208 55 20MB
German Pages 292 Year 1999
Grundlagen des Identitätsorientierten Managements Von
Prof. Dr. Arnold Meyer-Faje
R.Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufoahme Meyer-Faje, Arnold: Grundlagen des identitätsorientierten Managements / von Arnold Meyer-Faje. - München ; Wien : Oldenbourg, 1999 ISBN 3-486-24994-0
© 1999 R. Oldenbourg Verlag Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: WB-Druck, Rieden ISBN 3-486-24994-0
VORWORT Die allgemeine Erosion von Sinn und Identität, sei es in bezug auf menschliche Lebensläufe, sei es in bezug auf Wertordnungen oder sei es in bezug auf Institutionen, macht vor der Unternehmung nicht halt. Sie geht mitten durch die Unternehmung hindurch. Ein neues Selbstverständnis der Unternehmung steht an. Nur so können die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte gemeistert werden. Die Thematik "Identitätsorientiertes Management" liegt gleichsam in der Luft, und es fehlt in der Literatur nicht an Ansätzen ökonomisch "effizienter" Identitäts- und Sinneinfädelung. Die vorliegende Arbeit unterscheidet sich von bisherigen Versuchen, die für die Unternehmung überlebenswichtige Problematik 'Sinn und Identität' in den Griff zu bekommen, in dreifacher Weise: 1.
Es geht hier nicht darum, zu ergründen, wie Sinn identifikatorisch hergestellt werden kann, sondern darum, wie sich Sinn für die "Mitglieder" der Unternehmung und durch die Mitglieder der Unternehmung für die Unternehmung in toto finden lassen kann. Das hat eine Neubestimmung aller wertorientierten Prozesse in der Unternehmung zur Folge.
2.
Ehe man sich an neue Rezepte wagt, bedarf es eines tiefgreifenden Bemühens um ein neues Selbstverständnis der Unternehmung. Ein solches Selbstverständnis muß als erstes ein theoretisches sein. Noch immer gilt die Einsicht von Leonardo da Vinci: "Wer sich der Praxis hingibt ohne Wissenschaft, ist wie der Steuermann, der ein Schiff ohne Ruder und Kompaß besteigt und nie weiß, wohin er fährt." Aber an welche Theorie kann sich die Unternehmung heute halten? Müssen sich doch Betriebswirtschaftslehre und Managementlehre selber dringlich die Sinnfrage stellen. Eine fundamentale Neubestimmung ökonomischer Prozesse und ökonomischer Verantwortlichkeiten tut not. Die vorliegende Arbeit wagt eine neue Grundlegung, soweit sie für identitätsorientierte Unternehmensführung unverzichtbar ist.
3.
Der vorliegende Ansatz erstrebt eine möglichst umfassende Perspektivität. Zwar nehmen in den letzten Jahrzehnten zunehmend
4
Vorwort
mehr Managementkonzepte "Ganzheitlichkeit" für sich in Anspruch, indem sie versuchen, möglichst alle Faktoren der Binnenund Außenwelt der Unternehmung, die erfolgsrelevant für sie sein könnten, als Systemelemente einzubeziehen oder, wie man manchmal sagt, zu integrieren. Eine sich derart verstehende Ganzheitlichkeit verfährt, wenn auch auf besonders fortschrittliche Weise, rein ökonomistisch. Annäherung an Ganzheitlichkeit läßt sich, und das ist entscheidend, nur aus einem Perspektivenwechsel um 180 Grad gewinnen. Die Unternehmung findet den Einstieg zu ganzheitlicherer systemischer Offenheit nur, indem sie gründlichst eruiert: o Wie sehen Binnenwelt (Mitarbeiter bis hin zum Grenzmitarbeiter) und Außenwelt (Umfeld der Unternehmung, umfassend als Lebenswelt verstanden) die Unternehmung? o Welche Kritik und welche Erwartungen werden von dort an die Unternehmung herangetragen? Solches Eruieren kann in praxi nur ein nie endender dialogischer und identifikatorischer Prozeß sein. Nur so läßt sich identifikatorisch ein Unternehmenssinn finden, der sich wirklich als gesellschaftliche Legitimation auszuweisen vermag, die Unternehmung und ihren ökonomischen Kern nicht leugnend, sondern umfassender und aktualisiert begründend. Durch das Bemühen um umfassende Sichtweisen erhält die vorliegende Untersuchung eine Fülle interdisziplinärer Bezüge. Ich stand dabei einerseits vor der Notwendigkeit, solche Bezüge anzusprechen und ihre jeweils grundsätzliche Bedeutung auch analytisch anzugehen, andererseits mußte ich mich in der "Elaborierung" möglichst stets soweit zurücknehmen, daß mein Anliegen, einen Beitrag zur Managementlehre vorzulegen, dem Leser wahrnehmbar und glaubhaft werden kann. Man wird neben philosophischen, soziologischen und psychologischen Perspektiven vor allem - und das ausbaufähig in Hinblick auf identifikatorische Kompetenz - wirtschaftsethische und berufs/betriebspädagogische Bezugspunkte finden, die der Vertiefung bedürften. Das Konzept "Identitätsorientiertes Management" eröffnet ein sehr weites Forschungsfeld, auf dem es viel zu tun gibt, und ich möchte, wie einst Dr. Samuel Johnson, dem berühmten Verfasser des Dictionary
Vorwort
5
(1755), in seiner Vorrede in meinem Vorwort den Leser um Nachsicht bitten: "In this work, when it shall be found that much is omitted, let it not be forgotten that much likewise is performed." Daß die Arbeit nach langer Vorarbeit in der vorliegenden Fassung zustande kommen konnte, verdanke ich in erster Linie den vielen fachlichen Gesprächen, in denen ich mich in den letzten Jahren mit meinem Kollegen, PD Dr. Helmut Woll (Universität Oldenburg) austauschen durfte. Dieser kontinuierliche Diskurs hat auch mein Durchhaltevermögen gestärkt. Dr. Woll und Professor Horst Sackstetter (Fachhochschule Pforzheim) haben mich außerdem durch ihr konstruktives Korrekturlesen in der Endphase unterstützt. Die Hochschule Bremerhaven hat das Forschungsvorhaben stets verständnisvoll gefördert. Besonderer Dank gilt dem einstigen Rektor der Hochschule, Prof. Dr. Helmut Scheibe, und dem derzeitigen Amtsinhaber, Prof. Dr.-Ing. Hans-Albert Kurzhals. Es ist Frau Bärbel Kliesch, Bremen, ihrem Engagement, ihrer EDVSensibilität und ihrem graphischen Gespür zu verdanken, daß eine gediegene Niederschrift zustande kam, die außerdem auch den Kriterien einer Druckvorlage standhalten kann. Nicht zuletzt danke ich Frau Aase Voss in Dänemark. Ohne die Arbeitsklausuren in ihrem wunderschönen sommerhuset direkt am Kattegatt, unweit von Gilleleje, hätte ich nicht den freien Blick, den freien Raum und die freie Zeit gefunden, die man für ein kreatives Schaffen benötigt.
Arnold Meyer-Faje
Sinn-Statements
O Die Erde ist dann klein geworden und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der alles klein macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten. "Wir haben das Glück erfunden" - sagen die letzten Menschen und blinzeln. Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Krank werden und Mißtrauen haben, gilt ihnen als sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Tor, der noch über Steine und Menschen stolpert! Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben. Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt, daß die Unterhaltung nicht angreife. Man wird nicht mehr arm und reich: beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich. "Wir haben das Glück erfunden" sagen die letzten Menschen und blinzeln.
F. Nietzsche, "Also sprach Zarathustra", 1883.
8
Sinn-Statements
Und wenn man dann jahrzehntelang unter dem Erfolgszwang der erbarmungslosen Ausleseprinzipien der Wirtschaft gestanden hat, kommt eben einmal unfehlbar der Tag, an dem man sich zu fragen beginnt: Wozu das alles? -
-
-
-
Konnte es Sinn meines Lebens gewesen sein, den Marktanteil von Meister Propper gegenüber dem Weißen Riesen um 5 % zu erhöhen? Konnte es Sinn meines Lebens gewesen sein, dem Konsumenten beizubringen, auch im Winter Glacé essen zu müssen? Konnte es Sinn meines Lebens gewesen sein, mich als Werbeberater wie ein Strichjunge zu benehmen und mich gegen Geld für jeden und jedes zu verkaufen? Konnte es Sinn meines Lebens gewesen sein, dafür zu sorgen, daß meine Aktionäre eine immer höhere Dividende erhalten? Konnte es Sinn meines Lebens gewesen sein, alle meine Intelligenz dafür einzusetzen, um die Pro-Kopf-Leistung meiner Arbeiter ständig zu erhöhen? Konnte es Sinne meines Lebens gewesen sein, den Konsumenten zu überzeugen, daß Waschmittel mit farbigen Körnchen besser sind als solche ohne, daß Zahnpaste mit einem roten Strich in der Mitte bessere sein muß, daß farbiges WC-Papier das Wohlbefinden erhöhe, daß es das menschliche Zusammenleben erleichtere, wenn man einander dank Spray nicht mehr riechen kann, daß es sinnvoller sei, sich mit leichten Zigaretten umzubringen als mit starken?
Und habe ich nicht all dies derart wichtig genommen, daß ich meine Gesundheit dafür aufs Spiel gesetzt habe, meine Kinder vernachlässigt habe, keine sozialen Beziehungen mehr habe, keine Freude mehr an einer Blume, am Vogelzwitschern, an einem Sommermorgen, an einem Herbststurm habe? H. A. Pestalozzi "Nach uns die Zukunft", 1979.
Inhaltsverzeichnis EINFÜHRUNG
13
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
13
1.1 Der Untersuchungsgang im Überblick
13
1.2 Phänomenologie als erkenntnisleitende Methode
25
1.3 Die Ausgangslage 1.3.1 Megatrends ökonomischer Herausforderung 1.3.2 Ein erodierendes Sinnumfeld 1.3.3 Descartes'Erbe
27 27 32 41
ERSTER
HAUPTTEIL
52
Die institutionale Sinnfrage als Ellipse
52
2. Der Sinnfokus Person
52
2.1 Personale identifikatorische Prozesse als ontologische Selbstpositionierung
52
2.2 Soziale Identität zugleich soziogenetischer Beitrag und personales Interferenzergebnis
67
3. Der Sinnfokus Institution
77
3.1 Institutionale Identität als gesellschaftliche Legitimierung
77
3.2 Schneisen durch den soziologischen und philosophischen Paradigmendschungel
79
3.3 Person und Institution als Sinneinheit 4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
102 107
4.1 Erblasten ökonomischen Denkens
107
4.2 Die legitimatorische Neubestimmung der Unternehmung
110
4.3 Personale Identität als Agens für Unternehmensidentität
127
10
Inhaltsverzeichnis
ZW E I T E R
HAUPTTEIL
133
Die managerielle Einstiegsleistung: Rethinking first
133
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
133
5.1 Die Prüfkriterien
133
5.2 Die Kandidaten 5.2.1 Management by Objectives 5.2.2 St. Galler Systemdenken 5.2.3 Total Quality Management 5.2.4 Lean Management
134 13 5 140 159 174
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
185
6.1 Neue Gestaltungsparameter wagen
185
6.2 Die Zielfunktion der Unternehmung
190
6.3 Die personalen Parameter identifikatorischer Kompetenz 6.3.1 Handlungskompetenz 6.3 .2 Moralische Kompetenz 6.3.3 Soziale Kompetenz 6.3.4 Neotenische Kompetenz 6.3.5 Selbstüberschreitungskompetenz
194 200 205 210 213 216
6.4 Die organisatorischen Strukturdimensionen: Instrument, System, Sinn
219
6.5 Das konkreative Er-Eignis
225
7. Identifikatorische Interferenzen
230
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt
234
11
Inhaltsverzeichnis
RÜCKBLICK 9. Zusammenfassung
UND
AUSBLICK
244 244
10. Unwägbarkeiten
252
Abbildungen
256
Literaturverzeichnis
258
Personenregister
284
Sachregister
287
EINFÜHRUNG 1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage 1.1
Der Untersuchungsgang im Überblick
Wir leben in einem aufregenden Zeitalter. Völlig neue technische, politische, wirtschaftliche und kulturelle Horizonte tun sich auf. Bewährte Wahrnehmungs- und Denkmuster greifen nicht mehr, altehrwürdige Einbindungen von Personen und Institutionen in einen allgemein gültigen lebendigen Wertekonsens werden zunehmend devaluiert. Zumindest in den westlichen Industrieländern verbreitet sich Orientierungslosigkeit. Immer hilfloser stehen Personen und Institutionen vor den Fragen des Warum? Wozu? Wohin? Von der Frage des Woher ganz zu schweigen. Aktionismus nach der Art des Äsopschen Frosches, der in die Sahne fiel, durch optimistisches Strampeln ein Buttersprungbrett erzeugte und somit überlebte, beherrscht die Oberfläche. Die Unternehmung kann als Musterbeispiel eines solchen optimistischen, aber sinnentleerten Aktionismus gelten. Man nehme nur die neueren Managementkonzepte unter die Lupe: -
alles lean. und was dann? alles ISO-9000 zertifiziert: Total Quality oder nur Total Audit? alles System: und wo bleibt der Mensch?
Mein Beitrag bemüht sich, für die Unternehmung innerhalb einer Sinn erodierenden Umwelt die Sinnfrage neu zu stellen und einen Weg aufzuzeigen, der über bloßen Aktionismus hinausführt. Hierzu ist es erforderlich, weit umfassender vorzugehen, als es bei einem Beitrag, der sich für die Unternehmung engagiert, üblich ist. Mag der Denker in Schubladen daran Anstoß nehmen. Zwei grundlegende disziplinäre Grenzmißachtungen sind unerläßlich:
14
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
Erstens läßt sich die Sinnfrage für die Unternehmung nur stellen, wenn wir deren Umfeld - und die Unternehmung mitten darin - in ihrer lebensweltlichen Ganzheit sehen. Wir haben dabei zu berücksichtigen, daß Lebenswelt und Wirtschaft einerseits auseinanderdriften, andererseits solches Auseinanderdriften aber geistesgeschichtlich eine gemeinsame Wurzel hat. Zweitens, und hier greife ich meiner phänomenologischen Vorgehensweise vor, läßt sich die Sinnfrage der Unternehmung nur von den Fesseln des ökonomistischen Reduktionismus befreien, wenn wir die Überlebensfrage Unternehmung wozu? in Verbindung bringen mit der Frage: Menschsein wozu? Ich sehe darin nicht, wie wissenschaftlich üblich, "zwei Paar Schuhe", sondern Identitäts- und Sinnfragen, die einheitlicher Fokussierung bedürfen. Die Unternehmung ist eine historische Kategorie, von Menschen, einer übergeordneten Kategorie, erdacht und veranstaltet. Sie muß sich vor Menschen und durch Menschen legitimieren. Daraus ergeben sich ein Außen- und ein Binnenaspekt. Nach außen erhält eine Unternehmung nur soweit Sinn, wie ihre Leistungen Sinn machen, also nachgefragt werden. Dieser Aspekt scheint unbestritten, doch muß, was Markt und Gesellschaft als Leistung erwarten, durchaus immer wieder neu definiert werden. Nach innen erhält eine Unternehmung Sinn, wenn die in ihr tätigen Menschen, und zwar alle Mitglieder der Unternehmung, Sinn in sie hineinlegen können. Dieses ist ein logischer Schluß. Jedoch die tradierten Verhältnisse, sie sind nicht so. Sinn wird allermeist hierarchisch vorgegeben und meint den Sinn der Unternehmung bzw. der Sinn setzenden Unternehmenshierarchie. Bevor ich einen Überblick über den Gedankengang der Untersuchung gebe, gehe ich kurz auf das der Vorgehensweise zugrunde liegende Menschenbild ein und erläutere einige tragende Begriffe. Die Sinnfrage umfassend zu stellen, kann nur gelingen, wenn die Frage nach dem Menschen umfassend gestellt wird. Daß die Ökonomen meist ein stark reduziertes Menschenbild haben, ist keine so große Besonderheit, wie es scheinen mag. Dank der cartesianischen Subjektspaltung in Geist und Körper vor drei Jahrhunderten haben die Wissenschaften, voran die Naturwissenschaften, eindrucksvoll positivistisch bewiesen,
1. Die Identitatsfrage als Sinnfrage
15
welchen Fortschritt reduzierte Menschenbilder in Gang zu setzen vermögen. Wir legen dem entgegen unseren Überlegungen ein Menschenbild zugrunde, das den Menschen als individuales Zusammenwirken von Körper, Psyche (Seele) und Geist sieht, wobei es die geistige Dimension, "die Trotzmacht des Geistes" (Frankl), ist, die dem Menschen Autonomie schenkt und damit auch die Fähigkeit zu moralischer Verantwortung. In meinem Untersuchungsgang wird man deshalb die dementsprechenden apriorischen Bezugspunkte für die Philosophie in Arbeiten von Martin Heidegger und Heinrich Rombach, für die Psychologie in Arbeiten von Viktor E. Frankl und Walter Herzog, für die Soziologie in Arbeiten von Max Weber und für die Ökonomie, last but not least, in Arbeiten von Helmut Woll finden. Leitbegriffe Zum Verständnis der Leitbegriffe können Abb. 1, 2 und 3 hilfreich sein. Als Leitbegriffe werden zugrunde gelegt: o Person o Unternehmung als Institution o Sinn der Person o Sinn der Unternehmung als Legitimation o Identität/Identifikation - personal - sozial - institutional Die Gesellschaft als die umhüllende und zugleich auf Personen und Institutionen einwirkende und sich zunehmend global "mischende" Lebenswelt ist dabei stets mit zu bedenken.
16
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
Abb. 1
Person -
Unternehmung
P E R S ON
UNTERNEHMUNG siehe Abb. 2
Die Person ein autonomes Eigenwesen
Die Unternehmung ein technisch-ökonomisch-soziales System als fiktives Eigenwesen ein Netzwerk von Menschen
Sinnfrage
Menschsein wozu? Ursprüngliche Finalität
Unternehmung wozu? Derivative Finalität
Sinnfindungsprozeß ontologisch
Identifikation
Sinnbewußtsein
Identität
Risiko
geistig psychisch
Iegitimatorisch
materiell: rote Zahlen, Konkurs, Verlust der Selbständigkeit
Die Person habe ich soeben als autonomes Eigenwesen definiert. Die Unternehmung stellt man sich ebenfalls üblicherweise als Eigenwesen vor, nämlich verdinglicht, wie zum Beispiel vom Fertigungsbereich her organisatorisch weitergedacht, aber auch abstrakt, wie zum Beispiel von der Rechtsform her die Unternehmung als juristische Person betrachtet. Es gibt eine Fülle alltäglicher Situationen und gesellschaftliche Fragestellungen allgemeiner Art, wo diese Fiktion zweckmäßig ist und auch nicht zur Disposition zu stehen braucht. Doch geht man von der Sinn-
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
17
frage sowie den Leitungs- und Handlungsfunktionen aus, so entbirgt sich hinter dem institutionalen Schleier das entscheidende konstitutive Merkmal: Die Unternehmung stellt ein Netzwerk von Menschen dar, die sich unter einer bestimmten Zwecksetzung als Leistungskooperation zusammenfinden. Abb. 2
Die Unternehmung: ein Netzwerk von Menschen
Die Sinnfrage stellt sich als "Menschsein wozu?" Sie ist von ursprünglicher Finalität, mit anderen Worten, sie bedeutet für jeden Einzelnen den letzten Grund, aus dem er lebt, und jeder Einzelne muß diesen Grund für sich allein denkend und handelnd finden. Auch die Frage "Unternehmung wozu?" muß sich jede Unternehmung als einzelne stellen. Doch während die Sinnfrage des Menschen ontologischer Natur ist, so daß hier Philosophen und Psychologen, aber auch Theologen ihren Forschungsbereich finden, ohne damit dem Einzelnen die Sinnfrage abnehmen zu können, ist die Sinnfrage der Unternehmung abgeleiteter Natur: auf eine recht konkrete, nicht nur quantifizierbare, sondern auch kausal begründbare Weise, sowie Vertrauens vor schuß schaf-
18
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
fend, muß sich die Unternehmung tagtäglich neu legitimieren. Die Sinnfrage der Unternehmung ist also eine Legitimationsfrage. Hinsichtlich der spezifischen Risiken gelten demnach unterschiedliche Konsequenzen. Der "Sinnkonkurs" eines Menschen muß keineswegs immer, der materielle Konkurs der Unternehmung dagegen stets im unerbittlichen exitus enden. Betrachten wir die Sinnfrage als Suchprozeß, so sprechen wir von Identifikation bzw. Selbstidentifikation. Das Sinnbewußtsein bezeichnen wir als Identität. Abb. 2 veranschaulicht, daß wir von personaler Identität sprechen, stets die sozialen Interferenzen sehen müssen, die zugleich soziale und personale Identität beeinflussen. Gemäß unserer Autonomieprämisse bleibt indessen das Subjekt selbsteinsichtiger ,4/cf/vposten: es entwickelt einerseits seine unverwechselbare personale Identität dank sozialer Interferenzen und formt zugleich mit seine soziale Identität aus. Rollenzwänge mögen das erschweren, doch sind soziale Rollen und soziale Identität zweierlei. Institutionale Identität ist nach meiner Auffassung nichts anderes als das Bewußtsein sinnorientierten Zusammenwirkens von Menschen zu einem auf Dauer organisierten Zweck, also die Resultante von sozialer Identitätsfähigkeit und somit schlußendlich der Vernetzung personaler Identitäten. Untersuchungsgang Einleitend gehe ich auf die erkenntnisleitende Methode der Phänomenologie ein und gebe anschließend einen Überblick der die Thematik umhüllenden Ausgangslage. Als phänomenologische Methode wird hier eine Vorgehensweise verstanden, die historisch entstandene Alltagsgegebenheiten (Heidegger), aber auch zum Paradigma erstarrte "wissenschaftliche Diskurse" (Foucault) verstehend interpretiert, in einen lebensweltlichen Kontext stellt (Husserl) und die Reduktion auf einen verschütteten Ursprung versucht, von dem her eine aktuelle Neubestimmung möglich ist. Rombach sagt höchst treffend, es gehe darum, sich in den inneren Bau der Sachen hineinzuarbeiten. Heidegger formuliert es ähnlich: es geht darum, die "innere Möglichkeit" eines Untersuchungsobjekts zu begreifen.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
Abb. 3 Arten von Identität a) Personale Identität
b) Soziale Identität
s _ ^ c) Institutionale Identität
19
20
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
Die "Lebenswelt" der Unternehmung stellt mit ihren Herausforderungen völlig neuer Art, die eine Diskontinuität (Giddens) der Entwicklung signalisieren, zwar nur eine "Teilwelt" dar, doch die sich stellenden existentiellen Fragen wirken in die Lebenswelt in toto hinein. Wenn wir dann im darauf folgenden Abschnitt die "allgemeine" Sinnerosion skizzieren, von der die Unternehmung als offenes System ja nicht abgeschottet ist, so ergibt sich eine Problemliste, die mit den herkömmlichen betriebswirtschaftlichen und manageriellen Denkweisen nicht einmal in extenso wahrgenommen, geschweige denn abgearbeitet werden kann. Der die Einleitung abschließende Rekurs auf Descartes soll verdeutlichen, daß wir alle, zumal moderne Lebenswelt und Wissenschaft sich nicht voneinander abnabeln lassen, Erben Descartes 1 sind. Eben jenes Denken, das uns den "Fortschritt" gebracht hat, hat uns zugleich die sich akkumulierenden Probleme eingebracht, die nur zu lösen sind, wenn wir die ausgetretenen Pfade eben jenes mechanistischen Denkens sowohl mit "vergessenen" als auch mit neuen Denkpfaden verknüpfen. Der erste Hauptabschnitt, in dem wir die zwei Sinnzentren Person und Institution zunächst in ihrer Eigengesetzlichkeit und sodann in ihrer Relation zueinander darstellen, läßt sich von der Systematik her bildhaft als Ellipse vorstellen. Personale identifikatorische Prozesse müssen von der Sinnfrage her anders betrachtet werden als aus der üblichen sozialwissenschaftlichen Perspektive. Integrativ entwickelt sich soziale Identität zwar zwangsläufig über die soziale Vernetzung und die angeborene Sozialbedürftigkeit des Menschen, doch bleibt, was die Soziologie außer Betracht läßt, bei Zugrundelegen personaler geistiger Autonomie stets ein personaler Autonomieüberschuß. Einfacher ausgedrückt, für den Einzelnen besteht die Möglichkeit, an der Ausformung seiner sozialen Identität mitzuwirken. Beim Sinnfokus Institution läßt sich deshalb nicht schnell zur Sache kommen, weil Soziologie und Philosophie dieses Konstrukt derart mystifiziert haben, daß wenigstens einige der Hauptlehrmeinungen zu überprüfen sind. Es lassen sich soziologisch drei Hauptrichtungen unterscheiden: -
eine Richtung, die wie zuletzt bei Gehlen, Institutionen stark biologisch orientiert ("Organersatz") begründet.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
21
-
eine Richtung, die wie bei Dürkheim, nur über Institutionen eine gesellschaftliche Konformitätsbildung (Gewissensersatz) erreichbar sieht.
-
eine Richtung, in der, wie bei Max Weber, personale Autonomie eine entscheidende Kontextvariable darstellt.
Die beiden ersten Richtungen sind streng deterministisch. Max Weber dagegen sieht den Institutionen Ordnungen vorgelagert. Der Einzelne wirkt bei der Gestaltung von Ordnungen mit und trägt mit die Verantwortung für die Gestaltung der Institutionen, im Einklang mit der Ordnung. Von der Philosophie her eine "Phänomenologische Soziologie" entwickelnd, argumentiert Rombach ähnlich. Auch hier ist die soziale Verantwortung des sinngeleiteten Einzelnen der ausschlaggebende Aktionsparamet er. Auch hier geht Ordnung den Institutionen voraus, und diese stehen unter Legitimationszwang. Unser philosophischer Streifzug erweitert die Einsicht in Institutionen um einen wesentlichen, zumeist totgeschwiegenen Aspekt. Foucault belegt empirisch, was schon Max Weber gefolgert hat: daß Institutionen nur zutreffend entschlüsselt werden können, wenn man die in ihnen abgesicherten Herrschaftsintentionen hinterfragt. Alles in allem wichtige Erhellungen, um im vierten Kapitel gezielter vom Allgemeinen zur Sinneinheit von personaler Identität und Unternehmensidentität überzugehen. Wir überprüfen beim Übergang zur Unternehmung zunächst die Erblasten einseitiger Denkverzerrungen in Richtung homo oeconomicus, über die auch die neuere Institutionenökonomik nicht hinauszugelangen vermag, und entwerfen dann einen Orientierungsrahmen, von dem wir überzeugt sind, daß er für die Unternehmung zur Neubestimmung ihrer Legitimation und ihrer kontinuierlichen legitimatorisch-identifikatorischen Prozesse von Nutzen sein kann. Der Rahmen -
berücksichtigt im Sinne von Adam Smith die politökonomische Bedeutung der Unternehmung.
-
weist auf die Interdependenz des immateriellen, materiellen und humanen Leistungspotentials hin und auf die Steuerungsfunktion durch die interaktive und identifikatorische Verschränkung der Unternehmensmitglieder.
22
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
-
hilft der Integration in eine vorgegebene Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gewahr zu werden und regt an - die gesellschaftliche Bedeutung des ökonomischen Erfolgs der Unternehmung sowie - die übergeordnete Erwartungshaltung der Gesellschaft hinsichtlich interner und externer Verantwortung neu zu bedenken. Zur Neubestimmung der internen Legitimation würde ein radikales Umdenken hinsichtlich der hierarchisch verkürzten betrieblichen Willensbildung gehören. Je näher man zur Basis, und erst recht, wenn man zur Basis selbst, dem "Produktionsfaktor Arbeit", gelangt, desto geringer werden die Sinnfindungschancen in der betrieblichen Arbeitswelt, die für das Mitglied, schon rein zeitlich betrachtet, die Hauptwirkungsstätte seines Lebens bildet. Nähme man Sinnfindung in gesellschaftlicher Verantwortung ernst, d.h. würde man, wie es bei Großunternehmen immerhin nicht selten für höhere Führungskräfte und wertvolle Spezialisten der Fall ist, allen Mitgliedern Identifikationschancen bieten, so würde sich, falls man nicht nur einen halben Schritt wagt, die soziale Funktionalität der Unternehmung alsbald grundlegend ändern. Unter einem halben Schritt verstehe ich modellhafte Alibispielchen mit begrenzter Reichweite. Unter dem ganzen Schritt ist das saubere Zuendedenken selbstidentifikatorischer Prozesse, verbunden mit dem Mut zu dementsprechenden Konsequenzen zu verstehen. Es bliebe dann nichts anders übrig, als alle Mitglieder der Unternehmung in den kontinuierlichen Legitimationsprozeß einzubinden. Durch ein solches Zusammenwirken ist, um mit Rombach zu sprechen, ein konkreativer Sprung im Selbstverständnis und im Leistungspotential der Unternehmung zu erwarten. Erst dann würde Unternehmensidentität einen selbstbestimmten, sich ständig up to date haltenden Prozeß widerspiegeln. Im zweiten Hauptteil beschäftigen wir uns mit der Umsetzung in die Praxis. Zunächst werden wir einige Managementkonzepte (MBO, St. Galler Systemdenken, Total Quality Management, Lean Management) darauf überprüfen, inwieweit sie wertvolle Ansätze bzw. Anknüpfungspunkte für ein identitätsorientiertes Management enthalten könnten. Zusammenfassend läßt sich hier wohl eine "Syndromahnung" erkennen, und man trifft auf eine Reihe nützlicher "Bausteine", aber auf keinen sytemischen Ansatz, der die Enge der tradierten Institutionenauffassung durchbricht. St. Gallen bietet ein wissenschaftlich hochinteressantes, weil elastisches Leergerüst, die anderen überprüften Konzepte erschöpfen sich im Instrumentalen.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
23
In meinem Beitrag ist schon deshalb die instrumentale Seite eines identitätsorientierten Managements nicht abzuhandeln, weil ein instrumentales Denken wie gehabt alsbald auch nur in eine Sackgasse führen würde, allenfalls in eine "modernere/postmodernere".
Identifikatorische Prozesse können nur impulsiert und gefördert werden. Gemacht müssen sie von den Betroffenen selbst
werden.
Sich vom Machen ins Fördern zurückzunehmen, erfordert grundlegende Wandlungsprozesse in den Köpfen des Management. Umdenken tut not. Die Umdenkungsprozesse hätten sich auf die ineinander verschränkten Eckparameter Ziele Identifikatorische
Organisations-
Kompetenz
strukturen
zu richten. Identifikatorische Kompetenz, die teilweise bei den Mitgliedern der Unternehmung verschüttet ist, ergibt sich aus dem Zusammenwirken von Handlungskompetenz, moralischer Kompetenz, sozialer Kompetenz, neotenischer Kompetenz und Selbstüberschreitungskompetenz. Die praktische Nagelprobe wird es, wie erwähnt, sein, ob die Unternehmung bereit ist, identifikatorische Kompetenz und gemeinsame Zielbestimmung auf breitester Basis zusammenzuführen. Auch ein Umdenken, weniger in der Konfiguration als im Verständnis von Organisationsstrukturen, ist unerläßlich. In einer effektiven betrieblichen Organisation gibt es keinen Gegensatz zwischen instrumentalen, funktionalen und sinnbegründeten Erfordernissen. Der neue Manager geht dem neuen Mitarbeiter voraus. Zunächst gilt es für den neuen Manager, bei der Entwicklung von identifikatorischer Kompetenz bei sich selber anzufangen. Wie weit dann der Förderungsprozeß gelingt, wird davon abhängen, ob er es schafft, bisher weniger gefragte Qualitäten zu entfalten, wie Loslassen können, Solidarität, "Entdeckung der Langsamkeit", Verständnis für die Eigengesetzlichkeit identifikatorischer Prozesse; innerhalb eines identifikatorischen Prozes-
24
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
ses verändern sich die Menschen, die in ihm stehen. Die Mitglieder der Unternehmung würden gleichsam "zu fließenden Variablen". So weit, so idealistisch? Hier wird vorerst ein logisch schlüssiges Konzept entwickelt. Wie bei jedem anderen Managementkonzept ergeben sich bei der Übertragung in die Praxis situations- und unternehmensbiographisch bedingt nur Annäherungen. Solches zu bedenken wäre Aufgabe der Unternehmensberatung. Sehr wohl zu bedenken im Gedankenexperiment ist aber, ob der hier vorgelegte Entwurf davon ausgeht, bei der Umsetzung sei zu erwarten, alle Mitglieder der Unternehmung würden sich nun darin überbieten, ihre Sinnorientierung, freiwillig kooperativ abgestimmt auf das Große, Ganze neunzig- bis hundertprozentig in die übergeordnete Sinnfindung einzubringen. Das zu unterstellen wäre vermessen normativ. Jeder Mensch hat als Individualität das Recht, selber zu befinden, wo und wie intensiv er sich identifikatorisch einbringt. Auch welche Rollenkonflikte sich ihm in den Weg stellen könnten, ist nicht unerheblich. Entscheidend aber scheint mir, daß die Unternehmung jedem ihrer Mitglieder die innere Möglichkeit bietet, sich nicht nur als Teilpersönlichkeit einzubringen. Diese weitestgehend eröffnete und geförderte Möglichkeit würde mit Sicherheit so hinreichend wahrgenommen werden, daß der erste Schritt, die legitimatorische Not der Unternehmung zu wenden, in Gang käme. Die Untersuchung schließt mit einem zusammenfassenden Rückblick und mit einem Ausblick. Ich habe dieser Arbeit zwei Sinn-Statements vorangestellt. Die Statements sollen provozieren. Nietzsches Typologie des dem Sinn verlustig gewordenen Endzeitmenschen - in der wir unschwer einiges Aktuelle treffsicher erkennen können - nutzt nur dann, wenn jeder Mensch im Rahmen seiner Möglichkeiten alles tut, damit jenes Zerrbild nicht in nicht allzu ferner Zukunft zu allgemeiner anthropologischer Gültigkeit gelange. Deshalb veranschaulichen die Bekenntnisse des Aussteigers H. Pestalozzi vielleicht eine schöne Gesinnung, doch die Lösung kann nicht aussteigen, sondern nur "sich der Sinnfrage in der Unternehmung stellen" heißen.
25
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
1.2
Phänomenologie
als erkenntnisleitende
Methode
Wir thematisieren mit Frankl das Identitätsproblem als existentielles Sinnfindungsproblem der Einzelperson, ohne dabei deren unaufhebbare soziale Verschränktheit außer Betracht zu lassen. Existentiell kann ein solcher Prozeß individualer Sinnsuche aber nur "Sinn machen", wenn das Individuum allen realen Beschränkungen zum Trotz über geistige Autonomie und damit sittliche Verantwortungskompetenz verfügt, und sei es in Grenzsituationen auch nur eine Restautonomie geistiger Einstellung. Andernfalls könnten wir das "Herstellen von Identität" den Behavioristen und das Beheben von "Identitätsstörungen" den Psychoanalytikern überlassen. Wir legen also ein Menschenbild zugrunde, das den Menschen als unabtrennbaren Wirkungszusammenhang von Leib, Psyche und Geist zu verstehen bemüht ist. Wenn wir uns von hierher in einzel- und zwischenmenschliche Identifikationsprozesse einarbeiten, gelangen wir, bereits über Frankl, inhaltlich zu phänomenologisch orientierten Richtungen der Ontologie. Ontologen wie N. Hartmann, M. Scheler, M. Heidegger und H. Rombach nehmen die humane Dreidimensionalität zum Ausgangspunkt und haben Bahnbrechendes zur Einkreisung der Identitätsthematik geleistet. Zugleich haben sie überzeugend demonstriert, daß methodisch die phänomenologische Vorgehensweise bisher als einzige geeignet ist, der wesenhaften Eigengesetzlichkeit von ldentifikatorischen Prozessen gerecht zu werden. 1 Wir begnügen uns hier mit einer Kurzkennzeichnung: denn, um einen Satz Heideggers abzuwandeln, wir handeln nicht von der Phänomenologie, sondern verifizieren sie, indem wir phänomenologisch vorgehen. Es kann hier nur darum gehen, einige Orientierungspflöcke einzuschlagen. (1) Die phänomenologische Methode nähert sich möglichst voraussetzungslos dem Erkenntnisobjekt. Sie versucht dabei, nicht nur subjektiv emotionale und normativ rationalisierte Attitüden, sondern auch intersubjektiv verbreitete Psaadigmengläubigkeit auszuklammern. Nur über eine derartige phänomeno-logische Reduktion Rombach, H.: Phänomenologie des gegenwärtigen Bewußtseins, Freiburg 1980: 7. Die umfassendste Einführung bietet Spiegelberg, H.: The Phenomenological Movement, 3. Aufl., Dordrecht 1994.
1. Die Identitatsfrage als Sinnfrage
26
erscheint es aussichtsreich, daß die Frage "Unternehmung wozu?" im 4. Kapitel zu einer wirklichen Basisfrage geraten kann. (2) Die phänomenologische Methode sieht ihr Untersuchungsobjekt umfassend integriert in seine Lebenswelt (Husserl). Sinn ist dabei die entscheidende Kontextvariable und häufig auch der Strukturparameter (Rombach) der Lebenswelt. (3) Der phänomenologischen Methode geht es nicht primär um das Erfassen von funktional-instrumentalen Nützlichkeiten, sondern um die logische Reduktion realer Phänomene auf ihren Wesenskern, wie es in der Ökonomie mittels dieser Methode "idealtypisch" M. Weber und W. Eucken mit ihrem Denken "in Ordnungen" sowie in der Soziologie Schütz mit seinen "Verweisungsstrukturen" glänzend gemeistert haben. (4) Die Vorgehensweise des Betrachtens, Beschreibens, Vergleichens, Interpretierens und Verstehens, verbunden mit der Sensibilität für historische Prozesse, gewährleistet, daß der höchst komplexe und meist qualitativ multiheterogene Lebenszusammenhang in Forschungserkenntnissen eher eingeholt werden kann als mittels rein quantitative und reduktive Apriori setzender Methoden. Die Berücksichtigung methodischer Postulate, wie durch Schütz: 1. 2. 3. 4.
Postulat Postulat Postulat Postulat
der der der der
Relevanz Adäquanz logischen Konsistenz Übereinstimmung
baut einem Verharren in "intuitiver Wesenschau" oder narrativer Willkür als Forschungsergebnis vor. 2 Ich wage mit meiner methodisch phänomenologischen Anlehnung nicht nur einen Brückenschlag zur Philosophie, sondern knüpfe damit zugleich an eine verschüttete Tradition in der ökonomischen Theorie an. Karl Brandt hat die Vielfalt phänomenologischer Ansätze der Volkswirtschaftslehre in der jüngeren historischen Schule und in der Zeit
Siehe hierzu Schütz, A.: Gesammelte Aufsätze 1. Das Problem der Wirklichkeit, Den Haag 1971; ferner Morel. J. u. a.: Soziologische Theorie, 2. Aufl., München 1992, 4. Kapitel.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
27
zwischen den beiden Weltkriegen ausführlich gewürdigt. 3 Mit Max Weber entfaltet sich eine doppelte soziologische Ausweitung, die nicht nur in seiner "verstehenden" Soziologie, sondern wohl noch stärker in dem Impuls begründet ist, den Alfred Schütz in seinem soziologischen Bemühen um Sinnverstehen Weber verdankt. Von der ontologischen Philosophie her hat neuerdings Heinrich Rombach den Brückenschlag zur phänomenologischen Soziologie gewagt. Für den Ökonomen bietet Rombachs "Phänomenologie des sozialen Lebens" (1994) schon deshalb ein wahrnehmungserweiterndes Entree in phänomenologische Denkweisen, weil für ihn die Ordnungen, voran "die Ordnung von Arbeit und Beruf' und "die Ordnung der Wirtschaft", die Grundphänomene der Lebenswelt darstellen. Nur über das Ordnungsdenken legitimieren sich Institutionen als Sinngebilde mit ordnungsregulativer Funktion. Der sich selbst genügende Systembegriff, im allgemeinen Sprachgebrauch häufig für Ordnung und Institution synonym verwendet, verschleiert die sinnhafte Normativfunktion von Ordnungen. 4
1.3
Die A usgangslage
1.3.1 Megatrends ökonomischer
Herausforderung
Die Megatrends, welche in ihrem multidivergenten Zusammenwirken das Herausforderungsszenario der Unternehmung bestimmen, können, da schon längst zum Medienthema avanciert, als zumindest schlagwortartig bekannt vorausgesetzt werden. 5 Abb. 3 legt nicht Wert auf VollBrandt, K.: Geschichte der deutschen Volkswirtschaftslehre, Bd. 2, Freiburg 1993, 3. und 5. Kapitel. Man beachte ebendort (408) den wichtigen Hinweis auf den "phänomenologischen Einschlag" in der Ordnungstheorie Euckens. Vgl. Dubiel, H., Stichwort "Institution" im Historischen Wörterbuch der Philosophie, Darmstadt 1976, Bd. 4: 418 - 424; ferner von Weizsäcker, C. Ch., Stichwort "Wirtschaftsordnung und Unternehmung" im Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. Teilbd. 3, 5. Aufl., Stuttgart 1993: 4721 4733. Vgl. Naisbitt, J.: Megatrends - Ten New Directions Transforming Our Lives, 2. Aufl., New York 1984. Vgl. auch Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt a. M. 1991, Abschn. 1.4. Ferner Beck, U., Was ist Globalisierung? 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1997, Giddens, A.: Jenseits von Links und Rechts, Frankfurt a. M. 1997 (b).
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
28
ständigkeit, sondern auf Veranschaulichung Trends durch die Konfiguration in Sternform.
der Divergenz
dieser
Das strategische Dilemma für die Unternehmung besteht darin, daß es praktisch unmöglich ist, den zehn Challenges unserer Darstellung gleichermaßen gerecht zu werden. Man kann leicht erkennen, wie das traditionale Paradigma von der finalen Zwecksetzung der Unternehmung als privatistische Gewinnmaximierungsinstitution bildlich gesprochen zum gejagten Hasen wird.
Abb. 4
Megatrends als Herausforderung der Unternehmung Globalisierung Virtualisierung
Nord-Siid-Gefälle i
L
Akzeleration der Qualitätsstandards
Zeitexplosion
Massenarbeitslosigkeit
.
Unternehmung Neue Technologien
/
>
Informationsimplosion
r Sinnerosion Wertewandel Wertepluralismus
~^
Umwelt als knappes Gut
Exponentiale Komplexität der betrieblichen Leistungsfaktoren
Um rein privatistisch gedacht als Unternehmung zu überleben, wäre es beispielsweise betriebswirtschaftlich vernünftig, ökologischen Erwartungen der Gesellschaft und damit zugleich einem verbreiteten Wertewandel einerseits Rechnung zu tragen, dieses aber andererseits ertrags-
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
29
mäßig dank Nord-Südgefälle durch Produktionsverlagerung in normativ weichere und zugleich billigere Länder zu kompensieren. So macht man beispielsweise den Rhein sauberer, indem man statt dessen an einem asiatischen Gewässer unsauberer produziert. Oder versuchen wir, traditional ausgerichtet, eine Zusammenschau von bisher in solchem Ausmaß nicht gekanntem internationalem Qualitätswettbewerb (ISO 9000) und der Bewältigung der Zeitexplosion. Einerseits vollzieht sich der Wettbewerb heute zunehmend mehr über das Qualitätsregulativ, andererseits werden die Produktlebenszyklen und damit die zur Verfügung stehende Periode für Entwicklung und Markterfolgsausschöpfung immer kürzer. Die Versuchung, noch nicht ausgereifte Produkte auf dem Markt zu plazieren und die Lebensdauer eines Produktes kosten- und marktstrategisch zu reduzieren, also eine Qualitätsverschlechterung zu riskieren, letzteres jedoch wieder durch Werbung zu kaschieren, ist deshalb groß. Ihr zu erliegen ist aber ein Weg, der auf die Dauer zum Holzweg würde. Was folgt daraus für unsere Thematik? Wir können daraus entnehmen, daß an den Voraussetzungen, mit denen heute ökonomische Fragen angegangen werden, etwas nicht stimmen kann. Dieses wahrzunehmen und zu reflektieren ist vordringlich und verlangt, projiziert auf die konkrete Aktionsebene Unternehmung, daß sich die Identitätsfrage weit tiefgehender stellt als in bisherigen Beiträgen zur betrieblichen Identitätsforschung angenommen, nämlich als Legitimationsfrage: "Unternehmung wozu?" Obwohl dieser Beitrag darauf aus ist, argumentativ zu belegen, daß der identifikatonsche Prozeß in der Unternehmung als solcher in seiner Funktionalität neu gestaltet werden muß, könnte eine solche Reflexion wenig erbringen, wenn nicht zugleich die inhaltliche Sinndimension vom Grundsätzlichen her mit bedacht würde. Um in den Stand der Identitätsdiskussion einzuführen, sind besonders hilfreich Heene, R.: Die Kulturdiskussion in Theorie und Praxis. Ausgangspunkt für eine identitätsgerechte Steuerung organisatorischer Lernprozesse, St. Galler Diss., 1994; Mittmann, J.: Identitätsorientierte Unternehmensführung, Bern 1991; Hartfelder, D.. Unternehmen und Management vor der Sinnfrage - Ursachen, Probleme und Gestaltungshinweise zu ihrer Bewältigung, St. Galler Diss., 1989; Weber, J.: Unternehmensidentität und unternehmenspolitische Rahmenplanung, München 1985; Sander, M., Die Sinndimension in Unternehmungen - Strategien zur Steigerung der Sinnautonomie, St. Galler Diss., 1991.
30
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
Partial ist nicht zu verkennen, daß rein instrumental durchaus neue Handlungskriterien für die Unternehmung entwickelt worden sind (Abb. 5). Abb. 5 Oualifikationskriterien des humanen Handlungspotentials der Unternehmung
Was aber ist das Missing Link, durch das die neuen qualifikatorischen Anforderungsprofile an das humane Handlungspotential der Unternehmung zugleich ihre legitimatorische Konsistenz erlangen? Identität als das handlungsregulative "gemeinsame Bewußtsein", so wird der mit dem Stand der Identitätsforschung vertraute Leser einwenden, sei längst als zentraler Konnex erkannt.7 Doch ist allen bisherigen Bemühungen, das identifikatorische Paradigma in das betriebswirtschaftliche Denken einzuführen, tendenziell gemeinsam: Es handelt sich indessen zumeist um lockere, rein pragmatische Setzungen wie beispielsweise beim McKinsey-7S-Modell; Peters, T. J./Waterman jun., R. H.: Auf der Suche nach Spitzenleistungen, 8. Aufl., Landsberg 1984: 32.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
31
1.
Sie berühren die Legitimationsfrage nicht und fokussieren sich motivatorisch,8
2.
Sie nehmen zumeist eine eindimensionale Fokussierung auf die Unternehmung als übergeordneten Identitätsträger vor, dem sich die Mitglieder der Unternehmung, besonders aber die Führungskräfte, Erwünschtes abspürend, einzufügen haben. 9 Die Grenzen zur Verdinglichung, Instrumentalisierung, Indoktrination und Sozialisation sind dabei fließend.
3.
Sie gehen davon aus, daß Identität herstellbar sei.
4.
Sie bleiben, mit welchen anregenden Einzelerkenntnissen auch immer, praxeologischer Mix unterschiedlicher, vor allem psychologischer, soziologischer und betriebswirtschaftlicher Provenienz und damit ohne jene Konsistenz, die Steger als "umhüllende Metatheorie" anmahnt. 10
5.
Dem Corporate Identity-Konzept gelingt eine Verdinglichung besonderer Art, indem es die Unternehmung als Unternehmenspersönlichkeit personifiziert. 11 Nur Menschen können Persönlichkeiten sein.
6.
Es fehlt - und das ist wohl der Kernpunkt - das Bemühen um eine paradigmatische Einbindung, die den Ökonomen zwingt, sich ernsthaft mit dem lebensweltlichen Szenario auseinanderzusetzen. 12
Hierzu gehört auch die wichtige Arbeit von Wunderer, R./Mittmann, J.: Identifikationspolitik. Einbindung des Mitarbeiters in den unternehmerischen Wertschöpfungsprozeß, Stuttgart 1995. Eindrucksvoll belegt am Beispiel BMW bei Neuberger, 0.: Führen und geführt werden, 3. Aufl., Stuttgart 1990: 292. Siehe auch Meyer-Faje, A.: Identitätsorientiertes Handeln als Chance der Rückgewinnung lebensweltlicher Bezüge für die Mitarbeiter der Unternehmung, in: Biesecker, A. Grenzdörffer, K. (Hrsg.): Ökonomie als Raum sozialen Handelns, Bremen 1994: 98 f. Steger, U.: Future Management. Europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb, Frankfurt a. M. 1992: 83. Birkigt, K./Stadler, M. M./Funck, H. J.: Corporate Identity, 6. Aufl., Landsberg 1993: 19 ff. Das ereignet sich allenfalls in Randdisziplinen wie der Wirtschaftsethik.
32
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
Als legitimatorische Responses auf legitimatorische Challenges können die identifikatorischen Bemühungen der Unternehmung, wenigstens soweit sie die Theorie widerspiegelt, alles in allem also bisher nicht gelten.
1.3.2
Ein erodierendes
Sinnumfeld
Menschen konstituieren die Unternehmung, nicht umgekehrt. Von der Gesellschaft, also genauer vom Menschen her, bezieht die Unternehmung ihre finale Zwecksetzung. Unsere Untersuchung will dazu beitragen, die Abschottung des ökonomischen Denkens gegenüber der lebensweltlichen Realität13 zu überwinden. Es ist deshalb einführend angebracht, sich umfassend vom Menschen her schrittweise dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand Unternehmung zu nähern, damit, wenn wir bei der Unternehmung angelangt sind, und deren lebensweltlichen Kontext postulieren, immißverständlich ist, wovon wir reden. Wie stellt sich dem Alltagsbewußtsein die Welt dar? Unsere lebensweltliche Epoche wird allgemein als Postmoderne deklariert und läßt sich auf die Kurzformel vorherrschender Wertepluralismus bringen. Feyerabend sagt es noch einfacher: "Anything goes." Es handelt sich bei näherer Betrachtung um einen irreversiblen Prozeß der Aufbröselung allgemein verbindlicher Werte mit ungewissem Ausgang, der, wie Tarnas (1993) nachweist, mindestens schon seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts immer wieder den Durchbruch sucht, aber erst in den letzten Jahrzehnten dominante Breitenwirkung erreicht.14 Für unser Thema ist lebensweltlich signifikant, daß "anything goes" eine generelle Verunsicherung menschlicher Sinnorientierung zur Folge hat, wie sie sich nach Tarnas wohl seit dem Untergang des Imperium Romanum in Europa nicht mehr ereignet hat. Ich versuche
Die sozialwissenschaftliche Popularisierung des Begriffs 'Lebenswelt' durch Habermas ist geeignet, zu verdecken, daß Husserl diesen Begriff geprägt hat und er dort auch, weil phänomenologisch eingebunden, weit
sinnhaltige r ist.
