nicht abbilden. In AR-Trainingsszenarien kann mit Realbildern und darauf bezogene virtuell eingeblendete Informationen ein hoher Lerneffekt erzielt werden.
Ausuferung (Proliferation) von Normen
ISO-Term
Austauschbau dern Fehlprodukte aus anderem Grund. Beispiele sind das qualitätsplanungsbedingte und das ►bedarfsbedingte Fehl produkt. Anmerkung 3: Ausschusskosten einschließlich ►Abfall sind ►Fehlerkosten.
DGQ-Term
Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff D⟫
Austauschbarkeit
▶en: interchangeability Eignung einer ►Einheit unverändert anstelle einer anderen benutzt zu werden und dabei die selben ►Forderungen zu erfüllen
Normquelle: DGQ 11-04 nach DIN EN 45020, Abs. 2.3 ⟪Originalbegriff D⟫
Austauschbau
▶en: interchangeable manufacture Der Austauschbau ist ein Konzept der industriellen Produktion, dessen Anfänge in der Waffenfertigung bei Honoré Blanc um 1750 in Frankreich und in der Musketenfertigung durch Eli Whitney in New Haven (USA) um 1800 liegen. Es wurde in den USA damals „Uniformity System“ genannt. Ausgehend von der handwerklichen Herstellung technischer Erzeugnisse in Einzelfertigung entwickelte sich dann daraus zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Arbeitsteilung mit dem Ziel der Herstellung von Erzeugnissen in größeren Stückzahlen, in kürzeren Zeiten und mit niedrigeren Kosten. Durch die Entwicklung von Maschinen zur rationellen Bearbeitung metallischer Werkstoffe wurde es möglich, Einzelteile von Erzeugnissen zeitlich und örtlich getrennt austauschbar zu fertigen, sie ohne Nach- oder Anpassarbeiten zu montieren oder bei Reparaturen zu ersetzen.
Prinzip
Somit bildet es – ursprünglich aus dem Maschinenbau kommend – die Grundlage für die heutige Großserien- und Massenfertigung. Der Grundsatz des Austauschbaus besagt: Beliebig viele, zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten gefertigte Teile X müssen zu beliebig vielen, ebenso gefertigten Teilen Y ohne Nacharbeit passen. Austauschbau beruht auf einem System von allgemein verbindlichen, standardisierten Toleranzen und Passungen. Je nach Funktion werden für die einzelnen Teile bereits bei der Konstruktion die genormten Passungen und die zugehörigen Fertigungstoleranzen festgelegt. Um diese einzuhalten, werden zunehmend präzisere Spezialmaschinen und Werkzeuge, die ebenfalls den genannten Toleranzen entsprechen, eingesetzt. Des Weiteren ist ein System von Lehren und Messwerkzeugen notwendig, mit denen die Einhaltung der Vorgaben während der Fertigung und danach in der Qualitätskontrolle überprüft werden. Unterstützt wird das Prinzip durch den Einsatz möglichst vieler Normteile, wie Schrauben, Stifte und anderer in Massenfertigung produzierter Elemente, schon bei der Konzeption einer Maschine.
Es ging also nicht um das Fließband, das die industrielle Fertigung begründet, wie oft – nicht nur in populären Schriften – behauptet wird. Dreh- und Angelpunkt der neuen aufkommenden Industrie war die Standardisierung der Teile, aus denen sich im Austauschbau das Einheitsprodukt zusammensetzt, das standardisierte Produkt selbst, das dann in zigfacher Menge über den Markt vertrieben wurde [1]: „Das Hauptelement der Massenproduktion war … die vollständige passgenaue Austauschbarkeit der Bauteile und die Einfachheit des Zusammenbaus. Diese Neuerungen in der Fertigung machten das Fließband erst möglich.“ Die Austauschbarkeit der Teile konnte im industriellen Produktionsprozess aber nur erreicht werden, wenn es gelang ein einheitliches Messsystem anzuwenden. Mit dem Austauschbau einher ging so die Entwicklung der Messtechnik (Fertigungsmesstechnik). Der Austauschbau muss als das Instrument das Arbeitsteilung schlechthin angesehen werden, welches die Spezialisierung in der modernen Industrie vorantrieb. Ohne dieses Prinzip wäre eine ökonomisch vertretbare Produktion größerer Stückzahlen von komplexen Maschinen, Geräten, Fahrzeugen und Güterwagen nicht möglich. Heute: Der Weg des Austauschbaus reicht von dem Versuch von Honoré Blanc die Massenfertigung von Waffen industriell zu begründen über die austauschbare Herstellung von 10.000 Musketen durch Eli Whitney in den USA um 1800 bis zur heutigen weltweit arbeitsteiligen Produktion des Airbus 380 mit den ständig wachsenden Forderungen an die Produktions- und Transportmittel, an die Messtechnik und insbesondere an die nationale und internationale Normung. In ihm haben sich auch die Wurzeln des Qualitätsmanagement fest eingegraben. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Womack, J. P., D. T. Jones and D. Roos: Die zweite Revolution in der Autoindustrie. Konsequenzen aus der weltweiten Studie aus dem Massachusetts Institute of Technology. 8. Auflage 1994. Frankfurt am Main-New York (Campus)1994, S. 31
Ausuferung von Normen ▶Zersplitterung ▶en: proliferation
Der Begriff bezeichnet die aus der Sicht des ISO/TC 176 Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung feststellbare Tendenz des Auseinanderdriftens der ISO 9000ff dadurch, dass andere Orga ni sationen eigene aus der ISO 9000ff abgeleitete Qualitätsnormen entwickeln, die nicht mehr universell, sondern nur branchenspezifisch angewendet werden können. Dieses Phänomen ist besonders in der internationalen Automobilindustrie zu beobachten. Auch die neue ISO 9000:2015 kann diesen Prozess wohl nicht gänzlich
65
A
Auswertung aufhalten. Zur Verdeutlichung der Position sei ein Auszug aus dem Originaldokument der Vision 2000 aus dem Jahr 1991 zitiert [1]:
A
„Die Normen der Reihe ISO 9000, insbesondere diejenigen für vertragliche Zwecke (ISO 9001) werden in vielen Industrien im Hinblick auf viele unterschiedliche Arten von Produkten einschließlich Dienstleistungen eingeführt. Einige Gruppen sind dabei, regionale oder industriespezifische Anpassungen der Normen der Reihe ISO 9000 für Anleitungszwecke, für die Zertifizierung, für das Auditieren und für die Doku mentation in Betracht zu ziehen oder einzuführen. … Falls die Normen der Reihe ISO 9000 lediglich ein Ausgangspunkt werden sollten für eine Zersplitterung/ Ausuferung in davon abgeleitete nationale oder regionale Normen mit unterschiedlichen Inhalten und mit unterschiedlichem Aufbau gegenüber den Normen der Reise ISO 9000, würde der weltweite Normungseffekt gering sein. Das Wachstum vieler örtlicher Zertifizi erungssysteme würde weitere Komplikationen bringen. Es können somit weltweite Handelshemmnisse wegen der Ausuferung/Zersplitterung der Normen und wegen nicht aufeinander abgestimmter Forderungen entstehen.“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy
DGQ-Term
Quelle: [1] DIN-Mitteilungen, Heft 6/1991
Auswertung
▶en: evaluation Auswahl, Analyse und Verdichtung von Daten Anmerkung 1: Die Auswahl von Daten dient häufig der Darstellung von Trends. Anmerkung 2: Die Auswertung erlaubt häufig eine Priorisierung von Maßnahmen. Quelle: DGQ-Band 11-04-2009
Automation ▶en: automation Allgemein wird unter Automation der durch Automatisierung erreichte Zustand der modernen technischen Entwicklung, der durch den Einsatz weitgehend bedienungsfreier Arbeitssysteme gekennzeichnet ist, verstanden. Diese Definition lässt den Menschen außen vor. Was ist, wenn die Automation versagt? Die Begriffsbestimmung von Automatisierung lautet unter Ausschluss des Menschen wie folgt: Automatisierung versteht sich als Anwendung von technischen Mitteln, mit deren Hilfe ohne Einflussnahme des Menschen Arbeitsmittel teilweise oder ganz nach vorgebenen Programmen bestimmte Operationen durchführen. Allgemeine Automatisierungsziele sind: Erhöhung der Produktivität, Verbesserung der Produktqualität, höhere Zuverlässigkeit und Sicherheit, wirtschaftlicherer Rohstoff- und Energieeinsatz,
66
Automotive Lean Production Award Schonung der Umwelt, Humanisierung der Arbeit wie insbesondere die Ermöglichung von Prozessen, die bei manueller Prozessführung infolge der dem Menschen innewohnenden Unzulänglichkeiten nicht durchführbar sind. Auch wenn viel über die Schlagwörter ►Industrie 4.0 und ►Cyber Physical Systems diskutiert und geschrieben wird, sodass der Eindruck entsteht, dass hier ein breiter Trend seinen Lauf nimmt. Hier trügt wohl der Schein: Fact ist, dass es die Automation ist, die dem Menschen seinen Alltag erleichtert, ihn in seinem industriellen Umfeld unterstützt und hilft, die Komplexität der ihn umgebenden Prozesse zu beherrschen. Die Automation hat seit Beginn ihrer Existenz Methoden aus anderen Ingenieur- und Wissenschaftsdisziplinen „realitätstauglich“ gemacht. Nur Automation verfügt über die direkte Interaktion mit der realen Welt – Sensoren, Aktoren und die echtzeitfähige, sichere und verfügbare Informationsverarbeitung sind das, was die Automation in der Vergangenheit ausgemacht hat, heute ausmacht und auch in Zukunft ausmachen wird. Deshalb ist die weitere Entwicklung der Automation nicht aufzuhalten – im Gegenteil: Die Technologien, die die genannten Schlagworte begleiten und im Wesentlichen aus der Informationstechnik stammen, werden die Entwicklung der Automation weiterhin beeinflussen. Industrie 4.0 ist ohne Automation undenkbar. Hier muss der Mensch eingebunden werden, denn nur er ist in der Lage einzugreifen, wenn die Automation ausfallen sollte. Ein Beispiel mag das beleuchten: Die Piloten der Concorde (Air-France-Flug 4590) waren bei diesem „vollautomatischen Flugzeug“ am 25. Juli 2000 nicht darauf vorbereitet und auch nicht ausreichend trainiert, um den manuellen Flugbetrieb sicher zu beherrschen.
Automotive Lean Production Award Beim „Automotive Lean Production Award“ handelt es sich um eine jährlich vergebene Auszeichnung der Unternehmensberatung Agamus Consult, die gemeinsam mit dem Magazin Automobil Produktion vergeben wird. Sie gründet auf einem Self Assessment (ca. 100 Fragen) und einer daran anschließenden Vorort-Audit. Die Jury wird von Agamus-Experten gestellt. Es handelt sich um eine europaweite Initiative in der Automobilindustrie. Thematisch geht es um folgende Fragestellungen: ◼ Was sind die Erfolgsfaktoren von Lean Production? ◼ Effizient und Effektivität: wie „wirkt“ die Lean Methodik? ◼ Ziel „schlanke“ Prozesse und Strukturen: was sind die wichtigsten Schritte? ◼ Wer wendet „schlanke“ Methoden und Strategien in welchem Umfang an und was sind die Ergebnisse bei Qualität und Kosten? ◼ Weiterdenken: Die Grundsätze von Lean in der Entwicklung und dem Industrialisierungsprozess. ◼ Wie entwickelt sich Lean Production in Europa – und wer ist „best in class“?
Autonome Produktion
Autonome Produktion
◼ ◼ ◼ ◼
Lean Bausteine Value Stream Performance Erfolgsfaktoren Lean in den indirekten Bereichen
Die Auszeichnung wird in den Kategorien OEM und Zulieferer verliehen. Teilnehmen können Lean-Verantwortliche aus Produktion, Ligistik und Entwicklung sowie Operations-Manager mit nationaler oder internationaler Verantwortung aus Werks- oder Betriebseinheiten. Information: www.agamus.com
Autonome Automation
▶Automation mit menschlichen Zügen ▶Toyota Produktionssystem ▶Anhalten des Fließbands ▶Japanische Qualitätstechniken
Autonome Produktion ▶Industrie 4.0 ▶Mechatronik
Autonome Produktionssysteme zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie selbständig auf innere, aber auch auf äußere Störungen, wie z. B. wechselnde Umgebungseinflüsse, reagieren können. Bei der Entwicklung komplexer autonomer Produktionssysteme kommt einer integrierten mechatronischen Perspektive (►Mechatronik) eine zentrale Rolle zu. An die Stelle starrer, vorprogrammierter Produktionsprozesse treten intelligente und reaktionsfähige Produktionsprozesse. Besonders der Mechatronik kommt hierbei in Zukunft eine zentrale Rolle als Enabler-Technologie und Innovationstreiber für die Entwicklung derartiger autonomer produktionstechnischer Systeme zu. Aus der Sicht des Qualitätsmanagements wird eine autonome Produktion vom ökonomischen Imperativ begleitet. Zwischen Produktivität und Qualität besteht eine integrative Wechselwirkung. Ihre kontinuierliche Verbessserung ist eine Herausforderung eines jeden autonomen Produktionssystems. Zudem gilt es die Rechnerintegration, den Kern eines jeden autonomen Produktionssystems, fest im Auge zu behalten. Mit ihr werden folgende Zielstellungen verfolgt [2]:
◼ Ziel einer automatischen Fertigung von variablen ProduktProduzierende Unternehmen des 21. Jh. sind mit einer programmen, Vielzahl technologischer und wirtschaftlicher Herausforde◼ Ziel einer kontinuierlichen Optimierung (fortlaufenden Verrungen konfrontiert. Neben der Forderung nach hoch verfügbesserung) der Prozesssteuerung, baren und flexiblen Fertigungssystemen spielen im globalen ◼ Ziel einer direkten Regelung von Materialfluss und BearbeiWettbewerb Qualität-, Zeit-, Raum- und Kosten-Gesichtstung, punkte eine immer größere Rolle. Zur Bewältigung dieser ◼ Ziel eine dynamischen Disposition aller Fertigungsmittel. Herausforderungen werden in Zukunft intelligente autonome Produktionssysteme benötigt, die selbständig auf Störungen, eine Vielzahl von Produktvarianten sowie wechselnde Prozessbedingungen reagieren Abbildung A21: Roboterprototyp für autonome Produktion können. Für die Entwicklung derartiger autonomer Pro- Der neue Epson Doppelarmroboter (Autonomous Dual-Arm Robot) ist durch duktionssysteme müssen die verschiedene integrierte Messsysteme wie Kameras, Kraftsensoren und auch BeWechselwirkungen zwischen schleunigungsmesser für eine weitgehend autonome Produktion ausgelegt. Promechanischen, elektrischen grammiert wird durch Vorgabe von Aktionszielen und nicht mehr aus der Definiund softwaretechnischen Komponenten sicher be- tion von Trajektorien und Steuerung von Ports. Der Roboter wird durch seiner dem Menschen herrscht werden [1].
nachempfundenen Armgeometrie und den eingebauten visuellen und haptischen Sensoren in der Lage sein, wechselnde Aufgaben autonom zu lösen. Ausgestattet ist er mit QMEMS-Sensoren, die für eine schnelle und vibrationsfreie Bewegung der beiden Arme sorgen sollen. Das in der Maschine genutzte Vision-System mit vier fest verbauten Kameras erkennt durch speziell entwickelte Algorithmen die Lage und Ausrichtung von Objekten im Raum und ermöglicht auch einen Verzicht auf Kalibrierung des Roboters zum Arbeitsbereich. – Quelle: www.epson.de
67
Begriff
Die übergeordneten Fragedimensionen sind
A
Autopoiesis
A
AZAV
So entsteht durch die Verknüpfung von Energiefluss, Materialfluss und Informationsfluss als konzentrierte Aktion eine völlig neue Produktionsstruktur, die der automonen Produktion. In ihr ist der Bediener von der Bindung an den Arbeitstakt der Maschine entkoppelt. Er muss in Gruppenzusammenhängen denken und arbeiten, und, was das Wichtigste ist, er benötigt veränderte Qualifikationen, die weniger im allgemeinen Bildungssystem antrainiert werden können, sondern eher in den Arbeitsformen einer ►Lernenden Organisation. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Spur G.: Technologie und Management. München (Hanser) 1998 [2] Nach: Spur G.: Über den Wandel der Produktionskultur. In: Klocke, F. und G. Pritschow (Hrsg.): Autonome Produktion. BerlinHeidelberg-New York (Springer) 2004, S. 5-15
Autopoiesis
zung, Evolution, kognitive Phänomene) begründet werden. Die Autopoiesie soll als Schüssel zum Verständnis aller biologischen Phänomene dienen, so dass eine große Anzahl em pirischer Daten miteinander verknüpft und verstanden werden können. Mit dem Konzept der Autopoiesis wollen deren Erfinder betonen, dass lebende Systeme autonome Einheiten sind. Das Konzept ist von den Sozialwissenschaften aufgegriffen worden und in die Systemtheorie, besonders diejenige Luhmannscher Ausprägung integriert worden. Ansatzweise wird im Hauptstichwort ►Selbstorganisation auf es zurückgegriffen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Maturana, H. R. und B. Pörksen: Vom Sein zum Tun: Die Ursprünge der Biologie des Erkennens. Heidelberg (Auer) 2014
Awards
▶ Qualitätsauszeichnungen
▶Selbsterzeugung ▶Selbstorganisation Das Kunstwort Autopoiesis (griech. autos = selbst; poiein = machen, erzeugen) wurde 1972 von Humberto Maturana geprägt, um damit Autonomie und zirkuläre Organisation lebender Systeme begrifflich zu charakterisieren. Anhand des Begriffs Autopoiese soll dabei die Autonomie lebender Systeme expliziert und in einer grundlegenden Synthese ein vollständiges Verständnis biologischer Phänomene (Fortpflan-
AZAV
Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung. Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 02.04.2012. Sie regelt die Akkreditierung von Fachkundigen Stellen und die Zulassung von Bildungsträgern und Bildungsmaßnahmen der Arbeitsförderung. Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/azav/index.html
••• ⨀⨀⨀ •••
68
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe B Bildungsqualität
Karl-Oswald Bauer
Business Exzellenz durch TQM
B Business Reengineering
Christian Malorny
Benchmarking
Michèle Etienne
Hendrik Schröder
Beschwerdemanagement
Balanced Scorecard Begriffsdiagramme Norbert Thom Bernd Stauss
Beschaffenheitsmanagement Betriebliches Vorschlagswesen
Business Process Model and Notation (BPMN)
Big Data Bombenwurfstrategie Business Exzellenz
Michael Ziegenbein
Hans-Dieter Zollondz
B
Babbage, Charles
Balanced Scorecard (BSC)
Babbage, Charles
sein Werk intensiv rezipierte. „Als einer der letzten Universalgelehrten musste er vergeblich gegen die Engstirnigkeit und Phantasielosigkeit seiner Zeitgenossen anrennen, weil er ihnen auf vielen Gebieten so weit voraus war.“ [3] Hans-Dieter Zollondz, Vichy
▶Arbeit
Begriffliche Explikation
Britischer Ökonom und Computerpioniere
„‚Babbage sag, wovon träumst du?‘, worauf ich erwiderte: ‚Ich denke daran, dass all diese Tafeln (worauf ich auf die Logarithmen deutete) von einer Maschine berechnet werden könnten‘.“ (frei nach Ch. Babbage)
Charles Babbage (1791*-1871†) war Astronom, Mathematiker, Philosoph und Ökonom und verstand sich als Erfinder. Er gilt als Denker der Arbeitsteilung und früher Computerpionier, der auch in der Geschichte der Informatik oft unterschlagen wird. Dabei erfand er eine Rechenmaschine, die Analytical Engine, die Vorläuferin des modernen Computers. 1828 erhielt er eine Professur an der University of Cambridge, hielt aber keine Vorlesungen. In seinem Standardwerk „The economy of machinery and manufactures“ (engl. 1832) formulierte er qualitätsbezogene Ansatzpunkte der industriellen Produktion. Sein Hauptthema war in der Ökonomie – wie später auch bei Charles Winslow ►Taylor – die Arbeitsteilung, die Schaffung und der Einsatz von Maschinen. Das von ihm in der Folge ehrgeizig verfolgte Projekt der Difference Engine, einer Weiterentwicklung seiner Analytical Engine, konnte jedoch nie als eine funktionsfähige Maschine abgeschlossen werden. Bei seiner Theorie der Arbeitsteilung folgte er dem gleichen Denkansatz, welcher der Entwicklung der Rechenmaschine zugrunde lag: ◼ Zunächst geht es um die Zerlegung – die Analyse – der einzelnen Elemente und ◼ dann um deren synthetische Rekombination zu einem zweckmäßig funktionierenden Ganzen.
Anthony Hyman, der späte Biograph von Babbage, bemerkt, dass er einer der letzten Universalgelehrten war, der auf vielen Gebieten der Wissenschaft und der Technik seiner Zeit weit voraus war. So beeinflusste er u. a. auch Karl Marx, der
Literatur
[1] Babbage, Charles: Die Ökonomie der Maschine. Erweiterte und redigierte Fassung auf Grundlage der Übersetzung von G. Friedenberg aus dem Jahr 1833. Berlin 1999 [2] Babbage, Charles: Passagen aus einem Philosophenleben. Berlin 1997 [3] Hyman, A.: Charles Babbage, 1791-1871. Philosoph, Mathematiker, Computerpionier. Stuttgart 1987
Baka Yoke
▶Narrensicherheit ▶Poka Yoke ▶Toyota Produktionssystem (TPS) ▶Shingo Shigeo Als Shigeo ►Shingo Anfang der 1960er Jahre sein Fehlervermeidungskonzept entwickelte nannte er es Baka Yoke: ◼ Baka ◼ Yoke
= Narr/Idiot = unbeabsichtigter Fehler, Vermeidung.
Das Englische kennt hierfür den Begriff „foolproofing“, im Deutschen ist die Übersetzung „narrensicher“ geläufig. Shingo Shigeo hat diesen ersten Zugang zum Begriff dann aber reflektiert, als ihm erzählt wurde, dass sich eine Mitarbeiterin persönlich verletzt sah, als Narr bezeichnet zu werden [1]. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Benennung unglücklich gewählt worden war und führte dafür ►Poka Yoke ein. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Shingo, S.: Zero Quality Control. Cambridge (Productivity Press) 1985, 33
Balanced Scorecard (BSC)
▶de: Ausgewogenes Kennzahlensystem ▶EFQM-Modell ▶Performance Measurement ▶Qualitätskennzahlen ▶Qualitätsbezogene Kosten ▶Qualitätskostenmanagement ▶Qualitätscontrolling 1 Was ist die Balanced Scorecard? Die Balanced Scorecard (abgestimmter, ausgewogener Berichts-/Planungsbogen-Ansatz), kurz BSC genannt, ist ein integriertes System von Kennzahlen, das Finanzkennzahlen mit den für die Strategie eines Unternehmens wesentlichen Aspekten von Kunden, internen Prozessen und Innovationen verbindet. Seit den ersten Veröffentlichungen Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts hat dieses System in den USA
71
Begriff
Den Arbeitsprozess fasste er als kooperative Ganzheit auf. Der Preis der Arbeitskraft lässt sich dadurch bestimmen, dass die für die einzelnen, unterschiedlich schwierigen Verrichtungen benötigten Qualifikationen berücksichtigt werden. Je höher die notwendigen Qualifikationen sind, umso höher ist auch die Entlohnung, und umgekehrt. Dadurch können die Lohnkosten insgesamt gesenkt werden. Das ist das sogenannte Babbage-Prinzip, das darauf zielt zentrale Merkmale für den Arbeitsprozess zu bestimmen, wobei die Arbeitskraft selbst als der entscheidende Faktor angesehen wird, der die Prozessqualität bestimmt.
B
Begriff
Balanced Scorecard (BSC)
B
Balanced Scorecard (BSC)
hohe Beachtung erfahren und ist inzwischen in einer großen Zahl von Unternehmen quer durch alle Branchen eingeführt. Schätzungen zufolge sollen bereits 1996 60% der Fortune100-Unternehmen mit der BSC arbeiten [1].
◼ ◼ ◼ ◼
Da die Balanced Scorecard das Verbindungsglied zwischen der Unternehmensstrategie und den operativen Aktivitäten herstellt, bietet sie ein hervorragendes System zur Messung und Umsetzung von Strategien. Mit dem traditionellen Modell des Rechnungswesens, das mit Jahres- und Quartalsbilanzen regiert und eine finanzielle Berichterstattung ermöglicht, lassen sich lediglich finanzielle Kennzahlen erstellen, die die Ergebnisse abgeschlossener Aktionen wiedergeben. Die folgenden von Kaplan & Norton aufgeworfenen strategisch-taktischen Fragen lassen sich mit solchen traditionellen Kennzahlensystemen, die eher eine Zahlenhierarchie darstellen, nicht beantworten [2]:
Während die finanziellen Kennzahlen lediglich vergangene Ereignisse reflektieren, was früher durchaus ausreichte, da Investitionen in langfristige Fähigkeiten und Kunden beziehungen nicht erfolgskritisch waren, sind heute zukünftige Werte durch Investitionen in Kunden, Unterlieferanten, Mitarbeiter, Prozesse, Technologien und Innovationen zu schaffen. Die Balanced Scorecard ergänzt finanzielle Kennzahlen vergangener Leistungen um die treibenden Faktoren zukünftiger Leistungen. Die Ziele und Kennzahlen der BSC werden von der Vision und Strategie des Unternehmens abgeleitet. Die Ziele und Kennzahlen fokussieren die Unterneh mensleistung aus den genannten vier Perspektiven. Sie bilden den Rahmen für die Balanced Scorecard [3]:
◼ Wie sehen uns die Kunden? (Kundenperspektive) ◼ Worin müssen wir uns auszeichnen? (Interne Perspektive) ◼ Können wir uns weiter steigern und Wert schaffen? (Innovations- und Wissensperspektive)? ◼ Wie sehen wir unsere Aktionäre? (Finanzielle Perspektive). Die BSC setzt an diesen Fragen an. Sie gleicht dem Cockpit eines Flugzeugs, dessen Instrumente auf vier Ebenen Werte anzeigen, die dann ausgewogen und abgestimmt (engl. balanced) einen schlüssigen Zusammenhang ergeben. Abbildung B01 sind folgende Sachverhalte zu entnehmen: Als Leitlinie zur Entwicklung von Geschäftsstrategien dienen Vision und Strategie. Es werden entsprechend den vorher genannten Leitfragen vier strategische Ebenen unterschieden:
finanzwirtschaftliche Perspektive interne Geschäftsprozesse Kundenperspektive Lern- und Entwicklungsperspektive
„Bereichsleiter können nun messen, inwieweit ihre Geschäftseinheiten für gegenwärtige und zukünftige Kunden wertschöpfend arbeiten und inwieweit sie ihre internen Mög lichkeiten und Investitionen in Personal, Systeme und Abläufe aufrechterhalten müssen, um in Zukunft ihre Leistung noch zu steigern. Die Balanced Scorecard erfaßt die kritischen Wertschöpfungsaktivitäten, die durch ausgebildete, motivierte Mitarbeiter geschaffen werden.“ Sie offenbart die Werttreiber für wichtige, langfristige und wettbewerbsfähige Leistungen.“
2 Die Blanced Scorecard als Managementsystem Es leuchtet unmittelbar ein, daß die BSC mehr als eine ad hoc-Sammlung von Leistungsmessern ist. Aus der Perspektive eines top-down-Prozesses werden die treibenden FakAbb. B01: Die Balanced Scorecard als Rahmen zur Umsetzung einer Strategie in operative Größen toren abgeleitet. Mission und Strategie sind die treibenden Finanziell n en e l Faktoren. Mitt els der BSC m n zah be ah le nn rga ßn „Wie sollen Zie Ke Vo Ma werden Mission und Strategie wir gegenüber Teilhabern aufeiner Geschäftseinheit in matreten, um finanziellen Erfolg zu terielle Ziele und Kennzahlen haben?“ übersetzt [4]: Lernen und Entwicklung
„Wie können wir unsere Veränderungs- und Wachstumspotentiale fördern, um unsere Vision zu realisieren?“
Interne Geschäftsprozesse
n len n me zah be ah le nn rga ßn Zie Ke Vo Ma
„In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen?“
Vision und Strategie
Kunde
„Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen?“
Quelle: [2], S. 9
72
en len n zah be hm le nn rga ßna Zie Ke Vo Ma
n len n me zah be ah le nn rga ßn Zie Ke Vo Ma
„Die Kennzahlen sind eine Balance zwischen extern orientierten Meßgrößen für Teilhaber und Kunden und internen Meßgrößen für kritische Ge schäfts prozesse, Innovation sowie Ler nen und Wachstum. Die Kennzahlen halten die Balance zwischen den Meß größen der Ergebnisse vergangener Tätigkeiten und den Kennzahlen, welche
Balanced Scorecard (BSC)
Balanced Scorecard (BSC)
zukünftige Leistungen antreiben. Und die Scorecard ist ausgewogen in bezug auf objektive, leicht zu quantifizierende Ergebniskennzahlen und subjektive, urteilsabhängige Leistungstreiber der Ergebniskennzahlen.“ Demzufolge ist die BSC mehr als ein operatives Messsystem, sie ist ein strategisches Managementsystem, mit der eine Strategie langfristig verfolgt werden kann. Mit ihr lassen sich kritische Managementprozesse meistern. Finanzielle und nicht finanzielle Kennzahlen sind mit ihr ein Teil des Infor mationssystems für Mitarbeiter aller Organisationsebenen. Ausführende Mitarbeiter müssen die finanziellen Konsequen zen ihrer Handllungen und Entscheidungen kennen und die Geschäftsleitung muß die treibenden Faktoren für langfristigen finanziellen Erfolg kennen. Mit dem strategischen Handlungsrahmen der BSC wie er in Abbildung B02 dargestellt ist, lassen sich die folgenden kritischen Managementprozesse meistern [5]: ◼ „Klärung und Herunterbrechen von Vision und Strategie, ◼ Kommunikation und Verknüpfung von stra tegischen Zielen und Maßnahmen, ◼ Planung, Festlegung von Zielen und Abstimmung strategischer Initiativen, ◼ Verbesserung von strategischem Feedback und Lernen.“ Letzten Endes ist die Balanced Scorecard also gleichzeitig ein Managementsystem, das Unternehmenskennzahlen abprüft, und ein Lern- und Kommunikationsmittel: Mitarbeiter des Unternehmens können im Idealfall daraus Handlungsanweisungen für ihre tägliche Arbeit ableiten.
3 Balanced Scorecard und das EFQM-Modell Wie gezeigt werden konnte steht mit der BSC ein Managementsystem zur Verfügung, das strategische und zukunftsorientierte Messungen der Unternehmensleistung auf der Grundlage von ausbalancierten Kenn zahlentafeln ermöglicht. Mit dem ►EFQM-Modell verfügt das Qualitätsma nagement über einen Bewertungsansatz, dem die folgende Annahme zugrundeliegt: Hohe Führungsqualität verbunden mit ausgeprägter Mitarbeiter- und Kundenorientierung führen in Verbindung mit wirksamer Ressourcensteuerung und ►Prozessmanagement zu herausragenden Geschäftsergebnis sen. Beide Ansätze, so stellen Schmutte & Tasch fest, bieten so die Ausgangsbasis für eine ganzheitliche Entwicklung der Organisation [6]: „Während jedoch im EFQM-Modell eine qualitative Bewertung der Unternehmensperformance anhand der neun EFQM-Kriterien im Vordergrund steht, geht es im Rahmen der Balanced Scorecard um die aktuelle Messung relevanter Merkmale im Rahmen eines quantifizierbaren Kennzahlengerüsts. Darüber hinaus richtet sich das Mess-System der Balanced Scorecard zukunftsorientiert an der strategischen Zielsetzung des Unternehmens aus.“ Der Vorschlag zielt darauf ab, die beiden Ansätze miteinander zu verknüpfen. Das Vorgehensmodell geht von einem Wechsel spiel aus, das mit einem EFQM-Assessment beginnt, mit der Entwicklung einer spezifischen BSC fortsetzt, um dann den Veränderungsprozess zu starten und zu implementieren. Die Steuerung des Business-Exzellenz-Prozesses erfolgt durch die BSC und wird durch die jährlichen EFQM-Assessments im Rahmen der strategischen Planung geeicht.
Abb. B02: Die Balanced Scorecard als strategischer Handlungsrahmen Formulierung und Umsetzung von Strategie und Vision ◼ Formulierung der Vision ◼ Konsensfindung
Kommunikation und Verbindung ◼ Komunikation und Ausbildung ◼ Zielsetzung ◼ Verknüpfung von Leistungskennzahlen mit Anreizen
Strategisches Feedback und Lernen Vision und Strategie
Planung und Vorgaben ◼ Vorgaben bestimmen ◼ Abstimmung strategischer Maßnahmen ◼ Ressourcenverteilung ◼ Meilensteine festlegen
◼ Artikulation oder gemeinsame Vision ◼ Strategisches Feedback ◼ Strategiereview und strategisches Lernen ermöglichen
„Darüber hinaus tragen die EFQM-Assessments zur Bereinigung und periodischen Neuausrichtung der Balanced Scorecard bei, indem sie auf neue Themen hinweisen, die in der Scorecard abgebildet werden müssen, während manche Kennzahlen möglicherweise ihre Bedeutung verloren haben.“ [7] Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass jeweils für sich genommen Methodenpotential verschwendet wird. Mit beiden Ansätzen im Wechselspiel lassen sich Leistungs fortschritte im Veränderungsprozess erzielen, die sonst nicht zu erreichen sind.
Quelle: [2], S. 10
73
B
Balanced Scorecard (BSC)
Balanced Scorecard (BSC) bereits zum Standard wissen des modernen Managements und soll te zum Basiswissen des Qualitätsmanagements gehören. Bedacht werden muß allerdings: Nur wenn die EFQM-Ergebnisse Qualitätskennzahlen durch BSC-Perspektiven eine Reihe von begründeten Ursachen- und Wirkungsbeziehungen miteinander verknüpft werden, kann dieser Ansatz im Qualitätsmanagement Früchte bringen. M. Reiche hat jüngst nachgewiesen, daß dies möglich sein kann [11]. In einem umfassenden Beitrag wird neuEFQM-Befähiger erdings gezeigt, dass es im Rahmen des Six-Sigma-ProjektmaBSC-Treiber nagements erfolgversprechend ist sowohl auf die Balanced Scorecard wie auch auf die Selbstbewertung nach dem EFQM-Modell zurückzugreifen: „Die Blanced Scorecard unterstützt damit die Ermittlung strategisch relevanter Ziele für Six-Sigma-Projekte, in denen die betroffenen Prozesse bzw. Teilprozesse optimiert werden.“ [12]
Abb. B03: Die Architektur der TQM-Scorecard auf der Basis des EFQM-Modells
B
9a Finanzen 5.9 Interne Prozesse 3 Mitarbeiterorientierung
6.8 Kunde / Markt
2 Politik & Strategie
7 Mitarbeiter/ Innovation 4 Ressourcen
1 Führung Quelle: [8], S. 33
4 Die TQM-Scorecard Im Anschluß an eine Analyse der Balanced Scorecard von Kaplan/Norton und des RoQ-Ansatzes von ►Kamiske kommt O. Wolter zu dem Ergebnis, dass beide Ansätze aufgrund ihrer Mehrdimensionalität geeignet sind im Zusammenhang mit dem EFQM-Modell die Grundlage für eine TQM-Scorecard zu bilden [8]. Die Architektur ist in Abbildung B03 skizziert. Es ist leicht erkennbar, dass die EFQM- und BSC-Elemente im Zusammenhang aufeinander bezogen worden sind. Mit Hilfe dieser TQM-Scorecard soll die Strategie eines qualitätsorientierten Unternehmens umgesetzt werden. Ausgangspunkt bilden bei diesem Top down-/Bottom up-Ansatz Vision und Mission des Unternehmens. Die TQM-Scorecard ist für das ►Benchmarking geeignet und besteht aus der Führungs-Scorecard und der Systementfaltung. Mit diesen beiden Vorgehensweisen sollen die Kennzahlen definiert werden. Sie kann sowohl zu Planungs-, wie auch Kontroll- und Vergleichszwecken eingesetzt werden. Der Verfasser entwickelt ein komplexes Anwendungsmodell [9]. 5 Bedeutung der BSC für das Qualitätsmanagement Es konnte gezeigt werden, dass die aus dem ►Controlling entstandene BSC sowohl als alleinige Anwendung Kategorien des Qualitätsmanagements verwendet wie auch in Kombination mit eingeführten QM-Modellen des TQM interessante Perspektiven für ein zukünftiges Qualitätsmanagement erkennen läßt. Das Qualitätsmanagement hat die BSC bislang nur ansatzweise und sporadisch aufgegriffen. Auch die Verbindung mit Ansätzen der ►Lernenden Organisation und des ►Wissensmanagements stehen noch aus [10]. Der BSC-Ansatz als integriertes Kennzahlensystem ist nicht mehr wegzudenken aus dem Controlling und gehört wohl
74
Bleibt hervorzuheben, dass Kaplan & Norton die BSC aus dem einfachen Vier-Perspektiven-Modell weiterentwickelt haben zu einer allgemeinen Strategy Map (dtsch. auch Strategie-Landkarte): „In der Strategy Map kommt eine zweite Dimension hinzu, die die zeitbezogene Dynamik einer Strategie illustriert; des Weiteren werden durch den höheren Grad an „Körnigkeit“ die Klarheit und Fokussierung verbessert. … Somit stellt die Strategy Map die (bisher) fehlende Verbindung zwischen Formulierung und Realisierung einer Strategie her.“ [13] Sie zeigt ansatzweise die Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen den Perspektiven auf und wird oft als grafische Darstellung kommuniziert. Im Strategy-MapDiagramm wird aufgezeigt, wie immaterielle Ressourcen und Mitarbeiterkompetenzen in finanzielle Ergebnisse umgewandelt werden. Dass dies kein linearer Kausalprozess sein kann, sollte allen bewusst sein. Insofern empfiehlt es sich in diesem Zusammenhang das Catchball-Prinzip des japanischen ►Hoshin Kanri zu beachten. In [14] weisen Kaplan & Norton darauf hin, vermissen jedoch einen Rahmen, den sie in einem umfassenden Strategiemanagement sehen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Weber, J.; U. Schäffer: Balanced Scorecard & Controlling. Implementierung. Nutzen für Manager und Controller. Erfahrungen in deutschen Unternehmen. Wiesbaden (Gabler) 1999, S. 1 [2] Kaplan, R. S.; Norton, D. P.: Balanced Scorecard. Strategien erfolgreich umsetzen. Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 1997 (am. 1996) [3] s. [2], S. 8
Barnard, Chester Irving
US-amerikanischer Manager
Barnard, Chester Irving Chester Irving Barnard (1886-1961), der sein Studium an der Harvard University nie zum Abschluss gebracht hatte und seine wissenschaftlichen Studien als Hobby betrieb, sah als einer der ersten Wirtschaftspraktiker und Manager die Organisation als offenes System, in dem das Handeln der Mitglieder vergleichbar mit dem Nervensystem eines Körpers funktioniert. Die Schlüsselrolle in der Organisation sah er folglich im System der Kommunikation (►Kommunikation in Führung und Qualitätsmanagement). Einflussgebend für seinen organisatorischen Ansatz soll der Gedankenaustausch mit Elton Mayo gewesen sein. Literatur
Barnard, Ch. I.: The Functions of the Executive. , Cambridge (Mass.) (Harvard University Press) 1938 (dtsch. Die Funktion der Exekutive 1938)
Baumdiagramm ▶ M7
Baumusterprüfung
▶Zertifizierungssysteme Die (EG-)Baumusterprüfung ist die technische Prüfung eines Produkts durch eine benannte Stelle. Diese prüft, ob das Pro-
dukt mit den entsprechenden EG-Richtlinien übereinstimmt. Wenn das Produkt mit den EG-Richtlinien übereinstimmt, wird eine Baumusterprüfbescheinigung ausgestellt. Diese ist dann erforderlich, wenn bei Maschinen und Sicherheitsbauteilen nach Anhang IV der EG-Maschinenrichtlinie (►Produktsicherheitsgesetz) harmonisierte Normen nicht oder nur teilweise angewendet wurden. Dies gilt auch dann, wenn harmonisierte Normen (noch) nicht existieren.
Beauftragter der obersten Leitung ▶Qualitätsbeauftragter
Bedarfsbedingtes Fehlprodukt
DIN-Term
[4] s. [2], S. 10 [5] s. [2], S. 11 [6] Schmutte, A. M.; Tasch, D.: Gemeinsam stark. EFQM-Modell und Balanced Scorecard im Business-Excellence-Prozeß. In: QZ, Jahrg. 44 (1999), Heft 12, S. 1502 [7] s. [6], S. 1505 [8] Wolter, O.: TQM Scorecard. Die Balanced Scorecard in TQMgeführten Unternehmen umsetzen. München-Wien (Hanser) 2000 [9] Wolter, O.: Entwicklung eines TQM-Kennzahlensystems zur erfolgreichen Unternehmensnavigation. In: Kamiske, G. F. (Hrsg.): Der Weg zur Spitze. München-Wien (Hanser) 1998 [10] Wertvolle Hinweise finden sich in [1] [11] Reiche, M.: Qualität im Fokus. Mit dem EFQM-Modell zu erfolgreicher Mitarbeiter- und Kundenorientierung. In: QZ 45 (2000) Heft 6, S. 744-746 [12] Reißinger, W., Voigt, Th. und R. Schmitt: Six Sigma. In: Pfeifer, T. und R. Schmidt (Hrsg.) Masing Handbuch Qualitätsmanagement. 5. Auflage, München-Wien (Hanser) 2007, S. 265 [13] Kaplan, R. S. und Norton, D. P.: Strategy Maps. Der Weg von immateriellen Werten zum materiellen Erfolg. Stuttgart (SchäfferPoeschel) 2004, S. 8 [14] Kaplan, R. S. und Norton, D. P.: Der effektive Strategieprozess. Frankfurt am Main (Campus) 2009, S. 20
Begriffsdiagramme
▶en: nonconforming product due to demand ►Fehlprodukt, bei dem die ►Qualitätsforderung sowohl dem Nutzungszweck entsprach als auch in der Fertigung erfüllt wurde, für das aber ein Bedarf nicht oder nicht mehr oder nicht im Umfang des bestehenden Vorrats besteht.
Anmerkung: Frühere Bezeichnungen für ein bedarfsbedingtes Fehlprodukt waren z. B. Ladenhüter oder unbrauchbares Material. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
Befragung
▶Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement
Begeisterungseigenschaften ▶Kano-Modell
Begriffsdiagramme
▶en: concept relationships ▶Qualitätsaudit ▶Tätigkeitsbegriffe des QM ▶ISO 9000:2015-10 | ISO 9001:2015-10 Es gibt viele Betrachtungsweisen zur Systematisierung von Begriffen. Die neuere Normung im Qualitätsmanagement hat dem Rechnung getragen, indem sie dem interessierten Leser die verschiedenen Perspektiven in Form von Begriffssystemen und Begriffs-Teilsystemen anschaulich vermittelt. Auf Sinn und Zweck solcher Begriffsdiagramme geht bereits W. Geiger ein [1]. Begriffsdiagramme sind seit der ISO 9000:2000 Bestandteil von Managementnormen. Hier im Lexikon finden sich Teildiagramme beispielhaft unter den Stichwörtern ►Qualitätsaudit und ►Tätigkeitsbegriffe des QM. Abbildung B04 zeigt das Begriffsdiagramm der Basisbegriffe der ISO 9000. Die Ableitungen und Zusammenhänge machen die Denkweise derjenigen transparent, die die Norm geschaffen haben. Wer beispielsweise den Qualitätsbegriff in sein Betrachtungszentrum rückt, wird beim Studium der Beziehungen zu aufschlussreichen Erkenntnissen gelangen. Insofern sind solche Diagramme auch didaktische Hilfen der Erkenntnisgewinnung [2]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
75
B
Begriffsdiagramme
Behandlung fehlerhafter Einheiten
Abb. B04: Begriffsdiagramm zu den Basisbegriffen der DIN EN ISO 9000-family (Ausschnitt) [1, 2] System Aus zusammengehörigen oder zusammenwirkenden Elementen bestehende Einheit
B
Einheit Etwas Wahrnehmbares oder Vorstellbares
Forderung Festgelegte oder typi scherweise vorausgesetzte Notwendigkeit oder Erwartung
Fähigkeit Eignung einer Einheit, ein Produkt zu realisieren, das die Forderung an dieses Produkt erfüllen wird
Konfiguration Gegenseitige Anordnung der Elemente eines Systems
Managementsystem System zur Festlegung von Politik und Zielen sowie zur Erreichung dieser Ziele
Beschaffenheit Gesamtheit der Merkmale und Merkmalswerte, die zur Einheit selbst gehören
Oberste Leitung Personengruppe oder Einzelperson, die eine Organisation auf oberster Ebene führt und überwacht
Qualitätsbezogen Die Erfüllung von Qualitätsforderungen betreffend
Qualität Realisierte Beschaffenheit einer Einheit bezüglich Qualitätsforderung
Management Koordinierte Tätigkeiten zur Festlegung von Politik und Zielen sowie zur Erreichung dieser Ziele
Festgelegte Forderung Festgelegte Notwendigkeit oder festgelegte Erwartung
QMSystem Qualitätsbezogenes Managementsystem
Qualitätsmanagement Management bezüglich Qualitätsforderung
Anspruchsklasse Rangindikator für unterschiedliche Qualitätsforderungen an Einheiten für dieselbe funk tionale Anwendung
Qualitätsforderung Gesamtheit der Einzelforderungen an die Beschaffenheit einer Einheit
Qualitätsfähigkeit Qualitätsbezogene Fähigkeit
Qualitätsplanung Teil des QM, gerichtet auf die Festlegung und Erklärung der Qualitätspolitik, der Qualitätsziele und der Qualitätsforderungen sowie auf die Spezifizierung, wie diese zu erreichen bzw. zu erfüllen sind*)
Qualitätslenkung Teil des QM, gerichtet auf die Erfüllung der Qualitätsforderungen
QMDarlegung Teil des QM, gerichtet auf die Schaffung von Vertrauen, daß relevante Qualitätsforderungen erfüllt sein werden
Qualitätsverbesserung Teil des QM, gerichtet auf die Steigerung von Effektivität und Effizienz
Qualitätsprüfung Teil des Qualitäts managements, gerichtet auf die Feststellung, inwieweit eine Einheit die an sie gerichtete Qualitätsforderung erfüllt
*)Qualitätsplanung ist also die Entwicklung der Qualitätsforderungen an Tätigkeiten und Ergebnisse auf allen Ebenen der Organisation.
Legende Hierarchische Begriffsbeziehungen
[1] Geiger, W.: Qualitätslehre. 3. Auflage. Braunschweig (Vieweg) 1998, S. 103-106 [2] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Qualitätsmanagement. 3. Auflage. München (Oldenbourg) 2011, S. 33
76
Assoziative Begriffsbeziehungen
Behandlung fehlerhafter Einheiten
▶en: disposition of nonconformity Auszuführende Maßnahme zur Behandlung einer vorhandenen fehlerhaften ►Einheit, um den ►Fehler zu beseitigen. Anmerkung: Die Maßnahme kann z. B. die Form einer Korrektur annehmen wie etwa Reparatur oder ►Nacharbeit, Neueinstufung, Ausschuss, ►Sonderfreigabe (nach Realisierung), Berichtigung ei nes ►Dokuments oder eine Zusatzforderung. Normquelle: DIN EN ISO 8402:1995-08 Qualitätsmanagement – Be griffe – Norm zurückgezogen ⟪Originalbegriff⟫
ISO-Term
Literatur
Partitive Begriffsbeziehungen
Beherrschter Prozess
Automatismus: Was an anderer Stelle erfolgreich praktiziert wird, ist die Erfolgsgarantie für die eigene Unternehmung.
DIN-Term
Benchmarking
▶en: process in control Prozess, bei dem sich die Parameter (DIN 55350-21) der Verteilung der Merkmalswerte (DIN 55350-12) des Prozes ses praktisch nicht oder nur in bekannter Weise oder in bekannten Grenzen ändern.
ISO-Term
Anmerkung 1: Dieser Begriff kennzeichnet stochastische Kenngrößen eines Prozesses, nicht etwa seine ►Qualitätsfähigkeit. Oft ist ein beherrschter Prozess zwar eine wichtige Voraussetzung für die Erfüllung der ►Qualitätsforderung an sein Ergebnis, aber es gibt auch Fälle, in denen er keine hinreichende Voraussetzung ist, oder in denen er als Voraussetzung nicht erforderlich ist. Anmerkung 2: Sind die Ursachen für die Änderungen der Parameter auch nur teilweise unbekannt oder nicht korrigierbar, ist es ein nicht beherrschter Prozess. Anmerkung 3: Eine beherrschte Fertigung ist eine Fertigung, bei der die Prozesse beherrscht sind. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
behördliche Anforderung
▶en: regulatory requirement verbindliche ►Anforderung , festgelegt durch eine von einem Gesetzgeber mandatierte Behörde Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Belohnungssysteme
▶Implementierung von QM-Systemen
Begriff
Benchmarking 1 Entwicklung und Definition Der Begriff Benchmarking hat seit Ende der 80er Jahre eine zunehmende Verbreitung in der Literatur und eine wachsende Beachtung in der Praxis erfahren. Zu den Vorreitern im anglo-amerikanischen Sprachraum gehören Camp (1989), Leibfried/McNair (1992) und Watson (1993); zu den ersten Veröffentlichungen in Deutschland zählen Horváth/Herter (1992), Gerpott (1994) und Karlöf/Östblom (1994). Heute – 2015 – weist die Suche im Internet Hunderte von Werken aus; viele nehmen die Perspektive bestimmter Branchen und Funktionen ein, wie z. B. Immobilien, Hotels, Flughäfen, Krankenhäuser und öffentliche Verwaltung sowie Produktentwicklung, Beschaffung, Logistik und Finanzierung. Mit der Diskussion um die Konzeption des Benchmarkings sind anfangs auch Vorbehalte geäußert worden, vornehmlich in der Praxis: Benchmarking sei reines Abkupfern und daher wenig erfolgversprechend, Benchmarking ersetze fehlende Kreativität, ohne die man im Wettbewerb nicht bestehen könne, oder es fehlten die erforderlichen Anwendungsvoraussetzungen, um Benchmarking praktizieren zu können. Offenbar hat die Welle zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema Benchmarking, vielfach unter publikumswirksamen Überschriften wie Messen an den Besten, World’s Best Practices oder Orientierung an Spitzenleistungen, einige Irritationen und Missverständnisse ausgelöst. Damit könnte mancherorts der falsche Eindruck entstanden sein, Benchmarking sei ein
Um den Nutzen und die Forderungen des Benchmarkings richtig zu kommunizieren, ist es zweckmäßig, sich auf konstitutive Merkmale zu verständigen. Benchmarking ◼ verfolgt das Ziel, die Wettbewerbssituation zu verbessern, ◼ sucht systematisch nach Vorbildern und dies nicht nur in der eigenen Unternehmung und in der eigenen Branche, sondern auch darüber hinaus, ◼ fragt nach den Erfolgsursachen und den Übertragungsvoraussetzungen, ◼ beschränkt sich nicht auf identische Übernahmen im Sinne von 1:1-Kopien, sondern sucht nach intelligenten Verbindungen aus Bewährtem und Neuem, ◼ stellt hohe Anforderungen an das Management während des gesamten Benchmarking-Prozesses. Benchmarking ist somit eine anspruchsvolle ManagementMethode, die ein fundiertes betriebswirtschaftliches Knowhow voraussetzt, vor allem was die inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhänge von Erfolgskonzepten, Erfolgsursachen und Erfolgsgrößen anbelangt [1]. 2 Zielsetzungen und Vorbilder Benchmarking soll sich bei der Suche nach Spitzenleistungen an den Bedürfnissen der Kunden orientieren. Dies schließt neben externen auch interne Kunden ein. Nicht nur die marktbezogenen Leistungen gilt es zu verbessern, sondern ebenso die innerbetrieblichen Leistungen, die als Investition in die Marktleistung zu verstehen sind. Ziele des Benchmarkings betreffen die zentralen Parameter des Wettbewerbs: Qualität, Zeit und Kosten (►QTK-Kreis). Die Qualität der Leistungen lässt sich erhöhen, wenn das Fehlschlagrisiko eigener Entwicklungen und die Produktion nicht ausgereifter Leistungen vermieden werden. Die Zeit für Forschung, Entwicklung und Tests neuer Konzepte lassen sich verringern, indem man auf bewährte Praktiken zurückgreift. Die Kosten der eigenen Forschung und Entwicklung lassen sich reduzieren, wenn die Kosten der Suche, Anpassung und Implementierung erfolgreicher Praktiken niedriger sind. Empirische Untersuchungen zeigen für die Mitte der 1990er Jahre allerdings, dass viele Unternehmungen nur ein minimales Benchmarking-Programm absolvieren und die Suche nach erfolgreichen Praktiken keineswegs systematisch betreiben [2]. Der Verzicht auf ein systematisches Benchmarking kann dann ◼ Eigenentwicklungen hervorbringen, die schlechter sind als vorhandene Lösungen, ◼ vermeidbare personelle und finanzielle Mehrbelastungen verursachen sowie ◼ Nachteile im Zeitwettbewerb auslösen oder verstärken – „Das Rad wird neu erfunden“.
77
Begriff
Beherrschter Prozess
B
Benchmarking
B
Intelligentes Benchmarking soll mehr bieten als die reine Imitation von Spitzenleistungen der Konkurrenz. Denn bei einer 1:1-Kopie und auch bei einer Variante, die sich zwar an die Unternehmungsbedingungen anpasst, aber keine neuen Elemente enthält, könnte sich tatsächlich die Vermutung bestätigen: Wer nur in die Fußstapfen des Konkurrenten tritt, wird ihn allenfalls einholen, jedoch nie überholen. Dies mag zwar durchaus zweckmäßig sein, um erste Verbesserungen zu erzielen. Benchmarking soll aber nicht nur dazu beitragen, Wettbewerbsnachteile zu kompensieren, sondern auch eigene Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Hierzu bietet sich die innovative Imitation an [3], die bewährte Bausteine mit neuen Elementen kombiniert. Von wesentlicher Bedeutung für die Erreichung der gesetzten Ziele ist, wo nach Vorbildern gesucht wird. Hier kann zwischen internem und externem Benchmarking unterschieden werden [4]. Bei der Suche nach Vorbildern in der eigenen Unternehmung spricht man von internem Benchmarking, bei Vorbildern in konkurrierenden Unternehmungen, in anderen Unternehmungen derselben Branche und anderer Branchen von externem Benchmarking.
Benchmarking 3 Der Prozess des Benchmarkings Benchmarking hält keine Patentrezepte bereit, sondern fordert seine Anwender zu einer aktiven, zielorientierten und kritischen Mitarbeit auf. Der Benchmarking-Prozess sollte – wie es auf ähnliche Weise z. B. bei Xerox, Ford, Motorola, Asea Brown Boveri oder AT&T geschah und geschieht – folgende Phasen umfassen, die teilweise parallel oder mit Rückkopplungen verlaufen:
(a) Definition des Gegenstandes, der dem Benchmarking unterzogen wird Im ersten Schritt ist zu definieren, in welchem Bereich sich die Unternehmung verbessern will. Inhalte des Benchmarkings können sein: ◼ persönliche Verhaltensweisen, z. B. das Auftreten bei der Abwicklung von Beschwerden, ◼ Strategien, z. B. der Eintritt in neue Märkte, ◼ Prozesse, z. B. die Betreuung von Kunden eines Autohauses, oder ◼ Produkte, wie z. B. die Benutzerfreundlichkeit eines Softwareprogramms. (b) Auswahl der Personen, die sich an dem Benchmarking-Prozess beteiligen Internes und konkurrenzorientiertes Benchmarking dienen Eine Schlüsselposition nehmen Personen ein, die gegenin erster Linie dazu, vorhandene Prozesse oder Produkte zu über Änderungen offen sind, ihr individuelles Wissen optimieren und so den Abstand zur Konkurrenz zu verkürzen mit anderen teilen und dadurch Prozesse des organisa(Abbildung B05). Die Orientierung an Vorbildern anderer tionalen Lernens (►Lernende Organisation) initiieren Betriebe der eigenen Branche, mit denen man nicht in Konund fördern. Benchmarking ist aber keinesfalls nur eine kurrenz steht, kann Profilierungsmaßnahmen liefern, um die Aufgabe des Top-Managements. Es sollten sich alle angeKonkurrenz zu überholen. Erfolgreiche Praktiken fremder sprochen fühlen, die bereit sind, Verbesserungsprozesse Branchen weisen den Charakter von Früherkennungsmaßeinzuleiten und mitzutragen. Auch sind frühzeitig diejenahmen auf. Sie haben in der eigenen Branche einen hohen nigen einzubeziehen, die von Veränderungen betroffen Innovationsgrad und können daher mit erheblichen Kosten-, werden („Betroffene zu Beteiligten machen“). Qualitäts- und ZeitvorteiAbb. B05: Ziele, Fokus und Mittel des Benchmarkings len verbunden sein. Hierzu zwei Beispiele: Ein HerstelZiele, Fokus und Mittel des Benchmarkings ler von Leiterplatten lernte von einem Großkonditor Mittel Fokus des Benchmarkings eine andere Art, Produkte zu Ziele verpacken. Dadurch ließ sich die Ausschussquote deutlich reduzieren. Die Luftfahrtge- Der Konkurrenz Früherkennung Betriebe anderer Branchen vorauseilen sellschaft Southwest Airlines fand bei dem Ablauf eines Boxenstops in der Formel 1 Anregungen, um die Boden- Die Konkurrenz Profilierung andere Betriebe der Branche zeiten ihrer Maschinen zwi- überholen schen zwei Flügen zu halbieren. Benchmarking bedeutet also Konkurrenz keineswegs, sich nur an den Besten der Besten zu messen. Die Konkurrenz Optimierung Vielmehr steht die systema- einholen tische Vorgehensweise im intern Vordergrund, erfolgreiche Praktiken zu sehen und zu verstehen.
78
Benchmarking (c) Festlegung der Kenngrößen, die untersucht und verbessert werden sollen Dieser Schritt ist der Dreh- und Angelpunkt des Benchmarking-Prozesses. Hier auftretende Fehler stellen das Ergebnis des gesamten Vorgehens in Frage. Die Kenn größen sollen ermöglichen, die Leistungs lücken der eigenen Unternehmung im Vergleich zu der branchenbesten Unter neh mung aufzudecken, nicht-identische Vergleichsobjekte vergleichbar zu machen, wie z.B. der Boxenstop eines Rennwagens der Formel 1 und der Bodenaufenthalt eines Flugzeuges, sowie Ziele für die Ent wicklung der eigenen Unternehmung zu identifizieren, um die branchenbeste Unternehmung einzuholen oder zu überholen. Zentrale Forderungen bei der Festlegung der Kenngrößen sind, dass sie hinreichend genau formuliert werden, Rückschlüsse auf die Erfolgsursachen erlauben, die zeitlichen Interdependenzen mit den Erfolgsursachen berücksichtigen und transparent im Hinblick auf die eingesetzte Messmethode sind. In der BenchmarkingPraxis treten an dieser Stelle offenbar die meisten Versäumnisse ein. Neben ökonomischen Größen, wie z. B. Umsatzrendite, durchschnittlicher Lagerbestand und Personalkosten, können vorökonomische Größen als Maßstab dienen, wie z. B. Bekanntheitsgrad, Image und Kundenzufriedenheit. Insbesondere die ►Kundenzufriedenheit ist in Deutschland – nicht zuletzt wegen des seit 1992 alljährlich aufgestellten Deutschen Kundenbarometers – in den Mittelpunkt des Interesses von Wissenschaft und Praxis gerückt. Der Nutzen aus der Verwendung von Zufriedenheitswerten stellt sich aber erst ein, wenn die aus der Zufriedenheitsforschung gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt werden. Dazu gehört z. B., dass zufriedene Kunden nicht unbedingt treue Kunden sind oder dass identische Zufriedenheitswerte von Verbrauchern mit verschiedenen emotionalen, kognitiven und konativen Mustern stammen [5]. (d) Ermittlung der Leistungslücke im Vergleich zum stärksten Wettbewerber Entweder besteht die Leistungslücke in einem Rückstand zum stärksten Wettbewerber oder in einem Vorsprung. Im zweiten Fall wäre die eigene Unternehmung der Branchenprimus, was aber nicht den Verzicht auf Bench marking bedeuten sollte. Vielmehr ist zu fragen, wie der eigene Vorsprung gehalten und ausgebaut werden kann. (e) Bestimmung der Orte, wo nach Spitzenleistungen gesucht werden soll Erfolgreiche Praktiken lassen sich in der eigenen Unternehmung, in konkurrierenden Unternehmungen sowie in Unternehmungen derselben oder anderer Branchen finden. Benchmarking ist aber nicht auf den Vergleich mit identischen Objekten beschränkt. Je weiter sich der Suchraum von der eigenen Unternehmung und der eigenen Branche entfernt, desto weniger werden sich identische Vergleichsobjekte anbieten. Vielmehr ist nach
Benchmarking Ähnlichkeiten zu suchen, die z.B. zwischen dem vorbildhaft organisierten Prozess einer branchenfremden und der eigenen Unternehmung bestehen. Benchmarking erfordert daher hohe Fachkompetenz, das Denken in Analogien, das Verlassen bekannter Denkmuster („Out of the Box“) und die Bereitschaft zur inner- und zwischenbetrieblichen Kooperation. (f) Durchführung der Datensammlung Benchmarking verfolgt nicht den Zweck, alle denkbaren Daten zu sammeln, sondern die für die Erreichung des angestrebten Zieles relevanten Daten. Zahlenfriedhöfe sind daher zu vermeiden [6]. Die am Benchmarking-Prozess beteiligten Personen müssen wissen, welche Daten relevant sind und erhoben werden sollen. (g) Auswertung der Daten und Informationen Insbesondere ist zu prüfen, inwieweit die entdeckten Spitzenleistungen auf die eigene Unternehmung übertragen werden können. (h) Umsetzung der Spitzenleistung Alternativ bieten sich an: die 1:1-Kopie, die Anpassung erfolgreicher Praktiken an die Bedingungen der eigenen Unternehmung und die Kombination mit neuen Elementen. (i) Kontrolle der Ergebnisse und des Benchmarkingprozesses Dieser Schritt ist nicht nur wichtig, um die Soll- mit den Ist-Größen zu vergleichen und den Zielerreichungsgrad zu bestimmen. Er sagt darüber hinaus etwas über den Erfolg des Benchmarking-Prozesses aus. Hat sich die Suche nach erfolgreichen Praktiken bewährt, ist dies ein Anreiz, künftig diesen Weg wieder zu beschreiten. Andernfalls muss der Benchmarking-Prozess selbst Gegenstand von Verbesserungsüberlegungen werden. 4 Probleme bei der Umsetzung eines Benchmarking Konzeptes Der Durchführung eines Benchmarking-Prozesses können zahlreiche Hindernisse entgegenstehen. (a) Die Unternehmung lehnt Benchmarking grundsätzlich ab, weil sie Nachahmungen und Imitationen als nicht vereinbar mit ihren Werten und Normen ansieht. (b) Die Unternehmung besitzt Vorurteile gegenüber Erfahrungen Dritter. Eine erste Ursache ist, dass man bestimmten Ländern oder Unternehmungen keine Kompetenz zubilligt („Not-Invented-There-Syndrom“). Folglich wird der Suchraum von vornherein stark eingeschränkt, und das systematische Lernen von diesen Quellen scheidet aus. Eine zweite Ursache ist die fälschliche Ansicht, dass sich fremde Strategien und Prozesse nicht auf die eigene Unternehmung übertragen lassen („Not-InventedHere-Syndrom“). (c) Während des Benchmarking-Prozesses zeigen sich Störungen in der Kommunikation. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie können von Desinteresse und Ignoranz über die Profilierung der eigenen Person oder Abteilung bis hin zur gezielten Vorenthaltung oder Manipulation von Wissen reichen.
79
B
Benchmarking
B
Benutzerinformation
(d) Soweit Benchmarking damit verbunden ist, altes Wissen zwingend durch neues ersetzen zu müssen, korrespondieren Lernen und Ent-Lernen direkt miteinander. Die fehlende Bereitschaft zur Aufgabe alten Wissens behindert den organisationalen Lernprozess. Die Abneigung zu entlernen wird umso größer sein, je besser und je länger die betroffene Person ihre Aufgaben mit dem alten Wissen bewältigen konnte (►Wissensmanagement; ►Lernende Organisation). (e) Bestimmte Formen der Unternehmungsorganisation behindern das Benchmarking. Als lernfeindliche Organisationsform werden bürokratische Strukturen eingestuft. Durch Überbürokratisierung entstehen „Misstrauensorganisationen“ (►Vertrauensorganisation), in denen an die Stelle von Präzision und Straffheit Pedanterie und Kontrollen treten. Damit wird der Zugriff auf interne und externe Informationen erschwert oder unmöglich. Wenn sich der gewünschte Erfolg nicht einstellt, steht möglicherweise die Methode des Benchmarkings im Kreuzfeuer der Kritik. Die Konsequenz kann sein, dass das Benchmarking an Akzeptanz verliert und die Unternehmung künftig auf das planmäßige Lernen von Vorbildern verzichtet. 5 Das Informationssystem des Benchmarking Die Identifikation und Nutzung von Informationsquellen ist ein Schlüsselbereich des Benchmarkings. Der Wunsch, Informationen über erfolgreiche Praktiken der Wettbewerber oder anderer Unternehmungen zu erhalten, wird aber selten von den Vorbildern selbst erfüllt. Insoweit sind Personen und Medien zu suchen, die diese Lücke schließen können. Zur Datenerhebung greift das Benchmarking auf das Instrumentarium der Sekundär- und Primärforschung zurück: Dokumentenanalysen, Befragungen, Gespräche und Beobachtungen. Es empfiehlt sich, nach dem Grad der Verfügbarkeit vorzugehen. Zunächst sind diejenigen Quellen zu nutzen, bei denen man mit vergleichsweise niedrigem Aufwand die gewünschten Informationen erhält, wie exemplarisch in AbbilAbb. B06: Bausteine eines Informationssystems für das Benchmarking Bausteine eines Informationssystems für das Benchmarking
1 2 3 4 80
Durchführung von Befragungen, z.B. bei ◼ Lieferanten ◼ Kunden ◼ Beratern
Beobachtung von Geschäftsstätten, z.B. ◼ Konkurrenz ◼ andere Betriebe derselben Branche ◼ branchenfremde Betriebe
Auswertung von Sekundärmaterial, z.B. ◼ Außendienstberichte ◼ Fachzeitschriften ◼ Betriebsvergleiche
Nutzung bestehender Kommunikationsbeziehungen, z. B. ◼ ◼ ◼ ◼
informelle Kommunikation interne Arbeitskreise unternehmungsübergreifende Arbeitskreise Seminare und Kongresse
dung B06 dargestellt. Empirische Studien belegen [7], dass bei den Informationssystemen des Benchmarkings ein erheblicher Verbesserungsbedarf bestehen kann. Univ.-Prof. Dr. Hendrik Schröder, Essen Anmerkungen und Literatur
[1] Schröder, H.: Benchmarking – Konzept, Probleme und Erfolgsvoraussetzungen. In: R. Weber (Hrsg.): Handbuch Servicemanagement, Landsberg 1997, Kap. II - 4.3 [2] Schröder, H.: Benchmarking im Handel: Minimalprogramm. In: absatzwirtschaft, Heft 9/1996, S. 94-99 [3] Levitt, Th.: Innovative Imitation. In: Harvard Business Review, Heft Sept.-Oct./1966, S. 63-70 [4] Leibfried, K.; McNair, C.: Benchmarking. Von der Konkurrenz lernen, die Konkurrenz überholen, Freiburg i. Br. 1993 [5] Gierl, H.: Zufriedene Kunden als Markenwechsler. In: absatzwirtschaft, Heft 2/1993, S. 90-94 [6] Rau, H.: Benchmarking. Die Fehler der Praxis. In: Harvard Business Manager, Heft 4/1996, S. 21-25 [7] Schröder, H.: Benchmarking im Handel – allzu selten. In: Harvard Business Manager, Heft 2/1998, S. 17-25 [8] Camp, R.: The Search for Industry Best Practice That Lead to Superior Performance, New York 1989 [9] Gerpott, T.J.: Intelligentes Benchmarking als Mittel zur Neuausrichtung an Wettbewerb und Markt. In: Booz, Allen & Hamilton (Hrsg.): Gewinnen im Wettbewerb, Stuttgart 1994, S. 51-78 [10] Horváth, P.; Herter, R.: Benchmarking. Vergleich der Besten mit den Besten. In: Controlling, Heft 1/1992, S. 4-11 [11] Karlöf, B.; Östblom, S.: Das Benchmarking Konzept, München 1994 [12] Leibfried, K.; McNair, C.: Benchmarking, A Tool for Continuous Improvement, New York 1992 [13] Watson, G.H.: Strategic Benchmarking. How to Rate Your Company‘s Best Performance against the World‘s Best, New York 1993 [14] Zdrowomyslaw, N.; Kasch, R.: Betriebsvergleiche und Benchmarking für die Managementpraxis: Unternehmensanalyse, Unternehmenstransparenz und Motivation durch Kenn- und Vergleichsgrößen, München, Wien 2002
Benchmarks
▶Benchmarking
Benutzerinformation
▶en: information for use, user information | fr: l’information de utilisateur Oberbegriff für Gebrauchsanleitung, Bedienungsanleitung, Benutzerhandbuch, Be triebs anleitung, Technische Anleitungen aller Art. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Benannte Stellen
▶en: notified bodies ▶Zertifzierungssysteme – Konformitätsbewertung EU
ISO-Term
Beobachter (ISO 9000:2015)
Berliner TQM-Umsetzungsmodell
Beobachter (ISO 9000:2015)
begehrten Award zu gewinnen. Das vom Fachbereich Qualitätswissenschaft an der Technischen Universität Berlin entwickelte Berliner TQM-Umsetzungsmodell verspricht denjenigen Hilfe, die das EFQM-Modell implementieren wollen [1]:
▶en: observer
Person, die das ►Auditteam begleitet, aber nicht als ein ►Auditor handelt
Anmerkung 1 zum Begriff: Ein Beobachter kann ein Vertreter der auditierten ►Organisation sein, ein Vertreter einer Behörde oder einer anderen ►interessierten Partei, die bei dem ►Audit Beobachtungen vor Ort vornimmt. [Quelle: ISO 19011:2011, 3.11, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Beobachter (Systemtheorie)
▶en: observer ▶Qualität als systemtheoretischer Begriff
„Zu jedem Kriterium des EFQM-Modells sind im Berliner TQM-Modell mehrere Module definiert, mit denen die Bewertung dienenden Kriterien mit praktischen Maßnahmen hinterlegt werden.“ Da eine gelingende Umsetzung davon abhängt, dass die Führungkräfte von der Notwendigkeit der TQM-Strategie nicht nur überzeugt sind, sondern die Inhalte von TQM auch vorleben, beginnt das Modell mit einem voraussetzenden Startmodul, das aus folgenden Inhalten besteht [2]:
In der Systemtheorie von Niklas Luhmann ist der Beobach◼ Vermittlung der Grundeinstellung ter ein Systembegriff, also keine reale Person, die beobachtet. ◼ Diskussion fördernder und hemmender Faktoren Damit weicht der systemtheoretische Beobachtungsbegriff ◼ Ausarbeitung einer unternehmensspezifischen Zielsetvon dem alltägliche Beobachtungsbegriff insofern ab, dass zung in der Alltagssprache Beobachten als Aktivitä von Menschen ◼ Gründung eines Steuerkreises verstanden wird. Der Mensch resp. das Abb. B07: Module und Arbeitspakete als Steuerungsinstanzen der menschliche Bewusstsein kann beobachten. TQM-Einführung nach dem Berliner TQM-Umsetzungsmodell In der Systemtheorie beobachtet das System indem es Unterscheidungen trifft. Es vermag Module Arbeitspakete nicht alles zu beobachten, womit klar ist, das Meinungsbildung ◼ Orientierungsseminar TQM sog. blinde Flecken entstehen, die der Beo◼ Wirtschaftlichkeitsrechnung bachtung nicht zugänglich sind, ihr aber in ◼ „Best Practice“-Beispiele einem weiteren Schritt zugänglich gemacht Entscheidung werden können. Beobachtung stellt sich als Abbruch NEIN zur Einführung systeminterne Operation dar, die immer von TQM eine Konstruktion eines Systems ist, wie JA sich am Beispiel des Thermostaten zeigen lässt. Das Qualitätsmanagement hat die ◼ Vermittlung der Grundeinstellung Startmodul ◼ Diskussion fördernder und hemmender Beobachtung, wie sie in der Systemtheorie Faktoren konstitutiv ist und recht ausführlich thema◼ Ausarbeitung einer unternehmensspezitisiert wird, nicht zur Kenntnis genommen. fischen Zielsetzung ◼ Gründung eines Steuerkreises Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur Luhmann, N.: Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1984
Selbstbewertung
Benchmarking
Modulauswahl durch das HoQ
Berliner TQM-Umsetzungmodell = Berliner TQM-Modell ▶Total Quality Management (TQM) ▶Business Exzellenz durch TQM
Unternehmen, die das EFQM-Modell für ihre eigenen Zwecke nutzen wollen, können dies nicht direkt aus den Modellbeschreibungen der EFQM heraus umsetzen. Dieses Problem werfen alle Modelle auf, die als Bewertungsmodelle entwickelt wurden, also dazu dienen, um errechnen zu können wieviele Punkte erreicht wurden, um den
Modulbearbeitung
Stabilisierung
◼ Durchführung einer Selbstbewertung nach EEA ◼ Unterstützendes Benchmarking
Auswahl der relevanten Module nach unternehmensspezifischen Prioritäten durch ein House of Quality (HoQ), aufbauend auf den Ergebnissen der Selbstbewertung und des Benchmarking
Bearbeitung der einzelnen Module mit Hilfe von Projektmanagement
◼ Dokumentation der Ergebnisse in einem TQM-Handbuch ◼ Stabilisierung der Projekte durch Überführung in Prozesse
Quelle: Kamiske, G. F. u. Ph. Radtke: Berliner TQM-Umsetzungsmodell. In: Zollondz, H.-D. (Hrsg.): Lexikon Qualitätsmanagement. 1. Auflage. München-Wien (Oldenbourg) 2001, 55
81
B
Beschaffenheitsmanagement Die Module sind nach Modulinhalt, Modulzweck und Vorgehensweise differenziert. Zusammen mit den Arbeitspaketen bilden sie auf der Basis der Kriterien des EFQM-Modells den operativen Schwerpunkt [3]. Abbildung B07 zeigt den Stellenwert der Module mit den Arbeitspaketen und Steuerungsinstanzen der TQM-Einführung. Deutlich wird die klare Abhängigkeit vom zu gelingenden Startmodul.
B
Die Implementierung von TQM ist immer ein Projekt der ►Organisationsentwicklung. Deshalb sollte der Anwender des Berliner TQM-Modells dieses mit den Entwicklungsphasen, die Christian ►Malorny in seinem Artikel ►Business Exzellenz durch TQM festgelegt hat, verknüpfen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Brauer, J.-P.: Berliner Umsetzungsmodell. In: Kamiske, G. F. (Hrsg.): Handbuch QM-Methoden. Die richtige Methode auswählen und erfolgreich umsetzen. 2. Auflage. München (Hanser) 2013, 45 [2] s. [1], 45 [3] s. [1], 46
Berufsgenossenschaften
▶Gesundheitsförderung im Unternehmen
DIN-Term
Beschaffenheit
▶en: nature ▶Beschaffenheitsmanagement
Gesamtheit der ►Merkmale und ►Merkmalswerte (DIN 55350-12) einer ►Einheit. – Hinweis auf DIN EN ISO 8402: Entspricht der Bedeutung von „The totality of characteristics“ in mehreren Definitionen, z. B. in der für quality, wobei in dieser Formulierung die Merkmalswerte fehlen. Anmerkung 1: Für „Beschaffenheit“ gibt es im Angloamerikanischen keine eindeutige äquivalente Benennung. Anmerkung 2: Beschaffenheit ist, ähnlich wie Zustand und Ereignis, ein Begriff, dessen komplexe Bedeutung außerhalb von Technik und Wirtschaft nicht Gegenstand einer Norm sein kann. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
Beschaffenheitsmanagement ▶en: nature management ▶Metamanagement
„Die wahren Entdeckungsreise besteht nicht darin, dass man neue Länder sucht, sondern darin, neue Augen zu haben.“ (Marcel Proust [1871-1922])
1 Zur Vorgeschichte „Wenn die Normung außer Stande ist, für in der Praxis wichtige Begriffe vereinheitlichende Benennungen vorzulegen, dann entwickelt die Praxis eine höchst fatale Kreativität. Sie erfindet alle möglichen Benennungen und damit Gelegenheiten, die vielfältigsten Auslegungen eines Begriffs zuzulassen.“ [1] Mit dieser Aussage kritisiert der Qualitätsexperte Walter Geiger die in der Tat zunehmenden Bemühungen je spezifischen Managementaufgaben Managementsysteme zu-
82
Beschaffenheitsmanagement zuordnen. So wird für die Managementaufgabe die Qualität zu verbessern, ein Qualitätsmanagementsystem geschaffen, für die Umwelt zu schützen, ein Umweltschutzmanagementsystem entwickelt, die Gesundheit im Unternehmen zu fördern, ein Gesundheitsmanagementsystem konzipiert, etc., etc. Inzwischen kann wohl kaum eine Managementaufgabe genannt werden, zu der nicht das jeweilige Managementsystem besteht. Was Geiger nicht anspricht: Die nationale und internationale Normung spielt bei dieser Ausuferung mit. Der unübersehbaren Lage Herr zu werden, wird versucht mit sog. Integrierten Managementsystemen als Klammer eine Dachkonstruktion zu schaffen. Von Gesamt oder auch Meta und anderen Begriffen ist die Rede. Gegen diesen Trend setzt Geiger, indem er darauf abhebt, dass es doch nur ein Managementsystem für die Organisation geben kann. Dessen Zielsetzung muss es auch sein, die in rechtlichen Zusammenhängen formulierten Sachverhalte auf Gegenstandsbereiche der Organisation zu beziehen. In Managementsystemen von Organisationen werden alle Arten von materiellen und immateriellen Produkten realisiert. Viele davon sind Angebotsprodukte. Viele andere dienen als interne Produkte der Aufrechterhaltung der Leistungsbereitschaft. Allgemein, systemtheoretisch gedacht, muss es auf dieser Ebene darum gehen, die Differenz zwischen dem Rechts- und Wirtschaftssystem zu erkennen, um sie im zweiten Schritt aufeinander zu beziehen. Diesem Vorhaben wird von Geiger mit dem neuen Begriff Beschaffenheitsmanagement ein Fundament gegeben. Getrübt wird diese Absicht dadurch, dass Recht und Wirtschaft – wie kann es anders sein – unterschiedliche Semantiken für denselben Gegenstandsbereich benutzen. So ist der fachliche Qualitätsbegriff im Recht nicht existent. Dort wird von Beschaffenheiten geredet. Im neuen Schuldrecht (BGB § 434), das seit 2002 in Kraft getreten ist, heißt es zum Begriff der Beschaffenheit [2]: „Grundsätzlich wird der Begriff der Beschaffenheit weit verstanden, selbst wenn man es (…) nicht gänzlich den Parteien überlässt, die Beschaffenheit einer Sache zu bestimmen. (…) Der Begriff der Beschaffenheit ist als solcher ’wertfrei’, d. h. sie kann (und wird) sich regelmäßig auf positive Merkmale der Sache beziehen, kann ebenso aber auch negative Eigenschaften zum Gegenstand haben.“ In der internationalen Normung tauchte der Begriff im Qualitätsbegriff wie folgt auf: „Realisierte Beschaffenheit bezüglich geforderter Beschaffenheit.“ Beschaffenheit selbst wurde als „Gesamtheit der Merkmale und Merkmalswerte, die zur Einheit selbst gehören“ definiert. Doch diese beiden Begriffsfestlegungen sind mehr oder weniger Geschichte (zurückgezogene Norm). Halten wir fest: Im internationalen Qualitätsmanagement ist der Begriff Beschaffenheit (engl. nature) inexistent, und im BGB ist der Qualitätsbegriff eine unbekannte Größe. 2 Was ist Beschaffenheitsmanagement? Geiger will mit dem Beschaffenheitsmanagement kein weiteres (Teil-)Managementsystem einführen. Es soll eine Denkhaltung repräsentieren, die anerkennt, dass es in einer
Beschaffenheitsmanagement
Beschaffenheitsmanagement
dem Wirtschaftssystem fest, dass der Begriff Beschaffenheit Organisation nur ein Managementsystem gibt, das sich auf im Rechtssystem (Schuldrecht) fest verankert ist und sich Beschaffenheiten gründet, an denen sich die ureigensten Managementaufgaben orientieren. Somit kann kein Zweifel durch die ständige Rechtsprechung (Kommentierung) verfebestehen: Die effektive und effiziente Gestaltung der Beschafstigt. Das Rechtssystem ist in Vorlage gegangen. Ein Zurückfenheit aller Einheiten der Organisation, die bisher „Qualigehen auf eine alternative terminologische Festlegung (etwa tätsmanagement“ hieß, ist Schwerpunkt aller ManagementQualität) ist aus der Perspektive des Rechtssystems unwahraufgaben im Managementsystem. Das Funktionieren dieses scheinlich. Jedenfalls wird der ►Beobachter aus dem RechtsBeschaffenheitsmanageAbb. B08: Übersicht Beschaffenheitsmanagement als Schwerpunktaufgabe des Managements ments sei anhand eines Überblicks mit Abbildung B08 veranschaulicht. An dessen Basis ist die Begutachtung (Auditierung oder Assess(auch „Beschaffenheitsmanagement“) ment) und Zertifizierung des Managementsystems 1 2 3 zu erkennen. Die Schwerzielt auf punktsbedeutung des Qualiwird realisiert besteht aus die Erfüllung der im tätsmanagements legt nahe: beschaffenheitsbezogener (also: die Erfüllung von ForSeine seit Jahrzehnten weit QM-System Forderungen derungen [an die jeweiligen entwickelte Systematik sollte an die Beschaffenheiten aller Beschaffenheiten] betrefauch auf alle anderen TeiEinheiten der Organisation, fender) die in Umfang und Schärfe jeweils laufgaben im Managementdurch die Anspruchsklasse bedingt system angewendet werden. sind Das gilt für Forderungen an die Beschaffenheit anderer gemäß der verTätigkeiten und Ergebnisse kündeten und deren Erfüllung im mit seinen Hinblick auf die jeweiligen Qualitätspolitik*) QM-Elementen Zielsetzungen dieser Mader obersten Leitung, nagement-Teilaufgaben, und wobei im Hinblick auf die mittels zwar sowohl für die traditibeschaffenheitsbezogene beschaffenheitsbezogener onell bekannten Teilaufgaben Qualitätsmanagement, Terminmanagement oder Kostenmanagement, die in allen Management-TeilaufPlanung, Lenkung, Prüfung, Verbesserung, gaben anfallen, als auch für spezifischen Managementderen jeweilige Teilaufgaben wie z. B. für Umwelt(schutz)manageFähigkeit … ment, Arbeitsschutzmanage… zur Planung, Lenkung, Prüfung und Verment oder für Teile davon.
Qualitätsmanagement
3 Fazit Die Vorhaben, das Managementsystem einer Organisation auf Beschaffenheiten zu gründen und damit gleichzeitig die Systemlogiken von Wirtschafts- und Rechtssystem anpassen zu wollen, kann nur gelingen, wenn aus beiden Systemen heraus Perspektiven des Beobachtens eingenommen werden. So stellt ein Beobachter aus
besserung in der ganzen Organisation sowie zur Lieferung zufriedenstellender Produkte …
… durch eine unabhängige Zertifizierungsstelle mit einem externen Audit beurteilt werden kann.
… durch die Organisation selbst… … der Zertifizierungsstelle dargelegt werden kann (gehört zur Qualitätssicherung).
… mit einem internen Audit bezüglich Wirksamkeit geprüft werden kann.
*)Anmerkung zur Qualitätspolitik:
Qualitätsziele für die Funktionsbereiche und Ebenen einer Organisation werden nach ISO 9000ff auf der Basis der Qualitätspolitik festgelegt. Quelle: [1], S. 18 (engl. Version S. 19)
83
B
Beschwerde
B
system dies so einschätzen. Die nächste Anpassungsleistung hat somit das Wirtschaftssystem durch seine Organisationen zu erbringen. Es ist flexibel genug dies leisten zu können und seinen Denkstil zu korrigieren, um das hier skizzierte Beschaffenheitsmanagement zu realisieren. Intuitiv richtig geht die ISO einen ersten Schritt auf diesem Weg, indem sie die ►High Level Structure eingeführt hat, um durch eine transparente Nomenklatur im Bereich der Managementnormen die Kommunikation zu verbessern. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Geiger, W.: Beschaffenheitsmanagement – Nature Management. München (Oldenbourg) 2013, S. 26 [2] Förster, Chr.: Schuldrecht Besonderer Teil: Eine Einführung mit Fällen (Start ins Rechtsgebiet). Heidelberg (C. F. Müller) 2012, S. 13f
Beschwerde
▶en: complaint ▶Beschwerdemanagement ▶Reklamation
Artikulationen von Unzufriedenheit, die Kunden gegenüber einer Organisation oder Drittinstitution äußert, um auf ein subjektiv als schädigend wahrgenommenes Verhalten eines Anbieters aufmerksam zu machen, Wiedergutmachung für erlittene Beeinträchtigungen zu erreichen und/oder eine Änderung des kritisierten Verhaltens zu bewirken. Als „unvoiced complaints“ werden Beschwerden bezeichnet, die trotz Unzufriedenheit unterblieben sind. Der Begriff Beschwerde ist abzugrenzen von ►Reklamation.
Beschwerdeanalysen
▶Messung der Dienstleistungsqualität
Beschwerdeauswertung
▶Beschwerdemanagement
Nur wenn das Aufkommen an erhobenen Beschwerden ausgewertet ist, können diese erhobenen Beschwerdedaten auch für weitere Maßnahmen genutzt werden. Im Mittelpunkt der Beschwerdeauswertung „steht die aktive Nutzung der erfaßten Beschwerdeinformationen für Verbesserungsmaß nahmen, um auf diese Weise das zukünftige Auftreten von Kundenproblemen zu vermeiden und Kundenbindung durch Kundenzufriedenheit zu realisieren.“ [1] Ein solcher Ansatz folgt Konzepten zur ►Qualitätsverbesserung, wie sie allgemein im japanischen ►Kaizen und ►KVP-Konzepten formulierte wurden. Beschwerdeauswertungen erfolgen vielfach zunächst quantitativ (Häufigkeitsverteilungen, Pareto-Diagramm, Kreuztabellen {►Q7}). In Stauss & Seidel 1996 werden ausführliche Möglichkeiten der quantitativen Beschwerdeauswertung sowohl was die Auswertungstechnik wie auch was die Illustration betrifft, aufgezeigt [2]. Qualitativer Beschwerdeauswertung werden bestimmte
84
Beschwerdebearbeitung und -reaktion Techniken zugrundegelegt. Schon mit Hilfe der Auswertung auf der Grund lage von ►Ursache-Wirkungs-Diagrammen oder sog. Beschwerde-Problem-Deployments, wie sie von Stauss & Seidel vorgestellt wurden, führen zu Ursachen, die – im Team analysiert – Planungsergebnisse für konkrete Verbesserungsmaßnahmen darstellen. Intensive Beschwerdeauswertung auf dieser Basis sollte im Hinblick auf ein Be schwerdemanagement-Controlling [3] betrieben werden, um langfristigen Nutzen zu bringen. Literatur
[1] Stauss, B.; Seidel, W.: Beschwerdemanagement. Fehler vermeiden – Leistung verbessern – Kunden binden. München-Wien: Hanser 1996, S. 173 [2] s. [1], S. 174-201 [3] s. [1], S. 221-274
Beschwerdebearbeitung und -reaktion ▶Beschwerdemanagement ▶Prozessmanagement
Zum Bereich der Beschwerdebearbeitung und -reaktion zählen Stauss & Seidel die internen und externen Prozesse die von der Organisation einzurichten sind, um Beschwerdemanagement als ►Wertschöpfungsprozess zu installieren, um nicht einem einzelfallbezogenen konzeptlosen Hin- und Heragieren zu verfallen. Dieser Ansatz verlangt folgendes schrittweises Vorgehen [1]: zessen: Der ◼ „Identifikation und Definition von Pro Beschwerdebearbeitungsprozess muss zunächst einmal generell erfaßt und dann genau und verständlich beschrieben werden. Dazu gehört auch, daß die Prozeßgrenzen und die Schnittstellen innerhalb des Prozesses klar definiert werden. ◼ Festlegung von Prozessverantwortung: Für den Gesamtprozess sowie für die einzelnen Bearbeitungsschritte innerhalb des Prozesses sind verantwortliche Abteilungen/ Personen zu benennen. ◼ Festlegung von Kontrollpunkten: Es müssen eindeutige Bearbeitungszeiträume sowie klare Aufgabenprofile für jede Bearbeitungsstufe fixiert werden. ◼ Prozessmessung und -korrektur: Mechanismen zur Überwachung von Terminen und zur Einhaltung von Aufga ben pro filen sind zu installieren, um den Grad der Zielerreichung kontrollieren und rechtzeitig Korrekturmaßnahmen ergreifen zu können.“ Dieser Ansatz verlangt eine klare Struktur, in der die Verantwortlichkeiten eindeutig geregelt sind. Bewährt hat sich ein Vorgehen, das unterschiedliche Verantwortungsebenen festlegt [2]: ◼ Für den gesamten Beschwerdemanagementprozess ist der Process Owner zuständig. ◼ Auf der Ebene der Einzelfall-Bearbeitung ist der Complaint Owner zuständig. ◼ Die Bearbeitungsstufen (Fallprüfung, Zwischenbe-
Beschwerdemanagement scheide verfassen etc.) zählen zum Zuständigkeitsbereich von Task Ownern. Organisationen haben jeweils zu prüfen, inwieweit diese Funktionen personell zu trennen sind, oder ob der Prozess nicht teilweise ganzheitlich organisiert werden kann. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Stauss, B.; Seidel, W.: Beschwerdemanagement. München-Wien: Hanser 1996, S. 126 [2] s. [1], 138-146
Beschwerdemanagement
Begriff
▶ en: complaint management ▶ Aktives Beschwerdemanagement-System
1 Grundlagen des Beschwerdemanagements Begriffliches Beschwerdemanagement umfasst die Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen, die ein Unternehmen im Zusammenhang mit Kundenbeschwerden ergreift. ►Beschwerden sind Artikulationen von Unzufriedenheit, die Kunden gegenüber einem Unternehmen oder Drittinstitutionen äußern, um auf ein subjektiv als schädigend wahrgenommenes Verhalten eines Anbieters aufmerksam zu machen, Wiedergutmachung für erlittene Beeinträchtigungen zu erreichen und/oder eine Änderung des kritisierten Verhaltens zu bewirken. Als ►Reklamationen wird die Teilmenge von Beschwerden bezeichnet, in denen Kunden in der Nachkaufphase Beanstandungen von Produkten oder Dienstleistungen explizit oder implizit mit einer Forderung verbinden, die juristisch durchgesetzt werden kann (Abbildung B09). Kundenunzufriedenheit und Beschwerdeverhalten Unzufriedenheit tritt auf, wenn der Kunde eine erhebliche negative Diskrepanz zwischen seinen Erwartungen an ein Produkt oder eine Leistung einerseits und der wahrgenommenen Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität andererseits erlebt. In diesem Falle stehen dem Kunden unterschiedliche Verhaltensweisen zur Verfügung: Er kann abwandern im Sinne eines Marken- oder Unternehmenswechsels, negative persönliche Kommunikation betreiben, völlig inaktiv bleiben oder sich gegenüber dem Unternehmen oder Drittinstitutionen (Schieds- oder Schlichtungsstellen, Verbraucherorganisationen, staatliche Stellen oder Medien) beschweren. Wesentlicher Gegenstand der Beschwerdeforschung ist die Analyse des individuellen Reflexionsprozesses dieser Handlungsalternativen und die Erklärung des empirisch vielfach nachgewiesenen hohen Anteils an „unvoiced complaints“, d. h. an unterbliebenen Beschwerden trotz Unzufriedenheit. Vor allem folgende Faktoren beeinflussen die Beschwerdebereitschaft: Beschwerdekosten, d. h. die Höhe der dem Kunden entstehenden materiellen, zeitlichen und psychischen Kosten; Beschwerdenutzen im Sinne des subjektiven Wertes der vom Anbieter gewünschten Reaktion unter Berücksich-
Beschwerdemanagement tigung der angenommenen Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde; Produktmerkmale wie die Bedeutung des Produktes in finanzieller und sozialer Hinsicht; Problemmerkmale, vor allem die Eindeutigkeit, mit der die Problemursache vom Anbieter zu verantworten ist, und das Ausmaß, in dem es sich um ein manifestes Problem mit geringem subjektiven Bewertungsspielraum handelt; personenspezifische Merkmale, und zwar soziodemographische (Alter, Geschlecht, Einkommen), psychographische (Produktkenntnis, Selbstbewusstsein, Beschwerdeerfahrung, Persönlichkeitsmerkmale) sowie Verhaltensmerkmale (Kommunikations- und Interaktionsverhalten) und situationsspezifische Merkmale (Existenz von Beschwerdebarrieren). Neben der Analyse von Determinanten des Beschwerdeverhaltens wird im Rahmen der Beschwerdeforschung untersucht, wie die unternehmerische Reaktion auf Beschwerden vom Kunden wahrgenommen und verarbeitet wird und wie sich die (Un-)Zufriedenheit der Beschwerdeführer mit der unternehmerischen Antwort auf die Einstellung sowie das Kommunikations- und Kaufverhalten der Beschwerdeführer auswirkt. Zu den zentralen Ergebnissen entsprechender Untersuchungen gehören folgende Erkenntnisse: ◼ Beschwerdeunzufriedenheit führt tendenziell zu einer weiteren Verschlechterung der Einstellung gegenüber Produkt und Unternehmen, zu negativer persönlicher Kommunikation und Abwanderungen. ◼ Beschwerdezufriedenheit führt in hohem Maße zu Einstellungsverbesserungen, positiver persönlicher Kommunikation und besonders ausgeprägter Marken- und Unternehmensloyalität. ◼ Die persönliche Kommunikation im Falle von Beschwerdeunzufriedenheit ist (noch) ausgeprägter als im Falle der Beschwerdezufriedenheit. 2 Ziele des Beschwerdemanagements Das Globalziel des Beschwerdemanagements liegt darin, Gewinn und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens dadurch zu erhöhen, dass ►Kundenzufriedenheit wiederhergestellt, die negativen Auswirkungen von Kundenunzufriedenheit auf das Unternehmen minimiert und die in Beschwerden enthaltenen Hinweise auf betriebliche Schwächen und marktliche Chancen genutzt werden. Daraus ergeben sich Teilziele, die sich schwerpunktmäßig den Bereichen des Kundenbeziehungsmanagements und des Qualitätsmanagements zuordnen lassen. Kundenbeziehungsrelevante Teilziele: (a) Stabilisierung gefährdeter Kundenbeziehungen bzw. Vermeidung von Kundenverlusten durch Herstellung von (Beschwerde-)Zufriedenheit; (b) Erzielung von Mehrkäufen durch Erhöhung von Kaufintensität und Kauffrequenz sowie Förderung des CrossBuying-Verhaltens; (c) Stärkung eines kundenorientierten Unternehmensimages;
85
B
Beschwerdemanagement
Beschwerdemanagement
Abb. B09: Beschwerdearten und Eingrenzung des Begriffsverständnisses
Beschwerdearten und Eingrenzung des Begriffsverständnisses
B
Beschwerden als Äußerungen von Unzufriedenheit Beschwerdeführer: Mitglieder anderer Anspruchsgruppen
Beschwerdeführer: Kunde
Kundenbeschwerden Beschwerdeadressat: Drittinstitution (z. B. Medien)
Beschwerdeadressat: Unternehmen
Direkte Beschwerden Beschwerdeobjekt: Gesellschaftspolitisches Verhalten
Angebotsbezogene Beschwerden
Reklamationen
(d) Schaffung zusätzlicher werblicher Effekte mittels Beeinflussung der persönlichen Kommunikation der Beschwerdeführer. Qualitätsrelevante Teilziele: (e) Verbesserung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen durch Nutzung der in Beschwerden enthaltenen Informationen; (f) Vermeidung externer Fehlerkosten; (g) Vermeidung interner Fehlerkosten. 3 Aufgaben des Beschwerdemanagements Die Ziele des Beschwerdemanagements lassen sich nur erreichen, wenn für unzufriedene Kunden leicht zugängliche Beschwerdekanäle geschaffen werden, eine sach- und problemgerechte Beschwerdereaktion und -bearbeitung erfolgt sowie die in Beschwerden enthaltenen Informationen systematisch ausgewertet, im Unternehmen kommuniziert und genutzt werden. Dementsprechend liegen die wesentlichen Aufgaben des Beschwerdemanagements in den Bereichen Beschwerdestimulierung, Beschwerdeannahme, Beschwerdebearbeitung und -reaktion sowie in der Beschwerdeauswertung, dem Be-
86
schwerdereporting und der Beschwerdeinformationsnutzung. Zusätzlich ist im Rahmen eines Beschwerdemanagement-Controllings der Zielerreichungsgrad der Aufgabenerfüllung zu überprüfen. Abbildung B10 gibt einen Überblick über die Einordnung der Teilaufgaben in den gesamten Beschwerdemanagementprozess. Die Zuordnung zum direkten bzw. indirekten Beschwerdemanagementprozess erfolgt danach, ob die Ausführung der Teilaufgaben mit einem direkten Kundenkontakt verbunden ist oder nicht.
3.1 Aufgaben des direkten Beschwerdemanagement prozesses Beschwerdestimulierung Beschwerdeobjekt: Im Rahmen der BeschwerdestiMarktangebot mulierung sollen unzufriedene Kunden dazu bewegt werden, ihre Probleme gegenüber dem Unternehmen vorzubringen. Dabei sind vor allem zwei TeiMit kaufrechtlichem laufgaben zu lösen. Erstens Anspruch des Kunden muss eine Entscheidung über den Beschwerdekanal getroffen werden, d. h. die Frage beantwortet werden, auf welche Weise (mündlich, telefonisch, schriftlich oder elektronisch) und gegenüber welcher Stelle Kunden ihre Beschwerden vorbringen sollen. Diese Entscheidung muss unter den Gesichtspunkten des leichten Zugangs für die Kunden und einer effizienten Beschwerdeerfassung, -reaktion und -bearbeitung erfolgen. Damit ein möglichst hoher Anteil der unzufriedenen Kunden die Reaktionsform Beschwerde und den geeigneten Beschwerdekanal wählt, muss zweitens eine aktive Kommunikation des Beschwerdeweges erfolgen. Mittels unterschiedlicher Kommunikationsmittel (Anzeigen, Verpackungen usw.) können unzufriedene Kunden aufgefordert werden, sich im Problemfall an konkret benannte Personen oder Organisationseinheiten des Unternehmens zu wenden. Schriftliche Beschwerden sind zudem durch Ausgabe von „comment cards“, telefonische Beschwerden durch die Einrichtung eines gebührengünstigen Telefonservices zu fördern. Elektronische Kundenbeschwerden lassen sich insbesondere durch die Einrichtung von Feedback-Seiten im Rahmen von Internet-Homepages stimulieren.
Beschwerdemanagement
Beschwerdemanagement
Abb. B10: Aufgaben des Beschwerdemanagements Direkter Beschwerdemanagementprozess Beschwerdestimulierung
Beschwerdeannahme
Beschwerdebearbeitung
Beschwerdereaktion
zesse und Teilschritte Bearbeitungstermine festzulegen, die durch ein entsprechend ausgestaltetes Mahn- und Eskalationssystem zu überwachen sind.
Beschwerdereaktion Eine zentrale Teilaufgabe im Rahmen der Beschwerdereaktion liegt in der Entscheidung, welche Lösung dem Kunden im Hinblick auf seine Beschwerde angeboten werBeschwerdeBeschwerdeBeschwerdeBeschwerdeden soll. Prinzipiell kommen managementinformationsauswertung reporting finanzielle (Preisnachlass, Controlling nutzung Geldrückgabe, Schadensersatz), materielle (Umtausch, Indirekter Beschwerdemanagementprozess Reparatur, anderes Produkt, Geschenk) oder immaterielle Beschwerdeannahme Kompensationen (Entschuldigung, Information) in Betracht. Die Beschwerdeannahme betrifft den Erstkontakt mit dem Welche Form der Falllösung angeboten wird, muss auf der unzufriedenen Kunden sowie die Erfassung der BeschwerdeGrundlage der Einzelfallprüfung sowie gegebenenfalls uninformationen. Mit ihrer Reaktion auf eine vorgebrachte Beter Berücksichtigung der Bedeutung des beschwerenden schwerde im Erstkontakt bestimmen Unternehmen wesentKunden (Beschwerdepriorität) getroffen werden. Die Wahl lich darüber, ob Kundenunzufriedenheit abgebaut oder noch der Falllösungs wird wesentlich erleichtert, wenn auf eine gesteigert wird. Daher kommt es darauf an, dass Mitarbeiter Beschwerdedatenbank zurückgegriffen werden kann, in der über Beschwerdewege und Bearbeitungsstandards informiert Informationen über Standardprobleme und -lösungen sowie sind sowie über sozialpsychologische Kenntnisse zur Beruüber Individualreaktionen dokumentiert sind, die Hinweise higung der Situation verfügen. Im Rahmen der Beschwerfür analoge Anwendungen liefern. Zum Handlungsfeld der deerfassung geht es darum, das vom Kunden vorgebrachte Beschwerdereaktion gehören auch die Entscheidungen über Problem vollständig, schnell und strukturiert aufzunehmen. Umfang und zeitliche Gestaltung der Kommunikation nach Dabei sind zum einen Entscheidungen über die ErfassungsBeschwerdeeingang. Hier ist festzulegen, welche Rückmelinhalte, zum anderen über die Erfassungsform zu fällen. dungen (z. B. Eingangsbestätigung und Zwischenbescheid) Grundlegende Erfassungsinhalte sind die Beschwerdeinhaltsin welcher Form (mündlich, telefonisch, schriftlich) zu welInformationen (Informationen über das Beschwerdeprochen Zeitpunkten erfolgen sollen. blem, den Beschwerdeführer und das Beschwerdeobjekt) sowie die Beschwerdebearbeitungs-Informationen (Infor3.2 Aufgaben des indirekten Beschwerdemanagementprozesses mationen zur Beschwerdeannahme, Beschwerdebearbeitung Beschwerdeauswertung und Beschwerdelösung). Hinsichtlich der Erfassungsform Beschwerden geben relevante, eindeutige und aktuelle Instehen standardisierte Formblätter und/oder Eingabemaformationen über die vom Kunden wahrgenommenen Prosken software-gestützter Beschwerdemanagementsysteme bleme mit einem Aspekt der unternehmerischen Leistung. zur Verfügung. Darüber hinaus kann die Erfassung teilweise Sie enthalten somit Hinweise auf Schwächen von Produkten den Kunden übertragen werden, indem man sie bittet, ihre und Dienstleistungen sowie auf auf Änderungen in KundenBeschwerden auf einer strukturierten Beschwerdeseite im Inpräferenzen oder Marktchancen. Daher sind die in Beschwerternet zu konkretisieren. Beschwerdebearbeitung In diesem Aufgabenfeld geht es um die systematische Gestaltung der Beschwerdeabwicklung. In einem ersten Schritt müssen unterschiedliche Arten von Beschwerdebearbeitungsprozessen identifiziert und modelliert werden. Daraufhin sind entsprechend den Prinzipien des ►Prozessmanagements Verantwortlichkeiten auf unterschiedlichen Ebenen festzulegen (Abb. B11): für den gesamten Beschwerdemanagementprozess der „Process Owner“, für die Einzelfall-Bearbeitung der „Complaint Owner“ und für die einzelnen Bearbeitungsstufen die „Task Owner“. Auch sind für die verschiedenen Pro-
Abb. B11: Verantwortungsebenen während der Beschwerdebearbeitung Gesamter Beschwerdemanagementprozess
Process Owner
Einzelfallbearbeitung
Complaint Owner
Bearbeitungsschritt
Task Owner
87
B
Beschwerdemanagement
B
den enthaltenen Informationen systematisch auszuwerten. Dabei stehen zwei Aufgaben im Mittelpunkt. Zum einen sind im Rahmen der Beschwerdeanalyse Umfang und Verteilung des Beschwerdeaufkommens zu erfassen. Zum anderen ist eine Rangreihung der von den Kunden wahrgenommenen Probleme vorzunehmen, um Prioritäten für Maßnahmen zur Korrektur und Verbesserung ableiten zu können. Beschwerdemanagement-Controlling Der Aufgabenbereich des Beschwerdemanagement-Controllings umfasst drei Teilbereiche: Evidenz-Controlling, Aufgaben-Controlling und Kosten-Nutzen-Controlling. Zentrales Anliegen des Evidenz-Controllings ist die Ermittlung, inwieweit das Beschwerdemanagement in der Lage ist, die unter den Kunden verbreitete Unzufriedenheit adäquat aufzudecken, d. h. das Ausmaß an nicht artikulierten Beschwerden unzufriedener Kunden zu erfassen sowie den Umfang der zwar artikulierten, aber im Unternehmen nicht registrierten Beschwerden evident zu machen. Das Aufgaben-Controlling überwacht, inwieweit die Aufgaben des Beschwerdemanagements erfüllt werden. Hier sind bezüglich aller Teilaufgaben Qualitätsindikatoren und -standards zu formulieren, deren Einhaltung und Adäquanz laufend zu überprüfen ist. Nur für einen Teil der Leistungsindikatoren können objektive Standards festgelegt werden (z.B. zeitliche Vorgaben für die Schnelligkeit der Beschwerdebearbeitung). In anderen Fällen bietet es sich an, Zufriedenheitswerte als Standards vorzugeben und im Rahmen der Beschwerdezufriedenheitsbefragung zu überprüfen (z.B. die Zufriedenheit mit der angebotenen Problemlösung). Das Kosten-Nutzen-Controlling hat die Funktion, die Kostenund Nutzeneffekte eines Beschwerdemanagementsystems abzuschätzen. Im Kosten-Controlling geht es um die Quantifizierung der Kosten, die bei der Erfüllung der Beschwerdemanagementaufgaben entstehen. Das Nutzen-Controlling quantifiziert die unterschiedlichen Nutzendimensionen des Beschwerdemanagements (Informations-, Wiederkauf- und Kommunikationsnutzen). Der Informationsnutzen besteht primär in der Reduzierung von Fehlerkosten (z.B. Gewährleistungs- und Garantiekosten) als Folge von Korrekturmaßnahmen, die auf der Basis von Beschwerdeinformationen ergriffen wurden. Wiederkauf- und Kommunikationsnutzen werden abzuschätzen versucht, indem man den monetären Erfolg aus dem Kauf- und Kommunikationsverhalten der durch die Beschwerdereaktion zufriedengestellten Kunden ermittelt. Durch Gegenüberstellung von Beschwerdekosten und Beschwerdenutzen lässt sich dann die Rentabilität des Beschwerdemanagements (Return on Complaint Management) berechnen. Beschwerdereporting Die Informationen aus der Beschwerdeauswertung und dem Beschwerdemanagement-Controlling müssen den verschie-
88
Beschwerdemanagement denen internen Zielgruppen zugänglich gemacht werden. Daher sind im Rahmen des Beschwerdereportings Entscheidungen darüber zu treffen, für welche internen Kundensegmente (Geschäftsleitung, Qualitätssicherung, Marketing usw.) welche Auswertungen in welcher Form und in welchen Zeitintervallen verbreitet werden sollen. Beschwerdeinformationsnutzung Ein zentrales Ziel des Beschwerdemanagements liegt darin, einen wesentlichen Beitrag für das Qualitätsmanagement zu leisten. Insofern bedarf es einer systematischen Beschwerdeinformationsnutzung unter Einsatz spezifischer Managementmaßnahmen und Instrumente zur Ursachenanalyse. Hierfür stehen je nach Problemart verschiedene Formen zur Verfügung: Materialprüfungen, Gebrauchstests, Kontrollen des Produktionsablaufs usw. Häufig ist es auch sinnvoll, die Ursachenanalyse von Qualitätsverbesserungsteams unter Verwendung von Problemlösungstechniken wie ►UrsacheWirkungs-Diagrammen oder ►FMEA (Failure Mode and Effect Analysis) durchzuführen. 4 Beschwerdemanagement in Qualitätsmanagement Konzepten Auswertung und Nutzung der in Beschwerden enthaltenen Informationen stellen eine zentrale Grundlage für Initiativen zur kontinuierlichen ►Qualitätsverbesserung dar. Daher ist das Beschwerdemanagement auch integraler Bestandteil aller wichtigen Qualitätsmanagementkonzepte. 4.1 Beschwerdemanagement im EFQM-Modell Zwar wurde der durch die ►EFQM jährlich verliehene Europäischen Qualitätspreis in ►European Excellence Award (EEA) umbenannt, dennoch kann das zugrundeliegende Modell weiterhin als Ausdruck eines unternehmensweiten und kundenorientierten Qualitätsverständnisses verstanden werden. Es zeigt auf, dass Qualität kein isoliertes Phänomen ist, sondern nur im Rahmen eines unternehmensweiten Konzepts realisiert werden kann, das alle Funktionen und Bereiche umfasst. Die neun Elemente des ►EFQM-Modells machen dies deutlich: „Führung“, „Mitarbeiter“, „Strategie“, „Partnerschaft und Ressourcen“ sowie „Prozesse“ und „Produkte und Dienstleistungen“ sollen das Unternehmen befähigen, für alle wesentlichen unternehmerischen Bezugsgruppen (Anteilseigner, Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft) exzellente Ergebnisse zu erbringen. Der Stellenwert des Beschwerdemanagements ist für alle Elemente des EFQM-Modells als hoch einzuschätzen. Vor allem gilt dies für die Modellelemente „Führung“, „Strategie“‚ „Prozesse“, „Produkte und Dienstleistungen“ und „Kundenbezogene Ergebnisse“. Die Führung hat ihre Kundenorientierung durch eine entsprechende Beachtung von Beschwerden und Beschwerdemanagement nachzuweisen. Grundlegende Entscheidungen im Rahmen der Strategie müssen sich auf kundenorientierte Informationen, d. h. auch auf Beschwerdeinformationen, stützen. Ebenso sind die innerbetrieblichen Prozesse sowie die angebotenen Produkte und Dienstlei-
Beschwerdemanagement stungen im Hinblick auf die Bedürfnisse und Forderungen der Kunden zu entwickeln bzw. zu verbessern. Zudem stellen Beschwerden einen wichtigen Indikator für die Kundenzufriedenheit als kundenbezogenes Ergebnis dar.
Literatur
[1] Cook, S.: Complaint Management Excellence, London u.a. 2012 [2] Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ): DGQ-Monitor 2012 Beschwerdemanagement. Auf dem Weg zu exzellentem Service, Frankfurt 2013. [3] Stauss, B.; Seidel, W.: Beschwerdemanagement. Kundenärger abbauen, Wachstum und Gewinne sichern, 5. Aufl., München 2014
Best in Class
▶Benchmarking Ausdruck aus dem ►Benchmarking für Unternehmen, die in einer bestimmten Kategorie besser als alle anderen abschneiden. Quelle: Cleveland, B. et al.: Call Center Management, Wiesbaden (Gabler) 1998, S. 243-262
Bestände
▶Kaizen ▶Muda Im japanischen Kaizen kennzeichnet dieser Be griff ein „schlimmes Übel“. Bestände wer den prinzipiell als Verschwendung (►Muda) bezeichnet, weil es sich um Einheiten handelt, die Kosten verursachen. Bestände müssen immer auf ein Optimum reduziert werden (►Kanban).
Bestimmung
▶en: determination Tätigkeit zur Ermittlung eines oder mehrerer ►Merkmale und ihrer Merkmalswerte
ISO-Term
Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Bestimmungsgemäßer Gebrauch
▶en: fit for use ▶Gebrauchstauglichkeit Verwendungsart, für die ein Produkt nach Angabe des Herstellers geeignet ist. Wenn diese Angabe fehlt, dann ist als bestimmungsgemäßer Gebrauch derjenige anzunehmen, der hinsichtlich Konstruktion und Funktion des Produkts als üblich angesehen werden kann. Diese Festlegung ist in der Betriebsanleitung erforderlich und in Vertragstexten ratsam. Dadurch kann der Hersteller solche Verwendungsarten aus schließen, für die die Maschine nicht geeignet ist.
89
Begriff
Grundsätzlich ist die spezielle Norm für ein Beschwerdemanagement positiv zu bewerten, da sie die Relevanz und die Notwendigkeit einer systematischen Vorgehensweise unterstreicht, die Verantwortung des Topmanagements für die Implementierung des Beschwerdemanagements sowie die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen betont und die wesentlichen Aufgaben des direkten und indirekten Beschwerdemanagementprozesses berücksichtigt. Allerdings weist die Norm auch eine Reihe von problematischen Punkten auf. Eine Schwäche liegt schon in der deutschen Übersetzung, die oft teilweise missverständlich oder sinnentstellend ist. So wird eine in der internationalen Norm nicht vorgesehene begriffliche Einschränkung auf den Spezialfall der ►Re-
B
Begriff
Im engen Zusammenhang mit der DIN ISO 9000er Serie steht die ►DIN EN ISO 10002:2010-5 „Qualitätsmanagement – Kundenzufriedenheit – Leitfaden für die Behandlung von Reklamationen in Organisationen“, die eine Konkretisierung für ein im Qualitätsmanagement angesiedeltes Beschwerdemanagement vornimmt. Die ISO 10002:2010-5 umfasst neben der Einleitung acht Abschnitte, in denen zentrale Begriffe festgelegt, grundlegende Prinzipien definiert, innerbetriebliche Voraussetzungen aufgeführt und wesentliche Forderungen an ein Beschwerdemanagementsystem beschrieben werden. Diese Ausführungen werden ergänzt durch acht informative Anhänge, in denen u.a. Formularbeispiele für die Abfassung von Beschwerden durch Kunden bzw. die Beschwerdeerfassung präsentiert werden.
klamationen vorgenommen; es erfolgen vom üblichen deutschen Sprachgebrauch völlig abweichende Wortschöpfungen („Reklamant“) und fehlerhafte Übersetzungen. In struktureller Hinsicht ist zu beanstanden, dass eine Fülle von Wiederholungen und wechselseitigen Über- und Unterordnungen vorliegt. Auch inhaltlich kann die Norm nicht völlig überzeugen. Vielfach sind die Forderungen sehr allgemein und damit interpretationsbedürftig formuliert, auch werden nicht alle relevanten Managementaspekte thematisiert. Insofern bietet die Norm ISO 10002 primär einen Einstieg in die Thematik und einen ersten Überblick über die Standard-forderungen an ein Beschwerdemanagement. Prof. Dr. Dr. h. c. Bernd Stauss Ingolstadt
Begriff
4.2 Beschwerdemanagement im Rahmen der DIN EN ISO 9001:2008 und DIN EN ISO 10002:2010-5 Auch für die ►DIN EN ISO 9001:2008 „Qualitätsmanagementsysteme – Forderungen“ ist ein kundenorientiertes Qualitätsverständnis charakteristisch, das darauf abzielt, Kundenzufriedenheit durch die Erfüllung der Kundenforderungen zu erhöhen. Diese Sichtweise prägt auch das grundlegende Prozessmodell der Norm, das mit den Forderungen des Kunden beginnt und mit der Zufriedenheit der wertenden Kunden endet. Sowohl für die Ermittlung von Kundenforderungen als auch für die Messung der Kundenzufriedenheit kommt dem Beschwerdemanagement eine zentrale Bedeutung zu. Hinsichtlich der Forderungen gilt es, aus den Beschwerden Informationen über die Erwartungen der Kunden bezüglich der Veränderungen von Produkten und Dienstleistungen zu identifizieren und in den Produktplanungsprozess einzubringen. Bezogen auf die Bewertung der Produkte und Dienstleistungen geben Beschwerden eindeutige Hinweise darauf, dass die Kundenerwartungen nicht erfüllt wurden. Da Beschwerden zudem sehr konkrete Problemschilderungen und Lösungsvorschläge enthalten, liefern sie wertvolle Hinweise für die Erarbeitung von Verbesserungsmöglichkeiten.
Bestimmungsgemäßer Gebrauch
Betriebliches Vorschlagswesen
Best Practice
Auf dem Gebiet der Unternehmensführung lässt sich der ►Codex of Corporate Governance als Best Practice bezeichnen. Spezifische Best Practices wurden nicht nur in ökonomischen Feldern erkannt. So ist der Begriff Good Governance inzwischen ein fester terminus technicus in der Politikforschung. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Begriff
▶ bestmögliche Methode ▶ Gute Praktiken (good practices) ▶ Erfolgsmethode Ein Verfahren, eine Methode, eine Technik, eine Vorgehensweise, das/die immer wieder in der Anwendung erfolgreiche Ergebnisse gezeigt hat. Mit anderen Verfahren wären die erzielten Ergebnisse so nicht erreicht worden. Best Practices können sich auch zu ►Benchmarks entwickeln. Ob Best Practices das bringen, was man von ihnen erwartet, hängt wesentlich von den Bedingungen ab, unter denen Sie eingesetzt werden. So mögen Frontalunterricht und Vorlesung beste Praktiken sein, aber nicht per se, sondern im wohlverstandenen Kontext, also nicht generell. Dass beide Methoden der Didaktik umstandslos auf breiter Front eingesetzt werden, hat nichts damit zu tun, dass sie „bestens“ sind. Insofern ist es auch angebracht manchmal von worst practices zu sprechen.
„Herausragende Vorgehensweisen, Grundsätze, Prozesse oder Methoden, die zu überragender Leistung führen. Da es schwierig ist festzustellen, was ‚beste‘ Praktiken sind, ziehen die meisten Organisationen den Begriff ‚gute Praktiken‘ vor. Möglichkeiten, gute Praktiken außerhalb der eigenen Organisation kennenzulernen, ergeben sich aus ►Benchmarking und außerbetrieblichem Lernen.“ Regelhaft kann gesagt werden: Wenn ein Unternehmen nach einer „best practice“ vorgeht, orientiert es sich an bewährten Systemen, die als Musterbeispiele gelten, kostengüstig erscheinen, die Geschäftsprozesse unterstützen und somit einen De-facto-Standard darstellen. Gerade im Bereich der Kommunikationsindustrie und der IT lassen sich sehr viele Beispiele nennen, die den lernenden Charakter von best practices erkennen lassen.
90
▶Mitarbeiterorientierung Mitarbeiter besitzen die Möglichkeit, aktiv an der Analyse von Problemen, der Erarbeitung von Lösungsansätzen und (i. d. R.) der Umsetzung der Lösungen – vorwiegend im eigenen Arbeitsbereich – mitzuwirken. Die Entscheidung über die Umsetzung wird von übergeordneten Ebenen getroffen, wobei die Mitarbeiter ihre Überlegungen darlegen können.
Betreiber
Wer Geräte oder Maschinen zu deren ►bestimmungsgemäßem Gebrauch nutzt. Dabei kommt es auf den wirtschaftlichen Aspekt der Nutzung nicht an.
Betreuer
▶en: guide
Person, die von der auditierten ►Organisation benannt wird, um das ►Auditteam zu unterstützen [Quelle: ISO 19011:2011, 3.12] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Betrieb
▶ en: operation ▶ Geschäftsprozessmanagement Der Begriff Betrieb wurde 2015 in die Darlegungsnorm ISO 9001:2015 eingeführt. Gemeint ist damit das Betreiben, Aufrechterhalten, Weiterentwickeln usw. einer Organisation. Der Betrieb realisiert sich folglich in den Prozessen innerhalb der Organisation. Er folgt nicht dem in der Betriebswirtschaftslehre gängigen Begriffsverständniss von Betrieb.
Anmerkung 1: Betrieb wurde in der ISO 9000:2015 nicht definiert, lediglich zur Beschreibung organisatorischer Zusammenhänge der ISO 9001:2015 verwendet. Normquelle: ISO 9001:2015-11 ⟪undefinierter Begriff⟫
Betriebliches Vorschlagswesen (BVW)
▶ Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) ▶ Kaizen ▶ Qualitätsverbesserung ▶ Ideenmanagement 1 Grundsätzliches zum Konzept BVW Das Betriebliche Vorschlagswesen ist ein Ansatz, um Mitarbeiter am Betriebsgeschehen (betriebliche Gestaltung/Ver besserung) zu beteiligen. Seine Wurzeln und ersten Beispiele sind im 19. Jahrhundert nachweisbar. Es findet sich erstmals im Generalregulativ von Alfred Krupp (§ 13, 1872): „Anre-
Begriff
Halten wir fest: Best Practices sind keine Normen, können aber zu Normen aufsteigen (►Six Sigma ist so ein Beispiel), können normativ erscheinen und falsch angewandt werden. Sie sind unverbindliche an der Erfahrung gesättigte Empfehlungen, die sich wiederum dem empirischen Verdikt der Prüfbarkeit aussetzen müssen. Wer sie als flexibles Instrument in der Organisation begreift, sie zum Beispiel als Standardisierung von Prozessen zutreffend einschätzt, der denkt richtig. Ändern sich die ►Forderungen, so bleiben die Best Practices nicht mehr dieselben. Sie sind zu revidieren oder sogar zu eliminieren und durch andere zu ersetzten.
Beteiligungsrechte
ISO-Term
Der Begriff Best Practice sollte nicht mit Erfolgsmethode gleichgesetzt werden, weil er dadurch den vergleichenden Charakter verliert. Best Practices sollten nicht absolut gesetzt werden. Sie sind als ein Element einer ►Lernenden Organisation zu verstehen. Die ►EFQM bestimmt Best Practices wie folgt: Begriff
B
Best Practice
Betriebliches Vorschlagswesen
Begriff
gungen und Vorschläge zu Verbesserungen .... sind aus allen Kreisen der Mitarbeiter dankbar entgegen zu nehmen.“ Wie es bei ThyssenKrupp heute heißt, habe sich darauf aufbauend „unser heutiges Ideenmanagement entwickelt.“ (Quelle: http://www.thyssenkrupp-vdm.com/unternehmen/ideenmanagement/Abgerufen am 20.04.2014). Diese Sicht verkürzt die Entwicklung jedoch erheblich. Zwar haben damals um die Jahrhundertwende Firmen wie Lanz, AEG, Borsig, Carl Zeiss und Siemens-Schuckert nachgezogen und es – wie bei Krupp dann auch – zu einem reaktiven Briefkastenwesen entwickelt, aber der entscheidende Impuls zum ►Ideenmanagement kam nicht aus dem Vorschlagswesen selbst, sondern über die japanische Kaizen-Bewegung, die in den 1980er Jahren Europa erreichte. Zuvor wurde es in der Zeit des Nationalsozialismus und interessanterweise auch – wie könnte es anders sein – in der damaligen DDR unter staatlicher Leitung reguliert weitergeführt. In der Nachkriegswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland fristete es – trotz Aufnahme ins BVG – eher ein Mauerblümchendasein. Unter Betrieblichem Vorschlagswesen (BVW) wird heute ein partizipative Ansatz gesehen, mit dem die Zielsetzung verfolgt wird, das Ideenpotenzial aller Mitarbeiter in einer Organisation zu nutzen. In einem weiten Verständnis wird es auch als Element des ►Ideenmanagements gesehen. Die im Rahmen des BVW von den Mitarbeitern eingereichten Verbesserungsvorschläge werden entsprechend festgelegten Bedingungen vergütet. Die Mitarbeiter bringen Vorschläge zur Verbesserung ein, die dann in einem formalisierten Prozess bewertet werden. Als Anreizsystem fungieren i. d. R. Prämien, die sich an der Umsetzung orientieren (erzielte Einsparungen). Vor schlagswesen unterliegen in mitbestimmungspflichtigen Betrieben in Deutschland der Mitbestimmung des Betriebsrates (§ 87 Abs. 1 Ziff. 12 BVG – Initiativrecht des Betriebsrats). Das betriebliche Vorschlagswesen setzt juristisch auf der untersten Ebene der Partizipation des Mitarbeiters im Betrieb an. Mitarbeiter können Probleme ansprechen und Lösungs vorschläge einbringen (Verbesserung), sind aber von der Entscheidung zur Umsetzung und in der Regel auch von der Umsetzung selbst ausgeschlossen. Erst über die institutionalisierte Form der Vorschlagsrechte innerhalb eines mit dem Betriebsrat vereinbarten Vorschlagswesens können die Vorschlagsrechte im Sinne einer inhaltlichen Mitwirkung erweitert werden, wobei der Nutzen für den Betrieb der ausschlaggebende Faktor ist. Eine Veränderung der Organisation selbst wird durch die Wirkungen des Vorschlagswesens nicht ausgelöst. Das BVW leitet sich nicht aus einer Unternehmensphilosophie ab, sondern zielt darauf, die mehr zufällig entstandenen Ideen einzelner Mitarbeiter nutzbringend umzusetzen. Die Verbesserungsvorschläge werden je nach betrieblichem Nutzen prämiert. Voraussetzung ist allerdings in der Regel, dass ein Verbesserungsvorschlag nicht dem direkten Arbeitsgebiet des Mitarbeiters entstammt.
Betriebliches Vorschlagswesen Der folgende typische Ablauf in sieben Schritten bis zur Prä mierung eines Verbesserungsvorschlages spiegelt auch heute noch vielerorts die Realität wider [1]: 1 2 3 4 5 6 7
Einreichen des Verbesserungsvorschlags Erfassung und Bestätigung Prüfung durch Fachpersonal Entscheidung Negativer Bescheid: Ablehnung Positiver Bescheid: Prämie, Anerkennung.
Wie nachfolgend gezeigt wird, ist das Vorschlagswesen in Japan in hohem Maße in das mitarbeiterbezogene ►Kaizen integriert [2]: „Es wird als strategischer Plan eines Unternehmens sorgfältig strukturiert, implementiert und kommuniziert. Dabei wird der Handhabung durch das Manage ment und der Ent w icklung eines Feed back- und Belohnungssystems höchste Aufmerksamkeit gewidmet. Während das amerikanische Vorschlagswesen die Mitarbeiter für Vorschläge eher mit wirtschaftlichen und finanziellen Vorteilen honoriert, legt das japanische Vorschlagswesen Wert auf Prämien, welche die Arbeitsmoral förden, und auf positive Einbeziehung der Mitarbeiter.“ 2 BVW wird im Rahmen des Qualitätsmanagements zu BVVW Qualitätsorientierte Organisationen binden das BVW in ihre Qualitätspolitik ein. BVW ist neben verfahrensbezogener, einrichtungsbezogener der personenbezogenen ►Qua litätsförderung zuzuordnen. Qualitätsförderung erfordert eine Verankerung in der Unternehmensphilosophie (►Orga nisationsleitbild) [3]: „Die Menschen und Manager, die ein Unternehmen verkörpern, müssen sich entscheiden und erklären, welchen Stellenwert das Denken und Handeln in Qua lität in ihrem Unternehmen haben soll. Ein hoher Stellenwert der Qualität erfordert einen durchdachten Plan für die Personalentwicklung. Aus dem Per sonalentwicklungsplan ergeben sich Maßnahmen, wie: Qualitätszirkel, betriebliches Vorschlagswesen, Verhal tenstraining (Kommunikation, Konfliktbewältigung, Teamtraining), Integra tions förderung (… JobRotation).“ Qualitätsförderung, die sich auf die ►Qualitätsfähigkeit der Mitarbeiter bezieht, verlangt nach Konzentration auf zwei Bereiche: Wissen und Motivation der Mitarbeiter zu fördern. Die Wissensförderung auf dem Gebiet des Qualitätsmanage ments sollte besonders intensiviert werden, denn in den grundständigen Ausbildungsgängen unseres Bildungssystems ist sie nicht vorgesehen. Selten sind hier Qualifikationen vorhanden. Der Erfolg des Qualitätsmanagements in der Organisation hängt an der Identifikation mit dem Unternehmen.
91
B
Betriebliches Vorschlagswesen
B
Betriebliches Vorschlagswesen
Entscheidend ist die Überzeugung und vorlebende Wirkung der Führungskräfte, damit sich eine andauernde Motivation durch Orientierung (Vorbildlernen) entfalten kann (►Moti vationsmanagement).
einem offenen Konzept der ►Qualitätsverbesserung. [7]
Ansatzpunkte für die Organisation eines BVVW gibt die Darlegungsnorm ISO 9001:2015 an die Hand. Dort heißt es als Forderung (Planung der fortlaufenden VerbesseWenn personenbezogene Qualitätsförderung heißt, ein ►Berung) [8]: „Die Organisation muss die Prozesse planen, leiwusstsein im Unternehmen zu schaffen, „daß jeder Mitarten und lenken, die für die fortlaufende Verbesserung des beiter an seinem Arbeitsplatz qualitätsorientiert denkt und Qualitätsmanagementsystems erforderlich sind. Die Or so handelt, als ob von ihm die Qualität des ganzen Produkts ganisation muss die fortlaufende Verbesserung des Qualitäts abhängig wäre,“ [5] dann greift das klassische BVW nicht managementsystems durch die Anwendung der Qualitätsmehr. Betriebliches Vorschlagswesen muss in das Konzept politik, Qualitätsziele, Ergebnisse der Audits, Datenanalyse, der Qualitätsförderung eingebunden werden. Ein Beispiel Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen und Management für Qualitätsförderung mittels BVW aus einem Betrieb illusbewertung ermöglichen.“ Hieran anknüpfend sollte im Rahtriert Abbildung B12. Ausführlich hat sich mit diesem Thema men des QM-Systems ein QM-Element Betriebliches Ver Christian Malorny in seiner preisgekrönten Arbeit befasst, besserungsvorschlagswesen institutionalisiert werden, dessen Ziele und Aufgaben weit über Abb. B12: Gruppenbezogenes betriebliches Vorschlagswesen – Ein Sonderfall? das traditionelle BVW hinausDas Beispiel Tornado gehen.
Die Einführung von Qualitätszirkeln warf die Frage auf, ob als Ergänzung zum KVP überhaupt noch ein Verbesserungsvorschlagswesen benötigt wird. Bei Tornado entschied man sich, nach ausführlichen Diskussionen mit den Gruppen, ein separates Vorschlagswesen einzuführen. Die Hauptgründe waren: ◼ Motivation auch komplexe Probleme zu lösen, ◼ Anreiz zur Teamarbeit, ◼ Einbeziehung von Mitarbeitern, die nicht in Gruppen arbeiten, ◼ Anreiz durch Prämien. Es sollten jedoch keine herkömmlichen Vorschlagswesen-Systeme angewendet werden, da sie sich in der Regel durch Starrheit und großen bürokratischen Aufwand auszeichnen. Demgegenüber suchten wir bei Tornado nach einem System, daß dem Geist der Gruppenarbeit Rechnung trug und kamen zu folgender Lösung: Der den Verbesserungsvorschlag Einreichende ist verantwortlich für das Betreiben der Genehmigung und Einführung seines Vorschlages. Er soll "Herr des Geschehens" sein und ist nur bei der Genehmigung auf andere angewiesen. In der Regel sucht sich der Ideenlieferant die Mitarbeiter, die er zur Durchführung seines Vorschlages benötigt. Es kann sich dabei um einen Schlosser, einen Konstrukteur oder Arbeitsvorbereiter, aber auch um einen Abteilungsleiter oder einen Kostenrechner handeln. Alle Mitglieder dieser Gruppe sind prämienberechtigt, auch wenn der Vorschlag zu
ihrem Arbeitsgebiet gehört. Ausgenommen sind nur leitende Angestellte. Zusammen erarbeitet diese Problemlösungsgruppe eine einführungsreife Lösung und läßt sich diese genehmigen. Ist das geschehen, kümmert sie sich um die Umsetzung, indem sie, in Abstimmung mit dem Fachvorgesetzen, Aufträge an die Werkstätten vergibt. Die Problemlösungsgruppe übernimmt die Terminverfolgung. Nach erfolgreicher Ideenumsetzung dokumentiert die Gruppe, was geändert wurde, wie es eingeführt und was eingespart wurde. Betriebsleitung und Betriebsrat rechnen gemeinsam die Prämie aus und stellen sie der Gruppe zur Verfügung. Den Verteilungsschlüssel der Prämie kann die Gruppe selbst festlegen. Mit dieser Regelung wird der Einreichende zur Zusammenarbeit mit einer Gruppe verpflichtet und so die Qualität des Vorschlages erhöht. Die Selbständigkeit der Einreichenden wird zudem gefördert. Außerdem bleiben alle terminlichen Abläufe für sie überschaubar, da sie den Fortgang selbst überwachen. Durch die Prämienberechtigung aller Einreicher ist jeder motiviert, bei der Umsetzung mitzuhelfen. Das typische "Abblocken" von Sachbearbeitern, die sich durch Vorschläge belästigt fühlen, oder von Vorgesetzten, die sich übergangen fühlen, wird so verhindert. Quelle: Winhold, H.-Th.: Durch Gruppenarbeit zum KVP: Das Beispiel Tornado. In: J. Howaldt u.a. Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß. Köln (Bachem) 1998, S. 125-126
indem er zunächst die Defizite des klassischen BVW aufzeigt und dann in einer Übersicht das alte und neue System gegenüberstellt (Abbildung B13). Auch er leitet aus seinen Ergebnissen ab, dass ein qualitätsförderliches BVW gruppenbezogen ausgerichtet sein sollte. Nur dann stelle es einen wichtigen Pfeiler in einem qualitätsförderlichen Verbesse rungswesen dar. [6] Insgesamt sind die Kernaussagen in Abbildung B13 dargestellt. Sie legen nahe, Abschied zu nehmen vom traditionellen BVW, hin zu einem Betrieblichen Verbesserungsvorschlags wesen (BVVW), das selbstverständlich einzubinden ist in das Qualitätsmanagement der Organisation und sich ableitet aus
92
In einer alternativen Sicht wird gefordert, das Betriebliche Vorschlagswesen und Kaizen unter dem konzeptionellen Dach des ►Ideenmanagements zu integrieren. Damit wäre die enge Koppelung an die gesetzlich sehr eng gehaltene Definition des Vorschlags aufgebrochen und der Weg in eine „Welt an Ideen und Vorschlägen“ [9] gewiesen, die frei ist von gesetzlichen Regelungen [9]: „Es bedurfte erst des Anstoßes „von außen“ (in diesem Fall Japans), damit die mittlerweile systemimmanent gewordenen Grenzen überschritten werden konnten.“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Hering, E.; Triemel, Blank, H.P. (Hrsg.): Qualitätsmanagement für Ingenieure. 4. Aufl. Berlin u.a.
(Springer) 1999, S. 462 [2] Imai, M.: Kaizen. Der Schlüssel zum Erfolg der Japaner im Wettbewerb, München (Langen-Müller) 1992, S. 301 [3] s. [1], S. 454 [4] Winhold, H.-Th.: Durch Gruppenarbeit zum KVP: Das Beispiel Tornado. In: Howaldt, J. u.a.; Kontinuierlicher Verbesserungs prozeß. Köln (Bachem) 1998. S.125-126 [5] s. [1], S. 453 [6] Malorny, Chr.: TQM umsetzen. Weltklasse neu definieren, Leistungsoffensive einleiten, Business Excellence erreichen. 2. Aufl., Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 1999, S. 492ff [7] Bedingungen und Möglichkeiten hierfür werden ansatzweise in dem folgenden Werk aufgezeigt: Yasuda, Y.: Mitarbeiterkreativität in Japan. So nutzt Toyota das betriebliche Vorschlagswesen. Landsberg
Betriebsperspektive am Lech (mi) 1994 [8] E DIN EN ISO 9001:2015-09 [9] Neckel, H.: Modelle des Ideenmanagements. Intuition und Kreativität unternehmerisch nutzen. Stuttgart (Klett-Cotta) 2004, S. 19 Weitere Literatur Jacobi, J.-M.: Qualitätsmanagement und be triebliches Vorschlagswesen. In: Die drich, A.; Vogt, U.: Handbuch Qualitätsmanagement für Sparkassen und Banken. Stuttgart 1995, S. 219234
Betriebsperspektive (Aachener Qualitätsmanagement Modell) ▶en: operation perspective
Betriebssozialisation Abb. B13: Traditionelles BVW versus Qualitätsförderliches BVVW
Traditionelles Betriebliches Vorschlagswesen
Qualitätsförderliches Betriebliches Verbesserungsvorschlagswesen
◼ Mißtrauen: Mitarbeiter halten Kreativitätsreserve bewußt vor
◼ Vertrauen: Mitarbeiter wollen kreativ sein
◼ Vorschläge betreffen den Pflichtenkreis anderer
◼ Verbesserungen betreffen den eigenen Pflichtenkreis
◼ Vorschläge als Ausnahme
◼ Verbesserung als Regelverhalten
◼ Moralisierende Appelle
◼ Normale, selbstverständliche Praxis
◼ Alle Mitarbeiter nehmen teil ◼ Wenige Teilnehmer „Aus der Betriebsperspektiv werden die Umsetzung der von der Führungsperspektive ◼ Focus auf alle Prozesse ◼ Fokus auf punktuelle Mißstände vorgegebenen Ziele und die dazu erforderlichen Prozesse adressiert. Dabei sind, die ◼ Vorschläge in der Regel von ◼ Verbesserung im Team Unternehmensfähigkeiten entsprechend der (Kooperation) einzelnen (Konkurrenz) Unternehmensausrichtung zu entwickeln. Damit liegt der Fokus auf der Prozessquali◼ Führungskraft einbezogen ◼ Führungskraft "umgangen" tät. Die Betriebsperspektiv ist grundsätzlich ◼ Teamorientierte Anerkennung ◼ Prämien Bottom-up ausgerichtet. Die erforderlichen Ressourcen und Voraussetzungen werden ◼ Handeln statt Vorschlag schreiben ◼ Vorschlag schreiben statt handeln mit den operativen Erfordernissen, die aus der Führungs- und Kundenperspektive ab◼ Bürokratisch aufwendig ◼ Unbürokratisch pragmatisch geleitet werden, in Einklang gebracht. Die Betriebsperspektive beinhaltet die operative ◼ Problemlösungsverhalten und Kre◼ Bewertung durch zentrale Institutiativität als Führungsaufgabe on (Rückdelegation von FührungsAusgestaltung und Umsetzung der beiden verantwortung) anderen Perspektiven mit dem Fokus auf der Prozessqualität, wodurch sichergestellt wird, Quelle: [6, S. 109]- adaptiert zialisation als lebenslangen Lernprozess (Prozess der Reifung dass die Ressourcen und Dienste optimal und Persönlichkeitsprägung) bedeutet dies, daß mit dem sich zur Verfügung gestellt werden.“ vollziehenden sozialen und technischen Wandel durch die Hans-Dieter Zollondz, betriebliche Sozialisation die Internalisierung von Arbeits Vichy strukturen erfolgt. Da Arbeitstätigkeit häufig als Mittel geseQuelle: Schmitt, R. u. T. Pfeifer: Qualitätsmanagement. Strategien, hen wird, das einzig den persönlichen Lebensunterhalt und Methoden, Techniken. 4. Auflage, München (Hanser) 2010, S, 128 persönliche Bedürfnisse befriedigt (►Wertewandel), kommt es für das Management darauf an, durch gezielte Führungstätigkeit darauf hinzuwirken, daß diese instrumentelle Sicht Betriebs-Qualitäts-Bogen von Arbeit und Beruf durch eine sinnorientierte Einstellung ▶Qualitätskostenmanagement auf der Seite der Mitarbeiter abgelöst wird. In Modellen des Qualitätsmanagements kommt diesem Aspekt eine zentraBetriebsrat le Rolle zu. Er ist hier im Lexikon unter verschiedenen Zu▶Ideenmanagement gängen verortet, u. a. in ►Motivationsmanagement; ►Mit ▶Betriebliches Vorschlagswesen (BVW) arbeiterorientierung; ►Human Ressourcen Management; ►Kaizen; ►KVP; ►Gruppenarbeit; ►Unternehmenskultur. Desweiteren muß gesehen werden, dass Reengineering und Betriebssozialisation ►Prozessmanagement nicht nur dafür sorgen, dass sich hie▶Sozialisation rarchische Strukturen auflösen und neu bilden, sondern verVon besonderer Bedeutung ist die berufliche Sozialisation, stärkt auch eine Erosion von Beruflichkeit forcieren. Insofern die für einen Großteil der Bevölkerung in industriell entwiist zu fragen, ob nicht qualitätsbezogene Tätigkeiten in realen ckelten Gesellschaften erst nach Abschluß der Jugendphase QM-Systemen mittelfristig eine neue Form von Arbeit und einsetzt. Sozialisationsinstanz ist eine Organisation, oft der Beruf in speziellen Tätigkeitsfeldern entstehen lassen, die Betrieb, weshalb der Begriff Betriebssozialisation (auch be sich entlang von ►Wertschöpfungsprozessen vollzieht. Hiertriebliche Sozialisation) oft Verwendung findet. Fasst man So-
93
B
Beurteilung des Fortschritts
Betriebsvergleich ▶ Benchmarking
ISO-Term
Beurteilung des Fortschritts
▶en: progress evaluation
Bewertung des Fortschritts bezüglich des Erreichens der Projektziele (►Projekt, ►Ziel)
Anmerkung 1 zum Begriff: Diese Bewertung sollte an geeigneten Punkten des Lebenszyklus des Projekts an ►Projektprozessen durchgeführt werden, auf Grundlage der Kriterien für Projektprozesse und das ►Produkt oder die ►Dienstleistung. Anmerkung 2 zum Begriff: Die Ergebnisse der Beurteilungen des Fortschritts können zur Überarbeitung des ►Projektmanagementplans führen. [Quelle: ISO 10006:2003, 3.4, geändert — Anmerkungen zum Begriff wurden geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Beweisvermutung
▶Harmonisierte Normen Die Erfüllung harmonisierter Normen ist dem jeweiligen Hersteller freigestellt. Wenn er sie erfüllt, liegt eine zugunsten des Herstellers wirkende Beweisvermutung vor: Beachtet nämlich ein Hersteller die Normen, wird vermutet, daß er mit ihrer Erfüllung auch die grundlegenden Forderungen der harmonisierenden Richtlinien erfüllt. Zwar kann die Erfüllung dieser Forderungen auch auf andere Weise erfolgen, doch hat dann der Hersteller den vollen Beweis für den gleich hohen Standard seiner Produkte zu erbringen. Insofern ist jedem Hersteller von in den Anwendungsbereich der Richtlinien fallenden Produkten anzuraten, die von den europäischen Normenorganisationen aufgestellten Normen zu berücksichtigen, damit die Beweisvermutung gilt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Bewertung
▶QM-Bewertung ▶Qualitätsbewertung
Bewertung
ISO-Term
B
zu fehlen derzeit jegliche empirisch abgestützten Argumente (►Q-Berufe). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
▶en: review ►Bestimmung der Eignung, Angemessenheit und ►Wirksamkeit eines ►Objekts, festgelegte ►Ziele zu erreichen
Beispiel: ►Managementbewertung, ►Entwicklungsbewertung, ►Bewertung von Kundenanforderungen (►Kunde, ►Anforderung), Bewertung von ►Korrekturmaßnahmen und Begutachtung. Anmerkung 1 zum Begriff: Bewertung kann auch die Bestimmung der ►Effizienz enthalten. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
94
Bewusstsein Bewertungsschlüssel (DQS) System der DQS, welches zu jeder Forderung der Norm eine Aussage darüber trifft, ob und wie weit das QM-System die betreffende Forderung erfüllt. Die Bewertungsstufen sind 1 erfüllt 2 teilweise erfüllt, noch akzeptabel 3 teilweise erfüllt, nicht akzeptabel 4 nicht erfüllt. Weiterhin gibt es die Einstufung nz = nicht zutreffend (nz kann bei einzelnen Fragen stehen, die für die spezielle Or ganisation oder ihre speziellen Umstände nicht anwendbar sind). Literatur DQS-Schrift 02-01 1998:195
Bewusstsein (ISO 9001:2015)
▶en: wakeness ▶Mindset Personen in einer Organisation sollten durch ein gemeinsames Verständnis der angestrebten Ergebnisse der Organisation, und wie diese durch die Qualitätspolitik vorangetrieben werden, verbunden sein. Bewusstsein wird ersichtlich, wenn Einzelpersonen verstehen, wie ihre Rolle zum Erreichen der Ziele einer Organisation beiträgt. Der Begriff wurde in die Darlegungsnorm ISO 9001:2015-11 eingeführt. Normquelle: ISO 9001:2015-11 ⟪undefiniert⟫
Bewusstsein
▶Consciousness ▶Mindset ▶Qualität als ethischer Begriff In einem umfangreichen Kapitel über unterstützende Inputfaktoren der Leistungserbringung geht es in der ►ISO 9001:2015 (schon vorher auch in der ►ISO 9001:2008) um das Bewusstsein. Es bedarf der „Schulung“, um es so als eigenen Unterstützungsfaktor zur Umsetzung des Qualitätsmanagements ins Kalkül zu bringen, wird gesagt. Der Begsriff wird dann erweitert zu Qualitätsbewusstsein., ja sogar von einem gesamtbetrieblichen Qualitätsbewusstsein ist in der Norm die Rede. Eine Definition von Bewusstsein wird nicht versucht. Was kann mit Bewusstsein hier gemeint sein? Da der Begriff sehr unterschiedlich gebraucht wird, sind der Interpretation Tür und Tor geöffnet. Allerdings werden beipielhaft Maßnahmen zur Schaffung eines Qualitätsbewusstseins vorgeschlagen (z. B. strikte Anwendung der Vorgabedokumentation). Hinzu kommt, dass die zertifizierenden Auditoren zur Messung des Qualitätsbewusstseins der Mitarbeiter wohl auch irgendetwas tun (►Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement). Sie werden wohl Fragen stellen und diese dann in ihrem Auditbericht beschreibend interpretieren. Lässt sich Qualitätsbewusstsein so messen? Was taugen dann die Aussagen der Auditoren, ob eine Organisation qualitätsfähig ist? Interessierte mögen hier im Lexikon unter dem Be-
Bezugskonfiguration
Big Data
ISO-Term
Bezugskonfiguration
Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
▶big = groß, data = Daten; ►Große Datenmengen ▶Daten ▶Datenqualität | ▶Smart Data ▶Industrie 4.0 ▶Statistik | Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement „Wer mit Gewissheiten beginnt, wird mit Zweifel enden, wer mit Zweifel beginnt, wird am Ende Gewissheiten haben.“ (Francis Bacon [1561-1626])
1 Korrelation ersetzt Kausalität Erzählungen zufolge soll sich die folgende Story bei der Handelskette, dem Supermarkt Wal-Mart zugetragen haben. Sie möge uns als ein Beispiel dafür dienen, was es heisst, wenn davon die Rede ist, dass es bei Big Data um Korrelationen (►Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement) geht: „Ein kluger Kopf im Vorstand wurde nicht müde zu betonen, dass im Informationswust der Datenbanken jede Menge Schätze zu heben sind, an die heute noch niemand denke. Er überzeugte seine Kollgen, einen Ideenwettbewerb mit hohem Preisgeld auszurufen. Zwei Mitarbeiter der IT-Abteilung machten sich daran, Milliarden von Zeilen auf Kassenbons nach überraschenden Korrelationen zu durchforsten. Und siehe da: Ab den frühen Abendstunden landen Bier und Pampers auffällig oft im gleichen Einkaufswagen. Die psychologischen Mechanismen hinter diesem Kaufmuster sind nicht schwer zu erraten. Männer auf dem Heimweg finden die Aussicht, bald am Wickeltisch zu stehen, wenig erfreulich. Und belohnen sich schon mal vorab. Die beiden IT-Mitarbeiter schlugen vor, Bierangebote künftig direkt neben den Windelregalen zu platzieren. Die Impulskäufe in Testmärkten schossen in die Höhe und die simple wie effektive Marktingmaßnahme der Regaloptimierung wurde in allen Märkten umgesetzt.“ [1]
In Big Data-Analysen, so wurde hier deutlich, wird nach Korrelationen, also Zusammenhängen, gesucht. Daten sind in der Regel vorhanden, oftmals sogar mehr als genug. Mit Klugheit und Spürsinn heisst es die „richtigen“ Verknüpfungen zu finden, diese zu generieren (korrelieren), dann zu interpretieren und schließlich Maßnahmen zu ergreifen.
Big Data soll die Erhebung (oft „automatisch“), Analyse und Verarbeitung unvorstellbar großer Datenmengen genannt werden. Dabei wird auf immer intelligentere Algorithmen zurückgegriffen.
Eine andere, in der IT oft genannte, Definition betont eher den Zeitcharakter, der in vielen Fällen im Vordergrund steht. Big Data wäre damit eine spezielle Längsschnittanalayse: Unter Big Data soll die Erzeugung, Verarbeitung und Auswertung von oftmals sich schnell ändernden Datenmengen verstanden werden.
Begriff
Big Data
Aus dem bisher gesagten lässt sich eine erste Definition ableiten: Begriff
▶en: configuration baseline genehmigte ►Produktkonfigurationsangaben, die die ►Merkmale eines Produkts oder einer ►Dienstleistung zu einem festgelegten Zeitpunkt darstellen und als Grundlage für Tätigkeiten während des gesamten Produkt- oder Dienstleistungslebenszyklus dienen [Quelle: ISO 10007:2003, 3.4, geändert — Die Benennung „Dienstleistung“ wurde der Definition hinzugefügt]
2 Definitionsversuche und Erläuterungen Was sind Daten für Big Data? Daten sind reine Informationseinheiten, die man nicht ohne weiteres als Wissen bezeichnen kann. Mit Daten kann in korrelativer Absicht Wissen entstehen. Wissen entsteht also erst, wenn aus einem Meer von Daten funktionierende Handlungsanweisungen werden, wie das Wal Mart-Beispiel gezeigt hat.
Begriff
griff ►Mindset nachschlagen, der schon etwas konkreter wird (s. d. quality mindset). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Gewöhnlich können große, komplexe und sich oft schnell ändernde Datenmengen mit den klassischen Methoden der Datenverarbeitung nicht ausgewertet werden. Sie sind aber für Insitutionen und Unternehmen interessant, so zum Beispiel bei der Verkehrsregelung, der Polizei oder im Kundenmanagement. Angetrieben durch die in der Tat automatische Erzeugung von Daten (Beispiel Webzugriffe) und Sensoren aller Art (z. B. ►RFID-Leser) und die durch die IT ermöglichte der Speicherung im Petabyte-Bereich. Hier setzt ein weiterer Definitionsversuch an, der von der BITKOM stammt und Big Data auf vier Kernelemente (Merkmale) reduziert [2]: ◼ Datenmenge (Volume) = Anzahl von Datensätzen und Files (Yottabytes, Zettabytes, Exabytes, Petabytes, Terabytes) ◼ Geschwindigkeit (Velocity) = Datengenerierung in hoher Geschwindigkeit – Übertragung der konstant erzeugten Daten (Echtzeit, Millisekunden, Sekunden, Minuten, Stunden) ◼ Datenvielfalt (Variety) = Fremddaten (Web etc.) Firmendaten unstrukturierte, semistrukturierte, strukturierte Daten (Präsentationen, Texte, Video, Bilder, Tweets, Blogs, Kommunikation zwischen Maschinen) ◼ Analytics = Erkennen von Zusammenhängen, Bedeutungen, Mustern, Vorhersagemodelle (Data Mining, Text Mining, Bildanalytik, Visualisierung, Realtime). Sicherlich handelt es sich hierbei nicht um eine abschließende Aufzählung. So wäre ►Zuverlässigkeit v. a. aus der Sicht der Softwarequalität als Merkmal zu nennen. Merkmalszusammenstellungen aus der Sicht der IT sind besonders hilfreich und können zu einer Definition von Big Data beitragen. Der Big-Data-Boom feuert die Entwicklung zum Wissensmanagement an, das inzwischen als Big Data-Management einen schier unendlichen Datenfundus liefert. Mit Big Data-
95
B
Big Data
Big Data
Management lassen sich für die Wirtschaft vor allem die folgenden Vorteile verbinden:
B
◼ Wettbewerbsvorteile durch gezielte Auswertung von Marktdaten, ◼ Beschleunigung: Vorteilsnutzung durch enorme Geschwindigkeiten bis zum Echtzeit-Ergebnis ◼ Effektivere Gestaltung der Kommunikation (z. B. durch Werbung) ◼ Automatisierung von Produktionsprozessen (Industrie 4.0) Bei Big Data kommt eine völlig neue Art von Software zum Einsatz, die vor allem in der Lage sein muss, viele Abfragen gleichzeitig zu erledigen, unterschiedliche Formate analysieren und bearbeiten kann (Bilder, Texte, Zahlen etc.) und große Datenmengen auch schnell importieren kann. Da entsprechend große Datenspeicher zur Verfügung stehen und auch die Hardware dies mittlerweile ermöglicht, ist Big Data heute wohl nur noch eine Frage der Softwareentwicklung. Diese Entwicklung steht erst am Anfang. An sie werden hohe Erwartungen gestellt.
geht auf ihn zurück, Daten sprechen zu lassen, indem von einer Vielzahl an Einzelfällen ausgegangen, also aus vorgebenen Fakten geschlussfolgert wird. Ganz im Gegensatz zu dem, was Statistiker gewöhnlich tun, indem sie eine Hypothese aufstellen, dann versuchen, deren Richtigkeit mit Daten zu belegen, die mit wohlüberlegtem Einsatz an Methoden gewonnen werden (►Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement). Auf zeitlich-räumlich in Echtzeit erhobene unbegrenzte Datenmengen wird dabei nicht zurückgegriffen. Big Data versucht nun die Ära der traditionellen Statistik hinter sich zu lassen, indem mit induktiven Methoden daran gearbeitet wird, die Daten selber sprechen zu lassen, ohne vorher zu wissen, was sie (als der stetige Fluss unformatierter Daten) uns sagen werden. Heute ist dieses Vorgehen möglich, weil Big Data-Analytiker sowohl auf ungeheure Datenmengen (vornehmlich des Internets) zugreifen können und weil die fortgeschrittene Computertechnologie dies ermöglicht, einerseits durch schier grenzenlose Speicherkapazitäten (Petabyte) und andererseits durch Software, die solche Korrelationen problemlos durchführen kann. Schließlich gehen wir (vornehmlich die IT) weiterhin davon aus, dass Gordon Moores Gesetz weiterhin gelten wird. [4]
Gerade am Hauptdefinitionsmerkmal „big“ wird kritisiert, das größere Datenmengen nicht qualitativ bessere Daten 4 Big Data aus der Sicht der Wissenschaftstheorie In der auf Korrelationen beruhenden Big Data-Analyse kann seien und dass nicht sämtliche Daten gleichermaßen benötigt werden. Schließlich muss nicht alles, was verfügbar ist, gleich mitunter schon das Was erkannt werden. Die Frage nach dem wertvoll und ethisch vertretbar sein. [2] Nur den Rohstoff der Warum bleibt ihr allerdings zunächst verschlossen. Denn mitgroßen Datenmengen zu sehen, greift also zu kurz. Vielmehr tels Korrelationen werden bloß zufällige Übereinstimmungen geht es um die hohe Relationalität zwischen den Daten, die erfasst, die keinen tieferen inneren Zusammenhang widerzudem nicht nur aus verschiedenen Quellen stammen, sonspiegeln. Erkenntnisse über das Was der Wirklichkeit können dern auch noch unterschiedliche Formate aufweisen. Relatiallerdings darüber hinaus auch für die Ursachenforschung von onalität sollte als Merkmal in den Big Data-Begriff einfließen. bedeutendem Nutzen sein. Denn anstatt lediglich auf der BaDie Aggregation vernetzter, hochgradig relationaler Daten sis einer Intuition über Hypothesenbildung einen bestimmbildet nach King [3, S. 36f] den Kern von Big Data. In Abten Zusammenhang aufwendig zu erforschen, kann eine auf bildung B14 wird dies anAbb. B14: Big Data Evolution satzweise sichtbar und auch gezeigt, dass Big Data als vorläufiger Höhepunkt einBig Data zuordnen ist in die Entwick„User Generated Content“, „Click Stream“-Analyse, Mobile Webnutzung, Sentiment Analyse, Soziale Onlinenetzwerke, HD Video, „Speech to Text“, lung, die mit Enterprise ResDaten aus externen Quellen source Planning (ERP) Ende Petabyte der 1970er Jahre begann. Web Weblogs, vergangene Angebote, A/B Test, Dynamische Preisgestaltung, Af3 Big Data aus der Sicht filiate Netzwerke, Suchmaschinenmarketing, Behavioral Targeting, verschie der Forschung dene Kontaktkanäle Francis Bacon, der englische Terrabyte Philosoph, Staatsmann, WisCustomer Relationship Management (CRM) senschaftler, Jurist, Redner, Kundensegmentierung, Angebotsdetails, Kundenkontakte, ServicekonEssayist und Autor, sagte takte es am besten: „Wissen ist Gigabyte Enterprise Ressource Planning (ERP) Macht.“ Mit dieser Aussage V. a. Informationen zu Verkauf und Bezahlung wird er manchmal als UrvaMegabyte ter von Big Data vereinnahmt, zuletzt durch die IBM Steigende Varietät und Komplexität der Daten auf der CEBIT 2015 in Hannover. Das induktive Prinzip Quelle: [3], S. 36, telweise geändert durch den Autor.
96
Big Data Korrelationen basierende Big Data-Analyse die Bewertung einer großen Vielzahl leicht unterschiedlicher Hypothesen erlauben. Die Erfolg versprechendsten Hypothesen können dann für die Ursachenforschung herangezogen werden. Mit anderen Worten: Big Data kann („zeitnah“) helfen, die Stecknadel der Erkenntnis im Heuhaufen der Daten für die Ursachenforschung zu finden. Schon hieran wird klar, dass mit Big Data die Suche der Menschen nach Ursachen nicht abbricht. So weicht sich die nahezu monopolartige Stellung der Ursachenforschung im Erkenntnisprozess auf, indem öfter das Was vor dem Warum ermittelt werden wird. In manchen Fällen mag das schon reichen, jedenfalls fürs Erste. Und in vielen anderen Fällen wird die nachfolgende Suche nach dem Warum vom Verständnis über das Was deutlich profitieren. In summa wird damit der menschliche Erkenntnisprozess verbessert. Dabei ist zu beachten, dass der Mensch bei der Annäherung an die Realität immer nur schrittweise folgen kann. Um verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse der Wirklichkeit zu gewinnen, die dem Anspruch genügen sollten, einfach und stets gültig zu sein, müssen wir die Wirklichkeit idealisieren. Das hat seine Grenzen, kann nie absolut sein und bedarf der ständigen „Modellrevision“. Jedem der mit Big Data-Daten befasst ist, muss wissen, dass wir mit idealisierten Vereinfachungen die Wirklichkeit nicht mehr in ihrer ganzen Vielfalt und Komplexität fassen können, sondern jedes Ergebnis einer Analyse nur als vorläufiges begreifen müssen. Wir müssen akzeptieren, dass uns abschließende Erkenntnis nach wie vor
Big Data verborgen bleibt, nicht zuletzt, weil die Daten eben stets nur ein Abbild der Wirklichkeit und damit letztendlich unvollständig sind. Das, was uns im Big Data-Prozess an Erkenntnisen und Ergebnissen vorgelegt wird, muss sich also jederzeit der Widerlegung aussetzen können. Big Data darf keinen Absolutheitsanspurch für sich reklamieren (►Popper). Big Data heißt auch nicht das Ende der induktiven Statistik, wie in Abbildung B15 klargestellt wird.
5 Zwischenfazit Big Data ist ein mächtiges Werkzeug, die Wirklichkeit, in der wir leben, zu verstehen. Es wundert nicht, wenn nicht nur staatliche Organisationen, sondern auch die Wirtschaft danach strebt, dieses Werkzeug effektiv einzusetzen, um daraus nachhaltige Vorteile zu ziehen. In Zukunft werden Unternehmen, die Daten nicht nur analysieren, sondern auch den Zugang von Daten organisieren, indem sie sich mehr als bisher an den Erhebungsmethoden orientieren wie sie für die Zwecke wissenschaftlicher Forschung genutzt werden. Bei der Analyse müssen sie auf der Hut sein, nicht jeder statistischen Korrelation auch einen tieferen Zusammenhang zu unterstellen. Denn mittels Korrelationen werden auch bloß zufällige Übereinstimmungen erfasst, die keinen tieferen inneren Zusammenhang widerspiegeln. Bei der Erhebung müssen Sie sich an Forschungsstandards orientieren, denn Daten fallen nicht einfach so an, sondern es bedarf theoretischer Kenntnisse, konzeptioneller Erwägungen und Erfahrungen, um sie erheben zu könAbb. B15: Big Data – Das Ende der Stichprobe? – Die Frage nach der Datenqualität! nen. Wenn Daten zu offen, wenig kategoriDas Ende der Stichprobe? – Die Frage nach der Datenqualität! siert erhoben werden, wird es immer schwie„In der Diskussion zu Big Data wird oft implizit voraus- mengeführt werden. Dies hat zur Folge, dass sich die rig sein, sie in einen gesetzt, dass die Interpretation eines ganzen Sets einer Freiheitsgrade in den Prozessen, die tendenziell zu konsistenten Rahmen riesigen Datenmenge grundsätzlich besser und aussa- niedriger Datenqualität führen, in ihrer negativen Wirfür die Analyse aufzukung auf die Datenqualität durchaus potenzieren köngekräftige ist als die kleinerer Datenmengen. bereiten. Andererseits nen. (…) Datenqualität spiegelt insofern nicht nur eiHierbei darf aber nicht die enorme Bedeutung der nen Missstand bei der Erhebung oder der Verarbeitung kann das Korsett eines Datenqualität vergessen werden, denn vor dem Hinvon Daten wider, sondern kann auch als Ausdruck der geschlossenen Datentergrund der Interpretation der Daten ist die Daten„Limitierung der Interpretation“ von Daten verstanden erhebungsprogramms qualität der bestimmende Faktor – nicht die Datenwerden. (…) Die Tatsache alleine, dass wir große Daspäter Restriktionen quantität. (…) tenmengen beherrschbar machen, diese modellieren erkennen lassen, die Ein blindes Vertrauen in Big Data im Sinne einer Fest- und grafisch aufbereiten können, darf nicht zu dem die Auswertungs- und stellung, dass dies allein aufgrund der schieren Größe Missverständnis führen, dass diese Daten quasi autoErgebnisqualität beder Datenmente („Grundgesamtheit“) die bestmög- matisch eine hohe inhaltliche Aussagekraft besitzen. einflusst. Wir lernen lichen zu analysierenden Daten sind und somit au- Das Verständnis dafür, wie diese Daten in welchem daraus, uns an die Austomatisch die bestmöglichen Analyseergebnisse zu Kontext entstanden sind, ist enorm wichtig, um zu erwarten sind, wäre insofern fahrlässig. Es sollte kei- verstehen, was diese Daten uns sagen können und was age von George Ednesfalls davon ausgegangen werden, dass Big Data alle nicht.“ (…) ward Pelham ►Box zur alternativen Herangehensweisen hinsichtlich der ErheRahmen- und ModellZurückkommend auf die Anfangsfragestellung, ob mit bung von Daten ersetzen wird. Die häufig mitschwinbildung zu erinnern: Big Data „das Ende der Stichprobe“ erreicht ist, ist dagende Assoziation zu Big Data, dass es sich hier ja um „Alle Modelle sind her festzustellen, dass das Arbeiten mit Stichproben „reine“ Daten handelt, ist vielfach schlicht falsch und auch im Big-Data-Zeitalter seine Berechtigung behalfalsch, aber manche kann am Ende zu falschen Interpretationen führen. ten wird. Die doch sehr heterogene Datenqualität in sind zweckmäßig.“ UnBei Big Date handelt es sich um polystrukturierte Da- den riesigen unstrukturierten Datenmengen wird uns ternehmen, die sich an ten, die aus unabhängigen operativen Datenquellen auch zukünftig dazu zwingen, Stichproben zu analysieeinen Datenüberfluss wie transaktionalen Systemen, dem Point-of-Sales ren, in denen wir zumindest einen gewissen Grad an gewöhnt haben, dürfen (Kassensysteme), sozialen Netzwerken etc. zusam- Datenqualität sicherstellen können.“ nicht dem Trugschluss
Quelle: [5], S. 267f.
97
B
Big Data
B
Big Data
unterliegen, sich absolut auf ihr Modelle verlassen zu können. Nur kontinuierlich verbesserte Daten, die mit immer besseren Werkzeugen erhoben und analysiert werden, bringen den entscheidenden Vorteil und zutreffende Ergebnisse.
ments. Hierzu soll ein Beispiel aus [2] aufgeführt werden (Abbildung B16). Schließlich wird es in Zukunft Sache jeder Zertifizierung (ISO 9001) und auch von Assessments im EFQM-Bereich (RADAR-Methodik) sein, dass sich die Zertifizierer und Assessoren entsprechende Fachkenntnisse zu Big Data anzueignen haben. Dazu bieten die Fallbeispiele aus [2] Anschauungsmaterial für den Einstieg, das auch für alle ►Q-Berufe bedeutend ist [11]. Denn nach BITKOM ist Big Data weder Mode noch Hype, sondern ein nicht zu stoppender Trend: „Big Data gewinnt zunehmend an Bedeutung,
Wer sich auf das weite Feld von Big Data begibt, ist offenbar auf Unterstützung angewiesen. Diese kann er von auf diesem Feld ausgewiesenen Unternehmensberatungen erwarten, aber auch von Institutionen, die über breite Erfahrungen in unterschiedlichen Geschäftsfeldern verfügen und etabliert sind. Die Fraunhofer-Allianz Big Data ist eine solche Organisation. Sie bietet Abb. B16: Big Data-Fallbeispiel – Geschäftsprozesse optimieren Strategien, Lösungen und Traings für Geschäftsprozesse optimieren durch ganzheitliches Mess- und Prozessdatenmanagement „Data-Driven Enter◼ Anwender (Unternehmen): Semikron ist Hersteller wegungen oder Lieferinformationen. Insgesamt prises“ an. Um diese von Leistungshalbleiterkomponenten. Das Unmüssen in kürzester Zeit ca. fünf Milliarden RohUnterstützung wirkternehmen fertigt an 10 Produktionsstandorten datensätze verarbeitet und ausgewertet werden. sam durchführen sowohl standardisierte Leistungshalbleiter als Nur so kann der Leistungselektronikhersteller zu können haben auch maßgeschneiderte Systeme und Lösungen zeitnah auf Marktänderungen und Auffälligkeiten sich die Institute zur wie beispielsweise Transistoren, Ansteuerungen, im Produktionsprozess reagieren. Mit der AnbinFraunhofer-Allianz spezielle Kühlungen für Anlagen, Kondensatoren dung weiterer Produktionsstandorte und -anlagen Big Data zusammenoder auch Controller-Software. wird das Prozesswissen in der Datenbank erhöht, geschlossen. [9] ◼ Anbieter Big Data-Software: Exasol AG, Nürnberg was wiederum eine wachsende Anwenderzahl mit 6 Big Data und Qualitäts management Aus der Sicht des Qualitätsmanagements lassen sich vielfältige Anknüpfungspunkte zu Big Data erkennen, was bereits bei den Definitionsversuchen deutlich wurde. Zunächst könnte man die Auffassung vertreten, dass Big Data eine Art „Super-Qualitätstechnik“ sei, die durch Statistik und IT dominiert wird. Doch diese Sicht greift zu kurz. Genau betrachtet werden alle Konzepte des Qualitätsmanagements berührt, wenn Big Data zum Zuge kommt, so in der Kunden- und Mitarbeiterorientierung, aber auch in Zusammenhängen des Prozessmanage-
98
◼ Problem: Während des Produktionsprozesses bei Halbleiterprodukten fallen eine enorme Anzahl von Mess- und Prozessdaten, Materialbewegungen oder Lieferinformationen an. Semikron stand vor der Herausforderung, für sein Spezialgebiet Messdaten-Archivierung, eine flexible Systemlösung zu etablieren, die eine leistungsstarke Speicherung, Auswertung und Rückverfolgung ihrer Messdaten sicherstellt. ◼ Lösung: Das Projekt strebte drei große Ziele an: Archivierung aller qualitätsrelevanten Kennzahlen zu den verkauften Produkten während der vorgeschriebenen Aufbewahrungsfristen, Online-Verfüg-barkeit aller archivierten Daten auf Basis von Auftrags- und Artikelnummer mit Recherche nach einzelnen Merkmalen sowie Bereitstellung der Materialbewegungs-und Lieferinformationen zur lückenlosen Rückverfolgbarkeit der Produktionskette. ◼ Big-Data-Merkmale: Im Rahmen einer Teststellung (Proof of Concept) wurden zunächst Testdaten von je einer Anlage jedes Fertigungsbereiches in Deutschland in ein vollständig modelliertes Datenmodell einge- spielt. Erfolgreiche Testergebnisse sorgten schnell für die gewünschte Optimierung der Semikron- Prozess-Kette, so dass nach und nach weitere Anlagen und Fertigungsbereiche an das Livesystem angebunden wurden. Bis heute sind fünf internationale Standorte und 60 Messanlagen an die Hochleistungsdatenbank EXASolution angeschlossen. Dort stehen die Daten jederzeit für analytische Abfragen und Reports bereit. Bei Semikron fallen aus den unterschiedlichsten Datenquellen Informationen an. Mess- und Prozessdaten, Daten über Materialbe-
Quelle: [2] – Beispiel gekürzt durch Autor.
sich bringt. ◼ Nutzen: Mit einem ganzheitlichen Mess-und Prozessdatenarchiv auf Basis von EXASolution kann Semikron seine Produktions- und Qualitätskennzahlen der verkauften Leistungshalbleiter-komponen- ten innerhalb der vorgeschriebenen Aufbewahrungsfristen zurückverfolgen. Präventive Analysen (Statistical Process Control) sind auf den gewonnenen Messdaten ad-hoc und ohne Informationsverlust möglich. Die Fachbereiche, beispielsweise Prozess- und Qualitätsingenieure in der Fertigung, sind unabhängig von anderen Abteilungen und können ihre Standard- oder Ad hoc-Reports auf Knopfdruck erstellen. Darüber hinaus ist es jetzt möglich, Produktionsnachweise mit allen verfügbaren Daten zu einem einzelnen Bauteil abzurufen. ◼ Lessons learnt: Big-Data-Projekte sind komplex. Oft sind Unternehmen nicht in der Lage, ihre tatsächlichen Datenbestände für die geplanten Projektvorhaben hinsichtlich ihrer Volumenentwicklung abschätzen zu können. Bei Semikron hat sich beispielsweise gezeigt, dass sie von einem viel grö- ßeren Datenvolumen ausgegangen sind, als es tatsächlich der Fall war. Bei dem durchgeführten Proof of Concept stellte sich heraus, dass zwar die Vielzahl an Daten, die in den typischen Produktionsprozessen anfallen, sehr hoch ist, nicht aber das Datenvolumen. Eine Teststellung ist somit ein wertvolles Instrument, um letzte Fragen zum Lösungsszenario auf Seiten beider Projektpartner zu beantworten, um letztendlich wertvolle Zeit zu sparen und keine unnötigen Ressourcen zu binden.
Bildungsqualität
Bildungsqualität
weil das Volumen der zur Verfügung stehenden Daten wie auch die Zahl der Datentypen wächst.“ [2, S. 7] Hans-Dieter Zollondz, Vichy
gebotes, Zufriedenheit mit einem Bildungsangebot, Strukturiertheit des Unterrichts, Ausmaß der sozialen Ungleichheit, Begabungsförderung, Ausmaß der Förderung sozial Benachteiligter, kognitiver Lernzuwachs usw.
Literatur
1 Paradoxien des Bildungsbegriffs Im Anschluss an Lenzen [18] weist Ehrenspeck [11] auf besondere Eigenschaften des Bildungsbegriffs hin, die man als Paradoxien bezeichnen kann: Bildung ist zugleich abgeschlossen und nicht abgeschlossen, sie ist zielgerichtet und zieloffen, sie bedeutet, der zu werden, der man schon ist usw. Bemerkenswert ist, dass diese (scheinbaren?) Paradoxien keine Besonderheit der Geisteswissenschaften mehr sind, sondern analoge Begriffe wie Selbstorganisation, Autopoiesis, selbstreferentielle Systeme auch in der naturwissenschaftlichen Systemforschung, in der Informatik und in der Chaosforschung eine wichtige Rolle spielen. Dahinter steht der Grundgedanke, dass bestimmte Systeme auch dann zu unerwarteten Zuständen führen, wenn ihre Struktur vollständig bekannt ist. Für die Erforschung von Bildungsqualität ist diese Erkenntnis deswegen zentral, weil damit die Möglichkeit aufgezeigt wird, dass gerade ungeplante und unerwartete Entwicklungen des Individuums konstitutiv für (gute) Bildung sind. Die Qualität würde demnach mitunter gerade in der mangelnden Zieltreue und dem schöpferischen Eigensinn einzelner Individuen liegen. Erst eine solche Sicht auf Bildung ermöglicht es, eine Verbindung zwischen Bildungstheorie und empirischer Bildungsforschung herzustellen. Allerdings erfordert die Beschreibung und Analyse derartiger Bildungsprozesse Methoden, die Brüche, unerwartete Wendungen und neuartige Lösungen erfassen können. Standardisierte Messungen sind dafür ungeeignet, und es bedarf nach wie vor auch der Anwendung qualitativer Methoden (exemplarisch: [8]).
[1] Bloching, B., L. Luck und Th. Ramge: Data Unser. Wie Kundendaten die Wirtschaft revolutionieren. München (Redline) 2012, S. 9-10 [2] BITKOM (Hrsg.): Big Data im Praxiseinsatz – Szenarien, Beispiele, Effekte. Berlin (BITKOM) 2012, S. 18 [3] King, S.: Big Data. Potential und Barrieren der Nutzung im Unternehmenskontext. Wiesbaden (Springer-VS) 2014 [4] Nach Gordon Moore (geb. 1929), dem Mitbegründer von Intel, gibt es eine von ihm 1965 formulierte Gesetzmäßigkeit, die besagt, dass sich die Komplexität von integrierten Schaltkreisen regelmäßig verdoppelt. Dieses „Gesetz“ konnte in der Vergangenheit empirisch gut bestätigt werden, so in der Anzal der Transistoren pro Flächeneinheit, die sich alle zwei Jahre verdoppelt. Dass es sich dabei um einen ernst zu nehmen evolutionären Trend handelt zeigt die Tatsache, dass sich die Chipindustrie in ihren Entwicklungsplänen am Moorschen Gesetz orientiert. Da es ja kein Naturgesetz ist, bleibt abzuwarten, wie sich eine solche Fausregel entwickeln wird. [5] Bachmann, R., G. Kemper und Th. Gerzer: Big Data – Fluch oder Segen? Unternehmen im Spiegel gesellschaftlichen Wandels. Frechen (mitp) 2014 [6] Geiselber, H. und T. Moorstedt (Red.): Big Data. Das neue Versprechen der Allwissenheit. Berlin (Suhrkamp) 2013 [7] Mayer-Schönberger, V. und K. Cukler: Big Data. Die Revolution, die unser Leben verändern wird. München (Redline) 2013 [8] Bloching, B., L. Luck und Th. Ramge: Smart Data. Datenstrategien, die Kunden wirklich wollen und Unternehmen wirklich nützen. München (Redline) 2015 [9] http://www.bigdata.fraunhofer.de [10] Davenport, Th. H.: big data @ work: Chancen erkennen, Risiken verstehen. München (Vahlen) 2014 [11] Davenport, Th. H.: Auf Augenhöhe mit den Zahlenprofis. In: Harvard Business Manager Edition 4-2014, S. 20-24
Bildungsqualität
▶quality in education | ▶educational quality Der Bildungsbegriff ist in der deutschen Sprache vieldeutig und schillernd. Er kann sich sowohl auf Prozesse (Ich bilde mich) als auch auf Produkte (Ich bin gebildet) beziehen. Demzufolge ist es auch sinnvoll, zwischen Prozess- und Produktqualität von Bildung zu unterscheiden. Der Bildungsbegriff ist Gegenstand eines nicht abgeschlossenen Prozesses der Reflexion und Diskussion und enthält auch paradoxe Elemente ([18], [11]). Wie auch immer Bildung im Einzelnen definiert wird, der Bildungsbegriff als Beobachtungsbegriff ist in jedem Fall mehrdimensional zu verstehen. Daraus folgt, dass Bildung als Gegenstand von Beobachtungen und Messungen immer auf die Kombination mehrerer Messverfahren auf der Grundlage einer Theorie der (gelungenen) Bildung angewiesen ist. Dadurch unterscheidet sich Bildungsqualität grundlegend von anderen leichter messbaren spezifischen Qualitäten innerhalb des Bildungsprozesses wie beispielsweise Attraktivität eines Bildungsan-
Eine weitere Paradoxie kann darin gesehen werden, dass der Begriff „Bildungsqualität“ meist auf institutionell verankerte Strukturen und Prozesse verweist, denn nur diese lassen sich gezielt beeinflussen. Zugleich wird aber in der westeuropäischen Tradition eines besonderen Bildungsverständnisses immer wieder auf die zentrale Bedeutung des autonomen Subjekts als Träger des eigenen Bildungsprozesses verwiesen. Diese kulturelle Besonderheit führt bei internationalen Leistungsvergleichen möglicherweise zu besonderen Problemen, wenn Kulturen einbezogen werden, deren Bildungsverständnis weniger individualistisch ausgerichtet ist. Nach dem klassischen europäischen Bildungsverständnis im Anschluss an die Gedanken der Aufklärung brauchen junge Menschen auch genügend nicht institutionell gebundene Zeit, um ihren eigenen Weg zu finden. Dadurch entsteht ein Konflikt mit dem Zeitverbrauch für vorgegebene Lern- und Übungsaktivitäten, wie er für Bildungseinrichtungen typisch ist. Die abendländisch und demokratisch ausgerichtete Konzeption von Jugend schließt offenbar außerinstitutionelle Erfahrungsräume mit ein und gesteht dem Individuum große Entscheidungsspielräume zu. Um den immanenten Paradoxien von
99
B
Bildungsqualität
B
Bildung gerecht zu werden, wird daher in diesem Beitrag der Begriff „Educandus“ (lat. zu Bildender, plur. Educandi) verwendet, um die Person zu bezeichnen, die sich bildet und zu deren Bildung andere beizutragen haben, in ihren Rollen als Eltern, Erzieher, Lehrer, Hochschullehrer, Bildungspolitiker und Mitmenschen. 2 Prozessqualität von Bildung Die meisten gebräuchlichen Modelle zur Erklärung der Wirksamkeit von Bildung berücksichtigen vier Komponenten: ◼ ◼ ◼ ◼
die Bildungsvoraussetzungen, die Bildungsgelegenheiten und deren Nutzung, den Kontext und die Bildungsergebnisse.
Zu den Bildungsvoraussetzungen zählen einerseits durch vorangegangene Bildung erworbene Eigenschaften, andererseits aber auch Merkmale, die nicht durch Bildung, sondern durch andere Faktoren bedingt sind, wie etwa die kognitiven Grundfähigkeiten, der Migrationsstatus, das Geschlecht oder auch für Bildungsprozesse bedeutsame körperliche Voraussetzungen. Bildungsergebnisse sind die dauerhaften Veränderungen der Persönlichkeit der Educandi, soweit sie auf Bildung zurückgeführt werden können. Zu den Kontextbedingungen gehören beispielsweise Merkmale der Gruppen, innerhalb deren Bildungsprozesse ablaufen oder Merkmale auf der Ebene von Institutionen oder Gemeinden. Die Bildungsgelegenheiten selbst, die wahrgenommen und genutzt werden (oder auch ungenutzt bleiben), haben Eigenschaften, die für das Konstrukt der Prozessqualität von Bildung maßgeblich sind. Wegen der derzeit vorherrschenden Kompetenzorientierung sind diese Eigenschaften meist gute Bedingungen für die kognitive Verarbeitung von Lerngelegenheiten, allerdings gibt es auch theoretische Ansätze, die von ästhetischen und körperlichen Erlebnismodi ausgehen. So werden etwa domänenspezifische Aneignungsmodi benannt wie Modi des Denkens, ästhetische Wahrnehmungsmodi und das Erleben des Körpers [2]. Nach Hafen u. a. [12] korrespondiert dem ästhetischen Wahrnehmungsmodus beispielsweise beim Erleben von Musik im Bildungsprozess die Inszenierung eines ästhetischen Wahrnehmungsraums. Dessen Eigenschaften wiederum lassen sich als Merkmale der Prozessqualität von Bildung betrachten. Allerdings ist es alles andere als einfach, diese Inszenierung von Wahrnehmungsräumen empirisch zu erfassen und dann auch noch zu bewerten. Empirische Modelle dazu fokussieren meist das Erleben der Educandi, was dem subjektiven Charakter von Bildungserfahrungen am ehesten gerecht wird. Alle Merkmale von Bildungsprozessen, die Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Bildung ermöglichen und sich vor dem Hintergrund von Kriterien auch gut bewerten lassen, können somit unter dem Begriff der Prozessqualität von Bildung versammelt werden. Zu deren Erfassung kann beispielsweise von folgenden Leitfragen ausgegangen werden:
100
Bildungsqualität ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Ist der Bildungsprozess strukturiert? Gibt es klare Ziele? Sind Lehr-Lernprozesse interessant gestaltet? Sind Wissen und Können, die vermittelt werden sollen, auf der Höhe der Zeit oder schon veraltet? Werden die Lernenden kognitiv herausgefordert? Werden positive Gefühle wie Interesse, Neugier und Freude hervorgerufen? Wird unnötiger Stress vermieden? Werden Lerngelegenheiten aktiv genutzt? Gelingt es, ästhetische Erfahrungsräume zu inszenieren?
Dabei liegen theoretische Modelle zugrunde, die überwiegend aus der Unterrichtsforschung stammen, sich aber gleichwohl gut eignen, auf andere pädagogische Handlungsfelder übertragen zu werden. Auch für die entsprechenden Messinstrumente, zumeist Schätzskalen, die aus drei bis acht Einzelaussagen (Items) bestehen, gilt, dass sie sich gut an unterschiedliche institutionelle Kontexte anpassen lassen. Die theoretischen Modelle und viele Messinstrumente können direkt aus der Literatur oder entsprechenden Websites entnommen werden (einführend dazu: [3], zum Stand der Unterrichtsforschung [13], [14]). 3 Produktqualität von Bildung, Brutto- sund Nettoeffekte Merkmale von Individuen, die nachweisbar auf Bildungsprozesse zurückführbar sind, dauerhaft und zeitstabil sind, sich als Wirkungen von Bildungsprozessen nachweisen lassen und vor dem Hintergrund von Zielkriterien bewertbar sind. Die im Anschluss am die großen internationalen Leistungsvergleichsstudien wie IGLU, PIRLS, PISA, PIAAC am häufigsten genannten „Produkte“ von Bildung sind bestimmte Kompetenzen in den Domänen Naturwissenschaft, Lesen, Fremdsprachen, Mathematik und technologische Alltagskompetenz. Bisher weniger beachtet, in Zukunft aber sicher von großer Bedeutung, sind Kompetenzen von Kindern im Alter von 0 bis 6 Jahren, beispielsweise die phonologische Bewusstheit, also die Fähigkeit, Phoneme zu unterscheiden. Am Beispiel dieser früh erworbenen Kompetenz soll der Unterschied zwischen Brutto- und Nettoeffekten verdeutlicht werden (Abbildung B17). Betrachten wir zunächst die Situation im Jahr 2016: Die Kinder der Kita 2 verfügen über eine höhere phonologische Bewusstheit als die Kinder der Kita 1. Aber ist das auf die bessere Qualität der Kita 2 zurück zu führen? Der Blick auf den Zeitpunkt t0 spricht dagegen. Denn die Kinder von Kita 2 hatten schon bei Eintritt in die Kindertagesstätte einen Vorsprung, der in den zwei Jahren geringer geworden ist. Betrachten wir nur die Zuwächse, schneidet Kita 1 besser ab als Kita 2. Wir bezeichnen diesen Effekt der Bildungseinrichtung als Nettoeffekt. Für die Bewertung der Bildungsqualität einer Einrichtung ist dieser Nettoeffekt ausschlaggebend, während der Bruttoeffekt alle Effekte umfasst, auch diejenigen, die außerhalb der Reichweite einer Bildungseinrichtung liegen. Teilweise sind diese Effekte auf Faktoren zurückzuführen, die durch Bildung gar nicht beeinflusst werden können, wie etwa die genetische Variation.
Bildungsqualität Neben Kompetenzen können auch Einstellungen, Strukturen und Merkmale des Selbst empirisch erfasst werden. Auch sie lassen sich teilweise auf Bildungsprozesse zurückführen. Auch hier macht die Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettoeffekten Sinn, wie am Beispiel des Selbstwertgefühls gezeigt werden soll. Bei dieser Variablen stellen wir oft negative Effekte (Verluste) fest, vor allem beim Übergang von der Primarstufe in die Sekundarstufe. In Abbildung B18 wird gezeigt, dass eine Schule (S1) Zuwächse aufweist, während die zweite (S2) Verluste einfährt.
Bildungsqualität Abb. B17: Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettoeffektivität von Bildung am Beispiel der phonologischen Bewusstheit im Alter von drei bis fünf Jahren Phonologische Bewusstheit Nettoeffekt Nettoeffekt
Kita 1
Kita 2
◼ die bewertete Beschaffenheit von Strukturen, Inhalten und Prozessen, die nachweislich Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit von Educandi haben und sich gezielt verändern lassen; ◼ die empirisch ermittelte Ausprägung und Bewertung der tatsächlich erzielten erzieherischen Wirkungen von Bildungsprozessen, der erzielten kognitiven Veränderungen und der psychosozialen Entwicklung der Educandi zu autonomen Subjekten; ◼ den Grad, in dem individuelle Möglichkeiten schöpferisch umgedeutet und Krisen in der persönlichen Entwicklung vorläufig bewältigt werden.
Bruttoeffekt
Kita 1
Kita 2
Zeitpunkt t2: 2016
Bildungsqualität lässt sich somit wie folgt definieren: Mit Bildungsqualität soll die mit einer Bewertung versehene Ausprägung der Strukturen, Inhalte und Prozesse bezeichnet werden, die auf die Entwicklung der Persönlichkeit von Menschen in allen Entwicklungsphasen nachweisbar Einfluss haben; außerdem soll mit Bildungsqualität die Ausprägung und Bewertung der Ergebnisse dieser Prozesse bezeichnet werden, wobei als zentrales Kriterium für eine gelungene Bildung das kompetente und autonome Subjekt betrachtet wird, das Lebenskrisen erfolgreich bewältigen kann und eine hohe Lebenszufriedenheit erreicht.
Begriff
Der Begriff „Bildungsqualität“ bezieht sich somit auf drei Komponenten, die aus emZeitpunkt t0: 2014 pirischen Gründen isoliert werden müssen, bei einer abschließenden Bewertung ganzer Systeme aber wieder vereint werden müssen, und zwar auf: Begriff – Komponenten
B
4 Leistungsvergleiche, Mittelwerte und Streuungen, Demnach impliziert eine hohe Bildungsqualität ein gewisses Effektstärken Maß an Zieloffenheit und ungeplanten Verläufen und ErgebIn der Leistungsvergleichsstudie PIAAC (Programme for nissen; eine vollständige Verplanung und rigorose ZeitnutInternational Assessment of Adult Competencies) werden zung sind mit einem solchen Qualitätsbegriff unvereinbar. Lese- und alltagsmathematische Kompetenzen sowie techWährend sich die unter den ersten beiden Punkten genannten Merkmale großenteils inzwischen gut Abb. B18: Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettoeffektivität von messen lassen, gibt es aus erkenntnisthe- Bildung am Beispiel der Entwicklung des Selbstwertgefühls von oretischen Gründen kein Standardverfah- Lernenden der Sekundarstufe I ren, mit dem sich diese Ausprägung eines Bildungssystems oder eines Bildungsprozesses oder seiner Ergebnisse im Sinne der Selbstwertgefühl zuletzt genannten Kriterien gültig erfassen ließe. Hier bleibt nur der Rückgriff auf quaNettoeffekt (negativ) litative Erhebungsverfahren, die auf dem Nettoeffekt Prinzip des Dialogs zwischen Forschenden und Educandi beruhen. Bei der Beurteilung Bruttoeffekt einzelner Bildungseinrichtungen oder auch der Bildungssysteme ganzer Gesellschaften müssen alle drei Komponenten berücksichtigt werden. Geschieht dies nicht, bleibt die Schule 1 Schule 2 Schule 1 Schule 2 Beurteilung selektiv und sollte auch als solche gekennzeichnet werden. Zeitpunkt t0: 2014
Zeitpunkt t1: 2015
101
Bildungsqualität
Bildungsqualität
Abb. B19: Lesekompetenz und Varianzaufklärung durch den sozioökonomischen Status 560
B
Korea
Finnland
540
Lesekompetenz
520
500
Kanada
Japan
Island
480
460
Neuseeland
Australien Niederlande Norwegen Estland Polen Vereinigte Staaten Belgien Schweiz Deutschland Schweden Ungarn Irland Dänemark Frankreich Portugal ItalienGriechenland Slowenien Spanien Tschechische Republik Slowakische Republik Luxemburg Israel Österreich Türkei Vereinigtes Königreich Chile
440
Mexiko
420 0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
Varianz Legende: Hell hervorgehobene Datenpunkte unterscheiden sich bezüglich der Varianzaufklärung durch den sozioökonomischen Status signifikant vom OECD-Durchschnitt. Quelle: [15], S. 239
nologiebasierte Problemlösekompetenzen bei Erwachsenen im Alter von 16 bis 65 Jahren in Deutschland und mehr als 20 weiteren Ländern gemessen. In dieser PIAAC-Studie (vgl. [21]) wurde festgestellt, dass in allen untersuchten Ländern die Kompetenzen der Bevölkerung mit zunehmendem Alter abnehmen. Nun gibt es einige Länder, in denen diese altersbedingte Streuung der Kompetenzen nur gering ist. Von diesen Ländern wird angenommen, dass es ihnen besser gelingt, Menschen jenseits der 30 zu fördern und zu fordern. Eine solche Betrachtung stützt sich nicht nur auf die Interpretation von Mittelwerten, sondern berücksichtigt auch die unterschiedlichen Streuungen als Qualitätsindikator.
um wird das Kompetenzniveau einbezogen. Im Hinblick auf die Bildungsqualität besonders günstig sind Werte im linken oberen Quadranten, besonders ungünstig Werte im rechten unteren Quadranten.
Daneben spielen auch komplexere statistische Größen eine immer wichtigere Rolle bei der Bewertung von Bildungsmaßnahmen und Bildungssystemen. Insbesondere die Effektstärke als Maß der aufgeklärten Varianz stellt einen wichtigen Maßstab dar. Dabei wird die Varianz (die Streuung zwischen den Messwerten) in den Anteil zerlegt, der auf bestimmte Variablen zurückführbar ist, und den Anteil, der auf andere Faktoren zurückgeht. Beispielsweise wird angestrebt, dass der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft von Lernenden und dem Bildungserfolg möglichst gering sein soll. Die Stärke dieses Zusammenhangs lässt sich als Varianzaufklärung oder Effektstärke darstellen und exakt berechnen. In Abbildung B19 wird dargestellt, wie groß die Zusammenhänge zwischen sozialer Herkunft und Lesekompetenz im Rahmen von PISA 2009 waren. Als Maß gilt dabei der durch die soziale Herkunft erklärte Varianzanteil, der zwischen 4 % ( Japan) und über 19 % (Ungarn) liegt. Als weiteres Kriteri-
5 Empirische Annäherungen an das Konstrukt „Bildungsqualität“ Vor dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen können bestimmte Analysen im Rahmen der internationalen Leistungsvergleichsstudien wie PISA und PIAAC als Annäherungen an das Konstrukt der Bildungsqualität betrachtet werden. Beispielsweise werden im Rahmen von PISA 2009 Beziehungen zwischen dem Lesekompetenzniveau und der Stärke des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Lesekompetenz in einer Grafik (Abbildung B19) dargestellt. Eine solche mehrdimensionale Analyse nähert sich an das Ideal einer multikriterialen Betrachtung von Bildungssystemen an. Im konkreten Fall zeigt sich, dass vor allem Kanada, Japan, Finnland und Korea positiv herausragen, Deutschland liegt im Mittelfeld, besonders ungünstig sind die Werte für Luxemburg und Ungarn. Würden diesen beiden Kriterien weitere Kriterien wie das subjektive Befinden der Lernenden,
102
Die Länder im linken oberen Quadranten belegen, dass es möglich ist, hohe Kompetenzniveaus bei geringer sozialer Selektivität zu erreichen. Im Hinblick auf diese Kombination von Kriterien ragen Japan, Finnland, Korea und Kanada heraus; Deutschland liegt im rechten oberen Quadranten, dies ist eine weniger günstige, aber eher mittelmäßige als besonders schlechte Position.
Bildungsqualität ihre Selbstwirksamkeit, ihr Selbstwertgefühl und ihre sozialkulturelle Identität sowie die seelische Gesundheit hinzugefügt, entstünde ein komplexes Bild der Bildungsqualität ganzer Gesellschaften. Obwohl auch derart komplexe Modelle nicht vollständig ausreichen würden, um Bildungsqualitäten überzeugend zu belegen, wären sie jedoch eine brauchbare und durchaus realisierbare Annäherung an das Konstrukt der Bildungsqualität. Um qualitative Studien ergänzt, die Identität, Autonomie und Glückserleben in den Blick nehmen und auch Paradoxien, Brüche und Wendepunkte als Komponenten des Bildungsprozesses berücksichtigen, würden sie ein umfassendes Bild der Bildungsqualität ganzer Gesellschaften oder einzelner Institutionen liefern können. Ein solches Bild, so unvollständig es sein mag, wäre auf jeden Fall besser wäre als die Reproduktion bloßer Meinungen über gute oder schlechte Bildung. 6 Bildungsqualität in Deutschland Für eine erste Einschätzung und Bewertung der Bildungsqualität in Deutschland liegen inzwischen genügend Daten vor, die nicht nur Rückschlüsse auf die schulische, sondern auch auf die frühkindliche Bildung und die Entwicklung bei Erwachsenen erlauben. Betrachtet man zunächst nur die Bruttoeffekte von Bildung bei den Fünfzehnjährigen, also am Ende der Sekundarstufe I, und beschränkt sich auf einige kognitive Variablen, fallen große Unterschiede zwischen den Bundesländern ins Auge. In Mathematik beträgt der Unterschied zwischen Sachsen und Bremen beispielsweise 65 Punkte, was einem Vorsprung von etwa zwei Schuljahren entspricht [21]. Ähnliche Unterschiede finden sich bei den naturwissenschaftlichen Kompetenzen. Setzt man dazu Prozessmerkmale in Beziehung, kann angenommen werden, dass vor allem die aktive Nutzung von Lerngelegenheiten den Anteil an Varianz erklärt, der nicht auf sozialstrukturelle Bedingungen und unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen schon zu Beginn der Schullaufbahn zurückzuführen ist. Betrachtet man die Kompetenzen von Fünfzehnjährigen über den Zeitraum von 2000 bis 2012 im Sinne einer Trendstudie, lässt sich feststellen, dass die Leistungen in Naturwissenschaften und Mathematik sich deutlich verbessert haben, in der Lesekompetenz geringfügig [22]. Ausgehend von einer multikriterialen Sichtweise ist zu prüfen, ob diese Leistungssteigerungen möglicherweise mit Einbußen bei Wohlbefinden und Glück der Schülerinnen und Schüler bezahlt wurden. Dies ist offenbar nicht der Fall, denn wie Zeitreihenuntersuchungen zur Lehrer-Schüler-Beziehung ergeben, haben sich auch diese keineswegs verschlechtert, sondern vielmehr deutlich verbessert ([15], S. 126). Was die Erwachsenen angeht, sind die Ergebnisse durchweg eher mittelmäßig, wie man aus der bereits erwähnten PIAAC-Studie entnehmen kann. Inzwischen liegen auch etliche empirische Untersuchungen zur Qualität der Bildung an Hochschulen vor, insbesondere zur Wirksamkeit der Lehrerbildung ([7], [17], [16] , [10]). Dabei zeigt sich, für manche überraschend, dass angehende Lehrkräfte für das Lehramt an Grundschulen und auch Lehr-
Bildungsqualität kräfte für die Sekundarstufe im internationalen Vergleich teilweise überdurchschnittlich gut auf den Beruf vorbereitet werden. Besonders auffällig und herausragend sind die Kompetenzen deutscher Lehrkräfte für das Gymnasium bzw. die Sekundarstufe II (speziell in Mathematik) ausgeprägt [10]. Auch im Hinblick auf das pädagogische Professionswissen konnten erhebliche Effekte des Studiums nachgewiesen werden [17]. Im internationalen Vergleich kann die universitäre Lehrerbildung in Deutschland offenbar nicht nur mithalten, sondern erweist sich als wider Erwarten gut. In der Zusammenschau zeigt sich, dass die Bildungsqualität in Deutschland allenfalls eine Auffälligkeit aufweist, nämlich die, völlig unauffällig zu sein. Die Ergebnisse im Sinne einer Produktqualität sind befriedigend, in Teilbereichen auch gut, die Zusammenhänge zwischen Bildungserfolg und sozialen Merkmalen sowie dem Migrationshintergrund sind mäßig bis mittelstark. Alle Ergebnisse liegen im Rahmen dessen, was man aufgrund der Wirtschaftskraft des Landes, seinen Sozialstrukturen und seiner Alltagskultur auch erwarten darf. Diese spektakuläre Mittelmäßigkeit erklärt vielleicht auch, warum Untersuchungen zur Bildungsqualität in den letzten Jahren von den Medien kaum noch beachtet werden. Sie liefern keinen Vorwand zu apokalyptischen Zukunftsvisionen im Sinne einer neuen Bildungskatastrophe, lassen aber auch niemanden von einer Weltmeisterschaft in absehbarer Zeit träumen. Immerhin, es scheint eher aufwärts zu gehen, wenn auch mühsam. 7 Kritik und Missverständnisse Kritiker einer empirisch fundierten Qualitätsentwicklung im Bildungswesen arbeiten nicht selten mit vereinfachten und verzerrenden Darstellungen der zugrunde liegenden Theorien. So wird etwa der Humankapitaltheorie unterstellt, sie reduziere den Menschen auf ein ökonomisches Gut. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Die Humankapitaltheorie behauptet lediglich, dass bestimmte durch Bildung beeinflussbare Eigenschaften von Menschen ökonomisch relevant seien und zur Wertentwicklung beitrügen. Das menschliche Selbst als Gegenstand der Bildung kann über solche Eigenschaften verfügen; ob und wie es sie einsetzt, ist jedoch nicht festgelegt. Es muss also nicht wertsteigernd handeln, auch wenn es dies kann. Es tut immer wieder ganz unerwartete und oft auch ökonomisch unsinnige Dinge, weil es seine spezifischen Eigenschaften und Fähigkeiten regiert und nicht von ihnen determiniert wird. Bildung als Produkt zielt nie auf das Selbst als Ganzes; und das Selbst kann sinnvoll nicht als Produkt von Bildung begriffen werden. Es kann überhaupt nicht als Produkt gesehen werden, sondern muss als autonomes Handlungszentrum betrachtet werden, von dem aus Eigenschaften, die auf Bildungsprozesse zurückgehen, überhaupt erst Bedeutung erlangen. Eine der Paradoxien von Bildung besteht darin, dass ihre Ergebnisse letztlich nicht berechenbar sind, weil Bildung das Individuum in die Lage versetzt, sich auch über sein eigenes Wissen und Können (und die ökonomische Vernunft) hinwegzusetzen.
103
B
Bildungsqualität
B
Menschen sind aus wissenschaftlicher Perspektive gesehen niemals Produkte von irgendetwas oder irgendwem, auch nicht Produkte von Bildungsprozessen oder bestimmten gesellschaftlichen Strukturen. Sie sind geistige und seelische Entitäten, die über einige Eigenschaften verfügen, die man als Produkte von Handlungen betrachten kann, beispielsweise trainierte Muskeln oder die Fähigkeit, Englisch zu sprechen. Bildungssysteme in totalitären Gesellschaften oder abgespaltenen Teilkulturen, die versuchen, Menschen strikt im Sinne einer bestimmten Ideologie oder Pseudoreligion zu erziehen, mögen damit kurzfristig im Mittel traurige Erfolge erzielen, längerfristig werden sie scheitern. Und kurzfristig scheitern sie immer schon an der Widerspenstigkeit und Unbeugsamkeit einzelner Individuen. Ein weiteres Missverständnis, bei dem nicht klar ist, ob es wirklich ein Missverständnis oder eine Täuschung ist, besteht darin, dass Bildungsqualität durch sehr oberflächliche Merkmale definiert wird und dann entsprechende Messungen als Qualitätsnachweis vorgeführt werden. Dazu gehören Teilnehmerbefragungen, in denen nur subjektive Einschätzungen erhoben werden. Solche Befragungen messen eine Teildimension der Prozessqualität, sie erfassen jedoch nicht die Wirkungen von Bildungsprozessen. Noch schwerer wiegt ein weiterer Fehler: So wird immer wieder, beispielsweise bei internationalen Vergleichsstudien, ein Interpretationsfehler gemacht, den man als reduktionistischen Fehler bezeichnen kann. Obwohl Bildung und somit auch Bildungsqualität ein mehrdimensionales Konstrukt ist, wird zur Bewertung von Bildungssystemen und Bildungseinrichtungen nur ein einziges Kriterium herangezogen, beispielsweise die Leistungen in bestimmten Kompetenzdomänen. Eine solche eindimensionale Sicht ist jedoch mit dem Bildungsbegriff unvereinbar. Zur Erfassung der Bildungsqualität einer Einrichtung, Maßnahme oder eines ganzen Bildungssystems sollten mindestens drei Dimensionen berücksichtigt werden: ◼ kognitive Lernzuwächse, ◼ psychosoziale Effekte und ◼ die Dimension der Entwicklung eines autonomen und glücksfähigen Selbst. Evaluationen, die sich auf eine einzige Dimension beschränken, sind durchaus nützlich, sie erlauben aber keine Aussagen über die Qualität von Bildung. Prof. Dr. Karl-Oswald Bauer, Vechta Literatur [1] Bauer, K.-O. (Hrsg.) (2007): Evaluation an Schulen. Theoretischer Rahmen und Beispiele guter Evaluationspraxis. Weinheim/München: Juventa [2] Bauer, K.-O. (2011). Modelle der Unterrichtsqualität. In: Bauer, K.-O. /Logemann, N. (Hrsg.): Unterrichtsqualität
104
Bildungsqualität und fachdidaktische Forschung. Modelle und Instrumente zur Messung fachspezifischer Lernbedingungen und Kompetenzen. Münster u.a.: Waxmann , S. 51-74 [3] Bauer, K.-O:/Bohn, A./Kemna, P./Logemann, N. (2010): Pädagogische Qualität messen. Ein Handbuch. Münster u.a.. Waxmann [4] Bauer, K.-O./Kanders, M. (2000): Unterrichtsentwicklung und professionelles Selbst der Lehrerinnen und Lehrer. In: Rolff u.a. (Hrsg.): Jahrbuch der Schulentwicklung Band 11, Weinheim/München, S. 297-325 [5] Bauer, K.-O./Logemann, N. (Hrsg.) (2009): Kompetenzmodelle und Unterrichtsentwicklung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt [6] Bauer, K.-O. /Logemann, N. (Hrsg.) (2011): Unterrichtsqualität und fachdidaktische Forschung. Modelle und Instrumente zur Messung fachspezifischer Lernbedingungen und Kompetenzen. Münster u.a. 2011: Waxmann [7] Blömeke, S. u.a. (Hrsg.) (2011). Kompetenzen von Lehramtsstudierenden in gering strukturierten Domänen. Erste Ergebnisse aus TEDS-LT. Münster: Waxmann [8] Bohn, A. (2013). Das Erlebnis des Wandels. Eine qualitativ-empirische Studie zum subjektiven Erleben von Selbstveränderung in Krisensituationen als Bildungsprozess. Frankfurt a.M.: Peter Lang [9] Bremerich-Vos, A./Dämmer, J./Willenberg, H./Schwippert, K. (2011). Professionelles Wissen von Studierenden des Lehramts Deutsch. In: Blömeke u.a. (2011), S. 47-76 [10] Döhrmann, M./Kaiser, G./Blömeke, S. (2012): TEDSM: Mathematiklehrerausbildung im internationalen Vergleich. In: Bauer, K.-O./Logemann, N. (2012): Effektive Bildung. Zur Wirksamkeit und Effizienz pädagogischer Prozesse. Münster: Waxmann, S. 129-149 [11] Ehrenspeck, Y. (2009). Philosophische Bildungsforschung: Bildungstheorie. In: Tippelt, R./Schmidt, G. (Hrsg.): Handbuch Bildungsforschung. 2. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 155-169 [12] Hafen, R. u.a. (2011). Musikunterricht auf dem Prüfstand – ästhetische Erfahrung im Fokus der Empirie. In: Bauer, K.-O. /Logemann, N. (Hrsg.): Unterrichtsqualität und fachdidaktische Forschung. Modelle und Instrumente zur Messung fachspezifischer Lernbedingungen und Kompetenzen. Münster u.a. 2011: Waxmann , S. 187-220 [13] Harvey, L./Grenn, D. (2000): Qualität definieren. Fünf unterschiedliche Ansätze. In: Helmke, A./Hornstein, W./ Terhart, E. (Hrsg.): Qualität und Qualitätssicherung im Bildungsbereich: Schule, Sozialpädagogik, Hochschule. Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 41, Weinheim/Basel: Beltz, S. 17-39 [14] Hattie, H. (2013). Lernen sichtbar machen. Baltmannsweiler 2013: Schneider Verlag Hohengehren [15] Klieme, E. u.a. (Hrsg.) (2010). PISA 2009. Bilanz nach einem Jahrzehnt. Münster u.a.: Waxmann [16] König, J./Blömeke, S./Doll, J. (2011). Pädagogisches Wissen von Deutsch-, Englisch- und Mathematiklehramtsstudierenden. In: Blömeke, S. u.a. (Hrsg.). Kompetenzen von
Bildungsqualität Lehramtsstudierenden in gering strukturierten Domänen. Erste Ergebnisse aus TEDS-LT. Münster: Waxmann, S. 135157 [17] König, J./Seifert, A. (Hrsg.) (2012). Lehramtsstudierende erwerben pädagogisches Professionswissen. Ergebnisse der Längsschnittstudie LEK zur Wirksamkeit der erziehungswissenschaftlichen Lehrerausbildung. Münster: Waxmann [18] Lenzen, D. (1997). Lösen die Begriffe Selbstorganisation, Autopoiesis und Emergenz den Bildungsbegriff ab? In: Zeitschrift für Pädagogik 43, S. 949-968 [19] OECD (2011), PISA 2009 Ergebnisse: Potenziale nutzen und Chancengerechtigkeit sichern – Sozialer Hintergrund und Schülerleistungen (Band II) http://dx.doi. org/10.1787/9789264095359-de (02.07.2012) [20] OECD (2013), OECD Skills Outlook 2013: First Results from the Survey of Adult Skills, OECD Publishing. URL:http://dx.doi.org/10.1787/9789264204256-en (08.07.2014) [21] Pand, H. A. u.a. (2013). IQB-Ländervergleich 2012. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I. Münster 2013: Waxmann [22] Prenzel, M./Sälzer, C./ Klieme, E./Köller, O. (Hrsg.) (2013). PISA 2012. Fortschritte und Herausforderungen in Deutschland. Münster u.a.: Waxmann [23] Timmermann, D. (2012). Produktivität, Effektivität, Effizienz. Zentrale Konzepte einer ökonomischen Theorie der Schule. In: Bauer, K.-O./Logemann. N. (Hrsg.) (2012): Effektive Bildung. Zur Wirksamkeit und Effizienz pädagogischer Prozesse. Münster u.a.: Waxmann, S. 9-30 [24] Tippelt, R. (Hrsg.) (2005): Handbuch Bildungsforschung. 2. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Bildungswesen ISO-Term
▶Qualitätsentwicklung im Bildungswesen
bindende Verpflichtung
▶ en: compliance obligations Anforderung, die eine Organisation erfüllen muss oder sich entschließt zu erfüllen
Anmerkung 1 zum Begriff: Verpflichtungen können aus vorgeschriebenen Anforderungen hervorgehen, wie z. B. geltenden Gesetzen und Vorschriften, oder aus freiwilligen Verpflichtungen, wie z. B. Organisations- und Branchenstandards, Vertragsbeziehungen, Prinzipien guter Führung sowie gesellschaftliche und ethische Standards. Quelle: ISO/DIS 19600:2014 – Compliance Managementsysteme – Leitfaden
Bindungsqualität
▶Mitarbeiterbindung
Black Belt
▶ Six Sigma
Bombenwurfstrategie Blindleistungen
▶Qualitätsbezogene Kosten
B
Blueprint
▶ Service Blueprint
BPMN
▶Business Process Model and Notation
Bologna-Prozess
▶ Qualitätsmanagement an Hochschulen
Bombenwurfstrategie
▶en: bomb dropping strategy ▶Change Management ▶Mindset ▶Stückwerk-Ingenieur (▶Popper) 1 Einführung Der Begriff Bombenwurf wurde wohl erstmals von Erich Witte, dem Münchner Organisationsforscher, geprägt und dann ausführlicher von Werner Kirsch in die Organisationspsychologie als Bombenwurfstrategie eingeführt. [1] Streng genommen handelt es eher um eine der Umsetzung von Strategien zugrundeliegende Denkhaltung und nicht um eine Strategie im heutigen Verständnis. Bei jeder Strategieumsetzung, worunter auch Implementierungen von QM-Systemen zu zählen sind, geht es um eine äußerst komplexe Problemstellung, die heute in der Regel einem visionsgeleiteten Lösungsweg zugrundeliegt. Die so im Rahmen einer Evolutionären Strategie eingebettete visionsgeleitete Vorgehensweise ist motivierender und hat eindeutige Vorteile, weil der Prozess des Entwickelns einer gemeinsamen Vision einen Boden schafft, der alles weitere trägt (der Grad der Beteiligung der Betroffenen von der Planung bis zur Umsetzung ist hoch). Hier ist das Betätigungsfeld der ►Organisationsentwicklung zu sehen. Demgegenüber werden gerade in größeren Organisationen (und nicht nur in diesen) Strategien durch das oberste Management entwickelt (unterstützt durch externe Berater), um sie dann dem mittleren und unteren Management zur Umsetzung zu überlassen. Diese Art der Umsetzung erfolgt dann mittels „Bombenwurf “. Eine breite Abstützung von Visionen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird bewusst nicht herbeigeführt. Damit verschärft sich die Umsetzungsproblematik. Die Folge ist, dass viele Strategien bloße Papiertiger bleiben. Das zeigt sich in der Öffentlichkeit darin, wenn Fusionen von Unternehmen, denen oft organisatorische Geheimpläne vorausgehen, nicht klappen. 2 Grundsätzliches Wenn die Aufbau- oder Ablauforganisation einer Organisation den wahrgenommenen Umweltbedingungen nicht mehr zu entsprechen scheinen, wenn sie nicht mehr instrumentell positiv für ein wirtschaftliches Erreichen der Zwecke der Organisation sind, so ergibt sich für die Entscheider Hand-
105
Bombenwurfstrategie lungsbedarf. Das führt nicht selten dazu, dass sie allein oder unterstützt durch kundige Berater, darüber nachdenken, wie man Aufbau und Ablauf besser strukturieren könnte. Unterschiedliche, oft von der Realität abweichende Konzepte werden erarbeitet, Organigramme gezeichnet. Diese Papiere werden mit dem Siegel „Streng Geheim“ den unterschiedlichsten Expertengremien zur kritischen Prüfung zugeleitet. Mit mehr oder wenigen guten Gründen entscheidet man sich dann für eine Alternative, die sodann den Organisationsmitgliedern, der Belegschaft, bekanntgegeben wird. Mit dieser schlagartigen Bekanntgabe vollzieht sich zugleich die Implementierung der neuen Strukturen und Prozesse. Aus der Perspektive der beschäftigten Mitarbeiter sieht dies anders aus. Sie hört von Sondersitzungen der Geschäftsleitung oder des Vorstands, beobachtet mit Unruhe dunkel gekleidete Herren mit ledernem Aktenkoffer, die durch die Organisation huschen. Gerüchte, die nicht selten einen Kern der Wahrheit enthalten, machen die Runde. Aus diesem nun nicht mehr ganz heiteren Himmel fällt – um im Bild zu bleiben – die Bombe, der neue Organisationsplan. Einige werden nach oben gewirbelt, andere nach unten gerissen, wieder andere sind – um abermals im Bild zu bleiben – tot. Als Kompromiss aus den Forderungen des neuen Konzeptes und den alten Gewohnheiten entsteht nun die Realität der neuen Organisation unter Schmerzen. Das Maschinenmodell der Organisation in den Köpfen der Entscheider hat vergessen lassen, daß es sich ja nicht um Zahnräder, sondern um denkende und fühlende Menschen handelt. Diese werden sich bei Bombenwurfstrategien häufig durch den Plan überrollt vorkommen, sich als fremdbestimmt interpretieren, sich zum Widerstand formieren oder sich machtlos in einer resignativen Weise den neuen Bedingungen fügen. Es mag sein, daß unter dem Druck bestimmter äußerer Bedingungen Organisationsveränderungen nur mit Hilfe des Bombenwurfs bewältigt werden können. 3 Ausblick Der Regelfall allerdings sollte anders aussehen. In Abbildung B20 werden vergleichend Bombenwurfstrategie und Evolutionäre Strategie gegenübergestellt. Auch wenn die Berater ►Hammer & ►Champy in den 1990er Jahren sogar unter Verweis auf Al Capone („der immer ein freundliches Wort für seine Leute … und dabei stets die Pistole in der Tasche hatte.“) empfehlen, das mittlere Management von vornherein auszuschalten und durch eine „starke Führung von oben“ zu Veränderungen zu zwingen, so wird die reine Bombenwurfstrategie heute wohl eher selten vertreten. Wer das anders sieht, sollte zwei Dinge bedenken: ◼ Durch Bombenwurfstrategien werden keine Motivationen freigesetzt. ◼ Bombenwurfstrategien haben den Nachteil, dass sie (im Anschluss an Paul Watzlawik in seinem Buch Lösungen) „selbst Teil des Problems“ sind, das sie lösen möchten. Sie erscheinen auf den ersten Blick hervorragend, haben
106
aber dennoch den Nachteil, dass sie das Problem nicht beseitigen, sondern verstärken, oder auch durch ein anderes, neues ersetzen, das möglicherweise schwerer lösbar ist als das ursprüngliche. Heute trifft man oft auf einen Mix aus Bombenwurf- und Evolutionärer Strategie. Die in der Abbildung genannten Kriterien können hilfreich sein, einen günstigen Strageiemix zu entwickeln. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Esser, W.-M., Gabele, W. und W. Kirsch: Das Management des geplanten Wandels von Organisationen. Stuttgart (C. E. Poeschel)1979
Box, George Edward Pelham
▶Statistik im Qualitätsmanagement „Alle Modelle sind Näherungswerte. Im Wesentlichen sind alle Modelle falsch, aber einige sind nützlich.“ (E. P. Box)
Britischer Qualitätsexperte – Statistik
B
Box, George Edward Pelham
George Edward Pelham Box (*18.10.1919-†28.03.2014) hat auf verschiedenen Gebieten der Statistik gewirkt. Er wird zu Recht als eine „Statistische Größe“ des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Aus der Sicht des Qualitätsmanagements ist er ebenfalls einer der Pioniere, der die statistichen Grundlagen des Qualitätsmanagements maßgeblich beeinflusst hat. Seine Leistung ist in den sehr praktisch ausgerichteten statistischen Designs zu würdigen, v. a. in den folgenden Beiträgen: statistische Inferenz, Robustheit und Modellierung; experimentelles Design und Response-SurfaceMethode; Zeitreihenanalyse und Forecasting; Ve r t e i l u n g s t h e o r i e , Transformation von Variablen und nichtlinearen Schätzung; weitere differente Anwendungen der Statistik. Sein Name ist mit vielen Ideen in der Statistik wie der Box-Jenkins-Ansatz, Box-Jenkins-Modelle und Box-Behnken Design verbunden. Er führte 1953 auch die zentrale Idee der ►Robustheit in die Statistik ein: Der Terminus bedeutet in der Inferenzstatistik, dass ein Test selbst bei verletzten Voraussetzungen (z. B. keine Normalverteilung, zu kleine Stichprobe) verlässlich arbeitet und sich der Fehler 1. und 2. Art nur geringfügig ändert. Doch seine Karriere begann Box als Chemiker in England zur Zeit des 2. Weltkriegs, als er mit einem angefangenen Chemistudium einberufen zum Wehrdienst bei der britischen Armee an einem biochemischen Experiment mit Giftgas arbeitete. Er erkannte, dass er Kenntnisse über statistische Methoden zur Analyse des Experiments brauchte, aber keine
Bombenwurfstrategie
Bombenwurfstrategie
Abb. B20: Bombenwurfstrategie versus Evolutionäre Strategie
Bombenwurfstrategie
Evolutionäre Strategie
Grundprinzip
Veränderungen werden von der Leitung der Organisation (Top Management) ausgearbeitet und bis zur schlagartigen Implementation geheimgehalten.
Betroffene Organisationsmitglieder werden in die vom Top Management initiierten Veränderungsprozessen von Anfang an einbezogen
Umfang der Veränderungen
In der Regel: ◼ Erzielen von Quantensprüngen ◼ Konzentration auf Strukturfragen, aber radikaler Abstand vom Ist-Zustand ◼ Bombenwurf ◼ Logisch-rational definierte Expertenlösung ◼ Organisationsleitung entscheidet exklusiv über die neue Struktur
In der Regel: ◼ Kontinuierliche, inkrementale Verbesserungen ◼ Dauerhafter Lernprozess ◼ Evolution
Rolle der Leitung der Organisation Vorgehensweise ◼ Geheimhaltung der Lösung bis zum Tag X
Chancen
Risiken
◼ Ausschluss der Mitarbeiter und des mittleren Managements (tendenziell Konfliktvermeidung) ◼ Bombenwurf am Tag X ◼ Einheitliche Fremdregelung: genaues Vorgehen nach Plan ◼ Wandel „aus einem Guß“ ◼ Radikale Änderungen ◼ Konzept und Lösung relativ rasch definiert ◼ Klar abgegrenzte und definierte Phasen: Konzept- und Umsetzungsphasen sind genau zu charakterisieren
◼ Akzeptanzprobleme und Widerstände bei den sich übergangen fühlenden Mitarbeitern ◼ Reibungsverluste bis sich die neue Struktur eingespielt hat: Häufiges Nachbessern ist nötig ◼ Hohe Instabilität während der Umsetzungsphase ◼ Keine Lernprozesse für die Mitarbeiter ◼ Kurzfristige, schnell eingeführte Verbesserungen können zu Lasten langfristiger Entwicklungen gehen.
geeigneten Statistiker fand, die ihn unterstützen konnten. So arbeitete er sich als Autodidakt in die Statistik ein. Das Studium der Chemie beendete er nicht. Stattdessen absolvierte er nach dem Krieg an der University College of London das Studium in Mathematik und Statistik als Bachelor und erlangte 1953 dort den Ph. D.. Im gleichen Jahr ging er in die USA, zunächst nach Princeton und North Carolina. 1960 folgte er einem Ruf an die Universität Wisconsin. Dort erlangte er seine Professur und gründete die neue Statistik-Abteilung. 1971 erhielt er den Ronald
◼ Change Agent = Veränderungshelfer: Beratungs- und Unterstützungsfunktion ◼ Externer Berater nur als Moderator ◼ Betroffene zu Beteiligten machen ◼ Partizipation (tendenziell Konflikthandhabung) ◼ Vielfältige Selbstregulierung: Hilfe zur Selbsthilfe ◼ Große Lernprozesse für alle Beteiligten ◼ Einbringen der Detail- und Ablaufkenntnisse der Mitarbeiter ◼ Kleine Veränderungen wirken „natürlich“ ◼ Keine oder nur geringe Widerstände bei der Realisation ◼ Häufig wenig Anpassungen und Nachbesserungen nötig ◼ Durch breit abgestützte Vorbereitungen keine Überraschungseffekte: Die neue Struktur „sitzt“ ◼ Veränderungs-Know-How auf allen Stufen ◼ Zeitaufwendige Lösungsfindung: bei hoher Umweltdynamik ◼ Trotz erhöhter Informationsdiffusion längere Phase der Verunsicherung: ständige Unruhe durch „Herumexperimentieren“ ◼ Schwierigkeit, sich von bestehenden Sturukturen zu lösen und wirklich eine neue Lösung zu finden ◼ Mangelnde Unterstützung durch die Organisationsleitung
Aylmer ►Fisher Lehrstuhl für Statistik an der University of Wisconsin und im Jahr 1980 wurde er zum Vilas Research Professor für Statistik an der University of Wisconsin ernannt, der höchsten Ehre, die Wisconsin einem Mitglied der Fakultät verleihen konnte. 1992 emeritierte er. Ihm wurden die folgenden Ehrungen zuteil: ◼ 1968: Shewhart Medal ◼ 1972: Wilks Memorial Award ◼ 1974: Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences
107
B
Bruhn, Manfred ◼ 1974: R. A. Fisher Lectureship ◼ 1978: Präsident der American Statistical Association ◼ 1993: Goldene Guy-Medaille der Royal Statistical Society
B
Ein Aspekt seiner Person ist noch interessant: In zweiter Ehe (er heiratete dreimal) heiratete er 1959 eine Tochter von Ronald Aylmer Fisher, Joan G. Fisher … die Ehen unter Statistikern! Eine Tochter und ein Sohn gingen aus dieser Ehe hervor. Auch Statistiker? Wer weiß? Auf jeden Fall war sein Lieblingsbuch Alice im Wunderland von Lewis Carroll. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Box, G. E. P. , W. G. Hunter and J. St. Hunter: Statistics for Experimenters Design, Innovation, and Discovery, New York et al. (Wiley) 2005 [2] Tiao, G. C., Bisgaard. S. et al. (ed.): Box on Quality and Discovery: With Design, Control and Robustness, New York et al. (Wiley) 2000
BR
▶Business Reengineering
Brainstorming ▶Q7
Breakthrough ▶Durchbruch
Breakthrough objectives/goals ▶Hoshin Kanri
British Standards (BS)
▶BR British Standards ist die nationale Normungsorganisation von Großbritanien. Die Organisation firmierte vorher unter British Standards Institution (BSI).
Deutscher Qualitätsexperte
Bruhn, Manfred Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Bruhn, geboren 1949, Studium Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Dipl.-Kaufmann dort 1974, Promotion dort 1977: Dr. rer. pol. (bei Prof. Dr. Heribert Meffert); Habilitation 1985; seit 1995 Ordinarius für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Unternehmensführung an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel; Vizepräsident der Schweizerischen Gesellschaft für Betriebswirtschaft (SGB); Präsident des Stiftungsrates der Gesellschaft für Marketing (GfM); des Weiteren Mitglied in verschiedenen Beiräten, Aufsichtsräten und Jurys von Unternehmen und nichtkommerziellen Institutionen; Ausübung diverser Herausgebertätigkeiten, z. B. in „Die Unternehmung“, dem „European Journal of Marketing“ und dem „Journal of Marketing Communication“; Forschungsschwerpunkte u. a. im Bereich Qualitätsmanagement, Dienstlei-
108
Bruhn, Manfred stungsmarketing, Relationship Marketing und Markenpolitik. Literatur
Et al.: Selektion und Strukturierung von Qualitätsmerkmalen. Auf dem Weg zu einem umfassenden Qualitätsmanagement für Kreditinstitute. In: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 39. Jg. (1993), Nr. 2, S. 214-238 (Teil I), Nr. 4, S. 314-337 (Teil II). Et al.: Qualitätsmanagement von Dienstleistungsunternehmen. Herausforderungen aus Sicht der Marketingwissenschaft und –praxis. In: Marketing im Dialog. Neue Herausforderungen an die marktorientierte Führung. Dokumentation des 4. Münsteraner Marketing-Symposiums am 15. Okt. 1994, Münster 1995, S. 109-149. Qualitätsmanagement im Handel. Fallstudie Migros-Genossenschafts-Bund-MBG, Bern 1997. (Unter Mitarbeit von Dominik Georgi): Wirtschaftlichkeit des Qualitätsmanagements. Qualitätscontrolling für Dienstleistungen, Berlin u.a. 1998 (Nachdruck 2013). (Hrsg.): Internes Marketing. Integration der Kunden- und Mitarbeiterorientierung. Grundlagen – Implementierung – Praxisbeispiele, 2. Aufl., Wiesbaden 1999. Et al.: Dienstleistungsqualität. Konzepte – Methoden – Erfahrungen, 3. Aufl., Wiesbaden 2000. Qualitätssicherung im Dienstleistungsmarketing. Eine Einführung in die theoretischen und praktischen Probleme. In: Dienstleistungsqualität. Konzepte – Methoden – Erfahrungen. Bruhn, M.; Stauss, B. (Hrsg.). 3. Aufl., Wiesbaden 2000, S. 21-48. Sicherstellung der Dienstleistungsqualität durch integrierte Kommunikation. In: Dienstleistungsqualität. Konzepte – Methoden – Erfahrungen. Bruhn, M.; Stauss, B. (Hrsg.). 3. Aufl., Wiesbaden 2000, S. 405-431. Kommunikationspolitik von Dienstleistungsunternehmen. In: Handbuch Dienstleistungsmanagement. Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung. Bruhn, M.; Meffert, H. (Hrsg.). 2. Aufl., Wiesbaden 2001, S. 573605. Messung der Anforderungen an die Dienstleistungsqualität. In: Qualitätsmanagement im Dienstleistungsbereich. Assessment – Sicherung – Entwicklung. Hansen, W.; Kamiske, G.F. (Hrsg.). Düsseldorf 2002, S. 7-43. Qualitätswahrnehmung und Qualitätszeichen bei touristischen Dienstleistungen. In: Qualitätszeichen im Tourismus. Vermarktung und Wahrnehmung von Leistungen. Weiermair, K.; Pikkemaat, B. (Hrsg.). Berlin 2004, S. 5-19 (gemeinsam mit K. Hadwich). Qualitätscontrolling. In: Vahlens Großes Auditing Lexikon. Freidank, C.-Ch.; Lachnit, L.; Tesch, J. (Hrsg.). München 2007, S. 1131-1132. Methoden zur Sicherung der Dienstleistungsqualität. In: Digitale Fachbibliothek Unternehmenskommunikation. Barske, H.; Gerybadze, A.; Hünninghausen, L.; Sommerlatte, T. (Hrsg.). Düsseldorf 2009, S. 1-48. Kundenorientierung. Bausteine für ein exzellentes Customer Relationship Management (CRM), 4. Aufl., München 2012. Qualitätsmanagement für Dienstleistungen. Grundlagen – Konzepte – Methoden, 9. Aufl., Berlin u.a. 2013. Qualitätsmanagement für Nonprofit-Organisationen. Grundlagen – Planung – Umsetzung – Kontrolle, Wiesbaden 2013. Servicequalität. Konzepte und Instrumente für eine perfekte Dienstleistung, München 2013. Qualität von E-Health Services: Entwicklung und empirische Überprüfung eines Messinstruments. In: Marketing ZFP, 37. Jg., Nr. 1 (2015), S. 42-56 (gemeinsam mit V. Batt).
Brundtland-Bericht
Business Exzellenz
Brundtland-Bericht
chische Antike hinein. Wir treffen auf das griechische „aretê“ mit seiner Bestimmung als Tugend, Vorzüglichkeit, Bestheit. Soweit sich aretê auf Gegenstände bezieht ist die vortreffliche Eignung oder Tauglichkeit in einem funktionalen Sinn gemeint. Bezieht sich aretê auf Personen, so steht sie für den Besitz exzellenter Eigenschaften, besonders für sozial anerkannte Charakterqualitäten oder sittliche Vorzüge. Allerdings ist es unzulässig, den aretê-Begriff insgesamt auf den Aspekt funktionaler Bestheit zu reduzieren [1, S. 59]. Erkannt werden muss, dass es bereits in der Antike um das Streben nach Exzellenz ging. Das Denken in Rangordnungen findet dort seinen Beginn genauso wie das Realisieren von Spitzenleistungen [2, S. 18f]. Jedoch bezog diese Semantik den gemeinen Mann nicht mit ein. Um ein Verbessern seiner selbst ging es somit nicht [2, S. 19]:
▶Nachhaltigkeit ▶Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement ▶Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001 Nach der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland bezeichnete Bericht, der den Titel „Our Common Future“ („Unsere gemeinsame Zukunft“) trug. Er wurde 1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen veröffentlicht. Die eingesetzte Kommission wurde damals Brundlandt-Kommission genannt. Aufgrund dieses Berichts wurde der Begriff ►Nachhaltigkeit einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgemacht. Seitdem begann eine weltweite Diskussion über Nachhaltige Entwicklung. Die 1989 erfolgte Einberufung der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung („RioKonferenz“) war eine Wirkung des Brundtland-Berichts. Literatur
von Hauff, M. und A. Kleine: Nachhaltige Entwicklung. Grundlagen und Umsetzung. 2. Auflage. München (De Gruyter Oldenbourg) 2014
BS 7750
▶UMS nach DIN EN ISO 14001ff
BSI
▶Britisch Standards
Business Exzellenz
▶en: business excellence ▶7S-Modell ▶Erfolgsfaktoren ▶Business Exzellenz durch TQM ▶EFQM-Exzellenz-Modell 2013 ▶Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb „Wörter sind unschuldig. Sie verlieren ihre Unschuld erst, wenn sich Programme auf sie gesetzt haben und mit ihrem Gebrauch strategische Zwecke verbinden.“ ( Jürgen Mittelstraß 2007)
1 Zum Begriff der Exzellenz Der Begriff Exzellenz (von lateinisch excellere = hervorragen; excellens = hervorragend, vorzüglich, vortrefflich, ausgezeichnet, herrlich, vollkommen) bezeichnet – neben der formalen Anrede einer besonderen Person gegenüber („Seine Exzellenz“) – eine herausragende Qualität. Ein Produkt kann folglich exzellent sein, sich durch besondere Qualitätsmerkmale und/oder deren Ausprägungen auszeichnen. Ein Essen in einem Restaurant mag man zutreffend als exzellent bezeichnen, ebenfalls eine Dienstleistung, die exzellent erbracht wurde. Gemeint ist, nach dem Höchsten, nach Vollkommenheit zu streben. Eingeordnet in die Terminologie des Qualitätsmanagements wäre „Exzellenz“ ein Begriff der Messbarkeit. Nicht mehr und nicht weniger. 2 Exzellenzbegriff in der philosophischen Antike Die Begriffsgeschichte von Exzellenz reicht weit in die grie-
„Die Aretê ist untrennbar mit der Welt des Adels verwoben und beschreibt als eigentliches Adelsprädikat in der antiken Welt mithin überragende Leistung und Kraft als selbstverständliche Voraussetzung jeder herrschenden Stellung. Herrschaft und Aretê hängen unzertrennlich zusammen.“ Exzellenz und Exzellenzen paaren sich in sprachlicher Verwandtschaft so wie Aretê und Adel. Gleichzeitig konstituiert sich die Aretê in der Ideenlehre Platons, indem aus der platonischen Auffassung, nach der die Wahrheit der abstrakten Ideen über der Wirklichkeit des vorgefundenen Lebens steht. So entfaltet sich eine Logik der beständigen Veränderung und Verbesserung, die kennzeichnend für das Streben nach Exzellenz wird. [2, S. 20] So wird das Ideal zum fiktiven Fluchtpunkt, den schließlich jedes Streben nach Exzellenz benötigt. Diese Zielrichtung des Strebens nach Höchstleistungen, die hier auf der persönlichen Ebene nachgezeichnet wird, findet sich später als organisatorisches Konzept der „Bussiness Exzellenz“ wieder. Sie ist tief in der gesellschaftlichen Ordnung eingelassen, dient nicht als Beweis der Eitelkeit, sondern der gesellschaftlichen Einbettung, die sich im beständigen Annähern an das nicht zu erreichende Ideal zeigt [2, S. 21]. Der Boden wurde in der Antike fruchtbar vorbereitet, die Saat hat sich im modernen Exzellenzdiskurs, der hier nicht ausgebreitet werden kann [2], vielfältig entfaltet. Wir vollziehen einen Zeitsprung und begeben uns in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg. 3 Sputnik-Schock und Exzellenz Betrachtungen des Exzellenzproblems in den 1950iger Jahren attestieren der modernen westlichen Industriegesellschaft ein gesellschaftliches Klima, das eher dem Mittelmaß frönt [2, S. 37]. Der Mensch ist auf ein erwartbares und damit regierbares Mittelmaß geeicht. Seit dem New Deal in den USA und seit Ende des 2. Weltkriegs in Europa „trimmt“ der Normalismus der Moderne den Menschen eher auf egalitär. Konformität in Anständigkeit und Sittenstrenge werden gebilligt, jede
109
B
Business Exzellenz
B
Abweichung vom Normalmaß mißbilligt. Massenkonsum und soziale Absicherung sind die Leitmetaphern wohlfahrtsstaatlich organisierter Gesellschaften in den 1960er Jahren. Systemvergleiche zeigen im politischen Raum eher die Divergenz denn die Konvergenz zum konkurrierenden Ostblock. Der Westen und voran die USA fühlen sich in tiefer Gewissheit ihrer kulturellen und technologischen Überlegenheit [2, S. 37]. Aufgeweckt aus dem Dornröschenschlaf wurde diese „Idylle“ durch den Erfolg des sowjetischen Sputnik-Satelliten (58 cm ∅; 83,6 kg), der am 4. Oktober 1957 als erster künstlicher Traband (Sputnik = Weggefährte) in eine Umlaufbahn um die Erde gestartet wurde, zu dem 21 Tage später der Funkkontakt abbrach, weil der Sender an Bord inaktiv wurde. Am 4. Januar 1958 verglühte der Spuk mit Auswirkungen. Die USA fühlten sich gedemütigt. Der Fehlstart der amerikanischen Vanguard-Rakete im Dezember 1957 offenbarte zudem der Öffentlichkeit, dass die vorher angenommene Überlegenheit des westlichen Systems wohl ein Trugschluss war. Der Westen war (fühlte sich) in seinem Kernbereich, der wissenschaftlichtechnischen Entwicklung, getroffen. „… Die darauf erfolgte Gründung der NASA Anfang 1958 und schließlich 1962 John F. Kennedeys Ankündigung, die Amerikaner würden noch in diesem Jahrzehnt auf dem Mond landen, markierten auf amerikanischer Seite den Beginn eines in der Geschichte der Menschheit bislang einmaligen Wettkampfs um einen technisch-wissenschaftlichen Vorsprung, der als Space Race oder Wettlauf zum Mond in die Geschichtsbücher des Kalten Krieges eingegangen ist.“ [2, S. 39]. Es ist wohl nicht vermessen, diese Kränkung durch eine Blechkugel als das zweite Pearl Harbor zu bezeichnen. Sie wurde als Aufbruchsignal für eine beispiellose Exzellenz-Initiative angesehen, die nicht nur die USA ergriff, sondern auch in der Bundesrepublik als Bildungskatastrophe tituliert wurde. Für die USA war damit jedenfalls die Ursache für den Innovationsschub ins 21. Jahrhundert inszeniert, der schließlich aus dem militärisch-industriellen Komplex, den der SputnikSchock auslöste, in der Folge weitere Entwicklungen bis zum World Wide Web nach sich zog. Jedenfalls startete damals die Johnson-Administration umfangreiche Bildungsreformen und erhöhte den Forschungsetat, denn nur über den ultimativen Vorsprung des Besten, nur mit Exzellenz sah man das Überleben gesichert. Das Streben nach Exzellenz wurde damals so als gesellschaftliche Aufgabe formuliert, der sich jeder Einzelne zu stellen hatte. Es wurde alternativlos zum Schicksalskampf einer ganzen Nation aufgewertet, ohne allerdings direkt mit ökonomischen Zielsetzungen verknüpft zu sein [2, S. 45f]: „Dem Streben nach Exzellenz, das sich in den 1960er Jahren entfaltet, liegen ökonomische Erwartungen weitgehend fern. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges geht es den Exzellenzbemühungen in erster Linie um eine Optimierung des Selbst im Dienste der Nation. Indem die egalitäre Zielstellung des Exzellenzdiskurses
110
Business Exzellenz die individuelle Verwirklichung von Potentialen von jeglichen gesellschaftlichen Begrenzungen zu befreien sucht, wirft sie das Individuum zugleich auf sich selbst zurück. … Der Exzellenzbegriff wird in den USA zu einem festen Bestandteil des bildungspolitischen Diskurses.“ 4 Japan-Schock und Exzellenz Ende der 1950er Jahre hatte Frankreichs Präsident Charles de Gaulle die Japaner noch als „Volk von Transistorverkäufern“ verspottet. Doch dieser Hochmut hielt sich nicht lange. Die Kameras von Nikon und Canon beendeten bald die Vorherrschaft der deutschen Optikindustrie und Elektronikunternehmen wie Nordmende, Saba, Telefunken und Co. verschwanden langsam gänzlich vom Markt. Japanischen Unternehmen gelang, es der Konkurrenz das Fürchten zu lehren. 1980 ist Japan größter Autobauer der Welt. Pascale & Athos erkennen zusammenfassnd, dass zu Ende der 1960er Jahre Japans Erfolgsbilanz wie folgt aussieht [4, S. 17]: „Japan ist es gelungen, gezielt einen Industriebereich nach dem anderen zu beherrschen – es stellte die Briten bei der Motorradherstellung in den Schatten, es überholte die Deutschen und die Amerikaner bei der Autoproduktion, es entriss den Deutschen und den Schweizern die Führung bei den Uhren, Fotoapparaten und optischen Geräten und es beseitigte die historische Vorherrschaft der Vereinigten Staaten in so unterschiedlichen Geschäftsbereichen wie Stahl, Schiffbau, Klavieren, Reißverschlüssen und elektronischen Konsumgütern.“ Ende der 80er-Jahre scheint es wie in Stein gemeißelt, dass Japan die dominierende Wirtschaftsmacht des 21. Jahrhunderts werden wird. Es sind nun Manager aus Europa und den Vereinigten Staaten, die nach Tokio pilgern, um zu lernen, um herauszufinden, was denn Japan als Wirtschaftsfaktor so exzellent macht. Die Antwort fanden sie nicht im gesellschaftlichen System, auch nicht in der andersartigen Bildungsorganisation, sondern ganz einfach darin, dass in japanischen Unternehmen völlig anders organisiert und produziert wird. In Konzepten wie dem japanischen Qualitätspreis, Qualitätsmanagementsystemen à la TQM und dem später sogenannten Lean Management drückt sich folglich die Exzellenz der Japaner aus. 5 Exzellenz entwickelt sich als Leitbegriff Nicht nur die direkt betroffenen westlichen Unternehmen, auch deren Consultants und schließlich auch die Wissenschaft selbst versuchte den Erfolgsgeheimnissen von Unternehmen auf die Spur zu kommen. Trifft diese seit den 1970er/1980erJahren zunehmende Orientierung an Exzellenzkriterien doch auf eine ausgeprägte Krisenstimmung der westlichen Wirtschaft, die insbesondere mit dem Aufkommen der globalen Konkurrenz – besonders aus Japan – identifiziert wird. In den ersten Versuchen orientierte man sich noch an Ratschlägen, die von selbster- oder sogenannten Management-Gurus ka-
Business Exzellenz men. Eine solche Zusammenfassung von „Exzellenz-Tips“ findet sich in dem 1978 von Rustomji & Parkinson herausgegebenen Buch „Excellence in Management“, das in 2005 sogar neu aufgelegt wurde [5]. Die seither einsetzende sogenannte Erfolgsfaktorenforschung wurde von der 1982 erschienen Studie „In Search of Excellence“ der McKinsey-Berater Peters & Waterman ausgelöst und stark beeinflusst [6]. Die beiden zentralen Ergebnisse, einerseits das ►7S-Modell und dann acht Grundtugenden, auf denen exzellente Urternehmen aufbauen würden, wurden als Leitlinien für Exzellenz herausgestellt. Methodisch muss das Vorgehen eher als zweifelhaft beurteilt werden. Die Stichprobe war willkürlich (ausgewählte Großunternehmen, von denen man Exzellenz sowieso erwartet hätte) und Anekdoten aus Gesprächen mit Unternehmensrepräsentanten. Schließlich muss man die Empfehlungen eher als Rückkehr zu eigentlich selbstverständlichen Managementgrundsätzen ansehen, wie ◼ Kundenorientierung ◼ Mitarbeiterorientierung (Produktivität durch Mitarbeiter) ◼ Fördern einer „Trial-and-Error-Kultur“. Alles keine Geheimnisse, aber exzellente Unternehmen handeln stringent danach, war auch das Eingeständnis der Autoren. Auch die Empfehlungen an das Management, sich nicht als Gallionsfiguren, die über allem schweben, zu verstehen, sondern sich um die Unternehmenswerte zu kümmern und Dinge in Bewegung zu bringen, sind nicht revolutionär. So verwundert die späte Einsicht der Autoren auch nicht, dass sie eher Ideen herausgearbeitet haben, die in kleineren Unternehmen besser verkörpert werden. So zum Beispiel in der Einsicht, dass exzellente Unternehmen bei „ihren Leisten“ bleiben. Da wissen sie, worin sie gut sind (►Kernkompetenzen), können daran festhalten und lassen sich nicht ablenken. Es hat dem Erfolg des Buches bis heute nicht geschadet, dass die prognostizierten Exzellenzfaktoren selbst bei den untersuchten Firmen nicht von Dauer waren. 1984, gerade als die Studie als Buch in Deutschland veröffentlicht wurde, offenbarte Business Week, dass einige der benannten Unternehmen rasch ins Mittelfeld abgerutscht, einige sogar hoffnungslos untergegangen waren. Nichtsdestotrotz wird „In Search of Excellence“ als Klassiker der Managementliteratur gesehen, wohl vor allem deshalb, weil der Reiz des Buches in seiner Einfachheit liegt. So wird der lesende Manager gezwungen das Grundsätzliche jeglichen Managements zu beachten. Damit kann er – entsprechend dieser Lehre – auf keinen Fall ins Mittelmaß abrutschen: Wer am 7S-Modell festhält und die acht Grundtugenden beachtet, wird sein Unternehmen zur Exzellenz führen können. So die Botschaft. Dieses „Gebot“ ist aber auch zugleich die Schwäche der Lehre, denn die Suggestion, dass das Geschäft des Managements so unglaublich einfach
Business Exzellenz erscheint, wenn man sich nur an bestimmte klar definierte Grundsätze hält, ist ein Trugschluss, der in der Folge wohl nicht erkannt wurde. So ging es weiter mit der Exzellenz-Forschung nach dem Muster von Peters & Waterman: Man suche sich Unternehmen heraus, führe persönliche Interviews mit Vertretern des Managements, sortiere diese, werte sie inhaltlich aus und gelange so abstrahierend zu Erfolgsfaktoren. Einige herausragende Beispiele seien genannt: ◼ Simon – Die heimlichen Gewinner (Frankfurt 1996 und 2007) – 500 unbekannte Weltmarktführer wurden befragt – Ergebnis: allen gemeinsame Erfolgsfaktoren wie „Marktnischen erschaffen und entwickeln mit einzigartigen Produkten; Kombinieren der engen Spezialisierung mit globaler Vermarktung; Kundennähe als Dreh- und Angelpunkt begreifen; Innovation als Fundament der Marktführerschaft institutionalisieren; starke und dynamische Führungskräfte rekrutieren. ◼ Collins & Porter – Build to Last (London 1998) – Untersuchung von 20 Unternehmen, die mit „Kultstatus“ versucht haben erfolgreich zu sein. – Ergebnis: Zu Exzellenz führende Gesaltungsoptionen wurden diagnostiziert: Nicht das Erbringen einer Leistung, sondern das Schaffen eines stabilen Systems zur Leistungserstellung steht im Vordergrund; Nicht das Produkt zählt, sondern die Produktidee; jede Organisation benötigt einen Kernbestand an Werten; im Mittelpunkt stehen die Dualität des „und“ und nicht die „Entweder-oder-Annahmen“ wie bei hohe Qualität „und“ niedrige Kosten. ◼ Collins & Porter – Der Weg zu den Besten (München 2003) – Untersucht wurden elf Unternehmen, die über 15 Jahre hindurch überdurchschnittlich erfolgreich waren – Ergebnis: Sieben Exzellenz-Prinzipien wurden entdeckt: (1) Führungskräfte fokussieren sich auf das Unternehmen, nicht auf sich selbst; (2) „Erst wer … dann was“, was bedeutet zuerst die richtigen Leute finden, bevor die Strategie bestimmt wird; (3) sich bei Entscheidungen den Fakten stellen; (4) sich auf Kernkompetenzen besinnen; (5) eine Kultur der Disziplin einführen; (6) Technologie als Beschleunigungsfaktor; (7) das Momentum nutzen. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. In der Managementliteratur und deren Hochglanzmagazinen fand sich genug Widerhall. So auch bei der Untersuchung von Womack et al. [7], die von der Disziplin her nicht der Erfolgsfaktorenforschung zugerechnet wurde, aber sehr wohl darauf abzielte, herauszufinden, was den Erfolg der japanischen Automobilindustrie ausmacht. Die MIT-Autoren trafen auf Faktoren, die man als „organizational excellence“ bezeichnen kann, indem sie in einer Art Synopse die westliche der japanischen Autoindustrie gegenüberstellten. Die Fragerichtung orientierte sich an folgenden Dimensionen: Wie unterscheiden sich ◼ Montagewerke ◼ Produktentwicklung
111
B
Business Exzellenz
B
◼ ◼ ◼ ◼
Business Exzellenz
Konstruktion Zuliefersystem Vertriebssystem Kundenorientierung?
6 Das IMP-Modell der Business Exzellenz Bei der abschließenden Betrachtung der Suche nach und Diskussion von Exzellenzfaktoren fällt ein Modell auf, dem eine gewisse Stringenz und Plausibilität zugestanden werden muss. Es orientiert sich an der gleichen zentralen Fragestruktur wie bei Womack et al. [7]: „Was machen … anders“?, begreift seinen Gegenstand aber völlig anders. Die Autoren dieses Modells gehen hypothesengeleitet vor [8, S. 14ff]. Als theoretischen Ausgangspunkt wählen sie das Hypercompetition-Konzept von Richard D’Aveni, der Abb. B21: IMP-Exzellenz-Modell Innovationsorientierung des Top-Managements: Vision und Leadership
EntrepreneurshipKultur
Marktorientierung
Competence-based Management und Kernkompetenzen
Innovation der Marktleistung
Hyperwettbewerb ist gekennzeichnet von raschen Veränderungen, von flexiblen, aggressiven Wettbewerbern, die leicht und schnell in Märkte vordringen und die Wettbewerbsvorteile der großen, etablierten Anbieter untergraben. Kein Unternehmen vermag Wettbewerbsvorteile auf Dauer zu behaupten. Irgendwann wird jeder Wettbewerbsvorteil zerstört. Begriff
Im Ergebnis sagten sie, dass die japanische Art zu produzieren (= Schlanke Produktion) diejenige Art der Fertigung sein wird, die weltweit als Standardproduktionssystem des einundzwanzigsten Jahrhundert die Weltproduktion beherrschen wird. Eine Aussage, die allerdings zunächst nicht ernst genommen wurde. Exzellenz als Systembegriff für ein Produktionssystem? Das erschien den meisten zu weittragend zu sein. So versuchte man im Westen quer durch die produzierenden Branchen zunächst passende Elemente dieser neuen Produktionsweise herauszunehmen und gelangte bei der Implementierung aber zu eher unbefriedigenden Ergebnissen. Einzig das recht spät dann konfigurierte ►Ganzheitliche Produktionssystem ahmte die „Lean Produktion“ nach und gilt heute in vielen Betrieben Deutschlands als deren Nachfolger. Was zudem als fester Bestandteil für die Managementlehre blieb, ist ein Set an Begriffen wie ►Lean Thinking, ►Lean Enterprise, ►Lean Innovation, ►Just-in-Time, ►Kanban oder auch ►Hoshin Kanri [9].
von dynamischen Märkten ausgeht [10]. Danach sind stabile Marktbedingungen eher die Ausnahme. Unternehmen dürfen sich nicht an dauerhaften Wettbewerbsvorteilen (ausschließlich festen Exzellenzfaktoren) orientieren, sondern müssen sich stattdessen auf eine Reihe temporärer Wettbewerbsvorteile konzentrieren. Diesem Streben liegt die Schumpeter’sche Idee der permanenten, schöpferischen Zerstörung zugrunde. Die strategischen Ziele dürfen also nicht auf dauerhafte Wettbewerbsvorteile aufbauen, sondern sind danach auszurichten, diese möglichst schnell auszuschöpfen und dann wieder durch neue zu ersetzen. Für unser Thema bedeutet dies, dass nicht jeder Exzellenzfaktor als Konstante zu sehen ist.
Damit ergibt sich ein Wendepunkt im strategischen Denken und auch im Einschätzen von Exzellenzfaktoren. Hiervon ausgehend erklärt sich auch, warum Unternehmen, die starr an ihren vermeintlichen Exzellenzfaktoren festhielten, ihre Marktposition aufgeben müssen, ja sogar vom Markt verschwunden sind wie in der Folge von [6] offenbar wurde. Das auf eine recht breite empirische Basis gestützte IMPBusiness-Exzellenz-Modell setzt genau an diesen Bedingungen an [8, S. 15]:
„Der Ausgangspunkt unserer Forschungsarbeit war Richard D’Avenis Idee der Hypercompetition, nach der Wettbewerbsvorteile durch die Konkurrenten immer schneller wettgemacht werden. Es entwickle sich – so D’Aveni – ein Preis-Qualitäts-Wettbewerb, der dazu führt, dass Unternehmen permanent innovieren und die Qualität steigern müssen – bei häufig gleichzeitigem Druck, die Preise zu senken. Unsere Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass viele Unternehmen dieser Starke Identität Wettbewerbsdynamik tatsächlich ausgesetzt und Werte sind. Wir stellten aber auch immer wieder fest, dass es einigen gelingt, gegen den Strom zu schwimmen.“
Unternehmenserfolg
Business Exzellenz Quelle: [7, S 241]. Die Darstellung wurde auf Basis der Originaldarstellung abgewandelt. IMP steht für Innovative Management Partner mit Sitz in Innsbruck.
112
Hieraus abgeleitet werden im IMP-Modell nun gerade die wahren Quellen von Wettbewerbserfolg und überdurchschnittlichem Erfolg, also Exzellenz, gesehen [8, S. 240]. Wie Abbildung B21 zeigt geht die Innovation der Marktleistung auf die Innovationsorientierung des Top-Managements zurück: Leadership und Klarheit über den eigentlichen Kernauftrag des Unternehmens mit einer visionären Zielstellung für die nächsten zehn Jahre bil-
Business Exzellenz den den Ausgangspunkt. Zu jedem der sieben Bausteine wurden Methoden und Instrumente ausgearbeitet. Das Modell legt damit nicht fest, sondern will für das Denken und Handeln entsprechende leitende Perspektiven einführen, entlang derer sich eine Kultur, deren Werte und das Wachstum entwickeln können. Gleichermaßen geht es darum einzigartige Ressourcen und Fähigkeiten zu entwickeln, die als Kernkompetenzen zentrale strategische Entscheidungen steuern und so die Grundlage für Innovationen bilden [8, S. 240].
Exzellenz hat sich damit als ein Begriff entfaltet, dessen Bezugspunkt die Organisation ist. Mit dem Focus auf die Organisation hat sich die Perspektive geändert. Exzellenz wird
zum Systembegriff erhoben, zum Synonym für Leistung und Errungenschaften von Organisationen (business excellence, organisational excellence etc.). Der Produktaspekt wird verdrängt, Produkte haben Qualität. Es muss heißen „Exzellenz einer Organisation“. Organisationen werden immer dann als exzellente Organisationen angesehen, wenn überragende Praktiken in der Führung und beim Erzielen von Ergebnissen mit Hilfe bestimmter Grundkonzepte eingesetzt werden. Das Grundkonzept des MBNQA fundiert sich auf der Bais eines solchen Grundkonzepts, eines Modells. Um die Ehrung zu erhalten, müssen Organisationen die Baldrige Kriterien für Performance Excellence in sieben Schlüsselbereichen erfüllen: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Führung strategische Planung Kundenorientierung Messung Analyse und Wissensmanagement Mitarbeiter-Fokus Operations und Ergebnisse.
Das Assessment dauert etwa 1.000 Stunden. Es schließt mit einem detaillierten Bericht einer Kommission über die Stärken der Organisation und Verbesserungsmöglichkeiten. Die Bewerber mit den höchsten Ergebnissen erhalten auch Begehungen vor Ort mit Bewertungen. „Das Assessment für die Auszeichnung ist die beste, kostengünstigste und umfassende Business-Gesundheitsprüfung, die man eigentlich bekommen kann“, heißt es in den Ausschreibungsunterlagen. Nun können wir Business Exzellenz definieren: Business Exzellenz, auch als performance excellence oder operative excellence bezeichnet, soll dasjenige Grundkonzept für eine Organisation genannt werden, mit dem die Zielsetzung auf permanente Leistungsverbesserung verfolgt wird, indem zentrale Ressourcen und Verbesserungspotentiale identifiziert und aktiviert werden, um permanent Verbesserungsprozesse zu bewirken. Dabei ist Exzellenz mehr als nur ein Ausdruck von besonderer Qualität, es ist ein Systembegriff, der auf das ständige Bemühen um Verbesserung abstellt. Hierzu gilt es überragende Praktiken in der Führung einer Organisation anzuwenden.
Begriff
7 Die Wiederkehr von Exzellenz in Exzellenz-Modellen Im Strom des Exzellenzgeschehens ragt ein Ereignis besonders heraus, eine am 24. Juni 1980 (20:30-21:58) von NBC Special ausgestrahlte Sondernachrichtensendung mit dem Titel „If Japan Can… Why Can’t We?“. In dieser Sendung wurde der amerikanischen Öffentlichkeit die Gründe für den Japanischen Erfolg bewusst gemacht. Gleichzeitig wurde erstmals der Name ►Deming mit seiner Qualitätsphilosophie und seinen Qualitätstechniken bekannt. Allgemein wird dieses Ereignis als Startpunkt der „Qualitätsrevolution“ in den USA angesehen. So nahm die Geschichte ihren Lauf: Das spezifische Qualitätsverständnis wandelte sich in den folgenden Jahren zur alles bestimmenden Frage nach der Exzellenz, die in folgender Aussagerethorik eine strikte Erfolgsorientierung versprach [2, S. 57]: „Wer erfolgreich ist, ist exzellent – und wer exzellent ist, strahlt auch auf andere aus.“ Also gilt es, soviele Unternehmen wie möglich, zur Exzellenz zu führen. In der Folge gelang es den Meinungsführern in der US-Wirtschaft überzeugend eine zunächst kleine, aber langsam wachsende US-Qualitäsbewegung zu begründen. Schließlich war nach dem tragischen Rodeounfall am 25. Juli 1987, bei dem der Secretary of Commerce (Handelsminister), Howard Malcolm Baldrige, ums Leben kam, der Zeitpunkt zum Handeln gekommen, um eine hohe Auszeichnung, einen Award als Exzellenz-Anreiz, zu kreieren, der die Innovationen und herausragenden Leistungen von US-Organisationen würdigen sollte. In die Exzellenzstrategie der Reagan Administration der 1980er Jahren passte ein solches Projekt allemal, war eigentlich schon lange überfällig. So überrascht es nicht, dass bereits einen Monat nach dem Unfall (20. August 1987) der ►Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA) per Gesetzesakt (Malcolm Baldrige National Quality Improvement Act) ins Leben gerufen wurde. Diese Kurzfristigkeit lässt vermuten, dass diese Absicht von langer Hand vorbereitet worden war und politisch erst der richtige Zeitpunkt kommen musste, um sie umzusetzen. Das Baldrige Performance Excellence-Programm kürte bereits im nächsten Jahr die ersten, zu denen die Motorola Inc. und weitere Organisationen als Award Winners zählten. Der Preis wird durch den amerikanischen Präsidenten verliehen. In Japan ist es der Kaiser. In Europa hält man sich, was das betrifft, vornehm zurück.
Business Exzellenz
Blickt man zurück auf die zehn Jahre, die seit Peters & Waterman’s In Search of Excellence vergangen sind, so hat sich in dieser Zeit mit dem MBNQA die Standardisierung von Exzellenz in der US-Ökonomie vollzogen: Jede noch so kleine Organisation ist nun entsprechend den Erfolgsanweisungen in der Lage, ein exzellentes Unternehmen zu werden. Doch genau betrachtet handelt es sich nicht um ein Umsetzungsmodell, sondern um ein Bewertungsmodell. Das WIE bleibt offen. Ein weites Feld für die Beraterbranche hat sich aufgetan.
113
B
Business Exzellenz
B
Wenig bekannt ist, dass in den USA ein weiterer Exzellenz-Award existiert, der nach dem japanischen Qualitätsexperten ►Shingo Shigeo benannte ►Shingo Prize. Er wurde an der Utah State University konzipiert und wird von dort aus organisiert. Im Gegensatz zum MBNA folgt er keiner nationalen Mission, sondern kann von jeder Organisation auf der Welt gewonnen werden. Sein Modell setzt schwerpunktmäßig an den folgenden Dimensionen für operationale Exzellenz an: ◼ Cultural Enablers ◼ Continuos Process Improvement ◼ Enterprise Alignment Wie beim japanischen Deming Price, ist die inhaltliche Ausrichtung an der Lehre des Namensgebers orientiert. Unzweifelhaft sind es die Elemente von Shingos Production Management System, die sich in den zehn Prinzipien widerspiegeln, auf die sich das Modell bezieht [9, 181]. So finden wir hier ein etwas anderes Verständnis von Exzellenz als beim MBNA, das zwar auch die permanente Verbesserung betont, aber besonders stark die kulturellen Faktoren einer Organisation als Quelle von Exzellenz ansieht. Europa, das sich dem Exzellenz-Diskurs der USA anschließt, ist der eher japanischen Ausprägung des Shingo gewidmeten Awards nicht gefolgt, sondern folgte der Linie des Malcolm Baldrige National Quality Award an. Diese Linie wird quasi von der EFQM heute als Leitparadigma verfolgt, basiert aber offiziell nicht auf TQM-Gedankengut, sondern vollzieht einen „name change“ in Richtung Exzellenz. Der europäische Award heisst seit Anfang des neuen Jahrhunderts ►European Excellence Award (EEA). Der alte Name „European Quality Award“ erinnert an eine Vergangenheit, von der man sich nun abzugrenzen versucht. Sowohl den Begriff TQM wie auch den der Qualität sucht man seit geraumer Zeit in den Verlautbarungen der EFQM vergebens. Dieses wohl eher mit „Blut, Schweiß und Tränen“ umsäumte Feld wird damit als Domäne nicht nur europaweit, sondern international den Bemühungen der auf den Betrieb ausgerichteten „Praktiker“ überlassen, die gegenwärtig (2014/2015) in der Revision der ISO 9000-family versuchen, das Terrain des Qualitätsmanagements neu abzustecken. In der Tat taucht dort als neuer zentraler Begriff ►Betrieb als Oberbegriff für sämtliche Ausführungsprozesse auf. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Horn, Chr. & Chr. Rapp (Hrsg.): Wörterbuch der antiken Philosophie. München (Beck) 2002 [2] Peter, T.: Genealogie der Exzellenz. Weinheim (BeltzJuventa) 2014 [3] Polianski, I. J. und M. Schwartz: Einleitung. In: Polianski, I. J.: und M. Schwartz (Hrsg.): Die Spur des Sputniks. Kulturhistorische Expeditionan ins kosmische Zeitalter. Frankfurt am Main (Campus) 2009, S. 10 [4] Pascale, R. T., Athos, A. G.: Geheimnis und Kunst des japanischen Managements. München (Heyne) 1982 (orig.: The Art of
114
Business Exzellenz durch TQM Japanese Management. Applications for American Business. New York [Simon & Schuster] 1981) [5] Rustomji, M. K., C. N. Parkinson: Excellence in Management. Key Ideas of the World’s Leading Management Thinkers. Mumbai (India Book House)1978 [6] Peters, Th. J., Waterman, R. H. jun.: Auf der Suche nach Spitzenleistungen. Was man von den bestgeführten US-Unternehmen lernen kann. Landsberg (mi) 1984 (orig.: In Search of Excellence. Lessons from America’s Best-Run Companies. New York [Harper & Row] 1982) [7] Womack, J., D. T. Jones and D. Roos: The Maschine That Changed The World. 10th edition. New York et al. (Free Press) 2007 (first edition: 1990) [8] Ballon, F., Matzler, K. und D. Tschemernjak: Was Top-Unternehmen anders machen. Mit Strategie, Innovation und Leadership zum nachhaltigen Erfolg. 2. Auflage. Wien (Linde) 2013 [9] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. Einführung in Geschichte, Systeme, Techniken sowie Gestaltungs- und Implementierungsansätze eines modernen Managementparadigmas. München (Oldenbourg) 2013 [10] D’Aveni, R. A.: Hyperwettbewerb. Strategien für die neue Dynamik der Märkte. Frankfurt am Main (Campus) 1995 (am. Original 1994)
Business Exzellenz durch TQM
▶en: business excellence by tqm ▶Total Quality Management (TQM) ▶Berliner TQM-Umsetzungsmodell ▶Malorny, Christian 1 Das amerikanische Verständnis Der Begriff Business Excellence (BE) entstand Anfang der achtziger Jahre im Rahmen einer intensiv geführten Diskussion zwischen Wirtschaftsexperten der amerikanischen Regierung (Federführung hatte das General Accounting Office, GAO), Wirtschaftswissenschaftlern und Industriellen zur Wettbe werbsfähigkeit amerikanischer Unternehmen und Produkte auf den inländischen und internationalen Märkten. Auslöser der Diskussion war das Vordringen japanischer Produkte auf dem amerikanischen Markt, die vergleichsweise niedrige Qua lität und Produktivität der US-Unternehmen sowie das defizitäre Ansteigen der amerikanisch-japanischen Handelsbilanz. Als Ergebnis des mehrjährigen Diskussionsprozesses, wurde am 20. August 1987 der ►Malcolm Baldrige National Quality Improvement Act mit der internen Bezeichnung „Public Law 100-107“ vom damals amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten, Ronald Reagan, unterschrieben. Verschiedene Experten sahen im Malcolm Baldrige National Improvement Act den vorläufigen Höhepunkt eines weitreichenden Umdenkens zum Thema Qualität und Produktivität – ein Umdenken, „vom Komparativ, besser als vorgeschrieben, zum Superlativ, der Weltbeste im Sinne von Business Excellence zu sein“. In haltlich wurde mit dem Erlass die Entwicklung eines nationalen ►TQM-Modells verankert. Die Verbreitung des TQMModells in der amerikanische Wirtschaft sollte durch die jährliche Vergabe einer ►Qualitätsauszeichnung (►Malcolm Baldrige National Quality Award – MBNQA) an exzellente Unternehmen gefördert werden.
Business Exzellenz durch TQM 2 Das europäische Verständnis In Europa fand der Begriff Business Exzellenz im Rahmen des erstmals 1992 verliehenen ►European Quality Award (EQA) (ab 2006 Umbenennung in European Excellence Award – EEA) der ►European Foundation for Quality Management (EFQM) Verbreitung. Nach den Statuten der EFQM läßt sich ein exzellentes Unter nehmen folgender maßen cha rakterisieren: Es besteht ein klarer Nachweis für fundiertes systematisches Vorgehen im Sinne von ►TQM sowie auf Prävention beruhende Systeme. Die Unternehmensprozesse weisen einen hohen Reifegrad auf, was sich in kurzen Überprüfungszyklen widerspiegelt und zu deutlichen Effizienz steigerungen führt. Das Vorgehen zur ständigen Verbesserung (►Kaizen) ist vollständig in die täglichen Arbeitsabläufe integriert. Die Ergebnisse weisen in sämtlichen Bereichen seit mindestens fünf Jahren deutlich positive Trends auf. Es liegen vorzügliche Vergleiche mit den eigenen Zielen sowie mit anderen Unternehmen vor (►Benchmarking). Das Unterneh men ist „Klassenbester“ in der Mehrzahl der Geschäftsfelder und Tätigkeitsbereiche. Das gilt sowohl für die finanziellen Indikatoren als auch für Daten zur ►Kunden- und ►Mitar beiterzufriedenheit. Die Ergebnisse sind eindeutig auf das systematische Vorgehen zum Erreichen von Business Exzellenz zurückzuführen. Es bestehen positive Anzeichen, daß die Spitzenpositionen auch zukünftig gehalten werden. Das Unternehmen kann als Vorbild für andere Organisationen dienen. 3 Das deutsche Verständnis In Deutschland findet der Begriff BE hauptsächlich durch den 1997 in Berlin erstmals verliehenen ►Ludwig-ErhardPreis (LEP) zunehmende Anwendung. Diese Auszeichnung basiert inhaltlich auf den Kriterien des heute so genannten ►European Excellence Award und wird von der Initiative Ludwig-Erhard-Preis verleihen. Dieser gehört im Kern die Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ), der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) sowie die Ludwig-Erhard-Stiftung an. Prämiert werden ganzheitliche Managementleistungen, die auf den Grundgedanken der Excellence – Kundenorientierung, Prozessoptimierung und Innovation – aufbauen und die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen im Wettbewerb fördern. 4 Die Umsetzung von Business Exzellenz Das Erreichen von Business Exzellenz stellt für Führungs kräfte und Mitarbeiter jeder Organisation eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Die Erfahrungen zeigen, dass eine Vielzahl von aufeinanderfolgenden Maßnahmen notwendig sind, die einander in ihrer Wirkung verstärken und so gemeinsam den Weg zur Business Exzellenz ebnen. Eine solche Strategie mehrerer miteinander verknüpfter Maßnahmen verlangt das Entwerfen eines vorausschauenden Umsetzungspfades. 4.1 Herausforderungen Unternehmen stoßen auf dem Weg zur BE auf drei grundlegende Herausforderungen:
Business Exzellenz durch TQM ◼ Herausforderung Nr. 1: Die passenden Ansatzpunkte für den Start erkennen, um das Fundament für einen nachhaltigen Wandel zu schaffen. Es läßt sich beob-achten, dass Führungskräfte, besonders der obersten Leitungsebene, wenig Zeit finden, die umfassenden Inhalte des TQM zu erarbeiten, um dann die unternehmensspezifisch geeigneten Umsetzungsschritte einzuleiten. ◼ Herausforderung Nr. 2: TQM unternehmensweit realisieren unter Einbindung aller Führungskräfte und Mitarbeiter. Kommt ein Umsetzungsprozess in Gang, besteht die Gefahr, dass er nach zwei bis drei Jahren wieder abgebrochen wird; hauptsächlich dann, wenn die unternehmensinternen „Widersacher“, die Verhinderer eines tiefgreifenden fundamentalen Wandels des Unternehmens, über die „Akteure der Veränderungen“ die Oberhand gewinnen. ◼ Herausforderung Nr. 3: Den Umsetzungsprozess auf hohem Niveau durch geeignete Maßnahmen stabilisieren – darüber liegen in Unternehmen aufgrund der noch jungen Thematik nur wenig Erfahrungen vor. 4.2 Der Umsetzungspfad BE Um diese Herausforderungen zu lösen wurde am Fachbereich Qualitäts wis sen schaft der Technischen Universität Berlin (►Kamiske) ein stufenförmiger Pfad für die kontinuierliche Umsetzung entwickelt und in zahlreichen Unter nehmen unterschiedlicher Größe erfolgreich verifiziert. Der Umsetzungspfad BE ist durch vier grundsätzliche Phasen gekennzeichnet (Abbildung B22): ◼ Sensibilisierungsphase (Initiierung des TQM), ◼ Realisierungsphase (unternehmensweite Anwendung und Entfaltung des TQM), ◼ Stabilisierungsphase (Beschleunigung des Verbesserungsprozesses und innovative Ausrichtung), ◼ Phase der Exzellenz (Verfeinerung und Dynamisierung des TQM). Jede Phase lässt sich durch spezifische Merkmale charakterisieren. Mit Hilfe der Merkmale ist es möglich, Schwerpunkte für die Einführung des TQM zu ermitteln und Hinweise zur Weiterentwicklung im Sinne von Gestaltungsanforderungen zu geben. Neben den charakteristischen Merkmalen ermöglichen acht inhaltliche Handlungsfelder, die aus den neun Kriterien des European Excellence Award (≈ Ludwig-ErhardPreis) abgeleitet wurden, eine bewusste und vorausschauende Entwicklung in Richtung Business Exzellenz (Abbildung B23). Das europäische TQM-Modell erlangt damit für Unternehmen eine erweiterte Bedeutung. Derzeit wird zwar durch den European Excellence Award definiert, was BE ist; Hinweise zum Erlangen dieses Zieles gibt er jedoch nicht. Daher werden auf Basis der Handlungsfelder die Kriterien des ►European Excellence Award operationalisiert, wodurch das Erreichen von Business Exzellenz, d. h. die Um setzung erleichtert wird. Um ein schrittweises Abarbeiten zu ermöglichen, müssen die einzelnen Handlungsfelder phasen
115
B
Business Exzellenz durch TQM
Business Exzellenz durch TQM
Abb. B22: Phasen der TQM-Umsetzung – BE-Umsetzungspfad
Phasen der TQM-Umsetzung
B
Start
1 Jahr
Phasen
Sensibilisierung
Kernpunkte
◼ Unternehmen auf TQM vorbereiten, Vorausset zungen schaffen ◼ Inhalte des TQM kom mu nizieren, Verän de rungsprozeß in Gang set zen ◼ Pilotprojekte durchfüh ren sowie Qualifizie rungsprozess einleiten
Hauptstellhebel
Bewusstseinswandel
23 Jahre
Realisierung ◼ Unternehmensweite Ein führung von TQM •horizontal durch alle Ebenen •vertikal durch alle Bereiche •in allen Prozessen •bezogen auf sämtliche Produkte und Dienst leistungen
Führungsund Strukturwandel
spezifisch konkretisiert werden. Es bietet sich an, für jedes Handlungsfeld in jeder Phase eine unternehmensspezifische Kernaufgabe im Sinne einer grundsätzlichen Zielstellung zu definieren (Abbildung B24).
1 Jahr
Stabilisierung ◼ Vollständige Etablierung von Überprüfungszyklen sowie geschlos se nen Regel und Feedback kreisen ◼ Erfolgreiche Methoden standardisieren und ver netzen ◼ Innovationsfreundliches Klima forcieren
Vernetzung der Einzelmaßnahmen
Laufend
Exzellenz
Nachhaltige kontinuierliche Wertsteigerung
◼ Ständige Verbesserung in die "tägliche Arbeit" inte grieren ◼ Divergenzen korrigieren, Verschwendungen auf spüren und beseitigen ◼ Mitarbeiter und Prozesse auf Ideengenerierung und umsetzung fokussieren
Verfeinerung der TQMProzesse
den meisten Fällen aus Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen. Für Business Exzellenz bedeutet dies, dass eine kritische Anzahl von Führungskräften mit der gegenwärtigen Situation des Unternehmens nicht mehr zufrieden sein muß. Begleitet werden muss die Sensibilisierungsphase durch das (1) Sensibilisierungsphase Einleiten eines umfassenden Qualifizierungsprozesses. Dabei Die Einführung des TQM wird in den ersten ein bis zwei soll-te es sich in erster Linie zunächst um Lerninhalte hanJahren erheblich von den bisherigen Handlungsmustern be deln, die die Bewußtseinsbildung (►Mindset) für die Einfühstimmt (►Wertewandel). Veränderungsprozesse entstehen in rung des TQM fördern (Mitarbeiterorientiertes Qualitäts mangement). Abb. B23: Handlungsfelder der TQM-Umsetzung Zusammenfassend ergeben sich, um den Wandel einzuleiten, folgende Em Handlungsfelder der TQM-Umsetzung pfehlungen: a) Informationsveranstaltungen und Die Handlungsfelder Aus hänge über die Situation des Un stehen in enger ternehmens (z. B. Geschäftsergebnis Wechselwirkung miteinander mit den Mitarbeitern diskutieren). b) Kommunikationsdichte erhöhen (Problembewusstsein und breite AkFührung Prozesse Kunden Mitarbeiter zeptanz für Veränderungen schaffen Qualitätsbewusstes Prozess Beziehungs Mitarbeiter Führen und Gestalten strukturierte management entwicklung sowie Verbesserungspotentiale sichtOrganistion Phasenspezifische bar machen). Kernaufgaben Controlling Zielplanung Gesellschaft Zulieferer c) Mitarbeiter in die Suche nach neuQualitäts Qualitäts Zulieferanten Verantwortung gegen en Lösungsansätzen einbeziehen (Ver fokussiertes förderliche integration über der Allgemeinheit Controlling Zielplanung trau en entwickeln, Ängste abbauen, Sicherheit geben). d) Umfassenden Qualitätsbegriff als Tätigkeitsorientierte Strukturorientierte neue Orientierung etablieren (Inhalte Handlungsfelder Handlungsfelder des TQM verbreiten).
116
Business Exzellenz durch TQM e) Pilotprojekte durchführen (Wissen aneignen, Fähigkeiten trainieren, u. ä.). f) Qualifizierungsprozeß schrittweise be ginnen (Handwerkzeug, wie z. B. die ►Qualitätstechniken erlernen und trainieren). (2) Realisierungsphase Ist die notwendige Sensibilisierung einer kritischen Zahl von Führungskräften und Mitarbeitern erreicht, gilt es, Business Exzellenz unternehmensweit zu verankern. Maß geb licher Inhalt der Realisierungsphase ist der Führungs- und Strukturwandel. Das angestrebte qualitätsorientierte Führungsverhalten muss zwingend von Strukturveränderungen in Richtung einer prozessstruktude rungen der rierten, auf die For Kunden fokussierten Organisa tionsform, begleitet werden, wenn es Bestand haben soll (►Prozessma nage ment). Der Strukturwandel wirkt einem Rückfall in alte Verhaltensmuster entgegen, der bei Nachlassen des Veränderungsdrucks häufig zu beobachten ist. In der Rea li sie rungsphase sind eine Vielzahl von flankierenden Maßnahmen notwendig, um die teilweise negativ empfundenen Konsequenzen der Strukturveränderungen zu kompensieren. Insgesamt lassen sich aus beobachteten Strukturveränderungen die folgenden Empfehlungen ableiten:
Business Exzellenz durch TQM Abb. B24: Planungsspezifische Kernaufgaben der TQM-Umsetzung Phasenspezifische Kernaufgaben der TQM-Umsetzung
B
START Sensibilisierung-/Mobilisierungsphase Veränderungsfähigkeit entwickeln Führung
Verbesserungspotentiale darstellen Controlling
Problemlösungsfähigkeit entwickeln Prozesse
Kundenkommunikation trainieren Kunden
Strategische Zielsetzungen systematisieren Zielplanung
Qualitätsfähigkeit bewerten Zulieferer
Teamfähigkeit trainieren Mitarbeiter
Öffentlichkeitsarbeit systematisieren Gesellschaft
Realisierungsphase Führungsgrundsätze vorleben Führung
Qualitätscontrolling etablieren Controlling
Betriebsinternes Prozessmanagement entwickeln Prozesse
Kundenbeziehungen aufbauen Kunden
Operative Zielsetzungen systematisieren Zielplanung
Just-in-TimePartnerschaften aufbauen Zulieferer
Eigenverantwortung entwickeln Mitarbeiter
Förderung und Zusammenarbeit forcieren Gesellschaft
Stabilisierungsphase Partnerschaftliche Einstellung praktizieren Führung
Qualitätsorientiertes Controlling etablieren Controlling
Dienstleistungsa) Mitarbeiter im TQM-Einfühmentalität rungspfad schulen (Identifikatientwickeln Führung on mit dem Konzept erreichen). b) Hierarchieebenen abbauen soGrenzlinien wie dezentrale Teamstrukturen neu bestimmen einführen und Zusammenarbeit üben (Beispiel: Bei einem Controlling bekannten amerikanischen Textilunternehmen hat keine selbständige Organisationseinheit mehr als 170 Mitarbeiter, weil dann die Prinzipien des TQM nach deren Ansicht nur schwer greifen. Mit zunehmender Größe der Or ganisationseinheiten werden diese ab 170 Mitarbeiter geteilt. Das Unternehmen hat heute weltweit 30 eigenständige Betriebe).
Betriebsübergreifendes Prozessmanagement entwickeln Prozesse
Kundenbindung erzielen Kunden
Zielsetzungen und Maßnahmen harmonisieren Zielplanung
Entwicklungspartnerschaften eingehen Zulieferer
Kreativität entfalten Mitarbeiter
Vorbildfunktion erfüllen Gesellschaft
Phase der Exzellenz Selbstorganisation fördern Prozesse
Kunden
Selbständige Zielplanung fördern Zielplanung
Kundenbegeisterung erreichen Wertschöpfungspartnerschafen eingehen Zulieferer
Eigenverantwortung entwickeln Mitarbeiter
Gestaltung und Führung öffentlicher Themen übernehmen Gesellschaft
WERTSTEIGERUNG
c) Umfassendes „Training on the job“ in den neuen Strukturen betreiben. d) Möglichkeiten zur Diskussion und Reflexion (►Coaching im Qualitätsmanagement) über das neue qualitätsorientierte Führungsverhalten für Führungskräfte etablieren.
117
Business Exzellenz durch TQM
B
e) Meinungsbildner, Mentoren, Autoritätsträger gewinnen und in Veränderungsprozessen trainieren. f) Ständigen Verbesserungsprozess kontinuierlich weiterentwickeln. g) Kommunikations- und Informationsdichte erhöhen. h) Entscheidungskompetenz an Teams delegieren, Eigenverantwortung trainieren. i) Infrastruktur zur Unterstützung des ständigen Verbesserungsprozesses (►Kaizen) etablieren (u. a. Moderatorenund Trainerpool aufbauen). (3) Stabilisierungsphase Werden die neuen Ansätze des TQM-Konzepts in weiten Teilen des Unternehmens ausreichend beherrscht, d. h. führen sie zu nachweisbaren Leistungssteigerungen, so sind die vielfältigen, teilweise bereichsspezifischen Einzelmaßnahmen zu harmonisieren sowie zu vernetzen (►Integriertes Qua litätsmanagement). In dieser Phase lassen sich erhebliche Synergieeffekte realisieren. Eine weitere Zielrichtung zur Stabilisierung des TQM ist die kompromisslose Förderung der Kreativität eines jeden Mitarbeiters zu einer innovativen ►Unternehmenskultur (►Innovationsmanagement). Folgende Empfehlungen lassen sich ableiten: a) Kurze, geschlossene Regelkreise unternehmensweit etablieren (vollständige Eigenverantwortung erreichen durch Ergebnisrückführung und Veranschaulichung). b) Fortschritte systematisch messen, Fak ten schaffen (►Qualitätscontrolling). c) Nahtstellen in den Prozessen konsequent minimieren (Funktionsgrenzen auflösen). d) Zunehmend den Innovationsgedanken in der Organisation kommunizieren und durch ‘Innovationsregeln’ u. ä. verankern. e) Mitarbeiter am Unternehmensergebnis beteiligen. f) Beurteilungssysteme und Karriereentwicklungsmöglichkeiten an der ständigen Weiterentwicklung und dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess ausrichten (qualitätsförderliche Verhaltensweisen begünstigen). g) Positive Kettenreaktionen von Maß nah men fördern, wodurch der ständige Verbesserungsprozess auf „eigene Beine“ gestellt wird (Beispiel eines deutschen Verpackungsherstellers: das Führungskräft e-entwicklungsProgramm für das mittlere Management förderte das Selbstbewusstsein dieser Ebene unerwartet stark und weckte bei den Füh rungskräften dieser Ebene den Wunsch nach mehr Eigenverantwortung. Dies wiederum veranlasste die oberste Hierarchieebene zum Handeln, was in neue Strukturen, z. B. Teamarbeit einmündete und weitere Schulungen zu Problemlösungstechniken notwendig machte. Die Kompetenz und Fähigkeit des Unternehmens steigt kontinuierlich (►Lernende Organisation). h) Auf Kleinigkeiten achten, diese fördern und diskutieren (auf der Tagesordnung der Vorstandssitzungen eines gro ßen amerikanischen Elektronikkonzerns stehen Berichte über Qualitätsverbesserungen an erster Stelle (►Quali
118
Business Exzellenz durch TQM tätsinformationssystem). Die Geschäftsberichte nehmen eine nachrangige Stelle ein. So wird den Vorstandsmit gliedern signalisiert, dass Qualitätsverbesserungen das wirklich wichtige Ziel sind). i) Neue Mitarbeiter unternehmensspezifisch auswählen und trainieren (Bewerber einstellen, die zur Unterneh mensphilosophie passen). (4) Phase der Exzellenz Im Rahmen des TQM-Einführungspfades ist das Hauptmerkmal der Phase der Exzellenz die Konvergenz. Dies be deutet, daß sämtliche Maßnahmen, Elemente, Techniken, Ziele u. ä. im Einklang mit der qualitätsorientierten Unter nehmensphilosophie stehen sollen. Dazu gehört insbesondere das Handeln und Verhalten der Mitarbeiter, wobei die Prozesse noch stärker auf die Ideengewinnung und -umsetzung fokussiert werden. Die Verankerung des Innovations gedankens in der Organisationsstruktur nimmt einen zentralen Stellenwert ein. Unternehmen, die schon heute zur Spitze gehören, wie die Gewinner des ►Deming Prize, des ►Baldrige Award oder des ►European Excellence Award, geben Mitarbeitern das Gefühl, zu einer besonderen Gemeinschaft zu gehören. Im folgenden soll beispielhaft ausgeführt werden, welche grundsätzlichen Maßnahmen den TQM-Prozess in der Phase der Exzellenz weiter voranbringen können. a) Umfassendes Training neuer Mitarbeiter in unternehmensphilosophischen und praktischen Inhalten (sie werden über Werte, Einstellungen, Normen, Firmengeschichte und -tradition informiert und auf sie regelrecht eingeschworen). b) Rigoroses Auswahlverfahren für neue Mitarbeiter auf Basis der qualitätsorientierten Philosophie. c) Training der eigenen Mitarbeiter auf Spitzenniveau (verschiedene Unternehmen betreiben eigene Ausbildungs stätten, z.B. Motorola University, Merk-Campus, die einen hohen Lehrstandard aufweisen. d) Möglichst innerbetriebliche Rekrutierung von Führungskräften. e) Anerkanntes Führungskräfteentwicklungs-Programm für Nachwuchskräfte mit internationaler, organisationsweiter Ausrichtung. d) Verantwortung wird von Teams getragen, auch auf den höheren Hierarchieebenen (Entscheidungen werden im Konsens gefällt). e) Arbeitszeiten flexibilisieren. f) Firmeneigene Sprache und Terminologie fördern (die Sprache umschreibt einen bestimmten geistigen Bezugs rahmen und vermittelt das Gefühl, einer besonderen Gemeinschaft anzugehören. Dazu gehört auch die Vermittlung von Firmenanekdoten, Heldentaten, Rollen modellen usw.). g) Firmenlieder, Feste, Gelöbnisse zur Stärkung der psychologischen Firmenbindung und der Kommunikation über Erfolge und Niederlagen. h) Wettbewerbe und öffentliche Anerkennung von Mitar-
Business Process Model and Notation
Literatur
[1] Collins, J. C.; Porras, J. I.: Visonary Companies, München (Artemis & Winkler) 1995 (amerik. Originalausg. „Built to Last“ 1994) [2] Kamiske, G. F. (Hrsg.): Handbuch QM-Methoden, München (Hanser) 2012 [3] Kamiske, G. F. (Hrsg.): Rentabel durch TQM, Berlin (Springer) 1996 [4] Kamiske, G. F. et. al. (Hrsg.): Bausteine des innovativen Qualitätsmanagements, München (Hanser) 1997 [5] Hummel, Th.; Malorny, Chr.: Total Quality Management – Tips für die Umsetzung, 7. Aufl., München (Hanser) 2011 [6] Malorny, Chr.: TQM umsetzen – Der Weg zur Business Excellence, 2. Auflage Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 1999 [7] Pfeifer, T./Schmitt, R. (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement, 6. Aufl. München (Hanser) 2014 [8] Antrecht R.: Qualität, McKinsey Wissen, Düsseldorf (Brandeins) 2007
Business Model
▶Geschäftsmodell
Business Process as a Service (BPaaS)
▶ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
Business Process Model and Notation
▶BPMN ▶dt: Geschäftsprozessmodell und -notation ▶ISO/IEC 19510:2013 ▶Geschäftsprozessmanagement
1 Einführung Bei wohldefinierten und dokumentierten sowie kommunizierten Prozessen ist darauf zu achten, dass die Kommunikation der Prozesse erfolgreich ist, also die Empfänger der Information verstanden haben, was die Sender aussagen wollten. Zudem sollen die Prozesse auch einer eindeutigen, nachvollziehbaren Notation folgen. Eine mögliche Notation ist die „Business Process Model and Notation“, kurz BPMN, die wie folgt bestimmt ist:
BPMN ist ein Standard zur grafischen Modellierung von Geschäftsprozessen. Dieser Standard ist lizenzfrei, kann nicht zertifiziert werden und beinhaltet ►Best Practices für die Modellierung von Prozessen. Darüber hinaus kann über normierte Schnittstellen (XML) Informationsaustausch zwischen verschiedenen Systemen durchgeführt werden. BPMN ist eine Notation. Eine Notation ist ein System von Zeichen und Symbolen, mit denen Prozesse modelliert werden können. Die Praxis zeigt, dass viele Prozessmodelle „nur Zeichnungen“ sind und dass der „Leser“ andere Informationen aus ihnen zieht, als der „Zeichner“ vermitteln wollte. Das ergibt sich oft aus der unklaren oder nicht vorhandenen Regelung, wie die Zeichen und Symbole zu verwenden sind. Der hieraus resultierende Interpretationsspielraum ist bei der Dokumentation eindeutiger Vorgänge und vor allem der späteren Durchführung per se nicht hilfreich. Die Folge davon ist, dass insbesondere abteilungsübergreifende Prozesse in Bezug auf Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht so ablaufen, wie es gewünscht oder gar notwendig ist. Eine eineindeutige Symbolsprache ist deshalb zwingend erforderlich. Für BPMN wurde eine Norm entwickelt, die ISO/IEC 19510:2013. Die Inhalte daraus entsprechen BPMN 2.0.1. Der Einfachheit halber wird hier der Begriff BPMN 2.0 verwendet. In der Norm sind alle Prozesselemente grafisch dargestellt und definiert. Auch wann welches Element verwendet werden soll und kann, ist in der Norm geregelt. Die klaren Definitionen reduzieren den Interpretationsspielraum erheblich. Wichtig erscheint es hervorzuheben, dass im Glossar der Norm der Begriff Prozess wie folgt definiert wird [1]: „A sequence or flow of Activities in an organization with the objective of carrying out work. In BPMN, a Process is depicted as a graph of Flow Elements, which are a set of Activities, Events, Gateways, and Sequence Flow that adhere to a finite execution semantics.“ Sinngemäß übersetzt bedeutet dies „Ein Prozess ist eine Folge oder ein Fluss von Aktivitäten in einer Organisation mit dem Ziel, Tätigkeiten durchzuführen. In BPMN wird ein Prozess grafisch dargestellt und zeigt Flusselemente, die einen Satz an Aktivitäten, Ereignissen, Gateways und Flüssen bilden, welche eine endliche Semantik einhalten.“ Prozesse müssen jedoch nicht nur dokumentiert, sondern generell über ihren Lebenszyklus hinweg gemanagt werden. Nur so ist die Erreichung der Prozessziele sichergestellt (►Geschäftsprozessmanagement). 2 Warum Business Process Management mit der BPMN 2.0? Bisher werden in den meisten Unternehmen für die fachliche Modellierung von Prozessen die ereignisgesteuerten Prozessketten (EPK) und für die technischen Prozesse die Business Process Exexution Language (BPEL) eingesetzt. Bei einer späteren Implementierung musste immer damit gerechnet
119
Begriff
beitern, die sich um die Verwirklichung der Unterneh mens phi losophie besonders verdient gemacht haben (deutliche Sanktionen, wenn die Unternehmensphilosophie verletzt wird). i) Vollständige Koppelung von Gratifikations- und Beförderungskriterien an die qualitätsorientierte Unterneh mensphilosophie. j) Gestaltung der Unternehmensgebäude, Büros usw. aus dem Blickwinkel der Unternehmensphilosophie mit dem Ziel der Verfestigung von Werten und Normen. Dr.-Ing. Christian Malorny, Berlin
Business Process Model and Notation
B
Business Process Model and Notation
B
werden, dass es schwierige Transformationsschritte zwischen EPK und BPEL zu bewältigen gilt, da unterschiedliche Notationen aufeinanderstoßen. Mit BPMN ist nun erstmals eine Vereinheitlichung der Notationen zwischen den fachlichen Experten einerseits und den Spezialisten von IT-Abteilungen andererseits gelungen. Heute steht fest: BPMN 2.0 ist als der führende und offene Standard für die Geschäftsprozessmodellierung abzusehen. Der englische Begriff Business Process Management wird mit BPM abgekürzt und im Deutschen Geschäftsprozessmanagement genannt. Oft wird in der Praxis der Einfachheit halber auch nur der Begriff Prozessmanagement genannt. Die European Association of BPM (EABPM) schreibt hierzu [2]: „BPM ist ein systematischer Ansatz, um sowohl automatisierte als auch nichtautomatisierte Prozesse ◼ zu erfassen, ◼ zu gestalten, ◼ auszuführen, ◼ zu dokumentieren, ◼ zu messen, ◼ zu überwachen und ◼ zu steuern und damit nachhaltig die mit der Unternehmensstrategie abgestimmten Ziele zu erreichen. BPM umfasst die bewusste und zunehmend IT-unterstützte Bestimmung, Verbesserung, Innovation und Erhaltung von End-to-end-Prozessen.“ Es gibt noch weitere Gründe für ein strukturiertes Prozessmanagement. Hier einige Beispiele, bei denen gut definierte und dokumentierte Prozessmodelle hilfreich sind: ◼ Im Rahmen von Gesprächen kann mit ihrer Hilfe strukturiert festgestellt werden, ob Informationen korrekt verstanden wurden. ◼ Mit Hilfe von Simulationen kann festgestellt werden, ob der Prozess in der Realität sinnvoll gestaltet und ausgeführt werden kann. ◼ Textbasierte Dokumentation wird mit sprechenden Bildern angereichert und so Information besser transportiert. ◼ Valide Messpunkte können identifiziert und definiert werden. ◼ Verantwortungsbereiche werden sichtbar. Um BPM durchführen zu können, werden entsprechende Prozessmodelle und eine eindeutige Notation benötigt. Genau das liefert die aktuelle Version BPMN 2.0. 3 Wie entstand BPMN? BPMN wurde in einer ersten Fassung von Stephen A. White (IBM) entwickelt und 2004 veröffentlicht. Die Veröffentlichung erfolgte durch die BPMI, die Business Process Management Initiative. Ziel war neben der Standardisierung die Bereitstellung einer grafischen Notation, die auch für die Automatisierung von Prozessen verwendbar war.
120
Business Process Model and Notation Die BPMI wurde im Jahr 2005 von der Object Management Group (OMG) übernommen. Seitdem wird BPMN von der OMG weiterentwickelt. OMG ist auch dank der Unified Modeling Language (UML) bekannt. 2009 wurde die Version 1.2 der BPMN veröffentlicht. BPMN 2.0 wurde im Januar 2011 von OMG veröffentlicht. BPMN 2.0 definiert viele Elemente, die in verschiedensten Situationen nützlich sein können. Diese Elemente werden durch Symbole dargestellt. Eine Liste dieser Symbole, ihre Definitionen, ein Glossar und weitere Informationen sind verfügbar auf der Webseite der OMG (http://www.omg.org/spec/BPMN/2.0/PDF). BPMN 2.0 ist sehr detailliert und erscheint deshalb auf den ersten Blick unter Umständen als „zu mächtig“. ◼ Aktivitäten teilen sich auf in Aufgaben, Transaktionen, Ereignis-Teilprozesse, Aufruf-Aktivitäten etc. und können zusätzlich mit Markierungen und Aufgabentypen versehen werden. ◼ Ereignisse werden unterteilt in Start-, Zwischen- und Endereignisse – in Summe gibt es über 50 verschiedene mögliche Ereignisse. ◼ Neben den „üblichen“ Gateways („Oder“, „ExklusivOder“ und „Und“) existieren noch einige mehr. Dennoch: Neben der Granularität, der visuellen Darstellung und den klaren Definitionen hat die Verwendung von BPMN 2.0 weitere Vorteile: 1 Aufgrund der freien Zugänglichkeit an Material (ISOStandard, Fachliteratur, Tools) findet BPMN immer mehr Verbreitung. Das erleichtert die Kommunikation beim Thema „Prozesse“ erheblich. 2 Es existiert eine große Anzahl von Toolherstellern, deren Tools BPMN 2.0 als zugrunde liegenden Standard nutzen. Aufgrund der Standardisierung der Notation und der Schnittstellen ist es möglich (theoretisch mit geringem Aufwand und verlustfrei), modellierte Prozesse aus einem der Tools zu exportieren und in anderen Tools zu importieren. Das reduziert die Abhängigkeit von den verwendeten Tools. – Praxishinweis: Auch wenn das theoretisch der Fall ist, sollten in der Praxis umfangreiche Tests durchgeführt werden. 3 Viele Tools sind kostenfrei erhältlich und „unterstützen BPMN 2.0“. – Praxishinweis: „Unterstützt BPMN 2.0“ heißt noch lange nicht, dass das Tool alle Elemente der BPMN 2.0 kennt bzw. diese verwendet werden können. Bei der Entscheidung, BPMN 2.0 toolunterstützt zu verwenden, sollte im Vorfeld Kontakt mit dem Toolhersteller aufgenommen werden um das Ausmaß der Unterstützung von BPMN 2.0 zu prüfen. 4 Die Elemente von BPMN 2.0 BPMN 2.0 kennt fünf Basiskategorien (Elemente): 1 2 3 5
Flussobjekte Daten Verbindende Objekte Artefakte
4 Swimlanes
Business Process Model and Notation Im Folgenden werden diese grundlegenden Elemente kurz beschrieben: Flussobjekte ◼ Aufgabe – Eine Aufgabe wird verwendet, wenn die Arbeit im Prozessmodell nicht weiter detailliert wird. ◼ Ereignis – Es wird unterschieden zwischen Start-, Zwischen- und Endereignissen. Jede dieser drei Unterkategorien kann wiederum verschiedene Ereignisarten beinhalten (zeitabhängige oder konditionale Ereignisse, auslösende oder empfangende Ereignisse etc.) ◼ Gateway – An Gateways werden Entscheidungen hinsichtlich des weiteren Verlaufs getroffen Daten ◼ Datenobjekt – Daten bzw. Informationen, die im Rahmen des Prozesses fließen ◼ Dateninput Input – Daten bzw. Informationen, die für den jeweiligen Prozessschritt benötigt werden. ◼ Datenoutput – Daten bzw. Informationen, die vom jeweiligen Prozessschritt erzeugt werden. ◼ Datenspeicher – Eine Einrichtung, um gespeicherte Informationen zu bekommen, zu aktualisieren oder auch bereitzustellen Verbindende Objekte ◼ Sequenzfluss – Definiert die Abfolge der Flusselemente bei der Ausführung ◼ Nachrichtenfluss – Wird verwendet, wenn Informationen über Organisationsgrenzen hinweg fließen ◼ Assoziation – Verbinden Datenobjekte mit Aktivitäten. Es wird unterscheiden nach ungerichteten Assoziationen und gerichteten Assoziationen Swimlanes ◼ Pool – Ein Pool ist ein Container, mit dem verschiedene Teilnehmer voneinander getrennt werden können ◼ Lane – Eine Lane wird verwendet, um Aktivitäten in einem Pool zu organisieren und verschiedenen Prozessteilnehmern zuzuordnen Artefakte ◼ Anmerkung – Freitext-Element zur Bereitstellung weiterer Informationen ◼ Gruppierung – Dient der Visualisierung einer informellen Gruppierung ◼ Eigene Symbole – Können bei Bedarf hinzugefügt werden Die in der Kategorie Flussobjekte enthaltenen Elemente können mit weiteren Symbolen angereichert werden. Welche Symbole das sind und wie die angereicherten Elemente sich dann voneinander unterscheiden, ist in der Norm ISO/IEC 19510:2013 geregelt. In der Norm ist auch geregelt, welche Elemente unter welchen Bedingungen verwendet werden dürfen. In einem großen Anteil verfügbarer Tools sind diese Regeln implementiert, so dass toolseitig Hilfestellung bereits bei der Gestaltung von Prozessmodellen gegeben wird. Das ist je nach Hersteller und Tool unterschiedlich gut gelöst.
Business Process Model and Notation 5 Definition einer passenden Teilmenge für den Einsatz im Unternehmen Die große Menge möglicher Elemente in BPMN 2.0 resultiert u. a. aus der Forderung, Prozesse in den unterschiedlichsten Einsatzbereichen nicht nur modellieren, sondern auch automatisieren zu können. Diese große Menge an Symbolen erlaubt eine sehr scharf abgegrenzte Modellierung bis ins Detail und Übergabe an eine Process Engine zwecks automatisierter Ausführung. BPMN ist also nicht nur zur Darstellung der Prozesse geeignet, sondern ist gleichzeitig von Beginn der Entwicklung konzipiert als Schnittstelle zur Prozessautomatisierung. – Praxishinweis: Eine übertriebene Verwendung der meisten oder gar aller Symbole kann „zu akademisch“ wirken und von vorneherein die Akzeptanz der Prozessausführenden gefährden. Es gilt, die Balance zwischen Aufwand und Nutzen zu wahren. Zur Modellierung der Prozesse sollte nur die notwendige Menge an Symbolen verwendet werden. Das gilt natürlich ganz besonders, wenn die Prozesse nicht vollständig automatisiert, sondern vornehmlich von Menschen ausgeführt werden sollen. 6 Zur Einführung von BPMN im Unternehmen Die Einführung von BPMN im Unternehmen bedeutet oftmals die gleichzeitige Etablierung einer neuen Sprache und neuer Verhaltensweisen im Unternehmen, mindestens jedoch die Änderung bestehender Sprachen und Verhaltensweisen. Bei dieser Veränderung sind die wirklichen „Sprachexperten“ weniger wichtig als die „Veränderungsexperten“. Mitarbeiter werden Sprachkenntnisse nur dann erwerben und Verhaltensweisen ändern, wenn sie den Sinn hinter diesen Maßnahmen sehen, verstehen und idealerweise akzeptieren. Deswegen gelten bei der Einführung von BPMN die gleichen Regeln wie bei der Einführung neuer Prozesse, Technologien etc. in Unternehmen. 1 Die Unternehmensführung muss „Leadership“ beweisen. Dazu gehört die Festlegung der Ziele, Ausrichtung der Mitarbeiter sowie Motivation und Inspiration der Belegschaft. ▷ Eine klare Aussage seitens der Unternehmensführung, was getan werden soll. 2 Bei den Mitarbeitern muss ein „Gefühl der Dringlichkeit“ erzeugt werden. Mitarbeiter müssen verstehen, dass eine Veränderung notwendig und der alte Zustand nicht mehr tragbar ist. ▷ Aufzeigen der Schwächen der bisherigen Vorgehensweisen bei der Prozessmodellierung und der negativen Folgen. 3 Eine „Führungskoalition“ muss aufgebaut werden. Mitglieder dieser Koalition müssen vor allem bei den anderen Mitarbeitern als glaubwürdig angesehen werden, darüber hinaus sind Expertise und Leadership kritische Erfolgsfaktoren der Veränderung. ▷ Dieses Gremium transportiert die Veränderungen an die anderen Mitarbeiter und kommuniziert mit diesen. Sie selbst stehen der Einführung von BPMN positiv ge-
121
B
Business Process Model and Notation genüber und überzeugen andere Mitarbeiter von den Vorteilen. Gleichzeitig nehmen sie auch die Bedenken der anderen Mitarbeiter auf können mit diesen arbeiten.
B
7 BPMN implementieren BPMN kann nicht umstandslos in die Organisation eines Unternehmens eingeführt werden. Entsprechend dem Vorgehen im ►Changemanagement und unter Beachtung der jeweiligen ►Unternehmenskultur muss es mit den Mitarbeitern zusammen erarbeitet werden. Die Mitarbeiter müssen BPMN als ein gemeinsam zu erreichendes und lohnendes Ziel sehen und visuell erfahren. Eine visionäre Zielsetzung für BPMN könnte lauten: „Das Unternehmen modelliert seine Prozesse (Managementprozesse, Geschäftsprozesse, und Unterstützungsprozesse) auf der Basis von BPMN 2.0.“ Bewährt hat sich folgendes Vorgehen: ◼ Auswahl von „BPMN-Champions“ in den Fachbereichen. Diese treiben das Thema voran ◼ Aufbau von Expertise bei den Champions ◼ Festlegung der Prozesse, die in einer ersten, zweiten, letzten Welle gemäß BPMN modelliert werden ◼ Festlegung einer angemessenen Teilmenge an Elementen Wichtig
Darüberhinaus bedarf es der ständigen Kommunikation von BPMN, um die Effektivität vollständig zu erreichen. Verankert ist BPMN erst, wenn BPMN bei allen Mitarbeitern zu einer bewußten oder gar unbewußten Kompetenz geworden ist. Grundsätzlich gilt, wenn Mitarbeiter Prozesse modellieren, dann mit dem designierten Werkzeug gemäß BPMN 2.0 und nicht als „schnelle Zeichnung in Visio“. 8 Ein Beispielprozess Der folgende Beispielprozess „Training“ ist in Abbildung B25 mit folgenden Akteuren dargestellt: 1 Kunde 2 Trainingsanbieter ◼ Vertrieb ◼ Trainer 3 Druckerei Jeder Hauptakteur hat eine sogenannte Lane, in der die für ihn relevanten Prozesselemente dargestellt sind. Wie Abbildung B25 zeigt, wird der Prozess vom Kunden angestoßen (oben links): ◼ Der Kunde sendet per Mail eine Buchung für das Training. ◼ Der Nachrichteneingang setzt den Prozess in Gang. ◼ Der Vertrieb prüft die Buchung manuell, erfasst den Teilnehmer mit Hilfe eines Services/Computerprogramms und aktualisiert das CRM-System. ◼ Der Vertrieb sendet eine Mail mit der Buchungsbestätigung.
122
Business Process Model and Notation ◼ Zwei Wochen vor Beginn des Trainings (konditionales Zwischenereignis hinter der Aktivität „CRM-System aktualisieren“) werden zwei weitere Nachrichten versendet. Die erste ist die Einladung für den Teilnehmer mit allen relevanten Informationen zum Training (Lokation, Seminarzeiten etc.). Welche Informationen mitgeteilt werden sollen, ist ebenfalls im Schaubild festgehalten und wird mittels einer sogenannten Annotation dargestellt. Diese ist mit dem Nachrichten-Symbol verbunden. Die zweite ist der Auftrag an die Druckerei zur Erstellung der Unterlagen. Auch hier sind mittels Annotation weitere Details angegeben. ◼ Zwischen den beiden Nachrichten-Symbolen ist im Schaubild eine Raute mit einem Plus-Zeichen abgebildet. Bei diesem sogenannten „Parallelen Gateway“ werden alle ausgehenden Sequenzflüsse simultan aktiviert. Somit aktiviert dieses erste parallele Gateway auch das zweite parallele Gateway in der Zeichnung, welches wiederum die Aktivitäten „Rechnung erstellen“ und „Trainerinfo Vertrieb aufbereiten“ nach sich zieht. ◼ Die „Trainerinfo Vertrieb“ wird vom Trainer entgegengenommen. ◼ Die Begleitmaterialien von der Druckerei sind inzwischen vor Ort und damit endet aus der Sicht des Schulungsanbieters der Prozess auf Seiten der Druckerei, dargestellt durch den Kreis. ◼ Der Trainer führt das Training durch. Am Ende des Trainings führt der Trainer den Sub-Prozess „Qualität des Trainings beurteilen“ durch. Dass es sich hierbei um einen Sub-Prozess handelt, ist auch anhand des PlusZeichens im Symbol erkennbar. In einer BPMN-Anwendung kann dieser Sub-Prozess durch ein Anklicken des Plus-Zeichens erweitert werden. In dem modellierten Sub-Prozess erfragt der Trainer zum einen mündliches Feedback und teilt Beurteilungs-Bögen aus, die von den Teilnehmern auszufüllen sind. ◼ Nach diesem Sub-Prozess sendet der Trainer die Bögen an den Vertrieb. Die Bögen stellen eine Sammlung von Datenobjekten dar, dies wird durch das Symbol mit den drei Strichen ausgedrückt. ◼ Der Vertrieb greift die Sammlung der Datenobjekte (Beurteilungs-Bögen) auf und gibt sie in den nächsten Sub-Prozess namens „Auswerten und Verbessern“. Hier kommt ein weiteres Symbol hinzu. Der runde Pfeil gegen den Uhrzeigersinn zeigt an, dass es sich bei diesem SubProzess um einen Loop handelt. Der Sub-Prozess wird für jeden Beurteilungs-Bogen einmal durchgeführt. 9 Der Beitrag von BPMN 2.0 zum Qualitäts management Die folgenden Punkte verdeutlichen den Beitrag, den die Anwendung von BPMN 2.0 zur besseren Organisation des Qualitätsmanagement leistet: ◼ Durch die optische Trennung verschiedener Prozessteilnehmer – inklusive Kunden und Lieferanten – werden
Buchung prüfen
Buchung des Trainings
Abb. B25: Beispielprozess Training
Vertrieb
Trainer
Kunde
Trainingsanbieter
Druckerei
Teilnehmer erfassen
CRM-System aktualisieren Bezeichnung Training, Lieferadresse, Anzahl Begleitmaterial
Trainingsbeginn in zwei Wochen
Lokation, Trainingszeiten, Anfahrt, Parkmöglichkeiten, Verpflegung
Buchungsbestätigung
Einladung
Trainingsbegleitmaterial
Training durchführen
Trainingsbegleitmaterial versenden
Trainerinfo Vertrieb entgegennehmen
Trainingsbegleitmaterial erstellen
Trainerinfo Vertrieb
Trainerinfo Vertrieb aufbereiten
Rechnung erstellen
Rechnung
[+]
Sub-Prozess Qualität des Trainings beurteilen Qualitätsmerkmale bestimmen
[+]
Sub-Prozess Auswerten und Verbessern
Beurteilungsbögen
◉
Business Process Model and Notation Business Process Model and Notation
B
123
Business Process Model and Notation
B
◼
◼
◼
◼
◼
◼
verschiedene Verantwortungsbereiche sichtbar. Übergabepunkte und Schnittstellen können einfacher identifiziert und definiert werden. Auf den ersten Blick wird sichtbar, auf welche Art Aktivitäten ausgeführt werden und an welchen Stellen im Prozess Unterstützung durch externe Services, Skript oder Process Engines gegeben ist. Je weniger Automatisierung, desto höher kann der Grad der Fehleranfälligkeit des Prozesses sein. Die Sichtbarkeit der manuellen Aktivitäten erlaubt es, die Aufmerksamkeit schnell auf die manuellen Prozessabschnitte zu richten. Prozessausführende erkennen schnell, an welchen Stellen Ereignisse mit Bedingungen verknüpft sind. Im Sinne des Qualitätsmanagements können diese Stellen „Quality Gates“ sein, an denen die Einhaltung definierter Kriterien überprüft wird. Organisationen, die sich zeritifizieren lassen (z. B. nach ISO 9001), erfüllen schon allein wegen der intuitiv erfassbaren Transparenz der Prozesse sehr leicht die Forderungen an die Qualitätsfähigkeit eines QM-Systems, da die Zertifizierer auch ohne Kenntnis von BPMN intuitiv erfassen wie die Prozesse gestaltet sind. Die explizite Darstellung von Eskalationsereignissen zeigt dem Prozessausführenden, dass er eine Meldung machen muss. Diese Meldung wiederum erlaubt des dem Meldungsempfänger, rechtzeitig angemessene Schritte einzuleiten. Die Verwendung von Annotationen zur Erklärung konkreter Sachverhalte hilft dem Prozessausführenden, den modellierten Prozess zu verstehen und zu akzeptieren. Dadurch wiederum steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Prozess mit den einzelnen Aktivitäten korrekt durchgeführt wird. Durch die gezielte Verwendung des passenden Gateways wird die Komplexität im Prozess reduziert, wodurch die Fehleranfälligkeit sinkt. Das gilt natürlich nicht, wenn die Komplexität im Prozess die Verwendung des komplexen Gateways verlangt. Hier können durch die Verwendung von Annotationen Erklärungen gegeben werden, die ebenfalls die Fehleranfälligkeit reduzieren.
10 Fazit BPMN 2.0 verfügt über eine große Menge an Symbolen. Zu jedem Symbol gibt es eine gute Definition. Diese beiden Eigenschaften verlangen eine gründliche Auseinandersetzung mit der Notation vor ihrer Verwendung. Das klingt aufwändiger, als es letzten Endes ist – es gibt gute Fachliteratur, welche strukturiert an das Thema heranführt (s. u. Literaturempfehlungen). Das Auseinandersetzen mit BPMN 2.0 verändert die Art und Weise, in der die einzelnen Prozesselemente von Prozessverantwortlichen, Prozessausführenden und Prozessmodellierern hinterfragt werden. Die Kenntnis der unterschiedlichen Prozesselemente und ihrer expliziten Bedeutung ermöglicht ein exaktes Hinterfragen. Und erst die klaren und eindeutigen
124
Business Reengineering (BR) Antworten erlauben die klare und eindeutige Definition von Prozessen. Dadurch wiederum steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Prozess in der Realität so effektiv und effizient ist, wie das Unternehmen es wünscht und braucht. Michael Zigenbein, Gelnhausen Literatur
[1] ISO/IEC 19510:2013 [2] BPM Common Body of Knowledge der European Association of BPMN. 2. edition. 2014
Literaturempfehlungen
Allweyer, Thomas: BPMN 2.0 Business Process Model and Notation – Einführung in den Standard für die Geschäftsprozessmodellierung. Norderstedt (Books on Demand) 3. November 2009 Freund, Jakob. und Rücker, Bernd Rücker: Praxishandbuch BPMN 2.0, 3. Aufl. München (Carl Hanser Verlag) 1. März 2012 Freund, Jakob und Bernd Rücker: Real-Life BPMN – Using BPMN 2.0 to Analyze, Improve and Automate Processes in Your Company (CreateSpace Independent Publishing Platform) 23. Oktober 2012 Grosskopf, Alexander, G. Decker, Gero und Mathias Weske, Mathias: The Process: Business Process Modeling Using BPMN (Meghan Kiffer Press) März 2009 Silver, Bruce: BPMN. Methode und Stil. 2. Aufl. mit dem BPMNHandbuch für die Prozessautomatisierung. (Cody-Cassedy-Press) 1. August 2012 BPMN 2.0 auf der Webseite der OMG: http://www.omg.org/spec/ BPMN/2.0/PDF
Business Process Reengineering (BPR) ▶Business Reengineering (BR)
Business Reengineering (BR)
▶Business Process Reengineering (BPR) ▶Business Process Redesign ▶Prozessmanagement ▶Geschäftsprozessmanagement Der Ursprung des Begriffes „Reengineering“ geht auf den Sommer des Jahres 1990 zurück. Damals erschien in der Harvard Business Review der Artikel von Michael Hammer mit dem Titel „Reengineering Work: Don’t Automate, Obliterate“ und fast zeitgleich auch die Arbeit von Davenport und Short in der Sloan Management Review mit der Überschrift „Industrial Engineering: Information Technology and Business Process Redesign“. Kurz darauf veröffentlichte Hammer, zusammen mit Champy den weltweiten Bestseller „Reengi neering the Corporation“ (Ham mer/Champy, am. 1993, dtsch. 1994). BR kann als Antwort der USA auf die japanische Herausforderung angesehen werden. Die Japaner stellten in den 80er Jahren immer wieder unter Beweis, wie leistungsfähig ihre
Business Reengineering (BR)
Begriff
Arbeitsprozesse sind. Die Automobilindustrie befand sich zu dieser Zeit in den USA in einer Krise und Handlungsbedarf war dringend gegeben (Binder 1997). Hammer und Champy definieren BR als „fundamentales Überdenken und radikales Redesign von Unternehmen oder we sent lichen Unternehmensprozessen. Das Resultat sind Verbesserungen um Größenordnungen in entscheidenden, heu te wichtigen und messbaren Leistungs größen in den Bereichen Kosten, Qualität, Service und Zeit“ (S. 48). Die Definition enthält vier konzeptionelle Merkmale, die im folgenden kurz erläutert werden (Hammer/Stanton 1995): ◼ Fundamentales Überdenken: Bei BR konzentriert man sich auf das, was sein sollte und ignoriert das, was ist. Fragen wie: „Warum machen wir die Dinge auf diese Art und Weise?“ zwingen die Betroffenen, ihr Augenmerk auf Regeln und Annahmen zu lenken, die ihrer Ge schäftstätigkeit zugrunde liegen. Dabei kann sich herausstellen, dass bisher verfolgte Regeln falsch, veraltet oder ungeeignet sind. ◼ Radikales Redesign: BR versteht darunter, dass man einen klaren Trennstrich zur Vergangenheit zieht. Die Arbeit soll auf eine vollständig neue Art und Weise erledigt werden; bestehende Strukturen und Verfahrensweisen finden keine Berücksichtigung mehr („Tabula-rasa-Prinzip“). Das Redesign bezieht sich in den meisten Fällen auf das gesamte Unternehmen („Ganzheitlichkeit“). ◼ Prozesse: Die Prozessorientierung ist das wichtigste Element und kann als Grundidee bezeichnet werden. Sie besteht darin, dass Unternehmen nicht mehr vertikal nach Funktionen, sondern horizontal nach Prozessen zu gliedern sind. BR fokussiert sich auf die Kernprozesse des Unternehmens. Abb. B26 veranschaulicht die prozessorientierte Organisationsform. ◼ Verbesserungen um Größenordnungen: Bei BR geht es nicht um geringfügige Verbesserungen. Es werden Quan tensprünge verlangt, d. h. Verbesserungen von weit mehr als fünf oder zehn Prozent, sondern eher z. B. die Halbierung der Durchlaufzeit. Das letzte Kernelement beinhaltet zugleich auch die Zieldimensionen von BR. Es geht um nachhaltige Effizienzsteige rungen in den ökonomischen Kenngrößen Kosten, Qualität, Service und Zeit. Abbildung B27 zeigt die Dimensionen des BR. Die methodischen Merkmale „Ganzheitlichkeit“ und „Tabula-rasa-Prinzip“ wurden bereits erläutert. Letztes Merkmal der Methodik ist das „Top-down-Vorgehen“. Für den Erfolg von BR muss die Initiative, das Engagement und der notwendige Druck von der obersten Führungsebene aus kommen. Wenn das Top-Management nicht bereit ist, die Führungsrolle zu übernehmen, ist BR zum Scheitern verurteilt (Ham mer/Stanton 1995). Als bedeutungsvoll für den Erfolg von Wandlungsprozessen hat sich überdies die Qualifikation und Motivation aller Be-
Business Reengineering (BR) teiligten erwiesen. Die Rollen im Business Reengineering lassen sich gut anhand der Basis des ►Promotorenmodells von Witte aufzeigen (Witte 1973). Der Machtpromotor (bei BR „Leader“ genannt) kann aufgrund seines hohen hierarchischen Ranges den Wandlungsprozess legitimieren, die notwendigen Ressourcen bereitstellen und Systembarrieren überwinden. Als anspruchsvoll erweist sich die Rolle des Prozesspromotors (bei BR „Process Owner“ genannt). Er trägt die Ver ant wor tung für das Reengineering eines Kernprozesses. In seinen Aufgabenbereich gehört z. B. die Bildung der Projektgruppe oder die Motivation der am Ver änderungsprozess direkt Beteiligten. Der Prozesspromotor nimmt die zentrale Koordinations- und Kommunikations funktion im Wandlungsprozess wahr. Schließlich braucht jedes Management des Wandels Fachpromotoren (bei BR „Reengineering Czar“ genannt). Ihre Rolle beinhaltet die Entwicklung der Techniken und Werkzeuge, die für die Veränderung des Systems notwendig sind. Im BR koordiniert er zudem die Teilprojekte, realisiert Synergien zwischen den Teilprojekten und unterstützt und fördert die Prozessverantwortlichen und ihre Reengineering-Teams. Die vorgestellten Promotoren sollten im Wandlungsprozess wirkungsvoll miteinander wie ein wohlabgestimmtes Gespann zusammenarbeiten (Thom 1997). Zu den Ermöglichern von Business Reengineering gehört das ►Empowerment der Mitarbeiter und die optimale Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie. Ziel des Technikeinsatzes ist die kundenbezogene Rundumbearbeitung eines Sachverhaltes. Daher sollen bestehende Abläufe nicht einfach nur automatisiert werden, sondern neue Anwendungsmöglichkeiten sollen gefunden und realisiert werden. Die gezielte Nutzung von Datenbanken, Expertensystemen, Telekommunikationsnetzwerken etc. kann das Aufgabengebiet des betroffenen Mitarbeiters wesentlich bereichern. Die Verbesserung der Informationsbasis bedingt jedoch eine Änderung der organisatorischen Kompetenzen sowie der fachlichen und persönlichen Befähigungen, also das Empowerment der Mitarbeiter (Thom 1997). Die letzte Achse der Abbildung B27 zeigt die Prozessphasen (►Prozess) von BR. Wie in jedem Konzept des Verände rungsmanagements gibt es auch hier ein generelles Phasenmodell, das im konkreten Fall immer zu adaptieren ist ( Jarrett 2008). Es liegt diesem Modell eine Aufgabenlogik zu Grunde. In der praktischen Anwendung kann es Rückkoppelungsschleifen geben, und Teil-aspekte einzelner Phasen lassen sich überlappend bearbeiten. Ein mögliches Phasenmodell ist das folgende ( Jensen 1994): ◼ Phase 1: Voruntersuchung. Diese verfolgt das Ziel, die Geschäfte und Prozesse der Leistungserstellung zu strukturieren und die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter festzustellen. ◼ Phase 2: Analyse der Geschäftsprozesse. Anhand von quantitativen und qualitativen Messkriterien werden die Prozesse untersucht und ein erstes Prozessdesign wird entworfen.
125
B
Business Reengineering (BR)
Phase 5 des Prozessmodells weist auf die Bedeutung der Verbindung des „revolutionären“ Ansatzes BR mit dem eher „evolutionären“ Vorgehen des ►Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP), im japanischen ►Kaizen genannt, hin. BR-Projekte haben eine radikale Neuausrichtung der Unterneh mensprozesse zum Ziel. Diese radikale Veränderung kann mit einem zeitlich begrenzten organisatorischen und strategischen Kraftakt verglichen werden. Damit das Unternehmen langfristig nicht an Leistungsfähigkeit einbüßt, muss eine beständige Optimierung der neuen Prozesse stattfinden (Al-Ani 1996, Thom/Piening 2009). KVP und BR sind also nicht gegenläufige Konzepte, sondern können als komplementär zueinander betrachtet werden. Eine kombinierte Anwendung hilft dem Unternehmen, die positive Wirkung der Neuerungen noch zu verstärken. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass BR praktisch das ganze Unterneh men und die darin arbeitenden Personen verändert. Der GeschäftssystemDiamant von Hammer und Champy in Abbildung B28 verdeutlicht die von BR betroffenen Elemente des Systems
126
Vertrieb
Produktion
Beschaffung
◼ Phase 3: Neues Prozessmodell. DieAbb. B26: Prozessorganisierte Organisationsform ses umfasst sämtliche Kernprozesse Prozessorganisierte Organisationsform (Haupt prozesse) und unterstützende Prozesse (Hilfsprozesse). Unternehmensführung ◼ Phase 4: Umsetzungsplan. Er bildet die zu realisierenden Veränderungen ab und zeigt die zeitlichen Meilensteine Lieferant des BR-Projektes auf. ◼ Phase 5: Kontinuierlicher Verbes Geschäftsprozesse se rungs prozess. Mit Hilfe von ◼ Produktentwicklung ◼ Auftragsabwicklung Kontrollen der erzielten Resultate INPUT ◼ integrierte Logistik (Vergleich von Soll- mit den Ist◼ Produkt-/Dienstleistungserstellung Prozessen) können Abweichungen ◼ etc. frühzeitig erfasst und ausgeglichen werden. Aber auch ein systematisches ►Benchmarking (intern und/oder extern) kann zu einer OpQuelle: Binder 1997, S. 2 timierung der Prozesse beitragen. ◼ Phase 6: Erneutes Reengineering. Falls notwendig, können die Prozesse nach einiger Zeit einem erneuten BR unterzogen werAbb. B27: Dimensionen von Business Reengineering den. F&E
B
Business Reengineering (BR)
Kunde
OUTPUT
Dimensionen von Business Reengineering Fokus
Ziele Kosten
Kernprozesse des Unternehmens
Qualität
Service
„Empowerment“
Informations- und Kommunikationstechnologie
Ermöglicher
Zeit
Methodische Merkmale Ganzheitlichkeit
Tabula-rasaPrinzip
Voruntersuchung Analyse der Geschäftsprozesse Neues Prozessmodell Umsetzungsplan Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
Top-downVorgehen/ Leaderkonzept
Fundamentales Überdenken Radikales Redesign Prozessorientierung Verbesserung um ökonomische Größenordnungen (siehe Ziele)
Erneutes Reengineering
Prozessphasen Quelle: Homburg/Hocke 1996
Konzeptionelle Merkmale
Business Reengineering (BR) „Unternehmen“. An der Spitze stehen die Unternehmensprozesse. Das zweite Elemente beinhaltet die Organisationsstruktur und die dazugehörigen Stellen, das dritte die Management- und Bewertungssysteme (z. B. Vergütungssystem, Maßstäbe für die Leistungsbewertung), und das vierte Element umfasst die Unternehmenskultur, die sich in den Wertvorstellungen und Überzeugungen der Mitarbeiter widerspiegelt. Nur wenn alle Elemente des GeschäftssystemDiamanten zusammenpassen, wird der BR-Ansatz den angestrebten Erfolg erbringen können.
Business Reengineering (BR) Abb. B28: Der Geschäftssystem-Diamant
Unternehmensprozesse
Organisationsstruktur und zugehörige Stellen
B
Managementund Bewertungssysteme
Einsichten: Es sollte grundsätzlich alles unternommen werden, damit ein Business Reengineering nicht erforderlich wird. Dies ist ein Wandlungskonzept für den Notfall (z. B. die Liquiditätskrise). In derartigen Situationen drängt die Zeit, so dass es leider oft zu aktionistischen Feuerwehrübungen kommt. Dennoch sollte selbst in einer solchen akuten Krisensituation ein Drehbuch für die Steuerung des WandlungsproWertvorstellungen zesses erarbeitet werden. Der Einbeund Überzeugungen zug der wichtigsten AnspruchsgrupQuelle: nach Hammer/Champy 1994, S. 110 pen (Stakeholder) ist auch bei starkem Handlungsdruck unverzichtbar. Hinzu sionell anzuwenden, wobei gegenüber den ursprünglichen kommt eine gut geplante Kommunikation nach innen und Ausführungen der Hauptautoren (Hammer/Champy 1994) außen. Diese ist deshalb wirkungsvoll, weil sonst mit dem im deutschsprachigen Raum mehr Wert auf das wandlungsAbgang von Schlüsselpersonen zu rechnen ist, was ein Unterbegleitende Personalmanagement (Mohapatra 2013, S. 149nehmen zusätzlich schwächt. Lohnenswert ist dabei der Bei161) zu legen ist. zug eines Kommunikationsberaters, welcher über gute MeProf. em. Dr. Norbert Thom, Prof. h. c., Dr. h. c. mult., dienkontakte verfügt und ein sicheres Gespür für die Taktung Bern der Kommunikationsaktivitäten hat. Dr. rer. pol. Michèle Etienne, Schlüpfen In der Praxis des Managements des Wandels sind oft Mischformen, die zwischen der Organisationsentwicklung und dem Business Reengineering liegen, festzustellen. Der ungünLiteratur stigste Fall dürfte ein mehrjähriger Wandlungsprozess sein, in Al-Ani, A.: Continuous Improvement als Ergänzung des Business welchem für die Betroffenen das Ausmaß der Veränderungen Reengineering. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 65. Jg. und auch ihre künftige Rolle unklar bleiben. Eine langanhal1996, Nr. 3, S. 142-148. Binder, B. R.: Reengineering. Der radikale Umbau von Prozessen, tende Unsicherheit über den Personalabbau zermürbt das um Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen. In: MarketingdynaPersonal (Motivationsverlust, gesundheitliche Belastungen mik. Re-Launch – Re-Innovation – Re-Engineering – Re-Invention, etc.). Diesem Zustand ist ein konsequentes Reengineering hrsg. v. H. Weinhold-Stünzi et. al. St. Gallen 1997, S. 54-63. mit abfedernden Personalmaßnahmen (Sozialplan etc.) vorHall, G./Rosenthal, J./Wade, J.: Reengineering: Es braucht kein zuziehen. Gleichzeitig ist es empfehlenswert, sich rasch von Flop zu werden. In: Harvard Business Manager, 16. Jg. 1994, Nr. 4, Fundamentalgegnern des Wandels zu trennen, auch wenn S. 82-93. dies kurzfristig zu Personalengpässen führen kann. Diese Hammer, M./Champy, J.: Business Reengineering. Die Radikalkur Personen üben im Klima der Unsicherheit einen viel zu großfür das Unternehmen. Frankfurt/Main-New York 1994. en Einfluss auf die Belegschaft aus und können dadurch den Hammer, M./Stanton, St. A.: Die Reengineering Revolution. Handbuch für die Praxis. Frankfurt/New York 1995. Wandlungsprozess zusätzlich erschweren. Business ReenHomburg, Ch./Hocke, G.: Change Management durch Reengigineering ist nicht anzustreben, aber im Bedarfsfall profesneering? Eine Bestandsaufnahme - Management Know-how Reihe
127
Business Reengineering (BR)
B
BYOD = „Bring Your Own Device“
des Zentrums für Marktorientierte Unternehmensführung (ZMU) an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung Otto-Beisheim-Hochschule. Vallendar 1996. Jarrett, M.: The new change equation. In: Business Strategy Review, Winter 2008, S. 76-80. Jensen, E. E.: Reengineering - ein für die Nutzung des Mitarbeiterpotentials bedeutsames Konzept. In: Organisationsentwicklung, 13. Jg. 1994, Nr. 2, S. 48-57. Mohapatra, S.: Business Process Reengineering. Automation Decision Points in Process Reengieering. Berlin/Heidelberg 2013. Nippa, M./ Picot, A. (Hg.): Prozessmanagement und Reengineering. Die Praxis im deutschsprachigen Raum. Das Erfolgsrezept von Hammer/Champy auf dem Prüfstand. 2. Aufl. Frankfurt/NewYork 1996. Stadelmann, M./Lux, Wilfried: Hot Topics oder kalter Kaffee? Aktuelle Management-Philosophien kritisch betrachtet. In: io Management Zeitschrift, 64. Jg. 1995, Nr. 3, S. 32-35. Thom, N.: Management des Wandels. Grundelemente für ein differenziertes und integriertes „Change Management“. In: Die Unternehmung, 51. Jg. 1997, Nr. 3, S. 201-213. Thom, N./Piening, A.: Vom Vorschlagswesen zum Ideen- und Verbesserungsmanagement. Kontinuierliche Weiterentwicklung eines Managementkonzepts. Bern 2009. Witte, E.: Organisation für Innovationsentscheidungen. Göttingen 1973.
BVW
▶Betrieblisches Vorschlagswesen
BYOD = „Bring Your Own Device“ ▶Mobile Device Management
••• ⨀⨀⨀ •••
128
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe C
Controlling
C Change Management
Christoph Benz
Coaching im Qualitätsmanagement
Hans-Joachim Schubert
Coaching: Der Qualitäts-Coach
Thomas E. Freitag
Carbon Management
Ingo Steinke
Corporate Governance
CAF-Common Assessment Framework Cafeteria System
Johannes Kals
Category Management
Martin K. Welge
CE, CEN, CENELEC CIM, CMMI Compliance CRM Cyber-Physisches System
Hendrik Schröder
Hans-Dieter Zollondz
C
CAF-Common Assessment Framework
CAF-Common Assessment Framework
CAF-Common Assessment Framework
schnitten ist und ihre Besonderheiten berücksichtigt.“
Begriff
▶Abk.: CAF ▶de: Gemeinsamer Bewertungsrahmen ▶EFQM Excellence Modell 2013
Vier zentrale Zielsetzungen werden mit der CAF in allen Ländern der EU (allen Bereichen des öffentlichen Sektors) verfolgt [1, S. 5]:
Im Mai 2000 wurde mit CAF das erste europäische Qualitätsmanagementsystem ins Leben gerufen, das von ExpertInnen des öffentlichen Bereichs auf der Basis des ►EFQM Excellence Modells speziell auf die Bedürfnisse des öffentlichen Sektors in ganz Europa zugeschnitten, entwickelt wurde. Es deckt alle Aspekte organisatorischer Spitzenleistung (Exzellenz) ab. In CAF sind Aspekte wie Nutzerorientierung, Leistungsfähigkeit des öffentlichen Sektors, Innovation, Ethik, wirksame Partnerschaften mit anderen Organisationen und gesellschaftliche Verantwortung vertieft. 1 Was heißt Verbesserung der Organisation durch interne Qualitätsbewertung im CAF-Modell? Als zentraler Dienstleister des Bundes hat das Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln als Instrument zur internen Qualitätsbewertung das CAF eingeführt. Es dient der Verbesserung der Organisation, indem interne Qualitätsbewertungen (Assessments) durchgeführt werden. In der Begründung heisst es [1, Vorwort]: „Eine Selbstbewertung mit dem CAF umfasst alle bei einer Organisationsbewertung zu berücksichtigenden Aspekte. Deshalb bieten die Bewertungsergebnisse eine hervorragende Basis, um notwendige Verbesserungsmaßnahmen in allen steuerungsrelevaten Bereichen der Organisation zu entwickeln und umzusetzen. Gleichzeitig findet eine Auseinandersetzung mit den Prinzipien des Total Quality Management statt.“ Die folgende Zwecksetzung wird genannt [1, S. 4]: „Der CAF steht als nutzerfreundliches Instrument allen Einrichtungen des öffentlichen Sektors in ganz Europa zur Verfügung, die durch Qualitätsmanagementtechniken ihre Leistungen verbessern wollen. Der CAF gibt einen Selbstbewertungsrahmen vor, der vom Konzept her den wichtigsten TQM Modellen ähnelt, insbesondere dem EFQM, doch speziell auf Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung zuge-
1 „Er soll die Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung mit den Prinzipien des ►TQM vertraut machen und sie schrittweise, durch praktische Nutzung und das Verstehen der Selbstbewertung, von der Planungs- und Durchführungsphase an den gesamten ►PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act; Planen-Durchführen-ÜberprüfenWeiterentwickeln) heranführen. 2 Er soll die Selbstbewertung von Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung erleichtern, um eine Diagnose zu ermöglichen und Verbesserungsmaßnahmen zu erkennen. 4 Er soll als Bindeglied zwischen den verschiedenen in Nutzung befindlichen Qualitätsmanagement-Methoden dienen. 5 Er soll Leistungsvergleiche (►Benchmarking und Benchlearning) zwischen Organisationen des öffentlichen Sektors unterstützen.“ Inzwischen liegt die Version 2013 auch in deutscher Sprache vor [2]. Die Struktur des CAF folgt dem bekannten EFQMModell, auch in ihrer Skizzierung mit den neun Modulen (Themenfeldern), wenn auch einige wenige sprachliche Anpassungen gemacht wurden, die aber nicht als nebensächlich anzusehen sind. Ebenfalls wurden die Bewertungskriterien übernommen. Bei den Assessments handelt es sich um Verwaltungsinterne Maßnahmen, die als wirksames und kostengünstiges Instrument der Verwaltungsmodernisierung angesehen werden. Damit folgt die öffentliche Verwaltung Europas in den Ländern der EU einheitlich dem Managementmodell der ►European Foundation for Quality Management, dem EFQM Excellence Modell. Das Modell in seiner derzeitigen Version 2013 zeigt Abbildung C01.
Abb. C01: Das CAF-Modell 2013 • DAS CAF-Modell • Befähiger
Führung
Ergebnisse
Personal
MitarbeiterInnenbezogene Ergebnisse
Strategie und Planung
KundInnen/ BürgerInnenbezogene Ergebnisse
Prozesse
Wichtigste Leistungsergebnisse
Ergebnisse sozialer Verantwortung
Partnerschaften und Ressourcen Innovation und Lernen
131
C
CAF-Common Assessment Framework
C
2 Historische Einordnung Der CAF ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der für die öffentliche Verwaltung zuständigen EU-Minister. Es wurde unter der Ägide der Innovative Public Services Group (IPSG) entwickelt. Bei der IPSG handelt es sich um eine aus Expertinnen und Experten aus den EU-Mitgliedsstaaten bestehende Arbeitsgruppe, die von den Generaldirektorinnen und Generaldirektoren mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit im Bereich innovativer Verwaltungsmodernisierung und der Leistungsverbesserung im öffentlichen Dienst in den EUMitgliedstaaten zu fördern. Die erste Version des CAF wurde im Mai 2000 vorgestellt und eine überarbeitete Fassung im Jahr 2002 herausgegeben (deutsch in 2006). Die dritte Version erschien 2013 in englischer Sprache. Am Europäischen Institut für Öffentliche Verwaltung (European Institute of Public Administration EIPA) in Maastricht wurde ein CAF Ressourcen-Zentrum (CAF Resource Centre – CAFRC) auf Grund einer Entscheidung der für den öffentlichen Dienst zuständigen Generaldirektoren eingerichtet. In einer Strategieerklärung legte das EIPA dar, welche Rolle das Europäische CAF Ressourcen-Zentrum spielt und welche Ziele es erreichen soll. Mit der Entscheidung, dem EFQM Excellence Modell den Vorzug vor anderen QM-Modellen (v. a. der ISO 9001) zu geben, wurden für die europaweite Penetration dieses QMModells Weichen gestellt, die es auf jeden Fall den Protagonisten und Anwendern in ihren Sektoren leichter macht, Qualitätsmanagement zu verstehen und auf Dauer anzuwenden. Hierzu hat sich inzwischen auch ein Netzwerk etabliert: www.caf-netzwerk.de
CAF-Common Assessment Framework noch mehr die Glaubwürdigkeit einer Organisation gegenüber den BürgerInnen. So ist das externe Feedback-Verfahren zur Erlangung des CAF-Gütesiegels derzeit als ein Angebot zu sehen, das natürlich dann nicht mehr kostenneutral zu erlangen ist. In [2] heisst es denn auch: „Damit CAF-Anwendungsorganisationen ihre Fortschritte auch extern sichtbar machen können und sie dazu Feedback erhalten, wurde das Externe Feedback-Verfahren zur Erlangung des CAF-Gütesiegels entwickelt. Mit diesem Feedbackverfahren – das freiwillig genutzt werden kann – sollen CAF-AnwenderInnen neue Impulse auf ihrem Weg zum ►Total Quality Management erhalten. Das Feedback bezieht sich nicht nur auf den Selbstbewertungsprozess und den anschließenden Verbesserungsprozess, sondern auch auf den von den Organisationen gewählten Weg in Richtung ►Exzellenz. Eine wichtige Säule des Feedbacks sind deshalb auch die acht Grundsätze der Exzellenz.“ Das Externe Feedback-Verfahren zum Erlangen des CAF-Gütesiegels verfolgt die folgenden Ziele [2]: ◼ die Qualität der CAF-Anwendung und ihrer Auswirkungen auf die Organisation unterstützen; ◼ die Frage beantworten, inwiefern die Organisation durch die CAF-Anwendung bereits TQM-Werte verankert hat; ◼ das Engagement in der Organisation für kontinuierliche Verbesserungen stärken; ◼ Vergleichsuntersuchungen (Peer Reviews) und Benchlearning fördern; ◼ Organisationen belohnen, die zur Erlangung von Exzellenz den Weg der kontinuierlichen Verbesserung beschritten haben, ohne ihre erzielte Exzellenz-Stufe zu beurteilen; ◼ die Teilnahme von CAF-AnwenderInnen an den EFQM Levels of Excellence erleichtern (►RADAR-Methodik).
3 Ausblick: Von der Selbstbewertung zum CAF-Gütesiegel Auch wenn sich der CAF in erster Linie auf die Bewertung der Management- und Steuerungspraktiken konzentriert und Das Feedback basiert auf drei Ebenen: dem Selbstbewerorganisatorische Lösungen für Verbesserungen aufzei- Abb. C02: Erster CAF-Prozess im Landratsamt München gen will, ist das Ziel letztlich Erster CAF-Prozess im Landratsamt München ein Beitrag zu einer guten Datum 06.01.2015 An dem Selbstbewertungsprozess nahmen 30 Beschäftigte aus Staatsführung (Good Go- Durch stetiges Bevölkerungswachstum in der Region München allen Bereichen des Hauses teil. Sie bildeten hinsichtlich Alter, gesellschaftliche Veränderungen und Entwicklungen ver- Organisationszugehörigkeit, Abteilungen, Funktionen und Gevernance). Der in Abbildung sowie ändern sich die Aufgaben des Landratsamtes München als Kreis- schlecht einen Querschnitt durch die Mitarbeiterinnen und C02 beschriebene CAF- behörde. Ebenso dynamisch und stetig ist das Wachstum der Mitarbeiter des Landratsamtes. Externe Unterstützung erfolgte Prozess beim Landratsamt Verwaltung bei gleichzeitigen Veränderungen der Arbeitswelt. durch den CAF-Beauftragten des Bezirks Oberbayern, der die Durch stetiges Bevölkerungswachstum in der Region München Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst für alle relevanten München zeigt den Anfang sowie gesellschaftliche Veränderungen und Entwicklungen ver- Inhalte schulte. Im Anschluss erfolgte die 1. Bewertungsrunde, eines CAF-Prozesses, der ändern sich die Aufgaben des Landratsamtes München als Kreis- in der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Organisation konsequent dem ►PDCA- behörde. Ebenso dynamisch und stetig ist das Wachstum der aus ihrer persönlichen Sicht bewerteten. Für die 2. BewertungsVerwaltung bei gleichzeitigen Veränderungen der Arbeitswelt. runde wurden zwei Kleingruppen gebildet, die unter lebhaften, Zyklus folgen muss. Dabei Diese Faktoren erfordern für das Landratsamt München einen kritischen und konstruktiven Diskussionen einen Konsens fanerfolgt das Vorgehen auf Erneuerungs- und Veränderungsprozess, der den Entwicklungen den und Maßnahmenvorschläge erarbeiteten. In einem nächsten wird. Dieser Prozess, der diverse identifizierte strategi- Schritt werden die Ergebnisse der beiden „Konsensrunden“ zufreiwilliger Basis. Jede öffent- gerecht sche Handlungsfelder beinhaltet, findet im Rahmen einer Pro- sammengetragen und ein Ergebnisbericht erstellt. Parallel werliche Organisation kann das jektstruktur statt. den die Ergebnisse und die Maßnahmenvorschläge in den Erneufür sich entscheiden, ob sie Als Einstieg in das Handlungsfeld Qualitätsmanagement und in erungs- und Veränderungsprozess beim Landratsamt München ein externes Assessment für den Erneuerungs- und Veränderungsprozess überhaupt, wurde eingespeist. sinnvoll erachtet. Schließlich eine CAF-Selbstbewertung durchgeführt. Ziel hierbei war es, Quelle notwendigen Verbesserungs- und Anpassungsbedarf in allen Be- http://www.bva.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/BVA/Beratungdokumentieren aber exter- reichen des Landratsamtes zu identifizieren und damit eine Basis Modernisierung/CAF/aktuelle_meldungen/20150106_Erster_CAF_Prozess_ Muenchen.html?nn=4471686 (abgerufen am 3.8.2015) ne (objektive) Assessments für den Erneuerungs- und Veränderungsprozess zu erhalten.
132
Cafeteria System
[1] CAF 2006: Deutsches CAF-Zentrum (Hrsg.): Common Assessment Framework (CAF). Gemeinsames Europäisches Qualitätsbewertungssystem. Verbesserung der Organisation durch Selbstbewertung. Deutsche Version. Köln (Bundesverwaltungsamt 2006 [2] CAF 2013: Deutsches CAF-Zentrum (Hrsg.): Common Assessment Framework (CAF). Gemeinsames Europäisches Qualitätsbewertungssystem. Verbesserung der Organisation durch Selbstbewertung. Deutsche Version. Köln (Bundesverwaltungsamt) 2013
Cafeteria System
Begriff
▶en: cafeteria system ▶Arbeitszufriedenheit ▶Human Ressource Management ▶Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement Ein Cafeteria System ist eine flexible Form eines Vergütungsmodells im Human Ressource Management, mit dem das Ziel verfolgt wird, Motivation und Arbeitszufriedenheit durch individuelle Wahlmöglichkeiten (wie bei einem Menü in der Cafeteria) bei der Vergütung zu ermöglichen. Da die motivationale Kraft von Anreizen bei Mitarbeitern individuell verschieden und zeitlich instabil ist, wird in der wissenschaftlichen Diskussion die Anwendung von sog. Cafeteria-Modellen in Abkehr vom „Gießkannenprinzip“ empfohlen (vgl. Abbildung C03). Diese Modelle erlauben eine flexible Gestaltung von Anreizen und bewirken beim einzelnen Mitarbeiter eine höhere Motivation und Kreativität in der Umsetzung der Kundenwünsche. Bei Cafeteria-Systemen bleibt es dem einzelnen Mitarbeiter selbst überlassen, in welcher Form er zwischen verschiedenen Entgeltbestandteilen bzw. Unternehmensleistungen innerhalb eines bestimmten Budgets auswählt. Ein Cafeteria-System kann nur dann erfolgreich Anwendung finden kann, wenn die angebotenen Leistungen auch den Bedürfnissen und Forderungen der Mitarbeiter entsprechen und nicht als Selbstverständlichkeiten angesehen werden. Somit empfiehlt es sich sich an den Ergebnissne empirischer Erhebungen bei der Art und Weise eines Cafeteriasystems zu orientieren. Theoretisch begründet werden Cafeteriasysteme oft mit psychologischen Motivationstheorien (Maslow, Alderfelder, Herzberg). Da in der Praxis
nur übertarifliche Entgeltelemente in ein Cafeteriasystem fallen können, ist die Bedeutung fast ausschließlich für die Zielgruppe der leitenden Angestellten beschränkt. Bei der Einbeziehung einzelner Elemente in ein Cafeteriasystem muss auch beachtet werden, welche Bestandteile steuerfrei sind. So wird von der Steuerbehörde geprüft, ob nicht bei vergünstigten Darlehenszinsen sog. geldwerte Vorteile zu beachten sind. In solchen Fällen (vergünstigte Zinsen bei Darlehensvergabe durch den Arbeitgeber) muss von einer Aufnahme in das Cafeteriasystem eher abgeraten werden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Langemeyer, H.: Das Cafeteria-Verfahren. Mering (Hampp) 1999
Cale, J. J. Amerikanischer Qualitätsperfektionist
tungsprozess, dem Verbesserungsprozess und der TQMReife der Organisation. Implizit orientiert man sich also an einem Reifegradmodell. Das CAF-Gütesiegel wird an Organisationen verliehen, die CAF effektiv angewendet haben. Für die nationale Umsetzung des externen Feedbackverfahrens einschließlich Vergabe des Gütesiegels sind die EU-Mitgliedstaaten verantwortlich. Sie organisieren auf der Grundlage des gemeinsam vereinbarten Rahmens das nationale Verfahren; sie klären die Zuständigkeiten und Rollen im Feedbackverfahren sowie weitere praktische Rahmenbedingungen. Organisationen, die das CAF-Gütesiegel beantragen möchten, sollten sich über die in ihrem Land bestehenden Möglichkeiten informieren. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
CAN 3-Z 299
▶Lewis, Jerry Lee J. J. Cale (*1938-†2013) war eine derjenigen Größen des Rock n’Roll, die in besonderer Weise mit dem Thema Qualität in Verbindung gebracht werden müssen. Sein Musikstil war nicht besonders facettenreich, sondern im Gegenteil minimalistisch. Kurzer, sparsamer Instrumenteneinsatz, zu ruhig eigentlich für den Rock, aber sehr sorgfältig ausgearbeitet. Er brauchte Jahre, um eine CD zu produzieren. Jede war etwas Besonderes. Eric Clapton sagte einmal über ihn: „…really, really minimal …, It’s all about finesse. He is my hero!“ Er begründete damit den sog. Tulsa-Sound, einer Stilrichtung, die als eine Mischung zwischen Blues, Jazz, Rockabilly und Country bezeichnet werden kann. Oft kopiert und gecovert (sehr gut von Eric Clapton) wirkte Cale eher sehr bescheiden, nie um Effekte bemüht, komponierte, sang und spielte er die Instrumente auch selbst, v. a. Guitarre. „Good Work“ war ein Song von ihm, der nie auf einer CD erschien, nur in dem Film „To Tulsa and Back“ angespielt wurde. Darin wurde Gruppenarbeit thematisiert, genauer Qualitätszirkel. In den Staaten wird er oft als Motivationsvideo im QM eingesetzt. Wer sich in JJ Cale einhören möchte, sollte mit „Call Me The Breeze“ beginnen (https://www.youtube. com/watch?v=zsqF3p8ORDE). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
CAN 3-Z 299
▶CSA Z 299 Quality Assurance Programm (CANADA). Die kanadische Normenreihe CAN 3-Z 299.1 bis 3-Z 299.4 wurden 1975 veröffentlicht. Das ursprüngliche Ziel war die Anwendung
133
C
CAN 3-Z 299
CAQ-Computer Aided Quality Management
Abb. C03: Mögliche Leistungsangebote von Cafeteria Systemen Mögliche Leistungsangebote von Cafeteria-Systemen
C
Geld-/ZeitVerrechnungsLeistungen Zusätzlicher Urlaub Kürzere Tagesarbeitszeit ◼ Kürzere Wochenarbeitszeit ◼ Kürzere Jahresarbeitszeit ◼ Freie Tage ◼ Langzeiturlaub (Sabbatical) ◼ Ruhestandsregelung/ Frühpensionierung ◼ Freie Tage ◼ Teilzeitarbeit ◼ Job Sharing ◼ Geld statt Urlaub ◼ ◼
GeldLeistungen
◼ Barzahlung ◼ Arbeitgeberdarlehen ◼ Kapitalanlagen ◼ Betriebsaktien ◼ Sparangebote ◼ Vermögensbeteiligung ◼ Gewinnbeteiligung ◼ Steuerbegünstigungen ◼ Studien- und Erzie◼
WeiterbildungsLeistungen ◼ Bildungsurlaub ◼ Auslandsaufenthalte ◼ Forschungsmöglich
keit
◼ Kongreßteilnahme
hungsgelder Zusätzliche betriebliche Altersversorgung
Zeit-Leistungen
◼ Urlaubsangebote ◼ Flexible Arbeitszeiten
im Kernkraftanlagenbau. Die Anwendung erfolgt inzwischen in anderen Bereichen der Produktion. Die kanadischen QMNormen hatten Orientierungsfunktion für die Entwicklung der DIN EN ISO 9000 family. Sie bestanden aus den folgenden Teilen: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
CAN3-Z 299 CAN3-Z 299.1 CAN3-Z 299.2 CAN3-Z 299.3 CAN3-Z 299.4
Quality Assurance Program Category 1, Preventing Category 2, Reacting Category 3, Verifying Category 4, Sorting
Da Kanada inzwischen die Normenreihe DIN EN ISO 9000 übernommen hat, ist die CAN-Serie nur noch von historischer Bedeutung. CAD ▶en: Computer Aided Design Computergestütztes Entwerfen
CAE
▶en: Computer Aided Engineering Computergestütztes Konstruieren
134
Zusätzliche VersicherungsLeistungen Lebensversicherung (Direktversicherung) ◼ Zusätzliche Krankenversicherung ◼ Zahnärztliche Behandlung ◼ Krankenhauspflege ◼ Augenärztliche Behandlung ◼ Psychiatrische Behandlung ◼ Pflegegeldversicherung ◼ Unfallversicherung ◼ Arbeitsunfähigkeits-/ Invaliditätsversicherung ◼ Haftpflichtversicherung ◼ Rechtsschutzversicherung ◼ Haus- und Hausratsversicherung ◼ Kfz-Versicherung ◼ Versicherung gegen Vermögensschäden ◼
GesundheitsLeistungen
◼
Sach- und sonstige Leistungen Firmenwagen Firmenwohnungen ◼ Firmeneinkäufe ◼ Entlohnung in "Natura" ◼ Verbesserte Büroausstattung ◼ Reservierte Parkplätze ◼ Sportangebote ◼ 1. Klasse Flugreisen ◼ Längere Kündigungsfristen
Periodische kostenlose Vorsorgeuntersuchung
◼ ◼
BeratungsLeistungen Rechts- und Steuerberatung ◼ Finanzberatung ◼
CAM
▶en: Computer Aided Manufacturing Computergestützte Fertigung
CAP
▶en: Computer Aided Planning Computergestützte Arbeitsplanerstellung
CAQ-Computer Aided Quality Management
▶de: Rechnerunterstützte Planung und Durchführung von qualitätsbezogenen Maßnahmen in der Organisation ▶Qualitätsmanagement mit SAP ▶CIM-Computer Integrated Manufacturing Einerseits sind mit diesem Begriff die IT-unterstützten und zu verfolgenden Ziele hinsichtlich Qualität (Qualitätspolitik) gemeint, andererseit geht es um die IT-unterstützte Sicherung der Qualität im Rahmen eines QM-Systems. In diesem Verständnis wird auch von Computer Aided Quality Assurance gesprochen. Hierfür hat sich Begriff CAQ-System durchgesetzt, mit dem computergestützte Maßnahmen der Planung und Durchführung zur Qualitätssicherung verstanden werden. Solche Systeme bieten Funktionalitäten der Qualitätsplanung, Qualitätsprüfung und Qualitätslenkung bezogen auf
Carbon Management die Gesamtheit aller QM-bezogenen Prozesse modulartig an (►Qualitätsmanagement mit SAP). Der Einsatz solcher Systeme erfordert sowohl organisatorische Voraussetzungen wie auch die Beachtung vorhandener und zu implementierender IT-Strukturen. So ist von sog. Insellösungen abzuraten. CAQSysteme werden als Element von ►CIM gesehen und können über die Beschreibungssprache ODX (ISO 22901-1) auch zwischen einzelnen Organisationen den Datenaustauch beschleunigen. Nicht aus den Augen gelassen werden darf, dass die oberste Zielsetzung eines CAQ-Systems genauso wie die übergeordnete Zielsetzung des QM-Systems strategisch zu sehen ist. Kundenorientierung muss systematisch verfolgt werden: Definierte Ziele der Kundenwertsteigerung, Kundenbindung, Kundenrückgewinnung etc. verlangen ihre Lösung mittels IT-Einsatz. So ist auch der Einsatz eines CAQSystems zu sehen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
CAQ/LIMS
▶Qualitätsmanagement mit SAP
Carbon Management ▶ carbon management ▶ Energy management ▶ ISO 50001
Begriff
Carbon (engl. „Kohlenstoff “) wird bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl oder Gas freigesetzt. Ein Atom Kohlenstoff (chemisch „C“) verbindet sich mit zwei Atomen Sauerstoff (O) zu Kohlendioxid (CO2), dem als Leit-Treibhausgas wesentlicher Anteil am Klimawandel zukommt. Andere Treibhausgase werden in CO2-Äquivalenten angegeben. Carbon Management ist die Erfassung, Planung, Steuerung und Kontrolle der betrieblichen CO2-Emissionen. Der Begriff wird auch auf ganze Volkswirtschaften sowie ökologische Systeme (Wälder, Sümpfe usw.) bezogen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist Carbon Management ein Teilgebiet des ►Energiemanagements, welches sich gemäß der ►ISO 50001 extern zertifizieren lässt.
Carbon Management ◼ Die ISO 14067 behandelt den Carbon Footprint (CO2Fußabdruck) von Produkten. ◼ Die ISO 14069 ist ein Leitfaden für die Anwendung der ISO14064. Große Emittenten von CO2 (z.B. Energieversorger) benötigen CO2-Zertifikate, die an Energiebörsen gehandelt werden (Emission Allowance Unit, EAU). So will der Gesetzgeber einen Teil der externen Kosten durch den Klimawandel in das Rechnungswesen der Verursacher internalisieren, um einen Anreiz zur Reduzierung der Emissionen zu schaffen. In den Abbildungen sind die erforderlichen Rechentechniken erläutert: Abbildung C04 zeigt die Ermittlung der CO2Emissionen bei der Verwendung beispielhafter Energieformen. „Graue Energie“ oder KEA (Kumulierter Energieaufwand, VDI Richtlinie 4600) ist erforderlich, um Energie zur Verwendung bereit zu stellen (Rohölförderung, Raffinierung zu Heizöl, Transport zum Verbraucher …). Abbildung C05 gibt einen Überblick, wie das „Carbon Disclosure Project“ drei „Scopes“ definiert, um die CO2-Emissionen des KEA sowie weitere Effekte einzubeziehen. Bei elektrischer Energie ist dies von ausschlaggebender Bedeutung, denn bei der Verwendung entstehen keine Emissionen. Die Bereitstellung von Strom aus Windkraft verursacht hingegen 20 bis 40 Gramm CO2 pro Kilowattstunde, bei Verbrennung von Braunkohle entstehen bis zu 1,2 kg CO2 pro Kilowattstunde. Prof. Dr. Johannes Kals Ludwigshafen am Rhein Literatur
Botta, Jochen: Carbon Accounting und Controlling: Grundlagen und Praxisbeispiel Deutsche Post DHL, Weinheim 2012. Gleich, Ronald; Bartels, Peter; Breisig, Peter (Hg.): Nachhaltigkeitscontrolling, Freiburg 2012. Schmidt, Mario: Carbon Accounting zwischen Modeerscheinung und ökologischem Verbesserungsprozess, in: Zeitschrift für Controlling & Management (ZfCM), 54. Jg, Heft 1, 2010, S. 32-37.
Das Carbon Accounting (Kohlendioxid-Buchhaltung) liefert die Informationsgrundlage für das Carbon Management, das Carbon Controlling koppelt Informationsversorgung und Management. Auch für Treibhausgase und somit das Carbon Management haben DIN und ISO Normen erlassen, um die Grundlage für eine externe Zertifizierung zu schaffen: ◼ Für die „quantitative Bestimmung und Kommunikation“ von Treibhausgasen gilt die Norm DIN EN ISO 14064. Sie bezieht sich auf Organisatio-nen (Betriebe, Standorte, Unternehmen). ◼ ISO 14065 und 14066 enthalten „Anforderungen an Validierungs- und Verifizierungsstellen für Treibhausgase zur Anwendung bei der Akkreditierung oder anderen Formen der Anerkennung“.
135
C
Carbon Management
Category Management Abb. C04: Beispielrechung CO2-Emissionen Annahmen für einen metallverarbeitenden Betrieb mit eigenem Fuhrpark
C
Nicht-komprimiertes Erdgas zum Heizen und für einen Glühofen: 550.000 m3 pro Jahr
Elektrische Energie (Strom) für Werkzeugmaschinen, Förderanlagen usw. 930.000 kWh
Diesel für den LKW Fuhrpark 120.000 Liter
CO2-Emissionskoeffizient = CO2-Emission in kg pro Mengeneinheit Energieträger
Koeffizient des Naturprodukts Erdgas je nach Qualität etwa 1,8: 550.000 m3 * 1,8 kg CO2/m3 = 990.000 kg CO2
Keine CO2-Emissionen bei Verwendung
Koeffizient bei Diesel und Heizöl etwa 2,65: 120.000 Liter * CO2/Liter = 318.000 kg CO2
Summe der CO2-Emissionen bei Verwendung der Energie im Unternehmen (Gate-to-Gate): 1.308.000 kg
CASCO
▶fr: Committee on Conformiy Assessment ISO-Ausschuss für Konformitätsprüfungen (ISO/CASCO)
Abb. C05: Scopes nach Carbon Disclosure Project (CDP.net)
CASE
▶en: Computer Aided Software Engineering Computergestützte Softwareentwicklung.
Scope 1 CO2-Emissionen im eigenen Unternehmen „Gate-to-Gate“ Berechnung wie in Abbildung C04 Bezug: Unternehmen, Betrieb, Standort als Ganzes Einzelne Prozesse Produkte
Catchball
▶Hoshin Kanri
Category Management
▶de: Warengruppenmanagement 1 Definition und Entwicklung Category Management ist die Bewirtschaftung von Warengruppen im Handel, die nach Kundenbedürfnissen zusammengesetzt werden und im Ergebnis aus ähnlichen oder verschiedenen Produkten bestehen können.
Scope 3 Einbeziehung weiterer Emissionen von Geschäftsreisen, ausgelagerten Prozessen, Transporten, Entsorgung usw.
Die Warengruppen lassen sich nach verschiedenen Prinzipien bilden. Das können Herstellungsmaterialien (z. B. Lederwaren, Porzellanwaren), Herstellungsverfahren (z. B. Strickwaren), Herstellungsgebiete (z. B. regional, national) und Marken (z. B. Exklusivmarken, Handelsmarken) ebenso sein wie Bedürfnisarten (z. B. Bekleidung, Gesundheit, Wellness), Bedürfnisträger (z. B. Studenten, Angler, Jäger, Extremsportler) und Bedürfnisanlässe (z. B. Hochzeit, Gartenparty). Maßgeblich für die Zusammenstellung ist immer die Sichtweise der
136
Begriff
Scope 2 Zusätzliche indirekte Emissionen bei der Erzeugung von Energie, Rohstoffen, Vorprodukten (graue Energie – KEA) Scope 1 und 2 als Bilanzgrenze „Von der Wiege zum Ausgangstor des eigenen Unternehmens“ („Cradle-to-Gate“)
Category Management Kunden. Sie sollen zu einem bestimmten Thema eine entsprechende Auswahl an Produkten vorfinden und dem Händler in diesem Bereich die Kompetenz zusprechen, die sich aus der Breite und Tiefe der Auswahl an Produkten ergibt. Die Bewirtschaftung dieser Warengruppen folgt betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, Zielen und Maßnahmen und ist die ureigene Aufgabe eines Händlers [1]. Ein Händler kann einen oder mehrere Hersteller damit betrauen, ihn bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Man bezeichnet die Funktion der Hersteller dann mit Category Captain, Category Consultant, Category Advisor oder Ähnlichem. Die Entscheidung über die Ausgestaltung der Maßnahmen liegt allein beim Händler. Dies muss allein schon aus kartellrechtlichen Gründen so sein [2]. Category Management hat seit Mitte der 1990er Jahre vor allem dazu beigetragen, sich intensiv mit den Verhaltensweisen von Kunden in den Einkaufsstätten, mit Kennzahlen zur Abgrenzung und Steuerung von Warengruppen sowie mit den dafür erforderlichen Daten zu befassen, einschließlich der Methoden zu ihrer Erhebung und Analyse. Hinzu kommt, dass Kooperationen dort gefördert worden sind, wo ein Händler zu dem Ergebnis gekommen ist, dass er seine Warengruppen effizienter bewirtschaften kann, wenn er die Ressourcen an Personal, Know-how sowie Sach- und Finanzmitteln anderer Wirtschaftssubjekte in der ►Wertschöpfungskette nutzt, insbesondere der Industrie. Vorreiter beim Category Management ist die Lebensmittelbranche gewesen, gefolgt von den Bau- und Heimwerkermärkten und anderen Branchen. Grundsätzlich gibt es keinen Grund, warum eine Handelsunternehmung nicht prüfen sollte, mit dieser Konzeption zu arbeiten. 2 Die Strukturen des Category Managements Die Aufbauorganisation (Strukturen, Strukturorganisation) legt fest, wer welche Aufgaben in einer Unternehmung erfüllt. Die ►Ablauforganisation (Prozesse, ►Prozessorganisation) regelt die raum-zeitliche Abfolge der Aufgabenerfüllung. Nach dem Grundsatz „structure follows process“ wären zunächst die Prozesse und dann die Strukturen darzustellen. Wenn wir hier den umgekehrten Weg gehen, dann deshalb, um zunächst zu zeigen, wer sich überhaupt mit Category Management beschäftigt bzw. beschäftigen kann. Wir betrachten zunächst die unternehmungsinternen Strukturen in Industrie- und Handelsunternehmungen und dann unternehmungsübergreifende Formen. Wir beschränken uns auf Aspekte der ►Arbeitsteilung und der Stellenbildung. Der Überblick verfolgt den Zweck, die vielfältigen Ausprägungen dieser Merkmale in der Praxis des Category Managements aufzuzeigen. 2.1 Category Management in Industrieunternehmungen Soweit die Warengruppe (Category, Kategorie, Produktgruppe) eines Händlers aus mehr Produkten besteht als die eines Herstellers, wird sich ein Hersteller, der nicht das Konzept des Category Managements verfolgt und nicht die gesamte
Category Management Warengruppe seines Händlers fördern will, ausschließlich darauf konzentrieren, seine eigenen Marken und Produkte zu fördern. Er wird für ihre Listung sowie die bestmögliche qualitative und quantitative Präsenz am Point of Purchase sorgen. Diese Aufgaben übernehmen bei einem Hersteller das Key Account Management, das Sales Management, das Trade Marketing und ähnliche Abteilungen. Der Hineinverkauf der eigenen Marken mit dem Ziel, konkurrierende Marken zu verdrängen, wird im Vordergrund stehen, unabhängig davon, ob diese Produkte einen höheren Nutzen für die Endkunden stiften als andere Produkte. Der Anlass, sich als Hersteller mit Category Management zu befassen, wirft die Frage auf, wie diese Funktion (Inhalt und Aufgaben) innerhalb der ►Aufbauorganisation des Herstellers verankert werden soll. Die in der Praxis zu beobachtenden Lösungen reichen von Einzelpersonen, die neben anderen Aufgaben auch Category Management machen (sollen), über kleine Abteilungen mit einigen Category Managern bis hin zu großen Abteilungen, wie sie z. B. bei Henkel und Nestlé anzutreffen sind. Je mehr sich das Berufsbild des Category Managers verbreitet hat [3], desto mehr hat sich auch die Frage gestellt, wie diese Aufgaben von den Aufgaben anderer Stelleninhaber abzugrenzen sind und wie Stellen und Abteilungen in das Organisationsgefüge eines Herstellers einzuordnen sind. Für die Einordnung einer Abteilung „Category Management“ in das System der Weisungsbeziehungen gibt es zahlreiche Formen, die sich in der Praxis herausgebildet haben. Unabhängig davon, ob und wo sich eine Abteilung mit der Bezeichnung „Category Management“ in einer Unternehmung befindet: Letztlich sagt dies nichts Verlässliches darüber aus, wer Category Management macht und wie es gemacht wird. Es ist möglich, dass Stelleninhaber außerhalb der Abteilung „Category Management“ Aufgaben des Category Managements übernehmen, ohne dass dies nach außen sofort sichtbar ist. Ebenso ist es möglich, dass das Verständnis von Category Management in den Firmen verschieden ist. Position 1: Category Management kann der „Deckmantel“ sein, unter dem man seine eigenen Interessen bei den Handelskunden durchsetzen will. In der Position als Category Captain, d. h. der Beauftragung durch den Händler, an der Bewirtschaftung der Warengruppe maßgeblich mitzuwirken, kann ein Hersteller über das Potenzial zu opportunistischem Verhalten gegenüber der Herstellerkonkurrenz (horizontales Verhältnis) und gegenüber Händlern (vertikales Verhältnis) verfügen [4]. Position 2: Category Management wird als Philosophie verstanden, nicht das einzelne Produkt, nicht die eigene Marke in den Vordergrund zu stellen, sondern eine Auswahl an substitutiven und komplementären Produkten, i. d. R. von verschiedenen Herstellern, die dem Endkunden einen möglichst hohen Nutzen stiften sollen. Damit sind die Auswahlkriterien und das Auswahlverhalten der Endkunden die Leitlinie für weitere Vermarktungsmaßnahmen.
137
C
Category Management
C
Die zuletzt genannte Sichtweise, das Interesse der Endkunden über das alleinige Interesse an den eigenen Marken zu stellen, sowie die Reorganisation, die mit der Einführung von Category Management verbunden ist, sind Anlässe für innerbetriebliche Konflikte. Diese Konflikte hat es in den Anfängen von Category Management gegeben, und es gibt sie immer noch. Category Management sieht sich den Vorwürfen ausgesetzt, gegen die Interessen der eigenen Firma zu arbeiten und in die Kompetenzen anderer Abteilungen einzugreifen, z. B. Marktforschung, Key Account Management und Trade Marketing. 2.2 Category Management in Handelsunternehmungen Im Wesentlichen gibt es folgende Lösungen, wie Einzelhandelsunternehmungen Category Management in ihrer Organisation abbilden. Nulltens: Einkäufer werden in Category Manager umbenannt, befassen sich aber nicht mit Category Management, sondern nach wie vor mit Einkauf. Erstens: Einkäufer übernehmen Category-Management-Aufgaben, ohne dass sie sich Category Manager nennen. Zweitens: Einkäufer werden in Category Manager umbe-nannt und befassen sich mit Category Management. Drittens: Vertriebsleiter übernehmen Category-Management-Aufgaben. Während bei diesen Lösungen nach wie vor die Koordination zwischen Ein- und Verkauf zu bewerkstelligen ist und der Einkäufer die Einkaufs-, nicht aber die Verkaufsseite und der Vertrieb nicht die Einkaufsseite vertritt, führt die vierte Lösung diese beiden Funktionen zusammen: Category-Management-Abteilungen, deren Aufgabe es ist, Ein- und Verkauf mit Blick auf die bestmögliche Befriedigung der Wünsche der Endkunden zu koordinieren. Als Beispiel kann das Corporate Category Management (CCM) bei OBI genannt werden. Man kann beobachten, dass die Zuständigkeiten für eine Warengruppe im Einzelhandel nicht der Abgrenzung der Warengruppe entsprechen, wie sie etwa ein Hersteller vornimmt. Ein Beispiel: Ein Einkäufer ist bei einem Einzelhändler für Kaffee etc. zuständig, ein anderer für Haushaltswaren aus Papier, zu denen auch Kaffeefilter aus Papier gehören. Ein Hersteller hat dagegen eine Warengruppe gebildet, die sowohl Kaffee als auch Papierfilter (und gegebenenfalls weitere Produkte) umfasst. Dies kann dazu führen, dass der eine Einkäufer beansprucht, die Papierfilter in seiner Abteilung für Haushaltswaren zu platzieren, während es dem Einkäufer für Kaffee egal ist, er möglicherweise auch gar nicht bereit wäre, Fläche für die Platzierung von Kaffeefiltern zur Verfügung zu stellen, da er für den Erfolg von Kaffee und nicht von Kaffeefiltern verantwortlich ist. Die Konsequenz ist, dass der Hersteller seine Vorstellungen einer Verbundplatzierung nicht durchsetzen kann, die dem Endkunden wahrscheinlich einen höheren Nutzen stiftet (z. B. kürzere Wege, Erinnerung an fehlende Produkte). In diesem Fall stehen Ressortegoismen und Insellösungen über dem Nutzen der Endkunden.
138
Category Management 2.3 Category-Management-Kooperationen Bei vertikalen Kooperationen, in denen Hersteller und Händler gemeinsam eine Warengruppe bewirtschaften, lassen sich folgende Konstellationen unterscheiden: ◼ ein Hersteller als Category Captain – ein Händler, ◼ mehrere Hersteller (Co-Captains) – ein Händler, ◼ mehrere Hersteller (ein Category Captain, ein oder mehrere weitere Hersteller, die so genannte „second opinions“ liefern) – ein Händler, ◼ mehrere Hersteller – mehrere Händler sowie ◼ ein Hersteller – mehrere Händler. Für die beiden zuletzt genannten Konstellationen sind keine Beispiele aus der Praxis bekannt. Typische Erscheinungsformen sind die beiden erstgenannten. Für die vertikale, d. h. wirtschaftsstufenübergreifende Kooperation hat sich Anfang der 1990er Jahre der Begriff Efficient Consumer Response (ECR) verbreitet [5]. Die Teilbereiche dieses Konzeptes sind nicht neu: Beim ►Supply Chain Management geht es um die Logistik, beim Category Management um das Marketing. Neu ist vielmehr der deutlich artikulierte und kommunizierte Anspruch, dass Hersteller und Händler ihre Prozesse und Instrumente in der gemeinsamen Wertkette so abstimmen, dass Ineffizienzen verringert und der Nutzen der Endkunden (Shopper, Verbraucher) gesteigert werden. Wer auch immer Aufgaben im Rahmen des Category Managements übernimmt, der benötigt entsprechende Ressourcen. Die Ressourcen des Herstellers (Category Captain) sind i. d. R. spezifisch für eine Warengruppe und für einen Händler. Daher werden auch nicht alle Hersteller in der Lage sein, sich diese Ressourcen anzueignen. Die Limitationen eines einzelnen Herstellers, nicht wettbewerbsfähig um die Position der Captaincy konkurrieren zu können, lassen sich durch Horizontalkooperationen überwinden. 3 Der Prozess des Category Managements Wer eine Warengruppe planen, steuern und kontrollieren will, benötigt eine Ablauforganisation. Zu diesem Zweck haben verschiedene Institutionen, wie z. B. ECR Europe, CCG (später GS1 Germany) und Gf K, an der Entwicklung eines Schemas mit acht Prozessschritten und seiner Verbreitung mitgewirkt. Viele Firmen haben eigene Prozesse entwickelt, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie die Zahl der Stufen reduziert (verdichtet) und inhaltlich zusammenhängende Punkte zusammengefasst haben. Es ist zweckmäßig, zwischen der Unternehmens-ebene sowie der strategischen und der operativen Ebene des Category Managements zu unterscheiden und den Category-Management-Prozess daran auszurichten, wie es Abbildung C06 zeigt. Eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung ist, dass der Management-Prozess innerhalb der Unternehmung – des Handels sowie der Industrie – und zwischen Unternehmungen akzeptiert wird und zur Erreichung der gesetzten Ziele beiträgt. Aus wie vielen Stufen er besteht, ist nachrangig. Grundsätzlich geht es insbesondere darum,
Category Management
Category Management
Abb. C06: Der Category-Management-Prozess
1
Unternehmensstrategie
2
Strategisches Category Management
Abgrenzung der Category
◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Strategische Ziele
Strategien
Durchführung
Strategische Kontrolle
z. B. die Einkaufsmotive der Kunden, die Einstellungen der Kunden gegenüber der Handelsleistung (Einkaufsstätte, Sortimentsbereiche, Verkaufspersonal etc.), die wahrgenommenen Kaufrisiken der Kunden und die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der Kunden mit der Handelsleistung.
4.2 Die Zugänglichkeit von Daten Man kann Daten, für die ein frei zugänglicher Markt vorhanden ist, von denen unter3 Operatives Category Management scheiden, für die ein solcher Markt nicht vorhanden ist. BeiOperative Operative Durchspiele für die erste Kategorie Maßnahmen Kontrolle Ziele führung sind alle Daten, die von Marktforschungsinstituten erhoben und als Rohdaten oder aufbeLegende: reitete Daten zum Kauf angeCategory-Management-Prozess auf mehreren Ebenen boten werden, wie etwa Daten aus Handels- und VerbraucherCategory-Management-Prozess auf einer Ebene panels und Daten über Milieustudien. Beispiele für die zweite Kategorie sind alle Daten, die Firmen erheben, aber nicht auf die Warengruppe aus der Sicht der Endkunden abzugreneinem Markt zum Kauf anbieten, wie z. B. Scannerdaten und zen, Kostendaten in Handelsunternehmungen sowie Abverkaufsdie Ziele festzulegen, die mit der Warengruppe erreicht daten und Kostendaten von Herstellerunternehmungen. werden sollen, die Ressourcen festzulegen, die bei der Bewirtschaftung 4.3 Die Relevanz von Daten der Warengruppe benötigt werden, insbesondere bei der Entscheidend ist die Zielsetzung. Betrachten wir zunächst Analyse, Planung und Kontrolle, quantitative Daten. Wenn der Zielinhalt der Absatz ist, werdie Daten zu definieren, die für die Bewirtschaftung der den Daten über Mengen benötigt, ist es der Umsatz, werden Warengruppe benötigt werden, sowie für Absatzdaten und Preise benötigt, ist es der Rohertrag, werden die Durchführung und Kontrolle der Maßnahmen zu sordarüber hinaus Daten über Handelsspannen benötigt, ist es gen. der Deckungsbeitrag, werden zudem Daten über Handlungs-
4 Die Daten des Category Managements Die für das Management der Warengruppen in Frage kommenden Daten lassen sich nach verschiedenen Kriterien systematisieren, wie z. B. nach ihrer Messbarkeit (qualitativ bzw. vorökonomisch, quantitativ bzw. ökonomisch), ihrer Zugänglichkeit (auf dem Markt erwerbbar, auf dem Markt nicht erwerbbar), nach ihrer Relevanz und nach ihren Lieferanten. 4.1 Die Messbarkeit von Daten Qualitative Größen sind, anders als quantitative Kennzahlen, nicht direkt messbar. Während für quantitative Größen „normierte Messlatten“ vorhanden sind (Stk., Euro, qm etc.), die die unmittelbare Messung erlauben, handelt es sich bei qualitativen Größen um theoretische Konstrukte, die sich der unmittelbaren Messung entziehen. Daher sind besondere Forderungen an die Konzeptualisierung und Operationalisierung dieser Größen zu stellen [6]. Qualitative Größen sind
kosten benötigt, ist es schließlich der Gewinn, werden Daten über alle zuvor noch nicht einbezogenen Kosten benötigt.
Deckungsbeiträge (je nach Ausgestaltung des Deckungsbeitragsbegriffes die Differenz aus Umsatz und variablen oder einzeln zurechenbaren Handlungskosten) und Gewinne dürften als Zielinhalte für Warengruppen ausscheiden, da es kaum möglich oder vom Aufwand her vertretbar ist, die Handlungskosten einzelner Artikel oder der Warengruppe zu erfassen. Insoweit ist es bei einer Arbeitsteilung zwischen einem Händler und einem Hersteller als Category Captain kaum möglich, dass der Händler solche Daten dem Category Captain oder anderen Dritten zur Verfügung stellt. Die ökonomischen (auch: quantitativen) Daten geben Auskunft darüber, was wann wo in welcher Menge zu welchem Preis gekauft wird. Sie geben aber keine Auskunft über die Gründe für den Kauf und über die Zufriedenheit nach dem
139
C
Category Management
C
Kauf. Insoweit ist es zweckmäßig, qualitative Daten einzubeziehen, die etwas über das Verhalten der Kunden vor, bei und nach dem Kauf aussagen. Diese Daten werden gemeinhin als „Shopper Insight“ bezeichnet, die Verfahren zu ihrer Gewinnung als „Shopper Research“. Ziele im Rahmen des Category Managements sollten auch solche qualitativen Größen zum Inhalt haben, wie z. B. (Verringerung der) Shopper Confusion, (Erhöhung der) Shopping Convenience und (Erhöhung der) Kundenzufriedenheit. Es sind also zunächst die Zielinhalte festzulegen, um dann Aussagen über die Relevanz der erforderlichen Daten treffen zu können. 4.4 Die Lieferanten von Daten Wer kann bzw. sollte welche Daten in den Category-Management-Prozess einbringen? Die Antwort auf diese Frage hängt zunächst von der Zugänglichkeit ab. Daten, über die nur der Händler (Scannerdaten, Einstandspreise, Verkaufsflächen etc.) verfügt, sind von dem Händler, Daten, über die nur der Hersteller verfügt, sind – im Sinne der bestmöglichen Erreichung der formulierten Ziele – von diesem einzubringen. Bei frei auf dem Markt verfügbaren Daten ist ein Entscheidungskriterium die Effizienz, die nicht nur mit den Kosten des Erwerbs beschrieben werden kann, sondern darüber hinaus mit der Fähigkeit, kompetent mit den Daten umzugehen. Grundsätzlich gilt: Je mehr relevante Daten zur Verfügung stehen, umso besser ist die Qualität der Entscheidungen. Oder: Je mehr relevante Daten dem Category Captain zur Verfügung stehen, desto besser kann die Qualität seiner Empfehlungen sein. Wenn die für die Verfolgung der Ziele relevanten Daten zur Verfügung stehen, sind die Voraussetzungen gegeben, Effizienzvorteile zu erwirtschaften. 5 Die Marktbearbeitungsinstrumente des Category Managements Unabhängig davon, ob die Aufzählung der Marketinginstrumente lautet: Efficient Assortment, Efficient Promotion und Efficient Product Introduction oder Assortment, Promotion, New Product Introduction und Consumer Value Creation oder Assortment, Pricing, Promotion und Shelf Presentation [7], es geht jeweils um dasselbe: die Entwicklung von Strategien und Maßnahmen, um die Kategorien erfolgreich zu vermarkten. Bewirtschaftet ein Händler seine Warengruppe, ohne sich mit seinen Lieferanten abzustimmen, sprechen wir von Handelsmarketing (nicht zu verwechseln mit den von der Industrie gegenüber dem Handel eingesetzten Maßnahmen). Koordinieren Industrie und Handel die Maßnahmen, mit denen sie eine Warengruppe bewirtschaften, so liegt vertikales Marketing vor. Für beide Sachverhalte bietet die Literatur seit Jahrzehnten ein gutes Fundament, das kontinuierlich ausgebaut und erneuert wird [8]. Category Management braucht das Marketing nicht neu zu definieren, auch wenn einige Schriften aus der Praxis den gegenteiligen Eindruck vermitteln. Ärgerlich ist vor allem, wenn bekannte Sachverhalte mit neuen Begriffen belegt werden. Dies trägt kaum zur Klärung bei, eher zur Reaktanz gegenüber dem Category Management.
140
Category Management 6 Category Management und Qualitätsperspektiven Wenn man unter der Qualität einer ►Einheit versteht, in welchem Verhältnis die realisierte Beschaffenheit dieser Einheit zu den an sie gestellten Erwartungen steht, so ist für das Category Management zu klären, um welche Einheiten es geht, wer die Ersteller dieser Einheiten sind und wer die ►Forderungen an diese Einheiten stellt. Die Einheiten sind die Produkte und Dienstleistungen der Warengruppen (Categories), die Strukturen und Prozesse der Bewirtschaftung dieser Warengruppen und insbesondere die Daten, die zur Steuerung der Warengruppen verwendet werden. Was die Akteure anbelangt, so handelt es sich beim Category Management um Netzwerkarrangements, mit teilweise wechselnden Teilnehmern: das können Hersteller (►Unterlieferanten), Großhändler, Einzelhändler, Dienstleister und Endkunden sein. Entsprechend können die Erwartungen an die Qualität und die realisierte Beschaffenheit der Einheiten variieren: ◼ Beispiel eins: In der Lieferbeziehung zwischen einem Hersteller und einem Einzelhändler ist zu klären, in welchem Umfang Fehlmengen im Regal des Händlers (Out of Shelf) tolerierbar sind. Je nach Umschlagshäufigkeit der Artikel, den Möglichkeiten der Endkunden, auf andere Artikel bei diesem Händler auszuweichen, und den ökonomischen Konsequenzen von Fehlmengen (Opportunitätskosten) sind unterschiedliche Werte für tolerierbare Fehlmengen denkbar. ◼ Beispiel zwei: Sind zwei oder mehr Hersteller gemeinsam als Category Consultants für einen oder mehrere Händler tätig, so müssen sie sich darüber verständigen, auf welchem Niveau (►Anspruchsklasse) die von ihnen erstellten Leistungen sein sollen. ◼ Beispiel drei: Sowohl Hersteller als auch Händler werden in einer Vertikalkooperation bei der Wahl ihrer Partner auf entsprechende Methoden (►Qualitätstechniken) zurückgreifen (z. B. Screening, Signalling, Kontrollen), um die Qualität ihrer Partner vor und nach Beginn der Kooperation zu beurteilen [9]. Univ.-Prof. Dr. Hendrik Schröder, Essen Anmerkungen und Literatur
[1] Schröder, H.: Category Management – eine Standortbestimmung. In: H. Schröder (Hrsg.): Category Management – Aus der Praxis für die Praxis. Konzepte, Kooperationen, Erfahrungen, Frankfurt a. M. 2003, S. 11-38 [2] Schröder, H.: Category Management in der Gruppenfreistellungsverordnung 2010 – eine Gefahr für die kooperative Markenführung. In: D. Ahlert; R. Olbrich; P. Kenning; H. Schröder (Hrsg.): Vertikale Preis- und Markenpflege im Kreuzfeuer des Kartellrechts, Forum Vertriebs- und Handelsmanagement, Wiesbaden 2012, S. 129-154 [3] Treis, B., Eckhardt, G. H., Funck, D.: Konzeption der Aus- und Weiterbildung von Category Managern im Handel. In: D. Möhlenbruch; M. Hartmann (Hrsg.): Der Handel im Informationszeitalter, Wiesbaden 2002, S. 415-437; Schröder, H.; Rödl, A.: Chancen nutzen. In: Lebensmittelpraxis, Heft 9/2006, 36-37 [4] Schröder, H.: Wie sicher ist die Position eines Herstellers als
Category Management Category Captain? Kooperation zwischen Handel und Industrie aus der Perspektive von Prinzipal und Agent. In: H. H. Bauer; F. Huber (Hrsg.): Strategien und Trends im Handelsmanagement, München, S. 231-249 [5] Seifert, D.: Efficient Consumer Response: Supply Chain Management (SCM), Category Management (CM) und Radiofrequenz-Identifikation (RFID) als neue Strategieansätze, 4. Aufl., Mering 2006 (Erstauflage 2001) [6] Homburg, C., Giering, A.: Konzeptualisierung und Operationalisierung komplexer Konstrukte – Ein Leitfaden für die Marketingforschung. In: Marketing Zeitschrift für Forschung und Praxis, Heft 1/1996, p. 5-24 [7] Category Management Subcommittee – ECR Best Practices Operating Committee and The Partnering Group: Category Management Report, o. O. 1995, p. 55 [8] Hansen, U.: Absatz- und Beschaffungsmarketing des Einzelhandels: eine Aktionsanalyse. 2. Aufl., Göttingen 1990; Berekoven, L.: Erfolgreiches Einzelhandelsmarketing, Grundlagen und Entscheidungshilfen, 2. Aufl.. München 1995; Ahlert, D., Kenning, P.: Handelsmarketing – Grundlagen der marktorientierten Führung von Handelsbetrieben, Heidelberg 2007; Haller, S.; Handelsmarketing, 3. Aufl., Ludwigshafen 2008; Müller-Hagedorn, L., Natter, M.: Handelsmarketing, 5. Aufl., Stuttgart 2011; Schröder, H.: Handelsmarketing – Strategien und Instrumente für den stationären Einzelhandel und für Online-Shops, 2. Aufl., Wiesbaden 2012; Thies, G.: Vertikales Marketing – Marktstrategische Partnerschaft zwischen Industrie und Handel, Berlin, New York 1976; Ahlert, D., Borchert, S.: Kooperation und Vertikalisierung in der Konsumgüterdistribution: Die Kundenorientierte Neugestaltung des Wertschöpfungsprozess-Management durch ECR-Kooperation. In: D. Ahlert; S. Borchert (Hrsg.): Prozessmanagement im vertikalen Marketing, Efficient Consumer Response (ECR) in Konsumgüternetzwerken, Berlin u. a. 2000, S. 1-148; Schmickler, M., Rudolph, T.: Erfolgreiche ECR Kooperationen – Vertikales Marketing zwischen Industrie und Handel. Neuwied 2002 [9] Schröder, H.: Der Hersteller als Category Captain in der Kooperation zwischen Industrie und Handel – eine Analyse im Licht der Prinzipal-Agenten-Theorie. In: D. Ahlert; R. Olbrich; H. Schröder (Hrsg.): Jahrbuch zum Vertriebs- und Handelsmanagement 2003 – Marktstrategische Veränderungen in der Hersteller-Handels-Dyade, Frankfurt a. M. 2003, S. 335-352 Der Beitrag basiert in weiten Teilen auf dem Artikel Schröder, H.: Category Management. In: J. Zentes; B. Swoboda; D. Morschett; H. Schramm-Klein (Hrsg.): Handbuch Handel, 2. Aufl., Wiesbaden 2012, S. 527-541. Dem Springer Gabler Verlag sei für die Freigabe gedankt.
Cause & Effect-Diagramm ▶Ishikawa-Diagramm
CCMC
▶en: CEN-CENELEC Management Centre ▶de: CEN-CENELEC-Managementzentrum ▶CENELEC
CECC-System
▶IECQ/CECC-Zertifzierungssystem
CE-Kennzeichnung CEDAC
▶en: Cause-Effect Diagram wiht the Addition of Cards Ursache-Wirkungsdiagramm, bei dem Karten bzw. Postits (für die Ursachen) genutzt werden (►Ishikawa-Diagramm).
C
CE-Kennzeichnung
▶Warenkennzeichnung ▶CE = fr: Communauté Européenne | de: EU ▶Normungsverfahren
Wer seine der Kennzeichnungspflicht von Erzeugnissen unterliegenden Produkte in der EU verkaufen will, muss erklären, dass sie die grundlegenden Forderungen der EURicht linie erfüllen. Die CE-Kennzeichnung ist seit Ende der 1980er Jahre ver bindlich mit dem Ziel eingeführt, die Konformität eines Produktes mit den in den EU-Richtlinien festgelegten allgemeinen Schutzzielen zu verdeutlichen. Dabei ist das CE-Kennzeichen kein Normenkonformitätszeichen wie die ►Keymark, sondern ein sog. EU-Richtlinien-Konfor mitätszeichen mit weitgehender Funktion als Aufsichts zeichen. Forderungen an Produkte werden in den von den drei europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI erarbeiteten harmonisierten Normen abschließénd festgehalten (Abbildung C07). Durch die CEKennzeichnung haben die Gewerbeaufsichtsbeamten in den Abb. C07: Normung von Produkten in der EU durch … CNELEC Elektrotechnik
Produktnormung Normungsorganisationen
ETSI Telekommunikation CEN alle anderen technischen Bereiche
EU-Ländern eine leichte Kontrollmöglichkeit über die Ver marktungszulässigkeit von Produkten. Das CE-Kennzeichen ist somit als Freihandelszeichen einzustufen („technischer Reisepass“). Es lässt offen, welche Leistungsmerkmale ein Produkt im einzelnen hat. Auf keinen Fall darf davon ausgegangen werden, dass das CE-Zeichen ein Zeichen für die Erfüllung der vollständigen Quali tätsforderungen an ein Produkt bestätigt. Auch darf das CE-Zeichen nicht in Ver bindung gebracht werden mit den Forderungen der Kunden an das Produkt. Es ist eine Art Verwaltungszeichen im oben beschriebenen Sinn, ein Symbol für den freien Handel von technischen Produkten in der Europäischen Union..
141
CE-Kennzeichnung
C
Es geht nicht um alle nur denkbaren Erzeugnisse, die in Europa gehandelt werden können, sondern um definierte Produkte, die in den EG Richtlinien für Produkte nach Artikel 100a des EWG-Vertrages grundlegende Sicherheitsund Gesundheitsforderungen für neue Produkte vorsehen. Beispielhaft seien in willkürlicher Auswahl die folgenden Produkte genannt: Rasierapparate, Gabelstabler, Bohrmaschinen, Bauprodukte, Telekommunikationsendgeräte, Com puter, Drucker, Spielzeug. Die Harmonisierungsrichtlinien der EU sind für alle Mitgliedsstaaten verbindlich. EG Richtlinien sind unverändert in nationales Recht umzusetzen. In den Richtlinien sind die grundlegenden Schutzziele beschrieben (technische Sicherheit, Gesundheit etc.) Außerdem ist geregelt, welche Ver fahren anzuwenden sind, um die Konformität nachzuweisen. Das Verfahren wird Konformitätsbewertungsverfahren ge nannt. Im EU-Amtsblatt zur EU-Richtlinie (Nr. L 380 vom 31.12.1990, S. 13f) heisst es dazu: „Hauptziel eines Konformitätsbewertungsverfahrens ist es, die Behörden in die Lage zu versetzen, sich zu vergewissern, dass die in den Verkehr gebrachten Produkte insbesondere in bezug auf den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Benutzer und Verbraucher den For derungen der Richtlinien gerecht werden.“ Die Konformitätsbewertungsverfahren im Rahmen der EU sind in ein System von Prüfb austeinen, den sog. Modulen (A bis H – s. ►Zertifizierungssysteme) eingeteilt. Welche Module für den einzelnen Hersteller zutreffen, ist genau festgelegt. Der Hersteller hat die Möglichkeit, je nach Produktart und davon ausgehenden Gefährdungen, das oder die zutreffenden Module auszuwählen. Teilweise wird ihm auch vorgeschrieben, dass er ein QM-System darlegen muss (Module D, E. und H). Das führt zu dem Schluss [1]: „Da ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem bei mehreren Modulen vorgeschrieben ist, kommt einer qualitätsgeführten Entwicklung und Produktion einige Bedeutung zu.“ Es ist das Verdienst von H. P. Hahn dem interessierten Leser einen Fragenkatalog von 74 Fragen präsentiert zu haben, der es ermöglicht, sich in den Komplex der CE-Kennzeichnung einzuarbeiten. Dies mag folgendes Beispiel illustrieren [2]: „Frage: Wir sind ein Handels un ter neh men und unser Zulieferer fertigt eine Maschine nach unserer Konstruktion. Müs sen wir die EG-Konfor mitäts erklärung ausstellen? Antwort: Der Hersteller ist verpflichtet, sein Produkt entsprechend der Richtlinie zu entwickeln und herzustellen. Zwar kann er diese Arbeiten an Subunter nehmer vergeben; jedoch bleibt er selbst verantwortlich und muss auch die Aufsicht tragen. Sie sollten mit Ihrem Geschäftspartner vertraglich vereinbaren, wer als Hersteller anzusehen ist.“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy
142
CEN Literatur
[1] Kamiske, G. F.; Brauer, J.-P.: Qualitätsmanagement von A bis Z. Erläuterungen moderner Begriffe des Qualitätsmanagements. 3. Aufl. München-Wien: Hanser 1999, S. 33 [2] Hahn, H. P.: CE-Kennzeichnung leichtgemacht. Ein praktischer Leitfaden. 2. Aufl. München-Wien: Hanser 1996, S. 177f [3] Berghaus, H.; Langner, D.: Das CE-Zeichen. München: Hanser 1994
CEN
▶fr: Comité Européen de Normalisation ▶en: Euopean Committee for Standardization ▶dt: Europäisches Komitee für Normung ▶CENELEC ▶ISO ▶Normungsverfahren
CEN ist die Europäische Normungsorganisation, die 1961 von den Ländern der damaligen Europäischen Wirtschaftgemeinschaften EG und EFTA in Paris gegründet wurde. Inzwischen sind die Normungsinstitute aller EU- und EFTA-Länder Mitglied. Gleichzeitig sind fast alle diese Länder Mitglied in der ►ISO. Mit der Zielsetzung die Normung auf europäischer Ebene durchzuführen, damit der Austausch von Waren und Dienstleistungen durch Beseitung von Hemnissen (v. a. technischer Art) gefördert wird, hat sich eine ähnliche Organisationsstruktur etabliert, wie bei der ISO. Die Standardisierungsbemühungen werden wie dort in TC’s und SC’s realisiert (►Normungsverfahren). Um Doppelarbeit zu vermeiden bestehen Kooperationsabkommen zu CENELEC, IEC und ISO. CEN/CENELEC tritt sogar als gemeinsame Normungsorganisation in Westeuropa auf. Der starke Einfluss der Wirtschaftsgemeinschaften (EU und EFTA) wird daran deutlich, dass ein hoher Anteil der Normungsanträge auf den Mandaten von EU- und EFTA-Kommissionen beruhen (bis 1990 sogar etwa zwei Drittel). Da die von CEN/CENELEC beschlossenen Normen offiziellen Status erlangen, wenn die nationalen Normungsgremien sie in nationale Normen umgesetzt haben, unterscheidet sich die Bedeutung der europäischen Normung deutlich von dem Einfluss der ISO-Normen (►ISO; ►Normungsverfahren), die zunächst Empfehlungscharakter haben. Adresse CEN-European Committee for Standardization – CEN-Secretariat rue de Stassart 36 B-1050 Brussels Telefon: +32-2 519 68 11 URL: https://www.cen.eu Hans-Dieter Zollondz, Vichy
CENELEC
CETPM
CENELEC
können. Darüber hinaus auditiert das CETPM Unternehmen hinsichtlich ihres Operational Excellence-Reifegrades, hilft durch sein Netzwerk beim Erfahrungsaustausch und unterstützt durch eigens erstelltes Informationsmaterial. Daraus abgeleitet sind die vier Geschäftsbereiche des CETPM: Academy, Awarding, Networking und Publishing.
▶fr: Comité Européen de Normalisation Electrotechnique ▶en: European Committee for Electrotechnical Standardization ▶de: Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung ▶CEN CENELEC ist als Normungsorganisation zuständig für die europäische Normung im Bereich Elektrotechnik. Zusammen mit ►ETSI (Normung im Bereich Telekommunikation) und ►CEN (Normung in allen anderen technischen Bereichen) bildet CENELEC das europäische System für technische Normen. CENELEC wurde 1973 als eine gemeinnützige Organisation unter belgischem Recht mit Sitz in Brüssel gegründet. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
CEN/CENELEC/TC 1
▶de: Technisches Komitee „Kriterien für Konformitäts-Begutachtungsstellen“ in ▶CEN und ▶CENELEC
Center of Excellence
▶ Führung und Qualitätsmanagement
CEPT
▶fr: Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications ▶CE-Kennzeichnung CEPT ist nicht mehr relevant: Die das Qualitätsmanagement interessierenden Fragestellungen und Aufgaben werden inwischen von der 1988 gegründeten ►ETSI übernommen.
CETPM
▶Total Productive Management (TPM) Die CETPM GmbH, ehemals „Centre of Excellence for TPM“, ist ein Institut an der Hochschule Ansbach mit Sitz am Campus Herrieden. Das CETPM setzt sich ein für ◼ die Verbreitung der TPM- und Lean-Philosophie, ◼ die Weiterbildung, Forschung und Lehre im Bereich Operational Excellence sowie ◼ die Weiterentwicklung von Ansätzen, Methoden und Vorgehensweisen im Umfeld von Operational Excellence. Kernpunkt der Mission des CETPM ist es, Mitarbeiter aus Unternehmen und Organisationen so zu qualifizieren, dass diese eigenständig betriebliche Verbesserungen vorantreiben
◼ Academy – In diesem Geschäftsbereich werden Weiterbildungsmaßnahmen durchgeführt. Besonderes Kennzeichen ist dabei das Konzept des „Nachhaltigen Lernens“: Nach kurzem theoretischem Input folgt umfangreiches Ausprobieren in einer realen oder zumindest realistischen Umgebung. Danach wird das angeeignete Wissen im eigenen Unternehmen angewandt und schließlich erfolgt der Erfahrungsaustausch. Dieses Konzept wurde umfassend in der Lehrfabrik und im Lehrbüro implementiert. Die Lehrfabrik ist ein Modell-Produktionsbetrieb mit echten Maschinen und echten Produkten, in dem Prinzipien und Werkzeuge aus dem Bereich Operational Excellence gelehrt werden. An realen Maschinen und Arbeitsplätzen können Produktionsabläufe beobachtet und die Effekte von Verbesserungen selbst erlebt und „begriffen“ werden. Durch die sofortige praktische Anwendung des erlernten Wissens wird ein sehr hoher Lerneffekt erzielt. Analog zu der Lehrfabrik werden im Lehrbüro die wichtigsten Ansätze und Methoden trainiert, um Exzellente indirekte Prozesse im administrativen Bereich zu erzielen. In einem realen Büroumfeld ist ein kompletter Auftragsabwicklungsprozess eines Unternehmens abgebildet, von der Bestellung des Kunden bis hin zum Versand der Ware und der Rechnung. An diesem exemplarischen Geschäftsprozess wenden die Teilnehmer ihre erworbenen Kenntnisse an und lernen Verluste und Verschwendung in administrativen Bereichen zu erkennen und nachhaltig zu beseitigen. ◼ Awarding – Das CETPM auditiert Unternehmen hinsichtlich ihrer Zielerreichung bei der Umsetzung betrieblicher Verbesserungen. Dazu vergibt das CETPM den begehrten „Award for Operational Excellence“ in den drei Kategorien Bronze, Silber und Gold. Das Award-System besteht aus zwei Komponenten: ☐ Der Abstimmung eines langfristig gültigen Zielsystems in den Kategorien Produktivität, Qualität, Kosten, Logistik, Sicherheit und Umwelt sowie Motivation (PQCDSM) im Rahmen eines Vor-audits. Dabei wird der erforderliche Zielerreichungsgrad für die einzelnen Awardstufen (Bronze, Silber, Gold) vereinbart. Zum Erreichen der jeweiligen nächsten Stufe sind in der Regel etwa zwei Jahre intensive Arbeit an Verbesserungsmaßnahmen erforderlich. ☐ Der Bewertung des Ist-Zustandes des Werkes mit Hilfe eines umfangreichen Fragenkatalogs aufgrund einer meist eintägigen Vorortbegehung durch die Auditoren. Anschließend erfolgt eine Vereinbarung über den erforderlichen Zielerreichungsgrad in den einzelnen Fragekategorien. Der Fragenkatalog wird
143
C
CETPM
C
den Unternehmen vorab zur Selbstbewertung zur Verfügung gestellt. ◼ Networking – Im Geschäftsbereich Networking bietet das CETPM die Gelegenheit, einen Blick in andere Unternehmen zu werfen – sei es durch Konferenzen oder Benchmark-Treffen. Ziel ist es dabei, den Erfahrungsaustausch zu fördern und sich durch individuelle Lösungen Anderer anregen und inspirieren lassen. ◼ Publishing – Mit dem Geschäftsbereich Publishing begleitet und unterstützt das CETPM Interessierte mit Publikationen und Praxishilfen zu Management- und Spezialthemen im Bereich TPM, Lean Management, KVP und Kaizen. Die zentrale Rolle spielt dabei die von Prof. Dr. Constantin May herausgegebene Schriftenreihe „Operational Excellence“. Experten aus unterschiedlichsten Branchen und mit umfangreicher Praxiserfahrung vermitteln auf leicht verständliche Weise und mit vielen Praxisbeispielen untermauert, Themenaspekte aus dem Fachgebiet Operational Excellence. Seit 2012 erscheint beim CETPM alle zwei Monate das Fachmagazin YOKOTEN. In diesem Medium werden Fachartikel sowie Best-Practice-Beispiele und Informationen aus aller Welt mit engem Bezug zum Themengebiet Lean- und TPM vorgestellt. Bachelorstudium Wertschöpfungsmanagement Jeweils zum Wintersemester startet an der Hochschule Ansbach der berufsbegleitende Bachelorstudiengang Wertschöpfungsmanagement mit dem Abschlussgrad Bachelor of Arts (B.A.). Als neues und zukunftsweisendes Modellprojekt der Qualifizierung kombiniert dieses Studium betriebliche Erfahrung, praktische Studienanteile im Betrieb und theoretisches Wissen. Die Studierenden arbeiten weiterhin Vollzeit im Unternehmen, werden jedoch für die von der Hochschule begleiteten Verbesserungsprojekte, also für Studienleistungen freigestellt. Insbesondere beruflich bereits Qualifizierten bieten sich hier Möglichkeiten, ihre Kompetenzen zukunftsorientiert auszubauen.
144
Anfragen bitte an: CETPM GmbH Institut an der Hochschule Ansbach Steinweg 5 91567 Herrieden Tel. +49 (0) 9825 2038-100 Fax +49 (0) 9825 2038-111 E-Mail [email protected] Web: www.cetpm.de
Prof. Dr. Constantin May, Academic Director
Champion
▶Six Sigma
Change Management
▶ Veränderungsmanagement
1 Einleitende Darstellung Organisationen waren immer schon ständigen Veränderungen innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen ausgesetzt. In den letzten Jahren jedoch hat die Veränderungsdynamik zugenommen, die Veränderungszyklen haben sich verkürzt, Veränderungen sind weniger gut und genau vorherzusehen und insgesamt ist das Ausmaß erforderlicher Anpassungs maß nahmen größer und tiefgreifender ge worden. Neben ► Kosten und ►Qualität hat sich die ►Zeit, mit der auf geänderte Forderungen und Rahmenbedingungen reagiert wird, zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor entwickelt. Entsprechend wird vermehrt von einem härter werdenden ►Zeitwettbewerb gesprochen. Beispielhafte Indikatoren dafür sind: ◼ die Verkürzung von Produktlebenszeiten, ◼ der Rückgang von Produktentwicklungszeiten, ◼ der Anstieg der Innovationsgeschwindigkeit bei grundlegenden Technologien bzw. die Häufigkeit von Techno logiesprüngen oder etwa ◼ die Beschleunigung von Kommunikationsprozessen weltweit. Das Management von Veränderungsprozessen hat sich infolgedessen zu einer zentralen Führungsaufgabe entwickelt. änderungsmanagement be zieht sich auf den Prozess Ver der kontinuierlichen Planung und Umsetzung von Verän derungen, die von zentralem Interesse für den Erfolg von Organisationen sind. Das Handlungsfeld erstreckt sich auf alle Phasen eines Veränderungsprozesses, beginnend mit der vorbereitenden Analyse und Planung von Vorhaben über die Einleitung und Ausweitung entsprechender Maßnahmen bis hin zur Stabilisierung der herbeigeführten Veränderungen. Das Spektrum der Veränderungsinhalte kann dabei von der langfristigen Veränderung von ►Unternehmens- oder Or ganisationskulturen über die Umsetzung komplexer strategischer Konzepte bis zur Durchführung von spezifischen Maßnahmen, die einen Schwerpunkt im organisatorischen,
Begriff
Der Bachelorstudiengang Wertschöpfungsmanagement vermittelt am Campus Herrieden in der Lehrfabrik und dem Lehrbüro das Prozess- und Methodenwissen, um Verluste und Verschwendung in der industriellen Produktion sowie in administrativen Prozessen erkennen und beseitigen zu können. Es werden das notwendige Hintergrundverständnis, sowie technologische und administrative Vorgehensweisen und Methoden erklärt und unmittelbar praktisch angewandt. Ziel der mit einem solchen „Werkzeugkasten“ versehenen Absolventen ist es, das eigene Unternehmen in Richtung Operational Excellence weiterzuentwickeln. Sie agieren dabei wie interne Berater und Begleiter eines strukturierten Verbesserungsprozesses. Eine zentrale Rolle spielen dabei umfassende betriebliche Verbesserungsprogramme wie ►Total Productive Management (TPM) und ►Lean Management.
Change Management
Begriff
Change Management technischen oder personellen Bereich besitzen, reichen. Un abhängig von den konkreten Veränderungsinhalten ist der Ansatz durch seine ganzheitliche Betrachtungsweise, die Ein beziehung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse sowie die Prozessorientierung gekennzeichnet. 2 Grundlegende Gestaltungsprinzipien Die Heterogenität von Organisationen so wie die Unterschiedlichkeit in den Zielsetzungen von Veränderungsvor haben lassen kein einheitliches Vorgehen zu. Daher sind im folgenden grundlegende Gestaltungsprinzipien für die Steu erung umfassender Veränderungen beschrieben, die jeweils an die spezifischen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen angepasst werden müssen. Unter dem Stichwort „Bedingungen für den Erfolg von Veränderungsvorhaben“ heben Porras & Robertson (1992, S. 754) nach einer umfangreichen Literaturanalyse vor allem drei Erfolgskriterien hervor: ◼ das Ausmaß und die Qualität der Einbeziehung von Organisationsmitgliedern in die Planung und Umsetzung von Veränderungsprozessen, wobei sich erneut zeigte, dass Organisationsveränderungen nur dann erfolgreich verlaufen, wenn sie von den Organisationsmitgliedern mitinitiiert und -gestaltet werden konnten, ◼ die Erkenntnis bei der Mehrheit wichtiger Entscheidungsträger, dass ein Veränderungsbedarf existiert und ◼ die Bereitschaft, Risiken einzugehen oder „eingefahrene Wege zu verlassen“. Über die herausragende Bedeutung einer frühzeitigen Einbeziehung von Betroffenen in die Planung und Umsetzung von Veränderungen herrscht breite Übereinstimmung, unabhängig davon, vor welchem Hintergrund entsprechende Erfahrungen gesammelt wurden (Organisationsentwicklung, Strategisches Management oder Veränderungsmanagement in japanischen Unternehmen). Untermauert wird dies durch motivationspsychologische Erkenntnisse, die verdeutlichen, dass das Angebot von Beteiligungsmöglichkeiten dem Sicherheits- und Kontrollbedürfnis entgegenkommt und die Wahr scheinlichkeit des Auftretens von Widerstandsphänomenen verringert. Die unter Punkt 2 genannte Bedingung für den Erfolg von Veränderungsvorhaben ist im Sinne eines Gestaltungsprinzips mit der später genannten Notwendigkeit, der „Verantwortungsübernahme durch die oberste Leitung“, in Verbindung zu bringen. Punkt 3 spricht implizit die Bedeu tung einer innovationsförderlichen ►Organisationskultur an. 3 Weitere Gestaltungsprinzipien Weitere Gestaltungsprinzipien, die mit positiven Verläufen von Organisationsveränderungen in Zusammenhang zu brin gen sind, beziehen sich auf: ◼ die Verantwortung der obersten Leitung: Für die Steuerung umfassender Organisationsveränderungsprozesse muss die Leitung einer Organisation Ver ant wor tung übernehmen. Mitglieder der Leitung sollten sich aktiv an der Planung und Gestaltung beteiligen, um einerseits
Change Management
◼
◼
◼ ◼
◼
◼
die Bedeutung des Vorhabens zu unterstreichen und um andererseits Modellfunktion zu übernehmen. Die Zu ständigkeit der obersten Leitung darf jedoch nicht so mißverstanden werden, dass keine Spielräume mehr bei der Detailplanung oder Umsetzung vorhanden sind. die Gestaltung der Informationspolitik: Die Art und Weise, wie über Veränderungsvorhaben informiert wird, sollte folgende Aspekte berücksichtigen: ◻ die Informationen müssen konkret sein und potentielle Auswirkungen auf das einzelne Organisationsmitglied beinhalten, ◻ die Informationen müssen glaubwürdig sein und dürfen daher nicht nur einseitig positive Aspekte enthalten, ◻ die Änderungsnotwendigkeiten müssen so dargestellt und aufbereitet sein, dass sie nachvollziehbar sind. die Anpassung von Belohnungs- und Anreizsystemen im weiteren Sinn: Die Unterstützung der Veränderungspro zesse sowie die aktive Beteiligung an der Planung und Umsetzung einzelner Maßnahmen muss mit positiven Konsequenzen verbunden sein. D. h., es müssen Anreize für die Implementierung der Veränderungen geschaffen werden, und das gesamte Be- und Entlohnungssystem der Organisation, insbesondere die Beurteilungs- und Beförderungskriterien, darf nicht in Widerspruch zu den Veränderungszielen stehen. die Schaffung eines klaren Zielsystems: Jeder einzelne Veränderungsprozess muss über die Vereinbarung konkreter Zielgrößen steuerbar sein. die Auswahl von Modellprojekten bzw. -bereichen: Veränderungen sollten zuerst in denjenigen Bereichen begonnen werden, die Bereitschaft signalisieren. Die dadurch gegebene höhere Erfolgswahrscheinlichkeit in der Umsetzung erster Veränderungsmaßnahmen fördert die organisationsweite Ausbreitung des Vorhabens. die Kombination von Prozess- und Ergebnisorientierung: Alle Veränderungsmaßnahmen sollten einen deutlichen Bezug zu erfolgskritischen Faktoren erkennen lassen. Un terstützungsmaßnahmen wie Schulung oder Beratung sollten direkt in konkrete Problemlösungsprozesse integriert sein und nur im Bedarfsfall zur Anwendung kommen. die Konsolidierung von Veränderungen: Die Stabilisierung von Veränderungsmaßnahmen erfordert vor allem ein darauf abgestimmtes Belohnungssystem im weiteren Sinn sowie eine Unterstützung durch entsprechende Struk turanpassungen. Dabei ist insbesondere den bewährten Prinzipien der Arbeits- und Organisationsgestaltung Rechnung zu tragen. Wiederholte „Standortbestimmungen“ durch die Organisationsleitung, die auch einen Vergleich mit der Leistungsfähigkeit anderer Organisationen beinhalten können, demonstrieren ein dauerhaftes Interesse der obersten Leitung an der Aufrechterhaltung bzw. Aktualisierung von Änderungen.
145
C
Change Management
C
Change Management
4 Implementierungsschritte und -strategien Für die ►Implementierung umfassender Veränderungen in Organisationen existieren zahlreiche Modelle, die sowohl konkrete Abfolgen von Schritten beschreiben als auch eher „strategische“ Empfehlungen für die Gestaltung von Ver änderungsprozessen aussprechen. Eine Analyse der Definitionen und Begriffsabgrenzungen der einzelnen Implementierungsschritte erbringt eine sehr hohe Übereinstimmung in der Benennung einiger weniger zentraler Phasen. Es handelt sich dabei um ◼ die Ist-Analyse zu Beginn des Prozesses, ◼ die Klärung des Ziels der Veränderungsmaßnahmen oder Festlegung des Soll-Konzepts, ◼ die Durchführung der Maßnahmen sowie ◼ die Bewertung und Stabilisierung der Veränderungen.
5 Merkmale innovationsorientierter und flexibler Organisationen Die Gestaltung einer Organisation, die sich durch eine hohe Innovationsorientierung und Flexibilität auszeichnet, könnte als langfristiges Ziel von Veränderungsmaßnahmen angesehen werden, die zur Bewältigung der generell zu verzeichnenden Beschleunigung und Kom plexi täts steigerung von Wandlungsprozessen eingeleitet werden. Charakteristische Merkmale solcher Organisationen werden vor allem im Bereich spezifischer organisationskultureller und -struktureller Besonderheiten gesucht. An Ausprägungen im Organisationsalltag gelebter Werte und Grundeinstellungen werden hier häufiger genannt:
◼ Veränderungen werden als Chance begriffen, ◼ ►Kreativität und Innovativität werden unterstützt und gefördert, was auch bedeutet, dass Konventionen in Frage gestellt werden können und Experimente zugelassen, Strategische Fragestellungen in Zusammenhang mit der Umja sogar angeregt werden, setzung umfassender Veränderungen konzentrieren sich vor ◼ ►Fehler werden konstruktiv zur Weiterentwicklung geallem auf die Aspekte: nutzt, ◼ Motivation für Veränderungen zu erzeugen, ◼ Konflikte und Probleme werden eher als Chance und He◼ Übergangsphasen zu steuern und rausforderung verstanden denn als Störung, ◼ eine ausreichende Machtbasis zu schaffen, um die einge◼ eine ständige Erweiterung bzw. Verbesserung von Fähigleiteten Veränderungen auszuweiten und zu stabilisieren. keiten bzw. Fertigkeiten aller Mitarbeiter wird als selbstverständlich angesehen, In der folgenden Abbildung C08 sind diesen Zielsetzungen ◼ konsequente Orientierung an den Kundenbedürf-nissen, einzelne Maßnahmen zugeordnet. ◼ regelmäßige Positionierung gegenüber Konkurrenten, ◼ Mitarbeiter erleben ihre Tätigkeiten als sinnvollen Beitrag zur Erfüllung eines akzeptierten Auftrages der Organisation sowie ◼ die Kooperation zwischen den Organisationsmitgliedern ist insgesamt durch Abb. C08: Strategische Empfehlungen zur Gestaltung von Veränderungsprozessen ►Vertrauen geprägt.
Strategische Empfehlungen zur Gestaltung von Veränderungsprozessen Motivation für Veränderungen erzeugen
Übergangsphasen steuern
Machtbasis zur Stabilisierung schaffen
Unangemessenheit des gegenwärtigen Zustandes verdeutlichen
Ein klares Bild des zukünftigen Zustandes entwickeln und vermitteln
Unterstützung von den Hauptmachtgruppen sicherstellen
Beteiligungsmöglichkeiten an der Planung und Implementierung eröffnen
Viele Ansatzpunkte für die Auslösung von Ver änderungen wählen
Veränderungen im Management vorleben
Belohnungssysteme für erwünschtes Verhalten aufbauen
Übergangspläne erarbeiten und bekannt machen
Symbole für die Neuerungen einsetzen
Zeit und Möglichkeit einräumen, um sich vom ge genwärtigen Zustand zu lösen
Den Fortschritt der Veränderungen messen
Zustand nach Veränderungen stabilisieren
Quelle: In Anlehnung an Nadler 1981
146
Organisationsstr ukturelle Merkmale, die mit einer hohen Innovationsorientierung und Flexibilität in Zusammenhang ge bracht werden, konzentrieren sich in der Regel auf die Themen ◼ Prozessorganisation, ◼ Netzwerkorganisation und ◼ Selbstorganisation. ►Prozessorientierung als Gestaltungsmerkmal von Organisationen setzt unmittelbar an der Erfüllung von Kunden aufträgen an und leitet daraus die Koordination notwendiger Bearbeitungsprozesse ab. Dabei tritt die traditionelle funktionsorientierte Gliede-
Change Management rung der Organisation, die in der Regel zum Aufbau relativ starrer Abteilungsgrenzen geführt hat, in den Hintergrund. Dagegen gewinnen quer durch die Organisation verlaufende Formen der Zusammenarbeit, die auf die Erfüllung spezifischer Auftragstypen ausgerichtet sind, an Bedeutung. Die Begriffe ►Netzwerkorganisation und ►Selbstorganisation bauen auf dem gleichen Grundverständnis von Organi sationsprinzipien komplexer sozialer Systeme auf. Demnach entwickeln entsprechende Systeme eine Eigendynamik in ihrer Organisation, die nur eine beschränkte von außen erfolgende Planung und Konstruktion zuläßt. In der Konsequenz werden denn auch statt stark hierarchisch-arbeitsteiliger Organisationsformen mit relativ starren Regelungen eher miteinander vernetzte, kleinere überschaubare Organisationseinheiten mit ausreichendem Spielraum zur Selbstregu lation favorisiert, die möglichst einen in sich geschlossenen oder ganzheitlichen Auftrag haben. Die Vorteile eines solchen ►Netzwerks von miteinander verknüpften weitgehend dezentral verwalteten Organisationsformen werden überwiegend in dem höheren Potential zur Bewältigung komplexerer Aufgabenstellungen, der größeren und schnelleren Anpassungsfähigkeit und der geringeren Störanfälligkeit gesehen. Insgesamt gesehen ergeben sich aus der Betrachtung organisationskultureller und -struktureller Merkmale innovativer Organisationen sowie den Gesamtbeschreibungen fortschrittlicher, flexibler Organisationen eine Reihe von Überschneidungen. Bezogen auf Besonderheiten der ►Organisationskultur lassen sich hier vor allem solche Haltungen wie Fehlertoleranz, Experimentierfreude und kontinuierliche Suche nach Optimierungsmöglichkeiten herausstellen. Die in diesem Kontext erwähnten organisationsstrukturellen Merkmale lassen sich im wesentlichen aus den Kernforderungen des ►soziotechnischen Ansatzes wie ◼ Bildung relativ unabhängiger Organisationseinheiten, denen in sich abgeschlossene ganzheitliche Aufgaben über tragen werden, ◼ Gewährleistung eines Aufgabenzusammenhangs innerhalb einzelner Organisationseinheiten und ◼ Übereinstimmung von Produkt bzw. Dienstleistung und Organisation ableiten. Prof. Dr. habil. Hans-Joachim Schubert, Witten-Herdecke
Weitere Literatur
Doppler, K.; Lauterburg, C.: Change Management. Frankfurt 2008. Glasl, F.; Lievegoed, B.: Dynamische Unternehmensentwicklung. Stuttgart 2011.
Kotter, J.P.: Leading Change, Harvard Business Review Press 2012. Reiß, M.; Rosenstiel, L. v.; Lanz, A. (Hg.): Change Management. Programme, Projekte und Prozesse. Stuttgart 1997. Robertson, P. J.; Roberts, D. R.; Porras, J. I.: Dynamics of planned organizational change: assessing empirical support for a theoretical model. In: Academy of Management Journal, 36 (1993), S. 619-634. Ulich, E.: Arbeitspsychologie. Stuttgart 1991.
Change Request
▶de: Änderungsforderung Im Projektmanagement (v. a. in Softwareprojekten) wird mit diesem Begriff ein formalisierter Wunsch nach Änderung von Eigenschaften von Produktmerkmalen bestimmt. Änderungsforderungen sind zu bewerten, zu entscheiden und zu kommunizieren. Da sich Änderungsforderungen auf das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer auswirken, sind diese gemeinsam freizugeben und als Bestandteil von Verträgen zu dokumentieren. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
CI
▶Corporate Identity
CI
▶en: Continous Improvemt ▶de: Kontinuierliche Verbesserung ▶de: Fortlaufende Verbesserung Aus der Sicht des Qualitätsmanagements versteht man unter der Abkürzung CI die Kontinuierliche Verbesserung, die sich in zyklischen Prozessen vollzieht und auf die gesamte Organisation bezieht. Neuerdings (ISO 9000:2015) wird CI ins Deutsche mit ►fortlaufende Verbesserung übersetzt. Statt einfach von CI zu sprechen wird oft auf CIP bestimmt (Continous Improvement Process). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
CIM-Computer Integrated Manufacturing ▶de: rechnerintegrierte/-gestützte Fertigung ▶CAQ
Bei der Definition von CIM wird in Deutschland oft die Formulierung von August-Wilhelm Scheer aus dem Y-CIMModell bemüht [1]: CIM beschreibt den integrierten EDV-Einsatz in allen mit der Produktion zusammenhängenden Betriebsbereichen. Es umfasst das informationstechnische Zusammenwirken zwischen CAD, CAP, CAM, ►CAQ und PPS. Hierbei soll die Integration der technischen und organisatorischen Funktionen zur Produkterstellung erreicht werden. Dies bedingt die gemeinsame Nutzung aller Daten eines EDV-Systems, auch Datenbasis genannt.
147
Begriff
Literatur
Porras, J. I.; Robertson, P. J.: Organizational Development. Theory, practice and research. In: Dunnette, M. D. et al. (Eds.): Handbook of Industrial and Organizational Psychology. Palo Alto 1992, S. 719823. Nadler, D. A.: Managing Organizational Change: An Integrative Per spective. In: The Journal for Applied Behavioral Science, 17 (1981), 2, S.191-211.
CIM-Computer Integrated Manufacturing
C
CMMI
C
CMMI
Literatur
[1] Scheer, A.-W.: Wirtschaftsinformatik. Referenzmodelle für industrielle Geschäftsprozesse. 7. Auflage. Berlin-Heidelberg (Springer) 1997 [2] Harrington, J.: Computer Integrated Manufacturing. New York (Industrial Press) 1973 [3] Scheer, A.-W.: CIM Computer Integrated Manufacturing. Der computergesteuerte Industriebetrieb. 4. Auflage. Berlin-HeidelbergNew York-Tokyo (Springer) 1990, S. 11
CIP-Team
▶en: Continuous Improvement Process-Team ▶KVP; ▶Kaizen Ein Team, das konkrete Möglichkeiten und Ansatzpunkte für Verbesserungen von Abläufen und Verfahren zu ermitteln hat, entsprechende Vorschläge zu erarbeiten hat, um diese umzusetzen bzw. deren Umsetzung zu begleiten.
CMM
▶en: Capability Maturity Model Integration ▶CMMI
CMMI
▶Capability Maturity Model Integration „CMM sind einfach grundlegende, gute Managementpraktiken, mehr nicht, CMMI ist mehr.“
1 Was ist CMMI? Eines der bekanntesten Qualitätsmanagementmodelle für die Entwicklung softwareintensiver Systeme ist das „Capability Maturity Model Integration“. Dabei handelt es sich um die Weiterentwicklung des CMM (Capability Maturity Model).
148
Beide Modelle wurden von dem Software Entineering Institute (SEI) der Carnegie Mellon University in Pittsburgh entwickelt. Historisch gesehen ist folgendes festzustellen: In der Informations-Technologie begann gegen Ende der 1990er Jahre die Entwicklung spezialisierter, auf die Bedürfnisse der IT, z. B. der Software-Entwicklung, ausgerichteter Prozessmodelle. Hierbei übernahm SEI, Pittsburgh, unter der Sponsorschaft des amerikanischen Verteidigungsministeriums eine Vorreiterrolle [1]. Im Referenzmodell CMMI werden Ziele definiert, die eine Organisation bzgl. der im Unternehmen durchgeführten Prozesse zur Erreichung eines bestimmten Reifegrades erfüllen muss. Beim CMMI handelt es sich also um ein Reifegradmodell (Maturity Modell). Im CMMI for Development Version 1.3, Preface I (English Version) heißt es zum Konzept des CMMI: „CMMI R (Capability Maturity Model R Integration) is a process improvement maturity model for the development of products and services. It consists of best practices that address development and maintenance activities that cover the product lifecycle from conception through delivery and maintenance.“ Bei Reifegrad-Modellen handelt es sich um Prozessmodelle zur Beurteilung und Verbesserung der Qualität („Reife“) von Abläufen in Organisationen. Dabei werden die Stärken und Schwächen einer Organisation oder eines Teilbereiches der Organisation wie z. B. der Softwareentwicklung entlang eines Katalogs von Prozessforderungen objektiv analysiert. So können Verbesserungsmaßnahmen bestimmt und in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht werden. Im Gegensatz zu einer konkreten Prozessbeschreibung definieren Prozessmodelle, die als Reifegrad-Modelle ausgelegt sind, die Forderungen an einen effizienten Prozess (das „Was“) auf verschiedenen Effizienzstufen (Fähigkeitsgrade oder Reifegrade), aber nicht die konkrete Ausgestaltung (das „Wie“) des Prozesses. Primäres Ziel derartiger Maturity Modelle ist es, die Prozesse, auf die das Modell ausgerichtet ist, schrittweise zu verbessern. Zur Klarstellung: Beim Darlegungsmodell ►ISO 9001 und auch beim ►EFQM-Modell handelt es sich nicht um Reifegradmodelle, sondern um Prozessmodelle, die der Bewertung dienen (Zertifizierung bzw. Assessment). Beim EFQM-Modell ist allerdings in Verbindung mit der ►RADAR-Methodik die Orientierung an drei Reifegraden erkennbar. 2 Prozessgebiete im CMMI Das CMMI wird durch die Definition von Prozessgebieten strukturiert. Solche Prozessgebiete umfassen die Forderungen an die Qualität zu einem bestimmten Themenbereich. U. a. umfassen Prozessgebiete Themenbereiche wie das Requirements Engineering, technische Lösungen, Projektmanagement oder die organisationsweite Innovation
Begriff
Die naheliegende Idee (wohl jedes Managers), die Integration aller Informationen und Tätigkeiten in einem Computersystem zusammenzufassen, hat wohl als erster Joseph Harrington 1973 [2] formuliert. Pieces of Puzzles, Insellösungen wollte er im gesamten Produktionsprozess, von der Entwicklung bis zur letzten Fertigungsstufe abgeschafft wissen. Später hat man in CIM auch die planerischen und kaufmännischen Funktionen eines Industriebetriebs einbezogen. Doch was sich so simple anhört hat sich letztlich in den relevanten Sektoren nicht zufriedenstellend vollzogen. Aus der heutigen Sicht von ►Industrie 4.0 handelt es sich bei CIM um eine Übergangsphase in der industriellen Entwicklung. Insofern haben sich die Hoffnungen, die in den 70er/80er Jahren noch bestanden, nicht erfüllt. Die Technik war eben noch nicht so weit. Die Wirkungsstufe, die nach dem Moorschen Gesetz hätte gegeben sein müssen, war damals noch nicht erreicht. Insofern muss der Satz von A.-W. Scheer aus dem Jahr 1990 als nocht nicht erfüllbare Zielsetzung interpretiert werden: „Bei einer konsequenten Verfolgung des Integrationsgedankens von CIM werden in einer Unternehmung nicht nur einzelne Vorgangsketten neu organisiert, sondern alle Informationsströme werden in einem Gesamtsystem integriert.“ [3] Hans-Dieter Zollondz, Vichy
CMMI
CMMI
und Verbreitung. So dient das Prozessgebiet Anforderungsmanagement (sprachlich richtig eigentlich Forderungsmanagement) dazu, die Forderungen an die im Projekt erstellten Produkte und Produktkomponenten zu managen und Inkosistenzen zwischen diesen Forderungen und den Projektplänen sowie den Arbeitsergebenissen zu identifizieren. Weitere Prozessgebiete finden sich in [3], z. B. Arbeitsplanung, Aus- und Weiterbildung, Erbringung von Dienstleistungen, Lieferantenmanagement, Entscheidungsfindung, Risikomanagement. Prozessgebiete sind also nicht mit Funktionsbereichen oder Abteilungen gleichzusetzen. Damit die Forderungen an ein Prozessgebiet erfüllt werden können, müssen generische und spezifische Ziele definiert werden.
bereits die Voraussetzungen für den Fähigkeisgrad 1 in dem betrachteten Prozessgebiet erfüllt. Fähigkeitsgrade ermöglichen der Organisation eine feingliedrige Bewertung. So kann sie sich z. B. auf die Verbesserung der Qualität in dem Prozessgebiet „Anforderungsentwicklung“ konzentrieren und dort etwa den Fähigkeitsgrad 4 anstreben, während dieselbe Organisation in dem Prozessgebiet Risikomanagement keine Aktivitäten durchführt (Fähigkeitsgrad 0). Da die stufenförmige und kontinuierliche Darstellung des CMMI kompatibel zueinander sind, kann für jeden Reifegrad bestimmt werden, durch welche Kombination von Prozessgebieten Fähigkeitsgrade erreicht werden. 4 Reifegradprüfung Eine Organisation erreicht den entsprechenden Reifegrad, wenn sie in einer Reifegradprüfung die generischen und spezifischen Ziele aller Prozessgebiete des betrachteten Reifegrades erfüllt. Reifegradprüfungen können nach der Methode SCAMPI (Standard CMMI Appraisal Method for Process Improvement) auch extern durchgeführt werden [3]. SCAMPI ist das Appraisal-Verfahren des SEI der Carnegie Mellon University, um die Umsetzung der Forderungen eines Prozessmodells in einer Organisation zu evaluieren. SCAMPI ist eingetragenes Warenzeichen des SEI. Es wurde ursprünglich für die Evaluierung von Organisationen gegenüber dem Prozessmodell CMMI entworfen, aber das Verfahren kann auch ebenso zur Überprüfung anderer Prozessmodelle wie ISO/ IEC 12207 oder der ISO 9001 verwendet werden. Das Appraisal-Verfahren SCAMPI setzt die Forderungen der Norm ISO/IEC 15504 an ein Bewertungsverfahren um. Ein wich-
3 Stufenförmige Darstellung des CMMI Die Prozessreife folgt im CMMI-Modell einer stufenförmigen Darstellung. Die Prozessgebiete sind in fünf Reifegraden (en: maturity level) unterteilt [2], [4]: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Reifegrad 1: initial Reifegrad 2: geführt/gemanaged Reifegrad 3: definiert Reifegrad 4: quanitativ geführt Reifegrad 5: Prozessoptimierung
Eine weitere Möglichkeit der Bewertung ist der Bezug zu Fähigkeitsgraden. Hier geht es um eine kontinuierliche Darstellung. Unterschieden werden vier Fähigkeitsgrade (0=unvollständig, 1=durchgeführt, 2= geführt, 3=definiert). Analog zu der Definition der Reifegrade sind die Fähigkeitsgrade kumulativ zu verstehen, d. h. , eine Organisation kann in einem Prozessgebiet den Fähigkeitsgrad 2 nur erreichen, wenn sie
PROZESS
Die unterste Stufe stellt der Reifegrad 1 dar, dem kein Prozessgebiet zugeordnet werden kann. Eine Organisation die diesen Reifegrad besitzt, führt ihre Prozesse in allen Prozessgebieten „chaotisch“, d. h. nicht definiert und nicht gemanagt, durch. Es ist das Ziel der stufenförmigen Darstellung des CMMI, die Qualität („Reife“) einer Organisation bezüglich ihrer Prozesse und Produkte hinsicht- Abb. C09: Reifegrade nach dem CMMI-Modell lich eines Reifegrades zu bewerten. Reifegrade nach dem CMMI-Modell Eine Organisation erreicht einen Reifegrad genau dann, wenn sie die generischen und spezifischen Ziele aller Prozessgebiete des betrachteten Reifegrads erfüllt. Die Reifegrade sind dabei kumulativ definiert. Um z. Reifegrad 4 mengenbezogen B. den Reifegrad 5 zu erreichen, ist es definiert notwendig, auch alle Ziele der Pro(„quantitativ“) zessgebiete der Reifegrade 2, 3 und 4 Reifegrad 3 Statistische zu erfüllen. Abbildung C09 zeigt die definiert Prozessanalyse fünf Reifegrade. und Reifegrad 2 gemanaged
Reifegrad 1 keine Forderungen („chaotisch“) Prozess unvorhersehbar, kaum kontrolliert und reaktiv BASIS
Prozesse werden geführt; erfolgreiche Prozesse können wiederholt werden
Projektmanagement
Prozesse werden anhand eines Standardprozesses geführt; organisationsweite Prozessverbesserung/Lernende Organisation
Unterstützung
Reifegrad 5 Optimierung und Prävention („optimiert“) Wissen, warum man keine Qualitätsprobleme hat
systematische Fehlervermeidung
Prozessmanagement
149
C
Coaching: Der Qualitäs-Coach
C
tiger Teil in diesem Verfahren ist das Sammeln und Bewerten von PIID („Practice Implementation Indicator Database“). Zu bemerken ist noch für den Interessierten, dass CMMI auch in einer deutschen Version vorliegt, die über das SEI erworben werden kann [4]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Kneuper, R.: CMMI: Verbesserung von Software- und Systementwicklungsprozessen mit Capability Maturity Model Integration. 3. Auflage. Heidelberg (dpunkt) 2007 [2] Wallmüller, E.: SPI – Software Process Improvement mit CMMI, PSP/TSP und ISO 15504. München (Hanser) 2007 [3] Reuber, J., S. Lentz und M. Brenner: Erfolgreiches ReifegradAssessment mit CMMI for Services. In: Die Bank 11/2013, S. 60-63 [4] SEI Carnegie Mellow University: CMMI® für Entwicklung, Version 1.3. SEI-sanctioned GERMAN translation of CMMI-Dev, V1.3. Pittsburgh, Pennsylvania November 2011 (PDF-Dokument) [5] Humphrey, Watts S.: Managing the Software Process. AddisonWesley 1990
Coaching: Der Qualitäts-Coach ▶Coaching: the quality coach
1 Einführung Coaching hat sich als Funktion im Qualitätsmanagement fest etabliert. Auch in der Weiterbildung von Qualitätsfachpersonal ist nicht mehr nur die Rede von Qualitätsbeauftragten, Qualitätsmanagern und Auditoren, sondern auch von Qualitäts-Coachs. Dieser Beitrag geht den Fragen nach, was davon zu halten ist, was unter Coaching zu verstehen ist und auf welche Weise Coaching sinnvoll im Qualitätsmanagement zum Einsatz kommen kann bzw. worauf dabei zu achten ist. 2 Historie des Coachings Coach bedeutet im Ursprung „Kutsche, Wagen, Reisebus“ [1], der „Coachman“ ist der Kutscher, der die Pferde antreibt und steuert und seinen Fahrgast mit seinem Instrument sicher zum Ziel begleitet. Der Begriff fand zunächst im Sport Verbreitung, etwa, wenn ein Trainer nicht nur den körperlich-technischen Übungsprozess anleitete bzw. korrigierte, sondern die Sportler auch erfolgsfördernd motivierte und kommunikativ mental beeinflusste. Bereits seit dem 18. Jahrhundert wird Coach auch als Begriff für einen Tutor oder Nachhilfelehrer für Studierende verwandt [2]. Der Begriff ist in den USA seit den 1970er Jahren aus dem Sport ins Management übernommen worden und bezeichnete hier zunächst eine Erfolgsstrategie der menschen- und motivationsorientierten Mitarbeiterführung, – im Gegensatz zum rein technisch-fachlichen Managen [3, 4]. Diese Tradition ist v. a. in den USA bis heute erhalten geblieben. In den 1980er Jahren sickerte Coaching in Europa ein [5,6] und wurde hier sehr bald erstens als externe wirtschaftspsychologische Beratungsdienstleistung für Unternehmen und zweitens primär als Personalentwicklungsangebot ans Management verstanden, praktiziert und entwickelt. Erste nen-
150
Coaching: Der Qualitäts-Coach nenswerte Veröffentlichungen waren die von W. Looss [7], J. Whitmore [8] und A. Schreyögg [9]. Hier wurde Coaching von Beginn an als eigenes Beratungsformat konzipiert, das aus einer unabhängigen Coachrolle heraus Unterstützung für das Management, d.h. für Menschen mit Steuerungsfunktionen in Wirtschaftsunternehmen, für das New Public Management in Behörden, das Sozialmanagement in Non-Profit-Organisationen oder das Selbstmanagement von Freiberuflern leistet [10]. Der amerikanische Ansatz der „Führungskraft als Coach“ wurde verworfen, weil dabei eine unzulässige Rollenvermengung stattfand, die zu Irritationen auf Mitarbeiterseite führte. Heute gilt als State of the Art, dass Führungskräfte ihr Verhaltensrepertoire zwar mit Coachingtechniken anreichern, dass sie dabei aber strikt und für Mitarbeiter erkennbar in ihrer Führungsrolle bleiben und nicht in eine Coachrolle wechseln. Dies wirkte auch zurück in die USA, wo mittlerweile, spätestens seit der Veröffentlichung und Übersetzung des Kompendiums „Coaching als Profession“ Coaching konzeptionell differenzierter diskutiert wird.[8, 9] Seit Mitte der 1990er und insbesondere in den 2000er Jahren wurde Coaching populär. Eine wahre Flut an Veröffentlichungen und eine Diversifizierung des Angebots in zahlreiche Coaching-Varianten folgten. Der Begriff mutierte „erstaunlich schnell zu einem inflationären ‚Container’-Wort, das für alles und jedes verwandt wurde“ [13], und erfuhr dadurch einen Ansehensverlust [14]. Wenn wir Stilblüten wie Umzugs-Coaching, Hunde-Coaching oder Single-Coaching ausklammern, lassen sich die Coaching-Varianten heute in fünf Strängen bündeln [15]: (1) Business Coaching, (2) Leadership Coaching fürs untere und mittlere Management, (3) Executive Coaching für Inhaber und Top-Manager, (4) Life Coaching und (5) Team-Coaching. Charakteristisch für diese Zeit ist auch, dass zunächst interaktionistische Ansätze, die stark an den sozialwissenschaftlichen Schulen und Verfahren der Psychotherapie orientiert waren, dominierten. Was zu einer Explosion des Coaching-Weiterbildungs-Angebots führte: Der Modebegriff Coaching war uneinheitlich definiert und nicht geschützt, und so konnten bestehende Curricula in Transaktionsanalyse, Neurolinguistischem Programmieren (NLP), Gestalttherapie oder systemischer Beratung usw. rasch umetikettiert oder um einige Coachinginhalte erweitert werden. Erst ab Mitte der 2000er Jahre setzten sich zusehends schulenübergreifende bzw. methodenplurale Weiterbildungen mit ausgewiesener Coachingexpertise durch, die zudem Wege erschlossen, Wissen aus der Organisations- und Managementlehre in ihre Verfahren zu integrieren, und unter Begriffen wie Business Coaching, Performance Coaching und Professional Coaching firmierten. 3 Coaching heute In den 2010er Jahren können wir zwei Entwicklungen im Coaching beobachten: Eine fortschreitende Professionalisierung und beginnende Akademisierung von Coaching sowie die Verbreitung und Qualifizierung von organisationsinternem Coaching [16]. Aktuell zählen wir allein 15 Berufsverbände
Coaching: Der Qualitäs-Coach für Coaches in Deutschland, die sich um die Entwicklung von Professions- und gewisser Qualitätsstandards der dann zertifizierten Mitglieder bemühen - darunter der ICF – International Coach Federation Deutschland e.V. (gegr. 1992, weltweit ca. 25.000 Mitglieder), der dvct – Deutsche Verband für Coaching und Training e. V. (gegr. 2003, mit mehr als 1.200 Mitgliedern Deutschlands größter Verband) und der DBVC – Deutsche Bundesverband Coaching e. V. (gegr. 2004, über 300 Mitglieder, der Verband, in dem alle Coachingpioniere Mitglied sind und der sich als Premiumverband versteht) – sowie ca. 15 Studiengänge in Deutschland. Die Forschung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen [17, 18], so haben wir inzwischen zwar einige Studien zur Wirksamkeit, aber kaum im organisationalen Kontext (was ja auch schwierig zu beforschen ist). Auch die Forschungen zu Wirkfaktoren konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Coach-KlientBeziehung, wie wir es aus der Psychotherapieforschung kennen, nicht zum Beispiel auf die Entstehung des Auftrages in der Organisation, die Rolle des Auftraggebers, die Art der (beruflichen, geschäftlichen) Situation, in der das Coaching stattfindet oder kulturelle Faktoren, die das Coaching beeinflussen. Als Organe des Coachings gelten aktuell die quasiwissenschaftliche Zeitschrift Organisationsberatung, Supervision, Coaching (seit 1994), das populärwissenschaftliche Coaching-Magazin (seit 2008) und die wissenschaftliche Fachzeitschrift Coaching | Theorie & Praxis (seit 2015).
Begriff
4 Begriff Der Begriff Coaching hat sich im Verlaufe dieser vergangenen 25 Jahre zu einem Sammelbegriff entwickelt, unter dem Beratungskonzepte zur Unterstützung von Menschen mit Führungs- bzw. Steuerungsfunktionen in organisationalen und persönlichen Herausforderungen firmieren: „Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungsund Steuerungsfunktionen und von Experten in Organisationen“ [19] oder kurz: „Coaching ist personorientierte Beratung in Organisationen“ [20] „Coaching zielt auf die Weiterentwicklung von individuellen oder kollektiven Lern- und Leistungsprozessen bzgl. primär beruflicher Anliegen. Dies kann präventiv, Entwicklung fördernd, Orientierung gebend und/oder Problem lösend sein.“ [19] Dies gilt im Grundsatz auch für das so genannte Life-Coaching: Dieses widmet sich zwar weitreichender persönlichen Weichenstellungen bzw. Entwicklungen und tiefgehender auch existenziellen Fragen und Reflexionen des Seins, bleibt jedoch auch hier im weitesten Sinne auf die Betätigung in der Welt gerichtet. [21] „Als ein auf individuelle Bedürfnisse abgestimmter Beratungsprozess unterstützt der Coach seinen Klienten bei der Verbesserung der beruflichen Situation und dem Gestalten von Rollen unter anspruchsvollen Bedingungen. (...) Coaching ist eine Kombination aus individueller Unterstützung zur Bewältigung verschiedener Anliegen und persönlicher Beratung. In einer solchen Beratung wird der
Coaching: Der Qualitäts-Coach Klient angeregt, eigene Lösungen zu entwickeln. (...) Ein grundlegendes Merkmal des professionellen Coachings ist die Förderung der Selbstreflexion und –wahrnehmung und die selbstgesteuerte Erweiterung bzw. Verbesserung der Möglichkeiten des Klienten bezüglich Wahrnehmung, Erleben und Verhalten.“ [19] 5 Grenzen des Coachings Coaching ist allerdings kein Allheilmittel für jede Lebenslage. Es gibt Themen sowie persönliche und organisationale Ausgangskonstellationen, die nicht mit Hilfe von Coaching behandelt werden sollten. Coaching ist z.B. nicht indiziert bei ◼ Vorliegen einer nicht durch Einzelanstrengung behebbaren betrieblichen Störung ◼ mangelndem Realitätsbezug oder einer anderen aus der aktuellen Situation nicht aufklärbaren psychischen Störung des Klienten ◼ fehlender Freiwilligkeit bzw. mangelnder Veränderungsbereitschaft des Klienten ◼ unzureichender Akzeptanz des Coachs, fehlendem Vertrauen ◼ Missbrauch des Coachings für fremde Zwecke ◼ mangelnder Unabhängigkeit des Coachs gegenüber dem Klienten(system) bzw. dem Anliegen ◼ einander widersprechenden Zielen bzw. Interessen in Bezug auf das Coaching ◼ mangelnder Fach- bzw. Feldkompetenz des Coachs in Bezug auf das Coachingthema 6 Coaching in Abgrenzung zu anderen Formaten Dementsprechend eindeutig ist auch die Abgrenzung von Coaching zu anderen Beratungsformaten [22]: 1 Psychotherapie zielt auf die Heilung von psychischen Krankheiten (z.B. Neurosen), was Coaching keinesfalls leisten kann. Hier liegt in der Regel eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbststeuerungsfähigkeit eines Menschen vor. Dies wird von approbierten Medizinern oder Psychotherapeuten mit Hilfe eines einheitlichen Klassifikationssystems für psychische Störungen (ICD-10, International Classification of Deseases) diagnostiziert. [23] Wer als Coach einen Fall übernimmt, muss sich also stets informieren, ob hier eine solche Diagnose vorliegt, und sich vorschnellen Heilungsversprechen enthalten (was rasch passiert, wenn man einen Satz sagt, wie: „Das wird schon besser werden, wenn wir uns das hier im Coaching vornehmen.“). Oder sich gar durch Passagen im Coachingkontrakt absichern, aus denen hervorgeht, dass das Coaching keine Heilbehandlung ist. 2 Coaching ist auch keine Unternehmensberatung. Man kann sagen: Unternehmensberatung „weiß es besser“ und verabreicht dieses Know-how. Unternehmensberatung kaufe ich ein, weil ich Know-how benötige, das ich nicht habe. Coaching hingegen aktiviert die Ressourcen und das vorhandene Know-how eines Menschen und ergänzt dieses anliegenzentriert. Unternehmensbera-
151
C
Coaching: Der Qualitäs-Coach
C
tung hat die Optimierung der Effektivität / Effizienz von Strukturen, Kultur, Prozessen, Instrumenten zum Gegenstand und schafft die technisch-instrumentellen Voraussetzungen dafür, dass in einer Organisation(seinheit) verantwortlich gehandelt werden kann. Coaching stärkt die Handlungs- und Verantwortungsfähigkeit von Menschen in ihrer beruflichen Rolle bzw. organisationalen Funktion und ist auf die Optimierung ihrer Leistungs- und Funktionsfähigkeit in diesen Rollen und Funktionen orientiert. Unternehmensberatung übernimmt und kompensiert im Zweifel Aufgaben, die die Organisationsmitglieder nicht leisten können. Coaching hingegen stärkt die Selbstreflexion und befähigt Menschen sich selbst zu helfen, eigenständig Lösungsansätze zu finden. 3 Wichtig ist auch der Unterschied zwischen einer Führungskraft und einem Coach. Eine Führungskraft ist ein Funktionsträger im hierarchischen Gefüge des Unternehmens. In dieser Rolle handelt sie im Unternehmensinteresse und verfügt über Macht bzw. Machtmittel, die sie im Zweifel zur Durchsetzung von Interessen einsetzen kann – und ggf. muss. Beide, Mitarbeiter wie Führungskraft, wissen dies, sie befinden sich in einer asymmetrischen Abhängigkeitsbeziehung. Die Rolle eines Coachs ist dadurch definiert, dass dieser außerhalb der Verantwortung und Rollenerwartungen der Organisation(seinheit) seines Klienten steht. Er ist weitgehend unabhängig von dem hierarchischen Machtgefüge, in dem der Klient operiert. Ein Coach agiert immer auf der Grundlage von Freiwilligkeit und Vertrauen, Coaching wider Willen funktioniert nicht. Ein Klient wendet sich deshalb vertrauensvoll an einen Coach, weil dieser gerade nicht über instrumentelle Macht verfügt bzw. sich vorhandener Machtmittel nicht bedient, und der Klient vom Coach deshalb keine negativen Konsequenzen zu erwarten hat, wenn er sich ihm offenbart. 4 Bei Training steht im Unterschied zu Coaching die Übung zur Ausbildung von überindividuell als erforderlich definierten Fähigkeiten und Verhaltensweisen, d.h. das Erlernen eines quasi idealen Ablaufmusters im Vordergrund. Coaching ist vielmehr ein individuumszentrierter Reflexionsprozess, im Mittelpunkt steht das Individuum (bei Team-Coaching auch die Gruppe) in seiner Ganzheit, nicht nur vorgegebene Trainingsinhalte und ein bestimmtes zu erlernendes Verhalten. Der Themenplan wird im Coaching aus dem Anliegen des Klienten in Verbindung mit dem Auftrag der Organisation gewonnen. Training ist stets die Zusammenkunft einer Lerngruppe zu einem vorab definierten Thema mit vorgegebener Agenda. Training kann im Coaching sinnvoll dort eingesetzt werden, wo bestimmte Verhaltensweisen gezielt erprobt und eingeübt werden sollen, was ggf. mit Hilfe von Videofeedback erfolgen kann.
152
Coaching: Der Qualitäts-Coach 7 Kriterien professionellen Coachings Ob und inwieweit es sich bei einem vorliegenden Beratungsangebot um Coaching handelt oder nicht kann an der Einhaltung der folgenden Prinzipien abgelesen werden: ◼ Ergebnisoffenheit: Coaches lassen im Reflexionsprozess alle Denkrichtungen, Einsichten oder Lösungen zu. Sie schließen keine möglichen Erkenntnisse, Schlussfolgerungen oder Konsequenzen im Vorhinein aus. Vorausgesetzt, dass sie mit dem Auftrag und ethischen Standards in Einklang zu bringen sind. ◼ Freiwilligkeit: Die Festlegung von Zielen, Themen und Umgangsregeln basieren auf der freien Entscheidung zwischen Auftraggeber, Klient und Coach. Wenn Klienten zur Teilnahme an Einzel- oder Gruppen-Coachings verpflichtet sind, nennt man dies bedingte Freiwilligkeit. Hier gilt: Kein Coaching wider Willen. Im Zweifel wird im Einzelfall vorausgesetztes stilles Einvernehmen durch den Coach geprüft. ◼ Vertraulichkeit: Die Vertraulichkeit und Berichtspflichten werden transparent und nachvollziehbar geregelt. Ein Coach ist im Zweifel zur unbedingten Verschwiegenheit verpflichtet. Nur so entsteht ein „geschützter Raum“, in dem offen kommuniziert werden kann, weil Coach und Auftraggeber sich zum vertraulichen Umgang mit allen Informationen aus dem Arbeitsprozess verpflichten. ◼ Selbstverantwortung: In Coachings werden Reflexionsund Klärungsprozesse sowie Lern- und Entwicklungsprozesse durch einen Coach unterstützt. Man trägt als Coach auch zur Positionsfindung seiner Klienten bei. Und übernimmt dafür Verantwortung. Während allerdings die Selbstverantwortung der Klienten für ihre Handlungen im Anschluss an ein Coaching und die daraus resultierenden Ergebnisse und Konsequenzen vollständig gewahrt bleibt. ◼ Unabhängigkeit: Es ist darauf zu achten, dass Coaches von einzelnen Auftraggebern oder Klienten prinzipiell unabhängig sind und diese Unabhängigkeit vom Klientensystem bewahrt werden kann. Dies ist besonders wichtig, wenn das Coaching von Mitgliedern der Organisation erbracht werden (so genanntes organisationsinternes Coaching). Dazu gehört auch, dass ein Coach kein Dienstleister im einfachen Wortsinne ist, sondern grundsätzlich nach professionellen, fachlichen Standards arbeitet. Einen Auftrag muss sich ein Coach letztlich immer selbst geben können: Er tut das, was nach bestem Wissen und Gewissen machbar und richtig ist. ◼ Loyalität: Coaching basiert auf Fairness, Vertrauen und Einhaltung der Spielregeln durch alle Beteiligten. Coaches verpflichten sich stets, sich sowohl gegenüber ihren Klienten als auch gegenüber ihren Auftraggebern loyal zu verhalten. ◼ Methodenpluralität: Kennzeichen professionellen Handelns sind stets Theorie- und Methodenpluralität [24, 25]. Und eine Mehrperspektivität in den Konzepten und deren Anwendung [12]. Ein professioneller Coach ist
Coaching: Der Qualitäs-Coach nicht dazu da, stets seine Lieblingsmethoden anzuwenden. Sondern das, was ein Klient und seine Organisation brauchen, um voranzukommen. Ein Arzt würde auch nicht immer nur röntgen, weil er dies gern macht. Ein Coach kombiniert deshalb Erkenntnisse, Haltungen und Techniken aus verschiedenen sozialwissenschaftlichen Schulen und Ansätzen wie Klientenzentrierte Beratung, Gestaltberatung, Systemische Psychologie, Mentaltraining / NLP, aber auch Erkenntnisse aus der Organisations- und Managementlehre usw. [26] ◼ Vertraglichkeit: Coaches operieren ausschließlich auf der Grundlage eindeutiger vertraglicher Rechtsbeziehungen, wie sie sich aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Rahmenverträgen mit Kunden, Leistungsvereinbarungen, unterzeichneten Angeboten oder Bestellanforderungen der Auftraggeber oder Coaching-Verträgen mit den Klienten ergeben. Die darin enthaltenen Ziele, Themenpläne, Vorgehensweisen und Spielregeln sind für einen Coach verbindlich. Im Fall von organisationsinternem Coaching müssen wesentliche Rahmenbedingungen für Coaching organisationsintern z.B. in einem Coachingkonzept verbindlich geregelt und kommuniziert sein, damit alle Beteiligten die Spielregeln kennen und sich im Konfliktfall darauf berufen können. 8 Etablierung eines Coachingdialogs Coaching ist zu einem eigenen Beratungsformat geworden. Das heißt zum Beispiel, dass Coaching nicht darin besteht, sich gemeinsam hinzusetzen und frei assoziierend zu reden, wie man es aus der Psychotherapie kennt. Sondern der Coachingdialog wird in jedem Fall zwischen Coach, Klient und Auftraggeber etabliert, bevor er beginnt. Hierzu zählt, dass man sich mindestens über die folgenden Punkte einigt: ◼ Kontraktbeteiligte, im Coaching in der Regel nicht nur Coach und Klient, sondern ein Auftraggeber aus der Organisation des Klienten (z.B. ein Vorgesetzter des Klienten), häufig auch ein Vermittler des Coachings (z. B. ein Mitarbeiter der Personalentwicklung) ◼ Art bzw. Variante der Coachingleistung (Handelt es sich z. B. um ein Führungs-Coaching, ein ZeitmanagementCoaching oder ein Qualitätsmanagement-Coaching?) ◼ Coaching-Ziele und Coaching-Themen: Jedes Coaching hat eine Agenda mit Anliegen/Themen, zu denen gearbeitet werden soll, die einerseits verbindlich ist, die andererseits während des Coachings bei Bedarf angepasst werden kann. ◼ Dauer einer Coaching-Sitzung und des Coachings insgesamt: Eine Coaching-Sitzung dauert in der Regel nicht unter zweieinhalb Stunden, überwiegend wird mindestens ein halber bis ein Tag pro Sitzung benötigt. Fünf bis acht solcher Sitzungen sind eine gute Orientierung für ein Coaching, es können auch mal drei oder zehn Sitzungen sein. ◼ Ort der Durchführung des Coachings: In der Regel ein störungsfreier Raum abseits des Arbeitsplatzes des Kli-
Coaching: Der Qualitäts-Coach
◼
◼ ◼
◼
◼ ◼ ◼
enten mit einer entsprechenden Ausstattung an Moderationsmaterialien (Flipchart, Whiteboard, funktionsfähige Stifte, Pinnwand, Moderationskarten) Vertraulichkeitsregeln und Berichtspflichten: Sollen andere Organisationsmitglieder Kenntnis von dem Coaching haben, oder soll es under cover durchgeführt werden (z. B. damit Veränderungen dem Klienten zugeschrieben werden und nicht dem Coach)? An wen wird was wie wann durch wen berichtet? Was wird auf keinen Fall berichtet? Gibt es Bilanzierungsgespräche, zwischendrin bzw. am Ende? Usw. Regelungen zur (vertraulichen) Korrespondenz Regelungen über eine eventuelle Einbeziehung Dritter (z.B. Teammitglieder, die befragt werden oder Peers des Klienten, von denen durch den Coach Feedback über den Klienten eingeholt wird) Regelungen über das Honorar oder die organisationsinterne Verrechnung und die Nebenkosten (z.B. Reisekosten, Anmietung von Räumlichkeiten oder technischen Geräten) Fälligkeit des Honoraranspruchs und Stornierungsregelungen (z. B. Ausfallhonorar) Klärung von Haftungsfragen Evaluation des Coachings und Maßnahmen der Qualitätssicherung (wie z. B. Supervision des Coaches, Dokumentation der Coachinginhalte und ihre datengeschützte Speicherung)
9 Coaching-Phasen Zu Coaching als Beratungsformat zählt auch, dass jedem Coaching ein idealtypischer Ablauf hinterlegt ist, ein so genannter Coachingprozess, der allen Beteiligten, Coach, Klient und Auftraggeber bekannt ist. Ja, in dem sich ein Coach von einem anderen Coach unterscheidet und der sogar Gegenstand der Auswahl eines Coachs sein kann. Wer organisationsintern eine spezifische Variante von Coaching anbietet, sollte seinen Klienten erklären können, wie er dabei vorgeht, und seinen eigenen Coachingprozess visualisieren und erläutern können. Ein Coaching umfasst im Wesentlichen die folgenden Phasen [26]: 9.1 Kontrakt Die Kontraktphase umfasst und regelt alle wesentlichen formalen und sozialen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des Coachings. Hier wird die Zielsetzung des Coachings und dessen Erfolgskontrolle zwischen allen Kontraktpartnern, die an einem Coachingprozess bzw. an dessen Zustandekommen beteiligt sind, vereinbart. Diese Phase umfasst erstens die Anfrage, also die Kontaktaufnahme des Klienten oder des Vermittlers von Coaching an den Coach, in der erste Vorklärungen der Passung von Coach und Klient besprochen werden, das Thema des Coachings umrissen wird und alle Modalitäten des Erstgesprächs geklärt werden. Diese Phase umfasst zweitens das Erstgespräch selbst: Hier lernen sich Coach und Klient näher kennen, konkretisieren das Thema, vereinbaren das Vorgehen, die Regeln und Grenzen
153
C
Coaching: Der Qualitäs-Coach des Coachings, klären alle adminstrativen und geschäftlichen Rahmenbedingungen und definieren konkret die Zielsetzung des Coachings inklusive der Kriterien der Zielerreichung.
C
9.2 Situationsanalyse und Klärung In der Analysephase wird durch den Einsatz von Methoden und Instrumenten das Klientensystem (Thema / Problem, Person, Team, Organisation) untersucht, analysiert und beschrieben. Aus der daraus folgenden Situationsbewertung wird das Vorgehen für die Begleitung vereinbart. Diese Phase umfasst erstens eine fundierte Analyse der Situation des Klienten, das heißt die Rekonstruktion und Diagnose, worin genau die Problemstellung oder Herausforderung besteht, die Definition der zu bearbeitenden Kernthemen sowie die Zieljustierung; das Ziel kann häufig jetzt noch genauer erfasst werden. Diese Phase umfasst zweitens die Erstellung einer Ablaufplanung: die Themen werden priorisiert, in eine Reihenfolge gebracht und ein passendes Vorgehen, eine Strategie zur Bewältigung der Problemstellung oder Herausforderung, wird gemeinsam vereinbart. 9.3 Begleitung In der Begleitungsphase wird das Klientensystem bei der Klärung, Neuorientierung, Veränderung und Erreichung der Coachingziele durch den Coach methodisch unterstützt und zur (Selbst-)Veränderung angeleitet. Hier findet das eigentliche Coaching statt. Die Begleitung kann Off-the-Job in Coaching-Sitzungen oder On-the-Job im Arbeitsalltag des Klienten erfolgen. Diese Phase umfasst erstens die Lösungsfindung und Umsetzung, bestehend aus der Entwicklung von Lösungsansätzen, Handlungsoptionen, Strategien oder anderen Vorhaben, einem Probehandeln oder anders gearteten Durchspielen von Verhaltensalternativen inklusive der Thematisierung von Risiken und Hemmnissen, die dem Klienten bei der Umsetzung seines Vorhabens begegnen könnten. Der Coach unterstützt außerdem mit unterschiedlichen Methoden den Transfer der Veränderung in die Alltagspraxis des Klienten. Im Anschluss an die Umsetzung reflektiert, prüft und optimiert der Coach die Umsetzung des Vorhabens zusammen mit dem Klienten. Die Begleitungsphase umfasst zweitens intensives Feedback in unterschiedlichen Varianten: An immer wieder entstehenden Haltepunkten geben Coach und Klient sich Feedback über den Grad der Zielerreichung, ggf. auch der Zielkonkretisierung. In Zwischenbilanzen mit Dritten (z. B. dem auftraggebenden Vorgesetzten oder Personalentwickler) kann an definierten Meilensteinen innegehalten und der Entwicklungsfortschritt sowie verbleibende Entwicklungsaufgaben festgestellt werden. Coachings nehmen immer wieder einen unerwarteten Verlauf, es entstehen Sprünge, Brüche, ungeahnte Entwicklungen werden sichtbar, das Coaching soll abgebrochen werden. Auch in diesen Fällen muss mit allen Beteiligten eine klärende Rückschau auf den Prozessverlauf erfolgen und sollten eventuell verbleibende Entwicklungsaufgaben des Klienten identifiziert werden.
154
Coaching: Der Qualitäts-Coach 9.4 Abschluss In der Abschlussphase wird das Coaching formal und sozial beendet und die Qualität hinsichtlich Ergebnis, Prozess und Struktur bewertet. Auch wenn Coachings abgebrochen wurden. Das Erreichte und Offengebliebene wird zusammengefasst und gemeinsam bewertet, alle Parteien geben sich gegenseitig Feedback. Die Abschlussphase umfasst erstens das Abschlussgespräch mit dem Klienten: Einschätzung des Grades der Zielerreichung, auch wenn Ziele sich verändert haben oder erst später hinzugekommen sind. Benennung: Was ist noch offen? Gemeinsame Identifikation verbleibender Entwicklungsaufgaben und nächster Schritte, um den Erfolg des Coachings nachhaltig abzusichern. Individuelle Nachbereitung und abschließende Reflexion des Coachings durch den Coach, ggf. in der Supervision oder Intervision dieses Falles. Die Abschlussphase umfasst zweitens die Evaluation des Coachings. Diese sollte mit Hilfe standardisierter Instrumente (Interviewleitfaden oder Fragebogen) erfolgen, die entweder die Organisation oder der Coach bereitstellt. Die Evaluation kann aus folgenden Perspektiven geschehen: Befragung des Klienten, Befragung des Auftraggebers (z. B. der Vorgesetzte des Klienten), Befragung des Systemumfeldes des Klienten (z. B. Projektmitarbeiter), 360°-Feedback. Der Erfolg eines Coachings darf aufgrund der Multikausalität von beobachtbaren Wirkungen auf keinen Fall allein an betriebswirtschaftlichen oder anderen organisationalen Kennzahlen festgemacht werden. Das Evaluationsergebnis sollte in jedem Fall während einer Abschlussbilanz, i.d.R. zusammen mit allen am Coachingprozess Beteiligten (Coach, Klient, Auftraggeber, ggf. Personalentwickler oder anderer Vermittler des Coachings) präsentiert und gemeinsam ausgewertet werden. Der Coach gibt seinen Eindruck vom Verlauf des Coachingprozesses unter Wahrung der Vertraulichkeitsregeln wider, der Klient benennt seine Learnings aus dem Coachng. Alle Beteiligten geben sich gegenseitig Feedback. 10 Organisationsinternes Coaching Wenn von Coaching die Rede ist, denken viele zunächst an einen externen Coach. Dies ist ein außerhalb des Klientensystems stehender, gänzlich unabhängiger, in der Regel auf selbständiger Basis im Rahmen eines Honorarvertrages arbeitender Coach. Wir unterscheiden heute organisationsexterne von organisationsinternen Coaches [27]. Organisationsinternes Coaching bezeichnet ein unternehmensinternes, firmeneigenes Coachingangebot, das durch internes Personal realisiert wird [16]. Mindestens ein Manager des Unternehmens ist für das dafür angestellte Personal, das Konzept und die Finanzen verantwortlich. Qualitätsmanagment-Coaching wird überwiegend als internes Angebot realisiert werden. Es ist wichtig, darüber nachzudenken, wie und wo solche internen Coaches in der Organisation angesiedelt sind, damit sie maximale Unabhängigkeit gegenüber den Fachbereichen und ihren Politiken wahren können. Dies wird in der Regel in einer Stabsfunktion gegeben sein. Internes Coaching setzt sich intensiv und nachhaltig mit den Interes-
Coaching: Der Qualitäs-Coach sen und besonderen Bedingungen der jeweiligen Organisation auseinander. Es unterliegt andererseits stärker den Erwartungen und Einflüssen der (geschäftlichen) Anforderungen und des organisationalen Umfeldes. Es wird stärker durch die Unternehmenskultur geprägt, die geltenden Grundsätze und Formen der Personalentwicklung und Mitarbeiterförderung. Internes Coaching steht immer im Spannungsfeld zwischen unabhängiger Professionsausübung und Anpassungsdruck der Organisation.
Coaching: Der Qualitäts-Coach
◼ ◼ ◼
Was bringt es, Coachingfunktionen intern anzusiedeln? [16] ◼ Niedrigschwelliges, geografisch naheliegendes Unterstützungsangebot als Katalysator: Intern Unterstützung in Anspruch zu nehmen, ist für viele interne Nachfrager leichter und schneller realisierbar. Internes Coaching kann just in time Schwierigkeiten und Herausforderungen meistern helfen. - Employer Brand stärken: Mit einem internen CoachingAngebot wird die Markenstärke eines Unternehmens unterstützt. Der dem Coaching anhaftende Exklusivitätsverdacht wirkt nach wie vor attraktiv. Internes Coaching vermittelt Modernität und Innovationsbereitschaft des Unternehmens und ist ein Unterscheidungsmerkmal von Arbeitgebern. Mitarbeiter rechnen gute gefundene Lösungen der Firma zu und nicht externen Anbieter. ◼ Mitarbeiterbindung: Internes Coaching zur nachhaltigen Unterstützung der Karriereentwicklung. Interne Coaches kennen die Organisation, ihre Möglichkeiten und Produkte und können in strategische Überlegungen und Produktentwicklungen einbezogen werden. ◼ Organisationsveränderungen unterstützen: Internes Coaching als flankierende Maßnahme bei (strategischen) Veränderungen, z.B. bei Change Management-Projekten, bei der Implementierung neuer Führungsebenen oder neuer Organisationsbereiche. ◼ Innovation für die Personalentwicklung: Internes Coaching als integriertes Element der PersonalentwicklungsStrategie. Coaching-Erfahrungen können als Input für weitere Personalentwicklungsangebote genutzt werden. ◼ Know-how aufbauen und schützen: Die Exklusivität und die Spezialisierung des Coachings für die Mitglieder einer Organisation ist ein Vorteil des internen Coachings. Besteht ein Wettbewerb innerhalb einer Branche, muss das Know-how in der Organisation gehalten werden. Insbesondere in wissensintensiven Organisationen besteht eine hohe Sensibilität, dass externe Berater Wissen hinaustragen, das dann anderen Organisationen und evtl. auch Wettbewerbern zugute kommen kann. 11 Implementierung interner Coachingangebote Damit die Verankerung von Coaching in der Organisation gelingt, sollten die folgenden Punkte beachtet, am besten in ein organisationsinternes Coachingkonzept eingearbeitet werden [16]: ◼ Die Readyness der Organisation für Coaching muss geprüft werden: Ist die Organisation im Umgang mit per-
◼
◼
◼
◼
◼ ◼
◼
◼
sonenbezogenen Beratungsformaten vertraut? Welche Meinungsführer sind zu gewinnen? Gibt es für den Implementierungsprozess Managementunterstützung? Es braucht eine Organisationsinterne Coachingdefinition: Was ist Coaching, was nicht? Die Ziele, der Zweck und Nutzen des organisationsinternen Coachingangebots müssen klar benannt werden. Die Coaching-Kapazität muss eingeschätzt werden: Für wie viele potenzielle Klienten soll es Coachingangebote geben? In welcher Intensität und in welchen Zeitrahmen können/sollen Coachings stattfinden? Es ist wichtig, die Anliegen und Themen für organisationsinternes Coaching in Abgrenzung zu den Anliegen und Themen, die nach extern vergeben werden, zu identifizieren. Wird Coaching wird nur bei bestimmten Herausforderungen bzw. Problemstellungen oder als Förderinstrument eingesetzt? Bei welchen Anlässen gibt es das Recht, Coaching in Anspruch zu nehmen? Wie groß sind die Freiheitsgrade, bei der Themenbearbeitung? Die Ansiedelung und Aufgabenbeschreibung der Coaches muss beraten werden: Sind die Coaches hauptberuflich als Coaches tätig oder bieten sie Coaching neben ihrem Hauptauftrag in der Organisation an? Wo, wie sind sie organisatorisch angebunden? Welche Aufgaben haben sie (nicht)? Rollen und Zielgruppen müssen festgelegt werden: Wer ist Auftraggeber? Wer darf Coaching in Anspruch nehmen? Wird Coaching hierarchie- und aufgabenunabhängig angeboten? Wer darf interner Coach werden? Es braucht Zugangsrechte und –verfahren: Wie ist der Zugang zum Coaching geregelt? Darf jeder Coaching beanspruchen oder bestimmte Gruppen? Ohne oder mit Absprache mit Vorgesetzten? Muss der Vorgesetzte zustimmen? Gibt er die Richtung vor? Welche Instanz (z. B. Personalentwicklung, QM) reguliert den CoachingZugang? Wie ist das Procedere? Die Werte und Prinzipien, an die sich Coaches halten müssen, sind festzulegen. Es braucht Regeln in der organisationsinternen Beauftragung und im Abwickeln des Coachings (z.B. Budgets, Berichtspflichten, Datenschutz). Sind die Transferleistungen zwischen Abteilungen (z. B. mit Punktesystemen, Beratungsschecks für Klienten, Verrechnungsmaßgaben) geregelt oder werden Coaching-Leistungen nicht ausdrücklich ökonomisch definiert und verrechnet? Der Gesamtprozess von der Beauftragung bis zur Evaluation muss dargestellt werden, damit die Coachingnehmer wissen, was sie „einkaufen“. Wie ist das Setting, das Vorgehen in der Auftragsklärung und in der Abschlussbilanz? Wer sitzt mit am Tisch, wer warum nicht? Es muss darüber nachgedacht und festgelegt werden, wie das Coaching intern vermarktet wird, um seine Adressaten zu finden. Es ist ein großer Irrtum, zu glauben, dass es reicht eine organisationsinterne Coachingfunktion zu schaffen. Sie muss, genau wie im Fall von externen An-
155
C
Coaching: Der Qualitäs-Coach
C
◼
◼
◼ ◼
geboten der Lieferanten, den Adressaten immer wieder zu Bewusstsein gebracht werden. Sonst wenden sich Führungskräfte und Funktionsträger z. B. mit Themen an externe, die gut durch interne Coaches abgedeckt werden können. Die Qualitätsstandards für das Coaching müssen festgelegt werden: Welche Standards der Ausbildung bzw. der Qualifikation gelten für den Coach? Sollen externe Coaching-Standards genutzt werden, z. B. in Anlehnung an Verbandsstandards oder an Standards von Ausbildungsinstituten, oder erfolgt das Coaching nach Maßgabe der Organisation selbst? Sollen interne Standards entwickelt werden? Die Evaluationsinstrumente und Formen coachingübergreifender Auswertung müssen transparent sein. Sollen die Berichtswege definiert oder undefiniert sein oder existieren sie nicht? Ist die Dokumentation und Evaluation geregelt und beschrieben oder gibt es keine Standards? Sind die Zugriffsrechte auf Informationen, Berichtspflichten und Regelungen zur Vertraulichkeit der Coaching-Inhalte explizit generell geregelt oder werden sie in jedem Einzelfall besprochen und bestimmt? Wann ist das Coaching als erfolgreich zu bewerten? Mit welcher Methode wird eine Evaluation vorgenommen? Welche Phänomene zeigen an, dass Coaching nützt? Sollen ökonomische Kennzahlen Anwendung finden? Wenn ja, wie wird die Bewertung vollzogen? Wie soll die Performancemessung des Coachs bzgl. seiner Coaching-Leistung erfolgen oder wird die Performance des Coachs nicht evaluiert? Es muss eine Supervision der internen Coaches etabliert werden. Wie kann sicher gestellt werden, dass der Coach professionell und organisationskompatibel agieren kann? Die Grenzen organisationsinternen Coachings müssen festgelegt werden, Interferenzen identifiziert werden: Sind andere Organisationsbereiche mit Beratungs- und Entwicklungsthemen aktiv, und wie sind ggf. die Schnittstellen zu gestalten? Wie verhält sich Coaching zu den anderen Angeboten der Personalentwicklung, zu Weiterbildung bzw. Training und zu Fördermaßnahmen in den Organisationsbereichen?
12 Der Der Qualitäts-Coach Was ist nun aber unter einem Qualitäts-Coach zu verstehen? Zunächst einmal jemand, der die Coachrolle in dem hier beschriebenen Sinn wahrnimmt und nach den o. g. Professionsstandards eines Coachs arbeiten kann. Dazu braucht er eine fundierte Coaching-Weiterbildung, nicht nur ein paar Module „Fragetechnik“ im Rahmen einer QualitätsmanagementWeiterbildung. Wenn wir uns Erfahrungsberichte bei der Implementation oder Veränderung des Qualitätsmanagements in Organisationen anschauen [28], dann wird außerdem deutlich, dass ein Qualitätsmanagementsystem selten generalstabsmäßig wie geplant eingeführt wird. Die Implementation oder Veränderung des Qualitätsmanagements ist heute in der Regel begleitetes Change Management. In rollender
156
Coaching: Der Qualitäts-Coach Planung lösen Konzeptionierungs- und Umsetzungsphasen einander ab, Veränderungen sind häufig selbst wieder Gegenstand von Veränderungen, während sie eingeführt werden. Wir können außerdem beobachten, dass der „Faktor Mensch“ von entscheidender Bedeutung ist. Wir haben es häufig an für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement entscheidenden Stellen des Unternehmens mit mangelndem (Erfahrungs-) Wissen, mit höchst widersprüchlichen Interessenlagen und daraus resultierendem offenen oder verdeckten Widerstand, mit Unsicherheit bzw. fehlenden Soft und Social Skills der Akteure sowie mit mangelndem Durchsetzungsvermögen und mikropolitischem Geschick in Bezug auf die Einführung oder Veränderung von Qualitätsmanagementsystemen zu tun. Und darüber hinaus an vielen Stellen des Unternehmens mit unentdeckten Ressourcen und inaktivierten Bündnispartnern, deren Beitrag bisher ungenutzt blieb. Alles Anlässe für Coaching. So können wir die folgenden unterschiedliche Ansätze für ein funktionierendes Qualitäts-Coaching, das im engeren Sinn natürlich ein Qualitätsmanagement-Coaching ist, identifizieren. 12.1 Der Qualitäts-Coach als Synonym Als Synonym für den Qualitätsbeauftragten, den Qualitätsmanager oder anderes Qualitätsfachpersonal innerhalb einer Organisation. Diese Stabsfunktion erhält einfach ein neues Label, um sie innerhalb der Organisation besser vermarkten zu können. Sei es drum, wenn’s denn hilft! Aber Achtung: dieser Qualitäts-Coach wird sehr gut zu unterscheiden haben, wo und wann er im Auftrag der obersten Leitung in Fragen des Aufbaus bzw. der Entwicklung des Qualitätsmanagements eher Führungs- und Steuerungsfunktion wahrnehmen muss. Und wo, wann und mit wem er tatsächlich einen CoachingDialog etabliert, um einzelne Führungskräfte, Funktionsträger oder Gremien (z.B. Qualitätszirkel) der Organisation ergebnisoffen und vertraulich zu coachen. Nicht immer ist dies möglich (s. u.). Wenn es möglich ist, dann ist besonders darauf zu achten, dass das hier eingesetzte Qualitätsfachpersonal gegenüber den Organisationsmitgliedern deutlich macht, wann es in der Beauftragtenrolle und wann es in der Rolle als Coach agiert. Und natürlich: Auf welche Spielregeln und Prinzipien (s. o.) sich die Coachingnehmer verlassen können, sodass Vertrauen zum Coach entstehen kann. 12.2 Qualitätsmanagement-Coaching als Klammer Der Qualitäts-Coach als Stabsfunktion in Unternehmen mit diversen Qualitätsmanagement-Strategien, die (noch) nicht einheitlich unter einem konzeptionellen Dach integriert sind [29]. Wir finden dies z. B. bei erfolgreichen Start-ups an der Schwelle zwischen der Pionier- zur Differenzierungsphase ihrer schnell wachsenden Organisation; dort entstehen an unterschiedlichen Stellen des Unternehmens, manchmal in verschiedenen Ländern, zeitungleich Qualitätssicherungsinitiativen, die sich so rasch, wie sich das Unternehmen entwickelt, nicht sofort integrieren lassen. Wir finden dies aber auch bei traditionsreichen Unternehmen, die sich im Umbruch befinden, wie z. B. kommunalen Energieversorgern; dort fin-
Coaching: Der Qualitäs-Coach den sich dann Zertifizierungen nach sehr unterschiedlichen Regelwerken in Teilbereichen wie z.B. Kraftwerken, Laboren oder kundennahen Servicecentern. Die Aufgabe besteht hier darin, aus einer Stabsrolle heraus einzelne Führungskräfte bzw. Funktionsträger innerhalb der Organisation dabei zu unterstützen, ihren jeweiligen Ansatz des Qualitätsmanagements bzw. der Qualitätsentwicklung zu professionalisieren und zu optimieren. Und sie in der qualitätsorientierten Unternehmens- bzw. Mitarbeiterführung zu unterstützen. Strategisch unter Umständen darauf hinzuwirken, dass ein integriertes Qualitätsmanagementsystem entsteht, Bewusstseins- und Meinungsbildungsprozesse auf dem Weg dahin zu begleiten. Und insgesamt im Auftrag des Topmanagements den Überblick zu wahren. 12.3 Qualitätsmanagement-Coaching als integriertes Angebot Hier wird Coaching in einem integrierten Gesamtkonzept des Qualitätsmanagements entweder von vorneherein mit der Einführung oder im Verlauf als unterstützende Funktion fest als Rolle im Qualitätsmanagementsystem verankert. Das heißt erstens, dass es nicht nur Trainer für Schulungen, sondern auch Coaches für Coachings gibt. Und zweitens, dass nicht nur Trainings zur Qualifizierung von Qualitätsfachpersonal bzw. Führungskräften, ggf. auf bestimmten Qualitätslevels, durchgeführt werden. Sondern dass die „Auszubildenden“ und „Ausgebildeten“ auch ein Kontingent an Coaching erhalten, auf das sie in der Umsetzung des Qualitätsmanagementkonzeptes zurückgreifen können. Das heißt in der Regel auch, dass top-down gecoacht wird: Zunächst erhalten das Topmanagement und die Qualitätsbeauftragten- bzw. -managementfunktionen Coaching, anschließend die nachgeordneten Ebenen des Managements bzw. Qualitätsfachpersonals. Dies ist wichtig, um für eine ausreichende Bewusstseinsbildung bzgl. der Probleme und Lösungswege im Zuge der Etablierung des Qualitätsmanagements sowie für eine ausreichende Legitimierung der in der Organisation entfalteten qualitätsmanagementbezogenen Aktivitäten zu sorgen. Aus der Sicht des Coachings müssen hierbei allerdings auf besondere Weise die Professionsstandards eingehalten und reflektiert werden: Erstens haben wir es hier natürlich mit den Stolpersteinen organisationsinternen Coachings zu tun (s. u.). Zweitens haben wir es u. U. mit „Coaching über mehrere Hierarchieebenen“ zu tun. D. h. ein und derselbe Coach coacht gleichzeitig Manager oder Funktionsträger unterschiedlicher Ebenen, die sich untereinander in hierarchischen Machtgefügen und Abhängigkeitsbeziehungen befinden. Dies bedeutet dreierlei: (a) Im Coachingkonzept und -kontrakt müssen klare Grenzen festgelegt werden, welche Themen gecoacht werden dürfen und v. a. was nicht gecoacht werden soll, z. B. weil es keine qualitätsmanagementrelevante Fragestellung mehr ist. (b) Im Coachingkonzept muss festgelegt sein, dass dann – wenn das Vertrauensverhältnis zwischen zwei Hierarchieebenen lädiert ist, wenn sich die Vertreter von zwei Hierarchieebenen im Konflikt befinden oder wenn sie anderweitig machtpolitisch gegeneinander in Stellung gegangen sind
Coaching: Der Qualitäts-Coach – nicht mehr ein Coach die Vertreter dieser verschiedenen Hierarchieebenen coachen darf. Sondern dann müssen mehrere Coaches zum Einsatz kommen, im Zweifel muss jeder „seinen Coach“ erhalten können. Die Erfahrung zeigt, dass sonst die o.g. Prinzipien der Freiwilligkeit, der Unabhängigkeit, der Loyalität und der Vertraulichkeit nicht mehr eingehalten bzw. vom Coach nicht durchgehalten werden können. Das Coaching würde dann unprofessionell oder fassadenhaft, der Coach wird u.U. in das mikropolitische Machtspiel einbezogen. (c) Coaches, die auf diese Weise als Qualitätsmanagement-Coaches tätig sind, benötigen in jedem Fall Supervision, um ihr Handeln im Spannungsfeld zwischen Profession und Organisation, zwischen fachlichem Anforderungs- und organisationalem Anpassungsdruck reflektieren und verbessern zu können. 12.4 Qualitätsmanagement-Coaching als Team-Coaching Ein weiteres Einsatzgebiet für Coaching im Rahmen der Entwicklung des Qualitätsmanagements ist die Begleitung von Teams oder Gruppen, bevorzugt z. B. von Qualitätszirkeln. Wir sprechen hier von Team-Coaching und verstehen darunter generell „den dialogischen Reflexions- und Optimierungsprozess einer Arbeitsgruppe oder eines Arbeitsteams, der i. d. R. auf einer Sachebene, ausgehend von Problem-, Frage- oder Zielstellungen, Lösungs- und Optimierungsansätze zum Ergebnis hat. Team-Coaching schöpft dabei aus dem reichen Erfahrungsschatz der einzelnen Teammitglieder und versucht, ihn nutzbar zu machen. Zum Thema gemacht werden auf dieser Ebene z. B. die Ziele, Rollenverteilung, Aufgaben und Arbeitsabläufe innerhalb eines Teams oder zwischen einzelnen Teammitgliedern und anderen Unternehmensbereichen. (Gegenstand im Qualitätsmanagement sind darüber hinaus natürlich die vielen qualitätsrelevanten Themen und Fragestellungen, auch und gerade in der Umsetzung des Qualitätsmanagements. Anm. d. A.) Team-Coachings sind deshalb befristet, verlaufen themenzentriert und sind ergebnisorientiert. Parallel zur Sachebene treten auf einer gruppendynamischen Prozessebene im Team-Coaching die gleichen Schwierigkeiten der Zusammenarbeit wie im Arbeitsalltag auf. Sie können unter Anleitung des Coaches beobachtet, thematisiert und analysiert werden. Zum Thema gemacht werden auf dieser Ebene Kommunikations- und Beziehungsmuster sowie Werte- und Regel-, manchmal auch Rollenkonflikte, die zu unerwünschten Reibungsverlusten im Team führen. Die Gruppendynamik oder Probleme einzelner Teammitglieder werden insoweit behandelt, als sie die konstruktive, ergebnisorientierte Zusammenarbeit sowie den Optimierungsprozess des Teams beeinträchtigen. TeamCoachings münden auf dieser Ebene in verbindliche Commitments, z. B. Informations- oder Feedbackregeln.“[30] Ein solches Team- oder Gruppen-Coaching benötigt über die Qualifikationen eines Individual-Coachs hinaus ausgewiesene Kompetenzen und Erfahrungen im Umgang mit Gruppen(dynamiken). Und Achtung: Für die Rollenklarheit des organisationsinternen Team-Coachs gilt das Gleiche wie für den Qualitäts-Coach (siehe Punkt 12.1).
157
C
Coaching: Der Qualitäs-Coach
C
12.5 Qualitäts-Coaching als Euphemismus oder Alibi-Veranstaltung Hiermit ist gemeint, dass weder die oberste Leitung noch andere Machtinstanzen innerhalb des Unternehmens zu dem Qualitätsmanagement committet sind, dass also die Legitimation für eine Einführung, Veränderung oder Optimierung der Qualitätsmanagementsysteme und -strukturen fehlt. Und Mitarbeiter trotzdem den Auftrag erhalten, die „Leutchen mal ein bisschen dabei zu coachen, mehr Qualität in ihre Arbeit zu bringen“. Hier werden häufig stillschweigend im eigentlichen Sinne Führungsaufgaben an (Stabs-)Mitarbeiter/innen delegiert, die weder über eine formale Legitimation bzw. Funktion noch über ausreichend Akzeptanz bei den Adressaten ihrer Bemühungen verfügen, sodass ihre Initiativen in der Regel scheitern oder sonstwie im Sande verlaufen. 13 Fallstricke vermeiden Abschließend noch ein Hinweis auf mögliche Fallstricke und Risiken, die bei der Einführung und Umsetzung von Qualitätsmanagement-Coaching – gerade konzipiert als organisationsinternes Coachingangebot, aber auch bei großer Organisationsnähe externer Coaches – vermieden werden können, um den Erfolg abzusichern [31]: 1 Personelle Fallstricke ◼ keine ausreichende Qualifikation der internen Coaches ◼ keine ausreichende Passung von Persönlichkeit / Qualifikation / Seniorität mit der Zielgruppe ◼ keine passenden Verträge mit entsprechenden Bindungsklauseln (z.B. Arbeit nach den Coachingstandards der Organisation, Supervisionspflicht) ◼ Anzahl der Coaches und Bedarf passen nicht ◼ Gefahr der „Qualifikationserosion“, wenn die Coaches ihr Wissen nicht häufig genug anwenden 2 Kulturelle Fallstricke ◼ Betriebsblindheit oder zu geringe Arbeitsdistanz zu den Themen und Problemen der Organisation ◼ Loyalitätskonflikte (z. B. Loyalitäten divergierender Führungskräfte gegenüber, Rollenkonflikt zwischen Vollstrecker des Unternehmensinteresses als ausführendes Organ des Managements und gleichbetroffenem, solidarischem Kollegen) ◼ Auslagerung von Konflikten oder Delegation von Führungsaufgaben an den Coach ◼ Problem, „verordnete“ Coachings abzulehnen, insbesondere wenn v.a. die beauftragende Führungskraft selbst der eigentliche Problemherd ist ◼ die persönliche und organisatorische Unabhängigkeit sowie die Unabhängigkeit der Professionsausübung wird aufgegeben (z. B. die ein Assessment oder Audit durchführenden Mitarbeiter agieren hinterher als interne Coaches mit den Kandidaten) ◼ fehlende Klärung, wie mit häufig kritischem Feedback von Klienten zu einem internen Coach umgegangen wird (z.B. wenn man ihn aus dem Pool
158
Coaching: Der Qualitäts-Coach nimmt, braucht man einen Ersatz, wenn man ihn im Pool belässt, kann der Ruf der Coachingfunktion durch den „verbrannten“ Coach Schaden nehmen, usw.) 3 Organisatorische bzw. strukturelle Fallstricke ◼ fehlendes Anforderungsprofil, keine Stellenbeschreibung zur Coachauswahl und Coachingtätigkeit ◼ fehlendes Konzept, auf dessen Grundlage die internen Coaches agieren und an dem sie ihr Handeln in der Organisation ausrichten ◼ Laisser-faire, sodass ein „Coaching-Parallel-Universum“ im Unternehmen entsteht, ohne dass die Kompetenzen des internen Coaches, sein Beitrag zum Unternehmenserfolg, die Rollenbeziehungen und Schnittstellen im Verhältnis zu anderen Organisationseinheiten definiert werden ◼ falsche Ansiedelung der Coaching-Funktion in Fachbereichen oder Departments mit unpassender Reputation oder „zweifelhaftem“ Ruf (z.B. in der Abteilung, die auch Audits durchführt) ◼ fehlende Abstimmung mit dem Betriebsrat (z.B. zur Ansiedelung der Coachingfunktion, bzgl. parallel zur Stellenbeschreibung erbrachter Leistungen von Coach-Mitarbeitern) Dipl.-Psych. Ingo Steinke, Hamburg Literatur
[1] Langenscheidt Universal-Wörterbuch Englisch. Berlin, München, 2002, S. 59 [2] Drath, K.: Coaching und seine Wurzeln. Erfolgreiche Interventionen und ihre Ursprünge. Freiburg, München (Haufe) 2012, S. 10 [3] s. [2], S. 35-39 [4] Rauen, C.: Coaching. Innovative Konzepte im Vergleich. Göttingen (Verlag für Angewandte Psychologie) 1999/2001, S. 20-25 [5] Blanchard, K.: Talent zum Coach hat jeder! So führen Sie zum Sieg. Erfolgsgeheimnisse aus dem Spitzensport – anwendbar im modernen Geschäftsleben. Wien (Ueberreuther) 1966/1996 [6] Böning, U.: Coaching: Der Siegeszug eines Personalentwicklungs-Instruments. Eine 10-Jahres-Bilanz. In: Rauen, C.: Handbuch Coaching. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle (Hogrefe), 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2002, S.26 [7] Looss, W.: Coaching für Manager – Problembewältigung unter vier Augen. Landsberg/Lech (Verlag Moderne Industrie) 1991 [8] Whitmore, J.: Coaching für die Praxis – Eine klare, prägnante und praktische Anleitung für Manager, Trainer, Eltern und Gruppenleiter. Frankfurt/M. (Campus) 1994 [9] Schreyögg, A.: Coaching. Eine Einführung für Praxis und Ausbildung. Frankfurt/M. (Campus) 1995 [10], s. [9], S. 17 [11] Schreyögg, A.: Coaching in den USA. In: OSC – Organisationsberatung, Supervision, Coaching, Jg. 15, 1/2008 [12] DBVC – Deutscher Bundesverband Coaching e.V.: Leitlinien und Empfehlungen für die Entwicklung von Coaching als Profession. Kompendium mit den Professionsstandards des DBVC (4., erw. Aufl.). Osnabrück (DBVC Geschäftsstelle) 2012 [13] Böning, U.: Coaching: Der Siegeszug eines Personalentwicklungs-Instruments. Eine 10-Jahres-Bilanz. In: Rauen, C.: Handbuch Coaching. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle (Hogrefe), 2., überar-
Coaching: Der Qualitäs-Coach beitete und erweiterte Auflage 2002, S.29 [14] Schwertfeger, B.: Karriere-Illusion. „Wer nichts wird wird Coach.“ In: KARRIERESPIEGEL, http://www.spiegel.de/karriere/ berufsleben/karriereziel-coach-meist-bleibt-coaching-ein-nebenjob-a-928744.html, Download vom 21.10.2013 [15] Hamlin, R. et al.: The emergent ‘coaching industry’: A wakeup call for HRD professionals. In: Human Resource Development International, Vol. 11, No. 3, S. 287-305 (2008) [16] Bollhöfer, G. et al.: Organisationsinternes Coaching. In : DBVC – Deutscher Bundesverband Coaching e.V.: Leitlinien und Empfehlungen für die Entwicklung von Coaching als Profession. Kompendium mit den Professionsstandards des DBVC (4., erw. Aufl.). Osnabrück (DBVC Geschäftsstelle) 2012, S.87-96 [17] Möller, H. et al.: Aktueller Forschungsstand und Implikationen für die Zukunft der Coaching-Forschung. In: DBVC – Deutscher Bundesverband Coaching e.V.: Leitlinien und Empfehlungen für die Entwicklung von Coaching als Profession. Kompendium mit den Professionsstandards des DBVC (4., erw. Aufl.). Osnabrück (DBVC Geschäftsstelle) 2012, S.129-138 [18] Kotte, S. et al.: Das ambivalente Verhältnis von Coachingforschung und -praxis: Dezentes Ignorieren, kritisches Beäugen oder kooperatives Miteinander? In: Schreyögg, A. et al. (Hrsg.): Die Professionalisierung von Coaching. Ein Lesebuch für den Coach. Wiesbaden (Springer Fachmedien) 2014 [19] Dietz, T. et al.: Begriffsbestimmung. In: DBVC – Deutscher Bundesverband Coaching e.V.: Leitlinien und Empfehlungen für die Entwicklung von Coaching als Profession. Kompendium mit den Professionsstandards des DBVC (4., erw. Aufl.). Osnabrück (DBVC Geschäftsstelle) 2012, S.20f. [20] Buer, F. et al.: Life-Coaching. Über Sinn, Glück und Verantwortung in der Arbeit. Göttingen (Hogrefe) 2008. [21] Kühl, S.: Coaching und Supervision. Zur personorientierten Beratung in Organisationen. Wiesbaden (Springer VS) 2008, S. 13f. [22] Schreyögg, A.: Abgrenzung zu anderen Beratungsformaten. In: DBVC – Deutscher Bundesverband Coaching e.V.: Leitlinien und Empfehlungen für die Entwicklung von Coaching als Profession. Kompendium mit den Professionsstandards des DBVC (4., erw. Aufl.). Osnabrück (DBVC Geschäftsstelle) 2012, S.26-29 [23] WHO – Weltgesundheitsorganisation: Internationale Klassifikation psychischer Störungen - ICD-10, Kapitel V(F). Klinisch-diagnostische Leitlinien (4. durchges. und erg. Aufl.). Bern, Göttingen, Toronto, Seattle (Huber) 2000. [24] Kühl, S.: Coaching zwischen Qualitätsproblemen und Professionalisierungsbemühungen. Thesen zur Entwicklung des Coachings. In: osc – Organisationsberatung, Supervision, Coaching, Jg. 13, 1/2006, S. 86-96 [25] Schmidt-Lellek, C.J.: Anmerkungen zur Professionalisierung des Coachings auf dem Hintergrund des klassischen Professionsbegriffs. In: osc – Organisationsberatung, Supervision, Coaching, Jg. 13, 2/2006, S. 183-192 [26] Steinke, I.: Kompetenzanforderungen an Coaches. In: Schreyögg, A. et al. (Hrsg.): Die Professionalisierung von Coaching. Ein Lesebuch für den Coach. Wiesbaden (Springer Fachmedien) 2015 [27] Bachmann, T.: Coaching-Prozesse. In: DBVC – Deutscher Bundesverband Coaching e.V.: Leitlinien und Empfehlungen für die Entwicklung von Coaching als Profession. Kompendium mit den Professionsstandards des DBVC (4., erw. Aufl.). Osnabrück (DBVC Geschäftsstelle) 2012, S.65-78. Wir beziehen uns hier auf den Coachingprozess in der Darstellung des DBVC, des einzigen Verbandes, der dazu bis dato veröffentlicht hat. Weil diese Darstellung nicht die Ansicht eines einzelnen Vertreters, sondern den common sense von
Coaching im Qualitätsmanagement ca. 300 namhaften Coaches in Deutschland repräsentiert. [28], s. [9], S. 219ff [29] Gralla, G.: Vom sendebewußten Qualitätsmanager zum bedarfsgerechten Qualitäts-Coach. Etablierung eines QM-Systems im Umfeld widersprüchlicher Interessenlagen kommunaler Energieversorger. Master-Thesis, Donau-Universität, Zentrum für Wissensund Informationsmanagement, Krems 2007 [30], s. [28], S. 125-139 [31] Steinke, I.: Die Entwicklung der Fehler- und Feedbackkultur durch Team-Coaching. Praxisbericht. In: osc – Organisationsberatung – Supervision – Coaching, Jg. 14, 4/2007. [32] Stenzel, S.: Fallstricke des organisationsinternen Coachings. In: DBVC – Deutscher Bundesverband Coaching e.V.: Leitlinien und Empfehlungen für die Entwicklung von Coaching als Profession. Kompendium mit den Professionsstandards des DBVC (4., erw. Aufl.). Osnabrück (DBVC Geschäftsstelle) 2012, S.97-99
Coaching im Qualitätsmanagement („beyond quality management“) ▶coaching in quality management ▶Qualitätsmanagement ▶Total Quality Management ▶Unternehmenskultur 1 Einleitung und Motivation
„When you think you’re in control, you’re actually out of control.“ (Tom Peters [1])
Dieser Satz ließ mich aufhorchen und mein Bügeleisen hinstellen. Es waren die Jahre, in denen der Begriff ►Total Quality Management, kurz TQM, Einzug in die Führungsetagen der Finanzinstitute hielt, als ich als junger Betriebswirt zu Hause ein Audiotape von Tom Peters hörte. Dazu bügelte ich Hemden, am nächsten Arbeitstag sollte ich schließlich in der Bank einen guten Eindruck machen. Tom Peters Satz faszinierte mich. Am Vortag hatte ich von meinem damaligen Chef fünf Bundesordner mit der Aufschrift „Qualitätsmanagement SBG“ erhalten. Sein Kommentar: „Schauen Sie sich das mal an, ich verstehe bisher nur Bahnhof. Und gehen Sie doch an diese EFQM-Konferenz (►EFQM) in Brüssel in drei Wochen, und liefern Sie mir dann einen Bericht ab, was wir mit diesen Unterlagen hier tun müssen.“ Intuitiv spürte ich schon beim ersten Blick in die Ordner, dass hinter den Zahlen die Absicht stand, Qualität auf der Basis von messbaren Daten systematisch zu verbessern. Und dass dies eine eher technokratische Vorgehensweise sein dürfte. Das mir zu Beginn der 90er-Jahre begegnende Qualitätsmanagement-Verständnis basierte wohl auch bei meinem damaligen Arbeitgeber auf unpräzisen Übersetzungen der Begriffe „Control“ und „Total Quality“. Daraus resultierte ein aus heutiger Sicht unausgereiftes Qualitäts-Implementierungsmodell. Heute dient das ►EFQM-Modell Assessoren zum Assessment. Mehr als zwanzig Jahre später ist Tom Peters Satz immer noch in meinen Ohren. Ich arbeite heute als Executive-Coach mit Führungskräften, die auf ihrem Weg vom Manager zum Leader einen externen Sparring-Partner schätzen. Sie müssen täglich mit Paradoxien und Dilemmata umgehen und auf Ihrem Entwicklungspfad lernen, Kontrolle loszulassen. Was kommt,
159
C
Coaching im Qualitätsmanagement
C
Coaching im Qualitätsmanagement
wenn Führen im Sinne von „to manage“ nicht mehr ausreicht? Welche Führungs-Identität ist dann erforderlich?
warnte uns unser gesunder Menschenverstand bereits damals. Wir ahnten, da war noch mehr.
Auf der Ebene des Individuums geht es oft darum, Denkblockaden bewusst zu machen und neue Haltungen zu entwickeln. Mit Blick auf die Unternehmung als System sind Führungskräfte und Leitungsteams besonders gefordert und oft selber systemblind. Rein logisches oder technisches Vorgehen reicht nicht mehr aus. Was also kommt „Beyond Qualiätsmanagement“, wenn der mir heute in der Praxis begegnende Qualitätsmanager mit gängigen TQM- und Führungstechniken an Grenzen stößt?
Wie Albert Einstein treffend bemerkte: „Man kann ein Problem nicht mit der Denkweise lösen, die es erschaffen hat.“ Die Ebner-Krise der SBG konnte das damalige Management mit ihren Mitteln noch knapp meistern. Die nach der Fusion mit dem Bankverein folgenden Turbulenzen der neuen UBS im globalisierten Markt mit Immobilienkrise und steuerpolitischen Herausforderungen hingegen riefen nach Staat und Regulierung. Diese neuzeitlicheren Beispiele akzentuieren die Erkenntnis, dass Systeme oft schwer kontrollierbar sind, und ihre Lotsen sich in falscher Sicherheit wähnen können.
In diesem Beitrag möchte ich Antworten auf die folgenden drei Fragen anbieten: 1 Wo stößt die Haltung des Qualitätsmanagers an Grenzen? 2 Warum steht ein Paradigmenwechsel vom Qualitäts-Management zum Qualitäts-Leadership an? 3 Wie kann Coaching einen Beitrag zu Haltungsänderungen leisten? 1 Wo stößt die Haltung des Qualitätsmanagers an Grenzen? oder: Was Einstein schon lange vor TQM wusste! Zurück zu meinem ersten Job bei der Bank vor mehr als zwanzig Jahren. Wir waren ein junges Team von Betriebswirten, die in einer Stabsstelle bankweite Projekte für einen Generaldirektor durchführten. Was wir an den Universitäten als Führungsprozess PEAK (Planen, Entscheiden, Anordnen, Kontrollieren) erlernt hatten, war hier Realität. Die Planung erfolgte in umständlichen, bankpolitisch delikaten, endlosen Budgetschlaufen. Entscheidungen wurden weit oben in den steilen Hierarchien gefällt, die Anordnung erfolgte via Geschäftsleitungs-Protokolle und auf Papier. Zur Kontrolle diente uns SAP R2, mit farbigen Zahlen auf schwarzem Bildschirmhintergrund. Wir waren zwar die Hüter der Zahlen für unseren Generaldirektor. Doch oft beschlich uns ein Gefühl des Unvermögens. Wir hatten im Rahmen unserer Möglichkeiten zwar alles getan, um die aus unserer Sicht richtigen Entscheidungen vorzubereiten. Doch unerwartete Entscheidungen zeigten uns oft auf, dass andere Einflussfaktoren noch wichtiger waren. Die Arbeit hinter den Kulissen war rückblickend oft wichtiger als die Zahlen selbst. Die fünf Bundesordner zu TQM mit aufs Erste undurchschaubaren Datenfriedhöfen waren für mich dann Sinnbild der Denkweise der damaligen Managergeneration. „Führen funktioniert nach Schema X“. Egal, ob autoritär oder partizipativ, mit intelligenter Planung am Anfang und sauberer Kontrolle am Schluss des Führungsprozesses können Unternehmungen in die gewünschte Richtung gelenkt werden. Auch Qualität kann in diesem Geist „gemanagt“ werden. Abweichungen von Zielvorgaben und Benchmarks, fundiert analysiert, führen zur Optimierung des Systems, so vereinfacht die Annahme. Doch beim Blick auf die Realität
160
In Coachingsituationen beobachte ich oft, wie Managern mit etwas Abstand vom Alltag bewusst wird, dass sie an Ihre Grenzen stoßen. Erst die bewusste, explizite Ausein-andersetzung mit den eigenen Grundannahmen über sich selbst, über Menschen im Führungskontext und über anspruchsvolle Führungssituationen vermitteln Klarheit über den eigenen Handlungsspielraum. Gerade bei Qualitätsmanagern, die oft einen Ingenieur-Hintergrund haben, sind Ursache-WirkungsDenken und eine noch nicht weit entwickelte Selbst- und System-Bewusstheit nach meiner Erfahrung typisch. Dies führt mich zur zweiten Frage. 2 Warum steht ein Paradigmenwechsel vom Qualitätsmanagement zum Qualitätsleadership an? 2.1 Die Grenzen des Qualitätsmanagers Qualitätsmanagement ist eine komplexe Aufgabe. Hierfür benutzen wir alle unser Gehirn, unsere Kognition. Die SkulpAbb. C10: Neuromuskuläre Sperre: Schwerer Kopf als Sinnbild des eingeschränkten Denkens
Quelle: Le Penseur, August Rodin, 1880-1882, Musée Rodin – Fotoarchiv Zollondz 2014
Coaching im Qualitätsmanagement tur „der Denker“ von Auguste Rodin bringt optisch zum Ausdruck, dass logisches Denken ein anstrengender Akt ist (Abbildung C10). Der Kopf wird so schwer, dass der Denker sein gewichtiges Denkorgan stützen muss. Dabei spielen auch Emotionen eine zentrale Rolle. Wer führt weiss, dass Empathie und Einflussnahme mit den eigenen Gefühlen beginnt. Die innere Überzeugung, das Richtige richtig zu tun, ist maßgeblich für die glaubwürdige Führung anderer. Die Forderung an einen Qualitätsmanager gehen heute über rein kognitives Denken hinaus. Zitieren wir Tom Peters genauer. In seinem Beitrag „Control Contradiction“ schreibt er [1]: „To get on successfully with any complex job, you must feel in control (…) But you must at the same time freely accept the fact that you’re out of control; that the more certain you are you’ve got it right, the more precarious your position.“ In logischem Denken verhaftet kann der Qualitätsmanager kaum Lösungsansätze sehen und anstreben, die das Paradoxon der „Control Contradiction“ auflösen helfen. Er läuft Gefahr, Unsicherheiten und Risiken nicht zu sehen. Die Annahme, mit Qualitätsmanagement habe man Qualität unter Kontrolle, erweist sich als Trugschluss. Im Gegenteil gefährdet rein kognitives Denken den Zugang zu kreativen Lösungsansätzen, zu in jedem Menschen schlummerndem Potential. Steven Gilligan, einer der gefragtesten Hypnotherapeuten unserer Zeit, bezeichnet den Zustand von Rodin’s Denker als neuromuskuläre Sperre, als „neuromuscular lock“: Hier sind Lernen und Veränderung unmöglich, und Probleme unausweichlich. Der Denker hat in seinem angespannten Zustand vier mögliche Verhaltensweisen, die bei jedem mir bekannten Qualitätsprojekt beobachtbar sind: Fight, Flight, Freeze und Fold [2]. ◼ Fight (Bekämpfen). Offene Konflikte mit DurchsetzStrategien der Mächtigeren sind klare Zeichen für verkrampfte Situationen. Auch verdeckte Konflikte berühren das TQM direkt. Beispielsweise verpuffen zentrale TQM-Vorgaben in einer Matrixorganisation, wo sich der Mächtigere (wie etwa ein Länderchef) gegenüber dem Qualitätsmanagement durchsetzt. Governance lässt grüssen. Auch Hyperaktivismus oder passiver Widerstand gegenüber Veränderungen sind Formen der Bekämpfung, die etwa ein neues TQM-System mit sich bringen kann. ◼ Flight (Flucht). Hierzu gehören Vermeidungsstrategien, Rückzug, man stuft TQM-Projekte mental runter und minimiert seine Beiträge – das Projekt bleibt stehen. ◼ Freeze (Einfrieren). Beispiele: Erstarren, Dissoziation, Lähmung des Systems, beispielsweise indem Führungskräfte unter extremem Stress in alte Muster zurück fallen und wortwörtlich „nicht mehr normal denken“ können. ◼ Fold (Einknicken, Aufgeben). Aufgebende Menschen werden apathisch oder depressiv, betrifft dies ganze Einheiten, sieht man kollektive Kündigungen oder Burnouts in zentralen TQM-Einheiten.
Coaching im Qualitätsmanagement Zusammenfassend stößt das klassische Qualitätsmanagement an Grenzen, wenn Menschen mit ihren Emotionen im System Wirkung entfalten. Dann ist mehr als nur Logik gefragt. 2.2. Vom Manager zum Leader – der kreative Weg von Kontrolle zu Wirkung Auf der Individualebene ist das Selbstverständnis einer Führungskraft massgeblich dafür verantwortlich, wie er/sie an Problemstellungen herangeht. Robert Kegan, Psychologe und Professor an der Harvard University, unterscheidet wesentliche Entwicklungsstufen von Menschen: Egocentric, Socialized, Independent, Integral, Unitive [3]. Gemäss Kegan befinden sich etwa 90% der Erwachsenen in der Entwicklungsstufen Socialized oder Independent. Für Führungskräfte unterscheidet er darum zwischen einer reaktiven und einer kreativen Führungs-Identität, die bestimmte innere Annahmen und daran angedockt aussen beobachtbares Verhalten mit sich bringen: ◼ Reaktive Führungs-Identität: Meine Führungsalltag ist geprägt von Problemen, die mich beschäftigen. Etwa 70% der Erwachsenen leben dieses Selbstverständnis. Die drei wesentlichen Merkmale reaktiven Verhaltens sind, dass ich ◻ den Wünschen, Erwartungen und Forderungen anderer entspreche. ◻ das beschütze, was ich habe (Status, Materielles etc, „meinen Garten“), und ◻ ich das von mir Kontrollierbare kontrolliere. Deutliche Merkmale sind Perfektionismus, Mikromanagement und übermässiger Ehrgeiz.
Führungskräfte mit einem reaktiven Selbstverständnis sind „Manager“. ◼ Kreative Führungs-Identität: Meine Identität als Führungskraft ist geprägt von Vision und Sinn, die ich anstrebe. Etwa jeder fünfte Erwachsene lebt diese Identität. Hier sind wesentliche Merkmale die Fähigkeit, ◻ andere zu Spitzenleistungen zu befähigen, ◻ eine gut entwickelte Selbst-Bewusstheit, ◻ Authentizität, ◻ ein hohes Mass an System-Bewusstheit und ◻ die Fähigkeit, Resultate zu bewirken. Führungskräfte mit einem kreativen Selbstverständnis sind „Leader“. Wer vom Manager zum Leader werden möchte, darf oder muss also nicht nur Kontrolle loslassen. Es geht auch um ein Erweitern des Bewusstseins, um Selbstreflexion und daraus abgeleitet ein zukunftsorientierteres, aktiveres Handeln. Etwas überspitzt formuliert bringt das folgende Bild den Unterschied auf den Punkt (Abbildung C11): Der Manager rennt mit einer zu langen Aufgabenliste im Hamsterrad, der Leader steht auf dem Golfplatz und überlegt, was wirklich wichtig ist, und tut dies danach. Heike Bruch, Professorin am Institut für Führung und Personalmanagement (IFPM ) an der Universität St. Gallen, hat in ihrem berühmten Artikel „Beware the busy manager“ (Harvard Business Review Februar 2002) darauf hingewiesen, dass nur gerade 10% der
161
C
Coaching im Qualitätsmanagement
Coaching im Qualitätsmanagement
Abb. C11: Vom Manager zum Leader
C
◼ Fremdbestimmtheit ◼ Gartendenken ◼ Kontrolle
◼ Authentizität ◼ Resultatfokus ◼ Systembewußtheit
versus
Manager
Leader
Führungskräfte gleichzeitig ein hohes Mass an Energie an den Tag legen und fokussiert sind. Die meisten Managers sind nur „busy“, haben also viel unfokussierte Energie, oder sind zwar fokussiert, aber kraftlos [4]. 2.3 Qualitätsmanagement im kollektiven System Nehmen Sie an, Sie sind in Argentinien in den Ferien und besteigen einen lokalen Bus, der Sie von Buenos Aires nach Santa Fe bringt. Welche Sprache wird im Bus wohl gesprochen? Klar, Spanisch. Genau so prägen Qualitätsmanager mit ihrer Persönlichkeit und ihrem Hintergrund die Art und Weise, wie Qualitätsmanagement betrieben wird. Nach meiner Erfahrung haben sie primär Systeme und Strukturen in ihrem Fokus. Hier werden Prozesse und Reportingsysteme etabliert sowie Aufbauorganisationen neu gestaltet. Kontrolle ist dabei ein wesentliches Element, denn nur durch das Überprüfen messbarer Daten können Abweichungen von einem Sollwert erkannt und korrigiert werden. Logisch. Neue TQM-Strategien versickern hingegen oft in der Struktur. Der Bedeutung der ►Unternehmenskultur wird zu wenig Rechnung getragen. Dabei ist die unsichtbare Haltung das, was im Hintergrund das sichtbare Verhalten steuert (Abbildung C12). Ein integrales Qualitätsmanagement müsste darum sowohl die Ziele des Qualitätsmanagements (Strategieaspekt), die Systeme und Prozesse (Strukturaspekt) als auch die gemeinsame Haltung (Kulturaspekt) gleichermaßen berücksichtigen. „Culture eats strategy for breakfast“, sagt ein Peter Drucker zugerechnetes Sprichwort. Betrachten wir eine Firma und ihr Qualitätsmanagement als System mit einer großen Eigendynamik. Die ►Unternehmenskultur können wir als Summe aller individuellen Haltungen bezeichnen. Sie ist mit grosser Wahrscheinlichkeit weder berechenbar noch steuerbar. Zu
162
stark sind meist unausgesprochene Annahmen über die Realität, zu selten der ehrliche, offene Austausch über die gemeinsamen Werte und wie diese gelebt werden sollen. Denken wir einen Schritt weiter, so entlarven wir – mit einem netten Augenzwinkern, aber auch einem Schuss Zynismus – letztlich im breiter gefassten Stakeholderfeld den Staat als Qualitätsmanager: Hinter vielen Gesetzen und deren Durchsetzung spüren wir den Geist des „wohlwollenden Diktators“, der die „totale Qualität“ und Sicherheit des Bürgers anstrebt, die totale Gleichbehandlung aller noch so Ungleichen. Keine Planwirtschaft, aber so gut wie es geht das Verhalten der Wirtschaftssubjekte geplant. Wenn das aus dem Ruder läuft korrigieren, Steuern erhöhen, oder Tramschienen mit teuren Gummibelägen füllen statt die Velofahrer zu Selbstverantwortung bringen, wie jüngstes Vorhaben in Zürich zeigt. Am Schluss ist jedes Joghurt reglementiert, jede Blume hat einen anderen Steuersatz, und Kreativität ist das Produkt von Robotern, nicht von Individuen. Die Haltung, die nach meinem Verständnis des „Homo oeconimicus“ und meinem gesunden Menschenverstand Wohlstand für alle bringen würde, sind Einfachheit, Bewusstheit und Eigenverantwortung. Abb. C12: Das Eisbergmodell des Coachings im Qualitätsmanagement – Vom Sichtbaren zum zunächst Unsichtbaren „Ich“
„Wir“
QualitätsVerhalten
Strukturen sichtbar unsichtbar
Einstellung „Mindset“
Kultur
Individuum: Der Qualitätsmanager
Kollektiv: Das Qualitätsmanagement G ER
SB
EI
Im Eisbergmodell unterscheiden wir sichtbare und damit auch weitgehend messbare Qualitätselemente wie z. B. kundenorientiertes Verhalten oder klare Prozessbeschreibungen in einer Organisation von unsichtbaren, dahinter bzw. „unter der Wasseroberfläche“ stehenden inneren Einstellungen. Die Einstellung des einzelnen Menschen („Ich“, linke Seite des Eisbergs) kommt in seinem Verhalten zum Ausdruck. Die innere Einstellung des Qualitätsmanagers steuert sein Verhalten. Auf der kollektiven Ebene („Wir“, rechte Seite des Eisbergs) erkennen wir die ►Unternehmenskultur an formalen und informalen Strukturen. Wird die Qualität von mehreren Menschen als wichtig betrachtet, resultieren Gewohnheiten und meist auch Strukturen in der Form von Qualitätsmanagement-Prozessen und Organisationseinheiten, die sich diesem Thema annehmen. Weht oben ein noch so starker Sturm von links nach rechts, so kann es doch gut sein, dass der Eisberg sich wegen Strömungen nach links bewegt.
Coaching im Qualitätsmanagement 3
Wie kann Coaching einen Beitrag zu Haltungsänderungen leisten?
“Thought and analysis are powerless to pierce the great mystery that hovers over the world and over our existence, but knowledge of the great truths only appears in action and labor.” (Albert Schweitzer)
Begriff
3.1 Der Begriff „Coaching“ heute Coaching ist heute alles – zumindest wenn man die inflationäre Benutzung des Begriffs in unserer „vercoachten Welt“ betrachtet, wie Werner Vogelauer, einer der führenden Coachausbilder und Bestsellerautor im deutschsprachigen Raum treffend bemerkt hat [5]. In diesem Abschnitt wird vom Coach als professionellem Begleiter ausgegangen, der nicht Berater ist. So definiert die Internationale Coach Federation (ICF) als größte internationale Vereinigung professioneller Coachs den Begriff im englischen Originaltext: „ICF defines coaching as partnering with clients in a thought-provoking and creative process that inspires them to maximize their personal and professional potential, which is particularly important in today’s uncertain and complex environment. Coaches honor the client as the expert in his or her life and work and believe every client is creative, resourceful and whole.“ Im Gegensatz zum klassischen Berater, Experten und Trainer hat also der Klient die Expertenrolle, nicht der Coach. Als ausgebildeter, sich ständig weiter bildender und vom ICF zertifizierter Coach schwanke ich zwischen Spott und Mitleid, wenn mir Begriffe wie „Auto-Coaching“ begegnen wie neulich in einem Restaurant auf mit Werbung bedruckten Tischsets. Oder wenn sich jeder Beraterkollege oder Trainer plötzlich „Coach“ nennt. Werner Vogelauer spricht auch von „Bindestrich-Coaching“ [5]. 3.2 Innere Einstellung des professionellen Coachs Coaching entstand in den 80er/90er-Jahren. Damals erkannte man, dass viele Trainings nicht mehr als Unterhaltung waren. Der Transfer in die Praxis fehlte. Beratungsprojekte landeten in der Form dicker Power-Point-„Decks“ in Schubladen und harren heute noch der Umsetzung. Coaching entstand, weil die Erkenntnis gereift war, dass der Mensch Lösungsansätze in sich trägt, die er eher umsetzt als von aussen vorgeschlagene Verhaltensweisen. Werner Herren, Pionier der Schweizer Coaching-Szene, brachte diesen Umstand auf den Punkt mit seinem Satz: „Der Lösung ist es egal, warum das Problem entstanden ist.“ Als ehemaliger Berater einer weltweit tätigen Consultingfirma musste ich am Anfang meiner Coachingkarriere manchmal schmerzhaft erfahren, wie schwierig es ist, als Coach eine andere innere Einstellung dem Klienten gegenüber an den Tag zu legen, als ich dies als Berater tun durfte. Von „Nimm deinen Kunden bei der Hand und führe ihn durch das Problem“ zu „Der Kunde und nur er trägt die Lösung in sich, hilf ihm, sie zu entdecken und anzupacken“ war ein weiter Weg. Selbstreflexion, Offenheit für Feedback und ein ausgeprägtes Rollenbewusstsein sind Eigenschaften, die ein professioneller Coach mitbringen und kontinuierlich
Coaching im Qualitätsmanagement weiter entwickeln muss. 3.3 Einstellungsveränderungen durch Coaching Wie kann Coaching eine Haltungsänderung bewirken? Jeder Coach wird diese Frage individuell und massgeschneidert angehen. Darum ist mein Versuch, das hier allgemein zu beschreiben, relativ zu sehen. Grundsätzlich steht am Anfang ein bewusst werden auf Seiten des Coachees (des „Gecoachten“, des Klienten). Wird ihm/ihr bewusst, was die eigene Haltung ist und wie sich diese im Verhalten auswirkt, kann eine neue, positive Haltung erarbeitet und verankert werden. Ein professioneller Coach gibt sich nicht einfach mit der erstbesten, vielleicht oberflächlichen Antwort des Coachees zufrieden. Der Coach hilft mit Erfahrung und seinem Methodenkoffer, dass der Coachee sich selber die richtigen Fragen stellt und darauf Antworten entwickelt und umsetzt. 3.4 Beispiel konkurrierende Selbstverpflichtungen Überlegen Sie sich, was Sie gerne mal erreichen möchten. Nicht eigentlich, sondern wirklich. Schreiben Sie auf ein Blatt: „Ich möchte gerne…“ und dann zum Beispiel „…mich überwinden, einen Bungy Jumping-Sprung an der Staumauer des Verzasca-Tals zu machen.“ Und nun schreiben Sie auf die nächste Zeile: „…aber ich kann nicht, weil…“, zum Beispiel „weil ich zwei Kinder habe.“ Psychologisch gesehen notieren Sie im Moment einen Glaubenssatz. Das ist eine grundsätzliche Annahme, dass Ihr Ziel nicht erreichbar ist, weil dem etwas im Weg steht. Dieses „etwas“ ist umgangssprachlich eine Ausrede, nach außen oder auch sich selbst gegenüber. Doch auch die hat einen guten Grund. Robert Kegan nennt diese Glaubenssätze „Competing Committments“, konkurrierende Selbstverpflichtungen, die im Wettbewerb zu eigenen Zielen stehen [6]. Sie fühlen sich also im Beispiel verpflichtet, für Ihre Kinder gesund zur Verfügung zu stehen und Vorbild zu sein. Was Sie also nicht möchten ist ein gebrochener Fuss, auch kein James Bond-Image, und schon gar nicht sterben beim waghalsigen Sprung. Die Einstellung steuert also das Verhalten, bremst und fördert, je nach Individuum und Situation. 3.5 Wo kann Coaching keinen Beitrag leisten? Sie merken am obigen Beispiel, hinter Selbstverpflichtungen stehen starke, grundsätzliche Annahmen über das Leben. Bei diesen Annahmen stößt Coaching an Grenzen, da begibt man sich nahe ans Feld psychotherapeutischer Arbeit. Der Übergang von Coaching zu Therapie ist allerdings fließend, in beide Richtungen. Abgrenzen oder Integration, dieser Frage gehen Bernhard Grimmer und Marius Neukomm in ihrem Buch „Coaching und Psychotherapie“ differenziert nach [7]. Grundsätzliche Lebensannahmen führen zu konkurrierenden Selbstverpflichtungen, mit denen wir unseren eigentlichen Zielen im Weg stehen können. Das ist nach Kegan auch der Hauptgrund für die Immunität vieler Menschen gegenüber Veränderungen: “… only by seeing more deeply how you are systematically preventing your own change … can you put yourself in a dramatically better position to bring about that change!” [8] Coaching kann also helfen, durch erhöhtes
163
C
Coaching im Qualitätsmanagement (Selbst- und System-) Bewußtsein handlungsfähiger zu werden.
C
Die Rolle des Coachs ist – wie oben aufgezeigt – weniger die eines Beraters, sondern er ist unabhängiger Beobachter und Prozess-Befähiger, quasi ein „Geburtshelfer von Kundenideen“ (nach Werner Vogelauer [9]). Das alleine hat einen enormen Mehrwert. Oft beobachte ich bei fakten- und logikorientierten Führungskräften eine gewisse Ohnmacht. Sie spüren, dass sie sich nicht mit ihren Mitarbeitenden in Verbindung bringen können. Dies hat in erster Linie mit ihnen selber zu tun. Erst ein erhöhtes Bewusstsein darüber, wie man selber funktioniert, bringt sie auch in Beziehungen weiter. Hierzu müssen „blinde Flecken“ beleuchtet werden, also Verhaltensweisen und oft auch dahinter liegende innere Einstellungen, die der Führungskraft gar nicht bewusst waren. Feedback aus dem Klientensystem, etwa durch 360-Grad-Befragungen oder direkt vom Coach sind hier das effektivste Mittel. Vom Erkennen bis zum Überwinden von Ohnmacht ist oft ein weiter Weg, auf dem ein externer Reflexionspartner wertvolles Feedback geben kann. 4 Qualitätsmanagement im systemischen Kontext Damit schliesst sich der Kreis wieder vom Individuum „Qualitätsmanager“ zum kollektiven „Qualitätsmanagement“. Bereits das Durchführen einer ►Mitarbeiterbefragung entfaltet in einem System Wirkung. Befragen Sie Mitarbeitende, so weckt dies auch Erwartungen. Landen die Auswertungen in Schubladen statt in den Köpfen und Herzen der Führungskräfte, so sind Frustration und Zynismus vorprogrammiert. Führt ein Qualitätsmanager ein 360-Grad-Feedback durch, erwartet sein Umfeld von ihm beobachtbare Verhaltensveränderungen.
Complaint Ownership Literatur
[1] Peters, T.: Mastering the control contradiction, zu finden auf http://tompeters.com/columns/mastering-the-control-contradiction/ [2] Gilligan, S: Generative Trance, The experience of creative flow, Crown. House Publishing Ltdf 1999, S. 28 [3] Bob Anderson, Whitepaper „The Spirit of Leadership“, zu finden auf https://www.theleadershipcircle.com/resources/positionpapers [4] Bruch, H. / Ghoshal S.: Beware the Busy Manager. In: Harvard Business Review, Februar 2002, Seite S. 62-69 [5] Vogelauer, W.: Die Welt ist vercoacht! Ist die Welt wirklich vercoacht? In: Dahinden/Freitag/Schellenberg (Hrsg.): Mythos Coaching, Zürich (Orell Füssli) 2009, S. 186-194 [6] Robert Kegan/Lisa Laskow Lahey, Immunity to change, Harvard Business Press 2009, S. 16 [7] Grimmer, B./Neukom, M.: Coaching und Psychotherapie, Gemeinsamkeiten und Unterschiede – Abgrenzung oder Integration? Wiesbaden (Verlag für Sozialwissenschaften) 1999 [8] Robert Kegan/Lisa Laskow Lahey: Immunity to change, Harvard Business Press 2009, S. 245 [9] Vogelauer, W.: Methoden-ABC im Coaching, Neuwied (Luchterhand), 4. Auflage 2005
COBIT
▶Mobile Device Management
Commited to Excellence (C2E) ▶ RADAR-Bewertungsmethodik
Common Criteria ▶IT-Sicherheit
Company Wide Quality Control (CWQC) ▶ Total Quality Management
Das Aufsetzen der systemischen Brille kann mehr Erkenntnisse bringen und gleichzeitig mehr Fragen aufwerfen. Nicht jeder fühlt sich auf dieser Ebene wohl. Doch „Beyond quality management“ zu gehen, vom systematischen Sichtbaren zum systemischen zuerst Unsichtbaren, wie es in Abbildung C12 zum Ausdruck gebracht werden soll, ist nach meiner Auffassung ein Gebot der Zeit.
Corporate Social Responsibility (CSR)
5 Zusammenfassung Der nächste Entwicklungsschritt des Qualitätsmanagements geht über klassisches Management hinaus. Qualitätsmanager wie TQM-Einheiten in Firmen müssen hinter Verhaltensweisen und Strukturen blicken, Einstellungen auf individueller Ebene (der Qualitätsmanager) und kollektiver Ebene (das Qualitätsmanagement) hinterfragen und Qualitätsmanagement damit tiefgründiger angehen. Coaching als heute etablierte professionelle Begleitung im Bewußtseins-Entwicklungsprozess kann dabei helfen, sich selber und seinem System gegenüber ehrlich zu sein. Veränderungen werden auch in kollektiven Systemen immer von Individuen verhindert oder gelebt. – Was ist Ihr sinnvoller nächster Schritt? Thomas Freitag, Zürich
Complaint Ownership
164
▶Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement ▶Nachhaltigkeit ▶Corporate Governance
Computer Aided Quality Management
▶CAQ-Computer Aidet Quality Management ▶Eigentum an der Beschwerde ▶Beschwerdemanagement Wer in der Organisation von einem Kunden über ein Problem als erster informiert wird bzw. als erster ein Kundenproblem wahrnimmt, ist ab diesem Zeitpunkt dafür verantwortlich, dass dieses Problem als Beschwerde erkannt, erfaßt und (bis zum Abschluß) bearbeitet wird. [1] Literatur [1] Definition in Anlehnung an Stauss, B.; Seidel, W.: Beschwerdemanagement, 2. Aufl. München 1998, S. 87
Compliance
Conjoint Analysis
Compliance
keiten auf der Folie der ►Aufbau- und ►Ablauforganisation. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass eine Compliance-Kultur als Teil der ►Unternehmenskultur systematisch zu entwickeln ist. Darüberhinaus muss Compliance als Compliance Management System neben dem Internen Kontrollsystem (IKS) und dem Risikomanagementsystem (RMS) unter dem Dach einer Governance-Struktur des Unternehmens eingebettet werden (►Corporate Governance). Auf diese Weise lässt sich bei entsprechender Ausgestaltung ein Organisationsverschulden weitgehend ausschließen.
Begriff
▶Corporate Governance | ▶Fraud ▶Ethik der Finanzdienstleistungen ▶Qualität als ethischer Begriff ▶Ethik-Qualitätsmanagement (EQM) ▶ISO 19600:2014 Unter Compliance soll die Einhaltung von gesetzlichen, vertraglichen oder anderen Regelungen und/ oder Forderungen aller Art an ein Unternehmen verstanden werden. Zielsetzung von Compliance ist die Vermeidung von negativen Folgen einer NonCompliance, also von unmittelbar oder mittelbar negativen Konsequenzen auf die Zielerreichung der Organisation oder zivil-, straf- oder ordnungsrechtlichen Konsequenzen für die Personen, die für die Organisation handeln. Compliance sollte als Teilsystem in das übergeordnete Handlungssystem einer jeden Organisation eingebunden werden. Der Begriff Compliance beschreibt die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und anderer Richtlinien in Unternehmungen (Regelkonformität). Mit Compliance-Maßnahmen wie der Einrichtung eines Compliance Management Systems (CMS) wird die Zielsetzung verfolgt, Eigentümer, Kunden, Anleger u. a. Stakeholder vor Verlust oder Beschädigung durch illegale unternehmerische Transaktionen zu schützen. Als wichtige Maßnahme ist im Zusammenhang mit dem Bilanz-skandal in den USA der Sarbanes-Oxley-Act zu sehen, einem Regelwerk, das den korrekten Ablauf von Geschäfts- und IT-Prozessen beschreibt. In Deutschland hat das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW, URL: www.idw.de) sieben Grundelemente eines CMS in Anlehnung an den Prüfungsstandard 980 (PS 980) identifiziert: ◼ Compliance Kultur ◼ Compliance Ziele ◼ Compliance Risiken ◼ Compliance Programm ◼ Compliance Organisation ◼ Compliance Kommunikation und Information ◼ Compliance Überwachung und Verbesserung Diese Elemente haben auch in der ►ISO 19600:2014 Beachtung gefunden. Neuerdings werden explizit aufbauend auf betriebswirtschaftlichen Grundsätzen dem Compliance-Ansatz neue Impulse gegeben. K.-H. Withus erschließt in seiner Monografie erstmals die bisher vorwiegend juristisch erörterten ComplianceProblembereiche aus betriebswirtschaftlicher, soziologischer und organisatorischer Sicht [2]. Er sieht in der bekannten „Fraud-Triangle“ eine Verkürzung und erweitert diese zu einem Vierfelder-Schema (Unkenntnis, Rechtfertigung, Motivation und Gelegenheit) [2, S. 220]. Damit betritt er Neuland und verstärkt die Sicht derer, die den ComplianceAnsatz eher als Präventivinstrument sehen. Schließlich betrachtet er die gestalterischen Bedingungen und Möglich-
Dieser Ansatz deckt sich mit dem allgemeinen Bestreben im Management, den Systemansatz zu priorisieren, nachdem das Managementsystem der Organisation als übergeordnete Klammer von in Wechselbeziehung dazu und untereinander stehenden Systemen zu sehen ist. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Stefan Behringer, S. (Hrsg.): Compliance kompakt: Best Practice im Compliance-Management. 3. Auflage. Berlin (Erich Schmidt Verlag) 2013 [2] Withus, K.-H.: Betriebswirtschaftliche Grundsätze für Compliance-Management-Systeme. Berlin (Erich Schmidt Verlag) 2014
Concurrent Engineering
▶Simultaneous Engineering
Conjoint Analysis
▶de: Konjunkte Analyse ▶Conjoint Measurement (CM)
Der Begriff stammt aus der mathematischen Psychologie und dient zur Messung von subjektiven Werturteilen. Die Stimuli sind so gestaltet, dass sie einer faktoriellen Anordnung entsprechen. Von den Personen werden kategoriale oder ordinale Präferenzurteile zu Objekten abgegen. Die Eigen schaften dieser Objekte sind systematisch variiert worden. Im Gegensatz zu direkten und isolierten Beurteilungsverfahren auf einzelne Attribute hat die Conjoint Analysis den Vorteil, dass von den Personen Ganzheiten beurteilt bzw. simultan (= conjoint) Merkmalsausprägungen abgewägt werden, bevor ein Urteil abgeben wird. Im Qualitätsmanagement ist dieses Verfahren Basis der ►Vignetten-Technik. Dort sind die Vignetten, deren Merkmalsausprägungen variiert worden sind, die Ganzheiten.
165
C
Control (Int. Fachmesse für Qualitätssicherung)
Conti, Tito
sich die Control als zentrale Informations-, Kommunikations- und Businessplattform mit mehr als 900 Ausstellern aus 32 Ländern etabliert. Sie spiegelt das Weltangebot der Branche und wird von den Unternehmen gezielt als Plattform zur Präsentation ihrer Innovationen und Produktpremieren aus allen Bereichen der Qualitätssicherung genutzt. Fachbesucher erhalten hier sehr früh Einblicke in die Produktions- und Prüftechnik-Sphären der Zukunft. Dabei setzt die Control auf den Wissens- und Technologietransfer zwischen Forschung und Entwicklung sowie den Anwendern aus der Industrie. Zu diesem Zweck besteht eine intensive Zusammenarbeit mit den wegweisenden Institutionen der Branche, u. a. mit der Fraunhofer-Allianz Vision, dem Fraunhofer IPA und der ►DGQ – Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V.
Italienischer Qualitätsexperte
C
Conti, Tito
Dr.-Ing.; italienischer Qualitätsexperte, Mitglied der ►IAQ; ehem. Präsident der ►EOQ; Beteiligung an der Gründung der ►EFQM, bes. Engagement an der Entwicklung des ►EFQM-Modells; verschiedene Positio nen in der ital. Informations technolgie: For schung, Entwicklung, Fertigung, Manage ment; Ende 80er Jahre Vice President for Quality der Olivetti Group. Heute: Berater in den Bereichen Manage ment, Organisation und Qualität: Dr.-Ing. Tito Conti, TQM, Ivrea, Italien. Conti hat ein grundlegendes Buch zum Assessment im Qualitätsmanagement verfasst, das auch in die Inhalte des EFQM-Modells eingeflossen ist (de: Hanser 1999). Literatur
Building Total Quality. London: Chapman & Hall 1982. – Time for a critical review on quality self-assessment. Proceedings of the First European Forum on Quality Self-Assessment. EOQ: Bern 1994. – Taking the Strategie View. In: European Quality, 1(1) 1994. – Improving the model. European Quality. European Quality Award Special Issue. o. O. 1995. – GFP-Diagnosi Trasversale – Descrizione del programme e manuale d’utente. ital. o.O. 1996. – Organiza tional Self-Assessment. London: Chapman & Hall 1997. Deutsche Übersetzung: Self-Assessment. Ein Werkzeug zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. München-Wien: Hanser 1999
Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Continous Process Improvement
▶CPI ▶KVP-Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
Control – Internationale Fachmesse für Qualitätssicherung Die internationale Fachmesse Control gilt als weltweit führender Branchentreff für alle Fragen der industriellen ►Qualitätssicherung und findet im jährlichen Turnus in der Messe Stuttgart statt. Veranstalter ist das private Messeunternehmen P. E. Schall GmbH & Co. KG aus Baden-Württemberg. Ausgehend von der Prozessüberwachung in der Fertigung, die in den letzten Jahrzehnten rasant an Bedeutung gewonnen hat, ging die Control im Jahr 1987 erstmals als eigenständige Fachmesse zum Thema Qualitätssicherung an den Markt. Heute hat
166
Das Themenspektrum der Control umfasst die Schwerpunkte Messtechnik, Werkstoff-Prüfung, Analysegeräte, Optoelektronik, QS-Systeme, Industrielle Wäge- und Zähltechnik sowie Sensortechnik. In jüngster Vergangenheit ist vor allem das Angebot an Bildverarbeitungs- und Visionssystemen nochmals stark gewachsen. Ein fachspezifisches Begleitprogramm mit Ausstellerforum, Event-Forum, Technologieparks und Sonderschauen vervollständigt die Präsentation von Produkten und Technologien auf der Control. Da die rationell-effiziente und aussagekräftige Qualitätssicherung immer mehr zum Wettbewerbsfaktor wird, besteht dauerhaft eine starke Nachfrage nach den neuesten QS-Technologien und Verfahren, um im Markt den Vorsprung zu halten bzw. auszubauen. Weil die globalisierte Produktion in allen beteiligten Industrie- und Schwellenländern auf einem gleich hohen Niveau abzulaufen hat, wird weiterhin auch grenzübergreifend entsprechendes Equipment an Hard- und Software benötigt. Die Control bietet für diesen Informationsaustausch die angestammte Plattform. ◼ Veranstaltungsort: Messe Stuttgart ◼ Schwerpunkte: Messtechnik, Werkstoff-Prüfung, Analysegeräte, Optoelektronik, QS-Systeme, Industrielle Wäge- und Zähltechnik, Sensortechnik. ◼ Turnus: jährlich ◼ Größe: rd. 900 Aussteller (32 Länder) / rd. 25.000 Fachbesucher (89 Länder) ◼ Informationen zur Messe: www.control-messe.de ◼ Anfragen: Telefon: +49 (0) 7025 9206-0 E-Mail: [email protected] URL: www.schall-messen.de Paul Eberhard Schall P. E. Schall GmbH & Co. KG Frickenhausen
Begriff
Control
Controlling
Control
korrigieren der Zielwerte (Abweichungsanalyse und -reaktion). Typischerweise erfolgen im Controlling die Zielvorgaben in Form von Kennzahlen d. h. aggregierten Informationen die entweder die Entwicklung einer Grösse im Zeitverlauf (Indexzahlen z. B. Umsatzwachstum), die Entwicklung einer Größe im Vergleich zu einer Referenzgrösse (Beziehungszahlen z. B. Umsatz pro Mitarbeiter) oder das Verhältnis einer Teilgrösse zum Ganzen (Gliederungszahlen z. B. Marktanteil) beschreiben. Welche Kennzahlen jeweils für ein spezifisches Unternehmen relevant sind ist aus der Unternehmensstrategie abzuleiten ►Balanced Scorecard.
Der englische Begrif „control“ taucht in vielfältigen Zusammenhängen (v. a. in Abkürzungen) im Qualitätsmanagement auf, so in „quality control“, wo er mit Qualitätslenkung übersetzt wird. Mit „quality control“ ist der Teil des QM gemeint, der auf die Erfüllung von Qualitätsforderungen gerichtet ist. In jedem Fall ist zu beachten, dass „control“ ins Deutsche nicht mit „Kontrolle“ übertragen werden darf, sondern immer in der Bedeutung von „Lenken“ und „Steuern“. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Control
So verstanden ist Controlling integraler Bestandteil des Management-Regelkreises (►PDCA-Zyklus, ►Deming-Kreis) und sichert die Effizienz und Rationalität der Führung [3]. Controlling ist der koordinierte Einsatz der Elemente des Führungssystems [4]: Planung ohne Kontrolle ist zwecklos – Kontrolle ohne Planung unmöglich.
▶HACCP-System Zwei Bedeutungen: (a) unter Kontrolle bringen, beherrschen: Alle notwendigen Handlungen durchführen, um sicherzustellen, dass die im HACCP-Plan festgelegten Kriterien eingehalten werden. (b) Beherrschung: Abb. C13: Controlling als Schnittmenge zwischen Manager und Controller [2]: Der Zustand, in dem Verfahren Controlling als Managementfunktion fehlerfrei ablaufen und Kriterien eingehalten werden.
Control measure
Controller
Ergebnisverantwortlich als ■ Projektverantwortlicher ■ Produktverantwortlicher ■ Bereichsverantwortlicher sowie für ■ strategische Erfolgspositionen
ling
Manager Con trol
▶de: Maßnahmen zur Beherrschung ▶HACCP-System Alle Handlungen oder Tätigkeiten, die durchgeführt werden können, um eine Gefahr für die Lebensmittelsicherheit (eine Gefahr für den Menschen durch Lebensmittel) zu vermeiden, auszuschalten oder auf ein akzeptables Maß (Restrisiko) zu verringern.
Transparenzverantwortlich als „Lotse zum Gewinn“ mit ■ Informations-Service ■ Entscheidungs-Service ■ Koordinations-Service sowie als ■ Planungs-Moderator
Controlling
Begriff
▶en: controlling ▶Qualitätscontrolling Der Begriff „Controlling“ bezeichnet einerseits einen wichtigen Teil der Tätigkeit einer Führungskraft (Controlling als Managementfunktion), andererseits wird unter „Controlling“ auch das Aufgabenspektrum einer Stabsstelle/Abteilung für Controlling bzw. einer als Controller bezeichneten Person verstanden (Controlling als Servicefunktion). [1] Abbildung C13 zeigt Controlling als Zusammenspiel zwischen Führungskraft (Manager) als der für die Durchführung von Planungs-, Steuerungs-, und Kontrollmassnahmen verantwortlichen Person und der Stabsstelle Controlling (Controller) als der für die Ausgestaltung des Controllingprozesses verantwortlichen Stelle.
1
Controlling als Managementfunktion
Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Englischen. „To control“ ist in diesem Zusammenhang am besten mit „regeln“ zu übersetzen. „Regeln“ bedeutet das Vorgeben von Zielen (Planung, Sollwerte), die Beobachtung der Entwicklung der Zielgrössen (Kontrolle, SollIst-Vergleich) und das fallweise nachjustieren der Vorgaben bzw.