Tarnas, R.: The Passion of the Western Mind. Understanding the Ideas That Have Shaped Our World View, New York 1993.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
33
hier einige Erkenntnisschneisen durch das Szenario Sinnerosion, orientiert an Schnittflächen, die für Mensch und Unternehmung gleichermaßen Erosionsflächen von Sinn darstellen könnten. Wenn im Verlauf gelegentlich statt von Sinn von Identität/Identifikation gesprochen wird, dann ist mit letzterer Bezeichnung der Akzent mehr auf die formal umhüllende Kategorie gelegt. Mit unserer Unterscheidung zwischen 'Umbruchparametern' und 'Reaktionen' meinen wir, die wesentlichen Schubkräfte erfaßt zu haben, die Auswirkungen dürften indessen weit vielschichtiger sein als hier vorgestellt. Umbruchparameter (1) Mit ethischer Entzauberung ist hier nicht das Ergebnis, sondern das 'Entzaubern' angesprochen. Noch lange nach Max Webers Entzauberungs-Statement glaubten Menschen in Europa eben nicht an die pure Ratio, sondern an Werte, wurzelten und lebten darin und daraus. Erst Erschütterungen, wie der Holocaust, der Zweite Weltkrieg, Algerien, Korea, Vietnam, um hier nur wesentliche westliche Beiträge zu nennen, führten dazu, daß ethische Normen als internalisierte kulturumfassende Verklammerung menschlicher Gemeinschaft heute nicht mehr greifen. (2) Die Vergeistigung der Technologien meint vor allem jenen großen Bereich der elektronischen Informationstechnologien, der nicht mehr nur empirisch, sondern zunehmend simulativ betriebenen Forschung und der Gentechnologie. Was früher beim kreativen Entwurf, bei der Lenkung und Steuerung von Leistungsprozessen über zwischenmenschliche Kommunikation, dem Menschen innerhalb seiner sinnlich anschaulichen Hilfsmittel vorbehalten war, erhält seitens der Elektronik entsinnlichte Konkurrenz, und manches, was früher ausschließlich der "Schöpfung" bzw. dem genetischen Code vorbehalten war, ist heute bereits im Prinzip ohne allzu großen Aufwand gentechnisch machbar. Das mag bei einer Minderheit, die mit diesen Technologien umgeht, eine neue Art von Kreativitätsrausch und auch Machtrausch erzeugen, allgemein wird aber jenes Unbehagen an der Technik, das Gehlen noch auf das Maschinenzeitalter bezogen, auf die "zunehmenden Erfahrungen zweiter Hand" zurückführte, gesteigert. Nicht nur die zunehmend elektronisch durchmischte Arbeitswelt, in der manches gegenüber früher leichter, aber idiotischer wird, auch die gesamten gesellschaftlichen Strukturen werden zunehmend auf Grund ihrer
34
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
Entstofflichung als Bedrohung und Verunsicherung empfunden. Was Baudrillard als Verlust des Körpergeßihls beschreibt, hat hier seine Wurzeln. 15
Abb. 6
Personale Identität im Wandel
Exponentiale Steigerung der technischorganisatorischen Komplexität Vergeistigung der Technologien Ethische "Entzauberung" Informationsentropie Globalisierung Zeitexplosion
Individuale
Reaktionen \ 7
offen sein O Relationalität O neue Geistigkeit O Krise des Individualismus O
15
O "back to the basis" O Musealität O Interimismus O "Augen zu und durch"
Baudrillard, J.: Der symbolische Tausch und der Tod, München 1991.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
35
(3) Durch die neuen Informationstechnologien strukturiert sich ein circulus vitiosus. Sie tragen dazu bei, eine zunehmende technischorganisatorische Komplexität zu "managen" und ermöglichen gerade dadurch ihr exponentiales Ausufern. "Ausufern" als wertende Bezeichnung ist angebracht, weil es das Unbehagen gegenüber sinnlich nicht faßbaren Superstrukturen voluminös verstärkt. Hinzu kommt das überbordende Informationsvolumen als solches. Nicht nur die elektronischen Medien vervielfachen die Informationsflut, auch die traditionalen Printmedien wachsen jährlich exponential. Man beobachte die Steigerungsraten der jährlichen Neuerscheinung von Büchern. 16 Die Analytiker der Postmoderne tragen, wie auch diese Untersuchung, zum Anwachsen des Informationsberges bei und vergrößern damit implizit das Risiko, nicht zur Kenntnis genommen zu werden. Hinzu kommt die multimediale Berieselung im Alltagsbereich durch Presse, Funk, Fernsehen. Nicht nur wird durch eine derartige Überfülle eine Selbstentwertung der Information evoziert, zugleich wird das Bewußtsein einer Als-ob-Wirklichkeit und austauschbaren Wirklichkeit verstärkt. (4) Ich möchte für dieses für die Fortentwicklung der Kultur beängstigende Phänomen die Bezeichnung Informationsentropie vorschlagen, welche für die menschliche Zukunft nicht minder bedrohlich ist als ein Wärmetod nach dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Die sich zeitlich alsbald überholenden Botschaften, die Notwendigkeiten von Kommentaren zu Kommentaren, von wissenschaftlichen Arbeiten nur über Metaforschungen, die Metaforschungen zum Gegenstand haben, verstärken die Informationsentropie, das "Als-ob", die Konfusion, die Ohnmacht, das "Was soll's". Unübersehbar sind die Auswirkungen auf die existentielle Grundfähigkeit des Menschen zu kommunizieren und auf das Medium gesprochenes und gedrucktes Wort, das längst schon einem Degenerationsprozeß unterworfen ist. Heidegger und Wittgenstein waren hier den postmodernen Sprachkritikern Derrida und Lyotard zeitlich weit voraus. 17 Auf der Frankfurter Buchmesse 1997 wurden 95.000 neue Buchtitel vorgestellt. Heidegger, M.: Sein und Zeit, 17. Aufl., Tübingen 1993; 1. Aufl. in E. Husserls Jahrbuch fur Philosophie und phänomenologische Forschung, Bd. VIII, 1927.- Wittgenstein, L.: Philosophische Untersuchungen , Frank-
36
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
(5) Bleicher nennt als eine der zentralen Herausforderungen für das Management die Zeitschere: wachsender Dynamik der Forschung und Marktentwicklung stehen immer kürzere Reaktionszeiten gegenüber. Die Produktlebenszyklen werden immer kürzer. Bleicher sollte hinzufügen, daß die Wirtschaft Hauptförderer und -nutznießer dieser Zeitexplosion ist. Vor wenigen Jahrzehnten noch nicht geahnte Möglichkeiten globaler und instantaner Synchronisierbarkeit (McLuhan) und Vernetzbarkeit haben zur interkontinentalen Allgegenwärtigkeit der großen Konzerne, zu größerer Teilautonomie und Flexibilität der "Divisions" geführt und werden im Lean Management als neueste Rationalisierungsphilosophie genutzt, um durch Just-in-time-Prozeßlenkung das Letzte an Zeitminimierung, sprich Kostensenkung, zu erreichen. Gleichzeitig tragen die Unternehmen durch ihre Personalpolitik dazu bei, die "Halbwertzeit" des "Produktionsfaktors" Arbeit, sowohl ausführender als auch dispositiver Qualität, drastisch zu senken. Die Mitte Vierzig und die Mitte Fünfzig werden je nach hierarchischer Schichtzugehörigkeit Zitterphasen für die Menschen in der Unternehmung. Auch hier ein circulus vitiosus. Wer die Zeit hetzt, muß sich nicht wundern, wenn sie ihn wieder hetzt (Wilhelm Busch). Sowohl der innovative Sich-selbst-Überholeffekt als auch die Mißachtung von allzu Langzeitlichem, seien es Konsumgüter, die dank Kurzlebigkeit belebenden Wandel als Lebensqualität induzieren, seien es Investitionsgüter wie Maschinen, die der technische Fortschritt schneller als es die steuerliche Abschreibungstabelle vorsieht, überholt, aber auch die schrumpfende Verwertungszeit des "Produktionsfaktors" Mensch, evozieren eine grundsätzliche Kurzzeitorientierung. In dem dank medizinischem Fortschritt durchschnittlich weit höheren Lebensalter, das die Demographen mit Unbehagen an das Jahr 2020 denken läßt, ergibt sich ein existentielles und damit identifikatorisches Paradox. Es ist zu erwarten, daß sich als Synthese ein neues positives Verständnis von Zeit als identifikatorischem Gliederungs- und Konstituierungsfaktor (Zeit des Werdens) des menschlichen Lebenslaufs herausbildet. Seit Fraser's Standardwerk "Of Time, Passion and Knowledge" (1975) ist die Vielschichtigkeit des Existentialfaktors Zeit evident gemacht. Mit der Normung und Bewirtschaftung der furt a. M. 1977; 1. engl. Aufl. 1953 - Derrida, J.: Die Schrift und die Differenz, Frankfurt a. M. 1992; 1. frz. Aufl. 1967.- Lyotard, J. F.: Das postmoderne Wissen, 3. Aufl., Wien 1994; 1. frz. Aufl. 1979.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
37
Zeit beginnt einerseits das Industrielle Zeitalter, andererseits erlischt allmählich das Gespür für den organischen Tagesrhythmus ("Vom Sonnenaufgang bis zu ihrem Niedergang") und das Verständnis für das zeitliche Gewachsene soziokultureller Strukturen. Das ahistorische Zeitbewußtsein, in der Postmoderne voll entfaltet, beginnt bereits im neunzehnten Jahrhundert zu ticken, als Geschichte noch eine Modewissenschaft war.18 (6) Einige Jahrhunderte Kolonialismus und anschließend einige Jahrzehnte Handelsimperialismus haben zunächst in West-Ost- bzw. Nord-Süd-Richtung einseitig Brückenschläge geleistet. Mit dem Hineinwachsen der ehemaligen Kolonialgebiete in staatlichgesellschaftliche Souveränität, dem Aufstieg Japans als Wirtschaftsmacht und dem Erwachen von immer mehr "Schwellenländern" wird die Globalisierung multilateral und zum Selbstverständnis des Durchschnittsbürgers. Daß moderne Verkehrs- und Kommunikationsmittel die räumlichen und zeitlichen Distanzen raffen und handhabbarer machen, kommt hinzu. Die dadurch unausweichliche kulturelle Vermischung - selbst wenn man nur Geschäfte mit einander machen will, muß man sich möglichst in die "Usancen" des Partners einspüren - strahlt nach Europa zurück bzw. findet nicht unerheblich hier statt. Der interne Wertepluralismus wird so von außen noch angereichert. Tourismus sowie Ost-West- und Süd-Nord-Migration tragen das Ihre zur globalen kulturellen Durchmischung bei. Reaktionen Eine große evolutorische Chance liegt in dem Zusammenwirken der Umbruchparameter, weil damit eine kulturelle Offenheit, eine Verschmelzungschance unterschiedlichster kultureller Faktoren zu etwas noch nicht Erahnbarem gegeben ist, wie sie wahrscheinlich in der Endphase des Imperium Romanum zuletzt bestand. Offenheit schafft Freiheitsgrade, beinhaltet aber neben Freiheiten auch Risiken, die Offenheit toleriert und experimentiert mit der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, objektiviert transparent gemacht in gelungenen Bauwerken postmoderner Architektur. 18
Fräser, J. T.. Of Time, Passion and Knowledge, 2nd ed., Princeton, New Jersey 1990. Perich, R.: Unternehmensdynamik. Zur Entwicklungsfähigkeit von Organisationen aus zeitlich-dynamischer Sicht, Bern 1992. Elias, N.: Über die Zeit, Frankfurt a. M. 1984.
38
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
Eine neue Geistigkeit scheint sich abzuzeichnen. Trotz Konsumfreudigkeit ist gerade die jüngere Generation weitgehend frei von materialistischen Leitvorstellungen. Materielles wird als machbare Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. Es ist vor allem die ökologische Bewegung, die von der antimaterialistischen Einstellung profitiert. Lyotards Vermutung, daß es keine verbindlichen Metageschichten mehr gibt, mag zutreffen, aber vielleicht wird gegenwärtig an neuen Metageschichten geschrieben. Jedenfalls ist in der jungen Generation eine neue Spiritualität festzustellen, die sich nicht nur auf die traditional christlichen Konfessionen einläßt, sondern das Eintauchen in die Wahrheiten anderer Religionsgemeinschaften wagt, mitunter durchwirkt mit etwas anderem, der Sehnsucht nach Gemeinschaft. Grenzüberschreitungen zum Astrologisch-Spirituellen sind keine Seltenheit. Auch die in der jüngeren Generation völlig problemlose Durchdringung weiblicher und männlicher Denkweisen scheint mir ein Merkmal einer neuen Geistigkeit. Nicht zuletzt dürfte eine der Schwachstellen christlicher Daseinsauffassung, den Menschen mit Herrschaftsauftrag in den Mittelpunkt des Kosmos zu stellen, überwunden sein. In die Ökonomie hinein ist diese Botschaft allerdings noch verbreitungsfähig. Wissenschaftlich könnte aus dieser neuen Geistigkeit eine wechselseitig befruchtende Durchdringung von Intuition und rationaler Vernunft hervorgehen, grob an das organische Denken der Romantik erinnernd. Für den Alltagsmenschen wird die Mehrdeutbarkeit und Multirelationalität. des situativen Umfeldes - je nach Kontext kann aus einem Faktum ein völlig anderes Faktum werden - zu einer Freiheit, die ihm viel abfordert. Auf die Vielfalt der tagtäglich zu bewältigenden Lebenssituation läßt sich nicht Sir Poppers Falsifikationsprinzip anwenden, was übrigens typisch postmodern formuliert ist. Es scheint lebensklüger, auf dem Hintergrund überbordender Relationalität und Multiplizität mit einer Art positiven Skeptizismus das Als-ob zu wagen und dann weiterzusehen. Das erschwert allerdings eine länger dauernde soziale Bindefähigkeit. Insofern scheint mir die sogenannte Krise des Individualismus eher soziale Not zu signalisieren, den Versuch, aus der Vereinzelung, die sich aus dem postmodernen Lebensgefühl als Kehrseite der verbreiteten Oberflächensozialität ergibt, auszubrechen. Ein neuer -ismus bietet sich hier längst an, der von den USA her sich ausbreitende Kommunitarismus.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
39
Nun wäre es fehlleitend zu folgern, die aktuelle Umbruchphase träfe das individuale Bewußtsein stets in voller Aufgeschlossenheit für die neuen Herausforderungen. Erstens stellt ja die Realität, wie bemerkt, einen Epochenmix dar. Zweitens gibt es Nischen, z.B. "back to the basis". So kann man (wenn einem das existentiell wichtig ist) wie vor einigen hundert Jahren ohne wenn und aber Christ sein, auch wenn einem in seiner Gemeinde postmoderne Strömungen begegnen, wie befremdende Bibelneuübersetzungen, eine Verflüssigung der Liturgie, eine Pastor/zi u.ä. Oder man bekennt sich zum Konservatismus als Geisteshaltung, wobei Wert- oder Strukturkonservatismus einerlei sind, denn beides läuft auf eine reduzierte Wahrnehmungsfähigkeit hinaus. Einen weiteren aussichtslosen Weg nach rückwärts prangert Lübbe an, die Flucht in die Musealität. Um sich greifender Milieuschutz, Neugründungen von Museen, vermehrter Denkmalschutz kaschieren zumeist nur den fehlenden Mut zur Gegenwart und Kreativitätserstarrung. Auf dem Weg über die Nostalgie läßt sich weder die eigene IchFindung erlangen, noch das verlorene historisch gewachsene Kontexterlebnis herbeizaubern, wenn die Historie die Voraussetzung hierfür zerstört hat (wiedererrichtetes Knochenhaueramtshaus in Hildesheim, Berliner Stadtschloßdiskussion; nach fünfzig Jahren!). Bemerkenswert für die Unstimmigkeit dieser Musealität ist unter dem Einfluß von Museumsdidaktik und Museumsmanagement der Wandel in der musealen Darbietung zu Multimediashows, Happenings und Freizeitzentren hin. 19 Wieder einen anderen Fluchtweg stellt es dar, in seine berufliche Funktion, ein fanatisch betriebenes Hobby, seine familiären Verpflichtungen zu flüchten, und zwar bewußt aus Überdruß am Zeitgeist, nicht aus denkbaren anderen Gründen, wie Introvertiertheit, Kompensationsbedürfnis oder Identitätsstreben im eigentlichen Sinn. Nach dem Motto Augen zu und durch klinkt man sich aus dem "ganzen intellektuellen Geschwafel, das nur zersetzend ist und doch nichts bringt", aus. Dieser Menschentyp ist als Spezialist, wenn nicht Fachidiot, vor allem im naturwissenschaftlichen, ingenieurwissenschaftlichen, aber auch wirtschaftswissenschaftlichen Spezialistentum recht verbreitet. Er wird die Postmoderne überdauern und auch die nachfolgenden Strömungen zum Anlaß nehmen, sich ob deren "intellektuellen Lübbe, H.: Zeit-Verhältnisse. Zur Kulturphilosophie des Fortschritts, Graz 1983.
40
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
Geschwafels" in einen engen, klar begrenzten Bereich zurückzuziehen, wo die Erfolgserlebnisse sicher sind. Diese Reaktionsweise wird hier angeführt, weil es als gesichert gelten darf, daß Wertewandel, Ökologie, Hinterfragen der globalen mikroelektronischen Vernetzung für eine maßgebliche Gesellschaftsschicht, obwohl sie gesellschaftliche Verantwortung trägt, keine Themen sind, sondern beispielsweise statt dessen das eigene Referat auf dem nächsten Fachkongreß, das Aktenstudium für den nächsten Prozeß, das Bemühen um einen Großauftrag in Chile. Eine Verhaltensreaktion, mit der sich eher in der komplexen Realität, als für sie offen bleibend, leben läßt, ist schließlich das Einnehmen einer interimistischen Perspektivität. Wenn eh alles im Fluß ist, ist bereits eine "temporary usefulness" (Tarnas) wertvolle Orientierungshilfe. Sie deckt sich weitgehend mit der realistischsten Chance einer Identitätsfindung in der Gegenwart überhaupt, sich offen zu halten und wandlungsfähig zu bleiben. Koslowski ist zuzustimmen: "Identität erhält sich nur in Metamorphosen, Wandlungen des Ich. Auch kulturelle Identität kann nicht bloßes Identischbleiben, sie muß dynamische, wandlungsfähige Identität sein. Andernfalls tritt der "Identitätszwang des Allgemeinen" (Th. W. Adorno) oder der Übereinstimmungszwang des Identischen ein. Fortgeschrittene westliche Kulturen unterscheiden sich von archaischen, frühhochkulturellen und kommunistischen Kulturen dadurch, daß sie eine Identität aufweisen, die sich ihren Mitgliedern nicht aufzwingt, sondern die darin besteht, daß die einzelnen in ihr das eigene Selbst entfalten können."20. Damit ist auf der Subjektebene ausgedrückt, was auch eine Gesellschaft als überlebensfähig auszeichnet, die Potenz zu dauerndem Wandel. Nicht einmal das Widerlager der Tradition verhält sich bei näherer Betrachtung statisch. Giddens:21 (a) "Die Tradition ist nicht völlig statisch, denn sie muß von jeder Generation neu erfunden werden, die das kulturelle Erbe von ihren Vorläufern übernimmt."
Koslowski, P.: Die postmoderne Kultur. Gesellschaftlich-kulturelle Konsequenzen der technischen Entwicklung, München 1988: 66. Giddens, A. (1997 a): Konsequenzen der Moderne, Frankfurt a. M.: 53, 54.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
41
(b) "Denn eine gerechtfertigte Tradition ist eine kostümierte Tradition, die ihre Identität nur der Reflexivität der Moderne verdankt." Die kulturellen Herausforderungen der Gegenwart müssen also nicht unbedingt in Erosion steckenbleiben. Sie identifikatorisch anzunehmen, heißt, den Erosionsprozeß zugleich als einen Transformationsprozeß zu begreifen. Für die Unternehmung hieße das, den Rat von Fukuyama ernst zu nehmen, den Einfluß der Kultur auf die Wirtschaft nicht zu unterschätzen, anders ausgedrückt, sich kulturadäquat zu transformieren, um zu überleben. 22
1.3.3
Descartes'
Erbe
Im vorigen Abschnitt haben wir einen Streifzug durch die aktuelle Lebenswelt unternommen, wie sie sich als "anything goes" einem Zeitgenossen darzustellen vermag. Warum verfahre ich in der speziellen "Denkwelt" (selbstverständlich ein Teil der Lebenswelt) anders? Stellt sich die Philosophie, falls man sie, was der späte Heidegger verneint, überhaupt noch als brauchbare Grundlage für Wissenschaft betrachtet, nicht gerade "jenseits von Heidegger" als ein "anything goes" dar, das Welsch als Patchworkteppich zum transversalen Denken zusammenzuflicken versucht?23 Descartes ist hier ein Abschnitt zu widmen, weil er eine der Hauptsäulen ist, auf die sich wissenschaftliches Denken, seit etwa drei Jahrhunderten Fortschritt und Folgen stiftend, gründete und, besonders im Mainstream von Naturwissenschaften, Psychologie und Ökonomie, immer noch gründet. Das gilt sicherlich nicht nur für die "abgehobenere" spezielle Denkwelt, sondern deren Reflexivität in der Gesellschaft allgemein sorgt beispielsweise dafür, daß auch ein Unternehmer, der "nicht studiert" hat und meint, bloß "über gesunden MenschenverFukuyama, F. : Konfuzius und Marktwirtschaft. Der Konflikt der Kulturen, München 1995. Der zutreffendere Titel der Originalausgabe (1995) lautet. The Social Virtues and the Creation of Prosperity. Heidegger, M.: Zur Sache des Denkens, 3. Aufl., Tübingen 1988; Habermas, J.: Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt a. M. 1988; Welsch, W.: Vernunft. Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft, Frankfurt a. M. 1995.
42
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
stand" zu verfügen, wenn er rein ökonomisch denkt, mehr Cartesianer ist, als ihm bewußt zu werden vermag. Das Konzept Identitätsorientierte Unternehmensführung versucht, Descartessche Einseitigkeit zu überwinden. Worum ging es Descartes? Zum erstenmal seit der Antike wird, lebensweltlich in der Renaissance längst eingeleitet, das Subjekt in den Mittelpunkt gestellt. Ferner knüpft Descartes an Piatons Lehre von der Präexistenz der Seele an. Die Ideen, die vom Subjekt erkannt werden können, liegen bereits fertig in der Seele auf Grund vorgeburtlicher Erinnerung vor. Über die Vorstufen des Empfindens, der Imagination und der Begriffsbildung kann die Seele mittels der ratio, einseitig als Mathematik verstanden, aktiv und bewußt zur klaren Erkenntnis gelangen. Seele umfaßt bei Descartes Psyche und Geist, erstere aber indirekt aus Nebenbemerkungen ableitbar, so daß es zutreffender ist, anstatt von Seele von Geist oder Vernunft zu sprechen. Descartes erkennt fünf angeborene Ideen (ideae innatae) als Voraussetzung des Denkens an: (1) "Wie Sokrates den Geist kritisch allem Herkommen, allem Gegebenen entgegensetzt, so beginnt auch Descartes seinen Weg zur Begründung der Vernunft mit dem Zweifel. Vernunft ist das kritische Vermögen des Subjektes. Sie wird ihrer selbst gewiß, indem sie die Ungewißheit und Relativität aller Erfahrung gewiß macht." (Müller-Schwefe, 1971) Descartes: "Also erkannte ich daraus, daß ich eine Substanz sei, deren ganzes Wesen bloß im Denken bestehe." 24 "Cogito, ergo sum" (ich denke, also bin ich) ist Descartes' einzige unerschütterliche Gewißheit. Die denkende Substanz, die res cogitans, ist nur dem Menschen eigen. Sie macht ihn autonom und frei. Doch diese Freiheit ist bei Descartes noch religiös eingebunden. (2) Die Gottesidee gehört zu den Ideen, die dem menschlichen Geist mit größerer Klarheit bewußt werden. Die menschliche Vernunft in ihrer Endlichkeit kann die Idee Gottes nur erfassen, wenn sie in der menschlichen Seele eingepflanzt ist. Nur Gott selbst in seiner Unendlichkeit kann die Ursache sein, daß der Mensch in seiner Endlichkeit die Gottesidee denken kann. Einen ähnlichen ZirkelMüller-Schwefe, H.-R.: Technik und Glaube. Eine permanente Herausforderung, Göttingen 1971: 102.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
43
Schluß liefert Descartes als weiteren Gottesbeweis. Wenn man vom Begriff Gottes auf dessen Dasein schließt, muß er auch existieren, denn zum Begriff des Daseins gehört die reale Existenz. (3) Die logischen Gesetze (der Satz der Identität, der Satz des Widerspruchs, der Satz des ausgeschlossenen Dritten, der Satz des Grundes) enthalten zeitlos gültige methodische Wahrheiten. (4) Gleiches gilt für die Mathematik, besonders für deren konstitutive Axiomatik. (5) Gemeinsames Begriffsmerkmal von Materie ist die Räumlichkeit, weshalb die Materie als res extensa bezeichnet wird. Zur res extensa gehören auch der menschliche Körper und sämtliche tierischen und pflanzlichen Lebewesen. Aus diesen Axiomen entwickelt Descartes seine Naturphilosophie. Gott als die ungeschaffene Substanz steht hierarchisch über der res cogitans und der res extensa, also auch gegenüber dem eigenen Körper, autonom. 25 Die res externa funktioniert ausschließlich nach den Gesetzen der Mechanik. Maschinen und Automaten sind die Leitmetaphern, auch für das Leben von hoch entwickelten Pflanzen und Tieren. Wie Matson (1969) feststellt, richtete sich die zeitgenössische Kritik nicht etwa dagegen, daß Descartes zu mechanistisch, sondern daß er nicht mechanistisch genug sei. 26 Bereits hundert Jahre später, nicht erst vom modernen Behavorismus, wird von LaMettrie (L'homme machine, 1748) die res cogitans aus der res extensa abgeleitet. Wie immer man Descartes beurteilt, sollte man es sich nicht so leicht machen wie beispielsweise Capra. Descartes bot Optionen an, die auch anders hätten genutzt werden können. Zunächst muß gesehen werden, daß für den einstigen Jesuitenzögling Descartes die übergeordnete Idee Gottes eine erheblich größere Bedeutung gehabt hat, als wir es heute Friedlein, C.: Geschichte der Philosophie, 13. überarbeitete Aufl., Berlin 1980: 138. Matson, F. W.: Rückkehr zum Menschen. Vom mechanistischen zum humanen Weltverständnis, Ölten 1969: 17. Ferner Flasch, K.: Der Traum der Vernunft. Zum vierhundertsten Geburtstag von René Descartes, der Europa eine wunderbare Wissenschaft lehrte, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.3.1996; sowie Gellner, E.: Descartes & Co. Von der Vernunft und ihren Feinden, Hamburg 1995.
44
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
nachvollziehen können. Es ging ihm, ähnlich wie Galilei, Kepler, Newton und Bacon, nicht darum, Gott abzuschaffen, sondern um einen "compromise between a medieval Christian Creator God and a modern mechanistic cosmos, ..." (Tarnas).27 Jedoch schon die rationalistische Axiomatik der Gottesbeweisführung erhellt, wie hier, anders als in noch so spitzfindiger mittelalterlichen Scholastik, daß das Geschöpf zum Schöpfer emporgestiegen ist. "Descartes unintentionaly began a theological Copernican revolution, for his mode of reasoning suggested that God's existence was established by human reason and not vice versa." (Tarnas).28 Wir haben hier dem Prozeß fortschreitender Rationalisierung theologischer Wissenschaft, die bis in die Gegenwart reicht, nicht nachzugehen. Der Nichttheologe brauchte sich aber schon im siebzehnten Jahrhundert um diesen eigentlichen Drehpunkt von Descartes' Naturphilosophie nicht zu kümmern. Er blieb leere Metaphysik. Befreiung des Menschen durch rationale Autonomie und Nutzung der naturwissenschaftlich-mathematischen Methode lagen im Trend der Zeit, und hierfür lieferte Descartes' Menschenbild einer Subjekt-Objektspaltung und seine mechanistische Antriebslehre hervorragende operative Hilfsmittel. Descartes' Personspaltung in einen geistig abstrakten und einen körperlichen materiellen Teil ist, wie neuerdings von Herzog (1991) besonders prägnant herausgearbeitet, völlig unrealistisch. Ausgangspunkt für eine realistische Betrachtung des Menschen ist vielmehr eine Anthropologie, die den Menschen als ein Zusammenwirken von Geist, Psyche und Physis begreift. Daß Decartes in seiner Theorie ein wenig schummelte, indem er über 'Lebensgeister' (spiritus animales), auf dem Vehikel Nervenbahn agierend, eine, aus seiner Sicht die reine Denktätigkeit eher störende, minimale Wechselwirkung zwischen Körper und Geist herstellte, darf hier außer Betracht bleiben. Der durch Descartes begründete Dualismus stellt den Wissenschaftler vor einen Scheideweg. Macht er die res cogitans zum alleinigen Forschungsgegenstand, so droht ein Entgleiten in den Idealismus (Romantik, Hegel) oder ein ad absurdum Führen des Menschen zur reinen Denkmaschine, d.h. einem einseitig rationalen Wesen. Die englische Aufklärung und die Philosophie belegen eindrucksvoll, daß es in der Tat die geistige Mündigkeit ist, die den Menschen zur Freiheit führt. 27 28
Tarnas (1993: 284). Tarnas (1993: 279).
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
45
Gienau das war Descartes' Anliegen. Doch schützt nur der Weg der englischen Aufklärung und Kants vor dem Münden in die Sackgasse, Vernunft nicht einseitig rational zu definieren und die sozial gesellschaftlichen sowie die ethischen Bezüge des Menschseins zu bedenken. Das belegt Foucault im Vergleich mit Kant erstens an dessen Ethikbezug, zweitens an dessen persönlichkeitsverbindlichem Realbezug. Vor Descartes erforderte nach abendländischer Tradition wissenschaftliches Arbeiten einen asketischen Schulungsweg, um sich als Gefäß der Wahrheit zu läutern. "Damit brach Descartes, als er sagte: "Um zur Wahrheit zu gelangen, genügt es, daß ich irgendein Subjekt bin, das sehen kann, was evident ist." ... Damit thematisiere ich natürlich eine sehr lange Geschichte, die jedoch grundlegend ist. Nach Descartes haben wir ein Wissenssubjekt, was für Kant das Problem des Verhältnisses zwischen dem Subjekt der Ethik und dem des Wissens aufwirft. In der Aufklärung gab es viele Erörterungen darüber, ob sich diese zwei Subjekte völlig unterschieden oder nicht. Kants Lösung bestand in einem universalen Subjekt, das in dem Maße, in dem es universal war, Wissenssubjekt sein konnte, das aber nichtsdestoweniger eine ethische Haltung erforderte - also genau die Selbstbeziehung, die Kant in der Kritik der praktischen Vernunft vorschlägt.1,29 Den persönlichkeitsverbindlichen Realbezug erläutert Foucault am Beispiel Kants Artikel "Was ist Aufklärung?" (1784). Kant meinte damit die unmittelbar persönlich Betroffenen. Kant fragt, so Foucault:30 "Wer sind wir? Wer sind wir als Aufklärer, als Teil der Aufklärungsbewegung? Vergleichen wir das mit der cartesianischen Frage: Wer bin ich - "ich" ist für Descartes jeder, überall und zu jeder Zeit. Kant hingegen fragt etwas anderes: Wer sind wir in diesem präzisen Moment der Geschichte?"
30
M. Foucault in: Dreyfus, H. L., Rabinow, P.: Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik, 2. Aufl., Weinheim 1994: 291. M. Foucault in: Dreyfus/Rabinow (1994: 250).
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
46
Eine Descartes transzendierende Wissenschaftstheorie und Wissenschaft läßt im Gegensatz zum Kantianismus nur ein "wertneutrales" jeweils forschungskonformes Patentmuster, wie beispielsweise den homo oeconomicus, als Untersuchungsgröße zu, was weitestgehend auf Ausblendung hinausläuft. Für die positivistische Wissenschaftsentfaltung ist die Entscheidung folgenreich, am Scheideweg einseitig für die res extensa zu votieren und gemäß Descartes' 'philosophie prâtique' die Welt zu ergründen und operationabel nutzbar zu machen. Man vergleiche 31
Descartes "Für mich ist der menschliche Körper eine Maschine. In Gedanken vergleiche ich einen kranken Menschen und eine schlecht gemachte Uhr mit meiner Idee von einem guten Menschen und einer gut gemachten Uhr." Taylor, Scientific Management "Bisher stand die 'Persönlichkeit' an erster Stelle. In Zukunft wird die Organisation und das System an die erste Stelle treten." Dawkins,
Biologie
Organismen sind: "survival machines - robot vehicles blindly programmed to preserve the selfish molecules known as genes." Skinner,
Behaviorismus
"Man is a machine in the sense that he is a complex system behaving in lawful ways, but the complexity is extraordinary."
Descartes: zit. nach Capra, F.: Wendezeit. Bausteine für ein neues Weltbild, Bern 1982: 61. Taylor: Taylor, F. W.: Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung. Neu herausgegeben und eingeleitet von W. Volpert und R. Vahrenkamp, Weinheim 1977: 4. Dawkins: zit. nach Herzog, W.: Das moralische Subjekt. Pädagogische Intuition und psychologische Theorie, Bern 1991: 182. Skinner: zit. nach Herzog (1991: 80 f.). Freud, zit. nach Herzog (1991: 105).
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
Freud,
47
Psychoanalyse
"Wir nehmen an, daß das Seelenleben die Funktion eines Apparates ist, dem wir räumliche Ausdehnung und Zusammensetzung aus mehreren Stücken (siehe "res extensa", M.-F.) zuschreiben, den wir uns also ähnlich vorstellen wie ein Fernrohr, ein Mikroskop u. dgl." Ich habe in "Der Betrieb im Wandel" aufgezeigt, wie durch die moderne Atomphysik das mechanistische Paradigma relativiert wird. Anlaß war es, zu demonstrieren, daß die auf der Basis der modernen Naturwissenschaften entwickelte Technik von ihrem geistigen Entstehungszusammenhang her eine Vielzahl von Freiheitsgraden in sich birgt, eine postdescartessche Nutzanwendung zu ermöglichen, was beispielsweise beim Fließband nach Fordscher Klassik nicht denkbar wäre. Die Gefahr mechanistischen Denkens, die den ohnehin die Realität reduzierenden Descartes nochmals zu reduzieren droht, besteht vor allem in o o o o o
rationalistischer Einseitigkeit der Erkenntnismethode materialistischem Monismus Objektivierungszwang analytischem Elementarismus deterministischer Reduktion von Komplexität
Die rationalistische
Einseitigkeit
hat zweifellos in den meisten Bereichen der Naturwissenschaften zu einer ungeahnten Effizienzsteigerung und Wissenerweiterung geführt. Sie führt aber methodisch zur Eliminierung und zur Traditionsverschüttung intuitiver, verstehender und interaktiver Methoden der Erkenntnisgewinnung. Stärker noch wirkt aber wohl ein enorm starker Ausblendungseffekt. Alles was nicht mathematisierbar und quantifizierbar ist, hat von vorne herein keine Chance, wenigstens wahrgenommen zu werden. Die neoklassische Volkswirtschaftslehre liefert dafür vortreffliche Beispiele. Der materialistische
Monismus
führt, wie besonders der Behaviorismus selbstgefällig demonstriert, die Geistigkeit des Menschen und die Menschenwürde ad absurdum. Der Mensch handelt nicht aus freien, identitätsorientierten Impulsen, sondern er verhält sich gemäß dem Reizschema seines Umfelds, bzw. ge-
48
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
maß dem durch seine Konditionierer manipulierten Umfeld (operant erweitertes Reflexbogenmodell). Weder ethische noch identifikatorische Fragestellungen sind von hierher thematisierbar. Sozialverhalten, Moral, Demokratieverständnis, kurz alles Verhalten, ist für Skinner machbar, sprich konditionierbar. Moderne Managementlehre, die sich als "verhaltenswissenschaftlich" bezeichnet, scheint nicht zu wissen, auf was sie sich eingelassen hat. Oder doch? Auf jeden Fall passen die inzwischen nicht mehr so aktuelle Betriebswirtschaftlehre Gutenbergs mit dem Kernstück 'faktortheoretischer Ansatz', Taylor's überholtes 'Scientific Management' und Skinner's Behaviorismus im negativen Sinne sehr stimmig zueinander. Das
Objektivierungspostulat
steht für die Mathematik und die meisten Bereiche der Naturwissenschaften außer Frage. Wie schon Galilei vor ihm, spricht Descartes von subjektiven Täuschungen, welche durch teilnehmende Sinneswahrnehmungen den rationalen Erkenntnisprozeß beeinträchtigen können. Wir wissen aber seit Bohr und Heisenberg um die nicht völlig herstellbare Objektivität und die subjektiven Freiheitsgerade in der mikrophysikalischen Forschung.32 Bei jeder Art von Sozial Wissenschaften - und die Wirtschaftswissenschaften gehören hierzu - ist teilnehmende Beobachtung, emanative Hinwendung zum Subjekt, Aktionsforschung u.ä. stets unerläßlich, wenn es darum geht, möglichst objektiv der Handlung und der Einstellung von Subjekten gerecht zu werden. Will Sozialwissenschaft, sei es in Führungssituationen, sozialpädagogisch oder therapeutisch gerichtet, zur Nutzanwendung fuhren, ist das Descartessche Objektivierungspostulat in der in vielen naturwissenschaftlichen Bereichen bewährten Form so nicht übertragbar. Der analytische Elementarismus läßt sich, um Descartes' Uhrenmetapher aufzugreifen, vergleichen mit dem Auseinandernehmen einer Uhr mit nachfolgender eventueller Fehlerbeseitigung/Reinigung und Wiederzusammenfügung. Lebende Organismen, nicht nur deren Sonderspezies Mensch, würden bei einer derartigen Prozedur nicht nur ums Leben gebracht (durch Computersimulation neuerdings verhinderbar), sondern der funktionale Prozeß in seiner
Meyer-Faje, A.: Der Betrieb im Wandel, Konsequenzen für Struktur, Kommunikation, Motivation und Autorität als wesentliche Inhalte einer modernen Führungslehre, Bern 1985: 33 ff.
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
49
Ganzheitlichkeit bliebe dem Analytiker in wesentlichen Bereichen verborgen. Die deterministische Reduktion von Komplexität und damit eine erhebliche Realitätsvereinfachung entsteht beim mechanistischen Weltbild vor allem dadurch, daß an die Leerstelle Gott als finale causa ein Ersatzprinzip tritt. Solche pseudoreligiösen Gründe können beispielsweise die Newtonsche Physik, der Darwinismus, der Marxismus oder die Gesetze des freien Marktes und die Kunstfigur des homo oeconomicus sein. Ausblendungseffekt impliziert also nicht nur "Rationalität und sonst nichts", sondern eine derartige Monokausalität verfälscht zugleich die Rationalität als solche. Die Ökonomie als Erbe Für die neben der Philosophie für unser Vorhaben wichtigsten Bezugswissenschaften, die Ökonomie und die Psychologie, sind die Mainstreams unverkennbar in der Descartesschen Axiomatik verwurzelt. Der Beginn der Wirtschaftswissenschaften läßt sich datieren mit der Schrift von Dudley North 'Discourses Upon Trade; Principally Directed to the Cases of the Interest, Coynage, Clipping, Increase of Money' (1691). Im Vorwort zu dieser Schrift wird von North's Bruder Roger der 'Discours de la méthode' als das methodische Leitgerüst für Dudley's Untersuchung gepriesen. North versucht im Rekurs auf die im Aufschwung befindliche Wissenschaft der Physik, die Wirtschaft als selbstregulativen Mechanismus zu begreifen und bedient sich eines für die damalige Zeit noch ungewöhnlich hohen Abstraktionsgrades. Er war davon überzeugt, daß das Wissen in hohem Maße mathematisch geworden sei. Wie Bürgin feststellt, wirkt der Bezug auf Descartes recht überhöht und aufgesetzt.33 Vielleicht handelt es sich um eine "verkaufsförderliche" Überarbeitung durch Roger, dem zeitgenössischen Trend gemäß. Doch ob aufgesetzt oder nicht, gilt gleich viel. Mit North beginnt eine typisch englische ökonomische Denkweise, die sich als Hauptstrom allerdings erst über Malthus, Bentham, J. S. Mill und Ricardo zu formieren beginnt und als Klassik und Neoklassik mit Bürgin, A.: Zur Soziogenese der Politischen Ökonomie, Wirtschaftsgeschichtliche und dogmenhistorische Betrachtungen, Marburg 1993: 357 ff. Siehe auch Pribram, K.: Geschichte des ökonomischen Denkens, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1992:139.
50
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
seiner mechanistischen Einseitigkeit bis in die Gegenwart hinein wirksam ist. Das Bindeglied Adam Smith steht gleichsam als Vorklassiker außerhalb. Er hat sich nicht in den Netzen Descartesscher Einseitigkeit verfangen. Sein Denken gründet sich im Naturrechtsdenken der schottischen Aufklärung sowie stoischer und aristotelischer Philosophie. Er überhöht sein Denken nicht zu jener "flachen Totalität" (P. Ulrich) eines reinen von der Lebenswelt abgeschotteten individualistischen Konkurrenz- und Nutzenmaximierungsdenkens. Vielmehr sichert sein Denkgebäude - wenn auch im Ganzen nicht immer widerspruchsfrei durch sein Verständnis von Ökonomie als Politischer Ökonomie und den aristotelischen Rückbezug auf Politik und Ethik, durchsetzt mit Rechtsphilosophie und naturpsychologischen Vorstellungen, grundsätzlich die Fundamentalbedingungen einer conditio humana 34 Bei den zwei Hauptgefahren, denen Kritiker und Verehrer gleichermaßen unterliegen, wenn sie Smith's in sozialintegrativem Kontext gesehenes Selbstinteresse mit Materialismus und krudem Egoismus verwechseln sowie ein konsistent mechanistisches Systemdenken konstatieren, kann man nur bei letzterem Smith Doppeldeutigkeit nachweisen. Vordergründig tragen seine systemischen Setzungen sowie seine didaktischen Metaphern - Uhrwerk, Maschine und unsichtbare Hand - mitunter durchaus Descartessche und Newtonsche Züge. Hier ist Smith offensichtlich nicht frei vom naturphilosophischen Glauben seiner Zeit. 35 Dieser Glaube schlägt dem historisch und evolutorisch denkenden Smith mitunter ein Schnippchen. Zugleich weiß er selbstkritisch um seine Newtonsche Befangenheit und weiß an Schlüsselstellen scharf zwischen den Systemen der Naturwissenschaft und der Moralphilosophie in ihrer Eigengesetzlichkeit zu unterscheiden. 36 Siehe vor allem Bürgin (1993: a.a.O.) sowie Meyer-Faje, A./Ulrich, P. (Hrsg.): Der andere Smith, Beiträge zur Neubestimmung von Ökonomie als Politischer Ökonomie, Bern 1991; ferner Nonnenmacher, G.: Die Ordnung der Gesellschaft, Weinheim 1989. Salin, E.: Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 4. erw. Aufl., Bern 1951: 83. Siehe hierzu das Smith-Zitat bei Meyer-Faje, A.: Adam Smiths politökonomisches System - eine Antwort auf die Gefährdimg der Conditio Humana, in Meyer-Faje/Ulrich (1991: 331): "Ein System der Naturwissenschaften mag sehr einleuchtend erscheinen und lange Zeit in der ganzen Welt... angenommen sein und doch keine Grundlage in der Natur noch die mindeste Ähnlichkeit mit der Wahrheit besitzen ... Anders verhält es sich mit den Systemen der Moralphilosophie, und ein Schriftsteller, der vorgibt, den Ursprung unserer ethischen Gefühle zu erklären, kann uns nicht so grob
1. Die Identitätsfrage als Sinnfrage
51
Die Psychologie als Erbe Für die Psychologie hat Herzog das starke Verhaftetsein des Behaviorismus und der Freudschen Psychoanalyse mit Descartesscher Axiomatik eindrucksvoll belegt. Dabei ist die Übernahme der Descartesschen Reduktion bei Skinner weit ausgeprägter. Geist wird eindeutig und platt zur abhängigen Variablen körperlich-neurologischer Beeinflussung. Die Identitätsfrage stellt sich nicht; denn der Mensch wird nach Skinner zum Individuum, indem er ein Verhaltensrepertoir erwirbt. Bei Freud bleibt manches widersprüchlich. Einerseits gilt es - und das macht die Neurose aus - das "Gespenst in der Maschine" zu bändigen, andererseits ist beim "normalen" Menschen das 'Ich' als Instanz konzediert, das die Triebe beherrschen kann, also gewissermaßen Herr im eigenen Haus zu bleiben vermag. Nimmt man hinzu, daß Identifikation bei Freud jener Prozeß ist, durch den das Ich zu libidinöser Energie gelangt, so wird ersichtlich, daß wir uns für unser Vorhaben nicht weiter mit der Freudschen Richtung zu beschäftigen brauchen. Ununtersucht bleiben bei Herzog die in der psychologischen Identitätsforschung angewandten rollentheoretischen und interaktionistischen Ansätze.
täuschen, nicht von aller Ähnlichkeit mit der Wahrheit so weit abweichen." Siehe auch Streminger, G.: Der natürliche Lauf der Dinge, Essays zu Adam Smith und David Hume, Marburg 1995.
ERSTER
HAUPTTEIL
Die institutionale Sinnfrage als Ellipse 2.
Der Sinnfokus Person
2.1
Personale identifikatorische Prozesse als ontologische Selbstpositionierung
Je begrenzter eine Disziplin den Menschen thematisiert, desto leichter fällt es ihr, dieses Defizit als "Gesetzmäßigkeit" fortzuschreiben. Wir müssen deshalb, wenn wir in diesem Beitrag der personalen Identität den entscheidenden Stellenwert einräumen, den Mut aufbringen, die freiwillig umgelegte Augenbinde der ökonomischen Kerndisziplinen abzunehmen, um den Untersuchungsgegenstand personale Identität um seiner selbst willen verstehen zu können und aller Kurzsichtigkeit, die den Menschen trotz inzwischen so oft betontem "Mittelpunkt" eben doch nur als Produktionsfaktor, Mitarbeiter, "selbstähnliches" Systemelement und neuerdings auch als "lean agent" sieht, vorzubeugen. Menschliche Existenz ist prinzipiell nicht darauf angelegt, Mitarbeiterexistenz einer Unternehmung zu werden, sondern sie bleibt stets ein Zweck für sich. Menschsein und Sinnautonomie Der Mediziner Frankl hat, angeregt durch die neuere ontologische Philosophie, erkenntnistheoretisch und diagnostisch die Existenzanalyse entwickelt und darauf aufbauend, aber hier nicht Thema, antithetisch zur Psychoanalyse die therapeutische Richtung der Logotherapie begründet. Für Frankl geht weder Geistiges im Psychischen, noch Psychisches im Körperlichen oder Gesellschaftlichen auf. Die Einheit Geist-Seele-Leib funktioniert einerseits als obligater psycho-physischer Parallelismus und andererseits als geistig-psychisches Wechselspiel ("noo-psychischer Antagonismus").
2. Der Sinnfokus Person
53
"Immer wieder gilt es, die "Trotzmacht des Geistes" ... aufzurufen, gegen die scheinbar so mächtige Psychophysis."1 Wird die geistige Dimension eliminiert oder, was dem letztlich gleich kommt, aufs Psychische oder gar Physische reduziert, so ist nicht bloß eine Dimension geopfert; Menschliches im eigentlichen Sinne ist dann nicht mehr möglich. Frankl verkennt nicht die Schwierigkeiten des realen Lebens, doch der Wille zum Sinn führt den Menschen, wie N. Hartmann es formuliert hat, zu "Autonomie trotz Dependenz." 2 Die neuere Anthropologie, soweit sie auf dem dreidimensionalen Apriori basiert, bestätigt dem Menschen nicht nur vorrangig geistige und moralische Kompetenz, sondern außerdem neotenische Kompetenz (lebenslange Lernfähigkeit), soziale und dialogische Kompetenz, Aktionsbedürfhis und Selbstüberschreitungskompetenz.3 Die Chancen identifikatorischer Selbstentfaltung sind als Facultas also recht breit und differenziert angelegt. Besonders aber ist hervorzuheben, daß der Mensch in der Lage, d. h. frei dazu ist, aus sich herauszutreten, also beispielsweise in geistig kritischer Distanz zu einem Leiden, einem beruflichen Versagen, einem erlittenen Unrecht usw. Stellung zu beziehen und frei verantwortete Entscheidungen zu treffen. Frankl spricht von ontologischer Moral, die sich existentialisiert und phänomenologisiert, d. h. als Handlung wahrgenommen werden kann, und zwar in den Realisationen o etwas zu tun, also schöpferisch; o etwas zu erleben, also z. B. jemanden zu lieben; o Haltungen und Einstellungen zu gewinnen.
Frankl, V. E.: Der Wille zum Sinn, 2. erw. Neuaufl., Frankfurt a. M. 1994: 116. Frankl demonstriert in logischer Analogie, wie durch Reduktion dreidimensionaler Objekte zur zweidimensionalen Perspektive Mehrdeutigkeiten auftreten. Beim Menschen ergäben sich durch die Reduktion auf die zwei niedrigeren Ebenen "Psyche" und "Physis" nicht nur Mehrdeutbarkeiten, sondern auch Widersprüche, die nur durch die unverfälschte Dreidimensionalität überbrückt werden könnten. Frankl (1994: 156). Herzog, W.: Das moralische Subjekt, Bern 1991, 6. Kapitel.
54
2. Der Sinnfokus Person
"Die Haltung und Einstellung verstattet ihm, Zeugnis abzulegen von etwas, dessen der Mensch allein fähig ist: das Leiden in eine Leistung umzugestalten. "4 Wir haben zu unterscheiden zwischen Identität als Selbstübereinstimmung mit Sinn, der Differenz von Identität und Sinn sowie Identifikation als dem selbstidentifikatorischen Prozeß. Identität und Sinn Heidegger hat die klassische Identitätsformel A= A existentialistisch umgeformt zu A ist A und apostrophiert damit normativ, daß kein Mensch aus seiner Existenz und damit aus seiner Identität herausfallen könne. Ein nihilistisches Mißverstehen, Heidegger könnte damit wie Sartre gemeint haben, Existenz gehe vor Essenz, ist ausgeschlossen, weil Heidegger zur Erläuterung den Satz des Parmenides nachschiebt: "Das Selbe nämlich Sein."
ist Vernehmen
(Denken)
sowohl als
auch
Faktisch bedarf es also einer bewußten Denkleistung, daß A sich zu A realisiert. Das Zusammengehören von Mensch und Sein wird als wechselseitige Herausforderung gesehen. Die Schnittstelle, wo menschliches Sein und menschliches Denken übereinstimmend zusammenfinden, wo wir also Heidegger leicht abwandelnd, folgern können, daß sich Ai (identifikatorischer Prozeß) und A 2 (existentieller Sinn) gefunden haben, bezeichnet Heidegger als "Er-eignis", ähnlich wie bei Frankl Sinnfindung nur erfolgen kann:5 "Das Er-eignis ist der in sich schwingende Bereich, durch den Mensch und Sein einander in ihrem Wesen erreichen." 6
4 5 6
Frankl (1994: 29 f.). Heidegger, M.: Identität und Differenz, 9. Aufl., Pfullingen 1990. Heidegger (1990: 26). Siehe auch Frankl (1994: 20).
2. Der Sinnfokus Person
55
Nimmt der Mensch denkend, d. h. als geistiges Wesen, die Herausforderung des Seins an, so versucht er, den im Sein eingelagerten Sinn zu seinem existentiellen Sinn zu machen. Für Heidegger bedeutet das "Ex-sistenz", aus sich Heraustreten, Ausstehen, das "Stehen in der Lichtung des Seins", womit Offenheit für das Ereignis gemeint ist. Frankl drückt ähnliches nur einfacher aus. Sinnfindung kann dem Menschen als blitzartige Erhellung zu eigen werden, sie kann aber auch Schritt für Schritt in Gang kommen, indem sich der Mensch den Aufgaben des Lebens stellt. Als Sinn soll mit Scherer "der Gehalt verstanden werden, durch den die Existenz des Menschen im Ganzen zu ihrer Erfüllung kommt. Sinn ist das, was erfüllt, das Dasein als gerechtfertigt erscheinen läßt, so daß es bejaht werden kann. Sinn ist das, wodurch das Existieren sich lohnt, so daß man sagen kann: "So ist es gut - du hast richtig gehandelt dein Leben ist nicht vergeblich." 7 Diesen Sinn meint die Tagebuchschreiberin Anne Frank im frühreifen Über-Sich-Hinauswachsen: "Ich will nicht wie die meisten Menschen für nichts gelebt haben." Identität und Sinn als Differenz Mit "Identität und Differenz" zeigt Heidegger ähnlich wie Frankl Sinnsuche als lebenslängliche Herausforderung auf, die bei Heidegger mehr denkend, bei Frankl mehr tuend zu lösen ist. Die Person gerät in eine geistig seelische Notlage, wenn Identität und Sinn auf die Dauer nicht zusammenfinden. Gleichzeitig ist aber in einem etwas anderen Verständnis dieses Prozesses, worauf Scherer hinweist, Identität stets auch Differenz, was in unserem Zusammenhang nicht als logische Unterscheidung, sondern ontologisch gemeint ist; es erfordert autonome Willenskraft, sich zu seiner Identität gegenüber anderen Menschen zu bekennen. Rombach meint, in einem völligen sich Aufgeben gegenüber dem Sinn, das er als Idemität (von lat. idem sunt) bezeichnet, eine ontologisch "höhere" Stufe zu erkennen. Nicht nur sind derartige Wertungen pro7
Scherer, G.: Identität und Sinn, in: Scherer, G./Gethmann, C. F. u.a. (Hrsg.): Studien zum Problem der Identität, Opladen 1982: 3.
56
2. Der Sinnfokus Person
blematisch, auch der gemeinte Sachverhalt bleibt unklar. Als Beispiele nennt Rombach den einen schwierigen Hang meisternden Skiläufer, den in ein Adagio "verlorenen" Geiger, die in ihre Kinder "verlorene" Mutter. M E. stehen diese Beispiele eher für ein sich "Finden" als für ein sich "Verlieren", bzw. allenfalls für ein identifikatorisches über sich Hinauswachsen.8 Eine Situation schwerwiegenden Auseinanderfallens von Identifikation und Sinn dürfte sich dagegen häufig im Betriebsalltag feststellen lassen: dort wo in Stellenbeschreibungen Positionen so festgelegt sind, daß sie objektivierte Gültigkeit haben, d. h. von jeder Person, die bestimmte Anforderungskriterien erfüllt, ausgeübt werden können. Das wären Identifikationsvorgaben, für die primär das funktionale Ergebnis, weniger das personale Hineinwachsen in Sinn, Bedeutung hätten. Aber auch für den umgekehrten Fall "Sinnvorgaben ohne Rücksicht auf Mitarbeiteridentität" kann die Betriebswirklichkeit Musterbeispiele liefern, etwa wenn eine "Unternehmensphilosophie" vorgegeben wird und von den Mitarbeitern erwartet wird, daß sie als "...aner" mit ihrer Identität in sie hineinwachsen. Aus der tagtäglichen Konfrontation mit Patienten, deren eigentliches Leiden ihr Sinnvakuum darstellt, ist Frankl zur Begründung von Existenzanalyse und Logotherapie gelangt. Er unterscheidet, diagnostisch klar von einander abgrenzbar, eine psychogene Neurose und noogene Neurose. Nur der psychogene Neurotiker ist im üblichen Sinn psychisch leidend, der noogene Neurotiker wäre eigentlich normal, wenn ihn nicht von seinem geistigen Bewußtsein her, mit psychischen Auswirkungen, die Sinnlosigkeit seiner Existenz bedrükken würde. Der Psychotherapeut kann den Patienten nur motivieren, sich der Sinnfrage zu stellen und ihm auch die Türen zeigen, die mit Sicherheit keinen Ausgang aus dem Sinnvakuum weisen: übertriebene Selbstinterpretation, Narzißmus, Selbstverwirklichung, Emanzipation, kurz alle ichbezogenen Strebungen, die wie immer sie berechtigt sein mögen, in egozentrischer Isolation nur das Sinnvakuum vergrößern.9 Es geht darum, "die Freiheit vom Sosein" zur "Freiheit zum Dasein" zu wenden.10 Verantwortlichkeit wird zum Grundzug eines sinnorientierten Daseins. Die Existenzanalyse
9 10
Rombach, H.: Strukturanthropologie, 2. Aufl., München 1993: 204, 379. In Abschnitt 6.5 komme ich kritisch auf Rombachs 'Idemitität' zurück. Frankl (1994: 11 ff.). Frankl (1994: 45).
2. Der Sinnfokus Person
57
"erklärt, daß nicht der Mensch es sei, der da eine Frage stellen dürfte, sondern daß es paradoxerweise das Leben selber ist, das den Menschen befragt. Sodann zeigt sie auf, daß wir die Fragen, die uns das Leben stellt, nur dadurch beantworten können, daß wir unser Leben verantworten."11 Selbstidentifikation Das selbstidentifikatorische Geschehen ist ein lebenslänglicher kontinuierlicher Prozeß, so daß wir streng genommen, wenn wir Identität sagen, eigentlich stets jenen Prozeß als untrennbar mitdenken müssen. 12 Als analytische Momentaufnahmen und "erklärungshalber" lassen sich sicherlich Identitätsbewußtsein und das Handeln aus solchem Bewußtsein voneinander unterscheiden (siehe Abb. 7). Bereits in einem Interview über das Identitätsthema zwinge ich die Probanden quasi zu einer solchen Unterscheidung. Realiter ist es aber so, daß ohne kontinuierliches und konsistentes Handeln aus dem Sinn der Sinn sich zunehmend verflüchtet. Dieses hat in keiner Weise etwas mit Skinnerscher oder Hullscher Verstärkertheorie zu tun, sondern erschließt sich über den Identifikationsprozeß als Ereignis, in dem Existenz und Sinn sich wechselseitig herausfordern und zusammenfinden. Personale Bedeutung Die wichtigsten Auswirkungen für die Person, die im Prozeß sinnerfüllten Handelns steht und von hier aus immer wieder neu zu ihrem identifikatorischen Selbstverständnis gelangt, oder einfacher gesagt, mit sich ins Reine kommt, sind: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Einklang mit sich selbst Autonomes Wertbewußtsein Die Fähigkeit zur Selbstdistanzierung Profilierung und Differenzierung zu individualer Singularität Biographisches Kontinuitätsbewußtsein Serviceleistung für eine soziokulturelle Kontinuität Über sich Hinauswachsen Sinntranszendenz Soziale Selbstintegration Offensein für Wandel
11
Frankl (1994: 46). Siehe hierzu ontologisch Grundsätzliches, mit Bezug auf Heidegger ("Sein und Zeit") bei Rombach (1993: 271 ff.).
12
58
2. Der Sinnfokus Person
Abb. 7
Der Prozeß der Selbstidentifikation
Einklang mit sich selbst bedeutet Harmonie, ein körperlich-seelisch-geistiges Gleichgewicht und damit auch eine Steigerung und Gleichrichtung aller individualen Kräfte, es entsteht eine Art "Synergieeffekt" intra personam. Außerdem werden, wie Frankl erkannte, alle Triebstörungen gegenstandslos, die anders als bei Freudscher Neurose nicht von den psychischen Trieben, sondern von dem geistigen Sinnvakuum der Person determiniert sind. Frankl stellte bei seinen noogenetisch leidenden Patienten Ausweichen
2. Der Sinnfokus Person
ins Geltungsstreben, Besitz, Lustgewinn, erotischen, Narzißmus, Depression u. ä. fest. Autonomes
59 auch
pornographisch-
Wertbewußtsein
schafft Widerstands- bis Überlebensfähigkeit, wie Frankl es als mehrjähriger KZ-Häftling am eigenen Leib und bei Leidensgenossen erfahren durfte. Es schafft im Alltag Menschen, auf die man sich verlassen kann, die sich andererseits einem verordneten "Esprit du corps", wie er beispielsweise als Konstrukt "Unternehmensethik" einem Großunternehmen übergestülpt wird, nicht unterordnen, wohl aber eine Ethik, die sich aus der Situation als naheliegend ergibt, bejahen. Wir sehen uns an dieser Stelle überfordert zu befinden, inwieweit ein Kategorischer Imperativ, für den sowohl Jonas als auch Frankl darin eigenwillige Umformulierungen gegenüber Kant vorgenommen haben, überhaupt reformulierbar ist, sehen aber mit Frankl darin eine ontologische Logik, daß autonomes Wertbewußtsein letztlich, wie unterschiedlich es sich ausprägen mag, zu deontologischer Selbstinpflichtnahme führt. 13 Die Fähigkeit zur
Selbstdistanzierung
ist in anthropologischer Disposition das entscheidende Vehikel, um autonomes Wertbewußtsein zu realisieren. Piaget hat erforscht, daß solches Bewußtsein genetisch positioniert ist. Selbstdistanzierung ist die Fähigkeit des Menschen, mit seinem Bewußtsein sowohl aus seiner gesellschaftlich sozialisatorischen als auch seiner körperlich psychischen Eingebundenheit herauszutreten zu einer selbstkritischen Beurteilung. Er könnte dabei sogar soweit gehen, sich zu verneinen und freiwillig in den Tod zu gehen. Auch hier gilt das Verdikt "Autonomie trotz Dependenz". Ein Teil dieser Autonomie wird zweifellos der Dependenz erliegen, denn wir nehmen uns selbst, wenn wir uns das nicht sehr bewußt machen und zu lernen bemühen, sehr leicht mit dem geistigen Bewußtsein wahr, das Produkt unserer Erziehung, unserer Bildung (Soziogenese) und unserer Lebenserfahrung ist. Wie Frankl zeigt, ist es entscheidend, daß diesen Einschränkungen zum Trotz Autonomie möglich Kant: "Handle so, daß du auch wollen kannst, daß deine Maxime allgemeines Gesetz werde." Zit. nach Jonas, H.: Das Prinzip Verantwortung, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 1982: 35. Jonas: "Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden." Jonas (1982: 36). Frankl: "Handle so, als ob du zum zweitenmal lebtest und das erstemal alles so falsch gemacht hast, wie du im Begriffe bist, es zu tun." Frankl (1994: 104).
60
2. Der Sinnfokus Person
ist. Auch Heideggers "Existenz" als das "Stehen in der Lichtung des Seins", womit er das Offensein für das Wahre, und damit auch für allfälligen Wandel meint, bedeutet die Fähigkeit zur Selbstdistanzierung." 14 Schulz sieht in Kritik an Piaget und Kohlberg (1989) und im Zusammenhang von Identität und personaler Ethik, daß mit der genetischen Moralentfaltbarkeit noch gar nichts hinsichtlich realer Identitäts- und Moralentfaltung gelaufen sei. Es komme auf die Wechselbedingung von Selbstbezug und Weltbezug an.15 Er vergißt hinzuzufügen, daß via Selbstdistanzierung das autonome Subjekt zumindest in der Lage ist, diesen Prozeß wahrzunehmen und zu werten. Auch was nicht änderbar ist, läßt sich, durch Einstellung personal verbindlich wertend, mit Sinn erfüllen. Profilierung und Differenzierung zu individualer Singularität ist zunächst von der abendländisch christlichen Tradition her ein nicht erst seit Humanismus und Renaissance humanes Orientierungsleitbild. Diese Entwicklungsspur des Individualismus führt letztlich zurück auf das unmittelbare Gerufensein eines jeden Geschöpfes Mensch durch seinen Schöpfer Gott mittels seines Gewissens. Die entscheidende säkularisierende Entbindung beginnt mit Descartes. Wir haben hier aber vordringlich die real herausgeforderte Individualität zu sehen, die in jedem Menschen schlummert und die sich besonders stark Bahn bricht, wenn der Mensch in industriellen oder staatlich politischen Kollektiven als bloßes austauschbares Objekt vereinnahmt zu werden droht. Von diesem Identitäts stau profitieren nicht unerheblich konsumtive Identitätssurrogate, wie in Kleinserien realisierte "Sonderausstattungen" bei Pkws, computerisierte "Maßkonfektion" u. ä. Individuale Singularität ist nicht teilbar, obwohl uns dies, nicht nur die moderne Rollentheorie, sondern auch, postmodern ausgerichtet, Kenneth Gergens multiphrene Identitätstheorie als überholtes Denkschema abgewöhnen will, weil es keinen Persönlichkeitskern mehr gäbe. Nach Gergen werde die Identität des Menschen der Zukunft in
15
SaJfranski, R.: Ein Meister aus Deutschland, Heidegger und seine Zeit, München 1994: 424. Schulz, W.: Gnindprobleme der Ethik, Pfullingen 1989: 299.
2. Der Sinnfokus Person
seiner Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit gleichen.16 Biographisches
61 einem Kaleidoskop
Kontinuitätsbewußsein
ordnet von einem übergeordneten Sinnverständnis her Wege, Umwege, Knicks, Kehren, Irrgärten in ein stimmiges, dem Reifungsprozeß förderliches wertvolles, einmaliges Ganzes, von dem kein Teilchen abtrennbar ist. Eine besondere Entwicklungsaufgabe jedes Menschen ist es, zu jeder Lebensphase, besonders zu seinem Altern, ja zu sagen. Frankl weist nach, daß nicht einmal bei Schizophrenie eine völlige Personspaltung erfolgt. Erst recht im biographischen Kontinuitätsbewußtsein des normalen Menschen erweist sich die Bedeutsamkeit der individualen Unteilbarkeit für die Autonomie der Person. Daß der Einzelne in der Lebenswirklichkeit einer Vielzahl von Rollenerwartungen ausgesetzt ist, ist sicherlich zutreffend. Falls es sich nicht um Kleingruppen, also Gruppen mit immanenter Ordnung handelt, wird übersehen, daß dort, wo Rollen explizit definiert werden, sie als Positionen gerade so definiert werden, daß sie von jedem x-beliebigen Subjekt ausgefüllt werden können, das die objektivierbaren Voraussetzungen erfüllt. 17 Schon deshalb bedarf es auch gar keiner Aufspaltung der Person oder eines differenzierten Balanceakts (Krappmann), um seine Identität zu wahren, denn wer sinnorientiert und eingeschliffen in seiner biographischen Kontinuität in sich ruht, durchschaut sehr leicht, wie Rollen formal Rechnung getragen werden kann, aber auch, wie im Interesse einer weit effektiveren Funktionalität für das Ganze, unterlaufen und sanft modifiziert werden können.18 Es bedarf nicht einmal der logisch zutreffenden Voraussetzung Rombachs, um Rollen zu spielen, müsse der Spieler, wie es beim "echten" Theater der Fall ist, eigentlich sämtliche anderen Rollen der Partner/Kontrahenten kennen.19 Bei weitem nicht
17
18
19
Ernst, H.: Sinn ist nur als Ergebnis von Beziehungen denkbar, Interview von Kenneth Gergen, in: Psychologie Heute (10) 94: 34 - 38. Siehe die Kritik von Marquard, O.: Identität, Schwundtelos und MiniEssenz - Bemerkungen zur Genealogie einer aktuellen Diskussion, in: Marquard, O./Stierle, K. (Hrsg.): Identität, München 1979: 347 - 369. Ein solches Unterlaufen wurde empirisch festgestellt von Meyer-Faje, A.: Identitätsorientierte Menschenfuhrung. Ein Beitrag zum Paradigmenwechsel in der Führungspraxis, Bern 1990. Rombach (1993: 183,251 f.).
62
2. Der Sinnfokus Person
jede Rolle, der man gerecht werden muß, geht als sinnprägend ins biographische Kontinuum der Person ein. Serviceleistung für eine soziokulturelle
Kontinuität
Zukunft braucht Herkunft. Der Mensch wird nicht nur durch das gesellschaftliche Umfeld, in das er hineinverwoben ist, gestaltet. Sicherlich geht es der Gesellschaft, wie Parsons zutreffend ausführt, um Strukturerhaltung (latency oder pattern maintenance), doch daß sich diese Strukturen dadurch erhalten, daß sie sich jeweils zeitgemäß ändern, ist kein abstrakter, sondern ein "institutionaler" Vorgang und letztendlich auf konkrete Menschen zurückzuführen, die ihre Sinnfindung im Wechselbezug Person und Gesellschaft in derselben und nicht außerhalb oder gar gegen sie vollziehen. J. Ritter hat dafür den Begriff der Hypolepsis geprägt. 20 Großbritannien scheint mir, im Gegensatz zur Bundesrepublik, ein Musterbeispiel zu sein, wie gesellschaftliche und mdividuale Identität einander Servicedienste leisten. 21 Daß das hypoleptische Wechselspiel auf gelebte Unternehmenskultur zumeist noch nicht anwendbar ist, ist darauf zurückzuführen, daß die Freiheit zu die Freiheit von voraussetzt. Soweit sind die wenigsten Unternehmenskulturen. Sie würden dabei riskieren müssen, sich in Frage zu stellen. Über sich
Hinauswachsen
ist ein Erlebnis, das jeder Mensch kennt, der von einer Leistung besessen ist, die er zu einem erfolgreichen Ende bringen will. Hier vermögen, wie bei der Erstbesteigung eines Berggipfels, die geistigen Kräfte die nachlassenden psychophysischen Kräfte und deren Regenerierbarkeit, aber auch die mangelhafte Ausstattung mit den erforderlichen materiellen Ressourcen, bis zu einem gewissen Grade zu kompensieren. Positiv ersichtlich führt sinnerfülltes Handeln zu einem qualitativen Mehrwert für den Handelnden und alle Involvierten. Genauso positiv, aber weniger ersichtlich ist es, wenn Handeln aus dem Sinn die Kraft verleiht, nicht aufzugeben und eine Alltagspflicht zu erfüllen, die von Außenstehenden als selbstverständlich hingenommen wird: ÜberarbeiSiehe Bien, G., Stichwort "Hypolepsis", im Historischen Wörterbuch der Philosophie, Bd. 3, Darmstadt 1974: 1252 - 1254. Siehe Augstein, R.: Eingelegter Held im Brandyfaß. England feiert sich mit Nelson über schwere Stunden hinweg ins nächste Jahrhundert hinein. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.10.1995.
2. Der Sinnfokus Person
63
tete Ärzte und Pflegepersonal eines Krankenhauses, überarbeitete Piloten einer Fluggesellschaft, die immer freundliche Sekretärin, die weitgehend nur regenerativ tätige Nur-Hausfrau, die Beispiele lassen sich beliebig vermehren. Der Sinnträger allein entscheidet dabei, ob die Tätigkeit für ihn eine Antwort auf die Sinnfrage ist. Sinntranszendenz ist die transzendentale Kehrseite des Über-Sich-Hinauswachsens. Der Mensch hat nicht nur eine erstaunliche Leistung vollbracht, er hat sich dadurch, daß er Werte inkarniert, indem er aus ihnen handelt, in ein sein soziales Umfeld transzendierendes Beispiel verwandelt. Welche Theorien über die Transzendenz des Geistes man auch zugrunde legen mag, lebenspraktisch ist es der Mensch, der aus dem Geist lebt, und dafür sorgt, daß der Geist in der Lebenswelt, und damit auch eingelagert in materielle Handlungsergebnisse, zur Entfaltung kommt. Nicht Kunstwerke oder Bücher bewahren auf die Dauer, wie die neuere identitätsorientierte Ästhetik meint, den Geist, sondern nur aus dem Geist handelnde Menschen als Geistträger. Kojeve: "Ohne den Menschen wäre das Sein stumm: es wäre da, aber es wäre nicht das Wahre." 22 Soziale
Selbstintegration
bedeutet, daß die Persönlichkeit, die via Sinnsuche heranreift, nur über Prozesse des Du- und Wir-Dialogs zur Antwort ihres Daseinssinnes, also zur Verantwortung findet. Dieser Dialog setzt ein Innewerden der empfangenen Botschaften voraus. 23 Würde ein solcher Dialog, der, wie Buber betont, in die Begebenheiten des "Alltags" eingelagert ist, vorherrschend sein, so bedürfte es keiner kommunitarischen Bewegung. Die Eigenart phänomenologischen Dialogverständnisses scheint mit einem Brief von Jacobi an Lavater (1781) besonders prägnant ausgedrückt:
Zit. nach Safranski (1994: 426). Siehe hierzu auch meine Bemerkungen in Abschnitt 6.5: 226 f. Buber, M.: Das dialogische Prinzip, 7. Aufl., Gerlingen 1994: 161 f.
64
2. Der Sinnfokus Person
"Ich öffne Aug und Ohr, oder ich strecke meine Hand aus, und fühle in demselbigen Augenblick unzertrennlich: Du und Ich, Ich und Du." 24 Offen sein für Wandel ist kein Widerspruch zu, sondern eine Voraussetzung gelingender biographischer Kontinuität. E. Bloch: "Wo immer Existieren seinem Kern nahekommt, beginnt Dauer, keine erstarrte, sondern eine, die Novum ohne Vergänglichkeit, ohne Korrumpierbarkeit enthält."25 Der vierzigjährige Erwachsene bleibt sich in seiner Kontinuität identisch, wenn er um der von ihm erfahrenen politischen Wahrheit willen seine Partei wechselt, und er mag schon morgen auf einer anderen Ebene eine Herausforderung erfahren oder eine Begegnung haben, die ihm existentiell eine bis dato unbekannte Frage stellt. Sinnorientierung hält eine typische anthropologische Grunddisposition offen, die trotz der allgemeinen Nachfrage, besonders seitens großer Unternehmungen, verkümmert zu sein scheint: die lebenslange Lernfähigkeit, auch als neotonische Funktion bezeichnet. Herzog: "Der Mensch ist nicht Substanz, sondern Prozeß. Er wird Mensch und verändert sich unter Wahrung seiner Identität."26 Zwischenfazit Der Versuch, personale Identität phänomenologisch zu bestimmen, scheint im Vergleich mit der üblichen psychologischen und soziologischen Vorgehensweise zu idealtypischen Überhöhungen zu führen. Solcher Schein trügt insofern nicht, weil phänomenologische Bemühungen gerade dort, wo sie gelingen, zu einer Reduktion auf das unverzichtbar Typische führen. Phänomenologische Idealtypen sind deshalb auch, gerade wenn sie praxisrelevant sein wollen, gleichsam "radikal"
24 25 26
Zit. nach Buber (1994: 301). Bloch, E.: Das Prinzip Hoffnung, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1974: 1391. Herzog (1991: 33).
2. Der Sinnfokus Person
65
(= wurzelhaft) sinnhaltig: für die Thematik "Mensch sein wozu?" gilt das auf doppelte Weise durch die explizite Sinnfrage als solche. 27 Durch die Erarbeitung des Zugangs zur personalen Identität über den "Praktiker" Frankl scheint mir jedoch belegbar, daß ontologische Reflexion sich als hilfreich erweisen kann, spezifisch handlungsrelevanten Disziplinen, wie bei Frankl der Psychotherapie, so hier der Managementlehre, signifikante Denkanstöße zu geben. 8 Beim Normativen, das uns derartige Impulse zu geben vermag, kann es sich allerdings nicht um die seit etwa zwei Jahrzehnten für die Unternehmung eingeforderte Öffnung dem sogenannten Wertewandel gegenüber handeln. Denn, erstens, die Werte kommen und gehen im Wechselspiel; zweitens wird es mitunter lebensklug sein, sich Werten z u öffnen, mitunter dagegen "sinnvoll" sein, Differenz durchzuhalten. Es handelt sich vielmehr um kontinuierlich kritisch zu überprüfende normative Sollensvorstellungen als Rahmenbedingungen, die erfüllt sein müssen, wenn menschliche Sinnfindung zu sich finden soll. Anders formuliert: phänomenologisch geht es um das Hinterfragen der objektiven Bedeutung sinnhaltiger Orientierungsbasen für menschliches Handeln. Was hat unternehmenstheoretisches oder unternehmenspolitisches Denken bisher dazu getan? Die Antwort dürfte lauten: wenig, denn auch w o es vordergründig so erscheinen mag, läßt sich zumeist Nutzenorientierung, also Instrumentalisierung des Menschlichen, als finale legitimatorische Notwendigkeit ausmachen. Motivation: ein aliud Die bisherigen Ausführungen zur Identität dürften bereits verdeutlicht haben, daß die Motivationsthematik auf einer anderen Ebene liegt. Identifikation meint einen einmaligen individualen Vorgang, der selbst veranstaltet ist und dessen "Belohnung" meist schon darin besteht, auf dem W e g zu sein. In von außen, also fremd-veranstalteten Motivationsstrategien geht es stets, auf der Basis wie realistisch auch immer unter-
"Sinnhaltig" sind auch Max Webers Idealtypen; Sinnhaltigkeit ist nicht mit Normativismus zu verwechseln. Daß die Theorie der Unternehmung bisher über keine Handlungstheorie verfugt, macht Vorarbeiten dazu, wie diesen Beitrag, um so dringlicher.
66
2. Der Sinnfokus Person
legter Bedürfnisskalen des Motivandus, um wenn - dann - Funktionalitäten, etwas erleichtert im Fall intrinsischer Motivation. Wie Motivation als Führungsmittel viel kürzer als Identitätsorientierung greift, veranschaulicht, wohl unbeabsichtigt, Klages in seiner wichtigen Untersuchung über den Verfall der Werte. 29 Er redet einem verstärkten Einsatz des Führungsmittels Motivation das Wort, weil die intrinsische Selbststeuerung durch "Tugenden" zunehmend abnähme. Klages überhöht die intrinsische Motivation. Wie Wiswede (1981) lapidar feststellt, ist ein Individuum "intrinsisch motiviert, wenn es bestimmte Leistungsstandards verinnerlicht hat, so daß der Betroffene in der Lage ist, sich für Erfolge selbst zu belohnen, für Mißerfolge zu bestrafen. "30 Die "Tugenden" bleiben behavioristisch stimmig in der "black box", nur das Ergebnis zählt aus Unternehmenssicht. Motivation mag wohl einmal nach der Art "man nehme..." anhand von Tugendkatalogen zustande gekommen sein, für identifikatorische Prozesse, wie wir sie hier darstellen, ist das auszuschließen. Identitäten entwickeln sich aus dem Getroffensein durch Situationen. Tugenden mögen dabei, falls sie sich innerhalb solchen Betroffenseins mit Leben erfüllen ließen, wie etwa die von Max Weber festgestellten Tugenden frühcalvinistischer Wirtschaftsgesinnung, sekundäre Orientierungshilfen gewesen sein. In einer über die Tugenden hinausreichenden Sinnorientierung ist die Wandelbarkeit der Tugenden, das Tugenden-Floating, als quasi ethische Evolution, Resultante freier personaler identifikatorischer Prozesse. 31
Klages, H.: Wertorientierungen im Wandel, Frankfurt a. M. 1984. Wiswede, G.: Stichwort "Arbeitsmotivation", im Handwörterbuch der Betriebspsychologie und Betriebssoziologie, Stuttgart 1981: 48. Um es an den frühcalvinistischen Tugenden zu verdeutlichen: sobald hier ein spezifisch religiöses Getroffensein nicht mehr die Regel ist, verflachen und erstarren damit umfaßte Tugenden zu bloßen Konventionsregeln.
67
2. Der Sinnfokus Person
2.2
Soziale Identität zugleich soziogenetischer und personales Interferenzergebnis
Beitrag
Wenn wir vorhergehend personale Identität besonders gewürdigt haben, so geschah dieses nicht in einer typisch westlich fixierten Überbetonung des Individualen, sondern um in phänomenologischer Reduktion auf die ontologische Basis, i.e. die singulare Einzelexistenz, zu verweisen. Es ist der geistig moralische bzw. Autonomieüberschuß der Person, der allen sozialen Interferenzen zum Trotz - "sozial wohl beeinflußbar, aber nicht final konstituierbar" - selbstidentifikatorische Prozesse idealtypisch als Sinnorientierungsprozesse erklärbar macht.32 Es wird nicht angezweifelt, daß Soziogenese und personale Autogenese einander bedingen, und unsere geäußerte Skepsis gegenüber dem Mainstream sozial wissenschaftlichen Denkens beruht nicht darauf, daß der soziale Aspekt als genuines Forschungsanliegen besonders pointiert wird, sondern ist festgemacht an der weitestgehenden Ausblendung der das Soziale zentral mitgestaltenden dritten, der geistigen Dimension des Menschseins. Mit dem daraus ableitbaren Vorbehalt, daß auch viele Nutzanwendungsvorstellungen deshalb leicht zu mechanistisch und verdinglicht geraten, leisten uns Psychologie, Soziologie und eine von ihr beeinflußte Pädagogik durchaus wertvolle Erkenntnisse über soziales und personales Ineinanderwirken und wertvolle antithetische Denkimpulse. Für eine Auslotung identitätsrelevanter Zusammenhänge eignen sich Rollentheorie, Entwicklungspsychologie, Lernpsychologie, Sozialisationstheorie, Gruppentheorie und nicht zuletzt tiefenpsychologische Ansätze, Theorie dabei hier jeweils für ein dichtes Thtonenbündel setzend. Die Rollentheorie verhilft uns dazu, sozialer Zwänge gewahr zu werden, die aus meiner Sicht zumeist aber nur Scheinzwänge darstellen. Die Entwicklungspsychologie lehrt uns, daß der Weg zum Ich bereits in der frühkindlichen Entwicklungsphase über den geglückten Weg zum Du führt. Die Lernpsychologie zeigt uns, wie Erfolgserlebnisse in sozialer Verstärkung und die Imitation sozialer Leitbilder u.a. wichtige formale Vehikel auf dem Weg zur Selbstidentifikation sein können. Die Gruppentheorie legt uns die Frage nahe, ob es auch einen sozialen Autonomieüberschuß, eine über die Gruppe hinausgreifende
Rombach, H.: Strukturanthropologie, 2. Aufl., Freiburg 1993: 61, 251.
68
2. Der Sinnfokus Person
Kollektivautonomie geben könnte. Die Sozialisationstheorie versucht zu belegen, daß die Person das fast ausschließliche Produkt von Geschlecht, Schichtzugehörigkeit, Herkunft ist und entwickelt von hierher Gesellschaftskritik und emanzipatorische Pädagogik. Der tiefenpsychologischen Identitätsforschung geht es um Störungen im Triebgefüge des Menschen und ihrer Auswirkung auf die gesamte Lebensgeschichte. Auch nur einen Teil dieser Theoriebündel unter dem Identitätsaspekt systematisch analysieren zu wollen, wäre eine gesonderte Themenstellung. Wir wählen eine exemplarische Vorgehensweise. Im sechsten Kapitel werden wir unter 6.3.2 die entwicklungspsychologischen Befunde von Piaget und Kohlberg kurz ansprechen, weil sie in gewisser Weise die geistig moralische Autonomie der Person als "Faktum" zu belegen versuchen. Im vorliegenden Abschnitt beschränken wir uns auf das Hinterfragen von Gruppen und Rollen als identifikatorischen Parametern. Beiden Phänomenen ist von ihren Erforschern gesellschaftliche Basisfunktion zuerkannt worden. So ist die Gruppe für Homans Elementarparadigma des Sozialen, und dem Rollenkomplex kommt in Dahrendorfs "Dämonisierung der Rollenfunktion" eine Bedeutung zu, die existentieller Einzelidentität vorgelagert ist. Da Rollen mit ein konstitutiver Bestandteil der Gruppengestalt sind, andererseits aber nicht nur dort vorkommen, beginnen wir unsere Überlegungen mit der sozialen Rolle. Die soziale Rolle legt eine normative Erwartungshaltung im Verhalten von Personen innerhalb von sozialen Gebilden fest. Die normativen Gehalte sind dabei an traditionalen Bindungen, Positionen, Status und Herkunft festgemacht. Ein derartiges Vorweg-Fest-Machen vereinfacht bereits die Interdependenzen und damit den Ursache-Folge-Kontext. Hinzu kommt, daß Rollen, deren grundsätzliche gesellschaftliche Evidenz unstrittig ist, in der konkreten Situation das werden, was ihre Nutzanwender daraus machen. Sie determinieren nicht nur im Sinne Meadschen role taking's die Chancen, der Erwartung anderer Personen zu entsprechen, sondern sie erfahren im interaktiven und selbstreflektiven Prozeß seitens der role taker's nicht nur Akzeptanz, sondern Wandel und interaktive Verflüssigung. 33 Ja, Rollenerwartungen können konsumtivem Verschleiß oder der Entwertung durch gesellschaftlichen Wandel unterliegen, Mead, G. H.: Geist, Identität und Gesellschaft, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1975.
2. Der Sinnfokus Person
69
wofür im ersten Fall die Erwartungshaltung von Fluggästen in der Economy Class, im zweiten Fall die Erwartungshaltung, wie ein Herr sich einer Dame gegenüber verhält (und umgekehrt), treffende Beispiele wären. Die Weiterdenker auf der Meadschen Schiene sind, weil einseitig bemüht, Identität aus einer Art rollendialektischer Urzeugung abzuleiten, in dem Dilemma, personale Identität als eine Bezugs- und Erfüllungsinstanz einzuführen. Wenn Goffman das Rollenszenario mit seiner eigentlichen Herkunft, dem Theater, vergleicht, so ist mit Rombach anzumerken, daß nur die Kenntnis aller anderen Rollen des Stückes, also ein über den Rollen Stehen, es dem Schauspieler ermöglicht, seine Rollen adäquat auszufüllen, daß aber in der Lebenswelt hinzukommt, daß ein Verkäufer, der nur seine Rolle als Verkäufer spielte, ein höchst miserabler Verkäufer wäre.34 Die Rolle, mit der sich jemand identifiziert, ist stets mehr als bloße Rolle. Aber auch die Rollen, die man tagtäglich spielt, weil existentiell nicht ausschlaggebend, aber in ihrer Akzeptanz des Leben erleichternd, führen nicht zu Frustration und in Konfliktsituationen, weil sich personale Identität und damit Autonomie, wenn wir von Fällen, die psychiatrischer Betreuung bedürfen, absehen, keineswegs im Ausgefülltsein durch Rollen erschöpft. Goffman, Habermas und Krappmann führen im Interesse funktionaler Mindestplausibilität Ich-Identität (personale Identität) als die Fähigkeit zu Rollendistanz ein, doch besteht bei Goffman die Distanzierungsfreiheit nur darin, sich aus einer Rolle zurückzuziehen. Die Freiheit hierzu gründet sich nicht auf echter Autonomie, sondern auf dem Rest der anderen Rollen, welche die "personale" Identität konstituieren.35 Goffman versteht das als Rollenbalance. Der Balanceakt bei Habermas ist schon realistischer. Habermas begründet personale Identität, die das Subjekt zu einem damit vereinbaren Balanceakt befähigt, aus dem Bedürfnis nach Konsistenz und Kontinuität seiner Biographie. Diese Begründung macht Habermas frei, den Goffmanschen Argumentationsgang beizubehalten und die biographische Kontinuität im wesentlichen als Resultante sozialer Sedimente zu betrachten, sich zugleich aber auch auf eine Auseinandersetzung mit "Moralentwicklung und Ich-Identität" einzulassen und sich schließlich sogar auf das Vorfeld geistiger Autonomie zu
Goffman, E. . Stigma, Frankfurt a. M. 1967: 3. und 4. Kapitel. Habermas, J.: Erkenntnis und Interesse, Frankfurt a. M. 1969: 178 - 203.
70
2. Der Sinnfokus Person
wagen, allerdings um diesen Schritt in gleicher Denkeinheit zurückzunehmen. 36 In seiner berühmten Rede anläßlich der Verleihung des Hegel-Preises heißt es: "Die Ich-Identität des Erwachsenen bewährt sich in der Fähigkeit, neue Identitäten aufzubauen und zugleich mit den überwundenen zu integrieren, um sich und seine Interaktionen in einer unverwechselbaren Lebensgeschichte zu organisieren." Leider wird damit nicht einer personalen Autonomie das Wort geredet, wie wir sie meinen, denn es heißt weiter: "Eine solche Ich-Identität ermöglicht jene Autonomisierung und zugleich Individuierung, die in der Ichstruktur schon auf der Stufe der Rollenidentität angelegt ist." 37 Nicht Rollendeterminismus, auf den auch Habermas letztlich zurückfällt, sondern eine Distanzierungsfähigkeit, die darin gründet, daß es einen personalen identifikatorischen Kern gibt, der über den Rollen steht, ohne deshalb privat zu sein, ermöglicht es der Person, ihren täglichen Rollenerwartungen zu begegnen. Dort wo es um Bagatelle-Konflikte geht, wird das handelnde Subjekt sicherlich auch gelegentlich pragmatisch Balancierungsstrategien verfolgen, echte Konflikte werden aber stets Sinnkonflikte bzw. Sinnkrisen sein und liegen in ihrem existentiellen Gewicht auf einer anderen Ebene als bloße Rollenerwartungen. 38 Plessner hat diesen Zusammenhang von einem dreidimensionalen Ausgangspunkt her höchst zutreffend als die Fähigkeit des Menschen zu exzentrischer Positionalität erhellt. Nur der Mensch kann nach Plessner, im Gegensatz zum Tier, aus seiner Mitte, in der er lebt, heraustreten, um sich kraft solcher Distanzierung der Zentralität seiner Existenz bewußt zu werden. 39 Damit ist zum mindesten jene Grenzsituation personaler Autonomie gesichert, die Frankl als Einstellungsfreiheit gegenüber einer äußerlich nicht änderbaren Situation herausgearbeitet hat.
37 38 39
Habermas, J.: Zur Rekonstruktion des historischen Materialismus, Frankfurt a. M. 1976: 178 - 203. Siehe ferner: Meyer-Faje (1990: Abschnitte 4.2.1 und 4.2.2); dort ist auch die an Habermas angelehnte Identitätsauffassung von Krappmann dargestellt. Habermas, J./Henrich, D.: Zwei Reden aus Anlaß des Hegelpreises, Frankfurt a. M.: 1974:30. Siehe Meyer-Faje (1990: Abschnitte 4.2.1, 4.2.2). Plessner, H.: Die Stufen des Organischen und der Mensch, Frankfurt a. M. 1981: 288.
2. Der Sinnfokus Person
71
Der Habermassche Brief an Plessner (1972) verdeutlicht, daß man methodisch und deshalb auch in pragmatischer Nutzanwendung schlecht beraten wäre, Plessnersches Apriori und Habermassche Einforderung von Sprachkompetenz, kognitiver Kompetenz und Rollenkompetenz synthetisieren zu wollen. Nominal wären das die richtigen Hinweise zur Entfaltungsfähigkeit identifikatorischer Kompetenz, die inhaltlich aber nur vom Apriori Plessners konsistent ableitbar wären. Habermas meint der Verdinglichung des Menschen durch emanzipatorische Vergesellschaftung zu entgehen. Deshalb kann er Plessners Bedenken gegenüber dem reduktionistischen Denken von Freud und Marx, ein Bedenken, das auf der Linie unserer Descartes-Kritik liegt, nicht verstehen, und muß selber dem reduktionistischen Fehlschluß erliegen, Plessners Anliegen beschränke sich darauf, einen Ausgleich zwischen Leib-Sein und Körper-Haben herbeizuführen. 40 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß soziale Rollen keineswegs jene identifikatorische Prägekraft haben, die ihnen aus sozialwissenschaftlicher Sicht häufig zugeschrieben wird. Als geistig moralisch autonome Instanz ist die Person nicht einfach Subjekt, d.h. in seine Soziogenese hineingeworfenes Wesen, sondern vermag interaktiv zu diesem Prozeß Stellung zu beziehen und in den Antworten auf ihre soziale Herausforderung, die im Sich-Anpassen, Widerstand leisten, aber auch in der Beeinflussung identifikatorischer Prozesse der Mitmenschen gelegen sein können, Identitätsprofil zu gewinnen und sich zu bewähren. Es ist sicherlich zu vereinfacht zu folgern, die zwischenmenschliche Interaktion käme ohne dazwischen geschaltete Rollenschablonen aus, doch ist das Bemühen um sinnorientierte zwischenmenschliche Verständigung das eigentliche Fundament des Sozialen, das letztlich auch Rollenschablonen als Hürden dialogisch und mit Zivilcourage auflöst, sollten sie sich als unsinnig erweisen. Ich schlage vor zu unterscheiden zwischen a) der sozialen Identität, die sich das Subjekt selbst zuschreibt und an deren Gestaltung es maßgeblich mitwirkt. b) der sozialen Identität, die dem Subjekt von außen zugeschrieben wird.
40
Habermas, J.: Aus einem Brief an Helmut Plessner (1972), in Habermas, J.: Kultur und Kritik, Frankfurt a. M. 1977: 232 - 235.
72
2. Der Sinnfokus Person
Die Stärke der entfalteten erstgenannten sozialen Identität dürfte ausschlaggebend sein dafür, ob die Notwendigkeit, verschiedene Rollen ausüben zu müssen, tatsächlich zu Rollenkonflikten führt. Rollen werden, wie Rombach verdeutlicht, in der traditionalen Soziologie einseitig unter dem fordernden, nicht unter dem gegebenen Aspekt gesehen.41 Es gibt Rollen, die man sogar selber will, obwohl man sich dabei Konflikte einhandelt. Die soziale Gruppe entsteht durch identifikatorische Ausrichtung von Einzelpersonen hinsichtlich Einstellung und Verhalten auf ein gemeinsames Ziel hin. Von dieser gemeinsamen Mitte (Battegay) und der Intensität der Interaktionen (Homans) hängt die Integrationskraft der Gruppe und damit ihre identifikatorische Eigenständigkeit ab. Zunächst erkannte die Soziologie vor etwa einem Jahrhundert (Dürkheim, Simmel, Tönnies, Cooley), daß zwischen Individuen und Gesellschaft soziale Aggregate eine entscheidende Transmissionsfunktion erfüllen. Gemäß soziologisch fokussiertem Interesse an Regulationsmechanismen der Gesellschaft als solcher popularisierte sich die Vorstellung der sozialen Prägungsdominanz der Individuen. Die Soziologie liefert hierzu die wissenschaftliche Fundierung. Die Person wird danach nicht durch Autogenese, sondern durch Soziogenese konstituiert. Sie ist passives Agens, das als Rollenfigur, jeweils differenziert entsprechend dem komplementären Erwartungsdruck der Gruppe, konform handelt und die Normen und Werte der Gruppe absorbiert. Erst seit den dreißiger Jahren (Lewin, Mayo, Roethlisberger, Barnard, Lippit)42 entfaltet sich eine sozialpsychologische Sichtweise, welche sich dem Individuum als dem primären und originären inter-aktiven Agens der Gruppendynamik zuwendet. Homans beleuchtet zunächst zwei extreme Auffassungen von Individuum und Gesellschaft. Während bei Hobbes die Gesellschaft aus einer Vereinigung von Individuen besteht, "von denen jedes unabhängig von
Rombach, H.: Phänomenologie des sozialen Lebens. Grundzüge einer Phänomenologischen Soziologie, Freiburg 1994: 37. Man beachte den hohen Anteil betriebsorientierter Gruppenforschung.
2. Der Sinnfokus Person
73
der Gesellschaft seinen eigenen Charakter hat", 43 ist für Dürkheim die Gruppe "ebenso wirkliches Gebilde wie das Individuum, nur von anderer Art. 44 Das wesentlichste Merkmal von Gruppen besteht darin, daß sie die Gewalt besitzen, um von außen einen Druck auf den individuellen Geist auszuüben", so daß es zutreffen muß, "daß sie sich nicht von dem Geist der Individuen herleiten und demgemäß keine Folgeerscheinung der Psychologie (sie!) darstellen." 45 Sieht man davon ab, daß Homans zwei nicht vergleichbare Kandidaten wählt, denn Hobbes argumentiert mit seiner gesellschaftsvertraglichen Folgerung naturrechtlich, Dürkheim hingegen in seiner Theorie der sozialen Prägeform vom kollektiven Bewußtsein her, welches ausschließlich moralisches Handeln von Einzelmitgliedern der Gesellschaft gewährleisten soll, so ist zweifellos Homans 1 Schlußfolgerung beizupflichten, daß weder Ausklammerung noch Überbewertung des Gruppeneinflusses auf die Individuation wirklichkeitsnah sind. Wechselseitige Beeinflussung ist die heute vorherrschende Auffassung, wobei die managerielle Konzeption betrieblicher Arbeitsgruppen, weil betriebsbezogen instrumental orientiert, die Prägung mitunter immer noch überbewertet, therapeutische Gruppenkonzeptionen dagegen die Dominanz personaler Autonomie (wohl gerade, weil diese den Mitgliedern solcher Gruppen häufig fehlt) eher überziehen. Wir legen für unsere Zwecke die Dominanz der personalen Parts als gesichert zugrunde. 46 Bevor wir uns unserem Kernanliegen, der Sondierung der Beziehung zwischen personaler Identität und Gruppenidentität zuwenden, ist anzumerken, daß Gruppentheorie und Gruppenrealität aus zwei Gründen getrennte Welten darstellen:
44
43 46
Homans, G. C.: Theorie der sozialen Gruppe, 2. Aufl., Opladen 1965: 302 f. Hierzu vor allem Scheuch, E. K., Kutsch, Th.: Grundbegriffe der Soziologie, Bd. 1: Grundlegung und elementare Phänomene, Stuttgart 1972: 50; Battegay, R.: Der Mensch in der Gruppe, Bd. I: Sozialpsychologische und dynamische Aspekte, 4. ü.a. Aufl., Bern 1973; Brown, H.: People, Groups and Society, Philadelphia 1985: 38 f.; Littmann, F.: Stichwort "Gruppendynamik", in: Ansanger, R., Wenninger, G. (Hrsg.): Handwörterbuch der Psychologie, Weinheim 1980: 184 - 188. Zitiert nach Homans (1965: 303). Siehe hierzu beispielsweise Scheuch/Kutsch (1972: 50); Battegay (1973); Brown (1985: 38 f.); Littmann (1980).
74
2. Der Sinnfokus Person
Erstens stellt die Realität stets ein Netzwerk sich überlagernder Gruppenbeziehungen dar. Zweitens lassen sich voll entfaltete gruppendynamische Prozesse nur in Kleingruppen und dort auch nur unter bestimmten Voraussetzungen in Gang bringen. Hierzu gehört vor allem das Ähnlichkeitskriterium der Mitglieder und die Chance, daß Führung sich gruppendynamisch autonom zu entwickeln vermag. Schon weil diese beiden Voraussetzungen nicht immer gelten, sind in praxi die Individuen teils in Gruppenbeziehungen, teils - und dieses weit häufiger in gruppenähnliche Sozialbeziehungen involviert. Institutionen wie die Unternehmung sind, wo sie funktionieren, wie fragmentarisch auch immer, gruppendynamisch unterfüttert. Dieses darf nicht dazu verleiten, Gruppe und Institution gleichzusetzen. Eine Institution wird stets diverse und auch widerstreitende Gruppeninteressen zu koordinieren und zu integrieren haben. Ferner besteht die eigentliche Stärke der Gruppe in ihrer virtuellen Potenz; sie ähnelt, organisatorisch ausgedrückt, stets dem Zelt, nicht dem Palast. Sie lebt nicht von ihrem institutionalen Überbau, so erforderlich ein solcher, beispielsweise für einen Verein sein mag, sondern von einem Kontinuum spontaner identifikatorischer Impulse (kein Widerspruch!) jedes einzelnen ihrer Mitglieder. Sobald das daraus erwachsende gemeinsame Bewußtsein nachläßt, hört die Gruppe auf, Gruppe zu sein. Darüber hinaus ermöglichen die meisten Gruppen einen freien Austritt ihrer Mitglieder. Ein institutionaler Überbau vermag indessen die Gruppe zu überdauern und er vermag als Kritallisationskern für das Zustandekommen neuer gruppendynamischer Prozesse zu dienen, falls Zielvisionen und Führungskonzepte es zu nutzen wissen. Deshalb scheitert sehr häufig eine von der Institution Unternehmung veranstaltete und teilautonome Gruppenarbeit. Das soziale Aggregat Gruppe verdeutlicht einerseits die Untrennbarkeit von Individuation und Soziogenese, andererseits wird demonstriert, wie das Soziale eine Qualität per se darstellt. Es sind Einzelpersonen, die via gemeinsamem Ziel als Gruppe zueinander finden, gleichgültig ob es sich um eine Arbeits-, Problemlösungs-, Trainings- oder Entscheidungsgruppe oder um eine therapeutische Gruppe handelt. Es ereignet sich ein wechselseitig verschränktes einander Wahrnehmen, auf einander Zugehen, Begegnen und verstehendes Näherkommen. Das wechselseitige Erweitern des personalen Handlungssinns um die Bedürfnisse der Gruppenmitglieder und die gemeinsame Zielmitte führt zu einem
2. Der Sinnfokus Person
75
konkreativen Sprung:*1 es kommt nicht nur zu personal intendierter, sozial gerichteter Selbstintegration. Das gemeinsame Handeln ist nicht einfach die Summe der Einzelhandlungen. Das Verhalten von Gruppenmitgliedern verändert sich nachweislich innerhalb der Gruppe sowohl in seiner personalen als auch in seiner sozialen Qualität. Identifikatorisch betrachtet läßt sich der konkreative Sprung aus der Entfaltung von Gruppenidentität erklären. 48 Gruppenidentität gewährleistet gemeinsame Orientierung und Sinnschub im Gruppeninteresse und vermag bei den Einzelmitgliedern, völlig neue Handlungsqualitäten freizusetzen. Die Voraussetzung beim Anforderungsprofil der Gruppenmitglieder ist eine hohe soziale Sensibilität, die sich auf die Kernpunkte Emanationsfähigkeit und intuitive soziale Offenheit bringen läßt. Wie Gruppenidentität als Qualität per se, aber nicht per se durchhaltbar, auf solche Weise zustande kommt, läßt sich nicht über die Kommunikationserkenntnisse der Kybernetik, den Symbolischen Interaktionismus und Watzlawick herleiten. Die intuitive initiierende Bereitschaft zur zwischenmenschlichen Verständigung liegt auf einer anderen Ebene. So können sich zwei einander nahestehende Menschen dabei ertappen, daß sie in demselben Augenblick dasselbe gedacht haben und dasselbe sagen wollten, und so weiß der gute Lehrer spontan, welcher Schüler auf seine Frage die richtige Antwort geben wird. Die intellektuell diskursive Vertiefung vermag, so wichtig sie im Einzelfall sein mag, den entscheidenden sensitiven Vorgang nicht zu ersetzen. Es ist nicht einzusehen, warum Gruppenidentität letztlich zu Lasten der personalen Einzelidentitäten gehen sollte. Eher scheint mir gewährleistet, daß die Person über den Lernprozeß der Selbstintegration in eine Gruppe soziale Kompetenz und höhere moralische Kompetenz (soziale Verantwortung ) entfaltet, also durch sozial gerichtete Sinnerweiterung die personalen Identitäten einen wesentlichen Schritt weiterkommen. Diese personale Bereicherung könnte der Einzelne sodann in jede gruppenähnliche Situation, aber unter bestimmten Voraussetzungen auch in eine andere Gruppe einbringen. 47 48
Rombach (1994: 4. Kapitel). Die Betriebspsychologie setzt häufig, wie Stogdill und Tafertshofer, auf identifikatorische Herstellverfahren via "Projektionsfigur" Gruppenführer. - Stogdill, R. M.: Manual forthe LBDO Form XII, Columbus State University 1963. - Tafertshofer, A.: Führung und Gruppen, in: Morel, J. Meleghi, T., Preglau, M. (Hrsg.): Führungsforschung, Göttingen 1980: 11-40.
76
2. Der Sinnfokus Person
Es erscheint mir ebenfalls nicht angebracht, personale Identität und Gruppenidentität exakt voneinander trennen zu wollen. Es dürfte zu weiterreichenden Resultaten fuhren, wenn wir von Gruppenidentität sprechend die zu sozialem Wachstum herausgeforderten personalen Identitäten mitdenken und personale Identität als mitkonstituiert durch soziale Interferenz betrachten. Die Person als der ausschließliche Akteur wird dadurch nicht, wie üblich soziogenetisch reduziert, zugleich aber Homans' Feststellung, daß die Gruppe paradigmatisch die Basiselemente des Sozialen aufweise, nicht angezweifelt.
3.
Der Sinnfokus Institution
3.1
Institutionale Identität als gesellschaftliche Legitimierung
Wir haben zunächst die Bedeutung und die Funktionalität personaler Identität herausgearbeitet. In einem zweiten Schritt wurde aufgezeigt, daß Individuation und Soziogenese nur zwei unterschiedliche Betrachtungsbrennpunkte eines Prozesses sind, der sich nicht trennen läßt und bei dem das Soziale eine selbständige, aber zugleich abgeleitete Realität aufweist und das Personale sich nicht darauf reduzieren läßt, sondern eine Eigengesetzlichkeit aufweist. Der Einzelne erfahrt seine Soziogenese, indem er sie selber leistet, auch wenn dieses ohne soziale Interferenzen nicht möglich wäre. In einem dritten Schritt ließe sich unmittelbar an diesen roten Faden anknüpfen und ausbreiten, daß auch Institutionen eine Realität für sich darstellen, aber letztlich, wie Gruppen nicht selbstkonstitutiv sind. Auch hier sind es stets einzelne Menschen, sozial interagierend, welche Institutionen konstituiert haben, mag sich hinter dem Institutionalisierungsprozeß auch recht oft eine lange Generationenkette verbergen, was den Anschein einer Über-Institutionalisierung fördert, weil die konkreten personalen Strukturierungsvor/e/'sfuMge/i nicht als solche reduktiv ausmachbar, wohl aber ideell in der institutionalen Wirklichkeit außewahrt sind: deshalb gelingt gerade besonders "altehrwürdigen" Institutionen häufig eine geradezu mythenhafte Indoktrination von Klienten und Mitgliedern. Wir können diesen dritten Schritt deshalb noch nicht gehen, weil wir nicht so tun können, als ob sich Soziologie, Philosophie und Rechtswissenschaft nicht längst intensiv mit dem Thema Institutionen befaßt hätten. Gerade weil in der Soziologie, die sich in ihrer Institutionsauffassung von den Paradigmen her in eine biologistisch deterministische, soziodeterministische und ordnungsorientierte Richtung einteilen läßt und die beiden erstgenannten Richtungen zu unserer Auffassung völlig konträre Lehrmeinungen vertreten, müssen wir, wenigstens in einem kurzen Überblick, deren Leistung kritisch würdigen. Da die Soziologie die Philosophie gelegentlich als Argumentationsbasis mit nutzt - so interpretiert Schelsky Institutionen als "objektivierten Sinn" und meint,
78
3. Der Sinnfokus Institution
sich dabei auf Hegels "objektiven Geist" berufen zu können - 1 , darf ein Blick auf die "Institutionenphilosophie" hier nicht fehlen. Der ökonomischen Institutionenauffassung wenden wir uns im vierten Kapitel zu, wenn wir das Legitimationszenario der Unternehmung entfalten. Um unsere theoretische Grundlegung nicht über Gebühr auszuweiten, bringen wir die Quintessenz, die sich aus der Analyse rechtswissenschaftlicher Institutionsauffassungen ergeben dürfte, bereits an dieser Stelle in unsere Untersuchung ein. Es ist dem französischen Rechtsgelehrten Maurice Hauriou (1856 - 1926) zu verdanken, daß eine Untersuchung, welche die Unternehmung als Institution zum Gegenstand hat, die zu differenzierenden und zugleich zu integrierenden Betrachtungsebenen methodisch bereits vorgedacht findet. Hauriou unterscheidet (1) den ideellen Kristallisationskern institutionaler Konfiguration. (2) die personalen
Akteure der Objektivierungsdurchsetzung.
Einfacher: Wer hat die Objektivierungsmacht? (3) die materielle zweckspezifische technisch-organisatorische Konfiguration, in der sich (1) und (2) konkretisieren. Ferner unterscheidet er zwischen Sachinstitutionen und Personeninstitutionen.2 Hauriou versuchte, mit seiner Institutionenlehre den Gegensatz zwischen subjektiven und objektiven Institutionsauffassungen zu überwinden. Schnur verweist darauf, daß im deutschen Rechtsdenken erst 1934 Carl Schmitt diese Lehre bekannt machte und zugleich nationalsozialistisch entfremdend als "konkretes Ordnungsdenken" weiterentwickelte.
Schelsky, H. (Hrsg.): Zur Theorie der Institution, Düsseldorf 1970: 10. Schnur, R., in seiner Einfuhrung zu Hauriou, M.: Die Theorie der Institution und zwei andere Aufsätze, Berlin 1965: 23. 1. frz. Aufl. 1925. Siehe auch Schnur, R. (Hrsg.): Institution und Recht, Darmstadt 1968.
3. Der Sinnfokus Institution
3.2
79
Schneisen durch den soziologischen und philosophischen Paradigmendschungel
Lau orientiert sich bei ihrer Einteilung der soziologischen Institutionenlehre an Schelsky, der als zwei grundlegende Unterschiede in der Fragestellung die von der sozialen Handlung her und die von der Gesellschaft als Ganzem her sieht. 3 Schon die Markierung der Richtung 'soziales Handeln' mit Gehlen als Protovertreter und der Richtung 'gesellschaftliche Ableitung' mit Dürkheim, Spencer, Parsons, Malinowski als Protovertretern zeigt die Willkür eines derartigen Systematisierungsversuchs. 4 So ist der Unterschied zwischen Gehlen und Dürkheim letztlich nur der, daß Gehlen gesellschaftlichen Determinismus aus der Kompensationslogik individualer biologischer Mangelhaftigkeit, Dürkheim aus der Kompensationslogik individualer moralischer Mangelhaftigkeit ableitet. Das Grundproblem jener Soziologie ist die eingangs behandelte Sichtweise der Untersuchungsphänomene mit der Descartesschen Brille. Von hierher ergeben sich drei Einteilungslinien: 1. Ein klar als naturwissenschaftlich erkennbarer Ableitungsvorgang, wie ihn Spencer, Malinowski, Sumner, wegbereitend zu Gehlen hinführend, vertreten, rechtfertigt es, biologischen Determinismus als Subsumierungskriterium zu wählen. 2. Eine soziologische Eigenständigkeit, die aber im Analogisieren naturwissenschaftlicher Methode beharrt, wird in der Institutionenlehre von Dürkheim begründet. Der gesellschaftliche Determinismus ist maßgeblich für alle nicht zur verstehenden Soziologie tendierenden aktuellen soziologischen Richtungen. 3. Nichtdeterministisches Denken in der Soziologie nimmt von Max Weber seinen Ausgangspunkt. Für Weber ist personales soziales Handeln von Autonomie und damit von moralischer Verantwortung geleitet. Institutionen konstituieren sich außerdem von einer vorgelagerten Ordnung, wie wir sie als Gesellschaftsordnung und als
4
Lau, E. E. : Interaktion und Institution. Zur Theorie der Institution und der Institutionalisierung aus der Perspektive einer verstehend-interaktionistischen Soziologie, Berlin 1978: Abschnitt 2.2. Lau (1978: 60).