2
Controlling als Servicefunktion
Ab einer gewissen Unternehmensgröße/einem gewissen Komplexitätsgrad benötigen die Führungskräfte Unterstützung bei der Erfüllung Ihrer Controllingaufgabe. Die hierzu eingerichteten Stabsstellen Controlling dienen dazu
◼ formale und zeitliche Vorgaben zur Planung zu erarbeiten, ◼ Einzelpläne untereinander abzustimmen und zu konsolidieren, ◼ sicherzustellen dass Ist-Werte hinreichend genau, zeitnah und wirtschaftlich erfasst werden, ◼ Systeme zur Berichtserstellung (Plan-Ist-Vergleich) zu konzipieren und zu betreiben, ◼ Abweichungsanalysen zu erstellen und Korrekturmassnahmen vorzuschlagen. [5]
167
C
Corporate Governance
C
Da hierzu eine enge Abstimmung mit den zuständigen Führungskräften notwendig ist, werden neben Kenntnissen in betrieblichem Rechnungswesen und Wirtschaftsinformatik zunehmend auch soziale Kompetenzen zur Wahrnehmung dieser Aufgabe gefordert. Prof. Dr. Christoph Benz, HTW Chur (Schweiz) Literatur
COPQ
▶en: Cost of poor Quality ▶de: Kosten schlechter Qualität ▶Qualitätsbezogene Kosten Der Begriff geht auf den Qualitätsexperten von IBM, H. James Harrington, zurück, der argumentierte, das die Kosten schlechter Qualität verschwinden würden, wenn fehlerfrei produziert würde, also keine Kosten für Nachbearbeitung, keine für Überwachung von Lieferanten, keine für Imageverlust etc. entstehen würden. Harrington unterscheiden in direkte COPQ und indirekte COPQ. Seine Konzept ist sehr differenziert, letztendlich knüpft Harrington an Crosby’s Null-Fehler-Konzept an. Literatur
Harrington, H. J.: Poor-Quality Cost, American Society for Quality 1987
Corporate Governance
▶Qualität der Unternehmensführung ▶Compliance ▶Ethik-Qualitätsmanagement ▶ISO 26000 ▶Ethik der Finanzdienstleistungen ▶Qualität als ethischer Begriff Das Vertrauen der Anleger in die Unternehmensführung und -überwachung wurde in jüngerer Zeit durch zahlreiche Unternehmensskandale und -schieflagen in den USA (z. B. Enron, WorldCom) und Deutschland (z. B. Karstadt-Quelle, Siemens) erschüttert. Als Reaktion darauf begann eine intensive Diskussion zur Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften zur Unternehmensberichterstattung und -überwachung, vor allem unter dem Schlagwort „Corporate Governance“ zunächst im US-amerikanischen Raum und wenig später auch in Europa. Fragen der Corporate Governance, die den „rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und
168
Überwachung eines Unternehmens“ [1] adressieren, sind für eine verantwortungsbewusste Gewaltenteilung in einem Unternehmen, bezogen auf das für das operative Management verantwortliche Management (Unternehmensleitung – beispielsweise Vorstände, Geschäftsführungen) und die für die Einhaltung und Kontrolle von Regeln und Gesetzen zuständige Unternehmensaufsicht (Kontrollorgane – beispielsweise Aufsichtsräte, Beiräte), zunehmend von entscheidender Bedeutung. Wichtig ist dabei, dass Governance, bezogen auf die Führung von Institutionen und Unternehmen kein neuer Begriff ist, sondern von jeher eine Bezeichnung für die Kontroll- und Aufsichtsorgane in derartigen Organisationen [2] darstellt, zunächst erst einmal unabhängig davon, ob Unternehmensleitung und Unternehmensaufsicht getrennt oder innerhalb eines Organs agieren. Corporate Governance hingegen nimmt in der „Verbindung“ zwischen Unternehmensleitung und Kontrollorganen eine weitergehende Funktion wahr, d. h. Corporate Governance verbindet die Funktionen des Managements mit denen der Aufsichtsorgane derart, dass eine verantwortungsvolle, regel- und gesetzeskonforme Unternehmensführung und deren Kontrolle im Sinne einer ausgewogenen Umsetzung von Share- und Stakeholderinteressen und -prinzipien, möglich wird. 1 Problemstellung Fragen der Corporate Governance, sind also keineswegs neu und werden in den Wirtschaftswissenschaften bereits seit 1776 diskutiert. So beschreibt ►Adam Smith das Corporate Governance-Problem wie folgt: „Von den Direktoren einer [Aktien-]Gesellschaft, die ja bei weitem eher das Geld anderer Leute als ihr eigenes verwalten, kann man daher nicht gut erwarten, dass sie es mit der gleichen Sorgfalt einsetzen und überwachen werden, wie es die Partner in einer privaten Handelsgesellschaft mit dem eigenen zu tun pflegen“ [3]. Smith hat damit bereits vor mehr als 200 Jahren den zentralen Interessenkonflikt zwischen Anteilseignern und angestellten Managern beschrieben, der in der aktuellen Corporate Governance-Diskussion das zentrale Thema darstellt und theoretisch vor allem durch die ►Principal-Agent-Theorie fundiert wird. Gegenwärtig ist Corporate Governance das Managementthema, das in Wissenschaft, Politik und Unternehmenspraxis am meisten diskutiert wird [4]. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Kritik am Aufsichtsrat als Überwachungsorgan und dem Vorstand als Führungsorgan einer Kapitalgesellschaft, da diesen eine hohe Mitverantwortung für Unternehmensschieflagen zugeschrieben wird. Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen ergriffen, um die Etablierung einer adäquaten Aufsichtsratsüberwachung zu befördern. Für den amerikanischen Rechtsraum ist insbesondere der Sarbanes Oxley Act zu nennen, der als Reaktion auf den Enron-Skandal vom USKongress im Jahre 2002 verabschiedet wurde und für alle Un-
Begriff
[1] Horváth, Peter: Controlling, Abschnitt 1.3, 12. Auflage, München (Vahlen) 2011 [2] Controller Verein e.V.: Controller Statements, Seite 3, Loseblattsammlung Gauting o. J. [3] Weber, Jürgen, Utz Schäffer: Sicherstellung der Rationalität von Führung als Aufgabe des Controlling? In: Zeitschrift DBW Heft 99/06 [4] Küpper, Hans-Ulrich: Controlling, Abschnitt 1.4.1, 4. Auflage, Stuttgart (Schäffer-Poeschel 2005) [5] Reichmann Thomas: Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten, Abschnitt C.2, 7. Auflage, München (Vahlen) 2006
Corporate Governance
Corporate Governance ternehmen gilt, die bei der US Securities and Exchange Commission (SEC) registriert sind. Im deutschen Rechtsraum können zahlreiche Eingriffe des Gesetzgebers nachgewiesen werden, deren Ziel es ist, eine aktive Aufsichtsratsüberwachung zu etablieren (Kapitel 2). Auf der Ebene des soft-law haben sog. Verhaltenskodizes eine herausragende Bedeutung erlangt. Die Veröffentlichung von Richtlinien einer im Unternehmen tatsächlich umsetzbaren und in der Praxis auch wirksamen Corporate Governance (Good Corporate Governance) ist insbesondere von USamerikanischen Investoren vorangetrieben worden. Das prominenteste Beispiel für Deutschland ist der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) (vgl. dazu Kapitel 2). Die Entwicklung des DCGK, der gesetzliche Verpflichtungen, Empfehlungen und Anregungen für eine gute Good Corporate Governance enthält, ist ein gutes Beispiel für die u. U. enge Verbindung zwischen „soft law“ und „hard law“, da immer mehr seiner Empfehlungen in Gesetzesinitiativen münden. Daher wird der DCGK oft auch als trojanisches Pferd für den Gesetzgeber kritisiert. 2 Regulatorische Grundlagen zur Corporate Governance Durch die bereits erwähnten Unternehmenskrisen wurden sowohl die Öffentlichkeit als auch der Gesetzgeber auf die Probleme in der Unternehmensführung und im ►Risikomanagement in der deutschen Unternehmenspraxis aufmerksam. Daraus resultierend wurden verschiedene Gesetze und Verhaltenskodizes verabschiedet, die die Unternehmensüberwachung immer weiter verbessern und das Risikobewusstsein prägen sollen (vgl. Abbildung C14). Im Folgenden sollen mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), dem Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) sowie dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) drei Initiativen vorgestellt werden, die in Deutschland eine besonders große Relevanz haben [5]. Das KonTraG konkretisiert insbesondere die Vorschriften für ein Überwachungs- und Risikofrüherkennungssystem [6]. Der § 91 Abs. 2 AktG ist zentraler Bestandteil des KonTraG. Er bestimmt die Organisationspflicht des Vorstandes und verlangt die Einrichtung eines Frühwarnsystems. Darin wird der Vorstand verpflichtet, „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig erkannt werden“. Dies beinhaltet die Gestaltung eines geeigneten Risikomanagements, kann aber auch zur Einrichtung einer angemessenen Internen Revision herangezogen werden. Wird die Sorgfaltspflicht durch die Vorstandsmitglieder verletzt, kann Schadensersatz vom Vorstand verlangt werden [7], [8]. Wie ein angemessenes Risikomanagement- und Frühwarnsystem auszusehen hat, wird jedoch nicht durch Gestaltungshilfen oder konkrete Empfehlungen aufgezeigt [9]. Lediglich eine Orientierungshilfe wurde vom Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) nach § 317 Abs. 4 HGB verabschiedet. In dieser
Corporate Governance werden die nachfolgenden Maßnahmen angeführt [10]: ◼ die Risikofelder sind zu bestimmen, ◼ eine Risikoerkennung, -analyse und -kommunikation ist durchzuführen, ◼ Aufgaben und Zuständigkeiten sind zuzuordnen, ◼ ein Überwachungssystem ist zu implementieren und ◼ die eingeleiteten Schritte sind zu dokumentieren. Überdies verpflichtet das KonTraG die Unternehmen dazu, die Risiken möglicher Entwicklungen nach § 289 HGB in einem Lagebericht darzulegen [11]. Die Schwerpunkte, des KonTraG, die für die Aufsichtsratspraxis von Bedeutung sind, sind in Abbildung C15 dargestellt und lauten wie folgt [12]: ◼ Die Beziehungen zwischen Abschlussprüfern und Aufsichtsräten neu ausrichten. ◼ Ein Überwachungs- und Risikofrüherkennungssystem einführen. ◼ Durch § 147 Abs. 3 AktG die Haftung durch eine Organklage verschärfen. Das TransPuG trat am 26. 07. 2002 in Kraft und ändert das Aktiengesetz sowie das HGB, womit es die gesetzlichen Bestimmungen zur Unternehmensleitung weiterentwickelt. Diese dienen der Verbesserung der Corporate Governance in Deutschland, was der Forderung der Baums-Kommission entspricht [13]. Die Bestimmungen setzen dazu an der Steigerung der Effizienz der Aufsichtsratstätigkeit, einer Stärkung der Verantwortung der Aufsichtsräte und einer verbesserten Informationsversorgung der Aufsichtsräte durch Abschlussprüfer und den Vorstand an [14], [15]. Darüber hinaus werden Aufsichtsräte und Vorstände mit dem §161 AktG dazu verpflichtet, den Stand der Umsetzung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) im eigenen Unternehmen jährlich zu erklären. Hier zeigt sich, dass der DCGK eine Funktion als „soft law“ sowie einen normativen Charakter aufweist [16]. Nachfolgende Veränderungen, die aus dem TransPuG hervorgehen, sind insbesondere für Aufsichtsräte von fundamentaler Bedeutung und in Abbildung C16 dargestellt [17]: ◼ Gemäß § 110 Abs. 3 AktG sind pro Halbjahr mindestens zwei Aufsichtsratssitzungen durchzuführen. ◼ Nach § 90 Abs. 1 Ziff.1 AktG ist der Vorstand dazu verpflichtet, Abweichungen von der geplanten Geschäftsentwicklung rechtzeitig und in Textform (vgl. § 90 Abs. 4 und 5 AktG) an den Aufsichtsrat zu übermitteln und zu begründen. ◼ Ergebnisse und Prozesse der Aufsichtsratsausschüsse sind dem Aufsichtsrat mitzuteilen (vgl. § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG). ◼ Ein zusätzlicher Bericht vom Vorstand kann durch jedes Mitglied des Aufsichtsrats angefordert werden (vgl. § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG). ◼ Der Aufsichtsrat ist gemäß § 116 Satz 2 AktG zur Geheimhaltung von empfangenen vertraulichen Informationen verpflichtet.
169
C
Corporate Governance
Corporate Governance
Abb. C14: Wesentliche Initiativen zur Verbesserung der Überwachung durch den Aufsichtsrat
Rechtsquelle 01.05.1998 KonTraG
Bedeutung für die Unternehmenspraxis
Einrichtung eines Systems nach § 91 Abs. 2 AktG, Prüfung nach § 317 Abs. 4 HGB – Neudefinition der Beziehung zw. AR & WP – Verschärfung der Haftung durch eine Organklage (§ 147 Abs. 2 AktG)
Implementierung eines konformen Risikofrüherkennungs- und Überwachungssystems – Erteilung des Prüfungsauftrages durch den AR; ggf. Definition von Prüfungsschwerpunkten – Verschärfte Haftung für Organmitglieder
06.07.2002 TransPuG Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, damit Verankerung des DCGK als „soft law“ – Verpflichtung zur Verabschiedung eines Katalogs zustimmungspflichtiger Geschäfte nach § 111 Abs. 4 AktG – Verpflichtung des Vorstands auf eine FollowUp-Berichterstattung durch § 90 Abs. 1 S. 1 AktG
Konkretisierung der gesetzl. Pflichten, Erweiterung/Spezifikation der Sorgfaltspflichten – Zustimmungspflicht des Aufsichtsrates bei Entscheidungen und Maßnahmen von existentieller Bedeutung für die Gesellschaft – Erweiterte Informationsversorgung des Aufsichtsrates durch die Darstellung der Entwicklung von verabschiedeten/vereinbarten Zielen
06.07.2002 DCGK
Konkretisierung gesetzl. Verpflichtungen und zusätzliche Empfehlungen und Anregungen – Informationsversorgung des Aufsichtsrat als gemeinsame Aufgabe von Vorstand und Aufsichtsrat
Jährlich abzugebende Erklärung der Organe über Umsetzung des DCGK und Verpflichtung des Aufsichtsrates auf die „beratende Kontrolle“ – Empfehlung einer regelmäßigen Effizienzprüfung
10.12.2004 BilReG
Ausweitung der Prognoseberichterstattung des Lageberichts (§ 289 Abs. 1 S. 4 HGB) – Erweiterung der Prüfungspflicht (§ 317 Abs. 2 S. 2 HGB) Modifikation des § 142 AktG verschärft das Haftungsrisiko der Organe – Kodifizierung der Business Judgement Rule durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG
Verpflichtende Darstellung von Risiken und Chancen im Lagebericht – Bedeutungszunahme: Prämissen der Unternehmensplanung als Überwachungsgegenstand
29.05.2009 BilMoG
Financial Expert: AR-Mitglied muss über Sachverstand in Rechnungslegung/Abschlussprüfung verfügen (§§ 100 Abs 5, 107 Abs. 4 AktG) – Einrichtung eines Prüfungsausschusses; Aufgaben werden spezifiziert (§ 107 Abs. 3 S. 2 AktG) – Anforderungen: Entsprechenserklärung
Anforderungen an Qualifikation steigt, weiterer Schritt zur Stärkung des Aufsichtsrates, Zusammensetzung des AR nimmt an Bedeutung zu – Intensive(re) Auseinandersetzung mit Rechnungslegungsprozess, Risikomanagement und Compliance – Größerer Anwenderkreis, Begründungspflicht
05.08.2009 VorstAG
Plenum beschließt Vorstandsvergütung; Schadensersatzpflicht AR bei Unangemessenheit (§§ 107 Abs. 3 S.3, 116 S. 3 AktG) – „Say on Pay“: unverbindlicher Beschluss der HV zur Billigung der Vorstandsvergütung (§120 Abs. 4AktG) – Karenzzeit von 2 Jahren für den Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat
Höhere Verantwortung des Aufsichtsrats bei der Vorstandsvergütung; stärkere Berücksichtigung langfristiger Faktoren – Gefahr der öffentlichkeitswirksamen Abstrafung von Vorstand und Aufsichtsrat – Stärkung der Unabhängigkeit des Aufsichtsrates, Betonung seiner Autonomie
C
01.11.2005 UMAG
Legende
KonTraG: TransPuG: DCGK: BilReG: UMAG: BilMoG: VorstAG:
Bestimmung des Haftungsfreiraums der Organmitglieder – Ermessensspielraum für Vorst. & AR, wo fehlgeschlagene Maßnahmen nicht zur Haftung führen
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Transparenz- und Publizitätsgesetz (=Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität) Deutsche Corporate Governance Kodex Bilanzrechtsreformgesetz Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (=Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts) Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung
Quelle: Kißler 2011, S. 127
◼ Zustimmungsbedürftige Geschäfte sind durch den Aufsichtsrat anzuführen (vgl. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG). Der Vorstand darf über diese Geschäfte nur mit vorherigem Einverständnis des Aufsichtsrats entscheiden. Der DCGK verfolgt drei Ziele [18]: ◼ Die geordnete Dokumentation deutscher GovernanceGrundsätze
170
◼ Die Kodifizierung des Kerngedankens der Transparenz ◼ Die Flexibilisierung ordnungspolitischer Rahmengrundsätze. Der Kodex stellt sog. „Soft Laws“ dar. Er dient der Ergänzung bereits bestehender Gesetze und kann schnell angepasst werden. Zur Gewährleistung der Qualität der Corporate Governance in Deutschland werden internationale Best Practices
Corporate Governance
Corporate Governance
Abb. C15: Schwerpunkt der Neuerungen für die Aufsichtsratspraxis durch das KonTraG Was die Bestimmungen des Kodex anbelangt, können vier Arten von Maßgaben unterschieden werden (vgl. Abbildung C18). Implementierung Neudefinition der eines Risikofrüherkennungs- und Überwachungssystems
Beziehung zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)
Trotz fehlender gesetzlicher Verbindlichkeit hat sich der DCGK als „Leitfaden“ zur Ausgestaltung einer Good Corporate Governance in deutschen Großunternehmen etabliert (zur Akzeptanzentwicklung vgl. [20]).
Verschärfung der Haftung durch eine Organklage durch § 147 Abs. 3 AktG
3 Corporate Governance Systeme Im internationalen Vergleich gibt es für die Führung und Überwachung einer Aktiengesellschaft unterschiedliche Systeme, die sich im Wesentlichen durch die Verteilung der Kontroll- und Leitungsfunktion auf die Organe unterscheiden. Abb. C16: Schwerpunkt der Neuerungen für die Aufsichtsratspraxis durch das TransPuG Grundsätzlich lassen sich zwei gegensätzliche VerbesseCorporate Governance Systeme identifizieren: rung der Informationsbasis Anpassung der SchwellenDas monistische und das dualistische System der Aufsichtsratsmitglieder, Konkrewerte für die Größenklassen der [21]. Während beim monistischen System, dass tisierung von VerantwortlichKapitalgesellschaften keiten eher im angelsächsischen Raum vorherrscht, LeiTransparenz- und tungs- und Kontrollfunktionen in einem Organ Publizitätsgesetz zusammengefasst sind, gilt für deutsche Aktienge(TransPuG) sellschaften das dualistische System, bei dem eine Entsprechenserklärung strikte Trennung der Funktionen erfolgt. zum Deutschen Corporate Governance Kodex nach § 161 AktG
flexibel in den Kodex eingebunden. Der DCGK ist in sieben Kapitel bzw. Themenkomplexe gegliedert (vgl. Abbildung C17; ausführlich [19]) Abb. C17: Aufbau der DCGK
Abschnitt 1: Präambel Abschnitt 2: Aktionäre und Hauptversammlung Abschnitt 3: Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat Abschnitt 4: Vorstand Abschnitt 5: Aufsichtsrat Abschnitt 6: Transparenz Abschnitt 7: Rechnungslegung und Abschlussprüfung
Das angelsächsisch geprägte, monistische System der Corporate Governance ist durch ein einheitliches Organ der Unternehmensleitung und -kontrolle, dem Board of Directors, gekennzeichnet. Aufgrund des einheitlichen Organs für Führung und Überwachung der Gesellschaft wird das monistische System auch als One-Tier-System bezeichnet. Das Board of Directors wird vom Shareholder Meeting, und somit ausschließlich von den Anteilseignern gewählt. Hierdurch erfolgt eine starke Shareholderorientierung, wohingegen die übrigen Stakeholderinteressen bei der Besetzung zunächst nicht berücksichtigt werden [22]. Durch den großen Einfluss der Anteilseigner auf die Unternehmensführung wird für dieses Corporate Governance System auch der Begriff der Market Governance verwendet [23]. Das Board of Directors übernimmt sowohl die Leitungs- bzw. Managementfunktionen als auch die Kontroll- bzw. Treuhandfunktionen in der Gesellschaft. Die Leitungsfunktionen werden von unternehmensinternen Inside-Directors wahrgenommen, die Kontrollaufgaben von unternehmensexternen Outside-Directors. Die Inside-Directors, die hauptamtlich für das Unternehmen tätig sind, sind für die Leitung und Vertretung der Gesellschaft verantwortlich. Aufgrund dieser operativen Geschäftsführungs- bzw. Managementaufgaben werden sie auch als Management Directors bzw. Managing Directors oder Executive Directors bezeichnet. Die zweite, nicht geschäftsführende Gruppe der Outside-Directors, die auch non-executive Directors genannt wird, muss zwingend unabhängig vom Unternehmen sein, da sie die Arbeit des gesamten Boards zu kontrollieren hat. Die Outside-Directors
171
C
Corporate Governance
Corporate Governance
Abb. C18: Maßgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)
Maßgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)
C
Anregungen (Kann oder Sollte)
Empfehlungen (Soll)
Gesetzesauslegungen (Soll)
Gesetzeswiedergaben (Muss)
Abweichung auch ohne Offenlegung
Abweichung mit Entsprechenserklärung
Rechtsmeinung, aber kein zwingendes Recht
Geltendes Recht
stellen üblicherweise die Mehrheit aller Mitglieder im Board dar [24], [25], [26]. Im Gegensatz zum monistischen System mit nur einem Organ für Leitungs- und Kontrollaufgaben wird das für deutsche Aktiengesellschaften geltende dualistische System durch eine strikte Trennung dieser beiden Aufgaben charakterisiert. Die Kontrollfunktion wird vom Aufsichtsrat, die Leitungsfunktion vom Vorstand der Aktiengesellschaft wahrgenommen. Aufgrund der Zweiteilung der Aufgaben wird das dualistische System auch als Two-Tier-System bezeichnet [27]. Abbildung C19 stellt die Gestaltung des dualistischen Führungsprinzips grafisch dar. Abb. C19: Führung und Überwachung im dualistischen System Dualistische Führungsspitze Aufsichtsrat (Überwachungsorgan)
Institutionelle (strukturelle) Überwachung
Vorstand (Geschäftsführungsorgan) prozessuale
prozessuale
Überwachung
Überwachung
(Kontrolle)
(Kontrolle) (Geschäfts-)Führungsmaßnahmen
Überwachungsaufgabe Führungsaufgabe
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Bleicher/Leberl/Paul 1989, S. 45
Im Rahmen des deutschen dualistischen Systems werden nicht ausschließlich die Anteilseignerinteressen berücksichtigt. Durch unternehmerische Mitbestimmungsregelungen zur Besetzung des Aufsichtsrats werden auch Arbeitnehmerinteressen mit einbezogen [28]. Zwar wählt die Haupt-
172
versammlung die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat, in mitbestimmten Aufsichtsräten werden in Anhängigkeit von der Unternehmensgröße jedoch auch einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats von den Arbeitnehmern gewählt. Aufgrund des Einflusses zahlreicher Stakeholder wie Banken, Kunden sowie insbesondere auch der Mitarbeiter auf die Unternehmensführung wird für dieses Corporate Governance System auch der Begriff der Managed Governance verwendet [29]. Die Trennung von Führung und Kontrolle zählt zu den Stärken des dualistischen Systems und führt gleichermaßen zur Erleichterung des Aufbaus von langfristigen Beziehungsgefügen mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen und die Berücksichtigung ihrer Interessen. Durch die strikte Trennung von Leitung und Kontrolle wird die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats bei der Überwachungstätigkeit gewährleistet [30]. Allerdings wird bemängelt, dass die Orientierung an den zahlreichen Stakeholderinteressen eine zielgerichtete Unternehmensführung erschwert sowie dass die Qualität der Aufsichtsratstätigkeit von den vom Vorstand bereitgestellten Informationen abhängig ist (vgl. zu den Organen im dualistischen System [31]. 4 Überwachung als Bestandteil der Corporate Governance Es werden verschiedene Grundelemente der Überwachung unterschieden. Hierzu zählen der Überwachungsgegenstand, die Überwachungsnorm, der Überwachungsträger sowie das Überwachungsurteil [32], [33]. Überwachungsgegenstand Der Aufsichtsrat überwacht die Führung des Unternehmens (vgl. §111 Abs. 1 AktG). Als die wesentlichen zu überwachenden Rahmenhandlungen sind zu nennen [34]: ◼ Treffen langfristiger strategischer Entscheidungen ◼ Entwicklung und Implementierung eines Planungs- und Kontrollsystems ◼ Die Konzipierung und Einführung des Organisationssystems
Corporate Governance Überwachungsträger Zu den Überwachungsträgern zählen insbesondere der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung (Anteilseigner), die Interne Revision, Regulatoren und die Abschlussprüfer, gegebenenfalls sogar der Vorstand selbst [35], [36]. Die Merkmale der wichtigsten Überwachungsträger werden in Abbildung C20 dargestellt (vgl. ausführlich [37]). Überwachungsnorm Damit die Ist-Objekte mit einer Basis verglichen und aus diesem Vergleich entsprechende Abweichungen abgeleitet werden können, müssen Überwachungsnormen bzw. SollObjekte existieren. Das Soll-Objekt muss nicht nur dem Überwachungsträger (z.B. Aufsichtsrat), sondern auch dem
Corporate Governance Überwachungsgegenstand (z. B. Vorstand) bekannt sein. Für den Aufsichtsrat sind insbesondere vier Bereiche relevant (vgl. [38][39]): ◼ Rechtsmäßigkeit ◼ Ordnungsmäßigkeit ◼ Zweckmäßigkeit ◼ Wirtschaftlichkeit Überwachungsurteil Die Zusammenfassung der Überwachungsergebnisse erfolgt im Überwachungsurteil. Dieses beinhaltet eine Stellungnahme zur Übereinstimmung zwischen Soll- und Ist-Objekten und die Einleitung von adäquaten Maßnahmen zur Vermeidung von Abweichungen [40].
Abb. C20: Überwachung als Bestandteil der Corporate Governance nach Instrumenten und Überwachungsträgern Instrumente
Einzelinstrumente (Beispiele)
Überwachungsträger Überwachungsadressat
Interne Revision
Financial Auditing, Operational Auditing, Management Auditing, Internal Auditing in jeweils ergebnisund verfahrensorientierter Form
Interne Revision
Externe Revision im Rahmen der Abschlussprüfung
Jahresabschlussprüfung, etwa mit Beurteilung der Abschlussprüfer Angemessenheit der Going concern-Annahme, Rede- (Wirtschaftsprüfer) pflicht des Abschlussprüfers nach § 321 HGB, Prüfung des Lageberichts nach § 317 Abs. 2 HGB, Prüfung der Risikoberichterstattung im Lagebericht, Prüfung eines freiwillig in den Lagebericht aufgenommenen Value reportings (Empfehlung der SchmalenbachGesellschaft)
Unternehmensleitung, Linienverantwortliche Aufsichtsrat, Aktionäre, Gläubiger
Externe Revision im etwa Überschuldungsprüfung oder Sanierungsprüfung Sonderprüfer Rahmen von Sonder- (Erstellung eines Sanierungskonzeptes) (Wirtschaftsprüfer), prüfungen Unternehmensberater
Aufsichtsrat, finanzierende Banken
Bonitsprüfung durch Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines kreditfinanzierende Kreditnehmers nach § 18 Satz 1 KWG, bankinterne Banken und externe Ratingverfahren nach “Basel II“
Kreditinstitute, Ratingagenturen, Regulierer
Kreditentscheidende Gremien bankintern, Kapitalmarkt, mittelbar: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zum Zwekke der Eigenkapital-Hinterlegung
Hauptversammlung
Entlastung, Zustimmungsverweigerung, Anpassung der Tagesordnung, Besetzung des Aufsichtsrates
Aktionäre
Kapitalmarkt, sonstige Stakeholder, Aufsichtsrat, Vorstand
Aufsicht durch Aufsichtsbehörden
gesetzlich normierte Aufsicht, zweistufiges Enforcement der Rechnungslegung nach BilKoG
Aufsichtsbehörde, z.B. BaFin
Gesellschaft, Aktionäre, Gläubiger
Aufsicht durch obligatorischen Aufsichtsrat
Überwachung der Geschäftsführung nach § 111 Abs. Aufsichtsrat, ggf. mit 1 AktG durch Bildung eines unabhängigen Urteils von Ausschüssen der Ordnungsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung; die Aufsichtsratstätigkeit konkretisiert sich unter anderem in Aufsichtsratssitzungen und AufsichtsratsAusschüssen
Aktionäre
Aufsicht durch fakultativen Aufsichtsrat
Beirat, Aufsichtsrat, freiwillige Bildung eines Aufsichtsrats, Beirats etc., der je nach Ausgestaltung Überwachende Funktionen ggf. mit Ausschüssen übernehmen kann
Aktionäre
Quelle: In Anlehnung an Paetzmann 2008b, S. 139 und 161 sowie eigene Ergänzungen.
173
C
Corporate Governance
C
5 Ausblick Die implizite Hypothese der Corporate-Governance-Debatte unterstellt, dass Good Corporate Governance einen positiven Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet. Die empirische Bestätigung eines positiven Zusammenhangs zwischen Corporate Governance und Unternehmenserfolg ist aber keineswegs gesichert. So kommen sowohl deutsche als auch amerikanische Studien zu äußerst widersprüchlichen Ergebnissen [41]. Dies ist insbesondere zurückzuführen auf die unterschiedliche theoretische Konzeptionalisierung, die unterschiedliche Operationalisierung der unabhängigen und abhängigen Variablen, die mangelnde Berücksichtigung relevanter Kontextfaktoren sowie die Dominanz von Querschnittsuntersuchungen. Die Thematisierung individueller Variablen der Corporate Governance Akteure, wie etwa ihre Einstellungen, ihr Verhalten gegenüber relevanten Stakeholdern, das Vertrauen der Akteure untereinander und gegenüber den Interessensgruppen ist zu fordern und wird nur sehr zögerlich von der sogenannten Board-Dynamics Forschung aufgegriffen [42]. Vor diesem Hintergrund sind die Stimmen einflussreicher Aufsichtsräte verständlich, die in einem zuviel an Corporate Governace-Regeln eine Wertvernichtung des Unternehmens durch Bürokratie befürchten. Als Beispiele für einige Themen, die einer besonders intensiven Kritik ausgesetzt sind, können genannt werden [43]: ◼ Die Cooling-off Regel, die den Wechsel eines Vorstandsmitgliedes in den Aufsichtsrat erst nach zweijähriger Wartezeit erlaubt. ◼ Das Thema Diversity, das in der Diskussion in erster Linie mit dem Fokus auf Gender-Diversity behandelt wird. ◼ Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Aufsichtsräte. Die keineswegs vollständige Aufzählung einzelner Beispiele zeigt, dass die Unternehmenspraxis mit einer Fülle gesetzlicher Regelungen und Empfehlungen konfrontiert wird, deren gemeinsames Ziel es ist, Good Corporate Governance in Deutschland zu implementieren. Aus der Sicht der Aufsichtsräte übersteigen die mit jeder Maßnahme verbundenen Zusatzkosten häufig den erwarteten Zusatznutzen. Es wäre daher wünschenswert, die Menge und Geschwindigkeit an gesetzlichen Regeln und Kodexempfehlungen zu reduzieren und im Vorfeld empirisch begründete Effizienzanalysen durchzuführen. Im Hinblick auf die Bedeutung von Corporate Governance für das Qualitätsmanagement als auch des Qualitätsmanagements für die Durchsetzung von Corporate Governance ist zu erwähnen, dass es diesbezüglich noch keine schlüssigen Konzepte gibt. Im Jahre 2003 konnte Barton hierzu feststellen, dass der neue „Corporate-Governance-Kodex … verabschiedet (wurde), ohne auch nur im Ansatz Gedankengut der Organisational Excellence aus dem hierfür prädestinierten ►EFQM-Modell zu verwenden“ [44] und somit die „Chance verpasst“ worden ist, Ansätze des Qualitätsmanagements in
174
Corporate Governance der Corporate-Governance-Gesetzgebung zu berücksichtigen. Abgesehen vom ►Risikomanagement, das – wie einleitend dargestellt – von Corporate Governance gefordert wird und zunehmend im Qualitätsmanagement Berücksichtigung findet [45], [46], [47] gibt es keine durchgängigen Ansätze, die Methoden des Qualitätsmanagements mit den Forderungen und Regeln von Corporate Governance „zu verbinden“, auch wenn zwischenzeitlich der eine oder andere Gedankengang hierzu in die Literatur einfließt [48 bis 52]. Generell ist insbesondere auf das sogenannte „New Movement“ zu hoffen, „eine Neue Bewegung in der European Foundation for Quality Management (EFQM), die auf EEA und EFQM aufsetzt“ und auch „Corporate Governance, gesellschaftliche Verantwortung oder Nachhaltigkeit einschließen“ [53] könnte. Basis für eine Systematik im Qualitätsmanagement könnte sein, dass Corporate Governance (oben auch aufgeführte) Maßnahmen und Verhaltensregeln vorschreibt, die auch für das Qualitätsmanagement eine wesentliche Rolle spielen können, wie beispielsweise ◼ die Stärkung der Verantwortung und die Steigerung der Effizienz der Kontrollorgane (Aufsichtsräte) und damit verbunden ◼ die Notwendigkeit der verbesserten Informationsversorgung der Aufsichtsräte durch Abschlussprüfer, woraus sich unmittelbar die Kontrollpflicht zur ◻ Überwachung der Unternehmensleitung in Bezug auf die Rechts-, Ordnungs- und Zweckmäßigkeit bzw. Wirtschaftlichkeit ihrer operativen und strategischen Entscheidungen, ◻ Einrichtung eines Frühwarnsystems, ◻ Gestaltung eines geeigneten Risikomanagements und zur ◻ Durchsetzung von Schadenersatzforderungen gegenüber dem Management (Vorstand) ergibt. Dem Management selbst kommen dabei verstärkt Pflichten zu, wie beispielsweise ◻ Abweichungen von der geplanten Geschäftsentwicklung rechtzeitig an den Aufsichtsrat zu übermitteln und zu begründen, ◻ Stellungnahmen zur Übereinstimmung zwischen Soll- und Ist-Objekten und die Einleitung von adäquaten Maßnahmen zur Vermeidung von Abweichungen dem Aufsichtsrat mitzuteilen usw. All diese Regeln und Forderungen sind nämlich zugleich Qualitätskriterien, allerdings nur hinsichtlich ihrer tatsächlichen Umsetzung im Unternehmen. Dies bedeutet zugleich, dass die Qualität der Kriterien bezogen auf Corporate Governance erst an ihrem Erfüllungsgrad messbar ist. Anders ausgedrückt, erst mit der Garantie zur Um- und Durchsetzung der Corporate-Governance-Regeln wird Corporate Governance im Sinne des Qualitätsbegriffes, nämlich dem Vermögen oder der Fähigkeit die unternehmensinternen Prozesse gemäß den
Corporate Governance Gesetzesforderungen nach Corporate Governance in der Praxis tatsächlich auch zu erfüllen, zu einer „Good Corporate Governance“. Welche Rolle in Zukunft dabei das Qualitätsmanagement der Unternehmen spielen wird, muss weitergehenden Untersuchungen sowie der Ausarbeitung von geeigneten Konzepten – sowohl durch das Qualitätsmanagement selbst, als auch den Unternehmensleitungen und den Kontroll- und Aufsichtsorganen – vorbehalten bleiben. Univ.-Prof. em. Dr. Martin K. Welge, Herdecke Literatur
[1] von Werder, A.: Führungsorganisation, Grundlagen der Corporate Governance, Spitzen- und Leistungsorganisation, Wiesbaden 2008 [2] Maak, Th./Ulrich, P.: Integre Unternehmesführung. SchäfferPoeschel Verlag, Stuttgart 2007, S. 212 [3] Smith, A./Recktenwald, H.C.: Corporate Governance. In: Gablers Wirtschaftslexikon, 16. Aufl., Wiesbaden 2004, S. 621-634 [4] von Werder, A.: Ökonomische Grundfragen der Corporate Governance. In: Handbuch Corporate Governance: Leitung und Überwachung börsennotierter Unternehmen in der Rechts- und Wirtschaftspraxis, hrsg. v. Hommelhoff, P./Hopt, K.J./von Werder, A., Köln-Stuttgart 2003, S. 3-27 [5] Welge/Eulerich: Corporate Governance Management. Theorie und Praxis der guten Unternehmensführung. 2. Aufl., Wiesbaden 2014 [6] Fiege, S./Reimers, M.: Perspektiven des strategischen Controllings, Wiesbaden 2009 [7] Gleißner, W.: Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, München 2008 [8] Bitz, H.: Risikomanagement nach KonTraG. Einrichtung von Frühwarnsystemen zur Effizienzsteigerung und zur Vermeidung persönlicher Haftung, Stuttgart 2000 [9] Martin, T.A./Bär, T.: Grundzüge des Risikomanagements nach KonTraG. Das Risikomanagement zur Krisenfrüherkennung nach § 91 Abs. 2 AktG, München 2002 [10] IDW Prüfungsstandard: Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB (IDW PS 340). In: Wirtschaftsprüfung, Heft 16, 1999, S. 658-662 [11] s. [5] [12] Diederichs, M./Kißler, M.: Aufsichtsratreporting. Corporate Governance, Compliance und Controlling, München 2008 [13] Littger, M.: Deutscher Corporate Governance Kodex – Funktion und Verwendungschancen, Diss., Köln 2006 [14] Müller, H.: Unternehmenswert im Spannungsfeld von Investorenvertrauen und Kapitalmarkttheorie. Theoretische Modellierung und praktische Anwendung zur Bewertung des Deutschen Corporate Governance Kodex, Berlin 2007 [15] Fiege, S.: Risikomanagement- und Überwachungssystem nach KonTraG. Prozess, Instrumente Träger, Diss., Wiesbaden 2006 [16] s. [14] [17] Lutter, M./Krieger, G.: Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl., Köln 2008 [18] Pfitzer, N./Oser, P.: Deutscher Corporate Governance Kodex – Ein Handbuch für Entscheidungsträger, 1. Aufl., Stuttgart 2005 [19] s. [5] [20] s. [5] [21] Schewe, G.: Unternehmensverfassung. Corporate Governance im Spannungsfeld von Leitung, Kontrolle und Interessenvertretung, 2. Aufl., Berlin, Heidelberg 2010
Kundenorientierung [22] Kuck, D.: Aufsichtsräte und Beiräte in Deutschland: Rahmenbedingungen, Anforderungen, professionelle Auswahl, Wiesbaden 2006 [23] Paetzmann, K.: Corporate Governance. Strategische Marktrisiken, Controlling, Überwachung, Heidelberg 2008 [24] s. [21] [25] s. [22] [26] s. [5] [27] s. [22] [28] Pönisch, S.: Die Entwicklung des deutschen Systems der Corporate Governance: Analyse und Entwicklungsdynamiken, Saarbrücken 2008 [29] s. [23] [30] Mallin, C.A.: Corporate Governance, 3. Aufl., Oxford 2010 [31] s. [5] [32] Lück, W.: Audit Committees – Prüfungsausschüsse zur Sicherung und Verbesserung der Unternehmensüberwachung in deutschen Unternehmen. In: Der Betrieb, Jg 52, 1999, S. 441-444 [33] s. [5] [34] Frese, E.: Grundlagen der Organisation: Konzept – Prinzipien – Strukturen, 9. Aufl., Wiesbaden 2005 [35] Griewel, E.: Ad-hoc Publizität und Zwischenberichterstattung im deutschen Corporate Governance-System, Diss., Wiesbaden 2006 [36] Eulerich M./Welge, M.K.: Strategische Unternehmens-überwachung durch den mitbestimmten Aufsichtsrat in Krisenzeiten, Arbeitspapier Nr. 225 der Hans Böckler Stiftung, Düsseldorf 2010 [37] s. [5] [38] s. [36] [39] s. [5] [40] Grothe, P.: Unternehmensüberwachung durch den Aufsichtsrat – Ein Beitrag zur Corporate Governance Diskussion in Deutschland, Frankfurt a.M. 2006 [42] s. [5] [43] s. [5] [41] s. [5] [44] Barton, P.: Chance verpasst – Potenzial nicht ausgeschöpft: der neue Corporate-Governance-Kodex. QZ – Qualität und Zuverlässigkeit 03/2003 [45] Brühwiler, R.: Neue Standards im Risikomanagement – ISO/ DIS 31000 und ONR 49000:2008. MQ – Management und Qualität 05/2008 [46] Brühwiler, R.: Neue Standards im Risikomanagement. QZ – Qualität und Zuverlässigkeit 5/2008 [47] Sicher(er) in die Zukunft – Neue Standards für das Risikomanagement. QZ – Qualität und Zuverlässigkeit 07/2008 [48] Hartig, F., Hertel, G., Bolenz, K., Eckel, G.: Sprint in die Zukunft – Experten diskutieren Automotive Excellence als Hoffnungsträger der deutschen Automobilindustrie. QZ – Qualität und Zuverlässigkeit 05/2002 [49] Funck, Th.: Führungsverantwortung in neuem Licht. QZ – Qualität und Zuverlässigkeit 06/2003 [50] Petrick, K.: Nicht ohne den Aufsichtsrat! Qualität und Zuverlässigkeit. QZ – Qualität und Zuverlässigkeit 04/2006 [51] Adams, H. W.: Kampf der Korruption! Wie Korruption frühzeitig erkannt und verhindert wird. QZ – Qualität und Zuverlässigkeit 02/2007 [52] Nelson-Rowe, L.: Am Puls der globalen Qualität. Die Ausrichtung einer Organisation an den Qualitätszielen und -maßnahmen mit ihren strategischen Gesamtzielen.), QZ – Qualität und Zuverlässigkeit 12/2013 [53] Bewegung in die EFQM! QZ – Qualität und Zuverlässigkeit 04/2006
175
C
Begriff
Cradle to Cradle
Corporate Identity
nehmungsphilosophischen Annahmen bewusst zu sein, die erst die Qualitätspolitik fundieren. Insofern erfordern das Entwerfen von ►Qualitätsleitbildern und konzeptionelle Überlegungen zur Qualitätskultur (►Unternehmenskultur) eine Explikation und Darlegung der Unternehmensphilosophie. Die hieraus abgeleiteten Leitlinien sorgen eher für eine klare Positionierung des Unternehmens und zeigen gegenüber den Wettbewerben ein eigenständiges unverwechselbares Profil.
▶de: Unternehmensidentität ▶CI ▶Corporate Philosophy Corporate Identity bezeichnet die Ge samt heit der Aus drucksformen und Verhaltensweisen, die das leistungsbeeinflussende und öffentlichkeitswirksame Erscheinungsbild einer Organisation, insb. von Unternehmen bestimmen und von anderen Unternehmen unterscheiden. Im Strategischen Management und Marketingmanagement werden der CI die folgenden Elemente zugeordnet: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Corporate Behavior Corporate Communication Corporate Culture (►Unternehmenskultur) Corporate Design Corporate Language ►Corporate Philosophy (Unternehmensphilosophie)
Dies Begriffsbildungen, genauso wie der Begriff der Identität werden nicht trennscharf gebraucht. So wird im Englischen Corporate Design als Oberbegriff für CI gewählt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Zollondz, H.-D.: Grundlagen des Marketings. 5. Auflage Berlin (Bibliographisches Institut) 2012
Corporate Philosophy
▶de: Unternehmensphilosophie ▶CP Der deutsche Fachausdruck Unternehmensphilosophie ist ebenfalls geläufig. Da unter Philosophie im allgemeinen oft das Bemühen um die ganzheitliche Deutung des Seins verstanden wird, bedeutet die Übertragung des Begriffs auf den wirtschaftlichen Bereich, „die ganzheitliche In terpretation der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Funktion und Stellung des Un ter nehmens und der daraus abzuleitenden Sinnzusammenhänge und Wert be zü ge des Managements. Es geht ihr um eine vernünftige, gesellschaftlich verantwortbare unternehmerische Praxis. Als Teilbereich der Wirtschafts- und Sozialphilosophie kommt die Unternehmungsphilosophie ohne deren umfassendere Wertvorstellungen und Grundannahmen nicht aus.
Begriff
C
Corporate Identity
Die Unternehmenssphilosophie schließt so im Grunde immer drei Leitbilder ein: ◼ ein Menschenbild ◼ ein Leitbild der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ◼ ein ►Unternehmungsleitbild.“ [1] Gerade in der Praxis des → Qua li täts ma nagements wird oft unmittelbar bei der Unternehmungspolitik (►Qualitätspolitik) angesetzt, ohne sich der grundlegenden unter
176
Im Konzept des ►Integrierten Qualitätsmanagements [2] ist beispielhaft die Unternehmungsphilosophie als Input berücksichtigt worden (s. a. ►Qualitätsleitbild). Allerdings kann die „Philosophie“ eines Unternehmens auch als Leerformel gebraucht werden, die keine Wirkung und Veränderung zeigt. Solche Leerformeln erkennt man dann an Leitsätzen, die leere Luftblasen sind, von niemandem ernst genommen werden, austauschbare Allgemeinplätze darstellen, also Inhalte enthalten, die das Unternehmen gar nicht konsequent umsetzen will. Eine Unternehmensphilosophie, die eine solche Feigenblattfunktion erfüllt, dient oftmals der Stabilisierung von Machtstrukturen und entlarvt sich schließlich selbst. Das Internet ist gefüllt von solchen „Unternehmensphilosophien“, die sich oft in den Rubriken „Über uns“ finden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Ulrich, P.; Furi, E.: Management. Eine konzentrierte Einführung. 5. Aufl. Bern-Stuttgart 1988, S. 49 [2] Seghezzi, H. D.: Integriertes Qualitätsmanagement. Das St. Galler Konzept. München-Wien 1996
Corrective action
▶Korrekturmaßnahmen ▶HACCP-System Alle Maßnahmen, die erfolgen müssen, wenn die Ergebnisse der Überwachung (►Monitoring) eines CCP anzeigen, dass dieser außer Kontrolle gerät (dass Fehler oder Abweichungen auftreten).
CPM
▶Critical-path-Methode ▶M7 Die CPM wurde als erstes Verfahren der Netzplantechnik im Jahr 1957 entwickelt. Bei den Qualitätstechniken wird sie bei den ►M7 herausgestellt.
Cradle to Cradle (c2c)
▶de: Von der „Wiege zur Wiege“ ▶Nachhaltigkeit Ein Modell für industrielle Prozesse, in dem alle Materialien in geschlossenen biologischen oder technischen Kreisläufen fließen. „Abfälle“ existieren in diesem Sinne nicht, d. h. „Abfall“ ist – wie in der Natur – gleichbedeutend mit „Nahrung“. Der Ansatz geht neuerdings auf Michael Braungart zurück, ist
Craftmanship aber so alt wie die Menschheit und spielt heute noch in den sog. Entwicklungsländern eine Rolle. Er wird allgemein unter dem Begriff circular economy diskutiert. Informationen zu c2c finden sich im web u. a. unter www.c2c-ev.de www.braungart.com Literatur Braungart, M. und W. McDonough: Einfach intelligent produzieren. Berlin (Berliner Taschenbuch Verlag) 2005
Craftmanship
▶Wertschöpfungsmanagement
Credence Qualities
▶Operations Managment
Crew Resource Management (CRM) ▶Fehlermanagement
Critical Control Point
▶CCP ▶HACCP-System Eine Stufe, an der es möglich und notwendig ist, eine Gefahr für die Lebensmittelsicherheit (eine Gefahr für den Menschen durch Lebensmittel) unter Kontrolle zu bringen, d. h. zu vermeiden, auszuschalten oder auf ein akzeptables Maß zu reduzieren.
CRM Z. T. wird der Begriff synonym zu den Begriffen des Kundenbindungsmanagements, Kundenbeziehungsmanagements, Kundenbeziehungsmarketings gebraucht. Technisch gesehen geht es beim CRM um die Dokumentation und Verwaltung von Kundenbeziehungen, heute fast nur noch IT-basiert. Der Begriff hat in der IT somit eine spezielle Bedeutung im Softwarebereich erlangt. Aus der Sicht des Qualitätsmanagements ist CRM als verspätete Reaktion auf die bereits von ►Deming („The consumer is the most important part of the production line. Quality should be aimed at the needs of the customer, present and future.“ [3]) geforderte Kundenorientierung zu sehen. Das Kernelement von CRM bildet das Kundenbindungsmanagement, zum Beziehungsmanagement zählen sämtliche Beziehungen, die für das Unternehmen bedeutungsvoll sind, also auch die sog. Stakeholder (►interessierte Partei). In der nicht gerade spärlichen Literatur ist zu erkennen, dass sich CRM aus dem Beziehungsmanagement heraus entwickelt hat. Es beschränkt sich allerdings ausschließlich auf die Gestaltung der Beziehungen zum Kunden, wie aus Abbildung C21 zu sehen ist. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Abb. C21: Abgrenzungen Customer Relationship Management Beziehungsmanagement Customer Relationship Management
Critical-Incident-Reporting-Systeme (CIRS) ▶Fehlermanagement
Critical Incident Technique (CIT)
▶Erhebungsmethoden Kundenforschung ▶Messung der Dienstleistungsqualität
Kundenbindungsmanagement potenzielle Kunden
aktuelle Kunden
verlorene Kunden
Critical Quality Characteristics (CQC’s) ▶D7-Q-Techniken für Dienstleister
CRM
▶en: Customer Relationship Management ▶de: Kundenbeziehungsmanagement ▶Kundenzufriedenheit
Begriff
Mit dem Konzept des Customer Relationship Managements reagierten Marketing und Unternehmensführung zu Ende des 20. Jahrhunderts auf das Massenmarketing, indem eine individuelle Steuerung der bestehenden und potenziellen Kundenbeziehungen angestrebt wird [1, 2].
Sonstige Partner am Markt und interne Beziehungen
Literatur
[1] Zollondz, H.-D.: Grundlagen des Marketings. 5. Auflage Berlin (Bibliographisches Institut) 2012 [2] Zollondz, H.-D.: Marketing-Mix. 4. Auflage. Berlin (Bibliographisches Institut) 2012 [3] Deming, W. E.: Out of the Crisis, Cambridge, USA (MIT Press) 1982, p 5
CRM soll durch Planung, Durchführung, Kontrolle und Anpassung aller Unternehmensbereiche und unter Nutzung von IuK-Technologien mittels abgestimmter und kundenindividueller Marketing- und Dienstleistungskonzepte zu einer Steigerung der Profitabilität von Geschäftsbeziehungen zum Kunden beitragen.
177
C
Croft, Howard Nigel
Crosby, Philip B.
Croft, Howard Nigel
the credibility of ISO 9001:2000 certification (with R. Dougherty) ISO Management Systems. sept/oct 2007. – ISO 9001:2000? What does it mean in the Supply Chain? ISO Management Systems. April/ May 2005. – Credibility and Integrity of the ISO 9000 Standards? ISO Management Systems. march/april 2003. – The ISO 9000:2000 standards? some common misconceptions, EOQ 46th Congress, Harrogate, UK, oct 2002. – American Society for Quality (ed.): ISO 9000 Handbook (author of Chapters 19 and 42), 2001. – Reviving up Health Care, US Style, Quality World, July 2001. – ISTO? A learning experience, Quality World, June 2001. – ISO 9000:2000? A lesson in peace processes” Quality World, dec 2000
Der britische Qualitätsexperte, Prof. Dr. Howard Nigel Croft, ist 1956 in Rotherham, Yorkshire, GB, geboren. Er hat 1977 einen Universitätsabschluss (Natural Sciences and with an Honorary Senior Scholarship) in Cambridge erlangt. Danach praktizierte er in der Industrie und absolvierte später ein postgraduates Studium in Metallurgie an der Sheffield University. 1981 erlangte Croft den PhD und wurde für seine Doktorarbeit mit der „Brunton Medal for Research Excellence“ ausgezeichnet. Weitere Forschungen an der University of California, Berkeley, folgten auf seinem Fachgebiet. Entsprechend der Familientradition arbeitete Nigel Croft in der Stahlindustrie von Yorkshire. 1974 war er in der Qualitätskontrolle tätig, zunächst als Student und später als Graduate Metallurgist. Nach seinen Studien in Berkeley arbeitete er auf den Erdölfeldern in der Nordsee als Senior Metallurgist. 1984 wanderte er nach Brasilien aus, bedingt durch die Ehe mit einer Brasilianerin, die ebenfalls Metallurgie studiert und darin promoviert hatte. In Brasilien war er in den 1990iger Jahren in der Stahlindustrie tätig (Familienunternehmen seiner Frau). Während dieser Zeit vertiefte er sein Verständnis für Qualitätsmanagement. 1992 führte er ein QM-System nach ISO 9002:1987 in dem brasilianischen Unternehmen ein. Als Mitglied der brasilianischen Delegation des ►ISO/TC 176 zeichnete er im Jahr 2000 verantwortlich für die Revision der ISO 9000-Reihe. Nigel Croft engagierte sich seit 1995 stark in der ►ISO und leitete seit 2012 ISO/TC 176/SC 2: Revision der ISO 9001:2015. Insofern kann – auch wenn 83 Nationen Beiträger sind – gesagt werden, dass die ISO 9001:2015 stark seine „Handschrift“ trägt. Croft war zudem Mitglied in der Strategic Advisory Group der ISO und in der gemeinsamen Arbeitsgruppe ISO/ILAC/IAF. Nigel Croft ist führendes Mitglied in der ►American Society for Quality (ASQ). Er berät eine Reihe von kommerziellen und gemeinnützigen Organisationen in Großbritannien, der Schweiz, dem Nahen Osten, Asien und Südamerika. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Supply Chains and ISO 9001? What to expect and How to get it. ISO Focus. april 2010. – ISO 9001:2008? Small Changes, Big Opportunities, published by Sustainable Success Alert (USA). – Preserving
178
Crosby, Philip B.
▶en: zero defects management ▶de: Null-Fehler-Management ▶ Fehlerbegriffe ▶ Fehlerkonzepte
Amerikanischer Qualitätsexperte
C
Britischer Qualitätsexperte
▶Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 ▶ISO/TC 176
Philip B. (Bayard) Crosby (18. 06. 1926*-18. 08. 2001†) ist in Wheelin, West Virginia, USA geboren. Verstorben ist er in Winter Park, Florida, USA, wo er auch seit den 1970er Jahren gewirkt hat. 1950 hatte er das Medizinstudium am Ohio College of Podriatic der Kent State University abgeschlossen. 1952 hat er dann sein zweites Studium an der Western Reserve University als Diplomingenieur absoviert. 1 Berufspraxis Crosby war im 2. Weltkrieg Marinesoldat und von 1950 bis 1952 im Koreakrieg v. a. im Sanitätsbereich eingesetzt. Ab 1952 war er als Prüftechniker in der Qualitätsabteilung von Crosley in Richmond, dann Qualitätsingenieur bei BendixMishawaka. Crosby begann nach eigenen Angaben [3, S. 8] „ganz unten“ und arbeitete sich durch die verschiedensten Tätigkeiten empor: „Inspektor, Prüfer, Stellvertretender Vorarbeiter, Technischer Assistent, Zuverlässigkeitstechniker, Gruppentechniker, Abteilungsleiter, Manager, Direktor, Bereichsleiter.“ 2 Null-Fehler-Ansatz Anfang der 1960er Jahre hatte er die Leitung der Qualitätsabteilung für Lieferanten bei der Martin Company, Orlando Div. inne. Dort führte er das sog. Null-Fehler-Programm ein. Martin Company hatte den Auftrag Pershing I Marschflugkörper, die mit Nuklearsprengköpfen bestückbar waren, für die US Army zu liefern (Abbildung C22). Das Steuerungssystem dieser Raketen war extrem fehlerhaft. Crosby gelang es, auf der Basis eines speziellen Managementprogramms die Steuerungstechnik voll funktionsfähig zu machen. 1964 wurde Crosby für die erfolgreiche Leitung dieses Null-FehlerProgramms vom US-Verteidigungsministerium ausgezeich-
Crosby, Philip B.
Crosby, Philip B.
net. Die erste Fassung des Null-Fehler-Konzepts Abb. C22: Crosby’s Bezug zur Kubakrise zeigt die Abbildung C23. Deutlich wird die eher sozialpsychologische Ausrichtung seiner theoretischen Annahmen, der ein gewisses Bild vom Menschen zugrundeliegt. Der von ihm geprägte Slogan lautet hierzu: „Do it right the first time!“ Dieser Satz dient seitdem vielen als Motivationsaussage und Selbstorganisationsprinzip zum Erreichen einer fehlerfreien Organisation. Das Doit-right-the-first-time-Prinzip ist allerdings keine genuine Erfindung von Crosby. Es war als Qualitätsgrundsatz bereits in den zwanziger Jahren in den USA propagiert worden. Croby hat es erstmals systematisch angewandt. Schon hier lässt sich sein Top Down-Ansatz erkennen.
C
Begriff
3 Als Manager, Unternehmensberater und QM-Experte Crosby war dann 14 Jahre bei ITT (International Telephone and Telegraph Corporation) als Vice President und Quality Director beschäftigt. 1979 Der damalige Präsident J. F. Kennedy bei einem Truppenbesuch zur Zeit der sog. gründet er seine eigene Unternehmensberatung, Kubakrise (14.-28.10.1962) – Im Hintergrund Pershing I Raketen, zu deren Verbesserung der Zielgenauigkeit und Treffsicherheit Crosby mit seinem Null-Fehlerdie PCA (Philip Crosby Associates, Inc.) und für Programm wesentlich beigetragen hat. den Trainingsbereich die Akademie für Qualität (Career IV) in Winter Park, Florida. Crosby war Mitglied in der ►ASQC (American Society for Quality Control) und ab 1979 deren Präsident. In Abb. C23: Der Ansatz des Null-Fehler-Konzepts von Philip B. Crosby dieser Zeit schlug er der Fachwelt auch seine recht Philip B. Crosby's NullFehlerKonzept klare Definition von Qualität vor: „Quality is conformance to requirements; non-quality is nonconformance.“ 1975 und 1980 besuchte Crosby Japan, wo er auch vor japanischen Managern sprach. Sein Werk „Quality is free“ erschien auch in japanischer Sprache. Sein Ansatz „Do it right the first time“ war japanischen Managern sehr wohl bekannt. Crosby ist zweifellos auch in Deutschland einer der bekanntesten Qualitätsexperten. Schon in den 1960er Jahren war er in der Bundesrepublik Deutschland wegen der hier vielfach diskutierten Null-Fehler-Programme bekanntgeworden. Crosby wirkt heute noch in seinen ins Deutsche übersetzten Schriften. In den letzten Jahren sind neben Crosby 1990 [1] auch seine neuesten Bücher ins Deutsche übersetzt worden (Crosby 1994 [6] und 1996 [3]). 4 Zu Crosby’s 14-Punkte-Qualitätsprogramm Die Erfahrungen bei ITT in den 60er Jahren fasste er zu einem 14-Punkte-Programm zusammen (Abbildung C24), das er weltweit in Schriften und Seminaren verbreitet, zuletzt ausführlich in [1]. Die Grundsätze seiner Qualitätsphilosophie hat er in den folgenden vier Punkten für das Management komprimiert (The Absolutes of Quality Manage-
Während ihres gesamten privaten Lebens wird den Menschen beigebracht, die Tatsache hinzunehmen, dass Menschen nicht vollkom men sind und daher Fehler machen werden. Wenn sie eines Tages ins Arbeitsleben ein treten, ist diese Überzeugung fest in ihnen verwurzelt. Es wird Mode zu sagen: „Wir sind alle Menschen, und Menschen machen Fehler. Nichts kann jemals vollkommen sein, solange Menschen daran teilhaben.“ Und so ist es dann auch. Und die Menschen machen Fehler, ins besondere diejenigen, die davon ausgehen, dass sie täglich mehrere Fehler machen wer den, und denen es nichts ausmacht, wenn sie geschehen. Man könnte fast sagen, ihr Leistungsstandard verlangt von ihnen ein paar Fehler als Bescheinigung ihrer Menschlichkeit. Man muss sich die Frage stellen, ob Menschen eine angeborene Fehlerhäufigkeit in all ihrem Tun haben. Machen sie immer den gleichen Prozentsatz von Fehlern bei allem, was sie anfassen? Beispielsweise beim Einlösen eines Schecks. Müssen wir davon ausgehen, dass Personen, die in fünf Prozent ihrer beruflichen Tätigkeiten etwas falsch machen, sich alljährlich in fünf Prozent der Fälle beim Einlösen von Schecks zu wenig auszahlen lassen? Werden sie auch in fünf Prozent der Fälle vergessen, ihre Einkom menssteuer zu zahlen? Werden sie sich mehrmals im Monat auf dem Nachhauseweg verfahren?
Wenn diese Annahmen falsch sind, dann müssen Irrtümer umgekehrt proportio nal zur Bedeutung sein, die der Betreffende bestimmten Tätigkeiten beimißt. Menschen gehen mit der einen Tätigkeit sorgfältiger um als mit einer anderen. Sie haben gelernt, die Tatsache, daß sie am Arbeitsplatz Fehler machen, in Ordnung zu finden, aber nicht den Versuch, Vater Staat übers Ohr zu hauen. Das heisst, daß sich eine zwiespältige Haltung eingespielt hat. In manchen Dingen sind die Menschen bereit, Unzulänglichkeiten hinzu nehmen; in anderen wird ein Fehler toleriert. Zwei Faktoren verursachen Fehler: feh lende Kenntnisse und ungenügende Auf merksamkeit. (a) Kenntnisse sind messbar, und Mängel können auf bewährten Wegen behoben werden. (b) Fehlende Aufmerksamkeit muss der Betreffende selbst durch eine resolute Neubewertung seiner jeweiligen ethi schen Maßstäbe korrigieren. Mangelnde Aufmerksamkeit ist eine Frage der inne ren Einstellung. Wer sich fest vornimmt, jedes Detail zu beachten und sorgfäl tig Fehler zu vermeiden, macht einen Riesenschritt auf dem Weg zu fehlerfrei em Handeln in allen Dingen. •• •
179
Crosby, Philip B.
Crosby, Philip B.
ment), die inzwischen als Allgemeingut des Abb. C24: Die 14 Managementregeln von Philip B. Crosby Qualitätsmanagements angesehen werden 14 Managementregeln von Philip B. Crosby können:
C
(1)
Engagement des Managements
(8)
Training der Mitarbeiter
Qualität bedeutet Erfüllung der FordeDer Qualitätsverbesserungsprozess Qualität sollte – vor den Finanzen rungen (Conformance to requirements). bedarf gezielter, fachkundiger An– zum ersten Punkt auf der leitung. Qualität ist immer als Erfüllung von Tagesordnung der routinemäßigen Geschäftssitzungen erhoben werden. Forderungen zu definieren. Sämtliche (9) Tag der Verpflichtung Mitarbeiter des Unternehmens sowie (2) Planungsgruppe Qualität Zweck des Tages der Verpflichtung ist es, dass sich sämtliche leitende die Lieferanten, die mit ihm Geschäfte Die Planungsgruppe braucht eine kla Angestellte eines Unternehmens vor re Zielvorgabe. Sie hat den Ver-besmachen, haben sich darüber im klaren die Mitarbeiter stellen und sich verserungsprozeß zu steuern und zu förzu sein, dass das Management Klarheit bindlich zum Qualitätsmanagement dern. und die Erfüllung klarer Forderungen verpflichten. erwartet. Jede festgestellte Abweichung (3) Qualitätsmessung Messen ist ein völlig normaler Vor - (10) Zielsetzung vom geforderten Soll ist identisch mit Ziele sollten so oft wie irgend möglich gang. Es sind Bemessungskriterien für Mangel an Qualität. Alle haben die gleivon der gesamten Gruppe erarbeitet die Arbeit zu entwickeln. che Sprache zu sprechen. und für alle Mitarbeiter gut einsehbar 2 Qualität wird durch Vorbeugung, nicht (4) Qualitätsbezogene Kosten auf einer Tabelle aufgeführt werden. Qualitätsbezogene Kosten sind eine durch Prüfung erreicht. Die Prüfung ist langfristige Anlage. Sie müssen als (11) Der kurze Weg eine teure und wenig zuverlässige MeMan muss die Mitarbeiter auffordern, positiver und nicht als bedrohlicher thode. Vorbeugung ist erforderlich, um ihre jeweiligen Probleme so darzuleFaktor angesehen werden. Fehler nicht entstehen zu lassen. Der gen, daß etwas unternommen werden kann. Aufbau einer Vorbeugungskultur hebt (5) Qualitätsbewusstsein Die wirkungsvollsten Systeme zur das intellektuelle Niveau des UnternehAnregung von Qualitätsbewusstsein (12) Anerkennung mens. Diese Kultur bringt Ideen und Die Anerkennung von Mitarbeisind diejenigen, die sich bereits terleistungen hat in jedem UnterAktivitäten hervor und beseitigt das Geeingefahrener innerbetrieblicher nehmen eine spezifische Form. Informationskanäle bedienen. fühl der Unterdrückung, da sie alles auf die Zukunft ausrichtet. (13) Qualitätsbeiräte (6) Korrekturmaßnahmen 3 Qualität hat den Leistungsstandard „Null Zweck von Qualitätsbeiräten ist es, die Der eigentliche Sinn von KorrekturQualitätsexperten zusammenzu-brinmaßnahmen ist es, Probleme zu erkenFehler“. Dieses erklärte Ziel orientiert gen und ihnen Gelegenheit zu geben, nen und für immer aus der Welt zu sich am Null-Fehler-Konzept (siehe vorvoneinander zu lernen. schaffen. her in Kapitel 2), das festlegt, jede Arbeit von vornherein richtig zu machen. (7) Planung des Tags der Verpflichtung (14) Ständige Wiederholung Die Verpflichtung, fehlerfrei zu arbeiDas Management muß seinen MitarNull-Fehler-Programme zielen auf eine ten, muss besonnen geplant und würbeitern unermüdlich und nachdrückEinstellungsänderung der einzelnen devoll begangen werden. lich einprägen, was für Leistungen Mitarbeiter mittels Selbstkontrolle. erwartet werden. 4 Qualität wird anhand des Preises der Abweichung gemessen. Damit wird der Preis ••• der Fehler als Maßstab angewendet: Qualitätskosten sind identisch mit den Steps bei konsequenter Anwendung genauso wirkungsvoll Kosten der Nichterfüllung. Es entstehen Aufwendungen sein. Die fünf Schritte lauten: für die Beseitigung fehlerhafter Produkte: ►Qualitätsbezogene Kosten. 1 Define the situation 1
5 Five Steps for Eliminating Nonconformance Fünf Schritte, um die Nichterfüllung der Qualitätsforderungen zu verhindern (5 Steps for Eliminating Nonconformance) nannte Crosby ein weiteres Konzept: Innerhalb seiner Managementkonzeption hat Crosby eine Checkliste empfohlen, mit deren Hilfe man systematisch das Null-Fehler-Ziel erreichen kann. Sie ist genauso als Verbesserungskreislauf zu sehen, wie der bekannte Deming-Circle. Allerdings konnte sie auch nicht annähernd den Bekanntheitsgrad von Demings ►PDCA-Kreis erreichen. Nichtsdestotrotz sollen die Five
180
2 3 4 5
Fix Identify root cause(s) Take corrective action Evaluate and follow up
Dieser Zyklus soll hier nicht weiter behandelt werden, da nicht zu erkennen ist, dass er sich in der Fachwelt und der Praxis durchgesetzt hat. 6 Completeness In seinem jüngsten Werk [2] fasste Crosby die zentralen Gedanken seiner Qualitätsphilosophie zusammen: Qualitätsmanagement ist zuvorderst als eine Denkweise zu begreifen,
Crosby, Philip B.
Crosby, Philip B.
nach der Führungskräfte ihre Aufgabe weniger in der Lösung technischer Probleme sehen sollen, sondern sich mit der Einführung von Vorbeugungsmaßnahmen zu befassen haben. Nur bei gegenseitigem Vertrauen, Respekt und Anerkennung geprägtem Verhalten im Zusammenwirken von Kunden, Lieferanten, Management und Mitarbeitern gelinge es den Weg in das 21. Jahrhundert erfolgreich zu gehen [6, S. 31]: „Der Zweck der Completeness liegt darin, Probleme zu vermeiden und Erfolg zu garantieren. Completeness liegen drei Prinzipien zugrunde: ◼ Die Mitarbeiter zum Erfolg führen. ◼ Die Lieferanten zum Erfolg führen. ◼ Die Kunden zum Erfolg führen.“ 6 Prevention Process-Phasen nach Crosby Gar nicht erkannt wurde, dass Crosby in seinen späteren Arbeiten ein Preventions-Zyklus entwickelt hat, der sich durchaus mit dem PDCA-Zyklus von Deming vergleichen lässt [2, 6]. Er besteht auch aus vier Phasen (Abbildung C25). In der ersten Phase sind die Forderungen an das Produkt zu bestimmen (R-Phase), dann sind Informationen zu sammeln, Abb. C25: Der RMCA-Zyklus von Philip B. Crosby
The Prevention process by Philip B. Crosby ( ca. 1990)
Take Action
Establish Requirements
A
R A R CM C Compare
M
Measure
die sich auf die Realisation beziehen (M-Phase). In der dritten Phase sind die Informationen mit den Forderungen der ersten Phase zu vergleichen (C-Phase). Schließlich werden Tätigkeiten in der vierten Phase ausgeführt, um das Produkt zu realisieren (A-Phase). Ergeben sich bei der Act-Phase Probleme (z. B. Fehler) ist der Zyklus noch einmal mit R beginnend zu durchlaufen. Crosby setzt damit auf Prevention, nicht gleich zu produzieren, sondern bei der Produktentwicklung und -fertigung zunächst zu denken, zu planen und zu analysieren und somit zu antizipieren, damit Fehler frühzeitig erkannt und vermieden werden. Der RMCA-Zyklus hat bis-
her nicht den Bekanntheitsgrad erlangt hat, wie der PDCAZyklus. Vielleicht kann man ihn als speziellen PDCA-Zyklus interpretieren. 7 Zur Bedeutung von Crosbys Ansatz des Qualitäts managements Crosby’s Vorstellungen darüber, was Qualitätsmanagement ist und wie es betrieben werden soll, setzen beim Ergebnis an, indem er vom Produkt ausgeht, das die ►Qualitätsforderung fehlerfrei zu erfüllen hat (Null-Fehler-Konzept). Crosby schaut von der Null-Fehler-Forderung ausgehend (Soll) gewissermassen rückwärts (zeitlich und folgernd). Er fragt, wie man den Null-Fehler-Standard erreichen kann und gelangt so zu einem operablen Qualitätsbegriff, der von im kurz als messbare Erfüllung von Qualitätsforderungen bestimmt wurde. Ohne die konkreten organisatorischen und direkt auf das Produkt bezogenen Aspekte des Qualitätsmanagements zu vernachlässigen verfolgt er einen – an psychologischen Faktoren ansetzenden – Qualitätsmanagementansatz als Managementphilosophie: Er (der Manager) muss von der Annahme ausgehen, dass ein Prozess vollkommen effektiv sein kann, indem Fehlerquoten nicht toleriert, sondern zu vermeiden sind. Aus diesem Grund muss ein eindeutig formulierter Leistungsstandard für die Mitarbeiter formuliert werden. Crosby geht davon aus, dass sich Menschen an verständlich formulierte Leistungsstandards halten. Solche vorgegebenen (Qualitäts)Standards sind für ihn das Instrument, um die innere Einstellung des Mitarbeiters (►Mindset) bewerten, korrigieren, also ändern zu können. Indem die Mitarbeiter ihr Handeln selbst korrigieren, können sie dadurch die Fehlerursache, die oft in ungenügender Aufmerksamkeit begründet ist, beseitigen. Diese gezielt Mitarbeiterbezogene Ausrichtung seiner Qualitätsphilosophie kann jedoch nur greifen, wenn sie eingebettet ist in Organisationskulturelle Massnahmen, die wiederum gestützt werden müssen mit einer Führungsstil-Philosophie. All das hat Crosby schon weit vor der Debatte um die ►Unternehmenskultur in den 80er Jahren grundlegend in seinen QM-Ansatz einbezogen. Qualitätsverbesserungen erschöpfen sich nach ihm nicht in der simplen Anwendung von ►Qualitätstechniken (Q7, Qualitätszirkel etc.), sondern in der qualitätsbezogenen Veränderung der Organisationskultur, die beim Management ansetzt. Da das Top Management eine Schlüsselfunktion bei der Schaffung und Lösung der Qualitätsprobleme einnimmt, liegt der Schwerpunkt des Trainings auch dort. Schliesslich sieht Crosby die Aufgabe des Managements vor allem darin, Forderungen für die Mitarbeiter festzulegen, Rahmenbedingungen bereitzustellen und die Mitarbeiter moralisch und materiell bei der Erfüllung der Forderungen zu unterstützen. Allerdings geht es ihm nicht um Motivationsprogramme, sondern um die Verbesserung von Information und Kommunikation in der gesamten Organisation, die beim Management beginnen muss. Sein Ansatz folgt also einem Top-Down-Modell. In einem kriterienbezogenen
181
C
Crosby, Philip B. Phasenschema, dem „Quality Management Maturity Grid“ demonstriert er dem Management, in welcher „Reifephase“ sich das Unternehmen in Bezug auf Qualität gerade befindet. Er sieht das „Maturity Grid“ als ein Analyse- und Kommunikationsinstrument an, mit dem sich Manager mit den für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement erforderlichen Maßnahmen vertraut machen sollten. Dieses Evaluierungsinstrument hat er ständig weiterentwickelt (zuletzt erschien es in der komprimierten Version von 1994 in [3, S. 52]). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
C
Literatur
[1] Qualität ist machbar. London … Hamburg (McGraw-Hill Book), 2. Aufl. 1990, S. 89f. – Orig.: Quality Without Tears. The Art of Hassle-Free Management. London 1984. [2] Qualität 2000: kundennah, teamorienteirt, umfassend. München-Wien (Hanser) 1994. – Orig.: Completeness: Quality for the 21st Century. New York (Penguin) 1992 [3] Qualität ist und bleibt frei. Die Ratschläge des Qualitätspapstes für das 21. Jahrhundert. – Orig.: Quality Is Still Free. New York (McGraw-Hill) 1996 [4] Quality Is Free. The art of making quality certain, New York (McGraw-Hill) 1974 [5] Qualität ist und bleibt frei. Die Ratschläge des Qualitätspapstes für das 21. Jahrhundert. Wien-Frankfurt: Ueberreuter 1996. Neu aufgelegt unter folgendem Titel: Qualitätsmanagement. Die aktualisierte Auflage des Welt-Bestsellers ‘Quality is free’. Wien-Frankfurt: Ueberreuter 2000. – Orig.: Quality Is Still Free. New York (McGrawHill) 1996, S. 8 [6] Qualität 2000: kundennah, teamorientiert, umfassend. München-Wien: Hanser 1994, S. 31
Begriff
Cross-Functionales Team
de: Übergreifendes Team Gruppe von Menschen (i. d. Regel Mitarbeiter einer Organisation) mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund, die ein gemeinsames Ziel verfolgen (oft im Rahmen eines Projekts). Die Zusammensetzung der Gruppe kann aus Mitarbeitern völlig unterschiedlicher Bereiche und Hierarchieebenen bestehen. Typischerweise werden Mitarbeiter aus allen Ebenen der Organisation einbezogen. Manchmal ist es erforderlich, den Personenkreis auf Kunden und/oder Lieferanten auszuweiten.
CSR
▶ Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
CTQ
▶en: Critical to Quality ▶Six Sigma
Customer Relationship Management ▶ de: Kundenbeziehungsmanagement ▶ CRM
182
Cyber-Physisches System (CPS) Customizing
▶en: customization ▶Parametrisierung ▶mass customization ▶Prosumer Der Begriff bezieht sich auf die Anpassung von Standardsoftware an die Forderungen eines Kunden. Es werden Parameter nach funktionalen und prozessorientierten Gesichtspunkten zu sog. Costumizing-Objekten zusammengefasst. Ob und welche Standardsoftware aber zum Einsatz kommt und damit auf Programmierung verzichtet werden kann, entscheidet sich an deren Customizing-Fähigkeit. Der Anglizismus Customizing hat sich in letzter Zeit aber auch als Marketingbegriff etabliert. Dort wird er auf sämtliche Produktarten bezogen und meint die kundenspezifische Produktanpassung durch Personalisierung und Individualisierung. Wird der Customizing-Prozess auf die industrielle Fertigung angewandt spricht man in der Massenproduktion von Mass Customization. Industrie 4.0 verfolgt in hohem Maße Zielsetzungen der Mass Customization.
CWQC
▶en: Company-Wide Quality Control ▶Umfassendes Qualitätsmanagement ▶Ishikawa, Kaoru CWQC umfasst alle qualitätsrelevanten Aktivitäten in einer Organisation. Einbezogen werden alle Mitarbeiter auf allen Hierarchiestufen. Das Ziel verfolgt, dass alle Aktivitäten die Kundenforderungen erfüllen.
Cyber-Physisches System (CPS) ▶en: Cyber Physical System ▶de: Cyber-Physisches System
„The most profound technologies are those that disappear.“ (Mark Weiser)
1 Zur Wortbedeutung Mit dem Begriff Cyber-Physisches System ist gemeint, dass in C und P irgendetwas zusammenwächst. Doch wie kann man sich das vorstellen? Jeder dieser drei Begriffe, aus denen sich das dreigliedrige Wort zusammensetzt, verschlingt schon Bücherberge. Damit kein Mißverständnis entsteht, nur eins vorab: Der erste Begriff Cyber, meint im Englischen Cybernetics (fr: cybernétique, de: Kybernetik) (s. Abbildung C26). Cybernetics geht auf den französischen Physiker André-Marie Ampère (1775-1836) zurück, von dem ihn dann sehr viel später Norbert Wiener (1894-1964) übernahm, um ihn im heutigen Verständnis als die Wissenschaft der Steuerung und Regelung von Maschinen, lebenden Organismen und sozialen Organisationen zu bestimmen [1]. Im Qualitätsmanagement finden wir ihn explizit in den ►Qualitätskreisen wieder. Implizit hat sich die kybernetische Denkweise im Qualitätsmanagement fest eingegraben. In Demings ►PDCA-Zyklus [2] ist sie ebenso veranktert wie im Planungs-, Lenkungs- und Steuerungsdenken (z. B. im ►Qualitätscontrolling). Von da-
Cyber-Physisches System (CPS)
Cyber-Physisches System (CPS)
Abb. C26: Über den Begriff Cyber-physisches System – Cyber = Kybernetik
About the Term „Cyber-Physical Systems“ The term „cyber-physical systems“ emerged control systems. Wiener described his vision around 2006, when it was coined by Helen of cybernetics as the conjunction of control Gill at the National Science Foundation in and communication. His notion of control the United States. While we are all famili- was deeply rooted in closed-Joop feedback, ar with the term „cyberspace,“ and may be where the controllogic is driven by measuretempted to associate it with CPS, the roots ments of physical processes, and in turn clriof the term CPS are older Dem amerikanischen Mathematiker ves the physical processes. and deeper. It would be Norbert Wiener gelang mit der ge- Even though Wiener did more accurate to view the nialen Zusammenfassung mehrerer not use digital computers, terms „cyberspace“ and Wissensgebiete aus Technik, Biologie, the control logic is effec„cyber-physical systems“ Soziologie und Psychologie, denen nur tively a computation, and as stemming from the die Beschäftigung mit Steuerungs- und therefore cybernetics is same root, „cybemetics,“ Regelungsvorgängen gemeinsam war, the conjunction of physirather than viewing one die Lehre von der Kybernetik zu be- cal processes, computatigründen. Ihre Begriffe, Theorien und on, and communication. as being derived from Verfahren setzte er in Korrelation zuthe other. The term „cy- einander und baute darauf die elektro- Wiener could not have bernetics“ was coined by nisch gesteuerte Regelungstechnik auf. anticipated the powerful effects of digital computaNorbert Wiener (Wiener, 1948), an American mathematician who tion and networks. The fact that the term had a huge impact on the development of „cyber-physical systems“ may be ambigously control systems theory. During World War interpreted as the conjunction of cyberspace TI, Wiener pioneered technology for the with physical processes, therefore, helps to autornatic airning and firing of anti-aircraft underscore the enormous impact that CPS guns. Although the mechanisms he used did will have. CPS leverages a phenomenal infornot involve digital cornputers, the principles mation technology that far outstrips even the involved are sirnilar to those used today in wildest dreams of Wiener‘s era. a huge variety of computer-based feedback Quelle: Lee E. A. & S. A. Seshia. lntroduction to control systems. Wiener derived the term Enbedded Systems. A Cyber-Physical Systems from the Greek … The rnetaphor is apt for Approach. Ed. 1.5. LeeSeshi.org 2014, page 5 her gesehen ist CPS keine unbekannte Größe in der Disziplin, die dabei wohlverstanden nicht aufs Cyberspace schaut.
„Unter »Industrie 4.0« wird die beginnende vierte industrielle Revolution nach Mechanisierung, Industrialisierung und Automatisierung verstanden. Zentrales Element sind vernetzte Cyber-Physische Systeme (CPS).”
Begriff
CPS sind hiernach [4]: „… mit einer eigenen dezentralen Steuerung (engl. embedded systems) versehene intelligente Objekte, welche in einem Internet der Daten und Dienste miteinander vernetzt sind und sich selbstständig steuern.“
C
„Cyber-Physical Systems (CPS) are integrations of computation with physical processes. Embedded computers and networks monitor and control the physical processes, usually with feedback loops where physical processes affect computations and vice versa.”
Etwas eingängiger formuliert kann nun kurz gesagt werden: Cyber-Physische Systeme sind Systeme mit eingebetteter Software und Elektronik, die über Sensoren und sogenannte Aktoren (Antriebselemente) mit der Außenwelt verbunden sind (feedback loops). Zunehmend werden CP-Systeme untereinander und in das Internet vernetzt. Mithilfe der Sensoren verarbeiten sie Daten aus der physikalischen (der natürlichen) Welt und machen sie für netzbasierte Dienste verfügbar, die durch Aktoren direkt auf Vorgänge in der physikalischen Welt einwirken können. Die physikalische Welt verschmilzt also mit der virtuellen. Man sagt auch, dass die physikalische Welt durch CPS mit der virtuellen Welt zu einem „Internet der Dinge“ wird. So lässt sich nun unser Gegenstand umfassender bestimmen:
183
Begriff
2 Einbettung, Definitionsvorschläge und Beispiele Der im Zentrum stehende Begriff „Cyber“ als neuer Begriff kommt – trotz kybernetischer Denkweise im QM – auf einem kleinen Umweg in die Qualitätslehre: ►Industrie 4.0 hat ihn aufgegriffen (Abbildung C26) und sieht in CPS das zentrale Element. So steht es jedenfalls in einer Arbeitsdefinition [3]:
Diese kurze Definition bedarf weiterer Erläuterungen zum „Zusammenwachsen moderner Technologien der IT mit klassischen industriellen Prozessen“, denn gemeint ist ja nicht nur das Ergebnis als Produkt in der Gesellschaft (iPhone u. a.), sondern das Cyber-Physical Production System (CPPS) als solches mit seinen Folgen in vielerlei Hinsicht. Auf die Definition von Lee & Seshia wird oft zurückgegriffen. Sie erscheint aussagekräftiger, weil in ihr der Kybernetikaspekt einfließt [5]:
Cyber-Physisches System (CPS) Begriff
Cyber-Physische Systeme sollen diejenigen Systeme genannt werden, die durch ein komplexes Zusammenspiel von physikalischen und informationstechnischen Elementen entstehen. Dabei werden eingebettete Systeme, Anwendungssysteme und Infrastrukturen in Anwendungsprozessen (MenschTechnik-Interaktion) durch drahtgebundene oder drahtlose Kommunikationsnetze integriert (feedback loops). Cyber-Physische Systeme sind als offene soziotechnische Systeme bestimmt und entstehen durch Vernetzung und Integration. Systeme dieser Art ermöglichen eine Reihe von neuartigen Funktionen und Diensten. Sie lassen sich durch Merkmale charakterisieren, die über die heutigen Fähigkeiten eingebetteter Systeme mit kontrolliertem Verhalten weit hinausgehen. Sehr oft umfassen Cyber-Physische Systeme Logistik-, Koordinations- und Managementprozesse sowie Internetdienste, die mittels Sensoren unmittelbar physikalische Daten erfassen und mittels Aktoren auf physikalische Vorgänge einwirken und weltweit verfügbare Daten und Dienste nutzen, indem über multimodale Mensch-Maschine-Schnittstellen kommuniziert wird. Cyber-Physische Systeme decken ein breites Spektrum möglicher Bereiche ab, in denen sie zum Einsatz kommen können.
C
Erste Ansätze zu CPS gibt es bereits heute – etwa in Form von Navigationssoftware. Zur verbesserten Routenführung leitet sie mithilfe von Mobilfunkdaten Stauinformationen aus aktuellen Bewegungsprofilen ab. Weitere Beispiele sind Verkehrssteuerungssysteme aus dem Bereich des Zug- oder Flugverkehrs. Hier greifen die Systeme aktiv steuernd ein. Zukünftige CPS werden in den verschiedensten Anwendungsfeldern zum Einsatz kommen. Als Teil eines intelligenten Stromnetzes werden CPS das künftige Energienetz steuern. Sie werden durch Koordination den Verkehr sicherer machen und den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß reduzieren. Moderne Gesundheits-Systeme werden Patienten und Ärzte vernetzen, Ferndiagnosen und die medizinische Versorgung zu Hause ermöglichen. In der industriellen Produktion werden internetbasierte Systeme entstehen, mit denen die Fernüberwachung selbstständig arbeitender Produktionssyteme möglich ist. Weitere ausführlich beschriebene und illustrierte Szenarien finden sich in [6]. 3 CPS und Qualitätsmanagement – Ausblick In der acatech-Studie zum CPS (sog. agendaGPS) kommt das Thema Qualität und Qualitätsmanagement immer wieder zu Sprache. Konkret wird auf die Qualitätsmerkmale Sicherheit, Verlässlichkeit, Brauchbarkeit u. a. eingegangen. Auch wurde erkannt, dass die Qualitätsforderungen hinsichtlich Betriebs- und IT-Sicherheit sowie Verlässlichkeit von CyberPhysischen Systemen bereits eine große Herausforderung darstellen [6, 167]. Festgestellt wird, dass ein Umdenken und umfassend integrierte Anstrengungen in allen Bereichen der Wertschöpfungskette erfordlich sind. Was derzeit bekannte
184
Cyber-Physisches System (CPS) allgemeine Qualitätsmanagementmodelle und spezielle Normen der Softwarequalität betrifft, werden eher negative Einschätzungen abgegeben [6, S. 167]: „Auf die neuen Herausforderungen der vernetzten intelligenten Technik von Cyber-Physical Systems sind diese Modelle und Normen aber bei Weitem nicht ausgerichtet.“ Deshalb wird gefordert neue Normen festzulegen [6, S. 168]: „Benötigt werden formalisierte Qualitätsmodelle für die präzise Spezifikation von Quality-in-Use-Anforderungen in offen vernetzten Nutzungskontexten, die über die aktuellen Standards hinausgehen …“ Diese Forderungen überraschen keineswegs, rühren sie doch an die grundsätzliche Sicht des Qualitätsmanagements, die eher das Prozessdenken favorisiert und die Ausrichtung der Organisation in Wertschöpfungszusammenhängen sieht. Hier müsste ein „switch“ erfolgen, der die Perspektive Ökosystem mehr betont. Geschäftsmodelle, die hier ansetzen fehlen gänzlich. Der Begriff Ökosystem, aus der Biologie entlehnt, bezeichnet in der Wirtschaft eine Ansammlung von Marktteilnehmern, die in Leistungsbeziehungen miteinander stehen und untereinander Güter, Informationen, Dienste und Geld austauschen. Im Vergleich zum Wertschöpfungssystem ist der Begriff des Ökosystems breiter und umfassender. Beispielsweise sind gemeinnützige Akteure wie Bildungsträger und Forschungseinrichtungen sowie politische Einheiten oder Verbände Bestandteile eines gesamtwirtschaftlichen Ökosystems, während Wertschöpfungssysteme sich meist auf die Beziehungen zwischen Unternehmen und auf die Erreichung von ökonomischem Mehrwert beziehen. In [6, S. 178] wird hierauf auch kurz eingegangen. In der agendaGPS wird aber nicht nur der Status Quo festgehalten, sondern auch prognostiziert [6, S. 183]: „Es entstehen artenreiche betriebswirtschaftliche Ökosysteme, sie entwickeln sich, stehen im Wettbewerb miteinander und ergänzen einander. Unter Ökosystem ist in diesem Zusammenhang das vernetzte Zusammenwirken unterschiedlicher Unternehmensrollen zu verstehen. Der Begriff beschreibt strategische Allianzen oder die Zusammenarbeit zwischen Gruppen, die aus wesentlich mehr Akteuren bestehen als in traditionellen Unternehmenspartnerschaften üblich. Beispiele für bereits bestehende derartige Ökosysteme sind das SAP Business Ecosystem oder … Solche Ökosysteme bauen typischerweise auf gemeinsamen Plattformen und Standards auf.“ 4 Automation und CPS Dem schlüssigen Bild, das uns die acatech Studie „agendaCPS vermittelt wird jüngst von fachkundiger Seite widersprochen. Vorgebracht wird, dass der CPS-Begriff der Klärung und Einordnung bedarf [7, S. 1]. Angezweifelt wird, dass er die technologische Grundlage für Industrie 4.0 sei. „Trotz der Omnipräsenz des Begriffs CPS besteht aus Sicht der Automation
Cyber-Physisches System (CPS)
Cyber-Physisches System (CPS)
noch erheblicher Klärungsbedarf.“ [7, S. 1]. Die in [7] erarbeitete Stellungnahme stammt von dem in 2012 gegründeten Fachausschuss 7.20 „Cyber-Physical Systems“. Der Fachausschuss definiert Thesen und Handlungsfelder und stellt zunächst fest, dass sich die im CPS-Begriff aufgehobenen Definitionsmerkmale mit dem Begriff der Automation decken, bis auf ein Merkmal, dass aber wesentlich ist und einen qualitativen Unterschied ausmacht [7, S. 2]: „Als wesentlicher neuer Aspekt kommt nach der Definition der Forschungsagenda CPS hinzu, dass diese Vernetzung über offene und globale Informationsnetze (sprich: das Internet) geschieht. Dieser auf den ersten Blick kleine Unterschied gegenüber der „herkömmlichen“ Automation hat erhebliche Konsequenzen: Unter anderem wird auf diese Weise möglich, dass Systeme beliebig verkoppelt, ihre Verbindungen während der Betriebszeit verändert, beendet und neu aufgebaut werden können, oder dass verfügbare Daten, Informationen und Dienste an beliebiger Stelle im CPS bereitgestellt und verwendet werden können. Hierbei handelt es sich je nach Anforderung um öffentliche oder vertrauliche Daten, Informationen und Dienste. Insgesamt wird dadurch ein neues Kommunikationsparadigma in die Automation eingeführt.“ Der Fachausschuss erkennt also, dass sich in der Automation ein Paradigmenwechsel anbahnt und will diesen mitgestalten. Dazu werden die folgenden neun Thesen und Handlungsfelder für die erfolgreiche Einführung von CPS in die Produktion vorgeschlagen [7, S. 7f]: 1 Automation ist Leitdisziplin für die Realisierung von CPS in der Produktion. 2 Der Automationsgrad wird mit CPS weiter ansteigen. 3 Security und Safety sind kritische Erfolgsfaktoren für die Realisierung von CPPS. 4 Begriffsklärungen und Standardisierungen müssen jetzt erfolgen. 5 Die Beherrschbarkeit von CPS erfordert neue methodische Ansätze für Planung, Entwicklung und Betrieb. 6 Der Mensch muss bei der Einführung und beim Einsatz von CPS im Mittelpunkt stehen. 7 Es werden neue Geschäftsmodelle durch CPS möglich. 8 Der Umbruch der Produktion durch CPS erfordert Wissens- und Erfahrungstransfer sowie Beratung. 9 In allen vorangestellten Handlungsfeldern ist Forschung erforderlich.
Diese Thesen und Handlungsfelder sind wohl unhintergebare Positionen, auf die einzugehen sein wird. Genau besehen scheinen sich hier mehr als unterschiedliche Interessenperspektiven aufzutun. Während aus der Sicht des VDI Automation als terminus technicus ganz klar den Oberbegriff bildet, erscheint er bei den CPS-Theoretikern auf einer Ebene mit den Begriffen Produktion, Logistik etc., also eher als funktionaler Begriff. So ist in der neuen CPS-Begriffwelt Smart Home eben Hausautomation [6, S. 256]. Hierzu passt die Aussage [6, S. 25]: „In der Heim- und Gebäudeautomation ermöglichen es Cyber-Physical Systems, die Unterhaltung und Wartung von Gebäuden, Anlagen, Wohn- oder Gewerbegebieten in die Lebens- und Arbeitsprozesse zu integrieren.“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Wiener, N.: Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung in Lebewesen und Maschine. Reinbek (Rowohlt) 1968 (am. Original 1948) [2] Chardonnet, A. und D. Thibaudon: PDCA et performance durable. 60 fiches pratiques des mise en ouvre. 2. édition. Paris (Eyrolles) 2014 [3] Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO (Hrsg.), Produktionsarbeit der Zukunft. Industrie 4.0. Stuttg-
art (IAO) 2013, S. 22
[4] s. [3], S. 23 [5] Lee E. A. & S. A. Seshia. lntroduction to Enbedded Sys-
tems. A Cyber-Physical Systems Approach Ed. 1.5. LeeSeshi. org 2014
[6] Geisberger, E. und M. Broy (Hrsg.): Integrierte Forschungsagenda Cyber-Physical Systems (agendaCPS – acatech Studie). Berlin (acatech) 2012 [7] Verein Deutscher Ingenieure e. V. und VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA): Cyber-Physical
Systems. Chancen und Nutzen aus der Sicht der Automation. Düsseldorf (VDI) April 2013 [8] Mattern, F. (Hrsg.): Total vernetzt. Szenarien einer informatisierten Welt. Berlin-Heidelberg (Springer) 2003
••• ⨀⨀⨀ •••
185
C
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe D
William Edwards Deming
D Avenis Donabedian
Henning Kirstein
DIN e. V. Deutsches Institut für Normung
Bettina Rudert
Design of Experiments (DoE) Peter C. Anthony
DIN 15224:2012-12 Dienstleistungen in der Gesundheitsversorgung – QMS – Requirements
D7-Q-Techniken für Dienstleister Demingsche Reaktionskette Peter Herbert Osanna
Deming Prize Demings PDCA-Zyklus
Ulrich Paschen
Dienstleistung
DIN EN ISO 13485:2010-01 Medizinprodukte – Qualitätsmanagementsystem – Requirements
Dienstleistungsgarantien Dienstleistungsgesellschaft Durchbruch
Frank Graichen
Hans-Dieter Zollondz
D
D7 – Q-Techniken für Dienstleister
D7 – Q-Techniken für Dienstleister
D7 – Q-Techniken für Dienstleister
◼ D1-Vignetten-Technik (Design/Entwicklung/Prävention/Qualitätsmerkmale) ◼ D2-Service-Blueprinting (Prozessdarstellung) ◼ D3-Sequentielle Ereignis Methode (Ermittlung der Qualitätsmerkmale) ◼ D4-ServQual (Qualitätsmessung) ◼ D5-Beschwerdemanagement (Beschwerden) ◼ D6-FRAP-Frequenz Relevanz Analyse von Problemen (Analyse) ◼ D7-Service-FMEA (Prävention und Verbesserung).
▶Qualitätstechniken ▶Messung der Dienstleistungsqualität
„The doorman is helpful, the receptionist is cheerful but cannot answer questions. The chambermaid cleans well but disturbs us when we are sleeping“ … moments of thruth! (Horowitz/Cudennec-Poon 1990)
„Sie helfen beim Ermitteln von Kundenwünschen bzw. -erwartungen, in der Dienstleistungsentwicklung, bei der Fehlervermeidung und -analyse, unterstützen die Identifikation von Kun den wünschen, ermöglichen die Qualitätsmessung und tragen zur kontinuierlichen Verbesserung bei.“ Damit die Techniken zur vollen Wirkung kommen können, sollten sie in Kombination angewandt werden, was auch bedeutet, dass sie mit den Q7 u. a. je nach Problem kombiniert werden können. So ist zum Beispiel Service-Blueprint (Kap. 3) eine Qualitätstechnik, die sehr gut zur Entwicklung und Darstellung geeignet ist und auch dazu dienen kann, die Qualität zu verbessern. Den Zusammenhang der Techniken zeigt die Kreuztabelle in Abbildung D01. Aus der Abbildung geht hervor, dass als D7 die folgenden Qualitätstechniken bezeichnet werden:
D7-Q-Techniken
Da rst ell Qu ung me alität rkm sale Me ssu ng Be sch we rde An aly se Ve rbe sse run g
Abb. D01: D7-Q-Techniken-Auswahlmatrix – Eignungsschwerpunkt
De sig n
Sinn und Zweck
1 D7-Q-Techniken für Dienstleister – Warum? In Anlehnung an die allgemein für das Qualitätsmanagement entwickelten ►Qualitätstechniken ►Q7 und ►M7 haben deutsche Qualitätsexperten die zentralen Qualitätstechniken für die Anwendung im Dienstleistungsbereich zusammengestellt und diese als D7 bezeichnet. Es handelt sich um eine Auswahl, die nicht abschließend zu sehen ist. Diese Techni ken ergänzen die Q7 und M7 und andere Qualitätstechniken, die nicht systematisiert wurden. Die folgenden Einsatz bereiche eignen sich für die Anwendung der D7 [1]:
Vignetten-Technik Service-Blueprint Sequentelle Ereignismethode ServQual Beschwerdemanagement FRAP Service-FMEA Legende Sehr gut geeignet Gut geeignet
Quelle: [1, S. 30] veränderte Darstellung, inhaltliche Zuordnung aktualisiert
Die D7 sind auch im Zusammenhang mit den im Hauptstichwort ►Mes sung der Dienst leistungsqualität referierten grundlegenden Methoden zur Messung der Dienst leistungsqualität zu sehen. 2 D1-Vignetten-Technik (urspr.: Factorial Survey Approach) Bei der Vignetten-Technik handelt es sich um einen Attributorientierten Ansatz, der auf der Basis von Ratingskalen die Dienstleistungsqualität ermittelt. Dabei soll nur eine relativ geringe Zahl von Faktoren für die Wahrnehmung des Kunden bestimmend sein. Dieses Verfahren wurde in der mathematischen Psychologie entwickelt (►Conjoint Analysis), um Präferenzurteile messen zu können. Die Sozialpsychologie nutzte es zur Messung sozialer Prozesse. Erst Anfang der 1990er Jahre wurde die Vignetten-Technik in den USA zur qualitätsbezogenen Messung verwandt [2]. Die Erhebung erfolgt in sorgfältig ausgewählten Gruppenbefragungen bzw. Expertengesprächen. „Eine Vignette stellt eine fiktive Situation dar, die mit Hilfe weniger Charakteristika beschrieben werden kann. Die Befragten werden gebeten, die Situation als Ganzes zu beurteilen. Entscheidend ist dabei die Identifikation der ‘Critical Quality Characteristics’, derjenigen Faktoren, die ausschlaggebend sind für die Beurteilung der Leistungsqualität.“ [3] Die Vignetten-Technik kommt schon in der Designphase, also bei der Dienstleistungskonzeption und Bestimmung der Qualitätsmerkmale zum Zuge. Hier liegt auch der Schwer punkt der Anwendung. Von Fall zu Fall wird sie noch bei der Qualitätsmessung angewandt. Ansatzweise kann das Vorgehen wie folgt beschrieben werden: Als Grundlage zur Entwicklung der Vignetten muss die Dienstleistung zunächst charakterisiert werden, es müssen die sog. Critical Quality Characteristics (CQC’s) ermittelt werden. Diese Qualitätsmerkmale und Ausprägungen liefern dann durch Kombination die Vignetten. Jede Vignette bildet somit eine unterscheidbare Kombination aus Qualitätsmerkmal und Ausprägung). Im Anschluss an diese durch Kom binatorik gewonnnen Vignetten kann das weitere Vorgehen unterschiedlich sein. Es ist in [1] ausführlich beschrieben. Angewandt werden nun sehr oft Befragungs- und Interviewtechniken. „Ergebnis der Vignetten-Methode sind ►Qualitätsurteile, die die wichtigsten Faktoren nach Rangfolge
189
D
D7 – Q-Techniken für Dienstleister und Gewicht berücksichtigen.“ [4] Praktiker sprechen auch von Hitlisten, die Kunden erstellen [5]. Auf deren Grundlage entsteht dann – bei komplexen Kombinationen durch Regressionsanalysen (►Conjoint Analysis) gewonnen – ein Targetdesign.
D
3 D2-Service-Blueprinting (blueprint: Blaupause, Abziehbild) Das auch als Service-Mapping bezeichnete Service-Blueprinting ist erstmals im amerikanischen Bankenbereich von G. Lynn Shostack systematisch entwickelt und dann publiziert worden [6]. Es beruht auf einem Ablaufdiagramm, das für einen Dienstleistungsprozess erstellt werden kann. Oft wird es als Vorstufe genutzt, um dann die SEM-Technik (Kap. 4) anzuwenden. Es kann sowohl in der Entwicklungsphase ei nes Produkts, wie auch zur ►Qualitätsverbesserung zum Zuge kommen. Neben Kre dit instituten und Hotels wird diese Qualitätstechnik inzwischen u. a. auch im Beschwerde management, in Krankenhäusern, Labors, Tankstellen, Campingplätzen und Speditionen angewandt [7]. Die Qualitätstechnik D2-Service-Blueprinting wird wegen ihrer zunehmenden Bedeutung auch im Prozessmanagement in einem Extra-Stichwort (►Service Blueprint) ausführlich dargestellt. 4 D3-Sequentielle Ereignis-Methode (SEM) Der Sequentiellen Ereignis-Methode geht die Vorstrukturierung mittels Ablaufdiagrammen voraus (i. d. R. Service-Blue prints). Entlang des so strukturierten Prozesses wird an den Sequenzen, d. s. die Ereignisse an den Kontaktpunkten zum Kunden oberhalb der line of visibility methodisch angesetzt. Allgemein spricht man deshalb auch von Kontaktpunktanaly se. Eine dieser Methoden qualitativer Art ist die SEM, die von Stauss wie folgt charakterisiert wird [9]: „Bei der Sequentiellen Ereignismethode handelt es sich um eine phasenorientierte Kundenbefragung auf der Grundlage der mittels Blueprintings erfolgten Zer legung des Dienstleistungsprozesses und der dabei ermittelten moments of truth. Die für den Konsumenten sichtbaren Teile des Leistungserstel lungsprozesses, d.h. die in Konsumprozessen übli chen Abfolgen von Kundenkontaktpunkten, werden in einem modifizierten Blueprint dargestellt (verbal, gegebe nen falls mit visueller Unterstützung durch Symbole und Fotos). Anhand dieses Blueprints werden die Kunden/Patienten/Klienten im Rahmen eines persönlichen Interviews gebeten, den Ablauf ihres Dienstleistungserlebens noch einmal gedanklich-emotional durchzugehen und das Erleben in den einzelnen Augenblicken der Wahrheit ausführlich zu schildern. Mit Hilfe offener strukturierter Fragen wird bei jeder Kundenkontaktsituation nach dem wahrgenommenen Ablauf, den Emfindungen und positiven bzw. negativen Beurteilungen gefragt.“
190
D7 – Q-Techniken für Dienstleister Hinter diesem Vorgehen verbirgt sich die Vorstellung, „dass jede Situation, in der ein Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager entsteht, einen Augenblick der Wahrheit darstellt. Konkret bedeutet dies, dass jeder dieser Momente dazu beitragen kann, die Qualitätswahrnehmung des Nachfragers zu verändern. Jede Kontaktsituation muss daher als nicht wiederholbare Chance angesehen werden, die Unternehmung als ‘excellenten Dienstleister’ beim Kunden darzustellen.“ [10] Unterschieden wird zwischen üblichen, normalen Kontaktsituationen und kritischen. Beide sind Gegenstand der SEM. Bei kritischen Kontaktsituationen sollte auf die Critical Incident Technique (CIT) oder ergänzend die Beschwer deanalyse zurückgegriffen werden (►Messung der Dienst leistungsqualität). Die SEM ist von Vorteil, weil sie es ermöglicht, die relevanten Kundenkontaktpunkte vollständig zu identifizieren und zu analysieren. Allerdings ist zu beachten, dass die Befragten dazu neigen können, überzogene Schilderungen abzugeben, weil sie sich möglicherweise gezwungen fühlen zu jeder Kontaktsituation Stellung beziehen zu müssen. Mit dem Eintreten dieses Effekts ist v. a. dann zu rechnen, wenn das Blueprinting mit Fotos der Kontaktpunkte unterstützt wird (gestützte Erinnerung). Bei der Analyse der Ergebnisse ist zu beachten, dass die Kundenbeurteilung sich nur auf die kundensicht baren Prozesse/Kontaktpunkte beziehen kann, die Voraussetzungen, also die kundenunsichtbaren Prozesse, müssen dann ebenso Gegenstand der ►Qualitätsverbesserung sein. Es ist also der Fehlschluss zu vermeiden, dass die kundensichtbaren Prozesse die kundenunsichtbaren bedingen. Im einzelnen ist demzufolge die Dependenz bzw. Interdepen denz des Bedingungsverhältnisses zu prüfen. Eine typische SEM-Frage kann wie folgt: „Stellen Sie sich bitte vor, wie unser Mitarbeiter …! Was geschah dabei? Was fiel Ihnen dabei positiv oder negativ auf?“ „Mit dieser Auswertung ergeben sich nicht nur die Problemfelder der Dienstleistung, sondern auch die kritischen Qualitätsmerkmale aus Kundensicht.“ [12] 5 D4-ServQual (= service + quality) Der ServQual-Ansatz baut auf den fünf Dimensionen der Dienstleistungsqualität von Parasuraman et al. auf (Abbildung D02). Zu diesen Dimensionen ist ein standardisierter Fragebogen mit 22 Aussagen entwickelt worden. Jede der 22 Aussagen läßt zwei Antwortmöglichkeiten zu, eine Form der Erwartung der Kunden über qualitätsrelevante Dimensionen und eine Form ihrer tatsächlich erlebten Leistungen hinsichtlich einer bestimmten Dienstleistung. Basis bildet ein spezieller Qualitätsbegriff (Dienstleistungsqualität = Erfahrung / Erwartung), der wie folgt gemessen wird [14]: „Durch die Verwendung der Doppelskala (jeweils eine Skala zur Bewertung: ‘so sollte es sein’ bzw. ‘so ist es’) wird es möglich, zwischen wichtigen und weniger wichtigen Teilaspekten der Dienstleistung zu unterscheiden. Die Auswertung gibt Hinweise auf Merk male, deren Abweichungen besonders gravierend sind und die deshalb bevorzugt zu bearbeiten sind.“
D7 – Q-Techniken für Dienstleister Die modifizierte Fassung der Doppelskala von 1991 sieht eine Doppelskala mit folgenden Endpunkten vor: ‘stimme völlig zu’ bis ‘lehne völlig ab’. Auf der Grundlage der Differenz zwischen Wahrnehmungen und Erwartungen lassen sich Aussagen über die Qualität treffen. Stimmen beide Werte überein oder übertrifft die Wahrnehmung die Erwartung, kann von zufriedenstellender bzw. guter Qualität gesprochen werden. Besteht hingegen eine Kluft zwischen einem höher angesiedelten, auf die Erwartungen bezogenen Wert.
D7 – Q-Techniken für Dienstleister Abb. D02: Fünf Dimensionen der Dienstleistungsqualität nach Parasuraman et al. tangibles Materielles/Umfeld
Die Gesamtheit des physischen Umfelds einer Dienstleistung, einschließlich der Räumlichkeiten, der Einrichtung und des Erscheinungsbilds der Mitarbeiter
reliability Zuverlässigkeit
Die Fähigkeit, die versprochene Leistung zuverlässig und akkurat auszuführen
responsiveness Entgegenkommen
Die Gewilltheit und Schnelligkeit bei der Lösung von Kundenproblemen
Inzwischen ist das SERVQUAL-Instru ment, wie es von Parasuraman et al. entwickelt wurde, von Das Wissen, die Höflichkeit und die VertrauensWissenschaftlern abge wan delt und auf konkrete assurance würdigkeit der Mitarbeiter Problem stel lungen bezogen worden. In eigenen Souveränität Fragebögen wurden die Aussagen ergänzt und variiert. Auch sind die fünf Dimensionen der DienstDie Bereitschaft, sich individuell um jeden Kunden empathy leistungsqualität als nicht ausreichend empfunden zu kümmern Einfühlungsvermögen worden. Dennoch erfreut sich SERVQUAL weiterQuelle: [13] heit im Qualitätsmanagement. hin großer Beliebt Zum Einsatz im Beschwerdemanagement vgl. [15]. SERVQUAL kann auch als Checkliste angewandt werden. (4) assurance: Souveränität Eine solche Verwendung ist in der Praxis zu empfehlen, wirft ◼ Das Verhalten der Mitarbeiter flößt den Kunden Vertraudoch die Verwendung des Instrumentes im Rahmen von Been ein fragungen erhebliche erhebungs- und auswertungstechnische ◼ Transaktionen erfolgen sicher Probleme auf, die nur von Fachleuten mit Kenntnissen und ◼ Kunden werden stets gleichbleibend höflich behandelt Erfahrungen in der empirischen Sozialforschung richtig beur◼ Die Mitarbeiter beantworten Kundenfragen mit ihrem teilt werden können. Eine solche Checkliste könnte wie folgt Fachwissen aussehen [15]: (5) empathy: Einfühlungsvermögen ◼ Jedem Kunden wird individuelle Aufmerksamkeit gewid(1) tangibles: Materielles Umfeld met ◼ Die Ausstattung der Organisation ist modern ◼ Die Betriebszeiten werden allen Kunden gerecht ◼ Die Einrichtung fällt angenehm ins Auge ◼ Die Mitarbeiter widmen sich persönlich den Kunden ◼ Die Mitarbeiter sind adrett gekleidet ◼ Die Kundeninteressen stehen im Mittelpunkt ◼ Die Broschüren und sonstigen Mitteilungen für die Kun◼ Die Kunden fühlen sich in ihrem spezifischen Servicebeden sind ansprechend gestaltet dürfnis von den Mitarbeitern verstanden. (2) reliability: Zuverlässigkeit ◼ Das Versprechen, etwas zu einem bestimmten Termin zu erledigen, wird eingehalten ◼ Es besteht aufrichtiges Interesse, das Problem eines Kunden zu lösen ◼ Gleich beim ersten Mal wird der Service richtig ausgeführt ◼ Dienste werden zu den versprochenen Terminen geleistet ◼ Kunden erhalten fehlerfreie Belege (3) responsiveness: Entgegenkommen ◼ Kunden bekommen gesagt, wann genau der Service geleistet wird ◼ Kunden werden prompt bedient ◼ Die Mitarbeiter sind stets bereit, den Kunden zu helfen ◼ Die Mitarbeiter sind nie zu beschäftigt, um auf Kundenwünsche einzugehen
Abschließend sei auf die kritische Würdigung im Hauptstich wort ►Modelle der Dienstleistungsqualität hingewiesen. 6 D5-Beschwerdemanagement Beschwerdemanagement wird hier im Zusammenhang mit den D7-Q-Techniken für Dienstleister als Qualitätstechnik ma nage gesehen. Systematisch betriebenes Beschwerde ment kann als Frühwarnsystem für die Organisation gesehen werden. Es ist hier im Lexikon unter zwei Stichwörtern aus führlich beschrieben (►Aktives BeschwerdemanagementSystem-ABMS; ►Beschwerdemanagement). 7 D6-FRAP-Frequenz Relevanz Analyse von Problemen In Weiterentwicklung der ►Problem Detecting Method (PDM), die von der Werbeagentur Batten, Barton, Durstine & Osborn (BBDO) entwickelt wurde, stellt die FrequenzRelevanz-Analyse von Problemen – FRAP eine Analysemethode und damit eine Entscheidungshilfe zur Aufdeckung von Kundenproblemen dar. Es existieren unterschiedliche
191
D
D7 – Q-Techniken für Dienstleister
D
Bezeichnungen für die FRAP. So wird sie im Beschwerdema nagement beispielsweise FRAB (Frequenz-Relevanz-Analyse von Beschwerden) genannt [16]. „Kern der FRAP ist die Gegenüberstellung von Auftretenshäufigkeit und Bedeutung von Problemen, um so einen Hinweis auf die Prioritäten bei der Problemlösung zu gewinnen.“ [17] Dabei gilt: Je häufiger ein Problem auftritt, desto dringender bedarf es der Beachtung durch die Organisation. Als Informationsbasis für die Anwendung der FRAP dienen die Daten aus Kundenbefragungen, der SEM, CIT oder auch SERVQUAL. Sollten solche Daten nicht vorliegen, sind diese zu erheben. Ein Beispiel wird kurz in [18] referiert. Die FRAP selbst ist eine Visualisierungsmethode entsprechend der Portfolio-Darsellung. Zunächst wird die Häufigkeit ermittelt, mit der jedes Problem auftritt. Damit ist die Problem frequenz festgestellt. Die Problemfrequenz wird nun ins Verhältnis zur Problemrelevanz gesetzt. Sind die Daten in dieser Qualität vorhanden, kann die FRAP entwickelt werden. Im Anschluß an die FRAP bietet dann das auf der Basis der FRAP-Werte erstellte ►Pareto-Diagramm die Möglichkeit die Problemarten kumuliert darzustellen und zu erkennen welche Problemarten den Schwerpunkt bilden (80%-Regel). Bruhn weist darauf hin, dass aufgrund der Erhebung von Häufigkeitswerten zum Auftreten von Problemen die FRAP nur in jenen Fällen sinnvoll einsetzbar ist, in denen Dienstleistungen mit hoher Frequenz bzw. über einen entsprechend langen Zeitraum genutzt werden. D. h. für erst- oder einmalige bzw. nur sporadisch genutzte Dienstleistungen ist diese Qualitätstechnik nicht geeignet. [19] 8 D7-Service-FMEA Die Service-FMEA, also die Failure Mode and Effect Analysis auf Dienstleistungen bezogen, unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der im Hauptstichwort ►FMEA behandelten allgemeinen Darstellung. In [1] wird versucht exemplarisch aus dem Dienstleistungsbereich zu belegen, dass diese spezielle FMEA sehr wohl angewandt werden kann, wenn es darum geht, ◼ Fehler frühzeitig zu erkennen ◼ die Fehlerursache festzustellen ◼ die Auswirkungen der möglichen Fehler abzuschätzen und zu bewerten und ◼ Maßnahmen zur Fehlervermeidung, bzw. Abminderung der Fehlerfolgen, festzulegen. Festzuhalten gilt, dass viele andere Qualitätstechniken der Q7 und D7 im Zusammenhang mit der Service-FMEA eingesetzt werden können. 9 Zusammenfassung Die Darstellung der D7-Q-Techniken für Dienstleister hat gezeigt, dass einer Dienstleistungsorganisation eine Vielzahl an Techniken zur Verfügung steht, die Qualität seiner Dienstleistungen zu messen und zu verbessern. Die Autoren der D7 haben versucht einen geschlossenen Ansatz von sieben Qualitätstechniken für Dienstleister vorzustellen. Dem Anwender
192
D7 – Q-Techniken für Dienstleister obliegt es, die Techniken flexibel auf seine Bedürfnisse zu beziehen. Das heißt auch andere ►Qualitätstechniken mitzuberücksichtigen. Bevor man jedoch darangeht irgenwie eine Technik anzuwenden, sollten Kenntnisse vorhanden sein, um begründet auswählen zu können (Matrix in Abbildung D01). Auf die Kontaktpunktanalyse bezogen hat Stauss ein Mix der relevanten Techniken zusammengestellt [20]. Qualitätstechniken sind bei aller Präskription keine vollständigen Re zeptsammlungen, keine perfekten Anleitungen, sie müssen ausprobiert, erprobt und ständig verbessert werden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Hoeth, U.; Schwarz, W.: Qualitätstechniken für die Dienstleistung. Die D7. München-Wien: Hanser 1997, S. 25 [2] Govers Studie bezog sich auf Campingplatze in den Niederlanden: Govers, C.: The Judgment of Service Quality. In: Kunst, P.; Lemmink, J. (eds.): Quality Management in Services. Assen (Maastricht) 1992, S. 29-40 [3] Haller, S.: Beurteilung von Dienstleistungsqualität. Dynamische Betrachtung des Qualitätsurteils im Weiterbildungsbereich. 2. Aufl. Wiesbaden: Gabler 1998, S. 113 [4] s. [3], S. 116 [5] Biermann, Th.: Neue Wege der Kundenwunscherforschung. In: Dehr, G.; Biermann; Th. (Hrsg.): Kurswechsel Richtung Kunde. Die Praxis der Kundenorientierung. Frankfurt am Main: FAZ 1996, S. 83f [6] Shostack, G. L.: How to Design a Service. In: Donnelly, J. H.; George, W. R. (Hrsg.): Marketing of Services. American Marketing Assoc. 1981. – Shostack, G. L.: Planung effizienter Dienstleistungen. In: Harvard Manager. Jg. 6 (1984), Nr. 3, S. 93-99 [7] Stauss, B.; Seidel, W.: Beschwerdemanagement. Fehler vermeiden – Leistung verbessern – Kunden binden. München-Wien: Han ser 1996, S. 132f [8] Stauss, B.: „Augenblicke der Wahrheit“ in der Dienstleistungserstellung – Ihre Relevanz und ihre Messung mit Hilfe der kontaktpunkt-Analyse. In: Bruhn, M; Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsqualität. Konzepte, Methoden, Erfahrungen. 2. Aufl. Wiesbaden: Gabler 1995, S. 387 [9] s. [8], S. 389 [10] s. [3], S. 126 [11] s. [1], S. 65 [12] s. [1], S. 66 [13] Parasuraman, A. et al.: SERVQUAL: A Multiple-Item Scale for Measuring Customer Perceptions of Service Quality. In: Rebort No. 86-108, Cambridge 1986 [14] s. [7], S. 93ff [15] s. [1], S. 76f – In Anlehnung an den dort entwickelten Katalog. [16] s. [7], S. 190ff [17] s. [1], S. 99 [18] s. [1], S. 100f [18] s. [8], S. 393 [19] Bruhn, M.: Qualitätsmanagement für Dienstleistungen. Grundlagen, Konzepte, Methoden. 2. Aufl. Berlin u.a.: Springer 1997, S. 90 [20] s. [8], S. 395 [21] Theden, P.; Colsmann, H.: Qualitätstechniken. München: Hanser 1996
DACH DACH Deutsche Akkreditierungsstelle Chemie GmbH
▶DAkkS Die Deutsche Akkreditierungsstelle Chemie DACH akkreditiert Prüflaboratorien auf Grundlage der Normenreihe DIN EN 45000 bzw. ISO 17025. Die Aufgaben der Akkreditierung wurden zum 01. Januar 2010 im Rahmen einer neuen Struktur in der ►DAkkS als nationale Akkreditierungsstelle für die deutsche Wirtschaft gebündelt. Die Akkreditierungen beziehen sich u. a. auf die Bereiche in folgenden Prüfgebieten: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Chemische und chemisch-physikalische Analytik Biologische Untersuchungen Medizinische Laboratoriumsdiagnostik Anwendungstechnische Prüfungen Sicherheit und Umwelt
DAkkS
▶de: Deutsche Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland ▶Akkreditierung
Aufgabe
1 Zum Profil der DAkkS Die DAkkS ist die nationale Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland. Sie handelt nach der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 und dem Akkreditierungsstellengesetz (AkkStelleG) im öffentlichen Interesse als alleiniger Dienstleister für Akkreditierung in Deutschland. Die DAkkS arbeitet nicht gewinnorientiert. Gesellschafter der GmbH sind zu jeweils einem Drittel die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer (Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt) und die durch den Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) vertretene Wirtschaft. Um ihre hoheitlichen Akkreditierungsaufgaben ausfüllen zu können, wurde die DAkkS vom Bund beliehen. Als beliehene Stelle untersteht die DAkkS der Aufsicht des Bundes. Bei ihrer hoheitlichen Akkreditierungstätigkeit wendet die DAkkS das deutsche Verwaltungsrecht an. 2 Aufgabe der DAkkS Die Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen (Laboratorien, Inspektions- und Zertifizierungsstellen) ist der gesetzliche Auftrag der DAkkS. In rund 4.300 Akkreditierungsverfahren begutachtet, bestätigt und überwacht die DAkkS als unabhängige Einrichtung die fachliche Kompetenz dieser Stellen, deren Dienstleistungen in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft und des Handels benötigt werden. Das Spektrum der Kunden reicht von kleinen Laboratorien bis hin zu multinationalen Unternehmen. Mit einer Akkreditierung bestätigt die DAkkS, dass diese Stellen ihre Aufgaben fachkundig und nach geltenden Anforde-
DAkkS rungen erfüllen. Kurz: Die DAkkS prüft die Prüfer. 3 Geschichte und Entstehung der DAkkS Am 1. Januar 2010 nahm die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) ihre Arbeit auf. Mit der Einrichtung dieser nationalen Akkreditierungsstelle erfüllt Deutschland die europäische Forderung nach einer Vereinheitlichung des Akkreditierungssystems. Dieser Schritt schlägt ein neues Kapitel im deutschen Akkreditierungswesen auf und bündelt die langjährigen Erfahrungen und Kompetenzen der zuvor rund 20 Stellen in einer neuen Struktur. Rückblick – Zersplittertes Akkreditierungswesen in Deutschland: Anders als zahlreiche andere Staaten verfügte Deutschland bis Ende 2009 nicht über eine einzige nationale Akkreditierungsstelle, sondern über ein zersplittertes Akkreditierungssystem, das aus rund 20 privaten und öffentlichrechtlichen Akkreditierungsstellen in sich teilweise überschneidenden Gebieten bestand. Die Zusammenarbeit und Koordinierung der Akkreditierungsakteure übernahm seit 1991 der Deutsche Akkreditierungsrat (DAR), der nach der Gründung der DAkkS seine Tätigkeit Ende 2010 eingestellt hat. Geregelter und nicht geregelter Bereich – Im Bereich der Akkreditierung wurde zwischen dem gesetzlich geregelten und dem nicht geregelten Bereich unterschieden. Im geregelten Bereich waren vornehmlich Länderstellen (z. B. die ZLS Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik) oder auch Akkreditierungsstellen des Bundes (z. B. die Bundesnetzagentur) tätig. Außerhalb des gesetzlich geregelten Bereichs haben private Akkreditierungsstellen die Akkreditierung vorgenommen, um vor allem die Vertrauensbildung im Geschäftsverkehr und die Erleichterung des Marktzugangs zu fördern. Konformitätsbewertungsstellen, die ihre Dienstleistung im gesetzlich geregelten und im nicht geregelten Bereich anboten, mussten sich durch diese Trennung mehrfach akkreditieren lassen. Entstehung der Deutschen Gesellschaft für Akkreditierung (DGA) – Im Hinblick auf die mit Beginn des Jahres 2010 anstehenden grundlegenden Veränderungen des deutschen Akkreditierungswesens durch das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 sowie der Verabschiedung des Akkreditierungsstellengesetzes (AkkStelleG) durch den Bundestag im Juli 2009 schlossen sich die drei wichtigsten privaten Akkreditierungsgesellschaften zusammen. Aus der Deutschen Akkreditierungsstelle Chemie GmbH (DACH), der Deutsches Akkreditierungssystem Prüfwesen GmbH (DAP) und der Trägergemeinschaft für Akkreditierung GmbH/DATech (TGA) wurde im September 2009 die Deutsche Gesellschaft für Akkreditierung GmbH (DGA). Der Mitgliedsstatus von ►DACH, DAP und TGA/DATech in der europäischen Akkreditierungsorganisation EA ging durch die Verschmelzung auf die DGA über. Gründung der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) – In § 8 AkkStelleG ist festgelegt, dass eine juristische Person des Privatrechts mit den Aufgaben und Befugnissen ei-
193
D
DAkkS
D
Start der DAkkS im Januar 2010 – Zum 1. Januar 2010 nahm die DAkkS ihre Geschäftstätigkeit als nationale Akkreditierungsstelle auf. Die DAkkS ist durch die Beleihung hoheitlich tätig, unterliegt dem deutschen Verwaltungsrecht und nimmt die Akkreditierungstätigkeiten gemäß Verordnung (EG) Nr. 765/2008 wahr. Mit dem Zusammenschluss der ehemals privaten Gesellschaften unter dem Dach der neuen Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH und der Beleihung der DAkkS vertraute Deutschland im Zuge der Neuordnung auf die Infrastruktur, Erfahrung und technische Kompetenz der bestehenden Akteure im Bereich der Akkreditierung. Die bisherigen Standorte der übertragenen Gesellschaften und Organisationen (Berlin, Frankfurt am Main und Braunschweig) blieben als Niederlassungen erhalten, die Mitarbeiter der Vorgängergesellschaften wurden ebenso wie der Pool an Begutachtern übernommen. 4 Internationalität und gegenseitige Anerkennungen Die DAkkS ist Mitglied in der Europäischen Kooperation für Akkreditierung (EA). Die internationale Anerkennung der Akkreditierungen wird dadurch weiterhin gewährleistet. ◼ EA – European co-operation for Accreditation ◼ IAF – International Accreditation Forum (IAF) ◼ ILAC – International Laboratory Accreditation Cooperation Gegenseitige Anerkennung von Akkreditierungen – Zentrales Ziel des internationalen Akkreditierungsnetzwerks ist die gegenseitige Anerkennung der Dienstleistungen und Ergebnisse akkreditierter Stellen, um technische Handelsschranken abzubauen und die internationale Akzeptanz akkreditierter Bewertungsleistungen ohne kostspielige Mehrfachakkreditierungen zu erhöhen. Dieses Vorgehen folgt dem Grundsatz: „Einmal geprüft, überall akzeptiert“. Ermöglicht wird dies
194
durch multilaterale Vereinbarungen und Abkommen der nationalen Akkreditierungsstellen mit den europäischen bzw. internationalen Akkreditierungsorganisationen (EA MLA, IAF MLA und ILAC MRA). Hans-Dieter Zollondz, Vichy Web
URL: www.dakks.de
Daten
▶en: data Fakten über ein ►Objekt
Normquelle: ISO 9000:2015-10 ⟪Originalbegriff⟫
Datenqualität
▶en: data quality Datenqualität ist ein relationaler Begriff (Forderung versus realisierte Forderung = Ergebnis), der festlegt, welche Qualitätsforderungen an die Daten gestellt werden, die Grundlage für Informationen sind, die wiederum aus den Daten gewonnen werden. Die folgenden Qualitätsmerkmale für Datenqualität können genannt werden [1]: ◼ Korrektheit: Die Daten müssen mit der Realität übereinstimmen. ◼ Konsistenz: Ein Datensatz darf in sich und zu anderen Datensätzen keine Widersprüche aufweisen. ◼ Zuverlässigkeit: Die Entstehung der Daten muss nachvollziehbar sein. ◼ Vollständigkeit: Ein Datensatz muss alle notwendigen Attribute enthalten. ◼ Genauigkeit: Die Daten müssen in der jeweils geforderten Exaktheit vorliegen (Beispiel: Nachkommastellen). ◼ Aktualität: Alle Datensätze müssen jeweils dem aktuellen Zustand der abgebildeten Realität entsprechen. ◼ Redundanzfreiheit: Innerhalb der Datensätze dürfen keine Dubletten vorkommen. ◼ Relevanz: Der Informationsgehalt von Datensätzen muss den jeweiligen Informationsbedarf erfüllen. ◼ Einheitlichkeit: Die Informationen eines Datensatzes müssen einheitlich strukturiert sein. ◼ Eindeutigkeit: Jeder Datensatz muss eindeutig interpretierbar sein. ◼ Verständlichkeit: Die Datensätze müssen in ihrer Begrifflichkeit und Struktur mit den Vorstellungen der Fachbereiche übereinstimmen. Eine der größten Herausforderungen von ►Big Data ist die Herstellung und Aufrechterhaltung einer hohen Datenqualität. Die Aussagefähigkeit von Ergebnissen hängt stark von der Qualität der ihnen zugrunde liegenden Rohdaten und deren Bezug zu Geschäftsvorfällen ab. Drei Fragen stehen in diesem Zusammenhang im Mittelpunkt [2]:
Begriff
ner Akkreditierungsstelle beliehen werden kann. Das mit der Errichtung der nationalen Akkreditierungsstelle beauftragte Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) entschied sich für die Neugründung einer GmbH, die später mit bestehenden Organisationen verschmolzen und beliehen werden konnte. Die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH wurde mit Gesellschaftervertrag vom 16. Oktober 2009 gegründet (zunächst 100% Bund). Am 17. Dezember 2009 verschmolz dann die im September 2009 gegründete DGA (ehemals DACH, DAP und TGA/DATECH) mit der DAkkS. Darüber hinaus wurde der Deutsche Kalibrierdienst (DKD) durch einen Organisationserlass des BMWi in die DAkkS übergeleitet. Durch die Verschmelzung mit der DGA wurde ein Drittel der Gesellschafteranteile der DAkkS auf die Wirtschaft, vertreten durch den Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) übertragen. Da die DAkkS mit der Verschmelzung im Sinne des § 10 AkkStelleG nun beleihungsfähig war, wurde sie durch die am 21. Dezember 2009 verabschiedete Verordnung zur Beleihung der Akkreditierungsstelle (AkkStelleGBV) mit den Aufgaben und Befugnissen der nationalen Akkreditierungsstelle beliehen. Der Eintrag ins Handelsregister erfolgte unmittelbar darauf.
Datenqualität
Darlegungsforderung 1 Wie entsteht niedrige Datenqualität? 2 Wie erreicht man nachhaltig eine hohe Datenqualität? 3 Welcher Aufwand ist zur Aufrechterhaltung einer hohen Datenqualität angemessen. Sollen diese Fragen wirksam verfolgt werden, so ist es zwingend, dass das Thema Datenqualität nur aus einer spezialisierten, vom Top-Management mit einem entsprechenden Mandat ausgestatteten Organisationseinheit heraus aufgegriffen werden kann. Nur so können die übergreifende – in den Qualitätsmerkmalen sichtbaren – Zusammenhänge gesteuert werden, die hohe/niedrige Datenqualität beeinflussen. Schließlich ist der Zusammenhang von Daten-, Informationsund Wissensqualität evident. Somit muss jede Organisation, die sich empirisch stützt, zuvorderst bei der Qualität ihrer Daten beginnen. Das gilt grundsätzlich und erst recht im Zeitalter von ►Big Data. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Bayer, M.: Gute Daten – schlechte Daten. In: Computerwoche vom 24. Jan. 2011, S. 1 [2] Bachmann, R., G. Kemper und Th. Gerzer: Big Data. Fluch oder Segen? Frechen (mitp) 2014, S. 159-161 [3] Wang, R. Y., Z. Mostapha and Yang W. Lee: Data Quality. Advances in Database Systems. 2001st Edition. New York (Springer Media) 2013
Datenschutz
▶IT-Sicherheit
Datensicherheit ▶IT-Siche rheit
Deutscher Akkreditierungsrat (DAR) ▶DAkkS
Darlegungsforderung
▶demonstration requirement Forderung einer Darlegung der Realisierung von ►QM-Elementen gegenüber dem Kunden bzw. Auftraggeber bei vertraglicher Vereinbarung, oder gegenüber einer zuständigen Stelle bei gesetzlicher Auflage. Der Begriff wurde nicht in die Kernbegriffe der ISO 9000 aufgenommen. Er wurde lediglich in der deutschen „Zusatznorm“ DIN 55350-11:1995-08 (Ziffer 10) definiert (zurückgezogen und ersetzt durch die Version 2008-05). Zur Klarstellung, dass sich die Darlegungsforderung nicht auf Produkte bezieht, sollte sie QM-Darlegungsforderung genannt werden. Sie ist also ein Systembegriff, der sich vorwiegend auf die Tätigkeiten im QM-System bezieht und zu unterscheiden ist von der ►Qualitätsforderung an ein Produkt und die For derung nach einem Qualitätsnachweis. Der Begriff Darlegungsstufe bezog sich vor Inkrafttreten der ISO 9001:2000 auf die drei QM-Normen, nach denen zerti-
Delphi-Befragung fiziert werden konnte (ISO 9001, 9002 und 9003). Er ist zurückgezogen und nicht ersetzt worden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
DASMIN ▶DAkkS
D
DASET
▶DAkkS
DaTech
▶DAkkS
Daten
▶Qualitätsdaten
DEKITZ
▶DAkkS
Delay
▶Wartezeit ▶Call Center Management Die Zeit, die ein Anrufer in der Warteschlange auf einen verfügbaren Agent wartet. Die durchschnittliche Wartezeit entspricht der Average Speed of Answer. Quelle: Cleveland, B. et al.: Call Center Management, Wiesbaden (Gabler) 1998, S. 243-262 · OrigZit
Delegation
Übertragung von Zuständigkeiten, Leistungen, Befugnissen und Entscheidungskompetenzen. Delegation ist als einseitige Einflußnahme und Machtausübung zu verstehen, wobei zu beachten ist, daß auf Dauer und eindeutig definierte Aufgaben dorthin übertragen werden sollen, wo das höchste leistungsbezogene Informationsniveau vorliegt und eine reale Chance zur sachgerechten Erledigung der Aufgaben besteht. Delegation darf nicht unter dem Gesichtspunkt der Entlastung gesehen werden, sondern unter dem Gesichtspunkt der Dezentralisation und der Wirkung auf das persönliche Engagement der Mitarbeiter für die Unternehmungs-, Abteilungs- und Gruppenziele. Durch Delegation wird die Leis tungsmotivation der Mitarbeiter gestärkt.
Deliktsrechtliche Produzentenhaftung
▶Produkt-/Produzentenhaftung im Qualitätsmanagement
Deliktische Haftung
▶ Produkt-/Produzentenhaftung im Qualitätsmanagement
Delphi-Befragung Auch im Qualitätsmanagement will man wissen, was die Zukunft bringt. Zwar könnte man der griechischen Sage folgend das Orakel von Delphi fragen, aber es gibt Besseres. Die Delphi-Befagung oder einfach Delphi-Methode ist eine em-
195
Deming, William Edwards
Häder, M.: Delphi-Befragungen: Ein Arbeitsbuch. 3. Aufl . Wiesbaden (Springer VS) 2014
Deming, William Edwards
▶Shewhart ▶Deming Price ▶Demingsche Reaktionskette ▶14 Punkte für das Management (Managementregeln) ▶7 tödliche Krankheiten ▶PDCA-Zyklus ▶Lernende Organisation
Deming – Stichwortartikel Demings Lehre des Qualitätsmanagements ist nach wie vor ein unhintergehbarer, lebendiger und herausfordernder Zugang zum Qualitätsmanagement. Leider ist keines seiner Werke bisher ins Deutsche übersetzt worden. Hier im Lexikon finden Sie zusätzlich zum Personenartikel „Deming“ die folgenden Stichwortartikel: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Deming Prize Demings 14 Regeln für das Management Demings Hindernisse und falsche Starts Demings PDCA-Zyklus Demings Sieben tödliche Krankheiten Demingsche Reaktionskette
Bei William Edwards Deming teilen sich die Meinungen. Abgesehen von denjenigen, die Deming überhaupt nicht kennen, scheint es nur zwei unterschiedliche Betrachter seiner Lehre zu geben: entschiedene Befolger und ebenso entschiedene Ablehner. Die Anhänger nennen ihn den „Vater der dritten industriellen Revolution“; die Ablehner betrachten ihn als praxis-irrelevant. Dass letzteres so nicht gesehen werden kann, geht aus seinen Beiträgen und Verdiensten für das Qualitätsmanagement hervor. Ohne Deming hätten wir z. B. nicht die gewohnten repräsentativen Umfragen, die eine Voraussage auf Grund statistischer Berechnungen und unter Berücksichtigung der Streuung ermöglichen. Das Prinzip der Ständigen Verbesserung würde in seiner heutigen Form nicht existieren. Das Denken in Systemen wäre noch rudimentärer als es sich heute präsentiert.
196
Geburt/Studium Geboren am 14. Oktober 1900 in Sioux City, Iowa (USA), gestorben am 20. Dezember 1993 in Washington D. C. (USA): Studium Physik und Mathematik an der University of Wyoming und Colorado; 1928 Promotion (PhD) in mathematischer Physik an der Yale University. Eine differenzierte Time-Line über sein Leben findet sich unter folgender URL: www.deming.org/theman/timeline. Amerikanischer Qualitätsexperte
D
pirische Forschungsmethode, die dazu dient, Trends, technische, marktbezogene oder allgemein gesellschaftlichde Entwicklungen, also künftige Ereignisse besser einzuschätzen. Dazu werden Experten in einem mehrstufigen, anonymen Verfahren nach ihrer Einschätzung gefragt und dadurch zu kompetenteren Urteilen geleitet. So könnte eine Fragerichtung lauten, ob und wie Industrie 4.0 sich auf das Qualitätsmanagement auswirkt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Deming, William Edwards
Berufspraxis Ab 1928 Tätigkeit im National Bureau of Census der USA bzw. Department of Agriculture. Dort enge Zusammenarbeit mit Walter Andrew ►Shewhart, der ihm die Verfahren der statistischen Prozessregelung vermittelte. Zusammen mit Shewhart Publikation des Buches Statistical Adjustment of Data. Demings Verdienst war es, diese Verfahren auf Bereiche außerhalb der Produktion zu übertragen (z. B. Agrarwirtschaft). Vermittlung der Grundlagen der industriellen Statistik in amerikanischen Unternehmen während des 2. Weltkriegs. Deming war Mitglied des Kommandos von General ►McArthur während der Besatzungszeit in Japan. In der amerikanischen Armee hielt er Vorträge über Statistik. So wurden die Japaner bereits 1949 auf ihn aufmerksam. Er lehrte zudem an verschiedenen amerikanischen Universitäten bis zu seinem Tod. In den USA wurde er erst Anfang der 1980er Jahre von breiteren Kreisen „entdeckt“. 1987 wurde Deming vom US-Präsidenten Ronald Reagan mit der National Medal of Technology in America ausgezeichnet. 1988 ehrte ihn die National Academy of Science mit dem Distinguished Career in Science Award. Er war Ehrenmitglied der ►ASQC und Träger von 16 Ehrendoktortiteln verschiedener amerikanischer Universitäten. Deming sollte für den Wirtschaftsnobelpreis nominiert werden. An der Columbia University wurde das Deming Center for Quality Management errichtet. Deming bezeichnete sich selbst als Ratgeber (Mentor), nicht als Unternehmensberater. Zudem setzt sich Deming als einer der ersten für die Einführung eines Qualitätsbegriffes ein, der sich an den Bedürfnissen der Kunden orientiert („The customer is the most important part of the production line.“) Übrigens, ungewöhnlich für amerikanische Gepflogenheiten, wurde Deming von seiner Umgebung immer mit Dr. Deming angesprochen.
Deming, William Edwards
Deming, William Edwards
Zusammenarbeit mit Shewhart Eine Reihe von Grundsätzen, die Deming zugeordnet werden, gehen tatsächlich zurück auf seinen Lehrer Walter Andrew ►Shewhart. Shewhart war wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Institutionen und leistete vor allem auf dem Gebiet der mathematischen Statistik Pio-nierarbeit. Deming hat das nicht nur anerkannt sondern deutlich hervorgehoben. So nennt er den bei uns weitgehend als ►Demingzyklus bekannten Verbesserungskreis den ►Shewhartkreis. Tatsächlich stammen die grundsätzlichen Erkenntnisse dieses Ansatzes aus Postulaten von Shewhart [1]. Dass Shewhart bei seinen statistischen Ableitungen und Untersuchungen einen seiner wichtigsten Beiträge zur Analyse von Prozessen machte, sei hier nur erwähnt: die ►Prozessregelkarte ist eines der wichtigsten Werkzeuge heutiger Prozessanalysen. In seinem Vorwort in [1] würdigt sie Deming: „Der große Beitrag von Regelkarten ist die mögliche Trennung von Streuung ... in die zwei Ursprünge: (1) zufällige und (2) spezielle Ursachen“ und begründet so den Begriff „beherrschte Prozesse“ mit der Möglichkeit der Voraussage ihres Verhaltens. Ist die Prozessregelkarte eher ein statistisches Werkzeug, so handelt es sich bei dem zweiten Beitrag, den Shewhart vordachte und den Deming propagierte, um einen historisch neuen Denkansatz: das Prinzip ständiger Verbesserung. Ausgehend von drei Grundbausteinen betrachtete Shewhart drei fundamentale Schritte [1]: 1 Die Spezifikation der Qualität der gewünschten Produkte 2 Die Produktion der Produkte zur Erfüllung der Spezifikationen 3 Die Inspektion der produzierten Produkte, um zu sehen, ob sie die Spezifikationen erfüllen. Diese drei Entwicklungsstufen dienen zur Analyse in einem Drei-Stufen-Prozess: man betrachtet die Wirkung jeder dieser Stufen auf das Gesamtsystem, aber nicht in Sequenz sondern Abb. D03: Die drei Prozessstufen der Massenproduktion: Vom Sequenz- zum Kreis-Modell Step I
Step II
Step III
Specification
Production
Inspection
OLD
Specification
ctio n
ion ect p s In
Pro du NEW
als geschlossenen Kreis (Abbildung D03). Shewhart nennt diese drei Schritte „...einen dynamischen Prozess zum Erlangen von Wissen. So betrachtet besteht Massenproduktion in einer kontinuierlichen und selbst-korrigierenden Methode zum effizientesten Gebrauch von Roh- und Fertigmaterial“. Der in sich geschlossene Kreis repräsentiert das Prinzip der Ständigen Verbesserung und bildet die Ausgangsstufe für das von Deming entwickelte PDSA-Prinzip. Demings Einfluss in Japan Deming hat die Entwicklung des japanischen Qualitätswesens stark beeinflusst. 1949 organisierte die ►JUSE (Union of Japanese Scientists and Engineers) Seminare, in denen Deming japanische Manager, Ingenieure und Studenten in die Methoden der Qualitätssicherung einführte. Ab 1950 ging Deming nach Japan. Sein Wirken in Japan soll mit einer Rede am 13. Juli 1950 vor 25 Präsidenten japanischer Konzerne entscheidend beeinflusst worden sein. Er lehrte in Japan Statistik. In der JUSE wurde der Nutzen der Statistik bei Qualitätsverbesserungen von Anfang an erkannt. An den Seminaren in Tokyo, Fukuoko und Harkone sollen mehrere Hundert Zuhörer teilgenommen haben. Auch die Kurse für das Management waren sehr gut besucht. Die Seminare wurden von Deming bis 1960 gehalten. Bis heute bietet die JUSE diese Seminare an. Deming hat somit einen starken Einfluss auf das japanische Qualitätsverständnis gehabt. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Umsetzung von den Japanern selbst geleistet wurde. 1951 erkannte die JUSE die Bedeutung Demings offiziell in einer Resolution an, indem der japanische Qualitätspreis, der ►Deming Prize, zu seinen Ehren seitdem verliehen wird. Die American Statistical Association verleiht seit 1995 einen Deming Lecturer Award. Deming erhielt außerdem 1960 vom japanischen Kaiser Hirohito die höchste Auszeichnung, die einem Ausländer in Japan verliehen werden kann, den Orden The Sacred Treasure [2]. Die „Entdeckung“ Demings in den USA “If Japan Can… Why Can’t We?” (Wenn Japan es kann, warum wir nicht?) war eine amerikanische Produktion der Fernsehanstalt NBC, die 1980 im Rahmen eines Dokumentations-Programms gesendet wurde. Dieser Beitrag machte die amerikanische Öffentlichkeit mit den Gründen für den Japanischen Erfolg bekannt und stellte in diesem Zusammenhang auch den Namen Deming und seine Managementmethoden vor [3]. Dieses Ereignis wird allgemein als der Startpunkt der „Qualitätsrevolution“ in den USA angesehen. Von diesem Zeitpunkt an fanden neue Managementansätze in der Industrie und zunehmend auch im Dienstleistungsgewerbe Aufnahme und Anwendung. Der Industrietourismus von Lern- und Informationsreisen nach Japan nahm zu. Die neue Aufgeschlossenheit in den USA veranlasste wiederum die Japaner, ihrerseits in den Vereinigten Staaten zu investieren.
197
D
Deming, William Edwards
D
Der Transfer nach Europa Obwohl den Europäern die gleichen Informationsquellen zur Verfügung standen, wurden aus Japan direkt kaum Managementansätze übernommen. Vielmehr blickten die Europäer nach Amerika, um von dort japanische Managementmethoden zu übernehmen. Das hängt eng mit dem Wirken von Deming zusammen, der für die Japaner die methodischen Grundlagen schuf, die diese dann anwendeten und die erfolgreiche Anwendung in die USA transferierten (Abbildung D04). Erst von dort bezogen die Deutschen und Europäer das Wissen um japanische Qualitätstechniken. Das hat mit Demings Wirken dahingehend zu tun, als dass dessen Werke ins Japanische übersetzt wurden; die gewonnenen Erfahrungen wurden zurück in Englische übertragen und gelangten erst in dieser Form nach Europa. Dementsprechend wurden neue Qualitätsmanagement-Ansätze erst mit Verzögerung in Eur-
Deming, William Edwards stützte diese Vereinigung persönlich mit zahlreichen Besuchen und Beiträgen. Der Autor dieses Beitrages war Mitglied der BDA und hatte so auch Gelegenheit mit Dr. Deming zu sprechen. Aus den BDA-Aktivitäten entstanden viele Publikationen, jährliche Konferenzen wurden abgehalten, meist mit Dr. Demings Anwesenheit. Auf einem dieser Kongresse wurde ein von Dr. Deming komponiertes Musikstück aufgeführt. Das zeigt die Verbundenheit Demings mit der BDA, der er größte Aufmerksamkeit schenkte, zumal sich seine Aufnahme in den USA mitunter zurückhaltend gestaltete. Nach Demings Tod geriet auch die BDA in Schwierigkeiten und reduzierte ihre Aktivitäten zunehmend. Hervorgegangen und geblieben sind die Pflege und Fortschreibung der DemingPhilosophie durch Seminare und Publikationen [4].
Verbreitung der Lehre Demings Zu Beginn der Verbreitung von Demings Lehre konnten zwei Wege beschritten werden: das Lesen der Abb. D04: Der Transfer des Wissens nach Europa lief über die USA 1982 erschienenen Publikation „Quality, Productivity, and Competitive Position“ If Japan can, why can’t we? und/oder der Besuch eines der sog. „Four Day Seminars“. Beides sind keine einfachen NBC-TV-Sendung USA 1980 Unterfangen. Das Buch war für Fachleute konzipiert, die sich dafür interessierten I Wissen und die die Sachverhalte verstanden; ein USA Japan insgesamt kleinerer Kreis [5]. Es bildete jedoch den Grundstock für das spätere II Anwendung IV Hauptwerk „Out of the Crisis“ [6], das W iss sich schon mit seinem Titel einem gröen kte ßeren Interessentenkreis anbot. Die Vierum u d ro die p Tages-Seminare wurden zunächst alle von s An tät i l Deming selbst abgehalten; später gab es we ua nd Q eine Reihe von Nachfolgeveranstaltungen un III g in unterschiedlichen Zusammensetzungen [7]. Das erste Seminar in Europa fand im Europa Mai 1984 in London statt (Der Autor dieses Beitrages hatte daran teilgenommen.). Die Verfolgung der vier Tage beanspruchte die Teilnehmer opa aufgegriffen, wie am praktischen Beispiel der Schaffung erheblich, da Seminaraufbau, Verständlichkeit des Vortrages des amerikanischen ►Malcolm Baldrige National Quality sowohl inhaltlich wie akustisch und die sachlogische VorgeAward – MBNQA (jetzt Malcolm Baldrige Award) und des hensweise nicht zu Demings Stärken gehörten. Nachfolgende europäischen ►European Quality Award (jetzt European ExVeranstalter von abgeleiteten Seminaren wie auch Demings cellence Award) zu erkennen ist. Letzterer wurde erst als FolSeminar-Assistenten konnten hier erbliche Verbesserungen gereaktion auf den amerikanischen Qualitätspreis geschaffen. aufweisen. In Europa bildeten sich eine Reihe von „Deming-AnwenderDeming war Deutschland sehr gewogen und bot seine UnKreise“. So gab es Deming-Vereinigungen in Spanien, Frankterstützung bei der Schaffung einer deutschen Sektion und reich, Großbritannien und der Schweiz. In Deutschland kam eventuell einer europäischen Association von Deming-Aneine entsprechende Gruppe nicht zum Erfolg. Von allen länwendern an [8]; dazu ist es jedoch nicht gekommen. Der derspezifischen Gruppen waren die erfolgreich, die Demings Vorgang stellte somit eine Wiederholung eines früheren Standardwerk „Out of the Crisis“ in die jeweilige LandesspraDemingbesuches in Deutschland dar. Dieser erfolgte nach che übersetzten (z.B. Französisch, Spanisch). „Out of the CriProf. ►Masing bereits Anfang der 1950er Jahre, als Deming sis“ gibt es inzwischen selbst auf Russisch oder Chinesisch. in Deutschland Seminare über Statistik gab. Wie Prof. Masing Bis heute gibt es keine deutsche Fassung. verlautet blieb die Resonanz der Industrie so gering, dass dieAm erfolgreichsten war die englische Gruppe, die die British se Schritte nicht weiter verfolgt wurden. Deming Association (BDA) gründete. Dr. Deming unter-
198
Deming, William Edwards
Deming, William Edwards Grundbaustein der Demingschen Lehre sind die ►14 Punkte für das Management. Es handelt sich um eine Zusammenstellung von Managementaktivitäten und scheinbar simplen Praktiken [6]. Interessanterweise hatte Henri Fayol (18411925) ebenfalls 14 Managementprinzipien entwickelt, zu denen aber inhaltlich kein Bezug besteht. Demings Punkte werden im Einzelnen in einem Stichwortartikel im Lexikon behandelt. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es keine betrieblich-organisatorische mitarbeiterbezogene Situation gibt, die nicht durch einen oder mehrere der 14 Punkte angesprochen werden kann. Die Universalität der 14 Punkte ist auch daran zu erkennen, daß eine Reihe von Consultants nun ihrerseits 14 Punkte formulierten. Nur die Demingschen 14 Punkte haben überdauert.
Bis heute ist die Verbreitung der Lehre Demings in Deutschland nicht wesentlich weiter fortgeschritten, obwohl es einige wenige Hochschulen und Unternehmen gibt, die in geringem Umfang an der Arbeit mit Demings Methoden interessiert sind. Auf alle Fälle geblieben sind die zahlreichen Zitate von Deming, die in ganzen Sammlungen zusammengefaßt sind. Unter Ihnen eines der am meisten zitierten: „Survival is not compulsory“ (Überleben ist nicht zwingend), das es bis zu einer Schlagzeile der Los Angeles Times brachte. Demings eigentliche Lehre besteht in einer Reihe von Bausteinen, die den Inhalt der Seminare und Bücher ausmachen: ◼ Demings 14 Punkte für das Management mit Grundhaltungen und „Sieben Tödlichen Krankheiten“; „Falsche Starts“ ◼ Der neue Denkansatz ◼ Die Demingsche Reaktionskette ◼ Prozessbetrachtung am versus im Prozess ◼ Zufällige versus Spezielle Ursachen und Einflüsse ◼ Der „Rote Perlen Versuch“; der Trichter Versuch ◼ Prinzip der Ständigen Verbesserung: PDSA ◼ Die Neue Ökonomie und Profundes Wissen mit Systemdenken; ◼ Beherrschen der Variation; Theorie des Wissens; Psychologie ◼ „Lessons learned“
Einer der 14 Punkte ist „Der Neue Denkansatz“. Tatsächlich ist dies eine der revolutionären neuen Denkweisen. Ging man vorher davon aus, dass eine Fehlerreduzierung ein gegebenes Ende hat, weil der Aufwand den Nutzen übersteigt, so geht der Demingsche Ansatz davon aus, dass es sich sehr wohl lohnt, Systeme ständig zu verbessern (Abbildung D05). Eine Erklärung dafür bietet die Reaktionskette von Deming: Sie beginnt mit der Qualität von Prozessen und mündet in Arbeitsplätzen – eine Erklärung, warum die Demingsche Reaktionskette bei Seminaren mit Arbeitnehmervertretern so positiv ankommt. Damit die Kette ausgewogen bleibt, wurde später als Endpunkt ROI (Return on Investment) zugefügt; eine Änderung , die von Deming nicht selbst vorgenommen wurde, die aber sein Einverständnis beinhaltete [10]. Investment in neue Arbeitsplätze interessiert Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen.
Demings Denkansätze und Methoden Im Folgenden werden die einzelnen Bausteine in einer Auswahl dargestellt, die teilweise nur angedeutet werden können, teilweise aber auch, weil sie sehr umfangreich sind, unter eigenen Stichworten hier im Lexikon detaillierter erläutert werden. Ganze Redaktionen, Consultants, Leser und Seminarteilnehmer haben zahlreiche Versionen von Demings Aussagen, die er über die Zeit gemacht hat, erfahren, so dass es heute die richtige Darstellung von Demings Theorie des Managements nicht gibt. Beruhigend ist aber, daß alle Versionen schließlich in gleichwertigen Feststellungen gipfeln [9].
Kos ten
Kosten
Fehler
Fehler
Der andere Ansatz liegt in dem Prinzip der Ständigen Verbesserung, wie schon von ►Shewhart konzipiert und von Deming weiterentwickelt. Danach durchläuft man den Prozessverbesserungskreis nicht nur einmal, sondern wiederholt; in der Wiederholung mit größerem Wissen über das Produkt und den Prozess. Den Prozessverbesserungskreis (Demingkreis, Shewhartkreis) gibt es in vielen Variationen. Ein Beispiel zeigt AbAbb. D05: Der neue Denkansatz: Fehler und Kosten gleichermaßen senken bildung D06. Deming selbst sprach immer Deming konventionell vom Shewhartkreis; eingebürgert hat sich aber Demingkreis. Er war es auch, der das C (Check – Prüfe) in dem Kreis später durch das S (Study – Studiere) ersetzt hat, weil das Studieren und Analysieren eines Prozesses mehr als nur eine Prüfung ist. Shewhart hatte hier noch „Inspektion“ als Prüfschritt vorgesehen. Prozessbetrachtungen Die Analyse und Verbesserung von Prozessen nimmt bei Deming breiten Raum ein. Zum einen besteht die Unterscheidung nach beherrschten und fähigen Prozessen, zum anderen, ob die Betrachtungen am
199
D
Deming, William Edwards
Deming, William Edwards
Abb. D06: Der PDSA in ständigem Vorgehen PDSA – Plan-Do-Study-Act beschreibe den Prozess
D
halte Ergebnisse fest
führe Analyse durch
führe Maßnahmen durch
identifiziere Einflussgrößen
lege Maßnahmen fest
oder im Prozess erfolgen [11]. Prozessanalyse-Techniken jeglicher Art basieren auf der Notwendigkeit, den Prozess als solchen erst einmal zu kennen: Prozessbeherrschung ist die Voraussetzung zur Herstellung von Prozessfähigkeit. Der Zusammenhang zwischen Prozessbeherrschung und Prozessfähigkeit wird in einer Matrix dargestellt (Abbildung D07). Alle Prozesse befinden sich in einer der vier möglichen Positionen. Status A ist unzweifelhaft zu bevorzugen, denn er weist den Prozess sowohl als beherrscht als auch als fähig aus; dieser Zustand ist derjenige, den man Abb. D07: Prozessbeherrschung und Prozessfähigkeit
Prozess ist …
beherrscht
nicht beherrscht
fähig
A
(C)
nicht fähig
B
((D))
erreichen muß, der die letztendliche Zielsetzung darstellt. Status C ist hier als fähig in Klammern aufgeführt, weil man bei einem nicht beherrschten Prozess eigentlich nicht sagen kann, ob er fähig oder nicht fähig ist, eine vorgegebene Toleranz einzuhalten. Um den Prozess zu beherrschen, ist ein System der Überwachung, z. B. durch Prozessregelkarten, einzurichten. Erst dann findet man heraus, ob es sich um einen Fall A oder Fall B handelt. Der Fall B indessen ist relativ klar definiert: es handelt sich zwar um einen beherrschten Prozess, d. h. er ist bekannt, bekannt ist aber auch, dass er nicht in der Lage ist, die vorgegebene Toleranz einzuhalten; er ist nicht fähig. Hier bleiben nur zwei Möglichkeiten: entweder den Prozess in Richtung A zu verbessern oder aber einen 100%igen Sortiervorgang zumindestens zeitweise anzusetzen. Fall D hat keine praktische Bedeutung, denn hier kann es sich eigentlich nur um ein Unternehmen ohne jegliche ►Qualitätssicherung handeln. Erreicht werden muss in jedem Fall also zunächst, den Prozess zu beherrschen, um dann herauszufinden, inwieweit er fähig ist, die gegebenen ►Forderungen zu erfüllen. Dabei spielt besonders die Unterscheidung nach zufälligen und speziellen Einflüssen eine entscheidende Rolle. Deming
200
widmet dem Verständnis dieses Unterschiedes intensive Auseinandersetzung, da je nach Ursache unterschiedliche Vorgehensweisen zur Fehlerabstellung oder Prozessverbesserung notwendig sind. Auf einen Prozess wirken immer eine Reihe von Einflüssen ein, die mit der Eigenschaft der Streuung zusammenhängen und deshalb unbedingt auseinandergehalten werden müssen. Es sind dies systematische, spezielle und zufällige Einflüsse (Abbildung D08) Systematische Einflüsse sind weitgehend in unserem Verständnis verankert, wie sie z. B. in der Technik bei verschiedenen Vorgängen berücksichtigt werden. Es ist bekannt, daß z. B. beim Härten von Stahl Maßverzüge auftreten, die durch Versuche bestimmt und damit berücksichtigt werden können; also systematisiert werden können. Ganz anders verhält es sich, wenn zufällige und spezielle Einflüsse voneinander unterschieden werden sollen. Zufällige Einflüsse sind solche, die zur natürlichen Streubreite eines Prozesses führen, ohne dass man die Einzeleinflüsse voneinander unterscheiden und auseinanderhalten kann. Sie werden deshalb auch als Rauschen (noise) bezeichnet. Es liegt in der Natur der zufälligen Streuung, dass Einzelaussagen innerhalb der Streubreite nicht möglich sind. Dies führt schon in der Technik zu erheblichen Fehlentscheidungen. Bei Managemententscheidungen werden zufällige Einflüsse von speziellen so gut wie nie unterschieden. Spezielle Einflüsse sind nämlich die, die deutlich aus der natürlichen Streubreite herausragen, da sie – wie der Name sagt – einem speziellen Einfluß unterliegen. Die Trennung von speziellen und zufälligen Einflüssen sowohl in der Technik als auch in der Managementtheorie ist eine der wesentlichen Aufgaben zur Erkennung der Natur von Prozessen, seien es technische Abläufe oder seien es Managemententscheidungen. Im Prinzip geht es darum, durch Reduzierung von zufälligen Einflüssen spezielle Einflüsse herauszuarbeiten und diese schließlich so zu bestimmen, dass sie zu systematischen Einflüssen und damit beherrschbar gemacht werden können. Aus der Natur zufälliger und spezieller Einflüsse leitet sich auch ein weiterer oft gemachter Fehler ab, nämlich dass die Fehlerabstellung in einem Prozess mit Prozessverbesserung verwechselt wird. Beide Vorgänge sind wichtig, jedoch handelt es sich um zwei verschiedene Schritte. Fehlerabstellung ist das Eleminieren von speziellen Fehlern aus dem Prozess, wobei die durchschnittliche Qualitätslage in der Regel nicht verändert wird. Es handelt sich um eine Tätigkeit im Prozess. Aus Abbildung D08 ist ersichtlich, dass das Eleminieren des als speziellen Einfluß gezeichneten Punktes kaum Auswirkungen auf die absolute mittlere Höhe der Fehler bzw. auf die vorhandene Streubreite hat. Prozessverbesserung ist die Änderung von Rahmenbedingungen (nämlich der zufälligen Einflüsse) des Prozesses zur Erarbeitung bisher noch nicht erreichter Qualitäten. Es handelt sich um eine Tätigkeit am Prozess. Auf die Technik bezogen, heißt das, die Streubreite des Fertigungsprozesses zu
Deming, William Edwards
Deming, William Edwards
Abb. D08: Das Einwirken von systematischen, speziellen und zufälligen Einflüssen auf einen Prozess
Spezielle Einflüsse
OT
D
Maß/Fehler/Abweichung
OPG
Systematische Einflüsse
Zufällige Einflüsse UPG
UT z. B. weich
hart
Prozessablauf verringern, durch geeignete Analyse von Prozess-daten, die zu diesem Zwecke erst einmal vorhanden sein müssen. Deshalb ist das Vorhandensein von Prozessdaten überhaupt die Voraussetzung zur Möglichkeit der Prozessverbesserung. Die Unterscheidung der Tätigkeiten im Prozess oder am Prozess ist eine der wesentlichen Managementaufgaben überhaupt, da nicht der im System stehende grundlegende Änderungen bewirken kann, sondern nur der am System arbeitende, d. h. derjenige, der durch Sicht von außen auf den Prozess die bessere Übersicht über das Gesamtsystem hat. Gängigstes Instrument der Prozessverbesserung ist der Demingkreis. Dabei wird die Folge Prozessdaten > Prozessbeherrschung > Prozessverbesserung abgearbeitet. Die Methodik des PDSA wurde in Abbildung D08 bereits erörtert. Sie wird im Lexikon detailliert unter einem Stichwort behandelt (►PDCA-Zyklus; auch ►Kaizen). Zum besseren Prozessverständnis wendet Deming Versuchsanordnungen an, um die Wirkung von Streuung zu demonstrieren; es sind dies das berühmte „Rote Perlen“-Experiment und der weniger bekannte Trichterversuch. Die Seminarteilnehmer sind dabei Beteiligte an Versuchen zur Demonstration des Streuungseinflusses; die Experimente sind in der Literatur ausführlich beschrieben z.B. [7],[12]. The New Economics und das Profunde Wissen Neben den bekannteren Demingmethoden, wie in „Out of the Crisis“ beschrieben, gibt es ein weiteres Standardwerk von Deming mit dem vollen Titel „The New Economics – For Industry, Government, Education“ [13]. Das Buch enthält nicht ausschließlich neue Gedanken, sondern greift in vielen Fällen auf vorige Erfahrungen und Aussagen zurück. Es stellt
eher eine abschließende Zusammenfassung der Deminglehre unter Darstellung einiger neuer oder vertiefender Ansätze dar. Kernpunkte sind die folgenden vier Abschnitte, die wiederum untereinander verbunden sind: ◼ ◼ ◼ ◼
Würdigung des „Systems“ Einige Kenntnisse der Theorie von Variation Theorie des Wissens Einige Kenntnisse in Psychologie
Deming spricht auch von einem System Profunden Wissens („A System of Profound Knowledge“), das sich direkt auf die Wissenstheorie bezieht. Der Begriff Profundes Wissen bedeutet: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
eine tiefgehende Einsicht zu haben, intellektuell durchdringend zu sein, sorgfältig und nachhaltig zu sein, das Wissen existiert unter der Oberfläche, entwickelt sich im Inneren einer Person.
Im Folgenden werden die Kernpunkte des Systems des Profunden Wissens kurz behandelt. Würdigung des Systems. Hiermit meint Deming, dass das Wirken von Systemen und vernetzten Organisationen berücksichtigt werden muß: „Ein System ist ein Netzwerk von Funktionen oder Aktivitäten, eingeschlossen Unterprozesse, Stationen oder Komponenten innerhalb einer Organisation, die zusammenarbeiten zur Erreichung des Ziels der Organisation. Ein System muß ein Ziel besitzen, und dieses Ziel ist ein Werturteil. Ohne ein Ziel gibt es kein System“. „Management eines Systems ist Handlung basierend auf Voraussage. Rationale Voraussage erfordert systematisches Lernen und Vergleich der Voraussage bezüglich Kurz- und Langfrister-
201
Deming, William Edwards gebnisse von möglichen alternativen Handlungsweisen“ [13].
D
Einige Kenntnisse über die Theorie der Variation. Um profundes Wissen zu haben ist es notwendig, einige Kenntnisse und Verständnis über die Theorie der Variation und ihre Verbindung mit der statistischen Theorie zu kennen. Insbesondere sind zufällige und spezielle Einflüsse der Variation zu unterscheiden, ob ein System unter statistischer Kontrolle ist und eine Voraussage über die Fähigkeit eines Prozesses. Theorie des Wissens. Unter dem Gebiet Theorie des Wissens behandelt Deming vor allen Dingen die Relation der Datenbeschaffung von Versuchen oder Prozessen und ihre Interpretation: „Es gibt kein Wissen und damit kein Lernen ohne Theorie. Jeder rationale Plan, wie einfach er auch sei, erfordert Voraussage bzgl. der Konditionen, des Verhaltens und des Vergleichs von zwei Vorgängen oder Materialien. Die Interpretation der Daten von einem Test oder einem Experiment ist Voraussage: Nicht für die Vergangenheit, sondern für die Zukunft, was unter Anwendung eines Schlusses oder einer Empfehlung passieren wird.“ Diese Voraussage wird weitgehend vom Wissen um dieses Fachgebiet abhängen. Nur im Stadium der statistischen Kontrolle ist es möglich, dass statistische Theorie Voraussagen ermöglicht. Eine Aussage, unabhängig von der Erklärung vergangener Vorgänge ist ohne Hilfe für das Management. Daraus muss abgeleitet werden, dass auch alle Erfahrung wertlos ist, wenn sie nicht gegen eine Theorie abgeprüft wird. Demings Originalsprache: „Erfahrung lehrt nichts, es sei denn, sie wird mit einer Theorie abgeglichen“. Das gleiche gilt, bei der Durchführung von Versuchen oder von der Benutzung von Beispielen als Aussage zu einem bestimmten Punkt. Das positive Beispiel für eine Person oder Situation kann gerade bei anderen Personen oder in anderen Situationen zu negativen Ergebnissen führen. Deshalb ist der Vergleich mit einer Theorie unerläßlich. Das ändert sich auch nicht, wenn die Anzahl der Beispiele vergrößert wird: „keine Anzahl von Beispielen bildet eine Theorie“. Deming bringt also klar zum Ausdruck, dass Aussagen ohne Datenbasis ohne Wert sind und geht noch weiter, indem er sagt, dass Daten ohne Theorie genauso wertlos sind. Voraussagen hängen vom Wissen der Zusammenhänge ab, nicht von statistischer Theorie (die nichtsdestoweniger dafür ein wichtiges Handwerkzeug ist). Einiges Wissen über Psychologie. Das Wissen um Psychologie ist für Deming deshalb wichtig, um zu verstehen, warum Leute handeln wie sie handeln. „Menschen sind verschieden voneinander, und ihr Erfolg ist so mit dem System verwoben, dass jeder Versuch der Voraussage sinnlos ist. Wir müssen verstehen, dass Menschen unterschiedlich lernen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und auf verschiedene Arten.“ Außer anderen Schlüssen leitet Deming hieraus insbesondere die Notwendigkeit des ständigen Lernens, wie es auch in seinen 14 Punkten enthalten ist, ab. Berühmt ist seine Aussage über Manager, die nicht mit dem nötigen Wissen Entscheidungen treffen: „Wie können sie das wissen, ohne umfassendes Wissen?“ („How could they know without pro-
202
Deming, William Edwards found knowledge?“). Demings Aussage ist immer wieder, dass es die Aufgabe des Managements ist, Voraussagen zu treffen; Voraussagen basieren auf Planung und Planung auf Daten und Wissen. Hieraus hat Scherkenbach [11] einen speziellen PDSA-Zyklus für die Theorie des Wissens aufgestellt, der sich eng an den normalen Verbesserungszyklus, wie er im Qualitätsmanagement in vielfacher Hinsicht verwendet wird, anlehnt. Lessons learned und Weitergabe der Demingphilosophie Deming hat permanent den Spaßeffekt beim Lernen betont. So kann man sein Credo für neues Lernen in der Kausalkette Lernen > Verbessern > Spaßhaben zusammenfassen (Abbildung D09). Seine Vier-Tages-Seminare hat er zunehmend mit Hilfe von Assistenten durchgeführt, die wiederum die Materie aufnahmen und ihrerseits in eigene Seminarformen und in Buchprojekte umsetzten. Von diesen sind einige als Standardwerke zum Thema Deming anzusehen; sie haben Schwachpunkte aus früheren Seminaren Demings eliminiert und geben eine gut verständliche Anleitung und Behandlung der Demingphilosophie. Neben den hier bereits genannten Büchern über Demings Abb. D09: Deming komprimiert
Lernen Verbessern Spaß haben Arbeiten ([4], [7], [10], [12]), kann man bei folgenden Ansätzen von einer Fortschreibung der Demingschen Lehre sprechen. Eine der einflußreichsten Managementtheorien stammt von dem MIT (Sloan School of Management)Wissenschaftler ►Peter M. Senge. Der Inhalt seines Buches „Die fünfte Disziplin“ [14] ist das Kernstück seiner These, die eine Vielzahl der originären Bausteine der Demingphilosophie enthält. Obwohl Deming nicht explizit genannt wird, beinhaltet sein Buch mit dem Untertitel „Kunst und Praxis der Lernenden Organisation“, eine Vielzahl von Ansätzen, die auch bei Deming, sowie auch beim ►TQM-Ansatz an vorderster Stelle stehen. Dabei ist zu bemerken, daß Deming selbst nicht mit TQM in Verbindung gebracht werden wollte, obwohl er einer der Wegbereiter war [15]. Der Grundgedanke „Lernen“ in Senges Managementmodell ist der identische
Deming, William Edwards Schwerpunkt, den auch Deming setzt. Senge sagt dazu: „Vielleicht die einzelne größte Schuld vom Management-Team ist, dass sie komplexe, dynamische Realitäten mit einer Sprache, die für einfache statische Probleme vorgesehen ist, angehen“. Weil die Probleme in einfachen Bildern gesehen werden, glaubt man einfache Lösungen bereit zu haben. Das ist die typische Aktion-Resultat-Vorgehensweise, die jedem datenbasierenden systematischen Ansatz widerspricht. Im Systemdenken vernetzter Regelkreise sind nach Deming und Senge keine einfachen Lösungen erfolgreich. So spielt der Teamgedanke bei Senge insofern eine ganz besondere Rolle, als er Team und Lernen eigentlich nur in Kombination gelten läßt als „Team-Lernen“ (im Gegensatz zum individuellen Lernen). Er geht sogar soweit, zu sagen, selbst crossfunktionale Teams verschlechtern eine Situation durch Hereinbringen individueller und damit simpler Lösungsansätze, wenn sie nicht im „Team-Lernen“ trainiert sind; Senge verstärkt damit die Demingsche Forderung nach Team und Lernen nochmals durch die geforderte Zwangskombination. Dies soll dazu führen, auch Komplexität zu begreifen. Senges Lehre baut extensiv auf Deming auf. Man kann behaupten sie ist synonym bzw. noch fordernder in der Formulierung. Der ganzheitliche Ansatz von Senge bezieht sich auf folgende Disziplinen der ►Lernenden Organisation: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Systemdenken Persönliches Meistern Mentale Modelle Aufbau gemeinsamer Visionen Team-Lernen
Schon diese kurzen Schlagworte vermitteln unmittelbar einsichtig den sachlichen und fachlichen Zusammenhang zu Deming. Demings Lehre ist somit keineswegs veraltet oder abgeschrieben, sondern lebt in Folgeprojekten anderer fort. Obwohl nicht explizit von Deming gefördert, gibt es zwei große Projekte, die als Antwort zu dem japanischen ►Deming Prize geschaffen wurden: die heute noch bestehenden und inzwischen weltweit praktizierten internationalen Qualitätspreise ►Malcom Baldrige Award und ►European Excellence Award. Das von Deming 1993 gegründete W. Edwards Deming Institute bewahrt und entwickelt die Demingphilosophie für zukünftige Manager. Mit der Aktion Deming ToDay werden Aktivitäten aus aller Welt verfolgt und strukturiert [16]. Als Nonprofit-Organisation versteht es sich als Sammelpunkt aller Deming Aktivitäten, um das Wissen im Sinne von Deming zu verbreiten; es gibt keinen Ersatz für profundes Wissen: „There is no substitute for profound knowledge“. Prof. Dr.-Ing. Henning Kirstein, Wolfsburg Referenzliteratur
Deming, William Edwards [2] Guru Guide, QP November 2010 [3] Gary Fellers, The Deming Vision: SPC/TQM for Administrators, ASQC Quality Press1992 [4] Henry R. Neave, The Deming Dimension; SPC Press, Inc. 1990 [5] Quality, Productivity and Competitive Position, Cambridge 1982 [6] Out of the Crisis, 2. Aufl. Cambridge 1986 [7] Willliam J. Latzko, David M. Saunders, Four Days With Dr. Deming; Addison- Wesley , 1995 [8] Persönliches Schreiben von Dr. Deming an H. Kirstein vom 29.4.1989 [9] Joyce Nilson Orsini (Hrg); The Essential Deming; McGraw Hill 2013 [10] Brian L. Joiner, Fourth Generation Management, Mc Graw Hill, Inc 1994 [11] Henning Kirstein, Der Einfluß Demings auf die Entwicklung des Total Quality Management; Hanser 1994, S. 141 [12] William W. Scherkenbach, Demings‘s Road to Continual Improvement, SPC Press 1991 (Fig. 5.19) [13] W. Edwards Deming, The New Economics – For Industry, Government, Education, Second Edition, Massachusetts Institute of Technology, 1994 [14] Peter M. Senge, The Fifth Discipline – The Art & Practice of the Learning Organisation; Double Day New York 1990 [15] Henry Neave, W Edwards Deming (1900-1993): The Man and his Message; BDA – A21, 1997 [16] The W. Edwards Deming Institute; www.deming.org
Weitere Literatur
[17] Cecelia S. Kilian, The World of W. Edwards Deming, SPC Press 1992 [18] Kaoru Ishikawa, What is Quality Control – The Japanese Way, Prentice-Hall, Inc.1985 [19] Christian Malorny, TQM umsetzen. Der Weg zur Business Excellence. 2. Auflage, Stuttgart 1999. [20] Andrea Gabor, The Man Who Discovered Quality; Times Books 1990 [21] Peter R. Scholtes, The Team Handbook, Joiner Associates 1988 [22] Davis Balestracci , www.Quality Digest.com (07/30/2012) [23] Henning Kirstein, Deming-EFQM-Info: www.deming.de [24] Henning Kirstein, Deming in Deutschland? In: QZ 34 (1989) Heft 9 [25] Henning Kirstein, TQM: Total Quality Marathon, In: QZ 40 (1995) 2, [26] Maasaki Imai, Kaizen, Wirtschaftsverlag Langen Müller Herbig, München 1986 [27] W.A.Shewhart, Economic Control of Quality of Manufactured Product; D. VAN NOSTRAND COMPANY, Inc. New York 1931 [28[ Miron Tribus, „Why the USA Is Not Sufficiently Competitive in International Trade“ Testimony for Committee on Scienes and Technology, U.S. House of Representatives; Center for Advanced Engineering Study, Massachusetts Institute of Technology 1984 [29] Miron Tribus, Deming‘s Redefinition of Management, Center for Advanced Engineering Study Massachusetts Institute of Technologie 1984 [30] Miron Tribus, Reducing Deming‘s 14 Points to Practice, Center for Advanced Engineering Study Massachusetts Institute of Technologie 1984
[1] Walter A. Shewhart, Statistical Method from the Viewpoint of Quality Control, Washington D.C.: Graduate School of the Department of Agriculture, 1939. Reprint Dover Publications, Inc. New York 1986, Foreword by W. Edwards Deming
203
D
D
Deming Prize
Deming Prize
Deming Prize
solution von 1951 den Beitrag Demings für seine Verdienste um die japanische Wirtschaft anerkennen. Die Kriterien des Preises sind jedoch nicht gänzlich auf Deming’s Lehren zurückzuführen. Gleichwohl ist der Einfluss Demings auf die Entwicklung des japanischen Qualitätsverständnisses erheblich [3].
▶Deming 1 Entstehung und Vergabekategorien Deming Prize / Deming Application Prize Es nimmt nicht Wunder, dass die Idee, Spitzenleistungen im Business besonders zu würdigen, zuerst in Japan entstanden ist und auch dort umgesetzt wurde. Den japanischen Promotoren (►JUSE-Japanese Union of Scientists and Engineers) war klar, dass sie zum Comeback ihrer Industrieprodukte auf dem Weltmarkt ein besonderes Anreizsystem, einen Award, schaffen mussten. Der japanische Qualitätspreis diente damals dazu, die besondere Zielstellung der Qualität in breite Kreise zu kommunizieren [1]. Der Preis wurde Deming Application Prize genannt, zu Ehren der Person, die in besonderer Weise die Qualitätsbemühungen der japanischen Wirtschaft unterstützt hat. Bereits Anfang der fünfziger Jahre entwickelte die JUSE mit Hilfe des amerikanischen Beraters W. E. Deming den modellhaften Ansatz der qualitätsorientierten Unternehmensführung. Dieses Modell diente der JUSE als Referenz für die erste japanische Qualitätsauszeichnung, den Deming Application Prize [2]:
Wie die Abbildung D10 zeigt, verbergen sich hinter dem Oberbegriff Deming Prize unterschiedliche Vergabekategorien: Eine gewisse Bedeutung kommen den Auszeichnungen für Personen und auch Fabriken bzw. Werken zu [4]. Im Zentrum des Interesses steht jedoch seit Beginn die Vergabekategorie Deming Application Prize für Unternehmen, die hier auch ausschließlich weiter behandelt wird. Sie stellt gewissermaßen das Fundament dar. Die seit 1970 von der JUSE verliehene sehr begehrte Japan Quality Control Medal ist die höchste Aufzeichnung des Qualitätsmanagements in Japan. Sehr wenige Unternehmen haben sie bisher erhalten. Das wird unmittelbar deutlich bei den hohen Forderungen. Die Bewerber müssen ◼ bereits in einer der Vergabekategorien des Deming Application Price ausgezeichnet worden sein ◼ den Preis über fünf Jahre zurückliegend erworben haben ◼ nachweisen, dass das in ihrem Unternehmen implementierte TQC-Modell weiterhin erfolgreich Anwendung findet (Nachweis der Kausalbeziehung zu den ständigen Verbesserungen). Gerade der letzte Punkt als herausragendes Kriterium jeglichen Qualitätsmanagements dürfte in der Praxis langfristig schwer erfüllbar sein.
„Dieser sollte jenen Unternehmen verliehen werden, die das Modell des TQC mustergültig anwenden und 2 Zum TQC-Modell beherrschen. (…) Die Verantwortlichen erhofften sich Das dem Deming Prize zugrundeliegende japanische TQCdamals einen Schneeballeffekt. Von der JUSE ausgeModell ist in Abgrenzung zu dem von ►Feigenbaum entwizeichnete Unternehmen sollten durch die Auszeichnung ckelten TQC-Verständnis zu verstehen. Begrifflich verdeutdie Möglichkeit erhalten, ihre Reputation bei Kunden licht hat dies ►Ishikawa, indem er 1968 für das japanische und Wettbewerbern stark zu verbessern, mit der Folge, dass weitere Betriebe Abb. D10: Deming Prize – Die Vergabekategorien angeregt werden sollten, sich mit den Inhalten des Deming Prize TQC zu beschäftigen, um Japan Control Medal die Auszeichnung letztlich ebenfalls anzustreben.“ Deming Prize Quality Control Award Deming Die Japaner strebten mit diefür Einzelpersonen für Fabriken Application Prize ser ersten nationalen Qualitätsoffensive nicht nur an, die infolge des 2. Weltkriegs darUnternehmen niederliegende Wirtschaft zügig auf- und auszubauen, Kleine und mittlere Unternehmen sondern auch den wirtschaftlichen Abstand zu den USA Divisionen (Organisationseinheiten) und Europa zu verringern. Mit der Namensgebung Ausländische Unternehmen – seit 1986 wollte die JUSE in ihrer Re-
204
Deming Prize TQC den Begriff CWQC (Company Wide Quality Control) prägte. Auf seine Schlüsselelemente nahmen die Autoren der JUSE bei der Konzipierung des Deming Prize Bezug, als sie das Modell anhand von sieben Grundannahmen fundierten. Abbildung D11 zeigt im Vergleich das auf Ishikawa zurückgehende Fundament des japanischen TQC-Modells.
Deming Prize Abb. D11: Vergleich der Schlüsselelemente des japanischen TQC-Modells der JUSE
Vergleich der Schlüsselelemente des japanischen TQC-Modells
CWQC (Ishikawa)
TQC (JUSE)
■ Qualität kommt zuerst (Quality first) ■ Qualität bedeutet Erfüllung der Kunden forderungen ■ Einbeziehung aller wichtigen unternehme rischen Funktionsbereiche ■ Kontinuierliche Qualitätsverbesserung ■ Einbeziehung aller Ebenen ■ Berücksichtigung des sozialen Systems
■ Qualitätsverbesserungsaktivitäten, in die sämtliche Mitarbeiter aller Fachbereiche einbezogen sind ■ Policy Management (qualitätsorientierte Zielplanung und deren Umsetzung) ■ Feedback, Auditierung, Assessment ■ Qualitätssicherungsaktivitäten ■ Qualitätszirkel ■ Ausbildung und Training ■ Anwendung der modernen Techniken des Quality Engineering
Kriterien des TQC-Modells: In knappen Statements (ausformulierten Unterkriterien zu zehn Hauptkriterien) wurden von der JUSE die Kriterien des TQC-Modells festgelegt. Abbildung D12 Abb. D12: Deming Application Prize – Die zehn Hauptkriterien zeigt im Überblick die zehn Hauptkriterien. Die insge1 samt 64 Unterkriterien, die von den zehn Hauptkriterien Unternehmenspolitik abgeleitet wurden, finden und -ziele sich in einer differenzierten Übersicht [5]. Eine tieferge2 Organisation und ihre 6 Standardisierung hende Aufsplittung wird den Wirkungsweise 7 Steuerung Unternehmen, die sich mit 3 Aus- und Weiterbildung (Control / Kanri) der Implementierung befassen wollen, nicht an die Hand 4 Informationssammlung, 8 Quality Assurance gegeben. Es ist unmittelbar -verbreitung und 9 Ergebnisse einsichtig, dass die Kriterien -nutzung weitgehende Interpretati5 Analysen onsspielräume zulassen. Die Praxis zeigt denn auch, dass 10 die Implementierung nicht ohne Berater möglich ist. Zukunftspläne Diese haben vielfach sehr intensive Erfahrungen in der 3 Bewerbung um den Deming Application Prize Anwendung des Modells und stehen in enger Beziehung zu Nach Rücksprache mit der JUSE ist eine förmliche Bewerden Gremien der JUSE. Malorny bemerkt dazu folgendes [6]: bung erforderlich, die in Form eines schriftlichen Berichts „Die enge Beziehung der Berater zu den Gremien der JUSE macht darüber hinaus deutlich, dass die Mitglieder des Deming Prize Committee, die selbst auch beratend tätig sind, offensichtlich klare Vorstellungen von den Inhalten des TQCModells haben müssen. Bei näherer Betrachtung kann von einem indirekten Prozess der Steuerung durch die JUSE hinsichtlich der Anwendung eines konsistenten TQC-Modells in jenen Unternehmen, die den Deming Prize anstreben oder schon erhalten haben, gesprochen werden. Die enge Verflechtung zwischen der JUSE und den Beratern ist in Japan kein Geheimnis und wird auch öffentlich diskutiert.“
formuliert werden muss. Dabei ist das TCQ-Verständnis des Unternehmens offenzulegen, wobei auf die Kriterien des TQC-Modells Bezug zu nehmen ist. Die jährlich stattfindenden Bewerbungen kommen alle zum Zuge, sofern sie die hohen Forderungen des Modells erfüllen (siehe im Gegensatz dazu den amerikanischen ►MBNQA). Nachdem die eingereichten Bewerbungen bewertet wurden, kommt es bei den ausgewählten Unternehmen zur sogenannten Vor-Ort-Prüfung, die durchaus mehrere Tage dauern kann. Im einzelnen ist der Ablauf in der umfangreichen Monografie von Malorny umfassend beschrieben [7]. Interessant
205
D
Deming Prize
D
ist, dass die JUSE die Bewertungsmaßstäbe bisher nicht veröffentlicht hat. Der Kontakt zu den Beratern, die ja eng mit der JUSE zusammenarbeiten scheint jedoch dafür zu sorgen, dass den bewerbenden Unternehmen die impliziten Bewertungsmaßstäbe transparent werden, zumal in mancherlei Hinsicht schon aufgrund von dichotomen Ja/Nein-Prüfungen klar wird, ob das Unternehmen die Kriterien erfüllt. Darauf wird am Beispiel der Qualitätszirkel hingewiesen [8]: „Beispielsweise werden im zweiten Kriterium, Organisation und ihre Wirkungsweise, Qualitätszirkel ausdrücklich verlangt. Eine Analyse bei 20 Deming Prize-Trägern zeigt, dass sämtliche Unternehmen Qualitätszirkel als organisatorisches Instrument zur Qualitätsverbesserung gebildet haben. Unternehmen, die keine Qualitätszirkel nachweisen können, haben kaum eine Chance, eine Auszeichnung zu erhalten, so auch die Aussage des Direktors der JUSE, Noguchi. Allerdings ist die Vorgehensweise, wie Qualitätszirkel organisatorisch gehandhabt werden, in den Unternehmen recht unterschiedlich. So gesehen wird offensichtlich über die Gestaltung der inhaltlichen Kriterien des TQC-Modells auch Einfluss auf die Unternehmensführung und -organisation genommen.“ 4 Bewertung des Deming Application Prize Malorny hat die – vorwiegend amerikanischen – empirischen Untersuchungen zum Deming Preis kritisch aufgearbeitet und kommt zu folgendem Ergebnis [9]: „Ziel der Auszeichnung ist, Aktivitäten des TQC in den Unternehmen so einzuführen, dass sie möglichst effektiv und effizient durchgeführt werden. Insoweit stellt der Deming Prize letztlich nur ein Motivationsmittel im Sinne eines Katalysators für die Anwendung des TQC-Modells dar. Er bietet für das ausgezeichnete Unternehmen zwar keinen direkten finanziellen Gewinn oder gar die Gewähr eines Erfolgs auf Dauer (das bietet nur die langjährige Anwendung des TQC-Modells), er bringt jedoch einen erheblichen Prestigewert. Dieser Wert alleine vermag Marktvorteile zu erbringen.“ Das originäre Verständnis des japanischen Qualitätsmanagements, das in Deutschland so schwer nachvollziehbar ist, wird an dieser Schlussfolgerung deutlich: Es geht darum, auf der Grundlage von Modellvorstellungen, an denen sich die Bewerber auszurichten haben, einen permanenten Qualitätsverbesserungsprozess und eine prozesshafte Sichtweise der Organisation wirksam zu vermitteln, wobei eine erhebliche Wirkung auf die Motivation der Mitarbeiter nachgewiesen werden kann. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
206
Demings 14 Regeln für das Management Literatur
Anmerkung: Die Inhalte dieses Stichwortes gehen in hohem Maße auf die ausgezeichneten Recherchen und Analysen von Chr. Malorny zurück, der mit seiner wissenschaftlichen Arbeit mit dem European Quality Award for Theses on TQM 1996 ausgezeichnet wurde. [1] Malorny, Chr.: TQM umsetzen. Der Weg zur Business Excellence. Stuttgart, Schäffer-Poeschel 1997 [2] s. [1, S. 121f.] [3] s. [1, S. 124f.] [4] s. [1, S. 128f.] [5] s. Zollondz, H.-D. (Hrsg.). Lexikon Qualitätsmanagement. 1. Auflage. München-Wien (Oldenbourg) 2001, S. 155-156 [6] s. [1, S. 139] [7] s. [1, S. 131-134] [8] s. [1, S. 139] [9] s. [1, S. 151]
Demings 14 Regeln für das Management
▶en: The Fourteen Points for Management of Dr. Deming ▶Deming, W. E. ▶Demings PDCA-Zyklus ▶Demings Sieben tödliche Krankheiten ▶Demings Hindernisse und falsche Starts ▶Demingsche Reaktionskette Die sog. 14 Punkte sind Demings Manifest und Programmatik. Sie bilden die Basis seiner „Qualitätsphilosophie“. Es sind Grundsätze, die für Deming unhintergehbar und in einem Gesamtzusammenhang zu sehen sind. Einzeln angewandte Regeln führen im besten Fall nur zu marginalen Erfolgen. Die Wirksamkeit der 14 Punkte im System Demings besteht darin, dass die einzelnen Elemente in Wechselwirkung zueinander stehen. Sie sind folglich als Managementsystem zu sehen (Abbildung D13): ◼ Zu Regel 1: Die Regel kann heute nachhaltige Führung des Unternehmens genannt werden, indem eine auf kontinuierliche Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen ausgerichtete Politik gesetzt wird. Eine nachhaltige, auf die Zufriedenheit der Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und Aktionäre ausgerichtete Unternehmenspolitik sorgt für eine klare und beständige Ausrichtung sämtlicher Ressourcen des Unternehmens auf ein gemeinsames Ziel. Deming empfiehlt, diese Politik schriftlich festzuhalten und in geeigneter Form bekannt zu machen. ◼ Zu Regel 2: Mit der neuen Denkweise Demings hat Japan den westlichen Industrienationen neue Qualitätsmassstäbe aufgezwungen. Bessere Qualität zu geringeren Kosten ist möglich, wenn die Variation menschlicher Leistungen, des Materials, der Prozesse und Produkte verkleinert wird. Wie verpflichtet man Manager auf Qualität? Mit der ►Demingschen Reaktionskette hat sein Verfasser den Anstoß gegeben. Sie stand gleich zu Beginn eines jeden Seminars als Kick-Off. So haben offenbar japanische Manager begonnen diese Denkhaltung zu übernehmen und ihre Unternehmen danach auszurichten.
Demings 14 Regeln für das Management
Demings 14 Regeln für das Management
Abb. D13: Demings 14 Regeln für das Management: The Fourteen Points for Management of Dr. Deming
Demings 14 Regeln für das Management (The 14 Points for Management) 1 Oberstes Unternehmensziel (Constancy of Purpose): Stän dige Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen 2 Qualitätsverbesserung erfordert eine neue Denkhaltung 3 Beende die Notwendigungkeit und Abhängigkeit von Vollkontrollen, um Qualität zu erreichen 4 Beende die Praxis, Geschäfte auf der Basis des niedrigsten Preises zu machen 5 Suche ständig nach den Ursachen von Problemen, um alle Systeme von Produktion und Dienstleistung sowie alle anderen Aktivitäten im Unternehmen beständig und immer wieder zu verbessern 6 Mitarbeiter sind mit modernen Techniken ständig im Hinblick auf ihr Qualitätsbewußtsein zu trainieren 7 Setze moderne Führungsmethoden ein, die sich darauf kon zentrieren, dem Menschen zu helfen, seine Arbeit besser zu verrichten
◼ Zu Regel 3: Lückenlose Inspektionen werden überflüssig, wenn Qualität durch kontrollierte Prozesse in die Produkte „eingebaut“ wird. Diese Regel wird häufig missverstanden: Nach wie vor sind Kontrollen notwendig, doch die Abhängigkeit von ihnen muss aufhören. Kontrollen sind ein Eingeständnis dafür, dass der Prozess die Forderungen an das Produkt nicht zu erfüllen vermag. Sie zeigen die Symptome, nicht die Ursache der Krankheit, wie Deming sagt. Die Krankheit ist die Variation, die Therapie die Verbesserung des Prozesses. Die Verbesserung setzt die Kenntnis des Prozesses und der Ursachen der Streuung voraus. ◼ Zu Regel 4: Beende die Praxis, Aufträge einzig dem billigsten Anbieter zu erteilen. Berücksichtige die Gesamtkosten. Suche langfristige Lieferbeziehungen, die auf gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Loyalität fußen. Die langfristige Zusammenarbeit mit einem einzigen Lieferanten für ein bestimmtes Teilprodukt auf der Grundlage von Loyalität und Vertrauen verkleinert die Streuung des eingehenden Produkts und damit auch jene des Fertigfabrikats. Erstreckt sich die Zusammenarbeit mit einem Lieferanten auch auf die Entwicklung und Konstruktion des Produkts, dürfen noch bessere Resultate erwartet werden. ◼ Zu Regel 5: Suche unablässig nach weiteren Verbesserungen des Systems, um die Qualität von Produkten und Dienstleistungen zu erhöhen, die Produktivität zu stei-
8 Fördere effektive, gegenseitige Kommunikation in horizon taler und vertikaler Richtung, um die Atmosphäre der Angst innerhalb des gesamten Unternehmens zu beseitigen 9 Beseitige die Abgrenzung der einzelnen Bereiche voneinan der 10 Beseitige den Gebrauch von Aufrufen, Slogans, Plakaten und Ermahnungen Leistungsvorgaben sind durch 11 Quantitative Qualitätsprämien, persönliche Belobigungen oder Qualitätspreise für die Teams zu ersetzen 12 Beseitige alles, was dem Recht des Mitarbeiters im Wege steht, auf seine Arbeit stolz sein zu können 13 Weiterbildungsprogramme für alle Mitarbeiter sind die grundsätzliche Voraussetzung für die kontinuierliche Quali tätsverbesserung 14 Definiere deutlich die dauerhafte Ver pflichtung (Commitment) des gesamten Managements zur ständigen Verbesserung von Qualität und Produktivität
gern und gleichzeitig die Gestehungskosten zu senken. Es gibt immer Möglichkeiten, noch bessere Leistungen zu noch geringeren Kosten zu erbringen. Es gibt kein Optimum. Innovation kommt nicht vom Kunden, sondern vom Produzenten, der den ►PDCA fest in seine Organisation einbindet. ◼ Zu Regel 6: Training on the Job, also Ausbildung am Arbeitsplatz betreiben. Sie ist die wirksamste Art von Ausbildung. Der Manager benötigt Training, um die Zusammenhänge im Produktionsprozess besser zu verstehen. Job-Rotation, eine Kombination von Management- und Sachbearbeitungsaufgaben sowie die aktive Beteiligung an internen Audits sind mögliche Maßnahmen, ebenfalls das ►Coaching würde man heute sagen. Durch vertiefte Ausbildung in den Methoden des Qualitätsmanagements ist den Mitarbeitern ein grundlegendes Verständnis für das Konzept der Variation zu vermitteln. ◼ Zu Regel 7: Sorge für eine motivierende Führung, die den Mitarbeitern hilft, bessere Arbeit zu leisten. Die Erfahrung lehrt (Pareto-Prinzip), dass mindestens 85 Prozent aller Fehler von einem mangelhaften System und nicht von einzelnen Mitarbeitern verursacht werden. Allein die Führung hat die Möglichkeit, Fehler im System zu beheben. Es genügt nicht, wenn sich die Führung der Qualität und Produktivität verpflichtet fühlt. Die Führung muss wissen, was diese Verpflichtung enthält, welche Tätigkeiten also zur Verbesserung der Qualität erforderlich
207
D
Demings 14 Regeln für das Management
D
sind. Unterstützung allein genügt nicht, Aktionen werden verlangt. ◼ Zu Regel 8: Sorge für ein von gegenseitigem Vertrauen geprägtes furchtfreies Arbeitsklima. Angst verhindert im Unternehmen die Ausschöpfung des kreativen Mitarbeiterpotentials. Es gibt zahllose Ursachen für ein von Ängsten beeinflusstes Arbeitsklima – etwa die Furcht, bei Abbaumaßnahmen die Stelle zu verlieren, den Forderungen des Vorgesetzten nicht zu genügen, bei Beförderungen den kürzeren zu ziehen, nicht die Leistung für eine Gehaltserhöhung erbracht zu haben, Fehler eingestehen oder Unkenntnis offenbaren zu müssen. Information, Kenntnisse und Schulung sind die wichtigsten Maßnahmen, um solche Ängste zu bekämpfen. ◼ Zu Regel 9: Reiss die Schranken zwischen den Abteilungen nieder. Die Mitarbeiter in Forschung, Entwicklung, Konstruktion, Produktion und Verkauf müssen als Team zusammenarbeiten. Jedes Hindernis, das eine Organisation daran hindert, ihre Ressourcen in den Dienst eines konkreten Projekts zu stellen, wird im Sinne der Kundenzufriedenheit ein suboptimales Resultat erzeugen. Moderne Methoden wie Projekt- und Prozessmanagement setzen hier an. ◼ Zu Regel 10: Vermeide Schlagwörter, Ermahnungen und willkürliche Vorgaben für die Mitarbeiter. Deming vertritt die Auffassung, dass 94 Prozent aller Fehler dem Management und nur 6 Prozent den Ausführenden zuzuordnen sind. Zahlreiche empirische Untersuchungen bestätigen diese Regel. Darum sind Aufforderungen wie “Qualität beginnt bei Dir!” oder “Nur wer besser wird, bleibt gut!” Beleidigungen für jeden intelligenten Mitarbeiter. Sie verlangen vom Mitarbeiter Resultate, die er nicht erbringen kann, weil ihm die Mittel dazu fehlen. Sie werden deshalb als Vorwurf verstanden und lösen Frustration aus. ◼ Zu Regel 11: Weg mit Quoten und Leistungszielen! Vermeide Quoten für die Mitarbeiter und Leistungsziele für das Management. Deming: “Ich habe noch nie eine Vorgabe gesehen, die auch nur die Spur eines Anreizes zu besserer Qualität geboten hätte. Akkordarbeit ist noch viel verheerender. Ein Akkordarbeiter wird schnell feststellen, dass er auch für die Herstellung von Ausschuss bezahlt wird. Wo bleibt da der Stolz auf die eigene Leistung?“ Leistungsziele für das Management ohne gleichzeitige Systemveränderungen sind kontraproduktiv. Jahresziele wie “Verringerung der Garantiekosten um zehn Prozent” oder ”Umsatzsteigerung um zehn Prozent” lösen Anerkennung, vielleicht sogar eine Prämie aus, wenn sich die natürlichen Variationen zufällig in der richtigen Richtung bewegen. Natürliche Variationen in der entgegengesetzten Richtung führen dagegen die Verantwortlichen in einen Erklärungsnotstand und unter Umständen zu Panikreaktionen. ◼ Zu Regel 12: Die Regel geht in zwei Richtungen. Vor der Industrialisierung waren die Handwerker gut ausgebildete Fachleute, die ihre Aufträge im unmittelbaren Kon-
208
Demings 14 Regeln für das Management takt zum Kunden erledigten; die lobende Anerkennung des vollendeten Werkes durch den Kunden erfüllte den Handwerker mit Stolz über die gelungene Leistung. Die Industrialisierung brachte Produkterzeuger und -benützer auf Distanz – Dabei hat berechtigter Stolz als naturgegebener Motivator des Menschen keineswegs an Bedeutung verloren. Deming fordert, die Voraussetzungen für Erfolgserlebnisse zu schaffen. – Überflüssig ist hierfür die jährliche Mitarbeiterbeurteilung. Für Deming ist sie ein untaugliches, ja zerstörerisches Führungsmittel. Sie hinterlässt immer verbitterte, enttäuschte, deprimierte, niedergeschlagene Menschen, welche die Begründung einer mangelhaften Qualifikation nicht verstehen können. Solche Beurteilungen sind retrospektiv, konzentrieren sich nur scheinbar auf Fakten, zerstören Teamarbeit, erzeugen Furcht und Rivalität. Sie täuschen eine Messgenauigkeit vor, die es in der Beurteilung von Menschen gar nicht geben kann. Anstelle der periodischen Mitarbeiterbeurteilungen schlägt Deming ein System zur Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit und periodische Erhebungen als Überprüfungsmassnahme vor. ◼ Zu Regel 13: Betreibe wirkungsvolle Programme zur Ausund Weiterbildung und Förderung der Mitarbeiter. Im Gegensatz zum Training on the Job (Regel 6) werden in dieser These die allgemeinen Kenntnisse und der generelle Ausbildungsstand aller Mitarbeiter angesprochen. Nach Demings Managementsystem, das die kreativen Fähigkeiten jedes einzelnen Mitarbeiters einbezieht, ist eine Kanalisierung des Schulungsaufwands nicht akzeptabel. Von jedem Mitarbeiter werden aktive Beiträge zur Verbesserung der Qualität erwartet. Von der Schulung der dafür notwendigen Kenntnisse, Methoden und Hilfsmittel darf darum niemand ausgeschlossen werden. ◼ Zu Regel 14: Stelle die aktive Beteiligung jedes Mitarbeiters an der Neuausrichtung einer Firma sicher. Dazu gibt es kein Kochbuch, kein Anwendungsmodell, keine Musterdokumentationen wie bei ISO 9001. Deming hat zwar einen siebenteiligen Aktionsplan ausgearbeitet, aber die wahre Veränderung beginnt mit dem Beschluss, die Elemente der Lehre Demings anzuwenden, und mit der Bereitschaft der Geschäftsleitung, das dazu nötige Wissen zu erarbeiten und Führungsaufgaben wahrzunehmen. Diese Verpflichtung lässt sich nicht delegieren, denn was man nicht versteht, lässt sich auch nicht verändern. Dazu gehört auch, dass Methoden und Verfahren anderer erst dann übernommen werden, wenn alle Grundlagen und Voraussetzungen bekannt sind und verstanden werden. Beispielhaftes Verhalten allein lehrt nichts, wenn die Theorie dahinter nicht begriffen wird. Allein das Verständnis, gefolgt von der Überzeugung, das Richtige zu tun, und dem Entschluss zu handeln wird die Dinge verändern. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Demings Hindernisse und falsche Starts Literatur
Deming, W. E.: Out of the Crisis. Cambridge, USA (MIT Press) 1982, pp 97-98 Boldt, R., Wie verpflichtet man Manager auf Qualität? Einzug von William Edwards Deming auch in Europa in NZZ Nr. 289 vom 11./12. Dezember 1999
Demings Hindernisse und falsche Starts ▶Deming ▶Demings 14 Regeln für das Management
In Erweiterung der „sieben tödlichen Krankheiten“ sind anhand einer Vielzahl von praktischen Beispielen die Hindernisse und die falschen Starts bei einer Einführung des Managements-Programms von Deming festgestellt worden (Abbildung D14): ◼ Hindernisse – Eine Einschätzung des notwendigen Aufwandes bzw. der erforderlichen Sorgfalt, um das Programmerfolgreich einzuführen fehlt. Unternhemen erwarten kurzfristiger Ergebnisse. Demings QM-Programm zielt auf Langfristigkeit. Die Annahme, dass Mechanisierung, Automatisierung, Computerisierung den Durchbruch erzwingen können ist falsch. Demings Programmatik setzt auf den Mitarbeiter als Erfolgsfaktor. ◼ Falsche Starts – Falsche Starts liegen regelmäßig vor, wenn versucht wird, zu schnell zu Ergebnissen zu kommen. Es wird mit einer falschen Maßnahme begonnen bzw. versucht, nur einen Teil des Management-Programms einzuführen. Dadurch ist die gesamte Maßnahme von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil die Effekte des Zusammenwirkens der einzelnen Teile bzw. der 14 Punkte untereinander nicht verstanden oder nicht beachtet wurden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Demings PDCA-Zyklus Demings PDCA-Zyklus
▶Shewhart Cycle ▶Deming, W. E. ▶Demings 14 Regeln für das Management ▶Demings Sieben tödliche Krankheiten ▶Demings Hindernisse und falsche Starts ▶Demingsche Reaktionskette ▶Kaizen ▶Qualitätsverbesserung ▶KVP
D
„Theorie will benennen, was insgeheim das Getriebe zusammenhält.“ (Th. W. Adorno)
Der PDCA-Zyklus findet sich in der Fachliteratur unter verschiedenen Benennungen. Unter Begriffen wie ►Kaizen, ►KVP oder ►Qualitätsverbesserung/ständige Verbesserung (►ISO 9000-Kernbegriffe) wird er subsumiert. Sehr oft wird er mit seinem „Verbreiter“ William Edwards ►Deming in Verbindung gebracht und Deming-Kreis oder -Rad genannt. Dabei ist im Schrifttum klar erkennbar, dass Deming selbst ihn nach seinem Lehrer und Vorbild Walter ►Shewhart „Shewhart cycle“ genannt hat [1]. Offensichtlich hat die Zuschreibung dieses Kreislaufmodells zur Person Demings bereits während seines Wirkens in Japan begonnen, denn die Japaner neigen dazu, denjenigen Personen, die sie besonders schätzen, eine gewisse Ehre zuteil werden zu lassen. Schließlich hat Deming die Einkünfte, die ihn in Japan durch seine Schriften, Seminare und Vorlesungen zuflossen, in einen Fonds eingebracht, der später die finanzielle Basis des Deming Prize bildete.
Erste Skizzierungen des Modells finden sich in der Handschrift Demings (Abbildung D15), das er später in seinem Werk „Out of the Crisis“ [1] aufgenommen hat (Abbildung D16), allerdings deutlich verändert. Es scheint also keineswegs „den Demingkreis“ gegeben zu haben, sondern beLiteratur reits bei Deming selbst sich wandelnde Beschreibungen, die Deming, W. E.: Out of the Crisis. Cambridge, USA (MIT sich dem jeweils betrachteten Gegenstand anpassten. Gerade Press) 1982, pp 97-98 die dritte später als Check-Phase bezeichnete Stufe wollte Deming zunächst als „Study-Phase“ bezeichnet wissen, was etwas gänzlich anderes bedeutet als „Check“. Demzufolge nannte er ihn dann PDSA-Zyklus. Die synoptische Betrachtung in Abbildung D17 verdeutlicht wie Deming seine Abb. D14: Demings Hindernisse und falsche Starts Erläuterungen variiert hat. Der Vergleich soll auch klarstellen, dass es sich nicht um ein rigiHindernisse Falsche Starts de zu handhabendes Werkzeug handelt. Vor◼ Eine Unterschätzung des notwendigen ◼ Man versucht, schnell zu Ergebnissen rang hat die inhaltliche Betrachtung, aus der Aufwandes bzw. der erforderlichen zu kommen heraus dann die vier Phasen angelegt werden. Sorgfalt, um das Programm erfolg reich einzuführen
◼ Die Erwartung gebnisse
kurzfristiger
◼ Beginnen mit einer falschen Maß nahme
Er
◼ Die Annahme, daß Mechanisierung, Automatisierung, Computerisierung den Durchbruch erzwingen können
◼ Nicht alle 14 Punkte der Demingschen Managementprinzipien, die unterein ander im Wechselverhältnis stehen, werden umgesetzt, sondern nur ein Teilprogramm
An diesem sich wandelnden Begriffsverständnis zeigt sich also keineswegs Unsicherheit. Es ist Shewharts und Demings Versuch, das Induktionsprinzip, wie es ja dem statistischen Denken zugrundeliegt, auf unterschiedliche Objekte anzuwenden, es also für praktische Fragestellungen fruchtbar zu machen – es in ei-
209
Demings PDCA-Zyklus
Demings PDCA-Zyklus
Abb. D15: The Shewhart cycle nach Deming: 1951
D
Quelle: Handskizze Demings. ca. 1951 – Archiv hdz 2000
ner Formel zu generalisieren. Ausgangspunkt dürfte für beide (Sie waren studierte Physiker.) das induktive Vorgehen in der Trias ◼ Hypothese ◼ Experiment ◼ Auswertung gewesen sein. Retrospektiv gesehen steckt im PDCA-Zyklus – wohl ohne dass dies von Deming erkannt wurde – das auf Sir Karl Raimund Popper zurückgehende Falsifikationsprinzip
von Hypothesen. Denn, was ist das Experimentieren anderes als die dirkete Untersuchung (Beobachtung), um Hypothesen (Zielsetzungen, Aussagen) auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, sie also zu verwerfen, wenn sie sich als falsch erweisen. Hierzu muss man planen, Ziele setzen und den Untersuchungsgegenstand so exakt wie möglich beschreiben, um ihn dann operationalisieren zu können. So ist der Kontinuierliche Verbesserungsprozess als das „problem solving“ des Qualitätsmanagements aufzufassen. Er ist nicht in einem Durchgang erledigt, sondern zeitlich ständig fortschreitend (Abbildung D18). Damit offenbart sich der PDCA-Zyklus nicht als eine Qualitätstechnik unter vielen, sondern als das im Zentrum stehende Instrument des Qualitätsmanagements, das oft synonym mit Verbesserung assoziiert wird. Dem Japaner Masaaki Imai [2] ist aufgefallen, dass Deming die erste Phase (P) derart beginnen lässt, als ob wir es am Anfang immer mit einer problematischen Situation zu tun haben. Damit suggeriert er, dass der Anfangsbezug immer eine große Unbekannte sei. Dem Prozess des Verbesserns geht aber bei bestehenden Prozessen ein Zustand voraus, der nicht durch einen völlig unbekannten Prozesszustand, sondern durch das Bestimmen eines Soll-Zustands geprägt ist. Diesem Soll-Zustand gilt es zu entsprechen. Er ist der Ausgangspunkt von (P). Imai nennt ihn den Standard (Regelungen). Standardisierte Arbeit ist dadurch geprägt, dass „ein vom Management festgelegter Satz, für alle Operationen gültiger Satz aus Unternehmenspolitik, Regeln, Direktiven und Richtlinien, der als Handlungsleitfaden allen Mitarbeitern erfolgreiche Arbeitsausführung ermöglicht.“ [2, S. 306] Auf solchen Standards basieren Prozesse. Sie werden in der ersten Phase [(S) = Standardisieren] bestimmt. Das (P) wird folglich durch das (S) ersetzt. Die erste Phase beginnt nicht mit einer hypothetischen Annahme, sondern einer Aufgabenstellung, in der verlangt wird, Regelungen zu verankern, die vorher nicht oder nicht klar eingeführt waren.
Abb. D16: The Shewhart cycle nach Deming in der Fassung von „Out of the Crisis“: 1982 Study the results. What did we learn? What can we predict?
Observe the effects of the change or test.
4
1
3
2
Quelle: Deming, W. E.: Out of the Crisis. Cambridge (MIT) 1986, p. 88
210
What could be the most important accomplishments of this theme? What changes might be desirable? What data are available? Are new observations needed? If yes, plan a change or test. Decide how to use the observations.
Carry out the change or test decided upon, preferably on a small scale.
Wir können festhalten: Immer wenn es darum geht dem Arbeitshandeln nach bestimmten vom Management vorgegebenen Regelungen zu folgen, ist nicht der PDCA-, sondern der SDCA-Zyklus anzuwenden. Dieser unterscheidet sich dadurch, dass einem „SollZyklus“ gefolgt wird, der einen Ist-Zustand abzulösen hat. Einer bisherigen Praxis soll nicht mehr gefolgt werden [3]: „Standardisiere, um ein Wiederauftreten zu verhindern.“ Standardisierung stellt also sicher, dass die erkannte Verbesserung auf Dauer wirksam bleibt. Das Ergebnis eines SDCA-Zyklus ist immer die Einführung eines neuen Standards.
Demings PDCA-Zyklus
Demings PDCA-Zyklus
Abb. D17: The Shewhart cycle – Synopse
liche Denken im Qualitätsmanagement an dieser Stelle Was heißt PDCA? Shewhart cicle I Shewhart cicle II angereichert hat, indem er rund um die Implementierung ◼ P = plan – Planen ◼ Plan a change or a test, ◼ What could be the most important accomplishdes Verbesserungsprozesses aimed at improvements of this theme? What changes might be ment desirable? What data are available? Are new obdurch den PDCA-/SDCAservations needed? If yes, plan a change or test. Zyklus weitere QualitätstechDecide how to use the observations. niken entwickelte, mit deren ◼ D = do – Tun ◼ Do: Carry it out (pre◼ Carry out the change or test decided upon, preHilfe das zyklische Gescheferably on a small scaferably on a small scale. le) hen fundiert wurde. Bei den ◼ C = check – Überprüfen ◼ Study the results. ◼ Observe the effects of the change or test. von ihm so genannten ►Q7 What did we learn? (sieben Qualitätswerkzeuge) ◼ A = act – Handeln ◼ Act: Adobt the chan◼ Study the results. What did we learn? What can handelt es sich quasi um Un(Verbessern) ge or abondon it, or we predict? run through the cicle ter-Qualitätstechniken zum again, possibly under PDCA-Zyklus, auf die Prakdifferent environmentiker zugreifen, wenn sie sich tal conditions. um Verbesserung, Fehlersuche, -analyse, Standardisierung bzw. allgemein um Problemlösungen im Zuge der Anwendung des Das Ergebnis eines PDCA-Zyklus ist dagegen eine VerSDCA-/PDCA-Zyklus bemühen. Hierauf weist auch Philipp besserung, die situativ und im Kontext ihre Gültigkeit beTheden neuerdings hin [4]. ansprucht. Sie ist dann in der Folge der Ausgangspunkt für Hans-Dieter Zollondz, die Anwendung des SDCA-Zyklus, der zur Erhaltung dient. Vichy Erhalten und Verbessern wechseln sich im Zeitverlauf ab. Somit folgt dem Demingschen PDCA-Zyklus immer eine konAbb. D18: Der unendliche zyklische Charakter des servierende Phase, der sog. SDCA-Zyklus. Der Ansatz Imais PDCA-Zyklus räumt auch die Vorstellung beiseite, wonach der von Deming propagierte PDCA-Zyklus – ernst und genaugenommen ge4 1 meint – Arbeitsprozesse nicht zur Ruhe kommen lässt und so zu permanent revoltiernden Wandlungen führen kann.
A
Act
Leider wird diese Differenzierung von Verbessern und Standardisieren (Erhaltung) nicht klar auseinandergehalten, was in der Praxis bedeutet, dass aus einem Soll oft ein Kann wird. Imai hierzu [3, 47]:
Abbildung D18 ist demnach um den Managementaspekt zu korrigieren, der besagt, dass nach jedem PDCA-Zyklus schon fast zwingend ein SDCA-Zyklus folgen muss. Erst wenn Verbessertes standardisiert wurde kann man davon ausgehen, dass die Verbesserungen auf Dauer wirksam sein werden. Im anderen Fall verpuffen sie. In Abbildung D19 wird das interaktive Zusammenspiel von Erhaltung und Verbesserung gezeigt, das auch ein sprunghaftes Element enthalten kann. In diesem Fall spricht man von Innovationen (►Innovationsmanagement). Auch nach einer erreichten Innovation bedarf es weiterer erhaltender und verbessernder Maßnahmen, denn jedes System ist ab dem Zeitpunkt seiner Etablierung dem Verfall preisgegeben. Es war Kaoru ►Ishikawa, der japanische Chemiker und Wissenschaftler an der Universität Tokio, der das wissenschaft-
C
Plan
D
Check Do
2
4
„Die Unternehmensleitung muss Standards klar und deutlich als den einzigen Weg für die Mitarbeiter ausweisen, … Die Führungskräfte, die nicht die Initiative übernehmen, die Arbeitsabläufe zu standardisieren, verfehlen ihre Aufgabe im Führen …“
3
P
A
Act
t
3 4
A
Act 3
C
P
C
P
1
Plan
D
Check Do
2
1
Plan
D
Check Do
2
Literatur
[1] so in: Deming, W. E.: Out of the Crisis. Cambridge (MIT Press) 1986, p. 88 und auch in: Deming, W. E.: The New Economics. For Industry, Government, Education. 2nd. Edition. Cambridge, Mass; London, England (MIT Press) 1994, p. 132 [2] Imai, M.: Kaizen. Der Schlüssel zum Erfolg der Japaner im Wettbewerb. München (Langen Müller/Herbig) 1992 [3] Imai, M.: Gemba Kaizen. Permanente Qualitätsverbesserung, Zeitersparnis und Kostensenkung am Arbeitsplatz. München (Langen Müller/Herbig) 1997, 46
211
D
Demings Sieben tödliche Krankheiten
Demings Sieben tödliche Krankheiten
Abb. D19: Phasen der Interaktion von Erhaltung und Verbesserung mit Alternative Innovation
I
Innovation
D Erhaltung
u ser es
rb Ve Erhaltung A
S
ng
A
A
S
t
ng
eru ess
rb Ve
A
P 41 32
C
D
41 32
P
C
D
41 32
C
D
41 32
C
D
[4] Theden, Ph.: Q7 – Sieben Qualitätswerkzeuge. In: Kamiske, G. F. (Hrsg.): Handbuch QM-Methoden. Die richtige Methode auswählen und erfolgreich umsetzen. 2. Auflage. München (Hanser) 2013, 617-686
Demings Sieben tödliche Krankheiten ▶Deming ▶Demings 14 Regeln für das Management ▶Demings Hindernisse und falsche Starts
Organisation kontinuierlich verbessert. Sie können aber den agierenden Managern bewusst gemacht werden, was er in seinen Seminaren in Japan auch getan hat. Krankheiten sind schließlich heilbar (Abbildung D20). Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur Deming, W. E.: Out of the Crisis. Cambridge, USA (MIT Press) 1982, pp 97-98
Während Deming in den 14 Regeln für das Management seine grundsätzlichen Annahmen in eine Art Philosophie programmatisch umrissen hat, wies er in den von ihm so benannten Sieben tödlichen Krankheiten darauf hin, dass es ernsthafte Barrieren gab, die er beim Management selbst gesehen hat. Diese „Krankheiten“ behindern, dass sich eine Abb. D20: Demings Sieben tödliche Krankheiten des Managements
Demings Sieben tödliche Krankheiten des Managements (Seven Deadly Diseases of Management) 1 2 3 4
212
Das Fehlen von feststehenden Unternehmenszielen Die Betonung von kurzfristigen Gewinnen Leistungsbeurteilungen und jährliche Bewertungen Hohe Fluktuationen in der Unternehmensleitung ng (Manager wechseln zu oft das Unternehmen) hoppi b jo
5 Verwendung von Kenngrößen durch das Management ohne Berücksichtigung von solchen Größen, die unbekannt oder nicht quantifizierbar sind 6 Überhöhte soziale Kosten 7 Überhöhte Kosten aus Produkthaftpflichturteilen
Demingsche Reaktionskette
Demingsche Reaktionskette
Demingsche Reaktionskette ▶ Chain Reaction of Deming ▶ Deming ▶ Qualitätsbezogene Kosten
„Nur 6 Prozent aller Probleme sind unmittelbar auf den Menschen zurückzuführen; 94 Prozent verursacht das System, in dem diese Menschen arbeiten!“ (W. E. Deming)
Als eine nach dem Ursache-Wirkungs-Prinzip zu verstehende Vorstellung, nach der sich Effekte von einer Ebene zur nächsten oder von einem Prozess zum nächsten fortpflanzen, hat ►Deming in der nach ihm benannten Reaktionskette als Grundlage seiner Tätigkeit skizziert. Deming hat dieses Modell in Fortsetzung seiner 14 Punkte entwickelt. Heute würde man sagen, dass er damit ein Investitionskalkül zum Ausdruck gebracht hat. Mit der Kettenassoziation wollte er darlegen, dass die konsequente Anwendung qualitätsorientierter Maßnahmen zur Sicherung und zum Fortbestand des Unternehmens führt. Seinen Niederschlag findet dies in der Sicherung der Arbeitplätze. Später wurde der abschließende Punkt im RoI gesehen. Deming hat dieser Ergänzung als sinnvoll zugestimmt. Er bemerkt zur Urform (Abbildung D21) in Abb. D21: Demings Chain Reaction (orig.)
Improve Quality
}
} } } } }
Costs decrease because of less rework, fewer mistakes, fewer delays, snags; better use of machine-time and materials
Capture the market with better quality and lower price
Stay in business
Productivity improve
Provide jobs and more jobs
reaction chain: „But go ahead and ask. I want to make it clear that as you improve quality, your costs go down. That is one of the main lessons that the Japanese learned and that American management doesn’t even know about and couldn’t care less about. Interested in finance, creative accouting. That’s all right. But when it means that you ignore the fundamentals of improvement, it ist not right. Improve quality. Your cost go down. Fewer mistakes, fewer breakdowns.“ Zit. von Deming in: Walton, M.: The Deming Management Method. New York (Perigee Books) 1986, p. 26
Quelle: [1, p. 3]
[1, p. 3]: „This chain reaction was on the blackboard of every meeting with top management in Japan from July 1950 onward.“ Die Reaktionskette ist demnach ein sehr frühes Instrument seiner Vortragstätigkeit gewesen. In ihr versucht er die volkswirtschaftlichen Konsequenzen zu fassen, wenn kostenbewusstes, unternehmerisches Handeln gezielt mit Qualitätsverbesserungsmaßnahmen verknüpft wird (von Anfang an!). Zu lesen ist die ausführlich ins Deutsche übertragene Grafik (Abbildung D22) wie folgt: Am Anfang und am Ende der Kette steht der Mensch, der durch seine Bestrebungen zur Verbesserung der Qualität beiträgt. Er bildet die Basis für eine Verbesserung der Produktivität des Unternehmens. Sinkende Kosten können durch niedrigere Preise an den Markt
weitergegeben werden. Daraus folgt die Sicherung der Marktanteile. Die Situation des Unternehmens auf dem Markt verfestigt sich und bietet somit eine Gewähr für sichere Arbeitsplätze. Eine Abkürzung dieser Kette ist nicht möglich. Wer mit sinkenden Kosten beginnt, kann höchstens k u r z f r i s t i ge oder ScheinErfolge erwarten. Nach Deming gilt also: Wenn das Unternehmen durchgängig die Qualität verbessert hat, führt das zur Reduktion seiner Kosten (weniger Nacharbeit), wenn die Kosten reduziert wurden, (…) Sicherung der Marktposition, Existenzsicherung, Arbeitsplatzsicherung, neue Arbeitsplätze, RoI.
Abb. D22: Demingsche Reaktionskette Am Anfang und Ende steht der Mensch.
Qualitätsverbesserung
Kostenreduktion [weniger Nacharbeit]
D
Weniger Fehler, weniger unerwartete Hindernisse, weniger Verzögerungen, bessere Nutzung von Material und Produktionsmittel
Erhöhte Produktivität
Wettbewerbsfähige Preise
Neue Märkte wegen besserer Qualität bei geringeren Kosten
Sicherung der Marktposition
Existenzsicherung des Unternehmens
Arbeitsplatzsicherung Neue Arbeitsplätze
Return on Investment* ___ *Dieses Kettenglied stammt nicht von Deming selbst, fand aber sein Einverständnis.
Deming hat damit bereits Anfang der 1950er Jahre den Grundstein dafür gelegt, neben der Qualität der Produkte auch die Steuerung und Lenkung der Prozesse zu beachten und so das Thema Qualitätsorientierung im Unternehmen im Sinne des ►Total Quality Managements vorformuliert und gedanklich vorangetrieben. Allerdings wurde diese Sichtwei-
213
Demotiavation
Design / Designprüfung
Abb. D23: Yoshikazu Tsuda referiert Demings Qualitätslehre bei einer Veranstaltung in Indien (New Delhi 18-08-2004)
„When we improve quality we also improve productivity, just as Dr. Deming told us in 1950 would happen.“
D
Books) 1986, p. 26
Demotivation
▶Motivationsmanagement Psychischer Zustand, der bedingt ist durch persönliche Unzufriedenheit oder Streß. Oft ist ein deutlicher Leistungsabfall zu beobachten. Als Folge können hohe Fehlzeiten festgestellt werden. Bestimmte Verhaltensänderungen signalisieren demotivationale Tendenzen: Innere Kündigung, unfreundliche Reaktionen, Aggressivität, stures Beharren auf dem Erreichten, Verweigerung. Ursachen, die zum Zustand der Demo tivation führen können, dürfen nicht ignoriert werden (z. B. Mobbing am Arbeitsplatz).
214
▶en: design | de: ►Entwicklung ▶Designprüfung Ergebnis der Designtätigkeiten. Das Design umfasst die vollständige ►Beschaff enheit der ►Einheit, nicht nur deren Ge stalt Quelle: DGQ-Schrift 11-04:1995 ⟪Originalbegriff⟫
Design of Experiments
▶DoE-Design of Experiments
Designprüfung
▶en: design review Dokumentierte, umfassende und systematische Untersuchung eines Designs, um seine Fähigkeit zu beurteilen, die ►Qualitätsforderung zu erfüllen, um Probleme festzustellen, falls vorhanden, sowie um das Erarbeiten von Lösungen zu veranlassen. Eine Designprüfung kann in jeder Phase des Designprozesses (►Prozess) durchgeführt werden, jedenfalls sollte aber eine Designprüfung nach Abschluss dieses Prozesses durchgeführt werden.
Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V.
▶ DGQ-Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V.
Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen mbH
▶DQS-Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen GmbH
Begriff
[1] Deming, W. E.: Out of the Crisis. Second Edition. Cambridge Mass. (Massachusetts Institute of Technology) 1987, p. 1f. [2] Walton, M.: The Deming Management Method. New York (Perigee
Design
DGQ-Begriff
se im Westen erst zu Beginn der 1980er Jahre antizipiert. Die bewusste Anwendung der „chain reaction“ durch japanische Unternehmen wird bestätigt durch den in Indien tätigen japanischen Wissenschaftler Yoshikazu Tsuda, der Deming folgendes mitteilt [1, p. 3]: „In Europe and in America, people are now more interested in cost of quality by use of methods which you startet. …when we improve quality we also improve productivity, just as you told us in 1950 would happen.“ Professor Tsuda gehört heute zu den Wissenschaftlern in Asien, die sich explizit in ihrer Lehre auf den Ansatz von Deming beziehen, wie der Autor in Neu Dehli erfahren konnte (Abbildung D23). Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
DGQ – Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK)
DGQ – Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V.
Dezentralisation
Aufgabe. Nicht nur das Vermitteln von Wissen, sondern vor allem die Frage nach dem Ziel der Weiterbildung und was diese bewirken soll, ist der Auftrag, dem sich die DGQ Weiterbildung bei der Konzeption und Durchführung ihrer Trainings stellt. Das breit gefächerte Angebot umfasst klassische Themenfelder von modernen Managementsystemen, wie beispielsweise Qualitäts- und Umweltmanagement, Arbeitssicherheit, Energiemanagement, Labormanagement und Lebensmittelsicherheit sowie Angebote wie Six Sigma, Statistik, Qualitätssicherung und Messtechnik in Form von Lehrgängen, Seminaren, Tagungen und Workshops.
DFM
Die DGQ-Forschungsgemeinschaft Qualität erarbeitet in Gemeinschaftsprojekten neue Anwendungen für das Qualitätsmanagement – vorwiegend mit und für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
▶Corporate Governance
Deutscher Qualitätspreis ▶LEP-Ludwig-Erhard-Preis ▶Erhard, Ludwig
Deutsches Institut für Normung
▶DIN Deutsches Institut für Normung e. V. ▶en: decentralization ▶Selbstorganisation
▶en: Design for Manufacturing Fertigungsorientiertes Design
DFMA
▶en: Design for Manuacture and Asembly Produktionsgerechte Entwicklung und Konstruktion
DFSS
▶Design for Six Sigma ▶Six Sigma
DGQ – Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. ▶QZ – Qualität und Zuverlässigkeit ▶DIN – Deutsches Institut für Normung e.V. ▶Q-Berufe
Die Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. (DGQ), wurde im Oktober 1952 unter dem Namen „Ausschuss Technische Statistik im AWF“ in Frankfurt am Main gegründet. Im Januar 1957 wurde aus dem Ausschuss die „Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Statistische Qualitätskontrolle (ASQ) beim AWF“, die im Mai 1968 in „Deutsche Gesellschaft für Qualitätssicherung“ umbenannt wurde. Seit 1972 ist die Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. (DGQ) unter diesem Namen rechtlich selbständig. Heute prägt und moderiert die DGQ die praxisnahe Plattform engagierter Fachleute aus allen Unternehmens-ebenen und Leistungsbereichen zum Thema Qualität. Der Verein mit knapp 6.500 persönlichen und Firmenmitgliedern sowie 63 Regionalkreisen bundesweit und vier Landesgeschäftsstellen gestaltet Netzwerke und vergibt Zertifikate für nachgewiesene Kompetenz in Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsmanagement. Kompetenzorientiertes Lernen durch betriebliche Fortbildung versteht die DGQ Weiterbildung als ihre wichtigste
Netzwerke gestalten, Menschen befähigen, Organisationen entwickeln und Wissen generieren. Diese Mission verfolgt die DGQ zum nachhaltigen Erfolg ihrer Mitglieder, Kunden und Partner seit nunmehr über 60 Jahren als die Fachgesellschaft zu allen qualitätsrelevanten Themen in Deutschland. Ob mit dem Qualitätsleitbild für Deutschland, ob mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der beiden Disziplinen Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung – hier vor allem die frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Zukunftsthema QS 4.0 – ob mit der Arbeit der Fachkreise zu Q-relevanten Themen wie ►Q-Berufe der Zukunft, Organisationsentwicklung und Audit oder ob mit den Aktivitäten in der Normungsarbeit – aktuell die Revisionen von ISO 9001 und 14001 – bei ihrem Engagement für Qualität ist die DGQ stets am Puls der Zeit. Mit jährlich mehreren Tausend qualifizierten Beauftragten, Managern und Auditoren im Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsmanagement stellt die Weiterbildung ein Schwergewicht innerhalb der DGQ dar. Als Partner von Unternehmen und Organisationen vermittelt sie aktuelles Fachwissen und umfassende Methodenkompetenz für die operative Qualitätssicherung und das strategische Qualitätsmanagement. Rund 800 Trainings sowie etwa 8000 erteilte Zertifikate pro Jahr, ein branchenübergreifendes Weiterbildungsangebot, maßgeschneiderte Inhouse-Veranstaltungen sowie europaweit harmonisierte Trainings und Personenzertifizierungen nach EOQ-Standard (►European Organization for Quality) zeugen von einer profunden Kenntnis der Quality-Märkte. Input und Unterstützung liefern u.a. die etwa 800 Firmenmitglieder, 250 Trainer und Prüfer, mehr als 60 Regionalkreisleiter sowie die DGQ-eigenen Forschungsaktivitäten. Eine Beteiligung besteht an der 1985 gegründeten Tochtergesellschaft DQS Holding GmbH (►Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen). Gründungsgesellschafter waren die DGQ und das ►Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN). Weitere Gesellschafter sind Underwriters Laboratories Inc., der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. (HDB), der Deutsche Industrieverband für
215
D
DGQ – Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V.
D
Der Eingetragene Verein ist gemeinsam mit der forum! Marktforschung GmbH, Mainz, Ko-Initiator der Wettbewerbe „Deutschlands Kundenchampions“ und „Deutschlands Mitarbeiterchampions“ und hat zum Ziel, herausragende Beispiele für die Qualität von Kunden- und Mitarbeiterbeziehungen zu etablieren und vorbildliches Kundenbeziehungsmanagement sowie Programme zur Mitarbeiterentwicklung in Deutschland auszuzeichnen. Die DGQ ist Gründungsmitglied der ►EOQ European Organization for Quality und als einzige deutsche EOQ-Vertretung dazu berechtigt, nach dem europaweit anerkannten harmonisierten Ausbildungsprogramm EOQ-Zertifikate auszustellen, etwa als EOQ Quality Auditor oder EOQ Environmental Auditor. Darüber hinaus fördert die DGQ als Mitglied und Nationale Partner Organisation der European Foundation for Quality Management (►EFQM) die Managementphilosophie des Excellence-Modells zur Stärkung der Unternehmen und Organisationen im globalen Wettbewerb. Mit ihrer Quality-Expertise bringt die DGQ die erforderlichen Inhalte zur Standortsicherung durch Weiterbildung ein. Denn laut einer aktuellen DGQ-Studie ist Bildung einer der zentralen Bausteine für den langfristigen Erfolg der deutschen Wirtschaft. 73 Prozent der befragten Unternehmen sagen, dass es vor allem im Bereich Wissen, Bildung und Qualifizierung Handlungsbedarf gibt, um ►Made in Germany zukunftsfähig zu machen. Deshalb lautet der DGQ-Appell an die Wirtschaft: Nur wer frühzeitig, kontinuierlich und konsequent in die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern investiert, kann in der globalen Wirtschaft erfolgreich sein. Verbandsorgan der DGQ ist die monatlich in einer Auflage von 15000 Exemplaren im Carl Hanser Verlag erscheinende Fachzeitschrift ►QZ – Qualität und Zuverlässigkeit. Mitglieder: 6.300 Präsident: Diplom-Verwaltungswirt Udo Hansen Geschäftsführer: Prof. Dr.-Ing. Herbert Schnauber Sitz der Gesellschaft: Frankfurt am Main Anschrift: DGQ – Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. August-Schanz-Str. 21A 60433 Frankfurt/Main (Preungesheim) Tel.: 069/ 9 54 24-0 Fax: 069/ 9 54 24-133 E-Mail: [email protected] URL: http://www.dgq.de
216
Dienstleistung
▶en: service ▶Qualitätsmanagement von Dienstleistungen 1 Was ist eine Dienstleistung? Eine Dienstleistung ist eine spezielle Art von ►Produkt; und zwar eines beabsichtigten (intended), immateriellen (in tangible) Produkts. Sie ist also das ►Ergebnis eines ►Pro zesses; wie auch das materielle Produkt. Diese Begriffsbestimmung hat seit der Begriffsnorm ISO 8402 das Denken im Qualitätsmanagement geprägt. Zuletzt hat Walter Geiger abschließend versucht, diese Definition differenziert in einem Schaubild einzufangen [1]. Die internationale Normung zum Qualitätsmanagement hat in der neuen Begriffsnorm ISO 9000:2015-11 davon Abstand genommen, den Produktbegriff als Oberbegriff zu bestimmen. Als neuer Oberbegriff wird das Ergebnis (output/ result) eines organisatorischen Prozesses angenommen, genauer das beabsichtigte Ergebnis eines solchen Prozesses, das sich in einer angebotenen Leistung realisiert, der sog. Angebotsleistung (offer performance). Davon ausgehend ergibt sich eine Dreiertypik, wie sie in Abbildung D24 dargestellt wird. Die Angebotsleistung einer Organisation besteht aus: ◼ Produkt ◼ Dienstleistung ◼ Software Wir unterscheiden diese drei Typen einer organisatorischen Leistung hinsichtlich materiell/immateriell. Bei Zuordnung dieser Unterscheidungsmerkmale darf nicht vergessen werden, dass „reine“ Typen gemeint sind. Realtypen von Produkt, Dienstleistung und Software sind immer Mischtypen, was bedeutet, dass sich in materiellen Ergebnissen eines Produkts immaterielle Elemente befinden können, wie auch im immaterielle Ergebniss von Dienstleistung und Software gar nicht ohne materielle Substrate real sind. 2 Welche Merkmale von Dienstleistungen lassen sich nennen? Wenn in der Definition einer Dienstleistung (ISO 9000:2015-09) gesagt wird, dass es charakteristisch für eine Dienstleistung ist, dass sie mindestens durch eine ►Tätigkeit erbracht wird, die notwendigerweise an der Schnittstelle zwischen ►Lieferant und ►Kunde ausgeführt wird, dann ist damit nicht gesagt, dass eine Dienstleistung immer als „reine“ zu verstehen ist, sondern auch weitere Elemente enthalten kann, die typisch für Sachleistungen (Hardware) sind. Dies trifft umgekehrt auf Hardware genauso zu wie auch auf Software. Die Unterscheidung in drei Ergebniskategorien ist nicht trennscharf erfolgt. Es lassen sich immer wieder Beispiele finden, die Sowohl-als-auch-Merkmale enthalten. Der in Abbildung D01 im unteren Bereich eingefügte sog. Marketing-Verbund-Kasten von Hilke demonstriert dies überdeutlich. Totz dieser „Trennschärfen-Einschränkung“ können die folgenden allgemein geteilten auf Martin Fassnacht zurückge-
Begriff
optische, medizinische und mechatronische Technologien e.V. (Spectaris), der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) und der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI). Weltweit beschäftigt das Unternehmen 2 800 Mitarbeiter, davon rund 2 400 Auditoren und Gutachter. Die DQS ist mit rund 80 Geschäftsstellen in 63 Ländern weltweit vertreten.
Dienstleistung
Dienstleistung
Dienstleistung
henden fünf bestimmenden Merkmale von Dienstleistungen genannt werden:
◼ Intangiblität – Dienstleistungen sind intangibel: Nicht greifbares Resultat! Am Ende des Prozesses der Dienstleistungserstellung liegt im Gegensatz zur Produktion von Produkten kein tangibles Gut vor.
Abb. D24: Die drei übergeordneten Kategorien als Ergebnis eines organisatorischen Prozesses
Ergebnis (output/result)
D
(einer Organisation) Ergebnis eines organisatorischen Prozesses, das eine angebotene Leistung darstellt: Angebotsleistung, en: offer performance
materiell
immateriell
Produkt
Dienstleistung en: service
en: software
A Hardware (hardware) Beabsichtigtes materielles Ergebnis, wobei die Menge ein abzählbares Merkmal ist
C Beabsichtigtes immaterielles Ergebnis, erbracht durch a) Tätigkeiten des Lieferanten, von denen mindestens eine notwendigerweise an der Schnittstelle zwischen dem Lieferanten und b) dem Kunden ausgeführt wird, vervollständigt durch Tätigkeiten des Kunden, deren Planung Aufgabe des Lieferanten ist. Die Menge ist dabei ein abzählbares Merkmal.
D Beabsichtigtes immaterielles aus Informationen bestehendes geistiges Ergebnis, wobei die Menge ein abzählbares Merkmal ist
Absatz Investitionsgüter
Absatz Dienstleistungen
en: product
B Verfahrenstechnisches Produkt (processed material) Beabsichtigtes materielles Ergebnis, wobei die Menge ein kontinuierliches Merkmal ist
Absatz Konsumgüter Es gibt keine reine Sachleistung!
t ab nimm zu l i e t mt gsan l nim istun i e e l t h n c Sa ngsa leistu t s n e Di
Software
reine Dienstleistung
Dienstleistung
Sachleistung/Produkt
immateriell
z.B. Einzelhandel
z.B. Hoteldienstleistung
z.B. Rechtsanwaltsleistung
217
Dienstleistung
D
◼ Verderblichkeit – Verderblich sind Dienstleistungen, weil sie infolge der (teilweisen) Untrennbarkeit ihrer Produktion und ihres Absatzes (uno-actu-Prinzip) nicht lagerfähig sein. Im Vergleich zu Herstellern von Produkten können Dienstleister nicht vorab Dienstleistungen auf Lager produzieren. ◼ Integration des externen Faktors – Die Integration des externen Faktors beschreibt den Sachverhalt, dass der Kunde in den Erstellungsprozess einer Dienstleistung als externen Faktor ein Lebewesen, materielles Gut, Nominalgut oder Informationen einbringt. Das Lebewesen kann der Kunde selbst, das materielle Gut das Auto des Kunden sowie das Nominalgut das Geld des Kunden sein. ◼ Wahrgenommenes Kaufrisiko – Das wahrgenommene Kaufrisiko bezieht sich auf die unsicheren, unerwünschten Konsequenzen eines Dienstleistungskaufs. Im Gegensatz zu Sachgütern existiert bei Dienstleistungen kein Produkt, das Kunden vor dem Kauf in Augenschein nehmen und folglich prüfen können. In diesem Zusammenhang wird auf die informationsökonomischen Eigenschaften von Dienstleistungen abgestellt. Dienstleistungen zeichnen sich tendenziell durch einen geringen Anteil an Sucheigenschaften und hohen Anteil an Erfahrungseigenschaften und Vertrauenseigenschaften aus. ◼ Individualität – Eingehen auf Kundenwünsche und somit eine aus Kundenperspektive gewünschte Individualität bringt das Dienstleistungsmerkmal Individualität zum Ausdruck. An diesen Beispielen konnte gezeigt werden, dass die fünf Dienstleistungsmerkmale zur Kennzeichnung von Dienstleistungen verwandt werden, obwohl sie sich nicht konstitutiv auf Dienstleistungen beziehen. Dienstleistungen kann man aber aus pragmatischen Gründen hinsichtlich dieser Merkmale – wenn auch nicht stets eindeutig – von Produkten trennen. 3 Wie unterscheidet sich eine Dienstleistung von anderen immateriellen und materiellen Produkten? Die zweite übergeordnete Produktkategorie immaterieller Produkte ist Software (siehe Abbildung D24). Auch sie enthält viele Arten. Eine wichtige Unterart von Software ist Rech nersoftware. Mit ihr können Dienstleistungen kombiniert sein. Oft wird behauptet, ein Gegensatz zu Software und zu materiellen Produkten sei, daß der Lieferant einer Dienstleistung bei und nach deren Erbringung kaum noch Mög lichkeiten habe, sein Produkt nachzubessern, falls der Kun de unzufrieden ist. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber: Im Gegensatz zur typischen generellen Besonderheit einer Dienstleistung, der Unmöglichkeit ihrer Vorab-Lagerung und Auslieferung bei Bedarf, kann eine Dienstleistung oft durchaus nachgebessert werden. Möglichkeiten und Schwie rigkeiten einer Nachbesserung sind bei allen Produktarten prinzipiell nicht sehr unterschiedlich. So bessert ein Frisör regelmäßig die erbrachte Dienstleistung, nämlich den dem
218
Dienstleistung Kunden im Spiegel gezeigten Haarschnitt, nach, wenn er dem Kunden noch nicht gefällt. Gleiches gilt für wichtige Verträge beim Notar, für Reparaturleistungen im Haushalt und viele andere Dienstleistungen. Natürlich gibt es auch Dienstleistungen, die aus den verschiedensten Gründen nicht nachgebessert werden können oder sollen. Das gilt aber für andere Produktarten ebenso. 5 Gibt es Besonderheiten beim Qualitätsmanagement von Dienstleistungen? Wie bei allen anderen Produkten zielt Qualitätsmanagement auf eine den Kunden zufriedenstellende ►Beschaffenheit des Produkts Dienstleistung. Dazu gelten dieselben Regeln für die Ermittlung und Festlegung der ►Qualitätsforderung (siehe auch ►Qualitätsplanung), für die ►Qualitätslenkung, die ►Qualitätsprüfungen und alle anderen qualitätsbezogenen Aufgaben und Tätigkeiten. So muss beispielsweise auch bei Dienstleistungen auf die oft sehr stramme Korrelation zwischen den Merkmalswerten der Tätigkeiten und Prozesse zur Erbringung der Dienstleistung und den Merkmalswerten des Ergebnisses dieser Tätigkeiten und Prozesse geachtet werden. Bei Produktionsprozessen materieller Produkte ist diese Kor relation oft derart stramm, daß als Eingangsgrößen für die Qualitätslenkung beim Produkt nicht die Produktmerkmale, sondern Prozessmerkmale dienen. Ebenso ist es bei Dienst leistungen, etwa beim Wink des Gastes nach dem überlasteten Kellner mit dem Ziel, endlich das längst bestellte Essen zu erhalten. Auch bei Dienstleistungen werden an die Tätigkeiten zu ihrer Erbringung grundsätzlich andere Einzelforderungen gestellt als an das Ergebnis, die Dienstleistung selbst. Insgesamt kann man also sagen: die Vielfalt materieller Produkte und die Vielfalt immaterieller Produkte (Dienstleistungen und Software) ist bezüglich der Unterschiedlichkeit des spezifisch anzuwenden Verfahrens des Qualitätsmanagements, jeweils für sich genommen, erheblich größer, als der Unterschied der prinzipiell im Qualitätsmanagement für diese Produktarten anzu wendenden Verfahren des Qualitätsmanagements. 6 Benötigt man fachspezifische Kenntnisse beim Qualitätsmanagement von Dienstleistungen? Auch hier gibt es keine Unterschiede zum Qualitätsmanagement bei anderen Produktarten: Das Qualitätsmanagement muss jeweils mit seinen prinzipiell branchenübergreifenden Methoden unter Einsatz von Fachkenntnissen auf dem An wendungsgebiet ausgeführt werden. Fachkenntnisse sind prinzipiell immer erforderlich. Insgesamt kann man also feststellen, daß Dienstleistungen als eine spezifische übergeordnete Produktart zwar ihre fachlichen Besonderheiten wie alle anderen Produktarten aufweisen, dass aber die übergeordneten Methoden des Qualitätsmanagements unter gleichzeitiger Anwendung der fachspezifischen Kenntnisse wie sonst auch eingesetzt werden können. Daraus ergibt sich eine prinzipielle Vereinfachung des Qualitätsmanagements und die Tatsache, dass ein ►Qualitätsmanagementsystem für Dienstleistun
Dienstleistung gen gleichen Nutzen und mit allen seinen ►QM-Elementen gleiche Erfolgschancen bietet wie bei anderen Produktarten. Deshalb ist es auch immer häufiger, dass Organisationen, die Dienstleistungen erbringen, sich um ein ►Zertifikat bemühen, wonach ihr Qualitätsmanagementsystem Vertrauen der Kunden verdient, daß die zu erbringenden Dienstleistungen die jeweilige Qualitätsforderung des Kunden erfüllen wird. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
ISOTerm
[1] Geiger, W.: Beschaffenheitsmanagement. München (Oldenbourg) 2013, S. 244-245 [2] Geiger, W.: Qualitätsmanagement bei immateriellen Produkten. In: Masing, W.: Handbuch Qualitätsmanagement. Hanser Verlag München 1999, 4. Auflage. Kapitel 37 [3] Geiger, W.: Qualitätslehre. 3. Auflage Verlag Vieweg, Wiesbaden 1998
Dienstleistung (ISO 9000:2015-11)
▶en: service ►Ergebnis einer ►Organisation mit mindestens einer Tätigkeit, die notwendigerweise zwischen der Organisation und dem ►Kunden ausgeführt wird
Anmerkung 1 zum Begriff: Die vorherrschenden Elemente einer Dienstleistung sind üblicherweise immateriell. Anmerkung 2 zum Begriff: Dienstleistung umfasst häufig Tätigkeiten an der Schnittstelle zum Kunden, um ►Kundenanforderungen festzulegen, sowie bei der Erbringung der Dienstleistung und kann eine kontinuierliche Beziehung einschließen, wie z. B. Banken, Buchführungen oder öffentliche Einrichtungen, z. B. Schulen und Krankenhäuser. Anmerkung 3 zum Begriff: Zur Erbringung einer Dienstleistung kann z. B. folgendes gehören: ◼ eine Tätigkeit, die an einem vom Kunden gelieferten materiellen ►Produkt ausgeführt wird (z. B. einem zu reparierenden Auto); ◼ eine Tätigkeit, die an einem vom Kunden gelieferten immateriellen Produkt ausgeführt wird (z. B. dem für die Erstellung einer Steuerrückerstattung erforderlichen Einkommensnachweis); ◼ die Lieferung eines immateriellen Produkts (z. B. die Lieferung von ►Informationen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Wissen); ◼ die Schaffung eines Ambientes für den Kunden (z. B. in Hotels und Restaurants). Anmerkung 4 zum Begriff: Eine Dienstleistung wird üblicherweise durch den Kunden wahrgenommen. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Dienstleistungsaudit ▶Qualitätsaudit
Dienstleistungsgarantien Dienstleistungsgarantien ▶en: Service Guarantees ▶de: Servicegarantien ▶Garantie
1 Einführung und Definition Neben dem in vielen Organisationen implementierten ►Beschwerdemanagement (s. a. ►Aktives Beschwerdemanagement-System – ABMS) hat sich v.a. im angelsächsischen Bereich die sog. Servicegarantie als Kundenbindungsinstrument etabliert [1]. Von den Garantien, die sich allgemein auf Produkte beziehen, sind diejenigen Garantien besonders hervorzuheben, die sich auf ►Dienstleistungen beziehen. Diese werden Dienstleistungsgarantien genannt. Vielfach wird auch eingedeutscht von Servicegarantien gesprochen. Als Kundenbindungsinstrument verfolgen Dienstleistungsgarantien das Ziel, die Loyalität des Kunden zum Lieferanten zu sichern. Auf die davon abgeleiteten Unterziele weist Brinkmann hin [2]: Steue rung von Kundenerwartungen und Sicherstellung eines einheitlichen Dienstleistungsniveaus. Entsprechend dem Vorschlag von Wirtz lassen sich Dienstleistungsgarantien wie bestimmen [3] (s. Abbildung 25). So definierte Dienstleistungsgarantien werden „von vielen Fachleuten als starkes Mittel zur Verbesserung von Ser v ice qua lität eingestuft. Sie sind angeblich ein Mittel, um ►Qualitätsverbesserungen auf dem schnellsten Wege einzuführen [4]. Im Anschluss an die allgemeine Definition wird in Abbildung D25 auch von internen Dienstleistungsgarantien gesprochen. Während (externe) Garantien dem Kunden das Leistungsversprechen transparent machen und ihm gegenüber kommuniziert werden, handelt es sich bei internen Dienstleistungsgarantien um definierte Forderungen an ab teilungsübergreifende Prozesse (interne Kunden-/Lieferan ten-Beziehungen), bei denen die Schnittstelle zum externen Kunden die Grenze bildet. Interne Dienstleistungsgarantien sind auf die Forderungen der Kunden ausgerichtet. Sie sind – auch wenn sie den Kunden gegenüber nicht kommmuniziert werden – der bestimmende Gestaltungsfaktor. Interne Dienstleistungsgarantien bilden – ausgerichtet auf die Kun denforderungen – ein System von Tätigkeiten interner Kun den-Lieferanten-Beziehungen. (Externe) Dienstleistungsga rantien setzen interne Garantien voraus, interne Garantien sind Teilmenge von externen Garantien. Oftmals werden interne Dienstleistungsgarantien als Vorphase (Pilotprojekt) eingeführt, bevor sie nach einem solchen bestandenen Test dem Kunden gegenüber kommuniziert werden und so als implementierte externe Garantie Ansprüche auf Gegenleistung entstehen lassen. Interne Garantien enthalten ebenfalls das Definitionsmerkmal „Gegenleistung“, was bedeutet, dass auch intern bei Nichterfüllung persönliche oder abteilungsbezogene (positive oder negative) Folgen eintreten [6].
219
D
Dienstleistungsgarantien
Dienstleistungsgarantien
Abb. D25: Interne und externe Dienstleistungsgarantien Dienstleistungsgarantien sind Leistungsversprechen von Dienstleistern über die Prozessqualität (oft gemessen an Kundenzufriedenheit) und/ oder die Ergebnisse der Dienstleistung. Bei Nichterfüllung dieser Leistungsversprechen verpflichten sich diese Unternehmen zu einer vorbe-
D
stimmten Wiedergutmachung, dem Garantieversprechen. Diese Wiedergutmachung schließt in der Regel die direkten Kosten der Dienstleistung (den Preis) sowie andere Kosten und Aufwände, die dem Kunden durch diese Fehlleistung (z. B. verlorene Mühe und Zeit) entstehen, mit ein.
Definition nach [3]
Externe Dienstleistungsgarantie
2 Vorteile von Dienstleistungsgarantien Als zentrale Vorteile lassen sich die in Ab bildung D27 herausgestellten drei Gruppen benennen [8].
Interne Dienstleistungsgarantie
Interner Kunde
Interner Kunde
Interner Kunde
Externer Kunde
Kundenkontakt (=Schnittstelle)
■ Kundenzufriedenheit ■ Kundenloyalität
Quelle: In Anlehnung an [2, S. 70]
Abb. D26: Beispiele für externe und interne Dienstleistungsgarantien Beispiele für externe Dienstleistungsgarantien
◼ Wenn eine Lieferung nicht pünktlich ist, bekommt der Kunde sein Geld zurück. ◼ Wenn der Kunde nicht mit dem Gerät zufrie den ist, wird es ohne Kosten für ihn gegen ein identisches oder baugleiches Gerät ausge tauscht. ◼ Wenn vor dem Kunden mehr als zwei Personen an der Kasse stehen, darf er die Ware ohne Zahlung mitnehmen. ◼ Wenn der Kunde länger als 5 Minuten an der Kasse warten muß, erhält er einen bestimmten Betrag. ◼ Wenn auf dem Kontoauszug die Zinsen nicht genannt sind, bekommt der Kunde einen bestimmten Betrag als Wiedergutmachung. ◼ Wenn Buchungsfehler auftreten, erhält der Kunde einen bestimmten Betrag als Wieder gutmachung. ◼ Wenn ein Kredit innerhalb einer zugesagten Frist nicht ausgezahlt wird, erhält der Kunde eine Entschädigung. ◼ Wenn das kalkulierte Kompensationsbudget eines Versicherers nicht vollständig in Anspruch genommen wird, geht die Differenz an die Mitarbeiter. ◼ Wenn der Kunde des Hotels unzufrieden ist, dann zahlt er keine Übernachtungskosten.
◼ Wenn die Policierungsdauer über fünf Tage liegt, Entschädigungszahlung an den Kunden. Die Differenz des kalkulierten Budgets steht für Betriebsfeste zur Verfügung.
Beispiele für interne Dienstleistungsgarantien
◼ Wenn die zwischen den internen Kunden/ Lieferanten vereinbarten Standards nicht ein gehalten werden, erfolgt eine Belastung auf der Basis eines internen Verrechnungssystems. ◼ Wenn Kursteilnehmer ein Seminar mit schlech ter als "befriedigend" benotet haben, verzichtet die Weiterbildungsabteilung eines großen Betriebes auf die Budgetbelastung. ◼ Wenn das zügige Abarbeiten von Routine vorgängen in festgelegten Zeiten nicht gelingt, erfolgt eine Budgetbelastung in Form von internen Verrechnungseinheiten. ◼ Wenn für jeden Auftrag nicht vollständige und korrekte Informationen geliefert sowie ausrei chend Vorlaufzeit angesetzt wird, trägt die Abteilung, die die definierten Vorgaben nicht erfüllt, die vereinbarten Kosten. ◼ Wenn Führungskräfte zu Besprechungen nicht pünktlich erscheinen, zahlen sie jedem war tenden Teilnehmer eine bestimmte Summe.
Quelle: Ausgewählt nach [10]
Dienstleistungsgarantien sind abzugrenzen von sog. Ser viceversprechen. In beiden Fäl len wer den den Kunden bestimmte Leistungen zugesagt. Nur bei Dienstleistungs garantien bestimmt der Dienstleister dem Kunden gegenüber jedoch einen Anspruch auf Gegenleistung [7]. Beispiele von Dienstleistungsgarantien sind in Abbildung D26 aufgelistet,
220
die fast ausschließlich von amerikanischen Unterneh mun gen stammen. Die Beispiele sind zudem auf sehr verschiedenen Ebenen angesiedelt, vom zu sanktionierenden Zuspätkommen bis zu ausgefeilten Garantiesystemen. Besonders in den Publikationen von Chr. W. L. Hart [1, 6 u.a.] finden sich ganze Erfolgs stories. Diese Beispiele können zwar als Anregung dienen, aber jede Organisation muss im Team ihren eigenen Weg zur Garantie finden.
◼ Fokussierung: In Organisationen werden vielfältige Anstrengungen unternommen, um Kundenorientierung zu realisieren. Eine Bündelung dieser Aktivitäten und Teilprojekte läßt sich mit der Einführung von Dienstleistungs garantien erreichen. Erfahrungsgemäß steigt durch ein solches fokussiertes Vorgehen die Mitarbeitermotivation deutlich, da die Mitarbeiter genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Auf der anderen Seite bieten sich auch für die Geschäftsleitung vielfältige Ansätze der Steuerung. ◼ Messbarkeit: Der Nachweis von ‘schlechtem Service’ kann oft nur qualitativ und illustrativ erfolgen. Da Ga rantien Kompensationszahlungen vorsehen, werden ‘Servicemängel’ meßbar gemacht. Die „Nicht-Qualität“ kann als Kennzahl ins ►Qualitätscontrolling einfließen. Jede Inanspruchnahme der Garantieleistung ist als Beschwerde zu werten und fließt ein als Information in ein bestehendes Beschwerdemanagementsystem. ◼ Prozesse: Befasst sich die Organisation mit der Einführung von Garantien, bieten sich konkrete Ansatzpunkte, um die Prozesse zu identifizieren. Dieses Vorgehen erlaubt somit einen sehr praktischen ersten Einstieg in das ►Pro zess management, was eine Weiterführung zum prozessorientierten Quali-täts ma nagement erlaubt (►Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000:2015).
Gerade denjenigen Dienstleis-tungunterneh men, die sich erstmals fundiert mit der Ausrichtung ihrer Organisation auf den Kunden befassen, bieten Garantien nicht nur vielfältige konkrete Ansatzpunkte, sondern auch Erfolgspotentiale, da die folgenden Ursachen des Scheiterns bei der Einführung von Garantien weitestgehend ausgeschaltet werden können [9]:
Dienstleistungsgarantien ◼ „fehlendes Engangement des Top-Managements, ◼ keine ausreichende Messung der Ergebnisse, ◼ Abläufe sind nicht auf den Kundenbedarf ausgerichtet, ◼ mangelnde Motivation der Mitarbeiter, die keinen Vorteil haben, wenn sie sich besonders um den Kunden bemühen, ◼ fehlende Transparenz der Kosten, die durch Servicedefizite entstehen.“
Dienstleistungsgarantien Abb. D27: Drei zentrale Vorteile von Dienstleistungsgarantien Fokussierung von Ein zelaktivitäten eröffnet Chancen
Messbarkeit von Servicemängeln durch Kompensationszahlungen
Analyse und Systematisierung interner Prozesse
◼ Verzettelung in Einzelakti vitäten zwingt zum Umdenken ◼ Eindeutige Festlegung der Leis tungen ◼ Mitarbeiter können ihre Erwar tungen klar ausrichten ◼ Steigerung der Motivation ◼ Verstärkter Einsatz von Krea tivität, um Probleme des Kun den zu lösen ◼ Möglichkeit der Geschäfts führung, Prioritäten zu setzen
◼ Zahlungen der Organisation sind als Kosten zu interpretie ren ◼ Abnahme der Kosten, da orga nisatorische Lernefekte entste hen ◼ Negative MundzuMundKom munikation wird spürbar redu ziert ◼ Bisher nicht quantifizierbare Fehler werden messbar gemacht ◼ Aus der Sicht des Controllings wird aus dem Kostenfaktor eine Investition in verbesserte Dienstleistungsqualität.
◼ Zur Sicherstellung der Dienst leistungsgarantie werden die internen Abläufe (Kern und Supportprozesse) analysiert ◼ Durch klare Fokussierung auf genau bestimmte Dienst leistungen ist es möglich, die Prozesse zu identifizieren ◼ Dienstleistungsgarantien unter stützen die Organisation, die internen Prozesse zu verbessern ◼ Um hohe Kompensations zahlungen zu vermeiden, muß die Gestaltung und Durch setzung neuer Prozesse be schleunigt angegangen werden
Quelle: Einzelpunkte zusammengestellt und teilweise wörtlich übernommen aus [8]
3 Auswirkungen von Dienstleistungsgarantien Wirtz diskutiert auf der Basis eines Modells die Auswirkungen im Zusammenhang mit den Vorteilen der Dienstleistungsgarantie. Er leitet aus diesem Modell Thesen ab (Aus wahl in Abbildung D28). Vier Auswirkungsbereiche, auf die die in Abb. D28 genannten Thesen bezogen sind, können be stimmt werden [11]: ◼ ◼ ◼ ◼
Auswirkung auf Betrieb und Servicequalität Auswirkung auf Verbraucherverhalten Mögliche Verstärker der Auswirkung auf Verbraucherverhalten Auswirkung auf das Geschäftsergebnis.
In Anlehnung an diese Dimensionen wird in Abbildung D29 ein einfaches Input-/Out put-Modell vorgelegt. Das Modell benennt ein Bedingungsgefüge von vier Dimensio nen: Voraussetzungen, erforderliche Gesta ltungsmaßnahmen, angenommene Wirkun gen und Einflüsse der Umwelt. Auch wenn die Darstellung einfache Zusammenhänge nahelegt, so müssen doch komplexere Wirkungen und Rückwirkungen vermutet werden. Das trifft bereits auf die als Erfolgs faktoren bezeichneten acht Bedingungen zu, die übereinstimmend in der Literatur als Voraussetzungen ‘guter’ Dienstleistungsga rantien immer wieder genannt werden [11]:
1 außergewöhlich: Der Kunde hat oft Vergleichsmaßstäbe, die sich zudem im Zeitablauf wandeln. Außergewöhnlich ist eine Garantie, wenn sie einzigartig ist und von keinem Mitbewerber in dieser Form angeboten wird. Außerge wöhnlich kann sich auch auf den Umfang beziehen. Zum Beispiel soll die Garantie „alle“ Kunden als Zielgruppe einbeziehen. 2 relevant: Für den Kunden wichtige und sinnvolle Leistungsdimensionen müssen angesprochen werden. Nur solche Faktoren führen zur Zufriedenheit des Kunden. So sind Wartezeiten für jeden Kunden wichtige Leistungsdimensionen. Wer garantiert, in einem Markt segment der Billigste zu sein, spricht ebenfalls eine rele-
Abb. D28: Thesen zu den Auswirkungen gut entworfener Dienstleistungsgarantien T1: T2: T3: T4: T6:
T7:
Eine Dienstleistungsgarantie zwingt Unter nehmen eine Ausrichtung auf Kun denbedürfnisse zu erreichen und erhalten. Eine Dienstleistungsgarantie veranlaßt eine Organisation, ihren Prozesse zu beherrschen. Eine Dienstleistungsgarantie zwingt das Management, mögliche Fail Points im Betrieb zu erkennen, zu verstehen und zu verringern. Eine Dienstleistungsgarantie ermutigt Unternehmen von sich aus Feedback von unzufriedenen Kunden einzuholen. Eine Dienstleistungsgarantie veranlasst ein Unternehmen, Mitarbeiter gemäß garantier ten Leistungsstandards einzustellen und zu trainieren. Eine Dienstleistungsgarantie stellt klare Leistungsstandards für Mitarbeiter auf, teilt die Verpflichtung des Managements zur Kundenzufriedenstellung mit, macht Mitarbeiterleistungen intern sichtbar und erhöht den Stolz der Mitarbeiter auf ihre Arbeit. Das motiviert Mitarbeiter, gemäß den garantierten Servicestandards zu arbeiten.
T11: Der Kommunikationsgehalt der Garantie und eine Verbesserung der Servicequalität erhö hen die positive MundzuMundPropaganda. T15: Die möglichen Auswirkungen einer Garantie nehmen mit wahrgenommener Erhöhung des Risikos verbunden mit der angebotenen Dienstleistung zu. T16: Die mögliche Auswirkung einer Garantie stei gert sich mit ihrer Einzigartigkeit. Eine Garantie ist einzigartig, wenn sie entweder die einzige Garantie in der Branche ist, oder ihre Bedingungen besser sind als die von den Mitbewerbern angebotenen. T17: Dienstleistungsgarantien führen zu Umsatzsteigerung durch Anwerbung neuer Kunden, Erhöhung der Kundenstammer haltung und Markentreue und/oder lassen Preisprämien zu. T22: Die Gewinnsteigerung verstärkt (…) die Ver pflichtung des Managements zur Dienst leistungsgarantie und zu einer sorgfältigen Kontrolle und Verbesserungen in ihrer Gestaltung und Verwaltung.
Quelle: Ausgewählt nach [3]
221
D
Dienstleistungsgarantien
D
Dienstleistungsgarantien
vante Dimension an: Dem Kunden wird Abb. D29: Bedingungen, Gestaltungsmerkmale und Wirkungn von DL-Garantien der Vergleich er spart. Zu warnen ist vor belanglosen Garantien, die kontraBedingungen und Maßnahmen der Wirkungen faktische Wirkungen haben können, zu Forderungen Organisationsund vermeiden sind auch nicht finanzierbare (= Erfolgsfaktoren) gestaltung Ergebnisse Garantien. Problematisch sind ebenfalls ◼ Kundenbindung ◼ Prozesse – Prozessma leider weitverbreiteten substanzlose ◼ außergewöhnlich nage ment: Syste mati sie Geld-Zu rück-Garan tien, die mit dem ◼ relevant ◼ Neukundengewinnung rung und Optimierung Slogan ‘Bei Nichtgefallen Geld-Zurück’ der Prozesse werben. Bei der Höhe der Wiedergutma- ◼ uneingeschränkt ◼ Kundenrückgewinnung chungssumme ist Augenmaß gefordert: ◼ Kundenorientierung ◼ glaubwürdig ◼ Image Die Höhe der Kom pen sationssumme ◼ Mitarbeiterorientierung sollte davon abhängig gemacht werden, ◼ verständlich ◼ Vertrauen was der Kunde hinsichtlich Zeit, Geld ◼ Management der ◼ kommunizierbar und eventuellen Verärgerungen hatte. ◼ Verbesserung HumanRessourcen 3 uneingeschränkt: Es sollten idealerweise ◼ beanspruchbar der Geschäftsergebnisse ◼ Management der keine Bedingungen an die Garantie geQualitätskultur knüpft werden. Auch Ausschlüsse sollte ◼ einlösbar es nicht geben. Wenn eine Airline ihren Fluggästen zwar garantiert, dass sie ihre Umwelt: Branche, Wettbewerb, Märkte, Regularien, Gesellschaft Anschlußflüge erreichen, aber den Ein fluß von Witterungs- und Flug siche lebenslange Zufriedenheitsgarantie formuliert und für rungsmaßnahmen ausschließt, schränkt sie die Garantie jeden beim ersten Lesen verständlich ist: „Our products ein und wirkt auch noch unglaubwürdig, weil gerade die are guaranted to give 100% satisfaction in every way. ReAusschlüsse 95% der Fälle ausmachen. Wenn ein Restauturn anything purchased from us at any time if it proves rant eine Sofort-Garantie ausspricht, aber die Stoßzeiten otherwise. We will replace it, refund your purchase price ausklammert, fühlt sich der Kunde auf den Arm genomor credit your credit card, as you wish. We do not want men. Wenn man keine uneingeschränkte Garantie geben you to have anything from L.L. Bean that is not completekann, sollte man die Bereiche, auf die sich die Garantie ly satisfactory“. bezieht, klar benennen und die Bereiche, auf die man 6 kommunizierbar: Verständliche, klare und unzweifelhafte zum Beispiel keinen Einfluss hat, ausklammern. Solche Garantien sind von den Mitarbeitern gegenüber den Einschränkungen werden vom Kunden dann akzeptiert, Kunden und im kommunikativen Raum außerhalb des wenn sie offen kommuniziert werden. Unternehmens einfach kommunizierbar. Mehrdeutige 4 glaubwürdig: Hier wird vor allem angesprochen, ob der Formulierungen, wie z. B. schnell oder prompt sollten in Kunde von der Leistungskraft des Dienstleisters überGarantien vermieden und klar operationalisiert werden. zeugt sein kann. Es stellt sich für ihn die Frage, ob er Sie wiedersprechen dem Grundsatz nach eindeutiger und bestimmte Leistungen regelmäßig erbringen kann, ob widerspruchsfreier Kommunizierbarkeit von Garantie die Garantie auch wirklich unverzüglich ausbezahlt wird aussagen. oder er sich auf lange Warte- und Prüfzeiten des Garan7 beanspruchbar: Wenn der Kunde erst noch Hürden übertiegebers einstellen muss. Pauschal formulierte volle Zuwinden muss, um die Garantie in Anspruch nehmen zu friedenheitsgarantien werden vom Kunden als mehrdeukönnen, führt das zu Verärgerung und unnötigem Hin tig angesehen und schränken die Glaubwürdigkeit des und Her. Garantien müssen für den Anspruchsteller Dienstleisters ein. ohne Umständlichkeiten, überflüssige Formalitäten und 5 verständlich: Gefordert wird ‘leichte’ Verständlichkeit. Verhandlungen beanspruchbar sein. Auch muss sicherEine Garantie ist für den Kunden verständlich, wenn gestellt sein, dass sich auf der Kundenseite keine Schuld sie aus seiner Perspektive formuliert ist. Dazu Chr. W. gefühle entwickeln können, eher muss der Kunde ermuL. Hart [13]: „Abgefaßt in klaren, einfachen Worten, tigt werden, sich auf die Garantie zu beziehen. Gerade sollten sie das Versprechen auf den Punkt bringen. Kun dieser Punkt setzt gewissermaßen eine offensive Haltung den wissen dann, was sie erwarten dürfen, und Angeder Mitarbeiter gegenüber dem Kunden voraus, die den stellte wissen, was von ihnen erwartet wird. Ein ‘FünfKunden ermutigen sollen sich auf die Garantie zu beruMi nuten-Service’ sorgt für eindeutigere Er wartungen fen, anstatt Hürden aufzubauen. als ein ‘prompter Service’, genauso wie ‘Ungezieferver8 einlösbar: Das Verfahren, in den Genuß der Garantie zu nichtung’ mehr sagt als ‘Schändlingsbekämpfung’.“ Die kommen, muss unkompliziert und schnell sein. Wenn wohl bekannteste Garantie ist die des amerikanischen auf die aktuelle Verärgerung sofort positiv für den KunVersandhandelsunternehmens L.L. Bean, das folgende den reagiert werden kann, reduziert sich der Ärger und
222
Dienstleistungsgarantien „tiefergehende Unzufriedenheit bleibt aus. Eine schnelle Regulierung erlaubt sogar, den Kunden positiv zu überraschen und somit seine Loyalität zu stärken.“ [14] Gerade dieser Punkt setzt voraus, dass die Mitarbeiter entsprechend ‘empowered’ sind, um den Kunden zufriedenzustellen. Nach Möglichkeit sollte die sofortige Auszahlung der Garantie in bar angestrebt werden, falls das nicht möglich ist, sollte die Auszahlung entsprechend den Kundenwünschen erfolgen. Dienstleistungsgarantien, die diesen acht Forderungen entsprechen, sind dann erfolgversprechend, wenn die Gestaltung der Organisation auf diese Forderungen bezug nimmt. Neben den Forderungen nach Kunden- und Mitarbeiterorientierung geht es im modernen Qualitätsmanagement vor allem um die Abkehr von der ausschließlich funktionalen Gliederung hin zu Formen des → Prozessmanagements (►Organisations gestaltung). Einbezogen werden muss ferner die ►Organisationskultur mit ihrer besonderen Ausprägung als Qualitätskultur. Dienstleistungsgarantien können als Einstieg in das Qualitätsmanagement gesehen werden, ein Einstieg, der von allen einbezogenen Mitarbeitern wegen seiner konkreten Problemstellung sofort verstanden wird. Als Wirkungsdimensionen sind im Modell (Abbildung D29) neben Kundenbindung, Neu kundengewinnung, Kundenrückgewinnung, auch Image und Vertrauen sowie Geschäftsergebnisse genannt. Diese Aufzählung ist weder erschöpfend, noch zufriedenstellend gefaßt. Ein konkret auf eine Branche, den Bankbereich, bezogenes Modell der Wirkungsweise einer Dienstleistungsgarantie reduziert neun Wirkungsfaktoren schließlich auf drei [15]: ◼ Festigung der Kunde-Bankbeziehung ◼ Steuerungsinformation für das Bankmanagement ◼ Instrument der Neukundenakquisition. 4 Resümee Mit dem von Wirtz vorgelegten Modell und den daran anschließenden Thesen verfügen wir über einen Ansatz, der die zukünftige Forschung leiten kann. Ergänzend zeigen praktische Erfahrungen, Fallstudien und Implementationsansätze plausibel vor allem die Vorteile und Erfolge von Dienst leistungsgarantien auf. Wirtz spricht zudem diverse Probleme an, die im Zusam men hang mit Dienstleistungs ga rantien ungeklärt sind und weist in diesem Zusammenhang auf For schungsdefizite hin [16]. Aus methodischen Überlegungen heraus schlägt er vor, Untersuchungsansätze zu priorisieren, die nicht umstandslos von erfolgreichen Garantien aus gehen. Dieser Vorschlag ist sicherlich interessant, sollte aber nicht unbeachtet lassen, dass das Thema weder im Quali tätsmanagement systematisch eingeflossen ist, noch in der be triebswirtschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Forschung ansatzweise Berücksichtigung gefunden hat. Auch hier wäre Klarheit zu schaffen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Dienstleistungsgesellschaft Literatur
[1] Auf die Bedeutung dieses Instruments hat in zahlreichen – inzwischen schon klassisch zu nennenden – Publikationen Hart hin gewiesen, u.a.: Hart, Chr. W. L.: The Power of unconditional Service Guarantees. In: Harvard Business Review, 7/8 (1990), S. 54-62 [2] Brinkmann, Th.: Servicepolitik als Mittel zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit und -bindung in Banken. Lang: Frankfurt/ Main u.a. 1998, S. 67ff [3] Wirtz, J.: Dienstleistungsgarantien als wirksames Mittel, um bessere Servicequalität zu erreichen, zu erhalten und zu vermarkten. In: Meyer, A.: Handbuch Dienstleistungs-Marketing. Schäffer-Poeschel Stuttgart 1998, S. 828. Der Begriff Service-Anbieter wird ersetzt durch den Begriff Dienstleister. [4] Zitat und Einschätzung nach [3, S. 828] [5] s. [2] [6] Grundlegend zu internen Dienstleistungsgarantien: Hart, Chr. W. L.: The Power of Internal Guarantees. In: Harvard Business Review, 1 (1995), S. 64-73. Dort finden sich auch viele Beispiele und Erfolgsstories aus amerikanischer Sicht. [7] s. [2, S. 67] [8] Die Vorteile wurden dem folgenden Artikel entnommen: Brinkmann, Th.; Peill, E.: Kundenbindung durch Servicegarantien. In: Die Bank, 5 (1996), S. 284 [9] s. [8, S. 284] [10] Beispiele sind ausgewählt aus [8, S. 285] und [6, S. 64-73] [11] s. [3, S. 830] [12] Zurückgegriffen wird auf die folgenden Fachtitel: [1], [2], [3], [6] [13] s. [1, S. 56] [14] s. [2, S. 74] [15] s. [2, S. 76] [16] s. [3, S. 839ff]
Dienstleistungsgesellschaft
▶en: service society ▶Dienstleistung ▶Modelle der Dienstleistungsqualität ▶Qualitätsmanagement in Dienstleistungsorganisationen ▶Service Das Spiel zwischen Personen kann jederzeit zu einem Spiel zwischen Person und Automat werden, weil das Uno-actu-Prinzip aufgelöst wird. Dann werden Dienstleistungen auch lagerfähig und transportfähig. (nach D. Bell)
Der sog. tertiäre Sektor, womit – wie auch immer abgegrenzt der Dienstleistungsbereich gemeint ist – hat in den letzten Jahrzehnten in hohem Maße an Bedeutung gewonnen. Für Frauen ist er zum Weg in das System beruflich organisierter Arbeit geworden. Für viele Gesellschaften ist die Bestimmung als Dienstleistungsgesellschaft in ihren Beschäftigungsstrukturen augenscheinlich tägliche Realität. In der immer stär keren Fokussierung auf den Dienstleistungssektor stellt sich auch die Frage nach der dort produzierten Dienstleistungs qualität, die für viele Organisationen zum zentralen Erfolgs faktor geworden ist, was sie veranlaßt sogar nach einem ►Management der Dienstleistungsqualität Ausschau zu halten. Was hat es nun mit dem Begriff Dienstleistungsgesellschaft auf sich [1]?
223
D
Dienstleistungsgesellschaft
D
In den Theorien zur Dienstleistungsgesellschaft wird behauptet, daß sich mit dem ökonomischen und technischen Wandel ein neuer Typus von Gesellschaft herausbilde. Dieser Gesellschaftstyp unterscheide sich von der Industriegesellschaft hinsichtlich der politischen Machtstrukturen, der zentralen Konfliktlinien sowie der Arbeits- und Lebensbedingungen. Diese andere Qualität der Gesellschaft ergibt sich aus Veränderungen der Produktion und des Konsums: Immer mehr Menschen sind in Dienst leistungen erwerbstätig, und der Konsum richtet sich ebenfalls immer stärker auf Dienstleistungen. In Deutschland er wirtschaften heute weit über 60% der Beschäftigten ca. 55% der Bruttowertschöpfung mit Dienstleistungen. Diese Anteile nehmen ständig zu. Während die Lohnarbeit in der Industrieproduktion das hervorstechende Merkmal der Industriegesellschaft im Vergleich zur Agrargesellschaft war, ist die Tatsache, dass weniger Menschen in der unmittelbaren Produktion beschäftigt sind und mit einer ständigen Zunahme von Dienstleistungsar beitsplätzen zu rechnen ist, das Merkmal der Dienstleistungsgesellschaft. Die These von der Herausbildung der Dienst leistungsgesellschaft gründet also auf einem quantitativen Argument. Zur Dreisektorentheorie: Den Anfang der Diskussion um den tertiären Sektor bildete die These mit der Dreisektorentheorie. Mit ihr wird behauptet, dass mit der Entwicklung der Produktivkräfte eine Wanderung des Schwerpunkts der Beschäftigungs- und Konsumstrukturen vom primären zum tertiären Sektor verbunden sei. Die Theorie geht auf Colin Clark zurück, der sie in seinem 1940 publizierten Buch „The Conditions of Economic Progress“ entfaltete. Er ging davon aus, dass sich in Perioden des ökonomischen Wachstums die Beschäftigung vom ersten (dem agrarischen) zum zweiten (dem industriellen) und dann zum dritten (dem tertiären) Sektor verschiebe. Die drei Sektoren grenzte er entsprechend einer Hierarchie der Bedürfnisse bzw. entsprechend der Notwendigkeit von Produkten normativ ab: ◼ Primär ist der Sektor, in dem die unmittelbar lebensnotwendigen Güter produziert werden, ◼ sekundär die Herstellung nachrangig notwendiger Produkte, und ◼ tertiär ist jener Sektor, dessen Produkte Luxusbedürfnisse oder Bequemlichkeiten, jedenfalls keine Notwen digkeiten befriedige. Clark stellt mit diesen Bestimmungen die These von DreiSektoren auf, in der er behauptet, dass sich mit jedem Wachs tumsschub die Nachfrage in Richtung der weniger notwendigen Güter verschiebe. Jean Fourastié (1954) hat dann mit seinem Buch „Le Grand Espoir Du XXe Siècle“ das im Original 1949 erschien und 1954 in Deutsch [2], der Theorie von der Verschiebung zwischen den drei Sektoren zu Popularität verholfen hat. Aller-
224
Dienstleistungsgesellschaft dings differenzierte er die drei Sektoren nach den Unterschieden der Produktivität bei der Herstellung der Produkte: ◼ Primär nennt er jenen Sektor, in dem mittlere Produktivitätssteigerungen erzielt werden können, ◼ sekundär ist der Sektor mit besonders hoher Steigerung der Produktivität, ◼ tertiär jener, in dem die Produktivität gar nicht oder nur sehr begrenzt erhöht werden kann. Von Anfang an sind damit zwei grundsätzlich verschiedene Definitionen der Sektoren in der Diskussion. Die eine geht von den Konsumpräferenzen bzw. von der essentiellen „Notwendigkeit“ von Produkten aus, die andere geht von den Produktivitätsunterschieden bei der Herstellung aus. Einerseits erfolgt die Unterscheidung nach der Art der Produkte und andererseits nach der Art der Produktion. Bei Fourastié entfaltet die folgende Argumentationskette die Dienstleistungsgesellschaft: Der wissenschaftliche Fortschritt bedingt den technischen Fortschritt. Dieser steigert die Produktivität und wird dadurch zur Quelle des gesellschaftlichen Reichtums. Mit wachsendem Reichtum verschieben sich die Bedürfnisstrukturen und damit die Konsum präferenzen zugunsten von Luxusgütern und Dienst leistungen. Die Dienstleistungsproduktion ist weitgehend resistent gegen den technischen Fortschritt und damit gegen Produktivitätssteigerungen, also muss ein immer größerer Anteil der Arbeitskräfte im Dienst leistungssektor arbeiten. Technischer Fortschritt und Wandel der Konsumpräferenzen bedingen somit einen Strukturwandel des Beschäftigungssystems in Richtung auf höher qualifizierte und weniger belastende Arbeit in Dienstleistungsberufen, einen Wandel der Lebensweise in Richtung auf eine humane Urbanisierung sowie einen Wandel der Bedürfnisstrukturen in Richtung auf höhere Ansprüche. Das Wachstum verbrauchsbezogener Dienstleistungen aufgrund steigender Kon sumentennachfrage ist der entscheidende Motor für den Wandel. In der Folge haben Optimisten wie Daniel Bell [3] und Gartner & Riessman [4] und eher pessimistisch orientierte Vordenker der Dienstleistungsgesellschaft wie Baumol [5] und Gershuny [6] weitere Beiträge und Unterscheidungen zur Theorie der Dienstleistungsgesellschaft eingeführt. So haben Gartner und Riessman u. a. auf die These vom ►Wertewandel aufmerksam gemacht: Die Folgen der Entwicklung zu einer Gesellschaft, in der personenbezogene Dienstleistungen quantitativ, qualitativ und politisch einen zentralen Stellen wert einnehmen, liegen vor allem auf der Ebene des politischen Bewußtseins und der Wertorientierungen: abnehmende Bedeutung der Werte der Industrie gesellschaft, zunehmende Bedeutung von postmateriellen Orientierungen. Politische Konflikte über
Dienstleistungsgesellschaft
Dienstleistungsgesellschaft
Lebensqualität, persönliche Freiheit, Partizipation und individuelle Selbstbestimmung stehen im Mittelpunkt. Es nimmt deswegen auch nicht wunder, daß die Grundwerte unserer Zeit Dienstleistungswerte sind, die mit Dingen zu tun haben wie: ►Humanisierung der Arbeitswelt, Verbesserung der ►Lebensqualität und der Umweltbedingungen, Erweiterung des Bewusstseins, Abbau von Hierarchie, Büro kratie, Autorität und Zentralismus sowie Entwicklung der Persönlichkeit.
gesellschaft heute vor den gleichen Herausforderungen steht wie vor ihr die Industriegesellschaft: Die noch nicht ausreichend analysierte Verschärfung der sozialen Ungleichheit, die der Arbeitsmarkt hervorbringt und die Erosion sozialer Werte und Bindungen, die es zu bewältigen gilt, zählen weiterhin zur Aufgabe der Forschung in den Sozialwissenschaften. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Die Pfade in die Dienstleistungsgesellschaft sind sicherlich nicht für jede Gesellschaft identisch. Wer sie untersucht muss weitere Analysen durchführen, indem er zum zentralen Mechanismus von Dienstleistungen, dem ►Uno-actu-Prinzip die Merkmale bestimmt. Auch ist die allseits geübte Praxis des ►Outsourcing von Leistungen – gerade was Dienstleistungen betrifft – bemerkenswert. Hier finden aus volkswirtschaftlicher Sicht Umgewichtungen statt, die im Trend der Dienstleistungsgesellschaft liegen. Hinzuweisen ist außerdem auf arbeitsmarktbezogene Effekte, die nicht durchgehend positiv eingestuft werden. Der sog. Trend der Entwicklung und Ausformung der Dienstleistungsgesellschaft hält jedoch ungebrochen an. Bruhn führt die Nachfrageentwicklung auf fünf Faktoren zurück, die interdependent zueinander zu sehen sind [7]:
[1] Dieses Stichwort basiert auf Häußermann, H.; Siebel, W.: Dienstleistungsgesellschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995 [2] Fourastié, J.: Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts. Köln: Bund 1954 (orig. frz. 1949) [3] Bell, D.: Die nachindustrielle Gesellschaft. Reinbek: Rowohlt 1979 (orig. am. 1975) [4] Gartner, A.; Riessman, F.: Der aktive Konsument in der Dienst leistungsgesellschaft. Zur politischen Ökonomie des tertiären Sektors. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1978 [5] Baumol, W. J.: Macrooeconomics of Unbalanced Growth: The Anatomy of Urban Crisis. In: American Economc Review 57 (1967), S. 416-426 [6] Gershuny, J. I.: Die Ökonomie der nachindustriellen Gesellschaft. Produktion und Verbrauch von Dienstleistungen. Frankfurt am Main: Campus 1981 [7] Grundlegend hierzu und auch zu weiteren Aspekten aus betriebswirtschaftlicher Sicht und unter dem Gesichtspunkt der Dienst leistungsqualität: Bruhn, M.: Das Un ter neh men in der Dienstleistungsgesellschaft. In: Bullinger, H.-J.: (Hrsg.): Neue Or ganisationsformen im Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management. Berlin u.a.: Springer 1996, S. 179ff
◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Demographische Entwicklungen Gesellschaftliche Entwicklungen Technologische Entwicklungen Entwicklungen des Konsumentenverhaltens Entwicklung der Märkte
Literatur
Dienstleistungsklima
Aus der Interdependenz dieser Faktoren (Abbildung D30) ▶Qualität als Beziehungsereignis kann auf die zunehmende Komplexität von Dienstleistungsmärkten geschlossen werden. So zeigen die Entwicklungen im ►Electronic Commerce, dass sich völlig neue Dienstleistungen und Dienstleistungsmarktstrukturen herausgebildet haben, vor denen auch die Praxis des Abb. D30: Determinanten der wachsenden Dienstleistungsnachfrage Qualitätsmanagements nicht Halt Demografische Entwicklungen gemacht hat (►Prozessmanagement, ◼ Altersstruktur der Gesellschaft ►Integriertes Qualitätsmanagement ◼ Steigende Lebenserwartung etc). Festgestellt werden muss auch, ◼ Nachfragepotential von Ausländern der 2. und 3. Generation dass die Konsequenzen der Rationalisierung immer weiterer Dienstleistungssphären mit standardisierten Klassische Dienstleistungen Produkten sowie die Verbreitung Technologische Entwicklungen Entwicklungen des Konsumtenverhaltens ◼ Angebotsinduzierte Bedarfsweckung von E-Commerce und Internet die ◼ Streben nach Convenience Steigender ◼ Komplexität moderner Sachgüter ◼ Steigende Ansprüche an Dienstleistungsgesellschaft schon Dienstleistungsbedarf Dienstleistungsangebote verändert haben. Die Folgen für Produktbegleitende Kommunikation und Interaktion haDienstleistungen ben zu mehr statt weniger Entfremdung führt. Eine rein ökonomische Entwicklungen der Märkte Gesellschaftliche Entwicklungen Betrachtung des Projekts Dienst◼ Internationale Wirtschaftsverflech◼ Höherer Anteil erwerbstätiger Frauen tungen ◼ Kürzere Arbeitszeiten leistungsgesellschaft greift sicher zu ◼ Spezialisierung ◼ Dislozierung von geschäftlichen ◼ Outsourcing und privaten Kontakten kurz. Lenkt man den Blick auf die so◼ Rechtsdynamik ziostrukturellen Bedingungen lässt Quelle: [7, S. 180] sich zeigen, dass die Dienstleistungs-
225
D
DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Dienstleistungsmarketing
▶Modelle der Dienstleistungsqualität ▶Markenqualität ▶Qualitätsmanagement im Marketing
Dienstleistungsqualität
D
▶Modelle der Dienstleistungsqualität ▶Dienstleistung ▶Qualitätsmanagement in Dienstleistungsorganisationen ▶Qualität als Beziehungsereignis
Dienstleistungsqualitätsmodelle
▶Modelle der Dienstleistungsqualität
DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Das DIN Deutsches Institut für Normung e. V. ist ein technisch-wissenschaftlicher Verein mit Sitz in Berlin. Aufgabe von DIN ist es, zum Nutzen der Allgemeinheit unter Wahrung des öffentlichen Interesses in geordneten und transparenten Verfahren die Normung und Standardisierung anzuregen, zu organisieren, zu steuern und zu moderieren. Die Arbeitsergebnisse dienen der Innovation, Sicherheit und Verständigung in Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit sowie der Qualitätssicherung und Rationalisierung und dem Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz. Die Arbeitsergebnisse werden veröffentlicht und ihre Anwendung wird gefördert. Kraft Vertrages mit der Bundesregierung ist DIN seit 1975 die anerkannte nationale Normungsorganisation in Deutschland. Es koordiniert und vertritt deutsche Interessen in den europäischen und internationalen Normungsgremien. Durch den Verkauf seiner Arbeitsergebnisse und eigene wirtschaftliche Tätigkeiten trägt sich DIN zu rund 75 % selbst. Beiträge der Wirtschaft decken etwa 13 % des Haushalts, die restlichen 12 % sind Beiträge der öffentlichen Hand (Stand: 2014). DIN-Normen (►Normungsverfahren) sind grundsätzlich Empfehlungen, keine Vorschriften. In der Regel werden sie freiwillig angewendet, weil der Anwender darin für sich einen Nutzen sieht. Rechtlich bindend werden sie nur, wenn ihre Einhaltung in Gesetzen oder Verträgen verlangt wird. DIN wurde 1917 unter dem Namen Normenausschuss der Deutschen Industrie (NADI) gegründet. Die erste Norm erschien im März 1918. Schon 1926 wurde die durch die Namensgebung ausgedrückte enge Anbindung an die Industrie als nicht mehr zeitgemäß empfunden, da sich die Nor mung bereits auf viele nichtindustrielle Gebiete erstreckte. So wurde aus NADI der Deutsche Normenausschuss (DNA). 1975 erfolgte die Umbenennung in DIN Deutsches Institut
226
DIN Deutsches Institut für Normung e. V. für Normung e. V.. Das weltweit bekannte Verbandszeichen von DIN ist seit 1928 als Warenzeichen beim Patentamt eingetragen. DIN versteht sich als offenes Forum für alle, die an der Normung mitwirken wollen. Genormt wird nur das, wofür ein Normungsbedarf besteht. Diejenigen, die einen solchen Bedarf anmelden, bestätigen den Ernst ihres Anliegens dadurch, dass sie zur Finanzierung der Normungsarbeit beitragen. Diese Arbeit wird von den rund 400 hauptamtlichen DIN-Ange stellten koordiniert und betreut, aber die Normeninhalte werden von nahezu 31.000 externen Experten festgelegt, die als Vertreter ihrer jeweiligen Organisationen ihr Fachwissen in die über 3.000 DIN-Arbeitsausschüsse einbringen (►Normungsverfahren). Zu den Aufgaben, denen sich DIN in den letzten Jahren verstärkt gewidmet hat, gehören die engere Einbindung kleiner und mittlerer Unternehmen in die Normungsarbeit und die Optimierung ihres Zugangs zu deren Ergebnissen sowie die frühe Beschäftigung mit zukunftsweisenden Themen. Durch die rechtzeitige Erarbeitung von Spezifikationen und Normen gilt es, innovativen Produkten, Systemen und Dienstleistungen die Einführung in den Markt zu erleichtern und zu beschleunigen. In Ergänzung zur konsensbasierten Normung wird der Erarbeitungsprozess von Spezifikationen im Deutschen als ►Standardisierung bezeichnet. Dabei erfolgen die Arbeiten nicht zwingend unter Einbeziehung aller interessierten Kreise und daher wesentlich schneller als in der Normung. Insbesondere in Gebieten mit hohem Innovationsgrad kann ein schneller Standardisierungsprozess den Wissens- und Technologietransfer fördern und beschleunigen. Gleichzeitig können Spezifikationen im Sinne der Entwicklungsbegleitenden Normung die Basis für spätere Normungsvorhaben darstellen. Die Gesamtheit aller Spezifikationen wird unter dem Oberbegriff ►DIN SPEC zusammengefasst und publiziert. Heute ist die Normungsarbeit von DIN zu fast 90 Prozent europäisch und international ausgerichtet. Europäische Normen (EN), die von dem Europäischen Komitee für Normung (CEN und im elektrotechnischen Bereich von CENELEC) verabschiedet werden, müssen von den CEN-Mitgliedern als nationale Normen übernommen, und eventuell entgegenstehende nationale Normen müssen zurückgezogen werden. Bei den Normen, die die Internationale Organisation für Nor mung (►ISO) herausgibt, ist die Übernahme als nationale Norm freigestellt. Um Duplizierung und Überschneidung in der Normungsarbeit zu vermeiden, ist CEN bestrebt, wo möglich auf die Ergebnisse der internationalen Arbeit zu rückzugreifen. Durch die Übernahme einer ISO-Norm als EN-Norm wird diese dann auch für die nationalen Normung sinstitute verbindlich. Die DIN-Website bietet eine Vielfalt an Informationen rund um die Normung (URL: www.din.de). Neben allgemeinen Informationen zu DIN, aktuellen Meldungen und Terminen,
DIN CERTCO Darstellungen der 72 Normenausschüsse und ihrer Arbeits gebiete bietet die Website auch die Möglichkeit der Recherche nach allen Normen und Spezifikationen, die vom DIN-eigenen Beuth Verlag vertrieben werden. Bestellungen können online aufgegeben werden. Neben den monatlich erscheinenden „DIN Mitteilungen“, die als Druck- und Online-Fassung abonniert werden kann, gibt DIN verschiedene Informationsbroschüren über seine Aktivitäten heraus, die unter „Aktuelles/Publikationen“ online abrufbar sind, aber auch auf Anfrage kostenlos zugesandt werden: ◼ DIN – mehr als DIN A4 ◼ DIN-Geschäftsbericht ◼ Finanzierung der Normung und Standardisierung ◼ 1 x 1 der Normung Anfragen an die DIN-Stabsstelle Kommunikation: Tel. (0 30) 26 01-1111 Fax (0 30) 26 01-1115 E-Mail [email protected] Peter C. Anthony, DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin
DIN CERTCO
▶DIN Deutsches Institut für Normung e. V. DIN CERTCO Gesellschaft für Konfor mi tätsbewertung mbH ist die Zertifizie rungs organisation des DIN. DIN CERTCO und sorgt für ◼ Registrierung der Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen mit den Verbandszeichen DIN und DIN EN ◼ Konformitätsbewertung und Zertifi zie rung von Produkten und Dienstleistungen auf Grundlage von Normen sowie weiterer technischer Festlegungen ◼ Vergabe der DIN-Zertifizierungszeichen und anderer Prüfzeichen (z. B. ►Keymark) ◼ Regelmäßige Überwachung von Produkten und Dienstleistungen ◼ Personalzertifizierung ◼ Unternehmenszertifizierung (Fachbetriebe) Informationen unter
12103 Berlin, Alboinstr. 56 Tel +49 30 7562-1140 Web: URL www.dincertco.de
DIN EN 15224:2012-12 DIN EN 15224:2012-12
Dienstleistungen in der Gesundheitsversorgung – Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen nach EN ISO 9001:2008 ▶Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 ▶Forderung versus Anforderung 1 Entstehung Die Norm DIN EN 15224:2012 Dienstleistungen in der Gesundheitsversorgung – Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen nach EN ISO 9001:2008 ist eine bereichsspezifische Anleitung zur Gestaltung von QM-Systemen in Organisationen der Gesundheitsversorgung. Ihr Aufbau und Wortlaut folgt der Norm DIN EN ISO 9001:2008, greift aber bereits die Weiterentwicklung der ISO 9001 auf (►ISO 9000:2015-family), deren überarbeitete Version 2015 erscheint. In diesem Artikel werden die Erläuterungen, Präzisierungen und Erweiterungen der Norm gegenüber der DIN EN ISO 9001:2008 dargestellt. Das Dokumentes soll die Grundlage für ein zukünftig einzurichtendes Konformitätsbewertungsverfahren bilden. Auf Vorschlag des schwedischen Normen-Institutes SIS beauftragte die CEN im Jahre 2000 den TC 362 mit der Erstellung einer Technischen Spezifikation (TS) für Qualitätsmanagement in Organisationen der Gesundheitsversorgung. Die Projektleitung übernahm das SIS. Eine TS 15224 wurde 2005 als bereichsspezifische Anleitung zum Aufbau von QMSystemen vorgelegt mit der Empfehlung, eine eigenständige Norm als Grundlage für eine Zertifizierung im Gesundheitswesen zu erarbeiten, die der ISO 9001:2008 als Grundlage folgt. Der Normenentwurf wurde 2012 vorgelegt, im Juni 2012 vom CEN verabschiedet und im Dezember 2012 als DIN EN 15224:2012 ins deutsche Normenwerk aufgenommen. Das Dokument folgt dem Text der ISO 9001:2008 im Wortlaut. Interpretationen und Ergänzungen zum Normentext werden im Schriftbild blau und kursiv gedruckt hervorgehoben. Die Norm beruht auf den Grundsätzen des Qualitätsmanagements und dem prozessorientierten Ansatz der ISO 9001:2008. Bereichsspezifische Anleitungen sind nicht ungewöhnlich. Vergleichbar sind solche z. B. für Medizinprodukte, Lerndienstleistungen, Computersoftware, die Automobilindustrie und das Transportwesen. Sie können als Ergänzungsnormen zur ISO 9001 aufgefasst werden. Die Norm möchte den grundsätzlichen Bedenken gegen das normengerechte Qualitätsmanagement entgegenwirken und die Anwendung der ISO 9001 durch Organisationen der Gesundheitsversorgung erleichtern. Sie legt die Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem fest, in Rahmen dessen eine Organisation „ihre Fähigkeit nachweisen muss, gleichbleibend Dienstleistungen der Gesundheitsversorgung zu erbringen, die sowohl die Anforderungen der Kunden als auch anwendbare, gesetzlich festgelegte und behördliche An-
227
D
DIN EN 15224:2012-12 forderungen und berufliche Standards erfüllen” – sie will also nicht nur Leitfaden für den Gesundheitssektor sein, sondern die Grundlage für das Konformitätsbewertungsverfahren für Organisa-tionen der Gesundheitsversorgung bilden.
D
2 Aufbau der Norm Die Norm enthält den Normentext, einen informativen Anhang A mit einer Zusammenhangstabelle zwischen den Kapiteln der ISO 9001:2008 und den Kapiteln der DIN EN 15224:2012 und einen informativen Anhang B als „Praktische Anleitung zur Umsetzung dieser Norm in Organisationen der Gesundheitsversorgung“ sowie einen Anhang C zum Zusammenhang zwischen CEN/TS 15224:2005 und EN 15224. Das Kapitel 0 Einleitung enthält Aussagen zu den Besonderheiten, die bei der Anwendung des Qualitätsmanagements in der Gesundheitsversorgung zu beachten sind. Der Rahmen der Norm wird hier bezüglich 0.1.2 Gesundheit, 0.1.3 Gesundheitsversorgung, 0.1.4 Qualität der Gesundheitsversorgung, 0.1.5 das klinische Konzept, 01.6 Klinisches Risiko und 0.1.7 Spezifische Vorbedingungen der Gesundheitsversorgung hergestellt. Betont wird der prozessorientierte Ansatz, der sich auf die klinischen Prozesse, die Forschung und Ausbildung erstreckt. Damit wird deutlich, dass die klinischen Prozesse als ►Produkt des Krankenhauses angesehen werden. Das QM-System dient der Realisierung der klinischen Behandlung und ist kein organisatorischer Selbstzweck. Das Kapitel 1 legt den Anwendungsbereich fest. Die Norm gilt für alle Organisationen der Gesundheitsversorgung „ungeachtet der Struktur, Organisation, des Eigentümers, des Umfangs oder des Typs der erbrachten Dienstleis-tungen der Gesundheitsversorgung“ und ist „anwendbar auf z. B. medizinische Grundversorgung, vorklinische und klinische Versorgung, Behandlungspflege, Pflegeheime, Hospize, Gesundheitsvorsorge, psychiatrische Versorgungsleistungen, Zahngesundheitsdienst, Physiotherapie, Arbeitsschutzdienstleistungen und Apotheken. Sie ist auf die Anforderungen an klinische Prozesse ausgerichtet. Forschung und Ausbildung werden als Teil der Hauptaufgabe Klinische Versorgung anerkannt und können in das Qualitätsmanagementsystem aufgenommen werden so weit zutreffend. Man sollte jedoch nicht übersehen, dass hier andere normative Dokumente für die Darlegung der Qualität besser geeignet sind (z. B. die „Richtlinien der Guten Klinischen Praxis“ oder die DIN ISO 29990:2010 Lerndienstleistungen für die Aus- und Weiterbildung. Auf Produkte wie Gewebe, Blutprodukte, Arzneimittel, Zellkulturprodukte und Medizinprodukte ist die Norm nur begrenzt anwendbar. Sie sind an anderer Stelle reguliert. Das Kapitel 2 Normative Verweise verweist auf die grundlegende Norm ISO 9001:2008 Das Kapitel 3 legt einige für den Bereich der Gesundheitsversorgung spezifische Begriffe fest: Die übrigen sind der Norm ISO 9000:2005 entnommen und werden teilweise erläutert. Die Kapitel 4 bis 8 folgen im Wortlaut der ISO 9001:2008 und enthalten, Erläuterungen und Ergänzungen der ISO
228
DIN EN 15224:2012-12 9001:2008, deren grundsätzliche Anforderungen an ein dokumentiertes Qualitätsmanagement mit Verfahrensanweisungen u. a. zur Lenkung von Dokumenten, und Aufzeichnungen, für interne Audits, zur Lenkung fehlerhafter Produkte sowie für Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen übernommen werden. Die Organisation muss nachweisen, dass ein Qualitätsmanagementsystem aufgebaut, dokumentiert, verwirklicht, aufrechterhalten und weiterentwickelt wird. Grundlegend für die Interpretation der ISO 9001 ist die Festlegung, dass die Dienstleistung der „klinischen Behandlung“ als ►Produkt der Organisation aufgefasst wird. Unter „klinisch“ wird dabei jeder „Kontext“ verstanden, „in dem Patienten und Personal der Gesundheitsversorgung hinsichtlich eines Gesundheitsproblems aufeinander einwirken“. Die Bezeichnung „klinisch“ wird „ungeachtet des Typs der beteiligten Dienstleistung, Organisationen oder Ebene der Gesundheitsversorgung benutzt“. Das englische Adjektiv „clinical“ bezeichnet tatsächlich alle Leistungen der medizinischen Versorgung einschließlich z. B. der Pflege oder die Tätigkeit eines General Practitioners. In der deutschen Gemeinsprache ist die Bezeichnung enger und bezieht sich nur auf Krankenhäuser. Hier wäre das Adjektiv „medizinisch“ verständlicher. Damit wird klargestellt, dass die medizinische Behandlung im Zentrum des QM-Systems einer Organisation der Gesundheitsversorgung steht. Das Kapitel 7 „Produktrealisierung“ wurde deswegen – einschließlich des Unterkapitels 7.3 Entwicklung – ohne wesentliche Veränderungen übernommen und soll vollinhaltlich auf die ärztlichen, pflegerischen, physio-therapeutischen und anderen medizinischen Leistungen angewandt werden. 3 Qualitätsanforderungen und -merkmale Die Qualitätsplanung (Unterkapitel 7.2.1 „Ermittlung der Anforderungen in Bezug auf das Produkt (Dienstleistung in der Gesundheitsversorgung)“ wird den Organisationen der Gesundheitsversorgung nicht allein überlassen. Die Patienten müssen in der Regel ihre Anforderungen an die Behandlung nicht selbst formulieren. Ihre individuellen Anforderungen Patienten werden bei der Anamnese und Diagnostik ermittelt und festgelegt. Die weiteren Anforderungen sind vorausgesetzt und müssen weitgehend den „Anforderungen auf der Grundlage wissenschaftlicher Nachweise und klinischer Kenntnisse“ entsprechen. Auch die Anforderungen anderer interessierter Parteien, z. B. der Kostenträger der Dienstleistungen, sollen berücksichtigt werden. Immer zu beachten sind die Anforderungen aus gesetzlichen und behördlichen Dokumenten wie z. B. der Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, zum Strahlenschutz, zur klinischen Abfallwirtschaft und zur Gesundheit und Sicherheit in Arbeitsräumen. Damit ist auch Hygiene eingeschlossen, die nirgendwo ausdrücklich genannt wird. Anders als in allen vergleichbaren Normen werden die Anforderungen an die Qualität durch elf „auf die Qualitätsmerkmale in der Gesundheitsversorgung bezogene Qualitätsanforde-
DIN EN 15224:2012-12 rungen“ ergänzt. In den folgenden Kapiteln (Kapitel 7 und 8) wird immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Qualitätsmerkmale geprüft und gemessen werden müssen. Die Qualitätsmerkmale werden im Anhang B näher beschrieben. ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
angemessene, richtige Versorgung, Verfügbarkeit, Kontinuität der Versorgung, Wirksamkeit, Effizienz, Gleichheit, evidenzbasierte/wissensbasierte Versorgung, auf den Patienten, einschließlich der körperlichen, psychologischen und sozialen Unversehrtheit ausgerichtete Versorgung, ◼ Einbeziehung des Patienten, ◼ Patientensicherheit, ◼ Rechtzeitigkeit/Zugänglichkeit. Nicht alle diese Anforderungen betreffen ►Qualitätsmerkmale der medizinischen Behandlung. Teilweise beziehen sie sich auf die Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung in dem jeweiligen nationalen System der Gesundheitsversorgung. ◼ Die Auswahl einer Behandlung ist insoweit angemessen (oder „richtig“), als ihre Merkmale die Anforderungen des Patienten erfüllen. Angemessenheit ist also nicht ein Merkmal der Behandlung, sondern – wie die ►Qualität – ein Grad der Übereinstimmung der Merkmale mit den Anforderungen. ◼ Effizienz ist eine Forderung der betriebswirtschaftlichen Vernunft (Ökonomie-Prinzip) oder eine berechtigte Forderung der Kostenträger, die mit den Mitteln der Versichertengemeinschaft sorgsam umgehen muss. Die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung kann aber nur ermittelt werden, wenn die Qualität der Leistung unabhängig von den Kosten bestimmt werden kann – Effizienz kann deswegen nicht selbst ein Qualitätsmerkmal sein. ◼ Mit „Gleichheit“ ist sicher der nicht diskriminierende Zugang zur Behandlung und deren Indikationsstellung gemeint. ◼ „evidenzbasiert/wissensbasiert“ ist ein Qualitätsmerkmal unseres Wissens über die Behandlung, nicht aber der Behandlung selbst, die auch dann wirksamer oder sicherer als eine andere sein kann, wenn sie noch nicht hinreichend erforscht wurde. Das Verhältnis der Qualitätsanforderungen zueinander wird im Abschnitt 0.1.4 Qualität in der Gesundheitsversorgung deutlicher formuliert, wo es heißt: „In dieser Norm müssen die Anforderungen der Patienten oder Kunden an die Dienstleistungen der Gesundheitsversorgung hinsichtlich Effektivität, Sicherheit, Verfügbarkeit, zeitlicher Angemessenheit/ Zugänglichkeit, Stetigkeit der Pflege, Achtung der Werte und Vorlieben von Patienten und Angemessenheit sowie Effizi-
DIN EN 15224:2012-12 enzaspekte spezifiziert werden; eine gerechte Verteilung und Nachweise sind zu berücksichtigen“. 4 Weitere Unterschiede zwischen ISO 9001 und DIN EN 15224 4.1 Abschnitt 5 Verantwortung der Leitung ◼ Die Norm folgt hier ganz ihrer Vorlage. Einige Verantwortungen werden deutlicher hervorgehoben: ◼ für die klinischen Prozesse einschließlich der klinischen Risiken, ◼ für ausgegliederte oder hinzugekaufte Leistungen, ◼ für die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ◼ für die Ausstattung mit ausreichend und qualifiziertem Personal, ◼ für die Sicherstellung der Kommunikation und Bereitstellung von Informationen. Im Vorgriff auf die Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements durch die ►ISO 9001:2015 wird die Verantwortung der Leitung auf die Integration des Risikomanagements ausgedehnt, um „sicherzustellen, dass das Management zu klinischen Risiken und die Ausrichtung auf die Patientensicherheit in der gesamten Organisation angewendet wird, um den Qualitätsmerkmalen zu entsprechen“. Dazu gehören die Umsetzung gesetzlicher Anforderungen, die Einführung der Risikobewertung (Unfälle, unerwünschte Ereignisse, Beinahe-Fehler) und die Risikoprävention, einschließlich der Informations- und Kommunikationsstrukturen, die dafür erforderlich sind. Bei der Managementbewertung soll das Thema „Risikomanagement“ eine eigene Stellung bekommen. Anders als in der neuen Version der ISO 9001:2015 bleibt die Forderung eines „Beauftragten der obersten Leitung“ erhalten. 4.2 Abschnitt 6 Management von Ressourcen Ebenfalls im Vorgriff auf die ISO 9001:2015 werden die Anforderungen an das Management der Ressourcen ergänzt: Klargestellt wird, dass die Leitungsverantwortung sich auch auf zugekaufte oder ausgegliederte Leistungen erstreckt. Die vielfältigen Beziehungen zwischen der Organisation und ihrer Lieferanten von (materiellen) Produkten und (immateriellen) Dienstleistungen müssen sorgfältig gestaltet und immer wieder geprüft werden. Neu taucht unter den Ressourcen das „Wissensmanagement“ in Verbindung mit Kommunikationsund Informationstechnologien auf. Hier steht zunächst nur das Wort ohne jede Erläuterung. Zukünftig werden Bedeutung und Umfang dieser Ressource im Lichte anderer normativer Dokumente noch geklärt werden müssen. Die Anforderungen an die Kompetenzen der Mitarbeiter werden präzisiert. Alle Anforderungen gelten auch für nur kurzzeitig eingesetztes Personal, ein mit dem Einsatz von Leiharbeitskräften zunehmendes Problem. Die Bedeutung der manchmal umfangreichen Infrastruktur der Organisationen in der Gesundheitsversorgung wird erläutert. Hinzugefügt wurden Hinweise zur Sicherheit der gesamten Infrastruktur (Gebäude, Technik, Strom, Wasser, Informationstechnologie, Abfallentsorgung usw.). Die Fähig-
229
D
DIN EN 15224:2012-12
D
DIN EN 15224:2012-12
keit zur Wiederherstellung der Funktionen nach schweren betrieblichen Störungen („business continuity management“) wird als ein Teil des Risikomanagement gefordert.
Die Validierung muss zumindest die Wirksamkeit und Sicherheit der Verfahren ausreichend bewerten, selbst wenn nicht alle Qualitätsmerkmale prüf- oder messbar sind.
4.3 Abschnitt 7 Realisierung des Produktes Am meisten überrascht an der neuen Norm, dass das Kapitel 7 zur Erstellung der Leistungen in der Gesundheitsversorgung nur wenig interpretiert und ergänzt wurde, obwohl doch daran die meiste Kritik geäußert wurde. Viele haben hier umfangreiche Anpassungen der ISO 9001 an die Besonderheiten der Medizin erwartet. Die Eigentümlichkeiten der medizinischen Leistungen zwingen aber keineswegs zu einer Revision der Anforderungen an die Darlegung der „Realisierung des Produktes“. Natürlich lassen sich auch Dienstleistungen der Gesundheitsversorgung konfigurieren – der Anhang B gibt dazu eine praktische Anleitung.
Die Abschnitte unter 7.4 Beschaffung haben bisher schon wenig Probleme bei der Anwendung auf Organisationen der Gesundheitsversorgung bereitet. Hier wird noch einmal klargestellt, dass auch externe Dienstleistungen beschafft werden und die oberste Leitung für eine entsprechende Qualitätsvereinbarung einstehen muss.
Es wird kein Grund gesehen, warum nicht ärztliche, pflegerische und sonstige medizinische Leistungen als beherrschte Prozesse gestaltet werden können. Die Anforderungen an die Produktplanung, die Bewertung des Produktes und die Kommunikation mit den Kunden werden ungekürzt übernommen. Die Kommunikation soll ergänzt werden um “d) Eingaben von Patientenorganisationen, e) Eingaben anderer interessierter Parteien, einschließlich, z. B. Kostenträgern von Dienstleistungen, Versicherungsgesellschaften, finanzierende Organisationen, f) Umsetzung neuer klinischer und anderer Prozesse, und g) Fehler, einschließlich Beinahe-Unfälle, Ereignisse und unerwünschte Zwischenfälle”. Der Abschnitt 7.3 Entwicklung hätte dagegen einige weitere Erläuterungen verdient, da er auch bei Anwendung auf Industrieunternehmen nicht immer richtig verstanden wird. Unternehmen der Arzneimittel- und Medizinprodukte-Industrie, die eigene Produkte entwickeln, haben dafür eigene Abteilungen für Forschung und Entwicklung. Selbst große Krankenhäuser wie z. B. Universitätskliniken betreiben dagegen keine gezielte Produktforschung und –entwicklung. Medizinische Behandlungsverfahren werden nur in Einzelfällen in geschlossenen Entwicklungsprogrammen validiert. Das heißt aber nicht, dass in einem QM-System die Bewertung von diagnostischen und therapeutischen Verfahren einfach ausgeklammert werden könnte. Die Norm verlangt sogar ausdrücklich, dass für jedes Verfahren die Erfüllung der grundlegenden elf Qualitätsmerkmale nachgewiesen werden soll. In der klinischen Medizin wird aber nicht im Labor oder in klinischen Prüfungen experimentell validiert, sondern wissenschaftlichhistorisch: neue wissenschaftliche Erkenntnisse werden publiziert, diskutiert, Anwendungserfahrungen bis hin zu klinischen Studien untersuchen die Verfahren weiterhin, bis sie sich durchsetzen oder wieder verworfen werden Man kann dieses Vorgehen kritisieren und für formalisierte, transparente und insbesondere beschleunigte Verfahren plädieren, man muss aber diesem Umstand Rechnung tragen. Hier wäre ein Hinweis auf die evidenzbasierte Medizin hilfreich gewesen, die das zu leisten versucht, was für eine Validierung und Verifizierung medizinischer „Produkte“ zu fordern ist.
230
Die Abschnitte unter 7.5 Produktion und Dienstleistungserbringung können sich ebenfalls auf die Erläuterung dessen beschränken, was in der Medizin unter dieser sperrigen Bezeichnung zu verstehen ist. In Organisationen der Gesundheitsversorgung werden einige der Anforderungen durch eine umfangreiche Dokumentation weitgehend erfüllt, meist aufgrund gesetzlicher Vorgaben wie z. B. die Rückverfolgbarkeit von Bluttransfusionen oder Einsatz von Medizinprodukten. Weniger verbreitet ist dagegen die Einsicht, dass nur die sorgfältig Darlegung der Prozeduren und Behandlungsmuster die Bewertung der Verfahren, Prozessüberwachung, effiziente Dokumentation und angemessenen Ressourceneinsatz ermöglichen. Hier verdient die Anmerkung 1 des Abschnitt 7.5.3 Aufmerksamkeit: „In einigen Wirtschaftszweigen ist Konfigurationsmanagement ein Mittel für die Aufrechterhaltung der Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit“. Auch die Abschnitte zur Überwachung der Prozesse erfordern weiterhin einige Phantasie, wie diese Anforderungen in der Medizin zu erfüllen sind, besonders, wenn man bedenkt, dass in den meisten Organisationen bisher der sorgfältigen Dokumentation der einzelnen Leistungen selbst noch nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet wird. Im Kapitel 8 Messung, Analyse und Verbesserung ergreifen die Autoren der Norm die Gelegenheit, auf die Bedeutung der Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen für die Beherrschung klinischer Risiken hinzuweisen. Die Erläuterungen und Zusätze greifen aber insgesamt zu kurz: Anforderungen an Qualitätsindikatoren oder an Meldeverfahren für unerwünschte Ereignisse fehlen ganz, obwohl sie in vielen Organisationen bereits zum Standard dazugehören. 5 Konformitätsbewertungsverfahren (Zertifizierung) Die Norm versteht sich als Grundlage für ein Zertifizierung im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens nach ISO/IEC 17021-01:2015-11. Damit eröffnet sich ein Weg zur Klärung auf dem inzwischen bunten Markt der Qualitätssiegel und Zertifikate. Grundsätzlich sollte sich die Erteilung von Zertifikaten nur auf diese Norm beziehen. Solche Zertifikate sind dann europaweit anerkannt. Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) wird einen Leitfaden für Auditoren zur Anwendung der DIN EN 15224 erstellen und entsprechend Benannte Stellen akkreditieren, die dann nach angemessenem Audit die allgemein anerkannten Zertifikate erstellen.
DIN EN ISO 13485:2010-01 6 Fazit QM-Systeme, die bereits jetzt auf verständiger Interpretation der ISO 9001 beruhen, müssen in den meisten Fällen nicht grundlegend umgebaut werden. Das bereits in den letzten Jahren sich entwickelnde Verständnis der Norm bekommt jetzt aber eine Bestätigung. Einige wenige Punkte müssen ergänzt oder ausgebaut werden. Dazu gehören die Unternehmensverantwortung für die Produktrealisierung, für zugelieferte Produkte und Dienstleistungen und Pläne zur Wiederherstellung der Infrastruktur nach Betriebsstörungen. Die umfangreicheren Anforderungen an das Risikomanagement, die Konfiguration der Dienstleistungen und ihre Validierung müssen nun aufgegriffen werden, wo sie bisher aus dem QMSystem ausgeklammert wurden. Auch die regulatorischen Anforderungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zur Hygiene, Dokumentation und die vielen speziellen QM-Anforderungen an z. B. Labor, Apotheke, Strahlenschutz, Küche, Wäscherei, Raumreinigung usw. sollten jetzt ernsthaft in ein umfassendes QM-System eingefügt werden. Die neue Zertifizierungsnorm für Organisationen der Gesundheitsversorgung erscheint zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Akutkrankenhäuser in Deutschland ihr QM-System überdenken und mehr auf den anerkannten Stand der Technik ausrichten. Die DIN EN 15224 spiegelt den aktuellen Stand zum Qualitäts- und Risikomanagement wider und greift damit die inzwischen anerkannten Interpretationen der ISO auf. Das gilt insbesondere für die vollständige Übernahme der Managementgrundsätze und für den prozessorientierten Ansatz mit der Konzentration auf die Gestaltung der medizinischen Behandlung als Kernleistung, an der sich alle Unterstützungs- und Führungsprozesse orientieren müssen. Dr. med. Ulrich Paschen, Hamburg Literatur
DIN EN 15224:2012-12 – Dienstleistungen in der Gesundheitsversorgung – Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen nach EN ISO 9001:2008, Berlin (Beuth) 2012 Paschen, U.: Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung nach DIN EN 15224 und DIN EN ISO 9001, Berlin (Beuth) 2013
DIN EN ISO 9000ff
▶Qualitätsmanagementsysteme nach DIN EN ISO 9000ff
DIN EN ISO 13485:2010-01
Medizinprodukte – Qualitätsmanagementsystem – Anforderungen für regulatorische Zwecke (im Vergleich zur ISO 9001) ▶ISO 9001:2008 ▶Forderung versus Anforderung
1 Für wen gilt die ISO 13485? Die ISO 13485:2012-11 (hier kurz ISO 13485; in der aktuellen deutschsprachigen Version als DIN EN ISO 13485:2010-01) legt Forderungen an Qualitätsmanagementsysteme fest, wenn eine Organisation ihre Fähigkeit zur Be-
DIN EN ISO 13485:2010-01 reitstellung von Medizinprodukten und/oder zugehörigen Dienstleistungen darlegen muss und weiterhin sicherstellen muss, dass sie ständig die Forderungen der Kunden und die für Medizinprodukte und zugehörige Dienstleistungen zutreffenden gesetzlichen Forderungen erfüllen. Das primäre Ziel der ISO 13485 ist die Ermöglichung der Harmonisierung der für Medizinprodukte zutreffenden gesetzlichen Forderungen an QM-Systeme. Im Ergebnis enthält sie einige besondere Forderungen an Medizinprodukte und schließt einige Forderungen der ►ISO 9001:2008 aus, die nicht nicht für gesetzliche/regulatorische Zwecke geeignet sind. Wegen dieser Ausschlüsse können also Organisationen, deren QMSystem der ISO 13485 entsprechen, keine automatische Konformität (also zum Beispiel ein QM-Zertifikat) mit der ISO 9001:2008 beanspruchen. Hierzu wäre demnach ein integriertes oder davon getrennt laufendes Zertifzierungsaudit auf Basis der ISO 9001:2008 notwendig. Da die ISO 13485 sich aber grundsätzlich an Struktur und Aufbau der ISO 9001 orientiert und in vielen Textpassagen identisch mit ihr ist, werden im Folgenden die Aspekte dargestellt, die zusätzlich zur ISO 9001 in der ISO 13485 zu finden sind bzw. in anderweitiger Form Forderungen in Bezug auf Medizinprodukte und zugehöriger Dienstleistungen auslegen. 2 Kapitel 4: Qualitätsmanagementsystem / Dokumente / Aufzeichnungen Die einzelnen Kapitel der ISO 13485 fordern wesentlich mehr dokumentierte Verfahren und Aufzeichnungen als die der ISO 9001. Dies reicht von Hygieneplänen, Aufzeichnungen zur Maschinenqualifizierung und Prozessvalidierung bis hin zu Dokumenten, die die Rückverfolgbarkeit der Produkte gewährleisten. Auch die Aufbewahrungsfristen sind zum Teil gesetzlich geregelt und können z. B. bei Implantaten 30 Jahre ggf. auch länger betragen. Dies gilt für Dokumente – insbesondere die technische Dokumentation – genauso wie für die Aufzeichnungen. Hier gilt das alte Sprichwort: „Wer schreibt, der bleibt!“ und der erhöhte Dokumentationsaufwand ist auch nicht zu unterschätzen. 3 Kapitel 5: Verantwortung der Leitung Mehr noch als bei ISO 9001 basierten QM-Systemen sollten Verantwortlichkeiten schriftlich festgelegt sein. Nationale Besonderheiten sind dabei zu berücksichtigen – für deutsche Hersteller von Medizinprodukten gilt hier das MPG (Medizinproduktegesetz) mit seinen Forderungen, einen Sicherheitsbeauftragten und ggf. Medizinprodukteberater zu verankern. Auch die Qualifikationskriterien an diese Funktionen sind klar im MPG definiert. Überhaupt nimmt die Einhaltung gesetzlicher Forderungen einen viel höheren Stellenwert ein und daher ist es auch wichtig neue oder überarbeitete gesetzliche Forderungen kontinuierlich zu bewerten und in das QM-System einfließen zu lassen. Hierzu eignet sich u. a. auch der von der ISO 13485 explizit geforderte Risikomanagementprozess nach der ISO 14971 auf den im Kapitel 7 detail-
231
D
DIN EN ISO 13485:2010-01
DIN EN ISO 13485:2010-01
lierter eingegangen wird.
D
4 Kapitel 6: Management der Ressourcen Hier sind die Forderungen zur vorbeugenden Wartung, zur Personal- und Umgebungshygiene und zur Lenkung besonderer Umgebungsbedingungen eingefügt. Diese gehen einher mit zusätzlichen Forderungen hinsichtlich der Festlegung zu den Fähigkeiten des Personals, welches die Produktqualität beeinflussende Tätigkeiten ausübt (Qualifikationsanforderungen). Ebenso müssen explizit Ressourcen zur Erfüllung der gesetzlichen Forderungen ermittelt und bereitgestellt werden. 5 Kapitel 7: Produktrealisierung Gleich unter dem ersten Punkt „7.1 Planung der Produktrealisierung“ findet man den Verweis auf die Einführung eines Risikomanagementprozesses und damit auch schon den gravierendsten Unterschied zur ISO 9001 und anderer Managementnormen, wo selbstverständlich auch von einer Risikoanalyse die Rede ist, jedoch nicht von einem definierten Managementprozess zum Thema Risiko. Zudem wird auch deutlich gemacht, dass dieser nach der ISO 14971 umzusetzen ist [2]: „Die Organisation muss dokumentierte Anforderungen für das Risikomanagement während der gesamten Produktrealisierung erarbeiten. Es müssen Aufzeichnungen geführt werden, die sich aus dem Risikomanagement ergeben (siehe 4.2.4).“ (Anmerkung s. ISO 14971 zu einer Anleitung über das Risikomanagement) 6 Exkurs zur ISO 14971 Nachfolgend werden zur Verdeutlichung einige Begriffe aus der ISO 14971 erläutert.
◼ 5 ◼ 6 ◼ ◼
siken aus den verschiedenen Lebenszyklusphasen bilden das Gesamtrestrisiko Das Gesamtrestrisiko kann die Akzeptanzkriterien überschreiten, obwohl die Einzelrestrisiken innerhalb dieser liegen Risikomanagementbericht [2] Zusammenfassung der Überprüfung der endgültigen Ergebnisse des Risikomanagementprozesses Informationen aus der Herstellung und der Herstellung nachgelagerten Phase [2] Aus Entwicklung und Herstellung Aus dem Teil des Lebenszyklus nach Abschluss der Entwicklung und der Herstellung (z. B. Lagerung, Transport, Installation, Verwendung des Produkts, Wartung, Reparatur, Veränderungen am Produkt, Außerbetriebnahme und Entsorgung)
Die Risikoanalyse dient zusammen mit der Risikobewertung der Risikobeurteilung, und alle sechs aufgeführten Punkte bilden insgesamt den Rahmen für das Risikomanagement. Der Risikomanagementprozess muss alle Phasen des Produktlebenszyklus umfassen. Dies könnte beispielsweise so oder ähnlich aussehen: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Produktdefinition Produktentwicklung Übertrag in die Produktion Produktion Verpackung, Versand Anwendung Kundendienst Entsorgung
Ein Risikomanagementprozess im Sinne der ISO 14971 muss nacheinander die folgenden sechs Elemente enthalten:
Die ISO 14971 umfasst zwar in Gänze mehr als 90 Seiten, jedoch sind ab Seite 22 schon die Anhänge, mit den Erläuterungen zur Umsetzung dieser Norm zu finden.
1 Risikoanalyse [2] ◼ Zweckbestimmung und Feststellung von Merkmalen, die mit der Sicherheit des Medizinprodukts zusammenhängen ◼ Identifizierung von Gefährdungen ◼ Einschätzung des Risikos bzw. der Risiken für jede Gefährdungssituation 2 Risikobewertung [2] ◼ Vergleich des eingeschätzten Risikos mit gegebenen Risikokriterien, um die Akzeptanz des Risikos zu bestimmen 3 Risikobeherrschung [2] ◼ Analyse der Optionen für die Risikobeherrschung ◼ Implementierung einer oder mehrerer Risikobeherrschungsmaßnahmen ◼ Bewertung des Restrisikos ◼ Durch Risikobeherrschungsmaßnahmen entstehende Risiken ◼ Vollständigkeit der Risikobeherrschung 4 Bewertung der Akzeptanz des Gesamt-Restrisikos [2] ◼ Die kombinierten Auswirkungen aller einzelnen Restri-
Schon bei der Entwicklungsplanung ist der Übertrag der Entwicklungsergebnisse in die Produktion zu berücksichtigen. Die Vorgaben für die Entwicklung müssen neben Leistungsund Sicherheitsforderungen, zutreffenden gesetzlichen und behördlichen Forderungen auch Informationen aus früheren Entwicklungen ähnlicher Produkte und die Ergebnisse des Risikomanagements beinhalten. Vor Freigabe der technischen Ergebnisse müssen die Herstellungsverfahren als geeignet nachgewiesen werden. Die Angemessenheit dieser Daten ist von Vertretern aller beteiligten Fachbereiche zu bewerten und zu genehmigen. Selbstverständlich ist auch für den Design- und Entwicklungsprozess eine Validierung gefordert, um sicherzustellen, dass das Medizinprodukt den beabsichtigten Gebrauch erfüllt. Hier fließen auch die klinische Bewertung bzw. die Ergebnisse der klinischen Prüfung ein. Generell müssen die gesamten Validierungstätigkeiten vor dem ersten Einsatz des Produkts erfolgen – dies kann entweder im Werk oder aber auch erst vor Ort beim Kunden geschehen. Die Auslieferung ist jedoch erst nach der Validierung abgeschlossen.
232
DIN EN ISO 13485:2010-01
DIN EN ISO 13485:2010-01
Die zur ►Rückverfolgbarkeit nötigen Aufzeichnungen über das Los bzw. die Charge müssen verifiziert und genehmigt werden und erstrecken sich ggf. bis auf den Lieferanten zurück.
beiten, damit frühzeitige Warnungen betreffend Qualitätsprobleme und als Vorgabe für die Korrekturund Vorbeugungsmaßnahmen (siehe 8.5.2 und 8.5.3) ermöglicht werden.“
Die Forderungen an die Tätigkeiten bei der Installation wurden präzisiert. Dokumentation bei Installation und Prüfung durch Dritte ist Pflicht und die Aufzeichnungen über diese Tätigkeiten sind ebenso „aufrecht zu erhalten“ wie Aufzeichnungen zu Instandhaltungsarbeiten (Reparaturen, Wartungen, etc.). Hierfür ist die Erstellung von Vorgabedokumenten gefordert.
Dieses Rückmeldesystem schließt auch einen definierten Prozess zur Information der zuständigen Behörden über negative Rückmeldungen aus dem Markt ein. Wenn die Kundenrückmeldungen in den Korrektur- oder Vorbeugungsprozess einfließen ist dies ebenso zu dokumentieren und das Ergebnis zu verifizieren, wie eine Begründung durch die verantwortliche Person die Rückmeldung nicht in den Korrektur- und Vorbeuge-Prozess einfließen zu lassen.
Produktions- und Prüfsoftware, wenn diese die Qualität der Produkte beeinflussen kann, muss validiert werden und wenn es Änderungen an dieser Software gibt, ist eine Re-Validierung notwendig. 7 Kapitel 8: Messung, Analyse und Verbesserung In diesem Kapitel finden sich die einzigen beiden Punkte der ISO 9001, welche bei der ISO 13485 entfallen. Bei einem ►Qualitätsmanagementsystem nach ISO 13485 werden folgende Punkte nicht berücksichtigt: Zum einen die Aufforderung zur ständigen Verbesserung des Managementsystems und zum anderen der Fokus auf die ►Kundenzufriedenheit. Betrachtet man Qualitätsmanagement als ganzheitliches System stellt sich an dieser Stelle vielleicht häufig die Frage, warum verzichtet man gerade bei einer so sensiblen Branche wie der Medizintechnik darauf den ►KVP-Prozess und die Zufriedenheit der Kunden zu integrieren? Eine Antwort liegt sicherlich darin begründet, dass den „Machern der Norm“ nicht wichtig ist, das System in seiner Gänze voranzutreiben sondern ein System zu schaffen, welches von Anfang an schon so ausgereift ist, dass es die Sicherheit der Produkte gewährleistet. Eine Verbesserung des Managementsystems der Organisation ist nicht die Intention dieser Norm. Sie ist nahezu ausschließlich auf die Produktsicherheit und das Wohl der Anwender fokussiert. In die gleiche Richtung geht auch das Weglassen der Überprüfung der Kundenzufriedenheit. Es ist nicht gewollt die Sicherheit der Medizinprodukte, geschweige denn die der Anwender oder Patienten zugunsten von Design- oder Preisfragen zu vernachlässigen. Gleichwohl sind alle Rückmeldungen aus dem Markt, also auch die der Kunden, Anwender und Patienten, die die Sicherheit und die Gebrauchstauglichkeit der Produkte betreffen, aufzunehmen und in einem definierten Prozess auszuwerten und ihre Kritikalität zu bewerten. Die Ergebnisse aus dieser Bewertung sind zu dokumentieren und müssen – falls notwendig – in sämtliche Phasen der Produktentstehung – vom Design über die Produktion und Lagerung bis hin zum Transport und der Entsorgung einfließen. Oder wie es im Text der Norm lautet [1]: „Die Organisation muss ein dokumentiertes Verfahren für ein Rückmeldungssystem (siehe 7.2.3) erar-
Als ein Maß für die Leistung des Qualitätsmanagementsystems muss die Organisation mittels eines festgelegten Verfahrens die Informationen darüber, ob die Kundenforderungen erfüllt wurden, überwachen. Eine Anmerkung zu sterilen Produkten: Für sterile Produkte wie auch Implantate sind in fast jedem Normenkapitel spezielle Forderungen enthalten. Ein Tipp: Eine detaillierte Anleitung zur Umsetzung der ISO 13485 bietet die ISO TR 14969. Zusammengefasst lässt sich die ISO 13485 in Kurzform folgendermaßen darstellen: Die ISO 13485 ist eine harmonisierte Norm und dient zum Nachweis der Einhaltung der gesetzlichen Forderungen an ein QM-System nach dem Medizinprodukterecht. Als Faustformel gilt: DIN EN ISO 9001: – Forderungen zur ständigen Verbesserung – Forderungen zur Kundenzufriedenheit + besondere Forderungen an Medizinprodukte (z. B. Hygiene, Validierung, Rückverfolgbarkeit) + Risikomanagement (ISO 14971) = DIN EN ISO 13485 8 Ausblick Die ISO 13485 unterliegt, wie alle Managementsystemnormen, der ständigen Überarbeitung. Nach dem letzten Informationsstand wird sie im 4. Quartal 2015 in revidierter Form neu herausgegeben. Es ist zu erwarten, dass sie dann dem durch die ISO im Jahr 2012 eingeführten Prinzip der ISO-Grundstruktur (High-Level-Structure) folgen wird und eine identische Kapitelstruktur mit wiederum teils identischen Textpassagen zur ISO 9001 enthalten wird. Ergänzungen/Erweiterungen der Forderungen sind in Bezug auf folgende Aspekte zu erwarten: Sie soll auch auf Organisationen anwendbar sein, die nur für einen Teilbereich der Wertschöpfung verantwortlich sind, also z. B. Entwicklung oder Hersteller oder Lagerung oder Installation oder Wartung. Dies kann aber auch Dienstleitungen umfassen wie z. B.
233
D
DIN SPEC
D
◼ Sterilisation, Kalibrierung. ◼ Inhalte von technischer Dokumentation insbes. Produktspezifikationen ◼ Infrastruktur ◼ Korrespondenz mit zuständigen Behörden ◼ Beschaffung ◼ Identifikation (hier wird es um die Einführung einer sog. Unique Device Identification gehen). Dipl.-Päd. Frank Graichen, Frankfurt am Main Literatur [1] ISO 13485 [2] ISO 14971
DIN SPEC
Disruptive Technologien wicklungspfad der Leistungsverbesserung oder sie definieren die Bedeutung von Leistung neu. Der Terminus Technicus stammt aus der neueren Erfolgsfaktorenforschung und baut auf den Forschungsergebnissen von Clayton M. Christinsen auf. Danach entstehen neue Märkte für etablierte Anbieter in der Regel unerwartet und sind für diese, besonders auf Grund ihres zunächst kleinen Volumens oder Kundensegmentes, uninteressant. Im Zeitverlauf weisen diese Produkte jedoch ein starkes Wachstum auf und können vorhandene Märkte bzw. Produkte komplett oder teilweise verdrängen. Prototypisch sei die Digitalkamera genannt, die die analoge Kamera inzwischen fast vollständig verdrängt hat. Wie Abbildung D31 zeigt, hat es disruptive Technologien bereits mit Beginn der Abb. D31: Disruptive Technologien – Beispiele
▶DIN Spezifikation | Standard In Ergänzung zur konsensbasierten Normung wird der Erarbeitungsprozess von Spezifikationen im Deutschen als Standardisierung bezeichnet. Das Ergebnis wird im Deutschen Standard genannt. Dabei erfolgen die Arbeiten nicht zwingend unter Einbeziehung aller interessierten Kreise und daher wesentlich schneller als in der Normung. Insbesondere in Gebieten mit hohem Innovationsgrad kann ein schneller Standardisierungsprozess den Wissens- und Technologietransfer fördern und beschleunigen. Gleichzeitig können Spezifikationen im Sinne der Entwicklungsbegleitenden Normung die Basis für spätere Normungsvorhaben darstellen. Jeder kann bei DIN eine Standardisierungsinitiative starten – ganz gleich ob Unternehmen, Forscher, Privatperson oder sonstige Organisation. Beispielhaft seien zwei erschienene Standards genannt, die ja – wie oben erläutert – nicht als Normen bezeichnet werden dürfen: DIN SPEC 77224:2011-07 – Erzielung von Kundenbegeisterung durch Service Excellence DIN SPEC 91020:2012-07 – Betriebliches Gesundheitsmanagement Hans-Dieter Zollondz, Vichy
DIS
▶Draft International Standard ▶de: Normentwurf ▶Normungsverfahren
Disruptive Technologien
▶en: disruptive technologies ▶Innovationsmanagement Disruptive Technologies („ablösende Technologien“) sind Technologien, die einen bekannten Pfad der Leistungsverbesserung in etablierten Leistungskriterien unterbrechen und komplett neue Leistungsdimensionen abdecken. Disruptive Technologien unterbrechen den bereits vorhandenen Ent-
234
Disruptinve Technologien
gestern
heute
morgen
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Dampfmaschine Fließband Glühlampe Verbrennungsmotor iPod, MP3 Mikroprozessor Transistor
Internet LCD GPS iPhone LED Digitalkamera
Mobiles Internet Roboter Autonome Fahrzeuge Clud Computing Energiespeicher …
Idustriellen Revolution gegeben. Diese kann wiederum selbst als disruptiv bezeichnet werden. Die Entwicklung von Industrie 4.0 wird sich mit Sicherheit als ein Innovationspfad für disruptive Technologien erweisen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Christensen, C. M.: The Innovator‘s Dilemma. Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren. München (Vahlen) 2011 (am. Orig. The innovator‘s dilemma, 1997)
DKD
▶de: Deutscher Kalibrierdienst, Brauschweig Die Aufgaben der Akkreditierung wurden zum 01. Januar 2010 im Rahmen einer neuen Struktur in der ►DAkkS als nationale Akkreditierungsstelle für die deutsche Wirtschaft gebündelt.
DKE
▶Deutsche Kommission Elektrotechnik Informationstechnik im DIN und VDE
DMADV
Design – Measure – Analyse – Design – Verify ▶Six Sigma Projektmanagementmethode innerhalb von Six Sigma, die bei der Neuentwicklung von Prozessen zum Tragen angewandt wird.
Design of Experiments (DoE) DMAIC
2 Vorgehensweise bei der Versuchsplanung Für die sachgerechte Planung und Auswertung von Versuchen geht man zweckmäßigerweise entsprechend folgender elf Punkte vor:
Design of Experiments (DoE)
1 Klare Formulierung des Problems und Festlegung des Zieles 2 Beschaffung verfügbarer Hintergrundinformationen 3 Brainstorming bezüglich der Einflussgrößen 4 Planung des Versuchsprogrammes, Besprechung mit allen Beteiligten 5 Festlegung des Programmes 6 Versuchsdurchführung und Prüfung der Versuchseinheiten 7 Auswertung und Analyse der Daten 8 Interpretation der Ergebnisse 9 Erarbeitung eines vorläufigen Vorschlages zur Verbesserung 10 Durchführung und Auswertung von Versuchen zur Bestätigung des Vorschlages 11 Berichterstellung mit Vorschlag der Maßnahmen zur Produkt- und Prozessverbesserung
Define – Measure – Analyse – Improve – Control ▶Six Sigma
▶ Statistische Versuchsplanung zum Optimieren von Produkten und Prozessen ▶ Fertigungsmesstechnik
Begriff
Design of Experiments (DoE)
Zum Begriffsverständnis ►Prozesse und ►Produkte sind sowohl in der Entwicklung als auch in der laufenden Produktion beständig zu rationalisieren, zu verbessern bzw. zu optimieren. Oft reichen aber die vorhandenen Kenntnisse nicht aus, um weitere Vorgehens weisen ausreichend festzulegen. Im Regelfall ist vorerst eine Diagnose oder Untersuchung durch gezielte Versuche notwendig. Dabei müssen Konstruktions- und Produktions-Alternativen bezüglich der Auswirkung veränderter Parameter erprobt und optimiert werden. Um zielsicher die quantitativ ausschlaggebenden Ansatzpunkte für eine rationelle ►Qua litätsplanung zu finden bedarf es entwickelter systemtischer Vorgehenswei sen. Solche Vorgehensweisen werden Sta tistische Versuchsplanung (engl. Design of Experiments, DoE) genannt.
3 Verwendete Methoden – Sieben Werkzeuge von D. Shainin Es wird von der praktischen Erfahrung ausgegangen, dass gemäß dem Pareto-Prinzip (►Q7) unter vielen Einflußgrößen nur wenige einen dominanten Einfluß haben – das (die)
1 Entwicklung von DoE Die moderne Versuchsplanung bzw. Ver suchsmethodik wurde von Sir R. A. ►Fisher begründet [1], durch den auch der Begriff Design of Experiments Abb. D32: DoE – Sieben Werkzeuge von Dorian Shainin geprägt wurde. Die Ent wicklung und Anwendung dieser Me tho DoE – Sieben Werkzeuge von Dorian Shainin den fanden ihren Höhepunkt in den Fünfzigerjahren [2, 3]. Darauf aufbauend wurden von G. ►Taguchi 20-1000 Variable vereinfachte Konzepte entwickelt [4]. Ei nen sehr anwendungsbezogenen Zugang zur Versuchsplanung KomponentenMulti-Vari Paarweiser ermöglichen die Ansätze von ►D. tausch Bild Vergleich ►Shainin [5], so dass heute oft De sign of Ex periments – DoE bzw. Statistische Versuchsplanung mit den sieben Werkzeugen von Shainin Variablen50-20 gleichgesetzt wird. Vergleich Variable Vollständiger Versuch
4 oder weniger Variable
A zu B
Gültigkeit
Streudiagramme
Optimierung
235
D
Design of Experiments (DoE) rote(n) X. Weniger wichtige Einflüsse werden als rosa X bzw. blassrosa X bezeichnet.
D
Von Shainin wurden Versuchsmethoden entwickelt [5], welche – trotzdem sie sehr einfach in der Anwendung sind – zu hervorragenden Ergebnissen und minimalen Streuungen führen; weiters sind sie universell im Einsatz. Die Abbildung D32 gibt die Abfolge der einzelnen Methoden wieder. Dabei sind die Kosten in der Anwendung niedrig und sehr oft reichen etwa 20 Versuche bei der praktischen Durchführung aus. Da sie im wesentlichen auf elementarer Mathematik basieren, können sie im allgemeinen von jedem auch nicht akademisch Geschulten angewendet werden. Nach [6] können Prozesskennwerte von bis zu 5 innerhalb von wenigen Monaten mit einem oder nur einigen wenigen methodischen Versuchen erreicht werden. 3.1 Multi-Variations-Karten (Multi-Vari Bild) Der Hauptzweck der Multi-Variations-Karten ist es, die vielen möglichen Ursachen auf die wesentlichen Hauptein flussgrößen zu vermindern. Dadurch wird von etwa 30 bis 100 (manchmal bis zu 1000) Variablen auf etwa 1 bis 20 reduziert. In den weiteren Schritten können aus diesen Haupt einflüssen die dominanten Ursachen erkannt werden. Multi-Variations-Karten sind im wesentlichen eine Streuungsanalyse zur Feststellung, welche Ursachen die Streuungen in der Produktion haben. Dabei werden jeweils hintereinander mehrere (meist 3 bis 5) Stichproben zu verschiedenen Zeiten (drei- bis fünfmal) geordnet entnommen; die grafische Dar stellung zeigt, ob die Streuungen ◼ lagebedingt innerhalb der Gruppen, ◼ zyklisch bedingt von Gruppe zu Gruppe, oder ◼ zeitlich bedingt sind. Die Probennahme darf ausdrücklich nicht zufällig sein. Es wird so lange fortgesetzt, bis 80 % der nicht beherrschten Streuung des untersuchten Prozesses erfaßt sind. Anwendung: sowohl für Problemlösungen in der Serienfertigung als auch bei Probeläufen in Entwicklung und Fertigung. 3.2 Komponententausch Dabei ist das Ziel die Eingrenzung auf die kleinste Anzahl möglicher Ursachen, die guten oder schlechten Zusammenbau eines Produktes (Gerät oder Komponente) bewirken können, wobei dieses zerlegt und wieder zusammengefügt werden kann. Eine gute und eine schlechte Ausführung des Produktes werden einander gegen-übergestellt, wobei man das quantitative Merkmal, das beide Ausführungen von einander unterscheidet, kennt bzw. messen kann. Sodann reiht man die wahrscheinlichsten Problem-Komponenten des Produktes so, wie man annimmt, dass sie Schäden oder Mängel verursachen (vermutete(s) „rote(s) X“). Beide Ausführungen werden zerlegt; es erfolgt ein gegenseitiger Austausch der am meisten problemverdächtigen Komponente sowie der Zusammenbau
236
Design of Experiments (DoE) in dieser Ausführung mit anschließender Messung des unter scheidenden Merkmals. Je nach der Größe der dabei festgestellten Änderung hat man eine mehr oder weniger bedeutsame Fehlerursache gefunden. Dieses Verfahren setzt man bis zur Eingrenzung fort, was man noch durch Rückversetzen in den Ausgangszustand bestätigt. Anwendung: entweder bei Prototypen bzw. in der Vorserie, wenn nur eine geringe Stückzahl (mindestens 2) vorhanden ist, oder für Problemlösungen in der Serienfertigung. 3.3 Paarweiser Vergleich Diese Methode entspricht in Zielsetzung und Vorgehen dem Komponenten-Austausch, allerdings ist dabei ein Wiederzer legen der zu untersuchenden Produkte nicht möglich. Aufeinanderfolgend werden möglichst zufällig je eine gute und eine schlechte Ausführung des Produktes entnommen und sorgfältig miteinander verglichen. Festgestellte Unterschiede jeglicher Art werden aufgezeichnet. Im allgemeinen erhält man bereits nach mehreren Vergleichen Hinweise bezüglich der hauptsächlichen Fehlerursachen. Anwendung: vor allem in der Fertigung bzw. im Falle von Reklamationen sowie bei der Analyse von Ausfällen. 3.4 Variablenvergleich Es sollen die verbliebenen möglichen Einflußfaktoren auf etwa 4 Haupteinflüsse eingeschränkt werden, wobei Hauptund Wechselwirkungen getrennt und quantifiziert werden sollen. Dieses Ziel erreicht man etwa bei 8 Einflußfaktoren mit ungefähr 20 Versuchen, während ein vollständiger Versuch 256 Versuche erfordern würde. Die möglichen Einflussfaktoren werden auf jeweils zwei Wertstufen gut und schlecht variiert, je nachdem ob gute oder schlechte Ergebnisse zu erwarten sind. Man setzt zunächst den ersten Einflußfaktor auf gut, die übrigen auf schlecht und führt einen Versuch durch, dessen Ergebnisse registriert werden; sodann mit umgekehrter Annahme. Dies wird aufeinanderfolgend mit allen Faktoren durchgeführt. Der Vergleich der erhaltenen Ergebnisse bringt im allgemeinen eine Einschränkung der Haupteinflüsse auf 4 oder weniger Variable. Anwendung: wenn 5 oder mehr Variablen zu untersuchen sind, sowohl für Problemlösungen im Prototyp- und PilotStadium als auch in der Serienfertigung. 3.5 Vollständiger Versuch Die Zielsetzung ist die gleiche wie beim Variablenvergleich, allerdings erfolgte bereits eine Eingrenzung auf 4 oder we niger Haupteinflüsse. Wie bei der vorigen Methode ordnet man bei der Durchführung jeder der Größen 2 Werte zu und führt zufällig aufeinanderfolgend Versuche mit allen (also maximal 16) möglichen Kombinationen durch, wobei die Ergebnisse registriert werden. (Praktisch sollte man dies zur Absicherung allerdings zumindest einmal wiederholen.)
Design of Experiments (DoE) Die systematische Auswertung der tabellarisch erfaßten Ergebnisse gibt Aufschluß über Haupt- und Wechselwirkungen. Anwendung: wenn 4 oder weniger Variablen zu untersuchen sind, sowohl für Problemlösungen im Prototyp- und PilotStadium als auch in der Serienfertigung. 3.6 Vergleich A zu B (A versus B) Diese Methode dient allgemein zur abschließenden Bestätigung, ob die vor-herigen Versuche auch wirklich zum richtigen Ergebnis geführt haben, indem ein aktuelles (A) Verfahren mit dem vermutlich besseren (B) Verfahren verglichen wird. Grundsätzlich kann aber auch durchaus mit dieser Me thode begonnen werden, wenn man sicher ist, das Verfahren bereits zu kennen, das die wesentlichen Verbesserungen bringt. Man wählt mindestens 3 nach (A) erstellte Produkte und eine gleiche Anzahl gemäß (B) aus, vermischt sie gründlich und reiht sie nachfolgend von der schlechtesten zur besten Ausführung. Sind dabei auf der schlechten Seite alle (A) und auf der Gegenseite alle (B), so kann mit 95-%-iger Sicherheit angenommen werden, dass das Verfahren (B) tatsächlich besser ist. Im Falle von Überlappungen ist mit einem höheren Stichprobenumfang eine genauere statistische Untersuchung vorzunehmen.
3.7 Streudiagramme (Scatter Plot) Das Ziel ist die Ermittlung optimaler Werte der wichtigen Faktoren. Weiters kann eine Kostenreduzierung bei un wichtigeren Einflußgrößen erreicht werden, indem man dort sinnvolle größere Toleranzen zuläßt. Etwa 30 Messwerte einer abhängigen Größe werden als Funktion einer unabhängigen Einflußgröße grafisch aufgetragen. Ergibt sich eine Korrelation in Form einer mehr oder weniger dünnen Linie, so ist die unabhängige Einflußgröße das „rote X“ und ihr geeignetster Sollwert und ihre Toleranz können bestimmt werden. Besteht keine Korrelation, so ist die Ein flußgröße nicht wichtig; für die Festlegung von Sollwert und Toleranz sind dann einzig Kostengesichtspunkte entschei dend.
DoE, die fehlerverursachenden Haupteinflussgrößen zu finden und zu eliminieren. Während DoE mit einer geringen Anzahl von Versuchsdurchführungen und eher niedrigen Kosten das Auslangen findet, sind bei herkömmlichen Me thoden etwa 2 bis 5 mal mehr Versuche notwendig und die Kosten entsprechend höher. DoE kann auf Grund der Ein fachheit auch von Werkern durchgeführt werden, während klassische Versuchs pla nung und Ta guchi-Methoden hohe Fachkenntnisse erfordern. a. o. Univ.-Prof. Dr. P. Herbert Osanna Technische Universität Wien
D
Herr Hofrat, Prof. Dr. Osanna, ist am 13.04.2015 nach langer und schwerer Krankheit leider verstorben. Wir sind sehr traurig über diesen Verlust. Herr Hofrat Osanna stand mir sehr nahe.
Literatur
[1] Fisher, R. A.: The Design of Experiments. Oliver & Boyd, 1935 (6. Auflage 1953) [2] Cochran, W. G., Cox, G. E.: Experimental Design. Wiley & Sons, 1952 [3] Lindner, A.: Planen und Auswerten von Versuchen. Basel: Birkhäuser-Verlag, 1969 [4] Taguchi, G.: System of Experimental Design. Dearborn, Michigan: American Supplier Institute Inc., 1987 [5] Bhote, K. R.: World Class Quality. AMA, 1988 [6] Bhote, K. R.: Qualität – Der Weg zur Weltspitze. Großbottwar: Institut für Qualitätsmanagement, 1990 [7] Taguchi, G., Konishi, S.: Taguchi Methods, Orthogonal Arrays and Linear Graphs. Dearborn, Michigan: American Supplier Institute Inc., 1987 ISO-Term
Anwendung: zur abschließenden Bestätigung vorangegangener Versuche sowohl für Problemlösungen im Prototypund Pilot-Stadium als auch in der Fertigung; weiters als einfaches aber universell anwendbares und kostengünstiges In-strument in beliebigen anderen Bereichen (Verkauf, Werbung usw.).
Dokument
Dokument
▶en: document ►Information, einschließlich des Trägermediums
Beispiel: Aufzeichnung (3.8.10), Spezifikation (3.8.7), Verfahrensdokument (3.4.5), Zeichnung, Bericht, Norm. Anmerkung 1 zum Begriff: Das Medium kann Papier, eine magnetische, elektronische oder optische Speicherplatte, eine Fotografie, ein Bezugsmuster oder eine Kombination daraus sein. Anmerkung 2 zum Begriff: Ein Satz von Dokumenten, z. B. Spezifikationen und Aufzeichnungen, wird häufig als „Dokumentation“ bezeichnet. Anmerkung 3 zum Begriff: Einige ►Anforderungen (z. B. die Anforderung nach Lesbarkeit) gelten für alle Arten von Dokumenten. Es kann jedoch verschiedene Anforderungen für Spezifikationen (z. B. die Anforderung, durch Revision überwacht zu sein) und Aufzeichnungen (z. B. die Anforderung, abrufbar zu sein) geben. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Anwendung: bei Probeläufen für die Serienfertigung, als Abschluss der vorangegangenen Versuche. 4 Vergleich der Methoden Bei herkömmlichen Versuchsmethoden, also nach klassischer Versuchsplanung [1] oder nach der Taguchi-Methode der Orthogonalen Felder [7], ist die Zielsetzung, Einflussgrößen quantitativ zu bewerten; im Gegensatz dazu ist das Ziel von
237
ISO-Term
dokumentarische Information dokumentierte Information
▶en: documented information ►Information, die von einer ►Organisation gelenkt und aufrechterhalten werden muss, und das Medium, auf dem sie enthalten ist
Anmerkung 1 zum Begriff: Dokumentierte Information kann in jeglichem Format oder Medium vorliegen, sowie aus jeglicher Quelle stammen. Anmerkung 2 zum Begriff: Dokumentierte Information kann sich beziehen auf: ◼ das ►Managementsystem, einschließlich damit verbundener ►Prozesse; ◼ Informationen, die für den Betrieb der Organisation geschaffen wurden (Dokumentation); ◼ Nachweise erreichter Ergebnisse (►Aufzeichnungen). Anmerkung 3 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
D
Donabedian, Avedis Amerikanischer Qualitätsexperte
▶ Modelle der Dienstleistungsqualität Avedis Donabedian (07.01.1919*-09.11.2000†) wuchs als Kind armenischer Christen in Israel auf, studierte und praktizierte dort als Allgemeinmediziner. Aus politischen Gründen emigrierte er Mitte der fünfziger Jahre mit seiner Familie in die USA. Anschließend studierte er Public Health an der Harvard Medical School in Boston und lehrte lange Jahre als Professor für Public Health an der Universität von Michigan. Weltweit anerkannt ist Donabedian als Pionier des Qualitätsmanagements und der Qualitätsmessung im Gesundheitswesen [1]. Er entwickelte in den sechziger Jahren sein vielbeachtetes Struktur-ProzessErgebnis Modell, als einen Ansatz, um Qualität in der medizinischen Versorgung zu messen [2] (s. Abbildung D32). Die drei Dimensionen Struktur („structure“), Prozess („process“) und Ergebnis („outcome“) versteht Donabedian als Informationsquellen zur Qualitätsbeurteilung, die zueinander in komplexen, nicht linearen Beziehungen stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Struktur steht für ihn für die Rahmenbedingungen (materiell und personell) sowie die organisatorische Ausgestaltung der medizinischen Versorgungseinrichtungen. Alle Tätigkeiten, die im Rahmen einer medizinischen Behandlung erbracht werden, fallen für Donabedian unter die Dimension Prozess. Die Kategorie Ergebnis
238
Donabedian, Avedis dient zur Beschreibung der Veränderungen (z. B. gesundheitlich, verhaltensbezogen), die ursächlich durch die erbrachten Leistungen hervorgerufen werden, sowie zur Erhebung der Kundenzufriedenheit [3/4]. Nachfolgend entstandene ►Modelle zur Dienstleistungsqualität, z. B. von Meyer und Mattmüller wurden durch das Modell Donabedians und die dort beschriebene Input-OutputOrientierung grundlegend beeinflusst [5/6]. Der Einfluss der Ausgestaltung von Strukturen und Prozessen auf Ergebnisse findet sich auch im Prozessmodell der ►DIN EN ISO 9001 sowie den Kriterien des ►EFQM-Modells wieder. In Deutschland wurde die dreigliedrige Modellsetzung zudem auf alle Bereiche des Gesundheitswesens und der sozialen Arbeit übertragen und fand Eingang in die jeweiligen gesetzlichen Forderungen zur Qualitätssicherung. In diesem Zusammenhang wird in Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität unterschieden, der Fokus liegt auf der Messung und Steigerung der Ergebnisqualität [7]. Donabedian selbst kommentiert diese unhinterfragte und generelle Übertragungen seines Modells auf andere Dienstleistungsbereiche kritisch, da es ausschließlich für die medizinische Versorgung im klinischen Bereich entwickelt und evaluiert wurde [4]. Bettina Rudert Essen Literatur
[1] Best, M.; Neuhauser, D.: Avedis Donabedian: father of quality assurance and poet. In: Quality and Safety in Health Care 13 (6), S. 472-473 [2] Donabedian; A. 1966: Evaluating the Quality of Medical Care; in: Milbank Memorial Fund Quaterly, Vol. 44 (1966), S. 166-203 [3] Donabedian; A: Explorations in Quality Assessment and Monitoring, Vol. 1, The definition of quality and approaches to its assessment, Ann Arbor- MI (Health Administration Press) 1980 [4] Donabedian, A.: An introduction to quality assurance in health care. New York: Oxford (University Press) 2003 [5] Küpers, W. (1999): Phänomenologie der Dienstleistungsqualität. Wiesbaden(DUV), 1999 [6] Corsten, H. Gössinger, R.: Dienstleistungsmanagement. 5.Aufl. München (Oldenbourg) 2007 [7] Birner, U.; Fexer, H.: Qualitätsmanagement für soziale Einrichtungen. Starnberg (Schulz), 1999
Doomsday management ▶Krisenmanagement
DQS-Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung …
DQS-Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung …
Abb. D32: Das Struktur-Prozess-Ergebnis-Modell
Struktur ◼ Materielle Ressourcen ◻ Betriebsanlagen und -einrichtungen ◼ Personelle Ressourcen ◻ Anzahl, Personalmix und Qualifikation ◼ Organisationsstruktur ◻ Organisation des medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Personals ◻ Vorhandensein von Trainings- und Forschungsabteilung, ◻ Supervision & Leistungsbeurteilung ◻ Zahlungsmodalitäten für die medizinische Versorgung, etc.
Prozess Aktivitäten, die zur medizinischen Versorgung gehören, z. B.: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Diagnose Behandlung Rehabilitation Prävention Patientenedukation eigene Beiträge durch Patienten und deren Angehörige, etc.
Ergebnis ◼ Veränderungen des Gesundheitsstatus ◼ Veränderungen im Wissensstand der Patienten und deren Angehörigen ◼ Veränderungen im Verhalten der Patienten und deren Angehörigen ◼ Zufriedenheit der Patienten und deren Angehörigen
D
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Donabedian 2003 [4].
DQS-Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen Mit Sitz in Frankfurt am Main ist die DQS Holding GmbH die Dachgesellschaft der DQS-UL-Gruppe. Zur DQS Holding GmbH zählen mehr als 80 Geschäftsstellen in über 60 Ländern, die im Rahmen der Abwicklung internationaler Projekte ein Netzwerk bilden. Die ca. 20.000 Kunden der DQSUL-Gruppe repräsentieren mit zurzeit rund 55.000 zertifizierten Standorten in über 130 Ländern nahezu alle Branchen. Die DQS ist die erste deutsche Zertifizierungsgesellschaft. Gründungsgesellschafter waren die ►DGQ und das ►DIN e. V.. Ihre Gründung als Selbstverwaltungsorgan der deutschen Wirtschaft im Jahr 1985 fiel in die Zeit der Veröffentlichung der ISO 9000ff. Die DQS hat im Jahr 1986 (noch vor dem offiziellen Erscheinen der ISO 9001) ein Zertifizierungsaudit bei einer Organisation durchgeführt und darauf bezogen das Zerfikat nach ISO 9001 ausgestellt. Damit wurde dieser Organisation erstmals die ►Qualitätsfähigkeit durch eine neutrale dritte Stelle bestätigt. Die DQS hat sich die Förderung der deutschen Wirtschaft zum Ziel gesetzt. Um die Interessen der deutschen Wirtschaft wirksam vertreten zu können, ist die DQS mit Geschäftsstellen und Repräsentanzen rund um den Globus präsent. Nach dem Zusammenschluss der DQS mit der Sparte Management Systems Solutions (MSS) des amerikanischen Produktzertifizierers Underwriters Laboratories Inc. im März 2008 zählt die DQS-ULGruppe heute zu den weltweit größten Systemzertifizierern. Die Unternehmenstätigkeit umfasst
das Begutachten von Geschäftsprozessen aller Art sowie das Zertifizieren von Managementsystemen.Inhaltlich werden vor allem die folgenden Regelwerke abgedeckt: ISO 9001 (Qualität) ISO 14001 (Umwelt) BS OHSAS 18001 (Arbeitsschutz) ISO/TS 16949 (Automotive) ISO 27001 (Informationssicherheit) ISO 50001 (Energiemanagement) ISO 13485 (Medizinprodukte) IRIS (Schienenfahrzeug-Industrie) EN 9100ff (Luft- und Raumfahrt) Richtlinie 93/42/EWG des Europäischen Rates über Medizinprodukte (Medizinprodukterichtlinie) ◼ International Featured Standard (IFS) ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Die DQS kooperiert mit renommierten Partnern in 44 Ländern. Die weltweite Anerkennung der DQS-Zertifikate ist durch Zusammenarbeit im ►IQNet – mit multilateraler ge genseitiger Anerkennung – und durch weitere bilaterale Abkommen gewährleistet. Das Leistungsspektrum der Unternehmensgruppe wird in Deutschland durch die DQS GmbH mit Hauptsitz in Frankfurt am Main und Regionalstellen in Berlin, Hamburg und Stuttgart erbracht. Mit über 200 Mitarbeitern und rund 800 Auditoren ist die The Audit Company die größte Tochtergesellschaft der DQS Holding GmbH. Geschäftsführer ist Götz Blechschmidt. Web URL: www.dqs.de
Hans-Dieter Zollondz, Vichy
239
DRBFM ▶en: Design Review Based on Failure Modes DRBFM ist aus der Erkenntnis entstanden, dass Designhänderungen ein sehr hohes Fehlerpotential enthalten. DRBFM wurde zu großen Teilen aus der FMEA hergeleitet. Sie ist eine entwicklungsbegleitende Kreativitätsmethode zur diskursorientierten Design-Findung bzw. -Evaluierung. Ihre Anwendung hilft, dass Produkte nach einer Änderung ihre hohe Qualität beibehalten. DRBFM ist Element des ►Toyot Production Systems, wird aber auch zunehmen von westlichen Unternehmen angewandt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
D
Drittparteien-Audit
Dubs, Rolf Amerikanischer Managementexperte österr. Herkunft
DRP-Anbieter
DRP-Anbieter
▶en: DRP-provider; dispute resolution process provider ▶Anbieter eines Konfliktlösungsprozesses Person oder ►Organisation, die einen externen Konfliktlösungsprozess (►Konflikt, ►Prozess) anbietet und ausführt
Anmerkung 1 zum Begriff: Üblicherweise ist ein Anbieter eines Konfliktlösungsprozesses eine juristische Person, nicht identisch mit der Organisation oder Einzelperson und dem Reklamanten. Dies betont die Unabhängigkeit und Fairness. In einigen Situationen wird eine eigenständige Einheit in der Organisation aufgebaut, um ungelöste ►Reklamationen zu bearbeiten. Anmerkung 2 zum Begriff: Der Anbieter eines Konfliktlösungsprozesses schließt einen ►Vertrag mit den Parteien, um die Konfliktlösung durchzuführen, und ist für diese ►Leistung verantwortlich. Der Anbieter eines Konfliktlösungsprozesses stellt ►Konfliktlöser zur Verfügung. Der Anbieter eines Konfliktlösungsprozesses bedient sich Hilfskräften, leitender und anderer Angestellter, um finanzielle Ressourcen, Bürounterstützung, Terminvereinbarungsunterstützung, Schulung, Tagungsräume, Aufsicht und ähnliche Funktionen bereitzustellen. Anmerkung 3 zum Begriff: Anbieter eines Konfliktlösungsprozesses können viele Formen haben und zum Beispiel gemeinnützige Einrichtungen, gewinnorientierte Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen sein. Auch ein ►Verband kann ein DRP-Anbieter sein. Anmerkung 4 zum Begriff: In ISO 10003:2007 wird anstatt der Benennung „Anbieter eines Konfliktlösungsprozesses“ die Benennung „Anbieter“ verwendet. [Qelle: ISO 10003:2007, 3.9, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Drucker, Peter Ferdinand
Drucker (19.11.1909*-11.11.2005†) war ein weltweit anerkannter Pionier und Vordenker der Managementlehre. Auf ihn geht der weit verbreitete Management-by-Ansatz des Führens nach Zielvereinbarungen zurück: ►MbO – management by objectives. Diese Führungsmethode mit ihren Vorund Nachteilen sollte auch im Qualitätsmanagement bekannt sein. Druckers Managementlehre zeichnet sich durch einfache und klare Wortwahl aus. Dem Qualitätsmanagement und seinen Konzepten stand er eher unbeeindruckt gegenüber.
240
Dubs, Rolf Schweizer Qualitätsexperte
ISO-Term
▶en: Third-Party-Audit Audits von externen unabhängigen Organisationen wie beispielsweise Zertifizierungs- oder Akkreditierungsgesellschaften.
Seine Themen waren v. a. Führung, Management und Marketing. Gerade weil Drucker als einflussreicher Managementdenker das Qualitätsmanagement negiert hatte, muss gefragt werden, ob nicht die Breitenwirkung des Qualitätsmanagements deutlich größer gewesen wäre, wenn Drucker u. a. Größen des Managements (Porter und Kotler zum Beispiel) dieses Thema in der Lehre und ihren Werken grundständig integriert hätten. Jedenfalls signalisiert uns der recht späte Eintritt des Qualitätsmanagements in die Managementlehre in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre den bis dahin defizitären Charakter des „vordenkenden akademischen Managements“. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Rolf Dubs (*1935), dipl. Handelslehrer, Dr. oec. (Universität St.Gallen), Habilitation im Fach Wirtschafts-pädagogik an der Universität St. Gallen. 1968 -2000 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik an der Universität St. Gallen. 1986-1993 Rektor und Prorektor der Universität St. Gallen. Lehr- und Forschungsaufent-halte an den Universitäten Harvard (1967/68), Stanford (1976), Texas at Austin (1983) und Michigan State (1993/94). Direktor des Instituts für Wirtschaftspädagogik und Leiter der Nachdiplomstuiden an der Universität St. Gallen. – Intensive Beratungstätigkeit in Schulfragen und Problemen der Unternehmungsführung in Europa und in Schwellenländern (Rwanda, Tansania, Aserbeitschan, Thailand, Vietnam und China). Mitglied des kantonalen Parlaments (1972-1988) sowie Brigadier (Kommandant einer Festungsbrigade). Präsident und Mitglied verschiedener Verwaltungs- und Aufsichtsräte in der Schweiz, Deutschland und in den Vereinigten Staaten. Forschungsbreiche: Schulmanagement, Qualitätsmanagement, Curriculumforschung, Didaktik der Wirtschaftsfächer, Lehrerverhalten.
Durchbruch
Durchbruch An anderer Stelle legt er dann fest, was unter Durchbruch und Kontrolle zu verstehen ist [2, 19]: „Wir wollen uns die Bedeutung des Wortes ‚Durchbruch‘ klar vor Augen führen ‚Durchbruch‘ bedeutet die Schaffung günstiger oder zumindest notwendiger Veränderungen; ‚Kontrolle‘ hingegen ist die Verhinderung ungünstiger Veränderungen. Sowohl Durchbruch als auch Kontrolle sind notwendig für den Bestand und die Vitalität eines Unternehmens. Bei Mangel an Kontrolle geht ein Unternehmen – in einer Atmosphäre ständiger Verwirrung, Angst und Unsicherheit – langsam, aber unaufhaltsam seinem Untergang entgegen. Durch einen Mangel an ‚Durchbruch‘ läuft das Unternehmen Gefahr, einige unerwartete Erschütterungen zu erleben, die den Betrieb ruinieren, obgleich – intern gesehen – alles in Ordnung zu sein scheint.“
Literatur (Auswahl): Qualitätsmanagement in Schulen. Landesinstitut für Schule Soest 2004. – Die Führung einer Schule. Management und Leadership. 2. Aufl. Stuttgart (Steiner) 2005. – Lehrerverhalten. 2. Aufl. Stuttgart (Steiner) 2009. – Qualitätsmanagement für Bildungseinrichtungen. Universität Kassel 2010. – Bildungspolitik und Schule – wohin? Tobler Altstätten 2010. – Die teilautonome Schule. Berlin (edition sigma) 2011. Normatives Management. 2. Aufl. Bern (Haupt) 2012. – Verwaltungsrats-Sitzungen. 2. Aufl. Bern (Haupt) 2012. – Das St. Galler Management-Modell. Ganzheitliches Unternehmerisches Denken. Linz (Trauner) 2013. – Unterrichtsplanung in der Praxis. Ein Handbuch für den Lernbereich Wirtschaft. Stuttgart (Steiner) 2014.
Durchbruch
▶en: Breakthrough ▶Hoshin Kanri „Ein großer Prozentsatz der Unternehmensleiter hat keine Zeit für Durchbrüche, da die meisten von ihnen die Tretmühle der Kontrolle nicht verlassen können.“ (Joseph M. Juran)
„Alle Tätigkeiten eines Vorgesetzten sind auf zwei Hauptziele gerichtet ◼ entweder einen Durchbruch zu einer neuen Leistungsebene durchzuführen ◼ oder den Status quo zu wahren – ‚Kontrolle‘ auszuüben und Veränderungen zu verhindern.“
Kosten für mangelnde Qualität (Fehlleistungsaufwand)
Die aktuelle Fachliteratur zu Hoshin Kanri versäumt es nicht, darauf hinzuweisen, dass die Idee „Breakthrough Objektives“ zu formulieren von Joseph Moses ►Juran stammt, der in seinen Seminaren zum Qualitätsmanagement im Japan der 1950er Jahre diesen Ausgangspunkt jeglicher Unternehmensführung gelehrt haben soll. In seinem 1994 (Neuauflage 1996) erschienenen Werk „Managerial Breakthrough“ befasst er sich intensiv mit dem Zusammenspiel von Breakthrough-Phasen und Phasen „normaler Unternehmensführung“, die er „Kontrollphasen“ nennt. Der Grundgedanke dieses Schemas findet sich in der Juran Trilogy (Abbildung D33), die sich auf unterschiedliche Einheiten beziehen lässt, also nicht ausschließlich auf den Fertigungsprozess. Abb. D33: Juran Trilogy® Juran selbst geht es um diesen – von vielen Autoren im Qualitätsmanagement nicht erkannten – allgemeinen Charakter seiner Trilogy, wenn er folgendes annimmt 40 % –– [2, 11]:
Juran gibt keiner der beiden Phasen den Vorzug. Er hält sie – wie die Tages- und Nachtzeiten – für einen immerwährenden Zyklus. Zu beiden Kategorien finden sich beispielhafte Nennungen in der Praxis [2, 22]: ◼ Durchbrüche: Neuerungs-Programme, Kampagnen, Modernisierungen ◼ Kontrolle: den Kurs halten, den status quo wahren, die Stellung halten, Feuerlöscharbeiten vornehmen, das Ziel neu anvisieren.
Juran Trilogy® Durchbruchszone BREAKTHROUGH Sporadische Probleme
Ausgangszone
20 % –– Produktionsbeginn
Ursprünglicher Qualitätsregelbereich
Chronische Verluste
(wegen mangelnder Qualitätsplanung Möglichkeit zur Verbeserung) 0
Qualitäts planung
Qualitätsregelung (steuerung, lenkung)
Qualitäts verbesserung
Neue Zone der Qualitätsregelung
t
Lessons learned
241
D
Durchbruch
Durchlaufzeit
Immer auch gilt, dass Breakthrough und Kontrolle nicht vermischt werden dürfen. Dies wird plastisch, wenn man militärische Beispiele heranzieht: Kontrolle = Verteidigung, Breakthrough = Angriff. Beide sind unterschiedliche Strategieformen, die an völlig unterschiedliche Voraussetzungen gebunden sind [2, 25].
D
Obwohl der Buchtitel von Juran ins Deutsche mit Führungstaktik übersetzt wurde [2], handelt es sich doch nicht um reine Taktik, sondern um eine strategische Konzeption, die auf die langfristige Ausrichtung einer Organisation zielt. Genauso wurde Breakthrough auch von japanischer Managementseite aufgefasst, die an den Seminaren von Juran teilnahm. So hat man ►Hoshin Kanri als Durchbruchstrategie ins Managementdenken integriert [3]. Unabhängig von der Frage, ob die menschliche Existenz und damit das wirtschaftliche Handeln auf ein Ziel hinausläuft zeigt sich, dass das bewusste Setzen von Durchbruchzielen (breakthrough objektives/goals) von den Entscheidenden als existenzsichernde Erfolgsstrategie gesehen wird. Kein Durchwurschteln (muddling through), sondern Klarheit schaffen, Aufräumen von unklaren Situationen, bewusst nach vorne schauen, einer Vision folgen (dem Nordstern, Toyota) und sich beispielsweise an folgenden Fragen zu Vision/Mission orientieren [4]: ◼ ◼ ◼ ◼
What is our picture of the future? What do we aspire to become over this planning horizon? Who are we? What business are we in? What do we do that is a value for those we serve?
und schließlich auch an Fragen zu den goals [4]: ◼ What are our main focus areas to attain our vision? ◼ What breakthroughs do we need to focus on? ◼ What major accomplishments are necessary to fully achieve this goal? Durchbruch erreicht man nur, wenn die Durchgängigkeit der breakthrough goals im Auge behalten wird und jegliches Kurzfristdenken, sei es im Handeln, sei es auf die Anreizsysteme setzend, vermeidet. Juran wusste das, wenn er schreibt [2, 229]: „Bei jedem Durchbruch ist es notwendig, dass wir an einem Plan festhalten, gesteckte Ziele nicht aus den Augen verlieren und Außenstehende daran hindern, die Durchführung des Planes zu stören.“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Literatur
[1] Juran, J. M.: Managerial Breakthrough. New York (McGrawHill) 1964 (2. erweiterte Auflage 1996) [2] Juran, J. M.: Offensive Führungstaktik. Eine systematische Methode zur Geschäftsbelebung. Landsberg (mi) 1966 (Deutsche Übersetzung von [1]) [3] Kudernatsch, D. (Hrsg.): Hoshin Kanri. Unternehmensweite Strategieumsetzung mit Lean-Managments-Tools. Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2013 [4] Colletti, J.: Hoshin Kanri Memory Jogger. Process, Tools, and Methodology for Successful Strategic Planning. Salem, NH (GOAL/QPC) 2013, S. 10-11
Durchlaufzeit
en: throughput time Als zentraler Begriff des Prozess- und damit des Qualitätsmanagements ist die Durchlaufzeit diejenige Zeitspanne, die eine Einheit benötigt, um einen defnierten Prozess (allgemein eines Arbeitssystems) zu durchlaufen. Auf den Fertigungsprozess bezogen setzt sich die Durchlaufzeit aus folgenden Zeiten zusammen: ◼ Liegezeit – definiert als ungewollte Wartezeit der Einheit innerhalb eines Prozesses ◼ Bearbeitungszeit – definiert als diejenige Zeit, die technisch für die Herstellung der Einheit benötigt wird. Zur Bearbeitungszeit zählt auch die gewollte Liegezeit (z. B. wenn eine Einheit liegen muss, weil dies für die Trocknung von Farbe erforderlich ist ◼ Rüstzeit – definiert als diejenige Zeitspanne, die benötigt wird, um den richtigen Zustand zu erreichen, damit die Einheit bearbeitet werden kann ◼ Transportzeit – definiert als diejenige Zeitspanne, die vor und nach der Bearbeitung anfällt Um die Zeittreiber in einem Auftrag in der Prozesskette (setzt sich zusammen aus Teilprozessen) direkt ablesen zu können, empfiehlt sich die Anlage eines Durchlaufzeitendiagramms. In einem solchen Diagramm werden die Durchlaufzeiten je Teilprozess als Kumulation eingetragen [1]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Vgl. Winz, G.: Qualitätsmanagement für Wirtschaftsingenieure. München (Hanser) 2015, S. 133. – In dem Buch findet sich eine kurze Erläuterung eines solchen Diagramms, das im Zusammenhang zum Prozesskostendiagramm zu sehen ist.
••• ⨀⨀⨀ •••
242
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe E
Ethik der Finanzdienstleistungen Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb
Ethik-Qualitätsmanagement (EQM)
E EFQM-Modell ein alternativer Ansatz zur Business Excellence 2001
Yannick Julliard
Energiemanagement
EFQM-Modell 1989 Rolf Wunderer
EFQM-Exzellenz-Modell 2013 Einheit Empowerment
Johannes Kals
Entstehung des Qualitätsmanagements
Exzellenzcluster
Erfolgsfaktoren Ludwig Erhard Erhebungsmethoden Kundenforschung Europäisches Normungssystem Raimund Pfundtner
Hans-Dieter Zollondz
E
Effektivität und Effizienz
EFQM
Effektivität und Effizienz
qualitätsbezogene ►Organisationskultur zu fördern. Zur Erreichung dieser Zielsetzungen vergab die EFQM jährlich Europäische Qualitätspreise (►EQA). Sie zeichnete damit Organisationen aus, die den Nachweis erbringen, dass ihr Vorgehen zur Verwirklichung von TQM einen beträchtlichen Beitrag zur Erfüllung der Erwartungen von Anteilseignern, Kunden, Mitarbeitern und anderen Interessengruppen er bracht hat. Grundlage der Bewertung war das ►EFQM-Mo dell 1989.
▶en: effectivity and efficiency Dieses Begriffspaar wird oft verwechselt: ◼ Effektiv handeln heißt, die richtigen Dinge zu tun. Für Un ternehmen bedeutet dies: Sind die Ziele definiert, kann eine Aussage getroffen werden, ob das Unternehmen die richtigen Dinge getan hat, um diese Ziele zu erreichen. Der Beitrag einzelner Prozesse und Tätigkeiten zur Ziel erreichung ist ein Maß für die Effektivität. ◼ Effizient handeln heißt, die Dinge richtig tun. Im Gegensatz zur Effektivität betrachtet die Effizienz nicht die Ziel erreichung, sondern das Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Es wird bewertet, wieviel Aufwand notwendig ist oder war, um eine Aufgabe zu erledigen oder ein Ziel zu erreichen. Ein Unternehmen arbeitet dann effizient, wenn der Auf wand, der benötigt wurde, um ein Ergebnis zu erzielen, so gering wie möglich war. Literatur
Entnommen: Pfeifer, T.; Sommerhäuser, L.; Wunderlich, M.: Pro zessorientierte Qualitätsmanagementsysteme. In: Kamiske, G. F. (Hrsg.): Qualitätsmanagement im Unternehmen. Berlin: Springer 1999, 04.08-S. 2
Efficient Consumer Response (ECR) ISO-Term
▶Category Management
Effizienz
▶en: efficiency Verhältnis zwischen dem erreichten Ergebnis und den einge setzten Ressourcen Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
EFQM
▶European Foundation for Quality Management ▶EFQM-Modell 1989 ▶EFQM-Exzellenz-Modell 2013
Darstellung aktuell: Die EFQM versteht sich als eine Organi sation, die die Vision verfolgt, dass europäische Organisati onen als Maßstab für Exzellenz anerkannt werden. Führungs kräften in Europa wird ein gemeinsames Rahmenmodell angeboten (►EFQM-Exzellenz-Modell 2013), damit diese entsprechend dem amerikanischen Vorbild des MBNQA ein Werkzeug nutzen können, um Verbesserungspotentiale identifizieren und permanent in Richtung nachhaltige Ex zellenz ausgestalten können. Das EFQM-Exzellenz-Modell ist als Wirkungsmodell konfiguriert. Seine Grundstruktur dient der Bewertung und Verbesserung von Organisationen. Bis Januar 2003 waren ca. 800 Organisationen aus den mei sten europäischen Ländern und den meisten Tätigkeitsbe reichen Mitglied der EFQM geworden. Bei der EFQM han delt es sich also um eine Stiftung. Manchmal wird gesagt, dass sie eine Unterorganisation der EU sei. Das ist aber nicht der Fall, wenn auch die Kommission der Europäischen Ge meinschaft in ihrer „European quality promotion policy“ ausdrücklich das EFQM-Modell als „the European way to wards excellence“ würdigt und Jacques Delors als damaliger Präsident der EG-Kommission bei der Gründung der Foun dation anwesend war und diese auch ideel unterstützt. Das hier in Abbildung E01 abgebildete Dokument „Establishing Excellence in Europe“ aus dem Jahr 2014 dokumentiert die Entwicklung der EFQM mit dem Focus auf ►Nachhaltigkeit. Zur Erreichung dieser Zielsetzung vergibt die EFQM jährlich den ►EFQM Excellence Award (EEA).
Adresse Darstellung historisch: Die European Foundation for Quality EFQM-European Foundation Management (EFQM), eine europäische Stiftung von 14 for Quality Management namhaften Industrieunternehmen, wurde am 15. Septem Avenue des Olympiades 2 ber 1988 zur Förderung des umfassenden Qualitätsmanage 1140 Brussels – Belgium ments (TQM) nahe bei Brüssel im Château Val Duchesse gegründet (letter of intent). Sie hatte sich zur Aufgabe gestellt, das Manage ment europäischer Unter neh men bei der Beschleunigung und Steigerung des Pro zesses zu unterstützen, durch den Qualität zu einer entscheidenden Ein flussgröße für das Erreichen eines welt weiten Wettbewerbsvorteils wird. Des weiteren verfolgte sie das Ziel alle Be reiche der Europäischen Gemeinschaft Château Val Duchesse, in der Nähe von Brüssel, wurde am 15. September 1988 die Stiftungsurkunde (letter of intent) dazu zu ermuntern und dabei zu un Im zur Gründung der EFQM in Anwesenheit von Jacques Delor von Vertretern der folgenden Unternehmen unterzeichnet: terstützen, an Qualitätsverbesserungs- Robert Bosch GmbH, British Telecommunications plc, Bull SA, Ciba-Geigy AG, Avions Marcel Dassault-Breguet Avia Maß nahmen mitzuwirken und eine tion, AB Electrolux, Fiat Auto SpA, Koninklijke Luchtvaart Maatschappij N.V., Nestlé SA, In. C. Olivetti & C., SpA, N.V. Philips’ Gloeilampenfabrieken, Rêgie Nationale des Usines Renault, Gebr Sulzer AG, Volkswagen AG.
245
E
EFQM Excellence Award (EEA)
EFQM Excellence Award (EEA)
Abb. E01: Establishing Excellence in Europe
Establishing Excellence in Europe
E
On 15th September 1988, 14 European Business Leaders met with Jacques Delors and signed a “Letter of Intent” to form a European Foundation dedicated to increasing the competitiveness of European businesses. The European Foundation for Quality Management, EFQM, was founded in October 1989 when the Presidents of 67 European companies subscribed to our Policy Document and declared their commitment to achieving EFQM mission and vision. The Foundation set up a team of experts, from industry and academia, to develop the EFQM Excellence Model, a holistic framework than can be applied to any organisation, regardless of size or sector. This was first used to support the assessment of organisations in the European Quality Award in1992. Over the last 25 years, we have seen many changes. The Model has adapted and evolved overtime to reflect changes in the global market place. Hundreds of organisations, from both the pu-
Tel.: +32 2 7753511 Fax: +32 2 7753535 E-Mail: [email protected] URL: www.efqm.org Bemerkung: Eine Deutsche Sektion der EFQM, die als von der EFQM in Brüssel anerkannte Vertretung auftritt, existiert nicht mehr. Dafür ist u. a. die Initiative ►Ludwig-Erhard-Preis e. V. Partner der EFQM. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
EFQM Anerkennungsprogramm ▶ RADAR-Bewertungsmethodik
EFQM Excellence Award (EEA)
▶EQA (European Quality Award) Seit 1991 wird der Europäischer Qualitätspreis jährlich von der EFQM an Organisationen als höchste Auszeichnung für Sp itzenlei stungen und praktizierte Ex zellenz verliehen. Die Auszeichnung wurde anfangs ►Europe an Quality Award (EQA), seit 2006 EEA genannt. Das Bewertungsschema basiert auf dem 1000-Punkte-Programm des ►EFQM-Modells. Der Bewertung liegen die neun Kri terien Führung, Strategie, Mitarbeiter, Partnerschaften & Ressourcen, Prozesse, Produkte & Dienstleistungen, Kun denbezogene Ergebnisse, Mitarbeiterbezogene Ergebnisse, Gesellschaftsbezogene Ergebnisse sowie Schlüsselergebnisse zugrunde. Ein Assessment-Team von internationalen Mana gern mit unterschiedlichen Erfahrungsshintergründen zu ver bringt eine Woche lang in der Organisation, führrt Interviews
246
blic and private sector, have participated in the EFQM Excellence Awards, including Robert Bosch, BMW, VW, Xerox, Ricoh, Grundfos, Philips and EDF. One thing that has not changed is our mission: to increase the competitiveness of European organisations and support the sustainable development of the European economies. Were main an independent, not for profit foundation; committed to supporting our Members in their journey towards excellence. While we focus on Europe,we have a global reach. We’ve produced this document to celebrate the 25th anniversary of the signing of the original “Letter of Intent”; an opportunity to reflect on what we’ve achieved already and where we now need to focus to sustain this success into the future. Yours sincerely, Marc Amblard, Chief Executive Officer, EFQM 2014
mit Mitarbeitern auf allen Ebenen, informiert sich aus Doku menten, um die Leistung der Organisation zu analysieren. In einem Feedback-Prozess gelangen die Assessoren zum Ergeb nis für die Nominierung. Um den EFQM Excellence Award dann gewinnen zu können, muss eine Organisation nachwei sen, dass sie auch in der Zukunft die gemessenen Ergebnisse halten wird. Sie muss eine Vorbildfunktion entsprechend den acht Grundkonzepten von Excellence (Erfolgskriterien) er füllen, die dem EFQM-Modell zugrundeliegen: 1 2 3 4 5 6 7 8
Nutzen für den Kunden schaffen, Dauerhaft herausragende Ergebnisse erzielen Mit Vision, Inspiration und Integrität führen Veränderungen aktiv managen Durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich sein Die Fähigkeiten der Organisation entwickeln Nachhaltig die Zukunft gestalten Sustaining Herausragende Ergebnisse Hans-Dieter Zollondz, Vichy
EFQM Levels of Excellence (LoE) ▶ RADAR-Bewertungsmethodik
EFQM-Modell 1989
EFQM-Modell 1989
EFQM-Modell 1989
und des ►Wertschöpfungsmanagements. Daher kann es als ein integriertes Management- und Con trol ling instrument verstanden werden.
Begriff
▶EFQM-Exzellenz-Modell 2013 ▶EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz zur Business Excellence 2001 1 Das EFQM-Modell als Managementmodell Das Europäische Modell für Total Quality Management, das sog. EFQM-Modell, ist ein Managementmodell basierend auf dem Konzept des ►Total Quality Managements. Das hier beschriebene EFQM-Modell 1989 ist die erste Version dieses Modells, das dem ►EQA und dem Assessment zugrundelag. Es ist von der ►EFQM zurückgezogen worden, dient aber noch wegen seines strikten Bezugs zum Total Quality Ma nagement als Bezugspunkt von Stichwortartikeln. Das heu te gültige Modell firmiert im Lexikon unter der Benennung ►EFQM-Exzellenz-Modell 2013. Das Managementmodell selbst ist in Befähiger und Ergeb nisse unterteilt. Die Konstruktion des Modells beruht auf einem Input-Throughput-Output-Ansatz (Abbildung E02, oberer Teil): Durch eine anhaltende Einbindung aller Mit arbeiter und die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse sollen bessere Ergebnisse erreicht werden.
2 Die Kriterien des EFQM-Modells Im folgenden werden die Kriterien und Unterkriterien des EFQM-Modells inhaltlich beschrieben. Die Beschreibung folgt dem Wortlaut von [1]: 2.1 Die Befähiger 2.1.1 Führung Das Verhalten aller Führungskräfte, um das Unternehmen zu Umfassender Qualität zu führen. Wie das Führungsteam und alle anderen Führungskräfte Umfassende Qualität als grund legenden Prozess des Unternehmens für eine kontinuierliche Verbesserung initiieren und durchsetzen. Ein Umfassender Qualitätsansatz soll folgendes zeigen: ◼ Sichtbares Engagement und Vorbildfunktion in bezug auf Umfassende Qualität ◼ Eine beständige Umfassende Qualitätskultur ◼ Rechtzeitiges Anerkennen und Würdigen der Anstren gungen und Erfolge von Einzelpersonen und Teams ◼ Förderung von Total Quality durch Bereitstellung geeig neter Ressourcen und Unterstützung
Wie Abbildung E02 weiter zeigt, liefern Füh rung, Mitarbeiterorientierung, Politik & Strate gie und Ressourcen den strukturellen und Abb. E02: EFQM-Modell aus dem Jahr 1989 mit Grundmodell humanen Input, der über Prozesse trans Mitarbeiter Prozesse Ergebnisse formiert wird, um so zu einem Ergebnis zu kommen, bei dem wesentliche Stakeholder Ergebnisse 50% Befähiger 50% einbezogen sind, hier in Form von Mit arbeiterzufriedenheit, Kundenzufrieden Mitarbeiter Mitarbeiter heit, Gesellschaftlicher Verantwortung/ Ergebnisse 9% 9% Image und Geschäftsergebnissen. Jede der Schlüsselin Abbildung E01 dargestellten neun Di Politik und Kunden Leistungen Führung Prozesse mensionen liegen weitere Subkriterien zu Strategie Ergebnisse Ergebnisse 10% 14% grunde, auf denen die Bewertung basiert 8% 20% 15% (vgl. Kapitel 2). Das EFQM-Modell bildet Gesellschaft Partnerschaften mit seinen 33 Un ter kriterien die Bewer & Ressourcen Ergebnisse tungsgrundlage für das ►Selbst-Assessment 9% 6% für den ►European Quality Award (EQA). Innovation und Lernen Aufgrund dieser Funktion ist das EFQMModell hauptsächlich als Bewertungsmodell und weniger als allgemeines Managementmodell zu verste ◼ Engagement bei Kunden und Lieferanten hen. Dabei ist das Modell in seinem Aufbau nicht direkt auf ◼ Aktive Förderung von Umfassender Qualität außerhalb Total Quality Management bezogen, erst die Kombination des Unternehmens mit den Subkriterien schafft die Verbindung dazu. Dazu ein 2.1.2 Politik und Strategie Beispiel: Kriterium 1 bezieht sich allgemein auf die Führung, Zweck, Werte, Leitbild und strategische Ausrichtung des was nicht typisch für Total Quality Management ist. Erst der Unternehmens sowie Art und Weise ihrer Rationalisierung erläuternde Text verbindet die Führung mit TQM: „Das Ver durch das Unternehmen. Wie die Politik und Strategie des halten aller Manager, um das Unternehmen zu Umfassender Untnehmens den Begriff der Umfassenden Qualität wider Qualität zu führen“ [1, S. 10]. spiegelt und dessen Grundsätze bei der Festlegung, Verwirk Aufgrund der Struktur des EFQM-Modells kann es als allge lichung, Überprüfung und Verbesserung der Politik und der meines Managementmodell gesehen werden, das den InputStrategie angewandt werden. Ein umfassender Qualitätsan Throughput-Output-Ansatz mit dem Stakeholder-Konzept satz soll zeigen: verbindet. Es enthält auch Aspekte des Prozesskettenansatzes
247
E
EFQM-Modell 1989 ◼ Wie Politik und Strategie auf dem Konzept der Umfas senden Qualität beruhen. ◼ Wie Politik und Strategie aufgrund von Informationen festgelegt werden, die für Umfassende Qualität relevant sind. ◼ Wie Politik und Strategie die Grundlage von Unterneh mensplänen bilden. ◼ Wie Politik und Strategie bekannt gemacht werden. ◼ Wie Politik und Strategie regelmäßig überprüft und ver bessert werden.
E
2.1.3 Mitarbeiterorientierung Die Führung der Mitarbeiter des Unternehmens. Wie das Un ternehmen das gesamte Potential seiner Mitarbeiter freisetzt, um seine Geschäftstätigkeit ständig zu verbessern. Ein Um fassender Qualitätsansatz soll folgendes zeigen: ◼ Wie Mitarbeiterressourcen geplant und verbessert wer den. ◼ Wie die Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter bei der Einstellung, Schulung und Karriereplanung aufrecht erhalten und weiterentwickelt werden. ◼ Wie Mitarbeiter und Teams Ziele vereinbaren und stän dig den Fortschritt überprüfen. ◼ Wie die Beteiligung aller Mitarbeiter an der ständigen Verbesserung gefördert wird und wie Mitarbeiter autori siert werden zu handeln. ◼ Wie eine wirksame Kommunikation von oben nach un ten und umgekehrt sowie horizontal erzielt wird. 2.1.4 Ressourcen Management, Einsatz und Erhaltung von Ressourcen. Wie die Ressourcen des Unternehmens wirksam zur Unterstüt zung der Politik und der Strategie eingesetzt werden. Es ist nachzuweisen, wie ständige Unternehmensverbesserungen durch das Management von Ressourcen erzielt werden. ◼ ◼ ◼ ◼
Finanzielle Ressourcen Informations-Ressourcen Materielle Ressourcen und Sachanlagen Nutzung von Technologie
2.1.5 Prozesse Das Management aller wertschöpfenden Tätigkeiten im Unternehmen. Wie Prozesse identifiziert, überprüft und gegebenenfalls geändert werden, um eine kontinuierliche Verbesserung der Geschäftstätigkeit zu gewährleisten. Die Selbstbewertung soll zeigen: ◼ Wie die für den Unternehmenserfolg wesentlichen Pro zesse identifiziert werden. ◼ Wie das Unternehmen seine Prozesse systematisch führt. ◼ Wie Leistungsmessungen von Prozessen neben allem relevanten Feedback verwendet werden, um Prozesse zu überprüfen und Ziele für Verbesserungen zu setzen. ◼ Wie das Unternehmen Innovation und Kreativität bei der Prozessverbesserung anregt. ◼ Wie der Betrieb Prozessänderungen einführt und den Nutzen bewertet.
248
EFQM-Modell 1989 2.2 Die Ergebnisse Die Erfolgskriterien beziehen sich darauf, was das Unterneh men erreicht hat und noch erreicht. Im Rahmen des Europä ischen Qualitätspreises sollten die Ergebnisse und Trends des Unternehmens für alle Ergebniskrieterien im Hinblick auf ◼ die gegenwärtige Leistung des Unternehmens ◼ die eigenen Ziele des Unternehmens und nach Möglichkeit ◼ die Leistung der Konkurrenz ◼ die Leistungen der ‘klassenbesten’ Unternehmen in An griff genommen werden. Die Selbstbewertung sollte den Grad der Abdeckung der be trieblichen Tätigkeit von den gewählten Parametern sowie die relative Bedeutung der Parameter angeben, die zur Mes sung der Ergebnisse gewählt wurden. 2.2.1 Kundenzufriedenheit Welchen Eindruck externe Kunden vom Unternehmen und dessen Produkten und Dienstleistungen haben. Ein Umfas sender Qualitätsansatz führt dazu, dass die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden befriedigt werden. 2.2.2 Mitarbeiterzufriedenheit Wie die Mitarbeiter ihr Unternehmen empfinden. Ein Umfas sender Qualitätsansatz soll die Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeiter befriedigen. 2.2.3 Auswirkungen auf die Gesellschaft Welchen Eindruck die Öffentlichkeit insgesamt vom Unter nehmen hat. Dazu gehören Meinungen über die Einstellung des Unternehmens zur Lebensqualität, zur Umwelt und zur Erhaltung der globalen Ressourcen. Ein Umfassender Quali tätsansatz befriedigt in zunehmendem Maße die Bedürfnisse und Erwartungen der gesamten Öffentlichkeit. 2.2.4 Geschäftsergebnisse Was das Unternehmen in bezug auf seine geplante betrieb liche Leistung erreicht. Ein Umfassender Qualitätsansatz be inhaltet sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Ziele und Vorgaben und befriedigt die Bedürfnisse und Erwartungen der Personen, die ein finanzielles Interesse an der Unterneh mung haben. 3 Die Bewertung Die Bewertung folgt einem zweidimensionalen Ansatz, der unter dem Stichwort ►EFQM-Exzellenz-Modell 2013 erläu tert ist. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] E.F.Q.M.: Selbstbewertung anhand des Europäischen Modells für Umfassendes Qualitätsmanagement (TQM). Brüssel 1995 [2] Wunderer, R., Gerig, V. & Hauser, R. (Hrsg.): Qualitätsorien tiertes Personalmanagement. Das Europäische Qualitätsmodell als unternehmerische Herausforderung. München-Wien 1997
EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz … [3] Wunderer, R.: Beurteilung des Modells der Europäischen Ge sellschaft für Qua litätsmanagement (EFQM) und dessen Wei terentwicklung zu einem umfassenden Business Excellence-Modell. In: Boutellier, R.; Masing, W. (Hrsg.): Qualitätsmanagement an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Festschrift für Hans Dieter Seghezzi zum 65. Geburtstag. München-Wien 1998, S. 53-67
EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz zur Business Excellence 2001
Problem
▶ EFQM-Modell 1989 ▶ EFQM-Exzellenz-Modell 2013 ▶ Business Exzellenz
Dieser Stichwortartikel nimmt Bezug auf das Stich wort ►EFQM-Exzellenz-Modell 2013. Es versteht sich als perspektivische Weiterentwicklung des EFQM-Modells, die bereits für 2001 anvisiert worden war und nach wie vor als Alternative gelten kann. Es könnte damit gerechnet werden, dass ein solches verbessertes EFQM-Modell zur Business Ex cellence in den nächsten Jahren institutionalisiert wird. 1 Vor- und Nachteile des EFQM-Modells Das ►EFQM-Modell ist sehr umfassend angelegt und für die Anwendung in der Praxis gut geeignet. Im folgenden werden einige Vor- und Nachteile im Detail aufgezeigt: Vorteile des EFQM-Modells: ◼ Das Modell basiert auf dem Konzept der Wertschöpfung und der Wertschöpfungskette. Dabei konzentriert es sich auf die Dimensionen, die direkt von der Organisation be einflusst werden können. ◼ Innerhalb der Befähiger haben strukturelle und interakti onelle Komponenten des Managements einen dominie renden Anteil. ◼ Der Stakeholder-Ansatz gliedert die Strukturierung der Ergebnisse. ◼ Das Modell repräsentiert ein relativ geschlossenes System, das nicht nur für den ►EEA Verwendung finden sollte. Es ist vielmehr als ein integriertes Ma nagement- und Control ling instru ment zu verstehen, das planungsbasiert eine integrierte Bewertung der Ma nagemententscheidungen in ihren ökonomischen und sozialen Konsequenzen ermöglicht. ◼ Das Modell schließt auch eine qualitative Sichtweise mit ein, die über eine bloß technische oder hauptsächlich kostenorientierte deutlich hinausgeht. Es schließt expli zit auch interne Kunden ebenso wie die Beteiligung aller Führungskräfte und aller Angestellten mit ein. ◼ Das Modell beschränkt sich nicht auf die Verbesserung und die Dokumentation der Prozessqualität (wie die DIN EN ISO 9000ff-Reihe). Nachteile des EFQM-Modells: ◼ Da das Modell ein geschlossenes System darstellt, verlei tet es den Benutzer zu einer unreflektierten Anwendung. Der Benutzer beschränkt daher möglicherweise seine Analyse auf die neun Komponenten und die 33 Sub
EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz …
◼
◼
◼
◼
◼
◼
◼
kriterien, die jeweils durch drei bis sieben Indikatoren gemessen werden. Erstaunlicherweise wird die Unternehmenskultur (►Or ganisationskultur) nur in den Unterkriterien der Kompo nenten Führung und Politik & Strategie erwähnt, anstatt ihr eine eigene Komponente zuzuweisen. Der Faktor Organisation ist nur indirekt über die Pro zesse eingeschlossen (►Prozessorganisation). Ebenso kann ihm auch eine eigene Komponente zugewiesen werden. Das Konzept vernachlässigt die langfristige Beurteilung der Ergebnisse, was besonders für qualitative Verände rungen wichtig wäre. Ihr Assessment könnte einfach in den einzelnen Komponenten ergänzt werden. Das gilt auch für die Beurteilung der Produkte/Dienstleistungen des Unternehmens, auch wenn sie indirekt über ►Kun denzufriedenheit und Prozesse bewertet werden. Das Punkteverteilungsmodell ist willkürlich und betont die Ergebnisse mit 50 % übergebührlich. Für die Ver wendung innerhalb des ►EEA ist dies akzeptabel, aller dings nicht für eine allgemeines Managementmodell. Die Prozessdimension sollte mehr systematisch ausge arbeitet werden, wenn man das zugrundeliegende InputThroughput-Output-Konzept berücksichtigt. Daher sollte es von dem Befähigerteil klar getrennt werden. Die Größe des Assessments kann für kleine Geschäftsein heiten oder kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu komplex werden. Dies gilt auch für die neue Version des Europäischen Modells für KMU, da das KMU-Modell das bisherige Modell nur kondensiert, ohne das Modell selbst zu vereinfachen. Während die Empfehlungen für die Bewertung sehr differenziert und detailliert sind, fehlen Vorschläge für die Implementation. Wegen der Wichtigkeit der Implementierungsfragen sollte jedoch ein umfassendes Konzept ausgearbeitet werden, um das organisationale Lernen und den Entwicklungsprozess zu unterstützen.
2 Verbesserungsbereiche Neben den bereits erwähnten Nachteilen des Europäischen Modells, lassen sich vier Verbesserungsbereiche erkennen: 2.1 Erweiterter Fokus Ich schlage acht zentrale Prinzipien als Basis für ein allge meines Konzept der Führung vor, die wiederum in fünf Komponenten des Managements integriert sind (Abb. E03): 1 2 3 4 5
Strukturpotential Mitarbeiterpotential Leistungsprozesse Ergebnisse Ergebnisverteilung
Innerhalb dieser fünf Komponenten lassen sich acht Prin zipien der Führung identifizieren: 1 Haben 2 Sollen
249
E
EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz …
EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz …
Abb. E03: Kompetenzen, Aktivitäten und Prinzipien der Führung
Kompetenzen, Aktivitäten und Prinzipien der Führung Struktur potential
E
Verfügen, Ressourcen
Verpflichten, Ermächtigen, Kultur, Strategie, Organisation Haben/Sollen/ Dürfen
3 4 5 6 7 8
Mitarbeiter potential
Qualifizieren
Identifizieren, Motivieren
Leistungs prozesse
Ergebnisse
z.B. Individuum
Zufriedenheit und Loyalität der Bezugsgruppen (Kunden, Mit arbeiter, Share holder, Umwelt)
z.B. Team
z.B. Bereich
z.B. Unternehmen Können/Wollen
Leisten
Dürfen Können Wollen Leisten Erreichen Beteiligen
Ein Vergleich zwischen diesen Prinzipien und dem EFQMModell zeigt, dass das EFQM-Modell die Prinzipien des Ha bens, des Dürfens und des Beteiligens vernachlässigt. Daher werden diese drei Aspekte im folgenden noch einmal kurz erläutert: Haben und Dürfen: Diese beiden Prinzipien beziehen sich eng auf das Sollen. Alle drei betonen die strukturelle Dimension der Führung (im Gegensatz zur interaktionellen Führung) mit den Komponenten Strategie (Ziele und Instrumente), Organisation (Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen) und Kultur (geteilte und erlebte Werte und Normen). Ma nager müssen diese Komponenten entsprechend ihrer spezi fischen Führungssituation interpretieren, modifizieren, kom munizieren und übersetzen, was letztlich zur Qualifikation, Identifikation und Motivation der Mitarbeiter (Können und Wollen) führt, um Business Exzellenz zu erreichen. Beteiligen: Es ist ein Teil der Managementqualität die erreich ten Geschäftsergebnisse – besonders die monetären – den Stakeholdern entsprechend ihrer Wertschöpfung zukommen zu lassen. Im Kontext des Personalmanagements betrifft dies
250
Geschäfts ergebnisse
Ergebnis verteilung Qualität/Preis Vergütung, Beschäftigungs sicherung Dividende, Shareholder Value Externe Effekte
Erreichen
Beteiligen
an erster Stelle Führungskräfte und übrige Mitarbeiter. Neben dieser monetären Beteiligung müssen auch nicht-mo netäre Formen der Erfolgsbeteiligung in der Ergebnisvertei lungsfunktion berücksichtigt werden. Dies beinhaltet fringe benefits, Beförderungen und andere Formen der Belohnung der Mitarbeiterleistung. 2.2 Komponenten Auch wenn die Komponenten des Europäischen Modells sorgfältig ausgewählt sind, so vernachlässigt das ►Assess ment doch wichtige umweltbezogene Einflussfaktoren. Hier sollten die Branchenstruktur, der Wettbewerb und die Mär kte zusätzlich berücksichtigt werden. Auch staatliche Rah menbedingungen sind einzubeziehen. Weiterhin sind inter ne Restriktionen wie Unternehmensstrategie und -politik zu berücksichtigen, die von der Unternehmenszentrale den einzelnen Geschäftseinheiten als „internes Umfeld“ auferlegt werden. Eine solche Analyse erweitert das Modell von seiner hauptsächlich ressourcenorientierten Perspektive (mit Aus nahme von ►Kundenzufriedenheit und Gesellschaftlicher Verantwortung/Image, die nur ca. 20% des Modells ausma chen) zu einer mehr marktorientierten Sichtweise. Die stra tegische Analyse im Sinne einer Produkt-Markt-Kombination kann damit dem Management zusätzlich Hinweise für Busi ness Exzellenz geben. Weiterhin sollte die Ergebnisseite des Modells durch Shareholderzufriedenheit und Lieferantenzu friedenheit ergänzt werden.
EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz …
EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz …
Abb. E04: Erweitertes und modifiziertes Managementmodell als Basis für das EFQM-Modell „2001“
Erweitertes und modifiziertes Managementmodell
Branche, Wettbewerb, Märkte, Regulationen, Arbeitsrecht, auch interne Vorgaben (Interne Umwelt)
Umwelt
Führung ◼strukturelle (Kultur, Strategie, Organisation) ◼interaktionelle (personale Einflussnahme)
Mitarbeiterorientierung
Politik & Strategie
Ressourcen
Befähiger
Prozesse (Prozessmanagement) Förderung der Kernkompetenzen, der Schlüsselqualifikationen: 1. Kreativität und Innovation; 2. Umsetzungsfähigkeiten; 3. Soziale Kompetenz
Qualität/ Preis
Mitarbeiterzufriedenheit
Kundenzufriedenheit
Geschäftsergebnisse
Gesellschaftliche Verantwortung/Image
Prozesse
Vergütung, Beschäftigungssicherheit Dividende, ShareholderValue Externe Effekte
Ergebnisse
Ergebnis verteilung
2.3 Erweiterung des Bezugsrahmens zu einem Business Exzellenz Modell Das EFQM-Modell kann in ein allgemeines Managementmo dell ausformuliert werden. Es basiert dabei auf der Umwelt (Potentiale), Befähigern (Input), Prozessen (Throughput), Ergebnissen (Output), und Beteiligung (Ergebnisverteilung). Die Ergebnisseite beinhaltet wie beim EFQM-Modell die Zu friedenheit der wichtigsten Stakeholder gemäß dem Stake holder-Ansatz. Nur die Komponenten der (externen und internen) Umwelt, wie die Komponente der Beteiligung an den Geschäftsergebnissen (gemäß dem Stakeholder-Ansatz) müssen ergänzt werden.
3 Vorschlag für ein EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz zur Business Exzellenz Der folgende Vorschlag wurde bereits von der neuen Zielset zung der EFQM beeinflusst, das bisherige Qualitätsmodell bis zum Jahre 2001 zu einem allgemeinen Modell für Business Exzellenz zu erweitern. Das von mir entwickelte allgemeine Konzept zur Unternehmens- und Mitarbeiterführung geht dabei von drei Hauptbereichen aus, die als systemisch inter agierend und damit rekursiv im Gegensatz zum bisherigen linearen Input-Output-Throughput-Konzept konzipiert sind (vgl. Abbildung E05 und E06):
In diesem Zusammenhang ist es m. E. wichtig, das Konzept der strukturellen Führung (Kultur, Strategie und Organi sation) zu betonen. Auch die ►Kernkompetenzen der Mit arbeiter (Kreativität und Innovation, Umsetzungsfähigkeiten und soziale Kompetenz) sind dabei unter Prozessen im Mo dell zu berücksichtigen (Abb. E04).
Abb. E05: Grundkonzept für das EFQM-Modell als alternativer Ansatz zur B. E. 2001
2.4 Implementierungsfragen Wie bereits erwähnt, mangelt es dem Modell an Vorschlä gen für die Implementierung. Gerade wegen der Wichtigkeit dieser Implementierungsfragen sollte ein allgemeines Imple mentierungskonzept erarbeitet werden, um so organisatio nales Lernen und den Entwicklungsprozess zur ►Business Exzellenz zu unterstützen. Für KMU oder einzelne Geschäfts einheiten von großen Konzernen wäre auch ein Schrittmodell für die Implementierung hilfreich.
Grundkonzept für das EFQM-Modell „2001“ als alternativer Ansatz zur Business Exzellenz
Business Excellence Management
Ressourcen und Ansprüche
Ergebnisse
Dabei werden die bisherigen Hauptbereiche des EFQM-Mo dells (Befähiger und Ergebnisse) um einen Bereich erweitert, nämlich um Ressourcen und Ansprüche. Dieser stellt die Be ziehung zur externen oder bei Konzerngesellschaften zur in
251
E
EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz …
EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz …
Abb. E06: Vorschlag für ein EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz zur Business Exzellenz 2001
Das EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz zur Business Exzellenz 2001
E
Ressourcen & Ansprüche
BusinessManagement
RessourcenManagement
Ressourcen ◼ natürliche ◼ personelle ◼ technische ◼ finanzwirtschaftliche ◼ informationelle
Politik & Strategie, Organisation & Kultur
Management der Human Ressourcen
Bedürfnisse der wichtigsten Stakeholder ◼ Kunden ◼ Lieferanten ◼ Mitarbeiter ◼ Kapitaleigner ◼ Gesellschaft Ressourcen & Ansprüche
Führung & Selbstmanagement
Management der natürlichen, finanzwirtschaftlichen, technischen und informationellen Ressourcen
Business Excellence Management
In einem zweiten konzeptionellen Schritt wurden die „Befä higer“ in drei Managementdimensionen neu gegliedert, aber inhaltlich nur begrenzt modifiziert. Im Bereich des „Busi ness-Managements“ sind nun die fehlenden Kriterien „Orga nisation“ und „Kultur“ eingebaut. Zweitens wurde neben der Führung das Selbstmanagement neu aufgenommen – denn wer alle Mitarbeiter mit einbeziehen will, der muss auch auf die selbstorganisierenden Initiativen der Mitarbeiter konzep tionell eingehen. Im Bereich der „Ergebnisse“ werden eben falls zwei Er gänzungen vorgeschlagen. Einmal wird dabei neben der Zu friedenheit auch die Loyalität im Sinne einer Stake
Zufriedenheit und Loyalität der Stakeholder
Geschäftsergebnisse und Verteilung der Ergebnisse
Geschäftsergebnisse
Einschließlich Lernprozesse
ternen Umwelt dar. Dabei geht es zum einen um die vorhan denen und die zugeteilten Ressourcen, zum anderen um die Bedürfnisse bzw. Ansprüche der zentralen Bezugsgruppen. Denn ohne die Bedingungen dieser zwei Komponenten wer den erfolgskritische und situationstypische Bedingungen für ein Managementmodell nicht miteinbezogen. Umfang, Qua lität und Kosten der Ressourcen bestimmen ganz wesentlich die Prioritäten und das „wie“ des Ressourcenmanagements. Und ohne eine genaue Analyse der jeweiligen Bezugsgrup penansprüche können keine fundierten Entscheide zur Un ternehmenspolitik und -strategie getroffen werden. Weiterhin ist nur nach Kenntnis der Soll-Werte eine später darauf ausge richtete Zufriedenheitsmessung im Ergebnisbereich möglich.
252
ProzessManagement
◼ Kunden ◼ Lieferanten ◼ Mitarbeiter ◼ Kapitaleigner ◼ Gesellschaft Beteiligung der Stakeholder an den Ergebnissen
Ergebnisse
holderbindung an die Organisation berücksichtigt. Weiterhin wurde auch Art und Umfang einer Beteiligung der Stakehol der an den Ergebnissen in die Ergebnisbewertung von Busi ness Exzellenz einbezogen. Denn ein wesentlicher Grund für die unzureichende Motivation qualifizierter Mitarbeiter zu (mit-)unternehmerischem Denken, Handeln und Verant worten liegt in der bislang noch ungenügend gelösten Betei ligungsfrage. Dies betrifft dabei sowohl die monetäre als auch die nicht-monetäre Anerkennung des Beitrages zum Unter nehmenserfolges. 4 Ausblick Inzwischen hat die EFQM neue EFQM Excellence Modelle für 2000 und in der Folge bis für 2013 abschließend vorgelegt (►EFQM-Modell 2013). Mit diesen neuen Versionen hat das EFQM-Modell keine radikalen Veränderungen erfahren: Sein Neun-Kriterien-Modell bildet nach wie vor die Grundstruk tur. Allerdings wurden im Bereich der diesen Kriterien unter geordneten Teilkriterien Zusammenhänge und Wechselbe ziehungen erläuternd eingeführt. Hinzugekommen sind dann noch im EFQM-Modell 2013 „Grundkonzepte“. Sie bilden in Zukunft das Fundament des Exzellenz-Ansatzes. Gewisser maßen kann man darin die Operationalisierung von Business Exzellenz erkennen. Diese „Grundkonzepte“ dienen der Er läuterung, stellen also keinen Ableitungszusammenhang zur Bewertung dar. Gewissermaßen illustrieren sie, was Exzellenz
EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz … zu sein hat [13]. Man gewinnt den Eindruck, dass das Modell eher „komplizierter gemacht wird“, um den Gedanken der Ex zellenz Rechnung zu tragen. Für den Anwender und gerade denjenigen, der sich um den Preis (►EEQ) bemüht, wird es nicht einfach sein den „Komplexitätssprüngen“ der EFQM zu folgen. Somit bleibt das hier vorgelegte „EFQM Modell als alternativer Ansatz zur Business Excellence 2001“ weiterhin als Zukunftsvision in der Diskussion. Prof. Dr. Rolf Wunderer, Universität St. Gallen Literatur
[1] Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management. 4., rev. Aufl., Frankfurt am Main 1996. [2] EFQM: Selbstbewertung. Brüssel 1996. Richtlinien. Brüssel. [3] Rühli, E.: Führungsmodelle. In: Kieser, A., Reber, G., Wunderer, R. (Hrsg.): Handwörterbuch der Führung. 2. Aufl., Stuttgart 1995, Sp. 760-772. [4] Seghezzi, H.-D.: Integriertes Qualitätsmanagement. MünchenWien 1996. [5] Wild, J.: Betriebswirtschaftliche Führungslehre und Führungs modelle. In: Wild, J. (Hrsg.): Unternehmensführung. Berlin 1974, S. 141-179. [6] Wunderer, R.: Qualitätsförderung und Personal-Management am Beispiel des Europäischen Modells. In: Personalwirtschaft, 22 (6) 1995a, S. 15-18. [7] Wunderer, R.: TQM fordert Personalmanagement. In: QZ, 40 (9) 1995b, S. 1040-1042. [8] Wunderer, R.: Führung und Zusammenarbeit – Grundlagen in nerorganisatorischer Beziehungsgestaltung. In: Zeitschrift für Perso nalforschung, 10 (4) 1996, S. 385-409. [9] Wunderer, R.: Führung und Zusammenarbeit. Beiträge zu einer unternehmerischen Führungslehre. 9. Aufl., Stuttgart 2011. [10] Wunderer, R., Gerig, V. & Hauser, R. (Hrsg.): Qualitätsorien tiertes Personalmanagement. Das Europäische Qualitätsmodell als unternehmerische Herausforderung. München-Wien 1997. [11] Wunderer, R.: Beurteilung des Modells der Europäischen Gesellschaft für Qualitätsmanagement (EFQM) und dessen Wei terentwicklung zu einem umfassenden Business Excellence-Modell. In: Boutellier, R. u. Masing, W. (Hrsg.): Qualitätsmanagement an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Festschrift für Hans Dieter Seg hezzi zum 65. Geburtstag. München-Wien 1998, S. 53-67. [12] Zink, K.: TQM als integratives Managementkonzept. Mün chen-Wien 1995. [13] Moll, A.: Die Grundkonzepte der Excellence. In: Moll, A. u. G. Kohler (Hrsg.): Excellence-Handbuch. Die Grundlagen und An wendung des EFQM Excellence Modells. 2. Aufl., Düsseldorf 2013, S. 37-45.
EFQM-Exzellenz-Modell 2013 EFQM-Exzellenz-Modell 2013
▶ en: EFQM excellence model 2013 ▶ EFQM-Modell – ein alternativer Ansatz zur Business Excellence 2001 ▶ EFQM-Modell 1989 ▶ EFQM ▶ Business Exzellenz ▶ 7S-Modell ▶ Erfolgsfaktoren ▶ Business Exzellenz durch TQM ▶ Nachhaltigkeit „Stets muss die Praxis auf guter Theorie beruhen.“ (Leonardo da Vinci)
1 Das EFQM-Modell – Zur Vorgeschichte Das ►EFQM-Modell (damals noch „The European model of total quality Management“) war die unmittelbare Antwort der Europäer auf das amerikanische Exzellenz-Programm (►MBNQA). Am 15. September 1988 gründeten 14 europä ische Unternehmen, zu denen die deutschen Firmen Bosch, Volkswagen, Gebr. Sulzer zählen, in Brüssel (Château Val Duchesse) eine Organisation, die European Foundation for Quality Management (►EFQM), deren Vision es war, dass beispielgebende europäische Organisationen als Maßstab für Exzellenz anerkannt und ausgezeichnet werden. Führungs kräften in Europa sollte ein gemeinsames Rahmenmodell angeboten werden, damit diese entsprechend dem ameri kanischen Vorbild eine musterhafte Vorgehensweise nutzen können, um Verbesserungspotentiale identifizieren und die Organisation entsprechend dem TQM-Verständnis kontinu ierlich ausgestalten zu können. Das Modell war als Wirkungs modell konfiguriert. Es wurde als Grundstruktur zur Bewer tung und Verbesserung von Organisationen eingeführt. Bis Januar 2003 sind ca. 800 Organisationen aus den meisten europäischen Ländern und den meisten Tätigkeitsbereichen Mitglied der EFQM geworden. Bei der EFQM handelt es sich also um eine Stiftung. Manchmal wird dargestellt, dass sie eine Unterorganisation der EU sei. Das ist aber nicht der Fall, wenn auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaft in ihrer „European quality promotion policy“ ausdrücklich das EFQM-Modell als „the European way towards excel lence“ würdigt, so bestehen hier keine „weisungsgebenden“ Strukturen. 2 Zum neuen Modell für das Jahr 2013 Das bisherige ►EFQM-Modell 1989 mit der Unterbezeich nung Modell für Business Ex cel lence wurde durch eine neue Version mit der vollständigen Bezeichnung EFQM Excellence Modell für das Jahr 2013 ersetzt. Dieses Modell unterscheidet sich äußerlich wenig vom Vorgängermodell. Wenn man sich mit den Details befasst, erkennt man jedoch, dass ein neues Modell entstanden ist. Es ist nach wie vor uni versell und nicht branchenspezifisch ausgeformt. Damit do kumentiert es seine Flexibilität. Die veränderte begriffliche Fassung des Modells ist jedoch mehr als ein Etikettenwandel. In den Texten der EFQM erscheinen Begriffe wie TQM oder Qualität überhaupt nich mehr. Insbesondere in den Kriterien
253
E
EFQM-Exzellenz-Modell 2013
Diese Konzentration auf den Exzellenzbegriff darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Modell unausgesprochen nach wie vor auf denselben Prinzipien beruht. Es geht um die Beschreibung und Bewertung zur ganzheitlichen Einfüh rung von Total Quality Management. Man erkennt das leicht, wenn die „alten“ mit den „neuen“ Erläuterungen verglichen werden: TQM/Qualität versus Exzellenz werden synonym verwendet! Hier hat es also in den Formulierungen einen begrifflichen Austauschprozess gegeben, der sich allerdings nicht mehr auf die Bennenung der Institution selbst, die EFQM auswirkt. Das Q in EFQM blieb gewissermassen als Relikt. In den Texten der EFQM findet man den Begriff Qua lität nicht mehr. Sichtbar wird dieser Austauschprozess auch daran, dass der vorher sogenannte European Quality Award (EQA) seit dem Jahr 2005 ►EFQM Excellence Award (EEA) genannt wird. Man wird den Eindruck nicht los, dass es die Intention der „Modellschaffenden“ war, die Popularität und nicht die begriffliche Schärfe des Modells zu erhöhen, denn Klarheit wurde nicht erzeugt, weil jeder mit den Begriffen des Qualitätsmanagements einigermaßen Vertraute sich zu mindest fragt, was denn nun Qualität im Kontext von EFQM bedeutet, denn verzichten kann man in der Praxis nicht auf den Qualitätsbegriff. Er sucht vergebens und bemüht sich um ein Verständnis bei den Kernbegriffen der ISO 9000, wo sich natürlich die Qualitätsdefinition findet. Unklar bleibt jedoch, ob sie für das EFQM-Modell gelten soll.
E
3 Das Verständnis von Exzellenz im EFQM-Modell Im aktuellen Systemansatz der EFQM zu ihrem Modell wer den drei Elemente genannt: ◼ Die acht Grundkonzepte der Exzellenz ◼ Das Exzellenz-Modell selbst mit neun Kriterien ◼ Der RADAR-Regelkreis zur Bewertung Zum Verständnis der acht Grundkonzepte Es fällt auf, dass die EFQM nicht nur von Exzellenz spricht, sondern eine Erweiterung mit ►Nachhaltigkeit anstrebt, ohne allerdings nachhaltige Excellence zu bestimmen [1]: Begriff
„Das EFQM Excellence Modell berücksichtigt dabei immer den übergreifenden Aspekt der nachhaltigen Excellence. Exellente Organisationen erzielen dauerhaft herausragende Leistungen, welche die Erwartungen aller ihrer Interessengruppen erfüllen oder übertref fen.“ Einen Hinweis, was unter Exzellenz zu verstehen ist (auch im deutschen Text wird der englische Ausdruck „excellence“ verwendet) zeigt die Formulierung „überragende Vorgehens weise beim Managen einer Organisation und Erzielen ihrer Ergebnisse auf der Basis von acht Grundkonzepten“. Die ak tuelle Aussage der EFQM verweist bei der Definition auf die eingeführten Grundkonzepte [1]:
254
„Die Grundkonzepte der Exzellenz definieren, was grundsätzlich erforderlich ist, um nachhaltige Exzellenz zu erreichen. Sie zeigen auf, welche Merkmale eine exzellente Organisation auszeichnen.“ Diese acht Grundkonzepte gilt es zu verstehen. Sie entstam men Diskussionen der EFQM mit Führungskräften. Näheres wird zum Entstehungskontext nicht mitgeteilt. Man kann sie als Dimensionen, als gemeinsamen Nenner einer bestimmten Gruppe von Führungskräften ansehen, die wohl denjenigen Organisationen entstammen, die Mitglied der EFQM sind. Die Auswahl der sich eingebrachten Führungskräfte ist wahr scheinlich willkürlich getroffen worden. Vermutlich waren es vor allem Manager, die das Buch von Peters & Waterman „In Search of Excellence“ kannten. Darin finden sich inte ressanterweise „acht Grundtugenden der Exzellenz“ (►7SModell). Ein Zufall? Wohl kaum! Einiges ist deckungsgleich. Tobias Peter stellt denn auch unumwunden fest, dass sich das Fundamental Concept of Excellence der EFQM an die acht Grundtugenden von Peters & Waterman anlehnt [3]. In Abbildung E07 sind die acht Grundkonzepte genannt. Keine dieser Dimensionen ist für sich zu sehen. Sie stehen Abb. E07: Die acht Grundkonzepte der Exzellenz beim EFQM-Modell 2013 Nutzen für Kunden schaffen Dauerhaft herausragende Ergebnisse erzielen
Die Zukunft nachhaltig gestalten
Durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich sein
Die Fähigkeiten der Organisation entwickeln
Veränderungen aktiv managen
Kreativität und Innovation fördern Mit Vision, Inspiration und Integrität führen
Basis der Grundkonzepte der Exzellenz bilden: European Convention on Human Rights (1953) European Social Charter (1996) UN Global Compact (2000)
im wechselseitigen Zusammenhang. In einem Dokument der DGQ werden sie als Erfolgskriterien (►Erfolgsfaktoren) exzellenter Organisationen gesehen. Zudem muss beachtet werden, dass die Grundkonzepte – wie in Abbildung E07 genannt – auf übergeordneten Annahmen (Menschenrech ten) basieren. Mit diesen Werten müssen sie im Einklang sein [1]. In jedem Fall scheint die EFQM den Grundkonzepten
Begriff
texten zum Modell oder in den Grundkonzepten, die sich ja auf das Operative beziehen, wird ausnahmslos von Exzellenz (excellence) gesprochen.
EFQM-Exzellenz-Modell 2013
EFQM-Exzellenz-Modell 2013 besondere Beachtung zuzu schreiben. Auffallend ist, dass sie in der deutschen Version nicht sorgfältig übersetzt wor den sind. So taucht der Begriff „nachhaltig“ in zwei Konzepten auf, wurde jedoch nur in einem Fall übersetzt. Der Begriff agi lity wurde sinnverkürzend um standslos mit „aktiv“ übersetzt. Dabei ist er inzwischen nicht nur eingedeutscht (►Agilität), sondern auch fachbegrifflich veortet (►Agiles Qualitätsma nagement).
EFQM-Exzellenz-Modell 2013 Abb. E08: Versionsvergleich Grundkonzepte der Exzellenz englisch versus deutsch The Fundamental Concepts of Excellence (Version 2013 – Englisch)
Die Grundkonzepte der Exzellenz (Version 2013 – Deutsch)
Sustaining outstandig results
Dauerhaft herausragende Ergebnisse erzielen
Adding values for customers
Nutzen für Kunden schaffen
Leading with vision, inspiration and integrity
Mit Vision, Inspiration und Integrität führen
Managing with agility
Veränderungen aktiv managen
Succeeding through the talent of people
Durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich sein
Harnessing creativity and innovation
Kreativität und Innovation fördern
Developing organisational capability
Die Fähigkeiten der Organisation entwickeln
Der sich um Verständnis be Creating a sustainable future mühende Leser sollte wegen dieser nachlässigen Überset zungen eher auf den englischen Originaltext zugreifen. Abbildung E08 zeigt die Gegenüber stellungen. Der vollständige englische Text findet sich in den Dokumenten der EFQM. Allgemein überrascht die Intrans parenz zentraler Begriffe bei der EFQM, wo sie doch selbst ein Ziel in klarer Kommunikation sieht [1]: „eine ihr eigene Sprache und Denkweise entwickeln, die im Innen- und Au ßenkontakt die Kommunikation erleichtern.“ Da die Grund konzepte ja auch nicht der Bewertung im Assessment zuge führt werden, sind sie möglicherweise als Angebot zu sehen [4]: „Sie werden den Organisationen zur Wahl angeboten.“ Daraus folgt, dass die Unternehmung selbst bestimmt, was sie unter „Exzellenz“ bzw. „nachhaltiger Exzellenz“ im eige nen Kontext verstehen will. Wenn diese Ausdeutung zutrifft kann natürlich auf eine Exzellenz-Defintion verzichtet wer den: Anything goes. Jede Organisation „exzilliert“ sich selbst.
Nachhaltig die Zukunft gestalten
Die Erweiterung der Kategorie Ressourcen um den Begriff Partnerschaft zu Partnerschaften und Ressourcen ist eine wesentliche Neuerung. Ergebnisse sind auf die Schlüssel leistungen Mitarbeiter, Kunden und Gesellschaft ausgerich tet. Die Kategorie Prozesse ist inhaltlich erweitert worden. Erkennbar sind hier Anleihen an das Modell der ISO 9001, indem auf materielle und immateriele (Dienstleistungen) Produkte fokussiert wird, die ja als Ausfluss von Wertschöp fungsprozessen zu verstehen sind. Wir haben es somit gewis sermaßen mit einem Modell in einem Modell zu tun, zu dem es unzählige Beispiele in der Literatur zum ►Prozessmanage ment gibt. In Abbildung E10 werden beispielhafte Handlungsfelder be nannt, die sich für den Modellanwender anbieten. Erst durch eine solche weitergehende Betrachtung, wie sie auch im ►Integrierten Qualitätsmanagement des St Galler Ansatzes aufgezeigt wird, bekommt der Begriff Ganzheitlichkeit sei ne wahre Ausprägung und zeigt, dass das Modell bis in das globale Umfeld einzubetten ist (►Globales Qualitätsmanage ment). Weitere Handlungsfelder finden sich systematisiert
4 Das EFQM-Exzellenz-Modell 2013 Wie Abbildung E09 zeigt ist das neue Modell – bis auf be griffliche Variationen und Erweiterungen – äußerlich gleich geblieben. Hinzugekommen sind die neuen Kategorien Ler nen, Kreativität und Innovation, die im Regelkreiszusammen hang mit Befähiger und Ergeb Abb. E09: EFQM-Exzellenz-Modell 2013 mit Punktebewertung in % nisse zu sehen sind, folglich den Kreis schließen. Lernen, Krea Befähiger (enablers): WIE? Ergebnisse (results): WAS? tivität und Innovation sind als MitarbeiterbezoFührung Mitarbeiterinnen Prozesse, SchlüsselSystembegriffe auf alle Katego gene Ergebnisse und Mitarbeiter Produkte und ergebnisse rien des Modells zu beziehen. 10% 10% Dienstleistungen Im gesamten Modellzyklus sind KundenbezogeStrategie damit innovative, kreative und 10% 10% 15% ne Ergebnisse Lern-Prozesse anzuwenden. 15% 10% Damit steht die Organisation als Ganze in einem ständigen GesellschaftsbezoPartnerschaften Innovations- und Lernprozess, gene Ergebnisse und Ressourcen 10% 10% der als kontinuierlicher Verbes se rungsprozess zu sehen ist. Lernen, Kreativität und Innovation EFQM-Exzellenz-Modell 2013 Hierauf bezieht sich aber direkt Quelle: EFQM (Hrsg.): EFQM Excellence Modell. Deutsche Fassung. Broschüre. Brüssel (EFQM) 2012 nicht die Punktebewertung.
255
E
EFQM-Exzellenz-Modell 2013
E
im Stichwort ►Business Ezel lenz durch TQM. Durchdachte strategische Überlegungen setzen also die Anwendung des Modells voraus. Das Modell ist wegen seiner inneren Verfloch tenheit für den anwendenden Praktiker sehr anspruchsvoll und kann nicht in einem Zug erfolgreich implementiert wer den. 5 Das Wie und Was im EFQM-Exzellenz-Modell Beim Blick auf das Modell in Abbildung E09 springen einem die sogenannten fünf Befähi ger- und die vier Ergebnis-Kri terien sofort ins Auge. Sie sind in Bezug aufeinander zu sehen, folgen allerdings unterschied lichen Fragestellungen
EFQM-Exzellenz-Modell 2013 Abb. E10: EFQM-Exzellenz-Modell 2013 mit beispielhaften Handlungsfeldern Wettbewerber
Markt Stakeholder
Einbezug von Lieferanten
Organisation Befähiger Führung
10%
Ergebnisse Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 10% Strategie
Prozesse, Produkte und Dienstleistungen
Mitarbeiterbezogene Ergebnisse 10%
10%
Kundenbezogene Ergebnisse 15%
Partnerschaften und Ressourcen 10%
Gesellschaftsbezo-gene Ergebnisse
10%
Implementierung
6 Bewerten mit RADAR Neu ist die Einführung des RADAR-Prinzips. Dadurch hat sich die Vorgehensweise geändert [1]: „Das Wort RADAR ist eine Akronym für die englischen Bezeichnungen Results, Ap proach, Deployment sowie Assessment und Review, woraus sich die einprägsame Abkürzung ergibt.“ Wenn man versucht im Deutschen den RADAR-Begriff beizubehalten, wären am ehesten die Bezeichnungen Resultate für results Annäherung für approach Durchführung für deployment Abschätzung für assessment und Review für review
Schlüsselergebnisse
15%
Lernen, Kreativität und Innovation
EFQM-Exzellenz-Modell 2013
Jedem der neun Kriterien sind Teilkriterien zugeordnet, ins gesamt 32. Bei Bewertungen, Assessments werden Stellung nahmen des Unternehmens gefordert. Desweiteren sind den Teilkriterien sog. Ansatzpunkte zugeordnet. Es handelt sich um beispielhafte Orientierungspunkte, die inhaltlich das je weilige Teilkriterium erläutern. Das neue Modell ermöglicht eine offene Anwendungsweise. Es lässt dem Unternehmen ausreichend Raum für Entfaltungsmöglichkeiten, damit es die Teilkriterien angemessen behandeln kann.
256
Mitarbeiterorientierung
Strategie
◼ Befähiger werden die Fä Unternehmenskultur higkeiten, das Potential der Organisation genannt. Sie geben Antwort auf die Frage WIE, zum Beispiel bei Stra tegie wie das Umfeld des Unternehmens analysiert wird. ◼ Ergebnisse zeigen die Leistung der Organisation. Sie wird v. a. in Kennzahlen (Leistungsfähigkeits-Indikatoren) gemessen, die Antworten auf die Frage WAS geben, zum Beispiel Kennzahlen zu Beschwerden, Mitarbeiterfluktu ation etc.
◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Kundenforderungen
Globales Umfeld
Prozessmanagement
Lernende Organisation Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
zu verwenden. Es wird sich zeigen welche Bezeichnungen sich durchsetzen werden. Gleichzeitig folgt die Bewertung einer internen ►PDCA-Logik (s. Abbildung E08 und E09). Diese Logik wird anhand des neuen Modells wie folgt erläu tert. Sie beinhaltet, dass „eine Organisation [1]: ◼ die Ergebnisse (Results - Resultate) festlegt, die sie mit Hilfe ihrer Politik und Strategie erreichen will. Diese Er gebnisse decken die Leistung der Organisation sowohl fi nanzielle als operativ ab und erfassen die Wahrnehmung der Interessengruppen; ◼ ein Netz von Vorgehensweisen (Approach - Annähe rung) plant und entwickelt, um die erforderlichen Ergeb nisse jetzt und in der Zukunft zu erreichen; ◼ Das Umsetzen (Deployment - Durchführung) der Vorge hensweise systematisch vornimmt, um eine volle Einfüh rung zu erreichen; ◼ eine Beurteilung und Review (Assessment and Review - Abschätzung und Review) der Vorgehensweise an schließt, basierend auf Beobachtung und Analyse der erzielten Resultate und aufgrund fortwährender Lernvor gänge. Hierauf basierend werden Verbesserungen identi fiziert, priorisiert, geplant und eingeführt.“ Auswirkungen Wie sollen sich Organisationen, die bisher Qualitätsmanage ment auf Basis eines QMS nach ISO 9001 eingeführt und sich über Jahrzehnte vielleicht auf diese Begrifflichkeiten ein gestellt haben, eine Neuorientierung in Richtung „Exzellenz“ mit dem EFQM-Modell ohne Tabula Rasa vorstellen? Wie lässt sich der Weg zur Exzellenz konkret beschreiten? Gibt
EFQM-Exzellenz-Modell 2013
[1] EFQM (Hrsg.): EFQM Excellence Modell. Brüssel (EFQM) 2012 [2] DGQ (Hsg.): Das EFQM Excellence Modell 2013. Experten wissen für DGQ-Mitglieder. Frankfurt am Main (DGQ) März 2013 [3] Peter, T.: Genealogie der Exzellenz. Weinheim (BeltzJuventa) 2015, S. 61 [4] Seghezzi, H. D., F. Fahrni und F. Herrmann: Integriertes Quali tätsmanagement. Der St. Galler Ansatz. 3. Auflage. München (Han ser) 2007, S. 275
EG-Baumusterprüfung ▶ Baumusterprüfung
EG-Maschinenrichtlinie
▶ Produktsicherheitsgesetz
EG-Umwelt-Audit-Verordnung
▶ Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Eichung
Die Eichung eines Messgerätes umfasst die nach den Eichvor schriften (z.B. Eichgesetz, Eichordnung) vorzunehmenden Eichprüfungen und Eichkennzeichnungen. Der Begriff ist nur in diesem Sinne anzuwenden und nicht, wie vielfach üblich, im Sinne von Kalibrierung oder Justierung. – In der Begriffs sprache des Qualitätsmanagements heisst Eichung in iden tischer Bedeutung: Qualitätsprüfung einer Messeinrichtung in bezug auf die Forderungen der Eichvorschrift und, bei Er füllung dieser Forderungen, deren entsprechende Kennzeich nung. Vorab ist evtl. eine Justierung erforderlich. Quelle: DGQ-Band 11-04--2009
Eigenschaften
▶ Qualität als Fachbegriff
▶en: involvement ▶ Grundsätze des Qualitätsmanagements Teilnahme an einer Tätigkeit, einem Ereignis oder einer Si tuation Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Einfacharbeit
▶ Empowerment Unter Einfacharbeit sind in kurzer Zeit erlernbare berufliche Tätigkeiten (u. a. Hilfs- und Anlernarbeiten oder geringst qualifizierte Routinearbeiten) zu verstehen, die keine spezi fischen fachlichen Forderungen an die Ausführenden stellen. Zum Begriff: Der Begriff ist in der sozialwissenschaftlichen Ar beitsforschung erst seit den 1990er Jahren verbreitet. Alter native Begriffe sind u. a. Repetitivarbeit oder Massenarbeit. In der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wird Arbeiten mit geringen Voraussetzungen der Begriff der „Jedermann stätigkeiten“ zugeschrieben. Schätzungen zufolge sind in Deutschland etwa 20 Prozent aller Tätigkeiten dem Typus der Einfacharbeit zuzuordnen. Während im Industriebereich unter Einfacharbeit Handarbeiten am Produkt, Montagetä tigkeiten, Maschinenbedienung u. a. gezählt werden, fallen im Dienstleistungsbereich Pflegearbeiten, Reinigungsarbeiten und auch Arbeiten im Bürobereich und in Callcentern als Einfacharbeiten an. Grundsätzlich gilt, dass Einfacharbeiten schnell erlernbar und hoch standardisierbar sind. Sie werden in allen Beschäftigungsbereichen erbracht. Aus organisatorischen Sicht: Bei Einfacharbeit ist das konkrete Arbeitshandeln tendenziell stark weisungsgebunden und vor strukturiert; ebenso unterliegen der Arbeitsprozess und das Arbeitsergebnis einer intensiven Kontrolle. Die funktionale Flexibilität ist bei Einfacharbeit gering. Allerdings können sich auch bei Einfacharbeit Spielräume und Komplexitätszu wächse (Ausweitung der Arbeitsumfänge, Jobrotation etc.) ergeben, ohne dass diese Zunahme zwangsläufig zu einem Facharbeiterniveau der Tätigkeit führt. Internationaler Bezug: Zwar liegen nur wenige europäische Vergleichsstudien vor, aber schätzungsweise ist der Anteil der Einfachbeschäftigten („low-skilled workers“) in der EU bei ca. 62% im Jahr 2005, wobei zu dieser Gruppe auch einfache Facharbeiter und Fachangestellte gezählt werden. Dieser Wert hat sich bis heute wenig verändert, auch wenn angenommen werden muss, dass Einfacharbeiten weiterhin in bestimmte Länder Asiens ausgelagert werden. Das Thema Einfacharbeit findet im Qualitätsmanagement eigentlich gar keine Beachtung. Der Mitarbeiter wird im Schrifttum eher „verherrlicht“ („empowered“). Seine Weiter entwicklung gehört zum Programm. Umsomehr gilt es, hie rauf aufmerksam zu machen, Forschungsbedarf anzumelden und die Frage nach dem ►Menschenbild zu stellen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
257
Begriff
Literatur
Einbeziehung (der Personen)
ISO-Term
es ein Ablaufkonzept, auf das man allgemein Bezug nehmen kann? Es scheint so, dass hier die Begrifflichkeiten nicht zu einanderpassen, kein Fit der Modelle hergestellt wurde. Aber vielleicht wird in der Praxis alles nicht so heiß gekocht, was theoretisch widersprüchlich erscheint. Und um die Praxis geht es ja schließlich. Andererseits gilt für viele der Lewin sche Satz (Kurt Lewin, 1890-1947) aber auch: „Nichts ist so brauchbar wie eine gute Theorie!“ Gerade für Praktiker sind Theorien enorm wichtig, denn sie helfen uns, die Komplexi tät der Realität in den Griff zu bekommen und die richtigen Ansatzpunkte für ein wirksames Handeln zu finden. Das Zu sammenbringen von ISO 9001 und EFQM-Exzellenz ist nur über eine gute Theorie möglich, eine Theorie, die die gegen wärtige trial-and-error-Situation verbessern kann. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Einfacharbeit
E
Ein-Faktor-Methode Literatur
[1] Abel, J. und P. Ittermann: Einfacharbeit. In: Hirsch-Kreinsen, H. und H. Minssen (Hrsg.): Lexikon der Arbeits- und Industriesoziolo gie. Berlin (edition sigma) 2013, S. 175-180
Ein-Faktor-Methode Versuche werden traditionell nach der Ein-Faktor-Methode durchgeführt. Bei der Suche nach den optimalen Einstel lungen („best settings“) für die Eingangsvariablen/Faktoren eines Prozesses, verändert man immer nur einen Faktor und misst dann die Veränderung auf die Ausangsvariable. Hierbei werden, im Gegensatz zum ►Design of Experiments (DoE) mögliche Wechselbeziehung der Eingangsvariablen untereinander nicht berücksichtigt.
E
Einführungsgespräch
DIN-Term
▶ Audit Einführungsgespräche findet zu Beginn von Audits (Eröff nung) statt. Inhalte sind v. a.: Vorstellung der Auditoren, Erläuterung der Ziesetzungen des Audits, Überblick über Methoden und Verfahren der Auditierung, Vereinbarung der zeitlichen Abfolge, Ressourcenklärung, Vertraulichkeit, Be richterstattung.
Eingangsprüfung
Die Eingangsprüfung eines Produktes ist eine Qualitätsprü fung zur Annahme eines Produkts, die der Kunde (Weiter verarbeiter, Händler oder Endverbraucher), der Auftraggeber oder eine beauftragte Stelle durchführt.
DIN-Term
Quelle: nach DIN 55350-17
Eingriffsgrenze
▶Qualitätsregelkarten Höchst- oder Mindeswert, der in eine Qualitätsregelkarte eingetragen ist. Wird dieser Wert durch einen Kennwert überoder unterschritten, mus eingegriffen werden. Quelle: nach DIN 55350-33
Einheit
▶en: entity; item; object ▶Objekt Schon die allgemeine wissenschaftstheoretische Definition spricht beim Begriff Einheit (Gegenbegriff: Vielheit) von „unterschiedenen Mannigfaltigkeiten in einem geschiedenen Ganzen“ [1], wobei grundsätzlich gilt: ◼ Einheit ist ein Begriff der Beobachtungssprache ◼ Einheit ist ein operabler Begriff ◼ Einheit ist unabdingbarer Teil (Element) des Qualitätsbegriffs. Die ►Qualitätswissenschaft hat denn auch die erkenntnistheoretische Position reflektiert: ◼ Einheit ist „das, was einzeln beschrieben und betrachtet werden kann.“ [2]. ◼ In DIN 55 350 12 : 85 wird Einheit definiert als materiel ler oder immaterieller Gegenstand der Betrachtung.
258
Einheit Zusammenfassend lässt sich Einheit für die Wissenschaft von der ►Qualität wie folgt bestimmen: Einheit ist das, was einzeln beschrieben und betrach tet werden kann und materieller oder immaterieller Gegenstand der Qualitätsbetrachtung ist. Damit ist ein Bezugspunkt für alles Weitere gefunden, insbe sondere die Frage, was denn unter ►Qualität zu verstehen ist. Im Angloamerikanischen wird manchmal der Begriff „item“ verwandt. Geiger [3] hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Begriff (wenn auch international eingeführt) zu kurz greift. „Entity“ ist der angemessene englischsprachige Äqui valenzbegriff, der sich inzwischen international durchgesetzt hat. In DIN 55 350 (Teil 11; 05.87) wird angemerkt: „Die Ab grenzung der Einheit hängt von der Aufgabenstellung ab. Eine Zusammenstellung von Einheiten kann wiederum eine Einheit sein, z. B. Kugel – Kugelkäfig – Kugellager. Entspre chend ergeben sich bei Unterteilung einer Einheit wiederum Einheiten, z. B. Gesamtfertigung – Prüflos – Stichprobe – Prüfstück.“ – Grundlegend wird festgestellt und auch für den Praktiker von einer der führenden Organisation im deutschen Qualitätsmanagement festgeschrieben: „Diese Zusammen stellbarkeit und Unterteilbarkeit von Einheiten ist von funda mentaler Bedeutung für alle Betrachtungen des Qualitätsma nagements.“ [4] Eine praktisch-systematische Beschreibung versucht Geiger [5], indem er ausführlich in Anlehnung an DIN ISO 8402 (zurückgezogene Norm) abschließend umfassend klarstellt: „Für das Qualitätsmanagement wird die Einheit kurz (über einstimmend) wie folgt erläutert: Gegenstand der Quali tätsbetrachtung kann das Ergebnis einer Tätigkeit (oder eines Prozesses) sein, diese Tätigkeit (oder der Prozess) selbst, aber auch ein System, eine Person oder eine Kombination aus sol chen Gegenständen. Ausführlicher beschrieben (...) [6]: ◼ Ergebnisse von Tätigkeiten oder von Pro zessen heißen ‘►Produkte’. Es sind nicht etwa nur materielle (tangible products). Immer wichtiger werden immaterielle Pro dukte (intangible products). Beispiele sind ein DV-Pro gramm, ein Konstruktionsentwurf, eine Dienstleistung wie das Reparaturergebnis einer Autowerkstatt (nicht etwa das Reparieren selbst). Viele Produkte sind auch Kombinationen aus materiellen und immateriellen Be standteilen. Man denke nur an eine Werkzeugmaschine oder an ein ferngelenktes Spielzeugauto einer höheren Anspruchsklasse. ◼ Die Tätigkeiten selbst als Einheiten sind wichtig für das Ergebnis dieser Tätigkeiten, nämlich für die Produkte. Tätigkeiten sind jedoch nicht immaterielle Produkte, sondern imaterielle Gegenstände der Betrachtung. ◼ Auch Personen und Systeme sind Einheiten, etwa der Qualitätsbeauftragte der obersten Leitung, ein Qualitäts managementsystem oder das Just-in-time-Liefersystem eines Unterlieferanten.
Einheit
Einstellungen
Abb. E11: Einheit als Begriff der Betrachtung
Einheit (entity)
materieller oder immaterieller oder kombinierter Gegenstand einer einzelnen Betrachtung
2
1 Tätigkeit (activity) menschliche maschinelle Prozess
(als zusammenwirkende Tätigkeiten)
kombinierte Tätigkeit z. B. an Automaten
Ergebnis von Tätigkeiten materielles Produkt immaterielles Produkt:
Dienstleistung bzw. Software z. B. finanzielles oder Messergebnis
kombiniertes Produkt z. B. Werkzeugmaschine
3
4
5
System
Person
Sonstige Einheit *
System von Managementelementen z. B. QM-System
System von Verfahren z. B. Just in time
System von elektronischen Komponenten z. B. Internet
Messwert Nutztier Einheit*) im Messwesen Getreidefeld z. B. Weizenfeld
Organisatorische Einheit
z. B. Qualitätswesen
Irgendeine Kombination daraus z. B. die Marketingabteilung einer Organisation Zusammenstellung und Unterteilung von Einheiten ergeben neue Einheiten
bzw. die Fehler zu zählen. Eine Einheit kann eine einzelne Sache, ein Paar, eine Menge, eine Länge, ein Flächeninhalt, ein Vorgang oder ein Volumen sein. Sie kann ein Teil eines Endpro duktes oder das Endprodukt selber sein. Die Einheit eines Produktes kann das gleiche sein wie die Einheit des Einkaufs, der Lieferung, der Fertigung oder des Versandes, oder sie kann sich davon unterscheiden. Neues Sprachverständnis Ohne erkennbare Not wurde der Begriff Ein heit in die neue Version von ISO 9000:201509 nicht aufgenommen. Stattdessen findet sich der Begriff Objekt (en: object). Objekt wird kurz definiert als
E
etwas Wahrnehmbares oder Vorstellbares Als Beispiele, was unter Objekten zu verstehen ist, wird noch folgendes angefügt: ►Produkt, ►Dienstleistung, ►Prozess, Person, ►Organisati on, ►System, Ressource. Mit der Systematik in Abbildung E11 sind diese Beispiele zwar kon gruent, es fehlt dem Begriff jedoch die Strin genz, wie sie bei der Entfaltung des Begriffs der Einheit gegeben war und in Abbildung E11 dargelegt wurde. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Mittelstraß, J.: Stichwort Einheit, in: Enzy klopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie 1, sich daran zu gewöhnen, dass die Einheit nach DIN 1301-1 ein Unterbegriff des hier gezeigten übergeordneten Mannheim u.a. 1980, S. 529 Grundbegriffs Einheit ist, der wie der Begriff Element im Qualitätsmanagement unentbehrlich ist. [2] DIN EN ISO 8402 : 1995 [3] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung - Sys Quelle: [3] tematik - Terminologie. 3. Aufl. Braun schweig◼ Jede beliebige Kombination aus den genannten Einheiten Wiesbaden: Vieweg 1998, S. 57 kann ebenfalls eine Einheit sein.“ [4] DGQ-Schrift-Nr. 11-04: Begriffe zum Qualitätsmanagement. 6. Aufl. Berlin 1996, S. 17 Die Abbildung E11 zeigt diese Systematik der möglichen [5] s. [3], S. 55 Gegenstände einer Qualitätsbetrachtung. Sie ist gerade des [6] DIN-Taschenbuch 223: Qualitätsmanagement und Statistik. Be halb von praktischer Relevanz, weil bei Diskussionen und griffe. Normen. 2. Aufl. Berlin 1997 Maßnahmen zum Qua litäts ma nagement oftmals Missver [7]Quelle: DIN ISO 2859; Teil 1; 04 : 93.Entnommen aus: Qua ständnisse allein deshalb entstehen, weil es zum Wechsel des litätsmanagement, Statistik, Zertifizierung. Begriffe aus DIN-Nor men. 2. Aufl. Berlin 1995 Bezugspunktes gekommen ist. Um bedeutsame Ursachen *) Nur eine gewisse Anfangsschwierigkeit bereitet es dem Physiker, dem Messtechniker und dem Messingenieur,
Der materielle oder immaterielle Gegenstand, der betrachtet wird, um ihn als fehlerhaft oder nicht fehlerhaft einzustufen
Einstellungen
▶en: attitudes ▶Wertewandel ▶Mindset Einstellungen bezeichnen bewertende Stellungnahmen ge genüber Personen, Institutionen oder sozialen Prozessen. Die Einstellung zeigt den Zustand einer gelernten und relativ dau erhaften Bereitschaft, in einer entsprechende Situation gegen über dem betreffenden Objekt regelmäßig mehr oder weniger stark positiv bzw. negativ zu reagieren.
259
Begriff
für Missverständnisse auszuschließen empfiehlt W. Geiger deshalb, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, über wel che Einheit speziell gesprochen wird. Anhand der Abbildung kann so der Qualitätsmanager Bezugs- und Ansatzpunkte der Betrachtung verorten und kommunizieren. Beispielhaft zeigt diese Problematik des Bezugspunktes einer Einheit (hier konkretisiert) der folgende Auszug aus der DIN ISO 2859, in der es um die Einheit des Produktes (en: unit of product) geht [7]:
EMAS Einstellungen haben drei Aspekte: ◼ kognitiv: Wissen über den Gegenstand ◼ motivational: Einstellungen gehen mit Zielen einher ◼ actional: Einstellungen sind verhaltensrelevant, auch wenn im einzelnen der Zusammenhang zwischen Ein stellung und Verhalten nicht einfach herzustellen und zu prognostizieren ist.
E
Einstellungen lassen sich operationalisieren. Mit der Erfor schung von Einstellungen befassen sich sozialwissenschaft liche Disziplinen. Im Qualitätsmanagement wird seit jüngster Zeit der Begriff ►Mindset bevorzugt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Einzelkosten
Einzelkosten werden in der Kostenrechnung direkt (deshalb auch direkte Kosten) dem Kostenträger (Produkt) zugerech net.
Element
▶QM-Element ▶Qualitätselement (QE)
eLearning
▶Qualitätswissen
EMAS
▶Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement ▶Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001 EMAS wurde von der EU entwickelt und ist die Kurzbezeich nung für Eco Management und Audit Scheme. Eine weitere Benennung ist EU-Öko-Audit oder kurz Öko-Audit. EMAS definiert Forderungen an Unternehmen, die sich auf freiwil liger Basis an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltma nagement und die Um weltbetriebsprüfung beteiligen. Es ist ein europaweit gültiges Verfahren mit dem Ziel der kontinuierlichen Verbesserung des be trieblichen Umwelt schuztes. Historisch geht EMAS auf die Ver ordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29. Juni 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement zurück. Mit der Umweltbetrieb sprüfung wurde von der EU erstmals ein Konzept erstellt, mit dessen Hilfe gewerblichen Unternehmen eine Hilfestellung
260
Empowered Teams zur Verbesserung ihrer Umweltleistungen gegeben werden sollte. Mit der neuen EG-Verordnung Nr. 1221/2009 vom 11. Januar 2010, kurz EMAS III genannt, trat eine neue Grund lage in Kraft, mit der die zuvor geltenden Regelungen zusam mengefasst und verändert wurden. Die bedeutendste Ände rung durch EMAS III betrifft Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen. Sie müssen ihre Umwelterklärung nur alle zwei Jahre (statt jährlich) aktualisieren und nur alle vier (statt drei) Jahre durch einen Gutachter validieren las sen. Außerdem konkretisiert die EMAS-III-Verordnung die Forderungen an den Inhalt der Umwelterklärung, erweitert den Anwendungsbereich der Verordnung auf Unternehmen außerhalb der EU und verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die Verbreitung von EMAS zu unterstützen. – In Deutschland werden wesentliche Teile der EMAS-Verordnung durch das Umweltauditgesetz (UAG) umgesetzt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy URL http://ec.europa.eu/environment/emas
Emissionen
Bei Emissionen handelt es sich um die von (Produktions-) Anlagen oder von Produkten an die Umwelt abgegebenen Luftverunreinigungen wie Gase und Stäube, Geräusche, Wär me und Strahlen. Hiervon sind Immissionen abzugrenzen, bei denen es sich um die Einwirkung von Luftverunreinigungen etc. auf Menschen, Tiere, Pflanzen und Sachgüter handelt.
Emotionen im Qualitätsgeschehen ▶Qualität als Beziehungsereignis
Empathie
▶Kundenorientierung Die Fähigkeit, sich in die Person eines Interaktionspartners hineinzuversetzen, auf ihn einzugehen, z. B. in der Lage zu sein, die Denk- und Verhaltsweisen des Partners zu verstehen, seine Absichten zu erkennen, um diese akzeptieren, korri gieren oder ablehnen zu können. Mit dieser Fähigkeit kann antizipiert werden, wie das eigene Verhalten auf den Interak tionspartner wirkt und welche Konsequenzen sich daraus für die gesamte Interaktionssituation ergeben.
Empowered Teams
▶Empowerment Multidisziplinäre, mit Entscheidungsbefugnis ausgestattete Teams, die funktions- bzw. abteilungsübergreifend für Pro zesse oder Abläufe verantwortlich sind.
Empowerment (Pople) Empowerment
▶de:Bevollmächtigung ▶Mitarbeiterorientierung ▶Menschenbild
Begriff
Empowerment ist jener Prozess, in dem den Mitarbeitern mehr Handlungsspielraum (Power = Macht) gegeben wird, um ihre Tä tig keit selbst zu bestimmen und die Ver ant wortung dafür zu übernehmen. Das Führungskonzept Empo werment beruht auf der Tatsache, dass diejenigen Personen, die direkt mit dem (Kunden-)Problem konfrontiert sind, die ses Problem auch am besten kennen und demzufolge auch die möglichen Lösungen am besten beurteilen können. Damit sie das Problem auch unmittelbar lösen können, erhalten sie ei nen Rahmen, in dem sie ihre Entscheidungen fällen können. Empowermanagement soll hier wie folgt definiert werden: Empowerment ist die Übertragung von Kompetenzen und Aufgaben, die früher den Führungskräften vor behalten waren, an Mitarbeiter im Kundenkontakt. Empowerment ermöglicht nicht nur die Steigerung der Mit arbeiterzufriedenheit, sondern auch der Kundenzufriedenheit und erhöht zugleich die Kun denbindung. Ein solches Empowerment der Mitarbeiter setzt folgendes voraus: ◼ eine Vertrauenskultur des Unternehmens (Freedom to Fail) ◼ die aktive Unterstützung und die Bereitschaft zur Delega tion von Verantwortung auf allen Hierarchieebenen, ◼ eine entsprechende Qualifizierung und ◼ ein angemessenes Informations- und Kom munikationssystem. Diese Voraussetzungen sind unabdingbar mit folgendem Vorgehen verknüpft: Empowerment wirkt, wenn strukturell auf einer höheren Ebene Macht abgegeben wird. Die so frei gesetzte Macht wird nach unten bzw. nach außen verlagert (Subsidarität). Die Entwicklung von Empowerment ist ein langwieriger Pro zess, der stufenweise erfolgen muss und an der Organisations spitze beginnt [1]: „Wenn Empowerment nicht an der Spitze beginnt, führt es zu gar nichts.“ Von Blanchard et al. stammen die Strategien des Empowerment, wie sie die Abbildung E12 zeigt. Die folgenden Gründe sind maßgebend für die Einführung von Empowerment: ◼ die Entscheidungsfindungsprozesse werden beschleunigt und die Reaktionszeiten werden verkürzt; ◼ die kreativen und innovativen Reserven der Mitarbeiter werden freigesetzt; ◼ für größere Arbeitszufriedenheit, mehr Motivation und stärkeres Engagement wird gesorgt; ◼ den Mitarbeitern wird mehr Verantwortung gegeben;
Empowerment ◼ den Mitarbeitern wird ein ausgeprägteres Gefühl gege ben, mit ihrer Arbeit etwas zu bewegen; ◼ die Betriebskosten werden gesenkt, indem überflüssige Managementebenen, Stabsfunktionen, Qualitäts kontrollen und Überprüfungen eliminiert werden. Bowen und Lawler, die amerikanischen Pro tagonisten des Konzepts, resümieren zur Kompatibilität mit anderen Mangementkonzepten. Sie vertreten die Ansicht, dass Em powerment ein wichtiger Bestandteil al ler Konzepte sei, also auch des Qualitätsmanagements. Allerdings weisen sie auf folgendes hin [1]: „Jedes Konzept, das auf eine Erweite rung von Handlungsspielräumen der Mitarbeiter zielt, muss sich mit den vier Bereichen Macht, Information, Wissen und Anreiz beschäftigen. Der Ausgangspunkt kann dabei jedoch ganz individuell in einer Veränderung eines der Bereiche, aller Bereiche oder der Veränderung einer Kombination einzelner Bereiche liegen. Das Konzept des Reengineering zum Bei spiel betont die Notwendigkeit, Strukturen und Arbeitsab läufe und damit auch die Bereiche ‘Macht’ und ‘Information’ zu verändern. Es beschäftigt sich dagegen kaum mit Fragen des Anreizes.“ Von Bowen und Lawler wurde dies in eine elegante Formel gekleidet, die Empowerment-Gestaltungs-Formel: Empowerment = Macht x Information x Wissen x Anreiz Bei der Abstraktion dieses Konzepts ist so betrachtet aller dings zu beachten, dass kein Faktor den Wert NULL anneh men darf. Sollte dies der Fall sein, findet kein Empowerment statt. Fazit Obwohl die vorteilhaften Momente von Empowerment (Ab bau von Hierarchie, wenig Bürokratie und Leistungsoptimie rung und motivationale Effekte bei den Mitarbeitern) klar ins Auge springen, muss beachtet werden, dass Empowerment nur begrenzt das Thema ►Humanisierung der Arbeit tan giert. Wenn aber der Wortteil Power in Empowerment Kraft bedeutet und bemächtigen dann heisst Kraft verleihen, dann trifft dies die auf Motivierung gerichtete Bedeutung des Be griffs [4]. Empowerment ist dann gewissermaßen eine „En ergiezufuhr“, und im Zentrum stehen Selbstverantwortung und Eigeninitiative. Auf diese Ausdeutung scheint sich – ganz im normativen Sinne des Konzepts, das es ja ist – auch die genormte Basis der 2015 herausgegebenen ISO 9000-Kern begriffe zu beziehen, wenn ganz zaghaft dort die Begriffe ►Einbeziehung (von Personen) im Sinne des englischen Involvement und ►Engagement genormt wurden. Ob hier der ISO-Gruppe das Empowerment-Konzept vorschwebte, sei dahingestellt. Jedenfalls wundert es schon, dass im Verhältnis zu anderen Begriffen gerade ►Einbeziehung und Engage ment normungswürdige termini technici geworden sind. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
261
E
End-of-life-Management
End-of-life-Management
Abb. E12: Strategien des Empowerments
Strategien des Empowerments
E
Jeder muss Zugang zu allen Informationen haben
Schaffen Sie Autonomie durch Abgrenzung
Ersetzen Sie die alte Hierarchie durch selbstgesteuerte Teams
◼ Stellen Sie Informationen über die Gesamtleistung des Unterneh mens zur Verfügung; helfen Sie anderen dabei, die Ziele und Pro bleme des Unternehmens zu ver stehen. ◼ Schaffen Sie Vertrauen, indem Sie andere einbeziehen ◼ Stellen Sie Möglichkeiten zur Ver fügung, das eigene Tun kritisch zu überprüfen ◼ Betrachten Sie Fehler als Gelegen heit dazuzulernen ◼ Schaffen Sie hierarchisches Den ken ab; helfen Sie den Mitarbei tern dabei, eine Besitzermentalität zu entwickeln
◼ Verdeutlichen Sie das Gesamtbild und die Einzelbilder ◼ Erklären Sie Ziele und Rollen. ◼ Definieren Sie Wertvorstellungen und Regeln, auf denen die Hand lungen basieren. ◼ Schaffen Sie Regeln und Verfah ren, die das Empowerment unter stützen. ◼ Bieten Sie die notwendigen Trai ningskurse an. ◼ Machen Sie die Menschen für die Ergebnisse verantwortlich
◼ Geben Sie Anleitung, und bieten Sie Trainingskurse für empowerte Teams an. ◼ Unterstützen und ermutigen Sie Veränderungen ◼ Betrachten Sie Verschiedenartig keit als Vorteil ◼ Übergeben Sie allmählich dem Team mehr Macht ◼ Vergessen Sie nicht, dass es schwie rige Zeiten geben wird.
Quelle: [1], S. 110, veränderte Darstellung.
Literatur
[1] Blanchard, K.; Carlos, J. P.; Randolph, A.: Management durch Empowerment. Das neue Führungskonzept: Mitarbeiter bringen mehr, wenn sie mehr dürfen. Reinbek: Rowohlt 1999, S. 26 [2] Bowen, D.E.; Lawler III, E.E.: Empowerment im Dienstlei stungsbereich. In: Meyer, E. Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmar keting. Band I, Schäffer-Poeschel: Stuttgart 1998, S. 1043-1044 [3] Clutterbeck, D. und S. Kernaghan: Empowerment. So entfesseln Sie die Talente Ihrer Mitarbeiter. Landsberg (mi) 1997 [2] Bröckling, U.: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2007
EN
Abkürzung für Europäische Norm. Normen mit der Bezeich nung EN werden vom Comité Européen de Normalisation (►CEN) herausgegeben.
Endhersteller
Der Endhersteller steht am Ende des ►Wertschöpfungsprozesses, dessen Beginn der Rohstoff ist und von Unterlie feranten in Bauteile und Teilprodukte verarbeitet wird. Der Endhersteller nimmt hierbei die letzte Stufe ein, wie bei spielsweise den Endmontageprozess, und hat die Aufgabe, dem Markt das Produkt zur Verfügung zu stellen.
End-of-life-Management ▶EOL-Management
End-of-life (EOL) steht für das Lebensende von Produkten. Im Computerbereich ist es üblich, dass Hersteller das Datum angeben, zu dem Computer bzw. Elemente von Computern
262
(etwa Grafikkarten) nicht mehr unterstützt werden. Herstel lerseitig werden sie als EOL bezeichnet. Äquivalent gilt das natürlich auch für Software, z. B. bei Betriebssystemen, hat aber wegen seiner Immaterialität nicht die Brisanz wie Hard ware. Der hier interessierende Aspekt von EOL betrifft den Hard warebereich, der weit über den Computerbereich hinausgeht. Ein EOL-Management betrachtet Produkte im gesamten Lebenszyklus, den End-of-Life-Phasen bis zum Recycling, der Demontage, Rücksendung und Entsorgung. Betrachtet man den Lebenszyklus eines Produktes auf diese Weise, so ergeben sich die Forderung an ein Produkt aus der Summe der Einelforderungen der einzelnen Lebenszyklusphasen. Es formulieren sich die Forderungen somit zunehmend aus der Gesamtbetrachtung der Produkte bis hin zu ihrem Lebensen de. Die folgenden Phasen für ein Produkt müssen im EOLManagement unterschieden werden: ◼ Produktion ◼ Nutzung ◼ Entsorgung (Recycling, Produktrecycling, Materialrecy cling, Beseitigung) Es liegt auf der Hand, dass gerade unter dem Gesichtspunkt der ►Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
DIN-Term
Endprüfung
Energiemanagement (EM)
Endprüfung
und Berichterstattung der Treibhausgase ist geregelt durch die DIN ISO 14064 bis 14069 (►Carbon Management, Koh lenstoff engl. „carbon“). Energie- und Carbon Management sind Teil des ►Umweltmanagement, das wieder als ökolo gische Säule der ►Nachhaltigkeit zuzuordnen ist, wie es die Abb. E13 zeigt. Die Rechentechniken, um Energieflüsse und CO2-Emmissionen zu ermitteln, sind in ►Carbon Manage ment erläutert.
▶en: final inspection Letzte der ►Qualitätsprüfungen vor Übergabe der Einheit an den Abnehmer (Kunde oder Auftraggeber).
Anmerkung: Abnehmer ist im allgemeinen der im Geschäftsverkehr belieferte Vertragspartner. Im unternehmensinternen Lieferverkehr gilt Entsprechendes. Normquelle: DIN 55350-17:1987-07 ⟪Originalbegriff⟫
Energiemanagement (EM)
Begriff
▶ energy management ▶ ISO 50001 ▶ SpaEf V ▶ Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ▶ Carbon Management „Energiemanagement (EM) ist die vorausschauende, orga nisierte und systematisierte Koordination von Beschaffung, Wandlung, Verteilung und Nutzung von Energie zur Deckung der Anforderungen unter Berücksichtigung ökologischer und ökonomischer Zielsetzungen“ [1]. Energiemanagement ist Teil von ►Integrierten Managementsystemen. Wie im ►Qua litätsmanagement lassen sich Energiemanagement-Systeme gemäß der ►DIN EN ISO 50001 auf freiwilliger Basis extern auditieren und zertifizieren. Durch Energieverbrauch entstehen ►Emissionen des LeitTreibhausgases Kohlendioxid (CO2). Auch die Bilanzierung
Energiemanagement entwickelt sich von einem eher tech nischen Verständnis (z. B. Management von Stromnetzen) zu einem interdisziplinären, funktionsübergreifenden Auf gabengebiet. Technik, BWL, Recht usw. müssen zusammen spielen. Die ►ISO 50001 betont die organisatorische, be triebswirtschaftliche Seite. Sie gewinnt an Bedeutung, um die Herausforderungen durch steigende Energiepreise, zuneh mende Regulierung, technischen Fortschritt sowie Wahrneh mung unternehmerischer Verantwortung zu bewältigen. Die Abbildung E14 zeigt energiebezogene Aufgaben der betrieb lichen Kernfunktionen Beschaffung, Produktion und Absatz mit ausgewählten unterstützenden Funktionen. Es gibt große Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz, die mit Maß nahmen gemäß Abb. E15 auszuschöpfen sind. Unternehmen, andere Organisationen und sogar Privathaus halte werden zunehmend zu ►Prosumern, da das Erneu erbare-Energien-Gesetz (EEG) die vergütete Einspeisung von Strom zum Beispiel durch Photovoltaikanlagen erlaubt.
Abb. E13: Überblick über nachhaltigkeitsorientierte Bilanzen
Nachhaltigkeitsbilanzen zur Erfassung ökonomischer, ökologischer und sozialer Wirkungen einer Organisation Profit, Planet, People – PPP Globaler Ansatz: Die von der UN getragene „Global Reporting Initiative“ (GRI) mit ihrem Kriterienkatalog
Ökonomische Dimension
Ökologische Dimension
Soziale Dimension
Umweltbilanzen
Kaufmännische Bilanzen nach deutschem Handelsrecht, International Financial Reporting Standards (IFRS), Generally Accepted Accounting Principles (GAAP) usw.
Energiebilanzen
Treibhausgasbilanzen (einschließlich Kohlendioxid)
Bilanzierung/ Berichterstattung über Aspekte wie Gleichstellung, Spenden, Vereinbarkeit von Beruf und Familie usw.
263
E
Energiemanagement (EM)
Energiemanagement (EM)
Abb. E14: Betriebliche Funktionen mit ausgewählten energiebezogenen Aufgaben Unternehmensethik, Corporate Social Responsibility (CSR) und Unternehmenskultur
E
Strategische Planung: Normstrategien und Nachhaltigkeit, Technologiebewertung
Logistik: Fuhrparkmanagement, e-mobility Facility Management: Passivhäuser/ Green Building, „Good housekeeping“ bei Klimatechnik, Druckluft, usw.
Controlling und Rechnungswesen: Energiebezogene Kennzahlensysteme und Kostenrechnung
Beschaffung Energiebeschaffung mit Portfoliomanagement
Energetische Bewertung anderer Beschaffungsgüter
Produktion Energiebezogene Betriebsmittelzuordnung
Lastmanagement, Demand Side Management
Absatz Marketing mit ökologischen Produkteigenschaften über Apps
Durch den höheren Anteil von Wind- und Sonnenenergie schwanken die Börsenkurse für Strom stärker. Energiever sorger geben diese Schwankungen (Volatilität) zunehmend an den Energieeinkauf weiter. Unternehmen müssen sich deshalb darauf einstellen, im Rahmen eines Lastmanage ments (Demand Side Management) den Energieverbrauch Abb. E15: Ausgewählte Maßnahmen zur Effizienz steigerung und Kostensenkung
Ein-Liter-Auto mit Verbrennungsmotor
Elektromobilität mit dem Verbrauch von umgerechnet 1,5 Litern Benzin auf 100 Km
264
Green buildings: Plus-EnergieHäuser mit positiver Energiebilanz
Ausgewählte Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung
Light Emitting Diode (LED) mit 20 Prozent des Stromverbrauchs einer Glühbirne
Green IT als „Enabler“: Smart Metering, Business Intelligence (BI), In-Memory Database (IMDB) zur Energiedatenerfassung und -verarbeitung
Elektrische Antriebe mit 40 Prozent Einsparung gegennüber alten Geräten
StrahlungsHallenheizung mit mehr als 100 Prozent Wirkungsgrad durch Solarunterstützung
Energiesparende Vertriebslogistik
Green IT: Energiesparende Hard- und Software, Cloud- und Mobile-Computing Investition: Total Costs of Ownership (TCO), Life-Cycle Cost (LCC), optimaler Ersatzzeitpunkt Instandhaltung als Voraussetzung energie-effizienten Betriebs
zu senken, wenn Strom teuer ist, und die Last hochzufahren, wenn die Preise niedrig sind. So leisten sie als Knoten in intel ligenten Stromnetzen (Smart Grids) einen Beitrag zur Netz stabilität und können gleichzeitig Kosten senken. Unternehmen werden nicht nur zunehmend in technischen Netzen eingebunden, sondern auch in energiebezogene Unternehmensnetzwerke (Abb. E16). Im Zentrum steht das betrachtete Unternehmen als Teil eines Wertnetzes mit Stoffkreisläufen, die im Idealfall durch Recycling geschlossen sind (closed loops). Dieses Denken in Netzen soll das Denken in Ketten (Supply Chains) ablösen. Energie lässt sich nicht vollständig recyclen, die Energieverlust eines Systems lassen sich jedoch mittels regenerativer Quellen wieder ausgleichen: ◼ Im oberen Teil der Abbildung E16 sind dazu Akteure von Smart Grids beispielhaft genannt. Als Institution zwischen Energieversorgern und -verbrauchern haben sich Energiebörsen etabliert. Anbieter sind nicht nur die etablierten EVUs, sondern auch Energie-Erzeugergenos senschaften, Unternehmen als Prosumer, direktvermark tende Projektentwickler oder reine Finanzunternehmen wie Banken. Der Einkauf an Börsen ist teuer und kompli ziert, deshalb haben sich Einkaufsdienstleister und Ein kaufsgenossenschaften gebildet. Netzbetreiber arbeiten mit Börsen zusammen, um die Versorgung sicherzustel len. ◼ Unternehmen sind Teil von Smart Cities, der intelligente Umgang mit Energie dient der Lebensqualität von Städ ten. Dazu gehören primär technische Maßnahmen wie Nahwärmenetze, aber auch sozial-verhaltensorientierte
Energiemanagement (EM)
Enterprise Architecture
Verbesserungen durch Car Sha Abb. E16: Neue Netzwerke durch Energie ring, Home Office und Car Poo ling (Fahrgemeinschaften beim Projektentwickler Pendeln, „Commuting“). ErzeugerKompensation IT genossenschaften ◼ Konzerne lagern energierele von CO2 Börse vante Dienstleistungen oft in Berater, Verbände, Einkaufsdienstleister Netzbetreiber eigene Töchter (Servicegesell Smart Grid Energieagenturen, EinkaufsEVUs schaften) oder Fremdfirmen aus: Kammern genossenschaften Logistik, Facility Management, Banken Instandhaltung sind die wich Contracter tigsten Bereiche. Durch diese Bündelung sinken Kosten. Es Wertnetz Unternehmen Supply Chain Closed Loop besteht jedoch das Risiko, dass Kosten und mögliche Kosten senkungen nicht verursachungs Commuter Nachbarn gerecht über (internationale) Industriegebiet Smart City Unternehmensgrenzen hinweg zugerechnet werden. Profitable Gebietskörperschaft Vernetzung im Konzern Investitionen lassen sich dann nicht mehr erkennen und reali sieren. Ein betriebswirtschaftlich-organisatorisch geprägtes Ener giemanagement, wie es hier im Mittelpunkt steht, erfordert gemäß Abb. E17 umfrangreiches Hintergrundwissen. Die Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn externe Ko sten des Klimawandels internalisiert werden. Der Einsatz von Technologien zur Nutzung regenerativer Energien und zur Energieeffizienz ist deshalb – wann immer profitabel – gebo ten. Dies ist eine Forderung der Unternehmensethik, auch wenn es nicht zwingend rechtlich vorgegeben ist. Die Kom munikation des Energiemanagements nach innen schafft Motivation und Akzeptanz, die Kommunikation nach außen verbessert Image, Umsatz und Firmenwert. Um diese komplexen Herausforderungen zu bewältigen, wird die Kernnorm ►ISO 50001 zu einer Reihe ergänzt. Prof. Dr. Johannes Kals Ludwigshafen am Rhein
Abb. E17: Wichtige Voraussetzungen und Rahmenbe dingungen des Energiemanagements VWL: Internalisierung externer Kosten Psychologie und Anreiz
Technologie zur Nutzung regenerativer Energien
Energiemanagement
Naturwissenschaft und Klimawandel
Unternehmensethik
Literatur
ISO-Term
[1] VDI (Hrsg.): VDI-Richtlinie 4602. Düsseldorf 2007. [2] Kals, Johannes: Energiemanagement – Eine Einführung, Stutt gart 2010. [3] Posch, Wolfgang: Ganzheitliches Energiemanagement für In dustriebetriebe, Wiesbaden 2011. [4] Wosnitza, Franz; Hilgers, Hans Gerd: Energieeffizienz und Ener giemanagement, Wiesbaden 2012.
Engagement
▶en: engagement ►Einbeziehung in und Mitwirkung an Tätigkeiten, um ge meinsame ►Ziele zu erreichen Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Energierecht
Enterprise Architecture
▶de: Unternehmensarchitektur Aus der Sicht der Informationstechnologie (IT) beschreibt die Enterprise Architecture das Zusammenspiel von Ele menten der Informationstechnologie und der geschäftlichen Tätigkeit im Unternehmen. Ein Beispiel für ein solches Be schreibungsmodell ist das EPA-Modell (Enterprise Process Architecture). Es ist ein Referenzmodell für prozessorien tierte, dienstbasierte Unternehmensarchitekturen. Mit die sem Modell werden unterschiedliche Integrationsansätze analysiert und in ein ganzheitliches Modell überführt. Als Ur
265
E
Entflechtungsprinzip
Entflechtungsprinzip
sprung der Unternehmensarchitekturen und Vorbild für viele Unternehmensarchitekturen gilt das Zachman Framework von John Zachman. Zachmans Arbeiten werden heute v. a. durch Militär und Regierung der Vereinigten Staaten weiter entwickelt. Im ISO-Standard ISO/IEC/IEEE 42010 werden allgemeine Forderungen an die Unternehmensarchitektur definiert.
Enterprise Mobility Management Entfernter Standort
▶en:distant location Standort, an dem selbst keine Produktionsprozesse stattfin den, der aber Produktionsstandorte unterstützt. Quelle: nach ISO/TS 16949:2009
Entflechtungsprinzip Durch Walter Geiger [1] 1984 anlässlich des Ringens um eine knappe Qualitätsdefinition [2] herausgestelltes, allge mein gültiges terminologisches Prinzip. Es besagt, dass es im allgemeinen unmöglich ist, einen für ein Fachgebiet zentral wichtigen Begriff zu definieren, ohne in der Definition die Benennungen anderweitig sauber definierter Begriffe zu ver wenden. Das Entflechtungsprinzip schließt das Prinzip des Querverweises auf die Fundstelle der Definition des nur mit seiner Benennung in einer Definition verwendeten Begriffs ein.
Vor allem wichtig ist das Entflechtungsprinzip für Inhaltsdefi nitionen, insbesondere aber bei solchen, die sich nicht ohne weiteres in eine Begriffshierarchie einordnen lassen (►Be griffsdiagramme). So hat die Qualitätsdefinition gemäß der Abbildung E18 zu keiner der drei in ihr benutzten Begriffe eine hierarchische Beziehung, jedenfalls dann nicht, wenn man davon absieht, dass der Qualitätsbegriff ebenfalls eine Einheit darstellt. Das Entflechtungsprinzip lässt auch die Schwierigkeiten er kennen, die infolge der Eigenheiten anderer Sprachen immer wieder durch die Übertragung von Definitionen in diese oder durch Übersetzungen aus anderen Sprachen ins Deutsche entstehen. So existiert beispielsweise für die deutschen Be griffe ►Beschaffenheit und ►Zuständigkeit im Angloameri kanischen keine auch nur einigermaßen eindeutige Benen nung. Daraus können große praktische Schwierigkeiten entstehen. Umgekehrt kann es sein, dass sich hinter dem einer angloamerikanischen Definition benutzten Wort ein Begriff verbirgt, für den es im Deutschen keine auch nur einigerma ßen eindeutige Benennung gibt. In der Terminologielehre [3] wird dieses wichtige termi nologische Prinzip mit seinem Zwang zum Querverweis andeutungsweise durch die Anmerkung gestreift „Sofern in Definitionen Begriffe und ihre Benennungen nicht allgemein bekannt sind, müssen sie an gleicher oder an anderer, genau bezeichneter Stelle definiert sein.“. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Das Entflechtungsprinzip sollte dem Anwender von Fach sprachen bekannt sein. Das Verständnis der Definition eines wichtigen, meist nach diesem Prinzip „entflochtenen“ Fach begriffs ohne Kenntnis der Bedeutung der nur mit ihren Benennungen in dieser Definition verwendeten Begriffe ist nur eingeschränkt möglich. Ein im Abb. E18: Das Entflechtungsprinzip zur Terminologiearbeit nach Geiger Rahmen des Qualitätsmanagements sehr einleuchtendes Beispiel ist die Qualität: Definition des Begriffs ►Qualität. Realisierte Beschaffenheit Die Abbildung E18 zeigt in ein einer Einheit bezüglich facher Weise die „Entflechtung“ der Qualitätsforderung an diese. Definition dadurch, dass in ihr nur nennungen dreier wichtiger die Be Grundbegriffe verwendet sind, der ►Einheit, der ►Beschaffenheit und Qualitätsfordung Beschaffenheit Einheit der ►Qualitätsforderung. Jeder die ser „entflochtenen“ Begriffe benötigt eine eigene Definition mit eigenen Anmerkungen, um ihn umfassend verstehen zu können. Natürlich wird die Qualitätsdefinition in der Praxis Gesamtheit Das, was Gesamtheit hinter den Benennungen dieser drei der Merkmale einzeln beschrie der Einzelforde Begriffe nur einen Querverweis zur und Merkmalswer ben und betrachtet rungen an die Fundstelle des Begriffs aufweisen, te, die zur Einheit werden kann. Beschaffenheit. nicht unterhalb wie in der Abbil selbst gehören. dung E18 deren Definition wieder Entflechtung
ISO-Term
E
▶Mobile Device Management
geben, zumal auch die zugehörigen Anmerkungen meist sehr verständnisfördernd sind.
266
Entstehung des Qualitätsmanagements Literatur
[1] Geiger, W.: Der entflochtene Qualitätsbegriff (Leitartikel). Qua lität und Zuverlässigkeit 29 (1984) Heft 6, Seiten 213 und 214. – Auch veröffentlicht im SAQ-Bulletin 19 (1984), Heft 11/12, Seiten 18 und 19 [2] Masing, W.: Qualität und „Qualität“ (Leitartikel). Qualität und Zuverlässigkeit 29 (1984) Heft 1, Seite 1 [3] DIN 2330 : 1993-12, Begriff und Benennung; Allgemeine Grundsätze
Entfremdung
▶Qualität als ethischer Begriff
Entscheidungsrechte
▶Mitarbeiterorientierung Einzelne Mitarbeiter oder Gruppen können in einem fest legten Rahmen eigenständig Entscheidungen treffen und müssen diese auch verantworten. Die Übertragung von Ent scheidungsrechten ist die weitreichendste Form der Mitarbei terpartizipation bzw. des ►Empowerment.
Entstehung des Qualitätsmanagements ▶Genesis of Quality Management ▶Qualitätsmanagement ▶Total Quality Management
„Der Frage nach dem Entstehen kann man sich nur nähern, indem man unterschiedliche Argumentationsketten verfolgt.“ (Ludwik Fleck, 1929)
1 Qualitätsmanagement kommt in die Welt Das Thema ►Qualität ist kein Thema der Moderne, sondern dem Menschen alters her bewusst seit er Güter tauscht. Sein Interesse bestand schon immer darin, wissen zu wollen, von welcher Qualität die erhaltene Ware war und wie sie erzeugt wurde [1]. Aber, ein explizit so genannter Managementansatz wie der des modernen Qualitätsmanagements – allerdings nicht immer so benannt – wird erst Mitte des 20. Jahrhunderts dokumentiert. Er kam nicht dadurch in die Welt, dass sich ein Genie dazu entschlossen hat, einen solchen zu erfinden und zu etablieren. Managementansätze entwickeln sich vielmehr allmählich aus dem täglichen Leben heraus – und zwar in Si tuationen, in denen es bereits „andere“ Managementansätze gibt –, vornehmlich verstanden aus der wirtschaftlichen Pra xis, in der einerseits auf die „anderen“ Managementansätze durch Popularisierung sprachlicher Unterscheidungen oder Anwendungen und Umgestaltung der Praxis eingegangen wird und andererseits diese „anderen“ Managementansätze schon zur Praxis des Managements geworden mit aufkom menden Neuansätzen konkurrieren, oder sogar in diese inte griert werden. Beispielhaft mögen hier die ►Management-By …-Ansätze (►Druckers „by objective“ etc.) genannt sein, de ren Popularität in der damaligen Zeit um ein vielfaches größer gewesen war und sicher noch sind. Auch das System des sog. Scientific Management (F. W. ►Taylor) zählt dazu. In diesem Artikel wird der historische Kontext bemüht, in dem danach gefragt wird, welche Entstehungslinien und
Entstehung des Qualitätsmanagements -zusammenhänge haben das heutige („moderne“) Qualitäts management geprägt. Aber nicht in der von Berthold Brecht beschriebenen Art und Weise: „Alle zehn Jahre ein großer Mann. … So viele Berichte. Soviele Fragen.“, wie es in seinem Gedicht „Fragen eines lernenden Arbeiters“ heißt. Ohne die Verdienste der „Großen Männer des Qualitätsmanagements“, ►Deming, ► Juran v. a., schmälern zu wollen, muss erkannt werden, dass sie – sieht man sie mal als Schauspieler – ihre Rollen ausformen konnten, um erfolgreich zu sein. Keiner der sog. Qualitätsexperten agierte für sich allein [2]. Die Analogie zum Theater zeigt dies: Das Zusammenspiel zwischen Rolle, „Text“ und Situation kann erst den Erfolg eines Managemen tansatzes erklären. So folgt das Erklärungsmodell „Wie ent steht ein Managementansatz“ eher dem Entstehungs- und Entwicklungsmuster des Denkstils innerhalb eines Denkkol lektivs, wie Ludwik Fleck annimmt, keineswegs dem Cäsa rischen „Veni vidi vici“. Qualitätsmanagement entspringt also der Gemeinschaftsarbeit eines Denk- und Handlungskollek tivs (L. Fleck [3]) und kann durchaus als Paradigma (Th. S. Kuhn [4]) begriffen werden, dem ein Denkstil zugrundeliegt. So ist der Entstehungsprozess immer ein Werden, bis heute, wo man gerne von Netzwerkkulturen spricht. Der Denkstil einer solchen Netzwerkkultur, die sich an der Lehre und Pra xis des Qualitätsmanagments orientiert, lässt sich in Frage form kurz wie folgt charakterisieren: Was ist unter Qualität zu verstehen (Forderungen an sie durch wen?)? Wie wird sie produziert (Prozessorientierung)? Wie kann sie geprüft/ kontrolliert werden (Qualitätskontrolle)? Wie kann sie gesi chert werden (Qualitätssicherung, Vertrauen)? Wie kann sie verbessert/gesteigert werden (Qualitätsverbesserung, -stei gerung)? Antworten auf diese Fragen werden im folgenden Text versucht, der sich an neun sog. Entstehungslinien ori entiert (Abbildung E19). Sie sind als immer wiederkehrende Versuche zu verstehen, Antworten auf die Frage zu stellen, wie das Qualitätsmanagement in die Welt gekommen ist. Je Abb. E19: Entstehungslinien des Qualitätsmanagements
1 Die japanische Entstehungslinie 2 Die amerikanische Entstehungslinie 3 Die europäische Entstehungslinie 4 Die deutsche Entstehungslinie 5 Die Entstehung aus der Massenproduktion 6 Die Entstehung aus dem „Geist“ des Militärs 7 Die Entstehung aus dem „Geist“ der Normung 8 Die Entstehung aus dem „Geist“ der Statistik 9 Die Entstehung aus dem „Geist“ der Messtechnik
267
E
Entstehung des Qualitätsmanagements nach Interesse und Perspektive mögen auch weitere Entwick lungslinien verfolgt werden, etwa wenn sehr speziell gefragt wird, etwa wie das Qualitätsmanagement in der Medizin oder im Bildungsbereich entstanden ist. Hierüber zu forschen ist immer lohnenswert, ist doch die Geschichte der Qualität und des Qualitätsmanagements ein kaum bearbeitetes Gebiet.
E
2 Die japanische Entstehungslinie „Das japanische Qualitätsmanagement ist als ein Manage mentansatz zu verstehen, von dem die Amerikaner anneh men, dass er von den Japanern praktiziert wird.“ An diese These sollte man denken, wenn Bücher amerikanischer Au toren zu Rate gezogen werden, um Einblick in das japanische Qualitätsmanagement zu erhalten. Zutreffend ist zunächst, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die amerikanische Militärregierung den Wiederaufbau Ja pans auch personell durch Berater aus den USA unterstützt hat. So verlangte Supreme Commander General MacArthur, dass die japanischen Führungskräfte mit ihren zuständigen Ingenieuren an den Seminaren teilnahmen, die zunächst Homer Sarasohn durchführte (ab 1948 zusammen mit dem Ingenieur Charles Protzman). Inhaltlich waren die Seminare an der Statistischen Qualitätskontrolle (Focus Elektroindus trie) nach Shewhart ausgerichtet. Das Thema Qualität stand im Mittelpunkt statistischer Betrachtungen und auch als Ma nagementkomplex. Nachdem Sarasohn in die USA zurückge gangen war, sollte die Seminarreihe fortgesetzt werden. Auf Empfehlung Sarasohns rekrutierte MacArthur den Statistiker W. E. ►Deming und dann zusätzlich J. M. ►Juran. Beiden Be ratern war es ein besonderes Anliegen, den Zusammenhang zwischen Qualität und Unternehmenserfolg aufzuzeigen (►Demingsche Reaktionskette). Sie gingen damit inhaltlich über den eher technisch auf die Kommunikationsinfrastruk tur (Radio, Funk) zielenden Beratungsansatz von Sarasohn und Potzmann hinaus. Die in den Seminaren dargelegten Ansätze und Managementtechniken wurden von den japa nischen Führungkräften aufgegriffen, reflektiert und mit eige nen Vorstellungen verknüpft und so „in the long run“ zu einer Managementlehre entwickelt. Die Umsetzung in die wirtschaftliche Praxis darf jedoch nicht als ein monokausaler Implementierungsvorgang verstanden werden, sondern wurde von weiteren – teils selbst geschaf fenen – Faktoren beeinflusst. Demings Arbeit wurde von der ►Union of Japanes Scientists and Engineers ( JUSE) sehr ge fördert. Seine Honorare aus Seminaren und Büchern ließ er der JUSE zufließen. Der japanische Qualitätspreis wurde in der Folge nach Deming benannt (►Deming Price). In der Tat spiegelt sich die Lehre Demings inhaltlich darin wider. MacArthur hatte sehr weitsichtig gedacht. Neben dem Ziel die bereits genannte technische Kommunikationsinfrastruk tur aufzubauen war ihm klar, dass Aus- und Weiterbildung die Klammer zum Wiederaufbau und zur Entwicklung der japa nischen Wirtschaft waren. So sah er durch den Einbezug der Organisation ►Training within Industry (TWI) in die den
268
Entstehung des Qualitätsmanagements Wiederaufbau Japans unterstützenden Aktivitäten nicht nur eine flankierende Maßnahme, sondern ein integrales Element zu Demings und Jurans auf der oberen Managementebene durchgeführten Seminare [5]. MacArthur verlangte, dass die japanischen Unternehmen und Verwaltungen mit den Trainern von TWI kooperieren und diese anfordern, damit sie vor Ort die Trainings durchführen können. Solche Trai nings wurden mit einem Zertifikat abgeschlossen, blieben für die Karriere des einzelnen nicht folgenlos und ergänzten in besonderer Weise die Seminare von Sarasohn, Deming und Juran. Dieser Gesamtzusammenhang klärt denn auch, dass es keine Kaskadeneffekte derart gegeben haben kann, wodurch sich die Inhalte, die Sarasohn, Deming und Juran an die obe re Managementebene vermittelt haben, einfach umstandslos, quasi automatisch bis zu den Mitarbeitern in den Betrieben durchgesetzt haben. Somit wurde die kognitive und emotio nale Basis in den Betrieben ebenso wie das Management von gezielten Bildungsmaßnahmen der amerikanischen Militärre gierung gesteuert. Alle diese personenzertifizierenden Maß nahmen waren sehr erfolgreich. Sie entwickelten sich nach dem Ende der Besatzungszeit im Jahr 1952 zum Selbstläufer, indem japanische Institutionen die Rolle der amerikanischen Militärregierung übernahmen. So ist wohl schlussendlich Japans wirtschaftlicher Erfolg die unbeabsichtigte Folge von Entscheidungen, die MacArthur als Supreme Commander getroffen hat. Direkt oder indirekt sind auf dieser Folie weitere genuin ja panische Ansätze des Qualitätsmanagements entstanden: ►Ishikawas Company Wide Quality Control (CWQC) und der von ►Ohno Taiichi beschriebene Toyota Produktionssy stem-Ansatz mit einer Vielzahl an Unterkonzepten (►Just-inTime, ►Muda etc.) wären hervorzuheben. Auch das auf den Japaner ►Shingo Shigeo zurückgehende Modell des ►Shingo Prize for operational Excellence ist als originär japanisch zu verstehen, ebenso der ►TPM-Ansatz von Seiichi ►Nakajima. Dagegen muss festgehalten werden: Die heute im Westen vielfach publizierten „japanischen“ Ansätze von Womack et al., Womack & Jones, Rother, Rother & Shook und Liker sind aus dem Bemühen entstanden, einen Zugang zum japa nischen Qualitätsmanagement zu finden. Sie sind nicht origi när. In ihnen bestätigt sich sehr wohl die eingangs formulierte Hypothese „Das japanische Qualitätsmanagement ist als ein Managementansatz zu verstehen, von dem die Amerikaner annehmen, dass er von den Japanern praktiziert wird.“ 3 Die amerikanische Entstehungslinie Am Beispiel der ►American Society for Quality (ASQ) lässt sich die Entstehung des modernen Qualitätsmanagements in den Vereinigten Staaten auf die 1950er Jahre datieren: „We trace our beginnings to the end of World War II, as quality experts sought ways to sustain quality improvement. ASQ played a crucial role in upholding these practices.“ Natürlich hat es während und vor dem 2. Weltkrieg Anstrengungen zur Kontrolle und Sicherung der Qualität gegeben. Doch dieser Zweig soll hier nicht verfolgt werden. Die Aussage der ASQ
Entstehung des Qualitätsmanagements zu ihrer eigenen Rolle im Qualitätsmanagement der USA wird der Realität erst gerecht, als es angesagt war, den ameri kanischen Qualitätsexperten den ihnen zustehenden Respekt zu zollen: Die frühen Verdienste von ►Deming und ►Juran in Japan und auch von ►Feigenbaum und ►Crosby wurden in den USA nämlich erst in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre gewürdigt, als erkannt wurde, dass Japan nicht menta litäts- und kulturbedingt seine Vorreiterrolle im Wettbewerb erringen konnte, sondern durch konsequente Anwendung von Ansätzen und Techniken des Qualitätsmanagements, deren Ursprung teilweise bei den Experten aus den USA zu sehen war [6]. Sehr spät (1988) wurde denn auch der japa nische ►Deming Price als Vorbild für einen nationalen Award genommen. Der ►Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA) bildet seitdem die höchste Auszeichnung für ex zellente Organisationen. Er folgt dem Gedankengut des ►To tal Quality Managements (eine amerikanische Wortschöp fung) und wird jährlich vom amerikanischen Präsidenten verliehen. Formal hat man damit mit Japan gleichgezogen, wo der Deming Price seit 1951 vom japanischen Kaiser verliehen wird. Und heute kann die ASQ zu Recht mit ihrem Slogan „We are the global Voice of Quality“ werben. Die amerikanische Qualitätsbewegung mit ihrem Know-how ist ein bedeutender Faktor im globalen Qualitätsmanagement geworden. 4 Die europäische Entstehungslinie Seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine wesentliche Quelle für Managementwissen den Blick nach Amerika zu richten, um dort nach Trends Ausschau zu halten. Dieser Blick scheint derart zwingend zu sein, dass auch die Management lehren der Japaner erst in Europa beachtet werden, wenn sie den Filter USA passiert haben. Als eines unter vielen Beispie len sei das Lean Management genannt, für das sich in Japan kein Pendant finden lässt [7]. Auch die in Japan realisierten Praktiken, wie die Orientierung an Quality Awards, wie dem Deming Price, fanden in Europa direkt keine Nachahmung. Es mussten erst die USA mit ihrem MBNQA vorexerzieren, dass es ihnen ernst damit war, Qualitätsmanagement für alle Organisationen als Anreiz zu etablieren, bis in Europa die ser Gedanke nachahmenswert empfunden wurde. Nicht die Qualitätsbewegung selbst, die ja in allen Ländern Westeuro pas relativ fest in Vereinigungen institutionalisiert war, trat an die Politik heran, auf EU-Ebene ein Instrument in Anlehnung an den Deming Price auszuschreiben, es war wieder der Blick nach Westen, der – noch im selben Jahr – ausschlaggebend dafür war, einen europäischen Qualitätspreise zu etablieren. Die Gründung der ►European Foundationen for Quality Ma nagement (EFQM) im Herbst des Jahres 1988 durch 14 nam hafte europäische Industrieunternehmen mit ihrem Quality Award (damals EQA, heute EEA) war ein Reflex auf die Im plementierung des amerikanischen Vorbilds. Einem eigenen Modell (►EFQM-Excellence-Modell) folgend hat sich diese von der EU unterstützte Strategie inzwischen fest etabliert. In den EU-Ländern folgte man auf nationaler Ebene dieser Bestrebung, indem auf dieser Basis nationale Qualitätspreise kreiert wurden. Erwähnt werden muss, dass in den letzten
Entstehung des Qualitätsmanagements Jahrzehnten eine Umtaufung des zentralen Begriffs Qualität in Exzellenz erfolgt ist (►Business Exzellenz). Retrospektiv lässt sich erkennen, dass dieser Begriff bereits beim MBNQA, dem amerikanischen Original, im Zentrum stand. 5 Die deutsche Entstehungslinie Die auf eine lange Tradition zurückblickende deutsche Quali tätsbewegung folgte dem Kielwasser der europäischen Linie. Managementwissen und auch der Ansatz des Qualitätsma nagements, verstanden als Qualitätspreis auf nationaler Basis, wurde eins-zu-eins nachgeahmt. Das ►EFQM-ExcellenceModell bildet die Bewertungsbasis für den deutschen Lud wig-Erhard-Preis (LEP), mit dem jährlich Organisationen ausgezeichnet werden, deren Organisation als exzellent in einem Assessment eingestuft werden. Sowohl die das deut sche Qualitätsmanagement tragende Institution, die ►DGQ, und auch alle weiteren Organisationen, die Weiterbildung und Umsetzung des Qualitätsmanagements professionell betreiben, haben das EFQM-Modell als festes Element in ihr Geschäftsmodell etabliert. Auf der Ebene der beiden deutsch sprachigen Länder Österreich und Schweiz zeigt sich ein ähn liches Bild. 6 Die Entstehung aus der Massenproduktion Massenproduktion ist diejenige Produktionsform, in der die zeitlich unbegrenzte Herstellung eines Produktes in großen Mengen erfolgt. Mit Einsetzen der Industriellen Revolution in England und übergreifend dann auf ganz Europa wurde die kleinbetrieblich-handwerkliche Produktion zunehmend durch die industrielle Massenproduktion verdrängt, konnte sich aber weiterhin in vielen Bereichen behaupten (Nischen bildung). Die Produktion vollzog sich denn auch kaum noch in Manufakturen, sondern in Fabriken, in denen Arbeiter an Maschinen Produkte „massenhaft“ erzeugten. Mit diesem Prozess verschob sich der Produktionszusam menhang grundsätzlich auf den maschinellen bzw. von Ma schinen unterstützten Produktionsprozess und sein Ergebnis, das Produkt und dessen Qualität, die einem Prüfprozess un terzogen werden musste (►Qualitätsprüfung). Diese war am Ende der Produktion und wurde im Zuge der Entwicklung des Qualitätsmanagements immer mehr in den Prozess selbst integriert. Dabei ging es nur vordergründig um das Fließband. Das eigentliche Element der Massenproduktion war die Stan dardisierung der Teile, aus denen sich das Einheitsprodukt zusammensetzte (►Austauschbau). Dieses standardisierte Produkt, das dann in zigfacher Menge über den Markt vertrie ben wurde, war das Hauptelement der Massenproduktion. Produktionstechnisch gesehen ging es um die vollständige passgenaue Austauschbarkeit der Bauteile und die Einfach heit des Zusammenbaus. Erst dieser Fertigungszusammen hang machte das Fließband möglich. Die Austauschbarkeit der Teile konnte im industriellen Produktionsprozess aber nur erreicht werden, wenn es gelang ein einheitliches Meß system anzuwenden. Es war Henry Ford, der diesen Zusam menhang wohl als erster erkannte. Konsequent drang er auf die strikte Einhaltung von Qualitätsmerkmalen wie Genau
269
E
Entstehung des Qualitätsmanagements igkeit und Zuverlässigkeit und erreichte so, dass die Monta gekosten deutlich gesenkt werden konnten. Ford kann somit zurecht nicht nur als Wegbereiter der sich erst viel später ent wickelnden Fertigungsmesstechnik gesehen werden, er war in der Geschichte der Massenproduktion ein herausragender Qualitätsexperte, für den das Fließband lediglich Mittel zur Zweckerreichung war.
E
Dagegen muss F. W. Taylors Idee, in der Organisation eine Stelle zu schaffen, die extra für Qualität zuständig war, rück blickend als gescheiterter Versuch seines Konzeptes gesehen werden. Der „Qualitätsfunktionsmeister“, der auch für die Inspektion der Qualität verantwortlich war, hat sich nicht bewährt. Besonders im ►Total Quality Management, wo be kanntlich Qualität Sache aller ist, wird er als dysfunktionale organisatorische Stellenbildung gesehen. Genauso kritisch muss heute Taylors grundlegendes Prinzip der strikten Tren nung in disponierender und ausführende Arbeit eingeschätzt werden [8]. 7 Die Entstehung aus dem „Geist“ des Militärs Bei den folgenden Ausführungen muss mitbedacht werden, dass der Betrachtungszeitraum von zwei Weltkriegen unter brochen wurde. Eine ungeheure Menge an austauschbaren standardisierten Ausrüstungsgegenständen wurde in den Kriegen benötigt und verbraucht und musste von den mili tärischen Materialeinheiten beschafft und von der Industrie produziert werden. Handwerksbetriebe wären hoffnungslos überfordert gewesen. Unikate waren nicht gefragt. Hier zeigt sich deutlich der Zusammenhang zwischen Massenfertigung und Kriegsführung (Stichwort „Materialschlacht“). Dabei ging es um recht heterogenes Material; Großgeräte wie Pan zer oder auch um militärische Spezialbekleidung wie Kampf anzüge und Ausrüstungsteile wie Kochgeschirr. Militärorganisationen und Rüstungsindustrie spielten im Zu sammenwirken gerade bei der Organisation der Qualität, wie wir sie heute verstehen, eine wichtige Vorreiterrolle. Bei der Massenproduktion von Waffen und Rüstungsgegenständen trafen sich Nachfrage und Angebot innerhalb eines geschlos senen Marktes. Auf die Ausschreibungen der Beschaffungs stellen des Militärs reagierte die begrenzte Zahl an Rüstungs anbietern mit ihren Angeboten. Zum Zuge kam derjenige, der sowohl in der Leistungsbereitschaft wie auch in der Qualität seines Produkts den Nachweis erbringen konnte, der Bessere zu sein. Diesen Nachweis zu erbringen war zum Beispiel durch Besichtigung der Produktionsstätten durch die Auftraggeber oder durch die Vorlage von Produkt-Prototypen ansatzweise gegeben. Je komplexer jedoch das Produkt war (man denke an Sturmgewehre, Panzer oder Kampfflugzeuge), desto in transparenter war es für den Auftraggeber seine Entwicklung und seinen Fertigungsprozess zu begreifen und zu verfolgen. Deshalb ging es der Nachfrageseite, dem Kunden, nicht nur darum die Produktion zu verstehen, sondern auch darum, auf den Produktionsprozess selbst Einfluss zu nehmen, also das WIE der Produktion direkter zu bestimmen und mitsteuern zu können.
270
Entstehung des Qualitätsmanagements Aus dieser Problemlage heraus entstanden nach dem 2. Welt krieg in den 1950er Jahren die ersten Regelwerke als Be standteile von Verträgen, in denen die Lieferanten anläßlich sogenannter Kundenaudits die Vertrauenswürdigkeit ihres Systems zur Sicherung der Qualität darzulegen hatten. Sol che Regelwerke wurden Bestandteil des Vertrags zwischen der militärischen Organisation und dem Lieferanten. In den Regelwerken konnte zwar nicht die Qualität der später er zeugten Produkte garantiert werden, wohl war damit aber ein vorausgehender Nachweis über die ►Qualitätsfähigkeit (qua lity capability) der Organisation erbracht, nämlich zukünftig entsprechend den vertraglich vereinbarten ►Forderungen ein Produkt zu realisieren, das die Forderung an dieses Produkt erfüllen wird. Die Lieferanten hatten entsprechende organi satorische Maßnahmen zu ergreifen, die dazu führten, dass die Regelwerke nach denen die Organisation der Produktion zukünftig erfolgen sollte, implementiert wurden. Regelwerke dieser Art wurden von der US-Armee (MIL-Q 9858), Uni ted Kingdom (DEF STANS) und den NATO-Streitkräften (AQAP) entwickelt und eingesetzt. Sie und die frühen Regel werke der Autoindustrie dienten der Gruppe, die später die ISO 9000er Reihe schuf (TC 176), als Mustervorlage. 8 Die Entstehung aus dem „Geist“ der Normung Der zuletzt erörterte Managementkomplex der Vertrau ensbildung im Bereich der Beschaffung militärischer Gü ter blieb für den zivilen Wirtschaftsbereich nicht folgenlos. Die Bestrebungen gingen dahin, die an die militärischen Zusammenhänge ausgerichteten Regelwerke als Beispiele aufzufassen und allgemeingültig zu formulieren, um sie so mit branchenunabhängig zu gestalten, denn ►Produkt – so die Ansicht – ist Produkt, egal ob Hardware, Software oder Dienstleistung. Dieser Aufgabe nahm sich die ►Internatio nal Organization for Standardization (ISO) an, die 1947 von 25 Ländern in Genf gegründet worden war. Heute, 2015, sind 163 Länder Mitglieder der ISO. Bei ihrer Gründung dachte allerdings noch niemand an die Transformation von der bes seren Organisation dienenden Regelwerken in Management systeme. Die amerikanische MIL-Q 9958 aus dem Jahr 1959 diente als das Vorbild eines solchen ersten Regelwerkes. Nach deren Einführung konnten die militärischen Beschaffungs stellen über im Voraus festgelegte Auditierungen Einfluss auf die Gestaltung der organisatorischen Prozesse nehmen (s. das vorherige Kapitel). Damit verlagerte sich der Fokus vom zu prüfenden Produkt am Ende der Produktion auf den Prozess der Entstehung selbst (Systemsicht). Die Entwicklung der Regelwerke lässt sich in vier Phasen verfolgen: 1 Die im April 1959 in Kraft getretene MIL-Q 9958 mit ihren „quality program requirements“ bildet die Basis für alle Folgeregelwerke. 2 Der 1979 in Kraft getretenen BS 5750 von Großbritan nien für den zivilen Bereich entwickelte Qualitätsma nagementnorm diente die MIL-Q 9958 als Vorlage. 3 Das 1979 von der ISO in Genf gegründete ISO/TC 176 war zuständig für die Entwicklung von QM-Systemen.
Entstehung des Qualitätsmanagements Es orientierte sich bei seiner Entwicklungsarbeit an dem BS 5750-Standard von Großbritannien. Die erste Sitzung fand 1980 statt. Die Terminologienorm ISO 8402, die Norm für die Kernbegriffe wurde bereits 1986 veröffent licht. 4 ISO/TC 176 entwickelte in den Folgejahren die erste internationale QM-Norm mit der Familienbezeichnung ISO 9000, die 1987 erstmals in Kraft trat. Die Darlegung umfasste drei Darlegungsstufen (9001, 9002, 9003), von denen die ISO 9001 die umfassendste war und sich dann auch weltweit durchgesetzt hat. Vorbild für die Dreistu figkeit war der bereits genannte Standard BS 5750. Diese Abfolge liest sich fast wie eine Gebrauchsanweisung, der die Experten gefolgt sind, um eine internationale Quali tätsmanagementsystemstruktur zu schaffen. Der Erfolg zeigte sich denn auch bald: Nicht nur das Militär, sondern auch andere Nationen stellten ihre Bemühungen ein, ÄquivalenzRegelwerke weiter oder neu zu entwickeln. Hinzu kam der quantitative Erfolg der ISO 9001, gemessen an den durchge führten Zertifzierungsaudits und den darauf bezogenen QMZertifikaten. Die ISO 9000ff hatte sich in wenigen Jahren mit Ihrer Darlegungsnorm 9001 als QM-Leitparadigma durch gesetzt. Einziger Wermutstropfen scheint die ►Proliferation zu sein: In einigen Branchen werden ergänzende QM-Regel werke verbindlich mit verschärfenden bzw. ergänzenden For derungen zusätzlich gefordert. So entsteht für den Anwender oftmals eine gewisse Unsicherheit und allgemein eine Unü bersichtlichkeit. Nichtsdestotrotz: Es gelang ISO/TC 176 in regelmäßigen Perioden von sechs bis acht Jahren die Norm zu modernisieren (Revision; zuletzt in Version 2015). Der Schein trügt, wenn man annimmt, dass es sich damals aus deutscher Sicht um einen geplanten, gut vorbereiteten vom Erfolg gekrönten Arbeitsprozess auf internationaler Ebene gehandelt hat, an dem auch die Organisationen der deutschen Wirtschaft wie ein monolithischer Block mit der deutschen Delegation des DIN e. V. zusammengewirkt hät ten. Das Gegenteil war – anders als zum Beispiel in Großbri tannien – in der Bundesrepublik Deutschland damals der Fall, wie von Experten, die an der Entwicklung mitgewirkt haben, versichert wird. Auffallend ist, dass die britische Norm BS 5750 bevorzugt wurde, der damalige deutsche Normentwurf DIN 55355 gar nicht in die Diskussion bei ISO/176 TC zum Zuge gebracht wurde. So war der deutsche Beitrag damals recht gering und beschränkte sich vor allem auf die Klärung der Terminologie. Dieses eher defensive Verhalten der deut schen Delegation hat seine Ursache in der damals ablehnen den Haltung großer Industrieverbände und des Handwerks gegenüber dem Vorhaben QM-System-Regelwerke als Ma nagementnormen wirksam werden zu lassen. Begründet wur de das mit einer Vielzahl an Argumenten, sogar damit, dass es hinreiche, die Werbewirksamkeit des „►Made in Germany“ herauszustellen, also mehr auf die Produktnormen hinzuwir ken. Systemnormen würde man auch angesichts des sich stän dig verschärfenden Produkthaftungsrechts nicht zustimmen
Entstehung des Qualitätsmanagements können. Die folgenden Gründe wurden noch vorgebracht: ◼ der Eingriff in die Organisations- und die Vertragsfrei heit, ◼ die Möglichkeit, dass sich die Normen zu einem fak tischen Zwang entwickeln können, ◼ die Gefahr einer „Bürokratisierung“ und Erstarrung der Unternehmen. Das ►Deutsche Institut für Normung e. V. zog deshalb den Entwurf, der auch später nicht über dieses Stadium hinaus kam, zurück. Zum Zuge kam die BS 5750, ein allgemeines Regelwerk von Großbritannien in drei Darlegungsstufen, das nur darauf wartete „internationalisiert“ zu werden. Viele Fragen und Probleme der späteren Implementierung der ISO 9001-Darlegungsforderungen in die organisatorische Be triebspraxis haben also ihren Ursprung darin, dass sich das damalige Normwerk der ISO 9000ff als ein rein britischer Ansatz durchsetzte, der besonders von Deutschland nur halb herzig mitgetragen werden konnte. Erst spätere Revisionen der Norm haben diesen inhaltlichen und konzeptionellen „Überhang britischer Denkart“ kompensieren können. So wurde aus der dreigeteilten Darlegungsstufung in der Pha se 2 Revision im Jahr 2000 schließlich ein „schlankes“ For derungssystem geschaffen, die ISO 9001:2000. Heute, die Zeit heilt alle Wunden, haben sich auch nach außen hin still schweigend die ablehnenden Wogen geglättet. Die ISO mit ihrer ISO/TC 176 kann sich des Zuspruchs der deutschen Industrie sicher sein [9]. 9 Die Entstehung aus dem „Geist“ der Statistik Modernes Qualitätsmanagement ohne Statistik ist undenk bar. Das war nicht immer so. Die Statistik hat – historisch gesehen – bei ökonomische Veränderungen, die zum größten Teil immer das Ergebnis von außerökonomischen Kräften, wie Kriegen waren, schon in ihrer deskriptiven Form des rei nen Zählens eine große Bedeutung gehabt. Sie muss in die sem Sinne als mitbeeinflussender Faktor gesehen werden. So wurden im Ersten, mehr noch später im Zweiten Weltkrieg Techniken der Statistik innerhalb und außerhalb der Pro duktion eingesetzt. Allerdings ist zu beachten, dass diese sta tistischen Techniken damals noch nicht in ein systematisch organisiertes Qualitätssicherungssystem eingebunden waren. Es dürfte sich jedenfalls in Deutschland in vielen Fällen um ad hoc-Aktionen gehandelt haben, die erst nach dem Zwei ten Weltkrieg weiter fundiert werden konnten. Folglich war es vor allem in Deutschland im Krieg gar nicht mehr mög lich die schon bekannten und eigentlich zu fordernden kom plexeren statistischen Verfahren der Fehlerermittlung in ein funktionierendes Qualitätssicherungssystem einfließen zu lassen. Um den Stellenwert der Statistik in den Kriegszeiten zutreffend einschätzen zu können muss sehr genau unter schieden werden, ob sich Nachweise in der sehr spärlichen Fachliteratur finden, die sich auf die Realität des Kriegshan delns beziehen oder ob das Wunschdenken von Statistikern die Quelle ist. So hat die Aussage zum Einsatz der Statistik aus
271
E
Entstehung des Qualitätsmanagements einem kurzen Lehrbuch zur Statistik aus dem Jahr 1927, wo sie auch die „Kollektivmaßlehre“ genannt wurde, wohl eher appellativen Charakter und richtet sich an die Zielgruppe des Top Managements.
E
In den Vereinigten Staaten und Großbritannien zeigte sich ein anderes Bild. Zur Anwendung statistischer Techniken wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Institutionen ins Leben gerufen, was der weiteren Entwicklung sehr förderlich war. In den 1920er Jahren entwickelten R. A. ►Fisher (18901962) und W. A. ►Shewhart die methodologischen Grundla gen für die Statistik im Qualitätsmanagement, die Statistische Versuchplanung (Design of Experiments [DOE]) und die Statistische Qualitätskontrolle (Quality Control Chart). Zu beiden Verfahren wurde in der Folge zahlreich publiziert. Zu recht kann diese Zeit sowohl als Beginn der Statistischen Qualitätskontrolle wie auch der Industriestatistik bezeichnet werden. Dodge & Romig wiesen nach, dass auf Vollerhe bungen verzichtet werden kann, wenn sich das sample auf gut begründete Stichproben bezieht (1928). Ein Meilenstein war das von Shewhart 1931 veröffentlichte „Economic Control of Quality of Manufactured Product“. Trotz dieser bis zum Zweiten Weltkrieg andauernden posi tiven Entwicklungsphasen kann jedoch nicht davon ausge gangen werden, dass statistische Verfahren fest in der Indus trie ihre Verankerung gefunden hätten: „However, the value of statistical quality control was not widely recognized by in dustry,“ stellt Montgomery in seinem Lehrwerk zur Statistik im Qualitätsmanagement fest [10]. Die Erfahrungen in der Kriegszeit änderten grundlegend nichts an dieser Einschätzung, auch wenn die amerikanische Rüstungsindustrie inkl. ihrer Unterlieferanten quasi gezwun gen wurde Shewarts ►Qualitätsregelkarte einzuführen. Erst mals konnten so im laufenden Produktionsprozess Fehler er kannt und rechtzeitig beseitigt werden. Erst nach Kriegsende änderte sich die Situation mit Gründung der ►American So ciety for Quality Control (ASQC) in einigen Aspekten. Trotz der Bemühungen der ASQC gelang es in diesen Jahrzehnten nicht, die von Fisher und Shewart und anderen weiterentwi ckelten statistischen Verfahren in der amerikanischen Indus trie auf breiter Basis zu implementieren. Lediglich (zusätzlich zur Rüstungsindustrie) griff die amerikanische chemische Industrie die Bemühungen der frühen Protagonisten durch gehend auf und erntete wirtschaftlichen Erfolg, indem sie ihre Wettbewerbsposition deutlich ausbauen konnte. Die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg waren durch die Lernanstrengungen der japanischen Industrie auch auf dem Gebiet der statistischen Methoden und Techniken im Quali tätsmanagement geprägt. W. E. Deming, der ja als Statistiker das Wissen seines Lehrers Shewart übernahm, ausbaute und an japanische Führungskräfte weitergab, war nur ein herausra gendes Beispiel für die hohe Beachtung, die den statistischen Methoden in Japan zukam. Den zu Demings Ehren ausge lobten „Deming Prize“ konnten Organisationen nur erringen,
272
Entstehung des Qualitätsmanagements wenn sie in „quality control and quality methodology“ ent sprechende Leistungswerte nachweisen konnten. An Publikationen zu Statistical Quality Control und Design of Experiments hat es in den 1960er und 1970er Jahren in den entsprechenden angloamerikanischen Fachjournalen nicht gemangelt. Spätestens Ende der 1980er und mit Beginn der 1990er Jahre wurde von der westlichen Industrie erkannt, dass der wirtschaftliche Erfolg auch mit der systematischen Anwendung statistischer Verfahren zusammenhängt. Interes sant ist in diesem Zusammenhang die Exkursion von George Edward Pelham ►Box (einem prominenten britischen Stati stikexperten) nach Japan. 1989, zeitgleich mit dem Erschei nen des sich später als Standard durchsetzenden Fachjournals „Quality Engineering“, startete Motorola die wohl bekann teste auf statistischen Verfahren beruhende Initiative, das Six Sigma-Programm. Spätestens mit der Verbreitung von ►Six Sigma auf andere Unternehmen und Branchen war gegen über weiten Teilen der Management-Fachwelt der Beweis er bracht, dass die Anwendung von Statistik im faktenbasierten Qualitätsmanagement (egal welches System eine Organisati on umsetzt) unerlässlich ist, wie auch Montgomery hervor hebt [10]: „Various management systems have also emerged as frameworks in which to implement quality improvement.“ Walter ►Masing, der Nestor des deutschen Qualitätsmanage ments hat es nicht versäumt immer wieder auf die zentra le Bedeutung der Statistik in seinen Vorträgen und Werken hinzuweisen [11]. Wenn heute von Statistik im Qualitätsma nagement gesprochen wird, finden sämtliche statistischen Verfahren ihre Anwendung. Auf die Sammlung statistischer Werkzeuge (tools for quality) für praktische Zwecke (quali ty circle), die sog. ►Q7 soll noch kurz eingegangen werden. Sie geht auf Kaoru ►Ishikawa zurück, der sie im Zusammen hang mit seinem Buch „What is Quality Control“ Anfang der 1960er Jahre vorgestellt hat. Es handelt sich um Hilfsmittel zur Visualisierung, die auf der Anwendung statistischer Tech niken beruhen. Mit ihrer Hilfe sollen Probleme erkannt, ver standen und gelöst werden. Auch hier zeigt sich wieder die praktisch wirksame Originalität der Japaner, die sich nicht darin bemerkbar macht, dass etwas gänzlich Neues entwi ckelt wurde. Die Zusammenstellung für die praktische An wendung und damit das „Herunterbrechen“ auf die operative Ebene gelang Ishikawa mit den Q7 bestens. Die einzelnen Tools (Elemente) sind Fehlersammelliste, Histogramm, Qua litätsregelkarte, Paretodiagramm, Korrelationsdiagramm, Brainstorming, Ursache-Wirkungs-Diagramm. In geplanter Vorgehensweise (Zusammenwirken) sind die Q7 heute fester Bestandteil von Trainingprogrammen geworden (►Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement). 10 Die Entstehung aus dem „Geist“ der Messtechnik Die subjektive Fehlbarkeit des Menschen sowohl individuell wie auch im soziotechnischen Zusammenhang zu kompen sieren ist im Qualitätsmanagement eine große Aufgabe und Problemstellung [12]. Eine Antwort auf dieses Problem gibt das Qualitätsmanagement, indem es die Metrologie, die Wis
Entstehung des Qualitätsmanagements senschaft und Technik des Messens, bemüht. Wer die Mess technik (die praktische Variante = Technik des Messens/ Fertigungsmesstechnik = Technik des Messens in der indus triellen Fertigung), im Qualitätsmanagement nicht erkennt, vernachlässigt einen unabdingbaren Zusammenhang. „Unsere Sinne sind die ersten ursprünglichen Messinstru mente, die uns die Natur zur Verfügung gestellt hat.“ Diesen Ausgangspunkt setzt Jean Perdijon, Wissenschaftler am Insti tut für Kernforschung in Grenoble [13, S. 8]. Doch die Appa ratur unserer Sinne liefert keineswegs exakte Ergebnisse. Sie sind wenig objektiv, manchmal trügerisch oder sogar falsch. Erst durch die Operation des Messens können wir Objektivi tät erlangen. Sie erlaubt es uns, vom kontinuierlich fließenden Raum des Realen in den diskreten, durch abstrakte Abstände geprägten (unsteten) Raum des Bekannten zu wechseln [13, S. 8f]. Wenn wir dort angelangt sind, wissen wir tatsächlich etwas über das vorher nur sinnhaft Wahrgenommene. Das Qualitative ist in Zahlen ausgedrückt: Das Umschlagen ins Quantitative ist erfolgt. Philolaos (470-399 v.u.Z), der Pytha goräer, definierte bereits im 5. Jahrhundert vor unserer Zeit: „Jedes durch Kenntnis erfassbare Wissen besitzt eine Zahl; ohne diese könnte man nichts begreifen und nichts wissen.“ Was nützen uns aber Zahlen, wenn das Bezugssystem fehlt oder chaotische Verhältnisse walten. Es macht deshalb Sinn zur Klärung Walter Geigers Vorschlag aufzugreifen und von einem Messsystem (measurement system) zu sprechen (Sys tem zur Ausführung einer Messung unter den gegebenen Umgebungsbedingungen) und sich den folgenden Fragen zuzuwenden: ◼ Wie (Messprinzip, Messmethode, Messverfahren, Mess anweisung)? ◼ Wer (Beobachter)? ◼ Was (Messobjekt)? ◼ Womit (Messmittel)? ◼ Welche Einflussgrößen (z. B. Umwelteinflüsse)? Diese Elemente definieren das Messsystem, das einzubetten ist in ein Messmanagementsystem (►DIN EN ISO 10012) einer Organisation. Damit ist der Bogen gespannt zum Qua litätsmanagement: Ein Messmanagementsystem wird (wie ein QM-System nach ISO 9000) als ein geregelter Prozess bezeichnet, mit dem Kundenforderungen an die Messmittel und die Messprozesse als Eingangsgröße und die angestrebte Kundenzufriedenheit als Ausgangsgröße betrachtet werden. Die Fertigungsmesstechnik befasst sich in diesem Zusam menhang mit allen Mess- und Prüfaufgaben verbundenen Tätigkeiten, die beim Entstehungsprozess eines Produktes zu erbringen sind. Sie hat sich damit zu mehr als zu einer Kon trollinstanz des Qualitätsmanagements entwickelt [14, S. 1]. In der Fertigungsmesstechnik ist allerdings der Mensch nicht das Maß aller Dinge (Protagoras, 490-411 v.u.Z.). Im Gegen teil, einem solchen Anthropozentrismus ist zu misstrauen. Es ist unübersehbar, dass in der Zeit nach dem Zweiten Welt krieg auf nationaler und internationaler Ebene immer mehr versucht wurde den Zuständigkeitsbereich der Fertigungs
Entstehung des Qualitätsmanagements messtechnik weit über das Prüfen hinaus auszudehnen und damit den engeren Handlungsspielraum des Menschen ein zuengen. Die originäre Aufgabe des Messens wurde immer mehr verfeinert und normativ geregelt. Dieser Prozess hält unvermindert an, was Geiger & Kotte zu der Aussage veran lassen [15]: „Nationale und internationale Normen zu den Begriffen der Messtechnik ändern sich ständig und werden weiter verbessert.“ Seit 1960 das bereits 1948 vorgeschlagene Internationale Einheitensystem SI (Systéme International d’Unités) von der Elften Allgemeinen Konferenz für Maße und Gewichte an genommen wurde und in Deutschland sehr spät, am 5. Juli 1970, als Gesetz über Einheiten im Messwesen (Einheiten gesetz) in Kraft trat, ist die Vielfalt der verschiedensten Grö ßen als Basiseinheit international weitgehend verschwunden (eine wichtige Ausnahme bilden die USA, die im Alltagsleben noch immer das in sich uneinheitliche angloamerikanische Maßsystem benutzen). Damit sind die Quellen von Fehler möglichkeiten und Missverständnissen deutlich verringert worden. Man bedenke nur einmal die Situation vor etwa 200 Jahren, zur Zeit der Französischen Revolution. Damals konnte man mit Recht empört sein über den Wildwuchs der unzähligen Maßeinheiten, der von Land zu Land, von Stadt zu Stadt herrschte. In den Ländern, die per Gesetzesakt das SI-Einheitensystem eingeführt haben, ist diese Situation zum Glück Geschichte. Was in der Fertigungsmesstechnik vor wärtstreibt sind optische Verfahren und Fortschritte in der Elektronik und Informationstechnologie. Koordinations messgeräte und Bildverarbeitungssysteme liefern eine Ge nauigkeit, die dem menschlichen Vermögen sehr weit voraus ist. Folglich geht der Trend in der Messtechnik hin zu einer „messbasierten Informatik“. Das ist es, was hinter dem Begriff Messtechnik heute steckt. Wer hätte 1875, als das Bureau In ternational des Poids et Mesures (BIPM) gegründet wurde, schon daran gedacht, dass es zu Beginn des 21. Jahrhunderts möglich sein wird Merkmale, die im Innern eines Objekts lie gen, zu messen. Trotz Unzugänglichkeit ist es heute mittels zerstörungsfreier Prüfverfahren, wie der industriellen Rönt gen-Computertomografie (RCT), möglich, diese Merkmale zu bewerten [14, S. 346]. 11 Fazit und Ausblick Der hier nachgezeichnete Entstehungsdiskurs des Qualitäts managements versuchte, das Ganze des Qualitätsmanage ments im Ansatz zu erfassen. Flecks Lehre vom Denkstil diente als Richtschnur. Zunächst konnte gezeigt werden, dass sich der Denkstil der frühen Pioniere im Modell des De ming Price (1951) konstituiert hat. Die Transformation der v. a. von Deming und Juran an das japanische Management vermittelten Ideen vollzog sich als praktische Anwendung in den japanischen Unternehmen. Diese Transformation wurde unterstützt durch die Trainings der TWI, in das die mittlere Führungsebene einbezogen war. In etwa zwei Jahrzehnten hat sich dann ein eigenständiger Ansatz eines japanischen Qualitätsmanagements herausgebildet, der v. a. in den Veröf fentlichungen von Imai, Ohno, Ishikawa und Shingo erkannt
273
E
Entstehung des Qualitätsmanagements werden muss. Dieser Denkstil findet sich zunächst im japa nischen Denk- und Handlungskollektiv verankert. Er kreist um die Begriffe Muda, Just-in-Time, Kanban, Kaizen, Quality Circle, Company Wide Quality Control und den Qualitäts techniken Q7. Diese Begriffe gelangten zwar in den 1980er Jahren in den Westen, wurden aber nicht als geschlossene Ma nagementlehre erkannt.
E
Mit dem Erscheinen der MIT-Studie zur sog. 2. Revolution in der Autoindustrie [16] wurde japanisches Qualitätsmanage ment in eine „westliche Begriffssystematik“ gegossen, die mit dem zentralen Terminus Technicus „Lean Production/Lean Management“ beschrieben wurde. Bedingt durch den Erfolg japanischer Produkte auf dem Weltmarkt sahen sich die USA zur gleichen Zeit veranlasst, einen eigenen Qualitätspreis, den MBNQA, zu begründen, damit das Thema Qualität verstärkt in den Unternehmen als Anreiz gesehen werden sollte. Ver stärkt wurde dies durch eine begriffliche Verschärfung, indem dieser Ansatz als sog. Excellence-Initiative wirtschaftspoli tisch in Scene gesetzt wurde. Diese Entwicklung ist in Europa nicht unbemerkt geblieben. Im dirketen Anschluss wurde mit Gründung der EFQM und Formung eines Modellrahmens (EFQM-Modell for Business Excellence) in Europa eine Parallelbewegung aktiv, die von den führenden Industrieunternehmen und der Europäischen Union getragen wurde. Sowohl in den USA wie auch in Eur opa bildete sich ein Denkkollektiv heraus, dessen zentrale Se mantik zunächst den Begriff Total Quality Management und dann verstärkt Business Excellence betonte. Im deutschen Ludwig Erhard Preis (LEP) fand diese Ausrichtung 1997 ihr nationales Pendant. Allgemein kann in Zusammenfassung der ersten drei Ent stehungslinien festgestellt werden, dass sich sowohl im ja panischen wie auch im amerikanischen und europäischen Denkstil die Ausgangsbasis für ein umfassendes Qualitäts management findet, allerdings mit teilweise differenten Be grifflichkeiten und Ausformungen in den Ansätzen von QMModellen bzw. -Systemen. In den Entstehungslinien zur Massenproduktion, zur Stati stik und zur Messtechnik wurde eine andere Argumentati onsebene angesprochen. Hier ging es mehr um inhaltliche und methodische Fragen, die im Qualitätsmanagement von grundsätzlicher Art sind und von den Denkkollektiven geteilt werden. Besonders hervorzuheben ist noch die Entstehungslinie der Normung von QM-Systemen (Kapitel 8), die in Ergänzung zu den ersten drei Entstehungslinien zu sehen ist. Im Zu sammenschluss der nationalen Normungsinstitute hatte sich nach dem 2. Weltkrieg die ISO gegründet, die in den 1980er Jahren mit dem ISO/TC 176, einem sog. Technischen Komi tee, ohne direkten institutionellen Zusammenhang zu den aufgezeigten Award-Linien (MBNQA und EFQM-Modell) agierte. Hier wurde der Denkstil aufgegriffen, wie er sich in der Entstehungslinie „Militär“ skizziert findet (Kapitel 7) und
274
Entstehung des Qualitätsmanagements auch in der Automobilindustrie schwerpunktmäßg die Ver trauensbasis zu den Unterlieferanten fundiert: QM-Systeme habe dort die Funktion der Vertrauensbildung. Dieser Denk ansatz griff das ISO/TC 176 auf und verallgemeinerte ihn zu einer branchenübergreifenden Norm für das Qualitätsma nagement, die sog. ISO 9000er Familie. Gezeigt wurde, dass sich bedingt durch die unterschiedlichen Interessenlagen der Mitglieder im ISO/TC 176 Konflikte ergaben. So hatte sich zunächst der britische Entwurf der BS 5750 durchgesetzt. Er bildete die Basis für die erste Systemnorm, die einen dreistu figen Zertifizierungsansatz ermöglichte, der inzwischen (mit der Revision 2000) überwunden werden konnte. Diese zusammenfassende Bewertung lässt sich skizzieren, indem entlang der Entstehungslinien (Abbildung E19) acht Denkstile ausgemacht werden können, die mitein-ander im Zusammenhang stehen (Abbildung E20). Der Gegenstand der Betrachtung, das Qualitätsmanagement, konstituiert sich mehrfach in Denkstilen, die man nun konvergierend oder di vergierend sehen kann. Je nachdem welche Verhältnisse man betrachtet muss jeweils der Nachweis erbracht werden wel che Gestalt die Verhältnisse annehmen. Die mehrfache Kon stitution des Qualitätsmanagements wäre damit als Grund these formuliert. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Abb. E20: Zentrale Denkstile des Qualitätsmanagements Denkstil Qualitätspioniere Denkstil Messtechnik
Denkstil Statistik
Japanischer Denkstil
Denkstile des Qualitätsmanagements
Denkstil Massenproduktion
US-amerikanischer Denkstil
Denkstil EFQM-Ausrichtung Denkstil QM-Normung
Literatur
[1] Juran, J. M. (ed.): A History of Managing for Quality. The Evo lution, Trends, and Future Directions of Managing for Quality. Wis consin (ASQC Quality Press) 1995 [2] Wiswede, G.: Rollentheorie. Stuttgart (Kohlhammer) 1977 [3] Fleck, L.: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1980 [4] Kuhn, Th. S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1962 [6] Bei TWI handelt es sich um eine amerikanische Organisation, die speziell für die Zielgruppe der Mitarbeiter im operativen Bereich und die mittlere Managementebene in den Unternehmen abge stimmte Trainings on the job durchführt. Von 1940 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs hatte TWI in den USA mehr als 1,6 Milli onen Mitarbeitern ein TWI-Zertifikat ausgestellt. So konnte der
Entstehung des Qualitätsmanagements Entwicklung
▶en: design an development Satz von ►Prozessen, der ►Anforderungen an ein ►Objekt in detailliertere Anforderungen an dieses Objekt umwandelt
Anmerkung 1 zum Begriff: Die Anforderungen, die einen Beitrag zur Entwicklung bilden, sind häufig das Ergebnis von Forschung und sie können in einem breiteren, allgemeineren Sinn ausgedrückt werden als die Anforderungen, die das ►Ergebnis der Entwicklung bilden. Die Anforderungen werden üblicherweise hinsichtlich der ►Merk male festgelegt. Ein ►Projekt kann aus mehreren Entwicklungsstu fen bestehen. Anmerkung 2 zum Begriff: Die Benennungen „design“ und „deve lopment“ sowie der Begriff „design and development“ werden im Englischen manchmal synonym, manchmal jedoch zur Definition verschiedener Phasen der gesamten Entwicklung verwendet. Die Benennungen „conception“ und „développement“ sowie der Begriff „conception et développement“ werden im Französischen manch mal synonym, manchmal jedoch zur Definition verschiedener Pha sen der gesamten Entwicklung verwendet. Anmerkung 3 zum Begriff: Ein Bestimmungswort kann verwendet werden, um die Art des zu Entwickelnden näher zu bezeichnen (z. B. Produktentwicklung, Dienstleistungsentwicklung oder Prozessent wicklung). Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
EOQ
▶European Organization for Quality
EPK-Ereignisgesteuerte Prozesskette ▶ARIS ▶ ARIS-Architektur integrierter Informationssysteme
EQA
▶European Quality Award Beim EQA handelte es sich um eine ►Qualitätsauszeichnung, deren Grundlage das ►EFQM-Modell bildete. Die Bewer tung folgte einem zweidimensionalen Ansatz, den Befähigern (Enablern) und den Ergebnissen (Results). Die Befähiger beschreiben die Potentiale des Unternehmens (Leitfragen: Was macht das Unternehmen, um umfassende Qualität zu erlagen? Wie geht das Unternehmen dabei vor?). Die beiden Leitfragen zu den Ergebnisse waren: Welche Daten und Infor mationen im Unternehmen werden zur Erfolgsbewertung he rangezogen und wie werden diese ermittelt? und Wie haben sich die Ausprägungen dieser Größen in den letzten Jahren entwickelt? Der EQA folgte der Tradition des japanischen und amerika nischen Qualitätspreises (►Deming Prize, ►MBNQA). Er lehnt sich inhaltlich allerdings mehr an den MBNQA an. Die ►EFQM hatte in Zusammenarbeit mit der EG-Kommission und der ►EOQ ein Referenzmodell, das sog. EFQM-Modell, entwickelt, das v. a. als Bewertungs- und Vergleichsmodell für den EQA diente. 1992 wurde auf der Basis dieses Modells erstmals der EQA verliehen. In den europäischen Ländern gilt heute der EQA auf der Grundlage des EFQM-Modells als Leitlinie für Qualitätsauszeichnungen.
275
ISO-Term
Ausbildungsstand kompensiert werden, der abgesunken war, weil Fachkräfte im 2. Weltkrieg ihren Militärdienst absolvieren mussten. [6] Malorny, Chr.: Total Quality Management umsetzen, der Weg zur Business Excellence. Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 1996 (2. Auf lage 1999) [7] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. Einführung in Begriffe, Systeme, Techniken sowie Gestaltungs- und Implementie rungsansätze eines modernen Managementparadigmas. München (Oldenbourg) 2013 [8] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Qualitätsmanagement. Einfüh rung in Geschichte, Begriffe, Systeme und Konzepte. 3. Auflage. München (Oldenbourg) 2011 [9] Die Konfliktsituation um die Entstehung der ISO 9000-Reihe findet sich in: Geiger, W.: Beschaffenheitsmanagement – Nature Management. München (Oldenbourg) 2013 und Walgenbach, P.: Die normgerechte Organisation. Eine Studie über die Entstehung, Verbreitung und Nutzung der DIN EN ISO 9000er Normenreihe. Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2000 [10] Montgomery, D. C.: Introduction to Statistical Quality Con trol. Hoboken, USA (Wiley) 2005 [11] Masing, W.: Statistik als Basis qualitätsmethodischen Denkens und Handelns. In: Pfeifer, T. und Schmitt, R. (Hrsg.): Masing Hand buch Qualitätsmanagement. 5. Auflage. München (Hanser) 2007, S. 661-668 [12] Dhillon, B. S.: Zuverlässigkeitstechnik. Einfluss des Menschen. Weinheim (Wiley) 1988 [13] Perdijon, J.: Das Maß in Wissenschaft und Philosophie. Ber gisch-Gladbach (BLT) 2001 [14] Pfeifer, T. und R. Schmitt: Fertigungsmesstechnik. 3. Auflage. München (Oldenbourg) 2010 [15] Geiger, W. und W. Kotte: Handbuch Qualität. Grundlagen und Elemente des Qualitätsmanagements: Systeme – Perspektiven. 5. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2008 [16] Womack, J. P., D. T. Jones and D. Roos: Die zweite Revolution in der Autoindustrie. Konsequenzen aus der weltweiten Studie aus dem Massachusetts Institute of Technology. 8. Auflage 1994. Frank furt am Main-New York (Campus)1994 [17] Ketting, M.: „Wir alle wollen mitgestalten …“ – Qualitätsver antwortung in der Organisation. In: Masing, W., M. Ketting, W. König und K.-F. Wessel (Hrsg.): Qualitätsmanagement – Tradition und Zukunft. Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Qualität e. V. München-Wien (Hanser) 2003, S. 255-128 [18] Landau, K.: Mehr tun müssen? 100 Jahre Produktivitätsma nagement. Stuttgart (Ergonomia) 2013 [19] Ohno, T.: Das Toyota Produktionssystem. Frankfurt am MainNew York (Campus) 1993 [20] Lerner, F.: Geschichte der Qualitätssicherung. In: Masing, W.: Handbuch der Qualitätssicherung. 2. Auflage. Hanser: MünchenWien 1988. S. 19-31
EQA
E
Erfolg / Erfolgsfaktorn 2006 ist der European Quality Award umbenannt worden und heisst nun ►EFQM Excellence Award (EEA). Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] E.F.Q.M.: Selbstbewertung anhand des Europäischen Modells für Umfassendes Qualitätsmanagement (TQM). Brüssel 1994. [2] E.F.Q.M.: Selbstbewertung 1996. Richtlinien für Unternehmen. Brüssel 1995 [3] Hering, E. et al. (Hrsg.): Qualitätsmanagement für Ingenieure. 4. Aufl. Berlin u.a. 1999 [2] Malorny, C.: TQM umsetzen – Der Weg zur Business Excel lence. 2. Aufl. Stuttgart 1999. [4] Radtke, Ph.; Wilmes, D.: European Quality Award. Die Kriterien des EQA umsetzen. Praktische Tips zur Anwendung des EFQMModells. München-Wien 1997 [5] Zink, K.J.: TQM als integratives Managementkonzept. Mün chen-Wien 1995 [6] Sehr aufschlussreich dazu: [3, S. 503ff], [4, S. 115ff]
DGQ-Term
E
Erfolgsfaktorn monokausale Erklärungsmodelle Erfolgsfaktoren benennen können. Dennoch, ausgehend von den USA, wird suggeriert, dass professionelles Management und Managementtechniken we sentlich für den Unternehmenserfolg seien. Festzustellen ist: Sie sind kein Garant für unternehmerischen Erfolg, jedenfalls nicht unbedingt der ausschlaggebende. Existieren die univer sell vermuteten Erfolgsfaktoren vielleicht gar nicht? Peters & Waterman – mit denen das Thema seit den 80er Jahren eine Renaissance erfuhr – zeigen anhand eines Modells, das der Form eines Atoms ähnelt – sieben Erfolgsfaktoren auf (►7SModell [1]), die sehr anschaulich von Reiß und Corsten mit einigen Abweichungen als Pendel interpretiert werden (Ab bildung E21) [2]: „Auf der Ebene der Erfolgsfaktoren ergibt sich …gewis sermaßen ein ‘Zick-Zack-Kurs der Unternehmungsfüh rung’: In guten Zeiten ist die gesamte Aufmerksamkeit auf Umsatz und andere Effektivitätskriterien gerich tet, während die Kostenseite weitgehend vernach lässigt wird. Demgegenüber gelangen in schlechten Zeiten Maßnahmen der Kostenreduktion ins Zen trum des Interesses, wohingegen die Bemühungen um Innovationen fast vollständig unterlassen werden. Des weiteren wird immer wieder der Versuch unter nommen, die Vielfalt der Erfolgskriterien auf wenige Erfolgsfaktoren zu reduzieren. Solche Bemühungen münden z. B. in eine Fokussierung auf die soft factors oder aber in eine Dominanz von Systemen. Über die Zeit hinweg ergibt sich ein Muster des Wandels in der Unternehmensführung, der sich wie eine Pendelbewe gung zwischen soft und hard factors vollzieht.“
Ereignis
▶event ▶Zuverlässigkeitsmanagement Übergang von einem in einen anderen ►Zustand. Quelle: DGQ-Schrift 11-04 1.2.2 · OrigZit
Ereignisgesteuerte Prozesskette
ISO-Term
▶EPK ▶ARIS
Erfolg
▶en: success
Erreichen eines ►Ziels
Anmerkung 1 zum Begriff: Der Erfolg einer ►Organisation betont die Notwendigkeit einer Balance zwischen ihren wirtschaftlichen oder finanziellen Interessen und den Bedürfnissen ihrer ►interessierten Parteien, z. B. ►Kunden, Nutzer, Investoren/Anspruchsgruppe (Ei gentümer), Personen in der Organisation, ►Anbieter, Partnern, In teressengruppen und Gemeinschaften. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Erfolgsfaktoren
Begriff
▶factors of success ▶7S-Modell ▶business excellence ▶ Unternehmenskultur Die ausschlaggebenden Ursachen, denen der nachhaltige Erfolg von Unternehmen zugeschrieben wird, werden als Erfolgsfaktoren bezeichnet. Erfolgsfaktoren bedingen sich gegenseitig und müssen in Ihrer Variabilität gesehen werden.