3. Der Sinnfokus Institution
80
Wirtschaftsordnung kennen, her. Schütz wird von Webers "verstehender Soziologie" zur Untersuchung über den sinnhaften Aufiau der sozialen Welt angeregt. Ich möchte als Rubrum Personale Autonomie als Kontextvariable wählen. Nur hier liegt implizit ein dreidimensionales Menschenbild zugrunde. Auch der Jurist Hauriou, den Lau gönnerhaft "als Vertreter einer "Geistlehre" der Institutionen" bezeichnet, erfüllt das gewählte Einteilungskriterium. Wir legen für unsere Übersicht eine Matrix zugrunde {Abb. 7) und hinterfragen jede der drei Richtungen hinsichtlich folgender Kriterien: (1) (2) (3) (4) (5)
Ausgangsparadigmen Übergeordneter Bezug Institutionalisierungsprinzip Menschenbild Funktionen
Dabei kann unsere Matrix selbstverständlich nur als Grobraster gelten. Vor allem gibt es fließende Übergänge zwichen den drei Spalten. Der biologische
Determinismus
gehört inzwischen zur soziologischen Dogmengeschichte, wirkt aber bis in die vorläufige Endphase des Institutionendiskurses, die frühen siebziger Jahre, hinein. 5 Spencer faßt die Gesellschaft als einen Gesamtorganismus auf. Die Institutionen sind in Differenzierung und Integration aufeinander bezogen wie ein Agglomerat von Korallenästen. Malinowskis Ausgangsparadigma sind notwendige Vitalabläufe, deren Bedürfnisbefriedigung Kulturreaktionen erforderlich macht. 6 Die sozialdarwinistische Auffassung von Institutionen durch Vehlen, wo-
Mit Schelsky (1970), Dubiel, H.: Identität und Institution, Düsseldorf 1973, sowie Lau (1978) verebbt die Institutionendiskussion als zentrales soziologisches Thema; der Systemdiskurs dominiert. Siehe hierzu Schelsky, H.: Zur soziologischen Theorie der Institution, in: Schelsky (1970: 10 -15), ferner Lau (1978: 53 ff. und 62 f.). A n Originalquellen sind besonders zu nennen: Spencer, H.: The Principles of Sociology, 3 vol., London 1877 - 1896, 1. deutsche Aufl. Stuttgart 1877 - 1897; Malinowski, B.: eine wissenschaftliche Theorie der Kultur, Frankfurt a. M. 1974.
3. Der Siimfokus Institution
81
nach es zum "survival of the fittest" kommt, hat besonders die ökonomische Institutionenlehre in den USA inspiriert.7 Es bedarf hier keiner chronologisch differenzierenden Abhandlung, um den biologischen Determinismus als eine die Erkenntnis fehlleitende Sackgasse abzuhaken. An Gehlen, dem glänzenden Schlußlicht dieser Art institutionalen Denkens, läßt sich das reduktionistische Moment besonders gut veranschaulichen. Gehlen, der in schroffer Ablehnung kritischer Rationalität (contra Intellektualisierung) und moderner abstrakter Kunst die aus biologisch orientierter Anthropologie (Mensch-TierVergleich) abgeleitete Umweltoffenheit als die große bedrohliche Selbstgefährdung proklamiert, beansprucht für sich, eine kulturgeschichtliche und eine biologische Betrachtungsweise zusammengeführt zu haben,8 indem er die Institutionen einer Gesellschaft als Außenstütze sieht, die er zwar als Ordnungen benennt, aber mit bloßen Verhaltensmustern gleichsetzt.9 Diese, "ein Ideenkomplex kraft eigener Evidenz"10, schützen den Menschen vor sich selber. Sie bewirken Instinktreduktion und führen zum Wohl der Gesellschaft als Ganzem zur Regulation von 7>;e£überschuß. Das Natürliche des Menschen wird kulturell versiegelt,11 nachdem es zuvor in Verhaltensmuster eingepaßt ist. Kurz, Institutionen werden als rettende dei ex machina des in seiner Spätkultur bedrohten Menschen herbeizitiert.12 Anstatt die Offenheit des Menschen als Chance freier Selbstentfaltung zu begreifen, reduziert sich Kultur bei Gehlen auf ein die Mängelausstattung nachbesserndes Korsett. Trotz reichhaltiger kultureller Durchmischung in seinem Argumentationsmodus gelangt Gehlen schlußendlich nicht über die Basisbefunde von Spencer und Malinowski hinaus.
7 8 9 10 11 12
Vehlen, T. B.: The Place of Science in Modern Civilization, New York 1961. Gehlen, A.: Anthropologische Forschung. Zur Selbstentdeckung des Menschen, Reinbek 1961: 24. Gehlen (1961, vgl.: 23 mit 71). Gehlen (1961: 76). Gehlen spricht von "Imprägnierung": (1961: 79). Gehlen, A.: Urmensch und Spätkultur. Philosophische Ergebnisse und Aussagen, 4. verb. Aufl., Frankfurt a. M. 1977.
82
3. Der Sinnfokus Institution
Zusammenfassend läßt sich feststellen: -
Institutionen werden als Organerweiterung verstanden.
-
Biologie ist die Orientierungswissenschaft, auch wo sie ethnographisch und kulturell durchmischt wird.
-
Institutionalisierungsvorgänge werden als übergeordnetes Geschehen gesehen, nicht interaktiv entwickelt.
-
Das Menschenbild vernachlässigt individuales Sinnstreben als autonomen Prozeß.
-
Die Funktionalität wird evolutionistisch interpretiert.
Der gesellschaftliche Determinismus erfährt seine Begründung durch Dürkheim. Vordergründig findet die Soziologie bei Dürkheim zu der ihr genuinen Fragestellung. Anfangsproblem der Soziologie sei, "zu wissen, welche Bindungen es sind, die Menschen untereinander haben, das heißt, wodurch die Bildung sozialer Aggregate bestimmt wird." 13 Was Institutionen betrifft, so verkürzt sich sein Forschungsprogramm allerdings von der Frage "Welche Bindungen sind es ...? zu der normativen Frage: Welche Bindungen brauchen die Einzelnen, damit die Gesellschaft als Ganzes funktionieren kann? Dürkheim sieht auf Grund seiner religionssoziologischen Studien auf der einen Seite die egoistischen Neigungen des Einzelnen und auf der anderen Seite die Bindekräfte kollektiven Bewußtseins (= Institutionen), durch die allein moralisches Handeln möglich ist. Durch diese "zweite" soziale Natur wird personales Sein zu moralischem Sein. Das Mechanistische in Dürkheims Institutionenauffassung besteht darin, "daß die kollektiven Denk- und Handlungsmuster für die in ihnen befaßten Individuen das gleiche Maß an Widerständigkeit und Unverfügbarkeit haben wie die Objekte der physischen Außenwelt." (Dubiel) 14 Die Person ist damit als selbstverantwortlich mitwirkendes Agens institutionaler Prozesse entmündigt.
14
Zit. nach Morel, J., Bauer, E. et alii: Soziologische Theorie, Abriß der Ansätze ihrer Hauptvertreter, 2. verb. Aufl., München 1992: 13. Zu neueren interaktionistischen Ansätzen siehe Meyer-Faje (1990). Dubiel, H.: Stichwort "Institution", im Historischen Wörterbuch der Philosophie, Darmstadt 1976. Bd. 4: 421, Kontext 418 - 424. Siehe ferner Reh-
3. Der Sinnfokus Institution
83
Aus dieser zu einfachen Verdinglichung erwachsen aus der Gesamtschau betrachtet zwei antithetische Gegenrichtungen: der Symbolische Interaktionismus, von George Mead begründet, und einige Jahrzehnte später, entscheidend durch Parsons eingeleitet, die soziologische Systemtheorie. Der Symbolische Interaktionismus erweckt zunächst den Anschein größerer Realitätsnähe. Hier bewirken interagierende Individuen im Wechselspiel personale und soziale Realitäten, doch sind es dominant die sozialen Realitäten, die dadurch eine Ausformungschance erhalten, daß die Individuen Sinn und damit Identität finden, indem sie das Rollenverhalten der anderen in ihrem Symbolgehalt, einschließlich Gesten und Sprache, antizipierend zu deuten wissen und sich in dauerndem Feedback darauf einstellen. Meads Hauptwerk "Geist, Identität und Gesellschaft" müßte zutreffender heißen: "Wie werde ich ein erfolgreicher Ja-Sager, Anpasser oder Mitläufer?" Als Sozialbehaviorismus ausgewiesen, zeigt es auch die typischen reduktiven Schwächen des Behaviorismus auf. In einem quasi interaktiven Herstellungsprozeß pendelt sich Identität als kritisches Bewußtsein des Spannungsfelds zwischen I und ME (= der antizipierte andere) ein, anstatt daß, wie Rombach treffend kritisiert, kritisches individuales Bewußtsein als Voraussetzung für identitätsförderndes Interagieren gesetzt würde. 15 Ähnlich reduktiv verfährt Mead mit Leitbegriffen unserer Gesamtthematik, wie Sinn und Geist. Sinn "entwickelt sich und liegt innerhalb des Bereiches der Beziehungen zwischen der Geste eines bestimmten menschlichen Organismus, wie es anderen menschlichen Organismen durch diese Geste angezeigt wird." 16 Sinn oder Unsinn, das ist hier die Frage. Auch Geist, ohne daß die Unterscheidung zu Sinn hinreichend geklärt wäre, wird nur dank interaktivem Kontext evident. Mead kann sich "nicht vorstellen, wie Intelligenz oder Geist anders als durch die Hereinnahme gesellschaftlicher Erfahrungsund Verhaltensprozesse in den Einzelnen hätte erfolgen sollen, das heißt durch diese Hereinnahme der Übermittlung signifikanter Gesten, die dadurch möglich werden, daß der Einzelne die Haltungen anderer gegenüber sich selbst und gegenüber jenen Dingen einnimmt, über die
15 16
berg, K.-S.: Ansätze zu einer perspektivischen Soziologie der Institutionen, Aachener Diss., 1973: 153 ff. Rombach (1994: 213, im Kontext von 206 - 217). Mead (1975: 115).
84
3. Der Sinnfokus Institution
man nachdenkt."17 Wir lassen dieses Zitat kommentarlos für sich selbst gegen sich selbst sprechen. Mead verwechselt das bloße Interpretieren und Reagieren auf soziale Reize mit Interaktion als einem wechselseitig geistigen Bemühen von Einzelpersonen um Verständigung, wie sie später in der Habermasschen Theorie des kommunikativen Handelns und in der Diskursethik zum Ausdruck kommt. Meads interaktives Konzept bleibt lebensweltlich unterbestimmt. Daß es sofort in sich stimmig sein könnte, wenn wir es als sozialisiertes Reiz-Reaktions-Schema überprüften, ist hier nicht Thema. Dennoch ist Meads Konzept aus der Sicht einer wirklichkeitsnahen Institutionenlehre Dürkheim um einige Schritte voraus. Zwar interpretiert er auch Institution behavioristisch. "Die Institution ist eine gemeinsame Reaktion (hervorgehoben von M.-F.) seitens aller Mitglieder der Gemeinschaft auf eine bestimmte Situation."18 Aber anders als Dürkheim sieht Mead die institutionale Dynamik nicht von oben nach unten, sondern entscheidend von unten nach oben gerichtet. Es sind die Individuen, die sich durch die Fähigkeit ihres durch Reiz-ReaktionsMechanismen zustande gekommenen Selbst zum Abspüren der Notwendigkeit eines generalisierten ME Institutionen ermöglichen und stabilisieren. Allerdings ist es fehlleitend, solche Selbsteinpassung, wie Lau es tut, als Verantwortung zu interpretieren und darin eine Ähnlichkeit mit Max Weber zu erkennen.19 Die "Verantwortung" besteht bei Mead ausschließlich in der Freiheit, die ideale soziale Einpassung selber ausfindig zu machen, wobei Freiheit nicht meint, daß man kneifen könnte, sondern daß Alternativen erprobbar sind. Bei Max Weber hingegen handelt das Subjekt moralisch autonom. Institutionen sind für es kein letzter Grund, und mit zur subjektbezogenen Verantwortung gehört es, Institutionen dadurch lebendig zu erhalten, daß man sie auf ihre Legitimation hin hinterfragt.20 17 18 19 20
Mead (1975: 235). Mead (1975: 308). Lau (1978: 201). Unmittelbar zuvor erwähnt Lau selber diese typischen Kriterien Weberscher Institutionenauffassung. Auch Nieder verkennt die Unvereinbarkeit behavioristischer und phänomenologischer Ansätze. So bemängelt er, daß bei Berger/Luckmann die Theorien von Mead und Gehlen (Nieders Ver-
3. Der Sinnfokus Institution
85
Am Vorabend des Abklingens der neueren Institutionendiskussion unternimmt Schelsky den Versuch, systemisches und institutionales Denken zu verschmelzen, ohne Institution als soziologisches Schlüsselkonstrukt in Frage zu stellen. Dieser Versuch scheitert, wie ich anhand Schelskys Definitionsschwierigkeiten und seiner Institutionalisierungshypothese nachweisen möchte. Nach Schelsky ist Institution "ein objektives Bezugssystem" der sozialen Wirklichkeit. Man könnte sie zunächst als ein "objektiv festgelegtes System sozialer Handlungen" oder - im Wortgebrauch der verstehenden Soziologie - als "objektivierten Sinn" begreifen; Hege 1 hat dies "objektiven Geist" genannt. 21 Eine derartige Sirmobjektivierung läßt sich weder bei Max Weber, noch bei Schütz oder Berger/Luckmann feststellen. Was Hegels "objektiven Geist" betrifft, auf den wir im Abschnitt "Philosophische Sichtweisen" eingehen werden, so läßt sich bereits hier mit Ritter dagegen setzen, daß Hegel die Institutionen als Wirklichkeit der sich in ihrer Innerlichkeit und Moralität bestimmenden Subjektivität und ihrer Praxis begreift. 22 Somit meint Hegel mit objektivem Geist das Evidentwerden des Geistigen, ohne den zentralen Subjektbezug auszuklammern. Berücksichtigt man, daß Schelsky System als übergeordnete Kategorie wählt und auch hier von "objektiv" spricht, so ergäbe sich alsbald die logische Stimmigkeit, wenn er den Begriff Institution überhaupt überwinden und statt dessen eine Systemtheorie entwerfen würde. In seiner Theorie der Institutionalisierung hat er das tatsächlich (in Ansätzen bereits 1949) getan: Malinowskis Konzept der Vitalbedürfnisse aufgreifend bieten Institutionen 1. Grades eine "funktionale Äquivalenz" hierzu. Hieraus entwickeln sich Folgebedürfhisse, die ihrerseits zu Institutionen 2. Grades führen und so fort. Schelskys daraus gefolgertes Gesetz des sich selbst produzierenden Kreislaufes von Bedürfiiis und Institution antizipiert Wesentliches von Luhmanns systemischer Selbstreflexivität und Selbstreferenz. 23
21 22
23
gleichskandidaten) zu "undifferenziert" berücksichtigt würden. Nieder, L.: Die Dynamik sozialer Prozesse, Frankfurt a. M. 1994: 141. Schelsky (1970: 10). Ritter, J: Institution "ethisch". Bemerkungen zur philosophischen Theorie des Handelns, in: Schelsky (1970: 64). Siehe auch Ritter, J.: Metaphysik und Politik. Studien zu Aristoteles und Hegel, Frankfurt a. M. 1969. Schelsky (1970: 19 ff.) sowie Schelsky, H. : Auf der Suche nach der Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze, Düsseldorf 1965.
86
3. Der Sinnfokus Institution
Parsons k n ü p f t in seinem B e m ü h e n u m eine Synthese von systematischer institutionaler Funktionalität an Malinowski und D ü r k h e i m an. D i e deterministische Institutionenfunktion Dürkheims wird z u Systemelementen ausgeweitet, u n d die funktionalen Erfordernisse, an M a l i n o w s k i s Vitalbedürfnissen orientiert, werden entgegen D ü r k h e i m inhaltlich breiter gefaßt. Institutionen sichern als Muster gemeinsamer W e r t e ("patterns of common value") die Systemintegration und die systemische Evolution. 2 4 Unter d i e s e m Aspekt unterscheidet Parsons relationale, regulative und kulturelle Institutionstypen. Innerhalb Parsons' Systemtheorie bleiben Institutionen unerläßlich zur Wertorientierung, Wertvermittlung u n d Motivierung der Einzelnen. Nur in dieser Begrenzung hat der Einzelne Handlungschancen. Büschges u.a. g e h e n fehl, wenn sie in ihrer Kritik an Parsons' Interaktionsansatz insofern eine V e r w a n d t s c h a f t mit M a x W e b e r folgern, daß im W e b e r s c h e n Sinn relevante Sinnzusammenhänge das finale Ziel seien. Die von ihnen selber bei Parsons erkannte übergeordnete deterministische Sozialisationsfunktion ist es, welche z u einer Sicht fragmentarischer Interaktionabilität führt. Lau präzisiert z u Parsons: "Institutionalisierung geschieht als Sicherung der Bedingung von Konformität" und fährt mit Parsons fort: "Insoweit als, bezogen auf eine Pluralität von Handelnden, ... Konformität mit den Wertorientierungs-Standards sowohl die E r f ü l l u n g der eigenen Bedürfnisdispositionen als auch ein Mittel zur 'Optimierung' der Reaktionen signifikanter anderer wird, kann gesagt werden, daß diese Standards 'institutionalisiert' sind." 2 5 Wir meinen, daß K o n f o r m i t ä t nicht das einigende B a n d sein kann, das zur Entfaltung personalisierter Identität und frei sich einpendelnder institutionaler Identität führt. A u ß e r d e m bietet sich als Vergleichskandidat M e a d und nicht W e b e r an. In der vorluhmannschen Soziologie haben trotz biologisch oder gesellschaftlich abgeleitetem Apriori-Determinismus Wert- und Sinnfragen, wie verkürzt und eklektisch auch immer, eine Artikulierungs- und Durchmischungschance. Spuren lebensweltlicher Realität, ontologischer Basisfragen und bisweilen auch geistiger Transzendenz lassen sich deshalb beispielsweise, auch wenn sie keinen theoretischen R e i m Parsons, T.: The Social System, 4th ed., New York 1963: 84; ferner Lau (1978: 67 ff); Eberle, F./Maindok, G.: Einfuhrung in die soziologische Theorie, München 1984; Morel et alii (1992). Büschges, F./Abraham, M./Funk, W.: Grundsätze der Soziologie, München 1995: 111; Lau (1978: 68). Das Parsons-Zitat ist eine Übersetzung von Lau aus Parsons (1963: 38).
3. Der Sinnfokus Institution
87
ergeben, bei Mead, Dürkheim, Schelsky, Gehlen (hier biologisch subsumiert) und Parsons durchaus ausmachen. Mit solcher Gemenglage macht Luhmann Schluß. Er erkennt, daß das "Zerbrechen des klassischen Formenschatzes", wie der Vorstellung von Herrschaft als einem Oben und Unten, der Fiktion der Trennbarkeit von Teil und Ganzem, sowie Zweck und Mittel, verbunden mit einem immer komplexer geratenden Gesellschaftssystem, einen radikal neuen Denkansatz verlangt. 26 Das rein funktionalistisch wirksame selbstreflexive Regulationsprinzip stellt die einzig wissenschaftlich vertretbare Erfaßbarkeit gesellschaftlicher Prozesse dar. Sinn, Kommunikation und Handlung erhalten ihre Bedeutung nicht von ihrer endosystemischen Kontingenz. 7 Es erscheint mir als kein Zufall, daß mit Luhmanns AutopoiesisAdaption von den Biologen Maturana und Varela, also einer Restauration des naturwissenschaftlichen Analogisierens im sozialwissenschaftlichen Bereich auf aktualisiertem Stand, sowohl typische Zeitkrankheiten der Lebenswelt, des Wissenschaftsbetriebs und unterschiedlichster Wissenschaften erklärbar gemacht werden können. Luhmann erhebt schlicht ein Zeitleiden zu einer normalen Gesetzmäßigkeit. 28
Zusammenfassend läßt sich für die untersuchten Kandidaten feststellen: -
Institutionen Funktionalität
stellen als Sicherungskonstrukt übergeordnete Konformität her.
gesellschaftlicher
-
Systeme stellen die unmittelbar übergeordnete Kategorie dar, doch sind die Grenzen zwischen System- und Institutionsbetrachtung mitunter fließend.
Luhmann, N.: Institutionalisierungs-Funktion und Mechanismus im sozialen System der Gesellschaft, in: Schelsky (1970: 35 f.). Luhmann, N.: Soziale Systeme, Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a. M. 1985. Luhmann, N.: Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1994. Luhmann, N.: Identitätsgebrauch in selbstsubstitutiven Ordnungen, besonders Gesellschaften, in: Marquard/Stierle (1979: 315 - 345). Luhmann, N.: Die Gesellschaft der Gesellschaft, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1997. Zur Kritik siehe die umfangreiche Literatur zur Habermas-LuhmannKontroverse. Aus phänomenologischer Sicht gibt die Luhmann-Kritik von Rombach wichtige Impulse. Siehe Rombach (1994: 250 - 269). Zu Maturana siehe besonders Woll, H.: Menschenbilder in der Ökonomie, München 1994: 213 -219.
88
3. Der Sinnfokus Institution
- Institutionen konstituieren sich weitgehend selbstreferentiell, wenn auch in der vorluhmannschen Theorie nicht auf diese Begrifflichkeit gebracht. - Das Menschenbild ist einseitig kollektiv orientiert, auch dort, wo subjektive Entfaltungsräume mit bedacht werden. - Vor Luhmann wird Funktionalität auf gesellschaftliche Zwecke bezogen. Bei Luhmann trägt jede systemische Funktionalität ihren Zweck in sich. Personale Autonomie als Kontextvariable Sowohl die biologisch als auch die gesellschaftlich abgeleiteten Institutionslehren erweisen sich nur in einem negativen Sinn als hilfreich, nämlich um zu erkennen, wie paradigmatisch eingefahren hier eine verdinglichte und deterministische Institutionenauffassung ist. Es finden sich keinerlei weiterführende Impulse oder Anknüpfungspunkte für unseren Startansatz von der personalen Identität her. Mehr oder weniger erwecken Institutionen einen deus ex machina-Eindruck; die hier bisher angeführten soziologischen Richtungen bringen das Realphänomen Institution auf die Formel: Erzeugungsmaschinerie von gesellschaftlich sinnvollem Konformitätsdruck. Anders verhält es sich bei der verstehenden Soziologie, die um die Jahrhundertwende durch den studierten Juristen und volkswirtschaftlichen Ordinarius Max Weber entwickelt wurde. Bei Weber wird ein dreidimensionales Menschenbild evident, was die neuere Weberforschung veranlaßt, hier auch einen Anthropologen entdecken zu wollen, und ohne methodische Skrupel - daher allerdings auch nicht immer methodisch widerspruchsfrei - wagt seine Soziologie rechtswissenschaftliche, geschichtswissenschaftliche, ökonomische, religionswissenschaftliche und philosophische Grenzüberschreitungen. Unsere schwerpunktmäßig ökonomische Thematik hat schon deshalb Berührungspunkte mit Max Weber, weil für ihn nicht nur die Soziologie, sondern, wie er in seiner Freiburger Antrittsvorlesung im Mai 1895 hervorhebt, auch die Volkswirtschaftslehre eine Wissenschaft sei, die vor allem nach der Qualität der Menschen unter den Bedingungen der
89
3. Der Sinnfokus Institution
formalen Rationalität der Produktion und dem Problem der teilung frage. 29
Güterver-
In Webers soziologischem Denken steht die Frage nach dem Sinnzusammenhang von personalem und stets sozial eingebundenem, aber autonom zu verantwortendem Handeln im Mittelpunkt. Die systematisch konstitutive Ellipse entfaltet sich durch die Eigenart des Menschen als Persönlichkeit und Lebensordnung, bestimmt durch die Eigenart der Kultur, als den beiden Brennpunkten. 0 Als Schlüsselbegriffe von Webers soziologischem Denken können o o o o o o
Sinn Handeln Ordnung Institution Legitimation und Herrschaft
gelten. § 1 seiner soziologischen Kategorienlehre in "Wirtschaft und Gesellschaft" lautet: "Soziologie ... soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. "Handeln" soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. "Soziales" Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten
Weber, M.: Gesammelte Politische Schriften, Tübingen 1958: 13. Kein Wunder, daß Schumpeter Weber für keinen richtigen Ökonomen hielt. Hennis, W.: Max Webers Fragestellung, Studien zur Biographie des Werks, Tübingen 1987; vor allem Abschnitt 3: 117 ff. Aus volkswirtschaftlicher Sicht siehe vor allem Brandt, K: Geschichte der deutschen Volkswirtschaftslehre, Bd. 2, Freiburg 1994 und Bürgin (1993). - Ökonomisch steht Weber in der Tradition der jüngeren historischen Schule. Philosophisch ist er durch die Beschäftigimg mit Dilthey, Rickert, Windelband, Nietzsche und William James geprägt.
3. Der Sinnfokus Institution
90 anderer ist."31
bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert
Nicht die fehlende soziale Komponente, sondern der subjektive Sinnkern sind es, die Weber den Vorwurf subjektiver Einseitigkeit eingetragen haben. 32 Dies ist schon von Webers in § 5 mitgedachter Integration von Handlungen in Ordnungen her nicht zutreffend. Zutreffend ist vielmehr, daß die Ordnungen sich "innerlich" (affektuell, wertrational, religiös) und durch äußere Erwartungshaltungen legitimieren müssen (§ 6). Nicht nur erweisen auf Grund der legitimatorischen Bedingtheit die Ordnungen sich nicht, wie sonst in der Theorie für Institutionen üblich, als letzter Grund, die Mitglieder einer Ordnungsbeziehung tragen außerdem individual für ihr Tun und Unterlassen Eigenverantwortung(§ II).33 Für unsere Zwecke ist es nicht erforderlich, auf Webers berühmte Herrschafts- bzw. Herrschaftslegitimationstypologie einzugehen, wohl aber weiterführend zu erkennen, daß Weber, hier Habermas vorwegnehmend, uns lehrt, nach den Herrschaftsinteressen zu fragen, die sich hinter Ordnungen und Institutionen verbergen können. Besonders in seinen Untersuchungen über die ländliche Agrarverfassung Ostelbiens hat er wegweisend herausgearbeitet, wie Agrarverfassung und Interessen der aristokratischen Herrschaftsschicht kongruent sind, bzw. wie durch das Aufkommen einer landwirtschaftlichen Unternehmerschicht aristokratische Herrschaft eine an die Wurzel gehende Sinnkrise erfährt. 34 Unser Untersuchungsgegenstand Unternehmung ist bisher viel zu wenig unter dem Aspekt untersucht worden, daß sich auch hier Herrschaftsinteressen zu betriebswirtschaftlichen Paradigmen rationalisiert haben könnten. Institutionen als solche werden bei Weber durchweg so gebraucht, wie es dem Diskussionsstand der damaligen Rechtslehre entsprach und,
32
33 34
Weber, M.: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriß der verstehenden Soziologie, 5. rev. Aufl., Tübingen 1980: 1. Weitere angeführte §§ ebenfalls im 1. Kapitel: Soziologische Kategorienlehre. Die Hauptkritik kommt von Schütz, A.: Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie, 6. Aufl., Frankfurt a. M. 1993. Siehe Lau (1978: 201). Sehr differenziert beleuchtet von Hennis (1987: 73 - 82). Siehe ebendort den Bezug auf Webers "Ethik der Weltreligionen": 81.
3. Der Sinnfokus Institution
91
soweit ich sehe, auch nirgends scharf definiert. 35 Man könnte eventuell Webers Verwaltungs- und Regulierungsordnungen, einen Verein, eine Anstalt sowie den Betrieb so bezeichnen (§§ 12 - 15), ohne allerdings zu sauberer Abgrenzbarkeit gegenüber "Ordnung" zu gelangen, weshalb Laus Ausweg, bei Weber von institutionellen Ordnungen zu sprechen, einen guten Kompromiß darstellt; die bei Weber erkennbare Dominanz der Umfassungskategorie 'Ordnung' bleibt so gesichert. 36 So weit, so gut. Sinn- und Ordnungsorientierung, aber auch die Herrschaftsinteressenperspektive entbergen reale Zusammenhänge, wie sie die zweidimensionale Soziologie weitestgehend ausblendet. Sucht man indessen nach einer Nutzanwendung, so erweist sich hierfür nicht nur Webers Wertneutralität und Idealtypologie als recht sperrig. Weit schwerwiegender ist, daß der berühmte Entdecker der durch die moderne kapitalistische Industrialisierung entzauberten Lebensordnungen uns keinen Hinweis hinterläßt, wie wir seine Analyse der neuen ökonomischen Eigengesetzlichkeiten mit seiner Kategorienlehre in Verbindung bringen könnten. "Jede rein persönliche Beziehung von Mensch zu Mensch, wie immer sie sei, einschließlich der völligsten Versklavung, kann ethisch reglementiert, an sie können ethische Postulate gestellt werden, da ihre Gestaltung von dem individuellen Willen der Beteiligten abhängt, also der Entfaltung karitativer Tugend Raum gibt. Nicht so aber geschäftlich rationale Beziehungen, und zwar je rationaler differenziert sie sind, desto weniger. Die Beziehung eines Pfandbriefbesitzers zu dem Hypothekenschuldner einer Hypothekenbank, eines Staatsschuldscheininhabers zum Staatssteuerzahler, eines Aktionärs zum Arbeiter der Fabrik, eines Tabakimporteurs zum fremden Plantagenarbeiters, eines industriellen Rohstoffverbrauchers zum Bergarbeiter sind nicht nur faktisch, sondern prinzipiell nicht karitativ reglementierbar. Die Versachlichung der Wirtschaft auf der Basis der Marktvergesellschaftung folgt durchaus ihren eigenen sachlichen Gesetzlichkeiten, deren Nichtbeachtung die Folge des ökonomischen Mißerfolges, auf die Dauer des ökonomischen Untergangs nach sich zieht. Rationale ökonomische Vergesellschaftung ist immer Versachlichung in diesem Sinn, und einen Kosmos sachlich-rationalen Gesellschaftshandelns kann man nicht durch karitative Anforderungen an konkrete Personen beherrschen. Der versachlichte Kosmos der Kapitalismus vollends bietet hierfür keine Stätte. An ihm scheitern die Anforderungen der religiösen Karitas nicht nur, wie überall im einzelnen, an der Wider-
36
Siehe hierzu Lübbe, W.: Legitimität kraft Legalität, Tübingen 1991. Lau (1978: 201).
92
3. Der Sinnfokus Institution
spenstigkeit und Unzulänglichkeit der konkreten Personen, sondern sie verlieren ihren Sinn überhaupt. Es tritt der religiösen Ethik eine Welt interpersonaler Beziehungen entgegen, die sich ihren urwüchsigen Nonnen grundsätzlich gar nicht fugen kann."37 Außer Karl Marx hat bisher niemand die unerbittliche Eigengesetzlichkeit der kapitalistischen Industriegesellschaft so exakt und visionär auf den Punkt gebracht. Die gröbste Verzeichnung von Weber stellt es in diesem Kontext dar, Weber auf Grund seiner glänzenden Typisierung bürokratischer Herrschaft seitens der manageriellen Organisationslehre positivistisch als Organisationsfachmann zu vereinnahmen. 38 Hennis meint, Weber habe einerseits auf dem Boden der modernen "entzauberten" Welt gestanden, andererseits entstamme sein Kategoriensystem der versinkenden ständisch-agrarischen Welt Alteuropas. 39 Eine solche Vermutung ist deshalb wenig ergiebig, denn sie könnte für einen deutschen Gelehrtentypus, der spätestens zwischen den beiden großen Kriegen an Geltung verlor, schlechthin gelten. Auch das Argument, diese, wie viele andere Widersprüchlichkeiten bei Weber erklärten sich aus dem noch dem neunzehnten Jahrhundert verhafteten Forschungsstil kreativen Nacheinanders wie bei einem Literaten, dem es nicht um eine Gesamtsystematik geht, bringt wenig. Max Weber hat wohl einerseits, aus politischem Engagement und nicht als Erbsenzähler manches für den Tag geschrieben, wo aktuelle Stimmigkeit zählt. Aber er war ein derart präziser Denker und eine so überzeugend um Wahrhaftigkeit bemühte Persönlichkeit, daß zu allererst zu prüfen wäre, ob die unvereinbar gegenüberstehende Kategorienlehre und Feststellungen über die kapitalistische Rationalität nicht Methode haben könnten? Dann wäre Webers verstehende Soziologie Heideggerscher Philosophie und deren Nachfolgern vorausgehend ein erstes nüchternes Statement der Widersprüchlichkeiten einer auseinanderfallenden Lebenswelt, oder anders ausgedrückt, der Differenz. Pribrams Ausdeutung einer auffälligen Abneigung Webers gegen die kapitalistische Ordnung ist wohl biographisch schlüssig abspürbar, aber
37 38
39
Weber (1980: 353). So bei Kieser, A./Kubicek, H.: Organisation 2. neubearb. und erw. Aufl., Berlin 1983; ferner bei Dessler, G.: Organization Theory, Integrating Structure and Behavior, Englewood Cliffs, N. J. 1980. Hennis (1987: 62).
3. Der Sinnfokus Institution
93
kaum explizit belegbar. 40 Peter Ulrich hat eine der wenigen Stellen ausfindig gemacht, die Kritik am Kapitalismus artikuliert. Sie gilt der Denunziation von Opponenten kapitalistischer Rationalität. "Diejenigen, welche solchen Rationalisierungen opponieren, sind durchaus nicht notwendig Narren. Überall muß vielmehr, wenn man werten will, der Einfluß der technischen Rationalisierung auf Verschiebungen der gesamten äußeren und inneren Lebensbedingungen mit in Betracht gezogen werden." 41 Ulrichs Schlußfolgerung, Weber sei kurz vor der Habermasschen Kritik an der Unvernunft gesellschaftlicher Systemrationalität angelangt, ist allerdings genauso offen bleibend erwägenswert wie unsere Einschätzung, daß Weber als einer der Vordenker der Differenz einzuordnen sein könnte. Zusammenfassend ergibt sich das Problem, daß wir, indem wir 1.
personal verantwortliches Handeln, das von Sinnorientierung geleitet ist
2.
das gesellschaftliche Rahmenszenario als legitimationsbedürftige Ordnungen und
3.
den Verdacht der Infektion solcher Ordnungen durch Herrschaftsinteressen als für unser Vorhaben wegweisend gelten lassen, weil hier unsere ontologische Sichtweise von einem anderen Argumentationsgang her ihre Bestätigung findet,
wegweisend herausstellen, dennoch Weber verfälschen, denn gerade hinsichtlich der Gültigkeit der genannten Kategorien in der modernen Unternehmung bleibt Max Weber stumm. Auf Alfred Schütz, dessen Verdienst es ist, ein phänomenologisches Konzept der Soziologie entwickelt zu haben, brauchen wir in unserem Zusammenhang nicht einzugehen. Aufbauend auf Weber und in Kritik an dessen Sinnbegriff ist sein Forschungsschwerpunkt im Rückgriff auf Husserl die Analyse des Konstitutionsprozesses von Sinn. 42 Institutionen und Ordnungen finden sich bei ihm nicht thematisiert.
40
Pribram (1992; 1. Bd.: 436). Ulrich, P.: Transformation der Ökonomischen Vernunft, Fortschrittsperspektiven der modernen Industriegesellschaft, 3. rev. Aufl., Bern 1993: 135. Schütz (1993).
Abb. 8
Institutionen aus soziologischer Sicht Biologische Komplementarität Ausgangsparadigmen
Organerweiterung des biologischen Mängel wesens "Mensch"
Biologisch determinierte Ethnologie/ Anthropologie Sozialdarwinismus o Soziale SelbsteinInstitutionalisierungsschleifung: prinzip Ritualisierung Habitualisierung Objektualisierung o Kulturelle Einfarbung und Normierung von Vitalabläufen MenschenDer Mensch als bild Gesellschaftsorga« O subjektbezogen: Funktionen Organentlastung/ -erweiterung o kollektiv bezogen: Bedürfnis Sicherung
Hauptvertreter:
Spencer Malinowski Gehlen
Personale Autonomie als Kontextvariable O Personales als sozialbezogenes Handeln O Die Person trägt die Verantwortung für die Institution
übergeordneter Bezug
O Überlebenssicherung
Soziale Eigengesetzlichkeit Gesellschaftliche Konformitätssicherung
Systeme
Institutionale Ordnungen z.B. Wirtschaftsordnung
Spirale der Selbstreferenz
Legitimation durch die Gesellschaft
Der sozialisierte Mensch
Der sinngeleitete Mensch
_,systemisch O Personale und o Regulation gesellschaftliche ^kulturell Sinnrealisierung o Sozialisation als Einheit O System evolution O Ordnungsevolution
R 71 R 71 Dürkheim Luhmann Habermas Mead
M. Weber Rombach
3. Der Sinnfokus Institution
Philosophische
95
Sichtweisen
In Schelskys Anthologie "Zur Theorie der Institutionen" (1970) unternimmt Ritter den Versuch, eine philosophische Sichtweise von Institutionen zu entwickeln. 43 Sein Vorhaben ist doppelt bemerkenswert, erstens weil man dato, anders als heute mit Rekurs auf Foucault, streng genommen nicht von einer "Philosophie" der Institutionen sprechen konnte, zweitens weil er, wenn auch in sehr eigenwilliger Umdeutung von Hegel, zu einer dualistischen Grundbeziehung zwischen Subjekt und Institution gelangt, die weit eher zur Ergründung ontologischer Essentials von Subjekt und Institution angesetzt werden könnte, als, mit Ausnahme von Max Weber, die Befunde der Soziologie. Ritter greift in einem ersten Schritt auf Vorarbeiten Hegels über Aristoteles zurück. 44 Das Gemeinsame ist, daß sowohl Aristoteles als auch Hegel nicht Institutionen schlechthin, sondern politische Einrichtungen, dort die Polis (Stadt), hier den Staat des neunzehnten Jahrhunderts zum Widerpart des Subjekts haben. Hierin ist für unsere Überlegungen kein aliud zu sehen, da wir mit Adam Smith der Auffassung sind, bei der Unternehmung handle es sich um eine politökonomische Institution. Ich skizziere zunächst, wenn man es so nennen will, die aristotelische Institutionenlehre. Für Aristoteles gehören zum Ethos als dem "Ort des Wohnens" das diesem eigentümliche Brauchtum und die spezifischen Gewohnheiten. 45 Aus Ethos und Nomos, dem gesetzten aber nicht unbedingt schriftlich fixierten Brauch, entfalten sich Ordnungen, deren Bedeutung in gleicher Weise darin besteht, die Freiheit der Person, also deren subjektive Entfaltung, wie das Funktionieren der Polis abzusichern. Nach Ritters Erkenntnis decken sich inhaltlich als "Praxis" Subjektsein und Bürgersein in der Polis. 46 Es gibt keinen Bruch zwischen Personalem und Institutionalem. Institutionen würden deshalb nicht, wie die frühe ethnographische Soziologie es unterstellt, den Subjekten einfach übergestülpt. Das könnte allenfalls für archaische Gesellschaften gelten. Eine hoch ent-
44 45 46
Ritter, in: Schelsky (1970: 59 - 65). Zur Vertiefung ist unerläßlich Ritter (1969). Siehe hierzu besonders Ritter (1969: 106 - 132). Ritter (1969: 110). Ritter (1969: 119).
96
3. Der Sinnfokus Institution
wickelte Polis setze allerdings zu ihrer Legitimation stets "reflektierte Identität" voraus. 47 Aristoteles sieht in der von den Sophisten angeprangerten Legitimitätskrise der Polis-Institutionen die Chance, "daß da, wo Polis am Ende ihrer Entwicklung steht, ihre Institutionen erst in ihr volles Wesen gekommen sind und so nicht mehr aus dem "was die Väter meinten" begründet werden kön„ „ „ h48 nen. Sieht man davon ab, daß sich Ritter bei seiner Ableitung aus Hegelschen Vorarbeiten unbedenklich mit Hegelscher Metaphysik einig ist, deren Vereinbarkeit mit Aristoteles sorgfältiger Überprüfung bedürfte, und sieht man davon ab, daß griechische Institutionen nur die Freiheit einer privilegierten Minderheit garantierten, so scheint mir hier die einzig zutreffende Entwicklungsfunktionalität von Institutionen, nämlich impulsiert durch die kritischen Mitglieder, stimmig angedacht. 49 Die Kontinuität einer solchen Auffassung sieht Ritter in Hegels "Rechtsphilosophie", "indem er (Hegel) die Institutionen als Wirklichkeit der sich in ihrer Innerlichkeit und Moraliltät bestimmenden Subjektivität und ihrer Praxis begreift. Wo so Freiheit zur Substanz von Einrichtungen, Institutionen, von Sitte und Brauch geworden ist, da haben Reflexion und Kritik im Spielraum des Individuellen Ihren Ort in sittlichen Institutionen;". 50 Er interpretiert Hegels Entzweiungsthese von äußerster Subjektivität hier - äußerster Objektivität dort, die Hegel in der Metaphysik des "objektiven Weltgeistes" versöhnt sieht, als Vorlauf einer modernen Philosophie der Einvernehmlichkeit von Differenz. 51 47 48 49
50 51
Ritter, in: Schelsky (1970: 62). Ritter (1969: 124). Zu den Schwierigkeiten der Übertragbarkeit aristotelischen Denkens auf die Gegenwart siehe Riedel, M.: Über einige Aporien in der praktischen Philosophie des Aristoteles, in: Riedel, M. (Hrsg.): Rehabilitierung der praktischen Philosophie, Bd. 2, Freiburg 1974. Ritter (1969: 183 -233). Siehe hierzu Hegels Frühschrift "Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie", in: Hegel, F.: Werke in 20 Bdn., Frankfurt a. M. 1986, Bd. 2; ferner Habermas, J.: Können komplexe Ge-
3. Der Sinnfokus Institution
97
Wie Welsch es sehr schön veranschaulicht, kippt Ritter allerdings diese Relation zur Vertikalen. Der institutionalen Basis kommt nach Ritter die Aufgabe der menschlichen Bedürfnisbefriedigung zu, die materiellen wie die geistigen Sinnimpulse werden dagegen dem subjektiven Überbau zugewiesen. 52 "So", folgert Ritter aus der "Rechtsphilosophie", "wird Hegel in der Analyse der bürgerlichen Gesellschaft ... klar, daß die Entzweiung nicht nur nicht zur Vernichtung der weltgeschichtlichen Kontinuität führen muß, sondern gerade die Bedingung ist, die sie ermögliche und den Fortbestand der substantialen Ordnungen der Herkunft auf dem Boden der modernen Welt sichern kann." 53 Würde man dieses Fazit aus dem Ableitungszusammenhang Hegel lösen, ließe sich feststellen, daß Ritter ebendort angekommen wäre, wo ich auf weit kürzerem ontologisch begründeten Weg zu einer Klärung gelange: Sinn kann nur von Menschen und in letzter Ableitung von Einzelmenschen ausgehen (die darin zu ihrer Identität gelangen), so daß auch nur von Subjekten her die soziale und die institutionale Sinnfindung eingefädelt und getragen werden kann. Es wäre indessen eine Verfälschung, den Hegeischen Begründungszusammenhang zu vernachlässigen, welchen Ritter so glänzend demonstriert. Hegel hätte gegen Ritters Interpretation höchst wahrscheinlich nichts einzuwenden, denn der zur Selbstvollendung drängende objektive Weltgeist ist bei ihm dialektisch bereits in den Subjekten als niedrigster Stufe angelegt. Das Subjekt kann demnach nach dialektischer Logik gar nicht anders handeln, als "in Freiheit" moralisch das zu tun, was objektiv in sittlich verfaßten Institutionen geboten ist. So kommt "die Moralität in der Identität des Subjektiven und Objektiven zu ihrer Wirklichkeit und Wahrheit." 54 Einfacher gesagt: Hegels Staatsbürger ist so frei, das zu tun, was der Staatsraison - und mag sie auch zu Hegels
52
53 54
sellschaften eine vernünftige Identität ausbilden? Rede aus Anlaß der Verleihung des Hegel-Preises, in: Habermas, J./Henrich, D.: Zwei Reden aus Anlaß des Hegel-Preises, Frankfurt a. M. 1974. Habermas versucht, der Vielschichtigkeit der Hegeischen Entzweiungsthematik gerecht zu werden, die man bei Ritter etwas vereinfacht findet. Welsch, W.: Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft, Frankfurt a. M. 1995: 71 f. Ferner Ritter, J.: Hegel und die französische Revolution, in: Ritter (1968: 183 - 255, hier 229). Ibid. Ritter, Moralität und Sittlichkeit. Zu Hegels Auseinandersetzung mit der kantischen Ethik, in: Ritter (1969: 281 - 309, hier: 291).
98
3. Der Sinnfokus Institution
Berliner Glanzzeit in Preußen eine Untertanenraison gewesen sein dienlich ist. Der Weltgeist, der sich in den Stufen Subjekt, Staat, Kunst und Philosophie aktiviert, ist die geschichtlich vorgezeichnete Entfaltung der Vernunft, und "dieses Wesen realisiert sich in selbständiger Gestalt, in der die einzelnen Individuen nur Momente sind."55 Hegel hat, um die schon im neunzehnten Jahrhundert evidente Identitätskrise von Individuum und Gesellschaft zu verdrängen, ein einheitliches Vernunftprinzip konstituiert, nach dem alles, was wirklich ist, vernünftig und alles, was vernünftig ist (so der "selbstbewußte Geist"), wirklich sei.56 Dieses Vernunftprinzip stellt die rationale und zugleich sittliche Substanz des von ihm kreierten objektiven Weltgeistes dar und rechtfertigt somit institutionellen Determinismus jeder Art. Ritters Folgerung "Wo so Freiheit zur Substanz von Einrichtungen, Institutionen, von Sitte und Brauch geworden ist, da haben Reflexion und Kritik im Spielraum des Individuellen ihren Ort in den sittlichen Institutionen;"57 bedürfte der Enthegelisierung, bzw. sie hat nur als Leergerüst Ähnlichkeit mit dem von uns gewählten ontologischen Begründungsversuch. Welch ein krasser Unterschied zwischen dem subtil traditionale Denkmuster modifizierenden Ritter und dem phänomenologischen tabula rasa des Strukturalisten Foucault. Michel Foucault, über den sich von Thema und Methode her durchaus streiten ließe, ob er wirklich Philosoph ist, ist phänomenologisch und ontologisch an Heidegger geschult.58 Ihm gelingt, manchmal bis zu provozierender Übertreibung und Einseitigkeit ein wirkliches Aufdecken zentraler Schwachstellen des gesellschaftlichen Ordnungsgefüges. Seine ernüchternden Verweise scheinen mir nicht düster, sondern heilsam zu sein.
56 57 58
Hegel, F.: Grundlinien der Philosophie des Rechts, in: Hegel (1986: Bd. 7, 403). Welsch (1995: 54 - 61). Ritter, in: Schelsky (1970: 64). Die Beziehung zu Heidegger ist bei Welsch (1995: 141 - 164) herausgearbeitet. Siehe ebendort die ausgezeichnete Einfuhrung in das Denken Foucaults: 165 - 187. Siehe ferner Kögler, H. H.: Michel Foucault, Stuttgart 1994; Visker, R.: Michel Foucault, Genealogie als Kritik, München 1991; Shumway, D. R.: Michel Foucault, Charlottesville 1992; Dreyfus/Rabinow (1994).
3. Der Sinnfokus Institution
99
Foucault sieht die Entwicklung der westlichen Welt seit der Neuzeit durch drei Tendenzen bestimmt. Mit dem Siegeszug sich ausbreitender neuzeitlicher Rationalität seit Descartes gehen einher: o
gezielte und verwissenschaftlichte Ausgrenzung des Wahnsinns wegen der Störfunktion der ihm anhaftenden Transzendenz des Göttlichen.
o
Etikettierung von geistigen Gegenkräften, wie Querdenkern in Kunst und Philosophie zur Unvernunft und Isolation zur Ohnmacht, notfalls durch Systemeinbindung.
o
zunehmende Destruktion traditionaler Individualität und Institutionalität durch die Entwicklung einer die Vernunftprinzipien sichernden Mikrophysik der Macht und die sanfte Umwandlung der i9 Gesellschaft zur Disziplinargeseilschaft
Die Mikrophysik der Macht durchwirkt kapillarisch die gesamte lebensweltliche Praxis, wobei der machtkonformen Rationalisierung der Institutionen die Schlüsselfunktion zukommt. Foucault entwickelt diese Rationalisierung prototypisch an der historischen Entwicklung des Strafvollzugs und erhebt, angeregt durch Bentham, das Gefängnis zum Paradigma moderner Institutionalisierung schlechthin, wie sie z.B. auf Schulen, Kasernen, Krankenhäuser, Unternehmen usw. übertragbar ist. 60 Auf "humanwissenschaftlicher", also weicher Basis bewirkt die institutionale Rationalisierung zunächst eine Strukturierung und Konformierung zweckdienlicher Verhaltensweisen. Maßnahmen wie dauernde Überwachung, Kontrolle, Beurteilung in einem geregelten Zeitrhythmus, tragen nicht nur zu Habitualisierung des erwünschten Verhaltens bei, das Subjekt lernt zugleich, sich selber zu beobachten und zu kontrollieren. Es leistet also innerhalb einer Disziplinierungsgesellschaft Zur Einführung in das Werk von Michel Foucault bieten sich vor allem an: Die Ordnung der Dinge, Frankfurt a. M. 1974; Wahnsinn und Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1974; Überwachen und Strafen, Frankfurt a. M. 1976; Mikrophysik der Macht. Über Strafjustiz, Psychiatrie und Medizin, Berlin 1976. Siehe auch Sennett, R.: Autorität, Frankfurt a. M. 1985. Sennett sieht, unbeeinflußt von Foucault, eine große Ähnlichkeit zwischen Benthams Panoptikum, New Lanark, der Spinnerei in Waltham und Saint-Simons Werkstätten.
100
3. Der Sinnfokus Institution
einen unverzichtbaren Eigenbeitrag konformen" Verhaltens.
zur Internalisierung
"vernunft-
Foucault sieht sich mit seiner Enthüllungsphilosophie in der Tradition Kants stehend, welcher "die Philosophie als Problematisierung einer Aktualität und als Befragung dieser Aktualität durch den Philosophen" verstanden habe. "Die Form der Philosophie hat, von Hegel bis zur Frankfurter Schule über Nietzsche und Max Weber, eine Form der Reflexion begründet, in der zu arbeiten ich versucht habe."61 Sieht man diese Referenzliste programmatisch, nicht inhaltlich und methodisch, so erscheint sie mir als durchaus stimmig. Inhaltlich den Soziologen Weber mit einzubeziehen, überzeugt ebenfalls, denn er bearbeitete u.a. ein gleiches Feld und entließ uns im Widerspruch. Auffallend scheint mir, daß Luhmanns soziologische Systemtheorie auf eine andere Weise und neutraler zu einer vordergründig ähnlichen Begründung gesellschaftlicher Rationalisierung gelangt. Welsch sagt recht zutreffend, Vernunft sei nach Foucault nicht eine originäre Sache des Denkvermögens, sondern eine Gestalt der Macht62 Man braucht nur anstatt "eine Gestalt der Macht" "eine Gestalt des Systems" zu sagen und ist bei Luhmanns systemischer Selbstreferenz angelangt. So unbequem Foucaults Botschaft sein mag, für unsere Untersuchung macht er uns wach für den berechtigten Verdacht, daß die Mitglieder von Institutionen, in denen wir die Träger einer identifikatorischen Neubestimmung sehen möchten, längst, und das dürfte gerade für den ökonomischen Bereich gelten, schon derart von der Mikrophysik der Macht infiziert sein könnten, so daß sie, beispielsweise über Karrierestreben und über Ökonomisierung der Vernunft als fachliches Wissen, eher zu etablierten Erfüllungsgehilfen als zu Trägern legitimatorischer Neubestimmung werden könnten. Überzeugender als von der Psychologie und der Soziologie wäre damit unser eingangs dargestelltes Phänomen der Sinnerosion (Abschnitt 1.3.2) und das von Frankl beschriebene Syndrom der noogenetischen Neurose (Abschnitt 2.1) in einem zentralen Punkt kongruent. Selbstverständlich läßt sich nicht, und das ist auch nicht Foucaults Aussage, folgern, jeder Mensch sei inzwischen dementsprechend infiziert, siehe allein schon die Ausgegrenzten, die wohl als Hoffnungsträger gelten könnten, weil sie ihre identifikatorische Kompetenz noch nicht verloren hätten. Doch auf den gesellschaftlichen
61 62
Zit. nach Welsch (1995: 183). Welsch (1995: 177).