Die Rede von Erfolgsfaktoren ist so alt wie die Geschichte der Industrie. Schumpeter sah vor allem den innovativen Unter nehmertyp als ausschlaggebende Ursache für den Erfolg. Spä testens heute – angesichts globaler Verflechtungen – lässt sich nur noch mit ungebrochener Naivität annehmen, dass uns
276
Die Autoren fordern, dass sich die Befassung mit Er folgsfaktoren nicht in der beschriebenen Pendelbewegung, sondern in einem „Er folgs faktoren-Portfolio“ zu vollzie hen habe und präferieren dem entgegensetzend ein Port foliodenken als Aus druck von Ganz heitlichkeit. Auch Hopfenbeck geht in seiner Betriebswirtschafts- und Manage mentlehre der Frage nach den (kritischen) Erfolgsfaktoren nach. Er reflektiert die zahlreichen Systematisierungsver suche und stellt vor allem vier (strategische) Erfolgsfaktoren heraus [3]: ◼ ◼ ◼ ◼
Flexibilität Zeit Qualität Technologie.
Zu ergänzen ist der fünfte allgemeine Erfolgsfaktor ◼ Kosten, was bedeutet Leistungen zu wettbewerbsfähigen Kosten zu erstellen. Es handelt sich offenbar um die klassichen Erfolgsfaktoren, zu denen ►Qualität gezählt wird. Gerade die Beachtung des strategischen Erfolgsfaktors Qualität verlangt die Analyse weiterer in den Modellen des Qualitätsmanagements genann
Erfolgsfaktorn
Erhaltungsaudit
Abb. E21: Pendel der sieben Erfolgsfaktoren soft factors
hard factors
diejenigen Merkmale, die unabdingbar sind, um Prozesse zu beherrschen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Kultur
Systeme
Personal Kompetenz
Strategie Prozess
Struktur
Auch die Reduktion auf die o. g. vier oder fünf Erfolgsfaktoren ändert nichts an der Tatsache, dass diese sich situationsbe dingt kontinuierlich oder bei schnellem Wandel der Umwelt abrupt ändern können. Im Laufe der Zeit können sie sowohl an Bedeutung gewinnen, aber auch an Bedeutung verlieren. Ebenso können neue Erfolgsfaktoren hinzukommen. Es ob liegt der Unternehmensführung diesen Prozess zu beobach ten und ständig mit geeigneten Maßnahmen zu beeinflussen. Der kurze Abriss der Diskussion um Erfolgsfaktoren macht klar, dass mit diesem Begriff oft unterschiedliches gemeint ist. Es empfiehlt sich deshalb wie folgt zu unterscheiden: ◼ Erfolgsfaktoren (kritische) der Organisation, festgelegt in Strategien, aus denen die Erfolgsfaktoren von Prozessen abgeleitet werden, ◼ Erfolgsfaktoren für Prozesse, wie systematisches Beachten der Kundenbedürfnisse, Termine halten usw., ◼ Erfolgsfaktoren der Prozesse (= prozessspezifisch), nämlich
Ergebnis
E
ISO-Term
ten Subfaktoren, wie zum Beispiel Kunden- und Mitarbeiter orientierung, aber auch Prozessorientierung. Gerade bei der Benennung des Erfolgsfaktors Qualität lassen sich zahlreiche Missdeutungen feststellen, weil die Untersuchungsmethodik weder offengelegt noch hinterfragt wird. So wird im Rahmen des vielzitierten ►PIMS-Programms keineswegs der Einfluss der Qualität auf die Rentabilität untersucht, sondern der Ein fluss der ►Kundenzufriedenheit. Kundenzufriedenheit ist nun keineswegs gleichzusetzen mit Qualität. In den Modellen zum Qualitätsmanagement handelt es sich um ►Qualitätsfor derungen, welche die Qualität bestimmen. Damit bewegt sich, was das Thema Qualität betrifft, die PIMS-Studie in direkt auf der Ebene der Forderungen an Qualität und nicht Qualität selbst. Diese wird überhaubt nicht gemessen. Des sen ungeachtet wird Qualität weithin als Erfolgsfaktor an genommen.
[1] Peters, Th. J., Waterman, R. H. jun.: Auf der Su che nach Spitzenleistungen. Was man von den best geführten US-Unternehmen lernen kann. Landsberg (mi) 1984 (orig.: In Search of Excellence. Lessons from America’s Best-Run Companies. New York (Harper & Row) 1982) [2] Reiß, M.; Corsten, H.: Schnittstellenfokussierte Unternehmungsführung. In: Corsten, H.; Reiß, M. (Hrsg.): Handbuch Unternehmungsführung. Kon zepte – Instrumente – Schnittstellen. Wiesbaden (Gabler) 1995, S. 10 [3] Hopfenbeck, W.: Allgemeine Be triebs wirtschafts- und Managementlehre. Das Unterneh men im Spannungsfeld zuwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Interessen. 11. Aufl. Landsberg (mi) 1997, S. 529ff
▶en: output Ergebnis eines ►Prozesses
Anmerkung 1 zum Begriff: Ob ein Ergebnis der ►Organisation ein ►Produkt oder eine ►Dienstleistung ist, ist abhängig davon, welche der betroffenen ►Merkmale überwiegen; z. B. ist ein in einer Galerie zum Verkauf stehendes Gemälde ein Produkt, die Lieferung eines in Auftrag gegebenen Gemäldes ist hingegen eine Dienstleistung, ein im Einzelhandel gekaufter Hamburger ist ein Produkt, während ein im Restaurant bestellter und servierter Hamburger hingegen eine Dienstleistung ist. Nationale Fußnote: Im Englischen werden die Begriffe „result“ und „output“ nahezu synonym verwendet. Im Deutschen werden sie ein heitlich mit „Ergebnis“ übersetzt. [Diese führt zu der Aussage, dass ein Ergebnis das Ergebnis eines Prozesses ist.] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Ergebnisqualität
▶en: outputquality ▶en: Ergebnis (genormter Begriff) ▶Modelle der Dienstleistungsqualität ▶QM im Marketing ▶Donabedian, Avedis
Erhaltung ▶Kaizen
Erhaltungsaudit
Als Erhaltungsaudits werden das ►Wiederholungsaudit und ►Änderungsaudit bezeichnet.
277
Erhard, Ludwig
Erhard, Ludwig
Erhard, Ludwig
auf dem Petersberg 1963, darüber die Erhard-Büste). Aber auch aus diesen Kontakten lassen sich direkt keine Beson derheiten zum Qualitätsmanagement ableiten. Die Initiative Ludwig-Erhard-Preis bemüht sich um Begründungen unter der Rubrik „Zur Namensgebung“, warum der deutsche Qua litätspreis zu Ehren Ludwig Erhards genannt wurde (www. ilep.de):
▶Initiative Ludwig-Erhard-Preis
E
Ludwig Erhard (*1897-1977) gilt als „Vater der Sozialen Marktwirtschaft“ und des „Deutschen Wirtschaftswunders“. Er wirkte an entscheidender Stelle an der Vorbereitung und Durchführung der Wirtschafts- und Währungsreform (1948) mit. in seiner Funktion als erster Wirtschaftsminister der Bun desrepublik Deutschland (1949-1963) setzte Erhard das von ihm mit entwickelte Konzept der Sozialen Marktwirtschaft in die Praxis um und legte damit das Fundament für den wirt schaftlichen Aufstieg Deutschlands zu einem der führenden Industriestaaten. Damit schuf er die Rahmendingungen für einen „Wohlstand für Alle“. Von 1963 bis 1966 war Ludwig Erhard Bundeskanz ler. Erhards Grund position war, dass er die Wirtschaft als zen tralen Lebensbereich angesehen hat, der angemessen geordnet sein muss, damit sich die gesellschaftlichen und soziale Bedin gungen zufriedenstel lend entwickeln und Kultur und Huma nität eine feste Ver wurzelung erhalten. Wirtschaften war für Erhard lediglich Mit tel zur Sicherung der Existenz, aber keine Selbstzweck. Das ist der zentrale Aspekt seiner Programmatik. Inwiefern sie Realität wurde und heute geworden ist, sei dahingestellt. Jedenfalls verfolgt einige Jahre später in der Bundesrepublik die sozial-liberale Koalition eine andere Wirtschaftspolitik. Erhards unbeugsamen Meinung war, dass Staatsausgaben grundsätzlich von den Bürgern be zahlt werden müssen, denen die Staatsleistungen dienen, und nicht durch Staatskredite finanziert werden dürfen. Diesen Grundsatz verließ die Politik nach und nach. An dieser un beugsamen Haltung scheiterte er auch als Bundeskanzler. In nerparteilich fand er keine Rückendeckung mehr. Erhard wird heute unhinterfragt als Gallionsfigur des deut schen Qualitätsmanagements angesehen. Der deutsche Qua litätspreis, der auf dem jeweils aktuellen EFQM-Modell be ruht, ist nach ihm benannt worden und wird jährlich durch die Initiative Ludwig-Erhard-Preis verliehen. In Erhards Schriften und Reden lassen sich keine inhaltlichen Anknüp fungspunkte zum Qualitätsgdanken finden. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass es sich eher um eine poli tische Entscheidung handelt, den deutschen Award nach Ludwig Erhard zu benennen. Als Bundeskanzler hatte er spä ter den Kontakt zu in- und ausländischen Wirtschaftsgrößen vertieft, wie z. B. zu Henry Ford II (Bild: Erhard mit Ford II
278
„Nicht die freie Marktwirtschaft des liberalistischen Freibeutertums einer vergangenen Ära, auch nicht das ‚freie Spiel der Kräfte‘, sondern die sozial verpflich tete Marktwirtschaft, die das einzelne Individuum wieder zur Geltung kommen lässt, die den Wert der Persönlichkeit obenan stellt und der Leistung dann auch den verdienten Ertrag zugute kommen lässt, das ist die Marktwirtschaft moderner Prägung.“ Das richtige Verhältnis zwischen persönlicher Freiheit und staatlicher Verantwortung formulierte Erhard so: „Ich will mich aus eigener Kraft bewähren; ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge Du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.“ Nach Erhards Verständnis sollte eine Wirtschaftsordnung geschaffen werden, die „das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs und der sittlichen Verantwortung jedes einzelnen dem Ganzen gegenüber verbindet.“ Das sind Leitgedanken, die bis heute nichts von ihrer Aussagekraft eingebüßt haben. Und genau in diesem Sinne versteht sich das Modell des Ludwig-ErhardPreises. Es fällt aber schwer diese Gedanken mit den Beschreibungen in Zusammenhang zu bringen, die im EFQM-Modell für ge wöhnlich herangezogen werden (Rückgriff auf das ►TQM). Wenn man dann noch bedenkt, dass in dem Zeitrahmen, in dem Ludwig Erhard politisch wirkte in Japan der erste Qua litätspreis nach William Edwards ►Deming in der Tat eine die Qualität begründende Basis hatte und kurz darauf auch deutsche Unternehmen die Auswirkungen des japanischen Qualitätsmanagements in den auf dem Weltmarkt kommen den japanischen Produkten spürten, muss die Schieflage of fenbar werden, in der sich die Begründer befinden, die den deutschen Qualitätspreis nach Ludwig Erhard benannt ha ben. Gab es wirklich keine andere Möglichkeit der Namens findung eines nationalen Qualitätspreises, der sich eher am Thema Qualität festmachen ließ? Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Erhebungsmethoden Kundenforschung
Erhebungsmethoden Kundenforschung
Erhebungsmethoden Kundenforschung
densicht über ◼ Welche Kriterien entscheiden aus Kun Kauf oder Nichtkauf? ◼ Welchen Einfluss haben diese Kriterien im einzelnen auf die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der Kunden? ◼ Bestehen Unterschiede im Kaufverhalten der einzelnen Kunden und wenn ja, worin? ◼ Inwieweit erfüllt das eigene Unternehmen die Kunden anforderungen verglichen mit den Wettbewerbern? ◼ Welche Rolle spielt im Kaufentscheidungsprozess der Preis im Verhältnis zu den Qualitätsfaktoren? ◼ Wo finden sich aus Sicht des Kunden konkrete Ansatz punkte dafür, die Produkt-, Service- und Beziehungsqua lität zu verbessern? ◼ Wo bietet sich die konkrete Möglichkeit, sich im Wettbe werb zu differenzieren? ◼ Wie kann das Unternehmen die notwendigen Verbesse rungen wirksam durchführen?
▶Methods of Customer Research ▶Messung der Dienstleistungsqualität ▶Kundenzufriedenheit | Kundenorientierung ▶Beschwerdemanagement
1 Übersicht Eine kundenorientierte Strategie, die zu wirklichen Wettbe werbsvorteilen führt ist nur möglich, wenn detaillierte Kennt nisse über die Kunden und vor allem über deren Einschätzung von Leistungen des eigenen Unternehmens und Leistungen von Konkurrenten vorliegen. Die Unternehmens- und Bera tungspraxis hat eine Vielzahl von Untersuchungsmethoden geschaffen. Haben Kunden den Eindruck, dass Erwartungen nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind, werden sie unzufrie den. Ein neutrales Gefühl entsteht, wenn die Erwartungen erfüllt werden und nur wenn die wahrgenommene Leistung die Erwartungen übertrifft, stellt sich wirkliche Zufriedenheit im Sinne von Begeisterung ein. Der Grad der Zufriedenheit hängt nicht linear mit dem Erfüllungsgrad aller Leistungs merkmale zusammen. Man muss vielmehr die Merkmale nach drei Gruppen unterscheiden, da eine Erfüllung oder Nichterfüllung dieser drei Arten von Anforderungen unter schiedlichen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben. 1 Basiseigenschaften oder Grundforderungen: Zu diesen zäh len alle jene Leistungskomponenten, deren Erfüllung der Kunde einfach voraussetzt. Werden sie nicht erfüllt, macht das den Kunden sehr unzufrieden. Werden seine Erwartungen jedoch übertroffen, honoriert er das in der Regel jedoch nicht weiter, da er diese Forderungen für selbstverständlich hält. 2 Leistungsforderungen: Dabei handelt es sich um vom Kun den erwartete und in der Regel auch messbare Leistungs komponenten, die bei Nichterfüllung zu Unzufriedenheit führen und bei Übererfüllung zu Zufriedenheit. Leis tungsanforderungen werden im allgemeinen ausdrück lich gestellt. 3 Begeisterungseigenschaften: Damit sind Eigenschaften gemeint, die den Kunden tatsächlich begeistern – Leis tungskomponenten also, die in der Regel weder explizit gefordert noch erwartet werden, deren Angebot aber die Leistung insgesamt wertvoller macht und das Maß an Zu friedenheit merklich erhöht. Sind solche Merkmale nicht vorhanden, hat das keine Auswirkung auf die Kundenzu friedenheit. Was Kunden letztendlich als Basis-, Leistungs- oder Begeiste rungsmerkmal einstufen, hängt wesentlich von den jeweiligen persönlichen Präferenzen ab und variiert daher häufig von Kunde zu Kunde. Zudem verändert sich die Klassifizierung mit der Zeit: was einen Kunden heute noch begeistert, erwar tet er morgen und sieht es übermorgen als Grundanforderung an. Dabei sollten sich Unternehmen über folgende Fragen Klarheit verschaffen:
Zahlreiche Marketing- und Qualitätsmanager gehen davon aus, dass sich diese Fragen auf Basis des im Unternehmen angesammelten Wissens beantworten lassen. Dies führt aber häufig zu Fehleinschätzungen, da die Beurteilung des eigenen Unternehmens durch die Kunden – im Vergleich mit den Wettbewerbern – meist stark von dem abweicht, was dazu un ternehmensintern gedacht wird. 2 Vorgehensweise bei der Messung der Kundenzufriedenheit Um Kundenspezifisches Know-how zu gewinnen, sollten bei der Analyse der relativen Kundenzufriedenheit einige wesentliche Prämissen und Aspekte zugrunde gelegt wer den: Die Bestimmung der wichtigsten Erfolgsfaktoren sowie die Beurteilung des eigenen Unternehmens im Vergleich zu Konkurrenzunternehmen muss aus Kundensicht erfolgen. Die Unternehmenstätigkeit ist als ein Prozessgeschehen zu begreifen, das vom Lieferanten bis zum Kunden reicht. Dabei ist zu beachten dass die Probleme im Unternehmen im Regel fall nicht isoliert durch einzelne Bereiche oder Abteilungen verursacht werden. Ausgehend von diesen Prämissen bestimmt den Erfolg der Analyse wesentlich, dass füh rende Mitarbeiter aus allen Verantwortungsbereichen daran teilhaben. Schließlich müs sen sie die Maßnahmen abteilungsübergreifend tragen und umsetzen. Berücksichtigt werden muss, dass der Kunde auch im Business-to-Business-Bereich nicht nur einzelne Faktoren isoliert beurteilt, sondern auch immer mehr darauf achtet, welchen Eindruck der Anbieter insgesamt macht. Unterneh men sollten Kundenzufriedenheitsmessungen außerdem wei testgehend selbst realisieren. Dies signalisiert beim Kunden Commitment und die Untersuchungsergebnisse sollten den betroffenen Mitarbeitern und Kunden kommuniziert werden. Wichtig ist, dass Kundenprobleme und -wünsche, artikulierte und latente Erwartungen bei der Befragung berücksichtigt werden. Qualität der Produkte und Dienstleistungen sollte aus der Sicht und Wahrnehmung des Kunden beurteilt wer den und das Untersuchungsdesign hat sich auf die Unter
279
E
Erhebungsmethoden Kundenforschung suchung der Zufriedenheit mit dem Angebot insgesamt und den einzelnen Leistungskomponenten zu erstrecken. Mit einbezogen werden muss eine Analyse der Aspekte des „er weiterten“ Kundenverhaltens wie Loyalität, Beschwerden, Weiterempfehlungen. 3 Ablauf der Zufriedenheitsanalyse Die eigentliche Zufriedenheitsanalyse läuft in fünf Stufen ab:
E
3.1 Festlegung der Zielgruppe Neben dem bestehenden Kundenstamm sollten in jedem Fall auch Kunden der Konkurrenz und abgewanderte Kun den analysiert werden. Dadurch lassen sich Unterschiede in der wahrgenommenen Qualität der Produkte und Dienst leistungen aus der Sicht der Kunden und Wettbe werbs nachteile identifizieren. Außerdem erhält man detaillierte Informationen über ausschlaggebende Schwächen des eige nen Unternehmens und über erwartete Mindestleistungen, die bei Nichterfüllung zum Anbieterwechsel führen. 3.2 Ermittlung der Kundenerwartungen in einer explorativen Vorstudie Die Basis der Hauptstudie bilden Kundenerwartungen, Ge wichtungen und Beurteilungen. Ziel der Vorstudie ist es, ein möglichst umfassendes Bild der zu lösenden Kernprobleme, der artikulierten und versteckten Kundenerwartungen sowie der An wendungsbedingungen und des Pro dukt umfeldes zu erhalten. Als Instrumente kommen vor allem vor allem Beschwerdeanalysen, Kundengespräche, Fokusgruppen so wie die Critical Incident Technique und die Kundenprozessanalyse zum Einsatz. Beschwerdeanalysen Das ►Beschwerdemanagement hat zwei Funktionen: ◼ erstens durch die Bearbeitung von Beschwerden unzu friedene Kunden wieder zufriedenzustellen und ◼ zweitens ein brauchbares Informationssystem zur Identi fikation von Schwachstellen bereitzustellen. Die Vorteile liegen auf der Hand: für den Kunden besonders gravierende Probleme kommen zum Vorschein und die Infor mationen sind von hoher Aktualität und sehr eindeutig Da sich aber nur ein geringer Teil beim Hersteller beschwert, muss man davon ausgehen, dass die Informationen un vollständig sind und die Ergebnisse eines Beschwerdemo nitorings nur eine beschränkte Aussagekraft besitzen; man konzentriert sich auf eine relativ kleine Gruppe von Unzu friedenen. Außerdem kann man nicht feststellen, welche Leistungskomponenten eine besonders positive Resonanz hervorrufen. ◼ Fokusgruppen (Kundenausschüsse) – Bei Focusgruppen interviews diskutieren Produktentwickler – Techniker wie Marketingleute – gemeinsam mit Kunden über Pro bleme, Wünsche und Erwartungen. Die Gruppe ist auf grund ihrer Eigendynamik dazu geeignet, Motivationen und Motivationsstrukturen sowie emotionale Zusam menhänge aufzudecken. Außerdem werden alle rele
280
Erhebungsmethoden Kundenforschung vanten Aspekte berücksichtigt und diskutiert. ◼ Critical Incident Technique – Bei der Ermittlung der Kundenerwartungen und -probleme sind besonders die kritischen Ereignisse, das heisst diejenigen Ereignisse, die vom Kunden als außergewöhnlich positiv oder negativ wahrgenommen und im Gedächtnis behalten werden, zu betrachten. Die kritischen Ereignisse werden in münd lichen Befragungen mittels standardisierter, direkter, offener Fragen ermittelt. Die Befragten werden gebeten, ein besonders positives oder negatives Ereignis zu nen nen und dieses anschließend detailliert zu beschreiben. Daraufhin werden Kategorien gebildet und die einzelnen Ereignisse zugeordnet. ◼ Kundenprozessanalysen – Hier werden alle Prozesse ana lysiert, die der Kunde im Rahmen einer Geschäftsbe ziehung mit dem Anbieter wahrnimmt und die einen Einfluss auf seine Zufriedenheit haben. Ergebnis der explorativen Vorstudie ist eine Liste von Kun denproblemen, Erwar tungen und Kriterien, die Auswir kungen auf die Zufriedenheit des Kunden haben und zur Erstellung des Fragebogens in der quantitativen Hauptstudie dienen. 3.3 Entwicklung des Erhebungsinstrumentariums und Auswahl der Erhebungsmethode Neben der Ermittlung der Zufriedenheit mit den einzelnen Produkteigenschaften sollte auch deren Wichtigkeit aus Sicht der Kunden analysiert werden, weil sich daraus wichtige Schlüsse für Prioritäten bei Verbesserungsmaßnahmen auf die damit verbundenen Kernkompetenzen ergeben. Der Fragebogen Folgende Grundregeln sollten beachtet werden: 1 Skalen mit fünf bis sieben Antwortkategorien liefern die besten Ergebnisse 2 Es sollten Antworten wie „Weiß ich nicht“ oder „Kann ich nicht beurteilen“ vorgegeben werden 3 Nicht zu viele Fragen und eine Aufteilung in Blöcke in nerhalb des Fragebogens 4 Es sollten Anhaltspunkte für die Bewertung gegeben wer den (z. B. im Vergleich zu Konkurrenzprodukten), weil Bezugspunkte die Antwort erleichtern 5 Einer kurzen Einleitung sollten nicht zu lange Fragen fol gen 6 Wichtige Fragen in der Mitte des Fragebogens, weil dort die Antwortqualität am besten ist 7 Non-verbale Fragen (z. B. Fotos) lockern den Fragebogen auf und erhöhen den Informationswert 8 Es sollten auf jeden Fall neben den sozio-demographischen Daten auch das Loyalitäts- und Beschwerdeverhalten ab gefragt werden. Bei der Auswahl der Stichprobe muss neben der Repräsen tanz und der Genauigkeit vor allem berücksichtigt werden, dass die Rücklaufquote bei schriftlichen Befragungen in der Regel bei 20 bis 30 % liegt, selbst dieser Wert ist nur erzielbar wenn die Vorbereitungen optimal durchgeführt werden.
Erhebungsmethoden Kundenforschung 3.4 Durchführung der quantitativen Hauptstudie Bevor die Hauptstudie durchgeführt wird, muss der Fragebo gen einem Pretest bei mehreren Kunden unterzogen werden, um eventuelle Mängel und Schwachstellen zu beseitigen. Um die Rücklaufquote zu erhöhen, sollte das Begleitschreiben einladend und freundlich sein. Persönliche Ansprache der Teilnehmer und ein Hinweis auf Sinn und Wichtigkeit der Teilnahme erhöhen den Erfolg. Nach einer gewissen Zeit sollte eine telefonische oder schriftliche Nach fass aktion durchgeführt werden. Bei telefonischen Befragungen ist es ratsam, den Kunden ein oder zwei Wochen vorher schriftlich zu kontaktieren und ihn über Sinn und Zweck des Interviews zu informieren und um seine Mitarbeit zu bitten. 3.5 Auswertung und Interpretation Eine eingehende Analyse der Ergebnisse der Befragung be leuchtet verschiedene Aspekte der ►Kundenzufriedenheit: die Dringlichkeit einer Problemlösung für den Kunden; ein Problem ist um so dringlicher, je häufiger es auftritt, je ärger licher bzw. bedeutsamer es vom Kunden wahrgenommen wird, je eher es vom Unternehmen beseitigt werden kann. Die Kunden zu frie den heitsmessung zeigt, in welchen Be reichen der Kundenbeziehung Defizite bestehen und gewich tet diese im Idealfall gleichzeitig nach ihrer Bedeutung. Zur Beseitigung dieser Defizite sind entsprechende Ziele zu set zen. Diese nehmen häufig die Form von Spezifikationen oder anzustrebenden Standards an. Da zahlreiche Qualitätsaspekte aus sogenannten weichen Faktoren bestehen (Freundlichkeit, Einsatzwille), die sich quantitativ nur mit großem Aufwand messen lassen, muss man Steuerungsmaßnahmen vor allem im Bereich der Unter nehmenskultur treffen. Eng verbunden mit der kulturorien tierten Qualitätssteuerung ist die Steuerung der Mitarbeiter zufriedenheit (►Motivationsmanagement). Überall, wo sich messbare Qualitätsstandards installieren lassen, gilt es, die Mittel bereitzustellen, die eine Erreichung der selben ermög lichen. Dabei kann es sich von materiellen Ausrüstungen über erhöhte Kapazitäten und Kompetenzen bis hin zu Ausbil dungsmaßnahmen handeln. Ansonsten ist die Einhaltung der Standards zu kontrollieren und vermehrt im Entlohnungs system zu berücksichtigen. Die Qualitätssteuerung erfolgt durch ein gemeinsames Wer tesystem, in dem die Kundenorientierung einen zentralen Bestandteil darstellt. Es ist das Ziel der Analyse, die Ba sis-, Leistungs- und Begeisterungseigenschaften eines Pro duktes zu definieren. Diese Unterscheidung ermöglicht es, Schwerpunkte für die Entwicklung der Kernkompetenzen (►Kernkompetenzmanagement) zu definieren: Es gilt, die Basisforderungen entsprechend dem Anspruchsniveau des Kunden zu erfüllen, bei den Leistungseigenschaften mit den Konkurrenten zumindest gleichzuziehen und sich durch Be geisterungsmerkmale zu differenzieren. 4 Methodischer Hinweis Gerade unter dem Aspekt von ►Big Data und angesichst der Möglichkeiten, die Internetgestützte Erhebungen bieten kön
Erlang, A. K. nen, muss noch darauf hingewiesen werden, dass die gewählte Ergebnismethode die Ergebnisse beeinflussen. So wird eine gestützte Befragung andere Ergebnisse erbringen, als eine un gestützte. Ergebnisse, die einem die jeweilige Erhebungsme thode erbracht hat, müssen schon im Eigeninteresse kritisch beurteilt werden. Sie sind niemals „die Wahrheit“, sondern konnten nur unter methodischen Restriktonen erlangt wer den. Insofern bedarf es immer des Verstandes, der das beur teilt, was einem an Daten vorliegt. Es empfiehlt sich folglich, die Fachliteratur zu konsultieren, die umfangreich vorhanden ist. Einige Literaturbeispiele seien hier genannt: [3], [4], [5]. An dieser Stelle sei kurz auf das Phänomen der sozialen Wünschbarkeit eingegangen, die die Unstimmigkeit zwischen der gegebenen Antwort und dem tatsächlichen Verhalten des Befragten widerspiegelt. Stellt man sich eine Kurve vor, gibt es einen Bereich des sozial Erwünschten und zwei Randbe reiche an den Seiten. Um im gesellschaftlich positiv sanktio nierten Bereich zu bleiben, verzerrt der Befragte die Antwort in Richtung des sozial Erwünschten, sprich in Richtung sei ner „Normalität“ [6]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur frie den heit durch [1] Hinterhuber, Hans, H.: Kundenzu Kernkompetenzen, München, Wien 1997. [2] Berry, L.; Parasuraman, A.: Wie Servicewünsche genau erfasst werden. In: Harvard Business Manager, Nr. 3/98, S. 80-91 [3] Scholl, A.: Die Befragung. 3. Auflage. Stuttgart (utb) 2015 [4] Mayer, H. O.: Interview und Befragung. München-Wien (Oldenbourg) 2012 [5] Kuckartz, U. und Th. Ebert: Evaluation Online: Inter netgestützte Befragung in der Praxis. Wiesbaden (VS Verlag) 2012 [6] Holm, K: Die Befragung 1. Der Fragebogen – Die Stich probe. Stuttgart (utb) 1991, S. 82ff
Erlang, A. K.
▶Call Center Management ▶Wartezeitenmanagement A. K. Erlang, ein dänischer Ingenieur, war Anfang des Jahr hunderts bei der Telefongesellschaft Kopenhagen tätig, Er war Entwickler der nach ihm benannten Warteschleifenfor mel Erlang C (1917) und anderer Formeln der Nachrichten verkehrstheorie, die noch heute grundlegend im ►Call Cen ter Management genutzt werden. Die Formeln sind nach ihm international benannt worden. Sie können als Quasi-Stand ard angesehen werden: ◼ Erlang – Eine Stunde Telefonverkehr in einer Zeitstun de. Wenn die Leitungen zum Beispiel mit 120 Minuten Verkehr innerhalb einer Stunde belegt sind, sind das 2 Erlang. ◼ Erlang B – Häufig zur Bestimmung der zur Bearbeitung eines bekannten anrufbedingten Arbeitsanfalls in einem
281
E
Ethik der Finanzdienstleistungen („Finanz-Ethik“)
Literatur Cleveland, B. et al.: Call Center Management. Wiesbaden (Gab ler) 1998, S. 243-262
Erneuerbare-Energien-Gesetz ▶ Energiemanagement
Erstmuster
▶QM-Vereinbarungen
Erstmusterprüfungen ▶QM-Vereinbarungen
ETA
▶Event Tree Analysis ▶de: Ereignisbaumanalyse
Ethik
▶Qualität als ethischer Begriff
Ethik der Finanzdienstleistungen („Finanz-Ethik“) ▶ The Ethics of Financial Services ▶ Qualität als ethischer Begriff ▶ Ethik-Qualitätsmanagement (EQM) ▶ ISO 26000/DIN ISO 26000
Warum steht ein Stichwort über die Ethik der Finanzdienstleistungen in diesem Lexikon? Was Qualitätsmanagement mit Ethik zu tun hat, kann man generell unter dem Stichwort ►Qualität als ethischer Begriff und mit Hinweisen zur Umsetzung im Stichwort ►EthikQualitätsmanagement nachlesen. Sind Finanzdienstlei stungen überhaupt ein Gegenstand ethischer Überlegungen, die sich im QM niederschlagen können? Vom Finanzsektor sagt schließlich kaum jemand, dass er ein Vorbild für ethi sches Verhalten sei [1]. Vielleicht ist gerade deshalb dieses Stichwort an diesem Ort notwendig. Denn man kann zeigen, dass die Frage nach der Qualität der Finanzdienstleistungen die gesamte ethische Problematik des Qualitätsmanagements
282
auf den Punkt bringt. Finanzdienstleistungen sind außer dem ein exemplarischer Fall des Qualitätsmanagements im Dienstleistungs-Sektor. Weil Finanzdienstleistungen aber ein „knallhartes” Geschäft sind, muss man auch die grund sätzliche Frage stellen, wie gut es ethische und QM-Überle gungen überhaupt schaffen können, belastbare Standards zu setzen. – Alles, was nun folgt, ist ein Blick von außen in den Finanzsektor und sei als Diskussionsbeitrag verstanden. Die fundamentale These dieses Artikels ist: Qualitätsmanagement in der Finanzdienstleistung hat die Aufgabe, eine für alle Beteiligten ethisch akzeptable Gewinnerzielung zu ermöglichen oder mindestens zu erleichtern. Der Begriff der Qualität verändert sich, weg vom Merkmal eines Produktes oder einer Dienstleistung und hin zur Art und Weise der Produkterstellung und Leistungserbringung. Die Qualtätskriterien dafür sind in der Wirtschafts-Ethik zu suchen. Die entscheidenden Kriterien sind hier Transparenz und Vertrauen. Voraussetzungen Um die o. g. These zu erläutern, seien zunächst einige Trivia litäten rekapituliert: ◼ Geld ist das Mittel, mit dem im Wirtschaftsleben die Früchte der Arbeit und damit der Lebenszeit konserviert und getauscht werden können [2]. Wichtige Trivialität, denn hier setzt die Ethik an. ◼ Die individuelle Lebenszeit ist das einzige nicht beliebig vermehrbare und daher wertvollste Wirtschaftsgut. ◼ Die Lebenszeiten von Person X und Person Y werden im Tausch ungleich (höher oder niedriger) bewertet. Y muss z. B. doppelt so lange arbeiten und Zeit einsetzen, um von X etwas zu bekommen, als X für die Herstellung verwen det hat (abgesehen von den übrigen Produktionsfaktoren – aber auch diese sind nicht vom Himmel gefallen, son dern letztlich von Menschen gestaltet). ◼ Im Wirtschaftsleben geht es um Gewinn. Tausch schafft Gewinn, Gewinn schafft materielle Werte, materielle Werte verbessern (oft aber nicht immer und auch nicht für jeden) die ►Lebensqualität. ◼ Die Finanzwirtschaft mit ihren Dienstleistungen ermög licht und erleichtert diesen Tauschhandel auf vielfältige Weise, allerdings mit der Tendenz zur Intransparenz und zur Verschleierung ihrer Praktiken (dies vor allem, um bessere Gewinnchancen zu bekommen). ◼ Die Finanzwirtschaft mit ihren Methoden und Pro dukten geht Risiken [3] ein, um bei glücklichem Ausgang daraus einen Gewinn zu erzielen; an den Risiken beteiligt sie ihre Kunden (und auch ihre abhängigen Mitarbeiter). ◼ Ethische Gewinnerzielung heisst, jeder bekommt seinen fairen Anteil am gemeinsam im Wirtschaftssystem [4] erzielten Tausch-Gewinn und Risiko. Was hier fair ist, bildet sich im wirtschafts- und sozialpolitischen Diskurs heraus, in dessen Konflikten und vor allem in einer für
These
E
Zeitraum von einer Stunde benötigten Leitungen ver wendete Formel. In die Formel fliesst die Annahme ein, dass Anrufer, die auf Besetzt stoßen, wegbleiben, und es nicht erneut versuchen. Da ein Teil der Anrufer aber erneut wählt, kann Erlang B den Leitungsbedarf unter schätzen. Erlang B ist jedoch im allgemeinen genau in Bereichen, in denen selten Besetzt auftritt. ◼ Erlang C – Berechnet Vorhersagen für die Wartezeit auf der Grundlage von drei Dingen: der Anzahl Bedienkräfte (Agents), der Anzahl auf Bedienung Wartender (Anru fer) und der durchschnittlichen Zeit zur Bedienung ei ner Person. Außerdem lassen sich damit die benötigten Kapazitäten berechnen, um die Wartezeit innerhalb an gestrebter Grenzen zu halten. Erlang C berücksichtigt Aufleger und Besetztzeichen nicht, hat also eine Neigung zur Überschätzung des Personalbedarfs.
Ethik der Finanzdienstleistungen („Finanz-Ethik“)
Ethik der Finanzdienstleistungen („Finanz-Ethik“) alle Beteiligten möglichst transparenten Weise. ◼ Unethische Gewinnmaximierung heisst, für wenige bis gar keine eingesetzte eigene Lebenszeit möglichst viele Lebenszeit-Früchte von anderen zu bekommen. Und an dieser letzteren Trivialität setzt das Qualitätsmanagement an, dessen ganz allgemeine Aufgabe es ja ist, Schlechtes und Unnützes zu verhindern und statt dessen Gutes und Nützliches zu ermöglichen. Aber wer ist der Nutznießer der Qualität? Die ethisch relevanten Grundbegriffe sind also ◼ die „eingesetzte Lebenszeit“ (und die mit ihr verbundene Lebensqualität) sowie ◼ der Umgang mit Risiko bei der Gewinnerzielung. Zunächst zum Risiko Dessen Gegenbegriff ist hier die Gefährdung; eigene Risiken werden auf Dritte abgewälzt, ohne dass diese es wissen und verstehen. Ein Risiko geht man für sich selbst ein; andere, ggf. Unbeteiligte, werden gefährdet. Die Übergänge sind flie ßend, vor allem dann wenn die anderen (z. B. Bankkunden) vom Risiko profitieren sollen und mitwirken. Die moralische Versuchung (moral hazard) ist zu verlockend. Der Übergang ist der vom regelkonformen [5] zum betrügerischen Verhal ten. Er ist daher nicht allein eine Frage des Qualitätsmanage ments, sondern mehr noch eine Frage der Moral und des Rechts. Aber selbst ein ethisches Qualitätsmanagement kann zunächst nur appellieren und nicht erzwingen. Wenn Qua litätsmanagement verbindliche Standards durchsetzen will oder soll, dann müssen dem Qualitätsmanagement externe, rechtliche und/oder ökonomische, Sanktions-Instrumente beigestellt werden. Diese reagieren auf die Missachtung von kaufmännischen Tugenden, groben Missbrauch oder auf kri minelles Verhalten, helfen aber höchstens durch Drohung und Abschreckung, Gutes und Nützliches zu schaffen. Wie es bisher scheint, ist ein sanktions-bewehrtes Qualitätsmanage ment bei den Finanzdienstleistungen eher ein Ideal als eine belastbare Wirklichkeit (s. u.). Geld [6] Geld als Surrogat für die „eingesetzte Lebenszeit/-qualität“ führt zur ethischen und von dort zur QM-Problematik. Es entstehen hier besonders hohe Ansprüche an die Qualität, d. h. an die Art, wie der Lebenszeit-Handel ermöglicht und gefördert wird. Dies gilt grundsätzlich und mutatis mutandis für alle Arten des Wirtschaftslebens, ganz besonders aber für die Finanzwirtschaft, weil sie am weitesten vom Bewusst sein dieser ethischen Qualität entfernt ist. Wer mit Geld sein Geld verdient, denkt eben kaum daran, welche Lebenszeit und -qualität der Anderen hinter jedem Geldwert verbor gen ist. Und wenn hinter dem Geld kein realwirtschaftlicher Wert mehr steckt, wenn Geld einfach durch finanztechnische Manipulationen wundersam vermehrt wird, dann wird das schließlich auch ein ethisches Problem, dann nämlich, wenn es darum geht, die so verschuldeten „Finanzkrisen“ auf Ko sten der daran Unschuldigen zu bewältigen.
Ethik der Finanzdienstleistungen („Finanz-Ethik“) Und noch eine historische Bemerkung Seit der Erfindung des Geldes vor etwa 2 1/2 Tausend Jahren gibt es „Münzverschlechterungen“ und Inflationen, in denen die Qualität, d. h. der Wert des Geldes, bewusst für politischökonomische Zwecke vermindert wurde. Es scheint ein histo risches „Naturgesetz“ zu sein, dass solches immer wieder ge schieht und passieren muss. Der Kern dieses „Naturgesetzes“ ist die ökonomisch-politische Ungleichheit (s. o. „Wert der Lebenszeit“); die Qualität der Finanzdienstleistungen kann hier negative Wirkungen mildern aber nicht grundsätzlich verhindern. Möglichkeiten des Qualitätsmanagements der Finanzdienstleistungen Welche Möglichkeiten bestehen, durch QM-Maßnahmen ein ethisches bzw. faires Verhalten der Finanzwirtschaft zu för dern? [7] Die Antworten seien wiederum in Thesenform formuliert. 1 In den Finanzdienstleistungen erhält Qualitätsmanage ment ganz massiv eine systemisch-gesellschaftspolitische Aufgabe; d. h. Qualität kann nicht allein durch Ermah nungen, organisatorische und prozessuale Verbesse rungen, auch nicht allein durch Bewusstseinsbildung und Schulungen implementiert werden. Das System „Finanz dienstleistungen“ ist zu komplex, als dass man es mit Ein zelmaßnahmen optimieren könnte. 2 Qualitätsmanagement: Die organisatorischen und pro zessualen Maßnahmen sind unerlässlich und liegen im Bereich von Unternehmensgröße, Aufgaben, Kontrollen, persönlicher Verantwortung und den Incentivs; sie sind bekannt und werden (zögerlich) umgesetzt. 3 Das Qualitätsmanagement der Finanzdienstleistungen muss ein sanktions-bewehrtes Qualitätsmanagement werden; d. h. ein regelkonformes und faires Verhalten (s. hier 5) muss notfalls erzwungen werden. Natürlich gibt es Bankenaufsicht etc.; die QM-Frage ist aber, wie weit „unten“ in der Hierarchie angesetzt werden muss, um für den Schutz der Kunden (und wohl auch der Mitarbei ter) Fehlverhalten zu entdecken, zu korrigieren und ggf. zu sanktionieren. Im Qualitätsmanagement (und in der Ethik) geht es unmittelbar um die alltägliche Arbeits- und Lebenspraxis. 4 Der ethische „Qualitäts-Hebel“ sollte zusätzlich zu den schon bekannten Maßnahmen fundamental ansetzen, d. h. die o. g. Trivialitäten in der Unternehmenskultur (tone at the top) berücksichtigen. Ethische Qualitäts-Maßnah men wären also einerseits Aufgaben eines kaufmännisch tugendhaften Kulturwandels z. B.: ◼ Wirtschafts-Ethik als Handlungsfeld zu stärken, ins besondere eine Vertrauens-Kultur zu schaffen ◼ soviel Transparenz zu erzeugen, wie dies dem Markt zuträglich ist; also die Kunden-Kompetenz nach haltig und objektiv zu stärken (z. B. durch „laienver ständliche Produktratings“)
283
E
Ethik der Finanzdienstleistungen („Finanz-Ethik“)
E
◼ den ganzen Sektor zugänglich zu machen zu gesell schaftlichen und politischen Argumenten, dies als Wandel der ►Organisationskultur und nicht nur in Lippenbekenntnissen. 5 Andererseits wäre konkret ein „Code of best practice“ zu schaffen, der die obigen idealen Forderungen herunterbricht in ◼ Szenario- und Fallanalysen, ◼ Handlungsoptionen und ◼ Bewertungsmaßstäbe für ethisches versus unethisches Verhalten im Alltag der Finanzdienstleister. – Das ist keine triviale Aufgabe, son dern fordert Fachkompetenz und gesellschaftspolitische Objektivität. 6 Ob und wie man Finanzdienstleistungen ethisch und QM-mäßig zertifizieren kann, wäre auch zu überlegen. Hinweise dazu sind wiederum im Stichwort ►Ethik-Qua litätsmanagement zu finden. Vielleicht wäre auch eine Art von „TÜV für Finanzdienstleistungen“ einzurichten. Die Frage bleibt allerdings, ob das „moralische Bewusstsein“ (Kant) eines Individuums durch den ganzen Kontrollund Zertifizierungs-Mechanismus gestärkt oder womög lich geschwächt wird. Kontrolle und Zertifizierung kön nen auch eine falsche Sicherheit erzeugen und als Alibi verwendet werden. Exkurs über Finanz-Ethik in Organisationen mit idealistischen Zielsetzungen Man könnte meinen, dass Organisationen, die religiöse, mild tätige, philanthropische, philosophische oder auch andere non-profit-Ziele verfolgen, in Ihrem Finanzgebaren ethisch vorbildlich handeln. Wie es scheint, ist dies nicht immer der Fall. Mit Recht stehen sie im Focus der öffentlichen Auf merksamkeit [8], insbesondere deshalb, weil man von ihnen genuin das erwartet, was im gewinnorientierten Leben nicht immer gilt und nur mühsam zu erreichen ist. In den grund sätzlich nicht auf Gewinn ausgerichteten Unternehmungen sollte das moralische Bewusstsein besonders und stärker die Kultur prägen als in kompetitiven Organisationen. So gese hen wäre QM-mäßig bei idealistischen Organisationen alles in bester Ordnung.
Der hier kurz abgehandelte Fall von praktischer Ethik zeigt einmal mehr, wie relativ leicht Postulate aufzustellen sind und
284
wie schwer man sich tut, entsprechend zu handeln. Das ist kein Manko der Ethik sondern ihr Ansporn. Ethisches Verhal ten, insbesondere unter den „knallharten” Bedingungen von Macht und Gier, entsteht durch richtiges Handeln und nicht allein in klugen Schriften: „Es gibt nichts Gutes / Außer man tut es” (Erich Kästner). Dr. Alexander von Baeyer Literatur
[1] Vgl. aber auch die Mikrokredite in den „Entwicklungsländern“, sofern sie nicht in die Schuldenfalle führen und beratend begleitet werden, oder die Entwicklungshilfebanken (z. B. Kf W). Es geht hier sowieso nicht darum, Einzelfälle zu bewerten, sondern „food for thought“ (Gedankenfutter) zu liefern. Siehe hierzu: K. Homann und R. Rodenstock, Wirtschaftsethik in der Vertrauenskrise, in: R. Rodenstock (Hrsg.), Vertrauen in der Moderne, Veröffentlichung des Roman Herzog Institutes, 2012 [2] Siehe dazu Aristoteles, Nikomachische Ethik, 5. Buch, 1133 und K. Marx, Das Kapital (ed. Hans-Joachim Lieber), Darmstadt (Wiss. Buchgesellschaft) 1975, S. 50 ff. [3] Vgl. hierzu Dirk Baecker, Womit handeln Banken? Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1991. Siehe auch den Fall des Mitarbeiters bei der Bank Société Générale (Frankreich), der sich immens verspekulierte und nun persönlich dafür haften muss. [4] Auch hierzu Baecker, op. cit. passim. [5] Zum Gesamtkomplex “regelkonformes Verhalten” in sozialen Systemen vgl. insbesondere H. Hart, Der Begriff des Rechts, [dt. Übers. v. Verf. des vorliegenden Stichwortes, 1. Auflage Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1973, ergänzte Neuauflage Berlin (Suhrkamp) 2011]. [6] An dieser Stelle sei an Georg Simmel und seine Philosophie des Geldes (1. Auflage 1900) erinnert: Für ihn verselbständige sich der Geldwert im Wirtschaftssystem vom Mittel zum Selbstzweck und korrumpiere damit das System, dessen Hauptelement es ist. [7] Siehe zum Folgenden die konkreten Handlungsempfehlungen zur Vermeidung von Finanzkrisen und für ein ethisch-ökonomisch verantwortliches Handeln in einer Veröffentlichung der „Sylter Run de“ zum Thema Finanzkrise und IT: http://www.sylter-runde.de/ mediapool/6/63715/data/SR_26_Finanzkrise_IT_Download. pdf . [8] Vgl. dazu z. B. Die Zeit, Nr. 8 vom 13.02.2014 (Dossier S. 17-19) Über einen Erzbischof, der eine Banklehre absolviert hatte. Vgl. aber auch Unternehmungen im „charity business“.
Ethik-Qualitätsmanagement (EQM) ▶ The Ethics Quality Management ▶ Qualität als ethischer Begriff ▶ Ethik der Finanzdienstleistungen
1 Einführung in das Ethik-Qualitätsmanagement Ethik-Qualitätsmanagement ist eine Methode, ethischer Ver antwortungsverteilung in industriellen Prozessen [1]. Sie be ruht auf der Idee, die Verantwortung den Technikgestaltern und Managern gemäß den in der Industrie üblichen Projekt managementstrukturen zuzuschreiben und die Wahrneh mung der Verantwortung zu institutionalisieren. Unterneh men können die Werte, nach denen ihre Technik entwickelt und eingesetzt wird, an Hand gängiger und für das Unter nehmen präzisierter Wertvorstellungen selbst wählen und im Rahmen einer Selbstverpflichtung die Einhaltung der in den
Begriff
Man kann jedoch feststellen, dass es zuweilen gerade umge kehrt ist: gewinn-orientierte, kompetitive, manchmal auch nur marketing-publizitäre Verhaltensmuster überlagern die genuin ethischen Organisationsziele; und die Akteure sind womöglich noch stolz darauf. – Was bedeutet dies für Ethik und Qualitätsmanagement der Finanzdienstleister? Idea lismus alleine reicht nicht: Bewusstsein und Kultur sind als Anspruch noch kein Garant für richtiges Handeln, allerdings notwendige Voraussetzungen. Nur das Zusammenspiel von ethischem Bewusstsein und von Maßnahmen, die auf ►Nachhaltigkeit zielen, sichern die Standards, die Gutes und Nützliches für alle schaffen lassen.
Ethik-Qualitätsmanagement (EQM)
Ethik-Qualitätsmanagement (EQM) Unternehmensethiken festgelegten Entscheidungsrichtlinien überwachen. EQM bedient sich der klassischen TQM Struk turen und setzt auf diesen auf. Der nachfolgende Vorschlag versucht die ethische Verant wortung in das Qualitätsmanagement zu integrieren. Grund idee ist eine Adaption der Norm ISO 9001, die um eine ethi sche Komponente erweiterbar ist. Neben der Definition des Qualitätsmanagements verlangt die Norm die Schaffung von Strukturen und Institutionen innerhalb des Unternehmens, die die Qualität der erzeugten Produkte überwachen sollen. EQM versucht darüber hinaus die Entscheidungsfindung nach ethischen Maßstäben zu messen und zu überwachen. In der TQM-Strategie sind Qualitätsmanagementprozeduren und Vorgehensweisen zur Dokumentation des Qualitätsma nagements von den Unternehmen zu schaffen und bei der Zertifizierung vorzulegen. Da sich die Zertifizierung derart durchgesetzt hat, dass Produkte und Dienstleistung von Fir men, welche nicht nach der ISO 9001 zertifiziert sind, prak tisch als nicht mehr am Markt absetzbar gelten, kann durch die Integration ethischer Maßstäbe eine gesellschaftliche Ver antwortung von Unternehmen festgeschrieben werden. Durch die Ausnutzung bestehender Strukturen wird gleich zeitig einer unkontrollierten Vervielfachung von Instituti onen vorgebeugt. Das Ethik-Management in der Qualitätssi cherung zu verorten bietet mehrere Vorteile: ◼ Die bestehenden Strukturen können genutzt und weiter entwickelt werden, weil Qualitätsmanagement Einhal tung bestimmter selbstgesetzter Werte einfordert. ◼ Das Qualitätsmanagement ist nach dem Subsidiaritäts prinzip strukturiert. ◼ Die Zertifizierung nach den einschlägigen Normen hat breite Akzeptanz in allen Unternehmen. ◼ Es wird schon am strukturellen Aufbau des Unterneh mens klar, dass Ethik auf allen Ebenen gleich ernst ge nommen wird. ◼ Für kleine und mittlere Unternehmen kann der Aufwand minimiert werden. ◼ Das Qualitätsmanagement wird unter dem Leitbild der ständigen Fortschreibung in einem kontinuierlichen Ver besserungsprozess betrieben. ◼ Die Normenreihe DIN ISO 9000ff ist formal nach den oben dargestellten Unternehmensbereichen strukturiert und bietet daher ideale Anknüpfungspunkte. 2 Ziele des Ethik-Qualitäts-Management Das Ethik-Qualitätsmanagement (EQM) ist eine Form ge sellschaftlicher Verantwortungswahrnehmung durch Unter nehmen. Es soll dazu dienen, ethische Werte zu wählen und die Entscheidungen, die auf den einzelnen Ebenen des Un ternehmens fallen, relativ zum vom Unternehmen gewählten Wertekatalog zu gestalten. Die Explizierung von Wertvorstel lungen durch eigene Wahl und Überwachung des Handelns im Einklang mit dem gewählten Wertesystem ist die Grund aufgabe des EQM.
Ethik-Qualitätsmanagement (EQM) Methodische Schritte Zur Erreichung dieses Zieles sind verschiedene methodische Schritte notwendig. Zunächst müssen in unternehmensin terner Festlegung Werte definiert und Handlungsstrategien erarbeitet werden, die zur Bewältigung ethischer Konflikte dienen. Als nächstes sind Maßstäbe zur Orientierung in Kon flikten zu erarbeiten. EQM soll eine Rückkopplung liefern, inwieweit die Beachtung ethischer Handlungsanweisungen und die Durchsetzung der explizierten Werte in der Praxis leistbar ist und faktisch geleistet wird. Dazu ist eine geeignete Dokumentationsfunktion, am besten mit Hilfe einer Analo giedatenbank zu schaffen. 3 Notwendige Institutionen Zur Durchsetzung der gesellschaftlichen Verantwortung müssen auf Unternehmensebene geeignete Institutionen und Mitarbeiter vorhanden sein. Eine Grundbedingung für die Erkennbarkeit ethischer Kon flikte in der Unternehmenspraxis sind ausgebildete Mitar beiter. Die Mitarbeiter sollen dabei nicht zu Ethikexperten werden. Eher ist eine Bewusstseinsschärfung für vorhandene Konflikte zu leisten. Unabdingbar ist die Vermittlung der Interdependenzbezie hung zwischen Technik und Gesellschaft und ihrer Auswir kung auf technische Praxis [1]; [2]. Besonderes Gewicht liegt auf dem Einfluss von Menschen- und Gesellschaftsbildern auf die Technikentwicklung. Die ständige Weiterbildung der Mitarbeiter bezieht sich da bei nicht nur auf die gesellschaftliche Ebene, sondern genau so auf den unternehmensinternen Lernprozess, der aus den Entscheidungsprozessen und Konflikten der Vergangenheit ethisch tragbares Handeln ableitet. Für die Konfliktlösung in ethischen Konfliktfällen müssen Mitarbeiter sensibilisiert sein. Um dieses Wissen entsprechend im eigenen Unternehmen anwenden zu können sind zwei weitere Schritte notwendig. Zum einen muss an Hand der in der Unternehmensethik fest geschriebenen Werte präzisiert werden, wo das latente Kon fliktpotential eines bestimmten Arbeitsbereiches liegt und welche Werte tangiert sein können. Für die Formulierung dieser Aufgabenstellung kann es hilfreich sein, Außenseiter, wie Umweltverbände und Betroffenenorganisationen explizit einzubeziehen, weil deren alternative Sicht auf die Zusam menhänge manche Konflikte zu erkennen und latent poli tische Konflikte zu vermeiden hilft [3]. Zum zweiten muss eine Handlungsanweisung erarbeitet werden, die für ethische Konflikte eine bestimmten Bewältigungsstrategie festlegt. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip ergibt sich für technike thische Konflikte auf eine dreigliedrige Struktur: ◼ Konflikte, die mit herkömmlicher Ethik durch Anwen dung der für die Abteilung geltenden Priorisierungsre geln durch den Mitarbeiter alleine lösbar sind. (businessas-usual)
285
E
Ethik-Qualitätsmanagement (EQM)
Ethik-Qualitätsmanagement (EQM)
◼ Konflikte, die mit bisherigen Regeln nicht mehr durch den Mitarbeiter alleine lösbar sind und deshalb die Betei ligung weiterer Personen erfordert. ◼ Ingenieursethik-Fälle, bei denen gesellschaftliches Kon fliktpotential tangiert ist. Diese sollen nie von einem Mit arbeiter alleine gelöst werden, weil sie eine gesonderte ethische Reflektion erfordern, die für den Einzelnen in der Regel nicht mehr überschaubar ist.
E
Abbildung E22 zeigt den institutionellen Zusammenhang des Ethik-Qualitätsmanagements. In jedem Fall sollen ethische Entscheidungen einem Dokumentationsprozess zugeführt werden. Abb. E22: Institutionen des Ethik-Qualitätsmanagements EQMBeauftragter
Ethics-Helpline
EQMStrukturarbeit
Task Force 1
Monitoring/ Dokumentation
Task Force 2
EQMPublic Relations
Task Force 3
Ethik Task-Forces Die nächsthöhere Ebene nach den Mitarbeitern sind EthikTask-Forces auf Abteilungsebene. Ihr Aufgabengebiet um fasst die Festlegung der für die Abteilung geltenden Grup penmoral und über die allgemeinen Priorisierungsregeln hinausweisende Entscheidungsstrategien, die in Einklang mit der Unternehmensethik stehen und die Präzisierung der Un ternehmensethik in der Abteilung darstellt. Task-Forces können in konfliktfreien Phasen ruhen und tre ten nur bei Bedarf in Erscheinung. Alle Mitglieder einer Ab teilung können in Konfliktfällen die Einberufung der EthicsTask-Force fordern und berichten diesem Gremium den Konflikt Sie ist formal dem Qualitätsmanagement unterstellt. Task-Forces treffen sich einmal jährlich in EQM-Audits und besprechen gemeinsam Handlungsstrategien und Konflikt fälle. Für abteilungsübergreifende Konflikte können die TaskForces eine gesonderte Konferenz einberufen, bei dem sie und mindestens ein neutrales Mitglied über die Bewältigung des Konflikts entscheiden. Prinzipiell ist der den Konflikt an meldende Mitarbeiter automatisch Mitglied der Task-Force, solange, bis der Konflikt bewältigt ist. Ziel der Task-Force ist es, die Mitarbeiter zu ethischem Handeln zu ermutigen. Umgekehrt sind Mitarbeiter der Task-Force Rechenschaft für
286
ethische Entscheidungen pflichtig. Für ethisch kritische Designentscheidungen, die gesellschaft lich relevante Konsequenzen haben, kann die Task-Force eine grobe integrative Technikfolgenabschätzung (ITA) innerhalb ihrer Sitzungen beschließen und durchführen lassen. Ethics-Helplines Ethics-Helplines haben sich über die letzten zwei Jahrzehnte in amerikanischen Unternehmen etabliert. Sie bestehen in der Regel aus einem Tonband, auf dem die Mitarbeiter Kon flikte melden können. Ethics-Helplines sind anonym und bergen daher für einen in Konflikt geratenen Mitarbeiter kein Risiko einer negativen Sanktion. Darüber hinaus können sie zur Bewältigung von Konflikten auf persönlicher Ebene bei tragen bzw. bei Nichtübereinstimmung mit den Task-Forces eine Hilfe darstellen. Die Anonymität und die vorhergehend geschilderten Grundkonflikte machen eine Angliederung der Help-Lines direkt an den Ethik-Beauftragten des Unterneh mens sinnvoll. EQM Strukturarbeitsgruppe Die EQM Strukturarbeitsgruppe sind die Fortschreibungs instanzen für die Unternehmens- und Abteilungsethiken. Ihre primäre Aufgabe ist, in regelmäßigen Abständen zu prü fen, ob die gewählten Wertvorstellungen in den Abteilungen und im Gesamtunternehmen faktisch eine Rolle spielen und Konflikte tatsächlich mit dem zur Verfügung stehenden In strumentarium gelöst werden. Die Strukturarbeitsgruppe agiert dabei auf zwei Ebenen. Sie hat zu prüfen, inwieweit die gewählten Wertvorstellungen relevant sind und wie sie in die Technikgestaltung eingehen. Zum anderen soll sie die Rahmenbedingungen gestalten und dafür Sorge tragen, dass geeignete Instrumentarien vorhanden sind, um Konflikte in ethisch redlicher Art und Weise lösen zu können. Bei Konflikten zwischen den Werten Wirtschaftlichkeit und Lebens- und Umweltqualität muss explizit festgeschrie ben werden, welche Priorität einzuhalten ist und wann Abweichungen von hiervon gestattet sind. Sie treiben die Operationalisierung der Unternehmensethik voran. Der Strukturarbeitsgruppe obliegt, erfolgreiche Verfahren für Konfliktlösungen zu etablieren und unternehmensweit festund fortzuschreiben. Der Vorsitzende der Strukturarbeits gruppe ist dem Ethik-Beauftragten und den Abteilungsleitern gegenüber Rechenschaft pflichtig und zwar im Rahmen eines Zuschreibungskonzepts und zunächst unabhängig von einer persönlichen moralischen Verantwortung. EQM Public Relations Innerhalb des EQM soll sich eine Gruppe mit der Einho lung der gesellschaftlichen Perspektive befassen. Die Gruppe ist zweckmäßigerweise im Unternehmen auf der Ebene des Marketing anzusiedeln, das ohnehin gesellschaftliche Ana lysen hinsichtlich der Akzeptanz von Produkten durchführt. Der Öffentlichkeitsausschuss erfüllt mehrere Funktionen. Nach außen hin dient er der Schaffung von Transparenz hin sichtlich des Zustandekommens ethischer Entscheidungen
Ethik-Qualitätsmanagement (EQM)
Ethik-Qualitätsmanagement (EQM)
im Unternehmen und erhöht damit die Akzeptanz für Unter nehmensprodukte innerhalb des Marktes. Eine weitere Funk tion dieses Gremiums ist die Vorbereitung der Inkulturierung neuer Techniken, indem in einer zweistufigen Vorgehenswei se innerhalb von Modellversuchen neuer Technik die Nutzer begleitet werden. Eine zweite wichtige Außenwirkung dieser Arbeitsgruppe ist die Information der Technikbetroffenen in Abhängigkeit der verwendeten Technik. Dies kann sich sowohl auf die Techni kanwender beziehen als auch auf die Anrainer eines Werkes. Innerhalb des Umweltqualitätsmanagements hat sich diese Vorgehensweise bereits etabliert. Für die Inkulturierung neuer Techniken dient das Gremium der Akzeptanzbeschaffung innerhalb der Gesellschaft, in dem es sich am politischen Dialog über künftige strategische Entscheidungen für die Entwicklung und den Einsatz neuer Techniken beteiligt. Die Transparenz des Verfahrens gewähr leistet, dass sich die Gesellschaft nicht „an die Produkte, die es gibt“ anzupassen hat, sondern technikgestaltend eingreift. Für Techniken, die gesellschaftlich problematisch werden, kann die Abteilung „Öffentlichkeitsarbeit“ den Rat weiterer Institutionen hinzuziehen, um klarzumachen, dass das Unter nehmen gewillt ist, am gesellschaftlichen Lernprozess teilzu nehmen.
und Strukturarbeitsgruppen in Konflikte mit Mitarbeitern geraten. Er koordiniert die Bewältigung der Konflikte und sorgt dafür, dass Mitarbeiter ihrer ethischen Verantwortung nachkommen können und faktisch müssen. Ein zweiter we sentlicher Schwerpunkt der Arbeit des Ethik-Beauftragten besteht in der Schulung der Mitarbeiter, die je nach dem Grad ihrer Verantwortung eine gestufte ethische Grundausbildung erhalten. Der Ethik-Beauftragte fungiert gegenüber den Verbänden als Kontaktperson und steht ihnen beratend zur Seite. 4 Konfliktfälle und Lösungsstrategien Wie Konflikte um Technikgestaltung zu lösen sind, hängt da von ab, wer von Technik wie betroffen ist [4]. Abbildung E23 gibt die unterschiedlichen Konflikttypen und Lösungsverfah ren wider. Alle Konflikte, die nicht innerhalb des Unternehmens lösbar sind, werden bei gesellschaftlicher Relevanz einer öffentli chen Meinungsbildung unterworfen und politischen Ent scheidungsprozessen zugeführt. Neu entwickelte Techniken sind mit einem Moratorium zu belegen, wenn sie auf Akzep tanzprobleme in der Mehrheit der Bevölkerung stoßen. Ist das Konfliktfeld kontrovers und besteht die Aufgabe in der Wei terentwicklung gesellschaftlicher Praxis, die keine Gefähr dung der Grundwerte des gesellschaftlichen Wertesystems darstellt, dann ist es ethisch legitim, die Technik herzustellen und die faktische Durchsetzung des Produkts auf Grund ei ner morale provisoire durch Ausweitung des Nutzerkreises zu versuchen. Der Inkulturierungsprozess ist im Interesse des Unternehmens geeignet durch Anhörungsverfahren, diskur sive Entscheidungsfindung und Weiterentwicklung des Pro duktes oder Systeme zu begleiten.
EQM Monitoring und Dokumentation Die Abteilung EQM-Monitoring und Dokumentation hat eine Schlüsselfunktion innerhalb des hier präsentierten Kon zepts inne. Zum einen soll sie die Entscheidungsfindungen auf der Handlungsebene begleiten und Relevanzentscheidungen leisten, zum anderen soll sie eine Dokumentationsdatenbank für in der Vergangenheit bewältigte Konflikte zur Verfügung stellen. Diese Dokumentationsdatenbank ist das Herzstück Für nicht im Unternehmen lösbare Konflikte, die gesellschaft des Lernprozesses innerhalb des Unternehmens. Es stellt lich nicht relevant sind, lässt sich in einem bilateralen Prozess langfristig ein Archiv bewältigter Konflikte und bewährter Lösungsverfahren zur Verfügung. Zweck Abb. E23: Konflikttypen und Bewältigungsstrategien mäßig ist die Einrichtung einer Datenbank, in die Konflikte strukturiert abgelegt und in Ethische Konflikte Analogieklassen eingeteilt werden können. Dieses System erlaubt einen Rückgriff auf frühere erfolgreich angewendete Verfahren in ähnlichen Situationen und trägt dazu bei, Business-as-Usual-Konflikte Ingenieursethische Konflikte gewisse Entscheidungsstandards festzu schreiben. Ethik-Beauftragte Der Ethik-Beauftragte ist für die Koordi nation der Unternehmensethik und die Randbedingungen der Konfliktbewältigung verantwortlich. Er unterstützt die Konkre tisierung der Abteilungsethiken und über wacht deren Übereinstimmung mit der Un ternehmensethik des Gesamtunternehmens. Er ist für Mitarbeiter eine Einspruchsinstanz in Konfliktfällen in denen die Task-Forces
Lösung mit Hilfe von Priorisierungsregeln
Bilateral lösbare Konflikte Konstrukteur/Nutzer
Gesellschaftsrelevante Konflikte
Diskurs mit Nutzer
Unternehmensinternte Konfliktlösung im Rahmen des EQM
Konflikte nicht unternehmensintern lösbar
287
E
Ethik-Qualitätsmanagement (EQM) zwischen Nutzer und Hersteller eine Konfliktlösung durch Interessenausgleich und Entwicklung einer gemeinsamen Praxis anstreben. Beispiele für bilaterale Verfahren sind: Die Substitution der CD durch DVD, der Ersatz von Briefen durch e-mails. Gesellschaftlich relevant sind die Konflikte dann, wenn sie Chancenverteilungsprobleme und strukturelle Benachteili gungen durch Nichtnutzung der Techniken beinhalten oder Betroffene keinen Nutzen von einer Technik haben.
E
Alle business-as-usual Konflikte lassen sich durch folgende Struktur lösen: ◼ tangierte Werte durch Reduktion auf den Grundkonflikt ausfiltern ◼ Analogievergleich mit Konflikten aus der EQM-Doku mentation ◼ Werte priorisieren ◼ Entscheidung nach Priorisierungsregeln [5] ◼ bei gleichrangigen Werten diskursive Entscheidungsfin dung in Ethics-Task-Forces einleiten ◼ Entscheiden, kommunizieren, dokumentieren Ingenieurethische Konflikte sind ethische Dilemmata, für die es bislang keine Standardlösung gibt. Hier ist ethisches und technisches Grundwissen erforderlich. Derartige Konflikte sind ill-structured-problems, sie liegen dann vor, wenn sich die Wertkonflikte nicht mehr auf einer einzigen Skala zwi schen „guter Lösung“ und „schlechter Lösung“ darstellen las sen und/oder Konflikte miteinander konfligierender gleich rangiger Wertvorstellungen vorliegen [6]. Für diese Konflikte müssen Ingenieursdisziplinen und Ethik miteinander kombiniert werden, so dass eine verantwor tete Lösung interdisziplinär gefunden wird. Weder sollen technisch nicht realisierbare noch ökonomisch oder ethisch inakzeptable Lösungen erarbeitet werden. Das Erarbeiten einer Lösung erfolgt dem rekursiven Charakter der Tech nikentwicklung entsprechend, in einem mehrstufigen Dis kursverfahren. In einem Diskurs lässt sich die ethische Ent scheidungsfindung in einem konsensualen Verfahren unter Einbeziehung der Betroffenen erarbeiten. Der Prozess läuft idealtypisch folgendermaßen ab: ◼ Werteidentifikation ◼ Formulierung der optimalen Lösung (ethische und tech nische Wertberücksichtigung) ◼ Technische Optimierung (real möglicher Lösungsraum) ◼ Ökonomische Gewichtung der optimierten Techniken ◼ Diskursive Entscheidungsfindung Die Abwägungen sind in der EQM-Datenbank zu hinterlegen und zu veröffentlichen. Wichtig in gesellschaftlicher Perspek tive ist, dass die Entscheidungsgründe expliziert werden, so dass sie gegenüber der Gesellschaft verantwortbar und trans parent sind. Weil Konflikte dieser Art dazu führen können, dass Unternehmen auf Grund von Akzeptanzkrisen in wirt
288
ETSI schaftliche Existenzgefährdung kommen, sind diese Konflikte der Geschäftsleitung vorzutragen und mit ihr zu besprechen. Dr.-Ing. Yannick Julliard Karlsruhe Literatur
[1] Julliard, Y. (2003): Ethische Technikgestaltung. Frankfurt, Ber lin, Bern, Brüssel, New York, Oxford, Wien (Peter Lang) 2003 [2] Bijker, W.; Law J. (Hrsg.) (1994): Shaping Technology Building Society. Boston (MIT Press) 1994 [3] Van de Poel, I. (2001c): Investigating ethical issues in enginee ring design. Science and Engineering Ethics, No. 7, July 2001, S. 429-446 und Halfmann, J. (1996): Die gesellschaftliche „Natur“ der Technik. Opladen (Leske+Budrich) 1996 [4] Grunwald, A.: 2000 (??) und [1] [5] Lenk, H. (1998): Konkrete Humanität. Vorlesungen über Ver antwortung und Menschlichkeit. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1998 [6] Van de Poel, I. (2001c): Investigating ethical issues in enginee ring design. Science and Engineering Ethics, No. 7, July 2001, S. 429446
ETSI
▶en: European Telecommunications Standards Institute ▶de: Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen ▶CEN | ▶CENELEC | ▶Europäisches Normungssystem ETSI, mit Sitz in Sophia Antipolis, dem Silicon Valley Fran kreichs, verfolgt als gemeinnützige Organisation das Ziel, weltweit anwendbare Standards für die Informations- und Kommunikationstechnologien zu schaffen. ETSI ist offiziell von der Europäischen Union als Europä ische Organisation für Normung anerkannt und wurde 1988 auf Initiative der Europä ischen Kommission gegründet. Organisatorisch ist ETSI hervorgegangen aus der Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications (CEPT). ETSI zählt neben ►CEN und ►CENELEC zur dritten europäischen Normungsorga nisation. Alle drei bilden das System der europäischen Nor mung für technische Normen. ETSI erarbeitet Normen und Standards entsprechend den Bedürfnissen seiner Mitglieder. Die von ETSI entwickelten Standards können frei von der Website des ETSI heruntergeladen werden. Web
URL: www.etsi.org
Eudaimonie
▶Qualität als ethischer Begriff
EU-Nachhaltigkeitsstrategie
▶ Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Europäisches Normungssystem
Europäisches Normungssystem
Europäisches Normungssystem
operationsabkommen. Im Unterschied zu den ISO-Normen, die zunächst Empfehlungscharakter haben, erlangen die von den drei europäischen Normungsorganisationen beschlos senen (ratifzierten) Normen offiziellen Status, wenn sie von den nationalen Normungsgremien in nationale Normen um gesetzt worden sind. Alle diese Normen mit dem Kürzel EN sind durch einen öffentlichen Normungsprozess entstanden. Jeder EU-Mitgliedsstaat hat eigene organisatorische Nor mungsstrukturen ausgebildet, die hier nicht verfolgt werden können. In Deutschland sind dies
Begriff
European System of Standardization ▶CEN | ▶CENELEC | ▶ETSI Entsprechend dem Verständnis der EU-Kommission, aber auch allgemeinem Grundverständnis fol gend sind Normen auf freiwilliger Basis anzuwen dende Dokumente, in denen technische oder die Qualität betreffende Forderungen festgelegt sind, denen bereits bestehende oder künftige Produkte, Produktionsverfahren, Dienstleistungen oder Verfahren entsprechen können. Sie sind das Ergebnis der freiwilligen Zusammenarbeit von Industrie, Behörden und anderen Interessengruppen, die im Rahmen eines Systems zusammenarbeiten, das auf Offenheit, Transparenz und Konsens gründet.
1 Zum gegenwärtigen europäischen Normungssystem Das System der europäischen Normung hat seine Wurzeln im Bereich der Produktnormung (Forderungen an Produkte). Es ist eingebettet in die Bezüge der internationalen Normung (►ISO, ►IEC und ►ITU). Wie Abbildung E24 zeigt sind drei unabhängige gemeinnützige europäische Normungsorganisa tionen (►CEN, ►CENELEC und ►ETSI) zuständig für das europäische Normungssystem: ◼ CEN (allgemein, also alle Bereiche außer Elektrotechnik und Telekommunikation) ◼ CENELEC (Elektrotechnik) ◼ ETSI (Telekommunikation) CEN/CENELEC treten in Westeuropa als gemeinsame Normungsorganisation auf. Mit ►ISO/►IEC bestehen Ko
◼ ►DIN – Deutsches Institut für Normung e. V.. Heute ist die Normungsarbeit bei DIN zu fast 90 Prozent europä isch und international ausgerichtet, wobei die Mitarbei ter von DIN den gesamten Prozess der nichtelektrotech nischen Normung auf nationaler Ebene organisieren und über die entsprechenden nationalen Gremien die deut sche Beteiligung auf europäischer und internationaler Ebene sicherstellen. DIN vertritt hierbei die Normungs interessen Deutschlands als Mitglied im Europäischen Komitee für Normung (►CEN) sowie als Mitglied in der Internationalen Organisation für Normung (►ISO). ◼ DKE – Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektro nik Informationstechnik in DIN und VDE. Sie dient als gemeinnützige Dienstleistungsorganisation der sicheren und rationellen Erzeugung, Verteilung und Anwendung der Elektrizität und ist die nationale Organisation für die Erarbeitung von Normen und Sicherheitsbestimmungen in dem Bereich der Elektrotechnik, Elektronik und In formationstechnik in Deutschland. Die DKE ist ein Or gan von DIN und des VDE (Verband der Elektrotech
Abb. E24: Normungssystem – Perspektive Europäische Normung und nationale Normung am Beispiel Deutschland
Normungssystem –Elemente – Allgemein
Elektrotechnik/IT
Telekommunikation/IT
Regulierung
Internationale Normung
Europäische Normung
Nationale Normung Beispiel Deutschland Normungsorganisationen
289
E
Europäisches Normungssystem nik Elektronik Informationstechnik e. V., Frankfurt am Main). Die DKE wird vom VDE getragen. Ihr Dienstsitz ist Frankfurt am Main (URL: www.dke.de). Die DKE vertritt als Organ von DIN und des VDE die Interessen in der elektrotechnischen Normung, zu der auch die In formationstechnik zählt (►CENELEC und ►IIEC) und in der Normung zur Telekommunikation (►ETSI und ►ITU).
E
Von der EU-Kommission wurde im Jahr 2011 die erfolg reiche Praxis der Normung in Europa gewürdigt und gleich zeitig erkannt, dass die Mehrheit der Normungsergebnisse die Bedürfnisse des industriellen Bereichs erfüllen [1, S. 1]: „Eines der einzigartigen Merkmale dieser freiwilligen Zusammenarbeit zwischen Industrie, Behörden und anderen Interessengruppen in der EU ist die steigende Zahl Europäischer Normen, die von europäischen Normungsorganisationen angenommen werden und EU-weit gelten. Es handelt sich hier um unabhängi ge privatrechtliche Organisationen. Für die Industrie stellen Europäische Normen die Zusammenfassung bewährter Praktiken in einem spezifischen Bereich dar, da sie das kollektive Fachwissen der beteiligten Akteure enthalten. Die große Mehrheit der Europäischen Normen wird weiterhin von der Industrie initiiert, was zeigt, dass diese Instrumente hauptsächlich den Bedürfnissen von Unternehmen entsprechen und im Wesentlichen auf die Initiative der Privatwirtschaft zurückgehen.“ In der wohl unbestrittenen Tatsache, dass die Normung schwerpunktmäßig den Interessen und Initiativen der Indus trie folgt wird eine reformbedürftige Schieflage gesehen, die in diesem Stichwort aufgegriffen wird. Die folgenden Kapitel 2 bis 7 stützen sich auf die Argumentation der EU Kommissi on in ihrer Strategischen Vision [1]. 2 Europäische Normen im Dienste der Industriepolitik und der Innovation Die Einführung europäischer Normen bringt enormen Nut zen für die Industrie. So bewirken Normen unter anderem Kosteneinsparungen, und sie bieten die Möglichkeit, tech nische Forderungen vorwegzunehmen oder die Transakti onskosten zu reduzieren. In Bezug auf die Innovation können europäische Normen den Stand der Technik in verschiedenen Technologiebereichen kodifizieren und verbreiten. Um die Industriepolitik und die Innovation zu unterstützen, will die Europäische Kommission mit ihrer „Strategischen Vi sion“ [1] vor allem dafür sorgen, dass: ◼ europäische Normen für innovative Produkte und Dien ste rasch ausgearbeitet und verabschiedet werden, bei spielsweise in den Bereichen Ökodesign, intelligente Netze oder Energieeffizienz von Gebäuden; ◼ Leistungskriterien für die europäischen Normungsorga nisationen ausgearbeitet werden;
290
Europäisches Normungssystem ◼ das Bewusstsein und die Aus- und Fortbildung hinsicht lich der Normen gestärkt werden. 3 Europäische Normen im Dienste der Gesellschaft Europäische Normen spielen eine wichtige Rolle bei der För derung des Verbraucherschutzes und bei der Verbesserung der Zugänglichkeit für behinderte und ältere Menschen. Ein weiterer Bereich, der von europäischen Normen profitieren würde, ist das umweltverträgliche Wachstum. Hier könnten Normen den Übergang zu einer ressourceneffizienten Wirt schaft mit niedrigem Kohlenstoffausstoß fördern. Um die europäischen Normen in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, schlägt die Kommission vor: ◼ die Richtlinie über die Produktsicherheit zu überarbei ten; ◼ die europäischen Normen auch auf die Umweltpolitik, die Zugänglichkeit und die Sicherheit sowie den Zivil schutz auszuweiten. 4 Die europäischen Normen im Dienste eines integrativen Normsetzungsprozesses Nach Auffassung der Kommission spielen europäische und nationale Normungsgremien eine wichtige Rolle in einem integrativen Normsetzungsprozess. Aus diesem Grund for dert sie diese Gremien auf, ein System mit Parametern für die Teilnahmekriterien und ein System für die Beurteilung durch Gleichrangige zu entwickeln mit dem Ziel, die Beteiligung der verschiedenen Interessengruppen am Normsetzungspro zess zu überwachen. Die Mitgliedstaaten wurden von der Kommission aufge fordert, die Beteiligung der nationalen Organisationen, die KMU und gesellschaftliche Interessengruppen vertreten, am Normsetzungsprozess zu fördern. 5 Die europäischen Normen im Dienste des Binnenmarkts Im Bereich des freien Warenverkehrs hat das europäische Normungssystem bereits einen erheblichen Beitrag geleistet. Wichtig wäre nach Auffassung der Kommission jedoch, die europäischen Normen auch auf die Dienstleistungen anzu wenden. Aus diesem Grund will die Kommission Normen für Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der zukünf tigen Verordnung zur Normung aufnehmen. Diese Normen für den Dienstleistungssektor müssen marktorientiert sein, auf einem Konsens basieren und das öffentliche Interesse be rücksichtigen. 6 Die europäischen Normen im Dienste der Informations und Kommunikationstechnologien (IKT) Auf die IKT entfallen 5 % des europäischen BIP mit einem jährlichen Marktvolumen von 660 Milliarden EUR. Es ist daher wichtig, die Interoperabilität von Geräten, Anwen dungen, Datensammlungen, Diensten und Netzen mit Hilfe von Normen zu gewährleisten, wie dies vor allem in der digi talen Agenda für Europa gefordert wird.
Europäisches Normungssystem Die Europäische Kommission plant daher die Einrichtung und die Übernahme des Vorsitzes einer speziellen MultiStakeholder-Plattform zur Beratung der Kommission in Fra gen der Umsetzung der Normungspolitik im IKT-Bereich. Aufgabe der europäischen Normungsorganisationen wäre in diesem Zusammenhang, die Verfahren für die Übernahme von IKT-Normen, die von anderen Normungsorganisationen entwickelt wurden, in das europäische Normungssystem ste tig zu verbessern. 7 Die europäischen Normen im Dienste der Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt Die europäischen Normungsorganisationen sind alle Mitglie der der Internationalen Normungsorganisation (ISO), der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) und der Internationalen Fermeldeunion (ITU). Dadurch kann die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auf dem Weltmarkt verbessert werden, da Normen Auslandsmär kte öffnen und Geschäftspartnerschaften überall in der Welt ermöglichen. Die EU möchte die Verwendung internationaler Normen för dern und Nachbarländer und andere Regionen der Welt auf fordern, diese auch zu nutzen. Die Kommission wird daher Ländern und Regionen technische Hilfe leisten, um sie zur Beteiligung an der internationalen Normsetzung zu ermuti gen. Darüber hinaus werden die europäischen und nationalen Normungsgremien aufgefordert, Vorschläge für internatio nale Normen in den Bereichen vorzulegen, in denen Europa weltweit führend ist. 8 Bedenken bezüglich der Mitteilung Die Kommission möchte mit ihrer Mitteilung nicht nur al ternative, schnellere Normungsdokumente fördern, sondern auch die traditionelle Normung extrem beschleunigen. Es ist aber höchst zweifelhaft, dass Faktoren wie Interoperabilität, Produktentwicklungszyklen oder Innovativität, die für die Bereiche IKT oder Security sehr wichtig sind, für das gesamte Normungswesen eine ebenso große Bedeutung haben. Schon die gegenwärtig erreichten und noch vor einigen Jah ren illusorischen Erarbeitungszeiträume sind häufig nur mög lich, weil formale Normungsverfahren erst dann eingeleitet werden, wenn bereits ein recht weit entwickelter Textvor schlag vorliegt. Kaum ein Komitee beginnt seine Arbeit offizi ell noch auf einem weißen Blatt Papier. Es gibt sicher Stellen, an denen europäische Normungsverfahren weiter optimiert und Prozesse beschleunigt werden können. Aber eine Verrin gerung der Erarbeitungsdauer um 50 % oder gar pauschal auf 18 Monate anzustreben, ist illusionär und würde sich auch auf die Qualität der Normungsergebnisse auswirken. 9 Reaktion des DIN auf die „Strategische Vision“ Das DIN wie auch andere Organisationen, die im System der europäischen Normung in Deutschland involviert sind und inzwischen eigene „Normungsstrategien“ formuliert haben, sehen das Vorhaben der Europäischen Kommission eher als Bedrohung an: Ein gewachsenes System würde in seiner
Europäisches Normungssystem erfolgreichen Form als private Initiative gefährdet. Die fol genden Punkte wurden vom DIN in einem Sonderdruck zu sammengefasst [2]: ◼ „Die Vorschläge zielen auf eine staatliche Bevormundung ab und bedeuten eine Abkehr von der privatwirtschaft lich organisierten freiwilligen Normung. Die gut funktio nierende Public Private Partnership wird damit aufgege ben. ◼ Die wirtschaftliche Grundlage der dezentralen europä ischen Normung wird zerstört. Die Vorschläge der Kom mission bedeuten im Ergebnis eine Finanzierung der Normung durch Steuergelder. ◼ Die zentralistischen Überlegungen der Europäischen Kommission ziehen eine erhebliche Schwächung des tra ditionell starken europäischen Einflusses auf die interna tionale Normung nach sich. (So hätte Europa mit einer zentralen Normungsagentur nur noch eine Stimme bei ISO und IEC statt wie bisher 31.) ◼ Bei einer Abkehr vom nationalen Delegationsprinzip würden schwächere Partner (KMU, Verbraucher), die in den nationalen Spiegelgremien zur Normentwicklung beitragen, in Zukunft von der europäischen Normung ausgeschlossen. ◼ Der von der Europäischen Kommission beabsichtigte Wettbewerb der europäischen Normungsorganisationen mit Foren und Konsortien führt zu einer Zersplitterung und Widersprüchlichkeit des Europäischen Normen werks. Bedürfnisse von KMU oder gesellschaftlichen Gruppen werden nicht mehr berücksichtigt. ◼ Der Wegfall der nationalen Plattformen würde bedeu ten, dass die Europäischen Normen nicht mehr die na tionalen Anforderungen erfüllen und dass es keine auto risierte, terminologisch einheitlichen Sprachfassungen mehr gibt.“ Torsten Bahke, der damalige Direktor (CEO) des DIN e. V., formulierte die Sicht des DIN zusammenfassend wie folgt [2]: „Das DIN betrachtet es als seine Verantwortung im Sinne aller deutschen Stakeholder aus Wirtschaft und Gesell schaft, Maßnahmen gegen diese Entwicklungen zu ergreifen.“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Europäische Kommission: Mitteilungen der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss. Eine strategische Vision der europäischen Normung: Weitere Schritte zur Stärkung und Beschleunigung des nachhaltigen Wachstums der europäischen Wirtschaft bis zum Jahr 2020. Brüssel, den 1. 6. 2011 (KOM(2011) 311. Die folgenden Er örterungen beruhen auf dieser 21 Seiten umfassenden Mitteilung, die als „Strategische Vision der europäischen Normung“ bezeichnet wurde. [2] DIN Mitteilungen Themen: Europäisches Normungssystem be droht von Torsten Bahnke, Direktor des DIN. Sonderdruck aus den DIN-Mitteilungen, Berlin März 2010
291
E
European Accreditation (EA) Europäischer Qualitätspreis
▶EQA-European Quality Award (zurückgezogen) ▶EEA-EFQM Excellence Award (aktuell gültig) ▶EFQM
European Accreditation (EA)
E
▶en: European Co-operation for Accreditation ▶de: Europäische Akkreditierung ▶de: Europäische Kooperation für Akkreditierung ▶EA ▶Akkreditierung | ▶DAkkS In lfd. Nr. (10) der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 heißt es generell zu Akkreditierung im EU-Kontext [1]: „Die Akkreditierung wurde zwar bislang nicht auf Gemeinschaftsebene geregelt, wird aber in sämtlichen Mitgliedstaaten praktiziert. Das Fehlen gemeinsamer Regelungen für diese Tätigkeit hat in der Gemeinschaft zu unterschiedlichen Ansätzen und voneinan der abweichenden Systemen und dadurch zu einer zwischen den Mitgliedstaaten uneinheitlich stren gen Handhabung der Akkreditierungsforderungen geführt. Daher ist es notwendig, einen umfassenden Rahmen für die Akkreditierung zu entwickeln und auf Gemeinschaftsebene die Grundsätze für ihre Arbeit und Organisation festzulegen.“ Mit Errichtung einer einheitlichen europäischen Akkredi tierungsstelle wurde dann der organisatorische Rahmen ge schaffen. Die European Accreditation, kurz die EA, ist die ein zige Stelle, die für gewisse Aufgaben auf europäischer Ebene anerkannt ist. In der 765/2008 heißt es in (23) dazu [1]: „Die Europäische Kooperation für die Akkreditierung (die „EA“), deren Hauptaufgabe es ist, ein transparen tes und qualitätsorientiertes System zur Beurteilung der Kompetenz von Konformitätsbewertungsstellen in ganz Europa zu fördern, betreibt für die natio nalen Akkreditierungsstellen aus den Mitgliedstaaten und anderen europäischen Ländern ein System der Beurteilung unter Gleichrangigen. Dieses System hat sich als wirksam und vertrauensbil dend erwiesen. Daher sollte die EA die erste nach dieser Verordnung anerkannte Stelle sein, und die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass ihre natio nalen Akkreditierungsstellen Mitglied der EA werden und bleiben, solange sie in dieser Form anerkannt ist.“
European Organization for Quality (EOQ) „Die Europäische Kooperation für Akkreditierung oder EA ist eine Vereinigung von nationa len Akkreditierungsstellen in Europa, die offizi ell von ihrer nationalen Regierung anerkannt ist, um die Tätigkeiten von Zertifzierungsunternehmen in den Bereichen von Zertifizierung, Prüfung, Inspektion, Prüfung und Kalibrierung (auch als Konformitätsbewertung bekannte Dienste) zu beur teilen und zu überprüfen. Als offizielle Hüterin der europäischen Akkreditierungsinfrastruktur hat die EA das übergeordnete strategische Ziel, den Wert und die Glaubwürdigkeit der akkreditierten Konformitätsbewertungsleistungen ihrer Mitglieder und akkreditierten Konformitätsbewertungsstellen im europäischen Markt sicherzustellen." Im Rahmen der EU-Nachbarschaftspolitik sind zusätzlich zu den 36 Vollmitgliedern die folgenden 12 Staaten assoziierte Mitglieder der EA: Algerien, Armenien, Aserbaidschan, Bela rus, Ägypten, Georgien, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Moldawien, Marokko, die Palästinensische Autonomiebehör de, Syrien, Tunesien und die Ukraine. Adresse
European Co-operation for Accreditation (EA) 75 avenue Parmentier F - 75544 PARIS cedex 11 Tel: 33 (0)1 40 21 24 62 Email: [email protected] URL: www. european-accreditation.org
Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Literatur
[1] Europäische Kommission: Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Auf hebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates. Brüssel 2008
European Organization for Quality (EOQ) ▶EOQC (frühere Abkürzung)
1956 gegründete Dachorganisation von 31 Europäischen Qualitätsfachorganisationen.
Die EA formuliert ihr Selbstverständnis wie folgt (www.euro pean-accreditation.org): Die EOQ versteht sich als Koordinierungsorgan und Kata lysator seiner 31 Mitglieder nach einer effektiven Verbesse rung auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements. Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Länder zu fördern, unterstützt die EOQ sowohl den Informations- und Erfah rungsaustausch als auch die Weiterentwicklung von theore
292
Evaluation tischen wie praktischen Arbeiten zum Qualitätsmanagement. Über das Generalsekretariat in Brüssel (s. u.) sind Informa tionen zu allen europäischen und die meisten weiteren Fach organisationen für Qualität weltweit verfügbar. Jedes Jahr (seit 1956) veranstaltet die EOQ in einem ihrer Mitgliedsländer einen Kongress. Die EOQ gibt die Zeitschrift European Quality heraus. Sie ist das offizielle Organ der EOQ und erscheint sechsmal im Jahr. Außerdem erscheint jährlich eine Sonderausgabe zur Europäischen Qualitätswoche. Der Jahresbericht erscheint als Tätigkeitsbericht mit weiteren In formationen über die EOQ.
Die EOQ hat das Glossary of Terms used in the Management of Quality bis zur 6. Auflage (1989) herausgegeben, das 427 im Angloamerikanischen definierte Begriffe enthält. Eine wei tere Auflage wird nicht erscheinen, da inzwischen die interna tionale Normung (DIN EN ISO 8402 und Folgefassungen) in dieser Richtung international tätig ist. Adresse EOQ-European Organization for Quality 36-38 rue Joseph II 1000 Brussels Email: [email protected] Web URL: www.eoq.org
Evaluation
▶Training Der Begriff stammt ursprünglich von dem lateinischen Wort „valuare“, was soviel bedeutet wie „bewerten“. Allgemein meint Evaluation im Qualitätsmanagement Beschreibung, Analyse und Bewertung von Prozessen und Organisations einheiten. Schwerpunkte können der Kontext, die Struktur, der Prozess und das Produkt (Ergebnis) sein. Beispiel Trainings: Für die Beschreibung und Beurteilung von Trainings werden je nach Zielsetzungen unterschiedliche Kriterien und Evaluationsmethoden eingesetzt. Die Ergebnisse von sorg fältig kontrollierten Evaluationen im Bereich der Kontextund Zielevaluation (context), der Inputevaluation (input), der Prozessevaluation (process) und der Produktevaluation (product) werden in Beziehung gesetzt zu der Ausgangsla ge der einzelnen Teilnehmer im Bereich ihres Wissens, ihrer Einstellungen, ihrer Fertigkeiten und ihres Verhaltens gegen über den Aufgaben am Arbeitsplatz.
Evaluierung
▶Mitarbeiterbefragung im QM
Experience Qualities
▶ Operations Managment
Expertensystem
▶en: expert system ▶Wissensmanagement System, welches das Wissen und die Verknüpfungen (Regeln) der Experten zur Problemlösung nutzt. Aus der Sicht der In formatik handelt es sich um Programme, die in der Lage sind, die Problemlösungsfähigkeiten von Expterten zu simulieren. Solche Systeme werden auch als Wissensbasierte Systeme be zeichnet.
externer Anbieter
E ISO-Term
Mit dem von der EOQ vergebenen Leader Award (EQL) wurde 2014 Dr. Uwe Schweigert, Geschäftsführer der Robert Bosch Fahrzeugelektrik Eisenach GmbH und Senior Vice President Produktion von Antriebsstrang-Sensoren von Bosch-Gruppe weltweit, geehrt.
Exzellenzcluster
▶en: external provider ▶Lieferant | en: external supplier ►Anbieter, der nicht Teil der ►Organisation ist
Beispiel: Hersteller, Vertriebseinrichtung, Einzelhändler oder Ver käufer eines ►Produkts oder einer ►Dienstleistung. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Externer Kunde
▶Kunde ▶KLB Der unmittelbare externe Kunde im In nen verhältnis der Orga ni sation und alle anderen externen Kunden in der Prozesskette ihrer Produkte und Dienstleistungen bis hin zum Endabnehmer.
Externes Qualitätsaudit
▶Qualitätsaudit ▶Auditierung im Qualitätsmanagement Beurteilung und Bewertung der Wirksamkeit eines externen QM-Systems, z. B. eines Lieferanten.
Exzellenzcluster
▶Cluster of Excellence ▶Exellenz im Wissenschaftsbetrieb ▶Bussiness Exzellenz „Unverkennbar werden die Vorläufer der späteren Exzellenzcluster mit den Argumentationsmustern exzellenter Unternehmensführung im Sinne von Peters/Watermann begründet.“ (Tobias Peter[4, S. 99])
Spaltet man den Begriff Exzellenzcluster in seine beiden Bestandteile „Exzellenz“ und „Cluster“ auf und kombiniert deren jeweiligen Bedeutungsgehalt lt. „Deutsches Universal wörterbuch“ (4. Auflage 2001) auf unterschiedliche Weise, erhält man bedenkenswerte Möglichkeiten zur inhaltlichen Füllung dieses Begriffes. Exzellenz wird dort ganz allgemein als „Erhabenheit, Herrlichkeit“ festgehalten und „Cluster“ als „Büschel“ oder „Menge“. So wäre auf dieser allgemeinen Ebe ne der Begriffsdeutung Exzellenzcluster z. B. ein „Erhaben heitsbüschel“ oder eine „Herrlichkeitsmenge„. Verlässt man diese allgemeine Ebene der Begriffsdeutung und betrachtet weitere Möglichkeiten der Bedeutungszuschreibung, z. B.
293
Exzellenzcluster den Begriff „Cluster“ aus dem Bereich der Medizin, so ergäbe sich eine Kombination aus „Zellwucherung“ und „Herrlich keit“ bzw. „Erhabenheit“. Nimmt man solche Begriffskombinationen nicht nur als ein sprachliches Spiel, so sind im Hinblick auf die tatsächlich vorhandenen Exzellenzcluster an deutschen Universitäten Bedeutungskombinationen wie „Herrlichkeitsmenge“ nicht nur Spinnereien. Bezogen auf den Förderumfang wurden in der ersten Phase der ►Exzellenzinitiative (und daraus her vorgehend die Exzellenzcluster) von 2006/07 immerhin ca. 6,5 Millionen Euro bereitgestellt; für die zweite Phase von 2012-2017 „können für Exzellenzcluster zwischen 3 und 8 Millionen Euro p. a. beantragt und bewilligt werden“ [1]. Es geht aber nicht nur um Forschungsmittel sondern auch um Forschungsverbünde unterschiedlicher Disziplinen. Auch hier wäre eine Bedeutungskombination von Exzellenzcluster als „Erhabenheitsbündel“ nicht nur ironisch zu verstehen. In den DFG-Informationen wird Exzellenzcluster wie folgt fest gehaltend [1]: „Mit den Exzellenzclustern sollen an deut schen Universitätsstandorten international sicht bare und konkurrenzfähige Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen etabliert und dabei wis senschaftlich gebotene Vernetzung und Kooperation ermöglicht werden. Die Exzellenzcluster sollen wich tiger Bestandteil der strategischen und thematischen Planung einer Hochschule sein, ihr Profil deutlich schärfen und Prioritätensetzung verlangen. Sie sollen darüber hinaus für den wissenschaftlichen Nachwuchs exzellente Förder- und Karrierebedingungen schaf fen. Zusammen mit den Graduiertenschulen und den Zukunftskonzepten zum projektbezogenen Ausbau der universitären Spitzenforschung tragen Exzellenzcluster dazu bei, den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.“
Begriff
E
Auf zwei Beispiele solcher Exzellenzcluster sei hingewiesen: ◼ An der Goethe-Universität Frankfurt/Main gab es ein Exzellenzcluster zum Thema „Die Herausbildung nor mativer Ordnung“, an dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Disziplinen Philosophie, Ge schichte, Politik- und Rechtswissenschaft, Ethnologie, Theologie und Soziologie beteiligt waren. ◼ Ein zweites Beispiel: An der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster befassen sich „rund 200 Wissen schaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 20 geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern und rund 14 Nationen … mit dem Verhältnis von Religion und Politik quer durch die Epochen und Kulturen.“ (www. uni-muenster.de/Religion und Politik/Forschung) In der Förderphase 2012-2017 stehen dafür 33,7 Millionen Euro zur Verfügung.
294
Exzellenzinitiative Universitäten, die eine solche Förderung für Exzellenzcluster bekommen, können sich sicher „erhaben“ oder „herrlich“ füh len. Doch sollte man ein wenig nachdenklich verweilen und folgende Perspektive nicht aus den Augen verlieren: „Mit der „Exzellenzinitiative“ wird – wenn die Begriffswahl nicht mehr oder weniger zufällig erfolgt ist, was nach den eingehenden Diskussionen nicht vermutet werden muss – nicht allein wissenschaftlich Hervorragendes zu fördern gesucht. Sondern es geht um etwas, was sich symbolisch abgrenzt und durch die Abgrenzung Würde ausstrahlt“. [2] Prof. Dr. Raimund Pfundtner, Lünen Literatur
[1] www.dfg.de/foerderung/programme/exzellenzinitiative – Ab ruf 18-06-2015 [2] Teichler, U.: Exzellenz und Differenzierung: Auf der Suche nach einer neuen Systemlogik. In: Hornbostel, Stefan, Saskia Heise und Dagmar Simon (Hg.): Exzellente Wissenschaft. Das Problem, der Diskurs, das Programm und die Folgen. iFQ-Working Paper, Nr. 4, Okt. 2008, S. 13-23 [3] Münch, R.: Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2007 [4] Peter, T.: Genealogie der Exzellenz. Weinheim (BeltzJuventa) 2014
Exzelleninitiative
▶Exzellenzcluster ▶Exellenz im Wissenschaftsbetrieb ▶Bussiness Exzellenz Mit der Exzellenzinitiative streben der Bund und die Län der die nachhaltige Stärkung des Wissenschaftsstandorts Deutschland, die Verbesserung seiner internationalen Wett bewerbsfähigkeit und die Herausbildung von Spitzen im Universitäts- und Wissenschaftsbereich an. Die internationa le Sichtbarkeit soll erhöht, Interdisziplinarität und Qualität der Nachwuchsausbildung wie der Forschung auf ein neues Niveau gehoben, und durch intensivere Zusammenarbeit der Hochschulen mit außeruniversitären Forschungseinrich tungen soll die „Versäulung“ des deutschen Wissenschaftssy stems aufgebrochen werden. Maßnahmen zur Strategie- und Profilbildung in den Universitäten sollen stimuliert werden. Die Exzellenzinitiative wurde am 23. Juni 2005 verabschie det. Beschlossen wurde die Bewilligung von insgesamt 1,9 Milliarden Euro Fördergeldern (75 Prozent davon vom Bund und 25 Prozent vom jeweiligen Sitzland der geförderten Ein richtung) für den Zeitraum von 2006 bis 2011 zur Finanzie rung von ◼ Graduiertenschulen zur Förderung des wissenschaftli chen Nachwuchses, ◼ ►Exzellenzclustern zur Förderung der Spitzenforschung ◼ Zukunftskonzepten zum projektbezogenen Ausbau der universitären Spitzenforschung
Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb Die Lehre als solche, ihre Qualität und ihre unterschiedliche Ausprägung je nach Hochschule spielt keine Rolle. Einzig in der Förderlinie Graduiertenschulen kommt der Lehre als spezifisches Element eine Bedeutung zu. Mit der Programm durchführung wurde die Deutsche Forschungsgemeinschaft beauftragt, die hierbei mit dem Wissenschaftsrat zusammen wirken soll. Die Exzellenzinitiative wird in einem mehrstu figen Antrags- und Begutachtungsverfahren in mehreren „Runden“ durchgeführt. Kritiker befürchten, dass es an den Hochschulen zu einer Opferung der „hohen Qualität in der Breite“ kommen wird. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Hartmann, M.: Die Exzellenzinitiative – ein Paradigmenwechsel in der deutschen Hochschulpolitik. In: Leviathan. Nr. 4, 2006, S. 447465
Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb
▶Excellency in the Scientific Community ▶Exzellenzcluster ▶Exellenzinitiative ▶Bussiness Exzellenz
Begriff
Der Sachverhalt Qualitäts- und Exzellenzinitiativen im Hochschulbereich [1] werden seit einiger Zeit geplant, durchgeführt und evaluiert. Ihre Aufgaben sind die Optimierung von Prozessen und Or ganisation des Hochschulbetriebs [2]. Sie haben ähnliche Muster wie die in der Wirtschaft gängigen Methoden und Organisationsformen des QM, TQM und der EFQM [3]. Rationalisierung, Effizienzsicherung und Effizienzsteigerung sind da wie dort die Ziele. Der „return of investment“ steht dahinter. Der Hochschulbereich ist grundsätzlich autonom und zugleich eingebettet in einen größeren Zusammenhang. „Wissenschaftsbetrieb“ ist die Gesamtheit der personellen, organisatorischen und prozessualen Gegebenheiten, die For schung und Lehre aber auch „Research and Development“ (R+D) ermöglichen. Der Wissenschaftsbetrieb hat instituti onelle, sozioökonomische und politische Grundlagen sowie entsprechende Auswirkungen. Er ist einer der Grundpfeiler der modernen Zivilisationen. Wegen der inzwischen enger gewordenen personellen und ökonomische Verflechtungen des Hochschulbereiches mit Wirtschaft und öffentlichen Sektoren kann der Begriff „Wis senschaftsbetrieb“ definiert werden als die mehr oder weniger engmaschige Gesamtheit von unterschiedlichen aber auf Zu sammenarbeit angewiesenen Akteuren: ◼ ◼ ◼ ◼
Hochschulen und Forschungsinstitute (Academia) Kulturpolitik und -verwaltung Forschung und Entwicklung der Wirtschaft (R+D) Beratungsinstitutionen für diverse öffentliche Bedarfsträ ger und Interessensverbände ◼ Wissenschaftsjournalismus.
Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb Dies ist faktisch so, trotz gelegentlicher bis energischer Abgrenzungsbemühungen, trotz Berührungsängsten und gegenseitiger Beschuldigungen. Der so definierte Wissen schaftsbetrieb ist auch längst Teil der ►Globalisierung (Per sonalaustausch und -fluktuation, internationale Kongresse und Projekte, multinational tätige Organisationen, Normie rungen usw.). Die Globalisierung des freien Handels wird die Globalisierung des Wissenschaftsbetriebs weiter fördern. Noch sind die Akteure strukturell unterschiedlich. Es besteht aber die Tendenz, dass das sektorale Qualitäts- und Exzel lenz-Muster der Wirtschaft auch die Wissenschaft permanent dominiert und sich somit auf den erweiterten, globalisierten Sachverhalt „Wissenschaftsbetrieb“ auswirkt. Ob dies über die Belange des industriellen R+D hinaus sinnvoll ist, ist die Frage. Die tendenzielle Dominanz der Wirtschaft mit ihren Model len von Qualität und Exzellenz über die Wissenschaft wird als zumindest befragenswert angesehen [4]. Dies im Blick möchte Verf. nunmehr auf Grundlagen hinweisen, von de nen er annimmt, dass sie zu wenig beachtet werden; wenn er damit „Eulen nach Athen trägt“, dann um so besser. Von den o. g. fünf Akteuren werden aber nur die beiden Hauptakteure Academia sowie R+D behandelt. Die anderen drei können sich selbst ggf. zuordnen [5]. Wenn hier von Qualität und Exzellenz gesprochen wird, dann ist damit das System ange sprochen, das genuin wissenschaftliche Ergebnisse auf genuin wissenschaftliche Weise hervorbringt. – Alles was nun folgt, sei als Strukturierungsversuch und Diskussionsbeitrag ver standen; das ganze Thema hat allerdings seine Unschärfen und Aporien, die nur schrittweise verringert werden können. Die Basisthese lautet: Wirtschaft und Wissenschaft haben unterschiedli che soziale Funktionen. Die Tatsache, dass sie sich ergänzen, impliziert nicht, dass die eine die ande re dominiert. Solange der Wissenschaftsbetrieb ein Konglomerat aus strukturell sowie mentalitätsmäßig sehr unterschiedlichen Akteuren ist, gibt es für ihn kein einheitliches Qualitäts- bzw. Exzellenzmodell; man sollte auch nicht versuchen, eines zu konstruie ren. Sinnvoll ist, dass die Akteure ihre überkomme nen Rollen behalten und sich dennoch über Qualität und Exzellenz verständigen, denn sie beliefern sich gegenseitig. Nicht die Aufhebung der Zielkonkurrenz zwischen den Akteuren, sondern die Synergie unter schiedlicher Ziele ist das Problem. Hierzu werden fünf Einzelthesen aufgestellt und hinsichtlich ihrer prakti schen Bedeutung erläutert. Die Thesen These 1: Die Akteure des Wissenschaftsbetriebes sind alle dem „Wesen“ der Wissenschaft verpflichtet, beim Forschen stets nachvollziehbare Gründe zu liefern für das Gefundene und als „Wissen“ Deklarierte [6]. Dennoch hat jeder Akteur auch noch ihm äußerliche Bedingungen und Verpflichtungen, die ihm die praktischen Maßstäbe seines Handelns auferlegen (s. These 2).
295
E
Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb
E
Hätten alle Akteure die gleichen praktischen Maßstäbe, dann gäbe es für sie auch ein einheitliches Modell für QM, TQM oder der Exzellenz. Dem ist aber nicht so. Das industrielle R+D ist ein nicht unbedeutender Faktor, wenn nicht gar ein Trendsetter für den gesamten Wissenschaftsbetrieb. Die Fra ge wurde gestellt: Muss das Qualitäts- und Exzellenz-Muster der Wirtschaft im gesamten Wissenschaftsbetrieb den Ton angeben? Die knappe aber aporetische Antwort lautet: Folgt man der Logik des Wirtschaft (gr. techne), dann ja; folgt man der Logik der Wissenschaft (gr. episteme), dann nein. Müs sen sich dann R+D und Academia von einander verabschie den? Hoffentlich nicht. These 2: Wissenschaft und Wirtschaft unterscheiden sich hin sichtlich der „Geschäftsmodelle“ und des Wettbewerbs. Die Wissenschaften sind auch ein Mittel der (inzwischen globalen) Daseinsvorsorge. Daher hat der Wissenschaftsbe trieb im Wesentlichen ein anderes „Geschäftsmodell“ als die Wirtschaft. Es gibt Überlappungen und Anregungen; aber die flächendeckende Vermengung der „Geschäftsmodelle“ ist für die Wissenschaft gefährlich. Wissenschaft ist auto nom, ethisch und pädagogisch; sie ist „episteme“ im Betrieb und wird von „sophia“ geleitet [7]. Ihre Nützlichkeit muss sie ethisch verantworten können. In der Wirtschaft ist das in mancherlei Hinsicht anders; sie ist im Wesentlichen ökono misch-kompetitiv (s. These 3); die Wissenschaften sind da gegen im Wesentlichen heuristisch-kompetitiv, d. h. auf der Suche nach der „Wahrheit“ in ihren Forschungsthemen. Die Qualitäts-Konzepte von QM und TQM passen einiger maßen auf den Wissenschaftsbetrieb, wenn QM und TQM primär inhaltlich und nicht nur prozedural definiert und gelebt werden. Das leitende Qualitäts-Konzept der Wissen schaften, schlicht und einfach die „Wahrheit“, ist: visionär, heuristisch, methodisch, frei kommunikativ, öffentlich, re produzierbar, aber kein marktgängiges Gut. Ihr Wettbewerb ist ein friedlicher und synergetischer [8]. Das Exzellenz-Konzept der „hypercompetition“ passt über haupt nicht auf die Wissenschaften, weil der wirtschaftliche Wettbewerb andere Ziele hat und anders motiviert ist. These 3: Der wirtschaftliche Wettbewerb und der Erkenntnis fortschritt sind unterschiedlich motiviert. Für die Academia ist das bislang nichts Neues. Beim Trend setter R+D sieht die Sachlange schon anders aus. Gelten die Forderungen und Regeln für den wirtschaftlichen Wettbe werb und somit das Konzept von ►Business Exzellenz („hy percompetition“) auch für das industrielle R+D? Im Prinzip ja, aber nicht für die Wissenschaft als solche. Im „hybriden“ Akteur R+D kommen zwei unterschiedliche Motivationen zusammen. Für Qualität und Exzellenz hat das Konsequenzen: Hinter dem Konzept der Business Exzel lenz steht das olympische Ideal des „schneller, höher, stärker“. Jedes neue Produkt sei besser als das alte. Abgesehen davon, dass die sportlichen Wettbewerbe nur noch grenzwertige
296
Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb Fortschritte im Millisekunden- und Zentimeterbereich brin gen, bedeuten Qualität und Exzellenz in der Wirtschaft, dass die Wege für einen optimierten Verdrängungswettbewerb geebnet werden. R+D müssen daher Produkte und Dienst leistungen erfinden, damit Vorteile auf dem Markt, vor allem im Massengeschäft und für den breiten Konsum, entstehen oder bewahrt werden. In wichtigen Bereichen (z. B. in der Pharmakologie und Medizintechnik) ist das industrielle R+D führend, oft vor der Academia. Auch hier ist die Forschung ökonomisch motiviert [9]. Das ist legitim, dabei helfen die anderen Akteure des Wissenschaftsbetriebes mit. Der genuine Innovationsprozess in der wissenschaftlichen Forschung ist dagegen geistig „revolutionär“ (T. S. Kuhn). Er ist beständig in der Methodik und sprunghaft in der Kre ativität. Abgesehen von kleinlichen Rivalitäten setzen sich Innovationen i. d. R. wegen ihrer inhärenten Qualität durch. Wenn das wissenschaftliche Ethos, d. h. der Forschungs drang, stimmt, dann stimmt auch die Qualität, und der Erfolg kommt meist dazu. Qualitäts- und Exzellenz-Campagnen sind für die kreative Arbeit des motivierten Wissenschaftlers marginal [10]. Die Motivation zu wissenschaftlicher Qualität und Exzellenz hat vielmehr etwas zu tun mit effektiver Rekru tierung und effektivem ►Human Ressource Management (s. These 5). Qualitäts- und Exzellenz-Campagnen in Wirtschaft und Wis senschaft geschehen also nach unterschiedlichen Mustern. Das industrielle R+D steht dazwischen. Wenn es den Trend im Wissenschaftsbetrieb setzt, dann importiert es nach dort seine Funktionslogik sowie deren Ziele und Probleme. These 4: Auch in den Wissenschaften gibt es unterschiedliche Qualitäts- und Exzellenz-Muster. Für den Zweck der hier vorliegenden Überlegungen unter scheidet Verf. drei verschiedene Paradigmen von Wissen schaften; sie sind Merkmale der einzelnen Disziplinen und haben direkt nichts mit der fragwürdigen Unterscheidung zwischen „Natur“ und „Geist“ zu tun. Es sind dies ◼ das empirische Paradigma (dominant in den Natur- und Technikwissenschaften, präsent aber nicht überall domi nant in den Human- und Sozialwissenschaften; sie folgen dem Prinzip der methodischen Überprüfung von Hypo thesen) ◼ das dogmatische Paradigma (dominant in Theologie und z. T. Jurisprudenz; sie legen vorgegebene Grundsätze aus und ergänzen sie, soweit möglich) ◼ das spekulative Paradigma (in keiner Disziplin mehr dominant, aber überall virulent in Hypothesen, Inter pretationen und Erklärungen, insbesondere als Werte; sie befassen sich mit den symbolischen und kulturellen Wirklichkeiten, traditionell gehört auch die Philosophie/ „sophia“ dazu). Jede Disziplin, jedes Projekt hat in unterschiedlichen Mi schungsverhältnissen alle drei Paradigmen. Qualität und Ex
Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb zellenz sind unterschiedlich für die jeweiligen Paradigmen. Für das empirische Paradigma findet man die inhaltlichen Qualitäts- und Exzellenz-Merkmale in Logik, Methodik und ggf. Mathematik. Je besser man seine Arbeit und Ergeb nisse damit begründen kann (s. o. die „Ex-Struktur“), um so mehr Qualität hat sie. Eigentlich sollten alle empirisch-wis senschaftlichen Arbeiten in diesem Sinne qualitätsvoll sein, sonst dürften sie sich gar nicht „Wissenschaft“ nennen. Aus dem Standard würden sie nur dann herausragen („Exzellenz), wenn sie innovativ und kreativ sind. Sehr viel Exzellenz, was die entsprechenden Initiativen ja anstreben, würde freilich dann den Standard erhöhen. Also, gibt es in den empirischen Wissenschaften überhaupt eine genuine Exzellenz? Wenn ja, käme sie dann aus dem wirtschaftlichen Exzellenz-Muster? Das Richtige richtig zu tun, ist das schon etwas Besonderes? Für das dogmatische Paradigma kann Verf. zunächst nur die Qualität erkennen, die in der bemühten und autoritativ an erkannten interpretativen Annäherung an die Quellen der Dogmen zu finden ist, z. B. die richtige Auslegung der Hl. Schrift, die gerechte und/oder zweckvolle Anwendung eines Gesetzes. Im Kern des dogmatischen Paradigmas ist die so lide und anerkannte Arbeit ebenfalls das Qualitätsmerkmal. Häresie und Perversion des Rechts, also die totale NichtQualität i. S. der Dogmen-Bewahrer, müssen hier aus unter schiedlichen Gründen außen vor bleiben. Es gibt auch Dogmen in den empirischen Wissenschaften, nämlich verborgene Grundsätze; seinerzeit z. B. die theolo gische Begründung für das Ptolemäische Weltbild; heute vor allem noch in den Human-, Sozial- und Wirtschaftwissen schaften, z. B. „Wirtschaftswachstum“. Die derzeitige zivili satorische Lebenswelt (zumindest in Europa) ist eine hoch verrechtlichte und prozeduralisierte Lebenswelt; der Wissen schaftsbetrieb macht da keine Ausnahme. Verrechtlichung heißt auch Anbindung an die juristische Dogmatik und deren Auslegung. Auch dieser Sachverhalt kann eine Rolle für QM und Exzellenz spielen – vielleicht auch nur als Alibi für ein „politically correct“ Verhalten. Exzellent wird es hier erst, wenn man Dogmen erkennt und rational untersucht, d. h. wenn sie sich der Kritik stellen und begründet oder aufgelöst werden können. Reformationen und wissenschaftliche Revolutionen (s. o.) sind dann die Ex zellenz-Merkmale. Sie kommen selten vor; und wenn, dann ist das Dogma zur Empirie geworden. Der Exzellenz-Grund satz lautet: Dogma muss Empirie werden. Das spekulative Paradigma stellt seine eigenen Qualitäts- und Exzellenz-Probleme. Einerseits liefert es Grundwerte, Er klärungen und Bewertungen für die empirische Forschung. Und andererseits gibt es Disziplinen, die dieses Paradigma als ihren Kern haben. Sie gebrauchen nicht geringe gesell schaftliche Ressourcen und tun sich oft genug schwer, ihren „RoI“ zu argumentieren. Das spekulative Moment ist in den Wissenschaften unerlässlich. Ohne Denken kein Wissen; im Kern ist das der RoI, m. a. W. vernachlässigtes Denken heute
Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb kommt morgen teuer zu stehen. Der Ideologie-Verdacht min dert nicht die Qualität, sondern würde sie ausschließen, wenn er sich bestätigt. Die Begründungs- oder Ex-Struktur ist auch hier das Vehikel, um Qualität und Exzellenz erkennen und fördern zu können. Um es kurz zu machen: Nicht der manchmal uferlose Wort reichtum, sondern die bohrenden und präzisen Nachfragen nach Sinn, Nutzen und vor allem Werten in den jeweiligen Wissensgebieten bestimmen Qualität und Exzellenz. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich z. B. Kulturwissenschaften mit AKW-Katastrophen [11] befassen, oder ob sie ihr spekula tives und kritisches Instrumentarium entwickeln und pflegen [12]. Empirie und Spekulation sind ein Ganzes. Das gilt auch für die „Orchideen“-Wissenschaften; sie pflegen das zarte Pflänzchen „Kultur“. These 5: Die personelle Regeneration hat in Wirtschaft und Wissenschaft unterschiedliche Ziele. Das System „Wissenschaftsbetrieb“ lebt von seinem und durch sein Personal. Das Human Resource Management wäre daher die eigentliche Agentur für Qualität und Exzellenz. Für die Akteure des Wissenschaftsbetriebes gibt es unterschied lich Rekrutierungs-Grundlagen. Verf. sieht sie, wie folgt: Bei Academia sind dies im Wesentlichen das Neugierde-Verhal ten (das „Staunen“ als Voraussetzung der antiken Philoso phie; das hat sich trotz des immensen Fortschritts nicht geän dert) und die Fähigkeit zur Kreativität. Im öffentliche Sektor sind dies der Sinn für Zuverlässigkeit und die Bereitschaft zur Legalität. Bei R+D sind es das Nutzen-/Kosten-Denken und dann die wissenschaftliche Kreativität; das Neugierde-Ver halten wird meist vom Marketing beigesteuert. Das sind je weils Kernkompetenzen; der Betrieb lebt von den Mehrfach befähigungen quer zu den sektoralen Grenzen. D. h. alle im Wissenschaftsbetrieb tätigen Personen sollten ihre sektoral typischen Kernbefähigungen haben und die Nachbarbefähi gungen zumindest verstehen. Eine verteilte, aber konzertierte Rekrutierungsstrategie wäre eine gute Voraussetzungen für Qualitäts- und Exzellenz-Bemühungen („the right person on the right place“). Die Konsequenz dieser Überlegungen führt zur Elitebildung und zum Wertetransfer. Elitebildung ist ein ethisches Postu lat; Elite zu sein, ist kein Besitzstand, sondern eine persönlich zu erfüllende Aufgabe; der öffentliche Sektor liefert dazu die Basis; Academia sowie R+D bauen darauf. D. h. ein effektiver Beitrag des öffentlichen Sektors zu Qualität und Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb wäre dann eine Bildungspolitik mit breiter Eliteförderung. Der Wertetransfer gehört zu den Rekrutierungs-Grundlagen. Er geschieht diachron und synchron und ist ein gruppendy namischer Prozess in relativ kleinen Wertegemeinschaften; nicht von ungefähr haben Kulturen, in denen solche Werte gemeinschaften (noch) existieren und/oder gepflegt werden, beachtliche Erfolge in Wissenschaft und Wirtschaft.
297
E
Exzellenz im Wissenschaftsbetrieb
Exzellenzmodell
Vorläufige Zusammenfassung: Qualität sollte der Normalzu stand von Wissenschaft sein – und wenn nicht, dann stimmt etwas im System nicht; Exzellenz kommt in der Wissenschaft nur in seltenen Ausnahmefällen vor; die Paradigmen Empirie, Dogmatik und Spekulation gewichten das Zu- oder Abspre chen von Qualität oder gar Exzellenz in unterschiedlicher Weise. Die Rekrutierung hat unterschiedliche Ziele und Schwerpunkte; sollte aber konzertiert sein. Im Wesentlichen ist sie die Grundlage für Qualität und Exzellenz. Dr. Alexander von Baeyer
E
Literatur und Hinweise
[1] S. das Programm „Qualitätsmanagement an Hochschulen“. Exzellenzvereinbarung, Präambel: „... um weiterhin den Wissen schaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken, seine internati onale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und Spitzen im Univer sität- und Wissenschaftsbereich sichtbarer zu machen. Damit … die begonnene Leistungsspirale fortführen, die die Ausbildung von Spitzen und die Anhebung der Qualität des Hochschul- und Wissen schaftsstandortes Deutschland in der Breite zum Ziel hat.“ (http:// www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/exzellenzvereinba rung_zwei.pdf ); vgl. auch DGQ (Hrsg.), Qualitätsmanagement für Hochschulen, München (Hanser) 2014. [2] „Die Definition, das Management und die Dokumentation von Qualität wurden zunehmend als Referenzpunkt dafür genommen, inwieweit es gelingt, politische Ziele zu setzen, Autonomiefähigkeit zu entwickeln und Leistungsfähigkeit zu demonstrieren“ (Stifter verband, für die Deutsche Wissenschaft, Von der Qualitätsmessung zum Qualitätsmanagement, S. 4). [3] „Exzellenz wird zum Systembegriff erhoben, zum Synonym für Leistung und Errungenschaften von Organisationen (business ex cellence, organisational excellence, performance excellence etc.).“ Der ökonomische Unternehmenserfolg ist das Ziel. (hier im Le xikon Stichwort ►Business Exzellenz). – Es geht um Messbarkeit, Vergleichbarkeit, Klassifizierbarkeit und ►Benchmarking. – Mit der Abkürzung EFQM ist hier inhaltlich das ►EFQM-Exzellenz-Modell gemeint. Gleiches gilt für den Exzellenz-Rahmen des ►MBNQA in den USA, dem die EFQM mit ihrem Modell gefolgt ist. Ein gene reller Trend im europäischen Import von Managementkonzepten und -begriffen, der auch im Qualitätsmanagement zu beobachten ist. Ein genereller Trend hierzulande: Man folgt nicht dem Original, wie etwa dem japanischen Managementansatz des ►JiT, sondern reagiert erst, nachdem aus den USA gefiltertes Managementdenken vorliegt, wie sich zum Beispiel beim sog. Lean Management zeigen lässt. [4] S. hier ►Qualitätsmanagement an Hochschulen; eine vorsich tige Skepsis liegt zwischen den Zeilen des Beitrags. Der Wandel in der „Funktionslogik der Hochschulen“ und der Bologna-Prozess provozieren mehr Fragen als Lösungen. Über Qualitätsmanagement an den Hochschulen Mathias Wilde in Stifterverband, a.a.O., Seite 5: „Einer simplen Übernahme von Instrumenten aus der Wirtschaft sind enge Grenzen gesetzt. Es bedarf häufig umfassender Modifika tionen ... Dabei wird immer deutlicher, dass auf Qualitätsmessung und -management das Gebot der richtigen Dosierung zutrifft. Zu
viel kann sich als bürokratisches Gift, zu wenig als wirkungslos er weisen.“ [5] Es gibt noch einen sechsten Akteur, der ebenfalls nicht behan delt wird, den „Military industrial complex“; er hat auch eine „scien tific community“; das hier verhandelte Thema hat dort z. T. andere Rahmenbedingungen. [6] Aristoteles fordert die „deduktive Begründbarkeit“; bei Alwin Diemer „Ex-Struktur“ genannt, s. dazu Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12 (2001), Sp. 902-951 mit ausführlich weiterfüh render Literatur; zu Diemer, Sp. 903 [7] Von Plato und Aristoteles formuliert. Ein Topos der ganzen Philosophiegeschichte und im Wissenschaftsbetrieb vergessen. „Sophia“ (Weisheit) bedeutet heutzutage, dass der Betrieb kritisch und ganzheitlich analysiert wird, um langfristig dysfunktionale Ten denzen zu entdecken und zu behandeln. [8] Der lat. Ursprung von Konkurrenz ist neutral bis feindlich; con currere bedeutet zusammenlaufen, aber auch aufeinander treffen und aneinander geraten; s. Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch. – Latein war die Sprache einer imperialen Mili tärmacht; das hat fortgewirkt bis zum Gebrauch von aus dem Latein abgeleiteten Fremdwörtern. [9] Wie oft gibt es wirklich qualitative Sprünge, die unmittelbar aus R+D herausgehen und sich spektakulär am Markt durchsetzen kön nen/dürfen? In der Regel brauchen sie außergewöhnliche Booster, z. B. Seuchen, den Krieg oder die Weltraumforschung im „Kalten Krieg“. Aber in vergleichsweise normalen Zeiten? [10] ... denn „geht man aber davon aus, dass Qualität kein exklusives Postulat für die Spitze ist“ (►Qualitätsmanagement an Hochschu len), ja dann ... ? [11] Vgl. z. B. Bohn, Feldhoff, Gebhardt und Graf (Eds), The Im pact of Disaster: Social and Cultural Approaches to Fukushima and Chernobyl, Band 9 der Reihe zur japanischen Literatur und Kultur, (EBPublishers) Berlin 2015. [12] ... was insbesondere in den klassischen Domänen der Philoso phie geschieht (Ethik, Erkenntnistheorie, Metaphysik, Logik, Phä nomenologie, Sprachanalyse, ...)
Exzellenz
▶ Business Exzellenz
Exzellenzmodell
▶EFQM ▶European Foundation for Quality Management ▶EFQM-Modell 1989 ▶EFQM-Exzellenz-Modell 2013 Wenn vom Exzellenzmodell die Rede ist, ist damit in Europa das EFQM-Excellence-Modell gemeint, auf dessen Grundla ge der EFQM-Excellence Award verliehen wird. Das EFQMModell stellt Bewertungskriterien zur Verfügung, anhand derer die Leistung einer Organisation mit anderen verglichen werden kann.
••• ⨀⨀⨀ •••
298
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe F
Fachübergreifende Instandhaltungsorganisation
Karl-Friedrich Geibig
Fehlermanagement
F
Jan U. Hagen
Fehlerlernen
Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA) und FTA-Fault Tree Analysis
Thilo Herb
Rolf Wunderer
Fehlerkonzepte/-begriffe Armand Vallin Feigenbaum Ford und das Ford-System
Rolf Herb
Hans-Dieter Zollondz
F
Führung und Qualitätsmanagement
Tanja Peter
Fuzzy Logic im Qualitätsmanagement
FPM und PE²®
FehlerProzess-Matrix und Prozesseffizienz- und Effektivitätsmessung
Albert Weckenmann Lisa Weihrauch
Paul Thieme
Fraktales Unternehmen
Dieter Frey
Achim Schwan
Jürgen Warnecke
ISO-Term
Fähigkeit
Fachübergreifende Instandhaltungsorganisation
Fähigkeit
erbringende Tagesgeschäft hinausgehenden Maß nah men spezifiziert er zusammen mit seinen Mitarbeitern. Die Ausführung erfolgt dann durch unternehmenseigene oder externe Fachwerkstätten oder Kompetenzzentren.
▶en: capability Eignung eines ►Objekts, zum Realisieren eines ►Ergebnisses, das die ►Anforderungen an dieses Ergebnis erfüllen wird Anmerkung 1 zum Begriff: Begriffe zur Prozessfähigkeit auf dem Gebiet der Statistik sind in ISO 3534-2 definiert. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Fachübergreifende Instandhaltungsorganisation
Begriff
▶Interdisciplinary organization of maintanance ▶Ganzeitliches Instandhaltungsmanagement ▶Total Productive Maintenance (TPM)
1 Was versteht man unter Fachübergreifender Instandhaltungsorganisation? Wesentliches Merk mal der fachübergreifenden Instandhaltungsorganisation ist die gewerkübergreifende Zu sammensetzung der Mitarbeiter auf der Ausführungsebene unter einer Leitung [1], [2]. Für die produktionsnahen, kurzfristig zu erbringenden Instandhaltungstätigkeiten werden fachübergreifende Instandhaltungsteams zusammengestellt. Die personelle Dimensionierung erfolgt auf Grundlage zweier Kriterien: ◼ der Reaktionszeit, das ist die Zeit in der der Instandhaltungsauftrag abgewickelt sein muss, um größere Auswirkungen der Störung zu vermeiden und ◼ der notwendigen fachlichen Qualifikation zur „Erhaltung des funktionsfähigen Zustandes oder der Rückführung in diesen, so dass sie die geforderte Funktion erfüllen kann [3].“ Die Forderung der DIN EN 13306 bezieht sich dabei nicht auf die Funktionsfähigkeit des einzelnen Ausrüstungsteils sondern auf seine Funktion in der Anlage. Beispiel: Nicht der Ausrüstungsgegenstand „Pumpe“ steht im Vordergrund der Betrachtung, sondern die Funktion „Flüssigkeiten fördern“, also die ganzheitliche gewerkeübergreifende Betrachtung. Das Team untersteht einem Leiter. Er ist für die kostengünstige Abwicklung der Instandhaltung im zugeordneten Tätigkeitsbereich verantwortlich. Die über das kurzfristig zu
Der FIT-Leiter ist Ansprechpartner für alle Belange der Instandhaltung, er koordiniert die Einsätze des Teams unter dem Gesichtspunkt minimaler Nebenzeiten. Er stimmt die Maßnahmen auf Basis von Instandhaltungsjahresplänen mit dem Auftraggeber ab. Schon auf der unteren Führungsebene (Meisterebene) wird also die reine Fachorientierung verlassen. Eine ganzheitliche Betrachtung der Instandhaltung erhält den Vorzug. Abbildung F01 zeigt sowohl die Aufgaben wie auch die Ziele der fachübergreifenden Instandhaltungsorganisation im Überblick. 2 Welche Ziele verfolgt man mit der fachübergreifenden Instandhaltungsorganisation? Bei lnstandhaltungsarbeiten beträgt das Ver hältnis der Hauptzeit zu den Nebenzeiten häufig 1:1. Die Hauptzeit ist dabei die Zeit, die verwendet wird um die eigentliche In standhaltungstätigkeit durchzuführen. Nebenzeiten sind Wartezeiten, Wegezeiten und Verteilzeiten. Wesentliches Ziel einer wirtschaftlich arbeitenden Instandhaltungsorganisation ist deshalb die massive Reduktion von Nebenzeiten um damit eine Steigerung der Produktivität innerhalb der Instandhaltungsorganisation zu erreichen. Dies läßt sich durch Einführung der beschriebenen fachübergreifenden Instandhaltungsteams in Verbindung mit einem fachübergreifenden Instandhaltungsmanagement realisieren. Damit werden schon innerhalb der Aufbauorganisation Koordinationsprobleme bei der Durchführung von Instandhaltungsarbeiten vermieden. Darüber hinaus führt die konsequente Ausrichtung der Instandhaltungsteams auf die Belange der Auftraggeber und die ganzheitliche Betrachtung des angebotenen Leistungsspektrums zu folgender Zielformulierung für die Leistungserbringung:
Abb. F01: Aufgaben und Zielstruktur einer fachübergreifenden Instandhaltungsorganisation
Aufgaben ◼ Durchführen von Ersatz- und Ergänzungsmaßnahmen ◼ Großinstandsetzungen, Stillstände ◼ W und I mit besonderen Anforderungen ◼ Inspektion durch Messen ◼ ungeplante Instandsetzungen ◼ geplante Instandsetzungen mittleren Umfangs ◼ Wartung und Sichtprüfung ◼ einfache Entstörungen
Ort
Ziele
werkstattorientiert
◼ optimale Werkstattsteuerung ◼ optimale Einsatzsteuerung ◼ Wiederherstellen der Verfügbarkeit
produktionsnah
◼ Minimieren des Personaleinsatzes ◼ Minimieren der Nebenzeiten ◼ Wiederherstellen der Verfügbarkeit
produktionsintegriert
◼ Einhalten des Produktionsplans ◼ Erhalten der Verfügbarkeit
301
F
Fachübergreifende Instandhaltungsorganisation
Fachübergreifende Instandhaltungsorganisation
Ziel des fachübergreifenden Instand hal tungsteams ist das Erbringen von Leistungen zur Erhaltung und Ver bes se rung der Anlagenproduktivität. Dies geschieht insbesondere nach den Erfordernissen des Produktionsprogramms.
F
Der Leiter des Instandhaltungsteams achtet dabei gemeinsam mit seinen Mitarbeitern: ◼ auf marktfähige Preise der erbrachten Leistung ◼ auf Kostentreue und Kostentransparenz und ◼ auf Termintreue und er gibt: ◼ eine Sicherheitsgarantie, ◼ eine Qualitätsgarantie und ◼ eine Dokumentationsgarantie. 3 Einführung eines fachübergreifenden Instandhaltungsmanagements Ein systematisches fachübergreifendes In stand haltungsmanagement basiert – wie Abbildung F02 zeigt – auf den Säulen:
◼ Anlagenstruktur ◼ Auftragswesen ◼ Kaufmännisches Controlling ◼ Technisches Controlling Anhand der Anlagenstruktur werden die drei ersten Schritte des Konzepts entworfen und eingeführt: ◼ Geplantes Instandhaltungsprogramm, ◻ Erstellung von Leistungskatalogen, ◻ Erstellung von Jahresplänen mit Arbeitskategorien und konsequenter Durchführung von Soll-Ist-Ver gleichen ◻ Einführen einer systematischen Auftragsabwicklung ◼ Systematische Instandhaltungsprävention ◻ Durchführen von Workshops zur Erarbeitung von Ursache und Wirkung von Störungen und Vorschlägen von Lösungen zur deren Vermeidung ◻ Sicherstellen eines effizienten Informationsflusses. ◼ Schulung und ►Training der Mitarbeiter Wichtig ist dabei, dass bei allen Maßnahmen die jeweilige Kostenzuordnung immer in Bezug zur Anlagenstruktur erfolgt. Dies wird durch ein entsprechend strukturiertes Auftragssystem unterstützt.
Abb. F02: Aufgaben und Zielstruktur einer fachübergreifenden Instandhaltungsorganisation
Fa c h ü b e r g r e i f e n d e s I n s t a n d h a l t u n g s m a n a g e m e n t Anlagenstruktur ◼ Komponentenver waltung ◼ Monetäre Schwach stellenanalyse ◼ Instandhaltungsjah resplan
Auftragsstruktur ◼ Zuordnung der
Technisches Controlling ◼ Definition
von Rahmen bedingungen für Produktivität, Standards, Qualität, Methoden, Doku mentation
Aufräge zur Anlagenstruktur ◼ Aktivitäten, Ka pazitäten, Kosten, Termine
Darstellung des Nutzens
Kaufmännisches Controlling ◼ Wirtschaflichkeit,
Bilanzen, Kennzah len, Abweichungs analysen
Transparenz von Leistungen und Kosten
Abb. F03: Prinzipielle Kostenstruktur
Herstellkosten Beschaffung
Beschaffungskosten
Fertigungskosten
◼ ◼ ◼ ◼
Einsatzstoffkosten
Kapitalkosten Personalkosten Instandhaltungskosten Kosten sonstige Eigenleistungen ◼ Kosten Fremdleistungen ◼ Kosten Umlagen
302
Netzkosten
Vertriebs -kosten
Absatz
Die Bewertung der Instandhaltung im Primärprozess erfolgt dabei anhand des Anteils der Instandhaltung an den Fertigungs- bzw. an den spezifischen Fertigungskosten (Abbildung F03). Eine Reduktion dieses Wertes zeigt unmittelbar den Nutzen der Instandhaltung, da in diese Kennzahl sowohl die Kosten als auch die Jahresbe nutzungsstunden und damit die Verfügbarkeit eingehen. Die Wirtschaftlichkeit des Werkstattbetriebs läßt sich anhand der Auswertung der Aufträge und durch entsprechende Marktvergleiche nachweisen. Dies wird durch das entsprechende Controlling unterstützt.
Fachübergreifende Instandhaltungsorganisation 4 Beseitigung von Schwerpunktproblemen Durch Zuordnung des Aufwands zur Anlagenstruktur erhält man auf einfache Weise eine monetäre Schwachstellenanalyse. Dabei werden in einem ersten Schritt die In standhaltungskosten der Anlagenstruktur zugeordnet und in einem Paretodiagram dargestellt (►Q7) (Abbildung F04). In einem weiteren Schritt wird diese Darstellung vertieft und innerhalb einer Teil anlage den einzelnen Anlageteilen sowohl der Aufwand als auch die Anzahl der Einsätze zugeordnet (Abbildung F05).
Stunden
F
Abb. F05: Instandsetzungsanalyse Teilanlagen Anlagenteil 1 Anlagenteil 2
Anlagenteil n Gebrauchtzeit
◼ ◼ ◼ ◼ ◼
5 Die Erfahrungen Bei einer Neuorientierung der Instandhaltung auf Basis fachübergreifender Instand hal tungsteams mit einem entsprechenden fachübergreifenden Instandhaltungsmanagement …
Abb. F04: Gesamt-Instandhaltungsaufwand – Pareto-Diagramm
Nach der Feststellung der Schwerpunkte bil det man Arbeitsgruppen, die aus Mit arbeitern der Produktion und der Instandhaltung T1 T4 T9 T1 bestehen. Diese Gruppen analysieren die Ursachen der Instandhaltungsaufwände in den Problemschwerpunkten und erarbeiten Maßnahmen zur Beseitigung. Die Maßnah men werden in einem Katalog mit folgenden Inhalten zusammengestellt:
Gebrauchtzeit
Fachübergreifende Instandhaltungsorganisation
Aktionen/Anzahl
Anzahl Tätigkeitsaktionen
Problemursache, Verbesserungsmaßnahme, Zeitpunkt der Realisierung, Verantwortlichen für die Durchführung und Überprüfungszeitpunkt.
Eine erfolgreiche Durchführung der Maßnahmen führt unmittelbar zur gewünschten positiven Beeinflussung der Fertigungskosten und damit zum Nachweis des Nutzens der Instandhaltung.
T2
T6
T3
T14
Tx
Tn
Tm
◼ ist eine Reduktion der Instandhaltungskosten um 30% erreichbar, ◼ ist eine Reduktion der Fertigungskosten möglich, ◼ wird die Verfügbarkeit der Anlage auf die notwendige Verfügbarkeit gebracht, ◼ werden die Spezifikationen für die Beschaffung neuer Anlagen verbessert, ◼ haben die Handwerker die geringsten Probleme, ◼ stellt die mittlere Führungsebene häufig das Hauptproblem dar. Die entsprechenden Führungskräfte waren bisher Spezialisten und müssen künftig nicht nur in ihrem Fachgebiet, sondern ganzheitlich unter technischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten im Ar beits gebiet Instandhaltung erfolgsorientiert arbeiten. Dr.-Ing. Karl-Friedrich Geibig, Bensheim Literatur
[1] Geibig, K.-F. : Flexible Organisation durch „Fachübergreifende Instandhaltungs-Teams (FIT)“. In: Horn, G. (Hrsg.): Der Instandhaltungs-Berater; TÜV Media GmbH, TÜV Rheinland Group, Köln [2] Drexler, J. M.: Instandhaltung erfolgreich restrukturieren – Praxisbeispiel Zementindustrie. In: Horn, G. (Hrsg.): Der Instandhaltungs-Berater; TÜV Media GmbH, TÜV Rheinland Group, Köln
Faulheit
▶en: laziness | ▶fr: paresse Nirgends wird der Faulheit eine Chance eingeräumt, schon gar nicht im Qualitätsmanagement, wo man managed und tätig ist. Wir leben ja nicht im Schlaraffenland (Faulpelzerland). Etwas liegenlassen, erledigt sich von selbst ... Faulheit? Fritz Schlaraffia Bettenpaulstraße 1-10 44867 Bochum
303
Fehler Fault Tree Analysis ISO-Term
▶en: FTA-Fault Tree Analysis
F
Fehler
▶Nichtkonformität ▶en:nonconformity …heisst in der neuen ISO 9000:2015-11 Nichtkonformität!! …heisst hier: Nichterfüllung einer festgelegten Forderung.
Anmerkung: Die Definition umfasst die Nichterfüllung festgelegter Forderungen bei einem oder mehreren ►Qualitätsmerkmalen (►Qualität) eingeschlossen Zuverlässigkeitsmerkmale (►Zuver lässigkeit), oder durch Elemente eines ►QM-Systems, oder deren Nichtvorhandensein. Normquelle: DIN EN ISO 8402:1995-08 Qualitätsmanagement – Be griffe ⟪Originalbegriff, Norm zurückgezogen⟫
Fehler 1. Art
▶en:error of the first kind ▶Qualitätsregelkarten ▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement Verwerfen der Nullhypothese, obwohl die unbekannte wahre Wahrscheinlichkeitsverteilung zur Nullhypothese gehört.
Fehler 2. Art
▶en: error of the second kind ▶Qualitätsregelkarten ▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement Nichtverwerfen der Nullhypothese, obwohl die unbekannte wahre Wahrscheinlichkeitsverteilung nicht zur Nullhypothese gehört.
Fehlerbaumanalyse ▶FTA
Fehlerbegriffe
◼ Fehler nach ►Six Sigma ◼ Fehler nach dem ►Fehlermanagementansatz von Jan U. Hagen, ◼ Fehlerbegriffe in der Statistik (►Statistik im Qualitätsmanagement) ◼ Fehler nach dem ►Poka Yoke-Prinzip, ◼ Fehler nach dem ►Produkthaftungsgesetz (ProdHG), ◼ Fehler nach dem ►Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Ein Vergleich der Begriffe in Abbildung F06 lässt erkennen, dass die Definitionen entsprechend ihrer Einbettung in den jeweiligen Problembereich zu sehen sind. Gewissermaßen handelt es sich (die Fehlerbegriffe der Statistik ausgenommen) um kontextuale Konkretisierungen des Basisbegriffs der ISO 9000, allerdings ohne Bezugnahme auf diesen. Hartnäckig hält sich immer noch der Begriff der ►Abweichung (engl. deviation) als Fehlerbegriff. Wie Walter Geiger nachweist [3] lässt sich diese Begriffsfestlegung bis zu Carl Friedrich Gauß (1777-1855) zurückverfolgen, der mit hohem Ansehen als Landvermesser des Königreichs Hannover und somit anerkannte Autorität jegliche Messabweichung als Fehler bezeichnete und damit den Wortschatz seit dieser Zeit entsprechend prägte. Seit 1983 ist die Fachsprache eigentlich bereinigt worden [3]: „Abweichung = Merkmalswert minus Bezugswert“ und die frühere Homonymie wäre ad acta zu legen. Doch die Macht der Gewohnheit lässt Abweichung und den englischen Begriff Deviation hierfür immer wieder aufleben. So ist heute noch die Rede von Abweichung, wenn Fehler gemeint ist. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Crosby, Ph. B.: Qualität bringt Gewinn. London et al. (MacGraw-Hill) 1986 (Original: Quality is Free. The Art of Quality Certain 1979) [2] Crosby, Ph. B.: Qualität ist machbar. 2. Aufl. London et al. (MacGraw-Hill) 1990 (Original: Quality without Tears. The Art of Hassle-Free Management 1984) [3] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminologie. 3. Auflage. Braunschweig (Vieweg) 1998 [4] Geiger, W.: Beschaffenheitsmanagement. München (Oldenbourg) 2013, 190
Fehlergewichtung
Begriff
Fehlergrenze
DIN-Term
▶terms of nonconformity Mit dem Slogan „Doing it right the first time“ von Philip B. ►Crosby, der zugleich als Gebrauchsanweisung aufgefasst wurde, wurde der Fehlerbegriff – obwohl von ihm bereits in den 1960er Jahren formuliert – in der Managementlehre erst nach 1980 populär. Nach Crosby definiert sich Qualität als die Erfüllung von Forderungen und Fehler als deren Nichterfüllung [1, 2]. Im Anschluss an Crosby fand der Fehlerbegriff im Westen in der Praxis besondere Beachtung, allerdings oft ohne ihn genau zu bestimmen („Jeder weiß schließlich, was ein Fehler ist.“). Im Zuge der Entstehung der ISO-Normenreihe 9000 zum Qualitätsmanagement wurde die definitorische Festlegung in der damaligen Begriffsnorm ISO 8402 versucht, die abstrahierend den Fehler zunächst im Englischen als „Nonconformity“ (nicht „defect“) benennt, um ihn dann – wie in Abbildung F01 formuliert – als „Nichterfüllung einer festgelegten (Qualitäts-)Forderung“ zu definieren. Erfüllung und Nichterfüllung sind merkmalsbezogen zu denken. In Abbildung F06 sind zusätzlich zum genannten Basisbegriff in der Begriffsnorm ISO 9000 weitere Begriffe aufgenommen, die hier im Lexikon eine Rolle spielen:
Fehlergrenze
▶en: error weighting Einteilung der bei einer Einheit möglichen Fehler in bestimmte Fehlergewichtsklassen. Diese Einteilung (Klassifizierung) findet statt, nachdem die Fehler nach ihrem Gewicht (Bedeutung des Fehlers für die Organisation) bewertet wurden. ▶en: tolerance, approximation error Abweichungsgrenzbeträge für Messabweichungen des verwendeten Messgeräts. Fehlergrenzen sind begrifflich streng zu unterscheiden von den tatsächlichen Messabweichungen und von der Messunsicherheit. Quelle: In Anlehnung an DIN 1319-1:1995-01
304
Fehlerbegriffe
Fehlerkonzepte
Abb. F06: Ausgewählte Fehlerbegriffe Nach DIN EN ISO 9000 liegt dann ein Fehler vor, wenn die Qualitätsforderung nicht erfüllt wird (fehlerhafte Qualität). Bezugspunkt ist die Ausprägung des geforderten Qualitätsmerkmals. Vom Fehlerbegriff ist der Mangel zu unterscheiden, bei dem sich die Nichterfüllung der Qualitätsforderungen auf den beabsichtigten oder festgelegten Gebrauch (Zweck) bezieht (mangelhafte Qualität).
DIN-Term
Nach Six Sigma liegt ein Fehler dann vor, wenn das Ergebnis eines Prozesses eine durch den Kunden festgelegte Spezifikation eines CTQ (Critical To Quality) und interne Qualitätsforderungen nicht erfüllt werden. Von Null Fehlern kann nur gesprochen werden, wenn 6σ (Toleranzgrenze) nicht überschritten wird.
felher
Nach dem Poka Yoke-Prinzip sollen Fehler an Produkten dadurch verhindert werden, indem vermeidbare Fehlhandlungen und -funktionen in Arbeitsprozessen und -abläufen mit Beteiligung von Menschen durch technische Vorkehrungen und Einrichtungen fehlerfrei organisiert werden. Es wird das Ziel einer Null Fehler-Produktion verfolgt, die davon ausgeht, dass humane und machinelle Fehlhandlungen zwar nicht gänzlich vermeidbar sind, Fehler aber sehr wohl, indem ihre Quelle (Fehlerursache) beeinflusst wird. Der vorausgesetzte Fehlerbegriff erweitert den der ISO 9000, indem er prozessual interpretiert wird und eine mitlaufende Kontrolle durch Rückkopplung (feedback) ermöglicht, damit Forderungen eingehalten werden: Poka Yoke verhindert, dass sich im Prozess aufgetretene Fehler auf das Resultat auswirken.
Nach Jan U. Hagen (►Fehlermanagement) ist ein Fehler eine geplante Handlung, bei der ein erwünschtes Ziel nicht erreicht wird, weil entweder ein falscher Plan zugrunde gelegt oder die Handlung nicht wie geplant durchgeführt wird.
Nach § 3 ProdHaftG hat ein Produkt dann einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände erwartet wird.
In der Statistik werden verschiedene Fehlerbegriffe verwendet, u. a.: Fehler 1. Art (wenn die Nullhypothese zurückgewiesen wird, obwohl sie in Wirklichkeit wahr ist), Fehler 2. Art (wenn an der Nullhypothese festgehalten wird, obwohl die Alternativhypothese zutreffend ist).
Nach § 4 ProdSG liegt dann ein Fehler vor, wenn das in den Verkehr gebrachte Produkt nicht so beschaffen ist, dass bei bestimmungsgemäßer Verwendung oder vorhersehbarer Fehlanwendung Sicherheit und Gesundheit von Verwendern oder Dritten gefährdet werden.
Fehlerklassifizierung
▶en: error classification Einstufung potenzieller Fehler einer ►Einheit in Fehlerklassen. Die Bewertung richtet sich nach den Fehlerfolgen. International werden Fehler nach drei Fehlerklassen unterteilt: ◼ Kritische Fehler sind Fehler, bei deren Entstehung für die betroffene Umgebung oder Personen gefährliche oder unsichere Situationen wirksam werden (z. B. Personengefährdung (beim Auto: klemmendes Gaspedal), Produktionsausfall). ◼ Hauptfehler sind nicht-kritische Fehler, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betroffenen Umgebung führen (z. B. Brauchbarkeit des Produkts für den vorgesehenen Einsatz oder Ausfall einer Anlage). ◼ Nebenfehler haben hingegen keine wesentlichen Folgen. Sie setzen voraussichtlich die Brauchbarkeit für den vorgesehenen Verwendungszweck nicht wesentlich herab. Quelle: In Anlehnung an DIN 55350-31
Fehlerkonzepte
▶en: concepts of nonconformity ▶en: request, demand | ▶Fehlerbegriffe „Wenn Begriffe Werkzeuge sind, dann ist der Begriff des Fehlers ein besonders scharfes Werkzeug, das den Menschen auffordert, sorgfältig damit umzugehen.“ (J.J. Cale, 1938-2013)
1 Einleitung Zu den Grundbegriffen des Qualitätsmanagements gehört der Fehler. Von den Pionieren der Disziplin hat ihn Philip B. ►Crosby ins Zentrum seiner Lehre gerückt („Null FehlerKonzept“). Crosby begreift Fehler als Nichterfüllung von (An-)►Forderungen. Mit seinem sog. Null Fehler-Konzept (Zero Defects Concept) zielt er auf eine fehlerfreie Produktion ohne Ausschuss und Nacharbeit. Zu dieser Zielsetzung der Fehlervermeidung werden von ihm Überlegungen angestellt, die eine Veränderung von Denkweisen (►Mindset) anstreben und folglich besonders auf die Veränderung der ►Unternehmenskultur zielen (►Fehlerkultur, ►Fehlerlernen). Diese wird durch das gegenseitige Zusammenwirken von Kunden, Lieferanten, dem Management und den Mitarbeitern verbessert (Completeness). ►Crosby hat seine Kon-
305
F
Fehlerkonzepte
F
Fehlerkonzepte
zeption im militärischen Bereich der Materialbeschaffung in den USA während der Kuba-Krise in den 1960er Jahren erfolgreich realisieren können und so bei der Firma Martin dafür gesorgt, dass die Pershing-Raketen treffsicher ihr Ziel erreichen. 1964 wurde er dafür vom US-Verteidigungsministerium ausgezeichnet. In der Folge hat er sein Konzept weiterentwickelt. Ausdruck seiner Bemühungen sind die von ihm sog. „Vierzehn Schritte zur Qualitätsverbesserung“, sein programmatischer Ansatz zum Erreichen der Null FehlerQualität [5]. Jedem dieser Schritte ist eine Zielsetzung vorgeschaltet. Dann werden Möglichkeiten der Operationalisierung vorgeschlagen. Das Management des Fehlers wurde natürlich nicht nur ausschließlich von Crosby thematisiert. Es weist unterschiedliche Bezüge auf. Die zentralen Themen des Fehlermanagements sind in Abbildung F07 dargestellt. Sie können unter den dort genannten Begriffen nachgelesen werden. Neben dem im Qualitätsmanagement verwendeten formalen Fehlerbegriff (definiert als Nichterfüllung von Qualitätsforderungen) stößt man in der Praxis auf eine Vielzahl an handlungsbezogenen Begriffen für das Phänomen des Fehlers. Auch die in Abbildung F07 genannten Fehlermanagement-Konzepte sind handlungsbezogen ausgerichtet und lassen in der Praxis oft nicht erkennen, was unter Fehler verstanden werden soll. Zum genormten Fehlerbegriff, wie er in der Begriffsnorm ISO 9000 definiert wurde, besteht jedoch kein Widerspruch. Abb. F07: Fehlerkonzepte – Übersicht Lexikon Qualitätsmanagement
▶Fehler Management ▶Fehlerbegriffe
▶Fehlerlernen
▶Fehlerbaumanalyse
▶Fehler und Abweichung
▶Fehlerkommunikation
▶Fehler und Mangel
▶Fehlerkosten
▶Null Fehler-Konzept
▶FehlerkostenUmwidmung
▶Poka Yoke ▶Produkthaftung
▶Fehlerkultur ▶Fehlermeldesystem ▶FMEA
▶Forderung ▶Six Sigma-Nivau
▶Null Fehler Management 306
2 Erfüllte/nicht erfüllte Forderungen – eine Typologie Gerade weil uns der Fehlerbegriff im Alltag immer wieder begegnet und ihm im Qualitätsmanagement eine herausragende Bedeutung zukommt, bedarf er einer grundlegenden Betrachtung im fachlichen Kontext. Man könnte ihn sogar umstandslos aus dem Alltagsverständnis heraus definieren: „Jeder weiß schließlich, was ein Fehler ist. Wir sind ja alle mal zur Schule gegangen!“ An dieser Aussage, die der Feuerzangenbowle entlehnt sein könnte, ist schon etwas dran. Schließlich geht es in der Schule permanent um Fehler. Kein Lehrer ist in der Lage zu benoten, wenn er nicht nach Fehlern sucht und darauf basierend seine Bewertung durchführt (Notenskala). Schüler machen eben Fehler, weil sie letztendlich meistens den Forderungen des Lehrers nicht entsprechende Leistungen erbringen können. Sie realisieren nicht das Geforderte in Gänze. Anders formuliert: Die Qualität ihrer Leistung (= realisierte Qualität) entspricht in den meisten Fällen nicht den „idealen“ Forderungen des Lehrers an die zu erbringende Qualität (= geforderte Qualität). Beispielhaft zeigt sich hier, dass der Fehlerbegriff den Qualitätsbegriff voraussetzt. Qualität bestimmt sich als realisierte Beschaffenheit bezüglich Qualitätsforderung. Wird die Qualitätsforderung nicht erfüllt, spricht man von einem Fehler. Zur Verdeutlichung empfiehlt es sich auf die Diagrammsprache zurückzugreifen (Abbildung F08). Dabei wird herausgestellt, dass es immer um ein Vergleichen zweier Mengen geht, wenn Forderungen erfüllt bzw. nicht erfüllt werden: 1 Potentialqualität (P) / Geforderte Qualität (G) – Dieses Diagramm zeigt den Raum der Qualitätsmerkmale (P), aus dem eine Teilmenge (G) die geforderten Qualitäsmerkmale enthält. Die Auswahl bestimmt sich aus der unternehmerischen Sicht, ist also nicht willkürlich. Wenn explizit gewollte Forderungen nicht zum Zuge kommen, handelt es sich um (Auswahl-)Fehler. Oft sind alldings die Forderungen in dieser Phase nicht transparent. 2 Idealqualität – Hier sind die geforderten Qualitätsmerkmale bereits festgelegt. Die realisierten decken sich vollständig mit den geforderten Qualitätsmerkmalen. Das Ergebnis wäre als Null Fehler-Qualität zu bezeichnen, ein in der Wirtschaftspraxis eher unwahrscheinlicher Fall, dem allerdings als Zielsetzung verstanden im Management Bedeutung zukommt. In der Sprache der Statistik (Gaußsche Normalverteilung) ist exakt der Mittelwert erreicht worden. 3 Teilqualität – Die geforderten Qualitätsmerkmale werden nicht alle, sondern nur zum Teil korrekt realisiert. Es kommt in der Realisationsphase folglich zu Qualitätsmerkmalen mit Ausprägungen ≤0. Die Qualität ist fehlerhaft. In der Schule zeigt sich dieses Ergebnis indem Rangstufen in Form von Notenskalen genutzt werden. Produkte unterscheiden sich dadurch, dass Qualitätsmerkmale nicht oder nur unzureichend vorhanden sind. Das Management der Teilqualitäten gehört zum Kerngeschäft im Qualitätsmanagement.
Fehlerkonzepte
Fehlerkonzepte
Abb. F08: Vergleich von geforderten (g) mit realisierten Qualitätsmerkmalen (r) und der Konsequenz Fehler zu begehen
1 Potentialqualität (P) / Geforderte Qualität (G)
G = p/g P
G
Aus einer potentiellen Menge an Qualitätsmerkmalen (p) werden geforderte Qualitätsmerkmale (g) entwickelt: Ausgewählte potentielle Merkmale (p-Merkmale) werden g-Merkmale. Das Ergebnis bildet eine Schnittmenge (G = p/g), die praktisch wohl niemals deckungsgleich sein kann mit P, d. h. es wird in P immer einen Überschuss an potentiellen Qualitätsmerkmalen geben, der nicht den geforderten Qualitätsmerkmalen entspricht.
2 Idealqualität
3 Teilqualität
F 4 Übergeeignete Qualität
r
g g=r
g>r
r>g g
Bei der Idealqualität entsprechen die realisierten Qualitätsmerkmale (r) genau allen geforderten Qualitätsmerkmalen (g). Null-Fehler
Bei der Teilqualität entsprechen die realisierten Qualitätsmerkmale (r) nicht genau allen geforderten Qualitätsmerkmalen (g). Fehler
Bei der Übergeeigneten Qualität entsprechen die realisierten Qualitätsmerkmale (r) genau allen geforderten Qualitätsmerkmalen (g). Zusätzlich wurden weitere, nicht geforderte Qualitätsmerkmale realisiert Fehler
5 Ungeeignete Qualität
r g Bei der Ungeeigneten Qualität entsprechen die realisierten Qualitätsmerkmale (r) nicht den geforderten Qualitätsmerkmalen (g). Fehler
4 Übergeeignete Qualität – Die realisierten Qualitätsmerkmale decken sich vollständig mit den geforderten, und darüberhinaus werden auch nicht geforderte Merkmale realisiert. Die Sprache der Mengenlehre sieht in den vollständig erfüllten Qualitätsmerkmalen zunächst eine Teilmenge. Der Überschuss wäre als Übereignung zu
interpretieren. Ein immer mehr und besser an Merkmalen bedeutet nicht notwendigerweise eine Verbesserung der Qualität. In der Schule ist die Qualität als fehlerhaft zu bezeichnen, weil Qualitätsmerkmale realisiert wurden, die der Lehrer nicht gefordert hat und – auf die Wirtschafts-praxis bezogen – der Kunde auch nicht ho-
307
Fehlerkonzepte
F
noriert. – Dieses Beispiel demonstriert sehr gut die enge Anbindung (Kopplung/Ableitung) des Fehlerbegriffs an den Qualitätsbegriff: Fehler ist die Nichterfüllung von Qualitätsforderungen (Nonconformity). Wenn nicht geforderte Qualitätsforderungen realisiert werden, sind die Resultate hier fehlerhaft. Ein Zuviel des Guten erzeugt im Sinne des eingeführten Verständnisses von Qualität nicht unbedingt bessere Qualität. 5 Ungeeignete Qualität – In diesem Fall sind ausschließlich nicht geforderte Qualitätsmerkmale realisiert worden. Vergleichend betrachtet lässt sich zwischen den Merkmalsmengen g und r keine Beziehung erkennen. In unserer Sprache hier formuliert: Es wurde Potentialqualität realisiert, die nicht gefordert worden war. Die realisierte Qualität ist insgesamt als fehlerhaft anzusehen.
Fehlerkonzepte 4 Kritische Würdigung Gezeigt werden konnte, dass der Fehlerbegriff duch seine Anbindung an den Qualitätsbegriff eine Objektivierung erfahren hat. Die vier abgeleiteten Qualitäten (Idealqualität, Teilqualität, Übergeeignete und Ungeeignete Qualität) entstehen aus diesem Ableitungszusammenhang heraus. Je nachdem wie es gelingt, Qualität zu realisieren, ergeben sich diese unterschiedlichen Konstellationen, die hier in der Diagrammsprache formuliert wurden. Diese idealtypische Betrachtung verdeckt allerdings den dynamischen Zusammeng, der sich einerseits dann einstellt, wenn sich die Forderungen ändern und andererseits aber auch, wenn sich die Realisierungsbedingungen verändern. Nicht der Erhalt des Status Quo, sondern der Wandel beherrscht die Normalität. So können Forderungszusammenhänge, die heute eine Idealqualität ausmachen, in Zukunft vielleicht nur eine ungeeignete Qualität realisieren. Man denke nur an die vielen Produkte, die in sehr kurzen Zeitspannen vom Markt verschwunden sind, weil sie den gewandelten Forderungen nicht mehr entsprochen haben. Als Beispiel mag die Schreibmaschine gelten, die als Typenhebelmaschine ihren Siegeszug begann und in einer Übergangsphase als Kugelkopfschreibmaschine dann als Typenradmaschine ihren Produktlebenszyklus beendete. Der heutige Personalcomputer hat ihre Weiterentwicklung zum
3 Genormter Fehlerbegriff mit Unterbegriffen Während die Erläuterungen in Kapitel 2 grundsätzlicher Natur sind und abstrahierende Zusammenhänge aufzeigen, befassen sich Normungsgremien mit konkreteren Themen und Begriffen, um Klarheit im Umfeld des Fehlerbegriffs zu erreichen. In Abbildung F09 werden Begriffe aus der Perspektive des Fehlerbegriffs als Unterbegriffe in wechselseitigen Zusammenhängen dargestellt. Das Diagramm verkürzt, ergänzt und präzisiert die DarstelAbb. F09: Begriffsdiagramm Fehler mit ausgewählten genormten Begriffen lung in [6, S. 146]. Deutlich wird die dominante Stellung Qualität des Qualitäts- und FordeRelation zwischen geforderter rungsbegriffs, auf die bei der und realisierter Beschaffenheit Bestimmung der Definitionsmerkmale des Fehlerbegriffs zurückgegriffen wird. Forderung Fehlervermeidungsansätze Verlangen, bei einer bezeichneten Einheit eine geforderte wie das ►Poka Yoke oder Beschaffenheit zu realisieren allgemein das ►Null FehlerManagement tauchen in der Mangel Konformität genormten Sprache so nicht Nichterfüllung Erfüllung einer Forderung in Bezug auf einer Forderung Fehler auf. Sie werden schlicht als einen beabsichtigen oder Nichterfüllung „Vorbeugungsmaßnahmen“ festgelegten Gebrauch einer Forderung Freigabe begriffen. Das Diagramm beErlaubnis zur nächsten Stufe fasst sich im unteren Teil voreines Prozesses überzugehen nehmlich mit Begriffen, die man als „Fehlerbehebungsbegriffe“ bezeichnen könnte, Vorbeugungsmaßnahme Korrektur Korrekturmaßnahme also damit, wenn das Kind Maßnahme zur Beseitigung Maßnahme zur Beseitigung Maßnahme zur Beseitigung der Ursache eines möglichen eines erkannten Fehlers der Ursache eines erkannten bereits in den Brunnen geFehlers oder einer anderen, Fehlers oder einer anderen fallen ist. Dass diese Begriffe unerwünschten, möglichen erkannten unerwünschten Nacharbeit auch juristische Probleme, Situation Situation Maßnahme an einem fehlerz. B. der Vertragsgestaltung, haften Produkt, damit es die ansprechen ist offensichtlich. Forderungen erfüllt. Reparatur
Maßnahme an einem fehlerhaften Produkt, damit es für den Verwendungszweck annehmbar ist
308
Fehlerkosten Stehen gebracht und Forderungszusammenhänge erzeugt, die mit dieser Technik gar nicht einzulösen wären. Bleibt abschließend zu fragen, was wohl keiner zu beantworten vermag, welche Forderungen in den nächsten Dekaden des Zeitalters der Digitalisierung verortet werden können, um Null Fehler-Produkte zu realisieren. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
DIN-Term
[1] Geiger, W.: Beschaffenheitsmanagement. München (Oldenbourg) 2013, 190 [2] Geiger, W. und W. Kotte: Handbuch Qualität. Grundlagen und Elemente des Qualitätsmanagements: Systeme – Perspektiven. 4. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2005, 140 [3], siehe [1], 192 [4], siehe [1], 186 [5] Crosby, Ph. B.: Qualität bringt Gewinn. London et al. (MacGraw-Hill) 1986 (Original: Quality is Free. The Art of Quality Certain 1979) [6] Leonhard, K.-W. und P. Naumann: Managementsysteme – Begriffe. Ihr Weg zu klarer Kommunikation. DGQ-Band 11-04. 7. Auflage. Berlin (Beuth) 2002
Fehlerkosten
▶en: nonconformity costs Gruppe von ►QK-Elementen, mit denen Kosten erfasst werden, die durch die Nichterfüllung von Einzelforderungen im Rahmen von ►Qualitätsforderungen verursacht sind.
DGQ-Term
Fehlerkriterium
Begriff
Anmerkung 1: Weil die Feststellung von Fehlerursachen, wenn sie überhaupt sachlich und zeitlich möglich ist, oft sehr zeitraubend ist, werden die Fehlerkosten nach dem Ort der Feststellung der Fehler in zwei Untergruppen unterteilt: in die internen Fehlerkosten (Kosten intern festgestellter Fehler) und die externen Fehlerkosten. (Kosten extern festgestellter Fehler). Es kann zweckmäßig sein, für eine ►Organisation festzulegen, was unter „intern“ und „extern“ zu verstehen ist. Anmerkung 2: Beispiele für einzubeziehende QK-Elemente sind die Kosten für ►Fehlprodukte, für ►Nacharbeit, ►Ausschuß, nicht planmäßige Sortierprüfung, Wiederholungsprüfung, qualitätsbedingte Ausfallzeit, Gewährleistung, ►Produkthaftung. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
Fehlerkultur
Merkmal, anhand dessen man feststellen kann, ob ein Fehler vorliegt. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
▶en: error culture ▶Fehlerlernen | ▶Führung und Qualitätsmanagement Fehlerkultur bezeichnet die Art und Weise, wie ein soziales System mit Fehlern, Fehlerrisiken und Fehlerfolgen umgeht. Jedes soziale System bildet eine typische Fehlerkultur aus, die sich durch spezifische Umgangsweisen mit möglichen und tatsächlichen Fehlern sowie den Folgen, die ihren Mitgliedern aus den Fehlern und ihren Reaktionen auf Fehler erwachsen, unterscheiden lassen.
Fehlerlernen Der Begriff Fehlerkultur einer Organisation ist einzubinden in die Organisations- bzw. ►Unternehmenskultur und sollte auch Platz finden im ►Qualitätsleitbild. Schließlich ist die Verankerung einer Fehlerkultur eine wichtige strategische Maßnahme der Unternehmensführung. Naheliegenderweise haben sich Pädagogik und Psychologie mit der Erforschung des menschlichen Fehlers befasst. Von diesen beiden Disziplinen kann gelernt werden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Althof, W. (Hrsg.): Fehlerwelten. Vom Fehlermachen und Lernen aus Fehlern. Opladen (Leske und Budrich) 1999 [2] Weingardt, M.: Fehler zeichnen uns aus. Bad Heilbrunn (Klinkhardt) 2004
Fehlerlernen
– Lernorientierte Fehlerkultur als Qualitätsprogramm in Management und Märchen ▶Fehler ▶Fehlerkultur ▶Fehlermanagement ▶Unternehmenskultur ▶Fehlerkultur Risiko- und chancenorientiertes Fehlerlernen – Empfehlungen – Eigenmotivation, Commitment sowie Gratifikationen – Frühe Prägung zum Fehlerlernen über Märchen 1 Warum Fehlerlernen? Aus Fehlern lernen schon Tiere. Das Ergebnis findet sich dann auch in genetischen Codes. In der Arbeitswissenschaft wurde es mit F. W. ►Taylor und später im Qualitätsmanagement seit den 70er Jahren [1] ein neuer Themenschwerpunkt. Psychologie und Pädagogik unterstützten. Lange ist es auch in den Sozial- und Naturwissenschaften, der Literatur, wie in Märchen bekannt. Neu ist nun ein interdisziplinärer Ansatz, der Managementforschung und -praxis mit diesem Märchenthema verbindet. 2 Theorien zum Fehlerlernen mit Märchenbezug Die folgenden Aspekte lassen sich in ausgewählten theoretischen Bezügen zum Fehlerlernen mit Märchenbezug erkennen: ◼ Vertragstheoretische Ansätze konzentrieren sich auf vorausschauende, rationale Reflexion, besonders in der Spieltheorie. MärchenheldInnen aber handeln raschunreflektiert und intuitiv sowie schlecht informiert (also mit „unvollkommen-asymmetrischer Information“). Sie reagieren stärker auf intrinsische Anreize (herausfordernde Aufgaben, schöne Braut) als auf extrinsische (Geld, Status). ◼ Wissensorientiert fokussiert Kolodner [2] auf das für Märchen relevante „episodische Gedächtnis“. Er unterscheidet sechs Sequenzen: Entscheidung, Erkennen des Fehlers, Fehlersuche, aktuelle Fehlerkorrektur, Erklärung
309
F
Fehlerlernen
◼ ◼ ◼
F ◼
des Fehlers, Speichern der Erkenntnis. Bei Märchen überwiegt unreflektiert-intuitives Handeln. Rotkäppchen, oder Die kluge Bauerntochter sind hier Ausnahmen. Ihre „Theorie des negativen Wissens“ untertiteln Oser/ Spychinger [3] mit “Lernen ist schmerzhaft“. Mit „beneficial failure“ betonen Knott/Posen [4] positive Seiten reflektierten Fehlerlernens. Zur Messung entwickelten Rybowiak et al. [5] einen „Error Orientation Questionaire“ mit 8 Skalen. Diese reduzierten Bauer et al. [6] nach statistischer Evaluation auf 3 Skalen: Bewertung von Fehlern, Strategien zum lernförderlichen Umgang mit Fehlern sowie Emotionen bei Fehlern. Führungskräfte unterschieden sich dabei signifikant mit höherer Risikoneigung bei der Fehlerbewertung. In Märchen finden sich oft Risikomeidende „Mächtige“, die Risiken auf chancenorientierte Helden ohne Fachkenntnisse oder Erfahrung „outsourcen“. Helden zeigen dann selbst in höchster Gefahr selten Emotionen. Sie verlassen sich auf ihre Kreativität, auf Mut, Glück oder Helfer und leben bei der Fehlereinschätzung die items von Bauer et al. [6]: „Ich halte an meinem Ziel fest, auch wenn ich Fehler machen könnte“ sowie „Ich mache lieber etwas falsch, als dass ich überhaupt nichts tue.“ Diese reflexionsarmen Handlungen charakterisieren die meisten Märchenhelden. Wir unterscheiden im Folgenden zwischen risikoorientiertem Vermeidungslernen und chancenorientiertem Verbesserungslernen.
3 Verhaltensleitsätze in Märchen 3.1 Sechs Kernleitsätze von je 70 Verhaltensleitsätzen aus Märchen und Unternehmen Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm [7] wurden auf explizite Leitsätze analysiert. Bei 63 fanden wir 70 Leitsätze, davon 42 im (vor-)letzten Schlusssatz. Eine interpretative Inhaltsanalyse ergab sechs gemeinsame Kernleitsätze: 1 2 3 4 5 6
Rechne mit Prüfungen und Gratifikationen Rechne mit Sanktionen Sei emotional intelligent Halte, was Du versprochen hast Sei mental intelligent Lerne aus Fehlern.
3.2 „Lerne aus Fehlern“ in Führungs- und Märchenleitsätzen Die sechs gemeinsamen Kernleitsätze konzentrieren sich auf prosoziales sowie mental kluges wie lernbereites Verhalten mit Gratifikationen und Sanktionen (in Firmenleitsätzen weitgehend ausgeblendet). Fehlerlernen wurde in den Märchenleitsätzen neunmal, in denen der Unternehmen zwölfmal gefunden. Leitsätze aus Unternehmen und Märchen werden im Folgenden zum Thema „Lerne aus Fehlern“ zitiert. Lerne aus Fehlern in den Führungsgrundsätzen der Unternehmen (Auswahl):
310
Fehlerlernen ◼ „Wir gewähren Spielraum für neue Ideen und nehmen auch Fehlschläge in Kauf.“ Ciba CH ◼ „Wir sorgen dafür, dass aus Fehlern gelernt wird.“ BASF D ◼ „Führung heißt, Fehler zulassen, bewusst zu machen und aus ihnen zu lernen.“ Parion Versicherung ◼ „Risiken eingehen, Fehler öffentlich machen und zeigen, wie man mit Fehlern konstruktiv umgeht.“ (Lernkultur) EW Zürich CH ◼ „Natürlich können nicht alle Entscheidungen immer richtig sein. Sollte mal eine falsche dabei sein, analysieren Sie mit dem jeweiligen Mitarbeiter die Gründe. Das eröffnet die Chance, für die Zukunft zu lernen.“ Douglas D ◼ „Ermuntern Sie Ihre Mitarbeiter und fordern Sie von sich selbst, dass ein aufgetretener Fehler künftig aktiv vermieden wird.“ Veba Oel D ◼ „Jeder darf Fehler machen – nur nicht zu viele….“ BMW D ◼ „Führungskräfte sind im besonderen Masse in der Lage, Fehler einzugestehen oder falsche Entscheidungen zurückzunehmen und dafür Verantwortung zu tragen“ Bewag D ◼ „Reagieren Führungskräfte intolerant und kritisch auf Fehler, brechen sie dabei die Initiative und den Ideenreichtum der Mitarbeiter.“ 3M CH Meist richten sich Leitsätze an Führungskräfte und gewichten Chancenorientierung vor Risikovermeidung. So wollen sie eine innovative Problemlösungskultur fördern und auch damit verbundene Fehleinschätzungen tolerieren. Die nötige Vertrauenskultur (►Unternehmenskultur) soll die Bereitschaft zur auch transparenten Fehleranalyse und -akzeptanz sowie erwünschte Lernprozesse fördern. Diese kreative und konstruktive Fehlerkultur bildet auch die Basis für ►Qualitätsmanagement – mit Fokus auf verbesserten mentalen, sozialen bzw. kollektiven Problemlösungs- bzw. Entscheidungsprozessen. Kunden- wie Mitarbeiterzufriedenheit rangieren dabei vor bürokratisch-ängstlichem Perfektionismus. Folgende Märchenmaximen konzentrieren sich auf individuelles und soziales Lernen. Die Beispiele zeigen eigenes Fehlverhalten mit einschneidenden Folgen. Die Entwicklungsprozesse sollen beeindrucken, Jüngere auch früh prägen. Lerne aus Fehlern in ausgewählten Märchen (I) – Schwerpunkt Selbstreflexion: ◼ Der Vater klagt im Gefängnis: „ach, hätt ich meiner Tochter gehört! ach, ach, hätt ich meiner Tochter gehört!“ Die kluge Bauerntochter ◼ „Rotkäppchen aber dachte ‚du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen, wenn dirs die Mutter verboten hat.‘“ ◼ „Da erkannte er die Strafe seiner Habgier und begann laut zu weinen. Die Geschenke des kleinen Volkes ◼ „Da tat er einen Schwur, kein Lumpengesindel mehr ins Haus zu nehmen, das viel mehr verzehrt, nichts bezahlt, und zum Dank noch. Schabernack treibt.“ Das Lumpengesindel.
Fehlerlernen Lerne aus Fehlern in ausgewählten Märchen (II) – Schwerpunkt Fremderziehung: ◼ “… hättet ihr den gezogen, wie er noch jung war, so wäre er nicht fortgelaufen; jetzt wird er hart und knorzig sein.“ Der Meisterdieb ◼ Der Vater:“ geh nur hin, durch Schaden wirst du klug werden.“ Die goldene Gans. ◼ „‚Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen‘… Da weinte sie bitterlich und sagte ‚ich habe grosses Unrecht gehabt und bin nicht wert, Deine Frau zu sein‘. Er aber sprach ’tröste dich, die bösen Tage sind vorüber, jetzt wollen wir unsere Hochzeit feiern‘.“ König Drosselbart. 4 Zu Lernansätzen im Management 4.1 Selbstentwicklung als gefördertes Lernen aus eigener Erfahrung Lernen aus eigener Erkenntnis steht bei Kernleitsätzen im Management seltener als in den Märchentexten im Vordergrund. Besonders das Selbst-/►Menschenbild beeinflusst die Erfolgsaussichten zur Selbst- und Fremdentwicklung: ◼ Befragte Führungskräfte und Studierende entschieden sich überwiegend für die Maxime von Goethe. „Du bleibst doch immer, was Du bist“ ( J. W. v. Goethe, Faust I, Vers 1810) ◼ An zweiter Stelle rangierte: “Man kann einen Menschen nichts lehren – man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken“ (G. Galilei). ◼ Deutlich weniger akzeptierten sie die behavioristische These: „Gib mir ein Dutzend gesunde Kinder in guter Verfassung und meine eigene Auffassung, wie ich sie weiterbringen kann. Dann garantiere ich, jeden davon zufällig Ausgewählten so zu trainieren, dass er ein von mir ausgewählter Spezialist wird: Doktor, Jurist, Künstler, Händler, ja sogar ein Bettler und Dieb. Ohne Berücksichtigung seiner Talente, Neigungen, Fähigkeiten, Anlagen oder Rasse“ (Watson, J.: Behaviourism, Poeple’s Institute, N.Y. 1924:82). Die in der zweiten Maxime bevorzugte Selbstentwicklung ist eng mit Commitment (hier als eigenmotivierte Lernverpflichtung) verbunden. Dabei unterscheidet man drei Motive, die auch in Märchen nachweisbar sind: Ethische bzw. normative (Rotkäppchen), emotionale bzw. affektive (Die goldene Gans) und nutzenorientierte bzw. kalkulative (Rumpelstilzchen). Ethisches Commitment zum „Aus Fehlern lernen“ resultiert primär aus persönlicher Verpflichtung, emotionales aus individueller Bindung an Personen, Werte, Ziele, Objekte und kalkulatives aus Nutzen. Instrumente zur Selbstentwicklung ◼ Geförderte Selbstentwicklung zum „Fehlerlernen“ wird bevorzugt mit Konzepten zu Coaching und Counselling verbunden [8, S 371 ff.] ◼ Coaching als Führungsfunktion heisst gezielte Unterstützung von Mitarbeitenden durch Vorgesetzte beim
Fehlerlernen mentalen bzw. sozialen Lernen. Wahrnehmungsblockaden sollen gelöst und Selbstentwicklung initiiert werden. Dies über Zielentwicklung, Sensibilisierung für eigene wie fremde Bedürfnisse, erweiterte Perspektiven sowie Hilfe bei personalen oder organisationalen Konflikten. Coaching durch Externe verbreitet sich, direkte Vorgesetzte verstehen Coaching selten als Kerngebiet ihrer Führungsaufgabe. Ein Märchenbeispiel bietet König Drossselbart, der seiner Angetrauten Stolz und Hochmut durch ein extremes „Coaching“ abgewöhnt. ◼ Counselling wird als Beratung von Vorgesetzten oder Kollegen auch durch Mitarbeitende verstanden. In „Mitarbeitergesprächen“ ist diese „Aufwärtsberatung“ institutionalisiert. Sie betont auch die Wechselseitigkeit jeder Führungs- und Kooperationsbeziehung. In „Der alte Großvater und der Enkel“ warnt Letzterer die Eltern, den Grossvater schlecht zu behandeln, es könnte ihnen später ähnlich ergehen. ◼ Lernen von Benchmarks (Vergleichswerten) bezieht sich meist auf Handlungen anderer – sei es aus eigener Beobachtung, aus Medienberichten, (Auto-)Biographien und ebenso aus Märchen, wenn sie eng mit der eigenen Lebenswelt verbunden werden. BMW prämierte in einem Werk den „Fehler des Monats“. Das sollte auch riskantes Beschreiten neuer Wege fördern – sofern diese sorgfältig reflektiert wurden. Diesen Fehler beachteten Mitarbeitende mehr als manches ►Qualitätsmanagementhandbuch. ◼ ►Poka Yoke setzt voraus, dass „Fehler-machen-dürfen“ im betrieblichen Alltag kein Tabu ist. Bei dieser aus Toyotas Produktionssystem bekannten Technik geht es darum, erkannte Fehler zukünftig zu vermeiden, d. h. die Schnittstellen zwischen Mensch und Arbeitssystem so „wasserdicht“ wie möglich zu gestalten, damit unbeabsichtigte Fehlhandlungen nicht erneut auftreten können bzw. deren Auftreten – wenn möglich online in Echtzeit – erkannt und abgestellt werden kann. Insofern ist das genannte „Fehler des Monats-Programm“, verstanden als Sensibilisierung für Fehlhandlungen, erst der Beginn eines wohldurchdachten Fehlermanagementsystems. [9] 4.2 Qualitätsmanagement als spezifische Funktion Seit rund 50 Jahren hat das Qualitätsmanagement zur vorbeugenden wie nachbereitenden Vermeidung von Fehlern hohen Stellenwert. In den letzten 30 Jahren entwickelte man in den USA, in Japan und Europa nationale bzw. regionale Qualitätsmodelle. Das Europäische Qualitätsmodell (►EFQM-Modell) und viele Nachahmer haben sich als integrierter Ansatz für organisatorisches Lernen durchgesetzt [1]. Fehlerbewusstsein und -toleranz, Fehlerkultur, Umgang mit Kreativität, kritische Erfolgsfaktoren, ►Qualitätscontrolling sind Stichworte zum Umgang mit Fehlern und damit verbundenen Lernprozessen. ◼ Die Firma 3M entwickelte für ihre Führungskräfte Leitsätze zu innovationsfördernder Fehlerkultur: Schaffen
311
F
Fehlerlernen
Fehlerlernen
Sie Denkräume für Ihre Mitarbeiter – Heben Sie Denkverbote auf – Erlauben Sie Fehler – Würdigen Sie Innovationsleistungen – Fördern Sie intensive Kommunikation – Werden Sie Coach für Innovation – Rechnen Sie mit Innovationshürden. ◼ Märchen kennen keine Programme zur Qualitätssicherung. Ihr eigenes Verhalten und Entwickeln stehen im Mittelpunkt – z.B. soziales Lernen (Der Meisterdieb, Der alte Grossvater und der Enkel). Das gilt auch für Lehren zur Arbeitsmoral (Frau Holle, Die zwölf faulen Knechte). Und Meister Pfriem zeigt das Scheitern eines selbst ernannten Qualitätsexperten.
F
1 Das Tapfere Schneiderlein besticht durch ►Selbstorganisation, Spontanität und kreativ-listige Problemlösungen, mit denen es alle Aufgaben erfolgreich löst. Nur in der Beziehungsebene lernt der karrierefreudige und narzistische Autist auch bei Konflikten nie dazu. Der Meisterdieb demonstriert auch hohe mentale sowie fehlende soziale Lernfähigkeit und -motivation. Für seine Diebskarriere macht er den Vater verantwortlich, der ihn nicht frühzeitig erzogen habe. Dann entgeht er dem Strick des Landesherrn, weil er drei fast unlösbare Aufträge meisterhaft erledigt. 2 Die kluge Bauerntochter erweist sich mental wie sozial als lern- und lehrfähig. Sie sieht Fehlreaktionen voraus, lernt so schon virtuell. Ebenso lernt sie, mit aktuellen Bedrohungen kreativ, wenn auch nicht immer loyal umzugehen. Sie vermittelt dem Vater und ihrem königlichen Gatten tiefgreifende Lernerlebnisse. Das letzte führt zur Liebesheirat nach dem Vers von J. Ringelnatz: „Sei eingedenk, dass dein Geschenk du selber bist“. Dies könnte neue Fehlerkultur des Königs und damit seines Reichs fördern. Gretel (Hänsel und Gretel) überlässt zunächst Hänsel die mentale Führung. Seine Gefangenschaft fordert einen Wechsel. Und nun lernt das Mädchen, diese Rolle in zwei zentralen Episoden kreativ-listig, klug reflektierend, geduldig und handlungsstark auszuüben. Im gleichen Quadranten rangieren Aschenputtel und Der Gestiefelte Kater. 3 Rotkäppchen reflektiert mit gewissenhafter Lernmotivation, aber noch eingeschränktem Umsetzungsvermögen die lebensbedrohenden Folgen nach dem vergessenen Versprechen, nicht vom Wege abzugehen. Sie lernt damit aus Erfahrungen, formuliert daraus einen eigenen Leitsatz und schaltet dann noch mit der Großmutter den zweiten Wolf aus. Der alte Großvater und der Enkel lehrt die „Goldene Re-
Abschließend einige Zitate zu Irrtum und Fehlern ([3] und [10]): ◼ „Wer noch nie Fehler gemacht, hat sich nie an etwas Neuem versucht“ A. Einstein ◼ „Es irrt der Mensch, solang er strebt“ J. W. v. Goethe ◼ „Das sind die Weisen, die durch Irrtum zur Wahrheit reisen. Die bei dem Irrtum verharren, das sind die Narren“ F. Rückert ◼ „Das einzige Mittel, den Irrtum zu vermeiden, ist die Unwissenheit“ J. J. Rousseau ◼ „Selbst wenn alle Fachleute einer Meinung sind, können sie sehr im Irrtum sein“ B. Russel
5 Unternehmerische Schlüsselkompetenzen als Grundlage für ein Lernportfolio Da Eigenschaften und Verhaltensmuster in Management – wie auch in Märchenleitsätzen – im Mittelpunkt stehen, werden fördernde Kompetenzen zu chancenorientiertem Verbesserungslernen wie risikominderndem Verhalten diskutiert. Dazu bieten sich unsere drei (mit-)unternehmerischen Schlüsselkompetenzen an: strategieorientierte Problemlösung, kooperative Selbstorganisation sowie reflexionsfundierte Umsetzung [8]. Alle drei tragen dazu bei, Fehler zu vermeiden, zu minimieren oder zu bewälAbb. F10: Fehler-Lernportfolio tigen. Mit ihnen macht man weniger Fehler und Lernen geschieht primär chancenorientiert. Aber vielen Lernqualifikation Kreativen fehlt es in Märchen wie im Management an kooperativer Sozialkompetenz. Andere können hoch Das tapfere 1 fehlende Kreativität über externe Helfer ausgleiSchneiderlein chen, die sie sozialkompetent über Netzwerke ge⟢⟡⟣ winnen. Umsetzen sollten mehr Führungskräfte, Der vor der Umsetzung reflektieren mehr die MärchenMeisterdieb helden. Die drei unternehmerischen Qualifikationen fundieren ein auf Lernkompetenzen ausgerichtetes Märchenportfolio. Differenziert wird nach Lernfähigkeit und Lernmotivation in vier Quadranten. Je ein treffendes Märchen für mentale (jeweils das erste Beispiel) und eines für besonders emotionale Kompetenz wird in Abbildung F10 (Lernportfolio) eingefügt und dann kurz begründet [11].
312
4
Die sieben Schwaben ⟢⟡⟣ Von dem Fischer un syner Fru
Die kluge Bauerntochter ⟢⟡⟣ Hänsel und Gretel
2
Rotkäppchen
3
⟢⟡⟣ Der alte Großvater und sein Enkel
gering gering
hoch
Lernmotivation
Fehlerlernen gel“, den global wohl wichtigsten Verhaltensleitsatz: Verhalte Dich so, wie Du von anderen behandelt werden willst. Diesen lernen die Eltern von ihrem Sohn am Beispiel der Behandlung ihres alten (Schwieger-)Vaters, der sie mit seinen Essmanieren störte. 4 Mental bzw. sozial Lernunfähige bzw. Lernunwillige sind Die sieben Schwaben. Sie erkennen einmal sogar einen gravierenden Fehler, den sie aber nur vertuschen statt verbessern wollen. Sie bleiben mental unqualifiziert wie lernunwillig und bezahlen dies schließlich mit ihrem Leben. Ilsebill in Von dem Fischer und seiner Frau ist mit ihrer unersättlichen Karrieregier ein extremes Beispiel für soziale Lerninkompetenz. Das bezahlen sie und ihr Mann teuer. 6 Zur Entwicklung einer Lernkultur – Empfehlungen zu “Lerne aus Fehlern“: Was könnten Führungskräfte aus Märchen zur Fehlerkultur lernen? Einundzwanzig Empfehlungen für Führungskräfte werden nun nach chancenorientiertem oder risikomeidendem Lernen differenziert diskutiert. Vorwiegend chancenorientiertes Lernen aus Fehlern ◼ Die goldene Regel („Wie immer ihr wollt, dass die Leute mit euch umgehen, so geht auch mit ihnen um“ Matthäus 7,12) als zentralen Verhaltensgrundsatz (Der alte Großvater und der Enkel) . ◼ Rangiere Chancen- vor Risikoorientierung (Das Tapfere Schneiderlein, Der gestiefelte Kater). ◼ Nütze günstige Situationen mutig (Der Teufel mit den drei goldenen Haaren) ◼ Sei aber auch bereit, es „dreimal“ zu wagen (sehr viele Märchenhelden) ◼ Vertraue Deiner eigenen Kompetenz (Die kluge Bauerntochter). Werde selbst ein Vorbild statt mit steten Benchmark-Analysen lieber zu kopieren als zu kapieren und kreieren. ◼ Besonders wirkt Eigenmotivation beim Ergreifen von Chancen (viele Märchen zeigen das). ◼ Reagiere lieber auf deine intrinsische Motivation als auf äußere Anreize (das gilt auch für die meisten Märchen – selbst wenn oft hohe Anreize anderes vermuten lassen). ◼ Gehe mit Demotivation konstruktiv um (Aschenputtel, anders Hans im Glück). ◼ Sei auch bereit, Deine Hilfsbedürftigkeit zu zeigen. Damit aktivierst Du Hilfe – obgleich im Märchen häufiger als im Management (so die Müllertochter in Rumpelstilzchen). ◼ Suche und etabliere Netzwerke, die helfen können, Deine Schwächen zu kompensieren (Aschenputtel). Lasse Dich von selbstbewusst auftretenden Experten und Beratern nicht ins Bockshorn jagen (z.B. vom Scherenschleifer bei Hans im Glück). ◼ Sei bereit, schwierige Situationen durchzustehen – „endure it“ (Aschenputtel). ◼ Wähle Mitarbeiter oder Kollegen nach den drei Schlüsselkompetenzen aus statt primär nach Ausbildung und
Fehlerlernen Erfahrung (die meisten Prinzipale in Märchen praktizieren das). ◼ Bilde Teams/Projektgruppen nach ergänzenden Kompetenzen, weniger nach der vermuteten Ähnlichkeit mit Dir (Sechse kommen durch die ganze Welt, Die Bremer Stadtmusikanten). ◼ Ziehe in die Erfolgsstrategie Fehler anderer ein (Das Tapfere Schneiderlein, Der gestiefelte Kater). Vorwiegend risikoorientierte Fehlervermeidung: ◼ Reflektiere mehr als Märchenhelden und meide Chancen mit extremen Risiken. Das Meerhäschen zeigt die Folgen für die zuvor 99 Erfolgslosen. ◼ Lerne von negativen Erfahrungen oder Benchmarks (Die kluge Bauerntochter). ◼ Setze Deine Lernergebnisse um (Der gelernte Jäger). ◼ Rechne mit begrenzter Lernfähigkeit (Hans im Glück, Die sieben Schwaben). Denn nach Skriptanalysen der Transaktionspsychologie wiederholt man auch leicht Fehler – nur auf anderen „Bühnen“. ◼ Scheu nicht intuitive „Bauchentscheide“ – v.a. in informationsarmen, langfristigen und riskanten Situationen; Männer zeigen hier – wie Märchenhelden – stärker „overconfidence“. ◼ Lerne wenigstens durch Erfahrung nach Fehlern (Rotkäppchen). ◼ Vermeide die Risikoscheu mancher Könige (im Tapferen Schneiderlein) und Länder [12] 7 Lessons learned 1 Die Brüder Grimm verstanden ihre Erzählungen auch als Lernmittel für frühe Prägung; dies implizit durch den Handlungsverlauf der Geschichten oder explizit über Merk- und Lehrsätze. Ihre Märchen vermittelten die damaligen, beim „Lerne aus Fehlern“ heute noch geforderten gesellschaftlichen Werte. 2 Die 201 Märchen der Brüder Grimm wurden auf explizite Verhaltensregeln und -folgen analysiert und 70 Leitsätze aus 63 Märchen zitiert. Daraus wurden acht Kernleitsätze interpretiert. Dann suchten wir in ebenso 70 Führungsgrundsätzen von 43 Unternehmen nach den Kernleitsätzen der Märchen. Sechs der acht in Märchen ermittelten Kernleitsätze werden von der Managementpraxis relativ häufig gefordert und eignen sich für frühe Prägung auch für die Arbeitswelt. Besonderes gilt das für „Lerne aus Fehlern“. Bei der Analyse von je 70 Verhaltensgrundsätzen ist die Anzahl der 19 dazu interpretierten Führungsgrundsätze auch weit höher als in Märchen [11]. 3 Aus wissenschaftlicher Sicht eignet sich der Ansatz des schmerzhaften Lernens [3] sowie das empirische Konzept von Bauer et al. [6]. 4 Wir differenzierten zwischen chancen- und risikoorientierter Fehlerkultur sowie zwischen mentalem und sozialem Lernen. Danach wurden 20 Empfehlungen für Führungskräfte entwickelt. 5 In Märchen- wie Managementleitsätzen überwiegt chancenorientierte Fehlerkultur. Soziales Fehlverhalten zei-
313
F
Fehlerlernen
F
gen Stiefmütter und schwache Väter oder Könige. „Märchenheldinnen“ gewinnen auch durch Sozialkompetenz. Mächtige verhalten sich in den Märchen oft sozial inkompetent. 6 In Märchen sollen auch Sanktionen den Lernprozess verstärken. Montada [13, S. 624] fordert statt Strafen induktive Erziehungsstile, die Verständnis argumentativ und mit Lösungsmöglichkeiten fördern. 7 In den Führungs- und Kooperationsgrundsätzen der Wirtschaft fanden sich keine konkreten Sanktionen – nicht einmal die Verweigerung von Gratifikationen. 8 Befragungen in über 300 Firmen zeigten, dass bis 70% schriftliche Führungsgrundsätze positiver als „ungeschriebene Regeln“ einschätzen. Besonders wichtig waren Information und Kommunikation. „Selbstverpflichtung“ (Commitment) der Mitarbeiter auf Leitsätze wurde noch höher rangiert [11, 77]. 9 Märchen bieten keinen Katalog von Verhaltensleitsätzen, Führungsgrundsätze immer. Das verdeutlicht Unterschiede zwischen der erzählenden Pädagogik von Märchen und der abstrakten Vermittlung von Maximen in Unternehmen.Letztere könnten mit Gleichnissen, Metaphern aus passenden Märchen sowie über wiederholtes Reflektieren mehr bewirken. 10 Dürfen wir „cum grano salis“ der Wirkung gut ausgewählter und vermittelter Märchen vertrauen – auch zur frühen Persönlichkeitsentwicklung für die spätere Berufspraxis? Sie können als Fallbeispiele für aktuelle Konflikte, Storytelling, Unternehmenstheater und Projektworkshops sowie für Mitarbeiterbeurteilungen und -gespräche und zur Aus-und Weiterbildung dienen. Dies für die eigene Arbeits-/Lebenswelt zu analysieren und mit konkreten Folgerungen verbinden, dürfte uns mehr nützen als schaden. Prof. Dr, Rolf Wunderer, Universität St. Gallen Literaturverzeichnis
[1] Wunderer, R./Gerig, V./Hauser R. (1997) (Hrsg.): Qualitätsorientiertes Personalmanagement – Das Europäische Qualitätsmodell als unternehmerische Herausforderung, München. [2] Kolodner, J. (1983): Toward an Understanding of the Role of Experience in the Evolution from Novice to Expert, in: International Journal of Man-Machine Studies, 19, S. 497-518. [3] Oser, F./Spychiger, M. (2005): Lernen ist schmerzhaft – Zur Theorie des negativen Wissens und zur Praxis der Fehlerkultur, Weinheim/Basel. [4] Knott, A./Posen, H. (2005): Is Failure good?, in: Strategic Management Journal, 26, S.617-641. [5] Rybowiak, V. et al. (1999): Error Orientation Questionaire (EOQ) – Reliability, Validity and Different Language Equivalence, in: Journal of Organizational Behavior, 20, S.527-547. [6] Bauer, J. et al.(2003): Fehlerorientierung im betrieblichen Alltag, in: Forschungsbericht Nr. 5, Lehrstuhl für Lehr- Lernforschung und Medienpädagogik an der Universität Regensburg, Institut für Pädagogik. [7] Brüder Grimm (1819/1999): Kinder- und Hausmärchen (KHM), 19. Aufl., Düsseldorf /Zürich.
314
Fehlermanagement – prinzipiell [8] Wunderer, R. (2011): Führung und Zusammenarbeit, 9. Aufl., München. [9] vgl. Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. Einführung in Geschichte, Begriffe, Systeme, Techniken sowie Gestaltungsund Implementierungsansätze eines modernen Managementparadigmas. München (Oldenbourg) 2013, S. 173 [10] Osten, M. (2006): Die Kunst Fehler zu machen, Frankfurt/ Main . [11] Wunderer, R. (2010): Führung in Management und Märchen – Kompetenzen und Leitsätze, Köln. [12] Wunderer, R./Weibler J. (2001): Risikovermeidung und Vorsorge als Schlüssel der schweizerischen Nationalkultur?, in: AuerRizzi, W. et al. (Hrsg.): Management in einer Welt der Globalisierung Stuttgart S.159-617. [13] Montada, L.(2002): Moralische Entwicklung und moralische Sozialisation, in: Oerter, R./ Montada, L. (Hrsg): Entwicklungspsychologie, 5. Aufl., Weinheim, S. 619-647. [14] Butler, J. (1991): Towards Understanding and Measuring Conditions of Trust Inventory, in: Journal of Management, 643-663. [15] Wunderer, R. (2007): Der gestiefelte Kater als Unternehmer. Lehren aus Management und Märchen. Wiesbaden 2007.
Fehlermanagement – prinzipiell
▶Fehler ▶Fehlerbegriffe ▶Fehlerkonzepte ▶Fehlermanagement ▶Fehlerlernen ▶Null-Fehler-Management ▶Six Sigma ▶Crosby, Philip B. Beachten Sie das Haupt-Stichwort ►Fehlermanagement. Qualitätsmanagement ist per se Fehler ma nage ment, was schon ein Blick auf den Begriff des Fehlers im QM anzeigt. Deshalb wundert es nicht, daß Programme und Konzepte zur Fehlervermeidung gerade im Qualitätsmanagement schon fast zur betrieblichen Tagesordnung gehören. Geradezu klas sisch ist das ►Null-Fehler-Programm (engl. Zero Defects Conzept) von ►Crosby zu nennen. Crosby hat sich auch mit den psychologischen Voraussetzungen von Fehlern befasst (►Crosby). An Töpfers Tabelle zu 40 exemplarisch ausgewählten Krisenfällen erkennt man, dass die Häufigkeit von Managementfehlern geradezu auffallend ist [1]. Ein Brückenschlag zur Psychologie zeigt, dass gerade in neuerer Zeit Fehlermanagement thematisiert wird. Der psychologische Fehlerbegriff wird dabei an drei Elementen festgemacht [2]: 1 Fehler treten nur bei zielorientiertem Verhalten auf. 2 Ein Fehler bedeutet das Nichterreichen eines Ziels oder Teilziels. 3 Man spricht nur dann von einem Fehler, wenn er potentiell vermeidbar gewesen ist. Die Strategie psychologisch orientierten Fehlermanagements zielt darauf, dass neben der klassischen Fehlervermeidung (Verhindern des Auftretens von fehlerhaften Handlungen) nicht der Fehler selbst, sondern die negativen Konsequenzen
Fehlermanagement von Fehlern vermieden werden müssen. Fehler müssen möglichst einfach, schnell und ohne Stress behoben werden, um negative Konsequenzen zu verhinden. Die Umsetzung eines ►Fehlermanagements sei – daran anschließend – auf verschiedene Art möglich. – Die Durchsicht der Literatur zeigt, dass sich im Schnittpunkt von Ingenieurwissenschaft, Qualitäts management und Psychologie neue Forschungsansätze auftun, die insbesondere eine zukünftige Fehlerursachenfor schung berücksichtigen sollte [3]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Töpfer, A.: Plötzliche Unternehmenskrisen. Gefahr oder Chance? Grundlagen des Krisenmanagements. Praxisfälle. Grundsätze zur Krisenvorsorge. Neuwied-Kriftel: Luchterhand 2000, S. 102ff [2] Zapf, D. u.a.: Fehler und Fehlermanagement. In: Carl Graf Hoyos; Frey, D. (Hrsg.): Arbeits- und Organisationspsychologie. Weinheim: Beltz 1999, S. 398-409 [3] s. a. [2], S. 409
Fehlermanagement
Begriff
Begriff
▶en: error management ▶Fehler ▶Fehlerlernen ▶Fehlerbegriffe | ▶Fehlerkonzepte ▶Null Fehler-Management ▶Crosby, Philip B. 1 Grundsätzliches Fehlermanagement bedeutet, Voraussetzungen zu schaffen, die es möglich machen, Fehlerquellen zu erkennen und Fehler so frühzeitig zu beheben, dass negative Konsequenzen vermieden oder minimiert werden. Im Vordergrund steht der Gedanke, aus Fehlern zu lernen, um ihre Wiederholung zu vermeiden [1]. Ein Fehler ist nach Reason eine geplante Handlung, bei der ein erwünschtes Ziel nicht erreicht wird, weil entweder ein falscher Plan zugrunde gelegt oder die Handlung nicht wie geplant durchgeführt wird [2].
Um die Zuverlässigkeit von Abläufen und Prozessen zu erhöhen, steht in Organisationen für gewöhnlich die ►Fehlervermeidung im Vordergrund [3]. Dieser Ansatz wird insbesondere in Konzepten wie dem ►Total Quality Management und ►Six Sigma verfolgt [4]. Er zielt darauf, Fehler gar nicht erst entstehen zu lassen und dadurch die entsprechenden Kosten zu vermeiden. Es waren die Hochrisiko-Organisationen, in denen man zuerst begann, diesen Ansatz zu überdenken. Das geschah nach solch spektakulären Katastrophen wie den Reaktorunfällen von Three Mile Island (1979), Tschernobyl (1984), dem Challenger-Unglück (1986) und Flugzeugunfällen, die sämtlich auf menschliches Versagen zurückzuführen waren. In all diesen Fällen war zudem nicht ein einzelner Fehler Auslöser der Katastrophe gewesen, sondern eine Verkettung von meh-
Fehlermanagement reren, die man eigentlich ohne weiteres hätte korrigieren können. Seit Anfang der 1980er begann man sich in der Luftfahrt deshalb einem neuen Konzept zuzuwenden: Aus der Maxime der ►Fehlervermeidung wurde das Fehlermanagement, denn Fehler – so die Erkenntnis – waren unvermeidliche Bestandteile komplexer Prozesse. Zwar ist auch das Fehlermanagement darauf aus, Fehler möglichst frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren, doch niemand hängt der Vorstellung an, Fehler seien ausnahmslos zu verhindern. Stattdessen geht es darum, die negativen Konsequenzen gemachter Fehler auszuschalten [5]. So ist ein falsch dosiertes Medikament in einem Krankenhaus erst dann ein Problem, wenn der Patient es einnimmt. Wird der Fehler zuvor jedoch bemerkt, kann die Dosierung korrigiert, die Ursache für die falsche Dosierung ermittelt und eine Wiederholung des Fehlers vermieden werden. 2 Fehlertypen Im Fehlermanagement lassen Fehler sich in drei Kategorien unterteilen. Dabei geht man von den Entstehungsbedingungen aus [6]. Auf diese Weise kann man, im nächsten Schritt, die jeweiligen Handlungsoptionen ableiten. Bei den drei Kategorien handelt es sich um: ◼ Ausführungsfehler ◼ Gedächtnisfehler ◼ Planungsfehler Als Ausführungsfehler (slips) werden Fehler bezeichnet, bei denen die Handlung auf einem richtigen Plan beruht, der aber falsch ausgeführt wird. Eng damit verbunden sind Gedächtnisfehler (lapses), die gleichfalls auf einem richtigen Plan basieren; allerdings werden hier Handlungsteile vergessen. Ausführungsfehler sind in der Regel mit beobachtbaren falschen Handlungen verbunden. Dagegen können Gedächtnisfehler von Außenstehenden unbemerkt bleiben. Beide Fehlertypen sind häufig mit externen Ablenkungen oder Störungen verbunden [7]. Handlungen, bei denen ein falscher oder fehlerhafter Plan verhindert, dass ein Ziel erreicht wird, werden als Planungsfehler (mistakes) bezeichnet [8]. Hier lassen sich zwei Typen unterscheiden: ◼ Wird eine grundsätzlich gut verstandene Regel auf eine falsche Situation angewendet, handelt es sich um einen regelbasierten Fehler (rule based mistake). In diesem Fall erfolgt die Handlung zwar nach Plan, doch der der Plan ist bezogen auf das Endergebnis ungeeignet. Diese Fehler können unter anderem entstehen, wenn eine vermeintlich vertraute Situation falsch wahrgenommen und interpretiert wird. Dieser Fall liegt zum Beispiel vor, wenn bei einem Patienten die falsche Therapie vorgenommen wird, diese aber fachgerecht durchgeführt wird. ◼ Um wissensbasierte Fehler (knowledge based mistakes) [9] handelt es sich dagegen, wenn ein Problem falsch verstanden und/oder Zusammenhänge nicht erkannt und somit eine Lösung angestrebt wird, mit der das Ziel
315
F
Fehlermanagement nicht erreicht werden kann. Diese Fehler können unter anderem entstehen, wenn ein unzureichendes mentales Modell vorliegt oder eine Kausalität nicht erkannt wird. Dieser Fehlertyp tritt insbesondere bei der Konfrontation mit einem neuen, unbekannten System auf, wie dem Fahren in einem neuen Fahrzeugtyp, bei dem anstelle des Blinkers der Scheibenwischer betätigt wird.
F
Die Unterscheidung der Fehlertypen ist insofern von Bedeutung, als Ausführungsfehler von den Handelnden eher erkannt werden als Gedächtnis- und Planungsfehler [10]. Bei Gedächtnis- und Planungsfehlern sind dagegen die Beobachtungen anderer Menschen zum Erkennen erforderlich. Ferner variiert die Häufigkeit der Fehlertypen in Abhängigkeit von der Branche und der Arbeitsumgebung [11]. So ist in der Dienstleistungsindustrie eher mit Ausführungs- und regelbasierten Fehlern zu rechnen als mit wissensbasierten [12]. Wenn es um die Betrachtung von Fehlern geht, kann diese sowohl auf der individuellen als auch der organisationalen Ebene stattfinden [13]. Im ►Qualitätsmanagement ist jedoch die organisationale Betrachtung erforderlich, denn da bedeuten Fehler, dass ein organisationales Ziel nicht erreicht wurde. Dabei wird berücksichtigt, dass mehrere Individuen an einem Fehler beteiligt sein und die Konsequenzen entweder Teile der Organisation oder die Organisation als Ganzes betreffen können [14]. Etwas anderes als Fehler sind Regelverletzungen (violations) [15], die zu einem negativen Ereignis führen. Im Gegensatz zu Fehlern verstehen wir darunter, dass hier jemand bewusst von Regeln, Prozeduren oder Handlungsanweisungen abgewichen ist. Die folgenden Ausführungen beziehen sich jedoch ausschließlich auf Fehler. 3 Fehlermanagement Das Ziel des Fehlermanagements ist es, in einer Organisation die negativen Konsequenzen von Fehlern zu verhindern. Es beinhaltet mehrere Schritte. Die Grundvor-aussetzung ist, dass jemand den Fehler entdeckt bzw. als solchen erkennt. Eng damit verbunden ist, dass er diesen Fehler kommuniziert. Das gilt insbesondere dann, wenn bei komplexen Prozessen mehrere Beteiligte die Korrektur des Fehlers vornehmen müssen. Auch die Fehleranalyse gehört zu den Voraussetzungen, um Fehler zu korrigieren, denn das Erkennen eines Fehlers zeigt ja zunächst nur die Abweichung vom gewünschten Ergebnis. Die anschließend notwendigen Handlungen zur Korrektur müssen bezogen auf die Ursachen und Folgen des Fehlers durchgeführt werden. Noch wichtiger ist diese Analyse jedoch, wenn man aus Fehlern lernen will, anstatt sie zu wiederholen. Schließlich erfordert ein funktionierendes Fehlermanagement ein offenes Berichtswesen, sodass die jeweiligen Erkenntnisse einem möglichst großen Kreis innerhalb einer Organisation zugänglich gemacht werden können. Darüber hinaus können Berichte auch außerhalb einer Organisation sinnvoll sein,
316
Fehlermanagement beispielsweise, um durch einen Informationsaustausch zwischen den Fluggesellschaften die Flugsicherheit zu erhöhen oder die Patientensicherheit durch ein Krankenhausübergreifendes Berichtswesen zu verbessern. (1) Fehlererkennung Fehler zu erkennen ist eine grundlegende Bedingung des Fehlermanagements, unabhängig davon, ob die Ursache der Fehler bekannt ist [16]. Das bedeutet, dass Fehler beobachtbar sein müssen – entweder direkt oder mit technischen Hilfsmitteln. Das kann geschehen, während der Fehler entsteht (aktionsbasierte Erkennung), nachdem er entstanden ist (ergebnisbasierte Erkennung) oder nach externen Einschränkungen, weil zum Beispiel nachfolgende Prozesse nicht mehr funktionieren (Erkennung durch externe limitierende Faktoren) [17]. Die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu erkennen, ist von mehreren Faktoren abhängig. So werden Ausführungsfehler eher erkannt als wissensbasierte Fehler [18]. Darüber hinaus werden Fehler eher erkannt, wenn man mit Fehlern rechnet [19]. Die aktionsbasierte Fehlererkennung setzt voraus, dass wir sowohl die eigenen Handlungen als auch die unserer Mitarbeiter überwachen. Die ergebnisbasierte Fehlererkennung und die Erkennung durch externe limitierende Faktoren setzen voraus, dass die Organisationsziele bekannt sind [20]. Grundsätzlich können Fehler in einer Organisation auch unerkannt bleiben (latente Fehler). Das kann beispielsweise an technischen Faktoren wie fehlenden Beobachtungsmöglichkeiten liegen. In Hochrisiko-Organisationen gehört es deshalb zu den Zielen, versteckte Fehlerquellen zu erkennen [21]. Darüber hinaus sind jedoch psychologische Faktoren, wie das von Janis beschriebene Phänomen des „groupthink“ [22], denkbar, die verhindern, dass diejenigen, die in diesem Gruppendenken befangen sind, eigene Fehler erkennen. Bleiben Fehler in einer Organisation über einen längeren Zeitraum unerkannt, kann es für die Organisation schwerwiegende Folgen haben [23]. Die Unfälle von Three Mile Island, Bhopal, Tschernobyl, der Raumfähre Challenger, der Fähre Herald of Free Enterprise und der Brand in King’s Cross sind drastische Beispiele für die katastrophalen Auswirkungen latenter Fehler [24]. (2) Fehlerkommunikation In einer Organisation kann ein Fehler oftmals nur von mehreren Personen korrigiert werden. In einem Flugzeug kann das der fliegende Pilot zusammen mit der Kabinenbesatzung, in einem Operationssaal der Chirurg mit Anästhesisten und Krankenschwester sein. Deshalb ist neben der Fehlererkennung auch die Fehlerkommunikation von Bedeutung. In den meisten Organisationen ist die Fehlerkommunikation sogar die zentrale Herausforderung, denn für gewöhnlich fällt es uns schwer, offen über die eigenen Fehler – oder diejenigen anderer – zu sprechen [25]. In Unternehmen liegt das vor allem an der Sorge, die Schuld an einem Fehler zugewiesen zu bekommen, ebenso wie an der Furcht vor Sanktionen und
Fehlermanagement Reputationsschäden oder sogar dem Verlust der Reputation [26]. Umgekehrt steigt die Bereitschaft zur Fehlerkommunikation, wenn diese negativen Einflussfaktoren abgemildert oder ausgeschaltet werden. Vor diesem Hintergrund wurde das Konzept der psychologischen Sicherheit (psychological safety) entwickelt [27]. Es beinhaltet, dass Individuen in einem Rahmen operieren, der sie vor den obengenannten negativen Konsequenzen ihrer Fehler schützt. Die Erwartung ist, dass die psychologische Sicherheit eines Milieus sowohl die Bereitschaft zur Fehlerkommunikation erhöht und im nächsten Schritt zum Lernen in der Organisation führt. Voraussetzung hierfür ist, dass die Organisation nicht strafend auf Fehler reagiert (non-punitive response to error) [28]. Allerdings können in einer hierarchischen Organisation noch weitere Schritte erforderlich sein, um die Fehlerkommunikation zu initiieren, denn starke Hierarchiegefälle schränken die Bereitschaft zur Fehlerkommunikation aus naheliegenden Gründen ein. Da für die meisten Organisationen Hierarchien unabdingbar sind, empfiehlt es sich, zumindest darauf zu achten, dass der Hierarchieunterschied möglichst gering ist [29]. (3) Fehleranalyse und Fehlerkorrektur Mit der Kenntnis eines Fehlers wird die Korrektur möglich. Während dies zur Abwendung eines unmittelbaren Problems ausreichend sein mag, ist es aus Sicht einer Organisation darüber hinaus wünschenswert, diesen Fehler künftig zu vermeiden [30]. In diesem Sinn muss man zunächst die Fehlerursache ermitteln. Da die meisten Fehler jedoch nicht mit dramatischen Konsequenzen verbunden sind und der Arbeitsablauf oftmals keine unmittelbare, eingehende Fehleranalyse zulässt, sollte sie in Form einer Nachbesprechung stattfinden [31]. Hier kann die Reflexion über die festgestellten – und gegebenenfalls vermuteten weiteren – Fehlerursachen stattfinden. Diese Fehlerbesprechungen nehmen Flugzeugbesatzungen beispielsweise regelmäßig am Ende ihres gemeinsamen Flugtags vor, desgleichen die Soldaten der US Army nach einem Einsatz. (4) Fehlerberichte Damit die Erfahrungen aus Fehlern nicht nur bei den unmittelbar Beteiligten, sondern vielmehr in der gesamten Organisation oder sogar für eine ganze Industrie verfügbar sind, ist es notwendig, Fehler und Fehleranalyse in einem offenen Berichtswesen zu erfassen [32]. Das setzt nicht nur voraus, dass die Berichterstatter anonym bleiben können, sondern auch, dass andere den Lernnutzen von Fehlerberichten erkannt haben [33]. In Bereichen wie der Luftfahrt hat sogar der Gesetzgeber einen zusätzlichen Anreiz zur offenen Fehlerberichterstattung geschaffen, indem bei denjenigen, die die Fehler verursacht haben – und nachweislich einen Fehlerbericht verfasst haben –, auf Strafmaßnahmen verzichtet wird. Richtungsweisend war hier das von der NASA bereits 1976 für die Luftfahrt initiierte Aviation Safety Reporting System (ASRS). Versehen mit den Adjektiven „vertraulich, freiwillig, sanktionsfrei” werden hier monatlich allein für die USA mehr
Fehlermanagement als 6.000 Fehlerberichte aus der zivilen und militärischen Luftfahrt gesammelt. Ähnliche Berichtssysteme wurden mittlerweile auch in anderen Ländern und Bereichen etabliert, etwa die Critical-Incident-Reporting-Systeme (CIRS) im deutschen Gesundheitswesen. 4 Umsetzung – ein Beispiel Im Hinblick auf das Fehlermanagement hat in der Luftfahrt seit Anfang der 1980er Jahre ein tiefgreifender Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Auslöser waren mehrere spektakuläre Unfälle, wie der Zusammenstoß zweier Jumbo-Jets auf dem Flughafen von Teneriffa im Jahre 1977 [34]. Auf Anregung der NASA und der US-Luftfahrtbehörde FAA wurde, unter Einbeziehung zahlreicher internationaler Luftfahrtgesellschaften, das Crew Resource Management (CRM) entwickelt, in dessen Vordergrund nicht mehr die Fehlervermeidung, sondern das Fehlermanagement steht [35]. Mittlerweile ist für alle Besatzungsmitglieder weltweit eine grundlegende CRM-Schulung ebenso Vorschrift wie das jährlich zu absolvierende Auffrischungstraining. Prof. Dr. Jan U. Hagen, esmt Berlin Literatur
[1] Zapf, D./Frese, M. /Brodbeck, F.: Fehler und Fehlermanagement. In: Frey, D./Graf Hoyos, C./Stahlberg, D. (Hrsg.): Arbeitsund Organisationspsychologie. Weinheim (Beitz Verlag) 1999, S. 407; van Dyck, C./Dimitrova, N./de Korne, D./Hiddema, F.: Walk the talk: Leaders’ enacted priority of safety, incident reporting, and error management. In: Leading in Health Care Organizations: Improving Safety, Satisfaction and Financial Performance Advances in health Care Management, Vol. 14, 2013, S. 97 sowie Helmreich, R.: Error management as an organizational strategy. In: Proceedings of the IATA Human Factor Seminar. Bangkok, 1998, S. 1. [2] Norman, D.: Categorization of action slips. In: Psychological Review, Vol. 88, Nr. 1, 1981, S. 1 sowie Reason, J.: Human Error. New York (Cambridge University Press) 1990, S. 9. [3] Zapf, D./Frese, M. /Brodbeck, F. (1999), S. 406. [4] Spencer, B.: Models for organization and total quality management: A comparison and critical evaluation. In: Academy of Management Review, Vol. 19, Nr. 3, 1994, S. 446. [5] Frese, M.: Error management or error prevention: Two strategies to deal with errors in software design. In: Human aspects in computing: Design and use of interactive systems and work with terminals. New York (Elsevier Science) 1991. [6] Reason, J. (1990), S. 13. Eine daran angelehnte, aber detailliertere Taxonomie von Fehlern findet sich bei Zapf, D. et al. (1999), S. 400-405. [7] Rizzo, A./Bagnara, S./Visciola, M.: Human error detection process. In: International Journal of Man-Machine Studies, Nr. 27, 1987, S. 557. [8] Reason, J. (1990), S. 9 sowie Rizzo, A. et al. (1987), S. 557. [9] Reason, J. (1990), S. 9 sowie Rizzo, A. et al. (1987), S. 557. [10] Rizzo, A. et al. (1987), S. 557-559 sowie Zapf, D./Maier, G./ Rappensperger, G./Irmer, C.: Error detection, task characteristics, and some consequences for software design. In. Applied Psychology: An International Review, Vol. 43, Nr. 4, 1994. [11] Zhao, B./Olivera, F.: Error reporting in organizations. In: Academy of Management Review, Vol. 31, Nr. 4, 2006, S. 1014. [12] Stewart, D./Chase, R.: The impact of human error on delive-
317
F
Fehlermanagement
F
318
fe air disaster. In: Journal of Manangement, Vol. 16, Nr. 3, 1990, S. 571-593. [35] Helmreich, R. /Merritt, A./Wilhelm, J.: The evolution of crew resource management training in commercial aviation. In: The International Journal of Aviation Psychology, Vol. 9, Nr. 1, 1999, S. 1932 sowie Hagen, J.: Fatale Fehler – oder warum Organisationen ein Fehlermanagement brauchen. Heidelberg (Springer), 2013.
Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA) ▶ Failure Mode and Effects Analysis (FMEA) ▶ Fehler Machen Einfach Alle (FMEA) ▶ FTA ▶ Zuverlässigkeitsmanagement
1 Überblick 1.1 Risikoanalyse Risikoanalysen dienen zum präventiven und rechtzeitigen Erkennen und Beseitigen von Fehlern im Sinne von Fehlzustän den, Versagen und Ausfällen von Systemen, Anlagen und Prozessen. Des weiteren dienen Risikoanalysen zur Beurteilung von Gefährdungen wie auch zu Vergleichszwecken. Der Ausgangspunkt jeglichen Risikos, nämlich der Fehler, hat mehrere absolut oder relativ quantifizierbare Eigenschaften: ◼ zum einen gibt es Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von Fehlern (praktisch nie ... häufig), ◼ zum anderen aber haben die Folgen eines Fehlers verschiedenes Gewicht (Schönheitsfehler ... Gefahr für Leib und Leben). Risiko ist die Kombination aus der Wahrscheinlichkeit eines Fehlers und dessen Konsequenzen! 1.2 FMEA allgemein Die FMEA ist eine mögliche Ausführungsform der Risikoanalyse (►Riskmanagement). Sie ist klar und logisch struk turiert, leicht erlernbar und in allen Bereichen der Technik einsetzbar. Ziel ist die möglichst umfassende Erfassung, Beschreibung und Bewertung potentieller Fehler eines Systems sowie deren Ursachen und deren Folgen. Die regelgerechte Durchführung einer FMEA führt ◼ zu einer im Team abgestimmten, konsolidierten und kommunizierbaren Risikoeinschätzung, ◼ zur Definition, Bewertung und Priorisierung von RisikoAbhilfemaßnahmen sowie ◼ zu besserem Gesamtsystem-Verständnis. Insbesondere wegen ihres Fokus auf risikoreduzierende Maßnahmen und deren Verfolgung wie auch wegen der engen Verzahnung mit anderen Methoden des Qualitätsmanagementes spricht man bei der FMEA von der zentralen Methode des präventiven Risikomanagements. 2 Historie In den 50er Jahren versuchte man erstmals, Auftrittswahrscheinlichkeiten von Fehlern und die Schwere der Folgen von Fehlern zahlenmäßig zueinander in Relation zu setzen. Mitte der sechziger Jahre entstand die FMEA wie wir sie heute noch
Begriff
ring service quality. In: Production and Operations Management, Vol. 8, Nr. 3, 1999, S. 240-263. [13] Goodman, P./Ramanujam, R./Caroll, J./Edmondson, A./ Hofmann, D./Sutcliffe, K.: Organizational errors: Directions for future research. In: Research in Organizational Behavior Nr. 31, 2011, S. 151-176. [14] Vgl. dazu Perrow, C.: Normal Accidents: Living with high risk systems. Princeton (Princeton University Press) 1999. [15] Reason, J. (1990), S. 194-197. [16] Zapf, D./Reason, J.: Human errors and human error handling. In: Applied Psychology: An International Review, Vol. 43, Nr. 4, 1994, S. 428f. [17] Sellen, A.: Detection of everyday errors. In: Applied Psychology: An International Review, Vol. 43, Nr. 4, 1994, S. 482ff. [18] Reason, J. (1990), S. 9. [19] Sellen, A. (1994), S. 488 sowie Hollenbeck, J./Ilgen, D./Tuttle, D./Sego, D.: Team performance on Monitoring Tasks: An examination of decision errors in contexts requiring sustained attention. In Journal of Applied Psychology, Vol. 80, Nr. 6, 1995, S. 685-696. [20] Zhao, B./Olivera, F. (2006), S. 1018f. [21] Roberts, K./Bea, R./Bartels, D.: Must accidents happen? Lessons from high-reliability organizations. In: The Academy of Management Executive, Vol 15, Nr. 3, 2001, S. 72. [22] Janis, I.: Victims of groupthink. Boston (Houghton Mifflin) 1982. [23] Zapf, D./Reason, J. (1994), S. 429. [24] Reason, J. (1990), S. 188-194. [25] Milliken, F./Morrison, E./Hewlin, P.: An exploratory study of employee silence: Issues that employees don’t communicate upward and why. In: Journal of Management Studies, Vol. 40, Nr. 6, 2003, S.1453-1476 sowie Hagen, J./Lei, Z.: Am liebsten unter vier Augen. In: Harvard Business Manager, Vol. 34, Nr. 6, 2012, S. 8-11. [26] Uribe, C./Schweikhart, S./Pathak, D./Dow, M./Marsh, G.: Perceived barriers to medical-error reporting: An exploratory investigation. In: Journal of Healthcare Management, Vol. 47, Nr. 4, 2002, S. 263-280; Barach, P./Small, S.: Reporting and preventing medical mishaps: lessons from non-medical near miss reporting systems. In: British Medical Journal, Vol. 320, 2000, S. 759-763; Sexton, J./Thomas, E./R. Helmreich: Error, stress, and teamwork in medicine and aviation: cross sectional surveys. In: British Medical Journal, Vol. 320, 2000, S. 745-749; Edmondson, A.: Learning from mistakes is easier said than done: Group and organizational influences on the detection and correction of human error. In: Journal of Applied Behavioral Science, Vol. 32, Nr. 1, 1996, S.5-28. [27] Edmondson, A.: Psychological safety and learning behavior in work teams. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 44, Nr. 2, 1999, 350-383. [28] Edmondson, A. (1999), S. 371. [29] Roberts, K./O’Reilly, C.: Failures in upward communication in organizations: Three possible culprits. In: Academy of Management Journal, Vol. 17, Nr. 2, 1974, S. 205-215 sowie Edwards, E.: Stress and the Airline Pilot. Paper presented to British Airline Pilots Association Technical Symposium: Aviation Medicine and the Airline Pilot. London, 1975. [30] Weick, K./Sutcliffe, K.: Managing the unexpected: Resilient performance in an age of uncertainty. San Francisco ( Jossey-Bass), 2007, S. 152. [31] Edmondson, A. (1999), S. 353. [32] Zhao, B. et al. (2006), S. 1012. [33] Zhao, B. et al. (2006), S. 1022. [34] Weick, K.: The vulnerable system: An analysis of the Teneri-
Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA)
Begriff
Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA)
Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA)
kennen bei der NASA im Rahmen der Apollo-Projekte. Weite Verbreitung erfuhr diese Risikomanagement-Methode durch die Raumfahrt, die Kerntechnik und die Automobilindustrie. Die FMEA ist in Deutschland bzw. europaweit durch DIN 25 448 genormt, zusätzlich gelten in verschiedenen Branchen Quasi-Normen (z.B. FORD für alle seine Zulieferer). ►DIN EN ISO 9000, ►QS-9000 und ►VDA 6.1 fordern Entwick lung und Fertigung nach dem Stand der Technik und dies beinhaltet auch eine Risikoanalyse. FMEA hat sich hier weltweit und branchenübergreifend bewährt.
4.2 Erstellung FMEA-Formblatt Im ersten Schritt der FMEA wird in einem standardisierten Formblatt der Zusammenhang zwischen Fehler, dessen Ursache(n) und dessen Folgen(n) dargestellt. Wichtig ist, dass hier nicht nur bereits geschehene Fehler in Betracht gezogen werden, sondern in Form einer durchaus kreativen Leistung alle denkbaren und möglichen Fehler gefunden und dokumentiert werden. Erst die genaue Analyse all dieser potentiellen Fehler inklusive deren potentieller Ursachen und Folgen macht den hohen präventiven Wert der FMEA aus!
3 Grundbegriffe Je nach Einsatzgebiet unterscheidet man
Fehler – Ursache – Folge Im FMEA-Formblatt (s. Abbildung F11) werden zunächst potentielle Fehler notiert, dann zu jedem Fehler dessen potentielle Folgen festgehalten und schließlich zu jeder Fehler/ Folgen-Kombination die potentiellen Ursachen notiert. Verteilt über die Spalten 2 bis 4 des FMEA-Formblattes erhält man so einen sich nach rechts immer detaillierter ausweitenden Fehler-Folgen-Ursachen-Baum. Schließlich sind für jede Fehler-Ursachen-Kombination in Spalte 5 noch die gezielt eingeführten Kontrollmaßnahmen zu notieren.
◼ Konstruktions-FMEA für die Risikobewertung innerhalb einer Kon struk tion, also beispielsweise konstruktiver Detaillösungen, der physikalischen Merkmale einzelner Bauteile und deren Zusammenspiel, ◼ Prozess-FMEA zur Analyse und Beurteilung der Risiken beispielsweise eines Herstell-Prozesses mit Fokus auf mögliche Prozeßfehler und deren Entdeckungs- sowie Vermeidungs-Möglichkeiten, ◼ System-FMEA zur Abstimmung verschiedener Systemkomponenten, die jede für sich schon durch eine FMEA (sog. „Unter-FMEA“) charakterisiert sind. Hier kann es sich um das Zusammenspiel einzelner Baugruppen, einzelne Geräte oder auch um die Interaktion zwischen Hersteller und Lieferant handeln. 4 Durchführung 4.1 Vorbereitung Zur Durchführung einer FMEA müssen Informationen zu Aufbau und Funktion des Systems vorliegen. Bewährte Grundlage sind Dokumente wie Funktionsbeschreibung, Ablaufdiagramm, Schemazeichnung, Anforderungsprofil, Spezifikation, Funktionsbaum und/oder qualitativer Fehler baum. Die Erstellung einer FMEA ist Teamarbeit (►Gruppenarbeit), wofür die entsprechenden Gruppenarbeits-Werkzeuge (Sitzungs raum, Flipchart, Moderations-Utensilien) be reitzustellen sind. Team und Verantwortung Für jede FMEA müssen insbesondere Verantwortlichkeit, Entscheidungskompetenz, Zuständigkeit und Moderation in personam definiert werden. Dies vor allem mit Blick auf den erforderlichen Zeitaufwand, die umzusetzenden Maß nahmen und die rechtlichen Konsequenzen aus dem Pro dukthaft ungsgesetz (►Produkt-/Produzentenhaft ung im QM). Erstellt wird die FMEA im Team der dem jeweiligen Produkt oder Prozess bestens vertrauten Fachleute. Moderiert wird in der Regel durch eine methodisch und inhaltlich sachkundige, aber vom Projekt unabhängige Person. Beschlossene Maß nahmen hält der FMEA-Verantwortliche hinsichtlich inhaltlicher und terminlicher Treue nach.
Bewertung A, B, E In den Spalten 6, 7 und 8 wird auf einer Skala von 1 bis 10 be wertet wie in Abbildung F12 gezeigt wird. Wichtig ist es, diese Bewertungen auf Basis eines präzisen, im Team bzw. Abteilungs- oder Firmenweit abgestimmten und akzeptierten Bewertungskataloges zu erstellen. D.h. jede Bewertung von A, B und E zwischen 1 und 10 muß klar definiert, verständlich beschrieben und gegen andere Bewertun gen abgegrenzt sein. Risikoprioritätszahl RPZ Das mathematische Produkt der drei Bewertungen A, B und E in Spalte 9, die Risikoprioritätszahl RPZ, ist ein relatives Maß für das Risiko einer potentiellen Fehler-Folgen-UrsachenBeziehung. Der maximale Zahlenwert liegt bei 10x10x10 = 1000, der kleinste Wert ist 1. Mittels der RPZ kann das relative Risiko innerhalb einer FMEA priorisiert werden: hohe Risiken haben eine hohe RPZ, geringere Risikopotentiale sind durch eine kleinere RPZ ausgezeichnet. 4.3 Maßnahmen und RPZneu Das Erkennen relativer Risikopotentiale in den Spalten 1 bis 9 des FMEA-Formblattes entsprechen einer Statuserfassung. Mit den Spalten 10 bis 16 werden Reaktionen auf diesen Status dokumentiert (vgl. Abbildung F11). Insbesondere für hohe Risikopotentiale werden im Team Abhilfemaßnahmen ausgearbeitet, die entweder die Auftrittswahrscheinlichkeit (A) eines potentiellen Fehlers oder dessen Entdeckungs wahrscheinlichkeit (E) verbessern. Spalte 11 (wer, wann) und Spalte 12 (tatsächlich getroffene Abstellmaßnahme) dienen der Dokumentation dieser Aktion und in Spalten 13 bis 16 wird der neue, verbesserte Zustand letztendlich durch die RPZneu dokumentiert.
319
F
Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA)
Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA)
Abb. F11: Typisches FMEA-Formblatt mit Beispieldaten Name der FMEA Moderator, Bearbeiter Risikoanalyse Bestahlungs-Reaktion (Chemie) NN. Gegenstand der FMEA Verantwortlicher Bestahlungsapparatur NN. FMEA Team: NN., NN., NN., NN., NN. Funktion Potentieller Fehler
F
Potentielle Fehlerfolge
Spalte 1
Spalte 2
RPZneu
XXXXX
XXXXX
5
9
3
135
XXXXX Rütteln an den Schellen, regelmäßige Überprüfung
XXXXX
1
9
1
9
10 270
Alle Anschlussstützen XXXXX und alle Schlauchdurchmesser nur eine einheitliche Größe
XXXXX
1
9
10 90
10 270
XXXXX „Wasserwächter“ (Durchlaufanzeiger) in Zuleitungsschlauch einbauen
XXXXX
1
9
1
E
Schlauchklemme nicht ordnungsgemäß befestigt
keine
5
9
10 450
Gegenkontrolle durch Kollegen
Schelle defekt (gebrochen, Rost …)
keine
3
9
3
Falscher Schlauchdurchmesser
keine
5
9
Kryostat-Küh- Schlauch ist geknickt, lung schlechte Montage fällt aus, Brand und Verlegung in/um Apparatur
keine
3
9
Spalte 4
Spalte 5
Häufig zieht man bei RPZ=125 die Grenze zwischen geringem Risiko und signifikantem Risiko. Diese Grenze kann al lerdings keinesfalls generell gelten, da sie einerseits von dem jeweils geltenden Bewertungskatalog abhängig ist und andererseits auch eine Bewertung von A=1/B=10/E=1/RPZ=100 Abb. F12: FMEA – Bewertung A, B, E
6
B E
A B
4.4 Auswertung FMEA-Formblatt und Bewertungen Erste Auswertung einer FMEA ist die Priorisierung potentieller Fehler anhand der RPZ.
Spalte
Getroffene A Abstellmaßnahmen
Derzeitige Kontrollmaßnamen
Spalte 3
AbBedeutung kürzung A Auftrittswahrscheinlichkeit des potentiellen Fehlers
6
7
RPZ Empfohlene Abstellmaßnahmen
81
8
9
Spalte 10
NN.. XXXXX:
Datenschutz
Spalte 11
Spalte 12
9
13 14 15 Spalte 16
auf einen seltenen, aber in seiner Bedeutung gravierenden (sicherheitsrelevanten?!) Fehler ohne Chance auf rechtzeitige Entdeckung hinweist! Nichtsdestotrotz ist die RPZ eine Priorisierungshilfe, um gemäß Paretoprinzip (►Q7) mit den größten Risikopotentialen zuerst in die MaßnahmenDiskussion und -Umsetzung einzusteigen. Im nächsten Schritt wird ein Portfolio Auftrittswahrscheinlichkeit gegen Bedeutung für jeden potentiellen Fehler erstellt (Abb. F13). Hierdurch ist ebenfalls eine Priorisierung möglich: Fehler mit hoher Auftrittswahrscheinlichkeit und gravierender Bedeutung müssen mit Abhilfemaßnahmen bedacht werden. Nach DIN 25 Bewertung 448 gilt die Entfernung eines min = 1 max = 10 jeden Fehlers in diesem Dia gramm als Maß für die relative nie, oft, Wichtigkeit. selten häufig
7
B
Bedeutung der potentiellen Fehlerfolge
gering, Schönheitsfehler
gravierend, sicherheitsrelevant
8
E
Entdeckungswahrscheinlichkeit des potentiellen Fehlers vor Auftreten seiner Folgen
wird immer entdeckt
wird nie entdeckt
320
FMEA-Typ Konstruktion
Zu erledigen durch bis
Potentielle Fehlerursache
Kryostat- Schlauch der Kryostat-KühKühlung Zu-/Ableitung lung fällt aus, springt ab Brand in/um Apparatur
Schlauch ist nicht durchgängig
Datum der letzten Änderung 28.03.2013 FMEA-Status in Arbeit
Die Portfolio-Darstellung RPZ gegen (RPZ minus RPZneu) für jeden Fehler erlaubt es, diejenigen herauszufiltern, die einerseits hohes Risikopotential, aber auch deutliche Möglichkeiten zur Risiko-Reduktion zeigen (Abbildung F14).
Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA) Abb. F13: Portfolio Auftrittwahrscheinlichkeit gegen Bedeutung potentieller Fehler Auftrittwahrscheinlichkeit des potentiellen Fehlers häufig
Fehlerverhütungkosten 5.3 TRIZ Die antizipierende Fehleranalyse ist integraler Baustein der ►TRIZ-Methode. Während eine FMEA-basierende Ri sikoanalyse auf der Frage, was am System alles an Fehlern entstehen könnte, basiert, ist die zentrale Frage der antizipierenden Fehleranalyse: wie kann ich das System zum Versagen bringen? Dr. Rolf Herb, Roche Dignostics, Tutzing Dr. Thilo Herb, BorgWarner Turbo Systems, Kirchheimbolanden Literatur
VDA Band 4, Teil 2: Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie. Sicherung der Qualität vor Serienanlauf. System-FMEA. 1.Auflage 1996 DIN 25 448: Ausfalleffektanalyse. Beuth Verlag, Berlin 1990 Ford Worldwide Potential Failure Mode and Effects Analysis Handbook. Automotive Safety and Engineering Standards Office, Dearborn, Michigan, USA, 1996 Herb, R., Herb, T., Kratzer, M.: Potentielle Fehler vollständig erfassen. In: QZ 43 (2), 183-187 (1998) Bedeutung Kolbe, A.: Verständnishemmer in der Terminologie. QZ 42 (1), 610 hoch, des potentiellen Fehlers 64, (1997) Abb. F14: Portfolio-Darstellung RPZ gegen gravierend Kost, N., Loos, S.: System-FMEA in der Praxis. In: QZ 42 (7), 791 (RPZ minus RPZneu) für potentielle Fehler 795 (1997) Risiko-Reduktionspotential einer Maßnahme RPZ-RPZneu 1000
Fehler-Prozess-Matrix (FPM)
hocheffiziente Maßnahme
⚡
wenig effiziente Maßnahme, aber hohes Risikopotential
0
F
RPZ 1000 des potentiellen Fehlers
Schließlich erlaubt – nach Charakterisierung des Realisierungs-Aufwandes jeder einzelnen Abhilfemaßnahme – das Portfolio von Aufwand gegen RPZ oder auch (RPZ minus RPZneu) die Maßnahmen zu priorisieren.
5.2 QFD FMEA oder Risikoeinschätzung im allgemeinen spielt bei ►QFD beispielsweise in der vergleichenden Bewertung von Entwicklungs-Szenarien eine Rolle.
Fehlerquellen-Inspektion ▶en: source inspection ▶Poka Yoke
Fehlersammelliste
▶Q7 Strichliste, um Daten (Fehler) rationell zu erfassen und diese nach Art und Anzahl übersichtlich darzustellen. Dabei werden die Daten einer Fehlerkategorie zugeordnet und in einer Tabelle quantitativ erfasst.
Fehlerverhütungskosten
▶en: prevention costs Gruppe von ►QK-Elementen, mit denen Kosten erfasst werden, die durch ►Vorbeugungs- und Korrekturmaßnahmen im Rahmen des ►Qualitätsmanagements in allen Bereichen der ►Organisation verursacht sind.
Anmerkung 1: Die Kosten der ►QM-Elemente Vorbeugungsmaßnahmen und Korrekturmaßnahmen sind zugehörige QK-Elemente. Anmerkung 2: Weitere Beispiele für einzubeziehende QK-Elemente sind die Kosten für die ►QM-Bewertung, für interne ►Quali tätsaudits und interne ►Qualitätssicherung/QM-Darlegung, Schulung in Qualitätsmanagement, Qualitätsförderungsprogramme, Qualitätsfähigkeits-untersuchungen, Lieferantenbeurteilung und
321
DIN-Term
5 Verknüpfung mit anderen Methoden 5.1 FTA FMEA und ►FTA sind zueinander in vielerlei Hinsicht komplementär und ergänzen sich ideal. Insbesondere die Kom bination qualitativer Fehlerbaum (FTAqual.) mit FMEA hat ausgeprägte Stärken, was Vollständigkeit, Klarheit und Konsistenz einer Risikoanalyse betrifft.
▶FPM und PE²® Unter der FPM wird eine Qualitätstechnik zur präventiven Fehlervermeidung verstanden. Sie wurde am FraunhoferInstitut für Produktionstechnik und Automatisierung entwickelt um bei typischen Randbedingungen von Montageprozessen, wie hoher Anteil manueller Tätigkeiten oder einfache Fügeoperationen, einen wahrnehmbaren Overhead bei der ►FMEA zu verringern.
Fehlervermeidung
DIN-Term
-beratung, Leitung des Qualitätswesens, Prüfplanung, Qualitätsver gleiche mit dem Wettbewerb. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
Fehlervermeidung
▶en: fault prevention Entwicklung von Produkten und Produktionsprozessen, um fehlerfreie Produkte herzustellen. Quelle: In Anlehnung an ISO/TS 16949:2009
Fehlleistungen Fehlprodukt
▶en: nonconforming product ▶Bedarfsbedingtes Fehlprodukt
Fehlerhaftes Produkt, das nicht oder nur unter Inkaufnahme von Mehrkosten oder Mindererlös verwendungsfähig ist.
Feigenbaum, Armand Vallin
▶Entstehung des Qualitätsmanagements ▶Total Quality Management Armand V. Feigenbaum (06.04.1922*-13.11.2014†) legte seine Promotion am MIT (Massachusetts Institute of Tech nology) ab [1]. Damit markierte er bis heute das Qualitätsmanagement.
Feigenbaum begann seine Karriere 1937 bei General Electric (GE) Company. Ab 1952 war er bei GE für Fertigung und Qualität verantwortlich. Er war Präsident der ►ASQ und grün dete die ►IAQ (International Academy for Quality). Außerdem war er Mitglied in der Jury des ►Malcom Baldrige National Quality Award Pro gramms. Zuletzt war
322
er als Präsident der General Systems Company, Inc tätig. Feigenbaum erhielt vielfache Ehrungen, so im Jahr 2008 die „Medal of Technology and Innovation“ (Abbildung F15) Aufgrund seiner Erfahrungen bei GE im Qualitätsbereich entwickelte sich bei ihm die Vorstellung des später sogenannten Total Quality Managements. Er war davon überzeugt, dass hohe Qualität nur erreicht werden kann, wenn sie in der Organisation fest veranktert wird und von allen Mitarbeitern bewusst gelebt wird. Letztendlich wurde allerdings nicht in den USA, sondern in Japan diese Idee, die er mit seinem Buch „Total Quality Control“ in der Fachwelt populär gemacht hat („a total approach to quality control“), frühzeitig aufgegriffen. Feigenbaums Leistungen: Für Feigenbaum lag der Schwerpunkt von Qualität bei der Produktentwicklung und muss durch Akti vitäten in den nachfolgenden betrieblichen Funktio nen wie Konstruktion, Fertigung und Vertrieb beim Konsumenten enden. Seine Auffassung – zunächst mit dem Begriff Quality Control 1951 beschrieben – hat er in Total Quality Control (TQC) 1956 erstmals publiziert. Er definierte Quality Control wie folgt [1]: „An effective system for co-coordinating the quality maintenance and quality improvement efforts of the various groups in an organization so as to enable productionat the most economical levels which allow for full customer satisfaction.“ In seinem fast 1000 Seiten umfassenden Meilenstein des Qualitätsmanagements formulierte er schon zur damaligen Zeit die folgenden drei – die Zukunft bis heute bestim menden – quasi unhintergehbaren Grund sätze jeglichen Qualitätsmanagements [2]: ◼ Qualität wird durch die Erwartungen des Kunden wesentlich bestimmt ◼ Jeder Mitarbeiter ist für Qualität verantwortlich, von der Basis bis zum obersten Management ◼ Qualität wird von allen Funktionen gemacht Diese Grundsätze entstammen seinen zehn Punkten, die häufig nicht beachtet werden. Sie sollen einen systematischen Ansatz darstellen: 1 Quality control must be a company-wide process. 2 Quality is defined by the customer. 3 Quality and cost is a sum, not a difference. 4 Quality requires both individual and team enthusiasm. 5 Quality is a way of managing. 6 Quality and innovation are interdependent. 7 Quality is an ethic. 8 Enhanced quality demands continuous improvement. 9 Quality is the most cost-effective and least capital-intensive route to productivity. 10 Quality is implemented with a total system connected with customers and suppliers.
Begriff
Anmerkung 1: Mehrkosten können durch ►Nacharbeit oder durch die Suche nach einem anderen Verwendungszweck bedingt sein. Der Mindererlös kann sich aus einem qualitätsbedingten Preisnachlaß oder daraus ergeben, daß das Fehlerprodukt nicht wie ursprünglich geplant, sondern nur für eine geringere ►Anspruchsklasse verwendet werden kann. Anmerkung 2: Mehrkosten können auch durch einen unnötig großen Materialverbrauch bei der Realisierung des Produkts entstanden sein, der als fehlerhaft beanstandet wurde. Anmerkung 3: Beim Verkauf für einen anderen Verwendungszweck ergibt sich in der Regel ein Mindererlös. Die Differenz zwischen geplantem und tatsächlichem Erlös sind ►Fehlerkosten. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
Amerikanischer Qualitätsexperte
F
DIN-Term
▶Qualitätsbezogene Kosten
Feigenbaum, Armand Vallin
Feigenbaum, Armand Vallin
Feigenbaum, Armand Vallin
Zusammenfassend lässt sich Feigenbaums Ansatz des TQC in der Abbildung F16 unter vier Kernbereiche fassen, wobei die Mitarbeiterper spektive als Bindeglied und damit fünftes Element besonders hervorzuheben ist. Denn das „total“ bezieht sich vornehmlich auf die Mitarbeiterbasis. Abbildung F17 verdeutlich darüberhinaus, dass Feigenbaum organisatorisch gedacht. Eine Darstellung aus seiner Promotion (enthalten in [1, 3]), die in ihrer Differenziertheit bisher von keinem Autor erreicht wurde. Die meisten haben diese Pyramide wohl nur überflogen, ohne sich mit dem Kern eines neuen Organisationsparadigmas, das darin steckt, näher zu befassen.
Abb. F15: Feigenbaum wurde von Präsident Bush geehrt (2008)
Abb. F16: TQC-Ansatzes von Armand V. Feigenbaum
Der Kunde bestimmt die Qualitätsforderungen
Mitarbeiter/Team
Produktions- und Prozessorientierung
Total Quality Control
TQC Mitarbeiter/Team
Qualitätsforderungen bestimmen den Produktionsprozess
Mitarbeiter/Team
Kundenorientierung
Lieferantenorientierung Festlegung von bevorzugten Unterlieferanten, Qualitätsaudits bei Unterlieferanten
Mitarbeiter/Team
Berücksichtigung von Fehlerursachen bei der Konstruktion bzw. Modifikation von Produkten
Konstruktionsorientierung
In neuerer Zeit hat Feigenbaum die TQC-Grundlagen noch einmal präzisiert und erweitert. Inhaltlich folgt daraus aber nicht eine Überschreitung der 10 Punkte [4]: ◼ Qualität ist keine technische Funktion, sondern ein systematischer, kundenorientierter Prozess, der im ganzen Unternehmen total und rigoros umgesetzt werden muss unter Einbeziehung der Unterlieferanten ◼ Qualität ist das, was der Kunde darunter versteht – und nicht das, was ein Ingenieur oder ein Händler darunter versteht –, und es ist ein ständig größer werdender Anspruch ◼ Qualität und Kosten sind eine Summe, keine Differenz – Partner, nicht Gegner –, und der beste Weg, um Produkte und angebotene Dienstleistungen schneller und billiger zu machen, ist, sie besser zu machen. ◼ Es muß bedacht werden, dass sich für Qualität, eigentlich die Aufgabe von jedem im Unternehmen, niemand
F zuständig fühlt, wenn nicht dieser Prozess zur Unternehmensqualität korrekt strukturiert wird, damit sowohl die Qualitätsarbeit des einzelnen als auch die Quali tätsteamarbeit zwischen den Abteilungen Unterstützung findet. Qualität muss organisiert werden. ◼ Dies alles geschieht, wenn das Unternehmen ein klares, kundenorientiertes TQM-System in der gesamten Orga nisation eingeführt hat, mit effektiv strukturierten qualitätsbezogenen Prozessen, die die Mitarbeiter verstehen, von denen sie überzeugt sind und an denen sie teilhaben. Besonders herzuheben ist der Hinweis von Feigenbaum., dass jeder Mitarbeiter für Qualität verantwortlich ist („Quality is every body’s job“). Das heutige moderne Qua li tätsmanagement ist ohne diese Forderung undenkbar. Feigenbaums Hinweis auf die interfunktionale Zusammenarbeit der Abteilungen ist für ihn auch noch unter dem methodischen Aspekt des ►Simultaneous Engineering her ausgearbeitet worden. Diese ►Qualitätstechnik konzentriert sich auf überlappende Arbeitsbereiche, die aus europäischer Sicht oftmals sukzessiv angelegt sind. Der Einfluss von Feigenbaum auf die Entwicklung des Qualitätsmanagements in Japan und international auf die heute geläufigen Ansätze des ►TQM kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Besonders Kaoru ►Ishikawa hat in den 1950er Jahren auf Feigenbaums ersten Arbeiten aufgebaut, indem er sein ►Company-Wide Quality Control-Konzept (CQCW) in besonderer Weise aus den Ansätzen Feigenbaums entwickelte. Beiden wird (zusammen mit ►Deming) zugesprochen, dass sie die Basis für das Total Quality Management gelegt haben. In seinem 2009 erschienenen Buch plädierte er als Kernelement jeglichen Managements für die Gleichstellung von Qualitätsmanagement und anderen funktionalen Bereichen wie Marketing [6]: „Quality is in its essence a way of managing the organization. Like finance and marketing, quality has now become an essential element of modern management.” Hans-Dieter Zollondz, Vichy
323
Feigenbaum, Armand Vallin
Feigenbaum, Armand Vallin
Abb. F17: Armand V. Feigenbaums Modell des TQM in seiner Urform [1] als Total Quality Controll-Modell
T Q C
Business Responsibilities
Field
Total Quality Control
F
System Responsibilities Technical Responsibilities
Quality System
Structure
New Incoming Product Design Material Control Control Control
Special Process Studies
Technical Work Areas: ‹Jobs› of Quality Control
Commitment and Training
Quality Information Feedback and Control
Technology
1 System Approach Die Erwartungen / Forderungen des Kunden bestimmen die Qualität 2 Unternehmensweite Verantwortung für Qualität 3 Qualität sowohl in Marketing, Entwicklung, Konstruktion, Einkauf wie auch Fertigung
324
ion licat App
Field Information Feedback
Techniques
Corrective Action
Measurement
Quality Cost Optimization
Quality Audit
Cost Improvement
Statistical Analysis Product Acceptance
Simulation
System Operation Planning
Process Improvement
Quality Information Equipment Planning
Quality Information Equipment Engineering Technology
Process Control
Product Analysis Process Design Selection
Process Analysis
Policy Documentation Product Design Selection
Life Testing
Quality System Organisation and Management
Process Control Engineering Technology
Partitioning of Tolerances
Quality Policy Formulation Reliability Evaluation
Quality Control Procedures
Control Point Selection
Quality Level Selection
Objective Definition
Quality Engineering Technology
Fertigungsgenauigkeit
DGQ-Term
[1] Quality Control 1951 (= erste Veröffentlichung von Total Quality Control {[3], S. 6} auf der Basis seiner Promotion noch unter dem Titel Quality Control) [2] Total Quality Control. In: Harvard Business Rreview, Nov./Dez. 1956, S. 93-191 [3] Total Quality Control, 1. Auf., New York-Toronto-London 1961 [4] Feigenbaum, A. V.: Total Quality – Ein internationaler Imperativ. In: Christopher, W. F. und Thor, C. G. (Hrsg.): Das große Handbuch für den Produktionsleiter. Landsberg 1997, S. 13-22 [5] Zinner, R.: Qualitätsmanagement. Begriffe – Regeln – Formeln. Berlin 1998 [6] Feigenbaum, A. V. and D. S. Feigenbaum: The Power of Management Innovation. New York (McGraw Hill) 2009
Fertigungsgenauigkeit
▶en: production accuracy Qualitative Bezeichnung für das Ausmaß der Annäherung von Fertigungsergebnissen an den Sollwert des betrachteten ►Qualitätsmerkmals gemäß der betreffenden Einzel forderung im Rahmen der ►Qualitätsforderung an das gefertigte Produkt.
DGQ-Term
Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Fertigungslos
Los, das aus einer fortlaufenden Fertigung stammt. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Fertigungsinsel
Alle Mitarbeiter und erforderlichen Betriebsmittel sind räumlich und organisatorisch zu einer Organisationseinheit zusam mengefaßt, die zu einer kompletten Fertigung bzw. Montage von Teilen, Baugruppen oder kompletten Produkten nötig sind. Damit (Reintegration von planender, ausführender und kontrollierender Arbeitsaufgaben in die Werkstatt) wird eine Komplettverantwortung für eine Arbeitsgruppe von ca. fünf bis zehn Mitarbeitern erreicht. Solche Inselkonzepte erfolgen heute nicht nur in Produktion und Montage, sondern auch in technischen Bereichen des Vertriebs. Man spricht hier von Vertriebsinseln, die nach unterschiedlichen Kriterien strukturiert werden können. Inselkonzepte erfordern allgemein einen hohen Autonomiegrad in der Gruppe (►Teilautonome Arbeitsgruppen).
Fertigungs- oder montagebedingtes Fehlprodukt
Fehlprodukt, bei dem die ►Qualitätsforderung in der Fertigung oder Montage im ersten planmäßigen Durchgang nicht erfüllt wurde.
DGQ-Term
Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
Fertigungsunsicherheit
Schätzbetrag/Schätzfunktion für die Abweichungen der Istwerte des betrachteten quantitativen Merkmals von einem Bezugswert zur Kennzeichnung des Wertebereichs, innerhalb dessen in einer betrachteten Fertigungseinrichtung bei einem ordnungsgemäß beschriebenen Betriebszustand ein Produkt gefertigt werden kann.
Feststellung
▶Auditfeststellung
Fischgräten-Diagramm ▶Q7
FIFO
FIFO steht für „first-in – first-out“ und bezeichnet ein Lagerbestandssystem, um die Lagerumschlagzeiten sowie den Lagerumschlag zu optimieren. Waren, die zuerst eingelagert wurden, werden auch zuerst wieder ausgelagert.
Fisher, Ronald Aylmer, Sir
▶Box, George Edward Pelham
Britischer Qualitätsexperte – Statistik
Literatur
Fisher, Ronald Aylmer, Sir
Sir Ronald Aymler Fisher (17.02.1890-29.07.1962) legte Anfang des 19. Jahrhunderts bereits die Grundlagen für die moderne statistische Versuchsplanung (►Design of Experience), indem er Versuchspläne aufstellte und zur Auswertung die Varianzanalyse entwickelte. Darauf aufbauend wurden besonders durch die Arbeiten von ►Taguchi und ►Sha nin die nach ihnen benannten Statisti schen Versuchsplanungen im Qualitäts management stark beachtet und angewandt. Sie gelten heute als Standard. In der analytischen Statistik ist ein Korrelationskoeffizient nach R. A. Fisher benannt worden (z-Transformation). Sein Interesse an der Statistik war allerdings nicht originär, sondern ergab sich aus seinen Arbeiten an fehlerhaften astronomischen Berechnungen und der Genetik (Bereits 1911 gründete er in Englad die erste Eugenische Gesellschaft). Er verstand sich vor allem als Genetiker. Interessant ist seine Beziehung zu George Edward Pelham ►Box, der eine seiner Töchter ( Joam Fisher Box) heiratete und eine Biografie über ihren Vater verfasst hat [1]. Literatur
[1] Joan Fisher Box: R. A. Fisher. The Life of a Scientist. Chichester (Wiley) 1985
Fitness for Use
▶de: Gebrauchstauglichkeit Der Begriff stammt von ►Juran. Er darf nicht (was leider sehr oft geschieht) gleichgesetzt werden mit ►Qualität. Allenfalls definiert er ein Qualitätsziel. Manchmal wird fitness for use als kundenorientierter Qualitätsbegriff bezeichnet. Auch dies Benennung verkürzt den Qualitätsbegriff.
Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
325
F
Fixe Kosten
Flussdiagramm
Fixe Kosten
◼ „Ein Oval wird verwendet, um Material, Informationen oder Handlungen zu zeigen (Input), mit denen der Prozeß beginnt oder die Ergebnisse am Ende des Prozesses (Output). ◼ Ein Kasten oder Rechteck wird verwendet, um eine Aufgabe oder Tätigkeit im Prozess darzustellen. Obwohl mehrere Pfeile in ein Rechteck einmünden können, geht von einem Rechteck normalerweise nur ein Output oder Pfeil aus. ◼ Eine Raute zeigt die Punkte im Prozess, bei denen eine ja/ nein-Frage gestellt wird oder eine Entscheidung erforderlich ist. ◼ Ein Kreis mit einem Buchstaben oder einer Zahl zeigt eine Unterbrechung im Flußdiagramm an und wird an einer anderen Stelle auf derselben oder einer anderen Seite fortgesetzt. ◼ Pfeile zeigen die Flussrichtung eines Prozesses.“
▶en: fixed charges Fixe Kosten (Fixkosten) sind Teil der Gesamtkosten, die in einem bestimmten Zeitraum konstant bleiben. Da Fixe Kosten unabhängig von der Ausbringungsmenge anfallen (kurzfristig), können sie nicht verursachungsgerecht auf die Stückkosten umgelegt werden. Das Gegenteil der Fixen Kosten sind die Variablen Kosten. Der Anteil an Variablen und Fixen Kosten wird durch Kostenauflösung errechnet.
Fließband
F
▶Anhalten des Fließbandes
Flussdiagramm
▶en: flow chart Der Fluss, die Reihenfolge von Ereignissen in einem Prozess, läßt sich übersichtlich in Form von Flussdiagrammen darstellen. So kann der Materialfluss genauso abgebildet werden, wie die Kommunikationsprozesse in einem Call Center. Im Flussdiagramm werAbb. F18: Flussdiagrammden logische EntscheiSymbole dungen durch rautenförmige Symbole und Flussdiagramm-Symbole Aktionen durch rechte(Beispiele) ckige Kästen dargestellt. An den rautenförmigen Entscheidungssymbolen gibt es jeweils eine Eingangs- und zwei Ausgangslinien, von denen die eine mit der Antwort „ja“, die andere mit der Antwort „nein“ auf eine Frage im rautenförmigen Symbol bezeichnet ist. Aktionen in Abhängigkeit von Entscheidungen lassen sich daher eindeutig und für jedermann sichtbar darstellen. Der Detaillierungsgrad eines Flussdiagramms hängt von der Aufgabenstellung und Zielsetzung ab. Es können Makro-Flussdiagramme erstellt werden, die einen Prozess verständlich machen oder Mikro-Flussdiagramme, die jede Tätigkeit en détail abbilden. Oft beginnt man mit einem Makro-Flussdiagramm und verfeinert es bei Bedarf. Hilfreich ist es auch, zunächst mit dem Ist-Zustand eines Prozesses zu beginnen und nicht gleich mit dem Soll. Die folgenden einfachen Symbole reichen für die meisten Zwecke (Abbildung F18) [1]:
A
326
Die folgenden Empfehlungen werden gegeben: „Halten Sie das Flussdiagramm einfach, indem Sie diese Grundsymbole verwenden. Mit zunehmender Erfahrung können Sie weitere Symbole verwenden, um die Schritte darzustellen. … ◼ Bleiben Sie beim gewählten Detail lie rungsgrad (Ein Makro-Flußdiagramm enthält üblicherweise die Haupt tätigkeiten, aber keine Entscheidungsrauten; ein Flußdiagramm mittlerer Detaillierung enthält Tätigkeiten und Entscheidungspunkte; ein Mikro-Flußdiagramm zeigt jede Einzelheit. ◼ Bezeichnen Sie jeden Schritt verständlich. ◼ Stellen Sie die Flussrichtung mit Pfeilen dar. Wenn Sie alle Ja-Verzweigungen nach unten weisend einzeichnen und alle Nein-Verzweigungen nach links, dann kann man dem Prozess besser folgen. ◼ Vergessen Sie nicht, ihre Arbeit zu identifizieren. Bezeichnen Sie den Prozess, geben Sie das Erstellungsdatum und die Teammitglieder an.“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur [1] Die zitierten Textstellen in diesem Stichwort beziehen sich auf die folgende – für jeden QM-Manager empfehlenswerte – Schrift: Brassard, M.; Ritter, D.: Memory Jogger II. Ein Taschenführer mit Werkzeugen für kontinuierliche Verbesserung und erfolgreiche Planung (ed.: GOAL/QPC – deutsch: dgq), Berlin: Beuth 1996, S. 56-61
FMEA
▶Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse
FMECA
▶Failure Mode, Effect and Criticality Analysis Die FMEA wurde 1949 vom US-amerikanischen Militärorganisationen als FMECA weiterentwickelt. Sie dient wie die FMEA zur systematischen Entwicklung von Zuverlässigkeit und kam später in den Raumfahrtprogrammen der NASA zum Einsatz. Die FMECA erweitert die FMEA, um eine Cri-
Forderung versus Anforderung ticality Analysis, die verwendet wird, um die Wahrscheinlichkeit von Ausfallraten gegen die Schwere ihrer Folgen abzuschätzen. Das Ergebnis unterstreicht Ausfallraten mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit und die Schwere der Folgen, sodass Interventionen möglich sind.
Förderung
▶Qualitätsförderung
Folgeschäden
▶Produkt-/Produzentenhaftung im QM
Forderung
▶Qualitätsforderung ▶QTK-Kreis ▶Forderung versus Anforderung Wenn von Forderung im Zusammenhang mit dem Qualitätsmanagement die Rede ist, ist in der Regel die Qua litätsforderung gemeint. Im Zusammenhang mit Betrachtun gen zum ►QTK-Kreis kann Forderung auch als Oberbegriff zu Qualitäts-, Termin- und Kostenforderung definiert sein. Genauer spricht man hier allerdings von ►Produktforderung als Oberbegriff, weil Forderung allgemein alle möglichen Forderungen meinen kann.
Forderung versus Anforderung ▶requirement ▶request, demand
„Es wird nicht dadurch etwas richtig, indem wir das Falsche immer und immer wieder wiederholen.“ (Sir Karl Popper, Logik der Forschung)
Bis Ende des Jahres 2000 war für das deutschsprachige Qualitätsmanagement die Welt noch in Ordnung: Die QM-Normen waren in der ISO 9000-family aufgehoben, es gab drei Darlegungsstufen und die Terminologie-Norm ISO 8402 regelte die sprachliche Kommunikation. Mit Spannung wurde damals das Erscheinen der neuen Version ►ISO 9000:2000ff erwartet. Noch im Dezember des Jahres erschien die neue prozessorientierte Normfassung. Die Begriffe waren nun in der ISO 9000 neu eingepasst, die einzige Darlegungsnorm in der ISO 9001. ISO 9002 und 9003 wurden als Leerstellen nicht mehr genannt. Mit ISO 9004 wurde ein Leitfaden zur Wirksamkeit und Effizienz des QMS neu eingeführt. Was die Experten des QM im deutschsprachigen Bereich allerdings überraschte und empörte war, dass ein zentraler Begriff des Qualitätsmanagements plötzlich anders benannt wurde: Aus der Benennung Forderung wurde „Anforderung“. Für die betroffenen Normungsorganisationen von Österreich (ÖN), der Schweiz (SNV) und Deutschland (DIN) und die in den Qualitätsvereinigungen (in Deutschland der DGQ) organisierten Fachleute war es jahrzehntelang klar, dass Forderung der adäquate Begriff war, wenn ein Verlangen zum Ausdruck gebracht wird, das etwas so oder so zu sein hat. Nun hieß es „Umlernen“: Aus Forderung wird Anforderung. Für sehr viele Praktiker war das kein großes Problem, denn Anforderung lief einem offenbar schneller über die Zunge. Nach
Forderung versus Anforderung dem Warum-Wieso-Weshalb wurde in der Praxis wohl auch nicht groß gefragt. Allerdings herrschte Unverständnis und Unmut in den Fachkreisen. Die DGQ erklärte in Ihrer Begriffsschrift 11‑04 (zuletzt in der 9. Auflage von 2009) [1]: „In diesem Band wird im Gegensatz zur deutschen Übersetzung der ISO 9000-Familie zwischen „Forderung“ und „Anforderung“ unterschieden.“ Bei dieser Schrift handelt es sich um eine Richtlinie für die Gemeinschaftsarbeit in der DGQ. Damit weicht die offizielle Meinung der DGQ von der Übersetzung der Norm ins Deutsche durch das DIN ab. Das DIN hat bis dato seine Entscheidung nicht revidiert, was die Frage aufwirft, wie der Anwender damit umgehen soll: 1 Wortgetreu den Begriff „Anforderung“ verwenden? 2 Sich der Meinung der DGQ und der Qualitätsexperten anschließen und den Begriff „Forderung“ verwenden? Wer sich in einer Publikation, einem Seminar oder als Auditor des Begriffs vergewissern muss, fühlt sich genötigt, seine Haltung zu begründen. Eine Begründung könnte wie folgt lauten: „Wider besseren Wissens wird der Begriff Anforderung verwendet, um einen Widerspruch zur geltenden deutschen Norm zu vermeiden.“ In einem Lexikon, wie diesem zum QM, das sich um Richtigkeit bemüht, ist eine solche Haltung nicht vertretbar. Der Sachverhalt ist zu prüfen. Wir haben hier also darzulegen, ob dem Begriff Forderung zu entsprechen ist. Er wird als Schlüsselbegriff, ja als ein Grundbegriff gesehen, ohne den Qualität nicht definierbar ist. Schließlich ist er als Unterbegriff zum Qualitätsbegriff zu sehen. In der bis Dezember 2000 gültigen Begriffsnorm ►ISO 8402:1995-08 wurde dem damals entwickelten sprachlichen Verständnis gefolgt, indem für das Begriffssystem des Qualitätsmanagements definiert wird: „Qualitätsforderung (engl. requirement for quality): Formulierung der Erfordernisse oder deren Umsetzung in eine Serie von quantitativ oder qualitativ festgelegten Forderungen (auch Einzelforderungen) an die Merkmale einer Einheit zur Ermöglichung ihrer Realisierung und Prüfung.“ Anders formuliert [2]: „Unter Qualitätsforderung ist die Gesamtheit der betrachteten Einzelforderungen an die Beschaffenheit einer Einheit in der betrachteten Konkretisierungsstufe der Einzelforderungen zu verstehen. Die Einzelforderungen richten sich an die ausgewählten Qualitätsmerkmale.“ Das Schrifttum folgte bis zum Erscheinen der ISO 9000:2000 dieser definitorischen Festlegung einheitlich. Die Benennung Anforderung taucht überhaupt nicht auf, wird – wie dargelegt – erst ab 2000, praktisch ab 2001 zum Thema.
327
F
Forderung versus Anforderung
Forderung versus Anforderung
Um den Benennungsunterschied herauszuarbeiten, kann man neuerdings auf eine von Walter Geiger [3] entwickelte Grafik (Abbildung F19) zurückgreifen, die uns zwei wichtige Erkenntnisse vermittelt:
F
1 Die Forderung (engl. requirement) drückt ein Verlangen aus, bei einer bezeichneten Einheit eine spezifizierte Beschaffenheit zu realisieren. Ein Kunde fordert, dass ein Produkt ganz bestimmte Merkmale aufweisen sollte. Forderungen basieren oft auf Wünschen und Erwartungen, aber auch auf ganz bestimmten Nutzenvorstellungen. Dies illustriert Jurans Formulierung „Quality is fitness for use“ sehr schön: Ein Produkt muss gebrauchstauglich sein. Das ist die zentrale Forderung! 2 Die Anforderung (engl. request oder demand) drückt dagegen das Verlangen aus, unter vorgegebenen Bedingungen in den Besitz einer bezeichneten Einheit zu kommen. So wären die Bestellung und der Auftrag Unterbegriffe der Anforderung. Beide Begriffe drücken ein Verlangen aus („must have“). An die fachgerechte Ausführung, die Tätigkeit selbst, wäre aber die Forderung zu stellen, dass der Mitarbeiter sein Handeln aufgrund seiner Qualifikation so oder so auszurichten habe. Damit ist klar geworden, dass Forderung und Anforderung nicht dasselbe sind und zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte zum Ausdruck bringen. Folglich dürfen sie im fachlichen Kontext auch nicht synonym verwendet werden. Es
gelten die folgenden Ungleichungen: fordern ≠ anfordern und gefordert ≠ angefordert. Das Englische sieht das nicht anders: require ≠ ask for und required ≠ asked for (requested). Walter Geiger weist darauf hin [4]: „Im Englischen wird z. B. normativ zwischen den beiden Begriffen mit den Benennungen „requirement“ (Forderung) und „request“ (Anforderung) unterschieden, obwohl diese beiden Wörter in der englischen Gemeinsprache weitgehend Synonyme sind.“ In der aktuellen Begriffsnorm der ISO 9000:2015 muss es also heißen: Forderung (requirement): Erfordernis oder Erwartung, das oder die festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist. Das Lexikon Qualitätsmanagement verwendet folglich den Fachbegriff Forderung bzw. Qualitätsforderung, weil es nicht „wider besseren Wissens“ Falsches verbreiten darf. In Zitaten aus Normtexten, die den Begriff „Anforderung“ statt „Forderung“ verwenden, wird „Anforderung“ wie folgt verändert: forderung. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Zitatgeber hier eigentlich hätte Forderung schreiben müssen.
Abb. F19: Sachverhalt zu den Begriffen Forderung, Einzelforderung, Anforderung und Anforderungen Anforderung²⁾
Forderung¹⁾
englisch: request oder demand
englisch: requirement Verlangen, bei einer bezeichneten Einheit eine geforderte Beschaffenheit zu realisieren
Anmerkung: Der Plural Forderungen bezieht sich auf mehrere Einheiten
Einzelforderung²⁾
sollten anhand ihrer Benennungen unterschieden werden können
englisch: individual requirement Forderung³⁾ an ein Qualitätsmerkmal
Anforderungen²⁾
Verlangen, unter vorgegebenen Bedingungen in den Besitz einer bezeichneten Einheit zu kommen Anmerkung 1: Unterbegriffe sind die Bestellung und der Auftrag Anmerkung 2: Gemeinsprachlich nur als Plural: Gesamtheit der Forderungen an eine Person (die sich z. B. bewirbt). Auch „Anforderungsprofil“²⁾ genannt.
?
?
Gesamtheit von Einzelforderungen an eine bezeichnete Einheit (mit dieser Definition als genormte Benennung im Plural für einen Begriff aus Unterscheidungsgründen ungeeignet, und zwar auch schon deshalb, weil der Begriff im Singular nicht genormt ist) Anmerkung: Auch grammatikalischer Plural von Anforderung englisch: standards (nur im Plural und nur für Forderungen [links oben] gebräuchlich)
?? Die Fragezeichen kennzeichnen ein Klärungsversäumnis der Normung bei Fachsprachen. Normative Hinweise zu den obigen Begriffen: ¹⁾ International genormter Begriff (z. B. in der ISO 9000-Familie in ISO 9000:2005) ²⁾ nicht genormte Begriffe (z.B., weil nicht verträglich mit anderen genormten Festlegungen) ³⁾ auch dann in der Einzahl, wenn die Forderung mehrere vorgegebene Werte enthält. Bei mehreren Qualitätsmerkmalen spricht man im Plural von „Einzelforderungen“.
328
Damit wird auch die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass DIN, ÖN und SNV bald eine Revision durchführen mögen, um die Fehlübersetzung aus dem Jahre 2000 zu revidieren, damit eine Anpassung an den internationalen Sprachgebrauch erreicht wird, wie sie in der ISO 8402 schon einmal gelang. Literatur
[1] Geiger, W.: Beschaffenheitsmanagement. München (Oldenbourg) 2013, 190 [2] Geiger, W. und W. Kotte: Handbuch Qualität. Grundlagen und Elemente des Qualitätsmanagements: Systeme – Perspektiven. 4. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2005, 140 [3], siehe [1], 192 [4], siehe [1], 186
Fordismus
Ford Q1-Award
Fordismus
dazu, dass mehr konsumiert wird, führt das dazu, dass mehr Autos gekauft werden können. Höhere Löhne folgen somit einer Eigenlogik, die sich dann auf dem Markt realisiert und im reproduktiven Bereich ihre Wurzeln hat. Fordismus ist somit ein Systembegriff, der drei Systemebenen betrachtet: Produktion – Markt – Reproduktion. In der Skizze von Lüscher (Abbildung F20) ist die Marketingfunktion des Unternehmens noch hervorgehoben. Die hat es zu Fords Zeiten so nicht gegeben. Sales war der Begriff, der sich konkret auf die Händlerstruktur der Ford Company bezog. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur [1] Lüscher, R. M.: Henry und die Krümelmonster. Versuch über den fordistischen Sozialcharakter. Tübingen o.J. (ca. 1988), S. 88 [2] Ford, H.: Mein Leben und Werk. Leipzig: List 1923
▶Ford und das Ford-System „Mir liegt vor allem daran, klar zu beweisen, dass die von uns angewandten Ideen überall durchführbar sind – dass sie nichts speziell mit Automobilen oder Schleppern zu tun haben, sondern daß sie gleichsam zu einem allgemeinen Kodex gehören.“ [2, S. 3]
Die Managementstrategie von Henry Ford (1863-1947) wird als Fordismus bezeichnet. Der Begriff wurde von Antonio Gramsci etwa um 1949 geprägt. Diese neue Strategie konzentrierte sich auf die Rationalisierung des industriellen Fertigungsprozesses in der beginnenden Automobilindustrie. Diese Art der Massenproduktion, die 1911 mit der Fließbandfabrik eröffnet wurde, sah neben der arbeitsorganisatorisch optimalen Anordnung von Menschen und Maschinen bei der Montage uniformer Massenprodukte eine drastische Lohnerhöhung, Arbeitszeitverkürzung auf 48 Stunden pro Woche und eine erhebliche Senkung der VerkaufsAbb. F20: Modell des Fordismus preise zur Steigerung der Absatzmengen vor. Slogan für die Fertigung des Ford-Modells ‘T’ war: „… in jeder gewünschten Farbe, solange sie schwarz ist.“ Ford setzt erstmals das Fließband (es war bereits Jahre vorher Produkterfunden) zur industriellen Massenproduk ausstoß tion ein. Seine Strategie ging auf: 1907 wurden 8.423 Fordautos verkauft, 1910 waren es 34.000, im Jahr 1920 wurden vom Modell T Rationalisierung 1.250.000 Stück verkauft.
Konsumgüterkauf Nachfrage
Lohn
Fünf Merkmale zeichneten den Ansatz des Fordismus aus: ◼ hohe Typisierung der Produkte ◼ hohe Mechanisierung der Produktion, Fließfertigung nach dem Conveyor-System (= Förderband-System) ◼ Eignungsuntersuchungen zur Selektion der besten Arbeiter ◼ hohe Löhne und niedrige Preise zur Schaffung einer kaufkräftigen Nachfrage nach seinen Autos (Steuerung über die Stellgröße Lohn) ◼ Verbot von Gewerkschaften in den Be trieben.
Wunschproduktion
Marketing Legitimation »Produktion«
»Reproduktion«
"Ich will, dass meine Arbeiter gut bezahlt werden, damit sie meine Autos kaufen." (Henry Ford)
Quelle: Nach [1], S. 91
Das System der Fließbandfertigung hat nicht nur zur Produktivitätssteigerung geführt, sondern auch den Kontrollaufwand reduziert, der durch Personal ausgeführt wurde. Dieser Kontrollaufwand war im System von Taylor (►Taylorismus) erforderlich. Er wurde bei Ford durch das anonyme Montageband ersetzt. Mit der Gewerkschaftsbewegung konnte sich Ford später, nach mehrfachen Streiks, arrangieren. Gewerkschaftsverbot ist nicht unbedingt ein Merkmal des Fordismus, sondern beruht auf historischen Ereignissen. Eine kritische Betrachtung des Fordismus hat in jüngster Zeit R. M. Lüscher vorgelegt: „Wo vom Fordismus gesprochen wird, sind nicht nur Betriebsabläufe gemeint, sondern großmaßstäbliche Projekte, Pläne, Phantasien und Träume.“ [1] Lüschers Erörterungen zielen darauf, nicht nur das Produktionssystem zu betrachten, sondern – und gerade hierin kennzeichnet sich die Begrifflichkeit des Fordismus – auch den Bereich das Reproduktionssystem in Abhängigkeit von der Produktion zu sehen. Wenn die Preise sinken, führt das
Ford Q1-Award
▶Ford und das Ford-System Beim Q1-Award handelt es sich um die Qualitätsauszeichnung, die die Ford Motor Company an seine Unterlieferanten vergibt. Das Q1 steht dabei für „Quality First“. Der Preis wird seit 1981 an diejenigen Lieferanten verliehen, die ein langfristiges Engagement für Qualität und Produktivitä nachweisen können. Den Q1 Award erhalten somit ausschließlich Unterlieferanten, die den hohen Forderungen des Automobilherstellers in puncto Qualität, pünktliche Lieferung und Materialwirtschaft entsprechen können und die einen hohen technischen Standard bieten: Die Lieferanten müssen ein gewisses Maß an Exzellenz, also sehr hoher Qualität, hinsichtlich Kundenzufriedenheit, unter Beachtung der Forderungen der Ford Motor Company in Be-
329
F
Ford und das Ford-System
Ford und das Ford-System
zug auf Qualität, Vertrieb, Logistik und Engineering konsistent nachweisen können.
F
Ford unterstreicht damit sein Engagement für und seine Unterstützung von ständigen Qualitäts- und Produkt iv itätsverbesserungen, die weit über die Forderungen der ISO 9001 hinausgehen. Nur etwa ein Drittel aller Ford-Lieferanten haben bisher (Stand: 2010) den Q1-Award erhalten.
Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Quelle: Einsicht in nicht öffentlich zugängliche Dokumente bei einem Unterlieferanten durch den Autor, Juli 2014.
Ford und das Ford-System ▶Fordismus ▶Ford Q1
Um die Wende zum 20. Jahrhundert ließen Panhard und Levassor in Frankreich und andere Automobilhersteller von einer kleinen Zahl gelernter Handwerker Autos als Einzelexemplare fertigen. Jedes Stück war ein Prototyp und jedes im Auto verarbeitete Teil musste solange bearbeitet werden, bis es passte. Handwerkliches Können dominierte. Mit einer neuen „Geschäftstheorie“ wollte Henry Ford (1863*-1947†) die handwerkliche Produktionsweise in der Automobilindustrie überwinden. In seiner noch heute viel beachteten Biografie schriebt er aus der Retrospektive [1, S. 2]: „Kraft und Maschine, Geld und Güter sind nur insofern nützlich, als sie zur Lebensfreiheit beitragen. Sie sind lediglich Mittel zu einem Zweck. Ich zum Beispiel betrachte die Maschinen, die meinen Namen tragen, nicht als bloße Maschinen, … Für mich sind sie der konkrete Beweis einer Geschäftstheorie, die, wie ich hoffe, mehr als eine Geschäftstheorie ist – nämlich eine Theorie, die darauf abzielt, diese Welt zu einem erfreulichen Tummelplatz des Lebens zu machen.“
330
Ford führte die Autoherstellung auf der Basis einheitlicher austauschbarer Teile ein. Quantität durch Standardisierung war seine Maxime. Er war Ingenieur, hatte auch Ökonomie studiert und war ein begnadeter Bastler, der schon als Jugendlicher die meiste Zeit in seiner eigenen Werkstatt auf der Farm seines Vaters verbrachte. Er gründete 1903 sein eigenes Unternehmen, in dem er sein erstes Auto, das „Modell A“ fertigte. Mit dem „Modell T“, das 1908 auf den Markt kam und von dem 15 Millionen Stück hergestellt wurden, schrieb er Automobilgeschichte, mit der Einführung der Fließfertigung schrieb er Produktionsgeschichte, mit der Methode der Preisfestsetzung, um darauf bezogen die Kosten zu kontrollieren, nahm er das heutige Target-Costing vorweg und kann folglich in jeder Hinsicht als Marketinggenie angesehen werden, denn er erkannte als Erster, dass damals die Zeit reif geworden war zur Produktion eines erschwinglichen Autos für Jedermann, das er mit den Methoden der Massenfertigung bauen ließ. Allerdings hätte er bald den Zug verpasst, diese Phase zu verlassen. Erst der Druck der Mitbewerber (v. a. durch Alfred P. Sloan von General Motors) löste bei ihm ein Umdenken aus, indem er sich auch auf die Modellvielfalt einließ. Mitte der 1920er Jahre geht die Überlegenheit von Ford im Automobilbau verloren. Fords unterschiedslose Produktion für die Massen folgt GM’s Strategie des Unterschieds und der Individualisierung, indem die Produktionsskala erweitert, diversifiert und jährlich neue Modelle produziert wurden. Was Ford wollte, ist in epischer Breite in seinen Memoiren niedergelegt [1]. Schon ein erster Blick in das Buch zeigt uns den hohen ethisch-moralischen Anspruch an sich selbst, seine Arbeiter und das Unternehmer- und Arbeitertum schlechthin (Abbildung F21). Genau wie bei ►Taylor darf man vermuten dürfen, dass die Arbeiter hier wohl insgesamt in hohem Maße zum Projektionsobjekt von Fords eigenen ethisch-praktischen Idealen gemacht werden. Diesen Eindruck spiegeln auch die seinem Buch vorangestellten „vier Grundprinzipien“ [1] wider, die allerdings gar nicht so antiquiert sind. Die ersten drei sind gebotsartig formuliert, weshalb sie hier auch Gebote genannt werden (Abbildung F22). Sie können als Vorläufer heutiger Organisationsleitbilder verstanden werden, die ja auch im Qualitätsmanagement als ►Qualitätsleitbilder die basalen Absichten der Organisation zum Ausdruck bringen. Bei einem patriarchalischen Unternehmen, wie es Ford führte und in dem auf dieser Ebene mit Sicherheit kein Dialog mit Mitarbeitern stattfand, verflüchtigen sie sich oft in der Nachfolge.
Ford und das Ford-System Abb. F21: Ethische Grundsätze des Ford--Systems
Ford und das Ford-System Abb. F22: Die vier Gebote des Ford-Systems
Ethische Grundsätze des Ford-Systems
Die vier Gebote des Ford-Systems
◼ Ich will, dass meine Arbeiter gut bezahlt werden, damit sie meine Autos kaufen. ◼ Für mein Gefühl gibt es nichts Abscheulicheres als ein müßiges Leben. Keiner von uns hat ein Recht darauf. Die Zivilisation hat keinen Platz für Müßiggänger. ◼ Arbeit gibt uns mehr als den Lebensunterhalt, sie gibt uns das Leben. ◼ Vor dem Verdienen steht das Dienen. ◼ Das moralische Grundprinzip ist das Recht des Menschen auf seine Arbeit (...) Meines Erachtens kann ein Mann auch gar nicht anders, als ständig bei der Arbeit sein. Bei Tage müsste er an sie denken und nachts von ihr träumen (...) Denn es ist etwas Großes um unser Tagewerk – etwas ganz Großes! ◼ Die Arbeit ist der Eckstein, auf dem die Welt ruht, sie ist die Wurzel unserer Selbstachtung. Und der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein noch größeres Tagewerk zu leisten als seine Leute. Der Unternehmer, der seine Pflicht gegenüber der Welt ernst nimmt, muss auch ein tüchtiger Arbeiter sein. ◼ Kranke und Krüppel gibt es überall. Im allgemeinen besteht die etwas großzügige Ansicht, alle zu körperlicher Arbeit Unfähigen der Gesellschaft zur Last zu legen (...) Im allgemeinen gilt es als selbstverständlich, dass ein Arbeiter bei Verletzungen arbeitsunfähig geschrieben wird (...) Es gibt aber stets eine Rekonvaleszenszeit, besonders bei Brüchen, während welcher der Betreffende durchaus zum Arbeiten imstande ist (...) Wir haben mit Bettlägrigen Versuche angestellt – mit Patienten, die aufrecht sitzen durften. Wir breiteten schwarze Wachstuchdecken über das Bettzeug und ließen die Leute Schrauben auf kleine Bolzen befestigen. ◼ Unsere Organisation ist so bis ins einzelne durchgeführt und die verschiedenen Abteilungen greifen so ineinander ein, daß es völlig ausgeschlossen ist, den Leuten auch nur vorübergehend ihren Willen zu lassen (...) Persönliche Fühlungnahme gibt es bei uns kaum – die Leute verrichten ihre Arbeit und gehen wieder nach Hause – eine Fabrik ist schließlich kein Salon.
Du sollst die Zukunft nicht fürchten und die Vergangenheit nicht ehren. Wer die Zukunft, den Misserfolg, fürchtet, zieht seinem Wirkungskreis selber Grenzen. Misserfolge bieten nur Gelegenheit, um von neuem und klüger anzufangen. Ein ehrlicher Misserfolg ist keine Schande; Furcht vor Misserfolgen dagegen ist eine Schande. Die Vergangenheit ist nur insofern nützlich, als sie uns Mittel und Wege der Entwicklung weist. 2 Du sollst die Konkurrenz nicht beachten. Wer eine Sache am besten macht, der soll sie verrichten. Der Versuch, jemandem Geschäfte abzujagen, ist kriminell – kriminell, da man dadurch aus Gewinnsucht die Lebensverhältnisse seiner Mitmenschen zu drücken und die Herrschaft der Gewalt an Stelle der Intelligenz zu setzen versucht. 3 Du sollst die Dienstleistung über den Gewinn stellen. Ohne Gewinn kein ausbaufähiges Geschäft. Dem Gewinn haftet von Natur aus nichts Böses an. Ein gut geleitetes Unternehmen muß und wird sogar für gute Dienste einen guten Gewinn abwerfen. Der Gewinn muss jedoch nicht die Basis, sondern das Resultat der Dienstleistung sein. 4 Produzieren heisst nicht billig einkaufen und teuer verkaufen. Es heisst vielmehr, die Rohstoffe zu angemessenen Preisen einkaufen und sie mit möglichst geringen Mehrkosten in ein gebrauchsfähiges Produkt verwandeln und an die Konsumenten verteilen. Hasardieren, Spekulieren und unehrlich Handeln heisst nur diesen Vorgang erschweren.
(Quelle: Ford, H.: Mein Leben und Werk. 1923)
Ford geht es um mehr, als die Konzeption einer fließgesteuerten Autofabrik vorzulegen. Genau wie Taylor begründet er ein System ökonomischer, politischer und sozialer Zusammenhänge, das sich wie folgt charakterisieren lässt: ◼ Zerlegung der Arbeitsabläufe und deren Optimierung mit Hilfe von Zeit- und Bewegungsstudien bei gleichzeitiger Trennung von Planung und Ausführung; ◼ Fließproduktion (Montage- bzw. Fließbands): Materialund Produktfluss; ◼ Nutzung von Spezialisierung, Mechanisierung, Arbeitsteilung und technischem Fortschritt für die Produktion. Das Fließband war hilfreich, um den Arbeiter an seinem Platz anzubinden und ihm das Tempo vorzugeben (Taktung); ◼ Austauschbarkeit der vorgefertigten Teile, Bearbeitung von Teilen zur Anpassung entfällt, qualifizierte Kräfte werden nicht benötigt, Rekrutierung ungelernte Einwanderer, die das Lohnniveau senken; ◼ Die hohe Fluktuation (Unzufriedenheit) wird durch hohe Löhne kompensiert (gewollter Effekt: höherer Konsum);
◼ Streng hierarchischer Aufbau, tiefe Hierarchien über zahlreiche Ebenen; ◼ Durch Kostenminimierung in der Produktion entsteht ein preisgünstiges Produkt (hier v. a. das Auto, später auch andere Güter), das nun für viele Menschen erschwinglich wird. Entstehung von Abhängigkeit von massenhaft industriell hergestellten Gütern (Massenkonsum) (►Fordismus); ◼ Höhere Arbeitskräftenachfrage durch Produktionsausweitung aufgrund der höheren Nachfrage; gleichzeitig werden weniger Arbeiter in der Produktion genötigt (Rationalisierung); ◼ Die höhere Effektivität führt zu höheren Gewinnen; ◼ Neue, bisher nicht gekannte Bedürfnisse werden erzeugt. In Abbildung F23 werden die Elemente des Ford-Systems zusammenfassend dargestellt, dessen Implementierung Ford selbst im Stil einer ►Bombenwurfstrategie recht stolz wie folgt beschreibt [1, S. 83]: „So erklärte ich denn 1909 eines schönes Morgens ohne jede vorherige Ankündigung, daß wir in Zukunft nur noch ein Modell herausbringen würden, nämlich ‘Model T’, und daß sämtliche Wagen das gleiche Chassis haben würden. Ich erklärte: ‘Jeder Kunde kann seinen Wagen beliebig anstreichen lassen, wenn der Wagen nur schwarz ist‘. Ich kann nicht behaupten, dass ich irgendwelche Zustimmung gefunden hätte.“
331
F
Ford und das Ford-System Heute lassen sich die drei Elemente des Ford-Systems kurz entsprechend Abbildung F23 aufzählen: 1 Oberstes Prinzip der Organisation 2 Vier Prinzipien der Arbeitsteilung 3 Zehn zentrale Elemente der Strategie
F
Zur allgemeinen Kennzeichnung des Ford-Systems setzt sich seit den 1920er und 1930er Jahren der auf Henry Ford bezogene Begriff ►Fordismus durch, eine – losgelöst von der Automobilproduktion – gesellschaftliche Produktions- und Verteilungsweise wie sie sich nach dem ersten Weltkrieg zuerst in den Vereinigten Staaten (nach dem zweiten Weltkrieg in Europa) herausgebildet hat:
Abb. F23: Elemente des Ford-Systems Das Ford-System Oberstes Prinzip des Fordschen Gestaltungsansatzes Radikale Vereinfachung der Produktionsverfahren, damit vom weit überwiegenden Teil der Arbeiter weder handwerkliche Fähigkeiten noch ein tiefergehendes technisches Wissen benötigt werden. Die vier Prinzipien der Arbeitsteilung im Ford-System 1 Aufteilung der Arbeitsaufgabe in Teilaufgaben 2 Minimierung des Gesamtwegs der zu montierenden Teile 3 Anordnung der Arbeitsplätze und der benötigten Werkzeuge in der Reihenfolge des Verbaus 4 Transport der Werkstücke durch Förderanlagen entlang der Arbeitsplätze Die 13 zentralen Elemente des Ford-Systems „Maschinen und Menschen“ (um 1920) 1 Pro Produktionslinie typenreine Fertigung 2 Abflachung der Organisation (keine Titel) 3 Funktionale Arbeitsteilung, Trennung Primärund Sekundärtätigkeiten 4 Arbeitsstandards werden von Experten als Wissensträgern vorgegeben 5 Weitgehende Standardisierung aller Prozesse 6 Repetitive, kurzzyklische Tätigkeiten 7 Verantwortung jedes Einzelnen: Selbstorganisation 8 Beschleunigung der Arbeitstätigkeit 9 Orientierung an inhärentem Takt 10 Orientierung an Verbesserungen: Würdigung von Verbesserungsvorschlägen 11 Rekrutierung entsprechend den Fähigkeiten 12 Zuordnung von Arbeitsaufgaben entsprechend den Fähigkeiten 13 Zunehmende Ausrichtung der Löhne am Geschäftserfolg
Ford und das Ford-System ◼ Industrielle Massenproduktion technischer Gebrauchsgüter unter rationellster Nutzung der menschlichen Arbeitskraft; ◼ Vorhandensein oder Schaffung eines für diese Massenproduktion existierenden Absatzmarktes. Im engeren Sinn geht es jedoch um das Ford-System, wie es in Abbildung F24 aufgezeigt wird. Was uns im Hinblick auf das Qualitätsmanagement hier exemplarisch interessiert ist die Frage, wie Ford sein Produkt, das »Modell T«, den Universalwagen schlechthin, bestimmt, d. h. welche ►Qualitätsforderungen er festgelegt hat [1, S. 78-79]: „Jahraus, jahrein war es mein Bemühen, bei ständigem Preisabbau diesen Wagen zu verbessern, zu verfeinern und zu vervollkommnen. Der Universalwagen musste sich durch folgende (sieben, HDZ) Eigenschaften auszeichnen“: ◼ Erstklassiges Material zur dauerhaftesten und ausgiebigsten Benutzung. Vanadiumstahl ist der stärkste, zäheste und widerstandsfähigste Stahl. Aus ihm sind Unter- und Oberbau des Wagens konstruiert. Er stellt für diese Zwecke die hochwertigste aller Stahlsorten dar, und der Preis darf bei ihm keine Rolle spielen. ◼ Einfachheit – denn die Masse besteht nicht aus Mechanikern. ◼ Ausreichende Motorkraft. ◼ Absolute Zuverlässigkeit – da der Wagen den verschiedensten Ansprüchen gerecht werden und auf guten und schlechten Wegen fahren muß. ◼ Leichtigkeit. Bei dem T-Modell von Ford hat ein Kubikzoll Kolbenfläche nur 7,95 Pfund zu tragen, ein Grund, weshalb man einen Ford niemals versagen sieht, einerlei, ob es über Sand und Schmutz, Schnee und Matsch, durch Wasser und über Berge, über Felder und wegelose Ebenen geht. ◼ Fahrtsicherheit. Man mußte stets Herr über die Fahrtgeschwindigkeit sein, jeder heiklen Situation, ob in vollem Großstadtverkehr oder auf gefährlichen Wegen, begegnen können. Das Planetengetriebe des Ford kann von jedem gehandhabt werden. Das ist der Grund zu der Redensart: „Jedes Kind kann einen Ford fahren“. Man kann fast überall mit ihm umdrehen. ◼ Je schwerer der Motor, um so höher der Benzin-, Öl- und Fettverbrauch. Je leichter das Gewicht, um so geringer die Betriebskosten. Das geringe Gewicht des Fordwagens galt anfangs als ein Nachteil. Jetzt aber hat sich das geändert. Zu bemerken ist, dass das System der Fließbandfertigung nicht nur zur Produktivitätssteigerung geführt hat, sondern dass dadurch auch der Kontrollaufwand reduziert werden konnte, der durch das Personal ausgeführt wurde. Dieser Kontrollaufwand war im ►Taylor-System noch erforderlich, er wurde bei Ford durch das Fließband ersetzt. Die Kritik am System seines Gründers hat nicht versäumt
332
Ford und das Ford-System
Ford und das Ford-System
Antizipation des Konsumverhaltens ein. Insofern impliziert der Fordismus eine Fords Produktionskonzept basiert auf Montagelinien, die durch den Einsatz von Auskoppelung des Lohns aus dem betriebsFließbändern, Einzweck-Präzisionsmaschinen und gesonderten Montageabteilunbezogenen Kalkül. Allerdings plädierte gen möglichst alle Arbeitsschritte zu einem kontinuierlichen Prozess zusammenfühFord selber gegen Lohnherabsetzungen ren. Die Fließbandproduktion erforderte eine perfektionierte Standardisierung der selbst bei schlechtem Geschäftsgang, Produktteile, denn ein reibungsloser Produktionsfluss wäre durch zu weite Fabrikaweil er bei schlechtem Geschäftsgang auf tionstoleranzen behindert Innovationsschübe und Absatzausweitung Fließbandprinzip (assembly lines) Ford worden. Unter Rentabilitätssetzt. In gewissem Sinn erscheint der Montagelinie A ten brachten gesichtspunkArbeitsschritt 1 ... ff PUSH Lohn bei Ford als Antizipation des die Montagelinien eine SteiBestände Konsumverhaltens, extrem gesagt: Der gerung der Ar- Montagelinie B beitsproduktiOutLohn als Mittel des deficit spending [4]. vität, weil der ArbeitsrhythArbeitsschritt 1 ... ff Endmontage PUSH put Er geht soweit zu sagen „Löhne und mus dem Takt von Maschinen Bestände und Fließbän- Montagelinie C dern angepasst Gehälter sind also eigentlich weiter nichts Arbeitsschritt 1 ... ff PUSH wurde und sich dadurch als ein bestimmter, im voraus bezahlBestände über biologische Grenzen ter Gewinnanteil.“ Die Nachfrage wird hinwegsetzte. Schließlich ereinerseits vom Lohn bestimmt, andereröffneten die Montagelinien dem Unternehmen die Chancen zur Beschleunigung des seits – vor allem in Bezug auf die gesuchKapitalumschlags, denn der integrierte Produktionsprozess reduzierte den Zwang zur ten Güterarten – von etwas, das hier Lagerhaltung und verkürzte die „Totzeiten“ des Arbeitsprozesses. Alle diese Faktoren Wunschproduktion genannt wird. Radikal führten zu einer beträchtlichen Senkung der Stückkosten. gedacht müsste ein fordistisches Projekt sich zutrauen, die (Güter-)Wünsche der darauf hinzuweisen, dass Henry Ford ein GewerkschaftsverKonsumenten übers Marketing detailliert zu steuern. bot in seinen Betrieben ausgesprochen hatte, dass in den 30er Allerdings hat eine solche detaillierte Steuerung von Jahren zu heftigen, teils blutigen, Arbeitskämpfen geführt hat. Konsumentenwünschen eine Schwäche darin, dass Auch wird bemerkt, dass Henry Ford antisemitische publizissie ein Wachstumspotential nicht zum Tragen komtische Aktivitäten entwickelt habe. Er verteilte an seine Arbeimen lässt. Die Konsumenten könnten ja von sich aus ter die hauseigene Zeitung The Dearborn Independent, in der Wünsche bilden und anmelden, die die Anbieter zu regelmäßig Artikel von ihm selbst erschienen. Diese Beiträge befriedigen hätten und auf die die Anbieter von sich aus zeichneten sich v. a. durch heftige Attacken gegen Juden aus. gar nicht gekommen wären. Darin liegt eine prinzipiSchließlich hat Ford sich 1927 öffentlich entschuldigt. Denelle Spannung. Von herausragender Bedeutung ist der noch hat er 1938 noch den hohen Orden der NationalsoziaLegitimationsaspekt. Wesentlich ist für die fordistische listen (Adlerschild des Deutschen Reiches) entgegengenomKonstruktion, dass Legitimation über den Absatzmarkt men. Auch wird vermutet, dass er in seinen Memoiren (Ford läuft und nicht über die Gestaltung der organisa1923) stark populistisch argumentiert hat, v. a. wenn er sich torischen Prozesse des Betriebs, die nachgeordnete gegen monopolistische Wirtschaftsstrukturen äußert. Bedeutung haben. Der bereits genannte heutige Begriff des ►Fordismus ist abstrahierend zu sehen. Er geht eigentlich auf den italienischen Diese Erörterungen formulieren ein Verständnis des FordisTheoretiker Antonio Gramsci zurück, der ihn etwa um 1949 mus aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht, das erst noch in geprägt hat (In [2]). Neuere intensive Analysen wurden zuBezug zu setzen wäre zu den Konzepten und Modellen des dem von dem verstorbenen Schweizer Rudolf Lüscher [2] Qualitätsmanagements, die ja zum großen Teil in irgendeiner durchgeführt, der sich intensiv mit Fords System und seinen Weise als betriebliche Bewertungsmodelle dienen. Es wäre oft impliziten Annahmen auseinandergesetzt hat, so zum Beibefruchtend, wenn sich eine ►Qualitätswissenschaft z. B. mit spiel mit folgenden Differenzierungen [2, S. 83ff]: den Zusammenhängen von Fordismus aus wirtschaftlicher und qualitätsbezogener Sicht befassen würde. Rationalisierung erscheint als dynamisches Zentrum, weil technologische Innovationen die entscheidenDie Brücke zum ►Qualitätsmanagement schlägt eine Ausde unabhängige Variable des Wirtschaftswachstums deutung des Fordismus als Toyotismus, mit der die japanische abgeben. Rationalisierung maximiert einerseits Form des Fordismus bezeichnet wird. Wenn auch nicht idenden Produktausstoß (absolut oder relativ zu den tisch, aber doch eng verknüpft hiermit ist das TPS (Toyota Arbeitsstunden) und erlaubt andererseits eine Production System), dessen konzeptionellen und praktischen Optimierung der Güterverteilung (Anlieferung, Entwicklungen auf den Japaner Taiichi ►Ohno zurückgehen. Verkaufstechniken, Bedürfnisproduktion etc.). Die Die wesentlichen Kennzeichen des Toyotismus bestehen in Lohnhöhe richtet sich nach der Betriebsproduktivität der Produktion ohne Lager (►Just in Time) und der schneleinserseits, nach den erwarteten Absatzpotentialen len Reaktion auf dem Markt (time to market), sowie der poandererseits; d. h., in die Lohnberechnung geht eine livalenten Arbeitsweise (gleichzeitiges oder nacheinander Abb. F24: Fließbandprinzip (Assembly Line) des Ford-Systems
deficit spending
333
F
Forschung im Qualitätsmanagment Arbeiten an mehreren Maschinen), der Qualitätskontrolle der Arbeiter während der Arbeit, der simultanen Information über den Produktionsablauf (management by sight) und dem Novum, dass die Produktion in jedem Moment unterbrochen werden kann, wenn ein Vorfall (Störung), der die gesamte Gruppe oder Abteilung oder den gesamten Betrieb miteinbezieht, dies erfordert (Autonome Automation). Dieser Begriff eines Produktionssystems behält zwar die auf Taylor und Ford zurückgehende optimale Nutzung der Zeit und der Arbeitskraft des Arbeiters bei, es beendet jedoch die Zergliederung in immer kleinere und einfachere Teilarbeitsschritte.
F
Die abschließende Betrachtung der Musterbeispiele Taylor und Ford hat gezeigt, dass nicht die Kaufleute/Betriebswirte in den Betrieben die Kernkonzepte definiert und umgesetzt haben, sondern die Ingenieure, die den Akteur – je nach Konzept – zerlegen (Taylor/Ford) oder zusammenführen (►Ohno). Sie sind es auch, die schon der französische Geschichtsphilosoph und Begründer und Namensgeber der Soziologie, Auguste Comte, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer gesellschaftlichen Schlüsselrolle sieht (Comte 1974, 19) [4]: „Zwischen den Gelehrten und den Leitern der Arbeiten beginnt sich in den Ingenieuren eine Mittelklasse zu bilden, deren Aufgabe es ist, die Beziehungen zwischen Theorie und Praxis auszubilden. Ohne auf den Fortschritt der Wissenschaft auszugehen, suchen sie nur ihre Anwendung auf die gewerbliche Tätigkeit daraus abzuleiten.“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur [1] Ford, H.: Mein Leben und Werk. Leipzig: List 1923 [2] Lüscher, R. M.: Henry und die Krümelmonster. Versuch über den fordistischen Sozialcharakter. Tübingen o.J. (ca. 1988) [3] Banham, R.: Das FORD Jahrhundert. Ford Motor Company und die Innovationen, die die Welt geprägt haben. San Diego (Tehabi Books) 2002 [4] Das Konzept des deficit spending (Defizitfinanzierung) geht auf John Maynard Keynes zurück.
Forschung im Qualitätsmanagment 1 Forschungsansatz der FQS Die Organisation der geförderten Forschung im Qualitäsmanagement erfolgt über die Forschungsgemeinschaft Qualität e. V. (FQS) *]. Sie wurde im Jahr 1989 von der DGQ gegründet und betreut jährlich etwa 15 nationale und internationale Forschungsprojekte – von der Idee bis zur Umsetzung. In Zusammenarbeit mit bundesweit mehr als zwanzig Forschungseinrichtungen werden Projekte im Rahmen der industriellen Gemeinschaftsforschung über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) mit finanzieller Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) abgewickelt. Die Forschungsförderung er-
334
Forschung im Qualitätsmanagment streckt sich auf die Bereiche Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung und benachbarte Gebiete. Der Forschung und Entwicklung von Qualitätstechniken, -methoden und Lösungsansätzen für das Qualitätsmanagement sowie die innovative Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Qualität kommt ein besonderer Stellenwert zu. Damit verbunden wird eine Steigerung der unternehmerischen Wett bewerbsfähigkeit und zur Zukunftssicherung angenommen. Neuen Ansätzen zur Qualitätsverbesserung kommt besondere Bedeutung zu. Über die reine Förderung der Forschung hinaus wird auch der Ergebnistransfer in die betriebliche Praxis initiiert. Die FQS versteht sich als Partner der Wirtschaft und bietet besonders mittelständisch geprägten Unternehmen ohne eigene Forschungskapazitäten die Möglichkeit, sich an Forschungsprojekten zu beteiligen und somit von den Ergebnissen zu profitieren. 2 Wissenschafts- und erkenntnisorientierte Bemerkung Da die Forschungsförderungsansatz über die FQS hauptsächlich Forschungsprojekte im Sinne der Industrie und der Wirtschaft initiiert, werden bestimmte Erkenntnisinteressen ausgeblendet. Ob Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über dieses Konzept wirklich in einer engen Beziehung zueinander stehen und miteinander verbunden sind, soll dahingestellt sein. Über das Bindeglied FQS wird jedenfalls versucht, den Austausch und die Interessensvertretung der Unternehmen sicherzustellen. Somit können Forschungsvorhaben initiiert werden, die in erster Linie den Handlungsbedarf der Un ternehmen abdecken. Da die Forschungsaktivitäten und die Beschäftigung mit Qualitätsmanagement jedoch immer auch neben einer ausgeprägt technologischen bzw. ingenieurwissenschaftlichen Ausrichtung anderen Erkenntniszusammenhängen Rechnung tragen sollten, wäre es angebracht, dass sich die Forschungsförderung auch anderen Bereichen bzw. Fachgebieten öffnen würde, um so qualitätsrelevante Forschung an allgemeinem gesellschaftlichen Zielsetzungen anzuknüpfen. Die FQS ist hier in ihrer gegenwärtigen Struktur und Anbindung sicherlich überfordert. Welche Faktoren lassen sich identifizieren, damit die angesprochene Ausrichtung der qualitätsrelevanten Forschung eingeleitet werden kann? Martin Carrier, der sich mit dem Schwerpunkt einer Methodologie angewandter Forschung befasst, erörtert Probleme anwendungsbezogener Forschung [1]. Er bringt dazu folgende Befürchtungen vor [2]: ◼ „Erstens könnte eine von wirtschaftlichen Interessen bestimmte Forschungsagenda sowohl von Erkenntniszwecken als auch von wohlbedachten Interessen der Gesellschaft als ganzer abweichen. ◼ Zweitens leidet anwendungsorientierte Forschung nicht selten unter Einschränkungen der offenen Kommunikation und behindert durch Geheimniskrämerei die breite Überprüfung von Forschungsergebnissen. ◼ Drittens wird Forschung zu praktischen Fragen allein danach beurteilt, ob eine daraus entstandene Anwendung
fortlaufende Verbesserung verlässlich funktioniert. Tiefer gehende Erkenntnisanstrengungen werden danach nicht unternommen.“
Quelle und Adresse zu Abschnitt 1 *] http://www.dgq.de/service/faq/forschung (Abruf: 22.08.2015) FQS Forschungsgemeinschaft Qualität e.V. August-Schanz-Str. 21A 60433 Frankfurt/Main Web URL: www.dgq.de
Literatur zu Abschnitt 2
ISO-Term
[1] Carrier, M.: Wissenschaft im Griff der Wirtschaft: Auswirkungen kommerzialisierter Forschung auf die Erkenntnisgewinnung. In: Schurz, G. und M. Carrier (Hrsg.): Werte in Wissenschaften. Neue Ansätze zum Werturteilsstreit. Berlin (Suhrkamp) 2013, S. 374-396 [2] Drei Punkte nach: Schurz, G.: Einleitung und Überblick. In: Schurz, G. und M. Carrier (Hrsg.): Werte in Wissenschaften. Neue Ansätze zum Werturteilsstreit. Berlin (Suhrkamp) 2013, S. 27
fortlaufende Verbesserung
▶en: continual improvement wiederkehrende Tätigkeit zum Steigern der ►Leistung
Anmerkung 1 zum Begriff: Der ►Prozess zum Festlegen von ►Zielen und Herausfinden von Chancen zur ►Verbesserung stellt aufgrund der Nutzung von ►Auditfeststellungen und ►Auditschlussfolgerungen, der Auswertung von ►Daten, Managementbewertungen (►Management, ►Bewertung) oder anderen Maßnahmen einen fortlaufenden Prozess dar und führt zu ►Korrekturmaßnahmen oder ►Vorbeugungsmaßnahmen. Anmerkung 2 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition wurde durch Hinzufügen von Anmerkung 1 zum Begriff geändert. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
FPM und PE²® Fehler-Prozess-Matrix (FPM) und Prozesseffizienzund Effektivitätsmessung PE²® ▶Failure Process Matrix (FPM) ▶Organisationsgestaltung
Hauptintention der Prozessleistungsmessung einer Organisation ist die transparente Darstellung der Prozessleistungsstände vor und nach der Prozesstätigkeit um darzulegen, wie sich der Prozessleistungszustand zwischen Anfangsstand und Endstand verändert hat. Die Messergebnisse werden meist in den Qualitätskennzahlen Zeit, Produktkonformität und Kosten (Qualitätsdreieck )dargestellt. Maßgebliches Ziel der Prozessleistungsmessung sollte die transparente Darstellung der ►Wertschöpfung sein. [1] 1 Einführung in die Prozessleistungsmessung Das Ergebnis der Prozessleistungsmessung ist eine wesentliche Informationen für die Unternehmensteuerung. Durch die Prozessleistungsmessung können die Führungskräfte feststellen, ob das Prozessergebnis erreicht wurde und ob sich die Prozessqualität kontinuierlich verbessert. Im Allgemeinen werden die Messtätigkeiten von der ►Qualitätssicherung durchgeführt und über das Qualitätsmanagement eines Unternehmens gesteuert. Daraus zeigt sich, dass die meisten Unternehmen die Prozessleistung nur in den Produktionsbereichen messen, weil es dort im Allgemeinen sehr einfach ist. Über Produktprüfungen und ►Qualitätsregelkarten kann die ►Qualitätsfähigkeit der Fertigung berechnet und gesteuert werden. Methoden wie die ►Prozess-Fehler-Möglichkeits- und Einflussanalyse (P-FMEA) und ►Wertstromanalysen helfen die Prozessrisiken zu minimieren oder die Durchlaufzeit und Bestände zu minimieren. Und durch die ►Prozesskostenrechnung können die Herstellkosten verursachergerecht ermittelt werden. Aber jede Methode hat nur einen Hauptfokus – die Zeit, die Produktqualität oder die Kosten. Eine Kombination ist nur schwer möglich. Ein weiterer Nachteil ist, dass diese Methoden aus dem Produktionsumfeld kommen und nur schwer in der Administration einsetzbar sind. Studien haben aber ergeben, dass die größten Rationalisierungspotenziale heute in der Administration liegen [2]. Am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA wurden zwei neue Methoden entwickelt, mit denen die Prozessleistung unter verschiedenen Gesichtspunkten analysiert werden kann. Diese sind die Fehler-Prozess-Matrix (FPM) für Montageprozesse und die Prozesseffizienz- und -effektivitätsmessung (PE²®) für Geschäftsprozesse. 2 Fehler-Prozess-Matrix (FPM) für Montageprozesse Das gewünschte Ziel einer Null-Fehler-Produktion scheitert in der Realität oft an den, für die Fehlervermeidung und Fehlerentdeckung, anfallenden Investitionen. Die etablierte Methode zur präventiven Fehlervermeidung in Produkti-
335
Begriff
Wenn Carrier alle drei Fragekreise nicht voll bestätigt findet, so trifft doch für die Forschung im Qualitätsmanagement besonders Punkt 3 zu. In der Tat fehlt es hier an „Grundlagenforschung“ besonders zu den historischen Aspekten. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
FPM und PE²®
F
FPM und PE²®
FPM und PE²®
onsprozessen P-FMEA bietet insbesondere für Montageprozesse wenig bzw. keine Hilfe. Die ►FMEA zeigt nur die potenziellen Risiken durch Fehler in der Produktion auf. Sie zeigt nicht, welche Kosten durch diese Fehler entstehen können oder welche monetären Konsequenzen die Fehler haben können.
Durch Mitarbeiterinterviews können die Analyseparameter Fehlerart, -ort und -häufigkeit, Entdeckungsort und -wahrscheinlichkeit sowie die notwendigen Aufwände zur Fehlerbehebung sehr schnell erfragt werden. Die Mitarbeiterangaben werden in der FPM erfasst und können dann ausgewertet werden. (vgl. Abbildung F26).
Der Analyseansatz liegt in der Betrachtung der Distanz zwischen Fehlerentstehung und -entdeckung (vgl. Abbildung F25). Pauschal kann gesagt werden:
Als Analyseergebnis können dann die zu erwartenden internen (Nacharbeit, Ausschuss) und externen (Garantie und Kulanz) Fehlerkosten fundiert und transparent dargestellt werden. Weiter kann eine Aussage zu Produktivität getroffen werden. [3] [4]
Je mehr Fehler bei einem Prozessschritt auftreten und je später sie über den Prozessverlauf entdeckt werden, desto höher sind die Verschwendungskosten für das Unternehmen.
F
Fehlerauftreten
Fehlerentdekkung Entdeckungsdistanz
Null Fehler
Null Fehler
Abb. F25: Entdeckungsdistanz bei Fehlern
Verlust bei Fehlern: ◼ Nacharbeit + Δ Wertschöpfung ◼ Ausschuss + Wertschöpfung
Weiter kann über die FPM ermittelt werden, welche Fehler in welcher Anzahl nicht mehr innerhalb des Unternehmens entdeckt werden. In diesen Fällen verlagert sich die Fehlerentdeckung zu den Kunden, was zwangsläufig zu Garantie- und Kulanzkosten führt.
3 Prozesseffizienz- und –effektivitätsmessung (PE²®) für Geschäftsprozesse In den administrativen Geschäftsprozessen ist die Abfolge der Tätigkeiten meist nicht so eindeutig festgelegt wie in den Produktionsprozessen. Mit der PE²®-Methode ist es möglich die Prozessleistung auf Basis der Effizienz (Zeit) und Effektivität (Fehler) eines Geschäftsprozesses zu analysieren. Die Ergebnisauswertung erfolgt monetär. Die Analyseergebnisse zeigen, wie hoch die Prozessverschwendungen durch erforderliche Fehlerkorrekturen sind. Darüber hinaus werden bereits durch die Prozess-analyse geeignete Maßnahmen abgeleitet, die zu der Beseitigung der Prozessverschwendung führen. Mit PE²® kann so, auf einfache Weise, ein optimierter Prozess entwickelt werden (vgl. Abbildung F27). Über fundierte Interviews mit den Mitarbeitern entlang der Prozesskette wird im Wesentlichen erfragt, wie lange die einzelnen Prozesstätigkeiten dauern, welche Fehler im Rahmen der Tätigkeiten entstehen können, wo sie entdeckt werden und wie aufwendig die Fehlerkorrektur ist. Aus diesen Faktoren kann anschließend ermittelt werden, welche fehlerbehafteten Tätigkeiten die höchsten Verschwendungskosten
Abb. F26: Beispielhafte Fehler-Prozess-Matrix mit Schichtmodell und Kostenverteilungen
Teil
Fehler
S1 S1 S2
Teil 1 vergessen 44 Teil 1 vertauscht PY PY Teil 2 verdreht 77 Teil 3 beschädigt Teil 3 vertauscht Teil 4 doppelt mont. Teil 5 falsch mont.
336
Prüfschritt 2(Kalttest)
Prozessschritt 6
Prozessschritt 5
Prüfschritt 1(Lecktest)
Prozessschritt 4
Prozessschritt 3
Prozessschritt 2
(exemplarische Werte)
Prozessschritt 1
Entdeckungsdistanzen
+
Schichtmodell Produktionszahlen
Fehler zum Kunden
Fehler zur Nacharbeit
ppm-Gebirge
S2 T1 S3 S3 T2 11
1
10 10 77 77
6 PY PY 6
11
+
Nacharbeitszeiten/-kosten Übergangswahrscheinlichkeit Garantie- und Kulanzkosten
Nacharbeitsund Ausschusskosten
Gewährleistungskosten (G & K)
FPM und PE²®
Fraktales Unternehmen
verursachen. Weiter kann gezeigt werden, welche Fehler den Prozess unerkannt verlassen. Ein zusätzlicher Vorteil ist die Darstellung der Wechselwirkung der Prozesse, da gezeigt werden kann, welche Fehler Konsequenzen in angrenzenden Prozessen verursachen. Die Prozessleistungsmessung ist damit über die Unternehmensgrenzen hinaus möglich [5] [6]. Dr.-Ing. Paul Thieme, IPA, Stuttgart Literatur
Fragebogen
▶Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement
▶en: fractal enterprise ▶Fraktale Fabrik ▶Smart Factory ▶Industrie 4.0 ▶fractal von lat. fractus = gebrochen, fragmentiert „Marktwirtschaft funkioniert nach dem Prinzip der Fraktale: Selbstorganisation und Selbstoptimierung in kleinen, schnellen Regelkreisen. Jeder erbringt einen Nutzen für einen anderen und erhält dafür einen Gegenwert.“ (H.-J. Warnecke)
Die in den Naturwissenschaften bekannte Sicht weise, Grundmuster von fraktalen Objekten (Selbstähnlichkeit, Selbstorganisation, Dynamik, Rückkoppelung) auch auf die Gestaltung von Organisationen zu übertragen, hat Hans-Jürgen Warnecke aus einer komplexitätstheoretischen Perspektive heraus veranlaßt, ein Managementkonzept zu entwickeln, das er Fraktales Unternehmen nennt. Dieser Lösungsansatz rückt ab vom Ursache- und Wirkungsdenken und beruht darauf, jede Organisation als Netzwerk selbständiger Einheiten (Fraktale) aufzufassen [1]. Die folgende Definition charakterisiert den Ansatz ausführlich: Ein Fraktal ist eine selbständig agierende Unternehmenseinheit, deren Ziele und Leistungen eindeutig beschreibbar sind. Fraktale organisieren und optimieren sich selbst und folgen konstruktiv und engagiert den Zielen des Unternehmens als Ganzes. Das Fraktale Unternehmen ist ein offenes System, das aus selbständig agierenden und in ihrer Zielausrichtung selbstähnlichen Einheiten – den Fraktalen – besteht und durch dynamische Organisationsstrukturen einen vitalen Organismus bildet.
Abb. F27: Optimierung eines Prozesses mit PE2®
Kosten/ Jahr
Reale Aufwände Verbesserungen ohne Prozessänderungen
Reduktion
Ideale Aufwände
Reduktion Optimale Aufwände
Erreichbar mit Prozessänderungen Prozessverlauf Administrative Tätigkeiten Kunde
Kunde
337
F
Begriff
[1] Thieme, Paul; Entwicklung einer neuen Methode zur Prozessleistungsmessung; Fraunhofer Verlag 2013, S. 3-14 [2] Engelbert Westkämper (Hrsg.); Wilfried Sihn (Hrsg.); Lean Office Studie 2010. Stuttgart: Fraunhofer Verlag, 2011; S. 21-26 [3] Schloske, Alexander; Henke, Jürgen: Failure Process Matrix (FPM) – a new approach for the optimization of assembly lines. In: 1st CIRP-International Seminar on Assembly Systems, Stuttgart, November 2006, S. 257-260 [4] Schloske et al. 2006: Schloske, A., Henke, J. & Schulz, T.: Was kosten Fehler am Band? In: Qualität und Zuverlässigkeit 51 (4), S. 41-44 [5] Thieme, Paul: Was Nacharbeit kostet – Verschwendung in der Administration. In: QZ Qualität und Zuverlässigkeit; Hanser Verlag, München; 10/2009, S. 64-65 [6] Schloske, Alexander; Thieme, Paul; Lean process analysis in administration and production. In: 43rd CIRP International Conference on Manufacturing Systems, Vienna, 26.-28.05.2010. Wien: Neuer Wissenschaftlicher Verlag, 2010, S. 470-47
Fraktales Unternehmen
Fraktales Unternehmen Kurz definiert illustriert die folgende Explikation das Fraktale Unternehmen [2]: Begriff
„Ein Fraktal ist eine selbständig agierende Unternehmenseinheit, deren Ziel und Leistung eindeutig beschreibbar sind.
Fraktales Unternehmen ◼ ◼ ◼ ◼
sind geeignet für turbulente Umwelt sind in den Zielbestimmungsprozess integriert organisieren und verwalten sich selbst navigieren.“
◼ Fraktale sind selbstähnlich, jedes leistet Dienste. ◼ Fraktale betreiben ►Selbstorganisation: ◻ Operativ: Die Abläufe weren mittels angepasster Methoden optimal organisiert. ◻ Taktisch und strategisch: In einem dynamischen Prozess erkennen und formulieren die Fraktale ihre Ziele sowie die internen und externen Be ziehungen. Fraktale bilden sich um, entstehen neu und lösen sich auf. ◼ Das Zielsystem, das sich aus den Zielen der Fraktale ergibt, ist widerspruchsfrei und muss der Erreichung der Unternehmensziele dienen. ◼ Fraktale sind über ein leistungsfähiges Informationsund Kommunikationssystem vernetzt. Sie bestimmen selbst Art und Umfang des Zugriffs auf die Daten. ◼ Die Leistung des Fraktals wird ständig gemessen und bewertet.“
Die aus Fraktalen organisierten Netzwerke des Fraktalen Unternehmens erschöpfen sich nicht in der Erweiterung bestehender Modelle, sondern erfordern einen Wandel des Selbst verständnisses aller Beteiligten. Das Potential des Fraktalen Unternehmens liegt in inneren Werten, in der durch sie neu entstehenden ►Unternehmenskultur. Die Organisation ist ein lebender Organismus, der Akteur ist der in seiner wertschöpfenden Funktion wirkende Mitarbeiter, der sowohl operativ verantwortlich handelt, wie auch aktiv an der Gestaltung und Weiterentwicklung seiner Umwelt mitwirkt. Durch konsequente Dezentralisierung werden den Mitarbeitern Gestaltungsräume gewährt. „Hierzu müssen Management- und Controllingaufgaben verstärkt auf die Mitarbeiter übertragen und mit Wertschöpfungsaufgaben auf der Ausführungsebene integriert werden. Dieses Konzept der Verlagerung von Controllingtätigkeiten in den Wertschöpfungsprozess steht im Einklang mit dem derzeit viel diskutierten Begriff des ►Selbstcontrolling. Jeder Mitarbeiter wird dabei Teil funktionen eines Controllers ausüben.“ [5]
Durch Selbstähnlichkeit, Selbstorganisations- und Zielsetzungfähigkeit sowie die Vernetzung in das Informations- und Kommunikationssystem ist das Fraktal nicht nur als zentrales Gestaltungselement einer Organisation einzustufen, sondern als Unternehmen im Unternehmen. Genau das heißt Selbstähnlichkeit: Indem sich im Fraktal widerspruchsfrei die zentralen Merkmale der Organisation wiederfinden [3]:
Zwar weist das Fraktale Unternehmen zu anderen Ansätzen, wie ►Lean Management und ►Business Process Reengineering Ähnlichkeiten auf, steht jedoch wegen seines Ganz heitscharakters als integrierender Ansatz auf einer theoretisch fundierteren Basis. So zeichnet sich das Fraktale Unternehmen besonders durch seine organisatorische Flexibilität aus, die andere Ansätze vermissen lassen.
„Die Fraktale sind neue Gestaltungs for men im Unternehmen, die sich von bisherigen Organisationseinheiten erheblich unterscheiden. Sie können nicht in be stehende Unternehmensstrukturen ein gebettet werden. Für deren sinnvollen und effizienten Einsatz ist eine neue Unternehmenskultur erforderlich. Die Unternehmensziele werden in einem Abstimmungsprozess zwischen globalen Zielen des Unternehmens und den Zielen der Fraktale festgelegt. Die Ausrichtung aller Unternehmenseinheiten auf dieses Zielsystem reduziert Reibungsverluste.… Die Identifikation der Prozesse geht vor allem vom Be zie hungsgeflecht zwischen den Frak talen aus. Beziehungen bedeuten in diesem Fall den Fluss von Material, Informationen sowie personelle Kontakte.“
Da sich die Fraktale als selbstständig agierende Einheiten von Unternehmen eigenständig organisieren und ihre internen Abläufe selbst weiterentwickeln, werden im fraktalen Unternehmen auch Prozesse des ►Qualitätsmanagements in diese Selbstorganisation eingebunden. Die Mitarbeiter der Unternehmenseinheiten agieren weitgehend eigenständig, richten ihre Ziele, somit auch im Rahmen des Qualitätsmanagements, aber stets an übergeordneten Unternehmenszielen aus. So werden beispielsweise durch das Fraktal kontinuierliche Verbesserungsprozesse (►KVP) in unmittelbarer Verbindung mit der Kreativität der Mitarbeiter und unter einem permanenten Aufdecken von Optimierungspotential durch leistungsfähige Informations- und Kommunikationssysteme gesteuert. Die Unternehmenseinheiten bestimmen dabei vorrangig selbst, welche Informationen anderen Bereichen übernommen oder überlassen werden. Mit der Weiterentwicklung des Fraktalen Unternehmens waren damit auch gleichzeitig Entwicklungen zu einem komplexen Produktionsnetzwerk verbunden, wobei es darum ging, Unternehmenskooperationen auf einer kontinuierlich sich weiterentwickelnden lnformations- und Kommunikationstechnologie erfolgreich zu gestalten [6].
F
Da das Konzept des Fraktalen Unternehmens übertragbar ist auf alle Organisationen bietet es einen vielversprechenden Lösungsansatz zu einem neuen Systemverständnis des Managements. Fraktale zeichnen sich durch die folgenden Vorteile gegenüber der traditionellen Organisation aus [4]: ◼ „leisten (im weitesten Sinne) Dienste ◼ unterliegen einem ständigen Wandlungsprozess (dynamische Strukturierung)
338
Industrie 4.0
Frequenz-Relevanz-Analyse von Beschwerd (FRAB) Neueste Entwicklungen im Rahmen von ►Industrie 4.0 haben den Gedanken der Fraktalen Fabrik erneut aufgegriffen, intensiv vorangetrieben und in deren IT-Ausprägung in die ►Smarte Fabrik überführt. Mit diesen Entwicklungen ergeben sich auch vollkommen neue Herausforderungen an das Qualitätsmanagement. Prof. em. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Hans-Jürgen Warnecke, Stuttgart Literatur
Frequenz-Relevanz-Analyse von Beschwerden (FRAB)
▶Kundenzufriedenheit ▶Beschwerdeauswertung Frequenz-Relevanz-Analyse von Beschwerden ist eine ►Qua litätstechnik im Bereich des Beschwerdemanagements, mit der Prio ritäten festgelegt werden können, um Kun denprobleme entsprechend ihrer Dring lichkeit offenlegen und beseitigen zu können. Die FRAB ist damit eine Beschwerdeauswertungstechnik, die abgeleitet wurde von der ►Frequenz-Relevanz-Analyse von Problemen (FRAP). Sie kann angewandt werden, wenn quantitative Daten vorliegen, die entweder gestützt oder ungestützt erhoben wurden. Demzufolge lassen sich gestützte und ungestütze FRAB’s un-
terscheiden. Grundlage sind Häufigkeitsverteilungen, die die Grundlage abgeben zur Ermittlung von Problemwertindizes (PWI), mit Hilfe derer die Dringlichkeit berechnet wird. Mit dem sog. FRAB-Diagramm lassen sich Probleme mit gleicher oder ähnlicher Relevanz ermitteln (Iso-RelevanzwertLinien). Die Relevanzwerte bilden dann die Grundlage für die Entscheidung, welche Probleme zuerst eleminiert werden sollen. Stauss und Seidel resümieren [1]: Die FRAB „stellt allen Unternehmensbereichen Basisinformationen für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zur Verfügung und agiert gleichzeitig als Instanz, die die Wirksamkeit dieses Prozesses fortlaufend überwacht.“
F
Literatur
[1] Stauss, B.; Seidel, W.: Beschwerdemanagement. Fehler vermeiden – Leistung verbessern – Kunden binden. München-Wien: Han ser 1996, S. 200
FRAP-Frequenz Relevanz Analyse von Problemen ▶D7-Q-Techniken für Dienstleister
Fraud
▶Corporate Governance ▶Compliance Der Begriff kann zurückgeführt werden auf die griechische Mythologie, die Apate bzw. Fraus als Göttin der Falschheit bezeichnet. Im Englischen bedeutet Fraud der Betrug. Gemeint sind betrügerische (= dolose; lat. dolosus=arglistig/ trügerisch) Handlungen. Vor allem über den Bereich der Wirtschaftsprüfung ist der Begriff in die Fachsprachen eingegangen. Er taucht auf, wenn von Unterschlagung, Manipulation von Bilanzen, Untreue, etc. die Rede ist. Insofern ist er auch für das Qualitätsmanagement relevant, das im normativen Verständnis des Begriffs Zielsetzungen einer guten Praxis verfolgt. Im allgemeinen Managementbereich taucht der Begriff Fraud in unterschiedlichen Begriffskombinationen auf, so z. B.: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Fraud Auditing Fraud Management Fraud Prevention Fraud Detection Anti Fraud Management System
Es geht darum, betrügerische Handlungen im Unternehmen in den Griff zu bekommen. Dabei wird in besonderem Maße die IT mit spezieller Software bemüht. So hat sich SAP diesem Geschäftsfeld zugewandt. Es obliegt natürlich der Geschäftsführung eines Unternehmens, aktiv zu werden, um bei der Vorbeugung und Aufdeckung strafrechtlich relevanter bzw. das Unternehmen schädigender, sog. doloser Handlungen zu schützen, d. h. eine präventive Haltung einzunehmen. In diesem Zusammenhang hat sich das spezielle Berufsbild des Fraud Analyst herausgebildet. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
339
Begriff
[1] Die Chaosforschung hat gezeigt, daß ein verstärktes Kausalitätsprinzip nicht möglich ist. Das ist allerdings kein Grund für wissenschaftliche Resignation, denn dieses Chaos stellt immer wieder neue Ordnungen her, wie folgendes Beispiel zeigt: Aus entsprechender Entfernung mag ein Wollknäuel als nulldimensionaler Punkt angesprochen werden; bei kontinuierlicher Annäherung wird aus diesem Punkt eine dreidimensionale Kugel, dann ein kugelförmiges Fraktal gebrochender Dimension, dann ein Wirrwarr eindimensionaler Fäden, die sich im weiteren Verlauf als dreidimensionale Schläuche und sich dann wieder als Fraktale entpuppen. Dieses Beispiel zeigt, welche wichtige Rolle der Skalenabhängigkeit bei der Wahl von Modellen zukommt und welche unmittelbar vielfältige Heuristik die Erfindung der Fraktale mit sich bringt. Wir sollten diese für die Naturwissenschaften zwingende Erkenntnis versuchen, auch auf die Gestaltung menschlicher Organisationen anzuwenden. Genau das versucht der Ansatz des fraktalen Unternehmens. [2] Warnecke, Hans-Jürgen: Die Fraktale Fabrik. Revolution der Unternehmenskultur. Reinbek: rororo science 1996, S. 141f [3] Betzl, Konrad: Entwicklungsansätze in der Arbeitsorganisation und aktuelle Unternehmenskonzepte – Visionen und Leitbilder. In: Bullinger, Hans-Jörg; Warnecke, Hans Jürgen (Hrsg.): Neue Orga nisationsformen im Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management. Berlin u.a.: Springer 1996, S. 50 [4] s. [2], S. 157 [5] Kirchhoff, M.: Betriebliche Navi ga tionssysteme. In: Bullinger, Hans-Jörg; War necke, Hans Jürgen (Hrsg.): Neue Or ganisationsformen im Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management. Berlin u.a.: Springer 1996, S. 953f [6] Warnecke, H.-J.: Vom Fraktal zum Produktionsnetzwerk: Unternehmenskooperationen erfolgreich gestalten. Berlin-Heidelberg: Springer 1999 [7] Warnecke, H.-J. (Hrsg.): Aufbruch zum Fraktalen Unternehmen. Praxisbeispiele für neues Denken und Handeln. Berlin: Springer 1995 (ohne Zitat)
Fraud
FTA-Fault Tree Analysis Literatur
ISO-Term
[1] Institut der Wirtschaftsprüfer (Hrsg.): Prüfungsstandard 210 (IDW PS 210). Zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Abschlussprüfung. In: Die Wirtschaftsprüfung, Heft-Nr. 22/2006, S. 1422 ff. [2] Scherp, D.: Fraud Managment. Abwehr von Kriminalität in der Organisation von Kreditinstituten und Finanzdienstleistern. 2. Auflage. Köln (Bank-Verlag) 2015
Freigabe
▶en: release Erlaubnis, zur nächsten Stufe eines ►Prozesses oder zum nächsten Prozess überzugehen
Anmerkung 1 zum Begriff: Im Englischen wird im Zusammenhang mit Software und ►Dokumenten die Benennung „release“ häufig auf eine Version der Software oder des Dokuments selbst bezogen. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
F
Frustrationstoleranz
▶Training Auf den Bereich des Verhaltenstrainings bezogen läßt sich der Begriff wie folgt fassen: Durch bestimmte Trainings erreichbare Fähigkeit einer Person, frustrierenden Situationen zu widerstehen, schwere Enttäuschungen ‘wegzustecken’, Rückschläge angemessen zu bewältigen, auf eine wiederkehrende oder schockartige Frustration in einsichtiger Form zu reagieren. So können die Bemühungen des Mitarbeiters nach absolvierten Trainings dahin gehen, die äußeren oder inneren Umstände, die der Verwirklichung angestrebter Ziele im Wege stehen, konstruktiv abzubauen.
FTA-Fault Tree Analysis
▶ Fehlerbaumanalyse (FBA)
Begriff
1 Überblick Die Fehlerbaumanalyse, die sog. FTA, ist die wohl am weitesten verbreitete Methode zur sicherheitstechnischen Beurteilung komplexer Systeme. Sie ist in der Reaktorsicher heitsforschung genau wie in Luft- und Raumfahrttechnik oder auch Automobilindustrie Stand der Technik und in DIN 25 424 genormt. Auch hier handelt es sich wie bei ►FMEA, ►HACCP, ►hazard analysis oder ►Störfallablauf analyse im weitesten Sinne um eine Art der Risikoanalyse (►Risk Management). FTA ist eine deduktive Methode, d. h. man geht von einem zentralen Schadensereignis aus und versucht es gewissermaßen „rückwärts“ bis herunter auf die Ebene einzelner Bauteile in immer tiefer gehende Ursachen zu zerlegen. Im Gegenteil hierzu ist die ►FMEA eine induktive Analyse, wo man versucht – ausgehend von potentiellen Fehlern über deren Auftrittswahrscheinlichkeiten und Bedeutung der Folgen – das „nach oben“ resultierende Risiko zu beurteilen. Induktive Vorgehensweisen sind erfahrungsgemäß zur Risikoanalyse komplexer Systeme wegen allzuschneller Unübersichtlichkeit und mangelnder Strukturierung und Logik weniger geeignet.
340
FTA-Fault Tree Analysis FTA wurde 1961 von H. A. Watson in den Bell Telephone Laboratories für die Zuverlässigkeitsbeurteilung elektronischer Steuerungen entwickelt. Grundlage der Vorgehensweise sind die Zuverlässigkeitstheorie und Schaltalgebra. Ziel war es, das Fehlerverhalten komplexer Systeme mit logischen Symbolen der Booleschen Algebra darzustellen und zu quantifizieren. FTA in der DIN 25 424-gemäßen Form hat zum Ziel ◼ alle möglichen Ausfallkombinationen und Ursachen inklusive deren systematischer Verknüpfung zu finden, die zu einem unerwünschten Primärereignis führen und ◼ auf Basis dieser systematischen Zusammenhänge Zuver lässigkeitskenngrößen sicher abzuschätzen. Darüber hinaus ist die FTA unschlagbar in ihrem Potential, kausale Ursache-Wirkungsbeziehungen im Bezug auf ►Risiko und ►Fehler systematisch und umfassend zusammenzutragen. Hierdurch trägt die FTA zu einem grundlegenden Systemverständnis bei. Man unterscheidet zwei Ausführungsformen der FTA, die sich klar in ihrer Zielsetzung unterscheiden: quantitative FTA dient letztendlich zur Abschätzung von Zuverlässigkeitskenngrößen. Und qualitative FTA dient mit ihrer inhärenten Systematik primär dem Systemverständnis, kann aber äußerst gewinnbringend mit dem FMEA-Prozess verknüpft werden! 2 Quantitative FTA 2.1 Vorgehensweise Ausgehend von einem sogenannten „top event“, dem Systemausfall oder dem zentralen Schadensereignis wird ein Modell der funktionalen Systemstruktur mit allen wesentlichen Abhängigkeiten entwickelt. Ziel ist es nach Klärung dieser Zusammenhänge, den top event qualitativ und quantitativ zu beschreiben. 2.1.1 Darstellung der Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge (Systemanalyse) Am Anfang jeder FTA steht die Definition des top events, des unerwünschten Ereignisses. Bei der präventiven FTA wird die Nichterfüllung zentraler geforderter Funktionen, Sicherheitsoder Komfort-relevanter Produktanforderungen als unerwünschtes Ereignis definiert. In der korrektiven FTA wird der konkret aufgetretene Systemausfall als top event definiert. Unter Benutzung der in Abbildung F28 dargestellten Symbole wird ausgehend vom top event eine Ursachenkaskade erstellt, wobei im wesentlichen die booleschen Verknüpfungen UND und ODER beim Zusammenspiel von Ursachen gelten: Müssen beide (oder mehr) Ursachen gleichzeitig für die Folge der nächsthöheren Ebene auftreten, dann sind sie UNDverknüpft. Reicht hingegen eine Ursache aus, um den Fehler auf der nächsthöheren Ebene auszulösen, dann liegt eine ODER-Verknüpfung vor. In der Regel betreibt man diese Systemanalyse bis hinunter auf die Ebene der Bauteile, also der Systemkomponenten, für die Zuverlässigkeitskennzahlen existieren. Hierbei entsteht ein über mehrere Ebenen UND- und ODER-verknüpfter Fehlerbaum, wie in Abbildung F29 ausschnittsweise dargestellt.
FTA-Fault Tree Analysis
FTA-Fault Tree Analysis
Abb. F28: Die wichtigsten FTA-Symbole
Abb. F29: Beispiel-Fehlerbaum aus dem chemischen Umfeld (Bestrahlungsapparatur)
Ereignis-Feld
Ereignis
Brand in BestrahlungsApparatur
unerwünschtes Ereignis top event Fehler
≥1
ODER - Gatter ≥1
Zu starke Erwärmung des Ethers
Entzündung der Etherdämpfe
≥1
etc.
eine Fehlfunktion reicht zum Ausfall aus
F
&
UND - Gatter &
Beide Fehlfunktionen müssen eintreten, um einen Ausfall auszulösen
Die Erstellung eines Fehlerbaumes setzt genaue Kenntnisse über die funktionalen Zusammenhänge des regelgerecht und normal funktionierenden Systems voraus. In Umkehrung forciert die Erstellung eines Fehlerbaumes die genaue Analyse aller Systemfunktionen und trägt insbesondere bei komplexen System entscheidend zum Systemverständnis bei! Folgende Aussagen sind bereits in diesem systemanalytischen Status der FTA möglich: ◼ kritische Pfade, also FTA-Äste, wo systemseitig wenig oder nichts an Vermeidungs- oder Prüfmechanismen zur Verfügung steht, geben sich zu erkennen, ◼ minimale Schnittmengen, d.h. die minimale Kombination von Komponentenausfällen, die zum Systemversagen führen, werden offensichtlich. 2.1.2 Quantitative Aussagen Ermittlung der Zuverlässigkeitskenngrößen der Basisfunktionselemente: Für quantitative Aussagen der FTA müssen die Zuverlässigkeitskenngrößen der Basisereignisse, also der einzelnen Bauteile, bekannt sein oder – im Notfall – worst case abgeschätzt werden. In der Regel interessiert entweder ◼ die Ausfallwahrscheinlichkeit über eine bestimmte Zeitspanne oder ◼ die Nichtverfügbarkeitswahrscheinlichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt. Berechnung / Abschätzung der System-Zuverlässigkeitskenngrößen: Die FTA ist ein vollständiges Verfahren, es werden bei konsequenter Systemanalyse alle Ereigniskombinationen gefunden, die zum unerwünschten Ereignis, dem top event, führen. Grenzen setzen hier Kenntnisstand, Sorgfalt und Konsequenz des Anwenders. Letztendlich entsteht eine
Exotherme Reaktion
Heizplatte überhitzt
Kühlfinger nicht ausreichend kalt
etc.
≥1
≥1
Regelung ausgefallen
Keine Zufuhr von Kühlwasser
Kühlwasser nicht kalt
etc.
≥1
etc.
Schlauch blockiert, nicht durchgängig
Pumpe Krystat transportiert kein Kühlwasser
Kein Kühlwasser vorhaden
kausale und logisch verknüpfte Wirkungskette, die natürlich quantitativ auswertbar ist. Details der quantitativen Auswertung sind der DIN 25 424 Teil 2 (Handrechenverfahren) zu entnehmen, folgende weiterführende Aussagen sind im Rahmen einer derartigen Bewertung möglich: ◼ die Eintrittswahrscheinlichkeit des unerwünschten Ereignisses läßt sich durch präzise Kalkulation des Zusam menspiels aller Komponenten-Aus fallraten berechnen oder abschätzen, ◼ Sensitivitätsanalysen zeigen uns im Sinne einer → Pareto-Analyse, welche Basisereignisse hauptsächlich für die Systemausfallrate verantwortlich sind, d.h. wo am ehesten nachgebessert werden sollte, ◼ eine Erfolgskontrolle von Verbesserungsmaßnahmen geschieht durch Neuberechnung des Fehlerbaumes nach Modifikation der Basiselement-Kenngrößen.
341
FTA-Fault Tree Analysis
FTA-Fault Tree Analysis
3 Qualitative FTA (FTAqual) Die qualitative Ausführungsform der FTA (FTAqual) nutzt ausschließlich die Systemanalyse, also die Darstellung der Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge. Ziel hier ist es, zunächst ein umfassendes Systemverständnis zu erzeugen. FTA wird also als reines Ursachenfindungs-Instrument eingesetzt.
F
Kritische Pfade („Wo fehlen derzeit Prüf- und Kontrollmechanismen?“) und minimale Schnittmengen („Welches Minimal-Fehlerereigniss kann bereits einen Ausfall auslösen?“) lassen sich schon in diesem Stadium erkennen und zu Verbes serungen am System nutzen.
◼ ◼ ◼ ◼
mehr Kreativität im Entdecken potentieller Fehler deutlich höhere Vollständigkeit keine Animositäten im Team klares Verständnis der Hierarchie von Fehler, Folge und Ursache, ◼ keine vermischten Fehlerebenen in der FMEA ◼ chronologisch saubere Trennung der deskriptiv-analytischen Phase (durch FTAqual) und der bewertenden Phase (durch FMEA). Dr. Rolf Herb, Roche Dignostics, Tutzing Dr. Thilo Herb, Quality Engineers Aachen Literatur
DIN 25424, Teil 1 und Teil 2: Fehlerbaumanalyse, Teil 1: Methode
4 Verknüpfung mit FMEA und Bildzeichnungen, Teil 2: Handrechenverfahren zur Auswertung Die Durchführung einer ►FMEA birgt oft Probleme, die eines Fehlerbaumes. Beuth Verlag, Berlin 1981. bis zur methodischen Nichtakzeptanz führen können: die DIN 25419, Teil 1: Störfallablaufanalyse. Beuth Verlag, Berlin 1981. Herb, R., Herb, T., Kratzer, M.: Potentielle Fehler vollständig erfasDiskussion potentieller Fehler provoziert möglicherweise sen. QZ 43 (2), 183-187 (1998). Animositäten im Team und Fehler auf völlig verschiedenen Ebenen stehen nebeneinander, was die Bewertung faktisch unmöglich macht. Abb. F30: FTAqual zur Erfassung von Fehlermöglichkeiten bei der Verwendung eines Einsatz- bzw. Roh-Stoffes bei der Herstellung biochemischer Reagenzien Der qualitative Fehlerbaum (alle Verknüpfungen sind ODER) FTAqual läßt sich ideal mit der FMEA als eine Art kreative Vorarbeit verbinden: durch die klare Strukturierung in der Systemanalyse sind Ursache-Fehler-FolgenBeziehungen eindeutig klargestellt und die Diskussion ausgehend von einem top event fördert eine animositätenfreie Diskussion im Team.
Tensid nicht für Reagenzherstellung einsetzbar
falsche Handhabung
Temperatur Aufschmelzprozess zu hoch
vor Aliquot Entnahme nicht homogenisiert
Wie Abbildung F30 zeigt, kann nach Erstellung des Zersetzung Oxidation nicht bis zur Klarflüssigkeit qualitativen Fehlerbaumes gerührt eine Ereignisebene als die Ebene der Fehler markiert werden. Damit sind au to Vorgabedokument unzureichend einheitlich matisch alle darüberlie(Herstellungsanweisung) genden Ereignisebenen poMusterziehung tentielle Fehlerfolgen und alle darunterliegenden Ebenen widerspiegeln Ursachen dieser Fehler. Somit sind die drei Eingangsspalten der FMEA (potentieller Fehler, potentielle Fehlerursachen, potentielle Fehlerfolgen) definiert und prä zise zueinander in Beziehung gebracht. Nach – mit Software sogar automatisierbarem – „Umklappen“ dieser drei Spalten in das Standard-FMEA-Formular (Abbildung F31) kann sofort zur FMEA-Bewertung übergegangen werden. Vorteile dieser Verknüpfung von FTAqual und FMEA sind u.a.:
342
falsche Lagebedingungen
Mindestdauer nicht eingehal ten
Gradienten Bildung (Homologe)
keine Lager stabilität
falsche Lager temperatur
Gebindegröße nicht geeignet
keine Stickstoffüber schichtung nach Entnahme
Prüfintervalle zu lang
Konfektionierungs anweisung nicht angepasst
unvollständige Musterzieh anweisung
FTA-Fault Tree Analysis
Führung Führung
Datenschutz
A B E RPZneu Getroffene Abstellmaßnahmen Empfohlene Abstellmaßnahmen
falsche Handhabung , Tensid nicht einsetzbar Gebindegröße nicht geeignet
Prüfinter valle zu lang , keine Stickstoff-Überschichtung nach Entn. Konfektionierungs-Anweisung nicht angepasst
falsche Handhabung , Tensid nicht einsetzbar -“-“keine Lagerstabilität
vor Aliquotfalsche HandEntnahme nicht habung , Tensid homogenisiert nicht einsetzbar -“-
Oxidation Vorgabedokument unzureichend nicht bis zur Klarflüssigkeit gerührt Mindestdauer nicht eingehalten falsche Lagertemperatur
Temperatur Auf- falsche Handschmelzprozess bung , Tensid zu hoch nicht einsetzbar -“-“Einsatz Tensid für Reagenzherstellung
Zersetzung
Derzeitige A B E RPZ Kontrollmaßnahmen Potentielle Fehlerursache Potentielle Fehlerfolge Potentieller Fehler Funktion
Moderator, Bearbeiter NN. Verantwortlicher NN. Name der FMEA Einsatzstoff-FMEA Gegenstand der FMEA Tensid für Reagenzherstellung FMEA Team: NN., NN., NN., NN., NN.
▶Qualitätsmerkmale guter Führung ▶Führung und Qualitätsmanagement ▶BVW-Betriebliches Vorschlagswesen ▶EFQM-Modell ▶Gruppenarbeit | ▶Qualitätszirkel ▶Leadership | ▶Menschenbild ▶Mitunternehmertum ▶Kaizen | ▶KVP ▶QM-Führungselement ▶Wertewandel Im Qualitätsmanagement ist Führung erst einmal nicht grundsätzlich anders zu sehen, als sie bisher in Führungskonzepten und Führungslehren thematisiert wurde. Der Bezugspunkt ist natürlich ein Konzept von Qualität, das sich die Organisation geben muss und das eine explizite oder gewisse Ableitung von QM-Modellen erfährt. Allerding sind die Forderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter deutlich höher, aber auch klarer abgesteckt. Mit den o. g. Stichwörtern und dem Extrastichwort ►Führung und Qualitätsmanagement lässt sich der Zugang erarbeiten. Führung zählt zu den acht ►Grundsätzen des Qualitätsmanagements und wird dort bereits in ISO 9000:2000 begrifflich wie folgt gefasst: Führung [Leadership (engl.) / Leadership client ( frz.)]: Führungskräfte schaffen die Übereinstimmung von Zweck und Ausrichtung der Organisation. Sie sollten das interne Umfeld schaffen und erhalten, in dem sich Personen voll und ganz für die Erreichung der Ziele der Organisation einsetzen können. Definiert ist der Begriff in der in der aktuellen ISO 9000:2015-11 nicht. Er taucht dort als Unterbegriff bzw. Definitionselement im Begriff ►Management auf (Führen und Steuern einer Organisation). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
343
F
Begriff
Datum der letzten Änderung 28.03.1997 FMEA-Status in Arbeit
Zu erledigen durch bis
FMEA-Typ
Konstruktion
Abb. F31: Übertragung des FTAqual aus Abb. F30 in das FMEA-Formblatt
Führung und Qualitätsmanagement
Führung und Qualitätsmanagement
Führung und Qualitätsmanagement
In vielen Fällen ist es schwierig zu beurteilen, ab wann ein Produkt oder eine Dienstleistung höchste Qualität erfüllt. Im Grunde gilt, wenn nicht alle Einzelforderungen einer Einheit eine zufriedenstellende Qualität aufweisen, kann nicht von einer guten Qualität der gesamten Einheit gesprochen werden [19]. Dennoch werden häufig Toleranzgrenzen definiert, innerhalb derer gerade noch von einer guten Qualität gesprochen werden kann. Meist entscheiden die Verantwortungsträger eines Unternehmens, wie die Qualitätsstandards (anwendungsbezogene Forderungen an eine Einheit) innerhalb jener Toleranzgrenzen definiert werden sollen. Wenn diese anwendungsbezogenen Qualitätsforderungen nicht erfüllt werden, dann ist die Qualität von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen beeinträchtigt, d. h. es entstehen ►Fehler [27]. Generell gilt, wenn Fehler vorhanden sind, kann dies katastrophale Auswirkungen haben. Viele Fehler und die daraus resultierenden Katastrophen sind eine Folge von schlechtem Qualitätsmanagement und der Unfähigkeit, daraus zu lernen. In Krankenhäusern zum Beispiel treten oft Fehler bei Operationen oder der Medikation auf. Allerdings unterbleibt in vielen Fällen eine kritische Analyse und Dokumentation dieser Fehler. Katastrophen und andere Formen des Unglücks, wie z. B. Flugzeugabstürze oder die Ereignisse in Tschernobyl sind Konsequenzen einer schlechten ►Fehlerkultur. Das bedeutet, dass zu wenig darauf geachtet wird, an welchen Stellen Fehler auftauchen (►Fehlermanagement).
▶ leadership and quality management ▶ Unternehmenskultur | ▶ Fehlerkultur | ▶ Fehlerlernen ▶ Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement ▶ Business Exzellenz ▶ Qualität des Managements ▶ Qualitätsmerkmale guter Führung
F
1 Einleitung Qualitätsaspekte und Qualitätsstandards sind in allen Bereichen des Lebens anzutreffen. So müssen beispielsweise nicht nur Nahrungsmittel bestimmte Qualitätsstandards erfüllen, um auf den Markt zu gelangen, sondern auch Messgeräte, Automotoren oder wissenschaftliche Forschung werden hinsichtlich vorher festgelegter Qualitätsmerkmale bewertet und anhand derer für qualitativ gut oder schlecht befunden. Qualität ist demnach mit Einheiten (Produkten, Dienstleistungen, Prozesse zur Herstellung der Produkte und Personen) sowie deren Beschaffenheit (Merkmale und Merkmalswerte) verbunden An diese Einheiten werden bestimmte Forderungen gestellt, die sich beispielsweise auf zeitbezogene Merkmale (z. B. Zeitpunkte oder Zeitspannen bei Dienstleistungen und Tätigkeiten), währungsbezogene Merkmale (z. B. Geldgrößen bei Tätigkeiten im Kreditwesen) oder vorgegebene Mittelwerte (z. B. Sollwerte mit einem Toleranzbereich) beziehen. Nicht immer können alle Forderungen gleichermaßen erfüllt werden, wenn z. B. nicht genügend finanzielle Mittel oder zeitliche Ressourcen vorhanden sind. Daher muss vorab festgelegt werden, in welchem Maße die Forderungen erfüllt werden können (►Anspruchsklasse). Qualität kann demnach als Maßstab verstanden werden, inwieweit die Forderungen an die Beschaffenheit einer Einheit erfüllt werden [19]. Allgemein umfasst der Begriff Qualitätsmanagement aufeinander abgestimmte Tätigkeiten, die benötigt werden, um eine Organisation qualitätsbezogen zu leiten und zu lenken [19]. Während das allgemeine Verständnis von Qualitätsmanagement die Produkte, Dienstleistungen und Prozesse sowie das Erfüllen qualitätsbezogener Forderungen, in den Fokus rückt, berücksichtigt das so genannte ►Total Quality Management, auf das wir uns im Folgenden durchgängig beziehen, auch die Mitarbeiter- und Kundenperspektive. Nach Zollondz [27] bezieht das TQM neben qualitätsbezogenen Forderungen, auch Forderungen nach einer Integration aller MitarbeiterInnen, die im Unternehmen dauerhaft lernen und sich verbessern möchten, sowie die Ausrichtung des Unternehmens an den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden mit ein (►Kundenforderungen). Es handelt sich hierbei um einen umfassenden Managementansatz, bei dem das Management mit gutem Beispiel voran geht und das Denken und Handeln aller MitarbeiterInnen in den Zusammenhang von Qualität setzt. Bereits hier wird deutlich, dass Mitarbeiter- und Unternehmensführung eine entscheidende Rolle bei der Etablierung eines erfolgreichen Qualitätsmanagements spielen.
344
Die folgenden Ursachen für Fehler lassen sich nennen: ◼ Sorglosigkeit und Erfolgsarroganz: Durch externe Qualitätsaudits kann überprüft werden, inwieweit Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse die Qualitätsforderungen erfüllen (►Qualitätssicherung; [18]). Unternehmen, die nach einer Qualitätssicherung eine Auszeichnung für ihre hohen Qualitätsstandards bekommen, können diese hohen Standards jedoch häufig nicht auf Dauer halten. Sorglosigkeit [13] und Erfolgsarroganz können bewirken, dass sich Unternehmen auf ihren Lorbeeren und dem Wissen bereits gute Qualität anzubieten, ausruhen und dadurch neue Entwicklungen und Fehler übersehen. Diese Phänomene, die zur Entstehung von Fehlern beitragen, können wiederum auf alle Bereiche des Lebens übertragen werden. Beispielsweise kann eine erfolgreiche Fußballmannschaft aufgrund ihres Erfolges glauben, es müsse weniger trainiert werden und es könne auf gute neue Spieler verzichtet werden. Oder die Hersteller einer großen Automobilmarke sind der Meinung „Unser neues Auto ist das Beste seiner Klasse! Wir wissen, was die Kunden wollen und brauchen.“ und infolgedessen werden neue Trends verschlafen. Um den Phänomenen der Sorglosigkeit und Erfolgsarroganz vorzubeugen, ist es wichtig, Qualität als einen kontinuierlichen Prozess der Verbesserung und Optimierung anzusehen, unabhängig vom Erfolg des Unternehmens. Getreu dem Kaizen-Prinzip (z. B. [2]), dass nichts so gut ist, dass es nicht noch verbessert werden könnte.
Führung und Qualitätsmanagement
2 Was hat Qualitätsmanagement mit Führung zu tun? Auch wenn die einzelnen MitarbeiterInnen einen entscheidenden Anteil daran haben, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung von hoher Qualität ist, liegt die Verantwortung für die Umsetzung von Qualitätsstandards und von Gegenmaßnahmen bei Fehlern bei den Führungskräften. Führung ist verantwortlich
Führung dient der Orientierung der MitarbeiterInnen, d. h. die MitarbeiterInnen werden angeleitet Probleme zu lösen, Ziele zu vereinbaren und diese zu erreichen. In der Führung sollten sowohl genuin moralische Werte (z. B. Achtung der Menschenwürde, Mündigkeit, Gerechtigkeit und Toleranz)
Die folgende Kurzdefinition charakterisiert unser Verständnis von Führung [11, S. 54f]: „Führung bedeutet, andere Menschen beim Definieren und Erreichen von Zielen anzuleiten. Dabei beschreiben Führungsstile die Art und Weise wie Führung gelebt wird.“ Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wollen wir auf viele Facetten von Führung und Personalentwicklung eingehen und die Relation zum Qualitätsmanagement aufzeigen. Unsere Thesen zu Führung und Qualitätsmanagement sind im Folgenden zusammenfassend dargestellt:
F
◼ Soziale und kommerzielle Organisationen können auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn die Kunden mit den Produkten und Dienstleistungen langfristig zufrieden sind. ◼ Die Zufriedenheit der Kunden mit den Produkten und Dienstleistungen nimmt ab, wenn die Qualität der Produkte und Dienstleistungen niedrig ist, d. h. wenn z. B. Fehler vorhanden, die Produkte wenig innovativ sind oder keine rechtzeitige Lieferung erfolgt. ◼ Um höchste Qualität bei Produkten und Dienstleistungen zu gewährleisten, bedarf es einer permanenten Qualitätssicherung und einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Streng genommen hängt eine hohe und zufriedenstellende Qualität von allen MitarbeiterInnen, die an der Herstellung eines Produkts oder einer Dienstleitung beteiligt sind, ab ◼ Ein zentraler Aspekt eines funktionierenden Qualitätsmanagements ist Führung. Die Unternehmens- und Mitarbeiterführung sollte unter anderem die MitarbeiterInnen befähigen und motivieren, Produkte und Dienstleistungen in allen Phasen mit höchster Qualität und Kundenorientierung abzuliefern. Die Qualität von Führung entscheidet demnach über die Qualität von Produkten und Dienstleistungen und damit auch über die Qualität im Qualitätsmanagement. Im Qualitätsmanagement stehen sowohl die Unternehmensführung als auch die Mitarbeiterführung im Vordergrund [12]. Ziel der Unternehmensführung ist es, das Unternehmen zu gestalten, auf die Bedürfnisse des Marktes und der Kunden zu reagieren sowie unternehmerische Entscheidungen hinsichtlich Aufbau und Ablauf des Qualitätsmanagements zu treffen. In der Mitarbeiterführung müssen Führungskräfte zum einen mit den MitarbeiterInnen Ziele definieren und auftauchende Probleme klären sowie Unterstützung anbieten und deren Zufriedenheit sicherstellen. Zum anderen sollten Führungskräfte eine hohe Qualität der Produkte und Dienstleistungen gewährleisten, indem die MitarbeiterInnen angehalten werden gute Leistung zu erbringen.
345
Begriff
◼ Qualitätsstandards zu setzen und ◼ diese den MitarbeiterInnen zu transportieren – Was sind die Ziele für das Qualitätsmanagement und welche Standards müssen erfüllt sein, damit ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Prozess eine hohe Qualität aufweist? ◼ die Maßnahmen, mit denen Qualitätsstandards umgesetzt werden können, festzulegen ◼ bei fehlender Beachtung von Qualitätsstandards, dies anzusprechen und Gegenmaßnahmen einzusetzen.
als auch nicht-genuin moralische Werte (z. B. das Streben nach Leistung, Gewinn, Innovation und Kundenorientierung) berücksichtigt und in Entscheidungen einbezogen werden [11].
Begriff
◼ Groupthink-Phänomene: Häufig entscheidet eine Gruppe, was im Unternehmen unter guter Qualität verstanden wird. Dabei besteht die Gefahr, dass sich ein Gruppendenken („Groupthink-Phänomen“) entwickelt, das kritische Meinungen unterdrückt oder überstimmt. Für ein gutes Qualitätsmanagement ist es wichtig, solche Groupthink-Phänomene [20] frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegen zu wirken. ◼ Geheime Spielregeln: Darüber hinaus gibt es in Unternehmen häufig geheime Spielregeln, die zu Fehlern in der Qualität führen, wie z. B. „Es darf keine Kritik an Entscheidungen der Führungskraft geübt werden.“ oder „Es darf niemand wissen, dass ich einen Fehler gemacht habe.“. ◼ Angst vor Fehlern: Gerade das Bekennen zu Fehlern wird in vielen Unternehmen vermieden, aus Angst, dass der Fehler einem anhaftet und auch Jahre später noch mit der eigenen Person in Verbindung gebracht wird. Bei General Motors wurde z. B. nachgewiesen, dass viele Führungskräfte von Fehlern wussten, sie aber nicht ansprachen. ◼ Verantwortungsdiffusion: In vielen Fällen erleben wir zudem eine Verantwortungsdiffusion, d. h. einzelne MitarbeiterInnen oder einzelne Führungskräfte fühlen sich nicht zuständig, Fehler zu identifizieren oder zu beheben, da dies zusätzliche Arbeit impliziert und unter Umständen mit Schuldzuweisungen verbunden ist. Das Verschleiern von Fehlern, das zunächst mit weniger Konsequenzen einhergeht, wird häufig als die bessere Alternative angesehen. ◼ Mangelhafte Führung: Eine mangelhafte Führung ist der Ausgangspunkt für eine mangelhafte Qualität. Daraus kann abgeleitet werden, dass hinter Fehlern in der Qualität letztlich immer auch Führungsprobleme stecken.
Führung und Qualitätsmanagement
Führung und Qualitätsmanagement Im Folgenden werden wir insbesondere auf den Bereich der Mitarbeiterführung eingehen.
3 Führung und Personalauswahl An erster Stelle in einem Personalauswahlprozess steht die Frage, über welche Kommunikationskanäle eine vakante Stelle ausgeschrieben werden sollte, um einen möglichst großen Pool an sehr guten und geeigneten KandidatInnen zu erhalten [5]. Es sollte nicht dem Zufall überlassen werden, wer sich bei dem jeweiligen Unternehmen bewirbt und wer nicht [23]. Da sich auf eine ausgeschriebene Stelle meist sehr viele Kandidaten bewerben, von denen häufig mehrere gut auf die vakante Stelle passen würden, sollte zu Beginn eines Personalauswahlprozesses genau überlegt werden, welche Unterlagen von den BewerberInnen gefordert werden (Sind z. B. Arbeitsproben sinnvoll?). Diese Vorüberlegung erleichtert eine Bewerberselektion anhand von objektiven Daten [5]. In Bewerberinterviews können diese objektiven Daten überprüft und zusätzliche Fragen an die KandidatInnen gestellt werden, wie z. B. inwiefern die KanditatInnen sensitiv sind gegenüber Fehlern, wie sie mit Fehlern und Beschwerden umgehen und inwieweit sie sich einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess gegenüber verpflichtet fühlen. Hilfreich können hierfür verschiedene Fragetechniken sein, wie z. B. biografische Fragen, die einen Schluss von vergangenem Verhalten auf zukünftiges Verhalten zulassen [23] oder situative Fragen, bei denen ersichtlich wird, wie der/die Bewerber/in sich in einer bestimmten Situation verhalten würde.
arbeiterInnen für das Unternehmen auszuwählen, sondern ermöglichen gleichzeitig den BerwerberInnen eine realistischen Einblick in das Tätigkeitsfeld des Qualitätsmanagements bzw. in die Qualitätsstandards des Unternehmens zu erhalten [23]. Dadurch wird das Risiko minimiert, dass neue MitarbeiterInnen bereits nach wenigen Monaten das Unternehmen wieder verlassen. Die ersten 100 Tage Für ein Unternehmen ist es nicht nur wichtig, die richtigen BewerberInnen auszuwählen, sondern diese auch langfristig an das Unternehmen zu binden. Ein gelungener Einstieg in das Unternehmen (Onboarding) bietet hierfür die erste Möglichkeit. Onboarding bezeichnet den Prozess der Integration von neuen MitarbeiterInnen in das Unternehmen sowie die Aneignung von notwendigem Wissen und Fähigkeiten, die für die Arbeitstätigkeit benötigt werden [1]. In dieser Einstiegsphase ist es essentiell, den neuen MitarbeiterInnen die Wichtigkeit von Qualität und laufenden Qualitätsverbesserungen zu transportieren. Ein gelungener Einstieg in das Unternehmen fördert die fachliche, soziale und wertorientierte Integration und den Austausch unter MitarbeiterInnen [3]. Hilfreich in diesem Zusammenhang sind auch regelmäßige Teamreflexionen und wöchentliche 5-Minuten-Gespräche, die einen Überblick über den Fortschritt und auftauchende Probleme geben.
Um zu gewährleisten, dass BewerberInnen ausgewählt werden, die sowohl die bestmögliche persönliche als auch fachliche Passung zum Unternehmen aufweisen, ist es wichtig, die Bewerberinterviews mit Hilfe eines standardisierten Leitfadens und von mehreren Interviewern durchführen zulassen. Anhand dieser verschiedenen subjektiven Urteile kann eine erste Entscheidung getroffen werden. Als Grundlage für differenziertere Entscheidungen dienen z. B. Arbeitsproben aus dem Arbeitsbereich des Qualitätsmanagements oder die Methode der kritischen Ereignisse [7]. Beide können Aufschluss über das Verhalten der BewerberInnen hinsichtlich der Einhaltung von Qualitätsstandards geben.
4 Führung und Personalentwicklung: Der tägliche Umgang mit MitarbeiterInnen Einen entscheidenden Faktor bei der Etablierung eines erfolgreichen Qualitätsmanagements stellt die ►Unternehmenskultur dar. In der Unternehmenskultur sollte der aktuelle Stand der Qualität von allen MitarbeiterInnen in einem ständigen Prozess hinterfragt werden [22]. Es sollte ein Klima herrschen, dass dazu ermuntert eigene Ideen einzubringen sowie andere bei der Implementierung ihrer Ideen zu unterstützen. Hierbei gilt: „Keiner weiß so viel wie alle“, d. h. jede/r hat gute Ideen, mit denen mittel- und langfristig die Qualität erhöht werden kann. Eine Unternehmensphilosophie, bei der z. B. das Produkt erst hergestellt wird und am Ende einige Wenige entscheiden, ob die Qualitätsstandards erfüllt sind, zieht einen gravierenden Nachteil mit sich: Wenn ein Produkt weitestgehend fertiggestellt ist, kann im Nachhinein schwer identifiziert werden, was zu den vorhandenen Fehlern geführt hat. Die Kosten für die Fehlerbeseitigung bzw. den Ausschuss des Produktes können enorm sein. Wichtig ist deshalb, dass alle MitarbeiterInnen innerhalb einer Prozesskette als so genannte Prozess-Owner („Prozesseigentümer“) agieren, die Verantwortung für einen definierten Teilprozess übernehmen und dadurch zu einer kontinuierlichen Verbesserung beitragen (vgl. [24]).
Bewerberinterviews, Arbeitsproben und die Methode der kritischen Ereignisse dienen nicht nur dazu, die richtigen Mit-
Führung im Qualitätsmanagement sollte sich auf die Umsetzung von drei Basiskulturen fokussieren:
346
Begriff
F
Mitarbeiterführung beginnt mit der Auswahl der richtigen MitarbeiterInnen. MitarbeiterInnen, die kein hohes Commitment haben, werden auf Dauer kaum in der Lage sein, Qualitätsstandards einzuhalten. Um Qualitätsstandards einzuhalten, ist es zudem wichtig, dass MitarbeiterInnen kontinuierlich die eigenen Kompetenzen verbessern und Synergieeffekte im Unternehmen nutzen [16]. Führung und Personalentwicklung spielen demnach ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Etablierung und Aufrechterhaltung eines effektiven Qualitätsmanagements. Im nächsten Abschnitt gehen wir auf beide Bereiche, Personalauswahl sowie Führung und Personalentwicklung, näher ein.
Führung und Qualitätsmanagement
Führung und Qualitätsmanagement ◼ Excellenz-Kultur: Führung muss eine Excellenz-Kultur schaffen, d. h. eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung in Richtung Exzellenz. Hierzu zählt auch das Streben nach höchster Qualität. ◼ Wertschätzungskultur: Zum zweiten bedarf es einer Kultur der persönlichen Wertschätzung. Nur MitarbeiterInnen, die sich anerkannt und wertgeschätzt fühlen, werden auf Dauer eine hohe Qualität erbringen. ◼ Kultur der ethikorientierten Führung: Die Kultur der ethikorientierten Führung ist geprägt von Verantwortung, Vorbild und Verpflichtung. Sie liefert die Basis für die Entwicklung von Exzellenz- und Wertschätzungskultur. Diese drei übergeordneten Kulturen lassen sich im Alltag umsetzen über die Etablierung so genannter Center of Excellence-Kulturen, sowie die Orientierung am Prinzipienmodell ethikorientierter Führung. Während die Center of Excellence-Kulturen vor allem auf die Erreichung exzellenter Leistungen abzielen, gibt das Prinzipienmodell Richtlinien für beides, exzellente Leistungen, als auch einen wertschätzenden Umgang, vor. 4.1 Umsetzung ethikorientierter Führung in der Personal entwicklung: Das Prinzipienmodell der Führung Das Prinzipienmodell ethikorientierter Führung (z. B. [8], [9], [10], [12], [14], [15]) enthält alle Bestandteile von Führungsverhalten, die notwendig sind zur Implementierung einer Exzellenz- und Wertschätzungskultur in der unternehmerischen Praxis. Dadurch, dass die Führungsprinzipien die Sehnsüchte (z. B. Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse) von Menschen berücksichtigen, erzeugen sie intrinsische Motivation die geforderten Aufgaben gut zu bewältigen [6]. Wir postulieren, dass sich dies auch förderlich auf die Einhaltung und Umsetzung von Qualitätsstandards auswirkt. Im Folgenden sind einige der wichtigsten Prinzipien näher ausgeführt: 🄰 Prinzip der Sinn- und Visionsvermittlung In einem Unternehmen sollte die Vision, die bestmögliche Qualität zu verkaufen, im Vordergrund stehen. Finden die Kunden, es mangelt an Qualität, dann hat dieses Konsequenzen auf das Kaufverhalten und auf die Stabilität der Arbeitsplätze. Es ist entscheidend, dass den Mitarbeiter-Innen dieser grundlegende Zusammenhang aufgezeigt und dadurch qualitätssichernden Aufgaben Sinn verliehen wird. Wer Leistung (Qualität) fordert, muss auch Sinn bieten. 🄱 Prinzip der Passung und Eignung Mitarbeiter sollten sowohl fachlich als auch menschlich in das Team und das Unternehmen passen. Die Aufgaben, die sie erhalten, sollten fordernd, aber nicht überfordernd sein. Nur was ich gut kann, mache ich gerne. Nur was ich gerne mache, mache ich gut. Auch die Teamzusammensetzung kann sich positiv oder negativ auf das Qualitätsmanagement auswirken. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter in einem Team sich gut ergänzen und beispielsweise neben Kreativköpfen, die häufig neue Ideen einbringen, auch Personen im Team sind, die das
Führung und Qualitätsmanagement ganze kritisch auf Umsetzbarkeit überprüfen und bestehende Prozesse hinterfragen (Beobachter). 🄲 Prinzip der Autonomie und Partizipation MitarbeiterInnen, die Handlungsalternativen haben, mitwirken können und Autonomie wahrnehmen, werden sich eher mit dem Produkt identifizieren und Wert darauf legen, dass dieses Produkt von höchster Qualität ist. Menschen ohne Partizipationsmöglichkeiten machen häufig nur Dienst nach Vorschrift oder fühlen sich entmündigt. Sie entwickeln keine erhöhte Motivation oder gar Fähigkeit, ihre Arbeit an höchsten Qualitätsstandards auszurichten. 🄳 Prinzip der Transparenz durch Information und Kommunikation Nur wenn Mitarbeiter regelmäßig über aktuelle Ereignisse, neue Prozesse, Probleme etc. informiert werden, sind sie auch in der Lage Zusammenhänge zu erkennen und bei der Aufdeckung von Problemen und qualitativen Fehlern mitzuhelfen. 🄴 Prinzip der Zielklarheit Es müssen klare Ziele und Erwartungen definiert werden: Was wird unter Qualität verstanden? Wie genau wird diese Qualität erreicht? Ab wann ist sie erreicht? Nur wer ein klares Ziel hat, kann es auch erreichen. 🄵 Prinzip des konstruktiven Feedbacks Mitarbeiter sollten regelmäßiges Feedback erhalten: An welcher Stelle haben sie die Qualitätsstandards eingehalten und an welcher Stelle war ihre Leistung mit Qualitätsverlusten verbunden? Durch Feedback bekommen die Menschen ein Gespür dafür, wo es noch Entwicklungspotential gibt. Wenn kein Feedback gegeben wird, werden die MitarbeiterInnen betriebsblind und es wird keine Sensitivität für hohe Qualität ausgebildet. 🄶 Prinzip der Wertschätzung Alle MitarbeiterInnen sollten sich wertgeschätzt und wichtig fühlen. Eine Uhr läuft bekanntlich nicht, wenn auch nur ein kleines Rädchen nicht funktioniert. Jeder, auch noch so kleine Arbeitsschritt ist daher von Bedeutung. Es gilt, den Mitarbeitern zu transportieren, dass sie wichtig sind. 🄷 Prinzip der Fairness Wenn sich MitarbeiterInnen nicht fair behandelt fühlen und die Kriterien für Entscheidungen nicht transparent gemacht werden, entsteht eine wahrgenommene Unfairness, die häufig in verringertem Engagement resultiert. Grundsätzlich kann zwischen vier Formen organisationaler Fairness unterschieden werden: Ergebnisfairness (faire Ressourcenverteilung), prozedurale Fairness (faire Entscheidungsprozesse), informationale Fairness (zeitnahe Kommunikation von Informationen) und interaktionale Fairness (wertschätzender Umgang). 🄸 Prinzip des Wachstums Die Führungskraft muss die MitarbeiterInnen unterstützen, dass sie sich sowohl fachlich als auch persönlich weiterentwickeln können. Wenn Mitarbeiter die Möglichkeit zur Er-
347
F
Führung und Qualitätsmanagement weiterung ihrer Kompetenzen und ihres eigenen Verantwortungsbereichs haben [14], wirkt sich dies auch positiv auf die Qualität ihrer Leistungen aus. 🄹 Prinzip des persönlichen Vorbildes Alle MitarbeiterInnen und insbesondere jede Führungskraft stellen ein Vorbild für andere MitarbeiterInnen dar. Vermittelt die Führungskraft den MitarbeiterInnen beispielsweise, dass Qualität nur eine sekundäre Rolle spielt, hat das einen großen Einfluss auf das ►Commitment der MitarbeiterInnen. 4.2 Center of Excellence Kulturen als Grundlage für gutes Qualitätsmanagement Eine Unternehmenskultur, die sich an dem Erreichen höchster Qualitätsstandards orientiert, kann über die Etablierung der Center of Excellence-Kulturen erreicht werden (siehe z. B. [12], [14], [15], [17]). Unter Center of Excellence-Kulturen verstehen wir Teams, Abteilungen oder ganze Unternehmen, die sich höchstens Standards verpflichtet haben. Diese Standards können sich auf unterschiedliche Kriterien beziehen.
Begriff
F
Handelt es sich bei dem Kriterium um höchste Qualität, sind insbesondere die folgenden Center of Excellence-Kulturen wichtig: 🄰 Kundenorientierungskultur Im Grunde entscheidet der Kunde über die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung und nicht die Produzenten. Der Kunde ist der Arbeitgeber, der durch den Kauf der Produkte und die Inanspruchnahme der Dienstleistungen dafür sorgt, dass die MitarbeiterInnen eines Unternehmens einer Beschäftigung nachgehen können. Daraus folgt, dass die Führungskräfte und MitarbeiterInnen eine große Verantwortung tragen: Die Qualität muss an der Zufriedenheit der Kunden ausgerichtet werden. Kundenorientierung sollte demnach in jeder Phase des Produktions- oder Dienstleistungsprozesses oberste Maxime sein. 🄱 Innovationskultur Unternehmen mit einer Innovationskultur arbeiten kontinuierlich daran, dass ihre Produkte und Dienstleistungen kreativer und innovativer werden. Hierbei handelt es sich um einen permanenten Prozess, unabhängig davon, ob sich das Unternehmen an Fehlern oder an Idealzuständen orientiert. Eine Innovationskultur ist besonders dann wichtig, wenn viele unternehmensinterne Prozesse standardisiert bzw. „mcdonaldisiert“ sind [26]. Jene Standardisierung kann durchaus sinnvoll sein, wenn Fehler reduziert werden sollen. Eine Gefahr besteht jedoch darin, dass sich die MitarbeiterInnen zu sehr auf die Standardisierung konzentrieren und dabei vergessen, Produkte, Prozesse und Dienstleistungen weiter zu hinterfragen und zu verbessern. Zur Verbesserung kann sich zum einen an Defiziten orientiert werden, d. h. es wird der Frage nachgegangen, an welcher Stelle bereits Fehler aufgetreten sind. Kundenbeschwerden
348
Führung und Qualitätsmanagement spielen bei diesem Vorgehen eine entscheidende Rolle. Unter dem so genannten Beschwerdemanagement werden verschiedene Maßnahmen (z. B. Planung und Durchführung) zusammengefasst, die insbesondere zu einer Reduzierung der Kundenunzufriedenheit führen [4]. Hinter den, von den MitarbeiterInnen und Kunden wahrgenommenen sowie berichteten Fehlern stecken oft tiefer gehende strukturelle Ursachen des Qualitätsmanagements. In dem Augenblick, in dem die Innovationskultur (►Innovationsmanagement) und das ►Beschwerdemanagement nicht in die Unternehmensführung verankert sind, besteht die Gefahr, dass die Fehler fortbestehen. In vielen Fällen werden wahrgenommene Fehler ignoriert und die zuständigen Personen reagieren mit einer abwartenden Haltung [27]. Zum anderen kann eine Orientierung an bestimmten Idealen oder Standards, die möglicherweise nicht erreicht wurden ohne dass damit Fehler verbunden waren, erfolgen. Es wird registriert, wie weit der Ist-Zustand vom Ideal-Zustand entfernt ist und welcher kontinuierlichen Anstrengungen es bedarf, den Ist-Zustand dem Ideal-Zustand anzupassen (vgl. Kap. 4.3). Auch so genanntes Benchmarking, der Vergleich mit Konkurrenten, die ähnliche Produkte oder Dienstleistungen anbieten, ist hier hilfreich. 🄲 Benchmark-Kultur Im Qualitätsmanagement ist es wichtig, regelmäßig zu reflektieren wie andere Unternehmen in der eigenen oder fremden Branchen eine Verbesserung der Qualität erreichen (►Benchmarking). Hat das eigene Unternehmen alles unternommen, um ein Höchstmaß an Qualität in den Produkten und Dienstleistungen zu erzielen? Oder gibt es im Vergleich mit der Konkurrenz noch Verbesserungspotential? Unternehmen, die eine Benchmark-Kultur leben, kennen sowohl ihre Stärken, als auch ihre Schwächen und orientieren sich an dem Qualitätsmanagement anderer Branchen, um deren Vorgehensweisen auf das eigene Unternehmen zu adaptieren [16]. Innerhalb des eigenen Unternehmens kann eine Benchmark-Kultur ebenfalls sinnvoll sein, denn auch einzelne Abteilungen können voneinander lernen und sollten den gegenseitigen Vergleich nicht scheuen. 🄳 Fehlerkultur Gerade Fehler werden in vielen Fällen geheim gehalten. Beispielsweise Mary Barra, die General Motors-Chefin, erklärte in einem Interview, dass MitarbeiterInnen aus Angst vor einem Jobverlust die Fehler nicht kommunizieren. Wichtig ist daher die Etablierung einer positiven ►Fehlerkultur, d. h. dass Fehler zwar gemacht werden, aber nicht geheim gehalten werden dürfen. Konsequenzen drohen denjenigen, die Fehler geheim halten und nicht denjenigen, denen ein Fehler unterlaufen ist. Gleichzeitig ist eine Analyse der Fehlerursachen zentral. Es sollten keine Schuldigen gesucht, sondern ähnlich wie bei Toyota, lösungsorientiert agiert und fünf Warum-Fragen beantwortet werden. Durch fünf offene Fragen, die mit „Warum“ beginnen, werden offensichtliche Ursachen hinterfragt und das Grundproblem für Fehler erkannt [25].
Führung und Qualitätsmanagement 🄴 Adaptationskultur Unternehmen müssen sich laufend neu erfinden und an neue technische, juristische und gesellschaftliche Entwicklungen anpassen, um die Qualität im Unternehmen zu sichern. Das bedeutet, eine Adaptionskultur im Unternehmen bringt eine kontinuierliche Neuanpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen mit sich. In einigen Fällen kann dies schwierig sein, denn sowohl Unternehmen als auch Produkte und Dienstleistungen sind mit einem gewissen Image verbunden. Dieses Image stimmt nicht zwingend mit der tatsächlichen Realität der Qualität überein. Die Deutsche Bahn hat z. B. seit Jahren das Image, dass ihre Züge häufig Verspätung haben. In dem Augenblick, in dem ein bestimmtes Image vorhanden ist, fungiert dieses Image wie eine Monopolhypothese [21]. Die Menschen konstruieren dann oft Realitäten entsprechend dieser Hypothese bzw. dieses Images. Aus der Hypothesentheorie der Wahrnehmung [21] lässt sich ableiten, dass solche Monopolhypothesen mit einem großen Änderungswiderstand verbunden sind. Es bedarf vieler Informationen, eine Monopolhypothese im Sinne eines Vorurteils oder Stereotyps zu reduzieren. Erst wenn sowohl die Unternehmen als auch die Produkte und Dienstleistungen nicht mehr mit einer Monopolhypothese oder einem gewissen Image in Verbindung gebracht werden, kann die Adaptionskultur erfolgreich nach außen getragen werden. 4.3 Beispielhafte Führungstools für ein gutes Qualitätsmanagement Paulscher Regelkreis Beschwerden und Fehler sind in den meisten Fällen der Ausgangspunkt für Verbesserungen oder Innovationen. Damit Verbesserungen und Innovationen im Qualitätsmanagement angestoßen werden können, empfiehlt es sich Analysetechniken oder Werkzeuge der Führung heranzuziehen. Beispielsweise kann der Paulsche Regelkreis [11], benannt nach dem früheren VW-Werkschef in Wolfsburg, im Qualitätsmanagement angewandt werden. Der Paulsche Regelkreis beinhaltet folgende sechs Schritte: 1 Soll-Zustand: Es muss genau definiert werden, was unter Qualitätsmanagement verstanden wird und in welchen Bereichen welche Ziele erreicht werden sollen. 2 Ist-Zustand: Anschließend erfolgt eine umfassende Analyse des Ist-Zustandes. Welche Qualitätsstandards wurden erreicht und welche verfehlt? Überspitzt gesagt: Welche Qualitätsbereiche müssen grün, gelb, rot markiert werden? 3 Maßnahmen: Es müssen konkrete Maßnahmen zur Erreichung des Soll-Zustandes generiert werden. 4 Verantwortlichkeiten: Es ist wichtig, zu klären, wer genau für die Qualität verantwortlich ist. Im Extremfall sind alle (jede/r in seinem Bereich) oder nur diejenigen, die am Schluss die Endabnahme machen, für die Qualität verantwortlich. 5 Zeitrahmen: Bis wann müssen die Produkte oder Dienstleistungen fertiggestellt werden? Wie viel Zeit soll für die Erreichung der Qualitätsstandards bereitgestellt werden?
Führung und Qualitätsmanagement 6 Controlling: Führung impliziert auch immer die abschließende Kontrolle, ob die gesetzten Ziele und Qualitätsstandards wirklich erreicht wurden (►Qualitätscontrolling). Ursachenanalyse Treten Soll-/Ist-Diskrepanzen auf, ist es wichtig bei der Maßnahmenformulierung zu berücksichtigen, was die Ursachen für jene Diskrepanzen waren. Fünf mögliche Ursachen können hierbei unterschieden werden: 1 Nicht-Kennen: Die MitarbeiterInnen haben nicht gewusst, wie wichtig Qualität in den unterschiedlichsten Phasen ist. 2 Nicht-Können: Die MitarbeiterInnen sind nicht fähig oder nicht motiviert, Professionalität in der Arbeit zu transportieren, so dass Qualität erzeugt wird. 3 Nicht-Wollen: Die MitarbeiterInnen sind verletzt oder haben innerlich gekündigt und legen relativ wenig Wert auf Qualität. 4 Nicht-Sollen oder 5 Nicht-Dürfen: Im Team wird ein gewisser Druck im Sinne von „Mache nicht zu viel, ansonsten müssen wir es auch machen“ aufgebaut. Teamreflexion Für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement ist es, wie bereits erwähnt, entscheidend, dass das Unternehmen als auch die einzelnen MitarbeiterInnen bereit sind, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und Bestehendes zu hinterfragen. Unterstützend kann hierbei die Einführung von Teamreflexionen wirken. In regelmäßigen Abständen sollten im Team gemeinsam die folgenden drei Fragen beantwortet werden: 1 Was läuft gut? 2 Was läuft schlecht? 3 Was davon können wir verbessern? Vorbereitend können die Teammitglieder vorab gebeten werden, Ihre Punkte auf einzelne Kärtchen zu notieren. Im Team werden die Kärtchen dann zu Themenblöcken und damit zu Stärken, aber auch Entwicklungsfeldern des Teams geclustert und gemeinsam Verbesserungsmaßnahmen erarbeitet. 5 Institutionen des Qualitätsmanagementsystems Um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess dauerhaft gewährleisten zu können, ist eine Institutionalisierung im Unternehmen erforderlich. Es werden Institutionen des Qualitätsmanagements benötigt, die sich mit dem Thema „Qualität“ befassen. Diese Institutionen sind zu einem ►Qualitätsmanagementsystem zusammengefasst. Ein Qualitätsmanagementsystem beinhaltet alle Elemente, die zur Umsetzung des Qualitätsmanagements benötigt werden, wie z. B. die Führung, Planung der Qualitätsforderungen, Qualitätslenkung, Qualitätsprüfung und Qualitätsverbesserung [18]. Allgemein formuliert können vier Ebenen unterschieden werden, in denen z. B. die verantwortlichen Personen und die dazugehörigen Institutionen entscheiden, wie viel in die Verbesserung der Qualität investiert wird und an welchen Stellen Qualitätsverbesserungen notwendig sind. Auf der
349
F
Führung und Qualitätsmanagement strategischen Ebene werden die Voraussetzungen geschaffen und die Qualitätsstrategie geplant, welche im Anschluss auf der operativen Ebene überprüft und auf der methodischen Ebene in konkrete Handlungen umgesetzt wird. Auf der organisatorischen Ebene wiederum wird beispielsweise die Qualitätsplanung, -erfassung und –analyse vorgenommen [2]. Auf allen Ebenen werden neue Ideen generiert, die auf der strategischen Ebene gebündelt und an die Unternehmensführung weitergeleitet werden. Aufgabe der Unternehmensführung ist es nun zu reflektieren welche Ideen der MitarbeiterInnen Umsetzung finden und im Idealfall zu einer Optimierung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen führt.
F
6 Fazit Auch wenn gute Führung und gutes Qualitätsmanagement auf den ersten Blick keinen Zusammenhang aufzuweisen scheinen, sind die Übergänge fließend. Ziel dieses Kapitels war es darzulegen, dass letztlich hinter jedem Qualitätsproblem auch ein Führungsproblem steckt. Gute Führung ist essentiell für die Etablierung eines erfolgreichen Qualitätsmanagements, das Aufdecken von Fehlern sowie die kontinuierliche Verbesserung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen. Die Etablierung der Center of ExcellenceKulturen sowie die Orientierung an den Prinzipien ethikorientierter Führung können im Arbeitsalltag helfen, ein Klima zu schaffen, das von Exzellenz und Wertschätzung geprägt ist und damit optimale Bedingungen für die Entstehung qualitativ hochwertiger Produkte, Dienstleistungen und Prozesse bietet. Lisa Weihrauch, M. A., Dr. Tanja Peter, Prof. Dr. Dieter Frey, alle München Literatur
[1] Bauer, T.N. & Erdogan, B. (2011). Organizational socialization. The effective onboarding of new employees. In Z. Sheldon (Ed), APA handbook of industrial and organizational psychology. Washington: American Psychological Association [2] Benes, G.M.E. & Groh, P.E. (2011). Grundlagen des Qualitätsmanagements. München: Carl Hanser, S. 181ff [3] Brenner, D. (2014). Onboarding. Als Führungskraft neue Mitarbeiter erfolgreich einarbeiten und integrieren. Wiesbaden: Springer Gabler [4] Bruhn, M. (2001). Qualitätsmanagement für Dienstleistungen. Grundlagen, Konzepte, Methoden. Heidelberg: Springer [5] Buchheimer, C. & Weiner, M. (2014). HR-Basics für Start-ups. Recruiting und Retention im Digitalen Zeitalter. Wiesbaden: Springer Gabler [6] Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39 (2), 223-238 [7] Flanagan, J.C. (1954). The critical incident technique. Psychological Bulletin, 51(4), 327-358 [8] Frey, D. (1996a). Psychologisches Know-how für eine Gesellschaft im Umbruch. Spitzenunternehmen der Wirtschaft als Vorbild. In: C. Honegger, J.M. Gabriel, R. Hirsig, J. Pfaff-Czarnecka, E. Poglia, E. (Hrsg.), Gesellschaften im Umbau. Identitäten, Konflikte,
350
Führung und Qualitätsmanagement Differenzen, 75-98. Bern: Seismo-Verlag, S. 75-98 [9] Frey, D. (1996b). Notwendige Bedingungen für dauerhafte Spitzenleistungen in der Wirtschaft und im Sport. Parallelen zwischen Mannschaftssport und kommerziellen Unternehmen. In: A. Conzelmann, H. Gabler, W. Schlicht, W. (Hrsg.), Soziale Interaktionen und Gruppen im Sport, 3-28. Köln: Bps-Verlag, S. 3-28 [10] Frey, D. (1998). Center of Excellence. Ein Weg zu Spitzenleistungen. In: P. Weber, (Hrsg.), Leistungsorientiertes Management. Leistungen steigern statt Kosten senken, 199-233. Frankfurt: Campus-Verlag, S. 199-233 [11] Frey, D. & Schmalzried, L.K (2013). Philosophie in der Führung – Gute Führung lernen von Kant, Aristoteles, Popper & Co. Berlin: Springer [12] Frey, D. & Schmalzried, L.K. (2012). Das Modell der ethikorientierten Führung. In F. Zschaler, S. Meck & J. Kleine (Hrsg.). Finethikon Jahrbuch für Finanz- und Organisationsethik, 61-92. Stuttgart: Steinbeis-Edition, S. 61-92 [13] Frey, D. & Schulz-Hardt, S. (1997). Eine Theorie der gelernten Sorglosigkeit. In H. Mandl (Hrsg). Bericht über den 40. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Hogrefe Verlag: Göttingen [14] Frey, D. Oswald, S. Peus, C. & Fischer, P. (2006). Positives Management, ethikorientierte Führung und Center of Excellence: Wie Unternehmenserfolg und Entfaltung der Mitarbeiter durch neue Unternehmens- und Führungskulturen gefördert werden können. In M. Ringlstetter, S. Kaiser & G. Müller-Seitz (Hrsg.), Positives Management, 237-265. Wiesbaden: Gabler, S. 237-265 [15] Frey, D., Kerschreiter, R. & Mojzisch, A. (2001). Führung im Center of Excellence. In: P. Friederichs, U. Altbauser (Hrsg.). Personalentwicklung in der Globalisierung. Strategien der Insider, 114151. Neuwied: Luchterhand, S. 114-151 [16] Frey, D., Peus, C. & Traut-Mattausch, E. (2005). Innovative Unternehmenskultur und professionelle Führung – entscheidende Bedingungen für eine erfolgreiche Zukunft? In: D. Kudernatsch & P. Fleschhut (Hrsg.), Management Excellence. Strategieumsetzung durch innovative Führungs- und Steuerungssysteme, 351-378. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 351-378 [17] Frey, D., Streicher, B. & Aydin, N. (2012). Center of Excellence Kulturen sowie professionelle ethikorientierte Führung als Voraussetzung für ökonomischen Erfolg. In S. Grote (Hrsg.), Die Führung der Zukunft, 235-253. Berlin: Springer, S. 235-253 [18] Geiger, W. (1998). Qualitätslehre. Einführung. Systematik. Terminologie. Wiesbaden: Vieweg [19] Geiger, W. & Kotte, W. (2008). Handbuch Qualitätsmanagement. Grundlagen des Qualitätsmanagement. Systeme – Perspektiven. Wiesbaden: Springer Vieweg [20] Janis, I.L. (1972). Victims of groupthink. A psychological study of foreign-policy decisions and fiascoes. Oxford: Houghton Mifflin [21] Lilli, W. & Frey, D. (1993). Die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung. In D. Frey & M. Irle (Hrsg.). Kognitive Theorien der Sozialpsychologie, 49-79. Bern: Huber, S. 49-79 [22] Mundt, J., Peter, T. & Frey, D. (2013). Psychologie der Innovation. Mitarbeiterführung und Unternehmenskultur als Determinanten zur Innovationssteigerung in Unternehmen. Zeitschrift für Vorschlagswesen und Verbesserungsprozesse – Ideenmanagement, 3, S. 79-82 [23] Nerdinger, F.W., Blickle, G. & Schaper, N. (2014). Arbeits- und Organisationspsychologie. Heidelberg: Springer. [24] Noe, M. (2014). Change Prozesse effizient durchführen. Mit Projektmanagement den Unternehmenswandel gestalten. Wiesbaden: Springer-Gabler
Führungskräfte [25] Ohno, T. (2013). Das Toyota-Produktionssystem. Frankfurt/ Main: Campus Verlag, S. 51f [26] Ritzer, G. (Ed.). (2009). McDonaldization: the reader. Thousand Oaks: Pine Forge Press [27] Zollondz, H.-D. (2011). Grundlagen Qualitätsmanagement. Einführung in Geschichte, Begriffe, Systeme und Konzepte. 3. Auflage. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag
Führungskräfte
Führungsstil
▶Mitarbeiterorientierung ▶Mitarbeiterzufriedenheit ▶Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement ▶EFQM-Modell Mit der Bezeichnung Führungsstil wird die prinzipielle Einstellung des Vorgesetzten zum bestmöglichen Umgang mit seinen Mitarbeitern und die daraus resultierenden Verhaltensweisen beschrieben. Das konkrete Führungsverhalten ist demgegenüber stark von der Situation abhängig und kann in seinen Ausprägungen fallweise vom Führungsstil abweichen.
Fünf S
▶5S ▶Japanische Qualitätstechniken
Fukahara, Yasushi
ISO-Term
▶QFD | ▶House of Quality Japanischer Qualititätsexperte, der das „House of Quality – HoQ“, das zentrale Hilfsmittel des QFD, entwickelt hat.
Funktionsbereich Metrologie
▶en: metrological function Funktionseinheit mit organisatorischer und technischer Verantwortung für die Festlegung und Verwirklichung des ►Messmanagementsystems [Quelle: ISO 10012:2003, 3.6, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Fuzzy Logic im Qualitätsmanagement
▶ Fuzzy Logic in quality management 1 Einführung 1.1 Was ist Fuzzy Logic? Technische, physikalische oder chemische Eigenschaften, Stoffe oder Produkte werden durch Begriffe der Umgangssprache oft nur vage und unscharf (engl.: fuzzy) charakterisiert. Zur Realisierung solcher Eigenschaften in der Entwicklung und Fertigung müsste für jede einzelne Eigenschaft ein höchstkomplexes mathematisch-physikalisches Modell mit einer riesengroßen Anzahl von Größen, Grenzwerten und
unüberschaubaren Verknüpfungen aufgestellt, die Werte der vielen Einflussgrößen und deren wechselseitigen Korrelationen mit ihren Toleranzen festgelegt werden. Dieses Modell könnte dann während der Entwicklung des spezifizierten Objekts bei der Festlegung der geometrischen und stofflichen Details und zur Optimierung eingesetzt werden. Wegen der Komplexität eines solchen allumfassenden Modells geht man in der Praxis andere Wege. Bei der grundsätzlichen Gestaltung des Modells – beispielsweise für die Entwicklung – werden zur Beschreibung der Eigenschaften „fuzzy“ Angaben (Klassen) gebraucht wie z. B. für eine Bad-Temperatur: eiskalt, kalt, lauwarm, warm, ziemlich warm, sehr warm, heiß. Die Zugehörigkeit einer gemessenen Temperatur zu einer solchen unscharf charakterisierten „Fuzzy“ Menge (Fuzzy set) wird über die Zugehörigkeitsfunktion, beschrieben. Sie kann nur Werte von 0 bis 1 aufweisen. Die Umwandlung von Angaben und Größen für die Bearbeitung in Fuzzy Logic wird Fuzzyfizierung genannt und die Rückumwandlung Defuzzyfizierung. Die Verknüpfung der fuzzy modellierten Fuzzy Logic erfolgt wie bei der bekannten Boole’schen Algebra. Fuzzy Logic kann auch als Erweiterung der nur zwei Werte („falsch“ und „richtig“) aufweisenden Boole’schen Logik angesehen werden.
Begriff
Diejenigen Mitarbeiter, die die Interessen aller koordinieren und ausgleichen, die Anteil an der Organisation haben, einschließlich: Geschäftsleitungsteam, alle anderen Füh rungskräfte und jene mit Teamleiterfunktion oder mit einer Führungsrolle in einem bestimmten Fachgebiet. Quelle: ▶EFQM-Modell
Fuzzy Logic im Qualitätsmanagement
◼ Fuzzy Logic ist ein Werkzeugkasten für den Umgang mit unscharfen Mengen zur Ableitung von Schlussfolgerungen oder Entscheidungen, die durch einen Erfüllungs- oder Wahrheitsgrad gekennzeichnet werden. Für die mathematische Behandlung der Eingangsinformationen werden diese fuzzyfiziert, d. h. ihnen werden Werte zugeordnet, die die Zugehörigkeit zu Werten, Intervallen oder Klassen beschreiben. Das dann unter Nutzung der mathematischen Werkzeuge daraus erzielte Ergebnis wird defuzzyfiziert, d. h. der Wahrheitsgrad (oder der Erfüllungsgrad, oder der Zugehörigkeitsgrad) der abgeleiteten Entscheidung oder der Aussage wird z. B. als Intervall mit unscharfen Grenzen und Angabe der Zugehörigkeitsfunktion ausgegeben. ◼ Fuzzy Logic ist kein Ersatz für die ►Wahrscheinlichkeitsrechnung [1]. Mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung kann eine Aussage darüber getroffen werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ereignis eintritt. Dagegen wird mit Hilfe der Theorie der unscharfen Mengen eine Aussage darüber möglich, mit welchem Zugehörigkeitsgrad ein Element zu einer Menge gehört. Die Fuzzy Logic zugrundeliegende Fuzzy-Set-Theorie (Theorie von unscharfen Mengen) wurde 1965 von Lotfi Zadeh an der Berkeley-University of California entwickelt und publiziert. Fuzzy-Logic Anwendungen sind unter anderem bekannt geworden in den Bereichen Regelungs- und Automatisierungstechnik, Unterhaltungselektronik, Fahrzeugtechnik, Medizintechnik, künstliche Intelligenz, Spracherkennung, Bildverarbeitung [8] und im Qualitätsmanagement [3].
351
F
Fuzzy Logic im Qualitätsmanagement
F
Fuzzy Logic im Qualitätsmanagement
1.2 Was ist Qualitätsmanagement Abb. F32: Scharfe und unscharfe Menge „Erwünschte Raumtemperatur“ Qualitätsmanagement beinhaltet alle Aktivitäten einer Organisation, die die Qualität der hergestellten ►Produkte und ►DienstScharfe Menge leistungen sowie der eigenen ►Organisation sicherstellen. Die Aktivitäten beinhalten alle μ (T) notwendigen Maßnahmen und Handlun1 gen, Festlegungen, eingesetzte Materialien und Hilfsmittel sowie die Verwendung von Unscharfe Stoffen und die Beeinträchtigungen der UmMenge welt. In vielen Fällen kann die ►Qualitätsforderung an Produkte, Dienstleistungen, Stoffe, Prozesse, Organisationen und Organisationseinheiten nur mit unscharfen oder vagen Eigenschaftsbegriffen beschrieben 0 werden. Häufig kann auch die BeschreiTSoll + ΔT Temperatur TSoll - ΔT bung der Aktivitäten und aller eingesetzten TSoll Hilfsmittel sowie aller Festlegungen nur mit Begriffen des Alltags erfolgen, was unweigerAbbildung lich eine oft diffuse und vage Charakterisierung zur Folge hat. μ: G → [0, 1] 1.3 Fuzzy Logic und Qualitätsmanagement eine Fuzzy-Menge (unscharfe Menge, Fuzzy-Set) in G. Für So beschreibt auch der potenzielle Kunde seine Vorstellung μ wird meist der Begriff „Zugehörigkeitsfunktion der Fuzzyvon Qualität in der Regel vage und verschwommen und siMenge“ verwendet, die jedem x ∈ G den Zugehörigkeitsgrad cher nicht in der maschinenbaulichen, technischen oder fachμ(x) aus dem Intervall [0, 1] zuordnet [2]. Unscharfe Inforspezifischen Fachsprache. mationen können durch Zugehörigkeitsfunktionen, modelEin Beispiel ist die Beschreibung der Forderungen an ein liert, graphisch veranschaulicht und z. B. durch logische oder Kraftfahrzeug: Innenraum gut verarbeitet, super Ausstatarithmetische Operationen verknüpft werden [2]. tung, wendig, geräumig, hohe Qualität, man sitzt bequem Soll beispielsweise eine Raumheizung eine bestimmte Temim Fond, Beinfreiheit ausreichend, Sound des Motors aufperatur TSoll einhalten (Abbildung F32) (μ(x)=1), so sind regend, Lenkung ist leichtgängig, u.a.m. Zur Entwicklung Temperaturen, die um einen gewissen Betrag ΔT nach oben und Optimierung des KFZ’s müssen solche Forderungen oder nach unten abweichen, nicht plötzlich unerwünscht umgesetzt werden in präzise physikalisch-technische charak(μ(x)=0), sondern nur weniger erwünscht (0 Durchlaufzeit führt. ⟪TPS⟫
Tachi sagyo
▶de: Arbeit im Stehen Es ist ein Grundprinzip von JIT, daß stehend gearbeitet wird, egal ob in der Teilefertigung oder in der Montage. Mitarbeiter, die flexibel mehrere Prozesse ausführen, müssen stehen, weil sie von Maschine zu Maschine wandern. Selbst „Babysitter“ (Leute, die Maschinen nur überwachen) sollten stehen, um munter zu bleiben. Für gewöhnlich gibt es Widerstände, wenn „sitzende“ Arbeitsplätze in „stehende“ umgewandelt werden; sobald sich die Leute aber daran gewöhnt haben, empfinden sie die Arbeit im Stehen tatsächlich als bequemer. Mit der Einführung der Arbeit im Stehen ist für gewöhnlich eine Produktivitätssteigerung von 20 Prozent verbunden. ⟪TPS⟫
Taktzeit
▶en: cycle time ▶Kundentaktzeit (KTZ) Die verfügbare Produktionszeit geteilt durch die Rate der Kundennachfrage. Wenn beispielsweise ein Kunde 240 Teile eines bestimmten Typs pro Tag bestellt und die Fabrik 480 Minuten pro Tag produziert, beträgt die Taktzeit zwei Minuten. Wenn der Kunde zwei neue Produkte pro Monate wünscht, beträt die Taktzeit zwei Wochen. Sie bestimmt das Produktionstempo, um die Kundennachfrage zu befriedigen. Sie wird zum Kernstück eines jeden Produktionssystems. Diese Definition hat auch Eingang gefunden in die REFAMethodenlehre. ⟪lean thinking⟫
Total Productive Maintenance (TPM)
▶Total Productive Management (name change!) (unter Buchstabe T im Lexikon) Eine Reihe von Methoden, die usrprünglich von Nippondenso eingeführt wurden (einem Mitglied der Toyota Group), um sicherzustellen, daß jede Maschine in einem Produktionsprozess immer funktionstüchtig ist und es keine Produktionsunterbrechungen gibt. ⟪lean thinking⟫
535
J
Japanische Qualitätstechniken und -konzepte A bis Z Toyota-Produktionssystem (TPS)
▶TPS (unter Buchstabe T im Lexikon)
Verbesserung
J
▶en: improvement ▶ja: kaizen ►Ohno Taiichi legt die Reihenfolge von Verbesserungen wie folgt fest: 1 Verbesserung der Arbeitsausführung (Sagyo kaizen): Sagyo kaizen ist gleichbedeutend mit der Suche nach einfacheren Wegen der Anlagennutzung als bisher. 2 Verbesserung der Anlagen (Setsubi kaizen): Setsubi kaizen bedeutet, dass neue Maschinen erst dann aufgestellt werden, wenn die bestehenden bereits maximal genutzt werden und eine Steigerung der Effizienz ohne Einführung neuer Anlagen nicht mehr möglich ist. Werden von Anfang an Maschinen nie bewusst so genutzt, was man von ihnen erwartet, so dass am Ende die Maschinen die Arbeiter betreuen und nicht die Arbeiter die Maschinen. 3 Verbesserung der Prozesse (Kotei kaizen): Kotei kaizen bedeutet, die Prozesse völlig umzukrempeln, damit alles optimal läuft. Dabei setzt man sich mit den Problemen am Arbeitsplatz auseinander und legt Prozesse zusammen, stellt die Anlagen auf Mehrprozessbedienung um oder verändert insgesamt das Layout. ⟪TPS⟫
Verschwendung
▶Muda Erkennen und Beseitigen der Verschwendung: Um Verschwendung zu erkennen, müssen wir ihre Natur begreifen. Verschwendung in der Fertigung kann in folgende Kategorien eingeteilt werden: ◼ Überproduktion, ◼ Warten, ◼ Transport, ◼ zu starke Bearbeitung (Überbearbeitung), ◼ Lagerbestand, ◼ Bewegungen der Arbeiter, ◼ Herstellung defekter Teile und Produkte. Nehmen wir als Beispiel die Verschwendung in Form der Überproduktion. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass in einer Niedrigwachstumsphase eine solche Verschwendung eher ein Verbrechen gegenüber der Gesellschaft ist als ein reiner Betriebsverlust. Die Beseitigung der Verschwendung muss das erste Ziel eines Unternehmens sein. ⟪TPS⟫
Visuelles Management
▶Management by Sight ▶ja: me de miru kanri ►Autonome Automation bedeutet, ein Fließband oder eine Maschine bei einer anormalen Situation anzuhalten. Dies klärt, was normal und was anormal ist. Alle defekten Produkte werden erkannt, weil der tatsächliche Arbeitsfortschritt im
536
Japanische Qualitätstechniken und -konzepte A bis Z Vergleich zu den Tagesproduktionsplänen immer klar sichtbar ist. Dies gilt für Maschinen und Fließbänder und auch für die Anordnung von Teilen und Werkzeugen, den Lagerbestand, die Zirkulation der ►Kanban, die Standard-Arbeitsverfahren usw. Bei Fließbändern, die das ►TPS benutzen, wird die visuelle Kontrolle bzw. Management by Sight angewandt. ⟪TPS⟫
Wert
Eine rechtzeitig und zu einem annehmbaren Preis an den Kunden gelieferte Leistung, die in jedem Fall durch den Kunden definiert wird. ⟪lean thinking⟫
Wertstrom
Die spezifischen Tätigkeiten, die für die Konstruktion, die Bestellung und Bereitstellung eines bestimmten Produkts erforderlich sind, und zwar vom Konzept bis zur Einführung, vom Auftrag bis zur Auslieferung und vom Rohmaterial bis in die Hände des Kunden. Damit gilt: Unter einem Wertstrom sollen alle Tätigkeiten (sowohl wertschöpfend und nicht-wertschöpfend) verstanden werden, die notwendig sind, um ein Fertigprodukt vom Rohmaterial bis in die Hände des Kunden zu bringen. ⟪lean thinking⟫ ⟪learning to See⟫
Wertstromanalyse
▶Wertstrommanagement (unter Buchstabe W im Lexikon)
Wertstromdesign
▶Wertstrommanagement (unter Buchstabe W im Lexikon)
Warum
▶5xWarum (unter Buchstabe W im Lexikon) Die Grundlage von Toyotas Ansatz ist, fünfmal warum zu fragen, wenn ein Problem auftaucht. Durch die fünfmalige Frage „warum?“ wird die Natur des Problems und seine Lösung klar. ⟪TPS⟫
Wahre Ursache
Unter der Ursache eines Problems ist die wahre Ursache verborgen. In jedem Fall muss die wahre Ursache zutage gefördert werden, indem fünfmal warum (►Warum) gefragt wird. Sonst können Gegenmaßnahmen nicht ergriffen und Probleme nicht wirklich gelöst werden. ⟪TPS⟫
Warusa-kagen
Dieser Begriff bezeichnet Situationen, die zwar noch kein Problem bereiten, aber trotzdem nicht ganz in Ordnung sind. Wartet man zu, können sie sich zu ernsthaften Problemen auswachsen. Warusa-kagen ist oft der Beginn von Verbesserungsaktivitäten. Am Arbeitsplatz fällt Warusa-kagen in der Regel dem Mitarbeiter selbst zuerst auf, deshalb ist dieser das erste Glied in der Kette von Erhaltung und Verbesserung des Bestehenden. ⟪TPS⟫
Japanische Qualitätstechniken und -konzepte A bis Z Yamazumi Diagramm
▶ja: yama = Berg, zumi = anhäufen ▶en: Yamazumi Board/Chart ▶de: Stapeldiagramm Beim Yamazumi-Diagramm handelt es sich um ein Balkendiagram, in dem die Arbeitsaufgaben nach Mitarbeiterzahl, Zeiteinsatz und Kundentakt dargestellt werden. Es wird bei Toyota eingesetzt und ist wahrscheinlich auch dort entwickelt worden. Die Anwendung erfolgt auf der Mitarbeiterebene. Dementsprechend ist es die Antwort von Toyota auf den ►MTM-Ansatz, der auf Expertenwissen beruht. In der Gruppe wird es entwickelt und leistet somit auch einen Beitrag zur Gruppenkohäsion. Die Arbeit mit dem Yamazumi sollte großformatik erfolgen. So ist es greifbarer visualisiert. Möglichkeiten der Darstellung über Software (z. B. Excel) verschütten auf jeden Fall den kommunikativen Zweck des Selbermachens aller. Im Diagramm wird der aktuelle Wissensstand in der Gemba festgehalten. Die Aktualität wird fortgeschrieben durch Verbesserungen und Abbau von Muda. Immer wenn Muda abgebaut wurde, ist ein Zeitüberhang erwirtschaftet worden, der wiederum für Verbesserungen genutzt werden kann. So hält sich die Arbeit in der Blance (Workbalance). Keinem Teammitglied geht die Arbeit aus. So nennt man es auch Lastdiagramm, weil die Last von Arbeitsaufgaben aufgebrochen wird.
Japan-Mythen Japan-Mythen
▶Japan myths | Japan legends „Ständiges Wiederholen von Falschem kommt der Wahrheit nicht näher.“ (Th. W. Adorno)
In der Literatur zum Qualitätsmanagement finden sich immer wieder Behauptungen, die nicht zutreffend oder Halbwahrheiten sind . Einige seien hier genannt [1]: ◼ Japanische Unternehmen haben typischerweise eine flache Organisation! Richtig: Die Anzahl der Hierarchieebenen unterscheidet sich nicht zu den Organisationen im Westen. ◼ In japanischen Unternehmen gibt es geringe Hierarchieunterschiede (Uniformierung macht gleich, die große Familie)! Richtig: Es gibt eine Vielzahl von Hierarchiesignalen, wie Anzug, Overall, Krawatte, Buttons. ◼ Japanische Unternehmen haben eine geringe Fertigungstiefe! Richtig: Viele Unterlieferanten gehören zu 100 Prozent zu Großunternehmen (oder sind abhängig von ihnen). Faktisch ist damit die Belieferung „Innenumsatz“. ◼ In japanischen Industrienternehmen herrscht hoher Computereinsatz in der Produktion vor! Richtig: Hoher Computereinsatz (CIM) ist bei der Massenfertigung von HighTech-Produkten anzutreffen. Bei (Klein-)Serienfertigung zeigt sich jedoch noch eine geringe Computerdurchdringung. Damit wird eine günstige Gemeinkostenstruktur geschaffen. ◼ Japanische Unternehmen setzen in großem Umfang Roboter ein! Richtig: Festzustellen ist ein mäßiger Robotereinsatz (nur dort, wo es plausible wirtschaftliche Vorteile gibt, spärlicher Einsatz aus Gründen der Arbeitsergonomie). Damit wird eine günstige Gemeinkostenstruktur geschaffen.
Neben dem Abbau von Muda und dem Verbessern von Aufgaben wird das Diagramm durch die wechselnden Kundenforderungen in seiner Dynamik bestimmt (Veränderungen, Verschiebungen durch wechselnde Nachfrageprozesse). Wie in Abbildung J01 gezeigt wird, sind die „Fliesen“ in den Balken farblich gehalten. So werden über die unAbb. J01: Yamazumi-Diagramm im Einsatz – Verbessern der Arbeitsaufgabe terschiedlichen Farben wertschöpfende von nichtwertschöpfenden Bereichen getrennt und es bieten sich Ansatzpunkte für Veränderungen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
537
J
Japan-Mythen
J
Japan Quality Award (JQA)
◼ Mitarbeiter in japanischen Unternehmen verbessern selbständig Produkte/Prozesse in Teamarbeit (Bottom-upPrinzip). Anstöße seitens der Unternehmensleitung sind gar nicht nötig! Richtig: Das Topmanagement bemüht sich permanent, Veränderungsprogramme zu aktivieren und die Mitarbeiter mit einzubeziehen. Die Mitarbeiter fühlen sich eingebunden und verbessern auch aus eigenem Antrieb (Wechselwirkung von top-down/bottom-up). ◼ Japanische Unternehmen sind nicht innovativ, weil sie fast ausschließlich Verbesserungsprogramme durchführen (Kaizen)! Richtig: Japanische Unternehmen sind auf den Markt ausgerichtet, mit entsprechenden Time-to-Market-Prozessen werden Märkte geschaffen und beherrscht. Patentstatistiken zeigen die innovative Marktorientierung. In der Tat zeichnen sich japanische Unternehmen durch permanente Verbesserungen aus (Kaizen). ◼ Das MITI (Ministry of International Trade and Industry) ist die übermächtige Strategie-Schaltzentrale Japans! Richtig: MITI ist lediglich Koordinationsorgan gewesen und unterhielt enge Beziehungen zur Industrie, die sie teilweise sogar in ihren Auslandsaktivitäten bremsen musste. Im Zuge der Wirtschaftsreform wurde es 2001 mit anderen Abteilungen zusammengelegt und in METI ( Ministry of Economy, Trade and Industry) umbenannt. ◼ Japanische Unternehmen haben hochmotivierte Mitarbeiter! Richtig: Ja, aber augenscheinlich entsteht diese Motivation nicht in unserem Begriffssinn durch „Freude an der Arbeit“, sondern durch starke Einflüsse von Gruppendruck, Firmenwettbewerbe (Qualitätspreise gewinnen), TQM-Aktivitäten, übergeordnete Zielsetzungen, wie den Deming- oder Japan-Award gewinnen zu wollen. ◼ Japanische Unternehmen verkörpern Lean Management in Reinkultur! Richtig: Lean Management ist gar kein japanisches Managementkonzept. Der Begriff stammt aus den USA (MIT-Studie). In größeren japanischen Unternehmen wird das Prinzip Verschwendung (Muda) zu vermeiden konsequent umgesetzt. Japanische Unternehmen orientieren sich eher am sog. ►Lean Thinking. Aber auch das ist ein amerikanischer Begriff, der jedoch den japanischen Ansatz ganz gut nachempfindet. Diese Auflistung ist nicht erschöpfend.
Literatur
Hans-Dieter Zollondz, Vichy
[1] Zusammengestellt in Anlehnung an: Klepzig, H.-J. u. K.-J. Schmidt: Prozeßmanagement mit System. Wiesbaden (Gabler) 1997, S. 15ff
Japan Quality Award (JQA)
▶EFQM ▶Business Exzellenz ▶MBNQA „A award only given to those corporations that have shown continued creation and value in overall management via innovations from the customer‘s standpoint.“ Heisst es sehr allgemein und lapidar in den Ausschreibungsbegleitmaterialien zum Japan Quality Award. Noch ein Japanischer Qualitätspreis, neben dem ►Deming Prize? Der Japan Quality Award ist in Deutschland praktisch nicht bekannt. Wie ist er entstanden, welche Bedeutung kommt ihm zu? Nachdem in den USA 1987 der ►Malcolm Baldrige National Quality Award, der MBNQA, ins Leben gerufen wurde, befasste sich nicht nur in Europa mit der Etablierung eines europäischen und aus den Nationalstaaten heraus entwickelten Preises, der auf Basis der Vorstellungen von TQM bzw. Excellence an Organisationen verliehen werden soll, die sich dem TQM-Ansatz verpflichtet fühlen. Auch in Asien formierte sich mehr und mehr eine Qualitätsbewegung, die dem industriellen Bereich entstammte und länderübergreifend regierungsunabhängig in der im Jahr 1961 in Tokyo gegründeten Asian Productivity Organization (APO) eine organisatorische Basis fand. Die APO versteht sich als unpolitische, gemeinnützige und nichtdiskriminierende Organisation. Ihre Mission lautet „Contribute to the sustainable socioeconomic development of Asia and the Pacific throught enhancing productivity“. Zu dieser Aussage passt die Etablierung von Business Excellence Awards auf den nationalen Ebenen, denn Gewinn und wirtschaftlicher Erfolg sind wichtige Anliegen und als organisatorische Leistung gilt es „excellence“ vorzuleben. Solche Auszeichnungen würdigen Wirtschaftsunternehmen mit hervorragenden Auszeichnungen oder Konsistenz in Wettbewerbsvorteile. So heisst es in den Texten der APO, deren Mitgliedschaft offen ist für Länder in Asien und im Pazifik (im Norden begrenzt durch die Mongolei), die Mitglieder der Wirtschafts- und Sozialkommission der Vereinten Nationen für Asien und den Pazifik (ESCAP UN) sind. Momentan zählen zur APO 20 Mitgliedsstaaten, von denen die folgenden zwölf einen nationalen Qualitätspreis v. a. in Anlehnung an den MBNQA, aber auch angereichert mit Elementen des ►EFQM-Modells, etabliert haben (Excellence). Die Länder mit einem solchen Exzellenz-Award in Asien sind: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Republic of China Hong Kong Indonesia Republic of Korea Philippines Sri Lanka
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Fiji India Japan Malaysia Singapore Vietnam
Somit ist es zu verstehen, dass es aufgrund dieser Entwicklung in Japan einen zweiten nationalen Qualitätspreis gibt, der explizit dem Business Excellence-Ansatz folgt und – durchaus vergleichbar mit dem MBNQA – seine Kriterien formuliert hat. Der JQA wurde 1995 etabliert und wird im Japan Pro-
538
Japan Quality Award (JQA) ductivity Center in Tokyo ( JQA Committee) verwaltet, das 1955 gegründet wurde und als Nonprofitorganisation mit heute ca. 12.000 Mitgliedern das Ziel verfolgt die Produktivität japanischer Unternehmen zu verbessern. Ein paar Zahlen zum Ergebnis: „From 1996 to 2000, 63 companies have applied for the Japan Quality Award and nine companies have received the award.“ Zum Award selbst müssen nicht umfangreiche Ausführungen gemacht werden. Er entspricht von der Struktur her dem US-amerikanischen Vorbild. Er bildet einen Rahmen von acht Kriterien, die in 22 Items unterteilt wurden: 1 Management Vision and Leadership 2 Understanding and Interaction with Customers and Markets 3 Mapping Out and Deploying Strategies 4 Human Resource Development and Learning Environment 5 Process Management 6 Sharing and Utilizing Information 7 Results of Enterprise Activities 8 Customer Satisfaction Der JQA basiert auf folgenden Konzepten: 1 Quality as judged by the customers (customer focus) 2 Senior executives‘ leadership 3 Continuous improvement of systems and processes 4 Education and training of human resources, and development of skills aligned to strategy 5 Quick response to market/customer needs 6 Partnership and teamwork 7 Commitment to environment protection and public responsibility Hans-Dieter Zollondz, Vichy Adresse Web
APO www.apo-tokyo.org Blatt-Platz Hongo Gebäude, 2F www.jqac.com 1-24-1 Hongo, Bunkyo-ku www. www.jpc-net Tokyo 113-0033, Japan Telefon (Main): 81-3-3830-0411 E-Mail: [email protected]
Japan-Schock
▶ Business Exzellenz
JDS-Job Diagnostic Survey JDS-Job Diagnostic Survey
▶Arbeitszufriedenheit ▶Mitarbeiterzufriedenheit ▶Mitarbeiterbefragungen ▶Motivationsmanagement ▶Human-Ressourcen-Management 1 Vorbemerkung Die Zufriedenheit von Mitarbeitern – so eines der Axiome in TQM-Modellen und darauf bezogenen Awards – führt c. p. zur Zufriedenheit von Kunden. Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit – nicht nur ein unauflösbarer Zusammenhang, sondern – so ist es wohl gemeint – das eine ist Voraussetzung für das andere. Um so wichtiger ist es die Faktoren der ►Mitarbeiterzufriedenheit zu kennen und diese durch Führung und organisatorische Gestaltung zu beeinflussen, auch wenn davon auszugehen ist, daß Zufriedenheit nicht automatisch die Leistungsbereitschaft steigert. Wer Instrumente einsetzt, um die Seele im Betrieb [1] zu erforschen, sollte methodisch einiges bedenken (►Mitar beiterbefragungen), wer auf eingeführte standardisierte Befragungsinstrumente zurückgreift, kann zwar auf ein erprobtes Werkzeug zurückgreifen, dennoch gehören zu Einsatz, Datenanalyse und Ergebnisinterpretation Fachkenntnis und Erfahrung. Die Beachtung dieser Punkte sei denjenigen empfohlen, die sich dem schwierigen Thema ►Mit arbeiterzufriedenheit zuwenden indem sie versuchen das Konstrukt Mitarbeiterzufriedenheit zu operationalisieren. Zufriedenheit wird vor allem durch folgende sechs Faktoren bedingt [2]: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Leistung Anerkennung der Leistung Inhalt der Arbeit Verantwortung Aufstiegs- und Entwicklungsperspektiven Weiterqualifikation und Chance zum persönlichen Wachstum.
►Kundenzufriedenheit ist demnach nicht nur eine hieraus abgeleitete Variable, sondern dazu auch vielfältig interdependent zu dritten Größen. Die oben beschriebene – aufgrund von Erläuterungen in TQM-Modellen – herausgestellte lineare Annahme mancher TQM-Protagonisten ist so eher naiv zu nennen. Beispielhaft wird im Folgenden ein Befragungsinstrument vorgestellt, mit dem versucht wurde das Konstrukt Mitarbei terzufriedenheit zu operationalisieren [3]. 2 Das Instrument des Job Dignostic Survey (JDS) von Hackman/Oldham Für die Zwecke des Einsatzes von standardisierten Instrumenten zur Messung der Mitarbeiterzufriedenheit muss es gelingen die subjektiven Erfahren der Mitarbeiter derart empirisch abzubilden, damit es möglich ist, Vergleiche zwischen Abteilungen, Gruppen oder Betrieben anzustellen. Nur auf
539
J
JDS-Job Diagnostic Survey
JDS-Job Diagnostic Survey
Abb. J02: Grundmodell des Job Diagnostic Survey ( JDS) Kerndimensionen der Arbeitssituation
◼ Anforderungswechsel ◼ Aufgabengeschlossenheit ◼ Wichtigkeit der Aufgabe
◼ Autonomie ◼ Rückmeldung (Arbeit) ◼ Rückmeldung (Person)
Psychologische Erlebniszustände
Erlebte Bedeutsamkeit der Arbeit
Erlebte Verantwortung der Arbeit Kenntnis der Arbeitsergebnisse
Auswirkungen auf die Arbeit
◼ Intrinsische Motivation ◼ Arbeitsqualität ◼ Allgemeine Arbeitszufriedenheit ◼ Fluktuation ◼ Absesentismus ◼ Zufriedenheit mit den Entfaltungsmöglichkeiten
Moderatoren (Wirkungsverstärker)
Extrinsische Motive
J
◼ Soziale Arbeitszufriedenheit ◼ Zusammenarbeit
Quelle: [5 ], S. 1275
dieser Grundlage können ge stalterische Maßnahmen begründet durchgeführt werden (►Organisationsgestaltung). Gerade diese Kerndimension berücksichtigt das JDS-Modell von Hackman und Oldham [4], dessen Überarbeitung durch Brüggemann et al. [5] von der RWTH Aachen neuerdings vorgelegt wird (Abbildung J02). Das abgebildete Job Diagnostic-Survey-Modell ist wie folgt zu bestimmen: Begriff
Dem JDS liegt das Job Characteristics Mo dell zugrunde. Die Merkmale der Ar beitsaufgaben habe entsprechend diesem Modell Einfluss auf die Motivation, Zufriedenheit sowie weitere Größen wie z. B. Arbeitsleistung, Fluktuation, Absentismus. Die Arbeit wird in ihren Kern dimensionen Aufgaben geschlossenheit, Anforderungswechsel, Aufgabenwich tigkeit, Autonomie und Rückmeldung erfasst. Diese wirken – über die Wahrnehmung der eigenen Arbeit – auf die Zielgrößen ein. Darüber hinaus werden im Modell noch das Bedürfnis der Mitarbeiter nach entfaltungsförderlicher Arbeit sowie verschiedene andere Wirkungsverstärker berücksichtigt. [6] Die ◼ Kerndimensionen der Arbeitssituation, ◼ Psychologische Erlebniszustände, ◼ Auswirkungen auf die Arbeit und ◼ Moderatoren (als Wirkungsverstärker verstanden) stehen dabei in einem komplexen Wirkungszusammenhang. Erhebungs instru ment ist ein Fragebogen, der von den deutschen Autoren angepasst wurde. Erweiterungen sind außerdem möglich. Es ist unmittelbar ersichtlich, daß die Kerndimensionen der Arbeitstätigkeit mit verschiedenen
540
Die Durchführung von Organisations ent wicklungsprojekten im Hinblick auf Gestaltungsmaßnahmen und Mitarbeiterzufriedenheit im Qualitätsmanagement verlangt neben einer fachkundigen Begleitung, dass in Projektgruppen die Ergebnisse eingehend analysiert werden und daraus ableitend Veränderungen vorgeschlagen werden. Vor ad hoc-Maßnahmen kann nur gewarnt werden. Am Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen wurden inzwischen umfangreiche Erfahrungen beim Einsatz des JDS gesammelt. Die ►Deutsche Gesell schaft zur Zertifizierung von Managementsystemen (DQS) bewertet den JDS positiv als Erhebungsund Auswertungsinstrument im Rahmen des Qualitätsmanagements. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung
◼ Arbeitsplatzsicherheit ◼ Vorgesetztenverhalten ◼ Zufriedenheit mit der Entlohnung
Maßnahmen der Organisationsgestal tung in Beziehung stehen. Die Autoren weisen dies em pirisch an Projekt er gebnissen nach.
Literatur [1] Der Begriff entstammt dem Titel: Mertens, W.: Die Seele im Unternehmen. Psychoanalytische Aspekte von Führung und Organisation im Unternehmen. Berlin u.a. (Springer) 1991 [2] Rosenstiel, L. v.: Mitarbeiterführung in Wirtschaft und Verwaltung. Anstöße zur Ermutigung. 2. Auflage München 1994, S. 115 [3] Ausführlich zu dieser Problemstellung und anderen Modellen und Instrumenten: Fischer, L.: Messung der Arbeitszu friedenheit und Ergebnisse empirischer Forschungen. In: Luczak, H.; W. Volpert (Hrsg.): Handbuch Arbeitswissenschaft. Stuttgart 1997, S. 271-275 [4] Hackman, J.; Oldham, G. R.: Development of the Job Diagnostic Survey. In: Journal of Applied Psychology 2 (1975), S. 159-170. – Hackman, J.; Oldham, G. R.: Work Redesign. Reading, Mass.: Addison Wesley 1980 [5] Brüggemann, M.; S. Hunecke; S. Mütze: Arbeitsmotivation als Qualitätserfolgsfaktor. Der Job Diagnostic Survey als Instrument des Qualitätsmanagements für die Organisationsentwicklung. In: QZ 44 (1999) Heft 10, S. 1274-1278 [6] Die Erläuterung wurde [5] entnommen.
Jidoka
▶Japanische Qualitätstechniken
Job Enlargement JiT
▶Just in Time ( JiT)
Job Enlargement
▶Arbeitsvergrößerung ▶Organisationsgestaltung Viele unterschiedliche Tätigkeiten werden miteinander verknüpft. Diese verschiedenen Tätigkeiten können aber durchaus reine Routinetätigkeiten sein, d. h. wenig Entschei dungsmöglichkeiten enthalten.
Job Diagnostic Survey
▶JDS-Job Diagnosic Survey
Job Enrichment
▶de: Arbeitsanreicherung ▶Organisationsgestaltung Ein Konzept der Arbeitsstrukturierung, bei der strukturell gleiche und verschiedene, vor-, nach- und nebengelagerte Arbeitsfunktionen oder -aufgaben zu einer neuen Aufgabe zusammengefasst werden, oftmals mit dem Ziel, zu ganzheitlichen, sinnvollen Arbeitsaufgaben zu kommen, indem so eine qualitative Veränderung des Arbeitsinhalts angestrebt wird. Dabei soll der Anteil sich wiederholender Arbeitsverrichtungen für den einzelnen Mitarbeiter relativ abnehmen. Ziel ist es, vom Mitarbeiter fortdauernd qualitativ anspruchsvollere Arbeitsleistungen erbringen zu lassen. Das bedeutet, daß bisher von Vorgesetzten ausgeführte Tätigkeiten hinzugefügt werden, um so den Mitarbeiter kontinuierlich zu qualifizieren. Schwierigere und verantwortungsvollere Ar beitsvorgänge wie Planen und Entscheiden unter übergeordneteren Gesichtspunkten werden zu ganzheitlich erlebbaren Aufgabeneinheiten gefügt. Linear gedacht bedeutet Job Enrichment somit zunächst, daß die Verantwortung für die eigene Arbeitsaufgabe erweitert wird, dann, daß die Möglichkeit zur selbständigen Leistung besteht, und daß schließlich die Chance für ein mehr an persönlichem Erfolg aus der Arbeits tätigkeit heraus erwächst, was schließlich zu mehr persönlicher Entfaltung führt. Allerdings gilt, daß – trotz zahlreicher positiver Befunde zu Job-Enrichment-Programmen – damit nicht generell Monotonie und Des in teresse überwunden werden kann. Es gibt zudem zahlreiche Belege dafür, daß genauso repetitive, monotone Tätigkeiten von Mitarbeitern vorgezogen werden.
Job Involvement
Wenn Mitarbeiter sich überdurchschnittlich in ihrer Arbeitstätigkeit engagieren, spricht man von Job Involvement.
Job Rotation Job Rotation
▶de: eplanter Arbeitsplatzwechsel ▶Organisationsgestaltung Drei zu unterscheidende Wortbedeutungen werden mit Job Rotation bezeichnet: ◼ Job Rotation als innerbetriebliches Ausbildungsprinzip bedeutet, daß ein Auszubildender im planmäßigen Nach einander jeweils eine gewisse Zeit in verschiedenen Abteilungen tätig ist, damit er seinen Kenntnisstand über die wichtigsten Bereiche und Funktionen entsprechend den Forderungen entweder des Ausbildungsplans oder einer zukünftigen Stelle erweitern kann. ◼ Job Rotation als Ansatz der Arbeitsstrukturierung mit gezieltem, systematisch betriebenem Aufgabenwechsel von strukturell gleichartigen Arbeitsplätzen. Der Wechsel kann geplant oder ungeplant, selbstbestimmt oder fremdbestimmt sein und sich auf ein oder mehrere (Teil-) Produkte erstrecken. Dieses Vorgehen eines ‘Rundum wechsels’ verfolgt das Ziel die Minderung der Belastung zwischen allen Gruppenmitgliedern zu erreichen. Mit Hilfe von Job Rotation erreicht man eine Erhöhung der Aufgabenvielfalt nach Maßgabe der Forderungen an die Aufgabe, ohne daß gestalterische Eingriffe in die Arbeits plätze für die wechselnden Mitarbeiter erfolgen. Da sich Job Rotation auf die gegebenen Arbeitsplätze beschränkt, ist diese Form der Arbeitsorganisation begrenzt. ◼ Job Rotation als innerbetriebliches Weiterbildungsverfahren und damit Instrument der Personalentwicklung zielt auf eine Art „gelenkten Stellenwechsel“, d. h. auf planmäßige Versetzung geeig neter Mitarbeiter (Nachwuchskräfte) von Stelle zu Stelle. Es werden spezielle Rotationsstellen geschaffen, die entweder horizontal (als ‘Ringtausch’ auf gleicher Ebene mit nachfolgender Rückversetzung in die alte Abteilung), vor allem um den Über blick über die einzelnen Unter nehmensbereiche zu erweitern und die Ressortblindheit zu beseitigen, oder vertikal (durch vorübergehende Übernahme einer ranghöheren Funktion oder Stelle) oder radial (durch vorübergehenden Wechsel vom ‘Stab’ zur ‘Linie’ bzw. umgekehrt oder durch Wechsel des Einsatzorts von einer Außen- oder auch Auslandsstelle des Unternehmens zur Zentrale bzw. umgekehrt.
Job Sharing
▶Organisationsgestaltung Die auf freiwilliger Basis und auf Dauer zwischen zwei oder mehreren Mitarbeitern angelegte Teilung eines bislang vollzeitlich besetzten Arbeitsplatzes. Die Aufteilung der Aufgaben erfolgt eigenverantwortlich unter den teilzeitbeschäftigten Job Sharern.
541
J
Jochem, Roland
Juran, Joseph Moses
Jochem, Roland
wissenschaftliche Fachzeitschrift Journal of Japanese Society of Quality Control heraus, die als recht anspruchtvolles vierteljährliches Periodikum erscheint: Each issue contains welldeveloped articles on the theories, philosophies and applications of quality management, as well as features on current topics in quality management and related fields.
J
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Roland Jochem (geb. 1962) hat Maschinenbau an der Technischen Universität (TU) Berlin studiert und am dortigen Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) 2001 zum Dr.Ing. promoviert. Nach seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter Prozessmanagement am Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) in Berlin wechselte er 2002 als Prozessorganisator zur Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH. Von 2005 bis 2010 war er als Universitätsprofessor verantwortlich für das Fachgebiet Qualitätsmanagement an der Universität Kassel. Seit 2010 führt er als Universitätsprofessor das Fachgebiet Qualitätswissenschaft der TU Berlin und ist zudem seit 2011 Leiter des Geschäftsfelds Qualitätsmanagement am Fraunhofer IPK. Er ist außerdem Extraordinary Professor for Quality Management der Universität Stellenbosch in Südafrika und Vorstandsvorsitzender der ►Gesellschaft für Qualitätswissenschaft (GQW) sowie Vorstandsmitglied im Deutschen Forum für Interoperabilität (DFI). Veröffentlichungen (Auswahl – insgesamt über 70 Publikationen)
Jochem, R. (Hrsg.): Was kostet Qualität. Wirtschaftlichkeit von Qualität ermitteln. Hanser Verlag, München, 2010. – Jochem, R.; Geers, D.; Giebel, M. (Hrsg.): Six Sigma leicht gemacht: Ein Lehrbuch mit Musterprojekt für den Praxiserfolg. Symposion Publishing, Düsseldorf, 2011 – Jochem, R.; Mertins, K.; Knothe, T. (Hrsg.): Prozessmanagement – Strategien, Methoden, Umsetzung. Symposion Publishing, Düsseldorf, 2010. – Gundlach, C.; Jochem, R. (Hrsg.): Praxishandbuch Six Sigma: Fehler vermeiden, Prozesse verbessern, Kosten senken. Symposion Publishing, Düsseldorf, 2008. – Jochem, R. Menrath M. Landgraf, K.: Implementing a Quality–based Performance Measurement System: A Case Study Approach; TQM; volume 22, special issue 4, pp. 410-422, 2010. – Giebel, M.; Essmann, H.; Du Preez, N.D.; Jochem, R.: Improved innovation through the integration of Quality Gates into the Enterprise and Product Lifecycle Roadmaps. In Proceedings of the CIRP Design Conference 2008 – Design Synthesis, 7. 9. April 2008, Enschede, The Netherlands.
JSQC
▶Japanese Society of Quality Control Die Japanese Society of Quality Control wurde 1970 mit der Zielsetzung gegründet, die Forschung im Qualitätsmanagement zu fördern. Sie hat heute ca. 3000 Personen und 250 Unternehmen als Mitglieder. Sie ist Mitglied im ►ANQ, an dessen Gründung sie mitgewirkt hat. Die JSQC gibt die
542
Web
www.jsqc.org
Juran, Joseph Moses ▶Durchbruch
Amerikanischer Qualitätsexperte
Deutscher Qualitätsexperte
▶ Globales Wertschöpfungsmanagement ▶ Globales Qualitätsmanagement
Joseph ( Joe) Moses Juran (*24. 12. 1904-28. 02 2008†) wurde als Sohn eines jüdischen Schuhmachers in Gura Humorului (Rumänien) geboren. 1912 emigrierte die Familie in die Vereinigten Staaten und ließ sich in Minneapolis, Minnesota nieder. Sein Bruder, Nathan Juran (1907-2002), wurde im amerikanischen Film ein berühmter Art Director und Regisseur. J. M. Juran übersprang in der Schule vier Klassen. 1924 absolvierte er sein Bachelor-Studium, das er putzer, Zeisich als Schuh tungs-Journalist und Buch hal ter finanzierte, an der University of Minnesota als Elektroingenieur (electrical engineering). 1924 begann Juran seine Arbeitstätigkeit bei Western-Electric-Company (WE) im Werk Hawthorne. Die ersten Jahre war er in der Qualitätskontrolle eingesetzt. Er hatte sich mit externen und internen Reklamationen zu befassen. 1937 wurde er bei WE Leiter des Bereichs Industrial Engineering. Später wurde er nach Washington DC beordert, um das Finanzprogramm von WE zu verbessern, über das die USA im 2. Weltkrieg den Alliierten Streitkräften Geld liehen. Hieran schloss sich eine Beschäftigung bei AT & T an. Nach dem Krieg ging er an die New York University als Professor und Chairman for Industrial Engineering. Ab 1951 machte er sich als Berater selbständig. Im gleichen Jahr veröffentlichte er „The Quality Control Handbook“, einen Klassiker der Management-Literatur, der allerdings erst in den 1980er Jahren ins Deutsche übersetzt wurde und im Jahr 2010 die 6. Auflage in den USA erreichte. Dieses Werk ist vergleichbar mit Masings Handbuch Qualitätsmanagement. Es wird heute von Autoren aus dem JuranInstitut herausgegeben und umfasst ca. 1200 Seiten. In den USA wurde Juran – wie ►Deming – erst in den 1980er Jahren „entdeckt“. Bis dahin galt er als Außenseiter. Allerdings wurde er von Steve Jobs, dem legendären Gründer von Apple sehr geschätzt. Beide vertraten gleiche Ansichten. Joe, wie Steve Jobs ihn liebevoll nannte, stellte sich 1991 zu einer öffentlichen Diskussion in der Fachwelt des Qualitätsmanagements
Juran, Joseph Moses Abb. J03: Steve Jobs on Joseph M. ( Joe) Juran and Quality
Steve Jobs zu Joe Juran: „This shift (a continual improvement focus) is a tremendous optimistic point of view about the people that work in a company. It says these people are very smart. They are not pawns. They are very smart and if given the opportunity to change and improve they will. They will improve the processes if there is a mechanism for it. That optimistic humanism I find very appealing.“
Quelle: This webcast shows an interesting interview with Steve Jobs when he was with NeXT computer. He discusses quality, business and the experience of working with Dr. Juran at NeXT computer. The video is likely from around 1991.
(ASQ), als NEXT, das neue Unternehmen von Jobs, in den Workstationmarkt eingetreten war (Abbildung J03). Es dürfte nicht abwegig sein, den Erfolg von Apple-Produkten, der ja auf der systematischen Anwendung von Qualitätsprizipien beruht, auf Jurans indirekten Einfluss zurückzuführen. Jurans Entwicklung im Qualitätsmanagement lässt sich an fünf aufeinanderfolgende Etappen seiner persönlichen Erfahrungen verfolgen: 1 Qualität wird kontrolliert: Damals wurde die Organisa tion der Produktion im Werk Hawthorne mit dem Ziel verfolgt, möglichst die entsprechende Stückzahl zu den vorgeplanten Kosten zu erreichen. Hinterhergeschaltet war eine sehr aufwendige Inspektionsabteilung. Von den etwa 40.000 Mitarbeitern waren etwa 5.000, d. h. über 12% in der Inspektionsabteilung beschäftigt. Das Ergebnis war zwar hohe Qualität aber erreicht werden konnte ein solches Ziel nur durch eine massive und kostenin-
Juran, Joseph Moses tensive Inspektion. – 1926 wurden aufgrund von Aktivitäten der Bell-Telefon-Laboratories bei Western Electric statistische Methoden angewendet. Um die Arbeit der Inspektion zu vereinfachen und die bisherige doch teilweise willkürliche Inspektion (manchmal auch 100%-In spektion) zu standardisieren, wurden Stichprobenpläne (►AQL-Konzept, Accepted Quality Level) eingeführt. Dies führte auch zur Entwicklung von StichprobenTabellen, die sogenannten ►MIL STD-105. Diese Stichproben-Tabellen und die neu eingeführte ProzessRegelkarte (►Qualitätsregelkarten) von ►W. Shewhart dienten im 2. Weltkrieg als Qualitätsstandards für Lieferanten der Armee. Obwohl er erfolgreich die Inspektionsabteilung am Schluss des Produktionsprozesses abgebaut hatte und zugleich Qualität im Produktionsprozess selbst erzeugte, besannen sich die Unternehmen und führten wieder tayloristische Methoden ein. So ließen sich Jurans Konzepte Anfang der fünziger Jahre in den USA nicht weiterverfolgen und somit auch nicht mehr realisieren. Im Zusammenhang mit seiner Arbeit lernte Juran damals die Experten George Edwards, Walter ►Shewhart, Harold Dodge, Harr y Romig etc. kennen und profitierte von deren Wissen. 2 Qualität wird produziert: Im Hawthorne-Werk von Western Electric ließ Juran Gruppen bilden, die die neuen statistischen Methoden (s. 1)in der Praxis anwendeten. Die große Inspektionsabteilung am Schluss der Produktion wurde größtenteils aufgelöst und in den Produktions prozess mit einbezogen. Eine kleinere Abteilung blieb übrig, um Audits und den Prozess „an sich“ zu überprüfen. Die Produktions- und Inspektionsabteilungen begannen, enger zusammenzuarbeiten. Die Prüfdaten von der Inspektion wurden als Hinweis für zukünftige Verbes serungsmaßnahmen etc. gesammelt und in den Beginn des Fertigungsprozesses eingegeben. 3 Erfahrungen und Erkenntnisse im Krieg: Von 1941 (Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg) bis 1945 war Juran für die US-Regierung als Qualitätsspezialist tätig. 1941 stieß Juran bei seinen Studien auf die Arbeiten des Italieners Vilfredo Pareto (1848-1923) und dessen nach ihm später so genannten Pareto-Prinzip. Nach Paretos Regel verteilen sich bei Problemstellungen die Ursachen im Verhältnis von 80 zu 20, was bedeutet, dass z. B. bei der Erbringung einer Leistung 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. Juran postulierte, dass dieses Prinzip der ungleichen Verteilung von Qualitätsmerkmalen auch bei Fragen der Qualität gilt, zum Beispiel bei den Ursachen von auftretenden Fehlern. Vielfach wird heute diese Erkenntnis von Juran auch nach ihm benannt. Er war aber der Zweite der diese Regel übertrug. Ungeachtet dessen gilt es festzustellen, dass die Pareto-Regel durch ►Ishikawa später in die ►Q7-Sammlung aufgenommen wurde. 4 Forschung, Lehre und Consulting: Juran kehrte nach dem Krieg nicht mehr in die Industrie zurück. Seine zweite
543
J
Juran, Joseph Moses
J
Juran, Joseph Moses
Karriere begann er als „Chairman of the Department of Administrative Engineering“ und dann als außerordentlicher Professor an der New York University, wo er eine Basis fand, sich neben der Lehre mit arbeitswissenschaftlichen Fragen zum Qualitätsmanagement zu befassen (Industrial Engineering). Eine berufliche Laufbahn als Berater schloss sich an, in der er zahlreiche Veröffentlichungen auf den Weg brachte. Auch wurde er von der ►JUSE zur Durchführung von Managerseminaren nach Japan eingeladen. 5 Das Juran-Institut: Im letzten Abschnitt seiner „Qualitätsreise“ gründete er im Jahr 1979 sein eigenes Institut, das Juran-Institut, Inc., Southington (http://www.juran. com), das auch nach seinem Tod im Jahr 2008 in seinem Geist weitergeführt wurde.
Ausgezeichnet wurde Juran vielfach. Er erhielt ca. 40 Aus zeichnungen in zwölf Ländern:
Neben seiner Tätigkeit hat er die Fachwelt durch seine beiden Handbücher und das grundlegende Werk zur Geschichte des Qualitätsmanagements beeindruckt ([1], [2], [3]). Darüberhinaus wurde seine allgemeine Managementlehre auch ins Deutsche übersetzt („Managerial Breakthrough [4], Offensive Führungstaktik [5]). Er hat weit über hundert Publikationen verfasst und Seminare in fast allen Ländern der Erde durchgeführt. Sein Institut hat inzwischen Niederlassungen in China, Südafrika und Europa (England).
◼ Qualitätsplanung (P) ◼ Qualitätsregelung (R) ◼ Qualitätsverbesserung (V).
Juran in Japan: Juran wurde durch sein erstes Werk „Quality Control Handbook“ so bekannt, dass er 1954 von der ►JUSE, der japanischen Union for Science and Engineer, eingeladen wurde, Seminare zum Qualitätsmanagement durchzuführen. Er führte in dieser Zeit mehrere Seminare für das Top- und Mittelmanagement der japanischen Industrie in Japan durch (sog. Management of Quality-Kurse). In der damaligen Zeit (Anfang der 1950ger Jahre) wurde in Japan Qualität mehr auf die Produktion bezogen, wurde also technisch begriffen. Juran brach diese Denkweise auf und bezog den Qualitätsbegriff im Sinne eines Managementansatzes auf den Kunden und lehrte, alle Prozesse unter Einbeziehung der Mitarbeiter etc. zu erweitern. Damit gilt er als Mitbegründer des ►Total Quality Management (TQM).
◼ Vier Ehren-Doktor-Würden ◼ Auszeichnungen von verschiedenen Qualitätsorganisationen, z. B. Edwards Madaille, Grant Medaille. ◼ Der Präsident der Vereinigten Staaten zeichnete ihn mit der „National Medal of Technologie“ für seine lebens lange Arbeit auf dem Qualitätssektor aus. Seine Qualitäts-Philosophie hat Juran in der „Juran-Trilogy®“ (Abbildung J04) einprägsam zusammengefaßt und im Jahr 1986 erstmals veröffentlicht. Das Modell ist vorausschauendfehlervermeidend angelegt. Es beschreibt den Prozess einer systematischen und kontinuierlichen Förderung der Qualität in drei Schritten,
Zwischen Jurans Ansatz und dem von Deming sind zweifellos Überschneidungen zu sehen. Jurans Ansatz ist jedoch klarer strukturiert, gewissermaßen aus einer Makroperspektive heraus, also auch top down, angelegt. Auch spielt die Statistik bei Juran nicht die dominierende Rolle. Im Vordergrund steht der Managementaspekt. Sein o. g. dreistufiges Phasenmodell der Trilogie ist zirkulär zu verstehen und charakterisiert heute die Vorgehensweise im Qualitätsmanagement schlechthin ( Juran 1991, 21-22): „Am Anfang steht die Qualitätsplanung. Deren Ziel ist es, die Hersteller eines Produkts mit allem zu versorgen, was notwendig ist, um die Bedürfnisse ihrer Kunden befriedigen zu können. Produkte sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Rechnungen, Kunststofffolien, Kaufverträge, Wartungsaufträge oder ein neues Produktdesign. Wenn die „Qualitätsplanung“
Neben Deming war er in Japan und anderen Ländern seit den fünfziger Jahren beratend tätig. Der Kaiser von Japan verlieh Juran 1981 als Dank für die Unterstützung bei der Einführung des Qualitätsmanagements in Japan und die Förderung der amerikanisch-japanischen Freundschaft die höchste Auszeichnung, die ein Ausländer in Japan bisher erhalten konnte, den „Second Class of the Order of the Sacred Treasure“ (s. Bild rechts).
1981: Juran receiving the Japanese Order of the Sacred Treasure. A schedule conflict caused me to miss receiving it directly from the emperor. Instead, the presentation was made by Mr. Ichiro Nakagawa, Minister of Sience and Technology, at a special ceremony.
544
Juran, Joseph Moses
Juran, Joseph Moses
Abb. J04: Jurans Qualitätsphilosophie charakterisiert durch die „Juran-Trilogy ®“
Sporadische Probleme
40 % ––
V
P R
Ausgangszone
20 % ––
0
Produktionsbeginn
Kosten für mangelnde Qualität (Fehlleistungsaufwand)
Juran Trilogy®
Qualitäts planung
P
Ursprünglicher Qualitätsregelbereich
Chronische Verluste (wegen mangelnder Qualitätsplanung – Möglichkeit zur Verbeserung)
J Qualitäts verbesserung
Qualitätsregelung (steuerung) (lenkung)
R
V
t
Neue Zone der Qualitätsregelung
Lessons learned Quelle: Ergänzt in Anlehnung an Juran 1993, S. 30
abgeschlossen ist, geht das Produkt in Produktion. Hierbei stellt sich dann heraus, daß der Prozess möglicherweise fehlerbehaftet ist: 20% des Herstellaufwands werden im Schnitt vergeudet, wenn Produkte wegen Qualitätsmängel nachgearbeitet werden müssen. Diese Verluste sind chronisch, denn sie beruhen auf den eigenen Planungen. In konventionellen Unternehmensstrukturen ist die Produktion nicht in der Lage, diese chronischen Verluste zu vermeiden. Was anstelle dessen geschieht, nennt sich Kontrolle oder Qualitätssicherung und besteht aus Prüfungen, die durchgeführt werden, um eine weitere Verschlechterung zu vermeiden. „Qualitätsregelung“ in diesem Sinne besteht darin, die schlimmsten Brände zu löschen, wie zum Beispiel die in der Abbildung dargestellten sporadisch auftretenden Fehlerhäufungen. Die Abbildung zeigt uns darüber hinaus, dass die Kosten für chronische Fehler und deren Folgen weit unter das ursprünglich geplante Niveau abgesenkt werden können. Dieser Gewinn wird durch den dritten Schritt der
Trilogy erreicht: „Qualitätsverbesserung“. Tatsächlich hat man endlich erkannt, daß chronische Verluste infolge von Qualitätsproblemen die Möglichkeit zu erheblichen Verbesserungen und Einsparungen in sich tragen, und man hat die notwendigen Schritte unternommen, diese Chancen auch zu nutzen.“ Das von Juran entwickelte Vorgehen ist allerdings nicht originär. Schon im Finanzmanagement wurde damals von Planung (Budgetierung, Finanzplanung), Regelung (Kostenüberwachung, Controlling, Inventur) und Verbesserung (Kostensenkung, Gemeinkostenwertanalyse) gesprochen. Neu ist die konsequente Anwendung dieser drei Schritte auf das Qualitätsmanagement und der hierbei zugrundegelegte systematische Managementansatz, wie die – auf die drei Phasen bezogenen – Bestimmungsstücke zeigen ( Juran 1993, 27-28): „… Qualitätsplanung = P: ◼ Festlegung von Qualitätszielen ◼ Identifizierung der Kunden beziehungsweise des Personenkreises, der von den Bemühungen um Erreichung der
545
Juran, Joseph Moses
J
Juran, Joseph Moses
Qualitätsziele betroffen ist grundlegenden Aktivitäten: Identifiziere die Kunden und ◼ Bestimmung der Kundenbedürfnisse ihre Bedürfnisse, entwickle ein Produkt, das diese Bedürf◼ Entwicklung von Produkteigenschaften, die den Kunnisse erfüllt, entwickle einen Prozess, der fähig ist, dieses Prodenbedürfnissen gerecht werden dukt zu erzeugen. Wenn wir etwas genauer hinschauen, dann ◼ Entwicklung von Prozessen zur Produktion dieser Proläuft Qualitätsplanung stets in sehr ähnlichen Schritten ab dukteigenschaften – nach einer feststehenden Straßenkarte für die Qualitätspla◼ Einführung von Prozeßkontrollen und Übergabe der danung“ [1, S. 24f], wie dies Abbildung J05 zeigt. Die einzelnen raus resultierenden Pläne an die Fertigung. Schritte sind linear miteinander verknüpft. Das Beispiel der Identifizierung der Kunden (Beginn der abgebildenen Stra… Qualitätsregelung = R: ßenkarte) besteht aus drei Teilen [1, S. 27]: ◼ Beurteilung des aktuellen Qualitätsstands ◼ Vergleich der aktuellen Leistung mit den Qualitätszielen ◼ Eingabe: Das existierende Produkt bzw. den existierenden ◼ Durchführung der erforderlichen Maßnahmen bei AbProzess als Gegenstand unserer Qualitätsplanung bzw. weichungen. -überarbeitung … Qualitätsverbesserung: = V: ◼ Aktivität: Die Erstellung eines Ablaufplans (Flußdia◼ Einrichtung der erforderlichen Infrastruktur zur alljährgramms), um festzustellen, wer von dem Produkt betroflichen Erzielung von Qualitätsverbesserungen fen ist ◼ Ermittlung des spezifischen Verbesserungsbedarfs – der ◼ Ausgabe: Die resultierende Kundenliste. Verbesserungsprojekte Abb. J05: Jurans Straßenkarte für die Qualitätsplanung ◼ Zusammenstellung von Projektteams für die einzelnen Projekte (mit klar defiBestehendes Produkt, bestehender Prozess nierter Verantwortung der Projektteams für einen erfolgreichen Abschluss der jeweiligen Projekte) Kundenbedürfnisse Identifiziere den Kunden ◼ Bereitstellung von Ressourcen, Moti(quantifiziert) vation sowie Ausbildungs- und Schulungsmaßnahmen für die Teams zwecks Liste der Kunden Entwickle das Produkt Ursachenermittlung, Anregung von Korrekturmaßnahmen und Einführung Identifiziere die von Kontrollen zur Wahrung des verProdukteigenschaften Bedürfnisse der Kunden besserten Qualitätsstandards.“ Ins Deutsche übertragen kann man die Dreierstruktur als Zyklus auffassen (planen, regeln, verbessern):
P V R
Kundenbedürfnisse (in deren Sprache)
Optimiere die Produktfestlegungen
Übersetze die Kundenbedürfnisse
Qualitätsziele (produktbezogen)
Kundenbedürfnisse (in unserer Sprache)
Entwickle den Prozess Prozessfestlegungen
Lege Maßstäbe zur Qualitätsbeurteilung fest
Optimiere den Prozess und stelle die Prozessfähigkeit sicher
Qualitätsmaßstäbe
Mit seiner Straßenkarte für die Qualitätsplanung (Abbildung J05) verdeutlicht Juran die Schritte in Form eines Ablaufplanes und bezieht damit die Planungsphase auf den operativen Bereich. „Grob gesprochen bedeutet Qualitätsplanung, Produkte und Prozesse so zu entwickeln, dass sie den Kundenbedürfnissen gerecht werden. Damit gehören zur Qualitätsplanung die folgenden
546
Führe geeignete Messmethoden ein Kundenbedürfnisse (quantifiziert)
Optimierter Prozess, fertig zur Übergabe Übergebe den Prozess an die ver antwortlichen Linienabteilungen Prozess bereit zur Produktion
Juran, Joseph Moses
Juran, Joseph Moses
Schon hier – auf der Planungsebene – setzt Juran sein „DreiRollen-Konzept“ an [1, 27-28]: „Man sollte bereits an dieser Stelle beachten, dass sich jeder Betroffene gleichzeitig in drei Rollen befindet: ◼ Als Kunde empfängt er Leistungen von Lieferanten ◼ Als Verarbeiter setzt er Eingaben in Produkte um ◼ Als Lieferant versorgt er Kunden mit Produkten.“ Juran zeigt auf, dass das Drei-Rollen-Konzept universell anwendbar ist (Gesamtunternehmen, Unternehmensbereich, Abteilung und letztendlich zwischen den einzelnen Mitarbeitern). Es ist als zweiter von vier Schritten eingebettet in die einzelnen Schritte der Qualitätsplanung [1, S. 26]: ◼ Der lineare Ablauf – das Ergebnis eines Schrittes ist jeweils die Basis für den nächsten Schritt ◼ Die dreifache Rolle bei jedem Schritt – als Kunde, Verarbeiter und Lieferant ◼ Die Vereinbarung allgemein gültiger Maßstäbe zur Beurteilung der Qualität ◼ Die Installation eines Messsystems (Sensoren) für die Qualitätsbeurteilung anhand der vereinbarten Maßstäbe. Jurans Rollenkonzept der Kunden-/Lieferantenbeziehung (KLB) ist heute Standard im Qualitätsmanagement geworden (interne/externe KLB). Eine Vielzahl weiterer Ansätze und Qualitätstechniken hat er grundlegend formuliert und in seiner Beratungspraxis erprobt und angewandt. Zu Jurans Drei-Rollen-Konzept (s. die Abbildung J06, auch TRIPROL-Diagramm genannt): Im Zentrum des Juranschen Drei-Rollen-Konzepts steht der Begriff des Verarbeiterteams: „Jede Organisationseinheit – das gesamte Unternehmen, jede Sparte, jede Abteilung, jede Person – führt einen Prozess aus und erzeugt ein Produkt.“ [2, S. 27-28] Abb. J06: Eingabe-Ausgabe-Diagramm - Jurans Rollenkonzept
Unser(e) Lieferant(en)
Unsere Rolle als ◀ Kunde
Unsere Eingabe(n)
Unser(e) Prozess(e)
◀ Verarbeiter
Unser(e) Produkt(e)
Unser(e) Kunde(n)
◀ Lieferant
Damit hat Juran das betriebliche Sozialgeschehen von den Akteuren her derart zergliedert, dass der Begriff Verarbeiterteam konkret gleichzeitig als abstrakte Person anzusehen ist, aber auch dem Rollenpartner eine anonyme Gesamtheit, wie ein Unternehmen, gegenüberstehen kann. In einem zweiten Schritt definiert Juran die Perspektive des Verarbeiterteams zu sich selbst zu seinen Kunden und Lieferanten: „Das Verarbeiter-Team führt verschiedene Führungsaufgaben und technische Aktivitäten aus, um seine Produkte zu erzeugen. Kunde: Das Verarbeiterteam verschafft sich verschiedene Arten von Eingaben, die bei der Durchführung des Prozesses zur Anwendung gelangen. Das Verarbeiterteam ist ein Kunde des Lieferanten, die solche Eingaben bereitstellen. Lieferant: Das Verarbeiterteam liefert seine Produkte an seine Kunden.“ ( Juran 1993, 37f.) Diese Zusammenhänge sind nach Juran zwar „ausgesprochen simpel“, können aber dann komplex werden, wenn es viele verschiedene Lieferanten, Eingaben, Prozesse, Produkte und Kunden zu berücksichtigen gilt. Sein Quasigesetz lautet: „Je größer diese Komplexität wird, desto notwendiger ist ein geordneter, strukturierter Ansatz zur Qualitätsplanung.“ [2, S. 8] Entsprechend diesen Erläuterungen ist das TRIPROL-Diagramm zu lesen: Ausgangspunkt ist die Rolle des Verarbeiterteams, das nicht nur gedanklich, sondern im tätigkeitsbezogenen Prozesshandeln dreiperspektivisch vorzugehen hat. Folgendes Fazit verdeutlicht Jurans Position: Juran vermochte bereits in den 1950er Jahren den Qualitätsbegriff im Sinne eines Managementansatzes erweitern, nämlich bezogen auf den Kunden und alle Prozesse unter Einbeziehung der Mitarbeiter etc., also das, was wir heute als Total Quality Management (TQM) bezeichnen. Allerdings bleibt den Mitarbeitern in Jurans Gesamtkonzept anfangs noch nicht der entsprechende Raum, wie er heute in den TQM-Modellen gefordert wird. Dem sozialen System gegenüber kennzeichnet sein Ansatz eher eine Top-down-Perspektive. Aber noch mehr wird klar: Wenn man seine beiden Handbücher noch einmal kritisch liest, wird deutlich, dass Juran auch für das Business Reengineering (BR) Pate steht. Zwar ist der Ansatz klar auf die Qualität bezogen, aber gleichzeitig handelt es sich um einen allumfassenden Managementansatz, dem es um eine grundlegende Neuschöpfung der Organisation geht. In seinem Werk „Offensive Führungstaktik“ aus dem Jahr 1966 ([4], [5]) zeigt er denn auch an den beiden Basiskonzepten „Durchbruch und Kontrolle“ welche Mittel ein Unternehmen im Spannungsfeld „Halten des Status quo“ und „Durchbrüche anstreben“ einsetzen kann, um eine Balance für die Zukunft halten zu können. Das Streben nach begrifflicher Klarheit stand – anders als bei Deming – immer im Zentrum von Jurans Bemühungen. Zu diesem Zweck hat er in seinen Büchern eigene Definitionen eingearbeitet. Ein Begriff, der Versuch Jurans, Qualität zu definieren, hat direkt eine weltumfassende Karriere gemacht: „Quality is fitness for use.“ Genaugenommen handelt es sich um eine Zielsetzung und nicht um eine Definition.
547
J
JUSE-Union of Japanese Scientists and Engineers Abbildung J07 zeigt noch eine Auswahl an Begriffen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Just in Time (JiT)
Abb. J07: Ausgewählte Beispiele aus Definitionen von J. M. Juran Ausgewählte Definitionen von J. M. Juran Eingabe (Input)
Eingaben werden bei einem Prozess zur Erstellung eines (materiellen oder immateriellen) Produkts benötigt. Sie beinhalten Informationen, Rohmaterial, Komponeten und menschliche Arbeitsleistung. – Lieferant: Wer immer eine Eingabe zur Verfügung stellt, ist Lieferant.
Rückmeldung (Feedback)
Jede Äußerung bzw. Rückmeldung eines Kunden über ein Produkt stellt für den jeweiligen Lieferanten wiederum eine Eingabe dar.
Verarbeiter
Wer immer einen Prozess durchführt, ist Verarbeiter. [1] Juran, J. M.: Handbuch der Qualitätsplanung Kunde Verarbeiter-Team (am. Juran on Planning for Quality). 3. Aufl. Jeder, der in irgendeiner Weise direkt oder indirekt von Viele Prozesse werden im Team bewerkstelligt. Wir wollen einem Prozess oder Produkt betroffen wird, ist Kunde (unfür derartige Arbeitsgruppen den Begriff Verarbeiter-Team Landsberg/Lech 1991 ternehmensintern oder -extern). verwenden. Das Verarbeiter-Team ist eine organisatorische [2] Juran, J. M.: Der Neue Juran. Landsberg/ Produkt Einheit (bestehend aus einer oder mehreren Personen) zu Lech 1995 Das Resultat (oder die Ausgabegröße) eines Prozesses Durchführung eines Prozesses. Verarbeiterteams sind auf ist ein Produkt. Produkte können sowohl Güter als auch sämtlichen Hierarchieebenen eines Unternehmens anzu[3] Juran, J. M. (ed.): A History of Managing for Dienstleistungen sein. treffen. Auch das Gesamtunternehmen stellt ein VerarbeiQuality. The Evolution, Trends and Future Direc Prozess ter-Team dar. Allen Unternehmenseinheiten sind spezifische Aufgaben Ziel tions of Managing for Quality. Milwaukee, Vis und Verantwortungen zugeordnet, denen sie durch angeEin Ziel definiert einen angestrebten Zustand, um dessen consin 1995 messene Aktivitäten gerecht werden sollen. Wir wollen den Verwirklichung man sich bemüht. [4] Juran, J. M.: Managerial Breakthrough. New Begriff Prozess zur allgemeinen Beschreibung derartiger Aktivitäten verwenden. Ein Prozess muss zielorientiert, sy(Quelle: Juran 1991, 327ff) York (McGraw-Hill) 1964 (2. erweiterte Auflage stematisch, prozessfähig und autorisiert sein. In den Prozess 1996) werden neben den Betriebsmitteln alle betroffenen Mitarbeiter mit einbezogen. [5] Juran, J. M.: Offensive Führungstaktik. Eine systematische Methode zur Geschäftsbelebung. Just in Sequence (JiS) Landsberg (mi) 1966 (Deutsche Übersetzung von [4])
Juristische Aspekte des QM
J
▶Produkt-/Produzentenhaftung im QM
JUSE-Union of Japanese Scientists and Engineers ▶Deming Prize
Die Union der japanischen Wissenschaftler und Ingenieure ( JUSE) wurde im Mai 1946 gegründet. Sie verfolgt die Zielsetzung, für den Fortschritt der Wissenschaft und Technologie systematische Studien durchzuführen. Seit ihrer Gründung zählt die Anwendung der „Qualitätskon-
▶Just in Time ( JiT) Konzept aus der Beschaffungslogistik mit dem Ziel, die richtigen Produkte in der richtigen Menge und in der richtigen Reihenfolge (sequenzgenau) anzuliefern. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung des Just-in-time-Prinzips um die Bereitstellung des angelieferten Produkts oder Materials synchron zur Reihenfolge der Produktion. JiS spielt besonders in der Endmontage des Automobilbaus eine Rolle [1]. Literatur
[1] Herlyn, W.: PPS im Automobilbau. Produktionsprogrammplanung und -steuerung von Fahrzeugen und Aggregaten. München (Hanser) 2012, S. 218ff
Just in Time (JiT) trolle“ zu ihren primären Zielen. Die JUSE ist als Körperschaft der Japanischen Regierung und dem Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology unterstellt. Sie verwaltet den ►Deming Prize und führt seit 1950 die jährlichen Ausschreibungen durch. Mitglieder in der JUSE können nur Unternehmen werden. Adressen Union of Japanese Scientists and Engineers ( JUSE) Nishi-Shinjuku Headquarter Odakyu Daiichi Seimei Bldg. 4F, 2-7-1 Nishi-Shinjuku, Shinjuku-ku, Tokyo 163-0704 und Union of Japanese Scientists and Engineers ( JUSE) Chuodenkikurabu Bldg. 2-1-25, Dojimahama, Kita-ku Osaka-shi 530-0004 Web: URL: www.juse.or.jap
548
▶Just-in-Time-Produktion ▶Kanban ▶Muda Zeitgerechte Produktion ist die auf ►Toyoda Kiichirō bereits in den 1930er Jahren zurückgehende Idee, zu der dann der von ►Ohno Taiichi geschaffene Begriff „just in time“ angewandt wurde, der im korrekten Englisch allerdings „just on time“ heißen müsste. Er ist heute nicht mehr ein Synonym für das TPS schlechthin [1], sondern muss nach Muda als das zweite zentrale Element des TPS gesehen werden. Im Deutschen sind folgende Synonyme möglich: zeitlich aufeinander abgestimmt, gleichzeitig, pünktlich, rechtzeitig, synchron, zugleich. Ohno’s Ausgangspunkt war das Hauptziel des TPS, viele Automodelle in kleinen Stückzahlen herzustellen [2, S. 28]. Damit wendete er sich vom Massenproduktionssystem ab [2, S. 28f]: „Ein Produktionsystem, das die Erhöhung der Losgröße zum Ziel hat (…), ist heute nicht mehr praktikabel. Abgesehen davon, dass mit einem solchen Produktionssystem alle Arten von Verschwendung
Just in Time (JiT)
Just in Time (JiT)
einhergehen, entspricht es nicht mehr unseren Bedürfnissen.“
„Just-in-Time bedeutet, dass in einem Fließverfahren die richtigen Teile, die zur Montage benötigt werden, zu rechten Zeit und nur in der benötigten Menge am Fließband ankommen. Ein Unternehmen, das diesen Teilefluss durchgehend praktiziert, kann sich einem Null-Lagerbestand annähern.“ Mit Just in Time wird folglich das Ziel verfolt, ein Produkt oder eine Dienstleistung durch eine geeignete Planung, Steuerung und Kontrolle aller Material- und der dazugehörigen Informationsströme Just in Time zu erstellen. Die Bereitstellung hat verschwendungsfrei entsprechend den Forderungen des Kunden bezüglich Qualität, Preis und Zeit zu erfolgen. Maßstab für den Erfolg ist die maximale Wirtschaftlichkeit, die zum jeweiligen Zeitpunkt durch den bereiten Faktoreinsatz erreicht werden kann. Korrekterweise ist darauf hinzuweisen, dass sich Just in Time, wie es von Ohno beschrieben wird, von 1949 bis 1975 in der engen Zusammenarbeit von Ohno Taichii mit ►Shingo Shigeo herausgebildet hat. Letztendlich ist der Ansatz auf verschiedene Stammväter zurückzuführen: ►Toyoda Kiichirō, Ohno Taichii, Shingo Shigeo und ►Toyoda Eiiji, den großen Unterstützer. Just in Time ist keine Qualitätstechnik. NullLagerbestand heisst danach, dass Muda gleich Null ist. In dieser Begriffsbestimmung sind zudem sowohl die Zeit- wie auch die Raumperspektive aufgehoben (rechte Zeit/NullLagerbestand). Just in Time folgt dem ►Pull-Prinzip, denn es wird nur das an den Arbeitsplatz geliefert, was gefordert wird. Was gefordert wird bestimmt bekanntermaßen der nachfolgende Arbeitsplatz: Nicht zuviel, nicht zu wenig, exakt das, was gebraucht wird. Das klingt einfach, wird auch oft als Sog Abb. J08: Durch JiT unterstützter Wertschöpfungsprozess (Pull-Prinzip) Durch JiT unterstützter Wertschöpfungsprozess Unternehmenseigene JiT-Prozesse
Produktionsstart
Kanban-gesteuert
Pull-Prinzip JiT-Prozesse von Unterlieferanten
Just in Time steht im Toyota Produktionssystem nicht für sich allein, sondern ist eng verknüpft mit ►Kanban, einem einfachen System der Materialversorgung, einer Produktionstechnik. Kanban steht im Japanischen für Karte oder Schild. Häufig ist es eine Plastikhülle zum Schutz, in der sich eine Papierkarte mit Informationen zum Objekt befindet. Definition: Kanban ist eine kleine Karte, die an den Behältern, in denen sich zu montierende Teile befinden, angebracht wird und die den Sog (Pull) im Produktionssystem von Toyota regelt und über die vorgelagerte Produktion und Lieferung informiert. Ohno berichtet in seinem Buch außerordentlich umfassend über Kanban. Nicht ohne Grund, denn Kanban ist als operative Ausführung von Just in Time zu sehen. Je nach Zweck gibt es Kanbans mit den Bezeichnungen „Entnahme-kanban“, Produktions-kanban“. „Transport-kanban“ u. a. In Bezug auf den schlimmsten Verschwendungstyp Überproduktion stellt Ohno fest [2, S. 55]: „Im Toyota-Produktionssystem wird Überproduktion durch kanban vollständig verhindert. Folglich besteht kein Bedarf an zusätzlichem Lagerbestand, und daher sind auch Lagerhäuser und deren Verwaltung überflüssig. Die unzähligen Formblätter werden ebenfalls nicht mehr gebraucht.“ Doch es war nicht leicht, die Zulieferer von Kanban zu überzeugen. Ohno schildert diesen zähen Prozess an mehreren Stellen. Die Überzeugungsarbeit dauerte Jahre, besonders wenn es um Zulieferer ging, die nicht ausschließlich Toyota belieferten. Hier ein markantes Zitat [2, S. 61f]: „Wir sahen ein, dass sie Zeit brauchten, es zu verstehen, und fassten uns in Geduld. Zu Beginn sahen etliche Zulieferer kanban als problematisch an. Natürlich kamen keine Topmanager zu uns, am Anfang noch nicht einmal die für die Produktion verantwortlichen Abteilungs- oder Fertigungsleiter. … Zuerst glaube ich, haben viele Firmen nicht verstanden, worum es ging. Aber wir wollten, dass sie kanban verstehen, und taten alles dafür.“ Es ist leicht vorstellbar, dass Kanban als Element von Just in Time und Just in Time wiederum als Element des TPS mehr ist, als ein Schildchen, auf dem Informationen weitergeProdukt ben werden. Kanban informiert über die Beseitigung von Muda [2, S. 56]: „Es zeigt sofort, wo Verschwendung vorkommt, und ermöglicht so eingehende Ursachenüberprüfung und richti-
549
Begriff
Begriff
Genau diese Annahme verknüpft Ohno mit der Idee: „So dachte ich ständig darüber nach, wie man die benötigte Anzal von Teilen ’just in time’ liefern könnte.“ [2, S. 31]Die Grundlage des TPS ist die völlige Beseitigung der Verschwendung und ’just in time’ folgt entsprechend dieser Ausgangsthese, das nach Ohno wie folgt zu definieren ist [2, S. 30]:
bezeichnet, ist aber sehr komplex zu managen. Abbildung J08 zeigt grob die Struktur von Just in Time wie sie einerseits vom eigenen Produktionsprozess bestimmt und dann von Unterlieferanten unterstützt wird.
J
Just in Time (JiT)
Just in Time (JiT)
ge Umsetzung der Verbesserungsvorschläge. In der Fabrik ist kanban ein machtvolles Instrument, um die Belegschaft und den Lagerbestand gering zu halten sowie die Herstellung mangelhafter Produkte und das Wiederauftreten von Pannen zu vermeiden.“ Die Kanban-Informationen kontrollieren den Fluss der Wertschöpfung. Deshalb nimmt es nicht Wunder, dass Ohno eine Art Gebrauchsanweisung entwickelt hat, um es regelhaft handhaben zu lassen. Wobei ihm selbst klar war, dass es sich um einen nie endenden Prozess handelt [2, S. 56]. Ohno stellt sechs Regeln heraus, die in Abbildung J09 wiedergegeben sind [2, S. 68]: Abb. J09: Die sechs Kanban-Regeln nach Ohno 1993, S 57 Funktionen des Kanban
J
Anwendungsregeln
1 1 Liefert Entnahme- oder Transport- Nachfolgender Arbeitsgang entnimmt beim vorangehenden die informationen vom kanban angegebene Anzahl der Werkstücke 2 2 Liefert Produktionsinformationen Vorgelagerter Arbeitsgang stellt Teile in der von kanban angegebenen Menge und Reihenfolge her 3 3 Kein Werkstück wird ohne kanban Verhindert Überproduktion und hergestellt oder transportiert überflüssigen Transport 4 4 Bringe immer ein kanban an Güter Dient als Arbeitsauftrag, angean bracht an Gütern 5 5 Fehlerhafte Teile werden nicht an Verhindert fehlerhafte Produkte durch Feststellen des Arbeitsgangs, den nächsten Arbeitsgang weitergeleitet. Das Ergebnis sind völlig der die Fehler macht fehlerhafte Endprodukte 6 6 Die Verringerung der Anzahl der Deckt bestehende Probleme auf und ermöglicht Lagerbestandskon- kanbans erhöht ihre Sensibilität trolle
„Gemäß der ersten und zweiten Regel dient kanban als Entnahmeauftrag, als Auftrag zur Beförderung bzw. Lieferung und als Arbeitsauftrag. Die dritte Regel verbietet die Entnahme oder Produktion ohne kanban. Regel vier besagt, dass alle Güter mit einem kanban versehen werden müssen. Regel fünf fordert hundertprozentig fehlerfreie Produkte (d. h. es darf niemals ein fehlerhaftes Teil an den nächsten Arbeitsgang weitergeleitet werden). Nach Regel sechs soll die Anzahl der kanban möglichst gering gehalten werden. Werden diese Regeln gewissenhaft befolgt, wird das kanban optimal funktionieren…“ Auf die erste Kanban-Regel geht Ohno besonders ein, um die Funktion des Topmanagements anzusprechen [2, S. 57]: „Die erste kanban-Regel besagt, dass ein Arbeitsgang beim vorhergehenden Materialien entnimmt. Diese Regel wurde aus der Notwendigkeit geboren, und indem wir die Dinge verkehrt herum bzw. vom entgegengesetzten Standpunkt aus
550
betrachten, kam uns die Idee, wie das System letztendlich aussehen müsse. Um diese Regel in die Praxis umzusetzen, reicht ein oberflächliches Verständnis nicht aus. Das Topmanagement muss seine Denkart ändern und sich dafür einsetzen, den konventionellen Fluss der Produktion, des Transports und der Belieferung von Teilen umzukehren. Diese Forderung stößt meist auf starken Widerstand, und die Umsetzung erfordert Mut. Je engagierter sich das Management jedoch dafür einsetzt, desto erfolgreicher wird die Einführung des Toyota-Produktionssystems sein.“ Ohno betont ganz bewusst die tragende Rolle des Topmanagements, denn es können in der Tat eine Menge an arbeitstechnischen Hindernissen bei der Einführung von Kanban und damit von Just in Time auftreten, die nur von „oben“ getragen werden können. Somit ist klar, dass die Einführung von Just in Time/Kanban sowohl ein Top down- wie auch Bottom up-Programm darstellt. Er hatte damals einen hervorragenden Vorgesetzten, ►Toyoda Eiji, der ihm vollkommen freie Hand ließ und ihn voll unterstützte. Und hier abschließend [2, S. 69]: „Es kostet große Mühe, die oben beschriebenen sechs kanban-Regeln zu befolgen. Wenn es gelingt, bedeutet dies in der Tat nichts weniger als die konsequente Übernahme des Toyota-Produktionssystems als das Managementsystem des gesamten Unternehmens.“ Kanban-Systeme lassen sich ganz unterschiedlich gestalten. Der Prozess der Steuerung für zwei aufeinanderfolgende Produktionsstufen wird mittels zweier Arten von KanbanKarten, dem Transportkanban und dem Produktionskanban im Beispiel der Abbildung J10 verdeutlicht. Letztendlich ist das Herzstück des TPS der enge Zusammenhang von Muda – Just in Time – Kanban. Hier darf es nicht zu Nachlässigkeiten und Fehlern kommen. Alle anderen Elemente des TPS sind in diesem interdependenten Zusammenhang zu sehen. Zusammenfassend seien die Vorteile von Just in Time genannt. Mit Just in Time/Kanban … ◼ lassen sich die Durchlaufzeiten erheblich verkürzen ◼ lassen sich die Materialbestände, Läger und Lagerkosten verringern ◼ lässt sich das Umlaufmaterial verringern ◼ lässt sich die Produktivität der Arbeit erhöhen ◼ lässt sich der Produktionsprozess gleichmässig auslasten ◼ lässt sich die Flexibilität erhöhen ◼ lässt sich die Qualität steigern, indem Probleme klarer zutage treten oder gänzlich vermieden werden können.
Diese Vorteile sind bedeutsam für die Effektivität des TPS, da nach Ohno die systematische, entsprechend den sechs Kanban-Regeln zyklusartige, kontinuierliche Verbesserung immer mehr dem Gedanken eines Null-Lagerbestandes entgegenstrebt [2, S. 55].
Just in Time (JiT) Erst der Einbezug der Unterlieferanten in das Kanban-System koordiniert die gesamte Materiallogistik. Es nimmt nicht Wunder, dass die Integration der Unterlieferanten die letzte Stufe darstellt. Nach Ohnos Chronologie der Entwicklung des TPS begann Toyota Kanban 1965 für die Bestellung bei den Unterlieferanten einzuführen. Da diese sich an die Fließfertigung Toyotas anzupassen hatten, mussten sie erst die Bedingungen prüfen, unter denen es für sie möglich war, Kanban einzuführen. Diese Bedingungen für die Unterlieferanten sind generell [3]: ◼ „kurze Lieferzeiten und damit oft geographische Nähe des Lieferanten ◼ hohe Liefertreue (Menge und Termin) ◼ hohe Qualität ◼ effizientes zwischenbetriebliches Informations- und Kommunikationssystem.“
Just in Time (JiT) Abb. J10: Transport- und Produktionskanban im Einsatz – Beispiel
Transport- und Produktionskanban im Einsatz – Ein Beispiel „Der Ablauf der Steuerung für zwei aufeinanderfolgende Produktionsstufen wird mittels zweier Arten von Kanban-Karten, dem Transportkanban und dem Produktionskanban, durchgeführt. Verbraucht eine Senke den Inhalt eines Standardbehälters, so trennt diese verbrauchende Stelle den am Standardbehälter angebrachten Transportkanban (Meldekarte) ab, um aus dem davorliegenden Pufferlager den Bestand zu ergänzen. Im Pufferlager befindet sich ein voller Standardbehälter, an dem ein Produktionskanban befestigt ist. Der eintreffende Transportkanban ersetzt nun den Produktionskanban, und der volle Behälter mit dem beigefügten Transportkanban wird zur verbrauchenden Stelle gebracht. Der abgetrennte Produktionskanban wird zur Auftragsbox der vorhergehenden Produktionsstufe gegeben und löst dort einen Auftrag für einen neuen Behälter aus. Der Produktionskanban enthält eine Kurzbeschreibung dieses Auftrags. Die dazu nötigen Detailinformationen sind am Arbeitsplatz hinterlegt. Damit das System
Sind diese Voraussetzungen gegeben und die vertraglichen Vereinbarungen getroffen, erfolgt die Zusammenarbeit mit den Unterlieferanten in der Regel über spezielle SignalKanbans, die eine dreieckige Form aufweisen und den Mindestbestand im Pufferlager signalisieren. Im engen Zusammenhang zu Just in Time/Kanban sind noch die auf Ohno Taiichi zurückgehenden Produktions- und Qualitätstechniken autonome Automation (jap. ►Jidoka) und Produktionsnivellierung (jap. ►Heijunka) zu beachten. Losgelöst von der hier geschilderten Betrachtung von Just in Time als integriertes Prinzip eines ganzheitlichen Ansatzes, wie dem des Toyota Produktionssystems hat sich das Justin-Time-Prinzip in der Logistik durchgesetzt [4, S. 78ff]. Gesprochen wird sogar von einer Just-in-Time-Logistik. Verdeutlicht wird, dass Just in Time nicht mit einer Verlagerung von Bestands- und Qualitätsproblemen auf die Unterlieferanten einhergeht. Vielmehr hat sich zunehmend gezeigt, dass eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, „ein gemeinsames Ausschöpfen durch eine wertanalytische Betrachtung des Material- und Informationsflusses“ [4, S. 267] angestrebt wird. In [4] wird auch betont, dass Just in Time und Qualität untrennbar miteinander verbunden sind [4, S. 268]: „Qualität ist eine der Voraussetzungen für Just in Time, denn das Ziel einer Just-in-Time-Produktion ist die Herstellung der kleinstmöglichen Menge zum spätestmöglichen Zeitpunkt unter Ausschluss jeglicher Verschwendung im Produktionsprozess. Will eine Unternehmung je eine funktionierende Produktion der Losgröße 1 erreichen, so ist für Nacharbeit oder Neuproduktion keine Zeit.“
erfolgreich sein kann, muß die Zahl der am Arbeitsplatz vorgesehenen Produkte auf eine überschaubare Größe reduziert werden. … Der Produktionskanban veranlaßt die produzierende Stelle, das angegebene Material in der vorgeschriebenen Menge in einem Standarbehälter erneut bereitzustellen. Die Produktion in dieser Fertigungsstufe hat ihrerseits einen Verbrauch an Eingangsmaterialien zur Folge. Diese verbrauchten Teile führen wiederum zur Auffüllung aus der vorhergehenden Stufe. Durch den hiermit von der Montage angestoßenen Zyklus entstehen aufeinanderfolgende Phasen des Verbrauchs, der Erzeugung und des Transports. Dabei regelt der Transportkanban die Materialflüsse zwischen den verbrauchenen Stellen und vorgelagerten Pufferlagern, während die Produktionskanbans den Materialfluß zwischen der erzeugenden Stelle und dem dahinter liegenden Pufferlager regeln.“ (Vahrenkamp, R.: Kanban. In: Schulte, Chr. (Hrsg.): Lexikon der Logistik. München-Wien (Oldenbourg) 1999, S. 184)
Just in Time zielt folglich auf eine Sicherstellung der Qualität an der Quelle ab, indem von Anfang an („gleich beim ersten Mal“) die richtige Qualität produziert wird. Qualitätsmängel sollen erst gar nicht entstehen bzw. sofort am Ort der Entstehung abgestellt werden. Ein solches QualitätsmanagementVerständnis, ja ein „Qualitätsphilosophieansatz“, ist für die Just-in-Time-Anwendung unerlässlich. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Majima, Ichiro, JIT. Kostensenkung durch Just-in-Time-Production, Frankfurt/M;Berlin (Ullstein) 1995 [2] Ohno, Taiichi: Das Toyota-Produktionssystem, Frankfurt am Main (Campus) 1993 [3] Bloech, J. u. a.: Einführung in die Produktion. Berlin-Heidelberg (Springer) 2008, S. 310 [4] Wildemann, H.: Das Just-In-Time-Konzept. Produktion und Zuliferung auf Abruf. 4. Auflage. München (TCW Transfer Centrum) 1995 [5] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. Müchen (Oldenbourg) 2013
••• ⨀⨀⨀ •••
551
J
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe K
Kommunikation in Führung und Qualitätsmanagement
KTQ-Modell
Bettina Rudert
Kundenzufriedenheit
K
Willy Schneider
Kaizen Kata Krisenmanagement Kundenorientierung Kunden-LieferantenBeziehungen, Interne KVP-Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
Hans-Dieter Zollondz
K
Kaizen
Kaizen
Kaizen
Kaizen als geistige Grundhaltung ist nicht isoliert – nur auf die Privatsphäre bezogen – zu sehen, sondern auch auf die Arbeitssphäre zu übertragen (Abbildung K01 unten). „Good Work/Exzellente Arbeit“ werden erreicht, indem Verschwendung (►Muda) ersetzt wird durch bestens ausgeführte Arbeit. Da dies nicht – wie beim Beispiel des Lebensweges davor – in einem Zug passiert, sondern nur gelingen kann, wenn es als kontinuierlicher Prozess aufgefasst wird, gibt es auch hier keinen Endpunkt, sondern den Weg, den Prozess, der den Fokus bildet. Schlussendlich ist wohl jegliche Arbeit nie völlig verschwendungsfrei und somit immer verbesserungswürdig.
K
Kaizen = Ersatz des Guten durch das Bessere Beispiel Lebensweg: sL te Gu en eb
Gutes SchlechLeben tes Leben
eb en
Le be n
Gutes Schlechtes Leben Leben
Gu te sL eb en Gu te sL
Schlechtes wird durch Gutes Leben ersetzt.
Beispiel Arbeit/Verschwendung (Muda): Ar be
be
it
VerArbeit schwendung
it
VerArbeit schwendung
un g
it be Ar it be Ar
Begriff
Gut (zum Besseren)
Ar
Damit haben wir eine Vorstellung davon gewonnen, die Verankerung des abstrakten Begriff des Wandels in der allgemeinen Lebenspraxis selbst zu sehen, im Weg, nicht im Ergebnis. Das „schlechte Leben“ wird fortwährend durch das „gute, bessere Leben“ ersetzt. Diese Fortschreiten erfolgt nicht in Totalität einmal, sondern prozesshaft in kleinen Schritten. Immer – in jedem Moment des Stillhaltens – ist der Zustand des Lebens schlechter als er sein sollte. Das erreichte „bessere Leben“ ist kein Absolutum, sondern ein weiterer Schritt, ein noch besseres Leben realisieren zu können. Schlussendlich wird aber niemals der absolute Endpunkt eines „guten Lebens“ erreicht, weil es nicht gelingen kann, das Vergangene vollständig zu ersetzen. Nur Buddha erreichte die Erleuchtung. Der Prozess ist als unendlich anzunehmen, wohlwissend oder dieses Wissen verdrängend, dass ein rundum gutes Leben zwar in Etappen gedacht, aber schließlich realistischerweise dann doch nicht erreicht werden kann. Das angestrebte „Beste“ ist demnach eine Fiktion.
Wandel (Ersatz)
en eb
KAI, der Wandel, die Veränderung, ZEN (= das Gute, Bessere) lassen sich übersetzen als der „Ersatz des Guten durch das Bessere“, also die Veränderung, der Wandel, zum Besseren.
ZEN
sL te Gu
Die sprachliche Herleitung von Kaizen wird in Abbildung K01 verdeutlicht:
KAI
ec ht es
Angesichts einer sich im stetigen Wandel befindlichen Welt bedarf es einer fortlaufenden Anpassung auf diesem Weg. Im Zen-Buddhismus wird folglich jeder „status quo“, jeder Zustand als zu überwindend angesehen. Das besagt die subjektive Denkhaltung: „Nichts ist so gut, als dass ich nicht vermag, es zu verbessern.“ Kaizen ist also ein tief humanistischer Ansatz, der darauf abstellt, dass jeder Mensch zur Verbesserung seiner Lebenssituation beitragen kann.
Abb. K01: Kaizen – sprachliche Herleitung, Beispiele: Lebensweg und Arbeit
Sc hl
1 Kaizen – das Wesen Kaizen ist ein integrativer Begriff, der fest in der japanischen Kultur verankert ist. Letztlich beruht das in ihm steckende „zen“ auf dem indischen „dhyâna“ und dem daraus folgenden chinesischen „chán“. „Chán“ wurde von den ersten chinesischen Buddhisten als Beruhigung (Festigung) des Herzens verstanden und diente für den Meditationsbuddhismus als Basis der Besinnung auf sich selbst, um sich so vom Denken loszulösen. In diesem Sinn gelangte chán/zen nach Japan als Verinnerlichungsübung entsprechend der Lehre Buddhas als Übungsweg, als Lebenspraxis, der es darum geht, nach Vervollkommnung zu streben.
Ve rs ch we nd
▶KVP-Kontinuierlicher Verbesserungsprozess ▶CIP-Continuous Improvement Process ▶Qualitätsverbesserung ▶Demings PDCA-Zyklus ▶Deming | ▶Imai ▶BVW-Betriebliches Vorschlagswesen
Verschwendung wird durch Arbeit ersetzt.
Deshalb kann das Ziel, „verschwendungsfreie Arbeit leisten zu wollen“ durchaus zu den anthropologischen Grundeigenschaften des Menschen gezählt werden.
555
Kaizen 2 Kaizen nach Masaaki Imai Der japanische Managementberater und Unternehmer Masaaki ►Imai hat 1986 ein Buch mit dem Titel „Kaizen“ veröffentlicht, das 1992 in deutscher Fassung erschien. Es ist als Meilenstein des Qualitätsmanagements anzusehen. Masaaki Imai studierte an der Universität Tokio und war über fünf Jahre am Japan Productivity Center in Washington, D.C., USA, tätig. Er hat weltweit eine Vielzahl an Unternehmen beraten, die sich an japanischen Managementkonzepten orientieren wollten, so besonders den Philips-Konzern. Bis heute unterstützt er als Berater unter dem Dach des Kaizen Institute, das er 1985 in der Schweiz gegründet hat, Unternehmen, die beabsichtigen Management-Praktiken á la Kaizen einzuführen. Abb. K02: Der Kaizen-Schirm
Kaizen Imais Bücher „Kaizen“ und „Gemba Kaizen“ scheinen gerade das Management vieler Unternehmen angesprochen zu haben. Eine Vielzahl an Beispielen und Werkzeugen zeichnen die Titel aus. Der Leser gelangt zu einem ganz speziellen Japan-Management-Verständnis. dessen spezifischer Ansatz sich nur beurteilen lässt, wenn man die von ihm unter dem Dach (bei ihm ist es ein Schirm) zusammengestellten Konzepte und Werkzeuge genauer analysiert. Auf den ersten Blick zeigt der Kaizen-Schirm (Abbildung K02) eine heterogene Zusammenstellung von japanischen Managementansätzen, wie sie offenbar in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bekannt wurden [1]:
K
◼ Kundenorientierung ◼ TQC (Umfassende Qualitätslenkung) ◼ QC (Qualitätszirkel) ◼ Vorschlagswesen ◼ Automatisierung ◼ Arbeitsdisziplin ◼ TPM (Total Productive Maintenance)
Quelle: Imai, M: Kaizen. München (Langen Müller Herbig) 1992, 25
556
◼ ◼ ◼ ◼
Kanban JiT (Just in Time) Fehlervermeidung Kooperation der Managementebenen ◼ Produktivitätssteigerung ◼ Qualitätsverbesserung ◼ Entwicklung neuer Produkte
Kaizen
Kaizen
„Kaizen breitet sich wie ein Schirm über all die auf der ganzen Welt berühmt gewordenen ’einzigartigen japanischen’ Praktiken.“
Kaizen gewissermaßen ein Modulsystem unter der Klammer des Kaizen-Schirms, das im Kern die Begriffe und Inhalte von Toyota sämtlich aufgreift und wie folgt bestimmt:
Wir haben es also mit einer Zusammenstellung von Managementpraktiken zu tun, die einzig nach Gesichtspunkten zusammengefasst wurden, ob sie japanischen Ursprungs sind. Kaizen erscheint nach Imai als ein Sammelbegriff für so unterschiedliche Konzepte wie „Mechanisierung“ und „Automatisierung“ auf der einen Seite und „Arbeitsdisziplin“ und „Kleingruppenarbeit“ auf der anderen Seite. Heterogener kann es kaum sein. Handelt es sich bei Kaizen um einen Begriff der Marketingkommunikation oder gibt es ein einigendes Band? Ja, dem Leser des Buches von Imai erscheint es, wenn er sich mit einigen unter dem Schirm genannten Begriffen und Unterbegriffen auseinandersetzt und gleichzeitig die Inhalte des etwa zur gleichen Zeit (dtsch. 1993) erschienenen Buches von ►Ohno Taichi (Das Toyota Produktionssystem) mit denen von Imai vergleicht. Zweifellos hätte man Imais Kaizen-Schirm auch Toyota-Schirm nennen können. Imai hat gänzlich Ohnos Begriffswelt übernommen und diese um die Begriffe von ►Deming, ►Juran und ►Ishikawa ergänzt [1, 26]: „Zum Glück wurden in den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren von Experten wie W. E. Deming und J. M. Juran in Japan verschiedene Techniken eingeführt, welche das Kaizen-Konzept zu neuer Blüte brachten.“ Ab-
Die kontinuierliche Verbesserung „betrifft jeden – Unternehmer wie Mitarbeiter – und erfordert keinen großen Kostenaufwand. Die Kaizen-Philosophie setzt voraus, dass unsere Art zu leben – sei es unser Arbeitsleben, unser Sozialleben oder unser Leben zu Hause – das Ziel ständiger Verbesserung sein sollte. Dieses Konzept ist für viele Japaner so natürlich und naheliegend, dass sie sich seiner oft nicht gewahr sind!“ [1, 1997, 15]
Schlüsselbegriffe und Konzepte von Kaizen
PDCA … W. E. Deming
CWQC/TQC K. Ishikawa
Toyota Produktionssystem (Ohno Taiichi)
Juran Trilogy J. M. Juran
bildung K03 zeigt die vier Schlüsselbereiche (Quellen), von denen sich „Imai-Kaizen“ speist. Kaizen hat damit in Erweiterung zur Erörterung in Kapitel 1 weiterführende Implikationen. Kaizen bedeutet bei Imai zunächst zwar auch kontinuierliche Verbesserung, aber als Managementansatz offeriert
1 Total Quality Control/Total Quality Management 2 Just-in-Time Produktionssystem (= Toyota Produktionssystem) 3 Total Productive Maintenance (TPM) 4 Hoshin Kanri 5 Vorschlagswesen – KVP 6 Aktivitäten von Kleingruppen – Quality Circle Auffallend ist, dass die rezipierende Fachwelt diesen Zusammenhang nicht beachtet hat. Angenommen werden muss, dass Imais sehr praktisch ansetzenden Überlegungen auf der Beraterebene „hängengeblieben sind“. Stattdessen wurde losgelöst vom Kaizen-Konzept Imais einerseits umstandslos der amerikanische Lean Produktionansatz aufgegriffen, wie er von Womack et al. Anfang der 1990er Jahre publiziert wurde und andererseits recht simpel Kaizen als ständige Verbesserung (= wiederkehrende Tätigkeiten, um die Fähigkeit zur Erfüllung von Forderungen zu erhöhen) in die Fachsprache des Qualitätsmanagements eingeführt. Suggeriert wird so, dass Kaizen als Qualitätstechnik über ein Implementierungsprogramm instrumentalisiert werden kann. Eine derartige Verkürzung rächt sich irgendwann, denn die Grundlage von Kaizen, das philosophische System des Zen-Buddismus, lässt sich nicht nebenbei mit anzutrainierenden Qualitätstechniken implementieren. Mike Rother hat darauf hingewiesen, indem er Kaizen als Verbesserungs-Kata (►Kata) reformuliert hat und empfiehlt, zunächst die folgenden vier Hauptfragen einer Beantwortung zuzuführen [2, 231]: 1 “Wie können wir jeden in der Organisation dazu bringen, entsprechend der … beschriebenen Verbesserungs-Kata zu denken und zu handeln? 2 Wie können wir diese Verhaltensroutinen in eine Organisation bringen?
557
Kaizen-Systeme
Abb. K03: Schlüsselbegriffe und Konzepte von Kaizen
Was Ohno Taiichi in Toyota Produktionssystem nicht in extenso expliziert, findet sich originär und durchdacht in Imais beiden Werken (Kaizen 1992 und Gemba Kaizen, 1997), wobei er die lockere Darstellung des Kaizen-Schirms in der Folge aufgegeben hat und von „Kaizen-Systemen“ spricht, worunter er die folgenden sechs zählt [1, 1997, 22-26]:
K
Kaizen
Kaizen
3 Wie verbreiten wir ein der Verbesserungs-Kata entsprechendes Verhalten im Unternehmen, so dass es von jedem tagtäglich bei allen Prozessen angewandt wird? 3 Wie lernen wir eine neue Art des Denkens und Handelns?“ Ohne seine Antwort en detail vorwegnehmend zu explizieren (s. Stichwort ►Kata) sei sein Standpunkt eingeführt, der besagt, dass das Einbringen von Kaizen in die Organisation mehr bedeutet, als nur etwas zur westlichen Art des Managements hinzuzugeben: „Es bedeutet, die Art und Weise unseres Managens zu verändern.“ [2, 232] Rother deutet damit an, dass es in vielerlei Hinsicht darum geht, die ►Organisationskultur zu verändern, denn sie ist „the locus of control“ von Kaizen. Abbildung K04 zeigt noch einmal die einzelnen Facetten (Attribute), die gemeint sein können und mit denen man rechnen muss, wenn von Kaizen gesprochen wird. Man sollte klären, von welchem Begriffsverständnis jeweils ausgegangen wird, wenn Kaizen in Zusammenhänge des Managements eingeführt wird. Die oft praktizierte Unterstellung Kaizen = ►Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) bedarf in jedem Fall zunächst einer genauen Definition des Gemeinten.
K
3 Kaizen und der PDCA-Zyklus Imai hat den auf Walter Andrew ►Shewhart zurückgehenden und von ►Deming popularisierten ►PDCA-Zyklus in seiner methodischen Form als ►Qualitätstechnik aufgegriffen, weil er darin eine Möglichkeit sah, dem Kaizen-Ansatz eine für alle verständliche Basis des Fortschreitens im Verbesserungsprozess in Phasen/Stufen transparent zu machen. Er hatte ihn als Technik, als Denkhaltung, zur Analyse erkannt, wollte ihn aber eingebettet wissen in sein Verständnis von Kaizen. In der umstandslosen Anwendung des PDCA-Zyklus sah er jedenfalls nicht die Lösung (Verbesserung um der Ver besserung willen!). Erst müsse die Frage geklärt werden, ob der Prozess stabil oder instabil sei. Nur stabile Prozesse lassen es zu, verbessert zu werden. Stabile Prozesse sind solche Prozesse, die von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde gleich bleibende und vorhersagbare Ergebnisse liefern. Sehr oft ist die Stabilität nicht gegeben, und es muss von instabilen Prozessen ausgegangen werden. In der Regel sind Prozesse also nicht standardisiert. Sie müssen erst einem Standard folgen, folglich standardisiert werden. Das geschieht nach einem dem PDCA-Zyklus abgewandelten Zyklus-Modell, dem sog. SDCA-Zyklus, den folgendes Schema aufgreift (Abb. K05):
Abb. K04: Auffassungen über Kaizen mit Erläuterungen zu den Attributen
Attribute für Kaizen
Erläuterung der Auffassungen
1 evolutionär/unendlich
Alle Aspekte menschlichen Denkens und Handelns folgen Kaizen. Die japanische Zeitauffassung ist wesentlich zirkulär. Für die Japaner liegt der Schwerpunkt der Existenz im Fluss der Zeit. Übergänge ständigen Wandels prägen Denken und Realität.
2 naturwüchsig 3 prozessorientiert 4 mitarbeiterorientiert
Denk- und Handlungsweise aller in der Organisation (Annahme: implizit bei Mitarbeitern in Japan mentalitätsbedingt ausgeprägt.); angenommene Konsequenz: Jede Verbesserung führt quasi automatisch auch zur Verbesserung von Qualität und Produktivität.
5 elementhaft
Prinzip/Denkhaltung als Element der Unternehmensphilosophie bei W. E. Deming; auch als konstitutives Element in QM-Konzepten und -Modellen.
6 kundenorientiert
Alle Aktivitäten sind auf die ständige Erfüllung von Kundenzufriedenheit auszurichten/ausgerichtet und zu verbessern.
7 methodisch
Kaizen als übergreifende Qualitätstechnik zur Erreichung von Qualitätszielen. Kaizen untergeordnet werden oft Vorschlagswesen, Qualitätszirkel, Kanban, Just-in-time, TPM. Kaizen kann auch eigenständige Qualitätstechnik sein.
8 äquivalent
Kaizen ≈ TQM; Kaizen steht stellvertretend für TQM, auch werden weitere Managementkonzepte umstandslos eingebunden (z.B. bei Imai).
558
S – D – C – A –
Standardize = Standardisieren Do = Durchführen Check = Prüfen Aktion = Handeln
Wer verbessern will, beginnt also in der Regel mit diesem Zyklus und schafft so gewissermaßen „klare Verhältnisse“. Das am Anfang stehende S hat also Aufforderungscharakter, den neuen Prozess einzuführen und zu stabilisieren. Hier ist die Entscheidung des Managements gefragt. Der so standardisierte Prozess wird dann in der Do-Phase erst einmal ausgeführt, erprobt, um ihn dann in der CheckPhase zu überprüfen. Fällt diese Überprüfung positiv aus, wird er in der Act-Phase allgemein zur wiederholten Anwendung eingeführt. Genügt der so standardisierte Prozess nicht mehr den Forderungen, muss er in einem zweiten Schritt mittels PDCA-Zyklus verbessert werden. Während der SDCA-Zyklus der Erhaltung dient (immer wieder dieselbe Routine ausführen), dient der ►PDCA-Zyklus der Verbesserung (Abbildung K06). Erhalten/Verbessern sind zwei Seiten derselben Medaille, zwei zusammengehörende Aufgabenbereiche, die Imai als Kernaufgaben jeglichen Managements sieht. Als integrales Element von Kaizen geht der PDCA-Zyklus auf den Statistiker ►Shewhart
Kaizen
Kaizen
Abb. K05: Der SDCA-Zyklus – Erhaltung
Aktion (Agieren/ Anpassen)
A Check
C
S D
Standardisieren
Do (Durchführen/ Tun)
zu beobachten und die Ergebnisse festzuhalten und zu überprüfen (check). Schließlich werden die Ergebnisse studiert, um zu erkennen, was an dem Vorgang noch zu verbessern (act) und entsprechend als Eingangsgröße in den nächsten Durchlauf von Bedeutung ist. Man durchläuft den Zyklus nun ein zweites, ein drittes Mal und so fort. Das wiederholte Durchlaufen ist besonders sinnvoll, da jedesmal das Problem etwas mehr eingegrenzt wird und außerdem der Wissensinhalt des Anwenders zunimmt, in dem die Erfahrungen aus den vorhergehenden Zyklen angewendet werden (►Wissensmanagement). Der dargestellte PDCA-Zyklus wird heute oft in abgewandelter Form angewandt. So wird die Check-Phase bereits in die Do-Phase integriert, um schon während der Implementierung Erkenntnisse sammeln zu können.
zurück. Wilhelm Edwards ►Deming war es dann, der ihn in den 50er Jahren formulierte, weshalb er auch DemingZyklus genannt wird. Abbildung K06 zeigt den Zyklus mit Kurzerläuterungen:
Somit kann festgehalten werden, dass Imai, indem er Kaizen als „Überbau“-Begriff herausstellt und die beiden Analysephasen des Erhaltens und Verbesserns einführt, auch zu einem grundlegenden Verständnis des Verbesserungsmanagements gelangt. Verbessern und Erhalten sind nicht gegensätzlich zu sehen, sondern zwei Seiten ein und derselben Medaille. Ein Zustand, ein Prozess wird solange erhalten, bis er verbesserungswürdig gesehen wird.
◼ ◼ ◼ ◼
4 Die westliche Transformation von Kaizen Eine eins-zu-eins-Übertragung von Kaizen fand nicht statt. Schon die Übertragung in die deutsche und englische Fachsprache und in den Fachjargon via Abkürzungen zeigen:
Planen – plan Ausführen – do Überprüfen – check Verbessern – act
P D C A
Es ist also zunächst ein Plan für eine effektive Verbesserung zu entwickeln (plan), wobei überlegt wird, welches die wichtigsten Ergebnisse und die größten Hindernisse sind, welche Änderungen und neuen Beobachtungen erforderlich werden. Danach ist dieser Plan auszuführen (do), zunächst in kleinerem Maßstab. Alle vorhandenen, relevanten Daten, die Antwort auf die Fragen der Planungsphase geben, sind zu sammeln bzw. die festgelegten Änderungen sind durchzuführen. Anschließend sind die Auswirkungen der Änderungen
◼ KVP steht für Kontinuierlicher Verbesserungsprozess ◼ CIP steht für Continuous Improvement Process In Deutschland hat sich die Bezeichnung KVP (eher selten manchmal Kaizen, aber inhaltlich verkürzt) bei denjenigen Fachleuten durchgesetzt, die mehr die Konzepte des TQM vertreten. Auch Organisationen verwenden den Begriff KVP, so die Volkswagen AG. Die internationale Normung zum Qualitätsmanagement der ISO hat weder den Begriff Kaizen noch den englischen Begriff Continuous Improvement Process aufgenommen, sondern sich in der inzwischen zurückgezogenen Begriffsnorm ISO 8402-1994 für den den Focus Qualität betonenden Begriff ►Qualitätsverbesserung (quality improvement) entschieden: „Überall in der Organisation ergriffene Maßnahmen zur Erhöhung der Effektivität und Effizienz von Tätigkeiten und Prozessen, um zusätzlichen Nutzen sowohl für die Organisation als auch für ihre Kunden zu erzielen.“ Diese Definition ist inzwischen für die Nachfolge-Begriffsnorm DIN EN ISO 9000-2000 überarbeitet worden und galt noch in den Folgeversionen dieser Norm. Sie lautet in einer „doppelten“ Begriffsbildung (Qualitätsverbesserung und Ständige Verbesserung) wie folgt:
559
Begriff
Der PDCA-Zyklus gehört heute zum Standard-Denk- und Handlungsschema jeglicher Verbesse rungs aktivitäten. Er verkörpert einen systematischen Ansatz zur Problemlösung. Seinen Niederschlag findet er in der These von ►Deming, dass jede Aktivität als Prozess aufgefasst und entsprechend verbessert werden kann. Damit geht der Ansatz kongruent mit dem auf japanischem Denken beruhenden Vorstellungen wie sie ►Imai dargelegt hat. Der PDCA-Zyklus ist sowohl auf der Makro- wie auch auf der Mikroebene anwendbar. Mit ihm lässt sich der Kaizen-Gedanke für alle sichtbar machen, insofern dient er oft zur Visualisierung und soll motivieren. Die Methodik des in Abbildung K06 skizzierten Zyklus, der als Prozess ohne Anfang und Ende zu verstehen ist und in Verbindung mit dem Erhaltungszyklus SDCA (Abbildung K05) zu sehen ist, lässt sich wie folgt beschreiben:
K
Kaizen
Kaizen
Abb. K06: Der PDCA-Zyklus – Verbesserung
P Planungsphase (plan): Detaillierte Analyse der Ist-Situation auf der Grundlage zu ermittelnder problemspezifischer Daten. Datenerhebung, -analyse und -auswertung mittels Qualitätstechniken (Q7). Verbesserungsplan ausarbeiten. Prüfpunkte festlegen.
D K
Planungsumsetzungsphase (do): (1) Betreffende Mitarbeiter mit dem Plan vertraut machen, evtl. Training; (2) Durchführung der geplanten Verbesserungen im kleinen Rahmen.
AP Act Check
C
Prüfphase (check): (1) Erfassen der Situation, d.h. Daten ermitteln, die Grundlage für die Prüfung sind. (2) Anhand der Prüfpunkte feststellen, ob die Zielsetzung der Planungsphase erreicht wurde.
A
Aktionsphase (action): (1) Besteht Übereinstimmung von Soll und Ist: Ergebnis standardisieren und einführen. (2) Weichen die Verbesserungen ab: Entscheidung darüber ob und wie oft Phase P und D durchlaufen werden sollen, damit Übereinstimmung besteht.
Plan Do
CD
Begriff
AP CD ◼ Qualitätsverbesserung (engl. quality improvement, frz. amélioration de la qualité): Teil des Qualitätsmanagements, der auf die Erhöhung der Eignung zur Erfüllung der Qualitätsforderungen gerichtet ist. Anmerkung: Die Forderungen können jeden beliebigen Aspekt betreffen wie Wirksamkeit, Effizienz oder Rückverfolgbarkeit. ◼ Ständige Verbesserung (engl. continual improvement, frz. amélioration continue): Wiederkehrende Tätigkeiten zur Erhöhung der Eignung, Forderungen zu erfüllen. Anmerkung: Der Prozess des Festlegens von Zielen und des Findens von Verbesserungsmöglichkeiten ist ein ständiger Prozess.
560
Es ist offensichtlich, dass hiermit nicht mehr die o. g. japanische Führungsphilosophie gemeint sein kann, in der ja auch noch das evolutionär-unendlich-Denken aufscheint. Die internationalen Fachleute des Qualitätsmanagements der ISO haben sich somit nicht nur für eine „Säkularisierung“, sondern auch für eine Neutralisierung durch Begriffsalternative entschieden, die ganz klar auf qualitätsbezogenes Handeln zielt und nicht unterstellt, dass Verbesserung bereits Qualitätsver besserung mitentstehen lässt. Die in der deutschen DIN 55350-11:1995 definierten Begriffe Qualitätsförderung und Qualitätssteigerung sind sowohl als Unterbegriffe von Qualitätsverbesserung, also auch von Kaizen aufzufassen. In der
Kaizen
Kaizen
Abb. K07: Optimierungsphasen bei der Qualitätsverbesserung
das im Jahr 1975 800.260 registrierte Verbesnis vorweisen serungsvorschläge als Ergeb Qualitätsverbesserung konnte. 1905 folgte – vom amerikanischen Vorbild der Firma NCR geleitet – die Firma Optimieren der Kanebo in Japan mit der Einrichtung des erQualitätsfähigkeit durch… sten japanischen Vorschlagswesen. Vor dem zweiten Weltkrieg hat sich dann – ohne großQualitätserhöhung en Impetus – das Vorschlagswesen bei einer Handvoll japanischer Unternehmen ausgeQualitätsErweiterung der Verbessesteigerung rung der Qualitätsfähigkeit breitet. Erst seit dem systematischen Vorgehen durch TQM/Excellence von Toyota Anfang der 50er Jahre des vorigen QualitätsVerschärfen und/oder förderung Ausweiten einer QualitätsJahrhunderts kann man jedoch von Kaizen forderung durch Verschärfen sprechen, wie es eingangs – entsprungen aus Verbessern der und/oder Hinzufügen von Qualitätsfähigkeit der japanischen Tradition – erläutert wurEinzelforderungen de. Ein feststehender Begriff ist das ►Toyota Quelle: [3] Production System [5]: Integriert wurden in Qualitätslehre von Walter ►Geiger [3] findet der interessierte den sechziger Jahren die ►Qualitätszirkel. Die Leser noch den abschließend klarstellenden Begriff QualitätsKaizen-Entwicklung bei Toyota wurde nach dem 2. Weltkrieg erhöhung, der als dritter Unterbegriff Qualitätsverbesserung nicht autonom auf der Grundlage von Unternehmenserfahbestimmt (Abbildung K07). In diesem Begriffsverständnis rungen gestartet, sondern auf der Basis von Erkenntnissen, beziehen sich die drei Optimierungsphasen allerdings nicht die eine Studiengruppe, geleitet von Taichi ►Ohno, damals auf das Angebotsprodukt als Einheit, sondern auf die ►Quain den USA bei Ford gewann (►Lean Management). Insofern litätsfähigkeit einer Organisation. Gefördert, gesteigert und ist es gerechtfertigt zu sagen, dass die historischen Anfänge erhöht werden organisatorisch relevante Aspekte. Zum Beivon Kaizen im Sinne eines Anwendungsmodus in Organisaspiel die Prozesse. Das kann geschehen durch das Verschärfen tionen in den USA zu suchen sind. Kaizen wurde dann mit und/oder Hinzufügen von Forderungen bzw. durch die ErErscheinen des gleichnamigen Buches von Masaaki Imai [1] weiterung derart, dass TQM-Maßnahmen eingeführt werden Anfang der 90er Jahre in Europa populär und löste – zusam(Qualitätserhöhung). men mit den Forschungsergebnissen zu ►Lean Production oft im engen Zusammenhang – auch in deutschen UnternehIm Stichwortartikel ►KVP-Kontinuierlicher Verbesserungsmen (obwohl dort seit mehreren Jahren bekannt) vielfältige prozess wird noch aufgezeigt, dass in der begrifflichen Welt Aktivitäten im Management aus. der ISO aus verborgenen Gründen die deutsche Benennung „kontinuierlich“ aufgehoben und durch „fortlaufend“ ersetzt wurde. So haben wir es in ISO 9000:2015-11 und ISO 9001:2015-10 einen neuen Begriff zu lernen, die „fortlaufende Verbesserung“.
Unabhängig von den diskutierten begrifflichen Klärungen haben Unternehmen sogenannte Kaizen-Verbesserungspro gramme gestartet, die unter vielfältigen Bezeichnungen ständig in der Praxis initiert werden. Die begrifflichen Grundlagen dieser Konzepte sind keineswegs deckungsgleich. Ein Blick in die Qualitätswerkstätt en großer qualitätsorientierter Unternehmen wie VW, BMW, Ford, Bosch, Siemens, Opel oder auch Miele und vieler anderer belegt dies. 5 Die Entwicklung von Kaizen im Westen Folgt man den einschlägigen Dokumenten und der Fachliteratur, hat die Entwicklung von Kaizen als Vorschlagsinitiativen von Mitarbeitern historisch nicht in Japan begonnen, sondern in den USA. Nicht berücksichtigt werden hierbei die besonderen historischen Entwicklung endes ►Betrieblichen Vorschlagswesens (BVW) in Deutschland, das erst sehr spät (in den 1990er Jahren) durch Kaizen belebt wurde. Wie Abbildung K08 zeigt ist der erste Verbesserungsvorschlag im Jahre 1898 bei der Firma Eastman Kodak nachweisbar [4]. Eastman Kodak entwickelte denn auch ein Vorschlagswesen,
Bei der heutigen Diskussion zeichnen sich zwei Tendenzen ab: Einerseits das Aufgreifen des Konzepts im Qualitätsmanagement, andererseits eine Wiederbelebung des ►Be trieblichen Vorschlagswesens (BVW) durch Kaizen. Inwieweit sich Kaizen mit Konzepten zum ►Wissensmanagement und zur ►Lernenden Organisation verbindet, werden in Zu kunft Praxis und Fachdiskussion zeigen [6]. 6 Ziele, Grundannahmen und Axiome Vielfältige Versuche lassen sich in Fachliteratur und Praxis zum Qualitätsmanagement finden, in denen griffige Kaizenkonzepte entworfen und erprobt werden. Diese Konzepte sollen hier nicht ausgebreitet und geprüft werden. Statt dessen wird versucht einen allgemeinen Entwurf „Kaizen als Urkonzept“ den folgenden Ausführungen zugrundezulegen [7]. Um ein schlüssiges Bild von Kaizen zu erhalten wird in dieser Konzeption zunächst nach den Zielstellungen zu fragen sein, die verfolgt und eingelöst werden sollen. Danach soll der gedankliche Ausgangspunkt formuliert werden, um dann zu „Axiomen“ vorzustoßen, die unabdingbar Kaizen zu grundliegen (Abbildung K09). Ziele: Zur langfristigen Gewinnerzielung ist die ständige Verbesserung der Kundenzufriedenheit, -loyalität, -bindung
561
K
Kaizen
Kaizen
Abb. K08: Die historische Entwicklung von Kaizen in den USA und Japan beispielhaft aufgezeigt 1900
◼ Eastman Kodak (USA) Erster Verbesserungsvorschlag
1910
1920
1930
1940
1950
1960
1980
1990
1898
◼ Kanebo (Japan) Einrichtung des Kaizen-"Vorschlagswesens"
1905 1930-1938
◼ Hitachi/Yasukawa El./Origin El. (Japan) Weitere japanische Unternehmen richten "Vorschlagswesen" ein
1950-1955
◼ Toyota u.a. Unternehmen (Japan) Einrichtung und Weiterentwicklung zeitgemäßer Systeme: heutiges Kaizen entsteht
ab ca. 1960
◼ Japanische Unternehmen Verknüpfung Kaizen mit Qualitätszirkeln
ab ca. 1955
◼ Ausweitung von Kaizen in Japan Weitgehende Stabilisierung von Kaizen bei produzierenden Unternehmen
K
1970
>>>>>>>>>>>>>>
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
◼ Ausbreitung auf Dienstleistung (Japan) Kaizen-Entwicklung wird v.a. in Warenhäusern und Finanzdienstleistungen eingeführt
ab ca. 1970
◼ Eastman Kodak (USA) 1975 werden 800.260 Verbesserungsvorschläge registriert
1975
>>>>>
Quelle: [4], S. 24
Voraussetzung. Daraus folgen die drei Unterziele: Qualitätsverbesserung, Kostensenkung und Schnelligkeit. Da es sich um funktionsübergreifende Zielsetzungen handelt, sind alle Bereiche danach auszurichten. Diese Ziele folgen dem betriebswirtschaftlichen Denken in den Kategorien Qualität, Zeit, Kosten. Zielsetzungen dieser Art sind heute sicherlich sehr oft die Grundlage unternehmerischen Handelns und nicht zwingend für die Einführung von Kaizen, insofern können sich auf diese Zielsetzungen auch andere Konzepte beziehen. Das Managementkonzept Kaizen geht nun von einer besonderen einzigartigen Grundannahme aus, die sich wie folgt formulieren lässt: Kaizen geht immer davon aus, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine betrachtete Tätig keit nicht zufriedenstellend, sondern sogar in ihrer schlechtesten Art und Weise ausgeführt wird. Es herrscht niemals ein Zustand der Selbstzufrieden heit, Erreichtes wird immer wieder in Frage gestellt. Diese radikale Basisannahme wird auf die ge samte Organisation bezogen. Sie wird zwingend zum Ausgangspunkt genommen.
562
Abb. K09: Zielsetzungen, Grundannahmen und Axiome von Kaizen als Aufgabe des Managements der Organisation
Oberziel
Unterziele
Grundannahme
Vier Axiome
Ständige Verbesserung von Kundenzufriedenheit Kundenloyalität Kundenbindung Qualität
Kosten
Zeit
Verbesserung
Senkung
Schnelligkeit
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird eine betrachtete Tätigkeit nicht zufriedenstellend, sondern sogar in ihrer schlechtesten Art und Weise ausgeführt wird. Es herrscht niemals ein Zustand der Selbstzufrieden heit, Erreichtes wird immer wieder in Frage gestellt.
Problem orientierung
Kunden orientierung
Prozess orientierung
Mitarbeiterorientierung
Kaizen Hierauf gründend ist eine Konzeption zu entwerfen, mit der sich einerseits die o. g. Zielstellung erreichen läßt und andererseits der in der Grundannahme formulierte Handlungs bezug konzeptionell aufgegriffen wird. Das Bindeglied sind die hier so genannten „Axiome“, d. h. Unabdingbarkeiten, Quasigesetze, die wie folgt lauten: Problem-, Kunden-, Prozess- und Mitarbeiterorientierung. 1 Problemorientierung: Als Ausgangs punkt einer jeden Kaizen-Tätigkeit geht es um die Definition eines erkannten, definierten und zu lösenden Problems. Dieses Problem ist permanent gegben. Zum Beispiel impliziert Verschwendung (jap. ►Muda, s. ►TPS) einen solchen problemorientierten Ansatzpunkt für Kaizen: Entsprechend der Grundaussage des Zen-Buddhismus, dass kein Zustand als gut angesehen werden kann, als dass man ihn nicht verbessern könnte. Um das Problem lösen zu können, muss es quantifiziert werden. Auf das Problem bezogene Daten müssen bestimmt, analysiert und gewichtet werden. Verfahren zur Problemlösung sind inzwischen den (►Qualitätstechniken). vielfältig entwickelt wor Kaizen kann insofern als eine solche übergeordnete „Su pertechnik“ begriffen werden, die sich anderer Qualitäts techniken bedient. 2 Kundenorientierung: Bei Kaizen geht es immer um den Kunden in seiner doppelten Bedeutung. Einerseits ist der externe Kunde gemeint, andererseits sind aber auch die internen ►Kunden-Lieferanten-Beziehungen angesprochen. Somit orientiert man sich an der Doppelstruktur des externen und internen Kunden. Der Kunde gilt als zentraler Bezugspunkt. Auf ihn bezogen hat jeder Mitarbeiter seine ►Forderungen zu spezifizieren. Die Ausrichtung auf den Kunden erfolgt bereits innerhalb des Prozesses. Der Kunde steht nicht – wie traditionell in Lie ferketten – am Prozessende. Vielmehr ist ►Kundenorien tierung das Komplement zur Prozessorientierung. Durch das Prinzip der Kundenorientierung ist der Prozess „personifiziert“. Der Mitarbeiter ist schon auf der operativen Ebene in der Rolle des ►„Mitunternehmers“. 3 Prozessorientierung: Als Komplement zur Kundenorientierung ist die Prozessorientierung zu sehen. Dadurch, dass ►Pro zesse als Satz von in Wechsel be zie hungen stehenden Mitteln und Tätigkeiten, die Eingaben in Er gebnisse umgestalten, definiert sind (ISO 9000), also als Transformationsaktivitäten mit Wertschöpfungsqualität angenommen werden, lässt sich der Prozess-Output als verbessertes Ergebnis nur durch die Verbesserung der auf ihn bezogenen Prozesse realisieren (►Prozessma nagement). Das ständige Bemühen um Verbesserung in kleinsten Schritten ist letztlich – nach modernem Verständnis – ein Akkumulationsprozess, dessen Ergebnisse peu à peu sichtbar werden. 4 Mitarbeiterorientierung: Der Motor des Pro zessgeschehens ist der Mitarbeiter. Aus diesem Grund heißt es bei Kaizen auch „Im Mittelpunkt steht der Mensch“. Mitarbeiterorientierung heisst, dass alle Aktivitäten der
Kaizen Organisation das Ziel verfolgen, den Mitarbeiter einzubeziehen und zu fördern. Verbessern ist zunächst – bevor es konkret als Tätigkeit sichtbar und messbar gemacht werden kann – eine Denkhaltung, eine Disposition, die geweckt und erhalten werden muss. Wenn die Prozesse formal verändert werden, ist damit noch nicht viel gewonnen, denn das informelle Denken und Handeln der Mitarbeiter bleibt wie es ist. Nur wenn jeder einzelne Mitarbeiter seine gesamten Fähigkeiten einbringt wird Kaizen erfolgreich sein. Den Mitarbeitern muss bewusst sein (►Mindset), dass sie befähigt und ermächtigt (empowered) sind, Prozesse zu verändern. Da jeder Mitarbeiter auch zugleich Kunde anderer Mitarbeiter ist, gilt in diesem Zusammeng als sozialpsychologische Prämisse umso mehr der Satz von ►Ishikawa „Der nächste Prozess ist der Kunde.“ Mitarbeiter-, Kunden- und Prozess orientierung sind im ständigen komplementären Zusammenhang (Wechselspiel) zu sehen. Das in Abbildung K09 gezeigte Prinzipmodell enthält nicht die methodischen Verfahren (►Qualitätstechniken), mit denen die Probleme analysiert und bearbeitet werden. Es ist auch nicht zwingend die bis dato entwickelten Qualitätstechniken anzuwenden, jedes sinnvoll erscheinende Verfahren bzw. jede Methode, die zutreffende Ergebnisse erwarten läßt, kann angewandt werden. International allgemeine Verbreitung haben die sog. ►Q7 gefunden, die auf der Statistik beruhen (►Statistik im Qualitätsmanagement). Die Aussage von Taiichi ►Ohno, „Etwas ist falsch im Betrieb, wenn Mitarbeiter nicht täglich die Augen offen halten, wenn sie Dinge langweilig oder ermüdend finden und trotzdem Abläufe nicht neu festlegen.“, weist darauf hin, dass KaizenImplementierung nicht umstandslos aus der Anwendung von Modellen erfolgen kann, sondern ganz neue Forderungen an Personalführung und Personalentwicklung voraussetzen [8]. Einerseits verlangt die geforderte gesteigerte Problem lösungsfähigkeit aller vor allem die Vorreiterrolle der vorgesetzten Führungskraft (Vorleben), andererseits muss allen zugestanden werden, Probleme und Fehler offen eingestehen zu können, ohne mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen (►Fehlerlernen). Kaizen erfordert somit eine Ver änderung der weichen Faktoren (Mitarbeiterorientierter Führungsstil, Unternehmungsphilosphie und ►Organisa tionskultur). 7 Implementation von Kaizen Am Beispiel des ►PDCA-Zyklus konnte das ständige Verbessern anschaulich gemacht werden. Aus funktionaler Sicht lag die Plan-Phase oft ausschließlich in der Hand des Ma nagements. Das ist v. a. in japanischen Betrieben heute nicht mehr der Fall. Zunehmend übernehmen Mitarbeiter Aufga ben in allen Phasen des Zyklus. Die Anwendung von Kaizen in ►Qualitätszirkeln ist heute oft Standard geworden. Man spricht in diesem Zusammenhang von gruppenorientiertem Kaizen [9].
563
K
Kaizen Um Kaizen zu implementieren kann nicht umstandslos der von ►Deming vorgeschlagene PDCA Circle angewandt werden. Aus der Vielzahl an Implementierungsmodellen sei beispielhaft der folgende zyklische Ablauf in 12 Schritten ausgewählt [9]: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
K
1 „Festlegung eines Bereiches für den Start 2 Mitarbeiter des Bereiches ausführlich informieren 3 Verbesserungsgruppen bilden (5 bis 10 Personen) 4 Methoden und Werkzeuge trainieren (ABC-Analyse, Fischgräten-Diagramm, Strichliste, Prüfbogen für Verschwendungen erstellen) 5 Die Verschwendung mit Hilfe von Prüfbogen erkennen. (…) 6 Verbesserungsmöglichkeiten erkennen 7 Maßnahmen diskutieren und auswählen 8 Maßnahmen durchführen (Verschwendung beseitigen) 9 Auswirkungen messen 10 Erfolgreiche Maßnahmen generell einführen 11 Gute Ideen und Leistungen der Mitarbeiter sofort anerkennen und mit Hilfe eines Prämiensystems belohnen 12 Situation erneut analysieren und neue Verbesserungsansätze finden. Wenn der betreffende Bereich von selbst läuft, wird ein neuer Bereich festgelegt.“
Auf dieser bereichsbezogenen Grundlage kann in der Folge unter Anwendung des PDCA-Zyklus der Verbesserungsprozess weiter betrieben werden. Da es sich – im Gegensatz zum ►Business Reengineering – um einen langfristigen Prozess handelt sind bei konsequenter Durchführung auch Denkund Verhaltens ände rungen der Mitarbeiter zu erwarten. Die Stabilisierung des Prozesses muss jedoch immer durch Trainingsmaßnahmen unterstützt werden. Sorgfältige Planung ist notwendig. Erfahrungsgemäß muss damit gerechnet werden, dass man erst nach drei bis fünf Jahren Kaizen als einen „zumindest teilweise als selbstlaufenden Prozess be zeichne(n) (…) kann.“ [10] Die zu ergreifenden organisatorischen Maßnahmen sind zu beachten. Wie P. Teufel erläutert kann hier auf Einsichten und bewährte Vorgehensweisen von ►Organisationsentwicklung zurückgegriffen werden. Implementierungsbarrieren, also Widerstände bei der Einführung von Innovationen sind ja nicht neu und keineswegs Kaizen-spezifisch zu interpretieren. Zu beachten ist, dass Reaktanz v. a. auf zwei Ebenen zu erwarten sind: bei Führungskräften und direkt bei den Mitar beitern (►Gruppenarbeit; ►Motivationsmanagement) [11]. 8 Schlussbemerkung Nicht nur in der Automobilindustrie, sondern auch andere Branchen haben mit der Einführung von Kaizen begonnen. Inzwischen liegen zwei empirische Studien vor, die sich mit der deutschen Situation von Kaizen in Unternehmen befassen [12]. Beide Untersuchungen (Befragungs- und Interviewstu dien) stellen fest, dass eine hohe Relevanz des Konzeptes besteht. Angesichts des doch recht diffusen Verständnisses von
564
Kaizen Kaizen in der betrieblichen Praxis und auch in der Fachwelt müssen jedoch Zweifel angemeldet werden, ob hier nicht alles mögliche an neuen Managementkonzepten in den Köpfen der Befragten herumgespuckt hat. Einen deutlichen Einfluss scheint wohl ►Imai – ob gelesen oder nicht – gehabt zu haben. Insofern sollten die Ergebnisse der o. g. Studien kritisch nachgelesen werden. Der Schwerpunkt dieses Artikels lag auf der begrifflichen Klärung von Kaizen. Inzwischen sind Begriff und Konzept in vielfältigen Adaptionen verbreitet, ohne die grundsätzliche Frage differenziert geklärt zu haben, ob dieses Managementkonzept in jede kulturelle Umwelt umstandslos transferiert werden kann. Es ist zu vermuten, dass dies in Reinform nicht möglich ist. Der wesentliche Unterschied liegt in der Tiefe der Umsetzung: Während es in westlichen Unternehmen mithilfe von Kaizen/KVP vor allem um die Verbesserung und Verände rung der Prozesse geht, charakterisiert das japanischen Kaizen die stete Verbesserung des für die Leistungserstellung arbeitenden Menschen, vom Topmanager bis hin zum Arbeiter unter der Prämisse des funktionsübergreifenden Zusammenarbeitens: Verbesserung ist entsprechend dem japanischen Kaizen-Ansatz eine Denkhaltung, die untrennbar mit dem Erhalten und Verbessern erreichter Standards verbunden ist. Es geht um das hier in Kapitel 6 herausgestellte Axiom 4, den Mitarbeiter nicht mehr als ausführenden Akteur zu sehen, sondern als selbstverantwortliches Individuum, dem Instrumente zur Verfügung gestellt werden, die es ihm ermöglichen, als kritischer Beobachter am Unternehmensgeschehen teilzunehmen: Nicht der Begriff Kaizen, KVP etc. ist ausschlaggebend für die Effizienzsteigerung, sondern das hinter dem Wort stehende System, das für die Einstellungsänderung der Mitarbeiter und die daraus resultierenden Produktivi tätssteigerungen sorgt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Imai, M.: Kaizen. Der Schlüssel zum Erfolg der Japaner im Wettbewerb, München (Langen Müller/Herbig) 1992, 24; s. a. Imai, M.: Gemba Kaizen. München (Langen Müller/Herbig) 1997 [2] Rother, M.: Die Kata des Weltmarktführers. Toyotas Erfolgsmethoden. Frankfurt am Main-New York (Campus) 2009 [3] Geiger, W.: Qualitätslehre. 3. Auflage. Braunschweig (Vieweg) 1998, 141-151 [4] Yasuda, Y.: Mitarbeiterkreativität in Japan. So nutzt Toyota das betriebliche Vorschlagswesen. Landsberg/Lech (mi) 1994 ( Jap. Orig.: 1989; am. transl. 1991) [5] Ohno, T.: Das Toyota-Produktionssystem. Frankfurt am Main (Campus) 1993 [6] Howaldt, J.; Kopp, R.; M Winther (Hrsg.): Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß. KVP als Motor lernender Organisation. Köln (Bachem) 1998
Kalibrieren
Kalibrieren
▶en: calibration Kalibrierung ist ein Begriff aus der Metrologie, die Maßeinheiten und Messverfahren erfasst. Er spielt dort eine tragende Rolle und darf nicht verwechselt werden mit Begriffen wie Eichung, Konformitätsaussage, Spezifikationsprüfung, Abgleich, Justierung oder Zertifizierung. Im Qualitätsmanagement wird im Regelwerk der ISO 9001 für die Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen gefordert, dass für das hergestellte Produkt qualitätsrelevante Kenndaten mit kalibrierten Messinstrumenten gemessen werden. Wegen der internationalen Bedeutung des Kalibrierwesens befasst sich das Bureau International des Poids et Mesures (BIPM) in Paris mit der Aufgabe, die weltweit einheitliche Weitergabe und Rückführung metrologischer Einheiten in Übereinstimmung mit dem Internationen Einheitensystem (SI). Dies wird durch die Autorisierung durch das „Convention of the Metre“ garantiert. Internationale Ringvergleiche und Kalibrierungen werden unter den Mitgliedern des BIPM durch Forschung gefördert und unterstützt. Weitere Informationen zum Themenbereich Kalibrierung finden sich verständlich aufbereitet auf der Website https:// www.esz-ag.de/kalibrierung.html
Kamiske, Gerd F. Deutscher Qualitätsexperte
[7] Ich folge konzeptionell weitgehend den Ausführungen von P. Teufel, dessen Darlegungen grundlegend und stringent sind: Teufel, P.: Der Prozess der ständigen Verbesserung (Kaizen) und dessen Einführung. In: Bullinger, H.-J.; Warnecke, H. J. (Hrsg.): Neue Orga nisationsformen im Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management. Berlin u.a. (Springer) 1996, S. 526-548 [8] s. [7], S. 528-529 [9] s. [2], S. 111ff. – Imai u. a. unterscheiden in diesem Zusammenhang Managementorientiertes, Gruppenorientiertes und Per sonenorientiertes Kaizen. Vgl. auch Teufel in: [7], S. 530-531. Das 12-Schritt-Implementierungsmodell findet sich in: Rois, A.: Kaizen. Verbesserungsprozesse in der Autoindustrie. Wien: Linde 1999, S. 47-48 [10] s. [7], S. 539 [11] s. [7], S. 538-547 [12] Schwager, M.: KaiZen. Der sanfte Weg des Reengineering. Eine Studie zum Entwicklungsstand in deutschen Unternehmen. Bisherige Erfolge und künftige Notwendigkeiten. Freiburg-BerlinMünchen (Haufe) 1997, S 214 und Koop, R.: KVP und lernende Organisation: Ausgangspunkte einer zukunftsweisenden Managementpraxis. In: Howaldt, J.; Kopp, R.; M Winther (Hrsg.): Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß. KVP als Motor lernender Organisation. Köln (Bachem) 1998, S. 27-39 [13] Aktuelle Fachliteratur zu Kaizen: Menzel, F.: Einfach besser arbeiten. KVP und Kaizen – Kontinuierliche Verbesserungsprozesse erfolgreich gestalten. Zürich (Versus) 2010
Kamiske, Gerd F.
Prof. em. Dr.-Ing. Gerd F. Kamiske (geb. 1932), Studium Maschinenbau an der TH Braunschweig, Promotion dort 1961: Dr.-Ing.; seit 1957 über 30-jährige Industriepraxis auf dem Gebiet des Qualitätswesens; Führungspositionen im In- und Ausland. Aus der Position des Lei ters Qualitätssicherung im Volkswagenwerk Wolfsburg 1988 Ruf an die Technische Universität Berlin; Gründung der Wissen schaftsrichtung Qua l it ät sw i ss e ns c h a f t ; Aufbau von Lehre und For schung für Studie rende des Maschinen baus, des Wirtschafts ingenieurwesens, der Informatik u. a.. Se minarreihen für Führungs- und Fachkräfte der Wirtschaft: Die Hohe Schu le, Orien tie rungsseminar Qualität, Berliner Qualitätsgespräche. Gründungs- und ehem. Vorstandstmitglied der ►Gesellschaft für Qualitätswissenschaft e.V. (GQW), Berlin und Beirat DGQ/FQS und DIN/NQSZ. – Für die Arbeiten am Lehrstuhl Qualitätswissenschaft der TU Berlin erhielt Kamiske mit einem seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter den EUROPEAN QUALITY AWARD für Spitzenforschung, für seine Gesamtleistung das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Forschungen/Preise/Dissertationen: Umfangreiche drittmittelgeförderte Forschungsarbeiten (BMBF-PTF+Q, BMWi-AiF / FQS); nationale und internationale Auszeichnungen: ►Walter Masing-Preis der Deutschen Gesellschaft für Qualität (Dr.-Ing. Butterbrodt); erster ►European Quality Award for Theses der EFQM für eine deutsche Arbeit (Dr.-Ing. Chr. ►Malorny). – Dissertationen: Kon zept zur Steigerung der Effektivität von Produktionsanlagen (Al-Radhi); Ergänzung der Konstruktionsmethodik um Quality Function Deployment – ein Beitrag zum qualitätsorientierten Konstruieren (Bors); Entwicklung eines Modells für eine rechnerunterstützte Qualitätswissensbasis (Brauer); Integration von Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen und ihre betriebliche Umsetzung (Butter brodt); Modell der zyklischen Pro zess restrukturierung als Teil des Total Quality Managements (Füermann); Untersu chung der Einsatzmöglichkeiten industrieller Qualitätstechniken im Dienstleistungsbereich (Gogoll); Approaches towards enhan cing the international competitiveness of industrial products from Southern Africa through the implementation and certification of Quality Management Systems according to ISO 9000 9004/SAZ 300 (Goromonzi); Qualitätsmanagement im Krankenhaus (Hahne); Der Einfluß Demings auf die Entwicklung des Total Quality Management – TQM (Kirstein); Führungsqualität im Total Quality Management (Kostka); Einführen und Umsetzen von Total Quality Management (Malorny); Ganzheitliches Modell zur Umsetzung von Total Quality Management (Radtke); Analyse der Rentabilität
565
K
Kamiske, Gerd. F. von Qualitätstechniken (The den); Me thodisches Konstruieren als Mittel zur syste matischen Gestaltung von Dienst leistungen (Schwarz); Prozessorientierte Techniken zur systematischen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes (Tammler); Kostenorientiertes Qualitätsmanagement – ein Beitrag zur Klärung der Qualität-Kosten-Problematik (Tomys); Qualitätsmanagement für die Einführung bestandsarmer Pro duk tions konzepte (Walter); Qualitätsorientierte Koordination von Prozessen des Fabrikbetriebs (Wilmes); Entwicklung und praktische Erprobung eines Kennzah lensystems für das Total Quality Management (Wolter); Verbesserung der Planung von Produktionsprozessen im Werkzeugbau durch Qualitätsplanung QFD (Zoschke).
K
566
umsetzen. Praktische Er fahrungen bei mittelständischen Unter nehmen. Tagungsband zum Forum Qualität 1996 Total Business Excellence – Lernen von den Besten. (Hg.) Prof. Dr. Jürgen Blä sing, Steinbeis-Transferzentrum Qualität und Umwelt, TQU, Ulm, 06./07.11.1996. – Et al.: Fördernde und hemmende Faktoren des QS-Wissenstransfers. In: Zink, K. J. et al. (Hg.): Qualitätswissen. Lernkonzepte für moderne Unternehmen. Berlin u. a. 1996. – Et al.: Überbetrieblicher QS-Wissenstransfer. In: Zink, K. J. et al (Hg.): Qualitätswissen. Lernkonzepte für moderne Unternehmen. Berlin u. a. 1996. – Et al.: Qualitätstechniken als Instrument des Quali tätscontrollings. In: Wildemann, H. (Hg.): Qualitätscontrolling. Berlin u. a., 1996. – Et al: Qualitätsmanagement in der überbetrieblichen Umsetzung. Technische Universität Berlin/ Projektträger des BMBF für Fertigungstechnik und Qualitätssicherung. 3. Aufl. BerlinKarlsruhe 1997. – Et al.: Qualitätssicherung bei der Überleitung von QFD-Informationen in die rechnergestützte Konstruktion (CAQ) als Teil des Projektmanagements, FQS-Schrift Nr. 85-03. Berlin u. a. 1996. – Qualitätswissenschaft. In: ZwF 89 (1994) 6, S. 315-318. – Et al.: Quality Function Deployment. House of Quality. Richtlinie VDI 2247, Kapitel 2.3.2, TU Berlin, IWF-QW. 1992-1993. – Et al.: Qualitätssicherung für die Realisierung von Just-In-Time-Konzepten unter besonderer Berücksichtigung des Maschinenbaus. In: Tagungsband zur Forschungstagung Qualitätssicherung‚ 93. Hg. Forschungsgemeinschaft Qualitätssicherung e. V. Frankfurt/M., Berlin 1993. – Et al.: Den Audit-Tourismus eindämmen. In: Beschaf fung aktuell (1993) 9, S. 395-398. – Et al.: Produkthaftung – Graue Maus im Unternehmeralltag? In: QZ 38 (1993) 9, S. 534-536. – Et al.: Qualitätsmanagement verbessert den Wirkungsgrad der Pro duktion. In: ZwF 88 (1993) 1, S. 41-43. – Et al.: Qualitätsmanage mentsysteme nach DIN ISO 9000: Wo liegen die Schwierigkeiten? In: QZ 38 (1993) 5, S. 269-274. – Et al.: Die Rationalisierungspo tentiale des TQM. Beitrag zum qualitätsorientierten Kostenmanagement. In: QZ 38 (1993) 7, S. 403-405. – Et al.: Total Productive Maintenance. Konzept ei ner mitarbeiterorientierten In stand hal tung. In: ZwF 88 (1993) 10, S. 499-501. – Et al.: Qualitäts- und Füh rungstechniken. In: TECHNICA 41 (1992) 15/16, S. 14ff. – Et al.: Total Quality Management. Ein bestechendes Führungsmodell mit hohen Anforderungen und großen Chancen. In: ZfO 61 (1992) 5, S. 274-278. – Das untaugliche Mittel der „Qualitätskostenrechnung“. In: QZ 37 (1992) 3, S. 122-123. – Das große Mißverständnis. In: QZ 36 (1991) 3, S. 124-125. – Qualitätssicherung beginnt in der Konstruktion. In: Konstruktion 42 (1990) 1, S. 15-17. – Qualität = Technik und Geisteshaltung. In: QZ 35 (1990) 5, S 251-252. – Qualität und Produktivität. In: ZwF 85 (1990) 1, S. 5-7. – Et al.: Länderspiegel Qualitätssicherung: Stand und Bewertung, Empfehlung für Maßnahmen. Qualitätssicherung in Japan. In: QZ 35 (1990) 9, S. 493-497. – Et al.: Qualitäts- und Fehlerkosten in einer neuen Betrachtungsweise. In: ZwF 85 (1990) 8, S. 444-447. – Fabrik der Zukunft: vier komplexe Unternehmensziele sind unter einen Hut zu bringen. Im Rahmen Produkthaftung ist die Risiko-Minimierung besonders wichtig. Handelsblatt 21 (1989), 29.08.89.
Kampagne
▶en: campaign Zeitlich begrenzte, wiederholbare Aktion, die flächendeckend im Unternehmen mit einer fest vorgegebenen Zielsetzung in allen Bereichen und Abteilungen durchgeführt wird. Sie dient der Bewusstseinsbildung, z. B. um das Qualitätsbewusstsein zu fördern.
Begriff
Literatur (Auswahl – insgesamt ca. 150 Arbeiten): Ehem. Hrsg. des Organs der DGQ: Qualität und Zuverlässigkeit (QZ) im Carl Han ser Verlag ab 01. 01. 98 (Nachfolger von Walter ►Masing). – (zus. m. J.-P. Brauer): Qualitätsmanagement von A bis Z. 7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. München 2011. – (Hg.): Die Hohe Schule des Total Quality Management. 2. Aufl. Berlin 1998. – (Hg.): Der Weg zur Spitze. München-Wien 1998. – (Hg.): Rentabel durch TQM. Return on Quality-RoQ. Berlin 1996. – Hg. (zus. m. W. Hansen): Qualitätsmanagement im Unternehmen. Loseblattsammlung. Berlin u. a. 1997. (Hg.): Handbuch QM-Methoden. Die richtige Methode auswählen und erfolgreich umsetzen. 3. Auflage. München 2015. – Herausgeber Reihe Pocket Power. München-Wien 1996/1997/ 1998. Diverse Titel, u.a. : ABC des Qualitätsmanagements; DIN EN ISO 9000-9004 umsetzen; Öko-Audit/Umweltmanagement; Quali tätstechniken; Techniken des Umweltmanagements; Total Quality Management; Moderationstechniken; Die sieben Kreativitätstech niken; Prozeßmanagement; Moderne Instandhaltung TPM; Dienst leistungsqualität; Wegweiser durch das Umweltrecht; European Quality Award; Arbeitssicherheitsmanagement; Benchmarking; TQM-gerechtes Controlling; Coachingtechniken im TQM; Kun denmanagement; Marketing; QS-9000 u.a.. – (Hg. et al.): Bausteine des innovativen Qualitätsmanagements. Erfolgreiche Praxis in deutschen Unternehmen. München-Wien 1997. – Qualitätsprüfung. In: Kern, W. et al. (Hg.): Handwörterbuch der Produktionswirtschaft. Stuttgart 1996. – Qualitätstechniken als Instrument des Qualitäts controllings. In: Wildemann, H. (Hg.): Qualitätscontrolling. Berlin u. a. 1996. – Bekennerbrief – Ein bißchen schwanger geht nicht – ein bißchen TQM hilft nicht. In: QZ 41 (1996) 12, S. 1347. – Et al.: TQM umsetzen – kritische Erfolgsfaktoren. In: ZwF 91 (1996) 11, S. 523-525. – Et al.: Qualitätsmanager im Brennpunkt. In: io Management Zeitschrift 65 (1996) 3, S. 25. – Et al. (Hg.): Bausteine des Innovativen Qualitätsmanagement, München u.a. 1997. – Et al.: Umweltmanagement. Moderne Methoden und Techniken zur Umsetzung – München 1995. – Et al.: Qualitätsmanagement in der überbetrieblichen Umsetzung. Technische Universität/Projektträger des BMBF für Fertigungstechnik und Qualitätssicherung Berlin-Karlsruhe 1995. – Et al.: Reengineering versus Prozeßma nage ment. Der richtige Weg zur prozeßorientierten Orga ni sa tionsgestaltung. In: zfo, 64. Jg. 3/1995 Mai/Juni, S. 142-148. – Et al.: Qualitätsmanagement und Umweltmanagement. Ergebnisse einer Expertenbefragung. In: ZwF 90 (1995) 6, S. 291-294. – Return on Quality – RoQ. „Kosten-Nutzen-Rechnungen bestimmen alles menschliche Handeln.“ In: QZ 40 (1995) 10, S. 1122-1123. – Et al.: Integration von Umweltmanagement- und Qualitätstechniken. In: ZwF 90 (1995) 11, S. 536-539. – Et al.: Einsatzpotentiale von Qua litätstechniken. Eine Befragung deutscher Unternehmen. In: ZwF 90 (1995) 11, S. 530-532. – Et al.: Qualitätstechniken steigern die Rentabilität. In: QZ 40 (1995) 11, S. 1263-1268. – Et al.: Gruppen arbeit als Basis für KVP. In: ZwF 90 (1995) 12, S. 607-609. – TQM
Kampagne
Kanban
Kano, Noriaki
Kanban
Literatur
[1] Ohno, T.: Das Toyota-Produktionssystem. Frankfurt/MainNew York (Campus) 1993, S. 58f [2] s. [1], S. 61 [3] Traeger, D. H.: Grundgedanken der Lean Production. Stuttgart (Teubner) 1994, S. 40 [4] Kamiske, G. F.; J.-P. Brauer: Qualitätsmanagement von A bis Z. 3. Aufl. München-Wien (Hanser) 1999, S. 93-101 [5] s. [4], S. 101
▶Toyota Produktionssystem (TPS) ▶Just-in-Time ( JiT) (hier ausführliches zu Kanban) ▶Logistikqualität | ▶Lean Production
Traeger bemerkt, dass Kanban keine rein japanische Erfindung sei. Er weist darauf hin, dass unser Arzneimittelversor gungssystem in deutschen Apotheken bereits seit den siebziger Jahren nach dem Pull-System funktioniert [3]: „Auf den Arzneimittelkärtchen sind Informationen über das Medi kament selbst, Packungsgrößen, Standardvorrat, Standardbestellmenge, Lagervorschriften, Abgabebeschränkungen sowie die statistische Verkaufserfassung vermerkt. Das Kärtchen verlässt im Gegensatz zum Transport-Kanban die Apotheke nicht. Die Bestellung erfolgt rechnerunterstützt per Da tenfernübertragung. Ein kanbangesteuertes Pull-System par excellence, seit über zwanzig Jahren vor unserer Haustür.“ Trägers Einlassung ist zutreffend, bedarf aber der Ergänzung: Der deutsche Buchhandel verfügte ebenfalls über ein Kanban-System. Die Logistik von Buchhandel und Pharmazie waren strukturgleich. Detaillierte Erläuterungen zu Kanban finden sich in [4]. Dort wird vor allem auf die Bedingungen eingegangen, die KanbanSysteme erfordern. Eine dieser unabdingbaren Voraussetzungen ist die Qualität [5]: „Jede nachfolgende Fertigungsstufe muss die Gewissheit haben, nur einwandfreie Teile von den vorgelagerten Produktionsbereichen zu erhalten. Der Qualitätsaspekt gewinnt seine besondere Bedeutung, weil die meisten auftretenden Probleme bei der Massenfertigung auf mangelhafter Qualität beruhen. … Dies trifft speziell auch auf das Kanban-System zu …“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Kano, Noriaki
▶Kano-Modell der Kundenzufriedenheit ▶Kundenzufreidenheit
Japanischer Qualitätsexperte
Konventionell werden in der Fertigung den einzelnen Stellen Aufgaben zugewiesen. Eine übergeordnete zentrale Koordi nationsinstanz löst entsprechend den geplanten Ereignissen im Produktionsprogramm im Materialfluss entsprechend der Fertigmeldung die Folgeoperation aus. Beim KanbanPrinzip wird nun die vom Produktionsprogramm abhängige Steuerung umgangen: Die Idee beruht auf dem SupermarktPrinzip: „Produziere heute das, was gestern verbraucht wurde.“ ►Ohno Taichi hatte die Anregung zur Entwicklung des Kanban-Systems bereits 1953 aus dem amerikanischen Supermärkten, die sich damals auch in Japan durchsetzten. Die Umsetzung wurde im Rahmen der Just-in-Time-Produktion schnell vorangetrieben, da Kanban als Kern von Just in Time und somit des TPS gesehen wurde. Es war das zentrale In strument, um Just in Time überhaupt realisieren zu können. Vom Management wurde verlangt, seine Denkart zu ändern und „sich dafür einzusetzen, den konventionellen Fluss der Produktion, des Transports und der Belieferung mit Teilen umzukehren.“ [1] Die Umsetzung erfolgte nach „strengen Regeln“ die entsprechend einem nie endenden Prozess gehandhabt wurden. Ohno berichtet, dass 1962 das Kanban-System im gesamten Unternehmen von Toyota eingeführt wurde.
Kano Noriaki (*29. 04. 1940) ist heute Prof. emeritus an der Tokyo University of Science und war 1995 Gastprofessor an der University of Miami, USA. Von 2010 bis 2011 war er Gastprofessor an der Universität Rom III. Er hatte sein Bachelor-Studium und den Doktorgrad an der Ingenieurschule der Universität Tokyo erlangt, wo er auch Jahrzehnte im Bereich der Forschung Lehre tätig war. Er war Student bei ►Ishikawa Kaoru. In der ►JUSE hatte er sich sehr engagiert. Er hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten und ist Mitglied in der ►American Society for Quality (ASQ) und der ►International Academy for Quality (IAQ). Durch seine regen Aktivitäten ist er weltweit bekanntgeworden. Im Qualitätsmanagement ist er seit den 1980er Jahren bekannt für die Grundlegung eines bereits in den 1970er Jahren entwickelten neuen Ansatzes zur Erklärung und Modellierung der Kundenzufriedenheit (►Kano-Modell). Das Modell zählt zu den Standards im Qualitätsmanagement. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur: Kano, Noraki: Attractive Quality and Must-be-Quality. In: Hinshitsu. The Journal of Japanese Society for Quality Control, 4/1984, p. 39-48 Kano, Noriaki (ed.): Guide to TQM in Service Industries. Tokyo: Asian Productivity Organization. 1996. – Kano, Noriaki; Nobuhiku Seraku; Fumio Takahashi; Shinichi Tsuji: Attractive quality and must-be quality“. Journal of the Japanese Society for Quality Control (in Japanese) 14 April 1984 (2), p. 39-48.
567
K
Kano-Modell der Kundenzufriedenheit
Kata
Kano-Modell der Kundenzufriedenheit
Mit dem Kano-Modell bewegen wir uns, gerade was die Begeisterungsfaktoren betrifft, auf einer Ebene, die uns vorgauckeln mag, dass die Selbstverständlichkeiten doch sowieso erfüllt werden. Doch – wie uns die Praxis belehrt – hapert es im täglichen Geschäft. Da kommt es zu Rückrufen wegen Fehler, die sich auf die Basisforderungen beziehen und sogar zu Qualität, die in Verruf geraten ist (►Betrugsqualität). Hans-Dieter Zollondz Vichy
▶Interne Kunden-Lieferanten-Beziehung ▶Kundenzufriedenheit ▶Kernkompetenz-Management
Zum festen Kanon des Qualitätsmanagements zählt inzwischen das von Noraki Kano entwickelte und nach ihm benannte Kano-Modell der Kundenzufriedenheit, auf das an dieser Stelle nur kurz eingegangen werden soll. Vgl. ausführlicher hierzu das Stichwort ►Kundenzufriedenheit. Das Modell beansprucht das Ausmaß der Kun den zufriedenheit zu erklären. Dabei hängt das Ausmaß nicht linear mit dem Erfüllungsgrad zusammen, sondern ist von den folgenden Faktoren abhängig, die von Kano entsprechend seinem Modell (s. Abbildung im Stichwort ►Kundenzufriedenheit) wie folgt bestimmt werden [1]:
K
◼ Grundforderungen: Werden vom Kunden als selbstverständlich angenommen. Sollten diese nicht erfüllt werden, ist der Kunde überdurchschnittlich unzufrieden. Bei Erfüllung wird er in der Regel das dem Produzenten nicht weiter honorieren. ◼ Leistungsforderungen: Diese Merkmale sind nicht selbstverständlich, werden allerdings erwartet und auch formuliert. Der Kunde ist unzufrieden, wenn seine Erwartungen hier nicht erfüllt werden. Das Produkt wird als austauschbar wahrgenommen, wenn diese Komponenten lediglich erfüllt werden, d.h. der Kunde verhält sich indifferent. Die Zufriedenheit steigt, wenn die Erwartungen übertroffen werden. ◼ Begeisterungseigenschaften: Diese Merkmale eines Produkts erwartet und fordert der Kunde nicht explizit. Sollten sie vorhanden sein, macht das Produkt für den Kunden einen besonderen Wert aus. Seine Zufriedenheit steigt überdurchschnittlich. Der so von Kano angenommene Zusammenhang zwischen der Erfüllung der Kundenforderungen und der Kundenzufrie denheit wird vom Qualitätsmanagement auch als bewegliches Ziel verstanden: Geht es darum die selbstverständlichen Erwartungen (Grundforderungen) oder explizit geäußerte Wünsche (Leistungsforderungen) oder außergewöhnliche – oftmals gar nicht bekannte – Wünsche (Begeisterungseigen schaft en) als ►Qualitätsforderung wirksam werden zu lassen, so sind jeweils andere oder zusätzliche Qualitätsmerkmale auszuwählen und zu kombinieren, um die je spezifischen Kundenerwartungen zu treffen. Hinzu kommt, dass ein Qualitätsmerkmal, das den Kunden gestern noch begeistert hat, möglicherweise heute nur noch als Basisforderung, quasi als Selbstverständlichkeit angesehen wird. Gerade diese Herabstufung von einst als begeisternd wirkende Merkmale hat ►Kano erkannt, indem er die Zeit in seiner Funktion berücksichtigt hat. Für das Marketing der Qualität bedeutet dies, dass heute innovative Produkte morgen bereits erodiert sein können und als Me-too-Produkte auf dem Niveau von Basisforderungen am Markt verbleiben.
568
Literatur [1] Kano, Noraki: Attractive Quality and Must-be-Quality. In: Hinshitsu. The Journal of Japanese Society for Quality Control, 4/1984, S. 39-48 [2] Bailom, F. et al.: Durch strikte Kundennähe die Abnehmer begeistern. In: Harvard Business Manager, 1/1998, S. 47-56
Kansei ▶ja: emotional, affektiv Kansei hat sich im Japanischen seit den 1990er Jahren unter dem japanischen Wissenschaftler Mitsuo Nagamachi von der Universität von Hiroshima als Kansei Engineering zur neuen Richtung der verbraucherorientierten Produktentwicklung etabliert. Diese praktische Disziplin versucht auch als psychologische Forschungsrichtung zwischen emotionalen Reaktionen und Produktmerkmalen Zusammenhänge zu erkennen und die Ergebnisse für die Produktentwicklung und -Forschung fruchtbar zu machen. Ansatzweise wird dieser Ansatz in dem Konzept der ►perceived quality aufgegriffen. Literatur Nagamachi, M., Kansei Engineering. Tokyo: Kaibundo Publishing Co. Ltd. 1989
Kaskadenprozess
Er findet bei der Vermittlung der Ideen einer Qualitätsoffensive statt, bei der jede Führungsebene die eigenen Mitarbeiter trainiert (keine Fremdllösung durch Externe, sondern eigenes Engagement). – Allgemein: Herunterbrechen von Zielen in einer Organisationseinheit. Es werden Leistungsindikatoren und Kennzahlen definiert, die für die jeweilige Einheit messbar und beeinflussbar sind und die letztendlich verknüpft sind mit den Gesamtunternehmenszielen.
Kaskadierung ▶Hoshin Kanri
Kata
▶Toyota Kata ▶Lernende Organisation Es ist viel darüber geschrieben worden, dass Unternehmen japanische Techniken des Qualitätsmanagement zwar aufgegriffen haben, diese jedoch nicht in einen systematischen Gesamtzusammenhang gestellt und angewandt haben. Enttäuschte Unternehmen ziehen sich zurück von Einsichten des
Kata japanischen Managements. Kritikern, die die Ganzheitlichkeit eines Konzepts betonen, ist sicher zuzustimmen. Offen lassen sie jedoch, welchen Ausgangspunkt man wählen sollte, um die angeblich so erfolgreichen Tools der Japaner erfolgreich nutzen zu können. Fest steht, es existiert keine „Methodologie“, keine „Didaktik“, die es erlaubt Toyota-Techniken nutzen zu können, denn willkürlich ausgewählt und angewandt sind sie praktisch wirkungslos, bringen nichts für den dauerhaften Erfolg des Unternehmens.
Kata ist ein Wort aus dem Japanischen und bedeutet zunächst Form, Prägeform. Die Kata bildet die mentale Trainingsbasis in den japanischen Kampf- und Darstellungskünsten (Budõ). Mit einer Kata werden mentale Prozesse bezeichnet, die sich motorisch umsetzen und über Generationen zwischen Meister und Schüler tradiert werden. Allgemein handelt es sich um eine sich wiederholende Handlungsroutine, die mental gesteuert wird, die sich auf kein starres Handlungsmuster bezieht, sondern flexibel Situationen in einem Handlungskontext antizipiert, und die so den Menschen, der sie beherrscht, in die Lage versetzt, auf gänzlich unterschiedliche Situationen angemessen zu reagieren. Diese abrufbare Reaktionsweise, die ursprünglich auf eigene Körperbewegungen mit der („leeren“) Hand beruht, muss intensiv trainiert werden, damit sie im geforderten Moment zum Zuge kommen kann. Kata ist allerdings kein Begriff, der ausschließlich einer Kampfkunst eigen ist. So bezieht sich eine Kata auf Karate, Judo oder andere Künste des japanischen Sports. Man spricht dann beispielsweise von der Karate-Kata. Hieran anknüpfend ließe sich im übertragenen Sinn (modern gedacht) von einer Verkaufs-Kata sprechen, wenn es sich um Verkaufssituationen handelt oder um eine Lehr-Kata, wenn jemand anderen etwas lehrt. Im umgekehrten Sinn auch von einer Lern-Kata, wenn „Lerner“ sich mithilfe ihrer Lern-Kata umsetzungsrelevantes Wissen aneignen. Diese Beispiele lassen allerdings die Motorik eher in den Hintergrund treten. Es geht sehr viel mehr um interaktive Prozesse des Kommunizierens, also um mentale Prozesse. Eine unendliche Vielzahl an Katas ließe sich kreieren. Die Frage ist nun, ob es sich lediglich um ein
Etikett handelt oder ob der Kreator solcher Konzepte wirklich versucht hat, Sinn, Bedeutung und Transformation auf einen anderen Objektbereich als den der japanischen Kampfkunst zu beziehen. Im so betrachteten Bereich hat Rother den Begriff genutzt, um einerseits das konkrete Tun, das Verbessern von Prozessen, andererseits das Lehren/Führen von Menschen (er nennt es Coachen) paradigmatisch als Kata, als Übungsmuster, zu begreifen. Zwei davon unterscheidet er: ◼ Mit der Verbesserungs-Kata werden die organisatorischen Prozesse kontinuierlich verbessert und somit weiterentwickelt. ◼ Mit der Coaching-Kata als Denk- und Handlungsroutine, wird die zweckmäßige Anwendung der VerbesserungsKata den Mitarbeitern nahegebracht. Die Coaching-Kata stellt somit eine interaktive Führungstechnik dar, während die Verbesserungs-Kata problem- und lösungsorientiert auf das Arbeitshandeln ausgerichtet ist. In beiden Fällen geht es aber nicht darum „einmal gelehrt und dann sitzt es!“, sondern um das permanente Einüben und Anwenden von Denk- und Handlungsweisen. Es geht gewissermaßen um den „achten Sinn“, der sich füe viele bisher nicht so einfach aus Toyota-eigenen und -externen Beschreibungen erschlossen hat. Mike Rother beansprucht für sich nicht weniger, als endlich die Geheimnisse, die um Toyotas Erfolgsmethoden ranken, gelüftet zu haben. Dreh- und Angelpunkt sind die beiden Katas, wobei er den Begriff Kata relativ umstandslos aus dem Kontext der japanischen Kampfkunst herausgelöst hat. Eine nachvollziehbare Ableitung findet man nicht. Er sieht die Kata als übergeordneten Begriff innerhalb eines Rahmens von folgenden Grundbegriffen der ToyotaKata (http://www-personal.umich.edu/~mrother/Materials_to_Download_files/Definitions.pdf): ◼ “Management: The systematic pursuit of desired conditions by utilizing human capabilities in a concerted way (= Systematisches Anstreben erwünschter Zustände durch den konzentrierten Einsatz menschlicher Fähigkeiten). ◼ Capability or Skill: The ability to do something well. For example, the ability to work through problems to achieve a challenging objective. ◼ Skill Development: Practicing of routines, often with coaching guidance. ◼ Kata: A specific routine or method that is practiced to develop particular skills and mindset. A routine that is practiced and used time and again, whereby it becomes second nature. ◼ The Improvement Kata: Toyotas fundamental routine for improving and evolving throughout the organization. ◼ The Coaching Kata: The way the improvement kata is taught at Toyota.“
569
Begriff
Mike Rother (geb. 1958) betont nun, dass es gar nicht um die Techniken als solche geht, sondern um eine mentale Grundhaltung, die es zu erlernen gilt. Diese nennt er Kata. Nur wer sie versteht und beherrscht, vermag die Prinzipien des Toyota-Management-Systems angemessen umzusetzen. Das Buch des Deutschamerikaners, der bei Thyssen einst als Ingenieur tätig war, „Die Kata des Weltmarktführers“, erschien 2009 gleichzeitig in englischer wie auch in deutscher Sprache. Seine Ausführungen darin sind wohl weitestgehend Ausfluss von eigenen Beobachtungsstudien bei Toyota. Fachliteratur wird in einem Verzeichnis genannt, aber nicht explizit zitiert. Der Begriff Kata ist natürlich bewusst gewählt. Toyota verwendet ihn nicht. Es scheint wohl so wie bei ►Six Sigma, wo man mit japanischen Begriffen (belts = Gürtel) versucht „japanisches Flair“ einzuführen.
Kata
K
Kata Die Terminologie deckt sich nicht unbedingt mit jeder Managementlehre, soweit sie sich um ein Verständnis des TPS bemüht hat. Der Begriff Improvement Kata ist bisher weder in der Fachliteratur noch in Toyotadokumenten aufgetaucht, ebenfalls nicht die Coaching Kata. Die Terminologie ist folglich eine Neuschöpfung des Autors, der betont, dass es sich um einen wissenschaftlichen Ansatz handelt, den er bei Toyota realisiert sieht [1, 170]: „In Toyotas Verbesserungs-Kata geht es darum Menschen ein standardisiertes, bewusstes ‚Mittel‘ beizubringen, um das Wesentliche an Situationen erkennen und wissenschaftlich darauf reagieren zu können.“ Und weiter an anderer Stelle [1, 33]: „Bei näherer Betrachtung ist der Toyota-Weg weniger durch seine Werkzeuge oder Prinzipien charakterisiert, als durch Vorgehenssequenzen – Denk- und Verhaltensmuster –, die, wenn sie in der täglichen Arbeit beständig wiederholt werden, zum gewünschten Ergebnis führen. Diese Muster sind der Kontext, in dem die Werkzeuge und Prinzipien von Toyota entwickelt werden und wirken.“
K
In Japan werden solche Muster oder Routinen Kata genannt. Das Wort stammt von grundlegenden Bewegungsformen im Kampfsport ab, die über Generationen hinweg vom Meister an den Schüler weitergegeben werden. Einige übliche Übersetzungen oder Definitionen für das Wort „Kata“ bietet Rother an: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Art und Weise, etwas zu tun; eine Methode oder Routine, Muster Standardform der Bewegung, vorbestimmte oder choreografierte Sequenz von Bewegungen, übliche Prozedur, Trainingsmethode oder Übung. … Art und Weise, zwei Dinge miteinander in Einklang zu bringen und zu halten.“
Diese Explikationen sind sehr unterschiedlicher Natur. So werden einerseits völlig verschiedene Sachverhalte aufgezählt, andererseits bilden sie ein breites Spektrum dessen, was eine Kata sein kann. Die Art und Weise, etwas zu tun, Techniken anzuwenden, Wissen weiterzugeben etc. ist etwas völlig anderes als ein Muster oder ein Übung. Techniken sind benannt und eingeführt, doch das WIE bleibt im Verborgenen. Die vielsagende Antwort des Autors hierzu [1, 23]: „Toyotas Praktiken sind auf unsichtbare Denk- und Handlungsroutinen im Management aufgebaut.“ Kann dieses Unsichtbare im Denken und Handeln sichtbar gemacht werden? Rother zeigt am Beispiel des kontinuierlichen Verbesserns, dass es eine „Grauzone“ gibt (Unklares Terrain in Abbildung K10, wenn man einen Weg von A nach B geht. Auf diesem Weg gibt es vieles zu entdecken, aber auch Hindernisse und Probleme zu bewältigen [1, 26]:
570
Kata „Das ist gemeint, wenn in diesem Buch von kontinuierlicher Verbesserung und Adaption die Rede ist: Die Fähigkeit sich durch unklares und unvorhersehbares Terrain in Richtung eines gewünschten Zustands zu bewegen, indem man sensibel für aktuelle Verhältnisse am Ort des Geschehens ist, und entsprechend darauf reagiert.“ Abb. K10: Kata – Problemskizze Situation IST
Wir sind hier
P
Ziel SOLL
Wenn wir meinen, dass dieser Bereich klar sei, dann befinden wir uns im Irrtum. Es handelt sich um einen blinden Fleck!
Wir wollen hier sein
Unklares Terrain
D
C
A
A C
P D
Quelle: [1], S. 26 – Verändert und ergänzt um den PDCA-Zyklus
Wenn man diese Aussagen mit der im Qualitätsmanagement als Standard des Verbesserns eingeführten Qualitätstechnik des PDCA-Circle (►Deming) konfrontiert, lässt sich sofort erkennen, welche Unterstellung Rother im Kontext des Qualitätsmanagements vornimmt: Verbessern als Technik und Anwendung des PDCA reicht nicht für die Erklärung: Zwischen „Wir sind hier“ und „Wir wollen hier sein“ tut sich eine Kluft auf, die es zu überbrücken gilt. Es lässt sich unmöglich voraussagen, was sich auf dem Weg zum Ziel (SOLL) tut. Der KVP ist folglich ein riskantes Unterfangen. Was dabei herauskommt, was wir erreichen werden, ob wir die Zielstellung erfüllen werden, ist nicht bestimmbar. Es muss davon ausgegangen werden, dass es gerade wegen der Dynamik, in der sich Unternehmen befinden, versucht werden muss schon im operativen Bereich eine Balance zwischen der „Art und Weise, zwei Dinge miteinander in Einklang zu bringen und zu halten“, erreicht werden muss. Zwischen P und A, um auf Demings Zyklus Bezug zu nehmen, sind verschiedene Wege gangbar. Abbildung K11 zeigt dies am Beispiel der Vision von Abb. K11: Kata – Vision von Toyota als Ziel Situation IST
A C
P D
Wir sind hier
SOLL: Ziel der Vision von Toyota „True North“
Wir wollen hier sein
Unklares Terrain
Null Fehler 100 Prozent Wertschöpfung One-Piece-Flow, in Abfolge und als Forderung Sicherheit für Menschen
Quelle: [1], S. 29 – Verändert und ergänzt um den PDCA-Zyklus
Kata
Kata
Toyota für den Produktionsbereich: Vier Zielbereiche und kein Ziel ist hundertprozentig zu erreichen, aber als Ziel, als ständige Aufgabe ist es eine perfekte Vision, die zwar scheinbar ein Dilemma darstellt, aber wenn man sie als Herausforderung erkennt, ist es genau das, was eine Vision sein soll, ein permanenter Auftrag, ohne dass man sich des Auftraggebers (eigentlich der Kunde) bewusst wird. Psychologen würden sagen, dass ein Zielzustand verinnerlicht wurde. „Es ist wichtig, den Unterschied zwischen einem Ziel und einem Zielzustand zu kennen. Ein Ziel ist ein Ergebnis, während ein Zielzustand eine Beschreibung ist, wie und nach welchem Muster ein Prozess funktionieren soll, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.“ [1, 113] Die „Haupt-Kata“ bei Toyota ist die soeben beschriebene Verbesserungskata, die zweite Kata ist die Coaching-Kata, bei der es darum geht die sich wiederholende Routine jedem Mitarbeiter der Organisation beizubringen. Die Coaching-Kata ist aber mehr als Mittel zum Zweck. Sie sorgt für die Tradierung der Verbesserungs-Kata. Das ist natürlich eine Kernaufgabe der Führungskräfte. Allgemein ist damit die Verbesserungsfähigkeit gemeint, aber nicht auf die Person bezogen, sondern als organisatorischer Begriff, was meint Verbesserungsfähigkeit der Organisation = improvement capability Genau wie der Begriff der „quality capability“, bei dem es sich ja auch um einen organisationalen Begriff handelt, geht es bei der Verbesserungsfähigkeit einer Organisation darum, diejenigen Dimensionen/Merkmale zu bestimmen, die die „improvement capability“ ausmachen. Würdigung: An diesem Punkt angekommen heisst es zu überlegen, ob sich der von Rother beschriebene – speziell auf Toyota bezogene – Kata-Ansatz nicht in ein existierendes Managementkonzept integrieren lässt. Sicherlich wäre das durchaus möglich, fern jeglicher Aufladung durch einzuführende spezielle Begrifflichkeiten der japanischen Kampfkunst. Was Rother im Einzelnen darlegt sind wichtige Aspekte einer ►lernenden Organisation, wie sie klassischerweise Pete Senge und Chris Argyris beschrieben haben, etwa wenn Argyris/ Schön erläutern, dass sich jedes Organisationsmitglied ein eigenes Bild von der handlungsleitenden Theorie des Ganzen macht, das jedoch immer unvollständig ist. Unablässig versucht der Betreffende, sein Bild dadurch zu vervollständigen, dass er sich mit Bezug auf andere in der Organisation neu beschreibt. Wenn die Bedingungen sich ändern, verfasst er seine Beschreibung neu; andere Personen handeln ähnlich. Es kommt zu einer ständigen mehr oder weniger abgestimmten Verknüpfung der Bilder der einzelnen von ihrer Aktivität im Rahmen ihrer gemeinsamen Wechselbeziehungen. (Argyris/ Schön 1999, 30f nach [2, 193]) Die generalisierende Beschreibung einer Kata erfolgt auf der Basis eines anderen Sprachspiels, nämlich dem der Lernenden Organisation. Und die Ist-/Soll-Diskrepanz wird auch deutlich herausgearbeitet, denn organisationales Ler-
nen findet statt, wenn einzelne in einer Organisation eine problematische Situation erleben und sie im Namen der Organisation untersuchen. Sie erleben eine überraschende Nichtübereinstimmung zwischen erwarteten und tatsächlichen Aktionsergebnissen und reagieren darauf mental und in weiteren Handlungszusammenhängen. Mike Rother hat sich mit der ►Lernende Organisationen befasst, wie es ja vor ihm bereits J. Liker getan hat, als er die 14 Punkte des Toyota-Wegs erkannte und beschrieben hat, wobei er zum letzten Punkt 14 schreibt (nach [2, 171]): „Werden Sie durch unermüdliche Reflexion (hansei) und kontinuierliche Verbesserung (kaizen) zu einer wahrhaft lernenden Organisation.“ Kata ist in diesem Sinn eine Meta-Technik, die sich auf sehr wohl bekannte Sub-Techniken bezieht: Verbessere die Prozesse mithilfe des PDCA-Technik, standardisiere sie dann über den SDCA-Zyklus und folge wiederum Kaizen. Erreiche nie einen Abschluss, folge dem zyklischen Pfad, bilde Hypothesen, versuche sie zu falsifizieren. Frage immer nach dem Ziel, verinnerliche das Ziel und gib keine vorschnellen Lösungen, folge konsequent dem Pfad, den Du aber in Gänze gar nicht kennst, nicht kennen kannst. Bei der Ursachenanalyse frage fünfmal Warum? Dabei befindet sich auch das Management in einer „sokratischen Position“: Es weiß, dass es nichts weiß, es führt indem es coacht. Seine Lösung ist eine unter vielen, keineswegs die beste, die Musterlösung, der alle nacheifern sollen, denn die Mitarbeiter sind die kompetenten Problemlöser vor Ort (Gemba), die auf der Basis standardisierter Prozesse weitere Verbesserungen entwickeln und vorschlagen. Zweifellos ist es das Verdienst von Mike Rother einen Begriff wie den der Kata in die Managementlehre eingezuführt zu haben. Er könnte sich in der Praxis durchsetzen, ein japanisches Wort mehr. Wenn er im wissenschaftlichen Kontext als MetaTechnik begriffen wird, wird er seinen Zweck erfüllen und für mehr Transparenz sorgen. So würde er als Oberbegriff zu der Vielzahl an Sub-Techniken fungieren können. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Rother, M.: Die Kata des Weltmarktfühers. Toyotas Erfolgsmethoden. Frankfurt am Main (Campus) 2009 (2. Auflage 2013) [2] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. München (Oldenbourg) 2013
Katastrophenmanagement ▶Krisenmanagement
Kategorischer Imperativ der Arbeitsqualität ▶Qualität als ethischer Begriff
571
K
Kategorischer Imperativ des Qualitätsmanagements Kategorischer Imperativ des Qualitätsmanagements
Angesichts der zunehmend auftretenden prekären Ereignisse mit ihren negativen Einflüssen auf die Qualität (v. a. der Produkte und Dienstleistungen, ►Qualitätsbetrug) ist dieser Kategorische Imperativ formuliert worden. Er möge anderen dienen, ihn beispielhaft in ihr Qualitätsleitbild aufzunehmen: Plane, analysiere, operationalisiere und realisiere nichts, was nicht auf der Basis der Erkenntnisse und Praxis des Qualitätsmanagements ein Höchstmaß an angestrebter und zu realisierender Qualität zum Ziel und als Ergebnis haben kann.
Keiretsu
▶Strategisches Netzwerk Die japanischen Unternehmensverbünde in der Industrie erscheinen manchem Betrachter als eng verflochtene „Japan Incorporation“. Dabei handelt es sich um eine durchaus pluralistische Struktur aus verschiedenen Branchen. Es stehen wenige sehr große und viele sehr kleine Unternehmen komplementär zueinander. Eine starke horizontale Integration und vertikale Desintegration hat allerdings gewaltige industrielle Konglomerate (Keiretsu) hervorgebracht, deren sechs größten ca. die Hälfte der japanischen Wirtschaft kontrollieren. Man kann folglich sagen, dass ein Keiretsu, wie im typischen Fall Mitsubishi, aus einer Reihe kapitalmäßig verflochtenen Kernunternehmungen (inkl. Bank und Handelshaus) besteht, die jeweils an zahlreichen weiteren Großfirmen und deren Tochtergesellschaften beteiligt sind. Bedeutsame Entscheidungen werden in speziellen Zirkeln von Spitzenunternehmen abgestimmt. Oft übernimmt das Handelshaus eine führende Rolle und die ausgeprägte Kredit- und Finanzierung durch Wechsel sichert den beteiligten Banken eine weitreichende Mitsprache. In letzter Zeit konnten aber auch technologieorientierte Pionierunternehmen, wie vor allem Toyota, Sony, Matsushita und Honda aufgrund ihrer besonderen Flexibilität, aber auch unter Nutzung der Starrheiten der Keiretsu als außerhalb der Keiretsu stehende Organisation zu bedeutender Größe und weltweiter Bekanntheit gelangen. Hervorzuheben ist, dass die Zulieferer (Unterlieferanten) in die Keiretsu-Struktur integriert sind. Heute befinden sich die Keiretsu in einem starken Wandlungsprozess.
DGQ-Term
K
Kennzahl
▶ en: ratio Merkmalswert, der zur Überwachung und Bewertung der Leistung eines Prozesses sowie zu seiner Steuerung herangezogen werden kann. Auch „Leistungsindikator“ oder „Erfolgsfaktor“.
Anmerkung 1: Die Kennzahl wird oft auch Leistungsindikator oder Erfolgsfaktor genannt. Anmerkung 2: Die Kennzahl ist eine Verhältniszahl und stellt immer einen Bezug zu einer ►Einheit her. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009 ⟪Originalbegriff⟫
572
Kernkompetenz-Management Kennzahlen
▶Qualitätskennzahlen
Kennzahlen Qualitätsmanagement ▶Qualitätskennzahlen
Kennzahlensystem
▶en: ratio system | system of indicators ▶Controlling Kennzahlen dienen der Leitung und Steuerung auf allen Ebenen. Das gesamte Kennzahlensystem des Unternehmens gibt nicht nur Auskunft über Produktion und Finanzen, es umfasst vielmehr alle Handlungsbereiche (z. B. Führung, Kunden, Mitarbeiter, Zielemanagement, Sachverhalte aus der Umwelt oder relevante Veränderungen). Eine systematische Analyse der Kennzahlen und ihres Zusammenhangs lässt erkennen, ob, wo und wann ein Unternehmen seine Prioritäten neu zu setzen hat oder wo etwa Ungleichgewichte zwischen Handlungsfeldern bestehen. Im Gegensatz zu PerformanceMeasurement-Systemen berücksichtigt ein Kennzahlensystem nur monetäre, exakt quantifizierbare Kennzahlen. Wichtig für das Verständnis ist, dass Kennzahlen nicht die Lösung eines Problems sind, sondern als ein Werkzeug für kontinuierliche Verbesserung dienen. Insofern haben KennZahlensysteme zwar eine wichtige Funktion, aber auch eine begrenzte Bedeutung. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Kernkompetenzen
▶Kernkompetenz-Management
Kernkompetenz-Management
▶en: Core Competence Management ▶en: Core Competencies 1 Was sind Kernkompetenzen Heute sind Unternehmen in Westeuropa, den USA und Japan kaum noch in der Lage, auf der Basis von Kostensenkungen oder durch bloße Produktdifferenzierung im Wettbewerb gegenüber Konkurrenten aus Schwellenländern zu bestehen. Lang fristige Entwicklungs perspektiven eröffnen sich vielmehr durch die Konzentration auf unternehmensspezifische Kompetenzen, die eine überlegene Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden sichern. So kann von Kernkompetenzen dann gesprochen werden, wenn auf diese Weise ein für den Kunden wahrnehmbarer Qualitätsvorsprung geschaffen wird. C. K. Prahalad und Gary Hamel, die „Entdecker“ von Kernkompetenzen [1], definieren diese als systematisch gebündelte Kombinationen von verschiedenen Technologien und Produktionsfertigkeiten, die einem Unternehmen als Grund lage für die Entwicklung einer Vielzahl von Produktlinien dienen. 1990 untersuchten die beiden Wissenschaftler die Geschäftspolitiken japanischer Konzerne. Dabei entdeckten sie, was die fernöstlichen Marktoffensiven so spektakulär
Kernkompetenz-Management erfolgreich machte: der gezielte Einsatz von Kernkompetenzen (core competencies). Als Beispiel nennen sie Hon das Kernkompetenz bei Motoren und Antriebssträngen. Sie vereint verschiedene Technologien und erlaubt bei so unterschiedlichen Produkten wie Motorrädern, Rasenmähern und Automobilen ein gleichermaßen hohes technisches Quali tätsniveau.
Begriff
Das Qualitätsniveau eines Produkts ist aber oft nicht ausschließlich auf die technischen Fähigkeiten zurückzuführen. Vielmehr tragen viele marktnahe Unternehmensbereiche, etwa Marketing, Vertrieb und Service zur Qualitätswahrnehmung des Kunden direkt bei und auch die Leistungen marktferner Abteilungen, etwa der Arbeitsvorbereitung oder des Con trolling kommen vielfach auf indirektem Weg in der Qualität des Produktes oder in der Dienstleistung zum Ausdruck.
Darüber hinaus manifestieren sich Kernkompetenzen in folgenden Dimensionen [2]: ◼ Sie durchziehen als integrierte Gesamtheit die Prozesse der Wertschöpfung. Die Qualitätsmerkmale von Produkten und Dienstleistungen, etwa die Präzision einer Schleifmaschine oder die Zuver lässigkeit des Lie fer service beruhen meist sowohl auf Stärken einzelner Unterneh mensbereiche als auch auf der Fähigkeit, diese Stärken in den Verbund der Wertschöpfung zu integrieren. Zufrie dene Kunden sind daher selten das Resultat der Arbeit einer einzelnen Abteilung oder Funktion; weder durch zukunftsweisende Forschung allein noch ausschließlich auf Basis eines ausgefeilten Qualitätsmanagements sind die Abnehmer zu begeistern. Vielmehr resultieren sie aus der Koordination von Wissen und Ressourcen aus verschiedenen Quellen. ◼ Sie sind gegenüber der Konkurrenz einmalig und schwer imitierbar. Grundsätzlich unterscheiden sich alle Unternehmen durch mehr oder weniger große Differenzen, die aus dem materiellen Vermögen wie z. B. den Fertigungs anlagen, der Qualität der Rohstoffe, der Ausstattung der Geschäftsräume, etc. resultieren. Diese Unterschiede lassen sich allerdings oft leicht und schnell ausgleichen. Dauerhafte, kaum imitierbare Differenzen ergeben sich dagegen aus sozialen, immateriellen und nicht „inventarisierten“ Soft-Facts. Damit sind Faktoren wie routinisierte Abläufe, Organisations- und Kommunikationsstrukturen und die Unternehmenskultur gemeint.
◼ Sie resultieren aus organisationalen Lernprozessen. Kernkompetenzen bauen im besonderen auf Kenntnissen auf, die beim unternehmensspezifischen „Training on the Job“ erworben werden, beispielsweise kundenspezifisches Wissen, etwa warum der Abnehmer das Produkt kauft, nach welchen Kriterien er die Produktqualität beurteilt, unter welchen Bedingungen er das Produkt an wendet, welche Probleme bei der Anwendung auftreten usw. ◼ Sie sind dezentral im Unternehmen verteilt und wurzeln nicht nur in individuellen, sondern auch in kollektiven Struk turen. In den Kernkompetenzen spiegeln sich die Zusammenhänge zwischen dem einzelnen Mitarbeiter und dem gesamten Unternehmen wider. Die herausragende Bedeutung der Kooperation zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen beruht nicht zuletzt auf der Tatsache, dass Kernkompetenzen in die Prozesse der Wertschöpfung eingebett et sind. 2 Was versteht man unter Kernkomptenz-Management? Inzwischen hat sich im Anschluss an die Diskussion um Kernkompetenzen gewissermaßen ein Kernkompetenz-Management herausgebildet, das wie folgt bestimmt werden kann: Kernkompetenz-Management bedeutet die Konzentration auf diejenigen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Technologien, die den Kundennutzen maximieren und vom Unternehmen in einzigartiger Weise beherrscht werden. Es lassen sich die folgenden drei Bereiche unterscheiden [3]: ◼ Fähigkeiten, Fertigkeiten und Technologien, die für die Herstellung von Basiseigenschaften benötigt werden, können die ►Kundenzufriedenheit bis zur Erreichung des Anspruchsniveaus anheben. Das Kernkompetenz-Ma nagement ist mit diesem Bereich nur dann beschäftigt, wenn fundamentale Innovationen ganz neue Maßstäbe bezüglich dieser Eigenschaften setzen. ◼ Fähigkeiten, Fertigkeiten und Technologien, die bei der Herstellung der Leistungseigenschaften eine zentrale Rolle spielen, beeinflussen die Kundenzufriedenheit proportional. Im gleichen Ausmaß wie sie weiterentwickelt werden, wird die Kundenzufriedenheit gesteigert. Kern kompetenz-Management muss dafür sorgen, dass die Pro dukte hinsichtlich dieser ►Qualitätsmerkmale gegenüber dem Angebot der Konkurrenz wettbewerbsfähig bleiben. ◼ Fähigkeiten, Fertigkeiten und Tech no logien, die die Herstellung von Begeisterungseigenschaften ermöglichen, wirken unmittelbar auf die Kundenzufriedenheit. Sie ermöglichen eine Differenzierung von den Wettbewerbern und die nachhaltige Positionierung am Markt. In diesem Bereich muss das Kernkompetenz-Management seine Schwerpunkte setzen, um den Vorsprung gegenüber anderen Anbietern zu wahren.
573
Begriff
Allgemein lassen sich Kernkompetenzen daher als diejenigen Fertigkeiten, Fähigkeiten und Technologien betrachten, die als Grundlage der Schaffung von ►Kundenzufriedenheit durch eine als überlegen wahrgenommene Produktqualität die Basis der Wettbewerbsvorteile des Unternehmens darstellen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen hohen Kundennutzen stiften, von Konkurrenten nicht einfach imitiert werden und auf verschiedenen Märkten eingesetzt werden können. Damit liefern sie die Basis zur langfristigen Unternehmenssicherung.
Kernkompetenz-Management
K
Kernkompetenz-Management 3 Kernkompetenz-Management ist Strategisches Management Kernkompetenz-Management wird als eine Grundart des Strategischen Managements in der Betriebswirtschaftslehre gesehen. Im Fokus der strategischen Überlegungen zur Führung eines jeden Unternehmens stehen laut Hamel und Prahalad nicht die Wettbewerbskräfte (marked-based view), wie Michael Porter annimmt, sondern die als Bündel an Fähigkeiten … (s. Definition) bestimmten Kernkompetenzen des Unternehmens (ressourced-based view). Es sind quasi die Wurzeln eines Unternehmens, aus denen Kernprodukte wachsen, die wiederum die strategischen Geschäftseinheiten (SGE) fundieren, die schließlich die Endprodukte hervorbringen. Die Nutzung der Kernkompetenzen setzt Kommunikation, Engagement und Entschlossenheit voraus. Vor allem gilt es laut Hamel und Prahalad, bestehende Organisationsbarrieren zu überwinden und möglichst viele Mitarbeiter in den Prozess der Strategieentwicklung einzubinden. Mit der Theorie der Kernkompetenzen, die dann 1994 im Buch „Der Wettlauf um die Zukunft“ veröffentlicht wurde [4], verhalfen Hamel und Prahalad dem ressourcen-basierten Verständnis von Unternehmungen zum Durchbruch.
1 sich die Organisation nicht als ein Gefüge von Geschäftseinheiten vorstellen, sondern als Ansammlung von Kernkompetenzen. Verfügt das Unternehmen über einzigartige organisationale Routinen, kann sich hieraus eine Kernkompetenz und eine Quelle für langfristige Wettbewerbsvorteile ergeben. 2 die zugrunde liegenden funktionalen Zusammenhänge analysieren und die Unternehmensleistung im Hinblick auf bestimmte Prozesse, Produkte und Dienstleistungen betrachten, um auf logische Weise erschließen zu können, wo die besonderen Kompetenzen des Unternehmens liegen oder liegen sollten. 4 Kernkompetenz-Management und Qualität Wie erläutert wurde, sind Kernkompetenzen vor allem da durch gekennzeichnet, dass sie unmittelbar auf die Zufriedenstellung der Bedürfnisse des Kunden abzielen. Entsprechend bestimmt der Kunde die ►Qualitätsforderungen der Produkte, die an ihn geliefert werden sollen. Dabei kommt es darauf an, herauszufinden, was der Kunde erwartet, vielleicht aber gar nicht erhofft. Aus diesem Grund ist die Orientierung an den ►Qualitätsforderungen der Kunden auch ein Grundprinzip des Kernkompetenz-Management. Wenn die Konzentration auf Kernkompetenzen eine der grundlegenden Unternehmensstrategien zum Ausbau von Wettbewerbsvorteilen und Erhöhung des Kundennutzens
574
und der Kundenzufriedenheit ist, dann sollte das Qualitätsmanagement sich vermehrt um die Aufarbeitung dieses Ansatzes für seine Zwecke bemühen. In der Betriebswirtschaftslehre erfolgt dies im operablen Bereich bereits mit vielfältigen Modellen, wie zum Beispiel der VRINO-Methode zur Kernkompetenzanalyse, mit der sich ermittlen lässt, ob sich aus einer Ressource oder Fähigkeit ein Wettbewerbsnachteil, ein Wettbewerbsvorteil oder eine Kernkompetenz des Unternehmens ergibt [5]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Prahalad, C. K.; Hamel, G.: Nur Kernkompetenzen sichern das Überleben. In: Harvard Manager 2/1991, S. 66-78 [2] Nach Hinterhuber, H. H.; Handlbauer, G.; Matzler, K.: Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen, Hanser Verlag: München 1997 [3] s. [2] [4] Hamel, Gary; C. K. Prahalad u. Harvey C. Fruehauf: Wettlauf um die Zukunft. 2. Aufl. Düsseldorf: (Econ) 1997 (erste Auflage 1994) [5] Reisinger, S., R. Gattringer, F. Strehl: Strategisches Management. Grundlagen für Studium und Praxis München (Pearson) 2013, S. 83-85 [6] Stalk, G.; Evans, P.; Shulman, L.: Competing on Capabilities: The New Rules of Corporate Strategy; in: Harvard Business Review March-April 1992, S. 57-69
Kernprozess
▶Kernkompetenz-Management ▶Geschäftsprozessmanagement Prozess, der unter Berücksichtigung der Unternehmensausrichtung strategisch wichtig ist und wesentlich zum Geschäftserfolg beiträgt. Kernprozesse zeichnen sich durch folgende Aspekte aus: ◼ der (externe) Kunde steht am Anfang und am Ende des Prozesses (Wertschöpfung), ◼ sie tragen wesentlich zum Unternehmenserfolg und zur Kundenzufriedenheit bei, ◼ sie haben direkten Kundenbezug und direkte Kundenauswirkung, ◼ der Kunde ist bereit, für den Output des Prozesses zu bezahlen.
Key Account
Key-Account (de: Schlüsselkunde) ist die englische Bezeichnung für einen Kunden, der für die gegenwärtige und zukünftige Existenz des Unternehmens eine Schlüsselstellung einnimmt. Im Rahmen des Kundenmanagements den KeyAccount-Kunden eine herausragende Stellung eingeräumt, weshalb für ihre Betreuung in der Regel ein Key-AccountManager eingesetzt wird. Beim professionell organisierten Key-Account-Management geht es nicht nur um den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen, sondern um die Optimierung und ständige Verbesserung der Kundenprozesse und um die Ergebnisverbesserung bei den A-Kunden.
Begriff
K
Im Hinblick auf die zunehmende Outsourcing-Praxis lassen sich auf diese Weise zentrale Aktivitäten definieren, deren Übertragung an Dritte keinen Sinn macht. Hamel und Prahalad betrachten ihre Überlegungen als Entwurf für eine neue Generation des strategischen Denkens. Demzufolge müssen Manager zwei Dinge tun, um den erforderlichen Weitblick zu entwickeln:
Key Account
Keymark
Kommunikation in Führung und QM
Keymark
perspektive), andererseits (Perspektive des Mitglieds) das Gefühl der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit, das zwischen Individuen entstehen kann, wenn sie regelmäßig und unmittelbar bei der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben zusammenarbeiten, und das seinen Ausdruck findet in gemeinsamen Gewohnheiten und Wertvorstellungen.
▶Schlüsselzeichen Die Keymark ist ein freiwilliges Europäisches Zertifizierungszeichen (Normenkonformitätszeichen) von Drittstellen, das die Übereinstimmung von Produkten und Dienstleistungen mit Europäischen Normen dokumentiert und nachweist. Während die ►CE-Kennzeichnung primär die Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards anzeigt, bietet die Keymark dem Verbraucher einen echten Mehrwert: die geprüfte und zertifizierte Einhaltung einheitlicher europäischer Qualitätsstandards. Die für bestimmte Produkte gesetzlich geforderte CE-Kennzeichnung kann damit in sinnvoller Weise ergänzt werden. Ein Produkt darf nur dann mit der Keymark gekennzeichnet werden, wenn es zuvor durch neutrale, unabhängige und kompetente Stellen geprüft und zertifiziert wurde. Inspektion und Typprüfung stellen neben der regelmäßigen Überwachung wichtige Elemente des Verfahrens zur Vergabe der Keymark dar. Darüber hinaus muss der Hersteller eine werkseigene Produktionskontrolle (WPK) unter Berücksichtigung der Elemente der Normenreihe EN ISO 9001 durchführen. Dieses Qualitätsmanagementsystem unterliegt einer jährlichen Überwachung und wird durch eine mindestens alle zwei Jahre stattfindende Produktprüfung ergänzt. Alle am Verfahren teilnehmenden Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen müssen eine Akkreditierung nach den einschlägigen Normen nachweisen. Darüber hinaus müssen Zertifizierungsstellen bevollmächtigt sein, die Keymark zu vergeben. Seit 2015 wird die Bevollmächtigung von Zertifizierungsstellen, die Verwaltung der Keymark sowie das Management im Auftrag von ►CEN durch DIN CERTCO wahrgenommen Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Klasse
▶Anspruchsklasse Teilbereich von Merkmalswerten
KMU
Kleine und mittlere Unternehmen
Knowledge Management ▶Wissensmanagement
Kohäsion
▶de: Zusammenhalt Die Gruppenforschung bezeichnet Kohäsion einerseits als inneren Zusammenhalt auf Grund der Anziehungskraft, welche die Gruppe auf ihre Mitglieder ausübt und zur engen Kooperation und Interaktion untereinander führt (Gruppen-
Kohlendioxid
▶ Carbon Management
Kommunikation
▶en: communication Zwar sind sich die Menschen der Notwendigkeit zur Kommunikation bewusst, doch fällt ihnen das Kommunizieren schwer. Wie Schopenhauers Igel wollen sie einander näher kommen, aber ihre Stacheln hindern sie daran. Worte mögen präzise klingen oder scheinen, aber sie sind es nicht. Erst wenn die vielfältigen Kommunikationsbarrieren zwischen Sender und Empfänger überwunden sind, ist der Empfänger in der Lage, eine Botschaft in ihrer wahren Bedeutung aufzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Der Begriff und die Konzepte von Kommunikation sind unter dem Gesichtspunkt von Qualität und Qualitätsmanagement bisher nur ansatzweise behandelt worden. Aufschlussreich zum Einlesen in die Themik kann nachfolgender Stichwortartikel sein: ►Kommunikation in Führung und QM.
Kommunikation in Führung und QM
▶ communication (frz./engl.); communicatio (lat.) ▶ Communication in Leadership and Quality Management ▶ Führung im Qualitätsmanagement | ▶ Unternehmenskultur Die Absicht dieses Artikels Der Artikel will den Adressaten dieses Lexikons einen Weg bahnen, damit sie sich im verwirrenden Dickicht der Kommunikationstheorien und -modelle nicht verirren. Es geht um die zwischenmenschliche Kommunikation. Die MenschMaschine-Kommunikation ist hier kein Muster für zwischenmenschliches Verhalten. Der Artikel erläutert Kommunikation zentral aber nicht ausschließlich im Bereich der textlichen, gesprochenen oder geschriebenen, „dialogischen“ Kommunikationsakte. Die audiovisuelle Kommunikation, die in der Unternehmenskommunikation eine zunehmend wichtige Rolle spielt und daher auch ein Mittel des Qualitätsmanagements sein kann, hat Regeln und Strukturen, die der textlichen Mitteilung in den Grundlagen vergleichbar, im Detail aber unterschiedlich sind, z. B. in der „Bildsprache“. Mehr hierzu würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.
In diesem Artikel soll der Sachverhalt Kommunikation für das Thema Qualitätsmanagement, insbesondere für die Bemühungen um ►Effizienz, ►Exzellenz und ►TQM betrachtet werden [1]. Die philosophisch-wissenschaftlichen Behandlungen des Themas werden insofern berücksichtigt, als sie zur Verbesserung der Herstellung und des Nutzens
575
K
Kommunikation in Führung und QM
1 Das Phänomen Kommunikation Kommunikation ist ein längst inflationär gebrauchtes Wort für einen Sachverhalt, der das soziale Leben in allgemeiner Weise beschreibt. Kommunikation wird zum wissenschaftlichen und philosophischen Thema, wenn sie scheitert, zu scheitern droht oder sich strukturell verändert. Missglückte Kommunikationen sind in Geschichte, Politik, Alltag und Management die Ursachen für sehr große und ganz kleine Probleme. Ohne den defizienten Modus würde die Kommunikation weit weniger beachtet. Kommunikation ist ein gerichteter Akt [2]
K
◼ mit einer Mitteilungs-Absicht, die mehr oder weniger deutlich sein kann ◼ zwischen jemandem, der etwas mitteilt, auch „Sender“ genannt ◼ und jemandem, der die Mitteilung aufnimmt, auch „Empfänger“ genannt ◼ in einer spezifischen Art und Weise, mit der die Mitteilung transportiert wird, benannt mit dem mehrdeutigen Begriff „Medium“, manchmal reduziert auf den technischen Begriff „Kanal“ oder durch ihn ergänzt.
Dies ist der Grundsachverhalt, der in allen seinen Elementen problematisch ist. Alle einschlägigen Theorien und Modelle
576
2 Kommunikation in der ISO 9000:2015 Auch die neuen Begriffe der ISO 9000er Reihe enthalten den Begriff „Kommunikation“. Er lautet in der ISO 9000:2015-11 (Punkt 2.2.5.5.), den Grundlagen und Begriffen: „Geplante und wirksame interne (d. h. in der gesamten Organisation) und externe (d. h. mit relevanten interessierten Parteien) Kommunikation erhöht das Engagement von Personen und verbessert das Verständnis: ◼ des Kontextes der Organisation; ◼ der Erfordernisse und Erwartungen von Kunden und anderen relevanten interessierten Parteien; ◼ des QMS.“ Ein weiterer neu aufgenommener Begriff ist (Punkt 3.8.4): „Informationssystem: Netzwerk von Kommunikationskanälen, die innerhalb einer Organisation verwendet werden.“ 3 Kommunikationstheorien und -modelle Keine Menschengemeinschaft ohne Kommunikation! Die lateinische Grundbedeutung von „communis“, „communicare“ u. dergl. ist, „etwas gemeinsam machen“, „etwas mitteilen“, speziell auch „bei einer öffentlichen Rede den Zuhörer in die Argumentation einzubeziehen“. Philosophisch ist „Kommunikation“ in der Neuzeit erst zu einem existentialistischen Grundbegriff des Mensch-Seins ( Jaspers, 1883-1969) [3], dann zum Grundbegriff eines ganzen soziologischen Theoriegebäudes (Luhmann, 1927-1989) [4] und schließlich zu einer sozio-politischen Maxime geworden (Habermas) [5]. Die letztere Funktion von „Kommunikation“ eröffnet dem Faktum, dass Menschen nur im konstruktiven Miteinander gedeihen können, die dringend notwendige globale, politische Bedeutung. Die wichtigsten Stichworte sind: „kommunikative Kompetenz“ und „herrschaftsfreier“ Dialog. Hierbei ist allerdings der ideologische Missbrauch, der sich bei fundamentalen Gedanken immer einschleichen kann, vorsorglich zu beobachten. Habermas formuliert vier ►Forderungen für den Dialog der Meinungen [5]: 1 gleiche Chancen auf Dialoginitiation und Dialogbeteiligung, d. h. jeder darf seine Meinung sagen 2 gleiche Chancen der Deutungs- und Argumentationsqualität, d. h. jede Meinung muss ernst genommen werden, wenn sie vernünftig ist 3 Herrschaftsfreiheit, d. h. niemand darf zu einer Meinung gezwungen werden 4 keine Täuschung der Sprechintentionen, d. h. „Du sollst nicht lügen“. Die empirisch wissenschaftlichen Kommunikationstheorien und ihre Modelle sind ebenso grundsätzlich aufgestellt. Sie folgen alle dem gleichen Grundmuster: Mitteilung/Botschaft/Signal, Sender, Empfänger, Medium/Kanal. Sie befassen sich mit den Risiken, Störungen und Optimierungsmöglichkeiten im Austausch von Mitteilungen zwischen
Forderungen für den Dialog
Kommunikation und „Interaktion“ gehen in einander über, sind aber nicht dasselbe (s. u. Definitionen). Kommunikation ist meist und faktisch ein bilaterales, wechselseitiges und vielgliedriges, selten nur ein mono-direktionales Ereignis, wo einer einem Anderen eine Mitteilung macht. Zur Beschreibung des typischen Sachverhaltes dient jedoch die mono-direktionale Kommunikation; das wechselseitige und vielgliedrige Phänomen ist dann die Erweiterung der dualen Kommunikation in die Gruppe mit vielen weiteren Facetten und Problemen. Die Sozialpsychologie der Kommunikation wird hier gestreift, ist aber nicht zentral thematisch. Kommunikation ist ein „gesellschaftliches“ Phänomen. Dies bedeutet, dass die Kommunikations-Partner gesellschaftlichen Interessen, Regeln und Zwängen unterworfen sind, welche die Mitteilungen und alles, was daran hängt, in unterschiedlicher Weise bestimmen (Recht, Macht, Ökonomie). – In diesem Artikel werden einige soziale Zusammenhänge der Kommunikation angesprochen; tiefere Analysen hierzu würde den Rahmen sprengen.
bearbeiten diesen Sachverhalt – mit mehr oder anderen Worten.
ISO-Term
von ►Produkten und ►Dienstleistungen plausibel beitragen können. „Kommunikation“ in Kultur, Mythos und Religion werden daher nicht ausgeklammert, weil diese „geistigen Energien“ (E. Cassirer) seit eh und je die Welt, in der Produkte und Dienstleistungen entstehen, maßgeblich beeinflussen. Es geht also darum, die Pragmatik bzw. Nutzerschnittstelle von philosophischen und wissenschaftlichen Konzepten und Theorien strukturanalytisch so freizulegen, dass daraus Hinweise auf Nutzen, Schaden oder womöglich Missbrauch der Kommunikations-Konzepte und -Theorien gewonnen werden können.
Kommunikation in Führung und QM
Kommunikation in Führung und QM Menschen und/oder Maschinen. Im Detail unterscheiden sich die Modelle und Theorien erheblich [6]. 4 Ein Modell für die Praxis Ein Modell, das der Praxis entgegenkommt, findet sich in den „Axiomen“ von Paul Watzlawick (1921-2007) [7]. ◼ Die wichtigste Tatsache ist die schon erwähnte Trivialität, dass es in der menschlichen Gesellschaft keine Nicht-Kommunikation geben kann. Für die Themen Management, Führung und Qualitätsmanagement hat diese Feststellung die ebenso simple wie herausfordernde Konsequenz, das alles und jedes, was im Produktionsprozess von Gütern und Dienstleistungen passiert, eo ipso eine menschliche, d. h. kommunikatives, Bedeutung hat. Der wissenschaftliche und managementmäßige (engl. „managerial“) Fortschritt besteht darin, dies nicht zu vergessen oder zu leugnen, also Kommunikation als die effiziente Voraussetzung der ►Qualitätssteigerung oder zumindest für deren Sicherung zu optimieren. ◼ Die entscheidenden Probleme liegen allerdings tiefer. Kommunikationsakte haben zwei Aspekte: den Inhalt der Mitteilung bzw. des kommunikativen Verhaltens (was vermittelt wird) und die emotionale Form (den sog. „Beziehungsaspekt“, wie es vermittelt wird). Die Form bestimmt den Inhalt – und das ist das nicht mehr triviale Managementproblem [8]. Gute Arbeit gedeiht nur in einem guten emotionalen Klima; Mitteilungen können nur in diesem Klima richtig verstanden werden. ◼ Kommunikationsabläufe, alle sozialen Verhaltensweisen, sind immer gegliedert, selbst wenn sie fließend und kontinuierlich erscheinen. Fließend und kontinuierlich sind sie nur im eigenen innerpsychischen „Bewusstseinsstrom“. Watzlawick nennt das die „Interpunktion“ und meint damit, dass es erkennbare und ermittelbare Ursache-Wirkungszusammenhänge in der Abfolge der Kommunikationsakte und in deren Verflechtungen gibt. Dies ist der sowohl psychotherapeutische [9] wie auch managementmäßige Ansatzpunkt für jedwede Optimierungsstrategien im zwischenmenschlichen Bereich, also auch im Qualitätsmanagement. Die Wirkungszusammenhänge in den Kommunikationsabläufen zu erkennen, ist praktisch mühsam, zeitaufwändig und nicht mit ein paar Schlagworten abgetan. Man muss sich auf den „Anderen“ einlassen. ◼ Das theoretisch wie auch praktisch schwierigste Problem wird mit den inzwischen nicht minder inflationär gebrauchten technischen Begriffen „digital“ und „analog“ bezeichnet. Wegen ihrer technischen Konnotation scheinen sie, eindeutig zu sein; als Kommunikationsbegriffe sind sie dies nicht. Sie sind aber gut brauchbare Schlagworte für zwei unterschiedliche und diffuse Kommunikatios-„Modalitäten“. Als „fuzzy“ Begriffe werden sie hier verwendet.
Kommunikation in Führung und QM len oder leicht verbalisierungsfähigen Inhalt der Mitteilung; deren Prinzip ist die (in der Regel) zweiwertige Logik (eine Aussage ist – in der Regel – entweder richtig oder falsch). Die „analoge“ Modalität bezieht sich auf den emotionalen Beziehungsaspekt, die jeweilige Befindlichkeit der Kommunikationspartner, auch auf die unbewussten „psychodynamischen“ Reiz-Reaktions-Mechanismen. Die analoge Modalität ist fließend oder auch abrupt wechselnd, bis hin zur Ambivalenz der Gefühle und kann sogar den Inhalt einer Mitteilung für den Sender unmerklich beim Empfänger in das Gegenteil verkehren. Das Führungsproblem, ebenso wie die permanente Aufgabe im Teamwork, liegt darin, die analoge Modalität der Kommunikation zu erkennen, zu pflegen und, wenn nötig, bewusst zu machen. Aber Achtung: nicht zu viel Beziehungs-„Gedöns“! Das Verständnis der analogen Modalität in Kommunikationsgeflechten (Interaktionen) entwickelt sich langsam und kann auch nur langsam zum gegenseitigen Verständnis herangebildet werden. Das ist die Aufgabe der „Wertschätzungskultur“ in einem Unternehmen (►Unternehmenskultur). In diesem letzteren Zusammenhang gehört auch die unleugbare Tatsache, dass Menschen ungleich behandelt werden und somit ihre Kommunikationsakte auch nicht immer gleichwertig geachtet sind. Das hat Auswirkungen auf die digitale und die analoge Modalität der Kommunikation: Man hört dem Anderen nicht zu, oder man nimmt ihn nicht ernst; das sollte nicht sein. 5 Begriffliche Unterscheidungen [10] Der Grundbegriff Kommunikation wird, weil er wie viele Grundbegriffe zunächst trivial und fast inhaltsleer ist, mit einigen anderen Begriffen vermengt. Begriffsverwirrung ist ein Grund für Missverständnisse. Missverständnisse in der Management- und Führungspraxis beruhen fast immer darauf, dass man Kommunikation mit Information verwechselt, den Kommunikationsakt schon für einen adäquat wahrgenommenen und verstandenen Akt hält und schließlich die Interaktion zwischen zwei und mehr Partnern (z. B. in einem Team) schon für zielführend und effektiv hält, wenn jeder von jedem annimmt, verstanden zu werden. Es empfiehlt sich also, erst einmal die Begriffe zu klären. Eine kleine Begriffs-„Ontologie“ [11] der Kommunikation kann hier helfen und sei ansatzweise als hierarchische Begriffsliste versucht. Wir beschränken uns auf den Kern der Kommunikation: vom sozialen Kontext über die z. B. sprachliche „Codierung“/Darstellung bis hinab zum physikalischen Reiz (Abbildung K12).
Jeder Kommunikationsakt ist immer zugleich „digital“ und „analog“. Die digitale Modalität bezieht sich auf den verba-
577
K
Kommunikation in Führung und QM
Kommunikation in Führung und QM
Abb. K12: Der begriffliche Kernbestand der Kommunikation
Kernbestand der Kommunikation Die folgenden Begriffe meinen jeweils etwas Anderes und dürfen nicht ohne erläuternde Erklärung mit einander oder untereinander ausgetauscht werden.
Begriff
Gesellschaft – soziale Beziehungen – Interessen, etc., etc. Kommunikation – Dialog – Interaktion – Medium – Kanal Mitteilung – Aussage – Nachricht – Information – Verstehen – Wissen Kognitionsakte – Wahrnehmung Signal – Zeichen Reiz
K
Der Begriff der Kommunikation 1 Eine nicht näher begrenzte Verhaltenseinheit in einer zwischenmenschlichen Situation. Da jedes Verhalten in solchen Situationen Mitteilungscharakter hat, folgt daraus, dass man nicht nicht-kommunizieren kann. Kommunikation hat immer einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. 2 Austausch von Nachrichten zwischen Sender und Empfänger durch Kommunikationskanäle. Der Begriff der Interaktion Interaktion wird fälschlicherweise mit Kommunikation identifiziert. Interaktion meint jedoch den multilateralen, mehr- und wechselseitigen Austausch in einer meist gruppendynamischen Situation, in der es vielfältige Kommunikationsabläufe gibt. Interaktion besteht aus gegliederten („interpunktierten“) Kommunikationen. Der Begriff der Information Informatioin ist ein theoretisch nicht minder vielfältig gebrauchter Begriff; sie wird hier als Reduktion von subjektiver Ungewissheit oder von Nichtwissen verstanden; nicht zu verwechseln mit dem physikalisch-technischen Informationsbegriff. Der Begriff der Wahrnehmung Wahrnehmung ist die sinnesphysiologische und mentale Verarbeitung von physikalischen Reizen, damit sie zu subjektiven Informationen werden können. Die gelungene Kommunikation Kommunikation gelingt, wenn ergonomische, situative, kognitiv-konstruktive, semantische und symbolisch-kulturelle Bedingungen erfüllt werden können. Diese garantieren aber nicht automatisch den Erfolg. 6 Ergonomie der Verständlichkeit [12] Die Verständlichkeit von Mitteilungen ist zunächst ein ergonomisches Problem. Das liegt meist an den Kommunikationspartnern. Die Verständlichkeit von Mitteilungen führt im Weiteren zu sozialen und psychologischen Problemen. In der Telekommunikation gibt es aber schon ganz einfache ergonomische Mittel, um akustische Verstehens-probleme zu
578
minimieren. Redundanz ist entscheidend. Hierzu gehören die Bestätigung, das man „loud and clear“ verstanden wird oder die Nutzung vom Buchstabiertafeln. Das ist theoretisch bescheiden, kann aber komplexe Probleme verhindern. Kommunikation gelingt nur dann, wenn Sender und Empfänger einen gemeinsamen „Zeichenvorrat“ [13] haben, in dem die Mitteilung dargestellt, z. B. geschrieben, wird. So abstrakt formuliert, ist das richtig und notwendig, reicht aber nicht aus. Trotzdem versteht der Empfänger einer Mitteilung nicht immer, was der Sender gemeint hat. Denn die analoge Modalität der Kommunikation ist in dieser Forderung bereits ausgeblendet.
Mit den informationstheoretischen Ansätzen, insbesondere mit den Konzepten von Zeichen (Codes), kann man oberflächliche Verstehens-Probleme lösen, solange es diesen Vorrat gibt und jeder ihn kennt. Es wird vorausgesetzt, dass die Zeichen in irgend einer Weise durch Vereinbarung (z. B. Terminologie-Norm u. dergl.) etabliert wurden und somit schon definiert sind; in diesem Fall dürfte es dann kein Verständigungsproblem mehr geben. Sinnvoll ist das, wenn Eindeutigkeit gewünscht oder benötigt wird. Diese ist in technisch-organisatorischen Zusammenhängen nützlich und herstellbar, ganz besonders in der Mensch-Maschine-Kommnikation. Die alltägliche Lebenswelt, auch Führung und Qualitätsmanagement, sind aber voll von Mehrdeutigkeiten und daher von Kommunikationsproblemen. Die Mehrdeutigkeit gehört zur sozialen Situation des Menschen; sie zu beherrschen ist die Aufgabe, nicht sie abzuschaffen. Praktisch hilfreich sind alle Bemühungen um Textverständlichkeit. Sie gelten für Gesagtes und Geschriebenes, für Texte und weitgehend auch für die audiovisuelle Kommunikation. Leicht verständlich ist das Hamburger Verständlichkeitskonzept [14], das schon vor 40 Jahren entwickelt wurde. Die Verständlichkeits- bzw. Qualitäts-Kriterien sind: Einfachheit, Gliederung, Prägnanz, Anregung. Zur Textverständlichkeit gibt es neuere, weiter differenzierte Modelle und viele pädagogische Hilfsmittel, Kurse, Kompendien. Sprachlich verständliche Mitteilungen zu produzieren, ist schon die „halbe Miete“ in der Kommunikation. Organisatorisch wichtig ist schließlich der „Kommunikationskanal“. Damit Management- und Führungsmitteilungen überhaupt ihre Empfänger erreichen können, sind Regeln und technische Mittel nötig, welche die Mitteilungen gezielt dahin bringen, wo sie verstanden und umgesetzt werden müssen; darauf heben die o. g. ISO-Definitionen ab. Der Kanal kann allerdings die Mitteilungen beeinflussen, nicht nur verrauschen sondern auch die analoge Modalität verändern.
Kommunikation in Führung und QM 7 Situation, Relevanz Die Mehrdeutigkeit von Kommunikationsakten hat psychosoziale und auch sprachliche Gründe (die letzteren werden weiter unten gesondert angesprochen). Sender und Empfänger befinden sich in einer jeweils eigenen, oft sogar stark unterschiedlichen Situation. Jeder verbindet mit derselben Mitteilung eigene, manchmal sogar ungewöhnliche Bilder oder Begriffe oder Emotionen, die ihm gerade sehr wichtig sind. Die Auslegungs- oder interpretative Relevanz [15] eines Kommunikationsaktes wird unterschiedlich aufgefasst und bewertet. Man kann sich aber einfühlen und ggf. nachfragen. Dann weiß man auch, worum es dem Anderen geht. Meist ist das alles kein Problem; aber wenn es ein Problem gibt, dann helfen Analysen zur Situation und Relevanz schon einmal weiter. 8 Kognition, Konstruktion Kommunikation beginnt mit der Wahrnehmung von etwas, z. B. eines laut ausgesprochenen Satzes; das Problem liegt im subjektiven Bewusstsein. Wahrnehmung ist Filterung und Verarbeitung von Sinnesreizen bei einem Empfänger, der z. B. Kommunikationsakte durch Hören oder Lesen aufnimmt. Die einschlägigen Kognitionstheorien verzeichnen viele Möglichkeiten, wie sich eine Mitteilung zwischen Sender und Empfänger gestaltet und daher verändern kann. Hier ist nur wichtig, dass sich Mitteilungen auf dem Weg von der SenderPsyche zur Empfänger-Psyche verändern. Etwas tiefer geforscht: Wahrnehmung und Kognition konstruieren [16] intersubjektiv das Verstehen. Im Ergebnis: es gibt keine mono-direktionale kommunikative Objektivität (was ich sage und wie ich es sage, ist allein wahr), sondern die gemeinsam geschaffene, bi- oder multi-direktionale Kommunikation (Interaktion) schafft erst so den wahren, z. B. in Teamwork und Führung, effektiven Sinn von Mitteilungen. „Wahr und brauchbar ist nur, was wir gemeinsam verstanden haben.“ – Eigentlich trivial; offenbar schwer zu realisieren. 9 Semantik der Kommunikation Wir beschränken uns hier auf die Sprache, dem Hauptmedium der „digitalen“ Kommunikation [17]. Es geht aber nicht um Eindeutigkeit, die ein zwar wichtiges aber nicht das zentrale Phänomen der Kommunikation ist (s. o.). Hinter der verständlichen Gestaltung von textlichen Mitteilungen steht das Problem der Bedeutung (Semantik) von Worten bzw. von Mitteilungselementen. „Bedeutung“ heißt, dass das Wort mit der gemeinten Sache übereinstimmt [18]. Leider ist das nicht immer der Fall. Worte haben einen oder mehrere Bedeutungs-Kerne, manchmal widersprüchliche [19] Bedeutungen und einen größeren oder kleineren Bedeutungs-Horizont. Sender und Empfänger können durchaus unterschiedliche Bedeutungen einer identischen Mitteilung annehmen und somit leicht aneinander vorbeireden. Kurz gesagt: Der Rede- und Praxis-Kontext definiert die Bedeutung eines Wortes bzw. Kontext-Elementes. Das ist ein Prozess der wechselseitigen Verständigung über die Mitteilung und deren
Kommunikation in Führung und QM Situation [20]. Man kann also Kommunikationsdefizite nicht dadurch ausgleichen, dass man allein auf der Bedeutung von einzelnen Worten insistiert; man muss den ganzen (semantisch-syntaktisch-pragmatischen) Kontext erfassen und von daher das Verständnis optimieren. Kontext ist eine Mitteilung im Zusammenhang mit anderen Mitteilungen in einer gegebenen Situation mit deren Hintergründen. Die vielfältigen nonverbalen Arten des Ausdrucks (Mimik, Gestik, Stimmlage, ... [21]) gehören in den semantisch-kontextuellen Zusammenhang. Die analoge Modalität überlagert oft genug die digitale. Die Gestik widerlegt das Gesagte; Intonation, Stimmlage und Mimik geben Hinweise auf eine verborgene Relevanz, die gar nicht zur Sprache kommt. Die analoge Modalität kann übersetzt und expliziert werden; die Ausdruckspsychologie hilft hier weiter. Es ist nämlich eine Tautologie: um sich zu verstehen, muss man das Verständnis verstehen. 10 Interkulturelle Kommunikation, Symbolik der Kommunikation Zum Glück sind Bedeutung und Kontext fast immer kein Problem. Die Chance, sich fraglos zu verstehen, sind in homogenen Kulturen [22] und Gesellschaften größer als im interkulturellen, insbesondere im globalen Zusammenhang. Eine Kultur/Subkultur definiert sich deutlich aber nicht ausschließlich durch ihr Kommunikationsverhalten. Für Management, Führung und Qualitätsmanagement bedeutet dies, dass nunmehr die ►Globalisierung von Handel und Wandel neue Kommunikationsprobleme schafft und alte Kommunikationsprobleme radikalisiert. Es gibt kulturelle Gründe für Missverstehen, obwohl die ergonomischen, situativen, kognitiven und semantischen Bedingungen nicht kritisch erscheinen. Sie liegen in dem verborgen, was man „fremde Symbolwelten“ nennen kann [23]. Symbolische Kommunikation ist der Schlüssel zur interkulturellen Kompetenz. Das Verstehen von fremden Symbolen [24] und ihrer kommunikativen Verwendung ist auch eine Voraussetzung für Management, Führung und Qualitätsmanagement, wenn diese im Verbund mit anderen Kulturen arbeiten müssen. Kurz erläutert: Symbole sind in unterschiedlicher Weise vereinbarte Zeichen. Um nur ein Beispiel herauszugreifen, das notorisch Probleme macht: Rang- und Statussymbole für Kommunikationen „auf Augenhöhe“ oder nicht, die zeigen, wer wie wem wann was sagen darf. Dazu gehören der „Dress code“, die Höflichkeitsregeln, Kastenmerkmale, GeschenkRituale u. dergl. In der eigenen, homogenen Kultur ist das ein Beziehungs-Problem; bei fremden Kulturen wird es zur Beziehungs-Schranke, u. U. zum politischen Konflikt. Die Art und Weise sowie die Relevanz der symbolischen Vereinbarungen sind sehr unterschiedlich; das reicht vom Zeichenvorrat (s. o.) bis in Ästhetik, Religion und in den Kulturbetrieb. Kulturell gesehen sind die Vereinbarungen in langen
579
K
Kommunikation in Führung und QM geschichtlichen Prozessen entstanden; sie gewinnen dadurch religiöse, künstlerische, wissenschaftliche und somit auch politische und ökonomische Bedeutungshorizonte. Kulturelle Symbole geben auch zu erkennen, was nicht direkt wahrzunehmen und zu erkennen ist. Sie vermitteln zwischen dem, was die einen wissen oder zu wissen meinen oder zu wissen behaupten, und dem was die anderen glauben oder gelernt haben zu glauben oder für wahr halten. Symbolwelten repräsentieren die geistige Geschichte einer bestimmten mehrheitlich homogenen Lebenswelt, in der Kommunikationsakte in der Regel nicht problematisch sind. Muss man mit solch einer fremden Lebenswelt in Kontakt treten, was im globalen Management der Fall ist, dann sollte man sie verstehen und innerhalb ihrer sowie zwischen ihr und der eigenen Lebenswelt vermitteln können. Im globalen Management (►Globales Qualitätsmanagement) ist die interkulturelle Kommunikation zum entscheidenden Führungsfaktor geworden. Die Symbolik der Kommunikation wird besonders in den non-verbalen Mitteilungen deutlich, vor allem wenn man diese nicht einmal wahrnimmt. Mit Ergonomie kommt man hier nicht sehr weit; man muss Situation, Wahrnehmung, Bedeutung noch intensiver hinterfragen können und sich an das Verstehen heranarbeiten, um kulturelle Differenzen kommunikativ zu überbrücken.
K
Wer die geschichtlich entstandenen Symbolwelten von fremden (oder auch minderheitlichen) Kommunikationspartnern nicht kennt, wer ungewohnte Kulturen ignoriert, wird sich, zumindest in der anlogen Modalität der Kommunikation, oft auch bei semantischen Schwierigkeiten, nicht verständlich machen können und nicht verstanden werden. Kleine Dummheiten oder auch dümmliche Arroganz kann hier unverhofft zu großen Problemen führen. 11 Die Kommunikations-Absicht und die „Massen“-Medien Bisher wurde die Kommunikations-Absicht nicht eigens behandelt. Die formalen Kommunikationsmodelle nehmen meist auch an, dass die „Sprechintention“ (Habermas) kein Anlass zur Problematisierung sei. In den modernen „Massen“Medien ist der Fall anders gelagert. Die „Wirkung“ der medialen Kommunikation kommt als eigenständiges Thema (wieder) in den Blick [25]. Ausgangspunkt ist das Medium als technisches Vermittlungswerkzeug, als „Kanal“, im Gegensatz zum Medium Sprache als Form der direkten dialogischen Mitteilung. Die Unterschiede zwischen technischem Medium und Sprache sind jedoch unscharf: In den technischen Medien werden gesprochene Mitteilungen transportiert und erhalten dadurch eine besondere Charakteristik; die Medien entwickeln ihre eigenen, charakteristischen Bild- und Ton-„Sprachen“, die von den technischen Möglichkeiten angeboten werden und somit wiederum den Inhalt und die Gestaltung der so transportierten Mitteilungen formen. Abgesehen von der medienspezifischen Gestaltung der Inhalte, hat das auch Auswirkungen auf die Absicht der Kommunikation, die offenbar oder aber mit einer „hidden agenda“ verbunden sein kann.
580
Kommunikation in Führung und QM „The medium is the message“ [26] formuliert diesen Sachverhalt in prägnanter Weise. Man kann also diese Funktionalität der technischen Medien nutzen, um Mitteilungen mit besonderen Absichten (Intentionen) auszustatten. So etwas konnte man früher auch; man konnte verstärken, verschleiern, täuschen u. dergl.; aber die Sprechintentionen lagen in den Mitteilungen beschlossen, oft direkt im Inhalt (z. B. verklausulierte Formulierung) oder in einer geschickten Kombination von analoger und digitaler Modalität (die Mimik dementiert z. B. die Rede). Absicht und Inhalt waren nicht auf zwei distinkte Komponenten des Kommunikationsaktes verteilt, den Sender und ein von ihm benütztes, ihm aber äußerliches Mittel. Mit den Massenmedien können nunmehr Wirkungen beim Empfänger erzielt werden, die in den Mitteilungen direkt und un-vermittelt nicht enthalten sind (z. B. quasi neutrale Bilder ohne Kommentar, die Emotionen wecken; O-Töne, die Authentizität demonstrieren; Bildschnitte, die Kausalitäten präsentieren). Die Medienwirkung bekommt eine eigene inhalts-unabhängige Dynamik (Medienwirkungsforschung). 12 Nähe und Ferne in den elektronischen Netzwerken In den elektronischen Netzwerken („social networks“) wird ein Klima der kommunikativen Nähe hergestellt, das früher nur in den direkt dialogischen Situationen, im elaborierten Briefwechsel oder in kleinen „Face-to-Face-Groups“ entstehen konnte. In den Netzwerken verändert sich die geschriebene Sprache, Ikonographie (z. B. „smilies“) ersetzt Worte; die belanglose, flüchtige Rede wird verewigt (in Serverlandschaften); die Wirkungen einzelner Kommunikationsakte (z. B. Einladung zu einer Party) kann exponentiell anwachsen; es entstehen artifizielle Persönlichkeitsbilder (bis hin zum „second life“, einer alternativen vollständig virtuellen Persönlichkeit), welche die weiterhin existierende „Face-toFace“-Kommunikation definieren können. Die größte Veränderung des Kommunikationsverhaltens durch Social Networks ist die enorme Speicherung, Beschleunigung und Transparenz im sozialen Leben. Das hat Vor- und Nachteile. Die hier in Abschnitt 3 zitierten vier Forderungen von Habermas an kompetente und herrschaftsfreie Kommunikation können in den Social Networks gut realisiert werden. Das ist ein großer Vorteil, der in politischen Aktionen und in den Public Relations auch genützt wird. Die Nachteile der elektronischen Netzwerke liegen im verminderten Persönlichkeits- und Datenschutz (bekannt) und auch darin, dass der „Signal/Rausch-Abstand“ der einzelnen Mitteilungen oft gegen Null geht; d. h. es wird meist Unwichtiges verbreitet. Die Massenmedien und die elektronischen Netzwerke verändern die Kommunikation strukturell. Wohin diese Veränderung gehen wird, bleibt abzuwarten. Für Management, Führung und Qualitätsmanagement sind diese Entwicklungen nicht unwichtig. Sie definieren mehr und mehr die soziale Wirklichkeit und verändern somit auch die ergonomischen, situativen, mentalen, semantischen und kulturellen Bedingungen der Kommunikation. Daraus folgt: man kann die
Kommunikation in Führung und QM mediale Formung von Mitteilungen auch als ein managementmäßiges Führungsmittel einsetzen; man kann das Qualitätsbewusstsein bei Anbietern, Kunden und Konsumenten massenmedial steuern. Man kann nicht nur, man tut es. Man kann aber auch kulturell dysfunktionale und manipulative Kommunikations-Trends erkennen und ihnen gegensteuern. Die Gesellschaft könnte Kommunikations- und Medienpädagogik gut gebrauchen. 13 Kurze Zusammenfassung, Qualität der Kommunikation Das Heilmittel für Kommunikations-Störungen ist allemal die aktive Aufmerksamkeit auf den Kommunikationsakt; d. h. jeder Partner sollte sich bewusst halten, wie die jeweilige Mitteilung gemeint ist und aufgenommen wird. Die Qualität der Kommunikation liegt aber primär im Inhalt; wenn dieser wichtig und nützlich ist, dann sollte die Mitteilung auch verständlich sein. Kurz gesagt: Kommunikation muss man üben; Sprachen muss man sprechen. Dr. Alexander von Baeyer Literatur und Hinweise
[1] Dieser Artikel ist keiner einzelnen Theorie allein verpflichtet; er ist „ekklektisch“. Nicht behandelt werden die Themen rund um „Communication, Command and Control (C3)“ und „ Control, Communications, Computers, and Intelligence (C4I)“. [2] Vgl. J. L. Austin, Zur Theorie der Sprechakte, Stuttgart 1962 (dt. Bearbeitung von E. v. Savigny; engl. How to Do Things with Words, Oxford 1962). Der „performative“ Charakter der Sprache gilt auch für die nonverbale Kommunikation, s. u. [3] S. z. B. das entsprechende Stichwort im Historischen Wörterbuch der Philosophie, Band 4 (1976), Sp. 893-896. [4] Knapp und informativ zu Luhmanns Kommunikationsbegriff: GLU Glossar zu Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, Frankfurt/Main 1997, S. 89-93. Luhmanns Theoriegebäude ist wissenschaftstheoretisch darauf gerichtet, Sozialphilosophie als humanwissenschaftliche Grundlagendisziplin zu etablieren. Dies geht natürlich nicht ohne den Begriff der Kommunikation. Für das theoretisch interessierte und zugleich praktisch bedürftige Gemüt sind Luhmanns Denkwege da und dort zu umwegig. Dass Mitteilung, Information, Verstehen und Kommunikation nicht dasselbe sind, ist elementar richtig. Dass aber Kommunikation zwischen einem und einem anderen erst einmal „unwahrscheinlich“ ist (L.s Unwahrscheinlichkeitstheorem), hält Verf. für einen unglücklichen Ansatz. Warum etwas infragestellen und dann kompliziert beweisen, was an sich evident ist. Die Aufgabe ist, gegebene Probleme zu lösen bzw. Lösungswege zu beschreiben, z. B. das kommunikative Missverstehen oder die Kommunikationsverweigerung. Aber, ein wissenschaftstheoretischer Ansatz muss wohl verschlungene Wege gehen. [5] J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt/M 1981. [6] Man zählt bis zu 49 Modelle, Theorien und sonstige Erklärungsversuche (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kommunikationsmodelle ). Viele von ihnen sind „reduktionistisch“, d. h. betrachten ausgewählte Grundbegriffe und führen alles andere darauf zurück. Die „Metatheorie“ der K.-Theorien anzusprechen, welche die Modelle untereinander vergleicht und auch ihre Nützlichkeit bewertet, ist in diesem Artikel nicht möglich. [7] P. Watzlawik, J. H. Beavin, D. D Jackson, Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien, 1969-2007; viele Auflagen und Übersetzungen. [8] Altes Sprichwort: „Der Ton macht die Musik.“ – Die analoge
Kommunikation in Führung und QM Kommunikation spielt auch eine große Rolle im kulturellen und interkulturellen Kontext, s. u. [9] W. war im erlernten und zunächst ausgeübten Beruf Psychotherapeut (vgl. dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Watzlawick.) [10] Vgl. A. v. Baeyer und B. Buck, Wörterbuch Kommunikation und Medienpraxis für Erziehung und Ausbildung, K. G. Saur, München e. a. 1979, – Inzwischen vergriffen und im technischen Teil überholt. Die „Halbwertzeit“ der hier verwendeten Begriffe ist dagegen noch nicht abgelaufen. [11] In der Informatik gebräuchliches Verfahren (s. z. B. http:// www.gi.de/service/informatiklexikon/detailansicht/article/ontologien.html ). Die Ontologie eines Begriffes schafft ein semantisches Netzwerk, mit dem verwandte oder irgendwie zusammengehörige Begriffe eindeutig untereinander in Beziehung gesetzt werden können. Mehr als was hier rudimentär und listenmäßig angedacht wird, ist die Aufgabe der Kommunikationstheorien. Ontologien werden als Mittel des Wissensmanagements zur Kommunikation in einem Wissensgebiet verwandt. Selbstanwendung! [12] „Kommunikationsergonomie“ wird im Bereich der Softwaretechnik und Visualisierung verwendet; wir verwenden den Begriff der Ergonomie jetzt für die zielführende, zwischenmenschliche Kommunikation im Organisations-Rahmen. [13] Begriff aus der Informationstheorie, wonach Sender und Empfänger die gleichen Zeichen verwenden müssen, damit sie Mitteilungen interpretieren können. Der Vorrat definiert das einzelne Zeichen. [14] I. Langer, Schulz von Thun und R. Tausch, Verständlichkeit in Schule, Verwaltung, Politik und Wissenschaft, München 1974 und öfters. [15] Ein wichtiger, älterer Text zum Thema: Alfred Schütz, Das Problem der Relevanz, aus dem Amerikanischen v. Verf. dieses Artikels, Frankfurt/M 1971 und öfters. [16] Der philosophisch-psychologische Konstruktivismus besagt, dass die „Welt“, die wir wahrnehmen und erkennen, ein mentales „Konstrukt“ ist, basierend auf mentalen Prozessen, sinn-zuweisenden Kategorien und Voreinstellungen; das gilt für die globalen Zusammenhänge ebenso wie für den einzelnen Kommunikationsakt. Der o. g. Relevanz-Begriff gehört zu den konstruktivistischen Theorien. [17] Zur nonverbale Kommunikation s. u. – Weitere der vielfältigen kulturellen Kommunikations-Medien werden unter dem Stichwort „interkulturelle Kommunikation“ herangezogen, aber nicht in der Tiefe behandelt, die sie an sich verdienen. Das würde den schon weit gesteckten Rahmen dieses Artikel wirklich sprengen. Z. B. Musik, Tanz, bildende Künste, fiktionale und nonfiktionale Darstellungen als Theater, Film, TV-Produktionen, Computerspiele u. dergl.; s. u. den sehr weit gefassten Medien-Begriff von M. McLuhan. [18] Ferdinand de Saussure (1857-1913) unterscheidet zwischen „signifiant“ und „signifié“. [19] Z. B. das weit verbreitete Wort „grundsätzlich“, das in Politik und Verwaltung bedeutet: „prinzipiell immer, tatsächlich aber nie“. Die politische Kommunikation ist übervoll von Bedeutungs-Ambiguität. [20] S. oben Relevanz und Kognition. Ausgangspunkt dieser Erkenntnis ist L. Wittgensteins (1889-1951) berühmter Satz in den „Philosophischen Untersuchungen“: „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“ (§ 43); an anderer Stelle über Kommunikation. „... dass das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform“ (§ 23). [21] S. http://www.psychology48.com/deu/d/nonverbale-kommunikation/nonverbale-kommunikation.htm. [22] Nationen, Subkulturen, Jugendkulturen, Organisationen, sta-
581
K
Kommunikationstechniken
Literatur
[1] Radtke, Ph.; Stocker, S.; Bellabarba, A.: Kommunikationstechniken (KOM 7). Sieben Techniken für eine effektive Kommunikation. München-Wien (Hanser) 1997
582
Kompetenz
Eignung von verschiedenen Einheiten, unter spezifischen Bedingungen für einen festgelegten Zweck zusammen benutzt zu werden, um für sie geltende Forderungen zu erfüllen. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009 ⟪Originalbegriff⟫ ▶en: competence Fähigkeit, Wissen und Fertigkeiten anzuwenden, um beabsichtigte Ergebnisse zu erzielen
Anmerkung 1 zum Begriff: Dargelegte Kompetenz wird manchmal als Qualifikation bezeichnet. Anmerkung 2 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition wurde durch Hinzufügen von Anmerkung 1 zum Begriff geändert. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Kompetenzebenen
▶Organisationsgestaltung
Kompetenzerwerb
▶en: competence acquisition ►Prozess der Erlangung von ►Kompetenz [Quelle: ISO 10018:2012, 3.2, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Komplexität
▶Ashbysches Gesetz
Kondo, Yoshio Deutscher Qualitätsexperte
Freie Rede (KOM 1) Präsentation (KOM 2) Gespräche unter vier Augen (KOM 3) Moderation von Besprechungen (KOM 4) Aktives Zuhören (KOM 5) Rhetorik am Telefon (KOM 6) Innovative Kommunikationsformen (KOM 7)
Kompatibilität
Born 1924. Doctor of Engineering from Kyoto University, Kyoto, Japan in 1958. Associate Professor of Metallurgy, Kyoto University, 1950-1961. Professor of Metallurgy, Kyoto University, 1961-1987. Research Associate, MIT, Cambridge, MA, USA, 1962-1964. Dean, Faculty of Engineering, Kyoto University, 1983-1985. Retired from Kyoto University as Professor Emeritus, 1987. – Marks of distinction: President of The Society of Calorimetry and Thermal Analysis, Japan, 1985-1987. – Vice President of Mining and Metallurgical Institute of Japan, 1987-1988. – Councilor, The Union of Ja-
ISO-Term
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Anmerkung 1 zum Begriff: Die Teile eines Managementsystems, die in einem kombinierten Audit eingeschlossen sein können, können mittels der von der ►Organisation verwendeten entsprechenden Managementsystemnormen, Produktnormen, Dienstleistungsnormen oder Prozessnormen bestimmt werden. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
ISO-Term
▶Qualitätstechniken Erst in neuerer Zeit wird erkannt, dass die klassischen Qualitätstechniken der Ergänzung bedürfen. Eine Zusammenfassung zentraler Techniken zwischenmenschlicher Kommunikation zu sieben Techniken sollen bei richtiger Anwendung die Kommunikation untereinander erleichtern [1]:
▶en: combined audit ►Audit, das in einer einzelnen auditierten ►Organisation an zwei oder mehr ►Managementsystemen zusammen durchgeführt wird
DGQ-Begriff
Kommunikationstechniken
kombiniertes Audit
ISO-Term
K
bile kleinere Organisationseinheiten, durch informelle aber hartnäckige Konventionen hergestellte Kommunikationsgruppen (z. B. mittels Gruppensprache, Soziolekt, sozialschicht-spezifische Verhaltensmuster, „Stallgeruch“). [23] Zum Hintergrund siehe Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, 1923-1929, mehrere Neudrucke. – C. arbeitete über Sprache, Mythos, Erkenntnis und beschreibt die Kommunikation zwischen Kulturformen; im globalen Management geht es um die Kommunikation zwischen ganzen Kulturkreisen mitsamt ihren symbolischen Formen. [24] Der Begriff „Symbol“ hat indirekt etwas mit Kommunikation zu tun; die griechische Ursprungsbedeutung ist u. a. „sammeln“, „vergleichen“, „Vertrag“, „Erkennungsmerkmal“, „Sprachzeichen“. Die Nähe zur Semantik ist wichtig aber nicht entscheidend. In der Theologie ist die Symbolik auch Erkennungszeichen für Gläubige. Ohne Reflexion darauf, wie eine Symbolik entsteht und verwendet wird, ist der Begriff so vieldeutig und fehler-geneigt wie die „Kommunikation“; vgl. das Stichwort im Historischen Wörterbuch der Philosophie, Band 10 (1998), Sp. 710-739; sowie weitere Ableitungen, Sp. 793 ff. – Eine Erweiterung der Kommunikationstheorien ist der „Symbolische Interaktionismus“, der u. a. auch von Alfred Schütz (s. o.) beeinflusst wurde. [25] H. D. Lasswell (1902-1978 ) formulierte seine basale Kommunikatons-Formel 1948: „Who (says) What (to) Whom (in) Which Channel (with) What Effect“. [26] Marshall McLuhan, Understanding Media: The Extensions of Man, 1964. McLuhan war ein Freund von Wortspielen: The medium is the mess age, the massage, the mass age. (Das Medium ist das Zeitalter der Unordnung, der Massage, das Massenzeitalter). McLuhans Medium-Begriff ist zu breit, er umfasst alles und jedes, in das man eine Bedeutung hineinlegen und wieder herauslesen kann. (Zu den Wortspielen s. https://en.wikipedia.org/wiki/The_Medium_Is_ the_Massage ).
Kondo, Yoshio
Kondo, Yoshio
elected honorary member of the ASQ and honorary member of the AFED.
▶en: configuration miteinander verbundene funktionelle und physische ►Merkmale eines ►Produkts oder einer ►Dienstleistung, wie sie in den ►Produktkonfigurationsangaben beschrieben sind [Quelle: ISO 10007:2003, 3.3, geändert – Die Benennung „Dienstleistung“ wurde der Definition hinzugefügt] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Konfigurationsbuchführung
▶en: configuration status accounting formalisierte Dokumentation und Berichterstattung über die ►Produktkonfigurationsangaben, den Stand der Änderungsanträge und den Durchführungsstand genehmigter Änderungen [Quelle: ISO 10007:2003, 3.7] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Konfigurationsmanagement
▶en: configuration management ▶Zuverlässigkeitsmanagement koordinierte Tätigkeiten zur Leitung und Lenkung der ►Konfiguration
Anmerkung 1 zum Begriff: Das Konfigurationsmanagement konzentriert sich üblicherweise auf technische und organisatorische Tätigkeiten, die die Lenkung eines ►Produkts oder einer ►Dienstleistung und der dazugehörigen ►Produktkonfigurationsangaben in allen Phasen des Produktlebenszyklus einleiten und aufrechterhalten. [Quelle: ISO 10007:2003, 3.6, geändert — Anmerkung 1 zum Begriff wurde geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
583
ISO-Term
Literature: a) Are creative ability and standardization in contradictory relationship? (The Literati Club’s Outstanding Paper Award, 1997) Training for Quality, vol. 4, no. 3, 1996, pp. 35-39. ‘Compa nywide Quality Control – Its Background and Development’, 208 pages (1995), (Nikkei QC Literature Prize, 1993), 3A Corporation, Tokyo. – ‘Human Motivation - A Key Factor for Management’, 186 pages (1991), 3A Corporation, Tokyo. – ‘One Hundred Questions on Statistical Methods and Their Answers’, 219 pages (1967), (Nikkei QC Literature Prize, 1967), JUSE Publishers, Tokyo (in Japanese). – Thermal Decomposition of Pyrite in a Fluidized Bed (EMD Science Award, AIME, 1971), Transcations TMS-AIME, vol. 242, pp. 896-902 (1968). – b) From One-Way Training to Network Type Learning, Proceedings of International Conference on Quality Management and Economic Development, September, 1997, Zhengzhou, China, pp. 1-6. – The Hoshin Kanri-Japanese Way of Strategic Quality Management, Proceedings of 41st Annu-
Konfiguration
ISO-Term
Awards: Awarded Nikkei Quality-Control Literature Prize, 1967. – Awarded Extractive Metallurgy Division Science Award from AIME, 1971. – Awarded Deming Prize for 1971, 1971 Awarded E. L. Grant Award from ASQC for 1977. – Awarded Tanigawa-Harris Award from Japan Institute of Metals, 1981. – Awarded Honorary Member from The Philippine Society fo Quality Control, 1992. – Awarded Nikkei Quality Control Literature Prize, 1993. – Awarded Honorary Member from the Japanese Society for Quality Control, 1994. – Awarded Honorary Doctoral Degree in Total Quality Management from Newport University, 1995. – Awarded Degree of Doctor mercaturae honoris causa (dr. mers. h. c.) from the Aarhus School of Business, Denmark, 1996. – Awarded The Literati Club’s Outstanding Paper Award from the Editor and Editorial Advisory Board of the Training for Quality, England, 1997. In 2004, it was
al EOQ Congress, Trondheim, 1997, vol. 1, pp. 241-250. – Quality as a Source of Empowerment, Proceedings of the 2nd International Conference on ISO 9000 and TQM, April, 1997 at the University of Luton, pp. 251-260. – Nurturing New Ideas and Bringing them to Fruition, Proceedings of 40th Annual EOQ Congress, Berlin, 1996, vol. 3, pp. 173-177. – Fostering Employees’ Ability, Proceedings of 39th EOQ Congress, Lausanne, 1995, vol. 1, pp. 31-37. – Quality and People, Proceedings of the First World Congress for Total Quality Management, ed. by G. K. Kanji, Chapman and Hall, London, pp. 11-25 (1995). – Dr. Kaoru Ishikawa – What He Thought and Achieved, A Basis for Further Research, Quality Management Journal, vol. 1, issue 4, pp. 86-91, 1994. – Prerequisites for World Class Quality, Proceedings of the Symposium on Quality Management in Industrial Electrochemistry, The Electrochemical Society, 1993, pp. 14-25. – Quality and Human Motivation, European Quality, June 1993, Special Showcase Edition, pp. 44-50, (1993). – Creativity in Daily Work, Human Systems Management, vol. 9, No. 1, pp. 7-13 (1990). – Improvement of Productivity versus Humanity, Human Systems Management, vol. 8, pp. 23-29 (1989). – Quality Through the Millenia, Quality Progress, vol. 21, No. 12, p. 83 (1988). – Quality in Japan in ‘Juran’s Quality Control Handbook, 4th Edition’ pp. 35F.1-35F.30 (1988), McGraw Hill. – Human Motivation and Achievement of Work – A Report of Motivation Study Group, JSA Proceedings of 30th EOQC Conference, Stockholm, 1986, pp. 409420. – In total more than 450 articles have been published. ISO-Term
panese Scientists and Engineers, 1970-present. - Member of the Board of Directors, The Association for Overseas Technical Scholarship, 1986-present. – Member of Council Board, Japanese Standards Association, 1992-present. – Vice President, The Japanese Society for Quality Control, 1991-1992. – President, The Japanese Society for Quality Control, 1992-1993. – Member, Editorial Committee of Total Quality Management, 1988-present. - Member, Editorial Board of Human Systems Management, 1988-present. – Aca demician, International Academy for Quality, 1975-present. – Vice President, International Academy for Quality, 19841987. – Member of Board of Directors, International Academy for Quality, 1988-1993. – President, International Academy for Quality, 1994-1996. – Chairman of Board of Directors, International Academy for Quality, 1997-present.
Konfigurationsmanagement
K
ISO-Term
Konfigurationsobjekt Konfigurationsobjekt
ISO-Term
Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Konfigurationsstelle
▶en: configuration authority Konfigurationslenkungsausschuss, Verfügungsstelle, Person oder Gruppe von Personen, der Verantwortung und Befugnis zugeordnet sind, Entscheidungen über die ►Konfiguration zu treffen
ISO-Term
Anmerkung 1 zum Begriff: Zuständige ►interessierte Parteien innerhalb und außerhalb der ►Organisation sollten in der Konfigurationsstelle vertreten sein. [Quelle: ISO 10007:2003, 3.8, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Konflikt
▶en: dispute
Meinungsverschiedenheit, entstanden aus einer ►Reklamation, die dem ►DRPAnbieter mitgeteilt wird
Anmerkung 1 zum Begriff: Einige ►Organisationen ermöglichen ihren ►Kunden, ihre Unzufriedenheit als erstes einem DRP-Anbieter mitzuteilen. In dieser Situation wird das Ausdrücken der Unzufriedenheit eine Reklamation, wenn sie der Organisation zu einer Stellungnahme zugesandt wird, und wird zum Konflikt, wenn sie durch die Organisation nicht ohne das Eingreifen des DRP-Anbieters gelöst werden kann. Viele Organisationen ziehen es allerdings vor, dass ihre Kunden ihre Unzufriedenheit erst der Organisation mitteilen, bevor sie eine Konfliktlösung außerhalb der Organisation in Anspruch nehmen. [Quelle: ISO 10003:2007, 3.6, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫ ISO-Term
K
Konfliktlöser
▶en: dispute resolver Einzelperson, die von einem ►DRPAnbieter beauftragt wurde, den Parteien bei der ►Konfliktlösung zu helfen
ISO-Term
Beispiele: Mitarbeiter, Freiwillige, vertraglich (3.4.7) verpflichtete Personen. [Quelle: ISO 10003:2007, 3.7, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Konformität
▶en: conformity Erfüllung einer ►Anforderung
Anmerkung 1 zum Begriff: Die Benennung „conformance“ stellt im Englischen ein abzulehnendes Synonym dar. Die Benennung „compliance“ stellt im Französischen ein abzulehnendes Synonym dar. Anmerkung 2 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition wurde durch Hinzufügen von Anmerkung 1 zum Begriff geändert. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
584
Konformität
▶en: conformity ▶Zertifizierung Die Europäische Norm EN 45014:1998 „legt allgemeine Kriterien für Konformitätserklärungen von Anbietern für den Fall fest, dass es wünschenswert oder notwendig ist, die Konformität eines Produktes, eines Prozesses oder einer Dienstleistung mit normativen Dokumenten darzulegen, unabhängig vom berührten Bereich. Der Anbieter kann in solchen Fällen in eigener Verantwortung die Konformität mit normativen Dokumenten erklären.“ [1] Zweck der Erklärung ist es zu bestätigen, dass „das betreffende Produkt, der Prozess oder die Dienstleistung mit den normativen Dokumenten konform ist, auf die sich die Erklärung bezieht, und dass klar ersichtlich wird, wer für diese Konformität verantwortlich ist.“ Im Detail sind die allgemeinen Forderungen, für die der Anbieter verantwortlich ist, in der Norm genannt. Auch sind die Mindestangaben genannt, die in der Erklärung enthalten sein müssen. Eine Konformitätserklärung muss mindestens folgendes enthalten: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Name Anschrift des Herstellers/Inverkehrbringers Bezeichnung des Produktes angewandte Richtlinien ggf. angewandte Normen und Spezifikationen ggf. die benannte Stelle und Angaben zum Unterzeichner. vollständige technische Dokumentation
Die Konfor mi täts erklärung stellt somit die Alternative zur ►Zertifizierung des QM-Systems dar. Prinzipiell kann eine Organisation, die sich intensiv mit Qualitätsmanagement befasst hat, auf die Zertifizierung durch eine Zertifi zierungsstelle verzichten. Man bedenke, dass in Japan die hier im Westen geübte Praxis der Zertifzierung weitgehend nicht angewandt wird. Außerdem ist zu bedenken, dass die Darlegung – ob durch Zertifikat oder durch Konformitätserklä rung dokumentiert – besagt, dass Vertrauen in die ►Qua litätsfähigkeit des Bereichs, auf das sich das QMS bezieht, besteht. Voraussichtlich werden aufgrund eines dargelegten QMS die Angebotsprodukte die Qualitätsforderung erfüllen. Ob das wirklich gelingt, hängt davon ab, ob das Qualitätsma nagementsystem der Organisation wirklich „gelebt wird“. Literatur
[1] EN 45014:1998-05 Allgemeine Kriterien für Konformitätserklärungen von Anbietern
Konformitätsbewertung
▶en: Evaluation of Confirmity ▶Zertifizierungssysteme Die Konformitätsbewertung ist das Verfahren, mit dem ein Produkt auf Übereinstimmung (Konformität) mit den Forderungen der anwendbaren EG-Richtlinien geprüft wird. Wenn das Produkt nach der Konformitätsbewertung mit diesen Forderungen übereinstimmt, kann der Hersteller die
EN-Term
▶en: configuration object ►Objekt in einer ►Konfiguration, das eine Funktion seines Verwendungszwecks erfüllt [Quelle: ISO 10007:2003, 3.5, geändert]
Konformitätsbewertung
Konstruktvismus EG-Konformitätserklärung ausstellen. Der Hersteller ist zur Konformitätsbewertung verpflichtet. Es gibt verschiedene Konformitätsbewertungsverfahren, die sich nach Art des Produkts unterscheiden.
Konformitätserklärung
▶en: Declaration of Conformity ▶Konformität
EN-Term
Der Gegenstand einer Konformitätserklärung ist nicht eingeschränkt. Das heisst, es kann die Konformität von Produkten, Prozessen, Personen, Stellen, Managementsystemen erklärt werden. In der Internationalen Norm ISO/IEC 17000 ist die Konformitätserklärung wie folgt definiert: „Erstellen einer Bestätigung (Bestätigung = Konformitätsaussage auf der Grundlage einer Entscheidung, die der Bewertung folgt, dass die Erfüllung festgelegter Forderungen dargelegt wurde) durch den Anbieter.“
Konformitätssicherung
▶Sicherstellung der Konformität ▶en: assurance of conformity Tätigkeit, die zu einer Erklärung führt, die Vertrauen schafft, dass ein Produkt, ein Prozess oder eine Dienstleistung mit festgelegten Anforderungen konform ist.
Anmerkung: Für ein Produkt kann die Erklärung die Form eines Dokuments, eines Etiketts oder anderer gleichwertiger Mittel haben. Sie kann auch in eine Mitteilung, einen Katalog, eine Rechnung, ein Benutzerhandbuch usw., die sich auf das Produkt beziehen, gedruckt oder daran angebracht werden. Normquelle: EN 45014:1998-05 Allgemeine Kriterien für Konformitätserklärungen von Anbietern ⟪Originalbegriff⟫
Konstruktions-FMEA
▶Qualitätskostenmanagement
Konstruktivismus
▶en: constructivism ▶Modellentwicklung im Qualitätsmanagement „Erfahrung ist nicht etwas, das Ihnen passiert; sie ist vielmehr das, was Sie mit dem tun, was Ihnen passiert.“ (Aldous Huxley)
Schon der Entwicklungspsychologe Piaget konnte empirisch nachweisen, dass der Mensch sowohl in der Wahrnehmung wie auch im Handeln seine Realität nicht passiv abbildet, sondern aktiv erschafft. Piaget betont gerade, dass die Aneignung des Erfahrungsschatzes sich in einem aktiven Aufbau kognitiver Strukturen vollzieht. Kognitivistische Ansätze teilen die Annahme, dass Erkenntnis nicht auf einer Korrespondenz mit der externen Wirklichkeit beruht, sondern immer nur auf „Konstruktionen“ eines Beobachters. Erkenntnis ist Entdeckung der Wirklichkeit – nicht im Sinne einer progressiven Enthüllung vorab existierender Objekte, sondern im Sinne der „Erfindung“ externer Daten. Vorgänge im Kopf werden also unter dem Begriff Konstruk tivismus zusammengefasst. Dass es gerade darum im Qualitätsmanagement immer auch geht, belegt ►Kamiske mit seiner Formel: „Qualität = Geist + Technik“. Drei Spiel-
Konstruktivismus arten des Konstruktivismus unterscheidet Chr. Scholz in seiner Strategischen Organisation [1]: ◼ Sozialkonstruktivismus ◼ Kommunikationstheoretischer Konstruktivimus ◼ Radikaler Konstruktivismus Sozialkonstruktivismus: Gesellschaft ist nicht biologisch abzuleiten, wohl aber bedingt die biologische Verfassung des Menschen die Gesellschaft. Durch Interaktion mit anderen entsteht Gesellschaft. So ist Gesellschaftsordnung immer ein Produkt des Menschen. Drei Mechanismen konstitutieren nach Berger und Luckmann [2] den Prozess, eine objektiven Realität zu erzeugen: ◼ Durch Habitualisierung werden beim einzelnen Span nungen mittels Routine reduziert. ◼ Durch Institutionalisierung werden Hand lungen mit anderen Menschen zusammen wiederholt wechselseitig reproduziert. Hier spielt die Sprache als Zeichensystem eine zentralle Rolle. Sie bildet die Grundlage eines kollektiven Wissensbestandes. ◼ Durch Legitimierung erlangen die institutionalisierten Sinnwelten von Gruppen gesellschaftliche Realität, sie werden zu gesellschaftlichen Produkten. Widersprüche werden in institutionellen Prozessen integriert. Die Gesellschaft als Ganze erhält Sinn. Durch Sozialisierungsprozesse (primäre und sekundäre) werden innere und äußere Realität zueinander vermittelt. Dieser Prozess ist nie abgeschlossen, subjektive und objektive Realität entsprechen sich nie wirklich, sondern befinden sich ständig in Wechselwirkung. Beharren, Wandel und Anpassung sind somit sowohl eine Funktion der drei Mechanismen wie auch zeitabhängig vom je spezifischen nach Art und Intensität wirkenden Sozialisationsprozess. Entscheidend ist, dass die Abstraktion der Legitimationsprozesse ‚runtergebrochen‘ wird auf institutionelle und habituelle Ebene und somit für das Individuum konkret wird. Kommunikationstheoretischer Konstruktivismus: Die von Paul Watzlawick entwickelte konstruktivistische Kommuni ka tions theorie postuliert die Nichtexistenz ei ner absoluten Wirklichkeit. Wirklichkeit konstruiert sich über die Ebenen einer ersten und zweiten Ordnung: Während in der ersten Ordnung die physischen Objekte weitgehend als real angenommen werden, basiert die Wirklichkeit zweiter Ordnung auf Zuschrei bungen. Die Wirklichkeit zweiter Ordnung wird auf der Grundlage von Kommunikation hergestellt. In Kommunikationsprozessen wird der Realität Sinn und Wert, also Wahrheit zugeschrieben. Bezugspunkt für Zuschreibun gen ist die Wirklichkeit erster Ordnung. Ziel guter Kommu nikation ist es Konfusion durch Kommunikationsstörungen und -verzerrungen zu vermeiden und kommunikativ stabile Wirklichkeiten zu schaffen. Kommunikationsstörungen und dadurch hervorgerufene Realitätsverzerrungen sind strukturell und prozessual bedingt und nie völlig zu neutralisieren. Insofern ist Kommunikation und deren Ergebnis immer irgendwie konfus und paradox.
585
K
Konstruktivismus
K
Fazit: Der Konstruktivismus mit seinem Gedankengut prägt nicht nur die damit direkt befaßten Disziplinen, wie die kognitivistisch orientierte Psychologie, sondern auch das Organisationsmanagement und das Qualitätsmanagement (s. v. a. ►Modellentwicklung im Qualitätsmanagement). Scholz bemerkt treffend, dass ein Organigramm eben nicht nur eine funktionale Aufgabenverteilung darstellt, sondern auch eine spezifische Wirklichkeit in den Köpfen der Organi sationsmitglieder entstehen läßt, die es mindestens ebenso zu berücksichten gilt, wie die physische Ausstattung der Arbeits plätze [6]. Die Implikationen des Konstruktivismus für das Qualitätsmanagement zu erforschen, sollte lohnenswerten Studien gewidmet werden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Scholz, Chr.: Strategische Organisation. Landsberg/Lech: mi 1997, S. 28-33 [2] Berger, P. u. Luckmann, Th.: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt a.M. 1980 [3] Watzlawick, P. (Hrsg.): Die erfundene Wirklichkeit. Woher wissen wir, was wir zu wissen glauben? Beiträge zum Konstruktivismus. München 1981 [4] Einen ersten Zugang vermittelt: Glasersfeld, E. v.: Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffes der Objektivität. In: Gumin, H.; Meier, H. (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus. MünchenZürich 1992, S. 9-39. Lexikalisch erschlossen ist der Ansatz in: Strube, G. (Hrsg.): Wörterbuch der Kognitionswissenschaft. Stuttgart 1996 [5] s. [1], S. 31; [6] s. [1], S. 31
586
Kontext der Organisation
▶en: context of the organization Kombination interner und externer Themen, die eine Auswirkung auf die Vorgehensweise einer ►Organisation hinsichtlich der Entwicklung und des Erreichens ihrer ►Ziele haben kann
Anmerkung 1 zum Begriff: Die Ziele der Organisation können sich auf ihre ►Produkte und ►Dienstleistungen, Investitionen und Verhaltensweisen gegenüber ihren ►interessierten Parteien beziehen. Anmerkung 2 zum Begriff: Der Begriff des Kontexts der Organisation gilt gleichermaßen für gemeinnützige oder öffentliche Dienstleistungsorganisationen, wie auch für gewinnorientierte Organisationen. Anmerkung 3 zum Begriff: Im Englischen werden für diesen Begriff häufig andere Benennungen verwendet, wie z. B. „business environment“, „organizational environment“ oder „ecosystem of an organization“. Anmerkung 4 zum Begriff: Das Verständnis der ►Infrastruktur kann hilfreich sein, den Kontext der Organisation festzulegen. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
KonTraG
▶Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich | ▶Corporate Governance | ▶Risk Management Das KonTraG trat am 01.05.1998 in Kraft und hat zum Ziel, die ►Corporate Governance in deutschen Unternehmen zu verbessern.
Kontaktpunktanalyse
▶D7-Q-Techniken für Dienstleister
Konvoi-Effekt
Konsensbereitschaft und Arbeitsverhalten einer Gruppe richtet sich nach dem jeweils ‘Inkompetentesten’ ihrer Mitglieder. Der Begriff bezieht sich auf die Situation des Seekriegs, wo Handelsschiffe von eigentlich schnelleren Kriegsschiffen ein Schutzgeleit erhalten. Konvoi-Verhalten bedeutet letztendlich falsche Solidarisierung unter den Gruppenmitgliedern und erfordert – je nach Situation – entsprechende Problem lösungen. Für solche angemessenen Problemlösungen sollten sich dann auch die Gruppenmitglieder im offenen Gespräch aussprechen.
Kooperation
Von Konsensbereitschaft geprägte auf vertrauensvolle Zusammenarbeit basierende Form der Arbeitstätigkeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitern bzw. in Arbeitsgruppen. Kooperation ist die notwendige Folge der Arbeitsteilung und der zunehmenden Spezialisierung auf wissenschaftlichem und berufspraktischem Gebiet. Auf der Basis gemeinsamer Interessen vollziehen sich Zielfindung, Planung, Ent scheidung, Durchführung und Kontrolle.
ISO-Term
Radikaler Konstruktivismus [4]: Da dem menschlichen Gehirn aufgrund seiner operationalen Geschlossenheit kein direkter Zugang zur Außenwelt möglich ist, bewegen wir uns immer in einer subjektiv konstruierten Welt. Diese permanente Fiktion ist objektiv nicht zu überprüfen. Das Gehirn bezieht sich als nicht-triviale Maschine in seinen Zuständen immer wieder auf sich selbst, d.h. vorherige Zustände (Selbstreferenz). Nur durch Beobachter ist es möglich die existierende Wirklichkeit zu transferieren und passend zu machen („fit“). Wirklichkeit wird durch Konsens mit anderen erfunden. Wirklichkeit ist damit abhängig von den Erfahrungen anderer. Folglich ist Wissen auch immer abhängig vom jeweiligen Beobachter, mit dem ich interagiere [5]: „Wissen ist dementsprechend die Konstruktion und Erhaltung von Invarianzen, während Lernen die gesteigerte Fähigkeit zur Kontrolle und Regulierung von Sinneseindrücken und Referenzsignalen darstellt.„
Kooperation
ISO-Term
Korrektur
KPL-Techniken
Korrektur
mischem Erfolg [3]. Allerdings zeigt die praktische Erfah rung, dass diese Erfolgskette keinen Automatismus darstellt. So sind zahlreiche Fälle von Unternehmen bekannt geworden, die trotz intensiver Bemühungen um die Erstellung forderungsgerechter Leistungen sowie die Schaffung einer unternehmensweiten ►Kundenorientierung keinen ökonomischen Erfolg hatten [4]. Ursache hierfür sind diverse moderierenden Faktoren, die eine Linearität der postulierten Zusammenhänge verhindern [5]. Demnach kann nicht zwingenderweise mit der Erzielung ökonomischen Erfolgs durch das Qualitätsmanagement gerechnet werden, so dass jede Qualitätsaktivität auf ihre Profitabilität hin zu überprüfen ist.
▶en: correction ▶Korrekturmaßnahme Maßnahme zur Beseitigung einer erkannten ►Nichtkonformität
ISO-Term
Anmerkung 1 zum Begriff: Eine Korrektur kann im Vorfeld, im Zusammenhang mit oder nach einer ►Korrekturmaßnahme vorgenommen werden. Anmerkung 2 zum Begriff: Eine Korrektur kann z. B. ►Nacharbeit oder ►Neueinstufung sein. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Korrekturmaßnahme
▶en: corrective action Maßnahme zum Beseitigen der Ursache einer ►Nichtkonformität und zum Verhindern des erneuten Auftretens
Anmerkung 1 zum Begriff: Für eine aufgetretene Nichtkonformität kann es mehr als eine Ursache geben. Anmerkung 2 zum Begriff: Eine Korrekturmaßnahme wird ergriffen, um das erneute Auftreten einer Nichtkonformität zu verhindern, während eine ►Vorbeugungsmaßnahme ergriffen wird, um das Auftreten der Nichtkonformität zu verhindern. Anmerkung 3 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition wurde durch Hinzufügen der Anmerkungen 1 und 2 zum Begriff geändert. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Korrelations-Diagramm ▶Q7
Kosten
▶Qualitätsbezogene Kosten
Kosten der Abweichung
▶ Null-Fehler-Management
Kosten-Nutzen-Analyse des Qualitätsmanagements ▶Qualitätsbezogene Kosten
In zahlreichen Branchen wird der Qualität von Unternehmen und ihren Leistungen die Rolle eines zentralen Wett bewerbsfaktors zugesprochen. Ein wesentlicher Grund hierfür ist in der möglichen Erzielung von Erlössteigerungen und Kostensenkungen durch Maßnahmen des ►Qualitäts managements zu sehen. Weiterhin fördern die Ergebnisse empirischer Studien, die sowohl auf der Ebene des Gesamt unternehmens [1] als auch auf der Ebene der Kundenbezie hungen [2] einen positiven Zusammenhang zwischen Quali tätsmanagement und ökonomischem Erfolg nachweisen, die Überzeugung von der Allgemeingültigkeit der Erfolgskette des Qualitätsmanagements über – durch Verbesserungen von ►Kundenzufriedenheit und Kundenbindung induzierte – Er lössteigerungen sowie Kosten sen kun gen zu ökono-
In seinem nach wie vor zutreffendem Werk zur Wirtschaftlichkeit des Qualitätsmanagements [6] führt Manfred ►Bruhn in die Kosten-Nutzen-Analyse des Qualitätsmanagements ein. Zu diesem Thema liegen aktuell keine weiteren Monografien vor. Literatur
[1] Fritz, W.: Marktorientierte Unternehmensführung und Unternehmenserfolg, in: Marketing ZFP, 15. Jg., Nr. 4, 1993, S. 243 [2] Reichheld, F.F.; Sasser, W.E.: Zero Defections. Quality Comes to Services. In: Harvard Business Review, Vol. 68, No. 5, 1990, S. 106 [3] Heskett J.L.; Jones, T.O.; Loveman, G.W.; Sasser, W.E.; Schlesinger, L.A.: Dienstleister müssen die ganze Service-Gewinn-Kette nutzen. In: Harvard Business Manager, 16. Jg., Nr. 4, 1994, S. 51 [4] Rust, R.T.; Zahorik, A.J.; Keiningham, T.L.: Return on Quality. Measuring the Financial Impact of Your Company´s Quest for Quality, Chicago 1994, S. 2 [5] Homburg, C.; Faßnacht, M.: Kundennähe, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bei Dienstleistungsunternehmen. In: Bruhn, M.; Meffert, H. (Hrsg.): Dienstleistungsmanagement. Grundlagen, Konzepte, Erfahrungen, Wiesbaden 1998, S. 405-428 litätsmanagements. [6] Bruhn, M.: Wirtschaftlichkeit des Qua Qualitätscontrolling für Dienstleistungen, Springer: Berlin-Heidelberg 1998. S. 113 [6] Bruhn, M.: Wirtschaftlichkeit des Qua litätsmanagements. Qualitätscontrolling für Dienstleistungen, Springer: Berlin-Heidelberg 1998. S. 113
KPL-Techniken
▶Kreative Problemlösungs-Techniken ▶Innovationsmanagement „Wer etwas Neues unternimmt, der riskiert auch etwas, wer nichts unternimmt, der riskiert am Ende alles.“ (G.G. Wiese)
Besonders innovative Hochleistungsteams brauchen die strategische Zielorientierung. Praktiker und Entwickler orientieren sich in Zukunft vermehrt an einem ►Innovationsma nagement, das durch den Einsatz von KPL-Techniken das je spezifische Kreativitätspotential in effektiver Form entfaltet. Die Sicherung langfristiger Erfolge fordert im Unternehmen die konstruktive Lenkung und ein Management des Innova tions- und Kreativitätspotentials. Möglichkeiten und Herausforderungen können in den acht Phasen des Kreativitätsprozesses durch den professionellen Einsatz wirkungsvoller und bewährter kreativer Problemlö-
587
K
KPL-Techniken
KPL-Techniken
sungs- (KPL-)Techniken effektiv gemeistert werden (Abbildung K13): Abb. K13: Die acht Stufen des kreativen Problemlösungsprozesses Analyse des Umfeldes
Erkennen des Problems
ProblemIdentifikation Annahmen aufstellen Alternativen entwickeln Alternativen auswählen
Kontrolle
K
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Implementierung
Analyse des Umfelds Problemerkennung Problemidentifikation Aufstellung der Annahmen Entwicklung der Alternativen Bewertung und Auswahl der Alternativen Implementierung bevorzugter Lösungen Kontrolle und kontinuierliche Verbesserungen
Die in Higgins & Wiese [1] im Anschluss an diese, in der Abbildung skizzierten acht Phasen, beschriebenen KPL-Tech niken werden die Unternehmen bei der Schaffung zielorientierter Innovationen wirkungsvoll unterstützen. Der Urquell bedarfsgerechter Innovationen ist die Kreativität (lat. creare). Kreative Energie (unerschöpfliche Ressource) entsteht aus unseren unbefriedigten Bedürfnissen. Durch diese Form der Innovation entsteht ein Nutzen für das Indivi duum, das Team, die Organisation oder die Gesellschaft. Aus dieser Sicht kann eine Organisation langfristige Gewinne mit Kreativität nur erwirtschaften, wenn sie diese Kräfte in bedarfsgerechte Innovationen umwandelt. Progressive Manager sind ständig bestrebt, originelle Ideen und Konzepte zu entwickeln, um diese wirtschaftlich in be darfsgerechte Innovationen umzusetzen. Diese Prozesse stellen gewöhnlich eine kreative Leistung dar. Es gibt auch zahl reiche originelle Ideen und Konzepte, die weniger mit ihrem wirtschaftlichen Wert überzeugen können. Wenn durch den professionellen Einsatz von KPL- Techniken eine zielorientierte Lenkung und Management der kreativen Energieströ me gesichert wird, entstehen Innovationen, die einen signifikanten Wert für Individuen, Organisationen und Gesellschaft besitzen. Mit dem Begriff bedarfsgerechter Wert nähert sich die Kreativität der hier vertretenen Definition der Innovation. In diesem Zusammenhang sind Organisationen mit ihrem Management, Teams und den einzelnen Mitarbeitern bestrebt, ständig originelle Ideen und Konzepte zu entwickeln und effektiv umzusetzen. Mit der so entstandenen Kreativität
588
kann eine Organisation erst erfolgreich sein, wenn es diese wirtschaftlich in eine bedarfsgerechte Innovation umgewandelt hat. Diese Innovationen können in den verschiedensten Bereichen einer Organisation entstehen. Bei diesen Prozessen treffen wir auf die Notwendigkeit, zwischen originellen und konstruktiv-kreativen Ideen (Kreationen) zu unterscheiden. Möglichst früh sollten wir herausfinden, ob eine bestimmte kreative Idee genügend Wert besitzt, um eine bedeutende und im Markt gefragte Innovationsentwicklung entstehen zu lassen. Wie unschwer erkennbar ist, birgt der Kreativitäts- und der Innovationsprozess nichts mystisches. Dies ist auch aus der folgenden Erkenntnisliste zu entnehmen: ◼ Alle Menschen haben kreative Fähigkeiten, unterschiedlich in der Orientierung, Qualität und Ausmaß ◼ Unser natürliches Verhalten birgt das Potential der „unerschöpflichen Ressource“ (Motivations- und Kreativitäts energien) ◼ Kreativität kann durch Erfahrungen und Wissen konstruktiv geändert werden ◼ Durch konstruktives Erleben und Einsicht bleibt Kreativität entwicklungsfähig ◼ Flexibilität, Mut und Rücksichtnahme stärken die Kreativität, Ängste wirken hemmend ◼ Der professionelle Einsatz der KPL-Techniken verbessert die Qualität und Originalität unserer Handlungen ◼ Bedarfsgerechte Innovationen entstehen am besten durch den konstruktiven und wirtschaftlichen Einsatz der „unerschöpflichen Ressource“ ◼ Ohne bedarfsgerechte Innovationen ist eine lebenswerte Zukunft nicht gesichert Wettbewerbsvorteile der modernen Industriegesellschaften entstehen maßgeblich aus der situationsbestimmten Har monisierung einer relativ hohen Differenzierung und relativ wirtschaftlichen Kosten im Leistungsangebot. Jeder mit gehobenen Kreativitäts- und Innovationsansprüchen sollte nicht vergessen, dass am Ende nur der Markt belohnt und bestraft. Dipl.-Ing. Gerold G. Wiese, Münzenberg Anmerkung und Literatur
[1] Higgins, James M. u. Wiese, Gerold G.: Innovationsmanagement. Kreativitätstechniken für den unternehmerischen Erfolg. Berlin 1996 [2] Czichos, R.: Kreativitit und Chaos-Management. München u.a. 1993 [3] De Bono, E.: Laterales Denken. Düsseldorf 1989 [4] Higgins, James M. u. Wiese, Gerold G.: Innovations-Strategien. Stuttgart 1998 [5] Kirckhoff, M.: Mind-Mapping: die Synthese von sprachlichem und bildhaftem Denken. Berlin 1990 [6] Koestler, A. Der göttliche Funke. Der schöpferische Akt in Kunst und Wissenschaft. Bern 1966 [7] Ladensack, K.: Kreativität im Management. Heidelberg 1992 [8] Linde, H.-J.: Erfolgreich erfinden: widerspruchsorientierte In
KPI
Krisenmanagement
Begriff
novationsstrategie für Entwickler und Konstrukteure. Darmstadt 1993 [9] Malorny, Chr. et al.: Die sieben Kreativitätswerkzeuge K7. Kreative Prozesse anstoßen, Innovationen fördern. München-Wien 1997 [10] Schlicksupp, H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung. Würzburg 1992 [11] Watzlawik, P. et al.: Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels. 5. Aufl. Bern 1992 [12] Wiese, Geold G.: Kreatives Technologie-Management. Landsberg am Lech 1985 [13] Wiese, Gerold G.: Seminar Strategische Produktprozess- und Geschäftsentwicklungen. Frankfurt am Main 1994
KPI
▶Key Performance Index | ▶Key Performance Indicator Kennzahl zur Ermittlung und Messung des Erfüllungsgrades wichtiger Zielsetzungen oder kritischer Erfolgsfaktoren.
Kreativitätstechniken ▶KPL-Techniken ▶Qualitätstechniken
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Brainstorming Osborn-Checkliste Mind-Mapping Progressive Abstraktion Morphologischer Kasten Methode 635 Synektik-Sitzung Visuelle Synektik Reizwort-Analyse
(K1) (K2) (K3) (K4) (K5) (K6) (K7)
Die Techniken werden in einem bestimmten Zusammenhang gesehen. Die jeweilige Technik entfaltet ihre Wirkung erst richtig, wenn Sie auf bestimmte spezifische Problembereiche bezogen wird. Es werden drei Bereiche unterschieden: Analyseprobleme, Suchprobleme und Konstellationsprobleme. Auch Hinweise zur Auswahl werden gegeben. Ob die Anwendung so ganz umstandslos ohne externe Hilfe im Betrieb gelingen kann, mag dahingestellt sein. Verdienstvoll ist jedenfalls, dass es den Autoren gelungen ist, einen einsehbaren Zusammenhang zwischen den Kreativitätstechniken zu schaffen und diese in einem plausiblen Schema zu präsentieren. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
[1] Malorny, Chr.; Schwarz, W.; Backerra, H.: Die sieben Kreativitätswerkzeuge K7. Kreative Prozesse anstoßen. Innovationen fördern. München-Wien: Hanser 1997
Kreislaufwirtschaftsgesetz
▶KrWG ▶Nachhaltigkeit Das KrWG ist das zentrale Bundesgesetz des deutschen Abfallrechts. Zweck des Gesetzes ist es, die Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen zu fördern und den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen sicherzustellen sowie insbesondere das Recycling und die sonstige stoffliche Verwertung von Abfällen zu fördern. Die derzeit letzte Änderung des Gesetzes ist am 1. Mai 2014 in Kraft getreten. Hinweis: Europäisches und deutsches Abfallrecht sind nicht vollständig deckungsgleich. In der Regel stellt Deutschland strengere Forderungen, auch weil hier die Abfallwirtschaft schon weiter entwickelt ist, als andere Mitgliedsstaaten.
Krisenmanagement
▶en: crisis management ▶Katastrophenmanagement ▶Risikomanagement
K
1 Zum Begriff der Krise Krisen entstehen, wenn Prozesse derart eskalieren, dass sie eine Organisation in ihrer Existenz gefährden. Unter einer Krise wird in der Unternehmensführung eine Gefährdung des Fortbestehens (des Überlebens, der Existenz) eines Unternehmens oder eines wesentlichen Unternehmensbereichs verstanden. Krisen entstehen, weil Prozesse in der Organisation negativ verlaufen und zu negativen Wirkungen/Gefährdungen führen. – Bewusst herbeigeführte Krisen im Sinne Schumpeters fallen nicht unter diesen Krisenbegriff. Krisen können durch viele ganz unterschiedliche Prozesse ausgelöst werden [1]: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
“Finanzierung (zu hoher Anteil an Fremdkapital) Beschaffung (Verlust von Zulieferfirmen) Produktion (veraltete Produktionstechniken) Forschung und Entwicklung (keine eigenen Patente, Abhängigkeit von Lizenzen) Führungsprozess (inflexibles Management) Organisation (starre Hierarchie ohne Anpassungsfähigkeit, Bürokratie) Personal (mangelhaftes Engagement der Mitarbeiter, hohe Fluktuation, mangelnde Mobilität).“ Imageverlust/Kaufzurückhaltung (verursacht durch Pro dukte mit erheblichen Fehlern nach der Auslieferung).
Man unterscheidet zwischen internen und externen Prozessen, die zur Krise führen können. Merkmale wie Dringlich-
589
Begriff
Aus der Vielzahl an Kreativitätstechniken wurden aus der Sicht des Qualitätsmanagements sieben ausgewählt, die von den Autoren in Anlehnung an die Q7 und M7 als K7 bezeichnet wurden. „Die vorgestellten Sieben Kreativitätswerkzeuge (K7) sind so zusammengestellt, dass sie sich für alle Situationen eines Unternehmens eignen, in denen neue Ideen gesucht werden.“ [1] So argumentieren die Autoren, indem sie auf die Phasen „Definitions- und Entwicklungsphase“ und Entwicklungs- und Produktionsphase’ verweisen. Dem nach Kreativitätstechniken suchenden Mitarbeiter werden sowohl bekannte klassische wie auch moderne Techniken vorgestellt:
Literatur
Krisenmanagement keit, Überraschendheit, Ungewißheit und auch das Auftreten von Diskontinuitäten zeichnen oft Krisen aus. Diese Merkmale sind jedoch dem Krisenbegriff nicht inhärent, sie ergänzen ihn [2]. 2 Krisentypologie Krisen lassen sich in drei typische Phasen einteilen: ◼ Potentielle Krisen ◼ Latente Krisen ◼ Aktuelle Krisen. Nach der Art der Verursachung lassen sich natürlich, menschlich, technisch, politisch und ökonomisch verursachte Krisen unterscheiden. Empirischen Untersuchungen zufolge sind die folgenden Krisenursachen besonders häufig [3]:
K
◼ „Fehlentscheidungen bei der Besetzung von Führungspositionen … ◼ Fehler bei der Gestaltung des Produktprogramms … ◼ Unzulängliche Berücksichtigung langfristiger Trends auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten … ◼ Fehler bei der Einschätzung des ökonomischen Potentials neuer Technologien … ◼ Fehler bei konstitutiven Unternehmensentscheidungen, wie etwa bei dem Unternehmensstandort … ◼ Mängel bei der Ausgestaltung von Informationssystemen für Planungs- oder Kontrollaufgaben …“ Eine Typologisierung verkompliziert sich noch durch die Bündelung von Krisenursachen (Multi- oder Polykausalität). 3 Allgemeines Krisenmanagement als systematischer Umgang mit Krisensituationen Während sich das ►Risikomanagement mit potentiellen Krisen befasst, ist es Aufgabe des Krisenmanagements, mit und nach dem Eintreten einer Krise den möglicherweise entstehenden personellen und/oder materiellen Schaden zu bekämpfen, einzudämmen und schließlich die Krise zu beenden [4]. Daran anschließend lässt sich mit Koschnick der Aktionsbereich des Krisenmanagements skizzieren [5]: „Unter Krisenmanagement versteht man drei Aktivitätsbereiche des Managements, die darauf zielen, Krisen zu bewältigen: ◼ Krisenwahrnehmung, ◼ Analyse und ◼ Problemlösung, Aktionsplanung und Bewältigung.“ Dem präventiven Krisenmanagement wird Priorität eingeräumt. Sog. „Early Warning Systems“, z. B. Kennzahlen in ►Balanced Scorecards zeigen frühzeitig kritische Trends an. Das Krisenmanagement-System einer Organisation lässt sich in die Balanced Scorecard integrieren. Wer kein Krisenma nagement-System implementiert hat, dem fehlen die Voraussetzungen für die Steuerung und Handhabung aktueller Krisen. Proaktivem Krisenmanagement fehlt heute allerdings noch das Wissen (►Wissensmanagement), um komplexe
590
Krisenmanagement multiple Krisenursachen zu managen. Deshalb verbleibt Krisenmanagement heute noch oft darauf konzentriert, Krisen linear-kausal zu interpretieren. Systemtheoretische Ansätze sind noch nicht so ausgereift, um für den Praktiker handhabbar zu sein. Beindruckend war die Krisenstimulation einer PepsiCo Division [5]: „Ihr Präsident löste eine künstliche Unternehmenskrise aus, in deren Verlauf die bisherige Organisationsform in 107 kundenorientierte dezentrale Einheiten zerschlagen wurde. Es erfolgte eine grund sätzliche Restrukturierung der Ge schäftsprozesse, obwohl die aktuelle Ertragslage des betroffenen Pepsi-Cola Geschäftsbereichs keinen Anlass zur Klage bot.“ Diese Aktion ist in die Geschichte des Krisenmanagements sehr plastisch als „Doomsday management“ bezeichnet worden. Der reaktive Umgang mit aktuellen Krisen lässt sich wie folgt kategorisieren: ◼ Repulsives Krisenmanagement ◼ Kompensierendes Krisenmanagement ◼ Ausschöpfendes Krisenmanagement Beim repulsiven Krisenmanagement lässt sich die Krise noch von dem betroffenen Un ternehmen beherrschen. Hier greift Sa nierungsmanagement. – Kompensierendes Krisenmanagement wird oft als Katastrophenmanagement bezeichnet. Das Verlöschen eines Unternehmens lässt sich nicht mehr abwenden. Kompensierende Maßnahmen sollen die wirtschaflichen Auswirkungen dämpfen. Ein solches liquidatives Krisenmanagement betraf vor einiger Zeit (1994) den Computer-Pionier Commodore, der seine Selbstauflösung einleitete. – Ausschöpfendes Krisenmanagement entspricht dem bewussten Herbeiführen einer Unter nehmenskrise. Hier greifen Techniken des ►Change Managements, um Restrukturierungen einzuleiten. 3 Krisenmanagement im Qualitätsmanagement Obwohl sich die grundsätzlichen Fragen nicht unterscheiden, soll auf einige Aspekte eingegangen werden, die das Qualitäts management besonders bei Krisen berühren. So tritt oft Kaufzurückhaltung ein, wenn ein Produkt fehlerhaft auf dem Markt erkannt wird und mit aufwendigen Rückholaktionen die Krise gemeistert werden muss, um dann das Vertrauen der Kunden neu zu gewinnen. Beispiele hierzu kommen immer wieder in die Fachpresse. Die folgenden Maßnahmen werden empfohlen [6] ◼ „Beseitigung des „Störfalles“ jeder Art, z. B. durch Umkonstruktion oder Änderung des Produktionsverfahrens; ◼ Abgrenzung des betroffenen Produktionsbereiches bzw. die Abgrenzung der Auswirkungen des gestörten Produk tionsverfahrens; ◼ Information der zuständigen Behörden und der Kunden bzw. der Öffentlichkeit;
Krisenmanagement ◼ Entscheidung über die Art der Beseitigung der gefährdeten oder gefährlichen Produkte, z. B. Durchführung einer Rückrufaktion oder Austausch beim Kunden; ◼ Durchführung der Aktion zur Beseitigung der gefährdeten oder gefährlichen Produkte.“ Krisenmanagement im Qualitätsmanagement stellt in der Regel nicht die Existenz- oder Überlebensfrage. Krisen beziehen sich hier auf eine mittlere Reichweite, die den latenten Krisen zugeordnet werden können, wenn die Probleme, die zur Krise geführt haben, abschließend nicht in den Griff zu bekommen sind. Festzuhalten ist, dass Krisenmanagement als Fortsetzung des ►Risiko Managements zu sehen ist und somit beide Ansätze konzeptionell miteinander zu verbinden sind. Risiko- und Krisenmanagement haben Ihren Niederschlag auch in der ►Planung des QM-Systems zu finden. Beispiel: Im touristischen Dienstleistungsbereich gilt das besonders. Der Reiseveranstalter, der auf Leistungsträger (Airline, Hotel) zurückgreift, wenn er die Pauschalreise durchführt, muss die Risiken kalkulieren, die eintreten können, wenn seine ►Unterlieferanten ihre Leistungen nicht erfüllen oder erfüllen können. Jedes Industrieunternehmen, das auf Leistungen von ►Unterlieferanten zugreift, sollte Situationen in der Planung seines QMS antizipieren und erfordliche Maßnahmen vorsehen. Innerhalb des kompensatorischen Krisenmanagements müssen ausgearbeitete Krisenmanagementpläne greifen. Schließlich soll noch erwähnt werden, dass zur optimalen Bewältigung jeder Krise eine wohldurchdachte Krisenkommu nikation gegenüber den Mitarbeitern, den Kunden und der Öffentlichkeit gehört. Hier muss mit viel Fingerspitzengefühl ein angemessenes „timing“ erfolgen. Es muss zwischen den Extremen „frühestmögliche“ und „spätestnotwendige Information“ abgewägt werden. Instrumente fehlen hier weitgehend, was bedeutet, dass auf die Kraft und das Vertrauen in die Intuition der zuständigen KrisenmanagerIn zu setzen ist. 4 Betrug als Auslöser von Krisensituationen Dem Qualitätsmanagement sind die Begriffe Fehler und Mangel im Umgang mit Krisen als eigene zentrale Begriffe inhärent. Sie sind genormt festgehalten und werden in den QM-Normen zur ISO 9000-Reihe berücksichtigt. Es liegt geradezu im Denkspektrum des Qualitätsmanagers davon auszugehen, dass zum Beispiel Unfällen fehlerhafte Produkte zugrundeliegen können. Doch von Betrug war im Qualitätsmanagement bisher nicht direkt die Rede. Dieser Sachverhalt grenzt zwar an, gehört aber nicht in den Zustandsbereich des Qualitätsmanagements. Die Situation hat sich im Jahr 2015 durch Bekanntwerden von manipulierter Software am Dieselmotor des Typs VW EA 189, der weltweit in ca. 11 Millionen Fahrzeugen des VW-Konzerns verbaut wurde, grundlegend geändert. Auch im Qualitätsmanagement muss sich mit Qualität befasst werden, die durch betrügerisches Handeln entstanden ist (►Qualitätsbetrug). Das Schema der Produktion von Qualität setzt beim Kunden und seinen Forderungen an,
Krisenmanagement kann aber durch bewusste Missachtung und Übertretung von gesetzgeberischen Forderungen zu Produkten führen, die sich durch Qualitätbetrug auszeichnen. Wer sich in Lehre und Praxis mit dem Qualitätsmanagement befasst, muss nicht nur den Fehler und seine Folgen ins Kalkül bringen, sondern auch die Ursachen thematisieren, die Menschen dazu veranlassen in betrügerischer Absicht die Qualität von Produkten zu manipulieren. Vorgehensweisen des repulsiven/reaktives Krisenmanagements greifen nur an der Oberfläche, Krisenkommunikation, mag sie noch so durchdacht sein, „beendet“ irgendwann die Krise. Nur das präventive Krisenmanagement vermag einen Ansatz zu bilden, der ins Qualitätsmanagement zu integrieren ist: Die meisten Krisen haben mehrdimensionale Ursachen und Symptome. Ihre Bewältigung erfordert folglich auch den Einsatz verschiedener Instrumente und Akteure, die einzubinden sind in eine zu formulierende Krisenmanagementstrategie. Frage: Existiert diese im Fall von VW? Wohl nicht! Jedenfalls findet sich in der Berichterstattung nichts darüber. Was nottut ist die Entwicklung eines Bezugsrahmens für ein präventives Krisenmanagement. Dabei muss nicht bei Null angefangen werden. Es lassen sich Prinzipien und Instrumente aus der Krisenprävention übertragen, so dass sog. Do-No-Harm-Leitprinzip [7], dem im hier übertragenen Sinn die Annahme zugrunde liegt, dass in jeder potentiellen Krise im status nascendi einerseits Kräfte und Strukturen vorhanden sind, die Betrug fördern oder aufrechterhalten. Übertragen auf das unternehmerische Krisenmanagement hieße das, „Kräfte und Strukturen“ zu identifizieren, die im Wertschöpfungsprozess selbst und in den bedingenden Strukturen betrugsrelevant sind. Keine leichte Aufgabe, aber lösbar, sowohl in praktischer wie auch theoretischer Absicht. Inwischen ist ja erkannt worden, dass Risiko- und Wissensmanagement der Disziplin des Qualitätsmanagements zugerechnet werden müssen. In Ableitung der obigen Ausführungen wird hier die Notwendigkeit betont Krisenmanagement als Element des Qualitätsmanagements zu sehen und in die Didaktik der Ausbildung der ►Q-Berufe einzubeziehen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Koschnick, W. J.: Management. Enzyklopädisches Lexikon. Berlin-New York: de Gruyter 1995, S. 109 [2] Zelewsky, S.: Krisenmanagement. In: Corsten, H.; Reiß, M. (Hrsg.): Handbuch Unternehmungsführung. Kon zep te–Instru mente–Schnittstellen. Wiesbaden: Gabler 1995, S. 898 [3] s. [2], S. 899 [4] Kamiske, G. F.; Brauer, J.-P.: Qualitätsmanagement von A bis Z. 3. Aufl. München-Wien: Hanser 1999, S. 259 [5] s. [2], S. 902 [6] s. [4], S. 260f [7] OECD (Hg.), Do No Harm: International Support for Statebuilding, pdf über http://www.oecdbookshop.org
591
K
Kritische Abweichung
KTQ®-Modell
Kritische Abweichung
Durch die KTQ®-GmbH werden fünf freiwillige Zertifizierungsverfahren – in verschiedenen Zertifizierungsvarianten – für Einrichtungen im Gesundheitswesen angeboten. Als Zielrichtung der Zertifizierungen wird die Optimierung der Prozesse im Rahmen der Patientenversorgung benannt. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt der KTQ®Zertifizierungen im Krankenhausbereich. Das entsprechende Verfahren wird bereits seit 2002 im Regelbetrieb genutzt, wurde mehrfach überarbeitet und liegt seit 2012 als KTQ®Manual/Katalog 2009-2 für Krankenhäuser vor.
▶Auditfeststellung Bewertung einer ►Auditfeststellung. Eine (kritische) Abweichung (Nichtkonformität) ist dann gegeben, wenn ein komplettes, gefordertes Verfahren einer Normenforderung nicht erfüllt bzw. im Unternehmen nicht installiert ist. Die Nichterfüllung bezieht sich auf den ganzen Unterpunkt eines Kapitels. Dies beinhaltet sowohl die fehlende Planung als auch die fehlende wirksame Umsetzung. Eine (kritische) Abweichung, macht in jedem Fall eine ►Korrekturmaßnahme erforderlich. Erst nach der wirksamen Realisierung und Beseitigung der Abweichung (Nichtkonformität) kann ein Zertifikat erteilt werden.
KTA 1401
K
▶KTA-Regel 1401 Regeln des Kerntechnischen Ausschusses, die Minimalforderungen der höchsten Nachweisstufe für Kerntechnische Anlagen beschreiben. Die KTA 1401 (Allgemeine Anforderungen an die Qualitätssicherung, Fassung 2013-11) ist branchenspezifisch auf ortsfeste Kernkraftwerke sowie deren notwendige Unterlieferanten bezogen. Alle Regeln haben hohe Verbindlichkeit. Der Kerntechnische Ausschuss (KTA) besteht seit 1. Januar 2013. Informationen unter http://www. kta-gs.de.
KTQ®
▶Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen | ▶KTQ®-Modell Bei der KTQ® handelt es sich um einen Qualitätsstandard als Branchenlösung für Krankenhäuser, Rehabilitation, Pflegeeinrichtungen, alternative Wohnformen und Arztpraxen. Mitte der 90er-Jahre wurde die Gruppe KTQ® als Zusammenschluss von Verbänden auf Bundesebene gegründet mit dem Ziel der kontinuierlichen Qualitätsverbesserung im Krankenhaus. Das ►KTQ-Modell ist ein praxisbezogenes Verfahren zur Beurteilung der Qualität und der Sicherheit. Weiterhin ist es Ziel, die Transparenz der Leistungsqualität und die medizinische Leistung zu erhöhen sowie neue Qualitätselemente zu implementieren. Die KTQ GmbH ist heute ein wichtiger Anbieter von Qualitätsmanagement-Darlegungssystemen für Einrichtungen des Gesundheitswesens in Deutschland.
Web: www.ktq.de
KTQ®-Modell Die Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (KTQ®) wurde 2001 als gemeinnützige GmbH gegründet. Vorläufer war ein Pilotprojekt einiger Verbände im Gesundheitswesen, das durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert wurde. Gesellschafter der KTQ® sind die Spitzenverbände der Gesetzlichen Krankenkassen, die Bundesärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V., der Deutsche Pflegerat e.V. sowie der Hartmannbund – Verband der Ärzte Deutschlands e.V. [1].
592
Für den Rettungsdienst, Rehabilitationseinrichtungen, den niedergelassenen Bereich bestehend aus Praxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sowie für Pflegeeinrichtungen, -dienste, Hospize und alternative Wohnformen liegen weitere KTQ®-Verfahren mit den entsprechenden Manualen vor [2]. Alle KTQ®-Manuale orientieren sich an den sechs Kategorien des KTQ®-Modells (Abbildung K14): ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Patientenorientierung Mitarbeiterorientierung Sicherheit Informations- und Kommunikationswesen Führung Qualitätsmanagement.
In diesen Kategorien und den zugehörigen Subkategorien werden die zentralen Prozesse der Einrichtungen aus der Sicht des Patienten beschrieben und mit Punkten bewertet. Diese strukturierte Beurteilung ist in den KTQ®-Manualen beschrieben und folgt den Schritten des ►PDCA-Zyklus wie Abbildung K14 zeigt. Zunächst muss im „Plan“ die Planung der Prozesse und deren Sollzustand incl. der Regelungen zu Verantwortlichkeiten aufgezeigt werden. Dann folgt das „Do“, mit der Beschreibung des derzeitigen Ist-Zustandes der Umsetzung der Prozesse. Im „Check“ muss dargelegt werden mit welchen Kennzahlen, Messgrößen und Methoden die regelmäßige und nachweisliche Überprüfung der geplanten Prozesse erfolgt. Das „Act“ dient dazu bereits umgesetzte Verbesserungsmaßnahmen darzustellen, die aus den gemessenen Ergebnissen resultieren. Für alle vier Schritte des PDCAZyklus werden Punkte vergeben (je nach Erreichungs- und Durchdringungsgrad), wobei im „Do“ die höchste Punktzahl erlangt werden kann. Um ein Zertifikat zu erhalten, muss die Einrichtung in jeder der sechs Kategorien sowie in allen zusätzlich ausgewiesenen Kernkriterien 55 % der adjustierten Gesamtpunkte erreichen [1]. Im Rahmen des KTQ®-Bewertungsverfahrens sind vier Schritte zu durchlaufen (Abbildung K15): ◼ Eine Selbstbewertung durch die Einrichtung auf Basis des jeweils gültigen KTQ®-Manuals. Diese kann auch ohne anschließende Zertifizierung durchgeführt werden. ◼ Anmeldung bei einer der KTQ®-Zertifizierungsstellen – zehn stehen zur Auswahl – und Vorbereitung der KTQ®Visitation.
KTQ®-Modell
KTQ®-Modell
Abb. K14: Das KTQ©-Modell
Act
Plan
Patientenorientierung Qualitätsmanagement
Die inzwischen angebotenen Zertifizierungsvarianten erlauben es, dass nicht nur eine Einrichtung als Gesamtheit zertifiziert werden kann. Möglich sind jetzt auch Verbundzertifizierungen, vernetzte Zertifizierungen und Zertifizierungen einer Organisationseinheit [4].
Mitarbeiterorientierung
Patient Führung
Check
Sicherheit Informationsund Kommunikationswesen
Erfordernisse des Gesundheitswesens zugeschnittene Zertifizierungsverfahren mit hohem Bezug zum klinischen Arbeitsalltag. Das interkollegiale Peer-Review Verfahren sichert die Fachexpertise sowie den Praxisbezug der KTQ®-Visitoren [3].
Do
Die erweiterten gesetzlichen Forderungen der Qualitätsmanagement-Richtlinie für Krankenhäuser, mit den dort benannten Vorgaben zur Patientenorientierung, Patientensicherheit sowie zum Risiko- und Fehlermanagement werden im aktuellen KTQ®-Manual/Katalog für Krankenhäuser dezidiert abgebildet. Sicherheits- und risikorelevante Kriterien zählen zu den Kernkriterien, dies entspricht den gestiegenen Ansprüchen an die Sicherheit in Krankenhäusern [1/5].
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an [1, S. 11].
◼ Die Fremdbewertung durch die KTQ®-Visitoren, bestehend aus Kollegialen Dialogen, Begehungen der Einrichtung, einer Dokumentenprüfung sowie der Erstellung des KTQ®-Visitationsberichts. Die nebenberuflich tätigen Visitoren werden durch die KTQ® qualifiziert und akkreditiert. Nur im Gesundheitswesen tätige Führungskräfte mit einer Qualifikation im Bereich Qualitätsmanagement werden als KTQ®-Visitoren zugelassen. ◼ Die Zertifizierung und Veröffentlichen des KTQ®Qualitätsberichts auf der Homepage der KTQ® [1]. Stärken der KTQ®-Verfahren Die KTQ® bietet – insbesondere für Krankenhäuser – auf die Abb. K15: Ablauf des KTQ©-Bewertungsverfahrens
1 Selbstbewertung 2 Anmeldung und Vorbereitung
Schwächen der KTQ®-Verfahren KTQ® ist nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreitet, es fehlt die internationale Anerkennung. Die KTQ®-Verfahren sind keine vollständigen QM-Modelle, sondern bieten ausschließlich Manuale zur Nutzung im Rahmen der Zertifizierungsverfahren an [6]. Das KTQ®-Manual für die Altenpflege wurde seit der Ersterstellung nicht weiterentwickelt und entspricht nicht mehr den heutigen Forderungen an diesen Bereich [7]. Eine eingeschränkte Neutralität des Bewertungssystems wird vermutet, da die Selbstverwaltungspartner Gesellschafter der KTQ® sind, zudem findet die medizinische und pflegerische Ergebnisqualität bei der Bewertung der Kategorien unzureichend Berücksichtigung [3]. Der Aufwand für die Erstellung des Selbstbewertungsberichts nebst Qualitätsbericht ist erheblich, 70-90 Personentage müssen dafür je nach Größe der Organisation mindestens gerechnet werden, teilweise ist hierfür auch die Unterstützung eines externen Beraters notwendig [8].
3 Fremdbewertung
Die Selbstbewertungskataloge weisen teilweise Redundanzen auf und fördern ein checklistenartiges Vorgehen [6].
4 Zertifizierung und Veröffentlichung
Ein KTQ®-Zertifikat gilt für drei Jahre, jährliche Zwischenprüfungen sind nicht vorgesehen. Dies kann dazu führen, dass das Qualitätsmanagement nicht kontinuierlich betrie-
593
K
Kunde ben wird und sich Qualitätsaktivitäten hauptsächlich auf das Jahr der Zertifizierung konzentrieren.
Literatur
ISO-Term
Kunde
▶en: customer Person oder ►Organisation, die ein ►Produkt oder eine ►Dienstleistung empfängt oder empfangen könnte, welches oder welche für diese Person oder Organisation vorgesehen ist oder von ihr gefordert wird Beispiel: Verbraucher, Klient, Endanwender, Einzelhändler, Empfänger eines Produkts oder einer Dienstleistung aus einem internen ►Prozess, Nutznießer und Käufer. Anmerkung 1 zum Begriff: Ein Kunde kann der Organisation angehören oder ein Außenstehender sein. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Kundenbedürfnisse
▶en: customer needs Grundlegende Mangelgefühle der Zielgruppe, die mit dem Wunsch des Mangelausgleichs verbunden sind. Bedürfnisse sind in der Regel sehr unkonkret und weder produkt- noch markenbezogen. Kundenbedürfnisse müssen analysiert werden und dürfen nicht umstandslos als → Kundenforderungen verstanden werden. Es geht um die Frage, was der Kunde benötigt um den Mangel zu beseitigen.
Kundenbeteiligung
▶Dienstleistung ▶Messung der Dienstleistungsqualität
594
Kundenbindungsmanagement ▶Kundenorientierung
Kundendienst
▶en: customer service wechselseitige Beziehung zwischen einer ►Organisation und ►Kunden im Laufe des Produkt- oder Dienstleistungszyklus [Quelle: ISO 10002:2014, 3.5, geändert — Die Benennung „Dienstleistung“ wurde der Definition hinzugefügt] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Kundenerwartungen
Kundenforderungen
Begriff
K
▶Kundenorientierung ▶Kundenzufriedenheit
Begriff
[1] KTQ-GmbH (Hrsg.): KTQ-Manual, KTQ-Katalog ab 2009 für das Krankenhaus, Version 2. Berlin (Grimm), 2012 [2] Webseite der KTQ: www.ktq.de [3] Roes, M., u.a.: Grundlegende Kategorien im Qualitätsdiskurs. In: BUKO-QS (Hrsg.): Strategien der Qualitätsentwicklung in Pflege und Betreuung. Heidelberg (C. F. Müller), S. 133-156. 2006 [4] KTQ-GmbH: (2012): KTQ-Zertifizierungsvarianten. Berlin (KTQ) 2012 [5] Gemeinsamer Bundesausschuss: Qualitätsmanagement-Richtlinie Krankenhäuser – KQM-RL. Berlin (Bundesanzeiger) 2014 [6] Steinbrucker, S.: Qualitätsmanagementsysteme sind Pflichtprogramm: die Kliniken haben die Wahl. In: Radiologe 51 (10), S. 835843., 2011 [7] Rudert, B.; Kiefer, B.: Qualitätsmanagement. Mit Mind Maps einfach und effektiv. 2. Aufl. Hannover (Vincentz) 2013 [8] Brodermann,G.: KTQ. In: das Krankenhaus 8/2013, S. 794 -799
Kundenbindung
ISO-Term
Zusammenfassung Das KTQ®-Modell ist integraler Bestandteil der KTQ®Zertifizierungsverfahren für das Gesundheitswesen. Diese praxisorientierten Verfahren werden schwerpunktmäßig in Krankenhäusern zur Qualitätsdarlegung genutzt und sind eine Alternative zu Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 bzw. zu Bewertungsverfahren nach dem EFQM-Modell. Bettina Rudert, Essen
Kunden-Lieferanten-Beziehungen, Interne
▶en: customer expectations ▶Erhebungsmethoden Kundenforschung Kundenerwartungen sind definiert als sehr konkrete Forderungen seitens des Kunden an eine Marktleistung (Produkt oder Dienstleistung). Sie stützen sich häufig auf bereits gemachte direkte oder indirekte Erfahrungen, aber auch auf wahrgenommene Kommunikations- und Werbeaussagen so wie das Image des Anbieters. Oft sind die aufgebauten Kundenerwartungen auch das Ergebnis eines Vergleichs der am Markt angebotenen Problemlösungen, also mit dem, was der Kunde auch von anderen Unternehmen bekommen kann. ▶en: customer requirements Kundenforderungen sind die konkretisierten Kundenbedürfnisse, die sich in bestimmten Vorstellungen der Mangelbesei tigung manifestieren. Sie sind – bezogen auf die Grundfunktionen der Bedürfnisbefriedigung – schon relativ konkret formuliert und geben an, was der Kunde haben will.
Kundenforschung
▶Erhebungsmethoden Kundenforschung
Kunden-Lieferanten-Beziehungen, Interne
▶Interne KLB ▶Kunde | ▶Kundenrolle | ▶Kundenorientierung ▶Kundenzufriedenheit ▶Organisationsgestaltung ▶Ishikawa, Kaoru: „Der nächste Prozess ist der Kunde.“ ▶Prozessorientierte QM-Systeme 1 Bedeutung interner Kunden-Lieferanten-Beziehungen Nur wenn unternehmensintern die entsprechenden strukturellen und prozessualen Voraussetzungen geschaffen werden und alle an dieser Leistungserstellung Beteiligten miteinander kooperieren, können in Zukunft die hohen Erwartungen externer Kunden erfüllt werden. Dies erfordert eine neue Sicht der internen Kooperationsformen, wobei unter Kooperation allgemein verstanden werden soll, dass mehrere Personen
Kunden-Lieferanten-Beziehungen, Interne
Kunden-Lieferanten-Beziehungen, Interne
zielorientiert zusammenarbeiten und dabei die physischen, biologischen, psychischen und sozialen Komponenten der Kooperation Teil eines solchen Kooperationssystems (cooperative system) berücksichtigt werden. „Es genügt nicht, nur die technologischen Möglichkeiten eines Unternehmens auszuschöpfen; vielmehr hängt der Erfolg des intendierten Veränderungsprozesses in entscheidender Weise davon ab, inwieweit die Unter nehmensbeteiligten ihre Fähigkeiten und Kenntnisse – also ihre Humanpotentiale – einsetzen und kooperativ nutzen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, Ver trauen zwischen den Kooperationspartnern zu schaffen, denn nur auf der Basis eines solchen Vertrauens lassen sich in einer Kooperation qualitativ hochwertige Ergebnisse erzielen.“ [1]
lässt sich das Modell der internen KLB mit zwei miteinander kombinierbaren Varianten darstellen, die sich beide nur dann optimal gestalten lassen, wenn die Unternehmung prozess orientiert strukturiert ist [3]: ◼ Sequenzunabhängige interne KLB: Va riab le Schnittstellen, variabler In- und Output, lose Verbindung der internen Kunden und Lieferanten zueinander, oft unterstützende Funktionen, Projektgruppen etc. (Abbildung K16) ◼ Sequenzintegrierte interne KLB: Setzen Prozessmanagement-Modelle voraus, mit Hilfe derer Geschäftsprozesse Abb. K16: Sequenzunabhängige interne KLB
Mitarbeiter als interner 1 Kunde
Begriff
2 Was versteht man unter internen Kunden-Lieferanten Beziehungen? Zunächst einmal gilt, dass aus der Zugehörigkeit zu einer Unternehmung, die nach außen hin durch ein Arbeitsver tragsverhältnis dokumentiert wird, folgende Definition abzuleiten ist [2]: Interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen sind Beziehungen zwischen Mitgliedern desselben Systems Unternehmen, die durch Arbeitsverträge (auch zeitlich befristete) begründet sind.
Mitarbeiter als interner 2 Kunde
Mitarbeiter
Damit können Kunden-Lieferanten-Beziehungen, die zwischen rechtlich selbständigen Unternehmen bestehen, per Definition keine internen KLB’s sein (z. B. Zulieferbetriebe, Joint Venture-Partner etc.). Sachlich und rechtlich zu begründen ist es, den Unternehmerbegriff auf das Innenverhältnis anzuwenden (►Mitunternehmertum). Legitim und zutreffend ist allerdings eine marktwirtschaftliche Betrachtung: Der Markt wird ins Unternehmen geholt, d. h. jede Leistung, die im Unternehmen erbracht wird, wird den Steuerungsmechanismen von Angebot und Nachfrage unterworfen. Das verlangt ein Transformationsmanagement, das bei weitem mehr erfordert als bekannte Formen von Mit arbeiterführung, denn die Mitarbeiterrolle ist klar im Sinne des internen KLB-Modells zu konturieren. Grundsätzlich
als
Mitarbeiter als interner 3
interner Lieferant
Kunde
Mitarbeiter als interner 4 Kunde
Mitarbeiter als interner 5 Kunde
Abb. K17: Sequenzintegrierte interne KLB im Prozess – Doppelrolle der Mitarbeiter
Externe Unternehmung
Externe Unternehmung
Externer MA
Mitarbeiter 1
Mitarbeiter 2
Mitarbeiter 3
Externer MA
interner Kunde
interner Kunde
interner Kunde
interner Kunde
externer Kunde
externer Lieferant
interner Lieferant
interner Lieferant
interner Lieferant
interner Lieferant
Prozesse Externe Schnittstellen
595
K
Kunden-Lieferanten-Beziehungen, Interne entlang der Wert schöpfungskette organisiert wurden (Abbildung K17). Die in Abbildung K18 skizzierte Synopse illustriert die beiden Varianten interner Kunden-Lieferanten-Beziehungen. 3 Zum Konzept des internen Marktes Da sich – ebenso wie auf dem externen Markt – auf dem internen Markt Anbieter und Nachfrager gegenüberstehen, können sich in einem solchen Marktgeflecht auch unterschiedliche Marktformen herausbilden. Bei den Möglichkeiten von verschiedenen Marktformen ist zu unterscheiden, ob sequen-
Kunden-Lieferanten-Beziehungen, Interne zunabhängige oder -integrierte interne Kunden-LieferantenBeziehungen vorliegen. Es erfordert nicht nur organisatorisches Geschick die beiden Varianten interner KLB in die gestalterischen Überlegungen mit einzubeziehen, sondern zunächst grundsätzliche Entscheidungen über die Einführung systematischer prozessorientierter Organisationsformen zu treffen (Abbildung K18). Das Qualitätsmanagement hat hier eindeutige Aussagen zur Organisationsform ►Prozess management formuliert und sieht im Kunden-LieferantenDenken die folgenden Vorteile [4]:
Abb. K18: Sequenzunabhängie versus sequenzintegrierte Leistungen
K
Sequenzunabhängige interne Leistungen Interne Märkte: Anders als auf externen Märkten sind im inner betrieblichen Aus tauschverhältnis häufig Anbietermonopole zu finden, die einer Selbststeuerung des internen Marktgeschehens teilweise entgegenstehen. Eine solche Selbststeuerung ist umso wirksamer, je freier die Nachfrage im Unternehmen ihre Lieferanten wählen können, vorausgesetzt daß die internen Anbieter sich dem Wettbewerb mit externen Anbietern stellen. Sie sind auf Dauer nur dann existenzberechtigt, wenn sie Leistungen erbringen, die den Nachfragern einen Nutzen stiften, und wenn dieser Nutzen aus ihrer Sicht bezahlbar ist. Deshalb müssen sie sich an den Marktgegebenheiten orientieren und die internen Kunden mit wettbewerbsfähigen Leistungen versorgen. Die Kosten sind das Maß für wirtschaftliches Verhalten der internen Lieferanten. Jeder interne Lieferant muß daher bestrebt sein, marktfähige Kostenstrukturen aufzubauen und auch zu erhalten. Die Doppelrolle Kunde-/Lieferant kommt nur in abgeschwächter Form zum Tragen. So ist der interne Lieferant bei der Auftragsannahme ein interner Kunden von Informationen, welche er zur Erstellung der Leistung benötigt, nach Fertigungstellung der Leistung ist er dann interner Kunde für das Feedback, das er darüber von seinem Auftraggeber erhält. Gerade bei sequenzunabhängigen internen Leistungen haben die internen Lieferanten zuweilen Probleme damit, ihre eigentlichen internen Kunden zu identifizieren. Deshalb müssen allen Beteiligten sämtliche Besonderheiten des Arbeitsflusses bekannt sein. Nur derjenige interne Lieferant oder interne Kunde, der Klarheit über sein Beziehungsgeflecht hat, in das er eingebettet ist, kann seinen Aufgaben optimal nachkommen. Hierfür müssen Kontakte hergestellt werden und ein Austausch zwischen den internen Lieferanten und den internen Kunden stattfinden. Bei den Vereinbarungen über Art und Menge der zu liefernden Leistungen kommt der Kommunikation eine alles entscheidende Bedeutung zu.
596
Sequenzintegrierte interne Leistungen Interne Märkte: Der interne Markt ist entlang der Geschäftsprozesse als Kette von internen Kunden und internen Lieferanten zu verstehen. Von daher gelten hier die sequenzunabhängigen Leistungen nur eingeschränkt. Die internen KLB werden durch die Struktur des Prozesses vorgegeben, was zur Folge hat, daß die internen Kunden keine Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren Alternativen haben, die internen Liefanten also Monopolstellungen einnehmen. Unter der Marktleistung versteht man hier das Ergebnis des so strukturierten Leistungserstellungsprozesses mit all seinen Teilleistungen. In einem solchen Prozess müssen sich die Mitarbeiter gleichzeitig als interne Kunden des vorgeschalteten Prozessbe-teiligten sowie als interner Lieferant des nachgeschalteten Prozessbeteiligten sehen. Somit nehmen die Mitarbeiter eine Doppelrolle ein. Die Kunden und Lieferanten haben eine Doppelrolle zu erfüllen, die mit einem Rollentausch verbunden ist. Als interner Kunde erhält der Mitarbeiter von seinem internen Lieferanten eine interne Leistung. Gleichermaßen beliefert er als interner Lieferant seinen in der Prozeßkette nach ihm arbeitenden Kollegen mit einer eigenen Leistung, das bedeutet: Nahezu jeder Mitarbeiter und viele Organisationseinheiten sind interne Kunden und interne Lieferanten zugleich. Dieser Rollentausch und seine Doppelfunktionen führen zu einer enormen Beziehungsvielfalt. In einem solchen komplexen Kontext muß ein klar definiertes Geschäftsverhalten zwischen einzelnen Mitarbeitern, Bereichen oder Abteilungen definiert werden. Dies gelingt, indem man interne Vereinbarungen – z. B. allgemein verbindliche Rahmenbedingungen, vertieft durch spezifische Zielvereinbarungen – schafft, wobei diese so zu gestalten sind, daß in ihnen die jeweiligen Positionen, Rechte und Pflichten sowohl aus der Sicht der internen Kunden als auch aus der Sicht der internen Lieferanten, eindeutig festgelegt sind.
Kundenloyalität ◼ „Mittels des internen Kunden-Lieferanten-Denkens können durch methodisch gleiches Vorgehen sowohl die Be ziehungen zwischen Abteilungen oder Arbeitsbereichen als auch zwischen einzelnen Personen nach einheitlichen Maßstäben geklärt und gestaltet werden. ◼ Durch die Hervorhebung von Qualitätsbewusstsein und Kundenorientierung zu einem ganzheitlichen Konzept werden definierte Probleme gelöst und gleichzeitig Verhaltensänderungen bei den Mitarbeitern bewirkt. ◼ Durch die Behandlung konkreter Probleme der Zusammenarbeit ist eine sehr pragmatische Vorgehensweise gewährleistet. ◼ Das Kunden-Lieferanten-Denken passt universell sowohl zu allen Beziehungen innerhalb eines Unternehmens als auch zu allen Beziehungen mit externen Marktpartnern. ◼ Erfolgreich praktiziertes Kunden-Liefe ranten-Denken kann als eigenständiger Baustein Eingang in die Philosphie eines Unternehmens finden. ◼ Erfolgreich praktiziertes Kunden-Lieferanten-Denken ermöglicht nach und nach anspruchsvollere Qualitätsziele und deren Realisierung.“
Kundenorientierung begründet. Ein loyaler (überzeugter) Kunde kauft wiederholt bei einem Unternehmen, weil es der Wunsch des Kunden ist in eine Beziehung zu dem Unternehmen zu treten. Kunden loyalität setzt somit Kundenzufriedenheit voraus, aber nicht absolut, sondern relativ über die Loyalität zum Unternehmen.
Kundenmanagement ▶Kundenorientierung
Kundenorientierung
▶en: Customer Orientation | Customer Driven ▶Erhebungsmethoden Kundenforschung ▶Beschwerdemanagement ▶Kundenzufriedenheit ▶Kunden-Lieferanten-Beziehungen ▶Kundenrolle ▶Business Reengineering ▶Changemanagement „It ist the whole business seen from the point of view of it’s final result, that is, from the customer’s point of view.“ (P. F. ►Drucker 1954)
Künzel weist noch darauf hin, dass das Konzept der internen KLB auch ein gewisses Problempotential in sich birgt [5]. Betrachtet man die einzelnen Problempunkte, lässt sich allerdings erkennen, dass die angeschnittenen Fragen grundsätzliche organisatorische Probleme eines Veränderungsmanagements darstellen (►Changemanagement), die mit dem Verfolgen des KLB-Ansatzes letztendlich provoziert werden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
1 Kundenorientierung: Einführung in das Problem Heute bedeutet Kundenorientierung das ►Empowerment des Personals. Mehr unternehmerische Orientierung, Flexibilität und Selbstorganisation, keineswegs Handeln nach Anweisung gelten als der Weg, die Kunden zufrieden zu stellen. Kundenorientierung bezeichnet im engeren Sinne ein prominentes Managementkonzept mit vielen Ausprägungen und den Kernbegriffen ►Kundenzufriedenheit und ►Kundenbindung.
Literatur
Wirksam, aber zeitlich schon viel früher im Qualitätsmanagement thematisiert (so von ►Deming), wurde Kundenorientierung Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts als eine Strategie des ►Business Reengineering, mit der Organisationen so umgebaut werden sollten, dass sie stärker auf die Kundenwünsche und -erwartungen reagieren. Insbesondere im Dienstleistungsbereich wurde dies übersetzt in die Forderung an die Organisationen, die ►Qualität der Interaktionen der Dienstleister mit ihren Kunden zu verbessern und in diesem Sinne Arbeitsforderungen, Qualifizierungsmaßnahmen und Leistungsbewertungssysteme zu verändern.
[1] Künzel, H.: Management interner Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Wiesbaden (DUV/Gabler) 1999, S. 89f [2] s. [1, S. 91] [3] s. [1, S. 91f] [4] Gläbe, R.: Grundsätze und Ablauf ele men te des Qualitäts managementsystems nach DIN EN ISO 9004-2. In: Gläbe, R.; Thomann, H. J.: Qualitätsmanagement in Dienstleistungsunternehmen. Loseblattsammlung, Köln (TÜV-Verlag) 1999, Kap. 05100, S. 12 [5] s. [1, S. 177ff]
Kundenloyalität
▶en: customer loyalty ▶Kundenorientierung Im Mittelpunkt aller Bemühungen um ►Kundenzufriedenheit steht die Frage nach der Gewinnung loyaler, also treuer Kunden. Ein loyaler Kunde hat nun nicht bestimmte Charakter eigenschaften, sondern bestimmt sich aus seinen Handlungen, die in Beziehung zu seiner Person, dem Objekt und dem Produzenten des Objekts, also dem Produkt zu sehen sind. Während Markenloyalität die Beziehung Kunde versus Produkt meint, verweist der Begriff Kundenloyalität auf das Dreiecksverhältnis Kunde – Produkt – Lieferant, wobei sich das entscheidende Charakteristikum des loyalen Kunden in der Freiwilligkeit aus Überzeugung gegenüber dem Lieferanten
Kundenorientierung ist zugleich ein Deutungsmuster, es geht um einen grundlegenden Einstellungswechsel: Die Qualität von Produkten und Dienstleistungen soll nicht mehr produkt-, sondern kundenbezogen definiert werden. Kundenzufriedenheit ist deshalb eine subjektivistische Kategorie: Nur was der Kunde als gut empfindet und nur was der Kunde zu brauchen glaubt, gilt als zufrieden stellend. Kundenorientierung positioniert das Marketing in dreifacher Weise im Deutungszentrum der Organisation. Zunächst gilt nun als ausschlaggebend für alle Unternehmensprozesse, dass im Marketing die Kundenwünsche, -bedürfnisse und -sichtweisen richtig identifiziert und übersetzt werden. Dann gilt es, den Wertschöpfungsprozess vom Ende, vom Kunden her
597
K
Kundenorientierung zu denken: Entwicklung und Produktion sind von der Kundenwahrnehmung her zu organisieren, die wiederum durch das Marketing definiert wird und als Forderung des Kunden Eingang findet. Und schließlich: Aufgabe des Marketings ist es, die Kundenbedürfnisse und -sichtweisen zu wecken und auszubilden. Nicht zuletzt hat es zu definieren, wen denn die Organisation als Kunden haben möchte und wen nicht, wie sie welche Kunden durch ihre Kommunikation anzieht oder abstößt. Das Marketing baut mit an den Kundenerwartungen, die das Handeln der Organisation orientieren sollen. Kundenorientierung definiert den Kunden als Souverän. Sie inthronisiert ihn als zentrale Autorität des Wirtschaftsgeschehens, als den „König“ in der Beziehung zum Produzenten und zum Dienstleister. Dieses Konzept der „Kundensouveränität“ unterstellt ihn als einen Akteur, der weiß, was er will, und der über das Vermögen verfügt, rationale bedürfnisgerechte Wahlentscheidungen zu treffen. Für den Konsumenten ist es einerseits eine ermächtigende Ressource, aber auch eine normative Erwartung, der er gerecht werden muss. Er muss zu dem Subjekt werden, als das ihn eine marktorientierte Konsumgesellschaft unterstellt.
K
Dementsprechend wird zwischen Kunde und Anbieter eine normative hierarchische Beziehung errichtet: Die Kundenforderungen sollen Richtschnur der Produktion und Dienstleistung sein. Weil sie variabel und umgehend zu erfüllen sind, müssen sich kundenorientierte Organisationen flexibilisieren. Dies betrifft die Arbeitszeiten ebenso wie die Variabilisierung des Angebots. Kundensouveränität bedeutet aber auch, dass vom Kunden erwartet wird, selbstständig zu handeln. Seine Autonomie hat er nicht zuletzt darin zu zeigen, dass er keiner Lenkung und Leitung bedarf. Er muss sich allein zurechtfinden und sich deshalb selbst bedienen. Als Souverän ist er somit auch selbstverantwortlich. Deshalb ist Selbstbedienung weder nur eine Organisationsform noch gar eine defizitäre Dienstleistung, die lediglich zu Gunsten eines niedrigeren Preises vom Kunden in Kauf genommen wird. Vielmehr bringt sie seinen Wunsch und die an ihn gerichtete Erwartung zum Ausdruck, ein autonomes Subjekt zu sein. In einer Marktökonomie werden Produkte und Dienstleistungen allerdings als Waren auf einem Markt angeboten und gehandelt. Das Angebot gegenüber dem Kunden erfolgt also marktorientiert zum Zwecke des Erwerbs und Gewinns. In diesem Sinne ist der Gebrauchswert des Kunden – seine subjektive Bewertung der Leistung – nur Mittel zum Zwecke des Verkaufs. Kunden- und Marktorientierung sind demnach zwei miteinander verbundene wie konfligierende Orientierungen. Sie sind stets beide im Spiel und führen zu widersprüchlichen Handlungsweisen und -forderungen. Das gerade macht Kundenorientierung zu einem „ambigen Organisationsmythos“. Zwischen „Kunden-“ und „Marktorientierung“ gibt es einen wesentlichen Unterschied: In der Marktorientierung geht es darum, den Blick auf sämtliche Marktteilnehmer zu richten und einen Wettbewerbsvorteil anzustreben. Demgegenüber
598
Kundenorientierung bezeichnet Kundenorientierung eine dyadische Beziehung von Kunde und Unternehmen, in der ein spezifischer Kundennutzen erfüllt wird. Gleichwohl werden Kunden- und Marktorientierung oft synonym verwendet. Gemeinsam ist ihnen ihre Wendung gegen ein produktionsökonomisches Denken und bürokratisch-hierarchische Organisationsstrukturen. Nicht die effektive Organisation der Produktion, nicht die Definition von Leistung durch die professionellen Produzenten, sondern allein das Ergebnis zählt. In der Kundenorientierung wird es durch die ►Kundenzufriedenheit, in der Marktorientierung durch den Wettbewerbserfolg definiert. „Kundenorientierung“ fungiert vor allem als normative Anrufung. Organisationen richten sie besonders an ihre Beschäftigten im Kundenkontakt. Gefordert wird erstens Servilität: Der Kunde hat Recht, und die eigene Meinung und Identität der Beschäftigten dürfen nicht zählen. Wichtig ist vielmehr, das eigene Verhalten so zu verändern und dem Kunden anzupassen, dass dieser zufrieden ist. Damit wird zweitens professioneller Eigensinn abgewehrt. Wer darauf beharrt, kraft Kompetenz und Erfahrung besser als der Kunde zu wissen, was Qualität verbürgt, wie Probleme zu lösen und welche ethischen Prinzipien in der Arbeit zu beachten sind, setzt sich ins Unrecht. Als professionell gilt hingegen das ►Selbstmanagement: Die eigenen Impulse, Sympathien und Antipathien, Emotionen und Positionen müssen kontrolliert werden. Das ermöglicht es, auch diejenigen der Kunden zu managen. Selbst- und Fremdkontrolle gehen Hand in Hand. Selbstermächtigung gelingt durch Selbstkontrolle: Wenn ich mich im Griff habe, dann bekomme ich auch den Kunden in den Griff. Freundlichkeit ist die siegversprechende Waffe im Kampf mit dem unverschämten Kunden. In diesem Sinne machen die Forderungen der Kundenorientierung die Anbieter keineswegs machtlos. In der Kundenorientierung steckt jedoch auch ein neues kommunikatives Verständnis von Professionalität, die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme. Es gilt, sich in die Sicht der Kunden hineinzudenken, um deren Perspektive zu verstehen und zwischen Organisations- und Kundensicht Übersetzungen zu leisten. Stichworte sind hier soziale Kompetenz, Empathie, Kommunikationsfähigkeit. Es ist diese Dimension, die es Beschäftigten auch ermöglicht, sicht ihrerseits gegen ihre Organisation auf die geforderte „Kundenorientierung“ zu berufen, wenn sie mit Kunden ein Bündnis herstellen, ihnen mehr Zeit widmen, als die Organisation dem Kunden zugesteht. Sie legitimiert die Abweichung vom Dienst nach Kundenorientierungsvorschrift. Hier deutet sich auch an, worin die unbestreitbare Attraktivität der „Kundenorientierung“ besteht: Sie verspricht nicht nur, das Machtgefälle zwischen Experten und Großorganisationen von Anbietern einerseits, dem Kunden andererseits umzukehren, sondern ermöglicht mit der Perspektivenübernahme auch eine Erweiterung von Kompetenzen, die den Kunden als Subjekt in der Kundenbeziehung anerkennt.
Kundenorientierung 2 Begriff und Bedeutung für das Qualitätsmanagement Alle Qualitätsmanagement-Konzepte fokussieren den Kunden. Zudem wird das Thema in der Literatur zum Marketing und Qualitätsmanagement schon seit etlichen Jahren umfangreich diskutiert. Gerade derjenige, der seine Organisation nach Gesichtspunkten des Qualitätsmanagements ausrichten will, muss bedenken, dass im Qualitätsmanagement eine fundamental neue Beziehung zum Kunden gedacht und formuliert werden muss. Im Marketing geht man bei der The matisierung von Kundenorientierung stillschweigend offenbar von folgenden Annahmen aus [1]: „Unter dem Marketingkonzept verbarg sich vielmehr die Erwartung, dass einsichtige und selbstmotivierte Mitarbeiter, wenn sie kundenorientiert sind, kreativ an der Überwindung von Funktionsegoismen und am koordinierten Mitwirken aller Beteiligten in ihrer Prozesskette Beiträge leisten würden.“ Dass dieser quasi automatischen Annahme jedoch bei den Organisationen sehr oft bürokratische Strukturen, vermeintliche Gewohnheitsrechte und Besitzstände von Abteilungen und Mitarbeitern entgegenstehen, ist hinlänglich bekannt. Systematisch werden so die Handlungsspielräume von kun denorientierten Mitarbeitern eingeengt. Demgegenüber verlangen Konzepte und Modelle des Qualitätsmanagements sowohl Kundenorientierung als Unter nehmensphilosophie wie auch explizit und unabdingbar als Voraussetzung von Kundenorientierung die Überwindung von Funktionsegoismus und koordiniertes Mitwirken von allen im Unternehmen. Die bekannten internationalen ►Qua litätspreise sehen denn auch Kundenorientierung als wesentlichen Bewertungsbaustein vor.
Begriff
Es existieren in der Literatur allerdings sehr unterschiedliche Versuche, den Begriff Kundenorientierung zu bestimmen. Die folgende Definition beruht im Kern auf dem Ansatz von Schütze [2]: Prädisposition und Fähigkeit von Unternehmen, auf Kunden individuell einzugehen, durch Erfahrungen mit Kunden zu lernen und ►Kundenzufriedenheit nachhaltig und vorausschauend gewährleisten zu können. Dabei werden alle kundenrelevanten Maß nahmen einer Organisation unter dem Aspekt der Vorteilsposition des Kunden gesehen und im Hinblick darauf permanent überprüft, wobei die Ausrichtung aller Unternehmensbereiche und internen ►KundenLieferanten-Beziehungen an den Erwartungen des externen Kunden erfolgt. Kundenorientierung gilt als wesentliche Grundlage zur Erzielung von Kunden zufriedenheit, führt aber nicht notwendigerweise dazu. Zur weiterführenden Charakterisierung des Begriffs empfiehlt es sich, die folgenden Bestimmungsstücke zu verwenden [3]:
Kundenorientierung ◼ Ausrichtung aller Organisationsmitglieder im Denken und Handeln am Kunden in Kenntnis seiner unternehmerischen und organisatorischen Zielvorstellungen, wo bei das Management diese Ausrichtung vorzuleben hat. ◼ Kundenorientierung ist als situationsspezifisch zu bewertende Dimension der Unternehmenskultur zu verstehen. ◼ Ziel kundenorientierten Handelns ist es, die Forderungen und Wünsche der Kunden – unter der Restriktion der Effizienz entsprechender Maßnahmen – zu erfüllen bzw. zu übertreffen und damit Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität zu erzeugen. ◼ Kundenorientierung als Primat der Unternehmensführung verlangt das Ma nage ment von Kunden be ziehungen auf der Basis von Qualitätsmanagement- und Kundenmanagement-Konzepten. 3 Zur kundenorientierten Organisationskultur Eine kundenorientierte Organisationskultur (►Unternehmenskultur) ist die Basis kundenorientierten Handelns. Sie ist Bestandteil der Organisationskultur und muss sich in allen Unternehmensbereichen finden. Die auf das Denken in Kundenkategorien ausgerichtete Organisationskultur ist als Voraussetzung kundenorientierten Denkens und Handelns aller Mitarbeiter zu begreifen [4]: „Begründet wird diese Sichtweise mit der Wirkungskette Kundenorientierung ►Kundenzufriedenheit ►Kun denbindung ►wirtschaftlicher Er folg. … Die se Wirkungsmechanismen liefern das ökonomische Argument für die aktuelle Euphorie um das Thema Kundenorientierung und – weniger populärwissen schaftlich begründet – für die Investitionen in Kunden orientierung und Kundenzufriedenheit.“ Ein Höchstmaß an ►Kundenzufriedenheit und -loyalität ist nur zu erreichen, wenn die Kundenbeziehung auch intern erlebt wird, indem man sicher ist, dass von Kollegen die Forderungen hundertprozentig erfüllt werden. Wenn ein derartiges Selbstverständnis und Bewusstsein bei allen Mitarbeitern vorhanden ist, gelingt es auch eher, den externen Kunden zufriedenzustellen, dessen Wünsche und Forderungen genau ermittelt wurden: Das ganze Organisationssystem wird mit den Augen des Kunden gesehen und gemessen. Auf der Basis einer kundenorientierten Organisationskultur muss bei den folgenden Gestaltungsfaktoren angesetzt werden: ◼ Der Qualität der einzelnen Kundenkontakte ◼ angebotenen und nachgefragten Leistungen ◼ kundenbezogenen Prozessen [5]. 4 Kunden- versus Wettbewerbsorientierung Entscheidet sich ein Unternehmen zu einer konsequenten Kundenorientierung, dürfen dabei die anderen Orientierungs alternativen nicht unberücksichtigt bleiben. Kotler’s Ansatz fasst die Orientierungsalternativen zusammen. In welchem Maße dabei die beiden Orientierungsalternativen Produktund Wettbewerbsorientierung zu berücksichtigen sind, kann nicht generell beantwortet werden. Kotler schlägt den Mittelweg einer Marktkräfteorientierung vor [6]:
599
K
Kundenorientierung „Die Unternehmen, denen es gelingt, die Kundenanalyse und die Konkurrentenanalyse in ausgewogenem Maße in ihrer Strategie zu berücksichtigen, haben die besten Erfolgsaussichten, da sie die wesentlichen Marktkräfte beachten.“ Die Betonung eines wettbewerbsorientierten Unternehmens erfordert auch ein anderes – mehr „kämpferorientiertes“ – Mitarbeiterpotential, das mehr auf die Mitbewerber und weniger auf die Kunden fixiert ist. Wird diese Ausrichtung überbetont, kann leicht die gleichzeitig anvisierte Kunden orientierung auf der Strecke bleiben, die sich ja gerade im Denken und Verhalten der MitarbeiterInnen niederschlägt. 5 Kundenorientierung als Erfolgsfaktor Als Erfolgsfaktoren der Kunden orien tie rung, die zum Unternehmensgesamterfolg beitragen, sind die folgenden bisher ansatzweise untersucht worden [7]: ◼ Loyalitätswirkung ◼ Qualitätswirkung ◼ Kostenwirkung ◼ Spill-over-Effekte ◼ Interne Motivationswirkung.
K
Detailliert handelt es sich um die folgenden Zusammenhänge [8]: ◼ Loyalitätswirkung und Qualitätswirkung: Es bestehen positive Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität und Qualität. ◼ Kostenwirkung: Kostensteigernde und kostensenkende Wirkungen sind zu erwarten. Gemessen am Kundenwert ist mit Kostensenkung zu rechnen. ◼ Spill-over-Effekte: Im Falle der positiven Empfehlung ist mit positiven, im Falle der Negativ-Empfehlung mit ne gativen Effekten der Fernwirkungen einer Kommunikation von Kunden zu Kunden zu rechnen. ◼ Interne Motivationswirkung: Wenn es gelingt, eine kundenorientierte Unternehmensstruktur zu schaffen und die MitarbeiterInnen für die Erfüllung von Kundenwünschen zu begeistern, kann sich die Organisation durch diesen Faktor profilieren. In diesen kurzen Ergebnissen spiegelt sich der Zusammenhang zwischen den fünf Erfolgsfaktoren und den Determinanten der Kundenorientierung (Qualität, Kosten, Zeit – s. a. ►QTK-Kreis) wider. 6 Kundenorientierung der Mitarbeiter Effektives Kundenmanagement setzt unter Berücksichtigung von Markt- und Geschäftsprozessen an den Verhaltenspro zessen der Mitarbeiter an. Hierzu hat Erlbeck umsetzungsorientierte Überlegungen angestellt: Die Realisation einer kundenorientierten Unternehmens führung verlangt die Bestimmung von Zielgrößen (Kundenempathie und Wertschöpfung). „Um alle auf ein einheitliches kundenorientiertes Verhalten einzu schwö ren, sollten Grundsätze des Umgangs mit dem Kunden aufgestellt werden, die strikt zu
600
Kundenorientierung befolgen sind.“ [9]. Erreicht wird das durch vorbildliches Vorleben der Einhaltung der Grundsätze durch ihre Promotoren im speziellen und durch Vorgesetzte im besonderen. Diese Grundsätze sind permanent der Gegenstand von Trainings maßnahmen. Den Mitarbeitern ist zu demonstrieren, wie und warum Kundennutzen entsteht. Hierzu muss es ihnen möglich sein auf Kundenanalysedaten zurückzugreifen (Information) und Einfluß auf die Gestaltung der Geschäftsprozesse zu nehmen. Die Entlohnung ist so zu gestalten, dass sie sich am Kundenutzen orientiert. 7 Organisatorische Gestaltungsformen und Instrumente des Kundenmanagements Um die Nachteile objektbezogener Organi sa tionsformen auszugleichen, wird in modernen Organisationskonzepten vorgeschlagen, Organigramme auf den Kopf zu stellen [11]: „Organigramme, an deren Kopf tradi tio nell die Unternehmensleitung plaziert ist, drücken die Denkweise aus, mit der üblicherweise Unter neh mensstrukturen geplant und gelebt werden. Unter der Unternehmensleitung subsummieren sich alle Organisa tionseinheiten und -abläufe. Dargestellte Verflechtungen sind lediglich intern, der Kunde ist nicht Bestandteil des Orga nigramms. Der Kun de ist aber doch das wichtigste, er rangiert in seiner Bedeutung für die Existenzberechtigung eines Unternehmens vor allen internen Einheiten. Er müßte demnach an der Spitze des Organigramms stehen. In der zweiten Ebene unter dem Kunden stehen diejenigen Mitarbeiter, die mit dem Kunden unmittelbar in Kontakt stehen (KundenKontakt-Personal). Dies können in der traditionellen Hierarchie vermeintlich unwichtige Mitarbeiter sein. …In der dritten Ebene befindet sich das SupportPersonal, das in nur mittelbarem Kundenkontakt steht und das Kunden-Kontakt-Personal unterstützt (z. B. Auftragsbearbeitung).“ Zu diesem umgekehrten Hierarchieprinzip, das den Kunden an die Spitze der Organisation stellt, hat Bleicher in fünf Schritten demonstriert, wie die Umgestaltung einer solchen kundenorientierten Organisationsstruktur verlaufen kann [12]. In der Folge geht es darum – angepasst an die organisatorische Neugestaltung – ein ent sprechendes Kundenmanagement zu entwickeln. Instrumente hierzu liegen neuerdings vor. Erlbeck unterscheidet in Analyseinstrumente und Aktionsinstrumente. Beide Instrumente dienen dazu, beim Kunden entsprechende Wirkungen zu erzielen. Die Instrumente sind in Anlehnung an die Instrumente des Marketings entwickelt worden (4 P’s). Sie dienen dem stringenten Kundenbezug und sind im Zusammenhang zu sehen (erst Ana lyse, dann Aktion). Ausführlich lassen sich die Instrumente wie folgt beschreiben:
Kundenorientierung ◼ Die Analyseinstrumente dienen zur Unter suchung der Kundenstruktur und des Kun denverhaltens mit dem Ziel, Anhaltspunkte für eine erfolgssteigernde selektive Marktbearbeitung zu erhalten. Vor Anwendung dieser Instrumente ist die Produkt-Markt-Entscheidung zu fällen. Wenn wir die Tätigkeit eines Unternehmens in erster Linie darin sehen, Prozesse der Kundenproblemlösung zu generieren, „legitimiert sich die Existenz eines Unternehmens durch das Anbieten von Produkten, die die Be dürfnisse seiner Kunden – in angemessener Relation zu deren Kaufkraft – zu befriedigen imstande sind“ [13]. Es kommt also darauf an, gezielt die Analyseinstrumte einzusetzen. ◼ Als Aktionsinstrumente bezeichnen wir alle Maßnahmen des Marketings, die entweder auf präventive Kundenbindung zielen oder postventive Kundenerhaltung anstreben. „Unter die präventive Kundenbindung fallen Aktivitäten, die allgemein – also nicht zielgerichtet auf bestimmte Kundenbeziehungen – versuchen, eine Angebotsstruktur zu schaffen, die Kundenpräferenzen bzw. Wechselbarrieren erzeugt. Gemeint sind jene Komponenten dauerhaft angebotener Leistungen, die darauf ausgerichtet sind, Kunden langfristig zu binden. Durch solche Maßnahmen wird dem Kunden von vornherein ein Vorteil angeboten, der ihm im Gegenzug – bei Abbruch der Geschäftsbeziehung – Anbieterwechselkosten beschert. … Maßnahmen der postventiven Kundenerhaltung werden eingesetzt, um gerade durch Pflege und den Ausbau bestehender Kundenbeziehungen dauerhafte Geschäftserfolge zu erzielen“ [14]. Solche Maßnahmen sind individuell gestaltet. 8 Kundenbindungsmanagement Das allgemeine Thema Kundenorientierung erfährt in jüngster Zeit eine differenzierte Betrachtung, die erwarten lässt, dass der in vielen Publikationen festzustellende Tenor der simultanen Verwendung vieler Begriffe als unzureichend empfunden wird. Damit ist die Frage nach einem Begriffssystem zum Kundenmanagement aufgeworfen, das es ermöglicht, die Operationalisierung zentraler Konstrukte grundlegend zu bestimmen. Anstoß hat hier v. a. das neue Handbuch Kundenbindungsmanagement gegeben [15], in dem zentrale Begriffe, Dimen sionen und Ansätze sowohl in theoretischer wie auch in praktischer Absicht aufgearbeitet sind. Die folgenden Begriffsbestimmungen sind in unserem Rahmen grundlegend [16]: Aus der Sicht des Anbieters alle Aktivitäten, die auf die Herstellung oder Intensivierung der Bindung aktueller Kunden gerichtet sind und die somit geeignet erscheinen, Geschäftsbeziehungen zu Kunden enger zu gestalten. Auf den Kunden bezogen: Sowohl das bisherige Kauf- und Weiterempfehlungsverhalten wie auch die zukünftigen Wiederkauf-, Zusatz- (Cross-Sel ling-) und Weiterempfehlungsabsichten (Goodwill)
Kundenorientierung eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen. werden als Kundenbindung definiert. Auch der Terminus Kundenbindungsmanagement wurde begrifflich geklärt [17]: Kundenbindungsmanagement bedeutet systematische Planung, Realisation, Kontrolle und Anpassung aller auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Aktivitäten mit dem Ziel, die Wechselbereitschaft durch die Herstellung oder Intensivierung von faktischen und emotionalen Bindungen zu verringern beziehungsweise temporär einen Wechsel auszuschließen, um so loyale Kundenpotentiale aufzubauen und zu festigen. Im Kundenbindungsmanagement können folgende Ziele verfolgt werden: ◼ Zentrales Instrument den An bie ter- bzw. Mar kenwechsel zu verringern und damit die Wiederkaufrate zu erhöhen ◼ Immunisierung gegenüber den An ge boten der Wettbewerber ◼ Verringerung der Preissensitivität der Konsumenten ◼ Aufbau von Markteintrittsbarrieren ◼ Risikoreduktion durch ein ausgewogenes Kundenportfolio Die Akzentuierung von Kundenorientierung auf Kundenbindung erfährt sowohl aus der Sicht des Marketings wie auch aus der Sicht des Qualitätsmanagements eine neue Perspektive, um den Kundenfocus genauer zu beleuchten. Damit steht nicht die einzelne Transaktion, sondern die langfristige Beziehung zum Kunden im Zentrum der Betrachtung. So ist es möglich mehrdimensionale Wettbewerbsvorteile durch Kundenbindungs- und Qualitätsmanagementprogramme zu erzielen. 9 Implementierung und Widerstände Systematisch betriebenes Kundenmanagement setzt gut aufeinander abgestimmte Repertoires an Vorgehensmodellen und Instrumenten voraus, um innerhalb und außerhalb der Organisation einen Wandel (►Changemanagement) bewirken zu können. Die folgenden Gesichtspunkte sind von jeder kundenorientierten Organisation ins Zentrum zu rücken [18]: den wünschen und ◼ „Systematische Erfassung von Kun Einsatzfeldern durch Marktanalysen, Kundenbefragungen, Technologie- und Sozialstudien. ◼ Individuelle, auf den Anwendungszweck abgestimmte Beratung der Kunden im Hinblick auf die Leistungs fähigkeit und Einsatzbreite der Produkte. ◼ Schaffung von betriebsinternen Ablaufstrukturen, die einen weitgehend kundenspezifischen Zusammenbau der Produkte zulassen. ◼ Unterstützung bei der Applikation, der Einführung und schließlich während des Betriebs bei Wartungs- und Kundendienstleistungen.
601
K
Kundenorientierung ◼ Serviceleistungen, die sich auf die schnelle Abwicklung und Auslieferung der Kundenaufträge beziehen. ◼ Optionale Dienstleistungen, die sich auf Änderungswünsche des Kunden nach Auftragserteilung beziehen.“ Vor allem im Business-to-Business-Bereich ist das Ziel von Kundenorientierung auch, dem Kunden Wettbewerbsvorteile bei deren Kunden zu verschaffen. Gerade durch die Implementierung mo der ner Ma nagementkonzepte auf der Grundlage des Qualitätsmanagements gelingt es den Organisationen heute viel eher Kun denorientierung fest zu verankern. Immer gilt jedoch [19]:
K
„Der Weg zur Kundenorientierung beginnt bei der Geschäftsleitung und den Füh r ungskräften. Die Einsicht, dass der Kunde der eigentliche ‘Arbeitgeber’ des Unternehmens ist, muss durch das Management im Denken und Handeln der Mitarbeiter geweckt werden und durch das eigene Wirken als Vorbild unterstrichen werden. Der Kunde hält damit Einzug in das Unternehmen. … Eine zielgerichtete Führung des Unternehmens, die sich am Kundennutzen orien tiert, und eine darauf abgestimmte Gestaltung der Geschäftsprozesse sind die Voraussetzung für eine Kundenorientierung aller Unternehmensaktivitäten.“ Allerdings muss gleichzeitig beachtet werden, dass bei der Einführung von systematisch betriebener Kundenorientierung immer mit Problemen und Widerständen zu rechnen ist, „weil ◼ sie die Bereitschaft voraussetzt, bestehende Wege zu verlassen und Neuland zu betreten, ◼ sie die vorhandenen Traditionen und Be harrungstendenzen jedes Unternehmens, seiner Mitarbeiter und Führungskräfte überwinden muss, ◼ der Leidensdruck oft noch nicht groß genug ist, um bei den Beteiligten eine Änderungsbereitschaft zu wecken, ◼ Erfahrungen im Unternehmen zur Or ga ni sationsentwicklung und zum Projektmanagement häufig fehlen, ◼ umfangreiche Aufgaben- und Kompetenzverschiebungen die Neustrukturierung begleiten und ◼ die Veränderung nicht vollständig steuerbar und beherrschbar ist.“ [20] Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Kotler, Ph.; Bliemel, F.: Marketing-Management. Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung. 9. Aufl. Stuttgart 1999, S. 65 [2] Schütze, R.: Kundenzufriedenheit: After-Sales-Marketing auf industriellen Märkten. Wiesbaden 1992, S. 1 [3] In Anlehnung Erlbeck, K.: Kundenorientierte Unternehmensführung. Kun den zufriedenheit und -loyalität. Wiesbaden 1999. – Der Bezugspunkt der weiteren Darstellung folgt weitgehend der Argumentation von Erlbeck, der den Ansatz zu einer Konzeption für das Kundenmanagement skizziert. Ergänzungen: Hinzuweisen ist außerdem auf den interessanten Ansatz von Homburg/Werner,
602
Kundenrolle die ein eigenes System vorlegen (CUSTOR-System), in dem eine eigene Begriffs- und Abkürzungssprache verwendet wird (Homburg, Chr.; Werner, H.: Kundenorientierung mit System. Frankfurt am Main 1998). – Dem Gegenstand Kundenorientierung wird auch das folgende Werk in vielfacher Weise gerecht: Bruhn, M.; Homburg, Chr. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement. Wiesbaden 1998. [4] Meyer, A.; Blümelhuber, Chr.: Wettbewerbsorientierte Strategien im Dienstleistungsbereich. In: Bruhn, M.; Meffert, H. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmanagement. Wiesbaden 1998, S. 382 [5] s. [4, S. 383] [6] s. [1, S. 421-422] [7] s. [3, S. 21ff] [8] s. [3, S. 22ff] [9] s. [3, S. 52] [10] s. [3, S. 69ff] [11] s. [3, S. 75ff] [12] Bleicher, K.: Organisation: Kundenorientierte Strukturen verstärken. In: IBM Nachrichten, Heft 304, 1991, S. 17-21 [13] s. [3, S. 87] [14] s. [3, S. 110f] [15] Bruhn, M.; Homburg, Chr. (Hrsg.): Handbuch Kun denbindungsmanagement. Wiesbaden 1998 [16] s. [15, S. 88 und 392f] [17] s. [15, S. 119f] und in Anlehnung an Meffert 1998, S. 119f [18] Bauer, S.: Perspektiven der Organisationsgestaltung. In: Bullinger, H.-J.; Warnecke, H. J. (Hrsg.): Neue Organisationsformen im Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management. Berlin u.a., Springer 1996, S. 91 [19] Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e.V. (Hrsg.): Kundenorientierung unternehmensweit. Organisieren – Gestalten – Verbessern. Köln, Bachem 1999, S. 19 [20], s. [19, S. 24f]
Kundenrolle
▶en: customer role „Gerne bedienen wir Sie an der Kasse.“ (Türschild im Schnellimbiss)
Die Rede vom Kunden unterstellt, dass es eine einheitliche Eigenschaft des „Kundenseins“ geben würde. Kunde wird sowohl im Qualitätsmanagement wie auch im Marketing als Universalkategorie präsentiert: Jeder ist Kunde. Manchmal wird unterschieden, dass es einen Endkunden gibt, der sei etwas anderes, als der Kunde als Zwischenhändler. Doch in der Regel verschwindet hinter der Rede vom Kunden die Spezifität der jeweiligen Beziehung, der jeweiligen Rolle und des jeweiligen Problems. Bemüht man die klassische Rollentheorie (Dahrendorfs Homo sociologicus) ist die Rolle durch ein Bündel von Erwartungen geprägt, die Luhmann wiederum erweitert, indem er von Erwartungserwartungen spricht, also eine Komplexitätsstufe höher thematisiert. Wenn es eine einheitliche Eigenschaft des Kunden gibt, dann ist es die Rolleneigenschaft: ◼ Behandelt man den Schüler in seiner Schülerrolle, dann sieht man von den besonderen Forderungen der pädagogischen Beziehung ab, denn als „Kunde“ müsste er wissen, was er nicht weiß, aber wissen (wollen) sollte. ◼ Der Patient als „Kunde“ leidet nicht mehr und ist nicht hilfsbedürftig,
Kundenrolle
Damit erweist sich die Entspezifizierung zugleich als Partikularisierung. „Kunde“ ist eine Beziehungs-, keine Statuskategorie. Dass jeder einen Anspruch hat, in eine Gaststätte einzukehren, Zutrittsverbote für Juden und „Neger“ als diskriminierend und deshalb illegitim gelten, ist Folge erst eines Bürgerrechts aufs Kundesein. Aus der Rolle des Kunden ergibt sich von selbst keine Pflicht zur Gleichbehandlung, wie Strategien der Kundensegmentierung zeigen. Sie erfordert vielmehr moralische und rechtliche Abstützung. Entnormativierung meint den Legitimationsverlust von professionellen Normen, ethischen Standards der Leistung und des Handelns. Wenn der Kunde bestimmt, dann kann man ihm kaum etwas abschlagen. Wie ist die Ablehnung eines Investitionsvorhabens durch die Stadt unter Verweis auf städteplanerische Gesichtspunkte zu begründen, wenn hinter diesen nur das Gemeinwohl, aber kein Kunde steht? ◼ Wie kann der Fliesenleger dem Bauherrn abschlagen, eine Leistung ohne offizielle Rechnung zu bezahlen? ◼ Welches Argument steht dem Arzt zu verweigern, wenn der Kunde sie für wirksam hält? ◼ Und wie sind schlechte Noten für schlechte, aber als Kunden selbstbewusste Schüler zu rechtfertigen? Die Souveränität des Kunden steht im Konflikt mit normativen und professionellen Prinzipien. Weil die Kundenrolle ökonomisch bestimmt ist, ist mit ihr auch eine Ökonomisierung der Beziehung verbunden: Wenn die Kundenorientierung der Verwaltung für wachsende Korruption sorgt, wenn für den Patienten-Kunden Kosten-Ertrags-Berechnungen eines Heilverfahrens angestellt werden und wenn Schülern Bildung entsprechend ihres „Kundenwerts“ zuteil wird. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Bröckling, U., S. Krasmann und Th. Lemke (Hrsg.): Glossar der Gegenwart. Frankfurt (Suhrkamp) 2004
Aussage des Kunden, wie er die Qualität des gelieferten Produkts wahrnimmt.
Annmerkung 1: Kundenrückinformation kann z. B. die Weitergabe von Ergebnissen aus Produktverhaltensprüfungen durch den Kunden bzw. den Auftraggeber an den Lieferanten des Angebotsprodukts sein. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009 ⟪Originalbegriff⟫
Kundentreue
▶Kundenloyalität Kundentreue ist zwar synonym zu Kundenloyalität, aber nicht zu ►Kundenbindung (Kunden festhalten) zu sehen.
Kundenzufriedenheit
▶en: customer satisfaction Wahrnehmung des ►Kunden zu dem Grad, in dem die Erwartungen des Kunden erfüllt worden sind
Anmerkung 1 zum Begriff: Es kann sein, dass die Kundenerwartung der ►Organisation oder sogar dem Kunden/der Kundin selbst unbekannt ist, bis das ►Produkt geliefert oder die ►Dienstleistung erbracht wird. Zum Erreichen hoher Kundenzufriedenheit kann es erforderlich sein, eine Kundenerwartung zu erfüllen, auch wenn sie weder festgelegt noch üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist. Anmerkung 2 zum Begriff: ►Reklamationen sind ein üblicher Indikator für Kundenunzufriedenheit, doch bedeutet ihr Fehlen nicht notwendigerweise hohe Kundenzufriedenheit. Anmerkung 3 zum Begriff: Selbst wenn ►Kundenanforderungen mit dem Kunden vereinbart und erfüllt worden sind, bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass die Kundenzufriedenheit damit sichergestellt ist. [Quelle: ISO 10004:2012, 3.3, geändert — Anmerkungen wurden geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff⟫
Kundenzufriedenheit
▶customer satisfaction ▶Kundenorientierung ▶Kano | ▶Kano-Modell der Kundenzufriedenheit ▶Kundenbindung ▶Erhebungsmethoden Kundenforschung ▶Beschwerdemanagement 1 Begriff und Komponenten der Kundenzufriedenheit Kundenzufriedenheit wird dem Disconfirmation-Paradigma (vgl. Abb. K19; (Dis-)Conformation im Sinne der Bestätigung bzw. Widerlegung von Erwartungen) folgend definiert als Ergebnis eines psychischen Vorgangs, bei dem der Kunde zwischen dem wahrgenommenen Leistungsniveau eines Unternehmens (= Ist-Leistung) und einem wie auch immer gearteten Standard, in der Regel seinen Erwartungen (= SollLeistung), vergleicht [1]. Bei der wahrgenommenen ►Qualität einer Leistung handelt es sich um ein mehrdimensionales Phänomen. Die Erlebniswelt des Kunden erstreckt sich dabei über sämtliche Kontakte mit dem Anbieter in der Vorkauf-, Kauf- und Nachkaufphase. Zufriedenheit wird dabei nicht durch die objektive Qua-
603
ISO-Term
Mag die Kundenrhetorik gerade hier auch skurril oder zynisch erscheinen, so liegt ihr doch eine folgenschwere Ambivalenz zu Grunde: Derartige Beziehungen asymmetrischer Macht, aber auch Verpflichtung werden als Verhältnis wechselseitiger Freiwilligkeit fingiert. Dies macht sie im Prinzip aufkündbar. Die Ersetzung des „Bürgers“ durch den „Kunden“ der Verwaltung erscheint zwar für diejenigen, die sich in der Realität als Antragsteller einer obrigkeitlichen Rechteverwaltung erleben, als attraktiver Fortschritt. Aber sie greift letztlich ein ins Herz der Souveränität. Nicht mehr der Bürger ist die Legitimationsbasis des demokratischen Staates, sondern der „Kunde“ ist der neue Souverän. Zum Kunden aber wird man nicht durch Rente, sondern durch Kauf-, durch Marktmacht.
Kunden-Rückinformation
DGQ-Begriff
◼ der Arbeitslose hat keine sozialen Probleme, sondern ist Arbeitsmarktpartner. ◼ Den Straftäter als Kunden zu bezeichnen, ehrt ihn zwar, rechtfertigt es aber auch, ihm die Kosten des Polizeieinsatzes aufzuerlegen.
Kundenzufriedenheit
K
Kundenzufriedenheit
Kundenzufriedenheit
Abb. K19: Disconfirmation Paradigma
Disconfirmation Paradigma VergleichsStandard (Soll-Leistung)
Positive Disconfirmation (Ist > Soll) Zufriedenheit Vergleichsprozess
Wahrgenommene Leistung (Ist-Leistung)
lität einer Leistung bestimmt, sondern durch das, was der Kunde wahrnimmt bzw. wahrnehmen möchte. Das Ausmaß an Qualität bestimmt sich insofern nach dem subjektiven Qualitätsempfinden des Kunden, das im Regelfall weit über die technisch-funktionalen Eigenschaften oder den Verwendungszweck (►fitness for use) eines Produktes hinausreicht.
K
Als Vergleichsstandard für die Beurteilung der Leistung zieht der Kunde die ►Erwartungen heran, die er mit dem Produkt, der Dienstleistung und/oder dem Anbieter verbindet. Erwartungen sind die Forderungen, die ein Kunde an ein Produkt, eine Dienstleistung und/oder ein Unternehmen stellt. Die Erwartungen ihrerseits werden von vier Einflussgrößen bestimmt: ◼ ◼ ◼ ◼
mündliche Kommunikation der Kunden persönliche Situation der Kunden zurückliegende Erfahrungen mit dem Anbieter Kommunikation des Anbieters.
Insbesondere der letzte Punkt macht deutlich, dass ein nicht unerheblicher Teil der Unzufriedenheit der Kunden durch die Unternehmen selbst verschuldet wird. Denn leider nur all zu oft wecken Unternehmen in der Werbung oder im Verkaufsgespräch Erwartungen, denen die Realität nicht standhalten kann. Hier drängt der Wunsch nach einem schnellen Geschäftsabschluss das Ziel einer langfristigen, vertrauensvollen Beziehung zum Kunden in den Hintergrund. Übertrifft die wahrgenommene Leistung die Erwartungen, ist der Kunde sehr zufrieden bzw. begeistert. Entsprechen sich beide, ist er zufrieden. Werden seine Erwartungen hingegen nicht erfüllt, ist er unzufrieden. Empirische Studien verweisen immer wieder darauf, dass der Anteil begeisterter Kunden den zentralen Unterschied zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen ausmacht. Diesen Überlegungen folgend unterteilt Kano [2] die ►Forderungen von Kunden in drei Leistungskategorien (vgl. Abb. K20):
604
Confirmation (Ist = Soll)
Negative Disconfirmation (Ist < Soll)
Unzufriedenheit
◼ Basisforderungen: Diese stellen Muss-Kriterien dar. Ihre Nichterfüllung führt zu extremer Unzufriedenheit, ihre Erfüllung jedoch lediglich zu Nichtunzufriedenheit. Die entsprechenden Leistungen sind selbstverständlich und offenkundig, so dass sie vom Anbieter in dessen Kommunikationspolitik nicht artikuliert werden. ◼ Leistungsforderungen: Hierbei handelt es sich um Sollkriterien, mit deren zunehmender Erfüllung die Zufriedenheit des Kunden steigt. Werden diese Kriterien hingegen nicht erfüllt, erhöht sich die Unzufriedenheit. ◼ Begeisterungsforderungen: Da der Kunde diese Leistungskomponenten nicht erwartet, löst deren Nichterfüllung keine Unzufriedenheit aus. Werden sie jedoch erfüllt, ist der Kunde begeistert, weil er diese Leistungen weder erwartet noch gefordert hat. Problematisch hierbei ist, dass ein Anbieter im Begeisterungsbereich permanent variieren muss, da die Gefahr besteht, dass eine Begeisterungsleistung nach deren erstmaliger Erbringung beim Kunden zur Leistungsforderung mutiert. Die drei Leistungskategorien lassen sich am Beispiel eines Werkstattaufenthalts veranschaulichen. Die Basisanforderung, die der Kunde an die Werkstätte stellt, besteht in der sachgemäßen Reparatur bzw. Wartung des Fahrzeugs. Die Einhaltung von Terminzusage und Kostenvoranschlag repräsentiert die Leistungsanforderung. Werden Termin bzw. Kosten unter- bzw. überschritten, führt dies zu Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit. Eine Begeisterungsleistung schließlich könnte in der Bereitstellung eines Leihwagens, der Reinigung des Fahrzeugs oder der Zugabe eines Winterpakets (Türschlossenteiser, Scheibenwischkonzentrat, Enteisungsspray) liegen, ohne dies dem Kunden in Rechnung zu stellen. Wurde die Basisforderung nicht erfüllt, macht es wenig Sinn, auf der Begeisterungsebene zu agieren. Wurde hingegen eine Leistungsanforderung verfehlt, kann die Begeisterungsleistung u. U. dazu beitragen, das Leistungsdefizit im Sinne einer Wiedergutmachung zu kompensieren.
Kundenzufriedenheit
Kundenzufriedenheit
Abb. K20: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit
Kunde zufrieden Begeisterungsforderungen ◼ Nicht artikuliert ◼ Customer tailored ◼ Begeisternd
Leistungsforderungen ◼ Artikuliert ◼ Spezifisch ◼ Messbar ◼ Technisch
Erwartungen nicht erfüllt
Erwartungen erfüllt Basisforderungen ◼ Implizit ◼ Selbstverständlich ◼ Nicht artikuliert ◼ Offensichtlich
K
Kunde unzufrieden 2 Reaktionen auf (Un-)Zufriedenheit Für ein Unternehmen erscheinen in erster Linie die Konsequenzen von Bedeutung, die ein Käufer aufgrund der von ihm empfundenen Übereinstimmung bzw. Divergenz von Erwartungen und tatsächlich Erreichtem zieht (vgl. Abb. K21). Ist er zufrieden, stellt dies die Basis für Kundenbindung bzw. Kundentreue sowie positive Mund-zu-Mund-Werbung im sozialen Umfeld und die damit verbundene Diffusion positiver Erfahrung dar. Bei Unzufriedenheit hingegen fallen beim betroffenen Unternehmen neben Aufwendungen für die Befriedigung gelegentlich auftretender Regressansprüche insbesondere Opportunitätskosten im Sinne entgangener Erlöse an. Verantwortlich dafür sind: ◼ Abwanderung, d. h. der Kunde wechselt das Unternehmen bzw. die Marke, ◼ negative Mund-zu-Mund-Werbung, d. h. er bringt seine Unzufriedenheit mit den Leistungen des Unternehmens in seinem sozialen Umfeld zum Ausdruck, sowie ◼ Beschwerden gegenüber Unternehmen und/oder Dritten wie z. B. Verbraucherschutzeinrichtungen, Schiedsstellen und Medien (►Beschwerdemanagement). In den vergangenen Jahren haben sog. „Hate sites“ sowie Internet-Meinungsforen (z. B. Ciao.com, Dooyoo, Hitwin,
Vocatus, Epinion) an Bedeutung gewonnen. Auf diese Weise werden negative Erlebnisse unzufriedener Kunden um ein Vielfaches potenziert. In diesem Kontext gilt es auf das sog. Beschwerdeparadoxon hinzuweisen: Sich beschwerende Kunden, die zufriedengestellt werden, sind loyaler als Kunden, die bereits im ersten Anlauf zufriedengestellt wurden. Empirische Studien belegen, dass von denjenigen Kunden, die einen triftigen Grund zur Beschwerde haben, rund die Hälfte auf eine solche verzichtet. Demnach gelten Beschwerden als die Spitze des Eisbergs Unzufriedenheit. Gleichwohl löst nicht jedes negative Erlebnis eine Verhaltensreaktion aus. Unternimmt ein Kunde trotz Verärgerung nichts, besteht die Gefahr, dass sich ein Unternehmen der mangelnden Bedürfnisgerechtigkeit des Angebots nicht oder zu spät bewusst wird und das Ausbleiben von Kritik fälschlicherweise als Zustimmung interpretiert. In der Realität begegnet man nicht selten dem Fall, dass Kunden trotz Zufriedenheit die Marke bzw. den Anbieter wechseln. Dieses Phänomen bezeichnet man als Variety Seeking, also als Suche nach Abwechslung im Konsum aufgrund von Langweile bzw. Neugier. Variety Seeking tritt insbesondere bei Produkten auf, deren Erwerb in den Augen des Verbrauchers ein nur geringes Risiko in sich birgt und schwerpunktmäßig
605
Kundenzufriedenheit von geschmacklichen Aspekten bestimmt wird [2]. Eine dauerhafte Beziehung zu den Kunden lässt sich in diesem Fall nicht durch die Optimierung von Kundenzufriedenheit erzielen. Vielmehr müssen Maßnahmen ergriffen werden, die entweder den Kunden technisch (etwa bei Kaffeemaschinen/Pads, Nassrasierern/Rasierklingen, Drucker/Patrone), ökonomisch (etwa Bonussysteme), juristisch (etwa Exklusivverträge, fixierte Vertragslaufzeiten), psychisch (etwa wahrgenommene Mühen, die viele Verbraucher mit dem Wechsel der Bankverbindung, der Autoversicherung und/oder des Stromlieferanten verbinden), sozial (etwa Bildung von Kundenclubs oder die Einrichtung von Kundenbeiräten) und/oder situativ (etwa Nähe des Standorts zum Wohnort/Arbeitsplatz) binden, so dass die Bindung den Wunsch nach Abwechslung überlagert, oder auf Abwechslung in den Augen des Kunden ausgerichtet sind.
K
Kundenzufriedenheit Abb. K21: Die Reaktionen des Kunden auf (Un-)Zufriedenheit im Überblick Soll-/Ist-Vergleich zwischen erwarteter und wahrgenommener Leistung Leistungen < Erwartungen: Unzufriedenheit
Verhaltensreaktion
Beschwerde
Keine Verhaltensreaktion
Leistungen ≥ Erwartungen: Zufriedenheit/Begeisterung
Kundenbindung
Variety Seeking
Wiederholungskauf
Negative Mundzu-Mund-Werbung
Abnehmende Preissensibilität
Abwanderung
Cross-Selling
Positive Mundzu-Mund-Werbung
3 Messung von Kundenzufriedenheit Der Zugang zum Konstrukt Kundenzufriedenheit hängt in entscheidendem Maße von dessen Operationalisierung ab. Die Festlegung geeigneter Indikatoren ist untrennbar mit der Frage verknüpft, welches Erhebungsverfahren herangezogen werden soll. Grundsätzlich lassen sich zwei Ansätze zur Messung von (Un-)Zufriedenheit unterscheiden (vgl. Abbildung K22):
◼ Subjektive bzw. subjektorientierte Verfahren: Aufgrund der mangelnden Validität objektiver Kriterien, die auf eine individuell unterschiedliche Wahrnehmung einer gleichartigen Konsumsituation zurückzuführen sein mag, wird die Zufriedenheit häufig auf Basis eines subjektiven Konzeptes erfasst. Dieser Ansatz, der zwischen merkmalsgestützten und ereignisorientierten Verfahren differenziert, basiert auf der Annahme, dass die Bedürfnisgerechtigkeit eines Angebots nur mittels Kundenbefragungen ermittelt werden kann.
◼ Objektive bzw. objektorientierte Verfahren: Diese werden in der Unternehmenspraxis am häufigsten eingesetzt. „Objektiv“ bzw. objektorientiert bedeutet in diesem Kontext, Bei den merkmalsorientierten Verfahren wird die Zufriedendass Größen, die unabhängig von der Einschät¬zung heit zum einen auf indirektem Wege, nämlich mittels Indikader Betroffenen sind, also am Objekt Unternehmen, toren, die mehr oder weniger eindeutige Rückschlüsse auf die Produkt, Dienstleistung etc. ansetzen, erfasst werden. Bedürfnisbefriedigung der Kunden zu ziehen erlauben, erBeispielsweise verwenden Unternehmen Umsatz- und fasst. Zu diesen sog. impliziten Methoden gehören die RegisMarktanteilszahlen sowie die Loyalitätsrate als Basis für die Ermittlung der Abb. K22: Verfahren zur Messung von Kundenzufriedenheit Zufriedenheit ihrer Kunden. Weiterhin Objektorientierte Verfahren Subjektorientierte Verfahren werden Äußerungen von Verbrauchern gegenüber Unternehmen und Dritten Erfassung von Merkmalsgestützte Verfahren systematisch analysiert (etwa Auswer◼ Umsatz ◼ Implizite Verfahren ◼ Marktanteil ◻ Registrierung des Beschwerdetung von Reklamationen und Beschwerverhaltens den). Auch die statistische Erfassung Analyse der Kundenloyalität ◻ Ermittlung der von Kunden des Auftretens von Gewährleistungsanwahrgenommenen Leistungssprüchen, der Häufigkeit von ReparaAuswertung von defizige mittels standardisierter turen etc. liefern erste Hinweise auf Lei◼ Reklamationen Befragung stungsdefizite und damit auf mögliche ◼ Garantiefällen ◼ Explizite Verfahren Ursachen von Unzufriedenheit. Nicht ◻ Eindimensionale Messung ◼ Beschwerden ◻ Mehrdimensionale Messung zuletzt zählen zu dieser Kategorie TestDurchführung von Qualitätskontrollen käufe sowie Dienstleistungstests. ◼ Testkäufe ◼ Werkstatt-Tests
606
Ereignisorientierte Verfahren ◼ Methode der kritischen Ereignisse
Kundenzufriedenheit trierung sprich Erfragung des Beschwerdeverhaltens sowie die Ermittlung der von Kunden wahrgenommenen Leistungsdefizite mittels standardisierter Befragung. In sog. expliziten Ansätzen ermittelt man dagegen den Grad der Bedürfnisbefriedigung direkt über ein- (Beispiel: “Wie zufrieden sind Sie mit den Leistungen unseres Hauses ganz allgemein?, Skala von -3 = sehr unzufrieden bis +3 = sehr zufrieden”) und mehrdimensionale (Beispiel: “Wie zufrieden sind Sie mit der Freundlichkeit unserer Mitarbeiter, dem Preis-Leistungs-Verhälnis, dem Warenangebot, den Öffnungszeiten etc.?, Skala von -3 = sehr unzufrieden bis +3 = sehr zufrieden”) Zufriedenheitsskalen. Mit solchermaßen standardisierten, merkmalsgestützten Aktionen zur Bestimmung der Kundenzufriedenheit erfasst man im Regelfall weder alle relevanten Merkmale noch ist davon auszugehen, dass sie das reale Qualitätserleben in der empfundenen Dringlichkeit angemessen abbilden. Einmal deshalb, zum anderen wegen des Episodencharakters der Anbieter-Kunde-Interaktion, der insbesondere Dienstleistungen charakterisiert, erscheint es zweckmäßig, den Kenntnisstand durch die Ermittlung von Problemen bzw. außergewöhnlich positiven Ereignissen zu verbessern, die Kunden bei ihrem Unternehmen erleben und die ihr Qualitätsurteil bestimmen. Dazu können weitere Verfahren eingesetzt werden, von denen der Methode der kritischen Ereignisse besondere Bedeutung zukommt. Hier wird der Kunde aufgefordert, positive bzw. negative Erfahrungen mit dem Unternehmen frei zu schildern [4]. Auf diese Weise gelangt ein Anbieter zu Schlüsselinformationen, die er beim Einsatz standardisierter, merkmalsgestützter Fragen u. U. nicht bekommen würde. Zu bemängeln sind dabei jedoch die Aufwendigkeit der Methode, der für die Auswertung der Ergebnisse zu veranschlagende hohe Zeitbedarf sowie die mangelnde Repräsentativität, da es sich um positive bzw. negative Extremerfahrungen handelt, weswegen das Instrument für die regelmäßige Kontrolle von Kundenzufriedenheit kaum in Frage kommen dürfte. 5 Grenzen der Kundenzufriedenheit Trotz ihrer unbestrittenen Relevanz für den Unternehmenserfolg zeichnet sich das Konstrukt „Kundenzufriedenheit“ durch gewisse Schwächen und Unzulänglichkeiten aus [5]: 1 Die in der Unternehmenspraxis verwendeten Mess-ansätze werden dem vielschichtigen Phänomen Kundenzufriedenheit allenfalls ansatzweise gerecht: Zufriedenheit bezeichnet gemeinhin das Ergebnis eines Soll-Ist-Vergleichs. Die IstKomponente verkörpert dabei den Zustand, wie eine Person ein Unternehmen, dessen Produkte oder die zugehörigen Eigenschaften erlebt oder wahrnimmt. Weit weniger Einigkeit besteht indessen, was unter der Soll-Komponente zu verstehen ist. Das Spektrum reicht hier von der „Idealvorstellung des Kunden“ über seine „Erwartungen“ bis hin zu dem aus seiner Sicht „minimal tolerierbaren Zustand“. Je nachdem, welche Auffassung von Kundenzufriedenheit zugrunde gelegt wird, gelangt ein Unternehmen zu völlig unterschiedlichen Messbefunden. Und wer kennt sie nicht, die Querulanten, die an allem etwas auszusetzen haben. Kaum hat man ihre Wünsche
Kundenzufriedenheit erfüllt, steigern sie ihre Forderungen. Unternehmen, die diesem „progressiv unzufriedenen“ Kundentypus übermäßig viel Aufmerksamkeit schenken, sehen sich schnell in einer immer dynamischer werdenden „Aufwärtsspirale des Anspruchsniveaus“. Gleichfalls persönlichkeitsbedingt ist es, wenn enttäuschte Kunden ihre Erwartungen nach un¬ten schrauben (resignative Zufriedenheit), weil sie meinen, dass sie keine Alternative haben und an der Situation ohnehin nichts ändern können. Zu diesem Segment gehören beispielsweise viele Konsumenten, die in ländlichen Gebieten wohnen und – paradoxerweise – mit ihrer Versorgungssituation zufriedener sind als die Bewohner von Großstädten, obwohl sich die objektiven Gegebenheiten geradezu entgegengesetzt darstellen. 2 Zufriedenheit führt in vielen Fällen nicht zu Kundenbindung und damit zu ökonomischem Erfolg.: Verbraucher werden in Bezug auf Preis und Leistung immer anspruchsvoller (Anspruchsinflation). Immer mehr Verbraucher verhalten sich „unberechenbar“: Beim Kauf von Waren des täglichen Bedarfs suchen sie nach preisgünstigen Produkten, um das Budget für Güter des demonstrativen Konsums aufzustocken. Auch relativ wohlhabende Verbrauchersegmente, die „Smart Shopper“, werden immer preissensibler und nutzen die „Schnäppchenjagd“ als Freizeitbeschäftigung. Viele Konsumenten erblicken einen besonderen Anreiz in der Möglichkeit, ständig zwischen verschiedenen Marken oder Unternehmen zu wählen, die sie als mehr oder minder gleichwertig wahrnehmen. Vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklungen ist leicht nachvollziehbar, dass es immer schwieriger wird, Kunden durch günstige Preise oder bessere Qualität und Leistung dauerhaft zufriedenzustellen und an sich zu binden (Verbundenheitsstrategie). Erfolgreich wird nur sein, wer Kunden überdies daran hindert, zu als gleichwertig wahrgenommenen Konkurrenten abzuwandern. Diese Gebundenheitsstrategie lässt sich mit aufgezeigten Maßnahmen beziehungsweise Instrumenten umsetzen, die den Kunden technisch, ökonomisch, juristisch, psychisch und/oder sozial an das Unternehmen binden. 3 Für Unternehmen kann es schwerwiegende negative Konsequenzen haben, wenn sie sich ausschließlich auf die Zufriedenheit ihrer Kunden konzentrieren und die Neukundenakquisition vernachlässigen: Die Beziehung zu den Kunden ist häufig zeitlich begrenzt und kann nur zum Teil mit den Instrumenten des Marketing verlängert werden. Denn Kunden sterben, ziehen aus dem Einzugsgebiet weg oder haben keinen Bedarf mehr an den Produkten des Unternehmens (Babywindeln). Angesichts dieser natürlichen Fluktuation kann es auf Dauer nicht genügen, sich ausschließlich auf die Zufriedenheit seiner Kunden zu konzentrieren. Vielmehr muss der Kundenbestand immer wieder aufgefrischt werden. Letzteres ist in stark wachsenden Märkten überlebensnotwendig, da sich die Größenvorteile zugunsten der Konkurrenten verschieben. Wer vor diesem Hintergrund ausschließlich die Maxime „Kundenbindung durch Kundenzufriedenheit“ ver-
607
K
Kundenzufriedenheit folgt (und die kostenintensivere Neukundenakquisition vernachlässigt), gefährdet den Unternehmenserfolg.
K
4 Wer den Unternehmenserfolg steigern will, muss in Kauf nehmen, dass bestimmte Kundensegmente unzufrieden sind und abwandern: Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die Dauer der Kundenbeziehung Rentabilität und Gewinn positiv beeinflusst. Wer daraus jedoch folgert, dass man jeden Kunden zufriedenstellen und damit an das eigene Haus binden muss, erliegt einem Trugschluss. Ziel sollte es vielmehr sein, die wertvollen Kunden herauszufiltern. Weitaus erfolgversprechender als die uneingeschränkte Kundenorientierung ist es, Kunden unter Profitgesichtspunkten auszuwählen und zu betreuen: Unternehmen müssen sich von unrentablen Kunden trennen. Ausgehend von einer wertorientierten ABC-Analyse sollten Unternehmen ihre Ressourcen und Aktivitäten stärker auf A-Kunden konzentrieren und die Betreuung der C-Kunden reduzieren beziehungsweise ganz einstellen. s6 Fazit Die Zufriedenheit der Kunden bildet die Basis für den Unternehmenserfolg, weil sie Kundenbindung, Kundentreue oder positive Mundpropaganda nach sich zieht. Unzufriedenheit hingegen verursacht beim betroffenen Unternehmen häufig Kosten, man denke etwa an Aufwendungen für die Befriedigung von Regressansprüchen oder an Opportunitätskosten infolge von Abwanderung, negativer Mundpropaganda und Beschwerden. Und dennoch: Wer vermeiden will, dass das Unternehmensziel Steigerung der Kundenzufriedenheit in die Irre führt, sollte ergänzend Folgendes beachten: ◼ Konzeption und Realisation von Kundenzufriedenheitsprojekten sollten wissenschaftlich fundiert und von Spezialisten begleitet werden. Hierbei sollten Ad-hocUntersuchungen, die als Momentaufnahmen häufig eher Verwirrung denn Nutzen stiften, durch aussagekräftigere Längsschnittuntersuchungen ersetzt werden. ◼ Flankierend zum Kundenzufriedenheitsmanagement sind Wechselbarrieren zu errichten (Kundenkarte, Bonuspunkte etc.), um die wachsende Zahl wechselfreudiger Kunden stärker an sich zu binden. ◼ Fokussierung auf den vorhandenen Kundenstamm darf nicht dazu führen, dass man die Neukundenakquisition vernachlässigt. Nur so lässt sich der Kundenbestand kontinuierlich revitalisieren. ◼ Anbieter sollten sich von unrentablen Kunden trennen und das so freigesetzte Potenzial in die Zufriedenheit von A- und B-Kunden investieren. Prof. Dr. Willy Schneider, Duale Hochschule BW Mannheim Literatur
[1] vgl. im Folgenden Schneider, W./Kornmeier, M.: Kundenzufriedenheit – Konzept, Messung, Management, Bern 2006. [2] Berger et al.: Kano’s Methods for Understanding Customer-defined Quality, in: Hinshitsu – The Journal of the Japanese Society for Quality Control, Herbst 1993, S. 26)
608
KVP-Kontinuierlicher Verbesserungsprozess [3] vgl. McAlister, L.: A Dynamic Attribute Satiation Model of Variety Seeking Behavior, in: Journal of Consumer Research, Vol. 8 (1982), No. 9, pp. 141-150. [4] vgl. Hentschel, B.: Dienstleistungsqualität aus Kundensicht. Vom merkmals- zum ereignisorientierten Ansatz, Wiesbaden 1992. [5] Kornmeier, M./Schneider, W.: Maxime Kundenzufriedenheit – ein Königs- oder Irrweg?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 36 vom 12.02.2007, S. 18.
Literaturempfehlung
Schneider, W./Kornmeier, M.: Kundenzufriedenheit – Konzept, Messung, Management, Bern 2006.
KVP-Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
▶ständige Verbesserung ▶de: fortlaufende Verbesserung (ISO 9000:2015-11 DE) ▶en: continual improvement (ISO 9000:2015-09 EN) ▶en: Continuous Improvement Process (CIP) ▶ja: Kaizen ▶BVW-Betriebliches Vorschlagswesen 1 KVP und Kaizen Der Begriff ►Kaizen ist ausführlich hier im Lexikon dargestellt. Unter Kaizen wird – dem japanischen Konzept entsprechend – eine Führungsphilosophie verstanden. KVP ist die deutsche Übersetzung von Kaizen. Im Sinne einer prozessorientierten Denkweise, einer Grundhaltung, -einstellung werden mit KVP – ähnlich dem japanischen Originalkonzept Kaizen – identische Vorstellungen verfolgt. Neuerdings wird in den ISO-Kernnormen der Begriff im Deutschen etwas abgewandelt. Nicht kontinuierlich, sondern fortlaufend ist die Verbesserung zu sehen. Ganz kurz definiert wird ►fortlaufende Verbesserung als „wiederkehrende Tätigkeit zum Steigern der ►Leistung“ (ISO 9000: 2015-10). Seit der Revision der ISO 9001 im Jahr 2000 hat der KVP Eingang gefunden in die QMS-Norm, was bedeutet, dass die Darlegungen auch auf den KVP abstellen müssen. Die Benennung KVP wird in der ISO 9001:2015-10 jedoch nicht herangezogen. Wiederholt wird stattdessen die „fortlaufende Verbesserung“ gefordert. Gleichzeitig wird KVP aber auch als reine ►Qualitätstechnik begriffen. Angewandt auf ein Problem wird z. B. in der Abfolge des Deming Circle vorgegangen (►Kaizen). Die folgenden ►Qualitätstechniken folgen dem Ständigen Verbesserungsprinzip: ◼ SPC-Statistische Prozessregelung ◼ DoE-Design of Experiments ◼ Quality Loss Function (►Taguchi). Schließlich findet sich der KVP natürlich auch in den klassischen Ansätzen der Qualitätsexperten. Ganz deutlich zeigt dies ein Blick in die ►Qualitätstrilogie von J. M. ►Juran. Generell lässt sich wohl festhalten: Der KVP ist die „conditio sine qua non“ jeglichen Qualitätsmanagements. Wer Qualitätsmanagement ohne einen explizit operationalisierten KVP-Ansatz betreibt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass seinem Tun das Fundament fehlt.
KVP-Kontinuierlicher Verbesserungsprozess 2 KVP-Ansätze in Deutschland Seit einigen Jahren lässt sich – unabhängig von der Einführung von QM- oder TQM-Systemen – feststellen, dass singuläre Konzepte in Organisationen implementiert und oft unter Firmenbezeichnungen nachhaltig in organisationale Zusammenhänge eingebunden werden. Zu diesen Konzepten ge hören ►Beschwerdemanagement, ►Dienstleistungsgarantien und vor allem KVP. Bei der Definition von KVP trifft man in der deutschen fachlich orientierten Literatur auf vielfältige Ansätze. Lässt sich eine einigermaßen zutreffende Bestimmung aus deutscher Sicht finden? „Im Kern geht es um die Fähigkeit der Organisation, sich selbst kritisch zu beobachten, über sich selbst systematisch nachzudenken und sich selbst zu verändern und zu verbessern. Da Organisationen aber komplexe Gebilde sind, kann dieses ‘Nachdenken’ dauerhaft nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, alle Mit arbeiter in den Prozess des kollektiven Nachdenkens und Verbesserns einzubeziehen. …es gibt ein breites Feld von Gestaltungsmöglichkeiten bei der Einführung von KVP, auf dem sich innovatives Management zu bewähren hat. KVP bedeutet eine kommunikationsintensive Suche nach besseren Lösungen ohne ein endgültiges Ziel zu erreichen. Jeder neue Standard wird sei ne eigenen Widersprüche, Probleme und Schwächen in sich bergen und so zum Ausgangspunkt weiterer Verbesserungen auf höherem Niveau werden oder mit den Worten Samuel Becketts ausgedrückt: ‘Ever try, ever fail, no matter. Try again, fail again – but better.’“ [1] Kurz gesagt, verfolgt KVP somit das Ziel, permanent auf breiter Basis große und kleine Verbesserungsideen hervor zubringen und Lösungen zu erarbeiten, die umgesetzt werden. Das Kriterium zum Hervorbringen und Beurteilen der Lösungen sind die Kundenforderungen, die aus der Perspektive einer organisationsweiten ►Kundenorientierung heraus zu sehen sind, d. h. von KVP ist in einem kundenorientierten Unternehmen jeder betroffen. Damit haben wir eine Verständnisgrundlage, die in der Tendenz von vielen geteilt werden sollte. Vorsichtig kritische Tö ne finden sich in einem KVP-Umsetzungsratgeber [2]: „Es ist eine Utopie, von den Mitarbeitern und deren Führungskräften zu erwarten, dass sie die in Jahr zehnten konditionierten Verhaltensweisen von einen Tag auf den anderen ändern können, auch wenn ihnen die Leitgedanken von KVP sinnvoll erscheinen.“ Weil diese Utopie vielfach Realität ist, stellt man sich die Implementierung von KVP inzwischen auch nicht mehr so einfach vor. Gefragt ist das Instrumentarium der Orga nisationspsychologie, das Methoden- und Techniken-Arsenal der ►Organisationsentwicklung. Es geht trotz der Singularität des Konzepts um viel: KVP soll als zentraler „Motor“ weitere Konzepte an sich binden, die teilweise erprobt, wie
KVP-Kontinuierlicher Verbesserungsprozess ►Qualitätszirkel, teilweise im Entstehen sind, wie ►Lernende Organisation oder ►Wissensmanagement. Das Modul KVP bildet somit den Ausgangspunkt für weitere Bemühungen auf einem vorher nicht unbedingt festgelegten Entwicklungspfad in Sachen Qualitätsmanagement oder sogar ►Business Excellence. [3] 3 KVP einführen Das Vorgehen zur Implementierung von KVP ist nicht KVPspezifisch. OE-Experten wissen das. Es hat sich bewährt ein Phasenschema zu wählen, das grob wie folgt differenziert [4]: ◼ ◼ ◼ ◼
Sensibilisierungsphase Startphase Implementierungsphase Stabilisierungsphase
Um einen ersten Einblick in das Vorgehen zu gewinnen sollen im Rahmen dieses Artikels lediglich die Phasen kurz erläutert werden [5]. 3.1 Sensibiliserungsphase Zunächst hat die oberste Führung der Organisation Ziele und Vorgehensweise nicht nur zu kennen und zu verstehen, sondern auch zu definieren und offensiv zu vertreten. Entsprechende Ressourcen sind be reitzustellen. Die Einstimmung auf den KVP-Prozess erfolgt in einem sog. Orien tierungsgespräch, dessen Ziel es ist die positive Meinungsbildung der Entscheider zu KVP zu erreichen. Organisatorische Vorkehrungen sind zu treffen (Steuerkreis, Projektgruppe, KVP-Verantwortliche etc.). 3.2 Startphase In der Startphase wird die Implementierung vorbereitet. Sie muss für alle sichtbar sein, d.h. es ist eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, die eine Auftaktveranstaltung vorsieht. Werbemittel sollten im Sinne eines internen Marketings diese Phase unterstützen. Die Bedeutung der Auftaktveran staltung sollte besonders herausgestellt werden, indem nicht nur irgendwann einmal schriftlich informiert wird, sondern mehrfach medial wirksam. In der Startphase sind auch die zukünftigen Moderatoren auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Die eigentliche Auftaktveranstaltung muss thematisch auf KVP ausgerichtet werden. Hier bietet sich das Thema Verschwendung an. Die Startphase wird von allen Führungskräften aktiv begleitet. 3.3 Implementierungsphase In der Startphase werden KVP und die Vorgehensweise von KVP implementiert. Oft wird davon ausgegangen, dass ein Dominoeffekt entsteht, indem ein Bereich mit der Implementierung anfängt und andere Bereiche, von denen man annahm, dass sie eher resistent sind, nachziehen. Deshalb ist es wichtig, sich über die Auswahl des beginnenden Be reichs Klarheit zu verschaffen. Entsprechend sind auch die KVP-Themen inhaltlich und methodisch auszuwählen. Oft wird vorgeschlagen das Thema Verschwendung (►Muda) in den Vordergrund zu rücken. Wie im Rahmen des ►Toyota
609
K
KVP-Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Production System (TPS) gezeigt wurde, liegt darin ein Er folgsfaktor. Auch ist darauf zu achten, dass die Bescheidung auf wenige, aber erfolgreiche Aktionen mehr bewirkt, als eine Vielzahl an Aktionen, die unklar sind oder versanden. Gerade in der Implementierungsphase geht es um eine offensive Kommunikation. Durch standardisierte Formulare ist das Vorgehen transparent zu machen. Ergebnispräsentationen sollten von den Gruppenmitgliedern selbst erfolgen und nicht von den Führungskräften. Die Visualisierung der Ergebnisse gehört zum Prinzip dieser Phase. 3.4 Stabiliserungsphase In dieser Phase ist KVP zu institutionalisieren, im Sinne von KVP die Organisation zur ständigen Weiterentwicklung von KVP anzuleiten. Aus diesem Grund ist es unabdingbar zu prüfen, ob die Organisationsstrukturen (v. a. die Prozesse) die Stabilisierung unterstützen. Ohne großen bürokratischen Aufwand sind Maßnahmen und Folgen von KVP zu dokumentieren und permanent zu kommunizieren. Zur Stabilisierungsphase gehört auch die Personifizierung von KVP-Moderatoren, die KVP als Teil ihrer Arbeit auffassen und so die Stabilisierungsphase stützen. KVP lebt von Erfolgen. Deshalb ist es wichtig diese Erfolge zu visualisieren, Zahlen, Daten, Fakten sprechen zu lassen.
K
4 Schluss Gruppenarbeit und Moderatorenkonzept zählen zu den personenorientierten Konzepten von Organisationsentwicklung und KVP-Training. Hier muss die Organisation in Trainings investieren. KVP-Gruppen können zwar oft naturwüchsig oder organisiert entstehen, dennoch bedarf es Anleitungen und Aufbau von Erfahrungswissen, um die gruppendynamischen Prozesse angemessen einschätzen und damit umgehen zu können. Wird auf solche Maßnahmen verzichtet, ist mit Dropouts und ständigem Wechsel bis zum Scheitern von KVP zu rechnen.
KVP-Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Denjenigen, die KVP-Projekte durchzuführen haben, steht heute das Methodeninstrumentarium des ►Projektmanagements zur Verfügung, auf das auch Chr. Malorny in seinem Entwurf eines Umsetzungsschemas für Business Excellence eingeht [6]. Projektmanagement verweist nun wieder auf den Erfolgsfaktor ►Projektkultur. Dieses Thema ist im Rahmen der ►Unternehmenskultur bisher gar nicht thematisiert worden, zeigen doch gerade hemmende Faktoren in den Projekten ganz deutlich, dass zuwenig Aufmerksamkeit auf eine „gute“ Projektkultur gelegt wurde. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Kopp, R.: KVP und lernende Organisation: Ausgangspunkte einer zukunftsweisenden Managementpraxis. In: J. Howaldt u.a. (Hrsg.) Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß. KVP als Motor lernender Organisation. Köln: Bachem 1998, S. 37-38 [2] Kostka, C.; S. Kostka: Der kontinuierliche Verbesserungs-Prozess und seine Methoden München-Wien: Hanser 1999 [3] Zu dieser Feststellung kommt man nicht nur, wenn man das folgende Sammelwerk von J. Howaldt u.a. zur Kenntnis nimmt, sondern auch, indem man einen Blick in die Praxis wirft. Dort zeigen sich sehr oft die hier grob gezeichneten Tendenzen ab. – J. Howaldt u.a. (Hrsg.) Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß. KVP als Motor lernender Organisation. Köln: Bachem 1998 [4] s. [2], S. 37 [5] Ich folge in der Darstellung größtenteil den Ausführungen von [2]. Die beiden Autoren beschreiben den Ablauf zutreffend, wie er heute von seriösen Beratern vertreten wird. [6] Malorny, Chr.: TQM umsetzen. Weltklasse neu definieren, Leistungsoffensive einleiten, Business Excellence erreichen. 2. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel 1999, S. 506ff
Kybernetik
▶Ashbysches Gesetz
••• ⨀⨀⨀ •••
610
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe L
Leadership
Hans H. Hinterhuber
L
Kurt Matzler
LEP-Ludwig-Erhard-Preis
Lean Management Lean Innovation Lean Thinking Herbert Schnauber
Learning to See Logistikqualität
Lernende Organisation [mit Rudolf Bögel] Lernstatt Linking-Pin-Modell
Hans-Peter Wiendahl
Hans-Dieter Zollondz
L
Längenmesstechnik Längenmesstechnik DIN-Term
▶Mess- und Prüfmittel im QM
Lagerungs- oder transportbedingtes Fehlprodukt
▶en: nonconforming products due to transport or storage ►Fehlprodukt infolge Beeinträchtigung seiner ursprünglich zufriedenstellenden ►Qualität durch normalerweise nicht er wartbare Einwirkungen während Lagerung oder Transport.
Anmerkung 1: Jede teilweise oder vollständige Zerstörung eines Produkts infolge unsachgemäßen Transports oder ungeeigneter Lagerung führt demnach zu einem lagerungs- oder transportbedingten Fehlprodukt. Anmerkung 2: Ursache für das Entstehen dieses Fehlprodukts kann z. B. untaugliche Planungsqualität für Lagerung, Transport oder Verpackung sein. Anmerkung 3: Nicht als lagerungs- oder transportbedingtes Fehlprodukt ist ein Produkt zu betrachten, bei dem das Haltbarkeitsdatum überschritten ist. Anmerkung 4: Die Kosten dieses Fehlprodukts oder für die Wie derherstellung seiner zufriedenstellenden Qualität sind → Fehler kosten. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
Laissez-faire-Stil
▶Team ▶Führungsstil Klassische auf Kurt Lewin in der Sozial- und Entwicklungspsychologie erforschte Führungsmethode vom Typus des Gewährenlassens unter bewusstem Verzicht auf überflüssiges Ausschöpfen des gegebenen Kompetenzrahmens, permissiv, aber unter Anwendung des Prinzips der unsichtbaren Hand. Dieser Führungsstil überlässt den Mitarbeitern einen überdurchschnittlich hohen Autonomiegrad und eignet sich vorzugsweise für die Arbeit in Gruppen bzw. Teams, bei denen Aufgaben mit kreativer bzw. innovativer Zielsetzung verfolgt werden, z. B. bei Forschungs- und Entwicklungsteams. Außer der Zielvorgabe bleibt die Gruppe sich selbst überlassen. Der Leiter der Gruppe bzw. Teamleiter gibt – in seiner Rolle als Impulsgeber, Koordinator und Moderator – lediglich Anre gungen und Informationen.
LAN-Local Area Network
▶Internet ▶Extranet Organisationsinternes Kommunikationsnetz mit FileserverKonzept für Daten-, Platten- und Peripherieverwaltung zur gemeinsamen Benutzung durch die Netzteilnehmer. Ein LAN steht rechtlich unter der Kontrolle des Benutzers und ist räumlich auf ein Bürogebäude bzw. Firmengelände begrenzt. LANs werden daher auch als Inhouse-Netzwerke bezeichnet. Es existieren LANs mit unterschiedlichen Topologien (Bus, Ring, Stern, Baum), unterschiedlichen Verkabe lungssystemen (z. B. Koaxialkabel, Twisted Pair, Glasfaser) und Übertragungsgeschwindigkeiten zwischen 1 und 100 Mbps. Bekannte LANs sind Ethernet, Token Ring und Arcnet, die mit unterschiedlichen Zugriffsprotokollen auf verschiedenen Topologien arbeiten.
Leadership Leadership
▶Führung und Qualitätsmanagement ▶Coaching im Qualitätsmanagement ▶Motivationsmanagement 1 Definition Der Begriff Leadership wird in der Literatur unterschiedlich definiert und mit unterschiedlichen Inhalten belegt. Entwick lungsgeschichtlich kann die Führungsforschung in vier Phasen unterteilt werden, die vier verschiedene Forschungsrichtungen darstellen [1]: ◼ Die Eigenschaftstheorien der Führung als dominierender Forschungsansatz bis in die späten 40er Jahre, ◼ die Führungsstiltheorien bis Ende der 60er Jahre, ◼ Situationstheorien der Führung in den 70er und 80er Jahren und ◼ die Leadershipforschung seit Anfang der 80er Jahre. Die Eigenschaftstheorie der Führung, die wesentliche Impulse aus der psychologischen Führungsforschung erhalten hat, untersucht unterschiedliche persönliche Merkmale einer Führungskraft mit dem Ziel, dadurch erfolgreiche von weniger erfolgreichen Führungskräften unterscheiden zu können. Typische untersuchte Merk male sind physische Eigenschaften (wie Größe, Erscheinungsbild, Stärke), persönliche Fähigkeiten (wie Intelli genz und Redegewandtheit) sowie Persönlichkeitscharakteristika (Introvertiertheit, Extrovertiertheit, Selbstvertrauen usw.). Die Vielzahl der untersuchten persönlichen Merkmale, die eine erfolgreiche Führungskraft ausmachen, wurden unter anderem von Stogdill [2] zusammengefasst. Aufgrund mehrerer empirischer Untersuchungsergebnisse, die keine Konsistenz der Persön lichkeitsmerkmale erfolgreicher Führungskräft e feststellen ließen, wurden Eigenschaftstheorien der Führung zunehmend kritisiert und in Frage gestellt. Führungsstiltheorien konzentrierten sich nicht auf Eigenschaften von Führungs kräften, sondern auf deren Verhalten. Ziel ist es, zeitlich invariante und situationsunabhängige Verhaltensmuster einer Führungsperson zu identifizieren, um dadurch Aussagen darüber treffen zu können, welche Führungsstile effizient und welche weniger effizient sind. Wesentliche Impulse haben die Führungsstiltheorien von den Forschungsarbeiten der Ohio State University erhalten: aufgrund von Faktorenanalysen wurde festgestellt, daß das Führungsverhalten auf zwei Haupt faktoren reduziert werden kann, die Beziehungsorientierung (consideration) und die Aufgabenorientierung (initiation of structure). Erfolgreiche Führungskräfte weisen hohe Aus prägungen beider, voneinander unabhängiger, Dimensionen auf. Innerhalb dieser Forschungstradition sind mehrere Füh rungskonzepte, wie das Verhaltensgitter von Blake/Mouton [3] oder das 3-D Programm von Reddin [4], entstanden. Führungsstiltheorien wurden zunehmend kritisiert, da sie verschiedenen situativen Variablen, die die Effizienz einer Füh rungtätigkeit beeinflussen, zu wenig Auf merk samkeit schenken. Situationstheorien der Führung stellen den situativen Kontext, innerhalb dessen eine Führungsperson tätig
613
L
Leadership ist, in den Mittelpunkt. Es wird davon ausgegangen, daß unterschiedliche Führungs- und Gruppensituationen auch unterschiedliche Führungsstile verlangen. Erfolgreich ist eine Führungsperson dann, wenn sie in der Lage ist, ihr Führungsverhalten unterschiedlichen si tuativen Bedingungen richtig anzupassen. Die bedeutendsten Arbeiten in dieser For schungstradition sind die Kontingenztheorie von Fiedler [5], das situative Führungskonzept von Hersey/Blanchard [6] und das normative Entscheidungsmodell von Vroom /Yetton [7]. Situationstheorien der Führung verloren aber schließlich aufgrund widersprüchlicher empirischer Ergebnisse und Pro bleme bei der Messung der Schlüsselvariablen an Bedeutung. In den 80er Jahren entstand eine neue Forschungsrichtung, die sich mit Lea der ship-Verhalten auseinandersetzt und auch als „New Leadership Approach“ [8] bezeichnet wird. Begriffe wie „Transformational Leadership“, Charismatische Leadership, Visionäre Leadership oder einfach Leadership charakterisieren das Verständnis einer Führungskraft, die organisationale Realität durch eine gemeinsame Vision, eine ge meinsame Sicht der Zukunft, definiert und Mitarbeiter dazu inspiriert und in die Lage versetzt, durch eigenverantwortliches Denken und Handeln die gemeinsame Vision und die gemeinsamen Ziele zu realisieren. Begriff
Leadership ist die natürliche und spontane Fähigkeit, Mitarbeiter anzuregen, zu inspirieren und sie in die Lage zu versetzen, neue Möglichkeiten zu entdecken und umzusetzen sowie sich freiwillig und begeistert für die Verwirklichung gemeinsamer Ziele einzusetzen [12]
L
Dieses Leadership-Verständnis unterscheidet sich von jenem des Managements. Die klassischen Managementtheorien sehen die Aufgaben des Managers darin, ein komplexes soziales System aufrechtzuerhalten und nach bestimmten, festgelegten Kriterien zu führen. Die typischen daraus resultierenden Managementaufgaben wie Planen, Organisieren, Koordinieren und Kontrollieren sind allerdings nur ein Teil der Aufgaben, die eine erfolgreiche Führungskraft wahrnimmt. Leadership ist mehr als Management. 2 sLeadership und Management im Vergleich Leadership heißt neue Möglichkeiten entdecken und umsetzen oder umsetzen lassen sowie die unternehmerischen Veränderungsprozesse so gestalten, daß Werte für die Kunden geschaffen und dadurch auch die übrigen Partner der Unternehmung zufriedengestellt werden. Management hingegen heißt Probleme auf eine kreative Weise lösen (Abbildung L01). Dafür gibt es eine Vielzahl von Instrumenten, Methoden und Einstellungen, mit denen die Unternehmung Wettbewerbsvorteile erzielen kann. Management läßt sich leichter erlernen als Leadership; in turbulenten Zeiten ist jedoch Leadership wichtiger als Management, wenn es darum geht, radikale Veränderungen durchzusetzen, um kreative und nachhaltige Leistungsverbesserungen zu erzielen. Die Unternehmung braucht beides, Leadership und Management, um in turbulenten Zeiten neue Möglichkeiten zu entde-
614
Leadership Abb. L01: Management versus Leadership
cken und die Kunden besser und schneller zufriedenzustellen als die Konkurrenten oder andere Referenzunternehmungen es tun können. Während Leadership neue Para dig men schafft, arbeitet Management innerhalb bestehender Paradigmen. Leadership inspiriert Mitarbeiter und hilft ihnen, neue Möglichkeiten zu entdecken und umzusetzen und begeistert sie für die Verwirklichung gemeinsamer Ziele. Dazu bedarf es einer großen Energie seitens des Unternehmers oder der obersten Führungskräfte, aber auch Respekt und Ehrfurcht vor dem Menschen. Leadership-Verhalten und aufrichtiges Interesse für die Menschen gehören zusammen. Die natürliche Autorität und Glaubwürdigkeit der Unternehmer und Führungskräfte hängt davon ab, ob ihre vorgelebte Vision, ihre Strategien und Einstellungen (►Mindset) von den Mit arbeitern akzeptiert werden oder nicht. Die wirklichen Wurzeln von Leadership liegen in Idealen und Werten sowie im selbstlosen Dienen und in einem Einsatz, der über den persönlichen Bereich hinausgeht. Der Kern von Leadership besteht darin, a) Eine gemeinsame Sicht der Zukunft mit den Führungskräften und Mitarbeitern aufzubauen, die den Kundennutzen in den Mittelpunkt stellt und b) allen Spielraum für eigenverantwortliches Denken und Handeln auf der Basis einer Vision zu geben, an deren Erfüllung jeder mitzuarbeiten bereit ist. Leadership heißt Veränderungen antizipieren und herbeiführen, während Management mehr darin besteht, Bestehendes zu optimieren. Leadership ist Führen mit Wünschen („stretching objectives“), Management mit konkreten Zielen. Ein weiteres wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Leadership und Management ist der Zeithorizont. Während Manager sich eher mit konkreten Zielen und Problemen be schäftigen, die einen kurzen, überschaubaren Zeithorizont haben, beschäftigen sich Leader mit Fragen, die weit in die
Leadership
Leadership
◼ Führende müssen visionär sein, sie müssen überzeugen und dienen können, ◼ Führende müssen ein Vorbild sein, sie müssen wirksam kommunizieren und in positivem Sinne Mitarbeiter in Bewegung setzen können, ◼ Führende müssen Werte schaffen, in erster Abb. L02: Management- und Leadership-Aufgaben Linie für den Kunden, aber auch für die MitLeadership Management arbeiter, die Anteilseigner, die Gesellschaft, die Lieferanten und Partner in strategischen ◼ Die vereinbarten ( Jahres-)Ziele ◼ Das Kommende vorbereiten Netzwerken. Dies setzt ein entsprechendes kreativ/innovativ erreichen Gewinn- und Kostenbewusstsein voraus.
Zukunft reichen. Abbildung L02 verdeutlicht die unterschiedlichen Zeithorizonte und Verantwortungsbereiche im Management und Leadership.
◼ Bestehendes optimieren
◼ Die Veränderungen antizipieren Führen
Führen ◼ Mit konkreten Zielen (mess- und kontrollierbar)
◼ Mit Wünschen
◼ Mit außergewöhnlichen Aktivitäten außergewöhnliche Ziele erreichen
◼ Mit außergewöhnlichen Wünschen außergewöhnliche Ziele erreichen
◼ Zeithorizont: ein Jahr
◼ Zeithorizont weiter als ein Jahr ... Strategisch
Operativ ◼ Aktiv denken und handeln
◼ Pro-aktiv vorausdenken und handeln
◼ Manager = Teamplayer
◼ Leader = Coach
Aus diesen drei grundlegenden Verant wortungen eines Führenden lassen sich die nicht-delegierbaren Aufgaben des Unter nehmers und/oder der obersten Führungs kräfte ableiten (s. Abbildung L03). Management und Leadership unterscheiden sich zwar anhand mehrerer Dimen sio nen, doch für erfolgreiche Führungstätigkeit ist es notwendig, beides zu verbinden. In reaktiven unternehmerischen Veränderungsprozessen steht in der Re gel der „unternehmerische“ Macher im Vordergrund, während proaktive Veränderungsprozesse stärker auf dem dienenden Führungsverhalten und damit der Leadership aufbauen.
Mitarbeiter = Professional
3 Die nicht-delegierbaren Aufgaben von Führungskräften Das Hauptelement von Leadership ist das Kommende vorbereiten. Daraus ergeben sich folgende grundlegende Aufgaben für eine Führungskraft:
Das Verstehen und Beherrschen beider Paradigmen scheint in Zukunft eine zentrale Eigenschaft für unternehmerische Spitzenleistungen zu sein. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hans H. Hinterhuber, Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Kurt Matzler, Innsbruck
Abb. L03: Die nicht-delegierbaren Aufgaben der Führenden – Das Leadership-Haus
Literatur
Leadership Visionär sein:
Vorbild sein – vorleben:
„Die Richtung angeben und Sinn vermitteln“
„Engagement zeigen, Energien freisetzen und Talente fördern“
◼ Einen Kernauftrag entwickeln
◼ Durch das Wellbeing
◼ Die Kernkompetenzen bestimmen/festhalten
◼ Durch die Kultur
◼ Die Kernkompetenzen und -dienstleistungen ableiten
◼ Durch das Jahresleitbild – Verhaltensauftrag
◼ Die Kerndifferenzierungen zur Konkurrenz ausbauen – die Wettbewerbsvorteile schaffen
Kunden
Den Unternehmungswert stei gern: „Wohlstand für alle Stake holder schaffen“ ◼ Mit der Organisation/mit den Führungskräften und Mitarbeitern ◼ Mit den Strategien ◼ Mit dem Firmenbild/CI
[1] Bryman A.: Leadership in Organizations. In: Clegg St. R. et al. (eds.), Handbook of Organization Studies, London, 1996, S. 277ff [2] Stogdill R.M.: Personal Factors Associated with Leadership: A Survey of the Literature. In: Journal of Psychology, Vol. 25, 1948, S. 35-71 [3] Blake R.R.; Mouton J. S.: The Managerial Grid III, Houston, 1985 [4] Reddin W.J.: Managerial Effectiveness, New York 1977 [5] Fiedler F. E.: A Theory of Leadership Effective ness. New York u. a., 1967 [6] Hersey P.; Blanchard K.H.: Management of Organizational Behavior, 6. Aufl. Englewood Cliffs, N.J. 1993 [7] Vroom V.H.; Yetton P. W.,: Leadership and Decision-Making, Pittsburgh 1973 [8] s. [1] [9] Donnithorne C.R.: The Westpoint Way of Leadership, New York, 1994
615
L
Lean-Begriffe und -Konzepte [10] Hinterhuber H. H.: Strategische Unternehmungsführung, Band 2, Strategisches Denken. 6. Aufl. Berlin-New York, 1997 [11] Hinterhuber H. H.; Handlbauer; G.; Matzler K.: Kunden zufriedenheit durch Kernkompetenzen, München, 1997 [12] Hinterhuber H.H.; Krauthammer E.: Leadership – Mehr als Management. Wiesbaden 1997 [13] Kirzner I.M.: The Primacy of Entrepreneurial Discovery. In: Seldon A. (ed.): The Prime Mover of Progress. Westminster, 1980 [14] Tichy, N. M.; Cohen, E.: The Leadership Engine. New York 1997
Lean Administration ▶Lean-Begriffe
Lean Banking
▶Lean-Begriffe
Lean-Begriffe und -Konzepte ▶Lean Terms and Concepts ▶Lean Management
L
Seit der Begriff „lean“ in die Managementlehre Einzug gehalten hat scheint er geradezu eine magische Wirkung entfaltet zu haben. Lean ist ein Schlagwort für alles Mögliche geworden. Das Ergebnis ist die Inflation von Begriffen, die „lean“ mit sich führen. Eine Auswahl solcher „Lean-Begriffe“ soll hier vorgestellt werden. Die Reihenfolge ist alphabetisch. Nicht immer verkümmern solche Lean-Begriffe zum bloßen Schlagwort. Es lassen sich aber auch Begriffe finden, in denen versucht wird, den zentrale Ansatz des Lean Management auf das neue Konzept zu übertragen. Solche Konzepte weisen einen konkreten Bezug zur Fachliteratur auf, wie z. B. zum Lean Thinking-Ansatz von Womack & Roos [3].
616
◼ Lean Hospital Anwendung der Prinzipien des Lean Managements auf die Organisation von Krankenhäusern und das Krankenhausmanagement ◼ Lean Innovation s. Stichwort ►Lean Innovation ◼ Lean Maintenance Anwendung der Prinzipien des Lean Managements auf die Instandhaltung ◼ Lean Management s. Stichwort ►Lean Management ◼ Lean Office Ausrichten der Büroorganisation nach den Prinzipien das Lean Managements (s. Stichwort ►Lean Management) ◼ Lean Production Ausgangspunkt des Lean Managements war der produzierende Bereich (s. Stichwort ►Lean Management) ◼ Lean Project Management Übertragung der Prinzipien des Lean Managements auf die Planung, Steuerung und Kontrolle von Projekten [5] ◼ Lean Supply Chain Verankern des Lean-Management-Ansatzes in der Supply Chain, also in der Wertschöpfung der Lieferkette ◼ Lean Transformation Ausrichten des Unternehmens nach den Prinzipien des Lean Managements
Literatur
[1] Rother, M.: Die Kata des Weltmarktführers. Toyotas Erfolgsmethoden. Frankfurt am Main (Campus) 2009 [2] Liker, J. K.: Der Toyota Weg. 14 Managementprinzipien des weltweit erfolgreichsten Automobilkonzerns. München (Finanzbuch) 2006 [3] Womack, J. und D. T. Jones: Auf dem Weg zum perfekten Unternehmen. Lean Thinking. Frankfurt am Main-New York (Campus) 1997. Der Titel wurde dann im Deutschen auch umbenannt in „Lean Thinking“ [4] Rother, M. und J. Shook: Learning to See. Brookline. MA (Lean Enterprise Institute) 1998 [5] Pautsch, P. und S. Steininger: Lean Project Management. Projekte exzellent umsetzen. München (Hanser) 2015
Lean Controlling ▶Lean-Begriffe
Lean Innovation
▶Innovationsmanagement 1
Was bedeutet Lean Innovation? Lean Innovation bezeichnet die Übertragung des Lean Thinking auf die F&E produzierender Unternehmen von der Idee bis zur erfolgreichen Entwicklung der Marktreife und umfasst dabei die vier Handlungsfelder eindeutig Priorisieren, früh Strukturieren, einfach Synchronisieren und sicher Adaptieren. [1, S.11]
Begriff
◼ Lean Administration Ausrichten der Administration entsprechend den Prinzipien des Lean Managements. Analog zum Fertigungssystem geht es darum branchenunabhängig sämtliche Wertschöpfungsprozesse so zu gestalten, damit sie stabil und die Durchlaufzeiten möglichst kurz sind, damit der Kunde die Leistung möglichst schnell und in der geforderten Qualität erhält. Muda ist auf das nötige Maß zu beschränken. ◼ Lean Banking Ausrichten der Bankorganisation nach den Prinzipien das Lean Managements ◼ Lean Controlling Darunter sollte ein Controlling verstanden werden, das Kennzahlen generiert, die ein günstiges Aufwand/Nutzen-Verhältnis aufzeigen und somit Verschwendung abbilden. ◼ Lean Development Entwicklung von Produkten entsprechend den Lean Prinzipien. ◼ Lean Enterprise Ausrichten des gesamten Unternehmens nach den Prinzipien des Lean Managements
Lean Innovation
Lean Innovation Diese Definition legt Günther Schuh seinem Ansatz zugrunde, im Innovationsbereich die systematische Identifikation von Verschwendung und deren Bekämpfung vollumfänglich zu etablieren. Ziel von Lean Innovation ist die Bereitstellung von Leitlinien, um am Markt effektive „Lean Products“ mit einem Höchstmaß an Effizienz in der Entwicklung zu realisieren. Da die grundsätzlichen Lean Prinzipien auf alle Unternehmensbereiche anwendbar sind, müssen sie auch für den F&EBereich gelten. Schuh entwickelt sein Konzept entlang der Leitplanken der Lean-Thinking-Prinzipien, wie sie von Womack & Jones in ihrem gleichnamigen Buch dargelegt wurden [2] (►Lean Thinking), wobei er feststellt, dass im F&EBereich diese Prinzipien sehr schwach ausgeprägt sind. Den Nachweis erbringt er in einer empirischen Untersuchung, die der Konzeptentwicklung von Lean Innovation vorausging. Zum Ergebnis der Befragung (n=143 Unternehmen – 143 Führungskräfte im Innovations- und Entwicklungsmanagement der produzierenden Industrie) heißt es [3, S. 3]: „Die vorliegende Studie liefert wertvolle Einblicke für neue Gestaltungsansätze. Erst ein Drittel der produzierenden Unternehmen hat überhaupt begonnen, eine systematische Identifikation von Verschwendung in der Produktentwicklung durchzuführen. Gleichzeitig lässt sich eine klare Korrelation feststellen zwischen dem finanziellen Erfolg eines Unternehmens und seinen Bestrebungen in Richtung Lean Innovation.“ 2 Handlungsfelder und Prinzipien von Lean Innovation Die Beschreibung von Lean Innovation gliedert sich in Ziele, den Handlungsfeldern und Prinzipien, die sich konsistent von der jeweils vorherigen Ebene ableiten. Im Rahmen von Lean Innovation bedeutet Lean Thinking die Erhöhung von Wertschöpfendem, Reduzierung von nicht direkt Wertschöpfendem und die Eliminierung von Verschwendung. Entscheidend für Lean Innovation ist die integrierte Verbesserung von Effektivität und Effizienz. Beide sind maßgebend für den Unternehmenserfolg, denn v. a. auf dem Kundennutzen (Effektivität) und dem „time to market“ basiert der Erfolg des Unternehmens (►Erfolgsfaktoren). Jedem der folgenden vier Handlungsfelder werden jeweils drei Prinzipien zugeordnet [1, S. 10ff]: ◼ Eindeutig Priorisieren – Wie identifiziere ich den Kundennutzen und in welchen Produkten setze ich ihn um? – Prinzipien: Strategische Positionierung mit dominanten Fähigkeiten; Klare Hierarchisierung von Kundenwerten und Projektzielen; Roadmapping für Produkte und Technologien ◼ Früh Strukturieren – Wie gestalte ich die Produkte?– Prinzipien: Produktarchitekturgestaltung durch integrierte Produkt- und Produktionsstrukturen; Sortimentsgestaltung mit Merkmal- und Variantenbäumen; Lösungsraum-Steuerung durch Freiheitsgrade und Design-Sets
Lean Management ◼ Einfach Synchronisieren – Wie regle ich die effiziente Einbindung aller Beteiligten? – Prinzipien: Wertstromoptimierung durch Prozessklassifizierung und -standardisierung; Datenkonsistenz „Single source of truth“; Projektsteuerung durch Multiprojektmanagement und Taktung; ◼ Sicher Adaptieren – Wie kann ich die Anpassung der Produkte an sich wandelnde Forderungen sicherstellen? – Prinzipien: Innovationscontrolling mit ergebnisorientierten Regelkreisen; Release-Engineering durch Synchronisierte Änderungen; Kontinuierliche Verbesserung der Innovationsproduktivität. Die Kernprinzipien von Lean Thinking werden immer wieder herangezogen, um an Beispielen und kleinen Fallstudien aufzuzeigen, wie die Handlungsfelder und Prinzipien konkretisiert werden können. So wird im Handlungsfeld „Früh Strukturieren“ die Tendenz immer kürzer werdender Produktlebenszyklen am Fallbeispiel Toyota en detail illustriert. Trotz dieser Operationalisierung und theoretischen Abstützung ist Lean Innovationen noch nicht abgeschlossen. Die Einführung von Lean Innovation in die Praxis bedarf nach dieser Systematisierung noch der weiteren Anreicherung mit Methoden. Daran wird im Werkzeugmaschinenlabor (WZL) an der RWTH Aachen gearbeitet. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur [1] Schuh, G.: Lean Innovation. Berlin-Heidelberg (SpringerVieweg) 2013 [2] Womack. J. P. und D. T. Jones: Lean Thinking. Balast abwerfen, Unternehmensgewinn steigern. 3. Auflage. Frankfurt am Main (Campus) 2013 [3] Schuh, G., M. Lenders und S. Schöning: Mit Lean Innovation zu mehr Erfolg. Aachen (Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH) 2007
Lean Management
▶Lean Production ▶Lean-Begriffe ▶Toyota Produktionssystem ▶Toyota Motor Company (TMC) ▶Ganzheitliche Produktionssysteme 1 Wovon wir ausgehen müssen In der Begriffsbildung, Rezeption und Diskussion um das Lean Management wird in der Regel als Referenz die Studie von Womack et al. zur „Zweiten Revolution in der Autoindustrie” [1] herangezogen. Nicht ohne Grund. In diesem Forschungsprojekt, dem International Motor Vehicle Program (IMVP) am MIT, USA, wurde der Begriff „lean” geprägt, um damit ein Produktionssystem zu charakterisieren, das sich in besonderer Weise vom System der Massenproduktion abhebt. Die Autoren sahen im Produktionssystem der ►Toyota Motor Company (TMC) das zukunftsweisende Musterbeispiel eines von ihnen sogenannten „lean-geführten” Unternehmens. Allerdings wurde in der Studie inhaltlich nicht auf
617
L
Lean Management die japanische Primärquelle, das von Ohno Taiichi als „Toyota Produktionssystem” beschriebene Produktionssystem [2], Bezug genommen, dessen Inhalte bereits 1978 in japanischer und 1988 in englischer Sprache publiziert wurden [3, S. 125]. Den Schwerpunkt bilden eigene im Querschnitt (Synopse) zusammengestellte empirische Erhebungen (Fallstudien) zur Situation der globalen Automobilindustrie, deren Quintessenz lautet: Das als Lean Production bezeichnete Managementsystem ist weltweit als Benchmark einzuschätzen, an dem kein Unternehmen in der Ausrichtung seiner Organisation vorbeikommt. Das Buch von Womack et al. hat in der Folge gewissermaßen ein Eigenleben entwickelt. Die Ergebnisse der Studie werden schlechthin gleichgesetzt mit Toyota Produktionssystem (TPS) = Lean Production. Geht man davon aus, dass in der amerikanischen Managementlehre Production weiter als im Deutschen (= Fertigung) auszulegen ist, gilt die erweiterte Gleichung Toyota Produktionssystem (TPS) = Lean Management.
L
Die Begriffsbildung scheint perfekt zu sein, doch inhaltlich befinden wir uns in einer Schieflage, die darin besteht, dass die Autoren um Womack fast ausschließlich ihre empirischen Ergebnisse als Basis für die Beschreibung eines Produktionssystems herangezogen haben (Momentaufnahme) und eine genaue Analyse des Toyota Produktionssystems in seiner historischen Genese und Gestalt selbst, in der die eigenen Ergebnisse hätten zurechtgerückt werden können, unterblieb. Die IMVP-Studie zeigt so ein verkürztes und verzerrtes Bild des TPS. Ein zutreffenderes Bild vom Lean Management kann erlangt werden, wenn eine Längsschnittbetrachtung an den Gegenstand angelegt wird. Deshalb wird in diesem Beitrag zunächst die Zeitachse zurückverfolgt und ein Schwerpunkt auf die handelnden Personen bei Toyota selbst gelegt, die das System entwickelt und geprägt haben. Von diesen war der genannte ►Ohno Taiichi zuletzt der Maßgebende. 2 Wie alles anfing: Toyoda Sakichi (Vater), der Tüftler und Toyoda Kiichiro (Sohn), der Gründer von TMC Vom Firmengründer, Toyoda Sakichi, wird berichtet, dass sein explizites Interesse dem Verbessern galt, sowohl in technischer wie in organisatorischer Hinsicht. Er war ein begabter Ingenieur, „König” der japanischen Erfinder mit 84 Patenten, „Vater” der industriellen Revolution in Japan. Seine wichtigste Erfindung war der erste strombetriebene Webstuhl, der Toyoda Power Loom, den er 1897 der Öffentlichkeit vorstellte. 1926 gründete er die Toyoda Automatic Loom Works, Ltd. (TALW), die heute noch umfirmiert und branchenneutral im Zuliefererbereich als Toyota Industries Corp. (TICO) eine wichtige Rolle spielt. Mit visionärem Blick erkannte Sakichi schon 1910 (zwei Jahre vor dem Produktionsstart des T-Modells bei Ford) bei seinem ersten Besuch in den USA, dass nicht der Webindustrie die Zukunft gehören würde, sondern
618
Lean Management dem Automobilbau. Sakichi starb 1930. Seinem Sohn Kiichiro war es infolge seines Rates dann vergönnt die Autosparte 1936 aus der Automatic Loom Works herauszulösen und als Toyota Motor Company (TMC) eigenständig zu führen. 3 Wie es weiterging Bedingt durch Kriege und andere Ereignisse, wie wirtschaftliche Einbrüche und Arbeitsstreiks verlief die Entwicklung der TMC phasenweise stark krisengeschüttelt. Trotz dieser widrigen Umstände gelang es den einzelnen Firmenlenkern, die fast auschließlich aus der Toyoda-Familie selbst oder dem betriebseigenen Umfeld rekrutiert wurden [3, S. 74], bis zum Wechsel zum einundzwanzigsten Jahrhundert, einen einzigartigen Unternehmenskomplex zu formen, der weit über die Automobilbranche hinaus Maßstäbe für Unternehmensführung und -organisation gesetzt hat, die international als allgemeingültig anerkannt worden sind. Neben dem eng auf die Autoproduktion bezogenen Ansatz eines Toyota Production System mit seinen vielfältigen Produktions- und Qualitätstechniken hat sich immer mehr herausgeschält, dass vor allem die „weichen Faktoren“ den Erfolg begründet haben. Zweifellos bildet „The Spirit of Toyota”, wie er von Sakichi in den Five Precepts formuliert wurde, bis heute die Basis des ethischen Wertekanons der Toyotakultur (Abbildung L04). Sie mögen wohl für den modernen jungen Japaner antiquiert und religiös überhöht wirken. Nichtsdestotrotz basieren auf ihnen die sieben Guiding Principles von 1992/1997, in denen sich der „Toyota-Geist” in Richtung Globalität weitet (Abbildung L05). So ist Toyotas Tradition aufgehoben im Toyota Way und seiner offensiven Vision für das 21. Jahrhundert. Bei der Einschätzung dieser Ausrichtung muss vermutet werden, dass – wie Mike Rother [4, S. 23] feststellt – das japanische Management mit seinen „unsichtbaren Denk- und Handlungsroutinen im Management”, wie es im TPS ansatzweise und in den Leitbildern skizziert wurde, im Westen nicht wirklich richtig verstanden worden ist (►Kata). Diese Aussage als Hypothese leitet nun über zur kritischen Prüfung üblicher Darstellungen des TPS in der Form von Haus- und Tempeldarstellungen. 4 Toyota Produktionssystem: Tempelsäulen, Räume, Wände, Dächer und der Ansatz von Cho Fujio Wer auch immer die Inspiration geliefert haben mag (wahrscheinlich Ohno selbst), jedenfalls fällt auf, dass kein Mangel herrscht, immer dasselbe darstellende Muster zu nutzen, um das TPS in Variationen abzubilden: Ein Tempel mit zwei Säulen. Die Etiketten werden dann ganz nach Belieben beschriftet. Oft geht es bei den beiden Säulen um ►Just in Time und ►Jidoka. Diese Tempeldarstellung soll hier nicht verfolgt werden. Sie suggeriert ein verzerrtes, wenn nicht sogar falsches Verständnis und vernachlässigt den Versuch eines analytischen Zugangs. Deutlich fundierter und durchdachter, wenn auch noch immer der Haus-Metapher folgend, geht Cho Fujio bei seiner Darstellung des Toyota Produktionssystems vor (Abbildung L06).
Lean Management
Lean Management Abb. L04: The Spirit of Toyota – The Five Precepts
Toyoda Sakichi: The spirit of Toyota (publ. 30. Oktober 1935) Manager und Mitarbeiter müssen zusammenarbeiten.
Haben Sie keine Angst, Fehler zu machen.
Lasst uns Dinge ausprobieren.
Die fünf Prinzipien von Toyota (Five Precepts) 1 Seien Sie immer pflichtbewusst; erbringen Sie damit Ihren Beitrag für das Unternehmen, das Gemeinwohl und Gemeinwesen. 2 Seien Sie immer fleißig und kreativ; bemühen Sie sich, dem Trend voraus zu sein. 3 Seien Sie immer praktisch orientiert; hüten Sie sich vor Leichtsinn.
Abb. L05: The Guiding Principle of Toyota Motor Company
4 Bemühen Sie sich immer darum, an Ihrem Arbeitsplatz eine Atmosphäre zu schaffen, die Herzlichkeit und Freundlichkeit ausstrahlt. 5 Haben Sie immer Respekt vor den Göttern; denken Sie immer daran, dankbar zu sein. ⚖
2 Respect the culture and customs of every nation and contribute to economic and social development through corporate activities in the communities. 3 Dedicate ourselves to providing clean and safe products and to enhancing the quality of life everywhere through all our activities.
4 Create and develop advanced technologies and provide outstanding products and services that fulfill the needs of customers worldwide. 5 Foster a corporate culture that enhances individual creativity and team-work value, while honouring mutual trust and respect between labour and management. 6 Pursue growth in harmony with the global community through innovative management. 7 Work with business partners in research and creation to achieve stable, long-term growth and mutual benefits, while keeping ourselves open to new partnerships. (Quelle: www.toyota-indus.com/pdf/Toyota-Guiding-Principles.pdf)
Erweise Inhalt und Geist von inländischen und ausländischen Gesetzen Respekt und strebe durch offene und faire Unternehmenstätigkeit danach, als Unternehmen ein vertrauenswürdiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu werden. 2 Respektiere Sitten und Bräuche eines jeden Landes und jeder einzelnen Region und trage durch die Unternehmenstätigkeit vor Ort zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Gemeinwesens bei. 3 Bekenne und verpflichte dich voll dazu, umweltfreundliche und sichere Produkte anzubieten, und bemühe dich, durch sämtliche Unternehmenstätigkeiten die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen und eine wohlhabende Gesellschaft zu schaffen. 4 Schaffe und entwickle fortschrittliche Technologien, um so herausragende Produkte und Dienste anbieten zu können, die den Bedürfnissen der Kunden in aller Welt entgegenkommen. 5 Fördere eine Unternehmenskultur, welche die Kreativität des einzelnen Mitarbeiters ebenso wie den Wert des Teamgeistes steigert und gleichzeitig das gegenseitige Vertrauen zwischen Mitarbeitern und Geschäftsführung stärkt. 6 Strebe Wachstum an in Harmonie mit der globalen Gesellschaft durch innovative und forschrittliche Unternehmensführung. 7 Arbeite mit den Geschäftspartnern in Forschung und Wertschöpfung harmonisch zusammen zur Erreichung eines stabilen und langfristigen Wachstums und gegenseitiger Vorteile, ohne sich selbst die Möglichkeit zu neuen Partnerschaften zu versperren.
L
Abb. L06: Das TPS nach Cho Fujio als Haus
Toyota: The Guiding Principles (1992/1997) Honour the language and spirit of the law of every nation and undertake open and fair corporate activities to be a good corporate citizen of the world.
⚖⚖
Beste Qualität – niedrigste Kosten – kürzestmögliche Durchlaufzeiten – größtmögliche Sicherheit – hohe Arbeitsmoral Verkürzung der Produktionszeit durch die Elimierung nicht werthaltiger Elemente
Just-In-Time die richtigen Teile in der richtigen Menge zur richtigen Zeit ◼ Taktzeit ◼ kontinuierlicher Fluss ◼ Pull-System ◼ Kurze Umrüstzeiten ◼ Integrierte Logistik
Menschen & Teamwork ◼ Selektion ◼ Entscheidungsfindung nach dem Ringi-System
◼ gemeinsame Ziele ◼ Crosstraining
Kontinuierliche Verbesserung Eliminierung nicht werthaltiger Elemente ◼ genchi genbutsu ◼ 5W-Technik (fünf
◼ Bewusstsein für
maliges Fragen nach dem Warum zur Ursachenbestimmung)
Verschwendung ◼ Problemlösung
Jidoka (Prozessimanente Qualität an jeder Arbeitsstation) macht Probleme deutlich ◼ Automatischer Produktionsstopp ◼ Andon ◼ Teilung zwischen Mensch und Maschine ◼ Selbstgesteuerte Fehlererkennung ◼ Qualitätskontrolle an jeder Arbeitsstation ◼ 5W-Technik
Produktionsnivellierung (heijunka) Stabile und standardisierte Prozesse Visuelles Management ‚Philosophie der Toyota-Methode‘
619
Lean Management
Lean Management
In seinem Modell in Abbildung L06 stehen die nicht werthaltigen Elemente im Zentrum (►Muda), die es zu eliminieren gilt, beeinflusst von Menschen & Teamwork und dem Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (►Kaizen). Die Darstellung von Cho basiert auf einem ganzheitlichen Verständnis. Die Metapher „Haus” wird nicht nur symbolisch verstanden, sondern konkret, quasi architektonisch (Modell eines Hauses). Seine vier Basiselemente sind ◼ Dach: Zielsetzung, Kundenorientierung ◼ Wände (tragende): Basistechniken ( JiT/Jidoka) und daraus entwickelte und abgeleitete Produktions- und Qualitätstechniken ◼ Zentrale Räume: Mitarbeiter/Teams, die sich darum bemühen, Verschwendung zu eliminieren und den KVP bewusst leben; gezielte Anwendung entsprechender Techniken ◼ Fundament: Philosophie, Vision, Heijunka, Prozessorientierung, Führung, visuelles Management; das Fundament garantiert die Stabilität.
Jedes einzelne dieser vier Systemelemente unterliegt dem KVP und Standardisierungsprozess, was bedeutet, dass sich das Gesamtsystem immer mehr stabilisiert, und so die Komplexität kontrolliert wird. Liker hierzu [5, S. 65]:
5 Der ganze Blick auf das TPS führt zum Toyota Managementsystem (TMS) Seinem Wissen zum Lean Management wird man nicht gerecht, wenn es auf einigen Versatzstücken beruht. Der ganzheitliche Blick erschließt erst den gezielten Zugang. Dabei muss klar sein, dass das Toyota Produktionssystem von Anfang an in ein Human- und Kultursystem eingebettet wurde, das bis heute auf den gelebten ethischen Maximen des Gründers beruht. Eine Tatsache, die schlicht übersehen und schon gar nicht herausgearbeitet wurde. Der Mitarbeiter und sein Arbeitshandeln sind bei Toyota in das Humansystem einbezogen. Dieser Komplex bildet ein Systemelement. Es ist unzureichend und trifft das Gesamsystem von Toyota nicht, nur von einem ausschließlich auf die Fertigung gerichteten Produktionssystem zu sprechen. Mit dem Humansystem wird ein „Mitarbeiter-Wertstrom“ modelliert, indem folgende Phasen verfolgt werden: ◼ Mitarbeiter gewinnen, ◼ Mitarbeiter entwickeln, ◼ Engagement und Inspiration wecken.
Es ist nur konsequent, wenn das Systemelement ►Muda auch hier das Denken bestimmt, indem Mitarbeit ohne und mit Wertschöpfung thematisiert werden. Generell ist Muda im Humansystem als Mangel an Mitbeteiligung zu definieren. Diesem Mangel gilt es mit entsprechenden Instrumenten durch die Führungskräfte entgegenzuwirken. Folglich ist von einem Toyota Managementsystem (TMS) gesprochen worden, das in einem kulturellen System eingebettet ist und dessen Grundlagen sich auch im Arbeitsverständnis der Gruppenarbeit zentriert haben (s. Skizze in Abbildung L07).
„JiT bedeutet die größtmögliche Reduzierung von Lagerbeständen, die mögliche Produktionsengpässe abfedern sollen. In einem idealen On-Piece Flow wird immer nur jeweils eine Einheit hergestellt, und das in der Geschwindigkeit, die der Takt der Kundennachfrage vorgibt. Geringere Sicherheitsmengen als Puffer für Engpässe (die Beseitigung des Sicherheitsnetzes) bedeuten, dass sich Probleme wie Qualitätsmängel unmittelbar bemerkbar Abb. L07: Das Toyota Managementsystem mit seinen Teilsystemen machen. Das wiederum stärkt das Jidoka, das den Produktionsprozess stoppt. In Toyota diesem Fall müssen die Montagearbeiter Managementsystem bzw. Maschinenbediener die Probleme TMS unmittelbar und schnell lösen, um die Produktion wieder aufzunehmen. Das Toyota Toyota Fundament des Hauses ist die Stabilität.”
L
Humansystem THS
Toyotas kulturelles System TKS
620
Produktionssystem TPS
Das System pulsiert besonders infolge der fortwährend angewandten Produktionsund Qualitätstechniken. Diese Praxis bewirkt ein ständiges organisatorisches Wachsen, indem überholte Routinen durch neue ersetzt werden (►KVP/Standardisierung). Insofern trifft der naturalistisch entlehnte Begriff Wertstrom sehr gut den dauernden Systemzustand des Pulsierens. Das Konzept des Wertstroms (►Wertstrommanagement) wurde Jahre später von Womack/Jones in die Terminologie zum Lean Management eingebracht [6].
In Deutschland wurde dieses Systemverständnis sehr spät erkannt und damit der Begriff „►Ganzheitliches Produktionssystem“ (GPS) geschaffen [3. S. 226ff]. Allerdings tut man sich noch sehr schwer damit, sowohl das Humansystem wie auch das Kultursystem als tragende Systemelemente einzu-
Lean Management
Lean Management
beziehen. In jedem Fall steht im Zentrum dieser Systeme der Versuch die Null-Fehler-Produktion zu perfektionieren, wie sie in der Abbildung zum Ausdruck gebracht wird (Abbildung L08). Ganz anders ►Shingo Shigeo, der zusammen mit Abb. L08: Null Fehler realisieren Qualitätsforderung (quality requirement) verlangte Beschaffenheit
Beschaffenheitsgestaltung
Qualität (quality) realisierte Beschaffenheit bezüglich Qualitätsforderung
Fehler (nonconformity) Nichterfüllung der Qualitätsforderungen
Null Fehler (zero defect) Erfüllung aller Qualitätsforderungen ▼ Null-Fehler-Programm
Mangel (defect) Nichterfüllung von anwendungsbezogenen Qualitätsforderungen
Abb. L09: Shingos zehn Prinzipien der operationalen Exzellenz
Shingos Prinzipien der operationalen Excellenz 1 Respect every individual
2
3
Lead with humility
Seek perfection
4
5
6
Assure quality at the source
Flow and pull value
Embrace Scientific Thinking
7
8
9
10
Focus on process
Think systemically
Create constancy purpose
Create value for the customer
Deutsch: 1. Respekt gegenüber jedem Menschen 2. Bescheidenheit vorleben 3. Nach Perfektion streben 4. Qualität von Anfang an 5. Fließ- und Zieh-Prinzip hoch einschätzen 6. Wissenschaftlichem Denken gerecht werden
7.
Prozessorientierung steht im Mittelpunkt 8. Systemisch denken, also analytisch und synthetisch denken, im Sinne wie die Dinge miteinander zusammenhängen, also in Wechselwirkung zueinander stehen 9. Beständigkeit in der Zielsetzung, langfristige Ziele verfolgen 10. Wert für den Kunden erzeugen
Quelle: http://translate.google.com/translate?hl=de&sl=en&u=http://www.shingoprize.org/&prev=/ search%3Fq%3Dwww.shingoprize.org%26hl%3Dde%26client%3Dsafari%26rls%3Den&sa=X&ei=JXA_UfumEMO0PMSu gcAF&ved=0CDgQ7gEwAA
Ohno das Produktionssystem von Toyota weiterentwickelt hat, und zu dessen Ehren in den USA der einzige Qualitätspreis (Award) des Lean Managements, der Shingo Prize, ins Leben gerufen wurde [3, S. 181ff]. Er formulierte zehn Prinzipien zur Anwendung, die man in ihrer allgemeinen Form als aus den Elementen des TPS abgeleitet sehen muss (Abbildung L09). Shingos Prinzipien der operationalen Exzellenz verdeutlichen eindrucksvoll, dass der Schwerpunkt auf den humanen und kulturellen Komponenten gelegt wurde. Somit findet die o. g. Festlegung des TPS als Managementsystem auch in der Konfiguration des Modells für den Shingo Prize ihre Bestätigung. 6 Lean Management bis heute, das entblätterte TPS Oberflächlich gesehen könnte man zu der Überzeugung gelangen, dass sich die Ansätze rund um das Lean Management seit Erscheinen der MIT-Studie ständig mischen und so den Ordnung suchenden Leser eher verwirren. Dieser Eindruck hält jedoch einer genauen Analyse nicht Stand. Das Gegenteil ist der Fall. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass die äußere Schale des TPS immer mehr angekratzt wurde Man kann von einem „Entblätterungsprozess“ sprechen. Ohnos Darlegungen (in [2]) sind offenbar bewusst lückenhaft gehalten worden, was ja auch evident ist. Welches Unternehmen legt schon seine „Betriebsgeheimnisse“ auf den Tisch? Die eher „weichen“ Elemente des TPS wurden in der nachfolgenden neueren Literatur sehr wohl erkannt und auch für die Praxis fruchtbar gemacht. Mike Rother hat das in seinem Buch „Die Kata des Weltmarktführers“ [4] vorexerziert. Womack & Jones zeigen es in ihrem Buch „Lean Thinking“ [6]. Shingo Shigeo erläutert es in seinen Prinzipien der operationalen Exzellenz, und Rother & Shook setzen in der Folge der LeanThinking-Studie von Womack & Jones einen neuen Meilenstein mit „Learning to See“ [7]. Ein wichtiges Ergebnis dieser Entwicklung ist die Erkenntnis, dass sich das Managementsystem Toyotas als ein Wertstrom-Managementsystem profiliert. In der Folge von Rother & Shooks Buch „Learning to See“ hat sich eine durchaus eigenständige Richtung des Wertstromdesigns (WSD) etabliert. Toyota hat diesen Begriff nie kommuniziert, aber es ist erkennbar, dass der Prozess des Wertstroms seinem Managementsystem inhärent ist. Auch die von Rother in die Diskussion eingebrachte Kata ist ja keine eigene „Hintergrundtechnik“ von Toyota, sondern der Versuch eines Externen der erfolgreichen Toyota-Praxis ein Erklärungsmodell zu hinterlegen. Die folgende Abbildung L10 zeigt in zeitlich aufsteigender Folge die einzelnen Stufen, angefangen von der Grundlegung des Toyota Managementsystems durch Toyoda Sakichi bis zur Toyota-Kata von Mike Rother. Aufzunehmen in dieses Treppenmodell wäre noch Lean Six Sigma, ein kombinatorischer Ansatz, den Toyota so nicht verfolgen würde und auch bis heute nicht augenommen hat. Insofern gehört er auch nicht in die Darstellung. Interessanterweise hat er nicht nur in den USA, wo seine Ursprünge liegen, hohe Resonanz gefunden, sondern auch in Deutschland und vielen europäischen Ländern.
621
L
Lean Management
Lean Management
Abb. L10: Die Entwicklung des Toyota Managementsystems und seine Weiterungen
Die Entwicklung des Toyota Managementsystems und seine Weiterungen Lean Management soll dasjenige Managementsystem genannt werden, das sich mit der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Organisation und Produktion in Unternehmen befasst, um – bei gleichzeitiger Beachtung und Anwendung von Effektivitäts- und Effizienzkriterien – die Fragilität sämtlicher Wertschöpfungsströme in Balance zu halten, die sich immer einstellt, wenn versucht wird, überschüssige Ressourcen/Puffer (slack) auf allen Ebenen zu reduzieren, ja teilweise gegen Null gehen zu lassen. Ein solcher Managementansatz folgt einem Denkprinzip, das erstmals in Japan systematisch entwickelt wurde, wo nach dem 2. Weltkrieg der wechselseitigen Beachtung von Raum-, Zeit-, Kosten-, Qualitäts-, Arbeits-, Human- und kulturellen Faktoren höchste Priorität zukam.
◼ Lean Six Sigma: Fortführung als eigenständiges Konzept, sowohl national in Deutschland (z.B. Armin Töpfer 2007/2008) oder weltweit, wie in den USA (z. B. Juran Institute) ◼ Wertstromdesign: „Wo immer es ein Produkt für einen Kunden gibt, gibt es auch einen Wertstrom. Die Herausforderung besteht darin, ihn zu sehen.“
Mike Rother 2009 ◼ Blick hinter den Vorhang Die Kata des Weltmarktführers Jerry L. Liker 2006 ◼ Die vier Prinzipien des Toyota Wegs (4 Ps)
Michael George 2002 ◼ Lean Six Sigma Rother/Shock 1998 ◼ Learning to See: Operationalisierung des Wertsstroms Womack/Jones 1996 ◼ Fünf Prinzipien des „Lean Thinking“ ◼ Wertschöpfungsstrom Womack/Jones/Roos 1984-1989/1990 ◼ MIT-Forschungsprojekt „The Machine that Changed the World“
L
Shingo Shigeo 1912*-1990† ◼ Maßgebliche Beteiligung an der Entwicklung des TPS ◼ SMED/Poka Yoke ◼ Null-Fehler-Programm ◼ Zehn Prinzipien der operationalen Exzellenz Ohno Taichi 1912*-1990† ◼ Entwicklung des TPS auf der Basis der Vorarbeiten von Sakichi und Kiichirō ◼ Five Whys ◼ Standardisierung
◼ ◼ ◼ ◼
◼ ◼ ◼ ◼
Toyoda Kiichirō 1894*-1952† Gründer TMC (1937) Just in Time/Kanban Muda Prozessbeherrschung/ Kaizen
Toyoda Sakichi 1867*-1930† Five Precepts Jidoka Five Whys Kaizen ▲ 1900
622
Die „Entblätterung“ des Toyota Managementsystems In der Tat hat sich erst nach und nach herausgestellt, dass das Toyota Produktionssystem nicht einfach eine Ansammlung von Produktions- und Qualitätstechniken ist. Vielmehr steckt dahinter. Was Mike Rother vermutet, trifft voll und ganz zu: Wir haben das Toyotamanagement mit seinen „unsichtbaren Denk- und Handlungsroutinen im Management“ eigentlich immer noch nicht richtig verstanden. In Deutschland wird nun seit einigen Jahren versucht, noch einmal von von vorne anzufangen und Toyotas System in „Ganzheitliche Managementsysteme“ einzupassen. Das kann nur erfolgreich sein, wenn es gelingt die humanen und kulturellen Muster in einen langfristigen Strategierahmen einzubetten und diesen eng mit dem Produktionsbereich zu verknüpfen.
▲ 1930-1952
▲ 1943-1990
▲ 1970-1988
▲ 1990
▲ 1996
▲ 1998
▲ 2002
▲ 2006
▲ 2009
t
Lean Management
Begriff
Halten wir zum Schluss einen Explikationsversuch einer Definition fest, die Lean Management als umfassendes Managementsystem begreift: Lean Management soll dasjenige Managementsystem genannt werden, das sich mit der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Organisation und Produktion in Unternehmen befasst, um – bei gleichzeitiger Beachtung und Anwendung von Effektivitätsund Effizienzkriterien – die Fragilität sämtlicher Wertschöpfungsströme in Balance zu halten, die sich immer einstellt, wenn versucht wird, überschüssige Ressourcen/Puffer (slack) auf allen Ebenen zu reduzieren, ja teilweise gegen Null gehen zu lassen. Ein solcher Managementansatz folgt einem Denkprinzip, das erstmals in Japan systematisch entwickelt wurde, wo nach dem 2. Weltkrieg der wechselseitigen Beachtung von Raum-, Zeit-, Kosten-, Qualitäts-, Arbeits-, Humanund kulturellen Faktoren höchste Priorität zukam. Dieser weitgefasste Bezugsrahmen eines Managementsystems mit seinen normativen Elementen ist in der Unternehmenspraxis nie in Reinform umgesetzt worden, sondern nur immer partial. Auch die Vertreter von Total Quality Managementansätzen und Exzellenzmodellen stellen keine Bezugspunkte zum Lean Management her. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass sowohl die strategischen wie die operativen Elemente des Modells Eingang in Theorie und Praxis von Managementlehren gefunden haben. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Womack, J., D. T. Jones und D. Roos: Die Zweite Revolution in der Autoindustrie. Konsequenzen aus der weltweiten Studie des Massachusetts Institute. 8. Aufl. Frankfurt am Main-New York (Campus) 1994 (1. Auflage deutsch: 1991, am. Orig. 1990: „The Machine That Changed The World“) [2] Ohno, T.: Das Toyota Produktionssystem. Frankfurt am Main (Campus) 1993 [3] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. Einführung in Geschichte, Systeme, Techniken sowie Gestaltungs- und Implementierungsansätze eines modernen Managementparadigmas. München (Oldenbourg) 2013 [4] Rother, M.: Die Kata des Weltmarktführers. Toyotas Erfolgsmethoden. Frankfurt am Main (Campus) 2009 [5] Liker, J. K.: Der Toyota Weg. 14 Managementprinzipien des weltweit erfolgreichsten Automobilkonzerns. München (Finanzbuch) 2006 [6] Womack, J. und D. T. Jones: Auf dem Weg zum perfekten Unternehmen. Lean Thinking. Frankfurt am Main-New York (Campus) 1997. Der Titel wurde dann im Deutschen auch umbenannt in „Lean Thinking“ [7] Rother, M. und J. Shook: Learning to See. Brookline. MA (Lean Enterprise Institute) 1998
Lean Thinking Lean Marketing ▶Lean-Begriffe
Lean Office
▶Lean-Begriffe
Lean Production
▶Lean Management
Lean Thinking
▶Schlankes Denken ▶Learning to See ▶Wertstrommanagement „Erfolg misst sich üblichweise durch Lernen aus Fehlern.“ (hdz)
Es mag verwundern, dass die Analysen und Beschreibungen des Toyota Produktionssystems keinesweg aus dem Hause Toyota stammen. Lediglich der ja schon klassisch zu nennende Titel von ►Ohno Taiichi (Toyota Production System) entstammt direkt aus der Feder eines Toyota Managers, spiegelt folglich die Sicht des Autobauers wieder. Ansonsten haben es sich ausgewiesene Kenner der Toyota-Praxis, sei es durch eigene Anschauung, Rückversicherung durch Experten aus dem Hause Toyota oder auch eigene Mitarbeit bei Toyota zur Aufgabe gemacht, recht kenntnisreich Zusammenhänge darzustellen, Analysen zu präsentieren und auch Empfehlungen auszusprechen. Was da an Erkenntnissen geliefert wurde, kann man nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Insofern gilt den Experten, von denen hier Womack, Jones, Rother and Shock, aber auch Liker genannt werden müssen, unsere Hochachtung. Gleichwohl sind die vorgelegten Konzepte keineswegs die unumstößliche Wahrheit. Sie können falsifziert werden, wenn neue Einsichten anderes lehren. Eine Managementlehre sollte, ja muss, genauso wie eine wissenschaftliche Hypothese, der Falsifikation unterworfen werden (►Popper). Im Folgenden wird das Managementkonzept „Lean Thinking“ behandelt. Es ist aus einer defizitären Situation von zwei Verfassern (Womack and Jones) der Studie „The Machine That Changed The World“ entstanden [1, S. 9]: „Nach vielen Begegnungen mit vielen Lesern und sehr viel Nachdenken gelangten wir schließlich zu den fünf Schlüsselprinzipien des schlanken Denkens.“ Womack und Jones suchten also nach einer gedanklichen Klammer, nachdem sie zwar Fakten und Methoden zu ihrem Spezialthema Lean zusammengetragen hatten, aber auf Fragen nach dem WIE keine Antwort geben konnten. Die Lösung sahen sie nun darin, dass sie etwas an „Theorie“ nachgeschoben haben. Wie Abbildung L11 zeigt geht es in den fünf Schlüsselprinzipien um ein normatives Konzept, das von der Annahme ausgeht „Zuerst muss der Wert des Produktes aus der Sicht des Kunden antizipiert werden“. Die fünf Phasen werden als „schlanke Prinzipien“ auf ca. 130 Seiten dargestellt.
623
L
Lean Thinking Es macht Sinn sie zirkulär aufzufassen. Auf „Perfektion“ folgt zwingend der Beginn (Wertbestimmung). Der Rest des Buches ist eine Fallsammlung. Theoretische Durchdringung ist nicht zu erkennen. Eher handelt es sich bei den Fallstudien um reflektierte „Hofberichte“ bekannter Firmen, wie in Deutschland Porsche. Trotzdem, das Buch gab der Diskussion um das Lean Management eine neue Richtung vor, es wurde ein unhintergehbarer Klassiker dieses Genres, wenn auch viele Autoren es gar nicht mehr erwähnten und die neuen Begrifflichkeiten als Allgemeingut anwandten. Direkt aus den Darlegungen von Womack & Jones heraus entstand ein neuer Begriff, der sehr schnell die Praxis erreichte, das ►Wertstrommanagement.
L
Lean Thinking Abb. L11: Fünf Schlüsselprinziepen von Lean Thinking
Pursue Perfection
Respond to Customer Pull Production
Legende 1 Va – Identify Customers and Va Value Specify Value – Genaue SpeziSt Value Stream fikationen des Wertes aus der Fl Continuos Flow Pu Pull Production Sicht des Kunden: Die WertbePe Perfection stimmung setzt voraus, dass eine bestimmte Einheit betrachtet, also ein Produkt in Abgrenzung zu anderen Produkten existiert. Zu prüfen ist, ob die Produktmerkmale (im QM sind es die Qualitätsmerkmale) auch wirklich den Forderungen der Kunden entsprechen. Die Zielsetzung Wert ohne Muda zu schaffen ist konsequent zu verfolgen. 2 St – Identify and Map the Value Stream – Identifikation des Wertschöpfungsstroms für jedes Produkt: Dazu zählen alle erforderlichen Tätigkeiten, um ein definiertes Produkt entlang des Wertstroms unter dem Aspekt der Produktentwicklung, des Informationsmanagements und der physikalischen Transformation von Rohmaterial bis zur Fertigstellung zu verfolgen, bis es in den Händen des Kunden angelangt ist und von ihm genutzt wird. Den organisatorischen Rahmen bildet nicht nur die Einzelfirma, sondern ein Unternehmensnetzwerk wie es in globalisierten Branchen nomal ist (►Globales Werschöpfungsmanagement). 3 Fl – Create Continuos Flow by eleminating waste – Flow des Wertes ohne Unterbrechung: Aus der Perspektive des im Entstehen begriffenen Produkts wird dem Flow, also Fluss des Wertstroms nachgegangen. Unnötige Zwischenlager und Puffer werden genauso erkannt und eleminiert wie Engpässe. Wir würden nur lange Durchlaufzeiten erzeugen. 4 Pu – Respond to Customer Pull Production – Pull des Wertes durch den Kunden beim Produzenten: Das Pull-Prinzip (Hol-Prinzip) muss man sich in der Tat vorstellen als
624
Pu
Pe
Va
Key Principles of Lean Thinking
Identify Customers and Specify Value
St
Identify and Map the Value Stream
Fl Create Continuos Flow by eleminating waste Wert Wertstrom Flow ohne Unterbrechung Pull durch den Kunden in der Produktion Streben nach Perfektion
ein Ziehen der Teile durch die Produktion. Der Kunde zieht die Produktion an! Das ist genau das Gegenteil zum Push-Prinzip, bei dem nicht der Kunde, sondern der (Unter-)Lieferant den Kunden mit materiellen Beständen versorgt, die seinen Raum, seine Zeit und seine Kosten sprengen können. Idealerweise realisiert sich das PullPrinzip in der One- oder Single-Piece-Flow-Situation, nach der immer die Losgröße 1 realisiert wird. 5 Pe – Pursue Perfection – Streben nach Perfektion: Indem entlang des Wertstroms alle Tätigkeiten für den Kunden Wert erzeugen und damit Muda beseitigt wurde, zeigte sich, dass durch dieses Streben nach Perfektion die „Prozesse der Reduktion von Arbeit, Zeit, Raum, Kosten und Fehlern beim Anbieten von Produkten endlos sind. Das Produkt entspricht immer mehr dem, was der Kunde tatsächlich verlangt. Plötzlich scheint Perfektion, das fünfte und letzte Prinzip schlanken Denkens, keine verrückte Idee mehr zu sein.“ [1, S. 34] Damit wären die Kernelemente von Lean Thinking als zirkulärer Prozess beschrieben. Manche Autoren ergänzen diese noch um vier „Basic Principles of Lean“, wie sie offenbar von den meisten Organisationen genutzt werden [2, S. 316]: ◼ Identify value from the customer standpoint (eliminate waste) ◼ Center on the people who add value ◼ Flow value from demand (delay commitment) ◼ Optimize across organisation.
Learning to See
Learning to See
Begriff
Doch Womack & Jones stellen diese vier Punkte nicht heraus. Sie lassen sich aber unschwer in ihren Ausführungen ausmachen, stehen also nicht im Widerspruch zu den fünf Schlüsselprinzipien. Wie könnte nun Lean Thinking definiert werden? Zunächst die Autoren [1, S. 17]: „Schlankes Denken ist schlank, weil es einen Weg aufzeigt, immer mehr mit immer weniger zu erreichen – weniger menschliche Arbeit, weniger Equipment, weniger Zeit und weniger Raum –, während man immer besser den Kunden das bereitstellt, was sie wirklich wollen.“ Lean Thinking kann folglich als Denkstil (L. Fleck; modern: ►Mindset) verstanden werden, der konsequent von den Kundenforderungen ausgehend den Wertstrom mit dem Ziel verfolgt, Muda in einer Organisation vollständig zu vermeiden (Reduktion von Arbeit, Fehlern, Zeit und Raum), indem die fünf Schlüsselprinzipien Value, Value Stream, Continuous Flow, Pull Production und Perfection konsequent in ihrem zirkulären und interdependenten Zusammenhang Anwendung finden. Hierzu wurde dann auch auf dem Fuß folgend die operative Methodik in zwei Schritten geliefert: Von Mike Rother die Toyota-Kata (►Kata)und von Mike Rother und John Shook das ►Learning to See. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Womack, J. D. & D. T. Jones: Auf dem Weg zum perfekten Unternehmen. Lean Thinking. Frankfurt am Main (Campus) 1997 (später Umbenennung des deutschen Titels in „Lean Thinking“ als Haupttitel) – Original amerik. 1996 by Simon & Schuster (New York) [2] Charron, R., H. J. Harrington, F. Voehl and H. Wiggin: The Lean Management Systems Handbook. Boca Raton-London-New York (Productivity Press) 2015, p. 316
Learning to See
▶de: Sehen Lernen ▶Lean Thinking ▶Wertstrommanagement
auch einen Wertstrom. Die Herausforderung besteht darin, ihn zu sehen.“ wird dieses Anliegen herausgestellt. Didaktisch sehr geschickt wird eine Vogelpespektive eingenommen, um damit die Ganzheitlichkeit zu visualisieren und gleichzeitig mnemotechnische Symbole einzuführen, die strukturbildend den Wertstrom abbilden. So kann nicht nur Muda visualisierend erkannt, sondern auch ursächlich beseitigt werden. Die Vorgehensweise entspricht der IST-/SOLL-Methodik. Das angelegte Wertstromdesign ist also in doppelter Form zu erstellen (Soll = future state map). Damit bringt die Anwendung ganz konkrete Ergebnisse, indem Lean Management in die Realität umgesetzt wird. Technisch wird empfohlen sog. MIFA-Diagramme (=Material- und Informationsflussanalyse-Diagramme) im A3-Querformat auf traditionelle Weise mit Blei- und Filzstiften zu erstellen und in der Gruppe am Flipchart zu arbeiten (Abbildung L12). Wertstromdesign nach Rother & Shook ist inzwischen Allgemeingut geworden. Engelbert Westkämper weist ausdrücklich darauf hin [2]: „Der Grundgedanke des Lean Manufacturing wird heute mittels der Wertstromanalyse und Wertgestaltung (Wertstromdesign) in den Produktionssystemen realisiert. Das Wertstromdesign ist eine Methode, um eine ’schlanke’ Fertigung in die Realität umzusetzen.“ In diesem Lexikon wäre besonders das Stichwort ►Wertstrommanagement zu studieren. Tapping et al. [3] schlagen vor, das methodische Vorgehen als Kreation von Storyboards aufzufassen, wie sie erstmals von Walt Disney und heute üblicherweise Comic-Zeichner, aber auch Fernseh- und Filmproduktionen benutzen. Abbildung L13 zeigt ein solches Storyboard für die Erstellung von Wertstromdesigns. Wenn es fertig erstellt worden ist, zeigen sich SOLL und IST gleichermaßen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Rother, M. und J. Shook: Learning to See: Value-Stream Mapping to Create Value and Eliminate Muda: Value Stream Mapping
Abb. L12: Wertstromdesign immer mit Bleistift und Filzstift erstellen
„The way to get started is to quit talking and begin doing.“ (Walt Disney)
Im Anschluss an das Werk „►Lean Thinking“ von Womack & Jones wurde eine kleine Schrift mit dem Titel „Learning to See“ von den Autoren Mike Rother und John Shook veröffentlicht, die sich sofort äußerster Beliebtheit erfreute. Sie enthält das Handwerkszeug zum Designen von Wertströmen und verspricht im Ansatz die „unsichtbaren Denk- und Handlungsroutinen“ (Mike Rother) sichtbar zu machen, die Toyotas Management nicht offenbar werden lässt [1]. Mit dem einleitenden Satz „Wo immer es ein Produkt für einen Kunden gibt, gibt es
625
L
Lebensqualität
Lebenszyklus
Abb. L13: Muster eines leeren Storyboards mit den wichtigsten Symbolen des Wertstromdesigns
to Add Value and Eliminate Muda. Lean Enterprise Institute (Cambridge, USA) 1998. Die deutsche Ausgabe mit dem Titel „Sehen Lernen“ erschien 2004 [2] Westkämper, E.: Einführung in die Organisation der Produktion. Berlin-Heidelberg (Springer) 2006, S. 222 [3] Tapping, D., Luyster, T. and T. Shuker: Value Stream Management. Eight Steps to Planning, Mapping, and Sustaining Lean Improvements. New York (Productivity Press) 2002
Lebensdauer
▶Zuverlässigkeitsmanagement
Lebensqualität
▶quality of life ▶Qualität als ethischer Begriff
Der Begriff dient zur Bezeichnung der gesamten Lebensbedingungen in einer Gesellschaft. Entsprechend dieser umfassenden Ausrichtung wird Lebensqualität mit einem differenzierten System sozialer Indikatoren gemessen, die folgende Bereiche ein schließen: Gesundheitsversorgung, Bil dung und Erziehung, Arbeitswelt, Freizeitmöglichkeiten und -bedingungen, natürliche Umwelt, soziale Umwelt und Beziehungen, Sicherheit und Recht, persönliche Sicherheit und Recht, Politische Indikatoren. Literatur Hillmann, K.-H.: Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart, 4. Auf. Stuttgart (Kröner) 1994, S. 476
626
Lebensweg
▶en: life cycle aufeinander folgende und miteinander verbundene Stufen eines Produktsystems von der Rohstoffgewinnung oder Rohstofferzeugung bis zur Behandlung am Ende der Lebensdauer
Anmerkung 1 zum Begriff: Der Lebensweg umfasst Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen und kann beschaffte Waren und Dienstleistungen umfassen sowie die Entsorgung von Produkten und Erbringung von Dienstleistungen, z. B. Konstruktion, Herstellung, Transport, Verpackung und Endverbrauch oder Entsorgung, enthalten. Normquelle: ISO 14044:2006 – Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen, modifiziert; bezieht sich auf „Behandlung am Ende der Lebensdauer“, nicht „endgültige Beseitigung“, Anmerkung 1 zum Begriff wurde hinzugefügt. ⟪Originalbegriff⟫
Lebenszyklus
▶Produktlebenszyklus ▶Qualitätskreis ▶QTK-Kreis
Während die klassischen Ansätze des Qualitätsmanagements sich lediglich auf den Teil der primären Wertschöpfungskette Unterlieferant – Fertigung – Montage – Warenausgang beschränken, betrachten heute maßgebliche Modelle den gesamten Produktlebenszyklus eines Angebotsprodukts (►Qualitätskreis von W. Masing; ►QTK-Kreis von W. Gei-
ISO-Term
L
Quelle: [3]
Lebenszykluskosten
Lebenszykluskosten
ISO-Term
▶en: Life Cycle Costs Kombination von Investitions- und Kostenrechnung, die auf das Konzept des ►Lebenszyklus zurückgreift. Hier werden Kosteneinflussgrößen berücksichtigt, die sich häufig in der Kostenrechnung nicht finden. Die Kosten eines Produkts werden über all seine Lebensphasen (von der Entwicklung bis zur Entsorgung) analysiert. Daraus ergeben sich Empfehlungen für die Produktgestaltung sowie die Beschaffung mit dem Ziel, die gesamten Kosten zu optimieren.
Leistung
▶en: measurable result messbares Ergebnis
Anmerkung 1 zum Begriff: Leistung kann sich entweder auf quantitative oder qualitative Feststellungen beziehen. Anmerkung 2 zum Begriff: Leistung kann sich auf das Management (3.3.3) von ►Tätigkeiten, ►Prozessen, ►Produkten und ►Dienstleistungen, ►Systemen oder ►Organisationen beziehen. Anmerkung 3 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition wurde durch eine Änderung in Anmerkung 2 zum Begriff geändert. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Leistungsarten
▶Qualitätsbezogene Kosten
Leistungsforderungen ▶Kano-Modell
Leistungsmessung
▶Performance Measurement
Leitbild
▶en: mission statement ▶Corporate Mission Statement (CMS) ▶Unternehmensleitbild | ▶Organisationsleitbild ▶Qualitätsleitbild In den Begriff Leitbild wird im Stichwortartikel ►Qualitätsleitbild eingeführt, dem folgende Leitbilddefinition zugrundeliegt:
Ein Leitbild enthält die grundsätzlichsten und damit allgemeingültigsten, gleichzeitig aber auch abstraktesten Vorstellungen über angestrebte Ziele und Verhaltensweisen der Unternehmung. Es ist ein realistisches Idealbild, ein Leitsystem, an dem sich alle unternehmerischen Tätigkeiten orientieren (oder auch orientieren sollten).
Begriff
ger). Diese Ansätze zum Lebenszyklus eines Produktes sind von Modellvorstellungen aus dem Strategischen Marketing zu unterscheiden, die auch den Begriff Lebenszyklus von Produkten verwenden aber damit in der Regel den Rekurs auf Portfolio-Betrachtungen vollziehen. Es handelt sich um zeitbezogene Marktreaktionsmodelle, die von der Innova tionsphase ausgehend bis zur „Sterbephase“ eines Produktes jeweils idealtypisch das Produkt charakterisieren.
LEP-Ludwig-Erhard-Preis
Lenkung
▶Qualitätslenkung ▶Statistische Qualitätslenkung ▶SPR/SPC
Lenkungsausschuss ▶Implementierung
LEP-Ludwig-Erhard-Preis ▶Qualitätsauszeichnungen ▶EFQM Excellence Award
Seit 1997 gibt es sie auch in Deutschland, die Auszeichnung für Spitzen leistun gen im Wettbewerb. Sie ist nach ►Lud wig Erhard, dem Bundes wirtschaftsminister (1949 bis 1963) und Bundeskanzler (1963 bis 1966), benannt. Wenn man bedenkt, daß in Japan bereits seit 1951 der ►Deming Price verliehen wird, und man in den Vereinigten Staaten von Amerika den ►Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA) schon seit 1988 für Spitzenleistungen von Unternehmen und anderen Organisa tionen vergibt, so hat es erstaunlich lange gedauert, bis es in Deutschland zu einer solchen Auszeichnung kam. Ihm liegt der ►EFQM Excellence Award (EEA) zugrunde, der seit 1992 (damalige Bezeichnung European Quality Award) dazu dient, die besten Organisationen beziehungsweise Unter nehmen Europas auszuzeichnen. Bereits lange vor Deutschland hatten sich zahlreiche andere europäische Länder für die Einführung einer nationalen Auszeichnung für Spitzenleistungen im Wettbewerb entschieden, allen voran Norwegen schon 1974. Nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika war der MBNQA Ausdruck der Bemühungen um die Behauptung im Wettbewerb national wie international. Auch die 14 Gründungsmitglieder der ►European Foun dation for Quality Management (EFQM) hatten erkannt, dass es im Kampf um Marktanteile auf dem internationalen Parkett darauf ankommt, ►Total Quality Management (TQM) zu praktizieren. Nicht nur die Produktqualität, sondern insbesondere auch die Qualität der Dienstleistungen gegenüber den Kunden, die Mitarbeiterrientierung und -Einbindung zur Ressourcen schöpfung mußten den Stellenwert zugewiesen bekommen, der vorhandene Marktanteile sichern und verlorengegangene wieder zurückgewinnen hilft.
627
L
LEP-Ludwig-Erhard-Preiss Spitzenleistungen im Wettbewerb zu erzielen und damit am Markt Erfolg zu haben, setzt allerdings ein Management voraus, das mit Konstanz und Geduld Wertschöpfung durch Wertschätzung der am Entstehungsprozeß der Leistungen beteiligten Partner betreibt und die Kreativität und Phantasie aller Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten zur Geltung kommen läßt. Die auf der Basis eines umfassenden Unter nehmensmanagements zu praktizierenden Zielsetzungen beinhalten einerseits das Be schreiten völlig neuer Wege (Innovationen) und andererseits Aspekte wie Produktivi tätssteigerung, ►Qualitätsverbesserung, Durchlaufzeiten-, Flächen- oder auch Bestandsreduzierungen, d. h. die Vermeidung von Verschwendungen durch den Prozess der ständigen Verbesserungen. Um die nachhaltige Verbesserung der Wettbewerbs-fähigkeit zu unterstützen, macht es Sinn, auch in Deutschland das Modell zu nutzen, das in Europa die Basis der höchsten Auszeichnung für TQM darstellt. Nicht die Qualität allein – in Deutschland leider allzu oft nur auf das Produkt, die Ware bezogen – ist hier gemeint. Es geht vielmehr um Spitzen leistungen im Wettbewerb, um ►„business excellence“.
L
Da die Unterschiede gegenüber dem ►EFQM-Modell für Business Excellence, das dem EEA zugrundeliegt, sich auf ab weichende Benennungen und Formulierungen beschränken und auch die prozentuale Gewichtung der Kategorien vom EFQM-Modell übernommen wurde, erübrigt sich hier eine Darstellung. Sie kann unter dem Stichwort ►EFQM-Modell nachgeschlagen werden. Die Koppelung des LEP an das EFQM-Modell bewirkt, dass sich die Verbesserungen am EFQM-Modell auch auf die Be wertung zum LEP auswirken. Bis dahin erfolgt die Bewertung nach den bisherigen Kriterien. Die jeweils angewendeten Kategorien und ihre prozentuale Gewichtung können der Be werbungbroschüre entnommen werden (URL: www.ilep.de). Das Modell ist als Führungs- und Controlling-Instrument für die Aufgabe auch des ►Integrativen Managements hervorragend prädestiniert. Es verfolgt kein starres, normatives Vorgehen, sondern überläßt es den Organisationen, ihren jeweiligen spezifischen Ansatz zur Erfüllung der insgesamt neun Hauptkriterien des Modells mit einer Reihe von Subkri terien und vielen möglichen Ansatzpunkten zu finden. Deshalb stellt die Deutsche Auszeichnung für Spitzenleistungen im Wettbewerb, der LEP, für alle Organisationen, d. h. für Industrie- und Handwerksbetriebe, den Handel, das Ge sundheitswesen, für Behörden, Schulen, Hochschulen, für Dienstleister u. a. eine außerordentlich gute Möglichkeit dar, die Aktivitäten auf die ständige Verbesserung der eigenen Leistungskraft zu konzentrieren und am ►EFQM-Modell zu spiegeln. Allerdings bedeutet nicht der Preis hierbei das ausschlaggebende Ziel. Die Orientierung daran aber hilft, das Ziel der ständigen Verbesserung (►KVP) der eigenen Organisation nie aus den Augen zu verlieren.
628
LEP-Ludwig-Erhard-Preis Der LEP wird als Auszeichnung und als Preis vergeben. Eine Auszeichnung erhalten Wettbewerbsteilnehmer, die eine be stimmte, von der Jury festzusetzende Punktzahl in allen Kriterien nachgewiesen haben. Dem Teilnehmer mit der besten Bewertung wird dann den Ludwig-Erhard-Preis verliehen. Pro Bewerber nimmt ein Team geschulter, unabhängiger Assessoren die Bewertung vor und erstellt einen sog. FeedbackBericht als Ergebnis der Beurteilung. Assessoren sind nicht gleichzusetzen mit ►Auditoren im Sinne der ►DIN EN ISO 9001-Zertifizierung. Es handelt sich um Experten (►EFQMModell; ►Qualitätsassessment; ►Bussiness Excellence durch TQM). Die Bewerbung um den LEP bietet für den Bewerber eine Reihe von Vorteilen. Selbst wenn die Bewerbung nicht gleich zur angestrebten Auszeichnung führen sollte, erhält der Bewerber eine ausführliche Bewertung seiner Organisation im Hinblick auf das Umsetzen einer umfassenden Qualität. Im Rahmen des Bewertungsprozesses wird ein Feedback-Be richt erstellt. Der Bericht zeigt Stärken und nennt mögliche Verbesserungsbereiche der überprüften Organisation beim Umsetzen der umfassenden Qualität. Die Bewerbung ist eine Herausforderung, um die Bemühungen der Organisation auf Qualitätsverbesserungen zu konzentrieren und diese als Weg zum Erreichen von Spitzenleistungen zu fördern. Der Preis wird durch „Initiative Ludwig-Erhard-Preis (ILEP)“ vergeben, die sich aus Vertretern der Spitzenverbände der Wirtschaft zusammensetzt. Die Kriterien zur Erlangung des Preises fordern den Nachweis der Langfristigkeit. Da sich Organisationen in Deutschland noch nicht sehr lange mit der Materie befassen, konnte der Preis an keinen Bewerber der ersten Runde vergeben werden. Prof. Dr.-Ing. Herbert Schnauber, Bochum Literatur
DGQ; VDI (Hrsg.): Ludwig-Erhard-Preis – Auszeichnung für Spitzenleistung im Wettbewerb. Bewerbungsbroschüre o.O. 1999 (Gegen eine Schutzgebühr bei der → DGQ erhältlich) European Foundation for Quality Management – EFQM (Hrsg.): Das EFQM-Modell für Excellence 1999, Brüssel N. N.: Durch Motivation und Wissen an die Spitze. Bericht von der Verleihungsveranstaltung zum Ludwig-Erhard-Preis und der DGQTagung am 17. und 18. November 1998 in Berlin. In: QZ, 44. Jg. (1999), Heft 2, S. 134-135 N. N.: DGQ-Nachrichten: Bundesregierung will Spitzenleistungen im Wettbewerb honorieren. Wirtschaftsminister Müller überreicht Ludwig-Erhard-Preis 2000. In: QZ, 45. Jg. (2000), Heft 6, S. 728 Zink, Klaus J.; Schmidt, A.: Nutzt ein nationaler Qualitätspreis? In: QZ, 39. Jg. (1994), Heft 11, S. 1242-1244 Zink, Klaus J.: Bewertung ganzheitlicher Unternehmensführung am Beispiel des Ludwig-Erhard-Preises für Spitzenleistungen im Wettbewerb. München-Wien 1998
Lernende Organisation
Lernende Organisation
Lernende Organisation
aufbauenden Entscheidungen und Handlungen einzelner bzw. Eliten zurückgehen, die nicht auf dem Lernen der Organisation bzw. dem Lernen aller ihrer Mitglieder beruhen.
Begriff
1 Einleitung „Lernen“ kann als notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für die erfolgreiche Anpassung an sich verändernde Umwelten definiert werden. Dieser Prozess mag schmerzlich, vorausschauend, selektiv, umfassend, zielgerichtet und erfolgreich sein, aber er kann auch scheitern; denn man kann auch Falsches lernen, das nicht zum Erfolg führt. Allgemein bezeichnet der Begriff „Lernen“ einen Prozess, seine Bedingungen und Techniken und nicht die Inhalte, was gelernt werden muss, um erfolgreich zu sein. Der Begriff Lernen (engl. learning) bezeichnet allgemein einen Prozess, seine Bedingungen und Techniken und nicht die Inhalte, was gelernt werden muss, um erfolgreich zu sein. Der Lernbegriff wird zuerst mit dem Lernen von Individuen assoziiert. Wie Individuen lernen, darüber ist sehr viel bekannt, wie Organisationen lernen, recht wenig. Ob und wie die Erfahrungen des individuellen Lernens oder Lernens in Gruppen als permanenter Prozess auf die Organisation übertragen werden können, ist unklar. Fraglich ist auch, ob es sich beim Begriff Lernende Organisation nicht um eine Verdinglichung im Managementjargon handelt? Gemeint sind ja nicht unterschiedliche Lernvorgänge in Organisationen, meistens auch nicht die Summe aller Lernprozesse, sondern ein um fassendes, zielbewußtes Lernen der Organisation selbst. In der Management-Literatur wird Lernen mehr mit Erfolg gleichgesetzt als mit Prozess [1]; das impliziert aber Strategien und Inhalte zur Erreichung von Effizienz und Effektivität. Der Begriff Lernende Organisation ist also zumindest mehrdeutig. Zahlreiche und weitgehende Überschneidungen mit Begriffen und Konzeptionen wie z. B. Lernen im Unternehmen [2], Organisationsentwicklung [3], Personalentwicklung [4], „Fortschrittsfähige Organisation“ [5], Wissensmanagement [6], Change Management [7], oder Kontinuierlicher Verbesserungsprozess [8] sind gegeben. Unter Titeln wie learning organization oder organizational learning u.ä. [9] gibt es mittlerweile zwar eine Reihe von Veröffentlichungen (Cossan & Guatto [10] haben 184 Veröffentlichungen gezählt), jedoch gibt es keine einheitliche Vorstellung bzw. Definition zu Lernende Organisation; es scheint mehr eine Vision [11] als eine Organisationstechnologie zu sein. 2 Lernen in Organisationen Gelernt wird in Organisationen schon immer. Die gelingende Anpassung einer Organisation an sich verändernde Um welten bzw. der Erfolg kann auf dem Lernen und den darauf
Die Ebenen des Lernens in Organisationen können wie folgt aufgezeigt werden: ◼ Lernen von Individuen; ◼ Lernen von Gruppen, Eliten, Subkulturen (z.B. Qualitätszirkel, Teamentwicklung); ◼ Lernen im Sinne von geteiltem Wissen in der gesamten Organisation (z. B. systematische Weiterbildung aller Mitarbeiter im Gegensatz zur üblichen Segmentierung und Trans parenz der Ergebnisse für alle Mit ar beiter einschließlich der Dokumentation und entsprechender Hilfsmittel); ◼ Lernen als Transformation der Kultur und ihre Fortentwicklung (z. B. Schaffung einer Lernkultur).
Begriff
▶ learning organization ▶ Fehlerlernen ▶ Unternehmenskultur ▶ Kernkompetenz-Management ▶ Wissensmanagement
Argyris & Schön [12] haben in Anlehnung an Bateson [13] organisationales Lernen über drei Stufen entwickelt, als single loop-learning, d. h. Fehler zu erkennen und korrigieren, double loop-learning, d. h. aufgrund der korrigierten Fehler Normen und Verfahren in der Organisation zu modifizieren, und deutero-learning, d. h. den Lernprozess zu reflektieren und neue Strategien des Lernens zu entwickeln, diese zu evaluieren und zu generalisieren. Einige Aspekte des Lernens werden hier angesprochen: Grundsätzlich für das Lernen steht die Einsicht: Aus Fehlern zu lernen! Das bedeutet jedoch, Experimente zuzulassen und Fehler machen zu dürfen (►Fehlerlernen); z. B. stehen schlecht kommunizierte Parolen zur „Nullfehler-Philosophie“ dieser Erfahrung entgegen (Dies als Beispiel für Fak toren, die das Lernen behindern). Für das Lernen und die Motivation im Qualitätsmanagement (►Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement) sind Bedingungen wichtig wie die Zielgerichtetheit, d. h. zu wissen wohin es geht. Spielraum für die Gestaltung des Prozesses und eigene Kontroll- und Entscheidungsmöglichkeiten sollen gegeben sein, damit auch Verantwortung übernommen werden kann, sowie die Herausforderung und Ganzheitlichkeit der Aufgabe, die durch die Ziel-Vereinbarung ermöglicht werden. Diesen stehen Gängelei und kleinliche Bürokratie u. a. im Wege. Die Behauptung, die Lernende Organisation muss von oben nach unten vorgelebt werden, ist insofern richtig, als der Prozess ►Promotoren und Sponsoren benötigt (Macht-, Fachund Beziehungspromotoren). Für das Lernen in Gruppen gilt z. B. neben einer Reihe von Bedingungen der Gruppendynamik, dass bei der Ausführung komplexer Aufgaben Gruppen, deren Mitglieder gemeinsam trainierte wurden, bessere Leistungen erbringen als Gruppen, deren Mitglieder einzeln trainiert wurden.
629
L
Lernende Organisation
Lernende Organisation
Ratschläge von Praktikern wie Tominaga dürfen nicht überschätzt werden, ihre Anwendbarkeit auf alle möglichen Situa tionen und organisationalen Kontexte sollte nicht unkritisch erfolgen. Kaizen-Ratschläge nach Tominaga [14]: ◼ „Beleuchten Sie die aktuelle Situation kritisch. Lassen Sie keine Ausreden zu. ◼ Wenn Fehler gefunden werden, drängen Sie auf sofortige Änderung. ◼ Was gut ist sofort anfangen, was schlecht ist, sofort ändern. ◼ Verzichten Sie auf Perfektionismus. Führen Sie Verbesserungsmaßnahmen sofort durch, auch wenn nur 30% des Problems gelöst werden. ◼ Fragen Sie nach den wahren Gründen der Fehler. Fragen Sie lieber fünfmal warum. ◼ Hinterfragen Sie herkömmliche Methoden; suchen Sie neue. ◼ Machen Sie sich auf die Suche nach Problemlösungen. Lassen Sie sich nicht mit einem „nicht machbar“ abspeisen. ◼ Eine gute Idee kommt nicht von alleine. Befassen Sie sich immer wieder mit dem Problem. ◼ Kleine Vorschläge von zehn Leuten sind mehr wert als eine Idee eines Genies.“
L
3 Lernen in der Organisationskultur (►Unternehmenskultur) Die Lernende Organisation scheint am besten in der Lernkultur aufgehoben zu sein; die gelebte Organisationskultur ist ein zentraler Filter für das Lernen in wie dem Lernen der Organisation. Schein [15] sieht in zugrundeliegenden Werten und Basis-Überzeugungen den Zugang zum Verhalten in Organisationen, die wesentlich aus Gruppen hervorgehen und die generell die Grundeinheiten von Organisationen bilden. Eine Reihe von Autoren [16] sehen im Gruppenlernen den zentralen und einzig möglich erfolgreichen Weg zur Lernende Organisation. Insofern müsste die Lernende Organi-
sation in kleineren Organisationen leichter zu verwirklichen sein als z. B. in großen, multinationalen. Dieser Ansatz setzt nicht das Individuum ins Zentrum des Lernprozesses, sondern die Gruppe. Von der Gruppe als zentraler Lerneinheit ausgehend, findet eine Diffusion in die anderen Ebenen und organisatorischen Einheiten statt und setzt sich auch in organisationsexternen Bereichen fort (►Unterlieferanten, Abnehmer etc.). Den Prozess, der stark an Strategien der ►Organisationsentwicklung erinnert, versucht die folgende Darstellung aufzuzeigen (Abbildung L14). Die Lernende Organisation zeichnet sich durch eine Kultur aus, in der konstruktiv diskutiert wird, d. h. Fragen zu stellen und Kritik zu üben sind eher die Regel als die Ausnahme. Offenheit nach innen und außen zeichnen nicht nur die Lernende Organisation aus sondern auch erfolgreiche Orga nisationen. McGill & Slocum [17] unterscheiden vier Or ganisationskulturen: Die Wissende, Verstehende, Denkende und Lernende. Sie diskriminieren diese nach fünf Kategorien: Organisationsphilosophie, Führungspraktiken, Einstellung zum Kunden, Anweisungen an die Mitarbeiter und Bedeutung von Veränderungen. Die Zuordnung zu einer ►Unternehmenskultur kann mit Kriterien wie den folgenden versucht werden, die in Anlehnung an Handy [18] zwischen Macht-, Rollen-, Aufgaben- und Personenkultur unterscheiden (Abbildung L15). Die Operationalisierung für Untersuchungen in der betrieblichen Praxis gestaltet sich aber wesentlich schwieriger, als es auf den ersten Blick hier erscheinen mag; das liegt u. a. auch daran, weil es kaum einen durchgehend reinen Typus gibt und empirisch ungeklärt ist, in welcher Form spezifisch das Lernen gemessen werden soll. Der Typus der Aufgabenkultur entspricht hier am ehesten der Lernenden Organisation. Die Konzeption der Lernenden Organisation als ein ganzheitlicher Kulturansatz, der alle Aktivitäten in der Organisa-
Abb. L14: Diffusion des Lernens von der Gruppe ausgehend über die Gesamtorganisation
System
Ebene Soziales Individuum Gruppe Organisation
630
Technisches
Administratives
Externes
Lernende Organisation
Lernende Organisation
tion einschließt, bietet am ehesten Gewähr dafür, dass Lernen und Gelerntes nicht totes Wissen bleiben, sondern auch im Handeln umgesetzt werden – und das möglichst schnell, denn darauf kommt es in der Praxis ja nicht zuletzt an. Die Lernende Organisation „gewaltsam“ in Gang setzen zu wollen, dürfte zum Scheitern verurteilt sein. Selbstverständlich kann der Prozess auch nicht in die Verantwortung des Dienstleisters „Bildungsabteilung“ delegiert werden, die ja manchmal nur als „fünftes Rad am Wagen“ fungiert. Die Förderung und Steuerung des Prozesses hat Bedingungen zur Voraussetzung, zu denen z. B. das angesprochene Promotorenmodell [19] zählt. Ein allgemeines Hindernis auf dem Weg zur Lernenden Organisation stellt der dominierende Führungsstil dar. Gemeint ist Führung durch Informationsvorsprung und das zugrunde liegende Belohnungssystem, das den individuellen Wissensvorsprung belohnt. Empirische Untersuchungen „Wie Unter nehmen lernen?“ [20] sind dünn gesäht; so sind „polyzentrische“ Organisationsstrukturen, die mehr an internen und externen Schnittstellen „verortet“ sind, offensichtlich lernfähiger als
„monozentrische“, die in der Spitze und ihren Stäben „verortet“ sind [21]. Lernprozesse scheinen anfällig für Verletzun gen zu sein; es gibt zahlreiche abgebrochene Lernprozesse, Empirie dazu gibt es wenig, wer berichtet schon gerne über einen Flop! 4 Lernende Organisation und Qualitätsmanagement: Peter M. Senge als Vollender der Lehre von Deming – Slogan „Wir können nicht nicht lernen!“ In seinem bereits erwähnten Buch „Die fünfte Disziplin“ [11] wendet sich Peter M. Senge gegen ein Managementdenken nach dem Typus der Aktions-Resultat-Vorgehensweise und plädiert dafür, den Menschen in den Mittelpunkt einer lernenden Organisation zu stellen. Dabei greift er – ohne sie allerdings explizit nachzuweisen – Musterbeispiele aus der Lehre Demings auf. Henning Kirstein geht auf die bei Senge sog. fünf Disziplinen (= Fertigkeiten mittels derer Menschen kontinuierlich lernen) einer lernenden Organisation näher ein, indem er sie in einer Synopse den Aussagen ►Demings gegenüberstellt [22]:
Abb. L15: Lernen in der Unternehmenskultur
Kriterien
Kulturtypen Macht-Kultur
Rollen-Kultur Aufgaben-Kultur Personen-Kultur
Was tut das Management? Bewältigt Krisen
Erledigt Routine Kreiert Neuerungen
Suche nach Orientierung
Wer führt bei uns?
Autokraten
Spezialisten
Anarchisten
Wie wird motiviert?
Zuckerbrot und Peitsche
Auszeichnungen Morgen zeigt und Titel sich der Erfolg
Was wird geschätzt?
Die Macht
Die Pflichterfüllung
Die herausfor dernde Tätigkeit
Die Befriedigung individueller Bedürfnisse
Wer wird befördert?
Der Protégé
Kaminaufstieg
Nach Leistung
Nach dem Zufall
Was ist wichtig?
Sich unter zuordnen
Fachliche Kompetenz
Das Lernen zu lernen
Die Selbstentfaltung
Demokraten
Jedem das Seine
Präzedenzfälle Wodurch sind die Prozesse gekennzeichnet?
Reibungslosig keit
Abwechslung und Dynamik
Turbulenzen und Stagnation
Wie wird entschieden?
Per Stimmrecht
Durch das bes sere Argument
Nach dem Zufall
In Cliquen
631
L
Lernende Organisation
L
Systemisches Denken (System Thinking) ◼ Senge: Geschäfts- und menschliche Bemühungen sind Systeme. Sie sind verwoben durch unsichtbare Fäden untereinander verbundener Aktionen ◼ Deming: Verbessere ständig die Systeme; suche ständig nach Fehlerursachen, um alle Systeme für Produkte und Dienstleistungen sowie alle im Unternehmen vorkommenden Tätigkeiten auf Dauer zu verbessern. Persönliche Entwicklung (Personal Mastery) ◼ Senge: Persönliches Meistern ist die Disziplin beständiger Klärung und Vertiefung unserer persönlichen Vision, das Fokussieren unserer Energie und der Entwicklung von Geduld und objektiver Sehweise der Realität. ◼ Deming: Sorge für richtiges Führungsverhalten; schaffe moderne Führungsmethoden, die sich darauf konzentrieren, dem Menschen zu helfen, seine Arbeit besser zu machen. Beste Anstrengungen sind nicht ausreichend; es gibt keinen Ersatz für profundes Wissen. Mentale Modelle (Mental Models) ◼ Senge: Mentale Modelle sind tief verwurzelte Annahmen, Verallgemeinerungen oder sogar Abbildungen oder Vorstellungen, die uns beeinflussen, wie wir die Welt verstehen und wie wir handeln. ◼ Deming: Der neue Denkansatz; um wirtschaftliche Stabilität sicherzustellen, ist ein neuer Denkansatz erforderlich. Wir müssen unsere bisherigen Denkweisen ablegen, d. h. aus eingefahrenen Denkschienen ausbrechen. Dazu ist eine Theorie des Wissens erforderlich. Aufbau gemeinsamer Visionen (Building Shared Vision) ◼ Senge: Wenn eine Idee über Führung über Tausende von Jahren Organisationen inspiriert hat, dann ist es die Fähigkeit eines gemeinsamen Bildes der Zukunft, die wir suchen zu erzeugen. ◼ Deming: Die Werte und Grundansichten der Organisation, wie sie vom Tip-Management umgesetzt werden, sind wichtig. Lernen im Team (Team Learning) ◼ Senge: Die Disziplin des Teamlernens beginnt mit dem Dialog, der Fähigkeit von Teammitgliedern Vermutungen zu vermeiden und ein echtes „Zusammendenken“ anzuwenden. ◼ Deming: Bringe jeden einzelnen in ein Team. Jeder im Team hat die Chance, Ideen, Pläne und Zahlen beizusteuern; aber jeder mag auch erwarten, dass einige seiner besten Ideen durch Gruppen, Meinung des Teams, nicht berücksichtigt werden. Er mag nächstes Mal eine Chance haben; ein gutes Team hat ein soziales Gedächtnis. Die „Fünfte Disziplin“ Senges kann gewissermaßen als Fortsetzung der Lehre Demings gesehen werden, wobei es Senge darum geht, dass alle fünf Disziplinen entwickelt werden. Deming würde das mit Sicherheit genauso sehen. Dipl.-Soz. Rudolf Bögel, München Überarbeiter und Ergänzer: Hans-Dieter Zollondz, Vichy
632
Lernende Organisation Literatur
[1] Dodgson, M.: Organizational Learning: A Review of some Literature. Organization Studies, 14/3, 1993, p. 375 [2] Sonntag, K.: Lernen im Unternehmen. Effiziente Organisation durch Lernkultur. München: Beck 1996 [3] Rosenstiel, L.v., Einsiedler, H. E.; Streich, R. K.; Rau, S.: Motivation durch Mitwirkung. Stuttgart: Schäffer 1987 [4] Sonntag, K. (Hrsg.): Personalentwicklung in Organisationen. Göttingen: Hogrefe 1998 [5] Kirsch, W.: Die Idee der fortschrittsfähigen Organisation. In: R. Wunderer (Hrsg.): Humane Personal- und Organisationsentwick lung. Berlin: Duncker & Humblot, 1979, S. 3 [6] Mandel, H.; Reinmann-Rothmeier, G. (Hrsg.): Die Kluft zwischen Wissen und Handeln. Göttingen: Hogrefe 2000 [7] Reiß, P.; Rosenstiel, L.v.; Lanz, A. (Hrsg.): Change Management: Programme, Projekte und Prozesse. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 1997 [8] Howaldt, J.; Kopp, R.; Winther, M. (Hrsg.): Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß. KVP als Motor lernender Organisation. Köln: Wirtschaftsverlag Bachem 1998 [9] Dierkes, M., Child, J., Nonaka, I.; Berthoin-Antal, A. (Hrsg.): Handbook of organizational learning. London u.a.: Sage 2000 [10] Crossan, M.; Guatto, T.: Organizational learning research profile. Journal of Organizational Change Management, 9, 1996, p. 107 [11] Senge, P. M.: Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation. Stuttgart: Klett-Cotta 1996 [12] Argyris, C.; Schön, D. A.: Organizational learning: A theory of action perspective. Reading, Mass: Addison-Wesely 1978. – Der Titel von Band II lautet: Argyris, Chr.; Schön, D. A.: Organizational Learning II. Theory, Method, and Practice. Reading, Mass: AddisonWesely 1996. dt.: Die Lernende Organisation: Grundlagen, Me thode, Praxis. Stuttgart: Klett-Cotta 1999 [13] Bateson, G.: Ökologie des Geistes: Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven. 6. Auflage, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996, S. 371-391 (Orig. 1972) [14] Tominaga, M.: Auf der Suche nach deutschen Spitzenleistungen. Düsseldorf: Econ 1997, S. 22 [15] Schein, E. H.: Organizational Culture and Leadership. S. Francisco u.a.: Jossey-Bass 1987. – Schein, E. H.: Wenn das Lernen wirklich gelingen soll. Zeitschrift für Führung und Organisation, 3, 1997, S. 61 [16] s. [14], [11], [12] [17] McGill, M.E. & Slocum, J.W.: Unlearning the organization. Organizational Dynamics, Autumn, 1993, p. 85 [18] Handy, C.B. (1978) Zur Entwicklung der Organisationskultur einer Unternehmung durch Management-Development-Methoden. Zeitschrift für Organisation, 47 Jg., 7, 1978, S. 404 [19] Witte, E.: Organisation für Entscheidungen. Das Promotorenmodell. Göttingen: Schwarz 1973 [20] Dierkes, M.; Raske, B.: Wie Unternehmen lernen? In: Manager Magazin, Juli 1994, S. 142-154 [21] Dierkes, M.: Transforming Organizations for the 21st century: Lessons to be Learned from the Comporative Study. Annual Mee ting of the Academy of Management. Vancouver 1995 [22] Kirstein, H.: Der Einfluß Demings auf die Entwicklung des Total Quality Management (TQM). München-Wien (Hanser) 1994, S. 152
Weitere Literatur
Cyert; R. M.; March, J. G.: A Behavioral Theory of the Firm. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall 1963 Dierkes, M.; Child, J.; Nonaka, I.; Antal-Berthoin, A. (Hrsg.): Hand-
Lernstatt
Lernstatt
book of organizational learning. London u.a.: Sage 2000 Sattelberger, Th.: Die lernende Organisation. Konzepte für eine neue Qualität der Unternehmensentwicklung. Wiesbaden: Gabler 1991
Lernkultur
▶Lernende Organisation
Lernstatt
die auf Steigerung der Produktivität und Produktqualität abstellen. Daneben stehen Aspekte wie Verbesserung der Arbeits motivation, Identifikation mit dem Unter nehmen, Förderung der Problemlösefähigkeit und der ►Qualitätsver besserung im Vordergrund von Lernstattaktivitäten. Das Lernstattkonzept ist dennoch in dieser Form eine deutsche Entwicklung innerhalb der Gruppenarbeitsmethoden geblieben. Deshalb macht es Sinn sie dem internationalen Konzept der ►Qualitätszirkel gegenüberzustellen (Abbil dung L16). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Während ►Qualitätszirkel in Japan in den fünfziger Jahren entstanden sind, handelt es sich bei den seit Anfang der siebziger Jahre in der Bundesrepublik auftauchenden Lernstatt um eine eigenständige Entwicklung einer Abb. L16: Unterschiede zwischen Lernstatt und Qualitätszirkel (QC = Quality Circle) Gruppenarbeitsmethode. Der Begriff ist abgeleitet aus Lernen und Werkstatt: Lernstatt Quality Circle Kriterium Zeitbezug ◼ zeitlich begrenzt ◼ dauerhaft Lernen + Werkstatt = Lernstatt Ziel war es damals einerseits die Integration ausländischer Arbeiter in die bestehende Ar beitswelt und andererseits die Entwicklung der Qualifikation der ausländischen und der deutschen Arbeiter: „Die Lernstatt wurde zu Beginn der siebziger Jahre bei BMW und Hoechst (und MAN) in Zusam men arbeit mit ei ner Unternehmensberatung zunächst als Modell zur Lösung der Kommunikations probleme ausländischer Arbeitnehmer entw ickelt. Nachdem traditionelle Methoden der Sprachschulung nicht die gewünschten Ergebnisse erbrachten, versuchte man die Sprachvermittlung vor Ort, im Betrieb, anhand konkreter betrieb licher Auf gaben und Abläufe. Eigens dazu aus gebildete be triebliche Vorge setzte vermittelten die im Alltag benötigten fach- und umgangssprachlichen Kenntnisse in kleinen Lerngruppen von etwa sechs bis acht ausländischen Mit arbeitern. Die Werkstatt wurde zu einem Ort des Lernens, zur Lernstatt, das Werk zeug zum Lernzeug, der Meister zum Sprachmeister. Da der Sprachunterrricht problemorientiert erfolgte, erwarben die ausländischen Arbeitnehmer zugleich Fachkenntnisse und ein Verständnis für betriebliche Zusammenhänge. Ferner konnten bei die ser Ge legenheit Pro bleme in der Zusammenarbeit zwischen Meistern und aus ländischen Mitar beitern gelöst werden.“ [1] Heute dient Lernstattarbeit als prozess- und ergebnisbezogene Gruppenarbeit zwar auch noch der Förderung der Persönlichkeit, im Vordergrund stehen jedoch Zielsetzungen,
Zielhierarchie
◼ Lernaspekt ◼ kulturelle Anpassung und Identifikation ◼ Verbesserungsvorschläge ◼ Motivation durch Erfolge
◼ ◼ ◼ ◼
Voraussetzungen
◼ Neugier auf Lernstatt und hieraus Engagement ◼ Bereitschaft zum Arbeiten
◼ hohes Engagement der Mitarbeiter bereits vorhanden ◼ Problembewusstsein
Gruppenzusamensetzung
◼ gleiche oder bewusst differenziert zusammengesetzte Erfahrungswelt (Arbeitserfahrung)
◼ gleicher Aufgabenzusammenhang (Arbeitsaufgabe)
Koordination
◼ Als Ausbildungsprogramm prozessorientiert; Prozesskoordination nötig (Supervision); ◼ Ergebniskoordination als Begleitergebnis
◼ Ergebniskoordination als Schwerpunkt ◼ Prozesskoordination (Supervision) zur Begleitung erforderlich
Beziehungsverhältnis
◼ Lernstatt-Aktivitäten können zu QC-Ergebnissen führen; Weiterführung als QC kann sinnvoll sein ◼ Die Erwartung von QC-Ergebnissen (Ergebnisorientierung) kann Lernstatt-Gruppen unter Druck setzen und so dass das Lernstatt-Ziel in Frage gestellt wird
◼ Die Voraussetzungen für QC-Arbeit kann durch Lernstatt geschaffen werden. ◼ QC als ergebnisorientiertes Instrument umfaßt nicht die Prozessorientierung der Lernstatt
Ergebnisbewertung
◼ kurzfristige Ergebnisbewertung schwierig, da der Anspruch auf kurzfristige Erfolge Lernstatt-Arbeit (aufgrund ihrer Prozessorientierung) behindert) ◼ Mittelfristig sind mittelbare Ergebnisse beobachtbar; Zurechnung zu Lernstattaktivitäten aber schwierig ◼ konkrete Lernstatt-Vorschläge sind ähnlich wie bei QC zu bewerten
◼ Ergebnisse kurzfristig leicht messbar, hohe Wahrscheinlichkeit von Anfangserfolgen ◼ Mittelfristige Probleme durch Anpacken komplexer und andere Bereiche tangierender Probleme
(Qualitäts-)Verbesserungen Motivation durch Erfolge Identifikation Lernzugewinn
L
Quelle: [2], S. 113
633
Lesson learned Literatur
[1] Antoni, C. H.: Gruppenarbeit – mehr als ein Konzept. Darstellung und Vergleich unterschiedlicher Formen der Gruppenarbeit. In: Ders. (Hrsg.): Gruppenarbeit in Unternehmen. Konzepte, Er fahrungen, Perspektiven. 2. Aufl. Beltz, Weinheim 199, S. 29 [2] Rosenstiel, L. v.: Grundlagen der Organisationspsychologie. 3. Aufl. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1992 [3] Deppe, J.: Quality Circle und Lernstatt. Ein integrativer Ansatz. 3. Auflage. Wiesbaden 1992
Lessons learned
▶de: gelernte Lektion | ▶gewonnene Erkenntnisse ▶Wissensmanagement | ▶Lernende Organisation
▶ RADAR-Bewertungsmethodik
Lewis, Jerry Lee
▶Cale, J. J. Wenige Größen des Rock n’Roll haben explizit das Thema Qualität genannt, wenn es um die Charakterisierung ihrer Musik ging. Jerry Lee Lewis (*1935 in Louisiana), genannt „The Killer“, wies 1961 anläßlich eines Konzerts in London, das er nicht geben durfte, auf folgendes hin: „It’s understood, everything I do, I sure do it good.“ Nicht nur sein Gesangsstil war extraordinär, also von höchster Qualität, auch sein Instrument war es. Es war nicht die Gitarre wie bei den meisten Rock n’Roll Sängern, sondern das Klavier das er virtuos beherrschte: Mit der linken
634
Lieferant
▶en: supplier ►Organisation, die ein ►Produkt oder eine ►Dienstleistung bereitstellt
Beispiel: Hersteller, Vertriebseinrichtung, Einzelhändler oder Verkäufer eines Produkts oder einer Dienstleistung. Anmerkung 1 zum Begriff: Ein Anbieter kann der Organisation angehören oder ein Außenstehender sein. Anmerkung 2 zum Begriff: In einer Vertragssituation wird ein Anbieter manchmal als „Auftragnehmer“ bezeichnet. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Lieferantenbeurteilung
▶en: vendor appraisal; vendor inspection; vendor rating ▶QM-Vereinbarungen ▶Fuzzy-Logic im Qualitätsmanagement ▶Qualitätsmanagement mit SAP Beurteilung der ►Qualitätsfähigkeit eines ►Lieferanten durch den ►Auft raggeber.
Anmerkung: Es gibt in QM-Systemen unterschiedliche Verfahren der Beurteilung eines Lieferanten. Beispiele sind vor der Auftragserteilung: ◼ die Sammlung von Informationen über die Qualitätsfähigkeit des Lieferanten (engl.: „vendor appraisal“); nach der Auftragserteilung: ◼ die Überwachung des QM-Systems des Lieferanten durch den Auftraggeber, seinen Beauftragten oder eine unabhängige Stelle (siehe Qualitätsüberwachung); ◼ Prüfung der Vertragsgegenstände (Angebotsprodukt) durch den Auftraggeber oder seinen Beauftragten beim Lieferanten (engl.: „vendor inspection“); ◼ Eingangsprüfung (DIN 55350-17) der Vertragsgegenstände beim Auft raggeber mit laufender Bewertung der Qualitätsfähigkeit des Lieferanten (engl.: „vendor rating“). Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
Lieferantenbewertung
Wiederkehrende, regelmäßige Beurteilung der Lieferanten durch den Abnehmer nach bestimmten Kriterien, d. h. die Beurteilung nach Aufnahme von Kunden-Lieferantenbeziehungen.
DIN-Term
Levels of Excellence (LoE)
Hand erzeugte er einen starken Boogie-Woogie-Background, während er mit rechts schnelle, mit Gospel angereicherte Melodien spielte. Auf seinem geliebten Klavier spielte er nicht nur mit dem linken Fuß (He played that piano with abandon.), er kletterte auch hinauf, um seinen Gesang am Schluss noch etwas wirksamer ausklingen zu lassen. In derartigen Gesten folgte ihm lediglich Little Richard. Jerry Lee wurde 1986 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Obwohl er inzwischen durch Krankheit schwer angeschlagen ist, toured er immer noch (2015). Peter Guralnick, Amerikas bekannter Musikkritiker, sagt über ihn: „One of the Most Talented Human Beings to Walk on God’s Earth“. Hans-Dieter Zollondz, Vichy ISO-Term
L
Unter Lesson learned ist allgemein eine erfahrungsgestützte Vorgehensweise zu verstehen, mittels der eine Organisation versucht, vergangene Tätigkeiten aufzuarbeiten, um so konsequent aus Erfahrungen (Erfolgen und Fehlern) lernen zu können. Lesson learned repräsentiert somit die Essenz der Erfahrungen, die in Projekten oder in Rollenzusammenhängen gemacht wurden, um diese für die Zukunft fruchtbar zu machen. Der Begriff entstammt dem Projektmanagement, wo zu einem geordneten Projektabschluss auch gehört, dass die Erfahrungen des Projekts dokumentiert und in einer „historischen Projektdatenbank“ festgehalten werden. Deshalb ist es wichtig schon zu Beginn eines Projekts verbindlich Lesson learned festzulegen. Das systematische Sammeln, Bewerten und Verdichten von Erfahrungen, Hinweisen, Fehlern und Risiken ist kein Selbstzweck, sondern muss ein Steuerungsund Kontrollinstrument eines jeden Projekts sein. Konsequent weitergedacht dienen die Lesson learned-Erfahrungen dem Aufbau des Wissensmanagements im Unternehmen. Dabei sollten auch Informationen aufgenommen werden, die auf der Beziehungsebene reflektiert worden sind (►Kommunikation in Führung und Qualitätsmanagement). Organisationen, die ihr Wissensmanagement derart strukturieren profitieren von den Lesson learned-Daten für Folgeprojekte.
Lieferant
Lieferantenmanagement Lieferantenbeziehung
Lieferantenbeziehung zum gegenseitigen Nutzen zählen zu den sieben Grundsätzen und Konzepten des Qualitätsmanagements. Sie werden in Punkt 7 dem Beziehungsmanagement zugerechnet. (s. ►Grundsätze und Konzepte des Qualitätsmanagements nach ISO 9000:2015-11).
Lieferantenmanagement
▶en: supplier management ▶Lieferant | ▶Lieferantenbeziehung ▶Lieferantenbeurteilung | ▶Lieferantenbewertung Das Management der Beziehungen zu den Lieferanten wird als Lieferantenmanagement bezeichnet. Dass dazu die Auswahl der Lieferanten für zu beschaffende Produkte sowie die Festlegungen zur Überwachung und laufenden Beurteilung der Lieferanten zählen scheint trivial zu sein. Doch Lieferantenmanagement ist nach modernem Verständnis mehr. Eine Hauptaufgabe der Unternehmensführung sollte darin bestehen, die Fähigkeiten von Lieferanten mit den Strategien des Unternehmens zu verknüpfen. Nur mit einer integrierten Sichtweise zur Gestaltung von Lieferantenportfolios und Lieferantenbeziehungen kann dies umfassend gelingen. Auf der Basis des inzwischen auch in der ISO 9000: 2015 benannten ►Beziehungsmanagements, dem das Lieferantenmanagement zuzuordnen ist, können die strategischen Elemente des Lieferantenmanagements modellhaft in einem Lieferantenmanagement-Prozess (Abbildung L17) bestimmt werden, wie er durch empirische Erhebungen bestätigt wurde [1]. Nur durch das Management der Lieferantenbasis, durch Lieferantenentwicklung und durch Lieferantenintegration können Unternehmen nachhaltig operative und wettbewerbsstrategische Vorteile erlangen.
Linking-Pin-Modell LIMS
▶Qualitätsmanagement mit SAP
Linearität
▶Prüfmittelmanagement
Line of (external) interaction
▶D7-Q-Techniken für Dienstleister
Line of visibility
▶D7-Q-Techniken für Dienstleister
Linking-pin-Funktion
▶Linking-Pin-Modell Im Rahmen des ►Linking-Pin-Modells von Rensis Likert ist die Linking-Pin-Funktion die Funktion eines Gruppen angehörigen als Verbindungsglied zur Gruppe auf gleicher Ebene oder zur nächsthöheren Gruppe. In der Rolle des Gruppensprechers vertritt er seine Gruppe und deren Inter essen nach außen und diese mit der anderen Gruppe, der er ebenfalls angehört, horizontal bzw. vertikal koordinieren soll. Die Funktion wird auch als Gruppenkoordinator bezeichnet.
Linking-Pin-Modell
▶en: linking pin model ▶System überlappender Gruppen ▶Partizipationsmodell ▶Schnittstelle ▶QM-Element Zuständigkeit ▶Gruppenarbeit
L
Das Linking-Pin-Modell ist die von Rensis Likert [1] in den 1960er Jahren entwickelte Konzeption der vermaschten Gruppenstruktur, wonach die Auf Abb. L17: Der Lieferantenmanagement-Prozess nach Stephan M. Wagner [1, S. 555] bauorganisation als ein System von Gruppen aufgefasst wird, die durch Bindeglieder Umsetzung (linking pins) miteinander verbunden sind. Planung Controlling ◼ Management der Lieferantenbasis Likerts Ansatz beruht auf einem Kontraktmo◼ Lieferantenentwicklung ◼ Lieferantenintegration dell. Danach geht das Mitglied einer Organi sation mit seiner Organisation einen psycho logischen Kontrakt ein. Für seine Arbeitskraft erhält das Organisationsmitglied als Gegenleistung wirtschaftliche und soziale Sicherheit, Selbstachtung Literatur [1] Wagner, St. M.: Lieferantenmanagement. In: Pfeifer, T. und R. und Selbstverwirklichung. Weiter setzt Likert voraus, dass Schmitt (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement, 6. Auflazwischen den Organisationsmitgliedern ein gegenseitiges ge. München-Wien (Hanser) 2014, S. 553-578 Vertrauensverhältnis besteht: Supportive relationship sorgt [2] Wagner, St. M.: Strategisches Lieferantenmanagement in Indusdafür, daß man mit gegenseitiger Unterstützung und Hilfe trieunternehmen: Eine empirische Untersuchung von Gestaltungsrechnen kann. Diese Annahmen setzen sich in einem partikonzepten. Frankfurt am Main (Lang) 2001 zipativen Modell der Organisation fort, das nicht durch eine straffe Hierarchie gekennzeichnet ist, sondern aus einem Lieferfähigkeit Netz vermaschter Arbeitsgruppen besteht. Die Gruppen bil▶Logistikqualität den das Rückgrat der Organisation. Sie sind nach dem Kriterium Fachwissen gebildet worden und erfüllen jeweils TeiLiefertreue laufgaben. Die Koordination der jeweiligen Gruppe erfolgt ▶Logistikqualität über sog. Gruppenkoordinatoren (linking pins). Wie Abbil
635
Linking-Pin-Modell
Linking-Pin-Modell
dung L18 zeigt sind die Gruppenkoordinatoren als Führer der jeweiligen Gruppen gleichzeitig Mitglied einer von zwei nächstübergeordneten Arbeitsgruppen und sorgen für den notwendigen Informationsaustausch:
◼ Als Vorteil dieses Modells erweist sich zu nächst die
schnellere Um setzung der gefundenen Lösung infolge der Gruppenvermaschung. Dann die weitgehende Entscheidungsdezentralisation, d. h., Entscheidungen werden nicht bis auf die höchste Ebene hochgespielt, Durch die Vermaschung der Gruppen werden alle Konflikte möglichst schon auf der unteren Ebene bereiverfügbaren Informationen (Wissen, Erfahrung) zur nigt. Schließlich die gemeinsame Verantwortung aller Lösung der jeweils anstehenden Probleme von den Gruppenmitglieder für die Erreichung des Leistungs Gruppenkoordinatoren mittels Hierarchie in beide ziels. Richtungen getragen. Als Mitglied der übergeordne◼ Dagegen kann sich als Nachteil des Modells der Umstand ten Gruppe vertreten sie die Interessen der „eigenen“ auswirken, daß infolge des Fehlens klarer Kompetenzbe Gruppe bei der Urteils- und Entscheidungsfindung der ziehungen von einem vergrößerten Zeitaufwand für die übergeordneten Gruppe. Sie nehmen auf diese Weise Urteils- und Entscheidungsfindung auszugehen ist. Aufan den Problemlösungsprozessen beider (teil)autonogrund dieser Begrenzung seiner Anwendbarkeit ist dieses men Gruppen teil. Dadurch ist die Koordination der Modell eigentlich nur zur Bearbeitung kreativer und inBerichterstattung wie der Aktivitäten der Gruppen novativer Aufgaben – weniger einer Manager-Hierarchie gewährleistet. als vielmehr einer Spezialisten-Hierarchie – zum Zweck der Lösung von Planungs, Forschungs- und Abb. L18: Die Organisation nach dem Linking-Pin-Modell von Rensis Likert Entwicklungsaufgaben geeignet. Allerdings muss auch gesehen werden, dass – wie manche Kritiker betonen – die hierarchische Beziehung nach wie vor besteht, auch wenn sie sich nun hinter einem Geflecht von vermaschten Teams verbirgt. Hinzu kommt, dass die Funktion des Gruppenkoordinators (►Linking-Pin-Funktion) der kritische Punkt ist. Wenn an diesen strategisch wichtigen Stellen autoritäre Vorgesetzte alten Stils eingesetzt sind, die den Informationsaustausch für ihren eigenen Vorteil nutzen, also Informationen filtern, färben oder gar stoppen, weil sie damit die eigene Machtposition stärken, ist das formale Modell austauschbar gegenüber der klassischen Hierarchie. Likert hat aus diesem Grund später vorgeschlagen, daß jede unterste Gruppenebene zusätzlich ein gewähltes Mitglied als Beobachter zu nächst höheren Gruppe delegiert.
= Linking-Pin-Funktion
L
Da die Gruppenkoordinatoren den traditionellen Vorgesetzten ablösen, übernehmen sie die Schlüsselfunktionen in diesem System. Im Gegensatz zur klassischen Hierarchie, die abwärts gerichtet ist, fordert das Linking-Pin-Modell eine Aufwärtsintegration. Später hat Likert noch die horizontale (laterale) Ebene integriert und damit noch weitere Komminikationskanäle ermöglicht. Weil die Entscheidungen in der Gruppe gefällt werden (group decision making), wird es als Partizipationsmodell bezeichnet. Da der Leiter der Gruppe der allein Verantwortliche ist, kann er nach der Diskussion in der Gruppe auch gegen die Gruppenmeinung entscheiden. Dennoch ist wichtig festzuhalten: Eine erfolgreiche Implementation von gemeinsam getroffenen Entscheidungen bewirkt auch die Identifikation damit und die erfolgreiche Umsetzung. Sollten in den Gruppen Konflikte auftreten, so sind sie innerhalb der Gruppe zu problematisieren und zu lösen. Schließlich gilt es zu beachten, daß die Kooperation der Konkurrenz vorgeordnet ist. Das Modell soll sich somit als Kooperationsmodell erweisen.
636
Im Linking-Pin-Modell haben die Beziehungungen unterstützenden Charakter. Die regelmäßige Besprechungen können durchaus als Qualitätszirkel gestaltet werden. Dem Modellcharakter entsprechend sind eher flache Hierarchien vorgesehen, wobei die zentrale Rolle des Gruppenleiters betont wird. Auch ist die Kontrollspanne entsprechend weit, weil die Mitarbeiter eigene Entscheidungen fällen sollen und auch auf unteren Ebenen selbständig arbeiten (Dezentralisierung, Spezialisierung der Arbeitsteilung). Diese Ausrichtung zeigt, dass es sich um ein Organisationsmodell handelt, dass man heute dem ►Lean Management zuordnen könnte. Hans-Dieter Zollondz Vichy Literatur
[1] Ehemaliger Direkter am Institute for Social Research in Ann Arbor, Mich. (USA). Wichtige Werke: Likert, Rensis: New patterns of management. New York: McGraw-Hill 1961. – Ders.: The human organizations. New York: Mc Graw-Hill 1967
Linß, Gerhard
Linß, Gerhard
der Deutschen Gesellschaft für Qualität. Von 1992 bis 2013 Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Qualitätssicherung und Bildverarbeitung Ilmenau und 2012 Mitgründer der Steinbeis Qualitätssicherung und Bildverarbeitung GmbH Ilmenau. Von 2000-2005 Institutsdirektor des Instituts für Präzisionstechnik und Automation der TU Ilmenau. Von 2006-2014 Ombudsmann an der Technischen Universität Ilmenau. Seit 1990 persönliches Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) und seit 1992 persönliches Mitglied der Forschungsgemeinschaft Qualitätssicherung e. V. – FQS, Frankfurt am Main. Gründungsmitglied des DGQ Regionalkreises Suhl; Regionalkreisleiter bis heute. Von 1990 bis 2001 Associate Editor für die Fachzeitschrift ECONOMIC QUALITY CONTROL Journal and Newsletter for Quality and Reliability, Würzburg. Seit 1992 Gutachter und Sondergutachter bei der Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungsvereinigungen – AIF Köln. In den Jahren 19992010 Vorsitzender der Jury für die Vergabe des Thüringer Staatspreises für Qualität. Seit 1998 BLH-Beauftragter (Beauftragter der DGQ für die Lehre an Hochschulen) an der TU Ilmenau für die Bestätigung studentischer Leistungen zur Erlangung des Zertifikates „DGQ Quality Systems Manager – Junior“. Seit 1999 Gründungsmitglied und stellv. Vorstand des OptoNet e. V. Jena. Seit 2003 Member im Technischen Komitee 7 „Measurement Science“ der Internationalen Messtechnischen Konföderation IMEKO. 2004-2009 Mitglied des Kuratoriums des Fraunhofer Institutes für Optik und Feinmechanik Jena. Seit 2005 Mitglied der Gesellschaft für Qualitätswissenschaft e. V. (GQW) Berlin. Im Jahr 2005 Chairman of the Joint International IMEKO TC1 + TC7-Symposium „Metrology and Measurement Education in the Internet Era“, Sept. 21 -24, 2005 Ilmenau. Im Jahr 2011 Chairman of the Joint International IMEKO TC1 + TC7 + TC 14-Symposium „ Intelligent Quality Measurement – Theory, Education and Training“ Joint International IMEKO TC1+TC7+TC13 Symposium in Jena, 31. August – 2. September 2011. Gutachter der Zeitschrift “Measurement“, ELSEVIER London. Seit 2006 Mitglied des wiss. Beirates WIB der DGQ e. V./FQS.
Deutscher Qualitätsexperte
Linß, Gerhard
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Gerhard Linß (geb. 1949 in Jena) studierte bis 1972 Messtechnik und Qualitätssicherung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, promovierte 1979 zum Dr.-Ing. und habilitierte sich 1986. Ab 1972 Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Prüftechnik der Friedrich Schiller Universität Jena und Forschungszusammenarbeit mit Carl Zeiss Jena. Das Thema seiner Dissertationsschrift lautete „Untersuchungen zur wissenschaftlich begründeten Ermittlung des Prüfumfanges für Attributmerkmale in der Feinbearbeitung des Gerätebaus“. Ab 1980 Tätigkeit als Leiter des betrieblichen Messwesens und stellv. Leiter Qualitätswesen bei Carl Zeiss Jena, Feinmesszeugfabrik Suhl. Während dieser Zeit Einführung rechnergestützter Prüfarbeitsgänge in die Fertigung und in das betriebliche Messwesen. Entwicklung der rechnergestützten Eichung von Parallelendmaßen und Anwendung im betrieblichen Messwesen. Beteiligung an Produktentwicklungen und Reduzierung der Qualitätskosten durch Einführung neuartiger kostenoptimaler Stichprobenverfahren in die Fertigung. Gleichzeitig Leitung der Messtechnischen Prüfstelle Suhl des Amtes für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung (ASMW) zur Gewährleistung des Maßanschlusses. Seit 1983 Tätigkeit an der Technischen Hochschule Ilmenau, Sektion Gerätetechnik als wissenschaftlicher Mitarbeiter, seit 1985 an gleicher Stelle als wissenschaftlicher Oberassistent. 1985 1986 Lehrauftrag „Qualitätssicherung“ an der Friedrich Schiller Universität Jena. Im Jahr 1986 Erwerb der facultas docendi (Lehrbefähigung) für das Fachgebiet Gerätetechnik/Automatisierte Prüftechnik an der Fakultät für Technische Wissenschaften der Technischen Hochschule Ilmenau. Im Jahr 1986 Abschluss der Habilitation zum Thema „Untersuchungen zur objektivierten rechnergestützten industriellen Qualitätsregelung dargestellt am Beispiel der Großserienfertigung von Präzisionsmessgetrieben“ an der Mathematisch Naturwissenschaftlich Technischen Fakultät der Friedrich Schiller Universität Jena. 1986 Leiter des Bereiches Prüftechnik an der Sektion Gerätetechnik der Technischen Hochschule Ilmenau und Durchführung der Lehrveranstaltungen im Fach Qualitäts- und Prüftechnik und 1994 in der Folge Berufung zum Leiter des Fachgebietes „Qualitätssicherung und Industrielle Bildverarbeitung“ der Fakultät für Maschinenbau an der Technischen Hochschule Ilmenau. In den Jahren 1991 bis 1993 umfangreiche Ausbildung und Abschlüsse zum DGQ Qualitätsfachingenieur und zum DGQ Instruktor bei
Patente / Veröffentlichungen (Auswahl) Veröffentlichungen, Vorträge, Patente, Gutachten ca.155 Fachartikel, 9 Buchveröffentlichungen, ca. 130 fachwissenschaftliche Vorträge, 21 Patente, 55 Gutachten und 24 betreute eigene Doktoranden.
Lob- und Beschwerdeanalyse (LBO) ▶Kundenzufriedenheit
Logistik
▶Logistikqualität
637
L
Logistikqualität
Logistikqualität
Logistikqualität
den kann. Im Sinne des Qualitätsmanagements handelt es sich um die ►Qualitätsfähigkeit des Logistikprozesses. Beispielsweise beträgt die Lieferfähigkeit 85%, wenn innerhalb eines bestimmten Zeitraums von 1000 Kundenanfragen 850 Aufträge mit der vom Kunden geforderte Logistikleistung (Menge, Termin, Ort) zugesagt werden können. Wichtig für eine hohe Lieferfähigkeit sind vor allem im Vergleich zu Wettbewerbern entsprechend kurze Lieferzeiten. Die Liefertreue hingegen bewertet die Leistungserbringung des Logistikprozesses. Hier handelt es sich also um die Prozesssicherheit. Die Liefertreue gibt an, wie groß der Anteil der vollständig und pünktlich abgelieferten Aufträge im Verhältnis zu allen ausgelieferten Aufträgen ist. Als pünktlich gilt ein Auftrag, der im Rahmen einer vereinbarten zulässigen Abweichung (z. B. max. 2 Tage zu früh, max. 1 Tag zu spät) vollständig an einem vereinbarten Ort (z. B. ab Werk oder an eine Lieferadresse) bereitgestellt wird.
Begriff
▶ Logistics Quality, Quality of Logistics ▶ Supply Chain Management
1 Definition Logistikqualität bezieht sich auf die Qualität logistischer Prozesse. Qualität ist nach DIN EN ISO 9000 definiert als Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Forderungen erfüllt [1]. Allgemeiner ausgedrückt ist ►Qualität die Übereinstimmung mit Forderungen [2]. Demnach lässt sich Logistikqualität definieren als Eignung eines Logistikprozesses, die vom Kunden geforderte Logistikleistung zu erbringen. Eine logistische Leistung gilt dann als erfüllt, wenn der Kunde in der vorausgesetzten Qualität und zum vorausgesetzten Preis ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
die richtige Ware in der richtigen Menge zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort in der richtigen Verpackung mit den richtigen Dokumenten mit den richtigen Informationen
erhält [3].
L
In der Vergangenheit hat in der Produktion neben dem Einsatz moderner Fertigungstechnologien vor allem ein umfassendes Qualitätsmanagement erfolgreich dazu beigetragen, Grenzwerte und Toleranzen durch eine hohe Prozesssicherheit einzuhalten, um damit eine gleichmäßige Produktqualität zu garantieren. Zunehmende Kundenforderungen nach einer hohen Logistikleistung legen nahe, sich auch in der Logistik auf anerkannte Methoden des ►Qualitätsmanagements zu stützen, um Liefertreue und Lieferzeit einer Produktion in vereinbarten Grenzen sicherzustellen [4]. Logistikqualität wird definiert durch vier prozessqualitätsbestimmende Merkmale jedes einzelnen Teilprozessschrittes einer Prozesskette [3]: ◼ ◼ ◼ ◼
Wer ist verantwortlich? Was ist der Inhalt des Prozessschrittes? Wann hat dies zu erfolgen? Wie ist diese Leistung zu erbringen?
Schritte zur ständigen Verbesserung der Logistikqualität wurden bereits vielfach unternommen. Hierzu ist u. a. die Logistik-FMEA (►FMEA) in verschiedenen Unternehmen erprobt und erfolgreich umgesetzt worden. Dabei hat sich gezeigt, dass die systematische Vorgehensweise und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit in Teams wesentlich zum Erfolg beigetragen haben [5, 6, 7]. 2 Aufbau eines logistischen QM-Systems Logistikqualität lässt sich anhand zweier grundlegender Qualitätsmerkmale messen. Dies ist zum einen die Lieferfähigkeit. Sie ist ein Maß dafür, inwieweit die vom Kunden geforderte Logistikleistung vom Unternehmen zugesagt wer-
638
Die Liefertreue wird in der Praxis bereits in verschiedenen Unternehmen ermittelt. Abbildung L19 zeigt unter dem Begriff „Complete and on time“ die Leistung einer Linienfertigung, in der Leiterplatten hergestellt werden. Die Bewertung wird jeweils monatlich vorgenommen, so dass die Verbesserung der logistischen Qualität sichtbar wird und Zielsetzungen für die Zukunft konkret vereinbart werden können. Aus diesen beiden grundlegenden logistischen Qualitätsmerkmalen lassen sich weitere, untergeordnete Qualitätsmerkmale ableiten, wie beispielsweise Terminabweichung oder Durchlaufzeitabweichung [8]. Insgesamt können diese Merkmale strukturiert in einem logistischen Qualitätsmerkmalssystem abgebildet werden, das vollständig und konsistent die Qualitätsmerkmale zur Bewertung der Logistikleistung enthält. So lassen sich aus strategischen Zielvorgaben operative Stellgrößen für die einzelnen Prozesse in der logistischen Kette ermitteln. Ein Vorschlag für die logistischen Prozesse der Produktion findet sich in der VDI-Richtlinie 4400 Blatt 1 (Beschaffung), Blatt 2 (Produktion) und Blatt 3 Distribution [9]. Abb. L20 zeigt eine Übersicht über die Kennzahlen der Produktion. Hier wird als Oberbegriff für die logistischen Qualitätsmerkmale „Logistikeffizienz“ gewählt, die dann weiter in „Logistikleistung“ und „Logistikkosten“ gruppiert werden. eine genauere Erläuterung der Kennzahlen und deren Anwendung im Rahmen von logistischen Benchmarks dazu enthält [10]. Für die Prozesse zwischen Lieferant und Kunde hat der VDA die VDA-Empfehlung 5008 „Logistikqualität“ entwickelt [3]. Ein Schwerpunkt dieser Empfehlung liegt dabei auf der Ermittlung und der standardisierten Bewertung von Logistikprozessstörungen. Um die logistische Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern und zu verbessern, sind eine Reihe abgestimmter Maßnahmen erforderlich. Diese müssen in die Aufbau und Ablauforganisation eingebunden werden. Dazu dient ein Logistisches ►Qualitätsmanagementsystem (QM), das alle lo-
Logistikqualität
Logistikqualität
Abb. L19: Messung der Liefertreue
Performance Measurement XSH Complete and on time
Prozent von Gesamt
Complete and on time ☒ Durchschnitt 1994 Ziel Ende 1994
85%
81% 65%
58%
65% 66%
72%
72%
66%
☒
50%
JAN FEB Gesamt Complete and on time
57 33
115 57
MAR APR MAY JUN 114 74
109 71
77 51
119 86
JUL 94 68
AUG SEP OCT NOV DEC TOT 72 58
757 498
Quelle: Dombrowski 1988, in [1]
gistische Qualität betreffenden Aktivitäten im Unternehmen verknüpft und deren ganzheitliche Planung, Durchführung und Überwachung umsetzt. Unter der ►Aufbauorganisation ist dabei die Struktur des QM zu verstehen, in der die organisatorischen Grundelemente verknüpft sind und die Aufgaben vereinbart werden. Die ►Ablauforganisation beinhaltet demgegenüber die Verknüpfung der Funktionen des Qualitätsmanagements im Ablauf eines Prozesses (z. B. der Warenannahme oder der Fertigung) mit dem Ziel, alle die logistische Qualität beeinflussenden Tätigkeiten angemessen und dauerhaft lenken zu können.
rauf Antwort geben, wer, wann, wie und womit qualitätssichernde Maßnahmen durchzuführen hat. Darüber hinaus trägt ein QM-Handbuch zu einem einheitlichen Verständnis für die durchzuführenden qualitätsrelevanten Tätigkeiten im Unternehmen bei. Neben der Definition von Abläufen und Verfahren sollten in diesen Dokumenten vor allem auch die verwendeten ►Qualitätsmerkmale mit ihrer Berechnungsvorschrift hinterlegt werden. Gerade hier ist in der Praxis noch ein erhebliches Defizit vorhanden. Eine Befragung unter Unternehmen eines Arbeitskreises hat ergeben, dass von 14 Unternehmen 13 Unternehmen Kennzahlen zur Erfassung der Logistikleistung verwenden, jedoch nur drei von ihnen diese Kennzahlen katalogisiert haben. Damit ist in der Regel ein bereichs- oder abteilungsübergreifender Vergleich ausgeschlossen [7].
Das QM-System wird im ►QM-Handbuch und den zugehörigen Verfahrensund Arbeitsanweisungen dokumentiert. Es soll da-
Kennzahlen
Ziele
Ein Unternehmen mit einem funktionsfähigen QM-System zeichnet sich durch qualitätsfähige und beherrschte Prozesse aus. Dafür ist es erforderlich, dass alle ►Prozesse mit ihren Zielen, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen definiert Abb. L20: Kennzahlen der Produktionslogistik werden, so dass allen BeteiLogistikeffizienz ligten die Kundenwünsche und daraus abgeleiteten ZielLogistikleistung größen bekannt sind. Dazu hohe kurze hoher können ModellierungsmeVerfügbarkeit Durchlaufzeit Lieferservice thoden, wie z. B. das ProzessVerfügbarkeit zum DurchführungsLiefertreue kettenmodell nach Kuhn, Planstarttermin zeitanteil Liefermengentreue Liefertermintreue eingesetzt werden [10]. alternativ LieferterminEinhaltung Mindestbestand Zugangsmaterial
Abweichung
alternativ Einhaltung Lagerbandbreite
Logistikkosten geringe Bestandskosten
geringe Prozesskosten
Bewertete Umschlagshäufigkeit Untersuchungsobjekt Umschlagshäufigkeit Zugangsmaterial
Kosten der Produktionslogistik je Produktionsauftrag Mittlere Kosten des Transports je Produktionsauftrag
Umschlagshäufigkeit Umlaufmaterial
Mittlere Kosten Produktionsplanung je Produktionsauftrag
Quelle: VDI 4400
639
L
Logistikqualität Schon an der Erstellung des ►QM-Handbuchs sollten alle Betroffenen beteiligt werden. Dadurch erreichen die beschriebenen Regelungen eine höhere Akzeptanz und werden besser umgesetzt. Wie jede Ablauf- und Aufbauorganisation muss auch ein eingeführtes QM-System von Zeit zu Zeit auf seine Wirksamkeit hin überprüft werden. Dazu dient das Logistikaudit [12]. Es ist ein geeignetes Instrumentarium, um die Aufrechterhaltung des Systems zu gewährleisten und die Anpassung an neue Forderungen bezüglich der logistischen Leistungsfähigkeit vorzunehmen. Der Aufbau des Logistikaudits lehnt sich an das Audit von QM-Systemen an, das sogenannte Systemaudit nach DIN ISO 10011 (►Qualitätsaudit). Die Forderungen an das QM-System sind in Form eines Fragenkatalogs hinterlegt, der im zu auditierenden Unternehmen vom Auditor gemeinsam mit den Mitarbeitern ausgefüllt und nach einem festgelegten Antwortschema bewertet wird.
L
1.3 Umsetzung des logistischen Qualitätsmanagements Zum Aufbau eines QM-Systems in der Logistik ist es erforderlich, die Funktionen Planen, Lenken bzw. Sichern und Verbessern Bereichs- und Ebenenübergreifend umzusetzen. Für jeden Prozess in der logistischen Kette werden diese Funktionen definiert und ihnen entsprechende ►Qualitätsmerkmale und Instrumente zu ihrer Überwachung zugeordnet. Damit wird ein durchgängiges Qualitätsverständnis geschaffen, der Aufbau von ►Qualitätsregelkreisen unterstützt und der systematische Einsatz von Methoden gefördert. Die Definitionen, Ziele und zum Einsatz in der Logistik geeigneten Methoden sind in Abbildung L21 dargestellt.
Logistikqualität Lieferung definieren und seine logistischen Prozesse entsprechend umgestalten. Ähnlich wie bei einem Passungssystem müssen je nach logistischer Anspruchsklasse der betreffenden Branche unterschiedlich große Toleranzbereiche, in der Praxis meist Zeitfenster genannt, für die logistischen Qualitätsmerkmale festgelegt werden. Für Automobilzulieferer (►Unterlieferanten) gelten z. B. zulässige Abweichungswerte in Bezug auf den Liefertermin von zwei Stunden. Im Gegensatz dazu werden einem Lieferanten von Investitionsgütern Spielräume für die Anlieferung von bis zu einer Woche zugestanden. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, wenn man beispielsweise an Teillieferungen von komplexen Produktionsanlagen denkt, die zu einem bestimmten Termin in Betrieb gehen sollen und daher häufig mit enormen Verzugsstrafen belegt sind. Im Anschluss an die Planung hat die ►Qualitätssicherung bzw. -lenkung die Aufgabe, die Durchführung des Prozesses zu überwachen und Ursachen nicht zufriedenstellender Leistung zu beseitigen. Dafür ist eine Erfassung, Aufbereitung und Visualisierung der logistischen Qualitätsmerkmale notwendig. Diese Aufgabe wird heute vielfach dem LogistikControlling zugeordnet [13]. Für die Aufbereitung und Visualisierung von logistischen Kenngrößen haben sich in der Praxis sogenannte Monitorsysteme bewährt, die eine transparente Darstellung großer Datenmengen erlauben. Mittlerweile sind derartige Systeme am Markt verfügbar und in vielen Betrieben im Einsatz. Ihr Einsatzschwerpunkt liegt zurzeit noch in der Produktion und dort insbesondere der mecha-
Die ►Qualitätsplanung hat Abb. L21: Funktionen des Qualitätsmanagements in der Logistik die Aufgabe, Qualitätsmerkmale zu identifizieren, zu Funktion Planen Lenken/Sichern Verbessern klassifizieren und zu gewichKlassifikation und GeÜberwachung des Prozesses und Besei- Erhöhung der Effektivität und Effizienz ten sowie deren Grenzwerte Definition Identifikation, wichtung von Qualitätserkmalen sowie tigung von Ursachen nicht zufriedender Prozesse zur Erzielung von Nutzen und Toleranzen festzuleFestlegung ihrer Grenzwerte stellender Leistung zur Schaffung von für das Unternehmen und den Kunden und Toleranzbereiche Vertrauen gen. Eine Methode für eine kundenorientierte Produkt Ziel Prozessplanung Prozessdurchführung Prozessverbesserung und Prozessplanung ist das ►QFD (Quality Function Neues Prozessniveau/ Grenzen Deployment). Damit lassen sich gezielt aus Kundenforschlechte gute derungen QualitätsmerkProzessbeherrschung male für das Unternehmen ableiten und Prozesspara◼ Qualitätszirkel Methoden ◼ Quality Function Deployment ◼ Statistic Process Control meter bzw. Steuerungsstrate◼ Q7 = Sieben Werkzeuge (Ishikawa◼ Fehlermöglichkeits- und ◼ Logistikaudits Diagramm, Paretoanalyse etc.) -einflussanalyse ◼ Logistikmonitoring gien einstellen. Dies betrifft ◼ KVP ◼ Design of Experiments ◼ Störungsmanagement insbesondere den Einsatz ◼ Modellierung von Prozessketten von Systemen zur Produkti- Quelle: IPH 1994 onsplanung und -steuerung. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Festlegen von Tolenischen Fertigung. Erste Erfahrungen wurden jedoch auch im ranzen für logistische Zielgrößen. Ein Unternehmen kann Beschaffungsbereich gesammelt. Weitere Anwendungsfelder beispielsweise für einen bestimmten Produktbereich neben wie z. B. Konstruktion und Montage müssen noch erschlosder Lieferzeit, die je nach Produkt von einem Tag bis zu zehn sen werden. Tagen reicht, auch die zulässigen Abweichungen vom LieferDie Verbesserung der Qualität ist ein kontinuierlicher Prozeitpunkt mit null Tagen Verspätung und drei Tagen zu früher zess, der in Zyklen stattfindet. Sie hat die Aufgabe, die Effekti-
640
Logistikqualität
Los
hen, Methoden und Werkzeuge zur Verbesserung der Logistikleivität und Effizienz der Prozesse zur Erzielung von Nutzen für stung. 2. Aufl. Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York 2002 das Unternehmen und den Kunden zu erhöhen. Nach ►De[8] Wiendahl, H.P.: Betriebsorganisation für Ingenieure, 8. Aufl. ming kann mit den Schritten Plan (Planen), Do (Ausführen), Hanser Verlag München Wien 2014 Check (Überprüfen) und Act (Verbessern) auch eine Steige[9] Verein Deutscher Ingenieure (Hrsg.): VDI 4400, Blatt 1: Logistirung der Logistikleistung erreicht werden (►PDCA-Zyklus). kkennzahlen für die Beschaffung 2001, Blatt 2: Logistikkennzahlen Die Anwendung geeigneter Problemlösungstechniken, wie für die Produktion 2004, Blatt 3: Logistikkennzahlen für die Distribeispielsweise der Sieben Werkzeuge (►Q7), ist dabei die bution 2002. Beuth Verlag Berlin Basis für einen systematischen und dokumentierten Weg [10] Luczak, H., Wiendahl, H.-P. u. Weber, J. (Hrsg.): Logistikzur Entscheidungsfindung. Je nach Problemstellung ist die Benchmarking. Praxisleitfaden mit LogiBEST. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2001 Einrichtung einer Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern sinnvoll, die von einem qualifizierten Abb. L22: Verbesserungszyklus zur Steigerung der Logistikleistung Moderator angeleitet wird (►Gruppenarbeit; ►Qualitätszirkel). In Abbildung L22 Lieferant Kunde Logistikprozesse im Unternehmen ist der Verbesserungszyklus Forderung der Logistikleistung nach Deming dargestellt.
A
P
Lieferzeit Die Umsetzung der erarbei4 1 Soll Verbessern Planen teten Lösungen kann durch die Beteiligung der verantLiefertreue wortlichen Mitarbeiter sehr Qualitätsviel schneller und effizienter Ist zirkel vorgenommen werden, da durch den Wegfall der Schnittstelle zwischen PlaAusführen Überprüfen nung und Durchführung 2 3 weniger Reibungsverluste C D entstehen. Nach Abschluss Lieferung eines ersten Verbesserungsprojektes ist die Institutionalisierung der Arbeitsgruppe Quelle: IPH 1994, in Anlehnung an Deming als Qualitätszirkel denkbar, um den begonnenen Verbesserungsprozess kontinuierlich [11] Kuhn, A., Beckmann, H. u. Laakmann, F.: Prozeßkettenmafortzuführen. nagement - Erfolgsbeispiele aus der Praxis. Verlag Praxiswissen Prof. a. D. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. GmbH, Dortmund 1999 HansPeter Wiendahl, IFA, [12] Tracht, Th.: Auditierung der Produktionsplanung und -steueUniversität Hannover rung. Dissertation Universität Hannover; Fortschritt-Berichte VDI,
Literatur
Reihe 2, VDI-Verlag, Düsseldorf 1997 [13] Nyhuis, P.; Kennemann, M. (2008): PPS-Controlling, In: Kurbel, K. et al. (Hrsg.): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik Online-Lexikon, München, Oldenbourg, 2008
Logistisches Qualitätsmanagement ▶Logistikqualität
Los
Teilgesamtheit eines Produkts, die unter Bedingungen entstanden ist, die als einheitlich angesehen werden. … Das Los umfasst nicht notwendigerweise die gesamte Menge der Produkte, die unter einheitlichen Bedingungen entstanden ist. Diese gesamte Menge wird in manchen Branchen Charge oder Partie genannt. Ein Los kann also einen kleineren, nie aber einen größeren Umfang haben als eine Charge.
Normquelle: DGQ-Schrift 11-04. 6. Aufl. 1995. 1.10.2 ⟪Originalbegriff⟫
641
DGQ-Begriff
[1] ISO 9000: Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe Beuth Verlag 2015 [2] Linß, G.: Qualitätsmanagement für Ingenieure. 3. Aufl. Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag. München 2011 [3] Verband der Automobilindustrie VDA (Hrsg.): VDA 5008 Logistikprozessqualität. VDA-Empfehlung Logistikqualität. Frankfurt 2005 [4] Dombrowski, U.: Qualitätssicherung im Terminwesen der Werkstattfertigung. Dissertation Universität Hannover; FortschrittBerichte VDI, Reihe 2, Nr. 159, VDI-Verlag, Düsseldorf 1988. [5] Klapper, N.: Präventive Qualitätssicherung von Logistikleistungen in der Produktion: eine empirische Untersuchung. Dissertation TU München, Grundlagen und Praxis der Betriebswirtschaft Bd. 65, Erich Schmidt Verlag, Berlin 1993 [6] Mauermann, H.: Leitfaden zur Erhöhung der Logistikqualität durch Analyse und Neugestaltung von Versorgungsketten. Diss. Universität GH Paderborn 2001 [7] Wiendahl, H.P. (Hrsg.): Erfolgsfaktor Logistikqualität – Vorge-
L
Ludwig Erhard-Preis LQ
▶Rückzuweisende Qualitätsgrenzlage
Ludwig Erhard Ludwig Erhard
▶Erhard, Ludwig
Ludwig Erhard-Preis
▶LEP-Ludwig-Erhard-Preis ••• ⨀⨀⨀ •••
L
642
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe M
M
Mitarbeiterbindung
Jörg Felfe
Jörg Wombacher
Made in Germany
Muda, Mura, Muri MTM Mitunternehmertum Markenqualität
Makigami Management by…-Konzepte
Lothar Groß
Walter Masing
Mindset Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement M7-Sieben Managementwerkzeuge MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award
Michael Ketting
Kai-Uwe Hellmann
Hans-Dieter Zollondz
Menschenbild im Qualitätsmanagement
M Mobile Device Management
Heinrich Kersten
Modelle der Dienstleistungsqualität
Wendelin Küpers
Messung der Dienstleistungsqualität
Modellentwicklung im Qualitätsmanagement
Bernd Stauss Thomas Prefi
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement und
Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement
Lutz von Rosenstiel und Rudolf Bögel
M7-Sieben Managementwerkzeuge
M7-Sieben Managementwerkzeuge
M7-Sieben Managementwerkzeuge
Datenanalyse ◼ M1-Affinitätsdiagramm ◼ M2-Relationendiagramm Lösungsfindung ◼ M3-Baumdiagramm ◼ M4-Matrixdiagramm ◼ M5-Portfoliodiagramm Lösungsrealisierung ◼ M6-Problem-Entscheidungs-Plan ◼ M7-Netzplan.
▶New Seven ▶Seven New Tools ▶New Seven Tools for Quality Control ▶Qualitätstechniken
1 M7 – Warum, woher? Aus der Vielzahl an Techniken, die in Managementzusammenhängen verwandt werden, sind für die Zwecke des Qualitäts management sieben ausgewählt worden. Eine überzeugende Begründung für die Auswahl gerade dieser Techniken lässt sich nicht finden. Bei Imai heißt es [1]: „Die neuen Sieben zählen zu den wirksamsten Werkzeugen der heutigen Manager, Stabsleute und Ingenieure.“ A. Gogoll erläutert, die M7 „wurden in dieser Form Anfang der 1970er Jahre von einem Ausschuss der Japanese Union of Scientists and Engineers (►JUSE) unter Leitung von Prof. Yoshinobu Nayatani aus einer Vielzahl von einschlägigen Techniken abgeleitet und 1977 der Öffentlichkeit vorgestellt.“ [2] Demzufolge sind Auswahl und Zusammenstellung dem japanischen Qualitäts management zu verdanken. Die M7 werden jedenfalls von einigen Promotoren des Qualitätsmanagements in den USA und Deutschland, vielfach auch im übrigen Europa, tradiert. Ihr Einsatz in der Praxis lässt sich aufzeigen [3].
2 M1-Affinitätsdiagramm (Affinity Diagram) Oft mittels Moderationstechniken gewonnene verbale Daten werden auf Karten gesammelt und geordnet. Dabei werden Ober- und Unterbegriffe gebildet. So entsteht ein geordneter Ideen-Cluster. Für die Anwendung der Technik ist sorgfältiges Schreiben wichtig (Druckschrift in entsprechender Größe). Mithilfe dieser Technik ist es möglich ein komplexes Problem gedanklich zu ordnen und in eine transparente Form zu bringen. Das Ergebnis sollte nicht auf der Tafel verbleiben, sondern durch Transkription (manchmal auch Fotografie) allen Beteiligten persönlich zugänglich gemacht werden. Beim Affinitätsdiagramm handelt es sich um eine Brainstorming-Technik (►Q7). Es hilft nicht nur in der Vorstufe zur Lösungsfindung, sondern auch den sozialen Zusammenhang in der Gruppe zu fördern, was für das Fortschreiten des Prozesses wichtig ist. Als Beispiele werden genannt:
Während die sogenannten ►Q7 vorwiegend zur Untersuchung quantitativer Probleme in der Produktion genutzt werden, werden die M7 zur Analyse, Lösungsfindung und Ableitung von Maßnahmen genutzt. Findet ein Problem lösungsprozess in der Gruppe statt, so sind diese Techniken als Visualisierungstechniken sehr gut geeignet.
◼ „Es fördert die Kreativität … ◼ Es reißt seit langem vorhandene Kommunikationsbarrieren ein ◼ Es fördert ungewöhnliche Verbindungen von Ideen und Themen ◼ Es überwindet die ‘Teamlähmung’, die durch eine überwältigende Menge von Möglichkeiten und fehlende Einigkeit erzeugt wird.“ [4]
Da die Techniken der Identifikation von Problemen dienen, handelt es sich um Problemlösungstechniken. Sie werden speziell für die Untersuchung nichtnumerischer Informatio nen in Entwicklungs- und Planungsphasen herangezogen. Bezogen auf den ►PDCA-Circle von ►Deming ist die erste Phase angesprochen (plan). Die M7 können einzeln angewandt oder auch in Gruppenzusammenhängen eingesetzt werden.
3 M2-Relationendiagramm (Relation Diagram) Das Relationendiagramm dient dazu, die vermuteten Kausalbeziehungen in einer komplexen Situation zu strukturieren. Vorausgehend kann das Affinitätsdiagramm erstellt worden sein. Ist es gelungen ein solches Beziehungs-Diagramm zu
Die M7 unterteilen sich in drei Gruppen (s. a. Abbildung M01):
Abb. M01: Problemlösungsprozess mittels Anwendung der M7
Problem
Schritt 1
Schritt 2
Schritt 3
Datenanalyse
Lösungsfindung
Lösungsrealisierung
◼ Affinitätsdiagramm
◼ Baumdiagramm
◼ Problem-Entscheidungs-Plan
◼ Relationendiagramm
◼ Matrixdiagramm
◼ Netzplan
◼ Portfolioanalyse
645
M
M7-Sieben Managementwerkzeuge erstellen, können die treibenden Kräfte erkannt werden. Oft wird versucht Ursache- und Wirkungsbeziehungen mit Pfeilen darzustellen. Ein verständliches pragmatisches Bemühen, bei dem beachtet werden sollte, dass viele Beziehungen interdependent sind. Letztendlich gibt das Relationen-Diagramm den Gedankengang der Gruppe wieder. Eine andere Gruppe kann bei identischer Themenstellung zu anderen Ergebnissen kommen. Diese Technik verlangt den Einsatz eines Mo derators, der einvernehmlich mit der Gruppe die Themenfrage verständlich formuliert. Methodisch geht es wieder um die Anwendung der Moderationsmethode. Ausgeführte Bei spiele finden sich zum Beispiel in [4]. 4 M3-Baumdiagramm (Tree Diagram) Das Baumdiagramm zeigt Möglichkeiten der Lösungsfindung. Es trägt dazu bei, Zusammenhänge zwischen Zielen und Maßnahmen zu klären. Deshalb ist es auch unter der Bezeichnung Ziel-Mittel-Diagramm bekannt. Man erreicht mit dem Baumdiagramm systematisch verschiedene Ebenen. Die Komplexität des Problems wird hierarchisiert. Das Ergebnis lässt ein Fortschreiten vom Allgemeinen zum Speziellen erkennen. Der Rückgriff auf mittels M1 oder M2 identifizierte Probleme findet oft statt. Im Qualitätsmanagement beruht die ►FTA Analysis auf einer Anwendung des Baumdiagramms. Das Baumdiagramm ist sehr gut geeignet, Maßnahmen und Aktionen auf der Grundlage der in der Gruppe abgestimmten Punkte in die Realisierungsphase zu überführen. [5]
M
5 M4-Matrixdiagramm (Matrix Diagram) Im Qualitätsmanagement dient das Ma trixdiagramm vor allem dazu, zwei verschiedene Faktoren (►Qualitätsforderungen) gegenüberzustellen und „runterzubrechen“. Mit dieser Technik können allgemeine Forderungen schließlich in existierende technische Spezifikationen hinsichtlich ihrer Stärke übersetzt werden. Die zwischen den Merkmalen bestehenden Wechselbeziehungen treten klar hervor und können bewertet werden. Die ►QFD-Technik beruht auf dem Matrixdiagramm. Zuständigkeitsregelungen lassen sich mittels Matrixdiagramm transparent machen. Es lassen sich nicht nur zweidimensionale Faktorengruppen zueinander in Beziehung setzen, sondern auch drei- und multifaktorielle Matrixdiagramme erstellen. Bei solchen Darstellungen ist der Informationsgehalt natürlich wesentlich komplexer. Anderer seits leidet die Übersichtlichkeit. Es empfiehlt sich deshalb in mehreren Entscheidungsschritten vorzugehen und sich auf zwei-, maximal dreidimensionale Diagramme zu beschränken. Eine übliche Anwendung des Matrixdiagramms bilden Jahrespläne. Illustrativ zur Vertiefung empfehlen sich die Darstellungen in [2] und [3]. 6 M5-Matrix-Daten-Diagramme(Matrix-Data-Analysis) – Portfolio Auf metrischer Basis vorliegende Daten werden in eine zweidimensionale Darstellung gebracht (x-, y-Koordinaten). Grund la ge ist das Matrix-Diagramm (M4). Ein Ma trixDaten-Diagramm fußt auf statistischen Techniken und ist aus dem Marketing und der Marktforschung entlehnt. Dort wird
646
M7-Sieben Managementwerkzeuge die Darstellung Portfolio-Methode genannt. Oft stellt sich eine auf vier Feldern beruhende Darstellung ein. Deshalb heißen Portfolios oft auch Vierfelder-Tafeln. Portfolios werden auch zur strategischen Positionierung eingesetzt. 7 M6-Problem-Entscheidungs-Plan (Problem Decision Program Chart) Es handelt sich um eine präventive Technik aus dem ►Operations Research. Die Durchführung von Programmen verläuft nicht immer planmäßig. Unerwartete Entwicklungen treten auf und führen meistens zu nicht beabsichtigten Folgen. Das Diagramm bezweckt zweierlei: einmal soll es die optimale Entscheidung ermöglichen, zum anderen vor unbeabsichtigten Überraschungen schützen bzw. diese ausschließen. In der Regel wird das Baumdiagramm verwendet. Die Teilschritte können logisch oder zeitlich gegliedert werden. Das hängt vom Problem ab. Wiederum wird zum Finden von Pro blemlösungen Brainstorming eingesetzt. Die Gruppe befindet über die gefundenen Gegenmaßnahmen. Das Diagramm sollte nicht zu sehr verzweigt werden, da sonst die Übersichtlichkeit eingebüßt wird. Maximal drei Ebenen sollten eingehalten werden. Im Qualitätsmanagement hat die bekannte Qualitätstechnik ►FMEA die identische methodische Basis. 8 M7-Netzplan (Activity Network Diagramm, Arrow Diagram) Zur Bestimmung der zeitlichen Reihenfolge aller mit einem bestimmten Projekt (oft auch nur Arbeitsvorgang) zusammenhängender Tätigkeiten entwickeltes Planungsinstrument, um den optimalen Ablauf zu gestalten. Formal werden Tätigkeiten, Ereignisse und Scheintätigkeiten unterschieden. Sequentielle und parallel zu bearbeitende Ar beitsschritte können berücksichtigt und dargestellt werden. Entscheidend ist der kritische Pfad. Er muss bestimmt werden, da er den Gesamtablauf und die Dauer des Projekts/Vorgangs determiniert. Verschiedene Formen der Darstellung sind üblich. Die Technik ist zudem in DIN 69 900 genormt. Für die Zwecke des Qualitätsmanagements reicht die Form als Critical Path Method (CPM) [6]: „Für den Einsatz als Management-Werkzeug genügt eine einfache, der CPM-Methode angenäherte Form der Netzplantechnik, um das geplante Vorgehen darzustellen und darüber diskutieren zu können. Ereignisse werden als Kreise, Rechtecke etc. dargestellt, Vorgänge als Pfeile. Die Dauer der Vorgänge (minimal/maximal) kann an den Pfeilen vermerkt werden, einzelne kritische Vorgänge, vor allem aber der sogenannte kritische Pfad, dessen Verzögerung den Endtermin des gesamten Projekts beeinflussen würde, können farbig hervorgehoben werden.“ Netzpläne sind für viele Projekte unverzichtbar. Es existiert eine reichhaltige Literatur zu diesem Thema. Der in Ab bildung M02 dargestellte Netzplan zeigt den Ablauf eines Softwareprojekts [7]. Er zeigt sehr klar, dass darauf geachtet wurde, die Tätigkeiten unabhängig voneinander (parallel) ablaufen zu lassen.
M7-Sieben Managementwerkzeuge 9 Zusammenfassung Mit Unterstützung der M7 in der hier dargestellten Reihenfolge lassen sich Problemlösungen und -realisierungen sehr wir kungs voll planen. Wie der Einsatz in der Praxis zeigt, führt gerade die sukzessive Anwendung der Techniken zum Erfolg [8]: „Ausgangspunkt einer Problemlösung kann entweder das Affinitätsdiagramm oder das Relationendiagramm sein. Mit Hilfe dieser Werkzeuge werden zu nächst Schwerpunkte herausgearbeitet. Hat man diese Schwerpunkte identifiziert, so können sie mit Hilfe des Baumdiagramms auf Maßnahmen heruntergebrochen werden. Mit Hilfe des ProblemEntscheidungs-Plans können für evtl. auftretende Schwierigkeiten bei der Umsetzung Gegenmaßfeld festgelegt nahmen im Vor werden. Der Netzplan fördert die Übersicht bei der Detailplanung der Umsetzung.“
Made in Germany Abb. M02: M7 – Beispiel Netzplan eines Software-Projekts
4 Statistik Schmitz
1 Eingabe Mendler
1 Monat
3
5 Auswertung
Bortel
2 Monate
Dokument Himmel
2 Monate
2 Sensor Bappert
3 Monate
[1] Imai, M.: Kaizen. Der Schlüssel zum Erfolg der Japaner im Wettbewerb. München (Langen-Müller Herbig)1992, S. 283ff [2] Gogoll, A.: Management-Werkzeuge der Qualität. In: Kamiske, G. F. (Hrsg.): Die Hohe Schule des Total Quality Management. Berlin u.a. (Springer) 1994, S. 370 [3] Beispiele finden sich in folgendem empirisch anspruchsvollen Werk: Kamiske, G. F. et al. (Hrsg.) Bausteine des innovativen Qualitätsmanagements. Erfolgreiche Praxis in deutschen Unternehmen. München-Wien (Hanser) 1997 [4] Brassard, M.; Ritter, D.: Memory Jogger II. Ein Taschenführer mit Werkzeugen für kontinuierliche Verbesserung und erfolgreiche Planung (ed.: GOAL/QPC – deutsch: dgq), Berlin (Beuth) 1996, S. 12 [5] Beispiele für diese Möglichkeiten, einen klaren Handelungsbezug mit dem Baumdiagrammsherzustellen finden sich besonders in [4], S. 156-165 [6] s. [2], S. 381 [7] Hering, E.; Triemel, J.; Blank, H.-P. (Hrgs.): Qualitätsmanagement für Ingenieure. 4. Aufl. Berlin u.a. (Springer) 1999, S. 444 [8] s. [2], S. 381 [9] Herrmann, J. und H. Fritz: Qualitätsmanagement. Lehrbuch für Studium und Praxis. München (Hanser) 2011, S. 160-174
6 Rechnung Rasch
1 Monat
M
Made in Germany
▶Hergestellt in Deutschland ▶Qualität als Fachbegriff Die Kennzeichnung „Made in Germany“ auf Gütern ist eine Herkunftsangabe, steht aber auch für hohe Qualität und sogar faire Arbeitsbedingungen. Sie wird oft als ein – allerdings nicht genauer spezifiziertes – Qualitätsversprechen, ja sogar als ein Qualitätssiegel schlechthin angesehen. 1 Aspekte der geschichtlichen Entwicklung Am 23. August 1887 trat in England der „Merchandise Marks Act“, eine Neuauflage des britischen Handelsmarkengesetzes, in Kraft, das die Angabe des Herkunftslandes auf allen importierten Waren verlangte. Für Waren aus Deutschland wurde damit die Kennzeichnung „Made in Germany“ verbindlich. Mit dieser Maßnahme versuchte der englische Gesetzgeber die Produkte heimischer Hersteller vor preisgünstiger ausländischer Konkurrenz, vor allem aus dem aufstrebenden Industrieland Deutschland, zu schützen. Von Anfang an war die Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ also auch verbunden mit einer Kennzeichnung für Qualität: Die Produkte aus Deutschland galten in England als minderwertig. Die Qualität der deutschen Produkte erhöhte sich aber im ausgehenden 19. Jahrhundert so rasant, dass sich der Begriff „Made in Germany“ schon um die Jahrhundertwende zu einem positiven Qualitätskennzeichen wandelte.
647
Begriff
Neuerdings findet sich in dem Lehrbuch von Joachim Herrmann und Holger Fritz eine sehr ausführliche und lesenswerte Erörterung der M7, in der besonders Wert auf das Zusammenspiel der einzelnen Techniken gelegt wurde [9]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
3 Monate
Made in Germany Die Assoziation der Herkunftsangabe mit hoher Qualität, Sicherheit, Verlässlichkeit, Langlebigkeit und hohem technischen Standard der Produkte überdauerte beide Weltkriege und erlebte einen weiteren Höhepunkt in den Jahren des „Wirtschaftswunders“. Die Existenz zweier deutscher Staaten führte dabei zu Besonderheiten: Verschiedene westdeutsche Unternehmen verwendeten (aufgrund von Importvorschriften anderer Länder, aus Konkurrenzgründen oder aus Sorge vor – angeblich – minderwertigen DDR-Produkten) zur Abgrenzung gegenüber ostdeutschen Waren den Begriff „Made in Western Germany“ (oder „West Germany“ bzw. „W. Germany“). Der Vermerk „Made in FRG“ (Federal Republic of Germany) wurde wenn möglich vermieden, da er schon aufgrund des geringen Bekanntheitsgrads der Abkürzung nicht von dem „guten Ruf “ des herkömmlichen „Made in Germany“Kennzeichens profitieren konnte. Dieser Mangel betraf auf der anderen Seite auch den Vermerk „Made in GDR“ (German Democratic Republic), welcher aber häufiger verwendet wurde, da die DDR-Staatsführung den Begriff „East Germany“ nicht akzeptierte. In der Bundesrepublik Deutschland durften allerdings nach höchstrichterlichem Urteil auch Produkte aus der DDR das „gefühlte Qualitätssiegel“ „Made in Germany“ tragen [1].
M
2 Aktuelle rechtliche Vorschriften zur Herkunftsangabe Die Kennzeichnung von Waren mit „Made in Germany“ ist im internationalen Handel vielfach notwendig, da die Einfuhrbestimmungen verschiedener Staaten außerhalb der EU solche Herkunftsbezeichnungen vorschreiben.
Made in Germany Unterdrückung falscher oder irreführender Herkunftsangaben“ von 1891, in Deutschland 1994 erneut juristisch codifiziert durch das „Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichnungen“). Dieses „Markengesetz“ steckt insgesamt eine gewissen wettbewerbsrechtlichen (nicht: zollrechtlichen) Rahmen über die Verwendung von geografischen Herkunftsangaben ab: § 127 Markengesetz: „(1) Geografische Herkunftsangaben dürfen im geschäftlichen Verkehr nicht für Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, die nicht aus dem Ort, der Gegend, dem Gebiet oder dem Land stammen, das durch die geografische Herkunftsangabe bezeichnet wird, wenn bei der Benutzung solcher Namen, Angaben oder Zeichen für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft eine Gefahr der Irreführung über die geografische Herkunft besteht.“ Gesetzliche Kodifizierungen sind allgemein gehalten und müssen häufig, so auch in Bezug auf die Verwendung der Kennzeichnung „Made in Germany“, durch Gerichte im Einzelfall interpretiert werden. Die deutsche Rechtsprechung hatte dabei bisher vor allem mit der wettbewerbsrechtlichen Frage zu tun, welche Voraussetzungen ein Produkt aufweisen muss, damit es in Deutschland mit dem Kennzeichen „Made in Germany“ angeboten werden darf. Dabei prüften die Gerichte vor allem, ob im geschäftlichen Verkehr, auch in der Werbung, die allgemeine Verkehrsanschauung der beteiligten Abb. M3: Die Kennzeichnung „Made in Germany“ auf dem Deckelgriff des Schnellkochtopfes PERFECT der WMF AG, Geislingen a.d.St.
Die EU schreibt bisher im Handel zwischen den Mitgliedsländern keine Herkunftsangabe vor, spezifiziert aber mögliche Herstellungskennzeichnungen in der Verordnung Nr. 2913/92 des Rates vom 12. 10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften: Artikel 24 Zollkodex: „Eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, ist Ursprungsware des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Beoder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt.“ In Deutschland existiert keine spezielle Vorschrift für die Verwendung des Begriffs „Made in Germany“. Die Verwendung des Begriffs ist in Deutschland bisher freiwillig und erfolgt auf eigene Verantwortung des Herstellers. Eine falsche oder irreführende Kennzeichnung ist aber ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und kann eine Beschlagnahme der entsprechenden Waren durch staatliche Stellen nach sich ziehen (seit dem grundlegenden „Madrider Abkommen über die
648
Quelle: Fotoarchiv Lothar Groß 2013
Made in Germany Verkehrskreise (z. B. Geschäftspartner und Verbraucher) den Gebrauch der Bezeichnung „Made in Germany“ als gerechtfertig erscheinen lässt. In ihren Urteilen gingen die Gerichte dabei deutlich über die für den Export gültigen zollrechtlichen Vorschriften hinaus: Das Oberlandesgericht Stuttgart bezog sich in einem einschlägigen Fall darauf, dass diejenigen Eigenschaften, die als wesentlich für den Wert des Produkts angesehen würden, in Deutschland erbracht sowie die Produkte in Deutschland konstruiert und zumindest endgefertigt werden müssten [2]. Das Landgericht Frankfurt am Main betonte die Notwendigkeit des Fertigungsbetriebs sowie die Überwachung von Fertigung und Entwicklung des Produkts in Deutschland [3]. Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte fest, dass Waren maßgeblich in Deutschland hergestellt sein bzw. ihre wertbestimmenden Eigenschaften aus deutscher Produktion stammen müssten, um das Kennzeichen „Made in Germany“ tragen zu dürfen. Bei Industrieprodukten müssten alle wesentlichen Herstellungsschritte in Deutschland durchgeführt worden sein. Dabei sei es nebensächlich, ob Rohstoffe oder Halbfabrikate aus Deutschland stammten, weil der Wert eines industriellen Erzeugnisses vor allem in der Verarbeitung liege [4]. Bezogen auf die juristische „Bewertung“ spielen somit wertschöpfungs- und wertentstehungsseitige und keine qualitätsorientierten Aspekte eine vorrangige Rolle, was bezogen auf den Herkunftsanspruch durchaus als berechtigt angesehen werden kann. 3 „Made in Germany“ als Bestandteil des Qualitäts managements Schon seit der Einführung des Begriffs wurde mit der Kennzeichnung „Made in Germany“ neben der Herkunftsangabe jedoch auch ein Qualitätsversprechen verbunden. Dieser Gedanke spiegelt sich im o. a. Markengesetz wider: § 127, Abs. 2 u. 3 Markengesetz: „(2) Haben die durch eine geografische Herkunftsangabe gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besondere Eigenschaften oder eine besondere Qualität, so darf die geografische Herkunftsangabe im geschäftlichen Verkehr für die entsprechenden Waren oder Dienstleistungen dieser Herkunft nur benutzt werden, wenn die Waren oder Dienstleistungen diese Eigenschaften oder diese Qualität aufweisen. (3) Genießt eine geografische Herkunftsangabe einen besonderen Ruf, so darf sie im geschäftlichen Verkehr für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft auch dann nicht benutzt werden, wenn eine Gefahr der Irreführung über die geografische Herkunft nicht besteht, sofern die Benutzung für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft geeignet ist, den Ruf der geografischen Herkunftsangabe oder ihre Unterscheidungskraft ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen.“
Made in Germany Auch wenn sich die deutsche Gerichtsbarkeit bei ihren Entscheidungen zum Kennzeichen „Made in Germany“ bisher auf den Herkunftsaspekt beschränkte, kann für eine einwandfreie Kennzeichnung „Made in Germany“ aber auch die Frage relevant sein, welche Qualitätsmerkmale das Produkt erfüllen muss. „Besondere Eigenschaften“, „besondere Qualitäten“ und ein „besonderer Ruf “ können zwar nicht für die Gesamtheit aller Produkte eines Landes genau spezifiziert werden, wohl aber für bestimmte Produkte bzw. Produktgruppen (z. B. für „Dresdner Stollen“ oder „bayerisches Bier“) [5]. Weil die Kennzeichnung „Made in Germany“ als eine Art „Qualitätssiegel“ gilt, mit dem nach allgemeiner Verkehrsanschauung der beteiligten Verkehrskreise überdurchschnittlich hohe Qualitätsmerkmale assoziiert werden, können für die Verwendung des „Qualitätssiegels“ für bestimmte Produkte oder Produktgruppen durchaus „besondere Eigenschaften“ und Qualitätsmerkmale spezifiziert werden. Wie solche genauen Spezifizierungen aussehen können, soll an zwei Beispielen erläutert werden: Verschiedene private Unternehmen operationalisieren den Begriff „Made in Germany“, indem sie relevante Qualitätsmerkmale verschiedener Produkte bzw. Produktgruppen festlegen. Die TÜV Nord Cert GmbH z. B verlangt für eine Zertifizierung, dass die entsprechenden Produkte, Produktgruppen oder Dienstleistungen mindestens zur Hälfte im Herkunftsland erstellt wurden, gemessen am Wertschöpfungsanteil des gesamten Herstellungsprozesses. Weiterhin muss der Produzent Nachweise zur Erfüllung grundlegender Sicherheitsforderungen erbringen, z. B. nach den Vorschriften des GPSG (Geräte- und Produktionssicherheitsgesetz). Darüber hinaus muss das produzierende Unternehmen nachweisen, dass es zur Stärkung des nationalen Standortes beiträgt, z. B. durch eine entsprechende Investitions- oder Ausbildungsintensität (abhängig von der Größe sowie weiteren Kennzahlen des Unternehmens). [6] Durch eine solche Erfüllung messbarer Qualitätsmerkmale sowie durch eine Bestätigung der Einhaltung dieser Merkmale durch eine neutrale Stelle wird das Kennzeichen „Made in Germany“ tatsächlich zu einem Qualitätsbegriff. Aber anders als etwa bei den gesetzlich regelmäßig vorgeschriebenen Fahrzeuguntersuchungen durch DEKRA oder TÜV, erfüllen die zertifizierenden Unternehmen keine hoheitlichen Aufgaben. Die „Made-in-Germany“-Zertifikate von TÜV NORD Cert GmbH (und von weiteren Unternehmen) becheinigen lediglich, dass die entsprechenden Güter den Qualitätsforderungen des zertifizierenden Unternehmens entsprechen. Im Rahmen der Wandlung der deutschen Volkswirtschaft hin zu einer Dienstleistungs- und Kommunikationswirtschaft (und durch das Markengesetz ausdrücklich erlaubt) ist eine Erweiterung des Begriffs „Made in Germany“ auf immaterielle Güter bzw. Dienstleistungen erkennbar: So entschlossen sich z. B. führende deutsche Kommunikationsunternehmen als Antwort auf das massenhafte Mitlesen von E-mails durch amerikanische Nachrichtendienste im April 2014 zu einer ge-
649
M
Made in Germany meinsamen Verbesserung der E-mail-Sicherheit, z. B. durch die Anwendung einer speziellen Verschlüsselungssoftware, durch die Kennzeichnung sicherer E-Mail-Adressen und durch die ausnahmslose Speicherung von E-mails auf Rechenzentren in Deutschland. Der Name dieser Initiative „Email made in Germany“ dient dabei nicht nur als Werbebotschaft, sondern er kennzeichnet darüber hinaus die Garantie für eine erhöhte Datensicherheit durch die angesprochenen konkreten Maßnahmen der Kommunikationsunternehmen und wird somit zu einem zentralen Begriff ihres Qualitätsmanagements. [7]. Welche Bedeutung die Kennzeichnung „Made in Germany“ als „Qualitätssiegel“ genießt, soll mit den folgenden Angaben dargestellt werden: Die ►Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V. (DGQ) verwies im Jahre 2013 auf eine eigene repräsentative Umfrage, nach der 70 % der Deutschen darauf vertrauten, dass das Label „Made in Germany“ für hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards stehe. [8]. Nach einer Umfrage der Pricewaterhouse Coopers AG (Frankfurt) verbinden 80 % der Konsumenten in Deutschland mit dem Begriff „Made in Germany“ höchste Qualität, 57 % eine lange Lebensdauer, 55 % höchste Sicherheit und ebenfalls 55 % hohe Funktionalität der entsprechenden Produkte [9].
M
Ähnliche Ergebnisse aus dem Ausland erbrachte auch eine Erhebung des bundeseigenen Dienstleistungsinstituts Germany Trade & Invest (GTAI), der früheren Bundes-agentur für Außenhandelsinformationen: In allen großen Außenhandelspartner-Ländern galten Produkte „Made in Germany“ als qualitativ hochwertig. Dieses Argument sorgt auch nach wie vor zur Durchsetzung höherer Preise im Weltmarkt [10]. Die DGQ spricht von einem Mehrerlös von mehr als 100 Milliarden Euro jährlich, weil die Käufer weltweit sich für höherpreisige Produkte „Made in Germany“ entschlössen und nicht für preiswertere ausländische Konkurrenzprodukte [11]. Eine Kapitalisierung dieses jährlichen Betrags lässt auch den absoluten Wert des „Gütesiegels“ „Made in Germany“ nachvollziehbar erscheinen, der im Jahre 2006 von dem Marktforschungsinstitut Global Market Insite Inc. (Seattle) mithilfe einer repräsentativen internationalen Umfrage auf 3.836 MRD € geschätzt wurde [12]. 4 Zukünftige Entwicklungstendenzen in der EU Die EU-Kommission kündigte am 13. 2. 2013 eine Rechtsveränderung an, nach der in Zukunft alle Produkte eine Angabe des Ursprungslandes tragen müssen. Für die Angabe des Ursprungslands soll – abweichend von der bisherigen zollrechtlichen Regelung – der größte wertsteigernde Teil des Herstellungsprozesses entscheidend sein. Auch die Angabe „EU“ als Ursprungsland soll weiterhin möglich sein [13] (Die Bezeichnung „Made in EU“ wird aber von einigen Staaten nicht anerkannt.).
650
Made in Germany Mit dieser Reform würden Zoll- und Wettbewerbsrecht erheblich modifiziert. Der Grund für diese EU-Initiative ist die Hoffnung auf eine bessere Identifizierung und ►Rückverfolgbarkeit unsicherer Produkte (►Produktsicherheit). Sollte der Vorschlag der EU-Kommission rechtsgültig werden, wird die bisher freiwillige Kennzeichnung von Produkten mit „Made in Germany“ verbindlich. 5 Ausblick Ob der Reformvorschlag der EU tatsächlich wie geplant umgesetzt wird, ist fraglich: Im April 2014 votierte das EUParlament zwar für die Reform; die Regierungen von 16 Mitgliedsstaaten (darunter auch Deutschland) sperren sich jedoch gegen den Gesetzesvorschlag (Stand Juli 2014). Aus Sorge um das „Qualitätssiegel“ Made in Germany wird die EU-Initiative auch von namhaften Stimmen aus der deutschen Wirtschaft, z. B. dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisiert. Ob durch diese Veränderung (nicht: Abschaffung) der Vorschriften bezüglich der Verwendung des Kennzeichens „Made in Germany“ eine Gefahr für das „Qualitätssiegel“ der deutschen Volkswirtschaft tatsächlich besteht, das ist heute noch nicht abzusehen. Letztlich wird diese Frage nach dem Fortbestehen des Kennzeichens „Made in Germany“ durch Qualitätsmanagement-Grundsatzentscheidung der in Deutschland produzierenden Unternehmen geklärt werden. Unabhängig von den zu erwartenden Änderungen im EURecht sind es die folgenden fünf Entwicklungen und Trends, die den Standortfaktor „Qualität in Deutschland” gefährden könnten [14]: 1 „Robustheit und Lebensdauer als Attribute von Qualität verlieren durch immer kürzere Produktlebenszyklen an Bedeutung. 2 Die Komplexität von Produkten nimmt zu. Nur noch wenige Experten können ihre Qualität erkennen und bewerten. 3 Das Image von Qualität ersetzt oft die de facto Qualität. 4 Wir werden auf niedrige Einkaufspreise dressiert, d. h., Total Cost of Ownership-Betrachtungen fehlen. 5 Die anderen Länder holen in ihrer ►Qualitätsfähigkeit auf.” Langfristig spricht die zunehmende ►Globalisierung trotzdem für einen Bedeutungsverlust der „Made in…“-Kennzeichen. Schon heute wird insbesondere von globalen Konzernen der Begriff „Made in Germany“ nur noch sparsam verwendet. Viele hoch technisierte Produkte weisen Bestandteile auf, die in unterschiedlichsten Ländern entwickelt und produziert wurden. Der „gute Ruf “ des Kennzeichens „Made in Germany“ wird dabei durch den „guten Ruf “ des Herstellers oder der Marke ersetzt. [15] Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass das Kennzeichen „Made in Germany“ schon kurz- oder mittelfristig rasant an Bedeu-
Made in Germany tung verlieren wird: Unternehmen wie Trigema [16] und Liqui Moli [17] verweisen auch und gerade in ihrer Werbung auf ihre Produktion in Deutschland. Dass es sich dabei um mittelständische Unternehmen handelt, kann in der – nach wie vor sehr mittelständisch dominierten – Produktionslandschaft in Deutschland nicht als Zeichen geringerer Bedeutung gewertet werden. Und auch von Dienstleistungsunternehmen (selbst von Großunternehmen wie der Deutsche Telekom AG) wird der Begriff „Made in Germany“ publikumswirksam verwendet. Die in Deutschland produzierenden Unternehmen werden bei der Verwendung des Kennzeichens aber wegen der zunehmenden Komplexität der Produkte und wegen der hohen Produktionskosten in Deutschland verstärkt auch die Dienstleistungsqualität (Kundenorientierung, Angebot intel-ligenter ganzheitlicher Lösungsansätze, technischer und kaufmännischer Service, Termintreue etc.) berücksichtigen und sich zunehmend auch auf ►Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit, Sozialkompetenz (z. B. faire Arbeitsbedingungen) sowie Wissensproduktion und -vermittlung beziehen müssen. Bestätigt werden die genannten Zukunftstendenzen auch durch die Initiative der ►DGQ, die nach vorne schaut und gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft ein Qualitätsleitbild für Deutschland erarbeitet, das 2014 auf seine Veröffentlichung wartet. [18] Darin muss die Möglichkeit gesehen werden, das Qualitätsbewusstsein und damit letztlich auch die Qualitätsfähigkeit in Deutschland zu stärken – auch unabhängig von dem altehrwürdigen Kennzeichen „Made in Germany“. Dipl-Oec. Lothar Groß, Remscheid Literatur
[1] vgl. Bundesgerichtshof, Urteil v. 23.3.1973, I ZR 33/72 [2] vgl. Oberlandesgericht Stuttgart v. 10.11.1995, 2 U 124/95 [3] vgl. Landgericht Frankfurt v. 7.11.2008, 3-12 O 55/08 [4] vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf v. 5.5.2011, I-20 U 110/10 [5] vgl. Eisenmann, Hartmut/ Jautz, Ulrich: Grundriss. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Heidelberg, 6. Aufl. 2006, S. 137 [6] vgl. TÜV Nord Cert GmbH: TÜV NOORD – zertifizierter Herkunftsnachweis „Made in…“. Kriterienkatalog, 2010, http://www. tuev-nord.de/cps/rde/xbcr/SID-0D25FB2E-CEF2B2C1/tng_de/ Zertifizierter_Herkunftsnachweis_Kriterienkatalog.pdf [7] vgl. Deutsche Telekom: E-MAIL MADE IN GERMANY, 2014, http://e-mail-made-in-germany.telekom.de/?mlid=2039.14.10182 96.810e00236af8e75bc064831e89a6b8ee...0.1405433054.1.14080 25054#xtor=SEC-1078-GOO-[]-[]-S-[e-mail%20made%20in%20 germany] [8] vgl. Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V, Frankfurt (Main), 4.11.2013, http://www.dgq.de/aktuelles/news/made-germany-istmehr-als-nur-eine-herkunftsbezeichnung/ [9] zitiert nach „Made in Germany“-Verordnung verunsichert Unternehmen und Verbraucher, ohne Verfasser in: Layer, Frank (Hrsg.): MittelstandsCafe, Online-Zeitung der LayerMedia Inc, Boston (USA), Niederlassung Deutschland: Filderstatt, 18.5.2014, http://www.mittelstandcafe.de/made-in-germany-verordnung-verunsichert-unternehmen-und-verbraucher-1044077.html/
Magisches Dreieck [10] zitiert nach Wenkel, Rolf: Gütesiegel: Ausruhen gilt nicht, Deutsche Welle (dw), Bonn, 18.1.2014, http://www.dw.de/gütesiegel-ausruhen-gilt-nicht/a-17369364 [11] vgl. Koch, Martin: Gütesiegel auf dem Prüfstand, Deutsche Welle (dw), Bonn, 15.8.2013, http://www.dw.de/gütesiegel-aufdem-prüfstand/a-17016788 [12] zitiert nach Deutsche Gesellschaft für Qualität e.v., Frankfurt (Main), 4.11.2013, a.a.O. [13] vgl. European Commission: Sichere Produkte und gleiche Ausgangsbedingungen im Binnenmarkt, Pressemitteilung IP/13/111, Brüssel, 13/02/2013, http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13111_de.htm [14] Sommerhoff, Benedikt: Ein Qualitätsleitbild für Deutschland. In: Pfeifer, T. u. R. Schmitt (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement. 6. Auflage. München (Hanser) 2014, S. 43 [15] vgl. Wenkel, Rolf: Sturm im Wasserglas, Deutsche Welle (dw), Bonn, 16.4.2014, http://www.dw.de/kommentar-sturm-imwasserglas/a-17572408 [16] vgl. TRIGEMA Inh. W. Grupp e. K.: Das Unternehmen TRIGEMA. TRIGEMA – 100% Made in Germany. Burladingen, o. J. http://www.trigema.de/Unternehmen/UEber-uns/ [17] vgl. Liqui Moly GmbH: Presseinformation: Liqui Moly in Zahlen. Ulm 2013 [18] Varwig, Jürgen (Präsident der DGQ), Kaerkes, Wolfgang (geschäftsführendes Vorstandsmitglied der DGQ: Ein Impuls für Qualität in Deutschland, Frankfurt (Main), Juni 2012, http://www.qualitaetsleitbild.de/grussworte/impuls-fuer-qualitaet-in-deutschland/
Magisches Dreieck
Ein übergeordnetes Kategorienschema, nach dem Zeit, Kosten und Qualität in einem „magischen“ Verhältnis zueinander stehen sollen. Der Begriff wird in der Betriebswirtschaftslehre gerne bemüht, auch im Projektmanagement: Bei der Steuerung seines Projektes bewegt sich der Projektmanager immer innerhalb dieses Dreiecks. Wenn er sich einer Ecke nähert, entfernt er sich dabei ein Stück von einer anderen Ecke. Dabei kann er offenbar nur etwas Fokussieren, indem er anderes vernachlässigt, z. B. indem er schneller arbeitet, es aber an Sorgfalt und Perfektion fehlen lässt (Qualitätsmerkmale). Das ist die ganze Magie, die manchmal noch um eine vierte Kategorie ergänzt wird, die der Realisation des Projekts. Im Qualitätsmanagement sollte eher auf den ►QTK-Kreis Bezug genommen werden, der identische Begriffe verwendet, aber theoretisch besser fundiert ist. Im ►Lean Management wird die Dreiecks-Argumentation als verkürzt angesehen, indem das Kategorienschema erweitert wird. So sind auf jeden Fall die Kategorien des Raumes und der Arbeit einzubeziehen, um der Komplexität von ►Globalisierungsansätzen u. a. gerecht werden zu können.
Main effect plot
▶de: Haupteffekt-Diagramm ▶Design of Experiments Grafisches Werkzeug zur Identifizierung des Einflusses einer Variablen auf die Ausgangsvariable. Main effect plots werden hauptsächlich in ►Design of Experiments eingesetzt, um zu untersuchen, wie signifikant der Einfluss einer Variablen auf die zu untersuchende Ausgangsgröße ist.
651
M
Make or Buy
Makigami
Make or Buy
zu verbessern. Insbesondere eignet sich diese Technik zur Beseitigung von Verschwendung in administrativen Prozessen im Büro, dort also, wo die Prozesse im allgemeinen weniger transparent, ja nicht sichtbar sind. Hierfür ist es auch im Jahr 1996 von Kazuhisa Okamura-san (genannt Kaz, heute bei Intrinsic-ID, Eindhoven, als Vertriebsleiter) bei Fujico ( Japan) entwickelt worden. Erst etwa zehn Jahre später wurde Makigami in Europa aufgegriffen und entsprechend angepasst. So musste die dem Japanischen eigene vertikale Illustrationsweise geändert werden in ein horizontales Layout. Makigami kann zu den Leantechniken gezählt werden. Es folgt dem Grundsatz, den Prozess immer aus der Prozessperspektive zu betrachten (Vogelperspektive), niemals die Sicht des Handelnden, also des Mitarbeiters einzunehmen.
▶de: Machen oder Kaufen ▶Materialgruppenmanagement
M
◼ Koordination aller Beschaffungsvorgänge ◼ ständige Optimierung der Kommunikation zwischen Material- und Lieferantendaten ◼ Koordination der Bestände und des Materialflusses ◼ Analyse der für die Materialgruppen wichtigen Beschaffungsmärkte ◼ Analyse und Gestaltung der Beschaffungsprozesse für die Materialgruppen. Literatur
[1] Jentsch, M.: Eigenfertigung oder Fremdbezug?: Herangehensweise an die Make-or-Buy-Fragestellung in der Praxis. 2010 [2] URL EKALOG: http://www.ekalog.de/einkaufsmanagement/ beitrag/so-sieht-erfolgreiches-materialgruppen-management-inder-mittelstaendischen-praxis-aus-960.html - abgerufen am 24-102015
Makigami
▶de: Rolle aus Papier ▶Wertstrommanagement ▶Moderationsmethode Unter den Techniken der Prozessverbesserung und -visualiserung ist Makigami neueren Datums. Makigami, das sich ins Deutsche mit „Rolle aus Papier“ übertragen lässt, stellt gewissermaßen eine Alternative zum Value Stream Mapping (Wertstromdesign, ►Wertstrommanagement) dar. Schewe und Herbig charkterisieren es als eine Mischtechnik von Process Mapping (BPMN) und Wertstromdesign [1, S. 40]. Die Makigami-Technik kann angewandt werden, um Unternehmensprozesse jeder Art zu analysieren, zu visualisieren und
652
Makigami ist eine Leantechnik zur Analyse, Visualisierung und Verbesserung von Prozessen, deren oberste Zielsetzung darin besteht Verschwendung zu identifizieren und möglichst zu eleminieren. Inhaltlich geht es darum ◼ Schnittstellen zwischen internen und externen Bereichen aufzuzeigen ◼ Verschwendungen in Prozessen zu identifizieren ◼ Wertschöpfende und nichtwertschöpfende Prozessschritte zu erkennen, zu trennen und zu bewerten ◼ Prozesszeiten zu bestimmen ◼ Verbesserungspotentiale herauszuarbeiten und zu verfolgen. Verbesserungsprojekte, die der Makigami-Technik folgen, können grob in drei Phasen unterteilt werden: ◼ Den Ist-Zustand analysieren und visualisieren – In dieser Phase sollten Sie folgende Fragen gestellt werden: Wer macht was? Welche Dokumente/Kommunikationsmittel werden genutzt? Wie lange dauert der Prozessschritt? Welche Probleme/Verschwendungen fallen in den einzelnen Prozessschritten an? ◼ Erarbeiten und Visualisieren des idealen Soll-Zustands – In dieser Phase müssen die folgendenFrage gestellt werden: Wie stellen ich wir uns den idealen Prozess vor, wenn wir sämtliche externen Forderungen unberücksichtig lassen. Es muss also zunächst einmal eine Sichtweise eingenommen werden, die sich eher von den eigenen Vorstellungen leiten lässt und weniger an der Realität orientiert. ◼ Entwickeln eines Verbesserungsprozesses und eines Umsetzungsplans zur Erreichung des Soll-Zustandes – In dieser Phase sollte ein neuer Prozess gestaltet werden, indem äußere Einflüsse, wie z. B. die Kundenperspektive oder interne Faktoren mit in Betracht gezogen werden. Das praktische Vorgehen orientiert sich an einer Schrittfolge, die zunächst verlangt, dass ein Makigami-Diagramm erstellt wird. Dabei handelt es sich um ein Formular für den Current State (= Ist). Dieses Diagramm bildet den Rahmen. Es füllt sich immer mehr, je weiter man in den einzelnen Arbeitsschritten foranschreitet. Constantin May charakterisiert sie
Begriff
Die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens wird deutlich von der Wahl der Make-or-Buy-Strategie mitbestimmt. Die Frage nach Eigenfertigung oder Fremdbezug stellt Unternehmen oftmals vor eine gewisse Orientierungslosigkeit. Obwohl die Gestaltung der innerbetrieblichen Wertschöpfungstiefe immer stärker Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens nimmt, wird der Make-or-Buy-Problemstellung allerdings meist wenig Beachtung geschenkt. Dabei unterliegen Entscheidungen in Bezug zur Fertigungstiefe oft einer gewissen Willkür und orientieren sich kaum an der eigentlich optimalen Schnittstelle im Wertschöpfungsprozess. Make or Buy-Entscheidungen beinhalten zwangsweise ein Risiko, das sich sehr oft um die Pole Qualität und Kosten dreht: Wenn ich selbst fertige, kann ich bestens die Qualität kontrollieren, dagegen fahre ich bei Fremdbezug oftmals kostenmäßig günstiger. Das so wichtige Thema sollte strategisch aufgefasst werden, denn einfache Lösungen stellen sich nicht mehr automatisch ein. Ein Blick in den angrenzenden Bereich des ►Materialgruppenmanagements zeigt diesen strategic approach. Dort werden die folgenden fünf strategischen Aufgabenbereiche unter der Voraussetzung festgelegt, dass die Make or Buy-Entscheidung gefallen ist [2]:
Makigami wie folgt in sieben Schritten in seinem digitalen Dokument [2]: 1 Prozess und Abteilung benennen 2 Prozessschritte (Unterprozesse) erfassen und Probleme bzw. Ideen 3 Informations- und Datenträger erfassen 4 Transferpfeile setzen 5 Festlegen der Wertschöpfung 6 Prozesszeiten erfassen 7 Prozesskennzahlen (Summen) erfassen
Malorny, Christian Abb. M04: Makigami-Diagramm – Ausschnitt Schritt 2: Prozessschritte erfassen
Schritt 2: Prozesschritte erfassen
______________________________________________________________________ Abteilung/Arbeitsrolle/Extern 1 2 3 4 5 6 7 ______________________________________________________________________ 1 Abteilung/Arbeitsrolle Schritt 1 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 2 Abteilung/Arbeitsrolle Schritt 4 Schritt 5 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 3 Abteilung/Arbeitsrolle Schritt 2 Schritt 6 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 4 Abteilung/Arbeitsrolle –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 5 Abteilung/Arbeitsrolle Schritt 3 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 6 Extern, z. B. Unterlieferant ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Deutscher Qualitätsexperte
◼ Alle Prozessschritte werden in der Gruppe erarbeitet Zur Illustration ist Prozess◼ Entsprechend der Moderationsmethode wird auf Packpapier gearbeitet schritt 2 in Abbildung M04 ◼ Üblicherweise werden pro Schritt gelbe Post-Its benutzt beschrieben. Das Soll wird ◼ Die Reihenfolge bestimmt sich aus der oberen Teilnehmerleiste nach Abschluss des Current State (= Ist) im Future State◼ Die einzelnen Schritte sollen nicht zu grob gehalten werden (Erfahrungswerte) Diagramm festgehalten, Quelle: Modifizierte Darstellung nach [2] um darauf aufbauend dann und Antriebskonzepte den Verbesserungsprozess sowie „Erfinder“ des zu modellieren, wie er im genannten Dreiphasenschema ge„Electric Vehicle Index nannt wurde. Schließlich sollte das Ergebnis, wie es sich auf (EVI)“. Mit verschieden Packpapierbogen zeigt, für dokumentarische Zwecke fodenen Ausarbeitungen, tografiert werden [3]. An dieser Stelle ist noch darauf hinzuu. a. „Berlin 2020“ weisen, dass es üblich und sinnvoll erscheint zur Erarbeitung (2010) und „Berlin und Darstellung der Ergebnisse auf die ►ModerationsmethoGründet“ (2013) hat de zurückzugreifen. Malorny wichtige ImHans-Dieter Zollondz, pulse für die qualitaVichy tive Weiterentwicklung Literatur der Hauptstadt gesetzt. [1] Schewe, S. und N. Herbig: Lean Administration. Methoden der Verschiedene EhProzessvisualisierung und Prozessoptimierung. Norderstedt (BoD) rungen: U. a. 1995 Aus2015 zeichnung im Rahmen [2] May, C.: Makigami. Current State. Ansbach (CETPM) 2015 – des ►Walter-MasingURL: CETPM.de Preis-Wettbewerbs (►Masing, W.) durch Deutsche Gesell[3] Beispiele finden sich auf der URL: http://www.makigami.info/ schaft für Qualität e.V. 1996 Verleihung der höchsten europäcms/ ischen Auszeichnung für wissenschaftliches Wirken auf dem Ge biet des Total Quality Management, den European QuaMalcolm Baldrige National Quality Award lity Award for Theses on Total Quality Management durch ▶MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award European Foundation for Quality Management (►Business Excellence durch TQM – BE). Veröffentlichung von rund Malorny, Christian 350 Fachartikeln und verschiedene Bücher mit Schwerpunkt Geboren 1965, Studium Maschinenbau und ProduktionsQualitätsmanagement. Malorny ist verheiratet und hat zwei technik an der Technischen Universität Berlin. Promotion Töchter. 1996 am Lehrstuhl Qualitätswissenschaft (►Kamiske, G. F.) Literatur: Et al.: Total Quality Management, ein bestechendes des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb zum Führungsmodell mit hohen Anforderungen und großen Chancen. Dr.-Ing. In- und ausländische Industrieerfahrungen. Gegen In: Zfo 61 (1992) 5. – Et al.: Beurteilung der Zulieferer durch eine wärtig: Direktor bei McKinsey & Company, Inc., Office Berneutrale Stelle bringt Vorteile, in: Handelsblatt v. 27. Januar 1993. lin mit Beratungsschwerpunkt Automobil- Maschinen- und – et al.: Den Audit-Tourismus eindämmen. In: Beschaffung akAnlagenbauindustrie. Experte für neue Mobilitätsstrategien tuell, 4/1993. – Eine empirische Schwachstellenuntersuchung in
653
M
Malorny, Christian
654
ar 1997. – Der Weg zur Business Excellence. In: Absatzwirtschaft. Januar 1997. – TQM umsetzen 2. Auflage. Stuttgart 1999. – Große Klasse, Sieben Thesen zum umfassenden Qualitätsmanagement. In: McKinsey Wissen, Düsseldorf 2007. – Total Quality Management. München 2011. – Total Quality Management (TQM). In: Kamiske G.F. (Hg.): Handbuch QM-Methoden. München 2012. – Et al.: Funktion und Nutzen von Qualitätsauszeichnungen. In Pfeifer, T., Schmitt, R. (Hg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement. München 2014. – Total Quality Management als Grundlage für die Entwicklung der Unternehmenskultur. In: Pfeifer, T., Schmitt, R. (Hg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement. München 2014.
Management
▶Management (genormter Begriff nach ISO 9000:2015-11) ▶Qualitätsmanagement ▶Qualitätsmanagementsysteme nach DIN EN ISO 9001 ▶Menschenbild ▶Führung und Qualitätsmanagement
Management
▶en: management aufeinander abgestimmte Tätigkeiten zum Führen und Steuern einer ►Organisation
Anmerkung 1 zum Begriff: Management kann das Festlegen von ►Politik, ►Zielen, und ►Prozessen zum Erreichen dieser Ziele umfassen. Anmerkung 2 zum Begriff: Gelegentlich bezieht sich die Bezeichnung „Management“ auf Personen, d. h. eine Person oder eine Personengruppe mit Befugnis und Verantwortung für die Führung und Steuerung einer Organisation. Wird „Management“ in diesem Sinn verwendet, sollte es nicht ohne eine Art von Bestimmungswort verwendet werden, um Verwechslungen mit dem oben definierten Begriff „Management“ zu vermeiden. Beispielsweise ist die Formulierung „Das Management muss …“ abzulehnen, während „Die ►oberste Leitung muss …“ annehmbar ist. Andernfalls sollten andere Benennungen eingeführt werden, um den Begriff zu vermitteln, wenn er sich auf Personen bezieht, z. B. leitende Personen oder Manager. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Management by …-Konzepte
▶Drucker, Peter Ferdinand ▶Führung und Qualitätsmanagement ▶Unternehmenskultur ▶Motivationsmanagement ▶Qualität des Managements ▶Qualitätsmerkmale guter Führung 1 Einführung Bei den „Management by…-Konzepten“ handelt es sich um Führungstechniken, die vom Begriff her zwar auf G. S Odiorne [1] zurückgehen, aber durch den Austro-Amerikaner Peter F. ►Drucker popularisiert wurden. 1954 [2] formulierte er das „Management by objectives“ (MbO) oder „Führen durch Zielvereinbarung“. Es ist eine heute weit verbreitete Führungstechnik zur Mitarbeiterführung und Entwicklung von Eigeninitiative und kann wie folgt charakterisiert werden:
ISO-Term
M
37 Unternehmen. In: QZ 38 (1993) 5. – Et al.: Qualitätsmanagement nach DIN ISO 9000: Wo liegen die Schwierigkeiten? – Et al.: Die Anforderungen der Rechtsprechung an Qualitätsmanage mentsysteme steigen. In: Zf B 63 (1993) 6. – Et al.: Quality Function Deployment. In: ZEP 16 (1994) 3. – Et al.: Auditierung und Zertifizierung im Brennpunkt wirtschaftlicher und rechtlicher Interessen. In: Zf B 64 (1994) 7. – Et al.: Brennpunkt TQM. Stuttgart 1994. – Et al.: Die strafrechtliche Verantwortung des Managements. In: BB. Nr. 20 (1994). – Et al.: Von der Wareneingangskontrolle zur Qualitäts- und Wertschöpfungspartnerschaft. In: DBW, Nr. 4 (1994). – Zertifiziert – die Meinung danach, Resultate und Konsequenzen einer empirischen Studie bei zertifizierten Unter nehmen. In: QZ 39 (1994) 11. – Et al.: Nutzeffekte können nur vermutet werden. In: FAZ v. 27. September 1994. – Et al.: Quali fizierung, Auditierung und Zertifizierung im Meinungsspektrum zertifizierter Unternehmen. In: Riekhof, H.-C. (Hg.): Praxis der Strategieentwicklung. Stuttgart 1994. – Et al.: Total Quality Ma nagement – Führen und Organisieren benötigt eine ganzheitliche, qualitätsorientierte Perspektive. In: Corsten H. (Hg.): Handbuch Produktionsmanagement. Wiesbaden 1994. – et al.: Total Quality Management. Ein bestehendes Führungsmodell mit hohen Anforderungen und großen Chancen. In: Kamiske, G. F. (Hg.): Die Hohe Schule des Total Quality Management. Berlin 1994. – Sind Quali tätsmanagementsysteme nach DIN EN ISO 9000 ff. wirtschaftlich? In: Kamiske, G. F. (Hg.): Rentabel durch TQM. Berlin 1995. – Leadership, Policy & Strategy. In: Hagedorn, Chr., Weißhuhn, S. (Hg.): Best Practice in Total Quality. Hamburg 1995. – Vergleichen Sie sich mit den Besten, Benchmarks TQM-geführter Unternehmen. In: Kamiske, G. F. (Hg.): Rentabel durch TQM. Berlin 1995. – Et al.: Manager vor Gericht, strafrechtliche Verantwortung des Manage ments für Qualität. In: tekom-Nachrichten 3/1995. – Total Quality Management umsetzen, der Weg zur Business Excellence. Stuttgart 1996 (2. Auflage 1999). – Et al.: Total Quality Management, Tips für die Einführung. München 1996. – Et al.: Mitarbeiter für Qualitäts techniken begeistern ist eine Führungsaufgabe. In: io Management 65 (1996) 11. – Total Quality Management, in vier Phasen zur Busi ness Excellence. In: Wissenschaftsmanagement, 2 (1996) 5. – Et al.: TQM umsetzen, kritische Erfolgsfaktoren. In: ZwF 91 (1996) 11. – TQM erfolgreich umsetzen. In: QZ 41 (1996) 7. – Function and Use of Quality Management Models for the Introductory Path of TQM, In: European Foundation for Quality Management (Hg.): 12 Fresh Views on TQM. Brüssel 1996. – Die Umsetzung des Total Quality Management gestalten. In: Hansen, W., Kamiske, G. F. (Hg.): Qua litätsmanagement im Unternehmen. Berlin 1996. – Leitbild und Leitlinien entwickeln. In: Hansen, W., Kamiske, G. F. (Hg.): Quali tätsmanagement im Unternehmen. Berlin 1996. – Strategische und operative Ziele im Konsenås entwickeln. In: Hansen, W., Kamiske, G. F. (Hg.): Qualitätsmanagement im Unternehmen. Berlin 1996. – Et al.: Die Sieben Kreativitätswerkzeuge (K7): Innovationsfähigkeit stärken. In: Hansen, W., Kamiske, G. F. (Hg.): Qualitätsmanagement im Unternehmen. Berlin 1996. – Anspruch und Wirklichkeit der DIN EN ISO 9000 ff. In: Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (Hg.): Reicht die ISO-Zertifizierung? Frankfurt am Main 1996. – Et al.: Moderationstechniken, Werkzeuge für die Teamarbeit. München 1997. – Et al.: Die sieben Kreativitätswerkzeuge, kreative Prozesse anstoßen, Innovationen fördern. München 1996. – Et al.: Kreativitätswerkzeuge, Innovationsfähigkeit stärken. In: Biermann Th., Dehr, G. (Hg.): Innovation mit System. Berlin 1997. – Auf den Chef kommt es an … In: Blick durch die Wirtschaft v. 12. Juni 1997. – Total Quality Management, Erfolgsfaktoren aus deutschen Unternehmen. In: Absatzwirtschaft. Juni 1997. – Der Weg zum umfas senden Qualitätsmanagement. In: Spektrum der Wissenschaft. Janu-
Management by…-Konzepte
Management by…-Konzepte ◼ Management by objectives – Führungskonzept zur Aktivierung von motivationalen Potentialen, bei dem Mitarbeiter und Führungsebene zu erreichende Ziele gemeinsam vereinbaren und der Weg zur Zielerreichung im Ermessensspielraum der Mitarbeiter liegt. Im Mittelpunkt von MbO steht eine konsequente Ausrichtung des Führungsprozesses auf die Formulierung möglichst konkreter Arbeitsziele (Objectives), auf die Schaffung förderlicher Rahmenbedingungen zur Erfüllung dieser Ziele und auf die Leistungsbeurteilung auf Grundlage des Zielerreichungsgrades. Die konkreten Arbeitsziele eines einzelnen Mitarbeiters sollten dabei in ein gesamtes (hierarchisches) Zielsystem der Organisation eingebunden sein. Zur Einschätzung: Zu Beginn der Beschäftigung mit Ma nagementmodellen in den sechziger Jahren stand eindeutig die Gestaltungsfunktion im Vordergrund: Managementmo delle wurden als normatives Konzept der Führung eines Ge samtsystems, etwa einer Unternehmung verstanden. Solche Führungsmodelle in Form von Führungstechniken stellen Soll-Konzepte in Gestalt konditionaler normativer Denk modelle dar, die etwas darüber aussagen, wie Führung in Un ternehmungen vollzogen werden sollte. Zu dieser älteren Ge neration von Modellen, der zweifellos auch das Management by Objectives zuzurechnen ist, werden präskriptiv-normative Aussagen formuliert, wie Führung gestaltet werden soll. Das erklärte Ziel dieser Generation von Managementmodellen war es, einerseits der Managementpraxis unmittelbar anwendbare Gestaltungshilfen zur Verfügung zu stellen. Andererseits bleibt unklar, inwiefern es gelingen kann, dass sich aus der Summe der Einzelziele pro Subjekt dann die Unternehmensziele zusammensetzen. Hierzu findet sich weder eine theoretische noch praktisch schlüssige Argumentation bei Drucker. 2 Beispiele für Management by…-Konzepte Im folgenden sollen einige verbreitete „Management by…-Konzepte“ kurz vorgestellt werden, wobei die Auswahl letztlich subjektiv bleiben muss. Das gemeinsame Charakte ristikum der meisten dieser „Management by ...-Konzepte“, die häufig auch als Führungs- oder Managementtechniken bezeichnet werden, besteht darin, dass sie bestimmte, durchaus relevante Aspekte der umfassenden Managementtätigkeit herausgreifen, stark propagieren und damit häufig aber auch verabsolutieren. Damit wird zumindest teilweise der Eindruck erweckt, dass einzelne mehr oder weniger neue Ideen oder Aspekte in der Lage wären, alle Managementprobleme aus der Welt zu schaffen. Dieser Anspruch ist bei einer nüchternen Betrachtung selbstverständlich nicht einlösbar. Die verwirrende Vielfalt der im Laufe der Zeit entstandenen „Management by ...-Konzepte“ und die Schwierigkeiten, die se vernünftig einzuordnen, bildete zumindest einen Anlass, umfassendere Managementmodelle zu konzipieren (vgl. hierzu v. a. [3], [4]). Aus der Vielzahl der im Laufe der Zeit entwickelten „Manage-
Management by…-Konzepte ment by ...-Konzepte“ ragen vor allem zwei deutlich heraus: Zum einen das bereits o. g. von P. F. Drucker stark geförderte Management by Objectives (MbO), ohne das die Führung größerer Unternehmen heute undenkbar ist. Das zweite bedeutendere Konzept ist das in den USA entwickelte Management by delegation, das in Form des Harzburger Modells die Führungslandschaft in der Bundesrepublik Deutschland der sechziger und siebziger Jahre mitprägen konnte, aber auch schon früh stark kritisiert wurde. ◼ Management by delegation – Aufgaben werden durch den Vorgesetzten an die Mitarbeiter übertragen, die diese vollständig hinsichtlich Entscheidungen und Abwicklung verantworten, z. B. Abwicklung eines vollständigen Kundenauftrages durch eine Mitarbeitergruppe. ◼ Management by exception – Mitarbeiter können in Normalsituationen und Routinefällen selbstständig entscheiden und handeln. Vorgesetzte greifen nur in Ausnahmefällen und -situationen ein. Zum Beispiel wird folgender Normalfall definiert: Gewährung von Nachlässen bei Beschwerden max. 25 % durch die Mitarbeiter. Voraussetzung zur Einführung des Management by exception ist das Vorhandensein der entsprechenden Informations-, Kontroll- und Berichtsysteme, die den definierten Ausnahmefall signalisieren. ◼ Management by results – Führung wird durch Ergebnisüberwachung ausgeübt, indem die erzielten Leistungsergebnisse vom Management einer laufenden und präzisen Kontrolle unterworfen werden (Soll-Ist-Vergleich). ◼ Management by Motivation – Führung erfolgt durch gezielte Motivation der Mitarbeiter, indem den Mitarbeitern Anreize gegeben werden, die sie zu weiterer Leistungssteigerung anregen sollen. ◼ Management by Crisis – Führung erfolgt durch das Management durch bewusstes Herbeiführen oder die Provokation von Krisen im Unternehmen, um zu besseren Ergebnissen als bisher zu gelangen. ◼ Management by policy – Führung erfolgt durch das Management der Ziele (im Gegensatz zum o. g. MbO. Hierbei handelt es sich schon um ein umfassenderes Führungsmodell, das auf dem japanischen Prinzip des ►Hoshin Kanri beruht. Für den praktisch anwendenden Unternehmensführer muss es darum gehen „Management by…Konzepte“ nicht isoliert zu sehen. Immer sollte zumindest bedacht werden, dass es um drei mitzudenkende Aspekte geht: 1 Die Freistellung der Führungskräfte für echte Führungsaufgaben und die Entlastung der Vorgesetzten von Routinearbeiten. 2 Den Mitarbeitern mehr Selbständigkeit bei Ausführung der Arbeit zu verleihen mit der Folge positiver Leistungssteigerung durch Motivation. 3 Die Anpassung der unternehmerischen Leistung an veränderte Umweltbedingungen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
655
M
Management der Dienstleistungsqualität [1] Odiorne, G. S.: Management by Objectives. A System of Managerial Leadership, New York (Pitman Pub.) 1965 [2] Drucker, P. F.: The Practice of Management. New York (Harper & Row) 1954
[3] Staehle, W. H.: Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive. München (Vahlen) 1980 [4] Hinterhuber, H.: Strategische Unternehmensführung, Bd. 1, Strategisches Denken, 6. Aufl., Berlin/New York (de Gruyter) 1996
Management by objectives
▶Management by…-Konzepte
Management der Dienstleistungsqualität ▶en: mangement of service quality ▶Mitarbeiterzufriedenheit
M
1 Besonderheiten der Dienstleistung Die Qualität von Dienstleistungen und damit die ►Kundenzufriedenheit entscheidet sich häufig im direkten, persönlichen Kontakt von Nachfrager (Kunde) und Anbieter (Mitarbeiter). Nicht selten nimmt der Kunde dabei unmittelbar Einfluss auf den Prozess der Leistungserstellung und das resultierende Ergebnis. Seinen Wünschen entsprechend wird die Dienstleistung erbracht. Die ►Qualität einer Dienst leistung bezeichnet das Ergebnis eines kontinuierlichen Ver gleichs von erwarteter und realisierter Angebotserstellung aus Sicht des Kunden. Management von Dienstleistungsqua lität bedeutet deshalb die Motivierung aller Mitarbeiter zum kundenorientierten, situationsabhängigen und eigenverantwortlichen Handeln. Nur so münden Qualitätsförderung und -verbesserung in einem dynamischen unternehmensweiten ►Total Quality Management-Ansatz.
Management von Dienstleistungsqualität bedeutet die Motivierung aller Mitarbeiter zum kundenorientierten, situationsabhängigen und eigenverantwortlichen Han deln (►Motivationsmanagement; ►Mitarbeiterorientierung; ►Mitarbeiterzufriedenheit). Anders als bei Produktionsgütern, deren Herstellungsgüte mit statistischen Verfahren der Stichprobenauswahl überprüft werden kann und deren Produktion nach stets gleich ablaufenden Prozessen erfolgt, hat jede Dienstleistung individuellen Cha rakter. Starre Richtlinien zur Erstellung von Dienstleistungen (script based approach) und Lagerhaltung (z. B. gleichlautende Notargutachten) sind selten sinnvoll beziehungsweise möglich. Tra ditionelle ►Qua litätsmanagementsysteme nach ISO 9001 sind durch diesen kundenindividuellen Aspekt auf das Management von Dienstleistungsqualität um organisationsspezifische Prozessbetrachtungen (►Prozessmanagement, ►QTK-Kreis) zu ergänzen.
2 Gezielte Einbindung der Mitarbeiter Die Mitarbeiter zu motivieren, den Unternehmenszielen zu folgen und das Geschäft mit den Augen der Kunden zu betrachten, ist mit Hilfe von Feedback-Systemen möglich. Ein solcher Ansatz sichert langfristig die Dienstleistungsqualität und damit auch die Kundenzufriedenheit, da er die Mitar beiter zur stetigen Anpassung ihres Arbeitsverhaltens an die Kundenwünsche auffordert. Erfolgreiche Unternehmen erfassen möglichst lückenlos die Nachfragermeinung (►Messung der Dienstleistungsqualität, ►Beschwerdemanagement, ►Dienstleistungsgarantie) und vergleichen diese mit a priori gesetzten Leistungsstandards. Rückkopplungs- oder Feedback-Systeme (vgl. Abbildung M05) vermitteln den Mitarbeitern Aufschluss über die Entwicklung Abb. M05: Einfaches Feedbacksystem als Basis des Managemnts der der ►Kundenzufriedenheit und geben Dienstleistungsqualität dem Personal Orientierungshilfen, welchen Zielen oder Kriterien im RahOrganisationsziele men ihrer Ar beitsaufgaben entspro(Leistungsstandards) chen werden soll. Mechanismen dieser Art entlasten das Management und Zielsystem liefern den Mitarbeitern Hinweise zur der Leistungseinheit stärkeren Fokussierung aller Leistungen auf die Kundenerwartungen. Diese kundengesteuerten Feedback-Systeme können als Basis für eventuell darauf Vergleichskomponente aufbauende Sanktionsmaßnahmen (Anreiz- oder Incentive-Systeme) gesehen werden. Meßkomponente
Korrekturkomponente
Vorgelagerte Leistungssequenz
656
Leistungssequenz in Tech- und Touch-Dimension
Nachgelagerte Leistungssequenz
Eine genaue Zurechnung der Kunden zufriedenheitsdaten auf die einzelnen Leistungssequenzen eines Dienst leistungsprozesses erhöht die Effektivität und Akzeptanz solcher FeedbackSysteme. Dabei sollte zwischen Tech Quality, dem rein funktionalen (tech-
Begriff
Literatur
Management der Dienstleistungsqualität
Management der Dienstleistungsqualität
Management der Dienstleistungsqualität
nischen) Abwickeln von Leistungen und der Touch Quality, des Wie oder der emotionalen und menschlichen Erbrin gungsqualität unterschieden werden. Die Tech Quality wird auch als physical quality und die korrespondierende Touch Quality als interactive quality bezeichnet. Diese Unterschei dung macht deutlich, wie wichtig der individuelle Mitarbeitereinsatz bei der Erstellung von Dienstleistungen ist. Feedback-Informationen scheinen eine gewisse motivationale Kraft zur Lenkung menschlicher Tätigkeiten zu besitzen und können damit zur Zielvorgabe und Motivierung von Leistungsträgern herangezogen werden. Individuen und Gruppen fokussieren ihren Arbeitseinsatz deshalb häufig auf Bereiche, in denen Leistungsqualitäten gemessen und Feed back offeriert wird. Eine Verstärkung des kundenorientierten Mitarbeiterverhaltens kann erreicht werden, wenn man die Feedback-Infor mation und das Erreichen bestimmter Schwellenwerte der unternehmensinternen Servicestandards an die Vorgabe von Anreizen koppelt. Da die motivationale Kraft von Anreizen individuell verschieden und zeitlich instabil ist, wird in der wissenschaftlichen Diskussion die Anwendung von Cafeteria-Modellen empfohlen (vgl. Abbildung M06). Diese Modelle erlauben eine flexible Gestaltung von Anreizen und bewirken beim einzelnen Mitarbeiter eine höhere Motivation und Kreativität in der Umsetzung der Kundenwünsche.
Bei Cafeteria-Systemen bleibt es dem einzelnen Mitarbeiter selbst überlassen, in welcher Form er zwischen verschiedenen Entgeltbestandteilen bzw. Unternehmensleistungen innerhalb eines bestimmten Budgets auswählt. 3 Erweiterter Qualitätsansatz Es entsteht ein selbstregulierendes System zum Management der Dienstleistungsqualität, wenn alle drei Elemente von Kundenzufriedenheitsmessung, gezieltem Feedback und individualisiertem, flexiblen Anreizsystem miteinander kombiniert werden. Bestehende Normen zu QM-Systemen (►Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001) können auf diese Weise um weitere Organisationsziele im Umgang mit Kunden ergänzt werden. Nach dem bio-physikalischen Ansatz negativer Rückkopplungen und Korrekturen durch Feedback, bei unerwünschten Abweichungen von Qualitätsund Leistungsstandards, ist ein solcher Ansatz stabil und flexibel genug, um auch auf Änderungen der Kundenwünsche reagieren zu können. Ein Wechsel in den Kundenerwartungen führt zu einem veränderten Zielsystem (vgl. Abbildung M05) und Anpassung der einzelnen Dienstleistungsprozesse. Nicht fokussiertes, fast mechanistisches Er füllen protokollierter Qualitätsnormen allein, sondern die ergänzende Einbindung dieses ►Qualitätsmanagementsystems in den unternehmensspezifischen Erstellungsprozess ist bei Dienst leistungsangeboten notwendig. Feed back- und Anreizsy-
Abb. M06: Mögliche Leistungen von Cafeteria-Systemen Mögliche Leistungsangebote von Cafeteria-Systemen
M
• Geld-/ZeitVerrechnungsLeistungen
• GeldLeistungen
• WeiterbildungsLeistungen
• Zusätzliche VersicherungsLeistungen
• GesundheitsLeistungen
• Sach- und sonstige Leistungen
• Zusätzlicher Urlaub • Kürzere Tages arbeits- zeit • Kürzere Wochen - arbeits zeit • Kürzere Jahres arbeits - zeit • Freie Tage • Langzeiturlaub (Sabbatical) • Ruhestandsregelung/ Frühpensionierung • Freie Tage • Teilzeitarbeit • Job Sharing • Geld statt Urlaub
• Barzahlung • Arbeitgeberdarlehen • Kapitalanlagen • Betriebsaktien • Sparangebote • Vermögensbeteiligung • Gewinnbeteiligung • Steuerbegünstigungen • Studien- und Erzie- hungs gelder • Zusätzliche betrieb - liche Altersversorgung
• Bildungsurlaub • Auslandsaufenthalte • Forschungsmöglich keit • Kongressteilnahme
• Lebensversicherung (Direktversicherung) • Zusätzliche Krankenversicherung • Zahnärztliche Behandlung • Krankenhauspflege • Augenärztliche Behandlung • Psychiatrische Behandlung • Pflegegeldversiche- rung • Unfallversicherung • Arbeitsunfähigkeits-/ Invaliditätsversiche rung • Haftpflichtversiche rung • Rechtsschutzver - sicherung • Haus- und Hausrats versicherung • Kfz-Versicherung • Versicherung gegen Vermögensschäden
• Periodische kostenlose Vorsorgeuntersuchung
• Firmenwagen • Firmenwohnungen • Firmeneinkäufe • Entlohnung in "Natura" • Verbesserte Büroausstattung • Reservierte Parkplätze • Sportangebote • 1. Klasse-Flugreisen • Längere Kündigungsfristen
•
ZeitLeistungen • Urlaubsangebote • Flexible Arbeitszeiten
• BeratungsLeistungen • Rechts- und Steuer- beratung • Finanzberatung
657
Managementlehre
Managementmodelle
steme helfen, den Mitarbeitern den stetigen Wettkampf um die Qualitätsführerschaft (►Positionierung durch Qualität) und das Portemonaie der Kunden zu verdeutlichen. Die Zielsetzung und das Unternehmensbild der permanenten Optimierung aller Dienstleistungsangebote auf die Bedürf nisse der Nutzer verspricht eine engagierte Hinwendung aller Leistungsträger auf das Kundenfeedback. Zusammen gestalten diese den Wert und Erfolg eines Unternehmens, wovon Kapitalgeber (Aktionäre) und Mitarbeiter gleichermaßen profitieren. Aus diesem Grund ergänzen die vielfach üblichen jährlichen Zielvereinbarungsgespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern den Feedback-Gedanken besonders eindrucksvoll. Dr. rer. pol. Dipl.-Vw. Peter Westerbarkey, Westaflexwerk GmbH, Gütersloh Literatur
M
[1] Hentze, J.; Lindert, K.: Motivations- und Anreizsysteme in Dienstleistungs-Unternehmen. In: Meyer, A. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungs-Marketing. Band 1, Stuttgart 1998, S. 1010-1030 [2] Meyer, A.; Westerbarkey, P.: Zufriedenheit von Hotelgästen – Entwurf eines selbstregulierenden Systems. In: H. Simon; Chr. Homburg (Hrsg.): Kundenzufriedenheit, 2. Aufl. Wiesbaden 1997, S. 419-434 [3] Schuster, L.: Gestaltungsformen eines Cafeteria-Systems. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium (WISU), 20. Jg. (1991), Nr. 5, S. 363-365 [4] Westerbarkey, P.: Methoden zur Messung und Beeinflussung der Dienstleistungsqualität: Feedback- und Anreizsysteme in Beherber gungsunternehmen, Wiesbaden 1996
Managementlehre „Im Leben gibt es keine Lösungen … Es gibt nur Kräfte, die in Bewegung sind. Man muss sie erzeugen, und die Lösungen werden folgen.“ (Antoine de Saint-Exupéry)
Man spricht von Managementlehre und meint vieles, was oft mit rationalem Entscheiden zu tun hat. Insofern gründet die Managementlehre mit Sicherheit auf der Ent scheidungstheorie. Der im Angelsächsischen gebräuchliche Begriff management science hat sich in Deutschland nicht durchsetzen können, wohl auch deshalb, weil eine solche Wissenschaftsdisziplin bereits in der Volks- und Betriebswirtschaftslehre aufgehoben ist. Will man dennoch Aufgaben ei ner wissenschaftlichen Managementlehre festlegen, sollte der folgende Vorschlag von Koschnick beachtet werden [1]: ◼ “Die Ableitung von Funktionsmerkmalen und typischen Kriterien der Führung industrieller Unternehmungen. ◼ Die Analyse typischer Handlungsweisen, die für die Erfüllung der Zielsetzungen nachweisbar sind. ◼ Die Untersuchung der Verhaltensweisen derjenigen Personen, die mit der Ausübung der Führung beauftragt sind. ◼ Die Ableitung praktischer Aussagen für eine Planung, Lenkung und Gestaltung des Systems Unternehmung.“
658
Dieser Aufriss mag zeigen, dass es Sinn machen würde, die Managementlehre der Qualität wieder aufzugreifen. Schließlich ist der Begriff der Qulalitätslehre ja einst durch die deutschen Qualitätspioniere Walter ►Masing und Walter ►Geiger besetzt, aber nicht fortgeschrieben worden. Literatur
[1] Koschnick, W. J.: Management. Enzyklopädisches Lexikon. Berlin-New York (de Gruyter) 1995, S. 379 [2] Maywald, F.: Der Narr und das Management. München (Gerling Akademie Verlag) 2000
Managementmodelle
▶Konstruktivismus ▶Modellbildung im Qualitätsmanagement
1 Funktionsverständnis von Managementmodellen Modelle werden üblicherweise als vereinfachte und damit abstrahierende Abbildungen der Realität bzw. eines Ausschnitts der Realität aufgefaßt. Die grundlegende Funktion von Modellen ist dementsprechend die Reduktion von Komplexität. Zwar erfüllen auch Managementmodelle diese Komplexitäts reduktionsfunktion, jedoch ist festzustellen, dass diese Führungsmodelle mit wissenschaftlichen Modellbegriffen relativ wenig zu tun haben. Es handelt sich eher um eine konzentrierte und mehr oder weniger umfassende, angewandte Führungslehre, die weniger auf Theorien als auf der praktischen Erfahrung ihrer Verfasser beruht und öfter einen stark normativen oder gar rezepthaften Einschlag aufweist. Diese Aussage wird wohl auch in der Tendenz für die Modellbildung im Qualitätsmanagement zutreffend sein. Managementmodelle modellieren also weder reale Unternehmen noch die Managementprozesse, die darin ablaufen. Sie sind vielmehr als Idealtypen anzusehen. Sie bilden eine begriffliche und konzeptionelle Grundlage für die Beschäf tigung mit Unternehmen und den darin ablaufenden Managementprozessen. Aus dieser Perspektive sind Management modelle als Metamodelle, als Modelle für die Modellierung konkreter Unternehmen und Managementprozesse zu sehen. Sie sind als Werkzeug, als tool, für die modellhafte Beschäfti gung mit Unternehmen und Management zu verstehen. ment modellen wird Die Auseinandersetzung mit Manage durch zwei Faktoren erschwert: Der Begriff Management modell ist (leider) nicht präzise definiert; im Sinne einer Arbeitsdefinition kann aber von einer systematisierten Darstellung von Management-Wissen ausgegangen werden. Zudem existiert eine Mehrzahl von Begriffen, die mehr oder weniger synonym verwendet wird: Zu nennen sind hier insbesondere die Begriffe Managementkonzept, Managementansatz, Füh rungsmodell, Führungskonzept und Führungsansatz. Es wird also in der Regel nicht einmal zwischen Führungsmodellen im engeren Sinn, also Modellen, die sich auf den Bereich der Mitarbeiterführung beziehen, und Managementmodelle, die den umfassenderen Bereich der Unternehmungsführung abdecken, klar differenziert. Teilweise werden auch Modelle, die
Managementmodelle im wesentlichen Teilfunktionen des Managements behandeln, zum Beispiel Planungs- und Organisationsmodelle, als Managementmodelle bezeichnet. Erschwert wird das Verständnis von Managementmodellen außerdem durch die Tatsache, daß sich die Vorstellungen von den Funktionen von Managementmodellen in den vergangenen drei Jahrzehnten offensichtlich gewandelt hat. Zwar dürften die Funktionen, welche Managementmodellen in den Bereichen Lehre und Forschung, Managementpraxis und Unternehmensberatung erbracht werden, nach wie vor mit den Begriffen Beschreibungsfunktion, Analysefunktion, Orientierungsfunktion, Ordnungsfunktion und Gestaltungs funktion zu umschreiben sein, die relative Bedeutung der ein zelnen Funktionen hat sich jedoch gewandelt. 2 Zum Frameworkcharakter und zur konstruktivistischen Perspektive von Managementmodellen Gegenwärtig ist der Anspruch von Managementmodellen einerseits bescheidener, andererseits aber auch anspruchsvoller geworden: Die aktuell relevanten Managementmodelle verstehen sich als Bezugsrahmen, als Framework für eine angewandte Betriebswirtschafts- und Managementlehre. Die wesentliche Funktion eines Managementmodells, das sich als Framework versteht, besteht darin, daß es potentiellen Anwendern ein Ordnungsgerüst zur systematischen und ganzheitlichen Erfassung komplexer Phänomene zur Verfügung stellt. Ausgehend von der Perspektive eines Frameworks erfüllen Managementmodelle eine Reihe von wichtigen Funktionen in Forschung und Lehre bzw. Manage mentausbildung, aber auch in der Unternehmenspraxis und in der Unternehmensberatung. Nach Ansicht von Rühli bilden Frameworks, denen in der Regel eine Theorie oder auf Theorien beruhende Annahmen zugrunde liegen, eine unabdingbare Grundlage für die Forschung: Empirisch-induktive wie analytisch-deduktive Forschung “sind auf vorangehende Klarstellungen des zu untersuchenden Phänomens, auf die Definition und Operationalisierung von Begriffen, auf die Isolierung relevanter Dimensionen, auf Typisierungen und Syste matisierungen sowie auf eine deskrip tive Erfassung und Darstellung des Untersuchungsobjekts und der dort geltenden bzw. vermuteten Zusammenhänge angewiesen“ [1]. Frameworks klären also den jeweiligen Forschungsgegenstand, konkretisieren Fragestellungen und eröffnen Forschungsper spektiven im Sinne von Rootmetaphors. In der durch eine hohe Dynamik gekennzeichneten Managementlehre können Managementmodelle auch dazu beitragen, neue Fragestellun gen und Forschungsergebnisse im System der Betriebswirtschafts- und Managementlehre einzuordnen und Wichtiges von reinen Schlagwörtern zu unterscheiden. Hier ist die für die (universitäre) Lehre wie für die Managementausbildung im allgemeinen wichtige Ordnungs- und Orientierungsfunktion von Management mo dellen angesprochen: Eine Funktion von Managementmodellen ist darin zu sehen, daß Manage ment modelle Prak ti kern und Studierenden eine logische Grundstruktur zur Verfügung stellen, anhand derer sie Un
Managementmodelle ternehmen und die dort ablaufenden Managementprozesse strukturieren und sich so (besser) zurechtfinden können. An dererseits können Management mo del le aber auch zur Kommunikation und Verbreitung neuer Ideen und Denkan sätze eingesetzt werden. Managementmodelle helfen Studie renden und Praktikern aber auch, sich in der Fülle und der Heterogenität der Lehrinhalte von Betriebswirtschafts- und Managementlehre besser zurechtzufinden und so die vielfältigen und heterogenen Inhalte des Faches in eine gedankliche Ordnung zu bringen und Neues zu integrieren. Managementmodelle stellen eine gemeinsame Basis, einen gemeinsamen Denkrahmen und eine gemeinsame Sprache für die Beschreibung und Analyse von konkreten Problemen zur Verfügung und können damit dazu beitragen, die Effizienz des Managements in den Unternehmen zu erhöhen. Eine weitere Funktion von Managementmodellen besteht darin, Diskussionen zu stimulieren, um so bessere Lösungen zu finden; nicht zuletzt bleibt aber auch die Gestaltungsfunktion von Managementmodellen aktuell. Diese besteht im Kern darin, daß den Praktikern in den Unternehmen erprobte Modelle auf empirischer oder normativer Basis für die Gestaltung von Managementprozessen zur Verfügung gestellt werden. Diese Gestaltungsfunktion gewinnt also angesichts neuer Herausforderungen für die Managementpraxis sogar wieder an Aktualität. Zu denken ist hier nicht zuletzt an das Qualitätsmanagement und an dieser Problemstellung ausgerichteten neuentwickelten Managementmodelle. Auch im Bereich der Unternehmungsberatung können Manage mentmodelle wich tige Funktionen erfüllen: Sie können Beratern als Grundlage für die Analyse der Klienten unternehmen dienen, aber auch als Maßstab für die Beurteilung erarbeiteter Problemlösungen herangezogen werden. Schließlich können selbstentwickelte leistungsfähige Ma nagementmodelle ein gewichtiges Marketinginstrument für Beratungsunternehmen sein. Betrachtet man die Funktionen von Managementmodellen zusammenfassend aus einer in der bisherigen Diskussion vernachlässigten konstruktivistischen Perspektive (►Konstruktivismus), so kann festgehalten werden, daß Manage mentmodelle die Art und Weise, wie soziale Systeme und die dort ablaufenden Managementprozesse wahrgenommen werden, vorstrukturieren. Konstruktivistisch betrachtet, sind Managementmodelle also kognitive Ordnungsmuster, die es ermöglichen, Informationen wahrzunehmen und miteinander in Beziehung zu setzen. Damit übernehmen Management modelle theorieähnliche Funktionen. Managementmodelle sind jedoch keine rein subjektiven Wahrnehmungsmuster, sondern werden von bestimmten Gemeinschaften geteilt. 3 Qualitätsorientierte Managementmodelle Aktuell stark beachtet werden qualitätsorientierte Manage mentmodelle, die in diesem Lexikon in Einzelstichworten dargestellt werden. Es handelt sich um Managementmodelle, die sich v. a. dem TQM-Ansatz verpflichtet haben. Die fol-
659
M
Managementprozess gende Auswahl mag das illustrieren: ◼ ►EFQM-Modell ◼ Modelle zu den internationalen Qualitätspreisen: Allen Qualitätspreisen liegen Bewertungsmodelle zugrunde, die – wie beim oben beschriebenen EFQM-Modell – gleichzeitig als Qualitätsmanagement-Modell eingestuft werden können (so z.B. der amerikanische ►MBNQA oder die in Europa eingeführten jeweiligen nationalen Qualitätspreise). ◼ ►Aachener Qualitätsmanagement Modell ◼ ►Integriertes Qualitätsmanagement, der St. Galler Ansatz ◼ ►Berliner TQM-Umsetzungs-Modell ◼ ►Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001s ◼ ►Integrative Managementsysteme 4 Zusammenfassung und Ausblick Der knappe Überblick über das nur vage definierte Themengebiet der Managementmodelle zeigt eine Nennung von unterschiedlichen QM-Modellen mit zurückhaltendem Anspruch, bereich die dem komplexen vieldimensionalen Problem Management gerecht werden können. Wünschenswert wäre sicherlich eine intensivere Diskussion um die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Managementlehre und damit auch die Formulierung und Verwendung von Modellen in Theorie und Praxis. Prof. Dr. oec. HSG Dieter Hartfelder, Ravensburg
M
Literatur
Managementprozess
▶en: management process Es handelt sich um einen Prozess, der Weisungs- und Entscheidungscharakter besitzt. Managementprozesse werden auch Steuerungs- oder Führungsprozesse genannt. Dazu zählen insbesondere Strategie-, Personalplanungs-, Unter-
660
nehmensplanungs- und Zielvereinbarungsprozesse sowie die Wahrnehmung gesetzlicher Unternehmerpflichten. Im Rahmen des Prozessmanagements stellt der Managementprozess eine Sicht auf die Geschäftsprozesse eines Unternehmens dar, die v. a. unterschieden werden in Kern-, operative und Support-Prozesse. Der Begriff Managementprozess wird in der Managementlehre allerdings nicht einheitlich verwendet.
Managementqualität
▶Qualität des Managements
Management Review
▶QM-Bewertung Das Management Review ist vom ►Qualitätsaudit und ►Qualitätsassessment abzugrenzen. Das Management Re view wird durch die oberste Leitung zur formellen Bewertung des Stands und der Angemessenheit eines QM-Systems bezüglich der ►Qualitätspolitik eingesetzt. Es zielt darauf ab, die Funktionalität, Effektivität und Effizienz eines Managementsystems sicherzustellen und zu verbessern. Es wird üblicherweise einmal jährlich mittels einer kennzahlengestützten oder verbalen Einschätzung der Zielerreichung durchgeführt. Im Rahmen einer Zertifizierung ist ein durchgeführtes Review pro Jahr ausreichend. Um Reviews als Maßnahme zur kontinuierlichen Verbesserung zu nutzen, sollten sie merhrals pro Jahr stattfinden. Im Falle eines QM-Reviews sind folgende Aspekte in jedem Fall zu betrachten: Ergebnisse von Audits, Rückmeldungen von Kunden, Prozessleistung und Produktkonformität, Status von Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen, Maßnahmen aus vorigen Bewertungen, Änderungen mit Auswirkungen auf das QM-System sowie Empfehlungen für Verbesserungen. Heute wird mit identischer Bedeutung der Begriff ►QM-Bewertung verwendet.
Managementsystem
▶en: management system Satz zusammenhängender und sich gegenseitig beeinflussender Elemente einer ►Organisation, um ►Politiken, ►Ziele und ►Prozesse zum Erreichen dieser Ziele festzulegen
Anmerkung 1 zum Begriff: Ein Managementsystem kann eine oder mehrere Disziplinen behandeln, z. B. ►Qualitätsmanagement, Finanzmanagement oder Umweltmanagement. Anmerkung 2 zum Begriff: Die Elemente des Managementsystems beinhalten die Struktur der Organisation, Rollen und Verantwortlichkeiten, Planung sowie Betrieb, Politiken, Praktiken, Regeln, Überzeugungen, Ziele und Prozesse zum Erreichen dieser Ziele. Anmerkung 3 zum Begriff: Der Anwendungsbereich eines Managementsystems kann die ganze Organisation, bestimmte Funktionen der Organisation, bestimmte Bereiche der Organisation oder eine oder mehrere Funktionsbereiche über eine Gruppe von Organisationen hinweg umfassen. Anmerkung 4 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition wurde durch Änderungen in den Anmerkungen 1 bis 3 zum Begriff geändert. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
ISO-Term
[1] Rühli, E.: Führungsmodelle, in: Rühli, E.: Unternehmensführung und Unternehmenspolitik, Bd. 1, 3. Aufl. Bern-Stuttgart-Wien (Huber) 1996, S. 26 [2] Staehle, W. H.: Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive. München (Vahlen)1980 [3] Hinterhuber, H.: Strategische Unternehmensführung, Bd. 1, Strategisches Denken, 6. Aufl., Berlin/New York (de Gruyter) 1996 [4] Bleicher, K.: Das Konzept integriertes Management, Frankfurt am Main/New York (Campus) 1992 [5] Pascale, R. T.; Athos, A. G.: The art of Japanese management, Harmondsworth 1981. [6] Peters, Th. J.; Waterman, R. H.: In search of excellence, New York 1982 [7] Gomez, P.: Modelle und Methoden des systemorientierten Managements, Bern-Stuttgart (Huber) 1981 [8] Malik, F.: Strategie des Managements komplexer Systeme, BernStuttgart (Huber)1984 [9] Hahn, D.: PuK. Planung und Kontrolle, 5. überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden (Gabler)1996 [10] Scheer, A.-W.: Wirtschaftsinformatik. 6. durchgesehene Auf lage, Berlin-Heidelberg-New York-Tokyo (Springer) 1995
Managementsystem
Managementwerkzeuge
Markenqualität
Managementwerkzeuge
darum, aus einem mehr und minder austauschbaren Angebot eine Marke zu kreieren. Marken werden dabei personifiziert, indem sie oft mit menschlichen Charakterzügen versehen werden. Aus diesem Grund gibt es auch Markenpersönlichkeiten. In einer zunehmen anonymen Welt kann die Bedeutung der Marke nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die ►Marken qualität ist von zentraler Bedeutung. Wird doch gleichbleibende oder verbesserte Qualität angestrebt, die bei Dienst leistungen offensichtlich schwieriger herzustellen ist, als bei Hardware. Umso wichtiger ist die Sicht des Kunden, denn wenn dessen Zweifel an der Qualität zunehmen, kann dies verheerende direkte Wirkungen in das Vertrauen zum Produkt und damit zur Marke haben.
▶M7 Die (sieben) Managementwerkzeuge (►M7) sind Problemlösungstechniken, die auf Basis visueller Methoden der Analyse verbaler Informationen dienen. Diese Tools werden vorzugsweise zur Bearbeitung komplexer Fragestellungen oder dann eingesetzt, wenn keine oder wenige numerische Daten zur Verfügung stehen. Die Begrenzung auf sieben Managementwerkzeuge ist natürlich nicht zwingend. Es bleibt dem einzelnen überlassen, weitere Tools einzusetzen.
Manager
▶Qualität als ethischer Begriff
Mangel
ISO-Term
Mangel
▶en: defect ►Nichtkonformität in Bezug auf einen beabsichtigten oder festgelegten Gebrauch
Anmerkung 1 zum Begriff: Die Unterscheidung zwischen den Begriffen Mangel und Nichtkonformität ist wegen ihrer rechtlichen Bedeutung wichtig, insbesondere derjenigen, die im Zusammenhang mit Produkt- und Dienstleistungshaftungsfragen steht. Anmerkung 2 zum Begriff: Der vom ►Kunden beabsichtigte Gebrauch kann durch die Art der vom ►Anbieter bereitgestellten ►Informationen, wie Gebrauchs- oder Instandhaltungsanweisungen, beeinträchtigt werden. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Mangel (juristisch)
Die Begriffe Mangel und Fehler werden im juristische Sprachgebrauch synonym verwandt. Mängel oder Fehler einer Sache im Sinne der schuldrechtlichen Vorschriften (z.B. §§ 459, 633 BGB) liegen vor, wenn Soll- und Ist-Beschaffenheit der Sache zum Nachteil des Erwerbers voneinander abweichen.
Marke
▶en: brand ▶Markenqualität Marketing heißt Marken machen. Der Markenartikel steht im Zentrum der Vermarktung. Jeder Markenstrategie geht es
▶ brand quality ▶ Qualität als Fachbegriff des QM ▶ Positionierung durch Qualität Die Marke (Markenware, Markenartikel) als Gegenstand und Begriff wird schon seit Jahrzehnten auf ihre Merkmale und Eigenschaften hin erforscht. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Verbraucher mit Marken vor allem eines verbinden: Qualität, und zwar gleichbleibend hohe Qualität. Sehr deutlich hat dies Hans Domizlaff zum Ausdruck gebracht, der wohl bedeutendste deutsche Markentheoretiker: „Die Voraussetzung der natürlichen Markenbildung ist die Qualität.“ [1] Deshalb folgt im Umkehrschluss aus dieser Feststellung auch: „Marken ohne Qualität sind ein Widerspruch in sich selbst.“ [2] In diesem Sinne kann man sagen: Marke und Qualität sind synonym, dies bestätigen sämtliche Befunde der Wissenschaft vom Markenwesen. Zweifelsohne gibt es noch weitere Merkmale und Eigenschaften, die Marken als wesentlich zugeschrieben werden, wie die Markierung, die Standardisierung als Fertigware, gleichbleibende Menge, gleichbleibende Aufmachung, größerer Absatzraum, Verbraucherwerbung und Anerkennung im Markt [3]. Doch die Basis des Markenerfolgs wird mit großer Übereinstimmung in der gleichbleibend hohen und fortwährend verbesserten Qualität einer Marke gesehen. Betrachtet man das Verhältnis von Marke und Qualität im Detail, wird man jedoch feststellen können, dass bei der Frage nach der Qualität einer Marke nochmals unterschieden werden muss zwischen Produkt- und Markenqualität. Denn zunächst gibt es die Qualität des Produkts, das als Marke gehandelt wird, darauf bezieht sich die Rede von der Qualität einer Marke in der Regel. Davon abzugrenzen ist die Qualität einer Marke, die sich auf ein bestimmtes Produkt bezieht, als ein selbständiges Merkmal. Qualität bezeichnet jetzt die Art und Weise, wie und wodurch ein Produkt zur Marke wird. Um diesen Unterschied deutlicher zu machen, wird in drei Schritten vorgegangen: Zuallererst geht es um die Funktion und Qualität eines Produktes, sodann um die Mehrdimensionalität von Produktqualität und schließlich um Markenqualität als integrierte Kommunikation.
661
Begriff
▶en: defect Mangel (genormter Begriff in ISO 9000:2015-11) Nichterfüllung einer Forderung, so dass ein beabsichtigter oder festgelegter Gebrauch nicht möglich ist. Im genormten Begriff der ISO 9000:2015-11 wird aufgrund der rechtlichen Bedeutung (insbesondere in Verbindung mit Produkthaftung) auf die begriffliche Unterscheidung zwischen und Mangel und Fehler hingewiesen und empfohlen, den Begriff „Mangel“ mit äußerster Vorsicht zu verwenden. Ein Mangel kann auch dann vorliegen, wenn der vom Kunden beabsichtigte Gebrauch durch die bereitsgestellten Informationen (z. B. Gebrauchs- oder Instandhaltungsanweisungen) beeinträchtigt wird.
Markenqualität
M
Markenqualität 1 Produkt, Funktion und Qualität Jedes Produkt, ob Sach- oder Dienstleistung, stellt die Lösung eines bestimmten Problems dar, von dem angenommen wird, das es hinreichend viele Verbraucher haben, um daraufhin einen Markt zu bilden. Ein solcher Problembezug begründet nämlich erst Marktbildung, und die Funktion jedes Produktes besteht in der Fähigkeit, ein möglichst konkretes Problem für eine möglichst eindeutig identifizierbare Zielgruppe auf eine möglichst zuverlässige Art und Weise zu lösen.
M
Die Qualität eines Produktes kann daran festgemacht werden, wie zuverlässig ein Produkt das Problem zu lösen vermag, für das es gemacht wurde. Die Produktqualität bezieht sich somit auf die Produktfunktion. Idealtypisch gesprochen, ist die Qualität eines Produktes dann perfekt, wenn das Problem vollständig gelöst wird, ohne irgendwelche Folgeprobleme, sogenannte Dysfunktionen, zu erzeugen. Realiter handelt es sich dagegen um eine kontinuierliche Abstufung von Produktqualitäten, je nachdem wie viele und welche Restprobleme nach dem Einsatz eines bestimmten Produktes übrig bleiben oder durch den Produktgebrauch erst aufgeworfen werden. Denn keine Produktfunktion operiert völlig ohne Risiko. Insofern ist die Qualität eines Produktes von vornherein analog definiert, jedes Produkt besitzt mehr oder weniger Qualität, ist mehr oder weniger zuverlässig in der Art und Weise, wie es ein bestimmtes Problem zu lösen vermag, während das gesamte Produktsortiment hierarchisch aufgebaut ist. Die Position jedes einzelnen Produktes innerhalb dieser Hierarchie ergibt sich demnach aus dem Umstand, wie hoch die Qualität eines bestimmten Produktes im Vergleich mit der Konkurrenz eingeschätzt wird. Der Begriff der Einschätzung führt übrigens zutage, dass es sich bei der Frage nach der Qualität eines bestimmten Produktes durchweg um Erwartungen handelt, die auf ein bestimmtes Produkt gerichtet werden [4]. Denn Produktqualität ist ausschließlich eine Frage von Erwartungen: Was erwarte ich für eine Produktqualität (expected quality) und was bekomme ich für eine Produktqualität (perceived quality)? Aus der Diskrepanz zwischen der Erwartung und dem Grad ihrer Erfüllung ergibt sich für die Verbraucher die effektive Produktqualität, und sie kann für jeden Verbraucher eine andere sein. Die Einschätzung von Produktqualität ist somit ganz und gar abhängig vom jeweiligen Beobachter, eine rein objektive Bestimmung von Produktqualität gibt es nicht, selbst bei der Zugrundelegung von DIN- und ISO-Normen und ähnlichem nicht. 2 Die Mehrdimensionalität von Produktqualität Was bislang gänzlich offen blieb, war das spezifische Bezugsproblem, das die Existenz eines jeden Produktes legitimiert. Dieses Bezugsproblem kann ganz unterschiedliche Bezugspunkte haben. Mit Wilhelm Vershofen könnte man hier zwischen Grundnutzen und Zusatznutzen eines Produktes unterscheiden [5]. Demnach besitzen viele Produkte nicht nur einen bestimmten Grundnutzen, für den sie eigens hergestellt wurden, wie Staubsaugen beim Staubsauger, Rauchen
662
Markenqualität bei Zigaretten, Mobilität beim Auto, sondern darüber hinaus einen oder mehrere Zusatznutzen, die nach Vershofen mindestens zwei Bezugspunkte haben können: die Aufwertung der eigenen Persönlichkeit für sich selbst oder gegenüber anderen. Was dies bei bestimmten Autos bedeutet, ist weithin bekannt: Prestige. Schon an diesem Punkt zeigt sich, dass ein bestimmtes Produkt mehrere Funktionen erfüllen kann, je nachdem wie viele Probleme es vom Standpunkt des Herstellers zu lösen verspricht oder vom Standpunkt des Verbrauchers lösen soll. Dementsprechend stellt sich die Qualitätsfrage bei vielen Produkten auch in der Mehrzahl, oder anders gesagt: Wir haben es zumeist mit einer Mehrdimensionalität von Produktqualität zu tun. Davon unberührt bleibt die Tatsache, daß sich die Qualität eines bestimmten Produktes in jeder dieser Dimensionen daran festmachen läßt, wie zuverlässig, enttäuschungsfrei und ohne nennenswerte Folgeprobleme es ein bestimmtes Problem zu lösen vermag. Dabei ist völlig unentschieden, wo die Verbraucher jeweils ihr eigenes Bezugsproblem sehen, beim Grund- oder beim Zusatznutzen. Insofern kann es durchaus passieren, dass der mögliche Zusatznutzen eines bestimmten Produktes zum eigentlichen Grundnutzen aufrückt, während der ursprüngliche Grundnutzen dieses Produktes zu einen Zusatznutzen degradiert wird. Ein bekanntes Beispiel sind gewisse Sportschuhe (Sneakers) für Jugendliche, bei denen der Zusatznutzen Prestige den Grundnutzen Wettkampftauglichkeit bei weitem in den Schatten stellt. Doch nicht allein auf der Verbraucherseite begegnet man der Mehrdimensionalität von Produktqualität, sondern sämtliche Akteure (Hersteller, Händler etc.), die mit einem bestimmten Produkt zu tun haben, können daraufhin beobachtet werden, inwiefern ein solches Produkt eine oder auch mehrere Funktionen für sie erfüllt und demzufolge eine oder eben mehrere Qualitäten für sie besitzt. [6] (1) Auf der Herstellerseite geht es vor allem um das Problem, möglichst viel Profit zu erwirtschaften. Gerade hierfür bieten sich Marken an, weil sie am Markt aufgrund ihres Anspruchs auf gleichbleibend hohe Qualität zumeist auch gleichbleibend hohe Preise durchsetzen können. Daneben leisten Marken aber noch mehr, etwa Transferdienste, sogenannte „line extensions“, wenn unter dem Dach einer längst renommierten Marke mehrere Produktmarken etabliert werden, die allesamt vom guten Ruf dieser Dachmarke zehren und dadurch eine ungleich geringe Eintrittsbarriere in den Markt zu überwinden haben als gänzlich neue und damit völlig unbekannte Produkte ohne jeden „good will“. Bekannte Dachmarken sind etwa Dr. Oetker, Milka und Nivea. (2) Auf der Händlerseite, wo es natürlich ebenso um Profitabilität geht, sind insbesondere Marken Selbstläufer, also das genaue Gegenteil von Ladenhütern. Marken strahlen Attraktivität aus und ziehen viele Verbraucher in die Läden, ohne dass die Händler selbst viel dafür tun müssen, weil die meiste
Markenqualität Werbung von den Herstellern inszeniert und finanziert wird. Darüber hinaus werten Marken den Ruf nahezu jeder Einkaufsstätte auf, was bis zur Ausbildung von Treue gegenüber der typischen Sortimentspolitik bestimmter Läden gehen kann – wenn sie aufgrund einer besonders konsequenten Sortimentspolitik nicht schon längst selbst zur Marke geworden sind, wie Aldi.[7] 3 Markenqualität als integrierte Kommunikation Das Stichwort „Konsequenz“ führt auf den letzten und zugleich wichtigsten Aspekt dieses Beitrags: Markenqualität. Bis jetzt ging es durchweg um Qualitätsformen, die für alle Produkte gelten, ob Grund- oder Zusatznutzen, egal für welchen Markt gemacht. All dies betrifft noch nicht die Qualität von Marken. Diese ergibt sich erst aus der Art und Weise, wie über ein Produkt kommuniziert wird. Denn die Marke ist ein Megaprodukt, um es mit Carl Eric Linn zu sagen, und zwar weil eine Marke das Produkt einer bestimmten Kommunikation über ein bestimmtes Produkt darstellt.[8] Wie ist das zu verstehen, und was bedeutet diese Feststellung für den Begriff der Markenqualität? Von Marke sollte erst dann gesprochen werden, wenn die gesamte Kommunikation über ein bestimmtes Produkt, mithin sämtliche Maßnahmen, die zur Information und Attraktion der Verbraucher bezüglich eines bestimmten Produktes ins Feld geführt werden, aus Sicht der Verbraucher in sich stimmig, also frei von Widersprüchen erscheinen. Denn wenn es gelingt, auf diese Art und Weise über ein bestimmtes Produkt zu kommunizieren, dann fassen die Verbraucher Vertrauen in dieses Produkt, und erst dann spricht man gemeinhin von einer Marke. Hintergrund für diesen besonderen Vertrauensbedarf bei der Produktkommunikation ist, dass die Verbindung zwischen Hersteller und Verbraucher, die in früheren Zeiten oftmals noch persönlicher Natur war, im Zuge der Durchsetzung moderner Märkte weitgehend entkoppelt wurde und durch die Werbung via Massenmedien nur unzureichend ersetzt werden konnte. Was dabei nämlich auf der Strecke blieb, war das persönliche Vertrauen, das früher zwischen Hersteller und Verbraucher bestand. Vertrauen hat die Funktion der Risikobegrenzung: Indem ein Verbraucher den Hersteller persönlich kennt und ihm deswegen vertraut, läßt sich das Risiko, das beim Kauf jedes Produktes in Bezug auf seine Qualität unabwendbar impliziert ist, relativ sicher handhaben. Tritt ein Schadensfall auf, ist die Qualität eines Produktes unzureichend, kann der Verbraucher den Hersteller persönlich haftbar machen, und in derart kleinräumigen Marktverhältnissen wie den mittelalterlichen Städten, wo jeder bald jeden kannte, konnte sich ein Hersteller rufschädigendes Gerede dieser Art nicht erlauben. Allein deshalb schon war er bemüht, seine Kunden nicht zu (ent)täuschen, indem er ihnen Produkte verkaufte, deren Qualität sich als fragwürdig erwies. Das moralische und ökonomische Risiko war für den Hersteller viel zu hoch, um hier allzu nachlässig vorzugehen. Nur durch was kann persönliches Vertrauen auf modernen Märkten substi-
Markenqualität tuiert werden, welches funktionale Äquivalent bietet sich dafür an? Über die Jahrzehnte der Markenerforschung hat sich herauskristallisiert, dass Marken für die Verbraucher exakt dieses funktionale Äquivalent darstellen, weil Marken genau das auszeichnet: „Vertrauen setzen können in die gleichbleibend gute oder verbesserte, in der Aufmachung oder Verpackung wiedererkennbare Warenqualität.“ [9] Denn Marken sind das Produkt einer Kommunikation über ein bestimmtes Produkt, die auf die Verbraucher in besonderem Maße vertrauenswürdig wirkt. Dies gelingt, indem konsequent und ohne Ausnahme darauf geachtet wird, dass die gesamte Kommunikationspolitik, die für ein bestimmtes Produkt in Gang gesetzt wird, keinerlei Anlass bietet, ihr auch nur ansatzweise zu mißtrauen. Vertrauen entsteht nämlich durch Kontinuität, durch eine in sich stimmige und dadurch glaubwürdige Selbstdarstellung in sachlicher, sozialer und zeitlicher Hinsicht. [10] Sachlich bedeutet, dass die Qualität eines Produktes, ob Grund- oder Zusatznutzen, tatsächlich einlöst, was sie in Aussicht stellt; sozial bedeutet, dass die anvisierte Zielgruppe aufmerksam und mit Respekt behandelt wird; und zeitlich bedeutet, dass es zu keiner Zeit Anlass gibt, am Qualitätsanspruch einer Marke berechtigte Zweifel anzubringen. Freilich ist ein solches Unterfangen außerordentlich aufwendig, insbesondere unter massenmedialen Bedingungen, da sich eine umfassende Informationskontrolle aufgrund der Komplexität und Differenziertheit des medialen Geschehens kaum erreichen läßt. Von daher ist der Mißerfolg fast schon vorprogrammiert. Und dennoch gelingt es immer wieder Herstellern, die Kommunikation über ihre Produkte in den Augen der Verbraucher so glaubwürdig zu gestalten, daß sich ein nachhaltiges Vertrauen der Verbraucher zu diesen Produkten einstellt, die man deswegen Marken nennt. Marken entstehen somit erst, wenn die Verbraucher in bestimmte Produkte ein stabiles, ja blindes Vertrauen fassen, weil der gesamte Erfahrungsraum solcher Produkte für die Verbraucher dem entspricht, was ihnen der Erwartungshorizont, der ihnen durch die Produktkommunikation eröffnet wird, an Möglichkeiten aufzeigt. Dabei erstrecken sich Erwartungshorizont wie Erfahrungsraum weit über das einzelne Produkt hinaus. Nimmt man nach diesen Ausführungen zum Begriff der Marke die Frage nach der Markenqualität wieder auf, so dürfte einleuchten, dass sich die Qualität einer Marke genau darauf bezieht, in welchem Maße es gelingt, die Kommunikationspolitik bezüglich eines bestimmten Produktes möglichst integriert zu handhaben, und dies ist immer eine Frage des mehr oder weniger. Insofern geht es bei der Markenqualität – funktional äquivalent zur Produktqualität – darum, den Erfüllungsgrad der Markenfunktion, Vertrauen zu vermitteln, auf einer Skala von 1 (unnachahmlich) bis 0 (völlig unzureichend) einzuordnen. Markenqualität misst somit den Grad der Integriertheit, mit der ein bestimmtes Produkt kommuniziert wird, und wie bei einer Gaußschen Normalverteilung befinden sich die meisten Marken in der Glockenmitte, mit
663
M
Markenqualität zunehmend weniger werdenden Ausreißern zu den Glockenrändern hin, wie die Abbildung M07 suggerieren soll. PD Dr. Kai-Uwe Hellmann, Berlin Literatur
Master Black Belt Marketing
▶Qualitätsmanagement im Marketing
Marketingverbundkasten
▶ Qualitätsmanagement in Dienstleistungs-Organisationen
Abb. M07: Gaußsche Normalkurve
Marktüberwachung
y
▶ Produktsicherheitsgesetz
Maschinenfähigkeit
▶en: machine capability control (MCC) ▶Qualitätsfähigkeit
M
Eignung der Maschine. Maschinenfähigkeitsmaßzahlen, die durch die Maschinenfäx higkeitsuntersuchung ermit1 0 Legende: Auf der horizontalen Achse ist der Grad der Integriertheit der Produktkommunikation eingetragen, auf der vertitelt werden, sind der Cm- und kalen Achse wird die Zahl der Produkte abgetragen, die den gleichen Grad an Integriertheit ihrer Kommunikation aufweisen. Cmk-Wert. Sie stellen eine Schätzung der Streuung des interessierenden, quantitativen Merkmals dar. Bei der Errech[1] Domizlaff, H.: Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein nung dieser Maßzahlen werden nur Einflüsse der Maschine Lehrbuch der Markentechnik. Hamburg, Marketing Journal 1992 selbst berücksichtigt. Der Begriff Maschinenfähigkeit hat In [1939]. der Praxis hat die Anwendung der Maschinenfähigkeit zu [2] Bergler, G.: Markenartikel. Lexikonartikel im ‚Handwörterbuch Problemen geführt, da auf die Maschinenfähigkeit zu viele der Sozialwissenschaften‘ von E. v. Beckerath u.a. (Hrsg.). Stuttgart, Einflussgrößen (Messmittel, Umgebung, Mitarbeiter, …) Fischer; Tübingen, Mohr (Siebeck); Göttingen (Vandenhoek & Ruprecht) 1961, Seite 125 bis Seite 131, hier Seite 128. einwirken. Deshalb sollte nur noch die Prozessfähigkeit mit [3] Mellerowicz, K.: Markenartikel. Die ökonomischen Gesetze ihden entsprechenden Kennzahlen (Cp und CpK) und die rer Preisbildung und Preisbindung. München/Berlin (Beck) 1963. Stabilität (Beherrschtheit) des Prozesses verwendet werden. [4] Jacoby, J./Olson, J. C. (Hrsg.): Perceived Quality. How ConsuAllerdings ist die Maschinenfähigkeit vergleichsweise wesentmers View Stores and Merchandise. Lexington (Lexington Books) lich leichter und schneller zu ermitteln. Aus diesem Grund 1986. wird sie oft für die Erstbewertung einer Maschine (Anlage) [5] Vershofen, W.: Die Marktentnahme als Kernstück der Wirtgenutzt. schaftsforschung. Neuausgabe des ersten Bandes des Handbuchs der Verbrauchsforschung. Berlin/Köln (Carl Heymanns) 1959. [6] Dichtl, E.: Grundidee, Varianten und Funktionen der Markierung von Waren und Dienstleistungen. Artikel im Buch „Marke und Markenartikel als Instrumente des Wettbewerbs“ von E. Dichtl und W. Eggers (Hrsg.). München (Beck) 1992, Seite 2 bis Seite 23. [7] Brandes, D.: Konsequent einfach. Die ALDI-Erfolgsstory. Frankfurt/M. (Campus) 1998; Hellmann, K.-U./Senge, K.: Das Prinzip ALDI und die Wal-Martization der Welt. Handelsmacht und Händlermarken. Artikel im Buch „Ausweitung der Markenzone. Interdisziplinäre Zugänge zur Erforschung des Markenwesens“ von K.-U. Hellmann und R. Pichler (Hrsg.). Wiesbaden (Verlag für Sozialwissenschaften) 2005, Seite 23 bis Seite 57. [8] Linn, C. E.: Das Metaprodukt. Produktentwicklung und Marketing von Markenartikeln. Landsberg/Lech (Verlag Moderne Industrie) 1992. [9] Rieger, B.: Erfolgsfaktoren der Markenimagebildung – im allgemeinen und am Beispiel der Marke Zeiss im besonderen, in: Markenartikel, 1990, Nr. 5, Seite 244 bis Seite 248, hier Seite 244. [10] Hellmann, K-U.: Soziologie der Marke. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 2003; Fetische des Konsums. Studien zur Soziologie der Marke. Wiesbaden (Verlag für Sozialwissenschaften) 2011, Seite 73 bis Seite 89.
Maschinenfähigkeitsuntersuchung (MFU)
▶Maschinenfähigkeit ▶Prüfmittelmanagement ▶SPC Qualitätsfähigkeit einer Maschine oder Anlage, unter konstanten Umweltbedingungen die Fertigungsaufgabe zu erfüllen. Untersuchungsbasis ist eine große Stichprobe.
Master Black Belt
▶Six Sigma Coach und Experte in der Six Sigma-Organisation: Der Master Black Belt ist verantworlich für den Aufbau der Six SigmaOrganisation und berät die Champions wie Six Sigma optimal zur Umsetzung der Unternehmensziele eingesetzt und genutzt werden kann. Er ist der wichtigste Experte für alle Methoden und Werkzeuge und vermittelt diese auf allen Ebenen eines Unternehmens.
Matrixdiagramm ▶M7
664
Masing, Walter Matrixzertifizierung
Durchführung der Zertifizierung einer Organisation (Mutter) mit mehreren Standorten bzw. mehreren angeschlossenen (Tochter) Unternehmen. Diese müssen in einer juristisch, vertraglich geregelten Beziehung zueinander stehen. Dieses Vertragsverhältnis regelt u. a. die Einhaltung der Pflichten, welche sich aus einem homogenen, gemeinsam gültigen und anzuwendenen QMS ergeben.
Masing, Walter Deutscher Qualitätsexperte
▶Masing-Preis
Prof. Dr. rer. nat. Dr. oec. h. c. Dr.-Ing. E. h. Walter Ernst Masing (geb. 22. 07. 1915 in St. Petersburg (damals Petrograd), gest. 29. 03. 2004 in Erbach (Odw.), ist ein Pionier des Qualitätsmanagements und war weltweit einer der bedeutendsten Spezialisten auf diesem Gebiet; er gilt als „Vater der Qualitätsbewegung in Deutschland“ [1]. Masing genoss zunächst eine klassische humanistische Ausbildung am staatlichen deutschsprachigen Jungen-Gy mnasium in Tartu (dt. Dorpat) (Estland), die er 1933 mit dem Abitur abschloss. Er interessierte sich aber bereits zu dieser Zeit für Physik und beschäftigte sich intensiv mit der Entwicklung, dem Bau und die Nutzung von Funkanlagen. Nach dem Militärdienst an der Reserve-Offiziersschule in Tondi begann er mit dem Wintersemester 1933/34 ein Physik- und Mathematikstudium an der Universität Tartu. Sein erster akademischer Lehrer für Physik war nach Masings eigenen Angaben Professor Wilip, der „in der Welt für seine bahnbrechenden akademischen Arbeiten in der Messung von Erdbeben“ bestens bekannt war [2]. 1935 ging Masing an die Universität Rostock, um seine Physikstudien bei Pascual Jordan (1902-1980) forstzusetzen. Auf Empfehlung von Jordan entschloss er sich, die Physik an der Universität Leipzig weiter zu vertiefen. Dort vollendete er 1940 seine akademischen Studien bei Gerhard Hoffmann (1980-1945) – der 1937 als Nachfolger von Peter Debye (1884-1946) (Nobelpreis für Chemie 1936) an die Universität Leipzig berufen worden war – und Werner Heisenberg (1901-1976) (Nobelpreis für Physik 1932) mit einer Dissertation zum Thema „Eine kombinierte Verstärkerapparatur zum Nachweis kleinster Ionenmengen, insbesondere einzelner β-Teilchen“ [3]. Nach der Promotion war Masing kurzzeitig an einer halbstaatlichen Institution als Lehrer tätig, erhielt aber bald ein Angebot an dem von dem habilitierten Ingenieur Erst Heinrich
Masing, Walter Hollmann (1899-1960) geführten „Laboratorium für Hochfrequenztechnik und Elektromedizin“ in Berlin-Lichterfelde zu arbeiten. Dieses Labor entwickelte und produzierte u. a. militärisch-relevante elektronische Getriebe. Nicht zuletzt der Umstand, dass Masing schon nach kurzer Zeit als stellvertretender Leiter dieses Institutes fungierte, führte dazu, dass er „bis zum Kriegsende keine Uniform“ hat … „anziehen müssen“ [2]. Nachdem das Laboratorium durch einen Bombenangriff vollständig zerstört wurde, erfolgte seine Verlegung in das thüringische Georgenthal (bei Gotha). Die Wirren nach Kriegsende sowie auch die wechselnde Besatzung durch amerikanische und anschließend russische Truppen führten die Familie Masing 1948 nach Erbach im Odenwald. Dort gründete Walter Masing – gemeinsam mit einem ihm bekannten Mechanik-Ingenieur – das Unternehmen „Dr. Masing & Co. GmbH“, welches sich mit der Entwicklung und Produktion elektronischer Steuerungen beschäftigte. Die Firma wurde bald Marktführer für Steuerungen für Punkt- und Widerstandsschweißmaschinen, die insbesondere in der Automobilindustrie Anwendung fanden und auch über die Grenzen Deutschlands hinaus erfolgreich verkauft werden konnten. Schon in wenigen Jahren wuchs das Unternehmen auf mehr als 300 Mitarbeiter an; zudem entstanden ein Laboratorium und eine Produktionshalle; Letztere musste schon bald durch weitere Hallen ergänzt werden. 1969 verkaufte Walter Masing sein Unternehmen an die Robert Bosch GmbH. Masing war bis 1983 zudem Mitinhaber der Masing-Kirkhof GmbH (später ESAB Masing GmbH) in Dietzenbach, Kreis Offenbach; einer Firma, die auf die Entwicklung und den Bau von Schweißmaschinen spezialisiert war [4]. Bis 1988 war er Mitglied des Aufsichtsrats dieser Firma. Masing ist relativ frühzeitig klar geworden, dass er die Forderungen des Marktes nur durch ein „effektives Qualitätsmanagementsystem“ [2] erfüllen konnte, wobei „dies zu einer Zeit geschah, als das Thema Qualitätsmanagement noch nicht ausgeprägt war“ [2], so dass er sich der „Qualität“ und deren Umsetzung und Wirksamkeit in der Praxis auch auf autodidaktischem Wege nähern musste. Ein Auslöser für seine späteren umfassenden Aktivitäten im Bereich der Qualitätskontrolle und des Qualitätsmanagements, war wohl auch seine Teilnahme an einem Kurs zur „statistischen Qualitätskontrolle“, der von William Edwards ►Deming (1900-1993) geleitet wurde. Eine Begegnung, die dazu führte, dass in der Nachbereitung dieser Veranstaltung 1952 die „Arbeitsgemeinschaft Technische Statistik“ (TESTA) entstand. Da im Mittelpunkt der Tätigkeiten von Anfang an der Einsatz statistischer Methoden „zur Qualitätslenkung und -prüfung in der Industrie stand“, nannte sich die TESTA bereits 5 Jahre nach Ihrer Gründung „Arbeitsgemeinschaft Statistische Qualitätskontrolle“ (ASQ) [5], deren erster Vorsitzender Masing wurde. In der weiteren Entwicklung traten zudem immer mehr grundsätzliche Fragen der Organisation von Qualität, der Kosten, der Menschenführung und somit des Managements in
665
M
Masing, Walter
Masing, Walter
den Vordergrund, so dass 1968 beschlossen wurde, den Namen ►Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) zu führen [5]. Auch hier erhielt Walter Masing den ersten Vorsitz; ab 1983 war er ihr Ehrenvorsitzender. Masing beschränkte sein Wirken im Qualitätsmanagement nicht nur auf Deutschland, sondern war auch international ausgesprochen aktiv. Bereits 1956 wurde er Gründungspräsident der ►European Organization for Quality Control (EOQC), der heutigen ►European Organization for Quality (EOQ), von der er für seine Verdienste zwei Mal mit der „Georges Borel Medal“ ausgezeichnet worden ist. Masing war zudem Gründungsmitglied der ►International Academy for Quality (IAQ), die er von 1979 bis 1981 als Präsident leitete sowie Mitglied der ►American Society of Quality (ASQ), von der er 1975 die „Edwards Medal“ und 1995 den „Lancaster Award“ verliehen bekam. Außerdem war Masing Ehrenmitglied der Qualitätsgesellschaft von Estland sowie von 1981 bis 1993 Vorsitzender des Kuratoriums des Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung der Fraunhofer Gesellschaft. [6][7]
M
Neben den damit verbundenen, vielfältigen Aufgaben, veröffentliche Masing zahlreiche Aufsätze und Bücher (Auswahl, siehe unten) zum Thema „Qualität“, wobei insbesondere das 1980 erstmals erschienene „Handbuch der Qualitätssicherung“, das ab der 3. Auflage (1994) unter dem Titel „Handbuch Qualitätsmanagement“ erschienen ist, hervorgehoben werden muss. Das „Handbuch Qualitätsmanagement“ hat sich als ein Standardwerk „am Markt“ etabliert; hiervon zeugt allein die Tatsache, dass dieses Werk – nach Masings Tod im Jahre 2004 – ab der 5. Auflage (2007) von ►Tilo Pfeifer und ►Robert Schmitt als Herausgeber weitergeführt worden ist und 2014 in der 6. Auflage erschien. Masing war von 1970 bis 1997 zudem Herausgeber der Fachzeitschrift ►Qualität und Zuverlässigkeit (QZ). In Anerkennung seiner ausgesprochen erfolgreichen Aktivitäten im Rahmen des Qualitätsmanagements erhielt Walter Masing – auf Anregung des damaligen Leiters des „Instituts für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb“ der TU Berlin, Günter Spur (1928-2013) [8] – 1967 einen Lehrauftrag als Honorarprofessur für das Fachgebiet „Qualitätslehre“ an dieser Universität. Damit wurde zum ersten Mal in Deutschland die „Qualität“ als Lehrgebiet an einer Universität etabliert. Von 1974 bis 1984 lehrte Masing dieses Fach zudem an der Universität Stuttgart, ebenfalls als Honorarprofessor. 1995 wurde Walter Masing für seine „Pionierrolle bei der Entwicklung des Qualitätsmanagements und seine herausragenden Verdienste um die Verbreitung und Anwendung von Qualitätsmanagement in der Wirtschaftspraxis“ [9] von der Hochschule (Universität) St. Gallen zum Ehrendoktor (Dr. oec. h. c.) ernannt und erhielt ein Jahr später als „eine der bedeutendsten Persönlichkeiten auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements“ [4] die Ehrendoktorwürde (Dr.-Ing. E. h.) von der TU Berlin.
666
W. Masings 1. Auflage des Handbuchs der Qualitätssicherung. Damals, 1980, hieß Qualitätsmanagement noch Qualitätssicherung.
Für seine herausragenden Verdienste um die Entwicklung der Qualitätssicherung ist Walter Masing 1975 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und 1987 Erster Klasse ausgezeichnet worden. Zu Ehren von Walter Masing vergibt die DGQ jährlich den ►Walter-Masing-Preis, der für herausragende Arbeiten, die sich in Theorie und Praxis mit neuesten Erkenntnissen aus dem Qualitätsmanagement befassen, verliehen wird. Er ist als Förderpreis die einzige Auszeichnung für personenbezogene Spitzenleistungen im Qualitätsmanagement. Anmerkungen
[1] Gedenkfeier für Walter Masing. [Zur Wiederkehr seines 100. Geburtstages.] QZ-onlin.de (2015) (https://www.qz-online.de/news/ dgq/artikel/dgq-empfang-zu-ehren-walter-masings-1081376.html) [2] Lebenslauf von Walter Masing (Autobiographie). Archiv der Familie Masing [3] Masing, W.: Eine kombinierte Verstärkerapparatur zum Nachweis kleinster Ionenenmengen, insbesondere einzelner β-Teilchen. Leipzig, Diss. 1940 (Annalen der Physik. 5. Folge, Bd. 37, H. 8, S. 557-582) [4] TU Berlin verleiht die Ehrendoktorwürde an Prof. Dr. rer. nat. Dr. oec. h. c. Walter Masing. TU Berlin – Medieninformation Nr. 90 – 22. April 1996 (http://archiv.pressestelle.tu-berlin.de/pi/1996/ pi90.htm) [5] Masing, W.: Von TESTA zur Protagonistin der Business Excel-
Masing, Walter lence – Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Qualität e. V. In: Masing, W., Ketting, M., König, W., Wessel, K.-F.: Qualitätsmanagement – Tradition und Zukunft. Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V., Hanser Verlag, München-Wien 2003, S. 389-418 [6] Schnauber, H.: Walter Masing – Ein Leben für die Qualität. QZ 60 (2015), H. 7, S.15 [7] Immer an vorderster Front. Ein Leben im Dienste der Qualität – Walter Masing zum 85. Geburtstag. QZ 45 (2000), H. 7, S. 838 [8] Hermann, J.: Zum Gedenken an Walter Masing (Nachruf). ZWF (Zeitschrift für wirtschaftliche Fertigung) 99 (2004), H. 4, S. 143 [9] alma – Das Alumni-Magazin der Universität St. Gallen, 5 (2004), Nr. 4, S. 7
Veröffentlichungen (Auswahl)
Bücher: Statistische Qualitätskontrolle in der Baumwollspinnerei. Konradin Verlag, Stuttgart 1957; Ignitronsteuerungen für einphasige Widerstandsschweißmaschinen, Prost & Meiner Verlag, Coburg 1961; Qualitätslehre. Beuth-Verlag, Berlin-Köln 1972, 8. Aufl. 1994; Handbuch Qualitätsmanagement, 4. Auflage Hanser Verlag München 1999 (erste Auflage 1980 erschienen unter dem Titel „Handbuch der Qualitätssicherung“; ab 5. Auflage (2007) fortgeführt unter der Herausgeberschaft und Pfeifer, T. und Schmitt, R.) Artikel in Zeitschriften, Buchkapitel und Tagungsunterlagen: Technische Statistik in der Betriebspraxis der Dreizylinderspinnerei. In: Lenzinger Berichte, Vol. 3 (1954) pp. 5 ff.; Grundlagen der statistischen Qualitätskontrolle in der Praxis der Textilindustrie. In: Melliand Textilberichte Vol. 37 (1956) pp. 122 ff.; Realistic Quality Levels. In: Proceedings of the IV. EOQC Conference (London)(1969) Paper No. 2; Zuverlässigkeit als wirtschaftliches Problem. In: Schriftenreihe: Technische Zuverlässigkeit in Einzeldarstellungen, Vol. 1 (1964) pp. 33 ff. (Oldenbourg Verlag, München-Wien). Qualität und Kosten als Zielgrößen der Produktentwicklung. Proceedings Vortragsreihe der Deutschen Industrie Ausstellung, Berlin (1968) pp. 45 ff.; Stochastiche Betrachtung zur Stromintegration als Mittel der Gütesicherung von
Masing-Preis Widerstandsschweißverbindungen; Der beherrschte Fertigungsprozeß. In: wt Zeitschrift füt industrielle Fertigung 67 (1977) S. 269-272; Fehlleistungsaufwand. In: QZ 33 (1988) S. 11/12 (Dieser kurze Text hat viel bewegt!). Nachdenken über qualitätsbezogene Kosten. In: QZ 38 (1993) S. 149-153 (Auch diese Arbeit erregte allgemeine Aufmerksamkeit); Sicherheit als Qualitätsmerkmal. In: Handbuch der Sicherheitstechnik. Hrsg. O. Peter und A. Meyna, Carl Hanser Verlag München 1985. New Quality-Technologies and Methodologies required to meet the social and industrial needs of the 90 (als Sprecher von 6 Akademikern) in: The Best on Quality. Buchreihe der Internationalen Academy for Quality, Bd. 1, S. 13-25. Carl Hanser Verlag München 1988; Planung und Durchsetzung der Qualitätspolitik im Unternehmen. In: Dienstleistungsqualität. Hrsg. M. Bruhn und B. Stauss, Gabler Verlag Wiesbaden 1995 (2. Aufl. 1997)
Prof. Dr. Michael Ketting, Bochum
Masing-Preis
▶Walter-Masing-Preis (= offizielle Benennung, Abk. WMP) ▶Walter ►Masing Nach dem deutschen Qualitätsexperten und Ehrenvorsitzenden der ►Deutschen Gesellschaft für Qualität e. V. (DGQ), Walter ►Masing, benannte Förderpreis Qualität. Der Preis wird für personenbezogene Spitzenleistungen im deutschen Qualitätsmanagement von der DGQ verliehen. Ausgezeichnet werden herausragende Arbeiten, die sich in Theorie und Praxis mit neuesten Erkenntnissen aus dem Qualitätsmanagement auseinandersetzen. Der Preis ist Teil der DGQStrategie zur Förderung von Spitzenleistung. Der Wettbewerb wird öffentlich ausgeschrieben. Einsendeschluss für die Einreichung der Bewerbungen ist jeweils 6 Monate nach der Ausschreibung und wird mit dieser bekannt gegeben. Die eingehenden Arbeiten sollen sich mit einem Thema aus dem Gesamtbereich der Qualität beschäftigen, das dann der Allgemeinheit zugutekommt. Eingereicht werden können selbständige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten oder Darstellungen einer richtungsweisenden praktischen Lösung. Gruppenarbeiten sind ebenfalls zugelassen. Die Ausarbeitungen müssen in deutscher Sprache und eigens für diesen Wettbewerb verfasst sein. Sie sollen nicht früher als drei Jahre vor dem Einreichungstermin verfasst und bis spätestens zum 30. April des jeweiligen Jahres eingereicht worden sein. Für den WMP 2016 können Bewerber ihre Unterlagen bis zum 17. Mai 2016 bei der DGQ einreichen. Für die Bewertung der eingereichten Arbeiten gelten folgende Hauptkriterien: ◼ ◼ ◼ ◼
Originalität Bedeutung für Praxis oder Forschung und Lehre Behandlung des Themas Darstellung und Form
Mit diesem alle zwei Jahre vergebenen Förderpreis will die DGQ den wissenschaftlichen und unternehmerischen Nachwuchs motivieren, neue Ideen und Erkenntnisse auf dem
667
M
Massenproduktion Gebiet des Qualitätsmanagements zu entwickeln. Einzelpersonen bzw. interdisziplinäre Teams sollen veranlasst werden, sich mit dem Gedankengut der Qualität intensiv auseinanderzusetzen und ihr erworbenes Wissen der Allgemeinheit zugutekommen zu lassen. Die erste Verleihung des WMP war 1986.
dieser Trends kann gesagt werden, dass er sich abschwächt und endet. Genauso wie das Handwerk in vielen Bereichen weiterhin besteht, ja sich durchgesetzt hat, müssen wir die folgenden Entwicklungen, die teilweise ineinander übergehen, unter dem Aspekt der kundenindividuellen Massenproduktion (en: mass customization) im Auge behalten:
Die Auszeichnung ist mit 10.000 € dotiert. Die Preisverleihung erfolgt im Rahmen einer DGQ- oder FQS-Tagung. Die Bekanntgabe des Preisträgers und die Veröffentlichung des Beitrages wird in einer für die Förderung von Spitzenleistung unterstützenden Form vorgenommen.