3. Der Sinnfokus Institution
101
Mainstream trifft Foucaults Befund meiner Überzeugung nach im wesentlichen zu. In Abschnitt 1.3.3 bin ich bereits auf Foucaults Kantbezug eingegangen. Nach Kant ist der Mensch ein Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann.63 Zwar grenzt er in der "Kritik der reinen Vernunft" (1781) die objektive Erkenntnisfähigkeit des Verstandes auf sinnlich Gegebenes ein, doch sieht er in der "Kritik der praktischen Vernunft" (1788) darüber hinausgehend den Menschen als sittliches Wesen, das a priori, d.h. ohne sinnliche Erfahrung, sondern kategorisch auf das Erkennen sittlicher Ordnung und das Bedürfiiis dem entsprechenden Handelns hin angelegt ist. Ritter sieht bei Hegel gegenüber Kant den Vorzug, daß es in dessen "praktischer Philosophie" nicht bei der bloßen Deklaration des moralischen Bewußtseins bleibe, sondern der duale institutionale Kontext mit thematisiert werde.64 Hegel ist es indessen wohl kaum gelungen, das Kantsche kategorische Apriori in der Idee des objektiven Weltgeistes aufzubewahren. Statt dessen mündet seine Theorie in eine Idealisierung staatlicher Institutionen zu jeder Staats macht beliebigem Gebrauch und einen letztlich metaphysischen institutionalen Determinismus. Gegen ein Verfallen in Hegeische Metaphysik schützt Wachmacher Foucault. Hinsichtlich des Kantschen kategorischen Apriori bedarf es allerdings bei ihm nicht der Frage, in welcher Form es transformiert oder aufbewahrt sein könnte. Es wurde so erst gar nicht mit bedacht. Da, wie Nietzsche konstatiert habe, Gott tot sei und dieser Tod synonym sei mit dem Verschwinden des Menschen, werde die Philosophie einen neuen Anfang nehmen, wenn das Ende des Menschen gekommen sei65. Was bleibt aber dann als Erkenntnisziel der Philosophie? Habermas kritisiert zu Recht die Transzendentalfunktion der Macht, die den einzigen Ausgangspunkt Foucaultschen Denkens darstellt.66 Macht erweist sich stets insoweit transzendental, wie menschliches Handeln, soweit es machtintentional gerichtet ist, die Lebenswelt transzendiert. Deshalb vermag jede Institution, die auf Macht hin arrangiert ist, eine
64 65 66
Kant, I., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Werke in 6 Bdn. (Weischedel-Ausgabe), Bd. 4, Frankfurt a. M. 1983: 83. Ritter, in: Schelsky (1970: 64). Siehe auch Ulrich (1993: 64 und 184). Foucault (1974: 412). Habermas, J.: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, Frankfurt a. M. 1985: 298.
102
3. Der Sinnfokus Institution
abgeleitete, rein organisatorische Machtwirkung auszuüben. Doch alle Spuren solcher sekundären Transzendenz fuhren schlußendlich - und sei es bis in eine Vorperiode - auf konkrete menschliche Initiierung zurück. Weil das unstrittig so ist, nimmt bei uns die Sinnfrage der Unternehmung auch nicht von den Institutionen her, sondern von der aktuellen personalen Identitätskrise ihren Ausgangspunkt und geht, schließlich gleich gültig, ob solches "bekenntnishaft", in Anlehnung an Kants kategorisches Apriori oder Frankls empirische Faktizität zugrunde legend geschieht, von einem Menschenbild aus, das auf Sinn hin angelegt ist, und nur in dem Maße, wie eine solche Sinnfindung gelingt und die Institutionen zu transzendieren vermag, lassen sich jene, allfällig innovieren. Den Kern des Foucaultschen Befunds von einem Ausgeliefertsein des Menschseins gegenüber einem dichten Netzwerk institutionaler Disziplinierung werden wir jedoch, quasi als antithetische nicht ausschließliche, aber verbreitete Wirklichkeit mit in Betracht ziehen müssen. Anstatt von Antithese könnte man auch von identifikatorischer Herausforderung sprechen. Daß in der Praxis die Fähigkeit, diese Herausforderung überhaupt wahrzunehmen, häufig verschüttet ist und daß der Mensch bei Bewältigung der Herausforderung scheitern kann, spricht in keiner Weise für einen institutionalen Determinismus.
3.3
Person und Institution
als
Sinneinheit
Wir haben nun hinreichend inhaltliche und prozessuale Einsichten zur personalen und institutionalen Identität gewonnen, so daß wir in unserem allgemeinen Teil zu Schlußfolgerungen gelangen können. Unsere bisherige Untersuchung ergibt: 1.
Menschen und Institutionen sind auf Sinn angewiesen: der Mensch, um zu sich "ja" sagen zu können, die Institution, um die gesetzten Zwecke nicht zu verfehlen, sondern im Gegenteil möglichst wirkungsvoll zu erfüllen.
2.
Der Sinn des Menschen muß von jeder Einzelperson selbst gefunden werden. Der Sinn = Zweck der Institution läßt sich durchaus
3. Der Sinnfokus Institution
103
grundsätzlich herausfinden. 67 Die Suchfrage lautet: Entspricht das, was die Institution leistet, der erwarteten Zwecksetzung? Befriedigt sie aktuelle gesellschaftliche Bedürfnisse? Es handelt sich, wie bei der personalen Sinnsuche, um einen niemals abgeschlossenen Prozeß. Die Bedürfhisse können sich wandeln, Institutionen miteinander konkurrieren und auch durch zweckmäßigere Institutionsformen ersetzt, bzw. zersetzt werden. 3.
Menschen schaffen und gestalten die Institutionen. Wie uns schon Aristoteles lehrt, bewährt sich hierin ihre gesellschaftliche Verantwortung. a) Sie gestalten sie, denn sie sind auf Institutionen angewiesen. b) Sie gestalten aber auch die vorgelagerte, gesellschaftlich normative Hilfestellung gebende Ordnung, wie beispielsweise Berufsordnung, Rechtsordnung, Wirtschaftsordnung. Die Lebenswelt gliedert sich werthaltig in eine Vielzahl solcher expliziter und konkludenter Ordnungen.
4.
Die entscheidende Abhängigkeit von menschlicher Gestaltung kann aus dem Blickfeld geraten a) durch verdinglichte Betrachtung der Institutionen in der Wissenschaft. b) dadurch, daß der Vorgang der Gestaltung einen Vor-Gang, eine Geschichte, hinter sich hat, die Daten schafft. Wer beispielsweise als Mitarbeiter neu in eine Unternehmung eintritt, braucht zunächst einmal seine Zeit, um sich behutsam in die gegebene Gestaltung einzuspüren. c) durch die funktionale Arbeitsteilung in Institutionen. Die Zielsetzung und damit die entscheidende Einleitung der Legitimation ist konstitutiv zumeist ausschließliche Aufgabe einer privilegisierten Minderheit. Was bestimmte Soziologen als systemisch autopoietische Prozesse interpretieren, ist häufig nichts weiter als legitimatorischer Mißbrauch von Macht, zur Siche-
Auch wenn selbstverständlich in praxi auf den Einzelfall abzustellen ist.
104
3. Der Sinnfokus Institution
rang auch künftiger Herrschaft.68 Die eigenen Interessen werden dann als gesellschaftliche Zwecke ausgegeben. d) gelegentlich durch Organschaft, die Fremdbestimmung bewirkt, beispielsweise bei einem rechtlich selbständigen, aber von einem Konzern beherrschten Unternehmen. 5.
Je stärker die Mitglieder einer Institution bei der legitimatorischen Frage mitwirken dürfen, desto größer ist die Chance, daß der unter 4 c) genannte Mißbrauch verhindert wird und durch eine kontinuierliche Neubestimmung jeweils aktuell gültiger gesellschaftlicher Zwecke ersetzt wird.
6.
Je stärker die Institution diesem Binnenaspekt im Interesse ihrer gesellschaftlichen äußeren Zwecksetzung Rechnung trägt, um so mehr fördert sie die Chance, daß ihre Mitglieder in Aktionseinheit mit Entfalten ihrer personalen Identität gemeinsam institutionale Identität zum Leben erwecken. Um auch hier vom allgemeinen auf die Unternehmung zu kommen: der Mitarbeiter ist auf die Unternehmung angewiesen, und zwar nicht nur ökonomisch, sondern auch hinsichtlich seiner Identifikationschancen. Der Zeitanteil der betrieblichen Tätigkeit an der Gesamtlebenszeit ist so beträchtlich, daß die Unternehmung als eine der Hauptidentifikationsagenturen gelten kann.
7.
Wenn die Möglichkeit besteht, daß Menschen in Aktionseinheit das Identitätsdual überwinden, erfährt die Institution durch das aufeinander zustrebende Bewußtsein einen qualitativen Schub hinsichtlich Zielorientierung und Umsetzung. Bewußt wird das Wort "effizient" vermieden. Auch wenn wir an die Unternehmung denken, gibt es noch andere wichtige Leistungskriterien, nach denen die Legitimation zu beurteilen ist. So werde ich im nächsten Kapitel darstellen, daß die Sinnfindungschance der Mitglieder in der Unternehmung längst auf dem Weg ist, verbreitete gesellschaftliche Erwartungshaltung, also Legitimationskriterium zu werden. Daß sich eine Leistimg rechnet, ist in praxi meist die Resultante vieler zusammenwirkender Komponenten, die sich per se nicht rechnen und die, wenn man sie rechnen würde - darin sehe ich den WahrEin "Spezialfall" von Autopoiesis.
3. Der Sinnfokus Institution
heitsgehalt von Ethik Weg bringen würden.
105
weder Effektivität noch Effizienz auf den
Abb. 9
Der identifikatorische Prozeß der Unternehmung
M = Mensch U = Unternehmung
Legitimation
Gesellschaft Ich muß es mir hier wegen des erforderlichen Umfangs versagen, exemplarisch, etwa am Beispiel (1) einer modernen Familie, (2) einer evangelischen Kirchengemeinde, (3) einer freiwilligen Feuerwehr, (4) einer Freien Waldorfschule oder (5) einem reinen kleinen Familienbetrieb (englische Pubs, chinesische und italienische Restaurants), zu demonstrieren, wie unsere sieben Kriterien sich eignen, für die
106
3. Der Sinnfokus Institution
Beispiele (1) und (2) die Problemhaltigkeit, für die Beispiele (3) bis (5) die Chance nahezu idealtypischen Gelingens darzulegen. 69 Wenn wir im nächsten Kapitel zur Untersuchung von Unternehmensidentität weiterschreiten, können wir die sieben funktionalen Kriterien als allgemeines Orientierungsraster zugrunde legen. Abb. 9 versucht hierzu eine Veranschaulichung. Die beiden horizontalen Pfeile weisen darauf hin, daß der identifikatorische Prozeß der Mitglieder nur ganzheitlich gesehen werden kann. Die graue Mondsichel erklärt sich aus 4 b). In der Zeitpunfobetrachtung handelt es sich hier um Strukturitoe« der Institution Unternehmung.
Fukuyama (1995) hat die großen identifikatorischen Vorteile von reinen kleinen Familienunternehmen exakt beschrieben, aber auch ihre Entartung zu Clancliquen, sobald sie zu Großunternehmen werden.
4. 4.1
Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit Erblasten ökonomischen Denkens
Auch wenn es auf die Frage "Mensch sein wozu?" schon deshalb keine zeitlos gültige Antwort geben kann, weil möglicherweise der Mensch als Selbstentwurf noch immer in seinem Anfangsstadium steckt, sind dennoch hierzu relativ längerfristig gültigere Feststellungen treffbar als zur "Ontologie" der gesellschaftlichen Urfunktion "Wirtschaften" oder gar der sich daraus historisch ableitenden Institution Unternehmung. Bei der Frage nach dem Menschen wird man auch künftig nicht vollends auf historische Rückblicke verzichten können, sei es, um fundamentaler Problematik gewahr zu werden, sei es, um die Herkunft mancher paradigmatischen Versteinerung entschlüsseln zu können. In solchem Doppelsinn führt bei der aktuellen Fragestellung nach einer Ontologie des Wirtschaftens kein Weg an den Lehren des Aristoteles, Thomas von Aquin und Adam Smith vorbei. Aristoteles wurde zunächst von Thomas, später von Adam Smith aktualisiert. Der Aquinate mag für Ökonomen, die von dort her, wie Koslowski, eine Wegweisung erkennen, "wo das organische Denken der Theologie als Korrektiv des modernen Individualismus dienen kann" 1 aktualisierbar sein. Für unsere Untersuchung bietet sich für eine aktualisierbare ontologische Spurfindung eher Adam Smith an, dessen Poli-
tische Ökonomie als Brückenkopf "of a world, we have lost"2 und die Anfangsphase des kapitalistisch industriellen Aufbruchs philosophisch, ökonomisch und sozialpsychologisch miteinander zu verschränken versucht. Besonders sein aristotelisches Grundraster, Politik, Wirtschaft und Ethik als Einheit zu betrachten, zeigt die Spannweite eines Netzes, das, wenn auch im einzelnen nicht unerheblich umzurüsten, geeignet
Koslowski, P.: Die Ordnung der Wirtschaft, Tübingen 1994: 82. Laslett, P.: The World We Have Lost, 3 rd ed., New York 1984.
108
4. Personale Identität und Untemehmensidentität als Sinneinheit
wäre, eine zukunftsträchtige Ökonomie einzufangen, ohne daß die conditio humana dabei zwischen den Maschen hindurchfallen könnte. 3 Die drei erwähnten Denker waren selbstverständlich keine Ontologen, konnten aber, weil sie die ontologische Perspektive mit berücksichtigten, ihrer Zeit eine sowohl individual als auch gesellschaftlich brauchbare ökonomische Leitvorstellung bieten. Versuche einer explizit ontologischen Grundlegung der Betriebswirtschaftslehre, wie von Kloidt und Hasenack, sind von Anbeginn zum Scheitern verurteilt, weil die Ontologie der Unternehmung nur eine ableitbare Qualität zweiten Grades sein könnte, die von den Erwartungshaltungen des Marktes, der sie konstituierenden Mitglieder und übergeordneten gesellschaftlichen Erwartungshaltungen immer wieder neu bestimmt werden muß. 4 Die Unternehmung muß sich gegenüber diesen teilweise außerdem oft recht schnell wandelnden Erwartungshaltungen stets erneut legitimieren. Sie wird das allerdings um so gezielter können, wenn sie sich auf ein realistisches, d. h. ontologisch stimmiges Bild vom Menschen einläßt, sich also von normativen Ausblendkonstrukten, wie beispielsweise von homo oeconomicus und REMM, verabschiedet. Die Legitimation der Unternehmung erfolgt durch erwartungsadäquates Handeln, das immer weniger in einem rein gewinnorientierten Handeln besteht, um paradoxerweise nur so die genuine Doppelfunktion, Wohlstandsmehrung für Unternehmung und Gesellschaft zu realisieren. Um aber als Akteur nicht von Herausforderung zu Herausforderung getrieben zu werden, sondern aktiv mitgestaltende Kraft zu sein, setzt der legitimatorische Prozeß in seiner Kontinuierlichkeit ein in sich ruhendes entreduziertes Selbstverständnis der Unternehmung voraus.
Siehe Meyer-Faje, A.: Adam Smiths politökonomisches System - eine Antwort auf die Gefahrdung der Conditio Humana, in: Meyer-Faje, A./Ulrich, P. (Hrsg.), Der andere Adam Smith, Bern 1991: 303 - 340. Hasenack, W.: Betriebliche Kategorien - Konzeption und Grundriß von Seins-Kategorien und allgemeinen Handlungs-Prinzipien im betrieblichen Leben, in: ZfB 1952: 1 - 28; Hasenack, W.: Stichwort "Kategorien, betriebliche", im Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2, 3. Aufl., Stuttgart 1958: 3088 - 3115. Kloidt, G.: Zur ontologischen Grundlegung der Betriebswirtschaftslehre, in: Schweitzer, M. (Hrsg.), Auffassungen und wissenschaftliche Zielsetzungen in der Betriebswirtschaftslehre, Darmstadt 1978: 1 1 0 - 132.
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
] 09
Die Betriebswirtschaftslehre, aber auch der weit aufgeschlossenere pragmatische und verhaltenswissenschaftlich durchsetzte Mix der Managementlehren bieten ein derartiges Selbstverständnis nicht. Beide Disziplinen haben Erblasten zu überwinden, um unbefangen von normativen Traditionszwängen die Ökonomie und ihre Kontingenzfaktoren zu sehen, wie sie wirklich sind. Besonders zwei Erblasten versperren das Blickfeld: 1.
Wie zu Zeiten des Frühkapitalismus, als es noch keine Betriebswirtschaftslehre gab, wird die Unternehmung immer noch primär eindimensional als private Risiko-Chancen-Veranstaltung zur Gewinnmaximierung zweckfinalisiert. Der Weg hierzu führt über eine immer differenzierter geratene ökonomische Rationalisierung, die, anstatt mehrdimensionales Umdenken zu wagen, auf die enger werdenden Aktionsspielräume der Unternehmung mit zunehmend differenzierterer Rationalisierung, wie neuerdings mit dem Konzept Lean Management, ein systemisches und verhaltenswissenschaftliches Allerlei instrumental mit einschmelzend, reagiert und damit eher einen Circulus vitiosus als Lösungen kreiert.
2.
Der Mensch in der Unternehmung ist in dieser Denktradition nichts weiter als nur Produktionsfaktor. Gutenberg, der diesen Ansatz zu einem kostentheoretischen und entscheidungslogischen Höhepunkt entwickelt (den wir inzwischen hinter uns gelassen haben), läßt zwar als Entdecker des "dispositiven Faktors" der Führungsfunktion eine realistischere Betrachtung zuteil werden, doch hinsichtlich des "Elementarfaktors Arbeit" finden sich über das Faktortheoretische hinaus nur einige oberflächliche Bemerkungen. Woll konstatiert hier zutreffend ein schlichtes Menschenbild, "das vordergründig nach den betrieblichen Leistungskomponenten fragt. Es werden ein paar allgemeine Sätze aus einer "Menschenpsychologie" zusammengetragen, gepaart mit industriesoziologischen Überlegungen aus den fünfziger Jahren. Nicht die Mündigkeit des Arbeiters steht im Vordergrund, sondern das Verhältnis von betrieblichen Arbeitsverrichtungen und subjektiven Eignungstypen." 5
Woll (1994: 170).
110
4. Personale Identität und Untemehmensidentität als Sinneinheit
Auch jenseits von Gutenberg hat die Betriebswirtschaftslehre immer noch nicht wahrgenommen, wie hinsichtlich des Faktors Arbeit, auch wenn er zum Mitarbeiter avancierte, die typisch frühkapitalistische Anstaltsideologie kaschiert und modifiziert ihren Geist bislang nicht aufgegeben hat. Straffe Disziplin, militärischer Drill, gefängnisähnliche Fabrikgebäude mit einschüchternden burgtorähnlichen Eingangspforten, hohen Umfassungsmauern, das waren bekanntlich die phänotypischen Merkmale der Unternehmung des neunzehnten Jahrhunderts. Die Reste dieses Anstaltsdenkens, arbeitsrechtlich und betriebspsychologisch aufgelockert, und zumeist, mit dem Gespür für das Schickliche des Zeitgeistes, sublim transformiert, sind als hierarchisches Denken, rationale Begründung eines Oben und Unten, Legitimierung durch hierarchische Funktionschneidung (Beck/Brater)6 und typische Regelungen, die ihren Sinn in Disziplinierung haben und sonst nichts, durchaus noch aufspürbar. Militär, Krankenhäuser, Strafanstalten und Unternehmung haben im Interesse ihrer Zwecksetzung hier noch eine Lernstrecke vor sich.
4.2
Die legitimatorische
Neubestimmung
der
Unternehmung
Umdenkversuche sind unverkennbar. Seit den sechziger Jahren dringt zumindest über die Zweigdisziplin Managementlehre zunehmend mehr Verständnis für soziologische und psychologische Fragestellungen in das betriebswirtschaftliche Denken ein, allerdings häufig mit dem Resultat bloßer Schlagwortanreicherung und eines doppelt fehlleitenden Instrumentalisierungsverständnisses. Wenn man etwa gruppenpsychologische und rollentheoretische Erkenntnisse ernsthaft instrumental für die betriebliche Praxis erschließen will, sollte man sich schon auf die professionelle Breite und Tiefe von Psychologie und Soziologie einlassen. Ich wüßte keine Führungslehre, die das versuchen würde. Hans Ulrich - "Die Unternehmung als produktives soziales System" (1968) - markiert die Chance einer interdisziplinären Horizontausweitung. Ulrichs Leitvorstellung von der Unternehmung als einem offenen technisch-ökonomisch-sozialen System und die konstitutive VerschränBeck, U./Brater, M. (Hrsg.), Die soziale Konstitution der Berufe, Materialien zu einer subjektbezogenen Theorie der Berufe, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1977.
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
111
kung mit einer "toten" materiellen Ebene und einer humanen Sinnebene postulieren zum ersten Mal in der Geschichte der Betriebswirtschaftslehre den Anspruch auf Ganzheitlichkeit. H. Ulrich: "Aussagen wie 'Die Betriebswirtschaftslehre ist eine Wirtschaftswissenschaft und darf sich deshalb mit diesen oder jenen Problemen nicht befassen', halten wir schlechthin für einen Witz." 7 Obwohl dank des Durchbruchs des Ulrichschen Ansatzes und seiner Schulenbildung vor allem monokausales Denken in der managementorientierten Betriebswirtschaftslehre seine Monopolstellung eingebüßt hat und heterogen kybernetischem, intuitivem und phänomenologischem Denken gegenüber aufgeschlossen ist, gelangen die Weiterdenker Ulrichs lediglich zu einer komplexeren Durchdringung des Bezugspunktes Unternehmung, doch das Umdenken scheint offensichtlich aus St. Galler und Genfer Sicht mit dem Systemdenken und seinem differenzierteren! Ausbau bereits geleistet worden zu sein. 8 Ein tiefergehendes Umdenken wäre aber über die Ulrichsche Basis durchaus möglich. Neben H. Ulrich hat außerdem der kontingenztheoretische Ansatz Umweltoffenheit als zunehmende Selbstverständlichkeit durchgesetzt, allerdings spezifisch organisationsorientiert. 9 Zunächst hat es den Anschein, als habe die Volkswirtschaftslehre im Bemühen, die Enge neoklassischen Marktdenkens zu überwinden, die Betriebswirtschaftslehre in ihrem ureigensten Zuständigkeitsbereich überholt. Hier ist man in den letzten Jahrzehnten deshalb von der Betrachtung von der Unternehmung als black box hinsichtlich ihres Marktverhaltens abgekommen, weil sich der Markt keineswegs nach der volkswirtschaftlichen "reinen Lehre" richtet. Aus dem Hinterfragen
Ulrich, H.: Der systemorientierte Ansatz, in: Schweitzer (1978: 272). In St. Gallen hat Malik eine evolutorische Weiterentwicklung unternommen; Dyllick arbeitet umweltorientiert, Gomez hat einen organisationstheoretischen Ansatz, Bleicher ein Konzept "Integriertes Management" vorgelegt. Probst (Genf) versucht eine Umformulierung des Systemischen in Ganzheitlichkeit. Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 5.2.2. Lawrence, P. R./Lorsch, J. W.: Organization and Environment, Cambridge, Mass. 1967.
112
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
der marktrelevanten Vorstufen in den Unternehmungen hat sich eine Institutionenlehre der Unternehmung entfaltet. 10 Erwartungsvoll liest man in dem Beitrag zur Institutionenökonomik von U. Krüsselberg, daß letztlich der Rekurs auf Adam Smith hilfreich sei, um zu einer Institutionenlehre der Unternehmung zu gelangen, die auch politökonomische Reichweite aufweise. Smith glaube, "mit den Kriterien Erweiterung von Handlungsspielräumen, Freiheit und Gerechtigkeit die normativen Elemente gesellschaftlicher Selektionsprozesse entdeckt zu haben, die die Einordnung des ökonomischen Erkenntnisprogramms in eine Gesellschaftstheorie ermöglichen." 11 Smith verbinde die historische Variabilität institutionaler Arrangements wirkungsvoll mit den Anreizkonstitutionen für das individuale Verhalten von Wirtschaftssubjekten. Krüsselberg unternimmt, an Smith orientiert, eine Modifizierung des Property Rights-Ansatzes, der vorgibt, die Handlungsspielräume aller Mitglieder der Unternehmung weiterzudenken als bisher bei diesem Ansatz üblich. Weil damit personale Identität in der Unternehmung zunächst theoretisch fundiert wäre, müssen wir Krüsselbergs Konzept überprüfen. Weitergehend als der Team-Ansatz von Alchian/Demsetz führt Krüsselberg mit Bezug auf Adam Smith den Nachweis, daß es Vermögensformen sind, welche den Wohlstand einer Gesellschaft sichern und mehren. Das ist in keiner Weise banal, etwa nach dem Motto "von nichts kommt nichts", denn was U. Krüsselberg, hier offensichtlich an H.-G. Krüsselberg als Vorentdecker orientiert, freilegt, ist das hoch aktuelle, noch immer nicht institutional eingelöste Postulat von Smith, daß der Faktor Arbeit gleichgewichtig mit zum Vermögen einer Volkswirtschaft gerechnet werden müsse. Von hierher lassen sich Property Rights für alle Mitglieder der Unternehmung, nicht nur für die Eigentümer, ableiten. Nach Adam Smith:
Als Einführung auf aktuellem Stand ist empfehlenswert: Seifert, E. K./Priddat, B. P. (Hrsg.): Neuorientierungen in der ökonomischen Theorie, Marburg 1995. Krüsselberg, U.,: Theorie der Unternehmung und Institutionenökonomik, Heidelberg 1992, S. 22.
4. Personale Identität und Untemehmensidentität als Sinneinheit
113
"... gehören zum Anlagevermögen die Fähigkeiten, die alle Einwohner oder Mitglieder der Gesellschaft erworben haben und mit Nutzen verwerten. "n Krüsselberg leitet daraus folgerichtig personale Verfügungs- und Gestaltungsrechte ab, die weit über formale dinglich begründete Verfügungsrechte hinausgehen. Es bedarf allerdings, wenn man sich auf Adam Smith beruft, nicht solcher mittelbaren Ableitung, denn ausdrücklich erklärt Smith Arbeit als unverletzliches Eigentum eines jeden Menschen: "Das Eigentum, das jeder Mensch an seiner Arbeit besitzt, ist in höchstem Maße heilig und unverletzlich, weil es im Ursprung alles andere Eigentum begründet. Das Erbe eines armen Mannes liegt in der Kraft und dem Geschick seiner Hände ..,"13 Diese Feststellung ist zugleich eine Sperre gegen instrumentale Vereinnahmung von Arbeit als Produktionsfaktor, und eine Verfassung, die das Eigentum schützt, hätte ebenso auch die Arbeit zu schützen. Der Rahmen, innerhalb dessen die Property Rights nach Krüsselbergs Verständnis zum Tragen kommen, ist die Unternehmung als Institution, o
die einen Fonds"spezialisierter Aktiva" umfaßt, der
o
ein Netzwerk komplementärer Interaktionsbeziehungen zwischen den Ressourcen begründet und der
o
durch das Humanvermögen gesteuert wird.
Hinter dem "Netzwerk komplementärer Interaktionsbeziehungen" entbirgt sich dann allerdings nichts anderes als die typische Auffassung vorhandener Property Rights-Ansätze. Auch bei Krüsselberg reduzieren
13
Smith, A.: Der Wohlstand der Nationen, herausgegeben von H. C. Recktenwald - München 1978: 232. -. Offensichtlich ist U. Krüsselberg von H.-G. Krüsselberg angeregt worden; siehe Krüsselberg, H.-G.: Wohlfahrt und Institutionen: Betrachtungen zur Systemkonzeption im Werk von Adam Smith, in: Kaufmann, F.-X./Krüsselberg, H.-G. (Hrsg.), Markt, Staat und Solidarität bei Adam Smith, Frankfurt a. M. 1984: 185 - 216; ferner Krüsselberg, H.-G.: Die immanente Ethik des Vermögensbegriffs bei Adam Smith - Kooperationspotential einer freien und gerechten Gesellschaft, in: Meyer-Faj e/Ulrich (1991: 192 - 222). Smith (1978: 106).
114
4. Personale Identität und Untemehmensidentität als Sinneinheit
sich Interaktionen letztlich auf den Tausch von Rechtsbündeln. sagt:
Wenn er
"Mit dem Ausdruck Property Rights soll (folglich) der Gedanke zur Geltung gebracht werden, daß es die Dimensionen des Rechts, der Moral, der Religion, der Sitte, kurz der gesellschaftlich etablierten Institutionen (hervorgehoben von M.-F.) sind, die darüber entscheiden, welchen konkreten Nutzungen die individuell gehaltenen Ressourcen zugeführt werden und damit auch, welchen Wert sie in den unterschiedlichen Verwendungen erzielen können. Gefragt wird nach der gesellschaftlichen Bindung des Wirtschaftens (hervorgehoben von M.-F.)." 14 übersieht er erstens, daß die Unternehmung die entscheidende und mächtigste gesellschaftliche Institution in diesem Zusammenhang ist. Der letzte Satz müßte also, falls Krüsselbergs hohe Vorstellungen einlösbar sein sollen, heißen: Gefragt wird nach der gesellschaftspolitischen Bindung, die zugleich Selbstbindung ist, der Unternehmung. Zweitens knüpft er hinsichtlich der Bewertung und der Berücksichtigung von "penalty-award structures" unmißverständlich an das typische Präferenzschema der Property Rights, das sich aus dem von ihm nicht erwähnten Ableger der Homo Oeconomicus-Spezies "Ressourceful, Evaluative, Maximizing Man" ableitet, an. REMM maximiert innerhalb seiner subjektivistischen Präferenzskala neben den tradionalen monetären Gütern auch nicht monetäre Güter, z. B. Menschenwürde, Selbstverwirklichung, Liebe, Freiheit. "Mit dieser Erweiterung der Nutzenfunktion wird die in der traditionellen MikroÖkonomie vorgenommene Unterscheidung zweier separater Zielfunktionen im Produktionsbereich, in dem Gewinnmaximierung gilt, und im Konsumbereich, in dem die Konsumenten eine maximale Bedürfnisbefriedigung durch Güterverzehr suchen, überwunden. Damit ist der Weg frei, um auch Unternehmen unter der Annahme nutzenmaximierenden Verhaltens zu untersuchen." 15
14 15
Krüsselberg (1992: 91). Schoppe, S./von Czege, A.et alii: Moderne Theorie der Unternehmung, München 1995: 138. Ich zitiere hier eine Beschreibung, keine Bewertung.
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
115
Auch wenn Krüsselberg viel vager bleibt, geht es ihm schlußendlich um nichts anderes als das den Unternehmensnutzen maximierende Bündel von Anreizstrukturen und "Sanktionen" (!), das auf einem Binnenmarkt der Unternehmung zustande kommt. Völlig im Sinne der Neoklassik spricht er von der theoretischen Rechtfertigung, welche die Spezifizierung der Property Rights "durch die divergierenden Anreizstrukturen im Hinblick auf die effiziente Nutzung knapper Ressourcen" gewinne, 16 und so, als ob es keine BewertungsproblsrnQ gäbe, spricht er von der "Gesamtmenge" der Verfügungsrechte. 17 U. Krüsselbergs Anliegen, über Adam Smith zunächst geeignet dimensioniert, um aus einer Kritik an der Property Rights-Theorie eine Handlungstheorie der Unternehmung zu entfalten, scheitert, weil er über den bisherigen Diskussionsstand der Property Rights kaum hinauskommt. Besonders seiner fast zutreffenden Feststellung, daß die Unternehmung durch den Markt und die Rechtsordnung determiniert werde, die Determination durch die Erwartungshaltung der Gesellschaft wäre hinzuzufügen, versetzt er unbeabsichtigt einen schweren Schlag. Adam Smiths Verdikt, daß Law vor Market geht und daß "Gerechtigkeit der Hauptpfeiler" ist, der den "gewaltige(n), ungeheure(n) Bau der menschlichen Gesellschaft" stützt, 18 bleibt zeitlos gültig. Gültig bleibt auch, selbst wenn es moderne Juristen elaborierter ausdrücken würden, daß rechtliche Logik eher den Gesetzen grammatischer Logik als der quantifizierenden Marktlogik folgt. 19 Wenn tatsächlich die positiven Rechte aller Mitglieder der Unternehmung gemäß der individualen Nutzenmaximierungsprämisse als Bündelung auf einem Binnenmarkt der Unternehmung zu einem Gesamtnutzenmaximum institutionalen Verhaltens zusammenfinden könnten (jedes Mitglied hätte dabei für sich soviel ausgehandelt wie nur irgend möglich), wäre der Sinn von Law und Justice, individual und sozial überschaubare Handlungsfreiräume abzustecken, ad absurdum geführt; es gäbe in letzter Konsequenz derartige Freiräume alsbald nicht mehr. Diese Art von Rechts-Bindung im negativsten Sinn von Bindung und Utilarisierung würde die Mitglieder der Unternehmung nicht in ihrer Selbstidentifikation fördern und damit aktive Leistungsimpulse stärken, 16 17 18 19
Krüsselberg (1992: 95). Krüsselberg (1992: 100). Smith, A.: Theorie der ethischen Gefühle, herausgegeben von W. Eckstein, Hamburg 1977: 129. Smith, A. (1977: 268).
116
4. Personale Identität und Untemehmensidentität als Sinneinheit
sondern einen kreativ und interaktiv negativen Bremseffekt bewirken, der zum Aus jeder Unternehmung führen würde. Der Arbeitsvertrag und der in ihm festgelegte Nutzen für Unternehmung und Mitarbeiter würde deren Aktionswillen limitieren. Sturn ist der überzeugende Nachweis gelungen, daß das neoklassische Konstrukt der Präferenzskala durch den weit realistischeren Smithschen Begriff des Interesses ersetzt werden muß. Im Interesse verschränken sich bei Smith individuale Entfaltungschancen und gesellschaftliche Bedürfnisse. Smiths •S'e/ftsiinteresse ist durch "sympathy" und "impartial spectator" stets sozial rückgekoppelt. Interessen sind demnach "Handlungsmöglichkeiten, deren "Wert" strategisch (hervorgehoben von M.-F.) kontingent ist: Er hängt vom Handeln der anderen ab." 20 Präferenzen hingegen reduzieren sich rein tauschhaft auf individualistische Nutzenmaximierung. Sie sind "ein rein formales Konzept. Wenn sie gewissen internen Kongenügen, kann man Zustände der Welt sistenzerfordernissen damit ordnen. Aber man kann sie milieuunabhängig haben. Sie stellen ein entscheidungstheoretisches Instrument dar, welches auf alle als Auswahlsituation vorzustellenden Vorgänge anzuwenden ist." 21 Im Votfeld von Interesse können also Präferenzskalen intrasubjektiv durchaus ihre Bedeutung haben. Doch nur, wenn sie sich im Smithschen Sinne zu Interessen transformieren, können sie Strategierelevanz erhalten. Sturn weist nach, daß eine Analogie zur Spieltheorie besteht. Das Interesse des Spielers orientiert sich daran, einen Anteil an einem "kooperativen Surplus" zu erlangen.
Sturn, R.: Natürliche Freiheit und soziale Kontingenz - Individualismus und Kollektivismus der Smithschen Handlungstheorie, in: Kurz, H. D. (Hrsg.): Adam Smith (1723 - 1790), Marburg 1990: 93 - 117. Sturn, in: Kurz (1990: 101).
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
Ein Rahmen legitimatorischer
117
Neubestimmung
Unser kritischer Rekurs auf Property Rights fuhrt zwar zu keiner befriedigenden Antwort auf die Frage "Unternehmung wozu?", doch sind dort mit dem Bemühen um das Verständnis der Unternehmung als Institution und der Überwindung bisher recht einseitiger Behandlung in der ökonomischen Analyse weiterführende Ansatzpunkte bezeichnet. Wenn man Institutionen auf die ihr sinnhaltig zugrunde liegende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und schließlich ontologisch auf den Lebenssinn von Einzelmenschen zurückführen würde und eine dementsprechende Reduktion für das Humanpotential vornehmen würde, ließe sich einsichtig machen, daß der personal ontologische und der institutional legitimatorische Argumentationsgang unserer Untersuchung schlußendlich zusammenführende Perspektiven derselben Thematik "Identifikation als Prozeß der Sinnorientierung" sind. Wegen des dazu erforderlichen Umfangs möchte ich eine derartige Ableitung nur verkürzt entfalten, sie aber auf andere Weise umfassend gestalten, indem ich, wenigstens in Stichworten, versuche, das legitimatorische Handlungsszenario der Unternehmung in toto zu entwerfen: nur so kann der Stellenwert unseres spezifisch identifikatorischen Anliegens sichtbar werden. Mit vier Suchrichtungen läßt sich eine Art operationaler Definition der Unternehmung als sozial-ökonomisch-technischem Gebilde im Hinblick auf den aktuellen Legitimationsbedarf umschreiben. Ich sehe darin zur Zeit allgemein gültige Wegbeschreibungen: ihren jeweiligen normativen Bezug auf diesen Wegen muß jede Unternehmung selber finden. (1) Die Unternehmung ist eine autonome Institution zur Sicherung und Mehrung von Wohlstand, integriert in eine Wirtschaftsordnung und eine übergeordnete Gesellschaftsordnung. (2) Die Institution Unternehmung strukturiert sich als - immaterielles Leistungspotential, - materielles Leistungspotential und - humanes Leistungspotential, gesteuert durch die interaktive und identifikatorische Verschränkung ihrer Mitglieder. (3) Aus der Integration in eine Wirtschaftsordnung schaftsordnung ergeben sich
und eine Gesell-
118
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
a) spezifische Erwartungshaltungen des Marktes als Bündel der Qualitätskriterien für die unternehmerische Leistung, besonders evident im -
Preis-Leistungsverhältnis im Konditionenbereich Ökologie- und Gesundheitsbereich Erlebniswertbereich Lebensqualitätsbereich
b) übergeordnete Erwartungshaltungen ders bezogen auf
der Gesellschaft,
beson-
- die gesellschaftliche Bedeutung des ökonomischen Erfolgs und der Stabilität der Unternehmung - das öffentliche Image des humanen Leistungspotentials - die Wahrnehmung externer gesellschaftlicher Verantwortung - die Wahrnehmung interner gesellschaftlicher Verantwortung (4) Die Einschätzung der Unternehmung aus übergeordneter gesellschaftlicher Sicht (3 b) ist in die Kaufentscheidung von Kunden mit eingelagert. (1) D. Schneider bringt die Betriebswirtschaftslehre um entscheidende Schritte voran, indem er sie als Einzelwirtschaftslehre der Institutionen konzipiert.22 Seine inhaltliche Differenzierung als Handlungssysteme und KegüXsys lerne vermag aber leicht zur Verwechslung bzw. zur Gleichsetzung von Institution und System führen. Es ist zweckmäßig, der soziologisch korrekten Unterscheidung zwischen Institution und System zu folgen. Institution meint primär den konstitutiven Rahmen, wie Verfassung, Zielsetzung, Selbstverständnis, Grundstruktur, einschließlich der Entscheidung für ein bestimmtes Systemverständnis, kurz Institution meint primär das ideelle Sinngebilde. System hingegen weist primär auf die konkreten strategischen und operativen Prozesse des institutionalen Sinngebildes hin, es bezeichnet primär, wie die Institution funktio23 nierX. Die Autonomie der Unternehmung weist auf ihre Einordnung als Element der liberalen Wirtschaftsordnung hin. Eucken sieht für Schneider, D.: Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Grundlagen, München 1993. Vgl. hierzu die Fußnote 4 zu Kapitel 1.
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
119
seine Unterscheidung zwischen Konkurrenzwirtschaft und Zentralverwaltungswirtschaft den archimedischen Punkt darin, daß alles wirtschaftliche Handeln auf Planen beruht. 24 Die autonome konkurrenzwirtschaftliche Unternehmung erstellt in völliger Autonomie ihre Wirtschaftspläne. Von hierher sind Eigentum, Haftung, Gewinnchancen, Verlustrisiko funktional legitimierbar. In meinen Untersuchungen zur Politischen Ökonomie des Adam Smith habe ich mehrfach herausgearbeitet, daß gesellschaftliche Ordnung und Wettbewerbsordnung, falls wir mit ersterer die moderne westliche Demokratie meinen, geistesgeschichtlich untrennbar miteinander verwoben sind. Zwei Grundtendenzen zeichnen sich gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts und im achtzehnten Jahrhundert ab: erstens die ökonomisch finalisierte Staatsvon John Locke, abgeleitet aus dem und Gesellschaftsauffassung Gewährleistungsbedarf natürlicher institutionaler Eigentums-, Freiheits- und Sicherheitsrechte, zweitens die politisch finalisierte Ökonomie von Adam Smith, der historisch begründet, wie zunächst in der mittelalterlichen Stadtwirtschaft via Handel und Gewerbe erworbener Wohlstand und später, auf breiterer Basis im "system of commerce", der Zeitepoche Adam Smiths, ökonomische Freiheit und Wohlstandsmehrung nicht nur eine gesellschaftliche Wohlstandsmehrung bewirken, sondern daß die ökonomische Freiheit zugleich zum entscheidenden Vehikel politischer Freiheit wird. 25 Was bedeutet das für die Institution Unternehmung? Es bedeutet, die Lockesche Interpretation nutzend, privatistisch im Rahmen des institutionalen Ordnungsrahmens die Marktposition der Unternehmung nutzenmaximierend bis zum äußersten auszureizen, Leistungen an den Staat und Gesetzesauflagen im legalen Spielraum zu minimieren, Forderungen aber, wie Steuerbegünstigungen, Subventionen, Exportbürgschaften, zu maximieren. Es bedeutet, die Smithsche Interpretation sich zu eigen machend, die Unternehmung als eine Institution zu begreifen, für die privatwirtschaftlicher Erfolg zugleich ein notwendiger gesellschaftlicher Beitrag ist, ohne
Eucken, W.: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 6. Aufl., Tübingen 1990: 26.
Siehe auf letztem Stand besonders Meyer-Faje, in: Meyer-Faje/Ulrich (1991); Meyer-Faje, A.: Adam Smith: Zuverlässiger Kompaß für die postmoderne Ökonomie, in: Orientierungen (2) 1990: 60 - 66.
120
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
daß sich die Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft darin erschöpfen würde. Die wirtschaftliche Realität in der Bundesrepublik spielt sich, soweit ich sehe, ziemlich kompaßlos zwischen diesen beiden Interpretationsmöglichkeiten ab. Das ist wohl nicht unerheblich darauf zurückzuführen, daß die Begründer der zunächst westdeutschen Wirtschaftsordnung, obzwar fast ausschließlich ethisch und sozial engagiert - man denke an Persönlichkeiten wie Röpke, MüllerArmack, Böhm, Erhard, Rüstow -, dem quasi neoklassischen Kurzschluß erlagen, die Errungenschaft der freien Marktwirtschaft selbst schon für eine soziale Errungenschaft zu halten. Konfrontiert mit einer Zentralverwaltungswirtschaft in Mitteldeutschland und belehrt durch die nationalsozialistische totalitäre und verwaltungswirtschaftliche Vergangenheit, durften Zeitgenossen damals mit Recht akzeptieren, daß der ordnungspolitische Durchbruch 1948 zugleich eine freiheitliche und soziale Errungenschaft war. 26 Es unterblieb indessen eine politisch verbindliche Festlegung von Sozialer Marktwirtschaft und eine verfassungsrechtliche explizite Formulierung, mögen sich auch substantielle Bausteine hierzu ex post in das vorhandene Grundgesetz stimmig hineininterpretieren lassen. 27 Man hätte sich durch ein Politdickicht von wahlkampforientierter, für den Tagesbedarf formulierter Programmatik, Umverteilungsparolen im Namen von sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit, schillernden politischen Geistesblitzen ä la Schillers "Synthese von Keynesianischer Botschaft und Freiburger Imperativ" sowie "Lehrmeinungen" zu kämpfen, um den tatsächlich vorhandenen Ordnungsrahmen freizulegen. Dieses hier zu leisten, ist thematisch Zur Ableitbarkeit einer Sozialen Marktwirtschaft über Adam Smith siehe Wünsche, H. F.: Die immanente Sozialorientierung in Adam Smiths Ordnungsdenken - ein Paradigma für die Soziale Marktwirtschaft. In: MeyerFaje/Ulrich (1991: 249 - 274). - Zum neueren Diskussionsstand als solchem siehe vor allem Bertelsmann Stiftung u. a. (Hrsg.): Markt mit Moral. Das ethische Fundament der Sozialen Marktwirtschaft, Gütersloh 1994; ferner Koslowski, P.: Neuere Entwicklungen in der Wirtschaftsethik und Wirtschaftsphilosophie, Berlin 1992. So beispielsweise bereits sehr früh in dem einst weit verbreiteten juristischen Studienbuch Maunz, Th.: Deutsches Staatsrecht, München 1951: 105 - 108.
4. Personale Identität und Untemehmensidentität als Sinneinheit
121
nicht die Aufgabe. Es mag der Hinweis genügen, daß die Begründer der Sozialen Marktwirtschaft nach Abklingen der Aufbauphase das allgemein fehlende Bewußtsein für das ordnungsregulative Prinzip des Sozialen zwar erkannt haben, sich aber entweder, wie Müller-Armack - ähnlich späterer institutionaler Wirtschaftsethik durch Strukturmaßnahmen den Durchbruch oder den Ersatz eines Leitbildes erhofften, oder wie Erhard mit seinen Vorstellungen der Formierten Gesellschaft den noch aussichtsloseren Weg moralischen Appells wählten. 28 Inzwischen hat sich dieses ordnungsgefährdende Bewußtseins Vakuum, zumindest wohl als allgemeine Erwartungshaltung der Institution Unternehmung gegenüber (siehe 3 b) quasi evolutorisch, d.h. ohne "Seelenmassage" aufgefüllt. Es ist aber wohl das Problem der Unternehmung, diese Ordnung "erspüren" zu müssen und sich an keine eindeutig kodifizierte Ordnung halten zu können. (2) Hinsichtlich der Strukturierung des Leistungspotentials der Unternehmung läßt die neuere Betriebswirtschaftslehre den faktortheoretischen Ansatz, der zunächst als volkswirtschaftliches Erbe übernommen und bis hin zum Höhepunkt Gutenberg immer effizienzorientierter verfeinert wurde, hinter sich. Was konkret als Leistungspotential zu berücksichtigen ist, ist derart komplex, daß es ein so simples Schema wie "ausführende Tätigkeit, dispositiver Faktor, Kapital, Grund und Boden" sprengt und nur zum Teil quantifizierbar ist. Rechtliche Parameter, Wissen, Können, Good Will, Produktionsanlagen, Organisationsstruktur, Information und informative Vernetzung, Geldkapital, "Unternehmenskultur", Standortvorteile, Kundenbeziehungen stellen in ihrem Zusammenwirken das Leistungspotential der Unternehmung dar. 29 Der Kristallisationskern erfolgreicher Strukturierung ist, neben strikter Zieladäquanz, das gemeinsame handlungsrelevante Bewußtsein aller Mitglieder der Unternehmung. Die 7 S-KonfiguSiehe hierzu besonders in dem Sammelband der Ludwig-Erhard-Stiftung, Stützel, W. et alii (Hrsg.): Grundtexte zur Sozialen Marktwirtschaft, Stuttgart 1981: Müller-Armack (1960): Die zweite Phase der Sozialen Marktwirtschaft: Ihre Ergänzung durch das Leitbild einer neuen Gesellschaftspolitik (63 - 78) und Erhard, L. (1965/66): Das gesellschaftspolitische Leitbild der Formierten Gesellschaft (79 - 82). Wegweisend hierzu das CATWOE-Schema bei Checkland, P: Systems Thinking, Systems Practice, Chichester 1985.
122
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
ration von PetersAVaterman bringt diesen Wandel faktorieller Strukturierungsauffassung zum Ausdruck. 30 Gemeinsames Bewußtsein heißt zugleich gemeinsames Sinnverständnis, läuft also auf Unternehmensidentität hinaus. Wie kommt es zu gemeinsamem Bewußtsein? Wir haben eingangs festgestellt: Sinn muß von jedem Menschen selbst gefunden werden. Zugleich haben wir festgestellt, daß in Gemeinschaften Sinn durch verbale und operative Interaktion, die in Verständigung mündet, der aber ein grundlegend gemeinsames Interesse vorausgehen muß, zustande kommt. P. Ulrich hat, für die Wirtschaftsethik und die Managementlehre wegweisend, die Überführbarkeit der utilaristischen in eine kommunikativ-ethische Rationalitätskonzeption belegt und durch das Argumentationsapnoü der idealen Kommunikationsgemeinschaft und das Erfahrungsapüoü der realen Kommunikationsgemeinschaft eine Absicherung gegen interaktionistisch instrumentale Mißdeutung getroffen. Über Ulrich wird es somit möglich, der Sinnfrage nachzugehen und dennoch im Rahmen der Ökonomie zu bleiben. 31 Über das Phänomen Dialog, obwohl in meinen ontologischen Überlegungen eher an Buber als wie Ulrich an Habermas orientiert, trifft hier mein identitätsorientiertes Anliegen mit essentiellen Ulrichschen Grundüberlegungen zusammen. Worin sich der vorliegende Ansatz von Ulrich unterscheidet, läßt sich am einfachsten an Ulrichs praktisch gerichtetem Konsensmanagementkonzept verdeutlichen. Wenn ich hier nach Identität frage, ist mehr gemeint als Konsens und das Apriori dementsprechend etwas anders gesetzt als bei Ulrich. Indem ich unter Identität existentielles, personales Sinnbedürfnis verstehe, können gemeinsame Wertvorstellungen, so sehr sie zur Entfaltung einer kommunikativen Brücke bedürfen, apriorisch nur über ein höchst persönliches werthaltiges Betroffensein von Menschen zustande kommen. Ich greife zur Veranschaulichung ein nicht ökonomisches Beispiel. Man stelle sich vor, die Parteien CDU/CSU und PDS würden in einer Koalition zu einer gemeinsamen Identität zusammenfinden! Umgekehrt ist es sehr wohl denkbar, daß beide Parteien für kurze Siehe Fußnote 7 zu Kapitel 1. - PetersAVaterman bezeichnen dieses gemeinsame handlungsrelevante Bewußtsein als "Selbstverständnis". Ulrich, P: Transformation der ökonomischen Vernunft, 3. rev. Aufl., Bern 1993.
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
123
Zeit punktuell im Konsens zueinanderfinden, wo sie strategisch meinen, aufeinander angewiesen zu sein. Dialogisch gemeinsames Bewußtsein setzt allerdings eine Institution voraus, in der soziale Symmetrie vorherrscht. Eine solche kann auf Grund der erwähnten Erblasten nicht generell vorausgesetzt werden. Katterle wagt hierzu zwei überfällige Aussagen: 1.
Die neoklassische Theorie verallgemeinert den Unternehmertypus: "Die Weltsicht der ökonomisch dominierenden Gesellschaftsschicht wird in die kategorialen Grundlagen ökonomischer Theoriebildung übernommen; die sogenannte "ökonomische Perspektive" wird ideologisiert." 32 Also ein Normativismus a priori.
2.
Entweder man nimmt den Menschen in der Unternehmung ernst, oder man nimmt ihn nicht ernst. Einen Mittelweg gibt es nicht. Ihn ernst zu nehmen heißt aber, ihn konsequent als Zweck und nicht als Mittel zu betrachten. Allerdings greifen dann die von Myrdal gesehenen Konsequenzen: "Sobald man eine selbständige Wertsetzung für die Mittel zugibt, öffnet man sämtliche Glieder in der Gedankenkette." 33 Eine legitimatorische und in ihr integrierte funktionale identifikatorische Wende in der Unternehmung würde, in der Praxis gewagt, mit großer Wahrscheinlichkeit eine Kehre im etablierten Zweck-Mittel-Denken um 180 Grad bedeuten.
(3a)
32
33
Für die spezifischen Erwartungshaltungen des Marktes haben inzwischen auch strukturtraditionale Unternehmungen eine hohe Sensibilität entwickelt, ohne damit unbedingt die werttraditionale Grundeinstellung aufzugeben. Der entscheidende Wandel, dem sich viele Unternehmungen stellen, besteht darin, Katterle, S.: Der Beitrag der institutionalistischen Ökonomik zur Wirtschaftsethik. In: Ulrich, P. (Hrsg.): Auf der Suche nach einer modernen Wirtschaftsethik, Bern 1990: 123 f. Zitiert nach Katterle (1990: 131).