◼ Engineer-to-order (Neuentwicklung nach Kundenauftrag) – Einzel- bis Kleinserienfertigung – Beispiele: Anlagenbau, Softwareentwicklung ◼ Make-to-order (Auftragsfertigung) – Klein- bis Mittelserienfertigung – Beispiele: Werkzeugmaschinenbau, Fahrzeugtechnik durch Unterlieferanten, Fertigung im Bereich der erneuerbaren Energien ◼ Assemble-to-order (Auftragsmontage) – Mittel- bis Großserienfertigung – Beispiele: Fertigung von Personalcomputern, Fertigung im Automobilbau ◼ Configure-to-order (auftragsbezogene Konfiguration) – Großserien- bis Massenproduktion – Beispiel: Software für Standardanwendungen ◼ Make-to-stock (lagerbezogene Produktion) – Mittelserien- bis Massenproduktion – Beispiele: Herstellung von Pharmaprodukten, Herstellung von Lebensmitteln
Informationen
Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V. August-Schanz-Strasse 21A 60433 Frankfurt 069 - 954 24-167 URL: http://www.walter-masing-preis.de/ausschreibung/
Massenproduktion
▶en: mass production
M
Materialgruppenmanagement
Unter Massenproduktion versteht man die zeitlich unbegrenzte Herstellung eines Produktes in großen Mengen. Mit Einsetzen der Industriellen Revolution in England und übergreifend dann auf ganz Europa wurde die kleinbetrieblichhandwerkliche Produktion zunehmend durch die industrielle Massenproduktion verdrängt, konnte sich aber weiterhin in vielen Bereichen behaupten (Nischenbildung). Die Produktion vollzog sich auch kaum noch in Manufakturen, sondern in Fabriken, in denen Arbeiter an Maschinen Produkte „massenhaft“ erzeugten. Damit verschob sich die Produktionsweise grundsätzlich auf den maschinellen bzw. von Maschinen unterstützten Produktionsprozess und sein Ergebnis, auch wenn es aus der Sicht der Organisation der Qualität bei Massenprodukten weiterhin darum ging die Qualität durch Qualitätszeichen zu dokumentieren und Produktmarken zu bilden (►Markenqualität). Es ging zunächst auch nicht um das Fließband, wie manchmal gemeint wird. Dreh- und Angelpunkt des Neuen war die Standardisierung der Teile, aus denen sich das Einheitsprodukt zusammensetzt (Austauschbau), das standardisierte Produkt selbst, das dann in zigfacher Menge über den Markt vertrieben wurde. Das Hauptelement der Massenproduktion war die vollständige passgenaue Austauschbarkeit der Bauteile und die Einfachheit des Zusammenbaus. Diese Neuerungen in der Fertigung machten das Fließband erst möglich. Die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Phase der Globalisierung verlagerte die Massenproduktion teilweise in Drittweltländer, wodurch einige zu sog. Schwellenländern aufstiegen. Es ist falsch, anzunehmen, dass das „Zeitalter der Massenproduktion“ eine abgeschlossene Phase darstellt. Die Weltwirtschaft befindet sich heute, was die Produktionsweise angeht, in einer Phase, in der sich Trends abzeichnen. Von keinem
668
Die Auflistung ist nicht abschließend. Die Massenproduktion hat ihr Gesicht verändet, sich flexible Prinzipien gegeben. Seit der „Entdeckung“ des Lean Managements kann beob-achtet werden, dass die klassische Massenproduktion am einen Ende der Skala noch immer eine bestimmende Produktionsweise geblieben ist. Sie ist immer noch sehr kapitalintensiv, denn es werden maschinelle Anlagen mit entsprechenden Kapazitäten benötigt. Die Produktion ist weiterhin auf Lagerbildung angewiesen. Mit kundenindividueller Produktion kann niemals die erforderliche Produktivität und Stückkostenreduzierung erreicht werden wie dies bei der linearen Massnproduktion geschieht. Massenproduktion lohnt sich folglich in bestimmten Bereichen nach wie vor. Inwieweit durch die Umsetzung des deutschen Zukunftsprojekts ►Industrie 4.0 hier völlig neue Akzente gesetzt werden können, indem neue Technologien gebündelt eingesetzt werden und zugleich eine höhere Produktivität und vor allem Flexiblität in der Produktion erreicht werden kann, wird die Zukunft zeigen. Zunächst muss Industrie 4.0 als eine weitere Entwicklung gesehen werden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Materialgruppenmanagement ▶MGM ▶Make or Buy
Es ist hinlänglich bekannt, dass sich die Folgen von Unternehmenszusammenschlüssen insbesondere auf die Beschaffung auswirken. Dabei werden „die von den betroffenen Unterlieferanten vorgenommenen Veränderungen in ihren eigenen Beschaffungsbereichen … häufig als Materialgrup penmanagement bezeichnet.“ [1]
Materialgruppenmanagement In interdisziplinären Teams (MGM-Teams), oftmals bestehend aus Mitarbeitern der Abteilungen Entwicklung, Einkauf, Ar beits vorbereitung, Konstruktion und Ver trieb werden gemeinsam Entscheidungen über eine bestimmte Materialgruppe getroffen. Ausgehend von einem idealtypischen Ablauf lassen sich folgende Aufgaben bestimmen [2]: ◼ Make or Buy: ☐ Anwendung des Simultaneous Engineering und der Wertanalyse ☐ Einkäufter als alleiniger Ansprechpartner für alle Beschaffungsfragen im MGM-Team ◼ Marktanalyse: ☐ Global Sourcing ◼ Vertragsverhandlungen: ☐ Schaffung von Einkaufsmacht durch Bedarfsbündelung ☐ Abschluss von globalen Rahmenverträgen ☐ MGM-Teams alleiniger Verhandlungspartner ◼ Beschaffung: ☐ Sicherstellung der organisationsübergreifenden, flexiblen Beschaffung ◼ MGM: ☐ Kostenreduktion ☐ Beschaffungsprozessoptimierung ☐ Kooperationsoptimierung Zur Umsetzung in der Praxis wird ein dreiphasiges Vorgehen empfohlen [3]: ◼ Materialgruppenauswahl und Zieldefinition ◼ Lieferantenauswahl ◼ Bestimmung der beschaffenden Organisatonseinheit. Die Vorteile von MGM sind in drei wesentlichen Punkten zu sehen [4]: ◼ Kostenreduktion durch Bedarfsbündelung, ◼ Optimierung der Beschaffungsprozesse ◼ Verbesserung der Zusammenarbeit durch Einsatz interdisziplinäre Teams. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Kleinaltenkamp, M.u.a.: Beschaffung optimieren. Wie man bei der Einführung des Materialgruppenmanagements am besten vorgeht. In: Der ZulieferMarkt. Supplement zu Hanser-Fachzeitschriften, Heft 1/1999, S. 8 [2] s. [1], S. 10 [3] s. [1], S. 10f [4] s. [1], S. 10 [5] Grundlegend: Koppelmann, U.; Lumbe, H.-J. (Hrsg.): Prozeßorientierte Beschaffung. Stuttgart 1994
MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award ▶Business Exzellenz
1 Einführung Anfang der 80er Jahre „erschien ein attraktiver nationaler Qualitätspreis in den USA als ein wesentlicher Impulsgeber, um den erforderlichen Prozeß eines unternehmens kul turellen Wandels in der amerikanischen Wirtschaft zu beschleunigen und damit die Kundeno rientíerung und Wettbewerbsfähig keit der Unternehmen zu fördern.“ [1] Per Ge setzgebung (Public Law 100-107) wurde dann am 20. 8. 1987 der nationale Qualitätspreis der USA, benannt nach dem im selben Jahr bei einem Rodeo tödlich verunglückten amerikanischen Secretary of Commerce (Han delsminister) Malcolm Baldrige, der Malcolm Baldrige National Qua lity Award (MBNQA), ge schaff en. In der kurzen Geschichte des Qualitätsmanagements ein beispielloses Ereig nis, das auch in keinem europäischen Land bisher wiederholt werden konnte. Es hängt sehr stark mit der Kränkung der Vereinigten Staaten durch die Japaner zusammen. Die Ereignisse, die zum o. g. Im provement Act führten, sind inzwischen auch in der deutschen Forschung zum Qualitätsmanagement gut dokumentiert [2]. Aus der Gesetzesvorlege und dem umfangreichen Schrifttum lassen sich die folgenden Erkenntnisse zu sammenfassen [3]: ◼ „Die Führungsrolle der Vereinigten Staaten von Amerika in der Qualität von Produkten und Prozessen ist durch den Wettbewerb in der Qualität von Produkten und Prozessen ist durch den Wettbewerb mit ausländischen Anbietern stark und zuweilen erfolgreich herausgefordert worden. Das Produktivitätswachstum der U.S.-Wirtschaft fiel im Vergleich zu dem der Konkurrenten in den letzten 20 Jahren geringer aus.
669
M
MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award
MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award
Abb. M08: Vergabekategorien des MBNQA
MBNQA
Produzierende Unternehmen / Unterlieferanten
Dienstleistungsunternehmen
Kleinunternehmen
(bis 500 Beschäftigte)
Gesundheitswesen
Bildung
Non-ProfitUnternehmen
Quelle: Criteria for Performance Excellence, Booklet
M
auf die konkreten Kategorien – die sieben Hauptkategorien – ◼ Amerikanische Industrieunternehmen beginnen zu erbezogen (Abb. M09). Diese elf Grundüberzeugungen bilden kennen, daß unzureichende Qualität ein Unternehmen bis zu 20 Prozent der auf dem nationalen Markt zu erziegewissermaßen die integrative Klammer, sie sind die oberste lenden Umsatzerträge kosten kann und daß verbesserte Ebene des Modells. Auch wenn sie erst am Schluss der Aus Qualität von Produkten und Dienstleistungen mit verführungen zum MBNQA aufgeführt und erläutert sind, sind besserter Produktivität, geringeren Kosten und höherem sie keineswegs als Annex zu werten, sondern bilden im Sinne Gewinn einhergeht. eines umfassenden Qualitäts managements den Überbau, ◼ Ein verbessertes Managementverständnis für die Belandadurch dass mit ihnen in hohem Maße die Unternehmens ar bei ter, die Einbeziehung ge der Mit Abb. M09: Die drei Ebenen des MBNQA-Modells der Mitarbeiter in Qualitätsaktivitäten und die stärkere Betonung der statistiElf schen Prozeßsteuerung können zu beGrundüberzeugungen (Core Values and Concepts) deutenden Verbesserungen im Kosten bereich führen. ■ Kundenbasiertes Qualitätsverständnis ■ ■ Planungsqualität und Fehlerprävention ■ Verantwortliche Unternehmensführung ■ ■ Langfristige Perspektive ◼ Qualitätsverbesserungsprogramme ■ Kontinuierliche Verbesserung und Lern■ ■ Faktenorientiertes Management müssen vom Management geführt und prozesse ■ ■ Bildung von Partnerschaften an Kundenforderungen ausgerichtet ■ Mitarbeiterbeteiligung und -entwicklung ■ ■ Soziale Verantwortung ■ Schnelle Reaktion ■ ■ Ergebnisorientierung werden, damit sie Erfolg haben. Dies kann grundlegende Änderungen in der Zwischen den Grundüberzeugungen und den sieben MBNQA-Kategorien wird ein Arbeitsweise von Unternehmen und BePlausibilitätszusammenhang postuliert hörden erfordern.“ 2 Gestaltungsmerkmale des MBNQA 2.1 Vergabekategorien Der Preis wird seit dem Jahr 1988 in drei Kategorien vergeben. Interessant ist, dass man von Anfang an eine besondere Kategorie für Dienstleistungsunternehmen reserviert hat, wie Abbildung M08 zeigt. In jedem Jahr dürfen je Kategorie nur maximal zwei Preise vergeben werden. Durch diese Begrenzung treten die Bewerber während des Bewer bungsverfahrens untereinander in Konkurrenz. Die ersten drei Vergabekategorien wurden inzwischen um weitere drei Kategorien ergänzt, wie Abbildung M08 zeigt. Es traten hinzu ◼ Gesundheitswesen und Bildung (1999) ◼ Non-Profit-Unternehmen (2007). 2.2 Das TQM-Modell In dem dem MBNQA zugrundeliegende TQM-Modell wurden grundlegende Di mensionen, sog. Core Values and Concepts,
670
Sieben MBNQA-Kategorien ■ ■ ■ ■
Unternehmensführung (110) Strategische Planung (80) Kunden- und Marktorientierung (80) Information und Analyse (80)
■ ■ ■
■ Human Resource Management (100) ■ Prozessmanagement (100) ■ Geschäftsergebnisse (450)
Die Subkategorien sind aus den sieben Hauptkategorien abgeleitet. Sie bilden die Basis für die Punktbewertung, die dann in den jeweiligen Hauptkategorien zusammengefaßt werden (Maximale Punktzahl: 1000 Punkte)
20 MBNQA-Subkategorien Jeder Subkategorie werden nach dem Bewertungssystem (Intervalle) Punkte zugeordnet Quelle: Criteria for Performance Excellence, Booklet
MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award umwelt miteinbezogen wird und sie die strategische Stoß richtung der Unternehmung ansprechen. Wie in Abbildung M09 demonstriert wird, besteht ein Plausibilitäszusammen hang zur zweiten Ebene, den Hauptkategorien des Modells. Ausführliche Explikationen der Core Values and Concepts finden sich in [5]. In Deutschland sind diese Grundprin zipien jüngst von Stauss erkannt und beschrieben worden [6], allerdings ohne einen systematischen Zusammenhang zur o. g. zweiten Ebene explizieren zu können. Die sieben Hauptkategorien (Examination Categories) bilden nun im Zusammenhang mit den 20 Subkategorien (Items) das TQM-Modell für den MBNQA auf der strategisch-operativen Ebene. Bei den Subkategorien handelt es sich um die Operationalisierung der sieben Hauptkategorien. Sie sind die konkreten Bezugspunkte der Bewertung und werden noch einmal in den Areas of Adress detailliert beschrieben. Durch diese genaue Unterteilung erhält das anwendende Unternehmen Angaben zu den Terms des Modells auf der Bewertungsebene. Wer sich ein Grundverständnis vom Baldrige Award aneignen möchte, kann auch auf die in Abbildung M10 vom Autor erarbeiteten zehn Hauptpunkte zugreifen. Dem Leser wird bestimmt deutlich, dass ähnliche Aussagen sowohl dem EFQM-Modell wie auch den Basisisannahmen der aktuellen ISO 9000:2015ff unterlegt werden können. Inzwischen ist das Modell auf der Ebene der 20 Subkategorien weiter differenziert worden, was am Beispiel der Mitarbeiterebene (Workforce lt. Abbildung M11) illustriert werden soll. Hier sind acht Subkategorien der Gestaltung und Bewertung gebildet worden: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Workforce Engagement Management Workforce Engagement Assessment Recruit, Hire, Place, and Retain Career Progression Learning and Development Workforce Performance Review Work Environmental Improvement Workkforce Performance Management
1997 wurde das TQM-Modell des MBNQA ohne Änderung der Hauptkategorien durch eine neue Gewichtung der Punkte und Ausrichtung der Zusammenhänge neu akzentuiert, was eine veränderte Interpretation in Richtung Bussiness Excellence bedeutet. Generell ist festzustellen, dass der Excellence-Begriff den TQM-Begriff verdrängt hat. Der konzeptionelle Rahmen des Modells wurde neu positioniert (Abbildung M11). Die Organisation, die dieses Modell anwendet, muss kunden- und marktorientierte Strategien und Aktionspläne transparent machen. Zu diesen besteht ein eindeutig gerichteter Zusammenhang aus der Sicht der Unternehmensführung (Leadership) und eine Wechselwirkung zur Hauptkategorie der Geschäftsergebnisse (Results). Wenn sich auch die Bezeichnungen der Kategorien nicht geändert haben, so fällt doch auf, dass sich die Systemperspektive fundamental gewandelt hat: Offenbar soll mehr betont werden,
MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award dass es sich um ein Modell für Business Excellence handelt, indem Leadership als Inputvariable verstanden wird, worauf die Ergebnisse zurückgeführt werden. Dies hat wohl auch Stauss bereits sehr früh vermutet, wenn er ausführt [7]: „Dieses Bewertungsschema unterscheidet sich von dem des Vorjahres erheblich. Besonders auffallend ist die wesentlich stärkere Betonung der Ergebniskategorie, die mit 450 von 1.000 Punkten massiv aufgewertet wurde, der verstärkte Fokus auf Strategie und organisationalem Lernen sowie die Um benennung, Aufteilung und geringere Betonung der früheren Hauptkategorie ‘Kundenorientierung und Kundenzufrie denheit’. Darüber hinaus fällt auf, dass die erhöhte Ergebnis orientierung auch sprachlich zum Ausdruck kommt, indem zunehmend auf Qualität und Qualitätsmanagement bezogene Formulierungen durch allgemeine betriebswirtschaftliche Termini ersetzt werden.“ Diese Entwicklung verwundert nicht. Sie kann ja auch in Europa beim EFQM-Modell nachvollzogen werden. 3 Bewerbung um den MBNQA Beim Verfassen des Bewerbungsschreibens hat sich die um den MBNQA bewerbende Organisation an den Guidelines des MBNQA zu orientieren. Sie hat zu allen Subkategorien des Baldrige-Modells Aussagen zu formulieren. Die vollstän digen Bewerbungsunterlagen sind dann beim NIST (National Institute for Standards and Technology) einzureichen. Der Ablauf des Verfahrens folgt einem bestimmten Schema. Die Vor-Ort-Prüfung dauert in der Regel eine Woche. Damit ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen: Die Jury inspiziert im abschließenden Judges Final Review noch einmal den Bericht der Prüfungskandidaten und die Ergebnisse der Vor-Ort-Prüfung. Außerdem interviewt sie die Gutachter zu ihren persönlichen Eindrücken. Erst dann geben die Gutachter dem NIST gegenüber Empfehlungen zur Verleihung der Auszeichnung ab. Das Ergebnis dieser Einstufung der Kandidaten erfolgt auf der Grundlage einer Bewertungsmatrix (Green Card). Diese Vorschläge werden vom NIST an den Secretary of Commerce weitergeleitet (dem das NIST ja unterstellt ist), der die endgültige Entscheidung über die Wahl der Preisträger trifft. Die Vergabe der Auszeichnung erfolgt durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Diejenige Kandidaten, die ausgeschieden sind, erhalten jeweils Feed back-Berichte über die Gründe für den Nichterfolg. Die ausgezeichneten Preisträger können einerseits die Auszeichnung für eigene Werbe- und PR-Maßnahmen nutzen, andererseits sind sie auch verpflichtet, Informationen über erfolgreiche Qualitätsanstrengungen anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Unternehmen wie auch die hier in Deutschland bekannten Motorola, Milliken & Com., Xerox, Cadillac, IBM, Federal Express, AT&T, Texas Instruments Inc. Granite Rock & Comp., Ritz Carlton Hotel u.a. zählten bisher zu den inzwischen über 100 Preisträgern des MBNQA.
671
M
MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award
MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award
Abb. M10: Zehn Hauptpunkte, die dem Qualitäts- und Exzellenz-Verständnis des MBNQA zugrundeliegen
Das folgende – in zehn Punkten zusammengefasste ganzheitliches – Qualitätsverständnis bildet die Basis des MBNQA. 1 Der Kunde bestimmt die Qualität: Im Sinne einer langfristigen Kundenbindung muss der Kunde mit seinen Bedürfnissen und Wünschen ernst genommen und in den Mittelpunkt aller Qualitäsbestrebungen gestellt werden. Die Produkterstellung muss daher konsequent auf den Kundennutzen und auf die Kundenzufriedenheit ausgerichtet sein. 2 Verantwortung der Obersten Leitung: Die Qualitätsphilosophie und die Verbesserungsziele müssen von der Führung der Organisation vorgegeben und gelebt werden. Die konsequente Überprüfung der Ergebnisse und die Motivation aller Mitarbeiter ist dabei als entscheidende Führungsaufgabe zu verstehen. 3 Kontinuierliche Verbesserung der Qualitätsforderungen: Sind QM-Normen im Unternehmen etabliert, so sind diese kontinuierlich weiterzuentwickeln. 4 Mitarbeiterbeteiligung und -entwicklung: Der einzelne Mitarbeiter ist von zentraler Bedeutung, da nur durch ihn das TQM realisiert und weiterentwickelt werden kann. Daher sind die Mitarbeiter kontinuierlich zu trainieren. Ein Instrument zur Motivation der Implementierung des Qualitätsmanagements stellen dabei besondere Anreizsysteme (monetärer und nicht-monetärer Art) dar. 5 Schnelle Reaktion auf Marktveränderungen: Die Flexibilität und Dynamik einer Organisation gegenüber Marktveränderungen sowie die direkte Reaktion der Mitarbeiter auf Kundenforderungen sind ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Daher sind erweiterte Verantwortungs- und Handlungsspielräume für die Mitarbeiter notwendig.
M
6 Planungsqualität und Fehlerprävention: Eine konsequente Fehlervermeidung ist stärker zu gewichten als eine Fehlerbehebung. Dafür ist eine dezidierte Planung der Prozesse notwendig, die zur Kostenreduzierung und zu dauerhaften Kundenbindung führt. 7 Langfristige Perspektive des Qualitätsmanagements: Sicherheit für Kunden, Mitarbeiter und Führungskräfte ist die Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Leistungserstellung. Hierzu ist eine langfristige Perspektive des Qualitätsmanagements notwendig. 8 Faktenorientiertes Management: Das Management hat sich vor allem an den Gegebenheiten der Märkte auszurichten und an den sich zeigenden Veränderungen. Die Bewertung der Märkte anhand fiktiver Grundlagen stellt eine erhebliche Gefahr für das Unternehmen dar. Daher sind aktuelle unternehmensinterne und -externe Informationen notwendig, die das Management bei ihren Entscheidungen unterstützen. 9 Partnerschaftsbildung zwischen Kunde und Dienstleister: Eine Festigung der externen und internen ›Kunden-Lieferanten-Beziehungen‹ wird im Rahmen des TQM angestrebt. Partnerschaftliche Beziehungen zu den Kunden einerseits sowie Teamgeist und interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen andererseits gewährleisten eine stetige Weiterentwicklung der Leistungen in Hinblick auf die Kundenbedürfnisse und sichern außerdem die konsequente Ausrichtung der Leistungen zur Qualitätsverbesserung. Soziale Verantwortung: Die Berücksichtigung der gesellschaftlichen Entwicklung und ein Engagement zur positiven Gestaltung sind ein wesentliches Grundprinzip der Beurteilung des praktizierten Qualitätsmanagements für den MBNQA.
Präsident Ronald Wilson Reagan, 40th U.S. President (1981-1989) mit dem Award-Namensgeber Howard Malcolm Baldrige, U.S. Secretary of Commerce (20.01.1981-25.07.1987)
4 Résumé Malorny faßt seine Analysen zum Nutzen des MBNQA für Unternehmen unter drei Gesichtspunkten zusammen [8]: ◼ Feedbackprozess: Alle Teilnehmer erhalten einen Feedback-Report
672
◼ Wirtschaftlicher Nutzen: Qualität, Kosten etc. ◼ Nutzen für nicht ausgezeichnete Unternehmen: Partizipation an den Ergebnissen der Ausgezeichneten. Aus seinen zusammenfassenden Ergebnissen kann geschlossen werden, dass sich der Schulterschluss des MBNQA in
MBNQA-Malcolm Baldrige National Quality Award der Partnerschaft von Wirtschaft und Regierung in den USA erfolgversprechend und -bestätigend herauskristallisiert hat. Das Modell, dessen Umsetzung und Ergebnisse, bringen offenbar allen Win-Win-Ergebnisse, sogar denjenigen, die es für eigene Zwecke zu nutzen, ohne damit den Preis gewinnen zu wollen – und das sind deutlich mehr, als sich bewerben. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Stauss, B.; E. E. Scheuing: Der Malcolm Baldrige National Quality Award und seine Bedeutung als Managementkonzept. In: Stauss, B. (Hrsg.): Qualitätsmanagement und Zertifizierung. Von DIN ISO 9000 zum Total Quality Management. Wiesbaden 1994, S. 307 [2] Malorny, Chr.: TQM umsetzen. Der Weg zur Business Excellence. Stuttgart, Schäffer-Poeschel 1997, S. 151ff [3] s. [2, S. 158f] [4] s. [2, S. 171ff] [5] MBNQA – 1997. Criteria for Performance Excellence, S. 39 ff. – S.a.United States Department of Commerce; NIST (ed.): Malcolm Baldridge National Quality Award – 1999 Award Criteria. Gaithersburg (USA) 1999. Diese Broschüren sind erhältlich über
[6] Stauss, B.: Die Bedeutung von Qualitätspreisen für Dienstleistungsunternehmen. In: Bruhn, M.; Meffert, H. (Hrsg.):
Mechatronik Handbuch Dienstleistungsmanagement, Wiesbaden 1998, S. 489ff. [7] s. [6, S. 492] [8] Malorny, Chr..: Funktion und Nutzen von Qualitätsauszeichnungen (Awards). In: Masing. W. (Hrsg.): Handbuch Qualitätsma nagement. 4. Aufl. München-Wien: Hanser 1999, S. 214ff
MbO-Management by objectives ▶Management by…-Konzepte
MDM-Systeme
▶Mobile Device Management
Mechatronik
▶en: mechatronics Mechatronik ist eine Wortschöpfung, die erstmals in Japan (1969: Yaskawa Electric Corp.) kreiert wurde. Sie setzt sich aus den englischen Begriffen mechanical engineering und electronic engineering zusammen. Mechatronik befasst sich mit dem Zusammenwirken mechanischer (Feinmechanik), elektronischer und informationstechnischer Systeme. Vielfach wird auch vom mechatronischen System gesprochen, was bedeutet, dass die genannten Einzeldisziplinen miteinander verschmelzen. Diese Vorstellung hat den Vorzug, dass die Modellbildung vorangetrieben wird und v. a. die Kybernetik
Abb. M11: Baldrige Excellence Framwork 2015-2016
Organizational Profile Strategy Leadership
Workforce Results
Integration
Customers
M
Operations
Measurement, Analysis, and Knowledge Management
Core Values and Concepts Quelle: http://www.nist.gov/baldrige/baldrige-010813.cfm
673
Menschenbild im Qualitätsmanagement
Menschenbild im Qualitätsmanagement
systematisch miteinbezogen wird. Gerade im Zukunftsprojekt ►Industrie 4. spielt die Mechatronik eine nicht zu unterschätzende Rolle. Da in der Mechatronik die Zielsetzung der Optimierung und Verbesserung im Bereich von Mechanik, Elektronikhardware und Software verfolgt wird, um mehr an Funktionalität zu niedrigeren Kosten und geringerem Gewicht zu gewinnen, kommt auch der ►Qualität eine Bedeutung zu. Das Denken in Qualitäts- und Qualitätsmanagementkategorien ist zwar in den Lehrbüchern noch nicht explizit ausgewiesen ([1], [2], [3]), wird aber mit Sicherheit bei dieser jungen Disziplin bald seine Ausprägung erlangen. Literatur
[1] Czichos, H.: Mechatronik. Grundlagen und Anwendung technischer Systeme. 2. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2008 [2] Isermann, R.: Mechatronische Systeme. Grundlagen. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg-New York (Springer) 2007 [3] Roddeck, W.: Einführung in die Mechatronik. 4. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2012
Medizinproduktegesetz (MPG) ▶DIN EN ISO 13485:2010-01
Im Alltag und im Management bleibt ein so verstandenes Menschenbild oft implizit. Wenn Sozialwissenschaftler Men schenbilder untersuchen, werden diese explizit, d. h. das Konstrukt Menschenbild entsteht. Es dient zur Modellbildung, z. B. bei Untersuchungen im organisatorischen Kontext. Wie in [1] gezeigt werden konnte, führt die Operationalisierung des Konstrukts Menschenbild aber dann in die falsche Richtung, wenn die unmittelbare Wirkung von Menschenbildern nachgewiesen werden soll. Menschenbilder lassen also keine letzten kausalen Schlüsse zu. „Die Annahme, daß sie neben anderen Ursachen verstärkend oder moderierend wirken, ist dagegen sinnvoll. … Eine automatische Wirkung … gibt es sicher nicht.“ [2] Einen Versuch Menschenbilder in einer Typologie zu fassen ist in Anlehnung an die Klassifikation von Schein durch Ulich [3] erfolgt. In Abbildung M12 ist seine Organisations typologie visualisiert [4]:
Menschenbild im Qualitätsmanagement ▶Motivationsmanagement im QM ▶Mitarbeiterbefragung im QM ▶Taylor und das Taylorsystem ▶Qualitätswissenschaft
M
alt, jung. Im Begriff Menschenbild ist genau dieser abstrakte Mensch aufgehoben. Menschenbilder enthalten Voraus-Urteile über den Menschen, sie sind eine Art implizite Persön lichkeitstheorie. Eine solche Auffassung, Menschenbilder als Typologien von Menschen, tauchen aus ihrem Implizitsein auf, entwickeln sich, werden aufgestellt, verfestigen sich und dienen dazu, verallgemeinernd die Realität einzufangen, kann als ersten Zugang zum Begriff angenommen werden.
„Manche Leute töten schon den Gedanken an den Menschen.“ [Stanislaw Jerzy Lec] „… daß keine Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit mehr besteht!“ [Sennett]
1 Zur Einführung Zunächst müssen wir uns fragen was mit Mensch gemeint ist? In diesem Begriffs-Zusammenhang geht es wohl um den Men schen als Gattungswesen, als Kategorie, egal, ob Frau, Mann,
◼ „rational-economic man: Er ist passiv und kalkuliert seinen Einsatz rational; er muß deshalb von außen gesteuert werden; dieser Typus deckt sich weitgehend mit der Theorie X von McGregor. ◼ social man: Bei ihm überwiegen Bedürfnisse der sozialen Anerkennung und der Zugehörigkeit zu einer Gruppe; informelle Steuerung durch Anreize, die in der Gruppe liegen, kommen hier gegenüber individuellen zur Wir-
Abb. M12: Organisationstypologie von Menschenbildern
Menschenbilder
Economic man
Social man
Selfactualizing man Complex man
Organisationsverständnis
Technisches System
Soziales System
Soziotechnisches System
Soziotechnisches System
Tayloristische Rationalisierung
Human Relations
Aufgabenerweiterung
IndividualisierungsKonzepte
zentral/bürokratisch auf Einzelbasis
zentral/bürokratisch auf Gruppenbasis
dezentral/flach auf Einzel- oder Gruppenbasis
dezentral/flach auf Einzel- oder Gruppenbasis
Wirtschaftlichkeit, Schädigungsfreiheit
Zufriedenheit, psychosoziales Wohlbefinden
Persönlichkeitsförderlichkeit
Persönlichkeitsförderlichkeit
finden ihren Niederschlag im
wirken sich aus auf
GestaltungsKonzepte verändern
Organisationsstrukturen und
Bewertungskriterien Quelle: [4]
674
Menschenbild im Qualitätsmanagement
Menschenbild im Qualitätsmanagement
kung. Dieser Typus entspricht den Vorstellungen der human relations-Bewegung. ◼ self-actualizing man: Seine Bedürfnisse sind hierarchisch geordnet und er strebt entsprechend nach ihrer Erfüllung; sein Ziel ist Autonomie; er bedarf weniger der Steuerung von außen als der Gewährung von Entwicklungsmöglich keiten für intrinsische Motivation, Selbstkontrolle und Selbstentfaltung. Zugrunde liegt das Maslow’sche Stufenmodell der Bedürfnisentwicklung (1954); als Typus entspricht dieser wohl weitgehend McGregor’s Theorie Y. ◼ complex man: Er zeichnet sich durch Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit im Kampf ums Überleben aus; in unterschiedlichen Situationen erwirbt und aktualisiert er unterschiedliche Motive, situationsadäquate Diagnose, Abb. M13: Systematik von Menschenbildern 1 Das klassisch-rationale Menschenbild Es ist in erster Linie gekennzeichnet durch die Annahme ei ner zielgerichteten und zweckhaften Verwertbarkeit, d. h., die Selektion oder Entwicklung von Mitarbeitern werden von der Notwendigkeit bestimmt, Menschen gegebenen Struk turen anzupassen. Die Funktionalität des Menschen beruht auf der Berechenbarkeit und Kontrolle im zweckrationalen Zusammenhang allein. Alle anderen menschlichen Fähigkei ten oder Bedürfnisse werden entweder nicht zur Kenntnis ge nommen, als störend zurück oder in die Freizeit verwiesen. Dieses Menschenbild gibt es in drei Ausprägungen, die sich häufig überschneiden, aber auch einzeln aufgefunden werden können. ◼ Das technisch-rationale Menschenbild – Der Mensch gilt als Anhängsel einer gegebenen Maschinerie, der er sich unterzuordnen hat. Diese Vorstellung ist häufig mit na turwissenschaftlichtechnischem Fortschrittsdenken ge koppelt. Die Mechanik der Maschine wird zum Vorbild, der Mensch leicht zum störanfälligen Partner der Ma schine erklärt. ◼ Das ökonomisch-rationale Menschenbild – Hier wird der Mensch rationalbuchhalterischen Vorstellungen der Rentabilität nachgeordnet. Der Mensch ist ein Kosten faktor und was zählt, ist in erster Linie die Kosten minimierung. Gerechnet werden muss relativ kurzfristig und entsprechend muss der Mensch quantifizierbar sein. Der homo oeconomicus als berechenbare und selbst rechnende Maschine gilt als Ideal. ◼ Das bürokratisch-rationale Menschenbild – Die Ordnung und die geordnete Abwicklung der Sachaufgaben allein zählen. Die Befolgung der geltenden Regeln und deren Kontrollierbarkeit bestimmen die Funktionalität des Menschen. Starke Hierarchisierung und Spezialisierung kennzeichnen diesen Typus. Die Motivation von seiten der Organisation beruht letztlich nur auf geldlicher Ent lohnung oder Alimentation und damit verbundenem Status. Individuelle Motivation kann auch in der Sache selbst liegen, aber dies ist von der Organisation her nicht beabsichtigt. Arbeitsfreude gilt als irrationales Moment, das Genies beflügelt, aber im Tagesgeschäft nur stören würde. Was den Menschen zur Arbeit treibt, ist der kal kulierte und kalkulierbare Zwang zum Geldverdienen. 2 Das sozial-emotionale Menschenbild Der Mensch als soziales Wesen wird in vielen Typologien als eigenständiger Typus geführt. Dieser läßt sich gegenüber an deren gut abgrenzen. Aber in der Realität handelt es sich nur in Ausnahmefällen um einen reinen Typus, der unvermischt mit anderen Annahmen, sozusagen das alleinige Heil in der Gruppe sucht. Wichtig ist jedoch, dass hier die zwischen Quelle: [1], S. 256f
Selektion und entsprechende Steuerung des einzelnen durch individualisierte und differenzierende Arbeitsgestaltung sind die Konsequenz.“ Damit liegt zwar ein übersichtliches Tableau vor, das jedoch auch Anlass zur Kritik bietet, da Abgrenzungen und Überlappungungen bei der Zuordnung der Inhalte gerade bei den Typen selfactualizing und complex man zu erkennen sind. Reine Typen sind in der Realität selten anzutreffen. Zu empirisch validierten Typologien von Menschenbilder-Klassifikationen existieren nur unbefriedigende Ergebnisse [5]. Unter diesem Gesichtspunkt mag die Abbildung M12 als Illustration und als Versuch, den Gegenstand zu fassen, verstanden werden.
Dennoch: Wer nach einer für pragmatische Zwecke brauchbaren zusammenfassenden Übersicht sucht, findet die in [6] vorgelegte an Realtypen orientierte Klassifikation, die menschlichen Beziehungen, die in den klassischen Ansätzen der folgenden Abbildung M13 nur als störend geltend, mitgedacht werden. Der Mensch geht nicht nur des Geldes wegen zur Arbeit; er braucht und zugrundeliegt. Hier wird die sucht auch soziale Kontakte, deren Befriedigung ihm ebenso situationsspezifische Sicht von wichtig oder sogar noch wichtiger als die Befriedigung der Menschenbildern deutlich, materiellen Bedürfnisse sind. Das Eingebundensein in die in denen sich die Hinoder Gruppe oder der Schutz durch die große Organisation sind Motive, die berücksichtigt sein wollen. Die Steuerung der Abwendung zum/vom Mit Gruppe sowie die Schafung von Möglichkeiten für soziale arbeiter zeigt, in der immer Kontakte, Gruppen und Teamarbeit und partizipative Stra tegien kommen bei diesem Menschenbild ins Blickfeld der auch die organisationale Sicht zum Ausdruck kommt. Handlungsmöglichkeiten.
3 Das individualistisch-humanistische Menschenbild Zugrunde liegt die Vorstellung vom sich selbst aktualisie renden Menschen, seinem Streben nach Glück und Selbst verwirklichung. Die Indivualität und Persönlichkeit des Einzelnen ist diesem Gesetz unterworfen. Vorsorge für Ge sundheit, Leistungsfähigkeit und möglichkeit, Aufstiegs und Weiterbildungschancen, Abbau von einseitiger Speziali sierung und entwicklungshemmender Hierarchisierung und ofene Konfliktaustragung sind die wohl wichtigsten Kon sequenzen für die Personalpolitik. Das sozialemotionale Menschenbild wird hier zumindest vom Ansatz her, dem Be dürfnis nach befriedigenden zwischenmenschlichen Bezie hungen, mitgedacht. Die Motivatoren liegen somit im Men schen selbst; es sind zwar individuelle Bedürfnisse, die aber einem allgemeinen Entwicklungsgesetz (Stufentheorie etc.) unterworfen sind. 4 Das individuelle und situativ-flexible Menschenbild Nicht mehr das Gesetz der Vervollkommnung des Men schen, sondern seine von Natur aus unterschiedlichen Fähig keiten und Bedürfnisse einerseits und seine Plastizität and rerseits machen dieses Menschenbild aus. Es kann in zwei Richtungen aufgespalten werden: ◼ Ein diferenziertindividualistisches Menschenbild – Der einzelne muß mit seinen Bedürfnissen dort abgeholt werden, wo er gerade steht. Möglichkeiten für indivi duelle Entwicklungen sollen den persönlichen Bedürf nissen entsprechend gegeben, aber keiner generellen Ge setzmäßigkeit einer Entwicklung unterworfen sein. ◼ Ein situativflexibles Menschenbild – Nach situativem Bedarf können demnach Mitarbeiter einerseits selektiert werden, andrerseits gilt aber der Flexible, der sich jeder Situation entsprechend anpasst, als Ideal. Die Neigung des Mitarbeiters, sich selbst zu motivieren und anzupas sen ergibt sich nicht aus den Anreizen und Zwängen der Organisation, sondern sie stellt ein angeborenes mensch liches Bedürfnis dar.
2
Zum Menschenbild im Qualitätsmanagement
„Die Hochbauten des Vertrauens müssen auf der Erde stehen.“ (Niklas Luhmann)
Wie wir gesehen haben, hat uns die Frage nach den Annahmen über den Menschen zu Typologien geführt, die sehr vorsichtig zu handhaben sind und jedenfalls nicht nahelegen, dass Menschenbilder eine direkte Wir kung auf Führungskonzepte und Maßnahmen haben. Sicher kann jedoch gesagt werden, dass sie im Kontext von strategischen, planerischen und operativen Kon zepten „neben anderen Ursachen verstärkend oder moderierend wirken“ [7]. Von einem Paradigmenwechsel im Menschenbild wird nun aber angesichts neuer Organisationsformen (►Prozessmanagement und andere Stichwörter hier im Lexikon) gesprochen. Für die Mitarbeiter ergeben sich neue
675
M
Menschenbild im Qualitätsmanagement Aufgabenschwerpunkte, die in hierarchisch-funk tionalen Organisationen so nicht prägend waren [8]: ◼ „Die Mitarbeiter übernehmen in Teams sowohl dispositive als auch ausführende Arbeit ◼ Individuelle Verantwortlichkeit verbunden mit gegenseitiger Unterstützung und vertrauensbasierten Beziehungen ◼ Die Mitarbeiter kennen sich in mehreren Aufgabenbereichen aus und arbeiten in Teams auf einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess hin ◼ Beteiligung der Mitarbeiter an Planungs-, Steuerungsund Kontrollprozessen ◼ Motivation durch Möglichkeit zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und der eigenen Fähigkeiten.“ In der Tat treffen die in diesen Aufgabenschwerpunkten steckenden Qualifikationsforderungen auf die neuen Arbeits strukturen zu, in denen es um ganzheitlich zu erfüllende ►Wertschöpfungsprozesse geht, die ein wesentlicher Teil des Flexibilitätspotentials der neuen Organisationsformen einfordern. Wenn die volle Leistungsentfaltung der Mitarbeiter in teambasierter Arbeit gefordert wird, setzt das Einbeziehung in Entscheidungsprozesse voraus. Damit ver schieben sich – und das ist das Neue – systematisch Entschei dungskompetenz und Verantwortung vom Management zu den Mitarbeitern (►Empowerment, ►Mitarbeiterorientierung). Dazu wird wie folgt argumentiert [8, S 62]: „ …weil die Mitarbeiter in der Regel am besten wissen, wie die Arbeitsprozesse zu optimieren sind bzw. wie Kundenw ünsche besser erfüllt werden können. Im gleichen Maße, in dem autoritäres, anweisendes und kontrollierendes Management abnehmen, kann die traditionelle Managementkontrolle von der Selbst kontrolle der Mitarbeiter abgelöst werden. Diese Prozesse haben zur Folge, daß die Mitarbeiter mit mehr Befugnissen ausgestattet werden. Deshalb wird in diesem Zusammenhang auch von Empowerment (d. h. Bevollmächtigung bzw. Ermächtigung) der Mitarbeiter gesprochen. Das Empowerment der Mit arbeiter stellt eine
M
676
Menschenbild im Qualitätsmanagement wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit von Teamkonzepten dar. Grundlage des Empowerment ist, den Mitarbeitern zu vertrauen, dass sie ihre Arbeit im Sinne der Unternehmensziele ausführen. Dazu gehört es auch, ihnen das Bewußtsein zu vermitteln, daß sie maßgeblich für den Erfolg des Unternehmens sind.“ Die neuen Forderungen an die Mitarbeiter lassen sich denn auch ganz konkret benennen (Abbildung M14). Im Kern geht es – ohne diesen Begriff überzustrapazieren – um das Unternehmer-im-Unternehmen-Denken, das vom Mitarbeiter gefordert wird (►Mitunternehmertum). Wie in Abbildung M15 gezeigt korrespondiert dieses gewandelte Mitarbeiterbild mit einem neuen Aufgabenverständnis des Managements, das vor allem die sog. soft skills stark betont. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Forderung nach Fähigkeit zur Vertrauensbildung. Interessant ist, dass sich zwischen den Mitarbeiter- und Manager-Forderungen keine großen Unterschiede ergeben. Die traditionellen Grenzen zwischen Mitarbeitern und Managern scheinen sich – was das Verständnis zur eigenen beruflichen Rolle anbelangt – aufzulösen. Im Qualitätsmanagement ist denn auch der Begriff Management völlig anders als in der traditionellen Managementlehre definiert: Er meint die Tätigkeit von Jedermann. Jeder Mitarbeiter betreibt Qualitäts ma nagement, indem er Manager
Abb. M14: Neue Forderungen an die Mitarbeiter
◼ Verantwortungsbereitschaft für zu treffende Entscheidungen und die Qualität der Aufgabenerfüllung. ◼ Lernfähigkeit und -bereitschaft: die Erhaltung der Flexibilität der Teams erfordert, daß der Bildungsstand der Mitarbeiter angepaßt wird. Dies gilt auch für den Umgang mit neuer Informations- und Kommunikationstechnik. Lernfähigkeit und Lernbereitschaft der Mitarbeiter sind wichtige Voraussetzungen dazu. ◼ Basiskompetenzen: Dazu zählen vor allem die fachliche Kompetenz sowie die Fähigkeit, mit neuen Techniken der Informationsverarbeitung umgehen zu können. ◼ Kommunikationskompetenz: der Mitarbeiter sollte die Fähigkeit auf weisen, sich ausdrücken und anderen zuhören zu können. ◼ Fähigkeit zur Selbstführung: dazu gehören vor allem Eigenmotivation und Selbstdisziplin verbunden mit der Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Quelle: [8], S. 135f
◼ Fähigkeit zur Vertrauensbildung. ◼ sollten fähig sein, kreativ zu denken und Probleme selbst zu lösen. ◼ Soziale Kompetenz und Teamfähigkeiten ◼ Entscheidungs- und Problemlösungsfähigkeiten: Probleme und Chancen müssen identifiziert, Alternativen bewertet und notwendige Entscheidungen getroffen werden. ◼ Verhandlungsgeschick ◼ Kooperations- und Kompromißssfähigkeit ◼ Konfliktfähigkeit ◼ Sollte sich aus der Rolle des Befehlsempfängers entfernen können und seine Beiträge zum Markterfolg des Unternehmens selbständig erkennen. Dazu gehört auch unternehmerisches, fachübergreifendes Denken. ◼ Kreativität: der Mitarbeiter sollte über kreatives Potential verfügen und bereit sein, innovativ zu handeln und Verbesserungen des Arbeitsprozesses durchsetzen.
Menschenbild im Qualitätsmanagement
Menschenbild im Qualitätsmanagement
Abb. M15: Neue Forderungen an das Management
◼ Die Fähigkeit, Visionen zu entwi ckeln und an die Mitarbeiter zu ver mitteln. ◼ Fähigkeiten, die Mitarbeiter zu em powern: Die Fähigkeit zur Delegation von Verantwortung und Kontrolle an die Mitarbeiter sowie die Fähigkeit, effektive Teams zusammenzusetzen. ◼ Fähigkeiten zur Vertrauensbildung: Die Fähigkeit, Selbstvertrauen zu demonstrieren, Werte zu teilen, Be stätigung zu geben, Einfühlungs vermögen und Feinfühligkeit zu zei gen. ◼ Beratung und Coaching der Mitar beiter: der Manager unterstützt die Mitarbeiter im Rahmen von Pro blemlöseprozessen und bietet ihnen Möglichkeiten, eigene Entschei dungen zu treffen und Erfahrungen zu sammeln. ◼ Kommunikationsfähigkeiten: Die Fä higkeit, verdichtete Informationen schnell zu erfassen, klar zu schreiben,
◼ ◼
◼
◼
überzeugend zu sprechen und effek tiv zuzuhören. Politische Fähigkeiten: Die Fähig keiten des Verhandelns, der Konflikt lösung und Konsensbildung. Motivatorische Fähigkeiten: Kennt nisse über die kognitiven und ver haltensorientierten Aspekte der Motivation und deren Einsatz zur Ver haltensänderung der Mitarbeiter. Fähigkeit zur Gestaltung von Verän derungsprozessen: Manager fungie ren in Veränderungsprozessen als so genannte Change agents. Um effektiv zu arbeiten, müssen sie die mensch lichen Reaktionen auf Veränderungen verstehen. Weiterbildung und Training der Mit arbeiter.
Quelle: [10], S. 141f
ist, der koordinierte Tätigkeiten zur Erreichung von Zielen, also Qualitätszielen durchführt. 3 Schlußfolgerungen
„Wirtschaft ist im wesentlichen ein Prozesssystem des menschlichen Bewußtseins. Sie kann prinzipiell in so vielen dynamischen Strukturen ablaufen, wie wir uns vorstellen können. Wirtschaft ist ein System aus subjektiven, dynamischen Beziehungen, das wesentlich von psychologischen Faktoren abhängt.“ [9]
Unsere Ausgangsfrage nach den dahinterliegenden Menschenbildern haben wir inzwischen relativieren müssen und damit dem Menschenbild das Mythische genommen. Übriggeblieben ist die Erfordernis, die sich aus den neuen Forderungen an Mitarbeiter und Manager, also an alle ergibt: Eine Denkhaltung einzunehmen, die der neuen Ganzheitlichkeit organisatorischer Strukturen komplementär ist. Auf diese Ganzheitlich bezogen ist der Mensch dann … ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
„… kreativ besitzt soziale Kompetenz handelt eigenverantwortlich zur Selbstführung fähig vertrauenswürdig und schenkt Vertrauen zu Emotionen und Empathie fähig kommunikativ kooperativ autonom und selbstbewußt.“ [12]
Ganzheitliche Kompetenz ist offenbar gefragt, zur konstitutiven Bedingung für den in den Wertschöpfungsprozessen
handelnden Menschen geworden. Sind das nicht utopische Forderungen, die in den Orga nisationen nur bedingt erfüllt werden können? – Keineswegs, wie der in Abbildung M16 skizzierte auf E. Schein zurückgehende Auf riss des Psychologischen Kontrakts zeigt, der jedem Arbeitshandeln zugrunde liegt: Dieser normative Mechanismus zwischen Mensch und Organisation greift umso mehr, je weniger auf der Mitarbeiterseite das Arbeitshandeln als ökonomischer Austausch und je intensiver somit die Bindung an die Organi sation empfunden wird, denn [13]: „Die innere Bindung des Menschen an das Unternehmen bietet dem Menschen Möglichkeiten zur eigenständigen Entfal tung und Einbringung seiner bislang nicht genutzten Potentiale.“
Über diese Bindung, die nicht verordnet werden kann, entsteht ein Vertrauensverhältnis [14]: „Vertrauen kann sich demnach als Ei gen wert in Organisationen ergeben und strukturell stabilisieren. Voraussetzung und Ausgangspunkt dafür ist jedoch ein Vertrauens-Input, der sich dann im günstigsten Fall über mehrere rekursive Schleifen im Laufe der Zeit zu Vertrauen verfestigen kann.“ Qualitätsmanagement bedarf somit eines sicheren Fundaments in der Organisation, das hier in einer Vertrauenskultur gesehen wird. Wo diese fehlt, ist es schwierig, ein Qua litätsmanagementsystem, das von allen gelebt werden soll, langfristig erfolgreich zu führen. Vertrauenskulturen entstehen nicht automatisch. Der Wandel muss vom Management selbst und dem von ihm präferierten Organisationstyp ausgehen. Bei einem Blick in die Realität bestehender Orga nisationen enttarnt dieser jedoch diese eher als Mißtrauensdenn als Vertrauensorganisationen. Der Weg von einer Mißtrauens- zu einer Ver trauensorganisation führt zunächst über die Rolle des Führenden. Er muss die Gestaltung des Weges vorgeben. Vertrauen auf Führung, Vertrauen in die Führung, Vertrauen durch Führung müssen von ihm gegeben werden (Vertrauensvorschuss). Damit sind wir wieder am Beginn des Kapitels, denn ob das gelingt, hängt vom Menschenbild ab, durch das der Vorge-
677
M
Menschenbild im Qualitätsmanagement
menschlicher Faktor
Abb. M16: Der psychologische Kontrakt
M
Das Konzept des psychologischen Kon trakts geht davon aus, dass der Mensch mit vielfältigen Erwartungen an die Organi sation herantritt, und umgekehrt auch die Organisation gegenüber dem Menschen eine Er wartungshaltung einnimmt. Die se Erwartungen beinhalten implizit nicht nur, wieviel Arbeit für welche Bezahlung zu leisten ist, sondern auch weitere Rech te, Pflichten und Privilegien aus der Bezie hung zwischen Mensch und Organisation. So könnte ein Organisationsmitglied bei spielsweise implizit erwarten, dass es nach einer bestimmten Zahl an Jahren der Organi sationszugehörigkeit nicht mehr ohne wei teres entlassen wird. Umgekehrt könnte die Organisation implizit erwarten, dass das Organisationsmitglied ihr öfentliches Image nicht schädigt oder Betriebsgeheimnisse nicht an die Konkurrenz weitergibt. Obwohl derartige implizite Er wartungen normaler weise in keiner formalen Vereinbarung fest gehalten werden, wirken sie dennoch als starke VerhaltensDeterminanten. Die Ent scheidung eines Menschen, einer bestimm ten Organisation beizutreten, schließt auch die Entscheidung ein, sich dem – wie auch immer gearteten – Autoritätssystem und den
Regeln dieser Organisation zu unterstellen. Aus diesem Grunde kann behauptet werden, dass der psychologische Kontrakt aus Sicht der Organisation vor allem durch die unter schiedlichen Arten der Autorität erfüllt wird, die jeweils über die Organisationsmitglieder ausgeübt werden. Für den Menschen wird der psychologische Kontrakt dagegen erfüllt, wenn er erkennen kann, dass er die Orga nisation oder seine eigene Situation zumin dest soweit beeinflussen kann, dass er sich nicht übervorteilt fühlt. – Als wesentliche Teilaspekte des psychlogischen Kontraktes lassen sich daher nennen:
bei der Erfüllung der an ihn gestellten Forderungen un terstützt werden kann.“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Bögel, R. u. Rosenstiel, Lutz v.: Bilder von Menschen in den Köpfen der Macher: Der Einfluss von Menschenbildern auf die per sonale und materiale Gestaltung der Arbeitssituation. In: Strümpel, B.; Dierkes, M. (Hrsg.): Innovation und Beharrung in der Arbeitspolitik. Stuttgart 1993, S. 243-276 [2] s. [1, S. 272] [3] Ulich, E.: Arbeitspsychologie. ◼ Autorität über die Organisationsmitglie Stuttgart (Poeschel) 1991, S. 53 der [4] s. [1, S. 251] ◼ Einflussmöglichkeiten des Menschen [5] s. [1, S. 255f] [6] s. [1, S. 256f] auf die Organisation ◼ Motivationen und Erwartungshaltungen [7] s. [1, S. 272] [8] Hesch, G.: Das Menschenbild von Mitarbeitern und Managern ◼ In der Organisation eingesetzte Anreiz neuer Organisationsformen. Mitarbeiter und Manager im Untersysteme nehmen der Zukunft. Wiesbaden ◼ Verhaltensmuster des Managements (als (DUV) 1997, S. 133 wesentliche Ursache von Loyalität und [9] E. Janisch: Die SelbstorganiIdentifikationsbereitschaft der Mitarbei sation des Universums. Münchenter statt Entfremdung und Gleichgültig Wien 1979, S. 380 [10] s. [8, S. 133f] keit) [11] s. [8, S. 150f] [12] s. [8, S. 56f] Quelle: [12], S. 56f [13] s. [8, S. 167] setzte geprägt ist. Dieses Menschenbild haben wir wegen sei[14] s. [8, S. 169] ner Diffusität ersetzt durch die Komplementarität der neuen [15] Reinhart, G. et al.: Qualitätsmanagement. Ein Kurs für StudiAufgabenfelder von Mitarbeitern und Vorgesetzten (Abb. um und Praxis. Berlin u.a.: Springer 1996, S. 229 [16] Krystek, U.: Die Organisation des virtuellen Unternehmens. M14 und M15). In diesen steckt das kategoriale Potential des In: Rieckhof, H.-Chr. (Hrsg.): Beschleunigung von Geschäftspro Problems. Daran muss alles festgemacht werden, daran muss zes sen. Wettbewerbsvorteile durch Lernfähigkeit. Stuttgart (Schäffergearbeitet werden. Dort genau ist der archimedische Punkt, Poeschel) 1997, S. 40 nämlich die Führungssituation. Hier heißt es Fähigkeiten zu [17] Stengel, M.: Psychologie der Arbeit, Weinheim: Beltz 1997
Das Qualitätsmanagement hat in seinen Konzepten, Modellen und Systemen auch immer wieder hier angesetzt, egal welches Mo dell betrachtet wird: Führung der Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter steht immer auch am Anfang jeglicher Bemühungen um die Verbesserung der Qualität der Produkte. Eine → Qualitätswissenschaft, darf deshalb nicht nur den ingenieurwissenschaftlichen Teil ihrer Disziplin betonen, sondern muss gleichzeitig auch die Humanwissenschaften miteinbeziehen, was etwa wie folgt von kompetenter Seite eingefordert wird [15]: „… setzt sich deshalb mit der Frage auseinander, von welchen Faktoren qualitätsförderliches Handeln determiniert wird und mit welchen humanzentrierten Methoden der Mensch
678
menschlicher Faktor
▶en: human factor ►Merkmal einer Person, die Auswirkung auf ein zu betrachtendes ►Objekt hat Anmerkung 1 zum Begriff: Merkmale können physischer, kognitiver oder sozialer Natur sein. Anmerkung 2 zum Begriff: Menschliche Faktoren können eine signifikante Auswirkung auf ein ►Managementsystem haben. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Merkmal
▶en: characteristic ▶Qualitätsmerkmal Eigenschaft, die eine Einheit kennzeichnet (von einer anderen unterscheidet). Das Unterscheiden dient sowohl der Abgrenzung als auch der Untersuchung einer Grundgesamtheit.
ISO-Term
entwickeln, um diese spezifische Situation zu erkennen und dann das Handeln aufgrund dieser Erkenntnis neu zu re flektieren und zu verändern.
Merkmal – ISO-Term
ISO-Term
Merkmale können inhärent („einer Einheit innewohnend“) oder ihr zugeordnet sein. Merkmale können quantitativer oder qualitativer Art sein. Zur Klassifizierung von Merkmalen s. die Anmerkung 3 im normierten Begriff „Merkmal“ der ISO 9000:2015-11
Merkmal
▶en: characteristic kennzeichnende Eigenschaft
DGQ-Term
DIN-Term
Anmerkung 1 zum Begriff: Ein Merkmal kann inhärent oder zugeordnet sein. Anmerkung 2 zum Begriff: Ein Merkmal kann qualitativer oder quantitativer Natur sein. Anmerkung 3 zum Begriff: Es gibt verschiedene Klassen von Merkmalen, z. B.: a) physikalische (z. B. mechanische, elektrische, chemische oder biologische Merkmale); b) sensorische (z. B. bezüglich Geruch, Berührung, Geschmack, Sehvermögen, Gehör); c) verhaltensbezogene (z. B. Höflichkeit, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit); d) zeitbezogene (z. B. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Kontinuität); e) ergonomische (z. B. physiologische oder auf Sicherheit für den Menschen bezogene Merkmale); f) funktionale (z. B. Spitzengeschwindigkeit eines Flugzeuges). Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Merkmalswert
▶characteristic value Der Erscheinungsform des Merkmals zugeordneter Wert.
Anmerkung: Durch die spezielle Festlegung des betrachteten Merkmals ist die Art des Merkmals (z. B. Farbe, Länge) bestimmt (Art des Merkmals: siehe 1.1.4 bis 1.1.5.2 und Fußnote 1) und damit auch die Art der Merkmalswerte (z. B. rot, 3 m). Normquelle: DIN 55350-12:1988-09 ⟪Originalbegriff ⟫
Messabweichung
Quelle: DGQ-Schrift 11-04, 7. Aufl. 2009 ⟪Originalbegriff D⟫
Messansätze (Dienstleistung)
▶Messung der Dienstleistungsqualität
Messen
▶Messen und Prüfen
Messen und Prüfen
Durch Messen werden die technischen Forderungen an das Produkt geprüft und damit die vom Kunden geforderte Qualität sichergestellt. In der Praxis müssen die geforderten ►Toleranzen beherrschbar sein, d. h. sowohl fertigungstechnisch realisierbar, als auch messtechnisch erfass- und dokumentierbar sein.
◼ Messen ist ein experimenteller Vorgang, in dem die Messgröße des zu messenden Objektes mit einer Bezugsgröße verglichen wird. Die Bezugsgröße muss ein genauer, d. h. eindeutig definierter und möglichst international anerkannter Standard sein. Der Messwert wird durch das Produkt aus Zahlenwert und Einheit angegeben. ◼ Das Prüfen geht über das Messen hinaus. Es umfasst den Vergleich des festgestellten Istwertes mit dem Soll- bzw. Grenzwert. Der Prüfprozess ist ein Prozess zur Darlegung der ►Konformität bezüglich festgelegter Forderungen. In der Messtechnik werden die SI-Einheiten benutzt (SI: Système Internationale d’Unitès). Das Prüfmittel ist ein Messmittel, das zur Bestätigung der Einhaltung einer festgelegten Spezifikation eingesetzt wird. Messmittel für Prüfzwecke werden also ganz einfach Prüfmittel genannt.
Messeinrichtung
Alle ►Messgeräte und dazugehörende zusätzliche Einrichtungen (z. B. Thermostat), um ein Messergebnis zu erzielen (nach DIN 1319-1).
Messergebnis
Schätzwert einer Messgröße, der als Näherungswert zum wahren Wert der Messgröße aus Messungen gewonnen wird (nach DIN 1319-1).
Messgenauigkeit
Bereich, um den eine experimentell bestimmte Größe vom tatsächlichen Wert abweichen kann. Sie ist Maß für die Genauigkeit (auch Messunsicherheit oder Fehler) des Wertes.
M
Messgerät
Gerät zur Messung einer Messgröße. Es kann entweder allein oder in Verbindung mit anderen Einrichtungen genutzt werden (nach DIN 1319-1).
Messgröße
Physikalische Größe, die gemessen wird (nach DIN 1319-1).
Messmanagementsystem
▶en: measurement management system Satz zusammenhängender oder sich gegenseitig beeinflussender Elemente, der zur Erzielung der ►metrologischen Bestätigung und zur Steuerung von ►Messprozessen erforderlich ist [Quelle: ISO 10012:2003, 3.1, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement ▶Messen und Prüfen ▶Überwachung (en: monitoring)
1 Das Modell des Messmanagementsystems ISO 9001:2015-11 fordert im Abschnitt 7.1.5.1 unter Allgemeines „Ressourcen zur Überwachung und Messung“, dass die Organisation die Ressourcen bestimmen und bereitstel-
679
ISO-Term
▶en: error of measurement; deviation of measurement Abweichung des (unberichtigten) Messergebnisses vom Bezugswert, wobei dieser je nach Festlegung oder Vereinbarung der wahre Wert, der richtige Wert oder der Erwartungswert sein kann.
Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement
Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement
Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement
len muss, die für die Sicherstellung gültiger und zuverlässiger Überwachungs- und Messergebnisse benötigt werden, um die Konformität von Produkten und Dienstleistungen mit festgelegten Forderungen nachzuweisen. Es ist nur folgerichtig, wenn Dietrich es für notwendig hält [1], ein Messmanagementsystem zu implementieren, denn im selben Abschnitt der neuen Norm wird gefordert, dass die Organisation sicherstellen muss, dass die bereitgestellten Ressourcen:
Bestätigung …) zur ►Kundenzufriedenheit. Kundenzufriedenheit ist dann wiederum als Ausgangsgröße und Input für den inneren Zyklus zu sehen. Sie bewirkt zunächst, dass das Messmanagementsystem der Analyse unterworfen und entsprechend verbessert werden kann. „Bei den Planungen und Festlegungen und dem Betrieb des Systems müssen die Risiken und Folgen bewertet werden, die eintreten können, falls die gestellten Forderungen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Innerhalb dieses Regelkreises besteht die Aufgabe der obersten Leitung in der Lenkung und Dokumentation der einzelnen Tätigkeiten, dem Nachweis der Wirksamkeit des Systems und der Planung der Ressourcen.“ [1, S. 715]
a) für die jeweilige Art der unternommenen Überwachungs- und Messtätigkeiten geeignet sind; b) aufrechterhalten werden, um deren fortlaufende Eignung sicherzustellen. Der Begriff Messmanagementsystem ist in ISO 9000:2015-11 (entsprechend ISO 10012) wie folgt bestimmt: Satz zusammenhängender oder sich gegenseitig beeinflussender Elemente, der zur Erzielung der ►metrologischen Bestätigung und zur Steuerung von ►Messprozessen erforderlich ist Mit einem solchen in der Organisation eingerichteten und funktionierenden Messmanagementsystem ist der Nachweis, also die grundlegende Voraussetzung, dafür gegeben, dass bei Eintritt eines Haftungsfall von der Organisation im Messund Prüfbereich das Erforderliche getan wurde, dass zum Zeitpunkt der Herstellung eines fehlerhaften Teils dieses dem Stand der Technik entsprechend produziert werden konnte.
M
Das Messmanagementsystem ist in Analogie zum Qualitätsmanagementsstem (ISO 9001:2015-11) zu sehen. Die dort genannten Begriffe finden hier ihre Entsprechung. Abbildung M17 zeigt links die Kundenforderungen an die ►Messmittel und die ►Messprozesse. Die Realisierung dieser Forderungen führt über die Erfüllung des inneren Zyklus (►Metrologische
Diese kurz beschriebenen Regelkreis-Zusammenhänge im Messmanagementsystem erscheinen theoretisch klar und intuitiv verständlich zu sein. Dass dieses Modell auch an praktischen Fällen seinen Nutzen zeigen kann, mag jeder nachvollziehen, der Fälle aus dem Risiko- und Rückrufmanagement der jüngsten Zeit heranzieht. Zum Beispiel das fehlerhafte Gaspedal bei Toyota oder den sog. Abgasskandal bei Volkswagen (s. a. unter ►Qualitätsbetrug). Rückverfolgbarkeit und Produktrückrufe können sehr wohl ihre Ursachen im nicht oder schlecht funktionierenden Messmanagementsystem haben. U. a. aus diesem Grund weist Dietrich darauf hin, dass sich aus der Zielsetzung jedes Managementsystems noch weitere Forderungen ergeben: „Zur Steuerung des Gesamtregelkreises und zur Erkennung von Verbesserungspotenzialen sollte ein Kennzahlensystem mit entsprechenden Soll- bzw. Grenzwerten aufgebaut und dokumentiert werden, anhand dessen schnell signifikante Abweichungen erkennbar sind. Daraus sind Maßnahmen zur Optimierung des Systems abzuleiten, umzusetzen und deren Wirkung zu bewerten.“ [1, S. 716]
Abb. M17: Modell des Messmanagementsystems nach ISO 9000:2015-11 Ständige Verbesserung des Messmanagementsystems
Verantwortung der Leitung Kunden (u.a. interessierte Parteien)
Forderungen bezüglich der Messung
Management von Ressourcen
Eingabe
Analyse und Verbesserung des Messmanagementsystems
Metrologische Bestätigung und Durchführung von Messprozessen Messprozess
Messergebnis Y
Quelle: ISO 9000:2015-11, ISO 9001:2015-11, ISO 10012:2004-03 – Zeichnung nach [1, S. 716]
680
Kunden (u.a. interessierte Parteien)
Ebenso wie der Begriff der ►Messung genormt ist, so ist es auch der Begriff der ►Prüfung. Prüfung (en: ispection) ist per Definition (ISO 9000:201511): Bestimmung der ►Konformität mit festgelegten ►Anforderungen
ISO-Term
Metrologische Bestätigung
Ergebnis
Zufriedenheit
2 Prüfmittelmanagement Prüfmittel sind diejenigen Messmittel, die zur Darlegung der Konformität bezüglich festgelegter Qualitätsforderungen benutzt werden. Prüfmittel sind somit alle Geräte und Hilfsmittel, die während der Qualitätsprüfung eingesetzt werden.
Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement
ISO
►Prozess zum Bestimmen eines (Größen-)Wertes Entsprechend dieser Definition von Prüfung sind Prüfmittel eine Teilmenge von Messmitteln. Sie unterscheiden sich durch die Konformitätsaussage, die bei der Prüfung getroffen wird, bei der Messung nicht [2, S. 6]. Das Diagramm der Abbildung M18 verdeutlicht dies. Abb. M18: Prüfmittel als Teilmenge der Messmittel
Prüfung
Messung
Prüf
Messmittel Prüfmittel
Messmanagementsystem
Prüfmanagementsystem
Das Ergebnis einer Prüfung kann Konformität oder Nichtkonformität oder einen Grad von Konformität aufzeigen. Im Qualitätsmanagement werden nun alle Prüfmittel betrachtet, mit denen die Einhaltung von Spezifikationen (►Konformitätserklärung) erklärt wird. Prüfmittelmanagement (in der Praxis oft auch Prüfmittelverwaltung genannt) ist aus organisatorischer Sicht als ein Aufgabenbereich innerhalb eines Managementsystems dem Qualitätsmannagement zuzuordnen. Es ist folglich Element des Qualitätsmanagements und zielt darauf ab, die Qualität, Zuverlässigkeit, Einsatzfähigkeit und -bereitschaft der Prüfmittel in einer Organisation sicherzustellen und zu erhalten.
Das Ziel eines Prüfmittelmanagementsystems ist es, die Qualität der Messungen an Produkten und Prozessen sicherzustellen. Dazu sind im Wesentlichen zwei Aufgaben zu beachten: 1 Qualität der Messprozesse, d. h. wie gut die Durchführung der Messungen ist 2 Qualität der Prüfmittel, d. h. wie gut die Prüfmittel für die Messaufgabe geeignet sind. Durch die Überwachung (en: Monitoring) sollen Prüfmittel zu jeder Zeit die geforderten Leistungen erbringen können. Damit trägt das Prüfmittelmanagement wesentlich zur Erhöhung der Prozessfähigkeit bei. Zusammenfassend kann kurz gesagt werden, dass das Prüfmittelmanagement die Beschaffung, den Einsatz und die Überwachung der Prüfmittel organisiert. Prüfmittelüberwachung: Die Beweislastumkehr bei der Produzentenhaftung veranlasst den Hersteller von Produkten, sicherheitsrelevante Merkmale zu prüfen, das Ergebnis zu dokumentieren, und zusätzlich den Nachweis zu führen, dass auch die verwendeten Prüfmittel einer regelmäßigen Überwachung unterliegen. Ohne die Prüfmittelüberwachung könnten Hersteller im Schadensfall nicht den Nachweis führen, dass alles in ihrer Macht stehende getan wurde, um ein Versagen des Produktes zu verhindern. Die Prüfmittelüberwachung reicht zwar allein nicht aus, ohne sie ist aber dieser Nachweis niemals schlüssig zu führen.
M
3 Fazit: Das Prüfmanagementsystem Die Ausführungen lassen nun den Schluss zu, in Analogie zum Begriff des Messmanagementsystems von einem Prüfmanagementsystem zu sprechen, in dessen Zentrum die Prüfmittel stehen (s. Definition Prüfmittelmanagement). Das Prüfmanagementsystem ist im Messmanagementsystem bereits aufgehoben wie Abbildung M02 zeigt. Über den Begriff Prüfmanagementsystem gibt es weder in Normen noch im Schrifttum Aussagen, lediglich von Prüfmittelmanagement ist die Rede [2]. Entsprechende Umbenennungen der in Abbildung M01 gezeigten Zusammenhänge könnten aber durchaus von der Menge eines Messmanagementsystems zur Teilmenge des Prüfmanagementsystems führen. Das Prüfmanagementsystem ließe sich somit wie folgt definieren: Satz zusammenhängender oder sich gegenseitig beeinflussender Elemente, der zur Erzielung der ►Konformitätserklärung und zur Steuerung von ►Prüfprozessen erforderlich ist Damit wäre eine terminologische Vereinheitlichung gewonnen. In Abbildung M19 ist das Modell des Prüfmanagementsystems skizziert. Es beruht auf den Ausführungen und Defi-
681
Begriff
Die Einführung eines systematischen Prüfmittelmanagements wird vor allem durch Kundenforderungen bestimmt. Insbesondere sind es Forderungen der Hersteller an ihre Unterlieferanten. So führt die Reduktion der Unterlieferanten und eine Verlagerung der Verantwortung auch dazu, dass nicht nur die gelieferten Produkte geprüft werden, sondern auch die Produktionsbedingungen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn auch das Prüfmittelmanagement eines Unterlieferanten Gegenstand eines Qualitätsaudits ist. Dazu kommt, dass sich auch Unternehmen durch Gesetze, Normen und Richtlinien veranlasst fühlen, sich mit Prüfmittelmanagement zu befassen.
Prüfmittelmanagement befasst sich mit der Qualität, Zuverlässigkeit, Einsatzfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Prüfmittel in einer Organisation. Mit ihm wird die Zielsetzung verfolgt, eine möglichst exakte Merkmalseinhaltung mittels Prüfmitteleinsatz sicherzustellen.
Begriff
Messung (en: measurement) ist per Definition (ISO 9000:201511):
Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement
Messung
Messmittel Abb. M19: Modell des Prüfmanagementsystems nach ISO 9000:2015-11 Ständige Verbesserung des Prüfmanagementsystems
Verantwortung der Leitung FordeKunden rungen (u.a. bezügintereslich sierte der ParteiPrüfung en)
Management von Ressourcen
Eingabe
Analyse und Verbesserung des Prüfmanagementsystems
Prüfung und Durchführung von Prüfprozessen Konformitätserklärung
Prüfprozess
Zufriedenheit
Kunden (u.a. interessierte Parteien)
Ergebnis Prüfergebnis X
Quelle: ISO 9000:2015-11, ISO 9001:2015-11, ISO 10012:2004-03
Literatur
ISO-Term
M
Messmittel
▶en: measurement equipment Messgerät, Software, Messnormal, Referenzmaterial oder apparative Hilfsmittel oder eine Kombination davon, wie sie zur Realisierung eines ►Messprozesses erforderlich sind
DIN-Term
Messobjekt
ISO-Term
Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Messprozess
Träger einer Messgröße. Dies können Körper, Vorgänge oder Zustände sein (nach DIN 1319-1). ▶en: measurement process Satz von Tätigkeiten zum Bestimmen eines Größenwertes Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
682
▶en: measurement ►Prozess zum Bestimmen eines Wertes
Anmerkung 1 zum Begriff: Nach ISO 3534-2 ist der bestimmte Wert üblicherweise ein Größenwert. Anmerkung 2 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition wurde durch Hinzufügen von Anmerkung 1 zum Begriff geändert. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Messung
▶en: measurement ▶Messung (genormter Begriff ISO 9000:2015-11) ▶Metrologie Ausführen geplanter Tätigkeiten zum quantitativen Vergleich der Messgröße mit einer Bezugsgröße gleicher Dimension des Mess-Einheitensystems.
Anmerkung 1: Das Erzielen des Messergebnisses wird zur Messung gerechnet, nicht aber dessen Verwertung in einer anderen Maßgabe. Anmerkung 2: Die Bezugsgröße des Einheitsystems sind Basiseinheiten mit den Basisdimensionen (z. B. Ampère) und abgeleitete Einheiten mit den abgeleiteten Dimensionen (z.B. Volt). Anmerkung 3: Die Tätigkeiten können teilweise oder voll automatisiert sein. Das schließt die Möglichkeit ein, daß Messergebnisse gespeichert und erst zu einem späteren Zeitpunkt abgerufen werden. Anmerkung 4: Von der Benutzung des Wortes “Bestimmung” für Messung wird abgeraten, weil es sowohl die Festlegung vorzugebender Werte als auch die Ermittlung festzustellender Werte bedeuten kann. Quelle: DGQ-Schrift 11-04. 6. Aufl. 1995. 2.3.20
DGQ-Term
[1] Dietrich. E.: Messmanagementsystem / Prüfmittelmanagement. In: Pfeifer T. und R. Schmitt (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement, 6. Auflage. München-Wien (Hanser) 2014, Kapitel 31, S. 713-729 [2] Kirstner, A. und B. Schäfer: Prüfmittelmanagement. DGQ-Band 13-61. München (Hanser) 2015 [3] DIN EN ISO 10012:2004-03 – Messmanagementsysteme-Anforderungen an Messprozesse und Messmittel. Berlin (Beuth) 2004
Messung
ISO-Term
nitionen der dort genannten aktuellen QM-Normen. Es setzt logischerweise das Messmanagementsystem und das Messmittelmangement voraus. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Messung der Dienstleistungsqualität
Messung der Dienstleistungsqualität
Messung der Dienstleistungsqualität
keit der Ergebnisse vom Beurteiler (objektive und subjektive Messansätze) (s. Abbildung M20).
▶Service quality measurement ▶Dienstleistung ▶Modelle der Dienstleistungsqualität ▶Erhebungsmethoden Kundenforschung 1 Begriffliche Grundlagen ►Dienstleistungen werden in volkswirtschaftlichen Betrachtungen meist institutionell durch Auflistung von Wirtschafts zweigen bestimmt. In betriebswirtschaftlicher Perspektive dominiert das Bemühen, Dienstleistungen von Sachgütern über die Herausarbeitung charakteristischer Merkmale abzugrenzen. Dabei wird vor allem auf die beiden konstitutiven Merkmale „Intangibilität“ und „Kundenbeteiligung“ hin gewiesen. Intangibilität oder Nichtgreifb arkeit besagt, daß ei ne Dienstleistung im Gegensatz zu einem Sachgut nicht physisch präsent ist. Kundenbeteiligung bezeichnet die Tatsache, daß die Leistungserstellung meist nicht möglich ist, ohne dass der nachfragende Kunde sich selbst oder eines seiner Güter in den Erstellungsprozess einbringt. Legt man einerseits dieses betriebswirtschaftliche Verständnis von Dienst leistungen und andererseits die Normdefinition von Qualität zugrunde, dann ist unter Dienst leistungsqualität (►Modelle der Dienstleistungsqualität) die Fähigkeit eines Anbieters zu verstehen, die Be schaffenheit einer primär intangiblen und der Kunden beteiligung bedürfenden Leistung entsprechend festgelegter und vorausgesetzter Erfordernisse zu erstellen. 2
Objektive unternehmensorientierte Verfahren sehen vor, die Qualität anhand eindeutig festgelegter Kriterien und mittels einer intersubjektiv nachprüfbaren Vorgehensweise zu beurteilen. Hierzu gehört vor allem der aus dem Sachgüterbereich bekannte Ansatz der Qualitätsstandard-Überwachung. Das Ziel dieser Methode liegt darin, die Dienst leistungsqualität anhand objektiver Standards zu überwachen. Voraussetzung für den Verfahrenseinsatz ist die Aus wahl geeigneter Qualitätsdimensionen (z. B. „Wartezeit“), die Festlegung von objektiven Leistungsindikatoren (z. B. Zeiteinheit „Minuten“) und die Fixierung von Sollvorgaben im Sinne des angestrebten Wertes auf einer Messskala (z.B.
Abb. M20: Methoden zur Messung der Dienstleistungsqualität
Methodische Ansätze
Unternehmensorientiert
M
Kundenorientiert
Objektive Verfahren
Merkmalsorientierte Verfahren
◼ Überwachung von Qualitätsstandards als ◻ Sollvorgaben ◻ objektiver Leistungsindikator ◻ für wesentliche Qualitätsdimensionen
◼ Einstellungsorientiert ◻ direkt/indirekt ◻ Einkomponenten-/ Zweikomponentenansatz ◼ Dimensionen festlegen ◻ direkt/indirekt ◻ Einkomponenten-/ Zweikomponentenansatz
Ansätze zur Messung der Dienstleistungs qualität Das zielgerichtete MaSubjektive Verfahren nagement von Dienst ◼ Befragung von Mitarbeitern leistungsqualität setzt und Managern Ergebnisse von Qua ◼ Qualitätstechniken litätsmessungen voraus, (wie FMEA) die eindeutige Aus sagen über die geplante und realisierte Qualität zulassen. Die in der Praxis zur Messung der Dienstleistungsqualität eingesetzten Verfahren lassen sich grundsätzlich nach zwei Krite rien unterscheiden: nach dem Kriterium der Beurteilungsper spektive (unternehmensorientierte und kundenorientierte Meßansätze) sowie nach dem Kriterium der (Un-) Abhängig
2.1 Unternehmensorientierte Messansätze Beim Einsatz unternehmensorientierter Methoden zur Messung der Dienstleistungsqualität erfolgt die Qualitätsbewer tung aus der Perspektive von Mitgliedern des Unternehmens, insbesondere des Managements oder der Mitarbeiter.
Ereignisorientierte Verfahren ◼ Beschwerdeanalyse ◼ Methode der Kritischen Ereignisse ◼ Sequentielle Ereignismethode „5 Minuten“). Kombinationen von Leistungsindikatoren mit Soll-Vorgaben („Maximale Wartezeit eines Kunden: fünf Mi nuten“) ergeben Standards, die als Zielgröße der Qualitätsplanung und -überwachung dienen. In den Standards spiegeln sich die Leistungserwartungen des Managements wider.
683
Messung der Dienstleistungsqualität Zugleich stellen sie eine Präzisierung des Leistungsniveaus dar, anhand dessen Mitarbeiter und Management das Ausmaß der Qualitätszielerreichung überprüfen können. In subjektiven unternehmensorientierten Verfahren erfolgt eine Beurteilung der Dienstleistungsqualität aus der subjektiven Perspektive von Managern oder Mitarbeitern. Zu den am häufigsten eingesetzten Verfahren dieser Methodengrup pe gehören Befragungen von Mitarbeitern und Managern hinsichtlich dienstleistungsqualitätsrelevanter Aspek te. In ►Mitarbeiterbefragungen werden z.B. Kundenkontaktmit arbeiter gebeten, eine Einschätzung der Dienst leis tungs qualität vorzunehmen, von ihnen wahrgenommene Probleme bei der Leistungserstellung anzugeben und Vorschläge für Leistungsverbesserungen zu machen. Ebenfalls zu den subjektiven unternehmensorientierten Verfahren gehören die Qualitätsanalyseinstrumente, mit deren Hilfe Unterneh mensangehörige Qualitätsprobleme identifizieren, bewerten und zu minimieren suchen (wie z. B. ►FMEA).
M
Unternehmensorientierte Messansätze sind bedeutsam, aber in Bezug auf Dienstleistungen wegen deren spezifischer Merkmale hinsichtlich Anwendbarkeit und Aussagegehalt von eingeschränktem Nutzen. Zum einen ist eine objektive Leistungsmessung aufgrund von Intangibilität und Kunden beteiligung nur in Grenzen möglich und sinnvoll. Werden Dienstleistungen in einem In teraktionsprozess zwischen Mitarbeitern und Kunden produziert, variiert die Dienst leistungsqualität, so dass eine vollständige Leistungsstandardisierung entfällt. Zum anderen können subjektive Beurteilungen von Unternehmensangehörigen zwar wichtige Hinweise auf Verbesserungspotenziale geben, nicht aber die „Stimme des Kunden“ adäquat simulieren. Insofern liegt auch der Schwerpunkt der methodischen Diskussion zur Messung der Dienstleistungsqualität im Bereich der kundenorientierten Ansätze. 2.2 Kundenorientierte Messansätze Die kundenorientierten Ansätze streben an, die Erfüllung der Qualitätsforderungen aus Kundenperspektive zu erfassen. Da es in der Regel darum geht, die vom Kunden wahrgenommene Qualität zu messen, sind diese Verfahren als subjektive Verfahren einzuordnen. Grundsätzlich lassen sich hier zwei Verfahrensgruppen unterscheiden: merkmals- und ereignisorientierte Ansätze. Merkmalsorientierte Verfahren Gemeinsames Kennzeichen merkmals orientierter Verfahren ist die Annahme, dass sich das globale Qualitätsurteil eines Kunden als Ergebnis einer individuellen Einschätzung verschiedener Qualitätsmerkmale ergibt. Innerhalb dieses gemeinsamen Rahmens gibt es zahlreiche Anwendungsva rianten, die sich grob der Einstellungs- oder Zufriedenheits forschung zuordnen lassen. Die einstellungsorientierte Qualitätsmessung beruht auf der Annahme, dass die Qualitätseinschätzung des Kunden als gelernte, relativ dauerhafte, positive oder negative innere
684
Messung der Dienstleistungsqualität Haltung gegenüber der Dienstleistung aufzufassen ist. Die Qualitätsbeurteilung stellt danach das Ergebnis eines Lernprozesses auf der Basis eigener Erfahrungen mit der Dienst leistung oder auch aufgrund von Kommunikationen mit Dritten dar. Insbesondere eignet sich daher dieser MessanSatz zum einen zur Ermittlung der Qualitätseinschätzung langfristiger Geschäftsbeziehungen, zum anderen zur Erfassung der Qualitätsbeurteilung potenzieller Kunden. Die zufriedenheitsorientierte Qualitätsmessung folgt dem sogenannten „disconfirmation paradigm“ das Zufriedenheit/ Unzufriedenheit als Ergebnis eines Abwägungsprozesses zwischen erwarteter und tatsächlich erlebter Leistung definiert. Im Gegesatz zur Einstellungsmessung setzt diese Art der Qualitätsmessung voraus, dass der Kunde tatsächlich über eigene Erfahrung mit dem Dienstleistungsangebot verfügt. Insofern eignet sich die Zufriedenheitsmessung vornehmlich für die laufende Qualitätsbeobachtung. Sowohl bei der einstellungs- als auch bei der zufriedenheitsorientierten Messung lassen sich in methodischer Hinsicht noch zwei weitere Unterscheidungen treffen. Zum einen kann die Messung direkt oder indirekt erfolgen. Bei direkten Ansätzen erfolgt die unmittelbare Abfrage der Einstellung zu bzw. der Zufriedenheit mit den jeweiligen Einzelmerkmalen der Dienstleistungsqualität. Bei der indirekten Messung wird die Einstellung als Differenz zwischen getrennt erhobenener wahrgenommener und idealer Merkmalsausprägung und die Zufriedenheit als Differenz zwischen separat gemessener erwarteten und wahrgenommenen Leistung ermittelt. Zum an deren können die einstellungs- und zufriedenheitsbezogenen Messansätze danach unterschieden werden, ob sie sich auf die Erfassung der Kundenbeurteilung beschränken (Einkomponentenansatz) oder darüber hinaus auch die vom Kunden wahrgenommene Wichtigkeit der jeweiligen Qualitätsmerk male erfassen (Zweikomponentenansatz). Die Anwendung des Zweikomponentenansatzes erhöht den Befragungsaufwand, berücksichtigt dafür aber den Umstand, dass der Kunde die verschiedenen Merkmale nicht nur unterschiedlich wahrnimmt, sondern ihnen auch unterschiedliches Gewicht beimisst. Merkmalsorientierte Verfahren bieten eine wichtige informatorische Basis für das Qualitätsmanagement, insbesondere wenn sie regelmäßig eingesetzt und die Ergebnisse im Zeitund Wettbewerbsvergleich interpretiert werden. Allerdings besteht ein generelles Problem dieser Methodengruppe darin, dass nur eine begrenzte Anzahl vorgegebener und zudem recht abstrakt formulierter Qualitätsmerkmale Berücksichtigung finden können. Hierdurch besteht die Gefahr, dass die wahrgenommenen Qualitätsvorzüge und -probleme nicht vollständig, nicht konkret genug und in ihrer empfundenen Dringlichkeit nicht richtig erfasst werden. Deswegen kommt dem ergänzenden Einsatz ereignisorientierter Verfahren Be deutung zu.
Messung der Dienstleistungsqualität Ereignisorientierte Verfahren Die Gemeinsamkeit aller ereignisorientierten Qualitätsmessmethoden liegt darin, dass sie versuchen, die vom Kunden mit dem Dienstleister bzw. seinem Angebot erlebten Ereignisse zu ermitteln und die in den Ereignisschilderungen enthaltenen Informationen über die wahrgenommene Dienst leistungsqualität auszuwerten. Die wesentlichen Verfahren sind die Beschwerdeanalyse, die Methode der Kritischen Ereignisse und die Sequentielle Ereignismethode. Die Beschwerdeanalyse (►Beschwerdemanagement) umfasst die systematische Auswertung der mündlichen und schriftlichen, direkt an das Unternehmen gerichteten Kundenbeschwerden. Die in den Beschwerden enthaltenen Er eignisschilderungen enthalten eine Fülle von Informationen über wahrgenommene Qualitätsmängel und Qualitätever besserungspotenziale. Die Informationen sind relevant, weil Kunden die beschriebenen Probleme als gravierend erachten. Da die Beschwerden zudem einen problematischen Sachverhalt konkret benennen und kurz nach Erleben von den Kunden (und auf dessen Kosten) artikuliert werden, sind Beschwerdeinformationen in der Regel auch eindeutig, aktuell und kostengünstig. Insofern stellt die Beschwerdeanalyse eine wichtige Methode der Problementdeckung dar. Mit Hilfe der Methode der Kritischen Ereignisse („critical incident technique“ – CIT) werden „kritische Ereignisse“ erhoben, d.h. Vorfälle, die Kunden als außergewöhnlich positiv oder negativ empfinden und im Gedächtnis behalten. Dies erfolgt mit Hilfe standardisierter offener Fragen, die die Kunden dazu bringen, an ein besonders positives oder besonders negatives Erlebnis mit dem Dienstleister zurückzudenken und diesen Vorfall in allen Einzelheiten zu beschreiben. Kon stituierendes Element der „critical incident technique“ ist neben der Erhebung ein mehrstufiges Auswertungsverfahren, in dem auf der Basis von Inhaltsanalysen typische Erlebniskate gorien gebildet und kategorienbezogen die Häufigkeiten der Erlebnisse ermittelt werden.
der Analyse des vom Kunden während der Dienstleistungs nutzung zu bewältigenden Prozesses. Der erhobene Kundenprozess wird dann in einem „Kundenpfad“ (oder „blueprint“; ►Service Blueprint) visualisiert und der Kundenbefragung zu grundegelegt. An hand des visualisierten Kun denpfades werden die Kunden im Rahmen eines persönlichen Interviews gebeten, den Ablauf ihres DienstLeistungKonsums noch einmal durchzugehen und die einzelnen Phasen ausführlich zu schildern. Darüber hinaus bewerten die Kunden die Relevanz des Erlebten und geben ihre Zufriedenheit mit den Einzelphasen bzw. der gesamten Dienstleistungstransaktion an. Die Sequentielle Ereignismethode hat mit der Methode der Kritischen Ereignisse die Sammlung von Kundenschil derungen über Qualitätserlebnisse gemein. Sie unterscheidet sich aber von ihr dadurch, dass sie neben dem außergewöhn lichen auch das übliche Qualitätserleben erfasst und zudem bei der Qualitätsmessung dem aus der Kundenbeteiligung resultierenden Prozesscharakter des Dienstleistungserlebens gerecht wird. Die Eignung der verschiedenen ereignisorientierten Methoden zur Qualitätsmessung ist abhängig von der jeweiligen Fragestellung. Geht es vor allem um die Analyse aller gewöhnlichen Kundenkontaktsituationen und deren aktueller subjektiver Wahrnehmung durch Kunden, kommt vor allem die Sequentielle Ereignismethode infrage. Sollen die besonders intensiv empfundenen positiven und negativen („kritischen“) Erlebnisse ermittelt werden, erweist sich die critical incident technique als überlegene Methode. Verfolgt man das Ziel, die aus Kundensicht gravierendsten negativen Qualitäts erfahrungen auszuwerten, bietet sich die Beschwerdeanalyse an. Prof. em. Dr. Dr. h. c. Bernd Stauss, Ingolstadt
M
Literatur
[1] Bruhn, M.: Qualitätsmanagement für Dienstleistungen, 9. Aufl. Berlin 2013 [2] Bruhn, M./Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsqualität, 3. Aufl. Wiesbaden 2000 [3] Stauss, B. Die Nutzung von Zufriedenheitswerten im Qualitätsmanagement, in: Wulf, K./Oettl, R.: Qualitätsmanagement im Customer Care Center, Osnabrück 2006, S. 43-76
Messunsicherheit
Aus Messungen gewonnener Schätzbetrag zur Kennzeichnung eines Wertebereichs, innerhalb dessen der Bezugswert der Messgröße mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit liegt, wobei der Bezugswerte je nach Festlegung oder Vereinbarung der wahre Wert, der richtige Wert oder der Erwartungswert sein kann. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Meter
▶m Das Meter ist die Länge der Strecke, die das Licht im Vakuum während der Dauer von 1/299 792 458 Sekunden durchläuft. Diese Definition gilt seit 1983.
685
DGQ-Begriff
Mit Hilfe dieses Verfahrens erfasst man alle Aspekte des Dienstleistungsqualitätserlebens, die für die Kunden von subjektiver Relevanz sind. Dies beinhaltet Auskünfte über Mindesterwartungen der Kunden an das Qualitätsniveau der Leistungserstellung und über die Aspekte des Dienstlei stungsangebots, die Kunden als werterhöhend wahrnehmen werden. Darüber hinaus zeichnen sich die Informationen aufgrund der Detailliertheit der Beschreibungen durch ein hohes Maß an Konkretheit und eine breite Abdeckung relevanter Qualitätsaspekte aus. Bei der Sequentiellen Ereignismethode handelt es sich um eine prozessorientierte Kundenbefragung auf der Basis eines visualisierten Kundenpfades in mündlichen Interviews. Sie berücksichtigt den Prozesscharakter des Dienstleistungskonsums, also die Tatsache, dass Dienstleistungsnutzung in den meisten Fällen aus einer Reihe von Einzelschritten besteht, an denen Kunden jeweils qualitätsrelevante Eindrücke gewinnen. Dementsprechend basiert das Verfahren wesentlich auf
Messunsicherheit
Metrologie Methoden Kundenforschung
▶Erhebungsmethoden Kundenforschung
Metrologie
Metrologie ist die Wissenschaft vom Messen. Sie ist in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens von zentraler Be deutung. Es ist zutreffend von einer metrologischen Infrastruktur zu sprechen. Auf Deutschland bezogen wird dazu folgendes ausgeführt [1]: „Zusammen mit einem dichten Netz technischer Regeln und Normen, einem unabhängigen Prüfwesen und einem effektiven Qualitätsmanagement ist sie (die technisch-ökonomische Infrastruktur – ed.) eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Qualität von Produkten und Dienstleistungen. Die Entw icklung und Förderung der Metrologie ist deshalb eine wichtige Aufgabe. Industriestaaten geben bis zu 6% ihres Bruttosozialproduktes für Metrologie und damit im Zusammenhang stehende Tätigkeiten aus.“
Auf das industrielle Meßwesen wird hier im Lexikon unter dem Hauptstichwort ►Kalibrieren eingegangen. Die für das Qualitätsmanagement relevanten Themenbereiche sind in der Qualitätslehre von W. Geiger in mehreren Kapiteln herausgearbeitet worden [3]. Literatur
[1] Brinkmann, K.: Metrologische Infrastruktur in Deutschland. In: Masing, W. (Hrsg.): Handbuch Qualitätsmanagement. 4. Auflage, München-Wien (Hanser) 1999, S. 585 [2] s. [1], S. 586 [3] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminologie. 3. Auflage, Braunschweig-Wiesbaden (Vieweg) 1998, besonders Kapitel 20 und 21
686
metrologische Bestätigung
▶en: metrological confirmation Satz von notwendigen Tätigkeiten, um sicherzustellen, dass ein ►Messmittel die ►Anforderungen an seinen beabsichtigten Gebrauch erfüllt
Anmerkung 1 zum Begriff: Üblicherweise umfasst die metrologische Bestätigung Kalibrierung oder ►Verifizierung, jede erforderliche Einstellung oder ►Reparatur mit nachfolgender Neukalibrierung, den Vergleich mit den metrologischen Anforderungen für die beabsichtigte Anwendung des Messmittels sowie alle erforderlichen Plombierungen und Etikettierungen. Anmerkung 2 zum Begriff: Eine metrologische Bestätigung ist erst dann erreicht, wenn die Eignung des Messmittels für die beabsichtigte Anwendung dargelegt und dokumentiert ist. Anmerkung 3 zum Begriff: Die Anforderungen für den beabsichtigten Gebrauch enthalten Gesichtspunkte wie Messbereich, Auflösung und Fehlergrenzen. Anmerkung 4 zum Begriff: Anforderungen der metrologischen Bestätigung unterscheiden sich in der Regel von ►Produktanforderungen und sind in letzteren nicht festgelegt. [Quelle: ISO 10012:2003, 3.5, geändert — Anmerkung 1 zum Begriff wurde geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
metrologisches Merkmal
▶en: metrological characteristic ►Merkmal, das die ►Messergebnisse beeinflussen kann
Anmerkung 1 zum Begriff: Ein ►Messmittel hat üblicherweise mehrere metrologische Merkmale. Anmerkung 2 zum Begriff: Metrologische Merkmale können der ►Kalibrierung unterliegen. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
MFU
▶Maschinenfähigkeitsuntersuchung
Middleware
▶Workflow Management Middleware ist anwendungsneutrale Systemsoftware, die zwischen Anwendungsprogrammen und Betriebssystem, Da tenbanksystemen und anderen Ressourcen-Managern läuft. Sie stellt Infrastrukturdienste zur Verfügung, auf deren Basis Applikationen ortstransparent entwickelt und betrieben werden können. Solche Dienste sind unter anderem Kom munikations-, Datenmanagement-, Prozessmanagement-, Transaktionsmanagement- sowie Netzwerk- und Systemma nagement-Dienste.
Quelle: Originalzitat aus Jablonski, S.; Böhm, M.; Schulze, W. (Hrsg.): Workflow-Management. Entwicklung von Anwendungen und Systemen – Facetten einer neuen Technologie, Heidelberg (dpunkt) 1997, S. 485ff
ISO-Term
M
Der Staat hat eine bestimmte, hierarchisch gegliederte metrologische Infrastruktur institutionalisiert, die in [2] ausführlich beschrieben ist: „An der Spitze der Hierarchie steht ein … nationales Institut für Metrologie, das für die Grundlagen des Messwesens, d. h. insbesondere die Darstellung und Bewahrung der nationalen Normale als Verkörperung der Einheiten im Meß we sen, zuständig ist. In Deutschland ist dies die Physikalisch-Technische Bun desanstalt (PTB) in Braunschweig und Berlin. Die Weitergabe der Einheiten an Wissenschaft, Wirtschaft und den einzelnen Bürger erfolgt üblicherweise auf zwei verschiedenen Wegen; für Industrie und Prüfwesen über ein privatwirtschaftlich organisiertes System, in Deutschland den Deutschen Kalibrierdienst (DKD), und im gesetzlichen Messwesen über ein staatlich organisiertes System, das Eichwesen.“
[4] Grundlegend zur Metrologie: VIM International Vocabulary of Basic and General Terms in Metrology (Internationales Wörterbuch der Metrologie). Berlin (Beuth) 1994 [5] aktuell: Bachmair, H. und P. Ulbig: Organisation des Messwesens in Deutschland. In: Pfeifer T. und R. Schmitt (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement, 6. Auflage. München-Wien (Hanser) 2014, Kapitel 32, S. 731-745 ISO-Term
▶en: metrology ▶Messmittelmanagementsystem ▶Kalibrieren ▶Ringversuch
Middleware
MIL Q 9858
Mindset Abb. M21: Wortfeld Mindset – ausgewählte Begriffe kognitive Orientierung
Mindset
▶Mentalität ▶Mitarbeiterbindung ▶Motivationsmanagement ▶Unternehmenskultur ▶Change Management ▶Lernende Organisation ▶Geschäftsmodell ▶Fehlerlernen ▶Wertewandel „Das Bewusstsein ist der Ort, an dem sich der Wirklichkeitssinn
und der Möglichkeitssinn des Menschen, seine Wahrnehmung und seine Einbildungskraft, sein Wissen und sein Vorstellungsvermögen verschränken.“ (anonymus)
Ein schillernder Begriff geht um im Qualitätsmanagement, ein Anglizismus, der im Deutschen vieldeutig aufgefasst werden kann: Mindset. Funktionalisten vertreten oft die mechanistische Ansicht, man müsse nur am Mindset „drehen“, um das Denken und Handeln in eine bestimmte Richtung lenken zu können (Etwa ein Abteilungsleiter zu einem Trainer: „Sagen Sie den Leuten, wie sie denken und was sie tun sollen!“). Es wird neuerdings auch in der Fachliteratur zur Managementlehre als „Global Mindset“ diskutiert. Hruby stellt es sogar als Erfolgsfaktor heraus, indem er das Konzept von der Individualebene auf die Organisation überträgt (organisationales Mindset) [1, S. 15]. 1 Zum Wortfeld „Mindset“ Der Begriff kommt aus der angelsächsischen Kognitionspsychologie, weshalb – wie Abbildung M21 zum Wortfeld zeigt – die Bedeutungen zunächst in englischer Sprache definiert sind. Die unten genannten englischen Begriffe lassen sich nur ansatzweise, ja gewissermaßen holprig ins Deutsche übertragen. Das Deutsche kennt eher Begriffe wie Einstellung, Mentalität, Denkweise oder sogar den Habitus, in dem verinnerlichte Denk- und Handlungsmuster betont werden (oberer Bereich der Grafik).
Denkmuster
Einstellung
Geistige Haltung Bewusstsein
Habitus
Mindset consciousness
cognitive map schema
dominant logic
beliefs
cognitive schemata mental model
implicit theory mental construct
Im Bewusstsein entstehen vielfältige Einstellungen, die eine Denkart, ein Denkmuster oder eine Denkweise darstellen. Diese können als Mindset bezeichnet werden.
niken, die für das Denken, Vorgehen, Arbeitshandeln eine Ressource bilden, werden genannt. Sowohl im Qualitätsmanagement wie auch im ►Change Management ist Mindset eher appellativ in der Managersprache zu finden, also bisher nicht operationalisiert bzw. systematisch in Implementierungsansätzen thematisiert worden. Ganz anders dagegen im interkulturellen Management, wo das Konzept des „Global Mindset“ bis in den Trainings- und Coachingbereich vorgedrungen ist [1].
M
2 Mindset – Ein Definitionsversuch Ausgangspunkt ist die Annahme, dass jeder die Realität in „vereinfachter“ Form abbildet, also seine kognitiven Aktivitäten, wie Wahrnehmen, Denken über ein Gebiet (z. B. das Qualitätsmanagement) darauf beruhen, dass Informationen für ihn eine bestimmte Struktur repräsentieren, das im „Geist“ verankerte „Set“. Was ist damit konkrete gemeint? Angenommen es geht um das Mindset eines Mitarbeiters zum Qualitätsmanagement. Über alles, was er dazu weiß, wird er sich seine Gedanken machen und seine Wahrnehmung entsprechend dieser Annahmen und Erwartungen ausrichten, ob zutreffend oder falsch, also auch die Vorurteile, die er sich gebildet hat, sind Element des Mindset. Dazu gehört auch – falls er reflektiert – die Frage, wie das Mindset zum Thema Qualitätsmanagement bei ihm entstanden sein könnte und welche Bedeutung es für ihn hat. Sein Mindset ist wahrscheinlich sehr subjektiv und selektiv. Genau darum geht es, um die persönlichen Erfahrungen und Bedeutungen, die sich bei ihm zunehmend verfestigt, ein Muster gebildet haben. Als Mindset soll ein kognitives Schema bezeichnet werden, von dem Mitarbeiter und Manager in Organisationen unbewusst und bewusst, implizit oder explizit durch ihr Denken und Empfinden
687
Begriff
Mindset ist eine begriffliche Perspektive, die bemüht wird, wenn neue organisatorische Ansätze Wirklichkeit werden sollen, wie Six Sigma oder Lean Management und allgemein, wenn organisationale Veränderungen anstehen. Von Tools, Werkzeugen ist die Rede, die den Mindset unterstützen. Techniken des Qualitätsmanagements, sog. ►Qualitätstech-
Mentalität
Denkweise
englisch
▶Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 In den 50er Jahren begann in den USA im militärischen Bereich die Entwicklung der QS-Regelwerke. Etwas später führten die hohen Forderungen an die Sicherheit der Kernkraftwerke dort zu Regelwerken (→ KTA 101). – Die MIL Q 9858 erschien 1959 erstmals und dann in einer neuen Version 1963. Schließlich wurde sie in der → AQAP fortgesetzt. Die Verbreitung erfolgte sehr schnell und führte dann zu weiteren Regelwerk-Entwicklungen, die in den 80er Jahren in der Entwicklung der ISO-9000-Normenreihe mündeten.
deutsch
MIL Q 9858
Mindset Begriff
ausgehen. Das Mindset ist nicht angeboren, sondern hat sich im Laufe der Sozialisation entwickelt, wurde also gelernt und stellt die Basis für Wissen und Wertungen dar. Mindsets haben damit als Stereotype entlastende Funktionen. Sie legen fest, wie bestimmte Informationen aufgenommen, gespeichert, bewertet, transformiert und wieder abgerufen werden. Sie beeinflussen als stillschweigende Annahmen den Umgang mit Anderen und reduzieren Spannungen. Sie werden manifest in Handlungen und können auch die Orientierung von Gruppen, ja sogar die Organisation als Ganze bestimmen (= organisationales Mindset als die Summe aller Mindsets und Element der ►Unternehmenskultur). Vom Mindset abzugrenzen ist der Sozialcharakter, der nur schwer „aufgebrochen“ werden kann und die Charakterstruktur fokussiert (Fromm/Adorno).
M
3 Das Mindset aufbrechen Wird das Mindset als Habitus begriffen, impliziert dies, dass sich Gewohnheiten im Denken, Fühlen und Handeln in der Organisation stark verfestigt haben, so z. B. besonders in militärischen Organisationen im Corpsgeist (solidarité de corps). Der Habitus ist somit als der am stärksten verinnerlichte Mindset-Typus anzusehen. Wenn der organisationale Habitus als „dominant logic“ auf Dauer ausschließlich die Sicht der Dinge bestimmt, kann dies aber auch fatale Folgen haben, wie uns die Wirtschaftsgeschichte am Beispiel derjenigen Unternehmen zeigt, deren Management es aufgrund einer Fehleinschätzung des eigenen Geschäfts an den Rand des Bankrotts brachten oder sogar in den Ruin führten. Ein Beispiel hierzu: Wir wissen heute, dass Bill Gates Ende der 1990er Jahren das aufkommende Internet völlig falsch beurteilt hat und erst durch harte Überzeugungsarbeit seines Managements seinen Mindset geändert hat. Wir wissen auch, dass das Aufkommen der japanischen Konkurrenz im Westen falsch beurteilt wurde und zum Niedergang ganzer Branchen geführt hat. Individuelle und organisationale Mindsets können jedoch in ►Trainings und besonders im ►Coaching bewusst gemacht und folglich auch verändert werden (►Lernende Organisation). Auch organisatorische Vorkehrungen können gegen die „Trägheit“ des Mindsets getroffen werden, wie bei dem indischen Softwareunternehmen Infosys, das ein „Shadow Board“ parallel zum Vorstand etabliert hat, in dem kontinuierlich „Bestehendes in neuem Licht beleuchtet wird“. Schon der systematische Einsatz von Qualitätstechniken auf allen Ebenen der Organisation wie der ►KVP hält die Organisation im Fluss. 4 Operationalisierung des Quality Mindsets Zur Messung des Grades von Mindsets (hier am Beispiel des Quality Mindsets), empfiehlt es sich halbstrukturierte Interviews und zur Dokumentenauswertung die qualitative Inhaltsanalyse zu verwenden. Eine solche IST-Analyse muss sowohl auf den gemessenen Werten des Managements wie
688
Mindset auch denen der Mitarbeiter beruhen und auch die Analyse von Dokumenten der Organisation mit einbeziehen. Schließlich geht es nicht um die Darstellung einzelner „subjektiver Mindsets“, sondern darum den Realtypus [3] „Mindset der Organisation bezogen auf das Qualitätsmanagement“ herauszuarbeiten. Ähnlich wie beim „Globalen Mindset“ ist davon auszugehen, dass ein hoher Quality Mindset-Level im Endeffekt zu erhöhter organisatorischer Performance führen wird [1, S. 23]. Anzusetzen ist die IST-Analyse des Quality Mindset bei folgenden zentralen Untersuchungsdimensionen: ◼ Offenheit gegenüber der Perspektive des Qualitätsmanagements ◼ Kenntnis von Zielen, Inhalten und Techniken des Qualitätsmanagements ◼ Fähigkeiten der Anwendung des Qualitätsmanagements in der Organisation Abildung M22 zeigt die zusammenhängende Struktur dieser drei Dimensionen. Von diesem Schema könnte sich die weitere Praxis und Forschung leiten lassen. Abb. M22: Dimensionierung des Quality Mindset Offenheit gegenüber den Inhalten und Techniken des Qualitätsmanagement und seiner Umsetzung in der Organisation
NEIN
Mangel an Quality Mindset
NEIN
Mangel an Quality Mindset
NEIN
Mangel an Quality Mindset
JA Kenntnis darüber, dass Qualitätsmanagement ein Konzept ist, in dem es um die Verbesserung der Organisation geht und es gerade deshalb der Mitwirkung der Mitarbeiter bedarf JA Fähigkeit (a) den Ansatz des Qualitätsmanagements organisatorisch zielgerichtet umzusetzen und vorzuleben (Manager); (b) nach den Regeln des Qualitätsmanagement die Arbeit auszurichten (Mitarbeiter) JA Quality Mindset
In dieser Skizze konnte aufgezeigt werden, dass das leitende Konzept „Quality Mindset“ es ermöglicht eine Situationsanalyse zu fundieren, die wiederum Ansatzpunkte für das weitere Vorgehen bietet, sich also Aussagen ableiten lassen, was zu tun ist, um beispielsweise Implementierungen durchführen zu können. Schließlich werden die Fragen „Wo“ und „Wie“
Mindset
Mindset
fangen wir an, Qualitätsmanagement einzuführen, sehr oft aus „dem Bauch“ heraus beantwortet. 5 Lernen und Anpassung – Ausblick Mit der Trägheit einer Organisation geht auch deren organisationales Mindset einher. Trägheit ist zunächst nicht negativ zu sehen. Sie garantiert die Funktions- ja die Lebensfähigkeit einer Organisation. Die Organisationsmitglieder benötigen für ihre Handlungen eine Organisationsform, die sie befähigt, ihre Rollen wahrzunehmen und erfolgreich auszuführen. Insofern heißt Trägheit immer auch im Gleichgewicht bleiben, die Balance zu halten. Die normale Phase, in der sich eine Organisation befindet, ist die des Gleichgewichts. Alles scheint zu stimmen: Mindset und Organisation eint ihr Fit. Doch wenn sich zeigt, dass aufgrund einer hohen Geschäftsdynamik die vorherrschende Sicht der Dinge nicht mehr mit dem übereinstimmt, was im Umfeld vorsichgeht, kann Trägheit zur Erstarrung führen. Änderungen, Wandlungen werden gefordert. Die Geschäftslogik, das ►Geschäftsmodell, das nicht mehr auf das Umfeld abgestimmt ist, muss deshalb genauso auf den Prüfstand gestellt werden wie die Organisation selbst. Das Mindset der Organisation kann sich nicht länger im Widerspruch zur Realität befinden. Ein Erklärungsmodell: Ein Ansatz, der von Kurt Lewin zunächst auf das soziale Lernen bezogen wurde, lässt sich auf organisationale Lernprozesse übertragen. In seinem DreiPhasen-Modell zeigt Abbildung M23 zunächst die „Trägheitsphase“ den Gleichgewichtszustand I: Die Organisation befindet sich in der Normalphase, ist aber aufgrund erkannter Probleme bereit zum Wandel. Besonders durch kommunikative Prozesse wird nun eine Phase des Auftauens (unfreezing) eingeleitet, in der das eigene Selbstverständnis zum Geschäft genauso Gegenstand ist wie auch das organisationale Mindset. Lewin wollte das sehr plastisch verstanden haben, als ob man etwas Eingeforenes nimmt und es auftaut, um es so in einen Änderungszustand zu versetzen [4]. Wenn wir uns nun vorstellen, dass sich damit ein Großteil der subjektiven Mindsets organisational ändern muss, wird sich eine Phase
des Ungleichgewichts einstellen, die jedoch nicht von Dauer sein darf, sondern sowohl die Organisation selbst wie auch sein Mindset müssen wieder in einen Gleichgewichtszustand gelangen, um eine neue Normalphase der Organisation zu erreichen (refreezing). Dies geschieht wiederum durch Kommunikation, neue Strukturen und Prozesse und durch wiederholende Handlungen. Im veränderten Mindset kann sich das oft sogar gegensätzlich ausdrücken, sowohl im Wissen wie auch in den geforderten Fähigkeiten (Abbildung M02): Das Unternehmen versteht sich nun wieder im Einklang mit sich selbst, allerdings auf einer neuen Gleichgewichtsstufe (II). Jedenfalls sind „Geist und Realität“ wieder aufeinander abgestimmt … bis zum nächsten „changing“: Das Modell folgt der Zirkularität. Kritik: Das Lewinsche Modell begreift Veränderung als einen zeitlich begrenzten Ausnahmezustand, der den Übergang zwischen zwei Gleichgewichtszuständen darstellt. Diesem Wandelverständnis ist vorgeworfen worden, dass es von Annahmen ausgeht, die heute nicht mehr die Realität prägen. Nicht das Gleichgewicht ist das Normale, sondern die Dynamik. Veränderung ist somit keine vorübergehende Phase der Irritation, kein „Ausnahmezustand“, sondern permanent. Die Ausnahme ist zur Normalität geworden. Lewins Drei-PhasenModell ist ein Sonderfall, ein Idealtypus, der sich schwer auf die Realität beziehen lässt. Folglich müssen die heutigen Herausforderungen an eine flexible Organisation das Mindset miteinbeziehen. Es muss vor allem die in Abbildung M02 genannte Dimension der Offenheit betonen.
Ausweg: Diese Ausführungen haben gezeigt, dass eine rein funktional-mechanistische Annahme der Mindset-Änderung fehl geht. Mindsets als organisational eingebettete Muster lassen sich nicht durch Belehrungen oder simple „Schulungen“ ändern. Sie sind dem Menschen und seinen Organisationen inhärent und können nur immer wieder bewusst gemacht und im Zusammenwirken geändert werden (Mindset-Wechsel). Organisation und Mindset müssen „lernend“ begriffen werden. Das Konzept der ►Lernenden Organisation wäre folglich ein geeigneter Rahmen hierfür Abb. M23: Drei-Phasen-Modell organisationaler Veränderungen und Mindset wie auch das Denken in Prozessen. In beiden Ansätzen steht „changing“ als Veränderungsphase ein Element der „offenen Organisation“ im Vordergrund, deren Zukunft wohl eher in der Adhokratie zu sehen ist [5]. Hans-Dieter Zollondz, Stabilität der Organisation UngleichGleichGleich- Normalphase der Organisation Vichy gewicht Neuer stabiler Zustand gewicht gewicht Ausgangszustand: I
II
bereit zum Wandel
Auftauen (unfreezing)
Ändern (changing, moving)
Wiedereinfrieren (refreezing)
Mindset wird hinterfragt
Mindset im Veränderungsprozess
Mindset hat sich verändert
Literatur
[1] Hruby, J.: Global Mindsets. Überblick und Bedeutung für Unternehmen und Organisatio-nen. Wiesbaden (SpringerGabler) 2014 [2] Hruby, J.: Das Global Mindset von Managern. Wiesbaden (SpringerGabler) 2013 [3] Rex, J.: Grundprobleme der Soziologie. Freiburg (Rombach) 1970
689
M
Mission [4] Schiessler, B.: Die Rolle der Organisationsentwicklung im Change Management. In: Landes, M. und E. Steiner (Hrsg.): Psychologie der Wirtschaft. Wiesbaden (Springer VS) 2013, 589-611 [5] Mintzberg, H.: The Structure of Organizations. A Synthesis of the Research. Englewood Cliffs, NJ (Prentice Hall) 1979
Minimale Schnitte
▶FTA-Fehlerbaumanalyse Alle Ereignisse und Schritte, die bei der FTA unmittelbar zum unerwünschten Ereignis führen.
Mission
▶Mission (genormt nach ISO 9000:2015-11)
M
ISO-Term
Der Zweck oder der raison d‘être der Organisation. Es geht weniger um die Frage „Was ist unser Geschäft oder unsere Funktion?“ als um „Warum gibt es unser Geschäft oder unsere Funktion?“ Welcher Zweck gibt der Organisation auf Dauer ihre Daseinsberechtigung? Im Rahmen der Organisationspolitik ist die Management-Philosophie (bezogen auf Qualität) bzw. ►Vision in Missions und Ziele zu übersetzen. Missions sind als Botschaften zu verstehen, die ein fokussiertes Handeln ermöglichen und als Grundlage zur Formulierung individueller (Qualität-)Ziele dienen. Im Falle des Qualitätsmanagements kann dies u. a. bedeuten, dass die Unternehmenspolitik eine Orientierung auf den Kunden explizit in den Vordergrund stellt, und diese mit weiteren Aspekten wie Prozess- und Mitarbeiterorientierung aber auch Umweltorientierung verknüpft.
Mission
▶en: mission
durch die ►oberste Leitung erklärter Existenzzweck einer ►Organisation Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
MIT-Studie
▶Lean Management ▶MIT Studie veranlasst vom MIT-Massachusetts Institute of Technology über die Zukunft in der Automobilindustrie, deren Ergebnisse in einem Buch von Womack u. a. (Die zweite Revolution in der Autoindustrie, 1991) Auslöser der Lean Production-Diskussion wurden. – Adresse des MIT: Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, U.S.A. URL: www.mit.edu
Mitarbeiter
▶en: employee Alle in der Organisation beschäftigten Einzelpersonen, einschließlich des Voll- und Teilzeitpersonals, der befristet beschäftigten Mitarbeiter und der Beschäftigten auf Vertragsbasis.
690
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement ▶ employee survey in quality management
Mitarbeiterbefragungen sind in vielen Organisationen selbstverständlich geworden; man schätzt, dass sie in 1/4 der Orga nisationen zur Alltagsroutine gehören. Sollen sie sich im Rahmen des ►Qualitätsmanagements bewähren, dann steht die Qualität von Mitarbeiterbefragungen selbst auf dem Prüf stand: Qualitätsstandards für Mitarbeiterbefragungen sind unter praktischen wie wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu fordern. 1 Wozu sollen Mitarbeiterbefragungen dienen? Zu Personen-Tests z. B. zum Ent wick lungs potential der Mitarbeiter sowie Be fra gun gen zu Arbeitsbedingungen, zum Stresserleben, zur ►Arbeitszufriedenheit oder zum Be triebsklima gibt es schon länger Erfahrungen in der Sozial forschung. Sieht man von der Qualität an sich ab, die z. B. den Konzepten vom zufriedenen Mitarbeiter oder guten Be triebsklima zugrunde liegen, so wurden sie immer auch schon mit Leistungsvariablen in Beziehung gesetzt. Die Vermutung liegt nahe, dass z. B. ein gutes Betriebsklima eher leistungsmotivierte Mitarbeiter hervorbringt als ein schlechtes. Die möglichen Zusammenhänge lassen sich allerdings nicht gradlinig und bruchlos ableiten. Z. B. dürfte sich gegen ein naives Zufriedenheitsverständnis inzwischen herumgesprochen haben, dass glückliche Kühe nicht unbedingt mehr Milch geben. Dieses Beispiel soll zeigen, wie wichtig es ist, auf die Konzeption von Mitarbeiterbefragungen zu achten, wenn sie als Instrumente des Qualitätsmanagements zum Einsatz kommen sollen. Neu belebt wurden Mitarbeiterbefragungen in den 90er Jah ren unter Gesichtspunkten der ►Qualitätssicherung [1] und des ►Total-Quality-Managements. Unter der Perspektive der internen Kundenorientierung und der Mitarbeiterzufriedenheit können sie regelmäßig für Erhebungen angewandt werden, sowohl bei der Implementierung von Qualitätsmanage mentsystemen nach DIN EN ISO 9000ff wie auch bei den verschiedenen Qualitätsmodellen. z. B. beim ►Malcom Bal dridge Award, dem damaligen ►European Quality Award oder in Deutschland seit kurzem beim ►Ludwig-ErhardPreis. Der European Quality Award brachte z. B. in seinem Modell Variablen wie ►Mitarbeiterzufriedenheit (9%) oder Mitarbeiterführung (9%) quantitativ in Anschlag. Wie fragwürdig auch immer die quantitativen Einschätzungen sind, bedeutsam ist, dass hier sog. weiche Variable zum Einsatz kommen, vergleichbar in etwa mit der Philosophie des ►Sieben S-Modells von McKinsey [2]. Die Erfassung von subjektiven oder weichen Daten wird häufig dann erwogen, wenn objektive oder harte Daten für zu treffende Entscheidungen nicht ausreichen und die Erfahrungen und das Wissen der stakeholders als wichtig erachtet werden. Besondere Bedeutung gewinnt die MAB im Ansatz eines ►Controlling der 3. Generation: Strategische Früherkennung auf der Basis schwacher Signale [3]. Subjektive Urteile, wie
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement
sie sich in den Ergebnissen der MAB niederschlagen, sind solche schwachen Signale – manchmal wohl auch starke!
Begriff
Wenn Einstellungen und Wissen möglichst aller Mitarbeiter oder großer Mitarbeitergruppen zu bestimmten Sach verhalten zu erfassen sind, wie z.B. in den Awards unter dem Schlagwort Mitarbeiterzufriedenheit, dann wird in der Regel eine hoch standardisierte schriftliche Form der Befragung gewählt; dies sagt jedoch noch nichts über die Qualität des zum Einsatz kommenden Verfahrens aus. Unter Mitarbeiterbefragungen verstehen wir die systematische Erhebung von Wahrnehmungen und Bewertungen von Mitarbeitern einer Organisation zu Sachverhalten, die sie und ihre Organisation betreffen. 2 Erwartungen an Mitarbeiterbefragungen Die Befragung von Mitarbeitern einer Organisation grenzt sich von beliebigen Umfragen dadurch ab, dass diese Ziel gruppe weit gehend durch die tägliche Zusam menarbeit, gemeinsame Ziele, sich ergänzende Aufgaben, gemeinsame Erfahrungen und Überzeugungen kulturell geprägt ist. Es sollen auch nicht x-beliebige Dinge abgefragt werden, sondern Sachverhalte, die Arbeit und Organisation der Befragten betreffen. Diese Eingrenzung bedeutet, daß Mitarbeiter über Meinungen und Wissensbestandteile gefragt werden, für die sie aufgrund ihrer Nähe zum Sachverhalt Experten und Betroffene sind. Unter systematisch verstehen wir eine theoriegeleitete Vorgehensweise sowie die empirische Überprüfung des Verfahrens, das bestimmten Qualitätskriterien gehorchen muss [4]; als wichtigste sollen hier genannt werden:
struktvalidität umso wichtiger. Vor dem Hintergrund der tausend möglichen Fehler bei Mitarbeiterbefragungen sind dies keine zu vernachlässigenden Problemstellungen von Theoretikern, sondern Größen mit praktischer Relevanz. Für die inhaltliche Validität gibt es zwar auch empirische Hinweise, jedoch wird sie in der Regel über Experten-Urteil bestimmt. Die Experten sind aber intern die in der ►Organisationskultur geprägten Mitarbeiter und die externe Wissenschaft (vgl. dazu Ausführungen zu Abbildung M24). Die allgemein geübte „Augenscheinvalidität“ kann jedoch nicht genügen. 2 Die Überprüfung der Reliabilität oder Meßgenauigkeit macht unter Beachtung bestimmter statistischer Bedin gungen (wie z.B. der normalverteilten Stichprobe) empirisch keine Schwierigkeiten. Aber bekanntlich ist ein reliables Instrument nicht auch automatisch ein valides. 3 Weitere Bedingungen wie Objektivität oder praktische und ökonomisch günstige Verwertbarkeit sind bei entsprechend standardisierten Verfahren kaum problematisch. 4 Wichtige Qualitätskriterien für die Mitarbeiterbefragung im engeren Prozess stellen noch die Praxisrelevanz, Verständlichkeit der Fragen, die Anonymität der Befragten, die Freiwilligkeit der Teilnahme und die Schädigungsfrei heit der Mitarbeiter dar. 5 Für den Erfolg im weiteren Prozess können noch Kriterien wie z.B. die Ernsthaftigkeit bei der Rückmeldung oder die Akzeptanz der Ergebnisse durch Vorgesetzte angeführt werden. Der hier erhobene Anspruch erfolgt aus wissenschaftlichen wie organisationspraktischen Überlegungen des Qualitäts managements, um aus der Beliebigkeit der Itemkonstruktion und -interpretation herauszukommen.
1 Die Gültigkeit oder Validität, d. h. dass das Instrument auch das misst, was es zu messen vorgibt, ist das wichtigste Kriterium. Ohne eine vorliegende Theorie oder KonzepDie wichtigsten Funktionen der Mitarbeiterbefragung im tion gibt es kaum Beweise oder nur wenige Hinweise Qualitätsmanagement sind die Überprüfung verschiedener für die Gültigkeit des Verfahrens. Da bei Befragungen Qualitätsaspekte sowie die Einbindung der Mitarbeiter in (im Gegensatz zu vielen Person-Tests) meist keine oder den Prozess des Qualitätsmanagements. Als dysfunktional nur geringe Krite riums validität mit harten Ergeb nis für das Qualitätsmanagement sind sog. Alibiveranstaltungen sen vorliegt, wird die Beachtung der Inhalts- und Kon oder verdeckte Rationalisierungsabsich Abb. M24: Die Entwicklung der Konzeption der Mitarbeiterbefragung ten zu betrachten; da sich diese Absich (2) Wissenschaftlich begrün dete Bedingungen und Zusammenhänge
(1) Ziele und Motive der Befragung aus der Praxis
(3) Die Konzeption, ihre Facetten und Opera tionalisierungsvorschriften
(4) Die Konstruktion der Fragen
ten kaum verbergen lassen, wecken sie nur Reaktanz und Mißmut.
Von den beteiligten Personen und Mitarbeitergruppen werden pointiert unterschiedliche Erwartungen an die Ergebnisse der Befragung geknüpft. Das Ma nagement erwartet möglichst handfeste Aussagen und Benches, die gradlinig in Entscheidungen für erfolgreiches Handeln übertragbar sein sollen. Die Mit ar beiter und ihre Interes sen vertretung wollen ihre Belange berücksichtigt wissen. Der Wissenschaftler schließlich will seine Vorstellungen von
691
M
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement Mitarbeiterbefragung durch die Untersuchung bestätigt haben. Es ist nicht gerade unüblich, daß die hier herausgestellten Interessengruppen zumindest zu Beginn des Prozesses einer Mitarbeiterbefragung aneinander vorbeireden. Deshalb ist mit die wichtigste Phase im Prozess der Vorbereitung die bewußte Einigung auf eine Konzeption, die theoriegeleitet und explizit ist. 3 Die Mitarbeiterbefragung ist ein Prozess Im Prozess der Mitarbeiterbefragung werden implizit/expli zit folgende Phasen durchlaufen: 1 Bestimmung der Konzeption aus Leitbildern, Modellen und empirischen Befunden, 2 Operationalisierung des Messinstrumentes anhand der Operationalisierungsvorschriften aus der Konzeption, 3 Durchführung der Befragung selbst, 4 Interpretation der Ergebnisse und Entscheidung für Maßnahmen, Implementierung der Maßnahmen und deren Evaluierung. Jede Phase weist ihre eigenen Probleme auf und birgt eine Reihe von Fehlermöglichkeiten; es kommt darauf an, sie so zu gestalten, dass ein optimaler Ablauf sichergestellt und mittels Dokumentation mögliche Schwachstellen erkannt werden, damit sinnvolle Vergleiche, Verbesserungen und Metaanalysen möglich sind. Z.B. erfüllen „Schnellschüsse“ mit beliebig einzusetzenden Kurzfragebögen zur Arbeitszufriedenheit keine die Mitarbeiterbefragung qualifizierenden Voraus setzungen.
M
3.1 Bestimmung der Konzeption Beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung der Mitarbeiterbefragung streut die Qualität der Verfahren sehr weit; sie reicht von wild zusammengebastelten Fragenbatterien bis zu evaluierten Konzepten und ihren Verfahren. Die Vorteile von bereits evaluierten Verfahren liegen einerseits auf der Hand, und doch können sie andererseits spezifische Bedingungen unterschiedlicher Praxisfelder verfehlen. Ein zentrales Problem der Mitarbeiterbefragung besteht darin, das richtige Instrument für die jeweilige Situation zu finden. Die Entwicklung eines systematischen Un tersuchungsinstruments beginnt nun nicht, wie häufig üblich, mit dem Basteln von Fragen zu einem unklaren Befragungsgegen stand mit vagen Zielen und Konsequenzen. Vielmehr müssen praktische Ziele und wissenschaftlich gesicherte Ergebnisse zu einer Konzeption zusammengeführt und Richtlinien für die Operationalisierung festgelegt werden, in deren Rahmen die Fragen konstruiert werden sollen. Diesen Ansatz anwendungsorientierter Wissenschaft zeigt die Abbildung M01. Es geht in einem ersten Schritt um die Zielklärung [5] und darum, Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß ein optimales, die Ziele abbildendes Verfahren operationalisiert werden kann. Ziele und Zwecke können letztlich nur die Praktiker bestimmen. Wissenschaftler können dabei u.a. als
692
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement Moderatoren tätig werden, und sie müssen in diesem Verfahren die Widersprüche in den Philosophien der Praktiker aufdecken und falsche Vorstellungen in deren Theorien über empirische Zusammenhänge (z. B. von Arbeitszufriedenheit und Leistungsmotivation, Einstellungen und Verhalten, Un ter suchungsergebnissen und zielführenden Maß nahmen oder den Unterschied von Test und Befragung etc.) korrigieren. Im weiteren geht es darum, die Facetten und Ope rationalisierungsvorschriften herauszuarbeiten, um im Rahmen der erarbeiteten Bedingungen zur Konstruktion der Fragen zu gelangen. Die Klärungen zur inhaltlichen Valididät in den Schritten, die Abbildung M24 zeigt, ist deshalb so außerordentlich wichtig, weil bei Befragungen – wie schon oben angesprochen wurde – die Kriteriumsvalidität häufig nicht gegeben oder nicht ermittelbar ist. Überspringt man die Schritte, dann kommt es zu einem heillosen Durcheinander bei der Fragenkonstruktion und der Interpretation der Ergebnisse. 3.2 Beachtung der Kommunikationsbedingungen Von grundlegender Bedeutung für das Gelingen einer Mitarbeiterbefragung ist die Einsicht, dass es sich um einen Kommunikationsprozess mit eigenen Gesetzmäßigkeiten und Konsequenzen handelt, von deren Berücksichtigung wesentlich die Gültigkeit der Ergebnisse abhängt (vgl. Abbildung M25). 1 Die Mitarbeiterbefragung stellt keine einseitige sondern eine zweiseitige, auf Gegenseitigkeit beruhende Kommunikation bzw. ein Gespräch dar. 2 Die vorgelegte Befragungsstrategie im Rahmen der gelebten Unternehmenskultur und des Menschenbildes (denkendes und selbstbewußtes Sub jekt) be stimmt wesentlich das Antwortverhalten mit. Eine für die Mit arbeiter transparente Strategie bewirkt auch ein offenes Antwortverhalten. 3 Die Wahrnehmung der organisationalen Sachverhalte und Verhaltensweisen ist analytisch vom Antwortver halten zu trennen. Die Wahrnehmung ist nicht nur individuell verschieden, sondern interaktiv vom Zusammen leben in der ►Unternehmenskultur geprägt. 4 Die instrumentellen und anwen dungs bezogenen Anforderungen an die Mitarbeiterbefragung (Transparenz der Ziele, Konsequenzen Anonymität, Feedback usw.) lassen sich aus dem Modell herleiten und sind nicht das Ergebnis beliebiger Erfahrungen; trickreiche Taktiken verbieten sich aus ethischen Gründen, aber auch weil sie über kurz oder lang durchschaut werden, entsprechende Reak tanz hervorrufen und mit offenem Wi derstand (Be teiligungsquote) oder verdecktem (verfälschendes Antwortverhalten) beantwortet werden. Das hier vorgestellte Modell vom Mitarbeiter ist am Handeln ausgerichtet, es führt aus der unwürdigen Einschätzung des Mitarbeiters als unzuverlässiges und deshalb zu manipulierendes Wesen heraus. Die Berechenbarkeit des Mitarbeiters
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement
Abb. M25: Das Kommunikationsmodell der Mitarbeiterbefragung
Subjekt: Frager
Strategie
fragt
Subjekt: Befragte
über
Antwort
Wahrnehmung
Antwortbereitschaft
individuell und
Offenheit
interaktiv
liegt in der längerfristig konzipierten Strategie. Bei einer wirklich freiwilligen Teilnahme an der Befragung hängt z. B. die Rücklaufquote wesentlich vom vorgelebten ►Menschenbild und der glaubhaft kommunizierten Zielsetzung ab. Für die Praxis der Mitarbeiterbefragung ergibt sich somit, dass: 1 Ziel und Konsequenzen der Befragung klar und den Mitarbeitern bekannt sind, 2 Zweck der Befragung glaubhaft ist, 3 Inhalt verständlich ist, 4 Gliederung überschaubar ist (im Gegensatz zu einem Fragensammelsurium), 5 Fragen einheitlich formuliert und skaliert sind, 6 Interessen der Mitarbeiter berücksichtigt werden, z.B. die Anonymität der Befragten gesichert ist und drängende Fragen nicht ausgeklammert werden. Diese Punkte gilt es mit Vertretern und Multiplikatoren aus unterschiedlichen hierarchischen Ebenen und Organisations bereichen in heterogenen workshops zu klären. 3.3 Umsetzung der Konzeption Aus der Konzeption sind Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Operationalisierung abzuleiten. Die Be stimmung von Facetten und Dimensionen kann z. B. wie es v. Rosenstiel et al. [6] für das Konstrukt Betriebsklima in Anlehnung an die Facettenanalyse von Payne, Fineman & Wall [7] entwickelt haben, erfolgen. Begrifflich lassen sich besonders deutlich die Konzepte der ►Arbeitszufriedenheit und des Organisationsklimas unterscheiden. Bewertet das Individuum die Gegebenheiten seiner Arbeit bzw. seines Arbeitsplatzes, dann liegt das Konzept der Arbeitszufriedenheit zugrunde; beschreibt ein soziales Aggregat die organisationalen Bedingungen, dann liegt das Organisationsklima vor. Für die Operationalisierung hat dies die Konsequenz, dass ein Frage-Item zur Arbeitszufriedenheit
Objekt: Arbeit und Organisation
z. B. lautet: Ich bin mit meinem Vorgesetzten zufrieden; hin gegen lautet eines zum Organisationsklima: Unser Vorgesetzter kritisiert Mitarbeiter vor anderen. Ein Ansatz, wie der eben dargestellte, bleibt noch zu abstrakt und für die Operationalisierung bedarf es noch weiterer Bestimmungen. Kriterien, die Dimensionen in einem mehrdimensionalen Raum abstecken, sind z.B. folgende: ◼ Nähe versus Ferne der Mitarbeiter zum Befragungsgegenstand, ◼ Problem- versus Ursachenbezug, ◼ Gegenwarts- versus Zukunftsbezug, ◼ SOLL- versus IST-Bezug, ◼ Ich- versus Fremdbezug etc. Legt man z. B. fest, dass situationsbezogen nach beschreibbaren Ursachen gefragt werden soll, so hat das entsprechende Konsequenzen für die Operationalisierung; Inhalte und Formulierung der einzelnen Items richten sich nach diesen Bestimmungen, die manchmal schwer durchzuhalten sind. Die theoriegeleitete Vorgehensweise ist aufgrund der konzeptionell einheitlichen Fragestellung auch für das Verständnis der Fragen bei den Befragten wichtig. Hingegen irritieren beliebig viele Themenbereiche einer sog. Omnibus-Befragung mit einem Sammelsurium unterschiedlichster Fragen und Fragebereiche; sie führen aus der Befragung als Beschreibung von Situationen heraus und verführen zum Problemlöseverhal ten, wie es Probanden in Testsituationen zeigen. Eine sinnvolle Diskussion über die logische Richtigkeit einer Frage kann nur vor dem Hintergrund eines solchen konzeptionellen Bezugssystems geführt werden. Für Form und Inhalt einer konkreten Mitarbeiterbefragung wurden z. B. folgende Kriterien festgelegt: ◼ Insgesamt sollte der Fragebogen nicht mehr als 80 Fragen beinhalten, um die Anzahl in einem für die Nutzer zumutbaren Umfang zu halten.
693
M
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement ◼ Die Inhalte sollten in Fragebereichen zusammenfasst und entsprechend gegliedert und wichtige Sachverhalte durch mehrere Frage-Items abgedeckt werden. ◼ Die einzelnen Fragen sollten Problembereiche der ISTSituation beschreiben, und es sollten möglichst keine bloßen Zufriedenheitsfragen, Fragen nach dem SOLL, nach Wünschen oder sonstige hypothetische Fragen gestellt werden. ◼ Der Fragenkatalog sollte positiv und negativ formulierte Fragen beinhalten, um einseitigen Ant wortten den zen bzw. einer Schönfärberei entgegenzuwirken. ◼ Es sollten keine Fragen zu Persönlichkeitsmerkmalen gestellt werden und möglichst wenige zu soziodemogra phischen Merkmalen. ◼ Die Frageninhalte sollten prototypisch für alle Tätigkeitsund Organisationsbereiche beantwortbar sein. 4 Anleitung zur Durchführung einer Mitarbeiterbefragung Bei der Durchführung gilt es, im einzelnen zu berücksichtigen:
M
1 Die Mitarbeiterbefragung läuft in wenigstens drei Phasen ab: Vorbereitung, Durchführung und Rückmeldung der Ergebnisse einschließlich der Einleitung von Maßnah men und deren Evaluierung. Der Vorbereitungsphase kommt besondere Bedeutung für das Gelingen der Befra gung zu; bei einer nicht gründlichen Vorbereitung, sog. Schnellschüssen, kommt es bei der Rückmeldung leicht zu Komplikationen, die meist nicht mehr korrigiert werden können. 2 Auch bei Einsatz eines standardisierten und bewährten Befragungs instru ments ist die Bildung eines Koor di nationsauschusses notwendig, der die Konzeption, die Untersuchungseinheiten, den zeitlichen Verlauf, die Art der Rückmeldung der Untersuchungsergebnisse und die weiteren Verfahren erarbeitet. Bewährt hat sich, die Ziele, Gründe, Methoden, Inhalte und Vorgehensweisen in einem Workshop mit einem wissenschaftlichen Moderator zu klären. Die Bildung eines heterogenen Koor dinationsausschusses aus unterschiedlichen Ebenen und Bereichen ist auch für die allgemeine Akzeptanz der Un tersuchung wichtig (z.B. sind drei leitende Mitarbeiter aus der Bildungsabteilung kein Koordinationsausschuß in diesem Sinne). 3 Die Zielsetzung bzw. Konzeption, müs sen allgemein bekannt gemacht werden (z.B. durch Bericht in Be triebszeitung und Anschreiben an alle Mitarbeiter durch Geschäftsleitung und Betriebsrat). Sind die Ziele nicht transparent, entwickeln die Mitarbeiter ihre eigenen Theorien über Sinn und Zweck der Befragung oder informieren sich in der Gerüchteküche und verhalten sich entsprechend taktisch. Die Transparenzmachung der Ziele und Durchführungsmodalitäten in der Vorbereitungsphase dient auch dazu, eine hohe Beteiligung der Mitarbeiter an der Befragung zu sichern. Eine Beteiligungsquote unter 50% macht aus unserer Erfahrung die Mitarbeiterbefra-
694
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement gung oftmals wertlos und die Verbesserungen im Sinne der Zielsetzungen verlaufen dann häufig im Sand; denn die angeführten Kriterien der Ernsthaft igkeit und Akzep tanz der Ergebnisse durch Vorgesetzte sind dann häufig nicht gegeben. 4 Die Mitarbeiterbefragung kann ein Musterbeispiel für die gelingende innerbetriebliche Kommunikation sein (Partizipation/interne Kundenorientierung/Wis sen und Kompetenz der Stakeholders/Organisations entwicklung, ►lernende Organisation), wobei prinzipiell alle Mitarbeiter beteiligt sind. In der Regel stellt sie eine IST-Feststellung über die Breite und Tiefe einer Orga nisation bzw. organisatorische Einheit dar. 5 Ein verantwortlicher Koordinator als Ansprechpartner für die Mitarbeiter und die externe, neutrale Untersu chungsinstanz muß eingesetzt werden. Diese Koordination muß in einer maßgeblichen Position angesiedelt sein, damit es nicht zu Fehlentscheidungen aufgrund mangelnder Entscheidungskompetenz kommt. Die Durchführung der Befragung im Betrieb liegt in den Händen des internen Koordinators, sie soll innerhalb einer kurzen, überschaubaren Zeit erfolgen. Das Einsammeln der Fra gebogen mittels Urnen und verschlossenen Kuverts unter Mitwirkung des Betriebsrates hat sich bewährt. 6 Die Rückmeldung der Ergebnisse durch die externe Unter suchungs in stanz er folgt in einem Bericht, der die allgemeine Interpretation der Ergebnisse im Sinne theoriegeleiteter Empirie und die Daten (Mittelwerte, Streuungen und Häufigkeitsverteilungen, graphische Darstellungen etc.) über die gebildeten Untersuchungs einheiten enthält. Die Präsentation der Ergebnisse in den wichtigsten Gremien der Organisation wird am besten durch die neutrale, externe Instanz gewährleistet. Die externe, neutrale Untersuchungsinstanz muß die Gewähr dafür bieten, daß die Untersuchung anonym durchgeführt wird, d.h. keine Daten an den Betrieb zurückgemeldet werden, die Rückschlüsse auf einzelne Befragte ermöglichen. Rückschlüsse auf einzelne Personen können z. B. gezogen werden, wenn einzelne Abteilungen/Gruppen nur aus sehr wenigen Mitarbeitern bestehen und eine auf diese Einheiten bezogene Auswertung durchgeführt werden kann. 7 Das Training von internen Moderatoren für die Rückmeldung der Ergebnisse und die Einleitung von Ver besserungsmaßnahmen im Sinne der Zielsetzung der Befragung ist äußerst wichtig. Die Rückmeldung an alle Mitarbeiter in den gebildeten Organisationseinheiten sollte nicht unbedingt durch die Linienvorgesetzten er folgen, die vom Tagesgeschäft geplagt und den Ergebnissen geblendet sind. Der Einsatz von Moderatoren ist ratsam. Die Einweisung der internen Moderatoren z.B. aus Personal-, Stabs-, Bildungsbereich bzw. der „Projekt organisation“ des Qualitätsmanagements kann am besten durch die externe Untersuchungsinstanz erfolgen.
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement 8 Die Entscheidungen über einzuleitende Maßnahmen aufgrund der Untersuchungsergebnisse und der Verbes se rungsvorschläge aus den Rückmel de workshops der Mitarbeiter dürfen nicht zu lange auf sich warten lassen und müssen entsprechend bekannt gemacht werden; dann haben die Mitarbeiter auch Verständnis dafür, daß Implementierungen kurz-, mittel- oder nur langfristig möglich sind. 5 Evaluierung und Operationalisierung von Mitarbeiter befragungen Die Evaluierung von Mitarbeiterbefragungen ist notwendig für die Überprüfung der Güte des Untersuchungsinstruments, sie ist auch Voraussetzung für mögliche Vergleiche (►Bench marking) inner- oder interorganisatorischer Ergebnisse sowie für wissenschaftliche Metaanalysen [8]. Die Evaluierung von Mitarbeiterbefragungen (wie sie z.B. vom Institut für Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Universität München durchgeführt werden) beruht auf der Dokumentation und Bewertung der einzelnen Phasen der Mitarbeiterbefragung wie folgt: 1 Kontext-Evaluierung: Diese stellt den schwierigsten Teil der Evaluierung dar jedoch einen sehr wichtigen; denn einem qualifizierten → Benchmarking (best practices) wie Metaanalysen mangelt es bekanntlich an Kontext- oder Hintergrundvariablen (dies gilt in besonderem Maße für subjektive Daten). Die Kontextevaluierung beinhaltet die Beschreibung und Bewertung der Motive, des Anlasses und der Rahmenbedingungen wie z.B. der wirtschaftlichen Situation der Organisation. Hierbei kommen zum Teil schwer meßbare aber besonders für Vergleiche wichtige Hintergrundinformationen zum Ansatz. Es sind evtl. qualitative Kulturvariable wie z.B. das Menschenbild in der Organisation oder auch mit dem Untersuchungs instrument abfragbare quantitative Schlüsselvariable wie z.B. drohende Arbeitslosigkeit; letztere erklärt evtl. mehr Varianz als z.B. die herkömmlichen Batterien soziodemo graphischer Variablen. 2 Konzept-Evaluierung: Hierunter fällt die Beschreibung der Verfahren und Entscheidungen, die zum Konzept der Mitarbeiterbefragung geführt haben sowie die Be gründungen für die Ziele und Konsequenzen, die sich aus der Befragung ergeben. Wichtig ist auch die Beschrei bung des Prozesses der Stichprobenwahl und Gruppen bildung [8], denn hierüber gibt es häufig recht unterschiedliche Vor stellungen z.B. zwischen Management und Mitarbeiterinteressenvertretung. Zu dokumentieren sind schließlich die Vorschriften für die Operationali sierung der Frage-Items. (Im Gegensatz dazu begnügen sich vorbereitende Sitzungen von MABen häufig mit der Ablaufplanung und dem Ansinnen an den externen Ex perten, er möge doch die betrieblichen Motive und Ziele benennen.) 3 Evaluierung der Operationalisie rung: Der Prozess der
Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement Konstruktion der Items ist – wie oben aufgezeigt – von der Bestimmung der Konzeption zu trennen. Die Evaluierung bezieht sich vor allem darauf, ob die Bestim mungen für die Operationalisierung eingehalten wurden und wieweit eine Verständnisprüfung stattgefunden hat. Eine differenzierte empirische Überprüfung ist in der Regel erst nach erfolgter Hauptuntersuchung möglich, weil für eine Reihe von Prozeduren ein umfangreicher Datensatz notwendig ist. Wie bereits oben aufgezeigt wurde, ist die Durchführung von Relibilitätsprüfungen und die faktoren- und diskriminanzanalytische Klärung der Konstruktvalidität kein grundsätzliches Problem. Wenn jedoch aufgrund der empirischen Überprüfung Struktur und Inhalte des Fragebogens verändert werden müssen, dann bereitet dies meist ziemliche Schwierigkeiten, es der betrieblichen Praxis zu vermitteln, daß z.B. eine als bedeutsam eingeschätzte Frage herausfällt. (Hier zeigen sich die Vorteile eines bereits gut evaluierten Instru ments, weil sich dann die Änderungen nur auf wenige Items beziehen.) Auch die inhaltliche Validität gilt es zu überprüfen. Für Sachverhalte, die – wie oben gefordert wurde – mehrdimensional abgedeckt sind, kann es sich z.B. empirisch zeigen, daß trotz der Verständlichkeitsprüfung ein Miss verständnis bei der Beantwortung aufgetreten ist; dieses festzustellen und zu klären ist für die Interpretation der Ergebnisse außerordentlich wichtig. Zum Beispiel können die Antworten zu einer Frage wie: „Mein Vorgesetzter ermutigt mich, selbständig zu arbeiten“, nur im Zusammenhang mit anderen Fragen zur Motivation richtig interpretiert werden! 4 Evaluierung der Durchführung: Diese bezieht sich im wesentlichen auf die Einhaltung der Ablaufplanung und des Umgangs mit Kriterien wie Anonymität und Freiwilligkeit; z.B. fällt die Statistik über Beteiligungsquoten von Kleinstgruppen durchaus unter die Anonymitätsklausel. 5 Evaluierung des Umgangs mit den Ergebnissen: Diese betrifft die Prozeduren des feed back-Prozesses, die Interpretation der Ergebnisse, die Einhaltung der im Konzept vereinbar ten Konsequenzen sowie den Prozeß der Entscheidungen und Implementierungen von Maßnahmen. Wie lange las sen Entscheidungen und Umsetzungen in den verschiedenen Organisationsbereichen auf sich warten? Die Mitarbeiterbefragung ist im Rahmen des Qualitätsma nagements sinnvoll, wenn sie an Qualitätskriterien gemessen werden kann. Neben einer Reihe von Kriterien, die den Ablaufprozess betreffen, sind es insbesondere empirische Standards und eine theoretisch fundierte Konzeption, die beachtet werden müssen. Dipl.-Soz. Rudolf Bögel, München Prof. Dr. Lutz von Rosenstiel, München Überarbeiter: Dipl.-Soz. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
695
M
Mitarbeiterbefragung Literatur
Weitere Literatur
[9] Bögel, R.; Rosenstiel, L.v.: Die Entwicklung eines Instruments zur Mitarbeiterbefragung: Konzept, Bestimmung der Inhalte und Operationalisierung. In: W. Bungard;I. Jöns (Hrsg.): Mitarbeiterbe fragung. Weinheim: Psychologie Verlags Union 1997 [10] Rosenstiel, L. v.: Grundlagen der Organisationspsychologie. 4. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 2000 [11] Rosenstiel, L.v.; Bögel, R.: Betriebsklima geht jeden an! München: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit, Familie und Sozialordnung, München 1992 [12] Bögel, R.; Rosenstiel, L.v.: Mitarbeiterbefragung im öffentlichen Dienst des Freistaats Bayern: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit, München 1999
696
Mitarbeiterbindung
▶Commitment ▶Mitarbeiterorientierung ▶Mitarbeiterzufriedenheit Der Erfolg von Qualitätsmanagementprogrammen wie ►Total Quality Management und die Ausrichtung der Organisation nach dem ►EFQM-Modell hängt entscheidend von der Mitwirkung und Unterstützung durch die Mitarbeiter ab. Eine Ausrichtung aller unternehmerischen Aktivitäten an den Bedürfnissen der Kunden (►Kundenorientierung) setzt voraus, dass das Potential der Mitarbeiter für die ►Wertschöpfung vollumfänglich genutzt wird. In diesem Beitrag geht es daher um die Frage, wie Mitarbeiter stärker an das Unternehmen und dessen Qualitätsziele gebunden werden können. 1 Das psychologische Band In der Organisationspsychologie wird die Bindung zwischen dem einzelnen Mitarbeiter und dem Unternehmen als organisationales Commitment bezeichnet. Commitment ist ein psychologisches „►Mindset“ aus Einstellungen, Überzeugungen und Emotionen, das die Beziehung zwischen dem einzelnen und der Organisation charakterisiert. Commitment ist metaphorisch als „psychologisches Band“ vorstellbar, das den Einzelnen mit der Organisation verbindet. Dieses Band kann von unterschiedlicher Stärke aber auch von unterschiedlicher Qualität sein. In der Forschung hat sich dabei die Unterscheidung zwischen affektivem, kalkulatorischem und normativem Commitment als zweckdienlich erwiesen. Darüber hinaus gibt es neben dem Unternehmen bzw. der Organisation noch weitere Bindungsziele, die für das Mitarbeiterverhalten relevant sind. 1.1 Bindungsqualitäten ◼ Affektives Commitment bezeichnet die emotionale Bindung an das Unternehmen (Gefühl des Wollens). Es beinhaltet: (1) Identifikation mit den Werten und Zielen des Unternehmens, (2) Stolz, dem Unternehmen anzugehören, sowie (3) ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zur Organisation. ◼ Kalkulatorisches Commitment bezeichnet eine auf rationalen Überlegungen basierende Bindung, bei denen die Chancen eines Wechsels gering eingeschätzt und/oder die Kosten des Austritts aus dem Unternehmen dem Nutzen des Verbleibs gegenübergestellt werden (Gefühl des Müssens). Würden beispielsweise bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes die aufgrund langer Betriebszugehörigkeit erworbenen Rentenzusatzansprüche oder aber die erreichte Position gefährdet, so wären dies Kosten, die die Wahrscheinlichkeit eines Wechsels verringern. ◼ Normatives Commitment bezeichnet die Bindung aufgrund moralischer Verpflichtung gegenüber anderen Personen, wie beispielsweise Arbeitskollegen oder der Führungskraft (Gefühl des Sollens). Wesentlich hierfür sind individuelle Normen und Wertvorstellungen, die im Rahmen familiärer aber auch betrieblicher Sozialisationsprozesse erworben wurden.
Begriff
M
[1] Der Begriffsumfang des als Oberbegriff bezeichneten Terms Qualitäts siche rung wird seit 1994 mit dem Begriff Qua li täts management abgedeckt. Auf die Verwendung von Qualitätssicherung wird im Haupt stichwort ►Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 und in ►Qualitätsmanagement ausführlich eingegangen. [2] Peters, T.J.; Waterman, R.H.: In Search of Excellence: Lessons from America’s Best-Run Companies. New York: Harper & Row Publ. 1982 [3] Ansoff, H. I.: Managing Surprise and Discontinuity Strategic Response to Weak Signals. Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 28, 1976, S. 129-152. – Dolata, B.: Betriebliche Früh erkennungssysteme und deren strategische Bedeutung. München: Hampp 1987 [4] Brandstätter, H.: Organisationsdiagnose. In: A. Mayer (Hrsg.): Organisationspsychologie, Stuttgart: Poeschel 1978, S. 43-71. – Kühlmann, T. & Franke, J.: Organisationsdiagnose. In: E. Roth (Hrsg.): Organisationspsychologie. Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie III, Bd. 3, Göttingen: Hogrefe 1989, S. 631651 [5] Bögel, R.: Wege zur Bestimmung des SOLL-Zustandes. In: L.v. Rosenstiel, C.M. Hockel & W. Molt (Hrsg.) Handbuch der Angewandten Psychologie IV-2. Landsberg/Lech: ecomed 1994 a. – Dörner, D.: Die Logik des Mißlingens. Reinbek: Rowohlt 1991 [6] Rosenstiel, L.v., Falkenberg, Th., Hehn, W., Henschel, E. & Warns, E.: Betriebsklima heute. München: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, 1982 [7] Payne, R., Fineman, S. & Wall, T.A.: Organizational climate and job satisfaction: a conceptual synthesis. In Organisation Behavior and Human Performance 16, 45-62, 1976 [8] Bögel, R.: Evaluierung. In: L.v. Rosenstiel, C.M. Hockel & W. Molt (Hrsg.) Handbuch der Angewandten Psychologie IV- 6. Landsberg/Lech: ecomed 1994 b
Mitarbeiterbindung
Mitarbeiterbindung
Neben Organisation, Team, Führungskraft und Beruf werden in der Forschung noch weitere Bindungsziele differenziert (z. B. Commitment gegenüber Karriere, Kunden, Top-Management, Beschäftigungsform, oder Veränderungen). Grundsätzlich lässt sich dabei jeweils zwischen den drei Bindungsqualitäten (affektiv, kalkulatorisch, normativ) unterscheiden (siehe Abbildung M26). Beispielsweise erleben Mitarbeiter mit einem hohen affektiven Commitment gegenüber der Führungskraft eine hohe Übereinstimmung bei den Werten und Einstellungen, und sind möglicherweise aufgrund der besonderen Fähigkeiten der Führungskraft froh über die gemeinsame Zusammenarbeit. Gleichzeitig kann es eine Reihe pragmatischer Gründe geben, die für den Verbleib bei der aktuellen Führungskraft sprechen. Man hat sich aneinander gewöhnt, kennt die Schwächen des anderen, und hat gelernt, damit umzugehen. In diesem Fall wäre das Commitment kalkulatorisch begründet. Fühlt man sich der Führungskraft hingegen zu Dank verpflichtet, oder hätte man Sorge, die Person durch das Verlassen ihres Verantwortungsbereichs in Schwierigkeiten zu bringen, wäre das Commitment normativer Natur.
Abb. M26: Bindungsqualitäten und Bindungsziele
Andere
Beruf
Führungskraft
Kalkulatorisches Commitment Gefühl des Müssens
Team
Affektives Commitment Gefühl des Wollens Organisation
1.2 Bindungsziele ◼ Organisationales Commitment bezeichnet die Bindung an das Unternehmen bzw. die Organisation als Ganzes. In ihren Ursprüngen hat sich die arbeits- und organisationspsychologische Bindungsforschung überwiegend mit diesem Bindungsziel befasst. ◼ Teamcommitment bezeichnet die Bindung an das eigene Team bzw. die eigene Arbeitsgruppe. Vor allem in grossen und komplexen Unternehmen fühlen sich Mitarbeiter eher ihrem unmittelbaren Bereich als der Gesamtorganisation zugehörig. Neueste Forschungsergebnisse liefern Hinweise, dass Unternehmen von einem dualen Commitment ihrer Mitarbeiter gegenüber dem Team und der Gesamtorganisation in besonderer Weise profitieren. ◼ Commitment gegenüber der Führungskraft bezeichnet die Bindung an die direkt vorgesetzte Person. Sie kann als Teilaspekt des Teamcommitments aufgefasst werden und tritt in ihrer Bedeutung vor allem dann in den Vordergrund, wenn die Gruppe aus organisatorischen Gründen (z.B. geringe Kooperationsanforderungen oder geringer Koordinationsbedarf) eine eher untergeordnete Rolle spielt. ◼ Berufliches Commitment bezeichnet die Bindung an den erlernten Beruf bzw. die ausgeübte Tätigkeit. Personen mit hohem beruflichen Commitment sehen in ihrer Tätigkeit primär einen Ausdruck der eigenen Identität („Wer bin ich?“). Für sie kann es daher von nachrangiger Bedeutung sein, in welcher Organisation sie tätig sind. Insbesondere in Arbeitskontexten, die durch hohe Professionalität und Expertentum gekennzeichnet sind (z.B. Wissenschaftler, Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure), ist berufliches Commitment oftmals besser zur Erklärung individueller Leistung geeignet als organisationales Commitment.
Mitarbeiterbindung
Normatives Commitment Gefühl des Sollens
1.3 Wechselwirkungen Grundsätzlich können alle drei Bindungsqualitäten gleichzeitig auftreten und multiple Commitments zu unterschiedlichen Bindungszielen existieren. Bei der Mitarbeiterbindung handelt es sich somit um ein komplexes Phänomen, dessen Bedingungen und Wirkungen in Abhängigkeit von Bindungsqualität und Bindungsziel differenziert erfasst werden müssen. Gleichzeitig wird ein umfassendes Verständnis erst dann möglich, wenn man auch Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Commitmentzielen und -qualitäten berücksichtigt. Für derartige Wechselwirkungen gibt es zahlreiche Belege, von denen einige an dieser Stelle kurz genannt seien: ◼ Wombacher und Felfe (2014) konnten in einem Experiment nachweisen, dass Intergruppenkonflikte im Unternehmen (z. B. Produktion vs. Vertrieb) insbesondere dann in gewinnbringender Weise gelöst werden, wenn Mitarbeiter ein duales affektives Commitment gegenüber ihrem Team und der Gesamtorganisation aufweisen. Kompetitives Konfliktverhalten und negative Auswirkungen für das Unternehmen zeigen sich hingegen bei einer einseitigen Bindung an das Team. ◼ Generell besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Stress und affektivem organisationalen Commitment. Im Kontext von Pflegeberufen konnte jedoch gezeigt werden, dass affektives Commitment gegenüber der Organisation (z. B. Krankenhaus, Pflegeeinrichtung) und gegenüber Patienten positiv mit Stress korreliert, wenn gleichzeitig das normative Commitment gegenüber der Organisation stark ausgeprägt ist (Felfe 2008). ◼ In einer Studie mit mehr als 200 Betrieben unterschiedlicher Branchen zeigte sich ein stärkerer Zusammenhang zwischen affektivem organisationalem Commitment und Mitarbeiterengagement (Organizational Citizenship Behavior), wenn auch das normative und kalkulatorische Commitment gegenüber der Organisation stark ausgeprägt waren (Wasti 2005).
697
M
Mitarbeiterbindung
Mitarbeiterbindung
2 Bindungsmanagement Was sind die entscheidenden Faktoren für ein erfolgreiches Bindungsmanagement? Die obigen Ausführungen machen deutlich, dass diese Frage nur unter Berücksichtigung der Bindungsqualitäten und der Bindungsziele beantwortet werden kann. Ein und dieselbe Massnahme zur Stärkung der Bindung zieht häufig mehrere Wirkungen nach sich. Beispielsweise kann eine zur Verfügung gestellte Weiterbildungsmaßnahme von einem Mitarbeiter als Investition des Unternehmens in die eigene Karriere aufgefasst werden. Das Unternehmen hat Zeit, Geld und Ressourcen bereitgestellt, und der Mitarbeiter kann sich nun im Gegenzug verpflichtet fühlen, seine Arbeitsleistung für die Organisation zu intensivieren. Auf diese Weise wird das normative Commitment gegenüber der Organisation gestärkt. Der Mitarbeiter könnte dieselbe Maßnahme aber auch als persönliche Unterstützung durch das Unternehmen verstehen. Die Organisation ermöglicht ihm die Weiterbildung, weil sie ihn als Person wertschätzt und unterstützt. Dadurch wird das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters gestärkt und das affektive Commitment gegenüber der Organisation steigt. Ist die Weiterbildung spezifisch auf die Tätigkeit im Unternehmen zugeschnitten und ausserhalb des Unternehmens nicht verwertbar, so wären die Teilnahme und der damit verbundene Aufwand vergeblich getätigt, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt. Es handelt sich somit um Kosten im Sinne des kalkulatorischen Commitment.
M
Kam die Weiterbildungsmaßnahme vor allem deswegen zustande, weil sich die vorgesetzte Person für den Mitarbeiter eingesetzt hat, so wird möglicherweise nicht die Bindung gegenüber der Organisation sondern gegenüber der Führungskraft gestärkt. Da jede Maßnahme somit unterschiedlich wahrgenommen und bewertet werden kann, ist es für das Bindungsmanage-
ment von entscheidender Bedeutung, dass die Maßnahmen in organisationsdienlicher Weise dargestellt und kommuniziert werden. Ziel sollte vor allem die Stärkung der affektiven Bindungskomponente sein, denn diese weist die stärksten Zusammenhänge zu wünschenswertem Mitarbeiterverhalten auf. Zahlreiche Studien belegen, dass sich Mitarbeiter mit einem höheren affektivem Commitment in unterschiedlicher Weise stärker für die Organisation engagieren und weniger Fluktuationsneigung zeigen. Es konnte sogar gezeigt werden, dass sich eine positive Bindung auch vorteilhaft auf die ►Kundenzufriedenheit auswirkt (Felfe & Heinitz 2010). 2.1 Bindungsdiagnostik Unverzichtbarer Bestandteil jedes Bindungsmanagements ist eine regelmässige Standortbestimmung unter Berücksichtigung der verschiedenen Bindungsqualitäten und -ziele. Die gewonnen Daten dienen als Planungs- und Entscheidungsgrundlage für konkrete Verbesserungsmassnahmen und sind somit im Rahmen eines umfassenden Qualitätsmanagements unentbehrlich. Commitment ist damit nicht nur eine Voraussetzung zur Erreichung von ►Qualitätszielen sondern gleichzeitig ein eigenständiges ►Qualitätsmerkmal. Für den deutschsprachigen Raum liegt mittlerweile ein differenziertes und flexibel einsetzbares Instrument mit dem Namen COMMIT vor, das von Felfe & Franke entwickelt wurde und sich in zahlreichen Studien als valide erwiesen hat. Mit diesem Instrument lässt sich das Commitment der Mitarbeiter gegenüber der Organisation, dem Team, dem Beruf und der Führungskraft mit den jeweiligen Komponenten (affektiv, normativ, kalkulatorisch) bestimmen. Die Ergebnisse können im Rahmen der Auswertung mit Normwerten verglichen werden (Benchmarking), die auf Basis von über 11.000 Befragten aus 39 Organisationen unterschiedlicher Größen und Branchen gewonnen wurden. Abbildung M27 zeigt ausgewählte Beispielitems zur Erfassung organisationalen Commitments aus der Untersuchung von Felfe & Franke (2012).
Abb. M27: Beispielitems zur Erfassung organisationalen Commitments Affektiv
◼ Ich bin stolz darauf, dieser Organisation anzugehören. ◼ Ich fühle mich emotional nicht sonderlich mit dieser
Organisation verbunden. (-)
Kalkulatorisch
◼ Zu vieles in meinem Leben würde sich ändern, wenn ich
diese Organisation jetzt verlassen würde.
◼ Ich habe schon zu viel Kraft und Energie in diese Organisa-
tion gesteckt, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken.
Normativ
◼ Selbst wenn es für mich vorteilhaft wäre, fände ich es
nicht richtig, diese Organisation zu verlassen.
◼ Viele Leute, die mir wichtig sind, wären enttäuscht, wenn
ich diese Organisation verlassen würde.
Quelle: Felfe, J. und Franke, F.: COMMIT. Verfahren zur Erfassung von Commitment gegenüber der Organisation, dem Beruf und der Beschäftigungsform. Göttingen 2012
698
2.2 Handlungsfelder Bei den für die Verbesserung der Bindung relevanten Faktoren lassen sich grundsätzlich drei Handlungsfelder unterscheiden (vgl. Abbildung M28). Der erste Bereich umfasst Merkmale der Organisation, wie etwa die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit. Der zweite Bereich beinhaltet die Merkmale der Arbeit selbst. Hierunter fallen insbesondere der Arbeitsinhalt und der gewährte Handlungsspielraum. Der dritte Bereich stellt die Mitarbeiterführung dar, womit insbesondere die Beziehung
Mitarbeiterbindung zwischen Mitarbeiter und der direkten Führungskraft angesprochen ist.
Mitarbeiterbindung Abb. M28: Handlungsfelder für Bindungsmanagement
Da es im Rahmen des ►QuaMerkmale der litätsmanagement darauf Organisation ankommt, die Mitarbeiter auf die Ziele des Gesamtunternehmens einzustimmen, sollen nachfolgend die Handlungsmöglichkeiten Merkmale der zur Steigerung des organisaArbeit tionalen Commitments und des Teamcommitments dargelegt werden. Wie bereits erwähnt, ist ein duales ComMitarbeitermitment gegenüber diesen beiden Entitäten besonders führung wünschenswert, da es die Kooperations- und Leistungsbereitschaft sowohl innerhalb von Teams als auch Legende zwischen Teams fördert. OCA = Organisationales Commitment, affektiv TCA = Teamcommitment, affektiv Hinsichtlich der BindungsOCN = Organisationales Commitment, normativ TCN = Teamcommitment, affektiv qualität ist das HauptaugenOCC = Organisationales Commitment, kalkulatorisch TCA = Teamcommitment, affektiv merk auf das affektive und das normative Commitment in dem sich Mitarbeiter von ihrem Unternehmen fair behanzu richten, während kalkuladelt fühlen. Dabei lassen sich zwei Dimensionen (distributiv, torisches Commitment – für sich alleine genommen – durchprozedural) unterscheiden. Die distributive Gerechtigkeit aus mit Risiken behaftet ist und somit nicht separat gefördert bezieht sich auf das Ergebnis eines Verteilungsprozesses (z.B. werden sollte. Aufstiegsentscheidungen, Verantwortungszuweisungen, Merkmale der Organisation Schichteinteilungen), das dann als gerecht empfunden wird, ◼ Organisationale Unterstützung wenn das Verhältnis des eigenen Beitrags (Arbeitsleistung) ◼ Organisationale Gerechtigkeit zum eigenen Ertrag (Gehalt, Beförderung, Lob) dem von Vergleichspersonen (Arbeitskollegen) entspricht. Bei der Organisationale Unterstützung bezieht sich auf die Überzeuprozeduralen Gerechtigkeit geht es um den Verteilungsprogung der Mitarbeiter, dass sich die Organisation für ihr Wohlzess selbst. Eine Entscheidungsfindung wird dann als gerecht befinden interessiert und sie dabei unterstützt, ihre Fähigkeiempfunden, wenn bestimmte Bedingungen, wie die Neutraten zum Erreichen der Unternehmensziele einzusetzen. Dies lität der Entscheidungsträger oder die Transparenz der Entäußert sich in Form von Investitionen in die Aus- und Weiterscheidungsprozesse, erfüllt sind. bildung (z. B. Fachlehrgänge, Studium, Sprachunterricht) so-
OCA
OCN
OCC
TCN
wie durch Unterstützung im außerberuflichen Bereich (z. B. Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice, usw.). In einer Metaanalyse von Meyer, Stanley, Herscovitch und Topolnytsky (2002), bei der die Ergebnisse zahlreicher Einzelstudien zusammengefasst und aufbereitet wurden, zeigt sich ein hoher durchschnittlicher Zusammenhang zwischen wahrgenommener organisationaler Unterstützung und affektivem und normativem organisationalem Commitment (ρ = .63 bzw. ρ = .47). Weitergehende Analysen von Felfe und Kollegen zeigen zudem einen positiven, jedoch schwächeren, Zusammenhang zum affektiven und normativen Teamcommitment (r = .29 bzw. r = .32). Organisationale Gerechtigkeit bezieht sich auf das Ausmass,
TCA
TCC
Meyer und Kollegen ermitteln in ihrer Metaanalyse hohe durchschnittliche Zusammenhänge zwischen den drei Gerechtigkeitsdimensionen und affektivem organisationalem Commitment (distributiv, ρ = .47; prozedural, ρ = .38). Zudem zeigt sich bei Lavelle und Kollegen ein Zusammenhang zwischen affektivem Teamcommitment und der prozeduralen Gerechtigkeit (r = .52), die sich auf Entscheidungsprozesse im eigenen Team bezieht (z. B. Möglichkeit zur Meinungsäusserung und Einflussnahme). Merkmale der Arbeit ◼ Arbeitsinhalt ◼ Gehalt ◼ Betriebsklima ◼ Aufstiegs- und Karrierechancen
699
M
Mitarbeiterbindung Für die Entstehung von Commitment ist der Arbeitsinhalt ein bedeutsamer Faktor. Hierbei lässt sich zwischen der Vielseitigkeit der zugewiesenen Aufgaben (job scope) und dem gewährten Handlungsspielraum unterscheiden. Idealerweise bietet der Arbeitsplatz die Möglichkeit, unterschiedliche Aufgaben zu erledigen, die mit verschiedenen geistigen und körperlichen Anforderungen verbunden sind. Zudem sollten die Mitarbeiter weitgehend selbständig über Arbeitsverfahren und Vorgehensweise, die Verwendung von Arbeitsmitteln und die zeitliche Einteilung entscheiden können. In einer Metaanalyse von Mathieu und Zajac (1999) zeigt sich ein starker Zusammenhang zwischen Arbeitsinhalt und affektivem Commitment gegenüber der Organisation (ρ = .50).
M
Neben dem Arbeitsinhalt spielen noch Gehalt, Betriebsklima, sowie Aufstiegs- und Karrierechancen eine wichtige Rolle. Insbesondere das Betriebsklima scheint zur Entstehung eines affektiven Teamcommitments beizutragen (r = .29). Positive Zusammenhänge zeigen sich auch zwischen Gehalt und affektivem organisationalem Commitment (r = .25); sowie zwischen Aufstiegschancen und affektivem und normativem organisationalem Commitment (r = .34 bzw. r = .20). Wenig überraschend dürfte die Beobachtung sein, dass das Gehalt auch die Entstehung einer kalkulatorischen Bindung begünstigt. Damit diese nicht einseitig kalkulatorisch bleibt, ist im Sinne der organisationalen Gerechtigkeit für Transparenz und Fairness im Gehaltsgefüge des Unternehmens zu sorgen. Zudem sollten Mitarbeiter regelmässig, z. B. im Rahmen von Mitarbeitergesprächen, Gelegenheit bekommen, über ihre Entwicklungsvorstellungen zu sprechen und mit ihrer Führungskraft abzustimmen. Mitarbeiterführung Im Bereich der Mitarbeiterführung haben zahlreiche Untersuchungen gezeigt, dass transformationale Führung auf die Entstehung von Commitment einen erheblichen Einfluss hat (Felfe 2006). Sie besteht aus vier Komponenten: ◼ ◼ ◼ ◼
Idealized Influence Inspirational Motivation Intellectual Stimulation Individualized Consideration
Mit Idealized Influence ist die Vorbildfunktion der Führungskraft angesprochen. Hierzu gehört, dass die vorgesetzte Person als Vorbild wirkt, indem sie z.B. persönliche Ziele und Bedürfnisse zugunsten anderer zurückstellt und bereit ist, Risiken mit ihren Mitarbeitern zu teilen. Inspirational Motivation besteht in der Befähigung, attraktive Visionen über die Zukunft des Unternehmens zu entwickeln und in überzeugender Weise zu kommunizieren. Intellectual Stimulation meint die Ermutigung der Mitarbeiter zu kreativem Denken und eigenständiger Arbeitsweise. Fehler werden toleriert und nicht öffentlich kritisiert. Individualized Consideration bezieht sich auf die Funktion der Führungskraft als Coach (►Coaching im Qualitätsmanagement), welcher die Bedürfnisse der Mitarbeiter nach Leistung und Wachstum erkennt und ihnen hilft, sich schrittweise zu entwickeln.
700
Mitarbeiterbindung aTransformationale Führungskräfte verändern („transformieren“) das Selbstkonzept ihrer Mitarbeiter, indem sie ihnen attraktive Visionen vermitteln und ihnen aufgrund ihres Vorbildcharakters als Identifikationspersonen dienen. Vor diesem Hintergrund konnte gezeigt werden, dass die Dimensionen Idealized Influence und Inspirational Motivation, aber auch Individualized Consideration das affektive und normative Commitment gegenüber der Organisation und dem Team im Sinne eines dualen Commitments stärken. Wichtige Voraussetzung für diese multiple Wirkung ist jedoch, dass die Veränderung des Selbstkonzepts im Sinne der Werte und Ziele der Organisation erfolgt. Insbesondere in grossen Unternehmen, in denen die Organisation für den Einzelnen kaum mehr erkennbar ist, entstehen häufig konfligierende Subkulturen mit abweichenden Werten und Normen (►Organisationskultur), die zu Intergruppenkonflikten innerhalb der Organisation führen können (z. B. Produktion vs. Marketing, Entwicklung vs. Vertrieb, Markt vs. Verwaltung). Transformiert die Führungskraft das Selbstkonzept der Mitarbeiter ausschliesslich im Sinne dieser Subkulturen, und fehlt eine Identifikation mit der Gesamtorganisation, kann darunter die Kooperationsbereitschaft zwischen Teams und Abteilungen leiden. Duales Commitment (Team und Organisation) setzt somit voraus, dass die Führungskraft neben den Besonderheiten des eigenen Teams auch die Identität der Gesamtorganisation hervorhebt und betont (Wombacher & Felfe 2014). Ähnliches gilt für das Commitment in internationalen Kontexten. Duales Commitment meint hier die gleichzeitige Bindung von Expatriates an den entsendenden Mutterkonzern und die Dependence im Ausland (Nguyen, Felfe & Fooken, 2013). 3 Zusammenfassung Mitarbeiterbindung ist facettenreich. Die Determinanten und Wirkungsweisen der Bindung können nicht losgelöst betrachtet werden von den zugrundeliegenden Bindungsqualitäten und -zielen. Gleichwohl scheint für die Erreichung der Unternehmensziele im Sinne des Qualitätsmanagements insbesondere ein duales Commitment der Mitarbeiter gegenüber dem Team und der Gesamtorganisation wünschenswert. Das Unternehmen kann diese Bindung fördern, indem es für Gerechtigkeit von Verteilungsprozessen sorgt, seine Mitarbeiter in beruflichen und außerberuflichen Belangen unterstützt, ihnen herausfordernde und abwechslungsreiche Tätigkeiten bietet, und seine Führungskräfte die Prinzipien der transformationalen Führung verinnerlichen und umsetzen lässt. Eine starke Bindung der Mitarbeiter wirkt sich positiv auf deren Leistungsverhalten aus. Prof. Dr. Jörg Felfe, Hamburg Dipl.-Ökon. Jörg Wombacher, Basel Literatur
Felfe, J.: Transformationale und charismatische Führung – Stand der Forschung und aktuelle Entwicklungen. Zeitschrift für Personalpsychologie, 2006, 5, 163-176 Felfe, J.: Mitarbeiterbindung. Göttingen (Hogrefe) 2008 Felfe, J. und Franke, F.: COMMIT. Verfahren zur Erfassung von Commitment gegenüber der Organisation, dem Beruf und der Be-
Mitarbeiterorientierung schäftigungsform. Göttingen (Hogrefe) 2012 Felfe, J. & Heinitz, K.: The impact of consensus and agreement of leadership perceptions on commitment, OCB and customer satisfaction. European Journal of Work- and Organizational Psychology, 2010, 19, 279-303 Felfe, J. und Wombacher, J.: Mitarbeiterbindung (Commitment). In: Pekruhl, U., Spaar, R. und Zölch, M. (Hrsg.): Human Resource Management Jahrbuch 2013. Zürich (Weka) 2013 Lavelle, J. et al.: Commitment, procedural fairness, and organizational citizenship behavior: A multifoci analysis. Journal of Organizational Behavior, 2009, 30, 337-357 Mathieu, J. and Zajac, D.: A review and meta-analysis of the antecedents, correlates, and consequences of organizational commitment. Psychological Bulletin, 1990, 108, 171-194 Meyer, J., Herscovitch, L., Stanely, D. und Topolnytsky, L.: Affective, continuance, and normative commitment to the organization: A meta-analysis of antecedents, correlates, and consequences. Journal of Vocational Behavior, 2002, 61, 20-52 Nguyen, P., Felfe, J. & Fooken, I.: Antecedents of Commitment to a Parent Company and to a Local Operation: Empirical Evidence from Western Employees Working for Multinational Companies in Vietnam. International Journal of Human Resource Management, 2013, 24, 1346-1375 Riketta, M. und Van Dick, R.: Foci of attachment in organizations: A meta-analytic comparison of the strength and correlates of workgroup versus organizational identification and commitment. Journal of Vocational Behavior, 2008, 72, 490-510 Wasti, S.: Commitment profiles: Combinations of organizational commitment forms and job outcomes. Journal of Vocational Behavior, 2005, 67, 290-308 Wombacher, J. und Felfe, J.: The role of team and organizational commitment in resolving intergroup conflict in the organization: An experimental study. Paper presented at the 28th International Congress of Applied Psychology (ICAP) 2014, Paris.
Mitarbeiterorientierung
▶en: employee-orientation 1 Grundsätzliches Qualitätsmanagement kann nur erfolgreich sein, wenn alle Mitarbeiter eingebunden werden. Hierauf basiert der TQMGedanke. Die Grundhaltung in einer Organisation, die darauf fokussiert, jeden einzelnen Mitarbeiter als bedeutendes Problemlösungs- und Kreativitätspotenzial zu betrachten und dementsprechend zu behandeln, kann Mitarbeiterorientierung genannt werden. In der ISO 9000:1987-Familie wurde sie noch nicht explizit thematisiert. Heute gilt folgendes Selbstverständnis: Es ist die Aufgabe des Managements, ein Umfeld zu erzeugen, in dem Menschen ihre Fähigkeiten entfalten und damit zur Wertschöpfung im Unternehmen beitragen können. Mitarbeiter sollten in die Gestaltung der Prozesse einbezogen werden, damit sie ihre Potenziale freisetzen und ihre Fähigkeiten einbringen können. Ziel ist es, das Know-how der Mitarbeiter zur ständigen Verbesserung (KVP) sämtlicher Prozesse im Hinblick auf Qualität und Produktivität zu nutzen. In ►Grundsätze und Konzepte des Qualitätsmanagements nach ISO 9000:2015-11 wird Mitarbeiterorientierung mit dem Begriff „Engagement von Personen“ beschrieben. Im ►EFQM-Modell wird der
Mitarbeiterorientierung Mitarbeiter nicht nur als Bewertungsmodul hervorgehoben, er wird auch im wechselseitigen Zusammenhang von Prozessen und Ergebnissen gesehen. Mitarbeiterorientierung ist eine Voraussetzung, um Kunden- und Prozesorientierung erfolgreich umsetzen zu können. All diese Annahmen und Einschätzungen verdeutlichen, dass die Einbindung der Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung der Qualität ist. Allerdings darf Beteiligung der Mitarbeiter nicht als reiner Humanisierungsansatz verstanden werden, sondern als Instrument zum Nutzen des Unternehmens und des einzelnen Mitarbeiters. 2 Mitarbeiterorientierung durch People Empowerment Ansätze der Mitarbeiterorientierung, die eine verstärkte Beteiligung und Einbindung der Mitarbeiter zum Ziel haben, werden im englischen Sprachraum unter dem Begriff People Empowerment subsumiert, eine Bezeichnung, die auch in Deutschland zunehmend Verbreitung findet (►Empowerment). Ähnlich wie bei vielen aktuellen Schlagworten gibt es auch für People Empowerment keine einheitliche, in sich geschlossene Definition. Der zentrale Aspekt wird aber beim EFQM-Modell deutlich: „Empowerment – giving people the authority and autonomy to do their jobs.“ Hier zeigt sich, daß People Empowerment nicht bei einer sporadischen Beteiligung der Mitarbeiter z. B. im Rahmen von ►Mitarbeiterbefragungen oder ►Qualitätszirkeln stehen bleibt, sondern die tägliche Arbeit integriert. Neben der sich hieraus ergebenden Abgrenzung einer Teilzeit-Beteiligung und einer Vollzeit-Beteiligung als Ausprägungsformen des Umfangs des Empowerment bestehen weitere Ansatzpunkte zur Differenzierung verschiedener Instrumente. Bezüglich der Tragweite des Empowerment lassen sich in Anlehnung an Lawler drei Ebenen unterscheiden [1]: ◼ Vorschlagsrechte – Die unterste Ebene bilden die Vor schlagsrechte der Mitarbeiter. Diese erhalten die Gelegenheit, eigene Vorschläge zu formulieren, haben aber keinen Einfluss auf Ausgestaltung und Umsetzung ihrer Anregungen. Derar ti ge Be teiligungsrechte besitzt – zumindest theoretisch – jeder Mitarbeiter, eine In stitutionalisierung erfolgt u. a. durch das Betriebliche Vorschlagswesen. ◼ Beteiligungsrechte – Die Mitarbeiter werden an der Analyse von Problemen, der Erarbeitung von Konzepten oder der Vorbereitung von Entscheidungen beteiligt und können damit aktiv Einfluss auf ihr Arbeitsleben nehmen. Die Entscheidung über die Umsetzung wird allerdings von übergeordneten Ebenen getroffen. ◼ Entscheidungsrechte – Hierbei besitzen die Mitarbeiter für einen vorher definierten Aufgabenbereich in einem vereinbarten Rahmen die Kompetenz, Entscheidungen selbst zu treffen und umzusetzen. Durch die Delegation der Entscheidungskompetenz kommt den Vorgesetzten eine koordinierende und beratende Rolle zu. Bei der
701
M
Mitarbeiterorientierung
M
Mitarbeiterorientierung
Übertragung von Entscheidungskompetenzen wird – im Gegensatz zu Vorschlags- und Beteiligungsrechten – damit auch Mitbestimmung nach unten übertragen.
sondern durchaus traditionelle hierarchische Strukturen beibehalten werden können und damit People Empowerment gering bleibt.
Die Differenzierung mehrerer Ebenen macht deutlich, dass People Empowerment erst mit der Übertragung von Ent scheidungskompetenzen seine volle Wirkung entfalten kann. Die Beschränkung auf Vorschlags- und Beteiligungsrechte – und damit nicht selten auch das Zurückweisen oder Ignorieren der Ideen der Mitarbeiter durch das Management – führt auf Dauer bei vielen Mitarbeitern zu Frustration und Ablehnung, was u. a. viele gescheiterte Qualitätszirkel-Ein führungen (►Qualitätszirkel) in den 1980er Jahren belegen. Die dritte Dimension des People Empowerment, die Entscheidungsrecht, betrifft die Zielgruppe. Hier sind zwei Ansätze zu unterscheiden:
Neben der Differenzierung unterschiedlicher Ansätze des People Empowerment, wodurch auch den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung getragen wird, ist die Einbindung in das gesamte Qualitätsmanagement der Organisation erforderlich. Dies wird bei der Berücksichtigung von Aspekten der Mitarbeiterorientierung im European Quality Award deutlich.
◼ Beteiligung einzelner Mitarbeiter – Im Mittelpunkt steht hierbei die Kompetenz von Mitarbeitern, ihre Aufgaben vollständig zu bewältigen, d. h., die notwendigen Entscheidungen zu treffen, um die Forderungen der Kunden ohne bzw. mit wenig Kontrolle/Rücksprache zu erfüllen. Dadurch, dass die Mitarbeiter die Fähigkeiten, die Möglichkeiten und die Autorität besitzen, auftretende Probleme eigenständig zu lösen und damit an kontinuierlichen Verbesserungen mitzuwirken, können sie effektiv arbeiten. ◼ Beteiligung von Teams – Hier besteht die größte Tragweite in selbststeuernden Teams (z. B. ►Teilautonome Arbeitsgruppen), die viele ihren Arbeitsbereich betreffenden Auf gaben weitgehend eigenständig bewältigen. Ein Großteil der Koordinations-, Planungs-, Kontroll- und Verbesserungsaufgaben, die bisher durch Vorgesetzte oder spezielle Abteilungen erledigt wurden, wird in die Gruppe integriert. Die Teammitglieder tragen dadurch gemeinsam die Verantwortung für das Erreichen der Ziele des Bereiches. Aus der Kombination der Aus prä gungs for men der drei Dimensionen des People Em powerment lassen sich verschiedene Instrumente ableiten, deren Einsatz aufeinander abgestimmt sein muss. So ist es nicht sinnvoll, weitgehende Maß nahmen der Teilzeit-Beteili gung zu realisieren, ohne entsprechende Veränderungen der Aufgabengestaltung und der Führungskultur (►Unternehmenskultur) vorzunehmen. Wichtig ist in jedem Fall, dass Empowerment immer bei der Einflussnahme auf die eigene Arbeit beginnen muss; unternehmerisches Denken und Handeln kann nicht erwartet werden, wenn die Mitarbeiter keine Möglichkeit besitzen, Missstände bei ihren eigenen Arbeitsaufgaben zu beseitigen. Eine funktionierende Vollzeit-Betei li gung der Mitarbeiter hängt in erster Linie vom Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten ab, da dieser in großen Teilen die eigenverantwortliche Erfüllung des Tagesgeschäftes unterstützen oder auch behindern kann. Beim Einsatz von Arbeitsgruppen ist zu beachten, dass hier nicht automatisch in großem Umfang Entscheidungsrechte an die Mitarbeiter delegiert werden,
702
3 Voraussetzungen und Grenzen der Mitarbeiterorientierung Eine erfolgreiche Mitarbeiterorientierung ist nur möglich, wenn als Basis eine → Vertrauenskultur (‘Freedom to fail’) geschaffen wird und strukturellen Gegebenheiten an die Erfordernisse der Mitarbeiterorientierung angepasst werden (Delegation von Kompetenz und Verantwortung, systematisches Infor ma tions- und Kom munikationssystem, etc.). Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Unterstützung durch die direkten Vorgesetzten, die das tägliche Empowerment beeinflussen. Bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung der Mitarbeiterorientierung muss auch beachtet werden, dass hier „natürliche Grenzen“ bestehen: ◼ Aufgabenstruktur – Viele Arbeitstätigkeiten, insbesondere auf der ausführenden Ebene, sind sehr stark strukturiert (z. B. Fließbandarbeiten) und bieten daher – zumindest ohne größere organisatorische Änderungen – nur ein begrenztes Potential für die Übertragung von Gestaltungsund Entscheidungsbefugnissen. ◼ Qualifikation – Die Qualifizierbarkeit von Mitarbeitern ist begrenzt – einerseits hängt sie von den individuellen Fähigkeiten ab, andererseits auch von der Bereitschaft. Es ist daher – auch im Sinne von TQM-Ansätzen – nur sinnvoll, Mitarbeitern Verantwortung zu übertragen, wenn sie für deren Wahrnehmung ausreichend qualifiziert sind. ◼ Fähigkeit und Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung – Mitarbeiterbeteiligung erfordert von Mitarbeitern die Übernahme von Verantwortung für sich selbst, ihre Kollegen, ihre Arbeit bzw. Arbeitsergebnisse und das Unternehmen. Nicht alle Mitarbeiter sind bereit – und in der Lage, diese Verantwortung zu übernehmen. ◼ Information – Neben dem hohen Aufwand einer zielgruppenspezifischen Aufbereitung von Informationen ist der Zugang aus datenschutzrechtlichen Gründen und zur Vorbeugung gegen Missbrauch (vor allem Weitergabe an Unbefugte) zu regeln. So kann es unvermeidbar sein, strategisch bedeutende Informationen nur einer begrenzten Anzahl von Mitarbeitern zugänglich zu machen. Dadurch werden zwangsläufig die Möglichkeiten zum unternehmerischen Handeln eingeschränkt. ◼ Ressourcen – Mitarbeiterbeteiligung erfordert – wie alle Formen von Delegation – Koordinationsaktivitäten, um eine Suboptimierung zu vermeiden. Dies setzt personelle Ressourcen (quantitativ und qualitativ) voraus. Ebenso
Mitarbeiterzufriedenheit – indirekte Indikatoren erfordern diverse Qualifizierungsmaßnahmen für Mitar beiter und Vorgesetzte sowie die permanente Bereitstellung von Informationen auch finanzielle Ressourcen. Durch diese Grenzen wird deutlich, daß die Einführung von Maßnahmen zur Förderung der Mitarbeiterorientierung nie abgeschlossen sein kann, sondern sich deren Reichweite der Beteiligung kontinuierlich vergrößert. Um die Vorteile dauerhaft zu nutzen ist es von entscheidender Bedeutung, dass die verschiedenen Instrumente nicht isoliert eingesetzt werden, sondern Bestandteil eines umfassenden und Integrierten Qualitätsmanagements sind. Die isolierte Implementierung einzelner Elemente erzielt nicht nur eine im Vergleich zum Aufwand geringe Wirkung, sondern kann sogar kontraproduktiv werden (z. B. Mitarbeiterbefragung ohne nachfolgende Verbesserungsaktivitäten). Literatur [1] Lawler, E.E.: Choosing an Involvement Strategy. In: Academy of Management Executive, 2. Jg. (1988), S. 197-204
Mitarbeiterzufriedenheit
▶Arbeitszufriedenheit ▶Job Diagnostic Survey ( JDS) ▶Management der Dienstleistungsqualität
Mitarbeiterzufriedenheit – indirekte Indikatoren ▶en: employee-satisfaction – indirect indikators
Ein wirksames Qualitätsmanagement erfordert die regelmäßige Überprüfung ergriffener Maßnahmen. Analog zur Kundenorientierung erfordert auch die ►Mitarbeiterorien tierung eine regelmäßige Erfassung der Auswirkungen, die wiederum als Basis für Verbesserungen dienen. Dieses Ver ständnis kommt vor allem im European Excellence Award zum Tragen: Das Kriterium Mitarbeiterzufriedenheit ist hier ein gewichtetes Merkmal. Es werden einerseits direkte, d. h. sich unmittelbar aus der Befragung der Mitarbeiter ergebende Kenngrößen der Mitarbeiterzufriedenheit bewertet, andererseits werden indirekte Indikatoren berücksichtigt. Die indirekten Aspekte der Erfassung der Mitarbeiterzufriedenheit werden im folgenden betrachtet. Neben der unmittelbaren Rückmeldung durch Befragungen (►Mitarbeiterbefragungen [1]) können ergänzend indirekte Indikatoren zur Erfassung der MAZ herangezogen werden. Verschiedene Beispiele illustrieren dies: Mittelbare Zufriedenheitsindikatoren wie Abwesenheits- und Krankheitsquoten (inkl. der Reduzierung von Unfallzahlen), Personal fluktuation, Mitarbeiterbeschwerden oder Einstellungstrends (z. B. problemlose Nachwuchsbeschaffung). Auch die Akzep tanz von Beteiligungsangeboten wie das ►Betriebliche Vorschlagswesen, Problemlösungs- und Projektgruppen oder von Trainings- und Weiterbildungsangeboten lässt Rück schlüsse auf die Mitarbeiterzufriedenheit zu. Seit 1996 sind im European Quality Award (jetzt ►European Excellence Award) mit dem Ansatzpunkt Messbare Leistun-
Mitarbeiterzufriedenheit – indirekte Indikatoren gen durch Teamarbeit zudem Erfolgsgrößen zur Bewertung der Mitarbeiterzufriedenheit explizit einbezogen. Dies erscheint einerseits vor dem Hintergrund teilweise zu beobachtender quantitativen Schwerpunkte (Anzahl der Mitarbeiter in Teams, Anzahl der Teamsitzungen pro Jahr, Anzahl der Verbesserungsvorschläge pro Mitarbeiter) unbedingt erforderlich. Andererseits wird damit auch verdeutlicht, daß Maß nahmen zur Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit kein Selbstzweck sind, sondern letztlich auch der Organisation zu gute kommen müssen. Die Frage, die sich in diesem Kontext stellt, ist die, welche weitere Möglichkeiten zur Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit bestehen. Beispielhaft wird im folgenden auf einige kurz eingegangen: ◼ Betriebliche (Sozial-)Einrichtungen – Hierzu zählen alle Einrichtungen, die nicht unmittelbar der betrieblichen Leistungserstellung dienen, wie z.B. Kantine, Betriebssportgruppen und sonstige Freizeitaktivitäten, Betriebs hotels, Werkzeugverleih oder Kindertagesstätten. ◼ Freiwillige Zusatzleistungen – Neben den gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen besteht die Möglichkeit, durch freiwillige Regelungen die Aktivitäten der Mitarbeiter zu unterstützen. Diese können sich u.a. auf Frei stellungsregelungen, finanzielle Unterstützung, Arbeitsplatzgarantie bei längerfristigen Bildungsmaßnahmen (z.B. Studium für Meister, Technikerausbildung) oder die Förderung nicht unmittelbar tätigkeitsbezogener Weiterbildungsaktivitäten beziehen. ◼ Cafeteria-Systeme – Cafeteria-Systeme [2] berücksichtigen Aspekte der vorgenannten Ansätze zur Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit und ermöglichen eine individuelle Zusammensetzung ihrer Entgeltbestandteile. Dabei sind verschiedene Ausrichtungen zu unterscheiden, die sich auf Geldleistungen (inkl. Firmenwagen, ...), Zeitleistungen (flexible Arbeitszeiten, ...), Geld-/ZeitVerrechnungs-Leistungen (z. B. Zusatzurlaub), Sozialleistungen, Gesundheitsleistungen, Beratungsleistungen u. a. beziehen können. Völlige Wahlfreiheit ist in der praktischen Ausgestaltung derartiger Systeme aufgrund betrieblicher Erfordernisse und Restriktionen steuerlicher Art nicht möglich. Verbreitet sind deshalb Modelle mit eingeschränkter Wahlfreiheit (Paketlösungen). Eine Untersuchung der wahrgenommenen Angebote hat gezeigt, daß ältere Mitarbeiter vorwiegend Leistungen zur Ver besserung der Alters ver sorgung und jüngere Mitarbeiter sich bevorzugt für Pkw-Angebote, Sabbaticals (Langzeiturlaub) und Betriebsaktien entscheiden. Derartige Ansatzpunkte zur Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit wirken sich allerdings bei den meisten Mitarbeitern nur kurze Zeit motivierend aus. Langfristig können sie nur in Verbindung mit weitergehenden Formen des People Empowerment (►Mitarbeiterorientierung) erfolgreich sein (►Mo tivationsmanagement). Literatur
[1] Die theoretischen und methodischen Aspekte von Mitarbeiterbefragungen sind im Hauptstichwort ►Mitarbeiterbefragung im
703
M
Mitunternehmertum Qualitätsmanagement ausführlich behandelt. Außerdem verdient das folgende methodische Instrument im Rahmen von Erhebungen bei Mitarbeitern besondere Beachtung: ►Job Diagnostic Survey ( JDS). [2] Zu Cafeteria-Systemen findet sich eine ausführliche Darstellung im Hauptstichwort ►Management der Dienstleistungsqualität.
Mitunternehmertum
▶Menschenbild ▶Human-Ressourcen-Management ▶Kunden-Lieferanten-Beziehungen (KLB) ▶Mitarbeiterorientierung ▶Empowerment ▶Leadership „Wir denken, entscheiden und handeln unternehmerisch.“ – Diesen Unternehmensleitsatz im Bewusstsein breiter Beleg schaftsschichten zu verankern, wird zunehmend erklärtes Ziel von Managern und Personalexperten.
Begriff
Unter Mitunternehmertum soll die aktive und effiziente Unterstützung der Unternehmensstrategie durch problemlösendes, sozialkompetentes und umsetzendes Denken und Handeln einer möglichst großen Anzahl von Mitar beitern aller Hierarchie- und Funktions bereiche mit hoher Eigeninitiative und -verantwortung verstanden werden. Analog dazu werden unternehmerische Mitarbeiterführung und -entwicklung defi niert als innovations-, integrations- und umsetzungsgerichtete soziale Beeinflussung, Koordination und Förderung von Organisationsmitgliedern zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben.
M
Beim Mitunternehmertum geht es konkret um die Förderung (mit-)unternehmerischer Orien tie rungen und Verhaltensmuster von Mitarbeitern mit und ohne Führungsfunktion. Das ►Menschenbild vom neuen Mitarbeiter macht den kreativen, eigenständig denkenden und handelnden Mitarbeiter zum zentralen ►Erfolgsfaktor des Unternehmens. Gefragt ist daher ein Mitarbeitertypus, der Erfahrungswissen aufbaut und ausschöpft, im Rahmen seines Aufgabenfeldes und zusammen mit anderen (Kollegen, Vorgesetzten, Mitarbeitern, Kunden) beständig Optimierungsmöglichkeiten sucht und realisiert und der sich als abhängig Beschäftigter so engagiert wie ein Unternehmer. Man spricht daher auch von unternehmerischem Denken und Handeln, von internem Unternehmertum bzw. von Mitunternehmertum. Das Konzept Mitunternehmertum thematisiert die Förderung eines solchen unternehmerischen Denkens und Handelns bei breiten Schichten von Mitarbeitern als Transfor mationsaufgabe. Es ist von R. Wunderer in [1] entwickelt worden. Mitunternehmertum wird wie folgt definiert: Im Mittelpunkt unternehmerischer Führung und Entwicklung steht folglich die nach Kontext, Qualifikation und Motivation differenzierte Förderung unternehmerischen Denkens und Handelns bei möglichst vielen Mitarbeitern, also nicht
704
Mitunternehmertum nur das unternehmerische Verhalten des (Top-)Manage ments. Ein solcher Transformationsprozess vom Mitarbeiter zum Mitunternehmer macht es erforderlich, sich mit folgenden Fragestellungen zu befaßen: ◼ Welche Einflüsse aus dem unternehmensexternen und -internen Umfeld wirken begünstigend bzw. hemmend auf die Transformation von Mitarbeitern zu Mitunternehmern? (Umfeld) ◼ Welche Ziele werden mit der Transformation verfolgt? (Ziele) ◼ Welche menschlichen Potentiale bzw. welche qualitative Personalstruktur setzt die Transformation voraus? (menschliche Potentiale) ◼ Welche Steuerungs- und Führungskonzepte können die Transformation besonders fördern? (Steuerung und Führung) ◼ Welche Ansätze der Mitarbeiterauswahl und -entwicklung unterstützen den Transformationsprozess? (Auswahl und Entwicklung) Das Konzept des Mitunternehmertums beansprucht keine generelle Geltung. Bestimmte Voraussetzungen müssen genauso diskutiert, wie Grenzen den Ansatzes gesetzt werden. Sehr wohl ist zu beobachten, daß in Leitbildern und Leit sätzen (►Qualitätsleitbilder) das Mitunternehmertum schon vielfach formuliert wird, wie das Beispiel des Unternehmens leitsatzes der BMW AG zeigt: Unternehmerische Verantwortung zu übernehmen, das heißt konkret: ich fordere Zielvereinbarungen und trage die Verantwortung für meinen Beitrag zur Zielerreichung; ich trage die Verantwortung für die Qualität meiner Arbeit; ich trage die Verantwortung für mich selbst, insbesondere für meine Gesunderhal tung und meine berufliche Weiterentwicklung. Ob Mitunternehmertum – auch im Sinne einer Unterstützung des Qualitätsmanagements – gelingen kann, hängt wesentlich vom Selbstverständnis des Organisationstyps ab. Von Rosenstiel präferiert hier unter Rückgriff auf Etzioni drei Typen [2]: ◼ solchen mit entfremdetem Engagement ◼ solchen mit kalkulativem Engagement und ◼ solchen mit moralischem Engagement. Nur am dritten Typ kann Mitunternehmertum anknüpfen [3]: „Entsprechend muss neben das kalkulative Engagement das moralische treten, d. h. Mitarbeiter sollen aus eigener Überzeugung und aus eigener Inititative im Sinne ihrer Wertorientierungen das unterstützen, was das Unternehmen anstrebt. Sie müssen von den Zielen ihrer Abteilung überzeugt sein, sich mit den Dienstleistungen oder Produkten, an denen sie mit-
Mobile Device Management wirken, identifizieren und von den Visionen und Leitbildern ihres Unternehmens begeistert sein. Neben den Druck und die Belohnung von außen tritt also – bei vielen von ihnen – die ►Motivation.“ Mitunternehmertum ist zunächst einmal ein Konzept der ►Organisationsentwicklung. Es gilt, diesen Ansatz für das Qualitätsmanagement fruchtbar zu machen. Sehr gut vor stellbar ist, daß es gerade in Organisationen, die bisher den Zugang zum Qualitätsmanagement nur schwer geschafft ha ben, ein möglicher Transmissionsriemen sein könnte. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Wunderer, R. (Hrsg.): Mitarbeiter als Mitunternehmer. Grundlagen, Förderinstrumente, Praxisbeispiele. Neuwied-Kriftel: Luch terhand 1999 [2] Rosenstiel, L. v.: Mitunternehmertum – Unterstützung durch unternehmerische Kulturgestaltung. In: [1], S. 82 [3] s. [2], S. 82
MNPQ
Mess-, Normen-, Prüf- und Qualitätsmanagementwesen
Mobile Device Management
Begriff
▶MDM ▶Device = Gerät ▶IT-Sicherheit ▶Informationssicherheit ▶ISO 27000
1 Begriffe Smartphones, Tablets/Pads, Netbooks, Laptops und ähnliche Geräte, die „mobil“ genutzt werden können – etwa auf Reisen weltweit, an „fremden“ Arbeitsplätzen, auf Konferenzen oder im Home-Office, bezeichnet man als mobile IT-Systeme. Letztlich fallen hierunter auch sog. Wearables: am Körper zu befestigende tragbare Geräte wie Headsets, Datenbrillen, Daten-Armbänder und -Uhren. Alle Prozesse und Einrichtungen eines Unternehmens, die dem Zweck dienen, mobile IT-Systeme in die Geschäftsprozesse einzubinden, fasst man unter dem Begriff mobile IT-Infrastruktur zusammen. Mobile Device Management (MDM) umfasst alle Aspekte der Planung, Einrichtung, des Betriebs und der Überwachung einer solchen mobilen IT-Infrastruktur. 2 Mobile IT-Systeme Die in Kapitel 1 genannten Systeme stellen z. T. sehr leistungsfähige Geräte dar, die auf der Hardware-Seite vielfach über Dual- und Quad-Core-Prozessoren sowie Grafikauflösungen verfügen, die teilweise den heimischen Fernsehgeräten in nichts nachstehen bzw. diese sogar übertreffen. Sie sind in unterschiedliche Netzwerke integrierbar, nutzen Cloud Services als Backup oder zur Synchronisation mit anderen Systemen, erlauben mobiles Telefonieren u.v.m. Als Betriebssysteme
Mobile Device Management kommen u. a. IOS, Android (mit Unix-basierten Kernels) und proprietäre Systeme wie Windows Phone, Blackberrys zum Einsatz. Gerade die Synchronisation von Kalender, Email, Notizen, Fotos etc. über verschiedene mobile und stationäre Plattformen, die Konnektivität mit sozialen Netzwerken und Unternehmensnetzwerken sind attraktive Leistungsmerkmale – ebenso wie die Standortbestimmung (Ortung), Routenplanung und -verfolgung, Verfolgen von Flug- und Schiffsverkehr u. v. m. Diese Features werden durch installierbare Apps erbracht, die aus einschlägigen App Stores geladen und installiert werden können. Inzwischen sind auch leistungsfähige Software-Pakete wie z.B. Microsoft Office für mobile Systeme verfügbar und erlauben die Bearbeitung etwa von Vorträgen und Manuskripten – synchronisiert über mehrere Plattformen und sogar simultan mit mehreren Nutzern. Vor dem Hintergrund dieser Möglichkeiten ist verständlich, dass diese Systeme eine immer stärkere Verbreitung in Unternehmen und bei Privatpersonen finden. 3 Sicherheits- und Datenschutzprobleme Mobile IT-Systeme sind zunächst nichts anderes als vernetzte IT-Systeme, d.h. sie unterliegen den bekannten Risiken der Informationsverarbeitung (s. Stichwort ►IT-Sicherheit). Gerade die hohe Konnektivität macht diese Systeme anfällig gegen eine Vielzahl von Attacken, die unter die Stichwörter Phishing, Data Leakage, Trojaner, Abhören / Mitschneiden von Kommunikationsinhalten, „Knacken“ von Sicherheitseinstellungen usw. fallen. Darüber hinaus birgt die Mobilität als solche weitere Risiken: das Verlieren, Liegenlassen, den Diebstahl von Geräten, den Einbau von Trojanern, die letztlich unbefugte Nutzung durch andere Personen (Fremde, Familienangehörige, Kollegen) – mit der Folge, dass in den Geräten gespeicherte sensible Daten (auch Zugangscodes) in unbefugte Hände gelangen oder sogar ein weitergehender Durchgriff auf die Unternehmensnetze möglich ist. Die meist integrierte Nutzung von Cloud Services trägt ein besonderes Risiko: Wie vielfach berichtet wurde, werden bei den Anbietern der Clouds gespeicherte Daten von den jeweiligen Geheimdiensten abgegriffen. Je nach Plattform ist auch die Installation von Apps nicht risikofrei, da die jeweiligen App-Entwickler in der Lage sind, verdeckte Funktionen einzubauen, um sensible Daten abzuziehen, um Zugriff zu Unternehmensnetzen zu erhalten. Durch geeignete Konfiguration und Aktivierung von eingebauten Sicherheitsfunktionen lassen sich viele mobile IT-Systeme sicherheitstechnisch „härten“. Aus Unternehmenssicht ist es von Vorteil, wenn hierzu standardisierte Regelsätze (Security Policies) erstellt und in alle genutzten mobilen Systeme ausgerollt werden können. Ergänzend gibt man den Nutzern Sicherheitsrichtlinien auf (mit Vorgaben wie: die Systeme verstärkt zu beaufsichtigen, keine öffentlichen Hotspots un-
705
M
Mobile Device Management gesichert zu nutzen) und bietet unterstützend AwarenessProgramme und Sicherheitstrainings an. Trotz aller Maßnahmen ist festzuhalten: Der zurzeit erreichbare Schutz bei der Nutzung mobiler IT-Systeme ist keinesfalls mit dem Schutzniveau klassischer stationärer Verarbeitung vergleichbar. In zeitkritischen Geschäftsprozessen mobile Geräte einzusetzen, ist immer mit einem hohen Risiko verbunden. Betrachtet man den typischen Fall von IT-Notfallteams, die mobil alarmiert werden und teilweise „Reparaturen“ auch mobil ausführen wollen, so ist zu beachten, dass z. B. die Erreichbarkeit der Teammitglieder nicht garantiert werden (Netzwerkverbindungen könnten ausfallen) oder die Kommunikation gestört sein kann. Die Folgen für die Business Continuity können gravierend sein und müssen vorab analysiert werden (Business Impact Analysis).
M
Immer mehr Nutzer wollen ihre eigenen mobilen Geräte auch für dienstliche Zwecke nutzen. Die Strategie BYOD (= „Bring Your Own Device“) greift um sich: Unternehmen „erlauben“ ihren Mitarbeitern, private mobile Geräte auch dienstlich zu nutzen. Gerade hierbei ergeben sich massive Datenschutzprobleme, da eine Trennung von privaten und geschäftlichen Daten kaum möglich ist, der Arbeitgeber andererseits meist eine gewisse Aufsicht und Kontrolle der betrieblichen Nutzung verlangt. Außerdem stellen sich rechtliche Fragen – etwa, ob die dienstliche Nutzung privater Geräte nicht vertraglich geregelt werden und möglicherweise sogar zu finanziellen Kompensationen führen muss. 4 MDM-Systeme Die Vielfalt der mobilen Geräte und ihre technischen Unterschiede machen es schwer, einheitliche Vorgaben und Richtlinien umzusetzen – mehr noch: die Einhaltung dieser Vorgaben zu überwachen. Für diese Zwecke können im Unternehmen spezialisierte MDM-Systeme zum Einsatz kommen. Mit ihnen lassen sich zentrale Management-Funktionen übernehmen, und zwar ◼ die Inventarisierung aller verwendeten mobilen Geräte, ◼ die Definition von eigenen Security Policies sowie deren automatisiertes Ausrollen in die mobilen Systeme, ◼ Backup- und Restore-Prozesse für mobile Systeme in der eigenen Unternehmens-IT, ◼ zentrales Patch-Management für Betriebssysteme und Apps, ◼ Ausgabe von Zertifikaten und Schlüsseln für den gesicherten Zugang zum Unternehmensnetz, ◼ Monitoring der Nutzung und Einhaltung von Vorgaben. Geänderte Vorgaben bzw. Policies können meist recht schnell in die „Landschaft“ ausgerollt werden, da ein MDM-System dazu den nächsten Kontakt zu einem mobilen Gerät über das Netzwerk nutzt. 5 Ausblick und Zusammenfassung Ein Unternehmen muss beim Aufbau und der Nutzung einer
706
Mobile Device Management mobilen Infrastruktur vielen Aspekten Rechnung tragen – darunter fallen ◼ die vertragliche / juristische Ausgestaltung (Zugang durch Geschäftspartner, Nutzung externer Clouds, Geräte-Vorhaltung durch Lieferanten bei Verlust/Ausfall, BYOD oder ähnliche Strategien), ◼ Konzeption und Umsetzung von ►IT-Sicherheit und Datenschutz, ◼ das Mobile Device Management (s. Kapitel 4), ◼ das betriebliche Management der mobilen Infrastruktur, ◼ ggf. die Business Continuity, ◼ die unmittelbaren Kosten und die Folgekosten der mobilen Infrastruktur sowie eine Kosten-/Nutzen-Analyse. Diese Punkte werden gelegentlich unter dem Begriff Enterprise Mobility Management subsumiert. Analog zu klassischen IT sind mobile Systeme kein Selbstzweck: Die mobile IT-Infrastruktur ist so zu konzipieren, aufzubauen und zu betreiben, dass die ►Geschäftsprozesse des Unternehmens optimal unterstützt, Risiken erkannt und in eine Balance mit den Geschäftserfordernissen gebracht werden. Dies umreißt die Aufgaben der sog. IT Governance, für die Leitungsund Managementpersonal im Unternehmen verantwortlich zeichnen. Zur Steuerung dieser Aufgaben werden meist interne Kontrollsysteme eingerichtet, z.B. basierend auf dem sog. COBIT Framework [1]: Ausgehend von den Geschäftserfordernissen werden alle erforderlichen, die IT betreffenden Aktivitäten in eine standardisierte Prozesslandschaft integriert. Hierfür definiert COBIT in mehreren Ebenen sog. Control Objectives und Controls, die auch Sicherheit und Datenschutz ansprechen (ihrerseits Gegenstand der Normreihe ►ISO 27000). Man erkennt, dass die Nutzung mobiler IT-Systeme für Unternehmenszwecke Auswirkungen bis in die IT Governance hinein hat. Der Aufbau einer mobilen IT-Infrastruktur im Unternehmen erschöpft sich also keinesfalls in der Beschaffung mobiler IT-Systeme oder gar in der Ausrichtung auf eine BYOD-Strategie: Die Integration mobiler IT-Systeme mit ihren Möglichkeiten und Risiken in die IT-Landschaft und Prozesse eines Unternehmens stellt eine beachtliche Herausforderung dar. Weitere Informationen zu Sicherheit und Datenschutz bei mobilen Systemen sowie zum Einsatz von MDM-Systemen findet man u.a. in [2]; Aspekte von Enterprise Mobility Management und IT Governance behandelt [3]. Dr. Heinrich Kersten, Meckenheim/Bonn Literatur
[1] COBIT 5: A Business Framework for the Governance and Management of Enterprise IT, www.isaca.org/cobit. [2] Kersten, H.; Klett, G.: Mobile Device Management, Frechen (mitp) 2012 [3] Kersten, H.; Klett, G.: Management mobiler Infrastrukturen, Frechen (mitp) 2014
Modelle der Dienstleistungsqualität
Modelle der Dienstleistungsqualität
Modelle der Dienstleistungsqualität
5 value-based (Qualität als Wert) Auf der Grundlage einer Preis-Leistungs-Relation wird Qualität in diesem wertorientierten Ansatz beurteilt. Qualität wird zu einer relativen Größe die abhängig ist von wahrgenommener Qualität und Kosten (monetär als Preis, nichtmonetär als zeit- bzw. psychischer Aufwand)
Begriff
▶models of service quality ▶Qualität als Beziehungsereignis
Dienstleistungsqualität wurde als die Fähigkeit eines Anbieters, die Beschaffenheit einer primär intangiblen und der Kundenbeteiligung bedürfenden Leistung gemäß den Kundenerwartungen auf einem bestimmten Anspruchniveau zu erstellen definiert. Dabei bestimmt sie sich aus der Summe der Eigenschaften bzw. Merkmale der Dienstleistung, bestimmten Forderungen gerecht zu werden [1]. Bezogen auf den aktuellen Kontext vieler Organisationen ist die Gewinnung, Sicherung und kontinuierliche Verbesserung von Dienstleistungsqualität als eine Grundvor-aussetzung für die Überlebensfähigkeit und den Erfolg auf Märkten bestimmt worden [2]. Entsprechend ihrer Bedeutung wurden verschiedene Modelle von Dienstleis-tungsqualität entwickelt und in empirischen Forschungen verwendet. Im Folgenden werden einige ausgewählte einflußreiche Modelle der Qualität von Dienstleistung vorgestellt. Jeweils werden diese Modellierungen dann aus phänomenologischer Perspektive kritisch bewertet, nach der auch die Dienstleistungsqualität als ein besonderes relationales Ereignis zu verstehen ist (►Qualität als Beziehungsereignis) 1 Partialanalytische Definition von Qualität Um das Phänomen der Dienstleistungsqualität methodisch zu fassen, werden differenzierte Partialeigenschaften analysiert. Garvins Unterscheidung wurde für die Diskussion der Dienstleistungsqualität besonders einflußreich [1]. Er unterscheidet folgende Qualitätsansätze: 1 transcendent (absolute Qualität) (absoluter) Qualitätsbegriff welcher die innate excellence, also die höchstmögliche Vortrefflichkeit oder absolute Güte eines Produktes oder einer Dienstleistung zu beschreiben sucht. 2 product-based (Qualität des Produktes) In diesem technisch orientierten Ansatz sind als genau meßbare Variablen definierte Eigenschaftsbündel festgelegt, deren Differenzierung attributiv und spezifisch vorgenommen werden kann. 3 user-based (Qualität für den Kunden) Aus der Sicht des Kunden wird gemäß dessen individuell, nachgefragten und wahrgenommenen Bedürfnissen die Qualität auszurichten gesucht. Diese auf Verwendungszweck und Kundenpräferenz ausgerichtete Betrachtung basiert auf einem rein kundensubjektiven Be wertungszusammenhang. 4 manufacturing-based (Qualität der Herstellung) Die Einhaltung eines vorgegebenen internen Qualitätsstandards kennzeichnet diesen herstellungsorientierten Ansatz. Die Sollwerte können dabei „objektiv“ durch Produktbezug oder kundensubjektiv über Einstellungsund Zufriedenheitswerte als Standards bestimmt werden.
Würdigung und Kritik hinsichtlich einer Phänomenologie der Dienstleistung: Das Modell leistet eine differenzierte Analyse partieller Eigenschaften für verschiedene, relevante Bezugsreferenzen ökonomischer Praxis. Anbetracht der phänomenologisch gewonnenen Einsichten des Qualitätsprozesses erscheint dieses zweckorientiert be gründete, güte- bzw. produktorientierte Verständnis von Qualität jedoch unzureichend. Auch die produktions- bzw. kundenorientierte Ausrichtung oder ein wertorientiertes Verständnis von Qualität als Preis bleiben damit systematisch unzulänglich. Die zugrundeliegenden ontologischen Kategorien einer subjektiven und objektiven Qualitätsperspektive und dessen Partialisierung lassen das, was den phänomenalen Qualitätsprozess als leibliches und sprachliches „Zwischenereignis“ ausmacht, nicht hinreichend erkennen und berücksichtigen. 2 Das Struktur-Prozess-Ergebnis-Modell der Dienstleistung nach Donabedian Die Differenzierung der Qualitätsdimension von Dienstleistung nach Struktur, Prozess und Ergebnis bei ►Donabedian versucht die einzelnen Phasen des Dienstleistungsprozesses systematisch zu ergründen [2]. In der Strukturdimension werden die organisatorischen und persönlichen Leistungsvoraussetzungen des Dienstleistungsanbieters an gegeben. Dauerhafte Ausstattungsmerkmale (wie z. B. organisatorische Abläufe, Personalkapazität, Qualifikationskompetenz usw.) werden hinsichtlich ihrer gesamtqualitätsfördernden oder -hemmenden Einflußnahme positiv oder negativ bewertet. Eine Betrachtung der vorauszusetzenden Struktur allein kann jedoch nur tendenziöse und indirekte Aussagen über die Gesamtqualität geben, da der Zusammenhang zum Prozess bzw. Ergebnis erst die Bedeutung dessen, was Qualität ausmacht, aufzeigt. Für Donabedian ist auch die Ergebnisdimension nur ein indirekter Qualitätsindikator. Ein Dienstleistungsergebnis ist für Donabedian eine (intendierte) Zustandsver änderung des externen Faktors (Kunden) zur Erreichung der angestrebten Leistungsziele. Nur die Prozessdimension, wel che die Aktivitäten der Leistungserstellung bestimmt, erlaubt nach Donabedian ein direktes Gesamtqualitätsurteil. Donabedian unterstellt dabei einen funktionalen Zusammenhang zwischen Struktur, Prozess und Ergebnis (Abbildung M29). Würdigung und Kritik hinsichtlich einer Phänomenologie der Dienstleistung: Der Operationalisierungsansatz wurde prinzipiell als Urmodell der Dienstleistungqualität bezeichnet und aufgrund seiner Einfachheit rezipiert (►Qualitätsmanagement im Marketing; ►Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen). Die Besonderheit des Ansatzes von Donabedian liegt darin, daß einzelne Phasen des Dienst-
707
M
Modelle der Dienstleistungsqualität
M
Modelle der Dienstleistungsqualität
Das kundenorientierte DienstAbb. M29: Funktionaler Zusammenhang der Qualitätsparameter nach Donabedian (1980) 3 leistungsqualitätsmodell Prozess nach Grönroos Struktur Ergebnis Während im traditionellen Marketing die structure = input process = throughput outcome = output (anonyme) Transaktion des Güter- und Geldtausch zentral ist, wird bei Dienst Gesamtheit aller quali Gesamtheit aller ◼ Qualifikation tätsbezogenen Akti Qualitätsmerkmale, leistungen die interaktive Beziehung zum vitäten während der sofern sie auf den Kunden grundlegend. Die von ►Grönroos ◼ Ausstattung Erstellung des Produkts Prozess zurückführbar entwickelte Differenzierung in Teilquasind ◼ Personal litäten einer erwarteten, erfahrenen und erhaltenen Qualität versucht in einer phasenbezogenen Indikation den Qualitäts▘ Organisatorische prozess produkttechnisch zu erfassen [3]. Bedingungen Dabei wird die Wahrnehmung des Kunden ▘ Zugangs und und die qualitätsbeeinflussenden Faktoren Nutzungsmög berücksichtigt. Aufbauend auf Untersulichkeiten chungen der Käuferverhaltensforschung durch Mitarbeiter und der Marketingforschung bestimmt und Kunden Grönroos die wahrgenommene Qualität als das Resultat des Vergleichs von erwarleistungsprozesses explizit und differenziert berücksichtigt teter und tatsächlich erhaltener Leistung werden. Die Wahrnehmung von Qualität wird so von einer des Kunden. Die Kundenerwartungen werden nach GrönFixierung auf ein Leistungsresultat gelöst und auf vorauszuroos von Traditionen und Weltanschauungen aber auch von setzende strukturelle und prozessuale Dimensionen bezogen. den bekannten Marketingaktivitäten des DienstleistungsAuch die Erweiterung dieses Modells durch Berücksichtianbieters und den Mund-zu-Mund-Empfehlungen anderer gung des Leistungsumfangs (Angebotsbreite und -tiefe der Kunden beeinflußt. Die Wahrnehmung der erhaltenen LeiLeistung) vernachlässigt jedoch leiblichen, personalen und stung des Dienstleistungskonsumenten hängt demgegenüber interpersonalen Dimensionen und Beziehungen der Mitarvon seinem auch leiblich-sinnlichen Involviertsein in den Leibeiter und Kunden während des Dienstleistungsqualitätsstungsprozess ab (Abbildung M30). prozesses. Das Modell erweist sich daher für die komplexen, Bei der von Grönroos vorgeschlagenen Differenzierung nach res-ponsiven Dimensionen eines phänomenologischen Vertechnischer und funktionaler Dimension ist das Was und Wie ständnisses von Dienstleistung als relationales Ereignis als zu der Leistungserbringung auf den unternehmerischen Produeinfach und unterkomplex. zenten bzw. die „quality generating resources“, einschließlich des Kunden als „Produktionsressource“ Abb. M30: Das Qualitätsmodell von Grönroos ausgerichtet. Die technischen Beurteilungskomponenten beziehen sich analog Erwartete Erhaltene zu Donabedians Modell auf die LeistungsWahrgenommene Qualität Dienstleistung Dienstleistung ergebnisse und beziehen sich beispielsweise auf technische Lösungen, technisches Wissen, maschinelle Fertigkeiten. Diesen traditionelle objektiv bestimmbaren Größen stehen Image Marketingaktivitäten die eher subjektiv empfundenen, funktiund externe Einflüsse onalen Qualitätsdimensionen gegenüber. So ist das Wie der Dienstleistungsqualität beispielsweise von der Erscheinung des Personals, atmosphärischen EinflußgröTechnische Problemlösungs Dienstleistungsorientierte ßen oder empfundener Erreichbarkeit fähigkeit Grundeinstellung des Dienstleistungsunternehmens für den Betriebs Kunden bestimmt. Kunden Knowhow
Technische Computer Qualität systeme
Maschinelle Fähigkeiten Quelle: Grönroos 1982, a.a.O. S. 79
708
klima
Funktionale Qualität
orientie Kunden rung kontakt Erreich Erscheinung barkeit Benehmen
Für das Gesamtqualitätsurteil bzw. die Zu friedenheit des Kunden ist die funktionale Qualität nach Grönroos bedeutsamer. Eine außerordentliche gute funktionelle Qualität kann unter Umständen sogar Defizite in
Modelle der Dienstleistungsqualität der technischen Qualität ausgleichen. Als weiteres Element von Grönroos Qualitätsmodell fungiert das einstellungsabhängige Image des Dienstleistungsanbieters. Würdigung und Kritik hinsichtlich einer Phänomenologie der Dienstleistung: Das Modell macht deutlich, wie die Qualitätswahrnehmung vor allem durch funktionale Qualitätsmerkmale und einer entsprechenden allgemeinen Kundenorientierung und Imagepflege beeinflußt werden kann. Leibliche und interpersonal-sprachliche Leistungsdimensionen finden im Modell von Grönroos jedoch keine explizite Berücksichtigung. Die von ihm beschriebenen Qualitätsdimensionen bilden nur indirekt und reduziert die Besonderheiten eines phänomenologisch verstandenen komplexen Dienstleistungsprozesses und -relationen ab. Dies ist rückführbar darauf, dass das Modell von Grönroos an ein bewußtseinsphilosophisch und kognitionswissenschaftlich ausgerichtetes Verständnis von Erwartungen und Wahrnehmungen des Kunden hinsichtlich der erfahrenen Leistung und des Image verhaftet bleibt [21].
Modelle der Dienstleistungsqualität sind daher die verschiedenen, interdependenten und responsiven Qualitätsbezüge und -beziehungen zu beachten. 4 Das integrative und praxisorintierte Dienstleistungs qualitätsmodell von Meyer und Mattmüller Eine Vereinigung der Grundgedanken des strukturalen (Donabedian) und technisch-funk tionalen (Grönroos) Dienstleistungsmodells wurde von Meyer und Mattmüller in einem praxisorientierten Qualitätsmodell versucht [4]. Die Differenzierung in eine Potential- eine Prozess- und eine Ergebnisqualität wird dabei jeweils bezogen darauf, was ein Dienstleistungsnachfrager, wie erhält bzw. was ein Dienstleistungsanbieter wie zu leisten vermag. Das Modell ist in Abbildung M31 skizziert.
Bei der Potentialqualität wird zwischen dem Spezifizierungspotential (individuelle und spezifizierte Problemlösungen) und dem Kontaktpotential des Anbieters unterschieden. Demgegenüber differenzieren die Autoren bei der Potentialqualität des Nachfragers zwischen einer Integrations- und einer Interaktivitätspotentialität. Die Integrationsdimension Die technische Problemlösungsfähigkeit oder das technische betrifft die Grundeinstellungen des Kunden hinsichtlich seiWissen des Dienstleistungsanbieters und auch die funktionale ner allgemeinen physischen, geistigen und gefühlsmäßigen Dienstleistungsorientierung stellen konzep-tionelle Aspekte Bereitschaft und Fähigkeit, sich in den Dienstleistungsprofür eine kritische Operationalisierung der phänomenalen zess einzubringen. Bei der Interaktivitätspotentialität werQualitätserfahrung und Beziehungszusammenhänge dar. Als den die möglichen Wirkungszusammenhänge der interaksolche sind sie integrativ zu berücksichtigen. Wobei in einer tiven Kontakte zwischen verschiedenen Kunden auf die phänomenologischen Verständnis von DienstleistungsquaDienst leistungsqualität berücksichtigt. In die Prozessqualität als Beziehungsereignis Abb. M31: Das Dienstleistungsqualitätsmodell von Meyer und Mattmüller nicht das funktionale Was, Potentialqualität Potentialqualität sondern das inter-relational Prozessqualität der Anbieter der Nachfrager und responsiv zu fassende Wie des DienstleistungsproIntegrations Spezifizierungs Prozess Prozess zesses wichtiger sind. Dieses potentiale potentiale verhalten der verhalten der Wie verweist auf entschei(Dimension III) (Dimension I) Dimension I Dimension III dende, nicht-technische Diwas/ was/ was/ mensionen der interaktiven wie wie wie Prozess Prozess Konstitution von Qualität verhalten der verhalten der Kontakt Interaktivitäts aller Beteiligten und damit Dimension II Dimension IV potentiale potentiale auf die so vermittelte Wert(Dimension II) (Dimension IV) schöpfung. Praktisch wirken die partialanalytisch vorgenommenen Differenzierungen der Dienstleistung immer ineinander. Da sich Dienstleistungen und ihre Qualität(en) überaus komplexe, ganzheitliche Prozesse sind, können sie durch Modelle von Teileigenschaftsanalysen nur unzureichend erfaßt und interpretiert werden. Für ein Verstehen des „Qualitätsganzen“ und ihrer je situativen Besonderheiten
was/ wie Prozessuales Endergebnis Folgequalität
was/ wie Ergebnisqualität Quelle: Meyer/Mattmüller 1987, S. 192 1982, a.a.O. S. 79
709
M
Modelle der Dienstleistungsqualität lität fließen die eingebrachten Potentiale des Anbieters und Nachfragers interaktiv zusammen und können als jeweilig spezifisches Prozessverhalten beschrieben werden. Bei der Ergebnisqualität ist das prozessuale Resultat dieses Zusam mentreffens als eine zeitpunktorientierte Ergebnisbeobachtung und die Folgequalität als eine zeitraumorientierte Be trachtung feststellbar. Das Wie der Folgequalität entzieht sich dabei einer direkten Einflußnahme des Dienstleistungsanbieters. Nach Meyer/Mattmüller ist die Dienstleistungsqualität von dem Verhältnis der Prozess- gegenüber den Ergebnisdimensionen und durch die Gestaltung eines dienstleistungs spezifischen Marketing abhängig. Wie zuvor Donabedian unterstellen auch Meyer/Mattmüller eine kausale Beziehung zwischen den Partialqualitäten.
M
Würdigung und Kritik hinsichtlich einer Phänomenologie der Dienstleistung: Personelle und interpersonelle Kontakte zwischen Mitarbeitern und Kunden werden als Element in die Potentialqualitäten aufgenommen und fließen so auch in die Prozessqualität ein. Durch die erweiterte Interaktionspotentialität des Nachfragers können auch lebensweltliche Kontextbezüge die vor, während und nach dem Leistungs prozeß liegen berücksichtigt werden. Die Besonderheit der jeweiligen Leistung kann jedoch im Modell von Meyer/ Mattmüller nur indirekt als Folge der Spezifizierungspotentiale des Anbieters erfaßt werden. Auch wenn die Autoren auf die situationsabhängige Bedeutung der Subqualitäten für die Konsumenten hinweisen, werden diese in den konkreten Beschreibungen der Qualitätsdimensionen und sie bestimmenden Einflußgrößen nicht hinreichend beachtet. Kommen diese sog. situationsabhängigen Subqualitäten nur bei den Grundeinstellungen der Nachfrager hinsichtlich der Bereitschaft und Fähigkeit an der Dienstleistung teilzunehmen vor, verbleiben sie im Bereich der nachfragerorientierten Seite der Integrationspotentiale.
Modelle der Dienstleistungsqualität antwortungsträgern in Dienstleistungsunternehmen wurden Schlüsselfaktoren der Dienstleistungsqualität aus Sicht der Anbieter und der Kunden und ihre (Wahrnehmungs-)Diskrepanzen erfragt. Die erfragten Erwartungen bezogen sich dabei darauf, was ein Dienstleistungsanbieter idealerweise erbringen sollte. Hervorragende Qualität wird demnach nur dann realisiert, wenn sie die Kundenerwartungen überragen. Die Befragung von 200 ausgewählten Personen zu Einzelstatements führte über eine Faktorenanalyse zur Ermittlung folgender Qualitätsdimensionen: ◼ Tangibles (tangibles Umfeld, d. h. materielle, technische und personelle Ausstattung) ◼ Reliability (Verläßlichkeit, d.h. die Fähigkeit, die versprochene Leistung zuverlässig und exakt auszuführen) ◼ Responsiveness (Reagibilität, d.h. generelle Einsatzbereitschaft auf die Kunden und ihr Verhalten bei der Dienstleistungsrealisation angemessen zu reagieren) ◼ Assurance (Sicherheit bzw. Glaubwürdigkeit i. S. von kommunikativ vermittelter Kompetenz, Höflichkeit und Vertrauenswürdigkeit) ◼ Empathy (Verständnis für den Kunden i.S. von Einfühlungsvermögen und Bereitschaft, auf individuelle Wünsche des Kunden flexibel einzugehen) Neben der Annehmlichkeit des tangiblen Umfeldes, der Verläßlichkeit der Ausführung, der Reagibilität bei Problemen wurden so mit dem Qualitätsmessungssystem (SERVQUAL) [6] die Leistungskompetenz und das Einfühlungsvermögen des Personals als entscheidende Wahrnehmungsgrößen für die Dienstleistungsqualität beschrieben (Abbildung M32). Auch bei dem daraus abgeleiteten sog. Lückenmodell der Dienstleistungsqualität, bei dem aus Kundenperspektive die erwartete mit der erlebten Dienstleistung verglichen wird, tritt der Wahrnehmungszusammenhang ins Blickfeld der Untersuchungen (Abbildung M33).
5 Das Dienstleistungsqualitätsmodell und Qualitäts messungssystem SERVQUAL von Durch organisatorische Mängel bzw. Lücken (engl. gaps) Parasuraman, Zeithaml und Berry auf seiten des Anbieters von Dienstleistungen kommt es zu Aus den bekannten, empirischen Untersuchungen von ParaDifferenzen zwischen erwarteter und wahrgenommener suraman et. al. [5] ging ein Abb. M32: Determinanten der wahrgenommenen Dienstleistungsqualität lt. Parasuraman et al. überaus aufschlußreiches Konzept der Bestimmung Mund-zu-MundIndividuelle Determinanten der Erfahrungen Kommunikation Bedürfnisse kundenorientierter Quawahrgenommenen Qualität litätsdimensionen hervor. Es wurde dabei die vom 1. Materielles Umfeld Erwartete Kunden wahrgenommene 2. Glaubwürdigkeit Dienstleistung 3. Höflichkeit Qualität ana lysiert. Die 4. Zugangsmöglichkeit Wahrgenommene wahrgenommene Dienst 5. Verstehen/Kenntnis Dienstleistungs leistungsqualität wird daqualität des Kunden bei definiert als das As6. Einsatzbereitschaft Wahrgenommene 7. Zuverlässigkeit sessment des Kunden der Dienstleistung 8. Kommunikation/ Gesamtexzellenz der DienstInformation leistung. In Gruppenge9. Sicherheit sprächen mit Kunden und 10. Kompetenz Tiefeninterviews mit VerQuelle: Parasuraman et al. 1984, S. 15
710
Modelle der Dienstleistungsqualität
Modelle der Dienstleistungsqualität
Leistung (Abbildung M33). Die unzureichenden Vorstel lun gen der Unterneh mens füh rung in Bezug auf die Erwartungen der Kunden (gap 1) und deren problematische Umsetzung in Qualitätsspezifikationen (gap 2) kann zu fehlerhaften Ausführungen in der Qualitätspraxis der Mitar beiter (gap 3) führen. Auch die von den Mitarbeitern dann erstellte tatsächliche Leistung nach außen kann zu einer weiteren Diskrepanz führen (gap 4). Durch die Berücksich tigung der „persönlichen Bedürfnisse“, den „Erfahrungen aus der Vergangenheit“, der „Mund-zu-Mund-Kommunikation“ und weiteren kommunikativen Einflußgrößen werden wich-
tige Determinanten berücksichtigt, die die Erwartungen und Qualitätswahrnehmungen der Kunden direkt beeinflussen und vom Dienstleistungsmanagement zu beachten sind. Validierungen dieses Konzeptes zeigen die Bedeutung insbesondere der beschriebenen Lücken und „Befriedigungsketten“ [7] zwischen den Beteiligten auf. Die Untersuchungen bestätigen die Annahme, daß über gemeinsame kommunikative und wahrnehmungsbedingte Bezüge die Qualität der Dienstleistungen entscheidend bestimmt wird. Dabei ist insbesondere die Kongruenz von Kundenerwartungen und Dienstleisterwahrnehmungen von entscheidender Relevanz einer gelingender Praxis von Abb. M33: Das Dienstleistungsqualitätsmodell von Parasuraman et al.: SERVQUAL-Modell Dienstleistungen[8].
Kunde MundzuMund Kommunikation
Individuelle Bedürfnisse
Erfahrungen
Erwartete Dienstleistung Gap 5
Gap 1
Wahrgenommene Dienstleistung
Dienstleister Erstellung der Dienstleistung (incl. Kontakte vor und nach dem Kauf) Gap 3 Umsetzung der wahrge nommenen Kundenerwar tungen in Spezifi kationen der Dienstleistungs qualität Gap 2 Durch das Management wahrgenommene Kunden erwartungen Quelle: Parasuraman et al. 1985, S. 7
Gap 4
An den Kunden gerichte, externe Kommunikation
Würdigung und Kritik hinsichtlich einer Phänomenologie der Dienstleistung: Das konzeptionelle Grundmodell von Para su raman et al. löste eine der einfluß reichsten Diskussionen und Entwicklungen von ergänzenden Forschungsansätzen in der Dienst leistungsforschung aus. Jedoch wurde der Anspruch und Anwendungsbereich des Qualitätsmodells vielfach kritisiert [9]. So untersuchte Carman inwieweit das SERV QUALModell auf alle Dienstleistungs arten anwendbar ist. Er wies die Grenzen des Fra genkatalogs bei polyfunktionalen Dienst leistungen auf. Auch Hentschel problematisiert den erhobenen Allgemeingültigkeitsanspruch des Modells für die heterogenen Dienstleistungen und deren Qualitätsmessung [10] (►Messung der Dienstleistungsqualität). Die Qualitätsorientierung des SERVQUAL-Modells denkt sich von einem generalisierten Kunden und dessen Erwartungen bzw. Wahrnehmung und ist marketingstrategisch auf ihn ausgerichtet. Doch ist die Qualität, die in den Momenten der Wahrheit entsteht, nicht nur als ein marketingrelevantes Outputereignis zu verstehen, das multiattributiv gefaßt und über ein Management auftretender Lücken zwischen
711
M
Modelle der Dienstleistungsqualität Kunden, Mitarbeiter und Vorgesetzten gesteuert werden kann. Als problematisch hat sich die Annahme eines bestimmten Erwartungsniveaus des Konsumenten erwiesen. Kunden wissen oft nicht was ihre Erwartungen insbesondere bei selten in Anspruch genommenen Dienstleistungen sind [11]. Auch hängt ihre Einschätzung von ihren vor der Inanspruchnahme liegenden Einstellungen ab. Dienstleistungen sind nach Zeithaml durch Such- Glaubens- und Erfahrungskomponenten bestimmt, da, aufgrund der mangelnden Standardisierbarkeit der Leistung und der inter- und intraindividuellen Schwankungen der Mitarbeiter (und der Kunden), eine im Zeitablauf gleichbleibende Qualität nicht gewährleistet werden kann[12]. Der leis-tungsübergreifende Prozess der je besonderen Dienstleistung, mit seinen komplexen Wahrnehmungsdimensionen bewegt sich daher nicht auf einem einheitlichen Niveau. Somit ist eine Aggregation von Qualitätskriterien im Zusammenhang mit einer beanspruchten Gesamtbewertung grundsätzlich problematisch. Wie Fisk in seinem mehrstufigen Evaluationsmodell aufzeigt sind Bewertungsphasen der vorkonsumtiven Kaufentscheidung (preconsumtion), von solchen während der Inanspruchnahme der Leistung (consumtion) und eine evaluative Nachkaufphase (postconsumption) zu unterscheiden [13]. Zusätzlich gibt es einen Unterschied zwischen kurzfristiger und längerfristiger Bewertung der Dienstleistungsqualität. So kann eine Dienstleistung kurzfristig höher bewertet werden als über einen längeren Zeitraum bzw. umgekehrt [14].
M
Ist der jeweilige Kunde bzw. Mitarbeiter wirklich leiblichsinnlich und sprachlich-interaktiv am Entstehungs- und Entwicklungsprozess der Qualität beteiligt, kann es daher keine marketing-operationale Standardisierung und ein dieser entsprechendes totales Qualitätsmanagement geben. Wie empirische Untersuchungen zeigten sind die Erfahrungen der Aufführung (performance) gegenüber den Konstrukten der Differenzmethode wie sie bei SERV-QUAL verwendet werden von größerer Bedeutung [15]. Der Qualitätseindruck wird demnach primär durch die Performanz des Leistungsprozesses vermittelt (performative turn). Auch wenn aus methodischen Gründen die erwartete bzw. wahrgenommene Qualität als ein relativ stabiles Konstrukt aufgestellt wurde, ist die Befriedigung des Kunden eine, die sich mit jeder singulären Transaktion wandelt [16]. Wird Zufriedenheit als Globalmaß abgefragt, so wird ein additiver Zusammenhang zwischen Erwartungen und Zufriedenheit bezüglich einzelner unabhängiger Merkmale als regressionsanalytisch bestimmbare Erklärende einer abhängigen Variable unterstellt. Wie jedoch aufgezeigt wurde, ist die wahrgenommene Qualität z. B. auch auf die von den Erwartungen un abhängigen Einstellungen und Bewertungen der realisierten Leistung rückführbar [17]. Die Qualitätsbewertung ist in Abhängigkeit von der Person des Dienstleistenden und seiner physischen oder psychischen Verfassung, aber auch von Art und Umfang der Kundenbeteiligung und den situativen
712
Modelle der Dienstleistungsqualität Umständen als momentspezifisch zu differieren [18]. So sind nicht nur allgemeine Qualitätsdimensionen und die Vorstellung eines idealen Anbieters, sondern auch situationsspezifische Faktoren und ein je bevorzugter Anbieter zu berücksichtigen. Eine offensive qualitätspolitische Erweiterung des SERVQUAL-Modells entspricht der Forderung „das gesamte Spektrum produkt- und programmbezogener, distributiver, kommunikativer und monetärer Beziehungen des Herstellers in Abstimmung mit dem Verwendungszweck der Problemlö sung beim Anwender“ [19] zu berücksichtigen. Auch organisatorische, ökologische und soziale Dimensionen sowie weitere Anspruchsgruppen können dabei aufgenommen werden. Neben absatzmarktbezogenen Anstrengungen treten gleichberechtigt Bemühungen um adäquate, personelle, tech nische und organisatorische Bedingungen des Leistungsprozesses [20]. Dabei kann Qualität immer nur situationsbezogen bestimmt werden. 6 Fazit und Perspektive All den betrachteten Modellen liegt eine implizite dualistische Ontologie zugrunde nach dem Subjekte und Objekte im Dienstleistungszusammenhang als unabhängig voneinander gesehen werden und welche aufgrund ihrer objektivierenden Methodik (3-Person-Perspektive) und statischen Repräsentation von Bedeutung, die genuine und dynamische Qualitätserfahrung nicht zu erfassen vermag [24]. Wird Qualität von Dienstleistungen demgegenüber als interrelationales Geschehen verstanden, kann es nicht (nur) um ein vermeintlich ganzheitliches Qualitätsmanagement mit ihren Analyse-, Planungs-, Umsetzungs- und Kontrollphasen gehen, welches Leistungen optimiert und Kundenerwartungen steuert. Ein phänomenologischer Dienstleistungsansatz und interpretative Zugänge, welcher das Qualitätsereignis in seinem leiblich-sprachlichen und lebensweltlichen Entstehungs- und Vollzugskontext betrachtet, kann in besonderer Weise die Dienstleistungsqualität als multiperspektivisches und immer besonderes Beziehungsgeschehen verstehen (►Qualität als Beziehungsereignis) und zur Kritik auch weitere Modellierungen und objektiver Messung von Qualität dienen, was auch sog. E-Servicequalität einschließt. Prof. Dr. rer. pol. Wendelin M. Küpers Karlshochschule Karlruhe Literatur
[1] Garvin, D. (1984), What Does Product Quality Really Mean? In: Sloan Management Review, Vol. 25, Fall, S 25-43 [2] Donabedian, A.: The Definition of Quality and Approaches to its Assessment and Monitoring, Vol. I , Ann Arbor, 1980 [3] Grönroos, C. (1984), A Service Quality Model and its Marketing Implications, In: European Journal of Marketing, Vol. 18, No 4, S. 36-44; Grönroos, C. : Service Management and Marketing – Managing the Moments of Truth in Service Competition, Lexington Mass.: (Lexington Books), 1990 [4] Meyer, A. & Mattmüller, R. (1987), Qualität von Dienstleistungen. Entwurf eines praxisorientierten Qualitätsmodells. In: Marketing – Zeitschrift für Theorie und Praxis, 9, S. 187-195
Modelle der Dienstleistungsqualität [5] Parasuraman, A.M., Zeithaml, V. & Berry, L. L. (1985), A Conceptual Model of Service Quality and its Implication for Future Research, In: Journal of Marketing, Vol 49, 41-50 [6] Parasuraman, A. & Zeithaml. V. A. (1991), Understanding Customer Expectations of Services. In: Sloan Managment Review, 32, 39-48 [7] Smith, L. J. (1991), Customer satisfaction In: Marketing News, 3, 8. [8] Klose/Finkle (1995), Service Quality and the Congruency of Employee Perceptions and Customer Expectations. The Case of an Electric Utility. In. Psychology and Marketing, Vol. 12, Nr. 7, S. 637636 [9] Carman, J. (1990), Consumer Perceptions of Service Quality: An Assessment of the SERVQUAL Dimensions, In: Journal of Retailing, Vol. 66, Spring, S. 33-57 [10] Hentschel, B. (1990), Die Messung wahrgenommener Dienstleistungsqualität mit SERVQUAL. In: Marketing ZFP, 12 Jg. Nr. 4 S. 232ff. [11] Lawrence, P. & Reeves, M. (1993), Ambiguities in understanding quality. Antecedent judgements of customers and firms. In: Southern Management Association Proceedings, S. 324-326 [12] Zeithaml, V. (1981), How Consumer Evaluation Process differs between Goods and Services. In: Donnelly/George (Hrsg.), Marketing of Service, AMA Proceedings, Chicago, S. 186 [13] Fisk, R. P. (1981), Towards a Consumption/Evaluation Process Model for Services, In: Donnelly, J & George, W.R. (Hrsg),: Marketing of Services, Procedings Series, Chicago: American Marketing Association, S. 191-195, 1981 [14] Curry (1985), Measuring price and quality competition, In: Journal of Marketing, 49, 2, S. 106-117 [15] Liljander, V & Strandvik, T. (1995), The Relation between Service Quality, Satisfaction and Intentions, In: Kunst, P. & Lemmink, J. (Hrsg) Advances in Services Marketing and Management, Vol. 4. London: ( JAI Press), 1995 [16] Bolton, R. & Drew, J. (1991a), A longitudinal analysis of the impact of service changes on customers attitudes. In: Journal of Marketing, 55, 1, S. 1-9 [17] Cronin/Taylor (1992), Measuring Service Quality: A reexamination and Extension, In: Journal of Marketing, 56, Nr. 3, S. 55ff. – Cronin/Taylor (1994), SERVPERF versus SERVQUAL: Reconnus-Expectations ciling Performance-Based and Perceptions-Mi Measurement of Service Quality. In: Journal of Marketing, 58 Jg. Nr. 1, S. 125ff [18] Stauss, B. (1991), Augenblicke der Wahrheit in der Dienstleistungserstellung: Ihre Relevanz und ihre Messung mit Hilfe der Kontaktpunkt-Analyse. In: Absatzwirtschaft, 34. Jg., Nr. 6, S. 96-105; Stauss, B.; Neuhaus, J. (1997) The Qualitative Satisfaction Modell, In: International Journal of Service Industry Management, Vol. 8, No. 3 236-249 [19] Staudt, L. J. & Hinterwäller, H. (1982), Von der Qualitätssicherung zur Qualitätspolitik, In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 52, 11/12, S. 1000-1042 [20] s. [19], S. 134 [21] Küpers, W.: Phänomenologie der Dienstleistungsqualität. Wiesbaden (Gabler), 1999 [22] Bruhn, M. & Stauss, B. Dienstleistungsqualität. Konzepte – Methoden – Erfahrungen, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden (Gabler) 2000 [23] Bruhn, M. Qualitätsmanagement für Dienstleistungen. Grundlagen – Konzepte – Methoden, 7. überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin (Springer) 2008
Modellentwicklung im Qualitätsmanagement [24] Schembri, S. & Sandberg, J. (2011) The experiential meaning of service quality. Marketing Theory, 11 2: 165-186; Schembri, S. and Sandberg, J. (2002), “Service quality and the consumer’s experience: Towards an interpretive approach,” Marketing Theory, 2, 2, 189-205.
Modellentwicklung im Qualitätsmanagement ▶Konstruktivismus ▶Managementmodelle
Die steigende Komplexität der Umwelt des Unternehmens führt zu einem Anwachsen der Komplexität der Strukturen im Unternehmen. Menschen zeigen bei der Bewältigung von Komplexität deutliche Schwächen. Eindrucksvolle Belege dafür liefert die experimentelle Psychologie. Es zeigt sich, daß die Fähigkeit des Menschen, mehrere Dinge oder Vorgänge gleichzeitig im Blick zu halten, sehr begrenzt ist. Diese Grenze liegt zwischen 5 und 9 Objekten bzw. Vorgängen. Jedoch sind 90 % der Bevölkerung nicht in der Lage, drei einzeln gut abschätzbare Vorgänge befriedigend zu verknüpfen. Folglich geschehen Fehlleistungen in komplexen Situationen nicht aus persönlichem Unvermögen oder aus böser Absicht, sondern zeigen die Grenzen unseres alltäglichen Denkens. Voraussetzung für das Beherrschen der Kom plexität der ►Geschäftsprozesse im Unternehmen ist ein vereinfachtes Abbild der Realität, ein leicht überschaubares, aussagekräftiges und von allen Mitarbeitern akzeptiertes Modell des Un ternehmens und seiner Ziele. Wie ein Architekt seinem Bau herrn an einem Modell die Funktionen des Hauses erklären kann, so benötigt auch das Management des Unternehmens ein Modell, an dem es den Mitarbeitern die Abhängigkeiten und Interdependenzen transparent machen kann, die letztendlich zum Unternehmenserfolg führen. Ein Unternehmensmodell, wie z. B. ein ►QM-Handbuch oder eine ►QMV, sind sowohl Abbild als auch Vorbild der Ablauforganisation im Unternehmen. Das Vernachlässigen der für den Betrachtungsfall nicht essentiellen Elemente und Wechselwirkungen reduziert die Komplexität eines Modells im Vergleich zum realen System auf ein für den Menschen handhabbares Maß. Grundlegende Eigenschaften sind: ◼ Modelle beinhalten ein Verkürzungsmerkmal: Modelle erfassen im allgemeinen nicht alle Eigenschaften des durch sie repräsentierten Originals, sondern nur solche, die den jeweiligen Modellschaffenden und/oder Modellbe nutzern relevant erscheinen. ◼ Modelle haben pragmatische Eigen schaften: Sie sind Werkzeuge, die ihre Er setzungsfunktion für den geplanten Anwendungsfall erfüllen. (1) Zunächst macht sich der Modellschaffende den als relevant erkannten Ausschnitt der Realität z. B. durch Beob achtung und Befragung bewusst. Sein mentales Abbild als subjektiv wahrgenommener Ausschnitt der Realität ist die erste Stufe der Modellbildung. Ein fehlerhaftes Realitätsmodell des Modellschaffenden führt zu Fehlern im Ergebnis.
713
M
Modellentwicklung im Qualitätsmanagement Für den Modellschaffenden nicht erkennbare oder als nicht relevant erachtete Aspekte der Realität werden zwangsläufig vernachlässigt. (2) Zweiter Schritt ist die Darstellung des Modells. Reicht für wenig komplexe Modelle wie z. B. die ISO 9000-family die nicht formalisierte Darstellung in prosa Text oder einfacher graphischer Repräsentation aus, so empfiehlt sich für komplexere Anwendungsfälle die formalisierte Darstellung. Ein formalisiertes Modell gehorcht festgelegten Regeln der Darstellung in Syntax und Semantik. (3) Der dritte Schritt umfasst den Einsatz und die Bewertung des formalen Modells. Die Bewertung im Einsatz erlaubt das Erkennen und Korrigieren von Abweichungen und Unzulänglichkeiten des Modells im bezug auf die abzubildende Realität. Ziel ist die ständige Verbesserung des Modells. Wei terhin gilt es, Veränderungen der abzubildenden Realität zu erfassen und das Modell in einer ständigen Erneuerung der veränderten Realität nachzuführen. Mit dem Ziel der Reduzierung der Komplexität werden bei der Modellbildung die Prinzipien der Zerlegung, der Reduktion und Abstraktion sowie der Hierarchie angewandt: Grundgedanke der Verringerung der Komplexität durch Zerlegung ist es, die Zahl der jeweils relevanten Elemente zu reduzieren, um der oben genannten begrenzten Fähigkeiten des Menschen, mehrere Dinge oder Vorgänge gleichzeitig im Blick zu halten, Rechnung zu tragen.
M
Der Verringerung der Komplexität durch Reduktion und Abstraktion liegt der Gedanke zu Grunde, die Transparenz der einzelnen Systemelemente durch Vernachlässigen zunächst unwichtiger Details zu steigern. Durch abwechselnde Anwendung der Prinzipien Zerlegung und Reduktion bzw. Abstraktion erhält man eine Hierachie oder Baumstruktur. In einer solchen Struktur ist jedes Subsystem genau einem Supersystem zugeordnet mit Ausnahme des Obersten, der Wurzel. Ziel eines dokumentierten Modells für das prozessorientierte Qualitätsmanagement (►Prozessmanagement) im Unternehmen ist es, das Entstehen von Qualität im Zusammenwirken aller Mitarbeiter, Bereiche und Abteilungen transparent zu machen und damit Leitbild zu sein für qualitätsförderliches Handeln. Jedoch ist oft zu beobachten, dass sich Menschen im Unternehmen nicht qualitätsförderlich verhalten, obwohl ihnen ein dokumentiertes und exaktes Modell eines vielleicht sogar zertifizierten ►QM-Systems vorliegt. Ursache können hier unterschiedliche mentale Abbilder von ►Qualität sein. Unter mentalen Abbildern sind die interne individuellen Vorstellungen und Annahmen, die ein Mensch von der Realität hat, zu verstehen. Die mentalen Abbilder der Realität beeinflussen menschliches Verhalten wesentlich. Sie wirken bei der Ausübung der Arbeitstätigkeit handlungsregulierend und bestimmen so die Effektivität und Effizienz des Handels und
714
Modellentwicklung im Qualitätsmanagement demnach auch Qualität mit. Menschliches Handeln erfolgt somit aus der Interpretation des offensichtlichen Modells des Vorgehens vor dem Hintergrund des mentalen Abbilds, das heißt, subjektiver und teilweise unbewußter Regeln, Denk muster und Weltbilder. Hielten sich im Straßenverkehr alle Verkehrsteilnehmer beim Abbiegen an einer unübersichtlichen Kreuzung strikt an die Verkehrsregeln, so wäre ein Fortkommen schwer möglich. Es zeigt sich, dass es neben den formalen Regeln der Straßenver kehrsordnung noch eine Reihe von ungeschriebenen Regeln gibt, die das Verhalten im Straßenverkehr z. B. beim Abbiegen nachhaltig beeinflussen und den Straßenverkehr letztendlich flüssig halten, wie etwa: „Bremse spät!“, „Vermeide Blickkontakt mit anderen!“ und „Im Zweifelsfall gib Vollgas!“ Wird das Verhalten stark von ungeschriebenen Regeln beeinflußt, so können Probleme und Aufgaben nicht auf der Ebene gelöst werden, auf der sie in Erscheinung treten. Die alleinige Existenz eines formalen Modells reicht dann keinesfalls aus, um die Handlungen des einzelnen in der Organisation zu leiten. blematisch, Für das Unternehmen wird die Situation pro wenn ungeschriebene Regeln zu den formal erklärten Strategien und Zielen im Widerspruch stehen. Die Analyse fördert viele ungeschriebene Regeln und deren Quellen die im westlichen Kulturraum praktisch zu Allgemeingut geworden sind und den Philosophien und Strategien eines umfassenden Qualitätsmanagements krass widersprechen zu Tage. Es wird deutlich, will man ein Unternehmen wirksam verändern, so reicht das Kopieren und Verteilen des formalen Modells eines Sollzustands z. B. eines QM-Handbuchs nicht aus. Eine wirksame Veränderung hin zu qualitätsförderlichem Verhalten kann nicht ohne Kor rektur der Vorstellungen, Ideen, Bilder und Denkweisen der Mitarbeiter erreicht werden (►Mindset). Training, Schulung und Beteiligung der Mitarbeiter sind essentielle Voraussetzungen für das Erreichen dieses Ziels. Nur eine Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter sichert Akzeptanz von Anfang an. Bereits der Vorgang des Erstellens des formalen Modells sollte genutzt werden, um die zugrunde liegenden Gedanken und Philosophien zu kommunizieren. In der Diskussion können Widersprüchlichkeiten und individuell unterschiedliche Vorstellungen bei scheinbaren Selbstverständlichkeiten aufgedeckt und ausgeräumt werden. Denn nur ein im Konsens akzeptiertes Modell wird handlungsleitend. Auch Planspiele sind geeignet, das zugrundeliegende Modell in einer spielerischer Simulation der Realität rasch abrufbar und kommunizierbar zu machen. Planspiele, die in mehrtägigen Workshops ablaufen, können einen Gutteil aufwendiger Unternehmensanalysen ersetzen. apl. Prof. Dr.-Ing. Thomas Prefi P3, Aachen
Moderationsmethode
Moderationsmethode
Literatur
[1] Pfeifer, T.: Qualitätsmanagement. Strategien – Methoden – Techniken. 2. Aufl. München-Wien 1996 (1. Aufl. 1993) [2] Prefi, Th.: Entwicklung eines Modells für das prozeßorientierte Qualitätsmanagement. Berlin-Wien-Zürich 1995 [3] Strube, G. et al. (Hg.): Wörterbuch der Kognitionswissenschaft. Stuttgart 1996
Modellierung
▶ARIS Allgemein: Erstellung eines Modells. In der Wirtschaftsinformatik werden reale betriebliche Systeme bzw. Teilsysteme modelliert.
Moderationsmethode ▶Moderator ▶Makami-Diagramm
System von Techniken und Einzelmethoden zur Durchführung von Gruppengesprächen. Im Zentrum der Methode stehen spezielle Gruppenfrage- und Visualisierungstechniken, indem diese im Wechsel zwischen Kleingruppe und Plenum eingesetzt werden, um die erarbeiteten Ergebnisse transparent zu machen und zur weiteren Verwendung visualisiert aufzubereiten. Die Anwendung dieser Techniken erfordert ausreichende Übung in der Anwendung der Moderationsmethode. Dazu gehören die effiziente Gestaltung und Führung von Gruppengesprächen wie auch die sachgerechte Handhabung von Visualisierungstechniken. In neuerer Zeit haben Autoren aus dem Bereich des Qualitätsmanagements [1] zur Moderationsmethode das gesamte Arsenal an relevanten Techniken systematisiert, um es als Werkzeug für die Arbeit im Team in einem System von Moderationstechniken zur Verfügung zu haben. Hierzu wurden die Moderationstechniken in folgende fünf Gruppen aufgeteilt: ◼ Grundlegende Gruppenarbeitstechniken ◼ Aufbereitungstechniken ◼ Suchtechniken ◼ Prognosetechniken ◼ Bewertungstechniken
sprungs. Sie wurde bereits in den 1970er Jahren von Eberhard Schnelle aus Quickborn im Zusammenhang mit Verkaufgesprächen im Teppichhandel entwickelt [2]. Heute beherrscht sie jeder Trainer. Und es sollten auch in den Unternehmen eine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern darin ausgebildet werden. Auf jeden Fall sollte diese sog Pinwandmoderation (auch Metaplan-Moderationsmethode genannt) beherrscht werden. Dabei werden auf einer mit Packpapier bespannten großformatigen Steckwand Karten mit kurzen Texten frei angeordnet. Sie werden mit Nadeln dort angepinnt und können so im Laufe der Diskussion auch immer wieder neu geordnet werden. Im finalen Zustand werden sie dann geklebt. Mittels der Pinwandmethode können im der Gruppe Ideen produziert, gesammelt, visualisiert, geordnet, bewertet und entschieden werden. Im Lexikonartikel ►Makigami wurde deutlich, dass bei der Entwicklung, Gestaltung und Visualisierung von Prozessen gerade dieser Methode der Vorzug zu geben ist. Abbildung M34 zeigt ein auf Packpapier erarbeitetes Makagami. Literatur
[1] Malorny, Chr.; Langner, M. A.: Moderationstechniken. Werkzeuge für die Teamarbeit. München-Wien (Hanser) 1997 [2] Schnelle, E. (Hrsg.): Metaplan Gesprächstechnik. Kommunikationswerkzeug für die Gruppenarbeit. Quickborn (Metaplan) 1982 [3] Freimuth, J. und Th. Barth (Hg.): Handbuch Moderation. Konzepte, Anwendungen und Entwicklungen. Göttingen: (Hogrefe) 2014
Moderator
▶vermittelnder Diskussionsleiter ▶Moderationsmethode Im Kontext des Funktionierens einer Gruppe in der Funktion eines Gruppenleiters. Der Moderator ist „Erster unter
Abb. M34: ►Makigami-Diagramm – entwickelt mit der Pinnwand-Moderationsmethode auf Packpapier
Obwohl sich die unter diese Kategorien subsumierten Einzeltechniken mit anderen Qualitätstechniken überschneiden, sind sie für die Praxis sehr geeignet. Es darf nicht unterschätzt werden, dass der Erfolg oder Misserfolg der Projektarbeit sehr stark von der professionellen Anwendung der Moderationsmethode abhängt. Diese Methode ist nun keineswegs japanischen Ur-
715
M
Modul
Moments of Truth
Gleichberechtigten“ (entsprechend dem Prinzip der Hierarchielosigkeit eines Teams oder einer Gruppe) und fungiert als Spezialist für die Steuerung des vielseitigen Gruppenarbeits prozesses. Er verfügt über entsprechende Kompetenz, die er durch entsprechende Trainings erworben hat. Für die Funktion des Moderators sollte in modernen Organisationen jeder trainiert worden sein.
Modul
▶Zertifizierungssysteme Ein Baustein, der ein Verfahren zur ►Konformitätsbewertung beschriebt. Diese Definition bezieht sich auf den Beschluss des Rates 93/465/EWG (sog. Modulbeschluss).
Modularisierung „You can get it if You really want, but You must try, try and try, try …“ ( Jimmy Cliff)
M
Das Prinzip der Modularisierung versuchen Unternehmen im Spannungsfeld zwischen der Forderung nach einer breiten Produktpalette und einem hohen Kostendruck anzuwenden. Indem möglichst viele Teile, Module und Komponenten so entwickelt und produziert werden, damit sie in zahlreichen Einzelprodukten eingesetzt werden können, gelingt es Entwicklungszeit zu reduzieren und damit die Kosten in Entwicklung, Produktion und Service zu senken. Die Organisation basiert auf materiellen Produktplattformen als Bündel gemeinsamer Baugruppen und Kernmodule zur effizienten Entwicklung und Produktion. Bei modularen Produktplattformen können die einzelnen Plattformkomponenten individuell zusammengestellt, ausgetauscht und auch in anderen Produktplattformen verwendet werden. Dies steigert die Flexibilität bezüglich einer breiten Produktpalette und ermöglicht ein hohes Maß an Wiederverwendung von Teilen, Modulen und Komponenten. Man denke nur an Lego (Grundstein mit Noppe) oder Swatch (das Uhrwerk ist immer identisch). Wenn Kunden sehr hohe Ansprüche an Leistung, Qualität und Zuverlässigkeit von Produkten stellen, verwenden Unternehmen die integrale Produktplattform. So kann man einen Ferrari Formel-1-Rennwagen nicht modular bauen. Hier ermöglicht nur ein integraler Ansatz an die physikalischen Leistungsgrenzen zu gehen. Unternehmen wählen dann die Strategie der integralen Produktplattform, wenn Präzision und Qualität der Produkte wesentlich zur Differenzierung am Markt beitragen. Die optimale Abstimmung der einzelnen Plattformkomponenten und die reduzierte Anzahl an Schnittstellen ermöglichen eine hohe Leistung und sichern gleichzeitig die Qualität und Zuverlässigkeit der Produkte. Trotz integraler Pattformarchitektur können Unternehmen ausreichend flexibel auf Marktveränderungen und neue Kundenforderungen reagieren, wenn sie ihre Produktplatformen skalierbar gestalten. Skalierbare Produktplattformen lassen sich schnell und kostengünstig an neue Leistungsforderungen anpassen. Im Extremfall verfügt das Unternehmen
716
dann über ein „parametrisiertes Design“. Diese Art Plattform wird u.a. im Anlagenbau genutzt: Die Zeichnungen entstehen per „Knopfdruck“ am Computer. Die geschickte Modularisierung der Produkte ist für viele Unternehmen erfolgsentscheidend zur Erschließung der Nutzenpotentiale. Zu beobachten ist, dass sich die Organisation der Produktstruktur anpasst. Sie entspricht häufig der Produktstruktur. Gleichzeitig hat der Trend zur Modularisierung Einfluss auf den Einbezug der Lieferanten. Übergreifend gilt: Die Produktstruktur orientiert sich an der Marktstruktur und diese basiert auf der Struktur der Kundenforderungen. Damit schließt sich der Kreis zum „vielbesungenen“ Customer Approach. An dieser Stelle gilt es festzuhalten, dass die Strategie der Modularisierung ein zentrales schwer gänzlich beherrschbares Managementproblem und damit ein hoch einzuschätzendes Problem des ►Risikomanagements darstellt [2]. Ein Beispiel zum Nachdenken mag dies beleuchten: Wer weiß denn heute, im Jahr 2015, schon, welches ElektromobilDesign sich durchsetzen wird? Antwort: Fragen wir doch einfach den Kunden! Bemerkung von Steve Jobs: Da fragen Sie den Richtigen! Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Müller, M.: Modularisierung von Produkten. Entwicklungszeiten und -kosten reduzieren. München (Hanser) 2000 [2] Gassmann, O. et al. (Hrsg.): High-Risk-Projekte. HeidelbergBerlin (Springer) 2001
Moments of truth
▶de: Augenblicke der Wahrheit Der Begriff wurde von Jan Carlzon (1941-), dem Vorstandsvorsitzenden der Fluggesellschaft SAS Scandinavian Airlines, in den 1980er Jahren in die Fachdiskussion eingeführt. Er verstand darunter Situationen, auf die Unternehmen weitgehend Einfluss nehmen können, systematisch im Sinne von Kundenforderungen zu steuern. Moments of truth sind keine Kontaktpunkte, sie können aber an Kundenkontaktpunkten entstehen. Sie entstehen bei der Beratung, beim Kauf, aber auch indirekt beim Informieren, Kommunizieren, durch Mund-zu-Mund-Kommunikation. In diesen „Situationen der Wahrheit“ bilden sich Menschen eine Meinung, die sich als Einstellung mehr oder weniger verfestigt. Kennen Unternehmen diese Situationen können sie versuchen darauf Einfluss zu nehmen und die Begegnungssituation in ihrem Sinne zu lenken. Moments of truth können in diesem Sinne auch als Bewährungssituationen aufgefasst werden. Sie spielen in hohem Maße eine Rolle, wenn Unternehmen im Wettbewerb stehen, keine Monopolstellung besitzen und Kunden wählen können, wo sie kaufen. Moments of truth spielen im Marketing eine zentrale Rolle (Gestaltung der Kommunikation), sollten aber auch im Qualitätsmanagement beachtet werden (Gestaltung der Dienstleistungsqualität). Schließlich muss beachtet werden, dass
Monitoring solche Berührungspunkte nicht total gesteuert werden können. Durch Beobachtung und Befragung können Moments of truth empirisch erhoben werden. Literatur
[1] Carlzon, J.: Moments of truth. New York (Harper Perennial) 1987. Deutsch: Alles für den Kunden. Jan Carlzon revolutioniert das Unternehmen. Frankfurt am Main (Campus) 1988
Monitoring
Monopolhypothese
▶ Führung und Qualitätsmanagement
Motivation
▶Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement
Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement ▶Mitarbeiterorientierung ▶Mitarbeiterbindung ▶Arbeitszufriedenheit ▶Mindset
Der Motivationsansatz nimmt im Qualitätsmanagement eine herausragende Stelle ein. Verschiedene Ansätze, wie ►TQM oder ►Business Excellence tendieren sogar dazu, in der Mitarbeitermotivation (►Mitarbeiterorientierung) den entscheidenden Faktor für den Erfolg von qualitätsbezogenen Maßnahmen zu sehen. Die Bedingungen für die Leistungser bringung, das Qualitätsmanagement und die ►Qualitätsver besserung werden dabei häufig einseitig allein dem Wollen der Mitarbeiter zugeschlagen; eine Reihe anderer Bedin gungen wird oftmals vernachlässigt. Im folgenden wird zuerst der Stellenwert der Motivation im Gefüge der Qualitätsfaktoren geklärt, dann werden noch wichtige wissenschaftliche Modelle und Bedingungen der Motivation und schließlich praxisorientierte Ansätze für das Motivationsmanagement im Rahmen qualitätsbezogener Maßnahmen aufgezeigt. 1 Was ist Motivation? Wo immer über die Gründe oder Ursachen menschlichen Handelns mit unterschiedlichen Worten, wie Wunsch, Wille, Bedürfnis, Trieb oder Strebung auf in der Person vermutete Antriebskräfte verwiesen wird, werden diese unter dem Begriff Motivation zusammengefaßt. Neben einer Erklärungsfunktion für nicht beobachtbare Prozesse hat Motivation auch noch eine Beschreibungsfunktion: psychische Inhalte, Zustände, inneres Geschehen werden als Erlebnisqualität erfahrbar und als Gefühl, Antriebserleb
nis, Drang, Sucht, Stimmung etc. beschrieben. Einerseits ist Motivation ein hypothetisches Konstrukt, das zwischen Bedingungen und Konsequenzen vermittelt, andererseits ist sie unmittelbar subjektiv erfassbar durch Selbstbeobachtung und -beschreibung. Zu unterscheiden gilt es zwischen Motiv und Motivation. Der Begriff Motiv bezeichnet dabei eine zeitlich relativ überdauernde psychische Disposition. Motive sind zum Teil angeboren oder reifen nach einer für die Art kennzeichnenden Gesetzlichkeit oder werden im Zuge der Sozialisation in der Person entwickelt. Sie bilden ein relativ stabiles kognitives, affektives und wertgerichtetes Teilsystem der Person. Motivation entsteht, wenn eine Person mit Anregungs bedingungen der Situation konfrontiert wird, die in ihr ganz bestimmte Motive aktivieren, die wiederum Verhalten auslösen. Motivation erklärt die Richtung, Stärke und Dauer des individuellen Verhaltens, wenn man Fähigkeiten, Fertigkeiten, Aufgabenverständnis und Einflüsse der ob jektiven Um gebung konstant hält.
Begriff
▶de: Überwachung ▶Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement Erfassung von Zuständen, einem Vorgang oder einem Prozess mit Beobachtungssystemen. Ein Monitoringsystem ermöglicht den (sofortigen) Eingriff in einen Prozess, wenn sich abzeichnet, dass dieser nicht den gewünschten Verlauf nimmt.
Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement
Motivation ergibt sich also demnach aus dem Zusammenspiel einer Person, die spezifische Motive hat, mit einer Situation, in der bestimmte Bestandteile so wahrgenommen werden, dass sie zu Anreizen werden, die die Motive der Person aktivieren und dadurch das Verhalten in seiner Intensität, Richtung, Form und Dauer bestimmen [1]. 2 Stellenwert der Motivation Motivationales Verhalten darf nicht isoliert von anderen Faktoren des Leistungs ver haltens betrachtet werden; zur Motivation gehört neben der motivierten Person auch eine motivierende Situation. Die Ursachen des Leistungsverhalten setzen sich, wie die Abbildung M35 zeigt, aus vier zentralen Faktoren und ihren Wechselwirkungen zusammen, die Moti vation ist nur einer davon – wenn auch ein wichtiger. Abb. M35: Bedingungen des Verhaltens und Handelns Soziales Dürfen Normen und Regelungen
Individuelles Wollen Motivation und Werte
Verhalten bzw. Hand eln
Situative Ermöglichung Hemmende oder begünstigende äußere Umstände
Persönliches Können Fähigkeiten und Fertigkeiten
Einige wichtige Wirkungen dieser Faktoren sollen herausgegriffen werden: ◼ Soziales Dürfen: Soziale Normen steuern menschliches Verhalten wesentlich, ganz gleich, ob sie als geschriebene Regeln institutionalisiert sind oder als informelle der Un
717
M
Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement ternehmenskultur oder Arbeitsgruppe dazu beitragen, daß wir das tun, was wir zu tun haben. ◼ Situative Ermöglichung: Äußere Gegebenheiten fördern oder behindern das Handeln. Der Einfluß der Situation kann aber auch in die personalen Bedingungen übergehen, wenn bestimmte Situationsbestandteile als Anreize wahrgenommen werden und Motive aktivieren oder die zum Ziel drängenden Motivkräfte stärken. ◼ Individuelles Wollen: Die mit Leistungsbereitschaft, vielleicht auch mit Arbeitsfreude umschriebenen Kräft e, wer den als innerer Antrieb erlebt. Dabei kann der Grad der Bewußtseinsbeteiligung recht unterschiedlich sein, von der klar bewußten Zielsetzung reichen, der man nach zufolgen sucht, bis hin zu jenen von der Tiefenpsychologie aufgedeckten Regungen, die mit hoher Dynamik den Handelnden auf ein Ziel hin drängen, ohne daß ihm dies bewusst ist oder die von anderen akzeptabel erschei nenden und somit bewußtseinsfähigen Wünschen überdeckt werden. ◼ Persönliches Können: Unser Handeln ist in hohem Maße von Kompetenzen abhängig, die uns angeboren sind, die wir entwickelt oder erworben haben. Auch bei noch so hoher Motivation wird man bestimmte Leistungen, die andere Menschen erbringen, selber nicht vollbringen können. Das mehr oder weniger gegebene Wissen, z.B. eine angestrebte Tätigkeit ausüben oder nicht ausüben zu können, wird zugleich auch die Motivation wesentlich mitprägen, das Verhalten auch ausüben zu wollen.
M
3 Zusammenhang von Motivation und Zufriedenheit Verschiedene Qualitätsprogramme wie z.B. der ►European Excellence Award wollen in ihrem Ansatz Zufriedenheit im allgemeinen und die der Mitarbeiter im besonderen messen (►Mitarbeiterorientierung, s. a. ►Kundenzufriedenheit). Wir gehen bei der Mitarbeiterzufriedenheit davon aus, daß hierbei Zufriedenheit mit Motivation gleichgesetzt oder verwechselt werden kann. Dies bedarf der Klärung: Grundsätzlich gilt, daß Motivation eine Aktivierung und Zufriedenheit einen Zustand der Sättigung bedeutet. Der Zusammenhang ist dadurch gegeben, dass Zufriedenheit meist als Abhängige Varia ble betrachtet wird, allerdings werden unterschiedlichste Korrelationen und Kausalbeziehungen gemessen; im Durch schnitt findet sich ein leicht positiver Zusammenhang von Motivation und Zufriedenheit.
Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement Abb. M36: Beziehungen zwischen Motivation und Zufriedenheit Motivation motiviert demotiviert
A C
B D
A Eigenverantwortung oder eine erbrachte Leistung, B Konstruktive Kritik oder eine schlechte Leistung, die sich hätte vermeiden lassen, C Ein laisser faire-Führungsstil oder die Spruchweisheit: „Ein voller Bauch studiert nicht gern“, D Autoritärer Führungsstil oder schlechtere Arbeitsbedingungen als bei der Konkurrenz. 4 Motivationspotentiale Potentiale der Motivation werden zuerst meistens in der Befriedigung von Bedürfnissen gesehen. Diese Sichtweise hat ihren Niederschlag in den sog. Inhaltstheorien der Motivation gefunden. Es scheint auf den ersten Blick das Nächst liegende zu sein, die Mannigfaltigkeit der Antriebe nach der Verschiedenheit ihrer konkreten Bedürfnisse und Motive zu gliedern. Die Zahl der in der Literatur genannten Bedürfnisse ist kaum überschaubar und führt zu der Frage, welches Mo tiv wohl wiederum hinter je einem Motiv stehen mag; man spricht hier von der Kulissenhaftigkeit der Motive. Am bekanntesten dürfte die Bedürfnispyramide von Maslow [2] sein, der in humanistischer Absicht einen hierarchischen Aufbau von den Grundbedürfnissen bis zu Motiven der Selbstverwirklichung proklamiert hat (Abbildung M37). Abb. M37: Bedürfnispyramide nach Maslow
Selbstverwirklichung Ich-Motive
(Anerkennung, Status, Prestige, Achtung)
Mit der Vierfeldertafel in Abbildung M36 sollen die Beziehungen deutlich gemacht werden (wobei unter Kausalbedingungen nicht nur vier sondern weit mehr Beziehungen mög lich sind).
Soziale Motive (Kontakt, Liebe, Zugehörigkeit)
Sicherheitsmotive
(Schutz, Vorsorge, Angstfreiheit)
Als Beispiele für Ursachen in den einzelnen Feldern können genannt werden:
Physiologische Bedürfnisse (Hunger, Durst, Atmung, Schlaf)
Quelle: [2]
718
Zufriedenheit zufrieden unzufrieden
Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement Nach demselben Ansatz ist die Zweiteilung der Bedürfnisse nach Motivatoren und Hygienefaktoren in der Zweifakto rentheorie der Arbeitszufriedenheit nach Herzberg, Mausner & Snyderman (1959) [3] aufgebaut, einer Differenzierung, die bis heute in der betrieblichen Praxis geschätzt wird. Bei aller Kritik an diesen Ansätzen, die hier nicht im einzelnen ausgebreitet werden soll (vgl. z. B. [4]), kann diesen Ansätzen eine allgemeine Plausibilität nicht abgesprochen werden. Die manigfaltige Kritik betont u. a. die je unterschiedlichen Bedürfnispräferenzen von Individuen. Einen weiteren Ansatz, der von den Anreizen, die in der Tätigkeit selbst liegen, ausgeht, stellt das job characteristics model von Hackman & Oldham [5] dar ( Job Dignostic Survey [ JDS]). Die Ausweitung des Handlungs- und Kommunika tionsspielraum führt zu Arbeitszufriedenheit und Leistungs mo ti va tion und insbesondere zur Qualität der Leistung. Dieser Ansatz wird vor allem durch Maßnahmen der Arbeits platzgestaltung und Ausweitung des Handlungsspielraums, durch ►job-enlargement, ►job-enrichment, ►job-rotation und ►teilautonome Arbeitsgruppen gestützt. Heute sind selbstverständlich die unterschiedlichen Bedürfnisse und Motive von Individuen im Zeitalter postmaterieller Werte und nach erfolgtem ►Wertewandel von großer Bedeutung. Man sollte also die je individuellen Werte und Ziele der eigenen Person bzw. seiner Mitarbeiter kennen, um die erwünschten zu verstärken und den unerwünschten gegensteuern zu können [6]. Dies geschieht am erfolgreichsten im Verfahren der Zielvereinbarung (MbO). Die dabei vereinbarten und gesetzten Ziele ermöglichen die Antizipation eines Ergebnisses und dessen Repräsentation im Gedächtnis; sie aktivieren
Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement die Person, die Herausforderung ermöglicht schließlich ein Selbstwerterlebnis durch die eigene Anstrengung und ein Erfolgserlebnis bei Zielerreichung [7]. Es handelt sich hierbei um wichtige Faktoren der Motivation, die bewußt erlebbar werden. Bei der nicht unüblichen Verhaltensweise: „Ich tue sowieso tagaus tagein mein Bestes, da brauche ich keine Ziele (mit mir oder anderen) vereinbaren“, werden die genannten Faktoren durch Zufall wirksam. Die Zielsetzverfahren zeigen im Vergleich mit allen anderen aus Motivationstheorien abgeleiteten Prognosen die höchsten Korrelationen mit Leistung. Die Umsetzungsmöglichkeiten sind im Zusammenhang mit der Akzeptanz der Ziele (darum Zielvereinbarung!) der Widerspruchsfreiheit der Ziele, dem feed back und der Belohnung zu sehen. Ihre praktische Bedeutung haben sie in management by objectives-Programmen. 5 Prozess der Motivation Der Grundgedanke der Prozesstheorien läßt sich folgendermaßen skizzieren: Das Individuum strebt danach, seinen subjektiv erwarteten Nutzen zu maximieren; die dahinterstehenden Ziele sind mehr oder weniger bekannt. Diese Theorien richten ihr Augenmerk auf die Dynamik bei der Kalkulation im Sinne subjektiver Rationalität und die daraus folgende Umsetzung [8] (vgl. Wert-Er-wartungs-InstrumentalitätsTheorie von Vroom [8]). Die Abbildung M38 veranschaulicht den Prozess unter Einbeziehung von Situation und Person, zu der folgendes zu erläutern ist: 1 Ein Anreiz aus der Situation setzt den Prozess in Bewegung (z. B. ein Fehler wird festgestellt), 2 dazu kommen Anregungen aus der Motivstruktur (z.B. Orientierung am Null-Fehler-Prinzip); 3 diese führen zur Aktivierung auch des „Kopfes“:
Abb. M38: Prozessmodell der Motivation
1 Anreize der Situation
3 Aktivierung
D i e Si t u at i on sse i te
4 Überlegungen: Erwartung und Bedeutung
5 Anstrengung
2 Motive der Person
6 Situative Bedingungen
8 Ergebnis: Leistung und Zufriedenheit
7 Können
D i e Per sonen se i te 719
M
Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement 4 Überlegungen werden angestellt, ob das angestrebte Ziel erreichbar ist (Erwartung) und ob es in der Lage ist das Bedürfnis zu befriedigen (Bedeutung oder Instrumenta lität). Z. B. würde die Alternative fehlerhafte Fertigung von Produktteilen, also Nichteingreifen in den Prozess evtl. keine Konsequenzen haben, weil der Fehler am Teil wohl nicht zur Funktionsunfähigkeit des Produkts führen wird. 5 Nach der Entscheidung werden mehr oder weniger intensive Anstrengungen auf das gewählte Ziel hin unternommen (z. B. Beseitigung des Fehlers). 6 Situative Bedingungen und 7 individuelles Können, die auch schon bei den Überlegungen eine Rolle ge spielt haben, bestimmen das Leistungsverhalten mit, 8 so dass schließlich ein Ergebnis zustande kommt, das zur Befriedigung des situativen Anreizes (Fehler) führt und auch auf die Motivstruktur wirkt, z.B. das Motiv verstärkt: „Wenn ich Fehler erkenne und beseitige, trage ich durch die Fertigung von Null-Fehler-Produkten zum Erfolg des Unternehmens bei.“ Wie bereits angedeutet, werden mehr oder weniger Anstrengungen unternommen, d.h. es gibt keinen Automatismus, dass die Vornahmen auch optimal umgesetzt werden; wir kennen das ja auch von unseren guten Vorsätzen für das Neue Jahr. Motivation und Handeln sind also nicht automatisch gekoppelt, vielmehr durchläuft die Phase des Handelns einen Prozess der Volition in dem u.a. die personalen Faktoren der Selbstkontrolle und Selbstregulation eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung der Handlungsvornahmen spielen [9]. So scheint z. B. rigide Selbstkontrolle die Verwirklichung einer beabsichtigten Handlung zu behindern. Volition: Motivation und Handeln sind nicht automatisch gekoppelt. Die Phase des Handelns durchläuft einen Prozess der Volition, in dem u.a. die personalen Faktoren der Selbstkontrolle und Selbstregulation eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung der Hand lungsvornahmen spielen.
Begriff
M
Der austauschtheoretische Ansatz der Gerechtigkeitstheorie von Adams (1963) ist ebenfalls dynamischer Natur, wobei ein Vergleich von input/output-Verhältnissen von der handelnden Person vorgenommen wird. Auf individuellem wie aggregierten Niveau stellt man einen Vergleich von eigenen input/output-Verhältnissen mit denen anderer an. Gerech tigkeit und Zufriedenheit wird erlebt, wenn die Verhältnisse ausgeglichen sind; z.B. würde man es als gerecht empfinden, wenn ein Kollege, der mehr leistet als man selbst leisten kann oder zu leisten bereit ist, befördert wird. Da jedoch die Inhalte und Bewertungen von input und output subjektiv sehr unterschiedlich sein können, kommt in der betrieblichen Praxis der Transparenz von Leistungs- und Belohnungskriterien große Bedeutung zu, um zu einer realitätsgerechten Einschätzung beim Vergleich zu kommen [10].
720
Motivationsmanagement im Qualitätsmanagement 6 Motivationsmanagement Bei den hier vorgestellten Motivationsansätzen wurde teilweise die Richtung der zu ergreifenden Maßnahmen angedeutet. Spezifischen Maßnahmen, die für das Qualitätsmanagement auch kombiniert einzusetzen sind, sollen besonders her ausgestellt werden: ◼ Qualitative Höchstleistungen, wie sie im Qualitätsmanagement gefordert werden, lassen sich letztlich nicht erzwingen; besonders deutlich kann dies am Beispiel der Kreativität (►KPL-Techniken) oder Verantwortungsübernahme gezeigt werden. Deshalb werden im Qualitäts management Motivationstechniken wichtig, die in erster Linie nicht auf pushing and control setzen, sondern auf Selbstbestimmung und Erweiterung des Handlungsspielraums. Dem stehen kleinliche Fremdbestimmung und Verantwortlichmachung für Ergebnisse in deren Planungs- und Entscheidungsprozeß man nicht eingebunden war, entgegen. ◼ Hier sei nochmals auf die Zielvereinbarung verwiesen, die sich dadurch auszeichnet, daß Motive und Vorstellungen des Mitarbeiters in die Vereinbarung eingehen. Viel Zeit, Geduld und die Beherrschung elementarer Gesprächs technik werden von Vorgesetzten verlangt, wenn die Exaktheit der Ziele, die Herausforderung und realistischen Möglichkeiten der Zielerreichung, die aktive Teilhabe des Mitarbeiters beim Setzen der Ziele und das notwendige feed back vereinbart werden. ◼ Die Analyse der eigenen Motive und des Verhaltens ist notwendig. Wo stand ich mir selber im Weg? Wie schaut es mit meiner Selbstregulation auf dem Weg zum Ziel aus, kann ich mir meine „inneren“ Hemmnisse und Kon flikte bewußt machen und akzeptieren oder muss ich diese „autoritär“ unterdrücken? ◼ Führungskräfte sollten sich selbst und ihre Mitarbeiter bei Zielerreichung belohnen und dabei aufpassen, dass sie nicht (versehentlich) ihre Fehler und Schwächen belohnen, damit das Fehlverhalten nicht zur Gewohnheit wird. ◼ Den häufig geforderten materiellen Belohnungen sind Grenzen gesetzt und zwar nicht nur von ihrem Grenz nutzen her. Materielle Anreize nehmen zwar eine Sonderstellung ein, weil ihre Gewährung nicht nur als Hygienefaktor Grundbedürfnisse zufriedenstellt, sondern auch Status und Selbstbewußtsein stärken. Die Wirkung von Leistungsanreizen ist jedoch von Person zu Person verschieden. Je mehr z. B. die Anreize in der Tätigkeit selbst liegen, desto riskanter ist es andere Anreize anzubieten, z.B. materielle. Dies gilt bei Vorliegen besonders hoher intrinsischer Arbeitsmotivation, bei der die Belohnung in der herausfordernden Tätigkeit selbst liegt. ◼ Bei nicht klar definierten Kriterien (Transparenz von Leistungs- und Belohnungskriterien) kommt bei unangemessenen materiellen Belohnungen das Gefühl der Manipulation auf, das Reaktanz (= Widerstandsreaktion) auslöst und der Motivation entgegensteht.
MTBF ◼ Misserfolgserlebnisse oder monotone Arbeitsbelastungen können kurzfristig mit materiellen Belohnungen kompensiert werden, jedoch nicht zur Leistung motivieren [11]. In den hier angeführten Fällen sind die erwähnten Maßnahmen der psychologischen Arbeitsgestaltung (job-enlargement, job-enrichment, job-rotation und teilautonome Arbeitsgruppe) erfolgversprechend. Dipl.-Soz. Rudolf Bögel, München Prof. Dr. Lutz von Rosenstiel, München Literatur
[1] Thomae, H. (1965) Die Bedeutung des Motivationsbegriffs. In: H. Thomae (Hrsg.) Handbuch der Psychologie, Band II (Motivation), Kap. 1, S. 3-44. Gött ingen: Hogrefe 1965. – Rosenstiel, L. v.: Die motivationalen Grundlagen des Verhaltens in Organisationen – Leistung und Zufriedenheit. Berlin: Duncker & Humblot 1975 [2] Maslow, A.H.: Motivation and personality. New York: Harper 1954 [3] Herzberg, F., Mausner, B. & Snyderman, B.: The motivation to work. New York: Wiley & Sons 1959 [4] Locke, E.A.: The nature and causes of job satisfaction. In: M.D. Dunnette (Ed.) Handbook of industrial and organizational psychology, pp. 1297-1349, Chicago: Rand McNally 1976 [5] Hackman, J.R. & Oldham, G.R.: The job diagnostic survey. New Haven: Yale University Press 1974 [6] Bihl, G.: Wertorientierte Personalpolitik. München: Beck 1995 [7] Locke, E.A. & Latham, G.P.: Goal setting: A motivational technique that works. Engelewood Cliffs, N.J.: Prentice Hall 1984 [8] Vroom, V.H.: Work and motivation. New York: Wiley 1964 [9] Heckhausen, H., Gollwitzer, P.M.; Weinert, F. E. (Hrsg.): Jenseits des Rubikon: Der Wille in den Humanwissenschaften. Berlin: Springer 1987. – Heckhausen, H.: Motivation und Handeln. Berlin: Springer 1989 [10] Rosenstiel, L.v.: Grundlagen der Organisationspsychologie. 4. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 2000 [11] Kuhl, J.: Die Bedeutung materieller Leistungsanreize für die Arbeitsmotivation. In: Bertelsmannstiftung (Hrsg.) Arbeitsmo tivation und Führung. Gütersloh: Bertelsmann 1988 [12] Comelli, G. & Rosenstiel, L.v.: Führung durch Motivation. München: Beck 1995 [13] Ulich, E.: Arbeitspsychologie, 3. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 1995
MTBF
MTBM
▶en: Meantime between Maintenance Mittlere Lebensdauer zwischen Wartungen.
MTTF
▶en: Mean Time to First Failure Mittlere Dauer bis zum Ausfall, wird auch als mittlere Lebensdauer bezeichnet.
MTM
▶en: Mean Time to Maintenance Mittlerer Abstand zwischen zwei Instandhaltungsmaßnahmen
MTM
▶en: Methods-Time-Measurement ▶Gilbreth, Frank Bunker In den 1940er Jahren wurde in den USA die Entwicklung der Grundlagen des Methods-Time-Measurement (MTM) besonders von der Forschergruppe um Herold Bright Maynard & John L. Schwab vorangetrieben. Sie definierten in ihrem Buch „Methods-Time-Measurement“ (1948) die menschliche Normleistung, die sich auf das Leistungsvermögen eines „durchschnittlich geübten Arbeiters“ bezog. Historisch ging dieser – allerdings breiter verfolgte – Ansatz auf die Forschungen des Ehepaars ►Gilbreth zurück, dem es ein Anliegen war, Kraft und Ermüdung im zeitlichen Zusammenhang zur Erhaltung der menschlichen Arbeitskraft zu erforschen und Kriterien zur Erhaltung der Arbeitskraft zu definieren. Sie sahen nicht – wie noch ►Taylor – den Menschen als Maschine. Von Maynard & Schwab wurde dann die angestrebte „motorische Meßlatte des Menschen“ definiert: Die elementaren Hand- und Fingerbewegungen sowie Blickfunktionen und auch Körper-, Bein- und Fußbewegungen standen im Mittelpunkt.
M
Die von Gilbreth entwickelte THERBLIGs mit ihren 17 Grundbewegungen wurden in der Folge ersetzt durch ein neues System, das Zeiteinheiten wie folgt definiert: Eine Zeiteinheit (= Time Measurement Unit, TMU) wird wie folgt gemessen: 1 TMU = 0,036 Sekunden, sodass 100.000 TMU einer Stunde entsprechen. Der Begriff MTM war entstanden. Die Zeiteinheiten wurden in den sog. MTM-Kodes, in denen die Bewegungselemente beschrieben werden, aufgenommen. Bei den MTM-Kodes handelt es sich um die kleinsten Komponenten des MTMSystems. Diese Komponenten werden je nach Aufgabenstellung genutzt, um daraus Schlüsselreizwerte (Cue Motions) abzuleiten. Das folgende Beispiel einer „MTM-Bewegung“ verdeutlicht die Herangehensweise ([2], 274): Fall
Zeit in TMU
Beschreibung der Fälle
MTM-Bewegung – Beispiel
▶en: Mean Time between Failures Mittlere Betriebsdauer zwischen Ausfällen für Einheiten, die instandgesetzt werden.
MTM
G1A 2,0 Greifen eines leicht zu fassen den alleine liegenden Gegenstandes G1B 3,5 Greifen eines sehr kleinen Gegenstandes oder eines Gegenstandes, welcher flach auf einer Ebene liegt 5,6 Nachgreifen: Verlegen des G2 Kontrollpunktes an einem Gegenstand, ohne die Kontrol le über diesen zu verlieren
721
MTM Da bei der konkreten Zeitberechnung im Einzelfall noch eine Vielzahl an weiteren Faktoren eine Rolle spielen (Ermüdung, Motivation etc.), kann der Praktiker im Betrieb nicht einfach umstandslos aus den MTM-Tabellen die TMUs herausgreifen und addieren, was naiv gedacht naheliegend wäre. Der Betrieb ist auf die Expertisen der MTM-Experten angewiesen, die dann bezogen auf die Entlohnung die Bewegungszeiten in Grenzen berechnen können. Ein solches Expertenwissen wird denn auch in den Schlussfolgerungen deutlich, die bei einem Projekt zur Einarbeitungsdauer bei typischen Montagetätigkeiten gezogen wurden ([2], 287f): „Unabhängig vom Arbeitsstand zur Entwicklung einer Methode für die Prognose der Einarbeitungsdauer lassen sich praktische Schlussfolgerungen für die Verkürzung einer Einarbeitung ableiten:
M
◼ Tätigkeiten mit einem geringen Anteil wirksamkeitsbezogener Bewegungsanteile sind schneller zu erlernen. Dies kann zum Beispiel durch die Vermeidung schwieriger Füge- oder Greifoperationen gefördert werden. Die Auswirkungen intensitätsbetonter Bewegungen, wie ‚Hinlangen‘, einfacher Greifoperationen oder ‚Bringen‘ sind dagegen gering. ◼ Eignungsverfahren zur Ermittlung des Talents für die Ausführung von Montagearbeiten unterstützen die Verkürzung der Einarbeitungsdauer. Dies gilt auch bei der Berücksichtigung des Trainingsgrades von Mitarbeitern aufgrund ihrer beruflichen Entwicklung, wobei das Talent in der Regel höher zu bewerten ist. ◼ Gezieltes Unterweisen in Verbindung mit einem Training von Arbeitsmethoden verbessert die Einarbeitung und vermeidet das Aneignen falscher oder ungünstiger Bewegungsabläufe, wodurch ein Erreichen der Normleistung erschwert oder gar verhindert wird. ◼ Die gezielte Gestaltung von Arbeitsinhalten dient der Vermeidung von psychischen Belastungen, wie diese in der Normengruppe DIN EN 10075 beschrieben werden. Ein solches Vorgehen fördert die Motivation der Mitarbeiter, hat somit unmittelbare Auswirkungen auf die Einarbeitungszeit und beeinflusst darüber hinaus maßgeblich die Dauerleistung. Gleichzeitig können mögliche Einarbeitungseffekte kurzzyklischer Tätigkeiten mit einer geringen Zahl zu erlernender Schlüsselreize durch die damit verbundene Monotonie und Sättigung überlagert werden und in der Folge den Lernprozess deutlich verlangsamen.
Idealerweise sollten in einem ersten Schritt die Montageprozesse für ein Produkt in Ablaufschnitt auf Mikrosystemebene zerlegt und hinsichtlich ihres Anforderungsniveraus bewertet werden, sodass Produktkorrekturen bezüglich der Montagefähigkeit möglich sind. Aus den Ablaufabschnitten können Arbeitsaufgaben gebildet werden, sodass sich konkrete Anforderungen für einen Personalauswahlprozess beziehungsweise begleitenden Eignungstest ableiten lassen. Anschließend kann die konkrete Planung des Arbeitsplatzes erfolgen, welche mit fortschreitendem Planungsprozess untereinander abzustimmen sind.“
722
MTM Die Autoren fordern in dieser Studie zur Einarbeitungsdauer, dass exakte Planungsdaten als Basis für realistische Aussagen hinsichtlich Aufwand, Lieferfähigkeit und der damit verbunden Kosten erforderlich sind. Sie bemängeln, dass sich Unternehmen bei der Bestimmung der Einarbeitungsdauer mit einer in der Tendenz zu optimistischen Schätzung helfen, was aufgrund der Komplexität des Gegenstandes nicht vertretbar sei ([2], 269). Zusammenfassung: Im Anschluss an Gilbreths Grundlagenarbeit hat sich innerhalb der Arbeitswissenschaften eine Richtung etabliert, in der die Zielsetzung verfolgt wird, die Körperbewegungen en detail im Hinblick auf ihre Arbeitsfunktion unter zeitlichen Aspekten zu bestimmen, wobei davon ausgegangen wird, das der Erfolg oder Misserfolg von der je spezifisch angewandten Arbeitstechnik (Methode) abhängt: Mauern ist nicht gleich Mauern. Es kommt darauf an wie man Stein und Kelle hält! Dafür hat sich der Begriff und das Konzept Methods-Time Measurement (MTM) innerhalb eines allgemeinen Begriffs von Zeitwirtschaft international durchgesetzt. Ins Deutsche übersetzt kann man von „Methodenzeitmessung“ sprechen, kurz: Die Methode bestimmt die Zeit. Die Fragestellung lautet somit: „Wie erreiche ich bei einem Aufgabenkomplex vorbestimmte Zeiten?“ – Antwort: „Indem ich auf eine Sammlung von bereits empirisch ermittelten MTM-Bewegungselementen zurückgreife und diese im gegebenen Aufgabenzusammenhang differenziert einsetze.“ Das Verfahren kann also immer dort zum Einsatz gelangen, wo verrichtungsorientierte menschliche Arbeit geplant, organisiert und durchgeführt werden muss. Solche Anwendungen findet man daher in der Fertigung, Logistik und Instandhaltung genauso wie in der Verwaltung oder im Dienstleistungsbereich. MTM ist folglich allgemein ein Instrumentarium zur Beschreibung, Strukturierung, Gestaltung und Planung von Arbeitssystemen. Diese Elemente bilden heute die Basisbausteine für den Aufbau von Produktionssystemen. Werfen wir kurz einen Blick auf Toyota und sein TPS: Nach den obigen Ausführungen hätten MTM-Berater hier ein weites Feld zur Optimierung des Produktionssystems. Allerdings greift Toyota nicht darauf zurück. Toyota implementiert und gestaltet anders. Es setzt auf seine Mitarbeiter, die voneinander lernen. Im gegebenen Zusammenhang werden miteinander die Arbeitssysteme entwickelt, standardisiert und kontinuierlich verbessert und das nicht top down durch eine übergeordnete Planungsabteilung, die MTM-Bewegungselemente einsetzt, sondern gedacht und gemacht wird vor allem vor Ort (in der Gemba) im gegenseitigen Erfahrungslernen wird geplant, standardisiert und verbessert. Das mag alles aus der Sicht von MTM ein „zu grob geschätztes Vorgehen“ sein, das auch nicht auf Anhieb perfekt funktionieren mag. Aber durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess und das fortlaufende Setzen und Austauschen von Standards geht es genau in die geforderte Richtung, indem immer das verbessert und standardisiert wird, was aus der Sicht des Kunden für den Mitarbeiter angemessen ist und den sicherheitstechnischen und ergonomischen Standards entspricht.
MTM Es ist gar keine Frage, dass MTM das Potential, das im Toyota Produktionssystem und allgemein im Lean Management steckt, anerkennt. In dem von Britzke herausgegebenen Sammelband finden sich zahlreiche positive Beispiele hierzu. Zu beobachten ist der permanente Versuch Ansätze des Lean Managements mit dem MTM-Konzept zu kombinieren. Aktuelle Themen sind ►Ganzheitliche Produktionssysteme und ►Wertstromdesign. So resümiert Kuhlang ([3], S. 268): „Die gemeinsame Anwendung von Wertstromdesign und MTM biete neuartige Vorteile durch eine aufeinander abgestimmte Grundhaltung und Verbesserung von logistischen und produktionstechnischen Aspekten am und im Umfeld von Arbeitsplätzen sowie entlang dem gesamten betrachteten Wertstrom. Die gemeinsame Anwendung von WSD und MTM bietet hervorragende Synergien sowie wechselseitige systematische Ergänzungen, die sich in praktischen Anwendungen bewährt haben und hervorragende Ergebnisse bei der Bewertung und Verbesserung der Produktivität bringen.“
Zu MTM-UAS (Universelles Analysier-System): Die Deutsche MTM-Vereinigung e. V. bietet speziell für die Serienfertigung, insbesondere für die Mittelserienfertigung, das System MTMUAS an. Es zielt auf die auftragsorientierte Fertigung mit Wiederholcharakter. Die Arbeitsabläufe treten in längeren Zyklen auf, als in der Massen-/Großserienfertigung. Die Mitarbeiter sind weniger routiniert und haben mehr Entscheidungsfreiräume, folglich ändern sich die Bewegungsabläufe von Stück zu Stück geringfügig. Dieses Universelle Analysier System soll besonders für die Automobilbau-, Luftfahrzeugbau- sowie für zugehörige Unterlieferanten von Bedeutung sein. Auch in ganz anderen Bereichen, wie etwa Logistikprozesse und Prozesse am Büro-Arbeitsplatz soll MTM-UAS einsetzbar sein. Es basiert auf einem Modulsystem mit Standards, die u. a. folgenden Kategorien zugeordnet werden: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Aufnehmen und Platzieren Platzieren Hilfsmittel handhaben Betätigen Bewegungszyklen Körperbewegungen Visuelle Kontrolle
In den Grund- und Standardvorgängen wird beschrieben, welche Normzeitwerte (in der Zeiteinheit 1 TMU = 0,036 Sekunden) und Ergänzungswerte unter Beachtung von be-
stimmten Parametern (Bewegungslängen, Gewicht, Platziergenauigkeit und Schwierigkeit der Handhabung) auszuweisen sind. Mit dem MTM-UAS lassen sich Produktionsprozesse in der Serienfertigung effizient und zielführend beschreiben. In den Ansätzen des ►Ganzheitlichen Produktionssystems hat MTM-UAS inzwischen seinen Niederschlag gefunden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Britzke 2010: Britzke, B. (Hrsg.): MTM in einer globalen Wirtschaft. Arbeitsprozesse systematisch gestalten und optimieren. Landsberg (mi) 2010 [2] Merkel, T. und S. Winkler: Prognose der Einarbeitungsdauer. In [1] , S. 269-288 [3] Kuhlang 2010: Kuhlang, P.: Produktivitätssteigerung durch die kombinierte Anwendung von MTM und Wertstromdesign. IIn [1], S. 239-268
MTTR
▶en: Mean Time to Repair Instandsetzungszeit bzw. mittlere Reparaturzeit.
Muda, Mura, Muri
▶en: waste ▶de: Verschwendung ▶fr: gaspillage ▶just in time ▶Japanische Qualitätstechniken Unter Muda wird jede Aktivität verstanden, die Ressourcen verbraucht, also Kosten verursacht, aber keinen Wert erzeugt [1] 1 Zur Kategorie Muda (Mura, Muri) In ihrem Buch „Auf dem Weg zum perfekten Unternehmen“ richten sich die Autoren Womack und Jones an ihre Leser mit der Aufforderung [2, 16]: „Muda. Es ist das einzige japanische Wort, das Sie wirklich kennen müssen.“ Eine Einschätzung und Feststellung, der zugestimmt werden muss. Muda ist die Kategorie, die im Zentrum des ►Lean Managements steht. Ihren Ursprung findet sie im ►Toyota Produktionssystem. Sie ist dort als conditio sine qua non des Systems nicht wegzudenken und besitzt auch für das Denken und Handeln aller Mitarbeiter Orientierungsfunktion. Drei Begriffe prägen die Bestimmung von Muda im o. g. Begriff: ◼ jede Aktivität ◼ Ressourcenverbrauch ◼ Werterzeugung Gemeint sind damit alle Aktivitäten (►Tätigkeiten), die in einer Organisation durchgeführt werden. Tätigkeiten führen zu Ergebnissen. Folglich können sie daran gemessen werden. Bezugspunkt der Messung ist die Werterzeugung. Der Wert des Produkts ist gemeint. Wer bestimmt den Wert von Tätigkeiten? Und schließlich: Um welche Ressourcen geht es?
723
Begriff
Angesichts dieser Argumentation kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Erfolg des Produktionssystems von Toyota und die Folgen des Lean ManagementAnsatzes dazu geführt haben, eine „Flucht nach vorne“ anzutreten, um das eigene MTM-Konzept in eine neue Zukunft zu lenken, was vom traditionellen Ursprung her eigentlich konträr zu sehen wäre. Die folgende Beschreibung zeigt diesen Trend.
Muda, Mura, Muri
M
Muda, Mura, Muri Ressourcen können materiell und immateriell sein. Beide Arten sind gemeint. Beide Arten verursachen Kosten. Etwas versteckt enthält die Definition noch die Kostenkategorie. In dieser Kategorie kann Muda gemessen werden. Kosten bestimmen den Preis des Produkts. Folglich ist Muda auch ein Gradmesser für den Preis. Jeder Kaufmann weiß das. Gleiches gilt für die ergänzenden Begriffe Mura (Unausgeglichenheit) und Muri (Überlastung). Zusammen sind sie die Drei Mu. Eindeutig bestimmt der Begriff Muda die Rede von Verschwendung. Muri und Mura werden oft in der Literatur gar nicht genannt (Vergessen und Unwissen?). Aufgrund dieser Erläuterungen wird klar: Muda bezieht sich auf den Prozess, der durch Tätigkeiten konstituiert wird, die Wert für das Produkt erzeugen. Diesen Prozess bezeichnet man als Wertschöpfungsprozess. Er beginnt schon bei der Produktidee, Produktentwicklung, Beschaffung, Produktion und endet beim Marketing, das den Kunden für das Produkt zu erreichen sucht und oft auch findet. Dabei ist der Wert der Preis, den der Kunde für das Produkt annimmt. Der Wert wird in jedem Fall durch den Kunden definiert (Kundenforderung).
M
Die Verschwendung selbst (Muda) ist die offensichtlichste Ursache für die Entstehung von Verlusten. Überall im Unternehmen tritt Muda auf. Es ist insbesondere Anteil der nichtwertschöpfenden Tätigkeiten (Non-Value-Adding Activities; NVA) an einer zu verrichtenden Arbeit oder an einem Produktionsprozess. Diese unproduktiven Anteile gilt es zu minimieren und nach Möglichkeit zu eleminieren. Dabei ist zumindest teilweise auch die Arbeitsgestaltung im Sinne einer Gestaltung von Arbeitstechniken, Betriebsmitteln, Arbeitsumgebung und Arbeitsorganisation zu verändern. Die drei Mu-Checkliste von Shigeo ►Shingo mag hier helfen: ◼ Mitarbeiter ◼ Technik ◼ Methode ◼ Zeit ◼ Möglichkeiten ◼ Vorrichtungen ◼ Werkzeuge ◼ Material ◼ Produktionsvolumen ◼ Bestände, Vorräte ◼ Denkweise ◼ Arbeitsplatz Sie dient als Prüfliste (Checkpoint-System) zur Verbesserung. Dies vorausgeschickt geht es darum, Muda zu vermeiden, also erst gar nicht aufkommen zu lassen. Dazu müssen die Arten von Muda differenziert bestimmt werden. ►Ohno hat zum Erkennen und Beseitigen von Muda sieben Kategorien ausfindig gemacht [1, 152]: ◼ Überproduktion ◼ Warten ◼ Transport
724
Muda, Mura, Muri ◼ ◼ ◼ ◼
Zu starke Bearbeitung (Überarbeitung) Lagerbestand Bewegung der Arbeiter Herstellung defekter Teile und Produkte
Hierbei handelt es sich keineswegs um eine abschließende Aufzählung. Je nach Tätigkeitsbereich lassen sich weitere Kategorien finden. Ohno selbst hat sich in beispielhafter Weise mit dem Thema Muda befasst. So schreibt er: Wer als Manager durch den Fertigungsbereich geht hat ständig Verschwendungen aufzudecken: „… die Bewegungen der Arbeiter im Produktionsbereich sind entweder Arbeit ohne oder mit Wertschöpfung. Sich bewegen bedeutet nicht unbedingt arbeiten. Arbeiten heißt, den Prozess in Richtung auf die Vollendung der Arbeit voranbringen.“ [1, S. 87] Dieser Arbeitsbegriff sieht als Bezugspunkt den Wertschöpfungsprozess. In Abbildung M39 demonstriert Ohno, was er unter Wertschöpfung versteht [1, S. 86]: ◼ „Arbeit ohne Wertschöpfung kann als Verschwendung im landläufigen Sinn verstanden werden, z. B. Teile holen, Sendungen von Zulieferern öffnen, den Startschalter von Maschinen drücken usw. Unter den gegenwärtigen Arbeitsbedingungen müssen diese Verrichtungen getan werden. Will man sie beseitigen, müssen die Arbeitsbedingungen zum Teil geändert werden. ◼ Arbeit mit Wertschöpfung bedeutet irgendeine Art der Bearbeitung – die Veränderung der Gestalt oder des Charakters eines Produktes oder Aggregates. Anders ausgedrückt: Durch die Bearbeitung werden Rohstoffe oder Teile in Produkte verwandelt, um Wertschöpfung zu erzeugen. Je größer das Verhältnis, desto höher ist die Arbeitsproduktivität.“ Wenn man versucht, Muda entsprechend der Terminologie Ohnos zu quantifizieren, so kann wohl angenommen werden, dass sehr viele „normale Unternehmen“ heute 90 bis 99% Muda tolerieren. Für japanische Unternehmen, speziell bei Toyota, ist das natürlich untragbar: Weniger als 30% Muda sind Zielsetzung und erreichtes Ziel mit der Tendenz nach unten. Außerhalb der Toyota-Sphäre und der sog. „Lean-Community“ bemüht man sich manchmal um einen alternativen Zugang zum Problemfeld Verschwendung. Zunächst einmal wird zwar das Phänomen anerkannt, allerdings folgt man anderen Benennungen. Abbildung M40 zeigt in quantifizierender Weise den Wert der Blindleistung mit 20%. Hierbei handelt es sich, neben der Fehlleistung von 10% auf jeden Fall um Muda. Diese 30% wären jedoch noch zu ergänzen. In den Stützleistungen steckt mit hoher Wahrscheinlichkeit weiteres Muda. Und inwiefern die Nutzleistung nicht auch noch bereinigt werden müsste, um im Sinne Ohnos eine „echte“ Wertschöpfung mit Arbeit zu erhalten, kann nicht ausreichend beurteilt werden, weil diese Zahlen aus einer Einzelfallanalyse
Muda, Mura, Muri
Muda, Mura, Muri
Abb. M39: Muda im Kontext von Arbeit und Wertschöpfung Für die Arbeit überflüssig
Durch Inklusion von Mura und Muri sind von ihm somit neun verschiedene Verschwendungsarten herausgearbeitet worden:
◼ Freie Zeit ◼ Sinnloser Transport ◼ Lagerung von Zwischenprodukten ◼ Weitergabe von Gütern an andere Arbeiter ◼ Transport nicht zum Bestimmungsort
◼ Unausgeglichenheit (Mura) – die Organisation ist nicht im Gleichgewicht, was bedeutet, dass es intern Probleme geben wird. InfolgeNetto-Arbeit dessen sollte versucht werden, eine Regelmäßigkeit in den Prozessen herzustellen. Mura drückt diejenigen Verluste aus, die durch eine Verschwendung fehlende oder unvollständige Harmonisierung – Muda – der Kapazitäten im Rahmen der FertigungsBewegungen steuerung entstehen. Es sind hier v. a. die Verder Arbeiter luste durch Warteschlangenbildung und durch nicht optimal genutzte Ressourcen zu nennen. Arbeit mit ◼ Überlastung (Muri) – Eine Überlastung von Wertschöpfung Mensch und Maschine hat Ausfälle und DeArbeit ohne fekte technische Natur zur Folge, sowohl in Ohne Wertschöpfung, Wertschöpfung ist aber bei den jetzigen produktiven wie auch in indirekt produktiven Arbeitsbedingungen Bereichen. Während des Arbeitsprozesses notwendig überbeanspruchen sich Mitarbeiter körperlich ◼ Teile abholen und mental, wodurch Verluste entstehen. An◼ Fremdbezogene Teile auspacken ◼ Teile in kleinen Mengen von zeichen können Übermüdung, Stress, Fehlergroßen Paletten entnehmen häufigkeit und Arbeitsunzufriedenheit sei. Im ◼ Schalter bedienen Produktionsprozess macht sich Überlastung stammen, keine Repräsentativität beanspruchen können und durch mangelnde Harmonisierung des Profolglich nicht generell gelten. Insofern mögen diese Ausfühduktionsflusses oder durch Planungsfehler bemerkbar. rungen lediglich eine ungefähre Tendenz aufzeigen, die überFolglich sollte jegliche Art von Überlasung vermieden leitet zur Kategorie der ►Wertschöpfung. werden. Abb. M040: Blind-, Nutz-, Stütz- und Fehlleistungen etwa 25%
100 % Gesamtleistung
Nutzleistung Stützleistungen z.B.
etwa 45%
• Logistik • Beschaffung • Interne Dienstleistung
Blindleistung durch
• Mehrfachkontrollen • Doppelbearbeitung • Überwachungstätigkeiten
Fehlleistung
etwa 10%
etwa 20%
2 Muda als Element des Toyota Produktionssystems „Das wichtigste Ziel“, so schreibt Ohno Taiichi [1, S. 19], „war die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Produktion durch konsequente und gründliche Beseitung jeglicher Verschwendung.“ Welches sind die Kriterien dafür, dass sich eine Tätigkeit als Verschwendung bezeichnen lässt, lassen sich Indikatoren nennen? Ohno hat zum Erkennen und Beseitigen von Muda die bereits o. g. sieben Typen ausfindig gemacht.
Diese Auflistung ist natürlich nicht abschließend. So ist eingewandt worden, dass auch die nichtgenutzten Potentiale, wie die Kreativität der Mitarbeiter als Verschwendung anzusehen sind. Auch gefahrvolle Arbeitsbedingungen, die die Gesundheit der Mitarbeiter auch langfristig gefährden können sind Verschwendung. Wenn man in den administrativen Bereich schaut lassen sich weitere Verschwendungsarten finden. Doch was waren seine leitenden Gedanken, auf die sich diese Auswahl im operativen Bereich gründet? Rufen wir uns noch einmal die eingangs genannte Definition von Muda ins Gedächtnis. Das zentrale Kriterium ist dort wohl die Werterzeugung. Tätigkeiten, die ja zu Ergebnissen führen, sind daraufhin zu prüfen, ob sie im Ergebnis im Wertschöpfungsprozess Wert erzeugen werden. Beim ersten Begriff von Muda (Überproduktion) könnte das wie folgt geschehen: Überproduktion ist ein Zuviel an Produktion. Richtig produzieren heißt aber gerade nicht zuviel und nicht zuwenig produzieren, genau das zu produzieren, was der Kunde fordert. Innerhalb des Wertstroms darf es weder ein Zuviel noch ein Zuwenig geben. Das Kriterium ist also die Kundenforderung und nicht irgendeine subjektive Meinung, sei sie noch so gut argumentativ vorbereitet. Ein Beispiel hierzu: Ein Kunde bestellt ein bestimmtes Automobil zu einem bestimmten Preis, in einer ganz bestimmten Farbe und mit einer speziellen
725
M
Muda, Mura, Muri
Murphy’s Laws
Ausstattung. Genau hierfür ist er bereit zu bezahlen. Wenn nun bei der Produktion Überkapazitäten entstehen, dürfen diese sich in keiner Weise auf den Kundenauftrag auswirken, weder in preislicher, noch in zeitlicher oder qualitativer Hinsicht. Es ist also so zu produzieren und nicht „überzuproduzieren“. Im Falle der Überproduktione als extremste, in Ohnos Worten „schrecklichste Art der Verschwendung“, kommt noch hinzu, dass sie weitere Verschwendungen nach sich zieht. Vor allem sind zu nennen: ◼ zusätzlicher Raumbedarf ◼ zusätzliche Betriebsmittel ◼ zusätzliches Personal ◼ zusätzliche Handhabung ◼ zusätzlicher administrativer Aufwand ◼ zusätzliche Mehrkosten. Die Produktionsorganisation ist folglich so auszurichten, dass es nicht zur Überproduktion kommen kann, nämlich indem jegliche Verschwendung, die zur Überproduktion führen könnte, vermieden wird. Das Toyota Produktionssystem ermöglicht die Vermeidung von Muda, das System der Massenproduktion nicht, es ist per se auf Überproduktion ausgelegt.
M
Nun ließe sich für alle „Muda-verdächtigen“ unproduktiven Produktionsanteile eine Prüfliste erstellen, in der entsprechend der eingeführten operablen Definition von der Kundenforderung aus gefragt wird, ob Wert im Wertschöpfungsprozess generiert wird oder nicht! In der Fachliteratur wird darauf eingegangen [3]. Solche Listen zu bearbeiten und zu Lösungen zu gelangen, um Muda zu vermeiden und zu eleminieren, stellt auf jeden Fall eine Gruppenaufgabe dar; die deutlich schwierigere Aufgabe besteht aber überhaupt erst einmal in der Identifizierung von Muda, ein Bewusstmachen in theoretischer Absicht, was abschließend geschehen soll (Abbildung M41). Muda ist ein Systemelement, das nicht für sich steht. In Abbildung M41 wird dies deutlich, indem gezeigt wird, dass die übergeordneten Zusammenhänge von Raum und Zeit unter Abb. M41: Muda als Systemelement von Raum und Zeit
Knappheit von Raum
Zeit
Vermeidung
Muda
dem Einfluss der Knappheit Muda konstituieren. Über den bewussten Umgang mit Muda, das heißt die Entwicklung einer Vermeidungs- und Eleminierungsstrategie wird im Toyota-Management-System ein systematischer Ansatz versucht, der natürlich im Ergebnis auf das Just in Time-Konzept hinausläuft, aber nicht auf das Fertigungssystem begrenzt bleibt. Schließlich mündet das Muda-Element in den zyklischen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung (Kaizen): Das Abschaffen von „verschwenderischen“ Tätigkeiten, die Vermeidung von Ausschuss, das Streichen von überflüssigen Informationsprozessen u. v. a. wird mit den entsprechenden Qualitätstechniken des Qualitätsmanagement weiterverfolgt. Der Prozess Muda-Kaizen kommt so nie zum Stillstand, weil in der Regel eine neue Form der Verschwendung wieder auftritt, nachdem die vorhergehende beseitigt wurde. Zwischen den einzelnen und folgenden Verschwendungsarten bestehen nämlich ein korrelative Zusammenhänge. Hier sollte zukünftige Forschung ansetzen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Ohno, T.: Das Toyota Produktionssystem. Frankfurt am MainNew York (Campus) 1993. Die japanische Ausgabe mit dem Titel „Toyota seisan hoshiki“ erschien bereits 1978. Unter dem Titel „Toyota Production System“ erschien 1988 die amerikanische Ausgabe, auf die sich auch die deutsche Ausgabe bezieht. [2] Womack, J. und D. T. Jones: Auf dem Weg zum perfekten Unternehmen. Lean Thinking. Frankfurt am Main-New York (Campus) 1997. Amer. Original unter „Lean Thinking“ 1996 [3] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. München (Oldenbourg) 2013, S. 127f
Multifunktions-Betriebssystem ▶Japanische Qualitätstechniken
Multiple Queues
▶Wartezeitenmanagement
Multiple Sourcing
Verteilung des gleichen zu beschaffenden Produkts bzw. der gleichen Dienstleistung auf mehrere Lieferanten. Dieses Beschaffungsprinzip ist dann sinnvoll, wenn eine hohe Versorgungssicherheit gewährleistet sein muss.
Murphy’s Laws
▶de: Murphys Gesetze
Vermeidung
Zur Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Problemen und für die hieraus induzierte Entwicklung von Krisen sagt uns die allgemeine Lebenserfahrung nach Murphy:
Just in Time 726
Allgemein: Wenn etwas schiefgehen kann, geht es auch schief.
1 In jedem Bereich menschlicher Tätigkeit geht alles schief, was schief gehen kann.
Begriff
Murphy’s Laws
Mystery Shopper
2 Bleiben die Dinge sich selbst überlassen, entwickeln sie sich immer zum Schlimmsten. 3 Besteht die Möglichkeit, daß verschiedene Dinge schief laufen können, dann läuft genau das schief, was den meisten Schaden anrichten wird. 4 Sieht es danach aus, als liefe alles gut, dann ist offensichtlich etwas übersehen worden. 5 Die Natur steht immer auf der Seite des verborgenen Fehlers und damit gegen den agierenden Menschen. Leider richten sich die Menschen nicht nach Murphy, oder zum Glück nicht, sonst wäre der Pessimismus viel zu sehr verbreitet. Aber im Qualitätsmanagement sollte man sie zu mindest kennen, um sie dann systematisch einsetzen zu können.
Muster
▶en: pattern, sample
Als Muster werden materielle Einheiten bezeichnet, die einer Qualitätsprüfung aus besonderem Anlass unterzogen oder im Rahmen einer Qualitätsprüfung benötigt werden. Es finden sich eine Vielzahl an Unterbegriffen (z. B. Prüfmuster). Musterprüfung ist demzufolge die Qualitätsprüfung an einem Muster. Quelle: Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminologie. 3. Auflage, Braunschweig-Wiesbaden: Vieweg 1998, be sonders Kapitel 8.3.3. Diese Ausführungen beziehen sich auf DIN 55350-15:1986-06
Musterprüfung ▶Muster
Mystery Shopper
▶de: Testkäufer ▶Kundenzufriedenheit ▶Aktives Beschwerdemanagement-System – ABMS
••• ⨀⨀⨀ •••
M
727
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe N
Seiichi Nakajima
Constantin May
Nachhaltigkeit
Jörn W. Mundt
N Dorota Kowal-Paul
Nachhaltigkeitsorientierung und -management
Null-FehlerManagement
Fritz Nordsieck Norm
Armin Töpfer
Hans-Dieter Zollondz
N
NA 147 – DIN-Normenausschuss … (NQSZ) NA 147 – DIN-Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen (NQSZ)
▶en: din-standards comittee quality management, statistic and certification principles ▶Normenausschuss (NA) Der DIN-Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen (NQSZ) ist verantwortlich für die nationale Normung in den Fachgebieten ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Qualitätsmanagement, angewandte Statistik, Grundlagen der Konformitätsbewertung, Projektmanagement und Wertanalyse.
Die Themenschwerpunkte des NQSZ bilden Qualitätsmanagement (ISO 9000 Familie und weitere Normen) – Begriffe zum Qualitätsmanagement – Aufbau und Verbesserung von Qualitätsmanagementsystemen – Darlegung und Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen – Auditierung – Qualitätsmanagement-Handbücher – Spezielle Qualitätsmanagement-Elemente Zertifizierungs- und Akkreditie-
Nacharbeit
▶en: rework Maßnahme an einem/einer nichtkonformen ►Produkt oder ►Dienstleistung, damit es/sie die ►Anforderungen erfüllt Anmerkung 1 zum Begriff: Nacharbeit kann Teile des nichtkonformen Produkts oder der nichtkonformen Dienstleistung beeinflussen oder verändern. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Nachaudit
▶en: follow-up audit (= Folgeaudit) Audit, das dann durchgeführt wird, wenn im Audit eine oder mehrere (kritische) ►Abweichungen aufgetreten sind, die zur Korrektur einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Die wirksame Realisierung der Korrekturmaßnahmen und damit Beseitigung der Abweichung(en) kann im Nachaudit beispielsweise nachgewiesen werden. Danach kann ein Zertifikat erteilt werden.
N
Nachbesserung
▶en: rectification of a defect Kostenlose Behebung des Mangels einer verkauften Sache
nachhaltiger Erfolg
ISO-Term
Der NQSZ arbeitet in den auf diesen Fachgebieten tätigen internationalen und europäischen Normenkomitees mit, mit dem Ziel, die dortigen Arbeitsergebnisse so zu beeinflussen, dass sie unverändert ins Deutsche Normenwerk übernommen werden können. Der NQSZ wirkt gegebenenfalls beratend an Normen anderer Fachgebiete mit, die sich an den Normen des NQSZ orientieren, und er ist gegebenenfalls mitverantwortlich für die Harmonisierung von Fachbereichsnormen anderer Normenausschüsse mit den Normen des NQSZ.
Web: URL: www.nqsz.din.de
Quelle: http://www.nqsz.din.de/cmd?level=tpl-rubrik&menuid=4 6569&cmsareaid=46569&menurubricid=50573&cmsrubid=5057 3&committeeid=54739099
Begriff
◼ Qualitätsmanagement: Erarbeitung von Normen des Qualitätsmanagements als Grundlage zur Erreichung des Ziels, dass Einheiten (materielle und immaterielle einschließlich der Dienstleistungen sowie Tätigkeiten und Prozesse, erwünschte wie auch unerwünschte) die an sie gestellten Forderungen erfüllen. ◼ Angewandte Statistik: Erarbeitung von Normen zur Anwendung statistischer Methoden für verschiedene Problemstellungen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Qualitätsmanagements. ◼ Zertifizierungsgrundlagen: Erarbeitung von Normen über Anforderungen an Stellen, die sich mit Prüfung, Kalibrierung, Zertifizierung, Inspektion und Akkreditierung sowie deren Betrieb und Begutachtung befassen, und ◼ Erarbeitung von anderen damit im Zusammenhang stehenden Normen.
rungsgrundlagen (EN ISO/IEC 17000-Reihe) – Begriffe zur Konformitätsbeurteilung, Zertifizierung und Akkreditierung – Allgemeine Anforderungen für die Akkreditierung von Zertifizierungsstellen, Prüf- und Kalibrierlaboratorien, Stellen, die Qualitätsmanagementsysteme, Produkte und Personal zertifizieren und Stellen, die Inspektionen durchführen, Konformitätserklärungen von Anbietern (Herstellererklärung) Angewandte Statistik – Begriffe der Statistik – Probenahme – Messergebnisse und Messverfahren – Statistische Auswertungen - Annahmestichprobenprüfung – SPC, Prozessfähigkeit, Qualitätsregelkarten Projektwirschaft – Logistik – Netzplantechnik Wertanalyse
ISO-Term
Er nimmt auf diesen Fachgebieten auch die Mitarbeit bei der europäischen und internationalen Normung wahr. Der NQSZ setzt sich für die Einführung der Deutschen Normen seiner Fachgebiete in den davon berührten Lebensbereichen ein. Der NQSZ nimmt die Normungsarbeiten (international, europäisch und national) auf folgenden Fachgebieten wahr:
nachhaltiger Erfolg
▶en: sustained success
►Erfolg über eine Zeitspanne
Anmerkung 1 zum Begriff: Nachhaltiger Erfolg betont die Notwendigkeit einer Balance zwischen wirtschaftlich-finanziellen Interessen einer Organisation und denen des sozialen und ökologischen Umfelds. Anmerkung 2 zum Begriff: Nachhaltiger Erfolg bezieht sich auf die ►interessierten Parteien einer ►Organisation, z. B. ►Kunden, Eigentümer, Personen in einer Organisation, ►Anbieter, Bankiers, Gewerkschaften, Partner oder die Gesellschaft. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
731
Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit
duktion in den Niederlanden und in Dänemark (Boogaard et al. 2011). Andere Publikationen erwecken, wie Häusslers 2004 erschienenes schmales Bändchen „Nachhaltiges Qualitätsmanagement“, auf den ersten Blick den Eindruck, Einschlägiges zum Thema zu bieten. In Wirklichkeit beschränkt es sich aber auf das Management lokaler Agenda 21-Prozesse, wie sie vielerorts in Folge der Konferenz von Rio de Janeiro 1992 initiiert wurden. Grund genug also, sich zunächst mit dem eigentlichen Begriff der Nachhaltigkeit zu beschäftigen.
▶sustainability ▶Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
N
Daraus könnte man den Schluss ziehen, daß „Nachhaltigkeit“ nicht nur ein weitverbreiteter Begriff in der breiten Öffentlichkeit wie in der wissenschaftlichen Diskussion ist, sondern dass es auch ein klares Einvernehmen darüber gibt, was dieser Begriff genau bedeutet. Davon allerdings sind wir weit entfernt. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ erscheint den meisten Menschen intuitiv plausibel und sinnvoll, aber, wie der Wirtschaftsnobelpreisträger von 1987, Robert M. Solow, es formuliert hat: „Je weniger man darüber weiß, desto besser klingt er.“ Der genauere Blick zeigt daher, dass viele der aufgeführten Artikel in akademischem Journalen den Begriff „Nachhaltigkeit“ zwar verwenden, dies aber wohl eher dem Umstand geschuldet ist, daß man glaubt, durch die unreflektierte Übernahme eines Modewortes seine Publikationschancen zu erhöhen. Beispiele dafür sind die Studien von Vering (2006) und Pilechi & Taherkhani (2011), in denen es eigentlich um soziale Integration geht, die aber unter dem Titel „soziale Nachhaltigkeit“ veröffentlicht wurden. Die hierin deutliche werdende Relativierung des Nachhaltigkeitsbegriffes zeigt sich auch in Formulierungen wie der, daß „nachhaltige Entwicklung ohne Umweltschutz nicht möglich“ ist (Talbot 2008, S. 21; Übers. J.W.M.). Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Grundlagen des Konzepts und seiner Anwendung sucht man dort wie auch in den anderen Veröffentlichungen in der Regel vergeblich. Stattdessen wird man nicht selten mit Aufsätzen konfrontiert, bei denen man sich nicht sicher ist, ob sie ernst oder nicht doch schon satirisch gemeint sind. Dazu gehören etwa Untersuchungen der „sozialen Nachhaltigkeit“ in der Austernzucht auf einer südaustralischen Halbinsel (Pierce & Robinson 2013) oder die der „sozio-kulturellen Nachhaltigkeit“ der Schweinepro-
732
1 Begriffsgeschichte Das Konzept stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und wurde von Hannß Carl von Carlowitz (1645-1714) in seinem 1713 in seinem in Leipzig erschienenen Buch Sylvicultra Oeconimica formuliert: „Wird derhalben die gröste Kunst/Wissenschaft/ Fleiß/und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen/wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen/daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe/weiln es eine unentbehrliche Sache ist/ohne welche das Land in seinem Esse nicht bleiben mag” (v. Carlowitz 1713, S. 105 f.). Mit anderen Worten: Es darf in einer Periode nur so viel Holz geschlagen werden, wie in der gleichen Periode nachwächst. Von Carlowitz selbst weist in seinem Vorwort darauf hin, daß das Prinzip nachhaltiger Holzwirtschaft noch viel älter ist (op. cit., S. 3). Es geht zurück auf die Forstordnung des Kurfürsten August von Sachsen, die dieser am 8. September 1560 in Dresden erlassen hat: „Damit aber kein Überfluß geschlagen, herwieder auch an bedürffenden Holze kein Mangel vorfallen, auch die jenigen welchen frey Holz verordnet, ihre Anzahl jährlichen bekommen mögen” (cit. n. Kreher & Schneider 2002, S. 5). Hintergrund waren Berichte über den kritischen Zustand sächsischer Forste und der Versuch, über entsprechende Regelungen die wirtschaftliche Nutzung der Wälder und einen beständigen Holzertrag von einem Gebiet unveränderter Größe zu erhalten (Müller 1992, S. 107). Ähnliche Ansätze gab es in England, wo John Evelyn 1664 einen Bericht an die Royal Society über die Möglichkeiten, dauerhaft den Bedarf an Holz für den Bau von Schiffen für die Kriegsmarine zu decken, veröffentlichte. Auch in Frankreich gab es in der Folge entsprechende Überlegungen, die in einem Erlaß von Ludwig XIV („Ordonnances sur le fait des Eaux et Forêts“) ihren Ausdruck fanden und in dem gefordert wird, „Reserven zurückhalten (retenir) – man kann auch übersetzen: nachhalten. Mit dieser beiläufigen Formulierung greifen die Ordonnanzen der späteren deutschen Wortschöpfung nachhalten vor“ (Grober 2010, S. 102; Hervorh. i. Orig.). Für lange Jahrzehnte blieb der Fachbegriff „Nachhaltigkeit“ beschränkt auf die Forstwirtschaft. In dieser Zeit fand er jedoch seinen Weg zurück über das Französische ins Englische (sustainability) und in andere europäische Sprachen (zusammenfassend Grober 2010, S. 199 ff.). Vor allem mit
Begriff
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ hat in den letzten Jahrzehnten eine weite Verbreitung gefunden. In weniger als einem Fünftel einer Sekunde wirft Google eine Ergebnisliste für diesen Suchbegriff mit 6,59 Millionen Einträgen aus. Sein englisches Pendant „sustainability“ wird von der Suchmaschine in etwa der gleichen Zeit in 39,4 Millionen Dokumenten im Internet gefunden. Für die Verknüpfung von „Nachhaltigkeit“ und „►Qualität“ finden sich noch 2,91 Millionen Ergebnisse. Wisonet findet über 36.069 Artikel mit diesem Begriff in deutschsprachigen Fachzeitschriften. In der Aufsatzdatenbank Ebsco Business Source Premier finden sich 5.342 im PD-Format herunterladbare Artikel mit dem Begriff „sustainability“ in akademischen Journalen; allein 1.425 davon sind seit Januar 2011 erschienen. Science Direct, die Publikationsdatenbank von Elsevier, führt sogar 99.371 Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften auf, die in diesem Verlag mit dem Begriff seit 2004 erschienen sind. Die Kombination mit „quality“ führt zu einer Liste von immer noch 64.212 Publikationen (alle Informationen Stand 16. Februar 2014).
Nachhaltigkeit der Veröffentlichung des sogenannten Brundtland-Reports (WCED 1987), der vor dem Hintergrund der damals immer deutlicher werdenden globalen Umweltprobleme in „nachhaltiger Entwicklung“ das übergreifende Konzept für ihre Lösung in Industrie- wie in Entwicklungsländern sah, wurde der Begriff einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Seitdem machte er eine fast beispiellose Karriere und wird mittlerweile in praktisch allen Zusammenhängen, passenden wie nicht passenden, verwendet.
2 Kritik Statt den eigentlichen Begriff von Nachhaltigkeit zu verwenden, ist nach dem Brundtland-Report nur sehr allgemein nachhaltige Entwicklung dann gegeben, wenn heutige Bedürfnisse befriedigt werden, ohne daß dadurch die Bedürfnisbefriedigung kommender Generationen eingeschränkt wird. Im vielzitierten englischen Original: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs” (WCED 1987, S. 24 f.). In der von Volker Hauff, dem deutschen Mitglied der zweiundzwanzigköpfigen UN World Commission on Environment and Development (WCED) herausgegebenen deutschen Version des Berichtes ist von Nachhaltigkeit zunächst auch nicht die Rede. „Sustainable“ wird hier stattdessen umgangssprachlich mit „dauerhaft“ übersetzt: „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Hauff 1987, S. 46). Diese Übersetzung ist schon deswegen unzutreffend, weil damit dem neutralen Adjektiv „dauerhaft“ eine Bedeutung unterstellt wird, die es nicht hat. Denn „dauerhaft“ kann jede Art von Entwicklung sein, unabhängig davon, ob sie, unter welcher Perspektive
auch immer, positiv oder negativ gesehen wird. Daß in der vom deutschen Mitglied der Kommission herausgegebenen Version des Berichts „sustainable“ eben nicht mit „nachhaltig“, sondern durchgängig mit „dauerhaft“ übersetzt wird und daß Volker Hauff auch in seinem Vorwort zur deutschen Ausgabe nur dieses Adjektiv benutzt, ist jedoch ein weiterer Hinweis auf das Versäumnis der Kommission, sich mit dem eigentlichen Konzept von Nachhaltigkeit zu befassen. Schon die deutsche Ausgabe des Brundtland-Reports ist damit nicht nur ein Beispiel für die Vermengung des Fachbegriffes mit dem umgangssprachlichen Ausdruck, sondern erweckt dadurch vor allem den Verdacht, daß die seitdem anhaltende Diskussion auf dem Mißverständnis beruht, die BrundtlandKommission habe sich mit dem Fachbegriff „Nachhaltigkeit“ beschäftigt. Die auch daraus entstehende Konfusion (Lipschutz 2009) wird nicht nur dadurch befördert, daß der Bericht der Brundtland-Kommission nicht nur keinen Rekurs auf das zunächst forstwirtschaftliche Konzept, sondern auch keine eigene Definition von Nachhaltigkeit bzw. nachhaltiger Entwicklung enthält. Der oben zitierte Satz wird zwar erstaunlicherweise immer wieder dafür gehalten, ist es aber nicht, denn er beschreibt allenfalls eine erwünschte Folge seiner Anwendung, nicht jedoch das Prinzip selbst (Mundt 2011, S. 8). Verwunderlich ist auch, daß es mittlerweile eine ganze Reihe von Publikationen gibt (stellvertretend sei dafür eine OECDVeröffentlichung von Strange & Bayley [2008] genannt), in denen fälschlicherweise sogar behauptet wird, daß der Begriff „Nachhaltigkeit“ auf die Brundtland-Kommission zurückginge. Andere sehen die „World Conservation Strategy“ der International Union for the Conservation of Nature (IUCN 1980), als Urheber des Begriffs „Nachhaltigkeit“ (z. B. Elkington 1999, S. 55). Auch wenn im Untertitel der IUCNPublikation die Rede von „nachhaltiger Entwicklung“ ist, wird in der später von der Brundtland-Kommission weitgehend übernommenen Formulierung darauf nicht Bezug genommen: „Insbesondere wichtig ist die Zusammenführung von Erhaltung und Entwicklung, weil es unmöglich sein wird, die Bedürfnisse von heute zu befriedigen, ohne die Befriedigung der von morgen zu verhindern, wenn nicht weitgehend Formen von Entwicklung übernommen werden, die auch die natürlichen Ressourcen erhalten“ (IUCN 1980, Punkt 8 der Einleitung; Übers. J.W.M.). Problematisch am Ansatz der IUCN-Strategie wie am Bericht der Brundtland-Kommission ist aber in der immer wieder angeführten Pseudo-Definition vor allem der Verweis auf menschliche Bedürfnisse. Damit wird nicht nur ein anthropozentrisches Verständnis von Umwelt unterstrichen, sondern darüber hinaus auch eine subjektive Dimension in die Diskussion über Nachhaltigkeit eingeführt, die zu erheblichen Begriffsverwirrungen geführt hat. Denn abgesehen von den unmittelbaren Grundbedürfnissen (nach Luft, Wasser, Nahrung sowie für den größten Teil der Welt auch nach Kleidung und Behausung) sind menschliche Bedürf-
733
Begriff
Dafür sind in erster Linie zwei Gründe maßgeblich: Zum einen hat sich die Brundtland-Kommission offensichtlich nicht mit dem ursprünglichen Konzept von Nachhaltigkeit befaßt und bezieht sich daher auch nicht darauf, zum anderen sind das deutsche Substantiv „Nachhaltigkeit“ und vor allem das Adjektiv „nachhaltig“, ebenso wie die entsprechenden englischen Wörter „sustainability“ und „sustainable“, doppeldeutig. Sie können im Deutschen sowohl in der beschriebenen Bedeutung des Konzeptes von Nachhaltigkeit als auch umgangssprachlich als Synonym für „dauerhaft“, „beständig“, „stabil“, oder „haltbar“ im Sinne von „auf längere zeit anhaltend und wirkend“ (Lexer 1889, Spalte 69; Kleinschr. i. Orig.). verwendet werden. Im Englischen scheint das Adjektiv „sustainable“ (able to sustain = fähig, aufrechtzuerhalten) seit Anfang des 17. Jahrhunderts in der Bedeutung von „bearable“ (= erträglich, tragbar) in Gebrauch gewesen zu sein. Ab 1845 ist es in der Bedeutung von „defensible“ (= zu verteidigen, vertretbar) nachgewiesen, während die Bedeutung „capable of being continued at a certain level“ (= „geeignet, auf einem bestimmten Niveau fortgesetzt zu werden“) seit 1965 im umgangssprachlichen Englisch belegt ist (www.etymonline.com/index.php?term= sustainable; 2. März 2014).
Nachhaltigkeit
N
Nachhaltigkeit nisse historisch, kulturell und gesellschaftlich vermittelt und damit in verschiedenen nationalen, regionalen und sozialen Kontexten sehr unterschiedlich. Stehen in Entwicklungsländern vor allem die Grundbedürfnisse (was der BrundtlandBericht durchaus auch so sieht; vgl. Hauff 1987, S. 46) und öffentliche Güter wie Sicherheit im Vordergrund, wird ihre Befriedigung in hoch entwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften als selbstverständlich vorausgesetzt. Stattdessen dominieren hier eher immaterielle Bedürfnisse wie die nach Selbstverwirklichung in ihren verschiedenen Facetten (►Wertewandel). Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, was damit gemeint sein soll, wenn es heißt, daß die Bedürfnisbefriedigung kommender Generationen durch die heutiger nicht gefährdet werden soll. Bedeutet es zum Beispiel, daß die diesbezüglich heute bestehenden Unterschiede auch in den kommenden Generationen Bestand haben (sollen)? Der Ansatz der Brundtland-Kommission beruht ja auf der unausgesprochenen Annahme, daß es die gleichen sein werden wie heute. Dies ist eine in weiten Teilen absurde Vorstellung, denn jenseits der Grundbedürfnisse ist es unmöglich, vorherzusagen, welche Bedürfnisse die kommenden Generationen haben werden. Das zeigt schon der Blick in die Vergangenheit. Die Bedürfnisse heutiger Generationen haben in vielen Bereichen zum Beispiel nicht mehr viel mit denen von vor hundert Jahren zu tun. Hätten unsere Vorgängergenerationen ihre damaligen Bedürfnisse auf die heutigen Generationen projiziert und entsprechende Konsequenzen gezogen, müßten sie deshalb quasi posthum enttäuscht sein, weil heute kaum noch etwas davon relevant ist.
N
Indem man also allgemein und undifferenziert menschliche Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt, öffnet man nicht nur einen weiten Spielraum für Interpretationen, sondern lädt geradezu dazu ein, beliebige Aspekte in diesen Ansatz zu integrieren. Das gilt in erster Linie für „soziale Nachhaltigkeit“, die neben der ökologischen und der ökonomischen Nachhaltigkeit eine der drei Säulen darstellen soll, auf der übergreifend das Konzept der Nachhaltigkeit basieren soll. Als Urheber dieser Erweiterung gilt der britische Unternehmensberater John Elkington, der in einem 1997 zuerst erschienenen Buch „die Notwendigkeit einer dreifachen Bilanz verdeutlicht hat: Jedes Unternehmen sollte neben der üblichen ökonomischen Gewinn-und-Verlust-Rechnung auch eine soziale und ökologische Schaden-Nutzen-Bilanz vorlegen, um seine Nachhaltigkeit unter Beweis zu stellen“ (Schüz 2013, S. 35). Nun ist es zwar fraglich, ob solche Schaden-Nutzen-Bilanzen etwas mit Nachhaltigkeit zu tun haben, aber an sich ist zunächst einmal nichts daran auszusetzen, daß sich Unternehmen auch über ihre im weitesten Sinne Umweltbilanzen im Klaren sind und diese auch kommunizieren. Für die ökologischen und ökonomischen Dimensionen läßt sich das (bei aller Problematik im Detail) vergleichsweise einfach bewerkstelligen, für die sozialen ist dies jedoch prinzipiell und in der Natur der Sache liegend sehr schwierig. Das hängt schon damit zusammen, daß es hier, wenn überhaupt, nicht durchgängig um eindeutig festzustellende Tatsachen und ihre an objektiven Kriterien zu
734
Nachhaltigkeit bemessende Wirkung geht, sondern um subjektive Einschätzungen und Bewertungen, zudem noch beeinflußt durch Interessen und Emotionen, die in diesem Zusammenhang unausweichlich eine wesentliche Rolle spielen. Nicht zuletzt deshalb ist die postulierte „soziale Nachhaltigkeit“ mehr als kritisch zu sehen. Doch folgen wir zunächst der Argumentation Elkingtons: „Einige in der Gemeinde der nachhaltigen Entwicklung bestehen darauf, daß Nachhaltigkeit nichts mit sozialen, ethischen oder kulturellen Fragen zu tun hat. Sie argumentieren, daß eine nachhaltige Welt gleichermaßen gerechter oder ungerechter sein könnte als die heutige Welt. Die wirklichen Fragen liegen ihrer Ansicht nach in der Ressourceneffizienz. Wie König Knut versuchen sie, die Flut durch bloßen Willen oder Vorurteil aufzuhalten. Ihre Ansichten mögen ein nützliches Gegengewicht zu den Versuchen sein, Nachhaltigkeit in eine neue Form des Kommunismus zu überführen, aber am Ende wird unser Fortschritt in der sozialen Bilanz (social bottom line) von entscheidender Bedeutung für die Feststellung von Erfolg oder Mißerfolg des Nachhaltigkeitsübergangs sein. Wenn es uns nicht gelingt, breitere politische, soziale und ethische Fragen anzugehen, wird der Rückschlag zwangsläufig Fortschritte in Umweltfragen untergraben“ (Elkington 1999, S. 84; Übers. J.W.M.). Sieht man von der unangebrachten Polemik ab, ist an diesem Statement richtig, daß die globale Durchsetzung des Nachhaltigkeitskonzeptes nicht ohne die jeweilige Berücksichtigung politischer, sozialer, ethischer, kultureller und zudem nicht zuletzt auch religiöser Werte und Dimensionen in den verschiedenen Ländern möglich ist. Das gilt aber generell für jedes übergreifende Konzept, zum Beispiel auch für das der Demokratie oder das eines freien Marktes, und ist damit unabhängig vom spezifischen Fall „Nachhaltigkeit“. Das heißt, daß diese Werte und Dimensionen damit selbst nicht gleich zu konzeptionellen Aspekten von Demokratie, freien Märkten oder eben Nachhaltigkeit werden. Denn das würde letztlich bedeuten, daß man den „Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ für die Maßnahmen [und Instrumente; J.W.M.] anstatt für die angezielten Ergebnisse verwendet. Um es provokativ zu formulieren: Es ist wie ein Chirurg, der seine Instrumente „Gesundheit“ nennt, anstatt sie als Skalpell, Spritze, Tupfer und dergleichen zu bezeichnen“ (Mundt 2011, S. 87; Übers. J.W.M.). Auch wenn damit von vorneherein klar ist, daß die Propagierung „sozialer“ oder darüber hinaus auch noch „kultureller Nachhaltigkeit“, die seit der UNESCO-Erklärung über kulturelle Vielfalt 2001 als vierte Säule der Nachhaltigkeit etabliert werden soll (Axelsson et al. 2013, S. 217; Soini & Birkeland 2014), konzeptioneller Unsinn ist, wird vor dem Hintergrund der unreflektiert gebetsmühlenhaft wieder und wieder wiederholten Behauptung der integralen Wichtigkeit
Nachhaltigkeit dieser Aspekte und ihrer Verbreitung nicht nur in sogenannten „Nachhaltigkeitsberichten“ (wie Berichte über die soziale Unternehmensverantwortung neuerdings genannt werden; siehe u.a. Ballou, Heitger & Landes 2006; Shama & Mehta 2012) von Unternehmen doch noch ein genauerer Blick notwendig. Dabei zeigt es sich ein weiteres Mal, daß auch hier überhaupt kein Bezug zum eigentlichen Konzept von Nachhaltigkeit hergestellt wird. Es wäre ja durchaus möglich gewesen, das zunächst forstwirtschaftliche Kreislaufmodell der Nachhaltigkeit auf bestehende demographische und soziale Zyklen anzuwenden: Der Lebenszyklus, der darin eingebettete Familienzyklus, die Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungszyklen wären Beispiele dafür. Dabei würde sich allerdings schnell zeigen, wie obsolet ein solches Unterfangen wäre. So lassen sich demographische Prozesse weder in Demokratien wie in Deutschland (Versuch der Erhöhung der Geburtenrate) noch in Diktaturen wie in China mit der Ein-Kind-Politik steuern. Noch viel weniger ist dies möglich bei den sozialen Zyklen, zumal der Sinn ihrer Steuerung auch mehr als fraglich wäre. Es ist ja gerade ein Charakteristikum moderner Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften, daß zum Beispiel die Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungszyklen nicht nachhaltig im Sinne der Bewahrung eines bestimmten Zustandes sind – sonst wäre technischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Wandel gar nicht möglich (Mundt 2011, S. 82 ff., 125 ff.). Die meisten Autoren scheinen aber nicht einmal darüber nachgedacht zu haben. So hat man den Eindruck, nicht mit einer wissenschaftlichen, sondern einer theologischen Frage konfrontiert zu sein, wenn es darum geht, herauszufinden, was eigentlich „soziale Nachhaltigkeit“ sein soll (siehe etwa Magis & Shinn 2009; Larsen 2009). Der Bericht der Brundtland-Kommission mit seiner Pseudo-Definition von Nachhaltigkeit wird hier verwendet, als sei er die Bibel („Am Anfang war das Wort“), deren Exegese man hier zu betreiben hat. Entsprechend willkürlich sind die Begriffe, die in der zitierten Literatur mit „sozialer Nachhaltigkeit“ in Verbindung gebracht werden: allgemeine Wohlfahrt, Lebensqualität, Glück, Gesundheit, soziale Gleichheit, demokratische Rechte, Gleichstellung der Geschlechter, angemessene Einkommen, Einkommensgleichheit, kulturelle Vielfalt, Sicherheit, soziale Anerkennung, gesellschaftliche Teilhabe, angemessener Zugang zu Gütern, Dienstleistungen und zu Beschäftigung sowie zu sozialer Infrastruktur, sozialer Zusammenhalt, Solidarität, Armutsbekämpfung, Ressourcentransfer von Nord nach Süd (Entwicklungshilfe), inter-, intragenerationelle und soziale Gerechtigkeit. Kurz: „Man gewinnt den Eindruck, dass der Begriff [soziale Nachhaltigkeit; J.W.M.] als nützlich für sehr heterogene wissenschaftliche Fragen angesehen wird und je nach Untersuchungsgegenstand anders und jeweils dem Zweck geschuldet verwendet wird“ (Kubon-Gilke 2010, S. 238). Zudem fragt man sich, weshalb man nicht die eigentlichen Begriffe verwendet, anstatt sie unter einem imaginierten Dach „sozialer Nachhaltigkeit“ zu subsumieren.
Nachhaltigkeit Selbst Anhänger „sozialer Nachhaltigkeit“ (zu denen auch Kubon-Gilke gehört) müssen also, wenig verwunderlich, immer wieder einräumen, daß mit ihr „eine Menge Konfusion“ verbunden ist (Becker et al. 1997, S. 18; Übers. J.W.M.), sie „ein umstrittener Punkt sowohl in Bezug auf ihre Definition als auch auf die Rolle von Wirtschaftsorganisationen bleibt“ (Banerjee 2002, S. 113; Übers. J.W.M.), daß „ein klares theoretisches Konzept sozialer Nachhaltigkeit immer noch fehlt“ (Littig & Grießler 2005, S. 68; Übers. J.W.M.), es sich nach wie vor um ein „concept in chaos“ handelt (Vallance, Perkins & Dixon 2011, S. 342), weil „nicht ganz klar ist, was es bedeutet“ (Woodcraft 2012, S. 31; Übers. J.W.M.), es „schwierig zu definieren und noch schwieriger anzuwenden“ (McMahon & Bhamra 2012, S. 88; Übers. J.W.M.) und daher „ein besseres Verständnis der sozialen Säule von SD [sustainable development = nachhaltiger Entwicklung; J.W.M.] erstrebenswert ist“ (Murphy 2012, S. 15; Übers. J.W.M.). Littig & Grießler kommen zudem zu der Schlußfolgerung: „[S]elbst wenn die soziale Dimension von Nachhaltigkeit eigentlich anerkannt wird, ist es immer noch notwendig, zu definieren, was soziale Nachhaltigkeit bedeutet“ (2005, S. 69; Übers. J.W.M.). Das beschreibt sehr gut die Haltung vieler Nichtregierungsorganisationen, sich „progressiv“ gebender Wirtschaftsvertreter und unkritischer Wissenschaftler, die sich dem Dreisäulenmodell von „Nachhaltigkeit“ verpflichtet fühlen: Wir wissen zwar nicht, worum es sich dabei handelt, aber wir halten es für ein sinnvolles Konzept, setzen uns dafür ein und versuchen deshalb her-auszufinden, was es eigentlich bedeuten soll. Indem man solche wolkigen Kategorien wie „soziale“ und darüber hinaus auch noch „kulturelle Nachhaltigkeit“ als konstitutive Elemente von „Nachhaltigkeit“ postuliert, wird es nicht nur tautologisch (Nachhaltigkeit besteht aus Aspekten von Nachhaltigkeit), auch ihre direkte Meßbarkeit wird verhindert. Indem man gerade eben nicht mit sozialen Kategorien direkt an das ursprüngliche Konzept andockt, kann man auf mehr oder weniger willkürlich ausgewählte Indikatoren ausweichen, von denen dann behauptet wird, sie würden den Stand von „Nachhaltigkeit“ anzeigen. „Auf diese Weise hilft das Konzept dabei, den Status quo zu legitimieren (oder ihn grünzuwaschen)“ (Boström 2012, S. 10; Übers. J.W.M.). Denn damit kann man sich der eigentlichen Nachhaltigkeitsdiskussion entziehen, wie zum Beispiel die Analyse sogenannter Nachhaltigkeitsberichte der vierzig Top-Unternehmen des Down Jones Sustainability Index (DJSI) in Asien zeigt: „TBL [triple bottom line; J.W.M.] und andere derzeit existierende Berichtssysteme erlauben es Unternehmen, … wesentliche Nachhaltigkeitsprobleme zu ignorieren oder zu umgehen. … Unternehmen, die sich eine Fassade von ordnungsgemäßem Geschäftsgebaren (compliance) zulegen wollen und sich selbst als die Nachhaltigkeitsbewegung einbeziehende Organisationen herausstellen wollen, können jedes der aktuellen Berichtssysteme dazu benutzen, um sich dem Druck von außen, nachhaltiger zu sein, zu entziehen“ (Sridhar & Jones 2013, S. 108; Übers. J.W.M.). Das trifft auch auf andere Bereiche zu. Indem man nicht nur auf den Verbrauch endlicher
735
N
Nachhaltigkeit fossiler Energien und die damit verbundenen kumulierten Schadstoffeinträge schaut, sondern im Sinne „sozialer Nachhaltigkeit“ auch die Wohlfahrtseffekte berücksichtigt, kann man damit selbst die Luftfahrt zu einem „nachhaltigen Lufttransportsystem“ ( Janic 2002) verklären. Die Irreführung der Öffentlichkeit ist auch das Ziel, wenn die oben beschriebene Doppeldeutigkeit der Bezeichnung „nachhaltig“ als Fachbegriff und umgangssprachlicher Ausdruck genutzt wird, um eine in Wirklichkeit im Sinne des Fachbegriffs gerade eben nicht nachhaltige Aussage mit einem ökologischen Mäntelchen zu versehen. „Das Verwirrspiel setzt da ein, wo die Ebenen verwischt werden. Wo man in der Sache im Rahmen der alltagssprachlichen Bedeutung bleibt, jedoch suggeriert, man meine die … ökologisch aufgeladene Bedeutung des Begriffs. Eine schlichte Gewinnerwartung für die nächsten zwei, vielleicht drei Jahre mutiert so zu einer nachhaltigen, will sagen: ökologisch verantwortlichen und sozial gerechten Rendite. … Wo der Begriff seiner Substanz beraubt ist, läßt sich damit wenig – oder alles – machen. Noch den banalsten Vorgang, ja sogar die rücksichtsloseste Plünderung des Planeten, kann man mit diesem entkernten Begriff als ‚nachhaltig‘ ausgeben“ (Grober 2010, S. 17; Hervorh. i. Orig.). 3 Zeitgemäße Definition Dabei läßt sich selbst bei John Elkington die korrekte Bedeutung des Fachbegriffes „Nachhaltigkeit“ finden. So zitiert er für „diejenigen, denen die Definition der Brundtland-Kommission zu vage“ ist (Elkington 1999, S. 55), den Ökonomen Herman E. Daly, der drei Bedingungen für eine „nachhaltige Gesellschaft“ ausmacht: „Ihre Rate der Nutzung regenerativer Ressourcen soll nicht die Rate ihrer Regeneration übersteigen; ihre Rate der Nutzung nicht-regenerativer Ressourcen sollte nicht die Rate übersteigen, mit der nachhaltiger, erneuerbarer Ersatz dafür entwickelt wird; und ihre Rate der Emission von Schadstoffen sollte nicht die Selbstreinigungskraft der Umwelt übersteigen“ (Elkington 1999, S. 55 f.; siehe Daly 1990; Übers. J.W.M.).
Begriff
N
Dabei merken Elkington und seine Adepten (z. B. Slaper 2011) gar nicht, daß dies etwas ganz anderes bedeutet als die schwammige, auf nicht näher bezeichnete menschliche Bedürfnisse bezogene Formulierung der Brundtland-Kommission. Es ist die zeitgemäße Verallgemeinerung des am Beispiel der Forstwirtschaft entwickelten Kreislaufkonzepts und damit die Definition von Nachhaltigkeit. Mit ihr ist alles gesagt und es bedarf, anders als Elkington und andere glauben machen möchten, keiner weiteren definitorischen „Ergänzungen“, schon gar keiner mit sozialen oder gar kulturellen Aspekten. 4 Anwendung Auch wenn der Begriff „►Qualität“ von Produkten und Dienstleistungen schon sehr weit ausgelegt ist“ (Zollondz
736
Nachhaltigkeit 2011, S. 161 ff.), wird mit der Anwendung des Nachhaltigkeitsprinzips die Perspektive darauf noch einmal erweitert. Damit stehen nicht mehr nur ihre Eigenschaften und die Prozesse ihrer Konzeption und Herstellung im Mittelpunkt, sondern ihr gesamter Lebenszyklus, von ihrer Hervorbringung über ihre Nutzung bis zu ihrem Ende – und darüber hinaus. Denn was mit den Produkten nach dem Ende ihrer Lebensdauer geschieht, rückt ebenfalls in den Fokus der Betrachtung. Im Sinne des „►cradle to cradle“-Prinzips (McDonough & Braungart 2002), nach dem möglichst alle zur Herstellung von Produkten entlang ihrer ►Wertschöpfungskette verwendeten Rohstoffe nach ihrer Nutzung wieder dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden, zeigt sich hier ihre Qualität erst in der Nachhaltigkeitsbewertung durch Lebenszyklusanalysen (Ökobilanzen). Dabei hat man nicht nur die Produkte selbst, ihre Herstellung (inklusive der dabei anfallenden Transportaufwendungen), Nutzung und Wiederverwertung, sondern auch ihre Verpackung und Distribution im Blick (Schebek & Bräutigam 2007; Schlich 2008). Lebenszyklusanalysen sind „damit idealerweise Bestandteil eines Vorgehens, um Entscheidungen zwischen alternativen Produkten zu treffen und mögliche umweltrelevante Konsequenzen menschlichen Handelns in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Konkret werden nicht Produkte untersucht, sondern die Aufwendungen, die zur Erfüllung der Produktfunktion erforderlich sind“ (Bauer & Poganietz 2007, S. 17). Es handelt sich hierbei also um sehr vielschichtige, komplizierte und aufwendige Analysen, die mit erheblichen Kosten verbunden sind. Ein Beispiel dafür sind die Untersuchungen zur Ökobilanz von Äpfeln aus verschiedenen Anbaugebieten in Deutschland und Neuseeland, die Elmar Schlich mit seinen Mitarbeitern vorgelegt hat (Schlich 2008; siehe auch Saunders, Barber & Taylor 2006). Um diese Arbeiten zu vereinheitlichen und um Vergleiche auf gleicher Grundlage zu ermöglichen, gibt es seit 1997 entsprechende ISO-Normen, die 2006 revidiert wurden. Die DIN EN ISO 14040-11 (Grundsätze und Rahmenbedingungen) und DIN EN ISO 14044:2006-10 (Anforderungen und Anleitungen) sind die aktuell gültigen Fassungen. Der mit diesen Analysen verbundene Aufwand wird durch den Aufbau von Datenbanken reduziert, so daß „man so weit wie möglich auf vorhandene Datenbestände zurückzugreifen“ kann (Bauer, Schebek & Schmidt 2007, S. 11). Ein Beispiel dafür ist die über das Internet verfügbare Probas-Datenbank des Umweltbundesamtes (www.probas.umweltbundesamt.de/php/ index.php). Allerdings führt die Lebenszyklusanalyse „in der Anwendung nicht zwingend und geradlinig zu mehr Nachhaltigkeit, aber (sie) ist eine unabdingbare Methode, um im Bereich der ökologischen Bewertung von Produkten und Dienstleistungen Entscheidungswissen transparent und nachvollziehbar zu generieren“ (Bauer, Schebek & Schmidt 2007, S. 16). Prof. em. Dr. Jörn W. Mundt Ravensburg
Nachhaltigkeit Literatur
Axelsson, Robert; Per Angelstam; Erik Degerman; Sara Teitelbaum; Kjell Andersson; Marine Elbakidze & Marcus K. Drotz 2013: Social and Cultural Sustainability: Criteria, Indicators, Verifier Variables for Measurement and Maps for Visualization to Support Planning. In: Ambio – A Journal of the Human Environment, 42 (2), S. 215228 Ballou, Brian; Dan L. Heitger & Charles E. Landes 2006: The Future of Corporate Sustainability Reporting. In: Journal of Accountancy, 102 (12), S. 65-74 Banerjee, Subhabrata Bobby 2002: Organisational Strategies for Sustainable Development: Developing a Research Agenda for the New Millennium. In: Australian Journal of Management, 27 (Special Issue), S. 105-117 Bauer, Christian; Liselotte Schebek & Mario Schmidt 2007: Lebenszyklusanalysen und Entscheidungswissen. Initiativen, Chancen und Perspektiven. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis, 16 (3), S. 10-16 Bauer, Christian; Witold-Roger Poganietz 2007: Prospektive Lebenszyklusanalyse oder die Zukunft in der Ökobilanz. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis, 16 (3), S. 17-23 Becker, Egon; Thomas Jahn; Immanuel Stieß & Peter Wehling 1997: Sustainability: A Cross-Disciplinary Concept for Social Transformations. Report on the results of the first phase of the MOST-project: Towards Sustainable Development Paradigms and Policies. Paris: UNESCO (= MOST Policy Papers 6) Boogaard, B. K.; L. J. S. Boekhorst; S. J. Oosting & J. T. Sørensen 2011: Socio-cultural Sustainability of Pig Production: Citizen Perceptions in The Netherlands and Denmark. In: Livestock Science, 140, S. 189-200 Boström, Magnus 2012: A Missing Pillar? Challenges in Theorizing and Practicing Social Sustainability: Introduction to the Special Issue. In: Sustainability: Science, Practice, & Policy, 8 (1), S. 3-14 Carlowitz, Hannß Carl von 1713: Sylvicultura oeconomica oder haußwirtschaftliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum=Zucht. Leipzig: Johann Friedrich Braun (Faksimiledruck; = Veröffentlichungen der Bibliothek ‚Georgius Agricola’ der TU Bergakademie Freiberg, Nr. 135, Freiberg 2000) Daly, Herman E. 1990: Toward Some Operational Principles of Sustainable Development. In: Ecological Economics, 2 (1), S. 1-6 Dillard, Jesse; Veronica Dujon & Mary C. King (Hrsg.) 2009: Understanding the Social Dimension of Sustainability. New York and London: Routledge Elkington, John 1999: Cannibals with Forks. The Triple Bottom Line of 21st Century Business. Oxford: Capstone Publishing (2. Aufl.; erste Aufl. 1997) Evelyn, John: Sylva: A Discourse of Forest Trees & the Propagation of Timber Volume One. London: printed by Jo. Martyn & Ja. Allestry (cit. nach der Ausgabe 2009, Teddington: The Echo Library) Grober, Ulrich 2010: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs. München: Kunstmann Häusler, Richard 2004: Nachhaltiges Qualitätsmanagement. Strategien für Agenda-Prozesse. München: Ökom Verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH Hauff, Volker (Hrsg.) 1987: Unsere gemeinsame Zukunft. Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Greven: Eggenkamp Verlag (Übers. Barbara von Bechtolsheim) IUCN – International Union for Conservation of Nature and Natural Resources 1980: World Conservation Strategy. Living Resource Conservation for Sustainable Development. Gland (Switzerland): IUCN (in collaboration with UNEP and WWF)
Nachhaltigkeit Janic, Milan 2002: Methodology for Assessing Sustainability of an Air Transport System. In: Journal of Air Transportation, 7 (2), S. 115-152 Kreher, K.; B. Schneider 2002: Holzordnung im Amte Schwarzenberg 1560 bis 1695. Transkribiert von Kreher und Schneider. Annaberg-Buchholz: Adam-Ries-Bund e.V. (= Quellen zur Orts- und Familiengeschichte des Erzgebirges, Bd. 25) Kubon-Gilke, Gisela 2010: Soziale Nachhaltigkeit und die Interdependenz von Allokation und Gerechtigkeit. In: Harald Hagemann & Michael von Hauff (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung. Das neue Paradigma in der Ökonomie. Marburg: Metropolis, S. 235-262 Larsen, Gary L. 2009: An Inquiry into the Theoretical Basis of Sustainability. Ten Propositions. In: Dillard, Dujon & King (Hrsg.), S.45-82 Lexer, Matthias von 1889: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Bd. 13: N-Quurren. Leipzig: Verlag von S. Hirzel (Faksimile Ausgabe in 33 Bänden, München: dtv 1991) Lipschutz, Ronnie D. 2009: The Sustainability Debate: Déjà Vu All Over Again? Book Review Essay. In: Global Environment Politics, 9 (4), S. 136-141 Littig, Beate; Erich Grießler 2005: Social Sustainability: A Catchword between Political Pragmatism and Social Theory. In: Journal of Sustainable Development, 8 (1/2), S. 65-79 Magis, Kristen; Craig Shinn 2009: Emergent Principles of Social Sustainability. In: Dillard, Dujon & King (Hrsg.), S. 15-44 McDonough, William; Michael Braungart 2002: Cradle to Cradle. Remaking the Way We Make Things. New York: North Point Press McMahon, Muireann; Tracy Bhamra 2012: ‘Design Beyond Borders‘: International Collaborative Projects as a Mechanism to Integrate Social Sustainability into Student Design Practice. In: Journal of Cleaner Production, 23, S. 86-95 Müller, H. 1992: Die erste sächsische Forstordnung von 1560. In: Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, 163 (6), S. 106-107 Mundt, Jörn W. 2011: Tourism and Sustainable Development. Reconsidering a Concept of Vague Policies. Berlin: ESV Murphy. Kevin 2012: The Social Pillar of Sustainable Development: A Literature Review and Framework for Policy Analysis. In: Sustainability: Science, Practice, & Policy, 8 (1), S. 15-29 Pilechi, Peiman; Peiman Taherkani 2011: Social Sustainability in Student Dormitories. In: Procedia Engineering, 21, S. 59-64 Pierce, Janine; Guy Robinson 2013: Oysters Thrive in the Right Environment: The Social Sustainability of Oyster Farming in the Eyre Peninsula, South Australia. In: Marine Policy, 37, S. 77-85 Saunders, Caroline; Andrew Barber & Greg Taylor 2006: Food Miles – Comparative Energy / Emissions Performance of New Zealand‘s Agriculture Industry. Lincoln (NZ): Lincoln University, Agribusiness and Economics Research Unit (AERU). Research Report no. 285 (http://hdl.handle.net/10182/125; 6. April 2014) Schebek, Liselotte; Rainer Bräutigam 2007: Von der Wiege bis zur Bahre. Eine Einführung in den Schwerpunkt ‚Lebenszyklusanalysen in der Nachhaltigkeitsbewertung‘. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis, 16 (3), S. 4-9 Schlich, Elmar (Hrsg.) 2008: Äpfel aus deutschen Landen – Energieendumsätze bei Produkten und Distribution. Göttingen: Cuvillier Verlag Schüz, Mathias 2013: Grundlagen ethischer Unternehmensverantwortung. Zürich: vdf Hochschulverlag (= School of Management and Law - SML essentials, Bd. 1) Shama, Surya Kant; Sunita Metha 2012: Where Do We Go Frome Here? Viewing Corporate Social Responsibility through a Sustainability Lens. In: Journal of Contemporary Management Research, 6
737
N
Nachhaltigkeitsorientierung und -management (2), S. 69-76 Slaper, Timothy F. 2011: The Triple Bottom Line: What is It and How Does It Work? In: Indiana Business Review, 86 (1), S. 4-8 Soini, Katriina; Inger Birkeland 2014: Exploring the Scientific Discourse on Cultural Sustainability. In: Geoforum, 51, S. 213-223 Sridhar, Kaushik; Grant Jones 2013: The three Fundamental Criticisms of the Triple Bottom Line Approach: An Empirical Study to link Sustainability Reports in Companies based in the Asia-Pacific Region and TBL Shortcomings. In: Asian Journal of Business Ethics, 2 (1), S. 91-111 Strange, Tracey; Anne Bayley 2008: Sustainable Development. Linking Economy, Society, Environment. Paris: OECD (= OECD Insights) Talbot, Lee M. 2008: Introduction: The Quest for Environmental Sustainability. The Coevolution of Science, Public Awareness, and Policy. In: Larry L. Rockwood; Ronald E. Stewart & Thomas Dietz (Eds): Foundations of Environmental Sustainability. The Coevolution of Science and Policy. Oxford etc.: Oxford University Press, S. 3-24 Vallance, Suzanne; Harvey C. Perkins & Jennifer E. Dixon 2011: What is Social Sustainability? A Clarification of Concepts. In: Geoforum, 42 (3), S. 342-348 Vering, Katharina 2006: Social Sustainability – Forest Projects for the Integration of Marginal Groups. In: Urban Forestry & Urban Greening, 5, S. 45-51 WCED 1987: Our Common Future. Report of the World Commission on Environment and Development. New York: United Nations (General Assembly, 42nd session, document A43/427 of 4 August) Woodcraft, Saffron 2012: Social Sustainability and New Communities: Moving from Concept to Practice in the UK. In: Procedia – Social and Behavioral Sciences, 88, S. 29-42 Zollondz, Hans-Dieter 2011: Grundlagen Qualitätsmanagement. Einführung in Geschichte, Begriffe, Systeme und Konzepte. München: Oldenbourg (3., überarb., aktualisierte u. erg. Auflage)
N
Nachhaltigkeitsorientierung und -management ▶en: sustainability orientation and -management ▶Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement ▶nachhaltiger Erfolg ▶Nachhaltigkeit
Trotz oder gerade wegen der Vieldeutigkeit des Begriffs ►Nachhaltigkeit hat es immer wieder aus Unternehmensund Managementsicht Anpassungen in Aufgabenfeldern und Managementbereichen gegeben, wo der Begriff verwendet wird. Im Qualitätsmanagementansatz der ISO 9000-Kernbegriffe (2015) taucht er unter „►nachhaltiger Erfolg“ auf. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ muss an bestimmenden Kerndimensionen orientiert werden. Es bedarf also einer Messlatte, wenn dann oft sehr konkret von Nachhaltigkeitsmanagement die Rede ist. In Anlehnung an die vom BMU geförderte Studie zum Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen sind die folgenden Dimensionen gewissermaßen eine „conditio sine qua non“, wenn es in den Unternehmen um die Umsetzung von Nachhaltigkeitskonzepten und -managementansätzen geht, auch derjenigen, die ausgewiesen Nachhaltigkeit inhaltlich einbeziehen, wie das Umweltmanagementsystem 14001 der ISO. Ausgewiesen werden in der BMU-Studie die folgenden Elemente, wie sie in [1] entfaltet werden und die
738
Nachhaltigkeitsorientierung und -management von jedem Managementansatz, jedem Instrument des Managements als zentralen Herausforderungen, die das Nachhaltigkeitsmanagement als unternehmerische Aufgabe begreifen, begründend zu operationalisieren sind [1, S. 11ff]: ◼ Die ökologische Nachhaltigkeitsherausforderung: Wie kann ein Unternehmen die durch seine Aktivitäten absolut verursachte Umweltbelastung reduzieren (Öko-Effektivität)? – Die ökologische Herausforderung spricht die Belastung der Ökosysteme durch wirtschaftliche Aktivitäten an. Ökosysteme sind nur bis zu einer bestimmten Grenze belastbar, ohne dass langfristig dauerhafte Schäden (z. B. Rückgang der Biodiversität, anthropogener Treibhauseffekt usw.) eintreten. Ziel ist der langfristige Schutz der natürlichen Umwelt, die Sicherung ihrer Absorptionsfähigkeit und Regenerationskraft und der Erhalt der Biodiversität. Die ökologische Herausforderung besteht in der Reduktion der direkt und indirekt durch Unternehmen verursachten absoluten Umweltbelastung (inklusive der externen Kosten) und demzufolge in der Steigerung der Öko-Effektivität unternehmerischer Handlungen. ◼ Die soziale Nachhaltigkeitsherausforderung: Wie können sozial unerwünschte Wirkungen, die von einem Unternehmen ausgehen, minimiert werden (Sozio-Effektivität)? – Die soziale Herausforderung stellt das Unternehmen vor die Aufgabe, die Summe seiner positiven sozialen Wirkungen zu erhöhen und negative soziale Wirkungen zu vermeiden. Unternehmen sind gesellschaftlich eingebettete Institutionen, die auf gesellschaftliche Akzeptanz angewiesen sind. Sie müssen ihre sozialen Wirkungen auf Individuen, Anspruchsgruppen und die Gesellschaft insgesamt berücksichtigen. Ziel ist die Steigerung der Sozio-Effektivität und somit die Reduktion sozial unerwünschter Auswirkungen des Unternehmens und die Förderung positiver sozialer Wirkungen. Dies erhöht die gesellschaftliche Akzeptanz und sichert damit auch die soziale Legitimation des Unternehmens. ◼ Die ökonomische Nachhaltigkeitsherausforderung an das Umwelt- und Sozialmanagement: Wie können Umweltschutz und Sozialengagement kostengünstig, rentabilitäts- und unternehmenswertsteigernd umgesetzt werden (Öko- und Sozio-Effektivität)? – Da gewinnorientierte, in einem Wettbewerbsfeld agierende Unternehmen primär für ökonomische Zwecke gegründet und betrieben werden, steht das Umwelt- und das Sozialmanagement von Unternehmen immer vor der Herausforderung des sog. „Business Case for Sustainability“, bei dem es darum geht, einen Beitrag zur Erhöhung des Unternehmenswertes und Steigerung der Rentabilität zu leisten oder zumindest möglichst kostengünstig zu agieren. Die ökonomische Herausforderung an das Umwelt- und Sozialmanagement hat zwei Komponenten: die Steigerung der Öko-Effizienz und die Verbesserung der Sozio-Effizienz. Im Gegensatz zu den absoluten Herausforderungen der Öko- und Sozio-Effektivität stehen bei der Öko- und Sozio-Effizienz die Verhältnisse von Wertschöpfung zu öko-
Nachhaltigkeitsorientierung- und management
◼ Die Integrationsherausforderung: Wie können die drei vorangegangenen Herausforderungen gleichzeitig erfüllt (inhaltliche Integrationsherausforderung) und wie können ökologische und soziale Aspekte ins konventionelle, ökonomisch ausgerichtete Management integriert werden? – Die Integrationsherausforderung leitet sich aus zwei Ansprüchen auf dem Weg zum Nachhaltigkeitsmanagement ab. Einerseits besteht hierbei die Aufgabe, die drei vorgenannten Herausforderungen gleichzeitig zu erfüllen (inhaltliche Integrationsherausforderung). Andererseits geht es darum, das Umwelt- und das Sozialmanagement mit ihren Managementansätzen in das konventionelle, ökonomisch ausgerichtete Management methodisch einzubetten (instrumentelle Integrationsherausforderung). Derzeit werden Umwelt- und Sozialfragen sehr oft organisatorisch und methodisch getrennt vom ökonomischen Management behandelt, was dazu führen kann, dass sowohl Gemeinsamkeiten als auch Konflikte zu wenig erkannt und somit zu wenig effektiv oder gar nicht angegangen werden. Ziel eines Nachhaltigkeitsmanagements ist jedoch die integrierte Berücksichtigung ökologischer, sozialer und ökonomischer Aspekte im täglichen Geschäftsablauf. Sowohl die aufs Grundsätzliche zielende Fachliteratur zur Betriebswirtschaftslehre, in der zum Beispiel in einer „Nachhaltigen Betriebswirtschaftslehre“ ein neues Paradigma verortet wird [2], wie auch die als Ratgeber für die betriebliche Praxis formulierten Titel zum Nachhaltigkeitsmanagement [3] müssen die o. g. drei Dimensionen sowohl einzeln wie auch in ihrer Synthese (Integrationsherausforderung) als immer wieder im Blick zu habende Elemente beachten. Schließlich kann im ►Integrativen Managementsystem ein Weg beschritten werden, der die verschiedenen Managementaufgaben zusammenführt. So ließe sich methodisch und organisatorisch getrenntes vereinen. Neuere Vorstöße eines ►Beschaffenheitsmanagements weisen in die gleiche Richtung. Dieser Ansatz lässt sich theoretisch noch besser fundieren, wenn die übergeordneten Kategorien von Zeit, Raum, Qualität und Kosten eingeführt werden, wie dies Abbildung N01 zeigt. Am Beispiel der Vertriebslogistik sei das kurz demons-
Zeit
ökologi
Qualität
sch
Integration
Kosten
so zia l
In einer vierten Perspektive, der Integration, gilt es die drei Herausforderungen zusammenzuführen:
Abb. N01: Die fünf Dimensionen der Nachhaltigkeit
isch ökonom
logischem Schaden (Schadschöpfung verursacht durch Ressourcenverbrauch, Emissionen usw.) oder von Wertschöpfung zu sozialem Schaden (Schadschöpfung verursacht durch sozial unerwünschte Wirkungen, soziale Ungerechtigkeit usw.) im Vordergrund. Die ökologische bzw. soziale Dimension wird also mit der im Zentrum des Wirtschaftens stehenden ökonomischen Dimension verknüpft. In beiden Fällen geht es darum, das Verhältnis durch Verringerung der Schadschöpfung (inklusive der externen Kosten) und/oder Steigerung der Wertschöpfung zu optimieren.
Nachhaltigkeitsorientierung und -management
Raum triert: Die physische Distribution der Vertriebslogistik befasst sich mit der optimalen Gestaltung der Lagerung und des Transports der Produkte von der Produktion über mögliche Groß- und Zwischenhändler bis hin zum Endabnehmer. Die Funktion der (Zwischen-) Lagerung wird dabei entweder vertriebskanalintern vom Hersteller, Händler oder von Spediteuren übernommen. Die Transportfunktion wird i. d. R. fremd vergeben und durch Speditionen und Trans- portunternehmen erledigt. Die Transport- und Lagerkosten weisen interdependente Beziehungen auf, da z. B. durch die Bildung von Zwischenlagern die Transportkosten gesenkt und Lieferzeiten verkürzt werden können, wohingegen die Lagerkosten steigen. Eine kurze Lieferzeit (z. B. Just-in-Time) wirkt sich in vielen Branchen positiv auf die Erlösseite aus. Zu den Aufgaben der physischen Distribution gehören daher die Festlegung von: ◼ ◼ ◼ ◼
Lagerstandort und Lagergröße Art des Transportmittels Transportvolumen und -zeitpunkt und Transportweg
Distribution und Re-Distribution in der Logistik besitzen somit für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung eine zentrale Bedeutung. Im System einer Kreislaufwirtschaft etwa, in dem Produkte nach dem Ende ihrer Lebensdauer recycelt werden, muss ein geeignetes Distributions- und Logistiksystem Raum-, Zeit-, Qualitäts- und Kostengesichtspunkte beachten. Wir haben also – wie Abbildung N01 aufzeigt – nicht nur drei Dimensionen zu beachten, die in einem Spannungsverhältnis stehen, sondern sieben. Gerade das Beispiel der Logistik hat uns gezeigt, dass ein derart energieintensiver Bereich eine nachhaltigen Optimierung/Verbesserung in allen Dimensionen bedarf.
739
N
Nachweis
Literatur
[1] Schaltegger, S. et al. : Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen. Von der Idee zur Praxis: Managementansätze zur Umsetzung von Corporate Social Responsibility und Corporate Sustainability. Centre for Sustainability Management. Hrsg. von Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorischheit (BMU), Berlin 2007 [2] Ernst, D. und U. Sailer: Nachhaltige Betriebswirtschaftslehre. München (UVK in UTB) 2013 [3] Pufé, I.: Nachhaltigkeitsmanagement. München (Hanser) 2012 [4] Grunwald, A. und J. Kopfmüller: Nachhaltigkeit. Eine Einführung. 2. Auflage. Frankfurt am Main-New York (Campus) 2012, S. 233ff
Nachlieferung
▶en: additional delivery | ▶en: additional supply Lieferung einer mangelfreien statt der gelieferten mangelhaften Sache
Nachmarktkontrolle
▶ Produktsicherheitsgesetz
Nachvollziehbarkeit
N
ISO/IEC-Term
▶Prüfmittelmanagement
Nachweis
▶en: objective evidence ▶Qualitätsnachweis Information, deren Richtigkeit bewiesen werden kann, und die auf Tatsachen beruht, welche durch Beobachtung, Mes sung, Untersuchung oder durch andere Ermittlungsverfahren gewonnen sind. Normquelle: DIN EN ISO/IEC 17050-1:2005-01 Konformitätsbewertung – Konformitätserklärung von Anbietern – Teil 1 ⟪Originalbegriff ⟫
Nachweisdokument
Dokument, das erreichte Ergebnisse darstellt oder ausgeführte Tätigkeiten nachweist. Ein Nachweisdokument wird auch als ►Aufzeichnung (en: record) bezeichnet.
NAGUS
▶Normenausschuss Normenausschuss Grundlagen des Umweltschutzes im DIN.
740
Nakajima, Seiichi
▶Total Productive Management
Japanischer Qualitätsexperte
Abschließend sei auf die elf Thesem zum Handlungsbedarf verwiesen, wie sie von Grunwald und Kepfmüller entwickelt wurden. These 2 (Der integrative Anspruch) schließt genau an das hier entwickelte Modellverständnis der Abbildung N01 an [4]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Nakajima, Seiichi
Seiichi Nakajima (23. 5. 1918*-11. 4. 2015†)– in der westlichen Welt auch „Mr. TPM“ genannt – war ein japanischer Ingenieur und Berater. Auf ihn geht das Konzept des Total Productive Maintenance zurück, aus dem sich das Managementsystem ►Total Productive Management (TPM) entwickelte. TPM ist ein umfassendes System zur Effizienzsteigerung im gesamten Unternehmen durch Reduzierung jeglicher Verluste und Verschwendung. TPM strebt nach NullAusfällen, Null-Fehlern und Null-Unfällen. Es bezieht alle Mitarbeiter in funktions-übergreifenden Teams in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess ein und hat eine wertschätzende Führungskultur als Grundlage. Nakajima studierte Maschinenbau an der Kanazawa Universität. Seine erste Anstellung fand er bei der NEC Corporation, bei der er bis 1948 beschäftigt war. 1949 begann Nakajima bei der Japan Management Association, wo er 1969 „Director“ wurde. Kurz darauf übernahm er die Stelle eines „Senior Managing Director” des neu gegründeten Japan Institute of Plant Engineers und 1981 die Stelle eines „Senior Managing Director“ am seiner Zeit neu gegründeten Japan Institute of Plant Maintenance ( JIPM). Von 1986 bis 1992 war Nakajima schließlich “Vice Chairman” des JIPM. Er blieb nach seinem formellen Ruhestand beruflich als Auditor für den TPM Excellence Award des JIPM und als TPM-Berater aktiv. Nach eigener Aussage begann Nakajima 1950 die amerikanische Methode der vorbeugenden Instandhaltung (Preventive Maintenance) zu studieren und zu implementieren. Toa Nenryo Kogyo war die erste japanische Firma, die diese Art der Instandhaltung angewendete. Nakajima baute sein Instandhaltungskonzept weiter aus durch die Übernahme von Productive Maintenance aus den USA, die sich aus verbessernder Instandhaltung sowie Instandhaltungsvermeidung zusammensetzte. Er ergänzte dieses Konzept durch weitere Elemente, wie z. B. Philip B. ►Crosbys Philosophie der „Null Produktfehler“ (►Null-Fehler-Management). Zum Erfolgsmodell wurde TPM aber erst durch ◼ Nakajimas Kombination dieser amerikanischen Ansätze mit japanischen Philosophien, wie z. B. dem japanischen Managementstil, vereinfacht „Theorie Z“ genannt (dieser wurde von William Ouchi in seinem Buch von 1981 „Theory Z: How American management can meet the Japanese challenge“ beschrieben),
Nakajima, Seiichi ◼ Nakajimas Abwendung von der strikten tayloristischen Arbeitsteilung („Du produzierst – ich halte instand“) durch die Autonome Instandhaltung und ◼ die Einführung funktionsübergreifender Kleingruppenaktiviäten (►Linking-pin-function). Nakajimas Verdienst war es also, bestehende Konzepte intelligent kombiniert und mit japanischen Denkweisen ergänzt sowie mit eigenen Ideen angereichert zu haben. Er brachte dieses alles dann in eine sehr effektive Struktur und führte dieses System erstmals 1971 beim Toyota Zulieferer Nippendenso erfolgreich zu Einsatz. Ergebnis seiner Arbeit war, dass ►Toyota und seine Tochterunternehmen maschinen- und anlagenbedingte Probleme signifikant reduzieren konnten und schaffte damit die Voraussetzungen für die Realisierung des ►Just-In-Time-Konzepts. Durch die Minimierung von Wartezeiten durch die Reduzierung von Ausfällen und Defekten schaffte Nakajima durch TPM überhaupt erst die Voraussetzungen für die Produktion im Fluss im Sinne des ►Toyota Produktionssystems (TPS).
Nebenfehler Nationales Normal
▶Kalibrieren Normal, das in einem Land durch einen offiziellen nationalen Beschluss als Basis zur Festlegung des Wertes anderen Normale der betreffenden physikalischen Größe anerkannt ist. Es bildet die Basis zur Festlegung des Merkmalswertes aller anderen Normale der betreffenden Größe. Quelle: Nach DIN 1319-1
NDT
▶en: non-destructive testing Zerstörungsfreie Prüfung
Nebenfehler ►Fehler, der vermutlich die Brauchbarkeit für den beabsichtigten Verwendungszweck nur unwesentlich mindert. Oder ein Abweichen von den geltenden Festlegungen, das sich auf den Gebrauch oder den Betrieb einer ►Einheit nur unwesentlich auswirkt.
Seiichi Nakajimas erstes englischsprachiges Buch „Introduction to TPM. Total Productive Maintenance“ [1] brachte das TPM Konzept 1988 in die westliches Welt. 1995 erschien das Buch in deutscher Sprache unter dem Titel „Management der Produktionseinrichtungen: Total Produc- Abb. N01: Seiichi Nakajima mit Prof. Constantin May am CETPM in Ansbach tive Maintenance“ [3]. Zu diesem Zeitpunkt war das Buch eigentlich schon veraltet, denn die japanische Ausgabe hatte Nakajima 1984 geschrieben und TPM hatte sich seitdem rasant weiterentwickelt. Nur ein weiteres Werk von Nakajima gelangte noch in die westliche Welt: Sein Buch „TPM Development Program: Implementing Total Productive Maintenance“ erschien 1989 in den USA [2]. Aber viele Unternehmen die sich mit TPM beschäftigten, durften Seiichi Nakajima einmal persönlich kennenlernen, z. B. als Auditor oder bei der jährlichen Preisverleihung des TPM Excellence Awards des JIPM. Sie lernten Nakajima als immer freundlichen und vor allen Dingen sehr bescheidenen Ratgeber kennen. Prof. Dr. Constantin May Herrieden Literatur
[1] Nakajima, S.: Introduction to TPM. Total Productive Maintenance, Productivity Press, 1988 [2] Nakajima, S.: TPM Development Program: Implementing Total Productive Maintenance, Productivity Press, 1989 [3] Nakajima, S.: Management der Produktionseinrichtungen: Total Productive Maintenance, Campus Verlag 1995
741
N
Nebenleistung
NIST
Nebenleistung
teraktionen und Beziehungen innerhalb und zwischen den Einheiten, hohe Vielfalt un terschiedlicher Organisationsformen und eine Gesamtsteuerung der gemeinsamen Ziele und Strategien.
▶en: ancillary service
N
In der Praxis ist die Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung dann von besonderem Interesse, wenn die Hauptleistung als solche steuerbegünstigt (steuerbefreit oder mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern) ist, die Nebenleistung selbst aber als eigenständige Leistung keiner solchen Begünstigung unterliegen würde. Gleiches gilt, wenn die Nebenleistung als eigenständige Leistung einer günstigeren umsatzsteuerrechtlichen Rechtsfolge unterliegen würde als die Hauptleistung. Da die Nebenleistung umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung teilt, werden die Rechtsfolgen der Hauptleistung auf die Nebenleistung übertragen, wenn ein solches Haupt- und Nebenleistungsverhältnis vorliegt. Typische Nebenleistungen sind Transportkosten, die beim Erbringen einer Hauptleistung anfallen. Beispiel: Bei der Lieferung eines Computers (Euro 1.000,00) werden vereinbarungsgemäß Transportkosten und -Versicherung in Rechnung gestellt (Euro 50,00). In der Rechnung, die die beiden Teilsummen enthält, werden Euro 50,00 als Nebenleistung kalkuliert. Dabei wird klar, dass es eine weitere Voraussetzung für ein Haupt- und Nebenleistungsverhältnis ist, dass jeweils der leistende Unternehmer und der Empfänger identisch sein müssen.
Netzplan ▶M7
Netzwerkorganisation
▶Selbstorganisation Die folgenden Merkmale kennzeichnet eine Netzwerkorganisation: Wenig Hierarchie, hohe Selbständigkeit der einzelnen Organisationseinheiten, autonomer Aufbau der In
742
▶Prozessorientierte QM-Systeme
Neueinstufung
▶en: regrade Änderung der ►Anspruchsklasse eines/einer nichtkonformen ►Produkts oder ►Dienstleistung, damit es/sie ►Anforderungen erfüllt, die von den ursprünglichen Anforderungen abweichen Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
New Seven
Hierbei handelt sich um die „New Seven Tools for Quality Control“, die im Deutschen als ►M7 bezeichnet werden und in den 1970er Jahren von der japanischen ►JUSE für die Zwecke des Qualitätsmanagements zusammengestellt wurden.
Non-direktives Gesprächsverhalten
▶Aktives Zuhören Wichtiger Begriff beim Auditieren: Der Auditor steuert das Gespräch nicht nach eigenen Vorstellungen, sondern nach dem, was er den Äußerungen des Mitarbeiters bzw. Auditierten entnehmen kann. Er versucht, den Sachverhalt mit den Augen (Ohren) des Mitarbeiters zu sehen, um die Handlungsweise des Mitarbeiters nachvollziehen zu können. In dieser Gesprächsform kann sich der Mitarbeiter am besten einbringen. Literatur
[1] Rogers, C. R.: Die nicht-direktive Beratung. Frankfurt am Main (Fischer) 1985
Nichtkonformität
▶en: nonconformity ▶Fehler Nichterfüllung einer ►Anforderung
Anmerkung 1 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
NIST
National Institute of Standards and Technology, Gaithersburg (USA). Das NIST ist zuständig für den ►MBNQA. Web: URL www.nist.gov
ISO-Term
Wann liegt keine Nebenleistung vor? Aus den bisherigen Ausführungen folgt, dass keine Nebenleistung vorliegt, wenn eine Leistung im Zusammenhang mit einer anderen Leistung einen eigenständigen Nutzen entfaltet. Dies ist manchmal bei Versicherungen der Fall, so zum Beispiel bei der Reiserücktrittskostenversicherung, mit der ein eigenständiger Sicherungsbereich abgedeckt wird. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Next Operation as Customer
ISO-Term
Eine Nebenleistung liegt vor, wenn ein Unternehmer in der Folge der vereinbarten Hauptleistung auch Leistungen erbringt, an denen der Leistungsempfänger kein eigenständiges Interesse hat. Eine solche unselbstständige Nebenleistung ist dann gegeben, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr aber eng zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt. Eine Nebenleistung darf jedoch keinen eigenen wirtschaftlichen Zweck haben. Sie darf für den Empfänger auch keinen eigenen Zweck entfalten, sondern wird lediglich ausgeführt, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen erbringen zu können.
Nordsieck Nordsieck, Fritz Deutscher Organisationsexperte
▶Geschäftsprozessemanagement
Im Bereich der Betriebsorganisation verfasste er mehrere Werke: ◼ Die schaubildliche Erfassung und Untersuchung der Betriebsorganisation (Diss., 1932) ◼ 3-teilige Aufsatzserie Grundprobleme und Grundprinzipien der Organisation (DBW, 1931) ◼ 3-teilige Aufsatzserie Die Organisation des Arbeitsablaufs (DBW, 1934) ◼ Grundlagen der Betriebsorganisation (1934) ◼ Betriebsorganisation, Lehre, Technik. Text- und Tafelband (1961). Seine Darstellung der Betriebsorganisation hielt er sehr abstrakt und allgemein. Die betrieblichen Aufgaben (Ziele) sah er als „sozial-objektiviertes Ziel, zu dessen Erreichung menschliche Arbeitsleistung notwendig ist“. Die zu erreichenden Ziele werden als der zentrale Punkt der Organisation angesehen und die Organisation als ein „System (aus) geltenden organisatorischen (betriebsgestaltenden) Regelungen, deren Sinnzusammenhang durch die oberste Betriebsaufgabe gegeben ist.“ Die Personen werden als Funktions- bzw. Arbeitsträger angesehen, ihnen fällt die Rolle einer gedachten Person
zu, der eine bestimmte Teilaufgabe zugeordnet ist. Nordsieck sah die sozialen Gebilde nur dann als relevant an, wenn diese eine dauerhafte Funktion erfüllen. Im Mittelpunkt seiner Betrachtungsweise steht die Trennung der gesamten Organisationslehre in eine Beziehungs- und eine Ablauflehre. Die Beziehungslehre beschäftigt sich mit den Beziehungen der Mitarbeiter zur Aufgabe und zueinander; die Ablauflehre behandelt die Abfolge der Arbeitsleistungen und ihr zeitliches Ineinandergreifen. Nordsiecks Trennung der Organisationsbetrachtung in Aufbau- und Ablauforganisation beeinflusste fast alle folgenden Studien der deutschen betriebswirtschaftlichen Organisationslehre. Nordsieck wurde in den 1980er Jahren für die Organisationsund Managementlehre „wiederentdeckt“, weil er in seiner Untergliederung in Aufbau- und Ablauforganisation bereits 1931 gefordert hat, die Aufgabengliederung des Unternehmens an den Unternehmensprozessen zu orientieren. Wie Hermann Schmelzer hier im Lexikon betont schuf Nordsieck damals schon die „theoretischen Grundlagen des ►Geschäftsprozessmanagements“. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Norm
▶en: standard ▶Normatives Dokument Dokumentiert, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde und das für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt, wobei ein optimaler Ordnungsgrad in einem gegebenen Zusammenhang angestrebt wird. Anmerkung: Die Normen sollten auf den gesicherten Ergebnissen von Wissenschaft, Technik und Erfahrung basieren und auf die Förderung optimaler Vorteile für die Gesellschaft abzielen. Normquelle: DIN EN ISO/IEC 17050-1:2005-01 Konformitätsbewertung – Konformitätserklärung von Anbietern – Teil 1 ⟪Originalbegriff ⟫
Norm
▶lat. norma 1 Einordnung des Norm-Begriffs In der antiken Architektur war norma die Richtschnur (Winkelmaß) für den Baumeister. Die römische Jurisprudenz hat schon früh den Begriff im Sinne von Maßstab, Vorschrift und Regel verwendet. Heute ist Norm nicht nur ein Grundbegriff des Rechts und wird dort sogar synonym mit Gesetz verwandt, sondern gilt durchgängig in fast allen wissenschaftlichen Disziplinen als bestimmender je spezifisch definierter Begriff. Landläufig verstehen wir Norm als Richt schnur unseres Handelns oder Urteilens. Auf die explizite Einord nung des Begriffs in die philosophische Diskussion wird hier verzichtet. Die einschlägige Literatur gibt hierzu ausführlich Auskunft.
743
ISO/IEC-Term
Fritz Nordsieck (* 08. 03. 1906-23. 05 1984 †) gilt als Begründer der heutigen betriebswirtschaftlichen Organisationslehre, die in der Folge von Erich Kosiol (*18. 02. 1899-07. 09. 1990 †) stark geprägt wurde. Sein wissenschaftliches Denken wurde vor allem von Max Weber, Frederick Winslow ►Taylor, Henri Fayol und Werner Sombart beeinflusst. In den 1920er Jahren arbeitete er am Einzelhandelsinstitut der Universität zu Köln. Nordsieck studierte dort Betriebsund Volkswirtschaftslehre, Soziologie und Rechte. Seine Promotion legte er 1930 ab. Von 1930 bis 1934 war er wissenschaftlicher Assistent an der Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Danach arbeitete er als Revisor der Treuhandgesellschaft Wirtschaftsberatung Deutscher Gemeinden AG, Berlin, bevor er von dort als Referent für Organisation für innere Gemeindeverwaltung und für Wirtschafts- und Verkehrsbetriebe an den Deutschen Gemeindetag berufen wurde. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er 1945 kommissarischer Landrat und später dann Oberkreisdirektor im Kreis Gandersheim bei Braunschweig. Nordsieck wirkte in Mettmann und Umgebung als Kommunalpolitiker.
Norm
N
Norm
Norm
2 Bestimmung von Normen Um sich Klarheit über den Normbegriff zu verschaffen, greifen wir auf eine Einteilung zurück, die Lay vorgeschlagen hat. Danach werden formale von materialen Normen und Handlungs- von Zielnormen unterschieden [1]:
N
◼ Handlungsnormen haben Aufforderungscharakter. Wenn eine bestimmte Bedingung erfüllt ist, ist die vorgeschriebene Handlung zu tun oder zu unterlassen. – Beispiele dafür sind Gebote, Verbote, Anweisungen, Ratschläge, Empfehlungen oder Erlaubnisse. ◼ Zielnormen fordern, als unbedingte oder bedingte Norm auf den Erhalt oder die Entwicklung situationsspezifisch handelnd hinzuwirken. – Beispiele sind Gesetze, Betriebsordnungen, Rechtschreibregeln. ◼ Materiale Normen sind exakt beschrieben. Der subjektive Interpretationsspielraum ist möglichst gering gehalten. – Beispiele sind die 10 Gebote, im Betrieb die Art und Weise wie gelobt und getadelt werden soll. ◼ Formale Normen definieren ein normatives Prinzip. Dieses Prinzip ist im Einzelfall vom Handelnden zu über setzen. In Verhaltensweisen ist die möglichst optimale Übersetung zu realisieren. – Das Prinzip der Sozialver träglichkeit oder die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sind formale Normen. Auch die Normen, sich tugendhaft oder vernünftig zu verhalten ist von formaler Natur. Formale Normen sind materialen Normen überlegen [2]: □ Sie können leichter situationsgerecht angewandt werden. □ Sie fordern vom Handelnden eine Güterabwägung ein. □ Sie entlasten den Handelnden nicht vor der moralischen, ökonomischen, politischen, sozialen Verantwortung für sein Handeln. Das folgende Schema, Normportfolio genannt (Abbildung N02), verdeutlicht einen bestimmten Zusammenhang: Ausgangspunkt der Betrachtung ist eine formale Norm, die als Zielnorm definiert ist und materialisiert Handlungscha rakter gewinnt. Entsprechend lassen sich – ausgehend von der formalen Natur einer Norm – solche Normensysteme auf Abb. N02: Normportfolio
Ziel
formal
material
744
Handlung
Unternehmensebene konstruieren, z. B. in Unternehmens verfassungen. Unabhängig vom Einzelunternehmen sind die Normen der DIN EN ISO 9000-Familie als formale Normen definiert. Durch Ihre Anwendung wird nicht – wie oftmals von Sachunkundigen behauptet – ein normiertes Qualitäts managementsystem errichtet. Dies wird jedem klar, der gedanklich den Sinn des Schemas in Abbildung N02 auf das Qualitätsmanagement überträgt. 3 Normen in der Unternehmenskultur In der Diskussion um die ►Unternehmenskultur (auch als Organisationskultur bezeichnet) wird vielfach im Zusammenhang mit dem Wertbegriff auf den sozialwissenschaftlichen Terminus der sozialen Norm zurückgegriffen. Eine allgemeine Definition liefert Ganslandt [3]: „Soziale Normen stellen Sinnstrukturen dar, die den im Zusammenleben von Menschen in Gesellschaften auftretenden, zu tatsächlicher Übung ausgebildeten Regelmäßigkeiten des Handelns zugrunde liegen. … Soziale Normen sind demnach die im sozialen Bewußtsein einer Gesellschaft oder ihrer verschiedener Teilgruppen verfestigten Handlungsregeln für sozial typische Situationen, denen erwartungsgemäß weitgehend nachgelebt wird. Die Wirksamkeit sozialer Normen beruht unter anderem auf den positiven und negativen Sanktionen, mit denen die Gesellschaft auf normenkonformes bzw. abweichendes Handeln ihrer Mitglieder reagiert.“ Wenn man Normen als Handlungsregeln, die eine bestimmte Handlung für verbindlich erklären, interpretiert, lässt sich das folgende vierstufige Schema für die Generalisierung eines Handlungszusammenhangs – bezogen auf ein Sozialsystem, wie den Betrieb zum Beispiel – entwickeln: Werte ▼ Normen (systemspezifisch) ▼ Rollen ▼ Programme ▼ Handeln Diese Skizze veranschaulicht den Zusam men hang von Werten, Normen, Rollen, Pro grammen und sozialem Handeln, lässt jedoch außer acht, daß es sich um Interde pendenzstrukturen handelt. So können die Werte selbst wieder Gegenstand eines Bewertungsprozesses sein. Auch gilt folgender Zusammenhang: Im Unternehmen X gelten andere Werte, Normen, Rollen und Programme als im Unternehmen Y. Konsistenz ist nicht erforderlich. Ebenfalls können innerhalb ein- und derselben Organisation, z. B. abteilungsbezogen, diese Mechanismen variieren: In der Fertigung eines Unternehmens sind mit Sicherheit andere Werte, Normen,
Norm
Norm
Rollen und Programme etabliert, als im Marketing. Solange jedoch die übergeordnete Organisationskultur die Harmoni sierung dieser Teilsysteme gewährleistet, werden Dysfunk tionalitäten ausgeglichen, das Gesamtsystem bleibt stabil. In der folgenden Abbildung N03 wird der Interdependenz von Normen und Werten Rechnung getragen. Auch wird klar: Die Programme, die im vorhergehenden Schema linear wirkten, erfüllen diese intermediäre Funktion. Formulierte und angestrebte und gelebte Unternehmensleitbilder (→ Leitbild) können z.B. als Programm eine funktionale Klammer bilden und norm- und handlungsleitend wirken. Abb. N03: Normen im Zusammenhang
Werte
Normen
Programme
einstimmung zum Ausdruck gebracht, nämlich eines Verhaltens und dem diese Norm entspricht. Die Norm selbst ist durch Vergleich mehrerer Verhaltensweisen zueinander im Hinblick auf eine gemeinsame Beschaffenheit (hier die Handlungen der Person X, oder bei einem Größenvergleich die Körpergrößen von Personen) als durchschnittliche Mitte entweder errechnet oder statistisch ermittelt oder durch Beobachtung festgestellt. Allgemein: Was als normal beurteilt wird, gilt als durchschnittlich, mittelmäßig, der Erwartung entsprechend. Gewonnen wird ein sogenannter (normaler) Durchschnittstyp durch Generalisierung von empirischen Daten. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass dieser Begriff nicht nur auf Verhalten, sondern allgemein auf Sachverhalte und Gegenstände bezogen werden kann: normal ist dann durchschnittlich. 4.2 Technisch-pragmatischer Normbegriff Völlig anders wird Norm bestimmt, wenn sie sich auf eine genau fixierte Schablone, ein Maß oder ein Muster bezieht. Auf diese Fixierung hin wird dann ein Gegenstand genormt. Er erhält eine einheitliche Bestimmung durch Festsetzung. So ist das Urmeter die Norm für Längenmaße, die Kon fektionsgrößen sind Normen für Kleidung usw. „Solche technisch-pragmatische Normen sind nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit festgesetzte allgemeine Standards, deren inhaltliche Bestimmtheit willkürlich gewählt ist, aber auf Übereinkunft, also Konsens beruht; sie ermöglichen eine allgemeine, einheitliche Kennzeichnung von Konsumartikeln und Massenerzeugnissen, die eben dadurch, indem sie genormt sind, eine zuverlässige Auskunft über ihr Maß geben. Zur Klasse der technisch-pragmatischen Normen – sofern sie Formen der Orientierung sind – gehören jedoch nicht nur Grundmuster zur quantitativen Bestimmung von Ge genständen, sondern auch Regeln für ein korrektes Verhalten. So sind z. B. Verkehrsregeln Normen für richtiges Verhalten im Verkehr, Spielregeln Normen für richtiges Spielen und Etiketten Normen für einwandfreies gesellschaftliches Beneh men.“ [4] 5 DIN-Normen
Handlungen
4 Verwendung des Wortes Norm Zur weiteren Klärung des Normbegriffs soll die umgangssprachliche Bedeutung in zweierlei Hinsicht analysiert werden: Norm als alltäglicher Begriff und Norm als technischpragmatischer terminus technicus. 4.1 Alltäglicher Normbegriff Im Sinn von normal wird häufig angezeigt, daß etwas einem bestimmten Maßstab entspricht. So meint man, dass sich jemand völlig normal verhält. Damit wird eine Über
„Elle oder Fuß als Längenmaße, abgenommen an Körperteilen eines Herrschers, waren auf dessen Einflussbereich begrenzt und konnten in Abhängigkeit von Machtausdehnung und Amtszeit starken Schwankungen unterworfen sein.“ (DIN e.V. 1992, S. 91)
Es ist offenkundig, dass die Normen des DIN (►DIN e. V., Berlin) besondere „technisch-pragmatische“ Normen darstellen. Auch dürfte der formale Charakter der DIN-Normen als Zielnormen klar sein, die sich im Handeln, in der Anwendung materialisieren. Die Normen des DIN e.V. vereinheitliche, sie bilden eine Richtlinie oder Richtschnur (wie damals in der Baukunst der Antike das Winkelmaß), sie stellen eine ►Forderung dar: Wer nach diesen Normen arbeitet, verfährt nach einer Anweisung. Er weiß, dass andere dieser Anweisung ebenfalls folgen. Im Prinzip kann oder sollte jeder im je spezifischen Zusammenhang Normen anwenden.
745
N
Norm
Norm
„Eine Pflicht zur Anwendung von DIN-Normen kann nicht durch das DIN selbst gesetzt werden. DINNormen werden angewandt, weil und solange sie vernünftig sind. Eine Pflicht zur Anwendung von DINNormen kann sich aufgrund von Verträgen sowie aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften ergeben.“ [5] Die heutigen Normen des DIN befassen sich v. a. mit folgenden Aspekten: ◼ ◼ ◼ ◼
Verständigung rationellem Wirtschaft en Umweltschutz Sicherheit und Qualität.
Im Rahmen des Qualitätsmanagements ist der Normbegriff in einer Norm, der DIN EN 45 014 in zweifacher Weise fest gelegt worden: Norm und Normatives Dokument. Abbildung N04 verdeutlicht die definitorische Unterordnung des Norm begriffs (Oberbegriff) unter Normatives Dokument. In der DIN EN 45 014:1989 (Kap. 2 Definitionen) ist folgendes bestimmt [6]:
N
◼ Norm: Dokument, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Stelle angenommen wurde und das für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt, wobei ein optimaler Ordnungsgrad in einem gegebenen Zusammenhang angestrebt wird. – An merkung: Normen sollten auf den gesicherten Ergebnissen von Wissenschaft, Technik und Erfahrung basieren und auf die Förderung optimaler Vorteile für die Gesellschaft abzielen. ◼ Normatives Dokument: Dokument, das Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt. – Anmerkung 1: Der Begriff normatives Dokument ist ein Oberbegriff, der solche Dokumente wie Normen, technische Spezifikationen, Anleitungen für die Praxis und Vorschriften umfaßt. – Anmerkung 2: Als Dokument wird jeder Informationsträger verstanden. – Anmerkung 3: Bei der Bestimmung der Begriffe für verschiedene Arten der normativen Dokumente wurden das Dokument und sein Inhalt jeweils als Einheit betrachtet. Die Norm ist folglich als geistiges Pro dukt, als Dokument, dem Normativen Dokument, materialisiert, das gleichzeitig als Informationsträger dient. Abb. N04: Normatives Dokument
Normatives Dokument
Norm
746
Technische Spezifikationen
Anleitungen für die Praxis
Vorschriften
Die im Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff. (oft ISO-Familie genannt) relevanten Normen sind inzwischen stark vereinfacht worden (s. Stichwort ►Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001). Die ISO 9001:2015 ist die neue Darlegungsnorm. Die Funktion der Darlegungsnorm ISO 9001 im Rahmen dieses Normensystems ist wie folgt zu sehen: Es gibt keine genormten Qualitätsmanagement systeme. Es gibt eine Norm zum Qualitätsmanagement, die ISO 9001, auf deren Grundlage dann ein je spezifisches QM-System der Organisation aufzubauen ist, das die Qua litätspolitik des Unternehmens umsetzt. Diese Umsetzung kann mehr oder weniger gelingen, manchmal auch mißlingen. Das QM-Darlegungsmodell fungieren quasi als Richtschnur (eben als Norm) für die Konkretisierung eines jeweiligen Modells in der Realität. Es repräsentiert heute nur noch eine einzige Nachweisstufe. 6 Finden, Verändern und Legitimation von technisch pragmatischen Normen Im Zusammenhang mit Erläuterungen zu den Normen des DIN e. V. dürfte klar geworden sein: Normen sind weder Ziel noch Zweck der Erkenntnis, sondern fungieren als Kriterien der Beurteilung von Gegenständen im weitesten Sinn, z. B. QM-Systemen. Es geht nun darum zu bestimmen, wie Normen gefunden werden. Für unsere Zwecke stellen wir ab auf die technisch-pragmatischen Normen (zur Normenfindung allgemein vgl. Pieper [7]. Die technisch-pragmatischen Normen dienen dazu, vorhandene Bedürfnisse zu befriedigen. Sie werden eruiert und gewissermaßen frei entworfen (Konsens handeln). DIN-Normen werden in sog. Normungsverfahren ausgehandelt. Sie bleiben so lange in Geltung, wie sie den Zweck erfüllen, zu dem sie erfunden wurden. Zum Beispiel trifft zu: Wenn sich die Lebensweise der Menschen ändert, ändern sich im Laufe der Zeit auch die Umgangsnormen [8], wenn sich organisatorisches Handeln ändert, können Nor men ihren Anwendungscharakter verlieren. Das bedeutet, dass ihre tatsächliche Anwendung über ihre normative Geltung entscheidet. Die Legitimation dieses Normtyps ist durch seine Zweckerfüllung gegeben, indem sie ein Bedürfnis ad äquat befriedigt. Wenn nun dieses Bedürfnis nicht mehr be steht, so verliert auch die im Hinblick auf seine Befriedigung konzipierte Norm ihre Geltung. Das gilt grundsätzlich auch für die Normen des DIN e. V.: Der Norm fehlt die allgemeine und wiederkehrende Anwendung. Literatur
[1] Lay, R.: Über die Kultur des Unternehmens. Düsseldorf 1997 [2] s. [1], S. 270 [3] Ganslandt, H. R.: Norm. In Mittelstraß, J. (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Band 2, Mannheim u.a. 1984, S. 1032 [4] Pieper, A.: Norm. In: Krings, H. u.a. (Hrsg.): Handbuch philosophischer Grundbegriffe. Band 4, München 1973, S. 1009-1021 [5] DIN e.V. (Hrsg.): 75 Jahre DIN. 1917 bis 1992. Ein Haus mit Geschichte und Zukunft. Festschrift bearbeitet von A. Geuther. BerlinKöln 1992, S. 13 [6] Originalzitate aus: DIN e.V. (Hrsg.): Etwas über DIN. Berlin 1997. DIN EN 45014. In: Graebig, K.: Qualitätsmanagement, Sta-
Normal tistik, Umweltmanagement. Anwendungshilfen und Normensamm lungen. Loseblattwerk, Grundwerk 1998, Beuth Verlag Berlin, Wien, Zürich [7] s. [4], S. 1014 [8] Grundlegend hierzu: Elias, N.: Über den Prozeß der Zivilisation. 2 Bände. Frankfurt/M. 1980 Weiter verwendete Literatur DIN e.V. (Hrsg.): Europäische Normung. Ein Leitfaden des DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Berlin 1996 Morscher, E.: Norm. In: Speck, J. (Hrsg.): Handbuch wissenschaftstheoretischer Begriffe. Band 2, Göttingen 1980, S. 451-456
Normal
▶Kalibrieren | ▶nationales Normal ▶Prüfmittelmanagement Maßverkörperung, Referenzmaterial, Messgerät oder Messeinrichtung. Es dient dazu, eine Maßeinheit abzubilden, unverändert zu behalten oder wiederzugeben, damit diese durch Vergleich an andere Messgeräte weitergegeben werden kann.
zusammengefasst. Einige Normenausschüsse führen den Namen „Normenstelle“. Für das Qualitätsmanagement sind v. a. die Normenausschüsse NA 147 (Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen [NQSZ]) und NAGUS (Normenausschuss Grundlagen des Umweltschutzes) wichtig. Beispielhaft seien noch weitere Normenausschüsse genannt: ◼ Normenausschuss Automobiltechnik (NAAutomobil) ◼ Normenausschuss Dienstleistungen (NADL) ◼ Normenausschuss Maschinenbau (NAM) ◼ Normenausschuss Technische Grundlagen (NATG) ◼ Normenausschuss Terminologie (NAT) Zur Zeit sind ca. 70 Normenausschüsse eingerichtet.
Normen des Qualitätsmanagements
Normalverteilung
Jedem Unternehmen steht in Deutschland für den Aufbau und die Zertifizierung von QM-Systemen ein differenziertes Angebot an Normen zur Verfügung. Diese Normen beziehen sich auf das QM im Allgemeinen oder Speziellen (v. a. Techniken und Statistik). In Normenverzeichnissen wurden in Deutschland gültige Normen zum Qualitätsmanagement und zur Statistik aufgenommen, unabhängig davon, ob es sich um nationale Normen (DIN) oder um Übernahmen aus der europäischen Normung (DIN EN) oder der weltweiten Normung (DIN ISO, DIN IEC) handelt.
Normatives Dokument
Die Normen sind sowohl einzeln als auch in ihren gegenseitigen Bezügen zu betrachten. Deshalb empfiehlt es sich, Normenverzeichnisse als erste Information zu benutzen. Die Leitung eines jeden Unternehmens sollte ebenso wie diejenigen Stellen und Mitarbeiter, die mit dem Qualitätsmanage ment befasst sind, über das aktuelle Normungsgeschehen informiert sein.
Quelle: Nach DIN 1319-1
▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement Das Verteilungsverhalten eines beherrschten Prozesses folgt meist einem typischen Muster. Das am häufigsten auftretende Streuungsmuster ist die (Gaußsche) Normalverteilung. Sie stellt sich ein, wenn bei beidseitig streuenden Merkmalen ausschließlich Zufallsursachen zu Schwankungen um den Sollwert herum führen.
DIN EN-Term
Normen, Entstehung von DIN-Normen
▶en: normative document ▶Norm Dokument, das Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt
Anmerkung 1: Die Benennen „Normatives Dokument“ ist ein Ausdruck für einen Oberbegriff, der solche Dokumente wie Normen, Technische Spezifikationen, Anleitungen für die Praxis und Vor schriften umfasst. Anmerkung 2: Als Dokument wird jeder Informationsträger verstanden. Anmerkung 3: Die Benennung für verschiedene Arten normativer Dokumente sind so definiert, dass sie das Dokument und seinen Inhalt als Einheit betrachten. Normquelle: DIN EN 45014:1998-05 Allgemeine Kriterien für Konformitätserklärungen von Anbietern ⟪Originalbegriff⟫
Die Information zu den QM-Normen finden sich natürlich auch irgendwie im Internet oder über den DIN-eigenen Verlag, den Beuth-Verlag. Idealerweise lassen sie sich sehr leicht und zuverlässig geschlossen in folgendem Werk einsehen: Graebig, K.: Qualitätsmanagement, Statistik, Umweltmanage ment. Anwendungshilfen und Normensammlungen. Loseblattwerk, Grundwerk 2003, Beuth Verlag Berlin, Wien, Zürich. – Es handelt sich um eine Loseblattsammlung, die laufend aktualisiert wird.
Normen, Entstehung von DIN-Normen
▶en: standards comittee
▶Europäisches Normungssystem ▶DIN ▶DIN SPEC
Die fachliche Arbeit der Normung wird in Arbeitsausschüssen beziehungsweise Komitees durchgeführt. Für eine bestimmte Normungsaufgabe ist jeweils nur ein Arbeitsausschuss (WC) beziehungsweise ein Technisches Komitee (TC) zuständig. Diese Ausschüsse bzw. Komitees vertreten ihre Aufgabe zugleich in den regionalen und internationalen Normungsorganisationen. Im Regelfall sind mehrere Arbeitsausschüsse zu einem Normenausschuss (NA) im DIN
1 Allgemein Ob es sich um Normen zum Qualitätsmanagement oder technische Normen handelt, der Entstehungsprozess, die Verfahrensweise unterscheidet sich lediglich dadurch, ob die Norm national, europäisch oder international sein soll. Folglich sind DIN-Normen das Ergebnis nationaler, europäischer oder internationaler Normungsarbeit. Sie werden von Ausschüssen bei DIN, bei den europäischen Normungsorganisationen
Normenausschuss (NA)
747
N
Normen, Entstehung von DIN-Normen CEN/CENELEC oder bei den internationalen Normungsorganisationen ISO/IEC nach festgelegten Grundsätzen, Verfahrens- und Gestaltungsregeln erarbeitet.
Die Experten im Ausschuss beraten die Stellungnahmen und einigen sich über den Inhalt der geplanten Norm. Anschließend wird die Norm veröffentlicht.
An der Ausschussarbeit können sich alle an der Normenerstellung interessierten Kreise beteiligen, beispielsweise Hersteller, Verbraucher, Handel, Hochschulen, Forschungsinstitute, Behörden oder Prüfinstitute. Diese entsenden ihre Experten in die DIN-Arbeitsgremien, die in Normenausschüssen nach Fachgebieten organisiert sind. Durch die Entsendung von Experten in europäische bzw. internationale Gremien werden die deutschen Interessen bei CEN/CENELEC und ISO/IEC vertreten. Die Mitarbeiter von DIN organisieren die Normungsarbeit auf deutscher, europäischer und internationaler Ebene. Sie stellen die Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit des Deutschen Normenwerkes sicher.
3 Entstehung einer europäischen Norm Die Erarbeitung Europäischer Normen findet auf europäischer Ebene unter dem Dach der Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI statt. Bei CEN und CENELEC gilt das nationale Delegationsprinzip. Sogenannte Spiegelgremien (manchmal auch Spiegelausschüsse genannt [en: mirror committee]) erarbeiten in jedem Mitgliedsland die nationale Stellungnahme, in Deutschland bei DIN. Auf diese Weise können alle an einem Normungsthema Interessierten ihre Meinung ohne Sprachbarrieren über die nationale Ebene einbringen. Aus den Spiegelgremien wiederum werden Experten in das europäische Arbeitsgremium entsandt. Sie vertreten dort die nationale Meinung und können die inhaltliche Federführung für europäische Normungsvorhaben übernehmen. Für die Ausgestaltung von Normen ist es oft von entscheidender Bedeutung, dass die nationalen Interessen im Erarbeitungsprozess qualifiziert und frühzeitig vertreten werden.
Normen entstehen im Konsens. Das bedeutet, die Experten verständigen sich unter Berücksichtigung des Standes der Technik auf eine gemeinsame Version der Inhalte, die versucht, alle Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen und Gegenargumente auszuräumen. DIN-Normen werden spätestens alle fünf Jahre auf Aktualität überprüft. Entspricht eine Norm nicht mehr dem Stand der Technik, so wird ihr Inhalt überarbeitet oder die Norm zurückgezogen.
N
Normen, Entstehung von DIN-Normen
Wichtig: In Ergänzung zur konsensbasierten Normung wird der Erarbeitungsprozess von Spezifikationen im Deutschen als Standardisierung bezeichnet. Das Ergebnis wird im Deutschen Standard genannt. Dabei erfolgen die Arbeiten nicht zwingend unter Einbeziehung aller interessierten Kreise und daher wesentlich schneller als in der Normung. Insbesondere in Gebieten mit hohem Innovationsgrad kann ein schneller Standardisierungsprozess den Wissens- und Technologietransfer fördern und beschleunigen. Specifikationen können zu DIN-Normen aufsteigen (►DIN SPEC). 2 Entstehung einer nationalen Norm Nationale Normungsarbeit beginnt mit einem Normungsantrag, den jeder bei DIN formlos schriftlich stellen kann. Nach Eingang des Antrages klärt der zuständige Ausschuss bei DIN mit seinen Fachkreisen, ob ein Bedarf für dieses Thema besteht, ob diese Kreise bereit sind, das Projekt zu finanzieren und ob die Bearbeitung auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene erfolgen soll. Die Öffentlichkeit wird im „DIN-Anzeiger für technische Regeln“ sowie auf den Webseiten der Normenausschüsse über die Aufnahme neuer Normungsarbeiten informiert und kann hierzu Stellung nehmen. Fällt im zuständigen Ausschuss die Entscheidung zugunsten der Erarbeitung einer nationalen Norm und stimmt das zuständige Lenkungsgremium dem zu, so wird ein Norm-Entwurf erarbeitet und durch den DIN-eigenen Beuth Verlag veröffentlicht. Dieser wird der Öffentlichkeit im Anschluss auch kostenlos im Norm-Entwurfs-Portal von DIN zur Kommentierung zur Verfügung gestellt.
748
3.1 Vorschlag Europäische Normungsarbeit beginnt mit einem Normungsvorschlag. Dieser kann von einem Mitglied der europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC wie zum Beispiel DIN, von der Europäischen Kommission oder von europäischen oder internationalen Organisationen eingebracht werden. Mindestens die einfache Mehrheit und 71 Prozent der gewichteten Mehrheit der abstimmenden nationalen Normungsorganisationen müssen dem Vorschlag zustimmen. Außerdem muss sich eine ausreichende Zahl der nationalen Normungsorganisationen zur Mitarbeit verpflichten. Sie prüfen mit ihren interessierten Kreisen den Bedarf für dieses Thema und die Finanzierung für die nationale Spiegelung des Projektes. Nur dann wird der Normungsvorschlag angenommen, und die Erarbeitung des Inhalts kann beginnen. Liegt bereits eine Internationale Norm vor, kann sie unverändert als Europäische Norm übernommen werden. Ist dies nicht der Fall, wird von dem zuständigen Arbeitsgremium ein Manuskript für einen europäischen Norm-Entwurf (prEN) erarbeitet. 3.2 Norm-Entwurf Dieser wird im Anschluss im Rahmen einer öffentlichen Befragung an die nationalen Normungsorganisationen verteilt. Sie geben innerhalb von drei Monaten eine nationale Stellungnahme ab. In Deutschland wird dazu die deutsche Sprachfassung als Entwurf einer DIN-EN-Norm veröffentlicht, zu dem innerhalb von zwei Monaten jeder möglichst unter Verwendung der Einspruchstabelle oder im Norm-Entwurfs-Portal von DIN Stellungnahmen abgeben kann. Über diese wird dann vom national zuständigen Ausschuss (Spiegelausschuss) bei DIN unter Hinzuziehung der Einsprecher beraten. Darauf folgend wird eine nationale Stellungnahme abgegeben.
Normen, Entstehung von DIN-Normen 3.3 Optionaler Schluss-Entwurf oder Veröffentlichung Unter Berücksichtigung des Abstimmungsergebnisses und der Stellungnahmen kann das Arbeitsgremium die Veröffentlichung der Norm beschließen oder einen Schluss-Entwurf veröffentlichen, über dessen Annahme die nationalen Normungsorganisationen in einer zweimonatigen Schlussabstimmung entscheiden. Dabei erfolgt keine inhaltliche Kommentierung des Schluss-Entwurfs mehr. Für die Annahme sind eine einfache Mehrheit und mindestens 71 Prozent der gewichteten Stimmen der CEN/CENELEC-Mitglieder nötig. 3.4 Übernahme als nationale Norm Nach einem positiven Abstimmungsergebnis wird eine Europäische Norm formal ratifiziert. Sie muss danach von den nationalen Normungsorganisationen unverändert als nationale Norm übernommen werden. Abweichende nationale Normen sind zurückzuziehen. Jede angenommene Europäische Norm wird in Deutschland mit einem nationalen Vorwort als DIN-EN-Norm veröffentlicht. Auf internationaler Ebene erarbeitete Normen können durch parallele Erarbeitungs- und Abstimmverfahren gleichzeitig auch als Europäische Norm eingeführt werden und werden damit automatisch von den nationalen Normungsorganisationen übernommen. 4 Entstehung einer internationalen Norm Die Erarbeitung Internationaler Normen findet auf internationaler Ebene unter dem Dach der Normungsorganisationen ISO und IEC statt, hier gilt das nationale Delegationsprinzip. Sogenannte Spiegelgremien erarbeiten in jedem Mitgliedsland die nationale Stellungnahme, in Deutschland bei DIN. Auf diese Weise können alle an einem Normungsthema Interessierten ihre Meinung ohne Sprachbarrieren über die nationale Ebene einbringen. Aus den Spiegelgremien wiederum werden Experten in das internationale Arbeitsgremium entsandt. Sie vertreten dort die nationale Meinung und können die inhaltliche Federführung für internationale Normungsvorhaben übernehmen. Für die Ausgestaltung von Normen ist es oft von entscheidender Bedeutung, dass die nationalen Interessen im Erarbeitungsprozess qualifiziert und frühzeitig vertreten werden. Die Spiegelgremien entscheiden zusätzlich über die Übernahme Internationaler Normen in das nationale Normenwerk, die im Gegensatz zur Übernahme Europäischer Normen freiwillig ist. 4.1 Vorschlag Internationale Normungsarbeit beginnt mit einem Normungsvorschlag. Dieser kann eingebracht werden von einem Mitglied der Internationalen Organisation für Normung (ISO) bzw. des Internationalen Elektrotechnischen Komitees (IEC) wie zum Beispiel DIN bzw. DKE, von einem Arbeitsgremium von ISO bzw. IEC, von einer internationalen Fachorganisation mit Liaisonstatus, vom Technischen Lenkungsgremium der ISO bzw. IEC oder vom ISO- oder IEC-Generalsekretär. Die einfache Mehrheit der auf dem betreffenden Sachgebiet aktiven nationalen Normungsorganisationen muss dem Vorschlag zustimmen. Außerdem muss sich eine ausreichende Zahl dieser Mitglieder zur Mitarbeit
Normen, Entstehung von DIN-Normen verpflichten. Nur dann wird der Normungsvorschlag angenommen, und die Erstellung des Inhalts kann beginnen. Ein Komitee-Entwurf wird im verantwortlichen Technischen Komitee zur Abstimmung innerhalb von zwei Monaten verteilt. Unter Berücksichtigung der Stellungnahmen wird der Entwurf ggf. überarbeitet. 4.2 Norm-Entwurf Anschließend wird der Norm-Entwurf allen ISO- bzw. IECMitgliedern für den Zeitraum von drei Monaten zur Verfügung gestellt, um eine nationale Stellungnahme dazu abzugeben. Nach Beschluss durch das Arbeitsgremium kann DIN dazu den Entwurf einer DIN-ISO-Norm bzw. einer DIN-IEC-Norm in deutscher Sprache veröffentlichen. Jeder darf innerhalb von zwei Monaten möglichst unter Verwendung der Einspruchstabelle oder im Norm-Entwurfs-Portal von DIN Stellungnahmen abgeben. Über diese berät dann der national zuständige Ausschuss (Spiegelausschuss) unter Hinzuziehung der Einsprecher und gibt eine nationale Stellungnahme ab. 4.3 Optionaler Schluss-Entwurf oder Veröffentlichung Werden bei der Abstimmung zum Norm-Entwurf die Annahmekriterien erfüllt, wird die Internationale Norm veröffentlicht. Andernfalls oder auf Beschluss des Arbeitsgremiums wird zunächst ein Schluss-Entwurf veröffentlicht, über dessen Annahme die nationalen Normungsorganisationen in einer zweimonatigen Schlussabstimmung entscheiden. In dieser Abstimmung ist eine inhaltliche Kommentierung nicht mehr möglich. Für die Annahme ist die Zustimmung von zwei Drittel der aktiv beteiligten Mitglieder erforderlich. Daneben dürfen nicht mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen negativ ausfallen. Nach einem positiven Abstimmungsergebnis wird die Internationale Norm veröffentlicht. Eine Verpflichtung der ISO- bzw. IEC-Mitglieder zur Übernahme der Internationalen Norm in das nationale Normenwerk besteht dabei nicht. Auf internationaler Ebene erarbeitete Normen können durch parallele Erarbeitungs- und Abstimmverfahren gleichzeitig auch als Europäische Norm eingeführt werden und werden damit automatisch von den nationalen Normungsorganisationen übernommen. Literatur
http://www.din.de/de/ueber-normen-und-standards/din-norm
Normen, europäische (EN)
▶Europäisches Normungssystem ▶Normen, Entstehung von DIN-Normen | ▶DIN Bei den europäischen Normen handelt es sich um solche Normen, die CEN und CENELEC für die Wirtschaft erarbeiten. Nationale Normen mit entgegenstehendem Sachinhalt werden zurückgezogen und durch eine neue Norm zur Umsetzung der entsprechenden europäischen Norm ersetzt.
749
N
Normungsverfahren Normentstehung
▶Normen, Entstehung von DIN-Normen
Normierungen
▶Norm Normierungen gelten als Festlegungen für Terminologien oder Regeln. Man spricht von Sprach normierung, wenn wissenschaftliche Modell- oder Orthosprachen konstruiert werden. Solche Systeme sind begrenzt auf bestimmte Zweck setzungen. Universell verwendbare Regelsysteme haben sich nicht bewähren können. Eine große Bedeutung haben dagegen technische Normierungen, die das Handeln durch definierte Regeln bestimmen (►Norm). Literatur
DIN-Normenheft 10: Grundlagen der Normungsarbeit des DIN. 1995. Beuth Verlag Berlin, Wien, Zürich ISO/IEC-Directives Part 1. 1995. ISO/IEC Genf. – ISO/IEC-Di rectives Part 2. 1995. ISO/IEC Genf ISO/IEC-Directives Part 3. 1995. ISO/IEC Genf Graebig, Klaus: Qualitätsmanagement, Statistik, Umweltmanage ment. Anwendungshilfen und Normensammlungen. Loseblattwerk, Grundwerk 1998, Beuth Verlag Berlin, Wien, Zürich
Normungsorganisation
▶Europäisches Normungssystem
N
Die Aufgabe einer nationalen Normungsorganisation besteht darin, die Notwendigkeit sowie Anforderungen und Inhalte einer geplanten Norm zu ermitteln. Diese werden dann als nationale Norm festgeschrieben und veröffentlicht. Die Normungsarbeit in Deutschland ist in Normenausschüssen und Arbeitsgruppen innerhalb des DIN organisiert. Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Staat und interessierten Parteien wirken an der Erarbeitung von Normen mit. In Deutschland ist die überbetriebliche Normung Aufgabe der Selbstverwaltung der Wirtschaft. Das ►DIN ist Mitglied im CEN, dessen Hauptaufgabe es ist, europäische Normen auszuarbeiten. Die Verantwortung für die internationale Normung liegt bei der ISO, die die nationalen Normungsinstitute weltweit vereint.
Normungsverfahren
▶Europäisches Normungssystem ▶Normen, Entstehung von DIN-Normen
Innerhalb der ISO ist das Technische Komitee ISO/TC 176 „Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung/QM-Dar legung“ für das Qualitätsmanagement zuständig. Das Technische Komitee ISO/TC 69 „Anwendung statistischer Verfahren“ erarbeitet Normen zur Statistik, die häufig als ein Werkzeug des Qualitätsmanagements dienen. Beide tech nischen Komitees gliedern sich in Unterkomitees, SCs, und diese in Arbeitsgruppen, WGs. ISO/CASCO „Komitee zur Konformitätsbewertung“ erstellt Leitfäden zu Zertifizie rungsgrundlagen. Ein technisches Komitee für Zertifizie rungsgrundlagen existiert bei ISO oder IEC nicht.
750
Normungsverfahren Bei CEN/CENELEC existieren keine technischen Komitees, die die Arbeitsbereiche des ISO/TC 69 und des ISO/TC 176 abdecken („spiegeln“). Wenn Normen dieser ISO-Komitees als Europäische Normen übernommen werden sollen, geschieht es durch Abstimmung über die unveränderten ISONormen. In CEN/CENELEC ist das Technische Komitee CEN/CENELEC/TC 1 „Kriterien für Konformitäts-Begut achtungsstellen“ für Zertifizierungsgrundlagen zuständig und spiegelt die Arbeit von ISO/CASCO. Es gliedert sich in Arbeitsgruppen, WGs. Im DIN ist der „Normenausschuß Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen, NQSZ“ zuständig für das Qualitätsmanagement, die Statistik, die Grundlagen der Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen, Pro dukten und Personen sowie für Projektwirtschaft, Logistik und Wertanalyse. Der größte Teil dieser Tätigkeiten spiegelt die Arbeiten der vorgenannten weltweiten und europäischen Normungsorganisationen. Ferner entwickelt der NQSZ auch nationale Normen. Er gliedert sich in Arbeitsausschüsse, AAs, und diese in Unterausschüsse, UAs, und gegebenenfalls in Arbeitskreise, AKs. In den anderen Ländern gibt es in der Regel nationale Normungsinstitute, die dort Aufgaben wahrnehmen, die denen des DIN in Deutschland vergleichbar sind, und die oft nach ähnlichen Regeln arbeiten. Die oben genannten Gremien können bei Bedarf für besondere und/oder zeitlich begrenzte Aufgaben weitere Gruppen oder Ausschüsse einsetzen. Die Normungsorganisationen haben das Ziel, Normen mit hoher Qualität zeitgerecht den Anwendern zur Verfügung zu stellen. Der Vorgang der Normenerstellung soll allen interessierten Kreisen eine gerechte Mitwirkungsmöglichkeit bieten und in nachvollziehbarer Weise ablaufen. Die Forde rungen an Normen schließen Korrektheit, Widerspruchsfreiheit und Eindeutigkeit ein, und zwar sowohl auf eine einzelne Norm als auch auf das gesamte Normenwerk bezogen. Um das gesteckte Ziel zu erreichen, bedarf es ausgefeilter, praxisgerechter Regeln für den Aufbau und die Abläufe der Normungsorganisationen einschließlich ihrer Untergliede rungen. Diese Regeln haben die Normungsorganisationen unter Berücksichtigung langjähriger Erfahrung erstellt und aktualisieren sie laufend. Die Prinzipien der Arbeit sind in den vorgestellten Normungsorganisationen ähnlich. Die Ausschüsse als wesentliche Bestandteile der Normungsorganisationen setzen sich aus ehrenamtlichen Mitarbeitern/innen und jeweils einem/ einer ehrenamtlichen Vorsitzenden (Obperson) zusammen, die alle interesssierten Kreise repräsentieren sollen. Die Mitarbeiter/innen und der/die Vorsitzende stehen im Berufsleben in Bereichen, die das jeweilige Normungsthema be treffen. Hinzu kommt jeweils ein Vertreter/eine Vertreterin der betreffenden Normungsorganisation. Er/sie ist ebenfalls mit dem Normungsgegenstand fachlich vertraut und stellt sicher, daß die für die Arbeit festgelegten Regeln angewendet werden.
Normungsverfahren Das Prinzip der ehrenamtlichen Mitarbeit ist hervorzuheben. Dadurch werden die Praxisnähe, die Aktualität des eingebrachten Wissens und die daraus resultierende Akzeptanz bei den Anwendern gefördert. Über alle wichtigen Fragen entscheiden die ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen und der/ die Vorsitzende. Normungsanträge für die Erarbeitung neuer oder die Überarbeitung bestehender internationaler oder europäischer Normen können nur von berechtigten Parteien, die in den Regeln festgelegt sind, an die zuständigen Normungsorga nisationen gerichtet werden. Zu den berechtigten Parteien gehören insbesondere die nationalen Normungsorganisa tionen. In Deutschland kann jeder einen Normungsantrag an das DIN stellen. Der zuständige internationale, europäische oder nationale Ausschuß prüft, ob ein vorgeschlagenes Thema normungsfähig und normungswürdig ist. Im positiven Fall beginnen Beratungen in dem Ausschuß mit dem Ziel, zunächst einen Norm-Entwurf zu erarbeiten. Dabei steht im Vordergrund, Konsens über alle wichtigen Einzelheiten der zukünftigen bzw. zu ändernden Norm zu erreichen. Nur für festgelegte formale Schritte oder in Ausnahmefällen werden Entscheidungen durch Abstimmung herbeigeführt. Nach Verabschiedung eines Norm-Entwurfes wird dieser zwecks Stellungnahme veröffentlicht. Bei nationalen Nor mungsvorgängen können alle Interessierten gegenüber dem zuständigen Ausschuß im DIN Stellung nehmen. Bei europäischen oder weltweiten Normungsvorgängen geben die nationalen Normungsorganisationen, jeweils für ihr Land, die Stel lungnahme ab. Für die oben erwähnten Themen nimmt der NQSZ die Vertretung des DIN gegenüber den europäischen und weltweiten Normungsorganisationen wahr. Vor Abgabe einer Stellungnahme holt er die Meinung der deutschen Fachöffentlichkeit ein. Dies geschieht durch Veröffentlichung des europäischen oder internationalen Norm-Entwurfs als deutscher Norm-Entwurf. Die national eingehenden Stel lungnahmen werden dann vom NQSZ beurteilt und verdichtet. Der NQSZ autorisiert diese Verdichtung als die deutsche Stellungnahme und leitet sie weiter. Der zuständige Ausschuss auf internationaler, europäischer oder nationaler Ebene, je nachdem wo die betreffende Norm erarbeitet wird, prüft alle eingehenden Stellungnahmen. Die Stellungnehmer haben Gelegenheit, dazu in einer Sitzung des Ausschusses ihre Meinung zu vertreten. Der Norm-Entwurf wird daraufhin in der Regel geändert. Es kann mehr als eine Entwurfsstufe geben. Wenn in angemessenem Maß Konsens im Ausschuß unter Beachtung der Stellungnahmen erreicht ist und die nach den Regeln vorgeschriebenen Abstimmun gen positiv ausgefallen sind, erstellt der Ausschuß und/oder der Vertreter der Normungsorganisation das Manuskript für die Norm und veranlaßt die endgültige Veröffentlichung.
NQSZ wendet werden können. Europäische Normen sind in jedem Fall in den Mitgliedsländern von CEN/CENELEC Bestand teil der nationalen Normenwerke. Normen der ISO werden in das Deutsche Normenwerk nur dann übernommen, wenn der zuständige Ausschuss dieses beschließt. Die meisten ISONormen aus den Bereichen Qualitätsmanagement und Statistik sind in den letzten Jahren übernommen worden. Für die Fälle, in denen deutsche Sprachfassungen von CEN/ CENELEC- oder ISO-Normen zum Qualitätsmanagement zu erstellen sind, haben die Normungsorganisationen der deutschsprachigen Länder Deutsch land, Österreich und Schweiz (D-A-CH) vereinbart, dass sie jeweils gemeinsam über einen identischen deutschsprachigen Text beschließen. Ein dementsprechendes Koordinierungsverfahren wenden sie seit 1990 an. Die Normungsarbeit erfordert in der Re gel eine Reihe von Sitzungen des betreffenden Ausschusses mit Beratung von jeweils überarbeiteten Vorlagen sowie weitere Ver fahrensschritte. Dabei ist den Beteiligten Zeit zu gewähren, um sich in die Unterlagen einzuarbeiten und Vorschläge zu machen. Dieser Zeitbedarf ist durch die Vorteile eines ausgewogenen Verfahrens und ausgewogenener Normen gerecht fertigt. Literatur
DIN-Normenheft 10: Grundlagen der Normungsarbeit des DIN. 1995. Beuth Verlag Berlin, Wien, Zürich ISO/IEC-Directives Part 1. 1995. ISO/IEC Genf. – ISO/IEC-Di rectives Part 2. 1995. ISO/IEC Genf ISO/IEC-Directives Part 3. 1995. ISO/IEC Genf Graebig, Klaus: Qualitätsmanagement, Statistik, Umweltmanage ment. Anwendungshilfen und Normensammlungen. Loseblattwerk, Grundwerk 1998, Beuth Verlag Berlin, Wien, Zürich.
Notifizierung
Benennung einer akkreditierten Stelle zur Durchführung von Konformitätsbewertungsverfahren auf der Grundlage einer EU-Richtlinie.
NQSZ
▶NA 147 – DIN-Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen (NQSZ) ▶Normungsverfahren ▶Normen, Entstehung von DIN-Normen
Null-Fehler-Concept
▶en: zero defects conzept ▶Crosby ▶Null-Fehler-Mamanagement
Der NQSZ strebt an, in der internationalen und europäischen Normung die dort entstehenden Normen so mitzugestalten, dass sie anschließend problemlos auch in Deutschland ange-
751
N
Null-Fehler-Management
Null-Fehler-Management
Null-Fehler-Management
Erfüllen der kaufentscheidenden Produkteigenschaften. Fortschrittliches und ganzheitliches Null-Fehler-Management ist in der Lage, die Forderungen aus ingenieurtechnischer Sicht und aus marketingtechnischer Sicht mit dem Ziel zu vereinen, eine Null-Fehler-Qualität zu erreichen.
▶ zero defects management ▶ Fehlerbegriffe ▶ Fehlerkonzepte ▶ Six Sigma
1 Definition Der aktuell starke Wettbewerb fordert Unternehmen, sich Differenzierungsmöglichkeiten von den Konkurrenten zu erarbeiten. Dazu reicht es nicht, ein gutes Produkt herzustellen, sondern die Aufgabe besteht darin, den Kunden zufriedenzustellen und an das Unternehmen zu binden. Eine hohe ►Kundenzufriedenheit ist dabei zum einen durch Ausfallsicherheit und damit hohe technische Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Produkte zu erreichen sowie zum anderen durch eine den Kundenforderungen entsprechende Funktionalität möglichst noch zu steigern. Daraus folgt, dass die Herstellung der Produkte so zu gestalten und zu überwachen ist, dass durch den Einsatz geeigneter Vorbeugungsmaßnahmen Fehler technischer Art vermieden werden. Zusätzlich sind auch die Kundenerwartungen an das Aussehen bzw. Design sowie an andere Eigenschaften und Funktionen für den Einsatz und die Verwendbarkeit des Produktes zu erfüllen. Erst aus beiden zusammen resultiert eine umfassende Null-Fehler-Qualität. Begriff
Das Null-Fehler-Management ist eine Methode, die das ►Qualitätsmanagementsystem im Unternehmen sowie andere Instrumente dafür einsetzt, um die wesentlichen Kundenforderungen (Critical to Quality Characteristics – CTQs) zu ermitteln und diese vollständig zu erfüllen.
N
Es beinhaltet zum einen die Planung, Umsetzung, Kontrolle und Weiterentwicklung von Produktions- und Geschäftsprozessen sowie zum anderen den gezielten Einsatz von Marktforschung und Produktentwicklung zum Erkennen und
2 Grundsätze Das Null-Fehler-Management basiert auf den vier Geboten des Qualitätsmanagements, welche durch den Vorreiter des Zero Defects Concept, Philip B. ►Crosby, bereits in einer umfassenden Sichtweise formuliert wurden [1]. Begründet durch aktuelle Entwicklungen in der Wirtschaft, sind die oben genannten, aus den 60er Jahren stammenden Gebote, um weitere Aspekte zu ergänzen. Sie sind teilweise bereits in den 14 Schritten der Qualitätsverbesserung [1] von Crosby angesprochen. Die so entwickelten insgesamt 9 Grundsätze werden nachfolgend erläutert. Sie sind dabei in eine Reihenfolge gebracht, in der sie auf-einander aufbauen. Diese spiegelt allerdings nicht deren Wichtigkeit wider (siehe Abbildung N05). 1 Priorisierung der Qualität und Steuerungsfähigkeit durch das Management – Null-Fehler-Management ist ein Top-Down-Ansatz, bei dem das Management in einem Einführungsprozess die Wichtigkeit dieses Qualitätsniveaus vermitteln muss. Die entsprechende Priorisierung ist in die Unternehmensphilosophie tief zu verankern und muss ein Teil der ►Unternehmenskultur werden. Dies spiegelt sich ebenfalls in der Strategie wider. Das Management ist für die Planung und Steuerung der Aktivitäten verantwortlich, welche für das Erreichen der gestellten Ziele notwendig sind. Hieraus resultiert, dass der Führungsstil und das Führungsverhalten im Rahmen des ►Human Resource Management (HRM) die zentrale Basis für eine funktionierende und erfolgreiche NullFehler-Strategie sind [2].
Abb. N05: Struktur, Methoden und Instrumente des Null-Fehler-Managements Null-Fehler-Management Qualitätsmanagementsysteme
ISO 9001 – ISO 9004 – EFQM Excellence-Modell – TQM-Modelle – Branchenspezifische Modelle 1. Grundsatz
Priorisierung der Qualität und Steuerungsfähigkeit durch das Management
2. Grundsatz
Motivation und Begeisterung der Mitarbeiter für Qualität
HRM BVW
3. Grundsatz
4. Grundsatz
QFD
Prozessmanagement
Erfüllung der Kundenforderungen
VOC
Strukturierung und Steuerung von Prozessen
5. Grundsatz
Qualitätsstandard ist Null Fehler
6. Grundsatz
8. Grundsatz
9. Grundsatz
Qualitätssmaßstab sind die Kosten der Abweichung
Systemische und systematische Problemlösung
Poka Yoke
Q-Controlling
8D-Report
PDCA
FMEA
KostenNutzen-Analyse
TRIZ
FMEA
CTQ
QFD Projektmanagement Balanced Scorecard Kaizen / KVP Lean Management Six Sigma
Qualitätstechniken, -methoden, -instrumente und -konzepte Stakeholder (intern und extern)
752
7. Grundsatz
Fehlervermeidung statt Fehlerbehebung
Ständige Verbesserung und Optimierung
Null-Fehler-Management 2 Motivation und Begeisterung der Mitarbeiter für Qualität – Das Management hat die Aufgabe, die Mitarbeiter für die gestellten Ziele zu begeistern und deren Umsetzung durch Motivation zu fördern. Das gesamte Unternehmen, und das heißt die gesamte Belegschaft, muss auf diese Ziele ausgerichtet sein. Die Mitarbeiter sollten die Wichtigkeit ihrer Aufgaben verinnerlichen und deren Einfluss auf den Unternehmenserfolg verstehen. Das Verständnis der Mitarbeiter für die Firmenstrategie und die dadurch erreichte Akzeptanz sind Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Umsetzung der Null-Fehler-Strategie. 3 Qualität ist die Erfüllung von Kundenforderungen – Im Null-Fehler-Management bedeutet Qualität die Erfüllung der gestellten Forderungen [1], welche vor allem von den Kunden formuliert werden. Hinzu kommen auch Standards, welche im Rahmen einer Unternehmensstrategie vom Unternehmen selbst definiert werden [3]. In diesem Sinne ist Qualität also nicht nur auf die technischen Merkmale eines Produktes und dessen Ausfallsicherheit beschränkt, sondern beinhaltet weitere kundenorientierte Forderungen, wie die Funktionalität, das Preis-Leistungs-Verhältnis [3] oder umweltgerechte Entsorgungsmöglichkeiten. Diese Forderungen des Kunden sind der Impulsgeber und damit der Beginn des konkreten Produktentwicklungs- und Produktentstehungsprozesses. 4 Strukturierung und Steuerung von Prozessen – Effektives Management von komplexen Unternehmen ist ohne eine leistungsfähige Strukturierung von internen Abläufen kaum möglich. Dafür müssen sowohl die technischen Produktionsprozesse als auch die Geschäftsprozesse mit ihrem Input, Output, den Schnittstellen und den Verantwortlichkeiten klar definiert und wirksam gelenkt werden (►Geschäftsprozessmanagement). 5 Qualitätsstandard ist Null Fehler – Das übergeordnete Ziel eines Unternehmens, welches Null-Fehler-Management zu verwirklichen beabsichtigt, besteht darin, das Niveau Null Fehler als seinen angestrebten und alleinig zulässigen Qualitätsstandard zu verstehen [1]. In Bezug auf das erste Gebot von Crosby bedeutet es also, die Forderungen des Kunden zu 100% zu erfüllen. 6 Qualitätssicherung durch Fehlervermeidung statt Fehlerbehebung – Null-Fehler-Qualität ist nur möglich, wenn die Fertigungs- und Montageprozesse sowie die Prozesse in Dienstleistungsbereichen so organisiert werden, dass in den einzelnen Prozessstufen potenzielle Fehlerquellen erkannt und Fehler somit gar nicht erst entstehen können. Darüber hinaus ist die Produktentwicklung auf den Ergebnissen von Marktforschung aufzubauen, um Fehlentwicklungen, die an den Kundenforderungen vorbeilaufen, zu vermeiden. Der Fokus liegt also darauf, Ressourcen einzusetzen, um Fehler zu vermeiden und nicht um die entstandenen Fehler zu beseitigen [1]. 7 Qualitätsmaßstab sind die Kosten der Abweichung – Im Null-Fehler-Management wird davon ausgegangen, dass
Null-Fehler-Management die Qualität eine monetär messbare Größe ist und der Maßstab dafür die Kosten der Abweichung sind [1]. Diese ergeben sich aus der Neuordnung der qualitätsbezogenen Kosten [4] und beinhalten die direkten Fehlerkosten, also Ausschuss, operative Fehlerkosten, wie Nacharbeit, sowie strategische Fehlerkosten, zu welchen z. B. Kundenabwanderung und Imageverlust zählen [3]. Die Kosten der Abweichung können demnach in aktive (Ausgaben zur Fehlerbehebung) und passive (entgangener Ertrag) [5] unterteilt werden. Vor allem der passive Teil ist nur schwer abzuschätzen und meist um Größenordnungen höher als die Kosten der Übereinstimmung, die für eine umfassende Fehlerverhütung sowie teilweise für Prüfkosten investiert werden [3]. Sie sind deshalb aufzubringen, um die eventuell auftretenden Kosten der Abweichung zu senken [5]. Mit dem Ziel Null Fehler wird also angestrebt, dass keine Fehler auftreten und die zugehörigen Kosten der Abweichung dementsprechend Null betragen [5]. 8 Systemische und systematische Problemlösung – Auf dem Weg zum Erreichen des ehrgeizigen Ziels der Null-Fehler-Qualität sind alle auftretenden Probleme in ihrem größeren Gesamtzusammenhang mit anderen Prozessen einzuordnen und zu bewältigen. Bei deren Lösung sollte stets systematisch vorgegangen werden, um UrsachenWirkungs-Beziehungen zu erkennen und die Problemursachen eliminieren zu können. 9 Ständige Verbesserung und Optimierung – Auch ein sehr gut umgesetztes Konzept kann auf dem Weg zu NullFehler-Qualität noch verbessert werden. Dies liegt allein bereits an der Tatsache, dass die sich mit der Zeit ändernden Bedingungen und Forderungen von den Unternehmen verlangen, sich weiterzuentwickeln und ständig zu verbessern. Der Schlüssel dafür ist die ►Kontinuierliche Verbesserung und Optimierung von Produkten, Geschäftsprozessen, von angewendeten Methoden und implementierten Systemen. Hierdurch wird auch im Unternehmen eine dynamische Weiterentwicklung angestoßen. 3 Struktur In dem Modell des Null-Fehler-Managements werden die Stakeholder als wesentliche Ausgangsbasis und Impulsgeber angesehen. Diese internen und externen Anspruchsgruppen beeinflussen das Unternehmen sowohl positiv als auch negativ. Aus diesem Grund ist deren Berücksichtigung für einen langfristigen und nachhaltigen Unternehmenserfolg von essentieller Bedeutung. Eine weitere Komponente bildet ein umfassendes integratives Qualitätsmanagementsystem über alle Prozesse und Aktivitäten als der – bildlich gesprochen – tragende Balken des Konzeptes. Wenn das Qualitätsmanagementsystem im Unternehmen auch gelebt wird, dann bildet es eine solide Grundlage für das anspruchsvolle Ziel von NullFehler-Qualität. Die oben genannten neun Grundsätze sind demnach die Säulen des gesamten Systems. Die beschriebene Struktur ist in Abbildung N05 schematisch dargestellt.
753
N
Null-Fehler-Management 4 Umsetzung und Implementierung Null-Fehler-Management ist ein Konzept, das eine konkrete und sehr anspruchsvolle Zielsetzung verfolgt und mit Hilfe von mehreren miteinander verzahnten Instrumenten und Methoden umgesetzt wird. Eine Übersicht dazu ist aus der Abbildung N05 zu ersehen. Wenn das Unternehmen einen nachhaltigen Erfolg anstrebt, dann sind die Forderungen der Stakeholder und die daraus resultierenden Potenziale und Risiken zu berücksichtigen. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich Ziele und Maßnahmen für eine Zusammenarbeit ableiten. Diese fließen in die Entwicklung der Unternehmensstrategie und andere Entscheidungen ein.
N
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung ist dabei die solide Basis in Form eines Qualitätsmanagementsystems. Wie eingangs bereits erwähnt, gelingt dies nur, wenn das implementierte System gut funktioniert und gelebt wird. Es kann beispielsweise nach den Forderungen von ISO 9001 aufgebaut sein, durch das Excellence-Modell nach der European Foundation for Quality Management (EFQM) ergänzt werden beziehungsweise das Gedankengut des Total Quality Management einbeziehen. Beim Total Quality Management ist die gesamte Unternehmensphilosophie auf Qualität fokussiert, indem bei allen Führungskräften und Mitarbeitern die Qualität im Mittelpunkt des Handelns stehen soll [6]. Allerdings fehlt bei diesem Ansatz ein konkretes Messsystem, mit dem die Verbindlichkeit von Zielsetzungen zur Qualitätsverbesserung geschaffen und das erreichte Niveau dokumentiert wird. Gegenüber Total Quality Management und EFQM hat ISO 9001 zusätzlich den großen Vorteil, dass klar vorgeschriebene Forderungen die Implementierung im Unternehmen erleichtern und dieses Qualitätsmanagementsystem in seiner Umsetzung und Konformität zertifiziert werden kann. Neben dem Qualitätsmanagementsystem ist für das Erreichen der Null-Fehler-Qualität eine starke Unternehmensphilosophie und Unternehmenskultur wichtig, welche auf Qualität und Verbesserung ausgerichtet sind und sich in der Konzeption des Systems widerspiegeln. Dafür eignet sich besonders die Six Sigma-Methode (►Six Sigma), welche eine praktikable Null-Fehler-Strategie ermöglicht [7]. Durch die systematische Methodik, das Projekt-und Prozessmanagement, die zum Einsatz kommenden Werkzeuge sowie die Philosophie der Null-Fehler-Qualität und den Führungsstil mit einem ausgeprägten Mitarbeitereinbezug können alle Grundsätze des Null-Fehler-Managements erfüllt werden. Allerdings ist dieser Ansatz relativ komplex und aufwendig, was für einige Unternehmen überdimensioniert sein kann. Die strikte Planung und der eindeutige Top-Down-Charakter sind mit manchen Unternehmenskulturen ebenfalls nicht vereinbar [2]. In diesen Fällen wird Six Sigma als übergeordnete Unternehmensphilosophie nicht funktionieren, kann aber trotzdem bei kritischen Problemen als eigenständige Methode in Form eines Projektes angewendet werden.
754
Null-Fehler-Management Weitere Möglichkeiten für eine auf Qualität und Verbesserung ausgerichtete Unternehmensphilosophie sowie deren Umsetzung in der Kultur, Strategie und Führung des Unternehmens stellen ►Lean Management sowie ►Kaizen oder ►Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) dar. Diese Ansätze verfügen ebenfalls über zahlreiche Werkzeuge, durch welche die Grundsätze des Null-Fehler-Managements bei der Umsetzung unterstützt werden können. Hierbei werden jedoch die ►Qualitätskosten nicht explizit angesprochen, NullFehler-Qualität wird ebenfalls nicht gefordert. Diese Lücken sind mit Hilfe anderer Instrumente zu schließen. Besonders eignet sich dafür z. B. die ►Balanced Scorecard (BSC), welche als ein wichtiges, aber in der Anwendung anspruchsvolles Steuerungsinstrument das Null-Fehler- Management unterstützt. Mit der BSC kann die Unternehmensstrategie auf der Basis mehrstufiger Messkriterien bis auf die operative Ebene abgeleitet und konkretisiert werden. Die hierzu enthaltenen Ziele für die vier Perspektiven Finanzen, Kunden, interne Geschäftsprozesse sowie Mitarbeiter/Lernen und Entwicklung werden formuliert und mit Hilfe von Kennzahlen bewertet [8]. Die BSC kann damit zur Umsetzung aller 9 Grundsätze beitragen. Die gleiche generelle Aufgabe kommt auch dem ►Projektmanagement zu. Die beiden Instrumente stellen zusammen dann eine wirkungsvolle Kombination dar, wenn die Zielgrößen mit Kennzahlen mithilfe der BSC präzisiert und das Erreichen der geforderten Ziele in einzelnen Projekten gesteuert wird. Neben den bereits genannten Instrumenten existieren weitere, die in der Abbildung N05, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aufgeführt sind. Einige davon können einem konkreten Grundsatz zugeordnet werden, wie beispielsweise ►Poka Yoke als praktischer Ansatz zur Fehlervermeidung (6. Grundsatz). Er kann im Prozess und im Produkt zum Einsatz kommen, um mit einfachen Mitteln keinen Fehler durch eine Fehlhandlung entstehen zu lassen [9]. Andere sind wiederum in mehreren Grundsätzen wirksam, wie ►Quality Function Deployment (QFD) als eine umfassende Methode, mit welcher die Kundenforderungen (3. Grundsatz) sowie die Angebote der Wettbewerber bereits in der Planungsphase systematisch analysiert werden [10]. Dabei wird die Qualitätsplanung nicht nur für das Produkt, sondern auch für die Konstruktion, Prozesse und anschließende Produktion durchgeführt, wodurch etwaige Fehler eher vermieden werden können (6. Grundsatz). Viele dieser Instrumente gehören zu der Toolbox von Six Sigma oder sind ein fester Bestandteil von Lean Management und Kaizen. Sie können aber auch als eigenständige Methoden unabhängig von diesen Konzeptionen genutzt werden. Dieser Aufbau bietet den Unternehmen die Freiheit zu entscheiden, welche Instrumente für ihre spezielle Zielsetzung und Anwendung am besten geeignet sind. Zahlreiche Praxisbeispiele [7] zeigen, dass durch eine leistungsfähige und wirkungsvolle Kombination sich ergänzender Komponenten, entsprechend den Bausteinen in Abbildung N05, ein erfolgreiches Null-Fehler-Managements realisiert werden kann.
Null-Fehler-Management Eine oft praktizierte Möglichkeit ist, das Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 mit Six Sigma zu verbinden [11]. Diese Kombination ist vor allem für bereits nach ISO 9001 zertifizierte Unternehmen zielführend, da sie ihr bereits vorhandenes System nicht ändern, sondern lediglich erweitern müssen. Eine zusätzliche Verschlankung der Unternehmensprozesse mit der Anwendung der Lean-Philosophie kann das Gesamtkonzept wirkungsvoll ergänzen. Weitere Instrumente, wie beispielsweise Projektmanagement oder ►FMEA, können bei Bedarf unmittelbar benutzt werden. Eine andere Möglichkeit, Null-Fehler-Management zu verwirklichen, ist die Verbindung von EFQM-Modell mit Six Sigma und der Balance Score Card. Auch diese Kombination wurde in der Praxis bereits erfolgreich umgesetzt [12]. Die drei ausgewählten Komponenten erfüllen hierbei spezifische Aufgaben: BSC als Instrument zur Planung und Steuerung, EFQM als übergeordnetes System und Six Sigma als Umsetzungstool [12]. Auch hier ist es von Vorteil, die Unternehmensprozesse vorab mit Hilfe von Lean Management zu verschlanken. Ein weiteres Beispiel [13] zeigt eine erfolgreiche Umsetzung des Null-Fehler-Managements durch Six Sigma und KVP, welche mit QMS nach ISO 9001 als Basis kombiniert sind. Auch bei dieser Konstellation können alle neun Grundsätze erfüllt werden. Die oben genannten Beispiele belegen, dass Null-Fehler-Management mit Hilfe bekannter Methoden umgesetzt werden kann. Diese müssen miteinander kombiniert werden, um sich zu ergänzen und die gestellten Forderungen zu erfüllen. Bei der praktischen Implementierung sind – den Erfahrungsberichten nach – neben einem integrierten Konzept sich gut ergänzender Bausteine vor allem die Überzeugung und aktive Mitwirkung des Managements und die Einbeziehung der Mitarbeiter ([11] [12] [13]) die Schlüsselfaktoren für den Erfolg des anspruchsvollen Vorhabens der Null-FehlerQualität. Prof. Dr. Armin Töpfer, Technische Universität Dresden Dipl.-Ing. Dorota Kowal-Paul, MBA Literatur
[1] Crosby, Philip B.: Qualität ist machbar. McGraw-Hill Book Company GmbH, Hamburg 1990 [2] Jacobs, M.: Cultural Impact on Lean Six Sigma and Corporate Success. Causal Analyses Considering the Effects of National Culture and Leadership. Springer-Gabler Verlag, Wiesbaden 2015 [3] Töpfer, A.: Wertsteigerung durch Business Excellence und praktizierte Null-Fehler-Qualität. In Schweickart, N./Töpfer, A. (Hrsg.): Wertorientiertes Management. Springer Verlag, Berlin-Heidelberg 2006, S. 411-447 [4] Wildemann, H.: Kosten- und Leistungsrechnung für präventive Qualitätssicherungssysteme. TCW Transfer-Centrum-Verlag GmbH, München 1995 [5] Weidner, G. E.: Qualitätsmanagement - Kompaktes Wissen, Konkrete Umsetzung, Praktische Arbeitshilfen. Hanser Verlag, München-Wien 2014, S. 20-22
Nutzen [6] Hummel, T., Malorny, Ch.: Total Quality Management (TQM). In: Kamiske, G. F. (Hrsg.): Handbuch QM-Methoden. Die richtige Methode auswählen und erfolgreich umsetzen. Hanser Verlag, München-Wien 2013, S. 1-48 [7] Töpfer, A., Günther, S.: Steigerung des Unternehmenswertes durch Null-Fehler-Qualität als strategisches Ziel: Überblick und Einordnung der Beiträge. In: Töpfer, A. (Hrsg.): Six Sigma. Springer Verlag, Berlin-Heidelberg 2007, S. 3-40 [8] Preißner, A.: Balanced Scorecard. In: Kamiske, G. F. (Hrsg.): Handbuch QM-Methoden. Die richtige Methode auswählen und erfolgreich umsetzen. Hanser Verlag, München-Wien 2013, S. 475510 [9] Sondermann, J. P.: Poka Yoke. In: Kamiske, G. F. (Hrsg.): Handbuch QM-Methoden. Die richtige Methode auswählen und erfolgreich umsetzen. Hanser Verlag, München-Wien 2013, S. 725-737 [10] Brauer, J.-P.: Quality Function Deployment (QFD). In: Kamiske, G. F. (Hrsg.): Handbuch QM-Methoden. Die richtige Methode auswählen und erfolgreich umsetzen. Hanser Verlag, MünchenWien 2013, S. 739-764 [11] Töpfer, A., Günther, S.: Six Sigma im Wirkungsverbund mit ISO 9000:2000. In: Töpfer, A. (Hrsg.): Six Sigma. Springer Verlag, Berlin-Heidelberg 2007, S. 335-351 [12] Messer, J., Töpfer, A.: Drei harmonische Instrumente. Exzellente Ergebnisse mit Balanced Scorecard, Six Sigma und EFQMModell. In: QZ, Jahrgang 47, 2002, S. 1268-1271 [13] Fritsch, V., Stössl, M.: Implementierung von Six Sigma in Abstimmung mit KVP bei VA TECH ELIN, einem Unternehmen der Siemens Gruppe. In: Töpfer, A. (Hrsg.): Six Sigma. Springer Verlag, Berlin-Heidelberg 2007, S. 322-334 [14] Töpfer, A.: Sieben Missverständnisse und sieben Erfolgsfaktoren. Teil 2. Null-Fehler-Qualität rechnet sich! In: QZ, Jahrgang 56, 2011, S. 20-22
Nullhypothese Aussage, durch die eine Teilmenge ausgewählt wird. Diese Teilmenge bestimmt sich aus der für den statistischen Test insgesamt zugelassenen Wahrscheinlichkeitsverteilung. Quelle: Nach DIN 55350-24
Numbered Queues
▶Wartezeitenmanagement
Nutzen
▶en: benefit Der Nutzenbegriff ist ein zentraler terminus technicus in den Wirtschaftswissenschaften. Er wird mehrfach differenziert. Hier soll er als die Fähigkeit eines Gutes/Produktes bezeichnet werden, die Bedürfnisse von Wirtschaftssubjekten zu befriedigen. Ist der Nutzen aufgrund von Unsicherheit nicht exakt zu quantifizieren, so spricht man vom Erwartungsnutzen. Da einem Nutzen oft Kosten gegenüberstehen spricht man vom Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Differenz zwischen Nutzen und Kosten wird als Nettonutzen bezeichnet. Als Zusatznutzen wird der Teil des Nutzens definiert, der ergänzend zum Grundnutzen eines Produktes hinzutritt. Der Zusatznutzen ist eine psychologische Kategorie. Er zielt auf die Befriedigung von Bedürfnissen, wie Prestige, Selbstbestätigung und -achtung) oder individuelle Wertschätzung des Produktes
755
N
Nutzenversprechen
Nutzleistung
durch den Käufer bzw. Nutzer. Im Marketing spielt er eine gewisse Rolle.
Nutzenversprechen
▶en: value proposition ▶Nutzen Aussage darüber, welchen ►Nutzen ►Kunden oder andere Partner aus der Verbindung mit einem Unternehmen ziehen können. Das Nutzenversprechen ist die Grundlage des ►Geschäftsmodells eines Unternehmens.
Nutzleistung ▶Muda, Mura, Muri Tätigkeit (Leistung), die aus Kundensicht zu einer Wertsteigerung führt. Sie erhöht den Wert eines Produkts für den Kunden.
••• ⨀⨀⨀ •••
N
756
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe O
O
Organisationsgestaltung
Taiichi Ohno Open Space
Paul Thieme
Organisationsentwicklung Operations Management
Outsourcing Neue Organisationskonzepte Organisieren
Thomas Grabner
Hans-Dieter Zollondz
O
oberste Leitung oberste Leitung
ISO-Term
oberste Leitung
▶en: top management Person oder Personengruppe, die eine ►Organisation auf der obersten Ebene führt und steuert
ISO-Term
Anmerkung 1 zum Begriff: Die oberste Leitung ist innerhalb der Organisation in der Lage, Verantwortung zu delegieren und Ressourcen bereitzustellen. Anmerkung 2 zum Begriff: Wenn der Anwendungsbereich des ►Managementsystems nur einen Teil einer Organisation umfasst, bezieht sich „oberste Leitung” auf diejenigen, die diesen Teil führen und steuern. Anmerkung 3 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Objekt
▶en: object ▶Einheit | en: entity ▶Gegenstand | en: item etwas Wahrnehmbares oder Vorstellbares Beispiel: ►Produkt, ►Dienstleistung, ►Prozess, Person, ►Organisation, ►System, Ressource.
ISO-Term
Anmerkung 1 zum Begriff: Objekte können materiell (z. B. ein Motor, ein Blatt Papier, ein Diamant), immateriell (z. B. Konversionsverhältnis, ein Projektplan) oder imaginär (z. B. der zukünftige Zustand der Organisation) sein. [Quelle: ISO 1087-1:2000, 3.1.1, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
objektiver Nachweis
▶en: objective evidence ►Daten, welche die Existenz oder Wahrheit von etwas bestätigen
Anmerkung 1 zum Begriff: Objektive Nachweise können durch Beobachtung, ►Messung, ►Test oder mit anderen Mitteln erbracht werden. Anmerkung 2 zum Begriff: Objektive Nachweise zum Zweck eines ►Audit bestehen üblicherweise aus ►Aufzeichnungen, Tatsachenfeststellungen oder anderen ►Informationen, die für die ►Auditkriterien zutreffen und verifizierbar sind. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
OEE
▶Overall Equipment Effectiveness (OEE)
OEM
▶Original Equipment Manufacturer ▶de: Originalausrüstungshersteller („Erstausrüster“) Als OEM wird ein Hersteller von Komponenten oder Produkten bezeichnet, der diese in seinen eigenen Produktionsanlagen herstellt, sie aber nicht selbst in den Einzelhandel bringt.
Begriff
▶executive resp. top management ▶QM-Bewertung; Management Review Der Begriff ist erstmals in der QM-Norm ISO 9000:2000 geklärt worden. Nun liegt er in revidierter Fassung vor (ISO 9000:2015-11 – siehe hier im Lexikon). Die Größe der Organisation spielt keine Rolle. Die oberste Leitung hat sich um die ►QM-Führungselemente selbst zu kümmern. Sie hat hier die prinzipielle qualitätsbezogene Verantwortung.
Ökobilanz
Die Benennung ist allerdings verwirrend, weil sich in manchen Branchen genau die gegenteilige Definition etabliert hat. Ein Beispiel ist die Automobil- und Maschinenbauindustrie, die unter einem Erstausrüster ein Unternehmen versteht, das Produkte unter eigenem Namen in den Handel bringt. Noch verwirrender ist die Situation in der Computerindustrie und deren Händlerstruktur. Hier ist oft der Kontext entscheidend. Wer als OEM definiert wird ist aus der Sicht der Produkthaftung wichtig, weil zahlreiche gesetzliche Vorschriften beachtet werden müssen, so z. B. die Sicherstellung der Ersatzteilbevorratung oder Haftungs- und Gewährleistungspflichten.
Öko-Audit
▶Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmagement
Ökobilanz
▶Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement Die Begriffe Umwelt- oder Ökobilanz werden vielfach synonym verwendet. Es geht um die bilanzierende und beurteilende Betrachtung eines ökologisch relevanten Systems. Im Rahmen ökologisch orientierter Unternehmensführung ist die Ökobilanz ein Instrument u. a. zur Identifizierung von Schwachstellen, zur Verbesserung der Umwelteigenschaften der Produkte und zur Förderung umweltfreundlicher Produk tionsverfahren. Eine Ökobilanz weist fünf Hauptbestandteile auf: ◼ ◼ ◼ ◼
Zieldefinition Systemabgrenzung Sachbilanz (Stoff- und Energiebilanz) Wirkungsbilanz (Abschätzung der Umweltwirkungen) und ◼ Bilanzbewertung.
Ökonomisches Qualitätsverständnis ▶Qualität als philosophischer Begriff
Occupational Health and Safety Management Systems Requirements ▶OHSAS 18001
759
O
Ohno, Taiichi
Ohno, Taiichi
Ohno, Taiichi
a look at your worksite, the colleague would report. And the manager would know that Ohno had thought enough of his setup to make it an example.“
▶Toyota Produktionssystem
Japanischer Qualitätsexperte
„Etwas ist falsch im Betrieb, wenn Mitarbeiter nicht täglich die Augen offen halten, wenn sie Dinge langweilig oder ermüdend finden und trotzdem Prozesse nicht neu festlegen.“ (Taiichi Ohno)
Ohno (jap. Ōno) gilt als der legendäre Vater des ►Toyota Production System (TPS). So wird es immer und immer wieder geschrieben, ja nachgebetet. Er soll sogar ein Guru sein. Was ist daran wahr? Wer war dieser Ohno Taiichi? Wie begründet sich sein Ruf und Ruhm? Auf Anfrage bei der Toyota Motor Corporation (TMC) ging dem Autor folgende Stellungnahme zu:
O
760
1932 begann seine Karriere bei Toyota unmittelbar nach seinem Studium. Damals hatte sich Toyota noch nicht auf den Automobilbau konzentriert. Ohnos Betätigungsfeld als Betriebsingenieur war der Webstuhlbereich (Toyota Boshoku). Erst im Jahr 1943 wechselte er in das Automobilunternehmen, zur TMC. Nach dem Krieg übernahm er die Funktion des Produktionsleiters im Stammwerk von Toyota in Tokio. Ein Schlüsselerlebnis, dessen Erkenntnis dann darin gipfelte, dass er ein Organisationsprinzip erfunden haben soll, war offenbar 1956 die Dienstreise in die USA, als er zusammen mit Toyoda Eiji in Detroit die Ford-Werke und die Produktionsstätten von General Motors besichtigte. Das Toyota Produktionssystem hat er nicht „erfunden“, schon gar nicht allein. Ohno besaß die Begabung, die Essenz im Vorhandenen zu erkennen, es zu fokussieren und eigene Versatzstücke kombinatorisch zu ergänzen, so dass sich alles zu einem System zusammenfügen konnte. So lässt sich retrospektiv sagen, dass die Kernelemente des erst nach dem 2. Weltkrieg so benannten Toyota Produktionssystems (TPS) bereits in der Zeit der Aufbauphase der Toyota Motor Corporation nicht nur gedanklich, sondern auch in der Praxis der Produktion elementhaft vorhanden waren und sogar in persona den geistigen Eigentümer zugeordnet werden können [2]: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Jidoka (Toyoda Sakichi) Fünf Whys (Toyoda Sakichi) Just in Time (Toyoda Kiichiro) Kanban (Toyoda Kiichiro) Muda (Toyoda Kiichiro) Prozessbeherrschung (Toyoda Kiichiro)
Diese Konzepte haben auf Ohno gewissermaßen „ausgestrahlt“. Toyoda Sakichi (*1876-1930) hatte er nicht mehr gekannt. Über seinen Sohn, Kiichiro, wurde das Wissen der Vorderen auf Ohno tradiert. Ohno konnte sich (wohl auch, weil er auf Bekanntes der beiden Firmengründer zurückgriff) der ideellen und faktischen Unterstützung seiner Vorgesetzten sicher sein. Besonders in der Zeit, als Ishida Taizo die Geschicke der TMC lenkte und Toyoda Eiji die Produktion verantwortete, wurden im Produktionsbereich durch Ohno die Weichen gestellt. So kam Ohno Taiichis Entwurf eines eigenen Produktionssystems für Toyota keineswegs aus dem Nichts her-aus, sondern baute auf Vorhandenem mit Unterstützung des vorgesetzten Managements auf. Insofern ist die Behauptung, dass das Just in Time-Konzept und der
TPS-Kernelemente
„Ohno Taiichi – Father of the Toyota Production System: The principles of production management pioneered by Taiichi Ohno occasioned a global revolution in productivity in the automobile industry. Ohno refined the concept of justin-time production, which manufacturers and other companies around the world now use to minimize inventories and otherwise streamline operations. Just-in-time production, as shaped by Ohno, means producing only what is needed, only in the amounts needed, and only when needed. And Ohno invented the kanban, the information links used to enforce just-in-time rigors in manufacturing. Ohno was born in Da Lian, China, in 1912 and joined Toyota’s spinning and weaving operations on graduating from a technical school in Nagoya in 1932. He distinguished himself in a series of jobs in production engineering and moved to Toyota’s young automobile company in 1943. In 1953, Ohno became the general manager of a machining division, and he was named to the board of directors in 1954. He became a managing director in 1964, senior managing director in 1970, and executive vice president in 1975. Ohno headed other Toyota Group companies after retiring from the automobile company in 1978 and remained active in productivity consulting until his death in 1990. The insights and accomplishments of Taiichi Ohno gained a global audience in the 1970s and 1980s. Manufacturers around the world were eager to learn how his ideas had helped Toyota respond quickly and costefficiently to fluctuations in demand. Ohno shared his ideas with manufacturers in the industrialized nations and also in developing nations. He visited China at the invitation of the government there in 1980 and again in 1981. Ohno was a gruff, no-nonsense manager who was spare with praise. But he was ever attentive to the accomplishments of his subordinales, who remember him affectionately as the Old Man. The lucky ones delight in recalling the ultimate Ohno compliment. It would come in the form of an unexpected visit from a colleague. The Old Man told me to come have
Weiterungen: Ohno Taiichi wurde am 29. Februar 1912 im heutigen zu China gehörigen Da Lian (jap. Dairen; von 19051945 zu Japan gehörig), einer Stadt in der damals von Japan besetzten Mandschurei, geboren. Er starb am 28. Mai 1990 in Tokio. Ohno studierte in Nagoya, Japan, am Nagoya Institute of Technology Ingenieurwissenschaften und graduierte sich dort.
Ohno, Taiichi Kanban-Ansatz der Beobachtung in den US-Supermärkten zu verdanken wäre, wohl eher eine Legende und nicht zutreffend. Kanban wurde von Ohno bereits 1953, also vor seiner USA-Reise, erprobt. Ohnos organisationsmethodisches Vorgehen gründet auf seinem experimentellen Verständnis von betrieblichem Management. Für ihn war die Fabrik sein Experimentierfeld. Wer unter diesem Aspekt seine Bücher liest [3], wird erkennen, dass Ohno nicht einfach „Kopfgeburten“ umgesetzt hat, sondern phasenweise auf Erfahrung gründend vorgegangen ist. Inwiefern er hier den PDCA-Zyklus angewendet hat, lässt sich dem Schrifttum nicht entnehmen. Mit Sicherheit hat er ihn und auch Deming gekannt. Weitsichtig wie er war, schrieb er in seinem inzwischen in dritter Auflage im Deutschen erschienen Standardwerk, dass die Bezeichnung Produktionssystem eigentlich zu kurz greife: Es handele sich um ein Managementsystem [3, 1993, S. 21]: „Das Toyota Produktionssystem ist jedoch nicht nur ein Fertigungssystem. Ich bin sicher, dass es seine ganze Stärke erst in der Anwendung als umfassendes Managementsystem offenbaren wird, weil es auf die heutige Ära globaler Märkte und computerisierter Informationssysteme zugeschnitten ist.“ Wir haben es folglich gemäß der Einschätzung von Ohno beim TPS mit einem umfassenden Managementsystem zu tun, in dem den Menschen besonderer Respekt zukommt und das auf Beseitigung von Verschwendung zielt, indem die Produktion als Einzel- und Kleinserienfertigung organisiert wird. Die später in Deutschland sogenannten ►Ganzheitlichen Managementsysteme haben diesen Ansatz aufgegriffen. Ohno selbst hat seinen soziotechnischen Managementansatz nach seinem altersbedingten Ausscheiden von der Toyota Motor Corporation als Berater weiterverfolgt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Für die Zwecke des Lexikons wurden freundlicherweise von der Toyota Deutschland GmbH (Presseabteilung) diese biographischen Informationen zur Verfügung gestellt. [2] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. München (Oldenbourg) 2013, S. 78 [3] Besonders sind hier zu nennen: Ohno, T.: Workplace Management, New York (Productivity Press) 1988 – Ohno, T.: Toyota Production System. Beyond Large-Scale Production, New York (Productivity Press) 1988 – Ohno, T.: Das Toyota Produktionssystem, Frankfurt am Main (Campus) 1993
OHSAS 18001
Die britische Arbeitsschutznorm BS OHSAS 18001 wurde ersetzt durch ►ISO 45001, die derzeit in der DIS-Version vorliegt.
ON 49000
▶Risikomanagement
Open Space Onboarding
▶ Führung und Qualitätsmanagement
Open Innovation
▶Wertschöpfungsmanagement
Open Space
▶Change Management Open Space wurde von dem Amerikaner Harrison Owen Ende der 1980er Jahre entwickelt. Das methodische Vorgehen ist als Open Space Technology in den USA bekannt geworden. Man könnte es als Technologie des offenen und allen zugänglichen Raumes bezeichnen. Anwendbar ist die Methode sowohl auf eine Gruppe von 10 Personen wie auch auf eine Großgruppe von 1.000 Teilnehmenden. In Praxis und Literatur wird Open Space als Konferenzmethode bezeichnet. Sie geht vom Engagement der Teilnehmenden aus. Getragen von den Prinzipien der Selbstorganisation und Selbestimmung wird den Teilnehmern zwar ein Leitthema vorgegeben, aber keine weitere inhaltliche Vorgabe. Ganz am Anfang, in der ersten Stunde, kann von jedem Teilnehmenden ein Thema vorgeschlagen werden, das dann in parallel laufenden Workshops diskutiert wird. Eine spezielle Methodik sorgt dafür, daß ein Rahmen für effektives Arbeiten und Voneinander-Lernen entsteht. Open Space-Konferenzen dauern in der Regel zweieinhalb bis drei Tage. Sie bedürfen einer intensiven Planung und Begleitung. An zwei Tagen werden in parallel laufenden Workshops Ideen, Ziele und Maßnahmen erarbeitet, am dritten Tag erfolgt die Zusammenfassung und die Planung der Umsetzung, wobei erste Umsetzungsmaßnahmen sofort ge plant werden. Das langfristige Ziel kann es sein eine Open Space-Organisation zu schaffen, „in der es zum Alltag gehört, daß einzelne initiativ werden, über Hierarchie- und Funktionsgrenzen hinweg eine passende Gruppe zusammenstellen, Pläne ausarbeiten und umsetzen – mit dem Ergebnis eines pulsierenden, lebendigen Unternehmens, das Freiräume bereithält für innovatives Handeln.“ [1] Open Space verlangt die Aktivität aller: Jeder ist mal Referent, mal Zuhörer. Jeder ist – unabhängig von seiner Stellung in der Organisation – gleichberechtigt und Experte auf seinem Gebiet. Open Space ermöglicht es, einen Wandlungsprozeß von Anfang an auf eine breite Basis zu stellen. Da Open Space als Instrument zur Einleitung und Bewältigung von Veränderungsprozessen aufzufassen ist, kann es auch am Anfang der Umsetzung einer Qualitätsphilosophie stehen oder ein besonderes Thema aufgreifen, wie zum Beispiel die Verbesserung der Produktqualität. „Das Thema muss nur als wichtig, breit genug, komplex und möglichst dringend gelten. Und kann es durch keinen einzelnen gelöst werden, sondern nur, wenn viele in Bewegung kommen müssen, so ist es geeignet für Open Space.“ [2]. Die Wirkung von Open Space wird wie folgt beschrieben [3]:
761
O
Open Space „Auf der Ebene des Einzelnen führt sie zu Mut und Vertrauen, die Situation in die eigenen Hände zu nehmen. Darüber hinaus werden die Fähigkeiten, Work shops zu moderieren und ohne Anleitung selbständig ergebnisorientiert zu arbeiten, erkannt und weiterentwickelt. Auf der Ebene der Organisation kommt es zur schnellen Reaktion auf die Veränderung und gleichzeitigem Wandel in verschiedenen Sparten, Abteilungen etc. Da die Mitarbeiter ursächlich für den Prozeß verantwortlich sind, sorgen sie durch die Akzeptanz ihrer Ergebnisse für eine nachhaltige Wirkung der eingeleiteten Veränderung.“ In Deutschland ist die Methode seit einigen Jahren rezipiert und wird auch tradiert. Konkrete Anleitungen liegen inzwischen in Buchform vor, z. B. [4]. Der Durchbruch auf brei ter Basis, wie es der sog. ►Moderationsmethode gelang, lässt allerdings noch auf sich warten. Dabei weist Ruth Seliger auf die folgenden Vorteile hin [5]: ◼ Themen können in ihrer Komplexität von vielen Menschen umfassend in relativ kurzer Zeit bearbeitet werden ◼ Die Bereitschaft vieler Menschen, sich für eine Sache zu engagieren kann organisatorisch sehr gut umgesetzt werden ◼ Die Förderung einer Vielzahl an Ideen für Maßnahmen und die Motivation für Gruppen, diese dann auch umzusetzen, ist möglich. ◼ Open Space wirkt immer gemeinschaftsbildend – näheres Kennenlernen ist leichter möglich ◼ Als Basis für die weitere Zusammenarbeit wird eine Dokumentation aller bearbeiteten Themen bereitgestellt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
O
Literatur
Operations
▶ Operations Managment
762
Operations Management ▶Dienstleistungen ▶Qualitätsmanagement ▶Wartezeitenmanagement
1 Begriffsdefinition „Operations Management“ Operations Management ist ein Begriff, den wir in Deutschland bis zum Jahr 1990 kaum gekannt haben. Immer öfter finden wir jetzt jedoch bei uns Unternehmen, bei denen von einem Operations-Bereich gesprochen wird. Im Rahmen der vermehrten Verwendung von Anglizismen steht dieses häufig für Produktion bzw. Produktion und Logistik in Industrieunternehmen. In den englischsprachigen Ländern, insbesondere in den USA, hat der Begriff Operations Management schon eine lange Tradition. Er wird wesentlich weiter gefasst und steht nicht nur für Produktion und Logistik: ◼ Operations Management is about how organisations produce goods and service [1] ◼ Operations Management is defined as the design, operation, and improvement of the system that create and deliver the firm’s primary products and services [2] Hier finden sich zwei weiterführende Denkansätze wieder: ◼ Zum einen erfolgt eine gemeinsame Sicht auf die Produktion von Sach- und Dienstleistungen. Auf die in Deutschland übliche Unterscheidung zwischen Produktionsmanagement und Dienstleistungsmanagement wird verzichtet. ◼ Zum anderen werden alle Aufgaben von der Produktentwicklung über die Herstellung bis hin zur Auslieferung an den Kunden gemeinsam betrachtet. Dazu gehören auch sämtliche produktbegleitenden Dienstleistungen, wie zum Beispiel der Service. Statt auf die einzelnen Funktionen, wie Konstruktion und Entwicklung, Produktion, ►Qualitätsmanagement, interne Logistik und externe Logistik, zu sehen, soll die Auftragserfüllung als ein ganzheitlicher Prozess verstanden werden. Ins Deutsche übersetzt, kann Operations Management wie folgt definiert werden: Operations Management ist die Planung und der Betrieb des Auftragserfüllungsprozesses (OperationsProzesses) für die Erstellung von Sach- und Dienstleistungen. Der Auftragserfüllungsprozess erstreckt sich von der Produktentwicklung über die Herstellung bis hin zur Übergabe des Produktes an den Kunden. [3] Operations (oder der Operations-Bereich) ist eine funktionale Bezeichnung für alle Organisationseinheiten, die an der Auftragserfüllung beteiligt sind. Damit ist es nicht zwangsläufig so, dass Funktionen wie Produktentwicklung, Logistik, Produktion und Service unter dem Dach eines Bereiches organisatorisch zusammengefasst sein müssen.
Begriff
[1] Zur Bonsen, M.: Mit der Konferenzmethode Open Space zu neuen Ideen. In: Harvard Business Manager 20. Jg. Heft 3/1998, S. 23 [2] s. [1], S. 20 [3] Maleh, C.: Open Space: Effektiv arbeiten mit großen Gruppen. Ein Handbuch für Anwender, Entscheider und Berater, Weinheim: Beltz 2000, S. 28 [4] s. [3] – In diesem Werk finden sich nicht nur konkrete Handlungsanweisungen, ähnliche Methoden dargestellt (Future Search; Real Time Strategic Change), sondern auch weitere Literaturquellen und Adressen. Auch wichtige in- und ausländische Internetadressen sind genannt. Ein weiterer neuerer Titel ist: Petersen, H.-Chr.: Open Space in Aktion. Kommunikation ohne Grenzen. Paderborn: Junfermann, 2000. Auch ist ein Buch des Erfinders von Open Space erschienen: Owen, Harrison, Expanding our Now, Berrett-Koehler, San Francisco: Berrett-Koehler 1997 [5] Seliger, R.: Einführung in Großgruppenmethoden. Heidelberg (Auer) 2015, S. 38ff
Operations Management
Operations Management
◼ Dienstleistungen sind durch Intangibilität gekennzeichnet, das heisst die Güter sind immateriell und flüchtig. ◼ Mit dem Begriff Simultanität wird beschrieben, dass bei Dienstleistungen die Leistungserstellung und die Inanspruchnahme der Leistung zeitlich zusammenfallen. ◼ Die Leistungserbringung erfolgt bei Dienstleistungen stets in Zusammenarbeit mit dem Kunden. Man spricht daher von einem externen Faktor, der an dem Produktionsprozess beteiligt ist. ◼ Eine weitere Besonderheit liegt in der Beurteilung der Qualität. Dienstleistungen können nicht anhand technischer Daten vorab beurteilt werden. Experience Qualities (Erfahrungseigenschaften) oder Credence Qualities (Vertrauenseigenschaften) spielen eine wesentliche Rolle. 2.2 Wie unterscheiden sich die Auftragserfüllungsprozesse bei Sach- und Dienstleistungen? Um ein Grundverständnis für die wesentlichen Aufgaben des Operations-Prozesses zu entwickeln, bietet es sich an, diese Zusammenhänge mithilfe eines vereinfachenden Modells darzustellen. Das Kreuzmodell stellt die verschiedenen Aufgaben dar, wie sie für die Auftragserfüllung erforderlich sind (Abb. O1). Dabei kann zwischen drei Gruppen von Aktivitäten unterschieden werden: den einmaligen Planungsfunktionen, den auftragsbezogenen Funktionen und den Querschnittsfunktionen. Im Rahmen der einmaligen Planungsaufgaben werden das Produkt und die Prozesse für die Leistungserstellung festgelegt. Während ein Sachgut über Zeichnungen und Stücklisten beschrieben wird, wird bei einer Dienstleistung ein Produktmodell erstellt, das die Grundzüge der Dienstleistung zeigt. Sowohl bei Sach- wie auch Dienstleistungen müssen die erforderlichen Prozesse der Leistungserstellung mit allen erforderlichen Einrichtungen, wie Gebäude, Betriebsmittel, Informationstechnik, etc. festgelegt werden. Bei den auftragsbezogenen Aufgaben finden die aktuell vorliegenden und zukünftig erwarteten Kundenaufträge Berücksichtigung. Sowohl bei Sach- als auch Dienstleistungen muss ein Produktionsprogramm vorbereitet werden, das die
Entwicklung Produkt
Einmalige Planungsaufgaben
Qualitätsmanagement
Auftragsbezogene Aufgaben
Instandhaltung
Distribution
Transformation
Auftragssteuerung
Auftragsplanung
Entwicklung Prozesse und Strukturen
Beschaffung der Ressourcen
2.1 Was unterscheidet Sach- und Dienstleistungen? Dienstleistungen und Sachleistungen werden durch unterschiedliche Merkmale charakterisiert, die bei der Planung der Auftragserfüllung berücksichtigt werden müssen [4, 5]:
Abb. O1: Kreuzmodell des Operations Management
Kunde
2 Auftragserfüllung von Sach- und Dienstleistungen Nachfolgend soll aufgezeigt werden, welche Vorteile damit verbunden sind, auf die Begriffe Operations Management und Operations zu fokussieren. Dafür müssen die folgenden Fragen beantwortet werden: Was unterscheidet Sach- und Dienstleistungen? Wie unterscheiden sich die Auftragserfüllungsprozesse bei Sach- und Dienstleistungen? Ist eine Unterscheidung zwischen Sach- und Dienstleistungsbetrieben sinnvoll? Welche Konsequenzen leiten sich aus diesen Überlegungen für das Qualitätsmanagement ab?
Operations Management
Querschnittsaufgaben
Quelle: Institut für Supply Chain und Operations Management (SCOM)
Grundlage für die Bereitstellung ausreichender Ressourcen an Personal, Rohstoffen, Fremdleistungen liefert. Aufgabe der Auftragssteuerung ist es, Aufträge unter Berücksichtigung der aktuellen Belastungssituation freizugeben und zu überwachen. Am Ende stehen mit Transformation und Distribution der eigentliche Prozess der Leistungserstellung und die Übertragung der Leistung auf den Kunden. Dabei wird stets ein Input unter Zuhilfenahme von Betriebsmitteln und Mitarbeitern in ein Output gewandelt. Bei Sachgütern werden aus Rohstoffen (Input) durch Maschinen und Produktionsmitarbeiter fertige Erzeugnisse (Output) hergestellt. Beispielhafte Transformationsprozesse bei Dienstleistungen sind ein Arztbesuch, bei dem am Ende der erfolgreich behandelte Patient (Output) steht oder ein Paketdienstleister, der sein Paket pünktlich ausgeliefert (Output) hat. Die Querschnittsaufgaben erstrecken sich über den gesamten Prozess der Auftragserfüllung. Das ►Qualitätsmanagement hat die Aufgabe, die Prozessqualität bei allen genannten Aufgaben sicherzustellen und weiterzuentwickeln. Trotz der signifikanten Unterschiede zwischen Sach- und Dienstleistungen weisen die Auftragserfüllungsprozesse also eine hohe Ähnlichkeit auf. Vergleichbare Planungsschritte müssen durchlaufen werden. So spricht diese Erkenntnis dafür beide Leistungsarten unter dem Begriff „Operations Management“ gemeinsam zu behandeln, können doch viele Planungsmodelle oder Erfahrungen, die vielleicht ursprünglich bei Sachleistungen gewonnen wurden, auf Dienstleistungen übertragen werden oder umgekehrt. 2.3 Ist eine Unterscheidung zwischen Sach- und Dienstleistungsbetrieben sinnvoll? Blickt man zurück in die Zeiten verkaufs- oder produktionsorientierter Märke, so bestand die Aufgabe von Produktionsunternehmen darin, die Güter herzustellen und an die hinrei-
763
O
Operations Management chende Zahl der Kunden zu verteilen. Der Geschäftsprozess war häufig mit dem Verkaufsvorgang abgeschlossen. Heute müssen produzierende Unternehmen marktorientiert aufgestellt sein. Auf dem Weg zur Kaufentscheidung sind es nicht mehr alleine die Produkteigenschaften, die eine Rolle spielen. Zum Beispiel kann ein Werkzeugmaschinenhersteller nur dann erfolgreich sein, wenn er zusätzlich zu der Maschine eine technische Lösung für eine Bearbeitungsaufgabe verkauft. Die Konzeption des Fertigungsprozesses mit der Festlegung von zu benutzenden Werkzeugen, Vorrichtungen und Arbeitsschritten ist Teil des Gesamtpakets. Bei der Auslieferung der Maschinen muss nachgewiesen werden, dass ein bestimmtes Bauteil in einer definierten Zeit und Qualität hergestellt werden kann. Gegebenenfalls wird zusätzlich eine Finanzierung über Leasing angeboten. In der Phase der Anlagennutzung erwartet der Kunde eine hohe Verfügbarkeit durch regelmäßig durchgeführte Wartungen, schnelle Reparaturen und Ersatzteillieferungen. Unter Umständen werden auch Aspekte, wie ►Nachhaltigkeit (Entsorgung, Verwertung) berücksichtigt. Oft sind die Sachgüter verschiedener Hersteller sogar austauschbar, so dass die begleitenden Dienstleistungen zur Kaufentscheidung führen. Diese Erkenntnis hat auch Auswirkungen auf die Preisgestaltung der produzierenden Unternehmen. Teilweise sind Hersteller bereit Güter zu Preisen unterhalb der Herstellkosten zu verkaufen, weil man weiß, dass die die erforderlichen Gewinne über die Dienstleistungen realisiert werden können. Diese Ausführungen zeigen, dass Sach- und Dienstleistungen häufig gemeinsam angeboten werden. Eine Trennung nach Sach- und Dienstleistungsbetrieben erscheint damit nicht mehr sinnvoll.
O
3 Operations Management und Qualitätsmanagement Mit dem Begriff Operations Management gewinnt man eine andere Sicht auf wichtige Unternehmensprozesse. Auf eine Zergliederung in Sach- und Dienstleistungen einerseits und eine sequentielle Aufteilung in Funktionen, wie Produktentwicklung, Logistik und Produktion, wird verzichtet. Stattdessen wird eine prozessorientierte und ganzheitliche Sicht auf den Gesamtprozess der Auftragserfüllung gefördert. Wechselwirkungen zwischen den Funktionen Entwicklung, Logistik und Produktion werden in stärkerem Maße berücksichtigt. Zeitgemäße Managementmethoden, wie das ►Simultaneous Engineering [6], welches die parallele Entwicklung von Produkt, Produktionsmethoden und Logistikprozessen zum Ziel hat, werden gefördert. Außerdem wird darauf geachtet, dass bei der Konzeption des Sachguts bereits sinnvolle Dienstleistungen, wie z.B. Servicepakete, konfiguriert werden. Umgekehrt kann die Planung von Dienstleistungsprodukten auch Auswirkungen auf die Gestaltung des Sachgutes haben.
764
Organisation Die Ausführungen zeigen, dass die Fokussierung auf Operations Management eine Verbesserung der Qualität fördert. Allerdings existieren keine spezifischen Ansätze des Qualitätsmanagements, die eindeutig mit dem Begriff Operations Management verknüpft sind. Auffällig ist allerdings, dass in englischsprachigen Fachbüchern zum Thema Operations Management auf ganzheitliche Qualitätsmanagementansätze, wie ►Total Quality Management (TQM) oder Award-Modelle (Excellence-Modelle wie ►EFQM, Malcom-Baldrige Award), Bezug genommen wird [2, 3]. Prof. Dr.-Ing. Thomas Grabner Kiel Literatur
[1] Slack, N., Chambers, S., Johnston, R.: Operations Management, 4. Auflage, Harlow (Prentice Hall) 2004 [2] Chase, B., Jacobs, R., Aquilano, N.: Operations Management for Competitive Advantage, 10. Aufl., New York (McGraw Hill) 2004 [3] Grabner, T.: Operations Management – Auftragserfüllung bei Sach- und Dienstleistungen, Wiesbaden (Springer Gabler) 2012 [4] Corsten, H.: Dienstleistungsmanagement. München (Oldenbourg) 2001. [5] Haller, S.: Dienstleistungsmanagement. 3. Aufl., Wiesbaden (Springer Gabler) 2005 [6] Ehrlenspiel, K.; Kiewert, A.; Lindemann, U.: Kostengünstig entwickeln und konstruieren. 6. Aufl., Berlin-Heidelberg-New York (Springer) 2007
Operations Research (OR) Entwickelt mit Hilfe mathematischer Me tho den formale und quantitative Ent schei dungsmodelle. Für bestimmte Zielsetzungen der Unternehmensführung sollen so optimale Entscheidungen gefunden werden. Bei OR-Modellen für die Entscheidungsvorbereitung in großen Organisationen (z. B. bei Optimierungs- und Szenarienrechnungen) greift man heute auf die Leistungsfähigkeit von PC-Systemen zurück. Auch steht OR in enger Beziehung zur Wirtschaftsinformatik Literatur Meyer, M.: Operations Research/Systemforschung. Stuttgart u.a. 1996
Ordnungsbildung
▶Selbstorganisation
Organisation
▶en: organisation, organization ▶Organisation (ISO 9000:2015-11) ▶Organisationsgestaltung | ▶Organisieren ▶Organisationsentwicklung ▶Lernende Organisation
Vom Wortsinn her bedeutet Organisation planmäßiges Gestalten eines organischen Ganzen mit einer gefügehaften Ordnung, gleichgültig, ob der Natur- oder Kulturbereich Ziel des organisatorischen Handeln sind (Tätigkeit des Organisierens). Bezieht man den Begriff auf den engeren Bereich der
Organisation Wirtschaft, ist als Ziel Wirtschaftlichkeit einzubeziehen. Eine geschlossene Organisationtheorie existiert derzeit nicht. Offenkundig ist die Besetzung des Begriff durch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Disziplinen.
Begriff
Weidner & Freitag arbeiten die wesentlichen Merkmale des Organisationsbegriffs heraus, um zu einer sicherlich von vielen geteilten Definition zu gelangen: Organisationen [1]: ◼ sind dauerhaft ◼ legen Aufgabenbereiche fest ◼ verlangen optimale Aufgabenerfüllung ◼ sind organisierend tätig (►Organisieren) ◼ erbringen ein Organisationsergebnis „Organisation ist demnach ein System von dauerhaften Regelungen, welche die Aufgabenbereiche der Aufgabenträger festlegen und die optimale Aufgaben erfüllung gewährleisten.“ Der Begriff ist instrumentell und bedarf der Ergänzung, da es bekanntlich auch eine informelle Organisation gibt (►informelle Gruppen), die in einem Austauschverhältnis zur formalen Organisation steht und die in dem Maße zunimmt, wie die formale Organisation abnimmt (►Unternehmenskultur). Erfolgsfaktoren der Organisation sind auf der Grundlage des weltweit bekannten Erfolgsfaktorenmodells (►7 S-Modell) von Peters & Watermann entwickelt worden. Die dort genannten weichen und harten Faktoren werden als organisationsinterne und -externe Entstehungsgründe für Erfolg angesehen (►Managementmodelle). Im Konzept der Strategischen Organisation vereint Chr. Scholz sechs Perspektiven organisatorischen Denkens [2]: „Strategische Organisation bedeutet Ausrichten auf Ziele, realisiert über verschiedene strategische Prin zipien. Die mechanische Organisation liefert das Grundgerüst aus Struktur und kybernetischem Ablauf. Die Perspektive der organischen Organisation führt zur Systemtheorie und internen Wachstumsdynamik. Die kulturelle Organisation liefert das Sinn- und Wertesystem. Die intelligente Organisation führt zur laufenden Verbesserung durch Schaffung einer organisatorischen Intelligenz. Die virtuelle Organisation schließlich löst herkömmliche Organisationsgrenzen auf und schafft so neuartige Gestaltungsformen. Diese Perspektiven oder Sichtweisen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sind gleichzeitig im Unternehmen zu entdecken und zu berücksichtigen. Statt dem ‚entweder–oder‘ der klassischen Organisation
verspricht das ‘so wohl-als-auch’ der strategischen Organisation, den multiplen Herausforderungen der Unternehmensführung in heutiger Zeit gerecht zu werden.“ Literatur
[1] Weidner, W.; Freitag, G.: Organisation in der Unternehmung. Aufbau- und Ablauforganisation. Methoden und Techniken prak tische Organisationsarbeit. 6. Aufl. München-Wien: Hanser 1998, S. 21ff [2] Scholz, Chr.: Strategische Organisation. Prinzipien zur Vitalisierung und Virtualisierung. Landsberg: mi 1997, Außentext
Organisation
▶en: organization Person oder Personengruppe, die eigene Funktionen mit Verantwortlichkeiten, Befugnissen und Beziehungen hat, um ihre ►Ziele zu erreichen
ISO-Term
Im Qualitätsmanagement herrscht die institutionelle De finition des Begriffs vor (s. Stichwort ►Organisation [ISO 9000:2015-11]). Aus der Sicht des Qualitätsmanagements erfordert die Komplexität und hohe Vernetzung der Wertschöpfungsketten eine sinnvolle Organisation, die heute in einer prozessorientierten Organisationsgestaltung gesehen wird (►Organisationsgestaltung; ►Geschäftsprozessmanagement).
Organisationsdesign
Anmerkung 1 zum Begriff: Der Begriff Organisation umfasst unter anderem Einzelunternehmer, Gesellschaft, Konzern, Firma, Unternehmen, Behörde, Handelsgesellschaft, Verband (3.2.8), Wohltätigkeitsorganisation, Institution, oder Teile oder eine Kombination der genannten, ob eingetragen oder nicht, öffentlich oder privat. Anmerkung 2 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition wurde durch eine Änderung in Anmerkung 1 zum Begriff geändert. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Organisationales Lernen ▶Lernende Organisation
Organisationsdesign
▶en: organisation design ▶Strategie Der Begriff kommt aus dem amerikanischen und wurde von Reinhart Nagel in die deutsche Organisationsforschung eingeführt [1]. Unter Organisationsdesign soll ein Set an Prämissen verstanden werden, das – in direkter Wechselwirkung mit der Organisationskultur, den Programmen und den Personen – die Entscheidungs- und Kommunikationswege in der Organisation festlegt. – Ein Organisationsdesign umfasst damit die Hierarchiestufen, die Prozesse der Zusammenarbeit und der Konfliktlösung, aber auch die Qualität und Ausgestaltung der IT-Systeme. Mit einem Organisationsdesign wird der Rahmen für die Handlungsspielräume aller Akteure abgesteckt. Nagel verlässt im zweiten Teil seines Buches die strategische Ebene und versucht das Konzept Organisationsdesign auf der operablen Ebene der Organisation zu verorten, indem er vierzig Techniken erläutert, mit denen sich die Organisation designen lässt. Literatur
[1] Nagel, R.: Organisationsdesign. Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2014 [2] Stanford, N.: Guide to Organisation Design. Creating High-Performing and Adaptable Enterprises. New York (Profile Books) 2015
765
O
Organisationsentwicklung Organisationsentwicklung
▶en: organization development ▶de (wörtlich): organisatorische Entwicklung ▶OE
In dieses Szenario passen denn nicht nur Pro blemlösungsansätze wie ►Change Management, ►Lernende Organisation, ►Wissensmanagement u. a. m., auch der seit den siebziger Jahren bekannte und erprobte Ansatz der Organisationsentwicklung kann neue Beachtung finden, wenn er systematisch auf das Qualitätsmanagement bezogen wird. Geht es der OE doch gerade – im Gegensatz zum Bombenwurf (►Bombenwurfstrategie) – darum, die allmähliche organisationale Evolution allgemein und speziell „als zivilisierte Form der Veränderung zu begreifen.“ [1]
O
Der in den Ingenieurwissenschaften bisher wenig beachtetete sozialwissenschaftliche Ansatz der Orga nisationsent wick lung [2] ver steht Organisationen und deren Orga nisationsmitglieder als veränderbar. Wenn es aus der Sicht des Qualitätsmanagements um die Frage geht, von welchen Faktoren qualitätsförderliches Handeln bestimmt wird und mit welchen humanzentrierten Methoden der Mensch bei der Erfüllung der an ihn gestellten Forderung unterstützt werden kann, so sind in der Organisationsentwicklung von jeher Fragestellugen allgemein aufgeworfen worden, die im Kon text von Führung und Management ähnliche oder identische Sichtweisen wie beim Qualitätsmanagement zeigen. Für das Verständnis des Anliegens von OE ist es hilfreich, sich in Anlehnung an D. Geberts vorgeschlagene Explikation von OE zu halten, die die Vorstellungen international repräsentativer Autoren einbezieht, [3]: Unter Organisationsentwicklung versteht man den (…) bewusst gesteuerten Wandel einer Organisation von einem aktuellen Zustand hin zu einem gewünsch ten Zustand in der Zukunft. Dabei stehen nicht die Belange einer einzelnen Person oder eines einzelnen Arbeitsplatzes im Vordergrund; vielmehr liegt der Bezugspunkt aller Anstrengungen auf der Ebene der gesamten Organisation (…). Für den hier gemeinten Wandel ist typisch, daß er einen längeren Prozess beinhaltet, der partizipativ gestaltet ist und von vornherein die Person und die sie umgebende Situation in den Wandel integriert. (…) Definitionsgemäß verfolgt die Strategie der Organisationsentwicklung neben den
766
klassischen betriebswirtschaftlichen Zielen verstärkt auch Humanziele, wobei der Einfluss der humanistischen Psychologie erkennbar ist. Der Erfolg der Organisationsentwicklungsbemühungen wird u. a. an Kriterien wie Flexibilität und Innovationsfreudigkeit einer Organisation gemessen. Sowohl OE wie auch Qualitätsmanagement (QM) beziehen sich auf jegliche Form von Organisation, gleichgültig ob gewinnorientiert oder Nonprofit, produzierend oder dienstleistend. Der Amerikaner Rush bestimmt in seiner – wohl von vielen geteilten Kurzdefinition – den Veränderungs- und Effi zienzaspekt [4]. Organisationsentwicklung ist ein geplanter, gelenkter und systematischer Prozess zur Veränderung der Kultur, der Systeme und des Verhaltens einer Organisation mit dem Ziel, die Effizienz der Organisation bei der Lösung ihrer Probleme und der Erreichung ihrer Ziele zu verbessern. Da unter dem Gesichtspunkt der Problemlösung (z. B. Implementierung von QM) Kultur, System und Verhalten verändert werden sollen, heißt dies, Betroffene zu Beteiligten zu machen, eine der treffendsten Formeln der OE. Das lässt sich nur erreichen, wenn der in der Organisation arbeitende Mensch mit seinen Bedürfnissen einbezogen wird. Insofern ist die zitierte OE-Definition von Rush noch um den Hu manfaktor zu ergänzen (Zufriedenheit der MitarbeiterInnen). Auch bei den beiden Hauptzielen, die von Gebert wie folgt formuliert wurden, steckt der Veränderungsimpetus im Hin blick auf Organisation und Organisationsmitglied [5]: ◼ Humanisierung der Arbeitswelt (►HdA-Humanisierung der Arbeit), damit mehr Raum für die Persönlichkeits entwicklung und Selbstverwirklichung der Mitarbeiter geschaffen wird, und gleichzeitig ◼ Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Organisation sowie mehr Flexibilität, Veränderungs- und Innovationsbereit schaft. Dass es sich hier keineswegs um ein unlösbares Dilemma handelt, zeigen uns Organisationen, die es geschafft haben, ein hohes Leistungspotential zu erreichen und gleichzeitig ständig ihre organisatorische Mit- und Umwelt im Interesse Ihrer Mitglieder auszugestalten. 2 Zur Entstehung und Verbreitung von OE Die Ursprünge von OE liegen in den USA und Großbritannien. Schon vor und nach dem 2. Weltkrieg lassen sich Projekte nachweisen, die man später als OE bezeichnet hat. Mitte der 50er Jahre entstanden die ersten OE-Projekte. Rieckmann nennt auf diese Anfänge bezogen drei Axiome, die damals entdeckt wurden und noch heute Gültigkeit besitzen [6]: ◼ Selbsterfahrung und Feedback – Gerade durch gruppendynamischen Prozesse läßt sich nachweisen, dass mensch liches Verhalten durch Selbsterfahrung und Feedback verändert werden kann.
Begriff
1 Einführung Strategien, Ansätze und Techniken des Qua li täts managements fordern sowohl die Organisation wie auch besonders den Menschen. Für beide gilt es, den dauernden Wandel durch permanente, kontinuierliche Verbesserungen und Innovationen zu gestalten. Erkennbar ist mehr denn je, daß die Binnenstrukturen der Organisationen durch die wechselnden Forderungen der Außenwelt bestimmt werden (►Kundenorientierung). Mensch und Organisation haben sich ständig anzupassen.
Organisationsentwicklung
Organisationsentwicklung ◼ Beteiligung von Betroffenen – In gemeinsamen Willensbildungs- und Lernprozessen können sich Organisationen mit weniger Widerstand schneller und adäquater an wandelnde Forderungen anpassen. ◼ Systemperspektive – Die komplexe und dynamische Rea lität von Organisationen ist wesentlich adäquater erfassbar und veränderbar, wenn sie ganzheitlich als System gesehen wird. Über die USA gelangte der OE-Ansatz in den 50er und 60er Jahren nach Europa. Berater, Therapeuten, Studenten und v.a. engagierte Unternehmer erkannten das Potential, das in OE steckte. In Skandinavien und Großbritannien wurden OEProjekte mit der Bezeichnung Industriedemokratisierung in Gang gesetzt. In den 1970er Jahren durchlief der OE-Ansatz in der Bundesrepublik Deutschland die HdA-Projekte, in den USA wurden diese Projekte mit Begriffen wie quality of working life, personal growth, personal and cultural transformation belegt. Erst die aufkommende Kritik machte die Grenzen und Bedingtheiten von OE deutlich und sorgte dafür, dass die Anfangseuphorie gebremst wurde [7]:
Organisationsentwicklung interessiert an Entwicklung, oft voller Widersprüche und Begrenzungen und verhalte sich oft auch angepasst ohne Eigeninitiative. 3 Klassische Ansätze und Methoden Organisationsentwicklung hat wichtige und grundlegende Anregungen aus vier Richtungen erfahren, die für OE typisch sind und ständig tradiert und angewandt werden [8]: ◼ ◼ ◼ ◼
Laboratoriumsmethode Survey-Feedback-Methode Tavistock-Ansatz Aktionsforschung
Während die ersten beiden gruppenbezogenen methodischen Ansätze auf den Arbeiten von Kurt Lewin beruhen, geht es beim Tavistock-Ansatz darum, technische und soziale Strukturen in Einklang zu bringen, um optimale Funktionstüchtigkeit zu erzielen. Der Ansatz wurde vom Londoner Tavistock Institute of Human Relations Ende der 1940er Jahre entwickelt und wird heute oft in der Form von Friedlander und Brown dargestellt (Abbildung O02): Ansatzpunkte für Interventionen sollten danach gleichzeitig auf der humanprozessualen wie auch auf der techno-strukturellen Ebene gesucht werden. So wären gleichzeitig Ergebnisse im Bereich der Aufgabenerfüllung und Bedürfnisbefriedigung zu erwarten. – Bei der Aktionsforschung handelt es sich um einen rollenden Prozess empirischen Lernens, der ständig zwischen Handlung (action), Daten-Sammlung und -Feedback und dann wieder Handlung wechselt.
◼ OE sei nur ein Bauchladen eklektisch zusammengewürfelter psychosozialer Tech niken und Methoden, der durch Scharlatane unseriös angewandt werde. ◼ OE fehle es an einer Theorie der Veränderung sozialer Systeme. Die Wirksamkeit empirischer Erfahrungen ließe sich nicht generalisierend nachweisen (Wenn-DannAussagen, Erklärungen und Prognosen seien nicht mög lich). ◼ OE habe die eigenen Zielsetzungen nicht erreichen können, v. a. mehr Menschlichkeit, WirtAbb. O02: Human-prozessuale und techno-strukturelle Ansätze schaftlichkeit und die Vereinbarkeit von Person – Der Tavistock-Ansatz Ansatzpunkte der Ergebnisse der und System. Vielmehr sei grundsätzlich ein Interventionen Interventionen Dauerkonflikt annehmbar. ◼ OE nütze dem Management nur bedingt und Human-prozessuale Ansätze Menselektiv bei der Bewältigung seiner Aufgaben. Organisatorische schen Menschliche ◼ OE wurde zunehmend auch von den Ge Prozesse Befriedigung werkschaften kritisch gesehen. ◼ OE wurde ambivalent eingeschätzt: einerseits sei unverkennbar, daß Potentiale geweckt würOrganisatorische AufgabenStrukturen erfüllung den und die Leistungsfähigkeit von OE erkennTechnologie bar sei, andererseits sei die Wirksamkeit nicht Techno-strukturelle Ansätze evaluierbar: Vage Zufriedenfriedenheitsgefühle reichen nicht. Zudem seien die Prozesse zu zeit Quelle: Friedlander & Brown 1974 nach [8], S. 593 aufwendig. ◼ OE sei Sozialtechnologie (für Manager) zur besseren Gestaltung, Lenkung und Anpassung von Organisation und 4 Erfolgsbedingungen von OE Mitarbeiter an wechselnde Umwelt- und InweltbedinComelli hat in einem Überblicksartikel [9] versucht Bedingungen. gungen und Postulate für den Erfolg von OE zu formulieren. ◼ Das ►Menschenbild von OE sei unrealistisch: Der als Sie können dem Praktiker als Leitfaden helfen und sind silernwillig und entwicklungsengagiert vorausgesetzte cherlich nicht nur für OE-Projekte interessant und könnten Mitarbeiter/Manager kann nicht das Muß eines theosomit auch bei der Umsetzung des Qualitätsmanagements retischen Ansatzes sein. So wirke dieses Menschenbild eine Hilfestellung bieten (Abbildung O03). Zum Erfolg von moralisierend und dogmatisierend. Der real existierende Organisationsentwicklung gibt Comelli die folgende Ein Mensch sei eben häufig … manchmal überhaupt nicht schätzung [10]:
767
O
Organisationsentwicklung Abb. O03: Erfolgsbedingungen für Organisationsentwicklung
Erfolgsbedingungen für OE
O
1 Top-down-Strategie bevorzugen – Selbst bei begrenzten Projekten sollte die (nicht nur verbale) Unterstützung mindestens der übernächsten Entscheidungsebene gesichert sein. Bei Projekten, die ganze Bereiche oder die Gesamtorganisation umfassen, muss die Unternehmensleitung hinter dem Projekt stehen und sich dafür verantwortlich fühlen. 2 Veränderungsziele klar definieren – Dies gibt nicht nur eine klare Orientierung für alle Beteiligten, sondern soll auch absichern, daß OE nicht als Deckmantel für verdeckte Ziele missbraucht wird. Die Veränderungsabsicht muss echt sein. 3 Gründliche Problemdiagnose – Sie ist einerseits Voraussetzung für das richtige Verständnis des Prozesses, andererseits die unabdingbare Basis für eine optimale Maßnahmenplanung. 4 Kein ungesunder Zeitdruck – und eine gewisse Kontinuität der Köpfe. OE ist eine partizipative Methode, deshalb ist sie zeitaufwendiger als weniger kooperative Ansätze. Außerdem muß gewährleistet sein, daß der Veränderungsprozess nicht durch andere plötzliche Veränderungen bei den Betroffenen und Beteiligten (…) gestört wird. 5 Die Prinzipien der Offenheit, Vertraulichkeit und Transparenz sind nicht verhandelbar – Dies heißt: Verzicht auf jegliche Manipulation. 6 Problembewusstsein muss vorhanden sein – Der erste Schritt für jede Veränderung ist die Identifikation mit dem Problem. Ist dieser Zustand noch nicht erreicht, muss erst Problembewußtsein geschaffen werden. 7 Die Organisation muss „reif“ sein für OE – Es muss abgesichert sein, dass durch den partizipativen Ansatz von OE das Betroffenensystem nicht überfordert wird: Wo man sich erst nicht trauen sollte, den Mund aufzumachen, ist die Zeit und ist die Situation noch nicht reif für OE. 8 Die Organisation dort abholen, wo sie steht – Dieser aus der Gruppendynamik stammende Satz gilt auch für Organisationen. Selbst bei „gigantischen“ Visionen startet jede Veränderung mit dem ersten Schritt – und der beginnt bei der Realität! OE braucht Geduld. 9 Der Organisationsentwickler muss zur Organisation passen – Nicht jeder Organisationsentwickler paßt zu jeder Organisation, oder besser: zu jeder Organisationskultur. Nach meinen Erfahrungen ist die Akzeptanz des Organisationsentwicklers bei den Betroffenen eine nicht zu vernachlässigende Erfolgsvariable im Prozess. 10 Keine zu großen Schritte planen – „Don’t push too hard!“ – sagen die Angelsachsen. Kleine Schritte überfordern das Betroffenensystem nicht und sorgen zudem relativ schnell für erste stabilisierende Erfolgserlebnisse. Quelle: [9], S. 606f
„Einen empirisch gesicherten Beweis über die Auswirkungen von OE-Projekten zu erbringen, ist mit großen methodischen Schwierigkeiten verbunden. Dennoch gilt es als unumstritten, daß OE fassbare Erfolge bringen kann, die – zumindest subjektiv – von Betroffenen, Beteiligten und Beobachtern den durchgeführten Maßnahmen zugeschrieben werden. OE-Projekte befassen sich mit echten Vorgängen, und diese sind der Realität ‘ausgesetzt’. Damit sind die Vorgänge einer komplexen Vielzahl von beeinflussenden Faktoren unterworfen. Das methodische Problem der Erfolgsmessung bei OE liegt denn auch weniger in der Erfassung der Auswirkungen als vielmehr in der gesicherten Zuschreibung der Erfolge zu den Maß nahmen.“
Organisationsentwicklung 5 Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement OE hat es aus einer ganz spezifischen Perspektive unter Verfolgung bestimmter Ansätze und methodischer Vorgehens wei sen mit dem Zusammenwirken von Mensch und Organisation zu tun. Bei der Durchführung von Veränderungsprojekten treten naturgemäß identische Phänomene auf wie bei der praktischen Umsetzung in QM-Projekten [11]: Führungsstil, Organisationsklimaverbesserung, Verbesserung der Kommunikation, Aufgeschlossenheit für Feedback, Konfliktfähigkeit, Prakti zieren von effektiver Teamarbeit, besseres Entscheidungshandeln, Schaffung effizienterer und akzeptierterer Strukturen und Regeln, Vertrauen in die Organisation, gestiegenes Veränderungsbewußtsein und größere Veränderungsbereitschaft, mehr Zufriedenheit und größeres Engagement. Organisationsentwicklung betont genau wie Qualitätsmanagement den Prozess: Während es im Qualitätsmanagement heißt Qualität von Anfang an, heißt es bei der Organisationsentwicklung: Von Beginn an auf die Diagnose des Problems und wie das Ziel erreicht werden soll größtmögliche Aufmerksamkeit legen. Die Problemlöse-Systematik hat denn auch frappierende Ähnlichkeiten mit dem aus dem Quali tätsmanagement bekannten ►Deming-Kreis, wie Abbildung O04 zeigt. Comelli betont hierzu [12]: „Diese Überprüfung der Auswirkungen der beschlossenen Maßnahmen stellt gleichzeitig schon wieder eine Daten-Sammlung dar, die unter Umständen die nächste Prozessrunde einleitet. Auf diese Weise ergibt sich ein ständiger Kreislauf von Diagnose, Aktion und Evaluation. Man spricht deshalb auch von rollierender Planung und bezeichnet den Gesamtvorgang als experimentelles Lernen.“ Mit der Thematisierung von Psychologie im Qua li tätsmanagement machen J. Schultz-Gambard, K. Lauche u. J. Hron darauf aufmerksam, dass die psychologischen Impli kationen im Qualitätsmanagement bisher nicht explizit als solche beachtet worden sind, obwohl genuine Ansätze der Arbeits- und Organisationspsychologie, also auch der Orga Abb. O04: Phasenmodell eines Veränderungsprozesses nach OE Problemerkennung (akute und zukünftige Probleme)
Datensammlung
Erfolgskontrolle
Organisationsdiagnose
Maßnahmendurchführung
Daten-Rückkoppelung an die Betroffenen Maßnahmenplanung
Quelle: In Anlehnung an Rush 1973 nach [4], S. 597
768
Organisationsentwicklung nisationsentwicklung, wie Führung, Arbeitsgestaltung und Personalentwicklung angesprochen und permanent Gegenstand praktischer Umsetzungen sind [13]. In lockerer Rei henfolge werden von den Autoren zutreffende arbeits- und organisationspsychologische Voraussetzen für das Gelingen von QM aufgelistet. Die Autoren diskutieren die folgenden ausgewählten Themen unter Rückgriff auf ihre psychologische Relevanz [14]: 1 „Verbindliche Unterstützung der Leitung bei der Gewährung zeitlicher, räumlicher und personeller Ressourcen, Modellfunktion der Leitung. 2 Entscheidung und Koordination, um die Bemühungen nicht auf den produktiven Sektor zu beschränken und die Orientierung am Markt zu gewährleisten. 3 Information und Kommunikation als kognitive und motivationale Voraussetzung für qualitätsbewußtes Handeln der Mitarbeiter. 4 Prozessorientierte Integration von Aufgaben durch Etablierung interner Kunden-Lieferanten-Beziehungen und einen höheren Handlungs- und Gestaltungsspielraum zu mehr Verantwortung und Eigenbeteiligung. 5 Einsatz von Gruppen und Teams zur Bearbeitung von Problemen und zur Verbesserung der Prozeßqualität. 6 Umfassende Qualifizierung zu fachlichen, methodischen und sozialen Aspekten von Qualitätsmanagement. 7 Nachvollziehbares Belohnungssystem zur unbürokratischen Förderung von Eigeninitiative hinsichtlich Qualitätsverbesserung.“ Beim Bewerten dieser Liste drängt sich die Einordnung der Themen in den OE-Ansatz förmlich auf. Um weitere Forschung gezielt anregen und den Einfluss der OE auf das QM in der praktischen Umsetzung fundieren zu können, sollte es darum gehen, Ähnlichkeiten und Unterschiede beider An sätze gegenüberzustellen um darauf aufbauend das gegenseitige Verständnis offenzulegen, um so ein Zusammenspiel zu ermöglichen. Diesem ersten Schritt soll die folgende abschließende Übersicht dienen (Abbildung O05). „Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung sind verwandt und ergänzen einander.“ [20, S. 16] Heißt es in einer neueren Publikation von Benedikt Sommerhoff von der DGQ. Die in Abbildung O05 in synoptischer Absicht gegenübergestellten Inhalte verdeutlichen das, lassen aber auch erkennen, dass manche Inhalte gegensätzliche Ausprägungen zeigen. Die in der Abbildung nicht berücksichtigten Instrumente des Coachings, der Supervision und der Teamentwicklung u. v. a. m. entstammen den Sozialwissenschaften und zählen inzwischen zum Methodeninventar von OE-Beratern. Sie werden von versierten Fachleuten aus diesem Bereich vertreten und eingesetzt. In ihnen wird sehr stark das systematische Einbeziehen der Mitarbeiter in den Entwicklungsprozesse betont. Theoretisch wird das auch in allen QM-Konzepten bis hin zum Lean Management angenommen. In vielen Unternehmen ist es alltäglich geworden die Mitarbeiterperspektive und die Unternehmenskultur mehr zu berücksichtigen
Organisationsentwicklung und dem Kurs des Business Reengineering gepaart mit einer Bombenwurfstrategie abzuschwören. Gelernt wurde, dass gemeinsame Lernprozesse und die Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter die Akzeptanzprobleme verringern. Aber diese Art Organisationsveränderung zu betreiben nimmt deutlich mehr Zeit in Anspruch. Es ist zu vermuten, dass in der Praxis häufig die Bottom-Up-Orientierung zugunsten einer stärkeren Top-Down-Strategie abgeändert wird. Hinzukommt, dass es wohl naiv ist, zu glauben, dass in der wirtschaftlichen Praxis tatsächlich – wie die Theorie nahelegt – ökonomische und humane Aspekte als gleichwertig angesehen werden. Dies würde der Aufgabe der Unternehmensleitung und dem Zweck des Unternehmens diametral entgegenstehen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss davon ausgegangen werden, dass die Bedürfnisse der Mitarbeiter gegenüber den Zielen der Shareholder an Bedeutung verlieren. Von Gleichrangigkeit ökonomischer und humaner Ziele kann also keine Rede sein. Das frühe Scheitern der HdA-Bewegung in den 1970ger Jahren mag da ein Beispiel sein, auch wenn einige Elemente der damals gewonnenen Erkenntnisse nach wie vor Bedeutung erlangt haben. Dennoch sollte dies nicht pessimistisch stimmen und der Aussage von Benedikt Sommerhoff gefolgt werden [20, S. 18]: „Die Unternehmen haben einen Bedarf an Organisationsentwicklung. Die Qualitätsmanager haben eine Chance, ihre Funktion aufzuwerten. Und ganzheitliches Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung haben einen hohen Verwandtschaftsgrad, sodass sich zwei für das Unternehmen relevante Themen sinnvoll miteinander verknüpfen lassen.“ Alles hängt sehr stark – und das ist eine neue Entwicklung – an der veränderten Rolle des Qualitätsmanager als Organisationsentwickler. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Sennett, R.: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin: Berlin Verlag 1998, S. 199 [2] Der aufmerksame Leser möge allerdings hier im Lexikon das Stichwort ►Qualitätswissenschaft beachten. Dort ist dargelegt, daß innerhalb dieses interdisziplinären Fachgebiets den Sozialwissen schaften eine besondere Rolle zukommt, die bisher gar nicht bis kaum wahrgenommen wurde. [3] Der übernommene Text wurde an den gekennzeichneten Stellen geändert. Vgl. Gebert, D.: Organisationsentwicklung und -beratung. In: Greif, S. u.a., Arbeits- und Organisationspsychologie. 3. Auflage. Weinheim: Psychologie VerlagsUnion 1997, S. 354 [4] Rush, H. M. F.: Organization development: A reconnaissance. New York: The Conference Board Inc. 1973. – Zitiert nach der deutschen Übersetzung von Comelli, G.: Organisationsentwicklung. In: Rosenstiel, L. v. u. a. (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern. Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement. 3. Auflage. Stuttgart 1995, S. 591 [5] Gebert, D.: Organisationsentwicklung. Stuttgart: Kohlhammer 1974 [6] Rieckmann, H.: Managen und Führen am Rande des 3. Jahrtausends. Praktisches, Theoretisches, Bedenkliches. Frankfurt am Main u.a.: Lang 1997, S. 135
769
O
Organisationsentwicklung
Organisationsentwicklung
Abb. O05: Gegenüberstellung Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung anhand ausgewählter Kriterien Kategorie/Kriterium
Qualitätsmanagement (QM)
Organisationsentwicklung (OE
1 Dominierende Fachdisziplinen
◼ ◼ ◼
Ingenieur wissenschaften Arbeitswissenschaft Betriebswirtschaftslehre
◼ ◼ ◼
Arbeits- und Organisationspsychologie Sozialpsychologie Industrie- und Betriebssoziologie
2 Selbstverständnis zum Gegenstand
◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Qualität steht im Mitelpunkt Qualitätsbezogene Tätigkeiten Qualitätsverbesserung als kontinuierlicher Prozess Eleminieren von Verschwendung (Muda) Streben nach Exzellenz
◼ ◼
Engagement zur Veränderung von Organisationen OE als Problemlöse-Labor der Praxis – Empirische Legitimation durch A- + O-Psychologie
3 Objektbereich
◼ ◼
Jegliche Art von Organisation Partner von Organisationen
4 Zielsetzung
◼ ◼
Verbesserung der Produktqualität Entwickeln, Implementieren und Stabilisieren von QM-Systemen Verbessern der Wetbewerbsfähigkeit
◼
Managementkonzept (Vorleben durch oberste Leitung; Verantwortung oberste Leitung; QM ist Jederman-Qualifikation und; jeder ist für Qualität verantwortlich) QM-Modelle: international abgestimmt, Streben nach geteilten Definitionen
◼
Entscheidung für eine QM-Strategie Unterstützung durch Berater Darlegungsmodelle (z. B. ISO 9001) Bewertungsmodelle (z. B. EFQM, LEP) Umsetzungsmodelle (z. B. TQM-Umsetzung) Absicherung der Ergebnisse durch Audits, Zertifizierung, Assessments u. a.
◼ ◼
◼
5 Modellvorstellungen
◼
◼
6 Empirisches Vorgehen (Vorgehensmodell?)
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
◼
◼ Umfangreiches und vielfältiges Arsenal an Quali7 Techniken/Methoden tätstechniken, die auch die Sozialtechniken der (Anwendung durch MitOrganisationsentwicklung einschließen arbeiter der Organisation)
8 Institutionalisierung/ Professionalisierung
O
9 Bedarf
◼ Schwerpunkt im außeruniversitären Bereich; Ausund Weiterbildung v. a. durch DGQ, TÜV u.a.; Einfluss des DIN eV; enge Verbindungen zu wirtschaftlichen Institutionen und Unternehmungen; ehrenamtliche Tätigkeiten; Fachzeitschrift QZ ingenieurwissenschaftlich orientiert; starke Beraterkultur ◼ Lehrstühle für QM an vier Universitäten in Deutschland angesiedelt (vor wiegend Ingenieur wissenschaftlich ausgerichtet) ◼ QM-Beratung gefragt ◼ Forderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat nach Zertifizierung von QM-Systemen wächst in allen Branchen (s. Forderungen der EU-Richtlinie) ◼ Branchenspezifische Differenzierung (Proliferation) führt zu erhöhter Nachfrage nach speziell ausgebildeten Beratern und Fachkräften in den Organisationen (Q-Berufe)
[7] nach [6], S. 138ff – Auswahl und Kürzungen vom Herausgeber. [8] Beispielhaft sei hier genannt: Comelli, G.: Organisationsentwicklung. In: Rosenstiel, L. v. u.a. (Hrsg.): Führung von Mitar beitern. Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement. 3. Auflage, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 591-593 [9] s. [8], S. 606-607. – Text im Original übernommen. [10] s. [8], S. 605-606 [11] s. [8], S. 606 [12] s. [8], S. 589 [13] Schultz-Gambard, J. u.a.: Qualitätssicherung und Qualitätsma nagement. In: Graf Hoyos, C.; D. Frey (Hrsg.): Arbeits- und Or ganisationspsychologie. Ein Lehrbuch. Weinheim: Beltz Psychologie VerlagsUnion 1999, S. 91-104 [14] s. [13], S. 94
770
◼
◼ ◼ ◼
◼
Jegliche Art von Organisation Humanisierung der Arbeit: Persönlichkeitsentwicklung, Selbstverwirklichung, Partizipation Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Organisation: mehr Flexibilität, Veränderungs- und Innovationsbereitschaft Humanisierung der Arbeit durch System-, Kultur-, Verhaltensveränderung eher Botom-Up als Top-Down-Vorgehen Sozio-technischer Systemansatz Aktionsforschung Spezifische Problemstellung Setzt Organisationsberatung / Begleitung voraus (change agent, Prozessberatung) Berater- und / oder wissenschaftlich kontrolliertes Forschungsprojekt (Aktionsforschung, Survey-FeedbackMethode nach Kurt Lewin u.a.)
◼ Sozialtechniken, wie Gruppenarbeit, Qualitätszirkel, Präsentations- und Moderationstechniken ◼ OE im Fächerkanon an Universitäten und Fachhochschulen fest integriert ◼ OE-Vereinigung – eigene wissenschaftliche Fachzeitschrift, Scientific community ◼ OE-Berater arbeiten nach dem Prozessmodell und dem Systemansatz, entstammen oft dem universitären Bereich bzw. beraten aus diesem heraus
◼ Teilweise skeptische Haltung gegenüber OE ◼ Objektiver Bedarf an OE-Beratung gegeben ◼ Inanspruchnahme von umfassender OE-Beratung eher rückläufig ◼ Nachfrage nach parzellierten Lösungsstrategien zunehmend (z. B. Qualitätszirkel)
ga nisationsentwicklung. [15] French, W. L.; Bell, C. H. jr.: Or Sozialwissenschaftliche Strategien zur Organisationsveränderung. 4. Aufl. Bern u.a.: Haupt 1994 (1. Auflage 1977) [16] Gebert, D.: Organisationsentwicklung. In: Graf Hoyos, C. et al. (Hrsg.): Wirtschaftspsychologie in Grundbegriffen. München: Pschologie VerlagsUnion 1990, S. 282-292 [17] Philipps, G.: Das Konzept der Organisationsentwicklung. Ansätze und Kritik sowie Konsequenzen für die Ausgestaltung von OEProzessen in der Praxis. Frankfurt am Main u.a.: Lang 1999. [18] Rosenstiel v., L. Streich, R. K.; Rau, S. (Hrsg.): Motivation durch Mitwirkung. Stuttgart: Schäffer 1987 [19] Schein, E. H.: Organizational Psychology, 3rd ed. Englewood Cliffs J.M. 1980 [20] Sommerhoff, B.: EFQM zur Organisationsentiwcklung. München (Hanser) 2013
Organisationsgestaltung
Organisationsgestaltung
Organisationsführung
▶ISO 26000/DIN ISO 26000
Organisationsgestaltung
Begriff
▶en: organizational design ▶Ablauforganisation: Structure follows Process! ▶Aufbauorganisation: Process follows Structure! ▶Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 ▶EFQM-Modell 2013 ▶Qualitätstechniken
Gegen stand der Organisationsgestaltung ist die Aus ge staltung der organisatorischen Rahmenbedingungen in Form von Aufbau- und Ablauforganisation, wobei die moderne Organisationsgestaltung die Aufbau- und Ablauforganisation nicht als voneinander unabhängige Phänomene betrachtet, sondern als zwei sich ergänzende Bestandteile mit vielfältigen Wechselwirkungen, die es gleichrangig zu gestalten gilt. Im heutigen Verständnis der organisatorischen Gestaltung wird vermehrt dem Modell der Prozessorganisation gefolgt. Prozessorientierte Organisationsgestaltung folgt dem Gestaltungsmuster, dass Arbeitsgänge und Arbeitsgangfolgen unabhängig von dem aufbauorganisatorischem Kontext zu entwerfen und Stellen erst auf der Basis integrierter Verrichtungskomplexe zu bilden sind [1]. 1 Einführung Mit der Produktion und der Dienstleistungserbringung und deren Verkauf erzielen Unternehmen Umsatz, aber nicht unbedingt Profit. Somit bleiben dem Unternehmen grundsätzlich zwei Stellschrauben für die Gewinnerzielung. Sie können ihre Produkte teuer verkaufen, oder sie können die Unternehmensabläufe so organisieren, dass die Wertschöpfungsverluste möglichst gering sind. Dabei ist entscheidend, wie gut die Organisationsgestaltung auf die Zielerreichung des Unternehmens abgestimmt ist. Abbildung O6 zeigt im Hintergrund ein Organigramm, das die Aufbaustruktur oder ►Aufbauorganisation eines Unternehmens sehr gut darlegen kann. Aus einem Organigramm ist erkennbar, welche Organisationseinheiten (z.B. NiederAbb. O6: Aufbau- und Ablauforganisation
Kunde
Kosten
Zeit
Qualität
lassungen, Abteilungen, Führungskräfte und Mitarbeiter) ein Unternehmen hat. Auch kann angedeutet werden, wie Weisungsbefugnisse und Berichtswege in der Organisation gestaltet sind. Die Aufbauorganisation ist damit eine Unternehmensgliederung. Die Darstellung der ►Ablauforganisation zeigen die Unternehmensaktivitäten und wie die Arbeitsflüsse im Unternehmen organisiert sind. In der Regel werden dazu Prozessbeschreibungen verwendet. Sie erklären, wie die Kundenforderungen von der Organisation aufgenommen werden und wie die ►Arbeitspakete durch das Unternehmen „fließen“, bis der Kunde am Ende sein fertiges Produkt geliefert bekommt. Die Ablauforganisation zeigt also das Zusammenspiel der Organisationseinheiten, die in der Aufbauorganisation festgelegt sind. Der Kunde bewertet die Unternehmensleistung in den drei Basiskategorien Zeit, Kosten und Qualität. Diese drei Kategorien werden häufig auch „Qualitätsdreieck“ genannt. Wenn er insgesamt zufrieden ist, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit wieder Produkte bei dem Unternehmen kaufen. Ist er nicht zufrieden, findet er in der Regel ausreichend Wettbewerber, die ihm die Produkte ebenfalls zur Verfügung stellen können. Um für die Kunden ein attraktiver Geschäftspartner zu bleiben sind Unternehmen ständig gefordert, ihre Ablauforganisation auf Optimierungspotenzial zu prüfen und kontinuierlich zu verbessern. Auch die Organisationsstruktur (Aufbauorganisation) muss kontinuierlich hinterfragt werden, ob Anpassungen notwendig sind, die helfen die Kundenzufriedenheit weiter zu erhöhen [2] [3]. 2 Modelle für die Organisationsgestaltung 2.1 Das Modell der ISO 9001:2015 Hilfestellung für die Organisationsgestaltung bietet die Normenreihe der ►ISO 9000 ff. Diese Normenreihe wurde speziell für ►Qualitätsmanagementsysteme entwickelt und zeigt, wie sich Unternehmen aufstellen können, um aus organisatorischer Sicht ein bestmögliches Zusammenspiel der Unternehmensabläufe zu erreichen. Die Mindestforderungen an ein ►Qualitätsmanagementsystem zeigt die ►ISO 9001:2015. Bei der Erfüllung dieser Normenforderungen kann ein Unternehmen, das sein QM-System einem externen Zertifzierungsunternehmen gegenüber darlegt, auch ein Zertifikat erhalten. Die ISO 9001 wurde Stand Dezember 2014 überarbeitet. Die Veröffentlichung der Großrevision erfolgte im Jahr 2015. Hilfestellung bei der Umsetzung der Forderungen der ISO 9001 sind in Kunde der ISO 9004:2009 aufgeführt. In der ISO 9001 war ein Prozessmodell dargestellt – ein Qualitätsregelkreis für die Organisationsgestaltung. (s. Stichwort ►Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9000). Zu erkennen ist in dem Modell, wie die Kundenforderungen von dem Unternehmen aufgenommen und die gewünschten Produkte realisiert werden. Diese Produkte werden dann dem Kunden verkauft. Die Norm fordert, dass die Realiserungsprozesse ge-
771
O
Organisationsgestaltung
2.2 Das Modell der Prozesslandkarte Um die Transparenz der Unternehmensabläufe zu verbessern, verwenden die meisten Unternehmen sogenannte Prozesslandkarten (Abbildung O08). Diese bieten auch eine kombinierte Darstellung der Aufbau- und Ablauforganisation. Die Struktur unterteilt sich in drei Prozesskategorien.
772
Kunden
messen, analysiert und beAbb. O7: Struktur des Qualitätsmanatementsystems nach ISO 9001:2015-11 wertet werden. Weiter muss Qualitätsmanagementsystem (4) die Kundenzufriedenheit gemessen werden. Die Ergebnisse der Analysen werden Unterdem Top Management präOrganisation stützung und deren sentiert. Die Manager haben & Betrieb DurchPlanen Kontext (4) (7, 8) weiter die Aufgabe, die Kunführen denforderungen zu ermitKundenzufriedenheit teln. Damit wissen die Unternehmensentscheider, wie gut die Leistung der internen BewerErgebnisse Anforderungen tung der Planung Führung Unternehmensprozesse ist, des QMS des Kunden Leistung (6) (5) wie zufrieden die Kunden (9) sind und was die Kunden in Zukunft für Produkte von Produkte und Dienstleistungen dem Unternehmen erwarten. Demzufolge müssen die Erfordernisse und Handeln Prüfen entsprechenden Ressourcen VerbesseErwartungen rung freigegeben werden, um die der relevanten (10) Unternehmensprozesse kon- interessierten Parteien (4) tinuierlich zu verbessern. Ziel ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der OrLegende ganisation [4] [5] [6]. In Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Abschnitte der ISO 9001:2015 der ISO 9001:2015 ist ein Die Führungsprozesse (auch Managementprozesse genannt) derartiges Prozessmodell beschreiben die Unternehmenssteuerung. Weiter sind Kernnicht eingearbeitet worden. Abbildung Q07 zeigt dagegen die prozesse dargestellt, die zeigen mit welchen Bereichen das Struktur des neuen QM-Systems, in dem differenziert nach Unternehmen Umsatz generiert. Die Kernprozesse starten den einzelnen Normkapiteln ebenfalls der Prozessgedanke zu und enden in der Regel bei den Kunden. Die dritte Kategorie erkennen ist. Klar herausgearbeitet wurde der auf das QMbilden die unterstützenden Prozesse. Diese sollen helfen, die System bezogene Verbesserungskreislauf nach dem PDCAKernprozesse, etwa die Instandhaltung der ProduktionsmitZyklus (Planen, Durchführen, Prüfen, Handeln ff). tel, möglichst effizient durchzuführen. Die Instandhaltung ist Bei der Großrevision der ISO 9001:2015 ist die auffälligste aufwendig und kostspielig, aber wenn sie nicht durchgeführt Änderung die Strukturerweiterung auf die ►High Level Stucwird, sinkt die Produktivität und Wertschöpfung in der Fertiture (HLS) von acht auf zehn Kapitel. Diese Struktur soll gung. Mit einer Prozesslandkarte kann schon die grobe Orgazukünftig für alle QM-Systemnormen gelten und folgt dem nisation der Abläufe angedeutet werden. ►PDCA-Zyklus. In der neuen Norm wird der prozessorienAbb. O08: Prozesslandkarte tierte Ansatz deutlicher hervorgehoben. Weiter sollen sich die Führungskräfte stärker dem Qualitätsmanagement im Managementprozesse Unternehmen verpflichten. Das Bewerten der Leistung sowie der Stärken und Schwächen findet ebenfalls mehr Beachtung in der Norm. Deutlicher betont wird auch der risikobasierte Ansatz, wobei dieser an die strategische und operative Ebene Kernprozesse adressiert ist. Zukünftig können Unternehmen auch auf das ►Qualitätsmanagementhandbuch verzichten und die QMDokumentation nach eigenem Ermessen, beispielsweise ausUnterstützungsprozesse schließlich in EDV-Form, sicherstellen [7] [8]. Kunden
O
Organisationsgestaltung
Organisationsgestaltung
Organisationsgestaltung tion for Quality Management (EFQM). Mit dem ►EFQMModell (Abbildung O10) können Organisationen mit neun Elementen dargestellt werden.
Abbildung O09 zeigt die weitere Unterteilung in Prozesshierarchien. Über verschiedene Aggregationsstufen kann gezeigt werden, welche Prozesse im Unternehmen verankert sind. Die Detailbeschreibungen werden häufig mit ►Flussdiagrammen und ►Swimlanes gezeigt. Meist sind in diesen Prozessbeschreibungen auch Zuständigkeiten, notwendige Prozessmittel und Zeitvorgaben für die Aufgabenerfüllung enthalten.
Das EFQM-Modell unterteilt eine Organisation in Befähiger und Ergebnisse. Das bedeutet, dass das Zusammenspiel von Top Management, Mitarbeiter, den Interessenspartnern und der Prozessstuktur so organisiert sein soll, dass die bestmöglichsten Ergebnisse erzielt werden können. Mit Hilfe der speziell entwickelten Bewertungsmethode ►Radar® kann dadurch der organisatorische Reifegrad eines Unternehmens
2.3 Das Modell der EFQM Ein weiterführender Ansatz für Unternehmensorganisation bietet die Managementphilosophie der ►European FoundaAbb. O09: Prozesshierarchien im Unternehmen
Prozesshierarchien im Unternehmen
Managementprozesse
Ebene 1: Prozesslandkarte Kunden
Kunden
Kernprozesse
Unterstützungsprozesse
Ebene 2: Prozessübersicht
Produktion Entwicklung Vertrieb
Ebene 3: Fachliche Prozessmodellierung (grob)
Produktion
Arbeitsvorbereitung
Kommissionierung
Produktion
Qualitätssicherung
Ebene 4: Teilprozesse
Start
O
Teilprozess
Teilprozess 1 Qualitätssicherung Teilprozess 2 Qualitätssicherung Ende
Elementarprozess
…
…
⁓
Ebene 5: Detailprozesse
Pflichtenheft Projektplan
Entwurfszeichnung
Pflichtenheft, Entwurfszeichnung
geprüfte Entwurfszeichnung
Pflichtenheft, geprüfte Entwurfszeichnung
freigegebene Entwurfszeichnung
⁓
…
773
Organisationsgestaltung bestimmt werden. Damit kann dargelegt werden, wie gut die Organisation eines Unternehmens im Verhältnis zu Wettbewerbern ist. Somit ist auch die Teilnahme an Qualitätspreisen, wie in Deutschland dem ►Ludwig-Erhard-Preis oder Europaweit dem ►EFQM-Excellence-Award, möglich [9].
Organisationsklima Abb. O10: Das EFQM-Modell 2013 Befähiger Führung
10%
3 Methoden zur Leistungsmessung Das Messen und Bewerten von Unterehmensprozessen ist eine der HauptaufgaEFQM-Modell 2013 ben des Managements, um auf Basis von fundierten Kennzahlen die notwendigen Ressourcen für die Unternehmensentwicklung freigeben zu können. Bekannte Methoden dazu sind ►Six Sigma, ►Wertstromanalyse oder die Prozess Fehlermöglichkeits- und Einfluss Analyse (►FMEA). Diese ►Qualitätstechniken haben ihren Ursprung in den Produktionsbereichen. Dementsprechend eigenen sie sich in erster Linie für eine Verbesserung hinsichtlich der Produktqualität und den Prozesszeiten. Der Kostenaspekt liegt nicht in Fokus dieser Methoden [10].
O
Aktuell wurden zwei neue Methoden entwickelt, die den Kostenaspekt in der Montage und der Administration bewertbar machen. Aus der ►FMEA konnte die ►Fehler-Prozess-Matrix (FPM) abgeleitet werden. Sie wird häufig für die Risikoabschätzung bei Montageprozessen eingesetzt, da sie dort wesentlich schlanker und effizienter zu handhaben ist als die FMEA. Darüberhinaus können mit der FPM die Nacharbeitskosten sowie die Garantie- und Kulanzkosten bei Montagefehlern analysiert werden. Eine Weiterentwicklung der FPM ist die Methode ►Prozesseffizienz- und Effektivitätsmessung PE²®. Mit PE²® können die administrativen Geschäftsprozesse hinsichtlich Effizienz und Effektivität unter monetären Gesichtspunkten analysiert und verbessert werden [11] [12]. Dr.-Ing. Paul Thieme, IPA, Stuttgart
Literatur
[1] Gaitanides, M.: Prozessorganisation. Entwicklung, Ansätze und Programme des Managements von Geschäftsprozessen. 3. Aufl. München (Vahlen) 2012 [2] Ketting, Michael; König, Wolfgang; Masing, Walter; Wessel, Karl-Friedrich (Hrsg.): Qualitätsmanagement – Tradition und Zukunft; München (Hanser Verlag) 2002 [3] Bullinger, Hans-Jörg; Spath, Dieter; Warnecke, Hans-Jürgen; Westkämper, Engelbert (Hrsg.): Handbuch Unternehmensorganisation; Heidelberg (Springer Verlag) 2009; S. 3-23 und S. 150-152 [4] DIN EN ISO 9000:2005: Qualitätsmanagementsysteme Grundlagen und Begriffe; Beuth-Verlag; Berlin [5] DIN EN ISO 9001:2008: Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen; Beuth-Verlag; Berlin [6] DIN EN ISO 9004:2009: Qualitätsmanagementsysteme – Leitfaden zur Leistungsverbesserung; Beuth-Verlag; Berlin [7] ISO/CD 9001: quality management systems – requirements; September 2013 [8] Bünting, Frank: Welche Veränderungen bringt die Revision ISO
774
Ergebnisse Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 10%
Prozesse, Produkte und Dienstleistungen
Mitarbeiterbezogene Ergebnisse 10%
10%
Kundenbezogene Ergebnisse 15%
Partnerschaften und Ressourcen 10%
Gesellschaftsbezogene Ergebnisse 10%
Strategie
10%
Schlüsselergebnisse
15%
Lernen, Kreativität und Innovation
9001:2015? In: QZ Qualität und Zuverlässigkeit; Hanser Verlag, München; 7/2014, S. 21-25 [9] EFQM Excellence Modell: Exzellente Organisationen erzielen dauerhaft herausragende Leistungen, die die Erwartungen aller ihrer Interessensgruppen erfüllen oder übertreffen; Brüssel; EFQM, 2009 [10] Linß, Gerhard: Qualitätsmanagement für Ingenieure; München (Carl Hanser Verlag) 2011; S. 571-642 [11] Schloske, Alexander: Failure Process Matrix (FPM) – a new approach for the optimaziation of assembly lines. In: 1st CIRP-International Seminar on Assembly Systems, Stuttgart, November 2006, S. 257-260 [12] Thieme, Paul: Was Nacharbeit kostet – Verschwendung in der Administration. In: QZ Qualität und Zuverlässigkeit; Hanser Verlag, München; 10/2009, S. 64-65
Organisationsklima
▶en: organisational climate ▶Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement Der Begriff darf nicht mit dem deutschen Begriff Betriebsklima verwechselt werden. Der Begriff Organisationsklima kommt aus dem angelsächsischen Sprachraum und wird wie folgt bestimmt [1]: „Relativ überdauernde Qualität der inneren Umwelt der Organisation, die ◼ durch ihre Mitglieder erlebt wird, ◼ ihr Verhalten beeinflußt und ◼ durch die Werte einer bestimmten Menge von Merkmalen der Organisation beschrieben werden kann.“ In Abgrenzung zum Konzept des Betriebsklimas geht es beim Organisationsklima um die nicht-wertende Beschreibung von Organisationsgegebenheiten auf Organisationsebene, während im Gegensatz dazu in das Betriebsklimakonzept auch Bewertungen einfließen. Gemessen wird das Organisationsklima über Items, die in standardisierten Fragebögen entwickelt wurden. Die Interpretation erfolgt über Vergleichswerte mit dem Klima in anderen Organisationen. Literatur
[1] Rosenstiel, L. v.: Grundlagen der Organisationspsychologie. 3. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 1992, S. 348
Organisationskonzepte, Neue Organisationskonzepte, Neue
▶en: organizational concepts, new ▶Organisationsgestaltung ▶Organisation ▶Selbstorganisation Gerade in den 1990er Jahren sind zahlreiche Konzepte zur organisatorischen Gestaltung entstanden, von denen hier einige hervorgehoben sollen, weil ihnen wohl eine gewisse Dauerhaftigkeit zukommt. Es ist zum gegenwärtigen Stand der Diskussion nicht möglich, diese neuen Konzepte trennscharf darzustellen. Sie illustrieren einen Trend [1]. ◼ Hybride Organisation – Hybride Organisationen, also Organisationen, die eine Mischform darstellen, entstehen indem Elemente aus Markt und Hierarchie neue organisatorische Strukturen bilden. Zu beobachten sind solche Hybride, wenn Kontakte zu Konkurrenten und Unterlieferanten organisatorisch neu gestaltet werden. Dabei vermischen sich oft die Grenzen der eigenen mit der „fremden“ Organisation. Die Hybridorganisation ist wohl als Prototyp der neueren Organisation anzusehen, der in vielen Organisationsformen den Kern bildet. ◼ Modulare Organisation – Analog zur Gestaltung technischer Systme nach dem Modulprinzip lassen sich auch organisatorische Gebilde schaffen, die „modularisiert“ werden. „Dazu bildet man Module, die konsequent an den Prozessen und Foderungen der Kunden ausgerichtet sind. Auf diese Weise sollen Schnittstellenprobleme, die durch Hierarchien und Abteilungsgrenzen entstehen, verringert werden. Das Ergebnis sind vergleichsweise unkomplizierte Strukturen, die dazu beitragen sollen, Fehlerraten, Kosten und zeitlichen Aufwand zu reduzieren. zu diesem Zweck wird jedes Modul mit Entscheidungskompetenz und Ergebnisverantwortung ausgestattet. Die für ein Modul verantwortlichen Mitarbeiter werden als Moduleigner bezeichnet. Die Modularisierung ist immer mit dem Einsatz von IuK-Technik verbunden.“ [1, S. 10] Modularisierte Organisationen sind durch Prozessorientierung, Kundenorientierung, Integration von Teilaufgaben, relativ autonome Entscheidungsverantworrung und anzustrebende Beherrschbarkeit der Einheiten gekennzeichnet. „Das Ergebnis der Modularisierung ist ein System von sich selbst steuernden, weitgehend autonomen Einheiten, die mit ihren internen und externen Unterlieferanten und Kunden verbunden sind und Leistungen austauschen.“ [1. S. 11] Modulare Organisationen werden bereits in der Lehrbuchliteratur beschrieben. Oft bilden sich in ihnen virtuelle Teamstrukturen aus, die durch folgende Elemente geprägt sind: □ hohe Kompetenz und Motivation der Mitarbeiter □ hohe Kreativität und Flexibilität □ optimale Berücksichtigung des Kongruenzprinzips □ schnelle Aufgabenerfüllung durch Verringerung der Schnittstellen □ hohe Markt- und Kundenorientierung
Organisationskonzepte, Neue
Im Ergebnis stellen sich modulare Organisationen oft als Fraktale, Netzwerke oder virtuelle Organisationen dar. ◼ Fraktale Organisationen – Von einer fraktalen Organisation wird gesprochen, wenn die unternehmensinterne Modularisierung so weitgehend ist, dass im Ergebnis selbständige, eigenverantwortliche organisatorische Einheiten entstehen, die eindeutig beschreibare Ziele und Leistungen aufweisen. Die fraktale Organisation findet sich hier im Lexikon unter dem Stichwort ►Fraktales Unternehmen ausführlich erörtert. ◼ Netzwerkorganisation – Netzwerke sind komplexe, mehrdimensionale Beziehungen zwischen selbständigen Organisationseinheiten. Mit ihnen wird das Ziel verfolgt, Wettbewerbsvorteile zu erlangen und Marktrisiken zu verringern. „Durch Modularisierung der Organisation entstehen interne und externe Netzwerke. Erstere dienen der Koordination von unternehmensinternen Aktivitäten. Letzteren geht es um die Abstimmung von Beziehungen zwischen selbständigen Unternehmen.“[1, S. 16] Allgemein charakterisieren die folgenden Merkmale eine he SelbNetzwerkorganisation: Wenig Hierarchie, ho ständigkeit der einzelnen Orga ni sationseinheiten, autonomer Aufbau der Interaktionen und Beziehungen innerhalb und zwischen den Einheiten, hohe Vielfalt un terschiedlicher Organisationsformen und eine Gesamtsteuerung der gemeinsamen Ziele und Strategien. ◼ Virtuelle Organisation – Eine Organisation kann als virtuell bezeichnet werden, wenn sie eine Situation oder Gebilde darstellt, das zwar der Wirkung, aber nicht dem Wesen nach existiert. Unternehmen, die als virtuelle Organisation verstanden werden, bleiben wirtschaftlich und rechtlich selbständig, treten aber nach außen als Einheit auf. Oft erfolgt die Koordination über ein „organizational hub“, das reihum von den einzelnen Einheiten besetzt wird. Die virtuelle Organisationsofrm lehnt sich an die Projektorganisation an [1, S. 20]: „In der Regel geht es darum, ein größeres Projekt kooperativ und arbeitsteilig abzuwickeln.“ Die Leistungserbringung kommt „aus einer Hand“ und weist folgende Merkmale auf: □ temporäre Kooperation für ein spezifisches Projekt □ selbständige Einheiten □ spezifische, differente Komponenten der Beteiligten □ fehlende zentrale Organisation und Hierarchie □ räumlich verstreute Standorte □ technologische Basis durch IuK-Technologien. ◼ Lean Organisation – Die Lean Organisationsstruktur ist eine Struktur, die entworfen wird, um mehr Kundennutzen mit weniger Ressourcen als eine traditionelle Organisationsstruktur zu schaffen. Das Ziel für alle Mitglieder einer Lean Organisation ist es, ständig Wege finden, um die Prozesse der Organisation zu verbessern, um so die Organisation effizienter zu machen. Im Zentrum steht der Umgang mit ►Muda (Verschwendung). Das Konzept der Lean Organisation lehnt an die Überlegungen des ►Lean Managements an und bezieht sich vor allem auf
775
O
Organisationspflichten den Ansatz von ►Lean Thinking, der den ►Wertstrom einer Organisation fokussiert. Es wird angestrebt, kleinere Organisationseinheiten zu bilden, die flexibel und schnell auf Herausforderungen reagieren können. Es werden viele solcher Einheiten mit etwa drei bis sechs Mitarbeitern eingerichtet. Die Mitarbeiter arbeiten im Team, erhalten umfassende Kompetenzen und tragen die Verantwortung. Ziel ist die Aufgabenerledigung aus einer Hand. Damit werden Prozesse verkürzt und kundenfreundlich gestaltet. Die Mitarbeiter haben umfangreichere Aufgaben, sind also nicht nur für einen Teil der Aufgabe verantwortlich, arbeiten selbstständiger, tragen mehr Verantwortung und sind somit besser motiviert. Die bewusste Einführung einer Lean Organisation verlangt zunächst eine Reflexion auf das Toyota Produktionssystem, wo der Ursprung dieses neueren Organisationskonzepts zu sehen ist, denn in der Vergangenheit ist mit Verschlankung und Downsizing viel Unfug getrieben worden. Diese eher kursorische Auflistung sich überschneidender und ergänzender neuerer Organisationskonzepte zeigt vor allem drei Gemeinsamkeiten: Zentrales Interesse am Kunden, Prozessorientierung und systematische Nutzung der IuK-Technologien. Die Gestaltung setzt bewusst auf Modularität, Horzontalität, Entbürokratisierung und Dynamisierung. Voraussetzung für das Gelingen ist die systematische Einbindung der Mitarbeiter (Humansystem und der ►Unternehmenskultur). Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
O
[1] Die Darstellung folgt der folgenden Schrift: Nicolai, Chr.: Neue Organisation der Zukunft. Neue Konzepte zur Organisationsgestaltung. Konstanz-München (UVK) 2015
Organisationskultur
▶en: organizational culture ▶Unternehmenskultur ▶Organisationsentwicklung (OE) Das Phänomen der Organisationskultur wird unter dem Stichwortartikel ►Unternehmenskultur (corporate culture) erörtert.
Organisationsleitbild ▶Leitbild
Organisationsmodell ▶Managementmodelle
Organisationspflichten
▶Produkt-/Produzentenhaftung im QM Der Hersteller hat sein Unternehmen so zu organisieren, dass diese potentiellen Gefahren im vornherein weitestgehend weitestgehend vermieden werden können. Zur Organisationspflicht gehört es deshalb z. B., bei der Lieferantenauswahl
776
Organisationsverschulden/Organisieren und -beobachtung gewisse Sorgfaltsvorkehrungen zu treffen, die eigenen Mitarbeiter entsprechend ihrer Aufgaben ausund weiterzubilden, Organisationsformen zu schaffen, durch die die Verbraucher bei einer ►Rückrufaktion möglichst schnell erreicht werden können.
Organisationsstruktur
▶en: organizational structure Der Begriff ist zur Zeit nicht genormt. Vorschlag: Die Organisationsstruktur bildet ein System der Kompetenzen und ►Zuständigkeiten ab, das als genereller Handlungsrahmen die arbeitsteilige Erfüllung der permanenten Aufgaben regelt. Sie ist somit ein System von Regelungen in Organisationen, das auf die Prozess- und Aufbauorganisation bezogen ist.
Organisationsverschulden ▶en: organisational fault
Beim Begriff des Organisationsverschuldens handelt es sich um einen juristischen Tatbestand des Deliktsrechts. Gemeint sind Fehler von Mitarbeitern, für die pflichtgemäß die Organisation Verantwortung trägt. Oftmals wird genüber Dritten der Eindruck erweckt, dass nur der einzelne Mitarbeiter ein Verschulden trägt. Das ist jedoch nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz gegeben. In allen anderen Fällen trägt die Organisation, zu der der Mitarbeiter gehört, die Verantwortung und eine Mitschuld. Haftungsrechtlich kann die Organisation Vorsorge treffen, wenn sie grundsätzliche Maßnahmen ergreift wie sie das Qualitätsmanagement nahelegt. Schon die Implementierung eines QM-Systems nach ISO 9001 stellt eine solche Präventivmaßnahme dar. Zu beachten ist, dass im Falle des Organisationsverschuldens der wesentliche Unterschied zwischen gewöhnlicher deliktischer Haftung und Haftung aufgrund Organisationsverschuldens darin besteht, dass der Haftende bei mangelhafter Organisation in der Regel auch dann haftet, wenn den im Einzelfall handelnden Mitarbeiter kein Verschulden trifft. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Organisatorisches Lernen ▶Lernende Organisation
Organis(z)ational excellence ▶ Business Exzellenz
Organisieren
▶en: organizing ▶Organisationskonzepte, neue ▶Organisationsgestaltung ▶Organisation ▶Selbstorganisation Das Verb organisieren kommt aus dem Französischen (organiser = einrichten, anordnen, gestalten). Es ist abgeleitet aus dem Substantiv „organe“ (Organ = Werkzeug) und kann
Organisieren
Organisieren
Begriff
übersetzt werden mit „etwas mit Organen versehen“. Folglich geht es beim Organisieren darum, Elemente in eine lebensfähige Ordnung zu bringen. Hieraus ist der Begriff Organisation (= eine Ordnung, die die einzelnen Objekte zu einer Struktur verbindet und ihr Zusammenspiel in Prozessen regelt) entstanden. Beim Organisieren geht es immer darum, das Zusammenwirken von zusammengehörenden Elementen zu regeln. Dabei kann es sich sowohl um bewusst gestaltete Regeln als auch durch Versuch und Irrtum im Zeitablauf „zufällig“ entstandene Regeln handeln. Begrifflich fassen lässt sich eine solche Vorstellung von Organisieren wie folgt: Unter Organisieren wollen wir das auf Dauer angelegte Schaffen von Regeln verstehen, die dazu beitragen sollen, damit vorgegebene Ziele möglichst gut, also effektiv und effizient, erreicht werden. Weick, auf den hier Bezug genommen wird, definiert [1, S. 11]: „Organisieren heißt, fortlaufende unabhängige Handlungen zu vernünftigen Folgen zusammenzufügen, so dass vernünftige Ergebnisse erzielt werden.“ Diese Definition lässt uns Organisation in doppelter Weise begreifen: ◼ Organisation ist eine mit Rollen verknüpfte Struktur gegenseitiger Erwartungen und Erwartungserwartungen, welche festlegen, was jedes Mitglied von anderen und von sich selbst erwarten soll. ◼ Organisation ist eine identifzierbare als offenes System verstandene Einheit, die mittels koordinierter Aktivitäten und Beziehungen zwischen Mitgliedern und Gegenständen verschiedenartige Ziele verfolgt.
er Hierarchie, Disziplin und Gehorsam entsprechend vorgegebener Strukturen und Integrationsmechanismen lernt und internalisiert. Das Bewusstsein, sich für Qualität zu engagieren, seinen ►Mindset entsprechend auszurichten, wird nicht vorausetzungslos gebildet. Alles geschieht auf der Folie der je spezifischen Organisation, die durch Organisieren gebildet wurde. Wie diese gestaltet wurde, welches Ergebnis des Organisierens sie geworden ist, ist fundamental für jegliches Qualitätsmanagement. Nicht umsonst haben die „Macher“ der ISO 9000ff seit der Jahrtausendwende der prozessorientierten Form der Organisation den Vorzug gegeben. Ein Modell des Organisierens zeigt die Abbildung O11. Es zeigt in der Dreiecksstruktur die Elemente, die das Organisieren einer Organisation ausmachen. Aufgeworfen werden die Fragestellungen (an den Rändern), die bei der Durchführung der Gestaltung zu lösen sind. Die Qualität des Organisierens wird somit von internen wie externen Faktoren bestimmt. Letztendlich ist wegen der Komplexität, Intransparenz und Dynamik der Bedingungen ein gutes Ergebnis des Organisierens eine Mischung aus Können, Kreativität und auch etwas Glück. Ein sture Anwendung des Modells ist wenig hilfreich. Anzumerken bleibt noch: Den Begriff des Organisierens findet man weder in Terminologien noch in Hand- und Lehrbüchern des Qualitätsmanagements. Dabei sollte er genauso wie Planen, Lenken, Kontrollieren u. a. Tätigkeiten des Managements als integrativer Bestandteil Berücksichtigung finden. Sonst ist unklar, wie man zum genormten Begriff der ►Organisation stehen soll. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Diese beiden Definitionen sind gegensätzlich. Wer sich je auf sie bezieht bzw. sie anwendet oder auch kombiniert, muss das wichtigste Problem im Auge haben, über das beim OrLiteratur ganisieren Konsens erzielt werden muss: Die Regeln für den [1] Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens. Frankfurt am Main Aufbau von sozialen Prozessen aus Verhaltensweisen und In(Suhrkamp) 1985 terpretation, die den verwirrenden Eingaben Abb. O11: Modell des Organisierens in diese Prozesse auferlegt werden können. Diese Regeln führen dazu, dass sich aus dem Organisationstyp Prozess des Organisierens als Ergebnis die (Projektorganisation, Prozessorganisation etc.) Organisation ergibt. Henri Fayol, der einen Frage: Wer tut was? administrativen Ansatz des Organisierens vertrat, betrachtet Organisation als Mittel zur guten (technischen) Betriebsführung: ◼ Organisation legt die Struktur der Beziehungen zwischen Stellen fest. ◼ Die Integration der Menschen in eine gegebene Struktur wird als ein Problem verstanden, das primär die Befehlsgebung bzw. den Befehlsgehorsam zu lösen hat. Dieses Grundschema wird hier genannt, weil es nach wie vor seine Gültigkeit hat. Wer in eine Organisation eintritt, wer in ihr sozialisiert wird (►Betriebssozialisation) erfährt seine individuelle Prägung, indem
Aufbau Ablauf Verhalten Frage: Wie werden die Mitarbeiter berücksichtigt?
Aufgabe
Zeit
Träger
Raum
Sachen
Quantität
Information
Inhalt
Methode Frage: Wie wird das Vorhaben angegangen?
Organisationstechniken Frage: Welche Techniken stehen zur Verfügung?
777
O
Outsourcing
Begriff
▶de: von außerhalb beziehen – nach außen verlagern
O
1 Outsourcing als strategischer Ansatz Mit der Auslagerung von bisher intern erbrachten Leistungen/Aufgaben und Organisationsstrukturen an externe Lieferanten (Unterlieferanten) bezeichnet man in der Ökonomie eine spezielle Form des Fremdbezugs, das Outsourcing (Gegenbegriff: Insourcing). Der Zusammenhang wird an folgendem Beispiel klar: Outsourcing versus Insourcing – Was vor gut fünf Jahren mit dem A4-Chip als CPU für das iPad und das iPhone 4 angefangen hat, soll bald eine Fortsetzung finden: Apple will die GPU, also den Grafikchip, für seine Mobilgeräte selbst konstruieren. Dies berichtet derzeit (Dezember 2015) als einzige die Website Fudzilla unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen „aus der Grafikindustrie“. – Das Gerücht ist daher schwer bis überhaupt nicht nachprüfbar. Derzeit ist Apple auf den britischen Lizenzgeber Imagination Technologies bei den Grafikchips angewiesen, eine eigene GPU würde für Apple vor allem die Marge steigern helfen und eine bessere Kontrolle über das komplette Chipdesign ausüben lassen. Outsourcing stellt einen Prozess der permanenten oder zumindest längerfristigen Auslagerung dar. Das eigene Marktund Kapitalrisiko wird damit auf einen externen Partner übertragen. Hierzu wird in der Regel ein Vertrag mit dem Oursourcing-Partner abgeschlossen. Gemeinsame Grundlage für alle Ausprägungen des Outsourcings ist die Verlagerung einer bislang selbst wahrgenommen Aufgabe auf einen Anbieter. Das grenzt Outsourcing von sonstigen Partnerschaften ab. Arten und Inhalte dieser Aufgaben können sehr unterschiedlich sein. Die Spannbreite reicht von der Auslagerung reiner Hilfsfunktionen bis zu Kernfunktionen eines Geschäftsmodells – ebenso vielfältig können die technischen Lösungsansätze sein. Zur Realisierung eines Outsourcing-Vorhabens ist zunächst eine Analyse der bestehenden Wertschöpfungskette (►Prozessorganisation) mit Blick auf potenzielle Schwachpunkte wie auf zentrale Stärken erforderlich. Nur die Leistungsprozesse bzw. Leistungselemente, in denen sich die Unternehmung aufgrund ihres überragenden Know hows relative Wettbewerbsvorteile ausrechnet – Kernkompetenzen, die im Wettbewerb „Einzigartigkeit“ verleihen – sollen als „centers of excellence“ erhalten bleiben. Gegenstand des Outsourcing können somit Teile dieser Wertschöpfungskette sein (komplettes Outsourcing, z. B. vollständiges Outsourcing des Einkaufs, des Vertriebs, der unternehmenseigenen Reisestelle) oder lediglich Teile eines Prozessketten-Elementes (selektives Outsourcing, z. B. Outsourcing des Call-Centers als Teilelement der Vertriebsaktivitäten, Outsourcing des Server-Betriebes an einen externen Partner bei gleichzeitiger Beibehaltung der übrigen IT-Dienstleistungen, Outsourcing der Buchführung unter Beibehaltung des Controllings).
778
Merksatz: Je weitreichender in die Wertschöpfungskette eingegriffen wird, um so mehr nimmt die OutsourcingEntscheidung durch die Veränderung des bisher verfolgten Geschäftsmodells strategischen Charakter an. 2 Warum Outsourcing? Unternehmungen streben mit einer Outsourcing-Konzeption an, agiler, also wettbewerbsfähiger zu werden. „Ballast abwerfen“ heißt somit oft die Devise. Als offenkundige Outsourcing-Ziele werden dabei häufig Optionen zur Kostenreduktion genannt: Ein Potenzial zur Reduktion der Kosten wird insbesondere in der Möglichkeit gesehen, Leistungen von einem spezialisierten Partner zu beziehen, der durch sein umfangreicheres Leistungsvolumen geringere Stückkosten realisieren kann und diese auch im Preis an seine OutsourcingPartner weitergibt. Auch die Variabilisierung der Fixkosten zielt zunächst auf Kostensenkungen, da die Leistungskosten nur dann anfallen, wenn sie benötigt und entsprechend bezogen werden (z. B. Wäscherei-Leistungen oder Zimmerreinigung im Hotelbetrieb). Die outsourcende Unternehmung muss dann keine Leistungskapazitäten mehr bevorraten und vermeidet damit mögliche Leerkosten bei Unterauslastung. Anzumerken bleibt allerdings, dass die Kostenvorteile nicht selbstverständlich realisiert werden. Abhängigkeiten von der Angebotsmacht starker Outsourcing-Partner, langfristige Vertragsbindungen mit Konventionalstrafen bei Vertragsverletzung (z. B. Unterschreitung von Mindestabnahmemengen o. ä.) sowie Inhouse-Nacharbeit bei Qualitätsmängeln der bezogenen Leistungen können zu gleich hohen oder gar höheren Kosten je Leistungseinheit führen und begründen zum Teil neue „Fixkostenarten“. Auch lassen sich häufig vorhandene Sachvermögenswerte nicht beliebig abbauen oder anderweitig nutzen (z. B. nicht mehr genutzt Gebäudeteile), so dass diese remanenten Fixkostenbestandteile die Bezugskosten für Fremdleistungen zusätzlich belasten. Doch es ist nicht immer die Kostenseite, die nahelegt, sich näher mit Outsourcing zu befassen. Die folgenden Hauptgründe gilt es zu beachten: ◼ Konzentration auf das Kerngeschäft – Der Kunde will sein Personal und seine Ressourcen auf sein Kerngeschäft konzentrieren und daher Aufgaben, die er nicht als sein Kerngeschäft ansieht, auslagern. ◼ Kosteneinsparung bzw. -optimierung – Der Kunde will die Kosten für die Leistungen reduzieren, indem Vorteile einer günstigeren Kostenstruktur für die Leistungserbringung des Anbieters (etwa durch Skaleneffekte) ausgenutzt werden. ◼ Personalabbau – Der Kunde will dem Personal, das mit der Durchführung wirtschaftlich so beim Kunden nicht mehr sinnvoller Aufgaben betraut ist, eine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung und neuer Perspektiven beim Anbieter schaffen. ◼ Kompetenzeinkauf – Der Kunde will von der größeren Kompetenz des Anbieters profitieren, der die auszulagernden Leistungen als sein Kerngeschäft versteht. Oft
Merke
Outsourcing
Outsourcing
Outsourcing will der Kunde dabei auch vertraglich das Risiko mangelnder Leistungserbringung auf den Anbieter verlagern (Risikominimierung). ◼ Flexibilität – Der Anbieter kann dem Kunden nicht selten mehr Flexibilität in der Durchführung der übertragenen Leistungen bieten, als es dem Kunden mit seinen eingeschränkten Ressourcen und Handlungsspielräumen möglich wäre. Neben diesen Gründen lassen sich noch weitere mögliche Outsourcing-Vorteile ableiten, die teilweise in den genannten Punkten enthalten sind:
Merke
◼ die Vermeidung von Erst-Investitionen bzw. Re-Investitionen verschafft der outsourcenden Unternehmung finanzielle Entlastung, ◼ durch Outsourcing können bisher gebundene finanzielle und personelle Ressourcen auf rentablere Investitionen allokiert werden, ◼ die Spezialisierung- und Know how-Vorteile des Outsourcing-Partners führen zu einer Erhöhung der Leistungs-(Qualitäts-)standards und/oder ◼ eigene Know-how-Defizite können kompensiert werden. Merksatz: Letztlich muss eine Outsourcing-Entscheidung als ein Investitionsprojekt verstanden und auch als solches bewertet werden. 3 Outsourcing-Vorgehen Jedes Outsourcing-Vorhaben sollte sich an folgendem Phasenschema orientieren: ◼ die Vorbereitungs- und Planungsphase, zu der die Analyse der Ausgangslage, die Zielbestimmung und die Festlegung des weiteren Vorgehens gehört, ◼ die Anbahnungsphase mit der Auswahl des Anbieters und den Vertragsverhandlungen, ◼ die Implementierungsphase mit der Überführung des auszulagernden Bereichs und dem Aufbau des Betriebs (Transition Transition bzw. Transfer to Operate) und schließlich ◼ den eigentlichen Betrieb. Betrachtet man das weitere „Leben“ eines Outsourcings, so schließen sich folgende weitere Phasen an: ◼ die Überprüfung und Optimierung (Review) der Leistungsbeziehungen sowie ◼ am Vertragsende der Exit mit der Überführung auf einen neuen Anbieter oder aber der Rückführung des ausgelagerten Bereichs (Insourcing). 4 Business Process Outsourcing (BPO) Beim Business Process Outsourcing handelt es sich um das Outsourcing eines kompletten Geschäftsprozesses oder Teilen davon und ggf. der dazu erforderlichen – den Prozess unterstützenden – IT-Infrastruktur durch einen externen Dienstleister. Im diesem Zusammenhang gehen i. d. R. auch Personal und Assets auf den Dienstleister über. Folgende Geschäftsprozesse werden u. a. als auslagerungsfähig angesehen:
Outsourcing ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Personalwesen, Beschaffung, Finanzwesen/Buchhaltung, Logistik (SCM), Ausbildung/Training (e-Learning)
Business Process Outsourcing (BPO) bezeichnet folglich aus Sicht des Kunden die Auslagerung eines in sich geschlossenen Geschäftsprozesses in die vollständige Verantwortung des Anbieters, der oft unter der Bezeichnung BPO-Dienstleister agiert. Der Kunde vergibt komplette Geschäftsprozesse, die nicht zu seinen Kernaufgaben zählen, an einen Spezialisten, der sein „Handwerk“ besser versteht als die abgebende Organisation. Was für das auslagernde Unternehmen Nebensache ist, stellt die besondere Kompetenz des BPO-Dienstleisters dar, der die Leistungen nach vorher definierten Kriterien auf eigenes Risiko erbringt. Zu beachten ist, dass das Gesamtprozess-Strategie-Management beim Kunden verbleibt. Die Kontrolle über die Steuerung der ausgelagerten Prozesse obliegt dem Dienstleister. Als Spezialist optimiert er seine Leistungserbringung und verbessert diese auch hinsichtlich innovativer Elemente. Nicht nur die Optimierung der Kosten steht im Zentrum der Betrachtung des Kunden, sondern zugleich auch die Beschaffung von Dienstleistungen, die vom Spezialisten kontinuierlich verbessert werden. Es liegt auf der Hand, dass hier teilweise branchenübergreifend eine neue Dienstleistungsindustrie im Entstehen begriffen ist. Neu ist an diesem Dienstleistungsbereich die verstärkte Unterstützung durch IuK-Technologien. Neu ist auch, dass in dieser Branche ein Strategieimpetus verfolgt wird, der dem Kunden einerseits verpflichtet ist, die Senkung seiner Kosten zu betreiben (Entlastungsstrategie), aber andererseits sich darum bemüht, mehr auf die strategischen Wachstums- und Wertsteigerungsziele zu setzen, also Outsourcing als Erweiterungsstrategie anzubieten. Der BPO-Dienstleister bringt sein Prozess-Know-how, seine Branchenkenntnisse, Erfahrungen und Expertise ein. Die wissensbasierten Ressourcen des Outsourcers sind ein erheblicher Beitrag für die Umsetzung des Vertrags mit dem Kunden. So ist eine wettbewerbsdifferenzierte Strategie mit einem Partner zu gestalten und umsetzbar. Innovationen werden nicht nur einmalig zu Beginn der operativen Verantwortung durch den BPODienstleister erbracht, sondern es handelt sich hier um einen kontinuierlichen Prozess. Zwar muss die Wirtschaftlichkeit als wichtiges Motiv für die Auslagerung von Geschäftsprozessen gesehen werden, jedoch ist diese Entlastungsstrategie auf rein taktische, kurzfristige Effekte fokussiert. Das BPO wird also zunächst im Wesentlichen durch eine Entlastungsstrategie unterstützt. Es ist aber Aufgabe der Unternehmensleitung zu diskutieren, inwieweit ergänzend eine Erweiterungsstrategie die strategischen Unternehmensziele unterstützen kann. Eine solche Erweiterungsstrategie, die sich auf strategische Wachstums- und Wertsteigerungsziele des Unternehmens konzentriert, wird in Deutschland noch sehr wenig mit dem Outsourcing von Geschäftsprozessen verbunden. Bei dieser
779
O
Outsourcing
Overall Equipment Effectiveness (OEE)
Strategie kommt es besonders auf wissensbasierte Ressourcen an, die der BPO-Dienstleister einbringen kann. Als Entlastungsstrategie wird eine Sourcing-Strategie bezeichnet, die lediglich operative Prozesse oder Funktionen schneller und kostengünstiger – also effizienter – gestalten will. Bei der Entlastungsstrategie werden periphere Tätigkeiten verlagert, die nicht direkt zu den Hauptaufgaben des Unternehmens gehören. Im Gegensatz dazu verfolgt eine Erweiterungsstrategie strategische Ziele. Diese Strategieform konzentriert sich beim Outsourcing – im Unterschied zur Entlastungsstrategie – auf die Erhöhung der Wertschöpfung von Unternehmen bei Konzentration auf deren Kernkompetenzen. Dieser Strategie kommt zunehmend Bedeutung zu.
O
5 Outsourcing und Qualitätsmanagement Dem Thema Outsourcing, das hier nur in seinen Grundzügen dargestellt werden konnte, wird im Schrifttum des Qualitätsmanagents keine Beachtung geschenkt. Vermutlich wird es eher als betriebswirtschaftliches Thema zur Kosteneffizienz gesehen. Dabei wird übersehen, dass Outsourcing in der Tat ein qualitätsrelevantes Thema ist. Einerseits geht es um die Beschaffenheit, also die Qualität und die Forderungen an outgesourcte Prozesse, andererseits aber auch um die Frage danach, wie zu implementierende QM-Systeme auszurichten sind, wenn Dritte organisatorische Prozesse und Funktionen übernehmen. Offenkundig ist, dass im Qualitätsmanagement Fragen von Zertifzierungen, Auditierungen und das Management der Unterlieferanten hinsichtlich Outsourcing neu bzw. ergänzend zu stellen sind. Eine Erörterung von Outsourcingproblemen und -aufgaben auch unter Einbezug juristischer und IT-bezogener Problemstellungen steht im Qualitätsmanagement bisher noch aus. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Literatur
[1] Bruch, H.: Outsourcing. Konzepte und Strategien, Chancen und Risiken. Wiesbaxden (Gabler) 1998 [2] Dittrich, J.: Business Process Outsourcing. Entscheidungs-Leitfaden für das Out- und Insourcing von Geschäftsprozessen. Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2004 [3] Schewe, G. und I. Kett: Business Process Outsourcing. Geschäftsprozesse kontextorientiert auslagern. Heidelberg-Berlin (Springer) 2007
Overall Equipment Effectiveness (OEE) ▶de: Gesamtanlageneffektivität (GEFF) ▶Total Productive Management
Bei der OEE handelt es sich um eine Produktivitätskennzahl, die 1971 von Seiichi ►Nakajima und dem Japan Institute for Plant Maintenance ( JIPM) entwickelt wurde. Sie ist ein Messinstrument, mit dem Verluste einer Maschine aufgedeckt werden und dann mit Hilfe von Optimierungsansätzen zielgerichtet Schritt für Schritt beseitigt werden. OEE misst die gesamte Bandbreite der Effektivitätsverluste von Produktionsanlagen und zeigt auf, welche maschinen- und prozessabhängigen Verluste minimiert werden müssen (►Total Productive Management). Von der OEE werden die Parameter Zeit, Stückzahl und Qualität zusammengefasst und für das Produktionsteam nachvollziehbar aufgezeigt, damit es steuernd handeln kann. Literatur Koch, A.: OEE für das Produktionsteam. Das vollständige OEE-Benutzerhandbuch - oder wie Sie die verborgene Maschine entdecken (Operational Excellence). 2. Auflage. Ansbach (CETPM Publ.) 2011
••• ⨀⨀⨀ •••
780
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe P Performance Measurement
Piotr Bednarek
Poka Yoke
Jochen Peter Sondermann
Produkt-/ Produzentenhaftung im Qualitätsmanagement
P Paradigma und Qualitätswissenschaft Vilfredo Pareto Perceived Quality Perfektion PIMS Planung im Qualitätsmanagement
Jürgen Ensthaler
Positionierung durch Qualität
Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)
Produkt Prozess Prozess versus Geschäftsprozess Prozessmanagement Prozessorganisation
Thomas Klindt
Hans-Dieter Zollondz
P
Paradigma und Qualitätswissenschaft
Paradigma und Qualitätswissenschaft
Paradigma und Qualitätswissenschaft
Die ►Qualitätswissenschaft ist als präparadigmatische Diszi plin zu bezeichnen: Sie wartet immer noch auf ihren Koperni kus und ihren Newton. Die Ansätze oder Perspektiven, die sie in diesem Stadium konstitutieren, sind im Sinne der Kuhn’ schen Terminologie bestenfalls „primitive“ Prä-Paradigmata, die sich auf Erkenntnisse aus den folgenden wissenschaft lichen Disziplinen gründen:
▶Musterbeispiel, Disziplinäre Matrix ▶Qualitätswissenschaft
1 Zur Paradigma-Theorie von Kuhn und deren Bezug zur Qualitätswissenschaft Thomas Kuhn definiert Paradigmata als Modelle, aus denen bestimmte festgefügte Traditionen wissenschaftlicher For schung erwachsen. Ein Paradigma gibt einen Rahmen aus Hypothesen und Axiomen vor, in dem die Normale Wis senschaft arbeiten kann. Begriffe werden erklärt, wesent liche Zusammenhänge spezifiziert: Das Paradigma ist eine Bodenkarte des wissenschaftlichen Terrains, das durch ein anderes Paradigma erforscht werden soll, das eine neue Ge bietskarte bereithält – und zwar nicht nur eine neue Karte, sondern auch neue Richtlinien zur Erstellung solcher Karten. Kuhn bemerkt [1]: „Wenn der Wissenschaftler ein Paradig ma erlernt, erwirbt er sich Theorie, Methoden und Normen, gewöhnlich in einer unentwirrbaren Mischung. Wenn Pa radigmata wechseln, gibt es deshalb normalerweise bezeich nende Verschiebungen der Kriterien, welche die Gültigkeit von Problemen und den sich anbietenden Lösungen bestim men.“ Konkurrierende Paradigmata (Abb. P01) sind in manchen Punkten einfach unvereinbar und die Differenzen zwischen ihnen lassen sich auch durch eine wissenschaftliche Beweis führung oder Argumentation nicht völlig ausräumen.
◼ ◼ ◼ ◼
Aspekte
„Wie die Wahl zwischen konkurrierenden politischen Instituti onen erweist sich auch die zwischen konkurrierenden Paradig mata als eine Wahl zwischen unvereinbaren Lebensweisen der Ge meinschaft. Da sie diesen Charakter hat, kann die Wahl nicht nur von den Bewertungsverfahren, die für die normale Wissenschaft charakteristisch sind, bestimmt werden – und wird es auch nicht –, denn jene Verfahren hängen zum Teil von einem besonderen Paradigma ab, und dieses Paradigma ist strittig. Wenn Paradigmata in eine Debatte über die Wahl eines Paradigmas eintreten – und sie müssen es ja –, dann ist ihre Rolle notwendigerweise zirkulär. Jede Gruppe verwendet ihr eigenes Paradigma zur Verteidigung eben dieses Paradigmas.“ (Thomas Kuhn 1967)
Disziplin Aspekt Ingenieurwissenschaften technisch Sozialwissenschaften human/sozial Wirtschaftswissenschaften ökonomisch Umweltwissenschaften ökologisch
Begründung und systematische Beschäftigung erfolgte seit Mitte der 1980er Jahre durch die Ingenieurwissenschaften. Sie sind auch heute noch die Teildisziplin, die die Entwick lung der Qualitätswissenschaft am stärksten geprägt und vorangetrieben haben. Die Qualitätswissenschaft lässt sich somit als interdisziplinäre Disziplin begreifen, als Quer schnittsdisziplin der genannten vier. Abbildung P02 zeigt die vier Komponenten des Paradigmabegriffs, wie sie sich in der Post-Kuhnschen Diskussion herausgebildet haben. Es kann im Augenblick mangels empirischer Nachweise lediglich un mittelbar einsichtig festgestellt werden, daß alle vier Kompo nenten noch nicht von der Qualitätswissenschaft erfüllt wer den können: Weder verfügt sie über einen Theoriekern, noch sind auf der empirischen Ebene erfolgreiche und allgemein anerkannte Erklärungsleistungen des Theoriekerns nachweis bar, auch die methodologische Komponente ist defizitär und auf der Ebene der pragmatischen Komponente ist kein theo riegeleitetes ausgewiesenes Forschungsprogramm erkennbar. 2 Der vorparadigmatische Status der Qualitätswissenschaft Angesichts der an der Paradigma-Theorie von Kuhn orien tierten Annahme, daß sich die Qualitätswissenschaft im vor paradigmatischen Stadium befinde, stellt sich die Frage, wie sich dieser Status der Qualitätswissenschaft beschreiben lässt.
Abb. P01: Zur Paradigma-Theorie von Thomas S. Kuhn (1962)
Entsprechend Kuhns Theorie [2] entwickeln sich wissenschaftliche Diziplinen in einer Abwechslung von zwei Phasen, einer normalwissenschaftlichen und einer revolutionären Phase. In der normalwissenschaftlichen Phase arbeiten die Mitglieder einer wissenschaftlichen Gemeinschaft, also die Vertreter einer bestimmten Forschungs- oder Fachrichtung, auf der Grundlage eines allseits akzeptierten, und im wesentlichen unhinterfragten, Paradigmas. Ein solches Paradigma enthält nicht nur die Kernaussagen der jeweils vetretenen Theorien, sondern auch methodologische Normen und Werteinstellungen, ja es bestimmt sogar, jedenfalls in der „radikalen“ Lesart Kuhns, die Beobachtungsdaten. Nur die gemeinsame Akzeptanz eines Paradigmas ermöglicht in der normalwissenschaftlichen Phase kontinuierlichen Wissensfortschritt. Falls gewisse Daten, sogenannte Anomalien, einer kohärenten Erklärung durch das Paradigma widerstehen, werden solche
Konflikte durch mehr oder minder ad hoc vorgenommene Modifikation des Paradigmas bereinigt. Häufen sich jedoch solche Anomalien, so beginnen jüngere Gelehrte nach einem neuen Paradigma zu suchen. Sobald ein solches gefunden ist, tritt die Wissenschaftsentwicklung für eine gewisse Zeit in eine revolutionäre Phase ein, in der zwei Paradigmen um die Vorrherrschaft kämpfen. Mit einem Wechsel des Paradigmas sind jedoch, gemäß der „radikalen“ Lesart Kuhns, alle gemeinsamen Rationalitätsstandards weggefallen, alle bisherigen Erfahrungsdaten werden neu interpretiert – die beiden Paradigmen sind, gemäß Kuhns bekannter Inkommensurabilitätsthese, rational unvergleichbar, inkommensurabel. Typische Beispiele als Beleg für diese Theorie sind etwa der Übergang von der ptolemäischen zur kopernikanischen Astronomie, oder von der Newtonschen zur Einsteinschen Physik. [3]
Quelle: [3]
783
P
Paradigma und Qualitätswissenschaft Abb. P02: Komponenten des Paradigmabetriffs
Theoretische Komponente Sie enthält einen Theoriekern mit Gesetzeshypothesen und Modellvorstellungen. Empirische Komponente Sie besteht aus Musterbeispielen von erfolgreichen und allgemein anerkannten Erklärungsleistungen durch gewisse Ausprägungen des Theoriekerns. Es handelt sich um den exemplarischen Anwendungsbereich des Paradigmas. Methodologische Komponente Sie besteht aus methodischen, epistemologischen und normativen Elementen. Pragmatische Komponente Sie besteht in einem Forschungsprogramm. Die pragmatische Komponente wird aus der zweiten Komponente gewonnen. Quelle: Gekürzt nach [3], Seite 10f
Fragt man Qualitätswissenschaftler, an welcher Schule sie sich orientieren, erhält man sicherlich keine konkret verwertbare Antworten. Man wird vielmehr feststellen, daß es keine Schu len innerhalb der Qualitätswissenschaft gibt, nach der man sein wissenschaftliches Tun ausrichten könnte. Wohl wird man Forschungsprojekte genannt bekommen, die als qua litätswissenschaftlich orientiert bezeichnet werden können, die jedoch nicht auf eine Schule verweisen, sondern sich an den vier genannten Disziplinen orientieren, die die Qualitäts wissenschaft bestimmen. Hier kann jedoch nicht von Schu lenbildung innerhalb der Teildisziplin gesprochen werden, sondern davon, dass die spezifischen Ansätze und Methoden der jeweiligen Disziplin bezogen auf das Forschungsproblem zur Anwendung kommen.
P
Bei der Frage nach dem Selbstverständnis der Disziplin steht der zentrale Begriff ►Qualitätsmanagement (QM) im Mittel punkt. Die Bemühungen ihn und das Begriffssystem des QM zu begründen und zu definieren, erfolgen nicht üblicherwei se – wie schon Kuhn für die Naturwissenschaften darlegt – innerhalb einer scientific community von Qualitätswissen schaftlern, sondern in internationaler Gremienarbeit (ISO, die nicht von wissenschaftlichen Kriterien geleitet wird. Auch wenn in diesem Prozess der eine oder andere Qualitätswis senschaftler involviert sein mag, handelt es sich keineswegs um Gruppen von Wissenschaftlern, die ihren Gegenstand diskutieren und versuchen ihn im Hinblick auf die in Abbil dung P02 genannten Komponenten zu konstitutieren. Zur Institutionalisierung: Die 1994 gegründete ►Ge sellschaft für Qualitätswissenschaft e.V. (GQW) ist ein Zu sammenschluss von ingenieurwissenschaftlich orientierten Qualitätswissenschaftlern, die auf das Qualitätsmanagement bezogene Ziele und Aufgaben verfolgen. Aus anderen Dis ziplinen stammende Qualitätswissenschaftler (z. B. aus der Betriebswirtschaftslehre) sind deutlich in der Unterzahl.
784
Paradigma und Qualitätswissenschaft Zweck der Forschungsgemeinschaft Qualität e. V. (FQS) ist es, branchenüber grei fende und branchen spezifische Pro blemstellungen im Bereich des Qualitätsmanagements sowie in angrenzenden Bereichen als Forschungs- und Entwick lungsvorhaben festzulegen, ihre Durchführung zu fördern und deren Ergebnisse umzusetzen. Dabei sollen die Ergeb nisse vor allem den kleinen und mittelständischen Un ternehmen helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht nur zu sichern, sondern auch zu verbessern. Der Versuch die Qualitätswissenschaft in Deutschland zu fundieren ist ohne Klärung der Begriffe ►Qualität und ►Qualitätsmanagement nicht denkbar. Der in diesem Le xikon erkennbare Versuch die verschiedenen Po sitionen darzustellen ist nicht abschließend, sondern als Momentauf nahme zu sehen (►Entstehung des Qualitätsmanagements; ►Qualitätsmanagementsysteme nach DIN EN ISO 9001). Abbildung Q50 (Stichwortartikel ►Qualitätsmanagement) zeigt eine aus Sicht der Produktion stammende Darstellung des Qualitätsmanagements, in der dieses als evolutionäres Konzept aufgefasst wird. Man könnte diese Darstellung, die sich in ähnlicher Form in vielen Einführungen zum Qualitätsmanagement findet, auch als Vorstufe des prä-para digmatischen Zustands der Qualitätswissenschaft interpre tieren. Ohne Zweifel ist historisch und wirkungsgeschicht lich der praktisch gewordene Ansatz von Frederick Winslow Taylor (►Taylor und der Taylorismus) auch auf dieses An fangsstadium zu beziehen. Ob eine solche „Immer-HöherEnt wicklung“ des Qualitätsmanagements von al len Qua litätswissenschaftlern geteilt wird, kann nicht umstandslos vorausgesetzt werden, zumal die Entwicklung des Qualitäts managements in Japan (wie in Abbildung P03 erkennbar ist) völlig anders geprägt und verlaufen ist. Jedenfalls reichen die Wurzeln dieser Disziplin im modernen Verständnis bis in die Zeit des anfangenden zwanzigsten Jahrhunderts zurück. Bleibt resümierend festzustellen, daß sich Qualitätswissen schaft im status nascendi befindet, im Zentrum ihrer Ent wicklung Konzeptionen des Qualitätsmanagements stehen und nicht gesagt werden kann, wann und ob die vorparadig matische Entwicklung abgeschlossen sein wird. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Kuhn, Th.: Die Struktur der wissenschaftlichen Revolution. Frankfurt: Suhrkamp 1967, S. 149f (am. orig. 1962) [2] s. [1] [3] Schurz, G.: Kooexistenzweisen rivalisierender Paradigmen. Eine begriffsklärende und problemtypologisierende Studie. In: Schurz, G.; Weingartner, P.: Koexistenz rivalisierender Paradigmen. Opla den: Westdeutscher Verlag 1998, S. 2
Parallelisieren
▶Simultaneous Engineering
Pareto, Vilfredo Parameter
Pareto, Vilfredo Abb. P03: Paretoanalyse – Paretodiagramm
Größe, um die Wahrscheinlichkeitsverteilung zu kennzeich nen. Normquelle: Nach ISO 3534-1
Pareto, Vilfredo
Begründer der nach ihm genannten Paretoanalyse
▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement ▶ABC-Analyse
Der von französisch-italienischer Herkunft stammende später als schweizerischer Bürger dort (Céligny, Kanton Genf) auch zuletzt lebende Soziologe, Politologe, Ökonom und Ingeni eur Vilfredo Pareto (*15.07.1848-†19.08.1923), ist vor allem für seine einflussreiche Theorie der herrschen den Eliten und für seine ebenso einflussreiche Theorie bekannt, dass politisches Verhalten im Wesentlichen irra tional sei. Pareto hat Paris mit seinen Eltern sehr früh verlassen, die 1852 nach Italien umgesiedelt sind. Von 1867 bis 1870 studier te er Ingenieurwissen schaften in Turin, wo er auch promovierte (Dr. Ingegneria). Nach dem Wehrdienst folgten praktische Tätigkeiten als angestellter Ingenieur im Maschinenbau in Italien. In den 1890er Jahren (1893) folgte er einem Ruf als Professor für Ökonomie nach Lausanne. Eine hohe Erbschaft ermöglichte es ihm diese Stelle im Jahr 1911 aufzugeben, um sich nur noch der Forschung zu widmen. In seinem Lebens werk „Trattato di Sociologia Generale“ [1], an dem er über 20 Jahre gearbeitet hatte, schuf er eine Verbindung von Öko nomie und Soziologie zu einer alles umfassenden Sozialwis senschaft. Sein Denkansatz war nicht auf eine Disziplin be grenzt, sondern umfassend. „Sein scharfer Verstand reichte weit über die Grenzen der angewandten Wissenschaften hi naus in das Reich reiner und allgemeinster Begriffe: Nur we nige haben jemals mit der gleichen Intensität begriffen, dass letzten Endes alle exakten Wissenschaften oder Teilwissen schaften eine Einheit bilden“, schrieb Joseph A. Schumpeter über Pareto in seinen Memoiren. Seine Werke veröffentlichte Pareto zunächst auf Französisch, später immer häufiger in ita lienischer Sprache. Ausgerechnet in seinem „Trattato“ ist jenes Modell nicht enthalten, mit dem heute die Ökonomen den Namen Pareto vor allem verbinden: das in der Wirtschaftswissenschaft so genannte Pareto-Optimum (Pareto-Effizienz). Mit diesem Ansatz – auch als Theorie der Wahlakte bezeichnet – schloss er die Lücken in der Grenznutzenlehre. In seinen ökono mischen Studien untersuchte er 1896 die Einkommensver
Pareto-Diagramm 80-20 Punkte 100% 80% 60% 40% 20%
A
B
C Untersuchtes Merkmal
teilung, bei denen er zu dem Ergebnis kam, dass sie keiner Normalverteilung folgt. Er erkannte ihre rechtsschiefe Lage. Nach ihm wurde sie in der Folge Pareto-Verteilung genannt. Die ►ABC-Analyse in der Betriebswirtschaftslehre greift auf diesen Verteilungstyp zurück. Mit diesem Kontext und dem dann so genannten Pareto-Prinzip befassten sich spätere Au toren, so Josef Moses ►Juran, der Qualitätsexperte, der Pare tos Forschungsergebnis verallgemeinerte und dann für das Qualitätsmanagement fruchtbar gemacht hat (Fehleranalyse, dann auch Paretoanalyse genannt), indem er den Begriff ►Pa reto-Diagramm prägte. Dieser Begriff und das daraus abgelei tete 80/20-Prinzip haben sich durchgesetzt, so dass Paretos Ansatz sogar von dem Japaner ►Ishikawa in seine Methoden sammlung der sieben Techniken des Qualitätsmanagements, den ►Q7, aufgenommen wurde. Eine ausführliche Erläute rung des Paretodiagramms findet sich im Stichwortartikel ►Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement. Abbildung P03 zeigt das Diagramm. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Pareto, V.: Trattato di sociologia generale, erschienen in italie nischer Sprache (1916), das soziologische Hauptwerk erschien un ter dem Titel Allgemeine Soziologie, übersetzt von Carl Brinkmann, Tübingen (Mohr) 1955 [2] Eisermann, G.: Vilfredo Pareto. Ein Klassiker der Soziologie. Tü bingen (Mohr & Siebeck) 1987 [3] Koch, R.: Das 80/20-Prinzip: Mehr Erfolg mit weniger Auf wand. 4. Auflage. Frankfurt am Main (Campus) 2015
Paretoanalyse
▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement ▶Q7
Pareto-Diagramm
▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement ▶Q7
Partei, interessierte ▶interessierte Partei ▶Partner im Markt
785
P
Partizipation
PAS 1037:2004-04
Partizipation
PAS 1037 ist darüber hinaus auch für Vereine und Non-Pro fit-Organisationen nutzbar. Der Leitgedanke war die Idee, ein Referenzmodell in der Sprache der Lehrenden für die Zerti fizierung von Organisationen der Aus- und Weiterbildung zu entwickeln. Das Modell unterteilt sich in drei Stufen, auf die ein umfassender Forderungskatalog bezogen ist:
Begriff
▶en: participation Ein Ansatz für Führung und Zusammenarbeit, der im Kon zept der ►Teilautonomen Gruppe thematisiert und in der Realität teilweise verwirklicht worden ist. Unter „PseudoPartizipation“ versteht man eine Form unechter Beteiligung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Führungskräfte in manipulativer Vorgehensweise den einzelnen und Gruppen von Mitarbeitern fertige Planungen und einsam gefertigte Lösungen zur nachträglichen Zustimmung vorlegen und ab fordern.
Partner im Markt
▶Stakeholder-Ansatz ▶interessierte Partei (ISO 9000:2015:11)
Für Partner im Markt oder einfach Marktpartner ist in der ISO 9000:2015-11 der Begriff ►interessierte Partei genormt worden. Nicht immer ist es klar, wie die Marktpartner zu bezeichnen sind. Eine an den ge normten Sachbegriffen orientierte Übersicht hat Walter ►Geiger entwickelt [1]. Un terschieden wird dort die allgemeine Bezeichnung und der Unterbegriff, der in einer Vertragssituation verwendet wird. Neuerdings finden sich für Bezeichnungen, die verwendet werden können, im Begriff ►interessierte Partei Beispiele. Literatur
[1] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminolo gie, 3. Aufl. Wiesbaden-Braunschweig: Vieweg 1998, S. 84
Parts per Million (106)
▶PPM ▶Fehlerteile pro eine Million ▶PPM-Management
PAS 1037:2004-04
P
▶ Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme von Or ganisationen der wirtschaftsorientierten Aus- und Weiter bildung: QM STUFEN-MODELL (Partizipatives Anforde rungssystem) ▶ ISO 29990 Bei PAS 1037, genau DIN PAS 1037, handelt es sich um eine Spezifikation des Deutschen Instituts für Normung (►DIN SPEC), die seit April 2004 öffentlich zugänglich ist. Die Spe zifikation ermöglicht Bildungsunternehmen eine niveaugestufte Qualitätsentwicklung und wird bundesweit von Unternehmen der wirtschaftsorientierten Aus- und Weiterbil dung, einschließlich personenbezogener Bildungsdienstleistungen angewendet.
786
1. Stufe Basis: grundsätzliche Qualitätsfähigkeit und doku mentierte Prozessorganisation 2. Stufe Standard: Aufbau und die Umsetzung eines kundenund prozessorientierten Managementsystems 2. Stufe Exellence: Einführung und Umsetzung von Excellence-Prinzipien nach europäischen Vergleichskri terien, wobei die Fähigkeit zur Selbstbewertung beson ders berücksichtigt wird Im August 2006 wurde eine ergänzende Spezifikation „PAS 1037 quality specifications for distance learning providers“ eingeführt. Sie bietet auf der Stufe 2 (Standard) einen umfas senden Forderungskatalog für Fernlehranbieter. Inzwischen wurden mehrere Fernlehrinstitute nach PAS 1037 zertifiziert. Der Aufbau von PAS 1037 setzt – ganz im Sinne von Business Exzellenz – auf eine systematische Partizipationsstrategie für alle Interessenpartner der Bildungsunternehmen. Partizipati on ist eine Forderung, die mit der Stufe Basic beginnt und in der Exzellenz-Stufe ihre höchste Ausprägung erfährt. Drei Vorteile lassen sich nennen, die PAS 1037 auszeichnen: 1. Das QM-Stufenmodell kombiniert eine Zertifizierung nach Norm (Stufe 2: Standard) mit der Bewertung nach EFQM-Modell (Stufe 3: Excellence). 2. Alle Forderungen der PAS 1037 und der specifications for distance learning providers sind in der Sprache der Wei terbilder formuliert und damit leichter beantwortbar als die der EN ISO 9001. 3. Die Forderungen des QM-Stufenmodells gehen ab Stu fe Standard deutlich über den Forderungskatalog der ISO 9001 hinaus. PAS 1037 wurde von den zuständigen ISO-Gremien aufge nommen und in die ►ISO 29990 integriert. Damit wurde auf der Basis einer deutschen DIN SPEC eine Managementnorm für Bildungseinrichtungen geschaffen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Brückner, W. und G. Girke: Das Kompendium - Leitfaden zur Anwendung und Hilfen zur Umsetzung der PAS 1037:2004. Berlin (Pro Business) 2005
Patente
▶en: patents Ideen sind das wertvollste Kapital jeder Technologie. Aber nicht jedes Patent weist die gleiche Qualität auf. Die Nutzung von Patenten, deren Qualität sowie deren Bedeutung für Un ternehmen variiert je nach Branche und technologie. Zum
Patente Beispiel wird in der Pharmaindustrie, in denen der Erfindung größtenteils lange Entwicklungs- und Forschungszeiten zu grunde liegen, d. h. die Zeitspanne bis zum Markteintritt ist relativ groß, Patenten eine große Bedeutung eingeräumt. Da gegen verliert der Patentschutz in Branchen, die durch kurze Lebenszyklen gekennzeichnet sind, ebenfalls wie in Techno logieflder, in den Prozesse dominiuerden sind an Relevanz. Folglich kann gesagt werden: Die Qualität der Patente ist ab hängig von der Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Für die Beurteilung der Qualität von Patenten ob deren Erfolgschancen (Patenfähigkeit) ist es erforderlich Expertisen von Fachleuten und Gutachtern der jeweiligen Branchen einzu holen. Diese setzen Methoden wie die Scope-of-Protectionund Freedom-to-Operate-Analyse ein, um über die „Bran chenqualität“ von Patenten Aussagen machen zu können. Patente stehen für technisches Know-how und Kreativität. Nur wenn Erfindungen neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, können sie Patentschutz erlangen. Kommt es zur Patenterteilung, dann haben die Erfindungen erfolg reich den bei den nationalen Patentämtern durchgeführten Prüfungsprozess auf Schutzfähigkeit zu durchlaufen bzw. gegen diese wurden nach Veröffentlichung des Patents keine Einsprüche eingelegt. Folglich dokumentiert ein Patent den „Neuigkeitscharakter“ einer Erfindung und ist damit wert voller als die bloße Patentanmeldung, bei der das Prüfungs verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Für Investoren, die die Technologie und deren Erfolgschancen beurteilen, sind daher nur erteilte Patente relvant. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur [1] Lenz, K. F.: Grenzen des Patentwesens. Norderstedt (BoD) 2002 [2] Beyer, D.: Patente und Venture Capital. Hamburg 2009
PCGK
Inhalt und Zielsetzung des Public Corporate Governance Ko dex des Bundes enthält wesentliche Bestimmungen geltenden Rechts zur Leitung und Überwachung von Unternehmen, an denen die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist, sowie international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. Ziel ist es, die Unternehmensführung und -überwachung transparenter und nachvollziehbarer zu machen und die Rolle des Bundes als Anteilseigner klarer zu fassen. Zugleich soll das Bewusstsein für eine gute ►Corporate Governance erhöht werden. Der Public Corporate Governance Kodex des Bundes enthält Empfehlungen, Anregungen und Regelungen, die geltendes Recht widerspiegeln. Ferner enthält der Public Corporate Governance Kodex des Bundes Anregungen, von denen ohne Offenlegung abgewichen werden kann; hierfür werden „sollte“- oder „kann“-Formulierungen verwendet. Literatur
[1] Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes. Teil A, B und C. Stand 30. Juni 2009. pdf-Do kument
PCM
▶en: Parts Count Method Methode zur Ermittlung von Zuverlässigkeitskenngrößen
PDCA Circle oder -Zyklus
▶plan do check action-circle ▶Kaizen ▶Demings PDCA-Zyklus Planen, Tun (Do), Checken (Prüfen), Aktion. Im Anschluss an ►Shewhart von Deming entwickelter Verbesserungskreis lauf als Technik zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung. Ausführlich behandelt im Lexikon unter ►Demings PDCAZyklus.
PDCA-Zyklus Energiemanagement ▶ ISO 50001
P
People Empowerment
▶Empowerment ▶Mitarbeiterorientierung
perceived Quality
▶de: wahrgenommene Qualität ▶Kunde | ▶Kundenorientierung | ▶Qualitätsurteil „Wahrnehmen heißt urteilen!“
Letztendlich sind es immer die Menschen, die die Leistung einer Organisation wahrnehmen und dann ihr Urteil fällen (►Qualitätsurteil). Ein wichtiger eher psychologisch bzw. sozialpsychologischer Begriff hierzu ist die Kundenwahrneh mung (customer perception), auf den sich dann der Begriff perceived Quality bezieht, der die vom Kunden bewusst und unbewusst erlebte Realisierung von Produkteigenschaften be schreibt, also die Wahrnehmung von Qualitätsmerkmalen [1].
787
Begriff
▶Public Corporate Governance Kodex des Bundes Die Beteiligung des Bundes an Unternehmen hat instrumen tellen Charakter: Sie dient der Erfüllung spezifischer wichtiger Bundesaufgaben. Eine privatrechtliche Organisationsform zur Aufgabenerledigung ist nach der Bundeshaushaltsord nung nur zulässig, wenn sich der konkrete angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt. Leitlinie für den Bund ist somit die Ausrichtung auf den öffentlichen Auftrag, der mit einer unternehmerischen Betei ligung erfüllt werden soll. Geht der Bund eine Beteiligung ein, so hat er zunächst - wie jeder private Anteilseigner - ein Inte resse daran, dass das Unternehmen gut und seinem Interesse entsprechend geführt wird. Daher bedarf es zunächst eines Regelwerks, das Standards guter Unternehmensführung mit Anforderungen und Erwartungen an die Unternehmens organe festlegt. Diese Aufgabe kommt dem PCGK zu. Der PCGK, der sich an die Unternehmen selbst richtet, enthält vorrangig Empfehlungen zur Verbesserung von Prozessen und Arbeitsstrukturen der Unternehmensorgane Vorstand/ Geschäftsführung, Aufsichts-/Verwaltungsrat.
PCGK / perceived Quality
Begriff
perceived Quality
Perfektion
Wahrnehmung (perception) ist die sinnesphysiologische und mentale Verarbeitung von physikalischen Reizen, damit sie zu subjektiven Informationen werden können.
und Zeit: Eine Geschichte der Wahrnehmung. Frankfurt am Main (Campus) 1997
Perceptions Management
P
Wenn sich das Qualitätsmanagement nun mehr vertiefender mit seiner subjektiven Seite, dem Kunden, befasst, so wird keines falls Neuland betreten, wie man meinen könnte. Teilweise geht es um Konzepte, die in der Psychologie bereits im Grundstudium behandelt werden wie der Halo-Effekt oder die beiden Serienpositionseffekte (primary oder recently), die auf den Klassiker Ebbinghaus zurückgehen. Es verwundert etwas, wenn aus der Vielzahl an recht gut getesteten Forschungsergebnissen der Psychologie nur selektiv geschöpft wird. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass ein eher „blinder Fleck“ des Qualitätsmanagements nun vermehrt zum Gegenstand der Betrachtung erhoben wird. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Schmitt, R. und T. Pfeifer: Qualitätsmanage ment. Strategien, Methoden, Techniken. 5. Aufla ge. München (Hanser) 2015, S. 98-104 [2] Bierbaumer, N. und R. F. Schmidt: Biolo gische Psychologie. 6. Aufl. Heidelberg (Sprin ger) 2005 [3] Burckhardt, M.: Metamorphosen von Raum
788
psychologie, im ersten experimentalpsych. Laboratorium in Leipzig
Begriff
Perceived Quality wird bemüht, um den Zusammenhang zu ▶Wartezeitenmanagement analysieren, wie ein Kunde das Produkt wahrnimmt. Weiß man dies, so lässt sich viel treffsicherer das Produkt, lassen Perfektion sich also die Qualitätsmerkmale entwickeln. Noch etwas ▶de: Vollkommenheit weiter geht das japanische ►Kansei, eine psychologische ▶lat: perfectio Forschungsrichtung, die versucht die emotionalen Reakti ▶Lean Thinking onen auf Produktmerkmale zu erforschen. So kann es wichtig ▶Kaikaku. In: ▶Japanische Qualitätstechniken und -konzepte für bestimmte Produkte sein, wenn spezifische Ekelempfin A bis Z dungen des Menschen bewusst durch Merkmalsgestaltung des Produkts ausgeschaltet werden können. Ein anderer An Vollkommenheit bezeichnet einen Zustand, der sich nicht satz wird in der Sozialpsychologie verfolgt. Es wird gefragt, noch weiter verbessern lässt. ob und wie die Wahrnehmung durch Anwesenheit anderer 1 Hinführung beeinflusst wird. Experimentell arbeitende Sozialpsycholo Vollkommen nimmt eine Mehrfachbedeutung an: einerseits gen haben hier bereits seit Jahrzehnten geforscht und Grund im Sinne von Makellosigkeit (lat. integritas), also ein von Be lagenwissen zusammengestellt (klassisch hierzu Salomon schädigungen freier Zustand, andererseits im Sinne von zum Asch [1907-1996] mit seinen Experimenten aus den 1950er Vollen kommen bzw. Vollendung (lat. perfectio), also als fina Jahren). Wer im Dienstleistungsbereich die wahrgenommene les Ergebnis einer abschließbaren Serie von Verbesserungen und wahrnehmbare Qualität gestalten muss (zum Beispiel im als absolute innere Zweckmäßigkeit. Gemein ist diesen bei Hotel) sollte hier über elementare Kenntnisse verfügen. Ei den Bedeutungen der Kontext von Unübertrefflichkeit – der nen eigenständigen Bereich stellen Wahrnehmungstäuschun makellose bzw. vollendete Zustand ist jeweils ein Maximum gen dar. Wilhelm Wundt war auch hier ein Pionier (s. Ab des jeweils Erreichbaren – hierin erinnert er an den Begriff bildung P04). Schließlich ist „perceived Quality“ auch vom Ideal. Marketing im Bereich der Kommunikation (z. B. der Wer bung) aufgegriffen worden. Doch wer hier auf Anleihen hofft, Sehen wir einmal ab von den antiken und mittelalterlichen wird zur Sinnesphysiologie und Wahrnehmungspsychologie Vorstellungen von Vollkommenheit, wie sie sich bei Platon, zurückgewiesen. Abb. P04: Wilhelm Wundt (1832-1920), rechts, Begründer der Experimental-
Perfektion Aristoteles und Thomas von Aquin finden lassen, so ent stammt das moderne Konzept der Vollkommenheit den ide alistischen Strömungen des 18. Jahrhunderts und ist eng an den Begriff des Fortschritts geknüpft [1]. Bei Kant ist Voll kommenheit ein Begriff der Ontologie: sie bezeichnet die Vollständigkeit eines Seienden als Zusammentreffen aller möglichen Bestimmungen eines Gegenstands zu einer har monischen Einheit oder Ordnung. Das Vollkommene ist ein „Volles“, eine Fülle mögliche Anteile, zu der kein weiterer An teil mehr fehlt. Charakteristisch ist für das Vollkommene da her, dass es keiner weiteren Sache bedarf und daher vollstän dig autonom und keiner weiteren Entwicklung mehr fähig und somit zeitenthoben ist. Da sich zu jedem real Seienden, sofern es endlich ist, prinzipiell eine mögliche Ergänzung fin den lässt, können demnach vollkommene Sachverhalte nur im Reich der Abstraktion oder bei Gott gefunden werden. Im Bereich des Endlichen hingegen wird Vollkommenheit eine regulative Idee; ein Zustand, der zwar nicht erreicht werden kann, aber unbedingt angestrebt werden muss – dies ist die ethische Perfektibilität des Menschen. 2 Perfektion, ein Thema des Qualitätsmanagements Steve Jobs, der von J. M. ►Juran, dem Qualitätsexperten, in seiner Funktion bei Apple beraten wurde, wurde allgemein als Perfektionist gesehen. Apples Produkte zeugen von seiner Sicht der Dinge. Seine Auftritte in der Öffentlichkeit zeugen davon. Für ihn war wohl Perfektion das unendliche Streben nach Verbesserung, an dem er und seine Mitarbeiter regen Anteil hatten. Niemals vor ihm hat sich ein CEO so tief in die Produktentwicklung eingemischt wie Steve. Letztend lich machte er sich unbeliebt, wenn er das Produkt immer besser, immer perfekter haben wollte. Dennoch, sein Streben nach Perfektion hatte die Organisation erfasst. Und dies ho norierten die Kunden, eher weltweit eine Gemeinschaft von Produktgläubigen.
„Indem Organisationen anfangen, den Begriff Wert genau zu spezifizieren, den gesamten Wertschöpfungsstrom zu identifizieren, die wert schöpfenden Schritte für spezifische Produkte in einen kontinuierlichen Fluss (Flow) zu bringen, und den Kunden die Möglichkeit bieten, diese Werte beim Unternehmen abzurufen (Pull), geschieht etwas
Seltsames. Es dämmert den Beteiligten, dass diese Prozesse der Reduktion von Arbeit, Zeit, Raum, Kosten und Fehlern beim Anbieten von Produkten endlos sind. Das Produkt entspricht immer mehr dem, was der Kunde tatsächlich wünscht. Plötzlich scheint Perfektion, … keine verrückte Idee mehr zu sein.“ In Perfektion, genauer, dem Streben nach Perfektion, wird ein Strömen gesehen, ein Fließen, ein prozesshaftes Geschehen, dem regelhaft gefolgt werden muss, so wie man einer Ge brauchsanweisung folgt: 1 Spezifiziere den Wert aus der Kundenperspektive 2 Identifiziere den Wertstrom 3 Gestalte die Kontinuität des Flusses 4 Setze das Pull-Prinzip um 5 Erlange Perfektion Dies sind die Regeln des ►Lean Thinking. Da scheint es keine Aufbauorganisation mehr zu geben, kein Organigramm. Die fünf Regeln sprechen nicht direkt die Person, den Mitarbei ter an, sondern wollen als Organisationsprinzipien mit Fol gen verstanden wissen. Es geht also nicht um den „perfekten Menschen“ und die damit verbundene Frage, ob Menschen ihre normalen Eigenschaften verbessern und so die mensch liche Natur neu gestalten sollen [3]. Davor warnt auch Ursula Nuber, wenn sie die Frage stellt „Muss ich perfekt sein?“ und zum Schluss fordert, den inneren Richter, der nur mit Per fektem zufrieden ist, zum Schweigen zu bringen. [4] So war der anfangs genannte Steve Jobs auch keine Perfektionist, wie ihn andere fälschlicherweise charakterisiert haben, er wollte das Perfekte erlangen, aber nicht in finaler Absicht, sondern im methodischen Prinzip des ►Kaikaku aufgehoben wissen, wohlwissend, das kein Produkt in seiner geforderten, abgeru fenen Form (Pull) endlich ist, sondern immer verbesserungs bedürftig. Perfektion ist somit doch entgegen den eingangs erörterten Explikationen [5] als unendlicher Prozess zu se hen (►Deming lässt grüßen!). Als Perfektion wird die fruchtbare Phase am Ende eines Pro zesses bezeichnet, der notwendigerweise einem kontinuier lichen nie endenden Verbesserungsprozess folgt. Das ergibt sich aus der Prozesshaftigkeit, dem Strömen, das in Prozess formen kulminiert und Komponenten für weitere Kompo nenten bildet. [6] Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Galle R.: Vollkommen/Vollkommenheit. In: Barck, Kh. et al. (Hrsg.): Ästhetische Grundbegriffe. Band 6. Stuttgart und Weimar (Metzler) 2005 [2] Womack, J. P. und D. T. Jones. Auf dem Weg zum perfekten Un ternehmen. Lean Thinking. Frankfurt am Main-New York (Campus) 1997 [3] Gesang, B.: Perfektionierung des Menschen. Berlin (de Gruyter) 2007 [4] Nuber, U.: Muss ich perfekt sein? In: Psychologie Heute, 1 (2015), S. 18-22
789
Begriff
Wo finden sich noch Hinweise, dass es sich beim Thema Perfektion um ein zentrales Thema des Qualitätsmanage ments handelt? Wer die erste deutsche Auflage von Womack & Jones „Lean Thinking“ besitzt, erkennt dort im Titel, dass es 1997 noch „Auf dem Weg zum perfekten Unternehmen“ [2] hieß. Das Streben nach Perfektion ist die letzte Phase des ►Lean Thinking. Perfektion ist das Endziel, wenn es nichts mehr gibt, das durch die Anwendung von Muda-Techniken entlang des Wertstroms eleminiert werden kann. Schließlich ist die Rede davon, dass man jemanden braucht, der im Stre ben nach Perfektion aus den Träumen Wirklichkeit macht. Das Prinzip: Wertschöpfung muss fließen, will heißen Wert schöpfung entsteht entlang eines Wertstroms [2, S. 34]:
Perfektion
P
Performance Measurement
Begriff
Performance-Audit
▶Auditarten Untersuchung der Leistungsfähigkeit (anhand von Kenn größen), der Wirksamkeit und Möglichkeiten zur Leistungs steigerung des Managementsystems sowie einzelner Aspekte daraus.
Performance Measurement ▶Leistungsmessung ▶Balanced Scorecard ▶Qualitätskennzahlen
1 Was ist Performance-Measurement? Als Begriff wurde Performance Measurement erstmals in den 1980er Jahren in der angloamerikanischen Fachliteratur er wähnt. Ziel der Einführung von Performance-Measurement war die Nutzung von Kennzahlen, die – gegenüber herkömm lichen Kennzahlensystemen – bestimmte Wachstumsfakto ren berücksichtigen und die Dynamik des Marktes besser widerspiegeln. Ein von Lynch und Cross [1] sowie Klingebiel [2] angestellter Vergleich der Kennzahlen zwischen traditio nellen Systemen und Performance-Measurement zeigt Abbil dung P05.
P
Allgemein kann Performance Measurement als ein Erken nungs- und Identifizierungsprozess verstanden werden, der es ermöglicht, die Ergebnisse von Aktivitäten in Organisationen im Bereich der Kennzahlen, die zur Bewertung der Effektivi tät und Effizienz herangezogen und kommuniziert werden, abzubilden. Das Management verwendet die Leistungsmessung für die Bewertung der Realisierung der Strategie, die Bewertung des Verlaufes der Managementprozesse sowie die Würdigung der finanziellen Kondition der Organisation. Neely beispielsweise bezeichnet die Leistungsmessung als einen „Prozess der Ab bildung der Effizienz und Wirksamkeit vergangener Aktivi täten im Bereich der Zahlen“ [3], während Moullin sie als „Be wertungsprozess des Grades, in welchem Organisationen gut geführt werden, sowie zur Bestimmung des Wertes, der Kun den und anderen Interessierten vermittelt wird“ definiert [4]. Eine Leistungsmessung ermöglicht den Ingenieuren die Be stimmung von physikalischen Eigenschaften und Parametern der entworfenen Systeme, Maschinen, Werkstoffe sowie der technologischen Prozesse. Ferner kann sie sich auch auf Er eignisse beziehen, die mit dem Erhalt, der Instandsetzung und der Funktionsweise von Systemen sowie Maschinen ver bunden sind, wie zum Beispiel die Anzahl von Störungen [5]. Der Messvorgang an sich ist eine Folge von Aktivitäten, zu denen gezählt werden: ◼ die theoretische und praktische Vorbereitung der Mes sung, ◼ die technische Ausführung der Messung, ◼ die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse.
Sehr oft wird unter dem Begriff Messung lediglich die tech nische Realisierung Abb. P05: Traditionelle versus Performance Measurement-Kennzahlensysteme subsumiert. Derzeitig wird der Begriff der Traditionelle Kennzahlensysteme Performance Measurement Messung auf Kontroll operationen bezüg ◼ Monetäre Ausrichtung (vergangenheitsorientiert) ◼ Kundenausrichtung lich des Auftretens der ◼ Begrenzt flexibel; ein System deckt interne und ◼ Aus den operativen Steuerungserfordernissen abWerte der jeweiligen externe Informationsinteressen ab geleitete hohe Flexiblität ◼ Einsatz primär zur Überprüfung des Erreichungs◼ Überprüfung des Strategieumsetzungsgrades; Im- Größe in einem be stimmten Intervall grades finanzieller Ziele pulsgeber zur weiteren Prozessverbesserung ausgedehnt. Obwohl ◼ Kostenreduzierung ◼ Leistungsverbesserung ◼ Vertikale Berichtsstruktur ◼ Horizontale Berichtsstruktur der Hauptgegenstand ◼ Fragmentiert ◼ Integriert der Leistungsmessung ◼ Kosten, Ergebnisse und Qualität werden isoliert ◼ Qualität, Auslieferrung, Zeit und Kosten werden die Ergebnisse einer bewertet simultan bewertet Tätigkeit sind, erfasst ◼ Unzureichende Abweichungsanalyse ◼ Abweichungen werden direkt zugeordnet die Messung auch die (Bereich, Person) Beschränkung oder den ◼ Team-/gruppenbezogene Leistungsanreize ◼ Individuelle Leistungsanreize Ausschluss von allen ◼ Individuelles Lernen ◼ Lernen der gesamten Organisation Abweichungen bezüg Quelle: Eigene Darstellung nach [1] und [2]. lich der Produkte oder Arbeitsprozesse. Das Ziel ist, vernünftige Entscheidungen im Bereich der Tätig keiten zu treffen, die einen Einfluss auf das Produkt oder den Prozess und seine Leistung haben [6]. Wenk betrachtet die
790
Begriff
[5] Bis auf Ausnahmen (im Prinzip Heraklit) wurde weder in der antiken Philosophie noch in der Kantischen der Prozessbegriff als Ausgangspunkt des Denkens genommen. Es wundert also nicht, wenn Perfektion als Vollkommenheit final interpetiert wurde und heute noch wird. [6] Bestätigung findet diese Bestimmung in der allgemeinen Pro zesstheorie, wie sie Whitehead bereits vor nun knapp 100 Jahren eingeführt hat. Vgl. Whitehead, A. N.: Denkweisen. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2001, S. 129
Performance Measurement
Performance Measurement Leistungsmessung als ein komplexes Managementsystem, das vorbeugende und detektierende Maßnahmen beinhaltet, die auf die Erzielung einer Übereinstimmung der Produkte oder Dienstleistungen mit den Forderungen der Kunden aus gerichtet sind [7]. Eine derartige Leistungsmessung trägt zur Optimierung der Prozesse durch eine Steigerung der Effizi enz oder der Wirksamkeit bei. Eine zyklische Wiederholung dieser Maßnahmen bildet die Fähigkeit, ►Best Practices zu identifizieren und einzuführen, somit Prozesse oder Produkte weiter zu entwickeln. Die Leistungsmessung macht die Wahl der Parameter erfor derlich, die zu erfüllen sind, damit Programme, Investitionen oder Firmenübernahmen die beabsichtigten Resultate er bringen [4]. Abhängig von der geforderten Genauigkeit, den Bedingungen, in denen die Messung vorgenommen wird, der Verwendung der Messergebnisse, dem Charakter der Mess größe, finden verschiedene Messmethoden Anwendung [8]. Im Allgemeinen wird es nicht gelingen, ein volles Abbild der Ergebnisse einer Organisation zu erzielen, da manche Para meter nicht unmittelbar messbar sind. Dafür können diese mittelbar mit Hilfe von Beobachtungen geschätzt werden. Ferner lässt sich eine komplexe Aufstellung von Zahlendaten nicht ohne eine vorherige Aggregation durchführen, bei der nur die Wesentlichen überbleiben. 2 Nutzen der Leistungsmessung Zu den wichtigsten Nutzen der Messungen zählen [9]: ◼ die Feststellung, ob ein Produkt oder Prozess die Kun denanforderungen erfüllt, ◼ ein besseres Verständnis der Prozesse innerhalb der Or ganisation, ◼ die Sicherstellung, dass Entscheidungen innerhalb der Organisation auf der Grundlage von Fakten und nicht unter Einfluss von Emotionen getroffen werden, ◼ Angabe, wo ein Bedarf an der Einführung einer Rationa lisierung besteht, ◼ Nachweis, ob eine Rationalisierung faktisch auch stattge funden hat, ◼ Offenlegung von Problemen, die von den Mitgliedern der Organisation aufgrund ihrer Befangenheit oder ihrer Vorahnung, dass alles in Ordnung sei, lange Zeit nicht ge sehen worden sind ◼ Feststellung, ob Lieferanten die Forderungen der Organi sation erfüllen. 3 Bedeutung der Leistungsmessung für das Qualitätsmanagement Die Leistungsmessung wird als wichtiges Element eines kom plexen Qualitätsmanagements gemäß dem Grundsatz be trachtet, dass wenn etwas nicht messbar ist, dann kann man es auch nicht verstehen, und was nicht zu verstehen ist, das ist auch nicht zu managen, und, wenn etwas nicht zu mana gen ist, so kann es auch nicht verbessert werden.[10]. Die für die Programme der Qualitätssicherung und -steigerung in der gesamten Organisation oder lediglich im Team verantwort
Performance Measurement lichen Manager sollten wissen, wie, wo und wann wesentliche Änderungen einzuführen sind. Ferner dient die Leistungsmessung [11]: 1 der Kontrolle: Die Messungen helfen, die Variabilität der Ergebnisse einzuschränken. 2 der Selbstbewertung: Die Messungen können der Bewer tung dienen, wie gut die Prozesse verlaufen sowie welche Rationalisierungsmaßnahmen eingeführt worden sind. 3 der kontinuierlichen Verbesserung: Die Messungen kön nen zur Identifizierung der Ursachen der Mängel, der Prozesstrends sowie zur Vorbeugung der Entstehung der Mängel als auch zur Bestimmung der Effizienz und der Wirksamkeit der Prozesse sowie der Möglichkeiten der Rationalisierung beitragen. 4 der Managementbewertung: Ohne Messungen kann man keine Gewissheit haben, dass die Organisation den ziel konformen Mehrwert bildet, oder effizient und wirksam ist. Bourne behauptet, dass die Leistungsmessung auch der Kom munikation der Richtungen, Ziele und Vorhaben im Rahmen der Organisation sowie der Einwirkung auf die Vorgehens weise der Mitarbeiter dienen kann. [12]. 4 Leistungsmessungen als System der Managementkontrolle Die Leistungsmessung erfüllt die Funktionen einer subtilen ex-ante-Kontrolle, da die Mitarbeiter wissen, dass die ge sammelten Daten in der Zukunft verwendet werden können und deshalb ihre Bemühungen darauf konzentrieren, gute Ergebnisse in den Bereichen zu erzielen, die Gegenstand der Messung sind [13]. Die Leistungsmessung erfüllt auch die Funktionen einer ex-post-Kontrolle, denn sie liefert Informa tionen zum Vergleich der Aktivitäten mit davor bestimmten operativen Zielen/Standards und ermöglicht die Aufdeckung von ungünstigen Abweichungen von den geplanten Ergebnis niveaus und die Einleitung von Aktivitäten zum Zwecke der Wiederherstellung der Ergebnisse auf den geplanten Niveaus oder das Erzielen von neuen Ergebnisniveaus. Nach Untersu chungen aus dem Jahre 2013 wenden 96% der Unternehmen die Systeme der Leistungsmessung dazu an, den Mitarbeitern präferierte Vorgehensweisen aufzuzeigen sowie eine Kontrol le über diese auszuüben. [14]. In der Praxis verwendet die Geschäftsführung die Systeme der Leistungsmessung für zwei Ziele. Die Informationen des Systems der Leistungsmessung können der Bestimmung der Schlüsselfaktoren der Aktivitäten dienen, die von der Reali sierung der strategischen Ziele und der Festlegung der Ziel größen zeugen. In diesem Falle üben sie die Funktion der interaktiven Systeme der Managementkontrolle aus. Ferner können die aus den strategischen Zielen abgeleiteten wich tigsten Messgrößen der Aktivitäten der Überwachung des Grades der Implementierung der Strategie dienen. In diesem Falle üben sie die Funktion der diagnostischen Systeme der Managementkontrolle aus [15].
791
P
Performance Measurement
Petrick, Klaus
5 Systeme der Leistungsmessungen Gegenwärtig existieren zahlreiche Konzepte der Systeme der Leistungsmessung. Einige davon sind mit dem Ziel entstan den, die Ergebnisse einer gesamten Organisation zu messen, andere für die Messung der Ergebnisse der Arbeiten von Teams.
formance measurement and organizational excellence, International Journal of Health Care Quality Assurance, 20:3 (2007), pp. 181-183. [5] Gruca, M.: Grundsätze der Auswertung der Leistungsmes sungen, http://imc.pcz.czest.pl, 15.05.2014 [6] How to measure performance. A handbook of Techniques and Tools. Oak Ridge Associated Universities 1995 [7] Wenk T.: Performace Measurement Systeme und deren Einsatz als Managementsystem. Aachen (Shaker) 2006 [8] S. [5], S. 1 [9] S. [6], S. 7 [10] Halachmi, A.: Performance measurement is only one way of managing performance, „International Journal of productivity and performance management” (2005), vol. 54, no.7, S. 503 [11] S. [6], S. 7 [12] Bourne, M.: Implementing a balanced scorecard performance measurement system, [w:] A.J. Smith (red.), Handbook of Manage ment Accounting, Oxford (CIMA Publishing) 2007, S. 940 [13] Flamholtz, E.: Accounting, budgeting and control systems in their organizational context: theoretical and empirical perspectives. “Accounting, Organizations and Society”, Nr. 8 (1983), S. 156 [14] Bednarek, P.: Analiza opisowa cech i roli pomiaru oraz oce ny wyników działalności jako systemu kontroli zarządczej w przedsiębiorstwach działających w Polsce, w: Studia i Prace Kolegi um Zarządzania i Finansów, Zeszyt naukowy 129, Warszawa: Szkoła Główna Handlowa w Warszawie 2013, s. 27-52 (dt.: Beschreibende Analyse der Eigenschaften und der Rolle der Messung sowie Bewer tung der Aktivitätsergebnisse als System der Managementkontrolle in den in Polen tätigen Unternehmen, in: Studien und Arbeiten des Kollegiums der Unternehmensführung und der Finanzen, Wissen schaftliches Heft 129, Warszawa: Handelshochschule in Warszawa, 2013, S. 27-52) [15] Simons R.: Levers of Control. Boston: Harvard University Press 1995 [16] Merchant K.A.: Modern Management Control Systems. Text and Cases, Upper Saddle River (Prentice Hall) 1998 [17] S. [6], S. 8
Zu der ersten Gruppe zählen: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
►Balanced Scorecard Performance Prism Cambridge Performance Measurement Process ►EFQM-Modell Tableau de Bord Data Envelopment Analysis Skandia Navigator Quantum Performance Measurement System.
Zu der zweiten Gruppe zählen: ◼ TPM Process ◼ 7-Step TPM Process ◼ Total Measurement Development Method. 6 Entwicklung des Systems der Leistungsmessung Obwohl das Konzept ►Balanced Scorecard in der Praxis am beliebtesten ist, so gibt es kein universelles Modell. Die Man nigfaltigkeit und Einzigartigkeit der Bedürfnisse der Organi sation führen dazu, dass ein System der Leistungsmessung je des Mal an die jeweilige Situation anzupassen ist. Verschiede Faktoren üben einen Einfluss auf seine Gestalt aus, wie: Men schen und Organisation, Mission und Strategie, Umwelt- und technologische Faktoren. [16]. Die Entwicklung eines gelun genen Systems der Leistungsmessung macht die Einhaltung der folgenden Grundsätze notwendig [17]:
Literatur
[1] Lynch, R. L., Cross, K. F.: Measure Up! Yardsticks for Continuo us Improvement, 2. Aufl., Cornwall 1995, S.38 [2] Klingebiel, N.: Performance Measurement – Grundlagen, Ansät ze, Fallstudien. Wiesbaden (Gabler) 1999, S. 61 [3] Neely, A.D., Adams C., Kennerley M.: The Performance Prism: The Scorecard for Measuring and Managing Stakeholder Relati onships, London: Financial Times/Prentice Hall 2002; Moullin M.: Delivering Excellence in Health and Social Care, Buckingham: Open University Press 2002 [4] Moullin M.: Performance measurement definitions. Linking per
792
Personalentwicklung
▶ Führung und Qualitätsmanagement
Personalmanagement
▶Human Resource Management (HRM)
Petrick, Klaus Deutscher Qualitätsexperte
P
◼ Es ist nur das zu messen, was relevant ist. Nicht zu viel messen. Es ist nur das zu messen, was einen Einfluss auf die Zufriedenheit des Kunden hat. ◼ Es ist sich auf die Kundenbedürfnisse zu konzentrieren. Die Kunden fragen, ob das, was gemessen wird, ihrer Meinung nach auch gemessen werden soll. ◼ Mitarbeiter sind in die Entwicklung und Einführung des Messsystems zu engagieren. Es ist zu bewirken, dass sie sich als seine Eigentümer fühlen und dadurch zur Steige rung seiner Qualität beitragen. Dr. Piotr Bednarek, Wrocław
Klaus Petrick, geb. 1940, war bis Herbst 2003 Geschäftsfüh rer der ►DQS GmbH Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen. Nach seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Raumfahrttechnik und seiner Promoti on an der TU Berlin (1972) zum Dr.-Ing.
Pfeifer, Tilo betreute er als Angestellter im ►DIN nationale und interna tionale Normungsarbeiten zur Akustik und zu Statistik und Qualitätsmanagement. Er war Leiter der deutschen Delega tion im ISO/TC 176, das die ISO 9000-Normenreihe erar beitete. Er engagierte sich in deutschen, europäischen und in ternationalen Vorhaben und Organisationen zur Einrichtung von Managementsystem-Zertifizierungsverfahren und zur internationalen gegenseitigen Anerkennung von Zertifikaten und war 1998/1999 Präsident von IQNet The International Certification Network. Petrick setzt nach seiner aktiven Be rufszeit sein ihm angestammtes Gebiet Qualitätsmanagement als Autor fort. Literatur (Auswahl): (Zahlreiche Aufsätze über die Normung auf den Gebieten der Akustik, Statistik und des Qualitätsmanagements sowie der Zertifizierung von Qualitäts- und Umweltmanagement systemen.) – Au ditie rung und Zertifizierung von Qua li täts ma nagementsystemen gemäß den Normen ISO 9000 bis 9004 mit Blick auf Europa. In: Stauss, B. (Hrsg.): Qualitätsmanagement und Zertifizierung. Von DIN ISO 9000 zum Total Quality Management. Wiesbaden: Gabler 1994, S. 93-126. – Zus. mit R. Eggert (Hrsg.): Umwelt- und Qualitätsmanagementsysteme. Eine gemeinsame Her ausforderung. München-Wien: Hanser 1995. – Die Weiterentwick lung der ISO 9000-Normenfamilie. In: Q-Agenda ‘96. Reprint Ver lag Gossau 1996, S. 98-99. – Hrsg. K. Petrick und DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: Qualitätsmanagement, Umweltmanage ment und Zertifizierung in der Europäischen Union. Aufsätze, EGRichtlinien und -Verordnungen, CE-Kennzeichnung, Öko-Audit., 2., vollständig überarbeitete Auflage. Berlin-Wien-Zürich: Beuth Verlag 1997. – Zus. mit H. Reihlen: Qualitätsmanagement und Normung. In: Handbuch Qualitätsmanagement, von Walter Masing (Hrsg.), 4. Auflage, Kapitel 6, Hanser Verlag München u.a. 1999, S. 73-92.
Pfeifer, Tilo
Deutscher Qualitätsexperte
▶Aachener Qualitätsmanagement Modell ▶Qualitätsregelkreis Jahrgang 1939, Studium der Elektrotechnik, Fachrichtung Nachrichtentechnik an der RWTH Aachen. 1968 Promotion, danach Tätigkeit in führender Position in der Industrie. Nach seiner Habilitation war er seit 1972 als Professor im Werkzeugmaschinenlabor (WZL) an der RWTH Aachen tätig und dort bis zu seiner Emeritierung im September 2004 Inhaber des Lehrstuhls Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement. Im Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) leitete er bis Ende 2004 die Abteilung Messund Qualitätstechnik. 1989 Dr. h.c. der Universität Santa Catarina, Florianopolis, Brasilien. 1995 Prof. h.c. der Tsinghua-Universität, Peking. 1997 Verleihung des VDI Ehrenzeichens. 2003 Dr. h.c. der Universität Zaragossa, Spanien. 2004 Verleihung der Herwart-Opitz-Ehrenmedaille der
Pfeifer, Tilo VDI-Gesellschaft Produktionstechnik. 2006 Prof. h. c. der Jilang Universität, Hangzhou. Pfeifer ist Vorsitzender des wissenschaftli chen Beirates der ►Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V. (DGQ). Member of: ►International Academy of Quality (IAQ), “International Academy for Production Engineering” (CIRP), “General Council of the International Measurement Confederation” (IMEKO). Über 800 Veröffentlichungen, zahlreiche Konferenzbeiträge, mehrere Bücher (unter anderem Mitherausgeber von Masings Handbuch Qualitätsmanagement) und Patente. – Pfeifers besonderes Interesse am Qualitäts-management ist auf sei nen ganzheitlichen Charakter konzentriert. Neben Wirtschaftlichkeitsfragen, QM-Informationssystemen und Qualität und Recht thematisiert er das Qualitäts-management im Produktlebenszyklus: ►Aachener Qualitätsmanagement Modell. Literatur: et al: Qualitätsverbesserung in der Produktion mit Hil fe des vollständigen Prozessmodells, in: ZWF – Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb 96 (2001), S. 529-531 – Qualitäts management entscheidende Querschnittsaufgabe für den Un ternehmenserfolg, in: VDMA Nachrichten (2001), 9, S. 1 – et al: Computergestütztes Qualitätsmanagement, Quality Management, Computer Aided, in: Lexikon der Wirtschaftsinformatik, Hrsg.: Mertens, P.; Scheer, A.; Back, A.; Becker, J., 4. Aufl., Springer Ber lin 2001, S. 107 – et al: Six Sigma – Potenziale für das Qualitätsma nagement, in: Qualitätsmanagement – Anspruch und Wirklichkeit, Hrsg.: Herrmann, J., 1. Aufl., Shaker Aachen 2004, S. 93-113 – et al: Präventum-Strategien zur lebenszyklusweiten umweltgerechten Produkt- und Prozessbetrachtung, in: uwf-Umwelt Wirtschaftsfo rum (2004), 2, S. 71-75 – et al: Integrating Six Sigma with Qualiy Management Systems, in: TQM Magazine 16 (2004), 4 – et al: Qua lität ist gefragt – Management von Innovationen, in: VDI-Z Inte grierte Produktion 146 (2004), 9, S. 66-68 – et al: Klare Ergebnisse, in: Qualität und Zuverlässigkeit 49 (2004), 8, ISSN 0720-1214, S. 16 – et al: Quality Control of thermal spray processes through cost effective diagnostic methods, in: Conference Abstracts ITSC 2005, Hrsg.: Lugscheider, E., DVS-Verlag Düsseldorf 2005 – et al: Mana ging Change – quality-oriented design of strategic change processes, in: The TQM Magazin 17 (2005), 4 – et al: Betriebswirtschaftliche Aspekte des Qualitätsmanagements, in: Qualitätsmanagement – Digitale Fachbibliothek, Hrsg.: Kamiske, G., 15. Aufl. , Symposion Publishing Düsseldorf 2005, S. 1-10 – Qualitätsgerechte Gestaltung strategischer Veränderungsprozesse, in: Kreativ und konsequent: Walter Masing, ein Leben für die Qualität, Hrsg.: Schnauber, H., 1. Aufl., Hanser Verlag München 2006 – et al: MOTEX-Analysis Recognising the Operational Status and Requirements in the Know ledge Management Sector in: Proceedings of World Conference on E-Learning in Corporate, Government, Healthcare, and Higher Ed ucation 2003 – Phoenix, Arizona, USA, Hrsg.: Richards, G., AACE Chesapeake, VA 2009, S. 1519-1525 – et al: Forschung und Ent wicklung im Qualitätsmanagement – Chancen für Innovation und Wachstum, in: Erfolgsfaktor Qualität – 20 Jahre FQS, Hrsg.: V., F., Forschungsgemeinschaft für Qualität Frankfurt a. M 2009, S. 1-11 – et al: Fertigungsmesstechnik, 3. Aufl., Oldenbourg Wissenschafts verlag München 2010 – et al: Qualitätsmanagement. Strategien – Methoden – Techniken, 4. Aufl., Hanser Verlag München 2010.
Pflichtenheft
Beim Pflichtenheft handelt es sich um eine Zusammenstel lung aller Forderungen an ein Produkt, einen Prozess oder ein Programm. Es beschreibt, wie die Gesamtheit der Forde rungen aus dem Lastenheft durch den Auftragnehmer umge setzt werden.
793
P
PIMS PFU
▶Prozessfähigkeit Prozessfähigkeitsuntersuchung
Philosophisch-historisches Qualitätsverständnis ▶Qualität als philosophischer Begriff
PIMS
▶en: Profit Impact of Marketing Strategy
Die PIMS-Datenbank geht auf Untersuchungen der General Electric Company Ende der 60er Jahre zurück. Sie wird heute von dem Strategic Planning Institute in Boston verwaltet. PIMS wird als Instrument zur Strategieanalyse verwendet. Das Modell basiert auf Daten von nahezu 3000 Geschäfts einheiten. Diese Einheiten hat man mit über 30 Variablen be schrieben. Mit PIMS wird die Rentabilität einer Branche mit den folgenden drei Kategorien gemessen (Abb. P06):
P
PIMS tio nalisierung stellt man chungsbegriffe und deren Opera jedoch fest, daß nicht ►Qualität, sondern ►Kundenzufrie denheit gemessen wurde. Kundenzufriedenheit wird sowohl mit produkt- als auch serviceabhängigen Variablen gemes sen. Jede Variable erhält eine bestimmte Punktzahl, die ihre Bedeutung für die Kundenzufriedenheit aus Kundensicht anzeigt. Nun wird ein Vergleich mit den drei größten Kon kurrenten durchgeführt, denen man ebenfalls entsprechende Punktezahlen zuweist. So gewinnt man ein Maß für die re lative Kundenzufriedenheit. Das Wort relativ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Kundenzufriedenheit zum eigenen Produkt in Beziehung gesetzt wird zur Kundenzufrie denheit der wichtigsten Konkurrenzprodukte. Demnach bietet das PIMS-Modell den Vorteil, daß es die relative Kundenzufriedenheit auch empirisch auf einer brei ten Datenbasis zu erfassen versucht. Es ist eines der wenigen Analysemodelle, mit dem das Ausmaß der Übereinstimmung zwischen Produkt und Kundenbedürfnissen zu bestimmen versucht wird.
◼ Wettbewerbssituation: Sie ergibt sich aus dem Marktanteil und der relativen ►Kundenzufriedenheit (‘Pro duktqualität’), die sowohl von Service- als auch Abb. K06: Die drei Hauptkategorien des PIMS-Modells Wettbewerbsituation Produktvariablen abhängt. ◼ Produktionsstruktur: Gemessen am Ver hältnis Marktanteil + Relativer Marktanteil + von gebundenem Kapital zu Umsatz und Wert Relative Kundenzufriedenheit + schöpfung. Die Rentabilität ist dabei um so niedriger, je mehr Kapital gebunden ist. Weitere Kausalfaktoren, die zu dieser Kategorie gehören, sind Kapazitäts aus lastung und Produktivität Produktionsstruktur Absatzlage (gemessen nach Wertschöpfung) Investitionen/Umsatz Wachstum ◼ Absatz-/Marktlage: Gemessen nach dem Markt Investitionen/Wertschöpfung Kapitalintensität wachstum, der Kapitalintensität der Branche Kapazitätsauslastung + Absatzkosten/Umsatz (die sich negativ auf die Rentabilität auswirkt), Produktivität + Beschaffungskosten den Absatzkosten im Verhältnis zum Umsatz und den Gesamtbeschaff ungskosten. Hohe Legende Beschaffungskosten wirken im allgemeinen ren + zeigt einen positiven Effekt auf die Rentabilität an - zeigt einen negativen Effekt auf die Rentabilität an tabilitätsmindernd. Die Faktoren, die die Rentabilität am stärksten be einflussen sind (mit abnehmender Relvanz): 1 2 3 4
Kapitalintensität Relative Kundenzufriedenheit Relativer Marktanteil Produktivität.
Das Interessante an PIMS ist darin zu sehen, dass es die Be deu tung individueller Variablen für den Geschäftserfolg erforscht. Die ►Kundenzufriedenheit ist eine der vier Va riablen, die die Rentabilität (gemessen durch die Kapital rendite) am stärksten beeinflussen (zweite Priorität). Kun denzufriedenheit wird von Interpreten der PIMS-Studie oft gleichgesetzt mit ►Qualität, was sachlich nicht richtig ist (s. w. u. Kritik). Kritik: Bei den gängigen Interpretationen der PIMS-Daten wird die Variable Qualität (= relative Produktqualität) zu grundegelegt. Bei differenzierter Betrachtung der Untersu
794
-
+ -
Leider verführt PIMS so manchen Interpreten dazu, sich eine mechanistische Sicht von Unternehmen und deren Ent wicklung anzueigenen und damit die geschäftlichen Reali täten aus den Augen zu verlieren. Dies schadet dem Ruf des Modells. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Hopfenbeck, W.: Allgemeine Betriebs wirt schafts- und Manage mentlehre. Das Unternehmen im Spannungsfeld zwischen ökono mischen, sozialen und ökologischen Interessen. 11. Aufl. Landsberg (mi) 1997
Plan
▶Qualitätsmanagementplan ▶Qualitätsplanung
Planung im Qualitätsmanagement
Planung im Qualitätsmanagement
Planung im Qualitätsmanagement
Vielfach wird betont den Demingschen PDCA-Zyklus, der ja „plan“ an den Anfang stellt, zu nutzen. Sowohl bei Ein heit 1 wie auch bei 2 ist das durchaus üblich. Schließlich wird dies auch in der ISO 9001:2015 vorexerziert. Dieser Vorgehensweise liegt die Einschätzung zugrunde, dass sich Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung in wieder kehrenden Zyklen aus Planung, Durchführung, Überprüfung und Anpassung vollzieht und so die kontinuierlichen Verbes serungen fördert.
▶en: planning in quality management ▶Implementierung ▶Innovationsmanagement ▶Organisationsgestaltung ▶Organisationsdesign ▶Qualitätsplanung (ISO-Term: ISO 9000:2015-11) „Planung ist nicht alles, aber ohne Planung ist alles nichts. Beginne zu planen, indem Du Deinen eigenen Standort bestimmst“ (Managementweisheit, von wem auch immer)
Begriff
1 Einführung in die Planbarkeit von Qualität Qualitätsmanagement richtet die gesamte Organisation an gemeinsamen strategischen und operativen Zielen aus. Es be darf somit der Planung, also der gedanklichen Vorwegnahme seiner zukünftigen Beschaffenheit. Jegliche Planung ist die gedankliche Vorwegnahme der Mittel und Schritte sowie deren Abfolge, die zur effek tiven Erreichung eines Zieles notwendig erscheinen, also der Versuch, die Zufälligkeit der Welt, die Vielfalt möglicher Alternativen und die Zukunftsunsicherheit, auch das Nichtwissen über mögliche Nebenfolgen bzw. Rückkopplungseffekte von Handlungen so zu redu zieren, damit Risikominimierung und zieladäquate Handlungsauswahl möglich werden. (nach [1, S. 227]) Im Anschluss an diese Begriffsexplikation kann man Planung als Handlungsvorbereitung verstehen, gewissermaßen einer Willensbekundung, der ein Planungsprozess folgen sollte, in dem Planungsphasen bestimmt werden und ein Planungs ergebnis das Ziel ist. Dass dies nicht so einfach ist, wie es scheint, zeigt die Kritik am Planungsbegriff in Abbildung P07. 2 Planung im Qualitätsmanagement Wer im Qualitätsmanagement plant, hat zwei Aufgabenbe reiche zu unterscheiden, in der Sprache des Qualitätsma nagements gesprochen, zwei Einheiten zu betrachten: 1 Planung des Qualitätsmanagementsystems = QMS-Pla nung 2 Planung der Produktqualität = Qualitätsplanung Beide Planungsbereiche sind als eine conditio sine qua non für das Management zu sehen. Sie sind nicht delegierbar, sondern zählen zu den Kernaufgaben der obersten Lei tung, die wegen ihres Wechselbezugs aufeinander zu be ziehen sind. Der Begriff ►Qualitätsplanung ist zudem ein genormter Begriff der ISO 9000:2015. Die Wahl dieser Benennung ist allerdings irreführend. Die Qualität kann ja nicht geplant werden. Per Definition ist Qualität ein Resul tat, das sich ereignet. Geplant wird die Qualitätsforderung. Im Planungszustand weiß man nicht, in welcher Weise sie sich realisieren wird. Qualitätsplanung ist somit logischer weise Forderungsplanung zu nennen. Diese eigentlich kor rekte Begriffsbildung hat sich aber nicht durchgesetzt. (s. a. [1], S. 149)
3 Planung des Qualitätsmanagementsystems (QMS) Gegenstand der Pla nung des QMS ist die Einheit ►Qualitätsmanagementsystem. Bei allen Planungsarbeiten muss das Ziel des Qualitätsmanagements klar sein: Die An gebotsprodukte sollen die Kunden zufriedenstellen. Danach richtet sich Art und Umfang der zu systematisierenden For derungen an das QM-System. Wie das organisationsbezogen erreicht wird, steht in keiner Norm. Dort kann man nur all gemeine Anregungen finden. Die ►Zertifizierung des QMSystems nach einer Norm kann ja nur ein Nebenzweck des Qualitätsmanagements sein. In Abbildung P02 wird gezeigt, wie der PDCA-Zyklus als Planungswerkzeug dienen kann. Planung, Implementierung und Kontrolle stellen die Kategorien dar, auf die sich der PDCA-Zyklus beziehen muss. Implementierung wird hier im Lexikon in einem Extra-Stichwortartikel behandelt (►Imple mentierung von QM-Systemen). Es empfiehlt sich im Stück werk nach der Devise „divide et impera“ voranzuschreiten (►Popper). Bei der Planung und Durchführung der einzel nen Projekte sollten die bewährten Methoden des ►Projekt managements angewendet werden. Ein Einführungsplan mit konkreten Zielen und Terminen ist die Grundlage für eine sinnvolle Zielverfolgung und Fortschrittskontrolle. Abb. P07: Niklas Luhmans Kritik am Planungsbegriff
Kritik am Planungsbegriff Der Soziologe Niklas Luhmann kritisiert, Planen und Planung als Vorausdenken oder Denkhandeln zu bezeichnen. Mit der Überlegung, dass künftiges Handeln im Vorgriff als Planung bezeichnet werden kann, bemerkt er, dass der Begriff damit keine prägnanten Konturen gewinnen kann, denn Planung ist in diesem Sinne notwendige Begleiterscheinung menschlichen Verhaltens schlechthin. Gegen eine solche weite Interpretation des Planungsbegriffs bezieht Luhmann engagiert Stellung und fordert eine scharfe Abgrenzung der Planung zum täglichen Verhalten, indem er auf das Zweck/Mittel-Schema wissenschaftlicher Objektivität abstellt und vorschlägt Planung wie folgt zu definieren: Planen ist Festlegen von Entscheidungsprämissen für künftige Entscheidungen, oder kurz: Planen heißt über Entscheidungen entscheiden. Hierbei werden bereits bindende Entscheidungen getroffen, jedoch werden die späteren Entscheidungen durch die bei der Planung getroffenen Entscheidungen weder erübrigt noch vollständig inhaltlich determiniert. Da Planung in diesem Sinne die späteren Entscheidungen in mehr oder weniger starkem Maße offenlässt, beschränkt sie sich auf eine Festlegung von Entscheidungsprämissen für spätere Entscheidungen. Sie strukturiert spätere Entscheidungssituationen mehr oder weniger stark, nimmt aber die konkreten Entscheidungen über die Handlungen nicht vorweg.
795
P
Planung im Qualitätsmanagement
Planung im Qualitätsmanagement
Abb. P08: Planung des QM-Systems nach dem PDCA-Zyklus
Planung
A
Kontrolle
Implementierung
P
D
C
Häufig werden folgende Zielsetzungen bei der Planung des QM-Systems verfolgt (Auswahl): ◼ ◼ ◼ ◼
Systematisierung der qualitätsbezogenen Prozesse Ständige Prüfung der Qualitätsfähigkeit Erhöhung von Qualitätsbewusstsein und Teamgeist Vertiefung des nötigen Fachwissens durch Training und Weiterbildung.
Greifen wir die erstgenannte Zielsetzung, die „Systemati sierung“ auf. Es gibt keine Organisation, in der nicht bereits Elemente und QM-Prozesse existieren. Die Planung auf der „grünen Wiese“ (tabula rasa) ist die absolute Ausnahme. In der Organisation werden die Elemente und QM-Prozesse oft nur nicht so genannt. Ziel der Planung ist folglich niemals die oft so genannte „Einführung“, sondern in Wahrheit stets seine Systematisierung, also die Verbesserung der Effizienz und Ef fektivität der vorhandenen Elemente und damit die Erfolgs aussichten des systematisierten QM-Systems (Ist-Analyse). Leider wird dem hier genannte zielbezogene Vorgehen der Systematisierung in der Praxis oft nicht gefolgt. Alles entwi ckelt sich irgendwie „im Wildwuchs“.
P
Der praktischen Organisationsgestaltung und der Planung des QMS geht die Organisationsplanung, wie sie sich in Großbetrieben oft findet, voraus. Sie legt in der Gegenwart fest, welche Organisationsstrukturen bis zu einem bestimm ten Zeitpunkt geschaffen und implementiert werden sollen. Für das Qualitätsmanagement heißt dies, festzulegen, in wel chen Strukturen und Prozessen es im organisatorischen Rah men konkret verankert werden soll. Taucht es als Oberbegriff auf, wird es oft Qualitätswesen genannt. Dem modernen Ver ständnis von Qualitätsmanagement diametral entgegenge setzt wird manchmal von dem für Qualität Verantwortlichen gesprochen, also einer eigenständigen Funktion oder Rolle. Die Wahrnehmung der Aufgaben in dieser Rolle entspricht dann die Denkweise derart, dass es ja einen Verantwortlichen dafür gibt, der das mit der Qualität schon erledigen wird. Hierfür hatte bereits F. W. Taylor (►Taylor und das Taylor system) kurz vor der vorletzten Jahrhhundertwende die Lö sung dieses Organisationsproblem in seinem Funktionsmei ster, ja einem ganzen Funktionsmeistersystem, gesehen. Für jede spezifische Aufgabe in der Ablauforganisation setzte er
796
einen besonders dafür ausgebildeten Meister ein. Einige Zeit galt dies sogar als „Patentlösung“ und wurde deshalb weltweit vielfach angewendet. Jeder Funktionsmeister bildete in allen Abteilungen der Organisation seine spezielle Funktion ab, wann immer sie dort benötigt wurde. Später erkannte man aber, warum diese Meister auch Schwierigkeiten entstehen ließen: Entweder sie wurden von den Stellen der Aufbauor ganisation nicht hinreichend unterstützt, zumal sich diese für die betreffenden Funktionen nicht mehr verantwortlich fühlten. Oder die Funktionsmeister selbst stellten ein harmo nisches Funktionieren der ganzen Ablauforganisation in Fra ge, weil sie nur noch ihre eigene Funktion sahen und das Gan ze immer mehr aus dem Auge verloren. Deshalb gibt es zwar offiziell heute keine „Taylor’schen Funktionsmeister“ mehr, in der Praxis kann man sie aber doch hin und wieder unter ver deckten Bezeichnungen und Tätigkeitsausformungen entde cken. Zuletzt musste die Bezeichnung Qualitätsbeauftragter in der ISO 9000:2005 dafür herhalten. Es gilt noch einen wichtigen Grundsatz festzuhalten, der sich aus der Forderung ergibt, dass sich eine Planung der Orga nisation „ad rem“ vollzieht, also von der Sache her zu planen ist. Hiernach gilt: Erst wenn alle QM-Prozesse geplant sind, beginnt die Planung der QM-Aufbauelemente, also spezieller vorwiegend qualitätsbezogen tätiger organisatorischer Stel len oder Personen (Rollen). Diese zeitliche Abfolge ist grund legend zu beachten. Sind erst einmal die Prozesse festgelegt, können aus den nach Umfang und Zielsetzung geplanten QM-Prozessen unterschiedliche Formen der qualitätsbezo genen Aufbauorganisation entwickelt werden. Erkannt wur de dies auch in dem Grundsatz „Structure follows process“ (►Geschäftsprozessmanagement). Zur Rolle der Geschäftsführung bei Planung und Veränderungen: Das Qualitätsmanagementsystem eines Unternehmens ist keine konstante Größe. Es ist vielmehr immer wieder Ver änderungen unterworfen, die dazu führen können, dass die erreichte ►Qualitätsfähigkeit gefährdet wird. So können zum Beispiel Änderungen der internen Aufbau- und Ablau forganisation, personellen Umstrukturierungen und Reak tionen auf veränderte Markt- und Wettbewerbssituationen zu Veränderungen des QMS führen. Wenn Änderungen im Unternehmen geplant und realisiert werden, muss die Ge schäftsführung sicherstellen, dass die Funktionsfähigkeit des Qualitätsmanagementsystems davon nicht negativ beeinflusst wird. Diese Verpflichtung der Geschäftsführung, die vor dem Hintergrund eines richtig verstandenen Qualitätsmanage ments eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste, wird in der Praxis jedoch oft nicht wahrgenommen – mit der Folge, dass Qualitätsmanagementsysteme beeinträchtigt oder zeitweise außer Kraft gesetzt werden und die Zusage der Qualitätsfähigkeit gegenüber Kunden nicht aufrechterhalten werden kann. Daher ist diese Verpflichtung als Forderung be reits in die Norm ISO 9001:2000 aufgenommen worden. Die Forderung lautet, dass „die oberste Leitung sicherstellt, dass die Funktionsfähigkeit des Qualitätsmanagementsystems aufrechterhalten bleibt, wenn Änderungen am Qualitätsma
Planung im Qualitätsmanagement nagementsystem geplant und umgesetzt werden“. Die Siche rung der Funktionsfähigkeit des Qualitätsmanagementsy stems bei Änderungen kann eine umfangreiche Aufgabe sein. Insbesondere dann, wenn ein Qualitätsmanagementsystem über komplexe Prozesse verfügt, was bei Dienstleistungsun ternehmen fast immer der Fall ist. Änderungen an einer Stel le des Systems können an anderen Stellen zu Auswirkungen führen, die dort wiederum weitere nicht geplante Effekte ha ben könnten. Die Geschäftsführung sollte daher mit Hilfe des Risikomanagements schon bei der Planung von Änderungen am Qualitätsmanagementsystem eine Abschätzung der mög lichen Risiken vornehmen und gegebenenfalls vorbeugende Maßnahmen planen und veranlassen. Sie muss dann aber si cherstellen, dass diese Maßnahmen eingehalten werden und wirksam sind. Letzten Endes wird sich die Geschäftsführung daran messen lassen müssen, ob sie die Planung des Quali tätsmanagementsystems nachweisbar sichergestellt hat. Das heißt, ob sie belegen kann, dass das Qualitätsmanagement system für die Erfüllung der externen und internen Forde rungen und das Erreichen der Strategie und der Ziele geeig net und wirksam ist.
Begriff
4 Planung der Forderungen an die Produktqualität Gegenstand der Qualitätsplanung ist das Angebotsprodukt und alle zu dessen Erstellung nötigen Einheiten. Die Benen nung „Qualitätsplanung“ zeigt (Kapitel 2): Man darf aus der Benennung Qualitätsplanung keine Schlussfolgerungen zie hen. Geplant wird eine Qualitätsforderung, nicht die Quali tät. Der Erfolg der Planung steht und fällt (auch wirtschaft lich) damit, dass am Anfang der Qualitätsplanung die Ziele richtig gesetzt werden. Deshalb entstehen immer neue Tech niken für diese, z. B. QFD. Nötig ist Qualitätsplanung nicht etwa nur für Angebotsprodukte. Ihr müssen auch alle Ein heiten zu deren Erstellung unterworfen werden, z. B. Tätig keiten, Einrichtungen, Methoden, Verfahren und Schnittstel len im QM-System. Die „Königsrolle“ des Kunden ist bei der Qualitätsforderung an sein Angebotsprodukt unbestritten (s. a. Abbildung P09 im System der Trilogie von J. M. ►Juran).
Planung im Qualitätsmanagement Er ist aber meist kein Fachmann. Einzelforderungen, die ihm nichts nützen oder sein Produkt unnötig teuer machen, dür fen vom Lieferanten nicht akzeptiert werden. Dazu sind viel Takt, Einfühlungsvermögen und psychologische Geschick lichkeit erforderlich, insbesondere bei grosser Marktmacht des Kunden. Umstritten ist noch die nötige Intensität der Qualitätsplanung in der Angebotsphase. Wie weit soll man sein Können offenlegen? Was soll man zur „Nachplanung im Auftragsfall“ vereinbaren? Wie weit muss „Vertragsprüfung“ getrieben werden? Wie oft ist sie bei komplizierten Produkten nötig? Was soll wann in welchem Umfang dokumentiert wer den? Das muss alles fachbezogen entschieden werden. Qua litätsforderungen hängen von den Anwendungsbedingungen der zu planenden Einheiten ab. Aufgabe der obersten Leitung ist es, detaillierte Regeln zur Qualitätsplanung zu erlassen, fortlaufend zu aktualisieren und deren Einhaltung systema tisch zu überwachen. Improvisationsmöglichkeiten müssen enthalten sein. Qualitätsplanung ist ein fortdauernder Prozess. Er baut stets auf Vorkenntnissen auf. Immer geht es um die auszuwäh lenden Qualitätsmerkmale der Einheit, um deren Gewich tung und um die Einzelforderungen an sie. Qualitätsplanung beginnt beim Setzen der Ziele, die sich nach externen und internen Zielen unterschieden lassen [1, S. 154]: ◼ Externe Qualitätsplanung – Konkretisierung der Quali tätsforderung des Kunden, des Marktes sowie zugehö riger Forderungen der Gesellschaft bezüglich Wirtschaft lichkeit (unter Berücksichtigung der Anspruchsklasse) ◼ Interne Qualitätsplanung – Konkretisierung der Qualitäts forderung bezüglich der Realisierbarkeit sowie bezüglich Wirtschaftlichkeit (unter Berücksichtigung gegebener Mittel)
Die genannten Bezeichnungen dienen vor allem der An sprechbarkeit des jeweiligen Zieles. Sie werden anschließend ebenfalls dazu benutzt. Die Externe Qualitätsplanung darf nicht als eine von betriebsfremden Auftragnehmern abzuwickelnde Aufgabe missverstanden werden. Ihr Name ist vielmehr durch die externen Qualitätsforderungen Abb. P09: Qualitsplanung als zentrale Begriff der Trilogie bei J. M. Juran bedingt, um deren Umsetzung es geht. „Externe Qualitätsplanung“ Qualitätsplanung nach J. M. Juran kann aber durchaus auch innerhalb ◼ Entwicklung von Prozessen zur Produktion Qualitätsplanung war der zentrale Begriff des Pieiner Organisation nötig werden, dieser Produkteigenschaften oniers des Qualitätsmanagements, Joseph Moses ◼ Einführung von Prozesskontrollen und Über►Juran. Er hat ihn ausführlich in seinen Büchern darnämlich dann, wenn ein „interner gabe der daraus fresulierenden Pläne an die gelegt. Er bildet den Ausgangspunkt seiner Trilogie Kunde“ der Auftraggeber ist. Bei Fertigung (Qualitätsplanung, -regelung und -verbesserung). der Internen Qualitätsplanung spie Qualitätsplanung umfasst nach Juran die EntwickJuran weist darauf hin, dass das Denkmuster der Qualen im Hinblick auf die Realisierbar lung von Produkten und Prozessen zur Erfüllung der litätsplanung eigentlich jedem Manager verständlich Kundenbedürfnisse. Die damit verbundenen univerkeit sowohl die Mitarbeiter als auch und bewusst sein müsste, denn im Finanzbereich sellen Schritte lassen sich wie folgt skizzieren: die Einrichtungen der Organisation heisst es Finanzplanung, Finanzregelung und Finanzverbesserung. In seiner Trilogie verwendet er genau ◼ Festlegen von Qualitätszielen als „gegebene Mittel“ eine große diese Argumentationsfigur, die mit Qualitätsplanung ◼ Identifizierung der Kunden beziehungweise Rolle. Bezüglich Wirtschaftlichkeit beginnt des Personenkreises, der von den Bemühungen wird oft die Ergänzung einseitiger um Erreichung der Qualitätsziele betroffen ist Quelle: Juran. J. M.: Der neue Juran. Qualität von Anfang Grenzwerte durch „Grenzwerte auf ◼ Bestimmen der Kundenbedürfnisse an. Landsberg (mi) 1993, S. 27 ◼ Entwicklung von Produkteigenschaften, die der anderen Seite“ zu Toleranzen den Kundenbedürfnissen gerecht werden vergessen.
797
P
Planung im Qualitätsmanagement Die Koordinierung dieser beiden Teile der Qualitätsplanung ist eine der wichtigsten Aufgaben des Qualitätsmanagements. Gemeinsam ist beiden Planungszielen die harmonisierte Konkretisierung der Einzelforderungen im Rahmen der Qua litätsforderung zu Realisierungsspezifikationen, also um die für die Qualitätsmerkmale vorzugebenden Werte („specified values“). Die Erfahrung zeigt: Vorwiegend sind diese „speci fied values“ Grenzwerte. Nur gelegentlich werden auch Soll werte benötigt. Auf die Qualitätsplanung haben außerordentlich viele Fak toren Einfluss. Externe und interne Qualitätsplanung müssen in ihrem Zusammenwirken an allen Schnittstellen zwischen den mitwirkenden Teilen der Organisation koordiniert wer den. Deren Zusammenwirken ist ausschlaggebend für den Erfolg der Organisation, auch auf dem Markt. Aufwand und Erfolg der internen Qualitätsplanung hängen maßgeblich davon ab, inwieweit die externe Qualitätspla nung treffsicher gearbeitet hat. Umgekehrt hängt der Erfolg externer Qualitätsplanung entscheidend von der detaillierten Kenntnis des Realisierbaren ab. Deshalb ist eine laufende in tensive Abstimmung zwischen diesen beiden Teilaufgaben der Qualitätsplanung wichtig. Das gilt nicht nur für ein neues Angebotsprodukt, sondern fortlaufend auch für Serienferti gungen; nicht nur für die Angebotsprodukte selbst, sondern ebenso für alle anderen Einheiten, die mit dem Angebotspro dukt in Verbindung stehen, allen voran die Tätigkeiten und Prozesse, mit denen das Angebotsprodukt erzeugt wird.
P
Die Erfüllung dieser Koordinierungsforderung ist schwierig. Die externe Qualitätsplanung läuft nämlich meist bei den Vertriebsabteilungen. Die interne Qualitätsplanung wird im fertigungsbezogenen Umfeld vielfach durch ein Konstruk tionsbüro, im softwarebezogenen Umfeld durch eine Stelle Softwareentwicklung erbracht. Gerade weil an der Qualitäts planung sehr viele Stellen der Aufbauorganisation mitzuwir ken die Aufgabe haben, der Vertrieb mit allen Außenstellen, oft die Forschung und auch die Abteilung Arbeitsvorberei tung, schließlich das Qualitätswesen in seiner beratenden Funktion, kommt der Gestaltung der Prozesse der Qualitäts planung (im Rahmen der Planung des QM-Systems) eine Schlüsselrolle zu. Zweckmäßig legt man für die Qualitätspla nung eine „federführende Durchführungsverantwortung“ fest, worüber die Leitung der Organisation zu entscheiden hat. Zu den Techniken der Qualitätsplanung: In Unternehmen wer den Techniken angewendet, um die Qualitätsplanung durch zuführen. Viele Autoren klagen über die verwirrende Vielfalt und die immer neuen Bezeichnungen und Akronyme. Es wird empfohlen, sich in diesem Bereich der Werkzeuge („tools“) eher zu beschränken [1, S. 163]. Systematisierungen sind bisher fehlgeschlagen. Deshalb sollen lediglich die folgenden ausgewählten Techniken erörtert werden, von denen bekannt ist, dass sie in der Praxis der Qualitätsplanung regelhaft ange wandt werden und sich bewährt haben [4]:
798
Planung im Qualitätsmanagement ◼ ►Quality Function Deployment (QFD) – Es handelt sich um eine sehr weit verbreitete Technik, die in der Pro duktentwicklung angewandt wird. Die auf Bedürfnissen beruhenden Kundenerwartungen werden in spezifische Forderungen an das Produkt und dessen Dimensionen (Module) übersetzt, um zu erreichen, dass keine wich tigen Kundenbedürfnisse vergessen werden. QFD ver folgt drei übergordnete Ziele: Treffsicherheit, Robustheit und Fehlerfreiheit. Im sog. ►House of Quality (HoQ), das man House of Quality Requirements nennen sollte, werden die identifizierten Forderungen kommuniziert. ◼ ►Simultaneous Engineering (SE) – SE erlaubt es, die PostQFD-Phase zu beginnen, obwohl die vorhergehende noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Aktivitäten können somit parallel (im Gegensatz zur sequentiellen Entwicklung) ausgeführt werden und die gesamte Ent wicklungszeit verkürzt sich. Neben der Verkürzung des Time-to-Market ergibt sich in der Regel eine markante Senkung der Kosten (fehlerbezogene Kosten) aufgrund der Früherkennung von größeren Fehlern. Das Ergebnis: Je früher ein Fehler korrigiert werden kann, desto gerin ger sind die Folgekosten. Im Ergebnis steigt die Entwurfs qualität. ◼ Prototypen (►Prototyping) – Komplexe Zusammenhänge können im prototyping rechtzeitig erkannt werden. Ein Prototyp ist eine physische Realisierung eines Produkts oder Produktkomponenten in den verschiedenen Phasen der Produktentwicklung. Ein guter Prototyp muss für das zu lösende Problem repräsentativ und einfach zu testen sein. Die Testergebnisse sollten sich einfach analysieren lassen. ◼ Reviews – Da es während der Innovationsphase eines Produktes wichtig ist, Abstand zu gerwinnen und Abhän gigkeiten zu identifizieren, muss über ein Review der er reichte Stand bewertet werden. Kosten, Zeit und Qualität sind die Faktoren, die mit solchen Reviews vorwiegend erfasst werden. Jedes Review ist sorgfältig zu dokumen tieren, damit im Falle von Produkthaftungsfragen der Nachweis erbracht werden kann, dass kein Konstrukti onsfehler vorliegt und die Entwicklung dem damaligen Stand der Technik entsprach. ◼ Zusammenarbeit mit Lieferanten – Um die notwendige Reduktion der Komplexität zu erreichen müssen sich Unternehmen heute auf ihre Kernkompetenzen konzen trieren und auf das Spezialwissen von Lieferanten zugrei fen. Diese Fokussierung bedeutet aber gleichzeitig eine Öffnung des Unternehmens nach außen, die sowohl die Produktentwicklung und die Beschaffung betreffen. Bei de Bereiche müssen bereits auf der strategischen Ebene verknüpft werden. Lieferanten sind so früh wie möglich in die Produktentwicklung einzubeziehen. 5 Fazit Einzigartige und qualitätsgerechte Produkte auf den Markt zu bringen, die die Kundenforderungen erfüllen und zur Kun denzufriedenheit führen, bedürfen der Planung im Qualitäts
Planung im Qualitätsmanagement
1 Konzentriere Dich auf die Bedürfnisse des Kunden und nicht die des Marktes. 2 Schaffe ein Erlebnis für den Kunden. 3 Das optimale Produkterlebnis entsteht durch maximale Einfachheit. 4 Setze die Produkte in einen Kontext, schaffe ein Ökosy stem. 5 Bringe nie ein Produkt auf den Markt, von dem Du nicht selber überzeugt bist. 6 Menschen kaufen Gefühle, inszeniere deshalb die emoti onale Botschaft rund um deine Produkte. 7 Vor allem aber: Investiere in das, was der Kunde gerne machen will, aber bisher nicht konnte und beweise dabei Mut, Innovationskraft und Kreativität, indem Du Pro zesse schaffst, die als Resultante Kundenzufriedenheit erzeugen! Mit einer so am Kunden orientierten Qualitätsplanung ist der Grundstein eines funktionierenden Qualitätsmanagementsy stems gelegt. Möglichen Problemen in der Realisierung kann nur mit einer entsprechenden Qualität in der Planung im Qualitätsmanagement vorgebeugt werden [5]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Geiger, W. und Kotte, W.: Handbuch Qualität. Grundlagen und Elemente des Qualitätsmanagements: Systeme – Perspektiven. 5. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2008 [2] Juran, J. M.: Juran on Planing for Quality. New York (The Free Press) 1988 [3] Geiger, W.: Qualitätsplanung. In: QZ, Nr. 10/1999, S. 1204 [4] Boutellier, R. und A. Biedermann. Qualitätsgerechte Produkt planung. In: Pfeifer, T. und R. Schmitt (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement. 6. Auflage München-Wien (Hanser) 2014, S. 441-464. Die Nennung und Beschreibung der Qualitätsplanungs techniken orientiert sich eng an diesem Aufsatz, der das Thema im Dreischritt „Strategie – Innovation – Auftragsabwicklung“ begreift. [5] Interessanterweise bestätigen sich die von Jobs aufgestellten Produktregeln in dem umfassenden Planungsbuch zur Qualität von J. M. ►Juran. Vgl. Juran, J. M.: On Planing for Quality. New York (The Free Press) 1988
Poka Yoke
▶ engl. „foolproofing“ ▶ Fehler ▶ Fehlermanagement ▶ Shingo Shigeo 1 Poka Yoke als Instrument von Null-Fehler-Prozessen und -Abläufen Bei Poka Yoke handelt es sich um technische und organisa torische Vorkehrungen, Einrichtungen und einfache Systeme zur Fehlervermeidung in Fertigungs- und Logistikprozessen, insbesondere zur Gewährleistung von fehlerfreien Arbeitser gebnissen von Menschen in Prozessen der Industrie und in der Dienstleistung. Aber auch in Verwaltungsabläufen, bei der medizinischen Versorgung und sonstigen standardisier baren Abläufen ist die Poka-Yoke-Methodik einsetzbar.
Begriff
management (QM-Systemplanung und Qualitätsplanung), zwei Komplexe, die hier eher getrennt behandelt wurden. Beide bedingen sich aber und bedürfen der Koordination in einer passenden Organisationsform, in der die Kundenfor derungen in die Qualitätsplanung einfließen können. In den folgenden sieben Produktregeln, hat Steve Jobs, der legendäre CEO aus dem Silcon Valley, schon immer einen Leitfaden der Qualitätsplanung gesehen, an dem er sich gemessen hat, von dem er sich inspirieren ließ und den er ständig abgearbeitet hat. Er möge als Anregung für den Ausgangspunkt bilden.
Poka Yoke
Im industriellen Umfeld sind Poka Yoke-Prinzipien sowohl zur Verbesserung der Prozesssicherheit bereits bei der Pro duktentwicklung („Design-Poka-Yoke“) als auch bei der Pro zessplanung und -verbesserung anwendbar. Poka (jap.) ist der zufällige, unbeabsichtigte Fehler, Yoke (jap.) heißt Vermei dung, Verminderung. Poka Yoke wurde erstmals von dem Japaner ►Shingo Shigeo, Mitentwickler des ►Toyota-Produktionssystems, als ein we sentliches Element der ►Just-in-time-Produktion formuliert [1]. Ausgangsbasis für das Poka-Yoke-Prinzip ist die Tatsache, dass kein Mensch, sei er auch noch so qualifiziert und moti viert, und auch kein technisches System ohne besondere Vor kehrungen fehlerfrei arbeiten können. Abbildung P10 zeigt durchschnittliche menschliche Fehl handlungsraten für eine Auswahl von Tätigkeiten. Wichtig für das Verständnis von Poka Yoke ist die Kausalkette für Fehler: Abb. P10: Beispiele für Fehlerquellen in der Fertigung
Hauptsächliche Fehlerquellen in der Fertigung mit Menschen als Elemente des Arbeitssystems
◼ Arbeitsgänge auslassen ◼ Bearbeitungs- und Montagefehler machen ◼ Fehler beim Hinlegen von Werkstücken machen ◼ Montageteile auslassen ◼ Falsche Teile verbauen ◼ Falsches Werkstück bearbeiten ◼ Fehlbedienung machen ◼ Einstellfehler machen ◼ Einrichtefehler machen ◼ Unzureichende Vorbereitung von Vorrichtungen und Werkzeugen Quelle: [2]
799
P
Poka Yoke
Poka Yoke
Man muss zwischen den jedem Fehler vorausgehenden Fehlhandlungen (den Ursachen) und den resultieren den Fehlern am Produkt bzw. bei der Dienstleistung (den Wirkungen) unterscheiden. Fehlhandlungen (Irrtümer) des Menschen resultieren zum Beispiel aus Unaufmerksamkeit, Vergessen, Missinterpretation, Verwechseln, Vertauschen, Falschablesen und sind quasi naturgesetzmäßig (Murphy‘s Gesetz). Stress und schlechte Arbeitsbedingungen wirken noch verstär kend. Die Mehrzahl aller Fehler in der Fertigung hat ihre Ursache in den geschilderten Fehlhandlungen. Poka Yoke ist der Ansatz, dass trotz der nicht vermeid baren Fehlhandlungen Fehler am Produkt nicht ent stehen oder aufgetretene Fehler sofort detektiert und behoben werden.
handlungen resultieren, kompensiert werden. Die Anwendung des Poka-Yoke-Prinzips ist besonders vor teilhaft bei erkannten und bewerteten Risiken im Rahmen der Durchführung von Konstruktions- und Prozess-Fehler möglichkeiten- und -Einfluss-Analysen (FMEA). Fehlerquel len in der industriellen Fertigung wie ◼ Verwechseln, Vertauschen infolge zu kleiner Unter schiede verschiedener Teile, ◼ umgekehrt bzw. vertauscht einbaubare Teile, ◼ fehlerhaftes Anbringen, ◼ Zusammenbauen und Einstellen mit unsicheren Befe stigungen, schwierig handhabbarer Teile, Blindmontage usw. sollten vor einer Prozess-Poka-Yoke-Lösung möglichst schon konstruktiv ausgeschaltet werden.
Abbildung P11 zeigt durchschnittliche Fehlhandlungsraten für ausgewählte Tätigkeiten im industriellen Umfeld. Abb. P11: Durchschnittliche menschliche Fehlhandlungsraten Durchschnittliche menschliche Fehlhandlungen Fehlerhandlungsart
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Unkorrektes Ablesen von Messgeräten Unkorrektes Löten von Verbindungsklemmen Fehlerhaftes Anziehen von Schraubmuttern und Bolzen Falsche Einstellung mechanischer Verbindungen Unkorrektes Verbinden von Schläuchen Verfahrensfehler beim Lesen von Instruktionen
Legende *ppm = Häufigkeit bezogen auf 1 Million Operationen Quelle: nach [6]
P
Man findet für Poka Yoke gelegentlich auch die Übersetzung „Foolproofing“ („Narrensicher machen“). Die Bezeichnung fehlhandlungs- bzw. irrtumssicher trifft den Kern des PokaYoke-Ansatzes jedoch weitaus besser, da er den arbeitenden Menschen mehr Respekt erweist. Poka Yoke wird in Deutsch land seit langem praktiziert und ist somit nichts Neues. Neu sind die Systematisierung und Konsequenz in der Anwen dung, auch als Ablösung für das Null-Fehlerziel unzurei chender Qualitätssteuerungs-praktiken. Zu diesen gehört zum Beispiel die Qualitätsregelkartentechnik für Montage prozesse. Im Gegensatz zur Vollautomatisierung, wo die Un zulänglichkeiten des Menschen durch dessen Eliminierung abgestellt werden, berücksichtigt und kompensiert Poka Yoke diese menschlichen Defizite. Den Ansatz, einen Prozess unempfindlich gegen Störeinflüsse zu machen, ist Grundlage des so genannten „Robust-Design“Konzeptes“. Im übertragen Sinne ist Poka Yoke auch als ein Teil der „Robust-Design“-Methodik anzusehen, da Stö rungen, welche aus nicht vermeidbaren menschlichen Fehl
800
Häufigkeit ppm* %
5000 6500 4800 16700 4700 64500
0,50 0,65 0,48 1,67 0,47 6,45
2 Elemente von Poka Yoke Poka Yoke wird durch technische Vorkeh rungen und einfache Systeme realisiert, die entweder das Auftreten von Fehlern in Fer tigung- und Dienstleistungsprozessen aus schließen oder Fehler unmittelbar nach ihrem Auftreten entdecken und sofortige Korrek turen ermöglichen um Wiederholfehler zu vermeiden. Angesichts der großen Vielfalt an Mechanismen und Systemen zur Gestaltung von fehlervermeidenden Strukturen erleich tert eine Systematisierung in Anlehnung an Shingo [1] das Verständnis des Poka-YokePrinzips. Ein Poka Yoke-System besteht aus den in Abbildung P12 dargestellten Struktur elementen
◼ Detektionsfunktion, ◼ Auslösefunktion, ◼ Reguliermechanismus. Zu den Sensoren und Sensorsystemen der Detektionsfunk tion gehören auch (Low-Cost-)Bildverarbeitungssysteme, Lesegeräte für Barcodes und RFID-Chips (RFID = Radio Frequency Identification/Funkfrequenz-Identifikation). Auslösemechanismen stellen die Logik dar, mit der Fehlhand lungen bzw. fehlerträchtige Abweichungen erkannt werden. Shingo hat drei Formen von Auslösemechanismen definiert: ◼ Kontakt-Methode: Fehlhandlungen und Fehler werden mit Sensoren über geometrische und andere Kenngrößen festgestellt. Dieser „Kontakt“ ist vielfach berührungslos. ◼ Fixwert- bzw. Konstantwert-Methode: Hierbei werden Fehlhandlungen und Fehler im Prozess bzw. Ablauf da durch detektiert, dass das Erreichen einer bestimmten Zahl von (Teil-)Arbeitsschrittfolgen oder der Verbrauch einer bestimmten Menge an Teilen überprüft wird. Die
Poka Yoke
Poka Yoke
Abb. P12: Strukturelemente des Poka Yoke-Systems
Poka Yoke-Strukturelemente
Detektionsmechanismus
Auslösemechanismus
Regulierungsmechanismus
Sensoren und Sensorensysteme
Kontaktmethode ◼ Abweichungen werden über geometrische Kenngrößen (Lage, Vorhandensein) erkannt Führungsstifte Kodierungen
Steuern ◼ Fehlerträchtige Situation wird direkt ausreguliert
◼ End- und Näherungsschalter ◼ Sensoren für Position Dimension Druck Temparatur Vibration Farbe Strom Zähler Barcodes ◼ Zeitüberwachungseinrichtungen ◼ (Checklisten)
Festwert-Methode ◼ Abweichungen werden durch das Überprüfen des Erreichens einer bestimmten Zahl von Teil-Arbeitsfolgeschritten erkannt (z. B. Zahl verbauter Teile) Schrittfolge-Methode ◼ Test auf erforderliche Standardbewegungsfolgen
Abschalten ◼ Bei Abweichungen werden Maschinen abgeschaltet, Anläufe gestoppt bzw. Spann- oder Transportvorrichtungen blockiert Alarm ◼ Optische und/oder akustische Hinweise auf fehlerträchtige Situationen zw. Auftreten eines Fehlers. In Einzelfällen sind auch nicht zu übersehende andere Auffälligkeiten systemkonform
Quelle: In Anlehnung an [1]
eingesetzten technischen Mittel können dabei sehr ein fach sein (z.B. einstellbare elektronische Zähler). Ein Beispiel für die Fixwert-Methode ist das Bereitstellen der erforderlichen Zahl von Montageteilen in speziellen Be hältern. Vergessene Teile werden erkannt und führen zu den notwendigen sofortigen Korrekturmaßnahmen. ◼ Schrittfolgen-Prinzip: Fehlhandlungen werden über einen Check von erforderlichen Standardbewegungsabfolgen erkannt. Die technischen Hilfsmittel sind auch hier oft sehr einfach (Endschalter, Zähler u. ä.). Ein Beispiel ist das Sicherstellen der Vollständigkeit einer Varianten montage durch „Prüfung“ der Entnahme von Teilen aus einem Regal mit Hilfe von Näherungsschaltern. Regulierungsmechanismen beinhalten die ausgelösten Ein griffe von Poka-Yoke-Einrichtungen und -Systemen auf fest gestellte Abweichungen (Fehlhandlungen, Fehler). Drei Arten von Reaktionen sind möglich: ◼ Eingriffsmethode (Abschaltmethode): Beim Auftreten von Abweichungen bzw. Situationen, die Fehler zur Folge haben, werden Maschinen abgeschaltet oder Spann- oder Transportvorrichtungen blockiert, um die Operation an zuhalten. Sofortige Korrekturen sind so möglich. Im Fall einer nachgeschalteten Poka-Yoke-Einrichtung wird das Auftreten von Wiederholungsfehlern vermieden. ◼ Alarmmethode: Hierzu gehören alle Arten von deutlich vernehmbaren, optischen und akustischen Hinweisen
auf fehlerträchtige Situationen bzw. das Auftreten eines Fehlers. ◼ Steuermethode: Die fehlerträchtige Situation löst eine di rekte Korrektur aus. Beispiel sind Vorrichtungen, die ein verkehrtes Einlegen von Teilen unmöglich machen. Der Versuch wird sofort bemerkt. Fehler sind ausgeschlossen. Die dargestellten Strukturelemente sind untereinander kom binierbar. Die geschilderten Reaktionsmechanismen sind das wesent liche Element von Poka Yoke und unterscheiden Poka Yoke von anderen Ansätzen zur Fehlervermeidung (siehe Abbil dung P04). Poka Yoke ist dabei kein Ersatz von notwendi gen ergonomischen und organisatorischen Maßnahmen der Ablaufgestaltung, sondern effektive Ergänzung. Gut lesbare Arbeitsanweisungen, farbliche Kennzeichnung von Anschlüs sen vermindern Fehler, schließen sie aber nicht aus. Das Prinzip von Poka Yoke kann mit Maßnahmen aus der Alltagspraxis verdeutlicht werden: Bei Geldautomaten muss erst die Karte entnommen werden, danach folgt die Geldausgabe. Karten wür den sonst mit Sicherheit massenhaft vergessen wer den. Bei Automatikgetrieben in Kraftfahrzeugen muss erst die Bremse betätigt werden bevor eine Fahrstufe eingelegt werden kann. Beide Beispiele entsprechen dem Schrittfolge- und Eingriffsprinzip nach Shingo. Die unterschiedliche Ausprägung von Zapfpistolen für
801
P
Poka Yoke
Poka Yoke
Diesel und Benzin an Tankstellen ist ein klassisches Beispiel für das Prinzip des „Design-Poka-Yoke“. 3 Qualitätsprüfungen und Poka Yoke Der Einsatz von Poka Yoke-Einrichtungen und -Systemen ist immer im Zusammenhang mit der Prüfmethodik bzw. Inspektionsart zu sehen, in deren Rahmen die fehlervermei denden Techniken eingesetzt werden (Abbildung P04). Po ka-Yoke-Einrichtunen führen definitionsgemäß 100%- bzw. Vollprüfungen durch. Setzt man sie zur Überwachung von Fehlerursachen bzw. von Bedingungen ein, die zu Fehlern führen können, ist das Fehlervermeidungspotenzial besonders hoch, da Fehlhand lungen (Ursachen) kontrolliert werden, bevor diese zu Feh lern werden. Es handelt sich in diesem Zusammenhang um eine „Fehlerquellen-Inspektion“ (engl.: source inspection). So ist die Entnahme eines falschen Montageteils aus einem Regal die Fehlhandlung bzw. der Irrtum und erst das mon tierte falsche Teil der Fehler. Fehlerquelleninspektion würde in diesem Zusammenhang bedeuten, dass über geeignete Vorkehrungen die Fehlhandlung bemerkt wird, bevor diese zu einem Fehler wird. Natürlich kann Poka Yoke auch in den auf die jeweiligen Arbeitsschritte unmittelbar folgenden Ar beitsoperationen eingesetzt werden, wobei dann aber zumin dest ein Fehler aufgetreten ist (Fehlerentdeckung). Abbildung P13 zeigt die Effektivität verschiedener Inspek tionsstrategien mit Beteiligung von Personen. Effektivitäts
kriterien sind das Fehlervermeidungspotenzial und der Prüf wirkungsgrad (potenzieller Fehlerdurchschlupf) sowie der erforderliche Prüfumfang. 4 Poka-Yoke-Lösungen in Beispielen Beispiele für die Gestaltungsmöglichkeiten von Poka-YokeEinrichtungen und -Systemen sind in (japanischen) Fall sammlungen [1, 2] und in [5] zu finden. Dabei dürfen die in ihnen dargestellten, zum Teil einfachen Lösungsansätze den Blick für die großen Stärken des Konzepts nicht ver stellen: Enorm verkürzt Qualitätsregelschleifen, tendenziell kostengünstige, in die Prozesse integrierte 100%- bzw. Voll prüfungen, möglicher Entfall von zusätzlichen, separaten und nachgeschalteten Prüfungen und Verschiedenes mehr. Abbildung P14 zeigt ein Beispiel für ein Design-Poka-Yoke bei einer Einlegeoperation. Abbildung P15 zeigt ein ty pisches, einfaches und kostengünstiges Beispiel zur Prozess sicherheit mit dem Fest- bzw. Fixwert-Ansatz gemäß Shingo. 5 Standard-und Paketlösungen mit Poka Yoke Im Rahmen von Null-Fehler-Strategien bilden Philosophie und Techniken des Poka Yoke vielfach die Kernelemente von prozesssicheren Paket- und Standardanwendungen wie z. B. bei manuellen oder halbautomatischen Montagesystemen, bei Lager-, Kommissionier- und Warenverteilsystemen. Der Begriff Poka Yoke ist bei diesen Paket- und Standardsystemen vielfach zu einem Gattungs- und Marketingbegriff für NullFehler-Techniken geworden.
Abb. P13: Inspektionsmethoden und Poka Yoke – Prüfumfang, Fehlervermeidungspotenzial und Fehlerdurchschlupf
Inspektionsmethoden und Poka Yoke
P
Art der Prüfmethode
Prüfumfang
◼ Konventionelle Sortierprüfung Zwischen- bzw. Endprüfung, Fehlerentdeckung, längere Regelschleifen ◼ Statistische Prozesslenkung (SPC) Anwendung auf bestimmte Prozesstypen beschränkt; Methode toleriert in vielen Fällen Fehler; keine Methode zur Umsetzung des Null-Fehler-Prinzips; Fehlerreduzierung/Fehlervermeidung ◼ Selbstprüfung Prüfung des eigenen Arbeitsergebnisses; Nachteil, eigene Fehler werden leicht übersehen; Kompromisse, Konflikte; mit technischen Hilfen (Poka Yoke) effektiv, kurze Regelschleifen; Fehlerreduzierung ◼ Fehlerquellen-Inspektion mit Poka Yoke Detektion fehlererzeugender Situationen durch Poka Yoke-Einrichtungen; Verhinderung, dass aus fehlerhafter Situation (Ursache) Fehler am Produkt wird (Wirkung); Fehlervermeidung
◼ 100 %
Quelle: Nach [1]
802
Fehlervermeidungspotenzial ◼ gering
Potenzieller Fehlerdurchschlupf ◼ %-Bereich
◼ relativ kleine Stichproben möglich
◼ abhängig vom Prozesstyp gut bis gering
◼ %0- bis %-Bereich
◼ 100 %
◼ ohne technische Hilfen mittel; hoch mit Poka Yoke
◼ %-Bereich 0 % mit Poka Yoke
◼ 100 %
◼ hoch
◼ 0%
Poka Yoke
Poka Yoke
Abb. P14: Poka Yoke-Vorkehrung für eine Einlegeoperation Vor der Verbesserung
Nach der Verbesserung
Führungsstift
zusätzlicher Führungsstift
Quelle: [2]
Abb. P15: Poka Yoke zur Sicherstellung der Vollständigkeit einer Montage Vor der Verbesserung
AB C DE F G
zu montierende Teile
Arbeitstisch
Nach der Verbesserung: „Intelligenter Teilebehälter“ Lampe
AB C DE F G
phototechnischer Schalter
Arbeitstisch
Bei Entnahme zu montierender Teile wird eine Lampe ausgeschaltet. Jede noch brennende Lampe signalisiert ein noch nicht montiertes Teil.
Poka Yoke in seiner klassischen Ausprägung mit einem Reaktionselement kann insbesondere bei technisch geprägten Dienstleistungen direkt um gesetzt werden. Ein Beispiel ist die Wartung und Reparatur von Flugzeugtriebwerken. Vergessene Werkzeuge stellen ein großes Sicherheitsrisiko dar. Eine Poka-Yoke-Lösung besteht in einem spezi ellen Werkzeugschrank mit geformten Werkzeug aufnahmen und Kontakten. Ein nach Arbeitsende nicht durch ein korrekt abgelegtes Werkzeug betä tigter Kontakt löst ein Signal aus. Schwerwiegende Folgen durch vergessene Werkzeuge sind ausge schlossen. Bei anderen Dienstleistungen ist der Ansatz mit weichen Poka-Yoke-Lösungen möglich. So kann in einem Krankenhaus oder Wellnessbad die Ver wechslung mit nicht gewaschenen Handtüchern verhindert werden, indem gewaschene Handtü cher mit einem Band versehen werden. Generell stellen alle Formen von Checklisten Bei spiele für ein weiches Poka Yoke dar. Zusammenfassung und Ausblick 6 Poka Yoke ist nicht Ersatz, sondern Ergänzung von konstruktiven, ergonomischen und organisato rischen Maßnahmen zum „Mach‘s gleich richtig“. Im Produktionsbereich ist Poka Yoke mit anderen Fehlervermeidungsansätzen wie z. B. der montage gerechten Produktgestaltung – eingebettet in eine effektive Inspektionsmethodik – ein wesentliches Element des Null-Fehler-Prinzips in der Fertigung. Poka Yoke kann als technische „Plausibilitätsprü fung“ oder als ein „Mitarbeiter-Assistenzsystem“ in der Fertigungs- und Dienstleistungsprozessen angesehen werden. Poka Yoke dient somit nicht zur Kontrolle der Menschen, sondern als wirk same Hilfe für fehlerfreie Arbeit. Es lässt bei der Gestaltung viele Handlungsspielräume offen. In vielen Fällen sind Poka Yoke-Lösungen das Ergeb nis von Qualitätszirkel-Aktivitäten oder Verbesse rungsteams unter Einbeziehung der Betroffenen vor Ort. Die Digitalisierung in Produktions- und Dienst leistungsprozessen fördert die Umsetzung des Poka-Yoke-Prinzips durch neue Technologien wie ►RFID-Technik (Radio Frequency Identification Device), Data-Matrix-Codes- und-Leser, ►Aug mented Reality AR). Poka Yoke erfordert eine Änderung der Geiteshal tung (►Mindset) dass Fehler unvermeidlich seien. Der Grundsatz von Poka Yoke ist: Fehlhandlungen (die Ursachen) sind letztendlich unvermeidlich, die resultierenden Fehler aber schon. Prof. Jochen Peter Sondermann, Berlin
803
P
Poka-Yoke-Manifest
Politik
Literatur
Politik
▶Qualitätspolitik
Politik
▶en: policy
Absichten und Ausrichtung einer ►Organisation, wie von der ►obersten Leitung formell ausgedrückt
Anmerkung 1 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsy stemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Politik und Strategie
Poka-Yoke-Manifest (s. Abbildung P16)
▶EFQM-Modell Im Kriterienkatalog des EFQM-Modells werden darunter die Rahmenvorgaben auf der höchsten Organisationsebene, wel che die zugrundeliegende Mission, die Werte, die Vision, die Ziele und Strategien darlegen, verstanden.
▶ Poka Yoke
Policy Deployment ▶Hoshin Kanri
Abb. P16: Poka-Yoke-Manifest von Hiroyuki Hirano
Poka-Yoke-Manifest: Die acht Grundprinzipien der Verbesserung
P
1 Baue Qualität in die Prozesse ein! – Mache es unmöglich, fehlerhafte Erzeugnisse zu produzieren, selbst wenn Fehlhandlungen begangen werden. Der Ansatz in diesem Falle heisst 100%-Prüfung unter Verwendung von in Vorrichtungen und Prozesse eingebauten Poka Yoke-Absicherungen. 2 Alle versehentlichen Fehlhandlungen und Fehler sind eliminierbar. – Wir müssen unterstellen, dass Fehler nicht unausweichlich sind. Bei einer festen Absicht können Wege zu Eliminierung aller Fehlhandlungen und Fehler gefunden werden. 3 Hört auf, es falsch zu machen, fang an, es gleich richtig zu machen! – Lasst uns das Wort „aber“ gänzlich aus unseren Bermerkungen verbannen wie z. B. „Wir wissen, dass es nicht richtig ist, aber …“ 4 Denk Dir keine Entschuldigungen aus, denke darüber nach, wie man es gleich richtig machen kann! – Statt uns Rechtfertigungen auszudenken, lass uns darüber nachdenken, wie die Dinge richtig gemacht werden können.
804
5 Eine 60%ige Erfolgswahrscheinlichkeit ist gut genug – setze Deine Idee jetzt sofort um! – Bei Verbesserungen ist es nicht notwendig, vor dem Ergreifen von Maßnahmen absolute Perfektion anzustreben. Analysiere die Ursache und denk Dir eine Lösung aus. Wenn Deine Lösung mehr als eine 50%ige Erfolgswahrscheinlichkeit hat, setze sie sofort um. Mit Fakten und Zahlen als Ergebnis der schnellen Umsetzung kannst Du Deine Lösungen ändern oder weiter verfeinern. 6 Fehlhandlungen und Fehler können auf Null reduziert werden, wenn alle zu ihrer Beseitigung zusammenarbeiten. – Null Fehler können von einer Person alleine nicht erreicht werden. Eine Zusammenarbeit aller im gesamten Unternehmen zur Elimierung von Fehlhandlungen und Fehlern ist wichtig. 7 Zehn Köpfe sind besser als einer. – Der Einfallsreichtum jeder einzelnen Person ist wichtig; wertvoller aber sind das Wissen und die Kreativität, die aus den geistigen Anstrengungen von zehn
Leuten hervorgehen. Teamarbeit ist der Schlüssel für effektive Verbesserungsideen. 8 Suche nach der eigentlichen Ursache. Frage mindestens fünfmal: „Warum?“ und einmal: „Wie?“ – Sollte ein Fehler auftreten, rufe nicht nach mehr Prüfern. Versuche stattdessen, an die Wurzel des Problems zu kommen, um sicherzustellen, dass die angewendete Gegenmaßnahme eine echte Lösung und nicht nur eine Bandage ist. Frage: „Warum trat der Fehler auf?“, und auf die erhaltene Antwort frage erneut: „Warum?“ Sei mit schnellen Schlüssen nicht zufrieden. Um die Wurzel des Problems zu finden, frage mindestens fünfmal: „Warum?“ Erst danach frage: „Wie können wir das lösen?“, und setze die Lösung in die Praxis um. Quelle: Hirano, Hiroyuki: Poka Yoke. 240 Tips für Null Fehler-Programme. Landsberg am Lech (mi) 1992, S. 44 f.
ISO-Term
[1] Shingo, Shigeo: Poka-Yoke. Prinzip und Technik für eine NullFehler-Produktion gfmt Verlag, St. Gallen 1991 [2] Hirano, Hiroyuki: Poka Yoke, 240 Tipps für Null-Fehler-Pro gramme. Verlag Moderne Industrie, Landsberg am Lech 1992 [3] Smith, David J.: Reliability, Maintainability and Risk. 7. Aufl., Elsevier, Burlington, Massachusetts 2005 [4] Sondermann, Jochen P.: Poka Yoke – Hokuspokus oder notwen diges Element einer Null-Fehler-Strategie. In: QZ Qualität und Zu verlässigkeit, Heft 7, 1991, S. 407-411 [5] Sondermann, Jochen P.: Poka Yoke, Pocket Power Band 069, Carl Hanser Verlag, München 2013 [6] Dhillon, B. S.: Zuverlässigkeitstechnik – Einfluß des Menschen, VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim 1988
Popper, Karl Raimund
Popper, Karl Raimund
Popper, Karl Raimund
stecken oder übergehen, sondern aktiv suchen sollen, dass wir kritische Bemerkungen von seiten anderer als unschätz bare Hilfe begrüßen sollen, anstatt sie übelzunehmen, dieser Gedanke wirkt auf uns alle ungemein befreiend, und zwar bei unserem gesamten Tun. Allerdings setzt Verbesserung Kritik voraus. Wir sind aber daran gewöhnt, Kritik übelzunehmen, und erwarten, dass Kritik übelgenommen wird, weshalb wir eigene und fremde Fehler lieber schweigend übergehen. Es mag also schwierig sein, jemanden dazu zu bringen, dass er Kritik äußert. Aber wer uns zeigt, was an unserem Denken und Handeln falsch ist, tut uns den denkbar größten Gefallen. Und je größer der Fehler, desto größer die Verbesserung, die durch seine Aufdeckung ermöglicht wird. Wer Kritik begrüßt und sich nach ihr richtet, wird sie fast höher einschätzen als Freundschaft. Wer Kritik aus Sorge um Erhaltung seiner Posi tion bekämpft, verurteilt sich selbst zum Stillstand.
Österreichischer Wissenschaftstheoretiker
▶PDCA-Zyklus ▶Deming
Sir Karl Raimund Popper (*28.07.1902-†17.09.1994) hat mit seinen philosophischen, erkenntnis- und wissenschafts theoretischen Arbeiten den von ihm sogenannten Kritischen Rationalismus begrün det. Popper emigrierte 1937 mit seiner Ehe frau nach Neuseeland. 1946 kehrte er nach Eu ropa zurück und fand an der London School of Economics and Po litical Science eine An stellung als Hochschul lehrer. 1949 wurde er Professor an der Uni versity of London. Für sein Lebenswerk wurde Popper von Königin Elisabeth II. 1965 als Knight Bachelor zum Ritter geschlagen. Nach seiner Emeritierung (1969) publizierte er permanent weiter.
Es lässt sich also festhalten: Käme Poppers Einstellung zur Kritik in unserer Gesellschaft zum Tragen, dann wäre hierin eine Revolution der sozialen Beziehungen und vor allem der organisatorischen Praxis zu sehen. Verdeutlichung am Beispiel der Wissenschaftstheorie Ein Vergleich des traditionellen Verständnisses der wissen schaftlichen Methode gegenüber dem Vorschlag von Popper zeigt uns eine völlig andere Reihenfolge der Evolution von Erkenntnis. Wie Abbildung P17 zeigt (linke Spalte), durch läuft die Forschung nach traditionellem Verständnis der wissenschaftlichen Methode bestimmte Phasen in einer be stimmten Reihenfolge, die Wissen generieren lässt. Popper kritisiert dieses Schema und ersetzt diese Reihenfolge durch eine andere, die sich von Problemstellungen und Erwartungs horizonten leiten lässt. In Punkt 5 (rechte Spalte) zeigt sich das Ergebnis als Präferenz für eine von mehreren konkurrie renden Annahmen (Hypothesen, Theorien), die nicht Wis sen generieren, sondern nichtabschließend zirkulär wieder bei Punkt 1 fortsetzen. In Phase 1 wird somit danach gefragt, woher die Erwartung bzw. das Problem stammt. Da es keine theorielosen Problemstellungen geben kann begründet sich der Anfang immer durch das Ende (Phase 5). Es erübrigt sich hervorzuheben, dass in diesen Prozessphasen die Elimination von Fehlern eingebaut ist. Diesen sehr kurzen und gerafften
Poppers Erkenntnisse – Einblicke Für Popper birgt der irrige Glaube, dass die Wissenschaft letz ten Endes die Gewissheit einer endgültigen Erklärung liefern wird die Folgerung in sich, dass es ein schweres wissenschaft liches Vergehen sei, eine Hypothese veröffentlicht zu haben, die sich letzten Endes als falsch erweist. Aus diesem Grund sind Wissenschaftler oft nicht geneigt, die Widerlegung ihrer Hypothese zuzugeben. Sie vergeuden ihr Leben, so Popper, mit dem Versuch, solche Hypothesen möglichst zu verteidi gen. Popper ist dagegen der Ansicht, dass die teilweise oder ganze Widerlegung das vorausgeahnte Schicksal für alle Hy pothesen ist. Jeder Wissenschaftler sollte sich sogar über die Widerlegung einer Hypothese freuen, gerade wenn diese sei ne Lieblingsidee darstellt. Man verliert auf diese Weise Angst und Gewissensbisse, und die Wissenschaft wird zum atembe raubenden Abenteuer, bei dem Vorstellungskraft und Phanta sie sie zu Begriffsentwicklungen führen, die in Abb. P17: Traditioneller versus Poppers Erkenntnisfortschritt ihrer Allgemeingültigkeit und ihrem Ausmaß die experimentellen Beweise überschreiten. Immer wieder muss erwartet werden, dass Traditionelles Schema Poppers Schema eine Hypothese sich als falsch erweist und ganz oder teilweise durch eine andere Hypo 1 Beobachtung und Experiment 1 Problem / Erwartung these mit größerer erklärender Macht ersetzt 2 Induktive Verallgemeinerung 2 Lösungsvorschlag werden muss. 3 Hypothese 3 Ableitung prüfbarer Popper führt weiter aus, dass sich diese be freiende Wirkung nicht auf Wissenschaftler beschränkt. Der Gedanke, dass wir uns nur dann verbessern können, wenn wir Verbesse rungsmöglichkeiten aufspüren und dann auch realisieren, dass wir deshalb Mängel nicht ver
4 Versuch einer Verifizierung der Hypothese 5 Beweis oder Widerlegung 6 Generalisierung: Wissen
Behauptungen 4 Überprüfung, d. h. Versuch einer Widerlegung 5 Präferenz für eine von mehreren Annahmen
805
P
Popper, Karl Raimund
Positionierung durch Qualität
Einblick in Poppers erkenntnistheoretischen Ansatz mag der Leser in [2] vertiefend finden.
prozess nicht kurzfristig und einmalig, sondern als einen nie endenden schrittweisen Prozess.
Hervorzuheben ist, dass Poppers Kritischer Rationalismus über eine erkenntnistheoretische Position hinausgeht und sich letztendlich als philosophische Haltung verstehen will. Eine Haltung, die auf Vernunft setzt und sich auf Argumente und Erfahrung einlässt, also die Fehlbarkeit der eigenen Posi tion grundsätzlich anerkennt. Auch die weiteren Folgerungen, die sich auf die Gesellschaft, auch auf die Organisationen der Gesellschaft beziehen, entspringen den aufgezeigten wissen schaftstheoretischen Grundlagen (Analogie): An die Stelle der „Logik der Forschung“ tritt die „Logik der Situation“.
Poppers Einsichten haben inzwischen auch Eingang in die Führungtheorie gefunden. Im Stichwortartikel ►Führung im Qualitätsmanagement wird das am Center of ExcellenceAnsatz aufgezeigt. Schließlich hat sich jede Managementleh re, also auch die Qualitätslehre (W. Geiger, W. Masing) dem Falsifikationsprogramm auszusetzen. Managementlehren können Gültigkeit beanspruchen solange sie nicht widerlegt worden sind.
Die Rolle der permanenten Fehlerkorrektur im Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnis findet sich im allgemeinen Diskurs wieder, wenn Popper von Stückwerk-Technologie spricht. Für Popper ist ein Schritt-für-Schritt-Voranschreiben kein „Durchwursteln“, sondern ein systematisches, kontrol liertes und immer an der Praxis orientiertes Vorgehen. Nicht die Schaffung einer perfekten Organisation ist das Ziel, son dern die stetige Verringerung von Missständen in einer im mer verbesserungswürdigen Organisation. Eine Vorstellung nach Neuorganisation, wie sie im ►Business Reengineering propagiert wird, würde Popper strikt zurückweisen. Sein Me thodenvorschlag folgt immer einer hypothetischen Program matik [3, 298]: „Der typische Stückwerk-Ingenieur wird folgenderma ßen vorgehen. … Was immer seine Ziele sein mögen, er sucht sie schrittweise durch kleine Eingriffe zu erreichen, die sich dauernd verbessern lassen. … Wie Sokrates weiß der Stückwerk-Ingenieur, wie wenig er weiß. Er weiß, dass wir nur aus unseren Fehlern lernen können. Daher wird er nur Schritt für Schritt vorgehen und die erwarteten Resultate stets sorgfältig mit den tatsächlich erreichten vergleichen, immer auf der Hut vor den bei jeder Reform unweigerlich auftretenden Nebenwirkungen.“
P
Wer großen Plänen bei der Implementierung (►Business Exzellenz durch TQM) folgen will, sollte sich an Poppers „Stückwerk-Lehre“ anlehnen. Was hat das alles mit Qualitätsmanagement zu tun? Es kann nicht übersehen werden, dass Popper hier ein allge meines Schema der Erkenntnisgewinnung vorgelegt hat, zu dem im Qualitätsmanagement auch ein spezielles Vorgehen existiert, der ►PDCA- oder PDSA-Zyklus des Qualitätsex perten ►Deming. Wer ihn anwendet, der strebt nach Verbes serung, um entsprechend einer geplanten Problemstellung (Spalte 2 der Abbildung), die ja auch nicht voraussetzungslos einfach vom Himmel gefallen ist, in zirkulärer Manier Schritt für Schritt, ebenfalls fehlereliminierend, zu einem Hand lungsergebnis zu gelangen, das wiederum nicht als finaler Zu stand zu begreifen ist, sondern immer wieder als Anfang neu er Verbesserungsbemühungen. Beiden, Popper und Deming, geht es um Verbesserung, beide begreifen den Verbesserungs
806
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass gerade die Lehre von der Qualität, wie sie uns in ihren Programmen, Konzepten, Systemen und Modellen in strategischer und operativer Absicht gegenübertritt je spezifisch keineswegs Gesetzescharakter im wissenschaftlichen Sinn haben kann, sondern nur als hypothetische Annahmen angesehen werden darf. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Popper, K.: Logik der Forschung. 11. Auflage. Tübingen ( J.C.B Mohr, Siebeck) 2002 [2] Popper, K.: Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf. 4. Auflage. Hamburg (Hoffmann und Campe) 1984 (engl. Orig. 1972) [3] Popper, K.: Stückwerk-Technik statt utopischer Technik. In: Karl Popper Lesebuch. Ausgewählte Texte zur Erkenntnistheorie, Philo sophie der Naturwissenschaften, Metaphysik, Sozialphilosophie. 2. Auflage. Stuttgart (UTB) 1997, 297-301 [4] Keuth, H.: Die Philosophie Karl Poppers. Tübingen (Mohr Sie beck) 2000
Portfolio-Analyse ▶M7
Positionierung
▶Positionierung durch Qualität
Positionierung durch Qualität ▶en: positioning with quality ▶Markenqualität
„Annahmen über die Marke können wichtiger sein als das Produkt selbst.“ (Aaker, D. A.: Management des Markenwerts. Frankfurt-New York 1992, S. 187)
1 Was ist unter Positionierung zu verstehen? Mit der Zunahme der Wettbewerbsintensität auf vielen Märkten und damit auch der Austauschbarkeit von Produkten und Produkteigenschaften wurde in den 1980er Jahren die Notwendigkeit einer exakten Positionierung erkannt. Nach damaligem Ver ständ nis sollte die Werbung die Aufgabe übernehmen bestehende Produkte oder Marken zu positi onieren. Über die Werbebotschaft sollte ein eigenständiges, unverwechselbares und möglichst attraktives Bild einer Mar ke in der Vorstellungswelt der Zielgruppe aufgebaut werden (USP). Positionierung, sagten Ries/Trout, „is not what you do to a product, it is what you do to the mind of the consu
Positionierung durch Qualität
Begriff
mer” [1]. Wir wollen dem Begriff Positionierung folgende Definition zugrundelegen: Unter Positionierung soll ein wichtiges Merkmal oder eine Merkmalskombination verstanden werden, das/ die für eine Marke – differenzierend und alleinstellend gegenüber dem Wettbewerb – in der Vorstellung der Zielgruppe durchgesetzt werden soll. Typisch für diese Auffassung sind die von Kroeber-Riel ent wickelten Positionierungsmodelle [2]: Positionierung über Information, Information und Emotion und Aktualisierung. Kroeber-Riel gelangte bei der wissenschaftlichen Auseinan dersetzung mit den Fragen der Werbeeffizienz zu dem Ergeb nis, dass eine Positionierung über Information heute vielfach nicht mehr möglich sei, da die sachliche Information textin tensiv ist und bei der allgemeinen Informationsüberlastung nur eine geringe Chance hat, gesehen und gelesen zu werden. Außerdem setzt diese Positionierung voraus, daß für den Verbraucher objektiv nachvollziehbare Produktvorteile zu erkennen sind und diese sind heute immer weniger gegeben. Sehr viel geeigneter erschien Kroeber-Riel deshalb die Posi tionierung über Emotion oder Aktualisierung, wo Angebote oder Produkte nicht über objektiv wahrnehmbare Merkmale sondern über subjektive Kriterien, vermittelt durch die Kom munikation, differenziert werden. Die von Kroeber-Riel als viertes Modell beschriebene „Positionierung durch Aktuali tät“ ist eine weitere Konsequenz aus der Überforderung der Verbraucher mit Information, denn sie zielt allein darauf ab, die Marke mit Hilfe der Kommunikation auffallend zu insze nieren, um ihre Aktualität in der Vorstellung der Zielgruppe zu erhöhen. Angebotseigenschaften treten hier fast völlig in den Hintergrund. Diese Denkrichtung sieht die Positionierung im Rahmen des operativen Marketings, nämlich als Aufgabenstellung für die Kommunikationspolitik. Diese Sicht ist jedoch bei den heutigen Markt- und Wettbewerbsverhältnissen nicht mehr ausreichend. In den meisten Märkten ist das Wachstum eher gering, der Wettbewerb nimmt weiter zu, wie auch die Zahl austauschbarer Produkte. Gleichzeitig werden Märkte im mer stärker fragmentiert und treffen auf Kunden, die darauf bedacht sind immer individuellere Wünsche zu realisieren. Vermehrt können dadurch die Unternehmen Erfolge ver zeichnen, welche die Bedeutung der Segmentierung erkannt haben und ihre Entscheidungen sowohl im Rahmen der Leis tungs- als auch der Kommunikationspolitik daran ausrichten. Das aber erfordert – im Gegensatz zum klassischen, von der Kommunikation ausgehenden Positionierungsansatz – eine Festlegung von grundlegenden Marketingzielen, die zu Be ginn des Marketing-Planungsprozesses, am besten im Rah men eines Marketing-Leitbildes zu treffen ist. Man bezeichnet diese Art der Positionierung auch als aktive Positionierung. Grundvoraussetzung ist, dass das Marketing nicht allein an artikulierten Kundenwünschen ausgerichtet wird, sondern vor allem auch an neuen Nutzendimensionen, die dem Kun
Positionierung durch Qualität den bis dato nicht bekannt waren. In der Analysephase sind deshalb nicht nur die latent vorhandenen Bedarfsmuster der Zielgruppen zu erfassen sondern, davon ausgehend, innova tive Problemlösungen zu suchen. Gleichzeitig sind die Res sourcen des Unternehmens dahingehend zu überprüfen, ob Ansätze für strategische Erfolgspositionen erkennbar sind. Hier liegen auch die Ansatzpunkte für eine Qualitäts-Positi onierung, also die Absicht, den Markt über Leistungsvorteile und nicht über Preisvorteile zu beeinflussen. Vorraussetzung ist ein aktives Positionierungsmanagement, das eine einmal als richtig erkannte Strategie mit aller Konse quenz verfolgt, und gleichzeitig sicherstellt, daß Produkt und Angebot die erreichte Alleinstellung behaupten können. Dies ist bei einer Qualitätspositionierung nur möglich, wenn die Qualität stets aufs neue dokumentiert wird; durch Weiter entwickung und Verbesserung der Produkte, durch Addition neuer innovativer oder zusätzlicher Nutzen. Nur dann ist ga rantiert, dass Differenzierung und Abstand zum Wettbewerb gewährleistet sind und nicht eine gefährliche „zwischen den Stühlen-Position” [3] entsteht. (Abb. P18) Abb. P18: Qualitspositionierung versus Preispositionierung Leistungsvorteil
Grund- und Zusatznutzen
Grundnutzen
PreisPositionierung
QualitätsPositionierung
Preisvorteil
2 Die Marke als Ausdruck von Qualität – Markenpositionierung Sichtbarer Ausdruck einer Qualitäts-Strategie sind die Marke und die Markenkommunikation. Die Marke muss der Qua lität und Leistungsfähigkeit eines Produktes mit Hilfe der Kommunikation Ausdruck verleihen, sie muss darüberhinaus eine Art Garantie abgeben, dass ◼ ◼ ◼ ◼
ein klar erkennbarer Nutzen mit einem möglichst individuellen Angebot in der subjektiven Wahrnehmung der Zielgruppe besser erbracht werden kann als von den Wettbewerbern.
Damit ist die Marke der Kristallisationspunkt für die Qua litätsstrategie denn sie entscheidet ob sich ein Produkt aus einem weithin unübersichtlichen Angebot unverwechselbar und attraktiv für die Zielgruppe herausheben kann (►Mar kenqualität). Das gilt für Konsum- und Gebrauchsgüter wie für Dienstleistungen in gleicher Weise.
807
P
Positionierung durch Qualität
Positionierung durch Qualität
Da in den hochentwickelten Volkswirtschaften von heute die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens weitgehend befrie digt sind, übernehmen Marken immer öfter auch die Kom munikation von zusätzlichen Nutzendimensionen, die sich nicht mehr aus objektiv nachvollziehbaren Produktvorteilen herleiten lassen sondern aus subjektiven Wertvorstellungen. Marken können in diesen Fällen innere Bilder projizieren und können so eine Monopolstellung im Mindset der Verbrau cher einnehmen. Die Qualitätsdimensionen als Grundlage einer Markenposi tionierung sind vielschichtig. In Abbildung P19 sind zentrale Qualitätsmerkmale als Ausgangspunkt für die Positionie rung durch Qualität ausgewählt worden. Dahinter stehen letztendlich Kernkompetenzen, die in Abwandlungen und in Kombination mit anderen unternehmerischen Fähigkei ten die Grundlage für eine erfolgreiche Unternehmens- oder Markenpositionierung darstellen. 3 Einige Beispiele für Positionierung Nachfolgend soll das am Beispiel der Positionierung durch Design-Qualität demonstriert werden: Hier dokumentiert sich die Qualität des Produktes nicht nur durch seine Funk tion, seinen Grundnutzen, sondern auch und besonders durch seine visuelle und ästhetische Qualität. Erforderlich ist ein hoher ästhetischer Anspruch des Unternehmens mit allen seinen Äußerungen, den Produkten, der Kommunikation, der Architektur. Auch die Zusammenarbeit mit renommierten Designern und Künstlern zeichnet diese Unternehmen aus.
Abb. P19: Qualitätsmerkmale als Basis für die Positionierung
Positionierung durch Qualität
P
Schnelligkeit Innovation
Service
Qualität Design
Kundennähe Sortimentsbreite/-tiefe
◼ Beispiele Erco, Synonym für gute Lichtgestaltung; Bult haup, bekannt für vorbildliches Küchendesign. ◼ Über Design positionieren und differenzieren sich gegen über ihren Wettbewerbern auch zahlreiche Modemarken. So ist es Marken wie Armani oder Jil Sander gelungen ein unverwechselbares Profil durch Design-Qualität aufzu bauen. ◼ Klassisches Beispiel für Positionierung über Design ist der Computerpionier Apple, so mit dem iMac oder jetzt mit der AppleWatch. Ein kleiner Überblick, der keineswegs abschließend sein kann, mag die „Positionierung durch-Möglichkeiten“ aufzei gen. Positionierung durch ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
überragende Gesamt-Qualität (overall quality) Innovationsqualität (innovation quality) Design-Qualität (design quality) Schnelligkeit (speedy quality) Life-Style-Qualität (life style quality) Erlebnis-Qualität (event quality) Ökologische Qualität (ecological quality).
3 Bedeutung der Marketingstrategie Der Strategie kommt im Rahmen der Positionierung eine wichtige Steuerungsfunktion zu. Je detaillierter die einzelnen Handlungsmuster bestimmt werden, umso besser können sie im Unternehmen implementiert und kontrolliert werden, um so effizienter können die Marketing-Instrumente im Rahmen des Marketing-Mix eingesetzt werden [3, 4]. Positonierung betrifft letztendlich nicht nur das Produkt. Sie zieht weite Kreise: Aktive Planung, Gestaltung und Kontrolle der Außen wahrnehmung von Produkten, Geschäftsfelder oder Unternehmen auf der Basis des Marketring-Mix, der Marktsegmentierung und getroffener strategischer Entscheidungen (Markenpolitik). Positionierung setzt voraus, dass die Wahrnehmung einer Einheit (z. B. von Fremdprodukten) räumlich abgebildet werden kann. Da es das Ziel der Positionierung ist, ein eigen ständiges Profil bei der Zielgruppe (in deren Köpfen) durchzusetzen, genügt es nicht, bei der Analyse (IstPosition) stehen zu bleiben, sondern es ist erforder lich, eine Soll-Position durchzusetzen (= Repositio nierung bei bestehenden Produkten). Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
Positionierung
Kommunikation
Zielgruppe
808
[1] Ries, A. und J. Trout: Positioning, New York (McgrawHill) 1985, S. 3. Das Original neuerdings auch wieder: Ries, A. and J. Trout: Positioning: The battle for your mind. How to be seen and heard in the overcrowded marketplace. 2nd edition. New York (Mcgraw-Hill Education Ltd.) 2001 [2] Kroeber-Riel, W.: Strategie und Technik der Werbung, Stuttgart 1988, S. 46 [3] Becker, J.: Marketing-Konzeption, 6. Aufl. München (Vahlen) 1998, S. 217
Principal-Agent-Theorie (PAT) [4] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Marketing. Von der Vermark tungsindee zum Marketingkonzept. 4. Aufl. Berlin (Cornelsen) 2008. Ders.: Marketing-Mix. Vom klassischen Marketing zum In ternet-Marketing. 4. Aufl. Berlin (Cornelsen-Scriptor) 2012, S. 16ff.
Potentialqualität
▶QM im Gesundheitswesen ▶Modelle der Dienstleistungsqualität ▶Donabedian, Avedis
Portfoliodiagramm ▶M7
PPM-Management
▶Parts per Million (PPM) Als PPM-Management wird das Verfolgen der Zielsetzung bezeichnet, die Verminderung von Fehleranteilen – gemessen in ►PPM – zu erreichen.
PPS
▶Produktionsplanungs- und Steuerungssystem Computerprogramm zur Unterstützung des Anwenders bei der Produktionsplanung und -steuerung sowie der Datenver waltung.
Präzision
▶Ringversuch
Preis
▶QTK-Kreis Der Preis eines Produkts ist kein inhärentes Merkmal im Sinne des Qualitätsmanagements, sondern ein zugeordnetes Merkmal (►QTK-Kreis).
Principal-Agent-Theorie (PAT)
Die sogenannte Principal-Agent-Theorie entstand in den 1970er Jahren. Ihre Grundzüge gehen auf die Theorie un vollständiger Verträge zurück, die v. a. von Ronald Coase begründet wurde. Die folgende Fragestellung liegt der PAT zugrunde: „Wie kann man das Risiko unter einzelnen Part nern oder Gruppen verteilen?“ Das Problem, welches im Mit telpunkt stand, war das Risiko innerhalb einer Gruppe so zu verteilen, dass alle zusammen arbeiten sollen, aber trotzdem unterschiedliche Auffassungen vom zu tragendem Risiko haben können, wobei die Art der Kooperation die Arbeits teilung sein soll. Ein Partner, der Prinzipal, beauftragt einen anderen Partner, den Agenten, damit eine Arbeit für ihn aus zuführen. Diese Beziehung wird als Vertrag beschrieben. Es wird also davon ausgegangen, dass der Prinzipal Aufgaben mit Entscheidungskompetenz an den Agenten überträgt, die dieser eigenverantwortlich gegen Entlohnung übernimmt und erfüllt. Hieraus entsteht eine kooperative Beziehung. Das Problem, das die PAT fokussiert, besteht aus folgenden Prä missen:
Problemlösungsgruppen 1 hidden action – Der Prinzipal kann die vom Agenten ge troffene Auswahl der möglichen Handlungsalternativen nicht beobachten. 2 hidden information – Der Prinzipal kann zwar die Hand lungen des Agenten beobachten, der Agent verfügt aber über quantitativ oder auch qualitativ besser verwertbare Informationen als der Prinzipal. Es entsteht ein diskretionärer Handlungsspielraum für den Agenten. Die PAT nimmt nun an, dass der Agent den ihm zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum zum eigenen Vor teil ausnutzt. Das Verhalten, das dieser Annahme zugrunde liegt, hat einen negativen externen Effekt auf das Nutzenni veau des Prinzipals, da dessen Nutzen von dem Ergebnis der Aufgabenerfüllung abhängt. Die Unsicherheit des Prinzipals darüber, dass der Agent den diskretionären Handlungsspiel raum unbeobachtet zu dessen Ungunsten ausnutzt, wird in der Prinzipal-Agent Theorie moral hazard genannt. Die von der PAT formulierte Problemstellung ist natürlich zunächst allgemein zu sehen, berührt aber die Handlungswei sen im Qualitätsmanagement im Speziellen, wenn bedacht wird, dass es eine Vielzahl an Kunden-Lieferanten-Bezie hungen gibt, sowohl intern wie auch extern. Das Delegieren von Aufgaben bedeutet für den Prinzipal also einerseits die Erfüllung seiner Aufgaben, andererseits aber bedingt durch den Informationsvorsprung des Agenten, ein nur schwer kal kulierbares Risiko, wenn nämlich der Agent seinen Vorsprung zum Nachteil des Prinzipals ausnutzt. Insofern ist auch das Risikomanagement angesprochen, dem ja gerade jüngst im Qualitätsmanagement besonderes Augenmerk geschenkt wird (ISO 9000:2015-11). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Problem Detecting Method (PDM)
▶D7 | ▶FRAP | ▶FRAB Mittels der von der Werbeagentur Batten, Barton, Durstine & Osborn (BBDO) entwickelten Analysetechnik werden Problemhäufigkeit und Problembedeutung miteinander in Beziehung gesetzt, um Prioritäten in der Problembehebung begründen zu können. Im Qualitätsmanagement ist die PDM inzwischen weiterentwickelt worden und wird unter der Be zeichnung ►FRAP (Frequenz-Relevanz-Analyse von Proble men) als eigenständige Qualitätstechnik eingesetzt. Der An wendungsschwerpunkt liegt im Dienstleistungsbereich.
Problem-Entscheidungsplan ▶M7
Problemlösungsgruppen
Temporäre Gruppenkonzepte, die in der Regel Probleme/ Schwachstellen des eigenen Arbeitsbereichs behandeln. Die Sitzungen, an denen vor allem Mitarbeiter der ausführenden Ebene teilnehmen, finden regelmäßig statt und werden mo deriert (►Moderationsmethode).
809
P
Produkt Process Map
▶Prozess-Landkarte
Process Owner
Der für einen gesamten Prozess verantwortliche. Er oder sie hat Linienverantwortung. Ist ein Prozess in mehrere Va rianten segmentiert, so gibt es für jede Variante wieder eine verantwortliche Person. Auf diese Weise entsteht auch in der ►Prozessorganisation ein Über- und Unterordnungsverhält nis, das inhaltlich durch Delegation, Partizipation und Stan dardisierung ausgestaltet ist. Die Process Owner vertreten gegenüber der vorgesetzten Stelle ihr Prozess-Team. Im In nenverhältnis sollten sie jedoch weniger eine Vorgesetzten-, sondern eine Moderatoren- oder Coachfunktion einnehmen.
ProdHaftG
▶en: product liability act ▶Produkt-/Produzentenhaftung im QM Produkthaftungsgesetz. Gesetz vom 15. Dezember 1989. Es regelt in Deutschland die Haftung eines Herstellers bei fehler haften Produkten und zielt darauf ab, den Verbraucherschutz durch Einführung einer verschuldensunabhängigen Haftung zu verbessern.
Produkt
▶en: product | ▶fr: produit ▶Angebotsprodukt ▶Dienstleistung
Wie Abbildung P20 außerdem zeigt, fallen im Sinne des ►Produktsicherheitsgesetzes immaterielle Produkte nur dann unter das Gesetz, wenn sie zu der Fallgruppe der Dienstleistung mit Sachleistungsanteil gehören. Hardware mit Softwareanteilen (embedded Software) fällt ebenso unter das Produktsicherheitsgesetz. Die behördliche Überwachung von ohne Hardwareanteilen vertriebener Software ist somit im Produktsicherheitsgesetz nicht geregelt. Was in der Praxis bedeutet, dass der Gesetzgeber ►Rückrufaktionen hier nicht überwacht. Gesetzlicher Handlungsbedarf erscheint aber an gesichts des rapiden Ansteigens von Software und ihrer Feh ler dringend nötig zu sein, zumal im Produkthaftungsrecht hier ebenfalls ein nichtgeregelter Zustand festzustellen ist. 2 Produktbegriff in den Kernbegriffen der ISO 9000:2015 In der Begriffsnorm ISO 9000:2015-11 wird der Produktbe griff wie folgt festgelegt: ►Ergebnis einer ►Organisation, das ohne jegliche Transaktion zwischen Organisation und ►Kunden erzeugt werden kann Er wird somit auf einer definitorischen Ebene mit dem Dienstleistungsbegriff gesehen und per Definition nicht mehr als Produkt bezeichnet, sondern als ►Dienstleistung: ►Ergebnis einer ►Organisation mit mindestens einer Tätigkeit, die notwendigerweise zwischen der Organisation und dem ►Kunden ausgeführt wird Der in Abbildung P20 (oberer Bereich) durchaus gut nachvollziehbare definitorische Zusammenhang zum Pro duktbegriff wird damit aufgegeben. Der neue Produktbe griff der ISO 9000:2015-11 wird im Stichwort ►Dienstlei stung näher behandelt. Er ist hier im unteren Bereich der Abbildung P20 dargestellt. Sein Ableitungszusammenhang ergibt sich aus dem Ergebnis einer Organisation, das – wie das Bild unten zeigt – dreierlei sein kann, ein Produkt, eine Dienstleistung oder Software. Da mit Inkrafttreten der ISO 9000:2015-11 frühere Begriffs normen der ISO zurückgezogen werden, sind in Zukunft auf jeden Fall diejenigen Organisationen, die ihr QM-System zertifzieren lassen, gehalten den neuen dreigliedrigen Pro duktbegriff aufzugreifen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
ISO-Term
810
In dieser Systematik wird Produkt als Oberbegriff für immate rielle und materielle Produkte gewählt. Das Schema erschien etwa drei Jahrzehnte den Mitgliedern der Normungsgremien eher zweckdienlich zu sein, als die im Marketing vorherr schende Einteilung, wonach Produkt und Dienstleistung als zwei auf einer definitorischen Ebene angesiedelte Einheiten zu sehen sind. Dienstleistungen sind eben immaterielle Pro dukte mit mehr oder weniger hohem Sachleistungsanteil. Die „reine“ Dienstleistung gibt es strenggenommen gar nicht, weil Dienstleistungen schon immer auf eine Infrastruktur zurückgreifen, die ohne materielle Anteile nicht denkbar ist.
ISO-Term
P
1 Einführung in den Produktbegriff Ein Produkt ist das beabsichtigte Ergebnis eines Prozesses. So lautet die Kurzdefinition in den Kernbegriffen der ►ISO 9000:2005:12. Und unter einem Prozess versteht man entsprechend dieser Managementnorm einen Satz von in Wechselbeziehung oder in Wechselwirkung stehenden Tätig keiten, die Eingaben in Ergebnisse umwandeln. Der Definiti onsinhalt ist damit noch nicht erschöpft. Vier Anmerkungen erläutern den Begriff, wobei Anmerkung 1 ein zentraler Stel lenwert zukommt, weil sie in die übergeordneten Produktka tegorien einführt (Abbildung P020): „Es gibt vier übergeord nete Produktkategorien: 1 Dienstleistungen (z. B. Transport); 2 Software (z. B. Rechnerprogramm, Wörterbuch); 3 Hardware (z. B. mechanisches Motorteil); 4 verfahrenstechnische Produkte (z. B. Schmiermittel). Viele Produkte bestehen aus Elementen, die zu verschiedenen übergeordneten Produktkategorien gehören. Ob das Produkt als Dienstleistung, Software, Hardware oder verfahrenstech nisches Produkt bezeichnet wird, hängt vom vorherrschen den Element ab. Zum Beispiel besteht das Angebotsprodukt „Auto“ aus Hardware (z. B. den Reifen), verfahrenstech nischen Produkten (z. B. Kraftstoff, Kühlflüssigkeit), Soft ware (z. B. Motorsteuerungssoftware, Betriebsanleitung) und Dienstleistung (z. B. den vom Händler gegebenen Erläute rungen zum Betrieb).“
Produkt
Produkt
Produkt
Abb. P20: Der klassische Produktbegriff im Qualitätsmanagement mit den aus dem Angebotsprodukt abgeleiteten vier übergeordneten Produktkategorien und das Begriffsmodell der drei Kategorien entsprechend der ISO 9000:2015
Angebotsprodukt
Qualitätssicherung konzentriert sich vor allem auf beabsichtigte Produkte
Beabsichtigt als Ergebnis eines Prozesses Alle Produkte sind Ergebnisse von Tätigkeiten. Tätigkeiten verändern den Zustand einer Einheit
immateriell
materiell = Waren
Dienstleistung
Software
Hardware
Beabsichtigtes immaterielles Angebotsprodukt, erbracht durch mindestens eine Tätigkeit, die notwendigerweise an der Schnittstelle zwischen Lieferant und Kunde ausgeführt wird ________ Haarschneiden Reise, Transport
Beabsichtigtes immaterielles geistiges/kognitives Angebotsprodukt
Beabsichtigtes materielles Angebotsprodukt, wobei die Menge ein diskretes Merkmal ist (z.B. natürliche Einheit oder Stückgut)
Verfahrenstechnisches Produkt Beabsichtigtes materielles Angebotsprodukt, wobei die Menge ein kontinuierliches Merkmal ist (z.B. Massenguteinheit oder Endlosguteinheit)
_______________ Bedienungsanleitung PC-Software
___________ Tisch Kugelschreiber
_____________ Motorenöl Eisenbahnschiene
Beispiele für Tätigkeiten zur Erbringung einer Dienstleistung, wenn diese an der Schnittstelle entweder durch Einrichtungen oder Personal vertreten sind: 1 Fahrkartenautomat / persönliche Bedienung am Fahrkartenschalter; 2 Geldautomat / persönliche Bedienung am Bankschalter; 3 Getränkeautomat / persönliche Bedienung im Bordrestaurant; 4 Anrufbeantworter / persönliche Entgegennahme eines Anrufs.
Der Produktbegriff im Produktsicherheitsgesetz (ProdSG): (§ 2 Nr. 22): Sämtliche „Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt worden sind“. (§ 2 Nr. 26): „… als Verbrauchsprodukte gelten auch Produkte, die dem Verbraucher im Rahmen einer Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden.“ Der Produktbegriff des Produktsicherheitsgesetzes schließt folglich die Dienstleistung ohne Sachleistungsbezug genauso wie die reine Software, die z. B. per Download vertrieben wird, definitorisch aus. Grundsätzlich anders verhält es sich bei Hardware mit Softwareanteilen (embedded Software).
Produkt- und Dienstleistungsbebgriff der ISO 9000:2015:
P
Ergebnis (output/result)
… einer Organisation Ergebnis eines organisatorischen Prozesses, das eine angebotene Leistung darstellt: Angebotsleistung, en: offer performance materiell
immateriell
immateriell
Produkt
Dienstleistung en: service
en: software
A B Hardware Verfahrenstechnisches (hardware) Produkt Beabsichtigtes materiel(processed material) les Ergebnis, wobei die Beabsichtigtes materielles Menge ein abzählbares Ergebnis, wobei die MenMerkmal ist ge ein kontinuierliches Merkmal ist
C Beabsichtigtes immateund rielles Ergebnis, erbracht b) dem Kunden ausgedurch führt wird, vervollständigt a) Tätigkeiten des Liefe- durch Tätigkeiten des ranten, von denen min- Kunden, deren Planung destens eine notwendiger- Aufgabe des Lieferanten weise an der Schnittstelle ist. Die Menge ist dabei zwischen dem Lieferanten ein abzählbares Merkmal.
D Beabsichtigtes immaterielles aus Informationen bestehendes geistiges Ergebnis, wobei die Menge ein abzählbares Merkmal ist
en: product
Software
811
Produkt
▶en: product ►Ergebnis einer ►Organisation, das ohne jegliche Transak tion zwischen Organisation und ►Kunden erzeugt werden kann
Anmerkung 1 zum Begriff: Die Erzeugung eines Produkts wird er reicht, ohne dass notwendigerweise zwischen ►Anbieter und Kun den eine Transaktion stattfindet, sie kann jedoch dieses ►Dienstlei stungselement bei der Lieferung an den Kunden einschließen. Anmerkung 2 zum Begriff: Das vorherrschende Element eines Pro dukts ist, dass es üblicherweise materiell ist. Anmerkung 3 zum Begriff: Hardware ist materiell, wobei ihre Men ge ein zählbares ►Merkmal darstellt (z. B. Reifen). Verfahrenstech nische Produkte sind materiell, wobei ihre Menge ein kontinuier liches Merkmal (z. B. Treibstoff und Erfrischungsgetränke) darstellt. Hardware und verfahrenstechnische Produkte werden häufig als Wa ren bezeichnet. Software besteht aus ►Informationen, ungeachtet des Liefermediums (z. B. Computerprogramm, Anwendungen für Mobiltelefone, Bedienungsanleitung, Wörterbuchinhalte, Urheber recht musikalischer Kompositionen, Fahrerlaubnis). Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Produktaudit
Produktbeobachtungspflicht
P
▶en: product monitoring obligation ▶Produkt-/Produzentenhaftung im QM
812
▶en: product-related quality record ▶Qualitätsbericht Qualitätsaufzeichnung mit Ergebnissen einer ►Qualitätsprü fung an einem oder an mehreren ►Produkten.
Anmerkung 1: Solche produktbezogenen Qualitätsaufzeichnungen können sich auf ►Angebotsprodukte der ►Organisation oder auf interne Produkte beziehen. Anmerkung 2: Betroffen sein können materielle oder immaterielle Produkte oder Kombinationen daraus, auch Zwischenprodukte. Anmerkung 3: Je nach Zweck der produktbezogenen Qualitäts aufzeichnung unterscheidet man zwischen internen ►Qualitäts berichten und ►Qualitätsnachweisen. Anmerkung 4: Auch „Qualitätsbericht“. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
Produktentwicklung
▶Simultaneous Engineering
Produktforderung
▶QTK-Kreis ▶Qualitätsforderung Produktforderung ist der Oberbegriff für Qualitäts-, Terminund Kostenforderung.
Produkthaftung
▶Produkt-/Produzentenhaftung im QM Haftung des Herstellers für Folgeschäden aus der Nutzung seines Angebotsproduktes. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Produktkonfigurationsangaben
▶en: product configuration information ►Anforderung an oder andere Informationen zu Entwick lung, Realisierung, ►Verifizierung, Betrieb und Unterstüt zung des ►Produkts. [Quelle: ISO 10007:2003, 3.9, geän dert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Produktion
▶en: production | ▶en: manufacturing Prozess zur Herstellung von Produkten, das sind Produktions materialien, Produktions- oder Ersatzteile, Zusammenbauen sowie Wärmebehandlung, Schweißarbeiten, Lackierung, Be schichtung oder andere Formen der Oberflächenbehandlung. Normquelle: Nach ISO/TS 16949:2009
Produktionssystem
▶en: production system ▶Ganzheitliche Produktionssysteme | ▶Toyota ProdSystem
Produktkategorien
▶übergeordnete Produktkategorien ▶Dienstleistung
ISO-Term
Die Pflicht des Herstellers zur Verkehrssicherung endet nicht mit dem in Verkehr bringen eines Produktes. Über den Stand von Wissenschaft und Technik auf dem Laufenden zu sein gehört ebenfalls zur Produktbeobachtungspflicht. Hierzu ist der Hersteller ständig verpflichtet ist. Dabei ist die Produkt beobachtungspflicht des Herstellers nicht auf das eigene Produkt begrenzt. Er ist auch verpflichtet, Konkurrenzpro dukte und notwendiges Zubehör anderer Hersteller in seine Produktbeobachtung einzubeziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn andere, erfahrene(re) Hersteller mit demselben Produkt zur Gefahrenabwendung konstruktive Maßnahmen ergriffen haben. Gegebenenfalls muss der Hersteller die erfor derlichen Konsequenzen ziehen (Warnungen, Rückruf). Das einmal auf dem Markt befindliche Produkt, muss ständig auf seine Bewährung in der praktischen Verwendung beobachtet und sämtliche wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfah rungswerte gesammelt werden.
Produktbezogene Qualitätsaufzeichnung
ISO-Term
▶Auditarten Produktorientiertes, qualitätsbezogenes Audit an einem Teil, einer Baugruppe oder einer Dienstleistung. Das Produkt oder die Dienstleistung wird auf Übereistimmung mit den Kun denforderungen, Spezifikationen, Zeichnungen, Normen und gesetzlichen Vorschriften geprüft. Mehr als die bloße Endprüfung untersucht das Produktaudit auch die Methoden der Endprüfung, die Eignung der Prüforte, die Richtigkeit der Stichprobengröße sowie die Anwendbarkeit der Bewertungs kriterien.
Produktbezogene Qualitätsaufzeichnung DIN-Term
ISO-Term
Produkt
Produkt-/Produzentenhaftung im QM Produktlebenszyklus ▶Lebenszyklus
Produktionslenkungsplan Dokumentierte Beschreibung der Systeme und Prozesse, die zur Produktionslenkung notwendig sind. Synonym wird auch der Begriff „Control Plan“ verwendet. Normquelle: Nach ISO/TS 16949:2009
Produkt-/Produzentenhaftung im Qualitätsmanagement
Begriff
▶ engl.: product-/producer liability in quality management ▶ Unterlieferanten
Unter Produkthaftung oder Produ zen ten haftung versteht man die Haftung des Herstellers für Folgeschäden im Zu sammenhang mit der Benutzung seiner Produkte. Es geht bei der Produkt-/Produzentenhaftung nicht um das Einstehen für die Gebrauchsfähigkeit und Funktionstüch tig keit der Ware, sondern um den Ausgleich von Folgeschäden, die sich aufgrund fehlerhafter Waren einstellen. Als Produkte werden dabei alle Erzeugnisse unabhängig da von aufgefasst, welche Gefahren von ihnen im einzelnen aus gehen oder wofür sie verwendet werden. Ursprünglich war die Produkthaftung nicht als ein beson derer Problembereich vom Gesetzgeber angesehen worden, weshalb sich die im Laufe der Zeit herausgebildeten Rege lungen zur Verantwortlichkeit von Produktschäden und -fol geschäden in verschiedenen Gesetzeswerken (BGB, Prod HaftG, Spezialgesetzen, wie etwa das AMG) niederschlagen. Als Haftungsregelungen sind dort die Verschuldens- und die Gefährdungshaftung verankert. Für die Anwendung der Verschuldenshaftungsregelung wird vorausgesetzt, dass der Schaden dem Verursacher nicht nur zugeordnet, sondern auch persönlich vorgeworfen werden kann. Es muss fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt worden sein. Die Anforderungen an das Verschulden sind allerdings durch die Rechtsprechung wesentlich beeinflusst worden. Im Rahmen der Produzentenhaftung wird im Falle rechtswidrigen Handelns das Verschulden regelmäßig gegen den Hersteller „vermutet“; es ist demnach Sache des Her stellers, den Entlastungsnachweis zu führen. Bei der Gefährdungshaftung tritt die Haftung für einen Schaden unabhängig vom Verschulden ein; der Umstand fehlerhafter Herstellung ist ausschlaggebend. Die Gefähr dungshaftung ist seit dem 1.1.1990 im Produkthaftungsgesetz geregelt. Außerdem gibt es weitere Spezialgesetze für bestimmte Haftungsbereiche, wie z. B. § 1 UmweltHG, § 22 WHG, §§ 32 ff. GenTG, etc. Die beiden Haftungssysteme unterscheiden sich in der Praxis nicht wesentlich. Bei der Deliktshaftung wird das Verschul den gegenüber dem Hersteller vermutet; der Unterschied zur verschuldensunabhängigen Gefährdungs-haftung nach dem
Produkt-/Produzentenhaftung im QM ProdHaftG ist dann nicht mehr groß. Auch die Bestimmung eines „Fehlers“ im Sinne des ProdHaftG wird in den mei sten Fällen nicht ohne Rückgriff auf die Verhaltenspflichten möglich sein, die die deliktische Haftung (§§ 823 ff. BGB) begründen. Man sieht es einem Produkt nicht ohne weiteres an, ob es unnötig gefährlich, also fehlerhaft ist; fehlerhaft wird es etwa dann sein, wenn bei der Konstruktion mögliche Gefahrenbereiche übersehen wurden. Um dies feststellen zu können, wird man wieder auf die Verhaltenspflichten der de liktischen Haft ung, also auf die für diesen Bereich bestimmten Verkehrssicherungspflichten zurückgreifen müssen (z. B. auf der Grundlage des Standes von Wissenschaft und Technik zu konstruieren). In einer Entscheidung aus dem Jahre 2014 hat der BGH allerdings dahin entschieden – zum bislang ersten Mal –, dass ein Fehler im Sinne von § 3 ProdHaftG selbst dann vorliegt, wenn das Unternehmen das branchenübliche und vom vertretbaren Aufwand her zu Erwartende getan hat, um den Fehler zu vermeiden, dieser aber trotzdem eintrat ([7] „Stromfall“). 1 Deliktsrechliche Produzentenhaft ung 1.1 Allgemeines Die deliktsrechtliche Produzentenhaft ung auf der Grund-lage von § 823 BGB ist durch richterliche Rechtsfortbildung ge schaffen worden. Anknüpfungspunkt für die Haftung im Hinblick auf die Herstellung und das Inverkehrbringen von Waren sind be stimmte Verkehrspflichten des Herstellers. Der Hersteller hat eine Gefahrenabwendungspflicht, derzufolge er alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen muss, um die Verletzung von Rechtsgütern Dritter durch seine Pro dukte auszuschließen. Die Haftung setzt Verschulden voraus. Die Verantwortlichkeit des Herstellers für den Produktfehler wird allerdings vermutet, so dass er den Entlastungsbeweis führen muss. An den Entlastungsbeweis werden hohe Anfor derungen gestellt. Beweiserleichterungen werden dem Ge schädigten auch bereits für den Nachweis der Pflichtwidrig keit eingeräumt. Bei Fabrikations- und Konstruktionsfehlern wird von der Fehlerhaftigkeit des Produkts regelmäßig auf ein pflichtwidriges Verhalten des Herstellers geschlossen. Auch die Anforderungen an den Nachweis eines Fehlers sind zum Teil erheblich herabgesetzt, bei typischen Man gelfolgeschäden von Waren kommt ein Anscheinsbeweis für das Vorliegen eines Produktfehlers und dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden in Betracht. Kennzeichnend für die deliktsrechtliche Produzentenhaftung sind daher, neben der Ausformung bestimmter Verkehrspflichten, die Beweiserleichterungen für den Geschädigten. Vereinfacht dargestellt gilt, dass der Hersteller die Beweislast für solche Umstände hat, die zu seiner Einflusssphäre gehören. Die deliktsrechtliche Produzentenhaftung ist nicht auf den Schutz des privaten Ver brauchers beschränkt, sondern schützt auch Unternehmen und Gewerbetreibende, die im Verhältnis zum Hersteller als Abnehmer auftreten.
813
P
Produkt-/Produzentenhaftung im QM 1.2 Verkehrssicherungspflichten Für eine Verletzung eines Rechtsgutes ist der Schädiger nur verantwortlich, wenn sie auf ein ihm zurechenbares Verhalten zurückzuführen ist. Das Verhalten des Herstellers muss ur sächlich für die Verletzung sein. Da aber nicht alle Umstände, die für eine Verletzung von Rechtsgütern ursächlich sind, für die Haftung herangezogen werden dürfen (ansonsten wäre je des Inverkehrbringen eines irgendwie gefährlichen Produkts mit Haftung bedroht), haben Verkehrssicherungspflichten im Wesentlichen die Funktion, den deliktsrechtlich relevanten Verantwortungsbereich der Hersteller zu bestimmen. Die se sagen dem Hersteller, welche Handlungen oder welches Unterlassen zur Haftung führen kann, d. h., welches Verhal ten im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Inver kehrbringen eines Produktes geeignet erscheinen, für einen bestimmten Schaden ursächlich (kausal) zu sein. Eingegrenzt wird der Umfang der Verkehrssicherungspflich ten durch den Erwartungshorizont der Verkehrsteilnehmer, durch ökonomische Grenzen (ausführlich erörtert in der BGH-Entscheidung „airbag“ aus dem Jahr 2009 [5]) und durch technische Standards. In der Rechtsprechung haben sich hinsichtlich der Verkehrs sicherungspflichten die nachfolgend beschriebenen Pflich tenkategorien herausgebildet.
P
1.2.1 Konstruktionspflicht Das Produkt muss verwendungssicher konstruiert sein, es darf die nach dem Stand der Technik maßgeblichen Sicher heitserfordernisse nicht unterschreiten. Neuentwicklungen sind eingehend zu erproben. Maßstab für die Sicherheits anforderungen ist der bestimmungsgemäße Gebrauch durch den Durchschnittsbenutzer (ausführlich behandelt in der „Milupa“-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1991 [4]); eine sachwidrige Benutzung ist in Rechnung zu stellen. So weit von einem Produkt erhebliche Gefahren für Leben oder Gesundheit ausgehen, treten die ansonsten zu berücksichti genden wirtschaftlichen Gesichtspunkte zurück. 1.2.2 Instruktionspflicht Soweit eine gefahrlose Verwendung trotz einwandfreier Konstruktion nicht gewährleistet werden kann, trifft den Hersteller eine Belehrungspflicht über die Handhabung des Produkts, wenn dieses Wissen beim Durchschnittsbenutzer nicht vorausgesetzt werden kann. Hinsichtlich schädlicher Nebenwirkungen besteht eine Warnpflicht des Herstellers; Verwendungshinweise und Warnungen müssen verständlich abgefasst sein. 1.2.3 Fabrikationspflicht Den Produzenten treffen Organisations- und Kontrollpflich ten bei der Herstellung der Ware. Der Fertigungsablauf muss lückenlos organisiert und überwacht sein. Das fertige Pro dukt muss Qualitätskontrollen unterworfen sein. 1.2.4 Produktbeobachtungs-, Warn- und Rückrufpflicht Der Hersteller unterliegt einer ►Produktbeobachtungspflicht, d. h., er muss sich über die Verwendungsfolgen seines Pro
814
Produkt-/Produzentenhaftung im QM dukts informieren (ausführlich behandelt in der „Honda“Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2012 [6]), vor allem bei neu entwickelten Erzeugnissen. Erfährt er von Schädigungen oder werden Risiken erkennbar, hat er zu warnen bzw. das Er zeugnis zurückzurufen. Mit dem ►Rückruf ist die Pflicht zur Übernahme der Reparaturkosten bzw. zum Schadensersatz verbunden. Der Hersteller ist verpflichtet, die organisato rischen Voraussetzungen für Produktbeobachtung, Warnung und Rückruf zu schaffen. 1.2.5 Arbeitsteilige Herstellung Wird das Erzeugnis nicht ausschließlich mit eigenen, sondern auch mit zugelieferten Teilen produziert, besteht eine Pflicht zur sorgfältigen Auswahl von Zulieferunternehmen. Die zu gelieferten Teile sind auf Fehlerfreiheit zu überprüfen; da durch wird allerdings der Zulieferer nicht von einer eigenen Qualitätskontrolle entlastet. 1.3 Ersatzpflichtige Die Produkt-/Produzenthaftung umfasst nicht nur die Haf tung der direkt am Produktionsprozess beteiligten Hersteller, sondern ebenso alle weiteren mit dem Produkt in Beziehung stehenden Personen, von denen billigerweise erwartet wer den kann, Produktgefahren für andere abzuwenden. Dies schließt demnach – zwar mit abweichenden Voraussetzungen und in unterschiedlichem Ausmaß – Zulieferer, Spediteure, Importeure, Grossisten oder Einzelverkäufer ebenfalls mit ein: ◼ Der Hersteller des Endprodukts ist für Montage- und Verarbeitungsfehler verantwortlich, ferner für fehlerhaft zugelieferte Teile, die nach seinen Anweisungen herge stellt worden sind. ◼ Den Vertriebshändler treffen keine Kon struktionspflichten. Zur Kontrolle auf Fabrikationsfehler ist er nur verpflichtet, wenn besonderer Anlass besteht (z. B. das Bekanntwerden von Schadensfällen). Den Händler können allerdings Sicherungspflichten aus eigener Tätig keit treffen. ◼ Beim Vertrieb von Importwaren wird von der Rechtspre chung berücksichtigt, dass dem ausländischen Hersteller geringere Sicherheitsvorkehrungen auferlegt sein können als nach deutschem Recht, so dass insofern zumindest eine Aufklärungspflicht besteht. ◼ Nach der Rechtsprechung haften auch Mitarbeiter für Produktschäden, soweit ihnen vom Hersteller ent sprechende Verkehrspflichten übertragen worden sind (Mitarbeiter in herausgehobener und verantwortlicher Stellung). Das ist rechtspolitisch zweifelhaft; die in der Beweislastumkehr liegende Haftungsverschärfung lässt sich nicht auf die Arbeitnehmersituation ausdehnen. Sie ist durch das vom Hersteller übernommene unternehme rische Risiko gerechtfertigt. 1.4 Anspruchsberechtigte Anspruchsberechtigt ist neben dem Benutzer des fehlerhaften Produkts jeder Dritte, dem Rechtsgüter durch die schadhafte Ware verletzt werden.
Produkt-/Produzentenhaftung im QM
Produkt-/Produzentenhaftung im QM
2 Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz Am 1.1.1990 ist für die Bundesrepublik Deutschland das Ge setz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ProdHaftG) in Kraft getreten. Das Gesetz geht auf die am 25. 7. 1985 ver abschiedete EG-Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte zurück. Das Produkthaft ungsgesetz lässt das bislang geltende nationale Recht unberührt; die von der Rechtspre chung aus § 823 BGB entwickelte Produzentenhaftung bleibt weiter bestehen.
2.1 Fehlerbegriff Zentraler Begriff des ProdHaftG ist der des „Fehlers“ (►Feh lerkonzepte). Bereits das Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produkts, verbunden mit einem kausal darauf beruhenden (erstattungsfähigen) Schaden, führt zur Haftung. Die Definition des Fehlerbegriffs in § 3 ProdHaftG modifi ziert den bisherigen Inhalt der Verkehrssicherungspflichten. Insofern sind die Rechtspflichten der Unternehmen im Rah men des ProdHaftG anders als die im Rahmen der delikts
Abb. P21: Überblick über die Haftungssysteme Produkt-/Produzentenhaftung
Produkthaftung/Produzentenhaftung Haftung auf zwei Ebenen
Deliktsrechtliche Haftung §§ 823 ff. BGB = Verschuldenshaftung
Produkthaftungsgesetz § 3 ProdHG = Gefährdungshaftung
Zentraler Begriff und Anknüpfungspunkt für die Haftung:
Zentraler Begriff und Anknüpfungspunkt für die Haftung:
Verkehrssicherungspflichten
Fehler
Verkehrssicherungspflichten können vertraglich auf andere Unternehmen übertragen werden.
Entlastung im Außenverhältnis nicht möglich, § 14 ProdHG
Folge: Endhersteller verlagert Haftungsrisiken auf den Zulieferer (im Außenverhältnis)
Folge: Der Endhersteller haftet „voll“; der Teilehersteller „voll“, entsprechend seiner Beteiligung
Problem: Wie umfangreich können Verkehrssicherungspflichten übertragen werden?
Problem: Inwieweit können im Innenverhältnis Ausgleichsansprüche begründet werden?
P
Beide Haftungssysteme stehen nebeneinander
815
Produkt-/Produzentenhaftung im QM rechtlichen Haftung des BGB. Hierbei handelt es sich aber nur um – wahrscheinlich sogar nur geringfügige – Modi fikationen der für beide Rechtsgebiete im Grundsatz bedeut samen bzw. ganz entscheidungserheblichen Verkehrssiche rungspflichten. Die Bedeutung der Verkehrssicherungspflichten ist nicht auf die (traditionelle) Produzentenhaftung nach den §§ 823 ff. BGB beschränkt! Sie haben ebenso Bedeutung im Rahmen des (neuen) ProdHaftG, also im Bereich der sog. Gefähr dungshaftung. Unterschiede ergeben sich nur bei der sog. Ausreißersituation (Fabrikationsfehler an einem Einzelstück einer Serie, der auch mit vertretbaren Mitteln nicht festge stellt werden konnte). Im Rahmen der Gefährdungshaftung wird nicht danach gefragt, ob der Unternehmer die Sachver haltsmomente, die zum Ausreißer führten, noch zu vertre ten hat oder nicht. Außerhalb dieser – im Rahmen der Pro dukthaftung relativ seltenen Situation – kann zur Erklärung des Fehlerbegriffs in § 3 ProdHaftG auf den Inhalt der ein zelnen Verkehrssicherungspflichten zurückgegriffen werden. Vereinfacht ausgedrückt, das Produkt ist dann fehlerhaft, wenn es unter Verletzung von Verkehrssicherungspflichten hergestellt wurde. 2.2 Ersatzpflichtige § 4 ProdHaftG verwendet einen weiten Herstellerbegriff. Zum Schadensersatz verpflichtet ist neben dem Produzenten jeder andere, der sich durch Anbringen seines Namens, seines Warenzeichens oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens bekannt macht. Für Zuliefer- und Weiterver teilungs unter neh men ist eine differenzierte Regelung ge schaffen. Grundsätzlich haften auch die Importeure, die ein fehlerhaftes Produkt aus einem Staat außerhalb der EU bezie hen.
P
2.3 Haftungsumfang Die Ersatzpflicht wird sowohl bei Personen- als auch bei Sach schäden begrenzt (§§ 7-11 ProdHaftG). Einen Anspruch auf Schmerzensgeld sieht das Gesetz nicht vor. 2.4 Beweislast Der Geschädigte hat die haftungsbegründenden Tatsachen (Schaden, Fehler, Kausalität) zu beweisen. Ist streitig, ob die Ersatzpflicht ausgeschlossen ist, trägt der Hersteller die Be weislast für das Vorliegen des Haftungsausschlußssgrundes. 3 Bedeutung für das Qualitätsmanagement Das Wissen um die juristischen Aspekte bei der Erarbeitung von ►QM-Systemen darf in der heutigen Zeit nicht unter schätzt werden. Viel zu groß sind die Gefahren, denen sich der Unternehmer durch Unwissenheit gerade in den sen siblen Bereichen der Produktverantwortlichkeit aussetzt. Ne ben der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme durch Dritte, zum Teil mit existenzvernichtender Wirkung, muss der Un ternehmer den Imageverlust und die damit einhergehenden Wettbewerbsnachteile befürchten.
816
Produkt-/Produzentenhaftung im QM Die zunehmend flexible Fertigung macht es für den End hersteller erforderlich, eine genaue Abstimmung der über betrieblich arbeitsteiligen Prozesse zu erreichen (►Unter nehmensübergreifendes Qualitätsmanagement). Durch eine weitergehende Übertragung von Verantwor-tungsbereichen auf Zulieferer versucht der Endhersteller sein Risikopotential zu verringern. Ferner kann der Endhersteller durch die stärkere Einbindung des Spezialwissens der Zulieferer einen innovativen und variativen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten he rausschlagen. Die Arbeitsteilung kann unterschiedlich or ganisiert sein: Der (End-)Hersteller besorgt sich die benötigten Werkstoffe, Halbfertigwaren oder Einzelteile sowie die kompletten Bau teile auf dem Markt, oder der (End-)Hersteller beauftragt Zu lieferer mit der Anfertigung von Teilen eigens nach den Erfor dernissen des Endprodukts (z. B. Spezialreifen für bestimmte Kraftfahrzeuge). 3.1 Haftung des Assemblers Der Hersteller eines Endprodukts haftet „für dieses Produkt“, ohne Rücksicht darauf, ob es in allen seinen Teilen in diesem Unternehmen gefertigt wurde. Die Verkehrssicherungspflichten des (End-)Herstellers wer den durch den Umstand der Zulieferung nicht berührt bzw. lediglich modifiziert. Der Assembler trägt (neben dem Zu lieferer) die Verantwortung für die Einhaltung der Verkehrs sicherungspflichten. In modifizierter Form: ◼ Der Assembler hat dafür zu sorgen, dass ein fremd herge stelltes Produktteil tauglich für das Endprodukt ist (der Zu lie fe rer kann entsprechend be auftragt werden; die Direktiven für das Zubehörprodukt werden zweckmäßi gerweise in einem Pflichtenheft erfasst). ◼ Der (End-)Hersteller ist zur ordnungsgemäßen Materi alauswahl verpflichtet, nicht nur für Rohstoffe, sondern auch für Zulieferprodukte. Er hat auf „generelle“ Eignung zu über prüfen und eine laufende Qua li tätskontrolle durchzuführen (vollständige Überprüfung oder nur re duzierte Kontrolle, wenn schon auf die Herstellung wirk sam Einfluss genommen wird; die Pflicht geht über die in § 377 HGB genannte hinaus). ◼ Der Assembler hat auch regelmäßig vor solchen Gefahren zu warnen, die auf das zugelieferte Produkt zurückgehen. ◼ Die Produktbeobachtungspflicht besteht im Rahmen der Beobachtungspflicht des Endprodukts. Im Ergebnis treffen den (End-)Hersteller auch für das zuge lieferte Produkt umfassende Sicherungspflichten. Dies wird damit begründet, daß der Verbraucher darauf vertraut, dass der Endhersteller keine unnötig gefährlichen Produkte in den Verkehr bringt. 3.2 Übertragung der Sicherungspflichten auf den Zulieferer Die (End-)Hersteller können die ihnen obliegenden Hersteller-Verkehrssicherungspflichten auf die Zulieferer ver
Produkt-/Produzentenhaftung im QM traglich übertragen, mit der Folge, dass sie im Bereich dieser Pflichten das Haftungsrisiko ganz erheblich vermindern. Ergeben sich bei der Überwachung keine Bedenken gegen den Zulieferer, kann sich der Assembler hinsichtlich Kon struktion, Fabrikation und Instruktion auf ordentlich gelie ferte Ware verlassen. Die eigene Kontrollpflicht des Herstel lers ist erheblich reduziert. Voraussetzung wirksamer Übertragung der Sicherungspflich ten auf den Zulieferer ist, dass die Qualifikation/Eignung und Zuverlässigkeit des anderen Unternehmens positiv fest gestellt worden sein muss und weiterhin, d. h. nach Vertrags schluss, ständig überprüft wird. Dabei ist eine auftragsbezo gene Qualifikation/Eignung erforderlich; d. h., erfordert die Herstellung des Zulieferteils besondere Spezialkenntnisse, so muss der Assembler prüfen, ob der Zulieferer diese Kennt nisse besitzt. Bezüglich der Zuverlässigkeit genügt, dass das Zulieferunternehmen allgemein als zuverlässig (ständiger Geschäftsbetrieb) bekannt ist. Wie weit die Ermittlungs pflicht des Endherstellers/Assemblers geht, hängt davon ab, wie groß die vom Produkt ausgehende Gefahr für den Ver kehr ist. Weitere Voraussetzung ist, dass eine konkrete Bezeichnung der Sicherungspflichten gegenüber dem Zulieferer erfolgen muss. Hierzu sind genaue Anweisungen über die Art der Qualitätssicherungsmaßnahmen, für die durchzufüh rende Qualitätskontrolle (►QM-Vereinbarungen) als AGB’s im Lie fervertrag erforderlich. Der Zulieferer muss bereit sein, diese Verkehrspflichten zu erfüllen und sich dazu bindend verpflich ten (durch Vertrag). Im Einzelfall wird erwartet, dass sich der Endhersteller/Assembler versichert, dass der Zulieferer aus reichenden Deckungsschutz (Versicherungsschutz) besitzt, bevor er die Gewähr für die Einhaltung von Verkehrspflichten übernimmt (gesteigerte Überwachungspflicht). Erlangt der Endhersteller/Assembler von Tatsachen Kenntnis, die ihn an der Pflichterfüllung des Zulieferers zweifeln lassen, ist er zur Intervention verpflichtet, seine Sicherungspflichten leben sozusagen wieder auf. Die Folge wirksamer Übertragung von Ver kehrssicherungspflichten ist, daß der Zulieferer im Rahmen der delik tischen Haftung (§§ 823 ff. BGB) alleine haftet, der End hersteller ist – soweit er übertragen durfte – befreit. Im Rahmen der Haftung nach dem ProdHaftG kann der (End-) Hersteller nicht mit befreiender Wirkung übertragen; die Übertragung hat aber für den Innenregress Bedeutung. Dass der (End-)Hersteller trotz (evtl.) wirksamer Übertra gung von Verkehrssicherungspflichten im Hinblick auf die Zulieferer Kontrollpflichten hat (auch noch hinsichtlich der zugelieferten Waren, und zwar regelmäßig innerhalb seines Betriebes), liegt daran, dass die „Organisationspflicht“ nicht übertragbar ist. Zulieferer und zugelieferte Waren zu kontrol lieren (wenn auch reduziert), ist auch Inhalt dieser Organisa tionspflicht.
Produkt-/Produzentenhaftung im QM 3.3 Haftung des Zulieferers Der Zulieferer ist (Teil-)Hersteller seines Produkts. Er ist folgerichtig im Hinblick auf sein Produkt Adressat aller Her stellerpflichten; er haftet grundsätzlich neben dem (End-) Hersteller, soweit sein Produkt „betroffen“ ist. Seine Haftungssituation verschlechtert sich noch, wenn ihm die den (End-)Hersteller treffenden Sicherungspflich ten übertragen werden. Er ist dann insbesondere bei Kon struktions- und Fabrikationsfehlern einziger Haftungsadres sat bzw. er kann sich gegenüber dem Endhersteller nicht darauf berufen, dass auch dieser Sicherungspflichten (um fassende Kontrollen) verletzt hat. Die Pflichten des Zulieferers können im Hinblick auf die Produktion für ein bestimmtes Endprodukt noch modifi ziert (verschärft) sein: Hinweise des Assemblers bzw. ver tragliche Abreden zu Maßen, Gewicht, Belastbarkeit und sonstigen Qualitäten der Zulieferprodukte begründen auch Sicherungspflichten zugunsten des Assemblers und der Be nutzer (Stichwort: ►Spezifikation). Auch die Hinweise des Assemblers bzw. des spezifischen Verwendungszwecks (Er wartungshaltungen bestimmter Abnehmerkreise) können Einfluss auf die Konstruktions-, Fabrikations- und Instruk tionspflicht nehmen. Für den Zulieferer ist es wichtig zu wissen, ob ihm der (End-) Hersteller die Verkehrssicherungspflichten übertragen hat, oder ob er „nur“ zur ordentlichen, auftragsgemäßen Arbeit unter Verwendung von ►Qualitätskontrollen verpflichtet ist. Der Unterschied liegt darin, dass im Falle der Übertragung von Verkehrssicherungspflichten insbesondere die Kontroll pflichten des Zulieferers ganz erheblich ansteigen. Er kann sich nun weder im Verhältnis zum Endhersteller noch zu den Benutzern des Endprodukts darauf berufen, er habe mit einer wirksamen Kontrolle durch den (End-)Hersteller gerechnet. Bei vollständiger Übertragung der entsprechenden Verkehrs sicherungspflichten (namentlich für Konstruktion und Fa brikation) darf der Zulieferer zudem nur noch mit einer er heblich reduzierten Kontrolle des Assemblers rechnen. Prof. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler, Berlin Literatur
[1] Ensthaler, J.; Füßler, A.; Nuissl, D.: Juristische Aspekte des Qualitätsmanagements. Berlin u.a. 1997 [2] Foerster/Westphalen: Produzentenhaftungshandbuch Stand 2012 [3] Kullmann, J.; Pfister, B. (Hrsg.): Produzentenhaftung, Er gänzbares Handbuch zur gesamten Produkthaftpflicht, Berlin, Stand 2014 [4] BGH-Entscheidung 1991 „Milupa“, NJW 1992, S. 560 ff. [5] BGH-Entscheidung 2009 „airbag“, NJW 2009, S. 40 ff. [6] BGH-Entscheidung 2012 „Honda“, GRUR 2012, S. 928 [7] BGH-Entscheidung 2014 „Stromfall“, NJW 2014, S. 2106 ff.
Produktqualität
▶ Markenqualität
817
P
Produktsicherheitsgesetz
Produktsicherheitsgesetz
Produktsicherheitsgesetz
zulässige Bereitstellung auf dem Markt daran knüpft, dass die Produkte die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährden.
▶ProdSG ▶Produkt-/Produzentenhaftung im QM
1 Begriff und EU-rechtlicher Hintergrund Das Produktsicherheitsgesetz regelt in Deutschland die be hördliche Überwachung von Herstellern, Quasi-Herstellern, EU-Importeuren und – subsidiär – von Händlern beim In verkehrbringen von Produkten. Zentrale Anforderung ist die Pflicht zur Einhaltung gesetzlicher, meist europäisch vorgeschriebener Sicherheitsregeln. Als verwaltungsver fahrensrechtliches Gesetz ermächtigt es staatliche Markt überwachungsbehörden im Fall erkannter Produktsicher heitsmängel, gegen das weitere Inverkehrbringen hoheitlich vorzugehen, ggf. auch den Rückruf bereits auf dem Markt befindlicher Waren anzuordnen. Produktsicherheitsrechtliche Spezialvorschriften einzelner Branchen (z.B. im Lebensmittelrecht, im Medizinprodukte recht, im Düngemittelrecht, im Arzneimittelrecht etc.) ver drängen das ProdSG z.T. vollständig, z.T. treten die Regeln des ProdSG ergänzend neben die Spezialgesetze. Das ProdSG ist in seiner heute gültigen Fassung seit dem 1. Dezember 2011 in Kraft. Es löst das seit 2004 zuvor gültige Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) ab, das seiner seits auf eine technikrechtliche Historie bis zum alten Gesetz über technische Arbeitsmittel (GtA) von 1968 zurückblicken kann.
P
Das ProdSG dient zum einen der nationalen Umsetzung der Europäischen Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/ EG, welche umfassend die Sicherheitsanforderungen für Verbraucherprodukte (b2c-products) vorschreibt. Es dient zum anderen als Ermächtigungsgesetz für ministerielle Ver ordnungen (vgl. § 8 ProdSG); jede dieser Verordnungen setzt ihrerseits jeweils eine europäische sektorspezifische Sicherheitsvorschrift für einzelne Produkttypen um. Als be sonders prominente Beispiele sind die Umsetzung der euro päischen Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG in der 1. ProdSV, die Umsetzung der Europäischen Spielzeugrichtlinie 2009/48/EG in der 2. ProdSGV, die Umsetzung der Euro päischen Richtlinie über Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) 89/686/EWG in der 8. ProdSV oder die Umsetzung der ►EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG in der 9. ProdS GV zu nennen. All diese im Rahmen der Binnenmarktharmo nisierung nach dem Konzept des New Approach erlassenen Harmonisierungsvorschriften der EU führen zu Folgepflich ten wie ►Konformitätserklärungen, ►CE-Kennzeichnungen, Risikobeurteilungen etc. Zentrale Regelungsvorschrift für diesen durch Verordnungen geprägten Bereich ist dann § 3 Abs. 1 ProdSG, der für das zulässige Inverkehrbringen von derart erfassten Produkten die vollständige Übereinstimmung (►Compliance) mit dem jeweiligen europäischen Rechtsrahmen vorschreibt. Nicht europäisch harmonisierte Produkte werden daneben von § 3 Abs. 2 ProdSG erfasst, der – indes inhaltlich parallel – die
818
2 Wesentliche Inhalte des Produktsicherheitsgesetzes Das ProdSG enthält hier nicht weiter dargestellte Vorschrif ten über akkreditierungsrechtliche Voraussetzungen für Kon formitätsbewertungsstellen, GS-Stellen, die Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) sowie den Ausschuss für Produktsicherheit. Auch die eher arbeitsschutz- und betriebssicherheitsrechtlich gefärbten Be stimmungen über überwachungsbedürftige Anlagen sollen an dieser Stelle nicht vertieft dargestellt werden. Im Hinblick auf die Kernvorschriften der produktsicherheits rechtlichen Überwachung regelt § 1 den Anwendungsbe reich, nämlich das Bereitstellen, Ausstellen oder erstmalige Verwenden von Produkten auf dem Markt. Antiquitäten, be stimmte gebrauchte Produkte sowie spezialgesetzlich geregel te Produkte wie Lebensmittel, Futtermittel, lebende Pflanzen und Tiere, Medizinprodukte, Umschließungen für die Beför derung gefährlicher Güter sowie Pflanzenschutzmittel sind vom Anwendungsbereich indes kategorisch ausgeschlossen. Lesenswert ist § 2, der – alphabetisch sortiert – Kernbegriffe des Produktsicherheitsrechts legaldefiniert. Dies gilt etwa für so wesentliche Termini wie Bereitstellung, bestimmungsge mäße Verwendung, ►CE-Kennzeichnung, ernstes Risiko, harmonisierte Norm, Hersteller, Inverkehrbringen, ►Markt überwachung, ►Rückruf, ►Verbraucherprodukt, vorher sehbare Verwendung oder Wirtschaftsakteure. Definiert ist (selbstredend) auch der zentrale Begriff des ►Produktes selbst: Der denkbar weite Anwendungsbereich des ProdSG zeigt sich nämlich, wenn der Gesetzgeber in § 2 Nr. 22 Pro dukte als sämtliche „Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt worden sind“, de finiert. Für die zentrale warenverkehrsrechtliche Steuerungsvor schrift des § 3 ist sowohl in den Absätzen 1 wie auch 2 be merkenswert, dass ein Produkt legal nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden darf, wenn es die Sicherheit und Gesundheit von Personen bei „bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer“ Verwendung nicht gefährdet. Über den intended use hinaus ist also auch ein reasonable forseeable misuse zu berücksichtigen, was in der Praxis vielfältig zu Ab grenzungsschwierigkeiten im Vollzug wie in der industriellen ►Compliance führt. § 3 ProdSG zwingt die Unternehmen mithin zu einer umfassenden Identifikation aller einschlä gigen Sicherheitsvorschriften für das unternehmerische Pro dukt-Portfolio. Nur überhaupt als einschlägig identifizierte Sicherheitsvorschriften können zur Grundlage von internen Handlungsanweisungen an die Konstruktions- wie die Fer tigungsabteilung sowie die Technische Redaktion gemacht werden; nur dann ist auch eine externe Spezifikation gegen über ►Zulieferern im Vertragsmanagement möglich. Diese Aufgabenerfüllung der Identifikation von anzuwendenden
Produktsicherheitsgesetz Gesetzen wird (anders als ein reines Normenverwaltungs management) in der Praxis unternehmensintern oft unzurei chend organisiert. Die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Rechtsabteilung, Vertrieb, Einkauf und ►Qualitätssicherung ist an dieser Stelle entscheidend für die Verhinderung pro duktsicherheitsrechtlich fehlerhafter Designentscheidungen. Für die Beantwortung der Frage, ob ein ►Produkt den gesetz geberischen Sicherheitsforderungen nach § 3 entspricht, kön nen europäisch harmonisierte Normen zugrunde gelegt wer den (vgl. § 4). Deren Anwendung ist und bleibt freiwillig; das Gesetz sieht keinen Anlass, normabweichende, innovative und modernere Lösungen standardisiert zu verbieten, solan ge jedenfalls das gesetzlich erwartete Sicherheitsniveau nicht unterschritten wird. Die Einhaltung harmonisierter Normen (EN) führt aber zur beweisrechtlichen Privilegierung der sog. Konformitätsvermutung: Bei einem Produkt, das harmoni sierten Normen entspricht, wird qua Gesetz vermutet, dass es den gesetzgeberischen Anforderungen genügt, soweit diese von den betreffenden Normen abgedeckt sind. Normkonfor mität führt damit zur – widerleglichen – Vermutung auch der Rechtskonformität. Diese Aufgabenteilung zwischen Recht und technischer Normung geht zurück auf das von der EUKommission unter Jacques Delors 1985 propagierte Konzept einer Arbeitsteilung, nach der die EU-Sicherheitsgesetze nur noch die wesentlichen Zielvorgaben regeln, deren Erreichung den Unternehmen selbst überlassen bleibt. Den europäischen ►Normungsorganisationen wurde das Mandat erteilt, har monisierte Normen zu erlassen, die für die Industrie als „Ab kürzung und Steigbügelhalter“ fungieren können, wenn keine unternehmensinternen innovativeren Lösungen gewünscht sind.
Produktsicherheitsgesetz geldbewehrt. Da die ►Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/ EG nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt ist, gilt diese Notifikations pflicht im Übrigen auch in den anderen EU-Staaten sowie – aufgrund jeweilig nationalen Rechts – in diversen anderen Staaten des internationalen Vertriebssystems. Die Notifika tionspflicht verweist auf Anhang I der Produktsicherheits richtlinie 2001/95/EG, was regelmäßig die Notwendigkeit einer ►RAPEX-Risikobeurteilung nach dem Leitfaden der Europäischen Kommission vom 16.12.2009 (2010/15/EU) notwendig macht. Für die in § 7 geregelte ►CE-Kennzeichnung gelten die all gemeinen Grundsätze, die die EU in der Verordnung Nr. 765/2008/EG (dort Art. 30) aufgestellt hat. Die ►CE-Kenn zeichnung muss angebracht werden, bevor das Produkt in Verkehr gebracht wird. Sie sagt aus, dass alle einschlägigen europäischen Inverkehrbringens-Vorschriften vollständig eingehalten sind, was einen Rundumblick auf eventuell eben falls CE-kennzeichnungspflichtige sonstige Gesetze (etwa aus dem Funk-, EMV- oder umweltbezogenen Produktrecht) erzwingt. Die Zuständigkeit zur Überwachung des ProdSG liegt nach der verfassungsrechtlichen Verteilung für Verwaltungszu ständigkeiten regelmäßig bei den Bundesländern, die dies organisationsrechtlich von Bundesland zu Bundesland un terschiedlich organisiert haben. Der Bundesgesetzgeber hat allerdings in bestimmten Bereichen eine bundeseinheitliche Vollzugsbehörde geschaffen; prominentes Beispiel ist das ►Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) für den produktsicherheits rechtlichen Vollzug im Kfz-Bereich.
Die Umsetzung der für Verbraucherprodukte maßgeblichen ►Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG führt in § 6 dazu, dass dieses Produktsegment zusätzlichen, weiterge henden Anforderungen unterliegt. Dies gilt nicht nur für das technische Produktdesign selbst, sondern auch für die Be dienungsanleitung, vor allem aber für den Umgang mit Pro duktrisiken als Managementaufgabe: So verlangt das Gesetz die Information des Verbrauchers über Risiken, die ohne ent sprechende Hinweise nicht erkennbar sind. Anzugeben sind zudem grundsätzlich Name und Kontaktanschrift des Her stellers oder des EU-Importeurs; gewisse Ausnahmen sind vom Gesetz erlaubt. Das ProdSG (§ 6 Abs. 2) verlangt von Herstellern von Verbraucherprodukten zudem ein ►Rückruf management und empfiehlt Vorkehrungen zur Rückverfolg barkeit (Traceability). Als ►Nachmarktkontrolle sind Stich proben durchzuführen und ein Reklamationsmanagement aufzubauen.
Die Marktüberwachungsbehörden kontrollieren bei schon in Verkehr gebrachten Produkten stichprobenartig, ob die Pro dukte den Anforderungen des ProdSG entsprechen. Haben sie den begründeten Verdacht, dass ein Produkt diesen Anfor derungen widerspricht, sind sie zu allen Maßnahmen befugt, die § 26 Abs. 2 ProdSG aufzählt. Wesent-lich ist die in § 26 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 ProdSG eröffnete Möglichkeit, zukünftig zu verbieten, dass ein Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird sowie in Nr. 7 den ►Rückruf eines bereits auf dem Markt bereitgestellten Produktes anzuordnen. Beide Maßnahmen sind belastende Verwaltungsakte nach dem einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetz und bedürfen deshalb vorher zwingend einer jeweiligen Anhörung des betroffenen Un ternehmens (§ 28 VwVfG). Als Verwaltungsakte sind sie in Deutschland zudem nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) verwaltungsgerichtlich überprüfbar und werden im Falle der Rechtswidrigkeit gerichtlich kassiert.
Zentral ist die in § 6 Abs. 4 geregelte Pflicht zur Notifikation: Hersteller und EU-Importeure von Verbraucherprodukten haben bei erkannten Sicherheitsrisiken von bereits vertrie benen Verbraucherprodukten unverzüglich und freiwillig die zuständigen Marktüberwachungsbehörden über dieses Risi ko zu informieren. Die Nichteinhaltung dieser Pflicht ist buß
Neben der Exekution der Produktsicherheitsvorschriften ha ben die Marktüberwachungsbehörden die Verpflichtung zur Information über Produktsicherheitsrisiken. Diese Verpflich tung liegt im Trend der Zeit, die den informierten, mündigen Verbraucher als Leitbild zum Gegenstand hat und deshalb eine Information des Verbrauchers als Bestandteil eines ge
819
P
Produktsicherheitsgesetz
3 Schnittstellen zu anderen Bereichen Zwischen der behördlichen Kontrolle des Produktsicher heitsrechts einerseits und dem zivilrechtlichen ►Produkthaf tungsrecht bestehen Schnittstellen: So ist ein Produkt, das ge gen zwingende gesetzliche Sicherheitsvorschriften verstößt, in aller Regelmäßigkeit auch ein produkthaftungsrechtlich fehlerhaftes Produkt nach ProdHaftG und sein Inverkehr bringen eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten nach § 823 Abs. 1 BGB. Entsprechende Schadensersatzpflich ten des Herstellers im Falle eines konkreten Unfalls sind da mit vorgeprägt. Die Nichteinhaltung zwingender gesetzlicher Sicherheitsvorschriften des Produktsicherheitsrechts kann zudem nach § 823 Abs. 2 BGB zugleich die Verletzung eines drittschützenden Schutzgesetzes sein und insofern – zusätz liche, ja weitergehende – Schadensersatzansprüche nach die ser Vorschrift auslösen.
P
Weitere Schnittstellen bestehen zum Wettbewerbsrecht, weil zwingende Produktsicherheitsvorschriften zugleich auch wettbewerbslenkende Regelungen im Sinne des § 4 Nr. UWG sein können und der Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften damit zugleich als wettbewerbswidrig abgemahnt werden kann („Vorstoß durch Rechtsbruch“). Auch in versicherungsrechtlichen Deckungsfragen von Pro dukthaftungsprozessen schließlich spielen namentlich vor sätzliche Verstöße gegen Produktsicherheitsvorschriften oft mals eine Rolle. Prof. Dr. Thomas Klindt München Literatur
Glasl, T. und Th. Klindt: Krisenfall Produktrückrufe. Erfolgreiches Managment – Recht – Kommunikation. Stuttgart (Boorberg) 2012 Klindt, Th. (Hrsg.): Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Kommen tar. München (Beck) 2014 RAPEX, URL: http://ec.europa.eu/consumers/safety/rapex/al erts/main/index.cfm?event=main.listNotifications&CFID=47406 16&CFTOKEN=64840477&jsessionid=089ce26c5667e4a58c2c5 3cb47a32e262975 Produktsicherheitsrichtlinie, URL: http://eur-lex.europa.eu/LexU riServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32001L0095:de:NOT
820
▶en: product specification Dokument, das die ►Qualitätsforderung an ein materielles oder immaterielles oder kombiniertes ►Produkt enthält.
Anmerkung: Die Forderungen können Qualität, Umweltschutz oder Arbeitsschutz betreffen. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08
Progressive Abstraktion Es handelt sich um eine seit langem bekannte und bewährte Kreativitäts- und Arbeitstechnik [1], die sinnvoll bei der Produktentwicklung (Erstellen einer Forderungsliste) und Ideenfindung in der Gruppe angewandt werden kann. Diese Technik beruht auf dem Gedanken, dass häufig nur Detail probleme erkannt werden und der übergeordnete Zusam menhang fehlt. Sie hilft, den Wesenskern einer Aufgabe he rauszuarbeiten. Durch systematisches Hinterfragen wird die vorläufige Problemdefinition geprüft, um eine neue Problem auffassung zu finden, die dann zu weitreichenderen Lösungen führen kann. Vorgehen: Zunächst schildert der Moderator der Arbeitsgruppe das Problem. Im zweiten Schritt wird die Frage gestell „Worauf kommt es eigentlich an?“, um das Problem neu zu formulieren und den über geordneten Zusammenhang zu finden. Im nächsten Schritt wird auf Basis des neu formulierten Problems nach neuen Lösungen gesucht. Diese Schritte werden so lange fortgeführt, bis die maximale Ab straktionsstufe erreicht wird.
Literatur
[1] Schlicksupp, H.: Progressive Abstraktion. In: Helmut Schlick supp (Hrsg.): Ideenfindung. 5. Auflage. Würzburg (Vogel) 1999. S. 64-67
Projekt
▶en: project einmaliger ►Prozess, der aus einem Satz von abgestimmten und gesteuerten Tätigkeiten mit Anfangsund Endterminen besteht und durchgeführt wird, um unter Berücksichtigung von Beschränkungen bezüglich Zeit, Kosten und Ressourcen ein ►Ziel zu erreichen, das spezifische ►Anforderungen er füllt
Anmerkung 1 zum Begriff: Ein Einzelprojekt kann Teil einer größeren Projektstruktur sein und hat üblicherweise einen festgelegten An fangs- und Endtermin. Anmerkung 2 zum Begriff: Bei einigen Projekten werden während des Projektverlaufs die Ziele und der Anwendungsbereich aktualisiert und die Produkt- oder Dienstleistungsmerkmale fortschreitend ent sprechend festgelegt. Anmerkung 3 zum Begriff: Das ►Ergebnis eines Projektes kann aus einer oder mehreren Einheiten von Produkten oder Dienstlei stungen bestehen. Anmerkung 4 zum Begriff: Die ►Organisation des Projekts ist übli cherweise vorübergehend und besteht nur für die Lebensdauer des Projekts. Anmerkung 5 zum Begriff: Die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen den Projekttätigkeiten steht nicht notwendigerweise in Be ziehung zur Projektgröße. [Quelle: ISO 10006:2003, 3.5, geändert — Anmerkungen 1 bis 3 zum Begriff wurden geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
ISO-Term
Eine fahrlässige Ignoranz und Nicht-Verwirklichung gesetz lich zwingender Sicherheitsvorschriften trägt bei der Reali sierung in tatsächlichen Unfallszenarien zudem das Risiko strafrechtlicher Verfolgung etwa wegen fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung mit sich.
Produktspezifikation
DIN-Term
sellschaftspolitischen Schutzkonzeptes begreift. Die Markt überwachungsbehörden haben insbesondere die BAuA als nationalen Knotenpunkt über alle Maßnahmen nach dem ProdSG zu informieren. Hoheitliche Untersagungsverfü gungen macht die BAuA auf ihrer eigenen Homepage mit Klarnamen bekannt (§ 31 ProdSG). Liegt der Maßnahme ein ernstes Risiko im Sinne des RAPEX-Leitfadens zugrunde, so sorgt die BAuA gemäß § 30 ProdSG für eine Veröffentlichung im online-Schnellinformationssystem ►RAPEX, das ohne Passwortschutz für jedermann im Internet einsehbar (Litfaß säulen-Prinzip) und wöchentlich aktualisiert wird.
Produktspezifikationen
Projektgruppe (PjG) Projektgruppe (PjG)
Projektkultur
▶en: project culture ▶Projektmanagement ▶Unternehmenskultur Wie im Hauptstichwort Unternehmenskultur skizziert, kann sich keine Organisationseinheit und damit auch kein Projekt eines Unternehmens oder einer Verwaltung dem „Kultur geschehen“ entziehen. Ja es geht sogar noch weiter: Da die unterschiedlichen Unter- bzw. Teilkulturen (Qualitätskultur, Lernkultur, Führungskultur, Vertriebskultur, Einkaufskultur, Projektkultur, etc.) eines Unternehmens eng miteinander zusammenhängen, sind die einzelnen Teilkulturen in einem Veränderungsprozess explizit zu berücksichtigen. So ist für die Veränderung der Qualitätskultur und/oder die Lernkul tur die Projektkultur in der heutigen Zeit ein wichtiger und nicht zu vernachlässigender Bestandteil.
Projektkultur ist ein Sammelbegriff für alle geschrie benen und unge schrieben, wahrgenommenen und nicht-wahrgenommenen, bewussten und unbewussten gelebten, gewollten und ungewollten Kulturelementen wie Werte, Grundannahmen, Normen, Richtlinien, Einstellungen, Symbole, Geschichten und Mythen, Leitfiguren sowie Zielvorstellungen die sowohl in einem und um ein einzelnes Projekt herum exi stieren, als auch die in allen und um alle Projekten herum in einer Organisationseinheit existieren. Diese Kulturelemente sind Denkmuster, die sich zum einen aus dem Verhalten (Handlungsmuster) aller Beteiligten und Betroffenen einschließlich des Manage ment mit der Zeit herausbilden und damit auch die Kompetenzen der Projektakteure ans Tageslicht brin gen. Man spricht in diesem Zusammåenhang auch von Tradierung. Zum anderen wirken die Kulturelemente auf das Verhalten der Beteiligen, Betroffenen und des Management zurück und grenzen das Spektrum ihrer Verhaltensmöglichkeiten ein. In diesem Fall spricht man dann von der Tradition.
Projektmanagement
▶en: project management ►Planen, ►Organisieren, ►Überwachen, Steuern und Be richten aller Aspekte eines ►Projekts und die Motivation aller daran Beteiligten, die ►Ziele des Projekts zu erreichen [Quelle: ISO 10006:2003, 3.6]
ISO-Term
[1] Keßler, H.; Winkelhofer, G.: Projektmanagement. Leitfaden zur Steuerung und Führung von Projekten. 2. Aufl. Berlin u.a.: Springer 1999, S.101f
Der Begriff Projektkultur soll wie folgt bestimmt werden: Begriff
▶Task Force ▶Projektmanagement Eine Gruppe mit einer besonderen Arbeitsform (→ Projekt management), die für eine bestimmte Zielsetzung (Bearbei tung neuartiger und komplexer Problemstellungen) nur in einer bestimmten Zeitspanne zusammenarbeitet und sich danach auflöst. Projektgruppen werden speziell zur Bearbei tung einer genau festgelegten Fragestellung gebildet. Die Zu sammensetzung orientiert sich an fachlichen Gesichtspunk ten und ist häufig hierarchieübergreifend. Die Mitglieder kommen oft aus Bereichen, die mit der zu lösenden Aufgabe zu tun haben. Auch externe Berater können Mitglieder sein. Es gibt Projektgruppen, die bis zum Abschluß ihrer Aufga ben kontinuierlich zusammenarbeiten und damit integraler, wenn auch temporaler Bestandteil der Organisationsstruk tur werden. Die Problembearbeitung kann je nach Aufgabe in regelmäßigen Sitzungen oder permanent erfolgen. In der Arbeitsform des ►Projektmanagements besteht die Projekt gruppe in der Regel aus dem Projektleiter und den Personen, die vom Projektleiter zur Realisation des Projektes und zur Unterstützung des Projektmanagements ausgewählt und be auftragt wurden [1]: „Die Mitglieder der Projektgruppe werden vom Projektleiter bestimmt. Sie unterstehen für die Dauer des Projektes fachlich dem Projektleiter. Die Mitglie der, die zum überwiegenden Teil oder ganz für ein Projekt abgestellt sind, werden für die Dauer der Projektarbeit vom Projektleiter auch disziplinarisch geführt (…). Die Projektgruppe ist verantwortlich für die kompetente Unterstützung des Projektleiters und die Be r ücksichtigung der unterschiedlichen Sichtweisen und Lösungsansätze der verschiedenen Disziplinen.“ Literatur
Projektmanagement
Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Projektmanagement
▶en: project management ▶Projektmanagement (Term ISO 9000:2015-11) ▶Projekt (Term ISO 9000:2015-11) ▶Projektgruppe (PjG) ▶Projektkultur ▶Projektmanagementplan (Term ISO 9000:2015-11) ▶Projektorganisation ▶Projektplanung ▶Projektstrukturplan
P
1 Vorbemerkung Projektmanagement ist ein Managementkonzept, das heute eine sehr große Bedeutung erlangt und sich im Qualitätsma nagement etabliert hat. Thematisch ist Projektmanagement vielfältig in der Fachliteratur abgedeckt. Sowohl die nationale wie auch die internationale Normung haben sich um begriff liche Klärungen bemüht. Aus der Vielfalt an Begriffen sind o. g. Terms ins Lexikon aufgenommen worden. 2 Historische Verortung des Projektmanagements und Definition Der Begriff Projekt kommt aus dem Lateinischen (proiec tum) und bedeutet soviel wie Entwurf, Plan, Vorhaben. Auch wenn der Ursprung des Projektmanagements schon weit vor
821
Projektmanagement unserer heutigen Zeitrechnung, so beim Bau der Pyramiden (etwa 2400 v. Chr), angenommen werden muss [1], und auch der Bau der Kathedralen im mittelalterlichen Europa Projekt merkmale aufweist, so muss der Beginn des heutigen Projekt managementverständnisses doch erst auf die 1940er, 1950er und 1960er Jahre datiert werden: Das Manhattan-Projekt (Bau der Atombombe) startete im Jahr 1942, das Marshall Plan-Projekt (Europäisches Wiederaufbauprogramm) wur de im Jahr 1947 entwickelt und das Appollo-Programm der NASA wurde in der Zeit von 1961 bis 1972 durchgeführt. Diese drei Meilensteine begründen wohl zuvorderst die Ge schichte des modernen Projektmanagements. Gerade in der Raumfahrt und im militärischen Bereich hat sich der Pro jektmanagement-Ansatz schnell verbreitet (Begriffe: Phased Project Planing, Systems Management, PERT, System Engi neering, Value Engineering). Heutige Bei spie le für typische Projektarbeiten sind: ITEin führungsprojekte, Investi tions- oder Auftragsprojekte (zum Beispiel Bau von Immobilien oder Großanlagen), For schungs- bzw. Produktentwicklungsprojekte, Organisationsoder Strategie(entwicklungs)projekte, Marketingprojekte, Kulturprojekte, Implementierungsprojekte zur Einführung von QM-Systemen u. v. a. m.. Die wesentlichen Grundlagen zum Projektmanagement sind in den DIN ISO 69901ff. (seit 1987) festgelegt. U. a. wird dort ein Projekt definiert als ein „Vorhaben, das im wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit ge kennzeichnet ist (…)“. In der Praxis bezeichnet ein Projekt ein einmaliges und komplexes Vorhaben, welches interdiszi plinären Querschnittscharakter aufweist und der Erreichung eines definierten Ziels dient. Die Hautmerkmale eines Projektes sind:
P
◼ Komplexität: Zahlreiche Elemente und Einflussgrößen sind zu berücksichtigen, die zudem einer hohen Verän derlichkeit im Zeitablauf unterliegen und deshalb nicht in der Linienorganisation (►Organisation) bearbeitet werden können. ◼ Einmaligkeit: Es sind keine wiederkehrenden Routineauf gaben. Jedes Projekt ist durch spezifische Ziele, Restrikti onen (zeitlich, finanziell, personell) und Organisations form gekennzeichnet. ◼ Zeitliche Fixierung: Projekte besitzen einen definierten Anfangs- und Endtermin. Zwischenziele werden als Mei lensteine bezeichnet. ◼ Interdisziplinarität: Die Problem lö sung erfordert in der Regel die or ganisatorische Zusammenarbeit un terschiedlicher Disziplinen (z. B. Recht, Technik, Be triebswirtschaft). Mit dem Begriff Projektmanagement wird zum einen die Gruppe der Träger von Projektaufgaben verstanden, zum anderen wird es als Gesamtheit projektbezogener Aufgaben definiert.
822
Projektmanagement Sehr oft wird Projektmanagement als Oberbegriff für alle willensbildenden und -durchsetzenden Aktivitäten im Zu sammenhang mit der Abwicklung von Projekten definiert. An dieser Begriffsbestimmung kann festgehalten werden. Projektmanagement stellt im Gegensatz zu den einzelnen durchzuführenden Projekten eine dauerhafte Führungskon zeption dar. Projektmanagement ist also ein fortdauerndes, zeitlich nicht befristetes, innovatives Führungskonzept für komplexe Vorhaben. Projektmanagement in diesem Sinne umfasst Projektziele, Aufbau- und Ablauforganisation, Pla nung und ►Controlling sowie weitreichende Führungsaufga ben (►Projektorganisation). 3 Erfolgsfaktoren des Projektmanagements Das Erreichen der definierten Projektziele und die Einhal tung der geplanten Ressourcen (Geld, Zeit, Kapazität) sind wohl immer noch diejenigen Zielstellungen, die den Projekt erfolg unmittelbar bestimmen. In ihnen spiegelt sich der per manenten Ziel-Mittel-Konflikt zwischen Leistung und Ko sten und Zeit, der besagt: Wenn z. B. die Dimension Kosten verknappt wird, hat dies in der Regel Einbußen in Qualität oder Menge der Leistung zur Folge, wenn kein Zeitausgleich möglich ist. Wird die Zeit verkürzt, steigen die Kosten durch erhöhte Anstrengungen, oder aber es gibt Einbußen bei der Qualität oder Quantität der Leistung. Zum anderen können die Erfolgsfaktoren für Projektmanagement jeweils in Er folgsfaktoren für die Führung und Steuerung aller Projekte und in Erfolgsfaktoren für die Führung und Steuerung eines Projektes identifiziert werden. Jeder dieser Erfolgsfaktoren hat noch weitere Unterteilungen und Klassifizierungen. Erst wenn die beiden übergeordneten Erfolgsfaktoren „Erreichen der Projektziele“ und „Einhaltung der Ressourcen“ in Unter nehmen und Verwaltungen konzeptionell präzisiert sind und in Form einer ►Projektkultur gelebt wird, können die ein zelnen Projekte zufriedenstellende Ergebnisse produzieren. Denn diese Erfolgsfaktoren wirken sich direkt oder indirekt auf die Motivation der Projektbeteiligten und -betroffenen – und damit auch auf den Erfolg des Projektmanagements – aus. 4 Zielsetzung des Projektmanagements Projektmanagement hat grundsätzlich die Zielsetzung, das Minimal-Prinzip (das besagt, mit minimalem Aufwand ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen) oder das Maximal-Prinzip (das besagt, bei einem vorgegebenen Input den maximalen Output zu erzielen) der Betriebswirtschaft, in Veränderungsund Entwicklungsprozessen umzusetzen. Meist wird in der Praxis nur auf das Minimal-Prinzip zurückgegriffen. Vorgehensweise, Arbeitsschritte, Techniken im Projektmanagement Projekte werden üblicherweise in Projektphasen (z. B. Kon zeption, Spezifikation, Realisierung und Implementierung) eingeteilt. Diese Einteilung der Vorgehensweise erfolgt in un ternehmens- und bereichsspezifischen Vorgehensmodellen. Bei sehr weit entwickelten Vorgehensmodellen werden die einzelnen Projektphasen in Arbeitsschritte (etwa 4 bis max.
5
Projektmanagement 15 Schritte) mit vorgesehenen bzw. prädestinierten Tech niken und Tools weiter unterteilt [2, S. 41]. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, ◼ dass Projektmanagement professionell konzipiert und trainiert werden kann, ◼ dass einheitliche Begrifflichkeiten und Vorgehensweisen gelebt werden können, ◼ dass mehrere Projekte im Sinne von Multiprojektma nagement geführt und gesteuert werden können und ◼ dass praktische Projekterfahrung in Intervallen von 1 bis 2 Jahren in das bestehende Projektmanagement-Konzept integriert werden kann. 6 Kernproblemfelder und Qualifizierungsbedarf im Projektmanagement In der Projektpraxis kann sich eine Vielfalt an Problemen ein stellen. In den meisten Fällen liegt jedoch die Ursache für das Problem nicht dort, wo das Problem auftritt, sondern in einer anderen Stelle. Zu den Kernproblemfeldern – unabhängig von einer be stimmten Branche oder Unternehmensgröße – können si cherlich folgende zehn Punkte gezählt werden [2, S. 233]: ◼ Unzureichendes Wissen und Können in der Theorie und Praxis im Projektmanagement (Projektführung, Vorge hensweise, Methoden und Techniken, Tools und System denken). ◼ Unzureichende Klarheit und Transparenz des Projektauf trags. ◼ Fehlende oder unvollständige Verteilung von Aufgaben, Verant wor tung und Kompetenzen zwischen Pro jekt auftraggeber, Projektleitung, Projektteam und allen son stigen Personen, die mit dem Projekt zu tun haben. ◼ Nicht ausreichende und nicht bereitgestellte Projektres sourcen (Zeit, Personalkapazitäten, Budgets, Wissen und Können). ◼ Mangelnde Ausdauer und Beharrlichkeit sowohl bei den Projektakteuren als auch bei den Projektauftraggebern. ◼ Geistesgifte wie Angst, Schuldgefühle, Neid, Ego, Recht haberei etc. der Beteiligten und Betroffenen. ◼ Tangieren von Macht- und Politikspielchen (Verheizen der Projektbeteiligten in Macht- und Politikspielchen). ◼ Fehlende oder nur sporadische Koordination und opti mierte Abstimmung aller Projektressourcen (Zeit, Perso nalkapazitäten, Budgets, Wissen und Können). ◼ Keine klare Einbindung des Projektauftrags in die Unter nehmensvision, -strategie und -ziele. ◼ Kein institutionalisierter Erkenntnisgewinn in laufenden Projekten und aus beendeten Projekten.
Projektmanagement ◼ Projektmanagement funktioniert um so besser, je besser das Zusammenspiel Linienorganisation und Projektorga nisation organisiert ist und von den Beteiligten erlebt wird. ◼ Projektmanagement benötigt die Beteiligung aller Funkti onsträger, nicht nur die der Experten und Spezialisten, sondern auch die der obersten Leitung und aller Manage mentebenen. ◼ Projektmanagement als Arbeitsweise ist ein permanenter Lern- und Qualifizierungsprozess ohne Ausnahmen. ◼ Projektmanagement im Qualitätsmanagement bedeutet zu nächst nichts anderes, als dass das jeweilige Projekt mit allen seinen Phasen als Einheit aufzufassen ist und die Qualität dieser Einheit bestimmt werden kann: Qualität des Projekts. ◼ Projektmanagement bestimmt sich aus seinen Zielgrößen. In der Regel sind diese Zeit und Kosten. Aber es ist auch die Qualität, die im Spannungsverhältnis zu Zeit und Kosten steht. ◼ Projektmanagement kann prozess- und ergebnisbezogen ge sehen werden. Hierauf bezogen lassen sich die Prozessund die Ergebnisqualität bestimmen. ◼ Projektmanagement bestimmt sich als Managementansatz, der zur Implementierung eines Qualitätsmanagementsy stems erforderlich ist. ◼ Projektmanagement ist Ausbildungsinhalt von ►Q-Berufen. ◼ Projektmanagement kann mit Techniken des ►Lean Ma nagements optimiert werden [4]. Basistext von Dr. Georg Winkelhofer, Stuttgart. Grundlegend überarbeitet, aktualisiert und gekürzt von Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur [1] Madauss, B.: Handbuch Pro jekt management: mit Handlungsempfehlungen für Industriebetriebe, Unterneh mensberater und Behörden. 4. unveränd. Aufl. Stuttgart: C. E. Poeschel 1991, S. 10 ff
[2] Keßler, H.; Winkelhofer, G.: Projektmanagement. Leitfaden zur Steuerung und Führung von Projekten. 2. Aufl. Berlin u.a. (Sprin ger) 1999, S.101f
[3] Keßler, H., Winkelhofer, G.: Projektmanagement im Umweltmanagement. In: Winter, G. (Hrsg.): Das umwelt bewußte Unternehmen. Die Zukunft beginnt heute. 6. über arb. u. erw. Auflage, München: Vahlen 1998, S. 805-819 [4] Pautsch, P. und S. Steininger: Lean Project Management. Projekte exzellent umsetzen. München (Hanser) 2014
7 Fazit Zusammenfassend und ausblickend können folgende Aussa gen gemacht werden, die hier in Thesenform formuliert wer den:
823
P
ISO-Term
Projektorganisation Projektmanagementplan
▶en: project management plan ►Dokument, das festlegt, was zum Erreichen des ►Ziels/der Ziele des ►Projekts erforderlich ist Anmerkung 1 zum Begriff: Ein Projektmanagementplan sollte den QM-Plan (3.8.9) des Projekts beinhalten oder darauf verweisen. Anmerkung 2 zum Begriff: Darüber hinaus beinhaltet oder verweist der Projektmanagementplan auf andere Pläne, die sich beispielswei se auf organisatorische Strukturen, Ressourcen, Zeitpläne, Budget, Risikomanagement (►Risiko, ►Management), Umweltmanagement, Gesundheits- und Sicherheitsmanagement sowie Schutzmanagement beziehen, soweit erforderlich. [Quelle: ISO 10006:2003, 3.7] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Projektorganisation
▶en: projekt organisation ▶Projektmanagement
Begriff
Der Begriff Projektorganisation kann auf zweierlei Weise ver standen werden, einerseits ganz allgemein auf die Organisati on eines Projekts schlechthin bezogen, andererseits als kenn zeichnendes Merkmal einer Organisationsform: Allgemeine Auffassung von Projektorganisation: Unter dem Be griff Projektorganisation werden alle Regeln, Werte und Nor men subsumiert, die zu einer effizienten Gestaltung der Zu sammenarbeit der Projektbeteiligten nötig ist. Dazu gehören ◼ die Organisation von Projektteams – v. a. Auswahl eines Projektleiters, Arbeitsaufnahme, Teambildung, Teament wicklung ◼ die Organisation der Projektarbeit – v. a. Organisation des Projektbüros, Projektinformationswesen, Projektma nagement-Software, Projektstandards und Checklisten.
P
Es emfiehlt sich einen Projektorganisationsplan anzulegen, der die gesamte Projektorganisation in den jeweiligen Pro jektphasen strukturiert. Dieser Plan findet sich im jeweiligen Projekthandbuch und/oder im Projektauftrag wieder. Auffassung von Projektorganisation als Organisationsform: In manchen Branchen (Bauwirtschaft, Unternehmen der Einzel fertigung, Software-Entwicklungsunternehmen, Architekturund Ingenieurbüros, Beratungsunternehmen, Forschungsin stituten, Filmproduktionen etc.) ist der Organisationstyp der Projektorganisation schlechthin das kennzeichnende Merk mal. Die Projektorganisation ist hier in dem Sinne gemeint, dass deren Grundlogik darin besteht, dass ◼ die Abwicklung des Kerngeschäfts in Projekten erfolgt ◼ die Organisationsstruktur dem Zeitprinzip folgt ◼ die Supportstruktur auf Kontinuität ausgelegt ist. In Absetzung zur klassischen funktionalen Organisation hat sich die Grundlegung verändert. Man spricht auch von einer speziellen Form der Hybridorganisation. Im Falle der Projek torganisation strukturiert sich das Organisationsmodell am Wertschöpfungsprinzip und den Wettbewerbsvorteilen. Die Wertschöpfung wird in den Projekten (Projekt A, B, C etc.) erbracht, die unterstützenden Leistungen erbringen Marke
824
Prosumer ting, Personal, Controlling etc. je nach Priorität und Gestal tungszielsetzungen. Damit gibt eine solche Organisations struktur eine plausible Antwort auf die Herausforderungen der sich ständig verändernden Umwelten. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Projektplanung
Systematische, zielorientierte Planung auf Basis des Projek tauftrags. Folgende Planungsarten laufen typischerweise in der Projektplanung ab: Projektstrukturplan, Projektablauf plan, Terminplan, Kapazitätenplan, Kostenplan, Projektge samtkosten, Qualitätsplan, Projektrealisierung.
Projektstrukturplan
Der Projektstrukturplan ist die hierarchische Aufgliederung der Projektaufgaben in Teilaufgaben bis zu den personenoder abteilungsrelevanten Teilaufgaben. Er setzt sich zusam men aus der Beschreibung der Hauptaufgaben, Teilaufgaben und Arbeitspaketen. Der Projektstrukturplan kann funktions orientiert (Tätigkeiten), objektbezogen oder gemischt (Ob jekt und Funktion) erstellt werden.
Promotoren
▶Qualitätswissen
Prosumer
Produzent (producer) und Konsument (consumer) bilden den Neologismus Prosument (prosumer) Mit dem Begriff Prosumer bezeichnete Alvin Toffler in sei nem Buch „Die dritte Welle” [1] schon 1980 einen Trend, wonach Personen gleichzeitig Produzenten und Konsu menten sind. Durch wachsende Externalisierung des Kunden für Aufgaben, die vorher ausschließlich dem Produzenten zu kamen, wird er Teil des Produktionsprozesses und damit bis zu einem gewissen Grad Produzent des Gutes. Toffler erkann te diesen Trend zunächst im Bereich der Selbstbedienung und des Do-it-yourself und prognostizierte damals, dass dadurch der Aufstieg einer neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsord nung einherginge. Das Verschwimmen der Grenze zwischen Produzent und Konsument im Internet konnte Toffler damals noch nicht voraussehen. In diesem Zusammenhang lässt sich diese Entwicklung u. a. in den sozialen Netzwerken und ande ren Kontexten teilweise bestätigen (user-generated-contend). Weitere aktuelle Beiträge zur Prosumer-Diskussion finden sich in [2]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Toffler, A.: Die dritte Welle. Zukunftschance. Perspektiven für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. München (Goldmann) 1980, bes. Kapitel 20 [2] Blättel-Mink; B. und K.-U. Hellmann (Hrsg.): Prosumer revi sited. Zur Aktualität einer Debatte. Wiesbaden (VfSozWiss.) 2010
Prozess Prototyping
Prozess
▶en: process Satz zusammenhängender und sich gegenseitig beeinflussen der Tätigkeiten, der Eingaben zum Erzielen eines vorgese henen Ergebnisses verwendet
Anmerkung 1 zum Begriff: Ob das „vorgesehene Ergebnis“ eines Pro zesses „Ergebnis“ (3.7.5), „Produkt“ (3.7.6) oder „Dienstleistung“ (3.7.7) genannt wird, ist abhängig vom Bezugskontext. Anmerkung 2 zum Begriff: Eingaben für einen Prozess sind üblicher weise Ergebnisse anderer Prozesse und Ergebnisse aus einem Pro zess sind üblicherweise Eingaben für andere Prozesse. Anmerkung 3 zum Begriff: Zwei oder mehr zusammenhängende und sich gegenseitig beeinflussende, aufeinanderfolgende Prozesse kön nen auch als ein Prozess bezeichnet werden. Anmerkung 4 zum Begriff: Prozesse in einer ►Organisation werden üblicherweise geplant und unter beherrschten Bedingungen durch geführt, um Mehrwert zu schaffen. Anmerkung 5 zum Begriff: Ein Prozess, bei dem die ►Konformität des dabei erzeugten Ergebnisses nicht ohne weiteres oder in wirt schaftlicher Weise validiert werden kann, wird häufig als „spezieller Prozess“ bezeichnet. Anmerkung 6 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsy stemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche De finition wurde geändert, um einen Zirkelbezug zwischen „Prozess“ und „Ergebnis“ zu verhindern, und die Anmerkungen 1 bis 5 zum Begriff wurden hinzugefügt. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Prozess (systemtheoretisch)
▶en: process Die Systemtheorie bezeichnet einen Prozess als irreversible Ereignissequenz. „Prozesse verfügen über eine doppelte Se lektion operativer Möglichkeiten; zunächst begrenzt die erste Selektion den Bereich der Ereignisse, die auf jedes einzelne Ereignis im Verlaufe des Prozesses folgen können. In der kon kreten Situation, in der sich der Prozess realisiert, findet die zweite Selektion statt, die festlegt, welches Ereignis jeweils aktualisiert werden kann. Unter ‘Prozeß’ versteht man kein einfaches Nacheinander von Ereignissen, sondern die Ord nung dieser Ereignisse in Sequenzen dergestalt, daß die schon realisierten und die erwarteten Selektionen als Voraussetzung der im Moment zu realisierenden Selektion fungieren. Die in der Prozessform durchgesetzte Begrenzung der Möglichkeit erlaubt die Bestimmung der Anschlüsse, die jedes Ereignis in der jeweiligen Situation findet. … Prozesse können als Pro
duktion von Irreversibilität nur vor dem Hintergrund dau erhafter Strukturen beobachtet werden. Auf der Grundlage von Strukturen vergeht die Ereignissequenz, indem sie die Zukunft in Vergangenheit umwandelt.“ Quelle: Corsi, G.: Prozeß. In: C. Baraldi; G. Corsi; Esposito, E.: GLU. Glossar zu Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Frank furt/M. 1997, S. 142
Prozess (Explikation des Begriffs)
▶en: process ▶lat: processus = Fortschreiten, Fortgang, Verlauf ▶Prozess: Term ISO 9000:2015-11
1 Zur Prozesshaftigkeit Ein Prozess ist allgemein eine unumkehrbare, zusammenhän gende Abfolge von Zuständen. Aus einem Ausgangszustand A (Input), dem Potentialität zugeschrieben werden muss, wird (Throughput) ein Folgezustand B (Output). Unum kehrbar ist die Abfolge deshalb, weil sich die Zeit nur in eine Richtung bewegt. Jeder Zustand, der durchlaufen wird, kann daher nur einmal durchlaufen werden. Wir können zwar in einem weiteren Prozess versuchen, die Wirkung eines zuvor abgelaufenen Prozesses rückgängig zu machen, doch dies ist ein neuer Prozess.
Begriff
ISO-Term
▶ARIS Prototypen geben den Benutzern eine Vorstellung und Dis kussionsgrundlage der angestrebten Problemlösung in der Informatik. Es lassen sich verschiedene Arten des Prototy ping unterscheiden. In den USA ist das sog. Rapid-Prototy ping von großer Bedeutung, weil so sehr schnell eine lauf fähige Softwarelösung zur Verfügung gestellt werden kann. Prototyping dient v. a. der Kommunikation und Kooperation, v. a. bei der Softwareentwicklung.
Prozess
Typischerweise verbinden wir mit dem Prozessbegriff die Idee, dass zwischen A und B ein Zusammenhang besteht, z. B. weil das Produkt mit dem Zustand A nun in das Produkt mit dem Zustand B übergegangen ist. Wir müssen davon ausge hen, dass die Realität prozesshaft ist. Es war Newton, der dies auch erkannte, gleichwohl aber einen absoluten Raum ange nommen hat, dem er keine Prozesshaftigkeit zugeschrieben hat. An einem mathematisches Beispiel mag die Prozesshaftigkeit verdeutlicht werden. Der Satz „zwei mal drei ist sechs“, der ja tautologisch ist, d. h. dass „zwei mal drei“ das gleiche bedeutet wie „sechs“, so dass man mit der Aussage zu keiner neuen Wahrheit gelangt. Dieser Satz basiert einen Prozess und sein Ergebnis. Die Aussage „zwei mal drei ist sechs“ bedeu tet hinsichtlich der Aussage „zwei mal drei“ die Form eines fließenden Prozesses, die „sechs“ aber zeigt die Charakterisierung eines vollständigen Faktums an. Gemäß der eingeführten Definition ist das Ergebnis nur umkehrbar, wenn wir einen neuen Prozess einfüh ren, der dann lauten kann „sechs geteilt durch zwei ist drei“. Mit diesem Prozess wären wir zu einem neuen Ergebnis gelangt, der „drei“. Damit ist an einem ein fachen Beispiel die Unumkehrbarkeit des Prozesses nachgewiesen. Whitehead führt im philosophischen Zusammenhang aus, dass das Reservoir für Potentialität und zugleich die Koordi nation des Erreichten die Prozesshaftigkeit des Ganzen (also die Totalität aller Prozesse) sei [1, 130f]. Das Denken in Pro zessen ist also mehr als die Verwendung einer Metapher für das Dynamische.
825
P
Prozess 2 Prozessbegriff in organisatorischen Prozessen Aus dem Merkmal der Prozesshaftigkeit alles Seienden und dem ihm innewohnenden Reservoir für Potentialität lässt sich nun der für die Zwecke der wertschöpfenden Organisation (Wertstrom) geeignete Prozessbegriff ableiten: Begriff
Ein Prozess ist ein System, dessen Elemente (Aufgaben, Aufgabenträger, Sachmittel und Informationen) im Zusammenwirken Potentialcharakter haben. Die durch logische Folgebeziehungen (zeitbezogen unumkehr bar, mit räumlichen und quantitativen Ausprägungen) von einem definierten Startereignis (Input) ausgehend durchlaufenen Zustände (Throughputs) erzeugen bis zum Endzeitpunkt ein Ergebnis (Output), das einen Wert für Kunden schafft. Dem Leser dieser Definition sollte das Bild eines Prozesses vorschweben wie es Weick beschreibt [2, S. 64] „Wenn Sie sich vorstellen können, dass sich etwas zwischen zwei Punk ten bewegt, und sich dann die zwei Punkte selbst als in Be wegung vorstellen – so sehen die Ströme in Organisationen in etwa aus.“ Weick räumt auf mit der Vorstellung, sich den Prozess als Zeitstrahl vorzustellen, was aus der Zeithaftigkeit von Prozessen zu folgen scheint. Prozesse ähneln eher dem Muster wie sich einzellige Lebewesen fortbewegen, die sich durch Ausstrecken eines röhrenförmigen Scheinfußes und Nachziehen seiner selbst fortbewegen. Prozesse sind in die sem Sinn zeitlich ausgedehnte Beziehungen, denen eher das Merkmal der Unbeständigkeit anhaftet [2, S 67]: „Die Vorstellung eines Prozesses impliziert Unbeständigkeit. Wir bevorzugen eine Auffassung von Organisationen, die davon ausgeht, dass Organisationen andauernd auseinanderfallen und deshalb beständig neu aufgebaut werden müssen. Prozesse müssen per manent neu verwirklicht werden.“
P
Hieran anknüpfend warnt Weick davor eine Beständigkeit und Evolution von Prozessen anzunehmen [2, S. 67]: „Die Metaphorik der sich entfaltenden Prozesse kann in die Irre führen, da sie eine Art von Unvermeidlichkeit des Entfaltens suggeriert.“ 3 Fazit Die Rede vom Prozess als erstem Prinzip der Organisation erbrachte Erkenntnisse zum Zeit- und Potentialcharakter von Prozessen, die nahelegen, unsere Vorstellungen von Or ganisationen derart zu überdenken, dass wir es wohl nicht unbedingt mit einer unendlich sich entfaltenden Struktur zu tun haben, die sich in Prozessen realisiert. Vielmehr bedarf es angestrengter Bemühungen, Prozesse kontinuierlich neu zu entwickeln, zu realisieren, zu standardisieren und zu verbes sern, um sie zu gegebener Zeit eleminiert zu sehen oder selbst zu eleminieren und evtl. in anderer Form neu entstehen zu lassen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
826
Prozess versus Geschäftsprozess Literatur
[1] Whitehead, A. N.: Modes of Thought. A Study in the Anthro pology of Law and Religion. 2. Auflage Tübingen (Mohr Siebeck) 2005; de: Denkweisen, Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2001 [2] Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1985
Prozess versus Geschäftsprozess
▶en: process versus business process ▶Prozess ▶lat: processus = Fortschreiten, Fortgang, Verlauf ▶Prozess: Term ISO 9000:2015-11 ▶Geschäftsprozessmanagement ▶Prozessmanagement ▶Prozessorganisation 1 Einführung Sowohl im Qualitätsmanagement wie allgemein in wirtschaft lichen Zusammenhängen wird der Begriff „Prozess“ benutzt, oft ohne ihn genau zu bestimmen. Gleichgesetzt wird er auch mit Geschäftsprozess (business process), weshalb eine Klä rung notwendig ist, zumal erkannt werden muss, dass beide Begriffe unterschiedlichen disziplinären Richtungen ent stammen: ◼ Der heute international genutzte Prozessbegriff wurde aus ingenieurwissenschaftlichen Zusammenhängen des Qualitätsmanagements nach dem 2. Weltkrieg wesentlich auf Basis der Qualitätslehren von ►Deming und ►Juran eingeführt. ◼ Dagegen entstammt der Geschäftsprozessbegriff der be triebswirtschaftlichen Organisationslehre, wo er bis zu ►Nordsieck zurückverfolgt werden kann (1930er Jahre). Außerdem ist die Prozessdefinition der Informatik zu beach ten (Algorithmus), die jedoch hier nicht verfolgt werden soll. Schon allein aufgrund dieser recht unterschiedlichen Traditi onslinien ist es erforderlich, den Prozess- vom Geschäftspro zessbegriff zu unterscheiden. 2 Zum Begriff Prozess Definitorisch soll davon auszugegangen werden, dass sich der Geschäftsprozess aus Prozessen zusammensetzt. Der Prozess kann somit auch als Unterbegriff des Begriffs Geschäftspro zess aufgefasst werden. Wie Abbildung P22 zeigt, definiert die Begriffsnorm ISO 9000:2015 Prozess als Satz von in Wechsel beziehung oder Wechselwirkung stehenden Tätigkeiten, der Eingaben in Ergebnisse umwandelt. Es handelt sich folglich um eine Transformation, die durch den Vollzug von Tätig keiten erfolgt. Aus dieser Transformation resultiert ein Er gebnis, das an einem Prozessziel (Definition der ISO 9000: Anmerkung 2) gemessen wird: Ein auslösendes Ereignis stößt den Prozess an, der durch ein abschließendes Ereignis beendet wird. Das abschließende Ereignis kann wiederum als auslösendes Ereignis eines Folgeprozesses angenommen werden (Definition der ISO 9000: Anmerkung 1). Somit be stimmt der Prozessinput die Transformation der zusammen
Prozess versus Geschäftsprozess
Prozess versus Geschäftsprozess
Abb. P22: Aufgehoben im Geschäftsprozessbegriff: Prozess Begriff Prozess (engl. process, frz. processus) Satz von in Wechselbeziehung oder Wechselwirkung stehenden Tätigkeiten, der Eingaben in Ergebnisse umwandelt
Prozess
Anmerkung 1: Eingaben für einen Prozess sind üblicherweise Ergebnisse anderer Prozesse. Anmerkung 2: Prozesse in einer Organisation werden üblicherweise geplant, und unter beherrschten Bedingungen durchgeführt, um Mehrwert zu schaffen. Anmerkung 3: Ein Prozess, bei dem die Konformität des dabei erzeugten Produkts nicht ohne Weiteres oder nicht in wirtschaftlicher Weise verifiziert werden kann, wird häufig als „spezieller Prozess“ bezeichnet. Normquelle: DIN EN ISO 9000:2015-11 Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe
Begriff
Geschäftsprozess Geschäftsprozess (engl. business process) Organisatorische Bündlung aller wertschöpfenden Aktivitäten, die notwendig sind, um bestimmte Leistungen für Kunden bzw. Stakeholder zu erzeugen. Dabei wird auf ein System von Tätigkeiten zurückgegriffen, das Eingaben in Ergebnisse transformiert (= Prozesssystem). Die Praxis verwendet uneinheitliche Begriffe für Geschäftsprozesse. Häufig werden primäre von sekundären Geschäftsprozessen unterschieden (siehe Stichwort ►Geschäftsprozessmanagement).
Kritisch muss die Frage gestellt werden, ob in der Praxis Ge schäftsprozesse wirklich nach diesen Modellvorstellungen gestaltet werden. Hier sind Zweifel anzumelden. Es ist zu vermuten, dass Geschäftsprozess eher ein Etikett in der or ganisatorischen Praxis darstellt. Zwar werden dem Merkmal „wertschöpfende Tätigkeit in Prozessen“ in der in [3, S. 56] genannten empirischen Erhebung weitgehend zugestimmt
827
P Begriff
Prozesse gewissermaßen in Scene. Sie stellen den Ordnungs rahmen zwischen intern und extern her, indem durch sie das „Geschäftliche“ betont wird. So wird durch das auslösende Ereignis (Abbildung P23) ein Geschäftsfall initiiert. Folgende – möglicherweise von vielen als überflüssig gehaltene – Mi nimaldefinition mag das, was in unserem Zusammenhang als Geschäft gelten soll, charakterisieren:
Begriff
hängenden Aktivitäten, die auch von weite Abb. P23: Definitionselemente des Prozessbegriffs – Prozesssystem ren Inputs und Outputs beeinflusst werden definiert Prozessanfang Prozessende können, die allerdings weder den Prozess Forderungen realisiert anstoßen noch beenden können (sekundäre Transformation Output Input Prozessinputs und -outputs). Ein solches Tätigkeit Tätigkeit Tätigkeit Tätigkeit Ergebnis Information System zusammenhängender Tätigkeiten (Produkt) (Material) darf nicht „freischwebend“ verstanden wer System zusammenhängender Tätigkeiten den. Es wird von Forderungen, die es zu re auslösendes abschließendes alisieren gilt, bestimmt (Abbildung P23). In Ereignis Ereignis wirtschaftlichen Zusammenhängen wird in Ein Geschäft einer erwerbswirtschaftlichen Orgader Regel der Input von Lieferanten bereit nisation bildet auf der Basis eines explizit formulierten gestellt, während der Output für interne oder externe Kun oder impliziten ►Geschäftsmodells eine weitgehend den bestimmt ist. Messlatte sind die definierten ►Kundenfor autonome Organisationseinheit mit eigenem Angebot, derungen. Seit ►Juran hat sich hierfür schon seit den 1950er das am Kundennutzen definierter Kundensegmente Jahren der Begriff der Internen/externen Kundenlieferantenertragsorientiert strategisch ausgerichtet wird, indem Beziehungen (KLB) durchgesetzt: Lieferanten und Kunden eine strukturierte Transformation von Inputfaktoren bestimmen folglich durch die ►Qualitätsforderungen den in Produkte und Dienstleistungen sowie die Pflege von Prozessinput und -output. Von speziellen Prozessen wird Interaktionen zur relevanten Umwelt erfolgt. gesprochen, wenn Prozesse nicht in Wertschöpfungszusam menhänge eingebettet sind, so bei Prozessen der Konformi Die hier im Lexikon eingeführte Definition von Geschäfts tätsfeststellung. prozess (s. ►Geschäftsprozessmanagement) steht damit nicht Dieses Verständnis führt im Ergebnis zu einem Prozesssystem nur in Einklang, sondern verzahnt sich mit ihr (Abb. P22): (System von Tätigkeiten, das Eingaben in Tätigkeiten trans Unter einem Geschäftsprozess wird die organisatori formiert). Es dient als Basiselement von Geschäftsprozessen sche Bündelung aller wertschöpfenden Aktivitäten ver und wäre aus wissenschaftstheoretischer Sicht als Whitebox standen, die notwendig sind, um bestimmte Leistungen zu bezeichnen, denn zwischen Input und Output herrscht für Kunden bzw. Stakeholder zu erzeugen. kein „Dunkel“ (Blackbox). Der aus Tätigkeiten sich zusam mensetzende Prozess ist keine Unbekannte, sondern wird In Abbildung P24 sind sowohl die Wesenselemente des Pro bewusst geplant und gestaltet. zesses aufgenommen wie auch darauf aufbauend der Wert schöpfungsbezug, indem Prozesse funktionsübergreifend 3 Zum Begriff Geschäftsprozess ablaufen. Entsprechend dem Modellansatz wird im Ergebnis Prozesse werden im Zusammenhang von Geschäftsprozes das Erreichen der Kundenzufriedenheit betont. sen ausgerichtet und gestaltet. Geschäftsprozesse setzen die
Prozessaudit
Prozessfähigkeit
Abb. P24: Elemente des Geschäftsprozesses Funktionsbereich 1 Forderungen
interner externer Kunden
Funktionsbereich 2
Funktionsbereich 3 Zufriedenheit
Transformation Tätigkeit
Tätigkeit
Tätigkeit
Tätigkeit
Verknüpfung werterhöhender Tätigkeiten
interner externer Kunden
„Geschäftsprozesse überwinden die strukturbedingte Zerstückelung der Prozessketten in Funktionsorganisationen und richten die Organisation auf die Erfüllung von Kundenforderungen sowie auf das Erreichen der Geschäftsziele aus.“ (Schmelzer/Sesselmann 2013, S. 54)
(„gestützte Befragung“), aber den folgenden Prozessele menten kommt bei den Befragten nicht die Bedeutung zu, die ihnen die „reine“ Lehre eigentlich vorschreibt: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Funktionsübergreifende Prozesse Kundenorientierte Prozesse Einsatz von Prozessverantwortlichen Ziele und Messgrößen Strategische Ausrichtung.
Diese Ergebnis stimmt umso nachdenklicher, wenn man be denkt, dass in einem von der ►DGQ herausgegebenen Band der Geschäftsprozess als derjenige Prozess definiert wird, der auf den dauerhaften Erfolg der Organisation ausgerichtet ist [2, S. 88]. Diese Schrift für die Zielgruppe der praktisch täti gen Qualitätsmanager scheint wohl trotz hoher Auflage ihre Wirkung in diesem Punkt noch nicht erreicht zu haben. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
P
[1] Geiger, W. und W. Kotte: Handbuch Qualität. Grundlagen und Elemente des Qualitätsmanagements: Systeme – Perspektiven. 4. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2005 [2] Leonhard, K.-W. und P. Naumann: Managementsysteme – Be griffe. Ihr Weg zu klarer Kommunikation. DGQ-Band 11-04. 7. Auf lage. Berlin (Beuth) 2002 [3] Schmelzer, H. J.; Sesselmann, W.: Geschäftsprozessmanagement in der Praxis, 8. Aufl., München (Hanser) 2013 [4] Doleski, O. D.: Integriertes Geschäftsmodell. Anwendung des St. Galler Management-Konzepts im Geschäftsmodellkontext. Wiesba den (SpringerGabler) 2014
Prozessaudit
▶Auditarten Maßnahme zur Untersuchung von Prozessen. Ziel ist es, ei nen gesamten Prozess bzw. die zeitlich oder kausal nacheinan der ablaufenden Arbeitsfolgen mit den jeweiligen Verfahren auf mögliche Schwachstellen zu untersuchen.
Prozesseigner
▶en: processowner ▶Prozessverantwortlicher
828
Prozessfähigkeit
▶en: process capability ▶Qualitätsfähigkeit Eignung eines Prozesses, vorgegebene Qualitätsforderungen zu erfüllen. Normquelle: Nach DIN 55350-33
Prozessfähigkeitsuntersuchung (PFU)
▶Prüfmittelmanagement ▶Prozessfähigkeit ▶Qualitätsfähigkeit ►Qualitätsfähigkeit eines Prozesses, unter Berücksichtigung der Umweltbedingungen die Fertigungsaufgabe zu erfüllen. Untersuchungsbasis sind die Mittelwerte aus vielen Einzel stichproben über die Prozesslaufzeit.
Prozess-FMEA
▶Fehler-Möglichkeits-und Einfluss-Analyse
Prozesskosten
▶en: activity cost, process cost Kosten, die ein Prozess oder ein Prozessschritt verursacht. Die Prozesskosten beinhalten sowohl die direkt zurechen baren Kosten als auch Gemeinkosten.
Prozesskostenrechnung
▶en: activity-based costing ▶Qualitätscontrolling Mittels der Prozesskostenrechnung werden Gemeinkosten (Verwaltung) verursachungsgerecht anstelle der Zuschlags kalkulation auf die Leistungen bezogen. Somit ist es möglich leistungswirtschaftliche Beziehungen zwischen Ressourcen und Produkten aufzudecken. Prozesskostenrechnung stellt im Rahmen des ►Qualitätscontrollings ein zentrales Instrument dar, um die Gemeinkosten zu analysieren und zu steuern. Ein entscheidender Unterschied zwischen der Prozesskosten rechnung im Vergleich zur klassischen Kostenrechnung ist in der Wahl der Bezugsgrößen zur Kostenrechnung zu sehen. Bei den Bezugsgrößen im Rahmen der Prozesskostenrech nung handelt es sich um bestimmte Transaktionen.
Prozessmanagement
Prozessmanagement
Prozesslandkarte
bewegt sich um 90 Grad versetzt zur hierarchisch gegliederten ►Aufbauorganisation. Verfahren, Metho den und Techniken moderner Unternehmensführung sind fast ausnahmslos am horizontal verlaufenden Leistungsprozess ausgerichtet, z. B.: Computer Inte grated Manufacturing (CIM, Continuous Flow Manu facturing (CFM), ►Just in Time ( JiT), Along the Product Axis usw.“
▶en: process map Dokument, in dem die Beziehungen, Hierarchien und Pro zessabläufen eines Unternehmens oder einer Organisation dargestellt sind. In der Regel werden Strukturen und Prozesse beschrieben und zusätzlich grafisch dargestellt.
Prozessleistungstransparenz
▶en: transparency of process performance Messung, Bewertung und Visualisierung der Prozessleistung auf Basis von Leistungskennzahlen. Ziel ist es, auf Basis der Kennzahlen den ständigen Verbesserungsprozess voranzu treiben.
Prozessmanagement
▶en: process management ▶Prozess (lat. procedere = vorangehen, vorgehen, vorwärts schreiten, hervortreten, vordringen, Fortschritte machen) ▶Prozess versus Geschäftsprozess ▶Prozessorganisation ▶Geschäftsprozessmanagement ▶Business Reengineering 1 Einführung Mit dem Begriff Prozessmanagement bezeichnet man die seit den 80er Jahren in der Managementlehre und -praxis identifizierten Versuche ein neues ►Paradigma der Organi sationsform zu begründen, bei dem die Hierarchie einerseits und die Bereiche andererseits nicht mehr streng gegen- und untereinander abgegrenzt sind, sondern bereichs- und funk tionsübergreifend ganzheitlich synergetisch zusammenwir kend einen Kundennutzen erzeugen.
Dieser neuen Denkweise liegen die Erfahrungen aus den Fer tigungsbereichen zugrunde, wo prozessstrukturierte Abläufe quasi als naturwüchsiges Prinzip herrschen. Im Bereich der Wirtschaftsinformatik haben ►Prozessmodelle, die inhaltlich abgeschlossene, zeitlich-sachlogische Abfolgen der Funk tionen definieren, schon immer den Datenfluss organisiert (►Workflow-Ma nage ment). Auch im Bereich der Logistik sind Entwicklungen hin zu prozessorientierten Orga nisationsformen seit längerem zu beobachten (►Logistik qualität). Die in der allgemeinen Organisationslehre früher eingeführten Hilfskonstruktionen, mit Hilfe derer die Unver träglichkeiten zwischen ►Aufbau- und ►Ablauforganisation überwunden werden sollten (Stabs-/Linienprinzip, ►Pro jektmanagement, Matrixmanagement u. a.) sind jedoch nicht unter den Begriff des Prozessmanagements zu subsumieren. Bei diesen Versuchen wurde die Priorität klassischer pyrami dialer Organisationsformen nie grundsätzlich in Zweifel ge zogen. Striening konstatiert [1]: „Der unternehmensweite ►Wertschöpfungsprozess verläuft von der Beschaffung über die Herstellung zum Vertrieb. Er verläuft horizontal und überschrei tet Abteilungs-, Bereichs- und Funktionsgrenzen und
►Qualität, ►Zeit, Kosten und ►Kundenzufriedenheit sind die vier Faktoren der zielorientierten Steuerung im Zusam menhang damit, dass die Prozesse um 90 Grad versetzt zur hierarchisch gegliederten ►Aufbauorganisation ausgerichtet sind. Somit haben sich Verfahren, Methoden und Techniken der Unternehmensführung fast ausnahmslos am horizontal verlaufenden Leistungsprozess zu orientieren. Mit einzubeziehen in die Betrachtung sind als fünfter Fak tor die Lieferanten: Der Wertschöpfungsprozess schließt die externen Partner des Unternehmens, nämlich Kunden und Lieferanten, ein. Eine solche Ausdehnung der Betrachtung von Organisationsgestaltung basiert auf der Erkenntnis, dass einerseits der Grad der Erfüllung von Kundenerwartungen über den Markterfolg des Unternehmens entscheidet, dass aber andererseits auch die Lieferanten diesen Markterfolg maßgeblich mit beeinflussen. Es sind schließlich die externen Kundenforderungen, die in ihrer Konsequenz operationelle Handlungen auslösen und die dafür erforderlichen Struk turen bestimmen sollten. Eine von Kundenforderungen ge prägte Ablauforganisation muss sich an Zielen ausrichten, die das Zusammenwirken der verschiedenen Funktionen im Hinblick auf die Erfüllung der Kundenerwartungen gewähr leistet, was wiederum eine enge Zusammenarbeit mit den Lieferanten einschließt. Die möglichen Auswirkungen von systematisch betriebenem Prozessmanagement sind denn auch nicht nur im anvisierten Bereich der Kunden zu sehen (Erhöhung der Kundenzufrie denheit), sondern tragen auch zur Erreichung der folgenden Zielsetzungen bei: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Verbesserung der Qualität Entflechung der Komplexität Reduzierung des Produktspektrums Reduzierung der Bestände Reduzierung der Fertigungsfläche Reduzierung der Lagerfläche Reduzierung der Fehlerhäufigkeit Reduzierung der Gemeinkosten Reduzierung der Hierarchiebenen Verkürzung der Entscheidungswege Erhöhung der Kapital-Rendite.
Im Anschluss an diese zweifellos an der industriellen Güter produktion entlehnten Auflistung sei darauf hingewiesen, daß der Prozessbegriff nicht nur auf den Fertigungsbereich zu beziehen ist. Um diesen Unterschied klarzumachen wird oft von Geschäftsprozessen gesprochen. Geschäftsprozesse, auch
829
P
Prozessmanagement Verwaltungsprozesse, die den Ablauf von Dienstleistungen abbilden, sind formal genauso zu sehen, weshalb vom An satz her keine definitorische Unterscheidung erfolgen sollte (►Geschäftsprozessmanagement).
Begriff
2 Begriffsklärungen Prozessmanagement enthält die voraussetzend zu klärenden Unterbegriffe ►Prozess und ►Management. Management steht für das Planen (Bestimmen, Abgrenzen, Erfassen, Be werten), Organisieren, Umsetzen, Lenken, Kontrollieren, Verbessern und Aufrechterhalten/Eleminieren unternehmen sinterner und -übergreifender Prozesse. Im weiteren Sinne entspricht es der Führung von Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen aus der Prozessperspektive heraus. Dieses Verständnis von Prozessmanagement gründet auf vier Ansät zen, die sich teilweise überschneiden und mit dem Begriff der ►Prozessorganisation im Zusammenhang zu sehen sind: (a) In einem engeren Sinn wird mit Prozessmanagement die bereichsübergreifende Planung, Organisation und Steuerung der einzelnen Leitungsund Arbeitstätigkeiten im Unternehmen oder in der Organisation allgemein bezeichnet. (b) Formal gesehen ist Prozessmanagement verantwortlich für das reibungslose Funktionieren von Prozessen, wo – wie besonders in größeren Unternehmen – eine abteilungsbezogene Arbeitsteilung leicht zu fehlender Kenntnis der Gesamtzusammenhänge führen kann. (c) Im weiteren Sinn meint Prozessmanagement die methodisch strukturierte Analyse von aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen des Unternehmens sowie die Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Erreichung eines Soll-Zustandes. (d) Im speziellen Sinn des Qualitätsmanagements ist Prozessmanagement eine conditio sine qua non, also unabdingbar Gegenstand jeglichen Denkens und Handelns im Kontext der Organisation bezüglich Qualität. Konkret heißt dies, dass ein Management der Prozesse als inte gratives Element in jedem QM-Modell implementiert sein muss.
P
3 Prozessmanagement – wirklich ein neues Paradigma? Wie so oft in der Wissenschaftsgeschichte werden Konzepte erst dann interessant und beachtet, wenn sie in den Verei nigten Staaten rezipiert worden sind. Beim Konzept des Prozessmanagements ist es nicht anders (s. Abbildung P25: Prozessmanagement – für Deutschlands Manager eigentlich nichts Neues!). Wie in Abbildung P25 zu erkennen, konnte Prozessmanagement in Deutschland durchschlagenden Er folg erst verbuchen, als die amerikanischen Bestsellerautoren Hammer & Champy Anfang der 1990er Jahre ihre deutsche Übersetzung verlegt hatten [2]. Danach folgte in Theorie und Praxis eine Reengineering-Welle (►Business Reengi neering). Hätte man sich an der in Deutschland seit langem vorhandenen Grundlage orientiert, wäre klar gewesen: „Pro zessorientierung ist nicht neu!“ In Abbildung P26 werden die historischen Bezüge horizontal abgebildet, indem sie auf den
830
Prozessmanagement Ebenen der Disziplinen ◼ Organisationslehre ◼ Unternehmensberatung ◼ Qualitätsmanagement ◼ Strategisches Management ◼ Informatik abgebildet werden. Deutlich wird, dass sich zwar die Entwick lung bis in die 1930er Jahre zurückverfolgen lässt, aber erst das „Zusammenfließen“ der einzelnen Entwicklungssträn ge am Schluss des Jahrhunderts dazu geführt hat, dass das Prozessmanagement sich heute zu einer Querschnittsdiszi plin herausgebildet hat, die neben der Wirkung auf Effizienz und Effektivität sowohl dem sozialen Geschehen in der Or ganisation wie auch dem Fortschreiten in der Informatik die Grundlage gibt. Nun galt in der Tradition der deutschen Betriebswirtschafts lehre (genauer Organisationslehre) das, was als Primat der Aufb auorganisation bezeichnet wird, nie uneingeschränkt, wie Picot und Franck hervorheben, wenn sie Nordsieck aus den 30er Jahren zitieren: “Dabei gilt der Satz, dass die organisatorische Koordination im Betriebe um so schwieriger wird, je weniger das Prinzip der Prozessgliederung beachtet worden ist.” [3] Im Sinne einer konsequent betriebenen Prozessorientierung gilt demnach [4]: “Die Aufbauorganisation wird zur Fortsetzung der Ablauforganisation.” Wobei offen bleibt, welche Rolle die Aufb auorganisation im Rahmen einer Prozessorganisation spielen soll, konkret wie und ob die innerhalb einer Organisation zugeschnittenen Prozesse/Teilprozesse zu systematisieren seien. Picot und Franck entwickelten ein Schema, das sich an der relativen Priorisierung von Funktion und Prozess orientiert. Abbil dung P27 zeigt das Ergebnis: So entsteht an einem Ende des Priorisierungsschemas (unten) eine Prozess-Spezialisierung, wenn der gesamte Prozess einer einzigen Organisationsein heit zugewiesen wird (Case Management), in anderen Fällen ergeben sich vielfältige Zuordnungsmöglichkeiten: “… sind auch verschiedene Mischformen zwischen Prozess-Spezialisier ung und funktionaler Speziali sierung möglich. Naheliegend ist z. B. die Zusam menfassung funktionaler Spezialisten zu Prozess-Teams. Prozessspezialisierte Organisationseinheiten könnten mit funktional spezialisierten Organisationseinheiten auch nach dem Modell der Matrixorganisation gleich berechtigt zusammenarbeiten. Es sind darüber hin aus auch Varianten denkbar, bei denen eine Gliede rungsdimension klare Priorität eingeräumt wird. So können etwa funktional spezialisierte Organisations einheiten prozeßorientierte Case Manager nach dem Stabsprinzip beratend unterstützen oder umgekehrt.” [5]
Prozessmanagement
Prozessmanagement
Abb. P25: Prozessmanagement – Für Deutschlands Manager eigentlich nichts Neues!
Prozessmanagement – Für Deutschlands Manager eigentlich nichts Neues! Schon ►Nordsieck, auf den die Untergliederung in Aufbau- und Ablauforganisation zurückgeht, forderte 1931 eine Orientierung der Aufgabengliederung an den Unternehmungsprozessen. Gaitanides beschrieb 1983 das Konzept einer Prozessorganisation, nach dem Stellen, Abteilungen und Bereiche eines Unternehmens bottom-up auf der Basis der einzelnen, durch Ist-Analyse identifizierten Aktivitäten gebildet werden. Damit hatte er die Top-down-Ausrichtung der organisatorischen Gestaltung, wie sie bei Kosiol prägend für die Gestaltung der Unternehmungsstrukturen galt, auf den Kopf gestellt, hieß dies doch, daß in letzter Konsequenz ein Prozess als eigenständiger Unternehmensbereich zu organisieren und zu führen sei. Striening hat 1988 auf die Unverträglichkeiten zwischen Aufbau- und Ablauforganisation hingewiesen und zu deren Über windung zugunsten eines Primats der Prozessorganisation erstmals das Prozessmanagement als Konzept entwickelt, indem er den Bereich der Ver waltungstätigkeiten systematisch in die Betrachtung mit einbezog. Es wurde dann der Begriff Geschäftsprozess in Abgrenzung zum Produktionsprozess geprägt. Im Produktionsbereich war das Prozessdenken schon immer relevant, drückt dies doch der Qualitätsexperte ►Deming bereits in den 1950er Jahren als Grundhaltung seines Managementprogramms aus: „Jede Aktivität kann als Prozess aufgefasst und entsprechend verbessert werden.“ Das Denken in Prozessen und der Trend zum Prozessmanagement ist hier seit Jahrzehnten normal. Auch durch die Informatik, die zunehmend Einfluss gewonnen hat, wurde das Prozessdenken vorangetrie-
ben. Sieht sie doch in Prozessen bereichsübergreifende Abläufe, die crossfunktionale Steuerungsfunktionen übernehmen: So trat der Erfolgsfaktor Information unter dem Konzept des Informationsmanagements in den Vordergrund. Im Qualitätsmanagement schreiben die – seit ihrer Einführung – den ►Qualitätsauszeichnungen zugrundeliegenden Modelle die Prozessorientierung als mit hoher Punktzahl definiertes Bewertungskriterium vor. Der ab dem Jahr 2001 wirksam werdenden Darlegungsnorm ISO 9001:2000 wird ein qualitätsbezogenes Prozesmodell zugrundegelegt, das fortgeschrieben wurde (ISO 9001:2015). Was nun? – Während in der traditionellen Organisationslehre stellenübergreifende Prozesse wegen der Plazierung der Ablaufstruktur am untersten Ende der Aufbaustruktur systematisch nicht (bottom up) Objekt der gestalterischen Arbeit waren, kehrt sich die Perspektive beim Prozessmanagement um. Den Ausschlag gab 1983 die populärwissenschaftliche Publikation des Beraterteams Hammer & Champy, in der für einen Orientierungswechsel bis zu den unternehmensübergreifend optimierten Prozessen argumentiert wurde (►Business Reengineering). Prozessorientiertes Management wurde – wie im QM – als ein Standardkonzept der Organisationslehre zu beachten sein. Dafür sorgte in Deutschland das Autorengespann Schmelzer & Sesselmann mit ihrem inzwischen zum Klassiker avancierten Werk zum Geschäftsprozessmanagement (►Schmelzer). •••
P Deming
Nordsieck
Striening
Diese Ausführungen verdeutlichen einen ersten Zugang zur Priorisierung der Prozessorientierung. 4 Prozessmanagement im Qualitätsmanagement Im Prozessmanagement geht es um die Planung, Entwick lung, Lenkung und Gestaltung (Verbesserung) von Prozes sen, zentrale Tätigkeiten, die auch im Qualitätsmanagement bestimmend sind. Prozessmanagement ist dann Qualitätsma nagement, wenn es um qualitätsbezogene Tätigkeiten geht, d. h. wenn das Prozessmanagement auf die auf Qualitätsfor derungen bezogenen Tätigkeiten ausgerichtet werden soll. Daraus ist zu schließen, dass ein Prozessmanagement-Modell, das Grundlage organisatorischen Handelns ist, nicht per se ein Prozessmodell für das Qualitätsmanagement ist. Ein sol ches Prozessmanagement-Modell muss erst auf das Qualitäts
Gaitanides
Hammer
Champy
management bezogen werden. Sollte eine Organisation bereits nach einem Prozessmanagement-Modell organisiert sein, kann dies auf das Qualitätsmanagement, also die quali tätsbezogenen Tätigkeiten ausgerichtet werden. Im TQM verfolgen alle Modelle den Ge danken der Prozessorientierung. Alphabetisch in diesem Lexikon be ginnend zeigt dies bereits ein recht neues Modell, das ►Aa chener QM-Modell, das nach Prozessen ausgerichtet wurde. In dem im Zuge der globalen TQM-Enwicklung in Europa etablierte ►EFQM-Modell wird ebenfalls vom Management der Prozesse gesprochen. Damit ist die ständige Überwa chung und Verbesserung der Prozesse gemeint. Alle Prozesse unterliegen solchen Prozessen, in denen es darum geht Meß
831
Prozessmanagement
Prozessmanagement
Abb. P26: Prozessmanagement in evolutionärer Perspektive 1930
... ....
1950
1931 Nordsieck Integration von Ablauf- und Aufbauorganisation mit starker Gewichtung auf die Ablauforganisation
1960 1962 Kosiol Ablauf- und Aufbauorganisation mit starker Gewichtung auf die Aufbauorganisation bewirkte Rückschritt.
1980
1990
1983 Gaitanides Prozessorganisation als ganzheitlicher Ansatz der prozessorientierten Organisationsgestaltung.
1988 Striening Prozessorganisation als Ausdruck einer Unternehmensphilosophie zum evolutionären Wandel (Ganzheitlichkeit).
1990 Davenport Business Process Management
Unternehmensberatung
1950 Deming „Jede Aktivität kann als Prozess aufgefasst und entsprechend verbessert werden.“ auch andere QMExperten
Qualitätsmanagement
1986 Juran Juran Trilogy Zirkuläres Prozessmodell
Strategisches Management
Informatik
P
größen festzulegen, die es erlauben Qualitätsverbesserungen nachzuweisen. Bei der Selbstbewertung im Rahmen des EFQM-Modells werden die folgenden Kriterien für die Pro zessbeurteilung genannt: ◼ ◼ ◼ ◼
Identifikation von Prozessen Systematische Führung von Prozessen Zielsetzung und Leistungsmessung von Prozessen Stärkung der Innovation und Kreativität im Hinblick auf Prozeßverbesserungen ◼ Durchführung von Prozeßveränderungen und Bewer tung ihres Nutzens. Es kann gesagt werden: Die TQM-Modelle sehen in ihrer Ar chitektur Prozesse bzw. die Prozessorientierung, das Denken in Prozessen vor. Gemeint sind alle Prozesse der Organisati on. Die bisherigen Ausführungen zum Prozessmanagement gelten somit im Prinzip zugleich für das TQM und natürlich auch in die Umbenennung in ►Business Exzellenz.
832
1988 TQM-/Excellence-Modelle MBNQA (USA) EFQM-Modell (Europa) u.a.
1985 Porter Wertkettenansatz: Alle Tätigkeiten in einem Unternehmen lassen sich in einer Wertkette darstellen.
2000
Organisationslehre
1993 Hammer/ Champy Business Process Reengineering
2000 ISO 9001 Organisationen müssen zur Zertifizierung prozesshaft gestaltet und dargelegt werden
2000 Schmelzer/ Sesselmann Strategisches Geschäftsprozessmanagement
1991 Scheer ARIS: Informationssystem zur Unterstützung von Geschäftsprozessen und Qualitätssicherung
2001 BPMN Business Process Modeling Notation – Seit 2006 Standard – Version 2.0 wurde 2011 freigegeben.
Im neuen Konzept der ISO 9000:2000-Reihe ist schon auf der Darlegungsebene der 9001 ein Prozessmodell eingeführt worden, das an den qualitätsbezogenen Tätigkeiten zur Reali sierung eines fehlerfreien Produkts anknüpfte. Grundlage wa ren die Forderungen an ein QM-System zu dessen Fähigkeit, ständig fehlerfreie Produkte bereitzustellen und Kundenzu friedenheit zu erreichen. Im Text zur Modellbeschreibung hieß es bereits für das im Jahr 2000 erschienene Modell der ISO 9001: „In einem wirksamen QM-System werden Pro zesse und die zugehörigen Verantwortlichkeiten, Verfahren und Mittel einheitlich festgelegt und geführt. Das QM-Sys tem erfordert eine Koordinierung und Kompatibilität seiner Prozesskomponenten sowie eine Definition ihrer Schnittstel len. Die wechselseitigen Abhängigkeiten einer Organisation sind oft komplex und ergeben ein Netzwerk von Prozessen. Es ist dabei wichtig, die wertschöpfende Hauptprozesskette hervorzuheben und anzugeben, welchen Einfluss die einzel nen Prozesse auf die Fähigkeiten haben, die Kundenforde
Prozessmanagement
Prozessmodell
Abb. P27: Relative Priorisierung der Funktion bzw. des Prozesses bei der Spezialisierung von Organisationseinheiten Priorisierung der Funktion
Funktionale Spezialisierung Funktionale Spezialisierung mit prozessorientierten Stabsstellen Prozess-Teams aus funktionalen Spezialisten
Zusammenarbeit funktionaler und prozessspezialisierter Organisationseinheiten nach dem Matrixmodell
Case Management mit Zugriff auf funktionale zentrale Dienstleister und Stäbe
Priorisierung des Prozesses
Case Management als Prozess-Spezialisierung
Quelle: [3], S. 30
rungen für das Produkt zu erfüllen.“ Anerkannt werden die unterschiedlichen Ausgestaltungen der Organisationen. Wel che und wie die Prozessgestaltung durchgeführt wird, bleibt den Organisationen überlassen. Es ist jedoch offenbar bei der Darlegung zu begründen, wie die Prozesse im Hinblick auf das Ergebnis (Produkt/Dienstleistungen) gewichtet und ge artet sind. 5 Fazit Seit Ende der 1980er Jahre hat sich in den Organisationen ein deutlicher Wandel vollzogen, der dadurch gekennzeichnet ist, dass dem organisatorischen Denken und Handeln in Pro zessen in seinen verschiedenen Ausformungen gelungen ist in Theorie und Praxis Fuß zu fassen. Die im Jahr 1987 veröf fentlichte erste ISO 9000ff ließ das noch nicht erwarten. Eine andere Frage, zu deren Beantwortung es bisher keine empi rischen Nachweise gibt, wäre noch zu klären: Hat die Praxis wirklich den Prozess-Switch vollzogen oder ist es nicht doch das in den Köpfen steckende aufbauorganisatorische Denken mit seinen Organisationselementen, das die Realität prägt, will sagen: Hat der Wandel wirklich stattgefunden oder hat sich nur ein Etikett in den Vordergrund geschoben, das Pro zess, Prozessmanagement oder Prozessorientierung genannt wird? Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Literatur [1] Striening, H.-D.: Prozeßmanagement: Ein Weg zu er höhter Wettbewerbsfähigkeit. In: Striening, H.-D. (Hrsg.): Chefsache Gemeinkostenmanagement. Reserven entdecken und ausschöpfen. Landsberg: mi 1995, S. 48f [2] Hammer, M.; Champy, J.: Business Reengineering. Die Radikalkur für das Unternehmen, 5. Auflage, Frankfurt am Main-New York 1995 (1. Auflage dt. 1994, am. 1993) [3] Picot, A.; Franck, E.: Prozeßorganisation. Eine Bewer tung der neuen Ansätze aus Sicht der Organisationslehre. In: Nippa, M.; Picot, A. (Hrsg.): Prozeßmanagement und Reengineering. Die Praxis im deutschsprachigen Raum. 2. Aufl., Campus, Frankfurt am Main-New York 1996, S. 17 [4] Picot, A.; Franck, E.: Prozeßorganisation. Eine Bewer tung der neuen Ansätze aus Sicht der Organisationslehre. In: Nippa, M.; Picot, A. (Hrsg.): Prozeßmanagement und Reengineering. Die Praxis im deutschsprachigen Raum. 2. Aufl., Campus, Frankfurt am Main-New York 1996, S. 17 [5] s. [4], S. 32f Verwendete Literatur
[6] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminolo gie. 3. Auflage, Braunschweig-Wiesebaden 1998, S. 89 [7] Hammer, M.; Champy, J.: Business Reengineering. Die Radikal kur für das Unternehmen, 5. Auflage, Frankfurt am Main-New York 1995 (1. Auflage dt. 1994, am. 1993) [8] Corsten, H.: Geschäftsprozeßmanagement – Grundlagen, Ele mente und Konzepte. In: Corsten, H. (Hrsg.): Management von Geschäftsprozessen. Theoretische Ansätze – Praktische Beispiele. Stuttgart-Berlin-Köln (Kohlhammer) 1997, S. 44ff [9] Gaitanides, M.: Prozessorganisation. Entwicklung, Ansätze und Programme des Managements von Geschäftsprozessen. 3. Auflage. München (Vahlen) 2012 [10] Schmelzer, H. J. und W. Sesselmann: Geschäftsprozessmanage ment in der Praxis, 8. Aufl., München (Hanser) 2013
Prozessmodell
▶en: process model Transparente Darstellung der Wertströme sowie der Prozesse und Aktivitäten. Folgende Kriterien sollte ein Prozessmodell erfüllen: Anwendbarkeit im Unternehmen, übersichtliche Systemdarstellung, Grundlage für die Integration von mehre ren Systemen (z. B. Qualitätsmanagement, Umweltmanage ment), Darstellung der Verbindungen zu Kunden und ande ren Interessenspartnern, Grundlage für die Kontinuierliche Verbesserung. Das gewählte Prozessmodell muss vor allem den Prozessen der eigenen Organisation entsprechen.
833
P
Prozessorganisation
Prozessorganisation
Prozessorganisation
die Kundenorientierung zunimmt, die Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter und ihre Motivation erhöht wird und die Pro zesskosten transparent werden und gesenkt werden können. Um diesen Effizienzerwartungen gerecht zu werden, müssen von einem prozessorientiert denkenden Management aller dings eine Reihe von Voraussetzungen an die Prozessorgani sation gestellt und erfüllt werden:
▶en: process-based organization ▶lat: processus = Fortschreiten, Fortgang, Verlauf ▶Prozess ▶Prozess: Term ISO 9000:2015-11 ▶Geschäftsprozessmanagement ▶Prozessmanagement ▶Organisationsgestaltung ▶Business Reengineering 1 Ausgangspunkte Die Kernidee einer prozessorientierten Betrachtung der Orga nisation besteht im wesentlichen darin, typische Schnittstel lenprobleme, wie sie in arbeitsteilig organisierten Systemen herkömmlicher Art üblich sind (Macht- und Ressortdenken, „Scheuklappensicht“, Doppelspurigkeiten, Abschieben von Verantwortung, Kommunikationskonflikte, Verlangsamung der Unternehmensleistung usw.), durch eine andersartige Form der Arbeitsgestaltung zu überwinden. In den Mittel punkt der Gestaltung treten stärker vom Kunden (extern wie intern) her gedachte Prozessfolgen der Leistungserstellung und Leistungsverwertung (►Kundenorientierung).
Begriff
Prozessorganisation definiert sich als eine Organisationsstruktur von miteinander zusammenhän genden Prozessen, die auf ein gemeinsames Ergebnis ausgerichtet sind und auf dieses Ergebnis aufbauenden Entscheidungen und Handlungen basiert. Eine solche Organisationsform lässt ganz unterschiedliche Formen entstehen (z. B. die Matrixorganisation). Oft wird auch von prozessorientierter Organisation gespro chen, was bedeutet, dass die Prozessorganisation in Reinform in der Praxis nicht stringent angewandt werden kann. Jeden falls liegen die Vorteile der Prozessorganisation vor allem im hohen Kunden- und Auftragsbezug. Vielfach wird der Begriff Prozessorganisation gleichgesetzt mit ►Prozessmanagement. Oft wird Prozessorganisation als Synonym zu ►Ablauforgani sation gesehen. Dabei ist zu beachten, dass es sich keineswegs um einen reinen „name change“ handelt. Prozessorganisation sollte dann als Ersatzbegriff für Aufbauorganisation wie oben definiert werden. Evolutionär gesehen handelt es sich bei der Prozessorganisation um den Nachfolger der Ablauforganisa tion.
Begriff
P
Eine Möglichkeit der Begriffsglättung ist darin zu sehen, dass man von einer Prozessmanagement-Organisation spricht. In diesem Fall geht es um die Organisation des Prozessmanage ments. Dieser neugebildeteten Begrifflichkeit ist zuzustim men, weil so die Vielzahl der neuen Begriffe rund um das Pro zess- und Qualitätsmanagement stringent als Unterbegriffe zugeordnet werden kann (Pozessowner, Prozessteam etc.). 2 Umsetzung – Voraussetzungen Die Erwartungen an eine prozessorientierte Gestaltung und Lenkung einer Organisation richten sich auf eine Verbesse rung der Strukturen dergestalt, dass bspw. Durchlaufzeiten verkürzt werden können, die Produktqualität verbessert wird,
834
◼ Der Fokus der Unternehmensstrukturierung muss sich von der traditionell intern optimierenden, arbeitsteiligen Aufbau- und Ablaufgestaltung des Aufgabenvollzugs hin zu kunden- und damit auftragsbezogenen Produktionsoder Dienstleistungsprozessen verschieben, die es in der Strukturierung der Organisation abzubilden gilt. Damit wird eine grundsätzliche Umorientierung der Ausrich tung des Managements erforderlich. ◼ Die Prozesse müssen systematisch analysiert, modelliert und verbessert werden. Im Ergebnis liegen standardisier te Geschäftsprozesse zur Realisation von Kundenaufträ gen vor. ◼ Die Mitarbeiter müssen in einem erheblichen Maße trai niert werden, da in der Regel das Aufgabenfeld sich von der bisherigen funktionalen Spezialisierung hin zu einer ganzheitlicheren, damit aber auch inhaltlich anspruchs volleren Tätigkeit verschiebt. Hinzu kommen häufiger auch höherwertigere Aufgabeninhalte der Selbststeue rung und -kontrolle. ◼ Die Organisation benötigt ein er hebliches Maß an informations technischer Infrastruktur zur informatio nellen Unterfütterung der betrieblichen Prozesse und dem sich daraus ergebenden Kommunikationsbedarf entlang der Auftragsabwicklung. 3 Umsetzung – Gestaltungsprinzipien Zur optimalen Ausgestaltung der Prozess-Struktur wird der folgende systematische Gestaltungsansatz im Sinne eines Entscheidungsregelkreises, also einer zyklischen Struktur, empfohlen [2]: 1 Prozessidentifikation – Aus gangspunkt ist eine umfassende Geschäftsfeld- und Unternehmensanalyse (SWOT-Analyse). Aufbauend auf diesen ersten Schritt werden die strategisch bedeutsamen und damit „erfolgs kritischen“ Geschäftsprozesse [2], z. B. mit Blick auf die Kundenzufriedenheit, Res sourcennutzung oder Wett bewerbsvorteile, identifiziert und steuernde Manage mentprozesse (Koordinationsprozesse) unterschieden Sie folgen damit der Grundlogik der von Michael E. Porter vorgeschlagenen ►Wertschöpfungskette. Die so gewonnenen idealtypischen Prozessaufgaben werden jeweils mit Blick auf die übergeordnete Zielsetzung der Unternehmensaktivitäten als Soll-Leistung definiert, um wertorientierte Problemlösungen für alle Prozessbetei ligten zu generieren. 2 Prozess-Strukturierung – Zur weiteren Durchdringung der Prozess-Struktur erfolgt im nächsten Schritt eine Dekomposition der identifizierten Geschäftsprozesse in
Prozessorganisation Teilprozesse bis hin zu Elementarprozessen sowie eine Festlegung der logischen und zeitlichen Reihenfolge zur Prozess-Ablauffolge. Es entsteht so eine hierarchische Abfolge einzelner Teilprozesse zur Realisierung eines Geschäftsprozesses („Prozessarchitektur“), die jeweils in sich eine Kette homogener Aktivitäten darstellen. Um im weiteren eine Minderung der Schnittstellen zwischen die sen Teilprozessen und damit eine Steigerung der Effizienz des Gesamtprozesses zu gewährleisten, sind Standardi sierungen der Prozess-Spezifikationen und ihre formale Fixierung vorzunehmen. Auf dieser Basis lassen sich nun wiederum weitgehend in ihrer Struktur, ihren Abläufen und ihrem Ressourcenbedarf vergleichbarer Teilprozesse zu einem übergeordne ten Hauptprozess zusammen fassen und einem Prozessbearbeiter (caseworker) oder Prozessteam (caseteam) als Aufgabenfeld übertragen. Die Verantwortung für einen so definierten Prozess kann dann an einen Prozessmanager bzw. auf Geschäftspro zessebene an einen Prozesseigner übertragen werden, der die in den Prozess involvierten Mitarbeiter steuert und so sicherstellt, daß sie mit den erforderlichen Informationen und Ressourcen versorgt werden, die Prozess-Schnittstel len funktionieren und die Prozessleistungen kontinuier lich verbessert werden. Er ist somit für einen effizienten wie effektiven Prozess verantwortlich und wird letztlich an der Einhaltung der definierten Prozessziele gemes sen. Zur Prozess-Überwachung (-monitoring) bzw. zur Durchführung eines Prozess-Controllings sind schließ lich noch die jeweiligen Prozess-Erfolgsindikatoren zur Messung der Prozessleistung festzulegen. 3 Prozess-Realisation – Die auf dieser Basis gewonnenen Teil-, Haupt- und Geschäftsprozesse können nun in implementiert und genutzt werden. Zur quantitativen Abbildung und Ermittlung der Wirtschaftlichkeit der bestehenden Prozess-Struktur kann eine entsprechende Prozess-Kostenrechnung eingeführt werden, die einen ständigen Informationsstrom zum Prozess-Controlling sicherstellt. Ein solches ►Controlling dient der wirt schaftlichen Koordination der einzelnen Prozess-Teilak tivitäten und der periodischen Messung der definierten Erfolgsindikatoren. 4 Prozess-Verbesserung – Die regelmäßige Prozess-Über prüfung (-auditierung) ermöglicht eine kontinuierliche Prozess-Verbesserung durch die Identifikation von Pro zessablauf-Schwachstellen und ihre Beseitigung. Stellen sich starke Mängel ein, wird ein Prozess-Redesign erfor derlich. Der Kreis schließt sich und beginnt wieder mit 1. In der Konsequenz dieses Gestaltungsansatzes wird damit eine Aufgabenverteilung realisiert, indem keine Aufgaben, die sachlogisch zusammengehören, auseinander gerissen werden. Durch prozessorientiertes Denken wird die Sinnhaftigkeit ei ner Tätigkeit als eigenwertiges Element in einem übergeord neten Prozess gestärkt. Die gegenseitige Abhängigkeiten ein zelner, funktional differenzierter Tätigkeiten werden ebenso
prozessorientierter Ansatz wie die dadurch entstehenden Schnittstellen reduziert. Durch ganzheitliche Prozessverantwortung werden Selbstorganisa tion und Eigenkontrolle gefordert und gefördert, herkömmli che Hierarchien somit abgeflacht. Die Konzentration auf wertschöpfende Prozessaktivitäten fördert letztlich das Den ken in betrieblichen Zusammenhängen und unterstützt die Idee eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. 4 Fazit Die Realität zeigt, dass vielfältige Projekte zur Realisierung einer derartigen Prozess-Struktur – insbesondere so genann te Reengineering-Prozesse (►Business Reengineering) – ge scheitert sind oder in ihrer visionären Radikalität der struk turellen Veränderung nicht umfassend umgesetzt werden konnten. Vielfach fehlen die infrastrukturellen Rahmenbe dingungen zur Umsetzung des Prozessdenkens, häufiger je doch die Bereitschaft des Managements wie der Mitarbeiter, derartig anspruchsvolle Gestaltungskonzepte zu leben. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Gaitanides, M.: Prozessorganisation. Entwicklung, Ansätze und Programme des Managements von Geschäftsprozessen. 3. Auflage. München (Vahlen) 2012 [2] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Prozessmanagement. Einführung in Geschichte, Begriffe, Ansätze, Modelle, Techniken Gestaltungsund Umsetzungsmöglichkeiten eines modernen Managementpara digmas. München (Oldenbourg) 2016
prozessorientierter Ansatz
▶en: process approach Als prozessorientierten Ansatz bezeichnete erstmals die ISO 9001:2000-12 die Anwendung eines Systems von Pro zessen (die früheren QM-System-Noremen der ISO waren elementhaft ausgerichtet), um das gewünschte Ergebnis zu erzeugen – gepaart mit dem Erkennen und den Wechselwir kungen dieser Prozesse sowie deren Management. Die Forde rungen der ISO 9001 konzentrieren sich auf die Qualität von Prozessen und die Erhöhung der Kundenzufriedenheit. Die Norm ist prozessorientiert aufgebaut. Die Prozesse werden häufig in Kern-, Management- und Unterstützungsprozesse eingeteilt. Dieser Ansatz wird auch in der revidierten ISO 9001:2015-11 verfolgt.
Prozessorientierung
▶Prozessmanagement ▶Prozess ▶Prozess: Term ISO 9000:2015-11 ▶Prozessorganisation ▶Geschäftsprozessmanagement
Prozessowner
▶de: Prozessbesitzer ▶Prozessverantwortlicher
835
P
Prozessteam
▶en: process quality ▶QM im Gesundheitswesen ▶Modelle der Dienstleistungsqualität ▶Donabedian, Avedis
Prozessschritt
Prozessstrukturtransparenz Übersichtliche Darstellung von Prozessen und deren Struktur. Die Prozessstruktur beinhaltet die hierarchische Darstellung der Prozesse, deren Abfolge und Beziehungen zueinander. Zur Strukturdarstellung werden häufig ►Prozesslandkarten eingesetzt.
Prozess-Steuerung
▶en: process control ▶ARIS
P
Prozessverantwortlicher
Prozessvisualisierung
▶en: process visualisation Unter Prozessvisualisierung wird die grafische Darstellung von Prozessen verstanden. Es haben sich differente Möglich keiten der Darstellung herausgebildet, die je nach Bereich gut eingeführt und einheitlich verwendet werden (z. B. BPNM, Six Sigma, Wertstromdesign)
836
Anmerkung: Liegt eine schriftliche Prüfspezifikation vor, dann ist sie Grundlage für die Prüfanweisung. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Prüfen
▶Prüfung ▶Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement
Prüfkosten
▶en: appraisal costs Durch planmäßige, ohne einen Fehleranlass durchgeführte Prüfungen verursachte Kosten. Prüfkosten beinhalten die Kosten in allen Bereichen der Organisation für das eingesetz te Personal für Prüfungen, die zugehörigen Prüfmittel und die Prüfmittelüberwachung. Anteilige Kosten für Prüftätigkeiten sind dann anzusetzen, wenn Prüf- und andere Tätigkeiten zeitlich ineinander greifen. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Prüflos
▶en: inspection lot; test lot Begrenzte Menge oder Anzahl eines Produktes, das einer Qualitätsprüfung unterzogen und anhand dessen die Ge samtheit beurteilt wird. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Prüfmerkmal
▶en: inspection characteristic Eigenschaft, die geprüft wird. Quelle: Nach DIN 55350-12
Prüfmittel
▶en: inspection equipment Messeinrichtungen für Qualitätsprüfungen. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Prüfmittelfähigkeit
▶Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement
Prüfmittelfähigkeitsuntersuchung
▶Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement Analyse des Verhaltens einer Messeinrichtung unter realen Einsatzbedingungen (verschiedene Einsatzorte, unterschied
DGQ-Term
[1] Fishermanns, G.: Praxishandbuch Prozessmanagement. 11. Aufl. Gießen 2013
▶en: inspection instruction Prüfplan mit Festlegungen zu Prüftätigkeiten und Prüfpro zessen.
DIN-Term
▶en: process owner Prozessmanager, der für einen Prozess oder einen Teilprozess des Managementsystems verantwortlich ist. Er wird von der Unternehmensleitung bestimmt und erhält von ihr die für sei ne Aufgabe erforderlichen Befugnisse (Entscheidungskom petenzen und Ressourcen) zugewiesen. Die Verantwortung umfasst neben der Koordination des Prozesses die Verant wortung für die Prozessergebnisse und die ständige Verbes serung des Prozesses. Literatur
Prüfanweisung
DGQ-Term
▶en: process team Eine Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zu sammen einen Prozess oder eine Prozessvariante vollständig bearbeiten. Das Team erhält alle Entscheidungsbefugnisse, die es benötigt, um im Rahmen seiner Prozessvariante alle anstehenden Aufgaben selbständig lösen zu können. Dazu zählen: Ständige Verbesserung des Prozesses, Sicherstellen, dass die Kundenforderung erfüllt wird, Lösung aktueller Pro bleme, Festlegung von Prozesskennzahlen, Erarbeitung des Prozessablaufs sowie Festlegung der Arbeitsschritte. Ziel ist es, mithilfe der Prozessteams die Mitarbeiter einzubeziehen und duch die Mitbestimmung die Motivation zu steigern.
Anmerkung 1: Ein Prüfablaufplan kann zusätzlich auch Festlegungen zur Prüftechnik und zu Prüftätigkeiten sowie zu Prüfprozessen ent halten. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
DGQ-Term
Prozessteam
▶en: inspection schedule Prüfplan mit Festlegungen zur Abfolge von Prüfungen.
DGQ-Term
Aktivität oder Handlung als Teil eines Prozesses.
Prüfablaufplan
DGQ-Term
Prozessqualität
Prüfablaufplan
Prüfmittelmanagement liche Prüfer, reale Werkstücke, eingebaut in verschiedene Messvorrichtungen). Die Ergebnisse ermöglichen eine Aus sage darüber, ob diese Prüfmittel und Messeinrichtungen ge eignet sind, um bei Messungen mit bestimmter vorgegebener Toleranz oder Prozessstreuung eingesetzt zu werden.
Pugh, Stuart Pseudoteam
Nach Katzenbach & Smith ist ein Pseudoteam wie folgt charakterisiert: Fehlen eines ernsthaften Interesses, einen gemeinsamen Existenzzweck für die Gruppe zu definieren, einen gemeinsamen Weg für das Vorankommen zu suchen, Arbeitsschwerpunkte zu setzen und ein gemeinsames Leis tungsziel anzustreben, und dies alles bei Kenntnis oder wil lentlicher Nichtbeachtung des Leistungsvorteils der Arbeit im Team. Insoweit kann es auch als eine Gruppe mit falschem Etikett bezeichnet werden.
Prüfmittelmanagement
▶Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement
Prüfmittelplanung
Quelle: Katzenbach, J. R.; Smith, D. K.: Teams. Der Schlüssel zur Hochleistungsorganisation. Wien 1993
Prüfmittelüberwachung
▶Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement Gesamtheit der systematischen Tätigkeiten der Kalibrierung, Justierung, Eichung sowie der Instandhaltung von Prüfmit teln und Prüfhilfsmitteln.
DIN-Term
Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Prüfplan
▶en: inspection plan Spezifikation für eine einzelne oder eine Reihe von Prüfungen. Prüfpläne können verschiedene Elemente wie beispielsweise Prüfspezifikation, Prüfanweisung oder Prüfablaufplan enthal ten oder auch darauf verweisen. Dies hängt vom jeweiligen Sprachgebrauch der betreffenden Organisation ab.
DGQ-Term
Prüfspezifikation
DGQ-Term
Normquelle: Nach DIN 55350-11:1995-08
Prüfstatus
▶en: inspection specification Prüfplan mit Festlegungen zur Prüftechnik.
Anmerkung 1: Eine Prüfspezifikation kann zusätzlich auch Festle gungen zu Prüftätigkeiten und Prüfprozessen sowie zur Abfolge von Prüfungen enthalten. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
▶en: inspection status Zustand einer Einheit. Er gibt an, welche Prüfung oder Prü fungen mit welchen Ergebnissen an dieser Einheit durchge führt wurde bzw. wurden.
ISO-Term
Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Prüfung
▶en: inspection ▶Inspektion ►Bestimmung der ►Konformität mit festgelegten ►Anforde rungen Anmerkung 1 zum Begriff: Zeigt das Ergebnis einer Prüfung Konfor mität, kann es zu Zwecken der ►Verifizierung verwendet werden. Anmerkung 2 zum Begriff: Das Ergebnis einer Prüfung kann Konfor mität oder ►Nichtkonformität oder einen Grad von Konformität aufzeigen. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
PTB
Physikalisch Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin. URL: www.ptb.de
Pugh, Stuart ▶Pugh-Diagramm Begründer der nach ihm benannten Pugh-Diagramms
DGQ-Term
▶Messmanagementsystem und Prüfmittelmanagement
Stuart Pugh (*1929-†1993) war ein Design-Ingenieur und Manager (English Electric Company, British Aircraft Dor poration, General Motors etc.), der nach seiner beruflichen Tätigkeit in der Indus trie eine zweite Karrie re in der Wissenschaft begann, die er jedoch wegen seines frühen Todes nicht fortsetzen konnte. Plugh studierte an der London University Ma schinenbau, war nach dem Studium als Pro jektingenieur tätig und wurde im Jahr 1963 Chefdesigner der Me chanical Product Divi sion bei der Marconi Company (heute zum Ericsson Konzern gehörig). Bei English Electric Company hatte er die Funktion des Bereichsleiters inne. Pugh verließ den industriellen Be reich im Jahr 1970 und begann seine akademische Laufbahn als Wissenschaftler im Bereich Entwurf für die Produktion bei der Loughborough University of Technology in England. Spä ter wurde er dort Direktor des „Engineering Design Centre“. Pugh wechselte im Jahr 1985 an die University of Strathclyde in Glasgow wurde dort der „Babcock Professor of Enginee ring Design“ und Leiter der „Design-Division“. Pugh befasste sich hier mit seinen visionären Arbeiten und produziert sein bahnbrechendes Buch „Total Design: Integrierte Methoden zur erfolgreichen Produktentwicklung“. Pughs Arbeiten wur den von Don Clausing und Ronaldo Andrade (Universidade Federal de Rio de Janeiro, Brasilien) aufgegriffen und fortge führt. Bedeutung im Qualitätsmanagement erlangte Pugh im Bereich der Produktentwicklung, besonders bei der Anwen
837
P
Pugh-Diagramm
Punktdiagramm
dung der ►QFD-Methode, wo ein Diagramm der Konzept auswahl nach ihm benannt wurde (►Pugh-Diagramm). Literatur
[1] Pugh, S.: Total Design: Integrierte Methoden zur Erfolgreiche Produktentwicklung. Addison-Wesley 1991 [2] Pugh, S., Don Clausing and Ron Andrade: Innovative Produkte mit Total Design. Addison Wesley Longman 1996
Pugh-Diagramm ▶Pugh, Stuart Das Pugh-Diagramm wird als Element von QFD angese hen. Gewissermaßen ist es eine Ergänzungsmethode. Als Optimierungswerkzeug wird es eingesetzt, um verschiedene Alternativen im Verhältnis zum Muster zu bewerten. Wie Abbildung P28 zeigt, werden bei der Entwicklung eines Pro duktes zunächst die Kriterien des Musters abgebildet. Danach werden die alternativen Konzepte entwickelt und deren Da ten in das Diagramm eingetragen. Im abschließenden Schritt kommt es zur Bewertung, dem Vergleich und der Entschei dung, welcher Entwurf zum Zuge kommen soll. Durch die
Anwendung des Diagramms nach Pugh ist es somit möglich, die Produktentwicklung auf eine breitere Basis zu stellen, indem weitere Ideen konstruktiv verfolgt werden können. Durch die Erarbeitung einer Vielzahl an Entwicklungsvor schlägen kann somit das Risiko deutlich vermindert werden, dass gleich der erste Vorschlag mißlingt bzw. im Verkauf ein Flopp wird. Literatur
[1] Veröffentlicht in: Pugh, S.: Total Design: Integrated Methods for Successful Product Engineering by Addison Wesley. [2] Die Technik ist ausführlich beschrieben in: Saatweber, J.: Kunden orientierung durch Quality Function Deployment. München-Wien: (Hanser) 1997, S. 245ff
Punktdiagramm
▶en: dotplot Grafisches Tool (auch: eindimensionales Streudiagramm), um die gewonnen Messwerte auf eine Achse darzustellen. Man erkennt hierbei bereits erste Verteilungen der Daten. Je der Punkt ist ein gemessener Wert.
Abb. P28: Pugh-Diagramm – abstrakte Darstellung
Kriterium Rang Maß 1 2 3 4 5 6 7 8 9 …
P
3. 1. 8. 2. 4. 9. 6. 7. 5. …
Muster
… … … … … … … … … …
x x x x x x x x x x
Konzept Konzept Konzept Konzept A B C …
y y y y y y y y y y
z z z z z z z z z z
n n n n n n n n n n
… … … … … … … … … …
Bewertung der alternativen Konzepte im Vergleich zum Muster
••• ⨀⨀⨀ •••
838
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe Q Qualität als systemtheoretischer Begriff
Dirk Baecker
Qualität als ethischer Begriff
Alexander von Baeyer
Qualitätscontrolling
Q Qualitätsassessment
Walter Eversheim Christoph Benz
QEP-Qualität und Entwicklung in Praxen®
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen
Franziska Diel
Wolfgang Böttcher
Qualität in der Französischen Küche
Qualiätszirkel
Thomas Breisig
Roman Fischer
Q
Qualitätskennuzahlen
Matthias Lehrke
Qualitätsregelkarten (QRK)
Qualitätsfähigkeit
Joachim Herrmann
Qualitätsbezogene Kosten
Hans-Joachim Mittag
Qualitätsregelkreis
Michael Ketting
Qualität als Beziehungsereignis
Tilo Pfeifer
Qualitätsmanagement in der Geriatrie
Qualität als philosophischer Begriff
Wendelin Küpers
Norbert Pfundtner
Qualitätskostenmanagement
Alexander Sasse
Qualität des Managements
Q Qualitätsmanagement mit SAP
Herbert Schnauber
Q-Berufe
Michael Schramm
Michael Hölzer
Benedikt Sommerhoff
Qualitätstechniken
QZ Qualität und Zuverlässigkeit
Fritz Taucher
Philipp Theden
Q Qualitätsmanagement in DL-Organisationen
Qualitätsmanagement in Schulen
Jürgen van Buer
Jana Rückmann
Ulrike Vogt
Q7 Qualitätswerkzeuge Qualitätsmerkmale guter Führung
Cornelia Wagner
Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements Qualität der Arbeit Qualitätsbetrug Qualitätsgerechte berufsbezogene Eignungsbeurteilung Qualitätsleitbild
Rolf Wunderer
Qualitätsmanagement
Qualitätswissen
Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 Qualitätsurteil Qualitätsverbesserung Qualitätsverlustfunktion Qualitätswaage Qualitätswissenschaft Klaus Zink
Hans-Dieter Zollondz
Q1
Q7
Q1
Die Q-101 ist inzwischen durch die Übernahme der ISO 9000-Reihe ersetzt worden. Nichtsdestotroz hat sie die internationale Entwicklung des Qualitätsmanagements maßgeblich beeinflusst.
Bevorzugte Hersteller des Ford-Konzerns, die die Q1-Bewertungsvorschriften erfüllt haben und auch weiterhin erfüllen, werden von Ford Q1-Lieferanten genannt. Vor Einführung der ►QS-9000 hat Ford ein Beurteilungsschema für seine Lieferanten entwickelt, das drei Beurteilungskategorien vor sah: ◼ Erfassung der Angemessenheit und Effizienz des QMSystems mit Hilfe eines Katalogs von 20 Fragen. Der Lieferant kann hier maximal 30 Punkte erreichen. ◼ Erfassen des Qualitätsbewußtseins der Führungskräfte des Lieferanten. Maximal 20 Punkte können erreicht werden. ◼ Bewertung der fortdauernden Qualitätsleistung, d.h. der konstanten Qualität von Produkten und Dienstleistungen. Maximal können hier 50 Punkte erreicht werden. Der Lieferant mit mindestens 85 Punkten wurde als Q1Lieferant ausgezeichnet. Er zählte zum Kreis der bevorzugten Lieferanten. Wer mindestens 70 Punkte erhält, gilt als geeignet. Wer als Lieferant darunterliegt, wurde nicht als Lieferant von Ford zugelassen. Quelle: Ford (Hrsg.): Q1-Qualitätsauszeichnung. Leitfaden, o.O. 1990
Q1 Award
▶Ford Motor Company’s Q1 Award Qualitätspreis des Ford-Konzerns aus dem Jahr 1995, der als Darlegungsnorm sowohl die ISO 9000 family wie auch die ►QS-9000 als Bezugspunkt fordert. Mit ihm werden die bevorzugten Hersteller des Konzerns ausgezeichnet.
Q7-Sieben Qualitätswerkzeuge
▶en: Seven Tools of Quality ▶Qualitätstechniken ▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement (In diesem Stichwort findet der Leser ausführliche Informationen zu den Q7) Warum Q7? In den Legenden des Qualitätsmanagements heißt es, dass irgendwann in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts ein japanischer Mönch diese sieben Qualitätstechniken als elementar angesehen und unter der Bezeichnung Q7 zusammengestellt haben soll. Q7 ist seitdem – ohne genormt zu sein – ein internationaler Standard unter den Qualitätstechniken geworden. In Wahrheit hat wohl der japanische Qualitätsexperte ►Ishi kawa Kaoru die Zusammenstellung dieser sieben Techniken vorgenommen, um die Arbeit in den von ihm so genannten quality circles effektiver zu gestalten. Die Techniken sind weitestgehend bekannte statistische Methoden, die für die Gruppenarbeit gewissermaßen als Anwendungsregelwerk auf bereitet wurden und von jedermann anzuwenden sind. Für den Einsteiger sind sie eine gute Möglichkeit, sich Statistikkenntnisse exemplarisch anzueignen. Da es sich gleichzeitig um visuelle Hilfsmittel handelt, können Probleme und Problemlösungen illustriert und präsentiert werden. In ►Kontinuierlichen Verbesserungsprozessen auf der Grundlage des ►PDCA-Circle werden sie im Westen genauso angewandt wie beim japanischen Kaizen. Die Q7 sind nicht getrennt zu sehen, sondern wirken in ganz bestimmter Weise zusammen. Abbildung Q01 zeigt den allgemeinen Problemlösungszusammenhang, der bei Anwendung dieser Techniken bedacht werden soll. Zunächst geht es darum, mit den Fehlererfassungstechniken das Problem (den Abb. Q01: Anwendung der Q7 – Problemlösungsprozess
Q
Problem
Q-101
▶Qualitätssystem-Richtlinie Q-101 ▶Qualitätsmanagement-Systeme nach ISO 9001 Bei der Q-101 des Ford-Konzerns handelt es sich um eines der ersten firmenspezifisches Regelwerke, das zuerst seit 1981, dann 1990 (letzte Fassung) für die Eigenfertigung und für Kaufteillieferanten des Produktions- und Ersatzteilbedarfs gültig war. Das Ziel der Richtlinie war es, die Qua litätserwartungen von Ford zu definieren und die erforderlichen Nachweise festzulegen, die sowohl von internen als auch externen Herstellern verlangt werden.
Schritt 1
Schritt 2
Fehlererfassung
Fehleranalyse
◼ Fehlersammelliste
◼ Pareto-Diagramm
◼ Histogramm
◼ Korrelations-Diagramm
◼ Qualitätsregelkarte
◼ Ursache-Wirkungs-Diagramm ◼ Brainstorming
843
Q-Berufe
Zur Zielgruppe Zwar wurden diese Techniken für den Werkstattbereich zusammengestellt, aber angewandt werden sollten und können sie in jedem Fall von jedem. Insofern handelt es sich um Jedermanns-Techniken, auch für den Dienstleister nutzbar. Literatur
[1] Theden, P.; Colsmann, H.: Qualitätstechniken. München: Hanser 1996. – Brassard, M.; Ritter, D.: Memory Jogger II. Ein Taschenführer mit Werkzeugen für kontinuierliche Verbesserung und erfolgreiche Planung (ed.: GOAL/QPC – deutsch: dgq), Berlin: Beuth 1996. – Kamiske, G. F.; Brauer, J.-P.: Qualitätsmanagement von A bis Z. Erläuterungen moderner Begriffe des Qualitätsmanagements. 3. Auflage. München-Wien 1999 [2] Brassard, M.; Ritter, D.: Memory Jogger II. Ein Taschenführer mit Werkzeugen für kontinuierliche Verbesserung und erfolgreiche Planung (ed.: GOAL/QPC – deutsch: dgq), Berlin: Beuth 1996, S. 35. Das Beispiel stammt von Millcreek Township School District, Pennsylvania. Es entstammt offenbar einem Trainingsprogramm. [3] Ausführlich dazu wieder die unter [1] genannte Literatur. [4] s. [2], S. 75. Das Beispiel stammt von dem Unternehmen SmithKline Beecham. [5] Kamiske, G. F.; Brauer, J.-P.: Qualitätsmanagement von A bis Z. Erläuterungen moderner Begriffe des Qualitätsmanagements. 3. Auflage. München-Wien 1999, S. 234 [6] Viele wichtige Hinweise – so auch die Checkliste von Osborn – finden sich in der folgenden kleinen Schrift: Malorny, Chr., Schwarz, W.; Backerra, H.: Die sieben Kreativitätswerkzeuge K7. MünchenWien: Hanser 1997, S. 56-68
Q2E-Modell
Q
▶Qualitätsmanagement in Schulen
QA
▶en: Quality Assurance ▶de: Qualitätssicherung
Q-Berufe
▶ Quality Management Professions
1 Einführung und Definition Der Beruf ist in unserer Gesellschaft seit Jahrhunderten eine im Arbeitsleben und für den gesellschaftlichen Rang relevante Kategorie. Die „Q-Berufe“, wie Qualitätsmanager oder Qualitätsingenieur sind Berufe, die erst im Zuge der modernen Industriegesellschaft entstanden sind. Für ihre Kategorisierung als Beruf in Deutschland spielt es keine Rolle, dass es für sie – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine eigenen Studi-
844
en- und Ausbildungsabschlüsse gibt. Vielmehr reicht es aus, dass sie sich von anderen Berufen angemessen unterscheiden. Unter Q-Berufe seien hier sowohl Berufe des Qualitätsmanagements als auch der ►Qualitätssicherung zusammengefasst. Diese Aufteilung unterscheidet sich von der sonst üblichen, auch in der ISO 9000-Familie verwendeten Unterteilung, die die Qualitätssicherung neben ►Qualitätsplanung, ►Qualitätslenkung und ►Qualitätsverbesserung als Teilmengen des Qualitätsmanagements ansieht. Gerade aktuelle berufliche Betrachtungen unterstützen die Betrachtung von Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung als miteinander verknüpfte, aber gleichrangige Fachgebiete. Als Sammelbegriff für beide Fachgebiete sei hier der Begriff ►Qualitätswesen verwendet. 2 Kategorisierung der Q-Berufe Qualitätsmanager ist sicherlich die Leitprofession unter den Q-Berufen und deshalb sei darauf unten noch intensiv eingegangen. Es gibt darüber hinaus mehrere weitere Q-Berufe. Folgende Kategorisierung bietet einen Überblick (P steht für Produktions-, DL für Dienstleistungsfokus): ◼ Qualitätsmanager (P + DL) ◼ Qualitätssicherer (Qualitätsingenieur P, Experte QS + DL) ☐ Qualitätsplaner, Projektqualitätssicherer (P + DL) ☐ Produktionsqualitätssicherer (P); Prozessqualitätssicherer (DL) ☐ SQE (Supplier Quality Engineer) (P); Lieferantenqualitätsexperte (DL) ☐ Entsprechende Funktion mit Kundenfokus ◼ Qualitätsprüfer (P + DL) ◼ Q-Auditor (P+DL) ◼ Q-Berater (P+DL) ☐ QM-Berater ☐ QS-Berater Einer auf statistische Daten (Anzahl von Unternehmen pro Betriebsgrößenklasse) und Studien der ►DGQ aus 2008 gestützten Schätzung zufolge, gibt es in Deutschland zwischen 35.000 und 70.000 Qualitätsmanagerinnen und Qualitätsmanager. Die Zahl der Qualitätsingenieure oder vergleichbaren Funktionen bei Dienstleistern und die der Qualitätsprüfer sind wahrscheinlich jeweils noch größer. Damit stellen die Inhaber Q-Berufe eine signifikante und volkswirtschaftlich relevante Beschäftigtengruppe dar. 3 Berufscharakteristiken Berufe unterscheiden sich anhand bestimmter Charakteristiken. In einer Zusammenfassung verschiedener Charakterisierungen aus der Berufsforschung lassen sich die folgenden vier Paare von Berufscharakteristiken heranziehen, um einen Beruf und insbesondere die Q-Berufe zu beschreiben [1, 2]: ◼ Zuständigkeit und Aufgaben ◼ Methoden und Werkzeuge
Begriff
Fehler) festzustellen, einzugrenzen und zu quantifizieren, dann ist mit den vier Analysetechniken Ursachenanalyse und Problemlösung zu betreiben. Ziel muss es sein, neue Routinen und Standards zu erarbeiten und vorzuschlagen. Welche Q-Technik von den Q7 jeweils zum Zuge kommt, hängt vom Problem ab. Die Problemlösungsgruppe diskutiert und trifft die Entscheidung (Brainstorming). – Zur Anwendung sei auf die inzwischen auch sehr preiswerte und kompakte Literatur verwiesen, die viele Beispiele und Anwendungsmuster zum Einüben enthält [1].
Q-Berufe
Q-Berufe
Q-Berufe
◼ Qualifikation und Kompetenzen ◼ Status und Rolle Berufe unterscheiden sich somit durch eine bestimmte Kombination von Zuständigkeit und Aufgaben, haben ein charakteristischen Methoden- und Werkzeugportfolio, ein Bündel von Qualifikationen und Kompetenzen. Sie verschaffen ihren Inhabern einen bestimmten Status und stellen sie in eine klar umrissene Rolle. Für die Q-Berufe sind Zuständigkeit und Aufgaben sowie Staus und Rolle ausschlaggebend für die Wirksamkeit des beruflichen Handelns. Allerdings befassen sich Qualitätswissenschaft und -praxis in der Regel besonders intensiv mit Methoden und Werkzeugen, sowie Qualifikation und Kompetenzen. Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung sind hochgradig methodenfokussiert. Der Professionssoziologe Andrew Abbott [3] hat hingegen aufgezeigt, dass es insbesondere der Wettbewerb um Zuständigkeit ist, der die Weiterentwicklung von Berufen vorantreibt und für ihre Positionierung im System der Berufe ausschlaggebend ist. Status und Rolle sind zudem deshalb von zentraler Bedeutung, weil die Wirksamkeit von Qualitätsmanagementhandeln maßgeblich auf der Akzeptanz der handelnden Personen, also z. B. auch der Qualitätsmanager basiert. Eine Reflexion der eigenen Beruflichkeit im Qualitätsmanagement muss folglich ganz besonders die Aspekte Zuständigkeit und Status betrachten.
Wissen über physikalische und chemische Grundlagen. Die mathematische Kompetenz muss ausreichen, um Messunsicherheiten und Messmittelfähigkeiten berechnen und Messund Prüfergebnisse bewerten zu können. Verantwortliche für Messen und Prüfen müssen auch unter ökonomischen und Risikobetrachtungen geeignete Prüfpläne erstellen können. Die notwendigen Kompetenzen sind sehr produkt- und prozessspezifisch. Fehlermanagement Zu diesem Zuständigkeitsbereich gehören alle Tätigkeiten, die sich mit Definition, Entdeckung, Ursachenanalyse, Prävention und Umgang mit Fehlern und ►Verschwendung befassen. Im erweiterten Sinne, sind auch die Kontinuierliche Verbesserung, die Prozessverbesserung und die Prozesslenkung Aspekte von Fehlermanagement. Das Fehlermanagement kann nicht alleinig vom ►Qualitätswesen bearbeitet werden, deshalb findet im Fehlermanagement häufig eine interdisziplinäre Zusammenarbeit statt. Dies wird jedoch meist vom Qualitätswesen koordiniert. Das Fehlermanagement erfordert eine ausgeprägte analytische Kompetenz. Darüber hinaus ist Problemlösungsfähigkeit gefragt, einschließlich Kreativität. Die interdisziplinäre Zusammenarbeitet erfordert zudem die Fähigkeit zur Moderation und Konfliktlösung. Eine tiefgehende Kenntnis der Produkte und Prozesse ist unverzichtbar.
2 Zuständigkeiten im ►Qualitätswesen Anforderungsmanagement Berufliche Zuständigkeiten lassen sich vereinfacht als AufProdukte und zudem häufig noch der Prozess der Produktregaben- und Befugnisbündel betrachten. Besonders berufsalisierung stehen unter mehr oder weniger rigorosen eigenen prägend sind exklusive Zuständigkeiten, also solche, die nur und externen Anforderungen. Sie resultieren je nach Markt eine Berufsgruppe innehat. Im Extremfall sind diese Zustänund Produkt aus der Marktforschung, aus Kundenverträgen digkeiten durch gesetzliche und berufsständische Regeln (inkl. Qualitätssicherungsvereinbarungen). Darüber hinaus geschützt (z. B. bei Ärzten oder Juristen). Derartige Exklusind Gesetze, Normen und kundenspezifische Regelwerke zu sivität gibt es in Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung nicht. Qualitätsmanager sehen sich bezogen Abb. Q02: Typische Zuständigkeiten im Qualitätswesen auf viele Aufgaben und Projekte im Wettbewerb zu Controllern, Personalfachkräften, internen und strategisch operativ externen Beratern und sogar IT-Spezialisten. Umso wichtiger ist es, als Berufsgruppe eine eigene klare Vorstellung von Zuständigkeiten zu haben. Abbildung Q02 zeigt heutige typische Zuständigkeiten Organisationsim ►Qualitätswesen. entwicklung Messen und Prüfen Zu diesem Zuständigkeitsbereich gehören alle Mess- und Prüftätigkeiten, wie zum Beispiel die Wareneingangsprüfung, In-Prozess-Prüfungen, Endprüfungen oder der Betrieb von Einrichtungen für Sonderprüfungen, z.B. durch eigene Labore oder Prüffelder. Prüftätigkeiten beziehen sich nicht nur auf Produkt- und Prozessparameter. Auch Audits stellen Prüfungen im Sinne dieses Zuständigkeitsbereiches dar, wenn sie primär der Konformitätsprüfung bezogen auf ein Regelwerk dienen. Messen und Prüfen erfordern spezifische Kompetenzen. Dazu gehört der Umgang mit Mess- und Prüfmitteln, das
Messen und Prüfen Managementsystemgestaltung
Fehlermanagement
Anforderungsmanagement
Qualitätsmanagement
Qualitätssicherung
845
Q
Q-Berufe
Q-Berufe
beachten. Die Vielzahl der Anforderungen ist in den meisten Organisationen nur noch syste-misch beherrschbar. Zum Anforderungsmanagement gehört, alle Anforderungen systematisch zu identifizieren, zu bewerten und in Qualitätsmerkmale des Produktes und der Prozesse zu übersetzen.
Methoden und Werkzeuge zu beherrschen, die erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen zu besitzen sind notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzungen für den beruflichen Erfolg im Qualitätsmanagement. Gerade Inhaber der Qualitätsberufe sind und zeigen sich für ihr berufliches Umfeld allerdings häufig als sehr fokussiert auf Werkzeuge, Methoden und Regelwerke. Abbildung Q03 zeigt wie sich Status und Wirksamkeit zyklisch stärken oder schwächen können.
Das Anforderungsmanagement erfordert Verhandlungsgeschick sowie die Fähigkeit, komplexe Texte zu analysieren. Die zunehmende Komplexität durch individuelle Kundenanforderungen führt dazu, ein ökonomisch und Abb. Q03: Der Zusammenhang von Status und Wirksamkeit im logistisch angemessenes Variantenmanagement zu zyklischen Prozess betreiben. geringer
hoher
3 Status und Rolle der Stelleninhaber Der Status, den Führungskräfte haben und die Rolle, die ihnen Leitung, Führungskräfte und Mitarbeiter zuweisen, haben einen großen Einfluss auf die Wirksamkeit des eigenen Handelns in der Organisation. Neben Zuständigkeit und Aufgaben sind es Status und Rolle, die erfolgsrelevant sind, viel stärker als Methoden und Werkzeuge oder Qualifikation und Kompetenzen. Das gilt in besonders ausgeprägter Weise für die Qualitätsmanager. Seine
846
Leitstand
bewahrend
Orientierung des
Organisationsentwicklung
Qualitätsmanagements
Rang des
Q
Gegenüber den klassischen Zuständigkeiten ist die Organisationsentwicklung eine neue, zukunftsprägende Zuständigkeit der Qualitätsmanager. Sie wird den Beruf Qualitätsmanager verändern und auch die Differenzierung von Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung vorantreiben.
Qualitätsmanagements
Status Status Managementsystemgestaltung geringe hohe Anerkennung Ein zentraler Ansatz des modernen Qualitätsmanagements ist der Managementsystemansatz. Das geringer hoher Managementsystem ist nicht anderes als die Ver- wenig Ressourcen viel Ressourcen Beitrag zur Erreichung und Unterstützung und Unterstützung der Unternehmensziele netzung all der Elemente, die der Steuerung der Organisation dienen. Dieses System gilt es so zu designen, dass bezogen auf Qualität und andere Zielfelder möglichst effizient und reproduzierbar die geringe hohe Wirksamkeit Wirksamkeit gewünschten Ergebnisse entstehen. Die letztendliche Verantwortung dafür liegt bei der „obersten Leitung“, wie schon die ISO 9001 einfordert. AllerJe nach Rang im Unternehmen und abhängig davon, ob das dings ist das Handwerk der Managementsystemgestaltung Qualitätsmanagement eher bewahrend oder verändernd häufig an Qualitätsmanager delegiert. positioniert ist, lassen sich vier sehr unterschiedliche RolOrganisationsentwicklung lenszenarien für die Qualitätsmanager unterscheiden (vgl. Die ►Organisationsentwicklung geht noch weit über die Abbildung Q04). Bei geringem Rang (niedrigem Status) und Managementsystemgestaltung hinaus. Sie umfasst die Struksehr bewahrender Orientierung ist das Qualitätsmanageturgestaltung (Aufbau-, Ablauforganisation, Infrastruktur an ment Ordnungsdienst. Das bedeutet eine schwache Rolle Gebäuden, Betriebsmittel, Hard- und Software) als auch die mit stark eingeschränkten Möglichkeiten, die ►QualitätsfäKulturgestaltung (handlungsleitende Werte, Beziehungen higkeit der Organisation zu verbessern. Demgegenüber biezwischen Führungskräften, Mitarbeitern und den weiteren tet Das Szenario Organisationsentwicklung eine starke Rolrelevanten Interessengruppen). Letztlich soll eine Abb. Q04: Rollenszenarien für Qualitätsmanager ergebnisfähige (also auch qualitätsfähige) Organiführend sation entstehen, die die Organisationsentwickler an die sich immer wieder ändernden Rahmenbedingungen, Einflussfaktoren und Zielstellungen anpassen.
Ordnungsdienst
Projektreserve nachgeordnet
verändernd
Q-Berufe
Q-Berufe
le mit großer Wirksamkeit für den nachhaltigen Ausbau der Qualitätsfähigkeit der Organisation. Das Szenario Leitstand ist mit einem hohes Status verbunden, ist aber nicht so sehr auf die Entwicklung der Organisation ausgerichtet. Im Szenario Projektreserve arbeiten Qualitätsmanager an zentralen Organisationsentwicklungsprojekten mit, sind aber kaum in Themenfindung und strategische Planung der Organisationsentwicklung eingebunden, was wieder-um ihre Wirksamkeit bezogen auf die Qualitätsfähigkeit einschränkt. Der/die Qualitätsmanager/in Qualitätsmanager ist in der puristischen Form eine Spezialistenfunktion in der arbeitsteiligen Organisation, die auf einer Führungsposition angesiedelt ist. Die Berufsausübung der Qualitätsmanager ist in produzierenden und in Dienstleistungsunternehmen grundsätzlich gleich. Meistens haben Qualitätsmanager Stabsstellen inne, die direkt an das oberste Leitungsorgan angebunden sind. Je nach Größe des Unternehmens und Organisation des Qualitätsmanagements agieren sie ohne direkte Mitarbeiter, führen ein kleines Team oder sogar eine große Qualitätsmanagementabteilung. In Unternehmen, die groß, komplex oder über viele Standorte verteilt sind, gibt es oft mehrere Qualitätsmanager. Ein Konzernqualitätsmanager ist dann für grundlegende strategische und Systemfragen des Qualitätsmanagement zuständig, Bereichs- oder Standortqualitätsmanager zusätzlich vor Ort stärker operativ ausgerichtet. Seit 1987 gibt es in der ISO 9001 die Forderung nach einem Beauftragten der Leitung (seit 1994 Beauftragter der obersten Leitung). Dort wo bereits Qualitätsmanager etabliert sind, sind sie auch die Beauftragten. In anderen Unternehmen wurde erst im Zuge einer QM-Systemzertifizierung die Beauftragtenfunktion eingerichtet. Einige Beauftragte nehAbb. Q05: Rollenszenarien für die Qualitätssicherung
Qualitätscontrolling
gering
Integrationsgrad der
Prozessfokus der Qualitätssicherung
Dienstleistungen
CRM Service Excellence u. v. m. Qualitätssicherung
Qualitätsingenieurwesen
Integrierte Qualitätssicherung Güter
men diese Funktion neben ihrer eigentlichen Tätigkeit wahr. Nicht alle Qualitätsbeauftragte sind auch Qualitätsmanager. Die revidierte ISO 9001:2015 enthält nicht mehr die Forderung nach einem Beauftragten. Qualitätsmanager haben häufig zusätzlich zur Verantwortung für das Qualitätsmanagement die für Umweltmanagement oder Arbeitssicherheit oder für integrierte Managementsysteme. Qualitätssicherer in Produktion oder Dienstleistung Der typische Qualitätssicherer im produzierenden Unternehmen ist der Qualitätssicherungsingenieur. In Dienstleistungsbereichen und -unternehmen, in denen andere Professionen als die des Ingenieurs relevant sind, rekrutieren sich die Qualitätssicherer aus den vielen unterschiedlichen dort prägenden Qualifikationen. Deshalb gibt es in der Dienstleistung auch keine einheitliche Funktions- oder Berufsbezeichnung für die Qualitätssicherer. Qualitätssicherung hat in den Unternehmen sehr unterschiedliche Ausprägungen. Neben dem prägenden Fokus auf Güter oder Dienstleistungen, ist es der Grad der Integration, der maßgeblich für die Ausgestaltung der Qualitätssicherung ist. Abbildung Q05 zeigt entsprechende unterschiedliche Rollenszenarien für die Qualitätssicherung. In der integrierten Qualitätssicherung, leisten Fertigungsingenieure, Einkäufer oder Konstrukteure Aufgaben der Qualitätssicherung, dort gibt es nur noch wenige oder keine Qualitätssicherungsingenieure. Die integrierte Qualitätssicherung ist auf dem Vormarsch und eignet sich besonders für die ►Qualitätssicherung 4.0 im Kontext der ►Industrie 4.0. Der/die Qualitätsingenieur/in In den vergangenen Jahrzehnten, als zunächst das Qualitätsmanagement aus der Qualitätssicherung erwuchs, um dann den übergeordneten Rahmen zu bilden, war es üblich, dass Qualitätsmanager gleichzeitig auch Qualitätsingenieure ihrer Unternehmen waren. Heute zeichnet sich in produzierenden Unternehmen eher die oben beschriebene fachliche und organisatorische Differenzierung zwischen Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement ab. Das stärkt die Rolle der Qualitätsingenieure insofern, als dass sich ihr Aufgabenportfolio leichter um qualitätsmanagementspezifische Aufgaben bereinigen und auf die originäre Qualitätssicherung fokussieren lässt. hoch
Qualitätsingenieure arbeiten eng mit Entwicklern und der Fertigungsleitung zusammen. Je größer das Unternehmen, desto wahrscheinlicher gibt es unterschiedliche Zuordnungen und unterschiedliche Spezialistenfunktionen für Qualitätsingenieure. In der Entwicklung sind Qualitätssicherungsingenieure häufig spezifischen Entwicklungsprojekten zugeordnet. Im Einkauf fungieren sie als Lieferantenqualitätssicherer, etabliert ist aufgrund der internationalen Lieferantenbeziehungen die englische Bezeichnung Supplier Quality Engineer.
847
Q
Q-Berufe
Q-Berufe
Das Aufgabenportfolio der Qualitätssicherungsingenieure ist geprägt durch die Zuständigkeiten Messen und Prüfen, Fehlermanagement und Anforderungsmanagement. Qualitätssicherer in der Dienstleistung In der Dienstleistung gibt kein vergleichsweise klares Berufsbild der Qualitätssicherer wie das der Qualitätsingenieure in den produzierenden Unternehmen. Auch ist hier die Differenzierung zwischen Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung weniger ausgeprägt. Der/die Q-Berater/in Die Beratungssegmente der Qualitätsmanagement- und Qualitätssicherungsberatung sind geprägt durch einzeln und in kleinen Netzwerken arbeitende Berater. Viele waren selbst einmal in Festanstellung als Qualitätsmanager oder Qualitätssicherer tätig. Der Bedarf an QM- und QS-spezifischen Beratungsleistungen ist recht groß. Zum einen haben die QM- und QS-Abteilungen in den letzten Jahrzehnten immer mehr Personal abgebaut, zum anderen steigt die Zahl der Regelwerks-, Technologie-, Prozess-, Organisations- und Geschäftsmodelländerungen an und löst Anpassungsbedarfe im Qualitätswesen aus, die mit eigenen Kenntnissen und Ressourcen oft gar nicht mehr zu erfüllen sind. Gerade für die langjährig in Festanstellungen tätigen Berater stellt sich der berufliche Übergang in die Selbstständigkeit
häufig als schwierig dar. Zwar bringen sie wertvolles Fachund Anwendungswissen in die neue Tätigkeit ein. Sie unterschätzen aber den Aufwand für Akquise und Selbstorganisation sowie die Erfordernis, in einer ganz anderen Rolle tätig zu sein. 4 Karrierepfade Die spezifischen Positionierungen, Kompetenzen und Methoden, die im Qualitätsmanagement und in der Qualitätssicherung notwendig sind, um dort erfolgreich zu sein, erfordern ein hohes Maß an Wissen und Erfahrung sowie eine spezifische Disposition und Persönlichkeit. Das spricht für ein langfristiges Engagement. Die vielseitigen und unterschiedlichen Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten ermöglichen zudem ausgeprägte „Q-Karrieren“. Abbildung Q06 kartiert die möglichen Karrierepfade. Zwar sind Wechsel aus der Qualitätssicherung und dem Qualitätsmanagement in ganz andere Funktionen durchaus an der Tagesordnung (Fachgebietswechsel global). Viele Spezialisten verbringen allerdings einen großen Teil ihrer Karriere in und mit Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung. Durchaus üblich sind Wechsel in eine beratende Tätigkeit und zurück in eine Unternehmensanstellung (selbständig-angestellt). Zwei Arten von Führungskarrieren sind typisch, zum einen der Einstieg in eine erste Führungsposition, z. B. vom Q-Mitarbeiter zum Qualitätsmanager in einem kleinen Unternehmen (Füh-
Abb. Q06: Mögliche Karrierepfade in Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement Praxis – Wissenschaft ⇅ Qualitätswissenschaftler/in
Berater/in
Auditor/in
Q-Assistenzberuf
Führungskarriere 1. Grades
Berufseinstieg Q-Mitarbeiter
Q
Berufsausbildung / Studium
Qualitätsprüfer Qualitätsingenieur/ Qualitätstechniker
selbständig – angestellt ⇅ Qualitätsmanager/in Leiter/in Qualitätssicherung
Ausstieg dauerhaft
Leiter/in Q-Spezialgebiet Führungskarriere 2. Grades
Ruhestand
Fachgebietswechsel im QM
Ausstieg temporär Nicht-Q-Mitarbeiter Legende
⇅ = in beide Richtungen
848
Nicht-Q-Führungskraft Fachgebietswechsel global ⇅
Arbeitslosigkeit/ Auszeit
Wiedereinstieg
QEP-Qualität und Entwicklung in Praxen® rungskarriere 1. Grades) oder die Übernahme immer größerer Führungsverantwortung, z. B. der Schritt vom Standortzum Konzernqualitätsmanager oder vom Qualitätsmanager bei einem kleinen zum Qualitätsmanager in einem großen Unternehmen (sog. Führungskarriere 2. Grades). Dr. Benedikt Sommerhoff, Frankfurt am Main Literatur
[1] Sommerhoff, B.: Entwicklung eines Transformationskonzeptes für den Beruf Qualitätsmanager. Aachen (Shaker) 2012 [2] Dostal, W., Stooß, F., Troll, L., (1998); Beruf – Auflösungstendenzen und erneute Konsolidierung, Mitteilungen zur Arbeitsmarkt und Berufsforschung, Jg. 31, Heft 3, Nürnberg [3] Abbott, A.: Abbott, Andrew (1988); The System of Profes-sions, The University of Chicago Press, Chicago
QC
▶en: Quality Circle ▶de: Qualitätszirkel
QEP-Qualität und Entwicklung in Praxen® Begriff
▶QEP® [qwəpp]
QEP® ist das modular aufgebaute QualitätsmanagementVerfahren der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), das für alle Fachrichtungen, Praxisgrößen und Organisationsstrukturen in der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung geeignet ist. Ziel der KBV und der KVen ist, für die Mitglieder ein kostengünstiges, praxisbezogenes Unterstützungs- und Serviceangebot bereitzustellen, das dazu beiträgt, die bestmögliche ►Qualität bei der Patientenversorgung sicherzustellen bzw. diese weiterzuentwickeln, die wirtschaftliche Situation der Ärzte und Psychotherapeuten zu stabilisieren sowie die Arbeitszufriedenheit der Praxisteams zu fördern. Verschiedene Bausteine sind hierfür aufeinander abgestimmt, kombinierbar und schrittweise umsetzbar. QEP verfolgt einen Non-Profit-Ansatz und wird durch eine regelmäßige Systempflege kontinuierlich fortgeschrieben [2]. Dabei berücksichtigt QEP alle vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geforderten Aspekte des ►Qualitätsmanagements (QM) und hilft, kritische Prozesse und Vorgänge zu identifizieren und zu hinterfragen [1]. Das Verfahren ist spezifisch auf die Abläufe und Bedingungen in der ambulanten Gesundheitsversorgung zugeschnitten. Es kann von Praxen, ärztlichen oder interdisziplinären Kooperationsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und allen sonstigen Einrichtungen, die es als hilfreich und nutzbringend bewerten, für den Aufbau und die Weiterent-
QEP-Qualität und Entwicklung in Praxen® wicklung des internen QM verwendet werden. Zwischenzeitlich finden sich unter den Anwendern auch Zahnärzte oder Physiotherapeuten. QEP ermöglicht je nach Ausgangssituation und Bedarf einen schrittweisen Einstieg ins QM. Als Werkzeug zur Optimierung der Führungsaufgaben und der Organisation kann es wesentlich zu einer guten Patientenversorgung beitragen [3]. Stiftung Warentest hat 2009 in einem Vergleich von vier QM-Verfahren (QEP, DIN EN ISO 9001:2008, KTQ, EPA) festgestellt, dass QEP Patientenbelange am Besten berücksichtigt [4]. Folgende Merkmale kennzeichnen QEP: ◼ Die Patientenversorgung steht im Mittelpunkt ◼ Der modulare Aufbau ermöglicht eine individuelle schrittweise Umsetzung ◼ Begleitende Unterstützungs-/ Serviceangebote stehen zur Verfügung ◼ Das Instrumentarium ist leicht verständlich und umsetzbar sowie kostengünstig ◼ Eine spätere Zertifizierung ist möglich ◼ Das Konzept ist wissenschaftlich geprüft: es hat in einer externen Evaluierung seine gute Umsetzbarkeit und praktische Relevanz belegt ◼ Quantitative Qualitätsindikatoren sind zur optionalen Anwendung integriert [5]. QEP besteht aus folgenden Bausteinen: ◼ QEP-Qualitätsziel-Katalog® Der Qualitätsziel-Katalog ist das Herzstück von QEP. Er ist eine Sammlung von Zielen, die die vielfältigen Aspekte und Inhalte der Arbeit von Praxen umfassend abbilden. Diese können als Anregung und Ideenpool genutzt werden. Dabei werden die Qualitätsziele je nach Fachrichtung, Organisationsstruktur, Anzahl der Mitarbeiter und bestehenden Schnittstellen in unterschiedlichem Maße relevant sein, da ein generischer, allgemeingültiger Ansatz verfolgt wird. Viele Qualitätsziele greifen bestehende gesetzliche Verpflichtungen und normative Vorgaben auf. Sie sind fünf Kapiteln (Patientenversorgung, Patientenrechte und Patientensicherheit, Mitarbeiter und Fortbildung, Führung und Organisation sowie Qualitätsentwicklung) zugeordnet und decken ein breites Spektrum, qualitätsrelevanter Anforderungen an eine Praxis/ ein MVZ ab. Die Gliederung des Qualitätsziel-Kataloges und der Kapitel ist prozessorientiert in Anlehnung an den Ablauf der Patientenversorgung gestaltet. Zahlreiche Themen und Ziele stehen in wechselseitigem Bezug zu einander. ◼ QEP-Manual® Das QEP-Manual stellt ein wichtiges Unterstützungsinstrument dar. Es enthält Anleitungen und praktische Tipps in Form so genannter Umsetzungsvorschläge, die mögliche Vorgehensweisen für die Bearbeitung aller Kernziele beschreiben. Ergänzt werden sie durch Musterdokumente, die als Anregung und Ideengeber dienen und von den Praxen/ den MVZ individuell angepasst
849
Q
QEP-Qualität und Entwicklung in Praxen®
Q
Zusätzlich bietet die KBV weitere Unterstützungsinstrumente zur Umsetzung von QM an, wie ein Online-Tool zur Selbsteinschätzung: Mein PraxisCheck Informationssicherheit und Hygiene. Nähere Informationen finden sich dazu auf http://www.kbv.de/html/qep.php Dr. med. Franziska Diel, Berlin Literatur
[1] Veröffentlicht in der Qualitätsmanagement-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung – ÄQM-RL: Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über grundsätzliche Anfordeurngen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenen Ärzte, Psychotherapeuten und medizinischen Versorgungszentren. In: Bundesanzeiger vom 31. 12. 2005, zuletzt geändert in: Bundesanzeiger vom 16. 04. 2014 [2] Diel F, Gibis B (Hrsg): QEP Qualitätsziel-Katalog, Version 2010. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2011 [3] Kassenärztliche Bundesvereinigung, Stand 2014, http://www. kbv.de/html/qep.php, (abgerufen am: 22. 08. 2014)
850
[4] Stiftung Warentest, Qualität verordnet, Heft 11/2009, Berlin [5] Kassenärztliche Bundesvereinigung, Stand 2014, http://www. kbv.de/html/qep.php, (abgerufen am: 22. 08. 14)
QFD-Quality Function Deployment
▶Quality Function Deployment (Das Akronym QFD hat sich inzwischen in der Fachwelt durchgesetzt. Deshalb wird es durchgehend im Lexikon benutzt) ▶Software-QFD ▶Qualitätstechniken | ▶Pugh, Stuart ▶Japanische Qualitätstechniken QFD ist ein methodischer Ansatz im Qualitätsmanagement, um Produkte und Dienstleistungen zu konzipieren, herzustellen und zu verkaufen, die der Kunde wirklich wünscht. Dabei werden alle Unternehmensbereiche einbezogen. Der Japaner ►Akao Yoji hat QFD 1966 als Grundkonzept zur ►Qualitätsplanung entwickelt. Auf den Schiffswerften von Mitsubishi Heavy Industries in Kobe ( Japan) gelang QFD der Durchbruch. 1974 wurde QFD bei Toyota eingeführt. QFD gehört zu den fehlervermeidenden Verfahren. Es kommt in der Produktplanungsphase zum Einsatz. QFD wird häufig als „Stimme des Kunden“ (Voice of the Customer) bezeichnet. Der Grund liegt darin, dass der systematische Ansatz des QFD nicht mit der Gegenüberstellung von Kundenforderungen und Produktmerkmalen endet, sondern sich bis hin zur forderungsgerechten Betrachtung von Prozessmerkmalen fortsetzt. Begriff: Technik zur Planung und Entwicklung von Qualitätsfunktionen entsprechend den vom Kunden geforderten Qualitätsmerkmalen. Der militärische Begriff „deployment“ bezeichnet mit „Aufstellen der Truppen“ oder „in Stellung bringen“ eine Seite von QFD, nämlich das Zusammenführen aller am Gesamtprozess der Produktentstehung beteiligten Fachbereiche zu gemeinsamer Arbeit. Der zweite Aspekt des „deployment“ beleuchtet in Verbindung mit Quality die Zielrichtung von QFD: Qualitätsentwicklung von Anfang an bis zur Nutzung der Leistung durch die Kunden. Es geht darum, die Produkte so zu definieren, zu entwickeln, zu konstruieren, zu produzieren, zu liefern, zu installieren und bei Bedarf zu warten, dass nicht nur die Wünsche und Forderungen der Kunden voll erfüllt, sondern übererfüllt werden (►Kano-Modell). Die Fachliteratur greift oft ein Bild aus der QFD-Systematik, das sog. House of Quality (HoQ) heraus. Es handelt sich um die erste von Akao entwickelte Matrix aus seinem Modell. In den deutschen Übersetzungen wird es als „Haus der Qualität“ bezeichnet. Diese Benennung ist nicht nur irreführend, sondern falsch, denn wie im QFD, so auch im HoQ geht es um die Forderungen an die Qualität und nicht um die Qualität selbst. Zur Illustration sei hier in der Abbildung Q07 das HoQ in einer deutschen Variante gezeigt. Neben dem jüngst von der DGQ entwickelten Ansatz von QFD [7] sind die Konzepte von Akao Yoji, Bob King und dem American Supplier Institut (ASI) bekanntgeworden.
Begriff
werden müssen. Musterdokumente sind als Text- und/ oder Grafikvorlagen für schriftliche Interne Regelungen, Ablaufbeschreibungen, Organigramme, Checklisten, Formulare, Tabellen etc. auf einer dem QEP-Manual beigefügten CD-Rom zu finden. Nachdem die Praxen/MVZ diese Musterdokumente auf ihre spezifischen Belange angepasst haben, entsteht daraus das individuelle ►QMHandbuch. Maßnahmenpläne, Übersichtslisten und weitere Servicedokumente des QEPManuals unterstützen die schnelle und effiziente Einführung des internen QM. Außerdem stellen die beigefügten Unterlagen vor einer ►Zertifizierung sicher, dass tatsächlich alle notwendigen Nachweise der Kernziele berücksichtigt werden. ◼ QEP-Einführungsseminar® Alle KVen unterstützen ihre Mitglieder mit Informationen zum QM. Vielseitige Beratungs- und Schulungsangebote werden durch QEP-Einführungsseminare sowie weiterführende fach- und zielgruppenspezifische Seminare, sowie Intensiv- und Aufbaukurse ergänzt. Das QEP-Einführungsseminar für Ärzte, Psychotherapeuten und Mitarbeiter umfasst eineinhalb Tage, wird von den Ärztekammern mit in der Regel 18 Fortbildungspunkten anerkannt und mit einem Zertifikat bescheinigt. Es vermittelt die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung von QEP in der eigenen Praxis/im MVZ. ◼ QEP-Zertifizierungsverfahren® (optional) Die QEP-Zertifizierung ist eine Fremdbewertung, also der Blick von außen durch neutrale Dritte (QEPVisitoren) auf die Praxis/ das MVZ. Zuvor muss eine interne Selbstbewertung darlegen, dass alle anwendbaren Nachweise/ Indikatoren der Kernziele des Qualitätsziel-Kataloges erfüllt sind. Danach kann die Praxis/ das MVZ eine zur Auswahl stehende akkreditierte Zertifizierungsstelle mit der ►Zertifizierung beauftragen. Bei erfolgreicher Absolvierung ist dies ein sichtbares Zeichen, dass QM auf der Grundlage von QEP umfassend eingeführt wurde [2].
QFD-Quality Function Deployment
QFD Institut Deutschland e.V.
QFD Institut Deutschland e.V.
Abb. Q07: HoQ – House of Quality = Haus der Qualitätsforderungen
gemeinnützigen Vereins ist die Förderung, Verbreitung und Weiterentwicklung der Qualitätsmethode Quality Function Deployment (QFD) in Deutschland, insbesondere in allen Zweigen der Industrie und an den Hochschulen.
QFD
House of Quality Phase 1
Korrelation der WIE‘s
Die Ziele des QFD-ID sollen durch ein Bündel von Aktivitäten erreicht werden:
WIE
unterstützen und bewerten wir die Forderungen?
WAS
Eingang
wollen die Kunden?
Unterstützungsgrad der WIE‘s zu den WAS‘s
WARUM wir verbessern
Entscheidung: Wichtige und kritische WIE‘s
Ausgang Vergleich mit Wettbewerb
Die Stimmen der Kunden WIEVIEL
wollen wir zu den WIE‘s erreichen?
Phase 2
QFD
House of Quality Phase 2
Als deutscher Klassiker auf diesem Gebiet gilt das Werk von Jutta Saatweber [8]. Hier im Lexikon Qualitätsmanagement wird der Ansatz von G. ►Herzwurm und S. Schockert zum Software-QFD ausführlich dargestellt. Literatur
[1] Akao, Y.: Introduction to Quality Function Deployment, JUSE, 1990 [2] Akao, Y.: History of Quality Function Deployment in Japan. In: The Best on Quality, JAQ Book Series Vol. 3, 1990, S. 183-196 [3] Akao, Y. Ono, M.: Recent Developments in Cost Development and QFD in Japan. In: Proceedings of EQQ´93 World Quality Congress, Vol. 2, Helsinki 1993, S. 252-256 [4] Akao, Y. Mazur, G.H.: The leading edge in QFD: past, present and future. In: International Journal of Quality & Reliability Management, Vol. 20, No. 1, 2003, S. 20-35 [5] Akao, Y. (Hrsg.): Hoshin Kanri: policy development for successful TQM, 2004 [6] Akao, Y. (Hrsg.): Quality Function Deployment – Integrating Customer Requirements into Product Design, Productivity Press, 2004 [7] DGQ: QFD. Quality Function Deployment. DGQ-Band 13-21. Berlin (Beuth) 2001 [8] Saatweber, J.: Kundenorientierung durch Quality Function Deployment. München-Wien (Hanser) 1997
QFD Institut Deutschland e.V.
▶QFD-ID ▶Herzwurm ▶QFD-Quality Function Deployment ▶Software-QFD
Das QFD Institut Deutschland e.V. (QFD-ID) wurde am 6. März 1996 auf Initiative von Prof. Dr. Georg Herzwurm und Dipl.-Ing. Gerd Streckfuß in Köln gegründet. Zielsetzung des
◼ Das QFD Institut Deutschland (QFD-ID) ist eine zentrale Anlaufstelle für alle Fragen zum Thema QFD sein. Damit soll das in Deutschland vorhandene Wissen über QFD gebündelt werden. Der Verein stellt zwischen den Knowhow-Trägern Kontakte her, damit gegenseitig Erfahrungen ausgetauscht werden können und um gemeinsame Aktionen zu planen, mit denen QFD in den Hochschulen und in den Unternehmen bekannter gemacht werden kann. Diese Kontaktvermittlung geht vom reinen Austausch von Adressen bis hin zur Bildung und Organisation regionaler oder branchenspezifischer Arbeitskreise. ◼ Das QFD-ID hat vor dem Hintergrund von mehr als 10 Jahren unterschiedlichster QFD-Forschung und QFDAnwendung in Deutschland für seine Mitglieder ein differenziertes Ausbildungs- und Zertifizierungsprogramm zur Verbesserung der QFD-Qualifikation initiiert. In diesem Rahmen werden Verdienste der QFD-Experten innerhalb des QFD-ID hinsichtlich der Weiterentwicklung und Verbreitung von QFD anerkannt, Qualitätssicherung für verschiedene Arten von Qualifikationsmaßnahmen forciert, die Vielfalt der QFD-Ansätze in Praxis und Forschung gefördert sowie unabhängige und qualifizierte Kompetenznachweise für QFD-Experten erbracht. ◼ Das QFD-ID unterstützt die Hochschulen bei der Sammlung von Informationen und der Planung von Lehrveranstaltungen im Bereich QFD. Darüber hinaus hilft es auch allen anderen Personen, die an der Methode QFD interessiert sind, bei der Suche nach Literatur, Kontaktpersonen etc. ◼ Das QFD-ID bringt eine für seine Mitglieder kostenlose wissenschaftliche Fachzeitschrift (QFD-Forum, ISSN 1431-6951) heraus, in der über die Methode (Status und Entwicklungstendenzen) sowie über alle mit QFD zusammenhängenden Themen (z. B. Tagungen und Veranstaltungen) berichtet wird. Seit Anfang 2003 erfolgt die Veröffentlichung des QFD-Forums als Online-Variante. ◼ Das QFD-ID stellt umfangreiche Informationen zum Thema QFD im Internet zur Verfügung, bietet u. a. ein Internet-Diskussions-Forum an. ◼ Die Mitglieder des QFD-ID versuchen, wissenschaftliche Publikationen zum Thema QFD in einschlägigen Fachzeitschriften zu platzieren, um die Methode in Deutschland bekannter zu machen. ◼ Außerdem veranstaltet das QFD-ID zumindest alle zwei Jahre ein Symposium, in dem u. a. die Anwendung von QFD in der Praxis verdeutlicht wird und zu dem nicht nur Vereinsmitglieder eingeladen werden.
851
Q
QFD Institut Deutschland e.V.
Sitz des Vereins: Köln Korrespondenzanschrift: QFD Institut Deutschland e. V. Eupener Str. 70 D-52066 Aachen Tel.: +49 (0)241/6009-51925 Fax: +49 (0)711/685-82388 E-Mail: [email protected] URL: http://www.qfd-id.de
Q
Anschrift des Vorsitzenden/Sprechers: Prof. Dr. Georg Herzwurm Universität Stuttgart – Abteilung VIII - Wirtschaftsinformatik II (Unternehmenssoftware) Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik II (Unternehmenssoftware) Keplerstrasse 17 • 70174 Stuttgart Tel.: +49 (0)711/685-82384 Fax: +49 (0)711/685-82388 E-Mail: [email protected] URL: http://www.wius.bwi.uni-stuttgart.de Prof. Dr. Georg Herzwurm, Stuttgart
852
QKZ
▶Qualitätskennzahl
QM
▶Qualitätsmanagement
QM-Anweisung ▶Verfahren
QMB
▶QM-Beauftragter ▶Qualitätsmanagement-Beauftragter
QM-Bewertung
▶ en: management review Der Begriff war bis 2000 in der ISO 8402 wie folgt genormt: Formelle Bewertung des Standes und der Angemessenheit des ►QM-Systems in be zug auf Qualitätspolitik und die ►Qualitätsziele durch die oberste Leitung.
Diese Begriffsbestimmung wurde von der ISO zurückgezogen. Im Lexikon Qualitätsmanagement findet sich nun der Begriff ►Management Review unabhängig von Qualitätsmanagement. Als QM-Bewertung wird heute das früher auch in deutscher Übersetzung „Management Review“ genannte QM-Element bezeichnet. Auf der Grundlage von relevanten Informationen (z. B. in Qualitätsauditberichten) über das QM-System der Organisation werden der Stand und die Wirksamkeit des QMS bewertet [1]: Die QM-Bewertung ist mehr als ein Qualitätsaudit. Während sich ein Qualitätsaudit an die vereinbarte Forderung der Vertragsgrundlage zu halten hat, z. B. an ISO 9001, hängen Umfang und Tiefe einer QM-Bewertung von der jeweiligen Situation ab. Stets allerdings sollte mindestens das ganze Qualitäts manage ment system betrachtet werden. Aktueller Anlass für die oberste Leitung, eine QM-Bewertung durchzuführen, kann beispielsweise eine beabsichoperation mit einer anderen tigte Fusion oder Ko Organisation, oder auch eine beabsichtigte interne Umstrukturierung sein. Keinesfalls sollte die oberste Leitung eine QM-Bewertung aber auf solche Sonderanlässe einschränken, sondern sie regelmäßig durchführen. Die ►oberste Leitung der Organisation führt diese QMBewertung entweder selbst durch oder betraut damit einen besonders dafür qualifizierten internen oder externen Beauf tragten. So kann sie sich nicht nur ein aktuelles Bild über den Stand des Qualitätsmanagements in der Organisation machen, sondern auch wirkungsvoll auf die Weiterentwicklung ihres QM-Systems Ein fluss nehmen und es veränderten
Begriff
◼ Das QFD-ID will die QFD-Methode weiterentwickeln und hierbei möglichst viele Fachleute einbeziehen. Dazu werden Expertentreffen/Best Practice Workshops veranstaltet und auch Kontakte zu ausländischen QFD-Experten gepflegt. Auch beteiligt sich das QFD-ID sich an der Mitarbeit in ISO-Gremien zur Standardisierung. ◼ Zum internationalen Erfahrungsaustausch und zur internationalen Koordination von QFD-Aktivitäten ist das QFD-ID Mitglied im International Council for QFD (ICQFD). Dem von Prof. Yoji ►Akao und Glenn Mazur geführten ICQFD gehören u. a. Mitglieder aus den USA, Japan, China, Brasilien, Australien, Mexiko und Türkei an (URL: http//www.icqfd.org). Vorstände: ◼ Peter Brandenburg, Vodafone GmbH ◼ Dr. Thomas Fehlmann, Euro Project Office AG ◼ Prof. Dr. Georg Herzwurm, Universität Stuttgart ◼ Sixten Schockert, Universität Stuttgart ◼ Prof. Dr. Wolfram Pietsch, FH Aachen ◼ Dietmar Zander, Volkswagen AG Ehemalige Vorstände: ◼ Dr. Rolf A. Herb ◼ Prof. Dr. Werner Mellis ◼ Dipl.-Ing. Horst Ried ◼ Dipl.-Ing. Gerd Streckfuß Vorsitzender/Sprecher: ◼ Prof. Dr. Georg Herzwurm
QM-Bewertung
QM-Darlegung
QM-Dokument
Bedingungen anpassen. Praktische Empfehlung [2]: „Die oberste Leitung tut gut daran, ohne aktuellen Zwang einem kleinen Gremium leitender Mitarbeiter die Pflicht aufzuerlegen, zu festgelegten Zeitpunkten schriftliche Vorschläge für eine QM-Bewertung vorzulegen, die im Gremium abgestimmt sind. Andernfalls fällt erfahrungsgemäß die QMBewertung der Dringlichkeit von Tagesereignissen zum Opfer. Wichtige Sonderanlässe für eine QM-Berwertung sind z. B. die erforderlichen Veränderungen anlässlich anstehender Firmen-Zusammenschlüsse.“
bezeichnete Be nennung „Qualitätssicherung“, die im deutschsprachigen Raum bis 1994 die alle qualitätsbezogenen Tätigkeiten und Zielsetzungen umfassende Be nennung für das Qualitätsmanagement war. ◼ Darlegungsforderung – Forderung einer Darlegung der mindestens geforderten Elemente bezüglich Realisierung und Qualitätsfähigkeit gegenüber dem Kunden bzw. gegenüber dem Auftraggeber bei vertraglicher Vereinba rung, oder gegenüber einer zuständigen Stelle bei gesetzlicher Auflage.
Literatur
QM-Darlegung wird für den Wirtschaftsverkehr immer bedeutungsvollen Sie dient der Schaffung von Vertrauen in die Qualitätsfähigkeit des QM-Systems oder eines seiner Teile. Im Einzelfall ist sie geprägt durch die Darlegungsstufe (…) oder durch einen davon ggf. abweichenden Darle gungsumfang. [2] Literatur
[1] In Anlehnung an DGQ-Schrift 11-04: Begriffe zum Qua litätsmanagement. 6. Aufl. Berlin: Beuth Verlag 1995, 6. Aufl. 1995, S. 148 [2] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminologie. 3. Auflage Braunschweig-Wiesbaden, Vieweg 1998, S. 166f
QMC
▶ VDA Qualitätsmanagement Center des VDA (VDA-QMC).
QM-Darlegung
▶quality capability demonstration ▶Qualitätssicherung ▶QM-Systeme nach ISO 9001 Die QM-Norm ISO 9001 wird auch Darlegungsnorm ge nannt. Mit ihr wird der Zweck verfolgt, die ►Qualitätsfähigkeit des ►Qualitätsmanagementsystems darzulegen, meist einer dritten Partei gegenüber, die hierzulande ►Zertifizierungsstelle heißt.
Der im Deutschen zweckmäßig mit „QM-Darlegung“ benannte Begriff quality assurance (QA) ist international seit 1986 abgestimmt und seitdem praktisch auch unverändert definiert (derzeit geltend mit „all the planned and systematic activities implemented within the quality system and demonstrated as needed, to privide adequate confidence that an entity will fulfil requirements for quality“) [1]. Die früher für den Oberbegriff Qualitätsmanagement im deutschen Sprach raum geltende Benennung „Qualitätssicherung“, die als direkte Übertragung von „quality assurance“ zu betrachten ist, sollte deshalb als Synonym zu QM-Darlegung vermieden werden; auch weil in der Überschrift zur ISO 9001 (seit Version 2000) nach einem mit Vorbedacht gefassten internationalen Beschluss die äquivalente englische Benennung „quality assurance“ nicht mehr erschienen ist. Zusammengefasst geht es um die folgenden beiden Begriffe: ◼ QM-Darlegung – Alle geplanten und systematischen Tä tigkeiten, die innerhalb des QM-Systems verwirklicht sind und die wie erforderlich dargelegt werden, um ausreichendes Vertrauen zu schaffen, dass eine Einheit die Qualitätsforderung erfüllen wird. – Die Benennung QMDarlegung gibt den Sachverhalt besser wieder als die in den geltenden Normen der DIN EN ISO 9000-Familie im Nationalen Vorwort als synonym gleichberechtigt
[1] DGQ-Schrift 11-04: Begriffe zum Qualitätsmanagement. 6. Aufl. Berlin: Beuth Verlag 1995, S. 145-148. – Vgl. auch Geiger, in [3], jedoch ab Seite 197f [2] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminologie. 3. Auflage Braunschweig-Wiesbaden, Vieweg 1998, S. 168 [3] Geiger, W.: Die Entstehung, Erstellung und Weiterentwicklung der DIN ISO 9000-Familie. In: Stauss, B. (Hrsg.): Qualitäts management und Zertifizierung. Wiesbaden (Gabler) 1994, S. 27-62
QM-Dokument
▶ quality management document Dokument, das die Qualität von Tätigkeiten eines oder mehrerer Elemente des QM-Systems betrifft.
Anmerkung 1: Es gibt QM-Do ku men te mit Anweisungen zum Qualitätsmanagement (►QM-Verfahrensanweisungen) und QMkument mit Ergeb nissen von ►Qualitätsprüfungen an den Do genannten QM-Elementen. Die im QM-Dokument behandelten Tätigkeiten können demnach direkt ein ►Produkt oder eine Produktgruppe betreffen (wie z. B. ein ►Qualitätsmanagementplan), oder sie können produktunabhängig sein (wie z. B. Dokumente zu QM-Führungstätigkeiten oder das Dokument über eine mit Erfolg abgelegte Schweißerprüfung). Anmerkung 2: QM-Dokumente können in allen Stellen der ganzen ►Organisation entstehen, weil sich alle Mitglieder der Organisation mit → Qualitätsmanagement in bezug auf ►Angebotsprodukte befassen, wobei dies materielle oder immaterielle Produkte oder eine Kombination daraus sein können, auch Zwischenprodukte. Anmerkung 3: QM-Dokumente sind zu unterscheiden von den ►Qualitätsdokumenten. Anmerkung 4: Für die Handhabung eines QM-Dokuments gilt das QM-Element Dokumentationsgrundsätze. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 · OrigZit
QM-Element
▶en: quality management element „Man muss auf die Welt reagieren. …“ (Françoise Gilot)
1 Definitionen Der Begriff QM-Element (QME) ist sowohl im direkten Zusammenhang mit dem QM-System zu sehen wie auch losgelöst von diesem Begriff in Verbindung mit Qualitätsmanage-
853
Q
QM-Element ment. In der deutschen Normung findet er seine Definition [1]: Begriff
„Element des Qualitätsmanagements oder eines QM-Systems (en: element of quality management or a quality management system)“
Begriff
Die DGQ greift auf diese Definition zurück und bestimmt QM-Element verallgemeinernd bezogen auf Management schlechthin wie folgt [2]: „Managementelement bezüglich Qualität … Dieses Managementelement liefert einen Beitrag zur Erfüllung der Qualitätsforderung.“
Begriff
Die Definition des QM-Systems lautete entsprechend den Kernbegriffen der ISO 9000: „Managementsystem zum Leiten und Lenken einer Organisation bezüglich Qualität.“ Heute (2015) definiert sich das QM-System wie folgt [3]: Begriff
„Teil eines ►Managementsystems bezüglich der ►Qualität“ QM-Element kann sich sowohl auf das Qualitätsmanagement wie auch auf das Qualitätsmanagementsystem beziehen. QMElement ist ein Unterbegriff. Der Begriff erscheint jedoch nicht in den QM-Normen der ISO 9000-Reihe. Er findet sowohl in der deutschen Normung des DIN Anwendung wie auch in den DGQ-Schriften (11-04). Für Walter Geiger ist er der zentrale Unterbegriff des QM-Systems. Folgerichtig argumentiert er, dass Qualitätsmanagement im QM-System mit den QM-Elementen (genannt werden die vier wichtigsten: Planung, Lenkung, Prüfung und Verbesserung) realisiert wird. Damit vollzieht er folgerichtig den sonst in der deutschen Normung nicht genannten Gedankengang [4]. Ob hierdurch „das Denken in Prozessen“ gefördert wird, sei dahingestellt.
„Es gibt drei Arten von QM-Elementen: QM-Führungselemente, QM-Ablaufelemente und QM-Aufbau elemente.“
Begriff
Q
2 QM-Elemente Das führt zu der Frage, welche QM-Elemente zu nennen sind. In Anmerkung 3 zu [1] heißt es:
Diesen drei Arten müssen dann sämtliche QM-Elemente zugeordnet werden können. Alle diese Elemente bedürfen der Planung heißt es weiter in Anmerkung 4 [1]. In der Fachliteratur zum QM und im normungsbezogenen Schrifttum finden sich zur Konkretisierung eine Vielzahl an QM-Elementen, die jedoch nie endlich aufgezählt werden und auch nicht unbedingt den drei Arten zugeordnet werden. Lediglich in der ersten Version der ISO 9001-Darlegungsnorm aus dem Jahr 1987 wurden zwanzig darlegungsrelevante QM-Elemente bestimmt. Die gesamte Normenreihe der ISO 9000 wurde inkl. der ISO 8402 (Begriffsnorm) im Jahr 2000 zurückgezogen. Der Begriff QM-Element findet sich, so muss festgestellt
854
QM-Element werden, ausschließlich in [1]. Diese Norm wurde vom DIN zurückgezogen und dann allerdings durch die Version 2004 und diese wiederum 2008 ersetzt. Es drängt sich wegen des in der internationalen Normung fehlenden Begriffs „quality management element“ die Frage, ob er sich nicht inzwischen als ein Spezifikum der deutschen Normung darstellt. 3 Beispiele von QM-Elementen Die folgende Auswahl an Beispielen von QM-Elementen mag zur Illustration dienen: ◼ QM-Führungselement (en: quality management leadership element)– Managementelement, in dem die Regeln bezüglich Management in der Umsetzung der Politik festgelegt sind. ◼ QM-Element Grundsätze (en: quality management element principles) QM-Führungselement mit allgemeingültigen QM-Grundsätzen für einige oder für alle QMElemente, wie sie sich aus der Qualitätspolitik ergeben. ◼ QM-Element Qualitätspolitik – Umfassende qualitätsbezogene Absichten und Zielsetzungen einer Organisation, wie sie durch die oberste Letung formell ausgedrückt wird. ◼ QM-Element Bewertung (quality management element management review)– Formelle Bewertung des Standes und der Angemessenheit des QM-Systems in bezug auf die Qualitätspolitik und die Qualitätsziele durch die oberste Leitung. ◼ QM-Element Darlegung – Alle geplanten und systematischen Tätigkeiten, die innerhalb des QM-Systems verwirklicht sind, und die wie erforderlich dargelegt werden, um ausreichendes Vertrauen zu schaffen, dass eine Einheit die Qualitätsforderung erfüllen wird. ◼ QM-Element Zuständigkeit (en: quality management responsibility and authority) – QM-Führungselement, das Verantwortung und Befugnis bezüglich eines ordnungsgemäß beschriebenen QM-Ablaufelements für ein oder mehrere Ablaufelemente festlegt, also für Stellen oder Personen der Organisation. Die QM-Elemente, bei denen es sich ja letztendlich um Tätigkeiten handelt, die zu Tätigkeitsgruppen zusammengefasst wurden, werden geplant, indem sie zunächst den Bereichen zugeordnet werden, die sich mit den für sie zutreffenden QM-Elementen befassen. Unter Berücksichtigung der Forderungen gelangen die QM-Elemente dann in die Planungsphase des QM-Systems, das auf ihrer Basis dann realisiert wird. 4 Prozesse – neue Denkweise und Begrifflichkeiten Der Prozessansatz der ISO 9001 lässt seit der Revison im Jahr 2000 in den Erläuterungen zur Norm und auch in den revidierten Begriffen QM-Elemente weder vom Begriff her noch in Beispielen konzeptionell zu. Ausgehend vom Managementsystem (es existiert nur eines), das ein Teilsystem Qualitätsmanagement (genannt „Qualitätsmanagementsystem“) herausbildet (als ein anderes Teilsystem wäre Umweltschutzmanagement zu nennen), realisiert sich dieses im Setzen, Pla-
QM-Element
Begriff
nen und Umsetzen von Politiken, Zielen und Prozessen. Das QM-System soll hier operationell wie folgt definiert werden: Ein Qualitätsmanagementsystem ist ein Teilsystem des Managementsystems einer Organisation. Es besteht aus in Wechselbeziehung stehenden Prozessen, die auf der Basis qualitätsbezogener Zielsetzungen, einer formulierten Qualitätspolitik und unter Beachtung der relevanten Kundenforderungen realisiert wird. Die Elemente des QM-Systems dienen der Operationalisierung. Nach dieser Definition die inhaltlich auch durch die ISO 9000-Reihe des Jahres 2015 abgedeckt ist, stehen die Prozesse im Zentrum aller Überlegungen der Realisation und Gestaltung. Es bedarf nicht mehr der Hilfskonstruktion von QM-Elementen der Führung, des Aufbaus und Ablaufs [5]. Es haben sich Terminologie und Denkweise geändert. Wie Abbildung Q08 zeigt sind die Elemente des Systems nicht identisch mit den früheren QM-Elementen. Die Systemelemente leiten sich aus dem Gesamtzusammenhang des Managementsystemansatzes der ISO 9000-Reihe ab. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] DIN 55350-11:1995-08 [2] Leonhard, K.-W. und P. Naumann (dgq): Managementsysteme – Begriffe. Ihr Weg zu klarer Kommunikation. DGQ-Band 11-04. 7. Auflage. Berlin (Beuth) 2002 [3] ISO 9000:2015-11 [4] Geiger, W.: Qualitätslehre. 3. Auflage Braunschweig (Vieweg) 1998, S. 5 (Bild 1). Diese Folgerung wiederholt sich bis in die 5. Auflage (2008). [5] Dieser Auffassung wird auch in dem jüngsten Leitfaden zur ISO 9001 gefolgt: Koubek, A. (Hrsg.): Praxisbuch ISO 9001:2015. München (Hanser) 2015
QM-Fachorganisationen
Als QM-Fachorganisationen werden hier einerseits diejenigen Organisationen bezeichnet, die sich in der ►EOQ zusammengeschlossen haben, andererseits aber auch diejenigen Institutionen, die Zwecke der QM-Normung verfolgen und schließlich alle Vereinigungen, die zum Zwecke der Förderung von Qualität im gemeinnützigen und wissenschaftlichen Interesse tätig sind. Teilweise finden sich ausführlichere monografische Darstellungen in alphabetischer Einordnung des Lexikons. QM-Fachorganisationen lassen sich auch über die Suchmaschinen des Internets finden.
QM-Handbuch
▶Qualitätsmanagement-Handbuch ▶dokumentierte Information Der Begriff war in der ISO 9000:2005 noch wie folgt als ein Dokument definiert, in dem das Qualitätsmanagementsystem einer Organisation definiert und verankert ist. QM-Handbücher können – je nach Größe und Komplexität einer Orga-
QM-Element Abb. Q08: Der Managementsystemansatz der ISO 9000 mit seinen Teilsystemen und Elementen
Managementsystem Jede Organisation verfügt implizit/explizit sowohl über ein Managementsystem wie auch daraus abgeleitete Teilsysteme. Das Managementsystem ist der übergeordnete Begriff. Die Teilsysteme* verstehen sich als seine Unterbegriffe. Zur Operationalisierung des Systems bedarf es der Elemente, die in Abhängigkeit und teilweise in Wechselbeziehung zueinander zu sehen sind.
Das Managementsystem einer Organisation wird als Satz zusammenhängender und sich gegenseitig beeinflussender Elemente verstanden, um ►Politiken, ►Ziele und ►Prozesse zum Erreichen dieser Ziele festzulegen
Teilsysteme des Managementsystem Elemente des Systems Die Elemente des Managementsystems beinhalten die Struktur der Organisation, Rollen und Verantwortlichkeiten, Planung sowie Betrieb, Politiken, Praktiken, Regeln, Überzeugungen, Ziele und Prozesse zum Erreichen dieser Ziele. * Die folgenden Teilsysteme haben sich etabliert: ◼ Qualitätsmanagement ◼ Umweltmanagement ◼ Energiemanagement ◼ Arbeitssicherheit ◼ Risikomanagement ◼ Finanzmanagement ◼ Kundenmanagement ◼ Lieferantenmanagement ◼ Personalmanagement ◼ etc.
Q
Quelle: Die Grafik basiert auf den Definitionen der ISO 9000:2015-11
nisation- einen unterschiedlichen Detaillierungsgrad und ein unterschiedliches Format aufweisen. Die ISO 9001:2015 fordert nun kein Qualitätsmanagement-Handbuch. Der Begriff ist somit gegenüber der Version 2008 ersatzlos gestrichen. Folglich muss die Organisation kein formales QM-Handbuch erstellen, kann es aber. Entscheidend ist, dass alle Forderungen der Norm erfüllt werden und dies durch die ►dokumentierten Informationen nachgewiesen wird. Damit bietet
855
QM-System die ISO 9001:2015 ein höheres Maß an Flexibilität bei der Umsetzung. Das neue Stichwort zu diesem Themenkomplex lautet ►dokumentierte Information
QM-Informationssystem
▶Qualitätsmanagement mit SAP®
QM-Koordinator
▶Implementierung
QM-Nachweisdokument
▶quality assurance demonstration document Tätigkeitsbezogene Qualitätsaufzeichnung zur Darlegung der Qualitätsfähigkeit, die aufgrund einer Darlegungsforderung vorgelegt wird. Quelle: nach DIN 55350-11:1995-08
QM-Organisationen
▶QM-Fachorganisationen
QM-Plan
▶Planung des QM-Systems
QM-Planung
▶Planung des QM-Systems
QM-System
Üblich ist die abgekürzte Form QM-System genauso wie ►Qualitätsmanagementsystem. Genauer spricht man von einem qualitätsbezogenen Managementsystem. Es lässt sich wie folgt charakterisieren:
Q
◼ Qualitätsbezogen bedeutet: Die Erfüllung von Qualitätsforderungen betreffend. ◼ Management bedeutet: Koordinierte Tätigkeiten zur Erreichung von Zielen. ◼ Tätigkeit bedeutet: Das, was den Zustand einer Einheit verändert. ◼ System bedeutet: Zusammengehörige oder zusammenwirkende Elemente, die als Ganzes eine Einheit bilden. ◼ Managementsystem bedeutet: System für Management Eine ausführliche Erörterung des Begriffs QM-System ist nachlesbar in dem Stichwortartikel ►Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001.
QMS-Planung
▶Planung des QM-Systems
856
QM-Vereinbarung
▶en: quality management agreement Zwischen dem Kunden bzw. Auftraggeber und Lieferanten bzw. Auftragnehmer formell geschlossene Vereinbarung zur Festlegung der Zuständigkeiten für Aufgaben des Qualitätsmanagements vor und nach dem Gefahrübergang. Quelle: Nach DGQ-Band 11-04:2009
QM-Verfahren ▶Verfahren
QM-Verfahrensanweisung ▶Verfahrensanweisung
QRK
▶Qualitätsregelkarten (QRK)
QS
▶Qualitätssicherung
QSC
▶en: Quality Steering Committee Qualitäts-Steuerungs-Komitee
Qualifikation
▶en: qualification ▶Organisationsgestaltung Dieser Begriff taucht nur als national festgelegt in der DIN 55350:11 auf: An einer Einheit nachgewiesene Erfüllung der Forderung an die gegenwärtige Beschaffenheit dieser Einheit. Unter dem Begriff ►Kompetenz taucht Qualifikation neuerdings in einer Anmerkung der ISO 9000:2015 auf („Dargelegte Kompetenz wird manchmal als Qualifikation bezeichnet.“) Da der Begriff Qualifikation zu viel Verwirrung geführt hat, versuchen ihn Walter Geiger und Willi Kotte in [1] zu entwirren. Literatur [1] Geiger, W. und W. Kotte: Handbuch Qualität. Grundlagen und Elemente des Qualitätsmanagements: Systeme – Persepktiven. 5. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2008, Seite 94ff
Qualifikationsprüfung
▶ en: qualifikation inspection Während bei einer Qualitätsprüfung festgestellt wird, inwieweit eine Einheit die Qualitätsforderung erfüllt, wird bei einer Qualifikationsprüfung festgestellt, ob an einer Einheit nachgewiesene Erfüllung der Qualitätsforderung vorliegt [1]. Definiert ist der Begriff wie folgt [2]: Festlegen, ob Qualifikation vorliegt.
Begriff
▶ en: quality system ▶ Managementsystem (genormt) ▶Qualitätsmanagementsystem (genormt) ▶Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 ▶Planung des QM-Systems
Qualifikation
Qualität
Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements
Literatur [1] In Anlehnung an DGQ-Schrift 11-04, 6. Aufl. 1995, S. 114 [2] Geiger, W.: Qualitätslehre. 3. Aufla ge. Braunschweig (Vieweg) 1998, S. 99
Qualifizierungsprozess
▶en: qualification process Prozess, um die Eignung zur Erfüllung festgelegter Forderungen darzulegen. Der Begriff „qualifiziert“ bezeichnet den entsprechenden Status. Die Qualifizierung kann sich auf Personen, Produkte, Prozesse oder Systeme beziehen, z. B. Auditor-Qualifizierungsprozess, Werkstoff-Qualifizierungsprozess. Der Begriff ist nicht mehr genormt. Literatur
ISO-Term
[1] Geiger, W. und W. Kotte: Handbuch Qualität. Grundlagen und Elemente des Qualitätsmanagements: Systeme – Persepktiven. 5. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2008, Seite 96f
Qualität (ISO 9000:2015)
▶en: quality Grad, in dem ein Satz inhärenter ►Merkmale eines ►Objekts ►Anforderungen (3.6.4) erfüllt
Anmerkung 1 zum Begriff: Die Benennung „Qualität“ kann zusammen mit Adjektiven wie schlecht, gut oder ausgezeichnet verwendet werden. Anmerkung 2 zum Begriff: „Inhärent“ bedeutet im Gegensatz zu „zugeordnet“ „einem ►Objekt innewohnend“. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements ▶quality as a technical term of quality management
„Alles was wir begrifflich über Qualität ausführen, existiert unabhängig von ihr.“ ( J.J. Cale)
1 Grundsätzliches zum Fachbegriff Qualität Weil der Alltag vom unmittelbar Anschaulichen beherrscht wird, gilt es, sich davon zu lösen. Sich davon zu lösen, heißt für ein Phänomen einen Fachausdruck, eine Benennung,
einzuführen, um diese Benennung dann als Denkeinheit zu bestimmen. Diese Zielsetzung wird bei der sog. Terminologiearbeit in der fachsprachlichen Normung verfolgt [1]. Der Begriff der Qualität steht dabei schon immer im Zentrum. Er hat gewissermaßen paradigmatische Bedeutung, weil den Machern sehr wohl bewusst ist, dass ihm in der Praxis Handlungsrelevanz zukommt. Der Begriff selbst ist Jahrtausende alt. In der sich um Begriffsnormung bemühenden Fachsprache des Qualitätsmanagements ist er erst seit 1972 ein genormter Begriff [2]. Qualität ist ein Maßstabsbegriff: Sie bezeichnet das Ergebnis des Vergleichs zwischen zwei Beschaffenheiten, die beide zur betrachteten Einheit gehören. Qualität als Fachbegriff ist also nicht die Beschaffenheit selbst, wie im Lateinischen oder gar eine besonders gute Beschaffenheit, die uns unmittelbar anschaulich anmutet. Qualität ist ein relationaler Begriff, ein Konstrukt, gewissermaßen übergestülpt über ein Phänomen unseres Alltags, der Wirtschaft, ja dem Leben selbst. Diese Erkenntnis bestätigt uns die Philosophie, in der es eine lange Geschichte des Qualitätsbegriffs gibt (►Qualität als philosophischer Begriff). Qualität als Fachbegriff rekurriert auf zwei Beschaffenheiten. Diese sind in Abbildung Q09 beschrieben: 1 Die eine der beiden Beschaffenheiten ist die an der realisierten Einheit festgestellte Beschaffenheit (Ergebnisbeschaffenheit). Sie heißt auch realisierte Beschaffenheit. Mit ihr betrachtet man nur qualitätsbezogen interessierende Merkmale. Diese erste Beschaffenheit ist also die Gesamtheit der betrachteten Qualitätsmerkmale und ihrer Werte, wie sie realisiert wurden. Sie darf auf keinen Fall isoliert, also ohne die zweite Beschaffenheit gesehen werden, die der ersten Beschaffenheit vorangeht: 2 Die zweite Beschaffenheit ist die Bezugsbeschaffenheit für den Vergleich. Es ist die geforderte Beschaffenheit. Sie hat die Begriffsbezeichnung ►Qualitätsforderung und ist die Gesamtheit der betrachteten Einzelforderungen an die Qualitätsmerkmale und ihre Werte.
Abb. Q09: Der zirkuläre Qualitätsbegriff in der Fachsprache des Qualitätsmanagements
Q geforderte Beschaffenheit
Wie soll die Einheit beschaffen sein?
EINHEIT
realisierte Beschaffenheit
Wie ist die Einheit beschaffen?
Qualität ist realisierte Beschaffenheit bezüglich Qualitätsforderung an diese 857
Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements
Begriff
Auf diesen beiden Setzungen beruht die Definition für den Fachbegriff Qualität (siehe [4] und [5]):
Qualität ist die realisierte Beschaffenheit einer Einheit bezüglich Qualitätsforderung an diese.
Begriff
In der inzwischen von ISO zurückgezogenen Norm zu den Kernbegriffen (8402:1995) findet sich die folgende inhaltsgleiche Formulierung für den Fachbegriff Qualität:
„Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“
Begriff
Die in der Defintion genannten festgelegten und vorausgesetzten Erfordernisse sind zwei spezische Konkretisierungen der Qualitätsforderung. Etwas kryptischer – das Wort Qualitätsforderung auf Forderungen verkürzend – steht es in der Begriffsnorm der ISO 9000:2005: „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Forderungen erfüllt“ Sehr oft wird der Begriffsinhalt von Qualität mit einer Waage, wie sie in der Skizze unten zu sehen ist (aus [4]), erläutert. Damit können die sehr vielfältigen Aspekte des Qualitätsbegriffs freilich nur sehr allgemein erfasst werden. Aber zum Verständnis ist dieses Bild sehr gut geeignet: Das „Wiegen“, also das Vergleichen mittels der Unterteilungen in den Wiegeschalen, muss für jedes Qualitätsmerkmal gesondert erfolgen. Im Grunde kann man demnach die Qualität nur merkmalsweise feststellen. Sofern bei allen Qualitätsmerkmalen das Resultat „gut“ ist, läßt sich das auch für die Qualität der ganzen Einheit sagen. „Allgemein“ ist diese einfache bildliche Betrachtung zum ersten wegen der Skala am Zeiger: Bei jedem Qualitätsmerkmal wird nämlich die Qualität zunächst möglichst quantitativ festgestellt, also inwieweit es die Einzelforderung erfüllt, tatsächlich anhand einer Skala. Später aber redet man oft nur noch alternativ davon, ob es die Einzelforderung erfüllt oder nicht, ob es „gut” oder „schlecht” ist [5]. Allgemein
Q
Forderung an die Einheit füllt ht er nic
Geforderte bzw. vereinbarte Beschaffenheit
–
erfüllt
+ Realisierte Beschaffenheit
Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements ist diese einfache bildliche Darstellung zum zweiten deshalb, weil ja nicht immer alle Qualitätsmerkmale gemeinsam betrachtet werden. Auch für ein einziges Qualitätsmerkmal kann man die Qualität feststellen. Man tut dies in der Praxis oft. Deshalb ist oben bei der Erklärung der beiden betrachteten Beschaffenheiten jeweils das Wort „betrachtete“ eingefügt, nämlich vor „Qualitätsmerkmale“ und vor „Einzelforderungen”. Es kommt eben oft ganz besonders auf ein einziges kritisches Merkmal oder auf ein einziges funktionswichtiges Merkmal an. Die hier sehr ausführlich dargelegte Auffassung derjenigen Institutionen (v. a. ISO, DIN, DGQ), die sich um eine operationale Fassung des Qualitätsbegriffs bemühen, entbindet natürlich niemanden davon, selbst zu denken und sich die Frage zu stellen, ob die Definition wissenschaftlichen Kriterien standhält und praktischen Erfordernissen genügt. Schließlich sind Begriffe kein Selbstzweck, sondern immer auch Werkzeuge, die in Wissenschaft und Praxis genutzt werden sollen. Wer in der Organisation ein Qualitätsmanagementsystem implementiert, hat die Begriffe „Qualität“ und „Qualitätsforderung“ zu wissen und zu verstehen. „Man braucht dicke, fette Illusionen, dann hat man weniger Schwierigkeiten.“ ( Jules Renard)
2 Reformulierung des Qualitätsbegriff für praktische und wissenschaftliche Zwecke Es ist in Kapitel 1 klargeworden, dass der auf dem Lateinischen „qualitas“ beruhende Begriff der Qualität in seiner Grundbedeutung Beschaffenheit impliziert, aber als für das Qualitätsmanagement genormter Fachbegriff inhaltlich anders ausgerichtet wurde. Daran gilt es anzuknüpfen, denn die dahinterstehende „Soll-/Ist-Betrachtung“ von Beschaffenheiten darf nicht aufgegeben werden. Sie ist ja durchaus eine für praktische Zwecke in Ökonomie und betrieblicher Praxis sinnvolle Denkfigur. Was wird mit dieser Denkfigur geleistet? Unterschieden wird in ihr nicht nach innerer und äußerer Beschaffenheit. Unterschieden wird auch nicht, ob eine betrachtete ►Einheit ein Zustand oder ein Prozess ist (Sie kann beides sein.). Gefragt wird aber immer, wie etwas beschaffen sei. Die Antwort lautet: So:…! Mit dieser Antwort werden ►Qualitätsurteile abgeben, objektive (z. B. Messergebnisse) oder subjektive (Meinungen). Diese Urteile treffen mehr oder weniger die Intention derjenigen, die die beurteilte Einheit geschaffen haben. Fragt man diese, werden sie oft sagen können, welches ihre Forderungen (leitende Ideen, Ziele, Bedürfnisse, Erwartungen) waren, die sie dazu brachten die Einheit zu kreieren. Fragt man die Bedarfsseite, treten die Bedürfnisse, Gewohnheiten und Interessen zutage. Abstrahierend lassen sich in dem bisher Gesagten vier Kategorien erkennen, die dem Qualitätsbegriff als Unterbegriffe dienen:
858
Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements 1 2 3 4
Beschaffenheit der Einheit Erschaffer der Einheit (z. B. der Produzent) Betrachter/Beurteiler der Einheit (z. B. der Kunde) (Qualitäts-)forderungen an die Einheit.
Ein fünfter Unterbegriff sollte noch ergänzt werden, weil er zur Transparenz des Wertens und Urteilens beiträgt: 5 Anspruchsklasse – Darunter versteht man die Kategorie oder den Rang unterschiedlicher Qualitätsforderungen für den gleichen funktionellen Gebrauch. Sie ist ein relationaler Begriff, weil in ihr die Beziehung zwischen Funktionalität und Kosten zum Ausdruck gebracht wird. Im Ergebnis kann aber auch ein hohes Anspruchsniveau von nicht zufriedenstellender Qualität sein (Beispiel: Viersterne-Hotel versus Pension mit Familienanschluss und eigener Küche). Der in der o. g. dritten Definition genannte Begriff „Inhärenz“ wird als Unterbegriff nicht hinzugezogen. Er entspringt sicher nicht dem Arbeitsergebnis derjenigen, die die Begriffsnorm geschaffen haben. Das ist leicht nachzuprüfen, wenn man einen Blick auf das Normblatt DIN 2330 (Begriffe und Benennungen) wirft. Dort wird folgendes empfohlen:
Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements welcher dieser Eigenschaften denn ein ►Qualitätsurteil, also einer Aussage zu ihrer Beschaffenheit zukommt, sprich welche Eigenschaften können Qualitätsmerkmale genannt werden? Die naheliegende Antwort wäre wohl: Alle, denn jede Eigenschaft kann nach ihrer Qualität beurteilt werden und ein Qualitätsmerkmal bilden. Qualität ist so betrachtet einer Einheit nicht inhärent, sondern wird bewusst geschaffen. Die „Inhärenz“ folgt erst durch die Zwecksetzung: Erschaffer und Betrachter treffen je für sich eine Auswahl aus einem gegebenen oder theoretisch möglichen Eigenschaftsraum. Nur die Schnittmenge enthält den jeweiligen Perspektiven identische Qualitätsmerkmale (Abbildung Q10). Qualität ist somit ein Handlungsbegriff, dem auch die Zirkularität abgestreift wurde. Während sich in Abbildung Q09 der Begriff in einem „geschlossenen Ort der Beschaffenheit“ bewegt, aus dem kein Hineinkommen und kein Entrinnen möglich ist, öffnet sich in Abbildung Q10 der Begriffsinhalt derart, dass der handelnde Entscheider eingeführt wird, der festlegt, welchen Eigenschaften der Status von Qualitätsmerkmalen zukommen soll. Damit erklärt sich der Begriff nicht mehr durch sich selbst. Seine Definition genügt wissenschaftstheoretischen Standards. Auf dieser Basis lässt sich der folgende operationale Qualitätsbegriff bestimmen:
Eigenschaftsraum aus dem Einheiten gebildet werden (Potential an Eigenschaften)
n ge
un er rd Fo
en ng ru
Einheit I
e rd Fo
Es gilt also festzustellen, das mit „inhärent“ im Jahr 2005 – eigentlich vollkommen überflüssig – ein im Deutschen wenig gebräuchliches Fremdwort eingeführt wurde, das seiner Herkunft nach dem methodischen Charakter des „Werkzeugkoffers“ der DIN 2330:2013 entsprungen sein muss.
Begriff
„Es ist zu prüfen, ob es sich um inhärente oder relatioQualität ist das sich aus unterschiedlichen Perspektiven nale Merkmale handelt. Inhärente Merkmale haften einstellende Ergebnis einer Beschaffenheitsbetrachtung dem Gegenstand selbst an und Relationsmerkmale zeibzw. -gestaltung, das sich aus der Auswahl, Bewertung gen eine Beziehung zum Gegenstand an.“ Die aktuelle und Verwendung von Qualitätsmerkmalen von Definition von Qualität mit ihrer Betonung der Inhärenz Einheiten ergibt, die im operationalen Prozess in folgt somit nicht inhaltlichen Überlegungen, sondern Relation zu den Qualitätsforderungen stehen müssen. der Empfehlung bzw. redaktionellen Überarbeitung durch ein übergeordnetes Gremium, das Abb. Q10: Entwicklung des Qualitätsbegriffs als Handlungsbegriff des QM auf eine „Gebrauchsanweisung“ bei der Formulierung zurückgegriffen hat [1].
ausgewählte Qualitätsmerkmale
Zur weiteren Begriffsentwicklung ist es wichtig festzustellen, dass jede Einheit – für sich betrachtet – nur Eigenschaften hat. Erst die Zwecksetzung bestimmt ihre Beschafzum Beispiel fenheit. Bei Gütern ist es ihre Brauchbarkeit, Produzent die aus der Zwecksetzung folgt. ►Jurans Zielsetzung „fitness for use“ trifft genau diesen Sachverhalt der Beschaffenheitsgestaltung. Gehen wir des weiteren von der Vorstellung aus, dass betrachtete Einheiten (Objekte, Subjekte, Systeme, konkrete Dinge wie Waren oder Produkte materieller und immaterieller Art) sich durch eine unendliche Zahl an Eigenschaften auszeichnen können, so stellt sich damit die Frage,
Einheit II
ausgewählte Qualitätsmerkmale Die Schnittmenge enthält den jeweiligen Perspektiven (Einheit I und II) identische Qualitätsmerkmale.
zum Beispiel Kunde
Abbildung Q11 illustriert diese Definition, in der dem Handelnden eine zentrale Bedeutung zukommt. Somit ist der
859
Q
Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements Zirkelschluss aufgehoben. Gleichzeitig kann daraus ein managementbezogener Qualitätsbegriff abgeleitet werden, indem die unterschiedlichen Handlungsperspektiven durch die Managementperspektive ersetzt wird: Begriff
Qualität ist das sich aus der Entscheidung des Managements heraus einstellende Ergebnis einer Beschaffenheitsbetrachtung bzw. -gestaltung, das sich aus der Auswahl, Bewertung und Verwendung von Qualitätsmerkmalen von Einheiten ergibt, die im operationalen Prozess in Relation zu den vom Management gesetzten Qualitätsforderungen stehen müssen.
Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements
Abb. Q11: Der Qualitätsbegriff als Handlungsbegriff des Qualitätsmanagements
Forderungen Anspruchs- Qualitätsniveau merkmale
Qualität ist das sich aus unterschiedlichen Perspektiven einstellende Ergebnis einer Beschaffenheitsbetrachtung bzw. -gestaltung, das sich aus der Auswahl, Bewertung und Verwendung von Qualitätsmerkmalen von Einheiten ergibt, die im operationalen Prozess in Relation zu den Qualitätsforderungen stehen müssen.
Die folgenden Erläuterungen beschreiben Ausprägungen des Handlungsbegriffs Qualität: ◼ Erläuterung 1: Qualität kann auch antizipiert werden. In diesem Fall handelt es sich um die Planung von Qualität, genauer der Qualitätsforderung. ◼ Erläuterung 2: Je nach Einheit und Interesse der Handelnden können sich einseitige oder wechselseitige Beziehungen herausbilden. Qualität erweist sich hier als ein relationaler Begriff. Das Ergebnis, die Qualität, kommt entweder zustande oder nicht. Etwas ist so beschaffen wie es die Handelnden aus ihrer je spezifischen Perspektive mehr oder weniger erkennen oder sie erkennen unterschiedliche Qualitätsmerkmale und gelangen damit evtl. zu divergierenden ►Qualitätsurteilen. ◼ Erläuterung 3: Die praktische Relevanz dieses Qualitätsbegriffs lässt sich gerade heute – bei der öffentlichen Bewertung von Produkten im Internet – demonstrieren, wo verschiedene Perspektiven bei der Bewertung aufeinandertreffen. In eher seltenen Fällen ist die Bewertung aufgrund identischer Qualitätsmerkmale gleich (Schnittmenge in Abbildung Q10). Meistens kommen die jeweiligen Beurteiler aufgrund völlig unterschiedlicher Vorannahmen und Beurteilungsperspektiven zu abweichenden Ergebnissen. Auch wenn das Qualitätsurteil gleich ist (z. B. fünf Sterne) muss das Urteil nicht auf identischen Qualitätsmerkmalen beruhen. ◼ Erläuterung 4: Der Qualitätsbegriff, wie er uns im Bild der „Qualitätswaage“ von Walter Geiger oder einer früheren Definition in der ISO 8402 vermittelt wird, greift eine
860
Ergebnis
Handelnde (Produzenten, Kunden, Partner am Markt, Gesetzgeber etc.) wirken ein
Der Begriff darf keinesfalls noch die Kundenorientierung enthalten, weil er dadurch seinen allgemeinen Charakter verlieren würde. Denn ob die Qualität durch eine Orientierung an Kundenforderungen bestimmt wird ist nicht zwingend. Kundenorientierung wäre somit ein Unterbegriff im Begriffssystem Management einzuführen.
Q
Einheit Beschaffenheitsgestaltung
ideale Situation heraus, die in der Realität nur gegeben ist, wenn eine objektive Instanz – die aber per Defintion nicht vorgesehen ist – die Qualität feststellt, die quasi normativ die Realität bestimmt. Das wäre z. B. bei den Qualitätsurteilen der Stiftung Warentest sehr oft der Fall. Schließlich lassen sich Hypothesen generieren, die sich auch empirisch überprüfen lassen. Zwei Beispiele seien genannt: ◼ Hypothese 1: Je größer die Schnittmenge gemeinsamer Qualitätsmerkmale ist, desto eher ist es möglich ein gemeinsames Qualitätsverständnis zu entwickeln. ◼ Hypothese 2: Je stringenter die Ableitung von Qualitätsmerkmalen gelingt, desto besser kann die Qualität beurteilt werden. „Wenn wir nichts tun, bleibt alles beim Alten.“
3 Ausblick Griffige Begriffsinhalte, wie Geigers Kurzdefinition „Qualität ist Beschaffenheitsgestaltung“ in Kapitel 1 sind immer in Gefahr, zu Schlagwörtern zu verkommen und Phänomene zu verdinglichen, die der menschlichen Einflussnahme unterliegen, indem sie aus den sie definierenden theoretischen Zusammenhängen herausgerissen werden. Es konnte nun nicht nur gezeigt werden, dass der genormte Qualitätsbegriff einem Zirkelschluss unterliegt, sondern auch den Handelnden außen vor lässt. Dagegen bietet ein „offener“ Qualitätsbegriff Optionen, die es nicht nur erlauben den Impetus des Handelnden einzubringen, sondern auch unterschiedlichen Organisationstypen gerecht zu werden. Organisationen, die sich eher einem Konzept von Total Quality Management und dem Exzellenz-Ansatz verschrieben haben, werden ganz bewusst versuchen, mehrere Perspektiven einzubeziehen, um so eine hohe Übereinstimmung in den Qualitätsmerkmalen und der Qualitätsforderung zu erreichen (Ausweitung der Schnittmenge durch Mehrperspektivität in Abbildung Q10). Organisationen, die sehr stark von der genauen Einhaltung
Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements administrativer und/oder technischer Spezifikationen bestimmt werden, müssen dagegen den Spielraum der Handelnden eingrenzen (Einengung der Schnittmenge). So werden etwa Kundenforderungen deutlich an Grenzen stoßen, wenn vorgeschriebene technische Standards einzuhalten sind. Hier haben Sicherheitsforderungen der Betreiber z. B. absolute Priorität (im Beispiel: Öffentliche Verkehrsmittel). Ähnlich verhält es sich mit Allgemeinen Bedingungen, die Vertragszusammenhängen zugrundeliegen. Hier können Kundenforderungen nur begrenzt Einfluss nehmen. Die Dokumente von Versicherungsgesellschaften und Banken werden aufsichtsrechtlich kontrolliert und geregelt. In ihnen schlägt sich eher der „Allgemeine Wille“ der Aufsichtsbehörden nieder, denn die Forderungen der Bankenkundschaft. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Fluck, H.-R.: Fachsprachen. Einführung und Bibliographie. 5. Aufl. Tübingen-Basel (Francke) 1996, S. 110-133; DIN 2330: Begriffe und Benennungen – Allgemeine Grundsätze (Version DIN 2330:2013-07), Berlin (Beuth) 2013 [2] EOQC Glossary of Terms used in Quality Control. Third Edition, EOQC Bern 1972, mit ASQC (USA) wortgleiche Quali tätsdefinition [3] DIN EN ISO 8402 Bbl 1: 1995-08, insbesondere die Erläuterungen [4] DIN 55350-11:1995-08, insbesondere die Erläuterungen [5] Geiger, W.: Geschichte und Zukunft des Qualitätsbegriffs – Anmerkungen zur weltweiten Angleichung. Qualität und Zuverlässigkeit (QZ) 37 (1992) Heft 1
Qualität der Arbeit
▶Quality of Work ▶Arbeit ▶Arbeitsorganisation ▶Arbeitszufriedenheit „Die Qualität der Arbeit ist kein Thema. Sie erhält allenfalls noch dann gesellschaftliche Aufmerksamkeit, wenn schlechte Qualität sich in steigenden Gesundheitskosten niederschlägt…“ (Sauer/Dunkel in [1])
Qualität der Arbeit dieses Phänomen an weiteren Beispielen bewusst zu machen. Wert wurde vom Mitarbeiter erzeugt, wenn der Kunde die Ware übernommen und bezahlt hat und zufrieden den Supermarkt verlässt bzw. die nächste Näherin als interne Kundin an dem bearbeiteten Teil-Bekleidungsstück weiterarbeiten kann. Will man die „Erfindung“ dieses augenscheinlich einfachen, aber wirksamen Prinzips der Logik der industriellen Leistungsfähigkeit auf einen einzelnen Mann zurückführen, so ist es berechtigt, hier den Namen Frederick Winslow ►Taylor zu nennen. Im historischen Zuschnitt hat Taylor die Qualität von Arbeit neu definiert (Abbildung Q13). Für ihn war das, was er in dem Betrieb vorfand, in dem er seine ersten Arbeitserfahrungen sammelte (etwa um 1895), ein Relikt aus der Handwerkszeit: Ein schwerfälliger Arbeitsrhythmus, der mehr nach Gefühl, Gutdünken und Gewohnheit ausgerichtet war. Ihm ging es darum, eine höhere Rationalität einzuführen: Werkzeuge und Arbeitsverfahren sind dem Prinzip der geteilten Zeit unterzuordnen und somit entsprechend messbar zu machen. Damit hat er die Qualität der Arbeit fest an die Zeit gekoppelt, die seitdem diejenige Größe ist, an der ständig „gedreht“ wird, die in Begriffen wie Arbeitszeit, Bearbeitungzeit, Liegezeit, Durchlaufzeit, Rüstzeit uns augenscheinlich demonstriert, dass Zeit als eine, ja die Kennzahl (►Qualitätskennzahlen, ►Performance Measurement) des ►Qualitätcontrollings anzusehen ist. Im neuen Überbegriff des Prozessmanagements, der ►Durchlaufzeit (throughput time), wird das offenkundig. Sie ist der zentrale Begriff aller prozessbezogenen Systeme. Wenn sie reduziert wird, ist darauf zu achten, dass die Qualität nicht beeinträchtigt wird. Schließlich schlägt sich eine Reduzierung der Durchlaufzeit auf die Qualität der Arbeit nieder: Ineffizienzien werden abgebaut, aber die Arbeitsintensität nimmt zu. Zudem zeigt sich, die beschleunigte Zeit verträgt auch ein Warten nicht mehr, das nun gemanaget werden muss (►Wartezeitenmanagement). 2 Arbeit im System des Qualitätsmanagements Im Qualitätsmanagement wird eher indirekt von Arbeit gesprochen. Oft dient der allgemeinere Begriff Tätigkeit dazu Arbeitsprozesse zu charakterisieren, wie im Schrifttum zur ISO 9000-Reihe (►Arbeit). In keinem der Modelle und Systeme des Qualitätsmanagements kommt der Begriff Arbeit vor. Dabei wird schon davon ausgegangen, dass gearbeitet
1 Zum Prinzip der geteilten Zeit Nach der „Qualität der Arbeit“ zu fragen, heißt zu erkennen, dass das kennzeichnende Element der modernen Arbeit (und das gilt für alle Formen, auch das Unterrichten des LehAbb. Q12: Qualität der Frauenarbeit rers in der Schule) nicht die Arbeitsteilung als solche ist – sie ist so alt wie die Geschichte der Menschheit – sondern der Leistungsgedanke (effiziency), der sich in der Zeitteilung und der Messung der Arbeit ausdrückt. Eingebettet in die je spezifischen Landeskulturen – das Bild (Abbildung Q12) zeigt es – soll Arbeit als Leistungsarbeit verstanden werden. Im Beispiel: Hier warten der Kunde (Kassiererin) und der Kollege des nächsten Arbeitsschrittes (Näherin) darauf, dass die Leistung im Kassiererin Supermarkt in Europa geforderten Zeittakt erbracht wird. Ist die Leistung erbracht, folgt im entsprechenden Zeittakt die nächste Arbeitsphase. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich Qualität der Frauenarbeit
Näherin Textilfabrik in Asien
861
Q
Qualität der Arbeit
Qualität der Arbeit
Abb. Q13: Taylors Qualität der Arbeit als One Best Way Die neue Qualität der Arbeit Im Kern ist die Neudefinition der Qualität der Arbeit die ganze „wissenschaftliche Betriebsführung“: die künstliche Analyse und Aufgliederung des Arbeitsprozesses in seine kleinsten mechanischen Komponenten (Zeitintervalle) und die Neuzusammenführung dieser Komponenten zu Elementen und somit zu einer wirksamen Kombination industrieller Wertschöpfung. Aus der Logik des Messens ergab sich: die Arbeitszeit eines jeden einzelnen konnte für sich gemessen werden, für jede Arbeit konnten unpersönliche Produktionsnormen festgesetzt werden, der Lohn ließ sich alsdann auf der Grundlage der geleisteten Arbeitsmenge und der dafür benötigten Zeit berechnen. Diesen Ansatz brachte in der Folge Frank ►Gilbreth einen weiteren Schritt voran, indem er über Zeit- und Bewegungsstudien den Arbeitsprozess rhythmisierte („Bewegungsmuster“, therbligs). wird, wenn zum Beispiel der Prozessbegriff bemüht wird und der Mensch als Mitarbeiter oder Worker thematisiert wird. Aber an einer Begriffsbestimmung von Arbeit fehlt es. Arbeit kann aber sehr wohl kategorial integriert werden, wie sich zeigen lässt, wenn man die Basiskonzepte der Exzellenz des ►EFQM-Modells 2013 um ein neuntes Grundkonzept, das nach „Forderungen an die Qualität der Arbeit“ erweitert (Abbildung Q14). Es dürfte auf der Hand liegen, dass diese Grundfrage gestellt und als neuntes Element aufgenommen werden muss, um die acht Basiskonzepte realisieren zu können. Schließlich hängt vieles, wenn nicht alles, von der Qualität der Arbeit ab („Good Work!“) Abb. Q14: Die acht Grundkonzepte der Exzellenz des EFQM-Modells 2013 mit Konzept N0 9 Nutzen für Kunden schaffen
Q
Dauerhaft herausragende Ergebnisse erzielen
Forderungen an die Qualität der Arbeit stellen: N0 9
Die Zukunft nachhaltig gestalten
Durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich sein
Die Fähigkeiten der Organisation entwickeln
Veränderungen aktiv managen
Kreativität und Innovation fördern Mit Vision, Inspiration und Integrität führen
Basis der Grundkonzepte der Exzellenz bilden: European Convention on Human Rights (1953) European Social Charter (1996) UN Global Compact (2000)
862
3 Arbeit im Ebenenmodell des Qualitätsmanagements Qualität, Zeit und Kosten werden einstimmig als übergeordnete Kategorien (units of analysis) in der Betriebswirtschaftslehre, den Ingenieurwissenschaften und auch im Qualitätsmanagement gesehen (Beispiel ►QTK-Kreis). Diese drei Kategorien schweben gewissermaßen über dem realen Geschehen, so als ob es sich um die platonischen Ideen der Wirtschaftswissenschaften handelt. Geht es wirklich nur um Qualität, Zeit und Kosten? In der tätigen Praxis sollen diese drei Faktoren optimiert werden, ohne einen Faktor zu vernachlässigen, also ◼ so gut wie möglich (Qualität), ◼ so schnell wie möglich (Zeit/Beschleunigung) und ◼ so günstig wie möglich (Kosten) zu sein. Da scheinen für manche magische Kräfte am Werk zu sein, weshalb von einem „magischen Dreieck“ gesprochen wird. Die Praxis zeigt allerdings, dass es nicht ausreicht abschließend diese drei Kategorien zu bemühen. Neben Qualität, Zeit und Kosten spielen auf dieser Abstraktionsebene der „units of analysis“ der Raum und die Arbeit genauso eine Rolle. Es bestimmen also nicht nur drei, sondern fünf Faktoren (Kräfte) die Wertschöpfung, wirken auf den Wertschöpfungsprozess ein (Abbildung Q15). So geht es aus der Sicht der Kosten darum, die Gemeinkosten zu minimieren, und aus der Sicht der Qualität soll in Produktion und den administrativen Bereichen Verschwendung (Muda) möglichst eliminiert werden. Dies geschieht durch Arbeit. Die verstärkte Beachtung globaler Wertschöpfung weist darauf hin, dass es einen Wertschöpfungsraum geben muss. Hierin spiegeln sich die Raum-Zeit-Kategorien der Physik wider. Ausführlicher hierzu und den fünf Kategorien in [2]. 4 Qualität der Arbeit wohin? Arbeit verschwindet nicht einfach, weil sie durch Tätigkeiten der Kunden kostenneutral erledigt wird. Arbeit bedarf der systematischen Einbeziehung auf der kategorialen Ebene in den Modellen des Qualitätsmanagements im Wertschöpfungszusammenhang. ►Taylor hatte das damals erkannt, weshalb er manchmal sogar als soziologisch denkender Ingenieur eingestuft wurde. Die Qualität der Arbeit ist aber mehr als Zeitteilung. Sie lässt sich, wenn man sie messen will, skalieren, etwa dichotom zwischen guter und schlechter Arbeit. Im Forschungsprojekt des BMBF „Gute Arbeit im digitalen Zeitalter“ wird die Frage gestellt „Wie lassen sich angesichts von Arbeitsprozessen rund um die Uhr familienfreundliche Arbeitszeiten sichern oder gute Weiterbildung organisieren?“ Von sozialverträglichen Arbeiten ist die Rede. Das und mehr wird mit einer Milliarde an Forschungsmitteln erforscht [3]. Ganz konkret zeigt sich, dass Unternehmen bereits jetzt ihre Organisation nach guter Arbeit auf den „Prüfstand“ stellen können. SA 8000 ist ein internationaler Standard mit dem Ziel, Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern (Angestellte, Arbeiter, aber auch Leiharbeiter) zu verbessern. Er wurde von
Qualität der Arbeit
Qualität als Beziehungsereignis
Abb. Q15: Modell der übergeordneten Kategorien Kosten Zeit
Raum
Qualität
Arbeit Wertschöpfung
Kultureller Rahmen der Organisation
Muda
) ng g … klurderun c i w ö
t F En rung ,
e erb (V
sse
Umwelt
der Social Accountability International (SAI), einer internationalen Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York, ins Leben gerufen und dient vor allem transnationalen Unternehmen als Mindestforderung an Sozial- und Arbeitsstandards. Die SAI ist finanziell unabhängig. Für die Zertifizierung melden sich Unternehmen selbständig bei der SAI an. Im Gegensatz zu nationalen Gesetzen und Verordnungen ist SA 8000 eine internationale Norm, deren Zertifizierung und Befolgung auf freiwilliger Entscheidung der Unternehmen beruht. Sie basiert auf Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Vereinten Nationen (UN). SA 8000 ist eine international verbreitete Zertifizierungsnorm mit einer Reihe strenger Standards, unter anderem der Einführung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen, Vereinigungsfreiheit und dem Verbot von Kinderarbeit und Diskriminierung. Die SA 8000 überprüft die Einhaltung sozialer Mindeststandards in produzierenden Unternehmen und verantwortet weltweit die Zertifizierung von Fabriken, die durch unabhängige Zertifizierungsorganisationen realisiert wird. Vergleichbar ist die SA 8000 mit der Zertifzierungsnorm ISO 9001 [4]. Entsprechend dem Modell werden die folgenden Elemente abgebildet, die als „Zertifzierungsdimensionen“ gesehen werden können und Forderungen an die Qualität der Arbeit darstellen: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Kinderarbeit Arbeit unter Zwang Gesundheit und Sicherheit Gemeinsame Vertretung Diskriminierung Disziplinierung Arbeitszeiten Vergütung Managementsysteme
Der genaue Text findet sich auf der URL der SAI [4]. In Anlehnung an Heiner Minssens Aussage, dass Arbeitskraft als ein Versprechen zu sehen ist, dessen Realisierung durchaus ungewiss ist, das aber in Gewissheit überführt werden muss, stellt sich aus theoretischer und unternehmenspraktischer Sicht die Frage, welche Bedingungen geschaffen werden müssen und welche Möglichkeiten sich daraus ergeben,
die Kontingenz der Transformation in Eindeutigkeit zur „guten Qualität der Arbeit“ zu ermöglichen [5]. Jedenfalls bieten die Tools der SAI (Social Fingerprint®) gute Ansatzpunkte und erste Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Arbeit [6]. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Sauer, D. und W. Dunkel: „Von der Allgegenwart der verschwindenden Arbeit“. In: Sauer, D. und W. Dunkel (Hrsg.): Von der Allgegenwart der verschwindenden Arbeit. Neue Herausforderungen für die Arbeitsforschung. Berlin (edition sigma) 2006, S. 11 [2] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Leanmanagement. Einführung in Geschichte, Begriffe, Systeme, Techniken sowie Gestaltungsund Implementierungsansätze eines modernen Managementparadigmas. München (Oldenbourg) 2013 [3] BMBF (Hrsg.): Gute Arbeit im digitalen Zeitalter. Forschungsprogramm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“. Pressemitteilung vom 28. 09. 2014. [4] URL: http://www.sa-intl.org – Die Norm liegt inzwischen in der Version 2014 vor und kann auch in deutscher Sprache kostenneutral von der URL heruntergeladen werden. [5] Minssen, H.: Arbeit in der modernen Gesellschaft. Eine Einführung. Wiesbaden (VS Verlag) 2012, S. 31-47 [6] „Social Fingerprint is a set of tools that help organisations measure and improve their management systems for social performance.“ – http://sa-intl.org/index.cfm?fuseaction=Page. ViewPage&pageId=1711
Qualität als Beziehungsereignis ▶Quality as relational event ▶Qualität der Arbeit
Qualität erscheint als ein komplexes phänomenales Ereignis in vielfältigen Arten und Weisen. Je nach Verständnis und Perspektive der Betrachtung ergeben sich qualitativ verschiedene, zeitabhängige Wahrnehmungen und Interpretationen (►Qualität als philosophischer Begriff; ►Entstehung des Qualitätsmanagements). Ein phänomenologisches Verständnis des Qualitativen als relationales Ereignis fragt nicht nur danach was Qualität als attributives Merkmalsphänomen ist, sondern vielmehr wie es lebensweltlich und in Beziehungszusammenhängen in Erscheinung tritt und handlungs- und gestalungsrelevant wirksam und „bewirkt“ werden kann. Qualität ist also ein kontextgebundener Prozess der nicht mechanistisch erfass- oder steuerbar ist, wohl aber spezifische Prozessdimensionen aufweist (s. bes. Abbildung Q17). Insbesondere für kontaktintensive ►Qualitätsprozesse (z. B. in Dienstleistungen; ►Modelle der Dienstleistungsqualität) berücksichtigt ein phänomenologischer Ansatz dabei systematisch die Bedeutung des Materiellen, Leiblichen, Emotionalen und Atmosphärischen, aber auch sprachlich-narrativen bzw. dramaturgisch-symbolischen Dimensionen von Qualität als Beziehungsereignis [1]. Bezüglich dieser phänomenologisch untersuchbaren Zusammenhänge der leiblich-sinnlich ver-
863
Q
Qualität als Beziehungsereignis mittelten situativen Wahrnehmung und expressiven Sprachpraxis wird das Ereignis der Qualität als intentionaler und responsiver Verkörperungs- und Differenzprozess des Besonderen systemisch bestimmbar [2]. Das leib-sprachliche Geschehen kann dabei jedoch nicht nur auf einzelne subjektive Bewußtseinsträger oder objektive Bestimmungsmomente zurückgeführt werden. Aus phänomenologischer Perspektive ist Qualität daher weder durch rationalistisch-subjektivistische, noch durch empiristischobjektivistische Zugänge hinreichend bestimmbar fixieroder determinierbar (s. Abbildung Q16). Der unmittelbare, lebensweltliche Vollzug des Qualitätsprozesses geht vielmehr schon immer der Konstruktion von Subjekten und Objekten von Qualität voraus. Subjektive und objektive Dimensionen und Bestimmungsmomente der phänomenalen Qualität emergieren demnach erst aus dem leiblich-sinnlich-emotionalen und expressiven-kommunikativen Qualitätsereignis selbst. Begriff
Qualität, verstanden als ein Beziehungsereignis, entsteht aus einem „Zwischen“ heraus. Dieses Zwischen verweist dabei auf einen vielfältigen Beziehungszusammenhang, der z. B. materielle, räumlich-zeitliche, leiblich-sinnliche, emotionale, soziale, atmosphärische aber auch kognitive und sprachlich-narrative bzw. dramaturgisch-symbolische Dimensionen und Relationen umfasst. Eine solche Qualität ergibt und manifestiert sich demnach als ein komplexes und immer kontextabhängiges bzw. situiertes Ereignis. Als ein solches Geschehen vermag diese Qualität, in ihrer prozessualen Einheit, einen Unterschied zu machen und dabei einen Mehrwert zu generieren. (vgl auch Abb. Q17: Vier phänomenologische Differenzebenen des relationalen Qualitätsereignisses) Um zu verstehen, wie Qualität einen Unterschied macht, ist sie dabei immer relational und kontextabhängig in der Besonderheit ihrer Beziehungen zu untersuchen. Qualitäts-
Qualität als Beziehungsereignis beziehungen bewegen sich entsprechend – auch in organisationalen Lebenswelten – in vielfältigen, kontextuellen Relationsgefügen. Der Bereich der leib-situierten, interaktionsorientierten Qualitätsbeziehungen repräsentiert dabei in heutigen Organisationen ein heterogenes und komplexes Feld personeller und interpersoneller wie auch apersoneller z. B. struktureller, technischer und organisationaler Einflussund Wirkungskräfte. Grundlegend konstituieren sich Qualitätsbeziehungen in diesen Zusammenhängen als ein dynamischer Interrelationsnexus. Dieser ist gekennzeichnet durch ein Geben und Nehmen, welches verstanden werden kann als ein sich wechselseitig beeinflussender, zirkulärer Prozess von allem was am situativen Qualitätsgeschehen Beteiligten und dessen verflochtenen responsiven Zwischenbeziehungen. So werden z. B. bei dem wechselseitigen Leistungsprozess der Dienstleistungsqualität von Dienstleister und Bedientem bzw. Anspruchsgruppen, intentionale Bedürfnisse nachgefragt, Angebote eingebracht, Ansprüche erhoben, bzw. entstehen zu lösende Probleme. Diese sind dabei je eingebettet in soziomaterielle Bedingungen ihrer lebensweltlichen Situation und eines organisationalen Kontextes der Betroffenen einschliesslich organisationsexterner Anspruchsgruppen. Ferner beeinflussen atmosphärische, emotionale und kognitive wie auch handlungsbezogene Dimensionen und deren miteinander verwobenenen Zusammenhang dieses Qualitätsgeschehen. Aus diesem Beziehungszusammenhang heraus vollzieht sich der Qualitätsprozess z. B. von der Dienstleistung als „Prosumtion“ (►Prosumtion). Die „Konsumtion“ selbst wird dabei zu einer symbol- und wertschöpferischen, produktiven Aktivität; wie auch die „Produktion“ immer schon durch konsumptive Aspekte mitbestimmt [3]. In ihrem spezifischen Beziehungszusammenhang antworten dabei Prosumenten auf die in ihrem Qualitätsprozess vollzogenen Intentionen und auf die sich dabei ergebenen Ansprüche, Bedingungen Herausforderungen oder Probleme.
Abb. Q16: Qualität als Beziehungsereignis – Elemente eines anderen Qualitätsbegriffs
Q
Qualität als Beziehungsereignis – Der andere Qualitätsbegriff ◼ Qualität konstituiert sich als Prozess (Qualitätsprozess) in einem wechselwirkenden Beziehungszusammenhang zwischen den an ihrer Entstehung und Entwicklung Beteiligten. ◼ Nicht was Qualität als eindeutig bestimmbare Einheit ist, sondern wie sie sich als Differenzprozess ereignet und als solche erlebt wird bzw. wirkt, ist für eine phänomenologische Betrachtung unter- und entscheidend. Das Wie dieses Qualitätsgeschehens prozessiert sich dabei immer als ein besonderes Ereignis (Qualitätsereignis). ◼ Dabei bezieht sich die charakteristische Eigenschaftlichkeit des Qualitativen (Beschaffenheit) sowohl auf das, was den Dingen oder Prozessen attributiv zu eigen wie auch, was ihnen relational zugeschrieben wird. ◼ Die Beziehungsdynamik des Qualitativen bezieht sich auf das, was einen qualitativen Unterschied ausmacht. Das Unterscheiden selbst stellt bereits einen qualitativen Prozess dar. Qualität ist so – über die genannten wesentlichen Prozessbeziehungen und attributiven Eigenschaftlichkeiten hinaus – auch das, was den Unterschied eines anderen Unterscheidens ausmacht. Kurz: Qualität ist ein Unterscheidungsmerkmal (difference characteristic) und zeigt sich als Differenzereignis, das der Empirie zugänglich gemacht werden kann. ◼ Die Wertschöpfung vollzieht sich somit keineswegs über eine lineare Wertschöpfungskette, sondern bestimmt sich im konstellativen Zusammenspiel aller im Qualitätsprozess Beteiligten und ihrer Zwischenbeziehungen. Kurz: Qualität wird nicht produziert sondern prozessiert. ◼ Qualität als Beziehungsereignis muss folglich als Kreation verstanden werden, die allerdings auch misslingen kann. In solchen Fällen produziert der Wertschöpfungsprozess keinen Mehrwert. Ein wertvolles Qualitätserlebnis ist dann nicht entstanden. Kurz: Qualität kann auch negativ erscheinen. Dabei ist die Betrachterperspektive entscheidend. Ein Blick in die Rezensionsartikel des Online-Händlers amazon bestätigt die vielfältigen Qualitätsurteile.
864
Als ein inter-relationaler und intentional-responsiver Differenzprozess eines Gebens und Nehmens in einem wechselwirksamen Beziehungsgewebe, konstelliert sich Qualität so je besonders als ein potenziell mehrwerthervorbringendes, offenes Ereignisgeschehen, welches gelingen oder auch scheitern kann. Selbst wenn es keinen Mehrwert generiert ist es als dann negatives Beziehungsereignis wirkungsmächtig. Zum Beispiel ist ein Verkaufsgespräch nicht immer erfolgreich und schließt nicht immer mit einem Kauf ab oder führt zur Zufriedenheit des Kunden bzw. des Verkäufers. Dadurch können sich auf beiden Seiten kognitive und emotionale Dissonanzen einstellen.
Qualität als Beziehungsereignis
Qualität als Beziehungsereignis
Abb. Q17: Vier phänomenologische Differenzebenen des relationalen Qualitätsereignisses
Qualität als „Wie“ im Beziehungszusammenhang Qualität konstituiert sich in einem wechselwirkenden Beziehungszusammenhang zwischen den an ihrer Entstehung und Entwicklung Beteiligten bzw. von ihr Betroffenen in ihrer leib-sprachlichen Involviertheit. Phänomenologisch kann das Qualitätsgeschehen als eine prozessual-eidetische Differenz zwischen Wesen und Tatsache des qualitativ Erfahrenen in seinen Konstellationsprozessen aufgefasst werden. Nicht was eine Qualität als eindeutig bestimmbares Einheitlichkeitsgefüge ist, sondern wie sie sich als Differenzprozess ereignet und als solche erlebt wird bzw. wirkt, ist für eine phänomenologische Betrachtung unter- und entscheidend. Das Wie dieses Qualitätsgeschehens prozessesiert sich dabei immer als ein besonderes Ereignis.
Qualität als responsives Unterscheidungsereignis im Zwischen Die Beziehungsdynamik des leib-sprachlichen Zwischen des Qualitativen bezieht sich auf das, was einen qualitativen Unterschied ausmacht. Das Unterscheiden selbst stellt bereits einen qualitativen Prozeß dar. Qualität ist so, über die genannten wesentlichen Prozessbeziehungen und attributiven Eigenschaftlichkeiten hinaus, auch das, was den Unterschied eines anderen Unterscheidens ausmacht. Das Unterschiedene bezieht sich dabei immer auf leibliche und sprachliche Prozesse. Die intentionale „Differenz-cum-Differenz“ des Qualitätsgeschehens liegt somit zwischen dem was sich als Qualität zeigt und dem wie sie als Differenzereignis erscheint. Responsiv ist diese Differenz insofern sie sich zwischen dem was leiblich und sprachlich nachgefragt wird und wie bzw. worauf geantwortet wird bewegt. Qualität ist somit ein leibliches und sprachliches Differenzmoment, welches sowohl eine bestimmte Wahrnehmung und Erfahrung von Eigenschaften erst ausmacht, als auch die Realisation von Qualität, die sie responsiv-intentional ermöglicht. Leibliche und sprachliche Qualität als das Eigenschaftliche und Unterscheidende der erfahrenen Dinge, der dabei vorkommenden Anderen und erlebten Prozesse, kommt ihnen durch diesen responsiven Differenzprozess zu. Erst in diesem Differenzierungsprozess entsteht somit das, was sich wie unterscheidet und was wie unterschieden wird. Das Wesen der Qualität liegt somit nicht nur in den Dingen und/oder Prozessen selbst, sondern vor allem auch zwischen den qualitativen, leiblichen und sprachlichen Beziehungen, welche die Erfahrung von Qualität ermöglichen, intendieren bzw. geschehen lassen. Einzelqualitäten sind dabei in einem, je besonderen, offenen Gesamtsystem integrierbar. Die darin betrachtete Gesamtqualität besteht jedoch nicht aus der Summe der Partialqualitäten. Auch das „Ganze“ der Qualitäts-Gestalt ist mehr und anders als die Summe ihrer Teile.
Qualität als das, was sinnlich, räumlich-zeitlich und sprachlich einen Unterschied macht Die charakteristische Eigenschaftlichkeit des Qualitativen bezieht sich auf das, was den Dingen oder Prozessen attributiv zu eigen ist oder relational zugeschrieben wird. Leiblich empfundene Eigenschaften beziehen sich auf die sinnlichen (Wahrnehmungs-)Apperzeptionen des Hörbaren, Sichtbaren, Schmeckbaren, Riechbaren und Fühlbaren im empirischen Raum und in vergänglicher Zeit. Räumlich und sprachlich situiert werden diese Eigenschaftlichkeiten befragt, begriffen, besprochen oder beanstandet. Indem empfundene Eigenschaften kommunikativ mitgeteilt und ausgedrückt werden, werden sie so als bewusste mithervorgebracht. Auch macht hier das spezifische Wie des sinnlich-leiblichen Erlebens und sprachlich-sozialen Besprechens der Merkmale und Eigenheiten des Qualitativen die Besonderheit der Qualitätserfahrung aus. Das Qualitätsgeschehen kann in diesem Sinne als eine attributive und prozessuale Differenz des Sinnlich-Räumlich-Sprachlichen und dessen „Zwischen“ interpretiert werden.
Phänomenologische Differenzebenen des relationalen Qualitätsereignisses
Qualität als mehrwertgenerierender Prozess Aus der zuvor genannten responsiven Differenzbewegung heraus bringt der Qualitätsprozess einen produktiven und wertvollen Überschuss hervor. Aus der Dynamik des Qualitätsereignisses ergibt sich ein höherwertiges Sein. Das virtuelle Quaitätsereignis aktualisiert sich über das leibliche und sprachliche Erleben und bringt so eine immanente und offene Mehrwertigkeit hervor. Immanent ist diese insofern das Mehr dem Differenzprozess selbst innewohnt; offen ist es insoweit als das Intendierte und das je Gegebene der mehrdeutigen Wirklichkeiten sich nur partiell erfüllen. In dieser offenen Bestimmtheit und den bestimmten Offenheiten der mehrwertigen Qualität liegt immer nur die Andeutung eines „Ganzen“, das jedoch nie fertig ist. Die Wertschöpfung vollzieht sich dabei im konstellativen Zusammenspiel aller im Qualitätsprozess betroffenen Teilnehmer und deren Zwischenbeziehungen. Daher wird Qualität nicht über eine lineare Wertschöpfungskette, gemäß einer industrieökonomischen Logik folgend „produziert“, sondern prozessiert sich emergent aus interrelationalen Wertkonstellationen bzw. Wertschöpfungspartnerschaften. Aus einem solchen Konstellationszusammenhang entsteht ein wertvolles Erleben von Qualität. Die Qualitätkreation bringt so immer einen leiblich erfahrbaren und sprachlich ausgedrückten und nachvollziehbaren Mehrwert mit sich.
865
Q
Qualität als Beziehungsereignis Prozesse und Ergebnisse eines Verkaufsprozesses erscheinen so je aktuell und auch retrospektiv betrachtet evtl. gar nicht mehr positiv. Qualitätsereigenisse sind folglich in ihrer Offenheit immer ambivalent, schwer voraussehbar und wenig planbar.
Wie aufgezeigt, eröffnet somit ein phänomenologisches Verständnis von Qualität die systematische Berücksichtigung von materiellen, leiblichen, emotionalen, sprachlichen und symbolischen Dimensionen in ihren Beziehungszusammenhängen.
Ein konstellatives Modellieren erlaubt das Zusammendenken verschiedener situierter multilateralen Aspekte des interrelationalen Qualitätsereignisses. Der Vorteil eines solchen Denkens in komplexen Konstellationen bzw. prozessualen Konfigurationen ist es, zu einer dynamischen und „proto-integralen“ Wirklichkeitsinterpretation und -gestaltung [9] mit lebensweltlicher Konkretion von Bedeutung des auch ambivalenten Ereignis des Qualitativen zu kommen.
Entgegen eines reduktionistischen Verständnisses von industriell-produktionsorientierten Zugängen ermöglicht eine solche Orientierung andere Zugänge und Umgangsweisen zum Phänomen des Qualitativen. Insbesondere kann die Berücksichtigung relationaler Prozessdimensionen dazu beitragen einen erweiterten Denk- und Gestaltungshorizont der Qualitätsforschung und -praxis zu gewinnen. Durch einen phänomenologischen und interdisziplinären Bezug können so weitere und innovative Interpretations- und Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet und eine kritische Perspektivierung gewonnen werden, die dem Qualitätsereignis und deren komplexen Beziehungen gerade in Organisations- und Führungszusammenhängen eher gerecht werden. Aus phänomenologischer Perspektive kann so ein Verständnis von Qualitätsbeziehungen gewonnen werden, welches ein „Sichein-lassen“ aller Beteiligten auf ein Offenes und Gestaltungsmöglichkeiten Werdendes vermittelt, in welches die konstituierenden Prozesse „hereinstehen und -wirken“.
Qualität wird so nicht als ein einheitliches oder stabiles Gefüge, sondern als ein unbeständiger Zusammenhang mehrwertiger Prozesse und Manifestationen sowie dynamischer Interrelationsprozesse zugänglich. Auch die sozial-psychologische Organisation der interaktiven Qualitätsbeziehungen in Form von Rollen, Riten, Narrationen und symbolischen und interpretativen (Aus-)Handlungsprozessen werden so zugänglich. Diese können dann für eine entsprechende qualitative ►Organisationskultur und ein Qualitätsmanagement fruchtbar gemacht [1] und ein erweitertes Verständnis von verkörperter Produktivität von Qualität, insbesondere in Dienstleistungen gewonnen werden [4].
Q
Qualität als Beziehungsereignis
Einer phänomenologischen Orientierung folgend wird die Bewältigung praktischer Erfordernisse und der Gestaltung wie auch der Umgang mit Problemen organisationaler und kundenbezogener Beziehungen im Qualitätszusammenhang durch ein gemeinsames Empfinden, Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Handeln der Involvierten bzw. Betroffenen in dessen sozio-materiellen, räumlichen und lebensweltlichen Einbettung vollzogen. Diese sind dabei immer auch von politischen Machtkonstellationen und interessensbedingten Vorgaben bzw. Auflagen mitbestimmt. Daher kommt es auf eine kritische Betrachtung der involvierten ►Qualitätsforderungen im Verhältnis zum ►Qualitätsprozess an (►Forderungen/Anforderungen). Im o. g. Verkaufsgespräch weiß der Verkäufer meistens, was er verkaufen soll, folgt also sowohl seinem Eigeninteresse wie auch dem Fremdinteresse der Organisation, was aber in Konflikt mit den Interessen der Kunden sein kann. Bei Beachtung real-wirksamer Interessen und Konflikte kann ein Verständnis kooperativer Gestaltung und Entfaltung von Qualität gewonnen werden. Dieses ist dabei weder subjektiv-personalistisch verkürzt zu denken, noch gemäß einer objektivistisch-rationalistischen Ausrichtung reduzierbar. Gegenüber einem mechanistisch-funktionalen Welt- und Menschenbild und herkömmlichen Modellen der Dienstleistungsqualität (►Modelle der Dienstleistungsqualität) sind die Figuren und Konfigurationen eines relationalen Qualitätsgeschehens als Prozesselemente zu verstehen, die sich in ihrer Beziehung wechselseitig und ko-kreativ hervorbringen.
866
Qualitätsbeziehungen die sich nur als „Übereinstimmung mit Entsprechungen“ [5] oder als „zufriedenstellende Beschaffenheit von betrachteten Einheiten“ [6] verstehen, folgen der Vorstellung einer im Vorhinein bestimmbaren Standardisierungslogik eines repräsentationalen „Richtigen“. Wo Qualitätsbeziehungen nur als Richtigkeit des antizipierenden Vorstellens maßgebend wird, bleibt das phänomenale Qualitätsereignis und dessen Beziehungsdynamik nicht nur unzugänglich, sondern wird systematisch verkannt. Ein phänomenologisches Qualitätsverständnis ist daher kritisch gegenüber einem monofunktionalistischem Managerialismus im Rahmen einer „audit society“ und den nicht-intentionaler und dysfunktionaler Konsequenzen „ge-auditer“ Organisationen[7]. Das Darlegen und Zertifizieren von QM-Systemen, wie es die gegenwärtige Praxis der ►ISO 9001 fordert, folgt somit einer Logik, die sich mit dem Ansatz einer „Qualität als Beziehungsereignis“ unvereinbar scheint. Da ein Zertifikat zur ISO 9001 die Qualitätsfähigkeit (quality capability) eines bestimmten organisatorischen Zuschnitts beschei-nigt, muss wohl festgestellt werden, dass vielen (Dienstleistungs-)Organisationen eine Fähigkeit und Potentialität bescheinigt wurde, die im Reich des Irrealen oder Pseudohaften zu sehen ist. Eine Phänomenologie der Qualität als Beziehungsgeschehen ermöglicht demgegenüber ein Prozessverständnis mit dem auch ein qualitatives Tätigsein und sinnvolles Arbeiten in lebensweltlichen Organisationen gestaltet und dessen Kultur als leib-situierten und sozialen Wert- und Sinnzusammenhang für die Entwicklung des Qualitativen einer nach-industriellen Gesellschaft berücksichtigt werden. Wird Qualität phänomenologisch als ein Beziehungsereignis verstanden, erweist es sich als ein singuläres und unverfüg-
Qualität als ethischer Begriff
Qualität als ethischer Begriff
bares Geschehen, welches die Grenzen des herkömmlichen ökonomischen Verständnisses von Qualität auch im historischen Zusammenhang deutlich macht (►Qualität als philosophischer Begriff).
Aber wer sagt und wie wird definiert, was gut und nützlich ist? Und wann ist die Mühe, Gutes und Nützliches geschaffen zu haben, ausreichend [1]? Das sind ganz grundsätzliche methodische und ideelle Fragen.
Eine zukunftsfähige Ausrichtung der beschriebenen relationalen Qualität wird zunehmend auch Fragen der Nachhaltigkeit (►Nachhaltigkeit) und ethischen Ausrichtung (►Qualität als ethischer Begriff) in einer entsprechenden verantwortlichen Zwischenpraxis im Sinne einer responsiver und integraler „Ver-Antwortung“ in Führung und Organisationen sowie der Wirtschaft und Gesellschaft [8] berücksichtigen bzw. vermitteln. Prof. Dr. rer. pol. Wendelin M. Küpers, Karlshochschule Karlsruhe
2. Philosophisch gesehen geht es also darum, eine Wertelogik des in Wirtschaft und Gesellschaft Guten und Nützlichen zu beschreiben (sozio-ökonomische Deontik), und zwar hin sichtlich der zugrunde liegenden Ideale und der Prozesse, welche die Ideale erreichen lassen. Durchsucht man die vielen Kandidaten dafür, erscheint die eudaimonistische Ethik, d. h. die Lehre vom geglückten Leben als die beste Grundlage für die Philosophie der Leistungs-Qualität.
Anmerkungen und Literatur
[1] Küpers, W.: Phänomenologie der Dienstleistungsqualität, Wiesbaden (Gabler) 1999 [2] Küpers, W.: In-Corporation. Phenomenology for Embodied Organization – The contribution of Merleau-Ponty for a carnal organisation studies and practice, London (Palgrave Macmillan) 2015 [3] Blättel-Mink; B. und K.-U. Hellmann (Hrsg.): Prosumer revisited. Zur Aktualität einer Debatte. Wiesbaden (VfSozWiss.) 2010 [4] Küpers, W.: Phenomenology of Embodied Productivity in Services, In: International Journal of Service Industry Management, Special Issue: Service Productivity, Number 4, Volume, 9, 1998, p. 337-358 [5] Crosby, P.: Quality is free: the art of making quality certain, New York (McGraw-Hill) 1979 [6] Geiger, W.: Qualitätslehre, Einführung, Systematik, Terminologie, 3. Auflage. Braunschweig (Vieweg) 1998 [7] Power, M.: The Audit Society Rituals of Verification, Oxford (Oxford University Press) 1997 [8] Küpers, W.: Perspektiven responsiver und integraler „Ver-Antwortung“ in Organisationen und der Wirtschaft In: Heidbrink, L. und A. Hirsch (Hrsg): Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip. Zum Verhältnis von Moral und Ökonomie, Frankfurt am Main (Campus) 2008, S. 307-338. Küpers, W.: Embodied InterPractices of Leadership”, in: Leadership 9(3), 2013, p. 335-357 [9] Zur Bedeutung von „proto-integral“ vgl. Küpers, W., Deeg, J. und Weibler, J.: Integrale Steuerung von Organisationen. München (Oldenbourg) 2010
Qualität als ethischer Begriff
▶The Concept of Quality as a Moral Concept ▶Ethisches Qualitätsmanagement (EQM)
Die Qualität als ethischer Begriff In diesem Stichwort wird kritisch auf die Fachbegriffe ►Qualität als Fachbegriff des QM, ►Qualitätsmanagement und ►TQM Bezug genommen. Siehe besonders Anmerkung [1] Thesen mit Erläuterungen Sprachgebrauch, Methodisches und ein Grundbegriff 1. Qualität heißt nichts weiter als Be schaffenheit (gut, schlecht, nützlich, jede Art von Eigenschaften). Qualität im Sinne des Qualitätsmanagement heißt, sich Mühe zu geben, dass die von einem Unternehmen angebotenen Produkte und Dienstleistungen gut und nützlich sind.
Eudaimonistische Ethik in der Leistungsgesellschaft – Eudaimonie 3. Glücklich sei der Mensch, schrieb Aristoteles [2], wenn er ein Werk schafft, das seinen Fähigkeiten entspricht und für die Gesellschaft nützlich ist. Und, so weiß die moderne Personalführung zu berichten, glückliche Menschen schaffen gute Qualität [3]. Qualitativ hochwertige Arbeitsergebnisse können erzielt werden, wenn die Menschen in der Arbeit ihr persönliches Glück (meistens nur teilweise, aber immerhin) finden. Als Wort zum Sonntag allein ist die eudaimonistische Ethik trivial. Als ernsthafter sozialpolitischer Grundsatz, wäre sie Sprengstoff. Sie sollte sozialer Konsens sein und müsste überall dort zur Politik entwickelt werden, wo nur noch Produkte und Dienstleistungen höchster Qualität marktfähig sind. Hieraus folgt: 4. In den hoch differenzierten westlichen Leistungsgesellschaften erhalten eudaimonistische Werte die Funk tion, Qualitätsforderungen zu legitimieren. Es geht nicht darum, in willkürlichen Normen zu definieren, was Qualität sei, sondern Qualität zu schaffen muss erst einmal als Lebensaufgabe verstanden werden. Qualität ist aber nicht zu erzwingen. Als sozialpolitisches Postulat wäre sie vielmehr erst im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern. Entfremdung? oder Selbstverwirklichung? 5. Es hieß einmal, abhängige Arbeit entfremde den Menschen von seinem Streben nach Glück. In der arbeitsteiligen Gesellschaft führt aber jede Art der Arbeit zur Abhängigkeit. So gesehen gäbe es keinen glücklichen, Qualität schaffenden Menschen, solange er sich noch als seiner selbst entfremdet (abhängig) glaubt. Was gilt: Entfremdung durch Arbeit oder Selbstverwirklichung in der Arbeit? Die EntfremdungsThese gilt nur in einem quasi-theologischen Zusammenhang (Rückkehr oder Aufbruch in ein Paradies) und hat sich selbst historisch widerlegt. Die Selbstverwirklichungs-These bietet die Chance, Arbeitsqualität und Lebensqualität zu vereinen. Das echte und das falsche Bedürfnis nach Sicherheit 6. Qualität ist ein gesellschaftliches Postulat. Pfusch ist unmoralisch. Es reicht aber nicht aus, Mitarbeiter in arbeitsteiligen Prozessen zur Qualität zu ermahnen. Faulheit, Schlamperei, Neid, Schmarotzertum und Geldgier können zeitweise auch Lebensqualität schaffen. Man muss Qualität sicherstellen.
867
Q
Qualität als ethischer Begriff
Begriff
7. „Qualitäts-Sicherung“ ist eine Notwendigkeit der Sozialethik. Wer Produkte und Dienstleistungen anbietet, sollte den Kategorischen Imperativ [4] der Arbeitsqualität beherzigen, der lautet: „Schaffe die Qualität, die du auf einem Käufermarkt mit freiem Wettbewerb selbst kaufen würdest.“ Mitarbeiter dazu zu bringen, dass sie diesen Kategorischen Imperativ beherzigen, ist eine echte Führungsaufgabe (►Führung und Qualitätsmanagement). 8. Das falsche Bedürfnis nach Sicherheit kommt aus einem weit verbreiteten Kontroll- und Perfektions-Zwang und ist eine neurotische Abart der Ethik. Bürokratische Organisationen glauben, dass Qualitäts-Normen und -Audits bereits Qualität schaffen. Das ist weniger als die halbe Wahrheit. Trotz aller Kontrollen und Normen schafft nur das QualitätsBewusstsein qualitätsvolle Produkte. Qualität der Leistung - elitäres Bewusstsein ? 9. Menschen des abendländischen Kulturkreises haben den Wunsch, dass ihre Lebensarbeit über die Lebenszeit hinaus von Dauer sei. Qualitätvolle Arbeit sollte den sie schaffenden Menschen überdauern. Wo dies nicht möglich ist oder unwirtschaftlich oder unerwünscht, kann sich das Qualitätsmanagement auf Regelungen für Gewährleistungsansprüche beschränken und braucht nicht nach weiteren ethischen Begründungen suchen. In diesen Fällen hat die Ethik im QM abgedankt.
Q
10. Zwar ist die Menschheit schon lange aus dem ökonomischen Stadium des Tauschhandels heraus, aber es gilt immer noch der Grundsatz, dass Geben und Nehmen ausgeglichen sein sollten. „Qualität hat ihren Preis“ bedeutet, hier findet ein ethischer Handel statt zwischen Menschen, die mit vollem Einsatz zwei Produkte ihrer jeweiligen Lebenszeit austauschen. Wo das nicht stattfindet, wo Massenwaren gegen stumpf vertane Zeit eingewechselt werden, steht die Qualitäts-Philosophie auf verlorenem Posten. Mit dem Qualitäts-Argument ist allerdings der modernen Sklavenarbeit, mit der die mannigfachen Massenkonsumartikel inzwischen produziert werden, nicht beizukommen. Qualitativ sind z. B. die Textilien aus Asien ausreichend (produziert nach Spezifikation); ethisch sind die entsprechenden Produktionsbedingungen verwerflich. Ethisch gesehen gehören aber Qualität und faire Arbeitsbedingungen zusammen und bedingen sich wechselseitig. Aus QM muss Sozialpolitik werden (s. o. – mehr zum Thema Qualität und Ethik im Stichwort ►Ethik der Finanzdienstleistungen). 11. Es wird nicht bezweifelt, dass die Qualitätsmerkmale „Dauer“ und „eingesetzte Lebenszeit“ anachronistisch wirken. Aber vielleicht denkt der eine oder andere Macher einmal darüber nach, was von seinem Leben bleibt (und dem seiner Mitarbeiter), wenn nicht wenigstens einige seiner und ihrer Leistungen jene Merkmale haben. Außerdem, hier wird es deutlich: Qualität darf nicht elitär bleiben – auf jeder
868
Qualität als ethischer Begriff Ebene der Wertschöpfung. Alle Bemühungen um „corporate ethics“ zielen darauf, ein gemeinsames Qualitätsbewusstsein zu heranzubilden (s. Thesen 17 ff.). Leistung der Qualität: Altruismus gegen Egoismus – TQM gegen „OPM“ 12. Qualität wird hergestellt. ►Total Quality Management sollte nicht nur ein Schlagwort sein, sondern ein Bewusstsein. In Großbetrieben und in den modernen vernetzten Zuliefer strukturen wird das Bewusstsein der Abhängigkeit voneinander durch die Unternehmens- und Branchenkultur erzeugt. Diese sollte der Qualität verpflichtet sein und nicht kurzsichtig auf Other People’s Money schielen, d. h. den eigenen Gewinn auf Kosten der Gesamtstruktur zu maximieren. 13. Jede Kultur eines gesunden Unternehmens oder einer gesunden Branche ist das Abbild des Ausgleiches von Egoismus und Altruismus, der in allen überlebensfähigen Tier- und Menschen-Gesellschaften erreicht wurde, da sie sonst nicht existieren würden. Egoismus ist die Steigerung oder Bewahrung des Unternehmensgewinnes (allgemein: Erhaltung des Individuums). Altruismus ist die Befriedigung der aus der Arbeitsteilung entstehenden sozialen Bedürfnisse der Mitmenschen, d. h. von Mitarbeitern und Kunden (allgemein: Erhaltung der Gruppe; heute und in Zukunft der Spezies). Der Ausgleich heißt soziale Vernunft. Nutzen für andere, Empathie 14. Nützlich sind Dienstleistungen und Produkte, wenn sie dazu beitragen, die objektive und subjektive Mühsal des Lebens zu verringern. Das gilt für die Produktentwicklung eines Unternehmens und heißt dort Kundenorientierung. Und es gilt für die internen Geschäftsprozesse und heißt dann Prozessorientierung und Mitarbeiterorientierung. Gemeinsam ist allen drei Orientierungen, dass der Altruismus den Egoismus aufhebt. Manager ohne Fähigkeiten zum Altruismus und zur Empathie [6] (Einfühlung in andere) haben geringe Chancen. Stress, Kreativität, Langsamkeit [7] 15. Jetzt geht es um die Lebensqualität derjenigen die für die Qualität der Produkte verantwortlich sind: die sog. Manager. Die Devise muss lauten: Entbindung von Zeitzwängen (na türlich in den Grenzen einer sinnvollen Arbeitsproduktivität – siehe auch These 6). Jeder spürt es am eigenen Leib: Man ist schneller ausgebrannt, und dann helfen auch keine inneren und äußeren Zwänge zur Leistung. 16. Zeit ist ein subjektives Erleben. Von jedermann und in unterschiedlichen Situationen wird Zeit mal als kurzweilig oder als langweilig erlebt; oder sie fehlt ganz. Im Zeitmanagement sollte der Manager auch lernen, im rechten Moment langsam zu denken und zu handeln und auch den Umgang mit unterschiedlichen subjektiven Geschwindigkeiten zu beherrschen. Muße ist keine vertane Zeit. Herr zu sein über die eigene Lebenszeit, gehört zu den höchsten ethischen Forderungen und Errungenschaften. – Muße für Qualität ist eine Managerpflicht [8].
Qualität als ethischer Begriff Pragmatik der Qualität 17. Alle bisher formulierten Thesen waren Forderungen, die aus dem vernünftigen Grundsatz der Eudaimonie abgeleitet wurden. Aber die Wirklichkeit garantiert nicht, dass stets höhere Vernunft und guter Wille vorhanden sind. Vernunft und guter Wille sind seltene Tugenden. Man kann sie auch nicht erzwingen. Liegt hier das banale Ende der Qualitäts-Ethik? Vielleicht nein, wenn das Qualitäts-Bewusstsein zum Prinzip einer allgemeinen Wirtschaft-Kultur erhoben werden kann. Dafür wären drei Maßnahmen zu ergreifen: ◼ Konsens über die Notwendigkeit der Verknüpfung von Qualität und fairen Arbeitsbedingungen ◼ Kohärenz des Qualitätsbewusstseins ◼ Bewusstseins-Bildung bei Meinungsführern und Managern. Konsens über die Notwendigkeit der Qualität 18. Ob als Wissenschaft oder als Mythos definiert, der Gruppenkonsens ist eine Voraussetzung für Wahrheit. Es gilt daher, alle Leistungsträger davon zu überzeugen, dass Qualität vor allen Normierungen und Standards eine ethische und zugleich wirtschaftliche Notwendigkeit ist (siehe Thesen 5 ff.). Konsens stellt sich aber nur ein, wenn das, was man weiss oder glauben soll, auch in sich frei von groben Widersprüchen ist. Kohärenz des Qualitätsbewusstseins 19. Die Kohärenz eines Systems von Wissens- oder Glaubenssätzen wird hergestellt, indem entweder unbezweifelbare Tatsachen oder allgemein anerkannte Dogmen zugrunde gelegt werden, aus denen alle weiteren Aussagen streng logisch und methodisch abgeleitet werden. Für das Qualitätsbewusstsein heißt dies, dass die eudaimonistische Sozialethik als Grund satz hergenommen werden könnte, wenn sie denn wirklich dafür taugt. 20. Es können andere Grundsätze oder Ethiken oder sozialempirische Befunde (z.B. Markttrends) genommen werden, wenn sie nur stringent auf alles, was Leistungsqualität heißt, angewandt werden. In der Regel sind nur die in längeren Zeiträumen geprüften Philosophien (unter welchen Namen sie sich in der Geistesgeschichte auch vorstellen) geeignet, Kohärenz zu stiften, und da hat die eudaimonistische Ethik eine solide Position. Vor allem ist sie weitgehend immun gegen Herrschaftsideologie und Tyrannei (weil sie die individuelle Selbstverantwortung mit dem Lebensglück verknüpft).
Qualität als ethischer Begriff 22. Eine letzte These zum ►Change Management: Bewusstseins-Bildung ist die Voraussetzung der Prozessoptimierung. Dr. Alexander von Baeyer Anmerkungen und Literatur
[1] Vgl. den Artikel dieses Lexikons über ►Qualität als Fachbegriff des QM mit dem genormten Begriff, der besagt, dass Qualität die Über ein stimmung von „realisierter Beschaffen heit“ mit Forderungen an die Beschaffenheit ist. D. h. Qualität ist, was als Qualität definiert wird. Ein solcher Sprachgebrauch ist formal und tautologisch, solange nicht eine konkrete Wertordnung hinter den Forderungen nach Qualität steht, d.h. Kriterien für nachhaltige Werturteile existieren. Nur auf das Maß der Übereinstimmung abzuheben, ist methodisch gefährlich, weil beliebig interpretierbar (z.B. Qualität ist, was der Monopolist definiert.). [2] Aristoteles: Nikomachische Ethik, 1. Buch: „gut und richtig Leben“ und „gut und richtig Handeln“. Die eudaimonistische Ethik wird auch als Ethik der sozialen Vernunft bezeichnet, vgl. dazu H.-H. Schrey, Einführung in die Ethik, Darmstadt 1972. – Ob die aristotelische Eudaimonie auch in der globalisierten Welt ein brauchbares ethisches Konzept ist, wäre freilich noch philosophisch und ggf. auch empirisch zu klären; s. hier den Artikel über das ►Glück. [3] „Milch von glücklichen Kühen.“ Die glücklichsten Kühe sind freilich die Industrieroboter. Das Menschheitsideal ist aber Selbstbewusstsein und nicht Stumpfsinn. Siehe hierzu auch M. Neumann und J. Schmidt, Glücksfaktor Arbeit – Was bestimmt unsere Lebenszufriedenheit?, eine empirisch basierte Veröffentlichung des Roman-Herzog-Instituts, 2013. [4] Von Kant in der „Kritik der praktischen Vernunft“ formuliert („Handle ...“), tatsächlich im sozialen Leben unerlässlich; von Kant freilich eher zwanghaft als konsensmäßig gedacht. [5] Goethe: Faust I und II, durchgängig. [6] Altruismus ist nicht herrschsüchtige Wohlfahrt („ich weiß, was gut für dich ist“), sondern benötigt die Gabe der Einfühlung in die Selbständigkeit des Anderen. [7] Vgl. dazu A. Lukas: Die Entdeckung der Langsamkeit, in: Blick durch die Wirtschaft, 08. 08. 1997. [8] Vgl. dazu A. von Baeyer: Muße. Stichwortartikel, in: Fuchs, W., J. W. Mundt u. H.-D. Zollondz (Hrsg.): Lexikon Tourismus. München-Wien (Oldenbourg) 2008, S. 468-472.
Q
Bewusstseins-Bildung bei den Managern 21. Bildung und Ausbildung sind die einzigen Mittel, um Werte lebensfähig zu erhalten. Angenommen Kohärenz und Konsens werden definiert, wie vorgeschlagen: Welche Tugenden müssten Manager erwerben, um das so definierte Qualitätsbewusstsein lebendig zu erhalten und zu tradieren? ◼ Empathie ◼ Zeitmanagement und Befähigung zur Muße ◼ Change Management unter den Bedingungen der gewählten Wertelogik.
869
Qualität in der Französischen Küche
Qualität in der Französischen Küche
Qualität in der Französischen Küche
zum identischen Ergebnis gelangt. Doch diese simple Vorstellung täuscht. Schon bei traditioneller handwerklicher Produktion ist Perfektion in der Herstellung nur annähernd erreichbar und das Ergebnis kann in diesem Sinne sehr wohl als Unikat bezeichnet werden. So auch in der Kochkunst. Wir haben es bei einem Gericht, dessen Rezept befolgt wird, immer mit einem einmaligen „Ereignis“ zu tun. Folgt man dem Konzept von moderner Qualitätsauffassung (Qualität ist die Relation und Realisation von Forderungen [hier manifestiert im „Rezept“], die in Bezug zum beschaffenen Ergebnis zu sehen sind.), so muss die „Blackbox Mensch“ als derjenige Faktor gesehen werden, der auf Basis fester Regeln (ganz im Sinne der Systemtheorie, s. ►Qualität als systemtheoretischer Begriff) den Unterschied macht. Nicht umsonst ist von der Kunst des Kochens die Rede.
▶ Quality in the French Cuisine
Begriff
„Die Tiere fressen, der Mensch ißt, der Mann von Geist versteht die Kunst zu essen. … Das Geschick der Nationen hängt von ihrer Nahrung ab.“ (Brillat-Savarin)
Vorbemerkung und Bestimmung des Begriffs Die Qualität einer Küche hängt von drei Faktoren ab: ◼ Material: Rohstoffe/Zutaten ◼ Fertigung/Zubereitung: Hierzu gehören auch technische Ausstattungen und Verfahren ◼ Rezeption: Historische Grundlagen und gesellschaftliche Rahmenbedingungen Französische Küche (Cuisine française) soll diejenige Form der Küche genannt werden, die sich seit etwa dem 14. Jahrhundert in Frankreich entwickelt und später weltweit verbreitet hat. Ihr historischer Ursprung wird fälschlicherweise oft auf den Einfluss der italienischen Küche zur Zeit der Renaissance zurückgeführt. Wesentliche Charakteristika sind die hohe Speisequalität und die Herausbildung einer festen Menüfolge mit mindestens drei Gängen. Entsprechend dem in Frankreich herrschenden zentralistischen Prinzip werden die verbindlichen Maßstäbe allgemein anerkannt von Paris ausgehend tradiert. Die Französische Küche, das gastronomische Mahl der Franzosen, wurde 2010 als erste Nationalküche in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Sie gilt als Vorbild für sämtliche gehobenen Küchen (Haute Cusine). 1 Geographie und Klima, Hauptstadt und Regionen Frankreich gilt als Mutterland der „haute cuisine“, der Kochkunst. Frankreich („la douce France“) hat durch Geo-graphie und Klima hervorragende Voraussetzungen für eine hochentwickelte Küche. Das Land ist groß und vielgestaltig, es umschließt Landschaften vom Hochgebirge bis zum Meer, und ist durchwegs von gemäßigtem Klima gesegnet. Daraus erwachsen unterschiedliche Regionalküchen, die gepflegt, kultiviert und in die Hochküche integriert werden. Die Hauptstadt Paris nimmt alles in sich auf und formt daraus eine Hochküche mit dem Anspruch auf weltweite Geltung.
Q
Das Land produziert fast alle Nahrungsmittel in erstklassigen Qualitäten: Fleisch und Geflügel, Wild, Fisch und Meeresfrüchte, Obst und Gemüse, Wein. Als Ergänzung konnten Kolonialwaren und Gewürze aus eigenen Kolonien bezogen werden. Frankreich ist das Land von Wein und Käse; berühmt sind seine Saucen und sein Weißbrot in den verschiedensten Ausformungen. Als hauptsächliche Charakteristik der französischen Küche außer ihrer hohen Qualität und Vielfalt gilt die Herausbildung einer festen Menüfolge mit mindestens drei Gängen: Vorspeise (Suppe), Hauptspeisen und Dessert. 2 Kochen: ein Handwerk, eine Technik oder eine Kunst? Qualitätsmanagement dient zur Verbesserung von Produktqualität und Prozessqualität. Im Bereich der Küche verwendet man Rezepte zur Standardisierung von Handlungs- und Arbeitsprozessen. Angenommen werden soll, dass derjenige, der einer „Rezeptur“ genau folgt, immer wieder
870
Lassen sich nun auch für die Kochkunst feste Regeln aufstellen? Ja! Trotzdem bleibt noch genügend Raum für Kreativität. Das Pendel der Kochkunst schwankt seit jeher ◼ zwischen Tradition und Innovation, ◼ zwischen Natürlichkeit (die den Eigengeschmack der Zutaten hervorhebt) und Künstlichkeit, ◼ zwischen der volkstümlichen Küche (der regionalen oder der lokalen Küche der Bauern) und der großen Küche („Haute Cuisine“, der Küche des Adels und des Königshofes). Dazwischen wäre die bürgerliche Küche anzusiedeln. Lange Zeit war es üblich und erforderlich, dass sowohl der Adept als auch der Küchenchef Vorbilder zu kopieren hatte und jede ►Abweichung als ►Fehler galt. Erst wenn der Status des Küchenchefs anerkannt und jenseits von Gut und Böse war, galt das Experimentieren als erlaubt [4c]. Diese alte französische Tradition vertritt noch Jean-François Revel: „Originalität vorzutäuschen ... ist leichter, als ständig nach bewährten Rezepten zu kochen“. ([3], S. 14). „Kochen (ist) eine normative Kunst, die, ähnlich wie die Grammatik, die Morallehre oder die Medizin, Maßstäbe setzt und in deren Bereich Beschreibungen und Vorschriften kaum voneinander getrennt werden können.“ ([3], S. 21). „Kunst ist persönliche Schöpfung, aber ohne solide handwerkliche Basis ist Schöpfung nicht möglich.“ ([3], S. 23). Revel ist sogar der Auffassung, dass sich das Kochen und sogar Rezepte räumlich gar nicht verpflanzen lassen, weil weder die Zutaten noch die Zubereitungsverfahren (Tradition) anderswo identisch sein können. Von Qualitätssicherung bzw. Qualitätsmanagement lässt sich in der gastronomischen Praxis der Französischen Küche durchaus sprechen. Besonders zählen dazu die folgenden fünf innerorganisatorischen wie externen „Qualitätssicherungsinstrumente“, die jedoch nicht einem geschlossenen System verhaftet sind, sondern sich im Laufe der Zeit herausgebildet haben:
Qualität in der Französischen Küche 1 eigene Herstellung (z. B. Küchengärten): möglichst viele Zutaten und Zwischenprodukte (Fonds usw.) werden selbst hergestellt; 2 ausgewählte feste Lieferanten (langjährige Lieferbeziehungen, die dauerhaft gleichbleibende Qualität garantieren); 3 Achtung auf Frische durch Rücksicht auf Jahreszeit und Regionalität der Produkte; 4 staatliche Qualitätssiegel wie Appellation d’Origine Controlée (AOC, d. h. kontrollierte Herkunftsbezeichnung, ein Schutzsiegel für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Frankreich wie Wein, Champagner, Calvados, Butter, Käse, Olivenöl) oder Label rouge (ein staatliches Qualitätssiegel für hochwertige Lebensmittel aus Frankreich, seit 1965: für Frischfleisch, Wurstwaren, Käse u. a. Milchprodukte, Obst, Gemüse, Fisch und Meeresfrüchte), Deklaration als nationales Kulturerbe (so die Stopfleber seit 2005). 5 die öffentliche Kritik (Zeitungen, Restaurantführer, Kochbücher); die großen Köche dokumentieren ihre Rezepte in Büchern und setzen sich damit der Bewertung und Kritik durch die Kollegen und die Fachwelt aus. Der Einfluss der öffentlichen Kritik ist kaum zu unterschätzen: 2003 beging Bernard Loiseau, berühmter DreisterneKoch aus dem burgundischen Saulieu, Selbstmord, weil ihm eine Herabstufung durch die Restaurantführer drohte (nachdem er zuvor als Wunderkind der „Nouvelle Cuisine“ gefeiert worden war). Es bleibt jedoch das Problem der Objektivität der Maßstäbe, da jeder Esser und jeder Kritiker seinen subjektiven Geschmack besitzt. Beispiele für Qualitätsmessung gibt es vor allen Dingen: ◼ beim Wein – Bewertung der Weinberglagen durch staatliche Klassifikation von Teilen des Bordeaux-Gebietes (Medoc, Sauternes und Barsac 1855, Graves 1953/59, Saint-Emilion 1954): Bezeichnungen „Grand cru“ (von „premier“ bis „cinquieme“) und „cru bourgeois“. Für Weine existiert ein auch weltweit übliches Bewertungssystem von maximal 100 Punkten (z. B. bei dem Gault & Millau WeinGuide und bei Parker) ◼ beim Käse – Ein sogenannter „Affineur“ sorgt durch ein ausgeklügeltes Temperatursystem dafür, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt jeder Käse (für eine Käseplatte) seinen optimalen Reifezustand erreicht hat. Der Einzug von High Tech in die Küche Eine Perfektionierung der Technik hat in den vergangenen Jahren die Voraussetzung für die Erhöhung der Qualität der Endprodukte (der Speisen) und für kreative Innovationen durch die Köche geschaffen. So hat eine neue, verbesserte Technik der Herde eine exaktere Kontrolle der Garzeiten und -temperaturen ermöglicht, neue technische Verfahren (Niedrigtemperatur, Vakuumgaren, Dampf- bzw. Klimagaren) haben die Küchenpraxis revolutioniert. Beispiele: das Vakuumgaren (sous-vide): Garen im Vakuumbeutel bei
Qualität in der Französischen Küche Temperaturen von unter 100⁰ C (50-85⁰ C); wahlweise auch Dampfgargeräte (Kombi-Steamer), die über eine spezielle Bedampfungsfunktion verfügen. Maßgeblich dafür waren Experimente mit dem Kochen auf naturwissenschaftlich-technischer Grundlage (Experimentalküche) durch die sog. Molekularküche. Diese basiert auf der naturwissenschaftlichen Betrachtung von Kochvorgängen (dem ungarisch-britischen Physiker Nicholas Kurti [1908-1998] wird die Bemerkung zugeschrieben: „Es ist absurd, daß wir über die Temperatur im Zentrum der Sonne mehr wissen als über jene im Inneren eines Soufflés“ [„The Physicist in the Kitchen“]). Damit ist die Experimentalküche in große Nähe zur Lebensmitteltechnologie gerückt; aus dem Laborbereich stammen etliche Geräte und Verfahren, die in die Küchenpraxis Eingang gefunden haben: Temperaturkontrolliertes Wasserbad, Vakuumgaren, Rotationsverdampfung und Kühlung mit Trockeneis oder flüssigem Stickstoff. Insofern ist die eingangs aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis von Standardisierung (Rezept/Faktor Mensch) auch in der Französischen Küche eine Frage der Prozessqualität geworden, die zwar nicht das Genie des Kochs ersetzt, wohl aber immer mehr seine Fähigkeiten ergänzt und damit mehr Objektivität in den Kochprozess einziehen lässt. 3 Rezeption 3.1 Historische Grundlagen der französischen Küche Statt eines historischen Abrisses können hier nur einzelne wichtige Marksteine erwähnt werden: ◼ Die Französische Küche basiert auf römischen Wurzeln (Kochbuch des Marcus Gravius Apicius: „De re coquinaria“, 3./4. Jh.). ◼ Bereits im 14. Jh. erlangten mehrere Kochbücher in Frankreich eine weite Verbreitung, z. B. „Le viandier“, der Guillaume Tirel (genannt Taillevent, ca. 1312-1395) zugeschrieben, 1490 gedruckt wurde und über 100 Jahre in zahlreichen Auflagen erschien. ◼ Zwischen der Antike (Apicius) und dem Spätmittelalter (14./15. Jh.) sind nur wenige Veränderungen zu erkennen ([3], S. 86). ◼ François Rabelais schildert in seinem Romanzyklus „Gargantua und Pantagruel“ (1532-1564) eine Küche an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit, die noch auf der Ebene des Gourmands (des Vielfraßes) beheimatet ist, nicht auf der des Gourmets (des Feinschmeckers). ◼ „Das Mittelalter war die Epoche der gewürzten Ragouts, die Renaissance die der Schleckerei.“ ([3], S. 111). ◼ Seit der Renaissance (namentlich der Hochzeit [1533] von Catherine de Médicis mit dem späteren König Henri II. [1519-1559]) wird der italienischen Küche ein starker Einfluss zugeschrieben, der jedoch neuerdings nicht nur bestritten, sondern als falsch ausgewiesen wird [8]. ◼ Im 17. Jh. erschienen zahlreiche Kochbücher in Frankreich, als deren wichtigstes „Le cuisinier francais“ von Francois-Pierre de La Varenne (1618-1678) gilt, erstmals 1651 gedruckt, mit 30 Neuauflagen.
871
Q
Qualität in der Französischen Küche
Q
Qualität in der Französischen Küche
◼ Unter dem „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. wurde der Hof als erste Nationalküche in die UNESCO-Liste des immateriin Versailles zum Vorbild und Muster für alle Künste und ellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Gewerbe nicht allein in Frankreich, sondern in ganz EurFranzosen besitzen ein weites Geschmacksspektrum; sie sind opa; damit wurde auch die französische Küche zum Vorbereit, alles zu essen, auch Nahrungsmittel, die von anderen bild für die europäischen Fürsten- und Adelshöfe. Völkern als ekelhaft empfunden werden (wie z. B. Schnecken ◼ Während der Zeit der Französischen Revolution von [escargots] und Froschschenkel [cuisses de grenouilles], die 1789 entstand in Paris durch entlassene Köche des hovon Engländern verabscheut werden), wodurch die außerorhen Adels um ein neues bürgerliches Publikum eine eidentliche Vielseitigkeit der Französischen Küche ermöglicht genständige Restaurant-Kultur. wird. ◼ Köche wie Marie-Antoine Careme (1784-1833, „König der Köche und Koch der Könige“) und Auguste EscofDer in Frankreich seit Jahrhunderten herrschende Zentralisfier (1846-1935, „Schöpfer der Grande Cuisine“) sowie mus und die allgemein anerkannte – von Paris ausgehende Literaten wie Brillat-Savarin (1755-1826) gelten als die – Hierarchie setzen auch im Bereich der Kochkunst verbindeigentlichen Gründerfiguren der französischen Haute liche Maßstäbe; der Staat selbst fördert die Konkurrenz durch Cuisine. Wettbewerbe wie „Meilleur Ouvrier de France“. ◼ Seit etwa 1970 erreichte die „nouAbb. Q18: Stopfleber (frz. foie gras) velle cuisine française“ (Bocuse) ihren bisher letzten weltweit anerStopfleber (frz. foie gras) kannten Höhepunkt, bevor Fusionsküche und Molekularküche ihre Unter einer Stopfleber (foie gras) versteht Da das Mästen durch die Einführung eiSpitzenstellung in Frage stellten. man die durch Mästung stark vergrößerte nes Rohres in den Hals der Tiere geschieht, Leber der Gans oder der Ente, die ein Ge- durch welches ein Futterbrei (aus 95% Mais 3.2 Gesellschaftliche Grundlagen und wicht von über einem (bis zu zwei) kg errei- und 5% Schweineschmalz) in den Magen gePopularisierung führt wird („Nudeln“), wird das Stopfen von chen kann. Der enge Zusammenhang von KochTierschützern scharf kritisiert; in Deutschkunst und Rezeption ist seit jeher un- Schon seit jeher haben Züchter Tiere vor land, Österreich und der Schweiz ist es aus umstritten: Revel stellt fest, „daß die dem Schlachten gemästet, um eine größere Gründen des Tierschutzes nicht erlaubt. In Küche von der Geschmackserziehung Fleischmenge zu erzielen. Dabei bemerkte Frankreich wurde die Foie gras 2005 von der und dem Empfindungsvermögen der man bald, dass damit unweigerlich eine Ver- französischen Nationalversammlung zum Gourmets ebenso abhängt wie vom Ta- größerung der Leber einhergeht, wobei diese „nationalen Kulturerbe“ erhoben und damit lent der Köche – wenn nicht sogar noch zugleich delikater wird. Die alten Ägypter von Tierschutzgesetzen ausgenommen. mehr!“ [3]. „Gastronomie entsteht dort, betrieben das Mästen von Vögeln bereits wo Altes und Neues sich ständig streiten 2500 Jahre vor Christus, und Plinius der Äl- Zusammen mit Hummer und Jakobsmuschel und wo ein ebenso kompetentes wie mit tere hielt es im 1. Jahrhundert nach Christus gehört die Stopfleber zur heiligen Dreifaltigschriftlich fest, wodurch sich diese Methode keit der französischen Küche; besonders um irdischen Gütern gesegnetes Publikum im ganzen römischen Reich verbreitete, u. a. Weihnachten gehört sie (meist zu Pastete imstande ist, diesen Streit zu schlich- in Frankreich. Heute ist Frankreich weltweit verarbeitet) auf die Tafel nicht nur vermöten“ ([3], S. 113f.). „Die Kochkunst der größter Produzent der Stopfleber, erst in gender Familien, sondern breiter Schichten gerät in eine gastronomische Sackgasse, weitem Abstand gefolgt von Spanien, Un- des Volkes. wenn komplizierte Kocherei und wildes garn und Bulgarien. Durcheinander den Geschmack verderben und die natürlichen Eigenschaften der Produkte zerstören. Dann verdrängt die Küche die Natur, Zur Vereinheitlichung trägt etwa auch das Kochbuch „Laanstatt ihr zu helfen und sie zu ergänzen. Die Rettung aus der rousse Gastronomique“ bei, ohne dabei die Vielfalt der RegiSackgasse bringt die Rückkehr zur Einfachkeit und zur Quaonen zu schmälern. lität.“ ([3], S. 115f.) „Wo es keine Polemik gibt, kann es auch Der „Guide Michelin“ erscheint seit 1900, seit 1923 mit Hokein Suchen geben, denn die Polemik erwächst ja nur aus der tel- und Restaurantempfehlungen, verleiht seit 1926 Sterne Spannung zwischen Tradition und Innovation.“ ([3], 119f.) für Restaurants mit hervorragender Küche. Er wird verfasst Das französische Publikum ist zahlungskräftig und -willig, von hauptberuflichen Kritikern, die länderübergreifend eingastronomisch kompetent und einschlägig gebildet; es ist begesetzt werden. Ihre Bewertungskriterien sind: (a) gleichreit, für hohe Qualität hohe Preise zu zahlen, und dies bereits bleibende Qualität der Zutaten und deren Frische, (b) ihre seit Jahrhunderten. Die Haute Cuisine ist allgemein anerfachgerechte Zubereitung, (c) die Harmonie der geschmackkannt als Teil der nationalen Kultur und Tradition. So wurde lichen Verbindung sowie (d) die Innovation und Einzigartigdie Stopfleber 2005 als „nationales und gastronomisches Kulkeit der Gerichte, in der sich Kreativität und persönliche Note turerbe“ deklariert und damit unter Schutz gestellt (Abbilwiderspiegelt. Die Skala der Spitzenbewertung reicht von dung Q18), „das gastronomische Mahl der Franzosen“ 2010 einem Stern (sehr gute Küche, die Beachtung verdient) über
872
Qualität in der Französischen Küche zwei Sterne (hervorragende Küche, die einen Umweg verdient) bis zu maximal drei Sternen (eine eigene Reise wert). Als Konkurrenzprodukt erscheint seit 1969 der „Gault & Millau“. Dieser Restaurant-Führer vergibt Punkte und Hauben (maximal 20 Punkte/vier Hauben), die neben den MichelinSternen die begehrteste Auszeichnung der Haute Cuisine sind. Er bietet eine Beschreibung der Gerichte, mitunter zynisch-sarkastisch und von äußerster Härte, die vielfach Gerichtsverfahren zu Folge hatten. Der Führer sprach sich wiederholt gegen den Gebrauch von Geschmacksverstärkern und sonstigen künstlichen Zusatzmitteln wie Transglutaminase, Methylzellulose oder Xanthan aus. Beide Restaurantführer erscheinen jährlich in hohen Auflagen und setzen Maßstäbe, die in der gesamten Gesellschaft und im ganzen Land einheitliche Geltung besitzen und klare Ranglisten ermöglichen. Hinzu treten Gastro-Kritiken in den Zeitungen (selbst in der kommunistischen Zeitung „l’Humanité“ während des Kalten Krieges), Bruderschaften (z. B „Chevaliers du Brie de Melun“, „Confrérie des Rillettes et Rillons de Touraine“ etc.) und Vereinigungen von Köchen („Le college culinare de France“). Wein-Probier-Gesellschaften „Tastevins“ vergeben Qualiätszertifikate oder sprechen Mängelrügen aus. 3.3 Kritik Das kristalline französische System neigt zur Verfestigung der Tradition und erschwert damit Innovation; vom Ausland wird ihm Selbstbezogenheit vorgehalten. Die „nouvelle cuisine“ war die letzte große Erneuerungsbewegung in der Kochkunst, die von Frankreich ausging und von hier aus die Welt eroberte. Von hier nahm auch der Siegeszug der deutschen Küche seit den siebziger Jahren seinen Ausgang (etwa durch den „Rungis-Express“, der den deutschen Köchen erstmals dieselben Rohstoffe wie ihren französischen Kollegen lieferte); in besonderem Maß wurde diese Bewegung von dem Gastro-Kritiker Wolfram Siebeck befördert. Aber auch „die ‚Nouvelle Cuisine française‘ entartete ihrerseits sehr schnell in einen neuen Akademismus“ ([3], S. 200). Neue Einflüsse wie die Molekularküche (Ferran Adrià) oder die avantgardistische Regionalküche („nova regio“) wurden zunächst abgelehnt und bekämpft. 4 Ausblick Die „nouvelle cuisine française“ (seit etwa 1970) setzte sich bewusst von der traditionellen französischen Kochkunst ab; sie betonte Leichtigkeit und Natürlichkeit, das Produkt sollte möglichst unverfälscht zur Geltung kommen; großer Wert wurde auf Frische und Regionalität gelegt, man wollte mit weniger Fett und weniger elaborierten Saucen überzeugen. Kritisiert wurde allerdings von Anfang an, dass ihre Preise überteuert und die servierten Portionen zu klein seien (bekanntester Vertreter: Paul Bocuse, *1926). Seither gehen die wichtigsten internationalen Tendenzen der modernen Kochkunst nicht mehr von Frankreich aus:
Qualität in der Französischen Küche ◼ Die Fusionsküche seit den 1980er Jahren verbindet unterschiedliche Esskulturen und Kochkünste, ver-mischt Regional- und Nationalküchen (crossover). ◼ Die sogenannte Molekularküche (der Begriff ist umstritten) experimentiert seit etwa 2000 auf naturwissenschaftlich-technischer Grundlage mit neuen Aggregationszuständen. Ihr bekanntester Vertreter ist Ferran Adrià mit seinem Restaurant „El Bulli“ bei Barcelona. ◼ Nova-regio-Küche: ausgehend von der Fusions- und Molekularküche, experimentiert sie mit neuen, regio-nalen Ausgangsprodukten; will wie diese das Spektrum des Essbaren erweitern (bekanntester Protagonist: René Redzipi, Restaurant Noma, Kopenhagen). Der gegenwärtige Stand der Diskussion in Deutschland wird wohl am ehesten von dem Gastro-Kritiker und FAZ-Autor Jürgen Dollase repräsentiert: Er analysiert und beschreibt die sensorische Struktur von Gerichten, also die Zusammenhänge zwischen Aromen, Texturen, Temperaturen, Kontrasten und ihren zeitlichen Verläufen. Dollase stellt das Ideal einer „elaborierten Kochkunst“ auf [4a]. Sein Ideal wird verkörpert durch die „Nova-regio-Küche“: diese ist die Verbindung aus neu verstandener Regionalität und Avantgarde. „Eine neue Produktküche sollte den Kanon des Essbaren radikal vergrößern. Ein Knowhow dafür lässt sich zum Beispiel aus der Arbeit der Nova-Regio-Küche gewinnen“ [4b]. Er stellt in „Kulinarische Intelligenz“ [6] die Formel auf: Essen =
Produkte x Zubereitung Entschlüsselung
Dollase stellt auch heute noch große gastronomische Desiderate fest, z. B. in der Gemüseküche: keiner kenne die verschiedenen Sorten von Karotten und anderem Gemüse, niemand kenne deren optimale Garzeiten und -temperaturen. Dies sei alles noch unerforschtes Gebiet, das dringend der Aufarbeitung bedürfe. Dr. Roman Fischer, Frankfurt am Main Zitierte Literatur
[1] Brillat-Savarin, Jean Anthelme: Physiologie du goût, 1825. [2] Escoffier, Auguste: Le Guide culinaire, 1903. [3] Revel, Jean-François: Erlesene Mahlzeiten. Mitteilungen aus der Geschichte der Kochkunst, Frankfurt-Berlin-Wien 1979 [4] Dollase, Jürgen: Artikel in der FAZ: [4a] Dollase 22.08.2014 [4b] Dollase 08.09.2014 [4c] Dollase 16.11.2014 [5] Dollase, Jürgen: Geschmacksschule, Wiesbaden 2005 [6] Dollase, Jürgen: Kulinarische Intelligenz, Wiesbaden 2006 [7] Kurti, Nicholas: The Physicist in the Kitchen. 1985 [8] Ketcham Wheaton, Barbara: Savoring the Past: The French Kitchen and Table from 1300 to 1789. 1st (first) Scribner Edition by Wheaton, published by Simon and Schuster 1992
Qualität der Kommunikation
▶Kommunikation in Führung und QM
873
Q
Qualität des Managements
Qualität des Managments
Qualität des Managements
3 Kundenforderung steht im Vordergrund Eines hat sich allerdings in den letzten Jahren, insbesondere bei fortschrittlichen Unternehmen und Organisationen, deutlich gezeigt: Es ist ausschließlich der Kunde, der den Erhalt des wirtschaftlichen wie des geschäftlichen Erfolges sichert. Seine Zufriedenheit, seine Loyalität und damit sein Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg werden aber entscheidend durch die Zufriedenheit der Mitarbeiter des Lieferanten kurz-, mittel- und langfristig beeinflusst. Der Mitarbeiter wiederum unterliegt in seiner Motivation und damit seiner Leistung ganz entscheidend dem Führungsverhalten des Vorgesetzten, so dass es zu allererst einmal auf die Qualität des Managements ankommt, um den Erfolg und die Qualität im Sinne von Excellence und damit die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens sicherzustellen. Genau dies ist der managementseitige Hintergrund des einleitenden Zitates von Helmut Maucher. Diese Herausforderung zur höchsten Qualität der eigenen Führung muss das Management unbedingt annehmen, sich vor allem aber damit persönlich identifizieren und zur Chefsache machen, wenn die eigene Organisation Hervorragendes leisten soll.
▶quality of management, grade of management ▶Führung und Qualitätsmanagement ▶Qualität 1
Einführung und Begriff
„In Zukunft wird der Erfolg im Wettbewerb fast ausschließlich auf die Qualität des Managements zurückzuführen sein.“
Diese Aussage von Helmut Maucher, dem ehemaligen Nestlé-Chef, bedeutet, dass erfolgreiches Management nicht ohne eine hohe Qualität der Organe, die eine Organisation leiten, möglich ist. Um diesen Anspruch zu erfüllen, hat das Management in den Unternehmen und Organisationen Qualitätsforderungen und Qualitätskriterien zu erfüllen, die nicht zuletzt dem eigenen Managementsystem und den eigenen Managementprozessen gerecht werden müssen. Dabei geht es in erster Linie um Kundenforderungen, aber auch – und dies wird häufig außer Acht gelassen – um Forderungen weiterer Interessensgruppen, zum Beispiel im Sinne des Stakeholderprinzips.
Begriff
Nur auf dieser Grundlage können Management – und folglich auch die Manager selbst – ihre eigenen Managementprozesse und das Qualitätsmanagement in einer Organisation erfolgreich gestalten.
Q
Qualität des Managements bedeutet somit die Fähigkeit der Führungs- und Leitungsorgane, die Management- und ►Qualitätsprozesse einer Organisation so zu gestalten, dass unter Berücksichtigung aller inhärenten Merkmale des Managementsystems die Forderungen der am Prozess der Planung, Strukturierung, Organisation, Durchführung und Kontrolle beteiligten Parteien erfüllt werden können. 2 TQM als Qualitätskriterium? ►Total Quality Management (TQM), so lautete vor Jahren das damals neue Zauberwort für eine erfolgreiche Unternehmensführung. Weitsichtige Organisationen hatten ein Programm gestartet, in das sie Themen wie Abstimmung mit den Kunden und Lieferanten, Einbeziehung der Mitarbeiter, Fehlervermeidung statt -korrektur, statistische Überwachung sowie den kontinuierlichen Verbesserungsprozess integrierten. Andere Unternehmen allerdings ahmten eine solche, auf TQM ausgerichtete Geschäftspolitik lediglich nach, indem sie sich ausschließlich auf das „Q“ stürzten und das „T“, insbesondere aber das „M“ vergaßen. Sie bezeichneten ihre „verkürzten“ Bemühungen dennoch als „Totales Qualitätsmanagement“, benannten einen ►Qualitätsbeauftragten, ließen auch ein Handbuch erstellen und unterwarfen sich natürlich den Kunden-Audits. Doch trotz einer durchaus guten Qualität materieller Produkte, ließ diese Art der Bemühungen vielfach das Entscheidende vermissen, nämlich das persönliche Einbringen der obersten Führungskräfte selbst. So trat mit all diesen Initiativen, die zweifelsfrei Erfolge zu verzeichnen hatten, dennoch kein tiefgreifender Wandel im Bewusstsein um ganzheitliche Qualität ein, und vor allem die Qualität des Managements stand selten auf dem Prüfstand.
874
4 Qualität im umfassenden Sinne Qualität im umfassenden Sinne bedeutet nicht allein nur gute und zuverlässige, benutzerfreundliche Produkte, sondern vielmehr den Mehrwert, den der Kunde durch hilfreiche Unterstützung am Telefon, bei Beratung und Service, bei eventuellen Reklamationen oder Beschwerden erfährt. Umfassende Qualität beinhaltet damit eine ►Unternehmenskultur, in der sich ►Innovationen und Partnerschaften mit allen am Gesamtprozess Beteiligten entwickeln können, das Einhalten von Gesetzen und Umweltauflagen, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie gesellschaftspolitische Verantwortung. Um diese Herausforderungen zu bewältigen und dabei stets Exzellenz zu beweisen, wird gerade in unserem Lande die Frage der Nutzung personeller Ressourcen von immer entscheidender Bedeutung. Denn in jedem Unternehmen, in jeder Organisation liegt vorhandenes, aber oft nicht erkanntes Wissen vor und vielfach brach, es muss in Erfahrung gebracht und sinnvoll genutzt werden. Dieser Aspekt wird eine mitentscheidende Frage der Zukunftssicherung sein, zumal gerade Deutschland über keine nennenswerten anderen „Bodenschätze“ als das geistige Potential verfügt. Hier sind in erster Linie die Politik und im Besonderen der bildungspolitische Sektor gefordert. 5 Verhalten des Managements Das Management muss sich allerdings auch dessen bewusst sein, dass ein ständiger Wechsel der Management-Methoden die Mitarbeiter eher verunsichert als in ihrem Engagement beflügelt. Frustration ist die Folge, Leistungsabfall kaum vermeidbar. Sinnvoll ist es daher, z. B. auf der „Pflicht“, in Form der ISO 9001 aufzubauen und nach Möglichkeiten zu suchen, die diese sinnvoll ergänzen und gleichzeitig Schritte hin zur Exzellenz aufzuzeigen. Hier stehen uns Modelle der ganzheitlichen Unternehmensführung (z. B. das Exzellenz-Modell der Europäischen Stiftung für Qualitätsmanagement) zur Verfü-
Qualität des Managments
Qualität des Managements
gung, die keinen Zweifel daran lassen, dass die „Qualität des Managements“ ein ganz entscheidender Faktor im globalen wie im regionalen Wettbewerb darstellt. Dem ►EFQM-Modell, das den Unternehmenswert abbildet, lässt sich zur strategischen Ausrichtung und Umsetzung von Maßnahmen die sogenannte ►Balanced Score Card (BSC) zur Seite stellen. ►Six Sigma schließlich, eine weitere, oft solitär dargestellte Methode, hilft, das Wissen um höchste Qualität in Produktion und Administration operativ umzusetzen.
nagement- und Qualitätsmanagement-Methoden auseinandersetzen und sich auf diesen Gebieten weiterbilden, wie dies beispielsweise in der Medizin zur Sicherung des Qualitätsstandards durch eine permanente Weiterqualifizierung von Fachärzten und medizinischem Führungspersonal seit Jahrzehnten erfolgreich umgesetzt wird. Erst auf dieser Basis wird es nämlich möglich, aus der Vielzahl der angebotenen, sogenannten „todsichereren“ Managementmethoden die für die eigene Organisation geeignete Vorgehensweise zu finden.
Nur das im umfassenden Sinne praktizierte Qualitätsmanagement kann deshalb das erklärte Ziel der Bemühungen um mehr Wettbewerbsfähigkeit sein. Insbesondere die Führungskräfte müssen sich immer wieder bewusst vor Augen halten, dass Umfassendes Qualitätsmanagement nicht nur das Managen der Qualität bedeutet, sondern an erster Stelle die Qualität des Managements einfordert. Und diese Managementqualität wird darin deutlich, dass die Führung einer Organisation die ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen, insbesondere die personellen Ressourcen kennt und zielgerichtet, aber auch fördernd einzusetzen weiß. Das bedeutet, dass die Führung durch Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitern den Weg gemeinsam vorzeichnet, auf dem Weg dorthin stets helfend und unterstützend zur Seite steht und sich zudem regelmäßig über den Stand der Bemühungen anhand von Zahlen, Daten und Fakten berichten lässt.
Im Rahmen qualifizierter Weiterbildungen wird zudem nicht selten deutlich, dass es gar nicht darum geht, ständig neue Managementmethoden, -modelle, -konzepte, -systeme usw. oder gar Managementmodelle im Unternehmen bzw. der Organisation einzuführen, häufig ist eine „inhaltliche Anpassung“ im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung bestehender und alt-bewährter Methoden vollkommen ausreichend, d. h. zur Optimierung der Managementprozesse bedarf es nicht immer wieder neuer Managementmethoden, die oft mehr verwirren als helfen. Neben der Weiterbildung ist es zudem hilfreich, wenn sich Führungskräfte konsequent selbst der Aufgabe stellen, ihre Organisation zu analysieren, und hierbei gezielt Ihre Mitarbeiter einbinden. Auf dieser Basis werden sie der Umsetzung erkannter Verbesserungspotentiale weit weniger im Wege stehen, als das oft der Fall ist, wenn von Externen Maßnahmen empfohlen werden. Und gemeinsam wird man mit Sicherheit die Methoden herausfinden, mit deren Hilfe die erkannten Schwächen ausgemerzt werden können.
6 Wertschöpfung durch Wertschätzung Eine Organisation, die zu den besten ihrer Branche zählen möchte, muss ein Führungsinstrument besitzen, das in der Lage ist, die Vorstellungen des obersten Managements bis hin zur Basis umzusetzen. Dies bedarf der grundsätzlichen Einstellung seitens des Managements, Wertschöpfung durch Wertschätzung erzielen zu wollen. Sowohl die Unternehmen, die weltweit zu den Besten ihrer Branche zählen, als auch solche, die im globalen oder nationalen Wettbewerb abgestiegen sind, unterliegen in unserem Lande den gleichen Voraussetzungen, so z. B. einer exzellenten Infrastruktur, hohen Arbeitskosten, aber auch einer Über-Bürokratisierung. Häufig sind daher die Unterschiede fast ausschließlich auf die Qualität des Managements zurückzuführen, wie uns dies die vielen Negativ-Beispiele der jüngeren Vergangenheit nur zu deutlich aufgezeigt haben. Dies gilt beispielsweise für die Geschehnisse um den neuen Berliner Flughafen, die diversen Fehlleistungen internationaler und nationaler Finanzdienstleister sowie die Pannen um den Nürburgring, die Elb-Philharmonie in Hamburg, den ADAC. Außerdem sind wir konfrontiert mit zu vielen Unternehmensleitungen, die verantwortungslos und absolut verschwenderisch mit den personellen Ressourcen umgehen, indem sie in keinerlei Hinsicht zur Motivation der Mitarbeiter beitragen und damit Führungsqualität eklatant vermissen lassen. 7 Weiterbildung und Selbstbewertung Vor diesem Hintergrund scheint die Zeit reif zu sein, dass sich auch Manager – um die Qualität des Managements zu gewährleisten – auch mit den Inhalten neuester von Ma-
Nichts geht deshalb über eine konsequente Führung mit diesbezüglichen Zielen und einer Strategie, die vorhandene Ressourcen nutzt, das Verhalten der Führungskräfte Tag für Tag auf den Prüfstand stellt und Prozessorientierung im umfassenden Sinne kontinuierlich verbessernd betreibt. So wird „TQM“ im wohlverstandenen Sinne umgesetzt und damit „Täglich die Qualität des Managements“ praktiziert. Prof. Dr.-Ing. Herbert Schnauber, Bochum Literatur
[1] Schnauber, H.: Qualitätsmanagement in der Unternehmensführung – Management der Qualität oder Qualität des Managements? In: Masing: Handbuch Qualitätsmanagement, hrsg. von Pfeifer, T. und R. Schmitt, 6., überarbeitete Auflage, Carl Hanser Verlag, München 2014, S. 2009-1020
Qualität [ΡΟΙΟΝ] als philosophischer Begriff ▶quality as philosophical term
Einleitung und Fragestellungen Qualität und ihre qualitativ verschiedenen Verständnisse Als komplexes und mehrdeutiges Phänomen gibt es qualitativ verschiedene Verständnisse und Interpretationen von Qualität. Bereits die Wortherkunft von Qualität zeigt die Ambivalenz des Begriffs. Der lateinische Wortstamm „qualis“ bezieht sich auf Art und Weise einer Beschaffenheit, während „qualitas“ sich sowohl auf die Eigenschaftlichkeit als auch auf ein
875
Q
Qualität als philosophischer Begriff Verhältnis zu Dingen oder Prozessen verweist. Qualität trägt damit substantielle und prozessuale Dimensionen in sich.
Qualität
qualis Art und Weise einer Beschaffenheit (substantiell)
qualitas Eigenschaftlichkeit und Verhältnis zu den Dingen und Prozessen (prozessual)
Doch kommt Objekten eine eindeutig bestimmbare qualitative Substanz zu? Kann es so etwas wie ein „Wesen“ des Qualitativen geben? Ist Qualität das, was ein Subjekt Objekten bewusst zuweist? Oder ist Qualität ein präreflexives und vorgängiges Ereignis aus dem erst Subjekt und Objekt entstehen bzw. subjektives Qualitätserleben und objektive Qualitätsmerkmale hervorgehen? Kann Qualität metaphysisch festgelegt werden oder entzieht sie sich in ihrem dynamischen Ereignen einer Definierbarkeit? Wie kann Qualität historisch und methodisch bestimmt werden? Und schließlich: welche Interpre-tation erfährt das moderne und ökonomische Verständnis von Qualität in diesem philosophischen Zusammenhang? Der folgende Beitrag versucht auf diese Fragen Antworten zu geben.