124
4. Personale Identität und Untemehmensidentität als Sinneinheit
daß auf Grund einer Marktlage, bei der es gilt, bei einem Überangebot von Leistungen überhaupt zum Zuge zu kommen, nur dasjenige Unternehmen die besseren Chancen hat, Kunden auf sich zu ziehen, das die bessere Qualität bietet. Damit bewährt sich zwar von Hayeks neoklassische Sicht, daß der Markt die bisher unübertroffene Institution sei, um "Fortschritt" durchzusetzen. Längerfristig und gesellschaftlich, aber auch gesamtwirtschaftlich kann es nicht gleichgültig sein, ob beispielsweise rein ökonomisches Kalkül oder gesellschaftliche Verantwortung zu einer umweltfreundlichen Produktion von Gütern führt. Wer im trade off seine im Inland dadurch erhöhten Produktionskosten durch weniger umweltfreundliche und zugleich Arbeitskosten senkende Produktion kompensiert, hat die gesellschaftliche Erwartungshaltung Unternehmungen gegenüber nicht begriffen. Er riskiert, letztlich rückwärtsorientiert, die Gefahr von Endlösungen an der Stelle von für eine evolutionäre Zukunft offenen Lösungen. (3b)
Hinsichtlich der Erwartungshaltung der Gesellschaft, daß die Unternehmungen des Landes möglichst prosperieren, herrscht breitester Konsens. Daß die Unternehmungen nicht nur die Quelle des Wohlstandes ihrer Mitglieder, sondern auch des Wohlstandes der Gesellschaft und deren Stabilität sind, ist inzwischen Allerweltsweisheit und bedarf keiner Adam SmithLektüre. Freiwillig tun gerade erfolgreiche Unternehmungen überdies das ihre, um ihren Erfolg nach außen publikumswirksam darzustellen. In noch höherem Maße, z.B. beim tagtäglichen Einkauf von Konsumgütern, besteht die Einschätzung der Unternehmung aus der Sicht des Durchschnittskunden nicht aus deren Bilanz, sondern darin, daß von der bewährten Qualität des Produkts auf hochqualifizierte Mitarbeiter geschlossen wird: beste Leistung - beste Leute. Dementsprechend hat ein gesellschaftliches Status-Plus, wer in Stuttgart "beim Bosch oder beim Daimler schafft". Auch hier stellen Unternehmungen ihr Licht und das ist es ja auch in des Wortes eigentlicher Bedeutung; ohne qualifizierte Mitarbeiter gingen alsbald die Lichter aus - nicht unter den Scheffel und wissen diese Qualität und was die Unternehmung dafür tut, werbewirksam publik zu machen. Hingegen werden Erwartungshaltungen hinsichtlich der externen Verantwortungsbereitschaft von Unternehmungen nachweislich seltener wahrgenommen. Marketingstrategisches Spon-
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
125
soring von Veranstaltungen, Vereinen u. ä. ist damit nicht gemeint und ist in den letzten Jahrzehnten fast schon zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Gemeint sind Situationen wie Fehleinschätzung der politischen Reife eines breiten Publikums im Sommer 1995 durch das Unternehmen Shell hinsichtlich der Versenkungsabsicht einer ausgedienten Bohrinsel. Dergleichen Fehleinschätzungen rächen sich unmittelbar ökonomisch, wie der höchst wirksame Boykott von Shell-Tankstellen binnen weniger Tage lehrte. Ökonomische Maßnahmen, die ohne gesellschaftliches und politisches Gespür erfolgen, führen auf die Dauer auch zu keinem ökonomischen Erfolg. Die Wahrnehmung interner gesellschaftlicher Verantwortung bezieht sich vornehmlich auf die Grundeinstellung zu ihrem humanen Leistungspotential. So wußten mir bei der Behandlung dieser Thematik in einer Lehrveranstaltung Studierende zu berichten, sie würden eine bestimmte Fast-Food-Kette als Kunden meiden, weil sie überwiegend außertarifliches Personal beschäftige und schlecht behandle. Denkt man an die richtungsweisende Wiederentdeckung von H.-G. und U. Krüsselberg von Arbeit als auch volkswirtschaftliches Humanvermögen und erinnert man sich an Smiths Verständnis von Arbeit als dem heiligsten Eigentum des Arbeiters, so würde es zur ethischen Selbstverpflichtung jeder Unternehmung, die sich glaubhaft gesellschaftlich legitimieren möchte, gehören zu versuchen, auf das brennendste Problem, das Arbeitnehmer heute belastet, das Knappwerden von Arbeit, eine überzeugende und durchaus auch privatwirtschaftlich kostspielige Lösung zu finden. Die praktizierten Externalisierungen und Sozialisierungen sind keine Lösungen. Die Ausflaggung von Schiffen hat den Reedereien längst ein anderes Überlebensproblem beschert: hohe Demotivierung, besonders ihrer hoch qualifizierten Besatzungsmitglieder und brennende Nachwuchssorgen (von den Folgen der Umgehung von Sicherheitsbauvorschriften im Schiffbau ist hier nicht zu reden). Durch Arbeitslosigkeit wird nicht nur, wie Katterle mit Hinweis auf die berühmte Untersuchung von Jahoda "Die Arbeitslosen von Marienthal" (1933) anführt, die Identität der Arbeitslosen gefährdet, identitätsorientierte Menschenführung wird auch bereits in ihrem Begründungsstadium unglaubhaft, wenn das Damoklesschwert allzeitiger Kündbarkeit über der Belegschaft schwebt. Nicht zufällig haben Unternehmungen mit richtungsweisender Führungsphilosophie und
126
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
hohem Mitarbeiterengagement, wie IBM und Hewlett Packard, über Jahrzehnte in Deutschland glaubhaft machen können, die Mitarbeiter dürften auf die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze vertrauen. (4)
Die Unternehmung als eine der wichtigsten Institutionen in der Gesellschaft ist längst zu einer quasi-öffentlichen Institution geworden, nicht nur die Großunternehmung, wie W. Rathenau (1919) und P. Ulrich (1977) herausgearbeitet haben, sondern jede Unternehmung, unabhängig von Größe, Branche und Rechtsform 34 Das hebt die Autonomie der Institution Unternehmung keineswegs auf, verdeutlicht aber eindringlich die Legitimationsproblematik. Unternehmensautonomie hat inzwischen, indem die Ansprüche an die Rückkoppelung mit der Lebenswelt seitens der Gesellschaft ständig zunehmen, ihren hohen Preis. Dabei gilt das scheinbare Paradox, daß sich die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung nicht rechnen läßt, und jedes Rechnenwollen auch leicht zur Falle, nämlich wieder zum ökonomischen Reduktionismus geraten würde. Doch in the long run rechnet es sich: es sichert zukunftsorientiert die Überlebenschancen der Unternehmung; denn die McA/wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung hat schwerwiegende ökonomische Konsequenzen. Beachtung und Nichtbeachtung öffentlicher Erwartungshaltungen seitens der Unternehmung sind in Marktentscheide von Kunden eingelagert. Die "unsichtbare Hand des Marktes" weiß sofort um die Nichtbeachtung und verhängt kurz über lang ökonomisch spürbare Sanktionen. Woher die unsichtbare Hand ihre Weisheit bezieht, das bleibt ihr Geheimnis. Vielleicht hat sie im Lauf der letzten zweihundert Jahre von ihrem Erfinder Adam Smith Politische Ökonomie gelernt und auch Grundlegendes in der "Theory of Moral Sentiments" nachgelesen.
34
Rathenau, W.: Autonome Wirtschaft, Berlin 1919. Ulrich, P.: Die Großunternehmung als quasi öffentliche Institution. Eine politische Theorie der Unternehmung, Stuttgart 1977.
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
4.3
Personale
Identität
als Agens für
127
Unternehmensidentität
Ob wir uns von der ontologisch personalen Perspektive her oder aus untemehmensbezogen legitimatorischer Sicht an das Identitätsproblem herantasten, die zwei unterschiedlichen Brennpunkte verschmelzen zu einem einzigen Brennpunkt, sobald man hinterfragt, wer die Träger des identifikaktorischen Prozesses in der Unternehmung sind. Die phänomenologische Reduktion kann auf einer letzten Stufe nur lauten, daß es ausschließlich Menschen sind, welche Unternehmensidentität kreieren, durchsetzen und weiterentwickeln. Die verdinglichte Betrachtung der Unternehmensidentität an sich erweist sich als fehlleitend. Zwar transzendieren Unternehmen durchaus auch Sinn, doch ist solche Sinnhaitigkeit grundsätzlich stets ableitbar aus vorhergegangenen intentionalen oder konkludenten Ä/iMsetzungen durch Menschen. So stößt man in einer ersten Reduktionsstufe bei der Unternehmung auf objektivierte "Identitätsmuster", 35 wie Unternehmenskultur, geltende Unternehmensphilosophie, Produktions- und Marketingprogramme, Organisationsalgorithmen, ja sogar die Produktionstechnik und ihre organisatorische Implementierung sind, wie bei Gruppenarbeit im Automobilbau, identifxkatorisch aussagefähig, denn sie transzendieren das unterlegte Menschenbild. Solch eine vorfmdliche Verweisungsstruktur zu ignorieren, wäre nicht ohne Schaden möglich. Nur behutsam einfühlbar ließen sich solche Identitätsmuster mittelfristig aufbrechen und innovieren, aber entscheidend ist, daß gerade die stark betriebswirtschaftlich geprägten Identitätsmuster nachweislich stets auf Vorgänge, auf von Menschen initiierte identifikatorische Prozesse zurückführbar sind. In einem weiteren abstrakteren Reduktionsschritt gehen wir über die konkrete Einzelunternehmung hinaus und fragen nach der Schnittstelle sinnhaltiger Wirtschaftsordnung und sinnrealisierender Instanz Unternehmung. Mit Hauriou ist festzustellen, daß ohne Institutionen sich keine Rechtsordnung realisieren kann. 36 Gleiches gilt für die Wirtschaftsordnung und steht für die Volkswirtschaftslehre auch nicht in Frage. Allerdings ist die funktionale Bedeutung und Sinnhaltigkeit für den Rechtsrahmen der Wirtschaftsordnung, wie Markt, Geld, Eigentum,
36
Ich übernehme diese Bezeichnung von Mittmann (1991: 27). Hauriou (1965).
128
4. Personale Identität und Untemehmensidentität als Sinneinheit
weit präziser gefaßt als für die Unternehmung. Erschwerend für die Würdigung der institutionalen Unternehmensfunktion im gesamtwirtschaftlichen Ordnungsgefüge seitens Betriebswirtschaftslehre und Managementlehre ist das von der Soziologie übernommene Institutionenverständnis, das sich seit etwa drei Jahrzehnten zunehmend systemisch funktionalistisch orientiert. Für Systeme läßt sich in der Tat, wie Luhmann am konsequentesten herausgearbeitet hat, ein zumindest funktionalistischer Eigensirm feststellen, 3 und deshalb leiten sich für die Managementlehre typische Fehlschlüsse hinsichtlich des Wirkungszusammenhanges von Unternehmensidentität ursächlich häufig mit von der unzulässigen Gleichsetzung von Institution und System her. Hinterfragt man wie Katterle den sinnhaltigen Kern der Institution Unternehmung, so gelangt man wie auf der ersten Reduktionsstufe letztlich wieder zu dem Ergebnis, daß es Menschen sind, die eine Ordnung konstituieren und auch Unternehmensidentität realisieren und nicht etwa eine Art systemischer oder evolutionärer Automatismus waltet. Doch präzisiert Katterle zugleich den Kernpunkt, weshalb es zu dem Auseinanderdriften und den Verkürzungen lebensweltlicher personaler Identität und unternehmensbezogener legitimatorischer Identität paradigmatisch kommen muß: weil nämlich in ökonomischer Theorie und Praxis der Unternehmertypus als maßgebliches humanes Aktionsleitbild verallgemeinert wird. Ich zitiere nochmals die Schlüsselstelle, die für das identifikatorische Dilemma in der Unternehmung erhellend ist: "Die Weltsicht der ökonomisch dominierenden Gesellschaftsschicht wird in die kategorialen Grundlagen ökonomischer Theoriebildung übernommen; die sogenannte "ökonomische Perspektive" wird ideologisiert." 38 Folgerichtig ist es überwiegend geübte Praxis, daß es eine elitäre Minderheit, bestehend aus Eigentümern und Führungskadern, ist, die allein aktiv gestaltend in den identifikatorischen Prozeß der Unternehmung involviert ist. 39 Der lebensweltlich ganzheitlich gerichtete personale Der Durchbruch ist in etwa vorgezeichnet mit Parsons, T.: The Social System, Glencoe, III. 1951. Dem Autor lag die 4. Aufl., New York 1963, vor. Siehe Fußnote 32. "Beispielhaft" entfaltet bei Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, I. Bd.: Die Produktion, 10. Aufl., Berlin 1965, 4. Kapitel: 130 - 146.
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
129
Sinnfindungsprozeß stößt demnach in der Unternehmung auf eine doppelte Barriere. Die Arbeitswelt stellt gesamtlebensweltlich gesehen nach wie vor nicht nur eine segmentierte Ausgrenzung dar, sondern schafft, falls der Mitarbeiter nicht souveräne Distanzierung zur Arbeitswelt gewinnt, zusätzlich eine sanfte, aber psychologisch höchst wirksame Art von Entfremdung, indem Mitarbeitern Unternehmensidentität als Identitätsmatrize, die mit personaler Identität in Einklang zu bringen ist, vorgegeben wird. 40 Daraus folgt in wertneutraler logischer Ableitung, die Defizite personaler und unternehmensrelevanter identifikatorischer Prozesse würden sich auflösen lassen durch zwei Basiswagnisse der Unternehmung: 1. Die Arbeitswelt so zu gestalten und durch Führungsmaßnahmen derart zu fördern, daß personale Identität in der Unternehmung weit größere Entfaltungschancen erhielte als je zuvor. 2. Die Arbeitswelt so zu gestalten, daß alle Menschen in der Unternehmung, also nicht nur leitende Führungskräfte in den identifikatorischen und damit zugleich legitimatorischen Prozeß kontinuierlich einbezogen wären. Einerseits wäre damit dem personalen identifikatorischen Prozeß solchem ein Freiraum gewährt, wie er für selbständige Unternehmer je besteht, andererseits wäre es ab dato wissenschaftlich stimmig, Unternehmensidentität als sinnhaltigem Wirkungszusammenhang sprechen.
als seit von zu
Ontologisch und wirtschaftsethisch betrachtet wäre der Instrumentalisierungsmechanismus dem Mitarbeiter gegenüber aufgebrochen, denn durch Entfallen der Identitätsvorgafo entfiele auch die Basis erfolgreicher Instrumentalisierung: Indoktrination zu fremdbestimmtem Wollen. Politökonomisch wäre Adam Smiths Wertung des humanen Handlungspotentials als wertvollstem Eigentum des Menschen und wichtigsten Aktivposten einer erfolgreichen Unternehmung durch eine derartige Demokratisierung viel substantieller entsprochen, als dieses bisher in den "Property Rights" oder in betrieblicher Mitbestimmung bedacht ist. Der demokratisch bisher "verdünnte Schonraum" Unternehmung verträgt sich ohnehin nicht mit der volkswirtschaftlichen Lehrmeinung, daß Demokratie und Marktwirtschaft einander bedingen. Die Suchspur wird fündig über die kritische Sichtung der diversen manageriellen "Systemansätze" und das Stichwort "Organisationskultur".
130
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
In der Gesamtbetrachtung wäre das Wagnis, sich auf den Versuch einer Realisierung dieser Gedankengänge einzulassen, gewiß besonders groß; es ist damit zu rechnen, daß Myrdals bereits erwähnte Folgerung greifen würde: "Sobald man eine selbständige Wertsetzung für die Mittel zugibt, öffnet man sämtliche Glieder in der Gedankenkette." 41 Dieses Wagnis muß, man erinnere sich an die im 1. Kapitel genannten völlig neuen Herausforderungen, die völlig neue Antworten verlangen, eingegangen werden, gleichgültig, ob man in Erwartung eines allfälligen paradigmatischen Erdrutsches auf einen Knall oder mit Blick auf den Durchbruch eines neuen sozialen und ökonomischen Denkens auf einen "konkreativen Sprung"42 setzt. Unausweichliche Folgewirkungen sind wohl vor allem zu erwarten: 1. als Wandel im Prozeß der betrieblichen Willensbildung sowie als Verflüssigung der Funktionsmuster des humanen Leistungspotentials. Mitarbeiter-, Manager- und Unternehmerfunktionen würden sich weit stärker, als es bei fortschrittlichen Unternehmen schon der Fall ist, durchdringen. Die Funktionen wären mittelfristig neu zu bestimmen, ohne daß damit die eigentliche Unternehmerfunktion, soviel Co-Entrepreneurship dabei auch zum Zuge käme, überflüssig würde. 2. als allmählicher legitimatorischer Wandel der Eigentumsfunktion. Es ginge vor allem darum, die Arbeit = Eigentum-These von Adam Smith als arbeitsrechtlichen Gestaltungsimpuls aufzugreifen und von der traditionalen sachenrechtlichen Perspektive, die das Denken über Rechte an der Unternehmung favorisiert, freizukommen und daraus resultierend Rechte und Pflichten der Menschen in der Unternehmung kritisch zu hinterfragen. 3. als beschleunigter genereller Durchbruch eines neuen ökonomischen Denkens. Der von P. Ulrich eingeforderte und in seiner Not-Wendigkeit belegte Transformationsprozeß der eng ökonomischen in eine lebenspraktische Vernunft ist keine Utopie. H. Woll fördert in seiner Hinterfragung der "Menschenbilder in der Ökonomie" die Überraschung zutage, daß zumindest in der Forschung längst eine Vielzahl jeweils zweckmäßiger Menschenbilder zum Tragen kommt, einige mit homo
41 42
Siehe Fußnote 33. Siehe Rombach (1993: 127 ff., 392, 431); Rombach (1994: 153 ff.).
4. Personale Identität und Untemehmensidentität als Sinneinheit
131
oeconomicus verwandt, andere durchaus nicht in das neoklassische Mainstreamdenken integrierbar. 43 Wohin immer das Wagnis einer Unternehmensidentität, die sich ausschließlich aus der Identität ihrer Mitglieder konstituiert, führen mag, sicher scheint mir zweierlei: wie in meinen Ausführungen mehrmals begründet, führt kein Weg zurück zur Betrachtung des humanen Handlungspotentials als Mittel. Ferner ist nicht zu befürchten, die personalen Identitäten können in einer egozentrischen Dynamik auseinanderdriften. Solches ist nur dort vorstellbar, wo Individualität und selbstidentifikatorisches Grundbedürfnis sich als Egoismus mißverstehen würden. Die moderne Anthropologie und auch Adam Smith lassen ein derartiges Mißverständnis, anders als neoklassische ökonomische Ansätze, nicht ZU.
44
Herzog sieht in seiner Begründung des Subjekts dieses als ein Wesen, das auf geistige und moralische Autonomie hin veranlagt ist. Sympathie und Gerechtigkeit bezeichnet er als die sozialen Steuerungskategorien solcher Autonomie, die zugleich Solidarität als Resultante des Wechselspiels gegenseitiger Anerkennung bedeutet. 45 Herzog beruft sich dabei auf die empirische Forschung Piagets. Er hätte sich ebenso auf Adam Smith berufen können. Wir müssen es uns an dieser Stelle versagen, auf Kaufmanns Wiederentdeckung der Solidaritätsperspektive bei Smith einzugehen, 46 müssen aber, auf den politökonomischen Argumentationsgang umschaltend, feststellen, daß das Selbstinteresse, nach Smith das entscheidende movens des Wettbewerbsspiels, ähnliche soziale Rückbezüge aufweist, wie sie Herzog darstellt. In der Zusammenschau von "Wealth" und "Theory", Smiths Hauptwerken, wird politökonomisch und ontologisch ein Individuum erkennbar, das nach Autonomie strebt, aber gleichzeitig darum weiß, daß es nicht sozial autark sein kann. Deshalb Tausch, deshalb Arbeitsteilung, beides kommunikative Veranstaltungen, bedacht auf ein wechselseitiges und damit koope-
43 44 45 46
Woll (1994). Gleichwohl versuche ich im 8. Kapitel aufzuzeigen, warum kein identifikatorischer "Gleichschritt" zu erwarten ist. Herzog (1991: 211). Kaufmann, F.-X.: Solidarität als Steuerungsform - Erklärungsansätze bei Adam Smith. In: Kaufmann/Krüsselberg (1984: 158 - 184).
132
4. Personale Identität und Unternehmensidentität als Sinneinheit
ratives materielles Surplus, aber auch moralisch auf Vergewisserung gegenseitiger Sympathie.47 Ein derartig sozial und ethisch verschränktes Selbstinteresse erscheint mir als ein zuverlässiges Regulativ, daß ein Plural personaler Identitätsprozesse selbstintegrativ zu Sinnsolidarität als gemeinsamem institutionalem Bewußtsein findet. Daß um eines solchen Ergebnisses willen mancher Knall diesen Prozeß begleiten würde, ist schon deshalb unumgänglich, weil zugedeckte Interessenkonflikte zwischen "Beschäftigern und Beschäftigten" (Katterle) keine Chance mehr hätten, zugedeckt zu bleiben. Dieser Beitrag beschränkt sich, geleitet von der Sinnfrage und fortschreitend von der conditio humana zur conditio oeconomica, auf das Bemühen um eine solide theoretische Basis (Theorie beim Wort genommen als Zusammenschau), von der her weiterfuhrende Überlegungen für handlungsrelevante ökonomische Praxis die reelle Chance haben, das Menschengerechte im Ökonomiegerechten, wie Rieh es einfordert, nicht zu verfehlen. 48 Ein solches Weiterdenken ist, wie schon angedeutet, sowohl im Hinblick auf eine Neubestimmung institutionaler Wirtschaftsethik, als auch im Hinblick auf eine kritische Sichtung, Neubestimmung und Neusystematisierung maxiagementtheoretischer Erkenntnismodule auf eine identitätsorientierte Managementlehre hin, dringend erforderlich. Vor allem in "personaler Identität als funktionalem Agens für Unternehmensidentität" sehe ich die Richtung für ein weiterführendes konkreteres und detaillierteres Hinterfragen und Erforschen vorgezeichnet. Die Gefahr, daß ein Weiterdenken, sich zu einem Neosubjektivismus, einem Anti-Institutionalismus oder völliger Ausblendung systemischer Erkenntnisse vereinfachen könnte, scheint mir auf der hier entwickelten Basis nicht gegeben. Es geht allerdings darum, die Mitglieder der Unternehmung als die ausschließlichen Akteure wieder einzublenden.
48
Siehe hierzu neben Sturn in Kurz (1990: 93 - 117) den einleitenden Beitrag von Meyer-Faje/Ulrich zu Meyer-Faje/Ulrich (1991: 9 - 17). Siehe hierzu Rieh, A.: Wirtschaftsethik, Bd. 1, 2. Aufl., Gütersloh 1985.
ZWEITER
HAUPTTEIL
Die managerielle Einstiegsleistung: Rethinking first
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten 5.1
Die
Prüfkriterien
Über das Verständnis von Sinn und Identität in neueren Managementkonzepten können insbesondere Aufschluß geben: Fragen nach dem Ziel unternehmerischer Zielsetzung, nach der Prozessualität und nach den maßgeblichen Integrationsprinzipien für die Mitarbeiter. Es wird nachfolgende Prüfliste zugrunde gelegt. Legitimatorische Orientierung der Unternehmung 1. 2. 3.
Wie ist die Zielsetzung dimensioniert? Wie ist die Zielbestimmung institutionalisiert? Wie werden die Ziele in Strategien und Operationen umgesetzt?
Unternehmenslegitimation als identifikatorischer Prozeß 4. 5. 6. 7.
Wird - bzw. wie wird - zwischen Unternehmensidentität und Mitarbeiteridentität unterschieden? Ist eine Gleichsetzung zwischen legitimatorischer und identifikatorischer Orientierung erkennbar? Wer wirkt an der Zielfindung mit? Welche sonstigen Freiräume personaler Selbstidentifikation sind vorgesehen? Schließen sie die Mitgestaltung der Unternehmensidentität mit ein?
Integrationsprinzipien 8.
Die Integrationsparameter a) Das System b) Die Unternehmenskultur c) Die Unternehmensleitung d) Alle Mitglieder
134
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
9. Die Integrationsziele a) Funktionalität b) Zweckkooperation c) Zweckgemeinschaft d) Sinngemeinschaft 10. Integrationsmittel a) Autorität b) Interaktion c) Motivation d) Identifikatorische Freiräume und identitätsfördernde Personalpolitik e) systemische Kategorien Ergebnis 5.2
Die
Kandidaten
Es werden Kandidaten herausgegriffen, für welche die Vermutung gilt, daß sie die traditionale Selbstbegrenzung in der betrieblichen Führungsauffassung aufzubrechen bemüht sind. Die Auswahl fällt nicht besonders schwer, weil die Periode, die dafür ernsthaft in Betracht zu ziehen ist, erst in den fünfziger Jahren einsetzt. Mit der amerikanischen Human Ressources-Bewegung und seitens der Managementlehre bricht sich das Bemühen Bahn, Führungsbelange "menschengemäß" zu sehen. Auch wenn "menschengemäß" dabei weitgehend mit behavioristischen sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen gleichgesetzt wird, kommt damit eine kreative Entwicklung dialektisch einander ablösender Managementkonzepte in Gang. Mit dem Konzept Management by Objectives (MBO) wird zum ersten Mal versucht, über den Gestaltungsparameter Ziele die Ergebnisbedarfe der Unternehmung und partiell Selbstverwirklichungsbedarfe der Mitarbeiter in Einklang zu bringen. 1 Die Bedeutung von motivatorischen Antrieben, Interaktions- und Teamfähigkeit sowie selbstverantwortlicher Freiräume wird erkannt, und der Erfolg von MBO führt alsBrightford, E.: Verhaltensorientiertes Management. Einführung in die Methoden der Unternehmensfiihrung. Frankfurt a. M. 1974: 149 ff.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
135
bald zum Erblühen diverser Ableger, wie z.B. Management by Results und Management by Participation. All diesen Konzepten ist gemeinsam, daß sie im wesentlichen selektiert nur Binnenherausforderungen Rechnung tragen und dabei die betriebliche Grundstruktur nicht in Frage stellen. Sie haben deshalb, einschließlich MBO, den umfassendsten Ansatz dieser Art, ihre Erfolgshöhepunkte hinter sich. Weil für identitätsorientiertes Management die Zielfrage einen Eckparameter bildet, kommen wir um eine kurze Analyse von MBO nicht herum. Wenn wir auf ganzheitliches Systemdenken schauen, so gilt die Vermutung, die St. Galler Systemdenker könnten am weitesten auf dem Weg zur Sinnfrage sein, weil H. Ulrich als geistiger Pionier (1968) die Sinndimension ausdrücklich in die konkrete Konfiguration der Unternehmung einbezieht: mit der Maßgabe, daß sie die materielle und die funktionale Ebene nicht nur durchdringt, sondern zugleich darüber hinausweist. 2 Außerdem nimmt das St. Galler Denken in der Managementforschung zum erstenmal die Herausforderung kontinuierlichen Wandels als Überlebensproblem der Unternehmung ernst. Neuere Managementkonzepte, wie Total Quality Management und Lean Management, gehören hier auf den Prüfstand, weil sie ganz offensichtlich Antwortversuche auf jene globalen Herausforderungen darstellen, die ich in Abschnitt 1.3.1 angesprochen habe. Beide Konzepte verfügen instrumental über eine erstaunliche Spannweite und werden zur Zeit als der Weisheit letzter Schluß gehandelt.
5.2.1
Management
by
Objectives
Charakteristik Es sind zwei Ausgangspunkte zu unterscheiden. Der erste Ausgangspunkt ergibt sich, als McGregor (1957) mit seinem Beitrag "An Uneasy Look at Performance Appraisal" neue Wege bei der Personalbeurteilung aufweist. 3 Es gehe nicht darum, das Verhalten von Mitarbeitern "zu
3
Siehe zur Einführung Meyer-Faje (1990: 12). McGregor, D.: An Uneasy Look at Performance Appraisal, In: Harvard Business Review, May - June 1957; siehe auch Drucker, P., Management by Objectives and Self-Control, in: Beck jr., A. C., Hillmar, E. D. (ed.), A
136
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
richten", sondern deren Leistung zu beurteilen. Leistung sei aber nur dann effizient, wenn wie McGregor - seine Y-Theorie vorwegnehmend - konstatiert, der Mensch sich Zielen verpflichtet sähe, die er sich selber gesetzt habe. Von der eigenen in Abstimmung mit dem Vorgesetzten selbst zu verantwortenden Zielsetzung findet der Gestaltungsparameter Ziel Eingang in das Managementdenken und führt zur Ausformung des Management by Objectives. In einem zweiten Schritt weckt der Erfolg von MBO das Interesse der betrieblichen Ergebnisplanung an diesem Konzept. Orientiert an einem quantifizierten Oberziel haben sich die führenden Mitarbeiter in ebenfalls quantifizierbare Teilziele hineinzuwollen, damit das Oberziel erreicht werden kann 4 . Hierin wird eine große motivatorische Errungenschaft gesehen. Der Übergang vom MBO zum Management by Results ist deshalb in der Praxis fließend. Doch bleibt bei MBO ein gewisses Maß an Ausgewogenheit zwischen Personalorientierung und Ergebnisorientierung schon deshalb gewahrt, weil Subführungshandeln in wie auch immer frei gestaltbaren Räumen ohne Interaktions- und Kooperationsfähigkeit nicht laufen könnte. Schulung und Personalentwicklung im besonderen werden von hier aus unerläßlich. In einem nach MBO geführten Unternehmen beginnt der Beitrag zur eigenen Mitwirkung an der Zielbestimmung mit der weitgehend selbst erstellten Stellenbeschreibung. Hauptkontroll- und Rückkoppelungsinstanz stellt das Führungsmittel Mitarbeiterbeurteilung dar, das maßgeblich für die Leistungsbewertung, neue Zielvereinbarungen und Rekrutierung des Führungsnachwuchses ist. 5
Practical Approach to Organization Development through MBO - Selected Readings, Reading, Mass. 1972: 72 - 87. Siehe hierzu vor allem Humble, J.: Management by Objectives, London 1972, deutscher Titel: MBO-Fibel, Grundsätze des Management by Objectives, Frankfurt a. M. 1973. Die übliche Darstellung als Rückkoppelungsschema, wie beispielsweise bei Staehle, suggeriert unzutreffend eine stringente kybernetische Systematik. Staehle, W.: Management, Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, 6. Aufl., München 1991: 786, nach Odiorne.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
137
"Sinnspuren " im MBO Legitimatorische Orientierung 1.
Die grundlegende Zielsetzung von MBO ist in seiner Unternehmensorientierung völlig traditional. Keine Zeile eines klassischen BWL-Lehrbuches müßte geändert werden:6 o
In welcher Branche wollen wir tätig sein?
o
Auf welchen Märkten wollen wir unsere Produkte absetzen?
o
Wo und in welchen Werken wollen wir fertigen?
o
Welche Produkte wollen wir entwickeln und mit welchen Fertigungsverfahren?
o
Welche Führungskonzepte und Führungsstile wollen wir verwirklichen?
o
Welche Wachstumsraten, bezogen auf Umsatz, Kapital, Gewinn, Mitarbeiter, wollen wir erzielen?
2.
Damit Teilziele und Gesamtziele ergebnisorientiert zusammenpassen können, sind die gewährten Freiräume in der Zielerreichung organisatorisch zuverlässig abgesichert und aufeinander abgestimmt. Falls das Ganze nur zu einem Als-ob-Spiel gerät, können bewährte bürokratische Strukturen das auffangen.
3.
Die Zielsetzung erfolgt in weitestgehender Selbstgestaltung innerhalb der vereinbarten Freiräume. Auch betriebswirtschaftliche Teilsouveränität, wie selbständige Budgetierung, können dabei gegeben sein.
Unternehmenslegitimation und identifikatorischer Prozeß 4.
Die Unterscheidung in Unternehmensidentität und Mitarbeiteridentität wird nicht thematisiert. Identifikationschancen sind aber nicht ausgeschlossen, vor allem im Team. Doch wird Selbstverwirklichung nur als behavioristischer Hebel zur Freisetzung personaler Willensreserven, mit dem Ziel der Ergebnissteigerung angestrebt.
Brightford (1974: 159).
138
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
5.
Die Legitimationsfrage stellt sich nur innerbetrieblich, d.h. leistungsorientiert gesehen an traditionellen Unternehmensoberzielen.
6.
Die eigentlich ausführende Basis bleibt ausgeklammert. MBO orientiert sich nur an Führungskräften, hier allerdings bis zu den unteren Führungsebenen hin. Der Zielfindungsprozeß erfolgt zwar kooperativ, aber mit deutlich hierarchischem Übergewicht und hierarchischer Letztbestimmung. Der Transfer nach "unten" ist nach dem Schema der linkingpins von Likert angedacht.7
7.
Aus der Zielvereinbarung ergeben sich selbstverantwortliche Freiräume. Weil die Ziele aber parzelliert sind und grundsätzlich legitimatorische Fragen sich ohnehin nicht stellen, bleibt eine Mitgestaltung der Unternehmensidentität ausgeschlossen.
Integrationsprinzipien 8.
In der Blütezeit von MBO (etwa 1955 - 1975) sind System- und "Unternehmenskulturen" als Integrationsfaktoren noch weitgehend unentdeckt. Trotz der Gestaltungschancen der Führungsmitglieder, zu der damaligen Zeit ein beachtlicher Fortschritt, gibt die Unternehmensleitung gerade ihren Führungskräften strikt integrative Identifikationsmatrizen vor und fördert deren Internalisierung.
9.
Da allein das Leistungsergebnis zählt, läßt sich bestenfalls von einer Zweckkooperation sprechen. Dabei können allerdings Ergebnisse zustande kommen, die für eine Sinngemeinschaft widersinnig wären. Odiorne's 27 Items zu "What makes the best kinds of goals?" machen recht anschaulich, wie Ziele als Ego-Trip (Items 5, 8, 20) mißbraucht werden können, indem sie des Budgetstatus, der Machtausübung oder positiven Beurteilung willen angestrebt werden. 8 Neben der Parzellierung der Ziele stellt sich MBO mit der angestrebten Quantifizierung sehr häufig die Quantifizierungsfalle. Oft führt beispielsweise eine Zielvereinbarung, jedes Jahr 10 % Material einzusparen, sich selbst ad absurdum, weil damit eine Produktverschlechterung vorprogrammiert ist. Außerdem geraten
7 8
Brightford (1974: 166); Humble (172: 6 f.). Odiorne, G. S., MBO II: A System of Managerial Leadership for the 80s, Belmont, Cal. 1979: 109 ff.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
139
Außendienstmitarbeiter leicht in Versuchung, Aufträge für das Unternehmen hereinzuholen, die zwar geeignet sind, den Umsatz und damit die eigene Provision zu erhöhen, aber keineswegs immer gewinnbringend sein müssen oder dauerhafte Kundenbeziehungen schaffen. Entgegen Humble teile ich Levinson's Kritik, der MBO-Prozeß versetze den Manager in die gleiche Lage wie der Psychologe die Ratte in seinem Laborlabyrinth: 9 "Management by Objectives unterscheidet sich von diesem Verfahren nur insofern, als es dem einzelnen gestattet, sein "Ziel" aus einer begrenzten Anzahl von Möglichkeiten selbst auszuwählen. Hat er das einmal getan, geht der Management by Objectives-Prozeß davon aus, daß er a) hart arbeiten wird, um es zu erreichen, b) auf Grund seines Engagements innerlich dazu angetrieben wird und c) sich seiner Organisation gegenüber hierfür verantwortlich fühlt." 10. Krüger kritisiert an den "Management by"-Konzepten, daß sie anders als neuere Ansätze nur die Managementfunktion Lenkung aufweisen, also Gestaltung und Entwicklung nicht berücksichtigen. Man könnte auch sagen, daß MBO keinerlei identifikatorische Vision enthält.10 Man wird aber mit der Kritik im Sinne von Levinson's Rattenvergleich noch tiefer gehen müssen. Wer lenkt denn bei MBO letztendlich? Nur eng behavioristisch gedacht - und so denkt MBO - läßt sich sagen, daß der Einzelne, via Interaktion und Motivation, immerhin "ergebnisorientiert" und damit im Interesse der Unternehmung an seiner Integration in die Unternehmung mitwirkt.
Ergebnis Sinnfindung und Identifikation sind für Nichtführungskräfte überhaupt nicht thematisiert. Für Führungskräfte sind rein behavioristische Ansätze hierzu erkennbar. Die Zielfrage als Legitimationsfrage stellt Humble (1973: 4 f.). Krüger, W.: Management-by-Konzepte, in: Corsten, H., Reiß, M. (Hrsg.), Handbuch der Unternehmungsführung, Konzepte - Instrumente - Schnittstellen, Wiesbaden 1995: 173 - 186.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
140
sich nicht. Für MBO ist die Unternehmung, so wie sie ist, zumal mit MBO als humaner Errungenschaft, im Selbstverständnis völlig in Ordnung.
5.2.2
St. Galler
Systemdenken
Charakteristik MBO setzt mit der Zielfrage an einem identifikatorisch signifikanten Hebel an, nutzt diesen Hebel allerdings nur für behavioristischen Funktionalismus. Mit Hans Ulrich beginnt 1968 der entscheidende Durchbruch, Unternehmensfunktionalität systemisch, und zwar gleichsetzend mit dem Anspruch von Ganzheitlichkeit, zu betrachten. Inspiriert durch die allgemeine Systemtheorie (Bertalanffy, Beer) setzt Ulrich die Unternehmung als offenes, produktives, soziales System als Erkenntnisobjekt.11 o
Offenheit sichert die Berücksichtigung des herausfordernden Umfeldes.
o
"Produktiv" steht für die technischen und ökonomischen, "sozial" für die humanen Belange und Eigengesetzlichkeiten.12
o
Es herrscht Interdependenz zwischen den Systemelementen. Der Wirkungszusammenhang ist final in Analogie zu organischen Prozessen als Selbstregulation angedacht.
Diese Kriterien lassen es uns als aussichtsreich erscheinen, Ulrichs Systemansatz und die darauf sich gründende St. Galler Schule auf identifikatorische Gehalte zu überprüfen. Erst recht gilt das für die Unterscheidung von drei Erfassungsebenen für die systemische Perspektive:
Ulrich, H.: Die Unternehmung als produktives soziales System, Grundlagen der allgemeinen Unternehmungslehre, Bern 1968. Beim Zitieren verwende ich die 2. überarbeitete Aufl., 1970. Siehe hierzu auch Lievegoed, B.C.J.: Organisationen im Wandel, Die praktische Führung sozialer Systeme in der Zukunft, Bern 1974; vor allem 21 - 3 0 .
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
141
Abb. 10
Systemische Perspektiven nach Hans Ulrich
Quelle: Ulrich, H.: Management, Bern 1984: 353.
Ulrich unterscheidet die materielle Ebene, die funktionale Ebene und die Sinnebene. Er weist der Sinnebene die integrativ weitreichendste Bedeutung zu. 13 "Auf der Sinn-Ebene ist die Frage nach den Zielen und Zwecken von Unternehmung und Mitarbeitern gestellt. Das Wissen dieser Ebene erlaubt die Beantwortung der Frage: Welchen Sinn hat es? Die Unternehmung erscheint hier als ein Teil der menschlichen Kultur, eingebunden in ein Netz von Werten. Die Managementaufgabe erscheint als wertorientiertes Denken und Handeln, als Sinnvermittlung." Als Teil der menschlichen Kultur ist die Unternehmung für Ulrich explizit ein "humanes System", und Sinn entfaltet sich nicht einfach Ulrich, H.: Management, Herausgegeben von Th. Dyllick und G.J.B. Probst, Bern 1984: 14.
142
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
systematisch, sondern ergibt sich aus seinem ebenfalls expliziten Apriori der "Freiheit des Handelns ":14 "Aber Unternehmungen sind keine Naturgegebenheiten, sondern von Menschen für menschliche Zwecke geschaffene Institutionen. Sie sind ja gerade dazu da, um Dinge zu schaffen, die von Natur aus für Menschen nicht verfügbar sind. Und das heißt, daß es darum geht, Zwecke und Ziele zu setzen, zwischen verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen, etwas zu wollen und etwas anderes nicht zu wollen. Erst auf dieser dritten Ebene entsteht Sinn, erhält ein Geschehen Bedeutung, indem wir den Phänomenen Werte zuordnen, sie auszeichnen als "gut" oder "schlecht". Es ist unmöglich, nur auf Grund von "facts", von objektiven Tatsachen entscheiden zu wollen; notwendig ist immer ein Sollen oder ein Wollen, ein Kriterium, das den Sinn und die Bedeutung des Problems fixiert."15 Man möchte vermuten, nach derartiger Grundlegung erfolge bei H. Ulrich der Ausbau zu einem Managementkonzept, bei dem die Sinnfrage im Mittelpunkt stände. Doch findet ein solcher Ausbau nicht statt. Die Gefahr des Abgleitens in mechanistisches Systemdenken sieht Ulrich dadurch vermieden, "daß einerseits der Charakter der Unternehmung als soziales System und der Führungsvorgänge als zwischenmenschliche Interaktionen herausgearbeitet wird, andererseits die grundlegende "Philosophie" des Systemdenkens erfaßt und in schöpferischer Weise auf Unternehmungen angewendet wird."16 Die "Philosophie" entbirgt indessen nur: sogenanntes ganzheitliches Denken in offenen Systemen analytisches Denken und synthetisches Denken dynamisches Denken in kreisförmigen Prozessen Denken in Strukturen und informations verarbeitenden Prozessen interdisziplinäres Denken
14 15 16
Ulrich (1984: 352). Ulrich (1984: 354). Ulrich (1984: 60).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
143
Für unsere sinngeleitete Perspektive bleibt besonders kritisch anzumerken: 1. W o ist die übergeordnete Sinndimension geblieben? "Ganzheitlichkeit" ist so formal gefaßt, daß sie sich in der Tat auch sinnorientiert interpretieren ließe. Es weist allerdings eher darauf hin, daß hier eine explizit betriebswirtschaftliche Perspektivenausweitung analog der viel konkreter gefaßten Kontingenztheorie von Lawrence/Lorsch gemeint sein dürfte. Es geht Ulrich darum, die Komplexität in ihrem situativen Wandel in das betriebswirtschaftliche Denken einzubinden, ein wichtiger Schritt nach vorn, mit Ganzheitlichkeit aber wohl zu anspruchsvoll bezeichnet. 2. Den Kern des Denkens in kreisförmigen Prozessen macht modal, trotz der finalen Leitidee "Selbstregulation", die Kybernetik aus, auch wenn man sie bei Ulrich, folgerichtig gemäß der Prämisse "Freiheit des Handelns", immer wieder durchlöchert findet, so beispielsweise in den von ihm musterhaft formulierten Managementaufgaben Gestalten, Lenken, Entwickeln.17 3. "Interdisziplinäres Denken" ereignet sich durchaus in zu seiner Zeit bahnbrechenden Aus- und Einblicken über den betriebswirtschaftlichen Tellerrand und ein dementsprechendes Sich-Öffhen für den interdiziplinären Dialog. Praxeologisch wird die Betriebswirtschaftslehre, sich mit amerikanischen und englischen Managementtheorien mischend, zwar außerordentlich angereichert, aber es gelingt keine interdiziplinär konsistente Metatheorie, wie sie allein schon vom strikten Einhalten und Vertiefen der dreidimensionalen Systemperspektivität möglich wäre. So läßt sich beispielsweise von der Begründung der Unternehmung als soziales System über H. Ulrich, anders als etwa über Kirsch, kein interdiziplinärer Systemdiskurs führen. Dazu würde kein Weg an systemrelevanten Fragestellungen, wie sie, und zwar unvereinbar, Parsons, Habermas und Luhmann aufwerfen, vorbeiführen. 1 8
Siehe hierzu die Formulierung bei Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt a. M. 1991: 35. Siehe vor allem Kirsch, W. : Kommunikatives Handeln, Autopoiese, Rationalität, Sondierungen zu einer evolutionären Führungslehre, München 1992.
144
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
Auch das "Denken in informationsverarbeitenden Prozessen" genügt nicht der interdisziplinären Proklamation. Ulrichs Ausführungen zur Unternehmung als Kommunikationssystem enthalten nur fragmentarische Stichworte einer kommunikativen Propädeutik. 19 "Sozial" wird häufig mit "human", häufig mit "Gesellschaft" gleichgesetzt oder mit bloßer Eingliederung von "Problemkreisen wie Gestaltung eines guten Betriebsklimas, Menschenführung Weiterbildung von Führungskräften usw. in die Betriebswirtschaftslehre." 20 Ebenso bleibt das Denken in informationsverarbeitenden Prozessen quod libet interpretierbar: 21 "durch die Unterscheidung einer "kommunikativen Dimension wird die Unternehmung als informationsverarbeitendes System dargestellt und die Betriebswirtschaftslehre für die Aufnahme von Erkenntnissen und Methoden der modernen Datenverarbeitung geöffnet." Das derart in einen gemeinsamen Topf Gerührte könnte ein Gericht ergeben, wenn unter "informationsverarbeitend", quasi tautologisch, eh schon ingenieurwissenschaftlich verstandene Informationstheorie gemeint wäre. Die interaktiven Prozesse, welche in einem sozialen System zu Sinn hinführen und damit auch der EDV den ihr gemäßen, wichtigen, aber rein instrumentalen Platz zuweisen, wären jedoch mit "informationsverarbeitend" zu formal etikettiert. 22 Ulrich und Probst legen 1988 in ihrer "Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln", die grundlegende "Philosophie" modifizierend, sieben "Bausteine" eines ganzheitlichen Denkens vor: 23
19 20 21 22
23
Ulrich (1970: 257-268,162 ff.). Ulrich (1984: 26). Ulrich (1984: 26). Auch Schwaningers Polbildung bei Typisierung von Informationssystemen: "Maschine" - "Gehirn" verfehlt die genuin humane Dimension des Interaktiven. Schwaninger, M.: Managementsysteme, Frankfurt a. M. 1994: 114 ff. Ulrich, H., Probst, G. J. B.: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln. Ein Brevier für Führungskräfte, Bern 1988. Vergleiche hierzu G. J. B. Probst: Regeln des systemischen Denkens, in: Probst, G. J. B., Siegwart, H.: Integriertes Management, Bausteine des systemorientierten Managements. Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Ulrich, Bern 1985: 181 -204.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
-
145
das Ganze und die Teile Vernetztheit das System und seine Umwelt Komplexität Ordnung Lenkung Entwicklung
Ein Aufgreifen oder gar Vertiefen der einst postulierten Integrationsaufgabe von Sinn, Funktionalität und materialen Parametern ist nicht erkennbar, vielmehr statt dessen eine abstrakt deduktive Fortentwicklung zu verstärkt instrumentaler, primär kybernetischer Nützlichkeit. 24 Das scheint mit am deutlichsten daraus hervorzugehen, wie die Autoren den für sinnvolles Handeln in ökonomischen Institutionen maßgeblichen Baustein Ordnung interpretieren. Die Quasi-Gesetzmäßigkeit, daß soziale Komplexität von sich aus auf Ordnung hin tendiert, 5 wird zwar aufgegriffen, aber zu oberflächlich erörtert, um für menschliche soziale Institutionen Schlußfolgerungen zu ziehen: 26 "Wir nehmen Ordnung im sozialen System wahr, weil Regeln das Verhalten der Menschen auf besondere Art bestimmen." Ordnung reduziert sich für Ulrich/Probst auf Ordnungsmuster, zu stellen sie zutreffend fest: 27
und hier-
"Ordnungsmuster -
koordinieren und fuhren zu einem kohärenten Ganzen bestimmen zulässige Spielräume und Handlungsfelder erlauben eine Orientierung, ein Sich-Zurechtfmden ermöglichen "Mustervorhersagen".
Wir erfahren, daß Ordnungen regelhaft auch die "Vorgesetzten" binden, daß aber zugleich (ausschließlich) sie es sind, die gestaltend und lenkend auf die Ordnung Einfluß nehmen und sie "unter Kontrolle halten". Das "unter Kontrolle halten" ist die Funktion, die dabei der "symbo24 25 26 27
Siehe hierzu Kritik von Woll, H.: Menschenbilder in der Ökonomie, München 1994: 173 - 184. In der Ökonomie sind hierzu die Beiträge F. A. von Hayeks und der Chaosforschung grundlegend. Ulrich/Probst (1988: 70). Ulrich/Probst (1988: 76).
146
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
lischen oder geistig-sinnhaften Ebene" zugedacht wird, die bezeichnenderweise nicht an erster, sondern an zweiter Stelle angesprochen wird. Auf andere Weise als es bei dem "frühen" Ulrich (1968) denkbar wäre, taucht im Zusammenhang, daß es beim Zusammenspiel von Instrumenten, Zielen, "Geschehen", Maßnahmen, Einstellungen, auf "optimale Wirkung" ankomme, schließlich das Prädikat "sinnvoll" auf. 28 1968 lautet Sinn für Ulrich noch anders: 29 "Der Mensch trägt als Lebewesen einen Sinn in sich selbst..." Ordnung in einer Institution, in der sich auch für den Einzelnen identifikatorisch bindend Sinn finden läßt, bedarf der Freiheit aller Mitglieder, an der institutionalen Ordnung gestaltend mitzuwirken. Die Ordnung einer Unternehmung, die sich mit dieser Ordnung in der Gesellschaft legitimieren soll und so zu ihrer identifikatorischen Daseinsberechtigung primär nach außen, mit Folgewirkung aber auch intern, gelangt, bedarf beständiger Orientierung an den Strömungen der Gesellschaftsordnung und ihren Teilordnungen, wie der Sozial-, Rechts- und Wirtschaftsordnung. Ein Systemkonzept, das beansprucht, ganzheitlich und offen zu sein, bleibt unterdeterminiert, wenn es sich diesem "Input" nicht stellt. 30 Während in der Zusammenarbeit mit Probst das Ulrichsche Grundmuster sich eindeutig als kybernetisches Muster preisgibt, bekennt Malik, daß er H. Ulrich "fast alles", was er von Management zu verstehen glaube, verdanke. 31 Dementsprechend wird eine Doppeldeutbarkeit "einerseits - andererseits" durchgehalten. Einerseits verengt sich seine Perspektive aufs Systemische. "Eine kopernikanische Wende - vielleicht?" So steht für ihn fest, daß Ulrich ein ganzheitliches Konzept gelungen sei, daß Komplexitätsbewältigung die entscheidende Herausforderung der Institution Unternehmung darstelle und Evolution via systemische Selbstregulation das Lösungs-
28 29 30 31
Ulrich/Probst (1988: 76). Ulrich (1970: 246). Siehe hierzu Abschnitt 4.2. Malik, F.: Gestalten und Lenken von sozialen Systemen, in: Probst/ Siegwart (1985: 205 - 216).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
147
patent sei. Das Bemerkenswerte an Maliks Ganzheitlichkeitsverständnis ist zunächst, daß es Ganzheitlichkeit ausschließt: 32 "Einer vernünftigen Spezialisierung auf die Ganzheit wird man wenig entgegenhalten können. Dies ist kein Widerspruch in sich selbst, wie man vielleicht auf den ersten Blick meinen könnte. Natürlich ist klar und steht außer Diskussion, daß "Ganzheit" nicht wirklich heißen kann, alles und jedes; vielmehr ist auch hier nur selektives Wissen möglich, aber es wird nach anderen Gesichtspunkten ausgewählt. Diese Auswahl erfolgt in der Weise, daß die systemische Kohärenz nicht gestört wird (hervorgehoben von M.-F.), daß all das, was an einem System für dessen Einheit und Integration wichtig ist, Gegenstand der Betrachtung wird. "Ganzheitlich" so interpretiert erwächst also aus dem Selektionsbedarf des Systems Unternehmung, wobei außerdem in typisch betriebswirtschaftlicher Verengung System und Institution als Synonyme gelten. Bemerkenswert dabei ist ferner das zugrunde gelegte Vernunftprinzip. Jede Unternehmung, aber auch jede mikroökonomische Theorie, gleichgültig ob etwa Rieger, Gutenberg oder Bleicher, kann es für sich in Anspruch nehmen. 33 Zum Stellenwert von Komplexität ist festzuhalten, zweifellos ist exponential gestiegene Komplexität eine der zentralen Herausforderungen der modernen Unternehmung, aber eben nur eine, und außerdem ist die ökonomische Realität keineswegs immer so komplex, wie die Betriebswirtschaftslehre und die Managementtheorie es gerne haben möchten. Wie Woll zutreffend feststellt, gibt es nur eine Komplexität, wo es auch eine Trivialität gibt. 34 Viele ökonomischen Probleme stellen sich ferner phänomenologisch komplex dar, doch die spezifische Managementkompetenz besteht darin, ihre fundamentalen Essentials zu
32 33
34
Malik, in: Probst/Siegwart (1985: 205 f.). So wäre demnach Riegers berühmte Kritik des kategorischen Vorrangs der Wirtschaftlichkeit (vor Rentabilität) am Beispiel "Pralinen" bereits eine ganzheitliche Betrachtungsweise. - Rieger, W.: Einführung in die Privatwirtschaftslehre, 3. Aufl., Erlangen 1964: 62. Woll (1994: 178) stellt seine Kritik an "Komplexität" auf die Ausführungen von Ulrich/Probst (1988: 57 - 66) ab. - Es darf aber als ein verbreiteter Trend gelten, daß ökonomische Wissenschaftshuberei Triviales in "Kompliziertes" umformuliert.
148
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
erkennen. "Keep things simple" lautet einer der "key issues" bei Hewlett Packard. 35 Das Gesamtbündel der Herausforderungen, das wir weiter oben dargestellt haben, kann schließlich nur teilweise als systemische Aufgabe, sondern muß überwiegend, vorgelagert, als institutionale Sinn suchende und kontinuierlich neu zu setzende Aufgabe angegangen werden. Andererseits behält Malik die füir Ulrich typische Widersprüchlichkeit, hier systemische Eigengesetzlichkeit, dort Gestaltungschancen und Sinnbedürftigkeit konkreter Menschen, unaufgelöst bei. Liest man "Systemisches, Management, Evolution, Selbstorganisation", so wird man überwiegend die systemische Perspektive, liest man "Managementsperspektiven", so wird man überwiegend differenzierte Stellungnahmen zu aktuellen Managementfragen finden, die aus dem systemischen Käfig ausbrechen möchten.36 Dem systemisch-evolutionären "Einerseits" legt Malik sieben dominierende Denkmuster zugrunde:37 Management... ... ... ... ... ... ... ...
ist Gestaltung und Lenkung ganzer Institutionen in ihrer Umwelt ist Führung Vieler ist Aufgabe Vieler ist indirektes Einwirken ist auf Steuerbarkeit ausgerichtet hat nie ausreichende Information hat das Ziel der Maximierung der Lebensfähigkeit
Wir werden bei Anwendung unseres Analyseschemas darauf zurückkommen, wie sich in einigen dieser Denkmuster Maliks ein systemisches Gefangenendilemma widerspiegelt.