Q
1 Historische Rekonstruktion des Qualitätsverständnisses Ein historischer Rückblick des Qualitätsbegriffs macht dessen Wandel und Perspektivierungen deutlich. Von der vorsokratischen „aretè“, über antike und mittelalterliche bis hin zu neuzeitlichen Auffassungen vollzog sich ein aufschlußreicher Veränderungsprozess des Verständnisses und der Deutung des Qualitativen. Dieser geschichtliche Entwicklungsprozess zeigt die diskontinuierliche, selektive Entstehung des modernen Qualitätsbegriffs auf. Aus einem solchen historischen Zusammenhang kann dann der moderne ökonomische Qualitätsbegriff bzw. Fachbegriff des Qualitätsmanagement eingeordnet und problematisiert werden. Historische Erkenntnisse helfen kulturspezifische Bedingtheiten und formierende machtstrategische Dispositive des jeweiligen Wissens von Qualität zu begreifen. 1.1 Die vorsokratische areté als selbsterfüllende Bestheit Für ein aktuelles Verständnis von Qualität ist die vorsokratische areté als eine Qualität von Bestheit aufschlussreich. Die Vorsokratiker vollzogen noch ein anderes Fragen und eine andere Denkrichtung in Bezug auf das Phänomen des Qualitativen als dann Sokrates, Platon und Aristoteles und deren Schulen. Für das vorsokratische Empfinden waren die seienden Dinge i. S. ihrer realen Vorhandenheit ein Ereignis. Leitend war die Frage nach dem Ursprung und Endziel der
876
Qualität als philosophischer Begriff Seinsnatur. Die Wesenheit der areteischen Bestheit wurde in der bewahrenden Substanz, der gelingenden Funktion und dem erlebbaren Schönen gesehen. Lebensweltlich situiert bezieht sich die Bewertung der Bestheit auf das Werk (ergon) oder genauer des prozessualen „Am-Werk-Sein“ der Dinge in ihrer Aktualität. Diese energetische Ausrichtung ist komplementär zur Potentialität als der Möglichkeit zu etwas. Das Selbstsein zeigt sich als Selbsterfüllung in der Bestheit als die konkrete Höchstform des Seienden als „Es-Selbst“ der Dinge und Prozesse unabhängig von ihrer Zweckhaftigkeit. Das vorsokratische areté ist also ein dynamisches Sein des Besten, welches durch – auch gegenstrebige – Beziehungen zwischen Menschen und seiner Erfahrung im Seinskosmos hervorkommt. Wurde die areté ursprünglich über das Medium der Rhetorik als freie Pflicht gegen sich selbst praktiziert, entwickelt sie sich mehr und mehr zu einer Tugendmoral. War die vorsokratische Schau („theoria“) noch eine nicht von Zwecken bedingte „heilige“ Betrachtung und festliches Beiwohnen, wird das spätere sokratische Fragen und das platonische und aristotelische Vorgehen zu einer Wissensaneignung, Lehrbarkeit und Bestimmung von tugendhafter Bestheit. Dabei ging das ursprüngliche Gewahrsein des unmittelbar Qualitativen als Ereignis verloren. Die areté wird vielmehr in die Dichotomie von Idee und Erscheinung sowie eine dialektische Wahrheitsbestimmung eingebunden. Nicht mehr entstehen Subjekt und Objekt aus der Qualität, sondern das Qualitative wird aus Kategorien abgeleitet und so begrifflich und moralisch zu fassen gesucht. 1.2 Antike Vorstellungen von Qualität Für die antike Welt sind die Qualitäten durch die Gegenstände, denen sie gehören, objektiv gegeben und Ausdruck der inneren Ordnung des Kosmos. Als philosophische Kategorie wird Qualität („poion“), erstmals von Aristoteles bestimmt als das, „vermöge dessen man (etwas) so oder so beschaffen heißt“ [1]. Qualitäten sind dasjenige, das „den Unterschied des Wesens“ ausmacht [2]. Aristoteles differenziert dabei zwischen den Wesensqualitäten die Qualitäten als „Affektionen der bewegten Dinge … und die Unterschiede der Bewegungen“ [3]; wobei Qualität dasjenige ist, „bei dessen Veränderung man sagt, daß die Körper anders würden“ [4] (z. B. „passive Qualitäten“ wie Wärme, Kälte, süß, sauer). Die naturphilosophische Analyse der Grundkategorien läßt Qualität als Teil der Veränderung („metabole“) bzw. Bewegung („kinesis“) verstehen. Jede Veränderung vollzieht sich zwischen einem Mangel und einer Gestalt („morphe“) und dem vorausgesetzten Substrat. Da nichts aus bloßem Nichtsein entsteht und sich verändert, wird die Grundstruktur des Seins (als Seiendem) durch die Grundkategorien der Möglichkeit oder Potentialität („dynamis“) und der Verwirklichung und Aktualität („energeia“) ge-
Qualität als philosophischer Begriff fasst. Die Potentialität ist dabei an den Stoff (Materie, „hyle“), die Aktualität ist mit der Gestalt (Form) bzw. des Begriffs („eidos“, „logos“) gebunden. Die Ursache der qualitätsrelevanten Bewegung wird von Aristoteles differenziert nach einem Stillstands- bzw. Bewegungsursprung in-sich-selbst, welcher über den defizienten Modus des Von-selbst-Geschehens („automatos“) (re)agiert, und der Kunstfertigkeit („techne“), die ihren Ursprung in einem anderen hat und durch den ebenso defizienten Modus des Zufalls („tyche“) sich verwirklicht. Die Vier-Ursachenlehre [5] unterscheidet neben (1) dem Stoff (woraus wird etwas) (2) die Gestalt, Form oder wesentlichen Begriff (wo-mit) (3)die Quelle der Veränderung als die Wirkursache („causa efficiens“) und schließlich (4) die causa finalis die auf ein Ziel oder Zweck (Worumwillen der Veränderung). Der im intelligiblen (göttlichen) Sein angenommene unbewegte Beweger ist ohne Stoff und in reiner Aktualität. Er ist nicht in der Erfahrung wahrnehmbar, vielmehr die Bedingung der Möglichkeit dafür, die Erfahrungswelt auch von Qualität als Einheit denken zu können. Nach der aristotelischen Ontologie entspringt der gestaltbare Stoff einem Ursprung und folgt einer bestimmten Quelle der Veränderung sowie verwirklicht sich in Hinblick auf ein Ziel. Die aristotelischen Kategorienformen stellen Aussageklassen dar, die weder aufeinander noch auf höhere Klassen zurückführbar sind. Sie wurden aus einer Abstraktion des beobachtbaren Sprachverhaltens abgeleitet. Sprachlogisch bezeichnen sie jeweils verschiedenen Sinn von Prädikationen und von dem, was ontologisch überhaupt ausgesagt wird, des mehrdeutigen Seienden selbst. Sie fassen die Einzeldinge und ihre Eigenschaften (Akzidenzien, „symbebekos“) und Arten und Gattungen wie Differenzen des Seinsranges. Das Eine ist primäres Wesen, das selbständig existiert (ausgesagt wird) und hat Vorrang vor den Eigenschaften die dieses für ihre Existenz und Aussage voraussetzen müssen. Der Begriff des Erkenntnisobjekts gewinnt so systematischen Vorrang vor den Akzidenzien. Das Seiende wird von vornherein in Bezug auf den logos gedacht. Dieser meint ebenso die Vernunft wie deren Artikulation (Sprache) und ist bestimmt von dem Sinn des Zur-Erscheinung-Bringen der Wahrheit des Seienden [6]. Entsprechend wie der logos die Offenbarkeit des Seienden leistet, ist umgekehrt das Seiende von vornherein auf eine angenommene Wahrheit und deren wissenschaftliche Erforschung ausgerichtet. So wird eine Korrespondenztheorie der Wahrheit begründet, welche Wahrheit als Übereinstimmung von Denken und Sache, Sprache und Wirklichkeit bestimmt. Analog zu einer Korrespondenztheorie von Wahrheit als Übereinstimmung von Denken und Sache, Sprache und Wirklichkeit bestimmt, wird auch ein qualitatives Tätigsein in einem tugendgemäßen Haltung und Praxis als wertvoll moralisch zugewiesen [7]. Der Anspruch auf Tugendhaftigkeit, wird als moralische Leitdifferenz später dann säkularisiert ökonomisch als gut und schlecht bzw. brauchbar/unbrauchbar nützlichkeitsorientiert interpretiert.
Qualität als philosophischer Begriff 1.3 Mittelalterliche und neuzeitliche Qualitätsauffassungen In der scholastisch-mittelalterlichen Philosophie folgt man weitgehend der aristotelischen Einteilung der Qualitäten. Darüber hinaus werden auch verborgene Qualitäten („qualitas occultae“) als eigenständige Wesenheiten oder magische Kräfte angenommen. Im Anschluss an die sophistische Unterscheidung von Objektivität und Subjektivität und Demokrits Atomlehre, unterscheidet Galilei zwischen objektiven und subjektiven Qualitäten. Descartes, Newton und die entstehende Naturwissenschaft folgt dieser Unterscheidung und lehnt okkulte Qualitäten ab. Locke versteht unter Qualität die Fähigkeit eines Dinges eine Empfindung im Bewußtsein zu erzeugen. Aufbauend auf einem mechanistischen Materiebegriff bestimmt er die objektiven Qualitäten als primäre quantitativ erfassbare Entitäten und ordnet die abgeleiteten subjektiven Qualitäten als sekundäre zu. 1.3 Rationalistische und empiristische Qualitätsauffassungen Das analytische Denken des Rationalismus, das zwischen der räumlichen Ausgedehntheit der Materie und der, selbstgewissen Bestimmung des Geistes unterscheidet, trennt das Geistige vom Leiblich-Naturhaften und den Begriff von den Dingen. Wirklich ist demnach nur, was in rationalen Definitionen bestimmbar erscheint. Da nur Zwecke streng fixierbar und berechenbar sind, werden die qualitativen Phänomene des Wesens, des Sinnes oder des Wertes auf diese reduziert. Nur das wird als „wirklich“ gelten gelassen, was systematisierend festlegbar und in rationale quantifizierbare Form gebracht werden kann. Sofern eine solche Sinnordnung bereits Unterordnung und Verfügbarkeit verlangt, ist sie vom rationalistischen Herrschaftswillen bereits durchdrungen, der das Wirkliche verzwecklicht. Das rationalistische Quantitätsdenken schaltet damit systematisch wie methodisch Sinn- und Wertqualitäten aus. Wie später im Positivismus, wird im Rationalismus die raumzeitliche, physikalisch konstatier- oder definierbare Gegebenheit als Inbegriff der Realität genommen. Der rationalistische Gegebenheitsbegriff und Vergewisserungslogik schließt damit die vorgängige Existenz von qualitativ Inhaltlichem aus. Auch im Empirismus wird das Qualitative auf psychische Gesetze und mechanische Funktionen bezogen sowie damit Qualitäten und Quantitäten auf bestimmbare Größen reduziert. Aufbauend auf Locke, bindet Humes Sensualismus die primären und sekundären Qualitäten konsequent an die Sinne. Beide Formen können nach ihm nicht in den Dingen selbst existieren, sondern sind Vorstellungen der Seele. Dieser Psychologismus stellt das vorstellende Denken dem Nichts alles Wirklichen, Gültigen und Verbindlichen gegenüber. Der zugrundeliegende Wille zur Sicherheit verlangt Erfahrungssicherheit, indem er alles nicht in direkter Sinneswahrnehmung Konstatierbare und in rationaler Analyse Logifizierbare als nicht gegeben bzw. unwirklich ansieht. Der Rückgang auf die reine Erfahrung des bloß Faktischen endet in der Unerfahrbarkeit des immer Bedeutungs- und Wesenlosen, des Unsagbaren, Unbenennbaren, ja Undenkbaren, des Nichts.
877
Q
Qualität als philosophischer Begriff Rationalistisch-empiristische Zugänge zum Qualitativen begrenzen sich auf rein konstruktionistische und quantitative Differenzen, die zwar bemess- und berechnenbar sind, aber nicht mehr nach ihrem Inhalt voneinander abgehoben werden können. Da jegliche inhaltlichen Distinktionen fallengelassen werden, reduziert die rational-empiristische Sicherheit auf eine Gewißheit der unter ihren eigenen Formen konstruierten Beziehungen und quantifizierbaren Unterscheidungen. Außer der rein äußerlichen formal-logischen bzw. quantitativempirischen Distinktion gibt es keine Vergewisserung, sondern nur unbestimmbare bzw. unberechenbare Irrationalismen. Ohne wesentliche Unterschiede, also solche die einen Unterschied machen, erscheint damit das Wirkliche als gleichermaßen irrelevant, nichtssagend und in seiner Indifferenz bedeutungslos nihilistisch. Gegenüber diesen reduktionistischen Weltsichten versuchen die Besinnung auf imaginäre und spekulative Wesensdimensionen im deutschen Idealismus (absolutes Ich bei Fichte, Weltenseele bei Schelling, Weltgeist bei Hegel) und auch Schopenhauers universeller Wille und später der élan vital in der Lebensphilosophie, dem beschriebenen Nihilismus durch die Schaffung system-einheitlicher, spekulativer Idealwelten entgegenzusetzen. Auch Ansätze der Frühromantik strebten von einer vorgegebenen oder ratio-nal gefaßten Realität zu einer über die Einbildungskraft ermöglichte schöpferische Schaffung von Wirklichkeit zu kommen. Die dabei angestrebte universale Integration war nicht auf ein teleologisches Ziel ausgerichtet, sondern als eine offene Perspektivierung und poetischer Werdensprozess gedeutet [8].
Q
Zum Beispiel ist Novalis magischer Idealismus bzw. IdealRealismus durch eine Denkweise wechselbezogener, oszillierender Antinomien und eine Umkehrung der gewöhnlichen Perspektiven charakterisiert. Das poetische Leben wird dabei als produktiver Umgang mit dem chaotischen Zufall interpretiert. Die romantisierenden Bewegungsrichtungen der Poesie tendieren zu einer je qualitativ potenzierende Erhöhung bzw. zu einer depotenzierenden Erniedrigung in einem zyklischen Gesamtprozess. In diesem Prozess kommt es zu einer Verflechtung von Subjektivem und Objektivem, welche das Mensch-Naturverhältnis als unbegreiflich bestehen lässt und dessen Qualitäten als unverfügbar wahrnimmt. 1.4 Qualität als Grenzphänomen in der Transzendal philosophie In dem Bemühen eine Aufhebung der Bindung der Qualität an die räumliche Grenze des Dinges zu erreichen, versuchte Leibniz die Materie nicht primär als das Ausgedehnte sondern als wirkende Kraft zu verstehen. Qualität wird von Leibniz definiert als diejenige Beschaffenheit der Dinge, die sich auch in einer isolierten Gegebenheit erkennen läßt, während die Quantität auf eine unmittelbare Beziehung zu anderen Gegenständen angewiesen ist. Dabei machen Quantitätsentsprechung Gleichheit, Qualitätskorrespondenz Ähnlichkeit
878
Qualität als philosophischer Begriff von Gegenständen aus. Die qualitative Bestimmtheit ist dabei die Bedingung der quantitativen Determinierung. Dabei geht Leibniz von einer bloß graduellen Verschiedenheit von Sinnlichkeit und Verstand aus. Dieser Grenzbetrachtung von Qualität folgend, setzt sich Kant jedoch in seiner metaphysischen Deduktion der Unterscheidung der Qualitätsmomente von Leibniz ab. Im Rahmen des Programmes einer transzendentalen Vernunftskritik hatte Kant die Positionen des Empirismus, wie des Rationalismus widerlegt. Er wies nach, dass es reine Vernunftsideen gibt, die als regulative Prinzipien im Dienst der Erfahrungsgewinnung stehen. Die Anschauung vermittelt eine Mannigfaltigkeit noch unstrukturierter Qualitätsempfindungen, z. B. optische, akustische und weitere Sinneseindrücke, die in Raum und Zeit ausgebreitet sind. Damit aus diesen eine objektive Wirklichkeit wird, welche für alle nachvollziehbar und kommunizierbar ist, bedarf es eines formalen Regelzusammenhangs. Begriffe als reine Form als Kategorien bestimmen und verknüpfen die angeschauten Qualitätserfahrungen und ermöglichen so einen diskursiven Umgang mit der Wirklichkeit. Diese kommt den Dingen nicht selbst zu, sondern werden von apriori gegebenen Schemata des Verstandes, sind mit deren qualitative Erfahrungen geordnet. Nach Kant ist demnach die Kategorie der Qualität ohne eine objektive Erkenntnis von Qualitäten nicht möglich. Die als reine Vernunftsidee aufgefaßte Kategorie des Qualitativen steht somit als regulatives Prinzip im Dienst der Erkenntnis der Erfahrung von Qualität. Die Realität des Qualitativen ist damit für Kant nicht objektiv gegeben, sondern erfolgt durch verstandesgemäße Setzung. Nicht mehr die qualitätsvermittelnden Sinne, sondern, über die reinen Anschauungsformen vermittelt, sind es die reinen Verstandesbegriffe, und die Urteilskraft der Vernunft bestimmt die Erkenntnis auch von Qualität. Diese Kategorien und Schemata treten mit höherer logischer Autorität dem Sinnlich-Qualitativem unvermittelt gegenüber. Kants transzendentale Theorie der Erfahrung begründet eine neue Stellung des Subjekts zur Objektivität. Der Gegenstand (der Qualität) soll sich nach der menschlichen Erkenntnis richten. Die zur objektiven Erkenntnis von Qualität gehörende Notwendigkeit und Allgemeinheit stammen nach Kant nicht aus den Gegenständen, sondern verdanken sich dem erkennenden Subjekt und der in ihm innewohnenden apriorischen Kategorien. Die Kategorien stellen damit als apriorische Voraussetzung, die Bedingung der Möglichkeit aller Objektivität und empirischer Naturgesetze dar. In einer Kritik der rationalen Psychologie werden von Kant deren Fehlschlüsse aufgedeckt. Das cartesianische „Ich denke“ ist kein Gegenstand der reinen Erfahrung, es ist weder Substanz noch Akzidenz, weder Dasein noch Nicht-Dasein. Als Ursprung aller Kategorien ist das transzendentale „Ich denke“ selbst nicht kategorial – als objektive Erkenntnis des Selbst – bestimmbar. Es braucht zur Konstitution eines Gegenstandes und seiner objektiven Erkenntnis eine sinnliche Anschauung. Die transzendentale Einheit des Bewusstseins ist eine formale im Denken, die nicht ohne die ergänzende Anschauung aus-
Qualität als philosophischer Begriff kommt um zum Gegenstand und zur Erkenntnis zu gelangen. Die Gegenstände wie auch das „Ding an sich“ (damit „Qualität an sich“) bleiben dem Menschen grundsätzlich unzugänglich. Der den Urteilsformen der Bejahung, der Verneinung und des Unendlichen zugeordneten Kategorien der Realität, der Negation und Limitation, gibt der Qualität eine bestimmte Zuordnung innerhalb der Kategorientafeln. Realität und Negation als gegensätzliche Bestimmungen werden in der Limitation als ihre Synthese vereinigt. Jede Qualität ist als besetzte Bestimmung zugleich eine Negation, indem mit der Bestimmung, was ein Ding ist, auch gesagt wird, was es nicht ist. Qualität ist also als Einheit von Bestimmtheit und Negation immer auch Grenzsetzung. Diese logischdeduzierte Qua litätsauffassung mit ihrem affirmierenden bzw. negierenden und grenzbestimmenden Urteilscharakter denkt sich jedoch zunächst unabhängig von sinnlichen Qualitäten selbst. Angewandt auf die Bedingungen der Sinnlichkeit hat die logische Affirmation bzw. Negation eine transzendentale Funktion, indem sie ein Sein als transzendentale Materie in der Zeit setzt oder nicht-setzt. Dieser so gesetzten Realität – und jede sinnliche Qualität die über sie vermittelt wird – muss nach Kant apriori als ein Grad des Einflusses auf den Sinn eine „intensive Größe“ zugewiesen werden [9]. Im Unterschied zur quantitativen Bestimmung, die sich als extensive Größe auf eine sukzessiv-inhaltliche Synthesis bezieht, ist die intensive Größe bereits aufgrund einer momenthaften Apprehension von Empfindungsdaten gegeben. Eigenschaften von Körpern (einschließlich ihrer Ausdehnung der Materialität wie Gestalt) werden zu deren Erscheinungen, nicht zu ihnen als Dingen an sich gezählt. Dennoch ist nur über eine empirische Bezüglichkeit der Qualitäten die kategorial antizipierte intensive Realität zugänglich. Die Begrenztheit dieser die Qualität als Grenzphänomen denkenden Transzendentalphilosophie wurde u. a. von der evolutionären Erkenntnistheorie aufgedeckt [10]. Die apriorischen Kategorien sind demnach selbst durch die aposteriorischen und damit qualitativen Lernprozesse der Evolution hervorgebracht worden. Auch bleibt in einer nur kategorial und vernunftsgefassten Qualität das „Andere“ der augenblicklichen Erscheinung systematisch unzugänglich [11]. Denn das „Andere“ des als vernünftig gefassten Qualitätserlebens ist nicht durch die epistemologisch bestimmbaren und in rationalen Diskursen eingeordneten Verfahren und Begriffssysteme erreichbar. Im Gegenteil schaltet die verstandeskonforme Anschauung und diskursiv-begriffliche Vermittlung von Qualität eine wirkliche Betroffenheit systematisch aus. Das leibliche und sprachliche Ich, welches empirisch Qualitäten empfindet und von diesen affektiert wird, wird anästhetisiert und durch ein transzendentales Subjekt objektiver Erkenntnis ersetzt. Dessen einheitliches Bewußtsein eignet sich über die Kategorien des reinen Verstandes die objektivierte Qualitätserfahrung für menschliche Erkenntnis- und Herrschaftszwecke an. Durch eine reflexive Rationalisierung wird die „unreine“
Qualität als philosophischer Begriff Qualitätserfahrung so zu bändigen und neutralisieren gesucht. Solche Durchrationalisierung des qualitätserlebenden Daseins verdrängte damit ein ihr zugehöriges A-rationales. 1.5 Qualität als virtuelle Pluralität in der Lebensphilosophie Als eine Gegenbewegung zur Aufklärung und zu deren Rationalismus versucht die Lebensphilosophie das lebendige Leben und dessen Qualitäten, welche mit den Mitteln des bloßen Denkens nicht zu erfassen sind, auch intuitiv zu verstehen. Das weltsituierte qualitative Leben wird von der Lebensphilosophie als aktualistisch, organisch und nicht-subjektivistisch in seiner Vielheitlichkeit zu deuten gesucht. In Überwindung eines mechanistischen und finalistischen Weltverständnisses entwickelt Bergson die Vision eines schöpferischen Werdens, an dem der Mensch Anteil haben kann [12]. Bergsons Auffassung von Qualität steht im Zusammenhang mit seinen bewusstseins- und zeitphilosophischen Betrachtungen. Hatte Kant Raum und Zeit als im Wesentlichen gleichberechtigte Formen der Anschauung behandelt, zeigt Bergson deren tiefen Wesensunterschied auf. Dem homogenen, quantitativ diversen Raum steht bei Bergson eine heterogene, qualitativ je verschiedene, reine Dauer gegenüber. Diese durée ist dabei keine räumlich meßbare, abgeleitete Zeit, sondern voller psychischer Unmittelbarkeit und Ursprünglichkeit die intuitiv und als Gedächtnis zugänglich ist. Den extensionalen Reizen, die als Quantitäten bestimmbar sind, stehen die gefühlsmäßig empfundenen Intensitäten des Qualitativen entgegen [13]. Bergson versucht diesen Dualismus durch eine Interpretation ihrer Wechselwirkung zu überwinden. In der Wahrnehmung als lebendige Synthese von reiner Wahrnehmung und reinem Gedächtnis vereinigt sich die Vielheit des Qualitativen [14]. Diese qualitativen Pluralitäten sind Momente der inneren Dauer, die nicht einander äußerlich sind. Die in der differenzierenden Aktualisierung begriffene Virtualität nennt Bergson „elan vital“. Diese Schwungkraft ist eine in der Aufspaltung be-griffene Totalität, welche Differenzierungslinien schöpferisch hervorbringt und sich aktualisiert, indem sie Neues und Qualitatives erfindet. 1.6 Qualität als phänomenales Ereignis Ein phänomenologisches Verständnis von Qualität fragt nicht nur danach was Qualität ist, sondern vielmehr wie sie lebensweltlich in Erscheinung tritt. Eine Phänomenologie des Qualitätsereignisses berücksichtigt dabei systematisch die Bedeutung des Leiblichen, Emotionalen und Atmosphärischen, aber auch die sprachlich-narrativen bzw. dramaturgisch-symbolischen Dimensionen und Differenzprozesse von Qualität [15]. Über den attributiven Bezug als Eigenschaftsphänomen hinaus, entsteht demnach aus der intentionalen und responsiven Differenzdynamik des Qualitätsereignisses ein relationaler Mehrwert. Entgegen den neuzeitlichen Positionen ist Qualität phänomenologisch weder durch rationalistischsubjektivistische, noch durch empiristisch-objektivistische Zugänge hinreichend bestimmbar. Der unmittelbare, lebensweltliche Vollzug des Qualitätsprozesses liegt der Differenz von Subjekt und Objekt vielmehr immer schon voraus. Aus
879
Q
Qualität als philosophischer Begriff dem leiblich-emotionalen und sprachlich-expressiven Ereignis der Qualität selbst erst emergieren das Subjekt und die Objekte der Qualität. Das Ereignis der Qualität bleibt dabei selbst unverfügbar und singulär. 1.7 Zwischenfazit Die hier vorgenommene historische Rekonstruktion einflussreicher philosophischer Auffassungen des Qualitativen zeigte die geschichtlichen Wandlungen des Qualitätsverständnisses auf. Ferner ermöglicht diese Rückschau auch das moderne, ökonomische Verständnis von Qualität und des Managements in einen größeren Zusammenhang einzuordnen und kritisch zu relativieren. Im Folgenden wird nach einer kurzen Aufarbeitung des ökonomischen Qualitätsverständnisses, dieses auch hinsichtlich seiner Grenzen für Dienstleistungen kritisch betrachtet.
Q
2 Philosophische Betrachtungen der grundlegenden Auffas sungen des modernen, ökonomischen Qualitätsbegriffs Aus ökonomischer Perspektive wird Qualität als ein Wert innerhalb wirtschaftlicher Austauschbeziehungen auf Märkten zu erfassen gesucht. Anstelle der Einheit des klassischen Qualitätsereignisses tritt die Differenz zwischen Konsumenten und Produzenten, die ihre Nachfragen und Angebote austauschen. Die Bedürfnisse und Präferenzen eines Kunden und die Produkte, Leistungen und Kosten des Produzenten begegnen sich in einem markthaften Tausch, der sich über ein Preisgleichgewicht regelt. Die (Wert-)Einheit der Differenz dieser vom Markt bestimmten, nutzenorientierten Qualität ist somit der Preis, auf den sich Konsumenten und Produzenten einigen. Aus mikroökonomischer Perspektive kann der individuelle Nutzenzuwachs der Erhöhung einer Qualitätseigenschaft jedoch nicht korrekt und kardinal gemessen werden. Eine Ordinalmessung versucht demgegenüber ein zelne Merkmalsausprägungen in Bezug auf gegebene Bedürfnisstrukturen in eine Rangordnung zu bringen. Der Umfang der Bedürfnisbefriedigung bestimmt dabei das subjektive Qualitätsniveau. Zu einer Objektivierung dieser subjektbezogenen Qualität wird aber eine Personengruppe benötigt, die in ihren Ansprüchen relativ homogen sein muss und über anspruchsorientierte Qualitätsbestimmungen Auskunft geben kann. Zur Messung objektiver Qualität wird ein verwendungszweckspezifisches Qualitätskonzept verwendet, das von auswählenden Personen und deren Nutzen- und Wertvorstellungen sowie Beziehung zueinander subjektiv und intersubjektiv beeinflußt wird. Der Qualitätsbegriff herkömmlicher ökonomischer Betrachtung definiert Qualität zweckteleologisch und nutzenorientiert als bewertete Beschaffenheit [20] bezüglich einer bestimmten, einheitlichen Qualitätsforderung. Sie entspricht einer Eignung für bestimmte Zwecke bzw. einer Lösungsfähigkeit für eine spezifische Aufgabe [21] als ein eindimensionales Qualitätsmaß. Entsprechend wird Qualität als „fitness for use“[16] definiert und damit von eingesetzten Spezifikationen und Verwendungszwecken bzw. von Nutzenerwartungen und damit Gebrauchstauglichkeit her bestimmt. Ne-
880
Qualität als philosophischer Begriff ben einer Aussage über Eigenschaften einer Sache als einer Beschreibung der Beschaffenheit, umfasst der ökonomische Qualitätsbegriff damit immer auch eine wertende Aussage z. B. die Beurteilung einer Eignung [22]. Diese klassischen Grundlagen eines ökonomischen Qualitätsbegriffs finden ihre aktuelle Manifestation und Wirkungsmächtigkeit nicht nur in der ►Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V., sondern v. a. auch in den Normen des ►Deutschen Instituts für Normung e.V.. Nach der einstig einflussreichen DIN-Norm 55350 ist Qualität bestimmt als die „Beschaffenheit einer Einheit bezüglich Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen.“ Auf internationaler Ebene entspricht die Normenreihe ISO 9000 ff dieser technischen Standardisierung und von ►Forderungen im Sinne ingenieurwissenschaftlich begründeteter Bestimmungen. Auch wenn Normen des DIN und der ISO keinen Gesetzes- oder Verordnungscharakter, sondern nur Empfehlungen sind und sich auch wandeln bestimmen sie das Qualitätsdenken und die z. B. branchenspezifische Anwendung wesentlich mit. Entsprechend wird in den Qualitätsmanagementsystemen Qualität durch eine Übereinstimmung gemäß vorgegebener ►Forderungen zu sichern und zu managen gesucht. In dem bisherigen Ansatz eines ökonomischen Qualitätsmanagements geht es dabei konsequenterweise um die Minimierung von ►Qualitätskosten, welche als Prüf- und Beurteilungskosten geplanter Vorgabe oder als Fehlerverhütungskosten bzw. Folgekosten auftreten und kontrolliert werden müssen. Dieses Selbstverständnis entspricht methodisch einer Kosten-Nutzen-Analyse in betriebswirtschaftlich einseitig ausgerichtenten Qualitäts(management)systemen bzw. System von ►Qualitätsforderungen sowie ein entsprechendes ►Qualitätscontrolling, die auch dabei ein verengtes Qualitätsverständnis reproduziert. 3 Grenzen des herkömmlichen ökonomischen Verständ- nisses von Qualität für kontaktintensive Dienstleistungen Die zuvor dargelegten Betrachtungen zu einem philosophischen Begriff von Qualität zeigen dessen zeitgeistigen Wandel aber auch die Grenzen einer eindeutigen Fassbarkeit des Qualitativen auf. Wie dargestellt, versucht ein ökonomischer Zugang, über ein disponierendes Denken und verfügbarmachendes Handeln, Qualität als messbare Variable zu operationalisieren. Insbesondere für die Qualität von kontaktintensiven Dienstleistungen ist ein solches ökonomisches Grundverhältnis problematisch. Wird gemäß der industrieökonomischen Logik die Dienstleistung als Produktion aufgefasst und konsequenterweise ihre Qualität als Bestandsgröße festzustellen gesucht, entzieht sich Wesentliches dessen, was Qualität als offenes Ereignisgeschehen ausmacht [15]. Zudem werden in einer solch funktionalen Auffassung die prozessualen Machtbeziehungen nur unzureichend beachtet [17]. Wird demgegenüber die Emergenz des Qualitativen als ein Epiphänomen verstanden, bleibt Qualität eine perspektivische Wahrheit für die je leib-sprachlich Betroffenen in
Qualität als philosophischer Begriff ihrer lebensweltlichen Situiertheit. Qualität entzieht sich damit letztlich einem planbaren Soll, ebenso, wie einem kontrollierbaren Ist. Sie ist kein einfach produzierbarer und konsumierbarer Nutzenzusammenhang, sondern eine kreative Wertschöpfung. Als solche umfassen dabei inhaltliche Qualitätsdimensionen, neben materiellen Eigenschaften wie Material-Funktions-Verarbeitungsqualitäten sowie zunehmend auch ökologische Qualitäten, immer auch ideelle Dimensionen wie soziale, moralische sowie ästhetisch-geschmackliche (Erlebnis-)qualitäten. Ein nachmoderner und post-metaphysischer Zugang kann dem, was dabei im Qualitätsprozess insbesondere von Dienstleistung „wesentlich“ ist auf die Spur kommen. Anwesung meint mit Heidegger „das Hervorkommen in das Unverborgene“ als ein Sicheinstellen in ein Offenes. Über ein emergentes, „prosumtives Her-Stellen“ dessen, was die Leistung von Diensten und deren Qualität ausmacht, kann das was sie wesentlich ausmacht situiert werden. Die Dienstleistung und ihr Qualitätsprozess verlangen dabei ein „Sich-ein-lassen“ aller Beteiligten auf ein Offenes, in welches die konstituierenden Prozesse her-einstehen und -wirken. Denn es entspricht gelingender Dienstleistung selbst hervorzukommen in das Offene ihrer Qualität. Solches Aussetzen in ein Offenes deutet auf eine Frei-lassen hin. Wie frei kann aber noch eine Qualität sein, die ehemals nach Crosby[18] als „conformance to requirements“ also einem im Vorhin-ein bestimmbaren Entsprechungsverhältnis verstanden wird? Wo Wahrheitsmomente von Qualität immer noch nur als Richtigkeit des repräsentationalen Vorstellens i. S. quantitätsoptimaler Koeffizienten maßgebend wird, bleibt die erlebte Qualitätswahrheit unerreicht und verkannt bzw. gebannt. Wie kann eine Wahrheit des Qualitativen zugänglich sein, die weder universalen Normen und Qualitätsstandards, noch einer umfassenden Totalität i. S. von Total-Quality-Systemen entspricht, auch wenn er mehr und mehr von Begriffen wie „Excellence“ unbenannt wurde? Wirklich „exzellent“ wäre ein Vollzugsverständnis von Qualität als lebendige Vortrefflichkeit die aus einem verwobenen relationalen Zusammenhang hervorgebracht wird (►Qualität als Beziehungsgeschehen). Merleau-Ponty [19] spricht von einer „vérité à faire“, einer generativen, wahr-zu-machenden Wahrheit“, die jedoch weder als Ziel vorausgesetzt, noch als Produkt einfach hergestellt werden kann, sondern als paradoxes Ausdrucksgeschehen verhandelt und interpretiert wird. Dieses dynamische Wahrheitsverständnis verweist auf ein Ereignis, welches weder bloße Wiedergabe noch reine Neuschöpfung ist. Vielmehr gleicht es einem transformationalen Übersetzen, welches in einem ständigen Wiederanfangen seine eigene Originalität und Wahrheit hervorbringt bzw. genuine Exzellenz auf die in gegenseitigen Ansätzen als anzustrebende Qualität sich ausgerichtet wird. Wahr ist demnach ein Reden und Handeln, daß Dingen und Prozessen und darin Involvierten das sagen und tun läßt, was sie selber im bestmöglichen Sinn ausdrücken und voll-ziehen wollen.
Qualität als philosophischer Begriff Die dialogische Erfahrung des expressiven Wahrheitsgeschehens gerade in kontaktintensiven Dienstleistungen ist dabei immer auch von einem wechselseitigen Übergreifen von eigenen und fremden Ansprüchen und Ausdrucks- und Antwortweisen der Akteure bestimmt. Eine solche responsive Verflechtung von Eigenem und Fremdem führt zu einer Wahrheit von Qualität die gekennzeichnet ist von affektiven Betroffenheiten, Überschneidungen und Wiederaufnahmen. An dieses Wahrheitsereignis partizipieren die darin Involvierten nicht nur, sofern wir dieselbe Sache denken, sondern sofern wir, jeder auf seine Weise, von ihr betroffen und berührt sind. Eine sich ereignender pro-sumptiver Qualitätsermöglichung gewährt so dem Besonderen – welches die Qualität für alle Beteiligten je verschiedenartig ausmacht – einen produktiven Entfaltungsraum. Nur Qualität, die frei gelassen wird, kann in ein sie hervorbringendes Werden kommen, welches selbst jedoch unsicher(bar) bleibt. In einem solchem freilassenden Prozess liegt die Chance einer inhärenten Sicherheit der Dienstleistungsqualität, die keine „gesicherte“ ist. Sie ist jedoch sicher qualitätsermöglichender, als noch so sehr durchdachte exogene Sicherungsstrategien. Anstelle einer Sicherung der Dienstleistungsqualität durch eine wie auch immer geartete „sichernde“ Technik, tritt das Qualitätsereignis durch den pro-sumptiven Prozess „selbstsicher“ hervor. Die Qualität hat ihren Ursprung und Vollzugsort damit in der freiwerdenden Qualität des leib-situierten, Wahrnehmens, Fühlens, Denkens, Wertens und Handelns derjenigen, die diese beruflich und mit den Kunden befriedigend hervorbringen. Dies mag in anderen kulturellen Kulturen sich anders gestalten und nichteuropäische Philosophietraditionen mit einem anderen Qualitätsverständnis verschieden interpretiert werden, auf die hier nicht eingegangen werden konnte, die aber in einer globalisierten Welt wichtiger werden. Für die Entstehung der je besonderen Qualität in Organisationen gibt es dennoch mannigfaltige Möglichkeiten einer Gestaltung der Bedingungen und Spielräume für das ermöglichende und förderbare Freilassen dieser prozesshaften Qualitätswahrheit. Da die Sinnstrukturen der organisationalen Lebenswelten den Hintergrund bilden, in den Qualität eingebettet und bewegt, wird es für Organisationen darauf ankommen, eine entsprechende qualitative und qualitätsermöglichende Kultur (►Unternehmenskultur)und Praxis zu entwickeln und für die Wirtschaft und Gesellschaft qualitative Orientierungen ihrer Grundprozesse integral auf ►Nachhaltigkeit qualifizierte Werte zu kultivieren. Prof. Dr. rer. pol. Wendelin M. Küpers Karlshochschule Karlruhe Anmerkungen
[1] Aristoteles: Metaphysik, München (dtv) 1991b, 8b [2] s. [1], 14, 1020a, 33 [3] s. [1], 14, 1020b, 15 [4] s. [1], 14, 1020b, 10 [5] Aristoteles: Physik, München: (dtv), 1991c, II 3, 7-8. – ders.:
881
Q
Qualität als systemtheoretischer Begriff Metaphysik, München (dtv) 1991b, I 37 V2 [6] Aristoteles: Nikomachische Ethik, München (dtv) 1991a, VI 3.1193b, 15 [7] s. [6], VI 3.1176b, 25 [8] Behler, E.: Frühromantik, Berlin (de Gruyter) 1992, S. 22 [9] Kant, I.: Kritik der reinen Vernunft, Frankfurt (Suhrkamp) 1989a, B 208 [10] Vollmer, G..: Was können wir wissen? Bd. 1. Die Natur der Erkenntnis. Beiträge zur Evolutionären Erkenntnistheorie, Stuttgart (Hirzel) 1985. Vollmer, G.: Evolutionäre Erkenntnistheorie. Stuttgart (Hirzel) 1975, 8. Aufl. 2002. Wieso können wir die Welt erkennen?. Neue Beiträge zur Wissenschaftstheorie. Stuttgart (Hirzel) 2002, [11] Böhme, H.; Böhme, G..: Das Andere der Vernunft. Zur Entwicklung von Rationalitätsstrukturen am Beispiel Kants, Frankfurt (Suhrkamp) 1983 [12] Bergson, H.: Denken und schöpferisches Werden, Hamburg (Europäische Verlagsanstalt) 1993 [13] Bergson, H.: Zeit und Freiheit, Frankfurt (Suhrkamp) 1989, S. 166 [14] Bergson, H.: Gedächtnis und Materie. Eine Abhandlung über die Beziehung zwischen Körper und Geist, Hamburg (Rowohlt) 1991 [15] Küpers, W.: Phänomenologie der Dienstleistungsqualität“, Wiesbaden (Gabler) 1999. [16] Juran, J.: Quality control handbook, New York (McGraw) 1951 [17] Wilkinson, A.P.; Willmott, H.: Making quality critical, London (Routledge), 1994 [18] Crosby, P.: Quality is free: the art of making quality certain, New York (McGraw-Hill), 1979; [19] Merleau-Ponty, M.: Das Sichtbare und das Unsichtbare, München (Fink) 1986, S. 168, 228, 259. – Waldenfels, B. (1991) ‘Vérité à faire, Merleau-Ponty’s question concerning truth’ Philosophy Today 4: 185-194 [20] Kawlath, A. Theoretische Grundlagen der Qualitätspolitik, Wiesbaden (Gabler) 1969 [21] Witz, W. Zur Logik des Qualitätsbegriffes, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Berlin (de Gruyter), Teil I, Band 104, 1915, S. 1-11 [22] Lisowsky, A. Qualität und Betrieb, Ein Beitrag zum Problem des wirtschaftlichen Wertens, Stuttgart (C. E. Poeschel) 1928, hier S. 17
Qualität als systemtheoretischer Begriff
Q Begriff
▶ Quality as term of systems theory ▶ Qualität als Fachbegriff des Qualitätsmanagements ▶ Qualität als Beziehungsereignis Qualität ist eine dreistellige Relation zwischen einem Zustand, einer Bewertung und einem Beobachter. Als Qualität bewertet ein Beobachter die Unwahrscheinlichkeit, aber Stimmigkeit des Zustands. Beobachter und Bewertung sind für den Begriff der Qualität so zentral, dass die Abhängigkeit des Urteils von Perspektive, zeitlichem Moment, Kontext und Subjektivität nicht ausgeschlossen werden kann, sondern prinzipiell eingeschlossen ist. Zu einem systemtheoretischen Begriff wird dieser Begriff in dem Moment, in dem explizit auf Systemreferenzen Bezug genommen wird sowie Selbst- und Fremdreferenz unter-
882
Qualität als systemtheoretischer Begriff schieden werden. In Frage kommen die Systemreferenzen der Entwicklung des Zustands, der Reproduktion des Beobachters und der Semantik oder des Diskurses der Bewertung. Die Zuschreibung von Qualität funktioniert fremdreferentiell, solange diese drei Systemreferenzen unterschieden bleiben und in einem deswegen komplexen Urteil zusammengeführt werden. Die Zuschreibung von Qualität funktioniert selbstreferentiell, wenn Unterscheidung und Zusammenführung als Elemente ein und desselben Urteils vollzogen werden. Zu einem selbstreferentiellen Kurzschluss kommt es, wenn der beurteilte Zustand derjenige des Beobachters, der Bewertung oder gar beider ist. Man spricht dann, ohne damit seine Wertschätzung zu entziehen, eher von Charakter als von Qualität, in negativer konnotierten Fällen auch von Verkalkung oder Verkrustung. Doch auch dies sind Zustände einer bestimmten Qualität, wenn auch höherer Ordnung, etwa zur Markierung historisch überwundener oder evolutionär blockierter Zustände. Nichttrivial ist dieser systemtheoretische Begriff der Qualität in dem Moment, in dem alle drei Systemreferenzen als Referenzen auf Systeme in Differenz zu Umwelten verstanden werden. Die Entwicklung des Zustands, die Reproduktion des Beobachters und der Diskurs der Bewertung müssen in diesem Moment als sachlich, zeitlich und sozial unwahrscheinlich gelten [1]. Zustand, Beobachter und Bewertung müssen sich von anderem unterscheiden, von einem Moment zu einem nächsten Moment erhalten und aus verschiedenen sozialen Perspektiven als mitteilbar gelten. Da die Umwelt nicht still hält, sondern sich verändert, ist der Begriff der Qualität ein Begriff zur Beurteilung der strukturellen Kopplung der nichtlinearen Reproduktionsleistungen aller drei Systeme in ihren Umwelten. Strukturelle Kopplung heißt hier, dass die Strukturen der Reproduktion von Zustand, Beobachter und Bewertung aufeinander Bezug nehmen, ohne operativ, geschweige denn technisch aneinander gekoppelt zu sein [2]. Die Dreistelligkeit der Relation von Zustand, Beobachter und Bewertung definiert den hermeneutischen Zirkel des Qualitätsbegriffs. Handhabbar wird der Begriff jedoch erst dadurch, dass diesem Zirkel eine doppelte Asymmetrie eingeschrieben wird. Der Begriff asymmetrisiert das ►Qualitätsurteil zum einen zugunsten des Urteils eines Beobachters und zum anderen zugunsten eines Zustands, der als ein vom Beobachter unabhängiger Zustand gedacht wird. Diese doppelte Asymmetrie invisibilisiert die Paradoxie, dass der Beobachter sein Urteil zugleich als ein Urteil ansehen muss, dass vom Zustand determiniert wird [3]. Das bringt den Begriff der Qualität in die Nähe eines zugleich ästhetischen und kulturellen Begriffs. Zu einem ästhetischen Begriff wird er dadurch, dass sich der urteilende Beobachter im beurteilten Zustand wiedererkennt [4]. Und zu einem kulturellen Begriff wird er dadurch, dass Zustand, Beobachter und Bewertung als Ergebnisse einer wechselseitigen, aber auch eigenständigen Kultivierung betrachtet werden können [5].
Qualität als systemtheoretischer Begriff Qualitätsurteile sind der Schlüssel zu einer funktionalen Betrachtung der Differenz von System und Umwelt. Sie erlauben eine Fügung von System und Umwelt, das keine wechselseitigen Determinationen, sondern nur Spielräume kennt und dessen Maß eine Übereinstimmung ist, die mit einem altgriechischen Begriff als Seelenfrieden [3] bezeichnet werden kann. In der griechischen Kosmologie stellte man sich wechselseitige Balancen von Seele (psyche), Haushalt (oikos), Stadt (polis) und Welt (cosmos) vor, die ihre teleologische Qualität in sich (Aristoteles’ entelechie) enthielten. Ein Begriff für Qualität wird spätestens dann erforderlich, wenn irreversible Prozesse der Energieausbeutung, Industrialisierung und Urbanisierung diese Balance unwahrscheinlich werden lassen (Adams). Spielräume zwischen System und Umwelt werden dadurch aufrechterhalten, dass sowohl zwischen Umwelt und System als auch innerhalb des Systems und innerhalb der Umwelt Bewegungen möglich sind, die die Bezüge zwischen System und Umwelt zu variieren erlauben. Der Begriff der Qualität hält fest, dass diese Spielräume irreduzibel sind und nur empirische Festlegungen kennen. Darüber hin-aus hält er jedoch zusätzlich fest, dass diese empirischen Festlegungen zwar kontingent, aber nicht zufällig sind. Sie können variiert werden, jedoch nicht nach Belieben. Der systemtheoretische Begriff der Qualität ist daher zugleich ein Begriff für eine Einschränkung der Spielräume, die weder auf die beteiligten Systeme noch auf ihre Umwelt, sondern ausschließlich auf die Differenz von System und Umwelt zugerechnet werden kann.
Nimmt man hinzu, dass dem System zusätzlich zur eigenen Wahrnehmung von Qualitäten auch von außen Qualitäten zugemutet und abverlangt werden, wird verständlich, dass die Bezugnahme auf Qualität eine anspruchsvolle und endlose Aufgabe und Arbeit einer Selbsterfindung darstellt, die sich, das macht der Begriff der Qualität deutlich, nicht auf sich selbst verlassen darf, sondern Fremdreferenzen in das eigene Kalkül mitaufnehmen muss. Zugleich macht der Begriff der Qualität deutlich, dass die Fremdreferenzen stumm bleiben, solange das System sich nicht in ein aktives, selbst gewähltes und selbst verantwortetes Verhältnis zu ihnen bringt. Qualität kann nicht quantitativ errechnet werden. Sie verlangt eine Entscheidung. Auf der Grundlage des systemtheoretischen Begriffs kann man sich Qualität als einen komplexen Rechner vorstellen, der laufend Systemzustände und Umweltwahrnehmungen miteinander vergleicht und die Ergebnisse dieses Vergleichs für das Errechnen weiterer Systemzustände verfügbar macht. Das Kriterium dieses Rechners ist die Aufrechterhaltung einer funktionalen Komplementarität von System und Umwelt. Das Rechenverfahren selbst ist ästhetisch. Denn es kann sich nicht auf Kausalität, sondern nur auf die Differenz von System und Umwelt verlassen. Und es ist kulturell, denn es weiß sich von einer Kultivierung abhängig, die über einige Faktoren der Produktion von Qualität verfügt und über andere nicht. In dieser Differenz von Verfügbarkeit und Unverfügbarkeit ist jedes Qualitätsurteil verfügbar und unverfügbar für sich selbst verankert. Prof. Dr. rer. soc. Dirk Baecker, Zeppelin Universität Friedrichshafen, Friedrichshafen Literatur
[1] Luhmann, N.: Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main (Suhrkamp)1984 [2] Maturana, H. R.: Biologie der Realität, dt. Frankfurt am Main: (Suhrkamp) 2000 [3] Pirsig, R. M.: Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten: Ein Versuch über Werte, dt. Frankfurt am Main: (Fischer Taschenbuch Verlag) 1978 [4] Bateson, G.: Geist und Natur: Eine notwendige Einheit, dt. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1982 [5] Baecker, D.: Wozu Kultur? Berlin (Kulturverlag Kadmos) 2001 [6] Adams, H.: Die Erziehung des Henry Adams, von ihm selbst erzählt, dt. Zürich: Manesse 1953 [7] Aristoteles: Über die Seele, in: ders., Philosophische Schriften, Bd 6, Hamburg (Meiner) 1995 [8] von Foerster, H.: Wissen und Gewissen: Versuch einer Brücke, dt. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1993
Q
Qualität der Unternehmensführung ▶Corporate Governance
Qualitätsanforderung
ISO-Term
Führt man diesen Begriff der Qualität in ein beobachtendes System wieder ein, kann die Verwendung und Markierung von Qualität in der Form von ►Qualitätscontrolling, ►Qualitätsmanagement, ►Qualitätszirkeln usw. es dem System (hier: einer ►Organisation) ermöglichen, innerhalb des Systems seine Kopplungen mit seiner Umwelt aus der Sicht verschiedener Beobachter zu überprüfen. Der Begriff der Qualität wird zu einem Begriff der Beobachtung zweiter Ordnung (von Foerster), der es ermöglicht, Beobachter zu beobachten und die eigenen Beobachtungen anhand der Differenz der Perspektiven der beobachteten Beobachter zu supervidieren und moderieren. Der Begriff der Qualität korrigiert die Blindheit des Systems für die Auswirkungen seiner Operationen auf die Umwelt des Systems. Er stellt ein Schema bereit, mit dessen Hilfe das System seine Operationen sortieren, selegieren und variieren kann. Dieses Schema zwingt das System zur Reflexion auf seine Umwelt, obwohl und weil diese Reflexion nur im System stattfinden kann. Dabei variiert das Qualitätsverständnis in Abhängigkeit vom Umweltsegment, auf das das System zur Reflexion des Systems Bezug nimmt. Je nachdem, welche Umweltsegmente das System adressiert, werden unterschiedliche Qualitäten im System als Schema der Selektion und Variation der eigenen Operationen verwendet. Mit dem Blick auf verschiedene Umweltsegmente entstehen im System konkurrierende Qualitätsstandards, von denen sich in Abhängigkeit von der Systemdynamik einige durchsetzen, andere wieder verschwinden.
Qualitätsanforderung
▶en: quality requirement ►Anforderung bezüglich ►Qualität Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
883
Qualitätsassessment
Qualitätsassessment
Qualitätsassessment
eigenen Stärken und Schwächen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden zur Initiierung von Verbesserungsmaßnahmen genutzt.
▶en: quality assessment ▶Qualitätsaudit ▶Management-Review ▶Self-Assessment
Begriff
Qualitätsbewertungen vermitteln Transparenz, liefern Informationen über das Niveau von Produkten, Prozessen und Potentialen. Darüber hinaus können sie die mentalen Einstellungen zum Wandel einer Organisation und zur Weiterentwicklung eines ►QM-Systems fördern. In Zusammenhang mit der Weiterentwicklung eines QM-Systems stehen heute verschiedene Bewertungsmöglichkeiten zur Verfügung. Eine Möglichkeit ist das Qualitätsassessment. Davon zu unterscheiden sind das ►Qualitätsaudit und das ►ManagementReview.
Q
Bei einem Qualitätsassessment wird die Leistung des ►QMSystems einer Organisation auf der Grundlage eines Referenzmodells bewertet. Wird das Assessment von den betroffenen Mitarbeitern selbst durchgeführt, spricht man von Selbstbewertung (Self-Assessment). Ziel des Qualitätsassessment ist es, die eigenen Stärken und Schwächen zu ermitteln und auf der Grundlage der gewonnen Erkenntnisse Verbesserungsmaßnahmen zu initiieren. Die Vorgehensweise bei einem Qualitätsassessment im engeren Sinne weist Ähnlichkeiten zu einem Qualitätsaudit auf. Unterschiede gibt es jedoch bei der Bewertungsgrundlage und den die Bewertung durchführenden Personen. Bei einem Qualitätsassessment wird die Leistung des QM-Systems eines Unternehmens auf der Grundlage eines Referenzmodells bewertet. Wird das Assessment von den betroffenen Mitarbeitern selbst durchgeführt, spricht man von ►Selbstbewertung (Self-Assessment). Dagegen wird beim ►Qualitätsaudit bewertet, ob die qualitätsbezogenen Tätigkeiten und damit gebnisse den vom Unternehmen zusammenhängenden Er geplanten Regelungen entsprechen. Darüber hinaus wird ein Qualitätsaudit durch Personen ausgeführt, die zwar Erfahrung im zu auditierenden Bereich besitzen sollen, jedoch unabhängig von den zu auditierten Bereichen sein müssen. Eine Qualitätsaudit kann daher nicht durch Selbstbewertung erfolgen. Weiterhin ist das Qualitätsassessment vom ►ManagementReview abzugrenzen. Das Management-Review wird durch die Geschäftsführung zur formellen Bewertung des Stands und der Angemessenheit eines QM-Systems bezüglich der ►Qualitätspolitik eingesetzt. Üblicherweise erfolgen Management-Reviews einmal jährlich durch eine kennzahlengestützte oder verbale Einschätzung der Zielerreichung. Vom Management-Review unterscheidet sich damit das Qualitätsassessment durch die Art des Bewertungsmaßstabes. Während beim Management-Review primär die Erreichung unternehmensspezifischer Ziele analysiert und bewertet wird, geht es beim Qualitätsassessment durch den Vergleich mit einem unabhängigen Referenzmodell um die Ermittlung von
884
Als Referenzmodelle werden in der Praxis insbesondere die den ►Qualitätsauszeichnungen zugrundeliegenden Bewertungsmodelle, wie der ►Malcolm Baldridge National Quality Award (MBA) oder das Modell für Business Excellence der ►EFQM (EEA) genutzt. Diese Modelle können auf unterschiedliche Arten im Rahmen eines Assessments eingesetzt werden [1], [2]. Im Folgenden wird eine Auswahl von verschiedenen Methoden des Qualitätsassessments vorgestellt. Weitere Methoden werden beispielsweise in den Beschreibungen zur Anwendung des ►EFQM-Modells aufgezeigt. Weit verbreitet sind in der betrieblichen Praxis Fragebögen zum Qualitätsassessment (►Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement). Hierzu wird auf der Grundlage eines Referenzmodells ein Satz in sich geschlossener Fragen entwickelt. Durch eine in der Regel schriftliche Befragung lassen sich schnell und einfach die Bewertungen der Mitarbeiter eines Bereichs erfassen. Aussagefähige Ergebnisse lassen sich nur erreichen, wenn bei den Mitarbeitern eine breite Akzeptanz für regelmäßige Befragungen besteht. Probleme bezüglich der Validität und Reliabilität der Ergebnisse können auch auftreten, wenn die in den Fragen gewählten Formulierungen unpräzise oder missverständlich sind. Durch den Einsatz von Fragebögen lassen sich bei geringem Ressourceneinsatz Einschätzungen der Mitarbeiter sammeln und damit Problembereiche identifizieren. Konkrete Verbesserungsmaßnahmen können jedoch nur in bedingtem Maße abgeleitet werden. Als zweite Möglichkeit bietet es sich an, ein Qualitätsassessment durch ausgebildete Fachleute durchführen zu lassen. Anhand von Gesprächen mit Mitarbeitern, Stichproben, Beobachtungen und der Überprüfung von Dokumenten wird eine Einordnung in das Referenzmodell vorgenommen. Diese Form des Assessments ermöglicht eine detailliertere Analyse als der Einsatz von Fragebögen. Die Ergebnisse sind jedoch wie beim Qualitätsaudit abhängig von der Qualifikation der Auditoren und der Kooperation der Mitarbeiter. Als dritte Methode kommt in Betracht, Qualitätsassessments in Form von Workshops durchzuführen. Vergleichbar mit einem Review präsentieren die Mitarbeiter ihre Bewertungen der Kriterien des Referenzmodells einem Assessorenteam. Die Möglichkeit zur unmittelbaren Rückfrage durch die Assessoren hilft, Missverständnisse bei der Rückmeldung der Bewertungsergebnisse zu vermeiden. Durch die gemeinsame Diskussion der Bewertung sind bei dieser Methode die aussagekräftigsten Ergebnisse zu erwarten. Allerdings ist diese Form des Assessments relativ aufwendig und setzt voraus, dass die Mitarbeiter zu einer offenen und ungeschützten Präsentation ihrer Bewertungen bereit sind. Für den Einstieg in das Qualitätsassessment eignen sich vor allem schriftliche oder elektronische Fragebögen. Audits sowie schriftliche Berichte der einzelnen Abteilungen über die
Qualitätsassessment
Qualitätsassessment
eigene Qualitätsbewertung erfordern einen hohen Aufwand und sind erst zu einem späteren Zeitpunkt sinnvoll. Qualitätsassessments werden in einem fortgeschrittenen Stadium der Einführung eines QM-Systems nicht mehr nur zur Ergebnisbeurteilung, sondern vielmehr auch für die Planung von Qualitätszielen und die effiziente Realisierung eines prozessorientierten Qualitätsmanagements eingesetzt [3].
Organisationsgrad des Qualitätsmanagements noch wesentlich geringer als in Produktionsbetrieben. Ein Reifegradmodell zum Qualitätsassessment von Dienstleistungsbetrieben muss daher bei diesem „chaotischen Urzustand“ vor der Einführung jeglicher ►QM-Elemente beginnen. Auf der anderen Seite ist es für viele Dienstleistungen typisch, dass die Qualität stark von den individuellen Fähigkeiten der Mitarbeiter abhängt. Auch sind die Kunden in die Prozesskette eingebunden, weshalb sich die organisatorischen Maßnahmen eng an den Kunden orientieren müssen.
Bei der Bewertung einzelner Kriterien auf der Grundlage eines der beiden oben erwähnten Referenzmodelle besteht das Hauptproblem für die Assessoren darin, den Erfüllungsgrad zu bestimmen. So muss Abb. Q19: Kriterien ausgewählter Reifegradmodelle beim Assessment anhand Mc Kinsey des ►EFQM-Modells der Crosby Malorny Lievegoed (Groothuis) Umsetzungsgrad einzelner Maßnahmen in ProzentCertainty Excellence Perfektion werten angegeben werden. Integration Wie praktische Erfahrungen zeigen, ist eine solche ProWisdom zentangabe nur durch speStabilisierung Prävention ziell ausgebildetes Personal möglich. Aus diesem Grund Enlightment Differenzierung werden zum Self-Assessment Realisierung Sicherung die Fragen auf der Basis von Reifegradmodellen vorgeAwakening nommen.
Pall
Eversheim
Fehlerfreie Prozesse
Optimierung
Messbare Ergebnisse Grundlagen eingeführt Verbesserung im Gange
Umsetzung
Festlegung
Orientierung
Jede organisatorische VerSensibilisierung Kontrolle Pionierphase Uncertainty Improvisation besserung und damit auch Identifizierte eine Qualitätsverbesserung Proesse vollzieht sich in der Regel in einzelnen Phasen. Aus der Im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts Organisationstheorie und dem Prozessmanagement sind Reiwurde daher als dienstleistungsspezifische Variante für ein fegradmodelle bekannt, welche die einzelnen Stufen solcher Qualitätsassessment auf der Grundlage eines fünfstufigen Veränderungsprozesse beschreiben. In den letzten Jahren Reifegradmodells die Methode ServAs (Service Assessment) ist die Idee des Reifegradmodells erfolgreich auf das Qualitätsmanagement übertragen Abb. Q20: Ablauf eines ServAss-Projektes worden. Abbildung Q19 skizziert einige ReifegradmoErfolgskontrolle durch delle aus unterschiedlichen Problemdefinition Kurz-Assessment oder Betrachtungsbereichen. Grobe Zielfindung Der Einsatz von Reifegradmodellen beim Qualitätsassessment bietet sich insbesondere dort an, wo ein organisiertes Qualitätsmanagement sich noch in der Anfangsphase befindet [4]. An einem Beispiel sollen Aufbau und Vorgehensweise eines Qualitätsassessment unter Nutzung eines Reifegradmodells gezeigt werden. Bei vielen stungsbetrieben
Dienstleiist der
Breitenerhebung
Kurz-Assessment
Diskussion der Ergebnisse Prioritäten bestimmen
Eventuell Breitenerhebung
Umsetzung der QM-Elemente
Entwicklung der QM-Elemente
Maßnahmenplanung
885
Q
Qualitätsaudit entwickelt [5]. Den Ablauf eines ServAs-Projektes im Rahmen der Einführung und Weiterentwicklung eines QM-Systems zeigt Abbildung Q20 im Überblick. ServAs kann zu unterschiedlichen Zwecken im Unternehmen eingesetzt werden. Im Vordergrund steht zunächst die Bewusstseinsbildung durch ein Self-Assessment insbesondere für die Unternehmensleitung. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, unternehmensinterne Vergleiche durchzuführen. Hierbei können z. B. einzelne Unternehmensbereiche oder Filialen miteinander verglichen werden. Um Kommunikationsdefizite im Unternehmen aufzudecken, können auch die Sichtweisen von Mitarbeitern unterschiedlicher Hierarchiestufen erhoben werden.
Q
Qualitätsaudit
▶en: quality audit ▶Audit | ▶Qualitätsassessment ▶Auditarten ▶Auditfragetechnik Das Qualitätsaudit wurde als spezielle Qualitätsprüfung nach der Art einer „Prüfanweisung“, quasi im Telegrammstil für den Auditor, nach der im Jahr 2000 zurückgezogenen ISO 8402 wie folgt definiert [1]:
ISO-Term
Eine systematische und unabhängige Untersuchung, um festzustellen, ob die qualitätsbezogenen Tätigkeiten und damit zusammenhängende Ergebnisse den geplanten Anordnungen entsprechen, und ob diese Anordnungen tatsächlich realisiert wurden und geeignet sind, die Ziele zu erreichen.
886
Ein ►Audit ist also eine Qualitätsprüfung, wobei unter „Anordnungen“ (en: arrangements) beispielsweise die Forderungen an das QMS gemeint waren, die für den Auditor Maßstab seiner Prüfungen waren und sind. In der Neufassung der ISO 9000:2015 wird der Begriff Qualitätsaudit nicht mehr hervorgehoben. Es gibt einen Auditbegriff (Audit), der als Unterbegriff des Managementsystems auf alle ►Auditarten bezogen werden kann. Wer sich versucht, einzulesen, wird feststellen, dass sich die Terminologie „verschachtelt“ entwickelt hat. So erscheint der Forderungsbegriff (►Anforderungen) als Unterbegriff zu den ►Auditkriterien, die folgerichtig genormt wurden. Da jedes Audit, so auch das Qualitätsaudit, einen Eingriff in den Arbeitsbereich der jeweils beteiligten Mitarbeiter darstellt, sind Sinn und Zweck des Audits rechtzeitig vorher zu erläutern und darzulegen. Hierbei muss klar gemacht werden, daß nicht Kontrolle das vorrangige Ziel des Audits ist, sondern die Unterstützung zur Beseitigung bisher unentdeckter Schwachstellen. Von großer Bedeutung ist somit die qualifizierte Ausbildung der Auditoren (auch der internen). Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] ISO 8402: 08-95 [2] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminologie. 3. Aufl. Wiesbaden, Vieweg 1998, S. 168
Qualitätsauditfeststellung
▶en: quality audit observation ▶Auditfeststellung
Qualitätsauditor ▶Auditleiter
Qualitätsaufzeichnung ▶en: quality record
Qualitätsaufzeichnungen sind qualitätsbezogene Dokumente [1]. Qualitätsaufzeichnungen werden nicht im Sinne einer Überarbeitung geändert (Korrekturen darin enthaltener Feh ler sind möglich). Sie werden nicht durch geänderte Versionen ersetzt. Es können jedoch nachfolgende, weitere Quali tätsaufzeichnungen hinzukommen.
Beispiel: Ein Vordruck für einen Prüfbericht, der auszufüllende Felder, aber noch keine Prüfdaten enthält, ist ein Dokument. Wenn in diesen Vordruck Prüfdaten eingetragen werden, wird er zu einer Qualitätsaufzeichnung.
Literatur
[1] Geiger, W. und W. Kotte: Handbuch Qualität. 5. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2008, S. 496f – Wer Qualitätsaufzeichnungen ändert, ist ein Betrüger, heißt es bei Geiger/Kotte (Seite 496)
Begriff
Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist die Verwendung als Leitfaden für die Arbeit von Qualitätsteams (►Qualitätszirkel). Hier werden einerseits die Kategorien und Kriterien als konkrete Anhaltspunkte für Verbesserungsmaßnahmen genutzt. Andererseits lassen sich auch die Auswirkungen umgesetzter Maßnahmen mit Hilfe eines erneuten Assessments bewerten. Prof. em. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Dipl.-Wirt.-Ing. W. Eversheim, Aachen Literatur [1] Kamiske, G. F. (Hrsg.) (2013). Handbuch QM-Methoden: Die richtige Methode auswählen und erfolgreich um-setzen. (1st ed., S. 928). München: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG. [2] Schnauber, H., & Schuster, A. (Hrsg.) (2012). Erfolgsfaktor Qualität: Einsatz und Nutzen des EFQM-ExcellenceModells. (1st ed., S.456). Düsseldorf: Symposion Publishing. [3] Kaplan, R. S., & Norton, D. P. (2009). Der effektive Strategieprozess: Erfolgreich mit dem 6-Phasen-System. (p. 364). Frankfurt: Campus Verlag. [4] Haischer, M.: Dienstleistungsqualität – Herausforderung im Service Management. In: HMD Theorie und Praxis der Wirtschaftsinformatik 187 (1996), S. 35ff [5] Eversheim, W. (Hrsg.) (2014). Qualitätsmanagement für Dienstleister: Grundlagen, Selbstanalyse, Umsetzungshilfen. (2nd ed.). Berlin u.a.: Springer.
Qualitätsaufzeichnung
Qualitätsauszeichnungen (Awards) Qualitätsauszeichnungen (Awards) ▶en: quality awards ▶Qualitätspreise ▶Deming Price ▶EEA-European Excellence Award ▶LEP ▶MBNQA
DIN-Term
▶Beauftragter der obersten Leitung ▶en: quality representative Der Qualitätsbeauftragte (auch Qualitätsmanagementbeauftragte, QMB) war der in ISO 9001, 9002, 9003 so genannte Beauftragte der obersten Leitung. Er besaß aufgrund der jeweiligen Darlegungsnorm die festgelegte Befugnis (und Verantwortung), um sicherzustellen, „dass ein QM-System festgelegt, verwirklicht und aufrechterhalten ist…“. Die Praxis sah manchmal anders aus, indem mit der Bezeichnung Qualitätsbeauftragter auch Stellen in der ►Ablauforganisation gemeint und besetzt wurden. Inzwischen ist der Begriff Qualitätsbeauftragter nicht mehr genormt, die Funktion wird im System der ISO 9000er Reihe somit nicht mehr gefordert.
Qualitätsbedingter Abfall
▶quality-caused waste Diejenige Teilmenge verbrauchter Fertigungsstoffe, die wegen des Qualitätsmanagements unvermeidbar nicht Bestand teil des fertigen Produkts wird. Anmerkung: Beispiele sind bei Werkstoffprüfungen verbrauchte Ferti gungsstoffe oder die erfahrungsgemäß mindestens erforderlichen Anfahr- oder Auslauf-Enden. Sie gehören zum unvermeidbaren Abfall. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff ⟫
▶quality fraud ▶Organisationsverschulden ▶Qualität des Managements ▶Corporate Governance | ▶Qualitätsverlustfunktion ▶ISO 19600:2014-12 ▶ISO 26000 ▶Qualität der Unternehmensführung 1 Was ist Betrug? Was ist Qualitätsbetrug? § 263 Strafgesetzbuch lässt uns wissen, was ein Betrug ist: „Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Ein Qualitätsbetrug liegt – daraus folgend – dann vor, wenn ein Produkt durch Vorspiegelung falscher oder durch Erstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält.
Begriff
Qualitätsbeauftragter
Qualitätsbetrug
Begriff
Qualitätsauszeichnungen werden regional, national und international an Organisationen vergeben. Die Preisvergabe erfolgt durch spezielle Institutionen. In der Regel sind es die Fachorganisationen des Qualitätsmanagements in den jeweiligen Ländern oder speziell geschaffene internationale Organisationen, wie in Europa die EFQM. Mit Qualitätsauszeichnungen will man Gewinner identifizieren. Sie sollen als Vorbilder in bezug auf TQM und Business Excellence fungieren. Allerdings liegt der Nutzen eines sich beteiligenden Unternehmens wohl weniger in der Chance den Qualitätspreis zu gewinnen, sondern eher darin, am Bewerbungsprozess überhaupt teilzunehmen. Dadurch, daß durch die Umsetzung der den Qualitätsauszeichnungen zugrundeliegenden Bewertungskriterien die Organisationskultur auf die definierte Kriterienbasis bezogen wird, können sich langfristige Wirkungen zeigen, die vor allem in einem veränderten Qualitätsbe wußt sein erkennbar sind. Organisationen, die sich für die Durchführung einer ernsthaften und sorgfältigen Selbstdiagnose (Selbstbewertung) entscheiden, investieren die notwendigen Ressourcen und setzen die erforderlichen Fachkenntnisse und damit ihre gesamte Wissensbasis ein. Es ist offensichtlich, daß die Selbstbewertung eine Stufe der Effektivität und Zuverlässigkeit erreichen kann, die weit über eine einmalige Bewertung bei den Awards hinausgeht.
Qualitätsbetrug
Der Begriff Qualitätsbetrug kommt in der Fachsprache des Qualitätsmanagements nicht vor. Er ist aber durchaus gebräuchlich und erregt immer wieder öffentliches Interesse. So in einer Meldung im Wallstreet Journal aus dem Jahr 1994: „Peking – 18 Manager einer Fabrik für Kühlschränke in Chin Bien, außerhalb von Peking, wurden wegen schlechter Qualität hingerichtet. Die Manager, zwölf Männer und sechs Frauen, wurden auf einem Reisfed in der Nähe der Fabrik erschossen, im Beisein von 500 Fabrikarbeitern. Unter den Hingerichteten waren der Werkleiter, der Qualitätsleiter, der technische Leiter und ihre wichtigsten Untergebenen. Der Sprecher des Ministry of Economic Reform, Xi Ten Hann, sagte, dass diese Aktion notwendig war, da die Manager ein Verbrechen gegen das chinesische Volk begangen haben. Über Jahre hatten sich die Arbeiter beschwert, dass viele Teile nicht der Spezifikation entsprachen und das Endprodukt nicht richtig funktionierte. Die Kompressoren waren unsicher. Laut Aussage der Arbeiter hatte der Werkleiter angeordnet, die Kühlschränke trotzdem auszuliefern. Die Kunden, die fünf Jahre auf ihren Kühlschrank gewartet hatten, waren wütend und verzweifelt: Das sei betrügerischer Umgang mit Qualität.“ 2 Was ist Organisationsverschulden? In Abgrenzung zu Qualitätsbetrug ist zu klären, was unter Organisationsverschulden zu verstehen ist. Der Begriff entstammt der juristischen Fachsprache des Deliktrechts und meint die typischen Anwendungsfälle in denen ein ►Fehler eines Angestellten dem Arbeitgeber angelastet wird (s. Artikel ►Organisationsverschulden). Wir haben es also beim Qualitätsbetrug mit einem anderen Handlungskontext, nicht
887
Q
Qualitätsbetrug mit einem auf fehlerhaften Handeln beruhenden Sachverhalt, wie er dem Organisationsverschulden zugrundeliegt, zu tun. 3 Der VW-Abgasskandal, ein Qualitätsbetrug? Im September 2015 hieß es in den Medien, dass die US-Umweltbehörde United States Environmental Protection Agency (EPA bzw. USEPA) wegen Abgasmanipulation bei 482.000 Diesel-Fahrzeugen gegen Volkswagen ermitteln würde. Dabei geht es um eine betrügerische Motorsoftware, die Abgastests erkennt. Diese Ermittlungen weiteten sich zur Katastrophe für den VW-Konzern aus. Die Chronik der Ereignisse in den Medien und im Internet ist leicht nachzulesen. Hier eine kurze Zusammenfassung aus seriöser Quelle [2]: 1 Der VW-Konzern hat Autos mit Dieselmotoren des Typs EA 189 so manipuliert, dass sie nur auf dem Prüfstand die Abgasgrenzwerte einhielten, auf der Straße aber erheblich mehr Schadstoffe ausstießen. Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge betroffen, die meisten davon in Europa. 2 Der Betrug flog in den USA auf, das Unternehmen gestand die Manipulation ein. Konzernchef Martin Winterkorn trat zurück. Ihm folgte Matthias Müller, zuvor Chef von Porsche. 3 In Deutschland sind 2,4 Millionen Fahrzeuge betroffen. Im Januar 2016 will VW den Rückruf betroffener Fahrzeuge starten: Die Software wird überspielt und ein Bauteil nachgerüstet. 4 Das Kraftfahrtbundesamt wird die betroffenen Dieselmodelle in einer offiziellen Rückrufaktion in die Werkstätten beordern. Die Rückrufaktion beginnt jedoch erst 2016 und könnte, da auch bei einigen Modellen neue Hardware verbaut werden muss, bis in den Herbst 2016 andauern. Europaweit sind 8,5 Millionen Fahrzeuge betroffen. 5 Wegen des Skandals ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig. Weltweit wird der Fall untersucht.
Q
Auch wenn Ross und Reiter und die organisatorischen Zusammenhänge dieser wohl bisher größten Affäre des deutschen Automobilbaus noch der Aufklärung bedürfen, so scheint es wohl so zu sein, dass der Tatbestand des (Qualitäts-)Betrugs gegeben ist: Das Produkt (Dieselfahrzeug Marke VW mit dem Dieselmotor des Typs EA 189) war bewusst mit einer manipulierten Software ausgerüstet worden, die nicht die tatsächlichen Abgaswerte im Test anzeigte. Die Abgaswerte (Qualitätsmerkmale und deren Ausprägungen) entsprachen nicht den tatsächlichen Werten des Fahrzeugs, wie es vom Kunden gekauft wurde, sondern manipulierten Werten. 4 Fazit: Die andere Seite des Qualitätsmanagements Für das Qualitätsmanagement stellt sich die Frage, ob implementierte QM-Systeme Qualitätsbetrug verhindern können. Von kompetenter Seite wird diese Ansicht wohl implizit vertreten [3]: „Das Beispiel zeigt, dass das Umgehen von Qualitätsforderungen wirtschaftlich nicht nachhaltig ist. Die Lehre: Der Beitrag eines umfassenden
888
Qualitätsbetrug Qualitätsmanagementsystems zum Unternehmenserfolg ist sehr hoch. Wichtiger Erfolgsfaktor ist neben erfüllten Kundenforderungen, qualifizierten Mitarbeitern und verbesserten Managementsystemen vor allem eine proaktive sowie motivierende Haltung des Managements. Qualitätsmanagement stärkt Unternehmen und Organisationen. Das gilt für den nationalen Wettbewerb, die wachsende Globalisierung, die steigenden Kundenforderungen und die zunehmenden Käuferansprüche an Produkte und Verhalten. Mit dem Einhalten der damit verbundenen Spielregeln hätte sich das Unternehmen diese Krise ersparen können.“ Ist es wirklich möglich durch Einforderung eines QMSystems und dem „Einhalten von Spielregeln“ einem offensichtlich in größerem Maßstab geplanten und organisierten Qualitätsbetrug zu begegnen? Anders gefragt – aus der Sicht der neuen ISO 9001:2014 argumentierend – die Ansicht zu vertreten, das QMS direkt in die Verantwortung der obersten Leitung zu legen und es nicht mehr Ebenen tiefer an Qualitätsbeauftragte zu delegieren? Muss hier nicht hinterfragt und die Betrachtungsebene gewechselt werden? Einen solchen Perspektivenwechsel hat das neue Management des VW-Konzerns auch vollzogen, um den schädigenden Nerv des Problems ausfindig zu machen: Nicht das Qualitätsmanagement ist das Problem. Der Schein trügt, wie so oft. Auf diesem Gebiet hat Volkswagen ja einiges zu bieten. Es geht um ein wirkungsvolles Compliance-ManagementSystem (►ISO 19600:2014-12). Und dazu benötigt man keine Ingenieure, sondern eher Juristen: Die ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht und Leiterin des Referats „Integrität und Recht“ der Daimler AG, Christine HohmannDennhardt, wechselt per 1. Januar 2016 in den Vorstand des Volkswagen-Konzerns, wo sie das nun neu geschaffene Ressort „Integrität und Recht“ besetzen wird [4]. Dieser Wechsel zu VW konnte nur so schnell erfolgen, weil Daimler dazu entgenkommend seine Zustimmung gegeben hatte, denn der Vertrag mit der ehemaligen Richterin wäre erst am 28.2.2017 beendet gewesen. Diese Fakten und das Handeln der leitenden Akteure erhärten die Erkenntnis und theoretische Annahme, dass es sich nur in Grenzen um ein Problem des Qualitätsmanagements handelt, sondern wirklich um ein Rechtsproblem, also in der Tat um einen „Qualitätsbetrug“, der auf jeden Fall auf der juristischen Ebene und nicht auf der Handlungsebene des Managements anzugehen ist, indem ein wirksames Compliance-Managementsystem eingeführt wird, das den Produkten der Branche und der Größe des Konzerns als global agierender Unternehmensverbund gerecht wird. Davon unbelassen zeigt sich allerdings, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Recht, Technik und Management gibt. Dies signalisiert sogar die Ressort-Benennung „Integrität und Recht“ (Das Ressort wurde bereits bei Daimler so benannt). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
qualitätsbezogen … Literatur
[1] Wallstreet Journal vom 13.09.94 unter der Überschrift: „18 Chinese Managers executed for Shoddy Quality“ [2] Zeit Online „Alles zur Abgasmanipulation“ – http://www.zeit. de/thema/vw-affaere (Abgerufen am 01. Januar 2016 [3] Stellungnahme des Vorsitzenden der DGQ, Udo Hansen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) e.V., vom 24. September 2015) [4] Hohmann-Dennhardt wechselt in den VW-Vorstand, FAZ, abgerufen am 16. Oktober 2015
Qualitätsbewusstsein
▶en: Quality Awarness ▶Qualität als ethischer Begriff ▶Mindset
qualitätsbezogen …
▶en: quality-related … meint stets „die Erfüllung von ►Qualitätsforderungen betreffend“. Das ist weder selbsterklärend noch selbstverständlich und deshalb definitionsbedürftig. Die sprachlich naheliegende, fachlich aber mit Vorbedacht nicht festgelegte Bedeutung „die Qualität betreffend“ zeigt den Nutzen der fachlich wie oben definierten Anwendung dieses Adjektivs: Es erleichtert die Vermeidung der noch vielfach anzutreffenden Benutzung des Wortes Qualität für andere Begriffsin halte als den Fachbegriff ►Qualität, wie etwa für ►Qualitäts forderung, ►Qualitätsmanagement, ►Anspruchsklasse usw.
Vielfach wird „qualitätsbezogen“ auch in Kurzformen von Definitionen eines fachspezifischen Unterbegriffs zu einem hierarchisch übergordneten Begriff verwendet. Ein Beispiel dazu ist die Definition zum Fachwort in der Überschrift dieses Lexikons: Qualitätsmanagement: Es ist qualitätsbezogenes Management. Setzt man die Definitionen für qualitätsbezogen und für ►Management (als koordinierte Tätigkeiten zur Erreichung von Zielen) ein, ergibt sich für Qualitätsma nagement die ausführlichere Definition „die Erfüllung von Qualitätsforderungen betreffende, koordinierte Tätigkeiten zur Erreichung von Zielen“. Nicht nur im um fassenden Qualitätsmanagement (TQM) sind es die unterschiedlichsten Ziele. Ebenso kurz kann man mit „qualitätsbezogen“ viele andere fachspezifische Begriffe zum Qualitätsmanagement aus ihren Ober be griffen definieren, beispielsweise Qua litätsprüfung, Qualitätsbewertung oder ►Qualitätsaudit aus Prüfung, Bewertung oder Audit. Wo das nicht möglich ist, liegt ggf. eine ohnehin leicht irreführende Benennung vor, bei spielsweise bei ►Qualitätsplanung, die eigentlich „Qualitäts forderungsplanung“ heißen müßte. Anzumerken ist weiter, dass in vielen Sprachen die betreffenden äquivalenten Ausdrücke existieren. Sie werden auch in internationalen Grundnormen verwendet, z. B. das englische „quality-related“ oder das französische „relatif à la qualité“. Auch die zugehörigen Erklärungen zu diesen Adjektiven stimmen mit der obigen Definition von qualitätsbezogen überein. Beispielsweise lautet die englische Erklärung: „rela-
Qualitätsbezogene Kosten ted to fulfillment of quality requirement“. Darüber hinaus stechen mögliche und auch angewendete analoge Formulierungen bei anderen fachlichen Aufgaben ins Auge. Beispiele dafür sind die Kurzdefinitionen kostenbezogene und terminbezogene Prüfung zur Kostenprüfung und zur Terminprüfung. So hat etwa das „terminbezogen“ die Be deutung „die Erfüllung von Terminforderungen betreffend“. Das ist ersichtlich völlig analog zur Definition von „qualitätsbezogen“. Eine Gleichsetzung von „qualitätsbezogen“ mit „beschaffenheitsbezogen“ wäre allerdings fachlich unrichtig. Es ist etwas anderes, wenn man nur die ►Beschaff enheit einer ►Einheit betrachtet. Erst die gleichzeitige vergleichende Betrachtung der Einzelforderungen an diese ►Beschaff enheit mit den Werten der ermittelten Beschaffenheit führt fachgerecht zum Quali tätsbezug und damit zum Fachwort „qualitätsbezogen“. Literatur
Geiger, W.: Qualitätslehre. 3. Auflage. Braunschweig-Wiesbaden (Vieweg )1998, z. B. Bilder 5.1 und 9.4
Qualitätsbezogene Kosten
▶Quality related Costs | Quality Costs ▶Qualitätskosten ▶Qualitätskennzahlen ▶Qualitätskostenmanagement ▶Qualitätscontrolling 1 Zum Verständnis qualitätsbezogener Kosten In Organisationen wirft kaum eine andere Kostenart so viel Diskussion auf, wie die der „qualitätsbezogenen Kosten“. Dies ist u. a. darin begründet, dass sie nahezu alle Geschäftsbereiche einer Organisation tangieren und oft nicht als separate Kosten ausgewiesen bzw. von bestimmten Entwicklungs-, Fertigungs-, Transport- und anderen, den Wertschöpfungsprozess bestimmenden Kosten, getrennt werden können. Somit sind sie im klassischen Rechnungswesen meist nicht unmittelbar verwertbar. Selbst qualitätsbestimmende Investitionen können als qualitätsbezogene „Kosten“ betrachtet werden, ohne als solche im betriebswirtschaftlichen und vor allem steuerlichen Sinne verstanden zu werden. Qualitätsbezogene Kosten stellen „zwar einen großen Teil an den betrieblichen Gesamtkosten dar“, sind aber „nur unvollständig aus den vorhandenen Kostenrechnungssystemen abzuleiten“ [1]. Pragmatisch ausgedrückt: In den betrieblichen Kontenplänen gibt es keine auf Qualität „bezogene“ Kostenart, so können die durch qualitätsbezogene Tätigkeiten entstehenden Kosten nicht eindeutig auf Kostenstellen bzw. Kostenträger verteilt werden. Folglich tut man sich schwer, qualitätsbezogene Kosten zu definieren. Selbst in der ISO 9000-Begriffsnorm [2] findet der Begriff „Qualitätsbezogene Kosten“ keinen Einzug. Um einen genormten Begriff darzustellen, der allerdings schon 1986 von Geiger [3] inhaltlich so benannt wurde, bleibt nur der Rückgriff auf die DIN 55350-11:2007-03 [4]:
889
Q
Qualitätsbezogene Kosten
Qualitätsbezogene Kosten
Begriff
„Qualitätsbezogene Kosten sind die im Rahmen des Qualitätsmanagements entstehenden Fehlerverhütungs-, Prüf- und Fehlerkosten.“
Begriff
Im wissenschaftstheoretischen Sinne ist dies jedoch keine Definition, da der zu erklärende Begriff auf andere zu erklärende Begriffe zurückgeführt wird, zudem werden „Kosten“ mit „Kosten“ erklärt. Wie in den genormten Begriffen des Qualitätsmanagements üblich, wird bei derartigen „Schachtel-Definitionen“ aber auf Begriffe zurückgegriffen, die in der betreffenden Norm ebenfalls erklärt werden. Für QM-seitig nicht vorbelastete Leser wird diese Definition deshalb nur mit der Erklärung der Begriffe ►Fehlerverhütungs-, ►Prüfund ►Fehlerkosten (siehe auch Abb. Q21) verständlich. In einem allgemeineren Sinne können qualitätsbezogene Kosten definiert werden als ein Verbrauch bewerteter und betriebsbezogener Ressourcen, der ◼ durch fehlerbehaftete oder ineffiziente Prozesse (meist nicht geplant) bzw. ◼ für Vorbeugungsmaßnahmen und die Sicherstellung einer aufgrund interner oder externer Forderungen umzusetzenden Produkt- und Prozessqualität (meist geplant) entsteht. 2 Zur Genesis des Qualitätskostenbegriffs In vielen Abhandlungen über qualitätsbezogene Kosten finden sich Retrospektiven. Da dies keine systematischen wissenschaftshistorischen Studien sind, geben unterschiedliche Autoren oft unterschiedliche Interpretationen. Pfeifer zum Beispiel macht mit Bezug auf [5] deutlich, dass die Betrachtungsweise qualitätsbezogener Kosten im Sinne der Gliederung nach Fehlerverhütungs-, Prüf- und Fehlerkosten „bereits
von ►Juran 1932 festgelegt“ wurde [6]. Steinbach [7] hingegen geht davon aus, dass erst mit dem von ►Feigenbaum 1956 eingeführten Begriff „Quality Cost“ [8] diese Dreiteilung der Qualitätskosten erfolgt ist. Weitestgehend herrscht allerdings Einigkeit darüber, mit dem klassischen „Quality Cost“-Konzept habe sich die Denkweise herausgebildet, dass höhere Qualität nur mit höheren Kosten und beispielsweise längeren Lieferzeiten „zu erkaufen ist“ [9, S. 66][10]. So berichtete ►Juran am Beispiel der Bausch & Lomb Inc. bereits 1949 [9], wie dortige Mitarbeiter versuchen, den Zusammenhang zwischen Kosten, Zeit und Qualität dahingehend zu beherrschen, dass eine Verbesserung des Gesamtergebnisses nicht zu Lasten eines der drei Parameter erfolgen darf. Es wird zudem deutlich, dass weitere Pioniere des Qualitätsmanagements Einfluss auf die Kostenbetrachtung genommen haben; so z. B. ►Crosby. Er vertrat die Meinung „Quality is still free“, „Qualität kostet nichts“ [11], die von ►Masing stets mit den Worten ergänzt wurde „but it is not a gift“ [12]). Zudem wird auf die von ►Deming eingeführte „Reaktionskette“ verwiesen (z. B. in [9][13]), bei der es um eine ►Qualitätsverbesserung durch Verbesserung der Produktivität und durch konsequente Reduzierung von Kosten im Rahmen des Herstellungsprozesses als Grundlage für den langfristigen Unternehmenserfolg geht (►Demingsche Reaktionskette). Das Konzept der „Quality Cost“ bezog sich vorrangig auf den Produktionsprozess. Ob in diesem Zusammenhang allerdings tatsächlich die Qualitätspioniere die Qualitätskostenbetrachtung eingeführt oder auf Basis bereits vorhandener Erkenntnisse aus der Produktion „nur“ schrittweise systematisiert haben, wäre zu hinterfragen, denn schon in frühen Arbeiten zur Fließfertigung [14] spielen Kosten, die im Zusammen-
Abb. Q21: Untergliederung traditioneller Qualitätskostenarten
Unterteilung der traditionellen Qualitätskostenarten in Qualitätskostenelemente Fehlerverhütungskosten
Q
Qualitätsplanung Qualitätsfähigkeitsuntersuchungen Lieferantenbeurteilung und -beratung Prüfplanung Qualitätsaudit Leitung des Qualitätswesens Qualitätslenkung Schulung in Qualitätssicherung Qualitätsförderungsprogramme
Prüfkosten
Eingangsprüfung Fertigungsprüfung End- bzw. Abnahmeprüfungen Prüfmittel Instandhaltung von Prüfmitteln Qualitätsgutachten Laboruntersuchungen Prüfdokumentation Sonstige Maßnahmen und Anschaffungen zur Qualitätsprüfung Qualitätsvergleich mit Wettbewerbern Auditierung Sonstige Maßnahmen der Design Reviews Fehlerverhütung Quelle: [27]
890
Fehlerkosten innerbetrieblich Ausschuss Nacharbeit Mengenabweichung Wertminderung Sortierprüfung Wiederholungsprüfung Problemuntersuchung Qualitätsbedingte Ausfallzeit Sonstige Kosten innerbetrieblich festgestellter Fehler
außerbetrieblich Ausschuss Nacharbeit Gewährleistung Produzentenhaftung
Sonstige Kosten außerbetrieblich festgestellter Fehler
Qualitätsbezogene Kosten
Qualitätsbezogene Kosten
hang mit der Vermeidung von Fehlern anfallen, eine wichtige Rolle. Zudem gab es Erkenntnisse, dass rechtzeitig eingeleitete Maßnahmen „billiger ausfallen“ und es „falsch wäre“, die ►Qualitätskontrolle „als eine unnötige Kostenbelastung anzusehen“.
Da für dieses Optimum der Qualität eine bestimmte Fehlerquote zu tolerieren ist, folgte zunehmende Kritik an diesem Ansatz. Vor allem sah Crosby, als Pionier des ►Null-FehlerManagements, das Zulassen von Fehlern in der Praxis als schwierig an. Er ging davon aus, dass (nur) über eine NullFehler-Betrachtung eine Qualitätsverbesserung möglich wird [11][19]. Die Kritik bezog sich auch darauf, dass mit diesem Modell nicht die „Wirkung“ der Qualität auf den Wertzuwachs des Unternehmens messbar gemacht werden kann [20, S. 197]. Dies führte dazu, dass der klassische Qualitätskostenansatz eine „Erlös- bzw. Ergebnisorientierung“ erhalten sollte. Eine solche Modifizierung des traditionellen Ansatzes – woran parallel bereits seit den 1970er Jahren gearbeitet wurde [21] – setzte sich verstärkt seit Anfang der 1990er Jahre durch und ist charakterisiert durch eine Art „Neugliederung“ der qualitätsbezogenen Kosten in „Übereinstimmungskosten“, als Kosten, die die Erhaltung, Entwicklung und Herstellung fehlerfreier Erzeugnisse repräsentieren, und in „Abweichungskosten“, die durch die Beseitigung von Qualitätsabweichungen verursacht werden [22] (Abbildung Q22 – Teil: traditionelle Systematik). Interessant ist, dass eine
Nicht zuletzt führte die einleitend dargestellte „Unschärfe“ der Zuordnung qualitätsbezogener Kosten zu den Kostenarten des Rechnungswesens dazu, dass eine länger anhaltende Diskussion (ohne dies historisch genau abgrenzen zu können) geführt wurde, ob es sich um buchhalterisch direkt auf Konten zuordenbare „Qualitätskosten“ handelt (bzw. handeln müsste) oder um „übergreifende“ Kosten, die die Qualität eines Produktes oder Prozesses bestimmen, also auf die Qualität „bezogen“ sind. International ist diese Entscheidung mit der 1987 erschienenen Norm DIN ISO 9004:198705 [15] zu Gunsten der „qualitätsbezogenen Kosten“ gefallen. Historisch belegt ist zudem [12], dass Anfang der 1990er Jahre das klassische „Quality Cost“-Konzept erstmals von der International Academy for Quality (IAQ) kritisch beleuchtet wurde. Die Frage lautete: Kann das Konzept „Quality Cost“ dem Management eines Unternehmens noch helfen, richtige Maßnahmen zur Abb. Q22: Modifizierter Ansatz qualitätsbezogener Kosten in Übereinstimmungs- und Verbesserung der Qualität Abweichungskosten, erweitert durch interne und externe Wertschöpfungkosten zu wählen [16]? Es ging Zulieferer Kunde konkret darum, dass TQM Unternehmen „eine Gesamtbetrachtung Fehlerver- Prüf- Fehlerdes Unternehmens“ erforhütungskosten kosten dere und „keine Beschränkosten traditionelle kung der Qualitätskosten Systematik auf die Produktion“. Außerdem führten immer kürzere Produktzyklen dazu, dass „neue Produkte gefertigt Übereinstimmungskosten Abweichungskosten werden, bevor Fehler am ‚alten‘ Produkt erkannt sind“. Dies machte „es notwendig, ZuliefererKundender Fehlervermeidung und erweiterter bezogene bezogene Fehlerverhütung eine noch Ansatz TransakTransakKosten der Wertschöpfung größere Aufmerksamkeit zu tionstionsschenken“ [12]. In der Folge kosten kosten gab es eine Reihe von „Neu“Unternehmen Betrachtungen des Zusammenhangs zwischen „QualiQuelle: [27] tät“ und „Kosten“.
} }
3 Qualitätskostenstrategien 3.1 Traditionelle Basis Auf der Grundlage der o. g. Dreiteilung der Qualitätskosten wurde von Juran und Gryna ein Konzept [17] entwickelt, nach dem es eine optimale ►Qualitätslage gibt. Werden – über das Optimum hinaus – weitere ►Qualitätsverbesserungen eingeführt, steigen die dafür notwendigen Fehlerverhütungs- und Prüfkosten in höherem Maße an, als die Fehlerkosten reduziert werden. (vgl. z. B. [18, S. 95]).
solche Betrachtungsweise – unter bestimmten Annahmen hinsichtlich der Reduzierbarkeit der Übereinstimmungskosten – zu einer Verschiebung des Kostenoptimums hin zu einem „vollkommenen“ Qualitätsniveau führt (vgl. auch hier [18, S. 96]. 3.2 Erweiterte Ansätze Ein über die bloße Kostenbetrachtung hinausgehender Ansatz entstand mit dem Gedanken, die Unternehmensleistung zu bewerten. Dieser Gedanke wurde Ende der 1980er Jahre von Masing [23] eingebracht. ►Kamiske macht deutlich ([9]
891
Q
Qualitätsbezogene Kosten
Qualitätsbezogene Kosten
Abb. Q23: Aufgaben des Qualitätscontrollings Informationsversorgung
Planung und Kontrolle
Koordination
Bereitstellung ◼ zweckorientierter ◼ planungs- und entscheidungsrelevanter ◼ retrospektiver und prospektiver Qualitäts- und Kosteninformation
Aufbereitung der Information in Form komprimierter, übersichtlicher Darstellungen
Bewertung von Handlungsalternativen in den Entscheidungsbereichen hinsichtlich der Qualität zur Erreichung eines Qualitätskostenoptimums
Aufgaben des Qualitätscontrollings
Quelle: [24, S. 2]
Q
[10]), dass eine geschickte Unterteilung in Nutz-, Stütz-, Blind- und Fehlleistung aufzeigt, „was im Unternehmen wertschöpfend aus Kundensicht ist“, so dass die Bedeutung dieses Ansatzes vor allem darin liegt, „die Erwartung des Kunden auf das Geschehen im gesamten Unternehmen“ zu projizieren. [9, S. 68]. Ende der 1990er Jahre fordert u. a. Eversheim [24] ein prozessorientiertes ►Qualitätscontrolling (Abbildung Q23) unter dem Aspekt, die Qualität in Unternehmen messbar zu machen, da nur bewertet werden kann, was messbar ist. Dies wird durch eine Identifikation qualitätsbestimmender Maßnahmen „im“ Prozess und die Ermittlung darauf bezogener Kostenbestimmungsfaktoren möglich. In diesem Zusammenhang bietet sich die Anwendung einer Prozesskostenrechnung an. Danach wird die Höhe und auch eine mögliche Senkung qualitätsbezogener Kosten von der Beherrschung der im Wertschöpfungsprozess erforderlichen Tätigkeiten (Prozesse) – auch und gerade bei zunehmender Komplexität der Produkte (Produktvarianten) – bestimmt (vgl. [25]). In diesem Sinne geht im gleichen Zeitraum Bruhn davon aus, dass unter Qualitätscontrolling „die Planung, Durchführung und Kontrolle der Koordination qualitätsbezogener Aktivitäten, vor allem im Hinblick auf eine wirtschaftliche Ausrichtung des QMs zu verstehen ist“ [26]. Mehr aus betriebswirtschaftlicher Sicht wirft im Jahr 2000 Fischer [27], in Konkretisierung des Ansatzes der Übereinstimmungs- und Abweichungskosten, Fragen nach dem Subjekt und Objekt der Qualitätsbeurteilung auf: Wer stellt maßgebliche ►Qualitätsforderungen? Und: Worauf beziehen sich die Qualitätsforderungen? Übereinstimmungskosten – im Sinne der Bewertung der betrieblichen Ressourcen – sind somit auf die Qualitätsforderungen des Subjektes (z. B. Stakeholder) im Wertesystem vom Zulieferer bis zum Endkunden bezogen (Sicherstellen der Designvorgabe). Die Übereinstimmungskosten beziehen sich damit auf die so vorgegebene bzw. geplante Designqualität und die Abweichungskosten auf die erreichte Ausführungsqualität, wobei die Kostenbetrachtung
892
zugleich um (externe) zuliefer- und kundenbezogene Transaktionskosten sowie (interne) Kosten der Wertschöpfungskette (z. B. Entwicklungs-, Konstruktions-, Fertigungs-, Vertriebs- und Verwaltungskosten) erweitert wird (Abbildung Q22 – Teil: erweiterter Ansatz). Somit wird eine qualitätsbezogene Steuerung des Unternehmens möglich. Ein interessanter Ansatz, der in der QM-Literatur kaum Erwähnung findet. Allerdings besteht auch hier ein Nachteil in einer relativ aufwendigen Ermittlung, des Anteils der Kosten, der zum Erreichen oder Nicht-Erreichen der Qualitätsforderung(en) beiträgt. Mit diesen „erweiterten Ansätzen“ wird ein Controlling möglich, das Kosten betrachtet, die die Qualität „bestimmen“; für deren Bewertung bedarf es, wie Götze aufzeigt [28], jedoch unterschiedlicher betrieblicher Auswertungsmethoden (Abweichungs-, Zielkostenanalysen usw.) (Abbildung Q24). 4 Komplexe und umfassende Wirtschaftlichkeitsbewertung Mit dieser Entwicklung zeigt(e) sich, dass es nicht mehr ausreicht, nur die „qualitätsbezogenen Kosten“ zu erfassen und auszuwerten. Bei der Bewertung geht es künftig vielmehr um ein umfassendes ►Qualitätskostenmanagement, d. h. die ganzheitliche Betrachtung und Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Qualitätsmanagements auf Basis komplexer Kennzahlensysteme (►Qualitätskennzahlen), die als Frühwarnsystem fungieren und eine Steuerbarkeit der QM-Aktivitäten ermöglichen. Hierzu gibt es eine Reihe neuerer bzw. auch weiterentwickelter Ansätze und Methoden, die umfassend von ►Jochem in [29] aufgezeigt werden. Es ist hier nicht möglich, auf all diese Ansätze einzugehen. Erwähnt seien beispielsweise komplexe Kosten-Nutzen-Betrachtungen, auf deren Basis dem Nutzen qualitätsbezogener Aktivitäten „mit geeigneten Kostenrechnungen zur ganzheitlichen Erfassung der Qualitätskosten der finanzielle Aufwand der qualitätsbezogenen Aktivitäten gegenübergestellt“ werden kann [18, S. 96]. So können zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von QM-Maßnahmen sogenannte Value- und Performance-Generatoren genutzt werden. Damit gelingt es, die QM-Aktivitäten in Wirk- oder Erfolgsketten (vgl. [18, S. 97]) darzustellen, so dass ihre tatsächliche Wirkung auf das Unternehmen deutlich wird und gezielt beeinflusst (gesteuert) werden kann. Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des QMs ist es zudem möglich, sogenannte ►Reifegradmodelle (die schon seit Mitte der 1980er Jahre entwickelt wurden [30]), zu nutzen. Diese gehen von einer gewissen übergeordneten Betrachtungsebene aus, indem die zu bewertende Aufgabe (beispielsweise ein zu beurteilender Prozess) in hierarchische Teilaufgaben gegliedert wird (Stufenmodell), die wiederum im Hinblick auf den Grad der Erfüllung („Reife“) bestimmter Qualitätsforderungen je Stufe überprüft werden. Damit ist es möglich, die Prozessqualität zu bestimmen, Schwächen im Rahmen der Teilaufgaben zu erkennen und Verbesserungspotentiale im Gesamtprozess aufzudecken (vgl. z. B. [32]).
Qualitätsbezogene Kosten
Qualitätsbezogene Kosten
Abb. Q24: Anwendung unterschiedlicher Kostenrechnungsmethoden zur Analyse und Bewertung von Qualitätskosten in der Wertschöpfungskette
traditionelle Systematik
} }
Target Costing
Traditionelle Kostenrechnung erweiterter Ansatz
Quelle: [28]
Zulieferer
Fehlerverhütungskosten
Prüfkosten
Übereinstimmungskosten
Zuliefererbezogene Transaktionskosten
Kunde
Unternehmen Fehlerkosten
Abweichungskosten
Kosten der Wertschöpfung
Außerdem werden zunehmend präventive Qualitätsmethoden entwickelt und angewandt. Bei diesen Methoden geht es darum, bereits während des Entwicklungsprozesses eine „Vorausschau“ der Methodenwirksamkeit der QM-Prozesse auf Basis einer kennzahlenbasierten Leistungsermittlung und -bewertung anzustreben. Hieraus lassen sich wiederum Frühindikatoren erkennen, um z. B. die Effizienz der jeweiligen QM-Methoden projektbezogen beeinflussen zu können [32]. 5 Zukünftig Machbares? Zunachst bleibt zu konstatieren, dass einigen der neuesten bzw. weiterentwickelten Ansätze und Methoden, z. B. in Richtung der Anwendung von Reifegradmodellen, komplexer Kennzahlensysteme sowie präventiver Qualitatsmethoden derzeit (zumindest partiell) noch ein gewisser Abstraktionsgrad anhaftet. Ob und wieweit derartige Modelle künftig verstärkt Einzug in die industrielle Praxis nehmen, wird die Zukunft zeigen. Dabei werden auch die Fortschritte zu ►Industrie 4.0 und ►Big Data eine wichtige Rolle spielen (komplexe Datenbeherrschung und -auswertung). Derzeit geht der Trend eher in Richtung differenziert zu betrachtender Controlling-Systeme. Diese sind vornehmlich charakterisiert durch ◼ Methoden eines monetär ausgerichteten Controllings zur Erfassung und Bewertung qualitätsbezogener Kosten und/oder ◼ der separaten Erfassung und Auswertung qualitätsbezogener Kosten im Rahmen des Qualitätscontrollings bei einer anschließenden Zusammenführung – sozusagen
Abweichungsund Kostenanalyse
Kundenbezogene Transaktionskosten
Prozesskostenrechnung
Unternehmen
„ganz oben“ –, d. h. im Hinblick auf eine Beurteilung durch das Top-Management. Trotz oder gerade wegen dieser Entwicklung bleibt die Frage offen, ob es gelingen könnte, „alles“ nicht doch in einem finanzseitig auswertbaren Kennzahlensystem „unterzubringen“ bzw. „in“ das betriebliche Rechnungswesen zu integrieren. Hier würde sich beispielsweise das System der ►Balanced Scorecard anbieten, in dem es möglich wäre, Qualität in einer „allgemeinen“ Balanced Scorecard „unterzubringen“ bzw. eine qualitätsbezogene Balanced Scorecard einzuführen (vgl. hierzu [33]). ►Masing hat empfohlen, sich im Rahmen der Erfassung und Auswertung qualitätsbezogener Kosten, auf eindeutige Zielgrößen zu einigen und über eine solche Zielgrößendefinition Kosten der Qualität und Kosten der Produkte und Projekte bzw. der menschlichen und maschinentechnischen Aufwendungen eindeutig zuzuordnen und zu bewerten. So hat zum Beispiel der Fehlleistungsaufwand (die Fehlerkosten) eindeutig eine Zielgröße: Null! [12, S. 152]. Masing weist zudem daraufhin, dass uns „die Zukunft … die Aufgabe“ stellt, „auch betriebswirtschaftliche Voraussetzungen zu schaffen, … Fehlerpotentiale zu erfassen und einander gegenüber zu stellen“. „Erst wenn die Kostenrechnung des Unternehmens den Wert fehlerverhütender Maßnahmen ex ante und nicht erst ex post nachweisen kann, ist die nächste große Aufgabe, die vor uns liegt, gelöst.“ „Hier hat der Qualitätsfachmann keine oder keine ausreichende Fachkompetenz.
893
Q
Qualitätsbezogene Kosten Das ganze sogenannte Qualitätskostenkonzept hätte eine völlig andere Form, wenn Qualitätsfachleute sich von Anfang an der Mitwirkung der Experten der Betriebswirtschaft versichert hätten, statt ein eigenes Gedankengebäude zu errichten.“ [34] Wir haben damit begonnen, dass letztendlich praktikable Ergebnis lässt aber noch auf sich warten. Prof. Dr. Michael Ketting, Bochum Literatur
894
[25] Michael, R., Torspecken, H.-D., Jandt, J.: Neuere Formen der Kostenrechnung mit Prozesskostenrechnung. 5. Aufl., Hanser 2004 [26] Bruhn, M.: Wirtschaftlichkeit des QM. Gabler 1998 [27] Fischer, T. M.: Qualitätskosten. In: Fischer, T. M. (Hrsg.): Kosten-Controlling. Schäffer-Pöschel 2000, S. 556-589 [28] Götze, U.: Vorlesung Qualitätskosten und Qualitätskostenrechnung. TU Chemnitz, Vorlesungsskript 2015, Teil: Ansätze der Qualitätskostenrechnung, Folie 9 [29] Jochem, R.: Was kostet Qualität? Hanser 2010 [30] Geers, D., Landgraf, K., Jochem, R.: Welchen Beitrag leisten Reifegradmodelle bei der Qualitätsbewertung von Prozessen? In: [29] S. 113-167 [31] Giebel, M., Jochem, R: Welche Methoden und Modelle zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Qualität gibt es? In: [29] S. 55-84 [32] Dietmüller, Th.: Wirtschaftlicher Nutzen präventiver Qualitätsmethoden am Beispiel von Serienentwicklungsprojekten. In: [29] S. 187-201 [33] Sasse, A., Engel, A.: Qualitätscontrolling mit Hilfe der Balanced Scorecard. In: Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung (BBK), Heft 21 vom 2.11.2001, Fach 26, S. 997-1006, hier S. 999. [34] Masing, W.: Trends im Qualitätsmanagement. Vortrag Bochumer Qualitätstage (11./12.11.1993)
Qualitätsbezogenes Dokument
▶en: quality related document Qualitätsbezogene Dokumente lassen sich in Qualitätsforderungsdokumente und Qualitätsaufzeichnungen unterscheiden. Da der Begriff in der ISO 9000-Begriffsnorm nicht genormt wurde und auch zukünftig kein Normungsbedarf gesehen wird, muss Bezug auf die Fachliteratur genommen werden. Aufschlussreiche Darstellungen finden sich in [1] und [2]. Literatur
[1] Geiger, W. und W. Kotte: Handbuch Qualität. 5. Auflage. Wiesbaden (Vieweg) 2008, S. 493f f [2] Leonhard, W. u. P. Naumann: Managementsysteme – Begriffe. Ihr Weg zur klaren Dokumentation. DGQ-Band 11-04. 7. Auflage. Berlin (Beuth) 2002, S. 159ff
Qualitätsbezogene Verluste
▶en: quality losses In Prozessen und bei Tätigkeiten dadurch verursachte Verluste, dass nicht geeignete Ressourcen eingesetzt, verfügbare Ressourcen nicht ausgeschöpft, verfügbare Ressourcen vergeudet werden.
Anmerkung: Einige Beispiele für qualitätsbezogene Verluste sind: Verlust der Kundenzufriedenheit, versäumte Gelegenheiten zu Wertsteigerungen für den Kunden, für die Organisation oder für die Gesellschaft. Quelle: nach DGQ-Band 11-04:2009, S. 313f
DGQ-Begriff
Q
[1] Kern, W.: Qualitätskosten. In: Küpper, H.-U., Troßmann, E. (Hrsg.): Das Rechnungswesen im Spannungsfeld zwischen strategischem und operativen Management, Berlin 1997, S. 352-373. [2] DIN EN ISO 9000 – Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe (ISO/DIS 9000:2014), Berlin (Beuth) 2015 [3] Geiger, W.: Qualitätslehre. 1. Aufl. Braunschweig (Vieweg) 1986 [4] DIN 55350-11:2007-03: Begriffe der Qualitätsprüfungsarten. Beuth 2015 [5] Juran, J. M.: Quality Control Handbook. 1. Auflage, New York 1951 [6] Pfeifer, T.: Qualitätsmanagement. 2. Auflage, Hanser Verlag 1996, S. 439 [7] Steinbach, W.: Qualitätsbezogene Kosten. In: Masing, W. (Hrsg.): Handbuch QM. 3. Aufl., Hanser 1994, S. 65-88 [8] Feigenbaum, A. V.: Total Quality Control. Havard Business Review, 34 (1956), No. 6 [9] Kamiske, G. F.: Qualitätsbezogene Kosten. In: Masing, W. (Hrsg.): Handbuch Qualitätsmanagement, 4. Aufl., Hanser 1999, S. 65-72 [10] Kamiske, G. F.: Return on Quality. In: Kamiske, G. (Hrsg.): Effektivität u. Qualität, Symposion Publishing 2010, S. 105-123 [11] Crosby, P. B.: Quality is still free. McGraw-Hill, New York 1979 [12] Masing, W.: Nachdenken über qualitätsbezogene Kosten. QZ 38 (1993), H. 3, S. 149-153 [13] Hummel, Th., Malorny, C.: Total Quality Management. In: Kamiske, G. F. (Hrsg.): Handbuch QM-Methoden. 2. Aufl., Hanser 2013, S. 5 [14] Mäckbach, F., Kienzle, O.: Fließarbeit. VDI-Verlag 1929 [15] DIN ISO 9004:1987-05: Qualitätsmanagement und Elemente eines Qualitätssicherungssystems. Beuth 1987 [16] Considerations Concerning Quality-related Cost (Projekteam der IAQ). In: The Best on Quality, Vol. 6, p. 151–173 (Leiter des Projektteams der IAQ: Masing, W., dt. Mitglied: Zeiler, H.) [17] Juran, J. M., Gryna F. M.: Quality Planning and Analysis. From Product Development Through Use. New York 1980 [18] Jochem, R., Raßfled, C: Qualitätsbezogene Kosten. In: Pfeifer, T., Schmitt (Hrsg.): Masing – Handbuch Qualitätsmanagement, 6. Aufl., Hanser 2014, S. 91-102 [19] Füermann, T.: Qualitätsbezogene Kosten. In: Zollondz, H.-D. (Hrsg.): Lexikon Qualitätsmanagement. 1. Aufl., Oldenbourg 2001, S. 876-882 [20] Sakurai, M.: Integratives Kostenmanagement. Vahlen 1997 [21] Schulz, H.: Kostenorientierte Qualitätskontrolle bei vorgegebenen Kontrollanforderungen in den Bereichen Beschaffung, Produktion und Absatz in einem Industriebetrieb. Hamburg 1975 [22] Wildemann, H.: Kosten und Leistungsbeurteilung von Qualitätssicherungssystemen. Zeitschrift für Betriebswirtschaft 62 (1992), H. 7, S. 761-782 [23] Masing, W.: Fehlleistungsaufwand. QZ 33 (1988), H. 1, S. 11-12 [24] Eversheim, W.: Prozessorientiertes Qualitätscontrolling. Springer 1997
Qualitätsbezogene Verluste
Qualitätscontrolling
Qualitätsdokument
Qualitätscontrolling
das ►EFQM-Modell für Business Excellence), oder das Unternehmen baut eigenständig ein an der Strategie orientiertes Managementsystem wie z. B. die ►Balanced Scorecard [3] auf. Da Qualitätscontrolling ein originärer Teil des Führungsprozesses ist sind diesbezügliche Planungen, Berichte und Analysen in bestehende Managementsysteme zu integrieren – der Aufbau eines isolierten Qualitätscontrolling neben/ zusätzlich zu bestehenden Controllingaktivitäten innerhalb eines Unternehmens ist nicht zielführend. Prof. Dr. Christoph Benz, HTW Chur (Schweiz) Literatur
▶quality controll process ▶Controlling Aufgabe des Qualitätscontrolling ist die zielorientierte Koordination aller qualitätsbezogenen Aktivitäten des Managements. Dazu gehört die Organisation der Qualitätsplanung, die Erfassung, Aufbereitung und Interpretation der relevanten Qualitäts-, Zeit- und Kostendaten (Qualitätsberichtswesen), sowie die Bereitstellung von Methodenwissen (►Qualitätstechniken) zur Qualitätsverbesserung und zur Weiterentwicklung des ►Qualitätsmanagementsystems [1].
Um die Übersicht über laufende strategische und operative Planungen, angestossene Prozesse, benötigte Ressourcen und erzielte Ergebnisse zu behalten, ist das diesbezügliche Berichtswesen ganzheitlich in Form eines Kennzahlensystems zu organisieren. Als Vorlage hierzu können entweder die umfassenden Kriterienmodelle internationaler Qualitätspreise (►European Excellence Award [EFQM], ►Malcolm Baldrige Award [USA]) verwendet werden (so beispielhaft
Qualitätsdaten
▶ quality-related data Daten über die Qualität von Einheiten. Sie geben Auskunft über die angewendeten Qualitätsprüfungen, über die dabei herrschenden Randbedingungen und evtl. über die jeweils zugehörige Forderung bei der Ermittlung der Qualität. Normquelle: nach DIN 55350-11:1995-08
Qualitätsdatenbasis Bei der Schaffung einer Qualitätsdatenbasis geht es um die Entwicklung einer Systematik, zentral und dezentral abgelegte qualitätsrelevante Informationen in Datenstrukturen mit dem Ziel der durchgängigen Bereitstellung und Nutzung zu basieren. Um die negativen Folgen der funktionsorientierten Speicherung von Daten zu vermeiden, muss die Datenstruktur datenorientiert organisiert werden. Nur so stehen allen Applikationen bzw. Funktionen sämtliche Informationen der Datenbasis unmittelbar zur Verfügung. Die Prinzipien und Vorgehensweisen sind ausführlich in [1] dargelegt. Literatur
Q
[1] Pfeifer, T. und Schmitt, R.: Qualitätsmanagement. Strategien, Methoden, Techniken. 5. Auflage. München-Wien (Hanser) 2015, S. 421
Qualitätsdokument
▶en: quality document Dokument, das die Qualität eines oder mehrerer Angebotsprodukte betrifft.
Anmerkung 1: Betroffen sein können materielle oder immaterielle Produkte oder Kombinationen daraus, auch Zwischenprodukte. Anmerkung 2: Es gibt Qualitätsdokumente mit Qualitätsforderungen an die Produkte (Produktspezifikationen) und Qualitätsdokumente mit Ergebnissen aus Qualitätsprüfungen an diesen Produkten, siehe z. B. den Begriff produktbezogene Qualitätsaufzeichnung (auch „Qualitätsbericht“) mit den Unterbegriffen Interner Qualitätsbe richt und Qualitätsnachweis. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff ⟫
895
DIN-Term
Operatives Qualitätscontrolling (Fokus Effizienz – „die Dinge richtig tun“) Im Rahmen der Umsetzung der Qualitätsstrategie ist zu prüfen ob die angestrebte Positionierung im Markt tatsächlich erreicht wurde und ob die internen Abläufe so gestaltet sind, dass auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht (►Mitarbeiterzufriedenheit, Unternehmensumwelt) der Erfolg gegeben ist. Die Umsetzung von Qualitätsführerschaftsstrategien wird hier durch den verstärkten Einsatz von ►Qualitätstechniken entlang des Produktentstehungsprozesses (►QFD, ►Konstruktions-FMEA etc.) vorangetrieben, kostenorientierte Strategievarianten legen den Schwerpunkt auf die Optimierung von Produktions- und Vertriebsprozessen (►DoE, Prozess-FMEA, ►SPC, ►qualitätsbezogene Kosten etc.).
[1] Kamiske, Gerd F. (Hrsg.): Handbuch QM-Methoden, Abschnitt 1.14, 2. Auflage, München (Hanser) 2013 [2] Benz, Christoph: Qualitätsplanung, Kapitel 1, München (Hanser) 2008 [3] Kaplan, Robert S., David P. Norton: Balanced Scorecard: Measures That Drive Performance, Harvard Business 2010
DIN-Term
Strategisches Qualitätscontrolling (Fokus Effektivität – „die richtigen Dinge tun“) Im Rahme des strategischen Qualitätscontrolling ist die Positionierung des Unternehmens im Markt festzulegen und die hierzu notwendigen Kernkompetenzen sind aufzubauen. Je nachdem welche ►Qualitätspolitik das Unternehmen verfolgt stehen dabei unterschiedliche Aspekte im Vordergrund [2]: Strebt das Unternehmen die Qualitätsführerschaft in den definierten Marktsegmenten an ist der Fokus auf die optimale Erfüllung der Kundenforderungen zu legen. Aufgabe des strategischen Qualitätsmanagements ist dann den Einsatz von Instrumenten zur Kundenforschung (Was wünschen die Kunden?) und Kreativitätstechniken (Was können wir bieten?) zu koordinieren und die Entwicklungen entsprechender Leistungen einzuleiten. Legt das Unternehmen den Fokus auf Kostenführerschaft d. h. auf die Erzielung von ►Kundenzufriedenheit durch ein hervorragendes Preis-/ Leistungsverhältnis liegt der Schwerpunkt der Aktivitäten im strategischen Qualitätscontrolling mehr auf der Gestaltung von Prozessen. Instrumente wie strategisches Kostenmanagement, ►Prozessmanagement etc. kommen zum Einsatz.
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen Qualitätsentwicklung
▶en: quality development ▶Qualitätsentwicklung im Bildungswesen Der Begriff Qualitätsentwicklung entstammt dem Bildungsbereich und der Tradition bildungspolitischer Diskussionen. Er taucht deswegen auch immer in diesen institutionellen Zusammenhängen auf. Von Qualitätsentwicklung ist weder in der Terminologie der ISO bzw. des EFQM-Modells die Rede. Wenn Qualität und Qualitätsmanagement in Institutionen des Bildungsbereichs thematisiert und umgesetzt wird, berührt uns dieser Begriff. Aus diesem Grund ist er hier als genuiner Begriff des Bildungsbereichs in der Benennung „►Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ aufgenommen worden. Eine Ableitung aus dem ökonomisch-industriellen Bereich existiert nicht und ist wohl auch nicht möglich, auch wenn Begriffe wie Qualitätssicherung in den Debatten auftauchen, so sind sie nicht ohne Weiteres identisch mit dem Begriffsverständnis aus dem industriellen Komplex und seiner weitgehend genormten Begriffswelt.
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen
▶quality development in general, vocational, and higher education ▶Evaluation
In diesem Beitrag soll über Bildung, zunächst als Idee und dann als System geredet werden. Dann wird über die Einwanderung einer betriebswirtschaftlich aufgestellten Qualitätsdebatte in die beiden Aspekte der Bildung zu sprechen sein. In einem nächsten Abschnitt geht es – selektiv und knapp – um einige der Instrumente, die der Erzeugung von Bildungsqualität dienen sollen. Abschließend erfolgt eine knappe Bewertung der Entwicklung des Qualitätsmanagements in der Bildung.
Q
1 Bildung: Idee und Institution Mit dem Begriff „Bildung“ ist ein Themenfeld markiert, das fachlich wie emotional hoch aufgeladen ist. In der wissenschaftlichen Pädagogik (bzw. der Erziehungswissenschaft), die das dominante unter denjenigen Fächern ist, die sich an diesem Thema abarbeiten (Bildungswissenschaften), nehmen Versuche, Bildung zu definieren, einen prominenten Stellenwert ein. Angesichts der Fülle der Schriften, die sich mit der Idee der Bildung historisch, theoretisch und empirisch auseinandersetzen, kann es nicht verwundern, dass eine auch nur einigermaßen verlässliche Definition nicht angeboten werden kann. Grob könnte man sagen, dass mit Bildung einerseits auf etwas Menschlich-Universales Bezug genommen wird: Vernunft, Klugheit, Humanität, Mündigkeit, Selbstreflexion, der Mensch als soziales Wesen. Gleichzeitig adressiert der Bildungsbegriff immer auch die Individualität als zentrales Merkmal menschlicher Existenz, die Einmaligkeit des Einzelnen und seine Subjektivität. Mit der je individuellen Einzigartigkeit und dem gleichzeitigen Bezug zum „Menschsein“ ist ein Spannungsverhältnis angesprochen, das nicht automatisch zum „gebildeten Menschen“ führt. Bildung meint nicht etwas Naturwüchsiges,
896
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen quasi einen Automatismus des Menschwerdens, Bildung setzt im Gegenteil die aktive Aneignung der Welt durch die Individuen voraus. Referenzbegriffe wie Erziehung, Sozialisation oder Entwicklung bezeichnen durchaus – gelegentlich – etwas Ähnliches, fokussieren jedoch mehr oder weniger deutlich auf ausgewählte Aspekte wie zum Beispiel die Eingewöhnung des Handelns in bestimmte gesellschaftliche Normen und Regeln, die alltäglichen und meist ungeplanten Effekte, die sich beim Individuum durch die Interaktion mit seiner Umwelt einstellen oder schlicht biologische Reifungsprozesse, die den Menschen lediglich potenziell zum selbstständigen und selbstreflektierten Wesen werden lassen. Aber all diese und weitere Begriffe vermögen den Bedeutungsumfang des Wortes „Bildung“ nicht abzudecken. Und wenn gelegentlich vom Bildungsbegriff als einem Containerbegriff gesprochen wird – sei es beschreibend, sei es despektierlich gemeint –, so mag das insofern stimmig sein, als der Begriff in der Lage ist, fast alles aufzunehmen, was ähnliche Begriffe zu fassen versuchen. Gleichzeitig bleibt aber auch immer ein unbestimmter großer Rest, ein „Mehr“, das Bildung für sich beansprucht. Diese Skizze des Bildungsbegriffes wird die pädagogischen Fachwissenschaftler nicht zufriedenstellen. Dies auch deshalb nicht, weil sie wenigstens zwei unterschiedliche Wertungen zulässt. Zum einen könnte ein Kritiker nunmehr dem Begriff seine Vagheit oder Unbestimmtheit vorwerfen. Es ließe sich jedoch auch umgekehrt die Tiefe und Komplexität als Besonderheit positiv herausstellen. Wie dem auch sei, für die Beschreibung des Verhältnisses von Qualitätsentwicklung und Bildung sind beide Interpretationen folgenreich. Darauf wird zurückzukommen sein. Auf einen zweiten Aspekt muss vorab kurz hingewiesen werden: Auch wenn in neueren, insbesondere sozialpädagogischen Diskursen, Bildung in informelle oder nonformale Kontexte gebettet wird [1], so muss dennoch hervorgehoben werden, dass Bildung, zumindest in modernen Gesellschaften, ihre Heimat in formalisierten Settings hat. Das Bildungswesen ist der institutionalisierte und bis ins Detail organisierte Raum für die intentionale Gestaltung von Bildungsprozessen. Wenn von Bildung gesprochen wird, dann ist damit häufig dieses „System Bildung“ gemeint. Ein Blick in den gemeinsam von Bund und Ländern in Auftrag gegebenen Bericht „Bildung in Deutschland“, der seit 2006 alle zwei Jahre vorgelegt wird, kann dies belegen [2]. Die Autorengruppe dieser Bildungsberichterstattung beschreibt mittels statistischer Kennwerte im Wesentlichen formale Bildungswelten. Unterschieden wird hier in: ◼ frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung ◼ allgemeinbildende Schulen ◼ berufliche Ausbildung ◼ Hochschule ◼ Weiterbildung und Lernen im Erwachsenenalter Damit sind die Stufen des Bildungssystems mittels einer Differenzierung beschrieben, die auch plausibel sein dürfte, weil
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen sie Bildungsbiographien relativ gut abzubilden vermag. Die intuitive Selbstverständlichkeit könnte allerdings über die deutlichen Unterschiede zwischen diesen Stufen hinwegtäuschen, die zum Beispiel dadurch markiert sind, dass sie unter äußerst verschiedenen rechtlichen und politischen Regimes stehen: eigene Gesetzgebungen und spezifische ministerielle Zuständigkeiten. Zudem wird das Feld durch politische und administrative Aufgabenverteilungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen kompliziert. Gleiches gilt für Differenzen der Trägerschaft: staatlich oder privat, letztere teils mit Gemeinnützigkeits-, teils mit Profitorientierung. Auch die innerhalb der jeweiligen Stufen versammelten Organisationen unterscheiden sich in relevanten Hinsichten. Als Beispiel mag die interne Differenzierung der Sekundarstufe I des deutschen Schulsystems dienen, in der es unterschiedliche Schularten im zweistelligen Bereich gibt. 2 „Bildungsarbeiter“ Vor allem aber die Kerntätigkeiten der „Bildungsarbeiter“ variieren deutlich. Dass die Bildungsarbeit mit Kindern in einer Kindertageseinrichtung, die Angebote für unter 3-jährige macht, eine andere sein muss, als die Bildungsarbeit, die eine Einrichtung zu leisten hat, die mit Menschen arbeitet, die angesichts von drohender Arbeitslosigkeit eine Fortbildungsmaßnahme besuchen, dürfte offensichtlich sein. Um es abstrakter zu formulieren: Das Bildungssystem hat insgesamt viele operative – und nicht immer widerspruchslos zu verwirklichende – Zielbereiche zu bearbeiten wie Qualifizierung, Beratung, Vergesellschaftung, soziale Integration, Selektion, Erwerb von Schlüsselqualifikationen oder Entwicklung von Haltungen und Einstellungen. Und diese Aufgaben müssen mittels letztlich unkontrollierbarer sozialer Interaktion, durch gemeinsame Leistungserbringung von Lehrern und Schülern und mit minimaler und höchst unsicherer Technologie bearbeitet werden. Und über allem schwebt der Bildungsbegriff als hehrer Anspruch, der vermitteln will, dass es hier nicht um Triviales geht. Die Ausstrahlung des Bildungsbegriffes und die Komplexität der Institutionen und Organisationen dürften es dem Qualitätsmanagement schwer gemacht haben, Zutritt ins Bildungswesen zu bekommen. Nicht die Diskussion von ►Qualität oder ►Güte ist dem Bildungswesen fremd, sondern ihre Provenienz. Ursprünglich aus den technikbasierten Ingenieurwissenschaften kommend, präsentiert sich ►Qualitätsmanagement der Bildung als organisationales, betriebliches Management. Es dürfte kaum übertrieben sein, der Pädagogik eine traditionell eher feindliche Einstellung gegenüber Betriebswirtschaft und Organisation zu bescheinigen. Vor diesem Hintergrund ist die etwa mit den 1990er Jahren beginnende und schließlich erfolgreiche Invasion von Qualitätsmanagement ins Bildungswesen eher schwer zu erklären.
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen 3 Die unerwartete Erfolgsgeschichte der Qualitätsdebatte in der Bildung Der Siegeszug der Qualitätsdebatte hat sich im Bildungswesen, verglichen mit anderen gesellschaftlichen Subsystemen wie z. B. im Gesundheitswesen oder der öffentlichen Verwaltung, mit zeitlicher Verzögerung vollzogen, schließlich jedoch mit durchschlagendem Erfolg. Auch die der Bildung nahestehende Kinder- und Jugendhilfe war deutlich schneller, und der Widerstand fiel hier geringer aus. Als ein Beispiel für den durchaus offensiven Umgang mag eine Serie von Broschüren mit dem Kurztitel „Qs“ stehen, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [3] in den 90er Jahren im Kontext der Bundesinitiative „Qualitätssicherung in der Kinder- und Jugendhilfe“ herausgab. Hier wurden Themen wie Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung, ►Qualitätsforderungen oder Qualitätsstandards be- und verhandelt. Für die Soziale Arbeit war das der modernen Unternehmensführung entlehnte New-Public-Management bedeutsam, denn es ließe sich ja kaum begründen, dass die hier vorgeschlagenen und umgesetzten Vorstellungen nur auf bestimmte Bereiche der öffentlichen Daseinsfürsorge Anwendung finden sollten. In der Bildung traf diese Sicht auf weniger Gegenliebe. Dies mag auch mit der privilegierten Stellung großer Teile des Bildungswesens zu tun haben. Insbesondere den staatlich finanzierten Schulen und Hochschulen sowie ihrem gut abgesicherten Personal waren die mit der Qualitätssicherung verbundenen Verpflichtungen zur Rechenschaftslegung fremd. Es muss freilich auch erwähnt werden, dass allein der Qualitätsbegriff nicht beschreiben kann, welche dramatischen Veränderungen in der Bildung in den letzten Dekaden initiiert wurden. Qualität und Qualitätsmanagement sind allenfalls dominante Begriffe in einem Konzert von ökonomisch orientierten Steuerungs- und Managementvorstellungen. Aus der modernen Unternehmensführung wurden Konzepte und Instrumente wie Dezentralisierung, Autonomie, Marketing, ►Audits, Controlling, Monitoring oder ►Evaluation durch Bildungstheorie, Bildungsforschung und vor allem Bildungspolitik übernommen. In der Bildung wird diese Entwicklung häufig als „Ökonomisierung“ bezeichnet – und diese Charakterisierung ist nicht positiv konnotiert. 4 Qualitätsansprüche Es dürfte strittig sein zu entscheiden, wann die Qualitätsdebatte in die deutsche Bildung einzog. „Vorarbeiter“ war womöglich die OECD mit der Publikation „Schools and Quality“ in 1989 [4]. Die Schulsysteme einer Vielzahl von Staaten wurde für innovationsbedürftig eingeschätzt und dabei kam auch die Unzufriedenheit der „Kunden“ der Schule in den Blick, und unternehmerische Konzepte wurden als erfolgsversprechend eingestuft. Hierzu gehörte insbesondere auch die Forderung, Qualitätsansprüche an Schulen zu definieren, um die Schule erstens vor einer diffusen und an nichts festgemachten Unzufriedenheit zu schützen und zweitens mit der dem Qualitätsbegriff inhärenten Idee, anhand klar messbarer Qualitätsforderungen die Arbeit in und von Bildungsein-
897
Q
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen richtungen überprüfbar zu machen. Diese Forderung nach Überprüfbarkeit hat die OECD mit einer Reihe weiterer Publikationen befeuert, in denen es um Messung, systematische Beobachtung und die Definition von Leistungsindikatoren ging [5]. Die 1990er Jahre waren – auch international – durch eine neue Idee der Steuerung des Bildungswesens geprägt. Schulen und Hochschulen sollten sich in wettbewerblichen Situationen profilieren und eigenverantwortlich ►Organisationsentwicklung betreiben. Es geht hierbei im Kern darum, dass die einzelne Bildungseinrichtung die Freiheit bekommt, vorab definierte Qualitätsforderungen auf eine je individuelle Art zu erfüllen (als Agent), um dann aber der steuernden und Auftrag gebenden Ebene (dem Prinzipal) gegenüber rechenschaftspflichtig zu sein.
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen tätsbegriff seit etwa zehn Jahren in der Bildung zugekommen sei [8]. Sie sprechen gar von einer epidemischen Bezugnahme auf Qualität und die vielfältigen Wortverbindungen oder Wortschöpfungen wie Qualitätsprüfung, Qualitätsmanagement, Qualitätsstandards, Qualitätskontrolle, Qualitätsverbesserung und Qualitätssicherung. Die Beiträge im Heft setzen sich grundlegend mit dem Qualitätsbegriff auseinander und differenzieren beispielsweise Qualitätskonzepte wie: Qualität als Ausnahme, Qualität als Perfektion, Qualität als Zweckmäßigkeit oder Qualität als adäquater Gegenwert für eingesetzte Ressourcen. Der Qualitätsbegriff wird in einem anderen Beitrag insofern problematisiert, als es sich bei Qualitätsurteilen im Wesentlichen um Zuschreibungen handele. Diese Zuschreibungen müssten auf Basis expliziter Qualitätskriterien, ihrer Ausprägungen und Gewichtungen vorgenommen werden, was gerade im Bildungssystem und angesichts des Bildungsbegriffes problematisch sein könne. Die weiteren Beiträge beziehen sich auf die Bildungsbereiche Schule und Hochschule sowie die Sozialpädagogik. Ein kurzer Überblick
Unterlegt war diese Diskussion durchaus auch fachwissenschaftlich. Mit der dem Bildungsforscher Helmut Fend zugeschriebenen Beschreibung der Schule als „pädagogische Handlungseinheit“ und einer Hochkonjunktur von Konzepten der schulischen Organisationsentwicklung konnte sich die Idee der erhöhten Selbstständigkeit Abb. Q25: Qualitätsentwicklung oder -sicherung in der Bildung? von Bildungsorganisationen bildungsQualitätsentwicklung oder -sicherung in der Bildung? politisch gut umsetzen und fachwissenschaftlich legitimieren lassen. Als ein erfolgreicher Makler dieser Entwicklung Auch im Bildungswesen hat sich der Qua- und parallel geführt wurden: Hier ging es um litätsbegriff etabliert. Mehr noch, er spielt Organisationsentwicklung (Organizational mag ein von der Bertelsmannstiftung ge- insbesondere für die Steuerung von Orga- Development) und – im für Bildungsforsponsertes Buch des niederländischen nisation und Institution, wir reden hier auch schung dominanten Feld der Schulforschung Bildungsexperten Theo Liket dienen, gerne von “Governance“, eine zentrale Rolle. – um Schulentwicklung (School Developder am Beispiel von Schulen und Hoch- Er taucht in verschiedenen Wortkomposita ment). Und was noch passend für die Bilschulen für das Prinzip von „Freiheit auf: Qualitätsmanagement, Qualitätssys- dung erscheint: Bildung ist mit persönlicher tem, Qualitätscheck, Qualitätsanalyse und Entwicklung verknüpft, mit Lernen und also und Verantwortung“ wirbt [6].
Q
Deutschland ist allerdings ein Nachzügler: Betrachtet man die internationale Literatur zur Schulforschung und Schulpolitik, so sieht man die Bildungsdiskussion stark ausgerichtet auf ökonomische Kernkategorien wie Effektivität und Effizienz. Den Bildungseinrichtungen wird zur gleichen Zeit abverlangt, dass sie Belege, also Evidenzen, für den Erfolg ihrer Arbeit beibringen müssen und – ganz im Sinne einer an der Zahlung von Boni ausgerichteten Wirtschaft – auch akzeptieren müssten, dass individuelle Gehälter wie auch die Allokation von Ressourcen an die jeweilige Organisation sich an der Qualität ihrer Leistungserbringung ausrichten lassen sollten [7]. 5 Qualitätssicherung Im Jahre 2000 widmet sich das 41. Beiheft der „Zeitschrift für Pädagogik“ dem Thema „Qualität und Qualitätssicherung im Bildungsbereich“. Im Editorial zum Heft verweisen die Herausgeber auf die immense Bedeutung, die dem Quali-
898
selbstverständlich auch Qualitätssicherung, letzterer ist wohl ein Kernbegriff im Qualitätsmanagement. Die Sicherungsidee des Qualitätsmanagements dürfte ihren Ursprung in der technischen Produktion haben, wo es zunächst darauf ankommt, eine gleichbleibende und verlässliche Qualität von Produkten zu sichern, also Fehlerfreiheit zu garantieren. Nicht nur wegen der Nähe zur ingenieurwissenschaftlichen und später dann der betriebswirtschaftlichen Verortung des Qualitätsmanagements hat das Kompositum „Qualitätssicherung“ in der Bildung einen schlechten „Beigeschmack“. „Gefühlt“ dominiert der Begriff der Qualitätsentwicklung. Und dies wohl auch, weil Bildung so wenig technisiert ist und Garantien für Bildungserfolge nicht gegeben werden können. Der Entwicklungsbegriff erscheint auch deshalb attraktiver für die Bildung, weil die Stärke der Qualitätsdebatte in der Bildung darin bestand, eine Antwort auf die permanente Kritik an suboptimaler Leistung von Bildungseinrichtungen zu liefern. Hier war der Auftrag nicht die Sicherung, sondern eindeutig die Verbesserung. Und damit konnte das Qualitätsmanagement an Debatten anknüpfen, die in der Bildungsforschung zuvor
mit Verbesserung. Gegen Entwicklung und Verbesserung wird sich in der Bildung weniger Widerstand erwarten lassen als gegen die mit dem Ruch des Technischen verbundene Qualitätssicherung. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Idee der Lernenden Organisation in der Qualitätsdebatte eine wichtige Rolle spielte, denn er ist für Organisationen und Institutionen, deren Aufgabe das Lernen ist, geradezu verführerisch. Nicht immer ist es klug, sich verführen zu lassen. In Organisationen der Bildung war (und ist?) nämlich das Management deutlich unterentwickelt. Denken wir an die deutsche Universität, die traditionell ein System der Autonomie von Fakultäten, Instituten und sogar der Akteure war. Oder denken wir an die deutsche Schule, in der sich Management im Prinzip auf die Erstellung von Stundenplänen reduzierte. Die lernende und sich qualitätsentwickelnde Organisation lässt sich aber schwerlich mit teilzeitverantwortlichen Schulleitungen, mit teilzeitbeschäftigten Sekretärinnen und mit Mitarbeitern umsetzen, die für das fachliche Unterrichten, nicht aber für das Managen qualifiziert wurden. Dr. Wolfgang Böttcher
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen über die Themen der einzelnen Beiträge mag zeigen, wie breit und komplex bereits im Jahre 2000 über Qualitätsmanagement im Bildungswesen nachgedacht wird. Im Bereich der Sozialpädagogik geht es zum Beispiel um die Frage, inwiefern sich Qualität mit Evaluation verbindet, um die Unklarheit darüber, ob sich mit dem Thema auch eine Qualifizierung der sozialpädagogischen Leitungen und der Kompetenzen der Fachkräfte verbindet. In der Hochschule geht es um die Bewertung der Hochschullehre und die Weiterbildung der Hochschullehrer. Im Bereich der Schule, hier wie üblich im gesamten Bildungsbereich das dominante Feld, geht es um die Rolle von Schulaufsicht, Konflikten im Feld der Qualitätsdebatte oder um die Grundsatzfrage, inwieweit wettbewerbliche Steuerung und Wohlfahrtsproduktion miteinander vereinbar seien. In einem Beitrag [9] wird eine neue Richtung der Debatte angedeutet: Der Qualität im Schulbereich müsse man sich von nun an weniger aus einer managementspezifischen Sicht von Qualität (Organisation) annähern als vielmehr aus einer unterrichtsbezogenen (Interaktion). Schulqualität wird aus dieser Perspektive also stärker auf das schulische Kerngeschäft bezogen. 6 PISA und die Folgen Der Siegeszug der Qualitätsdebatte wurde nochmals zur Jahrhundertwende befeuert. Mit dem Program for International Student Assessment (PISA), dessen Ergebnisse im Jahre 2001 veröffentlicht wurden [10], ergab sich eine Defizitbeschreibung der deutschen Schule, die gemeinhin als PISASchock bezeichnet wird. Auch wenn PISA 15-jährige Schüler im Hinblick auf bestimmte fachliche Leistungen testete, wurde hiermit nicht nur die Qualitätsdebatte in der Schule, sondern insbesondere auch die in der vorschulischen Bildung beschleunigt; aber Auswirkungen lassen sich für die Bildung insgesamt erkennen. Mit PISA hat sich das, was man unter der Überschrift „Qualitätsmanagement“ zusammenfassen könnte, endgültig und massiv durchgesetzt. Spätestens jetzt spricht auch die Erziehungswissenschaft vom Output-Paradigma und meint damit, dass es darauf ankäme, Leistungen der Schülerinnen und Schüler – oder allgemeiner: der Adressaten von Bildung – messen zu müssen, um damit die Qualität von Einrichtungen fundiert einschätzen zu können. Output wird in der deutschen Terminologie in aller Regel als das beschrieben, was international Outcome genannt wird: die Veränderungen, die durch intentionale Angebote bei Lernenden erzeugt werden sollen. Und hier vermag man nun völlig ohne den Bildungsbegriff auszukommen. Man misst nunmehr „Kompetenzen“ und widmet sich intensiv der Idee, Modelle von Kompetenzstufen und angemessenen Messverfahren zu entwickeln und somit eine wissenschaftsfundierte Basis für Qualitätsbeobachtung und Qualitätssicherung zu schaffen. Die Kultusministerkonferenz beschloss im Jahre 2006 das Konzept des Bildungsmonitoring. Auch wenn eine deutliche „Schullastigkeit“ vorliegt, kann man hier durchaus den Kern des Qualitätsmanagements in der Bildung erkennen. Die damalige Präsidentin der Ständigen Konferenz der Kultusmini-
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen ster der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) beschreibt die neue Politik wie folgt [11]: „Insgesamt ist damit ein Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik in Deutschland im Sinne von Ergebnisorientierung, Rechenschaftslegung und Systemmonitoring eingeleitet worden. Dieser Prozess hat gerade erst begonnen und muss kontinuierlich überprüft und justiert werden. Dazu hat die Kultusministerkonferenz am 02.06.2006 eine Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring beschlossen. Dieses Verfahren zur Beobachtung und Weiterentwicklung von Bildungsprozessen besteht aus vier miteinander verbundenen Bereichen, (…), nämlich aus internationalen Schulleistungsuntersuchungen (PIRLS/IGLU, TIMSS, PISA), der zentralen Überprüfung der Bildungsstandards im Ländervergleich, aus Ver-gleichsarbeiten zur landesweiten Überprüfung der Leistungsfähigkeit einzelner Schulen und schließlich aus der gemeinsamen Bildungsberichterstattung von Bund und Ländern“. Das Besondere hieran ist offensichtlich, dass mit der Datenüberwachung gleichzeitig die Qualitätsentwicklung versprochen wird. Ob dieses Versprechen allerdings eingehalten wird, ist ein Thema aktueller Diskussionen [12]. Mit ihrem 53. Beiheft in 2008 [13] nimmt die Zeitschrift für Pädagogik das Thema Qualität, und hier ganz ausdrücklich im Sinne einer Zwischenbilanz, erneut auf. Auffällig ist zunächst, dass hier offensichtlich auch Bildungsbereiche in den Blick kommen, die vorher nicht ausdrücklich thematisiert wurden: Qualitätssicherung im Elementarbereich, Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung, Qualitätsmanagement in der Weiterbildung und schließlich im Spezialfeld der betrieblichen Weiterbildung. Darüber hinaus haben sich auch offensichtlich einige Themenschwerpunkte verändert. Im Hochschulbereich wird das besonders deutlich, insofern nicht mehr nur die Hochschullehre thematisiert wird, sondern hier werden die Systeme der Akkreditierung von Studiengängen als Qualitätssicherungsmaßnahmen diskutiert wie auch Verfahren der Bewertung von Forschungsleistungen. 7 Steuerung im Bildungssystem Im Editorial zum „Zwischenbericht“ schreiben die Herausgeber: „Alle hier versammelten Beiträge erkennen die Omnipräsenz des Qualitätsbegriffs und der damit verbundenen neuen Steuerungssysteme als Faktum an. Es ist unstrittig, dass Zielvorgaben, Strukturen und Prozesse der institutionalisierten Bildung in den deutschsprachigen Ländern in den vergangenen 10 bis 20 Jahren massiv verändert worden sind“ [14]. Der Qualitätsbegriff wird analytisch in die Dimensionen Kontext-, Input-, Prozess-, Output- und Outcome-Qualität ausdifferenziert. (Interessant mag hier vielleicht noch sein, dass in der deutschen Debatte, anders als international üblich, der Begriff Output eher für unmittelbare Lernergebnisse und der Begriff Outcome für längerfristige Wirkungen von pädago-
899
Q
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen gischen oder sozialpädagogischen Aktivitäten benutzt wird). Die Wende der Steuerung im Bildungssystem wird als Wandel von einer Input- zu Outputsteuerung (gemeint sind: Outcomes) beschrieben und ist gewissermaßen pädagogischer Allgemeinplatz, auch wenn empirische Belege für das eine, nämlich eine Steuerung durch Inputs, wie für das andere, eine Steuerung mittels Ergebnissicherung, kaum vorgebracht werden. Allein durch das Messen von Lerneffekten, das als neue zentrale Aufgabe bildungspolitischer Steuerung verstanden wurde, lassen sich ja weder umfassende Qualitätssicherungsnoch Qualitätsentwicklungsmaßnahmen quasi automatisch ableiten. In diesem neuen Paradigma der Output-Steuerung wurde gar explizit darauf verzichtet, in die pädagogischen Prozesse eingreifen zu wollen, falls Leistungsmessungen sich als im Ergebnis wenig zufriedenstellend erweisen sollten. Im Kontext der generellen Steuerungsphilosophie, den einzelnen Einrichtungen innerhalb des Bildungswesens (sogar auch den unter staatlicher Aufsicht stehenden Schulen) eine größere Autonomie zuzusprechen bis hin zu der Idee, sie als ►Lernende Organisationen zu begreifen, wurde die Gestaltung von Kernprozessen – also Beraten, Unterrichten, Helfen, Erziehen – in die Verantwortung eben der operativen pädagogischen Praxis gestellt. Klieme und Tippelt koinzidieren eine massive Veränderung des gesamten deutschen Bildungssystems durch die Qualitätsdebatte und versäumen es in diesem Zusammenhang nicht, auf die fremde Herkunft des Begriffes hinzuweisen: „‚Qualität‘ ist kein genuin-pädagogischer Begriff, ‚Qualitätssicherung‘ schon gar nicht“ [15]. Seine ökonomische Herkunft wird insbesondere an den Begriffen Effektivität und Effizienz festgemacht sowie an der gesteigerten Bedeutung von Evaluation. Bei all der Modernität des Qualitätsbegriffs dürfe nicht übersehen werden, dass in der Erziehungswissenschaft durchaus auch vorher starke empirische Strömungen existierten, die Leistungsbeschreibungen als Gegenstand von Leistungskontrolle forderten.
Q
Man mag überrascht davon sein, dass in diesem Beiheft der Begriff Qualität nicht mehr Gegenstand von Interpretationen oder gar Problematisierung war, sondern rundweg – und womöglich eher intuitiv als operationalisiert und in seinen kritischen Dimensionen analysiert – akzeptiert wird. Nicht nur diese Selbstverständlichkeit ist neu. Klieme und Tippelt meinen, eine weitere Veränderung der Qualitätsdebatte wahrnehmen zu können. Die in diesem Band versammelten Beiträge hätten demnach durchweg die Prozessqualität mit in den Blick genommen. 8 Eine Skizze der Instrumente und Konzepte Um zu zeigen, wie die Qualitätsdebatte in der Bildung reüssierte, kann skizzenhaft auf einige der Instrumente eingegangen werden, die Qualitätssicherung bzw. -entwicklung leisten sollen. Die Unterschiede zwischen den Bildungsbereichen sind deutlich ausgeprägt. Entsprechend groß ist die Vielfalt von qualitätsrelevanten Instrumenten, die hier zum Einsatz gekommen sind und weiter zum Einsatz kommen. Mit Blick
900
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen auf die Urheberschaft lässt sich ein breites Spektrum ausmachen. So finden wir hier individuelle Verfahren, die von Organisation oder Organisationseinheiten zum Zweck der Selbstreflexion oder Selbstevaluation entwickelt wurden. Wir finden Instrumente, die von Agenturen, profitorientierten wie gemeinnützigen, für bestimmte Bildungsbereiche bzw. Organisationen entwickelt wurden. Sie können sowohl der Selbstwie der Fremdbewertung dienen. Auch die dominanten und – wenn man so will – generischen Systeme kommen, häufig in angepasster Form, zum Einsatz: ►ISO 9000 ff., ►EFQM, ►TQM oder ►Balanced Scorecard. Schließlich gibt es staatlicherseits entwickelte Qualitätsmanagementsysteme, die zur Transparenz und Vergleichbarkeit der – staatlich finanzierten – Arbeit in der Bildung beitragen sollen. Herausragen dürften hier die Schulinspektion sowie Verfahren zur Akkreditierung von Studiengängen. Am Beispiel der frühkindlichen Bildung erstellen Esch und Kolleginnen eine Typologie von Ansätzen. Sie basiert auf der Feststellung, dass die Qualitätsdiskussionen in diesem Bereich vor allem durch eine ganzheitliche Erfassung von Leistungserstellungsprozessen geprägt sei, in denen eine Vielzahl von Qualitätsdimensionen betrachtet werde. Der pädagogischen Qualität komme dabei eine „gewisse Sonderstellung“ zu [16]. Um wenigstens ein einigermaßen gutes Verständnis von der Idee pädagogischer Qualität zu bekommen, unterscheiden die Autorinnen mit Blick auf die Fachdiskussion in diesem Bereich zwischen pädagogischer Orientierungsqualität, die sich im Wesentlichen auf das Bild bezieht, das die Erzieherin vom Kind hat sowie ihre Auffassung über die Entwicklung des Kindes, die pädagogische Strukturqualität, die sich zum Beispiel auf das Ausbildungsniveau und die Vorbereitungszeit der Fachkräfte und soziale Merkmale wie Gruppengröße oder Altersmischung auf den Erzieher-Kind-Schlüssel oder die räumlich-materielle Ausstattung bezieht und schließlich die pädagogische Prozessqualität, die das pädagogische Geschehen, also den Umgang mit dem Kind, abbilden soll [17]. Innerhalb der Vielfalt der Konzepte könne man wie folgt unterscheiden: Man findet Topdown-Ansätze, die vorrangig einer übergeordneten Steuerung dienen und in aller Regel mit externen Evaluationen verbunden sind. Bottom-Up-Ansätze schließen eine externe Evaluation zwar nicht aus, aber hier sei auch eine ausschließlich interne Nutzung des Instruments denkbar. Zudem gebe es Verfahren, die sich an allgemeinen Standards, wie sie zum Beispiel in der pädagogischen Fachdiskussion formuliert sind, orientieren. Hierbei geht es demnach insbesondere um die Formulierung von Mindeststandards, die Akkreditierungen sichern könnten. Es lassen sich aber auch solche Konzepte ausmachen, die von spezifischen Trägern von Kindertageseinrichtungen genutzt werden. Schließlich ließen sich solche Verfahren finden, die sich an einem fachübergreifenden und somit „normierten Qualitätsmanagement“ orientieren, wie auch solche, die sich spezifisch an pädagogische Fachdiskussionen angliedern. Daraus ergeben sich dann vier verschiedene Typen von Qualitätskonzepten in der vorschulischen Bildung:
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen 1 allgemeine Steuerungsverfahren (Akkreditierungsverfahren), 2 konzeptgebundene Steuerungsverfahren, 3 normierte Organisationsentwicklungsverfahren, 4 fachspezifische Organisationsentwicklungsverfahren. Nur um hier Beispiele zu nennen: Zum Typus 1 gehört etwa die Kindergartenskala in ihrer revidierten Fassung (KES (R)), zum Typus 2 zählt die Lernerorientierte Qualitätstestierung für Kindertagesstätten (LQK), zum Typus 3 gehört das Qualitätsmanagement in den Kindertageseinrichtungen der AWO oder das KTK-Gütesiegel des Caritas-Bundesverbandes, zum letzteren Typus 4 gehören Verfahren wie die integrierte Qualitäts- und Personalentwicklung (IQUE) oder „Qualität im Situationsansatz“ (QuaSi). In der Weiterbildung oder auch der beruflichen Bildung finden wir eine große Nähe zu den generischen Konzepten der Qualitätssicherung. Die Nähe zur Arbeitswelt und Ökonomie, die Themen wie aber auch die weitgehend privatwirtschaftliche und wettbewerbliche Organisation in diesen Feldern könnten das erklären. Die deutsche Hochschullandschaft hat insbesondere mit Evaluationen der Lehrveranstaltungen und die Akkreditierung von Studiengängen durch spezifische Agenturen, die sich immer auch fachlich ausgewiesener Gutachter bedienen, reagiert. Im schulischen Bereich hingegen sind solche Konzepte allenfalls oberflächlich angesprochen (vgl. Bauer in diesem Handbuch). Selbst das Modell des Total-Quality-Managements, das in internationalen Publikationen intensiv versucht hat, sein Potenzial auch für schulische Bildung zu beweisen, wird in der deutschen Schulentwicklung kaum wahrgenommen. Es gab aber auch eine Anzahl von privaten Initiativen. Zu nennen sind hier beispielsweise der Arbeits-BewertungsCheck für Lehrkräfte (ABC-L) oder „seis“ (Selbstevaluation in Schulen). Breit aufgestellt sind Konzepte und Instrumente in „IQES online“ (Instrumente für die Qualitätsentwicklung und Evaluation in Schulen), das in der deutschsprachigen Schweiz entwickelt wurde. In der Schule sind wesentliche Qualitätsmanagementinstrumente die Vermessung der Schülerleistungen in Form von Tests oder Prüfungen (internationale Vergleichsstudien, Vergleichsarbeiten, Zentralabitur und Ähnliches). In fünfzehn der sechzehn Bundesländer gibt es zusätzlich eine Art der Qualitätssicherung, die man unter dem Begriff Schulinspektion zusammenfassen könnte (in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel firmiert sie unter dem Begriff Qualitätsanalyse). Hier wird im Wesentlichen anhand eines aus verschiedenen Dimensionen und Kriterien zusammengesetzten Bildes einer „guten Schule“ eine Art von Qualitätsaudit durchgeführt, das im Wesentlichen Kontexte, Ressourcen, Prozesse und Ergebnisse unterscheidet. Allerdings werden im Kontext der Inspektion keine Schülerleistungen gemessen.
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen 9 Eine zusammenfassende Bewertung Wenn man die Entwicklung des Qualitätsmanagements in der Bildung beurteilen möchte, so wird man feststellen können, dass der Siegeszug durchaus Anlaufschwierigkeiten hatte. Das liegt nicht an einem im Prinzip ja „unschuldigen“ Qualitätsbegriff, der im Kontext von Debatten um zum Beispiel „gute Schule“ oder „gute Pädagogik“ dem Feld keinesfalls fremd war. Vielmehr liegt es an der Verknüpfung des Qualitätsbegriffs mit einem „ökonomischen Paradigma“ seit den 1990er Jahren und daran, dass Qualität an Begriffe wie Effizienz oder Effektivität, an Management und Organisation und nicht zuletzt an Rechenschaftslegung geknüpft war. Damit sah sich die Pädagogik vor eine besondere Herausforderung gestellt, der sie sich bisher in dieser Form noch nicht gegenüber sah. Sie ist zu Innovation gezwungen und muss belegen, dass sie erfolgreich arbeitet und Erfolg nicht nur verspricht. Gleichzeitig muss auch festgestellt werden, dass im generischen Konzept des Qualitätsmanagements, das vielfach als Handbuchwissen daherkommt, womöglich die Besonderheiten des pädagogischen Feldes und des pädagogischen Handelns nicht hinreichend berücksichtigt wurden und es auch denjenigen innerhalb der Bildung schwer fiel, diese Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen, die im Prinzip dem Qualitätsmanagement positiv gegenüberstanden. Solche Besonderheiten lassen sich besonders durch die Tatsache charakterisieren, dass Bildung immer ein interaktiver Prozess der Koproduktion ist, technologisch nicht wirklich beherrschbar und in Organisationen stattfindet, die eigene und dauerhafte soziale und kulturelle Traditionen haben. Die große Heterogenität der Organisationsfelder im Bildungsbereich sowie die hohe Komplexität der gesellschaftlich formulierten Forderungen an Bildung tragen ein weiteres dazu bei, dass insbesondere ein zu technisch daherkommendes Qualitätsmanagement im Bildungsbereich auf wenig Zustimmung gestoßen ist. Qualitätsmanagement hat in Bildungsforschung und Bildungspolitik – insbesondere in der Schule – in der jüngeren Vergangenheit stark, womöglich zu stark auf Ergebnisqualität gesetzt. Die ergebnisorientierte Messung, zudem beschränkt auf bestimmte Indikatoren, führt auch dazu, den Blick auf das Ganze zu verhindern und die Qualität von Bildung – als Idee und als Institution – allein auf die Leistungsmessungen zu reduzieren. Damit wird gewissermaßen per Managementregime die Komplexität, die ja einerseits im Qualitätsbegriff, aber insbesondere auch im Bildungsbegriff beheimatet ist, kastriert. Dabei waren die pädagogischen Prozesse und die konkrete Unterstützung für Bildungsarbeiter zur Verbesserung ihres „operativen“ Geschäftes aus dem Blick geraten. Die pädagogischen Prozesse werden wahrscheinlich, wenn man mit einem gewissen Optimismus auf das Feld schaut, in den nächsten Jahren stärker bearbeitet und beforscht werden.
901
Q
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen Es geht dann darum, Qualitätsmanagement als Instrument der Entwicklung, und hier insbesondere der Entwicklung des pädagogischen Kerngeschäftes, zu formulieren. Ein Qualitätsmanagement, das versäumt, den Akteuren im operativen Feld bei der Umsetzung der komplexen pädagogischen Aufgaben zu helfen, dürfte zunehmend an Ansehen verlieren. Qualitätsmanagement, wie wohl immer auch nicht frei von Kontrollfunktionen, sollte Lernen und Entwicklung generieren, und damit einlösen, was mit ihm versprochen wurde. Qualitätsmanagement und Evaluation haben dann eine Zukunft im Bildungswesen, wenn Innovation, Nützlichkeit und Unterstützung im pädagogischen Alltag zentrale Ziele werden. Ein kritisches Fazit könnte lauten, dass die insbesondere von Bildungs- und Sozialpolitik sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene umgesetzten Qualitätsmaßnahmen nicht hinreichend professionell angelegt und umgesetzt wurden. Eine Ergebnissteuerung, die nicht die Prozesse und Ressourcen in den Blick nimmt, wird wenig zur Innovation, aber viel zur Demotivierung aller beteiligten Akteure beitragen. Die auch gelegentlich zu hörende grundsätzliche Kritik, dass ein betriebswirtschaftliches Qualitätskonzept dem Gegenstand Bildung prinzipiell nicht angemessen sei und auch gar nicht umgesetzt werden könne, wird nicht mehr sehr häufig vernommen, muss aber deshalb nicht falsch sein. Womöglich ist eine an anerkannten Standards orientierte Evaluation [18] von pädagogischen Programmen eine Alternative, die Bildung tatsächlich zu verbessern vermag. Prof. Dr. Wolfgang Böttcher, Münster Literatur
Q
902
[10] Artelt, C. u. a. (2001): PISA 2000-Zusammenfassung zentraler Befunde. Berlin (Max Planck Institut für Bildungsforschung) [11] Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) (2006): Überblick: Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring. Berlin [12] Böttcher, W. (2013): Das Monitoring-Paradigma – Eine Kritik der deutschen Schulreform. In: Empirische Pädagogik 2013, 27 (4), Verlag Empirische Pädagogik, Landau. S. 497-509 [13] Klieme, E./ Tippelt, R. (Hrsg.) (2008): Qualitätssicherung im Bildungswesen. 53. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik. Beltz, Weinheim und Basel [14] Klieme, E./Tippelt, R.: Qualitätssicherung im Bildungswesen. Eine aktuelle Zwischenbilanz. (Einführung in den Band). Beltz, Weinheim und Basel, S. 7-13 [15] Ebd. [16] Esch, K./ Klaudy, E.K./ Micheel, B./Stöbe-Blossey, S. (2006): Qualitätskonzepte in der Kindertagesbetreuung. Springer VS, Wiesbaden [17] Ebd., S. 40, Anm. [1] [18] DeGEval – Gesellschaft für Evaluation e.V. (Hrsg.) (2008): Standards für Evaluation.(4. unveränderte Auflage). Mainz (vgl. www.degeval.de/Standards)
Qualitätserfolgsmanagement ▶Qualitätskostenmanagement
Qualitätserhöhung
▶Qualitätsverbesserung ▶Kaizen
Qualitätsexperten
Als Experten des Qualitätsmanagements werden diejenigen Fachleute und -wissenschaftler bezeichnet, die im Mittelpunkt ihres beruflichen Lebens die Befassung mit dem Thema Qualität gestellt haben. Wesentliches Kriterium der Einordnung erfolgte aufgrund der augenscheinlichen Einschätzung in der Fachliteratur. Im Lexikon Qualitätsmanagement wurden Qualitätsexperten in Kurzbiografien porträtiert. Mit der Aufnahme in diese Enzyklopädie ist keine persönliche Wertung verbunden. Sicherlich lassen sich in vielen Ländern weitere Qualitätsexperten finden. Hier wurden die internationalen Qualitätsexperten und aus dem deutschsprachigen Bereich aufgenommen.
Qualitätsfähiger Prozess
◼ Eignung eines Prozesses zur Realisierung einer Einheit, die Qualitätsforderung an diese Einheit zu erfüllen. [1] ◼ Kennzahlen zur Bewertung von Prozessen sind Cp und Cpk-Werte. Der CP-Wert gibt die Streuung eines quantitativen Merkmals in Relation zu den Spezifikationsgrenzen an. Im Cpk-Wert ist zustäzlich die Lage der Grenzwerte berücksichtigt. Die Kennzahlen sind so definiert, dass ein gerade noch verwendbarer Prozess den Wert „1“ ergibt.
Quelle: [1] nach DGQ-Band 11-04:2009
DGQ-Begriff
[1] vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSSJ) (2005): 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung. Berlin [2] vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Hrsg.) (ab 2006 zweijährig): Bildung in Deutschland. W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld [3] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSSJ) (ab 1996): „Qs“. (Broschüren-Serie zum Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit). Berlin [4] Organisation for Economic Co-Operation and Development (OECD) (1995): Schools and Quality. Paris [5] Organisation for Economic Co-Operation and Development (OECD) (1996): Schools Under Scrutiny. Paris [6] Liket, Th. (1993): Freiheit und Verantwortung. Verlag Bertelsmannstiftung, Gütersloh [7] Böttcher, W. (2002): Kann eine ökonomische Schule auch eine pädagogische sein? Juventa Verlag, Weinheim und München. [8] Helmke, A./Hornstein, W. /Terhart, E. (2000): Qualität und Qualitätssicherung im Bildungsbereich. Zur Einleitung in das 41. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik. Beltz, Weinheim und Basel. S. 7-14 [9] Ditton, H. (2008): Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung in Schule und Unterricht. Ein Überblick zum Stand der empirischen Forschung. In: 41. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik. Beltz, Weinheim und Basel, S. 73-92
Qualitätsfexperten
DIN-Term
Qualitätsfähigkeit
Qualitätsfähigkeit
Qualitätsfähigkeit (DIN 55350-11)
▶quality capability Eignung einer Organisation oder ihrer Elemente zur Realisierung einer Einheit, die Qualitätsforderung an diese Einheit zu erfüllen.
DGQ-Begriff
Anmerkung 1: Elemente der Organisation sind z. B. Personen, Verfahren, Prozesse, Maschinen. Anmerkung 2: Die Qualitätsfähigkeit eines Prozesses ist nach DIN 55350-33 die Prozessfähigkeit. Entgegen dieser Festlegung wird für die Erfüllung der Qualitätsforderung an den Prozess selbst gelegentlich ebenfalls die Bezeichnung „Prozessfähigkeit“ benutzt. Im Zweifel ist deshalb für einen Prozess, der ein zufriedenstellendes Ergebnis liefert, der Bezeichnung „qualitätsfähiger Prozess“ der Vorzug zu geben. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff ⟫ – Norm aktualisiert
Qualitätsfähigkeit (DGQ 11-04:2009)
▶quality capability Eignung einer Organisation oder von Teilen einer Organisation, ein Produkt zu realisieren, welches die Qualitätsforderung an diese Einheit erfüllen wird.
Qualitätsfähigkeit von Maschinen ▶Qualitätsfähigkeit
Qualitätsfähigkeit von Organisationen ▶Qualitätsfähigkeit
Qualitätsfähigkeit von Personen
Über die Qualität der von der Organisation erzeugten materiellen oder immateriellen Einheiten wird also rückwirkend die Qualitätsfähigkeit einer Organisation oder ihrer Elemente bestimmt (Abbildung Q26). In der Praxis ergeben sich vielfach Mißverständnisse über die Verwendung des Begriffs Qualitätsfähigkeit. Oft wird hier unter fälschlicherweise nicht die Eignung zur Realisierung einer Einheit entsprechend der daran gestellten Qualitäts forderungen verstanden, sondern vielmehr die Qualität des Organisationselements selbst. Der Begriff der Qualitätsfähigkeit findet auf unterschiedlichen Ebenen der Organisation Anwendung. So sollen entsprechend Abbildung Q27 die Qualitätsfähigkeit von Syste men, Prozessen, Maschinen und Personen aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung näher erläutert werden. Die folgenden Ausführungen erfolgen mit zunehmendem Detaillie rungsgrad. So beinhaltet beispielsweise die Qualitätsfähigkeit von Prozessen (Prozessfähigkeit) u. a. die Qualitätsfähigkeit von Menschen und Maschinen, die in diesem Prozess mitwirken. 2 Qualitätsfähigkeit von Systemen Systeme sind definiert als “eine Anzahl in Wechselwirkung stehender Elemente” [2], wo bei die einzelnen Elemente wiederum ihrerseits Systeme darstellen können. Die Begriffsnorm definiert Organisation als “Gruppe von Personen und Einrichtungen mit einem Gefüge von Verantwortungen,
▶Qualitätsfähigkeit
Qualitätsfähigkeit von Prozessen ▶Qualitätsfähiger Prozess ▶Qualitätsfähigkeit
Qualitätsfähigkeit
Anmerkung 2: Die Qualitätsfähigkeit eines Prozesses ist nach DIN 55350-33 die Prozessfähigkeit. Wenn es um die Erfüllung der Qualitätsforderungen an den Prozess selber geht, darf die Bezeich nung „Prozessfähigkeit“ nicht benutzt werden. Dann gelten die bei anderen Einheiten üblichen Benennungen wie „zufriedenstellender Prozess“, „fehlerhafter Prozess“ usw., weil die Qualität des Prozesses betrachtet wird [1]
Abb. Q26: Zum Begriff der Qualitätsfähigkeit
▶quality capability
Organisation qualitätsfähig
DGQ-Begriff
1 Begriffsinhalt Neben dem heute bereits weit verbreiteten Begriff der ►Prozessfähigkeit setzt sich zu nehmend der übergeordnete Begriff der Qua litätsfähigkeit durch. Die ►Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) definiert Qualitätsfähigkeit als:
Erfüllung der Qualitäts forderungen
Eignung einer Organisation oder von Teilen einer Organisation, ein Produkt zu realisieren, welches die Qualitätsforderung an diese Einheit erfüllen wird. Dazu werden folgende Anmerkungen gegeben:
Q
Ja
Nein
Organisation nicht qualitätsfähig
Überprüfung
Input
Organisation
Output
=
Einheit
Korrektur maßnahmen
Anmerkung 1: Elemente der Organisation sind z. B. Personen, Verfahren, Maschinen und Prozesse.
903
Qualitätsfähigkeit Abb. Q27: Elemente einer Organisation Organisation
System
Managementsystem Qualitätsmanagement Finanzmanagement Umweltmanagement … Geschäftsprozesse
Qualitätsfähigkeit Befugnissen und Beziehungen” (…) [3]. So können Organisationen als eine Sonderform von Systemen aufgefasst werden, die sich ihrerseits wieder in Untersysteme entsprechend Abbildung Q27 unterteilen lassen. Die Qualitätsfähigkeit von Organ is at io nen stellt somit die Eignung des Systems Organ isation dar, Einheiten zu realisieren, die be stimmte Erfordernisse erfüllen.
wertschöpfende
Die Qualitätsfähigkeit einer Organisation als Menschen Gesamtsystem wird Maschinen anhand des Qualitäts Methode Material managementsystems dieMeßmittel ser Organisation geprüft. Ein Qualitätsmanage strategische ment system besteht aus den qualitätsrelevanten Menschen Vera ntwortlichkeiten, Methode Verfahren, Prozessen und Mitteln, die eine Unter unterstützende menge des ge samten Systems (Orga n i sation) Menschen darstellen. Die QualitätsMethode relevanz bezieht sich dabei auf die Einheiten, die von der Organisation für externe Kunden erstellt werden.
Q
Das Gesamtsystem gilt als qualitätsfähig, wenn das Qualitätsmanagementsystem bestimmten Erfordernissen genügt. Solche Erfordernisse sind in Normen oder Regelwerken zu finden, etwa in der Normenfamilie ►DIN EN ISO 9000 ff., in der ►QS 9000 oder in der Richtlinie ►VDA 6.1. Die Vorgehensweise zur Prüfung der Qualitätsfähigkeit von Systemen (interne und externe ►Systemaudits) und die nachfolgende ►Zertifizierung werden an anderer Stelle ausführlich beschrieben. 3 Qualitätsfähigkeit von Prozessen Nach DIN EN ISO 9000:2015-11 wird ein Prozess als ein “Satz von in Wechselwirkung stehenden Mitteln und Tätigkeiten” beschrieben, welche “Eingaben in Ergebnisse umgestalten” [3]. ►Verfahren, definiert als “Art und Weise, eine Tä tigkeit auszuführen” [3], sind dabei als untergeordnete Ebene der Prozesse anzusehen und sollen daher im Folgenden nicht einzeln erläutert werden. Die Qualitätsfähigkeit von Prozessen wird auch als Prozessfähigkeit bezeichnet.
904
Aus ge drückt wird dadurch die Eig nung eines Prozesses, immaterielle oder materielle Pro dukte entsprechend der Qualitätsforderung zu realisieren. Die Bewertung der erzeugten Produkte erfolgt anhand definierter ►Qualitätsmerkmale und deren Ausprägungen. Wegen der Vielzahl von Einflüssen, die auf einen Prozess einwirken, sind die Merkmalswerte der produzierten Ereignisse niemals vollständig gleich. Sie streuen mehr oder weniger stark um einen Mittelwert und bilden somit eine Verteilung. In der technischen Literatur wird häufig als Näherungsmodell die Gauß’sche Normalverteilung benutzt ( Johann Carl Friedrich ►Gauß). Dieser Ansatz basiert im wesentlichen auf den Arbeiten des amerikanischen Statistikers ►Shew hart, der in den dreißiger Jahren die Statistische Prozessre gelung von Fertigungsprozessen entwickelte. Er ging davon aus, dass Fertigungsprozesse sich durch eine in der Zeit konstanten Normalverteilung ausreichend genau beschreiben lassen (►Qualitätsregelkarten; ►Statistik im Qualitätsmanagement). In der Folgezeit ist diese theoretische Annahme weitgehend ohne Veränderung übernommen worden. Neuere Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass die heute in der Praxis verwendeten Methoden zur Prozessregelung die realen Bedingungen in der Fertigung nur ungenau berücksichtigen [4]. Die Shewhartsche Voraussetzung eines stationären normalverteilten Prozesses kommt in der industriellen Praxis eher selten vor. Die daraus abgeleiteten Werkzeuge zur Statistischen Prozessregelung (►SPC) müssen daher über arbeitet werden. Aufgrund seiner weiten Verbreitung und weil zur Zeit noch keine allgemein akzeptierte Alternative beschrieben ist, soll der Ansatz von Shewhart auch Grundlage der folgenden Ausführungen sein. Die Normalverteilung wird durch die beiden Parameter μ (arithmetischer Mittelwert) und σ (Standardabweichung) beschrieben. Die gesamte Fläche unter der Kurve einer standardisierten Normalverteilung beträgt 1 und repräsentiert den Ereignisraum bzw. die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten aller möglichen Merkmalswerte. Wichtig für die praktische Anwendung ist darüber hinaus, daß bei einer normalverteilten Grundgesamtheit: ◼ 68% aller Merkmalswerte im Bereich μ ± 1σ liegen, ◼ 95,5% aller Merkmalswerte im Bereich μ ± 2σ und ◼ 99,7% aller Merkmalswerte im Bereich μ ± 3σ. Allerdings streuen durch die Einwirkung der Einflussgrößen nicht nur die einzelnen Merkmalswerte, die ein Prozess hervorbringt. Auch deren Verteilung kann sich mit der Zeit in Form und Lage verändern. Bei den Einflussgrößen, die auf einen Prozess wirken, wird zwischen systematischen und zufälligen Einflussgrößen unterschieden. Systematische Einflussgrößen, die meist von außen kommen, wirken sich in einer Weise auf das Pro zessergebnis aus, die nicht vorhersehbar ist (z. B. Änderungen im Werkstoffgefüge, Bedienungsfehler). Sie können sowohl
Qualitätsfähigkeit
Qualitätsfähigkeit
Abb. Q28: Verteilung von Merkmalswerten unter der Wirkung von systematischen und zufälligen Einflussgrößen
? Voraussage
it
Ze
Größe die Lage des Mittelwertes als auch die Streuung der erzeugten Merkmalswerte verändern.
hervor, deren Verteilung sich in nicht vorhersehbarer Weise ändern kann (Abbildung Q28).
Zufällige Einflussgrößen kommen aus dem Zusammenwirken vieler Prozessparameter und führen aus eben diesem Grund dazu, daß die Streuung der erzeugten Merkmalswerte einen reinen Zufallscharakter annimmt (z. B. Lagerspiel, normale Schwankungen in der Energieversorgung). Damit wird die Streuung in bestimmten Grenzen zeitlich voraussehbar.
Der erste Schritt zur Prozessoptimierung besteht daher darin, die systematischen Einflussgrößen, welche auf den Fer tigungsprozess wirken, zu erkennen und ihre Wirkung zu beseitigen. Gelingt dies, ändert sich das Verhalten des Fer tigungsprozesses dahingehend, daß die produzierten Merkmalswerte eine annähernd zeitkonstante Verteilung aufweisen. Eine solche Verteilung ist also voraussagbar, denn starke Schwankungen des Mittelwertes oder der Standardabwei
Ein Fertigungsprozess, auf den sowohl zufällige als auch systematische Einflußgrößen wirken, bringt Merkmalswerte
Abb. Q29: Verteilung von Merkmalswerten bei zufälligen Einflussgrößen
Q
Voraussage
it
Ze
Größe
905
Qualitätsfähigkeit
Qualitätsfähigkeit
chung sind nicht zu erwarten. Selbst wenn – beispielsweise durch Verschleisseffekte – der Mittelwert der Verteilung sich in Richtung und Betrag etwa gleichmäßig verändert, geht man davon aus, daß keine systematischen Einflussgrößen auf den Prozess wirken und bezeichnet ihn daher als statistisch beherrscht. Ein Fertigungsprozess gilt also als statistisch beherrscht, wenn nur noch zufällige Einflussgrößen auf ihn wirken und als Fol ge davon die Parameter der Verteilung der Merkmalswerte sich praktisch nicht oder nur in vorhersehbarer Weise oder in bekannten Grenzen ändern (Abb. Q29).
ist zu beachten, dass die Maschinenfähigkeit die Eignung der Maschine bewertet, Produkte entsprechend der Spezifikation zu realisieren. Die Qualität der Maschine an sich wird dabei, wie oftmals fälschlicherweise angenommen, nicht bewertet. Die Streuung eines Merkmalswertes kommt durch Einflussgrößen zustande, die man grundsätzlich folgenden Quellen zuordnen kann (s. Ishikawas ►Usache-Wirkungs-Diagramm): ◼ Mensch, ◼ Methode, ◼ Maschine, ◼ Material, ◼ Meßmittel und ◼ Mitwelt.
Liegt ein beherrschter Prozess vor, be zeich net man das Sechsfache der Stan dard ab weichung der Verteilung der produzierten Merkmalswerte als Prozess streubreite 6σ. Während man die Streuung aufgrund aller dieser Einflüsse Aufbauend auf der Prozessstreubreite und den festgelgeten als die bereits definierte Prozessstreuung bezeichnet, entsteht Toleranzgrenzen wurden die Indizes und zur quantitativen die Maschinenstreuung allein auf Grund der auf die MaschiBewertung der Prozessfähigkeit definiert Abb. Q30: Die Prozessfähigkeitsindizes cp und cpk (Abb. Q30). OSG – USG , wobei cp = __________ 6σ
Untere Spezifikationsgrenze USG
Obere Spezifikationsgrenze OSG
Toleranz T
OSG obere Spezifikationsgrenze USG untere Spezifikationsgrenze
Für den Fall, dass der Fertigungsprozess nicht innerhalb des Toleranzbereiches zen triert ist, bewertet man die Prozessfähigkeit durch den Index cpk. Dabei betrachtet man jene Hälfte der Verteilung (3σ), die den geringeren Abstand (Δkrit..) zu einer der bei den Toleranzgrenze hat (Abb. Q30).
Streubreite = 6 σ
Für beide Prozessfähigkeitskennwerte Δkrit cpk = __________ 3σ
Q
Untere Spezifikationsgrenze USG
werden heute Werte größer 1,33 angestrebt. Bei cp =1,33 ist bei dem vorliegenden zentrierten Prozess der Abstand zwischen der Streubreite 6σ und den Toleranzgrenzen auf jeder Seite 1σ. In diesem Fall sind Fehleran teile von etwa 64 ppm (parts per million) zu erwarten. Selbst ein gemäßigtes Auswandern des Prozesses aus seiner zentralen Lage ist auf Grund der Sicherheitsreserven durch kontinuierliche Prozessbeobachtung (z. B. im Rahmen der Statistischen Prozessregelung – SPC) rechtzeitig zu erkennen und vor der Herstellung übermäßig vieler Fehlteile zu beseitigen. ►Null-Fehler-Programme, wie beispielsweise die von Motorola oder General Electrics, streben langfristig einstellige ppm-Fehlerraten an. 4 Qualitätsfähigkeit von Maschinen Analog zur Prozessfähigkeit kann die Qualitätsfähigkeit von Maschinen (Maschinenfähigkeit) definiert werden. Dabei
906
Obere Spezifikationsgrenze OSG Δ krit.
Streubreite = 3 σ
ne selbst wirkenden Einflüsse. Die Maschinenstreuung ist damit ein Bestandteil der übergeordneten Prozessstreuung. In Analogie zu den Indizes cp und cpk lassen sich die Indizes cm und cpk definieren. Im Unterschied zur Prozeßfähigkeit ist zu beachten, daß man eine Fertigungseinrichtung nur dann als fähig bezeichnet, das geforderte Merkmal sicher zu fertigen, wenn mindestens 1,67 beträgt. 5 Prozessfähigkeitsuntersuchung Sowohl Maschinen- als auch Prozessfähigkeiten werden anhand von gefertigten Werkstücken (= Einheiten) mit ihren jeweiligen Merkmalswerten ermittelt. Vielfach dienen die
Qualitätsfähigkeit
Qualitätsfähigkeit
Fähigkeitsuntersuchungen als Voraussetzung zur Anwen dung statistischer Methoden der Prozessüberwachung (z.B. bei der Einführung von ►Qualitätsregelkarten). In diesem Zusammenhang werden die Fähigkeitsuntersuchungen von Prüfmitteln, Maschinen und Prozessen nacheinander durch laufen, um somit die aufein-ander aufb auenden Kennzahlen schrittweise zu ermitteln (Abb. Q31). Abb. Q31: Die Ermittlung der Prozessfähigkeit Messmittel fähigkeit untersuchen
Messmittel fähig?
nein
Anderes Messmittel wählen
ja Kurzfristige Untersuchung
Verbesserung an der Maschine ja
cm ≥ 1,67 cpk ≥ 1,67
nein
Korrektur möglich?
nein
100% Prüfung
ja
ja cm ≥ 1,33 cpk ≥ 1,33
nein
Korrektur möglich?
Mit Hilfe einer statistischen und grafischen Beurteilung der Ergebnisse werden die Parameter der Verteilung bestimmt und die Indizes der Maschinenfähigkeit cm und cmk berechnet. Ist der Index cm größer als 1,67 kann die Maschine als fähig angesehen und im nachfolgenden Schritt eine langfristige Prozessfä hig keitsuntersuchung durchgeführt werden. Anzahl und Umfang der entnommenen Stichproben richten sich nach den Randbedingungen des untersuchten Prozesses (Stückzahl, Taktzahl, Dauer der Bearbeitung etc.). Die Mindestmenge untersuchter Teile beträgt dabei 125 Teile, wobei der Umfang der aus der laufenden Produktion entnommenen Stichproben ist mit n > 3 zu wählen ist. Auch hier gilt, dass die einzelnen Teile einer Stichproben direkt hintereinander aus dem laufenden Prozess entnommen werden. Die Entnah me der einzelnen Stichproben ist jedoch über einen längeren Zeitraum zu verteilen (Stunden, Schichten, Tage, Wochen, Monate). Entscheidend dabei ist, dass sämtliche Änderungen des Prozesses oder der Rahmenbedingungen, wie beispielsweise Materialwechsel, Werkzeug wechsel, Bedienerwechsel oder methodische Veränderungen durch entsprechende Festlegung des Stichprobenumfangs und der Prüfintervalle berücksichtigt und in die Untersuchung mit einbezogen werden. Erst ein Ergebnis von cp bzw. cpk ≥ 1,33 definiert den Prozess als fähig und ermöglicht eine sinnvolle Überwachung des Prozesses mittels Qualitätsregelkarte im Rahmen einer ►Statistischen Prozessregelung (SPR).
Verbesserung am Prozess
Langristige Untersuchung
hang nur bedingt richtig. In der Praxis hat sich diese Bezeich nung allerdings durchgesetzt.
nein
100% Prüfung
ja Kontinuierliche Prozess überwachung
Grundlage der Fähigkeitsuntersuchung ist eine Ermittlung der Messmittelfähigkeit. Hierbei wird an einem definierten Teil (Endmaß, Bauteil etc.) eine Anzahl von Messungen mit dem betreffenden Meßmittel durchgeführt. In ähnlicher Weise wie die Indizes cp und cm läßt sich daraus die Messmittelfähigkeit cmeß definieren. Ist das Messmittel fähig, wird als nächster Schritt eine kurzfristige Prozessunter su chung durchgeführt. Dabei werden mindestens 50 direkt in Folge gefertigte Teile als Stichprobe aus dem laufenden Prozess entnommen und entsprechend der Reihenfolge der Herstellung gekennzeichnet. Ziel dieses Vorgehens ist es, die vorhandenen maschinenbedingten Einflüsse auf den Prozess zu untersuchen. Da auch bei dieser kurzfristigen Untersuchung eine vollständige Eliminierung nicht-maschinenbedingter Parameter nicht (oder nur durch sehr hohen Aufwand) möglich ist, ist die Bezeichnung der Maschinenfähigkeitsuntersuchung in diesem Zusammen-
Nur die gemeinsame Fähigkeitsuntersuchung der Messmittel, sowie die kurzfristigen und langfristigen Untersuchungen ergeben zusammen eine vollständige Unter su chung der Prozessfähigkeit. 6 Qualitätsfähigkeit von Personen Nach der eingeführten Definition ist der Begriff der Qualitätsfähigkeit auch auf Personen anwendbar. Problematisch ist in diesem Zusammenhang insbesondere die rein retrospektive Betrachtungsweise der Normdefinition: Die Leistung der Mitarbeiter müßte ausschließlich auf der Grundlage der von ihnen bereits verwirklichten Einheiten bewertet werden. Eine Beurteilung im Vorfeld der Entstehung der Einheiten bleibt unberücksichtigt. In der Praxis ist dieser Gesichtspunkt von entscheidender Bedeutung, denn die Fähigkeit eines Mitarbeiters sollte erkennbar sein, bevor er an seinem Arbeitsplatz aktiv wird und möglicherweise eine größere Anzahl von Einheiten erstellt, die den gestellten Erfordernissen nicht genügen. Das gilt nicht nur für gewerbliche Mitarbeiter, sondern im übertragenden Sinne auch für Angestellte und vor allem Führungskräfte. Für eine proaktive Betrachtungsweise ist es wichtig, ein umfassendes Konzept zur aufgaben- und bedarfsspezifischen Untersuchung des arbeitsplatzbezogenen Könnens zu erarbeiten. Dabei sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:
907
Q
Qualitätsfähigkeit 1 2 3 4 5 6
Qualitätsfähigkeit z. T. erheblichen Aufwand der Bewertung und Selektion zu vereinfachen und verkürzen. In jedem Fall sollte die auftraggebende Abteilung des Unternehmens an der Definition der Selektionskriterien beteiligt sein.
Auswahl neuer Mitarbeiter, Einarbeitung neuer Mitarbeiter, Erhebung des Weiterbildungsbedarfs, Ausbau der Fähigkeiten (Schulungen), Entwicklung neuer Fähigkeiten (langfristige Programme der Weiterbildung), Anpassung der Anforderungsprofile an sich ändernde Rahmenbedingungen.
Leistungstest: Nach der Selektion auf der Grundlage der Bewerbungsunterlagen werden die Bewerber einem Leistungs test unterzogen, welcher meist aus drei Teilen besteht:
Insbesondere bei der Auswahl neuer Mitarbeiter sollte eine Bewertung ihrer Qualitätsfähigkeit erfolgen. Übergeordnetes Ziel ist hierbei eine Übereinstimmung zwischen den durch den Arbeitsplatz und -inhalt sich ergebenden Forderungen und den individuellen Fähigkeiten des Mitarbeiters. Im folgenden wird ein Ablauf zum Einstellungsverfahren von gewerblichen Mitarbeitern vorgestellt, wie er in der Automo bilindustrie mittlerweile häufig angewendet wird (Abb. Q32). Abb. Q32: Vorgehensweise zur qualitätsorientierten Einstellung von gewerblichen Mitarbeitern Erstellen eines Anforderungsprofils
Bewerbung
Überprüfung der Bewerbungsunterlagen
ote nti ell er M ita rb
eit er
Leistungstest Persönliches Gespräch
An
Arbeitsprobe
lp
Ärztliche Untersuchung
zah
SollIstAbgleich
Einstellung
Überprüfung der Bewerbungsunterlagen: Die Bewerbungsunterlagen werden hauptsächlich nach folgenden Kriterien beurteilt [5]:
Q
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
formale Aspekte Vollständigkeit erforderliche Ausbildung erforderliche Sprachkenntnisse Übereinstimmung Lebenslauf/Belege Plausibilität des Stellenwechsels Schulnoten und Studienleistungen Arbeitszeugnisse und Referenzen Ergänzende anforderungsspezifische Aspekte
Im zunehmenden Maße wird versucht, diese Beurteilung zu standardisieren oder gar zu automatisieren. So werden beispielsweise Bewerbungen per Internet nach bestimmten Ausschlußkriterien gesichtet. Bewerber, die diese Kriterien nicht erfüllen, werden von vornherein abgewiesen. Hierbei sind beliebige Kombinationen von Kriterien und Filterme thoden denkbar. Diese Methoden sollen dazu dienen, den
908
1 Intelligenztest, 2 Test auf feinmotorische Koordination, 3 Test auf Persönlichkeitsmerkmale. Beim Intelligenztest werden nach Pawlik [6] fünf Faktorengruppen unterschieden: 1 2 3 4 5
Räumliche Vorstellung (Veranschaulichung, räumliche Beziehungen, räumliche Orientierung), Sprachverständnis und Rechenfertigkeit, Wort- und Ausdrucksflüssigkeit (Wortflüssigkeit, Assoziationsflüssigkeit, Einfallsfülle, Ausdrucksflüssigkeit), Flexibilität des Denkens (Spontane semantische Flexibilität, angepaßt-flexibles Denken, Originali- tät, Problem-Erkennen), Logisches Denken (Deduktion, Induktion).
Für alle diese Faktoren und Faktorengruppen sind geeignete Tests entwickelt worden. Wichtig ist, dass innerbetrieblich eine Einigung zwischen Personalwesen und Fachabteilung über eine Testpalette erzielt wird, welche die zuvor definierten Forderungen des Arbeitsplatzes zufriedenstellend berücksichtigt. An Arbeitsplätzen in einer Montageabteilung werden beispielsweise bezüglich Sprach ver ständnis und Rechenfähigkeit wahrscheinlich keine hohen Forderungen gestellt. Das Anforderungsprofil eines Verkäufers wird diese Kriterien demgegenüber sehr wohl beinhalten. Insbesondere bei Arbeitsplätzen in der Fertigung muss je nach Arbeitsplatz definiert werden, ob und welche Anforde rungen an die feinmotorische Koordination zu stellen sind. Für den eigentlichen Test dient beispielsweise ein simulierter Montage ar beits platz, an dem typische Montagevorgänge nach Anweisung zu erledigen sind. Dabei kann beobachtet werden, wie flüssig und schnell der Kandidat arbeitet, wie er sein Werkzeug einsetzt, ob er systematisch vorgeht, und ob er auf Ordnung und Sauberkeit achtet. Die Überprüfung von Persönlichkeitsmerkmalen kann durch entsprechende Tests erfolgen. Dabei wird beispielsweise auf Qualitätsbewußtsein, Kooperationsbereitschaft und Leistungsbereitschaft geachtet. Bewerbungsgespräch: Als nächster Schritt wird ein Gespräch mit einem höheren Vorgesetzten der anfordernden Abteilung anberaumt, dem inzwischen die Ergebnisse der vorangegangenen Tests vorliegen. Obwohl das Interview formlos geführt wird, versucht der Vorgesetzte, noch unklare Punkte zu hinterfragen und sein Bild vom Bewerber abzurunden. Be
Qualitätsfähigkeit
Qualitätsfähigkeit
werbungsgespräche genießen sowohl auf der Seite des Unter nehmens als auch auf der Seite der Bewerber eine hohes An sehen. Ärztliche Untersuchung: Sofern der Vorgesetzte es befürwortet, findet als nächstes die übliche ärztliche Untersuchung statt. Sie dient dazu die physische Fähigkeit des Bewerbers zu überprüfen (z.B. Körperbau, Visus, Alter). Arbeitsprobe: Danach wird dem Bewerber gelegentlich angeboten, eine gewisse Zeit in der betreffenden Abteilung mitzuarbeiten, für die er eingestellt würde. Dabei kann er sich einerseits ein Bild vom betrieblichen Geschehen machen. Andererseits lernen ihn seine künftigen Kollegen und sein künftiger direkter Vorgesetzter kennen. Arbeitsangebot: Erst wenn alle Stufen dieses Einstellverfahrens zufriedenstellend durchlaufen sind, wird dem Bewerber ein Arbeitsvertrag angeboten. Oftmals wird im Einstellungsvertrag darüber hinaus eine meist 3–6 monatige Probezeit vereinbart. Erst nach zufriedenstellendem Verlauf der Probezeit wird ein Dauerarbeitsvertrag abgeschlossen. Auf den ersten Blick mag diese Vorgehensweise übertrieben aufwendig erscheinen. Wenn man sich aber an die Aussage erinnert, daß die Mitarbeiter das Wichtigste im Betrieb sind und in aller Regel über Jahrzehnte in der Organisation bleiben, dann ist der geschilderte Aufwand sehr wohl vertretbar.
Die Qualitätsfähigkeit einer Organisation ständig fehlerfreie Produkte bereitzustellen und Kundenzufriedenheit zu erreichen wird mit einem Zertifikat bescheinigt, das sich auf das Forderungssystem der ISO 9001 bezieht (Abbildung Q33). Dieses Forderungssystem basiert auf fünf Elementen: ◼ Allgemeine Forderungen ◼ Verantwortung der Leitung ◼ Management der Mittel ◼ Produktrealisierung ◼ Messung, Analyse und Verbesserung In dem auf der Basis eines Zertifizierungsaudits ausgestellten Zertifikat wird also aufgrund eines IST-Zustands bescheinigt, dass die Organisation aller Wahrscheinlichkeit nach weiter in der Lage sein wird, ständig fehlerfreie Produkte zu realisieren und Kundenzufriedenheit zu erreichen. In Zertifikaten wird das oftmals durch folgende Formulierung zum Ausdruck gebracht:
In solchen Zertifikaten, die auf Zertifizierungsaudits beruhen, wird somit eine Prognosse formuliert, die zudem zeitlich befristet eingegrenzt wird (zwei Jahre). Nach Ablauf dieser Frist wäre eine neue Prognose zu erstellen, indem neu zertifiziert wird (►Wiederholungsaudit). Ein solches „Systemzertifikat“ bescheinigt also keineswegs einen Dauerzustand. Daraus folgt, es bedarf ständiger Bemühungen und Anstrengungen, um die Organisation auf Dauer qualitätsfähig zu halten. Insofern besteht zwischen der Qualitätsfähigkeit einer Organisation und der Qualitätsfähigkeit von Mitarbeitern (hier Abschnitt 6) ein enger Zusammenhang, denn je qualitätsfähiger die Mitarbeiter sind, desto bewusster werden diese das QM-System kontinuierlich verbessern. 8 Schlussbetrachtung Qualitätsfähigkeit ist als übergeordneter Begriff von zentraler Bedeutung. Die Be stimmung der Qualitätsfähigkeit von Organisationen und ihrer Elemente ist in der Praxis allerdings noch nicht durchgängig realisiert. Sie wurde in diesem Beitrag auf das QM-System einer Organisation nach ISO 9001 bezogen. Bezieht man sie auf das ►EFQM-Modell geht es um die Ergebnisse, die in einem Assessment bewertet werden. In Internen Audits zur Einführung der ISO 9004 sollte das Modell der Qualitätsfähigkeit ebenfalls herangezogen werden. Generell lässt sich die Logik dieser Betrachtung von Fähigkeit nach Forderung – Organisation – Ergebnis auf jede Art von ►Implementierung in Organisationen beziehen, seien es Systeme oder Prozesse. Wenn von vorgegebenen (genormten Systemen oder Modellen zu Qualitätspreisen) ausgegangen wird, haben es Anwender leicht, weil sie auf definierte Forderungsbereiche Bezug nehmen müssen. Hier haben andere vorgedacht. Das ist allerdings größtenteils nicht der Fall, wenn man ein ►Lean Management-System einführt. Hierzu bedarf es eines Blicks in die relevante Fachliteratur, der interessanterweise – teilweise
Abb. Q33: Zusammenhang zwischen Forderungen an ein QM-System und Zertifizierung (Beispiel ISO 9001) Forderungen an das QM-System einer Organisation zur ständigen fehlerfreien Realisierung eines Produktes und zum Erreichen von Kundenzufriedenheit
Implementierung eines QM-Systems, das die Forderungen erfüllen wird
Organisation
Zertifzierungsaudit durchgeführt: Forderungen durch den Nachweis eines Zertifikats erfüllt Qualitätsfähigkeit
Mit der Implementierung eines QM-Systems sind zunächst angenommene Mindestvoraussetzungen erfüllt, um im Wettbewerb bestehen zu können. Damit sich dauerhaft Kundenzufriedenheit einstellt bedarf es nach der Zertifizierung der kontinuierlichen Verbesserung des QM-Systems und weiterer Maßnahmen.
909
Merksatz
7 Qualitätsfähigkeit von Organisationen Analog zur allgemeinen Definition von Qualitätsfähigkeit kann die Qualitätsfähigkeit einer Organisation definiert werden. Dabei ist zu beachten, dass Qualitätsfähigkeit einer Organisation die Eignung der Organisation bewertet, Produkte entsprechend fehlerfrei zu realisieren. Die Qualität der Organisation an sich wird dabei, wie oftmals fälschlicherweise angenommen wird, nicht bewertet.
Durch ein Audit, dokumentiert in einem Bericht, wurde der Nachweis erbracht, dass dieses Qualitätsmanagementsystem die Forderungen der DIN EN ISO 9001 (Version xy) erfüllt.
Q
Qualitätsförderung fernab vom westlichen Managementsystemdenken – die folgenden übergeordneten Forderungsbereiche zeigt: Qualität Zeit Raum Kosten Muda (Mura, Muri) Wertschöpfung Arbeit Organisationskultur
Wenn solche Forderungselemente im Zusammenhang umgesetzt werden, gelangen Unternehmen in der Regel zu einer veränderten Organisation. Größere Unternehmen haben auch in Deutschland in ihren ►Ganzheitlichen Produktionssystemen, die ja in Anlehnung an das Lean Management entstanden sind, gezeigt, dass es um diese und andere Forderungen geht, die bisher im Rahmen der ISO 9001 keine oder untergeordnete Bedeutung erlangt haben [7]. Prof. Dr.-Ing. Joachim ►Herrmann,ipk, Berlin Überarbeitet und erweitert von Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Deutsche Gesellschaft für Qualität (Hrsg.): Begriffe zum Qualitätsmanagement (DGQ-Schrift 11-04), 6. Auflage, Beuth Verlag, Berlin 1995 [2] Bertallanfy L.: Zur allgemeinen Systemlehre. In: Grochla, E. (Hrsg.): Einführung in die Organisationstheorie, Band 2, Schäffer Pöschel Verlag, Stuttgart 1975 [3] Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.): DIN EN ISO 9000:2005-12 – Qualitätsmanagement – Begriffe, Beuth Verlag, Berlin 2006 [4] Dietrich, E.; Schulze, A.: Richtlinien zur Beurteilung von Meßsystemen und Prozesse, Abnahme von Fertigungseinrichtungen, Hanser Verlag, München 1998 [5] Schuler, H.: Auswahl von Mitarbeitern, in: V. Rosenstiel, L.; Regnet, E.; Domsch, M. (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern, Schäffer Verlag, Stuttgart 1991 [6] Pawlik, K.: Dimensionen des Verhaltens, 3. Auflage, Verlag Hans Huber, Bern 1976 [7] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. Einführung in Geschichte, Begriffe, Systeme, Techniken sowie Gestaltungs- und Implementierungsansätze eines modernen Managementparadigmas. München (Oldenbourg) 2013, S. 226 ff [8] Herrmann, J. und Fritz, H.: Qualitätsmanagement. Lehrbuch für Studium und Praxis. München (Hanser) 2011 DIN-Term
Q
Qualitätsförderung
▶quality promotion ▶Qualitätsverbesserung | ▶Kaizen Verbessern der ►Qualitätsfähigkeit.
Anmerkung 1: Man unterscheidet die personenbezogene, die verfahrensbezogene, die einrichtungsbezogene und die produktbezogene Qualitätsförderung. Anmerkung 2: Qualitätsförderung ist ein Teil der ►Qualitätsverbes serung (quality improvement). Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff ⟫
910
Qualitätsforderung
▶requirements for quality ▶Forderung versus Qualitätsforderung
Qualitätsgerechte berufsbezogene Eignungsbeurteilungen nach DIN 33430
▶quality-conforming for occupational qualification assessments
1 Definition Eignung (en: aptitude) ist ein relationaler Begriff. Geeignet ist man immer nur für etwas. Bevor die Eignung einer Person beurteilt werden kann, muss daher die Frage geklärt werden, wofür die Person geeignet sein soll. Daher muss der Eignungsbeurteilung stets eine Arbeits- und Forderungsanalyse vorgeschaltet werden. Erst im zweiten Schritt kann man sich damit beschäftigen, mit welchen Verfahren man diejenigen Kandidaten auswählen will, bei denen eine möglichst gute Passung (fit) zwischen ihren Eignungsmerkmalen und den Forderungen der Ausbildung, des Berufs oder der beruflichen Tätigkeit besteht. 2 Problemaufriss und Normung In Deutschland werden jährlich 30 bis 50 Millionen Personalentscheidungen gefällt. Dazu werden qualitativ hochwertige Verfahren der Eignungsbeurteilung (z. B. im Kontext der Personalauswahl) benötigt. Der Berufsverband Deutscher Psychologen stellt dazu folgendes fest [1]: „Personalentscheidungen sind für Unternehmen mit Risiken verbunden. Bei jeder Personalauswahl soll ein Mitarbeiter gefunden werden, der die positionsbezogenen Aufgaben zuverlässig erfüllt und durch seine Leistung zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. Die Konkurrenz auf dem Weltmarkt ist größer geworden. Bestehen kann nur, wer die richtigen Mitarbeiter findet und einstellt – solche, die den heutigen Anforderungen genü-gen und Potenziale haben, sich auf komplexe Aufgaben von morgen und übermorgen einzustellen. Wertvolle Mitarbeiter, die mit ihren Ideen, ihrer Tatkraft und ihrer Persönlichkeit über Erfolg oder Misserfolg bestimmen. Das gilt für mittelständische Unternehmen genauso wie für große Konzerne, für einzelne Führungskräfte, aber auch für Auszubildende. Irrtümer bei Einstellungen lassen sich im Nachhinein oft nur noch schwer korrigieren. In der heutigen Zeit müssen sowohl der öffentliche Sektor als auch die Privatwirtschaft zunehmend auf Effizienz achten. Einmal eingestelltes Personal muss sich bezahlt machen. Gute Personalauswahl erfordert deshalb die gleiche Sorgfalt bei der Entscheidung, die Unternehmen auch bei anderen Investitionen an den Tag legen. Daher entscheiden sich immer mehr Unternehmen für hochwertige psychologische Verfahren. Sie versuchen so mehr über die Kompetenzen und Potenziale der Bewerber herauszufinden, als dies in einem einfachen Vorstellungsgespräch möglich ist. Die nationale DIN 33430 und die für den internationalen Bereich analoge
Begriff
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Qualitätsgerechte … Eignungsbeurteilung …
Qualitätsgerechte … Eignungsbeurteilung … ISO 10667 gibt Personalentscheidern Qualität und Sicherheit bei der Eignungsbeurteilung.“ Um vorliegende wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen allseits nutzbar zu machen, wurde im Jahr 2002 die DIN 33430 [2] veröffentlicht, in der „Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen“ (en: requirements for processes and their use for occupational qualification assessments) formuliert sind und deren Beachtung ein wesentliches Moment der Qualitätssicherung und Qualitätsoptimierung ist. Die DIN 33430 begreift die Verbesserung der Qualität in der Personalbeurteilung als Chance, um (a) der Beliebigkeit bei Personalbeurteilungen entgegenzuwirken, (b) seriöse interne Anbieter (z. B. Personalabteilungen) und externe Anbieter (z. B. ein beauftragtes Beratungsunternehmen) zu stärken und (c) Betroffene vor unsachgemäßen Verfahren und Vorgehensweisen der Eignungsbeurteilung zu schützen. Um diese Ziele zu erreichen, wird der gesamte Prozess der Eignungsbeurteilung als eine Einheit gesehen, die DIN 33430 ist eine Prozess- und keine Produktnorm. Sie formuliert für die folgenden Bereiche Qualitätsforderungen (Abbildung Q34): ◼ Arbeits- und Anforderungsanalyse ◼ Auswahl der Strategie und der Verfahren ◼ Kenntnisse und Erfahrungen der Verantwortlichen und Mitwirkenden ◼ Durchführung und Auswertung von Verfahren einschließlich der Interpre tation der Ergebnisse ◼ Evaluation und Qualitätsoptimierung. Bei allen Bereichen berücksichtigt die Norm auch die Perspektive der zu beurteilenden Personen.
Qualitätskennzahlen 4 Fazit Die ISO 10667 führt nicht zu einem Bruch mit der etablierten Lizenzierung nach der DIN 33430. Die ISO 10667 gibt sogar Anlass, die DIN 33430 fortzuschreiben und weiter zu entwickeln. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (hrsg.): Personalauswahl mit Erfolg. DIN 33430. Berlin 2012 [2] DIN e. V.: DIN 33430: Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen. Berlin: (Beuth) 2002 [3] Kersting, M.: Kosten und Nutzen beruflicher Eignungsbeureilungen. In: L. F. Hornke & U. Winterfeld (Hrsg.): Eignungs-beurteilungen auf dem Prüfstand: DIN 33430 zur Qualitätssicherung. Heidelberg (Spektrum Akademischer Verlag) 2004, S. 55-77 [4] Kersting, M.: Qualitätssicherung und -verbesserung: Zur Überprüfung der Gültigkeit berufsbezogener Eignungsbe urteilungen. In: L. F. Hornke & U. Winterfeld (Hrsg.): Eignungsbeurteilungen auf dem Prüfstand: DIN 33430 zur Qualitätsicherung Heidelberg: (Spektrum Akademischer Verlag) 2004, S. 103-128.
Abb. Q34: Qualitätsforderungsbereiche der qualitätsgerechten berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen nach DIN 33430 Qualitätsforderungsbereiche
Arbeitsund Anforderungsanalyse
3 DIN 33430 UND ISO 10667 Die ISO-Norm 10667 (Assessment Service Delivery: Procedures and methods to assess people in work and organizational settings) wurde am 15. Oktober 2011 von der ISO veröffentlicht. Bei der Erarbeitung dieser Norm wurde die DIN 33430 herangezogen und mit Blick auf die internationale Praxis der Eignungsbeurteilung eingearbeitet. Als nationale Norm ist die DIN 33430 trotz der zur ISO 10667-2 analogen Regelungen aufgrund des höheren Detailgrades in den Hinweisen zum Vorgehen national weiter in Kraft. Ein anderer Teil der ISO, die ISO 10677-1 enthält eine internationale Fassung der Vertragsgestaltung zwischen Personaldienstleister und Unternehmen. Im April 2011 hat der DIN-Normenausschuss „Psychologische Eignungsdiagnostik“ begonnen, die DIN 33430 zu überarbeiten. Die Zielsetzung ist, die deutsche Norm etwas zu kürzen und gegebenenfalls um einzelne formale Hinweise aus der ISO 10667 zu ergänzen – beispielsweise im Bereich des computergestützten Testens.
Auswahl der Strategie und der Verfahren
Kenntnisse und Erfahrungen der Verantwortlichen und Mitwirkenden
Durchführung und Auswertung von Verfahren und Ergebnisinterpretation
Evaluation und Qualitätsoptimierung
Qualitätskennzahlen
▶Supply Chain Management
Q
Qualitätskennzahlen
▶ quality key figures | quality indicators ▶ Performance Measurement 1 Einführung , Definition und Ziele von Qualitätskennzahlen Qualitätskennzahlen liefern in präziser und konzentrierter Form Aussagen über wichtige, zahlenmäßig erfassbare Tatbestände und Entwicklungen einer Organisation. Sie dienen der Darstellung von Sachverhalten sowie der Findung von Ursachen- und Wirkungszusammenhängen. Unter dem Begriff Kennzahlen werden in der Literatur in erster Linie betriebswirtschaftliche Kennzahlen verstanden. Im weitesten Sinne können daher alle aussagefähigen Daten (Zahlen) als Kennzahlen verstanden werden. Kennzahlen liefern als Index, Verhältnis- oder als Absolutzahlen Informationen über
911
Qualitätskennzahlen Sachverhalte. Mit Kennzahlen können Sachverhalte objektiviert werden. Wir können also sagen: Kennzahlen dienen als absolute Zahlen, Verhältniszahlen oder Indexzahlen der Beurteilung von Sachverhalten und Zusammenhängen. Begriff
Unter Qualitätskennzahlen sollen diejenigen speziellen Kennzahlen bzw. Merkmalswerte verstanden werden die zur Überwachung und Leistungsbewertung qualitätsrelevanter Sachverhalte, Prozesse und Zusammenhänge dienen. Qualitätskennzahlen können als Indikatoren fungieren, indem sie Hinweise auf Veränderungen anderer Größen geben. Sie können auch auf qualitativen Daten basieren, z. B., wenn durch sie Erfüllungsgrade wiedergeben werden, wie u. a. bei Audits, oder in attributiven Aussagen (gut/schlecht). Die Arten bzw. Kategorien von Kennzahlen sind zahlreich. Jedes Unternehmen hat seine eigenen, spezifischen Kennzahlen. Zu den gebräuchlichsten Kategorien gehören die folgenden: ◼ Rentabilitätskennzahlen (Kapitalrendite, Return on Investment, Cash Flow, Kapitalumschlagskoeffizienten) ◼ Produktionskennzahlen (Qualität der Produkte, Ausnutzung der Kapazitäten, Ausschussquote, Stillstandszeiten) ◼ Arbeitskennzahlen (Lohnniveau, Arbeitskosten, Ausfallzeiten ◼ Produktivitätskennzahlen (Produktionsmenge, ProKopf-Leistung, Arbeitsproduktivität, gebundenes Kapital) ◼ Vertriebskennzahlen (Anzahl an Aufträgen, Erlösniveau, Vertriebskosten) ◼ Finanzkennzahlen (Zinsaufwand /-ertrag, Liquidität, Investitionsgrad) Neben den klassischen Qualitätskennzahlen, die sich im Wesentlichen auf die Qualität der Produkte und der Prozesse beziehen, wie zum Beispiel
Q
◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Fehlerkosten Ausschussquote Reklamationsquote Fehlerquoten Störungszeiten First Pass Yield (Prozentsatz an Ergebnissen, die bereits im ersten Prozessdurchlauf korrekt sind und keine Nacharbeit erfordern)
gehören zu modernen Organisationen auch Qualitätskennzahlen, die über die Einhaltung, Entwicklung und Reife des QM-Systems Aussagen treffen können. Die Anwendung von Qualitätskennzahlen in der Praxis dient der ◼ Strategieumsetzung ☐ Fokussierung auf einheitliche Qualitätskennzahlen ☐ Ziele auf Basis von Qualitätskennzahlen setzen
912
Qualitätskennzahlen ◼ Kommunikation von Zielen ☐ Ziele mit den Kennzahlen kommunizieren ☐ Ziele und Kennzahlen im Berichtswesen darstellen ☐ Verständliche und einheitliche Kennzahlen verwenden ◼ Steuerung von Prozessen/Produkten ☐ Auf der Basis von festgelegten Bandbreiten (Grenzwerten) in eingreifen ☐ Ressourcen gezielt einsetzen ◼ Bewertung von Prozessen/Produkten ☐ Vergleiche ermöglichen (Benchmarking) und Prozesse bewerten ☐ Handlungsbedarf Verbesserungen gezielt ermöglichen ◼ Entgeltsysteme leistungsbezogen gestalten Die Bedeutung von Qualitätskennzahlen sind: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Veränderungen/Trends schnell zu erkennen Stabilität von Prozessen zu beurteilen Zielerreichung objektiv zu messen Reife von QM-Systemen zu erkennen Erfolge von Maßnahmen objektiv zu bewerten
festzustellen. Die folgenden Aspekte von Qualitätskennzahlen müssen grundsätzlich beachtet werden: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Bezeichnung Nutzen/Zielsetzung Erfassungsverantwortung Aufbereitungsverantwortung Aussagekraft Messmethode/-punkte Vergleichbarkeit Berechnungsweg
Gute Kennzahlen zeichnen sich zudem durch folgende Merkmale aus: ◼ Sie können Orientierungen für Ziele abgeben. ◼ Für Qualitätskennzahlen liegen geeignete Bandbreiten zur Bewertung und Steuerung vor. ◼ Die Kennzahlen werden zeitnah und kontinuierlich erhoben. ◼ Die Kennzahlen werden im Detail (Einzelwerte) analysiert. ◼ Kennzahlen „kennt man“. Vor der Einführung von Qualitätskennzahlen ist es sinnvoll folgende Fragen zu klären: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Warum werden die Kennzahlen erhoben? Welche Daten werden erhoben? Wann werden die Daten erhoben? Von wem werden sie erhoben? Wie oft werden sie erhoben? Wer fordert die Kennzahlen? Wer wertet die Daten und Kennzahlen aus?
Qualitätskennzahlen ◼ Werden die Kennzahlen regelmäßig bzgl. der Streuung und Schwankung analysiert? ◼ Welche Aussagen sind durch die Kennzahlen möglich? ◼ Werden die Kennzahlen verstanden? ◼ Was kostet die Erhebung? Nachfolgend ein Beispiel für die Strukturierung und Organisation der Qualitätskennzahlen: Kategorie Audit Gruppe Systemaudits Abkürzung SysAudPE Bezeichnung Systemaudits-Planerfüllung Einheit % Ebene 3 Dateneigentümer Max Müller Quelle Excelliste XX Zuordnung Standort Berechnung Ist-Systemaudits/Plan-Systemaudits Zweck (...) Bandbreite grün (>90%), gelb (zwischen 70% und 90%), rot (20 Mio. Bilanzsumme, >50 Mio. Umsatzerlös, >250 Vollzeitstellen, wobei zwei der Kriterien über zwei nachfolgende Jahre erfüllt sein müssen. Das Obligationenrecht ist allerdings nur für Gesellschaften des privaten Rechts anzuwenden, nicht für öffentlich-rechtliche Organisationen.
Zusätzlich zum Unternehmensrecht gibt es Bestimmungen für das Risikomanagement in Spezialgesetzen, z. B. betreffend die Arbeitssicherheit, die Umweltsicherheit, die Produkt-
1027
R
Risikomanagement sicherheit, die Patientensicherheit und viele mehr. Oft sind diese Gesetze durch Normen unterlegt, die aufzeigen, wie ein Unternehmen bzw. eine Organisation die Forderungen der Gesetzesbestimmungen konkret erfüllen kann. Die führenden Normen, die eine Anleitung für die Anwendung und Umsetzung des Risikomanagements in Unternehmen enthalten, sind einerseits die ISO 31000 Risk Management – Prinicples and Guidelines von 2009. Sie beschreibt die Grundsätze, das Framework und den Prozess für das Management von Risiken jeder Art von privaten Unternehmen und öffentlichen Organisationen. Die Anwendung der ISO 31000 soll Organisationen und Unternehmen helfen, dass sie ihre Ziele erreichen, dabei Chancen und Bedrohungen systematisch identifizieren und die Ressourcen für den Umgang mit Risiken wirksam einsetzen. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag, um die Forderungen von Corporate Governance zu erfüllen und als Führungsinstrument verstanden und integriert zu werden. Die ISO 31000 stieß international auf höchstes Interesse, sodass sie nach kurzer Zeit im Ranking mit vergleichbaren ISO-Normen weltweit auf Platz fünf steht. Global gesehen zieht die ISO 31000 zwischenzeitlich mit der amerikanischen Norm der Wirtschaftsprüfer COSO Enterprise Risk Management Framework gleich. Die OECD bezeichnete kürzlich die ISO 31000 als „de-facto world standard“. Gleichwohl will der Standard nicht Gegenstand von formellen Zertifizierungen sein. Er unterstützt jedoch die Durchführung von internen und externen Risikomanagement-Bewertungen. Organisationen, die ISO 31000 anwenden, können ihr eigenes Risikomanagement mit den Leitlinien des Standards vergleichen. Die Spezifikationen für die Umsetzung der ISO 31000 werden durch die ONR 49000-Serie „Risikomanagement für Organisationen und Systeme, Anwendung der ISO 31000 in der Praxis“ geliefert. Sie ist per 1. Januar 2014 in der vierten Version veröffentlicht worden. Die ONR ist in folgende Teile gegliedert:
R
◼ ONR 49000 Begriffe und Grundlagen ◼ ONR 49001 Risikomanagement ◼ ONR 49002-1 Leitfaden für die Einbettung des Risikomanagements ins Managementsystem – ◼ ONR 49002-2 Leitfaden für die Methoden der Risikobeurteilung ◼ ONR 49002-3 Leitfaden für das Notfall-, Krisen- und Kontinuitätsmanagement ◼ ONR 49003 Anforderungen an die Qualifikation des Risikomanagers 5 Risikomanagement als Führungsaufgabe Die Verankerung von Risikomanagement in den Corporate Governance Kodexen zeigt direkt auf, dass Risikomanagement eine Führungsaufgabe auf oberster Ebene eines Unternehmens oder einer Organisation darstellt. Besonders gut formuliert sind die Passagen im Deutschen und im Österreichischen Kodex, wo festgehalten ist:
1028
Risikomanagement ◼ „Der Vorstand informiert den Aufsichtsrat regelmäßig, zeitnah und umfassend über alle für das Unternehmen relevanten Fragen der Strategie, der Planung, der Geschäftsentwicklung, der Risikolage, des Risikomanagements und der Compliance. Er geht auf Abweichungen des Geschäftsverlaufs von den aufgestellten Plänen und Zielen unter Angabe von Gründen ein“. ◼ „Der Vorstand sorgt für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling im Unternehmen“. ◼ „Der Aufsichtsratsvorsitzende soll zwischen den Sitzungen mit dem Vorstand, insbesondere mit dem Vorsitzenden bzw. Sprecher des Vorstands, regelmäßig Kontakt halten und mit ihm Fragen der Strategie, der Planung, der Geschäftsentwicklung, der Risikolage, des Risikomanagements und der Compliance des Unternehmens beraten“. Wie bereits erwähnt (AktG von Deutschland und Österreich) muss sich der Prüfungsausschuss ebenfalls mit der Wirksamkeit des Internen Kontrollsystems und des Risikomanagement-Systems befassen. In keinem Gesetz ist nun der Begriff Risikomanagement-System auch nur annähernd beschrieben. Damit wird eine direkte Brücke geschlagen zu den Management-Systemen, die vor allem im Bereich der ISO in den letzten Jahren eine herausragende Bedeutung erlangt haben. 6 Wirksames Risikomanagement-System Wie können nun der Aufsichtsrat, der Vorstand und der Prüfungsausschuss die Wirksamkeit des RisikomanagementSystems gewährleisten? Diese Frage setzt voraus, dass geklärt ist, was ein solches Risikomanagement-System beinhalten und leisten muss. Hier liefert nun ISO die Definitionen und Konzepte: ◼ Managementsystem: „Satz von in Wechselbeziehung oder Wechselwirkung stehenden Elementen einer Organisation zur Festlegung von Leitlinien und Zielen sowie Prozessen zum Erreichen dieser Ziele ◻ Ein Managementsystem kann auf einzelne Bereiche oder auf verschiedene Bereiche ausgerichtet sein. ◻ Die Systemelemente schließen Struktur, Funktionen und Verantwortlichkeiten, Planung, Betrieb u. dgl. der Organisation ein. ◻ Es ist zulässig, dass der Anwendungsbereich des Managementsystems die Gesamtheit der Organisation, bestimmte und festgelegte Funktionen der Organisation, bestimmte und festgelegte Abteilungen der Organisation oder eine oder mehrere Funktionen innerhalb einer Gruppe von Organisationen erfasst“. ◼ Risikomanagement-System: „Elemente des Managementsystems einer Organisation mit der Aufgabe, Risiken zu bewältigen“. Konkret wird nun das Risikomanagement-System in der ISO 31000 und in der ONR 49001 mit dem bekannten ►DemingKreis Plan-Do-Check-Act beschrieben und in der ONR 49001 dargestellt (vgl. Abbildung R03).
Risikomanagement
Risikomanagement
Politik der Organisation
Risikomanagement-Prozess
Plan
Start
RisikomanagementSystem
Do
Check Um das Risikomanagement-System (man könnte auch vom konkreten Risikomanagement-Konzept in einem Unternehmen oder in einer Organisation sprechen) konkret zu beschreiben, wird der Begriff Risikomanagement-Politik verwendet. Diese ist wie folgt definiert: ◼ „umfassende Absichten und Ziele einer Organisation betreffend die Handhabung von Risiken ◻ Die Risikomanagement-Politik ist von der obersten Leitung formell zu genehmigen. ◻ Die Risikomanagement-Politik beschreibt, wie eine Organisation ihr Risikomanagement plant, umsetzt, bewertet und verbessert“. Die Forderungen an die Inhalte der Risikomanagement-Politik sind definiert und können sehr gut mit den folgenden drei Teilbereichen beschrieben werden, um die Anforderungen an die Transparenz für die oberste Leitung zu erfüllen: ◼ Grundsätze: Begründung und Ziele, Interessierte Kreise, Verpflichtung der obersten Leitung, Aufgaben, Rollen, Verantwortlichkeiten, Anwendungsbereiche in der Organisation, gesetzliche und normative Grundlagen usw. ◼ Umsetzungen: Konkrete Ausgestaltung des strategischen und operativen Risikomanagements (Geschäftseinheiten, Konsolidierung von Risiken über verschiedene Stufen der Hierarchie), Internes Kontrollsystem, Produktrisikomanagement für die Konformitätsbewertung, IT-Security Management, Health-Safety-Environment (HSE)-Risikomanagement, Patientensicherheit im Gesundheitswesen, Notfall-, Krisen- und Kontinuitätsmanagement, Methoden, die zum Einsatz kommen und
Risiken überwachen/überprüfen
Act
Auftrag und Verpflichtung
Rahmenbedingungen Risiken identifizieren Risiken analysieren Risiken bewerten Ja Tragbar? Nein Risiken bewältigen
Kommunikation / Konsultation
Abb. R03: Risikomanagement-System und Risikomanagement-Prozess
Ende insbesondere konkrete Darstellung von Aufgaben, Tätigkeiten, Verantwortlichkeiten. ◼ Integration: Das Risikomanagement hat verschiedene Schnittstellen, insbesondere zum allgemeinen Management-System, zum Qualitätsmanagement, Umweltmanagement, Produktmanagement, Compliancemanagement, Finanzmanagement, Human Resource Management usw. Diese Schnittstellen (bzw. Nahtstellen) sind zu klären bzgl. Zusammenarbeit. Zu dieser Integrationsaufgabe gehört aber auch das ganze Risikocontrolling, das die Aufgabe hat, festzustellen, ob die „Politik“ auch tatsächlich wirksam und effizient umgesetzt worden ist. Risikomanagement kann nun als eigenständiges Management-Teilsystem gestaltet werden. Dies ist im Rahmen des Unternehmens-Risikomanagements oft der Fall. Hingegen können stark qualitätsmanagement-geprägte Organisationen das Risikomanagement auch in ihr Qualitätsmanagement einbauen. Dies drängt sich insbesondere dort auf, wo sehr hohe operationelle Risiken bestehen wie z.B. die Patientensicherheit im Gesundheitswesen oder die Produktsicherheit in der herstellenden Industrie. Von besonderem Interesse ist nun die Nahtstelle zwischen Risikomanagement und Qualitätsmanagement, dies auf dem Hintergrund, dass die neue Version der ►ISO 9001 Qualitätsmanagement ab dem Jahr 2015 risikobasiert gestaltet ist. 7 Risikomanagement im Qualitätsmanagement Die ISO 9001:2015 führt das „risikoorientierte“ bzw. „risikobasierte“ Denken ein (siehe dort Anhang A.3 „risikobasiertes
1029
R
Risikomanagement Denken). Die wichtigsten Neuerungen in Bezug auf den Umgang mit Risiken sind dabei folgende: ◼ Die Gestaltung und Verwirklichung des Qualitätsmanagementsystems wird durch die Ziele der Organisation, ihr Umfeld und durch die damit verbundenen Risiken bestimmt (siehe Einleitung, 0.1 Allgemeines). ◼ Schwerpunkt der Anwendung des Risikomanagements bildet das Konformitätsbewertungsverfahren (►Konformitätsbewertung), das im Prozess der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen die Berücksichtigung von Risiken erfordert (siehe 5.1.2 b). Die neuen Forderungen beschränken sich daher auf das Risikomanagement, das die Qualität der Produkte beeinflusst, ◼ Es gibt ausdrücklich keine Forderungen an das Risikomanagement oder an ein Risikomanagement-System (siehe Einleitung 0.6 Konsistenz mit andern Managementsystemen und Anhang A.3 „risikobasiertes Denken“). Die ISO 9000-Serie ist die bedeutendste Norm der International Standard Organisation. Was bedeutet die Entwicklung zum risikobasierten Denken für die Anwendung der ISO 31000 und der ONR 49000-Serie? Das Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 ist für die Erfüllung der gesetzlichen Forderungen und der Vorstellungen, die in den Corporate Governance Kodexen formuliert sind, eher nicht geeignet. Hier wird ein Risikomanagement-System verlangt. Dieses hat bestimmte Forderungen und Inhalte, die in der ISO 9001 nicht beschrieben und nicht verlangt werden. Deshalb ist ein eigenes RisikomanagementSystem erforderlich, insbesondere für die Handhabung der strategischen und der operationellen Risiken, soweit sie den Fortbestand der Gesellschaft betreffen. Aber die Produktund Dienstleistungsrisiken können existenzbedrohend sein, sie stehen im Forderungskatalog von ISO 9001.
R
Bei der Anwendung des risikobasierten Denkens bzw. bei der Erfüllung der Forderungen an die Konformitätsbewertung erlangt die ISO 31000 und insbesondere die ONR 49000-Serie konkrete Bedeutung, weil der Prozess Risikomanagement und die Methoden, nach denen dieser Prozess abzulaufen hat, nur hier beschrieben werden. In den gesetzlichen Regelwerken, insbesondere den EU-Produktrichtlinien und EU-Verordnungen zur Produktsicherheit sowie der damit verbundenen harmonisierten Normen werden konkrete Forderungen an das erforderliche Risikomanagement formuliert, aber nur ansatzweise die anzuwendende Methodik vorgegeben. Weil die ISO 31000 und die ONR 49001 nach den gleichen Strukturen wie die ISO 9001 – im Wesentlichen handelt es sich um die Plan-Do-Check-Act-Schritte (►PDCA-Zyklus) – aufgebaut sind, bestehen zwischen diesen Systemen hohe Synergien, die unbedingt wahrgenommen werden sollten. Ein besonders gut gelungenes Beispiel stellt die kürzlich in Deutschland vorgenommene Erweiterung des Sozialgesetzbuches (SGB) mit Art. 137 dar.
1030
Risikomanagement ◼ „§ 5 Klinisches Risikomanagement und Fehlermeldesysteme 1 Das Krankenhaus hat wesentliche Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Patientensicherheit ein- und durchzuführen. Dazu werden … Risiken identifiziert und analysiert, wobei es Führungsaufgabe ist, die entsprechende Risikostrategie festzulegen. Identifizierte Risiken werden bewertet und durch die Ableitung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen reduziert. 2 Die Krankenhausleitung bietet aktiv Unterstützung und gewährleistet den strukturierten Austausch aller Beteiligten. Voraussetzungen für ein funktionsfähiges klinisches Risikomanagement sind entsprechende aufbau- und ablauforganisatorische Rahmenbedingungen, wobei Doppelstrukturen von Qualitäts- und Risikomanagement möglichst zu vermeiden sind. …… 5 Sowohl für das klinische Risikomanagement im Allgemeinen als auch für das Fehlermeldesystem im Besonderen ist eine entsprechende Dokumentation und Nachvollziehbarkeit des Systems erforderlich. Nach Implementierung von Maßnahmen sollen eine Evaluation und gemäß des ►PDCA-Zyklus ggf. erforderliche Anpassungen erfolgen“. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Vorschriften von Gesetzen und die Forderungen der Normen betreffend die Gestaltung und Umsetzung eines unternehmensweiten Risikomanagements nicht ganz einfach sind. Viele verschiedene Anwendungsgebiete und unterschiedliche Methoden und Systemelemente führen zur Notwendigkeit, in der Organisation sowohl im Risiko- als auch im Qualitätsmanagement Kompetenzen aufzubauen und einzusetzen, die geeignet sind, die wesentliche Risiken zu finden, zu verstehen, zu kommunizieren und zu kontrollieren, ohne dabei mit überbordender Bürokratie der Leitung und den Führungskräften Angst zu machen. Ein massgeschneidertes Risikomanagement auf den Grundlagen der ISO 31000 und der ONR 49000-Serie schafft und schützt materielle und immaterielle Werte. Prof. Dr. Bruno Brühwiler, Zürich Literatur
[1] Austrian Standards Institute (Hrsg.): Normensammlung Risikomanagement, 2., aktualisierte Auflage, Wien 2014: Risikomanagement für Organisationen und Systeme, Umsetzung von ISO 31000 in die Praxis, ONR 49000, Ziff. 2.1.11. [2] Austrian Standards (2014): ONR 49002-3 [3] Austrian Standards (2014): ISO 31000 und ONR 49000, Ziff. 2.2.25 [4] OECD-Grundsätze der Corporate Governance, Neufassung 2004, Deutscher Corporate Governance Kodex (in der Fassung vom 13. Mai 2013), Österreichischer Corporate Governance Kodex, Fassung Juli 2012, Swiss Codex of Best Practice for Corporate Governance, Economiesuisse, Juli 2002, aktualisiert 2007 [5] Austrian Standards (2014), Risikomanagement - Grundsätze und Richtlinien, ISO 31000:2009, S. 23ff.
Rückformulieren
Risikomanagementprozess
▶DIN EN ISO 13485:2010-01
Risikomanagement-System ▶Risiko Management
Risikoprioritätszahl RPZ
▶FMEA Mithilfe dieses Wertes können (im Rahmen der FMEA) potenzielle Fehler zur Risikobeurteilung quantifiziet werden. Die RPZ errechnet sich wie folgt: RPZ = Wahrscheinlichkeit des Auftretens (eines potenziellen Fehlers) x Bedeutung der Folgen x Wahrscheinlichkeit der Entdeckung. Die Werte liegen in der Regel zwischen 1 und 1000.
Rückformulieren
▶Paraphrasieren Technik im Audit: Aussagen werden durch den Auditor mit eigenen Worten (rück-)formuliert. Dabei sollten nehme Wertungen oder Beleidigungen herausgenommen werden. Beispiel: Sie sind verärgert, weil wir im Audit darauf bisher nicht eingegangen sind. (danach unmittelbar eine Frage stellen, die aufzeigt, dass das Problem noch angesprochen wird.) Es gibt viele feststehende Ausdrücke, mit denen sich eine Paraphrase einleiten und erkennen lässt. Einer der bekanntesten Ausdrücke ist das heißt (d. h.). Beispiel für eine Paraphrase: Ihr Unternehmen hat ein QM-System, das heißt, ….
Rückholung
▶Produkt-/Produzentenhaftung im QM
Rückmeldesystem
▶DIN EN ISO 13485:2010-01
Rückmeldungen
ISO-Term
[6] Austrian Standards (2014), Risikomanagement für Organisationen und Systeme, Umsetzung von ISO 31000 in die Praxis. S. 53 ff. [7] Vgl. Brühwiler, B.: Risikomanagement als Führungsaufgabe, 3. Aufl. Bern, Stuttgart, Wien, Haupt 2011 [8] Deutscher Kodex (2013), Ziff. 3.4 Abs. 2 [9] Deutscher Kodex (2013) Ziff. 4.1.4 [10] Deutscher Kodex (2013) Ziff. 5.3. Abs. 3 [11] ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO SupplementProcedures specific to ISO, Fifth edition 2014, S. 127, die Übersetzung stammt aus ONR 49000 (2014), Ziff. 2.3.8 [12] Austrian Standards (2014), ONR 49000 (2014) Ziff. 2.3.16. [13] Oft wird auch von Risikomanagement-Konzept oder von Risikomanagement-Strategie gesprochen. [14] ONR 49000 (2014), Ziff. 2.3.17. [15] ISO 9001 Quality management, (2015) (Committee Draft, CD) [16] Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Vereinbarung des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB V über die grundsätzlichen Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser: Umsetzung des § 137 Absatz 1d Satz 1 SGB V vom 23. Januar 2014
Rückmeldungen
▶en: feedback
Meinungen, Stellungnahmen und Interessenbekundungen zu einem ►Produkt, einer ►Dienstleistung oder einem ►Prozess zur Reklamationsbearbeitung [Quelle: ISO 10002:2014, 3.6, geändert — Der Begriff „Dienstleistung“ wurde in die Definition aufgenommen] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Rückrufmanagement
▶en: recall management ▶Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) ▶Produkt-/Produzentenhaftung ▶Rückrufversicherung 1 Problemaufriss Die Zahl der gemeldeten Produktrückrufe hat sich in Europa in den letzten Jahren mehr als vervierfacht. Davon sind auch Unternehmen betroffen, die ein ►Qualitätsmanagementsystem implementiert haben. Damit im Rückruf-Fall schnell und richtig gehandelt werden kann, sollte ein Rückrufmanagementsystem eingerichtet werden, das auf einem betrieblichen Rückrufplan aufbaut. Teilweise verpflichtet hierzu auch der Gesetzgeber. Die Überwachung und Gewährleistung der Sicherheit der eigenen Produkte liegt in erster Linie in der Verantwortung des Herstellers. In allen Bereichen, angefangen bei der Planung und Konstruktion bis hin zur Fertigung, müssen mögliche Fehler ausgeschlossen werden. Deshalb hat die Produktsicherheitsüberwachung für Unternehmen eine hohe Priorität und ist fester Bestandteil ihrer Organisation. Unternehmen ganz verschiedener Produktionszweige sind trotzdem zunehmend von Produktrückrufen betroffen. Hier hat es in den letzten Jahren eine erhöhte Anzahl von Rückrufen gegeben. Dies bestätigen z. B. Zahlen der Europäischen Kommission: Die Anzahl der über das ►Rapid Exchange of Information System (RAPEX), das Schnellwarnsystem der Europäischen Union für Verbraucherprodukte europaweit gemeldeten Produktrisiken hat sich laut RAPEX-Jahresbericht 2010 im Zeitraum 2004 bis 2010 mehr als vervierfacht. Die folgenden Gründe sind maßgebend für den Anstieg von durchgeführten Rückrufaktionen (recall actions): Der Verbraucherschutz hat in der öffentlichen Wahrnehmung einen hohen Stellenwert bekommen. Gleichzeitig führen strengere Qualitätsstandards in Kombination mit komplexeren und fehleranfälligeren Produktionsprozessen zu einer erhöhten Fehlerquote. Dies hat auch dann für Unternehmen Folgen, wenn sie ein umfangreiches QM-System etabliert haben: Aufgrund der genannten Faktoren kommt es auch bei laufender ►Qualitätsüberwachung dazu, dass Produkte wegen festgestellter Sicherheitsmängel zurückgerufen werden. Parallel zur zivilrechtlichen Rückrufpflicht des
1031
R
Rückrufmanagement Herstellers können die zuständigen Kontrollbehörden bei Verdacht auf eine von dem Produkt ausgehende Gefahr von Personenschäden gegenüber dem Hersteller den Rückruf des betreffenden Produkts öffentlich-rechtlich anordnen. Rechtsgrundlage ist häufig das ►Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Bei Verdacht auf fehlende Verbrauchersicherheit oder bei einem Verstoß gegen verpflichtende Forderungen an die Produktgestaltung stellt das Gesetz den Rückruf in das Ermessen der zuständigen Behörde. Schwelle zur Rückrufpflicht. Ob im Fall eines fehlerhaften Produkts ein Rückruf durchzuführen ist, ergibt sich aus einer umfassenden Abwägung. Hierbei müssen alle zugänglichen Informationen über Fehler und Gefährdungspotenziale einbezogen werden. Um die Frage einer rechtlichen Verpflichtung zum Rückruf im konkreten Einzelfall zu klären, sollte gegebenenfalls erfahrener juristischer Rat hinzugezogen werden. Vom Grundsatz her kommt es darauf an, ob ohne einen Rückruf eine Gefahr für erhebliche Schäden an Leib oder Leben der Produktnutzer oder unbeteiligter Dritter drohen würde. Ist ein milderes Mittel – z. B. eine Warnung – nicht mehr ausreichend, um den Eintritt von derartigen erheblichen Schäden auszuschließen, muss ein Rückruf durchgeführt werden. Je höher die Wahrscheinlichkeit von Personenschäden ist, desto mehr spricht für die Verpflichtung, das sicherheitsgefährdende Produkt aus dem Verkehr zu ziehen. Bei der Beurteilung spielt es auch eine wichtige Rolle, von wem das Produkt benutzt wird. Handelt es sich um Produkte, die sich in den Händen privater Endverbraucher befinden, besteht eher die Notwendigkeit als bei einer Nutzung durch fachkundige professionelle Nutzer. Hier könnte deshalb eine gezielte Warnung ausreichend sein. Die Entscheidung, ob ein Produktrückruf durchgeführt werden sollte oder nicht, hängt von verschiedenen Kriterien ab, die im Kontext beurteilt werden müssen. So spielt es z. B. nicht nur eine Rolle, wie viele Teile betroffen sind, sondern auch wie groß die Gefahr ist, dass Personen durch die Produkte geschädigt werden können.
R
2 Rückrufmanagementsystem und Rückrufplan Vorbereitung für eine mögliche Rückrufsituation treffen Im Fall eines notwendigen Rückrufs kommt es für das Unternehmen darauf an, gut vorbereitet zu sein. Die entscheidende Weichenstellung findet lange vor dem eigentlichen Rückruf statt, nämlich beim vorbeugenden unternehmensinternen Risikomanagement für mögliche Rückruf-Fälle. Die notwendigen Vorkehrungen dokumentieren sich in der Aufstellung eines Rückrufplanes. Muss ein Rückruf durchgeführt werden, ist eine rasche Abwicklung das Gebot der Stunde. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn von dem Produkt unmittelbare Gefahren für den Anwender bzw. Verbraucher oder Dritte ausgehen. Hinzu kommt, dass ein langsames Anlaufen der Rückrufak-
1032
Rückrufmanagement tion die Durchführung verlängern würde. Weiterhin steigen die Kosten, wenn die Produkte trotz eines erkannten Sicherheitsmangels weiter an die Abnehmer ausgeliefert werden und so im Nachhinein aufwendig zurückgeholt werden müssen. Gut vorbereitete Organisationen können hingegen durch einen sofortigen Vertriebsstopp die weitere Verbreitung des Produkts verhindern. Deshalb empfiehlt es sich für jeden Herstellungsbetrieb dringend, einen eigenen Rückrufplan zu erstellen – unabhängig davon, ob es schon einmal zu einem Rückruf der eigenen Produkte gekommen ist. Die Aufstellung eines Rückrufplanes ist nicht nur ein Gebot der unternehmerischen Vernunft, sondern wird etwa für Hersteller von Verbraucherprodukten durch § 6 Abs. 2 ProdSG verpflichtend vorgeschrieben. Auch aus zivilrechtlicher Sicht ist ein Unternehmen verpflichtet, sich so zu organisieren, dass zum einen Produktfehler möglichst ausgeschaltet oder durch Kontrollen entdeckt werden. Zum anderen müssen mangelverdächtige sowie mangelhafte Produkte überprüft bzw. aus dem Verkehr gezogen werden können. 3 Rückrufmanagement und -planung Der Rückrufplan ist die entscheidende Vorsorgemaßnahme für den Ernstfall. In Deutschland besteht für Unternehmen z. T. die Pflicht, einen Rückrufplan vorzusehen. Dies gilt für Hersteller von Verbraucherprodukten (§ 6 Abs. 2 ProdSG), aber auch z. B. für Arzneimittelgroßhändler (§ 1a Satz 2 Arzneimittelgroßhandelsbetriebsverordnung). Der Rückrufplan sollte das Grundgerüst für die zu ergreifenden Maßnahmen aufzeigen und individuell auf das Unternehmen und seine Produkte zugeschnitten sein. Dabei ist es wichtig, dass die verschiedenen Bereiche des Unternehmens einbezogen werden, die im Fall eines Rückrufs handeln bzw. zu seiner Bewältigung einen wichtigen Beitrag leisten müssen. Die Erfahrungen aus diesen Betriebsbereichen sollten bei der Erstellung des Rückrufplanes einfließen. Die folgenden Bereiche der Organisation sind hierbei einzubeziehen: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Konstruktion Fertigungsüberwachung, Qualitätsmanagement Arbeitsschutz Einkauf, Vertrieb, Kundenservice Buchhaltung, EDV, Lagerverwaltung Interne Rechtsabteilung oder externe juristische Berater Abteilungen für unternehmensinterne und externe Kommunikation, Marketing
Die technischen Abteilungen haben im Wesentlichen die Aufgabe, den festgestellten Produktfehler zu analysieren und die Fehlerquellen für die weitere Produktion abzustellen. Die kaufmännischen Abteilungen sind hingegen gefragt, wenn es um einen notwendigen Vertriebs-/Lieferstopp und die Rückholung der ausgelieferten Produkte von Großhändlern etc. geht. Der Bereich Kommunikation ist verantwortlich für alle Stellungnahmen des Unternehmens hinsichtlich des Sicherheitsmangels. Der Bereich muss für die effiziente unternehmensinterne und -externe Kommunikation sorgen, damit
Rückrufmanagement im Rückruf-Fall schnellstmöglich und koordiniert reagiert werden kann. Die betroffenen Produktnutzer müssen rasch und wirkungsvoll und gegebenenfalls in mehreren Sprachen über das bestehende Problem und die Möglichkeiten der Abhilfe informiert werden. Eine maßgeschneiderte Kommunikationsstrategie trägt daher entscheidend dazu bei, dass das Unternehmen die kritische Situation erfolgreich bewältigen kann. Die Zusammensetzung eines zu bildenden RückrufTeams und seine Funktion müssen unternehmensintern bekannt sein und kontinuierlich aktualisiert werden. Nur so weiß jeder im Unternehmen, wer beim Auftreten eines Produktsicherheitsproblems zu kontaktieren ist. 4 Der Rückrufplan Der Rückrufplan ist die individuell für die Organisation des Unternehmens ausgearbeitete Strategie für den Krisenfall; ein Musterrückrufplan reicht hierzu nicht aus. Für einen ersten Überblick sind jedoch Rückrufplan-Muster eine nützliche Hilfe (sie finden sich in der Fachliteratur [1]). Je nach betroffenem Produkt und Produktnutzergruppen, nach Einsatz des Produkts und den Absatzmärkten ist dabei eine Vielzahl von Kriterien zu berücksichtigen, die bei jedem Unternehmen unterschiedliches Gewicht haben können. Der Rückrufplan umfasst ein betriebsinternes Szenario, wie ein Rückruf abzulaufen hat. Hier sollten die von den einzelnen Bereichen auszuführenden Maßnahmen erfasst sein. Dazu gehören: ◼ Ermittlung der betroffenen Produkte/Produktgruppen/ Chargen ◼ Vertriebsstopp des betroffenen Produkts/der betroffenen Chargen ◼ Information der Ansprechpartner im Unternehmen (verantwortliche Führungskräfte, Rückruf-Team, Vertriebsvermittler, Lager, Spediteure) ◼ Information der Ansprechpartner in anderen Organisationen (gewerbliche Kunden, Lieferanten, Berufsverbände, Marktüberwachungsbehörden) ◼ Koordinierte Information der Produktbenutzer über die Medien (Presse, ggf. TV) 5 Informationen sammeln und bereitstellen Wichtig ist es darüber hinaus, bei der Rückrufplanung alle Informationen zu sammeln und bereitzustellen, die das Rückruf-Team benötigt. Dazu gehören in erster Linie die Namen E-Mail- und Telefonnummern derjenigen Kontaktpersonen, die bei einem entdeckten Sicherheitsmangel benachrichtigt werden müssen. Nur so kann das Rückruf-Team im Ernstfall unmittelbar mit den dringlichsten Maßnahmen beginnen. Je nach Branche besteht für den Hersteller, dem ein Sicherheitsmangel bekannt wird, die Pflicht, die zuständige Marktaufsichtsbehörde von der Gefährdungswirkung des Produkts in Kenntnis zu setzen. In Deutschland gilt eine Benachrichtigungspflicht beispielsweise für Verbraucherprodukte (§ 6 Abs. 4 S. 1 ProdSG) oder für Medizinprodukte (§ 3 Abs. 1
Rückrufversicherung Satz 1, § 2 Nr. 1 und Nr. 3 MPSV i. V.m. § 6 Abs. 4 ProdSG). Europaweit sowie in vielen anderen Ländern gelten vergleichbare Anzeigepflichten. Damit bei Erkennen eines bestehenden Risikos die betreffende Behörde informiert werden kann, sollte das Rückruf-Team über eine Aufstellung derjenigen Ansprechpartner in den Behörden verfügen, die mit Blick auf die jeweiligen Produkte des Unternehmens zuständig sind. Da sich in Deutschland die Verantwortlichkeit für den Vollzug der ProdSG-Bestimmungen nach dem jeweiligen Landesrecht richtet, gibt es keine für Deutschland einheitliche Zuständigkeitsstruktur. Die verantwortlichen Behörden müssen vielmehr je nach Bundesland ermittelt werden. Eine Liste der behördlichen Hauptansprechpartner für die Marktüberwachung in den 27 EU-Mitgliedstaaten befindet sich in der Publikation „Corrective Action Guide“ der EU [2]. Für die einzelnen Mitgliedstaaten gelten wiederum ganz unterschiedliche behördliche Zuständigkeiten, die bei Erstellung des Rückrufplanes zu ermitteln und zu berücksichtigen sind. Gleiches gilt für die Verantwortlichkeiten in Ländern außerhalb Europas. 6 Fazit Im Rahmen eines zu schaffenden Rückrufmanagements gilt es zunächst alle möglichen planerischen Aktivitäten zu entwickeln. Diese Aufgabe muss in kontinuierlicher Abstimmung von einem Rückruf-Team erledigt werden. Intern müssen die Ansprechpartner kommunziert werden. Das Team muss außerdem darüber befinden, ob, wie und welche ►Rückrufversicherung abzuschließen ist. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Kindt, Th.: Rückrufmanagement: Ein Leitfaden für die professionelle Abwicklung von Krisenfällen. Berlin (Beuth) 2014 [2] Der Corrective Action Guide (Korrekturmaßnahmen Guide) ist ein freiwilliger Führer, der sich auf die Handlungen bezieht, die Unternehmen durchführen sollten für den Fall dass es Hinweise gibt, dass Verbraucherprodukte, die sie bereits in den Verkehr gebracht haben, unsicher sein. Der Guide enthält Vorschläge über die Möglichkeiten, die Risiken auf Rückrufverfahren und zum Senden von Informationen und Warnungen, ebenso wie Veränderungen am Produkt in den Verbraucher Räumlichkeiten und die Überarbeitung der Produkt-Design, Herstellung und Qualitätskontrolle zu bewerten. Er ist insbesondere auf Management mit Verantwortung für die Einhaltung der Produktsicherheit, Qualitätskontrolle, Recht und öffentliche und Unternehmensbeziehungen in Unternehmen und Organisationen gerichtet.
Rückrufversicherung ▶en: recall assurance
Die Rückrufversicherung (manchmal auch Produktrückrufversicherung) ergänzt die Produkt Haftpflichtversicherung. Sie deckt die Kosten für den Rückruf von Produkten zum
1033
R
Rückverfolgbarkeit
Rundumbearbeitung
Hersteller und leistet finanziellen Kostenersatz bei Schäden (Sachschäden wie Personenschäden), die durch den Produktrückruf entstehen. Dies ist immer dann erforderlich, wenn ein Produktmangel vermutet wird oder bereits eingetreten ist. Recht häufig tritt dies bei Lebensmittelprodukten ein. Auch die Kfz-Branche ist betroffen. Ebenso sind Spielzeug-, Kosmetik- und Textilprodukte gefahrenträchtig. Die Kosten sind zum Teil immens und können bis zum Existenzruin führen, ganz abgesehen vom Imageverlust. Für die meisten Branchen hält der Markt passgenauen Schutz bereit. Der Versicherungsumfang bezieht sich auf: ◼ Kosten der Kundenbenachrichtigung ◼ Transportkosten ◼ Sortierung ◼ Prüfung ◼ Lagerung ◼ Austausch (Teile oder Gesamtprodukt) ◼ Vernichtung (Teile oder Gesamtprodukt)
ISO-Term
Die statistischen Informationen von ►RAPEX weisen darauf hin, dass Deutschland in den Jahren 2008 und 2009 zu den Ländern in der EU mit den höchsten Rückruf-Melderaten zählte. Möglicherweise wird sich diese Zahl in 2016 noch überboten, wenn die zu erwartende Rückrufaktion des VWKonzerns wegen des Abgasskandals durchgeführt wird. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Rundumbearbeitung
▶Kundenorientierte Rundumbearbeitung ▶Business Reengineering ▶Kernprozessmanagement Kundenkontakt wird durch Process Owner, d. h. prozssverantwortliche Personen (Case-Worker) oder Teams (Prozessteams; Case-Teams) realisiert, die einzig, d. h. rundum verantwortlich für die Bearbeitung sind. Bei den Prozessen handelt es sich um Kernprozesse (►Kernprozessmanage ment). Dadurch nimmt die Anzahl der Hierarchieebenen und demnach der Schnittstellen ab (Prinzip der Minimierung der vertikalen und horizontalen Schnittstellen). Gleichzeitig erhalten die MitarbeiterInnen die Entscheidungsbefugnisse, die sie benötigen, um die Kunden im Rahmen des jeweiligen Prozesses zu befriedigen (►Empowerment). Ziel der Rundumbearbeitung ist es, zwischen externem Lieferanten und externem Kunden nach Möglichkeit durchgängige Prozesse ohne Schnittstellen zu gestalten. Literatur
Osterloh, M.: Prozessmanagement als Kernkompetenz. Wie Sie Business Reengineering strategisch nutzen können. 5. Auflage. Wiesbaden (Gabler) 2006
Rückverfolgbarkeit
▶en: traceability Möglichkeit, den Werdegang, die Verwendung oder den Ort eines ►Objekts zu verfolgen
Anmerkung 1 zum Begriff: Bei einem Produkt (3.7.6) oder einer Dienstleistung (3.7.7) kann sich Rückverfolgbarkeit beziehen auf: ◼ die Herkunft von Werkstoffen und Teilen; ◼ den Ablauf der Verarbeitung; ◼ die Verteilung und den Standort des Produkts oder der Dienstleistung nach Auslieferung. Anmerkung 2 zum Begriff: Im Bereich der Metrologie stellt die Definition in ISO/IEC GUIDE 99 die zulässige Definition dar. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
••• ⨀⨀⨀ •••
R
1034
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe S
Smart Factory
Thomas Bauernhansl
S Software-QFD
Schulung interner Auditoren
Georg Herzwurm Uwe Flachsenberg
mit Marcus Dransfeld
Service Blueprint
Wolfgang Fuchs
Sixten Schockert
Six Sigma (6σ)
Carla Mayer
Bernd Leyendecker
S
SPC Statistical Process Control
Hofrat Peter Herbert Osanna
Software Quality Engineering (SQE)
Selbstorganisation
Wieland Jäger
Ernest Wallmüller
Matthew Henry Phineas Riall Sankey
Supply Chain Management
Homer M. Sarasohn Dorian Shainin Walter Andrew Shewhart Shigeo Shingo Shingo Prize Thomas Matys
Service
Hartmut Werner
Statistik im Qualitätsmanagement
Simultaneous Engineering Single Minute Exchange of Die (SMED)
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Stakeholder-Ansatz Statistik im QM Strategie Hans-Dieter Zollondz
Roland Weghorn
Sachbezogener Ansatz
Sankey, Matthew Henry Phineas Riall
Sachbezogener Ansatz
chen und entsprechende Analysen zu unterstützen. Selten waren es die Experten und Ingenieure, die das in diversen Zusammenhängen tradierte eigentlich recht triviale Diagramm beachteten. Es war ein erweiterter Kreis von interessierten Menschen, die mit den Details der Sache nicht vertraut gewesen waren und die trotzdem die entscheidenden Zusammenhänge erkennen wollten. Dazu zählen nun einmal auch die Entscheidungsträger. Das Diagramm, das bereits Anfang des 20. Jahrhunderts „Sankey-Diagramm“ genannt wurde, hat sich demnach eher als didaktisches Mittel durchgesetzt [2]. Genau hierin liegt auch seine Stärke: Es bedient sich der visuellen Darstellung von Verflechtungen in Systemen und ihrer „Kopplungsstärken“ und lenkt damit im wahrsten Sinne des Wortes den Blick auf das Wesentliche – trotz der Totalerfassung der Komplexität, d. h. aller Verflechtungen. Es kann als Ausgangspunkt für die angemessene Vereinfachung und Komplexitätsreduktion von Systemen dienen, z. B. durch Weglassen mengenmäßig vernachlässigbarer Verflechtungen oder durch die hierarchische Gliederung der Stoff- und Energieflüsse von Systemen, bei denen etwa ein Unternehmen im Extremfall nur noch als Black-Box betrachtet wird. Sankey-Diagramme können damit sowohl für Top-DownAnalysen als auch für Bottom-Up-Analysen unterstützend genutzt werden. Interessante Anwendungsfelder eröffnen sich überall, wo man die Black-Box von Systemen „öffnen“ möchte und dies mit einer passenden Visualisierung darlegen will. Das Qualitätsmanagement erscheint mit seinem System- und Prozesscarakter geradezu prädistiniert hierfür zu sein. Ein Beispiel (Abbildung S01) illustriert dies. Ein solches Diagram, in dem Verschwendung und Wertschöpfung recht differenziert aufscheinen, regt in Gruppenzusammenhängen dazu an, nach Lösungen und Prioritäten für weiteres Vorgehen zu suchen.
ISO-Term
Der sachbezogene Ansatz zur Entscheidungsfindung zählt zu den Acht Grundsätzen des Qualitätsmanagements. Er findet sich aber in der neuen ISO 9000:2015 so nicht mehr, da die Acht Grundsätze zurückgezogen wurden. Siehe: ►Grundsätze und Konzepte des Qualitätsmanagements nach ISO 9000:2015-11.
Sachkundiger
▶en: technical expert
Person, die spezielles Wissen oder Fachwissen dem ►Auditteam zur Verfügung stellt
Anmerkung 1 zum Begriff: Spezielles Wissen oder Fachwissen beziehen sich auf die Organisation (3.2.1), den ►Prozess oder die zu auditierende Tätigkeit, die Sprache oder Kultur. Anmerkung 2 zum Begriff: Ein Sachkundiger handelt nicht als ►Auditor des ►Auditteams. [Quelle: ISO 19011:2011, 3.10, geändert — Anmerkung 1 zum Begriff wurde geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Sachleistung
▶Qualitätsmanagement in DL-Organisationen
Sankey, Matthew Henry Phineas Riall
Captain Matthew Henry Phineas Riall Sankey (*1853-1925) stammt als irischer Offizier aus einer Generalsfamilie. Er hat sich während seiner aktiven Militärzeit und danach Wie die Erörterungen gezeigt haben, hat sich das Diagramm sehr intensiv als Ingequasi naturwüchsig über nun etwa 100 Jahre „entwickelt“, nieur mit Thermodyohne dass sich jemand mit seinem methodischen Hinternamik und speziell mit grund und seinen Merkmalen befasst hat. Es gibt also kein der Frage befasst, wie Paradigma, an dem man es erlernen kann. Es findet sich eher man eine ideale „prakzufällig in der Literatur [3]. Soviel kann allerdings gesagt wertische“ Dampfmaschiden: Immer wenn es um Material-, Geld- oder Stoffströme ne definieren kann, wie geht, also um „Fließbilder“, lohnt es sich auf Sankeys Erbe zur deren Wirkungsgrad Vergewisserung seiner selbst, ob man den Gegenstand auch oder die Effizienz gemessen wird. Da der Abb. S01: Sankey-Diagramm – Analyse Wertschöpfung/Muda beste thermodynamische Kreislauf (der CarnotProzess) für praktische Anwendungen zu abstrakt war, verglich Sankey eine „reale“ Dampfmaschine mit einer idealisierten. Deren Wärmeflüsse stellte Verschwendung (Muda) 50% er in einem Schaubild dar. Im Zuge seiner Arbeiten entwickelte er ein Diagramm, das 1898 erstmals von ihm veröffentlicht wurde [1]. Sankey schenkte dieWertschöpfung Ia (60%) ser Darstellung in der Folge keine große AufmerkWertschöpfung I (30%) samkeit. Dennoch wurde es von anderen Fachleuten Wertschöpfung Ib (40%) aufgegriffen un hat sich immer wieder als probates Wertschöpfung II (10%) Mittel erwiesen, um Ineffizienzen in ganz unterWertschöpfung III (5%) Wertschöpfung IV (5%) schiedlichen Produktionssystemen deutlich zu maGesamtleistung (100%)
Nach Sankey genannter Diagramtyp
▶Wertschöpfungsmanagement ▶Wertstrommanagement
1037
S
Sankey, Matthew Henry Phineas Riall
Sarasohn, Homer M. Literatur
verstanden hat und zur Verbesserung der Kommunikation mit anderen, zurückzugreifen. Als implizite Annahmen mögen fünf Punkte genannt sein, die auf der Hand liegen und bei der Erstellung eines Sankey-Diagramms beachtet werden sollten:
[1] Sankey, H. R. (1898): Introductory Note on the Thermal Efficiency of Steam-Engines. Report of the Committee appointed on the 31st March, 1896, to Consider and Report to the Council upon the Subject of the Definition of a Standard or Standards of Thermal Efficiency for Steam-Engines: with an Introductory Note. Minutes of Proceedings of the Institution of Civil Engineers. Vol. 134, 1898 Minutes of Proceedings of the Institution of Civil Engineers. Vol. 134. p. 278 – 283. incl. Plate 5 [2] So auch bereits sehr früh in Deutschland: Riedler, A. (1913): Das Maschinen-Zeichnen. Begründung und Veranschaulichung der sachlich notwendigen zeichnerischen Darstellung und ihres Zusammenhanges mit der praktischen Ausführung. 2. Aufl. Berlin 1913 [3] Rother, M., & J. Shook: Learning to See – Value Stream Mapping to Add Value and Eliminate Muda. Cambridge 1998 [4] So etwa in folgender Schrift: Schmidt, M. & R. Keil, R.: Stoffstromnetze und ihre Nutzung für mehr Kostentransparenz sowie die Analyse der Umweltwirkung betrieblicher Stoffströme. Beiträge der Hochschule Pforzheim Nr. 103. Pforzheim 2002 [5] Braudel, F.: Frankreich. Bd 1.: Raum und Geschichte. Stuttgart (Klett) 1994, S. 233
◼ In der Regel werden Mengengrößen abgebildet, die sich auf eine Zeitperiode beziehen. ◼ Solche Mengengrößen sind extensive Größen, das heißt, sie können addiert werden. ◼ Stillschweigend wird vorausgesetzt, dass eine Energieund Massenerhaltung existiert. ◼ Die Pfeilbreite verhält sich proportional zur dargestellten Menge. ◼ In der Regel werden keine Bestandsgrößen berücksichtigt, das heißt, es gibt keine Lagerbildung. Abschließend sei noch für den historisch interessierten Leser erwähnt, das sich ein Sankey-Diagramm in differenzierten Werken zu Frankreichs Geschichte findet, wo auf die Darstellung des französischen Bauingenieurs Charles Joseph Minard zurückgegriffen wird, der 1869 eine Grafik zu den Verlusten der französischen Armee während Napoleons Russlandfeldzug veröffentlichte, die „Carte figurative des pertes successives en hommes de l‘Armée Française dans la campagne de Russie 1812-1813“ [5]. Möglicherweise kannte Sankey dieses Karte. Er lebte ja in der französischen Schweiz während seiner Ausbildungszeit und hatte sich dort wohl auch mit der französischen Geschichte (Militärgeschichte) befasst. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Sankey-Diagramm ▶Sankey, Matthew Henry Phineas Riall SAP
▶Qualitätsmanagement mit SAP
SAQ
Swiss Association for Quality, Kirchberg (Schweiz)
Sarasohn, Homer M.
Erster Qualitätsexperte in Japan
„A leader‘s main obligation is to secure the faith and respect of those under him. The leader must himself be the finest example of what he would like to see in his followers.“ (Homer M. Sarasohn, 1948)
S
1038
Homer M. Sarasohn (*24.04.1916-28.09.2001), war ein US- amerikanischer Ingenieur. Sarasohn arbeitete bei Raytheon Manufacturing Company in Waltham, MA, wo er eine experimentelle auf Mikrowellen basierende Funkübertragung für die breitbandige Kommunikation der öffentlichen Nutzung geplant, gebaut und installiert hat. Während des Zweiten Weltkriegs war er am MIT Radiation Lab beschäftigt und überwachte dort die Produktion von innovativen Radarsysteme für kritische militärische Anwendungen.
Sarasohn, Homer M. Bedeutung erlangte Sarasohn, als General Douglas MacArthur (damals der Supreme Commander in Japan) ihn nach dem Zweiten Weltkrieg als Leiter der Industrie Abteilung der Besatzungsarmee Bürgerkommunikation (Civil Communication Section – CCS) berief, damit er zusammen mit Charles Protzman die Wiederherstellung des Radio- und Telefonnetzes und der japanischen Elektronikindustrie initiierte. Sarasohn führte in der Zeit von 1946 bis 1950 die Standards der statistischen Qualitätskontrolle in die japanischen Elektronikindustrie ein. Genauer gesagt, ging es zuvorderst um den Neuaufbau einer technischen Infrastruktur für die öffentliche Kommunikation (Radio und Telefon), die bedingt durch den Krieg fast vollständig zerstört worden war. Jedes Herrschaftssystem – so auch die amerikanische Militärregierung unter General MacArthur – war auf ein funktionierendes Kommunikationssystem angewiesen. Die Herstellung seiner Funktionsweise war ein – wenn nicht das primäre – Ziel von MacArthur, denn was nützten seine Weisungen, wenn er sie nicht direkt akustisch über Radio dem japanischen Volk vermitteln konnte. Doch der damals 29jährige Ingenieur verfolgte im Rahmen seines Auftrags nicht nur eine technische Zielsetzung zur Implementierung der Kommunikationsinfrastruktur. Dieser Auftrag verlangte von ihm auch, dass das Management der ausführenden Elektronikindustrie eine entsprechende Ausbildung erfuhr. Zusammen Mit Protzman führte Sarasohn Seminare für das japanische Management ein, die unter der Bezeichnung „Industrial Management“ als CSS-Seminare durchgeführt wurden. Den Begleittext bildete ein Buch, das heute noch in Japan verlegt wird [1]: The Fundamentals of Industrial Management (Abbildung S02). In den Seminaren wurden die Führungsgrundlagen bezogen auf die statistiAbb. S02: Sarasohn & Potzman: The Fundamentals of Industrial …
Schindlerhof Diese Sachverhalte sind wenig bekannt, was wohl damit zusammenhängt, dass die Aufbauphase unter der Ägide von General Mac Arthur Anfang der 1950er Jahre zu Ende ging und Sarasohns Wirken eng an diese Periode geknüpft war. Dagegen traten Deming und Juran zu Beginn der 1950er Jahre in die Fußstapfen von Sarasohn und Protzman. Sie setzten auf einem bereiteten Nährboden auf, der sich durch ihre und die der ►JUSE immer weiter entfaltete. Sarasohn und Protzmans Wirken als Pioniere des Qualitätsmanagements in Japan erhielt auf jeden Fall außerhalb von Japan keine Resonanz. Die JUSE wurde die dominante Vereinigung. Sie bestimmte die Richtung und etablierte den neuen Kurs, indem der japanische Qualitätspreis Deming Award genannt wurde und seine jährliche Ausschreibung erfuhr. So half die JUSE Deming und dann auch Juran ihren Platz in der Geschichte des Qualitätsmanagements zu geben, der Sarasohn verwehrt wurde. Damit verfestigte sich das Deming-/Juran-Bild vom amerikanischen Qualitätsmanagement-Export nach Japan. Sarasohn geriet in Vergessenheit. Seine Verdienste um den Wiederaufbau in einem wichtigen Element des japanischen Wirtschaftssystem erlangten nicht die Würdigung, die ihnen eigentlich gebührt hätte. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Sarasohn, H. M. & Ch. Protzman: The Fundamentals of Industrial Management. CCS Management Course. Tokyo (Civil Communications Section – CCS) 1948 [2] Fisher, N. I.: Homer Sarasohn and American Involvement in the Evolution of Quality Management in Japan, 1945-1950. In: International Statistical Review, 77, 2, 2009, page 276-299
Sarbanes Oxley Act
▶Corporate Governance
(Sankt=St) St. Galler Ansatz Integriertes Management ▶Integriertes Qualitätsmanagement, der St. Galler Ansatz
SCC
schen Grundlagen des „Quality Control“-Ansatzes vermittelt, bei dem sich die Autoren und Seminarleiter auf das Werk von ►Shewhart gestützt haben, also auf die identische Basis, auf der auch William Edwards ►Deming aufgebaut hat. Der Shewhart Circle war also damals auch Seminargegenstand. Nachdem Sarasohn und Potzman im Jahr 1950 ihren Auftrag durchgeführt und Japan verlassen hatten, übernahm die Japan Management Association ( JMA) bis in die 1970er Jahre die Fortführung der Seminare.
▶AMS-Ansätze Sicherheits Certificate Contractoren (de: SCC-Managementsystem für Sicherheit). Forderungen an Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltmanagementsysteme. Standard der niederländischen Mineralöl- und petrochemischen Industrie, der 1989 entwickelt wurde. Ziel war es, bei der Vergabe von Wartungs- und Montagearbeiten oder Bauprojekten einheitliche Forderungskriterien an das Sicherheitsmanagement der Auftragnehmer zu stellen.
Schindlerhof
▶European Excellence Award (EQA) Legendäres Landhotel Schindlerhof Klaus Kobjoll GmbH in Nürnberg-Boxdorf (zwischen Erlangen und Nürnberg) hat im Jahr 1998 den ►Ludwig-Erhard-Preis (LEP) gewon nen. Gleichzeitig wurde dem Schindlerhof im selben Jahr der
1039
S
Schmitt, Robert ►European Quality Award (EQA) – independent SME – der ►EFQM verliehen. Der Schindlerhof wurde außerdem 1995 als erstes Hotel Deutschlands nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert. Das Unternehmen erwirtschaftete mit 52 Mitarbeitern 1998 einen Umsatz von ca. 8,5 Mio. DM.
▶Aachener Qualitätsmanagement Modell
elektrische Nachrichtentechnik. Nach seinem Wehrdienst war er bis 1996 wissenschaftlicher Angestellter am WZL der RWTH, 1999 Promotion an der RWTH Aachen, Fakultät für Maschinenwesen, zu einem Thema der robotergestützten Messtechnik. Von 1997 bis 2004 hatte er in der damaligen MAN Nutzfahrzeuge AG leitende Funktionen im Qualitätsmanagement und in der Montage von Nutzfahrzeugen, zuerst in München, dann bei der damaligen MAN Steyr AG in Steyr (A) inne. Er ist u. a. Mitglied im Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDI), Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE), Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (wgp), International Academy for Production Engineering (CIRP), ►Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V. (DGQ) und ►Gesellschaft für Qualitätswissenschaft e. V. (GQW), in den beiden letztgenannten Gesellschaften auch als Vorstand tätig. Schmitts zentrales Interesse am Qualitätsmanagement liegt auf der Schaffung von Strukturen, mit denen Prozessverbesserungen anhand durch Messtechnik gewonnener Informationen erreicht werden können. Das ►Aachener Qualitätsmanagement Modell (zus. mit T. ►Pfeifer) spiegelt diesen mehrperspektivischen Ansatz wider, der sich auch im Lehrstuhl in den Forschungsschwerpunkten modellgestützter Systeme, hier am Beispiel der informationsgetriebenen Messtechnik und der sensorbasierten Montage, und Informationssystemen für das Qualitätsmanagement und ihrer Auswirkung auf die Arbeitswirklichkeit der handelnden Personen abbildet. Über 400 Veröffentlichungen in Journalen, Fachzeitschriften und auf Konferenzen, Herausgeberschaft mehrerer Bücher (u. a. Mitherausgeberschaft von Masing Handbuch Qualitätsmanagment) und Patente.
Geb. 1961, seit dem 1. September 2004 Inhaber des Lehrstuhls für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement, in dieser Funktion Direktor des Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen. Seit Januar 2005 ist er Direktoriumsmitglied des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT und dort Leiter der Abteilung Produktionsqualität und Messtechnik. Von 2012 bis 2014 war er nach mehrjähriger Mitwirkung im Dekanat der Fakultät für Maschinenwesen (u. a. Kommission für Lehre, Strategiekommission und Professorensprecher) Dekan dieser Fakultät. Er erhielt 1989 ein Diplom der RWTH Aachen in Elektrotechnik, Fachrichtung
Literatur: Herausgeberschaft des von W. Masing begründeten „Handbuch Qualitätsmanagement“ (5. und 6. Auflage 2007 und 2014) zus. mit Tilo Pfeifer; „Perceived Quality – Subjekte Kundenwahrnehmeung in der Produktentwicklung nutzen ” (1. Auflage 2014) ; „Qualitätskultur“ (1. Auflage 2015) zus. mit Martin Plutz, Alexander an Haack, Sabina Jeschke. Autorenschaft zus. mit T. Pfeifer Grundlagenwerkes „Qualitätsmanagement. Strategien – Methoden – Techniken“ (5. Auflage 2015); „Basiswissen Qualitätsmanagement“ (1. Auflage 2015) zus. mit Verena Heinrichs, Stephan Losse und Malte Schröder; „Industrielles Energiemanagement“ ( 1. Auflage 2014) zus. Mit Sebastian Günther; “Fertigungsmesstechnik” (3. Auflage 2010) zus. mit Tilo Pfeifer. – Design and Management of Manufacturing Systems for Production Quality. Marcello Colledani, Tullio Tolio (1), Anath Fischer (1), Benoit Iung (2), Gisela Lanza (2), Robert Schmitt (2), Jozsef Vancza (1), CIRP Annals - Manufacturing Technology, Volume 63, Issue 2, 2014, Pages 773 pp. – Industrial Applications of Computed Tomography. L. De Chiffre (1), S. Carmignato (2), J.P. Kruth (1), R. Schmitt (2), A. Weckenmann (1) CIRP Annals - Manufacturing Technology, Volume 63, Issue 2, 2014, Pages 655pp. – Self-optimising Production Systems. In: Integrative Production Technology for High-Wage Countries Schmitt, R., Brecher, C., Corves, B., Gries, T., Jeschke, S., Klocke, F., ... & Pyschny, N. (pp. 697-986). Springer Berlin Heidelberg 2012. – Thermal Issues in Machine Tools. Josef Mayr, Jerzy Jedrzejewski, Eckart
Quelle: Fischer, E.: Dienstleistungsqualität in einem Landhotel mit Restaurant und Kreativzentrum. In: Gläbe, R., and H. J. Thomann (Hrsg.): Qualitätsmanagement in Dienst leistungsunternehmen. Aktuelles Praxishandbuch mit direkt verwertbaren Arbeitshilfen auf Begleit-CD-ROM. Loseblattsammlung. Köln: TÜV-Verlag 1999, Teil A1.1-1 – Dies.: Mit Herzlichkeit den Markt erobern. Der Weg eines Mittelklasse-Hotels, durch hervorragenden Service höchste Qualitätsauszeichnungen zu erreichen. In: QZ 4/1999, S. 435-438. – o. V.: Durch Motivation und Wissen an die Spitze. In: QZ 2/1999, S. 134-136
Schlüsselprozesse
▶Kernprozesse ▶Prozessmanagement Prozesse, die für das Unternehmen strategisch wichtig sind und entscheidend zum Geschäftserfolg beitragen. Mithilfe der folgenden Entscheidungsfaktoren können Schlüsselprozesse identifiziert werden: Wertschöpfung, Kundennutzen und eigenes Know-how. Schlüsselprozesse können Kern-, Management- oder Unterstützungsprozesse sein. Beispiel: Zwei Bildungsanbieter bieten das gleiche Angebot in der gleichen Qualität an. Einer von beiden verfügt über eine ausgezeichnete Vermarktungsstrategie, die ihm den betriebswirtschaftlichen Erfolg sichert. Somit ist der Unterstützungsprozess „Vertrieb“ zentral für den Erfolg des Unternehmens und damit ein Schlüsselprozess.
Deutscher Qualitätsexperte
Schmitt, Robert
S
Schmitt, Robert
1040
Schnauber, Herbert Uhlmann, M. Alkan Donmez, Wolfgang Knapp, Frank Härtig, Klaus Wendt, Toshimichi Moriwaki, Paul Shore, Robert Schmitt, Christian Brecher, Timo Wärz, Konrad Wegener. CIRP Annals - Manufacturing Technology, Volume 61, Issue 2, 2012, Pages 771pp. – Design and assessment of quality control loops for stable business processes. Robert Schmitt, László Monostori, Henrik Glöckner, Zsolt János Viharos. CIRP Annals - Manufacturing Technology, Volume 61, Issue 1, 2012, Pages 439pp. – Inline Process Metrology System for the Control of Laser Surface Structuring Processes. Robert Schmitt, Guilherme Mallmann, Kai Winands, Mario Pothen. Physics Procedia, Volume 39, 2012, Pages 814-822. – Computed tomography for dimensional metrology. J. P. Kruth, M. Bartscher, S. Carmignato, R. Schmitt, L. De Chiffre, A. Weckenmann. CIRP Annals - Manufacturing Technology, Volume 60, Issue 2, 2011, Pages 821-842. Self-optimizing assembly of laser systems. Peter Loosen, Robert Schmitt,
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Arbeitsphysiologie in Dortmund und promovierte 1969 im Fachbereich Maschinenbau an der TH Darmstadt. Anschließend arbeitete er als Leiter der Stabsstelle Ergonomie der Hoesch-Werke AG in Dortmund (1970 bis 1972). Von 1972 bis 1985 war er in Lehre und Forschung im Fachbereich Maschinenbau an der Universität Siegen, Lehrgebiet Arbeitswissenschaft, tätig; dort erfolgte 1980 auch die Habilitation und die Verleihung der Venia Legendi (Lehrbefähigung) auf dem Gebiet Fertigungstechnik und Arbeitswissenschaft. 1980 erging ein Ruf auf den Lehrstuhl für Arbeitswissenschaften an die Technische Universität Hamburg-Harburg. 1984 folgte dann der Ruf an die Ruhr-Universität Bochum. 1990 gründete er die Firma Innosys GmbH & Co. KG (Gesellschaft für innovative Arbeitssysteme), deren Geschäftsführer er bis 2013 war.
duction Engineering, vol. 5, no. 4, pp. 443-451, 2011. – Product Quality from the Customers’ Perspective–Systematic Elicitation and Deployment of Perceived Quality Information. Falk, Björn, Bastian Quattelbaum, and Robert Schmitt. Proceedings of the 6th CIRP-Sponsored International Conference on Digital Enterprise Technology. Springer Berlin Heidelberg, 2010. – Readjusting image sharpness by numerical parametric lenses in Forbes-representation and Halton sampling for selective refocusing in digital holographic microscopy. Stürwald, Stephan; Schmitt, Robert. SPIE Optics + Photonics 2010 - Conferences + Courses: 1-5 August 2010 San Diego; Proceedings of SPIE ; 7767 S./Art.: 767-778. – Fiber-optical measurement of form deviations of rotation-symmetric parts. – Robert Schmitt, Niels König, Guilherme Francisco Mallmann, Frank Depiereux. Measurement, Volume 43, Issue 5, June 2010, Pages 714718. – On-the-fly calibration of linear and rotary axes of machine tools and CMMs using a tracking interferometer. H. Schwenke, R. Schmitt, P. Jatzkowski, C. Warmann. CIRP Annals - Manufacturing Technology, Volume 58, Issue 1, 2009, Pages 477-480. – Geometric error measurement and compensation of machines—An update. – H. Schwenke, W. Knapp, H. Haitjema, A. Weckenmann, R. Schmitt, F. Delbressine. CIRP Annals - Manufacturing Technology, Volume 57, Issue 2, 2008, Pages 660-675. – Productive Metrology - Adding Value to Manufacture. H. Kunzmann, T. Pfeifer, R. Schmitt, H. Schwenke, A. Weckenmann. CIRP Annals - Manufacturing Technology, Volume 54, Issue 2, 2005, Pages 155-168.
Von 1993 bis 2001 organisierte und gestaltete Schnauber jährlich die Bochumer Qualitätstage, die zu einer bedeutenden Veranstaltung für Qualitätsmanager im Ruhrgebiet, aber auch weit darüber hinaus wurden und zu denen hervorragende Vertreter des Qualitätsmanagements als Autoren gewonnen werden konnten. Beispielsweise war Walter Masing mehrfach Gast in Bochum.
Christian Brecher, Rainer Müller, Max Funck, Alexander Gatej, Valentin Morasch, Alberto Pavim, Nicolas Pyschny. Pro-
Schnauber, Herbert Deutscher Qualitätsexperte
Schnauber, Herbert
Geb. 1938, Prof. em. Dr.-Ing. habil., von 1985 bis zur seiner Emeritierung im Jahre 2003 Inhaber des Lehrstuhls Arbeitssystemplanung und -gestaltung (LAS) am Institut für Arbeitswissenschaft, einer zentralen wissenschaftlichen Einrichtung der RuhrUniversität Bochum. Schnauber studierte Eisenhüttenkunde an der RWTH Aachen (1958 bis 1963), war von 1964 bis 1970
Seit 1989 bis heute ist Schnauber Mitglied der ►Deutschen Gesellschaft für Qualität e. V. (DGQ). Im gleichen Jahr wurde er Gründungsmitglied der ►Forschungsgemeinschaft Qualitätssicherung (FQS). Seit 1994 gehörte er dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) an und war von 1998 bis 2010 ihr Vizepräsident, davor bereits von 1989 (bis 2003) Leiter des Regionalkreises Ruhrgebiet der DGQ. Seit 2006 bis heute leitet er den Regionalkreis Siegen der DGQ, war Delegierter von 2010 bis 2014 und wurde für den Zeitraum 2014 bis 2018 erneut als Delegierter der DGQ bestätigt. Schnauber ist Gründungsmitglied (1994) der ►Gesellschaft für Qualitätswissenschaft e. V. (GQW). Ebenfalls seit 1996 ist er Mitglied der ►International Academy for Quality (IAQ). Schnauber war von 1976 bis zu dessen Auflösung im Jahr 2010 Mitglied des REFA-Bezirksvorstandes Siegen und von 1990 bis 2000 Vorstandsmitglied für den wissenschaftlichen Bereich im REFA-Gebietsverband Nordwestdeutschland e. V. Als Initiator und Jury-Vorsitzender des NordrheinWestfälischen Qualitätspreises sowie als Jurymitglied der Qualitätspreise in den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hat er in der Zeit von 1996 bis 2003 wesentlichen Anteil an der Verbreitung des Excellence-Gedankens. Schnauber gilt vor allem aber als Mitinitiator des ►LudwigErhard-Preises, dessen Jurymitglied er von 1997 bis 2006 war. 1997 organisierte Schnauber die 1. Verleihung des „LudwigErhard-Preises – Auszeichnung für Spitzenleistungen im Wettbewerb“ in Berlin unter der Schirmherrschaft des Herrn Bundespräsidenten Roman Herzog und war 2004 Vorsitzender der Programmkommission des EFQM-Forums in Berlin mit mehr als 1000 Teilnehmern. Darüber hinaus wurden mehrere wissenschaftliche Tagungen der DGQ in den Jahren 1998 bis 2004 von Schnauber geleitet. Im Jahre 2012 ernannte ihn die Delegiertenversammlung auf Vorschlag des Vor-
1041
S
Schnauber, Herbert standes zum Ehrenmitglied der DGQ. Seit 2013 ist er Chairman des Walter-Masing-Book-Prize der IAQ. Schnauber hat vielfältig zur Arbeitswissenschaft und zum Qualitätsmanagement geforscht und publiziert. Im Auftrag des DGQ-Vorstandes ist er seit 2005 Herausgeber der QZ – Zweitschrift für Qualität und Zuverlässigkeit. Herbert Schnauber bekam aufgrund seiner vielfältigen ehrenamtlichen Tätigkeiten u.a. auch im Bereich des Tennissports im Jahre 1998 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. So beeinflusste er z. B. die Ausgestaltung der sogenannten „Sportanlagen-Lärmschutz-Verordnung“ in ihrer Anwendung auf Tennis- und Bolzplätze maßgeblich. Literatur (Auswahl)
S
Schnauber, H.: Arbeitswissenschaft, Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH., Braunschweig 1979 Schnauber, H.: Man under vibration Difficulties of the evaluation of stress due to mechanical vibration suffered by mankind, Proceedings of the International CISM IFToMM-Symposium, Udine, Italy, April 3-6, 1979, edited by Bianchi, G., Milan, Frolov, K. V., Moscow, and Oledzki, A., Warsaw, Elsevier Scientific Publishing Company, Amsterdam-Oxford-New York PWN - Polish Scientific Publishers, Waszawa 1981 Schnauber, H.: Instrumente, Ergebnisse und Probleme arbeitswissenschaftlicher Begleituntersuchungen zur Ent¬wicklung und Implementierung neuer Fertigungstechnologien, in: PDV Berichte „Neue Fertigungstechnologien und Qualität der Arbeitsplätze“, Hrsg.: Dr. P. Brödner, Kernforschungszentrum Karlsruhe, 1981 Schnauber, H.: Development of a Continous Finishing Line to Improve Working Conditions, in: Ergonomics of Hybrid Automated Systems I, Hrsg.: W. Karwowski, H. R. Parsaei und M. R. Wilhelm Elsevier, Amsterdam-Oxford-New York-Tokyo 1988, Seite 671-687 Schnauber, H.: Qualität und Flexibilität durch neue Arbeits- und Produktionssysteme, in: Elbracht, D., Schnauber, H. und Wildemann, H.: Fabrikstrukturierung – Neue Produktions- und Arbeitssysteme für die Märkte in Ost- und Westeuropa, gfmt, München 1990, S. 187-216 Reinhart, G. / Schnauber, H. (Hrsg.): Qualität durch Kooperation. Handbuch für Interne und Externe Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Springer Verlag, Berlin, 1997. Schnauber, H.: Klasse an der Spitze – Vom Management der Qualität zur Qualität des Managements – Verlagsbeilage der FAZ – Qualitätsmanagement – Nummer 262, 11. November 2002 Schnauber, H. (Hrsg.): Kreativ und Konsequent – Walter Masing, ein Leben für die Qualität. Carl Hanser Verlag, München- Wien 2006 Schnauber, H. und Schuster, A. (Hrsg.): Erfolgsfaktor Qualität – Einsatz und Nutzen des EFQM-Excellence-Modells. Symposion Publishing, Düsseldorf 2012 Schnauber, H.: Qualitätsmanagement in der Unternehmensführung – Management der Qualität oder Qualität des Managements? In: Tilo Pfeifer, Robert Schmitt (Hrsg.): Masing – Handbuch Qualitätsmanagement, 6. überarbeitete Auflage, Carl Hanser Verlag München-Wien 2014, S. 1010-1021
1042
Schnittstelle Schnittstelle
▶en: Point of Interaction Allgemein werden mit dem Begriff Schnittstelle sich berührende bzw. überlappende Aufgaben- und Kompetenzbereiche von Mitarbeitern in Arbeitsgruppen und zwischen Arbeitsgruppen bezeichnet, die Aktivitäten erfordern, um die Aufgaben- und Verantwortungsbereiche untereinander abzustimmen. Es kommt darauf an, an diesen Schnittstellen nicht nur klärend tätig zu sein, sondern auch die gegenseitige Mitverantwortung für den anderen Mitarbeiter klarzustellen und festzulegen. Aus der Sicht der Organisation spricht man deshalb auch von Schnittstellen-Management (►KundenLieferanten-Beziehungen – KLB). Für das Qualitätsmanagement hat W. Geiger auf der Grundlage des allgemeinen Schnitt stellenbegriffs (DIN 443001:1988-11) die QM-Schnittstelle wie folgt definiert [1]: „Übergang an der Grenze zwischen zwei Funktionseinheiten des Qualitätsmanagements (QM-Elementen) mit vereinbarten Regeln (Schnittstellen zu stän digkeiten) für die Übergabe von Einheiten (Daten, Signalen, Produkten).“ Grundlage für ein Schnittstellen-Qualitäts management [2] ist die Festlegung von Zuständigkeiten elementar. Die Grundlage hierfür bildet eine QM-Zuständigkeitsmatrix. Aus der Sicht des ►Beschwerdemanagements befasst sich B. Stauss mit der Bestimmung von Schnittstellen [3]: „Schnittstellen markieren dabei Punkte im Prozess, an denen der Output eines Prozessschrittes zugleich den Input der nachgelagerten Aktivität darstellt, die von einem anderen Funktionsbereich oder einer Vertriebseinheit ausgeführt werden. Diese Festlegung sollte möglichst durch cross-funktionale Teams erfolgen, deren Mitglieder sich aus den beteiligten unternehmerischen Einheiten zusammensetzen. Durch die Ber ücksichtigung verschiedener Sichtweisen kann dadurch die effizienteste Aufgabenverteilung gefunden werden. Zudem wird ein Konsens über den Pro zessablauf erreicht, und alle Mitarbeiter sind darüber informiert, von wem sie in welchen Fällen den Beschwerdefall erhalten, welche Arbeiten sie in welchem Zeitraum ausführen müssen und an wen sie den Fall weiterzuleiten haben.“ Um die ergonomische Gestaltung der Mensch-MaschineSchnittstelle (Interface) geht es in der Informatik sowohl hardware- wie auch softwareergonomisch. Als Standard an die Software werden benutzerfreundliche grafische Oberflächen gefordert (GUI). Vorreiter auf diesem Gebiet ist von Anfang an der Computerpionier Apple mit seinem MAC-OS, in dem mit dem Desktop/Finder der Schnittstellencharakter digitalisiert wurde. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Schulung interner Auditoren Literatur
[1] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminologie. 3. Auflage, Braunschweig-Wiesbaden 1998, S. 180 [2] Haußmann, U.: Mit Ordnung gewinnen. Planung und Prüfung von Schnittstellen im Managementsystem. In: QZ 45 (2000) 2, S. 184-190 [3] Stauss, B.; Seidel, W.: Beschwerdemanagement. Fehler vermeiden – Leistung verbessern – Kunden binden. München-Wien (Hanser) 1996, S. 134f
Schulqualität
▶Qualitätsmanagement in Schulen
Schulung
▶Implementierung von QM-Systemen (Training) ▶Schulung interner Auditoren ▶Training
Schulung interner Auditoren
Begriff
▶en: Training of intern auditors ▶Schulung interner Qualitätsauditoren ▶Audit ▶Auditarten | ▶Auditauftraggeber ▶Auditbericht | ▶Auditfragetechnik ▶Auditfeststellung | ▶Auditierte Organisation ▶Auditkriterien | ▶Auditleiter ▶Auditnachweis | ▶Auditor ▶Auditplan | ▶Auditprinzipien ▶Auditprogramm | ▶Auditprotokoll ▶Auditschlussfolgerungen | ▶Auditteam ▶Auditumfang ▶Abschlussgespräch ▶Änderungsaudit ▶Qualitätsaudit ▶Training 1 Begriff nach ISO 9000:2015 Unter einem Audit wird ein systematischer, unabhängiger und dokumentierter ►Prozess zum Erlangen von objektiven ►Nachweisen und zu deren objektiver Auswertung, um zu bestimmen, inwieweit ►Auditkriterien erfüllt sind, verstanden. Diese Definition lässt es zu, Audits auf unterschiedliche Bereiche zu beziehen, wie das Umweltmanagement oder das IT-Management. Folglich ist Audit der neue Oberbegriff, dem auch das Qualitätsaudit als Unterbegriff zugeordnet ist. Das Qualitätsaudit ist als Begriff nicht mehr genormt, aber inhaltlich ändert dies nichts. 2 Einleitung Wenn man von einem ►Qualitätsaudit spricht, muss in ein externes bzw. ein internes Qualitätsaudit unterschieden werden. Ein externes Qualitätsaudit wird in der Organisation des Lieferanten bzw. des Auftragnehmers auf Veranlassung durch eine ►Zertifizierungsstelle oder auf Veranlassung eines Auftraggebers durchgeführt. Ein internes Qualitätsaudit ist ein auf Veranlassung der Leitung der Organisation durchgeführtes Qualitätsaudit. Es bezweckt, daß die Leitung der
Schulung interner Auditoren Organisation den auditierten Bereich qualitätsbezogen besser beurteilen kann, regelmäßig und aus besonderem Anlass bzw. zur Vorbereitung oder Unterstützung einer ►QM-Be wertung. Dementsprechend werden interne Qualitätsaudits periodisch und aus besonderem Anlaß durchgeführt. Das dafür nötige Personal sind die internen Qualitätsauditoren. Die für diese Gruppe konzipierte Schulung orientiert sich zunächst an den Aufgaben interner Qualitätsauditoren. 3 Aufgaben interner Qualitätsauditoren Der interne Qualitätsauditor informiert zu Beginn des internen Qualitätsaudits die Mitarbeiter des Unternehmens über den Zeitpunkt der Befragung und über den Sinn und Zweck des Audits. Hierdurch kann den Mitarbeitern die Angst vor einem Audit, also einer Überprüfung, genommen werden und die Bereitschaft zur Kooperation erhöht werden. In der Informationsveranstaltung soll deutlich werden, dass nicht der Mitarbeiter sondern das QM-System überprüft wird. Bei dieser Überprüfung und Verbesserung des QM-Systems können die Mitarbeiter einen wesentlichen Beitrag leisten. Der interne Qualitätsauditor wird in der Vorbereitungsphase des internen Qualitätsaudit die QM-Unterlagen des Unternehmens sammeln und auf Normenkonformität überprüfen. Ist die Normenkonformität gewährleistet, kann der internen Auditor den für die Durchführung des Audits wichtigen ►Auditplan erstellen und an die Geschäftsleitung sowie an die auditierten Abteilungen verteilen. Nach einer Besichtigung der für das Audit relevanten Bereiche wird das interne Qualitätsaudit in Form von Interviews mit den entsprechenden Verantwortlichen dieser Bereiche durchgeführt. Ein wichtiges Hilfsmittel zur Befragung ist der Fragenkatalog, der dem internen Qualitätsauditor die Mög lichkeit gibt, seine Fragen, die gegebenen Antworten und die Bewertung dieser Antworten im Sinne der Norm einzutragen. Abschließend wird von ihm ein Auditbericht, der die Ergebnisse des internen Qualitätsaudits enthält, verfaßt und an die Geschäftsführung und die auditierten Abteilungen versendet. Sollten die aufgedeckten Mängel des ►QM-Systems nach einer festgesetzten Frist nicht behoben sein, wird der interne Qualitätsauditor ein Folgeaudit durchführen. Im folgenden sind die bei der Durchführung von internen Qualitätsaudits auftre ten den Aufgaben und Verant wort lich kei ten in einer Verantwortlichkeitsmatrix (Abb. S03) dargestellt. Diese gibt eine Gesamtübersicht über die zu verrichtenden Tätigkeiten und über die Verantwortlichkeiten wieder. Aus diesem Aufgabenspektrum resultieren nun die Qualifikationsanforderungen an interne Qualitätsauditoren. 4 Qualifikationsforderungen an interne Qualitätsauditoren Die auf den Aufgaben interner Qua li täts au di toren beruhenden Qualifikationsforderungen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Fachliche und kommunikativ orientierte Fähigkeiten.
1043
S
Schulung interner Auditoren
Schulung interner Auditoren
Auditor
Mitarbeiter
Tätigkeit
Geschäftsleitung
Abb. S03: Verantwortlichkeitsmatrix – Interne Audits
Umfang, Zeitpunkt des Audits festlegen Bestimmung des Auditors
D D
M
I
Durchführung einer Informationsveranstaltung M Sammeln von QM-Dokumenten Überpfüüung der QM-Dokumente Erstellen eines Auditzeitplanes
D M
I D D
I
Erstellen eines Fragenkatalogs Erstellen eines Auditplanes
D M
Verteilen des Auditplanes Besichtigungen durchführen Führen von Interviews Erstellen eiens Auditberichtes
I D M
Verteilen des Auditberichtes Einleitung von Korrekturmaßnahmen Korrekturmaßnahmen umsetzen Folgeaudit durchführen
D D D M
I D D
M
D
I
D D
M I M M
textes des Interviewten in die Empfänger-Rolle, wofür er zumindest gut zuhören können soll. Für das Au ditgespräch muss er sich darüberhinaus um eine gute Gesprächsführung bemühen, die durch einen strukturierten Gesprächstext und eine positive kommunikative Beziehung zu erreichen ist. Weiterhin soll der interne Qualitätsauditor persönliche Eigenschaften wie eine gewisse Kontaktfreudigkeit und persönliche Eigenschaften wie Gewissen haftigkeit oder Auffassungsgabe mitbringen. Er soll weiterhin über eine höhere Schulbildung, eine vierjährige Berufserfahrung und eine zweijährige Berufs erfahrung im Qualitätsmanagement verfügen. Die in nun in Kapitel erörterten Forderungen an die Qualifikation entsprechen der im Training vermittelten Fachund Sozialkompetenz. 5 Schulungsinhalte der Fach- und Sozialkompetenz Die im Rahmen eines Trainings vermittelte Fach- und Sozialkompetenz soll den interne Qualitätsauditoren dazu befähigen, ein internes Qualitätsaudit erfolgreich durchzuführen. Dazu muss folgendes vermittelt werden.
5.1 Fachkompetenz Im Rahmen einer Schulung interner Qua Legende litätsauditoren werden zunächst die Grund begriffe D = Durchführungsverantwortung des Qualitätsmanagements vermittelt. Hierzu gehöM = Mitwirkung I = Erhalt von Informationen ren Fachbegriffe wie Qualität, Qualitätsmanagement, Qualitätsmanagementsystem (QM-System), etc. Zunächst stehen die fachlichen Fähigkeiten der internen Weiterhin ist in diesem Zusammenhang die Norm der ISO Qualitätsauditoren im Vordergrund. Diese können inhaltlich 9000-Familie zu nennen, die für Darlegungszwecke anzuwenunter dem Begriff Fachkompetenz wie folgt zusammengefaßt den ist. werden: D
◼ Kenntnisse über Vorgehensweise beim internen Qualitätsaudit (für die Durchführungsaufgaben des internen Qualitätsauditors innerhalb des Audits), ◼ Kenntnisse der Normen (für die Überprüfung der QMDokumentation auf Normenkonformität), ◼ Kenntnisse der Fachbegriffe (für den richtigen Umgang mit dem Fachvokabular während des Audits), ◼ Kenntnisse von Arbeitsprozessen (für eine gezielte Überprüfung der im QM-System festgelegten Prozesse).
S
Allerdings garantieren diese Kenntnisse noch nicht den Erfolg interner Qualitätsaudits, da die Interviews während der Durchführungsphase nicht selten an der mangelnden Kommunikation und Gesprächsführung der internen Qualitäts auditoren scheitern. Somit erfordert eine erfolgreiche Durch führung interner Qualitätsaudits neben der Fachkompetenz auch die mit den kommunikativ orientierten Fähigkeiten verbundene Sozialkompetenz. Während der Durchführungsphase übernimmt der interne Qualitätsauditor zunächst als Fragender eine Sender-Rolle und muss dafür einen verständlichen Sprachcode finden. Anschließend wechselt er beim Empfangen des Gesprächs
1044
Zur Überprüfung der Dokumentation eines QM-Systems müssen internen Qua li tätsauditoren der grundsätzlichen Aufb au der Dokumentation von QM-Systemen verdeutlicht werden. Diese besteht im wesentlichen aus drei Ebenen: ◼ Qualitätsmanagement-Handbuch ◼ QM-Verfahrensanweisungen ◼ Arbeits- und Prüfanweisungen. Der für den internen Qualitätsauditor zentrale Begriff ist das Qualitätsaudit, oder kurz ►Audit. Es dient dem Überprüfen aller qualitätssichernden Maßnahmen in einem Unternehmen. Durch die Untersuchung der Qualitätsaktivitäten können Schwachstellen gefunden, Abhilfemaßnahmen festgelegt und ihre Verwirklichung überwacht werden. Das Qualitätsaudit ist eine „systematische und unabhängige Un tersuchung, um festzustellen, ob die qualitätsbezogenen Tä tigkeiten und die damit zusammenhängenden Ergebnisse den geplanten Anordnungen entsprechen, und ob diese An ordnungen wirkungsvoll verwirklicht und geeignet sind, die Ziele zu erreichen“. Das Qualitätsaudit wird typischerweise auf ein QM-System oder auf QM-Elemente, auf Prozesse oder auf Produkte (ein
Schulung interner Auditoren schließlich Dienstleistungen) angewendet, ist jedoch nicht darauf beschränkt. Solche Qualitätsaudits werden oft System audits, Verfahrensaudits, Produktaudits oder Dienstleistungs audits ge nannt. Von Ver fah rens audit, Produktaudit oder Dienstleistungsaudit wird gesprochen, wenn die Wirksamkeit von QM-Elementen anhand von Verfahren, Produkten oder Dienstleistungen untersucht wird. Von Systemaudit spricht man, wenn die Wirksamkeit des QM-Systems als Ganzes untersucht wird. Dem internen Qualitätsauditor sollten die zur Durchführung eines internen Qua litäts audits benötigten Hilfsmittel bekannt sein: ◼ Auditzeitplan ◼ Fragenkatalog ◼ Auditplan. Ein interner Qualitätsauditor sollte die Vorgehensweise bei internen Qualitätsaudits, die aus 5 Phasen besteht, beherrschen: 1 In der Planungsphase legt die Unternehmensleitung des zu auditierenden Unternehmens die Auditziele bzw. den Auditumfang festlegt und bestimmt ein Auditteam und seinen Auditleiter. 2 In der Vorbereitungsphase wird die Prüfung der Dokumente und die Aufstellung des Auditplans vorgenommen. 3 Die Durchführungsphase beginnt zunächst mit einem Einführungsgespräch der Führungskräfte und der be troffenen Mitarbeiter. Erst dann erfolgt die Befragung der Mitarbeiter, um die entsprechenden Arbeitsbereiche, die Tätigkeiten und ggf. die gefertigten Einheiten zu begutachten. 4 In der Auswertungphase wird das Auditgespräch ausgewertet, so daß dann der Auditbericht erstellt werden kann. In diesen Bericht gehören Schwachstellen und Korrekturmaßnahmen (z. B. Qualifizierung des Perso nals). 5 In der Nachbereitungsphase werden diese Korrekturmaßnahmen eingeleitet und auf ihre Wirksamkeit überprüft. Bei gröberen Mängeln muss ein Wiederholungsaudit durchgeführt werden. 5.2 Sozialkompetenz Für die in der Durchführungsphase stattfindenden Interviews mit den Mitarbeitern der auditierten Abteilung benötigt der interne Qualitätsauditor eine gute Kommunikation (►Kom munikation in Führung und QM): ◼ Der interne Qualitätsauditor sollte dabei seine Fragen in einer verständlichen Sprache stellen. Dazu verwendet er kurze Sätze mit einem einfachen Satzbau und vermeidet lange oder komplizierte Schachtelsätze. Zudem sind für eine verständliche Sprache geläufige Wörter bzw. For mulierungen charakteristisch. Ebenfalls sind Fremdwörter zu vermeiden. Falls dies aber nicht möglich sein sollte,
Schulung interner Auditoren müssen diese erklärt werden. Auch bleibt innerhalb einer einfachen Sprache die benutzte Redeweise immer konkret und anschaulich. Es wird daher auf Abstraktionen zu gunsten ei ner verständlichen (d. h. anschaulichen) Ausdrucksweise verzichtet. ◼ Weiterhin ist es für einen internen Qua li tätsauditor wichtig, sich auf die Vorbildung des Gesprächspartners einzustellen. In diesem Zusammenhang sollte der interne Qualitätsauditor es vermeiden, seine eigene Bildung, zumal wenn sie sich von der der Mitarbeiter unterscheidet, zum Maßstab zu machen. Dies zeigt sich u. a. bei der Verwendung von Fachwörtern oder Spezialausdrücken, die die Mitarbeiter nicht zwangsläufig kennen müssen. ◼ Anschließend muss der interne Qualitätsauditor bei den Antworten des Interviewten gut zuhören und bei Unklar heiten nachfragen können. Dadurch bietet sich die Chance, Relevantes zu erfahren. Während der Durchführungsphase kann eine gute Gesprächsführung durch folgendes erreicht werden: ◼ Das Strukturieren des Gesprächstextes beinhaltet ein strukturiertes Vorgehen und einen roten Faden. Zunächst ist für das strukturierte Vorgehen eine Gliederung erforderlich. Man unterscheidet in eine äußere und in eine innere Gliederung. Die äußere Gliederung wird durch strukturierende Bemerkungen (Beispiel: „Der nächste Punkt ist ...“) erreicht. Die innere Gliederung hingegen sorgt dafür, daß Gedanken logisch aufeinander aufgebaut und Sätze folgerichtig aufeinander bezogen werden. Deshalb muss der interne Qualitätsauditor Fragen in einer sinnvollen Reihenfolge stellen. Weiterhin trägt der rote Faden dazu bei, beim Thema zu bleiben. Wenn der Sprecher durch inhaltliches Springen häufig vom Thema abkommt, kann der Zuhörer nicht mehr den Kern einer Aussage oder Frage erkennen. ◼ Um eine positive kommunikative Beziehung zu erreichen, sind offene Fragen, das Stellen keinerlei Suggestivfra gen und das Verwenden einer positiven Ausdrucksweise wichtig. Offene Fragen beginnen häufig mit Fragewörtern, sogenannten W-Fragewörtern (was, weshalb, wieso etc.), und können nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden. Sie geben lediglich die Richtung der Antworten vor, so daß der Befragte mehr Mitsprachemöglichkeiten und Gelegenheit zu einer echten, unverfälschten Meinungsäußerung erhält. Daher bringen offene Fragen viele, neue Informationen. – Im Gegensatz zu den offenen Fragen sind die geschlossenen Fragen so formuliert, daß sie nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können. Geschlossene Fragen können dann sinnvoll sein, wenn nur kurze Informationen eingeholt werden sollen. Dabei kann es um nachfragende Klärungen oder ebenso um konkrete, spezifische Fakten gehen. Der Einsatz ge schlossener Fragen ist auch bei „Vielrednern“, um ihre Rede einzudämmen, oder bei wortkargen Gesprächs teilnehmern, um sie überhaupt zum Sprechen und damit
1045
S
Schulung interner Auditoren zu einer Stellungnahme zu bewegen, empfehlenswert. Allerdings besteht der Nachteil geschlossener Fragen in der relativ geringen Informationsmenge. – Bei Suggestiv fragen handelt es sich im Grunde um geschlossene Fragen mit Manipulationswirkung. Sie werden deshalb auch richtungsweisende Fragen genannt. Dem Befragten wird durch eine absichtliche Eingrenzung der Möglichkeiten unterschwellig nahegelegt, eine bestimmte Antwort zu geben. Durch eine entsprechende Wortwahl der Füllwörter wie „sicherlich“, „etwa“ oder „bestimmt“ muss der Ge sprächspartner das vom Frager Vorhergesehene antworten. ◼ Beispiel für eine offene Frage: „Was halten Sie von TQM?“ ◼ Beispiel für eine geschlossene Frage: „Halten Sie TQM für wichtig?“ ◼ Beispiel für eine Suggestivfrage: „Sie halten sicherlich TQM für wichtig?“ Desweiteren ist für eine positive kommunikative Beziehung die positive Ausdrucksweise wichtig. Diese wird über eine positive Grundeinstellung zum Gesprächspartner erleichtert und äußert sich in einer positiven bzw. konstruktiven Wort wahl. Destruktiv wirkende Formulierungen sollten vermieden werden. D. h. anstatt die Arbeit eines Mitarbeiters z. B. mit ‘schlecht’ zu bewerten, kann man diese als ‘weniger gut’ bezeichnen. 6 Schulungsmethoden zur Vermittlung von Fach- und Sozialkompetenz Um einen schnellen und systematischen Überblick über die theoretischen Grundlagen des Qualitätsmangements zu erreichen, bietet sich ein Vortrag über Fachkompetenz an. Im Zusammenhang mit Sozialkompetenz kann ein Vortrag nur zur Vermittlung von Grundkenntnissen dienen. Die Umsetzung dieser Inhalte erfolgt anderweitig (z. B. in Rollenspielen). Zur Unterstützung aller Vorträge werden geschlossene Medien (Folien) eingesetzt. Dabei veranschaulichen Folien die Kern aussagen des Vortrags.
S
Die in den Vorträgen vermittelten Inhalte der Vorgehensweise bei internen Qualitätsaudits. sollen aufgrund von Übungen vertieft werden. Die Schulungsteilnehmer sollen anhand eines vorgegebenen Fragenkatalogs die Dokumenation prüfen. Da zu erhalten sie einen Ausschnitt aus einem QM-Handbuch, der mit Fragen aus einem Fragenkatalog für interne Qualitätsaudits nach der ISO 9001 auditiert werden kann. In einer weiteren Übung zur Fachkompetenz wird die Auditauswertung vertieft. Hierbei wird von der Situation ausgegangen, daß die Auditdurchführung bereits abgeschlossen ist und der Auditbericht bis auf die Korrekturmaßnahmen vorliegt. Die Aufgabe der Seminarteilnehmer soll darin bestehen, die in einem vorliegenden Auditbericht fehlenden Korrektur maßnahmen zu ergänzen. Um für die Durchführungsphase das Finden eines verständlichen Sprachcodes zu üben, wird im Rahmen einer Übung
1046
Schulung interner Auditoren ein komplizierter Text aus einem Fragenkatalog an die Seminarteilnehmer ausgeteilt. Die Aufgabe für die Teilnehmer besteht darin, den schwer verständlichen Text in eine einfache Sprache umzuformen. Dabei sollen sich die Teilnehmer in die Rolle des internen Qualitätsauditors hineinversetzen und sich vorstellen, sie würden diese Fragen im Auditgespräch stellen und ihr Gesprächspartner ist z. B. ein Meister aus der Fertigung, der zwar über Hauptschulabschluß aber über keinerlei Kenntnisse im Qualitätsmanagement verfügt. Für das Empfangen des Gesprächstextes des Interviewten sollte ein interner Qua litätsauditor gut zuhören können. Dazu wird den Seminarteilnehmern eine kurze Geschichte vorgelesen, wobei die Aufmerksamkeit der Teilnehmer anhand mehrerer Aussagen aus dieser Geschichte überprüft wird. Die Aussagen können richtig, falsch oder uneindeutig sein und müssen von den Schulungsteilnehmern in diese Kategorien eingeordnet werden. Nach der Einordnung dieser Aussagen sollen die uneindeutigen Formulierungen von den Teilnehmern durch ein gezieltes Nachfragen geklärt werden. Zur Strukturierung des Gesprächstextes sollen die Seminarteilnehmer in einer weiteren Übung einen unstrukturierten Text so umschreiben, daß der rote Faden beibehalten wird. Im Rahmen einer Übung, die eine kommunikationsförderliche Beziehung trainiert, bekommen die Teilnehmer 10 Fra gen, die aus geschlossenen und offenen Fragen, aus Suggestivfragen und Fragen mit negativer Ausdrucksweise bestehen. Die Teilnehmer haben die Aufgabe, die ihnen vorliegenden Fragen so zu formulieren, daß nur offene Fragen entstehen, wobei auf eine positive Ausdrucksweise geachtet werden soll. Ein internes Qualitätsaudit lässt sich innerhalb einer Schulung sehr gut mit einem Rollenspiel simulieren. In einem Partnerinterview übernimmt einer die Rolle des internen Qualitätsauditors und der andere die Rolle des Auditierten. Der „interne Qualitätsauditor“ bekommt eine Verfahrensan weisung, wie sie die Dokumentation des Unternehmens vorsieht. Der Auditierte bekommt eine Verfahrensansweisung mit zusätzlichen Informationen, die die in der Realität auftretenden Fehler wiedergibt. Diese Rollenspiele können auf Video aufgenommen werden und anschließend im Rahmen eines Feedbacks oder einer sich anschließenden Verhaltensanalyse diskutiert werden. 7 Aufbau der Schulung Die Reihenfolge der einzelnen Bestandteile bei der Einübung einer sozialkompetenten Verhaltensweise sieht fol gen der maßen aus: Zunächst wird ein Rollenspiel durchgeführt, um die aktuell vorhandenen Fähigkeiten zu erproben. Im Anschluß daran beginnt das Erlernen einer bestimmten neuen Verhaltensweise. Es wird ein Vortrag gehalten, dessen Inhalt anhand einer Übung vertieft wird. Die neue Verhaltensweise kann in dem zweiten Rollenspiel mit veränderter Auf gabenstellung erprobt werden. Zuletzt erfolgt das Feedback zum Vergleich der beiden Rollenspiele.
SCRUM
Die bedeutendsten Erfolgsfaktoren der Auditorenschulung sind der häufige Wechsel der Trainingsmethoden, insbesondere der Einsatz des Videofilms, die praxisnahen Übungsbeispiele und die ständige aktive Einbeziehung der Teilnehmer. Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Marcus Dransfeld, Aachen Dr.-Ing. Uwe Flachsenberg, Hürth aktualisiert durch Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] DIN ISO 10011 Teil 2. Qualifikationskriterien für Qualitätsauditoren. Berlin (Beuth) 1995 [2] DGQ-Schrift 11-04: Begriffe zum Qualitätsmanagement. 6. Auflage. Berlin (Beuth) 1995 [3] FQS DGQ 92-09. QM-System in kleinen und mittleren Unternehmen. Frnkfurt am Main (DGQ)1998 [4] Meyer macht’s – Das interne Qualitätsaudit (Videofilm). Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen. ISBN 3-931 851-00-1 [5] Triebe, T.; Leutner, D.: Sozialkompetente Auditoren als Schlüssel zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung. In: Personalfüh rung, 10/96, S. 896-901 [6] Gietl, G. und W. Lobinger: Qualitätsaudit: Planung und Durchführung von Audits. München (Hanser) 2014 [7] Gietl, G. und W. Lobinger: Leitfaden für Qualitätsauditoren: Planung und Durchführung von Audits nach ISO 9001:2008. München (Hanser) 2012
SCM
▶Supply Chain Management
Scope
▶Branchenschlüssel ▶Zertifizierungssysteme
Scoring-Modell
▶EFQM Excellence Award
SCRUM
▶de: Gedränge Scrum ist ein Vorgehens-Model für das ►Projektmanagement. Es wurde ursprünglich in der Softwaretechnik entwickelt, ist aber inzwischen allgemeingültig und wird inzwischen in vielen anderen Bereichen eingesetzt. Genau betrachtet geht es bei Scrum ist eine Umsetzung von ►Lean Development für das Projektmanagement. Quelle: URL: https://www.scrum.org/Scrum-Guide
Sechs-Sigma (6σ) ▶Six Sigma
Seghezzi, Hans Dieter
▶Seghezzi-Preis ▶Integriertes Qualitätsmanagement – der St. Galler Ansatz
Deutsch-Schweizer Qualitätsexperte
Das Verhaltenstraining (►Training) ist wichtig für eine Verhaltensänderung, durch das persönliche Feedback ergibt sich eine Auseinandersetzung der Teilnehmer mit ihren Verhal tensweisen. Daher hat das Rollenspiel mit Feedback (durch Video, Gesprächspartner, andere Teilnehmer und Trainer) bei der Durchführung der Maßnahme eine besondere Bedeutung.
Seghezzi, Hans Dieter
Prof. Dr. Hans Dieter Seghezzi, geb. 1933, ist Professor emeritus der Universität St. Gallen für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften, wo er von 1988 bis 1998 Vorsitzender der Direktion des Instituts für Technologiemanagement war. Davor war er seit 1961 bei HILTI AG Schaan (Liechtenstein) tätig, verantwortlich für Forschung und Entwicklung sowie Qualitätssicherung und ab 1976 als Mitglied von Konzernleitung/ Vorstand. Prof. Seghezzi ist Diplomphysiker und Doktor der Naturwissenschaften der Universität Stuttgart. Er war Präsident der ►European Organization for Quality (EOQ) (1986-1988); Präsident des Schweizerischen Ausschusses für Prüfung und Zertifizierung (SAPUZ) (19901997); Präsident der Liechtensteinischen Vereinigung für Qualitätssicherungszertifikate (LQS) (1995-1999); Präsident der ►Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS) (1983-2003); Präsident der Jury des Schweizer Qualitätspreises für Business Excellence (ESPRIX) (1999-2004)); Vizepräsident der ►Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Qualitätsförderung SAQ (1977-1991); Vizepräsident der Eidgenössischen Akkreditierungskommission SAS (1992-1998); Vizepräsident der Stiftung für Technologiemanagement, Technologiepolitik und Technologietransfer (1998-2003); Mitglied des Gründungskomitees und Vorstandsmitglied der ►European Foundation for Quality Management (EFQM) (1988-1990); Vorstandsmitglied der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften (1991-1999) und Mitglied der Jury des ►European Quality Awards (EQA) (1992-98). Er ist Mitglied des Beirats der University of Salzburg Business School und des Advisory Boards der ►International Academy for Quality (IAQ). 1981 wurde er in die ►International Academy for Quality (IAQ) und 1989 in die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) aufgenommen. 1986 wurde er zum Honorarprofessor der Universität Stuttgart, 1994 zum Ehrenmitglied der European Organization for Quality (EOQ), 1999 zum Ehrenmitglied der Swiss Association for Quality (SAQ), 2001 zum Ehrenmitglied der Sektion Rheintal der SAQ, 2003 zum Ehrenpräsident der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS), 2003 zum Ehrenmitglied der Stiftung für Technologiemanagement, Technologiepolitik und Technologietransfer und
1047
S
Seghezzi, Hans-Dieter der HNC Ungarn, 2010 zum Ehrenmitglied der Fundacion Empressario para la Calidad, Argentinien und der International Acaademy for Quality ernannt. 2000 wurde Prof. Seghezzi mit der Goldenen Orchidee des ►International Certification Network (IQNet) ausgezeichnet. 2013 verlieh ihm die Paris-Lodron-Universität Salzburg die Würde eines Ehrendoktors der Wirtschaftswissenschaften. 1998 hat die Schweizerische Stiftung für Forschung und Ausbildung „Qualität“ einen Preis zur Förderung des Qualitätsmanagements eingerichtet, den sie in Würdigung der Verdienste von Prof. Seghezzi ►Seghezzi-Preis nennt. Zu den Themen Management, Qualität, Sicherheit, Technologie, Innovation, Werkstoffe und Bauwesen hat er ca. 200 Publikationen geschrieben und über 200 öffentliche Vorträge an zahlreichen Orten aller fünf Kontinente gehalten. In seinem Buch „Integriertes Qualitätsmanagement – Das St. Galler Konzept“ (1996, 2003, 2007 und 2013) entwickelte er den neuen Ansatz der Integration des Qualitätsmanagements in die Betriebswirtschaftslehre (Integriertes Qualitätsmanagement – Der St. Galler Ansatz). Literatur und Vorträge
S
Bücher und Schriften: Reaktorwerkstoffe (1964); Qualitätskosten (1977); Industriestandort Schweiz (1991) deutsch, engl., franz.; Top Management and Quality (1992) engl.; Qualitätsstrategien (1993); Qualitätsmanagement (1994); Produktivität am Standort Schweiz (1995); Ganzheitliche Unternehmensführung (1997); Aufbau Integrierter Führungssysteme (1997) deutsch, franz., ital.; Integriertes Qualitätsmanagement (1.Aufl. 1996), (2. Aufl. 2003), (3. Aufl. 2007 mit zwei Co-Autoren), (4. Aufl. 2013 mit F. Fahrni und T. Friedli). Buchbeiträge und Fachartikel: Über 200 Beiträge zu den Themen General Management, Integriertes Management, Qualitätsmanagement, Technologiemanagement, Werkstoffe und Verfahren, Innovation, Sicherheit, Befestigungstechnik. Im Buch „Integriertes Qualitätsmanagement“ entwickelte H. D. Seghezzi den St. Galler Ansatz der Integration des Qualitätsmanagements in die Betriebswirtschaftslehre. Vorträge: H. D. Seghezzi hielt über 200 Vorträge auf allen fünf Kontinenten. Die behandelten Themen waren General Management, Integriertes Management, Qualitätsmanagement, Qualität, Technologiemanagement, Innovation, Werkstoffe und Verfahren, Sicherheit und Befestigungstechnik im Bauwesen. Schwerpunkte bildeten die Transformation der Managementtheorien unter dem Aspekt des evolutionären Total Quality Managements, die Entwicklung und Gestaltung von Business Excellence, Auswirkung und praktische Umsetzung. Eigene Forschungsbeiträge waren jeweils Grundlage der Vorträge, Publikationen häufig die Folge.
Seghezzi-Preis
▶Seghezzi, Hans Dieter ▶Integriertes Qualitätsmanagement – Der St. Galler Ansatz Mit dem Seghezzi-Preis fördern SFAQ, SQS und SAQ seit 1999 Forschungs- und Entwicklungsarbeiten junger WissenschaftlerInnen auf dem Gebiet des Qualitätsma nagements. 2001 wurde der Preis erstmals verliehen.
1048
Seghezzi-Preis Preisgeber: Preis der Schweizerischen Stiftung für Forschung und Ausbildung „Qualität“ (SFAQ) zur Förderung des Qualitätsmanagements, benannt nach dem international bekannten Qualitätsexperten Prof. Dr. Hans Dieter Seghezzi der Universität St.Gallen. Zweck: Junge Menschen sollen veranlasst werden, sich mit dem Gedankengut des Qualitätsmanagements intensiv auseinanderzusetzen und ihr erworbenes Wissen der Öffentlichkeit durch Publikation zugute kommen zu lassen. Gegenstand: Bei der Arbeit, die in deutscher, französischer oder italienischer Sprache schriftlich einzureichen ist, muss es sich um eine Publikation eines Themas aus dem Gesamtbereich des Qualitätsmanagements handeln. Die Ausarbeitung kann sein ◼ eine selbständige wissenschaftliche Forschungs- und/ oder Entwicklungs-arbeit, z. B. eine Semesterarbeit, eine Di plom arbeit, eine Dissertation oder eine Ha bilitationsschrift, ◼ die Darstellung einer richtungsweisenden praktischen Lösung von Verfah-ren, Methoden oder Hilfseinrichtungen im Rahmen des Qualitätsmanage-ments. BewerberInnen: Natürliche Personen mit schweizerischem oder liechtensteinischem Wohnsitz, welche bei der Einreichung das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die gleichen Bedingungen gelten auch für Gemeinschaftsarbeiten mehrerer Personen. Dotierung: CHF 8.000 Richtlinien für die Bewertung: ◼ Bedeutung für die Praxis ◼ Bedeutung für Forschung und Lehre ◼ Originalität ◼ Integration in das allgemeine Managementsystem Preisvergabe: Durch die SFAQ alle zwei Jahre anlässlich des Tags der Schweizer Qualität. Kontaktstelle: SFAQ-Schweizerischen Stiftung für Forschung und Ausbildung „Qualität“, Bernstrasse 103, Postfach 686, CH-3052 Zollikofen oder SAQ-Swiss Association for Quality, Stauffacherstraße 65/42, CH-3014 Bern URL: http://www.saq.ch/de/seghezzi-preis/
Seiketsu
▶5S Gemeint ist der persönliche Ordnungssinn. Jeder Mitarbeiter muss an seinem Arbeitsplatz damit anfangen, wenn persönliche Sauberkeit und Ordnung zur Gewohnheit werden sollen. Der Begriff ist japanischen Ursprungs und in das ►5SSchema integriert.
Seiri
▶5S Ordnung schaffen. Dieser Begriff japanischen Ursprungs bedeutet, dass am Arbeitsplatz nur die tatsächlich notwendigen Arbeitsmittel vorhanden sein sollen. Unnötige Werkzeuge,
Selbstorganisation Maschinen, fehlerhafte Teile oder überflüssige Papiere und Dokumente sollen vom Arbeitsplatz entfernt werden, um Ordung zu schaffen. Der Begriff ist japanischen Ursprungs und in das ►5S-Schema integriert.
Seiri, Seiton, Seiso, Seiketsu, Shitsuke ▶5S ▶Japanische Qualitätstechniken
Seiso
▶5S Sauberkeit. Arbeitsplatz, Maschinen und Werkzeuge müssen sauber gehalten werden. Der Begriff ist japanischen Ursprungs und in das ►5S-Schema integriert.
Seiton
▶5S Ordnungsliebe. Um Ordnung am Arbeitsplatz aufrecht zu erhalten, müssen die notwendigen Arbeitsmittel sich in enem einwandfreien Zustand befinden. Weiterhin sollen sie entweder griffbereit sein oder am richtigen Platz aufbewahrt werden. Der Begriff ist japanischen Ursprungs und in das ►5SSchema integriert.
Selbstbewertung ▶Self-Assessment
Selbstkontrolle
▶ Selbstorganisation
Selbstökonomisierung ▶ Selbstorganisation
Selbstorganisation
▶ self-organization ▶ Lean Management
1 Selbstorganisation als Begriff und Idee, Theorie und Programm „Der Mensch selbst ist Urheber der sozialen Organisation“, so lautete der für einen mittelalterlichen Menschen ungeheuerliche Befund, der sich im „Licht“ der Aufklärung zeigte. Zwar wurde die „natürliche“, d. h. göttliche Ordnung des menschlichen Zusammenlebens bereits in der Renaissance problematisiert, aber erst die Sozialphilosophie der Aufklärung belehrte uns eindringlich, dass erstens die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht als Gottes-, sondern als Menschenwerk anzusehen sind, und dass zweitens die Menschen diese Verhältnisse besser einrichten können und auch müssen. Mit diesen beiden Grundgedanken inspirierte die Aufklärung wohl alle politisch-emanzipatorischen Strebungen von der Französischen Revolution bis hin zu den Befreiungsbewegungen der Dritten Welt und den gegenwärtigen Neuen sozialen (Protest-) Bewegungen der modernen Gesellschaft, gleich, wie stark man in ihr „Industrie“, „Dienstleistung“ oder gar „Wis-
Selbstorganisation sen“ verortet sehen möchte. Zudem liegen diese Thesen doch noch immer zahlreichen Bemühungen um die politische Planung der modernen Gesellschaft sowie den managerialen Bestrebungen zur Steuerung von Organisationen zugrunde. Dass soziale Ordnungen, Strukturen und Organisationen Resultate des Zusammenwirkens menschlicher Aktivitäten sind, wird heute – zumindest empirisch – wohl niemand mehr bezweifeln. Allerdings wird eine Sichtweise, deren Hauptaugenmerk auf die Bedeutung gesellschaftlicher Ordnung gerichtet ist, Argumente dafür anführen können, dass die Gesellschaftsordnung vorrangig vor den Gestaltungsbemühungen ihrer Mitglieder mit häufig katastrophalen Folgen zu schützen sei. Ausgehend von der anthropologischen Grundannahme, dass der Mensch ein instinktentkoppeltes, „weltoffenes“ Lebewesen ist, kann nun einerseits die „Weltoffenheit“ des Menschen vor allem als Chance betrachtet werden, eigene Handlungsziele bewusst zu verfolgen, andererseits aber – hier beginnt sozusagen „Soziologie“ – kann gerade dem Aspekt Gewicht verliehen werden, dass der Mensch als „Mängelwesen“ (besonders im Sinne eines lebensgefährlichen Mangels an Instinkten) der Vorgabe institutionalisierter Erwartungsstrukturen bedarf, um die Vielfalt seiner Handlungsmöglichkeiten zu reduzieren. In der ersten Sichtweise wird bei Konzeptionen der Ordnung häufig eher ein handlungsbezogener, in der zweiten nicht selten eher ein systembezogener Organisationsbegriff Verwendung finden. Ob nun des Weiteren Ordnung als Effekt spezifischer sozialer Aktivitäten oder als Wirkung „systemischer“ Eigendynamiken begriffen wird, in jedem Fall muss Ordnung nicht nur als Resultat, sondern zugleich auch als Voraussetzung menschlicher Aktivitäten gedacht werden. Hinzu kommt, dass jede Definition von Ordnung den Ordnungsbegriff bereits voraussetzt. Aber nicht nur dadurch ist eine begriffliche Fassung mit Schwierigkeiten verbunden. Wenn heute unter „Organisation“ ganz allgemein – neben Vergemeinschaftungspraxen und der Konstruktion von „Gebilden“ – der Prozess der Ordnungsbildung von Menschen verstanden wird (vgl. [30]), dann soll der Ausdruck „Selbstorganisation“ besagen, dass die Organisierenden selbst (selber) die von den ordnungsbildenden Aktivitäten Betroffenen sind, oder allgemeiner, dass sich „etwas“ durch seine Eigendynamik in Richtung auf eine Ordnung ändert. Anscheinend thematisieren die Begriffe Organisation, Ordnung und Prozess bereits Selbstverhältnisse und können, vor allem mit dem Präfix „Selbst“, nicht zirkelfrei eingeführt werden. Mit dem Konstrukt „Selbstorganisation“ ist dann also allenfalls ein Beschreibungsprinzip, keinesfalls ein Erklärungsprinzip gewonnen. Unter einem handlungs- bzw. systembezogenen Organisationsbegriff können Ordnungsbildungen aber nun betrachtet werden ◼ als geplante Handlungsfolgen (aufgrund rationaler Intentionalität, „Entwurf “, ...), ◼ als ungeplante Handlungsfolgen (als Interaktionseffekte, ...) und
1049
S
Selbstorganisation ◼ als quasi „natürliche“ Ereignisse (analog zur Strukturbildung der Materie und der Organismen). Das Präfix „Selbst“ wird dabei in unterschiedlichen, teilweise miteinander kombinierten, Bedeutungen verwendet, wie bspw. „selber“ i. S. v. persönlich, in eigener Person oder i. S. v. „Subjekt“. Auch die Konnotation „von selbst“ i. S. v. spontan, aus freien Stücken, automatisch wird dabei wohl „gedacht“; ebenso tauchen Bedeutungen auf, wie etwa selbst-reflexiv, (selbst-)referentiell, rekursiv. Auch kann „Selbst“ „Objekt“ sein, wenn bspw. etwas „aus sich selbst“ heraus entsteht, wenn sonst eine „creatio ex nihilo“ gedacht werden müsste.
S
1.1 Das selbstorganisierte und selbstorganisierende Individuum „In der individualisierten Gesellschaft muss der einzelne entsprechend bei Strafe seiner permanenten Benachteiligung lernen, sich selbst als Handlungszentrum, als Planungsbüro in bezug auf seinen eigenen Lebenslauf, seine Fähigkeiten, Orientierungen, Partnerschaften usw. zu begreifen“ ([3], S. 217). Der ausschlaggebende Grund für das verstärkte Aufgreifen des Selbstorganisations-Gedankens liegt aber eben darin, dass die Annahme, derzufolge alle Institutionen oder soziale Systeme als das bewusste Produkt zweckrationaler Gestaltung betrachtet werden können, in dem Maße ins Wanken gerät, in dem die Handlungsketten immer länger und verzweigter und Entscheidungsfolgen kontingenter werden. So können derzeit z. B. die „Neuen sozialen Bewegungen“ im politisch-
1050
gesellschaftlichen Bereich und die „Reorganisationsprogramme der Unternehmen“ im Bereich der Wirtschaft auch als Manifestationen der Selbstorganisations-Idee im Zuge dieser Entwicklung angesehen werden. Damit ist angezeigt, dass der Diskurs um Selbstorganisation ohne die soziologisch elementar wichtige triadische Figur Individuum – Organisation – Institution „unvollständig“ wäre. Welche „abstrakten Ideen“, z. B. „Freiheit“, „Gerechtigkeit“, „Demokratie“ o. Ä. m. eben als Institutionen das Handeln und Denken von Menschen anleiten, ist und bleibt nun einmal eine ur-soziologische Fragestellung. Oben genannte „Erosion“ zweckrationaler Handlungsanleitung ist auch als Zäsur zu kennzeichnen, mit einer lange gepflegten Dichotomie in Bezug auf Ordnung konstituierende Institutionalisierungen zu brechen: nämlich der zwischen „Markt“ und „Organisation“ (vgl. u. a. [32]). Innerhalb dieser Konzeption war Markt lange Zeit mit Spontaneität, Natürlichkeit und Freiheit, Organisation dagegen eher mit Geplantheit, Künstlichkeit und Zwang attribuiert worden. Doch genauso, wie man dann sukzessive Organisationen die „Fähigkeit“ zur Selbstorganisation zuerkannte (vgl. unten (c)), so durchzieht jene bis heute ungebrochen die Konzeption des modernen „Subjekts“ – sei dies als Individuum oder als Gruppe („Kollektiv“) gedacht. Begriff
Wurde „Selbst“ einst in Verbindung mit „Ordnung“ und „Organisation“ vorwiegend mit „Absicht“ (Entwurf) konnotiert, was Freiheit voraussetzt, so wird derzeit, im Ausgang von Kontingenz, eher „das Ungeplante“, das, was „von selbst geschieht“, angesprochen. Angesichts der sozial- und soziokulturellen Effekte der Modernisierung, der Pluralisierung der Lebensformen und der Individualisierung der Lebensführung müssen endgültig alle Vorstellungen über die intentionale Gestaltbarkeit sozialer Verhältnisse verabschiedet werden, die auf der Annahme beruhen, dass Kollektivitäten aufgrund der Unterstellung von Zielkonsens als rationaler Akteur angesehen werden können. Vielmehr ist statt von kollektiven, gemeinschaftlichen, Akteuren in Bezug auf Organisation eher von „korporativen Akteuren“ auszugehen als Form einer voraussetzungsvollen Konstruktion eines „Subjektcharakters“ – Organisationen bekommen einen „Personencharakter“ und vor allem Rationalität zugesprochen (vgl. ausführlich [23]). Doch genauso wenig wie Menschen rein rational und geplant handeln, sind Organisationen eben Zweckvereinigungen von Menschen mit den gleichen Zielen. Diese „konstruktivistische Folie“ vorgeschaltet, können wir Becks Portrait eines tiefgreifenden Strukturwandels [3], den er als das Entstandensein einer „Risikogesellschaft“ kennzeichnet und auf einen zweiten epochalen Individualisierungsschub hin zuspitzt, einführen. Innerhalb dessen wird Selbstorganisation im Sinne rationaler Intentionalität (a) zu einem Programm, dass dem Individuum normativ zugemutet und als Gestaltungsleistung abverlangt wird:
Selbstorganisation
So können wir vorläufig zusammenfassend festhalten: Als Konzept kann Selbstorganisation auf die Gestaltungsleistung des selbstbestimmten Individuums ebenso Anwendung finden, wie auf die Selbstorganisationsfähigkeit sozialer Gruppen, auf „spontane“ Ordnungsbildungen durch Konkurrenz- oder Marktmechanismen und nicht zuletzt auf referentielle und/oder emergente Strukturbildungen selbst im Sinne allgemeiner System-, Organisations- und Netzwerktheorien.
Vor diesem Hintergrund sollte klar geworden sein, dass die Variante (a) mit der Beschreibung des selbstorganisierten und selbstorganisierenden Individuums nicht das Ende der Diskussion sein kann. Die Triade Individuum – Organisation – Institution hat ja im Prinzip bereits angezeigt, dass menschliches Handeln und Denken nicht „isoliert“, „de-interaktionistisch“ oder gar „kontextlos“ gedacht werden könnte. Wie interdependent menschliche Ordnungs- und Strukturbildungen auch immer sein mögen, können wir nun „einen Schritt weiter gehen“ und zwei grobe Linien innerhalb der Sozialwissenschaften vorstellen, die in Bezug auf „Selbstorganisation“ das Erschaffen von Mustern der Ordnung und von Interaktionsgefügen entweder als ungeplante Interaktionseffekte aufgrund sozialer Mechanismen (b) oder als Effekte systemischer Eigendynamiken im Sinne naturwissenschaftlich inspirierter Systemtheorien (c) begreifen und sie als solche untersuchen. 1.2 Strukturbildungen als ungeplante Interaktionseffekte Diese Auffassung impliziert einen SelbstorganisationsBegriff, bei dem sich das Präfix „Selbst“ nicht mehr auf den einzelnen Menschen bezieht, sondern auf eigendynamische Interaktions- und Interpretationstendenzen in Akteurskon-
Selbstorganisation stellationen. Erwähnenswert sind hier zwei akteursbezogene Ansätze, die bereits in der ersten Hälfte des 20. Jhds. entwickelt wurden. Es handelt sich um die „Prozess- und Figurationstheorie“ von Norbert Elias und Friedrich A. Hayeks „Idee einer spontanen sozialen Ordnung“. Nach Elias [6] manifestieren sich überlebens- und lebensnotwendige Bindungen und Einbindungen der Menschen in Beziehungen und Beziehungsstrukturen, die den Charakter von Interdependenzstrukturen, d. h. von wechselseitigen affektiven, sozialen, ökonomischen und räumlichen Abhängigkeiten haben und damit gleichzeitig mehr oder weniger labile Machtbalancen darstellen. Diese Strukturformen, die interdependente Menschen als Individuen oder als Gruppen miteinander bilden, bezeichnet Elias als Verflechtungszusammenhänge oder Figurationen. Die Triebkräfte und die Quelle der Gesetzmäßigkeit sozialer Entwicklungsmuster und Figurationen sieht Elias im „Konkurrenzmechanismus“ in Machtgefügen und in der Interdependenz von Affektivität und rationaler Kontrolle, von „Engagement“ und „Distanzierung“. Figurationen bilden demnach ein dynamisches Spannungsgefüge fluktuierender Machtbalancen und existieren so ausschließlich prozesshaft als permanent sich in Bewegung befindliche Interdependenzketten. Je „dichter“ diese sind, desto deutlicher tritt die Eigendynamik und der „selbstorganisierende“ Charakter des Beziehungsnetzwerkes hervor. Hayek [12] unterscheidet in seinem Ansatz zwischen „gemachten“ und „spontanen“ Ordnungen. Der Mechanismus, der zur Bildung einer spontanen Ordnung führt, umfasst zwei Elemente: Erstens die Befolgung gewisser, möglichst wenig Zwang beinhaltender Verhaltensregeln und zweitens die individuelle Anpassung an die besondere Situation. Eine ausschlaggebende Rolle spielen dabei ‘negative‘ Regeln, die lediglich bestimmte Handlungsarten untersagen und die Zielsetzung und den Modus der Zielverfolgung dem Einzelnen in seiner Situation überlassen, wie z. B. die Regeln des Eigentums- und Vertragsrechts. Eine spontane Ordnung entsteht unter diesen Bedingungen als Selbstkoordinationseffekt unter Beteiligten, die je ihre eigenen Ziele und Zwecke verfolgen, aber keine Absicht haben, eine Ordnung zu stiften. In diesem Sinne ist der „Markt“ als die spontane Ordnung schlechthin anzusehen (vgl. oben). Nach Hayek vermögen spontane Ordnungen mehr Wissen zu nutzen als „gemachte“ Ordnungen. Sie haben eine „eingebaute“ Tendenz zur Selbstkorrektur und Selbststabilisierung und können unbeschränkt an Komplexität zunehmen, ohne Steuerungsprobleme aufzuwerfen. Dieser Gedanke wird heute daher gern von Konzeptionen des Managements „selbstorganisierender“ Systeme in Anspruch genommen. Allerdings wird dabei oft übersehen, dass die Idee einer spontanen Ordnung nicht umstandslos an die Systemtheorie „angeschlossen“ werden kann. Denn Hayek richtet sein Augenmerk vor allem auf die „kausalen“ Mechanismen der Ordnungsentstehung und führt im Sinne des methodologischen Individualismus soziales Geschehen letztlich auf Akteure zurück.
Selbstorganisation In dieser Tradition, die Ordnungsbildungen als ungeplante Interaktionseffekte begreift, stehen heute beispielsweise das „politische Organisationsmodell“ von Crozier und Friedberg sowie Giddens „Theorie der Strukturierung“. Nach Crozier/ Friedberg [5] sind menschliche Beziehungen immer politische Beziehungen und dies umso ausgeprägter, je interdependenter das Handlungsfeld ist und je schwieriger es wird, die Konsequenz von Entscheidungen vollständig zu übersehen oder bestimmte Resultate einzelnen Aktivitäten genau zuzuordnen. Sie betrachten Akteur und System als die zwei gegensätzlichen, aber sich gleichzeitig bedingenden Pole des sozialen Lebens und verklammern diese Pole mit dem „Spiel“-Begriff. Organisationen sind so Kombinationen von Handlungsfeldern, die sich aus der Vernetzung von „Spielen“ ergeben, mit denen die Beteiligten ihre Freiräume zu erhalten und ihre Autonomie zu sichern suchen. Regeln, die ebenfalls „auf dem Spiel stehen“, stellen dabei Restriktionen, aber auch Ressourcen dar. Giddens [9] sieht die Lösung des Problems der sozialen Ordnungsbildung in der wechselseitigen Konstitution von Handlung und Struktur. Mit dem Begriff der Strukturierung bezeichnet er die Produktion und Reproduktion sozialer Systeme durch die Anwendung „generativer Regeln und Ressourcen“ in sozialen Praktiken, wobei die Regeln im „praktischen Bewusstsein“ der Akteure verankert sind. Strukturen haben unabhängig von den sozialen Praktiken, die sie konstituieren, keine Existenz, sie sind ebenso Resultat wie auch Medium sich somit quasi selbst-organisierender Interaktion. Gemeinsam ist diesen Ansätzen also die Einsicht, dass Ordnungsbildungen als Muster ineinandergreifender, sich selbst entwickelnder und selbst erhaltender „Verhaltensketten“ anzusehen sind. Diesem Aspekt wird in der neueren Systemtheorie nun unter den Begriffen des selbstreferentiellen und/ oder autopoietischen Systems nachgegangen. 1.3 Das Paradigma selbstorganisierter Systeme Einer der ersten Denker, der – wie auch die an ihn anschließenden – das Thema der Selbstorganisation als Adaption der naturwissenschaftlichen Strukturforschung aufgreift, ist Plato. Seine „antike“ Idee der Selbstorganisation, bezogen auf das Werden und Sein der Natur, ist die einer „Weltseele“, d. h. das „sich selbst bewegende Prinzip“ der Natur. Als spätere Vertreter einer solch spekulativen Naturphilosophie können auch Kant und Schelling betrachtet werden. In seiner „Kritik der Urteilskraft“ bestimmt Kant einen Organismus als „organisiertes und sich selbst organisierendes Wesen“. Er führt hier den Terminus „Selbstorganisation“ als Erkenntnisgrund für den Urteilenden (Beobachter) ein, der es diesem erst ermöglicht, organische Wesen zu denken. Bei Schelling bildet Selbstorganisation das Zentrum einer radikal neuen Naturkonzeption. Mit seiner Definition der Selbstorganisation als „ursprüngliche Produktivität“ der Natur, mit der Vorstellung einer zyklischen Prozessorganisation der Lebewesen, der evolutionären Selbsttranszendenz der
1051
S
Selbstorganisation Natur und der Verknüpfung von Freiheit und Notwendigkeit kommt er auf spekulative Weise den heutigen Auffassungen erstaunlich nahe. Erst ab etwa 1920 griffen die Naturwissenschaften das Thema Selbstorganisation – nun mit dem Gedankengut und der Terminologie der Systemtheorie – wieder auf. Der Antrieb zu den Selbstorganisations-Aktivitäten von Systemen wurde zunächst in einem permanenten Streben nach Gleichgewicht (Homöostase) vermutet (First-Order-Cybernetics). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Rückkopplungs- bzw. Anpassungsprozessen führte aber auch zur Beschäftigung mit abweichungsverstärkenden Prozessen in energetisch offenen Systemen, die ein „Denken in Ungleichgewichten“ erforderten. Seither befasst sich die Forschung vor allem mit sog. „innovativen Selbstorganisations-Prozessen“ (Second-OrderCybernetics). Dabei geht es um die Erklärung von Strukturbildung durch Fluktuationen (Thermodynamik; Prigogine) oder kohärentes Verhalten (Synergetik, Laserphysik; Haken), um das Studium der Entstehung und Entwicklung hochkomplexer organischer Moleküle (autokatalytische Hyperzyklen) und um die Untersuchung der Organisation lebender Systeme (Autopoiese; Maturana und Varela). In den 1970er Jahren bemühte sich besonders Heinz von Foerster (Biologie und Kybernetik) um einen interdisziplinären Selbstorganisationsbegriff. Immer häufiger werden nun die Erkenntnisse und Konzepte der innovativen Selbstorganisationsforschung auch auf andere Wissenschaftsbereiche übertragen, wie z. B. auf Ökonomie, Ökologie, Politikwissenschaft und Wissenschaftsentwicklung. Gleichzeitig kommt es zu Popularisierungskampagnen, zum Teil mit der Aspiration, auf der Grundlage des systemtheoretischen Selbstorganisationsparadigmas eine neue Weltsicht zu etablieren und den aufgekommenen „New Age“-Ideen einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen. Ab 1980 beginnen auch einige Vertreter der Betriebswirtschafts- bzw. der Organisationslehre (besonders intensiv Ulrich [31], Probst [27], Malik [21]) die Selbstorganisations-Erkenntnisse der Strukturforschung für ihre Disziplin nutzbar zu machen.
S
In der Soziologie bemüht sich zuerst Niklas Luhmann [19] um eine gesellschaftstheoretische Adaption des naturwissenschaftlichen Gedankens. Im Unterschied zu einer Perspektive, welche die Abhängigkeit und Außengelenktheit sozialer Systeme bzw. Organisationen im Blick hatte, geht es Luhmann nun um eine Sichtweise, die soziale Gebilde unter dem Aspekt der Autonomie, der Entwicklungsfähigkeit, der Abgeschlossenheit, der Reflexions- und Selbstthematisierungsformen sowie der Grenze etc. betrachtet. Er entwickelt ein Modell selbstreferentieller, autonomer und autopoietischer, d. h. selbstorganisierender sozialer Systeme mit Kommunikationen als Elementareinheiten. Mit Selbstorganisation oder Autopoiese ist dabei die auf Selbstreferenz beruhende Fähigkeit von Systemen bzw. Strukturen gemeint, sich selbstständig zu erneuern und diesen Prozess so zu regeln, dass die Integrität der Struktur gewahrt bleibt. Verbunden ist mit diesem
1052
Selbstorganisation Verständnis ein Untersuchungsmodell, das den Beobachter als Konstrukteur seines Gegenstandes beinhaltet. Das intellektuelle Klima der 1970er Jahre, das vor allem von einer ausgeprägten Wissenschafts- und Wachstums-kritik bestimmt war, unterstützte jedoch nicht nur die Suche nach neuen Ansätzen in der Wissenschaft, sondern auch das Streben nach neuen Formen der sozialen Organisation. 2 Selbstorganisation als politisch-emanzipatorisches Programm Annähernd zeitgleich mit der disziplinübergreifenden Vernetzung disziplinspezifischer Konzepte in den Wissenschaften zu einem „Paradigma der Selbstorganisation“ haben sich in den 1970er Jahren die sogenannten „Neuen sozialen Be wegungen“ (NSB) in vielen gesellschaftlichen Bereichen herausgebildet, deren Selbstverständnis und gesellschaftspolitisches Anliegen die Idee der Selbstorganisation aufnehmen, wie z. B. die Friedensbewegung, die Anti-AKW-Bewegung, Alternativbewegung, Ökologiebewegung, die Bürgerinitiativbewegung und die neue Frauenbewegung. Nach allgemeiner Überzeugung ist das Auftreten eines neuen Typs sozialer Bewegungen mit dem strukturellen und kulturellen Umbruch der (westlichen) Industriegesellschaften verbunden, der eine erhebliche Auswirkung auf die sozialen Konfliktfelder und -potentiale hat. Ulrich Beck [3] zufolge werden die Konflikte um die Verteilung materieller Güter durch Konflikte um die Produktion, Definition und Verteilung wissenschaftlich-technischer Risiken abgelöst. Jürgen Habermas [11] z. B. sieht den grundlegenden Wandel in einer Ablösung des alten „Verteilungsparadigmas“ durch ein „Paradigma der Lebensweise“. So protestieren denn die NSB nicht nur gegen die „Bereitschaft der Gesellschaft, Risiken einzugehen, die sie selbst als zu hoch einstufen, sondern sie kritisieren auch den bürokratischen und industriellen Funktionalismus und propagieren und praktizieren vor allem eine neue Form des Zusammenlebens und -arbeitens. NSB zeigen eine starke Abneigung gegen autoritäre und hierarchische Strukturen, gegenüber jeglichen Formen der Institutionalisierung, Bürokratisierung und Professio-nalisierung, sie weisen eine dezentralistisch organisierte, netzwerkartige Struktur auf. Im Gegensatz zu den alten sozialen Bewegungen sind die NSB durch einen starken Selbst- und Gegenwartsbezug gekennzeichnet. So entwickeln sie auch keinen Gesamtentwurf einer neuen Gesellschaft, sondern orientieren sich an einzelnen grundlegenden Zielvorgaben bzw. Themen. Das Typische der NSB wird gerade in der Vielzahl der Bewegungen gesehen, die miteinander nur lose verknüpft sind und sich oft an „situativen“ Konfliktherden entzünden. Aber dabei geht es nicht lediglich um die Artikulation von Protest, sondern es wird häufig auch versucht, die eigenen Ansprüche selber umzusetzen. Während z. B. die meisten Bürgerinitiativen neue Formen der politischen Partizipation, ein optimales Verhältnis von staatlicher Autorität und autonomer Selbstorganisation mündiger Bürger anstreben, wollen Selbsthilfegruppen neue Räume für freie selbstbestimmte Aktivitäten und kollektive Betriebsorganisationen Räume für eine alternative Arbeit
Selbstorganisation in genossenschaftlichen Produktionsformen, das sind selbstorganisierte Arbeits- und Lebenszusammenhänge, schaffen. Selbstbestimmung und Selbstorganisation gelten also weithin als Prinzipien nicht nur für den politischen Bereich, sondern für das Leben schlechthin; Selbstorganisation ist für die NSB ein wesentlicher Teil ihrer kulturellen Identität und ihrer Botschaft. Eine nicht unerhebliche Unterstützung findet diese Programmatik auch durch die Thesen und Themen des „Kommunitarismus“, die gegen Ende der 1980er Jahre in den Diskurs der breiten Öffentlichkeit übergesprungen sind. Bei den mit diesem Sammelausdruck bezeichneten höchst verschachtelten Bewegungen innerhalb der gegenwärtigen amerikanischen Sozialwissenschaften geht es um Konzeptionen, die auf das „Gemeinschaftsparadigma“ in seinen verschiedenen Facetten zurückgreifen und die Regierungsbürokratien ebenso attackieren wie die bürokratischen Hierarchien in Wirtschaftsorganisationen (s. a. [8]). Kommunitarisches Denken kritisiert vor allem eine Gesellschaft, die sich konsequent auf voneinander isolierte, eigeninteressierte Individuen stützen will und damit ihre eigenen Grundlagen untergräbt. Sieht man den aktuellen Diskurs an, so lassen sich die NSB als einen Strang innerhalb der Bewegungs- und Protestforschung konzeptualisieren, der quasi historisch „vorbereitete“, was heute eine relativ ausdifferenzierte Kritik-, Protest- und Bewegungskultur kennzeichnet: Nämlich eine solche, deren „Kritikobjekte“ zwar für sich stark differenziert erscheinen, allerdings dennoch in grobe Kategorien eingeteilt werden können/müssen, welche zugegeben vereinfacht sind: Kapitalismus (inkl. „Globalisierung“ und „Finanzmarkt“), Gender, Ökologie, Staatsgewalt und (christliche) Kirchen (vgl. [18]). Auch „Occupy“ und „Blogcupy“ sind im Prinzip diesem Muster zusortierbar. Viele „kritische Bewegungen“ sind selbst Organisationen, was sie wiederum nicht davon abgehalten hat, implizit (und selten explizit) ihrerseits Organisationen (und v. a. deren Macht) zu kritisieren (vgl. Abbildung S04). Auch im Diskurs über sog. „Nicht-Regierungsorganisationen“ finden sich derartige Berufungen auf „Selbstregulierung“ von Interessen durch eben zumindest nicht-staatliche „Akteure“ wieder (vgl. [29]). Dass Selbstbestimmung und Selbstorganisation auch in europäischen Gesellschaften für viele in
Selbstorganisation massiver Gefahr erscheinen, belegt als ein Beispiel die „Los Indignados“-Bewegung („Die Empörten“) in Spanien, die die Wiederherstellung von Menschenwürde fordert, die aufgrund der „Finanz- und Wirtschaftskrise“ stark erodiert sei. Vermutlich wäre es vermessen, von Selbstorganisation als einem gesellschaftlichen Leitbild zu sprechen, allerdings zeigen sich semantisch und durchaus auch substanziell seit mindestens den 1980er Jahren eben auch in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen deutliche Tendenzen zu Etablierung dieser Form: „Selbstorganisation“ und „Vernetzung“, „Dezentralisierung“ und „Partizipation“, also die Grundbegriffe der NSB-Organisation und -Programmatik, fehlen seit dem in kaum einer Veröffentlichung zum Thema „Management und Organisation“. 3 Selbstorganisation in Wirtschaft und Management Wirtschaft und Management sehen in der organisatorischen Umgestaltung der Unternehmen seit längerem die geeignete Antwort auf den zunehmenden globalen Wettbewerb, die Beschleunigung der Produktzyklen, die rasche Produktdiversifizierung und die Differenzierung der Nachfrage. Bereits EDV und CAD/CIM haben zu Beginn der 1980er Jahre die Organisation erheblich verändert und neue Organisationsformen bzw. neue Formen der Zusammenarbeit geschaffen. Systematische Arbeitsmethoden aller Art (►Qualitätstechniken) zeigten, dass einzelne bzw. Gruppen kooperierender Menschen ihre Arbeitsprozesse kritisch betrachten und selbst verbessern können (►Gruppenarbeit). Wie sich Gruppenarbeit in selbstorganisierten Zeiten darstellt, soll das BeispielZitat in Abbildung S05 belegen. „Quality Circles“ (►Qualitätszirkel) und ähnliche Techniken des Qualitätsmanagements waren die ersten Manifestationen der Einsicht, dass permanente ►Qualitätsverbesserung bzw. Innovation auf „unterster“ Ebene selbstverantwortlich organisiert werden kann und muss und gegebenenfalls die Ausgliederung von Unternehmensfunktionen, Fertigungs- und Dienstleistungsbereichen. Abbildung S06 zeigt hierzu ein konkretes Beispiel aus der Automobilwirtschaft.) Mit dem Aufkommen und der Adaption der neuen Rationalisierungsleitbilder ►Lean-Management, ►Reengineering etc. Anfang
Abb. S04: Forderung der Rückgabe von Menschenrechten durch Anti-Corporations-Bewegungen
Beispiel >Selbstorganisation 1Selbstorganisation 2Selbstorganisation 3 3 gewählt werden (üblicherweise n = 5). ◼ Die Stichprobengröße ist bei der Variablenprüfung immer kleiner als bei der Attributprüfung. 3 Grundlagen der SPC Bei Produktionsprozessen bzw. Ferti gungs abläufen unterscheidet man zwei Arten von Fehlereinflüssen (Störgrößen): 1 Zufällige Einflüsse. Sie haben ein breites Spektrum von gleichzeitig wir ken den Ursachen, welche nicht leicht identifiziert werden können. Jede einzelne Ursache beeinflußt nur einen geringen Teil der Gesamtvariabilität und wird voraussichtlich keine signifikante Größe erreichen. Die Summe all dieser nichtidentifizierten Zufalls größen ist jedoch messbar und sie hängen mit dem Prozess ursächlich zusammen. 2 Systematische Einflüsse. Sie lassen sich bestimmten Ursachen zuordnen und können zumindest theoretisch eliminiert werden. Diese indentifizierbaren Einflüsse können als Prozessfehler angesehen werden. Sie werden etwa durch ☐ Inhomogenität des Werkstoffes, ☐ Werkzeugbruch, ☐ Unregelmäßigkeiten bei Produktions- oder Kontrolltätigkeiten verursacht. Das Ziel der SPC ist es, den Prozess in einem kontrollierbaren und akzeptierbaren Zustand zu halten; dadurch wird garantiert, daß Produkte den geforderten Kriterien entsprechen. Die Basis für Statistische Prozessregelung bildet die Qualitäts regelkartentechnik. Dabei ist die Regelkarte als grafische Dar stellung ein anschauliches Hilfsmittel für die Regelung und Überwachung von Prozessen, um rechtzeitig Unregelmäßig keiten in den Messdaten-Trends, die aus periodisch wiederholbaren Prozessen gewonnen werden, zu erkennen und Kriterien für die Identifizierung von nicht statistisch stabilen Prozessen zu erhalten. 4 Maschinenfähigkeit Eine Maschinenfähigkeitsuntersuchung wird durchgeführt, wenn man etwa eine neue Maschine oder eine neue Bearbei tungsstation installiert, oder wenn sich ein Prozess als unzureichend erweist. Sie ist eine Kurzzeituntersuchung, bei der eine einzige große Stichprobe, deren Umfang im allgemeinen nicht über fünfzig liegt, entnommen wird. Es ist dabei darauf zu achten, dassdie Merkmalsausprägungen nicht durch maschinenfremde Einrichtungen beeinflussst werden.
1098
S
SPC-Statistical Process Control
SPC-Statistical Process Control
5 Prozessfähigkeit Bei der Prozessfähigkeitsuntersuchung werden Langzeiteinflüsse erfaßt, indem über einen längeren Zeitraum hinweg oder laufend kleine Stichproben entnommen werden. Mit Hilfe von ►Qualitätsregelkarten wird ein auf den Materialfluß (MF) einwirkender Prozess überwacht, um rechtzeitig Korrekturmaßnahmen einleiten zu können (Abbildung S36). Es werden alle am Prozess beteiligten Parameter und ihr Einfluss auf die Merkmalsausprägungen der Prozesserzeugnisse erfasst. Da das Trendverhalten des Prozesses bewertet werden soll, wird grundsätzlich länger als bei der Maschinen fähigkeitsuntersuchung untersucht.
5.2 Prozesslagenkennwert cpk Der Prozesslagenkennwert cpk berücksichtigt die Lage des Mittelwertes gegenüber den vorgegebenen Toleranzgrenzen und ist definiert durch das Verhältnis „kleinster Abstand von x zur Toleranzgrenze“ zu „halbe Prozessstreuung“:
cp = T 6σ Δ cpk = krit 3σ Δkrit = Min | OT - x
In kurzen, möglichst gleichen Zeitintervallen werden kleine Stichproben entnommen. Die grafische Darstellung von Kennwerten des Werkstückes oder des Prozesses zeigt an, ob der Prozess beherrscht ist, d.h. daß die Veränderungen der Produktmerkmale zufällig sind. Die Prozessfähigkeitsuntersuchung ist die Analyse aller an einem Herstellungsprozess beteiligten Einflussfaktoren hinsichtlich ihres Störeinflusses, die geplante Fertigungsaufgabe innerhalb vorgegebener ►Qualitätsforderungen zu erfüllen. Ihr Ziel ist es, Aussagen über die Fähigkeit und die Beherrsch barkeit des Prozesses machen zu können.
und x - UT |
x … Mittelwert der Stichprobenmittelwerte
Zur Ermittlung der Prozessfähigkeit als Langzeitverhalten eines Prozesses mit zufälliger Schwankung werden aus genügend vielen Stichproben die Mittelwerte und die Streuungen innerhalb der Stichproben erfaßt und die Normalverteilung aufgetragen. Zur Beurteilung des Prozesses sind mindestens 125 Meßwerte aus Einzelstichproben vom Umfang n > 3 (üblicherweise n = 5) zu erfassen.
S
5.1 Prozessfähigkeitskennwert cp Der Prozessfähigkeitskennwert cp ist das Verhältnis der „vorgegebenen Toleranz“ zur „Prozessstreuung“: T = OT - UT … vorgegebene Toleranz (Breite des Toleranzfeldes) OT = obere Toleranzgrenze UT = untere Toleranzgrenze σ = Standardabweichung cp zeigt an, wie oft die natürliche Streuung von 6σ in der vorgegebenen Toleranz T enthalten ist. Für eine ausschußfreie Fertigung ist aus obiger Definition ersichtlich, daß cp > 1 sein muss. Unter Einbeziehung der 75-%-Warngrenze wird die untere Schranke für ausschußfreie Produktion auf cp > 1,33 erhöht. Abb. S36: Statistische Prozessregelung – SPC MF
Einstell-Maßnahmen
Prozessfähigkeit
1099
Prozess
MF
Stichproben
6 Qualitätsregelkartentechnik Der Basistyp der Regelkarte ist das nach ►Shewhart [1] benannte Diagramm. Es werden darin Angaben, die aus dem Produktionsprozess in regelmäßigen Intervallen gewonnen werden, eingetragen. Die Intervalle können im Zeitmaß (z. B. Minuten) oder in Mengenmaßen (z. B. Stückzahl) definiert sein. ►Qualitätsregelkarten zeigen an, ob ein Prozess unter „statistischer Kontrolle“ arbeitet, ob er beherrscht wird oder nicht. Im Zustand der statistischen Kontrolle sind Veränderungen der Produktmerkmale zufällig. Qualitätsregelkarten erlauben, zwischen zufälligen und systematischen Verän de rungen zu unterscheiden. Mit ihrer Hilfe sollen systematische Veränderungen erkannt und durch Nachstellen des Prozesses kompensiert werden. Regelkarten werden für die laufende Prozessregelung vor Ort eingesetzt. Sie schaffen eine gemeinsame Sprache bei Diskussionen über Prozesssicherheit. Die Erstellung, Führung und Auswertung von Qualitätsregelkarten erfolgt zweckmäßiStichproben-Kenngerweise rechnerunterstützt (Abbildung S37). werte
Qualitätsregelkarten Variable Merkmale
Attributive Merkmale
Formeln und zugehörige Faktoren zur Be rechnung von Eingriffsgrenzen können den Tabellen nach [2] entnommen werden.
SPC-Statistical Process Control
Spezifikation
6.1 Regelkarten für variable Merkmale Variable Merkmale sind Meßdaten. Es werden in der Regel zwei Karten verwendet; man spricht auch von zweispurigen Qualitätsregelkarten. Die obere Spur zeichnet Durch schnittswerte (x), Zentralwerte (x) oder Einzelwerte X auf und misst die Streuung zwischen den Einzelstichproben. Die untere Spur zeichnet die Spannweite R oder Standardab weichung σ auf und misst somit die Streuung innerhalb der Einzelstichproben: ◼ ◼ ◼ ◼
arithmetischer Mittelwert (x) und Spannweite (R) arithmetischer Mittelwert (x) und Standardabweichung (s) Zentralwert (Median) (x) und Spannweite (R) Einzelwert (X) und veränderliche (gleitende) Spannweite (R).
Die Koeffizienten, die zur Berechnung der Regelgrenzen verwendet werden, sind unter der Voraussetzung einer Normalverteilung bestimmt worden. Da die Mehrzahl der Re gelgrenzen als empirisches Kriterium benützt werden, haben kleine Abweichungen von der Normalverteilung im allgemeinen nur geringfügige Auswirkungen auf zu treffende Ent scheidungen. Abb. S37: Beispiel einer x-R-Karte (Mittelwert-Spannbreiten-Karte)
OEG
x
x
UEG UT
OEG R
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
Stichproben OEG UEG OT UT
= = = =
Obere Eingriffsgrenze Untere Eingriffsgrenze Obere Toleranzgrenze Untere Toleranzgrenze
Merkmal: Nennmaß: Maschine-Nr.:
22
◼ ◼ ◼ ◼
Fehleranteil (p) Anzahl der fehlerhaften Teile (np) Anzahl der Fehler (c) Anzahl der Fehler pro Einheit (u). a. o. Univ.-Prof. Dr. P. Herbert Osanna, Technische Universität Wien, Herr Hofrat Univ.-Prof. Osanna ist leider verstorben. Text überarbeitet und angepasst durch Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Literatur
[1] Shewhart, W. A.: Economic Control of Quality of Manufactured Products. New York (Van Nostrand) 1931 [2] ISO 8258: Shewhart Control Charts. 1993 – zurückgezogen und ersetzt durch: ISO 7870-2:2013-04 – Part 2: Shewhart Control Charts. English Version. Berlin (Beuth) 2013
Spezifikation
▶en: specification ►Dokument, das ►Anforderungen festlegt
Beispiel: ►Qualitätsmanagement-Handbuch , ►Qualitätsmanagementplan, technische Zeichnung, ►Verfahrensdokument, Arbeitsanweisung. Anmerkung 1 zum Begriff: Eine Spezifikation kann sich beziehen auf Tätigkeiten [z. B. Verfahrensdokument, ►Prozessspezifikation und ►Testspezifikation] oder auf ►Produkte (z. B. Produktspezifikation, ►Leistungsspezifikation und Zeichnung). Anmerkung 2 zum Begriff: Durch Festlegen von Anforderungen kann eine Spezifikation zusätzlich Ergebnisse der ►Entwicklung festlegen und dadurch in einigen Fällen als ►Aufzeichnung verwendet werden. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
spezifischer Fall
ISO-Term
R
Die Aufzeichnung erfolgt grundsätzlich in Form von nur einer Regelkarte:
ISO-Term
OT
6.2 Regelkarten für attributive Merkmale Attributive Merkmale sind Zähldaten von Fehlern. Dabei kann lediglich zwischen zwei gegensätzlichen Ausprägungen unterschieden werden (gut/schlecht, vorhanden/nicht vorhanden). Im allgemeinen können attributive Werte einfach und schnell gewonnen werden.
▶en: specific case
Gegenstand des ►Qualitätsmanagementplans
Anmerkung 1 zum Begriff: Der Begriff wird verwendet, um die Wiederholung von „►Prozess, ►Produkt, ►Projekt und ►Vertrag“ in ISO 10005 zu vermeiden. [Quelle: ISO 10005:2005, 3.10, geändert — Anmerkung 1 zum Begriff wurde geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
SPI
Strategic Planning Institute (►PIMS).
1 10.000 34
1100
S
Spiegelausschuss Spiegelausschuss
▶en: mirror committee Der Spiegelausschus ist ein terminus technicus der Normung. Wenn CEN z. B. ein Normengebiet als normwürdig anerkennt, wird dort ein technisches Komitee eingerichtet. Die Mitglieder von CEN (30 europäische Staaten) können sich über ihre nationalen Normungsinstitute daran beteiligen, müssen das aber nicht. Allerdings müssen später alle CENMitglieder die Norm übernehmen, unabhängig davon, ob sie daran mitgearbeitet haben oder nicht. Wenn CEN-Mitglieder an einer Mitarbeit interessiert sind, richten sie i. d. R. einen sog. Spiegelausschuss ein. In diesem sind möglichst alle interessierten Kreise vertreten, die von dem Normgegenstand betroffen sein können. Am DIN soll ein Spiegelausschuss insgesamt maximal 21 Personen umfassen. Ein Spiegelausschuss oder Spiegelgremium ist folglich ein nationales Fachgremium, das in und zwischen den Normungsorganisationen wie ISO, IEC, CEN, DIN eine wichtige Funktion erfüllt. In ihm bilden sich kohärente Strukturen und es werden die je spezifischen Normungsinhalte aufgearbeitet und reflektiert.
Literatur
Niedziella, W.: Wie funktioniert Normung? 2. Auflage. Berlin (VDEVerlag) 2007
Sputnick-Schock
▶Business Exzellenz
SQAS
S
▶Safety Quality Assessment System Standard des europäischen Chemieverbands CEFIC. Qualitäts-, Sicherheits-, Arbeitsschutz- und Umweltmanagementsystem für Dienstleister in der Logistik sowie Chemie mit dem Ziel einer einheitlichen Bewertung durch unabhängige Assessoren, die denselben Standard/Fragebogen nutzen.
SQE Body of Knowledge (SQEBoK)/ASQ ▶Software Quality Engineering
Stabilität
▶Prüfmittelmanagement
1101
Staffelstab-Übergabezone
▶Japanische Qualitätstechniken
Stakeholder-Ansatz
▶Shareholder Value ▶Partner im Markt ▶interessierte Partei (en: interested party) Der Stakeholder-Ansatz reflektiert kritisch die These, dass Unternehmen selbstgenügsam für sich selbst da sind. Dem wird mit diesem Ansatz ein betriebswirtschaftliches Umweltkonzept entgegengehalten, das einen Rahmen für Umwelt komplexität definiert, eben die Abstraktion in Stakeholders, deren Zufriedenstellung im Mittelpunkt steht. Mit Verfolgung dieses Konzepts wird in der Managementlehre der Gruppenbezug des Managements betont. Er ist auch in dem Begriffsinventar der ISO 9000:2015 enthalten, allerdings unter einem anderen Begriff: ►interessierte Partei (interested party). Neuere Ansätze des strategischen Managements rücken diese Perspektive stark ins Zentrum und relativieren damit die Shareholder-Orientierung (►Shareholder Value). Stakeholder sind Interessenträger und können Einzelpersonen und Gruppen (Organisationen) sein. Sie üben entweder aktiv oder passiv (angenommen) Einfluß auf die Organisation aus. Im Entscheidungshandeln wird deren tatsächliche oder angenommene Perspektive mitberücksichtigt. Genauso wie Stakeholder Einfluß ausüben, können sie auch von Entscheidungen betroffen sein (z. B. ►Kunden). Der Stakeholder-Ansatz geht auf den Amerikaner E. R. Freeman zurück, der in seinem 1984 erschienen Buch „Strategic Management. A Stakeholder Approach“ erstmals diesen Begriff prägte [1]: „Als Stakeholder (stake = ein mit Risiko verbundener Einsatz) können Bezugsgruppen, Interessengruppen, Anspruchsgruppen bezeichnet werden, die von der Unternehmung betroffen sind. Sie verfolgen deshalb ein gewisses Interesse gegenüber den Unternehmen.“ Diese Ausweitung auf eine Vielzahl verschiedener Interessen lässt den Stakeholders-Ansatz vielfach auch zum sogenannten „Anspruchsgruppen-Ansatz“ werden. Die Beziehung zum Unternehmen wird sehr weit gefasst, weit über die rein marktmäßigen Beziehungen hinaus. Bea und Haas schreiben dem Stakeholders-Ansatz eine Früherkennungsfunktion zu. Die trennscharfe Bestimmung der Stakeholder ist eines der Hauptprobleme dieses Ansatzes. In sämtlichen Ansätzen des modernen Qualitätsmanagements ist die Stakeholder-Perspektive integriert worden. Bezeich nungen wie Interessengruppe, Kundenorientierung, Orientierung an Marktpartnern (►Partner im Markt) oder auch allgemein Orientierung an der Gesellschaft (►EFQM-Modell) signalisieren das. Konkret geht es in der Praxis oft darum, Schicksalgemeinschaften zu bilden und die Perspektive der Stakeholders genau zu kennen. Wichtig ist aus diesem Grund
Begriff
Ein solcher Spiegelausschuss ist dafür verantwortlich, dass die Beschlüsse der einschlägigen internationalen Gremien, kommunizier und die eigenen nationalen Interessen dem entsprechenden internationalen Gremium gegenüber vertreten werden. Konkret soll ein Spiegelausschuss die Rolle einnehmen, Positionen zu den in dem entsprechenden Technical Committee zu diskutieren und inhaltlich abzustimmen. Die von der Experten im Spiegelausschuss ausgedrückten Positionen sind das Ergebnis einer offenen Diskussion und sollen dem Konsens dienen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Stakeholder-Ansatz
Standard
Statistik im Qualitätsmanagement
ein abgestimmtes Beziehungsmanagement des Unternehmens. Zur Charakterisierung der potentiellen Stakeholder anhand ihrer Ziel- und Machtstruktur sowie des eingegangenen Risikos schlägt Scholz eine formalisierte Stakeholder-Analyse vor. Mittels einer Relevanzmatrix ist eine Identifizierung der Stakeholder möglich (Abbildung S38). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Stand der Technik
Literatur
Ständige Verbesserung
[1] Nach Bea, F. X.; Haas J.: Strategisches Management. StuttgartJena (G. Fischer) 1995, S. 90 [2] Scholz, Chr.: Strategische Organisation. Prinzipien zur Vitalisierung und Virtualisierung. Landsberg (mi) 1997, S. 71 Abb. S38: Relevanzmatrix zur Identifizierung von Stakeholdern Stakeholder
Stakeholder zu Organisation Ziele Macht Risiko
Organisation zu Stakeholder Ziele Macht Risiko
▶en: state of the art Der zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichte Stand technischer Einrichtungen, Erzeugnisse, Methoden und Verfahren, der sich nach Meinung der Mehrheit der Fachleute in der Praxis bewährt hat und dessen Eignung für die Praxis von diesen Fachleuten als nachgewiesen angesehen wird. ▶en: continous improvement ▶Verbesserung ▶Qualitätsverbesserung Der Begriff ist mit Erscheinen der ISO 9000:2015-11 neu als „►fortlaufende Verbesserung (en: continual improvement)“ benannt worden.
Relevanz
Mitarbeiter Gewerkschaften Anteilseigner Kunden Lieferanten Öffentlichkeit Sonstige
STANAG 4107
Standardisierungsübereinkommen innerhalb der NATO, in dem insbesondere die Qualitätsprüfung geregelt ist (►AQAP).
STANAG 4108
Standardisierungsübereinkommen innerhalb der NATO (►AQAP).
Standard (en) ▶de: Norm
Standard
▶Kaizen Einheitliche, anerkannte und angewandte Art und Weise etwas herzustellen oder durchzuführen. Ein Standard besteht in Form eines formalisierten oder nicht-formalisierten Regelwerks oder einer Norm. In technischen Bereichen existieren Industriestandards, herstellerspezifische Standards und der offene Standard. Standards können auch organisationsspezifisch festgelegt werden (►Kaizen).
Standardisieren
▶Simultaneous Engineering ▶Kaizen ▶DIN SPEC
Standardabweichung
Ein statistisches Streuungsmaß, das auf den Quadraten der Abweichung der Einzelwerte vom Durchschnitt beruht. Genauer: Die Standardabweichung σ(X) einer Zufallsvariablen X ist definiert als die Quadratwurzel der Varianz Var(X). Der Begriff wurde von Francis Galton um 1860 in die Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung eingeführt.
Statistical Process Control
▶SPC-Statistical Process Control
Statistik im Qualitätsmanagement
▶Statistics in Quality Management ▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement ▶Walter Andrew Shewhart | George Stanley Radford ▶Big Data Eine kurze Definition, was heute allgemein unter Statistik verstanden wird, lautet wie folgt: Die Statistik beschäftigt sich mit der Gewinnung und Auswertung mengenmäßiger (quantitativer) Informationen von zufälligen Ereignissen und (Massen-) Erscheinungen (Ergebnisse von Versuchen, Beobachtungen, Erhebungen) und bedient sich dabei vor allem Rechenmethoden der Wahrscheinlichkeitstheorie. Historisch gesehen geht das Wort auf das lateinische „statisticum“ zurück, was soviel heißt wie „den Staat betreffend“. Andere Quellen geben auch das italienische „statista“ als Vokabel für den „Staatsmann“ oder „Politiker“ als Ursprung an. Unstrittig ist in jedem Fall, dass die Statistik ihre Ursprünge im Sammeln von Daten zu einem politisch verwalteten Staat hat. Die heutige Statistik mit der Trennung in ihre zwei Teilgebiete, der beschreibenden und der schließenden Statistik sowie die Anwendung der statistischen Methoden auf immer weitere Anwendungsbereiche der Wissenschaft und des täglichen Lebens, sind im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts entstanden.
1102
S
Statistik im Qualitätsmanagement 1 Historischer Exkurs Statistik im Qualitätsmanagement Zweifellos stellt die Kontrolle der Qualität von Produkten eine der ältesten Aktivitäten des Menschen dar. Sie mittels Anwendung statistischer Methoden zu unterstützen ist jedoch erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt. Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist das von George Stanley ►Radford 1922 veröffentlichte Buch mit dem Titel „The Control of Quality in Manufacturing“, in dem die industrielle Qualitätskontrolle erstmals unter statistischen Gesichtspunkten dargestellt wurde. Es war jedoch Walter Andrew ►Shewhart, der mit seinem Werk „Economic Control of Quality of Manufactured Product“ 1931 die Industriestatistik begründete, indem er ausführlich auf den Begriff der Wahrscheinlichkeit einging und auch Schätz- und Testverfahren behandelte. Mit dem Erscheinen von Shewharts Buch rückten somit statistische Methoden erstmals in das Zentrum der Betrachtungen zur Qualitätskontrolle. Die Fachliteratur zu den statistischen Methoden im Qualitätsmanagement ist seitdem ständig angewachsen, wobei festgestellt werden muss, dass Weiterentwicklungen seit Ende des 20. Jahrhunderts nicht mehr zu erkennen sind. Eher geht es wohl darum den erreichten Stand durch Normierung zu kodifzieren. 2 Zentrale statistische Begriffe und Themen im Qualitätsmanagement In diesem Lexikon zum Qualitätsmanagement werden die grundlegenden Themen zum Verständnis der Statistik im Qualitätsmanagement komprimiert in Einzeldarstellungen behandelt. Sie finden sich in alphabetischer Reihenfolge und können somit leicht unter folgenden Stichworten nachgeschlagen werden:
S
◼ ►Fähigkeit: Statistisches Verfahren, um festzustellen, ob Prozesse oder Maschinenkomponenten die Forderungen an die Fehlerfreiheit erfüllen (s. a. ►Qualitätsfähigkeit). ◼ ►Fehler: Verschiedene Fehlerbegriffe, die nach Abweichung, Auftreten und Auswirkung klassifiziert werden können. Ausfall- und Funktionierens-Wahrscheinlichkeit. ◼ ►Q7: Handlungsbezogene statistische Techniken, die der Japaner Kaoru ►Ishikawa ins Qualitätsmanagement eingeführt hat. ◼ ►Qualitätsregelkarten (QRK): Das Werkzeug zur Überwachung von Lage und Streuung eines Prozesses oder zur Überprüfung von Maschinenfähigkeiten. ◼ ►Six Sigma: Methode zur Erlangung hochsicherer Prozesse mit weniger als 3,4 Fehlern pro Million Vorgängen unter Einsatz einer strategischen Vorgehensweise (DMAIC) sowie einer Toolbox mit 49 Werkzeugen. ◼ ►Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement: Grundlegende Begriffe der deskriptiven und induktiven Statistik ☐ Statistische Anwendungsfelder im QM: Dargestellt werden die wichtigsten Bereiche mit den angewandten Methoden. ☐ Stichproben: qualitative, quantitative Prüfungen; Annahmestichprobenprüfung, Stichprobenpläne nach DIN ISO 2859.
1103
Statistik im Qualitätsmanagement ☐ Taschenrechner versus Statistiksoftware im QM: Ohne genaue Kenntnis statistischer Methoden hilft auch kein elektronisches Hilfsmittel. Abgrenzung der Einsatzbereiche. ☐ Wahrscheinlichkeitsrechnung (Stochastik): Statisti-sche Aussagen sind nicht deterministisch und erfordern somit Kenntnisse der Wahrscheinlichkeitsrechnung, inkl. der wichtigsten Verteilungen / statistische Sicherheit. Ein weiteres Gebiet, das stark von statistischer Denkweise geprägt ist, ist das ►Zuverlässigkeitsmanagement. Es findet sich in einem besonderen Stichwortartikel. Allgemein wird immer wieder behauptet, dass die statistischen Methoden schwer zu verstehen sind. Manche Mitarbeiter sollen sogar Angst davor haben. Genau betrachtet liegt die Schwierigkeit jedoch nicht an den mangelnden Mathematikkenntnissen, sondern daran, dass die stochastische Denkweise nicht begriffen wurde. Sie sollte im Qualitätsmanagement verstanden sein. Dipl.-Wi.-Ing. (FH), Dipl.-Ing. (FH) Roland Weghorn, Seukendorf und Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Behr, Andreas; Pötter, Ulrich: Einführung in die Statistik mit R. 2. Aufl. München (Vahlen) 2011 [2] Benesch, Thomas: Schlüsselkonzepte zur Statistik. Die wichtigsten Methoden, Verteilungen, Tests anschaulich erklärt. Berlin (Springer Spektrum) 2013 [3] Bleymüller, Josef; Gehlert, Günther; Gülicher, Herbert: Statistik für Wirtschaftswissenschaftler. 15. Aufl. München (Vahlen) 2008 [4] Geiger, Walter; Kotte, Willi: Handbuch Qualität. Grundlagen und Elemente des Qualitätsmanagements: Systeme – Perspektiven. 5. Aufl. Wiesbaden (Vieweg) 2008 [5] Linß, Gerhard: Statistiktraining im Qualitätsmanagement. München [u.a.]: Leipzig (Fachbuchverlag Leipzig) 2006 Linß, Gerhard: Qualitätsmanagement für Ingenieure. 3. Aufl. (München) Hanser 2011 [6] Masing, Walter; Pfeifer, Tilo; Schmitt, Robert: Masing Handbuch Qualitätsmanagement. 6. Aufl. München (Hanser) 2014 [7] Montgomery, Douglas C.: Introduction to statistical quality control. 7th ed. Hoboken, NJ (Wiley) 2013 [8] Rinne, Horst; Mittag, Hans-Joachim: Statistische Methoden der Qualitätssicherung. 3. Aufl. München-Wien (Hanser) 1995 [9] Schwarze, Jochen: Grundlagen der Statistik 1: Beschreibende Verfahren. 11. Aufl. Herne, Berlin (Verlag Neue Wirtschafts-Briefe – NWB-Studium Betriebswirtschaft) 2009 [10] Schwarze, J.: Grundlagen der Statistik 2: Wahrscheinlichkeitsrechnung und induktive Statistik. 10. Aufl. Herne, Berlin (Verlag Neue Wirtschafts-Briefe – NWB-Studium Betriebswirtschaft) 2013 [11] Wälder, Konrad; Wälder, Olga: Statistische Methoden der Qualitätssicherung. München: Hanser (Hanser eLibrary) 2013 [12] Weghorn, Roland: Der Qualitätsmanagement-Atlas. Eine Bildund Formelsammlung. 2. Aufl. Seukendorf (QMRW) 2013
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Einheit Materieller oder immaterieller Gegenstand der Betrachtung. Einheiten können sein: Personen, Tätigkeiten, Prozesse oder Produkte.
▶Statistical Terms in Quality Management ▶Statistik im Qualitätsmanagement
Die folgende Auswahl an Begriffen aus der Statistik für die Zwecke des Qualitätsmanagements beruht einzig und allein auf Lehrerfahrungen.
Grundgesamtheit Gesamtheit aller in Betracht gezogenen Einheiten. Induktive Statistik Mathematische Methoden zur Beschreibung von Stichproben einer Datenmenge sowie zum Rückschluss auf die zu Grunde liegende Grundgesamtheit. Auch als Schließende, Beurteilende oder Analytische Statistik bezeichnet. Los Lose sind Mengen gelieferter Einheiten (Lieferlos) oder produzierte Mengen an Einheiten (Fertigungslos). Meist ist ein Los als Grundgesamtheit zu betrachten, z. B. die Gesamtheit einer Liefermenge. Der Losumfang wird in der Regel mit N bezeichnet. Je nach Kritikalität müssen Lose über Chargennummern (LOT-Nummern) rückverfolgbar sein, im Extremfall über Seriennummern jedes einzelne Teil eines Loses, was erhöhte Forderungen an die Dokumentation bedeutet. Im Rahmen der Fertigung ist darauf zu achten, dass Chargen nicht vermischt werden (Stratifikation bzw. DatenTrennung).
1 Statistikgrundbegriffe ▶Basic Statistical Terms ▶Statistik im Qualitätsmanagement In den einschlägigen Normen zum Qualitätsmanagement sind weit über 1000 Begriffe aufgenommen. Die folgende Auswahl dient zur Einführung und zum Grundverständnis. Eine frei zugängliche Quelle zu Fachbegriffen rund um das Qualitätsmanagement findet sich in QZ/DGQ 2014. Begriff
Begriff
Insofern sind sowohl die Bestimmung von zehn wie auch genau die durch diese Menge definierte Auswahl zwar willkürlich, aber didaktisch hilfreich für den Einstieg in die statistische Methodenlehre des Qualitätsmanagements. Eine wissenschaftlich begründete Auswahl als Alternative zur Abbildung S39 mit zehn zentralen Begriffskernen findet sich nicht.
Deskriptive Statistik Mathematische Methoden zur Beschreibung der Grundgesamtheit einer Datenmenge. Auch als Beschreibende Statistik bezeichnet.
Abb. S39: Die zehn Begriffskerne der Statistik im Qualitätsmanagement ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ Extrastichwort
10 Taschenrechner vs. Statistiksoftware
1 Statistikgrundbegriffe
2 Anwendungsfelder
9 Six Sigma ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Fehlersammelliste Qualitätsregelkarte Histogramm Pareto-Analyse Korrelations-Analyse Brainstorming Ursache-WirkungsDiagramm
8 Q7-Qualitätstechniken
◼ Qualitative Stichprobenprüfung ◼ Quantitative Stichprobenprüfung
Statistik im Qualitätsmanagement
7 Stichproben
6 Qualitätsregelkarten
◼ Extrastichwort
Deskriptive Statistik Einheit Grundgesamtheit Induktive Statistik Los Merkmal Parameter Skalen und Skalenniveaus ◼ Statistische Hypothese ◼ Stichprobe
3 Fehler
4 Wahrscheinlichkeitsrechnung 5 Fähigkeit
◼ Prozessfähigkeit ◼ Maschinenfähigkeit ◼ Qualitätsfähigkeit
◼ Absoluter Fehler ◼ Relativer/ Prozentualer Fehler ◼ Kritischer Fehler ◼ Hauptfehler ◼ Nebenfehler ◼ Systematischer Fehler ◼ Sporadische/ Zufällige Fehler ◼ Fehler 1. Art ◼ Fehler 2. Art ◼ ◼ ◼ ◼
◼ Formelübersicht Wahrscheinlichkeitsrechnung
S
Kombinatorik Ereignisbegriffe Wahrscheinlichkeitsbegriffe Wichtige Verteilungen Binomialverteilung Poissonverteilung Normalverteilung
◼ Extrastichwort
1104
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement Merkmal Eigenschaft zum Erkennen oder zum Unterscheiden von Einheiten. Das für die Anwendung der statistischen Methode wichtigste Merkmal ist das „quantitative“ Merkmal (durch Zahlen ausdrückbar). Die statistischen Einheiten heißen Merkmalsträger. Die möglichen Werte, die ein Merkmal annehmen kann, heißen Merkmalsausprägungen, der in einer Untersuchung konkret festgestellte Wert heißt Merkmalswert. Qualitative Merkmale sind nicht durch Zahlen ausdrückbar. Ihre Werte sind reine Namensbezeichnungen, die entweder eine logische Ordnungsstruktur haben (ordinale Merkmale, z. B. Wochentage) oder nicht (nominale Merkmale, z. B. Religionszugehörigkeit). Quantitative Merkmale hingegen sind durch Zahlen ausdrückbar (von Quantum = Menge). Diskrete Merkmale können ganzzahlige Werte annehmen und werden auch zählbare Merkmale genannt (z. B. jegliche Art von Häufigkeiten), bei stetigen oder kontinuierlichen Merkmalen können die Werte innerhalb eines bestimmten Intervalls beliebige Zahlenwerte annehmen (z. B. Körpergröße). Stetige Merkmale sind in der Regel meist messbare Werte, die eine physikalische Einheit besitzen. Eine spezielle Klasse von Merkmalen sind im Qualitätsmanagement die ►Qualitätsmerkmale (quality characteristics). Sie werden aus ►Qualitätsforderungen abgeleitet und sind einem Produkt inhärent, also nicht zugeordnet. Parameter Größe zur Kennzeichnung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung (Verteilung der Grundgesamtheit). Die wichtigsten Parameter sind bei kontinuierlichen Merkmalen der arithmetische Mittelwert μ und die Standardabweichung σ, bei diskreten Merkmalen der Fehleranteil p. Skalen und Skalenniveaus Eine Skala ist eine Anordnung von Werten, denen Merkmalsausprägungen eindeutig zugeordnet werden können. Die darauf abgebildeten Werte heißen Skalenwerte. Die Skalierung ist abhängig vom darzustellenden Merkmal und bestimmt das sog. Skalenniveau (Nominalskala, Ordinalskala etc.). So ist das Skalenniveau der x-Achse der Binomialverteilung in Abbildung S02 (Kapitel 4.3) diskret, während die y-Achse stetig skaliert ist.
S
Statistische Hypothese In der induktiven Statistik geht es im Kern um das „Schließen“ des Untersuchungsergebnisses einer Stichprobe auf die Grundgesamtheit. Eine statistische Hypothese ist eine Vermutung über die Verteilung eines Merkmals in der Grundgesamtheit bzw. die Parameter einer zu Grunde liegenden Verteilung. Mit Hilfe statistischer Testverfahren werden diese Hypothesen überprüft (Hypothesen-Test). In der ►Qualitätssicherung ist das Arbeiten mit Hypothesen beispielsweise die Grundlage für die Annahmestichprobenprüfung. Eine zu überprüfende Hypothese (z.B., ob ein Lieferlos mit einer bestimmten Stichprobenanweisung angenommen wird), wird Nullhypothese genannt. Die Wahrscheinlichkeiten für Annahme oder Ablehnung der Hypothese kennzeichnen den
1105
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement Annahme- und Ablehnungsbereich. Die Wahrscheinlichkeit der Ablehnung einer richtigen Nullhypothese wird Irrtumswahrscheinlichkeit oder Signifikanzniveau genannt und spiegelt den Fehler 1. Art (α-Fehler) wider. Die Wahrscheinlichkeit der Annahme einer falschen Nullhypothese ergibt den Fehler 2. Art (β-Fehler). Stichprobe Zufällig entnommener Teil eines Loses (s. hier Kapitel 7 Stichproben). Der Stichprobenumfang wird n genannt. Bei abgeschlossenen Losen (Lieferlosen) wird die Stichprobe als Ganzes entnommen. Bei der Fertigungsanalyse oder der Fertigungssteuerung werden meistens nacheinander oder in periodischen Abständen m (Unter-) Stichproben des gleichgeringen Stichprobenumfangs n entnommen. Der Gesamtstichprobenumfang ist dann nges = m · n. 2 Statistische Anwendungsfelder im QM Ausgehend von der Überlegung, dass Qualität in allen Branchen und Bereichen zu managen ist, gibt es auch übergreifend in allen Bereichen statistische Anwendungsfelder. Mit Anwendungsfeldern sind in diesem Zusammenhang Bereiche gemeint, in denen der Gebrauch statistischer Kenntnisse und Techniken von Nutzen ist. Dazu zählen grundlegend alle Bereiche der Organisation, auf die sich das Qualitätsmanagement bezieht. Anwendungsfelder können auch funktionale und prozessuale Aspekte betreffen wie Controlling oder die Prozessorganisation, ja auch das Personalmanagement. Letztendlich müssen heute alle zu treffenden Maßnahmen begründet werden, indem Zahlen aufbereitet werden, an denen sich der Erfolg zeigt. Hierzu sind Statistikkenntnisse unabdingbar. Während in fertigenden Organisationen die Anwendung statistischer Methoden seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit ist, wird der Nutzen im Dienstleistungsbereich häufig noch angezweifelt. Als Beispiel sei hier die Anwendung im Bereich der ärztlichen Praxis genannt. Seit 2007 gibt es hierzu groß angelegte Studien, in denen deutschlandweit der Nutzen des Qualitätsmanagements und dessen Auswirkung auf Prozesse und die Patientensicherheit ermittelt werden. In der letzten hierzu verfügbaren Studie für das Jahr 2011 gaben etwa 25% der befragten Ärzte an, dass QM – und hierzu zählt auch die geeignete Anwendung statistischer Methoden – keinen Einfluss auf Güte und Sorgfalt hätte (14,4%) oder gar durch eine „Verkomplizierung“ von Abläufen sogar mehr Fehler entstehen und sich die Patientensicherheit dadurch vermindern würde (10,2 %) (Obermann 2011, S. 22). Dabei steht für die sinnvolle Anwendung statistischer Verfahren in diesem Bereich an erster Stelle die geeignete Erfassung von erfolgten Fehlern oder potenziell möglicher Fehlerereignisse. Häufig fehlt jedoch eine klare Definition, was als Fehler zu zählen ist und was nicht. Vorteile und Nutzen statistischer Methoden offenbaren sich nur dem, der sie verstanden hat und sinnvoll anwendet. Es bleibt zu hoffen, dass sich mit der ständigen Ausweitung der Grundgedanken des Qualitätsmanagements auch die Grundsätze der modernen Statistik langsam aber beständig auch auf alle Gebiete der Dienstleistung ausbreiten.
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement 3 Fehler Ein Fehler aus der Sicht der ISO 9000-Begriffsnorm ist einfach die Nichterfüllung einer Forderung. In der Praxis des Qualitätsmanagements haben sich jedoch verschiedene Fehlerbegriffe etabliert, die sich von dieser reinen Norm-Definition abgrenzen. Ein absoluter Fehler ist die Differenz aus Ist- und Sollwert. Er ist vorzeichenbehaftet und trägt die physikalische Einheit der Messgröße. Bei Messgeräten ist der absolute Fehler die Differenz von angezeigtem und wahrem Wert. Der relative Fehler ist der absolute Fehler im Verhältnis zum Sollwert. Auch er ist vorzeichenbehaftet, jedoch dimen-sionslos. Wird er mit 100% multipliziert und in Prozent angegeben, spricht man vom prozentualen Fehler. Messtechnische Prüfungen im Bereich Qualitätssicherung dienen in erster Linie der Feststellung dieser Art von Fehler. Treten Fehler immer wieder auf, spricht man von systematischen Fehlern. Tritt ein Fehler jedoch ohne erkennbaren Zusammenhang nicht systematisch auf, so spricht man sporadischen oder zufälligen Fehlern. Letztere bereiten in der täglichen Praxis die meisten Probleme, da sie nicht greifbar sind und in der Regel erst systematisiert werden müssen, um sie zu beseitigen (z. B. unter Einsatz der Versuchsmethodik). Im Qualitätsmanagement ist der systematische Umgang mit diesen Fehlerarten vor allem wichtig für die Weiterentwicklung von Produkten und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Je nach der Schadensauswirkung eines Fehlers spricht man von kritischen Fehlern, wenn bei Auftreten Leib und Leben gefährdet sind, von Hauptfehlern zumindest ein hoher finanzieller Schaden entsteht und von Nebenfehlern in allen anderen Fällen. Bauteile werden häufig diesen Fehlerklassen zugeordnet, da sich hiernach die Prüfvorgaben ausrichten müssen. Für kritische Bauteile dürfen in der ►Qualitätssicherung keine Stichprobenprüfungen durchgeführt werden. Betrachtet man gefertigte Produkte, die sich aus n Komponenten zusammensetzen, so gehen die Fehler- bzw. Ausfallwahrscheinlichkeiten der Einzelkomponenten multiplikativ in die Berechnung der Gesamtwahrscheinlichkeit ein, dass das gefertigte Produkt fehlerfrei ist: W = (1 – p)n. Dabei ist p die Ausfallwahrscheinlichkeit einer einzelnen Komponente und W die Funktionierenswahrscheinlichkeit des Gesamtprodukts. Betrachtet man Fehler im Rahmen einer Stichprobenprüfung, so ergeben sich zwei Fehlermöglichkeiten, die als Fehler 1. Art und Fehler 2. Art bezeichnet werden. Beim Fehler 1. Art (α-Risiko) würde man ein Los ablehnen, obwohl es die Forderungen erfüllt, beim Fehler 2. Art (β-Risiko) würde man ein Los annehmen, obwohl es die Forderungen nicht erfüllt. Der Fehler 1. Art wird im Qualiätsmanagement auch als Lieferantenrisiko bezeichnet, der Fehler 2. Art als Abnehmerrisiko.
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement 4 Wahrscheinlichkeitsrechnung (Stochastik) Zu den folgenden Ausführungen wird empfohlen, die Übersicht „Ausgewählte Formeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung“ synchron zu betrachten. Darin werden die Kernaussagen des Textes zu den Formeln nachvollziehbar abgebildet. 4.1 Kombinatorik Die Kombinatorik als grundlegende Teildisziplin der Wahrscheinlichkeitsrechnung untersucht die Möglichkeiten, Gegenstände auf verschiedene Arten anzuordnen. Dabei wird im Wesentlichen zwischen den drei Begriffen Permutationen, Kombinationen und Variationen unterschieden. Als Permutation wird jede Zusammenstellung einer Anzahl von Elementen bezeichnet, die auf irgendeine Weise angeordnet werden kann. Die Berechnung der Permutation von n Elementen ohne bzw. mit Gruppen gleichartiger Elemente erfolgt gemäß den Formeln unter Buchstabe A und B in der Übersicht „Ausgewählte Formeln …“ Als Kombination wird jede Zusammenstellung von k Elementen aus n Elementen bezeichnet. Wird dabei die Anordnung der Elemente berücksichtigt (z. B. „ab“ und „ba“ sind zwei verschiedene Möglichkeiten, die Buchstaben a und b anzuordnen), spricht man von Variationen. Wird die Anordnung der Elemente dagegen nicht berücksichtigt (z. B. die Zahlen beim Lotto), spricht man nur von Kombinationen. Die Anzahl der Variationen bzw. Kombinationen ist dabei noch abhängig davon, ob Wiederholungen der Elemente zugelassen sind (z. B. Bildung von zweistelligen Zahlen aus den Ziffern 1 bis 5) oder nicht (z. B. Bildung von Zweierpaaren aus den Buchstaben a, b und c ohne Buchstaben-Wiederholung). Für die daraus resultierenden vier Fälle finden sich die zugehörigen Berechnungsformeln in der Übersicht „Ausgewählte Formeln“ unter den Buchstaben C bis F. 4.2 Ereignisbegriffe Die Wahrscheinlichkeitstheorie greift verschiedene Aspekte der Mengenlehre auf, die auf das Konstrukt des Begriffes „Ereignis“ Anwendung finden. Es lassen sich folgende grundlegende Ereignisbegriffe bestimmen: ◼ Ereignis: Menge, die sich aus einem oder mehreren einzelnen Elementarereignissen zusammensetzt, denen jeweils eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden kann. ◼ Elementarereignis: Einzelnes Element aus einer Menge von Möglichkeiten. ◼ Ereignisraum Ω: Menge aller möglichen Elementarereignisse und wird allgemein mit Ω dargestellt. ◼ Sicheres Ereignis: Ein Ereignis ist dann sicher, wenn es alle Elemente des Ereignisraumes umfasst. Die Wahrscheinlichkeit eines sicheren Ereignisses ist immer 1 bzw. 100%. ◼ Unmögliches Ereignis: Ein Ereignis ist dann unmöglich, wenn es kein einziges Elementarereignis des Ereignisraumes umfasst. Die Wahrscheinlichkeit des unmöglichen Ereignisses ist immer 0 und wird auch mit { } oder Ø als Symbol für die leere Menge dargestellt.
1106
S
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement ◼ Komplementärereignis: Ein Komplementärereignis Ā zu einem Ereignis A umfasst die Menge aller Elementarereignisse des Ereignisraums, die durch das Ereignis A nicht umfasst sind. ◼ Zufallsexperiment: Unter einem Zufallsexperiment versteht man einen (beliebig oft) wiederholten Vorgang mit mindestens zwei möglichen sowie im Voraus unbekannten Ereignissen als Ergebnis.
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Übersicht: Ausgewählte Formeln zur Wahrscheinlichkeitsrechnung
Für die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen gelten weitgehend die Gesetze der Mengenlehre, z. B. P(A ∪ B) = P(A) + P(B) – P(A ∩ B). Zur Veranschaulichung werden häufig sog. Venn-Diagramme eingesetzt, die ebenfalls in der Mengenlehre Verwendung finden. Die auf Pierre-Simon Laplace (1749*1827†) zurückgehende Formel zur Berechnung der einfachen Wahrscheinlichkeit lautet: ◼ P = Anzahl günstiger Ereignisse / Anzahl möglicher Ereignisse Setzt ein Ereignis ein anderes Ereignis voraus, spricht man von der bedingten Wahrscheinlichkeit. Die Abhängigkeiten werden meist in einem Baumdiagramm dargestellt. P(B/A) ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ereignis B eintritt unter der Bedingung, dass vorher A eingetreten ist. Zwei Ereignisse sind stochastisch unabhängig, wenn die bedingte Wahrscheinlichkeit P(B/A) dieselbe ist wie beim Auftreten des Komplementärereignisses von A. Die Wahrscheinlichkeit unabhängiger Ereignisse errechnet sich durch einfache Multiplikation der Einzelwahrscheinlichkeiten P(A ∩ B) = P(A) · P(B). Für beliebige Ereignisse (z.B. am Endknotenpunkt eines Wahrscheinlichkeitsbaums – siehe Abbildung S40) errechnet sie sich mit P(A ∩ B) = P(A) · P(B/A).
S
Summiert man alle Endknoten-Wahrscheinlichkeiten auf, in denen das BEreignis auftritt, erhält man die totale Wahrscheinlichkeit für das Ereignis B: P(B) = Σ P(B/Ai) · P(Ai). Sind lediglich die Wahrscheinlichkeiten der Endknotenpunkte bekannt und soll hierüber auf einer Wahrscheinlichkeit der Ebene A zurückgeschlossen werden, kommt die nach Thomas Bayes (1702*-1761†) benannte Bayes’sche Wahrscheinlichkeit zum Einsatz: P(B/A) = P(A ∩ B)/P(B). Da in diesem Fall von einem später stattfindenden Ereignis auf ein früheres zurückgeschlossen wird, spricht man auch von A-prioriWahrscheinlichkeit. So kann beispielswei-
1107
se auf dieser Basis ein Arzt auf Grund von Symptomen auf eine zu Grunde liegende Krankheit zurückschließen. In Abbildung
S40 wird ein Wahrscheinlichkeitsbaum am Beispiel eines KrebstestScreenings von Frauen (Brustkrebs) gezeigt. Es ist beispielsweise
bekannt, dass 8 von 1.000 Frauen an Brustkrebs erkrankt sind (0,8%). Weiterhin ist bekannt, dass 90% aller Mammographie Screeningtests positiv sind, wenn die Frau tatsächlich an Brustkrebs erkrankt ist, in 7% jedoch fälschlicherweise ein positives Testergebnis geliefert wird. Nach Bayes lässt sich jetzt errechnen, dass bei einem positiven Testergebnis die Frau nur in etwa 9% der Fälle tatsächlich an Krebs erkrankt ist! Diese Zahl ist entgegen der „gefühlten“ Erwartung sehr gering. Bei einem falschen Verständnis dieses Sachverhaltes könnte die Konsequenz hieraus eine schlechte Beratung bzw. Aufklärung des Patienten sein. Dieses Beispiel soll die Wichtigkeit verdeutlichen, die das Verständnis statistischer Sachverhalte (hier der Wahrscheinlichkeitsrechnung) auf allen möglichen Gebieten des Qualitätsmanagements haben kann (hier in der medizinischen Diagnostik). Abb. S40: Wahrscheinlichkeitsbaum Bedingte Wahrscheinlichkeit: P(P/K) = 90 % P| 7
P(K) = 0,8% K| 8
P(K ∩ P) = 0,72 % Bayes’sche Wahrscheinlichkeit:
P(K ∩ N) = 0,08 %
Totale Wahrscheinlichkeit:
1.000
P ( K) = 99 ,2% K| 992
P(K ∩ P) P(P) 0,72 % = ≈ 9,4% 7,66%
P(K⁄ P) =
P(N/K) = 10 % N| 1
P(P) ≈ 7,66% P(P/K) = 7% P | 70
P(K ∩ P) = 6,94% Legende:
P(N/K) = 93% N | 922 P(K ∩ N) = 92 ,3%
K: Krebs K: Kein Krebs P: Positiver Test N: Negativer Test
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Abb. S41: Binomialverteilung mit n = 100 und p = 0,1
Wahrscheinlichkeit P(x)
Binomialverteilung 0,14 0,12 0,10 0,08 0,06 0,04 0,02 0,00
Merkmal x
Abb. S42: Poissonverteilung mit = n · p = 1,8 Poissonverteilung Wahrscheinlichkeit P(x)
4.3 Wichtige Verteilungen Lässt man auf ein Nagelbrett Kugeln rieseln und fängt diese in darunter aufgestellten Behältern auf, so füllen sich diese Behälter nach einem bestimmten Muster. In der Mitte befinden sich sehr viele Kugeln und nach rechts und links nimmt die Häufigkeit zu beiden Seiten exponentiell ab. Diese charakteristische Form der Verteilung nennt man Binomialverteilung (Abbildung S41). Es ist eine diskrete Verteilung, die für jeden Behälter eine konkrete Anzahl an Kugeln vorhersagt. Wenden wir diese Logik auf eine Stichprobenentnahme an. Zieht man eine Stichprobe n aus einem Los vom Umfang N, so lässt sich bei Annahme einer bestimmten Fehlerwahrscheinlichkeit p im Los mit Hilfe der Binomialverteilung die Wahrscheinlichkeit berechnen, eine bestimmte Menge an fehlerhaften Teilen in der Stichprobe zu finden. Streng genommen müsste eigentlich mit der Hypergeometrischen Verteilung gerechnet werden („Ziehen ohne Zurücklegen“), jedoch kann bei genügend großem Stichprobenumfang > 50 näherungsweise mit der einfacheren Binomialverteilung gerechnet werden. Die Wahrscheinlichkeiten für binomialverteilte Zufallsgrößen können gemäß der Formel in der Übersichtstabelle unter Buchstabe G berechnet werden.
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Wird der theoretisch angenommene Ausschussanteil sehr klein, verschiebt sich die Verteilung immer weiter nach links auf die y-Achse zu. Als Faustregel gilt: wenn n > 10 und p < 0.05 oder das Produkt aus n · p < 10 ist, dann ist die Binomialverteilung nicht mehr geeignet und sollte durch eine andere Verteilung ersetzt werden, nämlich die Poissonverteilung (Abbildung S42), benannt nach dem französischen Mathematiker Siméon Denis Poisson (1781*-1840†). Die PoissonVerteilung ist damit die Grenzverteilung der Binomialverteilung und ebenso wie diese diskret. Die Wahrscheinlichkeit für poissonverteilte Zufallsgrößen können gemäß der Formel unter Buchstabe H in der Übersichtstabelle berechnet werden. In vielen Fällen – immer dann, wenn Stichprobenumfänge sehr groß werden – lässt sich mit einer sehr viel einfacheren Form der Verteilung rechnen: Die Normalverteilung oder auch Gauß’sche Verteilung – benannt nach dem deutschen Mathematiker Johann Carl Friedrich ►Gauß (1777*-1855†),
Merkmal x
der die zu Grunde liegenden Gesetzmäßigkeiten erforscht hat. Dabei sind zwei Kenngrößen wichtig: der Mittelwert µ – das ist der Wert auf der Merkmalsachse mit dem höchsten Punkt der Glocke – und die Standardabweichung σ, sie entspricht dem Abstand zwischen Mittelwert und einem der beiden Wendepunkte auf der Kurve. Die Standardabweichung ist ein Maß für die Streuung der Normalverteilung. Die Normalverteilung ist symmetrisch und durch die beiden Kenngrößen Mittelwert und Standardabweichung eindeutig beschrieben. Dies ist der Grund, warum häufig mit der Normalverteilung gerechnet wird – sie ist über ganze zwei Kennwerte vollständig beschrieben. Im Vergleich hierzu sind die meisten anderen Verteilungen sehr komplex und schwieriger zu handhaben. Fällt man links und rechts vom Mittelwert durch den Wendepunkt eine Senkrechte auf die Merkmalsachse, so schließt die Normalverteilung einen festen Flächenanteil mit der Merkmalsachse ein. Zwischen – σ und + σ sind es 68,26%. Abbildung S43 zeigt die Normalvertei-
1108
S
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Abb. S43: Normalverteilung
Dichtefunktion f(x)
Normalverteilung
68,26%
Wendepunkt
σ
μ
lung. Normalverteilungen sind stetig und es lassen sich keine Wahrscheinlichkeiten für einzelne Merkmalswerte ermitteln (der Flächeninhalt unter einem einzelnen Wert wäre immer Null) – immer nur Wahrscheinlichkeiten für Intervalle. Die Normalverteilung wird mathematisch durch seine sogenannte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion beschrieben. Die Formel zur Berechnung bzw. Darstellung der Normalverteilung findet sich in der Übersichtstabelle unter dem Buchstaben I. Werden in einer Häufigkeitstabelle (mit oder ohne Klassenbildung) die relativen Häufigkeitswerte aufsummiert, so lassen sich diese kumulierten Häufigkeitswerte über den Merkmalswerten (bzw. Klassenobergrenzen) in ein spezielles Formblatt einzeichnen. Dieses sog. Wahrscheinlichkeitsnetz hat auf der vertikalen Prozentachse einen verzerrten Maßstab, der dazu führt, dass eingezeichnete, normalverteilte Werte eine Gerade ergeben. Der Anwendungsfall des Wahrscheinlichkeitsnetzes ist: Nachweisführung normalverteilter Werte, Ablesen von Schätzwerten (µ und σ) sowie von Ausschussanteilen.
S
In der induktiven Statistik erfolgen Rückschlüsse von den untersuchten Stichproben auf die unbekannte Grundgesamtheit immer mit einer vorgegebenen, statistischen Aussage-Sicherheit. Diese beträgt üblicherweise 90%, 95% oder 99%. In letzterem Fall lässt man also eine Irrtumswahrscheinlichkeit (α) von 1% zu. Das Ergebnis dieser Vorgabe ist dann in der Regel ein Intervall für den untersuchten Zielwert. Wird beispielsweise in einer Stichprobe von 100 Teilen kein einziger Fehler gefunden, so liegt der Fehleranteil in der Grundgesamtheit mit 99% Sicherheit in einem Intervall zwischen 0 und 4,5%. Das errechnete Intervall wird auch als Vertrauensbereich oder Konfidenzintervall bezeichnet. Berechnungsgrundlage hierfür sind je nach Anwendungsfall verschiedene Verteilungen, z. B. Normalverteilung oder Fisherverteilung.
1109
Merkmal x
5 Fähigkeit ▶Capabiltiy Unter Qualitätsfähigkeit im allgemeinen Sinne wird eine Erwartung verstanden. Es geht um die Erwartung, dass vorgegebene Forderungen erfüllt werden. Dabei kann es sich um Prozesse, Maschinen oder auch Menschen handeln, die sicherstellen, dass die Forderungen erfüllt werden. Die Forderungen beziehen sich dabei immer auf ein Produkt oder eine Dienstleistung (s. a. das Extrastichwort ►Qualitätsfähigkeit; Geiger/Kotte 2008). Mit einem Zertifikat nach ISO 9001 wird beispielsweise einem dargelegten QM-System dessen Qualitätsfähigkeit bescheinigt. Das statistische Konzept der Fähigkeit im engeren Sinn dient jedoch der gezielten Untersuchung, ob ein Prozess oder eine Maschine vorgegebene ►Forderungen erfüllt oder nicht. Jeder Fertigungsprozess erzeugt eine Normalverteilung der gefertigten Teile in Bezug auf ein zu untersuchendes Merkmal. Dabei steht der normalverteilte Prozess in einer Beziehung zur vorgegebenen Toleranz mit oberem und unterem Grenzwert (OGW, UGW). Abbildung S05 zeigt einen Prozess im Verhältnis zur vorgegebenen Toleranz. Das Prozessfähigkeitspotenzial Cp zeigt auf, wie gut ein Prozess sein könnte, wenn er ideal läge, also genau in der Toleranzmitte. Hierzu fließen in die Betrachtung lediglich die konstruktiv vorgegebene Toleranz T = OGW – UGW sowie die Standardabweichung σ des Prozesses ein. Ins Verhältnis gesetzt wird T und das Sechsfache von σ, was einem Flächenanteil von 99,73% unter der Glockenkurve entspricht. Cp = T / 6σ. Cp ist lageunabhängig und sollte nach Stand der Technik mindestens 1,33 betragen, was einer Toleranzbreite von 8σ entspricht. In Abbildung S44 entspricht die Toleranz dem 12-fachen der Standardabweichung, was einen Cp von 2,0 ergibt. Nach diesem Kriterium wäre dieser Prozess also fähig. Auf Grund der Lageunabhängigkeit von Cp wird ein weiterer Parameter eingeführt, der die Lage berücksichtigt. Der kritische Prozessfähigkeitsfaktor Cpk errechnet sich über das Verhältnis des kritischen Pfades Zkrit und dem Dreifachen von σ.
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Abb. S44: Der Prozess im Verhältnis zur vorgegebenen Toleranz Prozessfähigkeit
UGW
OGW
T
σ
Betrachtet man mehrere Prozessverteilungen im Vergleich, so kann eine Aussage über die Prozessbeherrschung gemacht werden. Ein Prozess gilt dann als beherrscht, wenn seine Lage- und Streukennwerte weitgehend gleich bleiben und nicht variieren. Ist ein Prozess nicht fähig, so lässt sich dieser auch grundsätzlich nicht beherrschen.
Ausschuss
Zkrit Legende
UGW = Unterer Grenzwert OGW = Oberer Grenzwert T = Toleranzmitte
µ σ µ Zkrit
= Standardabweichung = Mittelwert = kritischer Pfad
Wie in Abbildung S44 dargestellt, stellt der kritische Pfad den Abstand von Mittelwert µ des Prozesses und der nächstgelegenen (kritischen) Toleranzgrenze dar. Es gilt: Cpk = Zkrit / 3σ mit Zkrit = Min (OGW - µ; µ - UGW), also dem kleineren Abstand von Mittelwert zur oberen und unteren Toleranzgrenze. Über den kritischen Pfad fließt damit indirekt über den Mittelwert µ die Lage des Prozesses in die Betrachtung mit ein. Auch für Cpk gilt nach Stand der Technik eine Vorgabe von mindestens 1,33, entsprechend einem Minimum-Abstand von 4σ zur näher liegenden Toleranzgrenze. Cpk kann maximal so groß wie Cp werden. Betrachtet man Abbildung S05, so liegt der Mittelwert nur 3σ vom unteren Grenzwert entfernt. Das entspricht einem Cpk von 1,0 und der Prozess wäre nach Stand der Technik nicht fähig. Die gleiche Logik kann auch auf Maschinen angewendet werden, die im Rahmen eines kompletten Prozesses lediglich eine Einzelkomponente darstellen. Auch hier gelten obige Gesetzmäßigkeiten in Bezug auf einen lageunabhängigen Parameter Cm = T / 6s, der das Maschinenfähigkeitspotenzial darstellt und Cmk = Zkrit / 3s, der den kritischen Maschinenfähigkeitsfaktor darstellt. Maschinenfähigkeitsuntersuchungen werden beispielsweise nach Instandsetzungen in der Regel mit 50 bis 100 Teilen als Stichprobenprüfung durchgeführt, daher werden in den Formeln die Parameter der Stichprobe verwendet. Die Forderungen nach Stand der Technik lauten Cm, Cmk ≥ 1,66, was einem Minimum-Abstand von 5σ von der Toleranzgrenze entspricht. Ist der kritische Pfad nicht einfach ermittelbar, so bietet sich an, in die Formel für den kritischen Fähigkeitsfaktor im Zäh-
ler einfach einmal den Abstand zur unteren und einmal zur oberen Toleranzgrenze einzusetzen. Man erhält dann den unteren und den oberen Fähigkeitsfaktor: Cpu = (µ - UGW) / 3σ; Cpo = (OGW - µ) / 3σ. Der kleinere Wert von beiden entspricht dann wieder dem kritischen Fähigkeitsfaktor Cpk. Für die Maschinenfähigkeit gilt die Darstellung wieder analog.
Über die Lage und Streuung des Prozesses im Verhältnis zur Toleranz lassen sich auf Grund der festen Flächenanteile unter der Normalverteilung auch die Ausschussanteile an den Toleranzgrenzen errechnen. Die Abbildung S45 zeigt dabei den Zusammenhang zwischen Abstand des Mittelwertes zur Toleranzgrenze (Zkrit), den Cpk-Wert und den Ausschussanteilen auf. Abb. S45: Zusammenhang zwischen Abstand des Mittelwertes zur Toleranzgrenze, den Cpk-Wert und den Ausschussanteilen
Zkrit
Cpk
Ausschuss
ppm
0σ 1σ 2σ 3σ 4σ 5σ 6σ
0 0,33 0,67 1,0 1,33 1,67 2,0
50% 15,87% 2,28% 0,14% 0,0032% 0,0001% 0
500.000 158.655 22.750 1.350 32 1 0
6 Qualitätsregelkarten (QRK) Die statistische Methode der Qualitätsregelkarte findet sich als Q7-Technik eingeordnet, ist aber so elementar und umfangreich, das ihr ein gesondertes Kapitel in einem Extrastichwort gewidmet wird: ►Qualitätsregelkarten.
1110
S
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement 7 Stichproben Eine Stichprobe ist eine zufällig ausgewählte Zusammenstellung von Einheiten, die nach einer Prüfung eine Information über die Grundgesamtheit liefern soll. Die Kernfrage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet: Wie viele Einheiten sind zu entnehmen und wie viele fehlerhafte Einheiten dürfen maximal fehlerhaft sein, um ein Los anzunehmen oder abzulehnen. Im Folgenden sollen zunächst grundlegende Informationen über das Prüfen im Allgemeinen gegeben werden und danach das Konzept der Annahmestichprobenprüfung vorgestellt werden. Prüfen umfasst nach DIN ISO 2859-1 „Tätigkeiten wie Messen, Untersuchen, Ermitteln oder Lehren eines oder mehrerer Merkmale einer Einheit sowie Vergleichen der Ergebnisse mit festgelegten Forderungen mit dem Ziel festzustellen, ob für jedes Merkmal die Erfüllung der Forderung erreicht ist.“ In der Prüftechnik werden grundsätzlich zwei Arten von Prüfungen unterschieden: Messen und Lehren. Entsprechend den geprüften Merkmalen werden beim Messen quantitative Merkmale untersucht (zahlenmäßig erfasst). Beim Lehren dagegen handelt es sich um eine Attributprüfung, bei der es im Ergebnis nur die beiden Attribute gut oder schlecht gibt. Lehren ermöglichen eine schnelle Beurteilung von gut oder schlecht, auch wenn die kritischen Merkmale nicht gemessen werden. Beispiele für Lehren sind Grenzlehrdorne, Grenzrachenlehren, Gewindelehren, Radius- und Fühlerlehren. Eine Los-Prüfung auf Basis einer Zufalls-Stichprobe, die über Annahme oder Ablehnung (Rückweisung) eines Loses entscheidet, wird als Annahmestichprobenprüfung bezeichnet. Die Prüfung kann dabei auf ein komplettes Teil oder auf einzelne Merkmale bezogen werden. Konkrete Vorgaben für die Durchführung qualitativer Annahmestichprobenprüfungen macht die DIN ISO 2859, für quantitative Prüfungen entsprechend die DIN ISO 3951.
S
Die Vorgehensweise einer qualitativen Einfach-Stichprobenprüfung nach DIN ISO 2859 soll im Folgenden kurz skizziert werden. Die vierteilige Norm beschreibt im Teil 2859-1 Stichprobenpläne für die Attributprüfung nach der annehmbaren Qualitätsgrenzlage (AQL – acceptable quality limit). Der AQL-Wert spiegelt dabei die schlechteste hinnehmbare ►Qualitätslage eines Prozesses für eine fortlaufende Serie von Prüflosen wider, die für eine Annahmestichprobenprüfung angenommen werden. Im Lieferantenverhältnis ist der AQL-Wert damit der zwischen Lieferant und Kunde in der Regel vertraglich vereinbarte maximal zulässige Fehleranteil in der Grundgesamtheit aller Lieferungen. Dieser Grenzwert stellt die Grundlage für die Festlegung der sogenannten Stichprobenanweisung dar. Eine Zusammenstellung von Stichprobenanweisungen mit Regeln für den Wechsel von einer zu einer anderen Stichprobenanweisung wird als Stichprobenplan bezeichnet. Der Stichprobenplan richtet sich dabei nach den beiden grundsätzlichen Prüfverfahren: Einfach-Stichprobenprüfung (im Allgemeinen die kostengünstigste Möglichkeit) und die Doppel- oder Mehrfach-Stichprobenprüfung.
1111
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement Die Kurzformel für eine Stichprobenanweisung lautet: n – Ac/Re. Dabei ist n der Stichprobenumfang, Ac die Annahmezahl (bis zu Ac fehlerhafte Einheiten oder Fehler dürfen sich im Los befinden) und Re die Rückweisezahl (ab Re fehlerhafter Einheiten oder Fehler wird das Los abgelehnt). Um eine sinnvolle Stichprobenanweisung aufstellen zu können, benötigt man folgende Grunddaten: Den Losumfang N, den AQL-Wert, das Prüfniveau (PN). Für das Prüfniveau gibt es drei allgemeine Prüfniveaus I, II und III sowie vier spezielle Prüfniveaus S-1, S-2, S-3 und S-4. Die Auswahl des Prüfniveaus bestimmt die Prüfschärfe und damit die statistische Sicherheit der Prüfung. Das Prüfniveau muss vorher festgelegt werden. Sollte keine Angabe vorliegen, so ist immer das Allgemeine Prüfniveau II zu verwenden. Die Bestimmung der Stichprobenanweisung erfolgt in zwei Schritten: 1. Bestimmung eines Kennbuchstaben auf Basis des Losumfangs und des Prüfniveaus aus einer ersten Tabelle und 2. Bestimmung der Stichprobenanweisung auf Basis des Kennbuchstaben und dem AQL-Wert aus einer zweiten Tabelle. Gelangt man auf der Suche nach der Annahmezahl in der Zeile des Kenn-Buchstabens auf einen Pfeilstrich, so ist dem Pfeil bis zur nächsten Zelle zu folgen, die eine Ac/Re-Angabe enthält. Der zu wählende Stichprobenumfang ist dann in dieser Zeile abzulesen. Bei den Plänen zu Mehrfach-Stichprobenprüfungen gibt es einen Bereich zwischen Annahme- und Rückweisezahl. Im Falle, dass bei einer Prüfung dieser Bereich erreicht wird, müssen weitere Prüfungen gemäß Vorschrift erfolgen. Je nach Lieferqualität sieht die Norm neben der Normalprüfung auch reduzierte oder verschärfte Prüfungen bis zum Abbruch vor. In ISO 8259-3 ist zusätzlich das Skip-Lot-Verfahren beschrieben, nach dem sich ein Lieferant dazu qualifizieren kann, dass Prüfungen auch komplett übersprungen werden können. Die Zusammenhänge zwischen den Qualitätslagen von Stichprobenanweisungen sind in der DIN ISO 2859-1 für jeden Kennbuchstaben in Form von sogenannten Operationscharakteristiken aufgeführt. Abbildung S46 zeigt für einen festen Stichprobenumfang von n = 80 vier verschiedene Kennlinien für die vier Annahmezahlen 2, 3, 4 und 5 (in der Abbildung mit c bezeichnet). Sie stellen den Zusammenhang zwischen der sog. Annahmewahrscheinlichkeit und dem Fehleranteil dar. Unter der Annahmewahrscheinlich-
keit versteht man dabei den erwarteten Prozentsatz, in einer Stichprobe vom Umfang n bis zu Ac fehlerhafte Teile zu finden. Die Annahmewahrscheinlichkeit spiegelt die Sicherheit wider, mit der eine Lieferung angenommen werden kann und sollte daher so hoch wie möglich sein. Die Differenz auf 100% stellt im Umkehrschluss das Lieferantenrisiko α dar, dass die Lieferung nicht abgenommen wird, obwohl sie in Ordnung ist. Für jede Annahmezahl gibt es eine eigene Kennlinie.
8 Q7 ▶7 Qualitätstechniken ▶7 Q-Tools Bei den Q7 handelt es sich um sieben ►Qualitätstechniken, die der japanische Qualitätsexperte Kaoru Ishikawa (1915*1989†) zusammenstellte, um sie so in einer griffigen Form für
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Abb. S46: Operationscharakteristik für verschiedene Annahmezahlen Operationscharakteristik
Annahmewahrscheinlichkeit
die Arbeit in ►Qualitätszirkeln zu nutzen. Die Q7 sind wie ein Schweizer Taschenmesser für das Qualitätsmanagement und beruhen auf der statistischen Methodenlehre. Sie stellen elementare Werkzeuge zur Fehlererfassung und -analyse bereit und können von jedem Mitarbeiter angewandt werden. In der Literatur finden sich unterschiedliche Darstellungen der Q7. Die folgende Zusammenstellung dürfte die gebräuchlichste Form sein.
Fehlersammelliste Die in Abbildung S47 dargestellte Fehlersammelliste ist wohl die grundlegendste Form der Fehler-Datenerfassung zur späteren Auswertung und Analyse. Im ersten Schritt werden die Fehlerklassen festgelegt Legende sowie die Zeiträume, die mit einem Formblatt zu erfassen sind (z. B. werden die Fehler pro Kalenderwoche gesammelt). Am Ende des Zeitraums wird die Summe der einzelnen Fehlerarten ermittelt. Eine alternative Fehlersammel-Methode erfolgt häufig direkt in Form von Skizzen oder technischen Zeichnungen, um hierauf die Orte der Fehler festzuhalten sowie gegebenenfalls die Art des Fehlers. Abb. S47: Fehlersammelliste Fehlersammelliste Nr. Fehlerart
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Zeitraum: KW 27
Gesamt
Qualitätsregelkarte (QRK) Die Qualitätsregelkarte dient dem systematischen Erfassen von Lage und Streuung eines Serienprozesses, dem frühzeitigen Erkennen von Fehlern (RUN, TREND, Überschreiten von Eingriffs- und Warngrenzen) und der Möglichkeit eines frühzeitigen Eingreifens noch bevor ►Ausschuss produziert wird. Die auf den Statistikexperten ►Shewhart zurückgehende Qualitätsregelkarte wurde von ►Ishikawa den Q7 zugeordnet, weil ihre Funktionsweise jeder kennen sollte. Für weitere Ausführungen siehe ausführlich das Extrastichwort ►Qualitätsregelkarten.
Prozess-Fehleranteil p
Histogramm Das Histogramm dient der Darstellung von Verteilungen stetiger ►Merkmale. Zusammenfassend erfolgt die Erstellung eines Histogramms in folgenden Schritten. Dabei sollten bei größeren Datenmengen die Daten in Klassen zusammengefasst werden. 1 Daten sammeln (Stichprobe vom Umfang n) 2 Klassen-Anzahl per Faustformel ermitteln: k = √n (k ist dabei eine natürliche Zahl! k ≤ 21) 3 größten und kleinsten Wert und hierüber die Spannweite (Range) bestimmen: R = xmax - xmin 4 Klassen-Weite ermitteln: w = R/k = (xmax - xmin) / k 5 Klassen eindeutig voneinander abgrenzen 6 Datenwerte den Klassen zuordnen / Häufigkeitstabelle erstellen 7 Histogramm zeichnen Eine Histogramm-Analyse (Abbildung S48) kann dabei helfen, bestimmte Sachverhalte aufzudecken, wie z. B. eine Aussortierung in Losen, Chargenvermischung oder das Erkennen von 2. Wahl-Ware. In das Histogramm werden dabei grundsätzlich oberer und unterer Grenzwert mit eingezeichnet und die Abweichungen des Histogramms vom klassischen Normalverteilungsverlauf zeigen die notwendigen Hinweise auf. Pareto-Analyse Der italienische Soziologe, Volkswirt und Ingenieur Vilfredo ►Pareto (1848*-1923†) ist auf eine Art Naturgesetz gestoßen, das in vielen Bereichen unseres alltäglichen Lebens auftritt, nämlich dass etwa 80% einer Auswirkung von nur etwa 20% der Ursachen bewirkt wird. Dieser Ansatz wird daher auch als 80-20-Regel bezeichnet. Das Pareto-Diagramm dient der Analyse dieses Zusammenhangs zwischen Ursache und
1112
S
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Die in der Betriebswirtschaftslehre übliche ABC-Analyse baut letztlich auf der Pareto-Analyse auf. Es erfolgt jedoch noch ein zusätzlicher Schritt, nachdem das ParetoDiagramm erstellt wurde. Es wird dann eine Dreiteilung durch Einzeichnen von zwei zusätzlichen Linien (A/B bei etwa 70%, B/C bei 90-95%) auf der vertikalen Achse durchgeführt. Die Dreiteilung bietet nun drei priorisierte Bereiche, die in der Regel mit A, B und C bezeichnet werden. Je nach untersuchtem Merkmal spricht man dann von A-Produkten, A-Lieferanten, A-Fehlern usw.
S
Korrelationsanalyse Das Korrelationsdiagramm (Abbildung „50) dient der Analyse des mathematischen Zusammenhangs zweier Größen. Ob sich aus einem vorhandenen, rein mathematischen Zusammenhang auch eine logische UrsacheWirkungs-Beziehung ableiten lässt, muss grundsätzlich immer noch auf anderen Wegen überprüft werden und ist meistens nicht gegeben. Als Grundlage für ein Korrelationsdiagramm ist eine x/y-Wertetabelle nötig. Jeder Punkt im Diagramm repräsentiert ein x/y-Wertepaar (z. B. Körpergröße und Gewicht einer Person). Mit dem Formelbuchstaben r wird allgemein der Korrelationskoeffizient bezeichnet. Er liegt in einem Wertebereich zwischen -1 und +1 und zeigt auf, ob ein Zusammenhang stark oder schwach ist (durch den Zahlenwert) und ob ein Zusammenhang steigend oder fallend ist (durch das Vorzeichen). Ein „perfekter“ Zusammenhang wäre ein Korrelationskoeffizient von +1 oder -1. Die Punkte erscheinen dann wie auf einer Schnur aufgefädelt auf einer Geraden. Je mehr sich r der 0 nähert, umso „nebulöser“ wird der Zusammenhang. Im Rahmen einer linearen Regressionsanalyse können die Parameter der Geraden (Steigung und Achsenabschnitt) ermittelt werden, die in der Punktwolke liegt. Für eine Parallele zur x- oder zur yAchse sowie für eine Punkteverteilung, in die keine Gerade gelegt werden kann, gilt r = 0. So könnte beispielsweise im QM die Korrelationsanalyse eingesetzt werden, um einen Zusammenhang zwischen Fehlerhäufigkeit und der Frequenz von Telefonanrufen in einer Vertriebszentrale untersucht werden. Hierzu sind ausreichend Daten zu
1113
Abb. S48: Histogramm
Häufigkeit
OGW
UGW
Prüfmerkmal
Abb. S49: Pareto-Analyse Pareto-Diagramm 80-20 Punkte 100% 80% 60% 40% 20%
A
B
C Untersuchtes Merkmal
Abb. S50: Korrelationsdiagramm Korrelationsdiagramm
Merkmal y
Wirkung. Es wird dabei davon ausgegangen, dass in einem sehr kleinen Teil der Ursachen der Großteil der Wirkung steckt und hilft dabei, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Vorgehensweise: 1 Analysekriterium festlegen (z. B. Fehleranzahl oder Fehlerkosten) 2 Daten sammeln (z. B. Fehlersammelliste) 3 Summen über die Fehlerklassen bilden 4 Rangabsteigend sortieren (wichtig, sonst ist das Ergebnis purer Zufall!) 5 Summen kumulieren (aufaddieren) 6 Paretodiagramm zeichnen (Abb. S49) 7 ggf. 80-20-Punkt markieren oder ABC-Analyse anschließen.
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Merkmal x
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement sammeln (mindestens 30 Datenpaare, besser 50 bis 100). Die Berechnung des Korrelationskoeffizienten erfolgt meist nach den Formeln von Bravais-Pearson. Liegen die Daten zumindest auf ordinalem Skalenniveau vor, so kann hilfsweise auf den Rangkorrelationskoeffizienten nach Spearman zurückgegriffen werden. Brainstorming Brainstorming („Gedankensturm“) wird gezielt eingesetzt, um im Team zu beliebigen Themen Ideen, Lösungsansätze etc. zu sammeln. Es handelt sich dabei nicht um ein StatistikTool sondern um ein Kreativ-Werkzeug. Die Ideen der anderen sollen auf die eigenen Gedanken zurück koppeln und so wiederum neue Ideen auslösen – eigenes Gedankengut soll mit dem der anderen verbunden werden und so ein Synergieeffekt erzeugt werden (Das Ergebnis ist mehr als die Summe der einzelnen Vorschläge.). Brainstorming wurde von ►Ishikawa auf Grund seiner unterstützenden Funktion in Qualitätszirkeln zu den Q7 gezählt, gilt heute jedoch darüber hinaus als klassisches Managementtool für alle möglichen Arten von Aufgaben- und Problemstellungen. Ursprünglich wurde es in den USA bereits Ende den 1950er Jahren von Alex F. Osborne entwickelt. Es gibt verschiedene Methoden des Brainstorming und es gelten vor allem die beiden Grundregeln: alle Vorschläge sind erlaubt, eine Bewertung ist verboten. Eine ideale Teamgröße sind 4 bis 7 Mitglieder plus Moderator.
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement 9 Six Sigma Six Sigma wurde 1987 von Motorola zunächst als Methode entwickelt, auf Basis statistischer Werkzeuge eine sehr niedrige Fehlerrate zu produzieren. Die Vorgehensweise wurde dann im Laufe der Folgejahre zu einem kompletten Qualitätsmanagementsystem-Ansatz weiter ausgebaut. Six Sigma beschreibt heute das Ziel, unter Einsatz statistischer Methoden Produkte und Prozesse bis auf ein maximal zulässiges Maß von 3,4 Fehler pro Million Vorgängen oder Möglichkeiten (FpMM) zu verbessern. Es kommt dabei die DMAIC-Systematik zum Einsatz (Define – Measure – Analyze – Improve – Control), in der für jede Phase spezifische ►Qualitätstechniken vorgesehen sind. Für weitere Ausführungen siehe das Extrastichwort ►Six Sigma. 10 Taschenrechner versus Statistiksoftware im QM Statistikprogramme jeglicher Art – egal ob auf einem Taschenrechner oder einem Großrechner – bieten die Ablage von kleinen oder großen Datenmengen an und verarbeiten diese Daten in hoher Geschwindigkeit durch Anwendung mathematischer Logik. Eine Information über die Sinnhaftigkeit eines Ergebnisses unterbleibt und so bleibt die Interpretation immer dem Anwender überlassen. Ein ermittelter Korrelationskoeffizient ist zunächst nichts weiter als ein Hinweis – die Interpretation muss durch den Menschen erfolgen. Hierzu sind statistische Kenntnisse unerlässlich. Das Horten großer Datenmengen, wie sie heute beim Data Mining üblich sind, führt dazu, dass durch das Erkennen von mathematischen Zusammenhängen statistische Hypothesen aufgestellt werden können, die näher untersucht werden können, die ohne den Einsatz von Software im Verborgenen schlummern würden. Für einfache, statistische Berechnungen der Kombinatorik, der uni- oder bivariaten Statistik mit wenigen Datensätzen eignen sich handelsübliche, günstige wissenschaftliche Taschenrechner. Sollen jedoch sehr viele Datensätze untersucht werden oder multivariate Statistik (mit vielen Variablen) be-
Ursache-Wirkungs-Diagramm (Ishikawadiagramm) Die nach dem Japaner Kaoru ►Ishikawa benannte Qualitätstechnik dient der systematischen und strukturierten Sammlung von Ursachen, die zu einer festgelegten Auswirkung führen können. In der Praxis des Qualitätsmanagements wird es beispielsweise in der Entwicklung eingesetzt, um im Rahmen eines Brainstormings Risiko-Ursachen zu finden, die später im Rahmen einer ►FMEA einer fundierten Bewertung unterzogen werden. Auf Grund seiner Darstellungsform wird das Diagramm auch als Fischgrätendiagramm bezeichnet (Abbildung S51). Ishikawa empfahl, die Untersuchung an Hand einiger immer wieder festgestellter UrsachenkategoAbb. S51: Ishikawadiagramm rien – den sog. M-Begriffen – durchzuführen. Ishikawadiagramm Die Hauptäste („Gräten“), die am „Rückgrat“ des Fisches enden, symbolisieren die Hauptaspekte. Wir sprechen heute von sieben M-Begriffen: Mensch, Maschine, Material, Methode, Mitwelt (Milieu), Management und Messbarkeit. Die gesammelten Ursachen 6. Management 4. Material 2. Maschine werden als Äste (Primärursachen) und UnterSekundäre äste (Sekundärursachen) an die Hauptgräten Ursache Primäre angetragen. Bei einer Risikoanalyse werden Ursache beispielsweise mögliche Fehler-Ursachen erarbeitet, die durch den Menschen ausgelöst werden (z. B. Fehlverhalten), durch fehlerhaftes Material usw. Eine moderne Form des 7. Mitwelt 5. Messbarkeit 3. Methoden 1. Mensch Ishikawa-Diagramms bilden Mindmaps, bei denen im Zentrum ein Schlüsselbegriff steht (die Auswirkung) und die Äste die gefundenen Ursachen bilden.
S Kriterium (Wirkung)
1114
Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement trieben werden, ist eine Unterstützung durch Computerprogramme unerlässlich. Für mittelkomplexe Statistiken eignen sich Office-Standardprogramme wie OpenOffice Calc oder MS Excel, wobei es hier auch eine integrierte Programmierumgebung für eigene Programmerweiterungen gibt. Bei sehr daten- und rechenintensiven Analysen muss jedoch auf professionelle Statistik-Software zurückgegriffen werden wie das kommerzielle SPSS von IBM oder die freie Software R. 11 Weiterführende Schritte in die Welt der Statistik Wie kann sich ein Qualitätsmanager Statistikkenntnisse aneignen und vertiefen? Mit den vorigen Kapiteln wurde ein erster Grundstein gelegt. Es wird jedoch in fast allen Bereichen nur an der Oberfläche gekratzt und mögliches Potenzial im jeweiligen Bereich aufgezeigt. Damit sollen diese Abschnitte helfen, einen Einstieg in die jeweils relevante Materie zu finden. Für den Einstieg in grundlegendes Wissen zur Statistik inklusive Wahrscheinlichkeitsrechnung empfehlen sich die beiden Bücher von Schwarze (2009, 2013), in denen auch viele praktisch orientierte Aufgaben zu finden sind. Auch Bücher der Unterhaltungsmathematik (z. B. Krämer 2009 oder Hesse 2014) helfen, auf unterhaltsame und humorvolle Weise Zusammenhänge der Statistik besser zu verstehen. Sobald das Qualitätsmanagement in den Vordergrund der Anwendung rückt, sei vor allem das Buch von Linß (2006) empfohlen, in dem sehr viele Methoden auch mittels Excel auf dem PC nachvollzogen werden können. Wer dagegen spezielle Trainings zu Statistik im Qualitätsmanagement sucht, der wird bei der ►Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V. (DGQ) fündig, die regelmäßig auf unterschiedlichen Niveaus und zu unterschiedlichsten Themenstellungen Kurse anbietet. Dipl.-Wi.-Ing. (FH), Dipl.-Ing.(FH) Roland Weghorn, Fürth Literatur
1115
[9] Linß, Gerhard (2006): Statistiktraining im Qualitätsmanagement. München [u.a.]: Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag [10] Linß, Gerhard (2011): Qualitätsmanagement für Ingenieure. 3., aktualisierte und erw. Aufl. München: Hanser. [11] Masing, Walter (2014): Statistik als Basis qualitätsmethodischen Denkens und Handelns. Letzter öffentlicher Vortrag von Walter Masing anlässlich des Q-DAS-Forums in Weinheim am 26. 11. 2003. In: Tilo Pfeifer und Robert Schmitt (Hg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement, 6., überarb. Aufl. München: Hanser, S. 686-693. [12] Montgomery, Douglas C. (2013): Introduction to statistical quality control. 7th ed. Hoboken, NJ: Wiley. [13] Obermann, Konrad (2011): Qualitätsmanagement in ärztlichen Großpraxen und medizinischen Einrichtungen 2011. Gesellschaft für Gesundheitsmarktanalyse und Studie der Stiftung Gesundheit Hamburg und TÜV SÜD München. Online verfügbar unter www.ggma.de. [14] Pfeifer, Tilo; Schmitt, Robert (Hg.) (2014): Masing Handbuch Qualitätsmanagement. 6., überarb. Aufl. München: Hanser. [15] Rinne, Horst; Mittag, Hans-Joachim (1995): Statistische Methoden der Qualitätssicherung. 3., überarb. Aufl. München, Wien: Hanser. [16] Schwarze, Jochen (2009): Grundlagen der Statistik 1: Beschreibende Verfahren. 11. Aufl. Herne, Berlin: Verlag Neue Wirtschafts-Briefe (NWB-Studium Betriebswirtschaft). [17] Schwarze, Jochen (2013): Grundlagen der Statistik 2: Wahrscheinlichkeitsrechnung und induktive Statistik. 10. Aufl. Herne, Berlin: Verl. Neue Wirtschafts-Briefe (NWB-Studium Betriebswirtschaft). [18] Timischl, Wolfgang (2012): Qualitätssicherung. Statistische Methoden. 4., aktualisierte Auflage. München: Hanser. [19] Wälder, Konrad; Wälder, Olga (2013): Statistische Methoden der Qualitätssicherung. München: Hanser (Hanser eLibrary). [20] Weghorn, Roland (2012): Der Qualitätsmanagement-Atlas. Eine Bild- und Formelsammlung. 2. erw. Aufl. Seukendorf: QMRW.
Statistische Prozesslenkung
Bezeichnet im DGQ-Band 11-04:2009 die Statistische Qualitätslenkung bei Prozessen eine Methode, die auf mathematisch-statistischen Grundlagen beruht. Sie dient dazu, einen optimierten Prozess durch ständige Überwachung und ggf. Korrekturen in diesem optimierten Zustand zu stabilisieren. Sie wurde vom Amerikaner W. A. ►Shewhart entwickelt.
Statistische Qualitätslenkung
▶en: statistical quality control Derjenige Teil der ►Qualitätslenkung, bei dem statistische Verfahren eingesetzt werden. Anmerkung: Ein spezieller Bereich der statistischen Qualitätslenkung ist die statistische Prozesslenkung (auch DIN 55350-33). Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff⟫
Statistische Qualitätslenkung ▶en: statistical quality control
Statistische Prozesslenkung (►SPC) wird sehr oft mit Statistischer Qualitätslenkung gleichgesetzt (oft unter Begriffsverzicht). Dabei ist Statistische Prozesslenkung derjenige Teil der statistischen Qualitätslenkung, der sich auf die Einheit
DIN-Term
S
[1] Behr, Andreas; Pötter, Ulrich (2011): Einführung in die Statistik mit R. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. München: Vahlen (Vahlens Kurzlehrbücher). [2] Benesch, Thomas (2013): Schlüsselkonzepte zur Statistik. Die wichtigsten Methoden, Verteilungen, Tests anschaulich erklärt. Berlin: Springer Spektrum. [3] Bleymüller, Josef; Gehlert, Günther; Gülicher, Herbert (2008): Statistik für Wirtschaftswissenschaftler. 15., überarb. Aufl. München: Vahlen (WiSt-Studienkurs). [4] QZ/DGQ (Hrsg. 2014): QM-Glossar. Online verfügbar unter http://www.qz-online.de/service/qm-glossar, zuletzt geprüft am 29.07.2014. [5] Geiger, Walter; Kotte, Willi (2008): Handbuch Qualität. Grundlagen und Elemente des Qualitätsmanagements: Systeme – Perspektiven. 5., vollst. überarb. und erw. Aufl. Wiesbaden: Vieweg (Praxis und Studium). [6] Hesse, Christian (2014): Wer falsch rechnet, den bestraft das Leben. Das kleine Einmaleins der Alltagsmathematik. München: C. H. Beck [7] Kamiske, Gerd F. (2013): Handbuch QM-Methoden. Die richtige Methode auswählen und erfolgreich umsetzen. In Ders.: Handbuch QM-Methoden. [8] Krämer, Walter (2000): So lügt man mit Statistik. München: Pieper
Statistische Qualitätslenkung
Statistische Versuchsplanung Prozess bezieht. Statistische Qualitätslenkung ist dagegen derjenige Teil der ►Qualitätslenkung, bei dem statistische Verfahren eingesetzt werden. Statistische Qualitätslenkung ist folglich der Ober be griff. Der Begriff ist genormt (DIN 55350). Statistische Qualitätslenkung zielt – über den Prozess hinaus – auf Erfüllung der Qualitätsforderung [1]: Begriff
„Statistische Qualitätslenkung, eingeschlossen SPC, zielt auf die Erfüllung der Qualitätsforderung. Das gilt nicht nur für die Angebotsprodukte selbst. Alle Elemente der Organisation, mit de nen die Angebotsprodukte realisiert werden, sind einzubeziehen. Alle diese Elemente (Einheiten) müssen qualitätsfähig sein.“ Literatur
Statistische Versuchsplanung
▶Design of Experiments (DoE) ▶Dorian Shainin Derjenige Teil der Versuchsplanung, bei dem statistische Verfahren eingesetzt werden.
Step
▶HACCP-System Stufe: Ein Punkt, ein Verfahren, ein Arbeitsvorgang oder ein Abschnitt in der Le bensmittelproduktionskette (inkl. Rohmaterialien) von der Anfangsproduktion bis zum endgültigen Verbrauch.
Steuerkreis
▶Implementierung
Stichprobe
▶en: random sample ▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement Eine oder mehrere Einheiten, die aus der Grundgesamtheit oder aus einem Teil davon stammen. Der Begriff „Stichprobe“ lässt sich auf jenen „Stich“ (mit einem Hohlmesser) zurückführen, mit dem man aus einer Massenguteinheit eine Probe entnahm. Sie wurde später ebenfalls bei Proben verwendet, die auf einem anderen Weg der Grundgesamtheit entnommen werden. Man spricht – um ein Beispiel zu nennen von
Stimme des Kunden
▶en: Voice of the Customer (VoC) ▶QFD
Störung
▶en: deficiency ▶Zuverlässigkeitsmanagement Fehlende, fehlerhafte oder unvollständige Erfüllung einer geforderten Funktion durch die ►Einheit.
Anmerkung 1: Eine Störung ist einZustand. Die Zeitspanne dieses Zustands heißt Störungsdauer. Sie darf nicht Ausfalldauer genannt werden: Der Ausfall ist ein Ereignis. Anmerkung 2: Der Begriff Störung enthält keine Wertung der Störung im Rahmen einer Zuverlässigkeitsbetrachtung. Er sagt auch nichts darüber aus, ob die Störungsursache zugelassen ist oder nicht. Anmerkung 3: Auch eine vorübergehende Beeinträchtigung der Funktionserfüllung kann eine Störung sein. Quelle: DGQ-Schrift 11-04 1.5.6.26 ⟪Originalbegriff⟫
Strategie
▶en: strategy Plan für das Erreichen eines langfristigen ►Ziels oder Gesamtziels
ISO-Term
Anmerkung : Shainin-Methode wird eine Strategie der Problemlösung in einer laufenden Fertigung speziell mit Hilfe der statistischen Versuchsmethodik genannt. Sie besteht darin, dass zunächst anhand einfacher Voruntersuchungen, z.B. mittels paarweiser Vergleiche, die Problemschwerpunkte festgestellt werden. Man versucht so die Anzahl der für das Problem vermutlich verantwortlichen Einflussgrößen zu reduzieren. Es verbleiben „k“ Einflussgrößen. Deren Wirkungen werden in einem vollständigen faktoriellen Versuchsplan „2k“ untersucht. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Stichproben in der amtlichen Statistik sowie im Qualitätsmanagement. Der Begriff „Probe“ wird heute hauptsächlich bei Massengütern verwendet. Oft werden die Merkmalswerte, die an Einheiten festgestellt werden – statt der Einheiten der Stichproben – als Stichprobe bezeichnet. Demzufolge können die Anzahl der Merkmalswerte und die Anzahl der Stichprobeneinheiten unterschiedlich sein. Mit einer Stichprobe wird bezweckt, Kenntnisse über eine Grundgesamtheit oder über eine Teilgesamtheit zu gewinnen. Bei der Grundgesamtheit kann es sich beispielsweise um ein Prüflos handeln. Siehe auch den Begriff Stichprobe im Stichwortartikel ►Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement.
DGQ-Begriff
[1] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminologie. 3. Auflage 1998, Braunschweig-Wiesbaden (Vieweg), S. 356 [2] DGQ (Hrsg.): Begriffe zum Qualitätsmanagement. 6. Auflage. DGQ-Schrift 11-04. Berlin (Beuth) 1995, S. 99
Strategie
Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Strategie
▶en: strategy ▶Strategien des Qualitätsmanagements „Auch wenn die beste Strategie kein Erfolgsgarant ist – ohne Strategie sind langfristig überdurchschnittliche, nachhaltig wertsteigernde Unternehmenserfolge höchst unwahrscheinlich.“ (H. H. Hinterhuber [9])
Der Begriff Strategie leitet sich aus dem griechischen Wort strategos (Feldherr, Heerführer) ab. In der Kriegskunst versteht man darunter die Kunst oder die Lehre der höheren Truppenführung. Im wirtschaftlichen Bereich betrifft die Strategie die innerhalb einer bestimmten Zeit einzunehmende Zielposition, die Taktik dagegen die zu deren Erreichung notwendigen Mittel. Die Strategie konzentriert sich auf das Wo – wo will die Unternehmung innerhalb einer gegebenen Zeit ankommen? –, die Taktik auf das Wie. Eine einwandfreie und erschöpfende Definition für Strategie gibt es nicht und wird sich auch kaum finden lassen, da in der Praxis
1116
S
Begriff
Strategie Strategie und Aktionspläne vielfach ineinander übergreifen und sich dauernd zwingend beeinflussen. Am kürzesten und daher für die meisten Fälle ausreichend ist die Wiedergabe von Strategie nach Moltke:
der Unternehmungsleitung ist es, dieses Portfolio in Hinblick auf den Cash-flow und die Risiken auszubalancieren sowie Kernkompetenzen der Unternehmung und Synergieeffekte zwischen ihnen zu nutzen.
Strategie ist die Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedankens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen.
Auf der Ebene der strategischen Geschäftseinheiten gilt es, jene Produkt-Markt-Segmente zu bestimmen, in denen aufbauend auf den ►Kernkompetenzen der Unternehmung auf Dauer haltbare Wettbewerbsvorteile erreicht werden können und für diese Strategien und Maßnahmen zu entwickeln. Strategische Geschäftseinheiten sind dabei gewissermaßen „Mikro-Unternehmungen“ in der Unternehmung, eine Gesamtheit von Produkt/Markt-Kombinationen, Produktlinien usw., die eine eigenständige Marktaufgabe erfüllen und identifizierbare Wettbewerber haben, für die unabhängige Strategien entwickelt, relative Wettbewerbsvorteile aufgebaut und die unabhängig geführt werden können.
Im Qualitätsmanagement ist strategisches Denken gefordert. Eine Definition wird in ISO 9000:2015-11 vorgelegt. Nach ihr ist die Strategie ein Plan: Die Strategie ist ein Plan für das Erreichen eines langfristigen ►Ziels oder Gesamtziels. Da planvolles Handeln per definition zielverfolgendes Handeln ist muss noch die Langfristigkeit hinzukommen, an der sich der leitende Gedanke im Sinne Moltkes orientieren muss. Im wirtschaftlichen Bereich ist die „business idea“ der leitende Gedanke, das heißt eine Kernkompetenz und/oder ein unternehmerisches Konzept, mit denen sich die Unter nehmung mit einer bestimmten Geschäftseinheit in einem Marktsegment von ihren Konkurrenten abheben und eine Position der Einzigartigkeit erreichen kann. Der leitende Gedanke enthält nicht nur die Vorstellung über die Rolle, die die Unternehmung in der Umwelt einnehmen soll, sondern auch die Festlegung der Hauptschritte, damit diese Vorstellung in konkrete Maßnahmen zum Zweck der Erreichung einer führenden Wettbewerbsposition um ge wandelt werden kann. Ziel der Strategie ist es, Marktführer in der ►Kernkompetenz zu sein und dadurch die „Stakeholder“ also ►interessierende Parteien im Sinne der ISO 9000-Begriffswelt besser und schneller zufriedenzustellen, als dies die Marktpartner oder andere Referenzunternehmungen tun können. Kernkom petenzen sind dabei integrierte und durch organisationale Lernprozesse koordinierte Gesamtheiten von Technologien, Know-how, Prozessen und Einstellungen (►Mindsets), die für den Kunden erkennbar wertvoll, gegenüber der Konkurrenz einmalig sind, schwer imitierbar sind und potentiell den Zugang zu einer Vielzahl von Märkten eröffnen.
S
Strategie
Unternehmungsstrategien werden in Strategien auf der Ebene der Gesamtunternehmung und Strategien auf der Ebene der strategischen Geschäftseinheiten unterschieden. Die Strategie auf der Ebene der Gesamtunternehmung betrifft die Zuteilung der Ressourcen an die einzelnen strategischen Geschäftseinheiten, die Festlegung, welche Geschäftseinheiten expandieren, welche gehalten werden und welche schrumpfen sollen, den Eintritt in neue Märkte, den strategischen Rückzug aus Ge schäftsfeldern, in denen keine Wert stei gerung erzielt werden kann, und die Führung der Geschäfts einheiten um ►Kernkompetenzen, damit sich die Unter nehmung als Ganzes mit der gewünschten Intensität in die gewünschte Richtung bewegt. Ziel ist es, ein ausgewogenes strategisches Gesamtportfolio von strategischen Geschäfts einheiten aufzubauen, das zu einer nachhaltigen und langfristigen Wertsteigerung der Unternehmung führt. Die Aufgabe
1117
Auf Funktionsbereichsebene werden dann Direktiven ausgearbeitet, die als Richtlinien, als leitende Gesichtspunkte, das Bindeglied zwischen der Strategie und deren Ausführung darstellen. Direktiven dienen damit als Richtschnur für die in den Funktionsbereichen selbständig zu treffenden Entscheidungen im Interesse der Strategien. Ausblick: Diese Ausführungen werden in der Managementlehre in vielfältiger Weise weitergeführt und entfaltet. Wesentlich ist, dass gesehen wird, welche Rolle im Rahmen der strategischen Entscheidungen die Kernkompetenzen spielen. Die wahren Quellen von Wettbewerbsvorteilen liegen in der Fähigkeit des Managements, Technologien, Know-How und Produktionsfertigkeiten unternehmungsweit zu Kompetenzen zu bündeln. Als ►Kernkompetenzen werden die Fertigkeiten, Fähigkeiten und Technologien betrachtet, die als Grundlage für die Schaffung von ►Kundenzufriedenheit das strategische Potential des Unternehmens darstellen. Sie bilden die Grundlage von Wettbewerbsvorteilen, insbesondere dann, wenn es sich um unternehmensinterne Potentiale handelt, die folgende Merkmale aufweisen: ◼ Sie durchziehen als integrierte Gesamtheit die Prozesse der Wertschöpfung. ◼ Sie spiegeln sich in der ►Unternehmenskultur als gemeinsame Werthaltungen wider. ◼ Sie sind gegenüber der Konkurrenz einmalig und schwer imitierbar. ◼ Sie resultieren aus organisationalen Lern prozessen (►Lernende Organisation). ◼ Sie sind dezentral im Unternehmen verteilt und wurzeln nicht nur in individuellen, sondern auch in kollektiven Strukturen. ◼ Sie beziehen sich auf ein Kundenproblem, das in gleicher oder ähnlicher Form in verschiedenen Zusammen hängen auftritt. Daher eröffnen sie potentiell den Zugang zu einer Vielzahl von Märkten. Die Konzentration auf Kernkompetenzen führt einerseits zu Wachstumsprozessen in der Unternehmung, wenn dadurch neue Märkte erschlossen werden und andererseits zu
Strategie Schrumpfungsprozessen, wenn die Unternehmung sich von Geschäftseinheiten und/oder Stufen der ►Wertschöpfung trennt, die keinen Bezug auf die Kernkompetenzen aufweisen und von Dritten effizienter bearbeitet werden können. Ein grundsätzlicher Fehler, der sehr oft den denkend handelnden Akteuren unterläuft, ist derart, dass Strategie zur Taktik (operative Ebene) verkümmert. Beide Ebenen der Betrachtung müssen streng voneinander getrennt werden. Der von der ISO 9000 eingeführte Strategiebegriff könnte dazu führen, diesen Fehler zu begehen. Deshalb empfiehlt sich ein Blick in die aktuelle Fachliteratur. Ein ganzheitlicher Ansatz der strategischen Unternehmensführung, in dem marktwirtschaftliche, unternehmerische, politische und gesellschaftliche Dimensionen verbunden sind, wird neuerdings in [9] mit den Elementen Strategisches Denken, Vision, Mission, Ziele, Strategieentwicklung auf Unternehmensebene und auf Ebene der Netzwerke, operativen Umsetzung von Aktionspläne entwickelt. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Hinterhuber H. H.; Handlbauer G.; Matzler K.: Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen. München 1997 [2] Hinterhuber H. H.: Strategische Unternehmungsführung, Band 2, 6. Aufl. Berlin-New York, 1997 [3] Hinterhuber H. H.: Strategische Unternehmungsführung, Band 1. 6. Aufl. Berlin-New York, 1996 [4] Hinterhuber H. H.: Wettbewerbsstrategie, 2. Aufl. Berlin-New York 1990 [5] Moltke, H.: Militärische Werke, hrsg. vom Großen Generalstab, II. Band, 2. Teil, Berlin 1892 [6] Porter M. E., Competitive Advantage, New York 1985 [7] Porter M. E.: Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors, New York - London, 1980 [8] Yavitz B.; Newman, W. H.: Strategy in Action: The Execution, Politics, and Payoff of Business Planning. New York-London 1982 [9] Hinterhuber H. H.: Strategische Unternehmensführung: Das Gesamtmodell für nachhaltige Wertsteigerung. Berlin ( E. Schmidt Verlag) 2015
Strategien des Qualitätsmanagements ▶Strategie ▶Unternehmenskultur ▶EFQM
Die Bedeutung von ►Qualität als Wettbewerbsfaktor ist unbestritten. Qualität bringt und sichert Marktanteile und wird somit zur Voraussetzung für Gewinn und Wachstum des Unternehmens. Diese Tatsache und die Debatte über die Qualität im Rahmen der Globalisierungsstrategie von Unternehmen, vor allem in bezug auf die Konkurrenz mit japanischen Firmen, hat dem Thema Qualität (►Qualität als Fachbegriff des QM) eine herausragende Stellung in der betriebs wirtschaftlichen Literatur der letzten Jahre gegeben. Dabei soll sich die ►Qualitätspolitik eines Unternehmens nicht an punktuellen oder gerade aktuellen Teilprozessen orientieren, sondern im Rahmen einer umfassenden Strategie des
Strategische Identität Qualitätsmanagements in die langfristigen Zielsetzungen und Entwicklungen eingebunden werden. Strategien des QM zielen darauf ab, den Zusammenhang aller betrieblicher Funktionen unter Qualitätsgesichtspunkten zu planen und in einer für das Unternehmens optimalen Art und Weise als gewollte Strategie herzustellen. Die unternehmerische Qualitätsorien tierung kann auf folgenden strategischen Elementen beruhen: ◼ Orientierung an der Unternehmenskultur – das Total Quality Management. ◼ Orientierung am Unternehmensimage durch marktbezogene Qualitätswettbewerbe – die Strategie des ►Mal com-Baldrige-Award (MBNA), des ►Deming-Price, des Shingo Price und des ►European Excellence Awards (EEA). ◼ Orientierung am Leistungserstellungsprozess – die Strategie der ►Zertifizierung nach ISO 9001. Strategien des Qualitätsmanagements folgen unterschiedlichen Ansatzpunkten im Managementsystem und haben verschiedene Umsetzungsvoraussetzungen. Eine TQM-Strategie ist umfangreicher, anspruchsvoller und ganzheitlicher als eine Wettbewerbsstrategie, und diese wiederum ist anspruchsvoller als eine prozessorientierte Strategie wie sie von der ISO 9001 verfolgt wird. Die Frage, mit welcher Strategie die Qualitätspolitik einer Unternehmung umgesetzt werden soll, kann nur vor dem Hintergrund unternehmensspezi fischer Konstellationen beantwortet werden. Allerdings sollte beachtet werden, dass die einzelnen Strategien nicht unabhängig nebeneinander stehen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Stauss, B.; Friege Chr.: Zehn Lektionen in TQM. In: Harvard Business Manager Heft 2, 1996, S. 20 [2] s. [1], S. 20 [3] Bruhn, M./B. Stauss (Hrsg.): Dienstleistungsqualität. 2. Aufl. Wiesbaden 1995 [4] George, S.: The Baldrige Quality System, New York/N.Y. 1992. Ham van, K.J.: European Qaulity Management in Perspective. In: Top Management and Quality, hrsg. von H.D. Seghezzi, München, 1992, S. 151-163 [5] Lieb, M.: Strategien des Qualitätsmanagements. In: Pompl, W., Lieb, M. (Hrsg.): Qualitätsmanagement im Tourismus, MünchenWien 1997, S. 30-55 [6] Schein, E.: Unternehmenskultur, Frankfurt am Main 1995 [7] Zeithaml, V.A., Berry, L.L., Parasuraman, A.: The Behavioral Consequences of Servic Quality, in: Journal of Marketing, Vol.60, 1996, S.31-46
Strategische Architektur ▶Strategische Identität
Strategische Identität
▶en: strategic identy Die Identität eines Unternehmens ist der unverwechselbare Charakter eines Unternehmens, der auf seinen erworbenen
1118
S
Stratifikation
Literatur
[1] Große-Oetringhaus, W. F.: Strategische Identität – Orientierung im Wandel – Ganzheitliche Transformation zu Spitzenleistungen, Berlin et al. (Springer) 1996 [2] Hamel, G.; Prahalad, C. K.: Competing for the Future, Boston 1995
Strategy Map
▶Balanced Scorecard
Stratifikation
▶en: stratification Getrenntes Aufbereiten von Daten unterschiedliche Beschaffenheit. Die Grundgesamtheit wird in möglichst homogene Teile zerlegt, aus denen Stichproben gezogen werden. Bei einer inhomogenen Grundgesamtheit wird so die GesamtStichprobe repräsentativ.
Streudiagramm ▶Q7
S
Strichliste ▶Q7
Stückwerk-Ingenieur ▶Popper
Stützleistungen
▶Qualitätsbezogene Kosten
Supermarkt-Prinzip ▶Kanban
1119
Supervisor Direkter Vorgesetzter einer Gruppe von Agents in Call Centern. Ein typisches Verhältnis sind zehn bis 15 Agents pro Supervisor. Bei Help Desks kann jedoch auch ein Supervisor auf fünf Mitarbeiter kommen, und in einigen Reservierungszentren hat ein Supervisor 30 bis 40 Agents. Im allgemeinen haben die Supervisors spezielle Plätze, die ihnen die Überwachung und das Mithören der Mitarbeiter ermöglichen. Quelle: Cleveland, B. et al.: Call Center Management, Wiesbaden (Gabler) 1998, S. 243-262
Supply Chain Management (SCM) ▶Logistikqualität ▶Outsourcing ▶Performane Measurement ▶Nachhaltigkeit
1 Begriff und Ziele Ein Supply Chain Management (SCM) kennzeichnet interne wie netzwerkgerichtete integrierte Aktivitäten von Versorgung, Entsorgung, Recycling und After Sales, inklusive die sie begleitenden und gleich gewichteten Geld- und Informationsflüsse. Supply Chains, synonym „Lieferketten“ genannt, erstrecken sich von der Source of Supply (den Lieferanten der Lieferanten) bis zum Point of Consumption (den Kunden der Kunden). Während bislang die einzelnen Glieder einer ►Wertschöpfungskette weitgehend losgelöst voneinander standen, werden in modernen Supply Chains die Verbesserungspotenziale an den internen und unternehmensübergreifen-den Schnittstellen aufgedeckt. Mit Hilfe des „Order-to-Payment-S“ kann das Grundprinzip einer Supply Chain anschaulich beschrieben werden. Wie Abbildung S52 zeigt, werden dabei drei Teilbereiche unterschieden, der Ablauf folgt dem Buchstaben „S“ [1]. Ein Supply Chain Management nutzt die traditionelle Logistik, geht aber weit darüber hinaus: Während in der Logistik die Materialströme dominieren (Funktion der physischen Raum- und Zeitüberbrückung), werden in der Supply Chain die Informations- und die Finanzflüsse ebenso stark gewichtet. 1 Bereich 1: Der erste Teilbereich verläuft flussaufwärts, von rechts nach links. Kunden geben Aufträge (Order) an die Hersteller ab (Pull-Orientierung). Die Disponenten steuern über die Abrufe die Bestellprozesse (Beschaffungslogistik). 2 Bereich 2: Im Order-to-Payment-S strömt im zweiten Teilbereich der physische Materialfluss von links nach rechts (flussabwärts). Die konsequente Erfüllung der Kundenaufträge steht im Mittelpunkt. Eine vorgelagerte Stelle versorgt ihre jeweils nachgelagerte. Die Wertschöpfung steigt schrittweise, bis die Fertigprodukte (Produktionslogistik) den Kunden zugestellt werden (Distributionslogistik). 3 Bereich 3: Zur Vermeidung von Opportunitätskosten und zur Verbesserung der Cash-to-Cash-Cycle-Time sind
Begriff
Wer ten, Kompetenzen und seiner er brach ten Leistung beruht. Daher ist Iden tität grundsätzlich vergangenheitsbezogen; sie beruht auf der ►Unternehmenskultur. Strategische Identität ist dagegen zukunftsorientiert, sie ist das Konzentrat der zukünftigen Unternehmenspolitik. Aber sie basiert auf der Unternehmenstradition und der Unternehmenskultur. Sie verbindet Herkunft und Hinkunft. Wandelt sich das Umfeld grundlegend, dann muss sich auch eine Identität wandeln. Im Wandel von der Industrie- zur Infor mationsgesellschaft haben viele Unter neh men ihre angestammte Identität verloren. Die alten Werte und Kompe tenzen taugen nicht mehr für den zukünftigen Wettbewerb. Wenn sich die Wertschöpfungsstruktur (►Wertschöpfungs management) von der Hardware zur Software wandelt, passen alte Kompetenzen, die z.B. auf mechanische Leistungen ausgerichtet waren, nicht mehr. Diese Unternehmen sind auf der Suche nach einer neuen Identität. Sie müssen sich transformieren, um eine neue Identität zu erreichen, die sie für den zukünftigen Wettbewerber rüstet. Das ist das Ziel einer Strategischen Identität. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Supply Chain Management (SCM)
Supply Chain Management (SCM)
Supply Chain Management (SCM)
Abb. S52: Order-to-Payment-Supply Chain
Externe Supply Chain (Input)
Interne Supply Chain (Throughput) Order
WE
HRL
KOM
VM
ZL
Payment
Externe Supply Chain (Output)
1 EM
VS
2 3
Lieferanten der Lieferanten
Beschaffungslogistik Produktionslogistik
Kunden der Kunden
Distributionslogistik Entsorguns-/Recyclingslogistik Informationslogistik Logistikcontrolling
Legende WE = Wareneingang HRL = Hochregallager KOM = Kommissionierung
VM ZL EM VS
= Vormontage = Zwischenlager = Endmontage = Versand
die Warenbezüge schließlich möglichst rasch durch die Kunden zu bezahlen (das flussaufwärts gerichtete Payment). Dieser Bereich beschreibt die Geldflüsse. Außerdem verlaufen eine Entsorgung oder ein Recycling von rechts nach links. Die prägenden Ziele eines Supply Chain Managements leiten sich aus übergeordneten gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Forderungen ab (Ökonomie-, Ökologie-, Human- und Sozialforderungen). Grundsätzlich basieren diese Ziele auf den allgemeinen Unternehmensleitlinien, und sie dienen zur Optimierung prägender Schlüsselgrößen des Wettbewerbs: ◼ Effizienzsteigerung: Maßnahmen zur Kostenreduzierung in modernen Supply Chains erstrecken sich beispielsweise auf Bestände, Frachtkosten, Investitionen sowie Abschreibungen auf logistische Assets (Fuhrpark, Flurförderzeuge, Warehouse).
◼ Schnelligkeit: Kurze Durchlaufzeiten und hohe Lagerumschläge sorgen dafür, dass den Kunden zugesag-te Liefertermine eingehalten werden (Available-to-Promise). Weiterhin unterstützen Maßnahmen zur Standardisierung und Komplexitätsreduktion die Verkürzung der Zeitspanne „Concept-to-Cash“. Doch der Faktor Zeit muss differenziert betrachtet werden: Zur Fehlervermeidung und Erzielung von Skaleneffekten können SupplyChain-Prozesse auch bewusst verlangsamt werden (Postponement-Strategie). ◼ Qualitätsverbesserung: Die Qualität von Supply-ChainProzessen wird klassisch über Ausschuss- oder Nacharbeitsraten gemessen (Parts per Million). Mit dem Aufkommen eines Total Quality Managements werden gesetzte Qualitätsziele mittlerweile häufig über die Kundenzufriedenheit bewertet (Qualität ist erreicht, wenn der Kunde zufrieden ist). In diesem Kontext sind in einer Supply Chain beispielsweise Lieferservicegrade oder
1120
S
Supply Chain Management (SCM) Verzugsquoten als Bewertungsindikatoren heranzuziehen. ◼ Agilität: Weitere Wettbewerbsvorteile können sich aus der Wandlungsfähigkeit von Organisationen ab-leiten. Dazu sind in den Supply Chains beispielsweise besonders anpassungsfähige IT-Systeme einzuset-zen, die Modellierungen auch in Echtzeit erlauben (Advanced-Planningand-Scheduling-Systeme).
S
Supply Chain Management (SCM) logischer Arbeitsschritte [3]. Sämtliche Veredelungsschritte der Partner orientieren sich streng nach den ver-folgten Produktionsprozessen, bei denen die Fokalunternehmen in der Regel die Rolle der Endprodukthersteller einnehmen. In Abbildung S53 findet sich ein Beispiel einer hierarchisch pyramidalen Supply Chain („Herstellung von Brot“). Die eingebundenen Glieder sind Saatgutproduzenten, Bauern, Mühlen und schließlich der Netzknoten: die Brotfabrik.
Grundsätzlich erhofAbb. S53: Beispiel einer hierarchisch pyramidialen Supply Chain – Beispiel Herstellung von Brot fen sich die Akteure von ihrer Einbindung in ein unternehmensübergreifendes Netzwerk eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Doch lauern in den Supply Chains auch latente Spannungsverhältnisse: Die rechtlich selbständigen Organisationen streben weiterhin nach Autonomie. Mögliche Konfliktsituationen entstehen beispielsweise bei der Zuteilung knapper Ressourcen. Ebenso wird ein Lieferant seine Materialien Saatgutproduzent Landwirt Mühle Brotfabrik kaum in eine Supply Chain schleusen, wenn er in einem anderen Absatzkanal einen höheren De(2) Polyzentrische Supply Chains Im Gegensatz zur eindeutigen Strukturierung hierarchisch ckungsbeitrag erzielen kann. pyramidaler Supply Chains, liegen bei polyzentrischen Supp2 Phänotypen von Supply Chains ly Chains homogene und wechselseitige Abhängigkeiten vor. Im Rahmen der Strukturierung moderner Lieferketten lassen In diesen Netzwerken sind sowohl die Ent-scheidungskomsich zwei grundsätzliche Ausgestaltungsformen unterscheipetenzen als auch die Koordinationsaufgaben relativ gleichden, die auch als „Phänotypen der Supply Chain“ bezeichnet mäßig auf die eingebundenen Partner verteilt. werden: hierarchisch pyramidale und polyzentrische Supply Chains [2]. Innerhalb dieser heterarchischen Netzwerke werden die Führung und die Dominanz regelmäßig durch Verhandlungen (1) Hierarchisch pyramidale Supply Chains neu geregelt. Teilweise koordinieren einzelne Akteure eiInnerhalb hierarchisch pyramidaler Supply Chains stehen genverantwortlich bestimmte Bereiche, da sie beispielsweise strategisch relevante Unternehmen im Mittelpunkt. Sämtüber besondere Kenntnisse auf diesen Gebieten verfügen. liche Wertschöpfungspartner richten nach diesen dominieInnerhalb der Netzwerkverbünde wird dies als „Spezialisierenden Organisationen („Hub Firms“) ihre Aktivitäten aus. rungsfunktionen“ bezeichnet. Die Überlappung einzelner Die Beherrschung der Netzwerke erfolgt durch die Größe, Tätigkeiten ist symptomatisch für polyzentrische Supply die Finanzausstattung oder das Wissenspo-tenzial der führenChains, da die Aufgaben vielfach parallelisiert erbracht werden Unternehmen. Hierarchisch pyramidale Supply Chains den. orientieren sich zumeist an der Marktmacht ihrer „Leuchttürme“, die ihre Partner häufig über langfristige Kontrakte an sich binden. Der Aufbau hierarchisch pyramidaler Supply Chains entspricht vielfach produktbezogenen Zwangsfolgen tech-no-
1121
Die Koppelungen in polyzentrischen Supply Chains entstehen zumeist zur Lösung konkreter Kundenprobleme. Dabei richtet sich die Koordination der Akteure strikt nach Angebots- und Nachfragesituationen aus. Bestimmte Orga-
Supply Chain Management (SCM)
Supply Chain Management (SCM)
nisationen sind häufig nicht exklusiver Bestandteil einzelner Supply Chains, sondern auch integrative Akteure innerhalb weiterer Lieferketten (so genannte multifunktionale SupplyChain-Partnerschaften). Auf Grund der nahezu gleichberechtigten Beziehungen zwischen den Einzelgliedern bietet sich in polyzentri-schen Lieferketten die Implementierung von Steering Committees an [4]. Diese Lenkungsausschüsse setzen sich aus Vertretern der eingebundenen Partner der Supply Chain zusammen. Keimen in einer Wertschöpfungskette Probleme auf, sind mittels Mehrheitsentscheidungen im Steering Committee etwaige Zeitverzögerungen zu unterbinden.
◼ Kostenführerschaft: Kostenführerschaft erlangt ein Unternehmen durch einen Kostenvorsprung gegen-über der Konkurrenz. Effizienzsteigerungen ergeben sich in diesen „Low-Cost-Supply-Chains“ durch ein ►Outsourcing von Supply-Chain-Aktivitäten (Wareneingang, Lager, Fuhrpark), der Wahrung von Stan-dardisierungsvorteilen (Komplexitätsreduzierung), der Absenkung von Prozess- und Transaktionskosten (Verringerung der Lieferantenanzahl, optimierte Lieferanteneinbindung), dem Einsatz moderner Infor-mationssysteme (elektronische Ausschreibungen und elektronische Auktionen) oder dem Aufbau einer kostengünstigen Infrastruktur (Verkehrssysteme). ◼ Innovationsführerschaft: Die Nutzung der Markenstärke oder der Einsatz singulärer Technologien unter-stützen vielfach die Erlangung einer Innovationsführerschaft (►Innovationsmanagement). Diese Unternehmen entwickeln „Killerprodukte“, die der Kunde unbedingt haben möchte. Über diesen Nachfragesog kann der Innovator höhere Deckungsbeiträge einfordern. In einer „Design Chain“ sind mehrere Partner häufig an der gemeinsamen Entwicklung neuer Produkte beteiligt, um die Zeitspanne „Time-to-Market“ abzukürzen. Dazu werden in zunehmendem Maße Resident Engineers eingesetzt: Dies sind
Abbildung S54 ist ein Beispiel für eine polyzentrische Supply Chain zu entnehmen. Darin wird deutlich, dass die Akteure dieses Netzwerkes in überlappenden Abhängigkeiten miteinander stehen. Eine wirkliche Fokalorganisation ist nicht länger auszumachen. Letztendlich ziehen die ultimativen Endverbraucher die Waren aus dieser Supply Chain. Im Ursprung der Wertschöpfungskette stehen Rohstofflieferanten und Teilelieferanten in wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnissen zueinander. Vielfach handelt es sich hierbei um mittelständische Unternehmen. Am engsten ist wohl die Bindung zwischen Modullieferanten und Herstellern (so genannte ►OEMs, OriginalAbb. S54: Beispiel einer polyzentrischen Supply Chain Equipment-Manufacturing-Organisatio-nen). Über den Handel gelangen die Waren schließlich multifunktional an die Endverbraucher. 3 Einfluss der Supply Chain auf verfolgte Unternehmensstrategien
Ein modernes Supply Chain Management ist ein wesentlicher Pfeiler zur Unterstützung jeweils eingeschlagener Unternehmensstrategien [5]. In der Folge wird deutlich, wie ein Supply Chain Management dabei helfen kann, eine Kosten-, Innovations-, Qualitäts- oder Serv iceführerschaft nachhaltig zu unterstützen.
S
Rohstoffe
Teile
Module
Hersteller
Handel
Endkunde
1122
Supply Chain Management (SCM) Spezialisten ausgewählter Lieferanten, die temporär in ein Entwicklungsvorhaben des Herstellers eingebunden werden, aber auf der Gehaltsabrechnung der Lieferanten verbleiben. ◼ Qualitätsführerschaft: Manche Unternehmen zeichnen sich durch besonders niedrige Fehlerraten und eine gleich bleibend hohe Qualität aus. Um das ►Poka-YokePrinzip zu wahren, beugt man beispielsweise Fehlern im Rahmen der Kommissionierung mit einer „Pick-byLight“-Einrichtung vor (eine direkt am Entnahmefach eines Regals angebrachte elektronische Anzeige ersetzt die traditionelle Kommissionierungsliste). In „robusten Supply Chains“ verursachen innere oder äußere Umwelteinflüsse kaum Prozessstörungen. Dazu dürfen die Warenströme über ihren kompletten Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsweg nicht verloren gehen (Sicherung der Chargenrückverfolgbarkeit). Zur Gewährleistung dieser Zielsetzung werden in modernen Lieferketten verstärkt ►RFID-Konzepte genutzt (RadioFrequency-Identification). Diese Sender-Empfänger-Systeme erlauben eine automatische und kontaktlose Identifizierung und Lokalisierung von Objekten jedweder Art mit Hilfe von Radiowellen [6]. Es wird derzeit eine recht hitzige Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern von RFID-Systemen geführt (Stichwort: Gläserner Kunde; s. ►Gläserner Mensch). ◼ Serviceführerschaft: Der Serviceführer richtet seine Leistungen speziell an den Bedürfnissen der Kunden aus, um sich deren Loyalität zu sichern. Eine besondere Möglichkeit zur Intensivierung dieser Kundenbeziehung bietet sich innerhalb zeitgemäßer Supply Chains mittels „Vendor Managed Inventory“ (VMI) an: Dabei überträgt der Kunde einem ausgewählten Hersteller die Bestandshoheit für bestimmte Sachnummern. Der Kunde stellt dem Produzenten mit Hilfe von EDI (Electronic Data Interchange) ständig aktualisierte Verkaufszahlen vom Pointof-Sale zur Verfügung. Den Warennachschub regelt der Hersteller selbständig (also ohne eine vorherige Kundenbestellung). Allerdings wird der Hersteller auch bei auf-tretenden Problemen in die Pflicht genommen (im Extremfall sind Konventionalstrafen zu zahlen).
S
4 Qualitätsmanagement in der Supply Chain Zur Fehlerbehebung wenden Unternehmen durchschnittlich 20% ihres Umsatzes auf. Doch Qualität ist kein Zufall, sie ist das Ergebnis konsequenten Handels. Die Weichen für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement werden nachhaltig in der Supply Chain gestellt. Ein antizipatives Supply Chain Management versucht interne oder externe Prozessstörungen weitgehend auszuschließen. Die Steigerung der Zuverlässigkeit und der Leistungsfähigkeit des Produktprogramms ist vor allem stabilen Geschäftsprozessen geschuldet: Standardisierte und transparente Abläufe helfen dabei, die Erklärungsbedürftigkeit, die Komplexität und die Kompliziertheit von Unternehmensleistungen (Produkte, Dienste, Verfahren) zu verringern. Nur so lassen sich robuste und leistungsfähige Ko-
1123
Supply Chain Management (SCM) operationen im Partnergeflecht zwischen Kunden, Herstellern, Lieferanten und Dienstleistern eingehen, die eine rasche Identifizierung potenzieller Fehler ermöglichen. (1) Qualitätsinstrumente in der Supply Chain In der Folge wird anhand ausgewählter Instrumente des Qualitätsmanagements („Qualitätsbaukasten“) [7] verdeutlicht, dass ein aktives Supply Chain Management direkten Einfluss auf die Erfolgswirksamkeit eingeleiteter Qualitätssicherungsmaßnahmen ausüben kann. In diesem Kontext wird die Interaktion der ►Qualitätstechniken FMEA, QFD, BNE sowie DFMA mit einem Supply Chain Management untersucht. ◼ ►FMEA (Failure-Mode-and-Effects-Analysis): Im Rahmen der antizipativen Ermittlung und Bewertung möglicher Fehlerquellen von Produkten und Prozessen wird eine Risikoprioritätszahl ermittelt, die sich aus drei Wahrscheinlichkeiten errechnet (Eintritt, Entdeckung vor Auslieferung, Bedeutung für den Kunden). Für sämtliche internen und externen Supply-Chain-Prozesse (Beschaffung, Produktion, Distribution, Information, Finanzen, Entsorgung, Recycling) können Fehler-Möglichkeitsund Einfluss-Analysen durchgeführt werden. Dadurch sind beispielsweise falsche Warenzuordnungen im Lager oder Etikettierungsfehler zu vermeiden, die möglicherweise einen späteren Stock-out verursachen. ◼ ►QFD (Quality Function Deployment): Zur gleichermaßen kunden- wie auch ressourcenorientierten Koordination von Entwicklungsprozessen ist die strikte Wahrung von Qualitätszielen unabdingbar. Dazu können in einem ►House of Quality (HoQ) logistikaffine Kundenforderungen (pünktliche Anlieferung, Möglichkeit zur Sendungsverfolgung, Preiswürdigkeit, umweltgerechter Transport, fehlerfreie Auslieferung) mit den zur Verfügung stehenden Supply-Chain-Designforderungen (Tracking-and-Tracing-Systeme, RFID, Barcode, Warenausgangsprüfung, Techniken zur Kommissionierung) systematisch und zielführend abgeglichen werden [8]. ◼ BNE (Bottleneck Engineering): Ein Bottleneck Engineering ist ein unterstützendes Instrument von QFD, das dem Erkennen möglicher entwicklungsspezifischer Engpässe im späteren Umsetzungsprozess (Produktion, Montage) dient. Durch die gezielte Einleitung von Supply-Chain-Maßnahmen wird die Einhaltung objektiver Zielwerte unterstützt. Dazu zählen Gewichtsreduzierungen (Modulbauweise, wenige Komponenten) ebenso, wie die Berücksichtigung technischer Zielanforderungen (Wahrung der mechanischen Stabilität). ◼ DFMA (Design for Manufacturing and Assembling): DFMA dient dem frühzeitigen Erkennen möglicher Ineffizienzen in der späteren Fertigung und Montage (Überwindung der Kluft zwischen Entwicklung und Umsetzung). Ein zielgerichtetes Supply Chain Management wird den Einsatz von Standard- und Mehrfachverwendungsteilen (Integralkomponenten, Vormontagebaugruppen), eine Verkürzung der Durchlaufzeiten (optimierte Rüstintervalle, kurze Lager- und Leerzeiten) sowie die Vermeidung von
Supply Chain Management (SCM) Anpassungsaufgaben forcieren. Die Folge sind reduzierte Transaktions- und Prozesskosten sowie beschleunigte (kostengünstige) Produktionsabläufe. (2) Qualitätsmessung in der Supply Chain Zur Messung der Qualitätsziele in der Supply Chain können Kennzahlensysteme eingesetzt werden. Seit gerau-mer Zeit werden Spitzenkennzahlen als „Key Performance Indicators“ (KPIs) bezeichnet. Allgemein geben Kennzahlen quantitativ erfassbare Abläufe in konzentrierter Form wieder, wodurch sie eine schnelle und aussagekräftige Interpretation erlauben. Isoliert betrachtet sind Kennzahlen jedoch ohne großen Aussagewert. Erst im Vergleich gewinnen Kennzahlen an Ergebniskraft, indem beispielsweise ein Unternehmen den Abstand zum Best-in-Class (Benchmark) bemisst [9]. Ein Netzwerk gerichtetes Qualitäts-Kennzahlensystem kann in vier Bereiche untergliedert werden: Beschaffung, Produktion, Lager und Service [10]. Abbildung S55 zeigt in übersichtlicher Weise diesen Zusammenhang auf. Bei-spielsweise findet sich in diesem Kennzahlensystem als eine der prägenden Größen des Lagers die „Forecast Accuracy“ (Absatzprognosegenauigkeit), sie misst das Bestellverhalten und die Planbarkeit der Kunden: Ändern die Kunden zwischen Liefer- und Feinabruf unerwartet ihre Bestellmengen, führt dies entweder zum Bestandsaufbau (nicht vorhergesehene Reduzierung der Bestellmengen) oder zu Trouble-ShootingKosten (nicht eingeplante Bestellmengenerhöhung), die auf
Supply Chain Management (SCM) Grund von Sonderfahrten oder der Einberufung von Zusatzschichten entstehen können. Die eingesetzten Kennzahlen sind beispielhaft zu verstehen. Dieses Qualitäts-Kennzahlensystem strukturiert die herangezogenen Indikatoren, was den Blick von (Qualitäts-) Managern für die wesentlichen Punkte schärft und ihre Arbeit in den jeweiligen Unternehmensbereichen erleichtert. Begrenzt ist dieses Kennzahlensystem jedoch dadurch, dass keine Kausalzusammenhänge zwischen den einbezogenen Größen aufgezeigt werden und ein Strategiebezug fehlt. Diese Mängel behebt die Supply-Chain-Quality-Scorecard, welche nachstehend kurz charakterisiert wird. Eine Supply-Chain-Quality-Scorecard ist eine besondere Ausprägungsform eines ►Performance-Measurement-Systems. In Abbildung S56 findet sich ein Beispiel einer derartigen Scorecard. Darin werden für verschiedene Per-spektiven (hier: Finanzen, Kunde, Prozesse, Lieferant, Potenzial) Qualitätsziele abgeleitet. Ein jedes Ziel wird mit einer geeigneten Kennzahl gemessen, für die schließlich ein Richtwert ebenso vorgegeben wird, wie eine durchzuführende Aktion. Ein kurzes Beispiel unterstreicht diesen Zusammenhang: Das Ziel „Prozesse beherrschen“ wird über die Kennzahl „Ausschussquote“ bewertet, diese muss kleiner als 1,5% sein. Als Verbesserungsaktivität wird die Durchführung einer Prozess-FMEA eingefordert.
Abb. S55: Qualitäts-Kennzahlensystem der Supply Chain
Beschaffung
Produktion
Lager
Service
Lieferservicegrad Auftragsgerechte Lieferungen Lieferungen insgesamt
Nacharbeitsquote Nachgearbeitete Teile Gefertigte Teile insgesamt
Lagerumschlagshäufigkeit Umsatz Lagerbestand (Durchschnitt)
Kundenzufriedenheitsrate Anzahl Wiederkäufer Anzahl Käufer insgesamt
Zurückweisungsquote Ausschussquote Zurückgewiesene Lieferungen Ausschussteile Lieferungen insgesamt Gefertigte Teile insgesamt
Lagerreichweite Lagerbestand Materialverbrauch
Retourenquote Anzahl Retouren Fertigungsmenge
Liefertreue Lieferverspätungen Lieferungen insgesamt
Stillstandzeit Stillstandzeit Fertigung Fertigungszeit insgesamt
Excess and Obsolete Ungängiger Bestand Gesamtbestand
Kulanzquote Kulanzkosten Umsatz insgesamt
Lieferflexibilität Mögliche Anlieferungen Lieferungen insgesamt
Maschinenstörungsquote Eingesetzte Maschinen Eingeplante Maschinen
Forecast Accuracy Geplante Bestellungen Tatsächliche Bestellungen
Garantiekostenquote Garantiekosten Umsatz insgesamt
Modullieferantenquote Anzahl Modullieferanten Anzahl Lieferanten insgesamt
Fertigungsintensität Ist-Kosten Soll-Kosten
Order Fulfillment Time Zeitspanne zur kompletten Auftragsbearbeitung
Serviceanteilquote Serviceumsatz Umsatz insgesamt
Zertifizierungsgrad Zertifizierte Lieferanten Anzahl Lieferanten insgesamt
Recyclingquote Upside Product. Flexibility Anzahl recycelte Produkte Tag zur Befriedigung Fertigungsprodukte insgesamt ungeplanter Abrufe (20%)
S
Servicereaktionszeit Zeit vom Kundenkontakt bis zum Serviceabschluss
1124
Supply Chain Management (SCM) Die Erstellung einer Supply-Chain-Quality-Scorecard sollte stets mit dem Aufbau einer Quality-Strategy-Map gekoppelt sein [11]. Strategy Maps sind sachlogische Schlachtpläne, welche zur visuellen Ableitung kausaler Zusammenhänge eingesetzt werden. Die Strategy Map dient einer Beschreibung der Ziele, Aufgaben und Bewertungsmaßstäbe von Unternehmensprozessen. Dieser „Schlachtplan“ erläutert den eigenen Mitarbeitern die strategische Zielrichtung der Organisation. Während mit der Manifestierung der Strategy Map die strategische Stoßrichtung des Unternehmens festgelegt wird, dient die Scorecard der konkreten Messung (Operationalisierung) der im Schlachtplan angepeilten Ziele. Strategy Map und Scorecard sind möglichst gemeinsam einzusetzen. 5 Supply Chain Management und Nachhaltigkeit Eine qualitätsorientierte Supply Chain ist zunehmend im Kontext nachhaltiger und ökologischer Unternehmens-aktivitäten zu betrachten. Gründe dafür liefern beispielsweise ein gesteigertes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung, ►Nachhaltigkeit als zusätzlicher und eigenständiger Wettbewerbsfaktor, anwachsende Rückstände in der Produktion, hohe Kosten der Rückstandsbeseitigung oder die Verknappung von Ressourcen. Ein Green Supply Chain Management stellt sich diesen Herausforderungen. Zur Verbesserung des ►Carbon Footprint dient ein Bündel geeigneter Supply-ChainAktivitäten:
S
◼ Sendungskonsolidierung: Senkung des Distributionsaufkommens und Steigerung der Transporteffizienz durch Warenaggregation. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Zuverlässigkeit der Partner innerhalb der Supply Chain. ◼ Bessere Containerauslastung: Erhöhung des Volumens pro Container (wodurch Reduzierungen der Kohlendioxidbelastungen um bis zu 25% erreicht werden). ◼ Modal-Split-Verfahren: Verteilung des Verkehrsaufkommens und Verlagerung des Verkehrs auf um-weltfreundliche Verkehrsträger im Hucke-Pack-System (Integration mehrerer Verkehrsträger). ◼ Trimodale-Logistik-Hubs: Transportbündelung in modernen Logistikknotenpunkten, vorzugsweise in Ballungsräumen (Transshipment-Points). ◼ ►Milk-Run-Prinzip: Optimierte Routenplanung über Direkttransport-Systeme (wenn volle Behälter ausge-fahren werden, sind leere Behälter gleichzeitig wieder „einzusammeln“). ◼ Virtuelle Frachtbörsen: Zwischen 20% und 25% der LKW fahren leer. Über elektronische Plattformen können gleichermaßen freie Frachtkapazitäten angeboten oder Frachtgesuche abgegeben werden. Ein Green Supply Chain Management unterstützt die Einhaltung regulatorischer Forderungen des Gesetzgebers. Gleichermaßen fördert es die Attraktivität eines Akteurs: Nicht nur für Markenartikelhersteller sind die Gewährleistung der Unternehmensreputation oder die Verbesserung des Markennamens von einiger Bedeutung, denn attraktive Organisa-
1125
Supportprozesse tionen locken ständig neue Stakeholder (Kunden, Investoren, Mitarbeiter). Schließlich sind grünen Supply Chains teilweise recht beachtliche Kostenreduzierungen inhärent, die sich aus Abfallreduzierungen, Einsparungen bei den Verpackungsund Entsorgungskosten oder dem frühzeitigen Aufzeigen ökologischer Engpassbereiche speisen. Prof. Dr. Hartmut Werner, Wiesbaden Literatur
[1] Werner, H.: Supply Chain Management. Grundlagen, Strategien, Instrumente und Controlling, 5. Aufl., Wiesbaden (SpringerGabler) 2013, hier S. 6. [2] Wildemann, H.: Unternehmensübergreifende Logistik: Supply Chain Management, in: Koether, R.: Taschenbuch der Logistik, München (Hanser) 2006, S. 201-209, hier S. 206. [3] Bretzke, W.-R.: Supply Chain Management. 7 Thesen zur zukünftigen Entwicklung logistischer Netzwerke, Arbeitspapier, St. Gallen/Rot 2007. [4] Corsten, D./Gössinger, R.: Einführung in das Supply Chain Management, 2. Aufl., München (Vahlen) 2007, hier S. 200. [5] Cohen, S./Roussel, J.: Strategisches Supply Chain Management, Heidelberg (Springer) 2006, hier S. 113. [6] Finkenzeller, K.: RFID-Handbuch, 6. Aufl., München (Hanser) 2012. [7] Kamiske, G./Brauer, J. P.: Qualitätsmanagement von A bis Z. Erläuterung moderner Begriffe des Qualitäts-managements, 7. Aufl., München (Hanser) 2011. [8] Werner, H.: Quality Function Deployment (QFD) in der Logistik, in: Supply Chain Management, 01/2011, S. 21-26. [9] Gleich, R./Quitt, A./Görner, A.: Performance Measurement. Konzepte, Fallstudien und Grundschema für die Praxis, 2. Aufl., München (Vahlen) 2011. [10] Werner, H.: Modernes Management von Qualitätskennzahlen, in: Controlling und Management Review, 06/2013, S. 40-49. [11] Werner, H.: Kennzahlenmanagement in der Supply Chain, in: Controlling, 11/2011, S. 601-606.
Supply-Chain-Quality-Scorecard ▶Supply Chain Management
Supportprozesse
▶Unterstützende Prozesse ▶Prozessmanagement ▶Kernkompetenz-Management Supportprozesse erfüllen unterstützende Aufgaben, damit die Kernprozesse reibungslos ablaufen. Sie haben allerdings keine strategische Bedeutung und sind deshalb prinzipiell Kandidaten für das ►Outsourcing.
Sustainable Development ▶Nachhaltigkeit ▶Öko-Audit
SWOT
▶en (acronym): Strengths – Weakness – Opportunities – Threats ▶de: Stärken-Schwächen-Risiken-Chancen-Analyse. Bei SWOT handelt sich um eine Analysetechnik des Stra-
SWOT
System
tegischen Managements (Strategie): Die Kombination der Ergebnisse der Unternehmens-, Wettbewerbs- und Branchenanalyse bezeichnet man als SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats). Die SWOT-Analyse sammelt zunächst Informationen, um Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken eines Unternehmens oder einer Organisation einschätzen zu können. Bei der Gegenüberstellung dieser Punkte ist zu beachten, dass sich Schwächen und Stärken sowie Chancen und Risiken gegenseitig bedingen können. Kleinere Unternehmen haben etwa eine höhere Flexibilität als Großunternehmen, zugleich schlechtere Möglichkeiten der Fremdkapitalbeschaffung. Daher lassen sich Schwächen häufig nicht abbauen, ohne zugleich vorhandene Stärken zu gefährden. Man unterscheidet SOStrategien (Stärken des Unternehmens werden für neue Chancen genutzt) z. B. Neuentwicklung von Produkten), STStrategien (mit Stärken des Unternehmens werden Risiken abgebaut), WO-Strategien (Chancen werden durch Abbau von Schwächen genutzt) und WT-Strategien (durch Abbau von Schwächen werden Risiken reduziert). Hans-Dieter Zollondz, Vichy
System
Quelle: Zollondz, H.-D.: Grundlagen Marketing. Von der Vermarktungsidee zum Marketingkonzept. 4. Auflage. Berlin (Cornelsen) 208, S. 40ff
Systemtheorie
▶QM-Systeme nach DIN EN ISO 9001 ▶en: system Satz zusammenhängender und sich gegenseitig beeinflussender Elemente
ISO-Term
System
Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Systemaudit
▶Audit ▶Qualitätsaudit Instrument zur Beurteilung des Managementsystems in Bezug auf die Erfüllung der Unternehmenspolitik und der übergeordneten Regelwerke. Das Systemaudit läuft in folgenden Phasen ab. Vorbereitung, Unterlagenprüfung, Durchführung, Auditberichterstellung, Korrekturmaßnahmeneinleitung.
System Engineering
▶Zuverlässigkeitsmanagement ▶Software Quality Engineering ▶Qualität als systemtheoretischer Begriff
••• ⨀⨀⨀ •••
S
1126
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe T
T Genichi Taguchi Taylor und das Taylorsystem Team Teilautonome Arbeitsgruppen ToC-Theory of Constraints Total Quality Management (TQM)
Total Productive Management (TPM)
Toyota und das Toyotasystem Training Bruce Wayne Tuckman
Constantin May
Hans-Dieter Zollondz
T
Taguchi, Genichi
Tätigkeit Tabula-rasa-Prinzip
Jeder Leser stößt in der ISO 9000-Familie auf dieses Ordnungsmuster der übergeordneten Begriffsstruktur. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Literatur [1] DGQ Band 11-04: Begriffe zum Qualitätsmanagement. 6. Auflage Beuth Verlag, Berlin 1995 [2] DGQ Band 11-20: Geiger, W.: Qualitätslehre, 3. Auflage (DGQAusgabe der beim Vieweg Verlag Braunschweig-Wiesbaden 1998 erschienen Originalausgabe) [3] E DIN EN ISO 9000:2015-11, Qualitätsmanagement, Grundlagen und Begriffe. Berlin (Beuth) 2015
Tätigkeit
▶en: activity
kleinster identifizierter Arbeitsgegenstand in einem ►Projekt [Quelle: ISO 10006:2003, 3.1, geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
▶en: activity-related terms to result
Aus Gründen der Systematik empfiehlt es sich, nicht nur im angewendeten Qualitätsmanagement, sondern auch bei der Darstellung der Begriffe, die Tätigkeits- von den Sachbe griffen zu unterscheiden. Hierzu finden sich in den DGQBänden 11-04 [1] und 11-20 [2] Begriffsinventarien. Da die Gesamtheit der vielfältigen Begriffe mehrere Möglichkeiten für eine veranschaulichende Darstellung zulässt, empfiehlt es sich das zentrale Begriffsfeld hervorzuheben. Die folgenden Tätigkeitsbegriff e haben Modellcharakter: ◼ Planung des QM-Systems ◼ Qualitätsplanung ◼ Qualitätslenkung ◼ Qualitätsprüfung ◼ Qualitätsverbesserung. Hinzu kommen die folgenen Begriffe ◼ Qualitätsüberwachung, ◼ Qualitätsförderung, ◼ Qualitätsaudit, ◼ Qualitätsbewertung, ◼ QM-Bewertung, ◼ QM-Darlegung Die Aufzählung ist nicht vollzählig. Die ge naue Kenntnis und der jeweilige Anwendungsbezug sind auch für den Praktiker wichtig. Mit den Tätigkeitsbegriffen befasst sich zudem die internationale Normung. Begriffe werden in der Terminologie-Norm der ISO 9000, der zur Zeit aktuellen ISO 9000:2015-11, zunächst nicht alphabetisiert, sondern nach dreizehn Kategorien sortiert [3]. Die Kategorie „Tätigkeitsbezogene Begriffe“ bildet eine von ihnen. ◼ Personenbezogene Begriffe ◼ Organisationsbezogene Begriffe ◼ Tätigkeitsbezogene Begriffe ◼ Prozessbezogene Begriffe ◼ Systembezogene Begriffe ◼ Anforderungsbezogene Begriffe ◼ Ergebnisbezogene Begriffe ◼ Daten-, informations-, und dokumentenbezogene Begriffe ◼ Kundenbezogene Begriffe ◼ Merkmalsbezogene Begriffe ◼ Bestimmungsbezogene Begriffe ◼ Maßnahmenbezogene Begriffe ◼ Auditbezogene Begriffe
Tätigkeitsbezogene Qualitätsaufzeichnung
▶activity-related quality record Qualitätsaufzeichnung mit Ergebnissen einer ►Qualitätsprüfung an einer Tätigkeit.
Begriff
Tätigkeitsbezogen Begriffe des Qualitätsmanagements
Anmerkung 1: Wenn in einem sogenannten „Schichtbuch“ nicht auf das hergestellte Produkt bezogene, sondern die Tätigkeiten des Maschinenführers in Beziehung zu seiner Arbeitsanweisung betreff ende Aufzeichnungen enthalten sind, ist das Schichtbuch ein Beispiel für eine tätigkeitsbezogene Qualitätsaufzeichnung. Anmerkung 2: Aufzeichnungen über die Istwerte zu Verfahrensparametern, beispielsweise über die Temperatur eines Trockenkessels abhängig von der Zeit, sind Qualitätsaufzeichnungen, welche die Tätigkeit eines ►Prozesses betreffen. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff D⟫
Taguchi, Genichi
▶Qualitätsverlustfunktion „Quality is the loss a product causes to society after beeing shipped, other than any loss caused by the intrinsic function.“ (Genichi Taguchi)
Japanischer Qualitätsexperte
DIN-Term
▶Business Reengineering
Genichi Taguchi (*1. 1. 1924-2. 6. 2012†) hat versucht, die Sprache der Statistik in die Sprache des Managements zu übersetzen und den Begriff „Qualitätsverlustfunktion“ definiert. Dabei prägte die Nachrichtentechnik Taguchis Denken. 1942 hat er sein Studium als Textilingenieur abgeschlossen. Von 1942 bis 1945 war er bei der kaiserlich-japanischen Marine im Bereich der astronomischen Navigation beschäftigt. Bis 1950 war er dann bei verschiedenen staatlichen Ministerien beschäftigt und hat dort an speziellen mathematisch-statistischen Verfahren und Methoden gearbeitet. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit waren die experimentellen Entwurfstechniken. Seine Tätigkeit im japanischen Gesundheitsministerium führte dazu, dass die von ihm durchgeführte Versuchsplanung auch auf die Entwicklung pharmazeutischer
1129
T
Taguchi, Genichi
Taguchi, Genichi
1130
Abb. T01: Verlustfunktion nach Taguchi Traditionelle Betrachtungsweise
„nicht in Ordnung“ untere Toleranzgrenze
„in Ordnung“
Toleranz
„nicht in Ordnung“ obere Toleranzgrenze
ste Ve igen rlu de st r
Qualitätsverlustfunktion nach Taguchi
r
Ein weiterer Bereich von „Taguchi’s Qualitätsphilosophie“ ist das von ihm entwickelte Qualitätsverständnis. Qualität wird
Qualität ist nach Taguchi’s Definition der gesamte ökonomische Verlust (der Gesamtgesellschaft), der nach Auslieferung eines Produktes dadurch entsteht, dass dieses seine Funktion nicht wie vom Kunden gefordert erfüllt und bei der Nutzung schädliche Nebeneffekte entstehen. Dieser sog. Qualitätsverlust ist eine quadratische Funktion eines funktionsbestimmenden Qualitätsmerkmals (Abbildung T01). Die Funktion ist wie folgt zu lesen: Die waagerechte Achse stellt den Wert der Abweichung vom Ziel dar, auf der senkrechten Achse ist der finanzielle Verlust abgetragen. Unter Verlust sind alle Kosten zu verstehen, die nach Auslieferung des Produktes entstehen. Darunter fallen z. B. die Kosten für Rücknahmen, Garantieforderungen oder Reparaturen. Der Verlust folgt der folgenden Gleichung: Verlust = k (Y-T)2. T ist der Zielwert der Variablen, Y ist deren gemessener Wert, k bezeichnet die
e nd ige t ste lus an Ver
T
Auszeichnungen: Taguchi erhielt mehrmals den Deming Application Prize für Einzelpersonen und Deming Award for Literature on Quality u.a. Auszeichnungen für seine Untersuchungen zur Methodik der Versuchsplanung. 1989 wurde ihm aus der Hand des Tenno das Purpurne Band des Ministeriums für Aussenhandel und Industrie (MITI) für seinen Beitrag zur Anhebung der ‘Gütenorm’ in der japanischen Industrie verliehen. Leistungen: 1957 erschien die erste Auflage seines Werkes Design of Experiments. In diesem Buch beschreibt er die Anwendung statistischer Methoden für die Planung von Fertigungsprozessen. Er übernahm den Ausdruck Design of Experiments (►DoE – de: Statistische Versuchsplanung) von dem britischen Statistiker Sir Ronald Aylmed ►Fisher [1880-1962], der die klassische Versuchsplanung in der Zeit von 1920 bis 1935 begründete. Taguchi entwickelte DoE weiter. Ihm ging es besonders darum eine methodische Strategie zur Streuungsreduktion zu entwickeln. Diese Arbeiten wurden von Dorian ►Shainin u.a. fortgeführt. Da es in der statistischen Versuchsmethodik um komplizierte mathematische Verfahren geht, wird dieser wichtige Bereich des Qualitätsmanagements hier nicht weiterverfolgt. Dem Leser sei die weiterführende Fachliteratur empfohlen [1].
Die Qualität eines Produktes ist der kleinste Verlust, den ein Produkt nach seiner Auslieferung verursachen kann.
an
Würdigungen: 1962 wurde ihm von der Universität Kyushu der Doktortitel verliehen. 1964 bis 1982 hatte er eine Professur an der Aoyama Gakuin University Tokyo inne. Er war Gastprofessor an mehreren japanischen und ausländischen Universitäten und leitete als geschäftsführender Direktor das ASI (American Supplier Institute, Inc.). Außerdem war er Direktor der Japan Industrial Technology Transfer Association, Berater der JSA ( Japanese Standards Association = jap. Normungsstelle; heute JISC-Japanese Industrial Standards Committee). – 1954/55 lernte Taguchi anlässlich eines Besuchs am indischen statistischen Institut den Physiker und Statistiker Walter Andrew ►Shewhart kennen. Bei diesem Treffen kam es zu einem regen Gedankenaustausch. Taguchi zählt heute zu den wichtigsten Forschern auf dem Gebiet der ►Statistischen Versuchsplanung. Er ist – chronologisch – in einer Reihe mi R. A. ►Fisher, F. Yates, G.E.P. ►Box u.a. zu sehen. Erst in den 1980er Jahren wurden seine Arbeiten von Dorian ►Shainin unter anderen Gesichstpunkten ergänzt und weiterentwickelt (►DoE).
von Taguchi als Verlust beschrieben, der entsteht, wenn ein ausgeliefertes Produkt seine Funktion nicht erfüllt und bei der Benutzung schädliche Nebeneffekte auftreten. Die Kurzdefinition von Qualität nach Taguchi lautet:
untere Toleranzgrenze
Zielwert (Sollwert)
obere Toleranzgrenze
Kosten pro Einheit der Abweichung. Mit zunehmender Abweichung vom Zielwert nimmt der Verlust im quadratischen Verhältnis zu. Taguchis Begriffsbestimmung und Analyse ist brauchbar, bringt sie doch auch das Thema ►Qualitätsbetrug genau auf den Punkt. Wie die in der Abbildung gezeichnete Funktion zeigt, sind diese Verluste nahe am Zielwert vernachlässigbar klein, steigen aber, einer Parabelfunktion folgend, mit
Begriff
Produkte angewandt wurde. Ab 1950 wechselte Taguchi zu NT & T (jap. Telefongesellschaft Nippon Telephone & Telegraph). Er war dort bis 1962 im Bereich Forschung und Entwicklung bei den Electrical Communications Laboratories speziell mit ►Statistischer Versuchsplanung befasst. Dort setzte Taguchi die Statistische Versuchsplanung (SPC) zum Aufbau des japanischen Telefonnetzes ein und bildete Ingenieure in den entsprechenden Techniken aus. Es gelang ihm die Methoden der statistischen Versuchsplanung weiterzuentwickeln.
Taguchi, Genichi größerem Abstand vom Zielwert progressiv an. Unmittelbar an den Toleranzgrenzen können sie entsprechend hoch sein. Die Konsequenz ist klar: Qualitätsmanagement hat sich innerhalb der Toleranzgrenzen abzuspielen und nicht ausserhalb (Man ist fast geneigt zu sagen „im Betrugsbereich“). Jede Abweichung vom Zielwert (IST/SOLL) vergrößert progressiv das Ausfall- und Zusatzkostenrisiko. Damit hatte er schon vor Jahrzehnten das Denken in eine neue Richtung gelenkt. Qualitätssichernde Maßnahmen sind am schnellsten, wirkungsvollsten und damit auch am kostengünstigsten während der Produktkonstruktion und der Prozessplanung zu treffen: ◼ Off-Line Quality Control. Hieran anschließend wird der laufende Produktionsprozess im Rahmen der ◼ On-Line Quality Control beobachtet und geregelt. Die Qualitätsverlustfunktion wird ausführlich in einem Extrastichwort erläutert: ►Qualitätsverlustfunktion. Taguchi hat seine Lehre, die stark von seinen statistischen Vorstellungen und Arbeiten geprägt ist, verallgemeinert und in einer Qualitätsphilosophie in neun Qualitätsgeboten niedergelegt [4] (Abbildung T02: Taguchi‘s Qualitätsphilosophie). Wie gezeigt wäre es verkürzt, Taguchi lediglich als Statistiker mit Ambitionen im Qualitätsmanagement anzusehen. Taguchi ist einerseits in der bisher gezeichneten Linie der statistisch orientierten Qualitätsexperten ►Shewhart, ►Deming und dann nach ihm ►Shainin zu sehen. Damit steht er in einer bestimmten Traditionslinie des Qualitätsmanagements als herausragender Experte. Andererseits lässt sich aber auch das Wirken Taguchis in größere Zusammenhänge einordnen: Schon die Forschungen Galileo Galilei’s (1564*-1642†), Francis Bacon’s (1561*-1626†) und René Descartes’ (1596*-1650†) gründen sich auf experimentellen Versuchsplänen, sog.
Taguchi, Genichi Abb. T02: Taguchi‘s Qualitätsphilosophie als ethisches Managementprogramm –Gebote
Taguchi's Qualitätsphilosophie ◼ Qualitätsmängel aufgrund von Pro
◼
◼
◼
◼
duktfehlern machen sich zumeist erst beim Anwender bemerkbar. Die Solidität eines jeden Produkts hängt mehr von seiner Konstruk tion ab als von der strikten Über wachung der Fertigungsprozesse – wenngleich auch die äußerst wichtig ist. Nehmen wir – als Metapher – die Rolle, die bei elektronischen Em pfangsgeräten der Empfang klarer Signale und die Vermeidung von Störgeräuschen spielt. Ein solides Produkt liefert ein kräftiges Signal, ohne Rücksicht auf Geräusche von außen und bei einem Minimum an internem Rauschen. Jede konstruk tive Verbesserung, das heißt jedes spürbar bessere SignalRausch Verhältnis bei den einzelnen Bau teilen, wird gleichzeitig auch die Leistung des Produkts insgesamt erhöhen. Setzen Sie Zielwerte für die best möglichen SignalRauschKoeffi zienten fest, indem Sie eine Ver suchsanordnung entwickeln, die es Ihnen erlaubt, die Schwankungen im gesamten Leistungssystem zu verfolgen im Hinblick auf den durchschnitlichen Effekt von Än derungen bei den Bauteilen. Dazu müssen Sie diese Teile unterschied lichen Bewertungen, Beanspru chungen und Versuchsbedingungen unterwerfen. Im Falle neuer Pro dukte lassen sich mittelwertige Ef fekte am klarsten anhand orthogo naler Datenfelder erkennen. Um solche Produkte herzustellen, sollten Sie zunächst Idealwerte für die einzelnen Komponenten festsetzen, um sodann den Durch schnitt der quadrierten Sollwert Abweichungen für bestimmte KomponentenKombinationen zu minimieren, alles gemittelt über die unterschiedlichen Gebrauchsum stände bei den Abnehmern. Bevor Produkte in die Produktion gehen, sind Fertigungstoleranzen festzulegen. Der totale Qualitäts
◼
◼
◼
◼
verlust nimmt dann mit dem Qua drat der Abweichung vom Zielwert zu, gemäß Gleichung L = D2C. Da bei steht D für die Abweichung von Sollvorgabe und die Konstante C für die Kosten von Qualitätssiche rungsmaßnahmen, die womöglich in der Fertigung ergriffen werden müssen. Eben diese Gleichung ist nichts anderes als die sogenannte Qualitätsfunktion. De facto gewinnen Sie wenig da bei, wenn Sie ein Produkt auslie fern, das nur ganz knapp über dem vom Unternehmen vorgegebenen Qualifikationsstandard liegt. Sie sollten die Zielwerte erfüllen und nicht nur Mindestgütemerkmale einzuhalten versuchen. Unablässig sollten sie nur auf sol che Konstruktionen hinarbeiten, die eine Fertigung von gleichblei bender Qualität erlauben. Verlan gen Sie auch von der Herstellung konsequentes Qualitätsbewußtsein. Eine katastrophale Häufung von Fehlern ist bei Streuabweichungen innerhalb der gesetzten Toleranzen sehr viel wahrscheinlicher als bei regelmäßigen Abweichungen. Wo die Abweichung vom Zielwert stets gleichbleibt, ist eine Annäherung an das Ziel leicht möglich. Eine gemeinsame Anstrengung, um Produktfehlleistungen beim Anwender zu verringern, wird gleichzeitig auch die Zahl der Unzulänglichkeiten in der Fabrik reduzieren. Bemühen Sie sich, die Varianzen bei den Produktkompo nenten abzubauen, und Sie werden die Varianzen im gesamten Produk tionsgeschehen vermindern. Bei der Abwägung alternativer Vor schläge hinsichtlich anderer Aus rüstung oder direkter Eingriffe in den Produktionsablauf sollten Sie auch die Kosten ins Auge fassen, die jeder dieser Vorschläge in Form verminderter Qualität, das heißt in Form von Maßwertabweichungen möglicherweise erwarten läßt.
1131
T
Tailoring
Taguchi, Genichi
Aktuell zeigt sich die Bedeutung von Taguchi auch wieder beim sich immer mehr Anwendern erschließenden Qualitätsmanagement nach ►Six Sigma. Die Abbildung T03 veranschaulicht die Ansicht von Taguchi (Traditionelle Ansicht zur Verlustentwicklung) im Vergleich zu Six Sigma: Wie uns die nach Taguchi benannte (traditionelle) Verlustkurve zeigt, herrscht bei dieser Sichtweise ein Alles-oder-Nichts-Denken vor. „Nur wenn die Spezifikationsgrenzen über- oder unterschritten werden, entstehen zusätzliche Kosten. Bei Six Sigma hingegen steigen die zusätzlichen Kosten graduell an, je weiter sich die Leistung vom Sollwert (S) entfernt.“ [5] Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
T
Tailoring
▶de: Zuschneiden Der Begriff entstammt dem Englischen: Tailor wird dort der Schneider genannt, der seinen Stoff für die Fertigung eines Teils (Bekleidung, Anzug, etc.) zuschneidet. In Fertigungsunternehmen der Textilbranche gibt es die Funktion eines speziellen Zuschneiders, der ausschließlich nach Modellschablonen (Größen) zuschneidet. Sehr oft weicht er vom Original (z. B. der Größe) ab. Er erstellt also keine 1:1-Kopie, sonderen eine Abweichung (Maßkonfektion). Unter Tailoring versteht man in Anlehnung an die Tätigkeit des Zuschneidens folglich allgemein die Anpassung eines ►Vorgehensmodells oder vorgegebener Methoden und Techniken (►Qualitätstechniken) an tatsächliche Forderungen. Projektmanagement: Tailoring ist dort besonders wichtig, wo sich viele Projekte, selbst in derselben Organisation, hinsichtlich ihres Handlungsrahmens, ihres Inhalts und ihrer Ziele stark unterscheiden. Ein kurzes Projekt mit hartem Endtermin wird – um Erfolg zu haben – andere Forderungen (Maßstäbe) an das Qualitätsmanagement haben, als ein Mehrjahresprojekt, dessen Produkt später die Sicherheit von Menschen garantieren soll. Beim Tailoring ist es wichtig im Vorfeld den richtigen ►Trade-off zwischen Aufwand und Nutzen für das spezifische Projekt zu finden. Voraussetzungen dafür sind: ◼ die Projektziele (und ihre Gewichtung) genau verstehen ◼ den Beitrag möglicher Vorgehensweisen zu den Projektzielen kennen ◼ die Auswirkung von Tailoringentscheidungen antizipieren können Zum Beispiel erhöht agiles Vorgehen (►Agilität) die Kundenzufriedenheit (Teilergebnisse werden früher sichtbar, die Spezifikation erfolgt am konkreten Objekt, Änderungen sind während des Projektverlaufs möglich) auf Kosten der Planbarkeit (Detailplanung ist nur für die nächste Iteration vorgesehen, Anzahl der Iterationen kann zu Beginn schwer geschätzt werden). Spezifikationsworkshops steigern die
[1] Klein, B.: Versuchsplanung – DoE: Einführung in die Taguchi-/ Shainin-Methodik. 3. Auflage. München-Wien (Oldenbourg) 2011 [2] Taguchi, G.: Systems of Experimental Design. American Supplier Institute (ASI): Dearborne 1987 [3] Taguchi, G.: Introduction to quality engineering – Designing quality into products and processes. UniAbb. T03: Taguchi‘s Verlustfunktion versus Verlustentwicklung bei Six Sigma pub/Quality Ressources: Tokyo 1988 [4] Taguchi, G.; Clausing, D.: Radikale Ideen zur Qualitätssicherung (Robust Quality). In: Harvard Business Manager. Qualität 1996, S. 15-26 [5] Graig, G.; DeCarlo, N.; Williams, B.: Six Sigma für Dummies. Weinheim (Wiley) 2005. S. 156
1132
Begriff
One Factor at a Time-Experimenten, die später von John Stuart Mill (1806*-1873†) theoretisch-methodisch begründet wurden. Die mathematische Statistik ermöglichte es dann später, auch komplexe Systeme mit Störgrössen zu berechnen. Die klassische statistische Versuchsplanung moderner Prägung fußt auf den Arbeiten des bereits genannten englischen Statistikers und Wissenschaftlers Sir Ronal Aylmer ►Fisher (1880*-1962†). Auf ihn gehen die wesentlichen Grundsätze der faktoriellen Versuche zurück, die erstmals in der Landwirtschaft zu Ertragssteigerungen führten. Auch die Varianzanalyse wurde von Fisher entwickelt. In dieser Linie war es vor allem Genichi Taguchi, der von Japan aus auf die klassiche statistische Versuchsplanung zurückgriff und sie entscheidend weiterentwickelte und umsetzte. Er trug wesentlich für ihre Verbreitung bei. Erst durch den Erfolg Japans wurden die USA und dann später auch die europäischen Länder auf die Versuchsplanung aufmerksam. Erst in den 1980er Jahren konnten sie sich im Westen etablieren und wurden durch die Forschungen von Dorian Shainin weiter gestützt.
Target Costing Qualität (intensiver Austausch zwischen Experten, Sonderfälle und Fallstricke werden früh identifiziert) und erhöhen die Kosten (Zeitbedarf für Workshops, zusätzliche Ressourcen für Vor- und Nachbereitung und Moderation). Am Ende hat gutes Tailoring einen erheblichen Einfluss auf die Teammotivation und die Kundenzufriedenheit. Die Motivation des Teams steigt in dem Maße wie jeder nach seinen Fähigkeiten eingesetzt werden kann und wie transparent des Sinn des gewählten Vorgehens ist. Die Kundenzufriedenheit hängt direkt davon ab, wie gut das Projekt die Ziele des Kunden versteht und schließlich erreicht. Auch im Bereich der Softwareentwicklung wird von Tailoring gesprochen. Das von der IABG für den militären Bereich entwickelte V-Modell (V steht für visualisierte Idee) ist ein inzwischen auch im ziviliven Bereich genutztes Beispiel. Es definiert Aktivitäten und erwartete Ergebenisse. Der Weg (die Blackbox gewissermaßen) wird nicht vorgeschrieben. Sie wird tailorisiert. Damit weicht eine solche Modellvorstellung grundsätzlich ab von den Phasenmodellen und eröffnet Freiheiten und damit Chancen, die es derade für die IT interessant erscheinen lassen. Schließlich handelt es sich auch bei der Umsetzung der Darlegungsforderungen des Modells der ISO 9001 um ein Projekt des Tailoring: Die Organisation passt das Modell entsprechend ihrer je spezifischen Forderungen und aufgrund ihrer Bedingungen an, schneidet es also nach ihren Bedürfnissen zu, damit es passt, fit ist. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
TAMS-Total Arbeitsschutzmanagementsystem ▶AMS-Ansätze
Tangibilität
▶Messung der Dienstleistungsqualität ▶Modelle der Dienstleistungsqualität ▶Operations Management
Target Costing
▶de: Zielkostenrechnung | jap. Genka Kikaku ▶Target Management Kostenplanungssystem, bei dem die Plan werte auf der Grundlage von am Markt erzielbaren Preisen, also zukünftigen, erwarteten Preisen abgeleitet werden. Bei diesem Herunterbrechen der erlaubten Kosten (Zielkosten) ist es entscheidend, die Erwartungen der Kunden im Hinblick auf Qualität und Preis genau zu kennen. Die ►Methoden der Kundenforschung kommen ebenso zum Einsatz wie ►QFD (►Qualitätsplanung). Target Costing stellt somit das verbindende Element zwischen Markt bzw. Kunde einerseits und der internen Leistungserstellung andererseits dar. Target Costing geht davon aus, daß 70% der Kosten bis einschließlich der Konstruktionsphase beeinflußbar sind. Die Möglichkeit der Kostenbeeinflussung nimmt während der Konstruktions-
Target Management phase mit zunehmender Konkretisierung des Projekts ab, die Kostenbeurteilung wird dagegen immer zuverlässiger.
Target Management ▶Target Costing
Die grundsätzlichen Prinzipien industriellen Arbeitens wurden schon lange nicht mehr in Frage gestellt. Der letzte große Wandel vollzog sich zu Beginn dieses Jahrhunderts mit der Einführung des Taylorsystems (►Taylor und das Taylorsystem) [1]. Heute bahnt sich ein Wandel im Qualitätsmanagement durch Organisationen an, die konsequent dem Lean Management folgen. Dabei folgt die erfolgreiche Neugestal tungen von Unternehmen einheitlichen Prinzipien, die jeglicher Organisation zugrundeliegen: ◼ Der Mensch als zentraler Leistungsträger; ◼ Unternehmenseinheiten mit ganzheitlichen Arbeitsaufgaben und Verantwortungsbereichen; ◼ multifunktionale Teams, die in einem vereinbarten Rahmen eigenverantwortlich agieren; ◼ umfassender Abbau von Formalismen und Nutzung des durch die Teamstruktur bedingten hohen Potentials informeller Kommunikation; ◼ konsequente Dezentralisierung von Verantwortung bei Anwendung eines ergebnisorientierten Führungsstils. Target Management beschreibt auf dieser Grundlage einen allgemein anwendbaren Lösungsansatz für Unternehmen im Kundenmarkt. Dieser Ansatz wird in [2] von Bullinger & Lott verdeutlicht und soll hier nicht vertieft werden [3]. Er lehnt sich an den Grundgedanken des ►Target Costings an. Literatur [1] Taylor, F. W.: Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebs führung (The Principles of Scientific Management). Wein heim-Basel 1977 [2] Bullinger, H.-J., Lott, C.-U.: Target Management – Unternehmen zielorientiert gestalten und ergebnisorientiert füh ren. Frankfurt-New York, 1997 [3] Er findet sich in geraffter Form in: Bullinger, H.-J. & Lott, C.-U.: Target Management. Stichwort. In: Zollondz, H.-D. (Hrsg.): Lexikon Qualitätsmanagement. München-Wien (Oldenbourg) 2001, S. 1135-1141
Task Force
▶de: Einsatzgruppe | Projektgruppe ▶Projektmanagement Der Begriff entstammt dem militärischen Bereich. Er wird auch für Projektgruppen verwendet, die zur Problemlösung eingesetzt werden: Entsteht eine Aufgabenstellung im Projektmanagement, bildet sich ein Unterprojekt, so kann dies in einer Projektgruppe abgewickelt werden, die zeitlich begrenzt, bis zum Abschluss des Projekts miteinander arbeitet. Ein wichtiges Merkmal einer solchenProjektgruppen ist, dass sie auch veränderbar sind. Handelt es sich um ein längerfristiges Projekt, können verschiedene Konfigurationen in der
1133
T
Taylorscher Grundsatz
TAT
▶Akronym für en: Turn Around Time TAT kann im Deutschen mit „Verweildauer“ übersetzt werden. Im allgemein Sprachgebrauch wird TAT als Zeit definiert, in der ein Produkt einen Prozessschritt oder eine Kette von Prozessschritten durchläuft. – Beispiel: ►Durchlaufzeit eines defekten Gerätes in der Reparaturabteilung.
Taylorscher Grundsatz ▶ Messmanagmentsystem und Prüfmittelmanagment ▶ Abbescher Grundsatz Der Taylorsche Grundsatz wird zum ersten Mal von dem Engländer William Taylor im britischen Patent 6900 vom 01. 04. 1905 ausgesprochen. Daher die Bennennung nach seinem Namen. Der Taylorsche Grundsatz soll sicherstellen, dass beim Lehren von sich vollständig umhüllende Paarungen (z. B. Kreiszylinder-Passflächen) neben den Maßen auch die Form geprüft wird. Er besagt: Die Lehrengutseite muß alle zu prüfenden Merkmale gleichzeitig erfassen, so daß jedem zu prüfenden Element der Werkstückfläche ein eigenes Element der Prüflehre gegenübersteht. Auf der Ausschußseite soll jedes Maß einzeln geprüft werden, so dass die Prüfelemente der Prüflehre entsprechend klein sein müssen, um die jeweiligen Grenzmaße des Prüflings für die einzelnen Merkmale auf Überschreitung (bei Bohrung) oder Unterschreitung (bei Welle) abzuprüfen. Die Einhaltung dieses Grundsatzes muss bei der Auslegung der Prüflehren angestrebt werden.
T
Taylor, Frederick Winslow
▶Taylor und das Taylorsystem
Taylorismus
▶Taylor und das Taylorsystem
1134
Taylor und das Taylorsystem
▶Ford und das Fordsystem ▶Entstehung des Qualitätsmanagements ▶Gilbreth, Frank Bunker ▶Gantt, Henry „Taylors solution was to assign the planning to engineers, and to limit the supervisors and workers to excuting the plans.“ ( J. M. Juran 1995, page 555)
1 Kurzcharakterisierung Frederick Winslow Taylor (*20. 3. 1856-21. 3. 1915†) gilt als der – nach seinem Tod sogenannte – Begründer des „Scientific Managements“ (auch „Taylorismus“ oder deutsch „Wissenschaftliche Betriebsführung“ genannt). Seine Lehre beruht auf genauen Zeit- und Arbeitsstudien der körperlich arbeitenden Menschen (Fallstudien) und deren Umsetzung in geplante Arbeitsprozesse sowie der sorgfältigen Auswahl der zur je spezifischen Arbeit passenden Menschen. Taylors Ziel war es, für jede menschliche Aktivität die „allein richtige“ („one best way“) Bewegungsfolge zu ermitteln. Sein Wirken gab der in den 1920er Jahren besonders ausgeprägten weltweiten Rationalisierungsbewegung wesentliche Impulse. Vollständig wurde sein System allerdings in ganz wenigen Begtrieben umgesetzt. In Deutschland gründete sich 1924 – aus dem Verein Deutscher Ingenieure heraus – der Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung (REFA), um Taylors und weitere Ideen für eine Anwendung in Deutschland systematisch aufzuarbeiten, mit den Tarifparteien abzustimmen, damit soziale Unruhen zu verringern, und durch Lehre (Seminare, Trainings) und Beratung zu verbreiten. Aus dieser Linie heraus hat sich in den letzten Jahrzehnten international der eher auf Frank Bunker ►Gilbreth basierende Ansatz „Methods-Time-Measurement“ (►MTM) herausgebildet. In MTM werden geschickt weitere Ansätze des Qualitätsmanagements, so auch das Lean Management, miteinander verknüpft. In weiter Auslegung ließe sich MTM – allerdings ohne Taylors soziologische Implikationen („Harmoniegesetz“) – als Neo-Taylorsystem verstehen. 2 Einordnung Zusammen mit dem sog. „Fordismus“ (►Ford und das Fordsystem) ist der nach F. W. Taylor so benannte „Taylorismus“ der Markstein in der Entwicklung der kapitalistischen Produktion bei der Gestaltung der industriellen Arbeit(sorganisation), dessen Bedeutung für das Qualitätsmanagement auch heute noch hervorzuheben ist, auch wenn es auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten – eher Gegensätzlichkeiten – zum heutigen Qualitätsmanagement zu geben scheint. Die damalige – historisch ganz andere – Situation zeigt das deutlich [1, S. 1142]: „Die Entwicklung der Taylorschen Lehren im ausgehenden 19. Jahrhundert erfolgte vor dem Hintergrund gravierender sozio-ökonomischer Umwälzungen in den USA. In erster Linie sind in diesem Kontext anzuführen eine rasante Industrialisierung und Verstädterung, ein enormes Anwachsen der Produktion mit einem Trend
Taylor und das Taylorsystem
Gruppe entstehen: Es können sich Untergruppen bilden, Experten kurzfristig aufgenommen werden, um Teilaspekte des Projekts abzudecken etc. Projekte können grundsätzlich als schwierig in ihrer Lösung angesehen werden, da es sich hierbei nicht um Routineaufgaben, sondern um komplexe Aufgaben handelt. Solche speziellen Gruppen werden Task Forces genannt. Eine Task Force-Gruppe arbeitet meist zeitlich begrenzt und vielfach im Rahmen einer größeren Gruppe (z. B. einer Projektgruppe); sie ist dann mit einem Teilproblem der größeren Gruppe beschäftigt; die Mitglieder dieser fallbezogen (task) als Gruppe organisierte Nebenorganisation sind in der Regel nicht aus der angestammten organisatorischen Umgebung herausgelöst.
Taylor und das Taylorsystem
Taylor und das Taylorsystem zur Massenfertigung, das Auftreten großer Massen ungelernter, agrarisch geprägter Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt aufgrund mehrerer Einwanderungswellen sowie schwere soziale Unruhen und Arbeitskämpfe, die zu Legitimationskrisen der bis dato bestehenden Formen der Betriebsführung führten.“
Amerikanischer Organisationsexperte
Taylor fand diese Situation nicht nur vor, er war in sie hineingeboren worden. Er hat seinen Ansatz der „wissenschaftlichen Betriebsführung“ („scientific management“) damals – um die Jahrhundertwende – entwickelt. Die deutsche Übersetzung seines Standardwerkes (amerikanische Erstausgabe 1911) erschien bereits 1913 in erster Auflage unter dem Titel „Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung“. 3 Person, Grundeinstellung und Leben Frederick Winslow Taylor wurde in Germantown (urspr. Deitscheschteddel), der ersten deutschen Siedlung in Pennsylvania (USA), geboren. Er hat sich als erster Ingenieur Amerikas mit der systematischen Beobachtung und Untersuchung der Arbeit befasst. Taylor hält 42 Patente. Er lebte in einer Zeit, in der „normale“ Arbeiter eher als schwerfällig und ineffizient eingeschätzt wurden. Diese Meinung vertrat Taylor ebenfalls. Sie beruhte insbesondere auf seiner Arbeitserfahrung. Er sah jedoch im systematisch („wissenschaftlich“) betriebenen Management einen Weg, den Arbeitern ihre Angst zu nehmen und die Kluft zwischen Management und Arbeitnehmern zu überbrücken, indem „Plan und Plandurchführung“ prinzipiell getrennt werden. In seinen „Principles“ formuliert er das wie folgt in einer Art „Harmoniegesetz“ [2, S. 121-122]: „Aus jedem einzelnen dieser Beispiele wird der Leser ersehen, dass die nutzbringenden Resultate hauptsächlich von folgenden Faktoren abhängen: (1.) vom Ersatz des persönlichen Arbeiterurteils durch eine Wissenschaft; (2.) von der systematischen Auslese und Ausbildung der Arbeiter, nachdem man jeden einzelnen Mann auf seine Verwendbarkeit hin studiert, theoretisch und praktisch geschult, mit ihm sozusagen experimentiert hat; (3.) von der engen Fühlung und Zusammenarbeit der Leitung mit den Arbeitern, so dass sie die Arbeit gemeinschaftlich in Übereinstimmung mit den aufgestellten wissenschaftlichen Gesetzen ausführen, statt dass die Lösung der auftretenden Probleme dem einzelnen Arbeiter überlassen bleibt. Treten diese neuen Prinzipien an Stelle der bisherigen individuellen Bemühungen jedes Arbeiters, so teilen sich die Parteien fast gleichmäßig in die täg-
Taylor und das Taylorsystem liche Arbeit. Die Leitung leitet den Teil der Arbeit, zu welchem sie sich am besten eignet, und der Arbeiter den Rest.“ Taylor repräsentiert in diesen Ausführungen wichtige Linien seines sozialtheoretischen Denkens, die weit über das Thema Arbeitsteilung, Rationalisierung und effiziente Produktion hinausgehen. Der Industriesoziologe Gert Schmidt reiht ihn sogar in die Liste der amerikanischen Soziologen ein. Sein Lebensweg lässt sich wie folgt nachzeichnen: ◼ 20.3.1856: Geburtsdatum; Vater Rechtsanwalt, Winslow ist der Geburtsname der Matter ◼ 1872-1874: Privatschule, Vorbereitung zur Aufnahme an das Harvard College, durch sein Augenleiden wird der Eintritt ins College verhindert ◼ 1874-1977: Modellschreiner- und Maschinenmechaniker-Lehre bei Enterprise Hydraulic Works, Philadelphia ◼ 1878-1890: Anstellung bei Midvale Steel Company (Handlanger, Werkstattschreiber, Dreher, Vorarbeiter, Meister, 1884: leitender Ingenieur nach Abschluss des Fernstudiums) ◼ 1880-1883; Ingenieurstudium am Stevens Institute of Technology als Fernstudium ◼ 1884: Chief Engineer bei Midvale Steel Company ◼ 1890-1893: General Manager bei Manufacturing Investment Co.; Fabrikleiter in der Papierindustrie in Madison, Maine; Rezension, Arbeitsvertrag wurde nicht mehr verlängert ◼ 1893: Beginn der Tätigkeit als beratender Ingenieur – verschiedene Unternehmen; Experimente mit der Kontrolle von Kugellagerkugeln bei Simonds Rolling Machine Co., Fitchburg ◼ 1895: Vortrag über „Ein Stücklohn-System“ (a piece-rate system) vor der ASME (American Society of Mechanical Engineers) ◼ 1898-1901: Anstellung bei Bethlehem Steel Co als Berater (Entwicklung des Schnelldrehstahls mit Maunsel White (Patent); Entwicklung und Einführung eines Buchhaltungssystems und seiner Kostenrechnung; Experimente mit dem Umladen von Eisenbarren und mit dem Schaufeln von Kohle und anderen Materialien ◼ 1900: Goldmedaille auf der Weltausstellung in Paris für die Erfindung des Taylor-White-Prozesses zur Erhöhung der Festigkeit von Stahl ◼ 1900: Zusammen mit Manuel White Verkauf der Schnelldrehstahl-Patente an Behlehem Steel ◼ 1901: Bethlehem Steel hebt den Vertrag mit Taylor auf ◼ ab 1901: Taylor bezeichnet sich selbst als „unbezahlter Berater und Manager“; Boxly-Gespräche; verfasst seine Arbeit „Shop Management“ ◼ 1903: Vortrag „Shop Management“ vor der ASME ◼ 1906: Ehrendoktor der Universität Philadelphia ◼ 1906-1907: Taylor war Präsident der ASME ◼ 1907: Beratung bei der Admiral C.F. Goodrich bei der Reorganisation der Marinewerft in Brooklyn
1135
T
Taylor und das Taylorsystem ◼ 1908: Beginn der Vorlesungen an der Harvard Business School ◼ 1909: Einführung des „Taylorsystems“ durch General William Crozier (Leiter Rüstung der US-Army) in Betrieben der Rüstungsindustrie ◼ 1910: Durchbruch des landesweiten Interesses am Taylorsystem durch den Bostoner Anwalt Louis D. Brandeis, der vor der Interstate Commerce Commission zeigte, dass das Taylorsystem den amerikanischen Eisenbahnen Einsparungen in Höhe von 1 Mio $ pro Tag bringen würde ◼ 1911: Publikation von „The Principles of Scientific Management“ bei Harper & Brothers, London – Die Begriffsprägung erfolgte allerdings später durch Louis D. Brandeis ◼ 1912: Ehrendoktor der Rechte des Hobart College, Geneva, NY ◼ 1912: Anhörung Taylors vor der Sonderkommission des Repräsentantenhauses zu seiner Lehre ◼ 1914: Untersuchung des sog. Hoxie-Ausschusses [5] zum Scientific Management und der Arbeiterschaft (die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften lehnte Taylor bei der Anhörung ab); Bewilligung von Mitteln zur Durchführung von Zeitstudien in Staatsbetrieben wurde verweigert ◼ 1915: Tod; Taylor stirbt an den Folgen einer schweren Lungenentzündung im Alter von 59 Jahren ◼ 1915: Aufnahme in die American Academy of Arts and Sciences ◼ Nach 1915: Die abgespaltene Gruppe „Society to Promote the Science of Management“ unter Führung von Frank Bunker ►Gilbreth benennt sich nach Taylors Tod neu unter der Bezeichnung „Taylor-Society“. 4 Taylors System Taylors Lehre, der oft sog. Taylorismus (wir sprechen hier schlicht vom „Tailorsystem“), hat bis zum heutigen Tag die Produktionsweisen in Industrie und Verwaltung nachhaltig geprägt, auch wenn immer wieder von seinem Ende die Rede ist [3]. Worum ging es Taylor? Angesichts des fast völligen Fehlens einer Facharbeiterschaft steht im Zentrum seiner Überlegungen der Zusammenhang zwischen der Leistungserbringung des Arbeiters und den Beziehungen zwischen Unternehmensleitung und Arbeiterschaft. Beispielhaft wird das schon an einer biografischen Stelle in den Grundsätzen deutlich [3, 52ff]:
T
„Kaum war ich Meister über eine Gruppe von Arbeitern geworden, als schon ein Mann nach dem anderen zu mir kam und mir etwa folgendes sagte: ‘Nun Fritz, es freut uns ja sehr, daß Du Meister geworden bist. Du weißt ja, wie der Hase läuft, Du wirst doch sicher kein solches Stückarbeits-Schw… werden. Stell’ Dich auf unsere Seite, und alles wird gut sein! Versuchst Du es aber, irgend einer unserer Abmachungen entgegenzuarbeiten, so kannst Du sicher sein, daß wir Dir alle Deine Knochen entzweischlagen.’ Ich sagte ihnen
1136
Taylor und das Taylorsystem unverhohlen, daß ich jetzt auf seiten des Geschäftes stände … Damit begann der Krieg …der mit der Zeit immer erbitterter wurde. … Kaum war ich daher Obermeister geworden, so entschloß ich mich, das ganze Verwaltungssystem so umzugestalten, daß die Interessen der Leitung und der Arbeiter die gleichen wären, statt sich gegenüberzustehen.“ Die andauernde Aktualität Taylors verdeutlicht Volpert zusammenfassend (Volpert in [3, XII]) an folgenden Problemstellungen: ◼ „das Ausgangsproblem und das Ziel der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“: Taylor war der Meinung, dass die Arbeiter seiner Zeit bei weitem zu wenig leisteten, und zwar infolge bewusster Leistungszurückhaltung wie unökonomische Verausgabung der Arbeitskraft. Sein System ist also darauf ausgerichtet, die Arbeitsleistung zu erhöhen, und zwar – wie er häufig betont – ohne eine wesentliche Steigerung der Belastung. ◼ die beiden Prinzipien der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“: Das erste dieser Prinzipien ist für Taylor der wichtigste Grundtatbestand, auf dem alles Weitere aufbaut und ohne den alles andere sinnlos ist. Statt gegeneinander zu kämpfen, sollen sich Arbeiter und Unternehmensleitung gemeinsam um das höchstmögliche Wohlergehen (beider Seiten und darüber hinaus der Allgemeinheit) bemühen. Diese Harmonie wird durch das zweite Prinzip ermöglicht und gefördert: das Vertrauen beider Seiten auf eine neue Wissenschaft, welche die Erfordernisse und Bedingungen der Arbeitstätigkeit unparteiisch und unbezweifelbar festlegt. ◼ die Methoden und Instrumente der „Wissenschaftlichen Betriebsführung“: Diese hält Taylor für zweitrangig. Er schließt nicht aus, dass sie eines Tages durch andere ersetzt werden können und betont, daß ihre isolierte Verwendung (ohne die „geistige Revolution“ als Grundlage) mißbräuchlich und überdies nutzlos sei. Es handelt sich hierbei im wesentlichen um: ☐ die Festlegung jeder Arbeitstätigkeit hinsichtlich der Bewegungsfolge und des Zeitbedarfs als Ergebnis von Bewegungs- und Zeitstudien. ☐ das sorgfältige Auslesen und Anlernen der Arbeitenden unmittelbar am Arbeitsplatz; ☐ die Herstellung von Arbeitsmotivation und -zufriedenheit durch ein bestimmtes System der Leistungsentlohnung.“ Taylor ging es folglich um eine Gesamtreform der Organisation, nicht um vereinzelte Verbesserungen an der einen oder anderen Stelle. Sein System beansprucht eine wirkliche Wissenschaft zu sein, die auf klar definierten Gesetzen, Regeln und Grundsätzen basiert und die auf alle Arten menschlicher Tätigkeit angewendet werden kann [3, S. 5]. Wie sich ein derartiges wissenschaftliches Vorgehen artikuliert, lässt sich zusammenfassend in den folgenden drei Schritten darstellen:
Taylor und das Taylorsystem ◼ Analyse des bestehenden Arbeitsprozesses durch Zeitstudien mit der Stoppuhr ◼ Zerlegung desselben in einzelne Handlungs- und Griffelemente ◼ Neukombination dieser Tätigkeitselemente unter dem Gesichtspunkt der Optimierung des Arbeitsprozesses (Vermeidung von Leerzeiten und überflüssige Handgriffen etc.). Noch differenzierter findet sich diese Schrittunterteilung bei Taylor [3, S. 125f]. Hervorzuheben ist als weiteres Element die Einrichtung eines zentralen „Arbeitsbüros“. In ihm übernehmen spezialisierte Experten wesentliche Funktionen der früheren Werkstattmeister. Zur Aufgabe des Arbeitsbüros gehört es – neben der rationalen Neugestaltung des Arbeitsprozesses – vor allem die tägliche Arbeitsvorbereitung zu organisieren, die sich in konkreten, schriftlichen Arbeitsanweisungen für die einzelnen Arbeiter niederschlägt. Ergänzt wird das Arbeitsbüro durch eine Gruppe von sog. „Funktionsmeistern“ (functional foremen), die direkt vor Ort in den Werkstätten tätig sind. Aufgabe der Funktionsmeister ist vor allem die technische Überwachung der laufenden Arbeiten und die Einweisung der Arbeitskräfte. Diese Funktionen, die im traditionellen Betrieb von einem einzigen Meister ausgeführt wurden, fallen hier verschiedenen Spezialisten zu, deren Anzahl und konkrete Aufgabenstellung jedoch von Branche zu Branche, entsprechend den jeweiligen technischen Gegebenheiten schwankt. Die „Funktionsmeister“ arbeiten teilweise im Arbeitsbüro und in der Werkstatt. Offenbar hat sich das „Funktionsmeistersystem“ nie wirklich durchgesetzt, was sich dadurch erklären lässt, dass es die Funktionsmeister als Spezialisten wegen ihrer potentiellen Koordinationsaufgaben schwer hatten sich durchzusetzen. Trotzdem ist wohl die Idee des Taylor’schen Funktionsmeisters in den Köpfen mancher im Qualitätswesen Tätigen nach wie vor lebendig, wenn W. Geiger bemerkt [4, S. 203]: „Für jede spezielle Aufgabe in der Ablauforganisation setzte er (Taylor) einen besonders dafür ausgebildeten Meister ein. Einige Zeit galt dies sogar als „Patentlösung“ und wurde deshalb vielfach angewendet. Jeder Funktionsmeister wickelte in allen Abteilungen der Organisation seine spezielle Funktion ab, wann immer sie dort benötigt wurde. Später erkannte man aber, warum diese Meister auch Schwierigkeiten hervorrufen mussten: Entweder sie wurden von den Stellen der Aufbauorganisation nicht hinreichend unterstützt, die sich für die betreffenden Funktionen nicht mehr verantwortlich fühlten; oder sie stellten ein harmonisches Funktionieren der ganzen Ablauforganisation in Frage, weil sie nur noch ihre eigene Aufgabe sahen und das Ganze immer mehr aus dem Auge verloren. Auch heute noch hat man übrigens den Eindruck, dass es bei manchen Organisationen einen „QualitätsmanagementMeister“ gibt.“
Taylor und das Taylorsystem Taylors System gründet auf einer vorher nicht existierenden Steigerung des Prinzips der Arbeitsteilung, speziell der Teilung zwischen disponierender (lateinisch = aufteilender, verteilender, einteilender) und ausführender Arbeit. Der Taylorismus besitzt nicht nur systematisch entwickelte Grundmaximen der Arbeitsteilung, sondern auch methodische Regeln, anhand derer man „jedem Arbeiter einzeln und je nach seiner Individualität helfen kann“ [3, S. 88] seine Tätigkeit in optimierter Weise auszuführen. Das Taylorsystem ist keineswegs schablonenhaft nur auf Industrieorganisationen anwendbar, sondern beansprucht das Ganze einer Organisation, sofern man nur gewisse Randaspekte richtig abwandelt. Als „Implikationen“ des Programms des scientific management wurden von Breisig die folgenden fünf Punkte herausgearbeitet [1, S. 1142f]: ◼ die Vorstellung, dass es einen wissenschaftlich zu ermittelnden optimalen Weg der Arbeitsorganisation gibt (den sog. „one best way“); ◼ das ‘Festprogrammieren’ von Arbeitsabläufen, die genaue Fixierung von Art, Ort und Zeit der abgeforderten Leistung, wobei vor allem Zeit- und Bewegungsstudien für die dafür notwendigen Informationen sorgen, die zugleich als Grundlage für eine ›objektive‹ Lohnbestimmung fungieren (als Differential-/Pensumlohn); ◼ ein detailliertes, bis ins Kleinste gehendes Vorschreiben der Arbeitstätigkeiten und -methoden gegenüber den Arbeiter/innen; ◼ eine immer weitergehende Zerstückelung von Einzelaufgaben in kleinste Segmente und die Zuweisung der Segmente an einzelne Arbeitsplätze, bis im Extremfall nur noch kleinste, immer wiederkehrende Einzeltätigkeiten wie an einem Fließband übrigbleiben; ◼ eine rigide Trennung von Hand- und Kopfarbeit: die Kopfarbeit ist Sache des Managements und der Ingenieure, Konstrukteure usw.; die Tätigkeit der ausführend Arbeitenden ist auf stures Befolgen der vorgegebenen Arbeitsinhalte und -rhythmen beschränkt, ohne eigenständiges Planen und Disponieren. An diesen Punkten schlagen sich Taylors Vorstellungen über den Menschen nieder (►Menschenbild im Qualitätsmanagement). Der arbeitende Mensch gilt als eine Art „Kraftmaschine“, die von außen gesteuert und kontrolliert werden muss. Nur erreicht der Mensch nicht die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit einer Maschine. Er wird insoweit wie eine potentielle Schranke der Produktion betrachtet, eine „Notlösung“, für die es noch keine technischen Lösungen gibt oder diese noch nicht kostengünstig genug sind. Zudem sieht er den Menschen als tendenziell rational handelnd und rein ökonomisch motiviert an („homo oeconomicus“). Seine Vorstellung über das Wesen der ausführenden Arbeit und den Führungsstil kommt sehr plastisch in einer Unterhaltung zum Ausdruck, in der er selbst einen Roheisenverlader überzeugt, die dreifache Menge an Eisen zu verladen, wenn er dafür 1,85 Dollar anstatt bisher 1,15 Dollar täglich erhält [3, S. 48]:
1137
T
Abb. T04: Das Taylorsystem der „wissenschaftlichen Betriebsführung“
Taylor und das Taylorsystem “Wenn Sie nun eine erste Kraft sind, dann werden sie morgen genau tun, was dieser Mann (der Vorgesetzte, d.V.) Ihnen sagt, und zwar von morgens bis abends. Wenn er sagt, sie sollen einen Roheisenbarren aufheben und damit weitergehen, dann heben Sie ihn auf und gehen damit weiter. Wenn er sagt, Sie sollen sich niedersetzen und ausruhen, dann setzen Sie sich hin! Das tun Sie ordentlich den ganzen Tag über. Und was noch dazu kommt: keine Widerrede! ‘Eine erste Kraft’ ist ein Arbeiter, der genau tut, was ihm gesagt wird und nicht widerspricht. Verstehen Sie mich? Wenn dieser Mann zu Ihnen sagt: Gehen Sie!, dann gehen Sie, und wenn er sagt: Setzen Sie sich nieder, dann setzen Sie sich und widersprechen ihm nicht.” Dieses Zitat macht deutlich, daß die Forderungen an die Mitarbeiter/innen nach dem Taylorsystem als recht gering, allenfalls auf bestimmte fachliche Erfahrungen und Fertigkeiten beschränkt, zu veranschlagen sind. Ein Mitdenken, das kreative Einbringen der schöpferischen Fähigkeiten und Fertigkeiten ist nicht verlangt, oder genauer gesagt für die Führungskräfte und technischen Experten reserviert. Kurzum: Der arbeitende Mensch gilt nicht oder nur stark begrenzt als eine Humanressource. Deutlich wird zudem Taylors starker Hang zu Individualarbeit. Phänomenen wie Gruppenarbeit stand er höchst abweisend gegenüber [3]. Vom Sprachgebrauch her war die Gruppe in dem Wirtschaftszweig, in dem Taylor wirkte eine „Rotte“, ein heute eher negativ besetzter Begriff. Im amerikanischen Englisch war es die „gang“. In der nebenstehenden zusammenfassenden Abbildung T04 wird der Ansatz Taylors verdeutlicht, wie er zuvor en détail beschrieben wurde. Klar wird, dass im Zentrum der Betrachtung die Steuerung der einzelnen Arbeitsplätze steht, wobei der Bewegungs- und Tätigkeitsablauf des Arbeiters den Erfordernissen und die Potentiale seiner Geräte zueinander angepasst werden. Folglich werden auch die Geräte auf die Leistungsmöglichkeiten und Leistungsgrenzen des Arbeiters zugeschnitten. Erst durch das Zusammentreffen beider Momente entsteht das von Taylor angestrebte Optimum. In welcher Weise das Taylorsche System die Prinzipien der Arbeitsteilung auf die Spitze treibt, hat er selbst an zentraler Stelle offenlegt [3, S. 125-126]:
T
„Im folgenden gebe ich eine Zusammenstellung der Schritte, die im allgemeinen zur Ableitung eines einfachen derartigen Gesetzes nötig sind: Erstens: Man suche 10 oder 15 Leute (am besten aus ebensoviel verschiedenen Fabriken und Teilen des Landes), die in der speziellen Arbeit, die analysiert werden soll, besonders gewandt sind. Zweitens: Man studiere die genaue Reihenfolge der grundlegenden Operationen, welche jeder einzelne dieser Leute immer wieder ausführt, wenn er die fragliche Arbeit verrichtet, ebenso die Werkzeuge, die jeder einzelne benutzt. Drittens: Man messe mit der Stoppuhr die Zeit, welche zu jeder
1138
Prinzip Trennung von disponierender und ausführender Arbeit Personalauswahl der geeigneten Arbeiter („Eignungstests“, um die Befähigung für eine konkrete Tätigkeit festzustellen)
Arbeitsplatz Jeder Arbeitsschritt ist isoliert und spezialisiert zu sehen. Jedes Arbeitselement wird analysiert und dann mittels Zeit- und Bewegungsstudien optimiert und zu Tätigkeiten kombiniert. Detailgenaue Analyse und Deskription der Art und Weise, wie eine Aufgabe am besten zu verrichten und zu erledigen ist.
Technische Anpassung Arbeitsgerechte Optimierung der technischen Ausstattung (=Anpassung an die Leistungs mög lich keiten und -grenzen des Menschen) Human Development Training, damit jeder in seinem Bereich erstklassig wird (=Anpassung des psychophysischen Apparats des Menschen)
Systematische Anwendung des Prinzips
Ziel: Beste Resultate zu erbringen (Produktivitätssteigerung) „In der Vergangenheit stand der Mensch an erster Stelle, in Zukunft wird das System an erster Stelle stehen.“ (F. W. Taylor) Ausführung Durchrationalisierte Organisation Orientierung an den Arbeitsvorgaben des Arbeitsbüros. Effizienzsteigerung durch Routinebildung; angenommene mo tivationale Wirkung durch das Differentiallohnprinzip (Rückbindung an die Vorgaben)
Arbeitsbüro Funktion: Auf der Grundlage von Arbeits- und Zeitstudien „Reengineering “ der Mikro- und Makrostruktur des Produktions prozes ses; Kalkulatorische Vorbereitung der laufenden Produktion; Konfliktregelung und Disziplinarmaßnahmen
System der… …Funktionsmeister Verantwortlich für die Organisationen der laufenden Produktion. Einweisung der Arbeitskräfte etc. ◼ ◼ ◼
Auslese Wegfall des Facharbeiters Taylor hat mit seinem System auch eine Antwort auf die Facharbeiterfrage gegeben.
◼ ◼ ◼
Rottenfüher (gang boss) Geschwindigkeitsmeister (speed boss) Prüfmeister (inspector) QUALITÄT! Instandhaltungsmeister (repair boss) Aufsichtsbeamter (shop disciplinarian) …
Ziel: Steigerung der Produktivität
Taylor ging es keineswegs um die Steuerung des Auftrags, sondern nur um die Erhöhung der Produktivität. Da die Zeit nach der Produktivitätsformel der Input ist, muss diese „bewirtschaftet“ werden. Wird die Arbeitszeit zum Beispiel um 30 v. H. reduziert, erhöht sich die Produktivität (c.p.) entsprechend, ohne irgendeine zusätzliche Maßnahme. – Das gilt heute wie zu Taylors Zeiten, wie die Anwendung der Formel zeigt: Übungsbeispiel: P = Output / Input (Formel)
Konkret: P = Stück / Zeit In Zahlen: P = 500 Stck / 100 Min. = 5 pro Min. Zeit reduz.: 500 Stck / 60 Min. = 8,33 pro Min.
Zu Taylors Sozialtheorie
Taylor erhob den Anspruch, dass sein System wissenschaftlich sei, indem es Ingenieurwissen anwendete, um den Arbeitsprozess und den Betrieb rigoros nach Grundsätzen zu organisieren. Generell gesagt, rationalisiert das Taylorsystem die Elemente und das allgemeine Funktionieren der Organisation in einer Reihe von Stufen, um die Produktivität zu steigern und die Verschwendung von Arbeitskraft und -material zu eleminieren. Diese Stufen oder Phasen umfassen: 1 die Aufteilung aller Betriebsaufgaben in ihre Grundbestandteile; 2 die Analyse und Planung jeder Aufgabe, um maximale Leistungsfähigkeit und leichtere Imitation zu erreichen; 3 die Neugestaltung von Werkzeugen und Maschinen als standardisierte Modelle; 4 die Bindung von Löhnen an den Ertrag; und 5 rationale Koordinierung Verwaltung der Produktion. Taylor war davon überzeugt, dass sein System die Quelle des Unbehagens unter den Arbeitern und den industriellen Konflikt beseitigen würde.
Taylor und das Taylorsystem dieser Einzeloperationen nötig ist, und suche dann die schnellste Art und Weise herauszufinden, auf die sie sich ausführen lässt. Viertens: Man schalte alle falschen, zeitraubenden und nutzlosen Bewegungen aus. Fünftens: Nach Beseitigung aller unnötigen Bewegungen stelle man die schnellsten und besten Bewegungen, ebenso die besten Arbeitsgeräte tabellarisch in Serien geordnet zusammen. Durch diese Zusammenstellung der schnellsten und vorteilhaftesten Einzelbewegungen ersetze man nun die 10 oder 15 unvorteilhafteren Serien von Einzelbewegungen und Handgriffen, die bisher im Gebrauch waren. Diese beste Methode wird zur Norm und bleibt Norm, bis sie ihrerseits wieder von einer schnelleren und besseren Serie von Bewegungen verdrängt wird. Erst werden die Lehrer oder die für die speziellen Tätigkeiten vorhandenen Meister (die Spezialmeister, die das Amt der Lehrer versehen) in der neuen Methode unterwiesen, dann wieder durch sie alle Arbeiter der Fabrik. In dieser einfachen Art wird ein Grundgesetz der Wissenschaft nach dem anderen entwickelt.“ 5 Taylors System und das Qualitätsmanagement Mit Blick auf die Grundlegung des Qualitätsmanagements sollen hier nun die drei Kernelemente des Taylorystems herausgestellt werden, die bei der Entwicklung des Qualitätsmanagements bis in die heutige Zeit hinein eine Rolle spielen: Zeit- und Bewegungsstudien, Arbeitsteilung, Leitungseinheiten (Arbeitsbüro/Funktionsmeister). An sie knüpft das Qualitätsmanagement (auch in der Variante des Lean Managements) immer wieder in der einen oder anderen Weise an. 5.1 Zeit- und Bewegungsstudien Mit den Zeit- und Bewegungsstudien verfolgte Taylor zwei Zwecke: Zunächst sollte die Organisation von dem reichhaltigen Erfahrungswissen der Mitarbeiter profitieren, um sie unabhängig zu machen. Gleichzeitig sollte eine „unanfechtbare“ Basis für die Bestimmung von fairen Leistungserwartungen der Organisation an die Mitarbeiter geschaffen werden. Bei den empirisch orientierten Studien ging es ihm darum die damals übliche Arbeit nach Faustregeln durch Methoden zu ersetzen, die auf Wissen beruhten. Solche Studien waren an und für sich nichts Neues. Neu war, dass die gesamte Arbeitszeit gestoppt wurde und diese Arbeitszeit dann in kleinste Teilzeiten (-bewegungen) aufgeteilt wurde. Im zweiten Schritt wurden sie dann zu einem komplexen Ganzen zusammengefügt. Jeder komplexe Ablauf der Arbeit ist in eine endliche Menge kleinster Tätigkeiten (Elementarbewegungen) zerlegbar. Er bemühte sich also um eine Optimierung auf der Ebene der Teilbewegungen. Auf der Basis die Zeitelemente konnten dann Verbesserungen im Bereich der Arbeitsorganisation erfolgen. So ließen sich Neukombinationen der Tätigkeiten und Griffelemente vornehmen. In der folgenden Schrittfolge von acht Schritten sollte dabei vorgegangen werden:
Taylor und das Taylorsystem 1 Arbeitsprozesse in einfache Elementarbewegungen aufgliedern, 2 alle überflüssigen Bewegungen ermitteln, 3 herauszufinden, wie geschickte Arbeiter die notwendigen Elementarbewegungen ausführen, 4 mit Hilfe einer exakten Stoppuhr die Zeit des schnellsten und besten Verfahrens zur Verrichtung jeder dieser Elementarbewegungen festhalten, 5 die schnellsten Elementarbewegungen beschreiben, dokumentieren und klassifizieren, 6 angemessene Zeitzuschläge für zu erwartende Störungen, Verzögerungen, Unterbrechungen etc. bestimmen, 7 angemessene Zeitzuschläge für die Einarbeitung von Arbeitern festlegen 8 angemessene Zeitzuschläge für die Erholungszeiten berücksichtigen. Taylor wies darauf hin, dass eine derartige analytische und synthetische Betrachtung von Arbeitsabläufen fast immer zu der Erkenntnis führe, dass die bestehende Arbeitsorganisation unzureichend sei. 5.2 Arbeitsteilung Taylor plädierte für eine sehr hohe vertikale und horizontale Arbeitsteilung sowohl auf der ausführenden als auch der dispositiven (leitenden) Ebene. Er sah in der vertikalen Arbeitsteilung (Trennung von Hand- und Kopfarbeit) ein wirksames Mittel zur Reduzierung von Drückebergerei, weil Arbeiter, denen sowohl dispositive als auch ausführende Arbeiten oblägen, die Möglichkeit hätten, das Ausmaß ihres wahren Arbeitseinsatzes zu verschleiern. Er forderte daher, die operative Arbeit auf ihre Kernfunktionen zu reduzieren, und andere Elemente des Arbeitsvollzuges, nämlich steuernde und kognitive Bestandteile, an ein gesondertes Arbeitsbüro zu überweisen. Das Arbeitsbüro sollte als „Gehirn des Betriebes“ fungieren. Durch die Zentralisation des fertigungsbezogenen Wissens im Arbeitsbüro und im Bereich der Werkstattmeister wurde es möglich, gering qualifizierte Arbeiter einzusetzen. Seiner Meinung nach hieße es die Vorteile des Systems schlecht auszunutzen, wenn nicht an allen Maschinen geringer bezahlte Arbeitsleute anstatt der geschulten Facharbeiter angestellt würden. Die völlige Trennung der geistigen und vorschreibenden Arbeit von der ausführenden Arbeit war das Ziel. Außerdem sollte auf beiden Hierarchieebenen eine extreme horizontale Arbeitsteilung in der Form einer starken Spezialisierung erfolgen. Der Tätigkeitsbereich der Arbeiter sollte auf den Nachvollzug eines kleinen, im Rahmen der Bewegungsund Zeitstudien bestimmten und exakt vorgegebenen Handlungsmusters beschränkt sein. Durch das Auffinden immer kürzerer und gleichförmigererArbeitsfolgen sollten Fehler im Arbeitsvollzug, die sich durch Ermessensspielräume der Arbeiter einschleichen können, ausgeschlossen werden. Überdies sollte auch hierdurch ein höheres Maß an Unabhängigkeit der Organisation vom einzelnen Arbeiter erzielt werden.
1139
T
Taylor und das Taylorsystem
Taylor und das Taylorsystem
Funktionsmeistersystem
T
5.3 Einrichtung von Leitungseinheiten (Arbeitsbüro/Funktionsmeister) Taylor sah im Bereich der vertikalen Arbeitsteilung grundsätzlich eine Verlagerung von dispositiven Arbeitsinhalten vom Arbeiter- in den Meisterbereich vor. Für die Meisterebene bedeutete dies eine mehrbelastende Erweiterung des Tätigkeitsfelds. Um diese Komplexitätssteigerung bewältigen zu können, schlug Taylor folgendes vor: Herauslösung eines Teils des Leitungsprozesses aus dem eigentlichen Fertigungsbereich (der Werkstatt) und dessen Bündelung in einem Arbeitsbüro. Außerdem eine weitere Untergliederung der damit bestehenden zwei Leitungsebenen (Werkstatt, Arbeitsbüro) in ein größeres Spektrum spezialisierter Funktionsfelder. Im Arbeitsbüro ging es zuvorderst um die Neugestaltung des Arbeitsprozesses, die tägliche Arbeitsvorbereitung sowie die Bestimmung des Lohn- und Zeitpensums. Hierzu wurden die folgenden Stellen eingerichtet: ◼ Der Arbeitsverteiler (route clerk), der den Ausführungsmeistern täglich Anweisungen erteilt. ◼ Der Unterweisungsbeamte (instruction card clerk), der die Meister und Arbeiter bezüglich der Arbeitsausführung unterrichtet und auf Unterweisungskarten einträgt, mit welchem Material und Werkzeug zu arbeiten ist und wie die Maschinen eingestellt werden sollen. ◼ Der Zeit- und Kostenbeamte (cost and time clerk), der auf der Grundlage der Zeit- und Bewegungsstudien Zeitkarten erstellt, auf denen die festgestellte Normalzeit und der entsprechende Lohn eingetragen werden. Das Arbeitsbüro wird durch eine Gruppe von Funktionsmeistern („functional foremen“) unterstützt. Diese Funktionsmeister sind direkt in der Werkstatt selbst tätig. Aufgabe der Funktionsmeister ist in erster Linie die technische Überwachung der laufenden Arbeiten und die Einweisung der Arbeiter. Diese Funktionen, die im traditionellen Betrieb von einem einzigen Meister ausgeführt wurden, sollen von verschiedenen Spezialisten erbracht werden. Taylor bestimmt genau, welche speziellen Funktionsmeister einzurichten sind und welches Ihre Aufgaben sind. In seinem Hauptwerk ging er von fünf Funktionsmeistern aus: ◼ Der „Rottenfüher“ bzw. Verrichtungsmeister (gang boss). Er achtet darauf, dass die Arbeit nach den Ausführungsbestimmungen erledigt wird, immer ein Werkstück bearbeitet wird und alle Hilfsmittel und Materialien vorhanden sind. ◼ Der Geschwindigkeitsmeister (speed boss). Er überwacht die Maschinenlaufgeschwindigkeit und kontrolliert die Arbeitsintensität.
1140
◼ Der Prüfmeister (inspector). Er ist für die Qualität und Kontrolle der Arbeitsprodukte zuständig. ◼ Der Instandhaltungsmeister (repair boss). Ihm obliegen die korrekte Wartung der Maschinen, Werkzeuge und Arbeitsplätze. ◼ Der Aufsichtsbeamte (shop disciplinarian). Er kümmert sich um die Aufrechterhaltung der nötigen Disziplin. Bei wiederholter Pflichtverletzung führt er Bestrafungen durch. Alle diese Tätigkeiten werden nicht in Personalunion ausgeführt, weshalb es als Funktionsmeistersystem bezeichnet wird. Diese Institution hatte zur Folge, dass in den Betrieben ein mehrliniges Leitungssystem existiert. Somit war jeder Arbeiter mehreren Meistern unterstellt. Über Henry Ford (►Ford und das Fordsystem), der – auch wenn er eine Verbindung zu Taylor abstritt – mit Sicherheit von ihm beeinflusst wurde, kann gesagt werden: Das System von Taylor hat angestrebt eine gegebene Betriebsorganisation und gegebene Arbeitsabläufe produktiver zu machen. Dabei war die Messung der Arbeitsleistung aufgrund von genauen Zeitstudien tatsächlich der Ausgangspunkt der Überlegungen Taylors gewesen. Die Fertigungsingenieure bei Ford versuchten in der Produktion des T-Modells mehr und mehr menschliche Arbeit durch Werkzeugmaschinen und Förderanlagen zu ersetzen. Dabei bestimmte – nicht wie bei Taylor das (Differential-)Lohnsystem –, sondern der Takt der Maschinen die Arbeitsgeschwindigkeit. Der Taylorismus ergänzte mehr indirekt in wesentlichen Elementen die Konzeption der Montagebänder Fords. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Breisig, Th.: Taylorismus. Hauptstichwort. In: Zollondz, H.-D. (Hrsg.): Lexikon Qualitätsmanagement. München-Wien (Oldenbourg) 2001. S. 1142-1145 [2] Taylor 1911: Taylor, F. W.: The Principles of Scientific Management. Harper and Row: New York 1911 [3] Taylor, F. W.: Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung. Neu hrsg. u. eingel. von Walter Volpert u. Richard Vahrenkamp. 1. Aufl., Nachdr. d. autoris. Ausg. von 1913, R. Oldenbourg Verl. München. – Beltz: Weinheim-Basel 1977 [4] Geiger, W.: Qualitätslehre. 3. Auflage. Braunschweig (Vieweg) 1998 [5] Hoxie, R. F.: Wissenschaftliche Unternehmensführung und Arbeiterschaft (1915). Abgedruckt in: Klein, L. (Hrsg.): Die Ent wicklung neuer Formen der Arbeitsorganisation. Göttingen 1975
Funktionsmeistersystem
Während auf der Ebene der Arbeiter eine starke Arbeitsteilung damals durchaus üblich war, ist mit der Arbeitsteilung im Leitungsbereich ein innovatives Element des Scientific Managements zu erkennen. Das Scientific Management sah – sowohl im Bereich der dispositiven wie auch der ausführenden Arbeit – eine zuvor nie dagewesene Steigerung des Prinzips der spezialisierenden Arbeitsteilung vor.
Team
Team
Team
nung, Strategie-Entwicklung und Problemlösung auszuüben haben. ◼ Sie handeln oft innerhalb eines organisatorischen Freiraums in einem Tätigkeitsfeld mit hoher Autonomie und weitreichender Selbststeuerungskompetenz. ◼ Im Innenverhältnis besteht Rollendifferenzierung, nach außen treten sie als Einheit auf.
▶de: Tierkoppel; Gespann (Wortherkunft) ▶de:Gruppenarbeit ▶Hochleistungsorganisation ▶Qualitätszirkel ▶Linking-Pin-Modell
Begriff
1 Zum westlichen Verständnis von Team Teams nutzen wesentlich besser das verfügbare Spezial- und Während einerseits der Begriff Team oft zum Modebegriff Expertenwissen ihrer Mitglieder. Allerdings ist die Zeit für verkommt, werden andererseits (Arbeits-)gruppe und Team Teamarbeit, die für Planung, Vorbereitung aufgewandt wird, in der wissenschaftlichen Literatur oft gleichgesetzt. Begreift nicht zu unterschätzen [3]: man dagegen zwar Gruppen wie Teams als Systeme persönlicher Beziehungen, die Abb. T05: Unterschiede zwischen Arbeitsgruppen und Teams sich jedoch graduell in be stimmter Weise unterscheiUnterschiede zwischen Arbeitsgruppen und Team den, lassen sich sehr wohl Unterschiede bestimmen, Kriterium Arbeitsgruppe Team die sich im Schnittpunkt von ◼ nach innen gerichtet ◼ nach außen gerichtet Wettbewerb Personalität und Sozialität ◼ Gegner auch in der Gruppe ◼ gemeinsamer Gegner (meist aus befinden. Einen solchen Ver◼ Gegner auch in der Organisation serhalb) such liefert die Abbildung ◼ Termine werden von außen fest ◼ Zeit wird gemeinsam geplant T05. Was das Kriterium Zeit gelegt oder beeinflußt ◼ Termine werden verteidigt, auch persönlich in der o.g. Kurz ◼ wenig Kooperation im Umgang gegenüber außen (z.B. Teamter definiton betrifft, soll die mit gemeinsamer Zeit mine sind wichtiger als Job Bestimmung von Luhmann termine) zugrundegelegt werden [2]: „Persönlich soll eine Beziehung in dem Maße heißen, in dem die je besondere Individualität der Beteiligten mit ihren subjektiven Erfahrungen, Interessen und Gefühlen nicht nur gezeigt und wahrgenommen, sondern auch ausdrücklich thematisiert und zur Begründung eigener Aktionen und Reaktionen legitimiert wird.“ Hieran anschließend sind folgende Charakteristika für Teams ausschlaggebend: ◼ Sie fungieren oft als vom Top Management eingesetzte arbeitsorganisato rischen Einheiten, ◼ die auf strategischer Ebene Tätigkeiten vom Typus Informationsbeschaffung, In formationsverarbeitung, Urteilsbildung, Pla-
Innovation
◼ Festhalten an bestehenden Ver fahren und Wissen ◼ Bezug auf Dagewesenes ◼ wenig Wunsch nach Veränderung
◼ Innovation wird gesucht und pro voziert ◼ Teams lassen sich ständig etwas Neues einfallen ◼ Teams verspüren die Synergie in den gemeinsamen kognitiven und emotionalen Ergebnissen
Entscheidungen
◼ werden durch den Leiter oder von außen bestimmt (Regeln, Normen, Leitsätze) ◼ Einzelverantwortung i.d. Gruppe
◼ werden intern getroffen durch Ak zeptanz, Übereinstimmung, Konsens und manchmal durch (demokratische) Abstimmungen, gemeinsame Verantwortung
Initiativen
◼ kommen durch Extreme (reines JobDenken ist wichtiger) ■ Verlustängste ■ reagierendes Handeln
◼ kommen durch die gemeinsame Arbeit im Team zustande; aktivie rendes Handeln ist das Motto ◼ persönliche Gewinnerwartungen im Gegensatz zu Verlustängsten
Erfolgsorientierung
◼ Persönliche Erfolge sind wichtig ◼ Individuum steht im Vordergrund ◼ Es bilden sich leicht Subgruppen in der Arbeitsgruppe
◼ Erfolg des Teams für das Unter nehmen ◼ Team zählt als Gemeinschaft und steht im Mittelpunkt
Abhängigkeit
◼ Die einzelnen Mitgleider sind relativ unabhängig (von der Gruppe), aber abhängig von der Führung
◼ Mitglieder sind voneinander abhängig ◼ Prinzip „Ich gebe, damit Du gibst“ ◼ Hilfe und Unterstützung werden eingefordert
◼ Herausforderungen werden eher vermieden ◼ Hohes Risiko wird gescheut
◼ Herausforderungen werden gesucht ◼ Überzeugen wollen ist wichtig ◼ Chancen sehen
Umgang mit Herausforderungen
T
Quelle: [1], S. 30
1141
Team „Es wird mehr diskutiert, abgeklärt, koordiniert, in Alternativen gedacht, verdichtet und gemeinsam entschieden … Die Kosten und der Aufwand für eine gemeinsame Lösung können von Fall zu Fall in keinem angemessenen Nutzen stehen.“ Teams sollten immer dann zum Zuge kommen, wenn Projekte schwierig sind und kreative und innovative Ergebnisse zu erzielen sind. Entscheidend ist die Zusammensetzung von Teams. Neben dem Fach- und Methodenwissen zählen Aus bildungsniveau, Persönlichkeitsstruktur und -merkmale, kurz alles, was man als ►Teamfähigkeit bezeichnet zu den persönlichen Voraussetzungen. Als Teamfähigkeit, wie auch der Fähigkeit in Gruppen zusammenarbeiten zu können, wird eine komplexe Persönlichkeits eigenschaft bezeichnet, deren Komponenten an folgenden Einzelfähigkeiten, Handlungsbereitschaften und Verhaltens formen zu erkennen sind [4]:
T
◼ die Bereitschaft und Fähigkeit, sich freiwillig in eine Gruppe zu integrieren und durch rücksichtsvolles und zuverlässiges persönliches Verhalten eine effektive Zusammenarbeit zu ermöglichen; dies umschließt auch die Bereitschaft, mit seinen Teampartnern Kompromisse auszuhandeln, mit ihnen das Arbeitsgebiet zu teilen und sie bei der Aufgabenerfüllung zu unterstützen (Koopera tionsfähigkeit); ◼ die Bereitschaft und Fähigkeit, immer mehr Übereinstimmung mit den Teampartnern zu erreichen, ohne jedoch aufzuhören, selbständig zu denken (Konsensfähigkeit); ◼ die souveräne Grundeinstellung zum Team derart, daß dem Teammitglied das Gelingen der Zusammenarbeit und das Erreichen der gemeinsamen Ziele wichtiger ist als das Durchsetzen eigener Ziele (Teamwilligkeit); ◼ die Bereitschaft, präzise, umfassend und vorbehaltlos Mehr-Wissen, Erfah run gen, individuell erarbeitete Problemlösungen sowie Informationen und Anregungen an die übrigen Teammitglieder weiterzugeben, zugleich die Bereitschaft, Informationen und Anregungen von den anderen aufzunehmen (Kommunikationsbereitschaft); ◼ eine tolerante Haltung und geistige Aufgeschlossenheit gegenüber Eigenart, Meinungen und Beiträgen der Team partner und die Fähigkeit, sich damit sachlich auseinanderzusetzen; zugleich die Fähigkeit, eigene Standpunkte und Ideen offen und überzeugend darzulegen und sich für diese einzusetzen (Dialogfähigkeit); ◼ die Fähigkeit zur Beteiligung an den Pro blemlösungsaktivitäten des Teams durch Übermittlung der persönlichen Vorstellungen und Vorschläge aufgrund der eigenen Fachkompetenz, zugleich die Fähigkeit, durch die eigenen Beiträge auf die Urteils- und Willens bildung des Teams Einfluß zu nehmen (Partizipationsfähigkeit); ◼ die Bereitschaft zum Verzicht auf starres Festhalten an überholten eigenen Standpunkten (soziale Flexibilität);
1142
Team ◼ die Bereitschaft zur Akzeptanz und Förderung ungewöhnlicher Ideen, neuartiger Ergebnisse und innovativer Problemlösungen (Innovationsbereitschaft); ◼ die Fähigkeit, Schocks zu absorbieren d.h. auch schlechte Nachrichten, enttäuschende Situationen und Rückschläge zu verarbeiten und dabei ohne Schuldzuweisungen und Sündenböcke auszukommen (Frustrationstoleranz); ◼ die Fähigkeit, mit Mehrdeutigkeit von Fakten und Ereignissen im Arbeitsumfeld fertig zu werden, zugleich die Bereitschaft zu unbeirrtem Engagement auch bei ungewissem Ausgang der Teamaktivitäten oder bei möglichen persönlichen Nachteilen (Ambiguitätstoleranz); ◼ selbstverständliche Offenheit für sachlich begründete Kritik durch die Teampartner und die Bereitschaft, die eigene Arbeit danach auszurichten, zugleich die Bereitschaft, mit eigenen Meinungen selbstkritisch umzugehen und reale Selbsteinschätzung zu üben (Kritikbereit schaft); ◼ die Fähigkeit, als Teampartner durch bewußte Beachtung der gemeinsam entwickelten Normen und der einander gänzenden Erwartungen die wechselseitigen Bezieer hungen und die aufeinander bezogenen Handlungen so zu beeinflussen und zu gestalten, daß die interpersonale Zusammenarbeit mit den geringsten Reibungsverlusten vonstatten geht (Interaktionsfähigkeit). Die folgenden Begriffe sind im Zusammenhang mit Team im Laufe der Zeit geprägt worden [5]: ◼ Als Teambildung bezeichnet man den gruppendynamischen Vorgang, in dem sich in einem formellen und/ oder informellen Prozess ein Beziehungsgeflecht von so zio-emotionalen Interaktionen und Strukturen bildet. ◼ Als Teamcoaching (►Coaching im QM) wird eine partnerschaftliche Trainingsform bezeichnet, die die Gesamt heit der unterstützenden Maßnahmen zur Entwicklung und Konsolidierung eines Teams durch einen (den Teamführer entlastenden) externen oder internen Berater (Coach) betrifft. Von diesem werden das Herausarbeiten kooperativerer Verhaltensmuster und die Veränderung team-unangemessener Einstellungen der Teammitglieder im Hinblick auf Verstärkung bzw. Korrektur, z. B. mehr Verständnis füreinander, Er probung neuer Fähigkeiten, tieferes Vertrauen zuneinander, erwartet. Der Be rater trägt in praxisnaher Form Prinzipien, Erfahrungen und Spielregeln zu teamtypischen Konfliktsituationen und Problemfällen vor, wodurch unter seiner Anleitung das Team zu einer besseren Konflikt-handhabung und Problemlösung, somit zur Leistungsoptimierung, finden soll. ◼ Unter Teamentwicklung versteht man eine Maßnahme im Kontext der ►Organisationsentwicklung, die innerhalb realer ►Arbeitsgruppen einen bewußten und gesteuerten Prozess der Veränderung des Verhaltens der Mitglieder in Richtung des Erlernens verbesserter Zusammenarbeit auslöst. Hauptziel ist die Entwicklung und Reifung der
Team
Team
Gruppe zum Team. Da der Weg von der Gruppe zum echten Team einerseits stark vom zielgerichteten Training, andererseits von der kommunikativen und sozialen Qualifikation der einzelnen Gruppenmitglieder, somit von ihrer Teamfähigkeit, abhängt, werden bestimmte komplexe Trainingsmethoden angewandt, um folgende Lerneffekte zu erreichen: ◻ die Fähigkeit der Gruppe insgesamt, ihr derzeitiges Leistungsniveau sowie die verschiedenen Gruppennormen und Verhaltensmuster bei interpersonalen Beziehungen (funktionale und dysfunktionale Elemente) selbst zu erkennen und zu verändern, die vorhandenen Probleme selbst zu analysieren und die Lösungen sowie die Veränderungen intern zu erörtern, sofern dies wegen der möglichen Behinderung der Gruppeneffektivität erforderlich ist; ◻ die Fähigkeit der Gruppe insgesamt, durch Lernen und Einüben neuer Verhaltensweisen im Kontakt miteinander die Effektivität des bestehenden oder des neugebildeten Teams zu erhöhen, im einzelnen: optimale Bewältigung der Aufgaben sowie konstruktive Handhabung der Gruppenprozesse und team typischen Konflikte durch Ermu ti gung, Stärkung der gegenseitigen Unterstützung, Verbesserung der Kommu ni kation, Hebung der Kompromiß- und Konsensbereitschaft.
Begriff
Abschließend sei die TeamDefinition von K. W. Vopel vorgestellt, die aus der praktischen Teamtrainingsarbeit des Autors stammt [7]: „Teams sind leistungsorientierte kleine Gruppen, die sich in vielen Punkten von der übrigen Organisation unterscheiden. In der Regel ist ein Team eine kleine Gruppe von Mitarbeitern, die über komplementäre Skills verfügen, die eine gemeinsame, anspruchsvolle Aufgabe lösen wollen und die ein Ensemble von sorgfältig abgestimmten Leistungszielen aufstellen. Die Teammitglieder haben den festen Willen, eng zusammenzuarbeiten, um die Aufgabe des Teams zu lösen, und sie übernehmen eine gemeinsame Verant wortung für die Arbeitsergebnisse des Teams.“
Dreh- und Angelpunkt eines Teams ist folglich ◼ die Lösung einer schwierigen Aufgabe, ◼ die alle Teammitglieder inspiriert und sie dazu bringt, ◼ das eigene Leistungspotential erheblich auszuweiten. Ohne eine herausragende Aufgabe gerät jedes Team ins Schlingern und verwandelt sich zurück in eine ganz normale Arbeitsgruppe. 2 Zum japanischen Verständnis von Team Am Beispiel der typischen Toyota-Organisation soll abschließend gezeigt werden, dass sich das japanische Team-Verständnis doch erheblich von einer westlichen Organisation unterscheidet. Es folgt im operativen Bereich immer einer Vier-Ebenen-Struktur (Abbildung T06): ◼ Der einzelne Mitarbeiter gehört immer einem Team an, dass sich aus drei, sehr oft vier, maximal fünf Personen zusammensetzt; ◼ Jedes Team wird von einem Teamleiter unterstützt. Diese Funktion kann er nur ausfüllen, wenn er bereits einige Zeit am Band gearbeitet hat; Teamleiter haben aber keine disziplinarische Funktion; ◼ Vier bis fünf von den Teamleitern mit ihren Teams unterstehen einem Gruppenleiter, der für die Führung und Koordination verantwortlich ist; er springt auch ein,
Abb. T06: Ausschnitt aus einer typischen Gruppenorganisation – Toyota Team
Teamleiter
Gruppenleiter
Manager Kleinere Gruppe Ein Gruppenleiter mit vier Teams mit insgesamt 21 Teammitgliedern und vier Teamleitern (= 25)
Zur Managementebene In vielen Fällen ist noch die Zwischenebene Assistant Manager eingeführt, dem vier Gruppenleiter unterstellt sind. Der Manager hat fünf Assistant Manager unter sich.
T Größere Gruppe Ein Gruppenleiter mit fünf Teams mit insgesamt 23 Teammitgliedern und fünf Teamleitern (= 28) Quelle: In Anlehnung an [8], S. 273
1143
Team
Team Abb. T07: Toyotas Team-System – Tätigkeiten und Funktionen von Teammitgliedern, Teamleitern und Gruppenleitern
Tätigkeiten und Funktionen: Teammitglieder, Teamleiter und Gruppenleiter Teammitglieder
◼ führen Arbeit nach aktuellem Standard aus ◼ befolgen 5S in ihrem Arbeitsbereich ◼ führen kleinere Routinewartungsarbeiten durch ◼ suchen nach Verbesserungsmöglichkeiten ◼ unterstützen kleinere Gruppenaktivitäten
Teamleiter
◼ initiieren Prozess-Startup und -kontrolle ◼ sorgen für den Einhalt der Produktionsziele ◼ reagieren auf andon-Rufe des Teammitglieds ◼ führen Routinequalitätschecks durch ◼ springen für abwesende Teammitglieder ein ◼ führen (funktionsübergreifende) Trainings durch ◼ erteilen Arbeitsanweisungen für schnelle Wartungsarbeiten ◼ stellen sicher, dass Standardverfahren eingehalten werden ◼ fördern kleinere Gruppenaktivitäten ◼ sorgen für ständige Projekte der kontinuierlichen Verbesserung ◼ sorgen für einen reibungslosen Nachschub an Material und Teilen
T
Maßnahmen ◼ übernehmen hoshin-Planung ◼ achten auf die Wahrung der Teammo-
ral
◼ bestätigen Routinequalität und Quali-
tätschecks der Teamleiter
◼ koordinieren die Schichtübergänge ◼ führen Prozesstests (Prozessverände-
rungen) durch
◼ sorgen für die Entwicklung der Team-
mitglieder und funktionsübergreifende Trainings ◼ berichten über die täglichen Produktionsergebnisse ◼ realisieren Kosteneinsparungen ◼ führen Projekte zur Prozessverbesserung durch: Produktivität, Qualität, Ergonomie, etc. ◼ koordinieren umfangreiche Wartungsarbeiten ◼ koordinieren Unterstützung durch externe Gruppen ◼ koordinieren die Arbeit mit vor- und nachgelagerten Prozessen ◼ sorgen für die Einhaltung von Standards für die Sicherheit der Gruppe ◼ springen für abwesende Teamleiter ein ◼ koordinieren die Aktivitäten rund um die Umrüstung auf andere Fahrzeugmodelle
wenn es „brennt“. Liker sieht das ähnlich [8, S. 274]: „Der Teamleiter ist so etwas wie ein Feuerwehrmann, der auf Kommando einspringt, wenn ein Problem auftritt – zum Beispiel wenn mittels eines andon-Systems ein Hilferuf erfolgt. Der Teamleiter fungiert außerdem als Sicherheitsventil, indem er ständig das Fließband auf- und abschreitet und außpasst, ob irgendwo Probleme auftreten, zum Beispiel wenn einem Arbeiter die Teile ausgehen oder wenn jemand zu langsam ist und Unterstützung braucht.“
Die intermediäre Funktion des Teamleiters federt den Druck, der durch den Pulsschlag des Fließbands permanent zu spüren ist, für die Teammitglieder ab. Er ist die Sicherheitsleine für die vier bis fünf Teammitglieder, denen er zugeordnet ist. Ein Blick in die Auflistung der Tätigkeiten zeigt aber auch, dass seiner Funktion hohe soziale und kommunikative Kompetenz abverlangt wird (etwa Gruppenleiter das Durchführen von Trainings ◼ erstellen die Urlaubs- und Einsatzplanung und das Fördern von Grup◼ sind für die monatliche Produktionsplapenaktivitäten). Und bei dem nung verantwortlich Punkt „Sorgen für die Einhal◼ übernehmen administrative Aufgaben: (Bill Constantino nach Liker 2006, 275) tung der Produktionsziele“ ist Vorschriften, Beachtung, disziplinare eine Maßnahme angesprochen, wenn ein Teamleiter ausfällt; der Gruppenleiter hat disdie traditionell einem Abteilungsleiter obliegt. Die Rolle des ziplinare Funktion; Teamleiters kann somit als ein Novum bezeichnet werden, zu ◼ Vier bis fünf solcher Gruppenleiter werden von einem dem sich in klassischen Organisationen kein Äquivalent finManager bzw. Assistant Manager geführt. det. Diese formale Struktur wird in Abbildung T07 beispielhaft Wir müssen an dieser Stelle erkennen, dass sich der Einstelgefüllt, indem sowohl die Tätigkeiten wie auch die Funklungsprozess zur Findung des passenden Teammitglieds über tionen auf den drei Ebenen Teammitglied, Teamleiter und mehrere Monate dauernden hinzieht, denn jedes TeammitGruppenleiter beschrieben werden. Der Autor dieser Ausfühglied soll die Chance erhalten die Funktion des Teamleiters rungen ist ein Gruppenleiter im Toyota-Werk Georgetown, übernehmen zu können, und ein Teamleiter ist wiederum ein Kentucky, also ein authentisches Dokument eines Mannes potentieller Gruppenleiter. All das werden die einstellenden aus der Gemba. Auffällig ist, dass Toyota hier ein mit hohem Instanzen bei Toyota wohl zu antizipieren haben, wenn sie Empowerment angereichertes Bottom-Up-Management einihre Entscheidung treffen, wer wo Teammitglied wird. geführt hat, in dem besonders die Funktion des Teamleiters Hans-Dieter Zollondz, besticht. Er scheint eine Allroundfunktion innezuhaben, die Vichy einerseits unterstützt, andererseits aber auch dann einspringt,
1144
Technische Regeln Literatur
[1] Ueberschaer, N.: Mit Teamarbeit zum Erfolg. So gestalten Sie effizient die Zusammenarbeit im Unternehmen. München-Wien (Hanser) 1997, S. 30 [2] Luhmann, N.: Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1982, S. 14 und 24 [3] s. [1], S. 34 [4] Gekürzte sprachlich teilweise veränderte Aufzählung aus: Schneider, H.: Lexikon zu Team und Teamarbeit, Köln: (Bachem) 1996 [5] s. [4] [6] Katzenbach, J. R.; Smith, D. K.: Teams. Der Schlüssel zur Hochleistungsorganisation. Wien 1993 [7] Vopel, K. W.: Die Teammitglieder. Wie kann das Potential des einzelnen im Team wirksam werden?. Themenzentriertes Teamtraining, Teil 2. Salzhausen: iskopress 1994, S. 12-13 [8] Liker, J. K. : Der Toyota Weg. München (Finanzbuch Verlag) 2006
Teambildung
▶Teamentwicklung ▶Coaching im Qualitätsmanagement ▶Team
Teamentwicklung
▶Team | Bruce ▶Tuckman
Teamfähigkeit ▶Team
Teamwilligkeit ▶Team
TC
▶en: Technical Committee Arbeitsgruppe der ISO für die Entwicklung von Normen. Im Qualitätsmanagement ist das ►ISO/TC 176 zuständig (►ISO, ►Croft, Howard Nigel, ►Petrick, Klaus, ►Entstehung des Qualitätsmanagements, ►Normungsverfahren, ►Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001).
TCS
▶en: Total Customer Satisfaction ▶de: Umfassende Kundenzufriedenheit.
Technische Regeln
▶en: technical rules Technische Regeln sind Empfehlungen, Handlungsanleitungen oder Vorschläge, die aufzeigen, wie Gesetze, Verordnungen oder technische Sachverhalte umgesetzt werden können. Technische Regeln sind z. B. Normen des DIN, VDEBestimmungen, VDI-Richtlinien. Sie dienen im Wesentlichen der Sicherheit von Leben, Gesundheit und Sachgütern, dem Schutz der Umwelt sowie der Sicherung der Qualität von Pro-
dukten und Dienstleistungen. Technische Regeln sind keine Rechtsnormen und haben damit auch nicht zwangsläufig den Charakter von gesetzlichen Vorschriften. Sie können jedoch Gesetzeskraft erlangen.
Teilautonome Arbeitsgruppen
▶en: partial autonomous workinggroup ▶de: Selbstregulierende Arbeitsgruppen ▶Gruppenarbeit ▶Qualitätszirkel ▶Lernstatt ▶Lernende Organisation In den 1970er Jahren thematisieren Forschungen zur ►Humanisierung der Arbeitswelt (HdA) und die daran anschließende sog. Humanisierungsdebatte ein breites Spektrum an Konzepten und Begriffen zur ►Gruppenarbeit. Dabei ist die teilautonome Arbeitsgruppe ein Konzept gewesen, mit dem versucht wurde, neue Formen menschlicher Zusammenar beit zu begründen [1]: „Teilautonome Arbeitsgruppen zählen zum Konzept der Arbeitsstrukturierung, dem Kernstück der neueren Bemühungen zur Humanisierung der Arbeitswelt.“
Begriff
Teamcoaching
Teilautonome Arbeitsgruppen
Die teilautonome Arbeitsgruppe basiert auf dem TavistockKonzept, nach dem Organisationen nicht mehr nur als geschlossene, soziale, sondern als offene, zielgerichtete, soziotechnische Systeme betrachtet werden. Erstmalig wurden teilautonome Arbeitsgruppen Anfang der 1960er Jahre in Norwegen und Schweden und ab Anfang der 1970er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland praktisch erprobt und wissenschaftlich begleitet. Die Automobilindustrie war damals wie heute die führende Branche, die sich diesem Gruppen arbeitskonzept öffnete. Damals hatte Gulowsen sieben Charakteristika herausgearbeitet [2]: 1 Selbstbestimmung über die Ziele des Arbeitseinsatzes; 2 Darüber entscheiden, wo und wann sie arbeiten will; 3 Entscheiden über die Wahl der Arbeitsmethode; 4 Selbstentscheidung über die Gruppen mitgliedschaft, d. h. über Aufnahme und Ausschluß von Mitgliedern; 5 Selbstbestimmung über ihre interne Arbeitsteilung; 6 Entscheidung darüber, ob sie einen Führer oder Sprecher haben will und wer dieser Sprecher sein soll; 7 Jedes Gruppenmitglied entscheidet für sich, wie es seine Arbeit im Rahmen der Gruppenziele ausführen will.
Nach dem Gesichtspunkt des Autonomiegrades kommt dem ersten Punkt der höchste Stellenwert zu und der niedrigste dem letzten. Das ist leicht erkennbar, denn wenn sich eine Gruppe ihre eigenen Ziele setzen kann, ist sie keine Arbeitsgruppe in einem Organisationssystem mehr, sondern eine bereits eigenständige Organisation. Das gilt auch für den zweiten Punkt, der Ort und Zeit der Arbeit festlegt. Die Ergebnisse von Gulowsen zeigen denn auch, dass die Gruppen schwerpunktmäßig entsprechend der Kriterien (3) bis (7) beurteilt werden.
1145
T
Teilautonome Arbeitsgruppen
Teilautonome Arbeitsgruppen
Begriff
Auch wenn die Benennung dieses Gruppenkonzepts gleichgeblieben ist, so sind es nicht die Erwartungen und auch nicht die inhaltliche Ausrichtung. Das erkennt man schon an der heute allgemein geteilten Definition bei Antoni, dem Experten auf dem Gebiet der Gruppenarbeit [3]: Unter teilautonomen Arbeitsgruppen versteht man funktionale Einheiten der regulären Organisations struktur, die konstant zusammenarbeiten und denen die Erstellung eines kompletten (Teil-)Produktes mehr oder weniger verantwortlich übertragen wurde. Die gesamtbetriebliche Ebene ist nicht Gegenstand der Definition. Somit sind teilautonome Arbeitsgruppen an gesamtbetrieblichen und produktbezogenen Fragen nicht beteiligt. Ihre Gruppenstärke beträgt ca. drei bis zehn Mitarbeiter. Ihre Aufgaben sind neben dem operativen Teil auch dazugehörige Organisations-, Planungs- und Kontrollaufgaben [4]: „Die Ausführungstätigkeiten werden dabei möglichst so gewählt, daß eine ganzheitliche Aufgabe oder ein Produkt komplett von der Gruppe bearbeitet werden kann. Die Gruppe trägt somit die Verantwortung für den gesamten (Teil)-Fertigungsprozess. Zielsetzung dieser Form der Arbeitsorganisation ist es, Organisationseinheiten zu schaffen, die sich innerhalb definierter Grenzen selbst regulieren können. Teilautonome Arbeitsgruppen werden daher auch als selbstregulierende Grup pen bezeichnet. Mithilfe der Selbst steuerung sollen einerseits eine effizientere Aufgabenbearbeitung und andererseits motivierende Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen geschaffen werden.“ Die Konzepte ►job enrichment und ►job enlargement werden so Teil dieses Gruppenarbeitskonzepts [5]:
T
Entscheidendes Kriterium ist der Autonomie- oder Freiheitsgrad der teilautonomen Arbeitsgruppen. Die empirisch erhobenen Kriterienkataloge zeigen zwar das Entscheidungsspektrum auf, lassen aber auch erkennen, daß es nicht einen einheitlichen Teilautonomen Arbeitsgruppen-Typ gibt, sondern eine Vielzahl an Ausprägungen, wie Abbildung T08 erkennbar macht. Bezieht man noch – was indirekt an den Dimensionen in der Abbildung erkennbar ist – die Führungs tätigkeit und -struktur mit ein, so läßt diese Betrachtungsebene erkennen, daß sich je nach Ausweitung dieses Konzeptes weitreichende Auswirkungen ergeben können, wobei zu beachten ist, daß teilautonome Arbeitsgruppen in jedem Fall Bestandteil regulärer Arbeitsorganisationen sind und entlang von ►Wertschöpfungsketten die ihnen übertragenen Auf gaben erfüllen. Das Beispiel „Teilautonome Arbeitsgruppen in der Automobilindustrie“ illustriert das (Abbildung T09).
Abb. T08: Autonome Gruppenrechte bei teilautonomen Arbeitsgruppen Innerhalb des vorgegebenen Arbeitssystems
Arbeitstempo, -takt; Pausenregelung; Arbeitsaufteilung und -verteilung in der teilautonomen Arbeitsgruppe; Arbeitsplanung (zeitlich) in der teilautonomen Arbeitsgruppe; Festlegung der Arbeitszeit bei vorgegebener Gesamtarbeitszeit; Produktionskontrolle; Arbeitsablauf (Überwachung und -entstörung);
Hinsichtlich von Personalfragen
Wahl des Gruppensprechers bzw. sonstiger Gruppenvertreter; Urlaubsplanung, -gewährung, freie Gruppenwahl und freier Gruppenwechsel; neueinstellung und Entlassung von Gruppenmitgliedern;
Hinsichtlich des Arbeitssystems
Gestaltung der Arbeitsumweltbedingungen, Arbeitsorganisatorische Regelungen innerhalb der teilautonomen Arbeitsgruppe; Organisatorische Regelungen zwischen teilautonomen Arbeitsgruppe und Umsystem; Bestimmung der Gesamtarbeitszeit; Wahl der Produktionsmethoden; Wahl der verwendeten Technologie; Bestimmung der personellen Ausstattung der teilautonomen Arbeitsgruppe, Produktionsort;
Hinsichtlich der Produkte
Festlegung der Produktquantität, -qualität; -gestaltung; des Produktionsprogrammes;
Hinsichtlich gesamtbetrieblicher Fragen
Budgetverantwortung; (Teil-)Autonomie der teilautonomen Arbeitsgruppe hinsichtlich gesamtbetrieblicher Prozesse und Strukturen; Investitionsprogramm; Finanzplan; Gewinnverteilung und -verwendung.
„Innerhalb der Gruppen kann der einzelne Mitarbeiter zwischen den verschie- Quelle: [6], S. 37 (Nach Rohmert; Weg 1976) denen Arbeitsplätzen wechseln. Der Arbeitsumfang an den verschiedenen Arbeitsplätzen Problematisierung: Partizipative Ansätze der gruppenorienkann sich vergrößern.… Es wird aber nicht nur eine tierter Arbeit werden heute oft unter Begriffen von Teamkonquantitative Arbeitserweiterung, sondern auch eine zepten diskutiert und operativ umgesetzt. Sie gründen auf qualitative Arbeits be reicherung und damit eine einer entsprechenden ►Unternehmenskultur. Die angloameReprofessionalisierung der Industriearbeit angestrebt. rikanischen Konzepte von ►Empowerment, Leadership u. a. Dies kann durch die Integration indirekter Tätigkeiten, sind dabei eher en vogue als die klassischen Begrifflichkeiten wie z.B. Qualitätskontrolle, kleinere Wartungs- und der Arbeits- und Organisationspsychologie. Die mit der UmReparatur- und Reinigungs- und Transportarbeiten setzung verbundenen Probleme sind deshalb jedoch nicht erreicht werden. Entscheidendes Kennzeichen teilauverschwunden. Angezweifelt wird auch, ob die Verordnung tonomer Arbeitsgruppen ist jedoch, daß sie die Pla von Mitsprache und Verantwortung gelingt. Und weiter: Ist nung und Steuerung der übertragenen Aufgaben selbst die Ausweitung von Mitsprache und Verantwortung von den durchführen.“ beteiligten Mitarbeitern überhaupt gewollt. Diese durchaus praktischen Fragen verweisen darauf, solche Konzepte nicht
1146
Teilautonome Arbeitsgruppen im Alleingang durchzuführen, sondern unter Beteiligung der Mitarbeiter. Dipl.-Soz. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Fröhlich, D.: Machtprobleme in teilautonomen Arbeitsgruppen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 25/1983: Gruppensoziologie. Opladen 1983, S. 534 [2] Gulowsen, J.: A Measure of Work-Group Autonomy. In: Davis, L. E.; Taylor, J. C. (Hrsg.): Design of Jobs. Harmondsworth 1972, S. 374-390 [3] Antoni, C. H.: Gruppenarbeit – mehr als ein Konzept. In: Antoni, C. H. (Hrsg.): Gruppenarbeit in Unternehmen. Konzepte, Erfahrungen, Perspektiven. 2. Aufl. Weinheim: Beltz 1996, S. 35 [4] s. [3], S. 35 [5] s. [3], S. 35f [6] s. [3], S. 37 [7] Antoni, C. H.: Konzepte der Mitar bei terbeteiligung: Delegation und Partizi pa tion. In: Hoyos, C. G.; Frey, D. (Hrsg.): Arbeits- und Organisationspsychologie. Ein Lehrbuch, Weinheim: Beltz 1999, S. 569-579 [8] Wachtler, G.: Humanisierung der Arbeit und Industriesoziologie. Eine soziologische Analyse historischer Vorstellungen humaner Arbeitsgestaltung. Stuttgart u.a. 1979
Theorie Z Abb. T09: Teilautonomen Arbeitsgruppen in der Automobilindustrie – ein Idealtypus?
Ein idealtypisches Beispiel einer tei lautonomen Arbeitsgruppe aus dem Produktionsbereich ist eine Grup pe von ca. 15 Mitarbeitern, die eine PKWRammschutzleiste fertigt. Auf gabe der Gruppe ist es, anhand der Kundenaufträge, die sie von einem Kundenteam erhält, die Fertigung im Detail zu planen, Kunststoffteile zu spritzen, das Metall für die Zierleiste zu rollen, Kunststoff und Metallteile zu montieren und zu verschweißen, die Qualität der Teil und Endpro dukte sowie den Fertigungsprozess zu kontrollieren, die Teilprodukte in nerhalb der Gruppe zu transportieren und das Endprodukt versandfertig ins Lager bzw. zur Auslieferung zu brin gen. Die Gruppe steuert dabei selbst, wer an welchen Arbeitsplätzen, an wel chen Tagen, wie lange arbeitet, Pause oder Urlaub macht. Sie überwacht die Erreichung der Produktions bzw. Gruppenziele, analysiert auftretende Probleme und entwickelt Verbesse rungsvorschläge insbesondere im Rahmen ihrer wöchentlichen Sitzun Quelle: [7], S. 579
Telecommunications Leadership 9000 ▶TL 9000
ISO-Term
gen, die von dem gewählten Spre cher moderiert werden. Die Gruppe analysiert und entwickelt mit Unter stützung ihres Vorgesetzten die dazu notwendigen Qualifikationen und vereinbart mit ihm die Gruppenziele und die dazu notwendigen perso nellen, technischen, finanziellen und sonstigen Ressourcen. Die Gruppe arbeitet in einem räumlich zusammen gehörigen Bereich, in dem alle not wendigen Mitarbeiter und Maschinen zusammengefasst sind. In dem Kundenteam, das der Produk tionsgruppe die Aufträge weiterleitet, betreuen Mitarbeiter aus den früheren Bereichen Vertrieb, Konstruktion, Ver such, Arbeitsvorbereitung und Ferti gungssteuerung bestimmte Kunden gruppen. Sie akquirieren Aufträge, erstellen die Programmplanung, ent wickeln kundenspezifische Produktva rianten, planen die notwendigen Pro duktionsprozesse in Zusammenarbeit mit der Produktionsgruppe, betreuen die technische Serienführung und fertigung.
Test
▶en: determination ►Bestimmung entsprechend den ►Anforderungen an einen spezifischen beabsichtigten Gebrauch oder eine spezifische beabsichtigte Anwendung Anmerkung 1 zum Begriff: Zeigt das Ergebnis eines Tests ►Konformität, kann es zu Zwecken der ►Validierung verwendet werden. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Testforschung
▶Kundenzufriedenheit
Theorie Z
▶Unternehmenskultur Der 1943 geborene, amerikanische Hochschullehrer William G. Ouchi hat über die Unterschiede zwischen den Kulturen japanischer und amerikanischer Unternehmen und deren Managementstile geforscht. Von den drei Arten von Organisationen bezeichnete er die amerikanischen als Typ A und die japanischen als Typ J. Organisationstyp J bildet eine neue Kultur, nämlich die Kultur Z aus. Die Typologiekonstruktion geht auf Douglas McGregors Theorien X und Y
zurück. Ouchi folgert aus seinen Ergebnissen, dass die starke Mitarbeiterbeteiligung in den Unternehmen des Typs Z zu einer höheren Mitarbeitermotivation und damit zu höherer Produktivität führt. Die Studie hat maßgeblich die Diskussion um die ►Unternehmenskultur und in der Folge auch das Konzept des Total Quality Managements beeinflusst. Die Merkmale der Z-Kultur lassen sich wie folgt beschreiben [1]: ◼ ganzheitliches Beziehungsgefüge in der Organisation, wegen der großen Bedeutung interpersonaler Beziehungen ◼ minimale Fluktuation und lebenslange Beschäftigung ◼ Entscheidungsfindung erfolgt kollektiv und einvernehmlich, wodurch die Interessen aller Mitglieder einfließen ◼ keine Vorgabe formalisierter Verhaltensregeln ◼ individuelle Verantwortungsübernahme der Mitarbeiter ◼ lange Beförderungszyklen von Mitarbeitern, Karrieren werden durch „wandering around“ in verschiedenen Abteilungen gefördert.
Literatur
[1] Ouchi, W. G.: Theory Z. Avon Books 1983
Theory of Constraints
▶ToC-Theory of Constraints
1147
T
ToC-Theory of Constraints
Time to Market Throughput Yield
Der Begriff Yield bedeutet Ausbeute. Der Throughput Yield berücksichtigt die Nacharbeit von fehlerhaften Teilen innerhalb der Produktion und rechnet diese nicht mit ein. Demnach bestimmt der Throughput die Anzahl der fehlerfreien Teile ohne Nacharbeit in den vorgelagerten Prozessschritten. Daher wird der Throughput Yield auch First Pass Rate genannt – die Anzahl von Teilen/Produkten, welche in einem Durchlauf (ohne Nacharbeit) die Produktion durchlaufen.
Time to Market
▶Simultaneous Engineering „Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.“ (Albert Einstein)
Der Begriff ist v. a. im Rahmen von Innovationsmanagement und ►Simultaneous Engineering geprägt worden. Er meint die Zeit von der Entstehung einer Produktidee über die Entwicklung und Produktion bis zu Markteinführung eines Produkts. Die Reduzierung dieser Zeit kann wettbewerbsentscheidend sein. Im Anschluß an diese Begriffsbestimmung spricht man auch von Time-to-Market-Management als „die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung des Produktinnovationsprozesses im Hinblick auf den Faktor Zeit“ [1]. Die Zeitproblematik wurde in der Managementliteratur verstärkt ab Ende der 1970er Jahre thematisiert, als offensichtlich geworden war, dass viele japanische Unternehmen ihre Produktion kon sequent auf den Wettbewerbsfaktor Zeit ausgerichtet hatten. Der Begriff Zeitwett bewerb (TBC-Time-Based-Competition) wurde geprägt. Time-to-Market-Konzepte lassen sich unter der Perspektive des ►Prozessmanagements fassen, stehen doch im Mittelpunkt Gestaltung und Optimierung von Prozessen. Differenzierend ist auf das in diesem Zusammenhang zu nennende Begriffsdreieck Zeit–Qualität–Kosten hinzuweisen, auf das im Qualitätsmanagement der ►QTK-Kreis zurückgreift. Literatur
[1] Buchholz, W.: Time-to-Market-Management. Zeitorientierte Gestaltung von Produktinnovationsprozessen. Stuttgart-BerlinKöln (Kohlhammer)1996, S. 33
TL 9000
▶Telecommunications Leadership 9000 ▶Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001
T
Die TL 9000 unterteilt sich in zwei Handbücher: Das Requirements Handbook beschreibt (Prozess-)Forderungen. Die
1148
URL: http://www.questforum.org/about-tl9000/tl-9000/
ToC-Theory of Constraints
▶de: Engpass- oder Flaschenhals-Theorie ▶en: constraints = Zwang oder Enge, hier: Engpass „Für mich ist Wissenschaft letzten Endes nichts anderes als ein Weg, zu verstehen, wie die Welt beschaffen ist und weshalb sie so ist. Dabei stellt die Summe unserer wissenschaftlichen Kenntnisse zu jedem beliebigen Zeitpunkt nichts anderes dar als den gegenwärtigen Stand unseres Verstehens.“ [1 S. 5]
Die Sache, um die es bei der sog. Theorie of Constraints geht, ist – was nicht unbedingt üblich ist – in den 1980er Jahren von Eliyahu M. Goldratt in Romanform verpackt worden, indem er davon ausgegangen ist, dass jedes System (auch Unternehmen, Organisation, Prozess) mindestens ein Element besitzt, das seine Leistungsfähigkeit einschränkt [1]. Bei TOC geht es aber nicht um eine Theorie im wissenschaftlichen Sinn, sondern um ein Managementkonzept, das sich auf den Fluss der Produktion, der an manchen Stellen eingeschränkt ist, also einen Engpass bildet, bezieht. Was ist ein Engpass genau, was ist unter einem Nicht-Engpass zu verstehen? 1 Constraint-Management Von welchen Begriffsbestimmungen ist auszugehen? Engpass – Jede Einheit, deren Kapazität gleich oder geringer ist als die darauf bezogene Nachfrage Nicht-Engpass – Jede Einheit, deren Kapazität größer ist als die entsprechende Nachfrage
Begriff
Die TL 9000 ist das QM-System der Telekommunikationsindustrie. In ihm werden die Darlegungsforderungen für ein QM-System für Anbieter von Telekommunikationsausrüstung und -dienstleistungen beschrieben. Die Norm basiert auf der ISO 9001 und ergänzt diese um 81 weitere spezifische Forderungen. Sie wurde vom QuEST-Forum (Quality Excellence for Suppliers of Telecommunication) entwickelt. Dem QuEST-Forum gehören die maßgeblichen Telekommunikationsausrüster und Service Provider an.
dazugehörigen Metriken (zur systematischen Messung der Qualität) sind im Measurements Handbook definiert. Wegen des im Measurements Handbuch beschriebenen Messsystems ist die TL 9000 für Lieferanten und Kunden gleichermaßen interessant. Darin werden die Leistungen sichtbar. Es können die Leistungen der Lieferanten nach einheitlichen Kriterien verglichen werden. Vor allem im asiatischen Raum und in den USA wird die TL 9000 von den Kunden gefordert. Um in diesen Ländern die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, entscheiden sich vermehrt Unternehmen für eine zusätzliche Zertifizierung nach TL 9000. Die Zertifizierung nach TL 9000 ist geprägt von den Kosteen für das Audit und den Kosten für die Datenverarbeitung in der TL-Datenbank, die sich auf 400 US-$ belaufen. Der Nutzen für diese Investierung liegt in der langfristig besseren Wettbewerbsfähigkeit des Kunden. Das TL-9000-Reglement sieht vor, dass Lieferanten die Daten auf Verlangen auch an ihre Kunden geben müssen. Somit können die Kunden ein Benchmarking ihrer Lieferanten erstellen. Diese Transparenz in der Kunden-Lieferanten-Beziehung sorgt in der Regel auch für eine bessere Kommunikation zwischen den Vertragspartnern und fördert so die gemeinsame Arbeit an einer kontinuierlichen Verbesserung der Performance. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Quelle
ToC-Theory of Constraints Die Definitionen lassen sich auf die Produktion von Gütern, zum Beispiel Strom beziehen. Am Engpass zeigt sich, dass die Nachfrage größer ist als die dort zur Verfügung stehende Kapazität. Der Nachfrageüberhang zeigt, dass sie nicht voll befriedigt werden kann, weil es der Engpass nicht zulässt. Diese Situation lässt sich auf viele Bereiche, nicht nur im Wirtschaftsleben, sondern auch im übertragenen Sinn auf soziale Zusammenhänge, beziehen, so zum Beispiel auf die Produktion von sozialen Leistungen des Staates, die nachgefragt werden. Allgemein lässt sich also von Constraint-Management und nicht von einer Theorie sprechen, was im folgenden auch eher geschehen soll (als von einer Theorie zu sprechen), da es sich inzwischen zu einem praktikablen Managementkonzept entwickelt hat. In dem Text des Romans lassen sich vier Prinzipien erkennen, die wichtig sind zum besonderen Verstehen des Constraint-Managements. Sie werden hier nach [2, S. 257ff] referiert: 1 Das Gesamtunternehmen an einem Ziel ausrichten. – „Es gibt nur ein einziges Ziel, egal bei welchem Unternehmen.“ So heisst es im Roman, und dieses Ziel heißt „Mehr Geld zu verdienen.“ Dieses übergeordnete Ziel ist die Grundprämisse. Sie muss hier genannt werden, weil alle anderen Ziele diesem Ziel nicht auf derselben Ebene gegenüberstehen, sondern davon abzuleiten sind. Keines dieser Subziele darf dem übergeordneten Gesamtziel kontraproduktiv gegenüberstehen. 2 Der Markt bestimmt alle Aktivitäten. – Es gibt keine Produktion am Markt vorbei. Die Produktion wird an den Auftragseingang gekoppelt. Es wird nur auftragsbezogen gefertigt. Eine Vorratsproduktion ist ausgeschlossen. 3 Der Engpass dient als Leuchtturm. – In der Produktion gibt es einen Engpass, der als Leuchtturm für alle übrigen Operationen der Prozesskette dient. Da das Constraint-Management den Engpass der Produktion mit der Nachfrage am Markt synchronisiert, wird das Produktionssystem über die Produktion hinaus nach vorn bis in die Vertriebsprozesse und nach rückwärts bis zur Produktentwicklung erweitert. Der Markt kann somit auch einen Engpass bilden. Egal wo der Engpass verortet wird, sein Ort dient als Leuchtturm, an dem sich der Prozesskette ausrichtet. Der Durchsatz durch den Engpass gibt den Takt für den Rest der Prozesskette vor. Damit nimmt das Constraint-Management bewusst in Kauf, dass die Kapazitäten aller anderen Operationen nicht voll ausgelastet sind. Das dritte Prinzip kann somit wie folgt als Axiom formuliert werden: Es gibt in der gesamten Prozesskette immer einen Engpass, der als Leuchtturm für alle übrigen Operationen der Prozesskette fungiert und als Taktgeber (Durchlaufzeit) dient, wobei die Leistung der Prozesskette durch das schwächste Glied begrenzt wird. 4 Die Mitarbeiter leben die neue Constraint-Kultur. Da das alte Denken vieler Mitarbeiter und auch der Produktionsleiter noch sehr an Produktivitätskennzahlen verhaftet
ToC-Theory of Constraints ist (Leistung nach Ausstoß und Produktivität), vollzieht sich hier ganz konkret ein Kulturwandel (►Unternehmenskultur), indem der Paradigmawechsel vom Verkäufer- zum Käufermarkt organisatorisch nachzuvollziehen ist. Durch Trainings muss dieser Wandel allen bewusst gemacht werden, die neuen Kennzahlen sind gleichzeitig zu vermitteln. Der dauerhafte Erfolg des ConstraintManagements kann so flankierend abgesichert werden. Das ist nicht leicht, denn gemeinhin wird der Engpass als „Übel“ angesehen, das beseitigt werden muss. Nun ist das „Übel“ zu hegen und zu pflegen, ja sogar als Leuchtturm zu nutzen, an dem sich die anderen Prozessschritte, ja das gesamte Unternehmen, orientieren. Zum praktischen Vorgehen finden sich im Romantext ganz gezielte Hinweise für ein schrittweises Vorgehen. „Es dauert gar nicht lange, bis die Technik klar und deutlich an der Tafel steht“ [1, S. 332]: 1 Identifizieren des Constraints – Ermittlung des Systemteils, der das schwächste Prozesselement bildet, einschließlich der Klärung, ob es sich um einen technischen oder organisatorischen Engpass handelt. 2 Nutzung des Constraint – Ausschöpfen des Potenzials aus den vorhandenen Gegebenheiten, bevor kostenintensive Änderungen angestoßen werden. 3 Dem Constraint alles unterordnen – Das übrige System ist so zu gestalten, dass der Engpass mit maximaler Wirksamkeit arbeiten kann – wenn dabei der Engpass weiterhin besteht, muss er im nächsten Schritt aufgelöst werden, ansonsten ist der nächste Engpass zu suchen. 4 Den Constraint stärken – Der identifizierte Engpass muss mit ursachenwirksamen Maßnahmen zur Auflösung gebracht werden, was auch mit größerem Aufwand in technischer, organisatorischer oder finanzieller Hinsicht verbunden sein kann. 5 Neuidentifikation des Constaint (wieder zum ersten Schritt) – Nach Beseitigung des ursprünglich identifizierten Constraint ist der nächste Engpass zu suchen – wie beim Kontinuierlichen Verbesserungsprozess nach Deming beginnt der Lösungsprozess wieder von Neuem Diese Schritte sind zwar nicht selbsterklärend, bedürfen also der Erläuterung, was in unserem Zusammenhang nicht mehr umfassend geschehen soll. Wichtig ist Schritt 2: Der gefundene Engpass ist voll auszulasten und darf nie leer laufen, er ist von Tätigkeiten zu entlasten, die nicht unbedingt im Engpass bearbeitet werden müssen. Er genießt oberste Priorität. – Wird ein Engpass aufgelöst (Schritt 4) wird an anderer Stelle ein neuer entstehen. So setzt sich ein zyklusartiger Handlungszusammenhang in Gang (Schritt 5), der auslösend ist und besagt, dass es immer eine einzige Blockade ist, die den Umsatz begrenzt. So ist der Vertrieb demzufolge dann erfolgreich, wenn das Management die Blockaden des Vertriebs löst und dieser sich wiederum darauf konzentriert, die Blockaden seiner Kunden zu lösen – und im Idealfall sogar die Blockaden der Kunden der Kunden.
1149
T
ToC-Theory of Constraints 2 Constraint-Management und Lean Management Die Verbindung zwischen Constraint- und Lean Management liegt auf der Hand. Beide Ansätze stellen scheinbar bewährte Produktionsweisen infrage. Beide Ansätze orientieren den Bedarf an der Nachfrage des Kunden. Beide Ansätze fordern, nach kleinen Losgrößen zu produzieren (One Piece Flow). Wo liegen die Unterschiede, wo lassen sich Gemeinsamkeiten ausmachen? Ergänzen sich die beiden Ansätze eventuell? Entsprechend dem Lean Thinking-Konzept von Womack & Jones lässt sich das wie folgt beschreiben [2, S. 257 ff]: 1 Wert aus Kundensicht definieren. – Allein der Endkunde bestimmt den Wert eines Produkts. Es gilt daher, aus Sicht des Kunden zu definieren, was produziert werden soll: die Produkte sind exakt auf die Bedürfnisse des Kunden abzustimmen. 2 Fertigungskette als Wertfluss betrachten. – Die Herstellung eines Produkts ist ein Wertschöpfungsprozess. Dieser Wertfluss beschreibt alle Aktivitäten, die zur Herstellung des Produkts erforderlich sind – vom Einsatz des Rohmaterials bis zur Auslieferung an den Kunden. 3 Gleichmäßigen Produktionsfluss schaffen (Fluss-Prinzip). – Die Produktion wird so gestaltet, dass ein kontinuierlicher Ablauf der Produktion entsteht, das Material somit störungsfrei die Fertigungskette durchläuft. 4 Produktion am Auftragseingang ausrichten (Pull-Prinzip). – Es wird nur das produziert, was der Kunde bestellt hat. Das heißt, Material und Teile werden nicht aufgrund von Planungsvorgaben durch die Produktion gedrückt, sondern von der Kundennachfrage durch die Produktion „gezogen“. 5 Perfektion anstreben. – Die Mitarbeiter sind dazu aufgefordert, fortlaufend die Prozesse zu hinterfragen und Ideen einzubringen; das Kaizen-Prinzip wird als Verbesserungsphilosophie verankert.“
T
Von dieses fünf Lean Thinking-Prinzipien decken sich die ersten vier: Lean Management und Constraint Management stehen in Einklang. Damit lässt sich von einem gemeinsamen Fundament sprechen. Beim fünften Prinzip des Lean Thinking (Perfektion anstreben) herrschen unterschiedliche, ja gegensätzliche Sichtweisen vor, die sich auf den Stellenwert des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses beziehen. Während das Lean Management, eher mit der Gießkanne den KVP organisiert, fokussiert das Constraint-Management den KVP auf den Engpass: Im Lean Management sollen Verbesserungen vor allem Kosten reduzieren, hier steht das Eliminieren jeglicher Verschwendung im Vordergrund. Demgegenüber zielt der Verbesserungsprozess im Constraint-Management vor allem auf eine Erhöhung des Durchsatzes ab. Zum Zuge kommen deshalb Vorschläge, die sich speziell auf Verbesserungen im Engpass beziehen. Eine solche Konzentration auf den Engpass mit allen zur Verfügung stehenden Kräften überzeugt, denn wenn die Leistungsentfaltung des gesamten Systems durch den Engpass eingeschränkt wird, kann das Betriebsergebnis (Stichwort „Geld verdienen“) nicht verbessert
1150
Toleranz werden. Man könnte sagen, das Lean Management kuriert an Symptomen herum, ohne klare Zielsetzungen zu verfolgen. Das heißt: Verbesserungen bei Nicht-Engpass-Arbeitsgängen sind also verschwendetes Geld. Bisher haben wir Verbessern am Engpass unter dem Aspekt der Erhöhung des Durchsatzes betrachtet. Es gibt aber noch eine andere Art der Verbesserung am Engpass, nämlich Verbesserungen, die durch Buffermanagement erzielt werden können. Mit dieser Technik können die Bestände optimiert und die Durchlaufzeiten verkürzt werden [2, S. 255]. Beim Vergleich des Constraint Managements mit dem Lean Management muss der Vollständigkeit halber noch gesagt werden, dass es sich um zwei Ansätze handelt, die auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen angesiedelt sind. Während das Constraint Management eher als eine besondere Form des Projektmanagements zu betrachten ist, handelt es sich beim Lean Management doch um einen umfassenden Ansatz zur Führung eines Unternehmens. Der Ansatz des Constraint Management steht also in keiner Weise konträr zum Lean Management. Seine Grundzüge ließen sich durchaus integrieren. Literatur
[1] Goldratt, E. und J. Cox: Das Ziel. Ein Roman über Prozessoptimierung. Frankfurt am Main (Campus) 2002 [2] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. München (Oldenbourg) 2013
Toleranz
▶en: tolerance ▶Prüfmittelmanagement ▶Qualitätsregelkarten Eine Toleranz ist die Differenz zwischen Höchstwert und Mindestwert, kurz: Höchstwert abzüglich Mindestwert. Der Toleranzbereich ist dann im Anschluss an DIN 55350-12 der Bereich zugelassener Merkmalswerte, der sich zwischen Mindest- und Höchstwert befindet. Auf die verschiedenen Toleranzvorstellungen weist Geiger in [1] hin. Ebenso sind dort die relevanten Unterbegriffe definiert. Literatur [1] Geiger, W.: Qualitätslehre. Einführung, Systematik, Terminologie. 3. Aufl. Braunschweig-Wiesbaden: Vieweg 1998, S. 352ff
TOP-Modell des Arbeitsschutzes
▶Gesundheitsförderung im Unternehmen
Total Productive Management(TPM)
▶Ganzheitliches Instandhaltungsmanagement 1 Historische Entwicklung Total Productive Management hat seine Wurzeln in den 1950er Jahren, als in Japan begonnen wurde, die rein schadensbedingte Instandsetzung durch vorbeugende Instandhaltung nach dem amerikanischen Vorbild des Preventive Maintenance zu ersetzen. In den folgenden Jahren wurden diese Instandhaltungsaktivitäten durch verbessernde Instandhal-
Total Productive Management(TPM) tung sowie Instandhaltungsvermeidung zum sogenannten Productive Maintenance ausgebaut [1]. Die Nippondenso Corporation, ein Automobilzulieferbetrieb der ToyotaGruppe, war hier führend und hatte Ende der 60er Jahren diese Konzepte unternehmensweit umgesetzt. Mit zunehmender Automatisierung sowie steigender Komplexität der Maschinen konnte die Instandhaltungsabteilung allerdings den Umfang der Aufgaben nicht mehr bewältigen und so wurde die Verantwortung für Instandhaltungsaufgaben zum Teil auf Produktionsmitarbeiter übertragen. Dabei kamen Kleingruppenaktivitäten zum Einsatz. Dieser umfassende Ansatz unter Einbeziehung aller Mitarbeiter wurde „Total-memberparticipation PM“ (abgekürzt TPM) genannt und bildete die Grundlage für das Konzept des Total Productive Maintenance [2]. 1971 erhielt Nippondenso für diese Entwicklung den sogenannten „Distinguished Plant Price“ des Japanese Institute of Plant Engineers ( JIPE). Dieser Zeitpunkt wird allgemein auch als Geburtsjahr von TPM angesehen. Diese Entwicklung hin zu TPM wurde seit 1951 von Seiichi ►Nakajima begleitet, der gemeinhin als Vater von TPM gilt. Sein Buch „Introduction to TPM. Total Productive Maintenance“ [3] brachte das Konzept 1988 in die westliches Welt. 1995 erschien das Buch in deutscher Sprache unter dem Titel „Management der Produktionseinrichtungen: Total Productive Maintenance“ [4]. Aus dem Japanese Institute of Plant Engineers ( JIPE) entstand 1981 schließlich das Japan Institut of Plant Maintenance ( JIPM), das bis heute die Weiterentwicklung Total Productive Maintenance hin zum umfassenden Ansatz des Total Productive Management vorangetrieben hat. Das JIPM vergibt auch den international anerkannten TPM Excellence Award.
Begriff
2 Begriffliche Abgrenzung Total Productive Management wird häufig aufgrund seiner Wurzeln noch instandhaltungsbezogen definiert (z. B. bei [5]). Demnach geht es um die produktivitätsorientierte Instandhaltung zur Steigerung der Maschinen- und Anlageneffektivität unter Einbeziehung der Produktionsmitarbeiter. Nach 35 Jahren Entwicklung durch das JIPM ist TPM heute allerdings als umfassendes betriebliches Verbesserungssystem im Sinne von Total Productive Management zu verstehen [6, 7]. Nach der seit 1989 bekannten Definition ist Total Productive Management ein umfassendes System mit acht Bausteinen zur Effizienzsteigerung im gesamten Unternehmen durch Reduzierung jeglicher Verluste und Verschwendung. TPM strebt nach Null-Ausfällen, Null-Fehlern und Null-Unfällen. Es bezieht alle Mitarbeiter, über alle Hierarchiestufen und über alle Abteilungen eines Unternehmens hinweg in funktionsübergreifenden Teams in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess ein. Wichtige Merkmale von TPM sind darüber hinaus die konsequente Zielorientierung, die strukturierte, schrittweise Vorgehensweise sowie eine wertschätzende Führungskultur.
Total Productive Management(TPM) 3 Die Ziele von TPM Der Charakter des TPM-Systems wird durch folgende Ziele deutlich: ◼ TPM zielt auf die Etablierung einer geeigneten Unternehmens- und Arbeitskultur, um die gesamte Effizienz innerhalb der Produktion und aller anderen Bereiche, Prozesse und Systeme ständig und nachhaltig zu verbessern. ◼ TPM etabliert Strukturen, um sämtliche Verluste und Verschwendungen zu erkennen und zu vermeiden, wie z. B. Unfälle, Ausfälle und Störungen jeglicher Art, wobei alle Aktivitäten fortgesetzt direkt am Ort des Geschehens (►Gemba) und direkt auf die Abweichungen gerichtet sind. ◼ TPM führt damit einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (►KVP) ein, der alle Unternehmensbereiche wie Entwicklung, Produktion, Vertrieb und die Verwaltung umfasst. ◼ TPM erreicht die Einführung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses mit dem Ziel, sämtliche Verluste und Verschwendungen zu vermeiden, durch die Einführung funktionsübergreifender Gruppenarbeit im Unternehmen. ◼ TPM mobilisiert das gesamte Wissen und Können aller Mitarbeiter und erfordert deshalb das umfassende Engagement aller Betroffenen und Beteiligten, besonders die volle Hingabe, das Vorleben und die Unterstützung der Führungskräfte auf allen Ebenen. ◼ Übergeordnetes Ziel von TPM ist es, Zufriedenheit bei den Kunden, den Mitarbeitern und bei den Anteilseignern sicherzustellen und dabei sozial- und umweltverträglich (►Corporate Social Responsibility) zu agieren (vgl. Abbildung T10). Die Zielerreichung von TPM wird mit Kennzahlen in den sechs Zielkategorien PQCDSM verfolgt: ◼ ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Produktivität (P) Qualität (Q) Kosten (C steht für „Cost“) Lieferservice (D steht für „Delivery“) Sicherheit und Umwelt (S) und Motivation (M).
4 Die 8 Bausteine von TPM im Operational Excellence Reference Model Werden die 8 Bausteine von TPM ergänzt durch ein Fundament mit den Elementen ◼ ◼ ◼ ◼
experimentelles Lernen verpflichtetes Management wertschätzende Führungskultur und langfristiger Zielentwicklungsprozess (►Hoshin Kanri)
und einem Dach mit den sechs Zielkategorien PQCDSM sowie den übergelagerten 5Z, also
1151
T
Total Productive Management(TPM)
Total Productive Management(TPM)
Abb. T10: Die acht Bausteine von TPM im Operational Excellence Reference Model
Kundenzufriedenheit
T
Geplante Instandhaltung
Autonome Instandhaltung
KVP / Kaizen und Lean
Die acht Bausteine bzw. Säulen des Operational Excellence Modells bilden einen Strukturrahmen für die vielfältigen Aktivitäten, die bei der Umsetzung des Ansatzes zu entfalten sind. Diese Bausteine werden im Folgenden kurz erläutert.
Umweltzufriedenheit
Arbeitssicherheit, Umwelt- und Gesundheitsschutz
PQCDSM
entsteht das Operational Excellence Referenzmodell [8] (vgl. Abbildung T10).
Exzellente indirekte Prozesse
Umfeldzufriedenheit
Mitarbeiterzufriedenheit
Null-Fehler-System
Anteilseignerzufriedenheit
Anlaufmangement
Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Anteilseignerzufriedenheit, Umfeldzufriedenheit sowie Umweltzufriedenheit
Kompetenzmanagement
◼ ◼ ◼ ◼ ◼
1 KVP, Kaizen und Lean KVP, Kaizen und Lean, in der Fachliteratur auch als zielgerichtete Verbesserung bezeichnet, bildet den ersten und mächtigsten Baustein von TPM. Ziel ist es, mit einem strukturierten Vorgehen die experimentelles Lernen 16 Verlustarten oder – wenn die Leanverpflichtetes Management Philosophie im Vordergrund steht – die wertschätzende Führungskultur 7 Verschwendungsarten (►Muda) zu langfristiger Zielentwicklungsprozess eliminieren. Die 16 Verlustarten sind ein spezifisches Kennzeichen von TPM und werden untergliedert in die drei Verlust- Abb. T11: Die 16 Hauptverlustarten kategorien „Maschinen und Anlagen“, 16 Hauptverlustarten „Mitarbeiter“ und „Ressourcen“. Abbildung T11 stellt diese 16 Verlustarten in Mitarbeiter und Prozesse Ressourcen ihrer Struktur dar. Die Maschinen- und Maschinen und Anlagen Anlagenverluste haben unmittelbar Aus9 Managementverluste 1 Anlagenausfälle 14 Ausbeuteverluste wirkungen auf die ►Overall Equipment Effectiveness, kurz OEE (im Deutschen 2 Rüsten/Einstellen 10 Bewegung 15 Energieverluste auch Gesamtanlageneffektivität, kurz 3 Werkzeugwechsel 11 Linienorganisation 16 Formen und Werkzeuge GEFF genannt). Die OEE wurde von 4 Anfahrverluste 12 Logistikverluste Seiichi ►Nakajima entwickelt und bildet eine zentrale Produktivitätskennzahl im 5 Kurzstillstände 13 Messen und Einstellen TPM-System. Sie berechnet sich durch 6 Geschwindigkeitsverluste Multiplikation von Verfügbarkeitsgrad, 7 Ausschuss/Nacharbeit Leistungsgrad und Qualitätsgrad [4]. 2 Autonome Instandhaltung Im Rahmen des Bausteins „KVP, Kaizen und Lean“ wird,Stillstände Der zweite Baustein „Autonome Instandhaltung“, auch 8 Geplante wie in allen anderen TPM-Bausteinen, schrittweise vorselbstständige Instandhaltung genannt, ist der Ursprung gegangen: von TPM. Alle Mitarbeiter, die direkt an den ProduktiSchritt 1: Verstehen der Ist-Situation onsanlagen arbeiten, sollen Verantwortung für die AusSchritt 2: Potenzialanalyse mittels der Zielkategorie rüstung an ihrem Arbeitsplatz tragen und Störungen PQCDSM schon im Vorfeld verhindern. Es wird versucht „NullSchritt 3: Autonome Problemlösung mittels ►PDCA Maschinenausfälle“ zu erreichen. Mitarbeiter müssen Schritt 4: Vermittlung von Expertenwerkzeugen hierzu nicht nur ausreichend geschult werden, sondern Schritt 5: Verbesserung der Prozessorganisation auch Verständnis dafür entwickeln, dass der Arbeitsplatz Schritt 6: Null-Fehler-System einführen (►Null-Feh- sauber gehalten werden muss, alle Bereiche zugänglich ler-Management) sein sollen und dass die Anlagen aus eigenem Antrieb Schritt 7: Anwendung und Ausbreitung des regelmäßig auf Funk-tionstüchtigkeit überprüft werden. Null-Fehler-Systems. Für die einzelnen Arbeits- und Wartungsschritte werden Standards definiert, die für die nötige Übersichtlichkeit
1152
Total Productive Management(TPM)
und Einheitlichkeit sorgen. Wichtige Aufgaben zur erfolgreichen Einführung der Autonomen Instandhaltung sind ☐ Vermittlung von Kenntnissen zur Funktionsweise der Maschinen und Anlagen an die Maschinenbediener. ☐ Definition der Aufgaben der Instandhaltung und Abgrenzung zu den Aufgaben der Produktion. ☐ Schulung und Ausbildung der Mitarbeiter, um die Maschinen und Anlagen selber zu pflegen, zu warten und kleinere Instandhaltungen durchzuführen zu können. ☐ Rückführung der Anlagen in einen „Wie-Neu-Zustand“ durch Reinigung, Schmierung usw. ☐ Schulung der Mitarbeiter zur eigenständigen Erkennung von Fehlern und Abnormalitäten an den Maschinen und Anlagen. ☐ Aufrechterhaltung des „Wie-Neu-Zustandes“. ☐ Steigerung der OEE/GEFF und Verbesserung der Produktivität. Da diese Aufgaben nicht auf einmal umgesetzt werden können, hat sich auch hier ein Vorgehen in sieben Schritten bewährt: Die Mitarbeiter können so Schritt für Schritt mehr Eigenverantwortung am Arbeitsplatz entwickeln. Mit jedem Schritt steigen Wissen und Fähigkeiten der Bediener. Die Erreichung jeden Schrittes sollte über Audits sichergestellt werden. Schritt 1: Grundinspektion der Maschinen / Anlagen Schritt 2: Verhinderung von Verschmutzung, Verbesserung der Inspektion Schritt 3: Vorläufige Standards für Reinigung, Inspektion und Wartung
Total Productive Management(TPM) Schritt 4: Mitarbeiter zur selbstständigen Wartung trainieren Schritt 5: Selbstständige Wartung durch den Bediener Schritt 6: Standards für Prozessabsicherung Schritt 7: Volle Anwendung und kontinuierliche Weiterentwicklung der autonomen Instandhaltung Die 7 Schritte dieses Bausteins werden exemplarisch für die schrittweise Vorgehensweise aller folgenden Bausteine in Abbildung T12 dargestellt. 3 Geplante Instandhaltung Die Geplante Instandhaltung wird auch häufig „Vorbeugende Instandhaltung“ genannt. Hier geht es um spezielle Instandhaltungsmaßnahmen, die von der Instandhaltungsabteilung durchgeführt werden und dem Ziel von Null-Maschinenausfällen dienen. Es werden sogenannte „Null-Linien“ möglich, die ohne Bedienereingriff kontinuierlich gute Ware herstellen. Gemessen werden die Erfolge der Geplanten Instandhaltung anhand der Kennzahlen MTTR (= mean time to repair/mittlere Reparaturzeit) und MTBF (= mean time between failures/ mittlere Laufzeit zwischen zwei Stillständen). Die MTTR sollte minimiert und die MTBF maximiert werden. Die Kennzahlen berechnen sich folgendermaßen: Summe der Reparaturzeiten MTTR = –––––––––––––––––––––––––– [Stunden] Anzahl der Stillstände Betriebszeit MTBF = –––––––––––––––––––––––––– [Stunden] Anzahl der Stillstände
Abb. T12: Sieben Schritte der Autonomen Instandhaltung Stufe 6-7: optimale Organisation und Weiterentwicklung
Stufe 4-5: optimaler technischer Zustand
Stufe 1-3: optimaler Grundzustand
Anwendung Autonome Instandhaltung
Übergreifende Standards für Qualität, Logistik, Steuerung usw. ausbauen
Standards für Prozessabsicherung
Selbstständige Wartung durch den Bediener
Mitarbeiter zur selbstständigen Wartung trainieren
Vorläufige Standards für Reinigung, Inspektion und Wartung
Verhinderung von Verschmutzung, Verbesserung der Inspektion
Grundinspektion der Maschinen/Anlagen
Volle Anwendung Kontinuierliche Weiterentwicklung
Selbstständige Inspektion/Wartung durch Bediener nach Checklisten/Prüfplänen Kenntnisse über Maschinenaufbau vermitteln kontinuierliches Training der Inspektion/Wartung
Standards für Checks, Reinigung und Wartung anpassen, bedarfsgerechte Wartung/Inspektion festlegen Verschmutzungsquellen beseitigen, Zugänglichkeit für Inspektionskomponenten verbessern/weiterentwickeln Visuelle Hilfsmittel zur Reduzierung der Inspektionszeiten „Reinigen ist Prüfen“/Mitarbeiter in den AIH-Prozess einführen Optimaler Grundzustand von Maschinen/Anlagen („Wie Neu“) Abweichungen vom Sollzustand erkennen und kennzeichnen
1153
T
Total Productive Management(TPM)
Total Productive Management(TPM)
T
4 Kompetenzmanagement Dieser Baustein, auch „Schulung und Training“ genannt, greift in alle anderen Bausteine ein. Um Operational Excellence zu erreichen, müssen die Mitarbeiter definierte Voraussetzungen erfüllen. Die nötigen Kompetenzen und Fertigkeiten sind im fachlichen (z. B. technische Kenntnisse), im methodischen (z. B. Beherrschung von Werkzeugen) und im sozialen Bereich (z. B. Fähigkeit zur Gruppenarbeit) zu vermitteln. Wichtigstes Werkzeug ist der Einsatz von Qualifikationsmatrizen. 5 Anlaufmanagement Der fünfte Baustein des vorgestellten Referenzmodells ist „Anlaufmanagement“. Es stehen nicht nur der Anlauf von neuen Produkten sondern auch von neuen Systemen, Prozessen und Anlagen im Mittelpunkt. Die zu verkürzende Anlaufphase bezieht sich dabei sowohl auf den Neuanlauf einer Maschine als auch auf die Initiierung von Entwicklungsprozessen. Hier muss bereichsübergreifend geplant werden und Zulieferer sollten frühzeitig in den Entwicklungsvorgang mit einbezogen werden. Grundlage für die Aktivitäten sind die in den Säulen Autonome und Geplante Instandhaltung gesammelten Erfahrungen. 6 Null-Fehler-System Der sechste Baustein „Null-Fehler-System“ vereint neben der Qualitätssicherung auch die Bereiche Produktion, Entwicklung und Instandhaltung und ist auf übergreifende Zusammenarbeit angelegt. Zu den bisherigen Prinzipien „Null-Verluste“ und „Null-Maschinenausfall“ gesellt sich nun „Null-Ausschuss“ bzw. „Null-Fehler“. Ziel ist die absolute Kundenzufriedenheit durch höchste Qualität mittels fehlerfreier Prozesse. Dabei sollte nicht nur auf die Zufriedenheit des Endkunden geschaut werden, sondern auch die internen Kunden innerhalb des Prozesses mit einbezogen werden. Sind die qualitätsbeeinflussenden Probleme identifiziert und eliminiert, gilt der Fokus der Prävention, um Faktoren auszuschalten, welche die Qualität in Zukunft negativ beeinflussen könnten. Fehler und Defekte sollen erkannt werden, bevor sie überhaupt auftreten können. Ziel ist die „NullFehler-Linie“ nach dem „►Poka-Yoke-Prinzip“. 7 Exzellente indirekte Prozesse Der siebte Baustein ist die Realisierung von „Exzellenten indirekten Prozessen“, wie z. B. in Einkauf, Logistik oder Personalwesen. Auch hier können zahlreiche Verluste aufgedeckt und eliminiert werden. Es kommen Werkzeuge wie ►Makigami oder ►Wertstromdesign für den administrativen Bereich zur Visualisierung der eigentlich unsichtbaren Abläufe zum Einsatz. Die Integration dieses Bausteins in TPM verdeutlicht, dass Operational Excellence über die verbreiteten Produktionssysteme hinausgeht, indem es den Fokus der Verbesserungsaktivitäten auch auf die indirekten Bereiche legt. 8 Arbeitssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz Der letzte Baustein des Operational Excellence Modells ist „Arbeitssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz“.
1154
Ein hierin gefordertes Ziel ist „Null-Unfälle“. Es werden alle Möglichkeiten mit einbezogen, die sowohl die Mitarbeiter als auch Arbeitsplätze und die Umwelt beeinträchtigen können. Die Mitarbeiter werden sensibilisiert, um potentielle Gefahrenpunkte ausfindig zu machen und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Vorgehensweisen für Notfallsituationen müssen in der Praxis trainiert werden. 5 Fazit Abschließend bleibt festzuhalten, dass weltweit bereits eine Vielzahl von Unternehmen große Erfolge mit TPM hatte und durch das Japan Institute of Plant Maintenance dafür ausgezeichnet wurden. Unternehmen, die sich mit dem Gedanken tragen, TPM bei sich umzusetzen, sollten vor allen Dingen drei Dinge mitbringen: 1 Bereitschaft der Unternehmensleitung einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess mit langem ROI einzuleiten, bei dem die Mitarbeiter ihr Wissen und Können einbringen, um nachhaltig und beständig die Wertschöpfung zu erhöhen, 2 Bereitschaft der Unternehmensleitung massiv in die Qualifizierung der Mitarbeiter zu investieren und 3 viel Geduld, denn die Einführung von TPM bedeutet einen Kulturwandel und ein solcher benötigt bekanntlich Zeit (►Unternehmenskultur). Prof. Dr. Constantin May, Herrieden Literatur
[1] Al-Rhadi, M.: Total Productive Management. Erfolgreich produzieren mit TPM. München-Wien (Hanser) 2002 [2] Shirose, K. (Ed.): TPM. Total Productive Maintenance. New Implementation Program in Fabrication and Assembly Industries. Japan Institute of Plant Maintenance, Tokyo 1996 [3] Nakajima, S.: Introduction to TPM. Total Productive Maintenance, Productivity Press, Cambridge, MA 1988 [4] Nakajima, S.: Management der Produktionseinrichtungen – Total Productive Maintenance. Campus Verlag, Frankfurt/Main, New York 1995 [5] Hartmann, E. H.: TPM. Effiziente Instandhaltung und Maschinenmanagement. 4. Aufl., München (Vahlen) 2013. [6] May, C.; Schimek, P.: Total Productive Management. Grundlagen und Einführung von TPM – oder wie Sie Operational Excellence erreichen, Herrieden (CETPM Publishing) 2015 [7] JIPM; Mittelhäußer, W.: Die TPM-Fibel, Bedburg 2013 [8] May, C.: Operational Excellence – Mit TPM zu Weltklasseformat, in: ZWF, 102. Jg. (2007), S. 479-483
Total Quality Control (TQC)
▶Total Quality Management Ansatz des Qualitätsmanagements, der die gesamte Organisation umfasst und sich an den Kundenforderungen ausrichtet. Der Begriff geht auf ►Feigenbaum zurück und ist in ähnlicher Weise von ►Ishikawa dargelegt worden. Er gilt als Urbegriff für das später sog. Total Quality Management.
Total Quality Management (TQM)
Total Quality Management (TQM)
Total Quality Management (TQM)
to take place when top management and engineers saw how to use their knowledge.“
▶de: Umfassendes Qualitätsmanagement ▶Deming | ▶Feigenbaum | ▶Ishikawa ▶Total Quality Control (TQC) ▶Company-Wide Quality Control (CWQC) ▶Berliner TQM-Umsetzungsmodell ▶Business Exzellenz (BE) durch TQM „Ein System ist immer das, was wir daraus machen.“ (D. Pfaff)
1 TQM – ein Begriff entsteht: W. E. Deming Der Herkunft des uns heute so geläufigen Begriffs Total Quality Management (Die Abkürzung TQM ist zum gebräuchlichen Business-Slang mutiert.) ist nicht so leicht auf die Spur zu kommen. Die Benennung Total Quality Management dürfte etwa 1987/88 entstanden sein (s. hier Kapitel 4), ihr Definitionsinhalt geht allerdings schon auf die Zeit um das Jahr 1950 zurück. Damals hat der nach Japan berufene William Edwards ►Deming bei seinen ersten Vorträgen im Nachkriegsjapan nicht nur die statistischen Aspekte des Qualitätsmanagements gelehrt (►SPC), sondern auch grundlegende Elemente von TQM entwickelt und eingeführt, die er in seinen Seminaren insbesondere den japanischen Führungskräften nahebrachte. So waren die aufstrebenden Führungskräfte von Toyota genauso Teilnehmer seiner Seminare „Lectures for Top-Management“ wie andere3Mitglieder der ►JUSE. Das später als ►Lean Management benannte Managementsystem von Toyota wird somit von Demings Lehre beeinflusst worden sein. Es als eine Spielart des TQM zu bezeichnen ist keineswegs abwegig. Christian ►Malorny resümiert [1]: „Es kann festgehalten werden, dass Deming auf die Entwicklung des japanischen TQC-Verständnisses einen erheblichen Einfluss hatte. Die praktische Umsetzung dieses Verständnisses leisteten gleichwohl die Japaner selbst.“
Dieses weitergehende Verständnis dokumentieren zusätzlich seine zunächst 10 (Bezug zu den 10 Geboten der Bibel), dann 14 Managementregeln und -lehren (sieben Krankheiten, Hindernisse, Reaktionskette etc.). Seine Managementlehre fordert auch eine Wertordnung, die nach heutigem Verständnis als Element einer ►Unternehmenskultur anzusehen ist. In diese Zeit hinein lässt sich die erste Studie zum umfassenden Qualitätmanagement verorten. Sie stammt von Armand V. ►Feigenbaum. Er veröffentlichte 1951 in den USA ein Buch mit dem Titel „Quality Control (QC)“. In späteren Auflagen trug es dann seit 1956 den Titel „Total Quality Control (TQC)“. Feigenbaum beschreibt darin als erster ein Konzept von Qualitätsmanagement durch die Einbeziehung aller Funktionen und Hierarchieebenen. Da dieser Titel schon Mitte der 1950er Jahre ins Japanische übersetzt wurde, hat er mit Sicherheit relevante Führungsschichten der japanischen Wirtschaft erreicht. Ein direkter Bezug zu Deming ist in dem Buch allerdings nicht erkennbar. Demings Wirken in Japan wiederum wurde 1950 mit dem nach ihm benannten japanischen Qualitätspreis gewürdigt (►Deming Application Prize). Die ersten Preisträger wurden schon 1951 ausgezeichnet. Dieser erste Qualitätspreis in der Geschichte des modernen Qualitätsmanagements wird heute noch als Musterbeispiel für die TQM- bzw. ExcellenceAwards wie ►MBNQA oder ►EEA angesehen. Natürlich wurde er noch nicht auf der Basis eines ausgereiften TQMModells vergeben. Eher muss von einem Quality ControlAnsatz ausgegangen werden. Seit 1958 sieht das anders aus. Die in Abbildung T14 genannten zehn Kriterien bilden das Grundgerüst des Deming Application Price [3].
Abb. T13: Die Organisation als System nach William Edwards Deming
Deming nutzte eine Handskizze (Abb. T13), die uns zeigt, dass es ihm damals schon nicht nur um statistische Prozessregelung, sondern weit über die Fertigung hinaus um ein ganzheitliches Managementsystem ging, dessen Zielrichtung der Markt war. Seine Erläuterungen zu Abbildung T13 [2]:
„The Japanese had knowledge, great knowledge, but it was in bits and pieces, uncoordinated. This flow diagram directed their knowledge and efforts into a system of production, geared to the market – namely, prediction of needs of customers. The whole world knows about the results. This simple flow diagram was on the blackboard at every conference with top management in 1950 and onward. It was on the blackboard in the teaching of engineers. Action began
Die Organisation als System nach W. E. Deming* Phase 0: Erzeugen von Ideen
Design und Entwicklung A, B, C, D = Lieferanten von Material und Einrichtungen A B
Marktforschung, Kundenzufriedenheit Kunden
Steuernde Verbesserung Vertrieb Annahme und Prüfung der Lieferungen
Produktion
Montage
T
Inspektion
C D
Überprüfung der Prozesse, Maschinen, Methoden, Kosten _______ * Diese Skizze war für Deming die wirkungsvollste Illustration seiner Lehre, die ihn sein gesamtes Leben begleitet hat. Sie findet sich wiederabgedruckt in: Deming, W. E.: The New Economics. 2. ed. Cambridge, Mass. (The MIT Press) 1994, 58.
1155
Total Quality Management (TQM)
Total Quality Management (TQM) Abb. T14: Die Hauptkriterien des japanischen Deming Application Prize 1 Unternehmenspolitik und -ziele 6 Standardisierung 7 Steuerung (Control/Kanri) 8 Qualitätssicherung 9 Ergebnisse
10 Zukunftspläne
Diejenigen Unternehmen in Japan, die sich in der Gestaltung ihrer Organisation nach diesen zehn Kriterien richten, bemühen sich damit oft auch um eine Auszeichnung eines Weges, dem sie gefolgt sind, indem sie sich an der Lehre Demings orientiert haben. Unverkennbar tragen die Kategorien und deren Ausprägungen die Handschrift Demings, der im Zusammenwirken mit der ►JUSE an der Gestaltung beteiligt war. Mit der Auszeichnung sollte also das Ziel verfolgt werden die Inhalte der Lehre Demings zu verbreiten. Bemerkenswert ist das letzte Kriterium, „Zukunftspläne“. Sowohl die gegenwärtige Situation als auch ein System zur Planung der langfristig kontinuierlichen Verbesserung müssen den Assessoren gegenüber dargelegt werden. Im Unterschied zu westlichen Qualitätspreis-Modellen finden sich im Demingpreis-Modell normative Aussagen zur Langfristigkeit, die belegen, das es den Japanern schon damals in hohem Maße um eine nachhaltige Unternehmensführung ging [4]:
T
◼ Qualität ist keine technische Funktion, sondern ein systematischer, kundenorientierter Prozess, der im ganzen Unternehmen – unter Einbindung der Unterlieferanten – total und rigoros umgesetzt werden muss; ◼ Qualität ist das, was der Kunde darunter versteht – und nicht das, was ein Ingenieur oder ein Händler darunter versteht –, und es ist ein ständig größer werdender Anspruch; Abb. T15: Die Architektur der TQC-Modells nach A. V. Feigenbaum Kundenorientierung Der Kunde bestimmt die Qualitätsforderungen
Mitarbeiter/Team
Qualitätsforderungen bestimmen den Produktionsprozess
Produktions- und Prozessorientierung
1156
Total Quality Control
T C Q Mitarbeiter/Team
In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung der JUSE aus dem Jahr 1965 interessant, in der danach gefragt wurde, inwieweit die Zielsetzung der Penetration von Inhalten des Demingpreises erreicht wurde [4]: „Der Befund war überragend: In sämtlichen Industriebranchen wurde das Kriterienmodell des TQC, auf dem die Vergabe des Deming Prize beruht, zumindest von den größeren Unternehmen, weitläufig anerkannt und angewendet.“
Hieran anknüpfend lässt sich die Architektur des Feigenbaumschen TQC-Modells in einer Skizze fassen (Abbildung T15). Unter Hervorhebung der Mitarbeiter- und Teamebene (soziales System) konstituieren vier Kernbereiche den TQC-Ansatz (Lieferantenorientierung, Kundenorientierung, Produktions- und Prozessorientierung, Konstruktionsorientierung), den Feigenbaum in jüngster Zeit noch einmal in fünf Qualitätsgrundsätzen präzisiert und erweitert hat [6]:
Mitarbeiter/Team
„Dieses Kriterium zwingt Unternehmen, realistisch über das Heute und Morgen nachzudenken und systematisch an Verbesserungen zu arbeiten. So sind Planungshorizonte von 50 bis 100 Jahren in japanischen Unternehmen keine Seltenheit. Sie werden als Vision belegt und stellen in der Regel Leitsätze für das Unternehmen und seine Mitarbeiter dar, die in der zeitlichen Hierarchie weit über die Langzeitpläne (fünf bis zehn Jahre) hinausreichen.“
„Total quality control is an effective system for integrating the quality development, quality maintenance, and quality improvement efforts of the various groups in an organization so as to enable production and service at the most economical levels which allow full customer satisfaction.“
Lieferantenorientierung Festlegung von bevorzugten Unterlieferanten, Qualitätsaudits bei Unterlieferanten
Mitarbeiter/Team
Berücksichtigung von Fehlerursachen bei der Konstruktion bzw. Modifikation von Produkten
Konstruktionsorientierung
Begriff
2 Organisation und ihre Wirkungsweise 3 Aus- und Weiterbildung 4 Informationssammlung, -verbreitung und -nutzung 5 Analysen
TQM – Auf dem Weg zum TQC: A. V. Feigenbaum 2 Die bereits angesprochene Studie „Total Quality Control“ von Armand V. ►Feigenbaum wird oftmals als Ausgangspunkt des später sog. TQM genannt. Dass dies aufgrund des vorlaufenden Einflusses von Deming nicht zutreffend ist, wurde bereits dargelegt. Demings Qualitätslehre ist als Ausgangspunkt des TQM anzusehen. Dennoch sind Feigenbaums Bemühungen um Klarheit und Fundierung prägend gewesen, wie seine Begriffsbestimmung von TQC zeigt [5]:
Total Quality Management (TQM) ◼ Qualität und Kosten sind eine Summe, keine Differenz – Partner, nicht Gegner –, und der beste Weg, um Produkte und angebotene Dienstleistungen schneller und billiger zu produzieren ist, sie besser zu machen; ◼ Es muss bedacht werden, dass sich für Qualität – eigentlich die Aufgabe von jedem im Unternehmen („Quality is everybody’s job!“) – niemand zuständig fühlt, wenn nicht dieser Prozess zur Unternehmensqualität korrekt strukturiert wird, damit sowohl die Qualitätsarbeit des einzelnen als auch die Qualitätsteamarbeit zwischen den Abteilungen Unterstützung findet. Qualität muss organisiert werden. ◼ Dies alles geschieht, wenn das Unternehmen ein klares, kundenorientiertes TQC-System in der gesamten Organisation eingeführt hat, mit effektiv strukturierten qualitätsbezogenen Prozessen, die die Mitarbeiter verstehen, von denen sie überzeugt sind und an denen sie teilhaben. Besonders hervorzuheben ist bei Feigenbaum die Ausrichtung auf die interfunktionale Zusammenarbeit der Abteilungen auch unter dem Aspekt des ►Simultaneous Engineering. Danach bilden überlappende Arbeitsbereiche die Schnittstellen zwischen technischem und sozialem System. 3 TQM – Quality Circle und CWQC: Ishikawa Trotz vieler Ähnlichkeiten ging es dem japanischen Qualitätsexperten Kaoru ►Ishikawa in Abhebung zu Feigenbaum darum, bestimmte – bei Feigenbaum nicht so ausgeprägte – Schwerpunkte zu betonen. So die ganzheitliche, alle Mitarbeiter einschließende Sichtweise, die das japanische Verständnis eines allumfassenden Qualitätsmanagements auszeichnet. Diese Sicht spiegelt sich bereits in der begrifflichen Neufassung wider. TQC heisst in der Schreibweise Ishikawas seit 1968 Company Wide Quality Control (CWQC). Im Westen nannte man den Ansatz auch oft „Japanese Style TQC“. In der DIN 55350 wird 2004 gesagt, dass so ein Ansatz ein in allen Bereichen einer Organisation angewendetes Qualitätsmanagement sei. Ishikawa (er starb 1989) würde solche Bezeichnungen als zu verkürzt empfinden. Er bevorzugte mehr das Konkrete. Company Wide Quality Control stellt ein durchgängiges Geflecht von ►Kunden-Lieferanten-Beziehungen (KLB) dar, das interne und externe Strukturen miteinander verbindet (Adressatenverknüpfung). Die Vorstellung vom Rhizom des Gilles Deleuze klingt da an. Ishikawa zeichnet in Beziehung zueinander wirkende Kreise (Abbildung T16), die durch die Quality Circle (QC) immer wieder zum „Schwingen“ gebracht werden. Die folgenden neun Schlüsselelemente mögen seine Vorstellung von CWQC eindringlich wiedergeben:
Total Quality Management (TQM)
5
6 7
8
9
den gewinnen: Qualität ist wichtiger als kurzfristiger Gewinn Qualität bedeutet conformance to consumer’s requirements – Ohne Einbezug des Kunden und die Ausrichtung nach seinen Forderungen ist der Qualitätsbezug nicht denkbar Qualität bedeutet Lieferantenorientierung – Systematische Entwicklung und Pflege von Lieferantennetzwerken Einbeziehung aller Ebenen und Funktionsbereiche – Diesen Ansatz hat Ishikawa von Feigenbaum übernommen. Er besagt, dass für interfunktionales Management entsprechende interfunktionale Teams unabdingbar sind. Kontinuierliche Verbesserung – Perfektion kann niemals erreicht werden, was vorher erreicht wurde ist immer verbesserungsfähig. Anwendung des PDCA-Circle und Standardisierung von Prozessen Berücksichtigung des sozialen Systems – Unternehmen existieren mit dem Ziel, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen. Aufgabe des Unternehmens ist es, durch Gestaltung von Führungsstil, Kooperation, Information, Klima und Motivation alle Maßnahmen zu ergreifen und zu entwickeln, um dem Mitarbeiter zu helfen, seine Fähigkeiten voll einzubringen und sein Potential zu entfalten.
4 TQM – Morgenröte in den USA: Der MBNQA Größtenteils unbemerkt von der westlichen Managementwelt kürte der japanische Kaiser seit 1951 alljährlich diejenigen Organisationen, die das TQC-Modell des Deming Application Prize erfolgreich anwandten. So muss sich in den japanischen Unternehmen – getrieben durch den Ansporn sich Abb. T16: Der CWQC-Ansatz von Ishikawa in Kreisdarstellungen Quality Control Quality Control
(P D
CA )
Quality Assurance
QC for new product development
QC Circle
T
1 Total – Alle Mitarbeiter sind einbezogen und wenden systematisch Qualitätstechniken an 2 Quality Circle – Einbezug der Mitarbeiter in Qualitätszirkeln auf allen hierarchischen Ebenen 3 Statistik: Daten sprechen lassen – Anwendung statistischer Techniken 4 Quality first – Schritt für Schritt das Vertrauen der Kun-
1157
Total Quality Management (TQM)
Weder in Europa noch in den USA fand man einen zutreffenden Begriff für Japans Emporkommen, erkannte aber sehr wohl, dass die Produktqualität in bedeutenden Branchen wie der Elektro- und Automobilindustrie die der westlichen Produkte übertraf und suchte dort den Ansatzpunkt zur Verbesserung der eigenen Situation. Erst in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre hörte man mehr auf diejenigen, die die Ursachen darin sahen, dass der japanischen Produktionsweise ein anderes Managementverständnis zugrundelag. In den USA vollzog sich der Umschwung im Denken zuerst. Langwierige Expertisen und Diskussionen bahnten den Weg zu einem nationalen Qualitätspreis nach dem Vorbild des japanischen Deming Application Prize. Im Ergebnis kann im Nachhinein festgestellt werden, dass ein neuer Begriff entstanden war: Total Quality Management. Das mit Leiten und Lenken gleichzusetzende „control“ wurde in Wort und Schrift immer mehr ersetzt durch den zutreffenderen Begriff „Management“. So hat zwar Feigenbaums Benennung Total Quality Control schon das Signalwort geliefert, durchgesetzt hat sich der Begriff jedoch nicht, da sich in ihm nicht das weite Verständnis ausgedrückt hat, das in der Tat einen Paradigmenwechsel in der Managementlehre einleitete. Mit Gewissheit vermag heute niemand zu sagen, wer den Begriff erstmals eingeführt hat. Er war einfach da, „lag gewissermaßen in der Luft.“ Benannt wurde das dem amerikanischen Award zugrundeliegende TQM-Modell nach dem amerikanischen Handelsminister (Secretary of Commerce), Malcolm Baldridge, der sich in seiner Amtszeit sehr für einen solchen nationalen Qualitätspreis engagiert hatte. Sein durch einen Reitunfall (Rodeo) verursachter Tod (25. 7. 1987) war wohl dann das emotionale Ereignis, das die Sache schnell vollenden ließ. Der Award wurde nach ihm benannt und trat am 20. 8. 1987 per Gesetzesakt in Kraft. Das TQM-Modell des Malcolm Baldrige National Quality Award besteht aus sieben Hauptkriterien:
T
1 2 3 4 5 6 7
Leadership Strategic Planing Customer and Market Focus Information and Analysis Human Ressource Development and Management Process Management Business Results
5 TQM – Was ist TQM? Die Antwort der ISO Sich um ein Verständnis eines Begriffs von „Total Quality Management“ zu bemühen, heißt zunächst hierfür eine Begriffsbestimmung zu suchen, die allgemein – möglichst international – geteilt werden kann. Dieser Aufgabe nimmt sich sehr oft die ISO an. Bis zum Jahr 2000 galt die folgende allgemeine Definition der ISO 8402:1995-03. Erstmals wurde die
1158
Begriffsnorm ISO 8402 1986 veröffentlicht, damals allerdings noch ohne den TQM-Begriff. TQM wurde eingedeutscht als „Umfassendes Qualitätsmanagement“ und mit fünf Anmerkungen aus dem Englischen übersetzt: Auf die Mitwirkung aller ihrer Mitglieder gestützte Managementmethode einer Organisation, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung der Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt ◼ Anmerkung 1: Der Ausdruck „alle ihre Mitglieder“ bezeichnet jegliches Personal in allen Stellen und allen Hierarchie-Ebenen der Organisationsstruktur. ◼ Anmerkung 2: Wesentlich für den Erfolg dieser Methode ist, daß die oberste Leitung überzeugend und nachhaltig führt, und dass alle Mitglieder der Organisation ausgebildet und geschult sind. ◼ Anmerkung 3: Der Begriff Qualität bezieht sich beim umfassenden Qualitätsmanagement auf das Erreichen aller geschäftlichen Ziele. ◼ Anmerkung 4: Der Begriff ‘Nutzen für die Gesellschaft’ bedeutet Erfüllung der an die Organisation gestellten Forderungen der Gesellschaft. ◼ Anmerkung 5: Total Quality Management (TQM) oder Teile davon werden gelegentlich auch „total quality“, „CWQC“ (company-wide quality control), „TQC“ (total quality control) usw. genannt. Dieser normierte Begriff, der eine Managementmethode beschreibt, stellt darauf ab, Qualität ins Zentrum der Organisation zu stellen. Also nicht Kosten oder Zeit oder die Kultur der Organisation, sondern eben Qualität als übergeordnetes und ausschlaggebendes Konzept der Unternehmensführung. Andere Kategorien sind nicht benannt worden und somit bleibt auch das Verhältnis zu ihnen offen. In Abbildung T17 sind die Definitionsmerkmale abgebildet. Der voraussetzende Begriff Qualität wird rein definitorisch als Teilbegriff von TQM aufgenommen. Er gilt als zu operationalisierender Maßstabsbegriff, der im Spannungsfeld zwischen Management und allen Mitarbeitern verortet wird. Da der Begriff Qualität in der ISO 8402 an anderer Stelle eingeordnet definiert ist, bedarf es nicht näherer Bestimmungsmerkmale an dieser Stelle. Er besagt nicht „gute oder sehr gute Qualität“, sondern ist als Fachbegriff des Qualitätsmanagements die realisierte Beschaffenheit einer Einheit (Im TQM wird als Einheit sehr oft die gesamte Organisation angenommen.) bezüglich Qualitätsforderung (= verlangte Beschaffenheit). Diese Begriffsbestimmung von TQM wurde mit Einführung der ISO 9000:2000-12-Begriffsnorm zurückgezogen und seither nicht durch eine neue Definition ersetzt, was bedeutet, dass die ISO nicht mehr empfiehlt, sich dieser Definition zu bedienen. Seit 2000 herrscht somit bis dato, was den TQM-Begriff betrifft, ein terminologisches Vakuum bei allen Normungsinstitutionen. Diese Situation ist nicht außergewöhnlich. Oft werden Begriffe nicht aufgenommen, weil im
ISO-Term
immer mehr zu verbessern – in zwei, drei Jahrzehnten im Stillen eine neue Managementkultur entwickelt haben, die sich besonders in den Schriften von Ishikawa protokolliert findet. Aber auch Deming selbst, der nicht mehr in Japan aktiv war, wirkte durch seine 14 Regeln für das Management nach.
Total Quality Management (TQM)
Total Quality Management (TQM) Abb. T17: TQM-Begriff nach ISO 8402
TQM-Begriff nach ISO 8402 Organisation Management
Qualität
Maßstabsbegriff
Mitwirkung aller Mitarbeiter
langfristiger Geschäftserfolg durch Zufriedenstellung der Kunden = Nutzen für die Mitglieder der Organisation Nutzen für die Gesellschaft
►TC 176 der ISO keine Einigkeit über den Begriffsinhalt erzielt werden konnte oder der Begriff für nicht normungsbedürftig angesehen wird.
DIN-Begriff
In Deutschland ist inzwischen in Ergänzung zur Begriffsnorm der ISO 9000 die DIN 55350-11:2008-05 erschienen. Darin ist TQM in einer Kurzdefinition wie folgt bestimmt worden: „In allen Bereichen einer Organisation angewendetes Qualitätsmanagement.“ Sehen wir das als eine definitorische Notlösung an, die keineswegs befriedigend ist. So greifen Anwender nach wie vor auf die zurückgezogene ISO 8402 zurück. Im Anschluss an diese TQM-Definition sind deshalb die folgenden zwei Fragen klärungsbedürftig: 1 Welche Qualitätsmerkmale führen zur Kundenzufriedenheit und zielen damit auf den genannten langfristigen Geschäftserfolg mit Nutzen für die Gesellschaft? 2 Wer legt diese Merkmale, die ja insgesamt gebündelt die Qualitätsforderung operationalisieren, fest? Zu 1: Es kann nicht umstandslos davon ausgegangen werden, dass der Kunde nach seiner Forderung an die Qualität befragt wird und diese dann umgesetzt zum besagten Ziel führen. Die Antwort muss lauten: Die Organisation erforscht
Total Quality Management (TQM) die Qualitätsmerkmale je spezifisch: Aus der Sicht der Kunden, der Mitarbeiter, aufgrund eigener Forderungen etc. Auf dieser Basis werden sie in Beziehung gesetzt zu der Zielvorstellung des langfristigen Geschäftserfolgs …. Letztendlich wäre der Nutzen für die Gesellschaft an der Nachhaltigkeit festzumachen. Auf den Einbezug dieses Begriffs wurde jedoch verzichtet. Zu 2: Die Festlegung derjenigen Merkmale, die zum Zuge kommen sollen, kann nur durch das Management erfolgen. Angedeutet wird dies schon dadurch, dass TQM als Managementmethode charakterisiert wird. Ist die Qualitätsforderung festgelegt, sind die Qualitätsmerkmale bestimmt, haben sich alle Mitarbeiter darauf einzustellen. So macht der Begriff TOTAL Sinn. Auf der Ebene der Managementsysteme zeigt sich zum Begriff TQM im Bereich der ISO seit dem Jahr 2000 interessanterweise folgendes Bild: Mit der ISO 9004 zur Weiterentwicklung der Unternehmen wurde eine Managementnorm eingeführt, die auf eine umfassende Selbstbewertung setzt, indem die Zielsetzung “Leiten und Lenken für den nachhaltigen Erfolg einer Organisation“ verfolgt wird. Die Norm enthält wesentliche Merkmale von TQM. Man findet darin u. a. folgende Aspekte abgedeckt: ◼ Unternehmensführung, ◼ Strategiekonzepte, ◼ Einbindung der Mitarbeiter. Das Kapitel 9 “Verbesserung, Innovation und Lernen” erinnert an das EFQM-Modell. Die ISO hat damit ein Managementsystem vorgelegt, das durchaus als Weg in Richtung TQM bezeichnet werden kann. Seine Umsetzung wird denjenigen Organisationen empfohlen, die bereits ein QMS eingeführt haben. Zur Zertifizierung ist es nicht gedacht. 6 TQM – Wie und wann erreichte der Begriff Deutschland? Zur Prüfung der Frage, wann der Begriff TQM in der damaligen Bundesrepublik die Managementlehre erreichte, empfiehlt sich der Blick in ein Standardwerk, ein Handbuch, das kontinuierlich gepflegt und somit aktualisiert wird. Walter Masings „Handbuch Qualitätsmanagement“ erfüllt diesen Zweck. In der ersten Auflage von 1980 hieß es „Handbuch der Qualitätssicherung“. Weder der Begriff TQC noch TQM, noch die Namen der Protagonisten Deming, Feigenbaum und Ishikawa tauchen auf. Walter Masing hatte W. E. Deming bei seinem Deutschlandbesuch Anfang der 1950er Jahre persönlich kennengelernt. Es muss wohl angenommen werden, dass um 1980 herum Themen wie Deming Application Price, Total Quality Control und auch die Managementregeln von Deming keinerlei Relevanz hatten, evtl. sogar unbekannt waren. Allerdings wurde auf den Begriff Qualitätszirkel unter dem Hauptbegriff Qualitätsförderung kurz verwiesen.
1159
T
Total Quality Management (TQM) Auch in der 2. völlig neubearbeiteten Auflage von 1988, die weiterhin den Titel „Handbuch der Qualitätssicherung“ trägt, wird der Begriff TQM noch nicht verwendet. Der Name Deming taucht unter Versuchsmethodik, diejenigen von Feigenbaum und Ishikawa tauchen nicht im Personenverzeichnis auf. Doch dem inhaltlichen Phänomen wird in einem extra Handbuchartikel Raum gegeben. Hans-Ulrich Frehr, damals Leiter des Zentralen Qualitätswesens der Deutschen Philips Industrie Gmbh, Hamburg, verfasst einen Sachartikel zum Thema „Unternehmensweite Qualitätsverbesserung“. Darin heisst es [7]: „Seitdem (seit den 1970er Jahren, hdz) wandelt sich Qualität stetig zu einer Unternehmensphilosophie, die zufriedene Kunden als oberstes Ziel sieht und dabei alle Bereiche und alle Tätigkeiten in einem Prozess kontinuierlicher Verbesserung einbezieht.“ Diese Aussage wird in einer Skizze visualisiert (Abbildung T18). Das Thema war also in Deutschland angekommen. Allerdings ist es noch nicht auf den Begriff gebracht worden [8]: „Diese umfassende Qualitätsstrategie erhielt verschiedene – inhaltlich aber weitgehend übereinstimmende – Begriffe wie ’Total Quality Control (TQC)’ oder ’Company wide Quality Control (CQC)’. Einen einheitlichen deutschen Begriff kennen wir bisher nicht, daher sei diese Strategie in den nachstehenden Ausführungen mit ’Unternehmensweite Qualitätsverbesserung’ bezeichnet und dem internationalen Sprachgebrauch folgend mit ’TQC’ abgekürzt.“ Abb. T18: Qualität als Unternehmensziel
Q des Unternehmens Q der Produkte
Q der Tätigkeiten
Begriff
T
TQM war 1988 in Deutschland inhaltlich in groben Zügen in Expertenkreisen angelangt. Die EFQM wurde 1988 gegründet und nahm sich der Sache an. Mit der Beschreibung tat man sich noch schwer. Es wurde damals mit den Begriffen „umfassend“ und „Qualitätsverbesserung“ ausgedrückt. Frehr versucht sich damals sogar in einer Definition [9]: „Unternehmensweite Qualitätsverbesserung (TQC) ist ein Managementsystem, das durch dauernde und systematische Verbesserung aller Tätigkeiten eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ermöglichen soll.“
1160
Ab der dritten Auflage (1994) des Handbuchs des Qualitätsmanagements wurde das Total Quality Management dann zum Dauerthema. Das alles ist nun fast drei Jahrzehnte her. Heute scheint es so, dass der Begriff Total Quality Management „abgewirtschaftet“ hat, nur noch historisch interessant ist. Oder hat er nie richtig Fuss fassen können, weil das ISO 9001-Modell als Mindeststandard den meisten Organisationen ausreichte? An seine Stelle ist in vielen Bereichen der Begriff der ►Exzellenz, genauer der Business Exzellenz getreten. Das europäische ►EFQM-Modell firmiert unter der Bezeichnung „►Business Exzellenz“, der deutsche ►Ludwig Erhard-Preis ebenfalls. Das Gefühl der begrifflichen Beliebigkeit umschleicht einen, denn die Operationalisierung der Modellumsetzung hat sich unwesentlich verändert. Abbildung T19 bietet noch einmal einen Überblick zur Chronologie des TQM-Begriffs bis in die Gegenwart. 7 TQM – Zusammenfassung und ein begriffliches Fazit Total Quality Management, TQM, soll abschließend dasjenige Managementsystem genannt werden, das seit etwa 1950 in Japan unter anderen Benennungen (z. B. Japan Style, TQC) auf der Basis der Managementlehren von Deming, Feigenbaum und Ishikawa entstanden ist, den japanischen Qualitätspreis konstituiert und dessen Inhalte erst über dreißig Jahre später zunächst in den USA und dann in Europa zur Etablierung der nationalen Qualitätspreise genutzt wurden. TQM wurde somit als Erfolgskonzept angesehen, das geeignet erschien mit den japanischen Unternehmen im Wettbewerb zumindest gleichzuziehen. Es fundiert sich ganzheitlich, indem alle Mitarbeiter einbezogen werden und bestimmte Führungsgrundsätze und Qualitätstechniken angewendet werden, die dem Zweck dienen, die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Organisation und Produktion im gesamten Unternehmen zu bestimmen. Der Begriff TQM tritt zunehmend in den Hintergrund zugunsten des offensichtlich wirksameren Begriffs „Business Excellence“. Vorangetrieben wird diese Entwicklung durch die European Foundation for Quality Management (EFQM) und deren inzwischen in Exzellenz umbenanntes TQM-Modell. Zusammengefasst könnte heute folgende Definition von TQM für praktische Zwecke nützlich sein: TQM ist als umfassendes Managementkonzept zu verstehen, nach dem sich das gesamte Management verpflichtet, TQM vorzuleben. In das TQM-System sind alle Mitarbeiter einbezogen. Sie bemühen sich darum, im organisatorischen Kontext permanent zu lernen und die Beschaffenheit der Organisation zu verbessern. Die Ausrichtung der Organisation zielt auf den Kunden und seine Forderungen; die Lieferantenorientierung ist langfristig zu sehen. Im operativen Bereich zählen Tatsachen, d. h. Maßnahmen sind mit Daten zu belegen, einfache Meinungen und nicht belegte Begründungen reichen nicht für Entscheidungen. Die Organisation ist ferner prozessorientiert als
Begriff
Quelle: [7], S. 797
Total Quality Management (TQM)
Begriff
Total Quality Management (TQM) Wertstrom zu gestalten. Die externen und internen Kunden-/Lieferantenbeziehungen (KLB) sind integratives Element von TQM. TQM sollte als nachhaltiges Managementsystem langfristig implementiert werden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Malorny, Chr.: TQM umsetzen. Weltklasse neu definieren – Leistungsoffensive einleiten – Business Excellence erreichen. 2. Auflage, Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 1999, 143 [2] Deming, W. E.: The New Economics. For Industry, Government, Education. Second Edition. Massachusetts, Cambridge (The MIT Press) 1994, 57 [3] s. [1], 156f
Total Quality Management (TQM) [4] s. [1], 144 [5] Feigenbaum, A. V.: Total Quality Control. Third edition. New York-Toronto-London 1991, 88 [6] Feigenbaum. A. V.: Total Quality – Ein internationaler Imperativ. In: Christoper, W. F. und C. G. Thor (Hrsg.): Das große Handbuch für den Produktionsleiter. Landsberg (mi) 1997, 13ff [7] Frehr, H.-U.: Unternehmensweite Qualitätsverbesserung. In: Masing, W. (Hrsg.): Handbuch der Qualitätssicherung. 2. Auflage. München-Wien (Hanser) 1988, 797 [8] s. [7], 797 [9] s. [7], 813
Abb. T19: Der Weg des TQM zu Business Exzellenz
Der Weg des TQM zu Business Excellence
2013 Europa: Stärkere Verankerung von „Business Exzellenz“ im EFQM-Modell, TQM wird nicht mehr erwähnt 1994-2000 ISO: Aufnahme des Begriffs TQM in die Terminologienorm 8402. Mit ISO 9004 wird ab 2000 ein Leitfaden zur Umsetzung von TQM integriert, der auf Selbstbewertung setzt.
TQM ist als umfassendes Managementkonzept zu verstehen, nach dem sich das gesamte Management verpflichtet, TQM vorzuleben. Ins TQM-System sind alle Mitarbeiter einbezogen. Sie bemühen sich darum, im organisatorischen Kontext permanent zu lernen und die Beschaffenheit der Organisation zu verbessern. Die Ausrichtung der Organisation zielt auf den Kunden und seine Forderungen; die Lieferantenorientierung ist langfristig zu sehen. Im operativen Bereich zäh1988 len Tatsachen, d. h. Maßnahmen sind mit Daten Europa: EFQM-Modell des europäischen Qualitätszu belegen, einfache Meinungen und nicht belegte Begründungen reichen nicht für preises: European Quality Award/European Excellence Entscheidungen. Die Organisation ist ferAward; jährliche Auszeichnung durch die EFQM; ner prozessorientiert als Wertstrom zu Deutschland schließt auf mit dem Ludwig Erhard-Preis gestalten. Die externen und internen 1987 Kunden-/Lieferantenbeziehungen USA: Gesetzliche Verankerung eines (KLB) sind integratives Element von TQM. – TQM nationalen Qualitätspreises: Malcolm Balsollte als nachhaltiges dridge National Quality Award (MBNQA); Ma n age m e n t s y s te m jährliche Auszeichnung durch den amerikaimplementiert wernischen Präsidenten den (ISO 9004).
besonders 1968 Ishikawas Company Wide Quality Control-Konzept (CWQC): Quality first, Quality Circle, Soziales System seit 1951/1956 Feigenbaums Total Quality Control-Konzept (TQC): Quality is everybody’s job! seit 1951 Japan: Deming Application Prize: Würdigung von Unternehmen, die der Lehre Demings folgen; jährliche Auszeichnung durch den japanischen Kaiser
um 1950 Demings Managementlehre (Managementregeln: 14 Punkte für das Management, Reaktionskette, Hindernisse/falsche Starts, Sieben Krankheiten)
T
TQC
TQM CWQC
1161
Toyoda
Toyota und das Toyotasystem
Toyoda
on der MIT-Studie „The Machine That Changed The World“ entstandene Begriff ►Lean Production verwendet wird. Auch dieser Begriff ist produktionsbezogen gemeint. Wir haben es also ausgehend vom Unternehmen ►Toyota und dessen speziellen Ausrichtung der Organisation mit einem zu klärenden Definitionsproblem zu tun, dessan Wurzeln keineswegs in der japanischen Sprache zu suchen sind. Nach nunmehr über fünfzigjähriger Entwicklung und Anwendung sowohl bei Toyota selbst wie auch weltweit in Unternehmen verschiedenster Branchen könnte heute eine Sprachregelung für das Toyotasystem gefunden werden. Die folgende Skizze (Abbildung T20 Aufsicht Automobil) mag zunächst als Ausgangspunkt dienen. Das Toyotasystem (damals wurden die Unterbegriffe Just in Time und Kanban benutzt, um es zu kennzeichnen) wurde 1978 auf der 4. Internationalen Konferenz für Produktionsforschung in Tokyo so oder in ähnlich plakativer Form visualisiert und den Konferenzteilnehmern präsentiert. Bekannt ist, dass europäische und amerikanische Unternehmensführer schon bald die ersten Exkursionen unternahmen, um sich über Toyotas andere Produktionsweise zu informieren. Sie kehrten zurück und implementierten es auch, aber nur die produktionstechnischen Elemente wie Kanban und Just in Time. Verschwendung (Muda) wurde nicht als zentrales, ja unabdingbares Element begriffen, ganz zu schweigen davon, den Mitarbeiter mehr ins Zentrum der Betrachtung zu rücken. Ganz und gar unberücksichtigt blieb „die Kreativität des Mitarbeiters“, die von Toyota bereits als einer der drei Ringe im Logo als existentiell angesehen wurde. Begriffen wurde das Neue von Toyota, JiT und die autonome Produktion als Input eines Werkzeugkastens. Erst als in den 1990er Jahren japanische Unternehmensberater in Europa ihre Tätigkeit aufnahmen, wurde allmählich klar, dass das Toyotasystem mehr ist als eine Ansammlung von Techniken, die der besseren Organisation dienlich sein könnten. Nach-
▶Toyota und das Toyotasystem ◼ Toyoda – Name der Familie Toyoda. In Abgrenzung vom Familiennamen wurde Toyota später als Firmenbezeichnung gewählt (►Toyota Motor Corporation TMC): Aufgrund eines öffentlichen Wettbewerbs wurden aus 20.000 Vorschlägen die japanischen Schriftzeichen für „Toyota“ ausgewählt, weil sie ein Gefühl von Geschwindigkeit vermittelten, aber auch weil für den Namen in der japanischen Schrift acht Federstriche benötigt wurden. Und die Acht ist schließlich in Japan eine Glückszahl. ◼ Toyoda Sakichi (1867-1930) – Erfinder (84 Patente) und Gründer der Toyoda Automatic Loom Inc. ◼ Toyoda Kiichiro (1894-1952) – Gründer Toyota Motor Corporation (TMC) im Jahr 1937 ◼ Toyoda Akio (1956-heute) – seit 2009 CEO Toyota Motor Corporation (TMC)
Toyota Motor Corporation (TMC) ▶Toyota und das Toyotasystem Unternehmen der Automobilindustrie mit Sitz in Japan, das wesentlich die Begriffe und Organisationssysteme des modernen Qualitätsmanagements geprägt hat. Das Logo setzt sich aus drei Ringen zusammen, von denen jeder eine der folgenden Ideen zum Ausdruck bringen soll: Kundenzufriedenheit, Innovation, Qualität und Kreativität.
Toyota Produktionssystem (TPS)
Abb. T20: Prinzipie des Toyota-Produktionssystems – seit 1978 bekannt
▶Toyota und das Toyotasystem
Prinzipien des Toyota-Produktionssystems
Toyota und das Toyotasystem ▶Lean Management ▶Shingo Prize ▶Ohno Taichi | ▶Shingo Shigeo ▶Just in Time ▶Kaizen ▶Kanban
T
„I shall keep on struggling till I drop.“ (Kiichiro Toyoda)
1 Toyotas System der Produktion Das Toyotasystem wird häufig rein produktionsbezogen definiert, wofür in der Regel der Begriff Toyota Produktionssystem (en: Toyota Production System – TPS) bemüht wird. Gleichzeitig wird dieser Begriff aber auch umfassender benutzt. Irritationen kommen auf, wenn der in der Folge der Rezepti-
1162
Kundenforderungen erfüllen Kreativität des Mitarbeiters fördern
Just in Time Fertigung (Kanban)
Toyotas Produktionssystem
Verschwendung vermeiden
Kaizen (KVP)
Toyota und das Toyotasystem lesbar war das auch in dem 1993 in Deutsch erschienen Buch von ►Ohno Taichi zum Toyota Produktionssystem (Ein Jahr davor war die MIT-Studie erschienen.) Interessant ist, dass damals von „fragile lean production“ die Rede war. Fragilität bezog sich auf die beiden Elemente des Systems. Die Zielsetzung dieser beiden Teilsysteme ist es, die völlige Beseitigung der Verschwendung (jap. ►Muda) zu erreichen: ◼ Mit JiT soll erreicht werden, dass in einem organisatorischen Prozess die zur Erfüllung der Aufgabe benötigten Elemente zur rechten Zeit in der benötigten Quantität und Qualität zur Verfügung stehen. ◼ Mit Autonomation sollen Probleme „autonom“, d. h. selbsttätig reagierend, verhindert werden. Autonomation unterscheidet zwischen normalen und anormalen Situationen.
Im System ist ein Instrument zur Umsetzung von JiT ►Kanban. Es wird nach den sechs Kanban-Regeln als nie endender Problemprozess gehandhabt. Ohno weist darauf hin, dass ein gutes Werkzeug auch schlecht eingesetzt werden kann. Danach kann es durch seine falsche Anwendung eine Verschlechterung der Situation mit sich bringen. Deshalb sind – wie bei Kanban – bestimmte Regeln anzuwenden. Ohno zufolge ist die Grundlage und Ziel des Toyotasystems die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Produktion durch konsequente und gründ liche Beseitigung jeglicher Ver schwendung. Um das zu erreichen ist das Toyotasystem nicht nur ein Fertigungssystem, sondern als ein umfassendes Ma nagementsystem zu sehen. Seine Grundlagen sind in der Vergangenheit zu suchen. 2 Die Grundlagen – „the power behind the system“ Ohno Taichi übernahm 1949 die Leitung der mechanischen Fertigung bei der Toyota Motor Corporation. Das Toyota Production System ist vor allem in den Jahren zwischen 1950 und 1970 unter seiner „Federführung“ unter Mitwirkung von ►Shingo Shigeo (was oft verschwiegen wird) entstanden. Dabei hat er auf Elemente zurückgegriffen, die bereits ganz oder ansatzweise von Toyoda Sakichi und Toyoda Kiichirō entwickelt worden sind. Nach Ohno selbst [1, S. 21] haben wir es beim Toyota Produktionssystem mit einem Managementsystem zu tun, das als Toyota Managementsystem (TMS), einem umfassenden Managementsystem, erst zur vollen Entfaltung gelangt, in dem den Menschen besonderer Respekt zukommt und das auf Beseitung von Verschwendung zielt, indem die Produktion als Einzelfertigung organisiert wird. Dies ist die Perspektive, die auch von Toyota selbst vertreten wird, auch wenn immer nur der Begriff Toyota Produktionssystem (TPS) oder kurz Toyotasystem verwendet wird. In der Skizze in Abbildung T20 ist das unter „Kreativität des Mitarbeiters fördern“ angedeutet. Bei der Einschätzung dessen, was Ohno als einen Teil seiner Aufgabe begriffen und immer wieder herausgestellt hat, die von Toyoda Sakichi und Toyoda Kiichirō quasi vorgegebenen Elemente als Ausgangsbasis für die Systementwicklung zu
Toyota und das Toyotasystem übernehmen, darf nicht übersehen werden, dass es zur vollen Entfaltung von Just in Time, Kanban, Autonomer Produktion und Muda nur kommen konnte, ja die Systementwicklung nur gelingen kann, wenn es keinen Bruch gibt zwischen den gelebten Werten und Normen, die die Firmengründer Sakichi und Kiichirō vertraten. Für Ohno mag es selbstverständlich gewesen sein. Er hat jedenfalls nie darauf hingewiesen, wenn er das Toyotasystem in seiner Operation herausgestellt hat, dass sein Handeln quasi eingebettet war in einen auf der japanischen Kultur beruhenden organisatorischen Kontext der Unternehmenskultur, der bis heute geprägt ist von Sakichis Vorgaben, den „Five Precepts of Toyota“ aus dem Jahr 1935, wie sie in Abbildung T21 verdeutlicht sind. Auch darin spielt der Begriff „Kreativität“ eine Rolle. Die Unternehmenskultur von Toyota, wie sie in den „Precepts“ von Sakichi zum Ausdruck gebracht wird, muss als ein Muster gemeinsamer Grundprämissen verstanden werden, das die Mitglieder des Unternehmens bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt haben, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit Problemen weitergegeben wird. Dieses Muster gemeinsamer Grundprämissen wurde ja bereits Ende der 1920er Jahre formuliert. Im Jahr 1935 wurde das Dokument dann zum fünften Todestag von Sakichi durch seinen Sohn Toyoda Kiichirō und dessen Schwager Toyoda Risaburo veröffentlicht. Anlass war der zunehmende Erfolg der neu gegründeten Toyota Motor Corporation. Die Aussagen beschwören – über das Ansprechen von Tugenden hinaus – einen Gemeinsinn, ja sogar eine gemeinsame Handlungsperspektive in einer Allformel, die weit über das Gemeinwesen hinaus bis zu den Göttern des Shintuismus reicht. Kultur ist hiernach deutlich mehr als Firmenkultur, als gemeinsame Basis wird eine gemeinsame Wertebasis bis in den religiösen Bereich angesprochen, die ein unternehmensbezogene Handeln deutlich zu überhöhen mögen. Jedenfalls erscheint es uns heute so. Vermutlich empfand man es damals nicht so, schon allein deshalb nicht, weil die Religion tief in der Gemeinschaft verwoben war. In den Precepts wird von Sakichi jedenfalls ein Grundgefühl thematisiert, dass es bei Toyota weniger um einen Arbeitsplatz gehe, den man zum Bestreiten seines Lebensunterhalts ausfüllt, sondern um das Streben nach dem übergeordneten Gemeinwohl, sogar im religiösen Sinn. Diese von Sakichi selbst gelebte Inspiration ergreift in der Folge nicht nur seinen Sohn Kiichirō, sondern wohl alle Mitglieder der „Toyoda-Familie“, der es zudem noch gelingt außerordentliche Führungskräfte außerhalb der Familie zu finden, die der gleichen Inspiration folgen. So wird die Toyota-Kultur bis heute tradiert. Der Tradition wird nicht nur formal gefolgt. Sie wird erneuert, ergänzt duch die Toyota Guiding Principles, die erstmal 1992 veröffentlicht und dann 1997 etwas angepasst wurden. Was Toyota im beginnenden 21. Jahrhundert versucht, ist, den Bogen zu spannen von der stark religiös und tugendhaft bestimmten Leitfigur seines Gründers und Erfinders Toyo-
1163
T
Toyota und das Toyotasystem
Toyota und das Toyotasystem Abb. T21 Toyoda Sakichie – The spirit of Toyota and the five precepts of Toyota (1935)
Toyoda Sakichi: The spirit of Toyota (publ. 30. Oktober 1935)
Haben Sie keine Angst, Fehler zu machen.
Manager und Mitarbeiter müssen zusammenarbeiten.
Lasst uns Dinge ausprobieren.
Die fünf Prinzipien von Toyota (Five Precepts) 1 Seien Sie immer pflichtbewusst; erbringen Sie damit Ihren Beitrag für das Unternehmen, das Gemeinwohl und Gemeinwesen. 2 Seien Sie immer fleißig und kreativ; bemühen Sie sich, dem Trend voraus zu sein. 3 Seien Sie immer praktisch orientiert; hüten Sie sich vor Leichtsinn.
T
da Sakichi mit seiner individuellen ethischen Auffasung bestimmten Unternehmenskonzeption bis zu einer visionären rational der Weltgemeinschaft verpflichteten Unternehmensvision, in der die ökologischen Aspekte der Motorisierung besonders betont werden. Dieses Ziel und diesen Anspruch dokumentieren die folgenden aufeinander aufbauenden Etappen, wie sie in [2] ausführlich behandelt werden (s. a. Abbildung T22): ◼ ◼ ◼ ◼ ◼
Toyota Precepts von 1935 Guiding Principles von 1992/1997 The Toyota Way (Cho 2001) Global Vision 2010, erklärt im April 2002 Toyota Earth Charta.
Dabei handelt es sich keineswegs um das „Ende der Geschichte“. Die Toyota-Strategen denken weiter und formulieren ihre
1164
4 Bemühen Sie sich immer darum, an Ihrem Arbeitsplatz eine Atmosphäre zu schaffen, die Herzlichkeit und Freundlichkeit ausstrahlt. 5 Haben Sie immer Respekt vor den Göttern; denken Sie immer daran, dankbar zu sein. ⚖
⚖⚖
visionären Vorstellungen (Toyota’s Corporate Vision) bis weit in dieses Jahrhundert hinein (Toyota Earth Charta). All diese visionären Gedanken, in denen ja Absichtserklärungen für die Zukunft enthalten sind, sind keineswegs blauäugig formuliert, sondern gehen in einem Szenario einerseits davon aus, dass die Entwicklung weiterhin positiv verläuft, anderseits werden aber auch die einschränkenden Bedingungen (Risiken) verdeutlicht, wie an diesem toyotaeigenen Dokument deutlich wird [2]. Die Zukunft der motorisierten Welt ist deutlich komplexer als zu Zeiten von Toyoda Sakichi. Das Unternehmen hat seit den 1930er Jahren eine Größenordnung erreicht, in der die Kultur nicht mehr zwischen dem Familienoberhaupt und den Mitarbeitern direkt kommuniziert werden kann. Die traditionellen Werte des Firmengründers und die Werte „Respekt“ und „Kontinuierliche Verbesserung“ sind – trotz oder gerade
Toyota und das Toyotasystem wegen der Fokussierung auf Ökologie/Gesellschaft – für die Zukunft unhintergehbar. Da eine Unternehmenskultur nicht im Unverbindlichen beheimatet sein darf , stellt sich angesichts der doch recht komplexen Struktur die Frage, welche institutionellen Vorkehrungen Toyota geschaffen hat, um seine Kultur dauerhaft zu vermitteln und zu verankern. Zunächst ist festzustellen, dass zur Unternehmenskultur keine explizite Imagebroschüre, etwa in Form eines formulierten Leitbildes zu existieren scheint. Diese Form der Kommunikation ist wohl heute obsolet geworden zu sein. Toyotas Selbstdarstellungen (Vision & Philosophy) finden sich im Internet unter den Links: http://www. toyota-global.com/company/vision_philosophy/ –http://www.toyota.de/about/unternehmensinfos/downloads.tmex
Toyota und das Toyotasystem Abb. T22: Toyotas Tradition – aufgehoben im Toyota Way und seiner Vision
Toyotas Tradition: aufgehoben im Toyota Way und seiner Vision
Gesellschaft/ Weltgesellschaft
Motorisierung und Ökologie
Verantwortung
Kontinuierliche Verbesserung Respekt gegenüber anderen
Tradition Werte Tugenden
Etwas versteckt stößt man dann auf die zutreffende Information zum Toyota Institute, das seit 2002 besteht. Dort heißt es: „Human Resources Development by the Toyota Institute to promote sharing of the Toyota Way, the Toyota Institute was established in January 2002 as an internal human resources development organization. Since 2003, overseas affiliates in North America (U.S.), Europe (Belgium), Asia (Thailand and China), Africa (South Africa) and Oceania (Australia) have established their own human resources training organizations modeled after the Toyota Institute.“
Sinn und Zweck des Toyota Institute (Hamamatsu City, Shizuoka Prefecture), das unter Cho Fujio gegründete wurde, war es, die Unternehmenskultur weltweit zu implementieren. Zielgruppe sind die Führungskräfte, die hier in Praktiken der Unternehmenskultur trainiert werden. Am Standort des Instituts in Japan sind noch zwei weitere Institute untergebracht, die Global Leadership School, die sich auf die globalen Aktivitäten Toyotas konzentriert und die Management Development School, deren Zielsetzung es ist, praktisch orientierte Trainings zur Unternehmenskultur durchzuführen. Mit dieser zentrale Einrichtung in Hamamatsu und den angeschlossenen Instituten in den USA, Europa, Asien, Afrika und Australien wurde eine Trainingsstruktur zur Entwicklung der Managementressourcen geschaffen, über die die Toyotakultur gezielt implementiert wird und in the long run sich dann tradiert. Im nächsten Schritt sind dann die dort trainierten Führungskräfte gehalten, die erlernten kulturellen Elemente auf die operativen Ebenen runterzubrechen (OJT). Flankierend zu dieser vertikal verlaufenden Kultur-Vermittlungslinie engagiert sich Toyota seit 1938 in der beruflichen Bildung. Neben der in Japan gegründeten Toyota Berufsschule wird in vielen Ländern, so auch in Deutschland, in begleitende beruf-
liche Maßnahmen investiert. In diese Maßnahmen ist immer als ein Element das TPS integriert. So verzahnen sich zentral und dezentral die Bemühungen, die spezifische Toyotakultur zu implementieren. Es kann also festgestellt werden, dass eine ganz spezifische Toyotakultur existiert, die bewusst geformt wird. Diese Kultur ist herausgewachsen aus dem TPS und bezieht heute nicht nur alle Mitarbeiter und deren Familien von Toyota ein, sondern darüber hinaus auch die Lieferanten. Der Prozess der Kulturformung vollzieht sich gezielt global durch Maßnahmen im institutionellen Kontext von Toyota. Die beiden Schlüsselbegriffe sind „Respekt gegenüber anderen“ und „Kontinuierliche Verbesserung“, wie sie in einem Dokument als „The Toyota Way“ beschrieben werden. 3 Das Toyota Managementsystem Es war wohl die anglo-amerikanische Übersetzung des Buches von Ohno [1], die dafür gesorgt hat, dass sich eine Schar von Beratern, Zeitschriften- und Buchautoren und Dozenten an Hochschulen darangemacht hat, die Aussage „Die beiden Säulen zur Unterstützung des Systems sind …“ [1, S. 30] konkret ins Bild zu setzen. Jedenfalls findet man durchgängig Haus- und Tempeldarstellungen, die das Toyota Produktionssystem visualisieren. An abstrakteren Darstellungen fehlt es gänzlich. Bei dieser Säulenzeichnerei (linke Säule JiT, rechte Säule Jidoka) ist denn auch das, um das es im Kern geht, Muda, gar nicht mehr auffindbar, oder als Randtechnik irgendwo angeordnet. Außerdem tauchen plötzlich Begriffe in solchen Zeichnungen auf, die in Ohnos Buch gar nicht vorkommen. Jedenfalls wurde dem Einfallsreichtum durch das Signalwort „Säulen“ Tür und Tor geöffnet worden. Da
1165
T
Toyota und das Toyotasystem
Toyota und das Toyotasystem nimmt es nicht Wunder, wenn Sachverhalte aufgegriffen und tradiert werden, die den Gegenstand hoffnungslos verkürzen und unzutreffend darstellen. Wichtige Elemente fallen unter den Tisch, einiges wird einfach dazugedichtet. Ein Wirrwar sondergleichen ist entstanden. Jeder mag es im Internet prüfen, indem er nach Eingabe des Begriffs unter Bilder die Suchfunktion auswählt. Diese Vorgehensweise und Situation hat eine nach wissenschaftlichen Kriterien durchzuführende Analyse und Synthese des Objekts erheblich erschwert. Dagegen hält ein früherer CEO von TMC, Cho Fujio, mit dem sog. TPS-Haus. Es leitet sich aus Ohnos Vorlagen ab, und erweitert es um die zentralen Elemente „Mitarbeiter“ und „Verschwendung“. Die Darstellung von Cho (Abbildung T23) basiert auf einem ganzheitlichen Verständnis, wobei die Metapher „Haus“ nicht nur symbolisch verstanden werden soll, sondern ganz konkret, also architektonisch. Das „TPS-Haus“ hat, wie jedes gut gebaute Haus, ein Dach, Räume, tragende Wände und steht auf einem Fundament. Die Abbildung zeigt uns diese vier Basiselemente der Architektur, die wir nur mit etwas Managementterminologie unterfüttern müssen:
Abb. T23: Prinzipien des Toyota-Produktionssystems nach Cho Fujio als TPS-Haus
Beste Qualität – niedrigste Kosten – kürzestmögliche Durchlaufzeiten – größtmögliche Sicherheit – hohe Arbeitsmoral Verkürzung der Produktionszeit durch die Elimierung nicht werthaltiger Elemente
Just-In-Time die richtigen Teile in der richtigen Menge zur richtigen Zeit ◼ Taktzeit ◼ kontinuierlicher Fluss ◼ Pull-System ◼ Kurze Umrüstzeiten ◼ Integrierte Logistik
◼ gemeinsame Ziele ◼ Crosstraining
Kontinuierliche Verbesserung
◼ genchi genbutsu ◼ 5W-Technik (fünf
◼ Bewusstsein für
maliges Fragen nach dem Warum zur Ursachenbestimmung)
Jedes einzelne dieser vier Systemelemente ist natürlich wichtig, darf nicht vernachlässigt werden und unterliegt dem Prozess der kontinuierlichen Verbesserung, was bedeutet, dass das System immer mehr anwächst (Komplexität) und so auf der Basis des TPS-Hauses im Einzelnen verschiedene Wege gegangen werden können. Damit macht Cho deutlich, dass das additive Aneinanderreihen von Techniken noch lange kein System ausmacht, sondern nur das Zusammenspiel und permanente Verändern seiner Elemente. Somit unterstreicht Cho Fujio mit seinem Modell, den ganzeitlichen Managementcharakter des Toyotasystems, das sich abstrahierend nun entsprechend Abbildung T24 als Toyota Managementsystem bestehend aus drei Teilsystemen, dem Produktionssystem, dem Humansystem und dem Kulturen System bestimmen lässt. Das TPS ist und kann folglich lediglich ein Teilsystem eines solchen ganzheitlichen Manage-
1166
◼ Selektion ◼ Entscheidungsfindung nach dem Ringi-System
Eliminierung nicht werthaltiger Elemente
Dach: Zielsetzung, Kundenorientierung Tragende Wände: Basistechniken ( Just-In-Time/Jidoka) und daraus entwickelte und abgeleitete Produktions- und Qualitätstechniken Zentrale Räume: Mitarbeiter/Teams (Zentrum), die sich darum bemühen, Verschwendung (Muda) zu eliminieren und die Kontinuierliche Verbesserung bewusst leben; gezielte Anwendung entsprechender Techniken Fundament: Philosophie, Vision, Heijunka, Prozessorientierung, Führung, visuelles Management.
T
Menschen & Teamwork
Verschwendung ◼ Problemlösung
Jidoka (Prozessimanente Qualität an jeder Arbeitsstation) macht Probleme deutlich ◼ Automatischer Produktionsstopp ◼ Andon ◼ Teilung zwischen Mensch und Maschine ◼ Selbstgesteuerte Fehlererkennung ◼ Qualitätskontrolle an jeder Arbeitsstation ◼ 5W-Technik
Produktionsnivellierung (heijunka) Stabile und standardisierte Prozesse Visuelles Management ‚Philosophie der Toyota-Methode‘
mentansatzes sein. Dieser Modellansatz lässt sich auch mühelose mit dem Modell des Ohno-Kollegen ►Shingo Shigeo verknüpfen, dessen Modell sich in differenzierter Weise im ►Shingo Prize niedergeschlagen hat (s. a. ►Lean Management). Insofern findet Toyotas Managementmodell hier seinen realen Niederschlag außerhalb von Toyota. Bekanntlich fordert die Modellbeschreibung des ►Shingo Prize und -bewertung eine starke kulturelle Komponente (URL: http:// shingo.org). 4 Fazit und Ausblick Wir können also resümierend sagen: Grundsätzlich zielt das Toyotasystem darauf ab, Menschen in ihrer Kreativität zu unterstützen und zu ermuntern, die Prozesse mit denen sie arbeiten, kontinuierlich zu verbessern. Unglücklicherweise fördern viele Bücher, die sich mit Toyotas System oder schlanker Produktion beschäftigen, das Missverständnis, das Toyotasystem sei eine Sammlung von Instrumenten, mit denen sich Produktionsabläufe effizienter gestalten ließen. Das geht völlig am Zweck dieser Instrumente sowie am Konzept, Menschen in den Mittelpunkt des Systems zu stellen vorbei. Nun wird in Deutschland unter der Konzeptualisierung „Ganzheitliche Produktionssysteme“ versucht, direkt an das Toyotasystem anzuknüpfen. Diese Entwicklung ist in der Theorie engagiert aufgegriffen worden und hat bereits einige Niederschläge in der Praxis gefunden (►Ganzheitliche Produktionssysteme). Auch diese Bemühungen müssen sich der Frage stellen, inwieweit und in welchem Maße sie die humane und kulturelle Perspektive als Ausgangspunkt oder als ad
Toyota und das Toyotasystem
Trade-off
Abb. T24: Toyota Managementsystem mit Produktions-, Human- und Kultursystem
TPM
▶Total Productive Management
Toyota Managementsystem TMS
TQM-Umfassendes Qualitätsmanagement
Toyota Produktionssystem TPS Zielsetzung des TPS:
Probleme zu identifizieren Probleme hervorzuheben Probleme zu lösen Problemlösungen zu standardisieren Standardisierungen zu verbessern Muda zu verhindern und zu beseitigen
Toyota Humansystem THS
Zielsetzung des THS
Auf der Basis des mitarbeiterbezogenen Wertstroms Mitarbeiter zu entwickeln, die in der Lage und bereit sind, die im TPS identifizierten Probleme zu lösen, zu standardisieren und die Standardisierungen zu verbessern Muda zu verhindern und zu beseitigen
Toyotas kulturelles System TKS Unternehmenskultur Nationalkultur
Begriff
on ihrer Systementwicklung ansehen. Jedenfalls lässt sich das Toyotasystem wie folgt kurz definieren: Das Toyotasystem soll als Toyota Managementsystem verstanden werden, in dem sich die drei Untersysteme, Toyota-Produktionssystem, Toyota-Humansystem und Toyota-Kultursystem wechselseitig bedingen und der Umwelt gegenüber offen verhalten. Ein Verkürzung Auf Toyota-Produktionssystem verbietet sich. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Ohno, T.: Das Toyota Produktionssystem. Frankfurt am MainNew York (Campus) 1993 [2] Zollondz, H.-D.: Grundlagen Lean Management. MünchenWien (Oldenbourg) 2014
▶Total quality management (TQM) Genormter Begriff: TQM wurde in „DIN EN ISO 8402:1995-08 Qualitätsmanage ment – Begriffe“ genormt, mit Ersceinen der ISO 9000:2000-12 dann aber zurückgezogen. Der Begriff TQM ist folglich nicht mehr genormt. Hier im Lexikon Qualitätsmanagemt ist TQM, wie in der ISO 8402 mit fünf Anmerkungen definiert“ unter ►Total Quality Management (TQM) in Kapitel 5 wiedergegeben und ausführlich erläutert.
TQM
▶Total Quality Management (TQM)
TQM-Handbuch
▶en: TQM Manual ▶Total Quality Management-Handbuch ▶Total Quality Management (TQM) Organisationen, die eine TQM-Strategie verfolgen, sollten in einem TQM-Handbuch Ziele, Inhalte und Umfang der verfolgten Stra tegie und operativen Maßnahmen festlegen. Die Dokumentation ist jedoch, weder was die Inhalte noch was die Detaillierung betrifft, irgendwo „vorgeschrieben“. Als Richt schnur mag das ►QM-Handbuch dienen.
TQM-Scorecard
▶ Balanced Scorecard
TQM-Umsetzung
▶ Business Exzellenz durch Total Quality Management
Trade-off
▶ en: tauschen Trade-off ist in ökonomischen Kontexten als Austauschbeziehung zu bestimmen. Allgemein geht es um gegenläufige Abhängigkeiten im Sinne von: Wenn das eine besser wird, wird zugleich das andere schlechter. Man spricht auch vom Phänomen der umgekehrten Proportionalität. Kosten-Nutzen-Abwägungen werden manchmal auch als „trade-offs“ bezeichnet. Im Qualitätsmanagement sind u. a. die Beziehungen zwischen Qualität und Kosten und auch Zeit und Kosten Trade-off-Relationen, die in der Praxis enorm wichtig sind. Der Begriff ist nicht auf die Ökonomie begrenzt.
1167
T
Training
Training Training
▶Implementierung von QM-Systemen | ▶Coaching im QM ▶Schulung interner Qualitätsauditoren Im Sprachgebrauch des Qualitätsmanagements wird fast ausschließlich von Schulung gesprochen. Es verwundert, dass dieser Begriff so umstandslos verwandt wird. In der englischsprachigen Fachliteratur wird dagegen von Training gesprochen. Unterschieden wird oft zwischen Fachtraining im Sinne von Aneig nung fachlicher arbeitsbezogener Inhalte und Verhaltenstraining im Sinne von Erwerb von Fertigkeiten im Verhaltensbereich. Der Trainingsbegriff ist jedoch nicht einheitlich definiert. Er scheint sich in der Richtung ausgeweitet zu haben, dass mit ihm oft v. a. die folgenden qualitativen Lernziele mitgemeint sind: ◼ Befähigung zum Transferieren ◼ Lernen zu lernen.
Damit sind wichtige Voraussetzungen einer ►Lernenden Organisation angesprochen. In Anlehnung an P. Bramley werden die folgende Explikationen vorgeschlagen [1]:
Begriff
Begriff
Der Begriff Training beinhaltet nicht nur das Einüben von Fertigkeiten, sondern auch die Veränderung kognitiver und sozialer situationsbezogener Kompetenzen. In Trainings enthaltenes handlungsleitendes Wissen sollte den Teilnehmer auch dazu befähigen, zukünftige Situationen angemessen zu bewältigen. Training ist nach heutigem Verständnis durch die folgenden drei Elemente ausreichend definiert:
T
◼ Training ist ein systematischer Prozess. Es ist geplant und kontrolliert. ◼ Training ist ein Änderungsprozess. Während des Trainings werden neue Wissensstufen, Fertigkeiten und Einstellungen erworben. ◼ Training zielt auf die Verbesserung der Arbeitsleistung und damit auf eine erhöhte organisatorische Effektivität.
Begrifflich auseinandergehalten werden muß der Trainingsbegriff von Qualifizierung. Qualifizierung ist umfassender als Training [2]: Zielgerichtete und geplante Veränderung arbeitsbetigkeiten und Handzogener und allgemeiner Fer lungskompetenzen erwachsener Menschen. Qualifizierung stellt die Bedeutung eines langfristigen Sozia lisationsprozesses und die Wechselwirkung zwischen Arbeitsforderungen und allgemeiner Persönlichkeitentwicklung heraus. Qualifizierung kann prozessgebunden und prozessunabhängig erfolgen. Im zweiten Fall geht es v. a. um Qualifikationen, die auf neue Arbeitsbereiche übertragen werden sollen. Im Hinblick auf den Erfolg von Trainings hat sich als Denkmodell der Trainingszyklus bewährt [3]: „Dieser Prozess kann Schritt für Schritt dahingehend analysiert werden, ob das Training effektiv ist, d. h., ob das durchgeführt wird, was durchgeführt werden soll und ob das Training effizient ist, d. h., ob es gut durchgeführt wird.“ (s. Abbildung T25)
1168
Abb. T25: Trainingszyklus (1) Bestimme die For derungen an das Training
(2) Bestimme die Trai ningsziele
Evaluiere Feedback schleifen (4) Führe den Trai ningsprozess durch
(3) Wähle die Metho den und Medien aus
Quelle: In Anlehnung an [4, S. 446]
Aus der Perspektive des Trainers bzw. der Trainerin hat sich ein auf den langfristigen Erfolg von Trainingsmaßnahmen ausgerichtetes Handlungsmodell bewährt [4]: 1 Auswahl – Es ist wichtig, die richtigen Personen für das Training auszuwählen. … Die zentrale Forderung ist hier die Erwartung, daß sich die individuelle Effektivität aufgrund des Trainings ändert, und diese Änderung für die Organisation von Bedeutung ist. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, gerät das Training in Gefahr, zu bloßen Unterhaltung zu werden. 2 Vortraining, Lagebesprechung – Vor Trainingsbeginn sollten die ausgewählten Personen die Trainingsziele besprechen und so herausfinden, welche Ziele speziell für sie angemessen sind. … Erwachsenenbildung wird normalerweise durch die Intention motiviert, die von Individuen gesetzten Ziele zu erreichen. Es ist wichtig, sicherzustellen, daß die individuellen Ziele mit den von der Organisation geforderten Zielen übereinstimmen, wenn die organisatorische Effektivität verbessert werden soll. Teil dieser Besprechung ist somit das Commitment für das Training, das die Motivation für den Trainingsprozess anzeigt. Motivation ist ein Multiplikator für das Lernen; ohne Motivation gibt es kein Lernen. Bezieht sich das Commitment lediglich auf das Training selbst, besteht die Gefahr, daß falsche Ziele gesetzt werden, d. h. nicht die Ziele, die von der Organisation gefordert werden, sondern die Ziele, die von den Ausbildern oder den Trainees gewünscht werden. 3 Vorbereitung der Umsetzung – Einige Teile des Trainings mögen wenig Realitätsbezug aufweisen, da zum Expe rimentieren ermutigt wird. Der Transfer von Fähigkeiten und Fertigkeiten aber hängt eng mit der Anzahl der Elemente zusammen, die Training und Ar beitsplatz gemeinsam besitzen. Deshalb ist die Notwendigkeit zu betonen, wie das Training unter den gegebenen organisatorischen Realität zu nutzen ist. Wesentlich ist bei der Untersuchung des Trainingsprozesses die Frage, ob die Nützlichkeit des Lernens ständig überwacht wird, und die Lernenden realistische Pläne machen, wie das Gelernte anzuwenden ist. 4 Nachtraining, … Umsetzung – Das Problem der Umsetzung ist im Trainingsmodell mit enthalten. Das Training
Training findet normalerweise nicht am Arbeitsplatz statt, daher gibt es Unterschiede zwischen der Trainings- und Arbeits umgebung, die zu überbrücken sind. … Fertigkeiten und Fähigkeiten, die nicht in den ersten paar Monaten nach dem Trianing angewendet werden, werden vergessen.“ Diese Konzeption von Training geht davon aus, Training als Subsystem der Organisation zu sehen, das dazu beiträgt, die gesamte Organisation zu optimieren. Insofern sind Trainings in übergeordnete längerfristige Qualifizierungskonzepte zu integrieren. Sie bilden die Elemente eines Trainingssystems innerhalb eines Qualifizierungssystems. Da bei ist immer die aktive Rolle der Beteiligten im Auge zu behalten, insbesondere wenn es auf der Mikroebene darum geht, Trai ningsmethoden auszuwählen und einzusetzen. Gerade die Implementierung und Eva lua tion des Qualitätsma nage ments erfordert durchdacht geplante Trainingsmaßnahmen. So war in den Dar legungsnormen DIN EN ISO 9001, 9002, 9003 hierfür ein spezielles QMElement vorgesehen (►Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001):
4.18 Schulung – Der Lieferant muss Verfahrensanweisun gen zur Ermittlung des Schulungsbedarfs erstellen und aufrechterhalten und für die Schulung aller Mitarbeiter sorgen, die mit qualitätswirksamen Tätigkeiten betraut sind. Personal, das eine ihm speziell zugeordnete Aufgabe ausführt, muss auf der Basis einer angemessenen Ausbil dung, Schulung und/oder Erfahrung entsprechend den Forderungen qualifiziert sein. Zweckentsprechende Aufzeichnungen über Schulung müssen aufbewahrt werden.
Im ►EFQM-Modell und in der neuen QM-Norm ISO 9001:2015 ist der Bereich Training/Schulung unter dem Begriff ►Kompetenz angesprochen. Kompetenz wird auch im Stichwortartikel ►Human Resource Management behandelt. Hahn entwickelte im Anschluss an das QM-Element 4.18 bezogen auf die Designlenkung ein Trainingskonzept, das sechs Schritte vorsieht [5]: 1 2 3 4 5 6
Die Mitarbeiter einbeziehen Den Schulungsbedarf ermitteln Den Schulungsplan erstellen Den Schulungsleiter auswählen Das Schulungskonzept entwickeln Den Schulungserfolg prüfen
Dieses Phasenschema ließe sich auf das allgemeine Phasenschema Umsetzung des Lernens beziehen. Damit ist dargelegt, daß Training im Qualitätsmanagement prinzipiell nicht anders durchzuführen ist als andere Trainings in der Organisation. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Training-on-the-job Literatur
[1] Bramley, P.; Newby, Chr.: Evaluation of Training. London: Bacie 1985. – Bramley, P.: Trainingsimplementierung und -evaluation. In: Greif, S. et al. (Hrsg.): Arbeits- und Organisationspsychologie. Interna tio nales Handbuch in Schlüsselbegriffen. 3. Aufl. Beltz: Weinheim 1997, S. 446-451 [2] Greif, S.; H.-J. Kurtz: Ausbildung, Training und Qualifizierung. In: Greif, S. et al. (Hrsg.): Arbeits- und Organisationspsychologie. Interna tio nales Handbuch in Schlüsselbegriffen. 3. Aufl. Beltz: Weinheim 1997, S. 149-161 [3] Bergmann, B.: Unterweisung und Training. In: Hoyos, C. Graf; Frey, D. (Hrsg.): Arbeits- und Organisationspsychologie. Ein Lehrbuch. Weinheim: Beltz 1999, S. 584-595 [4] Bramley, P.: Trainingsimplementierung und -evaluation. In: Greif, S. et al. (Hrsg.): Arbeits- und Organisationspsychologie. Interna tio nales Handbuch in Schlüs selbegriffen. 3. Aufl. Beltz: Weinheim 1997, S. 448-449 [5] Hahn, H. P.: Betriebliche Schulung leichtgemacht. Mit QM-Elementen nach ISO 9000. München-Wien: Hanser 1998, S. 135-154
Training-into-the-job
▶Training Bestimmte Personalentwicklungsmaßnahmen, die der zukünftigen Arbeitstätigkeit vorausgehen. Sie umgreifen Maßnahmen, die in zeitlicher, z. T. auch räumlicher Entfernung, aber in weitgehend inhaltlicher Nähe auf die Übernahme einer Position bzw. den Eintritt in ein ►Team vorbereiten sollen.
Training-near-the-job
▶Training Personalentwicklungsmaßnahmen (z. B. ►Lernstatt, ►Qualitätszirkel), die in relativ enger räumlicher, zeitlicher und in haltlicher Nähe zur Position des Mitarbeiters stattfinden. Wichtigstes Prinzip ist die aktive Beteiligung aller Teilnehmer, die über möglichst gleichartige Qualifikationen und Arbeitsaufgaben verfügen sollen.
Training-off-the-job
▶Training Personalentwicklungsmaßnahmen, die nicht in der normalen Arbeits um gebung, sondern außerhalb des Tätigkeits feldes, nach Möglichkeit auch außerhalb der Organisation, ausgeführt werden; sie finden zweckmäßigerweise sowohl in räumlicher wie auch in zeitlicher und inhaltlicher Distanz zur Position des Mitarbeiters und in Abstraktion von den Alltagsproblemen der Organisation statt. Oft handelt es sich um Seminarformen im Gruppenzusammehang. Damit ist das Problem des Lerntransfers aufgeworfen: Wie sind die im Lernfeld neu erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten, Einsich ten und Einstellungen auf das konkrete Tätigkeitsfeld umzusetzen (►Training)?
Training-on-the-job Personalentwicklungsmaßnahme, die unmitt elbar am Arbeitsplatz während oder neben der Arbeitsverrichtung statt-
1169
T
TRIZ
Treiber findet, z. B. in Form eines Trainee-Programms, als Orientie rungstrainings, ►Job Rotation oder Projektarbeit. Im Training on-the-job soll der Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, seine im ►Training off-the-job erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen in der realen Arbeitssituation bei der Handhabung und Bewältigung relativ komplexer Arbeitsauf gaben sowie bei der Lösung konkreter Probleme – häufig unter Termindruck – zu ordnen, zu vernetzen und anzuwenden (Learning by doing).
Train-the-Trainer-Konzept
▶Training ▶Implementierung Um Qualitätsmanagement erfolgreich einzuführen, ist die Vermittlung des zugrundeliegenden Wissens und das Einbeziehen aller Mitarbeiter erforderlich. Ziel eines Train-theTrainer-Konzeptes ist, die Vorgesetzten aktiv in den Prozess der Wissensvermittlung und -umsetzung einzubeziehen, um eine höhere Akzeptanz bei den Mitarbeitern und den Vorgesetzten selbst zu erreichen. Die Identifikation der Führungskräfte mit qualitätsbezogenen Fragestellungen erhöht sich dabei durch die Teilnahme an einem Seminar als Schüler und die zur Durchführung der Schulung als Lehrer unbedingt erforderliche intensive Beschäftigung mit dem Thema. Relevante Inhalte müssen ausgehend vom Top-Management kaskadenförmig und alle Unternehmensbereiche einschließend bis zur operativen Ebene vermittelt werden.
Transnationale Unternehmen ▶en: transnational corporations ▶TNC ▶Globalisierung
Treiber
▶en: driver Der Begriff Treiber wird allgemein für Software benutzt, die eine Schnittstelle zu einem anderen Computer-System realisiert (z. B. Gerätetreiber, wie Druckertreiber). Im Managementbereich wird unter Treiber eine Größe verstanden, die eine „Hebelwirkung“ auf eine Zielgröße besitzt. Im Qualitätsmanagement wird auch von Q-Treibern gesprochen, also solche Größen, die auf diejenigen Merkmale und Prozesse einwirken, die die Qualität beeinflussen oder im positiven Sinn fördern. ▶en: Theory of inventive problem solving ▶de: Theorie des erfinderischen Problemlösens
TRIZ ist die Abkürzung einer kyrillischen Bezeichnung, die sich englisch als „theory of inventive problem solving“ oder deutsch als „Theorie des erfinderischen Problem lö sens“ übersetzen läßt. Die TRIZ-Methode wird mit dem Namen Altschuller personifiziert [1, 2]: der Patentexperte der russischen Marine stellte schon in den 50er Jahren die Hypothe-
1170
Altschuller analysierte zusammen mit seinen Schülern bis heute 2,5 Millionen internationale Patente, um diese Hypo these zu untermauern und fand in der Tat Regeln, die die TRIZ-Methode in ihrer heutigen Form darstellen. In der Summe stellt die TRIZ-Methodik eine griffige und überzeu gende Sammlung von Vorgehensweisen zur Verfügung, die es gestatten, gezielt, systematisch und schneller zu neuen Ideen zu gelangen. Literatur
[1] Altshuller, G.S.: Creativity as an Exact Science. Gordon and Breach Science Publishers, 1984 (engl. translation by Anthony Williams) [2] Altshuller, G.: And Suddenly the Inventor Appeared.Technical Innovation Center Inc., Worchester, MA, USA, 1996 (engl. translation by Lev Shulyak) [3] Herb, R. (Herausgeber und Übersetzer der deutschen Ausgabe): Terninko, J.; Zusman, A.; Zlotin, B.: TRIZ, der Weg zum konkurrenzlosen Erfolgsprodukt. Ideen produzieren – Nischen besetzen – Märkte gewinnen. Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech, 1998
TS
▶Technische Spezifikation
TTFF
▶Time To First Failure TTFF ist definiert als die Betriebsdauer bis zum ersten Ausfall
Tuckman, Bruce Wayne
▶Team ▶Teilautonome Arbeitsgruppen ▶Gruppenarbeit Ausgangssituation: Arbeitsorganisatorische Maßnahmen sind heute undenkbar ohne Teamarbeit, die seit den 1970er Jahren zunächst in den USA, dann auch in Westeuropa in beruflichen Zusammenhängen der Wirtschaft verstärkt gefordert und gefördert wird, um die Produktivität zu steigern und die vermeintlich negativen Entwicklungen der Arbeitsteilung zu kompensieren. Lange Zeit gab es keine sozialpsychologischen Modellvorstellungen zur Frage, wie Teams gebildet und entwickelt werden können. Dabei sind unter Teamentwicklung die Phasen und Strukturen der Zusammensetzung von kleinen Gruppen zu verstehen, die unmittelbar miteinander in Kontakt treten um ein gemeinsames Ziel innerhalb der Arbeitsorganisation zu erreichen. Es war Bruce Wayne Tuckman (*1938), ein US-amerikanischer Psychologe, Organisationsforscher, -berater und
Begriff
T
TRIZ
se auf, daß Erfindungen und Ideen nicht vom Himmel fallen, sondern in einem Prozess entstehen, der bestimmten Gesetz mäßigkeiten folgt. Manche Menschen – geniale Erfinder und Künstler – sind unbewusst in der Anwendung dieser Prinzipien besser, andere eher nicht.
Amerikanischer Organisationspsychologe
Tuckman, Bruce Wayne
Typprüfung
inzwischen emeritierter Hochschullehrer an der Ohio State University, der 1965 ein viel beachtetes und griffiges Phasenmodell für die Teamentwicklung vogelegt hat [1]. Das Modell beschreibt, wie in vier aufeinander folgenden Entwicklungsphasen Menschen zu einem Team zusammenfinden können. Diese zyklischen Phasen nannte Tuckman „forming, storming, norming, und performing“. Im Jahr 1977 haben Tuckman & Jensen das Modell um eine fünfte Phase (adjourning) erweitert [2], da sie zu der Einsicht gelangt sind, dass sich Gruppen auch auflösen können, wenn sie ihr Ziel erreicht haben. Das ist z. B. der Fall bei Projektgruppen. Abbildung T26 zeigt das Modell mit der erweiterten Phase. Es ist wie folgt zu lesen: Abb. T26: Tuckman‘s Phasenmodell der Teamentwicklung
Forming
4 Performing – in dieser Phase gelingt es dem Team ein Höchstmaß an Leistung und Nutzung der Fähigkeiten aller zu erreichen. Eine Rückkehr zur Forming-Phase wird oft erfolgen, da sich bedingt durch Wandlungsprozesse (Person/Umwelt) neue Unsicherheiten ergeben 5 Adjourning – diese Auflösungsphase erreichen nur Teams, die sich wieder auflösen. Das ist bei Projekteams der Fall (Task Forces). Es ist natürlich möglich, dass sie wieder in die Formingphase gelangen, sich also neu bilden. Tuckmans Phasenmodell suggeriert einen Automatismus, der sich hinter der eingängigen Phaseneinteilung verbirgt. In der Tat handelt es sich um eine grob vereinfachende Beschreibung eines äußerst komplexen Phänomens. Sein Modell ist folglich in der Praxis vielfach variiert worden. Teamentwicklung ist immer das Ergebnis intensiver Arbeit durch die Teammitglieder. Die wesentlichen Einflussfaktoren sind Führungsperson, Mitarbeiter, Aufgabe und Umwelt. Es gibt natürlich auch Gruppen, die nicht über die ersten Phasen hinauskommen und somit nie das Stadium der Arbeitsphase (Phase 3) erreichen, also nie effektiv zusammenarbeiten können. Tuckman hat mit seinem Modell den „Stein der Teamentwicklung ins Rollen gebracht“. Sein Modell ist unhintergehbar für das Verständnis und die Praxis der Teamentwicklung. Inzwischen existieren weitere Modelle [3] und die Ausbildung von „Team-Moderatoren“ ist sehr weit fortgeschritten. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Literatur Storming Adjourning
Norming Performing
[1] Tuckman, B. W.: Developmental sequence in small groups, Psychological Bulletin, 63, 1965, S. 384-399 [2] Tuckman, B. W. and Jensen, M. A. Jensen: Stages of small-group development revisited, Group Org. Studies 2. 1977 [3] Van Dick, R. und West, M. A. (2005): Teamwork, Teamdiagnose, Teamentwicklung, 2. Auflage, Göttingen (Hogrefe) 2013
Typprüfung Eignungsprüfung, die an einem Produkt durchgeführt wird. Normquelle: Nach DIN 55350-17
1 Forming – die Einstiegs- und Findungsphase, in der die Teammitglieder zum ersten Mal zusammentreffen. Diese Phase ist vor allem durch Unsicherheit geprägt 2 Storming – in dieser Phase kommt es wegen Unklarheiten in der Rollen- und Aufgabenfindung zu Konflikten 3 Norming – in dieser Phase gelingt es die Regeln festzulegen und die Rollen zu definieren. Das Team wird zum Team, es wächst zusammen und ist „arbeitsfähig“
T
••• ⨀⨀⨀ •••
1171
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe U
U Unternehmenskultur
Sonja A. Sackmann
Umweltmanagmentsysteme nach ISO 14001
Bernhard Schwager
U
Übergangsfristen – Umstellungsregelung IAF
▶IAF ▶Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 ▶Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001
Übergangsfristen, die vorschreiben, ab wann eine neue Normversion gültig sein wird, werden vom ►IAF (International Accreditation Forum) festgelegt. Derzeit steht die Umstellung nach ISO 9001:2015 und ISO 14001:2015 an. Maßgeblich für die Berechnung der Fristen ist die Veröffentlichung der neuen Normen in den jeweligen Landessprachen.
Was ist zu tun in der Organisation zu tun? Es empfielt sich, folgende Maßnahmen zu ergreifen: ◼ ◼ ◼ ◼
Mit der Zertifizierungsstelle den Übergang planen. Den Bedarf an Änderungen ermitteln. Einen Massnahmeplan (Umstellungsplan) erstellen. Trainings durchführen und das Bewusstsein fördern, bei allen Parteien, die am Resultat der Organisation beteiligt sind. ◼ Das QM-System erweitern. Der Wechsel zu ISO 9001:2015 ist durch eine ►Re-Zertifizierung eines ►Überwachungsaudits oder durch ein zusätzliches Audit möglich. Um die Konformität gegenüber ISO 9001:2015 festzustellen, muss zusätzliche Auditzeit zur Verfügung gestellt werden. Die Auditzeit wird in diesen Fällen entsprechend dem zusätzlichen Aufwand angepasst. Darüber hinaus ist die Umstellung in Abstimmung mit der Zertifzierungsgesellschaft auch durch ein Umstellungs-/Sonderaudit möglich.
Übergeordnete Produktkategorien ▶Produkt
Übersichtsdiagramm
▶en: overview diagram Darstellung der Start- und Endpunkte eines Prozesses. Ein solches Diagramm konzentriert sich auf die oberste Ebene der Prozessdarstellung.
▶en: monitoring ►Bestimmung des Zustands eines ►Systems, eines ►Prozesses, eines ►Produkts, einer ►Dienstleistung oder einer Tätigkeit
Anmerkung 1 zum Begriff: Bei der Bestimmung des Zustands kann es erforderlich sein, zu prüfen, zu beaufsichtigen oder kritisch zu beobachten. Anmerkung 2 zum Begriff: Überwachung ist üblicherweise eine Bestimmung des Zustands eines ►Objekts, die in verschiedenen Stufen oder zu verschiedenen Zeiten durchgeführt wird. Anmerkung 3 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition sowie Anmerkung 1 zum Begriff wurden geändert und Anmerkung 2 zum Begriff wurde hinzugefügt. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Überwachungsaudit
▶en: surveillance audit Audit, das vorwiegend jährlich durch die Zertifizierungsgesellschaft durchgeführt wird, um das QM-System der Organisation zu überwachen. Regelmäßige Überwachungsaudits sind die Voraussetzung dafür, dass das Zertifikat während der Laufzeit seine Gültigkeit behält. Diese Audits haben meist einen geringeren Umfang als das Zertifizierungsaudit.
Begriff
Ca. 1,1 Mio. Organisationen sind derzeit nach ISO 9001:2008 zertifiziert. Für diese und die Umstellung nach ISO 14001:2015 gilt es folgendes zu beachten: Nach der Guideline des IAF wird jede Zertifizierung drei Jahre nach der Veröffentlichung der ISO 9001:2015 (Deutschfassung: 15. November 2018) für bestehende Zertifzierungen nach ISO 9001:2008 nicht mehr gültig sein. Die Veröffentlichung der ISO 9001:2015 erfolgte in englischer Sprache im September 2015. Die Übergangsfrist läuft somit im November 2018 ab (s. a. Abbildung U02 im Stichwort ►Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001).
Überwachung
ISO-TERM
Übergangsfristen – Umstellungsregelung IAF
Überwachungsaudit
Umfassendes Qualitätsmanagement ▶Total Quality Management (TQM)
Umfrage
▶Mitarbeiterbefragung im Qualitätsmanagement
UMS
▶Umweltmanagementsystem (UMS)
Umweltmanagement
▶ Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Umweltmanagementsystem (UMS)
▶Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001 Der Teil des Managementsystems, dem die Umsetzung der betrieblichen Umweltpolitik obliegt, welche heute großteils nationalen, europäischen oder internationalen Gesetzen und Richtlinien zu folgen hat. Basis sind anleitende Normen wie etwa die Umweltmanagementnorm ISO 14001. Diese enthalten Forderungen, wie die schriftliche Festlegung einer betrieblichen Umweltpolitik (darin muss die Einhaltung von Forderungen des Umweltrechts enthalten sein) und die Angabe von Verantwortlichen für umweltrelevante Aufgaben. Viele Organisationen lassen ihr UMS von externen Gutachtern zertifizieren, um in der Öffentlichkeit und bei Kunden ihre ökologische Glaubwürdigkeit zu erhöhen.
1175
U
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001
2 Wie kam es zu internationalen Umweltmanagement Normen? Die Initiative dazu ergriff der „Business Council for Sustainable Development“ (BCSD), eine internationale Gruppe von Führungspersönlichkeiten aus Industrie und Handel. Er erreichte 1992, dass die beiden internationalen Normungsorganisationen ISO (International Organization for Standardization) und IEC (International Electrotechnical Commission) eine gemeinsame „Strategic Advisory Group on Environment“ gründeten (SAGE), die den künftigen Bedarf für eine produkt-, fachgebiets- und branchenübergreifende internationale Umweltschutz-Normung ermittelte. Im Vordergrund der Diskussion bezüglich erforderlicher internationaler Normen standen die Themen Umweltmanagement und Umweltaudits. Darüber hinaus wurden auch die Themen umweltschutzbezogene Leistungsfähigkeit einer Organisation, umweltschutzbezogene Produktkennzeichnung und Ökobilanz (life-cycle-assessment) als relevant eingestuft. Ergebnis dieser Diskussion waren folgende SAGE-Empfehlungen:
▶ environmental management systems according to ISO 14001 ▶ UM-System ▶ Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement ▶ Nachhaltigkeit ▶ High Level Structure
1 Wie ist das Umweltmanagement entstanden? In den 1960er und 1970er Jahren stieg das Bewusstsein, dass die Ursachen ökologischer Probleme in menschlichen Aktivitäten begründet liegen. In der Bundesrepublik Deutschland startete man 1969 mit einer Abteilung Umweltschutz im Bundesinnenministerium. Vor dem Hintergrund einer teilweise katastrophalen Umweltsituation wurde das erste deutsche Umweltprogramm 1971 verabschiedet. Der Start der internationalen Umweltpolitik geht auf die UN-Weltkonferenz im Jahr 1972 in Stockholm zurück. In Folge dieser Konferenz wurde im gleichen Jahr durch die UN-Vollversammlung das UN-Umweltprogramm (United Nations Environment Programme – UNEP) verabschiedet. Ebenfalls zu nennen ist in diesem Zusammenhang der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome aus dem Jahr 1972 [1], in dem erstmals auf die Erschöpfung der Ressourcen, d. h. der Versorgungsfunktion der natürlichen Umwelt hingewiesen wurde. In der Vollversammlung der UN wurde 1983 die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development – WCED) gegründet, die als unabhängige Sachverständigenkommission 1987 den Abschlussbericht „Our Common Future“ mit Möglichkeiten zum Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung vorlegte.
U
Dieser Bericht, der als „Brundtlandbericht“ [2] bekannt wurde, war der Anstoß für die Entwicklung von Umweltmanagementsystemen. Er forderte als Globalziel die nachhaltige, d. h. eine dauerhaft umweltverträgliche Weiterentwicklung aller menschlichen Tätigkeiten – Sustainable Development. Alle folgenden internationalen Umweltabkommen griffen das Konzept der intergenerativen ökologischen Gerechtigkeit als Bestandteil ihrer Regelungen auf. Diesem Trend schloss sich auch die Internationale Handelskammer (ICC) als Vertreter der Wirtschaft an und verabschiedete im Jahr 1991 die „Business Charter for Sustainable Development“. Eine starke Unterstützung erfuhr diese Zielsetzung auch anlässlich des Umweltgipfels 1992 in Rio de Janeiro, an der rund 10.000 Delegierte aus 178 Staaten teilnahmen. Hier wurde das Aktionsprogramm „Agenda 21“ verabschiedet, nach dem die Entwicklung in das 21. Jahrhundert auf zugleich ökologische, soziale und ökonomisch berücksichtigende Weichen gestellt werden soll. Mit Wirkung vom 29.06.1993 verabschiedete der Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) die Verordnung Nr. 1836/93 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, die bis heute mehrfach überarbeitet wurde (Eco- Management and Audit Scheme – EMAS) [3].
1176
◼ Erstellung von internationalen Normen zu allen genannten Themen, ◼ Harmonisierung der bereits bestehenden technischen, umweltschutzbezogenen Normen, ◼ Erstellung von Leitfäden für die Anwendung der bestehenden und der entstehenden Normen. Anschließend wurde von ISO eine Umfrage bei den nationalen Mitgliedsorganisationen gestartet, ob ein neues umweltschutzbezogenes Technisches Komitee (Technical committee – TC) eingerichtet werden soll. Die überwiegend positive Antwort führte Ende 1992 zur Gründung des ISO/ TC 207 „Environmental Management“ mit nachfolgenden Unterkomitees (SCs): ◼ SC1: Environmental Management Systems ◼ SC2: Environmental Auditing and related environmental investigations ◼ SC3: Environmental Labelling ◼ SC4: Environmental Performance Evaluation ◼ SC5: Life Cycle Assessment ◼ SC7: Greenhouse Gas Management and related activities Kurz darauf wurden auch bei den meisten Mitgliedsländern umweltschutzbezogene Normenausschüsse gegründet. Ihre Funktion ist die Spiegelung zur internationalen Normung des ISO/TC 207 auf nationaler Ebene (►Spiegelausschuss). Bei DIN entstand im Frühjahr 1993 der „Normenausschuss Grundlagen des Umweltschutzes“ (NAGUS). Im dazugehörigen Lenkungsgremium (NAGUS Beirat) sind als beteiligte Kreise neben der Wirtschaft auch Wissenschaft und Forschung, die öffentliche Hand, regelsetzende Institutionen, Verbraucher- und Umweltverbände sowie Gewerkschaften vertreten.
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001 3 Welche internationalen umweltschutzbezogenen Normen liegen vor? Bis 2014 wurden folgende Ergebnisse der Internationalen Normungsarbeit vorgelegt: Umweltmanagementsystem ◼ ISO 14001:2015 – Norm – Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung ◼ ISO:14001 – Technical Corrigendum 1:2009 – Norm – Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung; Korrektur 1 ◼ ISO 14004:2016 – Norm – Umweltmanagementsysteme – Allgemeiner Leitfaden über Grundsätze, Systeme und unterstützende Methoden ◼ ISO 14005:2010 – Norm – Umweltmanagementsysteme – Anleitung für eine phasenweise Einführung eines Umweltmanagementsystems – Unter Einbeziehung der Umweltleistungsbewertung ◼ ISO 14006:2011 – Norm – Umweltmanagementsysteme – Leitlinien zur Berücksichtigung umweltverträglicher Produktgestaltung ◼ ISO 14015:2010 – Norm – Umweltmanagement – Umweltbewertung von Standorten und Organisationen ◼ ISO/TR 14062:2003 – Norm – Umweltmanagement – Integration von Umweltaspekten in Produktdesign und -entwicklung Umweltkennzeichnung ◼ ISO 14020:2002 – Norm – Umweltkennzeichnungen und -deklarationen – Allgemeine Grundsätze ◼ ISO 14021:2012 – Norm – Umweltkennzeichnungen und -deklarationen – Selbstdeklarierte Umweltaussagen (Umweltbezogene Kennzeichnung vom Typ II) ◼ ISO 14021 AMD 1:2011 – Norm Umweltkennzeichnungen und -deklarationen – Umweltbezogene Anbietererklärungen (Umweltkennzeichnung Typ II); Änderung 1 ◼ ISO 14024:2001 – Norm Umweltkennzeichnungen und -deklarationen – Umweltbezogene Kennzeichnung vom Typ I – Grundlagen und Verfahren ◼ ISO 14025:2011 – Norm – Umweltkennzeichnungen und -deklarationen – Typ III Umweltdeklarationen – Grundsätze und Verfahren Umweltleistungsbewertung ◼ ISO 14031:2013 – Norm – Umweltmanagement – Umweltleistungsbewertung – Leitlinien ◼ ISO/TS 14033:2012 – ►Technische Spezifikation – Umweltmanagement – Quantitative Umweltinformation – Leitlinien und Beispiele Ökobilanz ◼ ISO 14040:2009 – Norm – Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen ◼ ISO 14044:2006 – Norm – Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen ◼ ISO 14045:2012 – Norm – Umweltmanagement – Ökoeffizienzbewertung von Produktsystemen – Prinzipien, Anforderungen und Leitlinien
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001 ◼ ISO 14046:2014 – Norm – Umweltmanagement – Wasser-Fußabdruck – Grundsätze, Anforderungen und Leitlinien ◼ ISO/TR 14047:2012 – Technischer Bericht – Umweltmanagement – Ökobilanz – Beispiele zur Anwendung von ISO 14044 zur Wirkungsabschätzung ◼ ISO/TS 14048:2002 – Technische Spezifikation* – Umweltmanagement – Ökobilanz – Datendokumentationsformat ◼ ISO/TR 14049:2012 – Norm – Umweltmanagement – Ökobilanz – Beispiele zur Anwendung von ISO 14044:2006 zur Festlegung des Ziels und des Untersuchungsrahmens sowie zur Sachbilanz ◼ ISO/TS 14071:2014 – ►Technische Spezifikation – Umweltmanagement – Ökobilanz – Prozesse der Kritischen Prüfung und Kompetenzen der Prüfer: Zusätzliche Anforderungen und Anleitungen zu ISO 14044:2006 Definitionen ◼ ISO 14050:2010 – Norm – Umweltmanagement – Begriffe Materialflusskostenrechnung ◼ ISO 14051:2011 – Norm – Umweltmanagement – Materialflusskostenrechnung – Allgemeine Rahmenbedingungen Umweltkommunikation ◼ ISO 14063:2010 – Norm – Umweltmanagement – Umweltkommunikation – Anleitungen und Beispiele Treibhausgasmanagement ◼ ISO 14064-1:2012 – Norm – Treibhausgase – Teil 1: Grundlagen und Anforderungen zu Quantifizierung, Monitoring und Berichterstattung von Treibhausgas Emissionen und Senken auf Unternehmensebene ◼ ISO 14064-2:2012 – Norm – Treibhausgase – Teil 2: Grundlagen und Anforderungen zu Quantifizierung, Monitoring und Berichterstattung von Treibhausgas Emissionen und Senken auf Projektebene ◼ ISO 14064-3:2012 – Norm – Treibhausgase – Teil 3: Grundlagen und Anforderungen für Validierung, Verifizierung und Zertifizierung ◼ ISO 14065:2013 – Norm – Treibhausgase – Anforderungen an Validierungs- und Verifizierungsstellen für Treibhausgase zur Anwendung bei der Akkreditierung oder anderen Formen der Anerkennung ◼ ISO 14066:2011 – Norm – Treibhausgase – Kompetenzanforderungen für Validierungs- und Verifizierungsteams von Treibhausgasen ◼ ISO/TS 14067:2014 – ►Technische Spezifikation – Treibhausgase – Carbon Footprint von Produkten – Anforderungen an und Leitlinien für quantitative Bestimmung und Kommunikation ◼ ISO/TR 14069:2013 – ►Technischer Bericht – Treibhausgase – Quantifizierung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen für Organisationen – Leitfaden für die Anwendung der ISO 14064-1
1177
U
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001 Um soziale Aspekte der ►Nachhaltigkeit in das Management einzubeziehen, werden in jüngerer Zeit auch ►Social Audits durchgeführt. Mit der SA 8000 [4] steht dafür seit 1997 ein Standard zur Verfügung, nach dem sich Unternehmen ebenfalls zertifizieren lassen können. Alle genannten Normen haben privat-rechtlichen Charakter. Das heißt, sie sind eine freiwillige Übereinkunft der beteiligten Kreise. Ihre Befolgung ist nicht zwingend, denn sie beschreiben nur die Regeln, die sich aus der Praxis heraus als sinnvoll erwiesen haben. Bereits 1993 veröffentlichte ►BSI (British Standards Institution) den Entwurf für die britische Norm BS 7750 „Specification for Environmental Management Systems“. Sie hatte großen Einfluss auf die ersten Vorlagen für die internationale Norm zum Thema Umweltmanagementsystem.
Begriff
4 Was ist ein Umweltmanagementsystem? Unter einem System versteht man ganz allgemein zusammengehörige oder zusammenwirkende Elemente, die als Ganzes eine Einheit bilden. Andererseits fasst das international gebräuchliche Wort Management im obigen Fall koordinierte Tätigkeiten zur Erreichung von Zielen zusammen. Beim Begriff ►Managementsystem handelt es sich um die übliche Technik zur Steuerung komplexer Abläufe mit den Hauptelementen Planung, Durchführung, Kontrolle und Verbesserung. Dieser Satz zusammenhängender und sich gegenseitig beeinflussender Elemente einer Organisation dient dazu, Politiken, Ziele und Prozesse festzulegen. Ein Managementsystem kann eine oder mehrere Disziplinen behandeln: z. B. Qualität, Umwelt, betriebliche Gesundheit oder Sicherheit. Die Elemente des Systems beinhalten die Struktur der Organisation, Rollen und Verantwortlichkeiten, Planung und Betrieb sowie Leistungsbewertung und Verbesserung.
U
Ein umweltschutzbezogenes, d. h. die Erfüllung von Umweltschutzforderungen bezweckendes ►Managementsystem, nennt man Umweltmanagementsystem. Dieser Teil des Managementsystems dient dazu, Umweltaspekte zu handhaben, Konformitätspflichten zu erfüllen sowie Risiken und Chancen zu berücksichtigen. Es ist ein Instrument, um die umweltbezogenen Aufgaben im Unternehmen geeignet und verlässlich zu delegieren. Für eine stets fachgerechte Benennung wurde zudem die Abkürzung „UM-“ festgelegt, so dass man üblicherweise von einem „UM-System“, von einem „UM-Handbuch“ usw. spricht. 5 Welche Zielsetzungen verfolgt ein Umweltmanagementsystem? Den Einklang zwischen ökologischen, sozialen und ökonomischen Teilsystemen innerhalb des Gesamtsystems zu erreichen ist unerlässlich, um die Bedürfnisse der Gegenwart zu decken, ohne dabei die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zur Deckung ihrer Bedürfnisse zu beeinträchtigen. Dieses Konzept der „drei Säulen“ der ►Nachhaltigkeit ist das Ziel nachhaltiger Entwicklung. Gesellschaftliche Erwartungen in Bezug auf nachhaltige Entwicklung, Transparenz und Rechenschaftspflicht haben sich angesichts einer zunehmend
1178
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001 strengeren Gesetzgebung, wachsendem Druck auf die Umwelt durch Umweltbelastung, ineffizienter Nutzung von Ressourcen, Abfallmanagement, Klimawandel und Beeinträchtigung von Ökosystemen und Biodiversität entwickelt. Dies führte dazu, dass Organisationen durch die Verwirklichung von Umweltmanagementsystemen einen systematischen Ansatz beim Umweltmanagement übernahmen, mit dem Ziel, zur „ökologischen Säule“ der Nachhaltigkeit beizutragen. Die beabsichtigten Ergebnisse eines Umweltmanagementsystems bieten einen Mehrwert für die Umwelt, die Organisation und ihre interessierten Parteien. In Übereinstimmung mit der Umweltpolitik der Organisation, schließen die beabsichtigten Ergebnisse eines Umweltmanagementsystems folgendes ein: ◼ Verbesserung der Umweltleistung. ◼ Identifizieren von Aspekten ihrer Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen, die zu erheblichen Umweltauswirkungen führen können. ◼ Schutz der Umwelt durch Verhindern oder Reduzierung nachteiliger Auswirkungen auf die Umwelt. ◼ Einführen systematischer Prozesse, die ihren Kontext einbeziehen und ihre bedeutenden Umweltaspekte, Risiken und Chancen sowie ihre Konformitätspflichten berücksichtigen. ◼ Kontrolle oder Einfluss auf die Art und Weise, wie die Produkte und Dienstleistungen der Organisation entwickelt, produziert, vertrieben, konsumiert und entsorgt werden. Dabei ist der gesamte Lebensweg zu berücksichtigen. ◼ Minderung der möglichen nachteiligen Auswirkung von Umweltbedingungen auf die Organisation. ◼ Kommunikation von Umweltinformationen gegenüber relevanten interessierten Parteien und der Öffentlichkeit über Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes. ◼ Einbeziehung der Arbeitnehmer. 6 Was ist der wesentliche Inhalt einer Umwelt managementsystem-Norm? Umweltmanagement ist in der Normenwelt auf verschiedene Einzelnormen verteilt, von denen die ISO 14001 eindeutig die wichtigste ist und somit als Leitnorm im Umweltbereich betrachtet werden kann. Sie legt Forderungen an ein Umweltmanagementsystem fest, die es einer Organisation ermöglichen, eine Umweltpolitik und entsprechende Zielsetzungen unter Berücksichtigung von rechtlichen Vorgaben und bedeutenden Umweltauswirkungen zu formulieren. Sie gilt dabei für jene umweltbezogenen Aspekte, welche die Organisation überwachen kann und bei denen eine Einflussnahme möglich erscheint – ohne spezifische Kriterien für umweltorientierte Leistungen festzulegen. Eine stete Herausforderung bei der Überarbeitung existenter und der Erstellung neuer Managementsystemnormen ist deren Einbettung in die von ISO vorgegebene Grundstruktur für Managementsystemnormen (►High-Level-Structure – HLS). Diese Struktur aus dem Jahr 2012 definiert unter
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001 anderem harmonisierte Begriffe und Textbausteine für alle Managementsystemnormen und gibt somit verbindlich einen festen Rahmen vor, der zwar bedarfsweise erweitert, jedoch nicht in seiner Grundkonzeption geändert werden darf. Die ►High-Level-Structure findet sich in einem Extra-Stichwortartikel. Die ISO 14001 ist auf alle Organisationen anwendbar, die folgendes anstreben: ◼ Implementierung, Aufrechterhaltung und Verbesserung eines Umweltmanagementsystems. ◼ Sicherstellung der Konformität mit der selbsterklärten Umweltpolitik und Nachweis dieser Konformität gegenüber Dritten. ◼ Zertifizierung des Umweltmanagementsystems durch eine externe Organisation. ◼ Selbstermittlung und Selbsterklärung der Konformität mit dieser internationalen Norm. Die Erläuterungsnorm ISO 14004 liefert – basierend auf der ISO 14001 – einen Leitfaden zur Entwicklung und Implementierung von Umweltmanagementsystemen und -grundsätzen und deren Abstimmung mit anderen Managementsystemen. Sie beschreibt die Elemente eines Umweltmanagementsystems und unterstützt Organisationen mit Anleitungen, wie ein Umweltmanagementsystem einzuführen, zu verwirklichen, aufrechtzuerhalten und zu verbessern ist. Sie ist auch für den Gebrauch als ein freiwilliges, internes Managementinstrument gedacht, nicht aber als „Zertifizierungs- oder Registrierungskriterium“. 7 Revision der ISO 14001 Im Februar 2012 startete ISO den Revisionsprozess zur ISO 14001 „Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung“ [5], denn mittlerweile war diese Internationale Norm 20 Jahre alt. Rund 300.000 Organisationen aller Art, wie kleine und mittlere Unternehmen, bis hin zu großen Industriekonzernen, Behörden oder öffentlichen Einrichtungen, warteten auf eine zukunftsweisende Überarbeitung der Norm. Allein in Deutschland gibt es über 7.000 Organisationen mit einem zertifizierten ISO-14001-Umweltmanagementsystem [6]. Die Revision zielte darauf ab, das Umweltmanagement verstärkt in die ►Geschäftsprozesse einer Organisation zu integrieren und deren vorhandene Potenziale zu heben. Dabei lag der Revisionsfokus auf folgenden Themen: ◼ Einbezug aktueller und künftiger Umwelt- und Geschäftsbelange zur Unterstützung der strategischen Ausrichtung einer Organisation. ◼ Stakeholderorientierung durch Ermittlung und Berücksichtigung von Anforderungen interessierter Parteien, wobei diese auch Behörden und regelsetzende Institutionen mit einschließen. ◼ Fokussierung auf Einhaltung zutreffender Rechtsgrundlagen und Selbstverpflichtungen, sogenannter bindender
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001
◼
◼ ◼
◼ ◼ ◼
Verpflichtungen einer Organisation (s. Begriff ►bindende Verpflichtung). Risikoermittlung hinsichtlich Gefahren und Chancen im Zusammenhang mit signifikanten Umweltaspekten und anwendbaren bindenden Verpflichtungen (s. Begriff ►Risiko). Gezielte Messung der Umweltleistung bezüglich der Umweltziele anhand von festzulegenden Leistungsindikatoren. Integration des Lebensweggedankens von der Produktentwicklung bis hin zum Ende des Produktlebens sowie bei Lieferketten und ausgelagerten Prozessen (s. Begriff ►Lebensweg). Stärkung der internen und externen Kommunikation. Akzeptanz und Anwendungsmöglichkeit für kleine und mittlere Unternehmen durch eine schlankere Dokumentation des Umweltmanagementsystems. Verbindung beziehungsweise Integration paralleler und ergänzender Managementsysteme durch die gemeinsame ISO-Grundstruktur für Managementsystemnormen.
Abbildung U01 zeigt wie das Modell des Umweltmanagementsystems der ISO 14001:2015 in den ►PDCA-Zyklus eingebettet ist. Ins Zentrum gerückt wurde die Verantwortung der obersten Leitung (►Führung im Qualitätsmanagement). Wichtig für die reibungslose Nutzung der verschiedenen Managementsysteme in den Organisationen ist, dass die derzeit in Er- beziehungsweise Überarbeitung befindlichen Normen ►ISO 45001 „Arbeitsschutzmanagementsysteme – Anforderungen“, ►ISO 19600 „Compliance Managementsysteme – Leitfaden“ und ►ISO 9001 „Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen“ mit der ISO 14001 noch über diese Struktur hinaus harmonisiert sind. Nur so kann den Anwendern die Implementierung unterschiedlicher Managementsysteme so einfach wie möglich gemacht werden und damit zu einer hohen Akzeptanz führen. 8 Zukünftige Anforderungen der ISO 14001 Mit der Novellierung der ISO 14001 wird sich die Perspektive von Umweltaspekten erweitern. War in der Vergangenheit der vorherrschende Blick auf Umweltaspekte gerichtet, die von der Organisation auf die Umwelt einwirken, so spielt nun auch die entgegengesetzte Betrachtung eine Rolle. Damit wird relevant, inwiefern die Umwelt Auswirkungen auf die Organisation selbst haben kann und wie die Organisation diesen Auswirkungen, beispielsweise möglichen Überschwemmungen und Erdbeben begegnet. Unter dem Stichwort „die Umwelt schützen“ werden auch die Erwartungen auf Organisationen um proaktive Initiativen erweitert; dazu zählen nachhaltige Ressourcennutzung, Klimaschutz und Anpassung sowie Schutz der biologischen Vielfalt. Neu ist auch eine Verschiebung der Schwerpunkte im Hinblick auf die fortlaufende Verbesserung, und zwar von der Verbesserung des Managementsystems hin zur Verbesserung der
1179
U
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001
Verbesserung des Umweltmanagementsystems und der Umweltleistung Erfordernisse und zu generieren. Die Entscheidung für Erwartungen eine externe Kommunikation liegt Kontext der Organisation der interessierten aber immer noch bei der Organisation Parteien selbst. Auch nimmt die revidierte FasAnwendungsbereich des Umweltmanagementsystems sung der Norm die oberste Führung der Organisation stärker in die Pflicht und zeigt klar auf, welche ihrer Anforderungen delegiert werden dürfen und welche bei der obersten Führung Planung selbst verbleiben müssen. Durch die technische Entwicklung von Computer- und Cloud-basierten Systemen zur Ausführung von Managementsystemen beinhaltet die Überarbeitung der Unterstützung Führung Verbesserung Norm den Begriff ►Dokumentierte und Betrieb Informationen statt „Dokumente“ oder „Aufzeichnungen“. Dies bedeutet, dass Informationen elektronisch vorhanden sein müssen, man sie aber nicht Bewertung mehr zwingend ausdrucken muss, um der Leistung sie körperlich in die Hand nehmen zu können.
Abb. U01: Modell des Umweltmanagementsystems nach ISO 14001:2015 Interne und externe Themen
P
A
D
C
Beabsichtigte Ergebnisse des Umweltmanagementsystems Quelle: ISO 14001:2015
Umweltleistung durch ein effektives System. Dies soll stärker als bisher dazu führen, dass zum Beispiel Emissionen, Abwasser und Abfall auf ein von der Organisation festgelegtes Niveau reduziert werden. Erfasst ist auch, dass eine Organisation durch ihr Handeln positive Auswirkungen auf die Umwelt haben kann. Neben der bisherigen Anforderung, Umweltaspekte von Prozessen vor Ort und den hergestellten Gütern sowie bereitgestellten Dienstleistungen zu betrachten, sollen Organisationen ihre Kontrolle und ihren Einfluss nun auch auf die Umweltauswirkungen von der Rohstoffgewinnung, der Entwicklung und dem Design, über die Produktnutzung bis hin zur endgültigen Beseitigung von Gütern ausdehnen, soweit sie hier einen Einfluss geltend machen können. Dieses „Lebenszyklus-Denken“ (s. Begriff ►Lebensweg) orientiert sich an der Lehre der Ökobilanzierung, also der Betrachtung ihrer grundsätzlichen Eigenschaften und Konzepte, ohne eine Ökobilanz-Studie durchführen zu müssen.
U
Die ISO 14001 verlangt zukünftig die Entwicklung einer Kommunikationsstrategie und die Festlegung von Kommunikationsprozessen (s. Begriff ►Kommunikation in Führung und Qualitätsmanagement), die sich auf externe und interne Kommunikation gleichermaßen beziehen. Dazu gehören Anforderungen an die Qualität der übermittelten Informationen und Mechanismen, um Vorschläge zur fortlaufenden
1180
9 Externe Begutachtung – Zertifizierung Die Veröffentlichung der neuen ISO 14001:2015 erfolgte am 15. September 2015. Für die Umstellung von ISO 14001:2004 auf ISO 14001:2015, wurde vom ►International Accreditation Forum (IAF) für zertifizierte Organisationen ein Übergangszeitraum von drei Jahren festgelegt (vgl. Abbildung U02). Parallel zur Revision der ISO 14001 findet auch die Überarbeitung der ISO 14004 „Umweltmanagementsysteme – Allgemeiner Leitfaden über Grundsätze, Systeme und unterstützende Methoden“ statt. Eine Veröffentlichung der revidierten ISO 14004 soll im Frühjahr 2016 erfolgen. Zur externen Begutachtung nach ISO 14001 sind akkreditierte Zertifizierungsorganisationen zugelassen. Diese Akkreditierung ist rein privatrechtlich organisiert. In Deutschland ist hierfür die ►Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) in Berlin zuständig. Die DAkkS akkreditiert Zertifizierungsorganisationen, die für die Ausbildung und Auswahl ihrer Auditoren selbst verantwortlich sind. Die Norm DIN EN ISO/ IEC 17021, “Konformitätsbewertung – Anforderungen an Stellen, die Managementsysteme auditieren und zertifizieren“ legt Anforderungen an Zertifizierungsstellen fest. Die Einhaltung dieser Anforderungen ist vorgesehen um sicherzustellen, dass Zertifizierungsstellen die Zertifizierung von
Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001
Umweltmanagementtechniken
Abb. U02: Zertifzierung nach ISO 14001:2015 – Übergangszeitraum ISO 14001:2004 15.09.2015
15.09.2018
Zertifzierung nach ISO 14001:2004
Verordnung (EG) Nr. 761/2001 [4] SA 8000: Standard for Social Accountability (Standard für sozial verantwortliche Unternehmensführung) [5] ISO 14001: Norm DIN EN ISO 14001 vom Juni 2005. Umweltmanagementsysteme. Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung (ISO 14001:2004) [6] ISO Survey (2013), Genf
Zertifzierung nach ISO 14001:2015
Dreijähriger Übergangszeitraum nach IAF
Zertifizierung nach ISO 14001:2004 und ISO 14001:2015 möglich. Empfehlung: Zertifzierung nach ISO 14001:2004 maximal bis 15.03.2017
Verfall der Gültigkeit aller Zertifikate nach ISO 14001:2004 nach dem 15.09.2018
Quelle: International Accreditation Forum (IAF)
►Managementsystemen kompetent, konsistent und unparteilich durchführen und dadurch die Anerkennung solcher Stellen und die Akzeptanz ihrer Zertifizierungen auf nationaler und internationaler Ebene zu fördern. Die Norm enthält Prinzipien und Anforderungen an die Kompetenz, Konsistenz und Unparteilichkeit von Audits und Zertifizierungen von Managementsystemen aller Arten, zum Beispiel Qualitätsmanagementsysteme oder Umweltmanagementsysteme, und Anforderungen an die Stellen, die Audits bzw. Zertifizierungen durchführen. Den Unternehmen ist freigestellt, ob sie durch die beauftragten Zertifizierungsorganisationen gleichzeitig ein oder mehrere Systeme (z. B. zu Qualität, Umwelt, Risiko) prüfen lassen. 10 Zusammenfassung Die Normenreihe ISO 14000ff. stellt ein Regelwerk zum Umweltmanagement dar, fordert ein Umweltmanagementsystem als zentralen Aspekt und leitet zu dessen Aufbau an. Die Normen stehen Organisationen jeder Art wie Unternehmen, Vereinen oder Behörden offen. Ein UmweltmanagementsystemZertifikat sagt aber nichts über die Produkte aus, sondern zeigt lediglich, dass die Organisation die Berücksichtigung des Umweltschutzes organisiert und sich zur ►fortlaufenden Verbesserung des Umweltschutzes in der Organisation, d. h. seiner Umweltleistung, verpflichtet hat. Rund 80 Prozent der Nutzer der ISO 14001 sind der Ansicht, dass die Anwendung auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Bernhard Schwager, MSc, Gerlingen Literatur
[1] Club of Rome (1972): Meadows u.a., Die Grenzen des Wachstums (englischer Orginaltitel: The Limits to Growth) [2] World Commission on Environment and Development (1987): Our Common Future (Brundtlandbericht) [3] Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung und zur Aufhebung der
Umweltmanagementtechniken
▶Umweltmanagement nach ISO 14001 ▶Qualitätstechniken
Um die Ziele des betrieblichen Umweltschutzes zu erreichen, werden in den Organisationen verschiedene Techniken zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit der Abläufe im Unternehmen eingesetzt. Viele der im Hauptstichwort → Quali tätstechniken genannten Techniken sind zugleich Umweltmanagementtechniken [1]. Ergänzend soll hier kurz noch auf die folgenden Techniken hingewiesen werden, die man als Umweltmanagementtechniken bezeichnen kann: ◼ Produktlinienanalyse (PLA) ◼ Recyclingerechte Konstruktion ◼ Technikwirkungsanalyse (TWA). Produktlinienanalyse: Diese Technik setzt am Modell des Lebenszyklus’ des Produkts an, indem im Hinblick auf die jeweilige Phase produktbezogene Auswirkungen auf Natur, Gesellschaft und Wirtschaft Kriterien-bezogen analysiert und bewertet werden. Nachdem die Bedürfnisse der relevanten Bereiche festgestellt wurden, werden diese in eine Produkt linienmatrix transformiert. Auf dieser Basis wird eine überwiegend verbal-qualitative Auswertung vorgenommen, die dazu dient Konsequenzen und Handlungsbedarf zu formulieren. Recyclingerechte Konstruktion: Schon in der Phase der Produktentwicklung sind vom Konstruktionsteam Maßnahmen vorgesehen, „die ein späteres Recycling des Produktes bzw. des verwendeten Materials erleichtern bzw. erst ermöglichen.“ [2] Es werden recyclingrelevante Kriterien aufgestellt, die in Form einer Forderungsliste bereichsbezogen dargestellt werden. Nach entsprechender Aufbereichtung können aus der Sicht des Konstrukteurs bereits Maßnahmen vorgeschlagen werden, die in einer späteren Phase des Produktlebenszyklus greifen sollen. Technikwirkungsanalyse: Bereits existierende und neue Produkte und Technologien werden mit der Technikwirkungsa-
1181
U
Unicode
Literatur
[1] Dieses Stichwort wurde aufgrund der Darstellung in folgender Schrift formuliert: Butterbrodt, D.; Tammler, U.: Techniken des Umweltmanagements. München-Wien: Hanser 1996. Hier finden sich auch weitere Umwelttechniken, die in anderen Bereichen des Qualitätsmanagements auch Verwendung finden. [2] s. [1], S. 93 [3] s. [1], S. 103
Umweltrecht
Umweltschutzforderungen
▶Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001
Umweltschutzmanagementsystem Unicode
U
▶ISO/IEC 10646:1993-01, ISO/IEC 10646:2000-01 ▶en: Universal Coded Character Set (UCS) Für sämtliche lebenden Sprachen und deren Schreibsysteme wird seit 1993 (erste Version) in der ISO/IEC „Informationstechnik – Universeller codierter Zeichensatz (UCS)“ eine Norm entwickelt, deren Grundlage der bekannte Standard-Unicode darstellt, der im Informatikbereich entwickelt wurde. Circa 110.000 Zeichen (Symbole, Buchstaben, Zahlen, Ideogramme, Logogramme) von Sprachen und deren Schreib-Systemen werden aus den Schrifttraditionen der ganzen Welt im UCS codiert. Neue Charaktere aus seltenen oder mehreren alten Schriften oder neuere Systeme werden laufend hinzugefügt. Damit wird der UCS kontinuierlich aktualisiert. Hierzu arbeitet das Unicode-Konsortium eng mit der ISO zusammen, die sich um die Identität beider Systeme bemühen. So entspricht der Unicode 3.0 (Februar 2000) der
1182
Zeitintervall, während dessen eine Einheit in nicht verfügbarem Zustand wegen interner Ursachen ist. Anmerkung: Klarzeitintervall und Unklarzeit (intervall) zusammen ergeben jeweils das ganze Intervall der Anwendungsdauer zwischen zwei aufeinander folgenden Ausfällen bei instandzusetzenden Produkten, wobei in der Klarzeit Betriebspausen enthalten sein können. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Uno-actu-Prinzip
Das Uno-actu-Prinzip besagt, dass die Er bringung der ►Dienstleistung entweder am Ort des Herstellers der Dienstleistung oder am Ort des Kunden erfolgen kann. Eine La gerung ist nicht möglich, somit ist auch ein Transport ausgeschlossen. Dienstleistungen sind vergänglich und müssen jedesmal für einen Kunden neu erstellt werden, wobei die Mitwirkung des Kunden beim Er stel lungsprozess konstitutiv für Dienstleistungen ist. Man spricht auch von der Si multaneität von Leistungserstellung und Inanspruchnahme von Dienstleistungen.
Unterauftragnehmer
▶en: subcontractor | fr: sous-contractant, sous-traitant ▶Unterlieferant Bei Unterauftragnehmern handelt es sich um Organisation, die dem Lieferanten ein Produkt bereitstellen. In der zurückgezogenen QM-Norm ISO 8402 war Unterauftragnehmer noch definiert. Es wurde zudem herausgestellt, dass im organisatorischen Systemzusammenhang der Begriff Unterlieferant herausgestellt werden soll. Dieser Begriff ist treffend. Inzwischen ist in der Fachsprache eine klare Begriffsfassung durch die Rede vom „Zulieferer“ verwässert worden.
Unterlieferant
▶subsupplier ▶Unterauftragnehmer
Unternehmensarchitektur ▶en: enterprise architecture
Der Begriff stammt aus der Informationstechnologie. Eine allgemein anerkannte Definition besteht bisher nicht. Einen Ansatz zur Entwicklung einer gemeinsamen Basis könnte sich aus der ISO-Norm ISO/IEC/IEEE 42010 entwickeln, in der allgemeine Forderungen an die Unternehmensarchitektur definiert werden. In dieser Norm wird Architektur als Beschreibung (Modell) der grundsätzlichen Struktur der Teile eines Systems sowie der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen verstanden. Auf dieser Grundlage könnte sich ein gemeinsames Verständnis herausbilden. Neuerdings wird der Managementcharakter und die spezifische Sicht der IT mehr herausgestellt [1].
Begriff
▶Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001
Unklarzeit
Begriff
Das geltene Umweltrecht in der Bundesrepublik ist ordnungspolitisch ausgerichtet. Das bedeutet ein imperatives Vorgehen des Staates, der im Rahmen des umweltschützenden Ordnungsrechtes das Unternehmen von oben herab “ordnend in die Pflicht nimmt”. Es verlangt verschiedene Handlungen bzw. Maßnahmen, denen sich das Unternehmen nicht entziehen kann.
ISO/IEC 10646:2000-01. Die Norm wurde zuletzt 2014 revidiert (URL: http://www. iso.org/iso/catalogue_detail.htm?csnumber=56921). DGQ-Begriff
nalyse vor allem im Hinblick auf die natürliche Umwelt analysiert und abgeschätzt. Dabei sind sowohl ökonomische wie außerökonomische Faktoren zu beachten. Bezugspunkt ist auch hier der Produktlebenszyklus. Auf der Grundlage dieses Modells werden Auswirkungen vor allem auf die natürliche Umwelt erfaßt. Gleichzeitig werden Maßnahmen festgelegt, die zur Verringerung der Umweltbelastung beitragen. Verfahren wird ähnlich wie bei der Produktlinienanalyse (s.o). In der erstellten Bewertungsmatrix werden die Bewertungsdi mensionen Technik, Wirtschaft, Mensch, Ökologie verwendet. Es ergeben sich unter Berücksichtigung der Phasen des Produkts 36 Bewertungsfelder, die als Grundlage für strategische Entscheidungen der Unternehmensleitung hinsichtlich des Einsatzes bestimmter Technologien dienen [3].
Unternehmensarchitektur
Unternehmenskultur Literatur
[1] Hanschke, I.: Enterprise Architecture Management - einfach und effektiv. München-Wien (Hanser) 2011
▶corporate culture ▶Organisationskultur ▶organizational culture ▶Organisationsentwicklung
1 Einführung Seit den 1980er Jahren hat der Begriff der Unternehmensbzw. Organisationskultur für Wissenschaftler wie auch für Praktiker an Bedeutung gewonnen. Grund hierfür waren zunächst Studien, die versuchten, den damaligen Erfolg japanischer Unternehmen gegenüber US-amerikanischen Firmen [1] zu ergründen. Die Ergebnisse deckten zentrale Unterschiede in der Art der Arbeitsweise und der Einbindung der Mitarbeiter auf. Da ein Transfer dieser japanischen Arbeitspraktiken in die US-amerikanische Arbeitswelt nicht erfolgreich war, initiierten Peters und Waterman eine weitere Studie, die Gründe für den nachhaltigen Erfolg einiger USamerikanischer Firmen untersuchten, und diesen der ganz spezifischen Unternehmenskultur dieser Firmen zuschrieben [2] (►7-S-Modell). Unter anderem zeichneten sich diese japanischen und auch US-amerikanischen Firmen durch hohe Qualität und ein hohes ►Qualitätsbewusstsein aus, das sich in den Prozessen und Produkten dieser Firmen widerspiegelte. Spätestens seit der Publikation der beiden HarvardProfessoren Kotter und Heskett [3] war das Interesse an Organisations- bzw. Unternehmenskultur geweckt. Ihr Vergleich erfolgreicher mit weniger erfolgreichen Firmen über einen Zeitraum von elf Jahren zeigte, dass Firmen mit entsprechend ausgeprägter Unternehmenskultur ihren Umsatz im Schnitt um 682 Prozent gegenüber 166 Prozent bei Firmen mit einer weniger gut ausgeprägten Unternehmenskultur steigern konnten, ihre Mitarbeiter um 282 Prozent gegenüber 36 Prozent, den Aktienwert um 901 Prozent gegenüber 74 Prozent und das Reineinkommen um 756 Prozent gegenüber 1 Prozent [3: S. 11]. Während sich der Begriff der Unternehmenskultur in der Betriebswirtschaft und Praxis etabliert hat, wird der Begriff der Organisationskultur in der Organisationslehre als Oberbegriff für Organisationen verwendet, die sowohl den For-profit- wie auch den Not-for-profit-Bereich umfassen. Unternehmenskultur stellt daher streng genommen eine Untermenge von Organisationskultur dar. In diesem Beitrag wird zunächst der Begriff der Unternehmens- bzw. Organisationskultur mit ihren Spezifika, Komponenten und Funktionen erklärt, bevor auf ihre Bedeutung speziell für das ►Qualitätsmanagement eingegangen wird. 2 Das Konzept der Unternehmens-/ Organisationskultur Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Definitionen für Organisations- bzw. Unternehmenskultur. Praktiker umschreiben Unternehmenskultur u. a. als „den Geist und Stil des Hauses“,
als „das, wofür das Unternehmen steht“, oder „so, wie man es bei uns macht“. Etwas differenzierter definieren wir Kultur im Kontext von Organisationen als „das von einer Gruppe gehaltene Set an grundlegenden Überzeugungen, die deren Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Handeln maßgeblich beeinflussen und die insgesamt typisch für die Gruppe sind und an neue Organisationsmitglieder weitergegeben werden“ [vgl. 4, 5].
Begriff
Unternehmenskultur
Unternehmenskultur
Diese Definition hat mit den kursiv gedruckten Komponenten eine Reihe von Implikationen für den Umgang mit Kultur im Organisationskontext. Zunächst einmal besteht der Kern einer Organisationskultur aus einem Set bzw. einer Kombination an grundlegenden Überzeugungen. Einmal gelernt, sind sich die Mitarbeiter dieser grundlegenden Überzeugungen nicht mehr bewusst, betrachten diese als selbstverständlich und handeln entsprechend dieser grundlegenden Überzeugungen. D. h. das Zentrale der Unternehmenskultur ist in den Köpfen der Mitarbeiter und Führungskräfte verankert und damit nicht sichtbar, sondern nur indirekt zugänglich. Diese grundlegenden Überzeugungen steuern die Wahrnehmung, das Denken, Fühlen und Handeln von Mitarbeitern und Führungskräften. Damit wird ersichtlich, dass Handbücher und Richtlinien für Qualitätsmanagement zwar hilfreich und nützlich sind, aber erst dann wirksam werden, wenn sie auch in den Köpfen von Mitarbeitern und Führungskräften verankert sind. In Unternehmen beziehen sich diese grundlegenden Überzeugungen auf jene Aspekte, welche die Grundfeste des Unternehmens ausmachen. Hierzu gehören die Existenzbegründung des Unternehmens bzw. sein übergeordneter Zweck, das spezifische Unternehmensdesign, die Unternehmensstrategie sowie der für das Unternehmen passende „Menschentypus“. Diese vier Aspekte dienen als Rahmenparameter für die inhaltliche Ausgestaltung einer Reihe von Prozessen. Diese beziehen sich auf die für ein Unternehmen bzw. eine Organisation typische Art, Arbeit zu erledigen, die Art der Zusammenarbeit intern vertikal und auf horizontaler Ebene sowie mit Unternehmensexternen (Kunden, Zulieferer, Geldgeber etc.), die Art, wie eine Organisation mit Änderungen bzw. Veränderungen umgeht sowie die Art und Weise, ob bzw. wie das Unternehmen lernt und sich weiterentwickelt [6]. Auch wenn i. d. R. von der Unternehmens- oder Organisationskultur gesprochen wird, kann Kultur nicht an einer einzigen Person festgemacht werden, auch wenn frühe Publikationen zur Unternehmenskultur sich häufig auf die Aussagen des Vorstandsvorsitzenden stützten. Vielmehr ist Kultur im Organisationskontext ein kollektives Phänomen, das sich auf eine Gruppe von Menschen bezieht. Mit zunehmender Größe einer Organisation wächst daher die Wahrscheinlichkeit, dass sich Subkulturen entwickeln und die Unternehmensbzw. Organisationskultur entsprechend prägen. Generell entstehen Subkulturen in der Regel entlang organisatorischer
1183
U
Unternehmenskultur
Unternehmenskultur
Schnittstellen und zwar durch häufig stattfindende Interaktionen zwischen bestimmten Mitgliedern einer Gruppe wie z. B. einer Abteilung bei gleichzeitiger Abgrenzung zu und wenig Kontakt mit anderen Gruppen bzw. Abteilungen. Typische Manifestationen von bestehenden Subkulturen sind sprachliche Abgrenzungen in „wir“ versus „die anderen“. Je nach Organisationsstruktur kann es Subkulturen entlang der existierenden Organisationseinheiten geben. So können z. B. in verschiedenen Projekten oder strategischen Geschäftseinheiten unterschiedliche Subkulturen bestehen. Subkulturen können sich auch nach Funktionszugehörigkeit, Profession, Alter der Mitarbeiter, Zugehörigkeitsdauer zum Unternehmen, Standort, Geschlecht oder auch Religion und Ethnien herausbilden.
Verhalten sind auf dieser Ebene verankert. Allerdings ist die dahinter liegende Absicht z. B. eines konkreten Verhaltens in Bezug auf Qualität für einen Außenstehenden nicht leicht interpretierbar. Auf der nächsten Ebene finden sich Regeln und Standards wie z. B. Regeln für Reisekostenabrechnungen, aber auch Normierungen sowie festgelegte Qualitätsstandards. Diese sind meist schriftlich fixiert und damit für interne Organisationsmitglieder nachlesbar bzw. erfragbar. Allerdings bedeutet deren Existenz nicht unbedingt, dass sie in der täglichen Arbeitspraxis auch gelebt werden. Auch Werte, die häufig auf Hochglanzbroschüren deklariert werden, sind in entsprechenden Publikationen nachlesbar und damit sichtbar. Sie drücken die gewünschten Prioritäten einer Organisation aus, wie z. B. der Anspruch an und die Bedeutung von ►Qualität, von Nachhaltigkeit und Innovation
Die Existenz solcher Subkulturen ist generell weder gut noch schlecht. Die zentrale Frage ist vielmehr, wie sich die bestehenden Subkulturen zueinander verhalten. Subkulturen können sich sinnvoll ergänzen, wie es bei einer Abb. U03: Ebenen und Komponenten von Unternehmenskultur funktional gegliederten Organisationsstruktur gewünscht ist. Sie können auch gewollt Für jeden sichtbare Manifestationen (wenn auch unabhängig voneinander agieren, wie z. B. bei nicht immer eindeutig interpretierbar) Tochtergesellschaften einer Holding, die in unArtefakte terschiedlichen Geschäftsfeldern tätig sind. Sie können aber auch ungewollt unabhängig oder gar gegeneinander agieren. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn unterschiedliche Bereiche Bekannte Spielregeln und Standards für Verhalten oder Funktionen ein Eigenleben führen, doch im gesamten Arbeitsprozess voneinander abRegeln hängen und daher in Abstimmung miteinander arbeiten sollten. Erst eine nähere Analyse der bestehenden Unternehmenskultur und ihren Subkulturen kann über die Funktionalität der bestehenden Subkulturen und damit auch für die Öffentlich, nach außen postuliert (nicht unbedingt Durchgängigkeit eines bestimmten Qualitätsangelebt Gezeigte Werte spruchs und eines ►Qualitätsmanagements im (äußere Haltung) Unternehmen Auskunft geben. Ein weiteres zentrales Merkmal der Unternehmenskultur besteht darin, dass sie zu den grundlegenden Überzeugungen aus verschiedenen Komponenten besteht, die auf verschiedenen Ebenen lokalisiert und daher mehr oder weniger sichtbar, zugänglich und damit auch unterschiedlich beeinflussbar sind.
U
Grundlegende Überzeugungen (innere Haltung)
3 Ebenen von Organisationskultur mit ihren jeweiligen Komponenten Je nach Autor lassen sich drei [4] oder vier Ebenen [5] der Unternehmenskultur unterscheiden. In der nachfolgenden Abbildung U03 sind vier Ebenen dargestellt, die nach unten hin immer weniger direkt für den Betrachter zugänglich sind. Auf der obersten und sichtbarsten Ebene befinden sich Manifestationen der Organisationskultur wie z. B. die Gebäude einer Organisation, ihre Produkte, Dienstleistungen, und Dokumente wie z. B. Handbücher zum Qualitätsmanagement (►QM-Handbuch). Aber auch verbales und nonverbales
1184
Unbewußt und als selbstverständlich genommen ◼ steuern Wahrnehmung, Denken und Verhalten
oder auch der Mitarbeiter für eine Organisation. Inwieweit sie jedoch tatsächlich wichtig sind und in den täglichen Arbeitsprozessen einer Organisation eine Rolle spielen, hängt davon ab, inwieweit sie im Arbeitsalltag von Mitarbeitern und Führungskräften gelebt werden. Auch die konkreten Interpretationen, die hinter den einzelnen Schlagwörtern stehen, sind zumindest für Organisationsexterne nicht immer leicht zugänglich. Die unterste und damit tiefste Ebene der grundlegenden Überzeugungen gibt Aufschluss darüber, wie die sichtbaren
Unternehmenskultur Manifestationen in einem Unternehmen konkret zu interpretieren sind. Sind sie einmal von Organisationsmitgliedern übernommen, wirken sie verhaltenssteuernd (s. u.) und werden durch regelmäßige Anwendung zu einem Repertoire an Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmustern, das ohne bewusstes Nachdenken gewohnheitsmäßig angewendet wird. Weder für Organisationsinterne noch -externe sind sie direkt beobachtbar oder direkt zugänglich. Durch die Routinisierung sind sie auch von Organisationsinternen kaum mehr verbalisierbar und können daher nur indirekt erfasst werden. All diese Komponenten von Organisationskultur – ihre grundlegenden Überzeugungen, verbales und nonverbales Verhalten, die damit assoziierten Emotionen und Manifestationen – sind in ihrer entsprechenden Kombination miteinander verknüpft, was speziell bei der Einführung und der nachhaltigen Umsetzung von Qualitätsmanagement berücksichtigt werden muss. 4 Die Entstehung von Organisationskultur und Qualitätsstandards Jede Organisation hat eine Kultur, sie wird nicht erfunden oder von einem auf den anderen Tag eingeführt. Vielmehr bringen die Gründungsmitglieder einer Organisation bei der Organisationsgründung auch Vorstellungen über die Organisationskultur mit, ohne diese in der Regel explizit als solche zu benennen. Hierzu gehören die Organisationsidentität, d. h. das, wofür die Organisation bzw. das Unternehmen steht und was der Organisation wichtig ist, die grundlegenden Vorstellungen über die Mitarbeiter, die in die jeweilige Organisation passen und auch nicht passen, die grundlegenden Vorstellungen über die Art der Zusammenarbeit, über „gute“ und „schlechte“ Führung, die Bedeutung „guter“ wie auch „schlechter“ Arbeit und entsprechender Arbeitsprozesse. Damit wird u. a. auch festgelegt, welche Ansprüche und Standards an Qualität, Qualitätsprozesse und ein Qualitätsmanagement gestellt werden. Diese Ansprüche betreffen nicht nur die Qualität von Produkten und Serviceleistungen, sondern auch – meist implizit – die Qualität von Arbeit und Arbeitsprozessen, Interaktionen mit Mitgliedern innerhalb und zwischen verschiedenen Hierarchieebenen und Organisationseinheiten, aber die Qualität in der Führung und den Führungsprozessen (►Qualität des Managements). Dieses Set an gemeinsam gehaltenen grundlegenden Überzeugungen (►Mindset) wird an neue Organisationsmitglieder weitergegeben. Neue Mitarbeiter erlernen die aus den grundlegenden Überzeugungen abgeleiteten Verhaltensnormen und die damit verbundenen Erwartungen der Organisation an das organisationsadäquate Verhalten meist informell in den täglichen Arbeitsprozessen oder aber auch in formalen Einführungsprogrammen [vgl. 7: Informelles/ Formelles]. Unternehmen, denen der bewusste Umgang mit ihrer Kultur wichtig ist, achten daher schon bei der Selektion von neuen Mitarbeitern darauf, ob die gewünschte Grundorientie-
Unternehmenskultur rung vorhanden ist, da diese weniger leicht erlernbar ist als fachliches Wissen. Die Firma Toyota legt z. B. großen Wert auf eine Lernorientierung, da diese ihrer Meinung nach die Grundvoraussetzung für das Umsetzen und Leben von ►Kaizen ist, d. h. die ständige Verbesserung am eigenen Arbeitsplatz. Daher versucht Toyota Mitarbeiter möglichst gleich nach ihrer formalen Ausbildung für das Unternehmen zu gewinnen, damit sie nicht von anderen Unternehmen schon beeinflusst sind und möglichst im Sinne von Toyota bei der Einarbeitung und Sozialisation ins Unternehmen vom Unternehmen in die gewünschte Richtung geprägt werden können. 5 Funktionen von Unternehmens- bzw. Organisationskultur Ganz generell erfüllt die Kultur einer Organisation zwei zentrale Funktionen, nämlich die interne Koordination zwischen den Organisationsmitgliedern und die Anpassung der Organisation an externe Herausforderungen [8]. Mithilfe des Sets an gemeinsam gehaltenen grundlegenden Überzeugungen können organisationsinterne Probleme der Koordination und Kommunikation gelöst werden, da die Mitarbeiter über gemeinsame Sprach- und Interpretationsmuster verfügen, die sie im Laufe ihrer Sozialisation ins Unternehmen und ihrer Interaktionen mit anderen Organisationsmitgliedern entwickelt haben. Einmal gelernt, steht Organisationsmitgliedern dieses Sprach- und Interpretationsrepertoire für ihre gemeinsame Zusammenarbeit zur Verfügung. Eine Organisation ist aber nur dann überlebensfähig, wenn sie zu den nach innen orientierten Funktionen auch die Fähigkeit entwickelt hat, Veränderungen im relevanten Unternehmensumfeld wahrzunehmen und sich rechtzeitig an sich ändernde Umweltbedingungen anzupassen. Je nach spezifischer Ausgestaltung befähigt die Kultur eine Organisation mehr oder weniger gut, einerseits die Herausforderungen aus der für sie relevanten Umwelt überhaupt wahrnehmen zu können, um dann andererseits entsprechende Maßnahmen einzuleiten, die für eine solche Anpassung an externe Herausforderungen auch wirksam sind. Wie schwierig ein solch rechtzeitiges Erkennen notwendiger Veränderungen und die nachhaltige Umsetzung entsprechend wirksamer Maßnahmen ist, zeigt die Geschichte einstmals erfolgreicher Unternehmen auf, die heute nicht mehr existieren, wie z. B. AEG, AEG-Olympia, Quelle, Schlecker, oder auch Unternehmen, die viel von ihrem ehemaligen Erfolg eingebüßt haben, wie z. B. Nixdorf Computers, Nokia oder auch Karstadt. Die Automobilindustrie ist ein weiteres Beispiel, das speziell auch für das Thema Qualität von Interesse ist. Als Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre US-amerikanische Automobilhersteller Marktanteile speziell bei Kleinwagen an japanische, aber auch einige europäische Automobilhersteller verloren, wurde dies zunächst von den US-amerikanischen Automobilherstellern belächelt, da die großen Gewinnspannen im Luxussegment bei großen Autos lagen. Die Welt in Detroit war noch in Ordnung. Da alle drei US-amerikanische Automobilhersteller dort produzierten, waren die Straßen voll von ihren eigenen Autos, die relativ bald wieder durch ein neues
1185
U
Unternehmenskultur Modell ausgetauscht wurden und daher Qualitätsmängel von den Mitarbeitern und Führungskräften gar nicht bemerkt wurden. Mitarbeiter erhielten Sonderkonditionen beim Kauf und wechselten kaum zu einem ausländischen Hersteller, wenn auch die Qualität und der Benzinverbrauch japanischer und europäischer Autos besser war. Ganz anders verhielt es sich im für Detroit entfernten Kalifornien. In dem zur damaligen Zeit wichtigsten Automobilmarkt waren Qualität und Benzinverbrauch wichtig. Durch ihre besondere Beschaffenheit erfüllt Unternehmenskultur noch eine Reihe weiterer Funktionen, die für ein Unternehmen und seine Mitarbeiter von zentraler Bedeutung sind. Hierzu gehören die Funktion der Komplexitätsreduktion, eine Orientierungsfunktion und auch eine mögliche Funktion der Sinnstiftung. Das Set an grundlegenden Überzeugungen wirkt als eine Art Filter und Raster, das eine kognitive Landkarte zur Verfügung stellt und bei der Selektion wie auch Verarbeitung von Informationen die Informationsvielfalt im Sinne der Organisation reduziert. Dadurch wird die vorhandene Komplexität für Organisationsmitglieder handhabbar. D. h. die vorhandene Organisationskultur hilft Mitarbeitern wie Führungskräften Wichtiges von Unwichtigem im Sinne der Organisationslogik zu unterscheiden und entsprechende Prioritäten bei ihrer Arbeit zu setzen. Dadurch können sie sich trotz großer Informationsfülle auf das Wesentliche konzentrieren und damit rasch agieren. So gibt die Kultur einer Organisation z. B. vor, wie mit einem Qualitätsproblem umgegangen werden soll. So hat z. B. die MIT-Studie [9] in ihrem Vergleich von japanischen, US-amerikanischen und europäischen Automobilherstellern einen sehr unterschiedlichen Umgang mit Qualität und Qualitätssproblemen festgestellt. In japanischen Firmen wurde von Mitarbeitern auch in der Produktion erwartet, bei der Bemerkung eines Qualitätsmangels diese sofort zu bearbeiten. Das führte dazu, dass sie ermächtigt waren, die Reißleine zu ziehen und damit das Fließband zu stoppen (►Andon). Genau das gleiche Verhalten hätte bei Fließbandarbeitern in einem US-amerikanischen Unternehmen zu einer sofortigen Entlassung geführt, da solch ein Produktionsstop zu reduzierten Produktionszahlen führen würde und diese wichtiger waren, als ein Problem sofort zu beheben.
U
Zur Komplexitätsreduktion erfüllt Unternehmenskultur auch eine Orientierungsfunktion für die Organisationsmitglieder, die eng mit der Komplexitätsreduktion zusammenhängt. Wenn einmal gelernt, hilft die durch das Set an grundlegenden Überzeugungen (►Mindset) entwickelte kognitive Landkarte bei der schnellen Auswahl eines für die jeweilige Situation adäquaten Verhaltens. Die spezifische Kultur einer Organisation gibt daher ihren Mitgliedern implizite Spielregeln für das organisationsadäquate Verhalten vor. Dies gilt für Entscheidungen im Allgemeinen, für die Arbeitserledigung, für die Art, was Qualität in den einzelnen Bereichen und Funktionen bedeutet und wie sie gelebt werden soll, wie auch für den spezifischen Umgang mit Kunden, Mitarbeitern, Füh-
1186
Unternehmenskultur rungskräften und Partnern. Auch hier kann wieder die Automobilindustrie als Beispiel angeführt werden. In der bereits erwähnten MIT-Studie zeigte sich, dass es japanischen Firmen sehr wichtig war, äußerst sorgfältig und qualitätsbewusst zu arbeiten, damit keine Fehler passierten gemäß dem Slogan first time right (Philip B. ►Crosby). Daher gab es auch keine Abteilung oder Funktion, die sich mit Nachbesserungen befasste. Ganz anders in europäischen Unternehmen: hier wurden Mitarbeiter in weißen Kitteln vorgefunden, die am Ende des Produktionsprozesses mit Nachbesserungen beauftragt waren. Zu den beiden Funktionen der Orientierung und Komplexitätsreduktion kann die Kultur einer Organisation je nach inhaltlicher Prägung mehr oder weniger Sinn stiftend und daher motivierend, aber auch demotivierend für die Organisationsmitglieder wirken. Bei entsprechender inhaltlicher Ausprägung und Kommunikation können die Organisationsmitglieder den Sinn in ihrer jeweiligen Arbeit erkennen und Stolz für ihren Arbeitsbeitrag und für das Unternehmen als Ganzes entwickeln. So berichtete eine Produktionsmitarbeiterin, die eine Reihe kleiner Präzisionsteile für Flugzeugbremsen bearbeitete, dass jedes der Teiltypen für sie wie unterschiedliche Charaktere seien, die eben auch unterschiedliche Aufmerksamkeit brauchen. Sie war mit voller Aufmerksamkeit bei ihrer Arbeit. Als weiteres Beispiel kann NUMMI (New United Motors Manufacturing Incorporated) genannt werden, das Joint Venture von Toyota und General Motors in Kalifornien. Hatte GM die Mitarbeiter als renitent bezeichnet, mit denen man nicht arbeiten konnte, schaffte Toyota mit seiner spezifischen Unternehmenskultur, die Mitarbeiter ganz anders behandelte und in die Arbeitsprozesse und deren Verbesserung involvierte, mit 80 Prozent genau dieser Mitarbeiter einen Turnaround. NUMMI wurde zum besten Werk im GM-Verbund in Bezug auf Effizienz, Qualität und Absentismus [10]. Als sinnvoll erachtete Arbeit, erlebtes gebraucht Werden und Wertschätzung wirken sich positiv auf die Motivation, die Identifikation mit der Arbeit, der Organisationseinheit und der Gesamtorganisation aus wie auch auf die Bindung zur Organisation. 6 Organisationskultur und Leistungsfaktoren Wie eingangs erwähnt, wurde das Interesse an Organisations- bzw. Unternehmenskultur im Wirtschaftsbereich und bei Managern speziell durch die Ergebnisse jener Studien geweckt, die Organisationskultur mit Leistungsfaktoren in Beziehung stellen. Die von Kotter und Heskett [3] berichteten Zahlen wie auch die Erkenntnisse von Peters und Waterman [2] waren beeindruckend. Die Frage stellte sich also, welche Charakteristika von Organisationskultur zu hoher Leistung beitragen. Nach Kotter und Heskett waren die erfolgreichen Unternehmen geprägt durch eine hohe Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Bedingungen im Unternehmensumfeld kombiniert mit einer hohen gelebten Wertigkeit der drei Interessensgruppen Kunden, Anteilseigner und Mitarbeiter. D. h. die untersuchten Firmen räumten in all ihren Aktivitäten
Unternehmenskultur sowohl Mitarbeitern wie auch Kunden und Anteilseignern eine hohe Priorität ein und konnten die damit verbundenen und zum Teil unterschiedlichen Interessen miteinander integrieren. Weitere empirische Studien folgten und identifizierten eine Reihe von organisationskulturellen Dimensionen, die mit verschiedenen Leistungsfaktoren korreliert sind [vgl. 11, 12]. In einer Überblicksarbeit wurden neun Dimensionen identifiziert, die in empirischen Untersuchungen positiv mit Unternehmenserfolg korrelierten [13]. Diese Dimensionen lassen sich den beiden oben diskutierten generellen Funktionen von Unternehmenskultur Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen und Integrationsfähigkeit zuordnen und sind nachfolgend aufgelistet: 1 Klare und kommunizierte Identität 2 Strategische (Ziel-) Orientierung 3 Kundenorientierung 4 Lern- und Anpassungsfähigkeit 5 Innovationsfähigkeit 6 Potenziale der Mitarbeiter 7 Partnerschaftliche und kulturkonforme Führung – offene Kommunikation 8 Leistungsorientierung/Leistungsbereitschaft und -fähigkeit 9 Balancierte Stakeholder-Orientierung Das Thema Qualität ist bei dieser Auflistung zwar nicht explizit aufgeführt, doch zeigen eine Reihe von Fallstudien, dass sich bei Unternehmen, denen der bewusste Umgang mit Unternehmenskultur wichtig ist und die eine hohe Ausprägungen bei den oben aufgeführten neun Dimensionen aufweisen, ein hoher Qualitätsanspruch in den einzelnen Dimensionen durchzieht. Dieser manifestiert sich auch beobachtbar in qualitativ hochstehenden Arbeitsweisen, Produkten und Serviceleistungen [14]. Hohe Korrelationen zwischen den einzelnen Dimensionen mit Leistungsfaktoren lassen allerdings keine Kausal-aussagen im Hinblick auf die Richtung einer Einflussnahme zu. Auch lassen sich die einzelnen Studien nicht direkt miteinander vergleichen, da sie in der Regel verschiedene Instrumente einerseits zur Erfassung von Organisationskultur und andererseits zur Erfassung von Leistung herangezogen haben. Die Ergebnisse einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) initiierte Studie konnten aufzeigen, dass 31 Prozent des finanziellen Erfolgs der Unternehmen durch Faktoren der Unternehmenskultur wie Mitarbeiterorientierung, Förderung der beruflichen Entwicklung, ein faires Miteinander, die Veränderungsfähigkeit der Organisation erklärt werden konnten und Engagement hierbei eine vermittelnde Funktion hatte [15]. Neuere Studien weisen darauf hin, dass es durchaus auch wechselseitige Einflussprozesse gibt. So wird ein Verhalten, das zum Erfolg geführt hat, eher wiederholt gerade weil es erfolgreich war, und ein Verhalten, das nicht zum erwarteten Ergebnis geführt hat, unterlassen. Dadurch entwickeln sich
Unternehmenskultur über die Zeit sogenannte Erfolgs- und Misserfolgsrezepte, die an andere Mitglieder der Organisation weitergegeben werden. Werden diese Erfolgs- und Misserfolgsrezepte nicht in regelmäßigen Abständen hinterfragt, kann es allerdings zu einer Abdriftung der Organisationskultur kommen. Dadurch können die Erfolgsfaktoren von gestern zu den Misserfolgsfaktoren von morgen werden [16]. 7 Organisationskultur, Qualität und Qualitätsmanagement Wie aus den obigen Ausführungen ersichtlich wird, ist das Ausmaß an Qualität Bestandteil und Charakteristikum einer Organisationskultur. In der Regel legen Unternehmen das gewünschte Ausmaß an Qualität mit ihrer strategischen Positionierung fest (►Qualitätsforderung). Mit zunehmendem Wettbewerb ist Qualität allerdings immer weniger ein Differenzierungsmerkmal zwischen verschiedenen Unternehmen, da einerseits durch zum Teil auch gesetzlich geforderte Normierungen und Zertifizierungen bestimmte Qualitätsstandards eingehalten werden müssen und diese dadurch auch vom Kunden erwartet werden. Qualität wird heutzutage meist erst dann zum Thema, wenn sie nicht hält, was vom Unternehmen versprochen wurde: ein Produkt funktioniert nicht mehr, es erfolgt eine ►Rückrufaktion wegen aufgetretener Mängel, oder eine Serviceleistung ist für den Kunden nicht zufriedenstellend. Die Frage stellt sich also für Organisationen, wie ein bestimmtes Qualitätsniveau erreicht und konstant aufrechterhalten werden kann, damit die oben erwähnte ungewollte Abdriftung nicht erfolgt. Die Einführung eines professionellen Qualitätsmanagements ist hierbei hilfreich, aber aus organisationskultureller Sicht nicht ausreichend. Vielmehr muss das gewünschte Qualitätsniveau auf allen vier Ebenen „Manifestationen“, „Regeln und Standards“, „Werte“ sowie „Grundlegende Überzeugungen“ (s. Abbildung U03) bei allen Mitarbeitern und Führungskräften verankert sein. D. h. in den grundlegenden Überzeugungen ist Qualität und Qualitätsbewusstsein eine der Prioritäten, die sich in den nach außen gerichteten Werten widerspiegelt, die in Regeln und Standards verankert ist und sich auch im Verhalten gegenüber Kunden oder bei der Erzeugung von Produkten manifestiert – und zwar nicht nur bei einzelnen Mitarbeitern, sondern bei sämtlichen Mitarbeitern und Führungskräften der Organisation. Als Beispiel für die Notwendigkeit einer solch umfassenden Verankerung kann wieder Toyota und das ►Toyota-Produktionssystem (TPS) genannt werden. Das TPS umfasst eine Prozessoptimierung (►Heijunka), eine ►Just in Time-Produktion, die eine geringe Lagerhaltung erfordert, die Reduktion von Abfall (►Muda), ein hohes Bewusstsein an Qualität (►Total Quality Management) sowie ►Kaizen, d. h. die ständige Suche nach Verbesserungen auf allen Ebenen und durch alle Mitarbeiter [17]. Obwohl Toyota selbst eine Reihe von Unternehmen im TPS trainiert hat, haben diese in der Regel nicht das Niveau wie Toyota erreicht, da das TPS eben nicht nur ein System ist, sondern fester Bestandteil der spezifischen Unternehmenskultur von Toyota [18]. Wie oben erwähnt,
1187
U
Unternehmenskultur wird schon bei der Selektion von Mitarbeitern darauf geachtet, dass diese interessiert sind, sich und ihren Arbeitsbereich weiter zu verbessern. Bei der Einarbeitung wird durch ein entsprechendes ►Coaching durch Kollegen und Vorgesetzte die Bedeutung von Qualität am jeweiligen Arbeitsplatz vermittelt. So verdeutlichte z. B. eine Führungskraft ihrem relativ neuen Mitarbeiter in mehreren Überarbeitungsschlaufen, wie ein Kundenbrief im Sinne des Unternehmens formuliert sein sollte, bevor er an den Kunden abgeschickt werden kann. Bei Anläufen einer neuen Produktreihe werden die hierfür notwendigen Arbeitsabläufe schon Wochen vorher trainiert, sodass dann beim tatsächlichen Anlauf die notwendigen Aktivitäten schon eingeübt sind und dadurch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von ►Fehlern, die letztendlich zu Qualitätsmängeln führen, reduziert wird. Auch bei Fehlern oder Arbeitsunfällen wird die zugrunde liegende Ursache eruiert und so beseitigt, dass sie kein zweites Mal auftreten können.
U
Unternehmenskultur [2] Peters T. & Waterman, R. (2000): Auf der Suche nach Spitzenleistungen. Was man von den bestgeführten US-Unternehmen lernen kann. 8. Aufl., Landsberg: MVG. Erstauflage engl. 1982: In Search of Excellence. [3] Kotter, J.P. & Heskett, J.L. (1992). Corporate Culture and Performance. New York, NY: Free Press. [4] Schein, E.H. (1995). Unternehmenskultur: Ein Handbuch für Führungskräfte. Frankfurt am Main: Campus. [5] Sackmann, S.A. (2002). Unternehmenskultur: Erkennen, entwickeln, verändern. Neuwied, Kriftel: Luchterhand. [6] Sackmann, S.A. (1991). Cultural Knowledge in Organizations: Exploring the Collective Mind. Newbury Park, CA: Sage. [7] Sackmann, S.A. (2014). Das Zusammenspiel des Informellen und Formellen aus organisationskultureller Perspektive. In V. von Groddeck & S.M. Wilz (Hrsg.), Formalität und Informalität in Organisationen. Reihe Organisationssoziologie, Berlin: Springer-VS, S. 123-142. [8] Parsons, T. (1951). The Social System. Glencoe, IL: Free Press. [9] Womack, J.P., Jones, D.T. & Ross, D. (1990). The Machine that Changed the World. New York, NY: McMillan. [10] Adler, P.S. (1993) The ‘learning bureaucracy’: New United Motor Manufacturing, Inc. In: Staw, B.M. & Cummings, L.L. (Hrsg.), Research in Organizational Behavior, Vol. 15. Greenwich, CT: JAI, S. 111-194. [11] Wilderom, C.P.M., Glunk, U. & Maslowski, R. (2002). Organizational culture as a predictor of organizational performance.
In einer Organisation, in der das Qualitätsbewusstsein in der Unternehmenskultur verankert ist, nimmt Qualitätsmanagement die Rolle eines regelmäβigen Checks ein, mit dem sichergestellt wird, dass das gewünschte Qualitätsniveau nicht ungewollt abdriftet und kleine Abweichungen frühzeitig korrigiert werden können. Damit ist ein bestimmtes Maβ an Qualität, wie Abbildung U04 zeigt, Teil der MisAbb. U04: Die organisationskulturelle Verankerung von Qualität sion, Vision und Strategie einer Organisation. Qualität wird bei der Wahl und dem Leben des Qualität verankert in Vision/Mission Organisationsdesigns mit ihren Strukturen und Strategie Prozessen berücksichtigt. Mitarbeiter werden entsprechend ausgewählt und geschult, damit ltur nsku ehme sie das gewollte Qualitätsniveau leben können. ntern U e t tier orien Qualität muss aber auch in den jeweiligen Malitäts Qua nagementsystemen und ManagementinstruQualität berücksichtigt Qualitätsbewusste Qualitätsbewusste menten verankert werden. Zudem müssen die im Organisationsdesign Führungskräfte, Mitarbeiter, die Qualität in die Qualität vorleben ihren Arbeitsprozessen leben Führungskräfte das gewollte Maβ an Qualität in (bei Strukturen und Prozessen) ihrem Arbeitsalltag und damit in ihren Entscheidungs- und Arbeitsprozessen vorleben, damit es für die Mitarbeiter aber auch für externe Interessensgruppen glaubwürdig wahrnehmbar ist. In der Abbildung U04 sind bewusst keine Pfeile Qualitätsstandards in Managementsystemen und eingezeichnet, da sich diese fünf Aspekte gegen-instrumenten verankert seitig bedingen und letztendlich nur auf dem „Nährboden“ bzw. im Kontext einer qualitätsoIn: Ashkanasy, N.M., Wilderom, C.P.M. & Peterson, M.F. (Hrsg.), rientierten Unternehmenskultur entstehen können. Ist dann Handbook of Organizational Culture and Climate. Thousand Oaks, eine entsprechende Qualitätsorientierung in der Vision, MisCA: Sage, S. 193-209. sion und Unternehmensstrategie, dem Organisationsdesign, [12] Sackmann. S.A. (2011). Culture and Performance. In: Ashkaden Managementsystemen und -instrumenten vorhanden nasy, N.M., Wilderom, C.P.M. & Peterson, M.F. (Hrsg.), Handbook und in den Köpfen der Mitarbeiter und der Führungskräfte of Organizational Culture and Climate. Thousand Oaks, CA: Sage, verankert (►Mindset), dann wird deren Verhalten zu ManiS. 188-224. festationen einer qualitätsorientierten Unternehmenskultur. [13] Sackmann, S.A. (2006). Betriebsverleich Unternehmenskultur. Welche kulturellen Faktoren beeinflussen den Unternehmenserfolg? Prof. Dr. Sonja A. Sackmann, Gutachten, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. Neubiberg Literatur
[1] Pascale, R.T. & Athos, A.G. (1982). The Art of Japanese Management. New York, NY: Warner Books.
1188
[14] Sackmann, S.A. (2004). Erfolgsfaktor Unternehmenskultur. Mit kulturbewusstem Management Unternehmensziele erreichen und Identifikation schaffen. 6 Best Practice-Beispiele. Wiesbaden: Gabler. [15] Hauser, F., Schubert, A. & Aicher, M. (2008). Unternehmens-
Unternehmensübergreifendes Qualitätsmanagement kultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland. F371 Forschungsbericht: Abschlussbericht Forschungsprojekt Nr. 18/05. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Berlin. [16] Raisch, S. & Probst, G. (2004). Die Logik des Niedergangs. Harvard Business Manager, März 2004: S. 37-45. [17] Liker, J.K. (2004). The Toyota Way. 14 Management Principles from the World’s Greatest Manufacturer. New York, NY: McGraw Hill. [18] Sackmann, S.A: (2005). Toyota Motor Corporation. Eine Fallstudie aus unternehmenskultureller Perspektive. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung.
Unternehmensleitbild ▶Qualitätsleitbild
Unternehmensnetzwerke
▶Wertschöpfungsmanagement
Unternehmensphilosophie ▶Corporate Identity ▶Corporate Philosophie
Unternehmensübergreifendes Qualitätsmanagement ▶en: cross-company quality management ▶Globales Qualitätsmanagement ▶Globales Wertschöpfungsmanagement
Seit Ende der 80er Jahre werden industrielle Rationalisierungsprozesse immer stärker durch die unternehmensübergreifende Reorganisation der Wertschöpfungsketten in Form tief gestaffelter Entwicklungs- und Fertigungsverbünde geprägt. Vorreiter ist hier vor allem die Automobilindustrie, in der weltweit an die Stelle traditioneller Lieferbeziehungen zwischen Abnehmern und Zulieferern sukzessive eng vernetzte Produktionsketten treten [1]. Für die Automobilhersteller und die produzierenden Unternehmen anderer Branchen gewinnt damit immer größeres Gewicht, dass die ►Qualität ihrer Endprodukte in wachsendem Maße auf vorgelagerten bzw. unternehmensextern angesiedelten Produktionsstufen bestimmt wird. Ihre ►Qualitäts politik und die ihrer direkten Lieferanten von Systemen und Komponenten musste und muss sich deshalb – ganz im Sinne der Prinzipien des ►Total Quality Management (TQM) – verstärkt auf die Qualität und Effizienz der Entwicklungsund Fertigungsabläufe in den Produktionsketten bzw. der beteiligten (Vor)Lieferanten richten. Die Zulieferung von Autoteilen erfolgt dabei tendenziell in hochkomplexen sowie zeitlich, organisatorisch und prozessbezogen eng verknüpften zwischenbetrieblichen Prozessen, die sich innerhalb hierarchisch und pyramidenförmig aufgebauten, zunehmend transnational verlaufenden Netzwerkbeziehungen vollziehen. Abbildung U05 kann hiervon nur eine ungefähre Vorstellung vermitteln). Die fortschreitende Tendenz zur Auslagerung (►Outsourcing) von Unternehmensfunktionen auf externe oder dezentral organisierte Liefersegmente forciert diese Ent-
Unternehmensübergreifendes Qualitätsmanagement wicklung. Um Produkt- und Prozessqualität über ganze Wert schöpfungsketten hinweg zu erzielen, bedarf es daher eines effektiven ►Qualitätsmanagements (QM) innerhalb funktionierender zwischenbetrieblicher Kooperationsbeziehungen. Ausführliche Darstellungen zum Unternehmensübergreifenden Qualitäsmanagement finden sich in den Stichwortartikeln ►Globales Qualitätsmanagement und ►Globales Wertschöpfungsmanagement. Dr. Manfred Deiß, ISF München Literatur
[1] Deiß, M; Döhl, V. (Hrsg.): Vernetzte Produktion. Automobil zulieferer zwischen Kontrolle und Autonomie, Frankfurt-New York 1992 [2] Deiß, M.: Qualitätsmanagement im Produktionsverbund. Automobilzulieferer sind eher Vorreiter als Nachzügler. In: QZ, Heft 7, 40. Jg., 1995, S. 821-826 [3] Deiß, M.: Qualitätsmanagement in unternehmensübergreifenden Produktionsnetzwerken der Automobilindustrie. Anforderungen, Probleme, Ansatz punk te. In: H. Hirsch-Kreinsen (Hrsg.): Or ganisation und Mitarbeiter im TQM, Berlin-Heidelberg-New York etc. 1997, S. 189-244 [4] Deiß, M.: Der lange Weg von der Qualitätsinspektion zur Qualitätsproduktion in Netzwerken. In: QZ, Heft 4, 39. Jg., 1994, S. 363-370
Unterstützungsprozess
▶en: Supportprozess Prozess, der unterstützende Aufgaben für die Kernprozesse erfüllt. Unterstützungsprozesse begleiten die Kernprozesse, liefern Daten und Informationen oder regeln verwaltungstechnische Abläufe. Sie besitzen keinen unmittelbar wertschöpfenden Charakter und der Kunde ist nicht bereit, direkt für Unterstützungsprozesse zu bezahlen. Allerdings kann ihre Aufrechterhaltung ebenso wichtig sein wie die von Kernprozessen. Beispiel: Ein funktionierendes IT-System hat für die Datenverwaltung in Banken u. a. Branchen strategische Bedeutung.
Unvermeidbarer Abfall
▶unavoidable waste Unvermeidbare Teilmenge verbrauchter Fertigungsstoffe bei ordnungsgemäßem Ablauf einer gut geplanten Fertigung, die nicht Bestandteil des fertigen ►Produkts wird.
Anmerkung 1: Zum unvermeidbaren Abfall gehört auch der qualitätsbedingte Abfall. Anmerkung 2: In fertigenden Organisationen wird festgestellt, wieviel Abfall insgesamt entsteht. Dessen zeitabhängiges Minimum ist ein Indikator für den unvermeidbaren Abfall. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff D⟫
1189
U
1190
Vorlieferant
Vorlieferant von Komponenten
Direktlieferant von Komponenten
Systemlieferant
Werk AZ
Lieferant von Rohmaterial
großer Direktlieferant / Vorlieferant von Komponenten
Werk BX
Vorlieferant
Vorlieferant einfacher Komponenten
Systemlieferant
Systemlieferant
Lieferant von Rohmaterial
Vorlieferant von Massenteilen
Heimarbeit
Vorlieferant
Direktlief. von Komponenten
Werk BZ
Komponenten– lieferant
Systemlieferant
Werk BY
Endfertiger B
konzerninterner Systemlieferant
Vorlieferant von Komponenten
Modullieferant
Direktlieferant von Komponenten
Direktlieferant von Komponenten
Werk AY
U
Werk AX
Endfertiger A
Komponenten– lieferant
Vorlieferant
Vorlieferant von Komponenten
Systemlieferant
Werk CX
Lieferant von Rohmaterial
Vorlieferant
Systemlieferant
Werk CY
Werk CZ
Vorlieferant von Massenteilen
Systemlieferant
Endfertiger C
Unternehmensübergreifendes Qualitätsmanagement Unternehmensübergreifende Qualitätsmanagement
Abb. U05: Übergreifendes Qualitätsmanagement – Venetzte Produktion in der Automobilindustrie
weitere Vorstufen
3. Zulieferstufe
2. Zulieferstufe
1. Zulieferstufe
Ursache (wahre)
Ursache-Wirkungs-Diagramm
Ursache (wahre)
▶5W-Fünf mal Warum ▶Toyota und das Toyotasystem „Unter der Ursache eines Problems ist die wahre Ursache verborgen. In jedem Fall müssen wir die wahre Ursache zutage fördern, indem wir fünfmal Warum fragen. Sonst können Gegenmaßnahmen nicht ergriffen und Probleme nicht wirklich gelöst werden.“
Ursache-Wirkungs-Diagramm ▶Ishikawa-Diagramm ▶Q7
Urteil
▶Qualitätsurteil
Quelle: Originalzitat aus Ohno, T.: Das Toyota-Produktionssystem. Frankfurt a. Main-New York: Campus 1993, S. 148ff
••• ⨀⨀⨀ •••
U
1191
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe V
V
Virtuelles Qualitätsmanagement
Albert Weckenmann
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Michael von Hauff
VDA QMC und die VDA-6-Standards
Martin Bookjans
Hans-Dieter Zollondz
V
van Buer, Jürgen Validiert ISO-Term
▶Validierung
Validierung
▶en: validation Bestätigung durch Bereitstellung eines objektiven Nachweises, dass die ►Anforderungen für einen spezifischen beabsichtigten Gebrauch oder eine spezifische beabsichtigte Anwendung erfüllt worden sind Anmerkung 1 zum Begriff: Der für eine Validierung erforderliche objektive Nachweis ist das Ergebnis eines ►Tests oder einer anderen Form der ►Bestimmung, z. B. Durchführen alternativer Berechnungen oder Bewerten von ►Dokumenten. Anmerkung 2 zum Begriff: Die Benennung „validiert“ wird zur Bezeichnung des entsprechenden Status verwendet. Anmerkung 3 zum Begriff: Die Anwendungsbedingungen für Validierung können echt oder simuliert sein. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Deutscher Qualitätsexperte
van Buer, Jürgen
Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen van Buer (geb. 1949) promovierte nach seinem Studium der Romanistik und Erziehungswissenschaft in Münster, Rom und Göttingen 1980 an der Universität zum Dr. phil. 1980 erhielt er den Nachwuchsförderpreis der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGf E). 1989 habilitierte er in Erziehungswissenschaft an der Universität-Gesamthochschule Siegen. 1992 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der Humboldt-Universität. 1995 wurde er mit der Ehrenmedaille der Besseneyí-Hochschule in Nyíregyháza ausgezeichnet. 1996 wurde er zum Ehrenmitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (Comitát SSB) ernannt. 1997 erhielt er die Ehrendoktorwürde an der Universität für National- und Weltwirtschaft Sofia (Bulgarien). – Neben vielfältigen Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen und Ämtern an der Humboldt-Universität zu Berlin, die im besonderen Maße dem Fokus der inneruniversitären Entwicklung folgten, sind seine wissenschaftlichen Tätigkeitsfelder thematisch breit gelagert: So führte er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DfG) finanzierte Forschungsprojekte zum Lehren und Lernen in der Berufsausbildung durch, ebenso vom Europäischen Sozialfond (ESF) und dem Land Berlin finanzierte Modellprojekte zur Schulentwicklung an beruflichen Schulen, zur Entwicklung im Dualen System der Berufsausbildung, mehrere, u. a. durch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBF) finanzierte Projekte zur universitären Lehrerausbildung sowie von der Europäischen Union finanzierte
van Buer, Jürgen Hochschulentwicklungsprojekte in Syrien. Vor allem in den 1990er Jahren unterstützte er durch mehrere z. B. durch die Volkswagen-Stiftung finanzierte Projekte die Hochschulentwicklung in osteuropäischen Staaten, dort vor allem in Ungarn und Bulgarien, aber auch in Litauen. Seit einigen Jahren arbeitet er eng mit Universitäten in anderen europäischen Ländern wie dem King’s College (London), den Universitäten von Granada und Córdoba (Spanien), der Universität Graz (Österreich) und Hochschulen und Universitäten in Ungarn, Litauen und den Niederlanden zusammen. Darüber hinaus evaluierte er das Hochschulübergreifende Zentrum für Tanz der Universität der Künste und der Ernst-BuschSchule Berlin, coachte die Entwicklung dieses Zentrums bis zur dessen endgültigen Etablierung. Derzeit begleitet er zwei von dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBF) finanzierte Projekte - das Projekt „InnoLernenTanz“ an der Palucca Hochschule für Tanz (Dresden), das sich mit der nachhaltigen Implementierung innovativer Unterrichtsformen beschäftigt, und das Projekt „Diversität im Dialog“ an der Universität der Künste (Berlin), das die dauerhafte Realisierung eines systematisch strukturierten Studium Generale für alle Studiengänge dieser Universität fokussiert. Literatur (Auswahl): (Bücher) Buer, J., van, Kell, A. & Wittmann, E. (Hrsg.) (2001). Berufsbildungsforschung in ausgewählten Wissenschaften und multidisziplinären Forschungsbereichen. Frankfurt a. M. u.a.O.: Lang. – Buer, J. van & Wagner, C. (Hrsg.) (2009). Qualität von Schule. Ein kritisches Handbuch. 2., durchgesehene Auflage. Frankfurt a.M. u.a.O.: Lang. – Buer, J. van, Wagner, C. & Gausch, M. (Eds.) (2010). Innovation, Change and Sustainability in Syrian higher Education. Frankfurt a. M. et al.: Lang. – Kuhlee, D., Buer, J. van & Winch, C. (Eds.) (2015). Governance in der Lehrerausbildung: Analysen aus England und Deutschland (Governance in Initial Teacher Education: Perspectives on England and Germany. Wiesbaden: Springer VS. – Artikel: Buer, J. van (2008). Educational controlling. In: Rauner, F. & Maclean, R. (Eds.), Handbook of Technical and Vocational Education and Training research (847851). Berlin u.a.O.: Springer Science+business Media. – Buer, J. van & Samier, E. (2008). Evaluation, Quality Development and Assurance. In: Rauner, F. & Maclean, R. (Eds.), Handbook of Technical and Vocational Education and Training research (819-825). Berlin u.a.O.: Springer Science+business Media. – Buer, J. van & Niederhaus, C. (2008). Kommunikation und Interaktion in pädagogischen Kontexten – berufs- und wirtschaftspädagogische Perspektiven. In Nickolaus, R. et al. (Hrsg.), Handbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. – Buer, J. van & Köller, M. (2009). Schulprogramm als zentrales Steuerungsinstrument für die Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht. In Buer, J. van & Wagner, C. (Hrsg.), Qualität von Schule. Ein kritisches Handbuch (103-130). 2., durchgesehene Auflage. Frankfurt am Main: Lang. – Buer, J. van (2009). Outputsicherung von Schule zwischen Effektivität und Rechenschaftslegung. In Buer, J. van & Wagner, C. (Hrsg.). Qualität von Schule. Ein kritisches Handbuch (495-512). 2., durchgesehene Auflage. Frankfurt am Main: Peter Lang. – Kuhlee, D. & Buer, J. van (2009).Professionalisierung in der neuen gestuften Lehrerbildung – zwischen traditionellen Berufsbildern der Studierenden und professionsorientierter Kompetenzentwicklung. In: Zlatkin-Troitschanskaia, O., Beck, K., Sembill, D.; Nickolaus, R. & Mulder, R. (Hrsg.) ( 2009). Lehrprofessionalität – Bedingungen,
1195
V
VDA QMC und die VDA 6-Standards
van Buer, Jürgen
Value added
Begriff
V
Variable Kosten
DIN-Term
▶Wertschöpfungsmanagement Diese Klassifizierung wird bei der Erstellung einer Process Map verwendet, um Prozessschritte im Hinblick auf ihren wertschöpfenden Beitrag zum Prozess zu beurteilen. Dabei wird unterschieden zwischen „Value added“ und „non value added“ (nicht wertschöpfend). Wertschöpfend ist ein Prozessschritt dann, wenn das Produkt ◼ sich verändert und ◼ der Kunde dafür zahlen würde, ◼ dieser Prozessschritt aufgrund gesetztlicher Vorschriften oder zur Sicherheit des Kunden vorgeschrieben ist.
Variablenprüfung
Teil der (Gesamt-)Kosten, der sich mit dem Beschäftigungsgrad ändert. Diese Kosten werden auch veränderliche Kosten oder beschäftigungsabhängige Kosten genannt. ▶de: Annahmestichprobenprüfung Die Annehmbarkeit des Prüfloses wird auf Basis der Istwerte eines quantitativen Merkmals festgestellt, die an den Stichprobeneinheiten ermittelt werden. Quelle: Nach DIN 55350-31
1196
Varianz
▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement Maß für die Abweichung einer Zufallsvariable von ihrem Erwartungswert. Die Berechnung erfolgt, indem die Summe der quadrierten Abweichungen vom Mittelwert durch die Anzahl der Messwerte geteilt wird.
Variety Seeking
▶Kundenzufriedenheit Variety seeking heißt – wörtlich übersetzt – die Suche nach Abwechslung. Bezogen auf das Verhalten der Kunden am Markt, wird damit ein Phänomen bezeichnet, bei dem Kunden trotz guter Erfahrungen mit dem Produkt bei zukünftigen Kaufentscheidungen ganz bewusst nach Abwechslung suchen.
VDA 6.1
▶VDA QMC und die VDA 6-Standards
VDA QMC und die VDA 6-Standards
▶Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 ▶ISO/TS 16949 ▶QS-9000 1 Zum VDA Die Geschichte des VDA, des Verbands der Automobilindustrie, begann mit der Gründung des VDMI (Verein Deutscher Motorfahrzeug-Industrieller) im Jahr 1901 in Eisenach. Zielsetzung des VDMI war es, den Verkehr auf den Straßen zu fördern. Jeweils nach den Kriegen gab es Namensänderungen: 1923 erfolgte die Umbenennung in RDA (Reichsverband der Automobilindustrie) und am 2. Mai 1946 erfolgte die Umbenennung in den noch heute gültigen Namen VDA, Verband der Automobilindustrie. Der Verband hat heute seinen Stammsitz in Berlin. Als rechtsfähiger Verein sieht er seine Aufgabe v. a. in der Interessenvertretung, dem Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedern und der Erarbeitung von Standards. Ein aktuelles Beispiel mag die VDA-Empfehlung 5509 (►RFID – AutoID/RFID-Einsatz und Datentransfer zur Verfolgung von Bauteilen und Komponenten in der Fahrzeugentwicklung) sein, mit der ein hoher Standardisierungsgrad in der Automobilindustrie angestrebt wird. Mit seinen Mitgliedern geht der VDA in der Öffentlichkeit manchmal hart zu Gericht, wie im Falle eines Qualitätsthemas, der Abgasaffäre bei VW, wo der Präsident, Matthias Wissmann, den Konzern verurteilte (autohaus.de am 23.9. 2015): „Es handelt sich um die illegale Anwendung einer speziellen Motorsoftware, um Tests zu schönen.“ Dem Verband ist die Bedeutung eines solchen Themas sehr bewusst. Schließlich hat Ende des 19. Jahrhunderts Carl Benz das erste Automobil hergestellt. Qualität steht seitdem im Vordergrund. Deutschland ist heute nach China, den USA und Japan der viertgrößte Kraftfahr-
Begriff
Genese, Wirkungen und ihre Messung (489-499). Weinheim: Beltz. – Buer, J. van & Kuhlee, D. (2010). Standards in der Lehrerbildung – zwischen Entwicklungsanspruch und Legitimationsfunktion. In Seifried, S., Wuttke, E., Nickolaus, R. & Sloane, P.F.E. (Hrsg.), LehrLern-Forschung in der kaufmännischen Berufsbildung – Ergebnisse und Gestaltungsaufgaben. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik – Beihefte, Band 23, 49-72. – Gausch, M. & Buer, J. van (2011). Studienwechsel als Indikator für Scheitern?. In Faßhauer, U., Aff, J., Fürstenau, B. & Wuttke, E. (Hrsg.), Lehr-Lernforschung und Professionalisierung. Perspektiven der Berufsbildungsforschung (147-159). Opladen; Farmington Hills, Mich.: Budrich 2011. – Rückmann, J., Wagner, C. & Buer, J., van (2012). Evaluation und Personalentwicklung an beruflichen Schulen. In Niedermair, G. (Hrsg.), Evaluation als Herausforderung der Berufsbildung und Personalentwicklung (265-283). Schriftenreihe für Berufs- und Betriebspädagogik. Linz: Trauner. – Buer, J. van (2015). Balancing Theory and Practice in Initial Teacher Education: German Perspectives. In: Kuhlee, D., Buer, J. van & Winch, C. (Hrsg.), Governance in der Lehrerausbildung: Analysen aus England und Deutschland (149-167). Educational Governance, Band 27. Wiesbaden: Springer. – Buer, J. van & Füssel, H.-P. (2015). “Only the Best Teachers Will Do” – Professional Aptitude Testing as a New Selection Tool for Teacher Training Programmes in Germany? In Kuhlee, D., Buer, J. van & Winch, C. (Hrsg.). Governance in der Lehrerausbildung: Analysen aus England und Deutschland (267-286). Educational Governance, Band 27. Wiesbaden: Springer. – Buer, J., van, Wagner, C., Rückmann, J. & Füssel, H.-P. (2015). Schulinspektion – zur prekären Balance zwischen Instrumentalität versus Professionalität in der Regelinspektion. In: Rausch, A., Warwas, J., Seifried, J. & Wuttke, E. (Hrsg.), Konzepte und Ergebnisse ausgewählter Forschungsfelder der beruflichen Bildung – Festschrift zum 65. Geburtstag von Detlef Sembill. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren (erscheint 2015).
VDA QMC und die VDA 6-Standards zeugproduzent der Welt. Die Automobilindustrie gilt als das Zugpferd der deutschen Wirtschaft. Knapp 775.000 Personen waren im Jahresdurchschnitt 2014 in diesem Industriezweig beschäftigt. Schließlich ist die Branche Impulsgeber für viele weitere Wirtschaftszweige: Ein großes Netz an Unterlieferanten aus dem Bereich Maschinenbau, Metallverarbeitung, der Textil- oder chemischen Industrie und IT versorgt die Kraftfahrzeugindustrie und profitiert von ihrem hohen Auftragsvolumen. Im Jahr 2014 erreichte der Jahresumsatz der Automobilindustrie mit rund 368 Milliarden Euro ein Rekordniveau. Dies entspricht einem Zuwachs von 2 Prozent. Einen großen Anteil daran hat die Nachfrage aus dem Ausland. Während die japanische und amerikanische Autoindustrie vor allem den jeweiligen Inlandmarkt bedient, exportiert Deutschland seine Kraftfahrzeuge vor allem ins Ausland. 2 Zu VDA QMC Die Geschichte der Automobilfertigung ist auch eine Geschichte der Qualität. Davon legen Begriffe wie das Fordoder Toyotasystem genauso Zeugnis ab wie die hohe Qualität der deutschen Kraftfahrzeuge, die auf die hohe Qualifikation und Kompetenz der Mitarbeiter beruht. Gerade angesichts der Tatsache, dass Deutschland im Bereich der Automobilfertigung mit seinen „Qualitäts-Automobilen“ auf den internationalen Markt angewiesen ist, hat der VDA gezielt Weichen gestellt [1]. Seit dem 1. 8. 1997 wurde im Geschäftsbereich A (Geschäftsbereiche bilden die oberste Gliederungsebene des VDA) das Qualitäts Management Center (QMC) gegründet, dessen vielfältige Aufgaben hier ansatzweise auf drei Bereiche reduziert werden: ◼ Organisation der VDA QMC Arbeitskreise – Zurzeit arbeiten in 30 Arbeitskreisen (der Intelligenz des QM der Automobilindustrie) Experten des Qualitätsmanagements, entsandt von den Automobilherstellern und Automobilunterlieferern an den unterschiedlichsten QM-Themen der Automobilindustrie. ◼ Harmonisierung/Standards setzen – Auf diese Art und Weise schafft das QMC immer wieder harmonisierte Standards zu erarbeiten und diese aktuell zu halten. ◼ Überwachung der VDA QMC Regelwerke – Die deutsche Automobilindustrie hat die in der ISO 9001 festgelegten Forderungen weiterentwickelt und in den Regelwerken VDA 6.1, VDA 6.2 und VDA 6.4 dokumentiert. Beim Nachweis der Konformität mit diesen Regelwerken können von zugelassenen Zertifizierungsgesellschaften Zertifikatsergänzungen erstellt werden.
Herauskristallisiert haben sich v. a. die folgenden Aufgaben: IATF Oversight Office: Das VDA QMC Oversight Büro vertritt die deutschen Automobilhersteller und Automobilzulieferer und wurde etabliert um die folgende Aufgaben wahrzunehmen: ◼ Einführung und Überwachung des ►ISO/TS 16949 Zertifizierungsverfahrens
VDA QMC und die VDA 6-Standards ◼ Koordination mit den übrigen Oversight Büros um weltweite Einheitlichkeit des ISO/TS 16949 Zertifizierungsverfahrens zu gewährleisten ◼ Unterstützung der ►IATF in den Harmonisierungsbestrebungen mit weiteren Automobilherstellern ◼ Entwicklung und Aufrechterhaltung einer zentralen IATF Datenbank mit strategischen Informationen zur Überwachung und Steuerung der weltweiten ISO/TS 16949
Aus- und Weiterbildung: Die Aufgabe der Aus- und Weiterbildung im VDA QMC besteht primär darin, die zuvor in den Arbeitskreisen erarbeiteten Inhalte in Form von branchenspezifischen Qualitäts-Management-Trainings an die Mitarbeiter der Automobilindustrie national und international weiterzugeben. Unter dem Dach des VDA QMC werden die entsprechenden Lehrinhalte von den Mitarbeitern erarbeitet, die auch im VDA QMC als Trainer die Seminare realisieren. 3 Zu den VDA-Automotive-Standards VDA 6 Unter der Bezifferung 6 (und Kennzeichnung als „Band“) hat der VDA, beginnend im Jahr 1991, mit der ersten Version des VDA 6.1 den umfassende Qualitätsstandard der deutschen Automobilindustrie entwickelt, der über die Darlegungsnorm ISO 9001 hinausgeht und v. a. als Pendant zum amerikanischen ►QS-9000 zu sehen ist [2]. Abbildung V01 zeigt die historische Entwicklung von QS-9000 und VDA Abb. V01: Entwicklung der Forderungskataloge
Forderungskataloge US-Autoindustrie
Deutsche Autoindustrie (OEM im VDA)
1994 Quality Standard QS-9000
1991 als Fragenkatalog zur ISO 9004 eingeführt, heute: Quality Standard VDA 6.1
2006 zurückgezogen, Zertifzierungen nicht mehr möglich
2006 nicht zurückgezogen, fortlaufend aktualisiert. Bildet Basis für die QMS-Entwicklung. Zertifzierungen durch zugelassene Zertifzierungsgesellschaften weiterhin möglich
(GM, Ford, Chrysler etc.)
Ersetzt durch
V
ISO/TS 16949 (= branchenspezifischer Anhang zur ISO 9001, von der IATF entwickelt)
1197
VDA QMC und die VDA 6-Standards 6.1. Auch wenn der QS-9000 die Zertifzierung nicht mehr ermöglicht, wird er in der Praxis dennoch als Leitfaden genutzt. Die VDA-Bände sind in Folge einfach durchnummeriert und lassen den Stellenwert nicht erkennen. Die Inhalte erschließen sich jedoch, wenn folgende Gruppierung vorgenommen wird: 1 VDA-Themenbereiche ☐ VDA 1 Dokumentation und Nachweisführung ☐ VDA 7 Austausch von Qualitätsdaten ☐ VDA 9 Qualitätssicherung Emission und Verbrauch ☐ VDA 11 Erfolgreich umsetzen – Zielsteuerung … ☐ VDA 12 Prozessorientierung ☐ VDA 13 Entstehung softwarebestimmter Systeme ☐ VDA 16 Dekorative Oberflächen ☐ VDA 19 Prüfung der technischen Sauberkeit 2 Mitgeltende Themenbereiche ☐ VDA 2 Sicherung der Qualität ☐ VDA 3.1 Zuverlässigkeitssicherung (Teil 1) ☐ VDA 3.2 Zuverlässigkeitssicherung (Teil 2) ☐ VDA 4 Sicherung der Qualität i. d. Prozesslandsch. ☐ VDA 5 Prüfprozesseignung ☐ VDA 6.3 Prozessaudit ☐ VDA 6.5 Produktaudit ☐ VDA 6.7 Prozessaudit Einzelproduktion 3 VDA Automotive Standards ☐ VDA 6.1 QM-Systemaudit – QM-Sytem für Herstellung von Bauteilen und Komponenten ☐ VDA 6.2 QM-Systemaudit – Dienstleistungen – QMSystem für interne und externe Dienstleistungen ☐ VDA 6.4 QM-Systemaudit – Produktionsmittel – QM-System für Herstellung von Maschinen, Anlagen Vorrichtungen, Werkzeugen, Prüfmitteln 4 Bezug zu grundlegenden Internationalen Standards ☐ ISO 9001 QM-System ☐ ISO 19011 Leitfaden für Audits ☐ ISO/TS 16949 Technische Spezifikation Diese Systematik verdeutlicht, dass eine Zertifzierung nur nach folgenden vier Standards erfolgen kann: ◼ ◼ ◼ ◼
V
VDA 6.1 (Regelwerk für produzierende Unternehmen) VDA 6.2 (Regelwerk für Dienstleistungsunternehmen) VDA 6.4 (Regelwerk für Betriebsmittelhersteller) ISO/TS 16949 (Regelwerk zur ISO 9001:2008)
Dreh- und Angelpunkt und damit Basis bildet die Darlegungsnorm ISO 9001. Sie ist die Voraussetzung für die Zertifzierung nach allen vier Normen. Welche der vier Normen in Kombination mit der ISO 9001 zum Zuge kommt, wird in den Verträgen zwischen Kunden und Lieferanten vereinbart. Tendenziell hat sich in den letzten Jahren die Zertifizierung nach ISO/TS 16949 durchgesetzt. Da es sich sowohl bei den Normen der ISO wie auch bei den VDA-Standards um Empfehlungen handelt, können diese nur bindend wirksam werden, wenn sie Bestandteil von Lieferverträgen werden. Es handelt sich folglich nicht per se um zwingend einzuführende Branchennormen. Die Harmonisierung ist in diesem Bereich
1198
VDA QMC und die VDA 6-Standards damit in den letzten Jahren sehr weit fortgeschritten und erleichtert den jeweiligen Lieferanten den Zertifzierungsaufwand. In den 1990er Jahren war die Situation aus der Sicht der Unterlieferanten eher chaotisch und mit viel Doppelarbeit und Kosten verbunden. Allerdings gilt es zu beachten, dass die Zertifzierung voraussetzt, dass nur zugelassene Zertifzierungsunternehmen eingesetzt und anerkannt werden. Deren Kompetenz wird von VDA QMC bestätigt. Interessant ist unter der Perspektive der Forderungen der Automobilindustrie auch das EFQM-Modell. Dessen Forderungen werden in der VDA-Reihe 18 aufgegriffen. Derzeit ist jedoch die Zertifzierung nach VDA 18 nicht möglich. 4 Automotive Quality Alliance Die „Automotive Quality Alliance“ wurde von den QMAMitgliedern des QM-Ausschusses im VDA initiiert, die davon ausgeht, dass Qualität die zentrale Voraussetzung für das Vertrauen der Kunden und damit für den Markterfolg aller Unternehmen der Automobilindustrie ist. Mit der Initiative wollen die Unternehmen gemeinsam ein Zeichen für Qualität setzen, die Qualitätshaltung und das operative Qualitätsmanagement in der Lieferkette insgesamt und speziell in den Unternehmen der n-Tier-Kette stärken und damit die Wertschöpfung in der automobilen Lieferkette nachhaltig erhöhen. Die Initative lässt sich von sieben Prinzipien leiten: 1 Wertschöpfungspartnerschaft. Wir verstehen die Sicherung der Qualität als gemeinsame Aufgabe und Verantwortung aller Unternehmen der Lieferkette. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements auf jeder Stufe der Lieferkette hat eine zentrale Bedeutung für den Erfolg unserer Produkte bei den Endkunden. 2 Ressourcen. Wir setzen alle erforderlichen Ressourcen ein, um die gemeinsam definierte Qualität zu liefern und bekennen uns dazu, den Qualitätsgedanken in allen Funktionsbereichen unserer Unternehmen und in der Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten zu verankern. 3 Kommunikation. Wir sorgen für einen aktiven, reibungslosen Informationsaustausch in und zwischen den Unternehmen der Lieferkette, um ein zeitgerechtes und effektives gemeinsames Handeln in Qualitätsfragen zu ermöglichen. 4 Automobilspezische Standards. Wir fördern die Anwendung der Qualitätsmanagementstandards, die gemeinsam von Herstellern und Lieferanten im Verband der Automobilindustrie erarbeitet und weiterentwickelt werden. 5 Transparenz. Wir stärken aktiv die Kenntnisse unserer Mitarbeiter und Lieferanten über ihre Rolle in der Lieferkette sowie ihren spezischen Beitrag zur Funktionalität und Qualität des Endprodukts. 6 Gemeinsames Lernen. Wir tauschen uns über er- folgreiche Qualitätsinitiativen und die beispielhafte Anwendung von Qualitätsmanagementmethoden aus und fördern den Wissenstransfer zwischen den Unternehmen der Lieferkette.
VDA QMC und die VDA 6-Standards 7 Innovation. Wir binden das Qualitätsmanagement frühzeitig in Innovationsprozesse ein und arbeiten eng zusammen, um bei der Integration neuer Lieferanten und zukünftiger Technologien in die automobile Lieferkette höchste Qualitätsstandards sicherzustellen.
Abb. V02: Apple Car – Phantombild – Titan-Projekt
Qualitätsmanagement und der Qualitätszusammenarbeit in der Automobilindustrie auf lange Sicht wiederholt Positivimpulse zu geben.“ Schließlich könnte die Branche durch Einflüsse bisher nicht gekannter Art ihre Image verlieren. Schließlich Qualität ist ein Führungsthema und dieAufgabe ist es, eine an der Qualität ausgerichtete Unternehmenskultur zu etablieren. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur [1] Informationen zu diesem Thema finden sich unter der URL: http://www.vda-qmc.de, die dem Text als Basis dienten. Als Grundlagenwerk dürfte sich auch folgendes Buch etabliert haben: Brückner, C.: Qualitätsmanagement. Das Praxishandbuch für die Automobilindustrie. München (Hanser) 2011 [2] Loos, S.: QS-9000 und VDA 6.1. München-Wien (Hanser) 1998 [3] VDA QMC (Hrsg.): Automotive Quality Alliance. Initiative für Qualität in der Automobilindustrie. Berlin 2015
VDI-Richtlinie 2670
▶Ganzheitliche Produktionssysteme
Veränderungsmanagement ▶Changemanagement
Verband
▶en: association
►Organisation, die aus Mitgliederorganisationen oder Personen besteht [Quelle: ISO 10003:2007, 3.1]
ISO-Term
Ziel dieser Initiative ist es die sog. Lieferkette zu stärken und auch diejenigen Lieferanten zu erreichen, die bisher in sehr loser Form mit der Branche verbunden sind. Insofern greift die Initiative auch ein zukünftiges Thema auf, wenn immer mehr branchenfremde Unternehmen (von Google bis Apple) sich in den Automobilbau einklinken. Beispielhaft sei das vom Unternehmen Apple betriebene Titan-Projekt genannt (Abbildung V02), in dem es um ein „Apple-Car“ geht. Gerade diese eigentlich branchenfremden Unternehmen bedürfen der Informationen zum Qualitätsmanagement, also zum Thema Qualität und seiner Systeme, wie es sich in der Automobilindustrie weltweit entwickelt hat. Die thematisierte Lieferkette hat somit Tradition und Zukunft zu erhellen. Aus der Fachsicht kann so eine Initiative, die im Jahr 2015 begonnen hat, mit ihrem Langfristcharakter nur begrüßt werden [3]: „Die Automotive Quality Alliance ist eine Plattform, um dem
Verbessern–Verändern
Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Verband der Automobilindustrie
▶VDA-QMC und die VDA 6-Standards
Verbessern–Verändern
▶en: improve–change ▶Demings PDCA-Zyklus ▶Kaizen Unter Verbessern versteht man, etwas zu dem zu machen oder zu befähigen, was es seiner Bestimmung nach sein oder leisten soll. Der Sinn des Begriffs entspringt einer idealistischen Perspektive, einer platonischen Denkfigur. Verbessern setzt einen bleibenden Maßstab voraus, den die Realität – also die Erscheinungen oder Phänomene – nie erreichen. Folglich nähert sich die Realität nur schrittweise an diesen idealen Maßstab an oder ab, wenn es nicht gelingt. Jede zu betrachtende Einheit verbessern, heißt somit, sie sich selbst und ihrem Zweck näherzubringen. Hier setzt das Denken in PDCAZyklen an, hier ist der japanische Kaizen-Ansatz zu verorten. Dagegen ist Verändern oft die Folge von Verbessern. Beim Verändern stellt sich nämlich oft heraus, dass für das Gut-sein oder Gut-werden eigentlich ganz andere Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Verändern heisst of Revidieren oder Reformieren. Die Revision der ISO 9000er Reihe ist so ein Projekt, dessen Ergebnisse an Voraussetzungen geknüpft sind, die sie erfolgreich werden lassen. Diese Voraussetzungen bringen vor allem die Mitwirkenden, die Teilnehmer an den Arbeitsgruppen, die international zusammengesetzt sind. All das soeben Gesagte mündet in der Formel „Neu denken“. Im PDCA-Zyklus ist es das ACT. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Verbesserung
▶Qualitätsverbesserung ▶Kaizen ▶Juran, Joseph Moses
V 1199
ISO-Term
Verifizierung
Verbesserung
verwendet. [Quelle: ISO 10001:2007, 3.1, geändert — Der Begriff „Kodex“ wurde als zugelassener Begriff entfernt und Anmerkung 2 zum Begriff wurde geändert] Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
▶en: improvement ►Tätigkeit zum Steigern der ►Leistung
Verbraucherprodukt
ISO-Term
▶ Produktsicherheitsgesetz ▶ Change Management
Verfahren
▶en: procedure festgelegte Art und Weise, eine Tätigkeit oder einen ►Prozess auszuführen
Begriff
Verfahrensaudit
▶Verfahrensdokument Anweisung, die ein dokumentiertes Verfahren beschreibt. ▶audit Instrument, um sich von der Zweckmäßigkeit bzw. Wirksamkeit festgelegter Verfahren und Vorgehensweisen sowie von der Einhaltung von Verfahren zu überzeugen. Es konzentriert sich darauf zu untersuchen, auf welche Art und Weise ein bestimmter Prozessschritt praktiziert wird.
Verfahrensdokument
▶Verfahren Dokument, das ein Verfahren beinhaltet. In diesem Dokument wird die Art und Weise, wie ein Prozess oder eine Tätigkeit auszführen ist, beschrieben oder dargestellt.
Verfahrenstechnisches Produkt ▶Produkt
Verfügbarkeit (en: availability) ISO-Term
▶IT-Sicherheit | ▶Zuverlässigkeitsmanagement ▶en: customer satisfaction code of conduct
Versprechen einer ►Organisation an die ►Kunden und zugehörige Bestimmungen, die sich auf das Verhalten der Organisation beziehen und eine erhöhte ►Kundenzufriedenheit zum Ziel haben Anmerkung 1 zum Begriff: Zugehörige Bestimmungen können ►Ziele, Bedingungen, Einschränkungen, ►Kontaktinformationen und ►Verfahren zur Behandlung von ►Reklamationen einschließen. Anmerkung 2 zum Begriff: In ISO 10001:2007 wird die Benennung „Kodex“ anstelle von „Verhaltenskodex zur Kundenzufriedenheit“
1200
Anmerkung 1 zum Begriff: Der für eine Verifizierung erforderliche objektive Nachweis kann das Ergebnis einer ►Prüfung oder anderer Formen der ►Bestimmung sein, z. B. Durchführen alternativer Berechnungen oder Bewerten von ►Dokumenten. Anmerkung 2 zum Begriff: Die für die Verifizierung ausgeführten Tätigkeiten werden manchmal als ►Qualifizierungsprozess bezeichnet. Anmerkung 3 zum Begriff: Die Benennung „verifiziert” wird zur Bezeichnung des entsprechenden Status verwendet. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Verkehrssicherungspflichten
▶Produkt-/Produzentenhaftung im QM Im Bereich der Warenherstellung können gewöhnlich folgende Pflichtenkategorien genannt werden: Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktions-, Produktbeobachtungs- und Organisationspflichten.
Verluste
▶Qualitätsbezogene Verluste
Vermeidbarer Abfall
▶en: avoidable waste Differenz zwischen dem insgesamt festgestellten und dem unvermeidbaren ►Abfall.
Anmerkung 1: Teilmengen eines Produkts oder einer Produktserie, bei denen eine nicht zufriedenstellende ►Qualität vermeidbar ge wesen wäre, sind nicht qualitätsbedingter Abfall, sondern fertigungsoder montagebedingte Fehlprodukte. Sie benötigen ►Nacharbeit oder sind ►Ausschuss. Die betreffenden Kosten sind Fehlerkosten. Die betreffenden Teilmengen gehören, sofern zufriedenstellende Qualität nicht wieder erreicht wird, zum Ausschuss. Anmerkung 2: Es läßt sich meist leicht feststellen, wieviel Abfall insgesamt entsteht. Dessen zeitabhängiges Minimum ist ein Indikator für den unvermeidbaren Abfall. Anmerkung 3: Es gibt viele Ursachen für vermeidbaren Abfall. Normquelle: DIN 55350-11:1995-08 ⟪Originalbegriff ⟫
Versagen
Nichterfüllung von Forderungen. Quelle: DGQ-Band 11-04:2009
Verschrottung
▶en: scrap ▶Aussondern Maßnahme an einem nichtkonformen ►Produkt oder einer nichtkonformen ►Dienstleistung, um den ursprünglich beabsichtigten Gebrauch auszuschließen Beispiel: Recycling, Zerstörung.
ISO-Term
V
Verhaltenskodex zur Kundenzufriedenheit
▶en: verification Bestätigung durch Bereitstellung eines objektiven ►Nachweises, dass festgelegte ►Anforderungen erfüllt worden sind
DIN-Term
Begriff
Verfahrensanweisung
Begriff
Anmerkung 1 zum Begriff: Verfahren können dokumentiert sein oder nicht. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Verifizierung
ISO-Term
Anmerkung 1 zum Begriff: Die Tätigkeit kann wiederkehrend oder einmalig sein. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
ISO-Term
Verbesserung
Begriff
Verschuldenshaftung Anmerkung 1 zum Begriff: Bei einer nichtkonformen Dienstleistung wird der Gebrauch durch die Einstellung der (Erbringung der) Dienstleistung ausgeschlossen. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
▶Produkt-/Produzentenhaftung im QM Für die Anwendung der Verschuldenshaftungsregelung wird vorausgesetzt, daß der Schaden dem Verursacher nicht nur zugeordnet, sondern auch persönlich vorgeworfen werden kann. Es muss fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt worden sein.
Verschwendung
▶jap. Muda ▶Toyota und das Toyotasystem ▶Japanische Qualitätstechniken
Versuch
DIN-Term
▶en: study ▶Design of Experiments (DoE)
Verteilung
▶en: distribution Aussage darüber, wie sich die Wahrscheinlichkeiten auf die Zahlenwerte von Zufallsgrößen verteilen. Auch qualitative Bezeichnung für den Zusammenhang von Istwerten und den ihnen zugeordneten Besetzungszahlen, den summierten Besetzungszahlen, den Häufigkeiten, Häufigkeitsdichten oder Häufigkeitssummen.
ISO-Term
Normquelle: nach DIN 55350-21
Vertrag
▶en: contract bindende Vereinbarung
Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Vertragsprüfung
▶en: contract review Qualitätsbewertung eines Vertrags.
Vertragsüberprüfung ▶Vertragsprüfung
Vertrauen DIN-Term
▶Menschenbild im Qualitätsmanagement
Vertrauensbereich
▶en: confidence interval Schätzbereich, der aus Ergebnissen von Stichproben berechnet wird. Der Schätzbereich schließt den unbekannten wahren Wert des Parameters, der zu schätzen ist, auf dem vorgegebenen Vertrauensniveau ein. Normquelle: nach DIN 55350-24
Vertrauenskultur
▶Menschenbild im Qualitätsmanagement ▶Unternehmenskultur
Vertrauensniveau
▶en: confidence level Für die Berechnung eines Vertrauensbereichs oder eines statistischen Anteilsbereichs gewünschter und vorgegebener Mindestwert der Wahrscheinlichkeit.
DIN-Term
Verschuldenshaftung
Virtuelles Qualitätsmanagement
Normquelle: nach DIN 55350-24
Vertrauenswürdigkeit ▶IT-Sicherheit
Vertraulichkeit ▶IT-Sicherheit
Verwandtschaftsdiagramm ▶Affinitätsdiagramm
Vignetten-Technik
▶D7-Q-Techniken für Dienstleister
Virtual Queues
▶Wartezeitenmanagement
Virtuelle Organisation
▶Organisationskonzepte, Neue
Virtuelles Qualitätsmanagement ▶ vQM ▶ Virtual Quality Management
1 Hintergrund und Motivation Bei praktisch allen Planungsvorgängen für technische Produkte, Herstellungs- oder Montageprozesse oder gar für ganze Fabrikhallen, werden zunächst mehr oder weniger ausgeklügelte Vorüberlegungen angestellt. Sie helfen – zunächst ohne kostspielige Anschaffung bzw. Anfertigung der notwendigen Bauteile, Komponenten und deren Montage – zu erkennen, ob die geplanten Vorgänge, Schritte oder Abläufe in den zulässigen Fehlergrenzen zum geplanten Ziel führen, ob notwendige Fähigkeitskennwerte erreicht werden, ob Kollisionen auftreten oder ob noch ungenutztes Verbesserungspotenzial besteht. Heutzutage werden hierfür aufgrund ihrer Möglichkeiten der Effizienzsteigerung im Rahmen der Verkürzung der Produktlebenszyklen verstärkt mächtige Systeme und Methoden, insbesondere Hard- und Softwaresysteme aus dem Bereich der „Virtual Reality“ (VR) für derartige Vorüberlegungen in Form von Simulationsstudien herangezogen. Nach der VDIRichtlinie 3633-1 ist eine Simulation „[...] ein Verfahren zur Nachbildung eines Systems mit seinen dynamischen Prozessen in einem experimentierbaren Modell, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die auf die Wirklichkeit übertragbar sind“
1201
V
Virtuelles Qualitätsmanagement
Virtuelles Qualitätsmanagement
[1] (s. Abbildung V03). Hierbei wird ein Modell des zu betrachtenden Systems (z. B. Produkt oder Prozess) erstellt und im Anschluss werden verschiedene Situationen im Hinblick darauf durchgespielt, ob sich das System innerhalb der vorgegebenen Parameter bewegt oder ob korrektive Maßnahmen nötig sind.
hinsichtlich der Auswirkungen von Abweichungen möglich sind. Deshalb sind auch keine Werkzeuge bekannt, welche die wenigen Simulationsmodelle, die die erforderlichen Forderungen an die Abbildungsgenauigkeit erfüllen, qualitätsbetrachtend untersuchen und damit in ihrem vollen Potenzial nutzen könnten (s. a. [8], [9] und [10]).
Das solchen Simulationsstudien zugrundeliegende Modell ist dabei stets ein beschränktes Abbild der Wirklichkeit, das mathematisch-physikalische Sachverhalte oder auch organisatorische Zusammenhänge darstellt.
Das virtuelle Qualitätsmanagement greift diese Defizite auf und bietet eine ganzheitliche Lösung aus einer Mehrzahl ineinandergreifender Werkzeuge, um die erforderlichen Simulationsmodelle erstellen, effizient handhaben und optimal ausnutzen zu können. Virtuelles Qualitätsmanagement (vQM) ist die systematische Anwendung von aufeinander abgestimmten Modellierungsmethoden, Simulationsumgebungen und virtuellen Qualitätsmanagementwerkzeugen, um bereits im Planungsprozess von Produkten, Systemen, Prozessen, Abläufen u. a. m. möglichst frühzeitig eine hohe Qualität des betrachteten Gegenstands – das kann das zu planende Produkt oder der zu planende Prozess oder Ablauf sein – zu erzielen. Kernelemente des virtuellen Qualitätsmanagements sind ein abweichungsbetrachtendes Simulationsmodell des Prozesses/Produktes sowie hierauf anwendbare virtuelle Qualitätsmanagementwerkzeuge in Form von vQM-Funktionsmodulen.
Seitens des Qualitätsmanagements gibt es weiterhin vielerlei verschiedene Werkzeuge wie z. B. ►Quality Function Deployment (QFD), ►Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) oder ►Bottle-Neck-Analyse, welche aber aufgrund der unzureichenden Abbildungsgenauigkeit der Simulationsmodelle häufig nicht im Zusammenwirken mit VR-Systemen angewandt werden, und somit auch hier keine Prognosen Abb. V03: Ablauf einer Simulationsstudie
Reales / geplantes System
Modellierung und Abstraktion
Experimente
Umsetzung
V
Folgerung für das reale / geplante System
Reale Welt Quelle: [2]
1202
2 Ansatz des virtuellen Qualitätsmanagements Das virtuelle Qualitätsmanagement besteht aus zwei voneinander unabhängigen Komponenten, welche bei der Anwendung im Rahmen eines ganzheitlichen Systems ineinandergreifen. Die beiden Komponenten sind einerseits ein allgemeingültiger Leitfaden zum systematischen Aufbau abweichungsbetrachtender Simulationsmodelle und andererseits virtuelle Qualitätsmanagementwerkzeuge in Form von vQM-Funktionsmodulen, z.B. für die virtuelle Fähigkeitsbewertung von Messgeräten, Maschinen und SimulationsProzessen. Dieser Ansatz ist erstmals in Grundmodell zügen 2008 in [6] und ganzheitlich 2011 in [7] vorgestellt worden.
Übertragung und Interpretation
Formale Ergebnisse
Virtuelle Welt
Grundlage einer vQM-gestützten Simulationsstudie (s. Abbildung V04) ist das abweichungsbetrachtende Simulationsmodell. Hierbei bilden – wie bei jedem üblichen Simulationsmodell – verschiedene Informationen über den Prozess oder das zu fertigende Produkt die Grundlage für den Aufbau des Simulationsmodells (Prozesswissen). Indem dieses Prozesswissen durch eine Vielzahl von Informationen über die Unvollkommenheiten des Prozesses und die Auswirkungen von Umwelteinflüssen (►Qualitätswissen) ergänzt wird, kommt man zum „abweichungsbetrachtenden Simulationsmodell“. Als positiver Effekt dieser
Begriff
Aktuell verwendete Modelle sind jedoch häufig nicht in der Lage, Produkte und insbesondere Prozesse in einer Weise abzubilden, dass sie Störungen, die häufig Ursache für Abweichungen oder auch Totalausfälle sind, adäquat berücksichtigen und dass man damit auch die Auswirkungen dieser Störungen analysieren kann. So lassen sich mit derzeitigen Modellen oft keine Prognosen z. B. über zu erwartende Prozessstreuungen und Empfindlichkeiten (Sensitivitäten) ableiten. Die Erstellung der hierfür erforderlichen abweichungsbetrachtenden Simulationsmodelle ist technisch seit langem zwar ohne weiteres möglich, aber aufgrund der damit verbundenen Komplexitätssteigerung und dem deutlich erhöhten Aufwand bei der Modellerstellung wird wegen fehlender methodischer Ansätze in der Regel davor zurückgeschreckt.
Virtuelles Qualitätsmanagement
Abb. V04: Grundstruktur des Virtuellen Qualitätsmanagement-Ansatzes
Virtuelles Qualitätsmanagement
Prozesswissen ◼ Fertigungsmaße ◼ Stellgrößen, …
Abweichungsbetrachtendes Simulationsmodell
Qualitätsparameter ◼ Fähigkeitsparameter ◼ Eingriffsgrenzen, …
Prozessparameter ◼ Maschinenparameter ◼ Materialparameter, …
Gestaltung realer Prozess
Qualitätswissen ◼ Parameterstreuungen ◼ Umwelteinflüsse, …
module
+ +
vQM-Funktions-
+ + -
Modellau au
V3 V4
A B AB
+ + -
Leitfaden zum
V1 V2
Daten aus realem Prozess
Vorgehensweise ist es nun möglich, neben den zuverlässigeren Aussagen über optimale Prozessparametereinstellungen auch Vorhersagen über die ►Qualitätsfähigkeit und die Robustheit des Prozesses ableiten zu können. Ziel sollte es sein, alle relevanten Einflussgrößen mit den dazugehörigen Wirkzusammenhängen und Regelmechanismen in dem zu erstellenden Modell abzubilden.
Virtuelles Qualitätsmanagements
Quelle: [6]
3 Leitfaden zum Aufbau abweichungsbetrachtender Simulationsmodelle nach der „Design for Six Sigma“ Methode DMADV In [7] werden Strategien für die Erstellung abweichungsbetrachtender Simulationsmodelle entwickelt, untersucht und in einem Leitfaden für den Aufbau abweichungsbetrachtender Simulationsmodelle strukturiert. Die in den Leitfaden einbezogenen Tools sind zunächst den Phasen und dem Werkzeugkasten von Six Sigma entnommen, können jedoch anwendungsorientiert erweitert und/oder modifiziert werden.
Wissenslücken unter Anwendung der klassischen statistischen Versuchsmethodik geschlossen. ◼ In der Analyze-Phase bewertet der Anwender die ermittelten Daten und bildet diese in funktionalen Zusammenhängen ab, wobei unter anderem die Regressionsanalyse zur Anwendung kommt. Detaillierte Flussdiagramme erlauben eine Strukturierung des Prozesses in überschaubare, in sich schlüssige Module, die jeweils separat in einem sog. „Modelling Key Document“ (MKD) mit den notwendigen Schnittstellen beschrieben werden. ◼ In der Design-Phase können durch die in der Analyze-Phase erfolgte systematische Festlegung aller verfügbaren, relevanten Rahmenparameter die einzelnen Prozessmodule nach einer kurzen Periode der zentralen Top-LevelProgrammierung parallel modelliert und gemäß den im
Basierend auf der „Design for Six Sigma“-Methode DMADV wird in [7] ein 5-stufiger Leitfaden vorgestellt, welcher den Anwender bei der systematischen Erstellung abweichungsbetrachtender Simulationsmodelle effizient Abb. V05: Leitfaden zum Aufbau abweichungsbetrachtender Simulationsunterstützt (s. Abbildung V05). modelle nach der „Design for Six Sigma“-Methode DMADV ◼ In der Define-Phase werden nach dem Eingang eines Projektauftrags die allgeProjektDe ne meinen Rahmenbedingungen festgeVoC, SIPOC au rag Projektrahmen festlegen legt, wie zum Beispiel finanzielle und personelle Ressourcen, Projektlaufzeit und Projektziele. Hinzu kommen für die ProzessMeasure DoE, Ishikawa Erstellung des Simulationsmodells noch wissen Informationen sammeln die Systemgrenzen des abzubildenden Prozesses, die Abbildungsgenauigkeit mit der das Modell die Realität wider- SimulationsAnalyse Black Box spiegeln soll und die Validierungskrite- wissen Modellkonzept entwerfen rien. ◼ In der Measure-Phase werden relevante TraceDesign prozessbezogene Informationen zusamAnalyse mengetragen. Hierzu sind zuerst Inhalte Simulationsmodell au auen aus Literatur und Datenbanken auszuwerten, gefolgt von Gesprächen mit Daten aus der Verify Prozessspezialisten. In letzter Instanz DoE Realität Modellgenauigkeit bestimmen werden die dann noch bestehenden
1203
V
Virtuelles Qualitätsmanagement MKD definierten Prüfvorschriften getestet werden. Im Anschluss werden die einzelnen Prozessmodule zu einem abweichungsbetrachtenden Simulationsmodell des Gesamtsystems zusammengefügt. ◼ In der Verify-Phase wird das abweichungsbetrachtende Simulationsmodell mit der Realität verglichen: Zuerst werden Versuche am realen Prozess durchgeführt, wobei parallel zu den Versuchen sämtliche relevanten Prozessund Umgebungsparameter dokumentiert werden. Im Anschluss erfolgt die Durchführung der Simulationsläufe mit identischen Parameterkonstellationen. Über ein in [7] erstmals vorgestelltes Kennzahlensystem wird die Abbildungsgenauigkeit ermittelt und mit der Spezifikation aus der Define-Phase verglichen. Bevor das Prozessmodell für weiterführende Studien genutzt wird, sollten Vorgehensweise und Ergebnisse in einem Review begutachtet werden, um das spätere Risiko unzutreffender Entscheidungen aufgrund von virtuell ermittelten Prognosen zu minimieren.
Virtuelles Qualitätsmanagement In [7] ist ein Referenzmodell zum Aufbau von vQM-Funktionsmodulen, bestehend aus einer Referenzarchitektur auf Basis des Metamodells ►ARIS (Architektur integrierter Informationssysteme) und einer mehrstufigen Adaptionsstrategie, gezeigt. Bei der Umsetzung bestehender Qualitätsmanagementtechniken in vQM-Funktionsmodule sollen auch die Vorzüge der Virtualisierung, insbesondere der algorithmenbasierten Optimierung berücksichtigt und eingebunden werden. Mit Hilfe dieses Referenzmodells wurde bereits eine Vielzahl von Funktionsmodulen entwickelt, die nun in weiten Teilen allgemeingültig in verschiedene abweichungsbetrachtende Simulationsmodelle integriert werden können. Beispielhaft werden im Folgenden vQM-Funktionsmodule gezeigt, welche die gesamte Kette der statistischen Prozessregelung von Prüfprozessfähigkeit über Maschinen- und Prozessfähigkeit bis hin zur simulationsbasierten Auslegung und Optimierung von ►Qualitätsregelkarten virtuell abbilden. Unterstützt werden diese vQM-Funk-tionsmodule durch ein vQM-Kennzahlencockpit zur kontinuierlichen EchtzeitÜberwachung qualitätsrelevanter Parameter sowie ein vQMKlimamodul zur zentralen Steuerung der Umgebungsparameter (s. Abbildung V06).
Das so erstellte und validierte abweichungsbetrachtende Simulationsmodell kann bereits zu diesem Zeitpunkt in „klassischen“ Simulationsstudien zur Bestimmung von Prozessparametern – allerdings Abb. V06: Auswahl verfügbarer vQM-Funktionsmodule aus dem Bereich mit deutlich erhöhter Prognosesicherheit Prozessbewertung und -optimierung – eingesetzt werden. Darauf aufbauend können aber auch Qualitätsparameter, wie z. B. Maschinen- bzw. Prozessfähigkeitskennwerte oder Eingriffsgrenzen bei Regelkarten, simulationsgestützt ermittelt werden. 4 vQM-Funktionsmodule Zur Ermittlung von Qualitätsparametern (s. Abbildung V04) wird ein vQM-Funktionsmodul, welches eine bekannte oder neu entwickelte Qualitätsmanagementtechnik virtuell abbildet, in das Modell integriert, wobei die Steuerung der Simulationsumgebung dann vorzugsweise vollständig von dem jeweiligen vQM-Funktionsmodul übernommen wird.
V
Aus der Vielfalt möglicher abbildbarer Produkte und Prozesse ergibt sich zwangsläufig, dass das zugrundeliegende abweichungsbetrachtende Simulationsmodell im Wesentlichen von Fall zu Fall spezifisch aufgebaut werden muss, möglicherweise unter Zuhilfenahme von Modulbibliotheken zur Weiterverwendung unveränderter Produkt- bzw. Prozesskomponenten. Die vQM-Funktionsmodule sind jedoch vorzugsweise so gestaltet, dass sie für eine Vielzahl von abweichungsbetrachtenden Simulationsmodellen verwendet werden können, wobei sie auf Programmierebene unverändert bleiben und lediglich über eine Eingabemaske parametriert werden müssen.
1204
5 Beispiel zur Anwendung des virtuellen Qualitätsmanagements Im Folgenden wird der oben vorgestellte vQM-Ansatz an einem Praxisbeispiel aus dem Bereich der Stereolithographie erläutert. Das Stereolithographie-Verfahren gehört zur Gruppe der „generativen Fertigungsverfahren“ [5], bei dem mit Hilfe eines Lasers ein flüssiges Polymer lokal verfestigt wird. Das abweichungsbetrachtende Simulationsmodell wurde unter Anwendung des oben beschriebenen Leitfadens aufgebaut und validiert. Zielgrößen waren dabei Länge, Breite, Höhe und Bauzeit eines Referenzprobenkörpers. Es war das Ziel, für diese simulierten Zielgrößen eine mittlere Abbil-
Virtuelles Qualitätsmanagement dungsgenauigkeit von über 95 % gegenüber der realen Fertigungseinrichtung an fünf verschiedenen Arbeitspunkten zu erzielen. Die Validierung ergab, dass mit Hilfe des vQMLeitfadens sogar eine mittlere Abbildungsgenauigkeit von über 98 % erzielt werden konnte (s. Abb. V07). Vergleichbare Abbildungsgenauigkeiten konnten auch bei diversen anderen untersuchten Fertigungsverfahren aus den Bereichen Kunststoffspritzgießen und Elektronikproduktion nachgewiesen werden.
Virtuelles Qualitätsmanagement tät und damit auch den Erstellungsaufwand solcher Modelle steigert. Die Ergebnisse aus vQM-Simulationsstudien beinhalten jedoch erhebliches Potenzial, die Schwachstellen in Wertschöpfungsnetzwerken bereits in der Konzeptphase des Fertigungsprozesses aufzudecken. Dies erlaubt, notwendige Änderungen in einer möglichst frühen Phase des Produktlebenszyklus zu initiieren, wenn die Kosten für eine Modifikation noch relativ gering sind.
Um dieses revolutionäre Konzept des vQM umzusetzen, gibt Nach der virtuellen Validierung des Messverfahrens, der es bereits vielerlei Ansätze wie erste Veröffentlichungen zeiStereolitholithographiemaschine und des gesamten Fertigen, z.B. [7], [8], [9], [10] und [11]. gungsprozesses (s. Abb. V06) wurde mittels des vQM-FunkFür die Realisierung einer vQM-basierten Simulationsstudie tionsmoduls SPC eine Prozessüberwachungsstrategie auf bedarf es eines abweichungsbetrachtenden SimulationsmoBasis einer Qualitätsregelkarte ausgelegt. Die Optimierung dells des zu untersuchenden Systems, Verfahrens oder Proder Überwachungsstrategie erfolgte über genetische Algodukts sowie entsprechender vQM-Funktionsmodule, welche rithmen. Hierbei wurde als Zielgröße, die sog. Fitness, die bestehende oder neu entwickelte QualitätsmanagementtechSumme der gewichteten qualitätsbezogenen Abb. V07: Validierung des Stereolithographie-Modells Kosten der besten Parameterkonfiguration eines Optimierungszyklus, d.h. einer sog. Generation, gewählt. Ausgangspunkt war eine Regelkartenkonfiguration, welche von einem langjährigen Experten auf dem Gebiet der Stereolithographie als „optimal“ bezeichnet wurde. Nach Abschluss des angestoßenen Optimierungslaufs mit sieben Zyklen wurden Ergebnisse von über 1.000 Jahren simulierter Fertigungszeit ausgewertet. Sie konnten mit Hilfe des virtuellen Qualitätsmanagements binnen weniger Minuten erzeugt werden. Letzten Endes gelang es, die als „optimal“ bezeichnete Konfiguration hinsichtlich ihrer „Fitness“ nochmals um über 40 % zu verbessern (s. Abbildung V08). Abb. V08: Ergebnis einer vQM-Regelkartenoptimierung 6 Zusammenfassung und Ausblick Nach dem Aufkommen von Virtual Reality und den damit erzielten Erfolgen im Durchdringen komplexer Abläufe in Systemen und Prozessen ist der Versuch, damit auch im Qualitätsmanagement Optimierungen und Fehlervermeidungserfolge zu erzielen, konsequent gewesen. In der aktuell gelebten Praxis werden VR-Modelle von Systemen und Abläufen in der Regel nur zur Abbildung und Optimierung von Soll-Zuständen bzw. -Abläufen erstellt und eingesetzt. Dass diese Abläufe und Systeme einerseits unbekannte und unerkannte Abweichungen (ja sogar Fehler) aufweisen und die Prozesse „naturbedingt“ Streuungen zeigen, machen eine weitreichende Modifikation der Simulationsmodelle und insbesondere der Modellierungsstrategien erforderlich. Man benötigt abweichungsbetrachtende Simulationsmodelle, was wiederum die Komplexi-
V 1205
Vision
Virtuelles Qualitätsmanagement
Dieser Leitfaden kann zusammen mit dem Referenzmodell zur Entwicklung von vQM-Funktionsmodulen das Entstehen von Richtlinien vorbereiten. Die Integration in das Konzept ►Industrie 4.0 wird eine logische Folge sein. Prof. Dr.-Ing. Albert Weckenmann, Erlangen und Dr.-Ing. Martin Bookjans, München Literatur
[1] VDI 3633-1: Simulation von Logistik-, Materialfluß- und Produktionssystemen – Grundlagen. Berlin: Beuth Verlag, 1993. [2] Hrdliczka, V.; Jakobi, H. A.; Schumacher, R.; Wenzel, S.: Leitfaden für Simulationsbenutzer in Produktion und Logistik. München: ASIM - Arbeitsgemeinschaft Simulation, 1997. [3] Seidlmeier, H.: Prozessmodellierung mit ARIS® - Eine beispielorientierte Einführung für Studium und Praxis. Wiesbaden: Friedr. Vieweg & Sohn Verlag | GWV Fachverlage GmbH, 2006. [4] Hars, A.: Referenzdatenmodelle – Grundlagen effizienter Datenmodellierung. Wiesbaden: Gabler Verlag, 1994. [5] Gebhardt, A.: Generative Fertigungsverfahren – Rapid Prototyping, Rapid Tooling, Rapid Manufacturing. München: Carl Hanser Verlag, 2007. [6] Weckenmann, A.; Bookjans, M. et al.: Virtuelles Qualitätsmanagement. In: Goch, G. (Hrsg.): Berichte zum Qualitätsmanagement - Innovationsqualität - Qualität für Innovationen. Aachen: Shaker Verlag, 2008, S. 45-56. [7] Bookjans, M.: Virtuelles Qualitätsmanagement - Strategien für den Aufbau abweichungsbetrachtender Simulationsmodelle und die Entwicklung virtueller Qualitätsmanagementtechniken. Aachen: Shaker Verlag, 2011. [8] N.N. Virtual Quality Assurance. http://mcgheepharma.com/ en/services/virtual-quality-assurance, entnommen am 8. Mai 2015. [9] Shuichi, F. S.: Virtual Reality for Reverse Quality Management. ASME 2011 World Conference on innovative Virtual Reality. Doi 10.1115/WINVR2011-5580 . [10] Bodi, S.; Popescu S.; Drageanu C.; Popescu, D. : Virtual Quality Management Elements in optimized new product Development using Genetic Algorithms, Joint International Conference MakeLearn and TIM, Bari, Italy, 2015 May 27th – 29th, Proceedings pp. 633-642. [11] N.N.: Virtual Quality Management. Somerset House Consultants, specialists for Pharmaceutical Quality Assurance. http:// www.somersethouseconsultants.co.uk/virtual-quality-management. php, entnommen am 13. Mai 2015.
V
1206
Vision (genormter Begriff)
▶en: vision
durch die ►oberste Leitung erklärter Anspruch zur angestrebten Entwicklung einer ►Organisation Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Vision
▶Qualitätsleitbild Der Begriff wurde in der ISO 9000:2015 genormt. Von der ►European Foundation for Quality Management wurde der Begriff im EFQM-Modell zur Bezeichnung von Formulierungen verwendet, die beschreiben, wie ein Unternehmen oder eine Organisation in der Zukunft zu sein wünscht. Visionen fungieren als Leitbilder (►Qualitätsleitbild), die konkrete Strategien, Planungen und Maßnahmen anleiten, jedoch selbst die zukünftige Gestalt, des Unternehmens nur in groben Zügen umreißen. Aufgabe der Visionen ist die Skizzierung und Konturierung von Möglichkeiten im Sinne eines offenen Horizonts [1]. Literatur [1] Hinterhuber, H. H.: Strategische Unternehmensführung: Das Gesamtmodell für nachhaltige Wertsteigerung. Berlin (E. Schmidt) 2015
Vision 2000
▶Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001
Visuelle Kontrolle
▶Management by Sight ▶TPS ▶Japanische Qualitätstechniken
Visuelle Synektik
▶KPL-Techniken Kreativitätstechnik: Variation der klassischen Synetik, die mit Bildpräsentationen und Beschreibungen arbeitet. Die optische Wahrnehmung dient als Stimulus, um die Assoziationen hervorzufen.
VOC
▶en: Voice of the Customer ▶de: Stimme des Kunden Begriff, der oft in ►Six Sigma verwendet wird. Er steht für die Wünsche bzw. Bedürfnisse des Kunden, die in konkrete Vorgaben für ein Unternehmen hinsichtlich Kosten, Zeit und Qualität umzusetzen sind, also als ►Forderungen zu sehen sind. Dabei unterteilen sich die Kunden in interne (z. B. andere Abteilungen) oder externe Kunden (z. B. Endkunden).
ISO-Term
niken virtuell abbilden. Zur Beherrschung der Komplexität dieser arbeitsaufwändigen Modellerstellung wird ein Leitfaden bereitgestellt.
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
◼ Die EG-Umwelt-Audit-Verordnung ist prinzipiell der europäischen Umweltpolitik zuzuordnen und wurde in die deutsche Umweltpolitik mit aufgenommen. ◼ Die EG-Umwelt-Audit-Verordnung ist ein Instrument des betrieblichen Umweltschutzes, das auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basiert. Daher ist es im Rahmen der deutschen Umweltpolitik ein Novum bzw. eine Besonderheit.
▶From environmental to sustainability management ▶Umweltmanagementsysteme nach ISO 14000 ▶Nachhaltigkeit ▶EMAS
1 Einordnung Deutschland weist eine umfassende und differenzierte Umweltschutzgesetzgebung auf. Die Relevanz des Umweltschutzes wird dann deutlich, wenn man bedenkt, dass der Industriesektor in Deutschland einen relativ hohen Anteil an der Gesamtwirtschaft aufweist und der Industriesektor ein vergleichsweise hohes Belastungs- und Risikopotenzial für die Umwelt hat. Das stellt für das Management von Industrieunternehmen eine große Herausforderung im Sinne einer stärkeren Umweltorientierung dar. Ein wachsendes Umweltbewusstsein bzw. eine stärkere Umweltorientierung in der Produktion und bei den Produkten wird jedoch nicht nur von der Gesetzgebung eingefordert, sondern auch in zunehmendem Maße von den Stakeholdern, d. h. von den Anspruchsgruppen wie Kunden, Lieferanten, Kreditgebern und nicht zuletzt auch von den Mitarbeitern. Deren Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen wird durch eine stärkere Umweltorientierung positiv beeinflusst. Daher gibt es heute verschiedene Umweltmanagementansätze und -systeme. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die international bekannte EG-Umwelt-Audit-Verordnung (Eco-Management and Audit Scheme EMAS) und ISO 14001. Der betriebliche Umweltschutz wurde zunächst durch die EG-Umwelt-Audit-Verordnung 1836-93 erweitert, die am 1. Februar 1993 vom Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft verabschiedet wurde. Sie wurde in den folgenden Jahren modifiziert bzw. erweitert (EMAS II und EMAS III). Die Zielsetzung des Öko-Audit ist es, Umweltschutzbelange in alle Bereiche der Unternehmenspolitik zu integrieren und damit von einem reaktiven zu einem aktiven Umweltmanagement zu führen. Insofern handelt es sich um ein integriertes System, das sich von einzelnen betrieblichen Umweltschutzmaßnahmen unterscheidet. Die Einführung des EG-Umwelt-Audit-Systems ist besonders für kleine und mittelständische Unternehmen zunächst personal- und kostenaufwändig. Es gibt jedoch viele Anreize, die Umweltschutzmaßnahmen über die bestehenden gesetzlichen Vorschriften hinaus kontinuierlich einzuführen bzw. zu verbessern. Dadurch lassen sich Umweltrisiken verringern, Kosteneinsparpotenziale zum Beispiel durch die Verringerung des Energie- und Materialverbrauchs erschließen, und es wird ein ökologisches Umweltbewusstsein des Unternehmens nach außen vermittelt. Die europäische Umwelt-Audit-Verordnung als Instrument der Umweltpolitik weist im Zusammenhang deutscher Umweltpolitik zumindest zwei Besonderheiten auf:
Historisch lässt sich das wie folgt einordnen: Das Audit (►Auditierung im Qualitätsmanagement) entstammt der klassischen Betriebsprüfung und wurde ursprünglich in den Aktiengesellschaften angewandt. Es ging darum, die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens durch unabhängige Wirtschaftsprüfer regelmäßig überprüfen zu lassen, um so die interessierte Öffentlichkeit und auch die Aktionäre vor manipulierten Daten im Geschäftsbericht zu schützen. In den 1970er Jahren wurde dann in den USA diese Form der Betriebsprüfung um die Überprüfung des betrieblichen Umweltschutzes erweitert. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft hat auf dem Hintergrund der Erfahrungen mit Umwelt-Audienz in den USA einen Verordnungsvorschlag für ein europäisches Umwelt-Order-System entwickelt. Im März 1992 wurde dem EG-Ministerrat ein Vorschlag für die EG-Umwelt-Audit-Verordnung vorgelegt. Wesentliche Elemente der Verordnung sind: die freiwillige Beteiligung, der Standortbezug, die Vergabe eines Gütezeichens für eine Beteiligung, die Veröffentlichung einer Umwelterklärung und die Überprüfung (Verifizierung) durch unabhängige Umweltgutachter. Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Vertrages von Maastricht gelang es der Bundesregierung, die Verordnung noch substanzieller zu gestalten. Danach hat sich die Verbesserung des Umweltschutzes an der besten verfügbaren Technik zu orientieren. Hierbei kam es zu der Einschränkung, dass deren Einsatz auch wirtschaftlich vertretbar ist, womit die Voraussetzungen für eine Zustimmung gegeben waren. Es kam zu folgendem Beschluss: Die Verordnung (EWG Nr. 1836-93) des Rates vom 29. Juni 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung wurde einstimmig verabschiedet. Sie erlangte am 10. April 1995 in der Europäischen Union automatisch Gesetzeskraft. Am 15. September 1995 wurden die beiden ersten deutschen Unternehmensstandorte in das Register der zuständigen Industrie- und Handelskammern eingetragen. Zur Jahreshälfte 1997 waren über 800 Standorte registriert, während in den anderen Mitgliedsstaaten der EU nur knapp 300 verzeichnet waren, womit Deutschland etwa 75% der insgesamt registrierten Standorte aufzuweisen hatte. Die EG-Umwelt-Audit-Verordnung ist ein Beispiel für eine neue Generation umweltpolitischer Regelungen, die sich unter dem Begriff „indirekter Regelungen“ einordnen lässt.
1207
V
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement Die Europäische Union geht dazu über, diesen neuen Typus von umweltpolitischen Instrumenten, die ihre Wirkung in Kombination mit anderen Instrumenten entfalten, verstärkt einzusetzen. Hierzu gehören auch die Verordnung über ein Ökolabel für Produkte (EWG 880-92) und die Verordnung über die Kennzeichnung von organisatorischen Landbauprodukten (EWG 2092-91). Die EG-Umwelt-Audit-Verordnung wurde durch das international eingeführte Umweltmanagementsystem ►DIN EN ISO 14001 ergänzt. In einer Erweiterung der beiden Umweltmanagementsysteme kam es schließlich noch zu dem von der Europäischen Kommission entwickelten Nachhaltigkeitsmanagementsystem Corporate Social Responsibility. Dabei lässt sich jedoch feststellen, dass schon die beiden Umweltmanagementsysteme dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung zuzuordnen sind.
Begriff
2 Nachhaltige Entwicklung als neues Leitbild Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung hat in dem international bekannt gewordenen Brundtland-Bericht erstmals das globale Ziel Sustainable Development (nachhaltige Entwicklung) eingefordert. Dort wird der Weg zur nachhaltigen Entwicklung wie folgt aufgezeigt [6, S. 46]: „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement Die Umsetzung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung erfordert daher klare Zielvorgaben, Handlungsfelder und Indikatoren. Hierfür ist zu klären: ◼ welcher Umweltzustand in einem Unternehmen festzustellen ist und welcher für die Zukunft angestrebt wird (Umweltqualitätsziele), in welchen Bereichen Handlungsbedarf gesehen wird und welche Probleme als vorrangig eingestuft werden, ◼ welche konkreten Schritte zur Bewältigung dieser Probleme für notwendig gehalten werden (Umwelthandlungsziele) und ◼ welche Instrumente geeignet erscheinen, die Ziele nachhaltig zu erreichen. Die Zielerreichung bzw. der Zielerreichungsgrad lässt sich im Rahmen eines Indikatorensystems quantifizieren. Der Beitrag der EG-Umwelt-Audit-Verordnung für eine nachhaltige Entwicklung lässt sich in einem ersten Schritt, aber auch auf der Grundlage von eindeutig quantifizierbaren Leitlinien bewerten. Diese Leitlinien lassen sich mit einem Bewertungsraster von eins (ausgezeichnet) bis sechs (in keiner Weise) bewerten. Dadurch lässt sich aufzeigen, welchen Beitrag in jedem einzelnen Unternehmen die Einführung des EG-ÖkoAudit-Systems zur nachhaltigen Entwicklung leistet. 3 Grundzüge des Konzepts Die EG-Umwelt-Audit-Verordnung verlangt von den teilnehmenden Unternehmen hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen eine systematische und periodische Analyse der Unternehmenstätigkeit. In der Verordnung wird die Eigenverantwortung gewerblicher Unternehmen für die Bewältigung der Umweltfolgen ihrer Tätigkeiten ausdrücklich gefordert [7, S. 43]. Ein wesentliches Ziel der Verordnung ist, dass die teilnehmenden Unternehmen zu einer kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes verpflichtet sind (Abbildung V09). Damit sollen sie zu einer nachhaltigen Entlastung der Umwelt beitragen.
Die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand, hat schließlich dazu geführt, dass sich die Weltgemeinschaft zur dauerhaft umweltgerechten Entwicklung als neuem Leitbild des 21. Jahrhunderts verpflichtet hat [8]. Dadurch erhielt auch in Deutschland der Umweltschutz einen noch stärkeren Stellenwert. Hier stellt sich nun die Frage, welche Beziehung die EG-Umwelt-Audit-Verordnung zu den Grundsätzen nachhaltiger Entwicklung aufweist. Es besteht heute ein breiter Die Verordnung war ursprünglich für Unternehmen gültig, Konsens, dass eine gezielte und nachhaltige Verringerung von Umweltbelastungen sowohl auf kommunaler Ebene als auch die an einem oder mehreren Standorten eine gewerbliche Tädurch die einzelnen dienstleistungsorientierten und produtigkeit ausüben. Der Begriff der gewerblichen Tätigkeit ist rezierenden Unternehmen angestrebt werden müssen. Insofern lativ weit ausgelegt. Das Audit-Gemeinschaftssystem verlangt ist die EG-Umwelt-Audit-Verordnung der ökologischen Nachhaltigkeit zuzuordnen. Abb. V09: Artikel 1 – Das Umweltmanagementssystem und Umwelt prüfungssystem und seine Ziele Die Umwelt-Audit-Verordnung misst den
V
Unternehmen eine wichtige Rolle im Rahmen einer dauerhaften und umweltgerechten Entwicklung bei [13]. Eine Analyse der Audit-Verordnung zeigt jedoch, dass sie unterschiedlich schnelle und effektive Unternehmensevolutionen zulässt. Sowohl das Prinzip der Freiwilligkeit als auch die relativ flexiblen umweltpolitischen Handlungsspielräume, die die Umwelt-Audit-Verordnung zulässt, belegen dies eindeutig.
(2) Ziel des Systems für die Förderung der kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit durch: ◼ Festlegung und Umsetzung standortbezogener Umweltpolitik, Umweltprogramme und Umweltmanagementsysteme durch die Unternehmen, ◼ systematische, objektive und regelmäßige Begleitung der Leistung dieser Instrumente, ◼ Bereitstellung von Informationen (Umwelterklärung) über den betrieblichen Umweltschutz für die Öffentlichkeit. Quelle: EG-Umwelt-Audit-Verordnung
1208
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement von den Unternehmen eine Reihe von Verfahrensschritten, die einzuhalten sind. Dabei werden den Unternehmen jedoch keine materiellen Vorgaben wie Grenzwerte für Emissionen, Abfall und Wasser vorgegeben. Die teilnehmenden Unternehmen sollen vielmehr die Umweltauswirkungen analysieren und auf der Grundlage selbst vorgegebener Ziele erforderliche Maßnahmen festlegen. Dabei hat sich ein Phasenschema herauskristallisiert, das von Unternehmen auf dem Weg zur Verifizierung in sehr ähnlicher Form wahrgenommen bzw. durchgeführt wird (Abbildung V10). Wichtig ist es, die Begriffe Umweltprüfung und Umweltbetriebsprüfung inhaltlich voneinander abzugrenzen. Als Umweltprüfung wird in der Verordnung die „erste umfassende Untersuchung der umweltbezogenen Fragestellungen, Auswirkungen und des betrieblichen Umweltschutzes im Zusammenhang mit der Tätigkeit an einem Standort“ (Art. 3) im Prinzip als Eröffnungsbilanz ausgewiesen. Sie wird zu Beginn des gesamten Prozesses einmalig durchgeführt. Die Umweltbetriebsprüfung zielt dagegen auf eine sich regelmäßig wiederholende Prüfung ab, die mindestens alle drei Jahre stattfinden muss. Exkurs ISO 14001 Die ►International Standard Organisationen (ISO) hat parallel zu der Ausarbeitung der EG-Umwelt-Audit-Verordnung am 16. August 1991 die „Strategic Advisory Group on Environment (SAGE)“ einberufen. Der Auftrag zielte darauf ab, den Bedarf für eine internationale Standardisierung der wesentlichen Elemente des Konzepts von „Sustainable Industrial Development“ zu klären. Ferner sollten Vorschläge der International Standard Organisationen im Bereich Umweltschutzverhalten und Umweltschutzmanagement ausgearbeitet werden. Die Strategic Advisory Group on Environment arbeitete ein Diskussionspapier „Umweltmanagementsystem“ aus. Danach hat die International Standard Organisationen im Juni 1993 die SAGE-Arbeitsgruppe in das ISO-Technical-Committee (TC) 207 „Environment Management“ überführt. Anfang 1995 legte das TC 207 das Dokument ISO 14001 vor. Seit dem Vorliegen der deutschen Übersetzung im Oktober 1996 hat sie als ►DIN EN ISO 14001 „Umweltmanagementsysteme – Spezifikation mit Anleitung der Anwendung“ den Status einer deutschen Norm. Die Norm ISO 14001 bildet die Grundlage für eine einheitliche Vorgehensweise zum Aufbau und der Struktur eines Umweltmanagementsystems. Der Aufbau des Umweltmanagementsystems wird durch Handlungsanweisungen konkretisiert. Die Standardisierung zielt darauf ab, dass die Norm „von Unternehmen jeder Art und Größe sowie auf unterschiedliche geographische, kulturelle und soziale Bedingungen“ angewandt werden kann.
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement 4 Weiterentwicklung und aktuelle Entwicklungstendenzen von EMAS und ISO 14001 Die relativ hohe Bereitschaft der Unternehmen in Deutschland, sich am Umwelt-Audit zu beteiligen, sollte durch die Überarbeitung der Verordnung (EMAS II) noch gestärkt werden. Die Überarbeitung der Verordnung hatte folgende neue Akzente, die das System attraktiver gestalten sollte: ◼ Erweiterung des Anwendungsbereichs: Es wurden u. a. auch landwirtschaftliche Betriebe und Nonprofit-Organisationen in das Öko-Audit-System einbezogen. ◼ Organisationen statt Standort: Es geht um das gesamte geographisch bestimmte Gelände, das der Kontrolle einer Organisation untersteht und an dem Tätigkeiten ausgeführt, Produkte hergestellt und Dienstleistungen erzeugt werden. ◼ Einbeziehung indirekter Umwelteffekte (zum Beispiel Produkt, Transport): Es geht besonders um Umweltauswirkungen, die wie folgt abgegrenzt werden: Jede – positive oder negative – Veränderung der Umwelt, die ganz oder teilweise aufgrund der Tätigkeit, von Produkten oder von Dienstleistungen einer Organisation eintreten, sind zu berücksichtigen. ◼ Anlehnung an das Managementsystem nach ISO 14001: In dem Bereich Umweltmanagement kam es zwischen EMAS II und ISO14001 zu einer Angleichung. ◼ Jährliche Updates der Umwelterklärung: Es müssen geeignete Mechanismen vorhanden sein, wonach die Ergebnisse der Betriebsprüfung durch entsprechende Maßnahmen weiter verfolgt werden. ◼ Logo statt Teilnahmeerklärung: Das Zeichen darf nur von Organisationen verwendet werden, die zu diesem Zeitpunkt eine EMAS-Eintragung besitzen. Die Angleichung an die ISO 14001 war eine Forderung der Wirtschaft, da EMAS außerhalb der EU nicht anerkannt wurde bzw. nicht ausreichend bekannt war. Die weltweite Akzeptanz ist besonders für international tätige Unternehmen und exportierende Branchen sehr wichtig. Die aktuelle EMASVerordnung (EMAS III) trat am 11.1.2010 in Kraft. Dabei kam es zu folgenden wichtigen Änderungen: ◼ Einführung von Kernindikatoren zur konkreten Messung der Umweltleistung in den Schlüsselbereichen Emission, Energie- und Materialeffizienz, Wasser, Abfall und biologische Vielfalt. ◼ Erweiterung der europaweiten Gültigkeit auf weltweite Gültigkeit. ◼ Ausweitung des EMAS-Standards auf Organisationen. Es können also mehrere Standorte, auch in verschiedenen Ländern, zu einer Organisation zusammengefasst werden. ◼ Verlängerte Validierungszyklen für KMU nach EU-Definition und Behörden, die für weniger als 10.000 Einwohner zuständig sind oder weniger als 250 Personen beschäftigen.
1209
V
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement Abb. V10: Ablaufschema zur Einführung von EMAS III
legt fest
Betriebliche Umweltpolitik
erschafft
UMS/Umweltprogramm
führt durch
Umweltbetriebsprüfung Ggf. Anpassung von Umweltpolitik / Umweltprogramm
erstellt
Umwelterklärung
veröffentlicht Umwelterklärung
Nein
Umwelterklärung gültig?
Externer Umweltgutachter
erstellt
Ja
Gültigkeitserklärung für Umwelterklärung
veröffentlicht Standortregister
übermittelt Standortregister
Öffentlichkeit Quelle: Eigene Darstellung nach Ensthaler, J.; Gesmann-Nuissl, D.; Müller, S.: Technik und Recht, Berlin 2012, S. 77
1210
Zuständige Stelle Eintragung in das Standortregister
EUKommission
V
prüft
akkreditiert
Organisationseinheit (Standort als kleinste zu validierende Einheit)
Organisation
Ergebnisse
Berücksichtigung der Eintragung │Erlaubnis zum Führen des EMAS-Zeichens
führt durch
Umweltprüfung
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Änderung der ISO 14001 durch den Normenentwurf Das Konzept CSR findet sowohl auf nationaler wie auch auf Im Entwurf der ISO 14001 wird die neue ►High Level Strucinternationaler Ebene eine große Beachtung. Sowohl natioture (HLS) angewendet. Dadurch verändert sich der Aufbau nale auch internationale Organisationen wie Arbeitgeberverder ISO 14001 grundlegend [12]. Die High Level Structure bände, Gewerkschaften, aber auch die OECD, haben sich in (HLS) wird zukünftig bei allen Managementformen der ISO den letzten Jahren verstärkt für eine differenzierte Ausgestaleingeführt. Dadurch ergibt sich eine einheitliche Grundtung, aber auch Implementierung des Konzeptes engagiert. struktur, die die Handhabe und Einführung erleichtern soll. Ein Beispiel für das internationale Engagement ist die durch Das gilt besonders dann, wenn man mehrere Managementden damaligen UN-Generalsekretär Kofi Anan auf dem Weltnormen gleichzeitig anwendet. Die ISO 14001 hatte auch vor wirtschaftsforum von 1999 geschaffene globale Partnerschaft der Einführung der HLS Bezugspunkte zur Qualitätsmanage„Global Compact“ (►EFQM-Exzellenzmodell 2013). ment Norm ISO 9001. Sie war jedoch vorher nicht unter den Ein wichtiger Meilenstein war die Gründung von CSR Eugleichen Gliederungspunkten zu finden. Mit der Einführung rope im Jahr 1996. CSR Europe wurde im Oktober 1996 auf der HLS soll eine stärkere Orientierung an Kunden und inder Grundlage der „European Declaration of Business against teressierten Kreisen, also an den Stakeholdern, erfolgen. Das Social Exclusion“ von dem damaligen Präsidenten der Eurofolgende Diagramm zeigt den Ablauf des Umweltmanagementsystems ISO 14001 (AbbilAbb. V11: Modell des Umweltmanagements nach ISO 14001:2009 dung V11). Fazit Die beiden Umweltmanagementsysteme EMAS und ISO 14001 haben ein hohes und ausdifferenziertes und dennoch anwendungsorientiertes Niveau erreicht. Im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung kam es dann durch die zusätzliche Berücksichtigung der sozialen Dimension zu dem Konzept Corporate Social Responsibility (CSR).
Ständige Verbesserung
Umweltpolitik Managementbewertung Planung
Begriff
5 Das Nachhaltigkeitsmanage ment: Corporate Social Verwirklichung Responsibility (CSR) und Betrieb Das Nachhaltigkeitsmanagement Überprüfung Corporate Social Responsibility (CSR) ist im Kontext des Leitbildes nachhaltiger Entwicklung eine logische Erweiterung der beiden aufgeführten UmweltmanagementsyQuelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an ISO 14001:2009 steme. Bei diesem Konzept kommt die soziale Dimension entsprechend päischen Kommission Jacques Delors und 15 Unternehmen der Dreidimensionalität nachhaltiger Entwicklung mit hinzu. gegründet. „CSR Europe is a non-profit membership network Corporate Social Responsibility, das in den letzten Jahren that aims to help companies integrate CSR into the way they eine wachsende Bedeutung erfahren hat, wurde von der Eurodo business, every day“ [5]. Zu CSR Europe gehören weltpäischen Kommission konzipiert [14]. Bei dem Konzept geht weit überwiegend multinationale Konzerne, wobei sich auch es ganz wesentlich darum, das Leitbild nachhaltiger Entwickeinige mittelständische Unternehmen für die Verbreitung lung für Unternehmen anwendungsorientiert auszugestalten. und Implementierung des Konzeptes CSR einsetzen. Auch Die europäische Kommission definiert Corporate Social ReNichtregierungs-Organisationen (NRO) zeigen ein Interesse sponsibility wie folgt: an dem Konzept CSR. Zielsetzung von CSR: CSR ist ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Tätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit Stakeholdern zu integrieren. Die europäische Kommission versteht CSR in diesem Sinne als einen „Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung“. [4, S. 7].
Für den privatwirtschaftlichen Sektor werden sich die Bedingungen ständig verändern. Der ökonomische, ökologische und soziale Strukturwandel wird sich für privatwirtschaftliche Unternehmen noch dynamischer fortsetzen als es heute schon zu beobachten ist. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die fortschreitende ►Globalisierung, die sich seit Mitte der 1970er Jahre wesentlich beschleunigt hat. Das hat sowohl
1211
V
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement für die Produktionszyklen als auch für den technischen Fortschritt zu einer deutlichen Beschleunigung beigetragen. Hierbei gilt zu berücksichtigen, dass sich nicht nur die Rahmenbedingungen auf der Angebotsseite verändern. Auch die Nachfragestruktur und das Bewusstsein der Nachfrage haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Neuere Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass Konsumenten ein wachsendes Bewusstsein gegenüber ökologisch produzierten Produkten (besonders landwirtschaftlichen Produkten), aber auch ein stärkeres Bewusstsein für soziale Standards haben. Darauf müssen sich sowohl Produzenten als auch Händler in zunehmendem Maße einstellen. Die stärkere Fokussierung auf zukunftsorientierte Managementkonzepte bzw. -philosophien wie CSR ist besonders für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) eine zentrale Voraussetzung dafür, dass die einzelnen KMU und der gesamte Sektor kleiner und mittelständischer Unternehmen in Zukunft ihre ökonomische, aber auch gesellschaftliche Bedeutung erhalten bzw. stärken können [11]. Hier kommen auf die KMU – wie schon bei den Umweltmanagementsystemen erwähnt – große Herausforderungen zu, die von den Europäischen Gemeinschaften frühzeitig erkannt wurden. Die Bedeutung von CSR für KMU: „Das CSR-Konzept wurde hauptsächlich von und für große multinationale Unternehmen entwickelt. In Umsetzung der Kommissionsstrategie „zuerst in kleinen Dimensionen denken“ sollten das CSR-Konzept, die CSR-Praktiken und die CSR-Instrumente der besonderen Situation von KMU angepasst werden, denn diese machen die große Mehrzahl der europäischen Unternehmen aus.“ [4, S. 12] Die Anwendung wirtschaftswissenschaftlicher Konzepte führt immer wieder zu normativen Fragestellungen, die sich häufig aus den Entwicklungstendenzen der realen Wirtschaftswelt ableiten [14]. In jüngster Zeit verstärken negative Erfahrungen, wie zum Beispiel Bilanzmanipulationen in einigen US-Großunternehmen, die kurzfristige gewinnmaximierende Ausrichtung des Shareholder-Value-Ansatzes, der immer wieder mit Entlassungen von Mitarbeitern einhergeht, das Bedürfnis nach nachhaltigkeitsorientierten Lösungen. Aber auch die Risiken des Klimawandels und der „entfesselten Finanzmärkte“ verlangen nach einer Neuorientierung.
V
Auf diesem Hintergrund entstand das CSR-Konzept als Beitrag privatwirtschaftlicher Unternehmen zu der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung [9]. So legte im Juli 2001 die Europäische Kommission ein Grünbuch mit dem Titel „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ vor. Dieses Dokument basierte auf zwei Anliegen:
1212
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement ◼ Es sollte über das CSR-Konzept eine Debatte in Gang gebracht werden und ◼ es sollte untersucht werden, wie sich eine Partnerschaft zur Entwicklung von Rahmenbedingungen für die CSRFörderung aufbauen lässt. In dem Grünbuch wird CSR als „ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“, definiert. Das setzt voraus, dass die Unternehmen zunehmend erkennen, dass soziales und umweltgerechtes Verhalten für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg von großer Bedeutung ist. Dabei bedeutet sozial verantwortliches Handeln nicht nur, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, sondern über die bloße Gesetzeskonformität hinaus in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehung zu anderen Stakeholdern mehr zu investieren. „Die Erfahrung mit Investitionen in umweltverträgliche Technologien und Unternehmenspraktiken legt nahe, dass es der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zuträglich sein kann, wenn man über die bloße Gesetzeskonformität hinausgeht. So kann es sich unmittelbar positiv auf die Produktivität auswirken, wenn man im sozialen Bereich mehr tut als es die gesetzlichen Auflagen erfordern, zum Beispiel in Bezug auf Ausbildung, Arbeitsbedingungen und Beziehungen zwischen Management und Beschäftigten.“ [3, S. 8]. Nach der Intention der Europäischen Kommission steht also nicht die gesetzliche Einhaltung der Bestimmungen, sondern die freiwillige Selbstverpflichtung im Vordergrund. Auf der Grundlage des allgemeinen Wertewandels in der Bevölkerung erkennen die Unternehmen zunehmend, dass die Herstellung von Waren und Dienstleistungen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und der sich aus dem Produktionsprozess begründende Gewinn nur einen Teil der Unternehmensaufgaben darstellen. Ein dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg von Unternehmen ist also nicht nur durch eine kurzfristige Gewinnmaximierung zu gewährleisten. Exkurs „Business and Society“-Forschung In den USA entstand eine Forschungsrichtung, die sich mit den veränderten Bedingungen von Unternehmen zu ihrer Außenwelt beschäftigt (vgl. hierzu [10]). Einer der bekanntesten Ansätze der „Business and Society“-Forschung ist das von Archie B. Carrell entwickelte Modell der „Verantwortungspyramide“ [1]. Sie spiegelt die unternehmerische Gesamtverantwortung wider. In dem Modell werden vier Stufen bzw. Ebenen unterschieden: ◼ economic responsibilities – be profitable (ökonomische Verantwortlichkeit von Unternehmen), ◼ legal responsibilities – obey the law (Einhaltung von Gesetzen), ◼ ethical responsibilities – be ethical (Einhaltung von Normen, die sich auf die ethische Verantwortung beziehen),
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement ◼ philantropic responsibilities – be a good corporate citizen (freiwilliges unter- nehmerisches Engagement gegenüber den Mitarbeitern und der Gesellschaft). Die Verantwortungspyramide kann somit als ein Vorläufer von CSR eingeordnet werden. Der wesentliche Unterschied zu CSR besteht darin, dass es bei der Verantwortungspyramide keine explizite Vernetzung der Ebenen gibt und die ökologische Dimension fehlt. Beide Dimensionen sind in dem CSR-Konzept jedoch ausdrücklich enthalten. Das CSR-Konzept ist als ein Beitrag zu der EU-Nachhaltigkeitsstrategie zu verstehen und einzuordnen. Daher richtete der Europäische Rat auf dem Gipfeltreffen in Lissabon im März 2000 einen besonderen Appell an das unternehmerische und soziale Verantwortungsbewusstsein der Wirtschaft. Damit erkannten die europäischen Staatschefs erstmals die wichtige Rolle der Unternehmen bei der Verknüpfung ökonomischer und sozialer Leistungen. Dabei sollte jedoch die ökologische Dimension nicht vergessen werden. Ein wichtiges Ergebnis der Konsultation zum Grünbuch ist, dass Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich von CSR als sinnvoll angesehen werden. Aus den Reaktionen auf das Grünbuch ist zu erkennen, dass die Unternehmen in ihren Erwartungen an CSR sich weitgehend einig sind: CSR wird für die langfristige Sicherung des Unternehmens von strategischer Bedeutung sein [4, S. 10]. Das ist im Prinzip eine klare Abgrenzung und damit auch Alternative zu dem eher kurzfristigen Shareholder-Value-Ansatz. In der Mitteilung vom Jahr 2002 präsentiert die Kommission eine EU-Strategie der CSR-Förderung. Obwohl bisher ein breites Spektrum der inhaltlichen Abgrenzung des CSRKonzepts besteht, gibt es doch einen weitgehenden Konsens über die Grundzüge: ◼ Unternehmen, die CSR praktizieren, gehen über gesetzliche Verpflichtungen hinaus; sie tun es freiwillig, weil sie der Auffassung sind, dass es ihrem langfristigen Interesse dient. ◼ CSR ist eng verknüpft mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung: Die Unternehmen müssen sich den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Tätigkeit bewusst sein, d. h. ihr Handeln auf diese drei Dimensionen abstellen. ◼ CSR ist nicht etwas, was dem Kerngeschäft von Unternehmen aufgepfropft werden soll. Vielmehr geht es um eine innovative Neugestaltung des Managements. ◼ Hierzu ist sowohl intern als auch extern mit den Stakeholdern ein intensiver Dialog notwendig. Die Entwicklung von CSR-Strategien erfordert ein qualifiziertes Instrumentarium. In diesem Zusammenhang werden drei Instrumente genannt: Verhaltenskodex, Sozial- und Umweltgütesiegel. Ein Verhaltenskodex (Code of Conduct) gibt eine formelle Erklärung zu den Werten und Aktivitäten eines Unternehmens vor. Unternehmen führen in zunehmendem Maße Verhaltenskodizes in Bereichen wie Arbeits-
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement beziehungen, Menschenrechte und Umwelt ein. Dabei sollen Kodizes flexibel sein, damit sie den jeweiligen Bedingungen eines Landes angepasst werden können. Schließlich benennt die Europäische Kommission noch folgende Handlungsanforderungen: ◼ das Wissen über die positiven Auswirkungen von CSR auf Wirtschaft und Gesellschaft in Europa und weltweit und vor allem auch in den Entwicklungsländern vertiefen; ◼ den Austausch von Erfahrungen und von guten Praktiken im Bereich CSR zwischen den Unternehmen unterstützen; ◼ die Entwicklung von CSR-Managementkompetenzen fördern; ◼ CSR den KMU näherbringen; ◼ die Konvergenz und Transparenz von CSR-Praktiken und CSR-Instrumenten erleichtern; ◼ ein Stakeholder-Forum zu CSR auf europäischer Ebene einsetzen; ◼ CSR in die Gemeinschaftspolitik integrieren. 6 Corporate Responsibility Check Die bisherigen Ausführungen haben verdeutlicht, dass die wirtschaftliche Verantwortung des Unternehmens um ökologische und soziale Aspekte erweitert werden muss, um den eigenen Fortbestand zu sichern. Für ein verantwortungsvolles, nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen stellen sich folgende Aufgaben: ◼ sich für das kurz- und langfristige Wohl des Unternehmens engagieren, ◼ Mitarbeiter verantwortungsvoll behandeln, ◼ Arbeitsplätze erhalten und möglichst neue schaffen, ◼ Umweltbelange und Verbraucherwünsche so gut wie möglich berücksichtigen, ◼ sich für die soziale Umwelt engagieren und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, ◼ die Anliegen der Shareholder berücksichtigen. Der „CSR-Check“ ist eine neue Methode zur Systematisierung und Bewertung der Performance eines Unternehmens für nachhaltiges Wirtschaften. Im Folgenden wird die Notwendigkeit und Anwendbarkeit der Methode aufgezeigt sowie das Vorgehen vorgestellt. Die Zuordnung der unternehmenspolitischen Aufgaben mit dem Integrierenden Nachhaltigkeits-Dreieck (IND) ist ein Konzept, um die häufig unbestimmten und komplexen Herausforderungen nachhaltigen Wirtschaftens zu systematisieren. So können u. a. Ziele, Handlungsfelder und Indikatoren mit dem IND erfasst, strukturiert und schließlich operationalisiert werden (Abbildung V12). Dies wird im Folgenden an ausgewählten Indikatoren aufgezeigt. Indikatoren sind ein fester Bestandteil zur Etablierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses für die CSR-Performance. Indikatoren ermöglichen die Entwicklung, Implementierung, Evaluierung und Verbesserung eines Lern- und
1213
V
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement
Soziales
struktur-
ie
Umsatzhöhe
ch wa sch ogisch l öko
isch
s teil isch log öko
ie
log öko
og
l ko
7 Bewertung Im Rahmen des Leitbildes nachhaltiger Entwicklung wurden seit der ersten internationalen Konferenz, der „United Nations Conference on Environment and Development (UNCED)“ im Jahr 1992 in Rio de Janeiro, unterschiedliche Umweltmanagementansätze bzw. Umweltmanagementsysteme, aber auch Nachhaltigkeitssysteme entwickelt. Zunächst wurden exemplarisch EMAS und ISO 14001 als die bekanntesten bzw. populärsten Umweltmanagementsysteme vorgestellt. Sie sind der ökologischen Nachhaltigkeit zuzuordnen, d. h. sie stellen konkrete Forderungen an den betrieblichen Umweltschutz. Positiv zu werten ist, dass die Umweltmanagementsysteme einen ganzheitlichen Ansatz aufweisen. Danach sollen alle Bereiche eines Unternehmens den Umweltforderungen nachkommen. Weiterhin ist positiv hervorzuheben, dass es sich um Prozesse handelt, die immer weiterreichende Forderungen stellen.
1214
Abfall
ko no m
CO2
Ö
schwach sozial
öko no
Energie- Beiträge Exportverbrauch quote
Die Indikatoren werden nach Zuordnungskriterien in das IND eingetragen. Für die Umsetzung ist ein kompetenter Experte zu empfehlen, Quelle: Eigene Darstellung da ohne die nötige Metho- denkompetenz und Erfahrung ungeeignete Zuordnungen oder kontroverse Diskussionen entstehen können. Nach einer Systematisierung ermöglicht das IND die Bewertung der Nachhaltigkeits-Performance. Es ist dann ersichtlich, wie nachhaltig das Unternehmen insgesamt und in Bezug auf die drei Nachhaltigkeits-Dimensionen wirtschaftet. Damit lässt sich ableiten, wie sehr das Unternehmen die Ansprüche der Stakeholder im Rahmen seines CSR berücksichtigt.
V
Arbeitsunfälle Löhne Emissionen Infra-
mis ch
teils sozial
Spenden
öko teils nom isch
sozial
Ö
Jeder Indikator nimmt einen gewissen Platz im Zusammenspiel der ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen in einem Unternehmen ein. Die Umsatzentwicklung ist beispielsweise ein eindeutig ökonomisch geprägter Indikator, während die Löhne für das Unternehmen ein Kostenfaktor sind, für die Mitarbeiter Einkommen und Anerkennung darstellen und somit auch eine soziale Komponente haben. Die Abfall- bzw. Abwasserreduktion ist hingegen ein klassischer Ökoeffizienz-Indikator, der sowohl die Umwelt schont als auch die Abfall- bzw. Abwasserkosten deutlich senkt.
Abb. V12: Das integrierende Nachhaltigkeitsdreieck (IND)
sc öko hwac nom h isch
Suchprozesses für nachhaltiges Wirtschaften, da die „Nachhaltigkeit“ nicht vorgegeben ist, sondern im Prozess mit den Stakeholdern erarbeitet werden muss.
Aus unternehmenspolitischer Sicht gibt es verschiedene Anreize, sich den Herausforderungen von Umweltmanagementsystemen zu stellen. Entsprechend der Ökoeffizienz fördern Umweltmanagementsysteme sowohl die ökologische als auch die ökonomische Effizienz. Das bedeutet, dass sie Umweltbelastungen reduzieren und gleichzeitig die Kostenstruktur verbessern. Beispielhaft sei hier die Reduktion des Energieverbrauchs genannt. Dadurch werden die Innovationsfähigkeit und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen gefördert. Es ist aber auch weithin belegt, dass im Rahmen des gesellschaftlichen Bewusstseinswandels die Erwartungen der Stakeholder an die Unternehmen hinsichtlich einer umweltfreundlicheren Produktion, aber auch umweltfreundlicher Produkte ständig zunehmen. Insofern gibt es sowohl mikroökonomische als auch makroökonomische Anreize zur Einführung von Umweltmanagementsystemen, die im Prinzip auf Freiwilligkeit angelegt sind. Die Umweltmanagementsysteme wurden in den vergangenen Jahren durch Nachhaltigkeitsmanagementsysteme erweitert. Diese sind nicht mehr nur auf die beiden Dimensionen Ökologie und Ökonomie ausgerichtet, sondern werden um die soziale Dimension erweitert. Besonders populär wurde in diesem Zusammenhang das System des Corporate Social Responsibility (CSR). Viele Unternehmen erkennen in zunehmendem Maße die Relevanz von CSR für ihr Unterneh-
Vorausschauende Instandhaltung
Literatur
▶en: preventive action Maßnahme zur Beseitigung der Ursache einer möglichen ►Nichtkonformität oder einer anderen möglichen unerwünschten Situation
Anmerkung 1 zum Begriff: Für eine mögliche Nichtkonformität kann es mehr als eine Ursache geben. Anmerkung 2 zum Begriff: Eine Vorbeugungsmaßnahme wird ergriffen, um das Auftreten einer Nichtkonformität zu verhindern, während eine ►Korrekturmaßnahme ergriffen wird, um das erneute Auftreten der Nichtkonformität zu verhindern. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Vorgehensmodell ▶Tailoring
Begriff
Je komplexer sich Modellierungsaufgaben in der IT gestalten, desto wichtiger ist, auf Vorgehensmodelle zurückzugreifen. Vorgehensmodelle sind die Voraussetzung für eine methodische Entwicklung von Anwendungssystemen und bilden dabei den Rahmen für den Einsatz von Modellie rungsmethoden.
Voraudit
ISO-Term
[1] Carell, A.B.: Corporate Social Responsibility, in: Bussines and Society, Vol. 38, ISS. No. 3, 1999, S. 268-295 [2] Ensthaler, J., Gesmann-Nuissel, D., Müller, S.: Technik und Recht, Berlin 2012, S. 277 [3] Europäische Kommission: Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung von Unternehmen – Grünbuch, Brüssel 2001 [4] Europäische Kommission: Die soziale Verantwortung von Unternehmen, Luxemburg 2002 [5] CSR Europe: Corporate Social Responsibility and the Role of Investors Relations – From Switchboard to Catalyst, Brussels 2003 [6] Hauff, V. (Hrsg.): Unsere gemeinsame Zukunft, BrundtlandBericht, Greven 1987 [7] Hauff, M., von: Öko-Audit – Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Sternenfels 2010 [8] Hauff, M., von: Nachhaltige Entwicklung – Begründung und Umsetzung, 2. Aufl., München 2014 [9] Maaß, F.: Wirtschaftspolitische Ansätze zur Unterstützung von Corporate Social Responsibility-Aktivitäten, Institut für Mittelstandsforschung, Bonn 2010 [10] Sachs, S.: Die Rolle der Unternehmen in ihrer Interaktion mit der Gesellschaft, Wien 2000 [11] Stoll, W.: Sozial und ökonomisch handeln. Corporate Social Responsibility kleiner und mittlerer Unternehmen, Frankfurt am Main 2009 [12] TÜV Media GmbH: DIN ISO 14001:2009. Praxiswissen Umweltmanagement, Anforderungen und Hinweise, Köln 2011 [13] Zabel, H.-U. (Hrsg.): Betriebliches Umweltmanagementsystem, Berlin 2002 [14] Zink, K. J.: Stakeholder Orientation and Corporate Social Responsibility as a Precondition for Sustainability, in: Total Quality Management and Business Excellence, Vol. 16, 8–9, 2005, pp. 10411052
Vorbeugungsmaßnahme
Vorausschauende Instandhaltung
Ein Vorgehensmodell kann als ein Instrument zur Ablauforganisation der Software-Ent wick lungsarbeit definiert werden. Dieses Instrument muss auch für die Entwicklung von An wendungs systemen unbedingt eingesetzt werden, um der Komplexität der Entwicklungsarbeit gewachsen zu sein und um ein effizientes Entwickeln zu ermöglichen, wobei ein Softwaresystem Teil eines Anwendungssystems sein kann. Ein Vorgehensmodell dient der Planung, Steuerung und Kontrolle der System entwicklung. Die Reihenfolge der einzelnen Arbeitsschritte kann in Phasen, auf Abstraktionsebenen, in Zyklen (kreis- oder spiralförmig) oder als Evolutionsmodell organisiert werden. Gebräuchliche Vorgehensmodelle stellen in der Regel eine Kombination dieser Ablaufformen dar. Man unterscheidet im Sinne einer Typo logie von Vorgehensmodellen insbesondere ergebnis- (festgelegte Ergebnisse) und aktivitätenorientierte (festgelegte Entwicklungshandlungen) Modelle. Ein Vorgehensmodell wird durch ein Netz von Aktivitäts- und Resultatstypen sowie durch Bedingungen für die übergänge zwischen Aktivitäts- und Resultatstypen beschrieben. In einer Software- oder Anwendungsentwicklungsumgebung bildet ein Vorgehens modell den Rahmen, innerhalb dessen festgelegt wird, in welchen Entwicklungsschritten, womit und nach welchen Methoden etwas ausgeführt wird, wann und unter welchen Bedingungen dies geschieht, von welchen Forderungen man dabei ausgeht, zu welchen Ergebnissen etwas führt und von wem – bezogen auf die erforderliche Qualifikation – etwas auszuführen ist. Das V-Modell der IABG ist ein bekanntes und bewährtes Vorgehensmodell (►Tailoring).
Normquelle: nach ISO/TS 16949:2009
Von einem Vorgehensmodell wird auch im Qualitätsmanagement gesprochen. So bezieht Pfitzinger den Begriff auf die Umsetzung der ISO 9001 [1].
▶en: preliminary audit Audit, das der Vorbeurteilung und Klärung offener Fragen zur Darlegung des QM-Systems dient. Mögliche Schwachstellen können rechtzeitig vor dem ►Zertifizierungsaudit erkannt und behoben werden. Das Voraudit kann auf Wunsch des Auftraggebers durchgeführt werden. Das Voraudit ist praktisch die Generalprobe für das Zertifizierungsaudit. Tätigkeiten, die aus Prozessdaten abgeleitet und darauf gerichtet sind, Instandhaltungsprobleme durch Vorhersage möglicher Ausfallarten zu vermeiden.
ISO-Term
men, da sich das Leitbild nachhaltiger Entwicklung in allen Bereichen der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft mehr und mehr durchsetzt. Daher ist zu erwarten, dass sich die „Managementlandschaft“ auch in Zukunft in Richtung Nachhaltigkeit weiter entwickelt. Prof. Dr. Michael von Hauff, Kaiserslautern
Vorbeugungsmaßnahme
1215
V
Vorschrift
Vorschlagswesen [1] Pfitzinger, E.: Projekt DIN EN ISO 9001:2008: Vorgehensmodell zur Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems. 2. Auflage. Berlin (Beuth) 2009
Vorschlagswesen
Vorschrift
▶en: directive Von einer Behörde erstelltes Dokument mit verbindlichen, rechtlichen Festlegungen. Normquelle: nach DIN EN 45020
▶Betriebliches Vorschlagswesen (BVW) ••• ⨀⨀⨀ •••
V
1216
DIN-Term
Literatur
W
Autoren der Hauptstichwörter Buchstabe W
Workflow-Management
Stefan Jablonski
Wertschöpfungsmangement
Peter Lethmathe
Wertewandel
Dorota Kowal-Paul
Wartezeitenmanagement
Jörn W. Mundt Wolfgang Fuchs
Wertstrommanagement
Armin Töpfer
Carla Mayer
W Wertanalyse Wertkette Wertschöpfungsanalyse Wissensmanagement
Hans-Dieter Zollondz
Wartezeitenmanagement
wahre Ursache Wahre Ursache
Warteschlangen
Wahrer Wert
Wartezeit
DIN-Term
▶Japanische Qualitätstechniken
Normquelle: nach DIN 55350-13
Wahrscheinlichkeit
▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Wahrscheinlichkeitsrechnung Begriff
▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement
Wandlung
▶Produkt-/Produzentenhaftung im Qualitätsmanagement ▶Qualitätskostenmanagement Gemäß BGB § 462 ist unter Wandlung das Rückgängigmachen des Kaufs gegen Rückgabe der Ware zu verstehen. Wandlung zählt zu den Vertragshaftungsfolgen. Minderung und Nachbesserung sind weitere Folgen der Haftung, also einem Anspruch, einer Forderung ausgesetzt zu sein (= Kurzdefiniton von Haftung).
Wareneingangskontrolle
▶Qualitätsmanagement-Vereinbarungen
DIN-Term
▶CE-Kennzeichnung
Warngrenze
▶Qualitätsregelkarten (QRK) ▶SPC-Statistical Process Control ▶Statistische Begriffe im Qualitätsmanagement Grenzwerte in einer Qualitätsregelkarte, die zwischen dem Sollwert (Mittelwert) und den Werten für die Eingriffsgrenzen liegen. Wird dieser Wert durch den Kennwert über- oder unterschritten, führt dies in der Regel zu einer verstärkten Überwachung des Prozesses.
Begriff
Normquelle: nach DIN 55350-33
Wartbarkeit
▶en: Maintainability Begriff aus dem Softwarebereich: Wartbarkeit wird dort (nach Jeremy D. Miller) als die Leichtigkeit bezeichnet, mit der ein System – zum Beispiel eine Website oder Webapplikation – verändert oder erweitert werden kann.
Wartezeitenmanagement
▶en: waiting lines, waiting queues = Warteschlangen ▶en: queue management = Wartezeitenmanagement ▶Operations Management ▶Muda Wartezeit kann im Rahmen einer ►Dienstleistung als die Zeitspanne verstanden werden, die zwischen der Bereitschaft eines Kunden liegt, eine Leistung zu empfangen und der dann tatsächlich stattfindenden Leistungserbringung [1]. Wartezeiten lassen sich unterschiedlich kategorisieren. Gängig ist eine Unterteilung in erwartete (vorherige Einschätzung), tatsächliche (objektive Zeitdauer) und em-pfundene Wartezeiten (subjektive Wahrnehmung). Stellt man die konkrete Dienstleistung in den Mittelpunkt, lassen sich Wartezeiten unterscheiden, die vor (pre-process), während (in-process) und nach (post-process) der Dienstleistungserstellung stattfinden [2]. Aus psychologischer Sicht ist die Wartephase kritisch einzuschätzen, weil sie aus Kundensicht einen Kontrollverlust darstellt und die Abhängigkeit vom Dienstleister verdeutlicht. Da die Nachfrage nach Dienstleistungen und das Angebot selten im Gleichgewicht sind und Dienstleistungen nicht auf Vorrat produziert werden können, ist die Entstehung von Wartezeiten faktisch unumgänglich. Über ein Wartezeitenmanagement kann versucht werden, diese möglichst gering zu halten. Unter dem Begriff Wartezeitenmanagement lässt sich die Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen verstehen, die ein Unternehmen in Bezug auf Wartezeiten einsetzt. Hierbei lassen sich die zwei Vorgehensweisen Operations Management und Perceptions Management unterscheiden [3]. ►Operations Management setzt bei der faktischen Verkürzung der tatsächlichen Wartezeit an: Es wird versucht, Ineffizienzen in der ►Organisation zu beseitigen bzw. Prozesse zu optimieren (z. B. durch den Mehreinsatz von Mitarbeitern, Prozessautomatisierung, Aufbau von Reservierungssystemen, Installation von Call Center). Da Operations Management in der Regel teurer ist, setzen Unternehmen stark auf Perceptions Management. Perceptions Management versucht, die empfundene Wartezeit zu beeinflussen (z. B. durch das Ambiente oder durch die bewusste Gestaltung von Warteschlangen). Maister formuliert in einem vielbeachteten und immer wieder zitierten Aufsatz acht Thesen, die Unternehmen als Basis für die Gestaltung des Perceptions Management nutzen können [4]:
1219
Begriff
Warenkennzeichnung
▶Wartezeitenmanagement
Begriff
▶en: true value | fr: valeur vraie Tatsächlicher Merkmalswert, der unter den bei der Messung herrschenden Bedingungen ermittelt wurde. Den wahren Wert zu ermitteln ist prinzipiell das Ziel jeglicher Messung, obwohl er im allgemeinen nicht festgestellt werden kann. Insofern ist er ein ideeller Wert, der sich nur dann feststellen ließe, wenn sämtliche Ermittlungsabweichungen vermieden werden könnten.
▶Wartezeitenmanagement
W
Wartezeitenmanagement
Wartezeitenmanagement
W
1220
Dienstleister
Dienstleister
Kunde
Kunde
7. These: Je wertvoller eine Dienstleistung ist, desto länger 1. These: Zeit, in der man unbeschäftigt ist, wird im Vergleich zu Zeit, in der man beschäftigt ist, als länger empsind Kunden bereit zu warten. – Wenn die Dienstleistung funden. – An U-Bahnhaltestellen werden Fahrgästen einen Umfang von nur wenigen Euro hat (Beispiel: Fast Kurznachrichten oder Kurzfilme über Monitore gezeigt, Food), ist schneller Service notwendig. Hingegen sind Patienten in Wartezimmern werden Zeitungen und ZeitKunden bei einer wertvollen Dienstleistung (Beispiel: schriften zur Verfügung gestellt. Kleinkinder an der Kasse Notar- oder Arzttermin) bereit, länger zu warten. des Einzelhandels werden mit Quengelware beschäftigt. 8. These: Alleine zu warten, wird im Gegensatz zu einem 2. These: Auf den Dienstleistungsprozess zu warten, dauWarten in der Gruppe als länger empfunden. – Binden ert subjektiv länger als während des DienstleistungsproFreizeitparkmitarbeiter an Großattraktionen die gesamte zesses zu warten. – Patienten werden in Arztpraxen oder Warteschlange z. B. in ein Spiel ein, wird die Illusion aufKliniken frühzeitig in den Prozess integriert, indem sie gebaut, dass der Freizeitspaß schon in der Schlange beparallel behandelt werden. Bevor der Arzt die eigentliche gonnen hat. Untersuchung beginnt, führen Mitarbeiter vorbereitende Im Rahmen des Perceptions Management kommt der KonUntersuchungen durch: Die Augenstärke wird gemessen, figuration der Warteschlangen (siehe hierzu auch die Abbildas Blut abgenommen, der Blutdruck erfasst. dung W01) große Bedeutung zu. Warteschlangen können 3. These: Angst lässt Wartezeiten länger erscheinen. – Menphysischer und abstrakter Natur sein. Zu den physischen schen brauchen Sicherheit. Steht ein Kunde in einer WarVertretern zählen Einzelschlange (single queue) und Mehrteschlange an einer Kasse, die schließt, verursacht dies fachschlange (multiple queue), zu den ab-strakten Vertretern Stress. Die Unternehmen müssen bestehende Schlandie nummerierte Schlange (numbered queue) und die virtugen abarbeiten, bis der letzte Kunde bedient wurde. Die elle Schlange (virtual queue). Bei der Einzelschlange wird nur Ansage von bestehenden Anschlusszügen im nächsten eine Warteschlange für Kunden gebildet, die von einem oder Bahnhof gibt Orientierung und nimmt Angst. mehreren Kundenschaltern bedient werden kann. Der erste 4. These: Unsichere Wartezeiten erscheinen länger als beKunde in der Warteschlange wird vom jeweils nächsten frei kannte und begrenzte Wartezeiten. – Menschen brauchen Kontrolle über die SituAbb. W01: Drei Typen von Warteschlangen mit Beispielen ation. Wenn Sie nicht wissen, Einzelschlange Nummerierte Schlange Mehrfachschlange wie lange Sie warten müssen, (z. B. Check-out Hotel, (z. B. Gepäckaufgabe (z. B. Fahrplanauskunft sind sie verunsichert. Deshalb Kasse Einzelhandel) Flughafen) Bahn, Finanzamt) ist es sinnvoll, Feedback über ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ konkrete Wartezeiten zu geCOUNTER COUNTER COUNTER ben. Der Flughafenbetreiber 1 2 ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ macht bei der Gepäckausgabe STOP auf entsprechende Wartezeiten ○ ○ ○ ○○○○○ 8 7 9 5 ○○○○ aufmerksam („7 Minuten bis 4 ○ zur Gepäckausgabe Flug LH ○ ○ ○ ○○○○ 6 301 aus Istanbul.“). Die Not○ ○ ○ ○ 3 aufnahme des Krankenhauses ○ ○○○ ○ kategorisiert nach Dringlich○ ○ keit, indem sie den Patienten in ○ Anlehnung an ein Ampelsystem Karten austeilt, die Hinweise auf Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Fitzsimmons; Fitzsimmons 2011 S. 311 [4] die Wartezeit geben (rote Farbe werdenden Mitarbeiter bedient. Bei der Mehrfachschlange – sofortige Behandlung, orange Farbe – sehr dringende existieren an den verschiedenen Kundenschaltern gleichBehandlung innerhalb von 10 Minuten, gelbe Farbe – zeitig Warteschlangen. Als Sonderausprägung innerhalb der dringende Behandlung innerhalb von 30 Minuten). Mehrfachschlange können Express-Schlangen (express lines, 5. These: Unerklärte Wartezeiten dauern länger als erklärfast tracks) verstanden werden. In dem Fall existiert eine te. – Menschen fragen immer nach dem „Warum“. Es ist Schlange, die nur für die Kunden gedacht ist, die bestimmte daher notwendig, Wartezeiten zu erklären. Das BahnunVor-aussetzungen erfüllen (besonderer Status oder Kauf einer ternehmen erklärt Verspätungen über Durchsagen, die begrenzten Anzahl von Gütern) [5]. Nummerierte Schlangen Kunden können sich dann eher darauf einstellen. entstehen dadurch, dass Kunden an Automaten Nummern 6. These: Ungerechte Wartezeiten werden länger empfunziehen. Die Schlange ist physisch nicht existent, über Displays den als gerechte. – Müssen Betriebe über Schlangenkonwerden die gezogenen Nummern aufgerufen und den Dienstfigurationen entscheiden, empfiehlt sich aus Gerechtigleistungsschaltern zugewiesen. Virtuelle Schlangen basieren keitssicht eine Trichterlösung, in der nur eine Schlange ebenfalls auf einer technologischen Lösung. Über Computer statt mehrere Schlangen gebildet werden. Kunden, die werden Kunden in eine „unsichtbare“ Warteschlange gereiht. später kommen, dürfen nicht früher bedient werden.
Wartezeitenmanagement Das Computersystem weist ihnen ein Zeitfenster zu, in dem sie bedient werden. Die eigentliche Wartezeit kann von den Kunden anderweitig genutzt werden [6]. Die Warteschlangenkonfiguration führt bei Kunden zu unterschiedlichen Wahrnehmungen. Wartende in einer Schlange nehmen vor allem die Personen als Barriere wahr, die vor ihnen stehen. Die Schlange, die sich hinter dem Wartenden bildet, wird – da sie keine Barriere bildet – weniger wahrgenommen. Einzelschlangen geben Kunden im Vergleich zu Mehrfachschlangen eine höhere Klarheit und Vorhersehbarkeit des Prozesses. Sie führen zu einem zwar langsamen, aber konstanten Fortschritt und versprechen eine höhere prozedurale Gerechtigkeit, da sie dem Prinzip „first come, first serve“ folgen. Bei einem System von Mehrfachschlangen haben Kunden zwar die Möglichkeit der Auswahl, stehen aber vor einem unlösbaren Entscheidungsproblem, da sie nicht wissen, wie schnell sich die verschiedenen Schlangen fortbewegen [7]. Empfehlungen für die Praxis können nicht eindeutig formuliert werden, einen „one best way“ der Schlangenkonfiguration gibt es nicht. Interessant ist, dass aus Kundensicht Schnelligkeit nicht immer das zentrale Kriterium zu sein scheint. Der Gerechtigkeit hingegen kommt ein hoher Stellenwert zu. Insofern ist nachvollziehbar, dass viele Unternehmen im Dienstleistungsbereich auf das Konzept der Einzelschlange umstellen. Um die Gerechtigkeitsproblematik bei Mehrfachschlangen zu reduzieren, ist die Einrichtung von Absperrungen sinnvoll. Sie verhindern unberechtigtes Eindringen und „queue jumping“. Express-Schlangen für VIP-Kunden im Rahmen des Check-in oder Check-out in Hotels oder auf Flughäfen sollten aus dem Blickfeld der nicht bevorzugten Kunden genommen werden. Nicht vergessen werden sollte, dass freundliche Mitarbeiter zumindest teilweise die durch Warten aufgekommene Unzufriedenheit auffangen können. Zu den teilweise widersprüchlichen empirischen Ergebnissen siehe [8], zu den Auswirkungen von neuen Technologien auf Wartezeiten siehe [9]. Prof. Dr. Wolfgang Fuchs Carla Mayer, B.A., Ravensburg Literatur
[1] Taylor, Shirley 1994: Waiting for service: The relationship between delays and evaluations of service. In: Journal of Marketing, Vol. 58, S. 56-69, hier: S. 56. Auf Wartezeiten in der Produktionswirtschaft wird nicht eingegangen. Das Problem wird dort ebenfalls im Rahmen des Toyota-Produktionssystems unter dem japanischen Begriff Muda (dtsch. Verschwendung), thematisiert. Warten wird nach Ohno, Taiichi als eine von sechs Verschwendungsarten gewertet, die konsequent beseitigt werden muss (s. hierzu Zollondz, Hans-Dieter 2013: Grundlagen Lean Management. München: Oldenbourg, S. 124 ff.). [2] Dubé-Rioux, Laurette; Bernd H. Schmitt & France Leclerc 1989: Consumers’ reactions to waiting: when delays affect the perception of service quality. In: Advances in Consumer Research, Vol. 16, S. 59-63, hier: S. 59
Wartezeitenmanagement [3] Katz, Karen L.; Blaire M. Larson & Richard C. Larson 1991: Prescription for the waiting-in-line blues: Entertain, enlighten, and engage. In: Sloan Management Review, Vol. 32, S. 44-53, hier: S. 44. Zu einer Einteilung in nachfrageorientierte Strategien (demand strategies) und kapazitätsorientierte Strategien (capacity strategies) siehe Zeithaml, Valarie A.; Mary Jo Bitner & Dwayne D. Gremler 2009: Services Marketing: Integrating Customer Focus Across the Firm. 5th ed., New York: McGraw-Hill International Edition, S. 470 [4] Maister, David H. 1985: The psychology of waiting lines. In: Czepiel, John A.; Michael R. Solomon & Carol F. Surprenant (Eds.): The service encounter: Managing Employee-Customer Interaction in Service Businesses, Lexington: Lexington Books, S. 113-123, hier: S. 115 ff. Zur aktuellen Relevanz der Thesen von Maister vgl. etwa auch Fitzsimmons, James A.; Mona J. Fitzsimmons 2011: Service Management: Operations, Strategy, Information Technology. 7th ed., New York: McGraw-Hill International Edition, S. 301 ff.; Hudson, Simon; Louise Hudson 2013: Customer Service for Hospitality and Tourism, Woodeaton, Oxford: Goodfellow Publishers Limited, S. 182 ff. Zur empirischen Einschätzung siehe etwa DubéRioux, Laurette; Bernd H. Schmitt & France Leclerc 1989: Consumers’ reactions to waiting: when delays affect the perception of service quality. In: Advances in Consumer Research, Vol. 16, S. 59-63; Taylor, Shirley 1994: Waiting for service: The relationship between delays and evaluations of service. In: Journal of Marketing, Vol. 58, S. 56-69 [5] Groth, Markus; Stephen W. Gilliland 2001: The role of procedural justice in the delivery of services. A study of customers’ reactions to waiting. In: Journal of Quality Management, Vol. 6, S. 77-97, hier: S. 81 [6] Dickson, Duncan; Robert C. Ford & Bruce Laval 2005: Managing real and virtual waits in hospitality and service organizations. In: Cornell Quarterly, 46 (1), S. 52-68, hier: S. 63. Zu unterschiedlichen Schlangenkonfigurationen siehe auch Fitzsimmons, James A.; Mona J. Fitzsimmons 2011: Service Management: Operations, Strategy, Information Technology, 7th ed., New York: McGraw-Hill International Edition, S. 310 ff. oder Nerdinger, Friedemann W. 2014: Steuerung der Dienstleistungsqualität. In: Nerdinger, Friedemann W.; Gerhard Blickle & Niclas Schaper (Hrsg.): Arbeits- und Organisationspsychologie. 3. Aufl., Berlin, Heidelberg: Springer, S. 595-612, hier: S. 601 f. [7] Rafaeli, Anat; Greg Barron & Keren Haber 2002: The effects of queue structure on attitudes. In: Journal of Service Research, 5 (2), S. 125-139, hier: S. 127 ff. [8] Baker, Julie; Michaelle Cameron 1996: The effects of the service environment on affect and consumer perception of waiting time: an integrative review and research propositions. In: Journal of the Academy of Marketing Science, 24 (4), S. 338-349; Dickson, Duncan; Robert C. Ford & Bruce Laval 2005: Managing real and virtual waits in hospitality and service organizations. In: Cornell Quarterly, 46 (1), S. 52-68; Groth, Markus; Stephen W. Gilliland 2001: The role of procedural justice in the delivery of services. A study of customers’ reactions to waiting. In: Journal of Quality Management, Vol. 6, S. 77-97; Hornik, Jacob 1984: Subjective vs. objective time measures: A note on the perception of time in consumer behavior. In: Journal of Consumer Research, Vol. 11, S. 615-618; Rafaeli, Anat; Greg Barron & Keren Haber 2002: The effects of queue structure on attitudes. In: Journal of Service Research, 5 (2), S. 125-139 [9] Kokkinou, Alinda; David A. Cranage 2013: Using self-service technology to reduce customer waiting times. In: International Journal of Hospitality Management, Vol. 33, S. 435-445
1221
W
Wechselwirkungen von Prozessen Wartezeit | Warteschlangen Begriff
▶Wartezeitenmanagement
Wartung
▶en: maintanance ▶Ganzheitliches Instandhaltungsmanagement Kurzdefinition: Bewahrung des Sollzustandes. – Als Wartung werden Maßnahmen zur Bewahrung des Sollzustands, als Inspektion Maßnahmen zur Beurteilung des Ist-Zustands und als Instandsetzung Maßnahmen zur Wiederherstellung des Sollzustands bezeichnet. Für alle diese Maßnahmen ist der Oberbegriff Instandhaltung eingeführt.
Warum
▶5W-Fünfmal Warum
Warusa-kagan
▶Japanische Qualitätstechniken
Wechselwirkungen von Prozessen
▶Geschäftsprozessmanagement ▶Prozessmanagement Prozesse, die sich gegenseitig beinflussen. Als prozessorientierter Ansatz wird in der DIN EN ISO 9000ff die Anwendung eines Systems von Prozessen in Verbindung mit dem Erkennen und den Wechselwirkungen dieser Prozesse sowie deren Management bezeichnet. Erkennen lassen sich Wechselwirkungen mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn Prozesse identische Zielsetzungen verfolgen.
Wechselwirkungsdiagramm
▶en: interaction plot Ein Wechselwirkungsdiagramm zeigt die Ebenen von Variablen auf der X- und Y-Achse. Die Y-Achse wird dabei als die abhängige Variable definiert.
Deutscher Qualitätsexperte
Weckenmann, Albert A.
W
Prof. Dr.-Ing. hon. Prof. mult. Dr.-Ing. E.h. Dr.h.c. mult. Albert A. Weckenmann, Ordinarius und Inhaber des Lehrstuhls „Qualitätsmanagement und Fertigungsmesstechnik“ der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (1992 bis 2011). Geb. 1944, 1964 bis 1969 Studium der Elektrotechnik, Fachrichtung Nachrichtentechnik an der Universität (TH) Karlsruhe. 1969 Abschluss Dipl.-Ing.; 1971 Promotion zum Dr.-Ing. durch die Fakultät für Elektrotechnik der Universität (TH) Karlsruhe. 1972 bis 1975 nach Trainee-Zeit in Leitungsposition zuständig für Entwicklung neuer Produkte bei Robert
1222
Weckenmann, Albert A. Bosch GmbH, Nürnberg. 1975 bis 1992 Professor und Leiter des Laboratoriums für Mess- und Feinwerktechnik im Fachbereich Maschinenbau der Universität der Bundeswehr Hamburg. 01.09.1992 bis 30.9.2011 Inhaber des Lehrstuhls Qualitätsmanagement und Fertigungsmesstechnik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Forschungstätigkeit: Schwerpunkte der Forschungsaktivitäten waren wissenschaftlich, technisch und industriell interessante, wirtschaftlich aktuelle Fragestellungen der Gebiete Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement einschließlich der angrenzenden Fachgebiete. Einige wenige Forschungsthemen seien exemplarisch genannt. Sie fanden besondere Beachtung in der Fachwelt: ◼ Verknüpfung fachlicher Aufgabenstellungen aus dem QM mit dem Umweltmanagement unter Anwenden der Fuzzy-Logic-Methode. ◼ Ausbildungs- und Trainingskonzepte. Besondere Verbreitung fand das Ausbildungskonzept für die 3D-Koordinatenmesstechnik (AUKOM) sowie die Erweiterung zu einem englischsprachigen ODL-Konzept (ODL: Open Distance Learning), welches als E-Learningkurs CMTrain regelmäßig angeboten wird. ◼ Für die Konzeption und Planung von QM-Methoden wurde der Begriff „virtuelles QM“ definiert, mit Inhalt versehen und wissenschaftlich ausgestaltet. ◼ Funktionsorientiertes Prüfen durch Auswahl und Anwendung geeigneter Mess- und Antaststrategien sowie Auswertealgorithmen. Virtuelles Funktions-Prüfen durch Modellieren der Funktion und Simulation unter Nutzung von optisch, taktil oder computertomographisch ermittelten 3D-Oberflächen- und Gestaltdaten. Die Bearbeitung der Forschungsthemen wurde unterstützt von Förderinstitutionen wie z.B. DFG, BMBF, EU, AiF, Stiftung Volkswagen, Bayerische Forschungsstiftung, IndustrieUnternehmen, u.a. Die Wahrnehmung der Pflichten schloss u. a. auch ein: Vorlesungen und Schulungsseminare: Qualitätsmanagement (z.B. Grundlagen, Methoden und Techniken; Managementwissen; QM in der Medizin); Fertigungsmesstechnik (z.B. Grundlagen der Messtechnik, Fertigungsmesstechnik, Optische Verfahren der Messtechnik, 3D-Koordinatenmesstechnik); Virtuelle Vorlesung (E-Learning Kurs) QTeK an der vhb (Virtuelle Hochschule Bayern), sowie mehrere außeruniversitäre Seminare und Schulungsveranstaltungen zu Themen des Qualitätsmanagements (z. B. Versuchsmethodik) und der Messtechnik (z.B. Ermittlung der Messunsicherheit nach GUM, Tolerieren und Prüfen von Form- und Lageabweichungen). Verbands- und Gremientätigkeiten: langjähriger Obmann des VDI/VDE-GMA-Fachausschusses „Koordinatenmesstechnik“, stellvertretender Vorsitzender des DGQ-Beirats für die Lehre an Hochschulen, Fellow of CIRP und Chairman deren STC P (Precision Engineering and Metrology); langjähriger Chairman IMEKO TC 14 (Measurement of Geometrical Quantities), Fellow of ISNM (International Society for Nanomanufacturing); langjähriges Mitglied des DIN-Beirats.
Weckenmann, Albert A. Auszeichnungen: 1974 Preis der VDI/VDE-ETG; 2001 Ehrenmedaille des VDI für hervorragende Leistungen in der Fertigungsmesstechnik, 2002 Dr. h.c. der Technischen Universität Cluj-Napoca, Rumänien; 2006 Dr. h.c. der Universität Bielsko-Biala, Polen; 2006 Dr.-Ing. E.h. der Technischen Universität Ilmenau; 2011 Honorary Professor der Universität Tianjin, China; 2012 Honorary Professor der Shanghai University, Shanghai, China. Literatur (Auswahl – insgesamt mehr als 500 Publikationen): Ein neuer Weggeber zum elektrischen Messen großer Verschiebungen. Teil I. ATM V 1121-12 (August 1973), S. 141146, Teil II. ATM V 1121-14 (September 1973), S. 161-166. – Inductive and Transformative Transducers with ShortCircuiting Ring. IEEE Instrumentation and Measurement 23 (1974) 1, S. 67-71. – Anwendung des elektrothermischen Analogieverfahrens zur Erzeugung und Verarbeitung von tiefstfrequenten Schwingungen. Archiv für Elektrotechnik 56 (1974) 2, S. 86-92. – The Accuracy of Coordinate Measuring Machines. 9th IMEKO-World Congress 1982, Berlin, Preprints Vol. V/II, S. 110-119 und Acta IMEKO 1982, S. 287296. – Problems with software for running coordinate measuring machines. Precision Engineering 7 (1985) 2, S. 87-91. – Integration in die Linie: Koordinatenmesstechnik verlagert sich in den Fertigungsbereich. Maschinenmarkt 94 (1988) 12, S. 66-68. – Koordinatenmesstechnik im Wandel der Anforderungen. VDI-Berichte 751, Düsseldorf, 1989, S. 1-17. – Funktions- und fertigungsorientiert auswerten. Qualität und Zuverlässigkeit 37 (1992) 12, S. 727-733. – Antaststrategie beim Prüfen von Standardformelementen. Qualität und Zuverlässigkeit 38 (1993) 1, S. 41-46. – Integration der Messtechnik in die Qualitäts-sicherung. Tagungsbuch Internationale Fachtagung “Koordinatenmesstechnik – Ein Baustein der Qualitätssicherung“. Universität Maribor, 17.11.1994, S. 1-7. – Qualitätsmanagement in CIM. In: Osanna, P.H., Heiß, C.P. (Hrsg.): Qualitätssicherung und -management für Klein- und Mittelbetriebe. Wissenschaftliche Landesakademie für Niederösterreich, Krems, 31.07.-12.8.1995, S. 8.18.24. – Objective-oriented Evaluation and Sensing: Strategy in Coordinate Metrology. Precision Engineering 17 (1995) 4, S. 244-252. – Quality Control Loops. Proceedings of 17th All India Manufacturing Technology Design and Research Conference, Warangal/India, 1997, S. 1-10. – Qualität übergreifend bewerten: Unterstützung der Produktplanung mittels Fuzzy-Logic. Qualität und Zuverlässigkeit 42 (1997) 7, S. 808-812. – Präventive ökologische Bewertung mit FuzzyLogic. Umwelt-Wirtschafts-Forum 6 (1998), 1, S. 92/93. – The Influence of Measurement Strategy on the Uncertainty of CMM-Measurement. Annals of the CIRP 47 (1998) 1, p. 451-454. – A close look at the rough terrain of surface finish assessment. In: Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers – Part B – Journal of Engineering Manufacture 212 (1998) 5, p. 411-420. – Fuzzygestütztes Bewertungsmodell für die Entwicklung umweltverträglicher Produkte und Prozesse. In: Umwelt-Wirtschafts-Forum (UWF) 7 (1999) 2, p. 70-74. – Fringe projection method for measuring geometry
Weckenmann, Albert A. and wear of cutting tool inserts. In: 14. ASPE Annual meeting. 1999, Monterey, USA. Proceedings, Vol. 20, p. 473-476. – Acceptance of processes: Do we need decision rules? In: Precision Engineering 24 (2000) 3, p. 264-269. Grazing incidence Interferometry for high Precision Measurements of Cylindrical Form Deviations. In: Annals of the CIRP 50 (2001) 1, p. 381-384. – Environmental Life Cycle Assessment with Support of Fuzzy-Sets. In: International Journal of LCA 6 (2001) 1, p. 13-18. – Wirkung abschätzen – Kosten sparen. Auswahl und Wirtschaftlichkeitsabschätzung von QM-Methoden. In: Qualität und Zuverlässigkeit QZ 46 (2001) 10, p. 1298-1304. – Entwicklung eines Ratgeber- und Assistenzsystems für die Statistische Versuchsmethodik. In: Hermann, J. (Ed.): Berichte zum Qualitätsmanagement. Bd. 6/2004. Aachen: Shaker, 2004, p. 113-120. Dynamic Life Cycle Assessment according ISO 14040ff. for ecologic and economic evaluation of product with support of Fuzzy-Set-Theory. In: Alting, L.; Majstorovic, V. D. (Eds.): 11th International CIRP Seminar „Product Life Cycle – Quality Management Issues“ 20.-22.06.2004, Belgrade, Serbia. Proceedings, p. 115-122. – Probing Systems in Dimensional Metrology. In: Annals of the CIRP 53 (2004) 2, p. 657-684. – Process optimization using a shop floor integrated advisory and assistance system for Design of Experiments (DoE) – an application in electronics manu-facturing. IMEKO 8th ISMQC 11.-15.10.2004, Erlangen. In: VDI Berichte 1860. Düsseldorf : VDI, 2004, p. 197-204. – Qualitätsverbesserung von textilen Geweben durch Einsatz automatischer Warenschau. In: Petersen, B. (Ed.): Berichte zum Qualitätsmanagement. Bd. 7/2005. Aachen: Shaker, p. 77-90. – Computer-aided Design of Experiments Framework – a comprehensive approach to process improvement. In: Total Quality Management & Excellence 33 (2005) 3 Special Edition, p. 5-8. – Qualität für Messergebnisse – Messunsicherheit nach GUM. In: Technisches Messen tm 73 (2006) 4, p. 189-199 – Webbasiertes Lernkonzept für ausgewählte Qualitätstechniken im Produktlebenszyklus. GQW-Tagung „Qualitätsmanagementsystem im Produktlebenszyklus“ In: Winzer, P. (Ed.): Berichte zum Qualitätsmanagement. Bd. 8/2006. Aachen : Shaker, 2006, p. 147-162. – Neu! Aber auch gut? Qualitätsbewertung von Innovationen. In: Qualität und Zuverlässigkeit QZ 51 (2006) 4, p. 80-81. – Qualität beginnt im Kopf – Das Erlanger Qualifizierungsmodell zum DGQ – Quality Systems Manager Junior. In: Technik in Bayern 10 (2006) 4, p. 28-29. – Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Messungen zur Konformitäts‚prüfung. In: Linß, G. (Ed.): Berichte zum Qualitätsmanagement. Bd. 9/2006. Aachen: Shaker, 2007, p. 121-136. – Zuverlässigere Prozesse durch Virtuelles Qualitätsmanagement. In: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb ZWF 103 (2008) 6, p. 448-451. – Virtual Quality Management: 6-Sigma-based layout of Quality Orientated Process Models. In: 11th International QMOD Conference (20.-22.08.2008, Helsingborg, Schweden). Proceedings on CD-ROM. – Virtuelles Qualitätsmanagement – Simulationsgestützte Auslegung und Optimierung von Qualitätsregelkarten. GQW-Tagung „Qualitätsmanagement
1223
W
Welch, Jack
Welch, Jack in Wertschöpfungsnetzwerken“. In: Theuvsen, L.; Deimel, M. (Eds.): Berichte zum Qualitätsmanagement. Bd. 11/2009. Aachen: Shaker, 2009, p. 151-165. – Kosten-Nutzen-Analyse bei Messergebnissen – Wert der Messung. In: Qualität und Zuverlässigkeit QZ 54 (2009) 1, p. 54-55. – Multisensor data fusion in dimensional Metrology. In: CIRP Annals – Manufacturing Technology 58 (2009) 2, p. 701-721. – Reifegradmethode für die Entwicklung neuer Umformverfahren. In: Ingenieurspiegel 2010/3, p. 56-58. – Application of modern high resolution tactile sensors for measuring micro-objects. In: International Journal of Precision Technology 2 (2010) 2/3, p. 266-288. – Sustainability in Education. In: Seliger, G.; Khraisheh, M.M.K.; Jawahir, I.S.: Advances in Sustainable Manufacturing – Proceedings of the 8th Global Conference on Sustainable Manufacturing. New York, Berlin : Springer, 2011, p. 17-24. – Maturity determination of new forming processes considering uncertain indicator values. In: Key Engineering Materials KEM 502 (2012), p. 97-102. – Systematic design of a Maturity Model for the Development of New Forming Processes. In: Journal of Management and Finance 10 (2012) 3, p. 191-202. – Function-oriented Method for the Definition and Verification of Microstructured Surfaces. In: Precision Engineering 37 (2013) 3, p. 684-693. – Manufacturing and measurement of freeform optics. In: CIRP Annals – Manufacturing Technology 62 (2013) 2, p. 823-846.
Welch, Jack US-amerikanischer CEO
▶Six Sigma
W
Der in Peabody, Massachusetts, am 19. 4. 1935 als Sohn eines Eisenbahnschaffners geborene Amerikaner John Francis (genannte Jack) Welch (auch „Neutronen-Jack“ genannt) war von April 1981 bis September 2001 Chief Executive Officer von General Electric (GE). Er ist promovierter Chemiker. In seiner Zeit als CEO brachte er es fertig, den leicht angeschlagenen Mischkonzern zu einem profitablen und wachstumsorientierten Unternehmen zu gestalten. Über Jack Welch ist viel geschrieben worden und er hat auch über sich und GE viel Zitierenswertes gesagt. Sein Selbstverständnis markiert wohl sehr gut ein Zitat aus der Financial Times: „Mein Job ist weniger die Kontrolle als vielmehr die Ermutigung und die Übergabe von Macht an Leute mit Träumen und Visionen“. Zu dieser Aussage passt auch seine organisationsbezogene Aussage „Fix, close or sell“, also ein Unternehmen entweder zu reparieren, zu schließen oder zu verkaufen. Seine Zwei-Jahresfrist bedeutet: Wenn die Probleme nicht in einer Frist von zwei Jahren gelöst werden können, gilt „Schließen und Verkau-
1224
fen!“. Welch wird oft als harter und unerbittlicher Manager beschrieben. Diese Charakterisierung ist wohl etwas überzogen. Schließlich war er ständig bereit zu lernen und sich zu korrigieren. Von der von ihm einmal pointierten ►Shareholder-Value-Strategie distanzierte er sich später grundsätzlich („dumme Idee“). Will man die Kernpunkte seines Wirkens als Manager auf den Punkt bringen, so sind es wohl die folgenden beiden: 1 Boundarylessness = Das Streben eines Unternehmens nach Grenzenlosigkeit. GE hat dies unter seiner Führung angestrebt, indem er eine offene, informelle Organisation schuf. 2 Produktivität = Sie bedeutet für ihn nicht „das Auswringen eines Wischlappens“, sondern der Glaube an eine unendliche Kapazit zur Verbesserung von allem und jedem. In die Geschichte des Qualitäsmanagement ist er eingegangen, weil er – ganz im Stil seiner Aussagen über Grenzenlosigkeit und Produktivität – das von Motorola entwickelte ►Six Sigma-Konzept 1997 als systematisch verfolgte Qualitätsinitative bei GE eingeführt hat (Die Entscheidung für Six Sigma war bereits 1995 gefallen.). Diesem konsequent von allen GE-Mitarbeitern eingeschlagenen Weg der Qualitätsverbesserung ist es auch im Kern zu verdanken, dass GE den Tournaround geschafft hat. Er hat Six Sigma bei GE in seiner Biografie ausführlich beschrieben [2]. Dank dieses Eintretens von Jack Welch für Six Sigma und dem anhaltenden Erfolg durch Six Sigma bei GE und in der Folge bei anderen großen multinationaler Unternehmen (z. B. Boeing, Amazon, Samsung und Ford) hat sich Six Sigma von einer Qualitätstechnik zu einem QM-Konzept entwickeln können. Als widersprüchlich sind seine Ideen und auch Maßnahmen zur Mitarbeiterentwicklung charakterisiert worden. So hat er für das ►Human Resource Management die „20-70-10“-Regel formuliert, die besagt, dass in einem Unternehmen die besten 20 % der Mitarbeiter („Stars“) mit Boni belohnt, die 70 % in der Mitte bestmöglich gefordert und gefördert, die schwächsten 10 % („Lemons“) dagegen entlassen werden sollten. Andererseits zeigte er sich grundsätzlich wohlwollend den Mitarbeitern gegenüber, die Arbeitsfreude und Liebe zur Arbeit entwickelten, egal ob sie schwach oder stark sind: „Lets love to work: People with positive energy are generally extroverted and optimistic. They make conversation and friends easily. The start a day with enthusiasm and usually end it that way too, rarely seeming to tire in the middle. They don‘t complain about working hard, they love to work.“ Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Literatur
[1] Slater, R.: „Wer führt, muß nicht managen“. Die unschlagbaren Erfolgsstrategien von Jack Welch. Landsberg (mi) 1999 [2] Welch, J.: Was zählt: die Autobiografie des besten Managers der Welt. Düsseldorf (Econ) 2001
Wertanalyse (WA) Weltqualitätstag
▶en: World Quality Day Er wird seit 1989 von der World Alliance for Quality (WAQ), zu der auch in Europa die European Organization for Quality (EOQ), den USA die ASQC und die JUSE in Japan gehören, ausgerufen und ist auf den zweiten Donnerstag des Novembers eines Jahres innerhalb der sog. Qualitätswoche festgelegt.
Werkstattzirkel
▶Qualitätszirkel ▶Gruppenarbeit Kleingruppen mit vorgegebener Themen stel lung entsprechend selektierten Mitarbeitern aus unterschiedlichen Abteilungen und Hierarchieebenen. Innerhalb einer festgelegten Zeitspannen sollen in der Regel in fünf Sitzungen Problemlösungsalternativen erarbeitet werden. Unabhängig vom Stand der Problemlösung werden die Gruppen wieder aufgelöst. In der Praxis finden sich unterschiedliche Ausprägungsformen.
Wertanalyse (WA)
Die Wertanalyse wurde von dem Amerikaner Larry Miles bei General Electric nach Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelt. Der breiteren Öffentlichkeit wurde Sie 1952 bekannt. Miles hatte den Auftrag, ein neues Konzept zu finden, mit dem man gezielt den Wert von Produkten verbessern könnte. Die Methode ist heute auch in Europa und speziell in Deutschland sehr verbreitet. Sie wird auch im Qualitäts management propagiert. In Anlehnung an Hoffmann, dem deutschen Experten auf diesem Gebiet lässt sie sich wie folgt definieren [1]: Die Wertanalyse kann als eine vom Produkt unabhängige, systematische Methode zur Problemerkennung -lösung betrachtet werden, um den vom Kunden bzw. Anwender gewünschten Nutzen mit den geringstmöglichen Kosten zu realisieren, ohne dabei Qualität, Zuverlässigkeit und Marktfähigkeit negativ zu beeinflussen. Der Wertanalyse liegt demnach die Zielsetzung zugrunde die Funktionen eines bestehenden Produktes bezüglich des Aufwand-Nutzen-Verhältnisses zu verbessern und aus Kun densicht wertsteigernd zu gestalten. Es soll die vom Kunden geforderte Soll-Funktion eines Produktes mit alternativen Lösungen erzielt werden. Diese Lösungen sind streng-systematisch im Hinblick auf die Kosten zu prüfen. Bezugspunkte der Wertoptimierung sind sowohl das Produkt wie auch die Kosten. Bei der Kostenreduzierung steht die Funktion des vom Kunden gewünschten Produktes im Vordergrund.
Dabei geht es um die Lösung des folgenden Problems: Wie sind Materialeinsatz und Verfahren zu gestalten, damit das Produkt bei niedrigsten Kosten die gewünschte Funktion erfüllt (Funktionsanalyse). Die Wertanalyse setzt in ihrer klas sischen und präventivsten Form bereits in der Phase der Produktentwicklung an (Value Engineering). Bei bestehenden Produkten wird sie Value Analysis genannt. Das System der Wertanalyse erfordert in der Anwendung als condition sine qua non die Beachtung der folgenden fünf Punkte [2]: ◼ Organisation ◼ Systematik und Methodik ◼ Wert- und Funktions-Denken ◼ Kreative Tätigkeit ◼ Teamarbeit. Eine ausführliche Erläuterung findet sich in [1]. Auch aus der Sicht des QFD wird die Wertanalyse für das Qualitätsmanagement als positiv Ergänzung eingeschätzt. Der Wertana lyse-Ablauf ist in VDI DIN 69910 genormt worden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Hoffmann, H. J.: Wertanalyse. Die westliche Antwort auf Kaizen. Frankfurt-Berlin: Ullstein 1994, S. 36
Werte (soziologisches Konstrukt)
▶en: values ▶Wertewandel ▶Unternehmenskultur Vom amerikanischen Soziologen Clyde H. Kluckhohn stammt die folgende Definition der Begriffs Wert: Ein Wert ist eine Auffassung (explizit oder implizit), die ein Individuum oder eine Grup pe vom Wünschenswerten hegt, und die die Wahl möglicher Verhaltensweisen, Handlungsalternativen und -ziele beeinflusst. Werte sind nicht angeboren, sie werden in Sozialisationsprozessen gelernt (►Betriebssozialisation, ►Sozialisation). Werte sind situationsübergreifende Konzepte. Wertratio nales Handeln ist nach dem Soziologen Max Weber wie folgt definiert: …durch bewussten Glauben an den unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg. Werte lassen sich aus der Sicht der Systemtheorie als zentrale dispositionelle Orientierungsund Steuerungsinstanzen des personalen Systems definieren. Dazu zählen besonders diejenigen Werte, die einen starken Bezug auf das Subjekt voraussetzen, wie zum der Wert Gleichheit, aber auch der Wert Qualität. Unter Einstellungen versteht man dagegen ein ganz konkret auf bestimmte Objekte, Personen oder Situationen gerichtetes Konstrukt. Demzufolge sind Werte Einstellungen vorgelagerte sozialwissenschaftliche Konstrukte. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
1225
Begriff
Begriff
▶en: value engineering ▶Value Improvement: wertanalytische Arbeiten an schon bestehenden Produkten ▶Value Control: ständige Untersuchung Produktpreises hinsichtlich Wert und Funktion ▶Value Assurance: Erklärung dem Käufer gegenüber, dass Produkte wertanalytisch untersucht wurden
Werte
W
Wertewandel
Wertewandel
Wertewandel
(28 Prozent; cit n. [22]). Auch fand die „gute Bezahlung“ als „wichtige Eigenschaft eines Berufs“ 1990 in Deutschland größere Zustimmung als 1981; in Frankreich dagegen war es gerade umgekehrt ([31, S. 118]; zu den methodischen Problemen solcher Ländervergleiche siehe Meulemann [26]). Mehr als doppelt so viele Männer als 1962 stimmten 1983 in Deutschland der Feststellung zu, daß man „auch ohne Arbeit ... ein glückliches Leben führen (könnte)“ [1, S. 210]. Diese Veränderungen wurden in der deutschen Öffentlichkeit von konservativer Seite oft als Verlust von Arbeitsethik und Abschied von einer Leistungsgesellschaft bzw. insgesamt als Werteverfall interpretiert [6].
▶en: change in values; shift in values, value shift ▶Humanisierung der Arbeit (HdA) ▶Qualität der Arbeit ▶Gruppenarbeit ▶Arbeit
Begriff
Unter Werten versteht man sinnstiftende persönliche Grundorientierungen, denen man, konkretisiert über Einstellungen, einen durchgreifenden Einfluss auf das Handeln von Menschen unterstellt. Sie manifestieren sich zwar auf individueller Ebene, sind aber sozial vermittelt über gesellschaftliche Normen und Institutionen, Erziehung, die Position im Lebensund Familienzyklus, generations- und kohortenspezifische Lebenserfahrungen und zum Teil auch über staatliche Sanktionssysteme wie zum Beispiel die Justiz. Spätestens seit Max Weber in seiner berühmten Aufsatzsammlung „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ (1904-1905) [42] auf den Zusammenhang zwischen grundlegenden Wertvorstellungen und konkreten Arbeitshaltungen hingewiesen hat, wird diesem subjektiven Faktor eine zentrale Bedeutung für die Ausgestaltung von Wertschöpfungsprozessen zugeschrieben.
W
Ab Mitte der 1970er Jahre wurde, ausgelöst durch die Publikationen von Kmieciak (1976) und insbesondere Inglehart (1977), der die Entwicklung von Einstellungen der Bevölkerung mehrerer westlicher Länder anhand von Zeitreihen miteinander verglich, intensiv über den Wertewandel diskutiert. Der Höhepunkt lag dabei zwischen 1981 und 1990 – in diesem Jahrzehnt sind mehr als tausend Studien zu diesem Thema erschienen [25, S. 258]. Allerdings ist der Begriff etwas irreführend, denn nicht die Werte haben sich gewandelt, sondern ihre gesellschaftliche Bedeutung. Deshalb wäre es genauer, von einem Wandel der Werthaltungen zu sprechen. Indikatoren für diesen Wandel werden in veränderten Zustimmungswerten zu Einstellungen und Wertvorstellungen in bevölkerungsrepräsentativen Umfragen gesehen. So sank zum Beispiel in Umfragen des Instituts für Demoskopie (If D) Allensbach die Zustimmung zu traditionellen Tugenden wie „Fleiß, Tüchtigkeit, Strebsamkeit“ von 72 Prozent (1952) auf 1973 nur noch 58 Prozent (cit. n. [22]). Bei den Erziehungszielen lagen „Gehorsam und Unterordnung“ und „Selbständigkeit und freier Wille“ 1951 bei der deutschen Bevölkerung mit jeweils einem Viertel an Nennungen noch gleichauf; 1995 spielte das erste kaum noch eine Rolle und das zweite fand die Zustimmung von zwei Dritteln der Bevölkerung [20, S. 66]. Gleichzeitig hat sich auch die Einstellung der Bevölkerung gegenüber der Arbeit grundlegend geändert. Empfanden 1965 in einer If D-Repräsentativumfrage nur 10 Prozent die Arbeit als „notwendiges Übel“, waren es 1974 schon fast doppelt so viele. Dafür wurde der instrumentelle Charakter der Arbeit stärker herausgestellt: „Die Möglichkeit, (damit) Geld zu verdienen“ spielte 1974 mit 38 Prozent Zustimmung eine weitaus größere Rolle als ein Jahrzehnt zuvor
1226
Bei genauerem Hinsehen erweisen sich solche Interpretationen jedoch als nicht zutreffend. So zeigt Wiebke Mandel als Ergebnis der Re-Analyse der wichtigsten Studien zu diesem Thema, daß generell „die These von der Erosion der beruflichen Leistungswerte und vom Niedergang der Arbeitsmoral … nicht haltbar ist“ [24, S. 103]. Während Klages [19] mit Blick auf die deutsche Situation zusammenfassend von einem Rückgang der Zustimmung zu Pflicht- und Akzeptanzwerten zugunsten von solchen der Selbstentfaltung spricht, sieht Inglehart einen Aufstieg „postmaterialistischer“ auf Kosten materialistischer Werte. Inglehart orientiert sich dabei an der Maslow’schen Bedürfnispyramide (►Motivationsmanagement) und geht davon aus, dass sich „postmaterialistische“ Werte (entsprechend Wachstumsbedürfnissen) nur entwickeln können, wenn die materiellen Bedürfnisse (Mangelbedürfnisse) befriedigt sind. Träger der „postmaterialistischen“ Werte sind dementsprechend vor allem die jüngeren Generationen in den westlichen Ländern, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Wohlstand aufgewachsen sind, während materialistische Werte insbesondere bei den in ökonomischen Mangelsituationen aufgewachsenen Vorkriegsgenerationen dominieren. Dieses Ergebnis wurde in der Untersuchung von Heidenreich & Braczyk [10] für die westlichen Bundesländer in Deutschland weitgehend bestätigt. Damit stünde hinter dem öffentlichen Klagen über einen Werteverfall in erster Linie der Generationenkonflikt. Allerdings zeigen eine Reihe anderer Untersuchungen (vgl. zusammenfassend Schorpp [35, S. 21f] und [30]), dass es – zumindest in Deutschland – auch einen generationenübergreifenden Trend zu „postmaterialistischen“ Werten gibt. Der Ansatz Ingleharts ist auch heftig kritisiert worden, denn er setzt durch die Verwendung der Maslow’schen Bedürfnispyramide implizit „Wert“ und „Bedürfnis“ gleich [18, S. 14]. „Bedürfnisse treten jedoch ‚unbewußt‘ auf, d.h., es fehlt ihnen im Gegensatz zum Wert das kognitive Element“ [35, S. 13]. Es bleibt also fraglich, was Inglehart in seinen Untersuchungen tatsächlich mißt. Zudem ist seine Interpretation der Daten nicht immer schlüssig. Bezüglich ihres Verhältnisses zur Arbeit setzten zum Beispiel materialistisch Orientierte in Ingleharts Untersuchung [12, S. 54] vor allem ein gutes Einkommen und Arbeitsplatzsicherheit an die erste Stelle, post-
Wertewandel materialistisch Eingestellte dagegen die Zusammenarbeit mit sympathischen Menschen und die Verrichtung einer Arbeit, die das Gefühl von Erfüllung (accomplishment) vermittelt. Wie bereits die oben aufgeführten Ergebnisse zum Wertewandel zeigen, dürfte es schwer fallen, alle Veränderungen diesen beiden Gruppen zuzuordnen. So kann zum Beispiel die oben aufgeführte Tendenz zur Instrumentalisierung von Arbeit, die nach Inglehart materialistischen Werten zuzurechnen wäre, in Wirklichkeit zur Realisierung postmaterialistischer Lebensvorstellungen außerhalb der Arbeitswelt genutzt werden [35, S.24f]. Zudem ist den Trägern „postmaterialistischer“ Werte nach Erhebungen im Wohlfahrtssurvey (1984-1993) die Arbeit zunehmend wichtiger als die Freizeit: 1984 gaben dies erst 16 Prozent, 1993 bereits 36 Prozent von ihnen an. Damit war die Arbeitsorientierung bei ihnen sogar ausgeprägter als bei den materialistisch Orientierten (mit 33 Prozent 1993; cit. n. [36, S. 425]; [37, S. 491]). Beide Gruppen lassen sich also nicht ohne weiteres trennscharf voneinander unterscheiden. Zudem gibt es – zumindest in der westdeutschen Gesellschaft – eine große Gruppe mit stabilen Einstellungsmerkmalen, die sich nicht zuordnen lassen (Alheit et. al.; cit. n. [10. S. 164]). Möglicherweise ist also das Inglehart’sche Konzept etwas zu einfach gestrickt, um eine differenzierte Wertelandschaft empirisch hinreichend vermessen zu können. Dennoch scheint es sich weitgehend durchgesetzt zu haben, vermutlich auch deshalb, weil es auf den ersten Blick als einleuchtend erscheint und sich zudem in eine Denkweise einfügt, die den strukturellen Wandel weg von gewohnten Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen seit Daniel Bells Buch über die postindustrielle Gesellschaft [2] generell mit der Vorsilbe „post“ („postindustriell“, „postmodern“ usw.) versieht. Das Interesse Ingleharts gilt überdies fast ausschließlich den politischen Veränderungen durch den Wertewandel im internationalen Vergleich, denen er in seinen verschiedenen Publikationen (zuletzt [12]; [15]) breiten Raum gibt. Fragen des Zusammenhangs von Wertewandel und konkreten Arbeitseinstellungen, -haltungen und -verhalten dagegen finden nicht nur bei ihm, sondern auch bei den meisten anderen Forschern des Wertewandel, von Ausnahmen abgesehen, kaum Interesse. Das zeigt sich insbesondere an den langen Zeitreihen des Wertewandels, die für die Bundesrepublik Deutschland seit 1980 erhoben werden ([5]; [34]). Hier geht es lediglich um die Entwicklung „materialistischer“ und „postmaterialistischer“ Ziele, extrem reduziert abgefragt über jeweils nur zwei Items. Als „materialistische“ Ziele gelten die „Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung“ und der „Kampf gegen steigende Preise“, als „postmaterialistische“ „Mehr Einfluß der Bürger auf die Entscheidungen der Regierung“ und „Schutz des Rechtes auf freie Meinungsäußerung“. Dabei ist nicht nachzuvollziehen, weshalb es sich bei dem Ziel der „Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung“ um ein „materialistisches“ Ziel handeln soll, denn kategorial unterscheidet es sich nicht von den beiden als „postmaterial“ angesehenen
Wertewandel Zielen. Man könnte es allenfalls als „rechts“ oder „konservativ“ ansehen. Dennoch sprechen Heidenreich & Braczyk [10] vor dem Hintergrund der zitierten Ergebnisse zum Wertewandel von einer „Subjektivierung der Arbeit“, denn bezüglich der Arbeitsorientierungen ist er dabei ganz offensichtlich keine Folge der Veränderung von Arbeitsorganisationen in den Betrieben. So ist zwar der Anteil der Unternehmen, die zum Beispiel in der Metallindustrie Formen von ►Gruppenarbeit eingeführt haben, sprunghaft angestiegen (von 1991 25 Prozent auf 1993 40 Prozent; Braczyk & Schienstock 1996, cit. n. [10, S. 165]), aber dieser Anteil ist, neben anderem, eben eher eine Reaktion auf den Wertewandel bei den Arbeitnehmern als seine Voraussetzung. Gleichwohl zeigen die Zahlen aus dem International Social Survey Program (ISSP; näheres zu diesem Programm bei [17, S. 82ff]) aus den Jahren 1989, 1997 und 2006 für Deutschland, dass die wahrgenommenen Arbeitsund Beschäftigungsbedingungen von Mitarbeitern weiterhin in diese Richtung zeigen, wenn „interessante“ und „selbständige“ Tätigkeit jeweils leicht häufiger genannt werden und zudem „die Chance, anderen zu helfen“ zwischen 1997 und 2006 deutlich in der Wahrnehmung gestiegen ist [9, S. 345]. Mit Blick auf die subjektive Relevanz dieser Dimensionen „wurden im Jahr 1997 dem Einkommen sowie guten Karrierechancen und dem Interesse an einer sozial nützlichen Tätigkeit eine deutliche geringere Bedeutung zugeschrieben als nur acht Jahr zuvor. Im Gegenzug ist die Wichtigkeit einer sicheren Berufstätigkeit gestiegen. Im gesamten Zeitraum zwischen 1989 und 2006 zeigt sich ein signifikanter Rückgang der Wichtigkeit des Einkommens und der guten Aufstiegschancen sowie eine erhöhte Bedeutung einer sicheren Berufstätigkeit und eines Berufes, in dem anderen Menschen geholfen werden kann“ (a.a.O.). Anders in Japan. Hier sind die Veränderungen in den Einstellungen zur Arbeit und zu Unternehmen vor allem mit makroökonomischen Faktoren (Platzen einer Immobilienblase, Deflation, Banken- und Finanzkrise etc.), die damit einhergehende „Erosion des japanischen Modells“ [11, S. 324] und die dadurch ausgelösten Veränderungen in den Unternehmen in Zusammenhang zu bringen. Dies führte bei mehr als 90 Prozent der japanischen Unternehmen mit mehr als dreitausend Beschäftigten zur Aufgabe des traditionellen japanischen Beschäftigungsmodells, nach dem man sein ganzes Arbeitsleben bei einer Firma verbrachte [29]. Das damit verbundene Senioritätsprinzip bei der Beförderung von Mitarbeitern wurde dementsprechend abgelöst durch das Leistungsprinzip und Unternehmenswechsel im Verlaufe von Berufskarrieren wurden von einer Ausnahme zu einer für eine wachsende Zahl von Beschäftigten geltenden Regel. Befragungen von Managern in börsennotierten Unternehmen der Elektronikindustrie in Japan (Autozulieferer und Hersteller von Konsumelektronik) 1995 und 2009 haben gezeigt, dass sich die Einstellungen in diesem Zeitraum stark
1227
W
Wertewandel verändert haben [29]. Wollten 1995 bloß 1,2 Prozent von ihnen nur in ihrem derzeitigen Arbeitsverhältnis bleiben, bis sie eine andere Beschäftigung fanden, waren es 14 Jahre später bereits 11,5 Prozent, die eine berufliche Zukunft in einem anderen Unternehmen sahen. Damit einher gingen einerseits Steigerungen der Bedeutung materieller Faktoren wie Bezahlung und Sozialleistungen beim jetzigen Arbeitgeber, andererseits stieg die Wichtigkeit einer angenehmen Arbeitsplatzatmosphäre. Gleichzeitig sank aber auch die Relevanz des kollektivistischen Wertes, den persönlichen Interessen von Kollegen und Vorgesetzten zu entsprechen. „Mit anderen Worten, für die heutigeren Manager waren freundliche Beziehungen am Arbeitsplatz ausreichend, eine Pseudo-Familie wurde nicht gewünscht“ ([29, S. 1221]; Übers. J.W.M.). Ebenfalls deutlich gesunken ist die Bereitschaft, zum Erfolg des Unternehmens beizutragen. Für mehr als vier Fünftel (84 Prozent) der Befragten traf dies 1995 noch zu; 2009 waren es nicht einmal mehr zwei Drittel (63,3 Prozent). Demgegenüber sind die Manager 2005 jedoch deutlich häufiger intrinsisch motiviert. Dies zeigt sich in signifikant höherer Zustimmung zum Interesse an der Arbeit selbst, während die Gründe für außengeleitete Motive für harte Arbeit wie die Erfüllung von Erwartungen der Vorgesetzten, Aufstieg und höhere Gehälter deutlich weniger Zustimmung fanden [29, S. 1222]. Da die Auswahlkriterien der beiden Stichproben 1995 und 2009 nicht angegeben werden, läßt sich jedoch nichts über ihre jeweilige Repräsentativität sagen. Zudem handelt es sich um eine Querschnittsstudie mit unterschiedlichen Stichproben, so dass keine Aussagen über individuelle Veränderungen in diesem Zeitraum möglich sind ([21]; [39]). Zumindest läßt diese Untersuchung jedoch Anzeichen einer allgemeinen Subjektivierungstendenz erkennen (s. a. die einleitende Übersicht von [8]), wie sie auch in westlichen Ländern wie Deutschland zu verzeichnen sind. Sie wird gestützt durch die Ergebnisse von Zeitreihenanalysen übergreifender Werte in Japan. Dominierten 1930 mit deutlich über 50 Prozent Zustimmung noch autoritäre Werte („Widerstehe allem Übel und lebe ein lauteres und einfaches Leben“ und „Denke nie an dich selbst, gib alles für den Dienst an der Gesellschaft“) in Japan, stimmten 1993 nahezu zwei Drittel der Japaner stattdessen individualistischen Werten zu („Denke nicht an Geld oder Ruhm; lebe einfach ein Leben, das Deinen eigenen Vorlieben entspricht“ und „Lebe jeden Tag fröhlich und ohne Dir Sorgen zu machen, so wie er kommt“). Nur noch zehn Prozent der Bevölkerung stimmten den autoritären Lebensmaximen zu ([28, S. 125]; Übers. der Maximen J.W.M.). Dieses Muster ist 1998 weitgehend stabil geblieben, auch wenn die Zustimmung zu den autoritären Werten zuungunsten der individualistischen leicht gestiegen ist [27]. Diese Differenzen liegen vermutlich jedoch innerhalb des Fehlerintervalls der repräsentativen Bevölkerungsumfragen.
W
Mit Blick auf die ►Qualität von Produkten und Dienstleistungen zeigt der Vergleich zweier Stichproben von japanischen Managern unterschiedlicher Ebenen, dass die Be-
1228
Wertewandel deutung der Unternehmensverpflichtung gegenüber den Kunden, die bereits 1994 mit deutlichem Abstand an erster Stelle der Verantwortung gegenüber unterschiedlichen Anspruchsgruppen (Beschäftigte, Aktionäre, Zulieferer, Standortgemeinde, Regierung, Gesellschaft allgemein) stand, 2004 noch einmal vernehmlich gestiegen ist [4, S. 186]. Auch wenn für diese Aussage die gleichen Einschränkungen gelten wie für die Studie von Okabe [29], ist dies doch ein weiterer Hinweis darauf, daß der Wert der Arbeit zunehmend am Kundennutzen und damit nicht zuletzt an der Qualität des Produzierten gemessen wird. Insgesamt kann man feststellen, daß es offensichtlich eine Angleichung arbeitsbezogener Werte zwischen Japan und westlichen Industrieländern gegeben hat. Kollektive Tugenden, das Senioritätsprinzip und die damit gekoppelte Bindung an ein Unternehmen haben in Japan an Bedeutung verloren, während individuelle, leistungsbezogene Werte gewonnen haben. Die kulturellen Unterschiede bleiben jedoch bestehen [33]. Wichtigster Faktor zur Erklärung des Wertewandels in Deutschland ist vermutlich die Ausdehnung der Schul- bzw. Ausbildungszeit seit den 1950er Jahren [24]. Sie führt zu einer stärkeren Ausbildung intrinsischer Motivation, d.h., man tut etwas aus Interesse an der Sache selbst (Orientierung an der Arbeit) und nicht so sehr wegen damit verbundener materieller oder an außerhalb der Arbeit liegenden Gratifikationen (wie zum Beispiel Status; extrinsische Motivation). Dadurch werden auch Aspekte der ►Qualität von Produkten und Dienstleistungen betont, denn wer an seiner Arbeit interessiert ist, findet Befriedigung nicht einfach in der Erledigung von Aufgaben, sondern in einer weitgehend selbstverantworteten Herstellung von optimalen Lösungen für Arbeitsprozesse. Diese Subjektivierungstendenz wird in Deutschland auch durch die bevölkerungsrepräsentativen Befragungen des Zentrums für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) in Mannheim belegt, nach denen 1991 bei den Erwartungen an Arbeit und Beruf die „interessante Tätigkeit“ nach den „sicheren und gesunden Arbeitsbedingungen“ an zweiter Stelle gleichauf mit „einer sicheren Berufsstellung“ rangierte. Im Vergleich zu den Werten von 1982 fiel die Steigerung bei den ersten beiden Erwartungen deutlich höher aus als bei der dritten. Gleichzeitig verloren das „hohe Einkommen“, die „viele Freizeit“, die einem der Beruf läßt und der außengeleitete Aspekt eines „anerkannten Berufes“ an Bedeutung. Bei der Wichtigkeit verschiedener Lebensbereiche rangierten „Arbeit und Beruf “ nach „Familie und Kinder“ 1991 nahezu gleichauf mit „Freizeit und Erholung“ (cit. n. [10, S. 168]). Damit kann endgültig nicht von einem generellen Verfall der Werte oder von einem übergreifenden Rückgang an Arbeitsethik bzw. -orientierung gesprochen werden. Diese Entwicklung passt vielmehr zu den Bemühungen vieler Unternehmen, sich marktnäher zu organisieren und damit auch entsprechenden Qualitätsstandards zu genügen. Solche Organisationsformen setzen bei den Mitarbeitern die Über-
Wertewandel nahme von Eigenverantwortung und die Entwicklung unternehmerischen Denkens, also eine weitgehend intrinsische, an den Entwicklungs-, Herstellungs-, Dienstleistungs- und Vermarktungsprozessen selbst ausgerichtete Arbeitsmotivation voraus (►Motivationsmanagement/►Mitarbeiterorientieru ng im Qualitätsmanagement). Prof. em. Dr. Jörn W. Mundt † Ravensburg Literatur
[1] Allerbeck, Klaus 1985: Arbeitswerte im Wandel. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, H. 2, S. 209-216 [2] Bell, Daniel 1973: The Coming of Post-Industrial Society. A Venture in Social Forecasting. New York: Basic Books (dtsch.: Die nachindustrielle Gesellschaft. Frankfurt am Main: Campus 1975) [3] Bullinger, Hans-Jörg; Hans-Jürgen Warnecke (Hrsg.) 1996: Neue Organisationsformen in Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management. Berlin, Heidelberg, New York: Springer [4] Choi, Tae H.; Chiaki Nakano 2008: The Evolution of Business Ethics in Japan and Korea over the Last Decade. In: Human Systems Management, Vol. 27, S. 183-199 [5] Christoph, Bernhard 2008: Subjektives Wohlbefinden und Wertorientierungen. In: Statistisches Bundesamt (Destatis); Gesellschaft Wissenschaftlicher Struktureinrichtungen (GESIS-ZUMA) & Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) (Hrsg.): Datenreport 2008. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, S. 403-418 [6] Duncker, Christian 2000: Verlust der Werte? Wertewandel zwischen Meinungen und Tatsachen. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag [7] Fürstenberg, Friedrich 1993: Wandel in der Einstellung zur Arbeit - Haben sich die Menschen oder hat sich die Arbeitswelt verändert? (Teil I) In: v. Rosenstiel et al. (Hrsg.), S. 17-27 [8] Giacomino, Don; Atsushi Fujita & Thomas M. Johnson 2001: Are the Effects of Age and Gender Changing the Personal Values of Japanese Executives? In: Business Forum, Vol. 24 (1,2), S. 15-21 [9] Hauff, Sven; Stefan Kirchner 2013: Wandel der Arbeitsqualität. Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zwischen 1989 und 2006 in einer evaluativ-relationalen Perspektive. In: Zeitschrift für Soziologie, Vol. 42 (4), S. 337-355 [10] Heidenreich, Martin; Hans-Joachim Braczyk 1996: Chancen durch Wertewandel. In: Bullinger & Warnecke (Hrsg.), S. 162-176 [11] Hessinger, Philipp 2004: Die „Governance“-Depression in Japan. Überlegungen zur Strukturkrise der japanischen Wirtschaft. In: Zeitschrift für Soziologie, Vol. 33 (4), S. 321-344 [12] Inglehart, Ronald 1977: The Silent Revolution. Changing Values and Political Styles Among Western Publics. Princeton: Princeton University Press [13] Ders. 1989: Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt, Frankfurt am Main: Campus Verlag [14] Ders. 1997: Modernization and Postmodernization. Cultural, Economic, and Political Change in 43 Societies. Princeton: Princeton University Press [15] Ders.& Christian Welzel 2005: Modernization, Cultural Change, and Democracy. The Human Development Sequence. Cambridge etc.: Cambridge University Press [16] Janssen, Edzard; Ulrich Möhwald & Hans Dieter Ölschleger (Hrsg.) 1996: Gesellschaften im Umbruch? Aspekte des Wertewandels in Deutschland, Japan und Osteuropa. München: Iudicum Verlag (= Monographien aus dem Deutschen Institut für Japanstudien der Philipp-Franz-von Siebold-Stiftung, Bd. 15)
Wertewandel [17] Kern, Mathias 2004: Arbeitseinstellungen im internationalen Vergleich. Eine empirische Analyse in Europa, Nordamerika und Japan. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag [18] Klages, Helmut 1992: Die gegenwärtige Situation der Wertund Wertwandelsforschung - Probleme und Perspektiven. In: Ders., Hans-Jürgen Hippler & Willi Herbert (Hrsg.): Werte und Wandel. Ergebnisse und Wandel einer Forschungstradition: Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 5-39 [19] Ders. 1993: Wertewandel in Deutschland in den 90er Jahren. In: v. Rosenstiel et al. (Hrsg.), S. 1-15 [20] Ders. 1996: Der Wertewandel in der Bundesrepublik Deutschland. Eine problemorientierte Hinführung zu Fakten und Deutungen. In: Janssen et al. (Hrsg.), S. 65-87 [21] Klein, Markus; Manuela Pötschke 2004: Die intra-individuelle Stabilität gesellschaftlicher Wertorientierungen. Eine Mehrebenenanalyse auf der Grundlage des sozio-ökonomischen Panels (SOEP). In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Vol. 56 (3), S. 432-456 [22] Kmieciak, Peter 1976: Wertstrukturen und Wertewandel in der Bundesrepublik Deutschland. Göttingen: Verlag Otto Schwartz & Co. (= Schriften der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Bd. 135) [23] Köcher, Renate; Joachim Schild (Hrsg.) 1998: Wertewandel in Deutschland und Frankreich. Nationale Unterschiede und europäische Gemeinsamkeiten. Opladen: Leske + Budrich [24] Mandel, Wiebke 2007: Der Wertewandel in der Arbeitswelt. Ursachen, Theorien und Folgen. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller [25] Meulemann, Heiner 1998 a: Wertwandel als Diagnose sozialer Integration: unscharfe Thematik, unbestimmte Methodik, problematische Folgerungen. In: Jürgen Friedrichs; M. Rainer Lepsius & Karl-Ulrich Mayer (Hrsg.): Die Diagnosefähigkeit der Soziologie. Opladen, Westdeutscher Verlag (= Sonderheft 38 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie), S. 256-285 [26] Ders.1998 b: Arbeit und Selbstverwirklichung in Balance. Warum ist den Franzosen die Arbeit, den Deutschen die Freizeit wichtiger? In: Köcher & Schild (Hrsg.), S. 133-150 [27] Möhwald, Ulrich 2003: Trend des Wertewandels in der japanischen Gesellschaft. In: Wolfgang Dorow & Horst Groenewald (Hrsg.): Personalwirtschaftlicher Wandel in Japan. Gesellschaftlicher Wertewandel und Folgen für die Unternehmungskultur und Mitarbeiterführung. Wiesbaden: Gabler, S. 5-29 [28] Ders.; Hans Dieter Ölschleger 1996: Werte- und Einstellungswandel in der japanischen Gesellschaft im Spiegel der Demoskopie. In: Janssen et al. (Hrsg.), S. 121-147 [29] Okabe, Yasuhiro 2012: Changes in Japanese Managers‘ Work Values and Attitudes: A Comparison of 1995 and 2009. In: The International Journal of Human Resource Management, Vol. 23 (6), S. 1216-1225 [30] Piel, Edgar 2001: Werteorientierung älterer Menschen – Neuere Entwicklungen. In: Georg W. Oesterdiekhoff & Norbert Jegelka (Hrsg.): Werte und Wertewandel in westlichen Gesellschaften. Resultate und Perspektiven der Sozialwissenschaften. Opladen: Leske + Budrich, S. 149-176 [31] Riffault, Hélène 1998: Arbeitswerte in Deutschland und Frankreich. In: Köcher & Schild (Hrsg.), S. 111-132 (Übers.: Karin Albert) [32] Rosenstiel, Lutz v.; Maryam Djarrahzadeh; Herbert E. Einsiedler & Richard K. Streich (Hrsg.) 1993: Wertewandel. Herausforderungen für die Unternehmenspolitik in den 90er Jahren. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag (2., überarb. Aufl.)
1229
W
Wertkette
Wertewandel Wertkette
▶en: value chain Der amerikanische Spezialist auf den Gebieten Wettbewerbsstrategie und internationaler Wettbewerb, Michael E. Porter, stellte in seinem 1985 erschienen Buch Competitive Advantage drei Bezugsrahmen oder Kernkonzepte zur Wettbewerbsanalyse vor [1]: ◼ Grundlegende Wettbewerbskräfte, wie Bedrohung durch neue Marktteilnehmer, Verhandlungsstärke der Abnehmer bzw. Lieferanten u. a. ◼ Drei Wettbewerbsstrategien: umfassende Kostenführerschaft, Differenzierung, Konzentration auf Schwerpunkte ◼ Die Wertkette, mit deren Hilfe Vorteile bei Kosten und Differenzierung in der Kette von Aktivitäten untersucht werden.
Diese Konzepte sollten den strategischen Planern dazu dienen, eine fundierte strategische Analye aufzustellen. Das dritte Kernkonzept, die Wertkette, geht davon aus, dass die Quellen für Wettbewerbsvorteile nicht auf der Ebene des Gesamtunternehmens zu finden seien, sondern in den einzelnen Aktivitäten stecken. Solche Aktivitäten könne man sich als Kette vorstellen, die Werte für den Kunden erzeugen. Wenn man diese Wertketten erkannt und analysiert hat, kann man hiermit die dauerhaften Wettbewerbsvorteile aufspüren: Die Wertkette ist ein analytisches Instrument, mit dem sich die strategisch relevanten Tätigkeiten eines Unternehmens gliedern lassen. Mit Hilfe dieser Wertaktivitäten lassen sich Kostenverhalten sowie existente und potentielle Differenzierungsquellen ver-
Abb. W02: Wertkette nach M. Porter
Unterstützende Aktivitäten
Unternehmensinfrastruktur (z. B. Finanzen, Planung, Beziehungen zu den Investoren)
Technologieentwicklung (z.B. Produktionsgestaltung, Prüfverfahren, Prozeßgestaltung, Materialforschung, Marktforschung)
Operationen
Ausgangslogistik
Marketing und Vertrieb
Kundendienst
(z. B. Materiallage rung, Datensamm lung, Zugang der Abnehmer zum Standort)
(z. B. Komponen tenerzeugung, Montage)
(z. B. Auftragsab wicklung, Lagerung von Fertigwaren, Berichtswesen)
(z. B. Außendienst, Verkaufsförderung, Werbung, Messen, Angebotsvorbe reitung)
(z. B. Installation, Kundenuntestützun, Bearbeitung von Beschwerden, Reparaturen)
Primäre Aktivitäten Quelle: [2]
1230
e
Eingangslogistik
nmarg
Beschaffung (z. B. Komponenten, Maschinen, Werbung, Dienstleistungen)
Gewin
W
Personalwirtschaft (z. B. Rekrutierung, Ausbildung, Gehaltssysteme)
Wert: Welchen Preis werden die Käufer zahlen?
Begriff
[33] Rothlauf, Jürgen 2012: Interkulturelles Management. Mit Beispielen aus Vietnam, China, Japan, Rußland und den Golfstaaten. München: Oldenbourg (4., überarb. u. aktualisierte Aufl.) [34] Scheuer, Angelika 2013: Werte und Einstellungen. In: Statistisches Bundesamt (Destatis); Gesellschaft Wissenschaftlicher Struktureinrichtungen (GESIS-ZUMA) & Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) (Hrsg.): Datenreport 2013. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, S. 377-384 [35] Schorpp, Dagmar 1989: Wertewandel bei Jugendlichen. Veränderungen der Arbeits- und Leistungseinstellungen in Beruf und Freizeit. Konstanz: Hartung Gorre Verlag [36] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 1989: Datenreport 4. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland 1989/90. Stuttgart: Verlag Bonn Aktuell [37] Dies. 1994: Datenreport 6. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland 1993/94. Stuttgart: Verlag Bonn Aktuell [38] Strümpel, Burkhard; Peter Pawlowsky 1993: Wandel in der Einstellung zur Arbeit – Haben sich die Menschen oder hat sich die Arbeitswelt verändert? (Teil II) In: Rosenstiel et al. (Hrsg.), S. 29-45 [39] Trommsdorff, Gisela 1996: Werte und Wertewandel im kulturellen Kontext aus psychologischer Sicht. In: Janssen et. al. (Hrsg.), S. 13-40 [40] Weber, Max 1976: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck). (5., rev. Aufl.; urspr. 1921) [41] Ders. 1981: Die protestantische Ethik I. Eine Aufsatzsammlung herausgegeben von Johannes Winckelmann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Mohn (6., durchgesehene Aufl.; urspr. Tübingen: J.C.B. Mohr [Paul Siebeck] 1920) [42] Ders. 1978: Die protestantische Ethik II. Kritiken und Antikritiken. Herausgegeben von Johannes Winckelmann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Mohn (3., durchgesehene Aufl.)
Wertkette
stehen. Wertketten werden auf Unternehmensebene definiert und setzen sich aus Wertaktivitäten und der Gewinnspanne zusammen. Es werden primäre und unterstützende Aktivitäten unterschieden. Wäh rend die primären Aktivitäten auf die Erstellung und die Vermarktung der Unternehmensleistung entfallen, bilden die unterstützenden Aktivitäten die Basis für die Entfaltung der primären Aktivitäten. Nach Porter bilden Wertketten die Quelle dauerhafter Wettbewerbsvorteile.
Dif ferenzierung ermöglichen … Mit überlegenen Betriebsabläufen ist die Fähigkeit gemeint, gegebene oder ähnliche Aktivitäten optimal durchzuführen. … Die Wertkette eignet sich, um die spezifischen strategischen Fragen einer globalen Strategie zu beleuchten.“
Abbildung W02 zeigt, dass Porter in der Wertkette die Un ternehmensaktivitäten in primäre und unterstützende Aktivitäten unterteilt. Primäre Aktivitäten stehen im direkten Zusammenhang mit dem Fluss der Produktion und richten den Output auf den Kunden aus, unterstützende Aktivitäten dienen dazu in logistischer oder anderer Hinsicht (Marketing, Service etc.) die primären Aktivitäten zu unterstützen. Mit dem Begriff Gewinnmarge soll zum Ausdruck kommen, daß es bei der Betrachtung darauf ankommt zu erkennen, wie die Wertkette gemanagt wird. Die unterbrochenen senkrechten Linien sollen verdeutlichen, daß jede unterstützende Ak tivität mit den primären Aktivitäten in dienender bzw. unterstützender Weise zusammenhängt. Porter selbst [3]: „Die Aktivitäen bilden die Grundlage der Wettbewerbsvorteile, sei es, daß sie dem Unternehmen eine herausragende Kostenposition sichern oder eine
Porter weist ferner darauf hin, dass die Unternehmung die Möglichkeit hat, „Teile ihrer Wertkette auf verschiedene Länder zu verteilen. Dabei steht das Unternehmen vor grundlegenden Entscheidungen, die zwei Bereichen zugeordnet werden können [4]: ◼ Konfiguartion: Im Mittelpunkt der Konfigruation steht die Frage, wo die einzelnen Aktivitäten in der Wertkette eines Unternehmens durchgeführt werden … ◼ Koordination: Bei der Koordination geht es um die Frage, inwieweit und auf welche Art verstreute Aktivitäten koordiniert werden oder autonom, das heißt auf die lokalen Umstände zugeschnitten sind.“
Das allgemeine Konzept der Wertkette, wie es in Abbildung W02 zum Ausdruck kommt, ist unternehmensbezogen zu varieren. Ein Beispiel legt Porter selbst vor, indem er den Wandel der Wertkette durch den Einfluss der Informationstechnologie untersucht. Abbildung W03 zeigt dieses Beispiel aus dem Jahr 1985, dessen Fragen heute noch aktuell sind, bezieht man die Rolle des Internet ein.
Abb. W03: Wertkette nach M. Porter – Die Informationstechnologie durchdringt die Wertkette Unternehmensinfrastruktur
Planungsmodelle
Personalwirtschaft
Automatisierte Personalplanung
Technologieentwicklung
Computergestütztes Design
Beschaffung
Online-Beschaffung von Teilen Automatisierte Lagerhaltung
Eingangslogistik
Elektronische Marktforschung
Gewinn
Unterstützende Aktivitäten
Begriff
Wertkette
Flexible Produktion
Betriebliche Prozesse
Automatisierte Auftragsbearbeitung
Ausgangslogistik
Telemarketing Datenfernübertragung für das Verkaufspersonal
Marketing und Vertrieb
Fernkundendienst für Ausrüstungen Zeit- und Routenplanung für Kundendienstfahrzeuge mittels Computer Kundendienst
Primäre Aktivitäten
W
Quelle: [2, S. 90]
1231
Wertkette Das Konzept der Wertkette hat im strategischen Mar ketingdenken seine Relvanz erlangt. Es verweist deutlich auf Denkweisen und Konzepte im Qualitätsmanagement: So wird auch in den Modellen des ►Prozessmanagements unterschieden zwischen Kern- und unterstützenden Prozessen, beim ►unternehmensübergreifenden Qualitätsmanagement kann genauso mit Porter’s Wertkette analysiert und erklärt werden, wie es durchaus Sinn macht, es als Teilkonzept des ►Benchmarking zu verstehen. Die Ergebnisse aufgrund einer Wertkettenanalyse (value chain analysis) sind jedoch nie isoliert, sondern immer im Zusammenhang mit ihrer strategischen Substanz zu sehen und einzuordnen [5]: „Selbstverständlich muss ein Un ter neh men seine betrieblichen Abläufe laufend optimieren, doch dauerhafte Leistungsunterschiede haben ihren Ursprung zumeist in einer einzigartigen strategischen Position. Unterschied liche Stra te gien beruhen auf andersartigen Aktivitäten. Gemeint ist die Art und Weise, wie Unternehmen die Bearbeitung der Aufträge, die Montage, die Produktentwicklung, die Ausbildung usw. in Angriff nehmen. Strategien können dauerhaft aufrechterhalten werden, weil die Unternehmen zwischen den Werten abwägen oder sich entscheiden, bestimmte Werte anzubieten und dafür andere zu opfern. Sowohl die Wettbewerbsvorteile als auch die Abwägungen hängen nicht nur von den einzelnen Aktivitäten ab, sondern auch davon, wie sich die zahlreichen Aktivitäten ineinanderfügen.“ Hans-Dietrer Zollondz, Vichy Literatur
[1] Porter, M. E.: Wettbewerbsvorteile. Spitzenvorteile erreichen und behaupten, 5. Aufl. Frankfurt/M-New York 1999 [2] Porter, M. E.: Wettbewerb und Strategie. Econ: München 1999, S. 330 [3] s. [2], S. 331f [4] s. [2], S. 332ff [5] s. [2], S. 10f
Wertorientierte Unternehmensführung ▶Shareholder Value
Wertschätzung
▶Qualität des Managements
Wertschöpfung
W 1232
Wertschöpfungsanalyse
Die Wertschöpfungsanalyse prüft, welchen Beitrag die jeweiligen Prozesselemente (PE) im Rahmen des Prozesses leisten. Nur wenn klar ist, welchen Wertschöpfungsbeitrag die betrachteten Prozesse leisten, kann man von erfolgreich betriebenem Prozessmanagement sprechen. Grundlage einer Wertschöpfungsanalyse ist immer der vom Kunden wahrnehmbare Nutzenzuwachs. Es ist hilfreich sich die Wertschöpfung anhand eines Flußdiagramms klarzumachen. Die Fragestellung in der Abbildung ist, ob ein definiertes Prozesselement (PE), das in einen Prozess integriert ist, eine Wertsteigerung herbeiführt. Diese Frage führt zu folgenden Verzweigungen, die gleichzeitig als Alternativantworten Entscheidungsfunktion besitzen (Abb. W04): ◼ ◼ ◼ ◼
Hohe, direkte Wertschöpfung Prüfung, ob Kern- oder Nebenleistung! Geringe, direkte Wertschöpfung Prüfung: Kompromißlösung! Indirekte Wertschöpfung Prüfung, ob PE entfallen kann! Keine Wertschöpfung ☐ PE dennoch erforderlich! ☐ PE nicht erforderlich.
Die ersten drei Alternativen sind selbsterklärend und beispielhaft in [2] erläutert. Im Fall Keine Wertschöpfung ist folgendes zu beachten: Führt das Prozesselement zu keiner Wertschöpfung und ist es aus zwingenden Gründen auch nicht erforderlich, muß es eleminiert werden. Es kann jedoch durchaus sein, dass es in einem anderen Prozess Wert schöpfung bewirkt. Somit ist es in dem hier analysierten Prozess redundant. Auch wenn keine Begründung gegeben werden kann, ist das PE zu streichen. Hans-Dieter Zollondz, Vichy Literatur
[1] Weth, M.: Reorganisation zur Prozeßorientierung. Frankfurt u.a. 1997 [2] s. [1] S. 66ff
Wertschöpfungsmanagement
▶en: added value management ▶Globales Wertschöpfungsmanagement ▶Ganzheitliche Produktionssysteme ▶Lean Management ▶Supply Chain Management ▶Geschäftsprozessmanagement | ▶Prozessmanagement 1 Begriff der Wertschöpfung Der Begriff der Wertschöpfung beschreibt die Kernaufgabe von Unternehmen in einer Volkswirtschaft schlechthin. Nur wenn Unternehmen Werte schaffen, d. h. Nutzen stiften, der den Aufwand der Wertschöpfung übersteigt, tragen sie zur Wohlfahrtssteigerung einer Volkswirtschaft bei. Auf der einzelwirtschaftlichen Ebene sind Kunden nur dann be-
Begriff
▶en: value added ▶Wertschöpfungsmanagement ▶Wertstrommanagement Differenz zwischen dem Wert eines Produkts vor und nach der Herstellung.
Wertschöpfungsanalyse
Wertschöpfungsmanagement
Wertschöpfungsmanagement
Abb. W04: Flussdiagramm zur Wertschöpfungsanalyse
K
Prozess
L
Prozesselement PE
JA
JA
Erbringt das PE eine Kernleistung?
Erfährt der Prozess eine Wertsteigerung durch das PE?
NEIN
JA
Führt das PE bei anderen Prozessen zu einer Wertsteigerung?
NEIN
hohe, direkte Wertschöpfung
geringe, direkte Wertschöpfung
NEIN
JA
indirekte Wertschöpfung
keine Wertschöpfung PE dennoch erforderlich
Ist das PE aus gesetzlichen Gründen erforderlich?
NEIN
keine Wertschöpfung PE nicht erforderlich
Begriff
Quelle: [1, S. 67]
reit, Kaufkraft für ein Gut aufzuwenden, wenn der wahrgenommene Wert bzw. Nutzen den Kaufpreis übersteigt und gleichzeitig kein Wettbewerberprodukt verfügbar ist, das das entsprechende Bedürfnis in höherem Maße erfüllt. In diesem Sinn werden die relevanten Begriffe wie folgt definiert: ◼ Wertschöpfung ist die gezielte Erstellung von Gütern und Dienstleistungen, deren Nutzen (Kundenwert) die Kosten der für die Leistungserstellung benötigten Einsatzfaktoren übersteigt. Die Differenz zwischen (monetär bewertetem) Nutzen und den Kosten stellt den Wertschöpfungsbeitrag eine Gutes bzw. einer Dienstleistung dar. ◼ Wertschöpfungsmanagement umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle von Wertschöpfungsprozessen mit dem Ziel, den Wertschöpfungsbeitrag von Produkten und Organisationen zu maximieren. ◼ Die Wertschöpfungsstruktur hebt auf die Organisation und Verteilung des Wertschöpfungsprozesses ab. Beim ►Supply Chain Management ist die Wertschöpfung über mehrere rechtlich selbstständige Akteure verteilt. Beim ►Globalen Wertschöpfungsmanagement erfolgt die Wertschöpfung über weltweit verteilte Standorte.
Der Begriff der Wertschöpfung kann sowohl aus ergebnis-orientierter als auch aus prozessualer Sicht interpretiert werden. Ergebnisrelevant sind die Kosten der Leistungserstellung, die Absatzpreise und der (wahrgenommene) Kundenwert. Aus Unternehmenssicht sollte immer eine positive Deckungsspanne (Absatzpreis minus variable Stückkosten) vorliegen, damit ein Produkt einen messbaren Beitrag zur Deckung der fixen Kosten und zur Steigerung des Unternehmensgewinns liefert. Ausnahmen von dieser Regel sind Verbundeffekte, wenn z. B. ein Einzelprodukt eine negative Deckungsspanne erbringt, diese aber im Produktverbund oder im Rahmen eines angebotenen Produktbündels mindestens ausgeglichen wird. 2 Wertschöpfung aus Ergebnissicht Der Wertschöpfungsbeitrag eines Produkts lässt sich als Differenz zwischen dem Kundenwert und den Produktkosten beschreiben. Darin sind sowohl die Produktdeckungsspanne als auch der den Produktpreis übersteigende Kundenwert enthalten. Dabei ist zu beachten, dass die Kaufentscheidung eines Kunden nicht nur von einem positiven Kundenwert abhängt, sondern auch von den angebotenen Eigenschaften und Preisen von Konkurrenzprodukten. Tendenziell ist ein
1233
W
Wertschöpfungsmanagement
Wertschöpfungsmanagement Unternehmen in der Lage, die Deckungsspanne und damit seinen Anteil an der Gesamtwertschöpfung zu steigern, wenn Produkte von Wettbewerbern bezogen auf den Preis und ihre Nutzen stiftenden Eigenschaften wenig attraktiv sind. Abbildung W05 verdeutlicht schematisch mögliche Wertschöpfungsstrategien bei bestehenden Produkten. Bei der traditionellen Sicht versuchen Unternehmen, ihren Anteil an der Wertschöpfung zu steigern, indem sie bei weitgehend gleich bleibenden Kosten den Absatzpreis erhöhen, wodurch der Kundenwert in der Regel sinkt. Ein solches Verhalten lässt sich aber nur realisieren, wenn das Produkt in einem Markt mit geringer Wettbewerbsintensität (Verkäufermarkt) angeboten wird, da das Unternehmen sonst mit einer deutlich verringerten Produktnachfrage konfrontiert ist und die Absatzeinbußen den positiven Effekt einer gesteigerten Deckungsspanne überkompensieren. Beim Lean Management versuchen Unternehmen, die Wertschöpfung insgesamt zu steigern, indem sie die Stückkosten eines Produkts durch gezielte Maßnahmen senken [18]. Eine solche Senkung ist immer dann möglich, wenn bei der Leistungserstellung erhebliche Wertschöpfungsverluste entstehen. Aus zahlreichen Projekten mit der Praxis wissen wir, dass solche Wertschöpfungsverluste alleine im Produktionsbereich einen Anteil von bis zu 80 Prozent an den Gesamtkosten haben können. Hinzu kommen in vielen Unternehmen erhebliche Wertschöpfungsverluste, die die administrativen
Bereiche in den Unternehmen betreffen. Die Strategie des Lean Managements ist in den heutigen Verkäufermärkten häufig vielversprechend, um die Unternehmensergebnisse nachhaltig und substanziell zu steigern. Allerdings lassen sich solche Erfolge nur erzielen, wenn von der Unternehmensleitung die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu zählen die Schaffung einer auf kontinuierliche Verbesserungen ausgerichteten ►Unternehmenskultur, ein konsequentes Kostenmanagement, der Einsatz verschiedener Instrumente des Lean Managements und eine Organisationsstruktur, die Reibungsverluste zwischen Abteilungen vermeidet. 3 Wertschöpfung aus Prozesssicht Aus prozessualer Sicht bedingt die Erzielung von Wertschöpfung die Nutzung des verfügbaren Wissens und der zur Verfügung stehenden Ressourcen in einer arbeitsteiligen Organisation, um damit einen (ökonomischen) Mehrwert zu schaffen (in Anlehnung an [10]). Damit wird deutlich, dass ein erfolgreiches Wertschöpfungsmanagement Wissen und Ressourcen als wesentliche Voraussetzungen benötigt. Ohne Wissen können die Leistungserstellung und der Produktabsatz nicht erfolgreich organisiert werden. Ohne Ressourcen kann das vorhandene Wissen nicht zur Anwendung kommen. Es ist daher wichtig, das Zusammenspiel von Wissen und Ressourcen so zu kombinieren, dass die Wertschöpfung bzw. der Anteil des Unternehmens an der Wertschöpfung maximiert wird. Wissen und Ressourcen sind dabei nicht vonei-
Abb. W05: Kundenwert, Preis und Kosten als Bestimmungsfaktoren der Wertschöpfung
Kundenwert
Kundenwert Preis
Preis DS
DS
Kosten
Kosten
Traditionelle Sicht: Kosten + Ziel-DS = Preis
Lean Management: Preis - Kosten = Ziel-DS
Legende Preis Deckungsspanne Kosten
W 1234
Preis
Preis
Wertschöpfungsmanagement
Wertschöpfungsmanagement
nander losgelöst, sondern sind in Grenzen austauschbar. So wird ein Unternehmer mit einem ausgewiesenen Know how eher finanzielle Mittel als Erweiterung seiner Ressourcenbasis akquirieren können. Umgekehrt lässt sich Wissen mit einer guten Ressourcenausstattung erwerben, z. B. in Form der Einstellung hoch qualifizierter und kenntnisreicher Mitarbeiter oder durch gezielte Weiterqualifizierungen des bestehenden Mitarbeiterstamms.
Änderungen nach Innen und die Ausnutzung von Arbitragemöglichkeiten (Abbildung W06). Die Übernahme von Einkommensrisiken bestimmt letztlich das Unternehmerrisiko und bezieht sich auf das Eingehen von finanziellen Verpflichtungen durch den Unternehmer sowie auf die mit der Unternehmertätigkeit, im Gegensatz zu angestellten Arbeitnehmern, auftretenden Einkommensschwankungen. Für das Wertschöpfungsmanagement von größerer Bedeutung sind die beiden weiteren Unternehmerfunktionen. Die Durchsetzung von Änderungen nach Innen umfasst alle Maßnahmen, die die nach innen gerichtete Verwirklichung der Unternehmensstrategie, die Schaffung neuen Wissens und die Etablierung wettbewerbsfähiger Unternehmensprozesse betreffen.
3.1 Wissen als Voraussetzung für den Markterfolg Wissen ist eine entscheidende Voraussetzung und ermöglicht überhaupt erst die erfolgreiche Teilnahme am marktlichen Wettbewerb [5]. Abbildung W06 führt wichtige Wissensbereiche auf, in denen jedes Abb. W06: Wissen als Enabler für Wertschöpfung Unternehmen Basis-Know how benötigt. Darüber Wissensbereiche hinaus sollte jedes Unternehmen den Erwerb von ◼ Führungswissen: Wissen über die Führung und MotiKernkompetenzen anvation von Mitarbeitern streben, die ihm im Markt ◼ Organisationswissen: Wissen über die Strukturierung Alleinstellungsmerkmale von Organisationen (Ablauf-/►Prozessorganisation) verschaffen. Kernkompe◼ Prozesswissen: Wissen über optimale Gestaltung von tenzen sind Bündel von FäWertschöpfungsprozessen (Ablauf-/►Prozessorganihigkeiten eines Unternehsation) mens, die nachhaltig zum ◼ Marktwissen: Wissen über Arbitragemöglichkeiten Kundennutzen beitragen und ihre Ausnutzung (z. B. Wissen über Vertriebskanäund die nur sehr schwer le, Marketinginstrumentarium) imitierbar sind. Beispiele ◼ Produktwissen: Technologisches Wissen, um identififür Kernkompetenzen sind
zierte Arbitragemöglichkeiten ausnutzen zu können
◼ patentgeschützte Erfindungen, die die Entwicklung neuartiger Produkte ermöglichen, ◼ die Minimierung von Wertschöpfungsverlusten in einem Produktionsverfahren, ◼ Einsatz innovativer Fertigungsverfahren, ◼ das Verständnis von kulturellen Normen, rechtlichen Regelungen und Marktstrukturen, ◼ Angebote von Produktbündeln, die Wettbewerber in ihrer Gesamtheit nicht erstellen können (z. B. Apple-Produkte in Verbindung mit Plattformen wie iTunes). Kernkompetenzen stellen Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber dar und vermindern damit die Konkurrenz-intensität. Unternehmen, die über solche Kernkompetenzen verfügen können daher in der Regel einen höheren Wertschöpfungsanteil am Produkt vereinnahmen. Allerdings ist zu beachten, dass Kernkompetenzen fast immer zeitgebunden sind und eine stetige Veränderung und Weiterentwicklung der Wertschöpfungsprozesse erforderlich ist, um einen bestehenden Wettbewerbsvorteil zu erhalten und auszubauen. Für den Aufbau von Kernkompetenzen ist die Wahrnehmung der sogenannten Unternehmerfunktionen nach Schneider [11] von Bedeutung. Das sind die Übernahme von Einkommensrisiken durch den Unternehmer, die Durchsetzung von
Durchsetzung von Änderungen nach Innen
Ausnutzung von Arbitragemöglichkeiten
Die Ausnutzung von Arbitragemöglichkeiten zielt auf die erfolgsorientierte Verwertung der betrieblichen Leistungen in den Zielmärkten. Hierfür sind ein Produktangebot sowie eine Vermarktungsstrategie erforderlich, die auf die Befriedigung der Kundenbedürfnisse abgestimmt sind und somit potenzielle Wertschöpfungsgewinne ausschöpfen. 3.2 Resource-based View of the Firm Neben Wissen sind Ressourcen der zweite wichtige Faktor für die betriebliche Wertschöpfungsfähigkeit ([1]; [16]). Finanzielle, materielle, personelle/soziale und auch zeitliche Ressourcen determinieren letztlich den Handlungsspielraum eines Unternehmens, wobei eine Substitution der einzelnen Ressourcen prinzipiell möglich ist. Allerdings kann die Substitution einen erheblichen Zeitaufwand mit sich bringen (z. B. Bau neuer Betriebsstätten oder der Erwerb von Wissen). Insbesondere strategisch wichtige Ressourcen können Kernkompetenzen absichern und sind damit außerordentlich wichtig für den Unternehmenserfolg. Eine solche strategisch wichtige Ressource ist beispielsweise ein logistisch günstiger Standort, der kurze Lieferzeiten und eine gute Versorgung mit qualifizierten Arbeitskräften ermöglicht. Auch besteht die Möglichkeit, die Ressourcenbasis durch den Eintritt in Netzwerke zu verbreitern, z. B. durch gemeinsame Verkaufs-
1235
W
Wertschöpfungsmanagement niederlassungen im Ausland. Gerade mittelständische Unternehmen werden in der Literatur häufig als ressourcenarm bezeichnet. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Ressourcenstärke immer relativ zu dem bearbeiteten (Nischen-) Markt und den anderen dort tätigen Wettbewerbern gesehen werden sollte. Für die strategische Ausrichtung mittelständischer Unternehmen ist es wichtig, bei strategischen Entscheidungen, neben der vorhandenen Wissensbasis auch die relative Ressourcenstärke und Markteintrittsbarrieren zusätzlicher Wettbewerber zu analysieren.
Wertschöpfungsmanagement erhalten zu können. Folgende Wertschöpfungskonzepte werden erläutert [8]: ◼ Craftmanship (als wesentliche Ausprägung menschlichen Wirtschaftens bis 1850) ◼ Industrielle Revolution (ab 1760-1945) ◼ ►Taylorismus: Scientific Management (seit 1914) ◼ Hawthorne: Beachtung des menschlichen Faktors (seit 1930) ◼ ►Prozessmanagement (seit 1980er Jahre) ◼ ►Supply Chain Management (seit Mitte der 1980er Jahre) ◼ Produzentennetzwerke (seit 1990er Jahre) ◼ ►Lean Management (seit 1990er Jahre) ◼ Interaktive Wertschöpfung (seit Mitte 1990er Jahre)
Das Wertschöpfungsmanagement kombiniert sowohl die interne Prozesssicht (Durchsetzung von Änderungen nach Innen) als auch die gezielte Ausnutzung marktlicher Opportunitäten (Ausnutzung von Arbitragemöglichkeiten) und umfasst damit die Innen- und Außenbeziehungen eines Un4.1 Craftmanship ternehmens. Wertschöpfungsmanagement zielt damit auf Craftmanship bezieht sich auf die vorwiegend handwerkliche eine erfolgreiche Kombination von Prozessen, Produkten Prägung der Leistungserstellung, wie sie insbesondere seit und Märkten und folgt einer ganzheitlichen UnternehmensBeginn des Mittelalters in vielen Städten vorherrschend war. philosophie. Mittelständische Unternehmen haben hier im Die Produktion von Gütern erfolgt in weitgehender HandarWettbewerb mit Großunternehmen durchaus Vorteile. Funkbeit entweder in „Heimarbeit“ oder in Handwerksstätten von tionale Bereiche, wie Produktion und Absatz, arbeiten enger spezialisierten, arbeitsteilig arbeitenden Handwerkern. Einzusammen. Eine informelle Organisation ermöglicht die Lözelne Prozessschritte werden von verschiedenen Handwersung von Problemen, die bei größeren Unternehmen einer kern durchgeführt. Es handelt sich um eine arbeitsintensive formalen Abstimmung bedürfen. Mit wichtigen Akteuren Produktion unter weitgehendem Verzicht auf kapitalintensive in ihren Nischenmärkten verbindet mittelständische Unternehmer ein persönliches Abb. W07: Vor- und Nachteile der Craftmanship Verhältnis und Marktstrukturen können sie sich auch Craftmanship ohne aufwändige MarktforNachteile schung erschließen. Diese Vorteile ◼ Niedrige Produktivität Vorteile muss das Wert- ◼ Identifikation von Produzierenden mit ihrer Arbeit ◼ Kaum Standardisierung von Teilen, Arschöpfungsmanagement im beitsvorgängen und Prozessen Mittelstand gezielt nutzen, ◼ Potenzielle Flexibilität gegenüber Kundenwünschen ◼ Keine systematische Prozessoptimierung sonst ist ein Unternehmen ◼ Hohe Durchlaufzeiten letztlich austauschbar und ◼ Keine Nutzung moderner Produktionsseine langfristige Existenz technologien ist nicht gesichert.
W
4 Wertschöpfungskonzepte Wertschöpfung stellt den Kern jedes wirtschaftlichen Handelns dar und daher hat sich der Mensch schon früh mit der Ausgestaltung von Wertschöpfungsprozessen beschäftigt. Dabei lassen sich verschiedene Wertschöpfungskonzeptionen unterscheiden, die einerseits die Geschichte des Wertschöpfungsmanagements beleuchten und die andererseits Elemente von heutigen Wertschöpfungsstrategien darstellen. Dabei kommt es häufig zu einer Vermischung verschiedener Wertschöpfungskonzeptionen, um so die Positionierung des Unternehmens im Wettbewerb zu verbessern. Wichtige Ziele solcher Wertschöpfungskonzeptionen sind die Steigerung der Produktivität bei verminderten Stückkosten, die Erhöhung der Flexibilität, um besser auf Kundenforderungen reagieren zu können, und die Erhöhung der ►Mitarbeiterzufriedenheit, um hoch qualifizierte Mitarbeiter gewinnen zu können und um einmal gewonnenes Wissen in Form von Humankapital
1236
Betriebsmittel. Während früher nahezu alle Güter mit diesem Wertschöpfungskonzept erstellt wurden, beschränkt es sich heute weitgehend auf handwerkliche Tätigkeiten, das Kunstgewerbe und hochpreisige Sonderanfertigungen, bei denen alternative Konzepte zu aufwändig sind oder mit Einbußen der wahrgenommenen Qualität einhergehen. Vor- und Nachteile der Craftmanship sind in Abbildung W07 zusammengefasst. 4.2 Wertschöpfungskonzepte der Industriellen Revolution Die ►Industrielle Revolution stellt einen ersten wichtigen Schritt in die Richtung einer globalisierten Weltwirtschaft dar, wie wir sie heute in weiten Teilen der Welt vorfinden. Durch neuere technologische Entwicklungen, wie die Erfindung der Dampfmaschine, wurde es möglich, Produktionsmittel in Industriebetrieben zu kombinieren und damit gesamte Prozesse einer vormals dezentralisierten Wertschöp-
Wertschöpfungsmanagement
Wertschöpfungsmanagement
dispositiver (planender, steuernder und kontrollierender) fungskette unter einem Dach zu vereinen. Dadurch konnten und objektbezogener (ausführender) Arbeit. In der Extreerst größere Industrieunternehmen nach heutiger Prägung entstehen. Durch den stärkeren Einsatz von kapitalintensiven mausprägung wurden die ersten Fließfertigungen mit vorgeBetriebsmitteln und eine verbesserte Infrastruktur (Eisengebenem Arbeitstakt in Form von Fließbändern eingeführt. bahn) wurde es möglich, größere Mengen herzustellen und Der Fertigungsmitarbeiter war auf einzelne Arbeitsschritte gleichzeitig Rohstoffe aus entfernten Regionen zu beziehen spezialisiert und führte diese vorgegeben durch Arbeitstakt bzw. Märkte mit größerer geografischer Ausbreitung zu beund ohne Veränderungsmöglichkeiten repetitiv durch. Diedienen. Wesentliche Charakteristika [17] von Betrieben, die se Art der Tätigkeit führt zu monotonen Arbeitsabläufen die neuen Produktionsmethoden anwenden, sind ein kapitalund degradiert die ausführende Arbeitskraft zu einer Art huintensiver Maschineneinsatz, eine vertikale Integration der maner Maschine, die möglichst fehlerfrei und ohne QualitätsWertschöpfungskette, d.h. Zusammenfassung verschiedenarschwankungen funktioniert. Diese Art der Wertschöpfung tiger Arbeitsgänge in Fabriken, und die starke Erhöhung des wird auch heute noch bei vielen Massenfertigern angewendet, Konkurrenzdrucks durch überregionalen Wettbewerb. Insbeinsbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern, z. B. in sondere auf Produktionsmitarbeiter wurde häufig ein großer China, Bangladesh und Thailand. Insgesamt hat das Scientific Druck ausgeübt. Mitarbeiter waren oft für verschiedene ArManagement Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Produkbeitsgänge zuständig und haben Bauteile an qualitative und tivitätsrevolution geführt. So konnte Ford (►Ford und das maßliche Forderungen angepasst, d. h. es wurden wie bei der Fordsystem)seinen Output in den ersten dreizehn Jahren Craftmanship auch handwerkliche Fähigkeiten benötigt, aller(1914 bis 1927) nach Einführung des Scientific Management dings bei höherer Standardisierung einzelner Arbeitsschritte. bei massiv gesunkenen Stückkosten von ca. 120.000 auf 15 Das Arbeitstempo und die Abb. W08: Vor- und Nachteile von Wertschöpfungskonzepten der Industriellen Revolution Produktivität wurden nun durch die Maschinen (mit-) Wertschöpfung der Industriellen Revolution bestimmt. Insgesamt hat Nachteile die Industrielle Revoluti- Vorteile ◼ Geringe Standardisierung von Arbeitsvoron die Möglichkeiten der ◼ Höhere Produktivität durch Maschineneinsatz gängen und Prozessen mit der Folge eines Wertschöpfung massiv verhohen Nacharbeitsanteils bessert; allerdings waren ◼ Vertikale Integration und verbesserte Infrastruktur bringen technologisch überlegne ◼ Keine systematische Prozessoptimierung die Managementmethoden Unternehmen in die Lage, größere Märkte ◼ Ausbeutung von Mitarbeitern und Entanfänglich nicht auf die Auszu bedienen fremdung von der Arbeit nutzung dieser Möglichkeiten ausgerichtet und sie haben auch zu Konflikten Millionen Fahrzeuge steigern und hat damit das Automobil mit den Mitarbeitern geführt. Abbildung W08 enthält wiedeals Massenprodukt etabliert. Abbildung W09 enthält eine rum die wichtigsten Vor- und Nachteile von WertschöpfungsÜbersicht über die Vor- und Nachteile des Scientific Managekonzepten während der Industriellen Revolution. ment. 4.3 Scientific Management (Taylorismus) Beim Scientific Management handelt es sich um eine von 4.4 Hawthorne Studies und Industrial Psychology Charles Winslow ►Taylor [15] Anfang des zwanzigsten JahrDie Hawthorne Experimente [12], ursprünglich begonnen, hunderts entwickelte und bei Henry ►Ford erstmals eingeum den Effekt unterschiedlicher Beleuchtung auf die Produksetzte Methode der arbeitsteiligen und standardisierten Fertivität zu messen, haben die Bedeutung psychologischer Astigung in der Regel als Fließbandproduktion, die zu starken pekte gezeigt. Nachdem in Studien in einer Betriebsstätte des Produktivitätserhöhungen Abb. W09: Vor- und Nachteile des Scientific Managements und Qualitätsverbesserungen geführt hat. GrundTaylorismus: Scientific Managment lage waren umfassende ZeitNachteile studien, die Taylor (►Taylor Vorteile ◼ Objektbezogene Arbeitskräfte werden als und das Taylorsystem) ◼ Nutzung von Rationalisierungspotentialen (Produktivität) reiner Produktionsfaktor wie Maschinen Anfang des zwanzigsten gesehen Jahrhunderts durchgeführt ◼ Niedrige Durchlaufzeiten ◼ Keine Nutzung dezentralen Wissens hat. Im Ergebnis wurde der ◼ Eignung insbesondere für die Massenfertigung ◼ Ausbeutung und Entfremdung der MitarArbeitsprozess stärker als ◼ Schrittweise (inkrementelle) Prozessverbeiter von ihrer Arbeit (Monotonie und bisher in einzelne Arbeitsbesserungen durch zentrale PlanungsabteiUnzufriedenheit) schritte zerlegt und genau lungen ◼ Geringe Flexibilität gegenüber Kundenstandardisiert. Es kam zu wünschen (Produktstandardisierung) einer strikten Trennung von
1237
W
Wertschöpfungsmanagement
W
Wertschöpfungsmanagement
Unternehmen Hawthorne Abb. W10: Vor- und Nachteile der Folgewirkungen der Hawthorne-Studien (Illinois, USA) bestätigt Hawthorne-Studien und Industrial Psychology werden konnte, dass die Arbeitsleistung bei besserer Vorteile Nachteile Beleuchtung anstieg, fanden ◼ Einbeziehung des Menschen und seiner ◼ Kernprobleme wie Flexibilität, systemadie Wissenschaftler in einer Bedürfnisse (Humanisierung des Arbeitstische Reduktion von Wertschöpfungsverweiteren Teilstudie heraus, platzes) lusten unbeachtet dass die Arbeitsprodukti◼ Weitere Erhöhung der Produktivität ◼ Kaum Nutzung dezentralen Wissens vität bei gleich bleibender ◼ Mitarbeiterbedürfnisse nur von hoher Beoder sogar schlechterer Bedeutung, solange dadurch die Produktivität leuchtung ebenfalls anstieg. gesteigert werden kann Grund der Anstiege war ◼ Keine prozessbezogene Optimierung somit nicht die Beleuchtung selbst, sondern soziale Faksation strebt an, Schnittstellen sogar weitgehend zu vermeitoren wie eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Mitarbeiter. den. Mitarbeiter arbeiten in Prozessteams und nicht mehr Seitdem sind zahlreiche Motivations- und Führungstheorien länger in Abteilungen, die im wahrsten Sinne des Wortes entwickelt worden, die die Belange der Mitarbeiter einbeTeile des Leistungsprozesses voneinander trennen (abteilen). ziehen. Insbesondere Bedürfnisse des Produktionsfaktors Das nächste Glied einer Prozesskette wird nicht mehr als anMensch und die Auswirkungen auf die Motivation, Mitarbeidere Organisationseinheit betrachtet, sondern als interner terzufriedenheit und Produktivität sind also in WertschöpKunde, dessen Bedürfnisse genauso wichtig sind wie die des fungskonzepte mit einzubeziehen. Relevante Bereiche sind: externen Kunden. Das Prozessmanagement hat insbesondere Mitarbeiterführung, Arbeitsplatzgestaltung, Feedback- und in den 1990er Jahren zu einer erfolgreichen UmstrukturieAnreizsysteme, mögliche Zielkonflikte und Informationsarung in (insbesondere größeren) deutschen Unternehmen symmetrien. Insgesamt haben die Hawthorne-Studien die geführt und zugleich eine ergebnisorientierte Sichtweise geGrundlage für das moderne Personalmanagement sowie für stärkt. Zielgrößen des Prozessmanagements sind neben der die Humanisierung des Arbeitsplatzes gelegt. Die aktive AusProduktivität und den Kosten auch die Durchlaufzeit und die gestaltung sozialer Beziehungen haben nachweisbare positive Vermeidung von Qualitäts- und Koordinationsproblemen. bzw. negative Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg Abbildung W11 enthält die mit dem Prozessmanagement und die Höhe der erbrachten Wertschöpfung. Allerdings lieverbundenen Vor- und Nachteile. gen in der Zwischenzeit weit differenziertere, wenn auch bei 4.6 Supply Chain Management weitem noch nicht umfassende Ergebnisse vor, wie verschieDas ►Supply Chain Management [4] befasst sich mit einer dene Charakteristika von sozialen Beziehungen Arbeitsproverbesserten Koordination innerhalb einer Zuliefererkette. duktivität und Mitarbeiterzufriedenheit beeinflussen. AbbilNeben den Güterund Finanzflüssen wird die Bedeutung dung W10 fasst Vor- und Nachteile einiger Folgewirkungen eines intensiven Informationsaustauschs hervorgehoben. der Hawthorne-Studien zusammen. Mitglieder innerhalb einer Supply Chain verstehen sich 4.5 Prozessmanagement (►Geschäftsprozessmanagement) idealerweise als Partner, die sich untereinander vertrauen, Die Schwächen der bislang erläuterten WertschöpfungskonProduktprogramme gemeinsam entwickeln und ihre Prozepte liegen darin, dass die Leistungserstellung häufig nur bezesse aufeinander abstimmen. Die verbesserte Koordination zogen auf einzelne Arbeitschritte bzw. Arbeitsplätze betracherfolgt darüber hinaus durch Festlegung gemeinsamer Stratet wurde. Gegenstand des Prozessmanagements ist hingegen tegien, durch die Durchführung gemeinsamer Projekte (z. B. eine systematische ErfasAbb. W11: Vor- und Nachteile des Prozessmanagements sung, Visualisierung und Verbesserung vorhandener Prozessmanagement Prozessstrukturen im Sinne der Erreichung eines Un- Vorteile Nachteile ternehmensoptimums statt ◼ Betrachtung der gesamten Prozessleistung ◼ Keine Betrachtung von unternehmenslokaler Optimierung. Das ◼ Unternehmens- statt abteilungsbezogene übergreifenden Aspekten Prozessmanagement [2] Optimierung ◼ Organisationsstruktur trägt der Prozessbetrachtet Wertschöpfungs- ◼ Neben der reinen Produktivitätssteigerung orientierung nicht in allen Fällen Rechnung systeme somit als Ganzes werden Aspekte wie Durchlaufzeit, Flexi(bei Beibehaltung einer funktionsorienund legt besonderen Wert bilität, Gesamtkosten und Qualität stärker tierten Gliederung) betrachtet auf eine gute Abstimmung der Schnittstellen zwischen ◼ Stärkere Fokussierung von einheitlichen unternehmensweiten ManagementansätLeistungsbereichen. Eine zen prozessorientierte Organi-
1238
Wertschöpfungsmanagement
Wertschöpfungsmanagement
gemeinsame F&E) sowie Abb. W12: Vor- und Nachteile der Wertschöpfung des Supply Chain Managements durch einen frühzeitigen, Supply Chain Management intensiven Informationsaustausch bei relevanten Nachteile Entwicklungen. Das Supply Vorteile Chain Management strebt ◼ Statt unternehmensbezogener Optimie◼ Unternehmen sind häufig nicht bereit, sich damit eine die Unternehrung erfolgt eine Optimierung für die geeiner Supply Chain total unterzuordnen, da samte Supply Chain sie in mehreren Supply Chains tätig sind mensgrenzen überschrei◼ Mangelndes Vertrauen kann Umsetzung tende Optimierung von ◼ Neben der reinen Produktivitätssteigerung werden auch Aspekte wie Durchlaufzeit, von sinnvollen Ansätzen verhindern Prozessen an. Man spricht Flexibilität, Gesamtkosten und Qualität ◼ Machtmissbrauch einzelner Supply Chainhier auch von interner Intestärker betrachtet Mitglieder gration von Prozessen. Weit ◼ Interne Integration innerhalb von Supply vorangeschritten ist das Chains ist nachgewiesener Erfolgsfaktor Supply Chain Management insbesondere in der Autoduktionskapazitäten besser nutzen zu können, mobilindustrie, bei der sich ◼ gemeinsame Vertriebsniederlassung in China, um Interdie Partner nicht nur eng in jeder Phase des Produktlebensnationalisierungsbestrebungen gemeinsam voranzutreizyklus, z. B. in der Produktentwicklung und in der Produkben. tionsphase jeweils zwischen den verschiedenen Mitgliedern der Supply Chains abstimmen, sondern auch gemeinsame Die Beispiele zeigen auch, dass Netzwerke insbesondere für Managementinstrumente, wie zertifizierte Managementsymittelständische Unternehmen interessant sind, weil sie auf steme, ein einheitliches Berichtswesen, einsetzen. Nicht imdiese Weise Größennachteile abbauen können. Dies zeigen mer sind diese Entwicklungen von allen Partnern gleichermaauch die in Abbildung W13 aufgeführten Vor- und Nachteile. ßen gewollt, sondern auch das Ergebnis von wirtschaftlichen 4.8 Lean Management Abhängigkeiten. Im Ergebnis kommt es zu einer stärkeren Das ►Lean Management stammt aus der japanischen AuKonkurrenz zwischen Supply Chains (nicht mehr nur eintomobilindustrie und ist ein auf Ohno (Toyota) ([7]; [9]; zelner Unternehmen), wobei Effizienzverluste innerhalb der [13])zurückgehender Managementansatz, der auf eine einzelnen Wertkette möglichst minimiert werden. Die in Ab►Just-in-Time-Produktion abzielt, die mithilfe kontinuierbildung W12 aufgeführten Vor- und Nachteile erlauben eine licher Verbesserungsprozesse Wertschöpfungsverluste durch Beurteilung des Supply Chain Management-Ansatzes. viele kleine Verbesserungen – initiiert durch die Mitarbeiter 4.7 Unternehmensnetzwerke – eliminiert. Dabei wird Wissen von Mitarbeitern konsequent Strategisch bzw. operativ ausgerichtete Kooperationen rechtgenutzt, die zu ständigen Verbesserungsvorschlägen angelich unabhängiger, konkurrierender oder nicht konkurriehalten werden. Die Verantwortung der Mitarbeiter erstreckt render Unternehmen ([6]; [14]) außerhalb der Zusammensich auf ihren Arbeitsplatz und die Selbstabstimmung mit arbeit in vorhandenen Supply Chains streben die Realisierung vor- und nachgelagerten Arbeitsbereichen. Die Produktion von beschaffungs-, produktions- und oder marktbezogenen ist nach Möglichkeit nach dem ►Pull-Prinzip zu organisieren, Vorteilen im Sinne der Ausschöpfung von Win-Win-Potend. h. die Fertigung eines Produkts erfolgt nur, wenn bereits zialen an. Mitglieder sind lose miteinander verbunden bzw. ein Auftrag vorliegt und „zieht“ die Fertigung im Gegensatz gründen Netzwerkplattformen, z. B. VIA Consult im Kreis zum ►Push-Prinzip, bei dem Produkte von der ersten bis Olpe (Sauerland). Die BeAbb. W13: Vor- und Nachteile von strategisch und operativ ausgerichteten Netzwerken teiligung an einem solchen Netzwerk ist freiwillig und Strategische und operative Netzwerke kann fallweise oder kontinuierlich erfolgen. GrundNachteile sätzlich können sich solche Vorteile ◼ Unternehmen nutzen Netzwerke häufig Zusammenarbeiten auf ◼ Unternehmensübergreifende Betrachtung nur in für sie strategisch unwichtigen Beunterschiedlichste unter- ◼ Realisierung von Größenvorteilen (Economies of Scale) reichen, die nicht die vorhandenen Kernnehmensrelevante Aspekte ◼ Überwindung von Ganzzahligkeiten und kompetenzen betreffen beziehen. Beispiele sind verbesserte Kapazitätsausnutzung, z. B. bei ◼ Mögliche Aneignung von internem Wissen ◼ gemeinsamer StromeinMaschinen durch Wettbewerber kauf, um bessere preis◼ Nutzung von vielfältigen Verbundvortei◼ Mangelndes Vertrauen kann Netzwerkerliche Vereinbarungen len, die jeden Teil des betrieblichen Wertfolg negativ beeinträchtigen zu erzielen, schöpfungsprozesses betreffen können ◼ Machtmissbrauch einzelner Mitglieder des ◼ gemeinsame Investition Netzwerks in Maschinen, um Pro-
1239
W
Wertschöpfungsmanagement zur letzten Produktionsstufe „geschoben“ werden. Die Justin-Time-Produktion ermöglicht eine stetige Anpassung an (schwankende) Kundennachfragen und zielt auf niedrige Lagerbestände, kurze Rüstzeiten und niedrige Losgrößen. Niedrige Lagerbestände zwingen zugleich zum Arbeiten nach dem Flussprinzip, um so kurze Durchlaufzeiten und damit eine ausreichende Lieferflexibilität zu gewährleisten. Warte- und Liegezeiten von Halbfertigteilen und Produkten werden dabei systematisch minimiert. Nicht immer lässt sich das Pull-Prinzip vollständig realisieren. Selbst Toyota produziert Produkte ohne bereits vorliegende Kundennachfrage auf Lager, um beispielsweise akzeptable Lieferzeiten im Automobilbereich zu erreichen. Dennoch ist das Lean Management eine für heutige Industrieunternehmen sehr wichtige Grundphilosophie, die die Erfüllung von Kundenforderungen, die Erhöhung der Produktqualität und die Senkung von Kosten und damit eine Maximierung der Wertschöpfung anstrebt. Unternehmen wie Toyota und Porsche konnten durch den frühen Einsatz von Methoden des Lean Managements entscheidende Wettbewerbsvorteile erwerben. Heute ist das Lean Management mit unterschiedlichen Ausprägungen in der Automobilindustrie und auch in anderen Industriesektoren weit verbreitet und wird von vielen Unternehmen auf ihre konkreten Rahmenbedingungen zugeschnitten. Auch hat es Eingang in zertifizierbare Qualitätsmanagementsysteme, z. B. ►ISO 9001, gefunden, in denen zunehmend auch der Prozessgedanke betont wird. Abbildung W14 zeigt, dass es sich um einen langfristig angelegten Managementansatz handelt, der nur durch die nachhaltige Unterstützung der Geschäftsleitung erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden kann.
W
Wertschöpfungsmanagement Internet ist die Kommunikation mit innovationsorientierten Kundengruppen wesentlich erleichtert. Die Beteiligung am Wertschöpfungsprozess ist sicherlich die am häufigsten genutzte Form der interaktiven Wertschöpfung. Hier werden Teile des Wertschöpfungsprozesses auf den Kunden verlagert, wodurch die Kosten der Leistungserstellung reduziert werden können. Beispiele sind die Eingabe von Auftragsdaten über das Internet, die Vorkonfiguration von Produkten mit bereit gestellten Softwareprodukten oder über das Internet sowie die Selbstabholung von Paketen am Bestimmungsort. Auch der Selbstzusammenbau von Möbeln (IKEA) ist der interaktiven Wertschöpfung zuzurechen und führt zu einer erheblichen Senkung von Logistik- und Montagekosten, die ein Unternehmen (teilweise) an den Kunden weitergeben kann. Bei Open Innovation-Prozessen [3] erfolgt eine Kombination von unternehmensinternem mit externem Wissen und Ressourcen. Mögliche Vorteile sind Kostensenkungen im Innovationsprozess, die Erhöhung der Kundenakzeptanz, Synergien zwischen internem und externem Wissen sowie die Nutzung Externer bei der Produktvermarktung. Dem stehen ein möglicher Verlust an Wettbewerbsvorteilen durch die Weitergabe von internem Wissen und ein erhöhter Koordinationsaufwand gegenüber. Wesentliche Aspekte, die für oder gegen die interaktive Wertschöpfung sprechen, sind in Abbildung W15 aufgeführt.
5 Fazit: Elemente von Wertschöpfungskonzepten Die vorgestellten Wertschöpfungskonzepte legen unterschiedliche Schwerpunkte auf Aspekte der Leistungserstellungsprozesse. Folgende Elemente des Wertschöpfungsmanagements werden aufgegriffen: 4.9 Interaktive Wertschöpfung Die interaktive WertschöpAbb. W14: Vor- und Nachteile des Lean Managements fung umfasst die systeLean Management matische Integration des Kunden in den WertschöpNachteile fungsprozess durch Koo- Vorteile peration und Abstimmung ◼ Systematische Eleminierung von Wert◼ Lean Management führt zu vielen kleinen mit dem Ziel, ein geschlosschöpfungsverlusten Verbesserungen und setzt daher einen lansenes und abgestimmtes ◼ Hoher Standardisierungsgrad von Arbeitsgen Atem der Mitarbeiter und GeschäftsWertsystem zu schaffen. gängen führung voraus Die Kooperation und ◼ Systematische Nutzung des Mitarbeiter◼ Lean Management-Ansätze entsprechen Kundenintegration kann wissens nicht der klassischen westlichen Managementphilosophie sich auf die Identifikation von neuen Produkten, die Produktentwicklung (z.B. Open Source-Produkte), auf die Gestaltung der Wertschöp1 Standardisierung von Prozessschritten: Die ►Standardisiefungsprozesse sowie die Produktnutzung (Lead User) bezierung von Prozessschritten stellt das wichtigste Element hen (vgl. hierzu [10]). Für das anbietende Unternehmen sind beim Scientific Management dar und ist ebenfalls ein je nach Ausgestaltung der Interaktion mehrere Vorteile realiKernbestandteil des Lean Managements. Der wesentliche sierbar. Bei der Produktentwicklung lässt sich das Risiko von Unterschied der Standardisierung in beiden WertschöpEntwicklungen, die am Markt vorbei gehen, verringern, da fungskonzepten liegt in der zentralen (bei Scientific Mawichtige Kundengruppen am Entwicklungsprozess beteiligt nagement) und dezentralen (beim Lean Management) sind. Lead User können wichtige Impulse für ProduktverbesFestlegung von Prozessstandards. Insgesamt geht man serungen und -weiterentwicklungen geben. Gerade durch das heute davon aus, dass die Standardisierung ein wirksames
1240
Wertschöpfungsmanagement
2
3
4
5
Wertschöpfungsmanagement
Mittel zur KostensenAbb. W15: Vor- und Nachteile des Interaktiven Wertschöpfungsmanagements kung und ProduktiInteraktives Wertschöpfungsmanagement vitätssteigerung ist. Grenzen der StandarNachteile disierung sind gegeben, Vorteile wenn die Erreichung ◼ Verringerung des Risikos, am Markt vorbei ◼ Transaktionskosten für den Austausch mit zu operieren Kunden und Mitentwicklern weiterer wichtiger Ziele ◼ Weitergabe von Wissen durch den Kunden beeinträchtigt wird, ◼ Höherer Kundennutzen und damit stärkere Kundenbindung ◼ Aufteilung von Interaktionsgewinnen kann z. B. die Verringerung problematisch sein der Flexibilität verbun- ◼ Systematische Nutzung des Kundenwissens und des Wissens Externer den mit einer unzureichenden Berücksichti- ◼ Senkung von Innovations- und Leistungserstellungskosten gung individualisierter Kundenwünsche. Beim Wertschöpfung angestrebt. Aber auch das Prozess- und Lean Management steht Standardisierung in engem ZuSupply Chain Management können auf die flexible Besammenhang zur kontinuierlichen Verbesserung (►Kaifriedigung von Kundenbedürfnissen ausgelegt werden. zen). Beim Lean Management wird insbesondere die SynchroLokale versus globale Prozessoptimierung: Elemente der nisation von Kundennachfrage und Leistungserstellung globalen Prozessoptimierung finden sich beim Prozessbetont. management, beim Supply Chain Management und in 6 Auflösung der Unternehmensgrenzen: Sowohl beim SupUnternehmensnetzwerken. Die Vorteile einer globalen ply Chain Management als auch bei der interaktiven Optimierung sind offensichtlich und können zu VerWertschöpfung als Zwischenform zwischen Markt und besserungen in allen Zielbereichen beitragen. Grenzen Hierarchie werden Unternehmensgrenzen teilweise aufliegen dort, wo Interessenskonflikte zwischen Partnern gelöst. Langfristige, enge Partnerschaften und die Überin Netzwerken oder innerhalb einer Supply Chain vorlietragung von internen Organisationsabläufen auf mehrere gen. Auch mangelndes Vertrauen kann ein Hemmschuh Partner ersetzen traditionelle, über den Markt organisierfür die globale Prozessoptimierung sein. te Beziehungen. Nutzung von Wissen der Mitarbeiter auf der Ausführungs7 Qualitätsmanagement: Nahezu alle angesprochenen ebene: Mitarbeiter werden beim Lean Management, bei Punkte stehen in engem Zusammenhang zum Qualitätsder Industrial Psychology und auch beim Prozessmamanagement. Standardisierung setzt die Definition und nagement als Experten ihres Arbeitsplatzes angesehen. Etablierung von definierten Qualitätsstandards voraus. Sie werden angehalten, ihre Arbeitsabläufe (kontinuierProzessoptimierung strebt neben der Verringerung der lich) zu verbessern und insgesamt die Wertschöpfung zu Kosten der Wertschöpfung auch eine Steigerung der erhöhen. Damit geht häufig auch eine Übertragung von Prozess- und Produktqualität an. Wesentliche Elemente dispositiven Aufgaben auf Mitarbeiter auf der Ausfühsind dabei die Nutzung des Wissens der Mitarbeiter auf rungsebene einher. Erfolgt die dezentrale Planung beder Ausführungsebene sowie die Verringerung von Wertreichsübergreifend, dann spricht man auch von ►Selbstschöpfungsverlusten. Die strikte Kundenorientierung abstimmung innerhalb der Wertschöpfungsprozesse. Die zielt auf die Steigerung des Kundennutzens und damit strikte Trennung zwischen objektbezogener und disposihäufig auch auf die Qualitätssteigerung der Interaktion tiver Arbeit wird damit aufgehoben. zwischen Kunden und Lieferanten sowie der bereit geVerringerung von Wertschöpfungsverlusten: Konzepte, wie stellen Güter und Dienstleistungen ab. Kooperationsdas der kostengünstigen Massenfertigung der In-dustrielformen, die zur Auflösung von Unternehmensgrenzen len Revolution, Lean Management, das Prozessmanagebeitragen, sind ebenfalls auf eine Erhöhung der Wertment und das Supply Chain Management sind auf eine schöpfung und damit auch auf Qualitätssteigerungen Senkung der Kosten und der Durchlaufzeiten angelegt. ausgerichtet. Durch die systematische Verringerung von zeit- und koDiese Elemente tragen dazu bei, dass mit der Produktivität, stenbezogenen Wertschöpfungsverlusten lässt sich eine den Kosten, der Flexibilität und der Mitarbeiterzufriedenheit zeitnahe Auslieferung von Produkten und eine größewichtige Unternehmensziele besser erreicht werden können. re Lieferflexibilität verwirklichen. Zugleich besteht die Gerade mit gestiegenem Konkurrenzdruck ist es unbedingt Möglichkeit, die infolge niedrigerer Kosten gestiegene erforderlich, maßgeschneiderte WertschöpfungskonzeptiWertschöpfung zwischen Leistungserstellern und Kunonen anzuwenden, die den Erfolg im Wettbewerb nachhaltig den aufzuteilen. sichern. Strikte Kundenorientierung: Die Erhöhung des KundenUniv.-Prof. Dr. rer. pol. Peter Letmathe, werts durch die Individualisierung von Produkten wird Aachen insbesondere bei der Craftmanship und der Interaktiven
1241
W
Wertschöpfungsmanagement
Wertstrommanagement
Literatur
Hinweis
Wertstromdesign
▶Wertstrommanagement
Wertstrommanagement
▶ value stream management ▶ Wertschöpfungsmanagement 1 Definition und Abgrenzung Die zunehmende Öffnung der Märkte und die gleichzeitig immer höher werdenden Kundenansprüche verlangen von den Unternehmen mehr Effizienz und Flexibilität. Daraus ergibt sich, dass zur Steigerung der Wertschöpfung ►Verschwendung jeglicher Art, so gut es geht, reduziert oder am besten ganz eliminiert wird. Um dieses Ziel zu erreichen, ist Wertstrommanagement (kurz WSM) ein zweckmäßiges Instrument. Unter Wertstrommanagement soll die Planung, Umsetzung und Weiterentwicklung von Materialund Informationsflüssen auf der Prozessebene im Unternehmen verstanden werden. Dabei werden die Wertschöpfungsprozesse mit Hilfe einer detaillierten IST-SOLL-Analyse stärker auf die Forderungen der Kunden ausgerichtet, hinsichtlich ihrer Effizienz optimiert und nach den Vorgaben zum Erreichen der gestellten Ziele weiterentwickelt und verbessert. Der Fokus vom Wertstrommanagement liegt also auf der Optimierung von Abläufen. Die Produktqualität soll dabei nicht negativ beeinflusst, sondern idealerweise ebenfalls verbessert werden. Wertstrommanagement gehört zu den wichtigsten Methoden im Lean Management [1] und orientiert sich stark an den Elementen des Toyota-Produk-tionssystems. Die zum Wertstrommanagement gehörenden Begriffe sind in Abbildung W16 systematisiert. Für das Grundverständnis ist der Begriff ►Wertschöpfung von zentraler Bedeutung. Sie beinhaltet Tätigkeiten, welche als Ergebnis einen Wert bzw. Wertzuwachs generieren, der vom Kunden gefordert und auch bezahlt wird [2]. Durch wertschöpfende Tätigkeiten entstehen aus Ausgangsstoffen Produkte, deren Wert aus Kundensicht höher ist als der Wert der Ausgangsstoffe selbst [1]. Der Wertstrom ist dabei der kontinuierliche Fluss der zunehmenden Wertschöpfung [3] vom Ausgangsmaterial bis zum fertigen Endprodukt. Daraus folgt, dass alle anderen zen-
Ein Großteil der inhaltlichen Passagen im Stichwortartikel „Wertschöpfungsmanagement“ sind mit freundlicher Genehmigung der Südwestfälischen Akademie für den Mittelstand folgender Quelle entnommen: Abb. W16: Wertstrommanagement – Systematisierung der Begriffe – Beispiel [19] Letmathe, P.: WertschöpfungsmaWertstrommanagement nagement im Mittelstand, Studienbrief der Südwestfälischen Akademie für den Wertstrom A/B/C/… Mittelstand (Institut der Universität SieVerbesserung und Weiterentwicklung gen), Siegen 2011.
Wertschöpfungsprozess
W
▶Wertschöpfungsmanagement ▶Prozessmanagement ▶Geschäftsprozessmanagement ▶Wertschöpfungsanalyse ▶Wertekette
1242
Wertstromanalyse
Wertstromdesign
Umsetzung
IST-Zustand
SOLL-Zustand
IST ► SOLL
▶ Ziel: Steigerung der Wertschöpfung
Begriff
[1] Barney, J. B.: Firm resources and sustained competitive advantage. Journal of Management 17 (1991), 99-120. [2] Becker, J. / Kugeler, M. / Rosemann, M. (HRSG.): Prozessmanagement, Wiesbaden: Springer / Gabler, 7. Aufl. 2012. [3] Chesbrough, H. W.: Open Innovation. The New Imperative for Creating and Profiting from Technology, Boston: Harvard Business School Press 2003. [4] Eßig, M. / Hofmann, E. / Stölzle, W.: Supply Chain Management, München: Vahlen, 2013. [5] Freiling, J. / Gersch, M. / Goeke, C.: Eine „Competence-based Theory of the Firm“ als marktprozesstheoretischer Ansatz. In: Georg Schreyögg / Peter Conrad (Hrsg.): Management von Kompetenz. Managementforschung 16 (2006), Wiesbaden: Gabler-Verlag, 2006. [6] Letmathe, P.: Operative Netzwerke aus der Sicht der Theorie der Unternehmung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 71 (2001), S. 551-570. [7] Liker, J. K.: The Toyota Way, McGraw-Hill, New York 2004. [8] Nicholas, J. M.: Competitive Manufacturing Management, McGrawHill, Boston 1998 [9] Ohno, T.: The Toyota Production System: Beyond large scale production, Productivity Press, Portland 1988. [10] Reichwald, R. / Piller, F.: Interaktive Wertschöpfung, Wiesbaden: Gabler, 2. Aufl. 2009. [11] Schneider, D.: Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Grundlagen, München-Wien: Oldenbourg, 2. Aufl. 1995. [12] Sonnenfeld, J.A.: Shedding light on the Hawthorne Studies. Journal of Occupational Behaviour, 6(1985), 111-130. [13] Spear, S. / Bowen, H. K.: Decoding the DNA of the Toyota Production System, in: Harvard Business Review 77 (1999), September-October, 97-106. [14] Sydow, J. / Möllering, G.: Produktion in Netzwerken, München: Vahlen, 2. Aufl. 2009. [15] Taylor, F.W.: The principles of scientific management. New York: Cosimo, 2006 (Nachdruck der Ausgabe: London: Harper & Brothers, 1911). [16] Wernerfelt, B.: A resource-based view of the firm. Strategic Management Journal 5 (1984), pp. 171-180. [17] Wittke, V.: Wie entstand industrielle Massenproduktion? Die diskontinuierliche Entwicklung der deut-schen Elektroindustrie von den Anfängen der „großen Industrie“ bis zur Entfaltung des Fordismus (1880-1975). Berlin: Edition Sigma 1996 [18] Womack, J. P. / Jones, D. T.: Lean Thinking. New York: Free Press 2003.
Wertstrommanagement tralen oder unterstützenden Tätigkeiten ohne dieses Ergebnis keine Wertschöpfung, sondern häufig sogar Verschwendung zur Folge haben. In der Wertstromanalyse werden der Anteil und die Art an Wertschöpfung im Herstellungsprozess eines Produktes bzw. einer Produktfamilie in einem Betrieb untersucht. Dabei wird der IST-Zustand der Material- und Informationsflüsse ermittelt, in einem Wertstromdiagramm aufgezeichnet und genau bezüglich der Verschwendungen und Verbesserungspotenziale analysiert. Das Wertstromdesign beinhaltet das Festlegen der Ziele im Vergleich zum IST-Zustand und das Entwickeln einer Vision sowie eines neuen Wertstromdiagramms für den SOLLZustand unter Beachtung von Regeln, durch welche die Verschwendung in der Produktionskette minimiert wird. 2 Wertstromanalyse Die Analyse des aktuellen IST-Zustandes erfolgt in vier Hauptschritten [3]: ◼ Schritt 1: Definition der Produktfamilie – Die Wertstromanalyse kann für ein Produkt oder eine Produktfamilie durchgeführt werden [4]. Produkte, welche einer gemeinsamen Familie angehören, zeichnen sich durch den Einsatz vergleichbarer Materialien und Ressourcen aus und werden in ähnlichen Produktionsprozessen hergestellt. Der Wertstrom eines daraus repräsentativ ausgewählten Beispiels ist dann stellvertretend für alle anderen Produkte aus dieser Familie gültig [3]. ◼ Schritt 2: Ermittlung des Kundenbedarfs – Eine optimierte Produktion muss am Kundenbedarf ausgerichtet sein. Dieser wird anhand des Bedarfs oder der Verkaufszahlen errechnet und gibt als Kundentakt (KT) an, wieviel Betriebszeit im Durchschnitt für die Herstellung von einem Stück verbraucht wird, um die Kundenforderungen erfüllen zu können. Mit Hilfe des Kundentaktes kann die Produktionsrate an der Verkaufsrate ausgerichtet werden [3]. ◼ Schritt 3: Aufnahme des Wertstroms – Im eigentlichen Kernteil der Wertstromanalyse wird als erstes bevorzugt der Materialfluss, d. h. der eigentliche Produktionsprozess, und als zweites der zugehörige Informationsfluss aufgenommen [4]. Dabei werden die Abläufe direkt vor Ort betrachtet und die entsprechenden Mitarbeiter dazu befragt, wodurch die entstandene Momentaufnahme die herrschenden Verhältnisse, basierend auf der Praxis, wiedergibt. Beim Erstellen eines Wertstromdiagramms wird als erstes immer der Kunde, intern oder auch extern, als Startpunkt erfasst [5]. Die einzelnen Prozessschritte werden davon ausgehend bis zum Lieferanten rückwärts durchgegangen. Diese Vorgehensweise erlaubt es, die Kundensicht im Fokus zu behalten sowie die Prozesse aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Die zugehörigen Prozesskennzahlen werden in drei Gruppen zusammengefasst und geben Informationen zu der Kapazität, Variantenflexibilität und Qualität des betrachteten Prozessschrittes wieder [3]. Die für deren Berechnung
Wertstrommanagement benötigten Zeiten werden, soweit möglich, ebenfalls vor Ort ermittelt. Die Ergebnisse dieser Aufnahmen werden in einem Wertstromdiagramm mit Hilfe von festgelegten Symbolen zusammengetragen, wie es in Abbildung W17 in seiner Grundstruktur zu sehen ist. Auf ein konkretes Beispiel wird hier verzichtet und auf die einschlägige Literatur verwiesen. ◼ Schritt 4: Erarbeitung der Verbesserungspotenziale – Das IST-Wertstromdiagramm wird analysiert und hinsichtlich der Verbesserungspotenziale untersucht. Das Ziel ist dabei die Vermeidung von Verschwendung, was eine der Grundregeln der japanischen Kaizen-Methode ist [6] und auch eine Schlüsselfunktion im ►Lean Management hat. Die im Wertstromdiagramm erkannten Schwachstellen und Verschwendungen werden als KAIZEN-Blitze markiert und können später zur Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen einbezogen werden. Als erstes sollte eine globale Sicht eingenommen und die Zeitleiste analysiert werden. Dabei kann die Verschwendung im Prozess vor allem am ►Prozesswirkungsgrad (PWG) erkannt werden. Diese Kennzahl ergibt sich aus dem Verhältnis der Bearbeitungszeit zur Durchlaufzeit und liegt für die erste durchgeführte Wertstromanalyse oft unter 1%. Als zweites können die Einzelprozesse lokal unter die Lupe genommen werden. Dabei werden sowohl die konkreten Einzelprozesse und die dort auftretenden Verschwendungen, wie beispielsweise Wartezeiten, ungünstige Arbeitsplatzgestaltung, sowie mögliche Verbesserungsmaßnahmen betrachtet, als auch deren Wechselwirkungen mit ihrem Vorgänger und Nachfolger im Prozess analysiert. Anschließend wird die Ergebnisqualität geprüft, um Ausschuss und etwaige Nacharbeiten zu minimieren und eine hohe Produktqualität zu gewährleisten. 3 Wertstromdesign Für die Durchführung des Wertstromdesigns mit dem Ziel Verschwendungen im Prozess zu eliminieren und dadurch den Prozesswirkungsgrad zu verbessern, haben sich zwei Methoden bewährt [6]: KAIZEN-Blitze ◼ Wann: Bei einfachen Prozessen, welche nicht grundlegend umstrukturiert werden sollen [6] und durch die in der Wertstromanalyse ausgearbeiteten KAIZEN-Blitze ausreichend verbessert werden können (siehe Abbildung A2 beispielhaft zwischen Prozessen 4 und 5). ◼ Wie: Die einzelnen KAIZEN-Blitze werden als Aufgaben genau formuliert, terminiert und einem Verantwortlichen zugewiesen. „Grüne Wiese“-Ansatz: ◼ Wann: Wenn die Bereitschaft besteht, den betroffenen Produktionsabschnitt neu zu organisieren und sich von den bisherigen Praktiken weitgehend zu lösen. ◼ Wie: Es wird als erstes eine Vision bzw. ein Idealprozess entworfen, welcher die tatsächlich herrschenden Einschränkungen nicht beachtet und einen grundsätzlich
1243
W
Wertstrommanagement
Wertstrommanagement Abb. W17: Schematischer Aufbau und Symbolik eines Wertstromdiagramms
Geschäftsprozesse Produktionssteuerung Planung und Disposition
Lieferant
intern oder extern Material WBZ
Lieferung per LKW
Kunde
intern oder extern Varianten Bedarf Stück/Jahr KT
Informationsflüsse Manueller Informationsfluss
Elektronischer Informationsfluss
Kaizen-Blitz
Materialfluss Prozess 1
Wareneingang
Pull
Supermarkt
RW
Legende BZ DLZ I KT
Prozess 2
MA Res
BZ ZZ #T PZ PM
I Push
RW
BZ PZ Bearbeitungszeit Durchlaufzeit Inventory (Bestand) Kundentakt
Prozess 3
MA Res
BZ ZZ RZ # VAR V BZ
LG MA PM PZ
Losgröße Mitarbeiter Prozessmenge Prozesszeit
Prozess 4
MA Res
BZ ZZ Stück RZ Zeit Bestand LG
I
I
FIFO
RW
BZ ZZ RZ
Ressourcen Reichweite Rüstzeit
verschwendungsfreien Produktionsprozess zeigt [5]. Als zweiter Schritt wird ein SOLL-Zustand modelliert, welcher sowohl die Zielsetzungen der Vision beachtet als auch die Einschränkungen und Vorgaben des ISTZustandes berücksichtigt.
Anzahl gleicher Teile im Endprodukt V Verfügbarkeit # Var Anzahl Varianten
W
1244
🄱 🄲
I
RW BZ
#T
Bei der Erarbeitung des SOLL-Wertstromdiagramms sind fünf Grundregeln zu beachten: 1 Regel 1: Produktion nach Kundentakt – Der Produktionsprozess muss so ausgelegt werden, dass in einer Zeiteinheit möglichst genau die Menge produziert wird, welche vom Kunden in dieser Zeiteinheit auch gekauft wird. Das bedeutet, dass die Zykluszeiten der einzelnen Produktionsprozesse aneinander angepasst und nach dem Kundentakt ausgerichtet werden, um weder zu viel noch zu wenig zu produzieren. 2 Regel 2: Kopplung von Prozessschritten – Das Material sollte von Prozess zu Prozess nach einem der folgenden Prinzipien fließen: 🄰 Einzelstückfluss Prinzip: Die Produktion geht fließend voran, das Produkt wird von Prozess zu Prozess weitergegeben und möglichst sofort bearbeitet. Losbildung wird
BZ ZZ RZ V
RW BZ PZ
Warenausgang
MA Res
I
RW BZ
Res RW RZ
Prozess 5
MA Res
Puffer/ Lager
DLZ = RW BZ PZ
WBZ Wiederbeschaffungszeit ZZ Zykluszeit
vermieden, die einzelnen Arbeitsplätze sind nach dem Prozessfluss angeordnet und die Transportwege auf ein Mindestmaß reduziert. Vorteile: Deutlich niedrigere Durchlaufzeiten, drastische Reduktion der Bestände, Fehler werden schneller entdeckt, da der Ausschuss sofort zum nächsten Produktionsschritt gegeben und nicht angehäuft wird. Nachteile: Störanfälligkeit, da eventuelle Ausfälle durch die auf Vorrat produzierten Teile nicht abgefangen werden können. FIFO-Prinzip (First-In-First-Out) Prinzip: Einzelstückfertigung in der festen Reihenfolge mit einem Puffer vorgegebener Größe zwischen den einzelnen Prozessschritten. Vorteile: Geringere Durchlaufzeit, schnelles Entdecken von Fehlern und Abfangen von Ausfallzeiten. Nachteile: Kompromiss zwischen Einzelstückfluss und Losfertigung, wodurch die Vorteile entsprechend abgeschwächt werden Pull-Prinzip Prinzip: Wenn eine Lagerung nicht zu vermeiden ist, werden die Teile für ein Pull-Prinzip-Lager (auch
Wertstrommanagement Supermarkt- oder Kanban-Prinzip) definierter Menge vom Vorprozess nur dann produziert, wenn der Nachfolgerprozess auch welche aus dem Lager entnommen hat. Vorteile: Die Produktion wird durch den Verbrauch gesteuert, keine zusätzliche Steuerung von außen notwendig, da die Regelung zwischen den zwei benachbarten Prozessschritten erfolgt. Nachteile: Aufwendige Systemauslegung, nur für stabile Zulieferprozesse und wenig schwankende Abnahmemengen geeignet [5]. 3 Regel 3: Definition des Schrittmacherprozesses – Ein optimierter Wertstrom sollte nur an einer Stelle, dem Schrittmacherprozess, gesteuert werden. Dafür eignen sich besonders Prozessschritte, bei denen zum ersten Mal die möglichen Produktvarianten unterschieden werden [4]. Wichtig ist dabei, dass nach dem Schrittmacherprozess keine Pull-Supermärkte platziert sein können, sondern die Fertigung im Fluss erfolgen muss. 4 Regel 4: Ausgleich von Produktionsmix und Produktionsvolumen – Wenn mehrere Produktvarianten hergestellt werden und eine Losbildung unumgänglich ist, sollten die Losgrößen eher klein gewählt und die verschiedenen Produktvarianten abwechselnd produziert werden [2]. Um die Produktion im Fluss zu halten, muss das Auftragsvolumen durch die Produktionsplanung ausgeglichen werden, indem die Aufträge gestückelt und als kleine gleichmäßig verteilte Elemente an den Schrittmacherprozess weitergeleitet werden. 5 Regel 5: KAIZEN-Blitze – Die Verschwendungen, welche in der Analyse des IST-Zustandes aufgefallen sind, sollen im SOLL-Zustand minimiert, idealerweise ganz eliminiert werden. Dafür werden die Verbesserungsmaßnahmen, welche sich aus den markierten KAIZENBlitzen ergeben, in das SOLL-Wertstromdiagramm integriert. 4 Praktische Umsetzung Der entworfene SOLL-Wertstrom muss nun in die Praxis umgesetzt werden. Im Vergleich zur Wertstromanalyse und zum Wertstromdesign, die jeweils etwa 3 bis 5 Tage dauern [2], ist diese Phase deutlich länger und komplexer. Als erstes müssen die für die Umsetzung notwendigen Verbesserungsmaßnahmen als KAIZEN-Blitze in das SOLL-Wertstromdiagramm eingetragen und daraus die einzelnen Aufgaben ausgearbeitet werden. Zur stärkeren Strukturierung der Verbesserungsmaßnahmen und deren erfolgreicher Umsetzung ist ein professionelles Projektmanagement [5] mit detaillierter Planung der Arbeitspakete, Zuweisung von Verantwortlichen, Festlegung von Meilensteinen, Durchführung von Projektbesprechungen sowie regelmäßiger Prüfung der Zielerreichung erforderlich. Da derartige Projekte recht umfangreich ausfallen und eine Zusammenarbeit von mehreren Bereichen erfordern, muss das Projektteam interdisziplinär zusammengesetzt werden. Das höhere Management muss hinter dem Projekt stehen
Wertstrommanagement und als Projekt-Sponsor das eigentliche Projektteam unterstützen [4]. Unter Umstanden kann das Hinzuziehen eines externen Coachs vorteilhaft sein, der durch seine Expertise und Methodenkenntnisse an einem erfolgreichen Abschluss des Projektes mitwirkt. Auch die Einbeziehung der Mitarbeiter verschiedener Abteilungen und Hierarchiestufen ist nicht zu vernachlässigen. Der Weg hin zur Umsetzung vom SOLLWertstrom ist auch ein Change-Prozess, der vor allem durch die Akzeptanz und Motivation der Mitarbeiter zum Erfolg oder auch zum Scheitern gebracht werden kann. 5 Wertstrommanagement lokal und global Zu einem erfolgreichen Wertstrommanagement gehören sowohl die Wertstromanalyse und das Wertstromdesign für die gesamte Produktion als auch deren zyklische Verbesserung und Weiterentwicklung. Diese Elemente können in einen erweiterten ►Deming-Zyklus – den A-PDCA-Zyklus – eingeordnet werden, wie in Abbildung W18 zu sehen ist. Der klassische ►Plan-Do-Check-Act-Kreislauf wird hier durch den Schritt A-Analyse erweitert, dem die initiale Wertstromanalyse mit der Erfassung des IST-Zustandes und der Verbesserungspotenziale zugeordnet werden kann. Im Schritt P-Plan findet das Wertstromdesign statt, dazu gehören die Elemente Formulierung von Zielen, Entwicklung einer Vision sowie der Entwurf eines SOLL-Wertstromdiagramms. Der Schritt D-Do beinhaltet die Umsetzung des SOLL-Wertstroms und somit das Beseitigen der Verschwendungen. Das Erreichen der vorher gestellten Ziele wird im Schritt C-Check geprüft sowie eventuelle Verbesserungsmaßnahmen ausgearbeitet. Abschließend werden diese im Schritt A-Act umgesetzt. Auf dieser Basis wird erneut in die Planungsstufe eingetreten und in den weiteren Durchläufen versucht, dem Ziel der ausgearbeiteten Vision immer näher zu kommen und sie auf die gesamte Produktion auszuweiten. Dieses auf lokaler Ebene umgesetzte Wertstrommanagement bringt dem Unternehmen zahlreiche Vorteile. Dabei bezieht die als übergeordnetes Ziel angesehene Kundenfokussierung die externen Anforderungen in die internen Aktivitäten mit ein. WSM ist damit ein wichtiges Instrument des Supply Chain Managements für den zielorientierten und reibungslosen Ablauf der Wertströme zwischen den Akteuren Lieferant, eigenes Unternehmen und Kunde. Durch das Betrachten weiterer externer Abhängigkeiten zu den Lieferanten, Lohnherstellern und anderen Partnerunternehmen, kann das System auch zu einem globalen Wertstrommanagement erweitert werden, in dessen Rahmen gemeinsame fokussierte Ziele gesetzt und der Weg zu deren Erreichung abgestimmt wird [7]. Durch einheitliche Kennzahlen ist es möglich, die Ergebnisse untereinander zu vergleichen und den Erfolg zu messen, wodurch auch die Kosten entsprechend zugeordnet werden können. Bei einer globalen Wertstromanalyse können die einzelnen Unternehmen als benachbarte Prozesse behandelt werden, zwischen welchen die Schnittstelle zu optimieren ist. Die in der Analyse erkannten Verschwendungen können in lokal- und netzwerkinduzierte aufgeteilt und entsprechend intern oder in Zusammenarbeit angegangen werden [7].
1245
W
Wertstrommanagement Durch diese Art von Kooperation eröffnen sich den Unternehmen neue Wege zum Erfolg auf dem Markt. Prof. Dr. Armin Töpfer, Dipl.-Ing. Dorota Kowal-Paul, MBA, Dresden
Wettbewerbsvorteil Abb. W18: Wertstrommanagement als A-PDCA-Zyklus A - Analyse Wertstromanalyse (initial) IST-Zustand ermitteln Verschwendung erkennen Verbesserungspotentiale erarbeiten
Literatur
Wiedeking, Ferdinand
1246
P - Plan Wertstromdesign Ziele formulieren Vision entwickeln SOLL-Zustand entwerfen
D - Do Wertstrommanagement
Umsetzung IST ► SOLL Verschwendung beseitigen
C - Check Püfung der Zielerreichung Verbesserungsmaßnahmen ableiten
Wettbewerb
▶Strategische Identität
Wettbewerbsstrategie
▶Strategien des Qualitätsmanagements
Wettbewerbsvorteil
▶en: competitive advantage ▶Strategie | ▶3C-3C-Modell | ▶5f-Five Forces ▶Kernkompetenz-Management ▶Kundenorientierung ▶Geschäftsmodell ▶Benchmarking Nach Porter kennzeichnet der Begriff Wettbewerbsvorteil den Vorsprung eines Akteurs auf dem Markt gegenüber seinen Konkurrenten im ökonomischen Wettbewerb. Nach Robert M. Grant gilt die folgende Wenn-Dann-Aussage: „Wenn zwei oder mehr Unternehmen im gleichen Markt konkurrieren, dann besitzt ein Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil vor seinen Mitbewerbern, wenn es wiederholend einen höheren Gewinnsatz erzielt (oder das Potential hat, einen höheren Gewinnsatz zu erzielen).
Begriff
W
… ist ein ehemaliger Manager, der mit Hilfe japanischer Berater bei Porsche ►Kanban und ►Kaizen wirksam eingeführt hat. Beeindruckend war sein Auftritt in der ►Gemba, wo er selbst Hand anlegte (Kreissäge), um die Regale zu kürzen, also Grenzen zu überwinden. Porsche Consulting mit seinem Credo „Focus Mensch“ hat hier seinen Ursprung.
▶
[1] Töpfer, A.: Lean Management und Six Sigma: Die wirkungsvolle Kombination von zwei Konzepten für schnelle Prozesse und fehlerfreie Qualität, In: Töpfer, A. (Hrsg.): Lean Six Sigma. Erfolgreiche Kombination von Lean Management, Six Sigma und Design for Six Sigma, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg 2009, S. 25-67 [2] Vollmer, L.: Schnelle und wirkungsvolle Verbesserungen des gesamten Wertschöpfungsprozesses mit WertA - Act stromdesign, In: Töpfer, A. (Hrsg.): Lean Six Sigma. Erfolgreiche KombinaVerbesserungsmaßtion von Lean Management, Six Sigma nahmen umsetzen und Design for Six Sigma, Springer-VerDem SOLL-Zustand näher lag, Berlin-Heidelberg 2009, S. 137-158 kommen [3] Erlach, K.: Wertstromdesign. Der Weg zur schlanken Fabrik, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg 2010 [4] Kletti, J., Schumacher, J.: Die perfekte Produktion. Manufacturing Excellence durch Short Interval Technology (SIT), Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg 2011 [5] Klevers, Th.: Wertstrom-Mapping und Wertstrom-Design. Verschwendung erkennen – Wertschöpfung steigern, mi-Wirtschaftsbuch, Finanzbuch Verlag GmbH, München 2007 [6] Brunner, F. J.: Japanische Erfolgskonzepte. KAIZEN, KVP, Lean Production Management, Total Productive Maintenance, Shopfloor Management, Toyota Production System, GD3-Lean Development, Hanser Verlag, München-Wien 2014, S. 114-118 [7] Spalt, P., Braun, A.-T., Schöllhammer, O.: Globales Wertstrommanagement. Eine Methode zur Komplexitätsbeherrschung und kontinuierlichen Verbesserung von Wertschöpfungsnetzen, Hanser Verlag, München-Wien, Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb ZWF 12/2013, S. 926-930
Wiederholungsaudit Aus dieser Definition ließe sich der Kundennutzen ableiten, also ließen sich auch die Kundenforderungen/Qualitätsforderungen elementhaft einbinden. Näher an der Betrachtungsperspektive des Qualitätsmanagements wäre es, wenn man der Argumentation von John Anderson Kay folgen würde, der – nicht den Markt wie Porter – sondern die Ressourcen betont, also die Fähigkeiten (en: capabilities). Zielsetzung einer solchen Betrachtung wäre es, einen Wettbewerbsvorteil und damit langfristig ein höheres Gewinnpotential zu erzielen, indem einer einzigartigen Kombination von Ressourcen, Wissen und Mitarbeitern nachgegangen wird (►Kernkompetenzmanagement). Literatur
WHO
▶en: World Health Organization ▶de: Weltgesundheitsorganisation.
Quelle: URL: www.who.int
Wiederholbarkeit
DIN-Term
Begriff
▶Prüfmittelmanagement
Wiederholungsaudit
▶Re-Zertifizierung Audit, das vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Zertifikats durchgeführt wird, um erneut die ►Wirksamkeit des QM-Systems und seine Übereinstimmung mit der Norm gegenüber dem Zertifizierer nachzuweisen. – Das Wiederholungsaudit wird im dreijährigen Turnus nach dem ►Zertifizierungsaudit durchgeführt. Alle QM-Elemente sind Gegenstand des Audits. Bei Erfolg führt es zur Neuausstellung des Zertifikats
Wiederholungsprüfung
Qualitätsprüfung, die stattfindet, wenn in einer der vorausgegangenen, zugelassenen Qualitätsprüfungen ein unerwünschtes Ergebnis an einer Einheit (gleicher Art oder an einer nachgebesserten Einheit) festgestellt wurde.
DIN-Term
Normquelle: nach DIN 55350-17
Wiederkehrende Prüfung
Qualitätsprüfung, die jeweils erneut (wiederkehrend) an einund derselben Einheit (in einer Folge von vorgesehenen Qualitätsprüfungen) durchgeführt wird. Normquelle: nach DIN 55350-17
Wir-Gefühl
▶Gruppenarbeit ▶Team Konstitutives Element einer jeden Definition von einer Gruppe bzw. eines Teams. Um von einer Gruppe oder einem Team überhaupt sprechen zu können, muß ein Wir-Gefühl vorhanden sein, d. h. die Gruppenkohäsion, die sich in der emotionalen Beziehung der Mitglieder untereinander ausdrückt und im Bewusstsein der Zusammengehörigkeit wirksam wird. Es entsteht durch Teamentwicklung (►Bruce Wayne Tuckman)
und konstituiert das reale Team. Das Wir-Gefühl besitzt eine identitätsvermittelnde Kraft insoweit, als es den Mitgliedern eine Identifikations- und zugleich Orientierungsmöglichkeit bietet. Wir-Ge fühl bedeutet nicht Bindemittel durch ge meinsames Feindbild, d. h., das Zusammenrücken der Mitglieder findet nicht statt, um einen gemeinsamen Gegner von außen abzuwehren, sondern das Wir orientiert sich an den gemeinsamen Teamzielen, den Funktions- und Zweckzusammenhängen und an der engen zielgerichteten Zusam menarbeit. Bei Untersuchungen zum Wir-Gefühl sollten besonders militärpsychologische Forschungen und Ergebnisse der Sportpsychologie Berücksichtigung finden. Hans-Dieter Zollondz, Vichy
Wirksamkeit
▶en: effectiveness Ausmaß, in dem geplante Tätigkeiten verwirklicht und geplante Ergebnisse erreicht werden
ISO-Term
[1] Kay, J. A.: Foundations of Corporate Success: how business strategies add value. 2th edition. Oxford (Oxford University Press) 2007
Wirksamkeit/Wissen der Organisation
Anmerkung 1 zum Begriff: Dieser Begriff stellt eine der gemeinsamen Benennungen und der Basisdefinitionen für ISOManagementsystemnormen dar, die in ISO/IEC Directives, Part 1, Consolidated ISO Supplement, Anhang SL enthalten sind. Die ursprüngliche Definition wurde geändert durch das Hinzufügen eines „are“ vor dem „achieved“. Normquelle: ISO 9000:2015-11 ⟪Originalbegriff D⟫
Wissen
▶Wissensmanagement
Wissen der Organisation (ISO 9001) ▶en: organizational knowledge
„A system must have an aim. A system must create something of value, in other words results. Management of the system requires knowledge of the interrelationships between all the components within the systems and of the people that work in it.“ (William Edwards Deming)
Die Organisation muss das Wissen bestimmen, das benötigt wird, um ihre Prozesse durchzuführen und um die Konformität von Produkten und Dienstleistungen zu erreichen. Nationale Fußnote: In der Messtechnik hat sich die Definition nach dem Internationalen Wörterbuch der Metrologie (VIM) für die Benennung „messtechnische Rückführbarkeit“ durchgesetzt. Äquivalent nach dem VIM ist auch der Begriff „metrologische Rückführbarkeit“. Dieses Wissen muss aufrechterhalten und in erforderlichem Umfang zur Verfügung gestellt werden. Beim Umgang mit sich ändernden Erfordernissen und Entwicklungstendenzen muss die Organisation ihr momentanes Wissen berücksichtigen und bestimmen, auf welche Weise jegliches notwendige Zusatzwissen und erforderliche Aktualisierungen erlangt oder darauf zugegriffen werden kann. Anmerkung 1: Das Wissen der Organisation ist das Wissen, das organisationsspezifisch ist; es wird durch Erfahrung erlangt. Es sind Informationen, die im Hinblick auf das Erreichen der Ziele der Organisation angewendet und ausgetauscht werden.
1247
W
Wissensarbeiter
Wissensgesellschaft
Anmerkung 2: Das Wissen der Organisation kann auf Folgendem basieren: a) auf internen Quellen (z. B. geistiges Eigentum, aus Erfahrungen gesammeltes Wissen, Lektionen aus Fehlern und erfolgreichen Projekten, Erfassen und Austausch von nicht dokumentiertem Wissen und Erfahrung, die Ergebnisse aus Verbesserungen von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen); b) auf externen Quellen (z. B. Normen, Hochschulen, Konferenzen, Wissenserwerb von Kunden oder externen Anbietern). Normquelle: ISO 9001:2015-11; Kapitel 7.6.1 ⟪Original D⟫
Wissensarbeiter
▶en: Knowledge Worker ▶Wissensmanagement „Wer sich opportunistisch verhält, wird bestraft in dieser Organisation“ (Investmanbanker)
Der Begriff Wissensarbeit charakterisiert „Tätigkeiten (Kommunikation, Transaktion, Interaktion), die dadurch gekennzeichnet sind, dass das erforderliche Wissen nicht einmal im Leben durch Erfahrung, Initiation, Lehre, Fachausbildung oder Professionalisierung erworben und dann angewendet wird. … Wissensarbeit erfordert, dass das relevante Wissen (1) kontinuierlich revidiert, (2) permanent als verbesserungsfähig angesehen, (3) prinzipiell nicht als Wahrheit, sondern als Ressource betrachtet wird und (4) untrennbar mit Nichtwissen gekoppelt ist, so daß mit Wissensarbeit spezifische Risiken verbunden sind. Organisierte Wissensarbeit nutzt den Prozess des Organisierens, um Wissen zu einer Produktivkraft zu entfalten, die gegenwärtig dabei ist, die herkömmlichen Produktivkräfte (Land, Arbeit, Kapital) in ihrer Bedeutung zu überflügeln.“ [1]
Literatur
[1] Willke, H.: Systemisches Wissensmanagement. Stuttgart (Lucius & Lucius) 1998, S. 4f. [2] Pfiffner, M.; Stadelmann, P. (Hrsg.): Wissen wirksam machen. Wie Kopfarbeiter produktiv werden. 2., unveränderte Auflage. BernStuttgart-Wien (Haupt) 1999
W 1248
▶en: knowledge society ▶Wissensmanagement ▶Wissensarbeiter „Man weiß nie, was daraus wird, wenn die Dinge verändert werden. Aber weiß man denn, was daraus wird, wenn sie nicht verändert werden?“ (Elias Canetti)
Was die Wissensgesellschaft kennzeichnet ist die Tatsache, dass nicht ein Teilsystem (z. B. Schule oder Gesundheit) dominant ist, sondern dass alle gesellschaftlichen Funk tionssysteme in ihrer elementaren Operationsweise an eine Wissensbasierung gebunden sind, die sich in die Konstitution der jeweiligen Elemente einnistet und darin die ►Qualität der Elemente von Systemoperationen verändert [1]. Die so charakterisierte Gesellschaftsform einer Wissensgesellschaft existiert noch nicht, aber sie wirft – so H. Willke – ihre Schatten voraus. Willke expliziert Wissensgesellschaft wie folgt [2]: „Von einer Wissensgesellschaft oder einer wissensbasierten Gesellschaft lässt sich sprechen, wenn zum einen die Strukturen und Prozesse der materiellen und symbolischen Reproduktion einer Gesellschaft so von wissensabhängigen Operationen durchdrungen sind, daß Informationsverarbeitung, symbolische Analyse und Expertensysteme gegenüber anderen Faktoren der Reproduktion vorrangig werden. Eine entscheidende zusätzliche Voraussetzung der Wissensgesellschaft ist, dass Wissen und Expertise einem Prozess der kontinuierlichen Revision unterworfen sind und damit Innovationen zum alltäglichen Bestandteil der Wissensarbeit werden. … Nur die Computer, Bildschirme, Modems, Netzwerkrouter oder Satelli tenschüsseln, die sich ausbreiten wie selbstreplizierende und selbstrekombinante Tentakel einer globalen Krake, vermitteln uns einen sinnhaften Eindruck davon, dass irgendetwas vor sich geht, was wir vielleicht noch nicht ganz verstehen.“ Hieraus folgernd kann definitorisch festgehalten werden: Wenn alle Funktionsbereiche der Gesellschaft wissensabhängig und auf die Produktion von neuem Wissen angewiesen sind, sprechen wir von der im Augen blick noch im Entstehen begriffenen Wissensgesell schaft. Wissen ist von ent scheidender Bedeu tung für Aufbau, Struktur, Prozesse und Zielsetzung von Organisationen. Es (seine Qualität) bestimmt die Arbeitsweise und Interaktion