36
37
Riekhof, H.-Ch. (Hrsg.): Strategien der Personalentwicklung, 3. erw. Aufl., Wiesbaden 1992: 208. Malik, F.: Systemisches Management, Evolution, Selbstorganisation. Grundprobleme, Funktionsmechanismen und Lösungsansätze für komplexe Systeme, Bern 1993. Malik, F., Managementperspektiven. Wirtschaft und Gesellschaft, Strategie, Management und Ausbildung, Bern 1994. Malik (1993: 71).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
149
Die von H. Ulrich, Malik und Krieg ausgebaute Hauptrichtung des St. Galler Systemdenkens hat seit Ende der achtziger Jahre als "Das Konzept Integriertes Management" dank entscheidender Impulsgebung und Gestaltung durch Bleicher weithin Verbreitung gefunden, sich aber zugleich am weitesten von Ulrichs Erstansatz entfernt. Während es sich bei Ulrichs Zusammenschau, auch wenn nicht eingelöst, um die Integration von materialer, funktionaler und sinnhafter Ebene handelt, geht es bei Bleicher um die Integration von normativem, strategischem und operativem Management 38 sowie um Systematisierungsschemata, um die Vielzahl der in den letzten Jahrzehnten kreierten Managementtheorien überschaubar zu machen und zugleich die Managementlehre vor postmoderner Beliebigkeit - "anything goes" - zu schützen. Er bedient sich dabei zweier Kunstgriffe, der Formierung von Herausforderungspolaritäten sowie der quadrantischen Konfiguration. Beispiele für die Polaritätenbildung
bei Bleicher:39
o
stabile Umwelt
-
dynamische Umwelt
o
aufgabengebundene Technostruktur
-
personengebundene Soziostruktur
o
logistische Information
-
Dialoginformation
o
Aktivitätspolitik des internen Synergiepotentials
-
Aktivitätspolitik des externen Synergiepotentials
Das Konzept Integriertes Management 40 kommt zweifellos einem Systematisierungsnotstand entgegen und erweist sich unter diesem Aspekt wissenschaftlich wie praxisnah gleichermaßen als hilfreich. Das Konzept subsumiert aber, indem es H. Ulrichs Vorstellung von Managementwissenschaft als "Leerstellengerüst für Sinnvolles und Ganzheitliches" aufgreift, darunter indessen nur für die Unternehmung praxeologisch Zweckmäßiges versteht und recht umfassend ausbaut, H. Ulrichs
Auch hier handelt es sich um eine originäre Idee Ulrichs. Siehe Ulrich, H.: Die Bedeutung der Managementphilosophie fiir die Unternehmensführung, in: Ulrich, H. (Hrsg.), Management-Philosophie für die Zukunft, Bern 1981: 11 - 23. Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt a. M. 1991. Siehe neben Bleicher (1991) vor allem auch Schwaninger (1989) und Gómez, P., Zimmermann, T.: Unternehmensorganisation. Profile, Dynamik, Methode, Frankfurt a. M. 1992.
150
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
Abb. 11
Beispiel für die St. Galler Quadrantierung
"Avantgardistische Untemehmejispolitik
III 'Shareholder'1
"Gesellschaftliche Venneidungspolitik"
"Untemehmungspolitik hoher gesellschaftlicher Verantwortung"
wmmmmm
"Konventionelle Untemehmungspolitik'
"Muddling through"
OPPORTUNISTISCHE UNTERNEHMENSPOLITIK
ilii "Ökonomische Verpflichtungspolitik'
VERPFLICHTETE UNTERNEHMENSPOLITIK
lligg! : iii-isiii
Quelle: Bleicher, K: Kodifizierung und Kommunikation unternehmenspolitischer Konzepte in Leitbildern, in: Die Unternehmung (2) 1992: 69. Initialansatz letztlich unter: ferner liefen. 41 Wer sich auf Bleicher einläßt, verliert sich bestimmt nicht mehr zu Gutenberg und Nachfolgern zurück. Auch erhält die Kybernetik, anders als Probst und Ulrich, nur den ihr gebührenden Stellenwert. Aber selbst die formal sehr nützlichen 41
Bleicher (1991: 51).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
151
Überlegungen zum normativen Management ermöglichen es nicht, Ansatzpunkte für ein identitätsorientiertes Management, bei dem Selbstidentifikation der entscheidende Gestaltungsparameter wäre, zu entwickeln.
"Sinnspuren " im ganzheitlichen Legitimatorische 1.
Systemdenken
Orientierung
In der Pionierphase finden sich bei Ulrich durchaus Ansatzpunkte für einen legitimatorischen Bezug. In den Kategorien "Ganzheitlichkeit, System, Offenheit, sozial" kommt zum Ausdruck, daß es entscheidend für die Institution Unternehmung ist, daß sie gesellschaftlichen Zwecken zu dienen hat: 42 "Soziale Systeme sind ... aus den Bedürfhissen und Anliegen der Gesellschaft abzuleiten." Offenheit des Systems sichert das Sich-Einstellen des Systemischen auf den äußerst komplexen Input des gesellschaftlichen Umfeldes. Nähere Zielfolgerungen werden daraus aber nicht gezogen. Ulrich unterscheidet lediglich zwischen "Zwecken", in denen die Umfeldbezogenheit zum Ausdruck kommt und einer "Mehrzahl von Zielen", die in der Praxis vorkommen können, und zwar unabhängig von Zwecksetzungen bzw. diese konterkarierend, so daß leicht Zweck-Zielkonflikte entstehen. 43 Der einzige legitimatorische Zwang, den Ulrich daraus ableitet, besteht mit Bezug auf Simon in der Verabschiedung des Gewinnmaximierens als ausschlaggebender betriebswirtschaftlicher Zielsetzung. Um Zielantinomien zu vermeiden, gebührt Satisfizieren der Vorrang gegenüber Maximie-
2.
Eine Institutionalisierung der Zielbestimmung ist nicht erkennbar.
3.
Bereits Ulrich trennt die Festlegung der Managementphilosophie auf der normativen Ebene von der Zielbestimmung auf der strate-
42
Ulrich (1970: 162 f.). Ulrich (1970: 114 ff, 161 f.). Ulrich (1970: 186 ff.).
43 44
152
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
gischen Ebene. 45 Ähnlich unterscheidet Bleicher zwischen der "Herausdifferenzierung eines spezifischen Wertesystems aus dem Wertegefüge der Umwelt zu einer spezifisch sozio-kulturellen Identitätsprägung im Innern der Unternehmung" als besonderes Anliegen der Unternehmenspolitik auf der normativen Ebene und die Entwicklung von Programmen auf der strategischen Ebene. 46 Unternehmenslegitimation
4.
als selbstidentifikatorischer
Prozeß
Vereinsamt harrt der Merkposten bei Ulrich, daß der Mensch einen Sinn in sich selbst habe (siehe Fußnote 29) auf seine Umsetzung. Durchgängig schimmert zwar bei den St. Gallern wiederholt eine Einsicht durch, die sich auf die Formulierung Böckmanns, wer Leistung fordere, müsse Sinn bieten, bringen ließe. Doch ordnet sich Sinn bei Malik völlig dem systemisch Möglichen unter, und bei Bleicher bezieht sich die soeben erwähnte "Herausdifferenzierung eines spezifischen Wertesystems" auf die Gewährleistung von Unternehmensidentität als Sinnautonomie. Die formale Großflächigkeit Bleichers ließe es zwar zu, hier eine "Leerstelle" hineinzuinterpretieren, in die sich unser von der Einzelperson ausgehendes Sinnverständnis, das wir auf das selbst-identifikatorische Bewirken von Unternehmensidentität weiterdenken, einbringen ließe, doch ist das Gesamtkonzept Integriertes Management darauf hin nicht angelegt. Bei H. Ulrich müssen wir offen lassen, ob die Sinnebene die ihr von ihm zugedachte Integrationsfunktion in praxi überhaupt leisten könnte, denn er läßt ungeprüft, inwieweit die funktionale und die Sinnebene kompatibel sind. Er selber scheint die funktionale Ebene zu favorisieren und hat sich hierzu bis zu Feinwirkungen hin geäußert. Hier übersetzt er vor allem prozessuale Effizienz in biologistische Analogien. 47 "Als brauchbare Analogien erweisen sich Modelle von Lebewesen oder, vermutlich besser, von Ökosystemen. Zahlreiche neuere Erkenntnisse der sogenannten "Kybernetik 2. Ordnung"
45 46
47
Ulrich (1981: 12). Bleicher (1991: 9 1 , 2 0 1 ff.).
Ulrich, H.: Von der Betriebswirtschaftslehre zur systemorientierten Managementlehre, in: Wunderer, R. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre als Management- und Führungslehre, Stuttgart 1985: 24.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
153
oder der Biokybernetik über Phänomene in komplexen lebensfähigen Systemen wie Umkipp-Effekte, irreversible Prozesse, Selbstorganisation, Selbstlenkung, Entropie usw. können hier sinngemäß verwendet werden." "Sinngemäß" steht unmißverständlich für einen analogen Transfer, bei dem das Biologistische nicht verloren geht. Dementsprechend biologistisch stimmig gerät die systemische Übertragung des Funktionalen ins Personale bei Bleicher als Rekursion, funktionale Autonomie und Lebensfähigkeit,48 Von hierher den Brückenschlag zu dem Merkposten, daß jeder Mensch einen Sinn in sich selbst trage, zu wagen, wäre das Unterfangen eines Brückenschlags zu einem anderen Stern. 5.
49
Auch wenn sich Identität in der Unternehmung nur als Unternehmensidentität versteht, bleibt die Chance, Unternehmensidentität legitimatorisch zu konstituieren. Gerade systemische Offenheit wäre eine Option, daß die Unternehmung nicht den Anschluß an den Wandel realer Zwecke verlöre. Dieser kinetische Prozeß hat sich aus St. Galler Sicht so gut wie ausschließlich in der Komplexitätsbewältigung zu bewähren. Bleicher reichert diese Sichtweise um den sehr wichtigen Aspekt an, daß die Prozesse der Herausforderung sich beschleunigen, gleichzeitig aber mit wachsender Komplexität die benötigte Reaktionszeit einerseits zunimmt, die verfügbare Reaktionszeit anderseits abnimmt. 49 Sich diesem Phänomen zu stellen, führt bei Bleicher zwar zur Erkenntnis, wie bedeutsam die normative Dimension der Unternehmung ist, schreitet aber nicht fort zu dem fundamentaleren Anliegen, zu hinterfiragen, was Unternehmungen wohl laufend falsch machen, daß sich die Gesetzmäßigkeit der "Zeitschere" entwickeln kann. Man bräuchte die formale Ebene, auf der sich die St. Galler Richtung bewegt, nicht zu verlassen, um das etablierte normative Szenario der Unternehmung kritisch daraufhin zu überprüfen, ob es geeignet ist, den kontinuierlichen Wandel gesellschaftlicher Zwecke überhaupt zu erfassen oder kurzschlüssig nur ökonomische Übersetzungen wahrzunehmen. Letzteres würde bedeuten und bezeichnet wohl die Realität, daß die Unternehmung von einer pragmatischen Anpas-
Bleicher (1991: 32). Siehe auch Gomez, P.: Modelle und Methoden des systemorientierten Management, Bern 1981. Bleicher (1991: 26).
154
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
sung hektisch zur nächsten gejagt wird, und dieses zudem mit Legitimation verwechselt. 6.
Konsistent dazu, daß personale Selbstidentifikation als ein SichHineinfinden in vorgegebene Unternehmensidentität gesehen wird, verläuft auch der Prozeß der Zielfindung über die Köpfe der Mehrheit der Mitglieder der Unternehmung hinweg. Malik demonstriert mit seinen sieben "Denkmustern des systemisch-evolutionären Managements", wie im Systemkontext die Freiheitsgrade der Members top-down abnehmen. Wir erinnern uns, die ersten vier der sieben Denkmuster lauten: Management ist (1) das Gestalten und Lenken ganzer Institutionen in ihrer Umwelt, (2) Führung Vieler. (3) Aufgabe Vieler, (4) indirektes Einwirken. Muster 1 und 2 sind von Malik derart beschrieben, daß nur das Top-Management damit gemeint sein kann. Hier walten die Spezialisten für Ganzheit und haben "jede Dimension" unter "Kontrolle". Malik widerspricht der bewährten Lehre von der Führungsspanne, also einer kritischen Gruppengröße. Durch die Dimensionierung des Führungseinflusses auf das große Ganze entzieht sich Führung laut Malik schnell der sinnlichen Erfaßbarkeit und stößt auf "Komplexitätsbarrieren". Der Manager hat deshalb auch die Kontrollmöglichkeit nicht mehr völlig im Griff. Hier wird wohl eine Argumentation aufgebaut, von der aus später evolutionäre Selbstregulation schlüssig sein könnte.50 Auf der Metaebene spricht Malik aber sehr wohl dem Management eine Fernwirkung zu, die auch sinnlich bei den Adresssaten ankommt, und zwar als Leitbild und Integrationsfigur. Soweit bleibt Malik stimmig. Doch formuliert er zu Muster 4:5 "Jeder, der für die Leistungen anderer Verantwortung zu tragen hat, der die Leistungserbringung anderer beeinflussen kann, ist in diesem Sinne ein Manager." Nimmt man hinzu, daß nach Muster 1 auch Sachverantwortung als Managementleistung zu verstehen ist und geht man systemisch von weitgehend organisierter Selbstregulation aus, so ist jedes Mitglied der Unternehmung, an welcher Stelle und in welchem Umfang
50 51
Malik (1993: 77). Malik (1993: 76).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
155
auch immer, als Manager oder zumindest als Co-Manager zu betrachten. Die Gestaltung gemäß Muster 1, die auch die Zielgestaltung einschließt, müßte also folgerichtig "Mitgestaltung" durch alle Beteiligten, die die Leistungserbringung beeinflussen, heißen. Daß dergleichen bei Malik nicht angedacht ist, bedeutet einen grundlegenden Widerspruch, der mir für alle St. Galler Systemeinrichtungen typisch erscheint. Durch Vernetzung, Selbstregulation, Rekursion usw. transzendiert, wohl schwach, aber unverkennbar ein hierarchisches Apriori. Es ist schwerlich auszumachen, ob solche latente Hierarchiefavorisierung einer bestimmten Führungsschicht, der ökonomisch relevanten Institution Unternehmung, die eine im traditionalen Sinn starke Spitze brauche oder dem Systemischen als solchem zugute kommen soll. Malik selbst macht es uns, was die Interpretation seiner Vorstellungen betrifft, immerhin einfach. "Manageability" läuft für ihn auf nichts anderes hinaus, als "die Anpassungsfähigkeit (zu) optimieren." 52 7.
Weil Malik praxisnäher artikuliert als beispielsweise Bleicher, kommt hier die Asymmetrie in der Zielbestimmung und das Fazit "Anpassung" besonders deutlich zum Ausdruck. Man kann natürlich anstatt von "Anpassung" auch von "Integration" sprechen. Sieht man vom Parameter Ziel ab, so setzt das St. Galler Denken durchweg oberflächlich auf eine weit differenziertere Integration, als sie Malik mit "Anpassung" auf den Punkt bringt. Wenn man aber etwa überprüft, inwieweit man in Bleichers Konzept Integriertes Management die von ihm erkannte Tendenz "von asymmetrischer Einflußgestaltung durch Führung zur asymmetrischen (lateralen) Kooperation" 53 eingelöst findet, so läßt sich feststellen: -
Hier werden Freiräume organisatorisch vorbedacht.
-
Hier wird geplant, wie man Selbstorganisation veranstaltet.
Die Freiräume sind wohl teils der Rücksichtnahme auf das gewandelte Wertbewußtsein der Menschen außerhalb der Unternehmung geschuldet, also eine Resultante des offenen Systemdenkens, teils dem Setzen auf teilkooperative Effizienz-Effekte hinsichtlich Kreativität, Flexibilität und Verantwortungsbereitschaft geschuldet. 52 53
Malik (1993: 82 f.). Bleicher (1993: 43).
156
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
Die Freiräume bleiben Spielräume. Stellte man in einer entscheidungskritischen Situation die Machtfrage, so war's nur ein schönes Spiel des Als Ob. In diese Art von "Selbstidentifikation" als "selfadaption soft" hinzuwachsen, ist eine viel subtilere Herausforderung an die Mitarbeiter und kann belastender sein als die Eindeutigkeit "mechanistischer" Managementvorgaben. Die offensichtlichen evolutionären Defizite sind hier nicht zu behandeln.
Integrationsprinzipien 8.
Als Integrationsparameter sind das System und die Unternehmensleitung als dessen Handhaber 54 klar als ausschlaggebend zu erkennen. Der Unternehmenskultur kommt insoweit eine mitwirkende Funktion zu, wie sie gewachsen und nicht von der Unternehmensleitung ebenfalls initiiert und kultiviert worden ist. Die Mitglieder leisten im Als-Ob-Spiel ihren Teilbeitrag zur Selbstintegration. Für das typische Als-Ob-Spiel kann als Exempel dienen, wie Kleiner in seiner St. Galler Dissertation einerseits den Menschen als den eigentlichen Träger der Unternehmung bezeichnet und andererseits der "Personalfunktion" die Aufgabe zuweist, "die von den Mitarbeitern getragenen Interaktionsstrukturen und -prozesse, das soziale System, so zu gestalten, zu lenken und zu entwickeln, daß die Unternehmung ihr dynamisches Gleichgewicht mit ihrer Umwelt aufrecht erhalten kann." 55 Abgesehen davon, daß es zutreffender wäre, mit Ulrich von einem technischen, ökonomischen und sozialen System zu sprechen, wird der vorgegebene Systemdeterminismus verniedlicht. In der Formulierung Bleichers bedeuten die Funktionen 56
55 56
Horst Sackstetter verdanke ich den Hinweis auf Braverman: "Das englische Verb to manage, vom lateinischen manus gleich Hand, bedeutet ursprünglich ein Pferd in allen Gangarten üben, es veranlassen, die Übungen der Reitbahn (manège) ausführen." Braverman, H.: Die Arbeit im modernen Produktionsprozeß, Frankfurt a. M. 1977: 61. Kleiner, J.-C., Aufbruch zu einem ganzheitlichen Personalwesen, St. Galler Diss., 1992: 61. Bleicher (1993: 31).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
157
Gestaltung Setzung "eines institutionellen Rahmens, der es ermöglicht, eine handlungsfähige Ganzheit über ihre Zweckerfüllung (hervorgehoben von M.-F.) Überlebens- und entwicklungsfähig zu erhalten. " Lenkung "Das Bestimmen von Zielen und das Festlegen, Auslösen und Kontrollieren von zielgerichteten Aktivitäten des Systems und seiner Elemente." (hervorgehoben von M.-F.) Auch der Entwicklung geräumt. Sie ist
wird nur eine partiale Eigenständigkeit ein-
"teils das Ergebnis von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen im Zeitablauf, teils erfolgt sie in sozialen Systemen eigenständig evolutonsch (sie! M.-F.) durch intergeneratives Erlernen von Wissen, Können und Einstellungen." Das Ausmaß der evolutionären Eigenständigkeit wird hinreichend entfaltet, bzw. in Bleichers polaren Systematisierungstableaus der utilitaristischen Beliebigkeit anheim gegeben. Doch bereits die Definitionen von Gestaltung und Lenkung weisen die Unternehmung eindeutig als Instrument in den Händen führender Macher einer abhängigen Gefolgschaft aus. Systemische Eigenständigkeit, die für die Macher des Systems nicht gilt, kann einer sozialwissenschaftlichen Systemlogik nicht standhalten. 9.
Während bei Ulrich 1968, 1984 und 1985 noch Bemühungen erkennbar sind, eine Synthese zwischen ethischen, kybernetischen und sozialen Perspektiven zu finden, legen Ulrich/Probst 1988 die Ausformulierung eines rein kybernetischen Konzepts vor. Bleicher übersetzt "vernetztes Denken" zwar in eine Weitläufigkeit, die häufig über "Kybernetik pur" hinausgeht, aber er führt, entgegen Ulrichs Ausgangspunkt das St. Galler Modell auf "Ökonomie pur", sprich komplexe ökonomische Funktionalität, zurück. Man könnte von einem ökonomischen Reduktionsmus auf höherer Ebene sprechen. Die im Als-Ob-Spiel gerne fomulierte Sinngemeinschaft, aus der man bei Bedarf oder bei Versagen jederzeit entlassen werden kann und der Sinn vorgegeben wird, geht zweifellos über reine Zweckkooperation bei klassischer trivialer ökonomischer Funktio-
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
158
nalität hinaus; hier könnte allenfalls nur die Bezeichnung "Funktionsgemeinschaft" standhalten. 10. Trotz der gesetzten Sinnebene des "frühen" Ansatzes und der Betonung von Interaktionen bleibt erkennbar, daß mit Sinn nichts anderes als identifikatorische Vorgaben von oben gemeint sind. Auch hier verdanken wir Malik den Mut zur Eindeutigkeit: 57 "Eine der wichtigsten Aufgaben einer jeden Führungskraft, ungeachtet der Führungsstufe, auf der sie sich befindet, ist (somit) darin zu sehen, ihren unmittelbar untergebenen Mitarbeitern den Sinn ihrer Aufgabe zu vermitteln." Man bemüht zwar kein behavioristisches, aber auch kein wirtschaftsethisches Instrumentarium, 58 sondern setzt auf eine evolutionäre Selbstregulation, die gestaltet und gelenkt ist und im Zweifel Entwicklungshilfe erfährt. Fragt man nach dem maßgeblichen Integrationsmittel, so bestimmt bei aller propagierten Fortschrittlichkeit die Autorität der Unternehmensleitung, was Sinn und Sache zu sein hat. Auch "identitätsfördernde Personalpolitik" würde in die gleiche Richtung gehen.
Ergebnis Die St. Galler entwickeln einen komplexen und relativ weichen Managementansatz. Die methodische Einbindung wird über einen organismischen Systementwurf versucht, der Ganzheitlichkeit mit selektierter systemischer Zweckdienlichkeit gleichsetzt. Die wichtigsten Zellen dieses "evolutionären" Systems, die Mitglieder der Unternehmung, erfahren, systemisch paradox, Sinn, Zweck und Ziel für ihr Handeln durch Gestaltung, Lenkung und notfalls Entwicklung als Vorgaben der Geschäftsleitung. Unter dem Aspekt Selbst57 58
Malik (1994: 204). Es hätte wenigsten im Reifestadium des St. Galler Systemdenkens nahe gelegen, sich mit der in St. Gallen von Peter Ulrich vertretenen Diskursethik auseinanderzusetzen, die nicht minder international renommiert ist als das St. Galler Managementdenken. Andererseits erscheint diese Nichtbeachtung folgerichtig. Das St. Galler Systemdenken bleibt ethisch ein Leerraum.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
159
identifikation als freie Sinnsuche der Einzelperson ist festzustellen, daß das St. Galler Systemdenken die Sinnfrage nicht nur nicht löst: sie stellt sich dort so gar nicht.
5.2.3
Total Quality Management
Charakteristik Quality Management geht sowohl in seiner ganzheitlichen Orientierung als Total Quality Management (TQM) als auch in der begrenzt auf Standardisierung und Transparenz von Leistungsprozessen bezogenen Variante, die sich seit den achtziger Jahren über die internationalen ISO 9000 Normen weltweit durchsetzt, auf US-amerikanische Ursprünge in den fünfziger Jahren zurück. Die erste umfassende Sichtweise hat ihren Kristallisationskern in einer Art amerikanischer Entwicklungshilfe für die Wirtschaft des besiegten Japan, die zweite Sichtweise erwächst aus den wasserdichten Zuverlässigkeitsbedürfnissen hinsichtlich äußerst komplexer Produkte im militärischen Bereich und der Raumfahrt in den USA. Beide Ausweitungen verdanken sich der zunehmenden Globalisierung und der Tatsache, daß der Wettbewerb sich national und international zunehmend als Qualitätswettbewerb und abnehmend als Preiswettbewerb darstellt, vor allem weil die möglichen Preisuntergrenzen in vielen Marktbereichen fast ausgereizt sind. Da TQM ex definitione ganzheitlich orientiert ist, könnte hier auch selbstidentifikatorischer drive höchst wirkungsvolles konzeptuelles Kernstück sein. Um Näheres zu sondieren, charakterisieren wir die Sichtweise von Qualitätsmanagement zunächst am zugrunde liegenden Qualitätsverständnis. Sodann greifen wir exemplarisch einige TQM-Ansätze heraus, die mehr zu verheißen scheinen als ein differenziertes Instrumentalgefüge. Ich halte es für hinreichend, anstatt umfassend die Vielzahl gängiger Qualitätsvorstellungen zu sichten, hier nur die Spannweite des Begriffs zu demonstrieren. So scheinen mir mit der Norm DIN 55350 und mit der Qualitätsauffassung von Grabowski die Eckpfeiler paradigmatisch bestimmt.
160
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
Nach DIN 55350 und DIN 8402 ist Qualität "die Beschaffenheit (Gesamtheit von Merkmalen) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen." Es handelt sich wie auch im Sinne von ISO 9000 um nichts weiter als normierte, statistisch gewährleistete Absicherbarkeit transparenter und standardisierter Wie-Beschaffenheit. Unmißverständlich stehen hierfür die Anmerkungen 3 und 4. 59 Anmerkung 3: "Erfordernisse werden gewöhnlich in Merkmale mit festgelegten Prüfkriterien umgesetzt (Qualitätsforderung)..." Anmerkung 4\ "Das Wort "Qualität" wird weder gebraucht, um einen Grad der Vortrefflichkeit in einem vergleichenden Sinn auszudrücken, noch wird es in einem quantitativen Sinne für technische Verwertungen verwendet. In diesen Fällen soll ein qualifizierendes Adjektiv benutzt werden. Z.B. können folgende Benennungen verwendet werden: a)
"Relative Qualität", wo Einheiten auf relativer Grundlage nach dem "Grad ihrer Vortrefflichkeit" oder in einem "vergleichenden" Sinne geordnet werden (was nicht verwechselt werden darf mit der Anspruchsklasse).
b)
"Qualitätslage" in einem "quantitativen Sinne" (wie in der Annahmestichprobenprüfung benutzt) sowie Qualitätsmeßgröße", wo genaue technische Verwertungen angeführt werden. ..."
Abgeschottet von Ganzheitlichkeit wird hier das Bemühen um "total audit" evident.
Kamiske, G. F., Brauer, J. P.: Qualitätsmanagement von A bis Z, Erläuterungen moderner Begriffe des Qualitätsmanagements, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, München 1995 : 126 f.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
161
Anders hingegen die TQM-orientierte Sichtweise von Jedlicka:60 "Quality steht für die Erfüllung der Kundenerwartungen, fehlerfreie Produkte und Dienstleistungen, den "richtig beim ersten Mal "-Grunds atz und kontinuierliche Verbesserung von Prozessen und Leistungen." Die Anmerkungen hierzu verweisen auf einen Paradigmawechsel und berücksichtigen in dem Paket der Einführungsmaßnahmen auch die Etablierung eines neuen Wertesysteras. Damit sind gemeint: - Kundenorientierung - Qualität vom Zulieferer bis zum Kunden - Teamarbeit auf allen Ebenen - Partizipativer Führungsstil - Mitarbeiterverantwortung - Vereinfachung und Transparenz - Zielsetzung, Abstimmung und Konsequenz - Durchgängige Information und Kommunikation Grabowski gelingt die höchst zutreffende Bezeichnung der dynamisch offenen Ausweitung des Qualitätsbegriffs, der TQM-Konzepten zugrunde liegt. Er spricht von "Unternehmensqualität 61 "Unternehmensqualität soll die Eigenschaft der Unternehmung bezeichnen, die Bedürfnisse ihrer Anspruchsgruppen zu befriedigen. " Konsequent lassen sich so die qualitativen Verpflichtungen der Unternehmung gegenüber Kunden, Mitarbeitern, Eignern, Lieferanten und der Gesellschaft konzeptuell berücksichtigen. Die Bedürfnisse ("Erfordernisse") der Mitarbeiter dann mit Herzberg, Lawler, Rosow und
Jedlicka, M.: Total Quality Management (TQM) - Padigmenwechsel für Spitzenunternehmen, in: Zsifkovits, H. (Hrsg.): Total Quality Management (TQM) als Strategie im internationalen Wettbewerb, Köln 1992: 21 - 31, 25 f. Grabowski, J.: Unternehmensqualität. Begriff und Modell, St. Galler Diss. 1997: 30.
162
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
Rosenstiel aufs Motivatorische zu fokussieren, greift aber entschieden zu kurz.62 Für eine exemplarische Betrachtung von TQM-Ansätzen bieten sich vor allem Seghezzi, Schildknecht und Fort an. Seghezzi legt (wie Grabowski) das St. Galler Modell zugrunde, Schildknecht beruft sich auf den sozio-technologischen Ansatz als Metagrundlage, Fort entwickelt einige zentrale Essentials von einer christlich orientierten Wirtschaftsethik her. Seghezzi läßt sich hier relativ kurz abhandeln, weil wir die St. Galler systemischen Integrationsbemühungen bereits besprochen haben. Daß es Seghezzi glänzend gelingt, das St. Galler Leerstellengerüst inhaltlich auf TQM angewandt in seiner Stimmigkeit zu demonstrieren, ist hier nicht Thema, doch sei erwähnt, daß sich die eigentliche Stärke des St. Galler Ansatzes auch hier darin erweist, normative, strategische und operative Dimensionen in ihrer Wechselseitigkeit formal, aber differenziert darzustellen. Dabei bleibt bei Seghezzi die Sinn- und Identitätsfrage allerdings nicht völlig abstrakt. Unternehmenskultur als Qualitätsstruktur hält er für erfolgreiches Qualitätsmanagement sehr wichtig. Er geht von gewachsenen Qualitätsstrukturen aus und sieht die Machbarkeit von Verhaltensentwicklung behutsamer als üblich.63 Die Einstellung der Mitarbeiter zu Qualität ist entscheidend. Das Selbstverständnis der Mitarbeiter wird bestimmt durch vier Wirkungsfaktoren: -
Führungsverhalten (1) Qualitätsbewußtsein (2) Selbstverständnis der Mitarbeiter (3) Verantwortungsübernahme (4)
Dabei herrscht eine polare Dynamik -
62 63
(1) (2) (3) (4)
zwischen Vorgeben und Vorleben zwischen absolutem und relativem Qualitätsbewußtsein zwischen passiver und aktiver Verantwortungsübernahme zwischen funktionsbezogener und unternehmensbezogener Selbstidentifikation
Grabowski (1997: 44 ff.). Seghezzi, H. D.: Integriertes Qualitätsmanagement. Das St. Galler Konzept, München 1996: Abschnitt 8.4, 181 - 194.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
163
Zu (1): Beim Vorgeben handelt es sich um das traditionale Führungsverhalten. Beim Vorleben zählt vor allem der enthierarchisierte Kontakt im Arbeitsalltag. Die Leitung sucht Kontakt zu allen "Führungsebenen". Nicht die höheren Hierarchien, sondern die besseren Argumente setzen sich durch. Zu (2): Der weitgehend statischen Qualitätsfokussierung auf Produktion/Leistung als solche (nach Juran "little Q") steht wirkungsvoller ein relatives Qualitätsbewußtsein, das die Beziehungen zu den Anspruchsgruppen mitdenkt (nach Juran "big Q"), entgegen. "Entsprechend diesem umfassenden Qualitätsgedanken orientieren sie (die Mitarbeiter) sich sowohl an den externen Kunden, welche die Leistungen des Unternehmens in Anspruch nehmen, wie auch an ihren internen Kunden. Die Qualität wird nicht nur produktbezogen behandelt, sondern es wird die Qualität der eigenen Arbeit und des Unternehmens einbezogen."64 Zu (3): Bei funktionsbezogener Selbstidentifikation identifizieren sich die Mitarbeiter mit der Aufgabe, die sie selbst wahrnehmen. Sinn entfaltet sich hier an Fachkompetenz, Status, Berufsethos. Hingegen bedeutet unternehmensbezogene Selbstidentifikation: alle Mitarbeiter ziehen identifikatorisch am gleichen Strang. Nicht die Fachkompetenz per se, sondern die gemeinsame Verantwortung für das Unternehmensziel sind vorrangig. Zu (4): Bei passiver Verantwortungsübernahme richtet sich der Mitarbeiter strikt nach Anweisungen, die er mit ängstlich bürokratischer Beflissenheit bemüht ist umzusetzen (M-F: ISO 9000 unterliegt dieser Gefahr). Bei aktiver Verantwortungsübernahme bringt sich jeder Mitarbeiter kritisch konstruktiv und durch "unternehmerisches Denken" in den Leistungsprozeß ein. Während Seghezzi in St. Galler Schulung aus theoretischer Distanz die ganzheitlichen Möglichkeiten eines umfassenden Qualitätsmanagements darstellt, wobei zusätzlich das Einfließen praktischer Erfahrung unverkennbar ist, sieht Schildknecht, in einer Anknüpfung an die soziotechnologische Systemgestaltung der Mitarbeiter des Londoner Tavistock Instituts, eher politisch gründend die Chance, das Partialdenken im Qualitätsmanagement zu überwinden.65 Dieses hat uns veran64 65
Seghezzi (1996: 184). Thorsrud, E.: Demokratisierung der Arbeitsorganisation. Einige konkrete Methoden zur Neustrukturierung des Arbeitsplatzes, in: Vilmar, F. (Hrsg.);
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
164
laßt, Schildknecht mit auf den sinnorientierten Prüfstand zu nehmen. Doch läßt sich bereits an dieser Stelle feststellen, daß er hier eine in der Tat gegebene Chance verfehlt, indem er nur sehr verkürzt jenen vor vierzig bis dreißig Jahren stark beachteten soziotechnologischen Ansatz als Basis setzt. Mit den Stichworten -
Integration sachlicher und menschlicher Aspekte
-
Differenzierung in Subsysteme mit eindeutig Aufgabenbereichen
-
Offenheit gegenüber der Systemumwelt
abgrenzbaren
ist nicht einmal die Frühzeit der Tavistock-Richtung hinreichend benannt. 66 Zweifellos kommt den Tavistocker Aktionsforschern Emery und Trist das Verdienst zu, als mit die ersten die Systemoffenheit gegenüber der Umwelt bei der Gestaltung betrieblicher Leistungsstrukturen berücksichtigt zu haben, und Schildknechts Folgerung, daß sich von hieraus zu externen und internen Kunden- und Lieferantenbeziehungen weiterdenken läßt, ist zutreffend. Doch nicht minder bedeutsam ist, daß bereits in der Startphase (1950 - 1970) für Tavistock Gruppenarbeit das zentrale Gestaltungsprinzip darstellt, mit der erklärten Absicht, an der Basis Demokratie und Lernfähigkeit zu initiieren. Schildknecht wird zwar durch den soziotechnischen Ansatz angeregt, mehrdimensionale Gegenstandsbereiche nämlich -
Qualität Qualität Qualität Qualität
der der der der
Produkte/Dienstleistungen Prozesse Arbeitsbedingungen Außenbeziehungen
Menschenwürde im Betrieb, Reinbek 1973: 117 - 132. Einen ausgezeichneten Entwicklungsüberblick bietet Trist, E.: The Evolution of Sociotechnical Systems - a conceptual framework and an action research program, Issues on the Quality of Working Life, Occasional Paper No. 2, June 1981, Ontario Ministry of Labour; in etwas anderer und gekürzter Fassung auch auf deutsch: Sozio-technische Systeme: Ursprünge und Konzepte, in: Organisationsentwicklung (4) 1990: 11 - 26. Zum Verständnis des weit über die Ökonomie hinausgreifenden Anliegens ist unerläßlich: Emery, F. E., Trist, E. L.: Towards A Social Ecology. Conceptual Appreciation of the Future in the Present, London 1972. Schildknecht, R.: Total Quality Management: Konzeption und State of the Art, Frankfurt a. M. 1992: 95 ff.
5 Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
165
zu unterscheiden, und er differenziert hinsichtlich der qualitativen Anforderung: -
technisch-funktionale Kriterien sozial-normative Kriterien wirtschaftliche Kriterien
Auch fehlt es nicht an der "Einbindung der Mitarbeiter durch qualitätsfördernde Arbeits- und Organisationsstrukturen." 67 Er "heilt" damit auch partial die Nichterwähnung des konzeptuell zentralen Gruppenansatzes, doch haben seine im Rahmen des üblichen durchaus nützlichen Gruppenüberlegungen nichts mit jenem basisdemokratischen Anliegen zu tun, für das sich wegweisend Emery und Thorsrud in den sechziger Jahren in Norwegen engagierten. 68 Noch gewichtiger ist kritisch anzumerken: Trist war bereits 1981, also elf Jahre vor Schildknechts Rekurs auf den soziotechnologischen Ansatz, längst weiter. Er erkannte erstens, daß Aufgaben - und Prozeßaspekte fimdamental zusammengehören und zweitens, daß Basisdemokratie nicht ausreicht. 69 "Wenn das Paradigma für alternative Organisationen, die so beschaffen sind, daß sie die Stürme der Umwelt überstehen und schließlich reduzieren können - ihre Demokratisierung erfordert, verlangt es auch die Demokratisierung der Beziehungen derjenigen, die sich mit organisatorischen Veränderungen befassen (hervorgehoben von M.-F.). Das wird den Abbau der Schranken zwischen Veränderern 70 und Verändernden bewirken. Das Ideal ist "pfingstlich" - alle Beteiligten sollen mit einer Zunge reden." Fort unternimmt einen völlig anders gearteten Einstieg ins Qualitätsmanagement. Er betrachtet die Beziehung Mensch - Unternehmung expli67 68
69 70
Schildknecht (1992: 110 ff. und 130 ff.). Emery, F. E., Thorsrud, E., in corporation with Trist, E.: Form and Content in Industrial Democracy. Some Experiences from Norway and other European Countries, London 1969. Siehe auch Anker-Ording, A.: Industrielle Demokratie in Norwegen, in: Vilmar, F. (Hrsg.): Industrielle Demokratie in Westeuropa (Menschenwürde im Betrieb II), Reinbek 1975: 116 - 127. Trist (1990: 24). Es handelt sich offensichtlich um einen Druck- oder Übersetzungsfehler. Im Original, Trist (1981: 49), heißt es: "This will entail breaking down the barriers between the changers and the to-be-changed."
166
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
zit ontologisch, beschränkt sich aber, was den Fokus Person betrifft, auf eine Theologie der Arbeit, um daraus Voraussetzungen für ein tragfähiges TQM-Konzept abzuleiten. 71 Die Unternehmung stellt für Fort eine Kooperation dar, der eine weit über das Ökonomische hinausgreifende Vermittlungsfunktion - "a mediating function" - hinsichtlich sozialen Normen und Werten - "individual associational needs" - wie sie sich außerhalb der Unternehmung, also in der Lebenswelt, realisieren, zukommt. Zum Fokus Person betont Fort, daß für die von den Vertretern eines ganzheitlichen TQM als notwendig erkannte stärkere "conversion" ein viel ausgeprägteres Miteinander der Unternehmensmitglieder erforderlich ist. Auch geht es nicht um bloße logische Klarstellungen. Entscheidend sei vielmehr eine Revolution der Einstellungen - "a attitudinal revolution" -. "Joining religious and managerial "conversions" provides a fruitful insight into what is necessary to embrace business ethics." 72 Fort unterstellt, daß in der außerbetrieblichen Lebenswelt, speziell der Familie, Werte erworben und gelebt würden, die Autoren wie Smith, von Hayek und Friedman voraussetzten, als sie den freien Markt in den Mittelpunkt ihres Denkens stellten. 73 Das Herzstück - "the heart" - von TQM sei Solidarität74 Nicht völlig transparent abgeleitet aus neuerer katholischer Soziallehre einerseits und in pragmatischer Generalisierung einer heilen sozial verantwortungs- und solidaritätsfähigen Familie andererseits sieht er, verstärkt durch die Internationalisierung von Unternehmen, den dringenden Bedarf eines "overlapping consensus", also eines Brückenschlages zwischen dem Leben in der Lebenswelt und in der Arbeitswelt. 75
72 73 74 75
Fort, T. L. : The Spirituality of Solidarity and Total Quality Management, in: Business and Professional Ethics Journal (2) 1995, Vol. 14: 3 - 2 1 . Um Fort's Unternehmensauffassung besser zu verstehen, ist ergänzend hilfreich Fort, T. L.: Business as Mediating Institution, in: Business Ethics Quarterly (2) 1996, Vol. 6: 149 - 163. Fort (1995: 6). Das ist wohl nur fur Adam Smith zutreffend. Fort (1995: 9). Fort (1995: 5).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
167
Im rein Theologischen bleibend hätte ein ganzheitliches TQM-Konzept drei Themenbereichen Rechnung zu tragen: o
der Idee der Menschenwürde.
o
der Ableitung menschlicher Kreativität als Co-Kreativität, d.h. als Gottes Gehilfe. 76 Co-Kreativität schließt für Fort politische Mitwirkung mit ein. "By "inoculation (or introducing) political participation into the work place - the economic realm - the worker gains a say in what is created and how it is done." 77
o
der auf Luther und Calvin zurückgehenden Idee von "sanctification and vocational calling".
In christlich verstandener Solidarität würden diese drei Themenbereiche evident. Eine so verstandene Solidarität löst für den Mitarbeiter die Sinnfrage, 78 gleichzeitig löst sie das Effizienzproblem des Qualitätsmanagements. 79 "From this description, it should be aparent how solidarity is the expression of the natural principle that TQM recognizes: human beings have a central need to be responsible creators in participation with fulfilling the needs of others. It is authentic creation, responsibility, and service that defines solidarity, and makes TQM efficacious. Only a conversion breakthrough of faith (hervorgehoben von M.-F.) re-orients the person to pursue this kind of humane concern for others." Für den Fokus Unternehmung betont Fort unabhängig von TQM die ethische Verpflichtung, die der Unternehmung als "mediating institution" zukommt. Er begründet dieses Verpflichtung in sechs Punkten: 80 (1) Auf die Entfaltung sozialer Bedürfnisse (genauer "associational needs") sind Mitarbeiter und Unternehmung gleichermaßen angewiesen.
76 77
78 79 80
Fort (1995: 12). Er bezieht sich dabei auf "Laborem Exercens". Fort (1995: 12 f.). Bemerkenswert ist der mittelbare Bezug auf Hannali Arendt. Fort (1995: 5). Fort (1995: 16). Fort (1996: 155 ff.).
168
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
(2) Business determiniert den Ort, an dem berufstätige Menschen den überwiegenden Teil ihrer "wachen Zeit" verbringen. Zugleich ereignet sich ein großer Anteil von sozialem Lernen (Solidarität, Verantwortung, Fairness) "on the job". (3) Durch die betriebliche Inbeschlagnahme können die Mitarbeiter ihre sozialen Bedürfnisse während dieser Zeit nicht anderweitig entfalten. (4) Es ist die Arbeit, durch die wir unsere Identität, aber auch zugleich das Verständnis für die Identität anderer Menschen erfahren (vor allem in dem multikulturellen Amerika). (5) "A corporation has first a duty to its other internal members: its employees" steht als Basisbedingung, um überhaupt in die neuerdings übliche Diskussion Stakeholders - Shareholders einsteigen zu können. (6) Die Förderung von "associational needs" durch die Unternehmung führt zu einem größeren Unternehmens erfolg. Wenn die Unternehmung zur Schaffung von Wohlstand gesellschaftlich in der Pflicht ist, dann ist sie auch in der Pflicht, "profitablere" Organisationsstrukturen zu schaffen.
"Sinnspuren " im "totalen " Legitimatorische 1.
Qualitätsdenken
Orientierung der Unternehmung
Als Unternehmensqualität ist der Zielbegriff Qualität durchaus so umfassend formuliert, daß nicht nur nach außen, sondern auch nach innen für die Unternehmung die legitimatorischen Dimensionen zumindest thematisierbar werden. Betrachten wir unsere drei Kandidaten, so ist für Schildknecht und Seghezzi festzustellen, daß ihre qualifikatorischen Bemühungen um die Mitarbeiter, Sinnorientierung eingeschlossen, schlußendlich nicht über frühere Sichtweisen, wie beispielsweise bei Deming, Feigenbaum, Ishikawa, hinausgehen. 81 Sie bieten zwar differenziertere Sichtweisen der Mitarbeiterförderung, doch zentriert auf den Aspekt: der Mitarbeiter als qualiSiehe einführend hierzu die Übersichten bei Schildknecht (1992: 64 - 79) und Kamiske/Brauer (1995: 30 - 45).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
169
fikatorischer Hebel. Besonders Schildknecht bleibt trotz seines Anspruchs an den soziotechnischen Ansatz anzuknüpfen und seiner umfassenden Systematik strikt dem Instrumentalen verhaftet. Dabei böte gerade das soziotechnische Systemdenken die Chance, engen Instrumentalismus zu überwinden. Zwar setzt auch Trist durchaus auf Optimierung, und er spricht sogar von "gleichgewichtiger" Optimierung von Technik und Mensch, doch stellt sie keine Finalität dar. 82 "Unsere traditionellen Organisationen halten sich an die technologischen Gebote, die den Menschen einfach als eine Verlängerung der Maschine betrachten und damit als entbehrliches Ersatzteil. Im Gegensatz dazu ist das neue Paradigma auf das Prinzip von gemeinsamer gleichgewichtiger Optimierung aufgebaut, das den Menschen als Ergänzung 83 der Maschine betrachtet und seine einzigartigen Fähigkeiten zu Bewertung und Urteil schätzt. Er ist eine Quelle, die um ihrer selbst willen entwickelt werden muß, anstatt entwertet und weggeworfen zu werden, wie mein früherer Tavistock Kollege Phil Herbst (1975) treffend bemerkte: "Das Produkt der Arbeit sind Menschen", (hervorgehoben von M.-F ), ebenso wie Waren und Dienstleistungen. Eine Gesellschaft ist nicht besser als die Qualität der Menschen, die sie produziert." Hier wird eine Schnittstelle legitimatorischer Grundproblematik, die Anliegen meiner Untersuchung ist, berührt. Eine Leitprämisse dieser oder ähnlicher Art, die eine Anknüpfung an die TavistockRichtung differenziert belegbar machen würde, fehlt bei Schildknecht. Seghezzi wäre allenfalls mittelbar auf Sinnorientierung der Mitarbeiter als TQM-Ziel ausdeutbar, doch eindeutig sind nur zwei Kernanliegen erkennbar: den Mitarbeiter mit den im St. Galler Modell bedachten Freiräumen in das TQM-System zu integrieren und außerdem das TQM-System in ein Gesamtunternehmenskonzept zu integrieren. 84 82 83
84
Trist (1990: 20 ff.). Ergänzung ist hier im Sinne von "Komplementarität" gemeint. VOLVO kann als ein Beispiel dafür stehen, wie erst das soziale Konzept (Gruppenarbeit) und komplementär dazu nachfolgend die entsprechende Montagetechnologie entwickelt wird. Seghezzi (1996: 48); ferner Seghezzi, H. D.: Paradigm Shift, in: European Quality (1) 1994: 64-69.
170
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
Den Menschen um des Menschen willen findet man dagegen bei Fort, und zwar aus christlicher Sicht, berücksichtigt. Fort nimmt die Unternehmung hinsichtlich der weit über dieselbe hinausgreifenden "associational needs" voll in die Pflicht, und er entwickelt aus dieser konkreten Verpflichtung den Mitgliedern gegenüber, weil sie auch profitabel ist, man könnte sagen in einer Adam Smith ähnlichen Denkweise, auch eine gesellschaftliche Verpflichtung. 85 "If business does have a duty of wealth-creation then it is morally compelled to create profitable organizational structures." Entscheidend scheint mir, daß - und nur deshalb könnte Fort wegweisend sein - diese Einbindung ins Profitdenken (im Interesse des Volkswohlstandes) nicht Forts erster, sondern sein zweiter Denkschritt ist. 2.
Hinsichtlich Institutionalisierung der Zielbestimmimg äußert sich Fort nicht. Schildknecht trifft keine klare Unterscheidung zwischen Institutionalisierung und Strategie. Seghezzi zeigt, wie Ziele in der Unternehmensverfassung, in der Unternehmenspolitik und in der Unternehmenskultur übergeordnet verortbar wären. Am Beispiel Qualitätskultur wurde eine solche Vorgehensweise weiter oben aufgezeigt.
3.
Hinsichtlich strategischer und operationaler Einbindung gilt für Fort und Seghezzi das soeben Gesagte sinngemäß. Schildknecht bietet eine umfassende Systematik relevanter Instrumente, wie sie dem üblichen Standard einer Einführung in TQM gemäß ist.
Unternehmenslegitimation als identifikatorischer Prozeß 4.
Sowohl Schildknecht als auch Seghezzi sehen den selbstidentifikatorischen Prozeß als ein Sich-Hineinfinden der Mitarbeiter in vorgegebene Unternehmensidentität. Schildknecht beschränkt sich dabei aufs Motivatorische, in Anlehnung an die Umdeutung Maslows durch Juran, und flankierend auf ein partizipatives Kon-
85
Fort (1996: 157).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
171
zept, das lediglich eine Neuauflage von MBO beinhaltet. Die individualen Leistungsanreize sind nach Juran wie folgt gestaffelt: 86 1. Möglichkeit höherer Verdienstchancen durch Qualitätsprämien 2. Sicherung des Arbeitsplatzes, indem durch Qualitätsverbesserungen die Wettbewerbssituation erhalten wird 3. Bedürfnis der Mitwirkung in Gruppen 4. Anerkennung durch Qualitätsauszeichnungen 5. Möglichkeiten der Partizipation Partizipation ist für Schildknecht synonym mit Führung durch Zielvereinbarung in MBO-Begrenzung: "Grundgedanke der Führung durch Zielvereinbarung ist dabei, daß die gemeinsame Erarbeitung und Festlegung von Zielen die Akzeptanz und die Identifikation des Mitarbeiters mit dem Unternehmensziel erhöhen."87 Der genuin soziotechnische Ansatz ist da längst weiter. Wenn Motivation, dann, so Trist, sind die individualen intrinsischen Bedürfnisse die ausschlaggebenden. Identifikatorisch besonders wichtig sind dort aber die teilautonomen Arbeitsgruppen. Trist setzt, wie andere Tavistock-Kollegen, darauf, daß Gruppen das organisatorische Paradigma sprengen und Bedingungen schaffen würden, "die die Zustimmung und Identifikation fördern und Entfremdung verringern." Organisationen würden damit "lernfähig" und "umweltverbunden." 8 Diese Art von Identifikationsvorstellung sprengt den Rahmen von MBO. Seghezzi scheint einiges, was Trist hier postuliert, als bereits zu einer Selbstverständlichkeit geworden vorauszusetzen. Wie oben erörtert setzt Seghezzi beispielsweise aktive Verantwortungsübernahme und unternehmensbezogenes Selbstverständnis und damit weitgehend freies Engagement von Persönlichkeiten voraus, die 86 87 88
Schildknecht (1992: 156). Schildknecht (1992: 157). Schildknechts weitere Ausführungen belegen die typische MBO-Enge. Trist (1990: 22 ff.).
172
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
keinen identifikatorischen Knick erfahren, wenn sie die Systemgrenze Umwelt und Unternehmung (vice versa) übertreten. Hier kommt die St. Galler Systemphilosophie zum Tragen, daß die Unternehmung als möglichst selbstregulatives und überlebensfähiges System auf Mitglieder angewiesen ist, die über rekursive, autonome und evolutionäre Potenzen verfugen. Mitgestaltung der legitimatorischen Zielvorstellung, also ein Zusammenwirken aller Mitglieder auf eine so erst entstehende Unternehmensidentität hin steht dabei zwar nicht zur Diskussion, aber anders als bei Schildknecht sind die partizipativen und motivatorischen Freiräume hier als identitätsfördernde Mitwirkungsfreiräume erkennbar. In praxi auf den W e g gebracht ist nicht auszuschließen, daß hier sehr wohl Unternehmensidentität von unten nach oben sich mittelfristig durchi 89 setzen könnte. Durch die von Fort der Unternehmung zugewiesene "mediating function" wird nicht nur hinsichtlich personaler Identifikationschancen ein Kernanliegen meiner Untersuchung aufgegriffen. "Conversion" überwindet zweifellos die Kluft zwischen Unternehmung und Lebenswelt, doch trotz seiner sechs wichtigen Begründungen der Unternehmung als "mediating institution" schweigen sich seine Ausführungen essayhaft offen über die dadurch in Gang kommenden identifikatorischen Prozesse in Einzelheiten aus. Als Beitrag zur Managementlehre bleiben Forts Arbeiten also Torso. Nicht zuletzt deshalb könnten Kritiker Fort anlasten, sein Anliegen sei ein genuin theologisches, nämlich TQM Vertretern, die wie Juran und Deming, die TQM zu einer Glaubensfrage und zu einer "neuen Religion" hochstilisiert haben, eine christliche Fundierung nachzuliefern. 90 5.
Eine Gleichsetzung zwischen legitimatorischer und identifikatorischer Orientierung ist bei Schildknecht und Seghezzi nicht erkennbar. Fort hingegen formuliert hier unmißverständlich in bezug auf die Mitglieder klare legitimatorische Verpflichtungen der Unternehmung. Die Zielfindung der Unternehmung als kooperativer zugleich legitimatorischer und identifikatorischer Prozeß ist nicht sein Anliegen.
89
Seghezzi (1996: 187 ff ). Fort (1995: 7).
90
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
173
6.
Zielbestimmung in übergeordneter Bedeutung, also unter Außerachtlassung der Ableitung von Subzielen, ist Aufgabe der Unternehmensleitung.
7.
Auch "sonstige" Freiräume personaler Selbstidentifikation lassen sich nicht ausmachen.
Integrationsprinzipien 8.
Auch wenn bei Seghezzi die Unternehmenskultur als gelebte Integration gebührend gewürdigt wird, gehen bei ihm, sowie bei Schildknecht die entscheidenden Integrationsimpulse von der Unternehmensleitung aus. Für Fort muß die Antwort offen bleiben.
9.
Nur bei Fort läßt sich an eine Sinngemeinschaft denken. Bei Schildknecht und Seghezzi scheinen sowohl Funktionalität als auch Zweckgemeinschaft zutreffend zu sein, wenn man Forts ontologische Unbedingtheit zum Maßstab nimmt.
10. Formal betrachtet lassen sich die fünf in der Chequeliste aufgeführten Integrationsmittel bei Schildknecht und Seghezzi nachweisen. Inhaltlich hingegen hat Seghezzis Konfiguration eindeutig den Vorzug, Mitwirkungs/raraw/Me zu konzipieren. Für Fort muß die Antwort offen bleiben. Ergebnis Unsere Analyse ergibt als nicht gesuchtes Nebenergebnis, daß sich um das Stichwort Qualität herum ein managementtheoretisch stimmiges Konzept entwickeln läßt, das zugleich praktische Handhabbarkeit verspricht. Qualität ist in der Tat ein aktuelles legitimatorisches Kernproblem der Unternehmung. Ich komme aber zu dem Ergebnis, daß zwei der zu untersuchenden Kandidaten eben dieses Kernproblem totalisieren und mono-kausaluieren und sich damit den Weg zu einer tiefergreifenden Neubestimmung der Sinnfrage der Unternehmung versperren. Nur von hier aus ließe sich qualitativen sowie auch allen sonstigen Herausforderungen, die auf die Unternehmung zukommen, wirklich wirkungsvoll begegnen. Ein dritter Kandidat hilft uns wichtige Bausteine zu entdecken, bietet aber keinen Bauplan.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
174
5.2.4
Lean Management
Charakteristik Mit Erscheinen der popularisierten MIT-Studie "Die zweite industrielle Revolution in der Autoindustrie" (1991) in Deutschland macht das Managementprinzip "lean" Karriere. 91 Man kann dabei eine auf Lean Production verengte von einer zu Lean Management "erweiterten" Sichtweise unterscheiden, wobei Praktiker zumeist, auch wenn sie von Lean Management sprechen, bloß die Prinzipien von Lean Produktion generalisieren. Im Vergleich von Abb. 12 mit Abb 13 wird der Unterschied beider Sichtweisen anschaulich. Daß der MIT-Studie nicht nur publizistischer Erfolg beschieden war, der sich wohl vor allem missionarischer Darstellungsweise verdankt, sondern daß die Botschaft spontan von der Automobilindustrie aufgegriffen wurde, muß in den USA auf dem Hintergrund der schweren Krise bei General Motors und den Erfolgen japanischer Konkurrenz auf dem amerikanischen Markt gesehen werden. Die MIT-Studie stellt die bereits in der Nachkriegsperiode von Toyota entwickelten Organisationsprinzipien der Automobilherstellung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und erhöht sie zum Paradigma, das unter Effizienzkriterien den einzig gangbaren Weg anbiete, um die hoffnungslos veraltete Massenproduktion zu modifizieren, wenn nicht zu überwinden. Die Missionare haben "nachweisbare" Verheißungen zu bieten: 92 Wenn Ihr Lean Production einführt,
Womack, J. P., Jones, D. T. Roos, D.: Die zweite Revolution in der Autoindustrie, Konsequenzen aus der weltweiten Studie des Massachusetts Institute of Technology, Frankfurt a. M. 1991. Die amerikanische Erstauflage erschien 1990. Dem Buch liegen 116 Forschungsberichte im Rahmen des International Motor Vehicle Program (IMVP) zugrunde. Im folgenden als MIT-Studie bezeichnet. Dem Autor lag die 8., durchges. Aufl., 1994, vor. Siehe hierzu besonders die Tabellen der MIT-Studie (1994: 97, 124). Es werden japanische, amerikanische, europäische und TransplantsVerhältnisse miteinander verglichen. Die statistische Fundierung dieser Vergleiche ist umstritten. Außerdem bestehen hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Kerngrößen "Kosten" und "Gewinn" signifikante Lücken.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
-
175
werdet Ihr in bedeutend kürzerer Zeit und mit weniger Beschäftigten ein Auto herstellen können. werden die Kosten für Nacharbeit im wesentlichen verschwinden. könnt Ihr die Kosten für Lager- und Herstellpuffer sparen. benötigt euer Betrieb weniger Fläche. werdet Ihr die Entwicklungszeit für ein neues Modell wesentlich verkürzen. werdet Ihr schlummernde wertschöpfende Ressourcen bei eueren Mitarbeitern erschließen können. Eliminiert im Leistungsprozeß alles, was keine Wertschöpfung erbringt!
Lean Production wird durch drei essentials bestimmt: 1) "Die echte schlanke Fabrik besitzt zwei Hauptorganisationsmerkmale: Sie überträgt ein Maximum an Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf jene Arbeiter, die am Band tatsächliche Wertschöpfung am Auto erbringen, und sie hat ein System der Fehlerentdeckung installiert, das jedes entdeckte Problem schnell auf seine letzte Ursache zurückfuhrt,"93 2) Nicht nur das Null-Fehler-Prinzip, sondern auch andere wesentliche Bestandteile eines umfassenden Qualitätsmanagements, wie Kaizen/KVP, Zuliefererintegration und Kundenorientierung, Kanban und Benchmarking werden, soweit sie effizienzsteigernd sein können, als Lean-Elemente adoptiert. 3) Den operativen Verschmelzungskern stellen Teams her. Die Punkte 1 und 2 sind für unseren Untersuchungsgang für das interessant, was sie nicht enthalten, nämlich keinerlei Thematisierung gesellschaftlicher Legitimation der Unternehmung. Diese Art Formulierung von Job Enrichment und Job Enlargement würde, weil unterdeterminiert und völlig verwertungsoffen, unter solchem Aspekt entschieden zu kurz greifen, und die Fetischisierung der Wertschöpfung muß sich, nebenbei bemerkt, schon rein betriebswirtschaftlich bereits kurzfristig negativ auswirken, nämlich als Innovationsbarriere. Was die heruntergebroche-
93
Am überzeugendsten erscheint mir die Kritik von Williams, K. Haslam, C. Williams, J. et alii: Against lean production, in: Economy and Society (3) 1992, Vol. 21:321 -354. MIT-Studie (1994: 103).
176
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
nen QM-Bestandteile betrifft, so führt von solcher Reduktion kein Weg mehr zu einem ganzheitlicher angelegten TQM zurück. Auf wissenschaftlich recht oberflächliche Weise wird angetönt, daß und warum in Japan das Verständnis vom Betrieb als sozialer Gemeinschaft das entscheidende Fundament ist, auf das sich der Erfolg der schlanken Fabrik gründen läßt. Auch wird statistisch demonstriert, daß in japanischen Betrieben weit mehr Arbeitsgruppen bestehen als in den westlichen Ländern. 94 Da die Basis "Betrieb als Gemeinschaft" als kulturimmanente Prozeßhaftigkeit sich nicht inhaltlich auf Betriebe in anderen Kulturbereichen übertragen läßt, kann man sie nicht einfach als Leerformel übernehmen, sondern wird sie jeweils grundsätzlich völlig neu bedenken müssen. Die MIT-Studie leistet solches nicht. Für betriebliche Arbeitsgruppen hat Jürgens (1993) nachgewiesen, daß die größere Verbreitung von Gruppenarbeit in Japan keineswegs zu dem Schluß führen kann, hier habe der Westen Wachstum nachzuholen; denn zwischen japanischem und beispielsweise deutschem Gruppenverständnis im Betrieb liegen Welten. 95 Während unsere, nicht zuletzt durch die Humanisierungswelle der siebziger Jahre und durch betriebspsychologische Fundierung geprägte Vorstellung an weitgehender Autonomie orientiert ist, agiert die Gruppe in Japan primär als opportuner Sozialisierungsgehilfin, man könnte auch sagen als Sanktionierungs- und Hierarchisierungsgehilfin. Zur Gestaltung der Arbeitsteams, dem "Herz(en) der schlanken Fabrik" bemerkt die Studie: 96 "Der Aufbau solcher effizenten Teams ist nicht einfach. Als erstes müssen die Arbeiter zahlreiche Fertigkeiten erlernen - tatsächlich alle Jobs ihrer Arbeitsgruppe, so daß die Arbeitsverteilung geändert werden kann und die Arbeiter für jeden anderen einspringen können. Dann müssen sie sich weitere zusätzliche Fertigkeiten aneignen: in einfacher Maschinenreparatur, Quali-
94 95
96
MIT-Studie (1994: 58 ff., 104 ff.). Jürgens, U.: Mythos und Realität von Lean Production in Japan - eine kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der MIT-Studie, in: Fortschrittliche Betriebsfiihrung und Industrial engineering (42) 1993, 1 : 1 8 23. Über die kulturellen Wurzeln betrieblichen Gemeinschaftsbewußtseins ist außerdem bei Fukuyama (1995) Wesentliches zu erfahren, vor allem im 22. Kapitel. MIT-Studie (1994: 104).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
177
tätsprüfung, Reinigung und Materialbestellung. Ferner müssen sie z u m aktiven, j a vorausschauenden Denken ermuntert werden, so daß sie Lösungen finden können, bevor Probleme ernst werden." 9 7 Es fehlen sowohl aus demokratischem als auch aus betriebspsychologischem Gruppenverständnis sämtliche Angaben, die einsichtig machen könnten, wie und w a r u m solche Teams als soziales H a n d l u n g s g e f ü g e funktionieren würden, von Sinngefügen ganz zu schweigen. 9 8 Diese schwerwiegenden Defizite w e r d e n durch die Frage "Ist die schlanke Produktion menschlich befriedigend?" und ein emphatisches "Ja" hierauf konsequent ausgeblendet. 9 9 V o n "Management by Stress", wie einer der V o r w ü r f e lautet, könne keine Rede sein. Die einstige Gruppenarbeit bei V o l v o wird, obwohl zugegebenermaßen gar nicht untersucht, als "Neohandwerkskunst" abqualifiziert, obwohl auch deren Effizienz nachweisbar gewesen wäre. Beides, E f f i z i e n z und personale Selbstentfaltung seien in der schlanken Fabrik bestens aufgehoben. Die ständige "kreative" Anspannung und bewußt "fragile" Organisation der Produktion schaffe Freiräume, für den Mitarbeiter, w i e sie auf Arbeitsteilung angelegte Massenproduktion niemals bieten könne. Entkleidet man die Botschaft von ihrem missionarischen Pathos, so läßt sich objektiv für die Lean Produktion nur eines feststellen: es stellt das bis dato wohl umfassendst angelegte betriebswirtschaftliche Optimierungskonzept dar. Es führt alle hierzu in den letzten Jahrzehnten aufgelaufenen und bereits erprobten Einzelbestandteile z u s a m m e n und kreiert unter rein instrumentalem Aspekt eine integrative Vernetzung.
Lay belegt, daß bereits die in allen Prozeßbereichen wegrationalisierten Puffer eine solche Proaktivität, die im Interesse der Effizienzsteigerung durchaus mitunter wünschenswert sein würde, weitestgehend verhindern. Lay, G.: Lean Production - Wirkung und Nebenwirkung, Schlankheitskur mit Schönheitsfehlern, in: Technische Rundschau (5) 1993: 36 - 39. Siehe hierzu, wie bereits bei TQM erwähnt, Trist (1990: 10 - 27) und Bungard, W.: Lean Management - Ein Thema der Arbeits- und Organisationspsychologie? In: Bungard, W. (Hrsg.): Lean Management auf dem Prüfstand, Weinheim 1995: 7 - 22. Siehe ebendort (23 - 35) Ulich, E.: Lean Production aus arbeitspsychologischer Sicht. Bösenberg, D., Metzen, H.: Lean Management, Vorsprung durch schlanke Konzepte, 1. Aufl. München 1993. Es wurde die 3., durchgesehene Aufl., München 1993 benutzt.
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
178
Abb. 12
Lean Production als Optimierungskonzept Optimierung von
o o o o o o
Entwicklung Einkauf Prozesse/Zeit Qualität Bestände Vertrieb
Produktivität Erlöse cash flow Wirtschaftlichkeit o Rentabilität o o o o
o Lieferanten Produzenten Kunden als vernetztes System o Flexibilität o Lernfähigkeit o Teamsynergie o Grenzsituationen
Eingangs wurde von der Karriere des Lean Konzepts gesprochen. Inzwischen gibt es kaum einen Wirtschaftsbereich, bei dem nicht anläßlich funktionaler Schwierigkeiten alsbald nach leanen Lösungen gesucht würde. Auch für Bildungs- und Verwaltungsreformen wird lean längst zu einer mit zu berücksichtigenden Richtschnur. Die Fülle der inzwischen vorliegenden Literatur, kapillarisch durchzogen mit Argumenten und Erfahrungen praktischer Anwendung, könnte leicht Belege liefern, daß das Konzept Lean eine differenzierte Feinstruktur erhalten hat. Insbesondere die Defizite der sozialen Strukturierung hat man zu füllen versucht. Den überzeugendsten Versuch eines Ausbaus zu einem möglichst umfassenden und arbeitsfähigen Konzept Lean Management haben Bösenberg/Metzen vorgelegt. 1 0
100
Bösenberg/Metzen (1991: 41).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
179
Wie^lèè. 13 veranschaulicht, unterscheiden die Autoren zwischen Leitgedanken, Arbeitsprinzipien der Organisation und Grundstrategien. Ich halte diese "Systematisierung" aufgrund mehrjähriger Erprobung in
Abb. 13
Lean-Management auf der Grundlage von Bösenberg / Metzen Gruppe, Team
Standardisierung Ständige Verbesserung
Eigenverantwortung
CT*
O Fehler an der Wurzel packen
Feedback
O
a. p N
Kundenorientierung
Vorausdenken, _Vorausplanen
Priorität der Wertschöpfung
t
5' o' 3
kleine . beherrschte , Schritte
f
2c-t-.* rq o O-
o 3
Kontinuierlicher Materialfluß Simultaneous Engineering Strategischer Kapitaleinsatz
3
O.
Umfassendes QM Proaktives Marketing Unternehmen als Familie
o E. o' 3
180
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
Vorlesungen und Seminaren, wenn gelten soll, daß lean damit nicht "überwunden", sondern realisiert werden will, für gelungen. Der Praktiker findet, derart aufeinander bezogen und lean fokussiert, bei Bösenberg/Metzen viel Nützliches zusammengetragen, das mindestens beachtet werden muß, wollen Menschen in einer Leistungsgemeinschaft zusammenwirken. Der Theoretiker muß jedoch auf die Austauschbarkeit in der Plazierung der Einzelelemente, also auf die fehlende systematische Stringenz hinweisen. Warum sind beispielsweise "Unternehmen als Familie" und "Kundenorientierung" nicht bereits als Leitgedanken festgelegt? Aber schon die nominale Etikettierung der Triadenstränge ist problematisch. Das muß vor allem für die Leitgedanken gelten. Wer die MIT-Studie zur Meßlatte nimmt, wird bei Bösenberg/Metzen wichtige Überschreitungen des dortigen Tellerrandes feststellen, und jemand, der im St. Galler Systemdenken geübt ist, wird das Ganze als praxeologischen Ausschnitt von alt Bewährtem und in neuerer Zeit jenseits von lean entwickelten Konzepten vertraut zu würdigen wissen, hinsichtlich der triadischen Systematisierung wird er aber fragen müssen, wie es mit der theoretischen Konsistenz eines Konzepts bestellt sei, bei dem das Eruieren einer normativen, strategischen und operativen Ebene wohl erst über einen Geheimcode (oder durch den Passepartout "Effizienz"?) ermöglicht wird. Aus der Sicht eines identitätsorientierten Managements wird man vor allem erhoffen, hinter den Leitgedanken ließe sich endlich ein normativer Überbau entbergen, wie beispielsweise ein unternehmensphilosophischer Orientierungsrahmen, welcher der per se sinnlosen Effizienzorientierung möglicherweise Sinn geben würde. Nimmt man die Leitgedanken für das, was sie ausdrücklich nur sein wollen, nämlich "fünf Grundeinstellungen des homo faber leaniens, schöpferischen Denken die Übersicht zu behalten",
um bei
wobei "schöpferisch" selbstverständlich mit leaner Brille gelesen werden muß, so enthebt uns solches Menschenbild-Credo jedes weiteren
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
181
Bemühens um eine Charakterisierung. 101 Treffender läßt sich das Wesentliche von Lean Management nicht auf den Punkt bringen, als es Bösenberg/Metzen mit der Chiffre "homo faber leaniens" gelungen ist. Wie immer man es drehen und wenden würde, eine objektive Würdigung könnte bestenfalls nur lauten: Lean Management erweist sich als praxeologischer Mix neuerer Managementerkenntnisse, der im Interesse von Unternehmenseffizienz Mitarbeitern einen komplexeren Handlungsbereich zuweist als er bisher üblich war. Weder der Mensch als solcher noch die Hinterfragung ökonomischer Legitimation lassen sich bei leanem Determinismus ins Mittelfeld managerieller Überlegungen bringen. 102
"Sinnspuren " int Lean Legitimatorische
Konzept
Orientierung der Unternehmung
1.
Der Nachweis der Befähigung zu Effizienz wird als Legitimation genommen. Von hierher leiten sich die konkreten Ziele ab, die zwar zu allseitiger Effizienzsteigerung, aber nie darüber hinaus führen können.
2.
Das Lean Konzept läßt alle Möglichkeiten der Institutionalisierung offen. Wahrscheinlich bedient sich Institutionalisierung der Effizienz stets der effizientesten Möglichkeit, erfüllt also das unter 8. angeführte Schema der Rekursivität.
3.
Die Art der Umsetzung in Subziele und Strategien bleibt unbestimmt. Als gesichert kann aber gelten, daß die Umsetzung auf operativer Ebene kooperativ erfolgt.
Unternehmenslegitimation
als legitimatorischer
Prozeß
4.
Wenn überhaupt, so erscheint mir Unternehmensidentität im Verständnis des Corporate Identity Konzepts mit lean kompatibel.
101
Kieser, A.: Die MIT-Studie zur Automobilindustrie, oder: Wie man eine Revolution anzettelt, in: Bungard (1995: 37- 51, hier 40). Ortmann, F.: Formen der Produktion, Organisation und Rekursivität, Opladen 1995: 291 - 409, hier 296 f.
102
182
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
5.
Die Frage der Gleichsetzung von legitimatorischer und identifikatorischer Orientierung läßt sich hier nicht thematisieren.
6.
Traditionale Zielvorgabe.
7.
Das Leankonzept ist kein Humanisierungs-, sondern ein organisatorisches Produktivitätssteigerungskonzept. Als Mittel zum Zweck wird der Mitarbeiter in größere Handlungsfreiräume gestellt und dort teilweise motivatorisch gefördert, teils durch organisierte Fragilität unter Leistungsdruck gesetzt. Wie Kieser recht zutreffend feststellt: "Die Gruppe darf ihr eigener Taylor sein." 103 Die Chancen zu eigener Identitätsfindung sind aber mit hoher Wahrscheinlichkeit größer als bei Massenproduktion.
8.
Ortmann schreibt in seiner kritischen Einstellung dem Lean Konzept gegenüber dessen Verbreitungserfolg dem von Giddens formulierten Doppelsinn von Strukturiertheit und Strukturbildung (Rekursivität) zu: 104 "Handeln erfolgt im Medium von Strukturen, wird durch Strukturen ermöglicht und beschränkt (Strukturiertheit), und es hat eben jene Strukturen zum Resultat {Strukturbildung), die es sodann ermöglichen und beschränken. Pünktlichkeit als Moment einer organisatorischen Struktur etwa, als Regel, existiert nur im pünktlichen Handeln (und im Bewußtsein von Akteuren), sie wird als Strukturelement nur durch pünktliches Handeln (re-)produziert (oder auch nicht), und sie ermöglicht und beschränkt zeitlich koordiniertes Handeln. Auf diese Weise werden weitere strukturelle Eigenschaften der Organisation hervorgebracht, zum Beispiel die Eigenschaften einer "Just-in-time-Organisation". Mit andern Worten: "Just in time" können wir nur produzieren und liefern, weil Regeln und Ressourcen, (z.B. Lastwagen, Fabrikgebäude in räum-
103
104
Minssen sagt von den "Vorzeige-Kennziffern" der MIT-Studie, weil sie vom Management geglaubt würden, sei es nebensächlich, ob sie stimmten. Siehe Minssen, H.: Lean production - Herausforderung für die Industriesoziologie, in: Arbeit (1) (1993), 2. Jg.: 36 - 52, hier 37. - Psychisch fuhrt derartiges Glauben zu naiver Gewissensberuhigung. Man erschrickt vor einem unheimlichen Syndrom und ist dankbar, ein "bewährtes Mittel" empfohlen zu bekommen. So erspart bzw. verschleppt man moralisch und intellektuell oft recht aufwendiges Bohren nach den wahren Gründen. Ortmann (1995: 296).
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
183
licher Nähe o.ä.) existieren, die nur existieren, weil wir "just in time" produzieren und liefern (wollen). Die Strukturen (Regeln und Ressourcen) haben ein Handeln zum Resultat, das eben die Strukturen zum Resultat hat, die..." Wenn Ortmanns Folgerungen zuträfen, würden somit das System, die Unternehmenskultur, die Unternehmensleitung und alle Mitglieder vereint die Selbstintegration ins Lean Konzept bewirken. Dafür, daß gerade das Lean Konzept seinen Erfolg solcher Art von Autopoiesis verdanken könnte, spricht vor allem, daß an den Erfolg von lean von allen Beteiligten geglaubt wird und sowohl der Monodeterminismus als auch die Zentrierung auf Produktion (bei Bösenberg/Metzen bei näherer Betrachtung zwar manageriell "unterfüttert", aber nicht aufgehoben) eine große Geschlossenheit der Organisation, einen hohen Standardisierungsgrad usw. leicht ermöglichen. 9.
Funktionalität dürfte das einzige Integrationsziel sein, wobei die Freiräume und die "Sinngemeinschaft" für jedes Mitglied darin lägen, seine Fähigkeiten, einschließlich "Proaktivität", derart zu optimieren, daß der Betrieb als Ganzes seinem Optimum möglichst nahe komme.
10. Was Integrationsmittel anbelangt, so haben Bösenberg/Metzen vorbildlich aufgezeichnet, welches komplexe Instrumentarium die Managementwissenschaft in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat und auch beispielhaft gezeigt, wie man daraus lean-relevant bedienen kann. Ergebnis Das Lean Konzept ist im Kern ein geschlossen organisiertes, auf Höchsteffizienz zentriertes Leistungserstellungskonzept. Sein Verdienst als Managementkonzept besteht darin, daß es nicht nur sämtliche älteren und neuen Effizienzierungsmittel, sondern auch neuere Bestandteile der Managementlehre als /////^mittel zu einer von der Praxis akzeptierten Mischung einzuschmelzen versucht. Da die turbulenten aktuellen und kommenden Herausforderungen der Unternehmung aber, nicht zuletzt dank elektronischem Fortschritt, immer seltener genuin in Ineffizienz begründet sind - vielleicht, wie sich
184
5. Auf der Suche nach Sinneinheit in neueren Managementkonzepten
in Teilbereichen der Massenarbeitslosigkeit nachweisen ließe, statt dessen bereits häufig in Über-Effizienz sondern vielmehr Ineffizienz sehr häufig nur der Indikator dafür ist, daß die Unternehmung nach innen und außen auf einem viel breiteren und tiefer gegründetem Erwartungsspektrum der Gesellschaft versagt hat, dürfte lean nur eine Übergangserscheinung in der Geschichte der Managementkonzepte bleiben. Für die Entwicklung eines Konzepts Identitätsorientiertes Management liefert uns das Lean Konzept keine Impulse.
6.
Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
6.1 Neue Gestaltungsparameter
wagen
Unsere Untersuchung neuerer Managementkonzepte ergibt einerseits einen unverkennbaren Trend zu ganzheitlichem und evolutionärem Denken. Doch scheint es irgendwie eine Grenze zu geben, die den Durchbruch einer Neugestaltung der Unternehmensfunktionalität auf breiter Linie verhindert. Unsere Analyse ergibt für: Management by Objectives
Umbiegen der ursprünglich qualitativ gemeinten Zielfindungsbeteiligung der Mitglieder (Members) ins rein Quantifizierbare; Zielparzellierung, Selbstverpflichtungsdruck.
Ganzheitliches Denken der St. Galler Richtung(en)
Ausbau ins rein Formale auf so hoher Abstraktionsstufe, daß sich ein ausgezeichnetes formales Koordinatensystem ergibt, möglichst breit unternehmensrelevante Gestaltungsmöglichkeiten einzufangen und einzuordnen; viele Leerstellen, vor allem die von H. Ulrich zu Beginn eingebrachte Sinndimension bleibt unterdeterminiert; ausbaufähig, weil Selbstregulierung nicht einseitig autopoietisch aufgefaßt wird.
Total Quality Management
Unternehmerisch erfolgt eine legititimatorische Ausrichtung auf Qualität als betont monokausale Herausforderung. Das Produkt steht im Mittelpunkt, zieht aber in zielorientierter Konsequenz eine Neugestaltung der Unternehmensqualität nach sich. Bleibt häufig Partialdenken, wenn Qualitätsfetischismus
186
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
den Blick blockiert. Lean Management
für
Ganzheitlichkeit
Praxeologischer Mix aus Betriebswirtschaftslehre, Managementlehre, Arbeitswissenschaft, Ingenieurwissenschaft, Psychologie. Ausrichtung auf Produktivitätssteigerung als monokausale Herausforderung. Westliche Imitate des japanischen Konzepts übersehen die "nicht herstellbare" Solidarität der Mitglieder der Unternehmung als die entscheidende Erfolgsbasis und formulieren statt dessen einen postmodern transformierten Taylorismus.
Vielleicht steckt in den Köpfen der Ökonomen ein internalisierter homo oeconomicus, der vor anstehenden Wendepunkten die Notbremse zieht: bis hierher und nicht weiter. Hinter der Grenze, in terra incógnita, könnte es ja sein, daß homo oeconomicus seinen Geist aufgeben müßte. Wir bezweifeln nicht die partielle Nützlichkeit der heuristischen Hilfskonstruktion homo oeconomicus, doch ist dessen existentielles Anliegen Gewinnerzielung in ganzheitlichem Denken längst weit besser aufgehoben ("aufgehoben" auch in dialektischer Hinsicht). Die Theorie ist an der Scheu vor der Grenze nicht unschuldig, denn wie Einstein treffend bemerkt, entscheidet letztlich die Theorie darüber, was beobachtbar ist.1 Sie setzt die Grenzen und Barrieren. Im ersten Hauptteil war es unser Anliegen zu belegen, daß nur von der Sinnfrage her der Zugang zu einer neuen Funktionalitätsbestimmung der Unternehmung gefunden werden kann. Ich bemühe mich dort um eine metatheoretische Grundlegung durchaus aus der Sicht des Ökonomen. Soll aber das Einbringen der Sinnfrage in die Ökonomie "Sinn machen", bedarf es des Mutes zur Grenzüberschreitung. Vordringlich Ulrich, H.: Plädoyer für ganzheitliches Denken. Aulavortrag der Hochschule St. Gallen, Dokumentation zum 15. Internationalen ManagementSymposium 1985: 15. Siehe auch die konstruktiven Momente, die Wunderer in einer "unpraktischen Führungslehre" entdeckt. Wunderer, R.: Führung - wohin fuhrst du? In: Die Unternehmung (4) 1985: 337 - 350, besonders 347 f.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
187
ist die Frage nach dem Menschsein ontologisch und die Frage nach der Daseinsberechtigung von Unternehmungen konsequent gesellschaftlich zu stellen. In diesem Untersuchungsabschnitt wenden wir uns der Praxis zu. Zunächst fassen wir die Ergebnisse des ersten Hauptteils zwecks "Weiterverarbeitung" zusammen: o Die Mitglieder der Unternehmung sind auf Sinn angewiesen, der Mensch ganzheitlich biographisch, die Unternehmung aus einem tagtäglichen Legitimationsnotstand der Gesellschaft gegenüber. o Sinnfindungsprozesse sind formal als Identifikationsprozesse beobachtbar und erklärbar. o Der Mensch in der Unternehmung ist das einzige Vehikel, das zu Unternehmensidentität hinführt. Wie lassen sich diese Schlußfolgerungen in die Praxis übertragen, und was bringen sie der Praxis? Ich muß den Praktiker enttäuschen, der erwartet, nun hagele es instrumentale Rezepte. Erstens ergibt sich Sinn, um mit Rombach zu sprechen, stets auf dem Teppich, auf dem man sich befindet, sprich hier der konkreten Einzelunternehmung, und dort könnte es sich ereignen, daß ein kurzfristig richtiger Rat alsbald auf Grund sich ändernder Situation zum Unsinn werden kann. Zweitens ist die Frage "Wie macht man?" gar nicht das Problem. Der managerielle Instrumentenkasten ist in den letzten Jahrzehnten nicht nur um Profilierungsschrott und bloße angloamerikanische Wortinnovationen, sondern auch substantiell "quod libet" angewachsen. 2 Der entscheidende Punkt bleibt die paradigmatische Barriere. Deshalb muß das Wagnis, identitätsorientierte Managementkonzepte in der Praxis zu entwickeln, vorrangig zunächst über notwendige Umdenkprozesse eingefädelt werden, damit Interessenten identifikatorische Prozesse überhaupt wahrnehmen können und ihre Erfordernisse rational und intuitiv als eine "andere Denke" begreifen. Umdenken also als praktische Eingangsstufe.
Ein Segment solchen Instrumentariums veranschaulichen aus der Erfahrung praktischer Nutzanwendung Sünnemann, K.-O., Oefher-Py, S., Mees, J. Loddenkemper, H.: Sinn-Management; Mehr Effizienz durch Zusammenwirken, Wiesbaden 1994.
188
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
Drei Eckparameter sind für den Identifikatorischen Prozeß in der Unternehmung maßgeblich: o der Prozeß der Zielfindung in der Unternehmung o die qualifikatorischen Kompetenzen der Mitglieder der Unternehmung o die Qualität der organisatorischen und teilweise auch der dinglichen Struktur der Unternehmung Peter Drucker hat präzisiert, wie von der Zielbestimmung alle weiteren Schritte und demnach schlußendlich der Unternehmenserfolg abhängen. 3 "Jede Unternehmung muß die Frage durchdenken: Was ist unser Unternehmen und was sollte es sein? Aus der Definition seiner Aufgabe und seines Zweckes muß ein Unternehmen Zielsetzungen in einer Reihe von Schlüsselbereichen ableiten. Es muß diese Zielsetzungen miteinander in Einklang bringen wie auch mit konkurrierenden Forderungen von heute und morgen. Es muß Zielsetzungen in konkrete Strategien umwandeln und Ressourcen auf diese konzentrieren. Schließlich muß es seine strategische Planung durchdenken, d.h. die Entscheidungen von heute, die das Unternehmen von morgen ausmachen werden." Mit der Entscheidung über die Ziele, gleichgültig ob es sich um Finalziele oder daraus abgeleitete Modal- und Subziele handelt, wird die Sinnentscheidung für die Unternehmung getroffen. Druckers Frage "Was ist unser Unternehmen?" ist aber nur zutreffend, wenn alle Mitglieder der Unternehmung in die Suche nach einer Antwort involviert wären. Dieses wäre der logische Startpunkt für identitätsorientiertes Management. Weil die selbstidentifikatorisch eingefädelte Zielbestimmung weichenstellend für alles Weitere ist, soll deren Abhandlung exemplarisch genutzt werden, die Grundhaltungen anzusprechen, deren Einpendelung Drucker, P.: Neue Management-Praxis, Bd. I, Düsseldorf 1974, zitiert nach Ulrich, H.: Unternehmenspolitik - Instrument und Philosophie ganzheitlicher Unternehmensfiihrung, In: Die Unternehmung (4) 1985: 389 - 405, dort: 389.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
] 89
top-down und bottom-up als Nebenbedingung gelten muß. Es geht vornehmlich um das Wagnis zu mehr Vertrauen und zu Gleichheit 4 Die entscheidende Qualifikation für identifikatorische Selbststeuerung der Members ist identifikatorische Kompetenz, um die sich jeder Einzelne nur selbst bemühen kann, die sich aber fördern und vorleben läßt. Um sie fördern zu können, muß man zunächst wissen, worum es geht. Wir müssen uns deshalb mit den identifikatorischen Kompetenzfaktoren beschäftigen. Schließlich ist die Bedeutung des roten Sinnfadens in allen instrumentalen, operativen und funktional systemischen Maßnahmen, vor allem wo sie sich zu organisatorischen Strukturen und somit zu sinnhaltigen Strukturen verdichten, darzulegen. Organisationsstrukturen können als solche niemals selbst Sinn stiften, aber sehr wohl prohibitiv oder fördernd wirken. Mitten drin, d.h. wenn identitätsorientiertes Management eingeführt ist und sich bewährt, ergibt sich Sinnadäquanz weitgehend aus dem Mitgestaltungsprozeß der Members. Wirft man den Blick auf die Praxis, so bestätigt sich ähnlich wie in unserer Analyse von Managementkonzepten in allen Gestaltungs- und Führungsmaßnahmen der Unternehmung eine Orientierung an "oben", bzw. von oben nach unten. Als "geheime Stärke" und Realitätskorrektiv (gegenüber Führungsblindheit, wie z.B. Anweisungen vom Grünen Tisch) waltet aber wohl so gut wie in jeder erfolgreichen Unternehmung eine nicht veranstaltete, sondern spontan von dem einen oder anderen Mitarbeiter gelebte Sinnorientierung von unten nach oben. Jedenfalls konnte ich in der auf drei Unternehmen begrenzten Untersuchung "Identitätsorientierte Menschenführung" derartige Ansatzpunkte identifikatorischer Kompetenz empirisch nachweisen. Abb- 14 veranschaulicht die zur Diskussion stehenden identifikatorischen Eckparameter.
Zu Vertrauen siehe Giddens, A.: Konsequenzen der Moderne, Frankfurt a. M., 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1997 (a): 102 - 127. Meyer-Faje, A.: Identitätsorientierte Menschenführung. Ein Beitrag zum Paradigmenwechsel in der Führungslehre, Bern 1990: 4 7 - 5 6 .
190
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
Abb. 14
Die Eckparameter identitätsorientierten Managements
Ziele
6.2
Die Zielfunktion
der
Unternehmung
Die Zielfunktion als der allen Unternehmensbereichen und Handlungen zugrunde liegende Orientierungsmaßstab, möglichst mit feedback ausgestattet, ist für jede moderne Unternehmung, gleichgültig ob eher dem mechanistischen oder dem organismischen Denken zugewandt, das einigende Band. Wie will man gestalten, steuern, lenken, ohne vorher festgelegt zu haben, wohin die Reise gehen soll? Mit der Zielbestimmung weist sich die Unternehmung legitimatorisch im Außendialog aus. Wir haben im ersten Hauptteil den inhaltlichen Rahmen legitimatorischer Neubestimmung umschrieben und wenden uns hier der Frage prozessualer Ingangsetzung zu. 6 Wir erinnern uns, daß wir es inhaltlich, nicht normativ, sondern logisch abgeleitet, mit als Aufgabe der Unternehmung formuliert haben, die Identität ihrer Mitarbeiter zu fördern. Darauf aufbauend haben wir die Mitwirkung aller Mitglieder bei der Zielgestaltung postuliert. Der erste Schritt ergibt sich aus der Tatsache, daß personale Identität sich nur mittels sozialer Interferenzen zu realisieren vermag. Wenn man davon ausgeht, daß die moderne Unternehmung, in viel größerem Ausmaß als Siehe Abschnitt 4.2 und Meyer-Faje: Mensch und Unternehmung als Sinneinheit. Was ist die identifikatorische Basis? St. Gallen 1996: 32 ff.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
191
früher, gesellschaftlichen Erwartungshaltungen gerecht werden muß, so ist es eine ihrer vordringlichen Aufgaben, dafür zu sorgen, daß ihre Mitglieder dort nicht ihre Identität abgeben müssen, sondern sie entfalten können. Abb. 15
Die Zielfunktion der Unternehmung
Wer oder was ist die Unternehmung? Die Unternehmung ist eine Institution, die sich durch ihre Mitglieder konstituiert. Wir betrachten die Unternehmung also als Gemeinschaft. Gemeinschaften kommen aber, wie Rombach feststellt, nur zustande, wenn sie von allen Mitgliedern selbst gestaltet und mit verantwortet werden1 Damit entsteht eine übergeordnete Struktur und ein Se/èsfbewuBtsein der Institution. Das Rombach, H.: Phänomenologie des sozialen Lebens. Grundzüge einer phänomenologischen Soziologie, Freiburg 1994: 146 ff.
192
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
Selbstbewußtsein der Institution ist demnach nichts anderes als das WirBewußtsein, bzw. auf unsere Thematik gewendet Unternehmensidentität. Diese Ganzheitskonfiguration wirkt reflexiv auf die Mitglieder zurück, wird von ihnen aufgenommen und positiv zurückgespielt. Ein derartiger Vorgang entspricht in etwa der idealtypischen Darstellung einer sich frei vollziehenden Sozialgenese "als Grundvorgang aller menschlichen Gemeinschaft" (Rombach). Nur solche "Sozietäten" sind in phänomenologischer Folgerichtigkeit im Werden. Herrschen andere Gestaltungskriterien, spricht Rombach von einer "unlebendigen" und deshalb auf die Dauer nicht überlebensfähigen Sozietät. Rombachs phänomenologischer Ansatz hat den Vorzug, das entscheidend Wesentliche zu treffen, ohne damit auszuschließen, daß im Detail aus soziologischer und psychologischer Sicht manches weit differenzierter ausschaut. Wir werden in Abschnitt 6.5 bei der Darstellung von Konkreativität auf Rombachs wegweisende Einsicht in Sozialgenesen zurückkommen. Der Zielfindungsprozeß wird sich formal weitgehend in Diskursen vollziehen, wenngleich sämtliche identifikatorischen Kompetenzen gefordert sind und bereits vorherrschende Strukturen, wie praktizierter Führungsstil, Konfiguration von Sitzungen, Teamerfahrung, eventuell fördernd wirken können. Daß zunächst Diskurse einen großen Zeitaufwand verursachen und Zeit Geld kostet, könnte die banalste Abwehrreaktion des Praktikers sein, und er findet wohl leicht noch mehr vordergründige Abwehrargumente. Es geht um Zielinhalte, Zielmaßstäbe, zeitlichen Bezug, Formulierung und Operationalisierung einerseits, wo bereits nicht jeder Manager jedem Mitglied an der Basis Sachkompetenz zusprechen möchte. Aber es geht auch darum, daß bei dynamisierender Demokratisierung der Zielbestimmung ein Mythos der Rationalisierung zum Opfer fallen würde. 8 Tabuziele müßten formuliert, Aushängeziele eingelöst werden. Vorgeschobene Herrschaftsziele würden sich alsbald entlarven, und rein professionelle Ziele, mit denen Eigentümer und Topmanagment lediglich ihr Können unter Beweis stellen möchten, hätten keinerlei Chance. Die auf Synergie bedachte Zielsetzung des Daimler Konzerns (Ära Reuter), Grundlage kostspieliger Akquisitionen, wäre auf breitester demokratischer Basis bestimmt nicht zustande gekommen. Der SynergieMythos war maßgeblich die Zielvorstellung einer einzigen Persönlichkeit, nämlich die des Vorstandsvorsitzenden. Kurz, von Seiten derjeniSiehe hierzu Westerlund, G., Sjörstrand, S.-E.: Organisationsmythen, Stuttgart 1981; ferner Meyer-Faje (1990: 84 ff ).
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
] 93
gen Mitglieder, die bisher maßgeblich die finale Zielsetzung, also Oberund Grundsatzziele bestimmen, wird es die verschiedensten Einwendungen geben. Mir selbst ist im Werben für "Identitätsorientiertes Management" in der Praxis gelegentlich das Argument begegnet, bereits in einem frei sich einpendelnden Zielfindungsprozeß, in den alle Mitglieder eingebunden wären, wäre das Chaos vorprogrammiert. Das ist widerlegbar. Gerade die Chaos-Forschung lehrt, was sich ganzheitliches Systemdenken längst funktionalistisch zu eigen gemacht hat: In allem Organischen, also auch im Menschen, sind bestimmte Prinzipien, vor allem das Prinzip der Selbstähnlichkeit, veranlagt, auf Grund derer Chaos zu Ordnung zurückfindet. 9 Sieht man zudem wie Piaget Organisches, Geistiges und Moralisches als Einheit und prinzipiell genetisch veranlagt an, so ist zu folgern, daß die Selbstähnlichkeit eines jeden Menschen jenes ethische Minimum enthält, das auf Soziabilität, Ordnung und Gestaltung hin tendiert. 10 Der Grundgedanke von Unternehmenszielsetzung als Selbstidentifikation läßt sich auch in einem einfachen Gedankenmodell entwickeln. Man stelle sich vor, eine Person macht sich selbständig. Es ist selbstverständlich, daß es in dieser Ein-Person-Unternehmung ein Ziel gibt, daß der Unternehmer sich dieses Ziel gesetzt hat und daß er sich mit diesem Ziel identifiziert. Erweitern wir gedanklich das Unternehmertum partnerschaftlich auf drei oder vier Personen, so wird häufig, ohne daß es des Konzeptes "Identitätsorientiertes Management" bedarf, die Zielfindung als gemeinsamer selbstidentifikatorischer Prozeß ablaufen. Unterstellen wir nun zusätzlich, die drei Partner stellen zehn Mitarbeiter ein. Ich würde bereits bei einem solchen Kleinunternehmen nicht ohne weiteres die Vermutung wagen, die Zielfindung in Miteinbindung aller Mitglieder, würde wohl funktionieren. Bei einem Unternehmen mit achthundert Mitarbeitern würde ich dann sogar behaupten, daß es höchst unwahrscheinlich ist, daß es auch einmal so wie in unserem Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt a. M. 1991; Gómez, P., Zimmermann, T.: Unternehmensorganisation. Profile, Dynamik, Modelle, Frankfurt a. M. 1992. - Zum Einstieg in die Chaosforschung siehe besonders Briggs, J., Peat, F.: Die Entdeckung des Chaos, München 1980. Rombach, H.: Strukturanthropologie, "Der menschliche Mensch", 2. Aufl., Freiburg 1993: 368.
194
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
Drei-Partner-Modell ablaufen könnte. Meiner Überzeugung nach bildet die gewohnte Interessenpriorität derjenigen Funktionsträger, die traditional bisher die Unternehmung konstituiert haben, die Barriere. Tief verwurzelte Interessenpriorität von Unternehmertum und leitendem Management schafft U n g l e i c h h e i t und verhindert Vertrauensbildung (siehe unter Abschnitt 6.3.3 Soziale Kompetenz). Nur wo es in Umdenkprozessen gelingt, diese Barriere wegzuräumen, ist die entscheidende Eingangsvoraussetzung geschaffen. Ich lasse hier in der Erstformulierung meines Argumentationsganges offen, ob es primär die traditionalen Eigentumsverhältnisse sind, wie P. Ulrich meint.11 Die Eigentumsverhältnisse sind immerhin längst schon in weitreichende soziale Verpflichtung genommen. Auch die Hierarchisierung als solche, verbunden mit unterschiedlichen Machtbefugnissen, muß nicht ausschlaggebend sein. Wie Fukuyama für Japan aufzeigt, gelingt dort zwischen Basis und Spitze von Unternehmungen eine derart kreative kommunikative Öffnung, wie sie bei uns nur unter Gleichen denkbar wäre, in Japan aber im Rahmen starker unangezweifelter hierarchischer Strukturen.12 Dem Einwand, ein nicht mit westlichem Denken vergleichbares kulturelles Apriori sei in Japan der Fähigkeit zu Bewußseinsgleichheit förderlich, wäre entgegenzusetzen, daß in westlichen Ländern ein anderes kulturelles Apriori, Demokratie, sich ebenfalls nur durch Gleicheit als Bewußtseinshaltung lebendig zu erhalten vermag.
6.3
Die personalen
Parameter identifikatorischer
Kompetenz
Wir können weiterentwickelnd anknüpfen an W. Herzogs Untersuchung aus Sicht der pädagogischen Psychologie "Das moralische Subjekt".13 Herzogs Anliegen ist nicht eigentlich der Identifikationsprozeß, zielt aber auf zwei zentrale anthropologische Dispositionen, von denen her personale Sinnsuche "Sinn macht": Ulrich, P.: Transformation der ökonomischen Vernunft. Fortschrittsperspektiven der modernen Industriegesellschaft, 3. rev. Aufl., Bern 1993, Abschnitt 7: 371 -442. Fukuyama, F.: Konfuzius und Marktwirtschaft. Der Konflikt der Kulturen, München 1995. Herzog, W.: Das moralische Subjekt, Pädagogische Intuition und psychologische Theorie, Bern 1991.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
195
-
ethische, bzw. handlungsorientiert moralische Kompetenz eines jeden Menschen und - seine geistige Autonomie. Herzog legt, wie unsere Untersuchung, ein dreidimensionales Menschenbild zugrunde und verfügt über die methodische Spannweite, um die Reduktion des Menschen, einschließlich seiner Identität, durch den Behaviorismus als reinen Konditionierungsmechanismus und die Widersprüche der nicht vollends gelingenden Befreiungsversuche Freudscher Psychoanalyse von Descartesschen Denkeinflüssen aufzudecken. 14 Herzog stellt heraus, daß es seit Piaget in der Psychologie möglich ist, sowohl empirisch naturwissenschaftlich orientiert zu erarbeiten als auch gleichzeitig die geistig-moralische Dimension mit einzubeziehen. Er zeigt auf, wie die von Piaget nachgewiesenen Wachstumsstufen kindlicher Moral bis zur Autonomie hin, integriert in eine organischganzheitliche Sichtweise mit den Kriterien o o o o o
Aktivität (Spontaneität) Holismus (das Ganze als das Elementare) Relationalität (Umweltbezogenheit) Entwicklung (Transformation) Adeterminismus
geeignet sind, die Unhaltbarkeit des Dualismus menschlicher Körper menschlicher Geist nachzuweisen. Auch die psychoanalytische imago vom "Geist als Gespenst in der Maschine" ist somit überwunden. 15 Des Menschen letztendliche Freiheit als autonomes intentionales System somit a priori nicht völlig integrierbar in autopoietische Systeme - ist damit wiederentdeckt.
15
Paradigmatisch fiir die behavioristische Entmoralisierung kann gelten: Skinner, B. F.: Beyond Freedom and Dignity, New York 1979; siehe auch dessen Roman: Futurum Zwei, Reinbek 1983. - Eine Freud gerecht werdende Würdigung wird zusätzlich durch dessen Fixierung auf das Pathologische erschwert. Siehe hierzu Herzog (1991: 146 ff.). Wie es Herzog gelingt, an den humanistischen Freud anzuknüpfen, berührt nicht unser Vorhaben. Herzog (1991: 6. Kapitel).
196
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
Herzogs Bedenken, Piagets moralisch autonomes Subjekt könnte für jenen auch ein bloßes epistemisches Interesse ausdrücken - Piaget bezeichnete sich selber als Epistomologe - verkennen m.E. das Leistbare naturwissenschaftlicher wie phänomenologischer Forschung. Piaget ging es forschungshalber nicht um den Einzelmenschen, obwohl gerade er seine Untersuchungsmethoden subjektiv standardisierte, also das Individuum am Individuum vermaß. Es ging ihm vielmehr um das Aufdecken eines allgemeingültigen Entwicklungsprinzips, worin jeder Mensch jedem anderen Menschen selbstähnlich ist. Pluspunkte verschenkt dagegen Herzog an anderer Stelle. Es wäre zu prüfen, welche Art von Rationalität Piaget der kindlichen Selbstfindung von Moral zugrunde legt.16 Es handelt sich bei Piaget nicht um eine Rationalität des mathematischen Kalküls, sondern eben jene Rationalität, derer es zum moralischen Aufwachen bedarf, der Rationalität des Kognitiven. Herzog wäre nicht Psychologe in pädagogischer Absicht, würde er nicht nach einem Menschenbild Ausschau halten, in welches sich die wiederentdeckte moralische Autonomie des Subjekts integrieren läßt, und er destilliert höchst treffend aus der Fülle anthropologischer Erkenntnisse jene konstitutiven Komponenten einer "organismischen Anthropologie", die uns auch für eine identifikatorische Fragestellung weiterhelfen. 1 Mein Anliegen ist von der Ökonomie her kommend ein ähnliches wie das Herzogs. Identitätssuche als Sinnsuche und Legitimationsstreben sind nur von der Prämisse geistig-moralischer Autonomie eines jeden Einzelmenschen thematisierbar. Wir greifen deshalb Herzogs wertvolle Vorarbeiten in modifizierter, aber auch erweiterter Weise auf, entwerfen jedoch keinen anthropologischen Ableger, sondern wenden Herzogs anthropologische Fragestellung entsprechend des Umdenkbedarfs für die Eingangsstufe in identitätsorientiertes Managementdenken. Wir fragen nach den Gestaltungsparametern selbstidentifikatorischer Kompetenz.
Siehe hierzu vor allem Piaget, J.: Meine Theorie der geistigen Entwicklung, Frankfurt a. M. 1983. Piaget, J.: Biologie und Erkenntnis. Über die Beziehungen zwischen organischen Regulationen und kognitiven Prozessen, Frankfurt a. M. 1974. Piaget, J.: Der Strukturalismus, Ölten 1973. Herzogs exzerpierende Leistung belegt, daß dort, wo es darum geht, Menschenbilder abzuwägen, nach wie vor kein Weg an den Erkenntnissen der anthropologischen Forschung vorbeifuhrt.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
197
In phänomenologischer Reduktion lassen sich fünf Kompetenzfaktoren feststellen: 1.
Handlungskompetenz als die Fähigkeit und der Wille, selbständig und zugleich reflexiv auf sich, Objekte und andere Menschen zu handeln.
2.
Moralische Kompetenz als die Fähigkeit, ethische Werte für sich zu erkennen und in Handlungen einzubringen.
3.
Soziale Kompetenz als die Fähigkeit, sich sozial zu integrieren und an der Integration anderer Menschen mitzuwirken.
4.
Neotenische Kompetenz als die Fähigkeit, lebenslang lernen zu können. Nur so wird Selbstidentifikation als biographischer Prozeß (Weg) möglich und kann qualitativ zu Entwicklung führen.
5.
Selbstüberschreitungskompetenz als die Fähigkeit, kritisch zu seiner Vita, auch wo sie nicht veränderbar ist oder scheint, Stellung zu beziehen.
Dreierlei wird bei dieser ersten Vorstellung offensichtlich: 1.
Es handelt sich um Kompetenzfaktoren, die ein Bündel darstellen und nur interdependent wirksam werden. Deshalb ist nachstehende Veranschaulichung hilfreich:
2.
Die Verhältnisse, sie scheinen nicht so zu sein. Das erodierende humane Sinnumfeld (siehe Abschnitt 1.3.2) zeitigt das Paradox, daß einerseits die Suche nach Sinn wächst, aber andererseits in indirekter Proportionalität dazu die Hilflosigkeit auf Grund defizitärer identifikatorischer Kompetenz zunimmt. Dennoch kommt, wie erwähnt, in Einzelfällen identifikatorische Kompetenz immer wieder spontan zum Durchbruch.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer 198
Prozesse in der Unternehmung
Abb. 16
Die personalen identifikatorischen Kompetenzfaktoren Moralische Autonomie
Selbstüberschreitungskompetenz
Neotenische Kompetenz
Handlungskompetenz
Soziale Kompetenz
3.
Man könnte aus der Lücke zwischen dem Kompetenz-£o// und der Realität unseren Ausführungen normative Absichten unterstellen. Doch dies wäre ein Vorwurf, um wie allzu oft als HauruckMethode eine unbequeme Thematik vom Tisch zu fegen. Auch schon zu Piagets Zeiten erreichten keineswegs alle Menschen die Entwicklungsstufe moralischer Autonomie.18 Das dargestellte Kompetenzbündel versteht sich zunächst als phänomenologische Reduktion auf das idealtypisch Essentielle. Es muß, aus logischer Wenn-Dann-Perspektive abgeleitet, auf seine Gültigkeit überprüft und auf seine Anwendbarkeit hinterfragt werden. Uns geht es hier vor allem um die Frage der Nutzanwendung. Da es hier nicht um Rezepte geht, sondern um Umdenkprozesse, die das Verständnis für die Voraussetzungen von identitätsorientiertem Management wecken möchten, bilden die Kompetenzfaktoren als Bündel einen der drei Eckparameter.
18
Siehe hierzu Ulrich, P. (1993: 2 9 7 ff.).
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
199
Wenn Mitarbeiter identifikatorische Kompetenzschwächen aufweisen, so muß es zunächst eine vordringliche und völlig neue Aufgabe sein, identifikatorische Kompetenz zu fördern. Das Double-Bind-Dilemma besteht darin, daß zumindest in westlicher Tradition Management in praxi in passioniertes und pragmatisches Machen mündet, Identität aber, wie bereits mehrfach betont, sich eben nicht machen läßt. Jeder Betroffene muß selbst seine identifikatorische Bahn finden. Doch hat sich, seit Burnham vor mehr als fünfzig Jahren die "Revolution der Manager " ausrief, inzwischen einiges evolutioniert.19 Längst kennen Literatur, Consultants und Unternehmen auch den Leader, den Moderator, den Coach und die Verflüssigung zu Co-Entrepreneurship. Identitätsorientiertes Management braucht das Wagnis zu einem noch weitergehenden Lernschritt, nämlich in allen Bereichen und auf allen Stufen zugleich pädagogisch zu wirken. Man mag einwenden, in erfolgreichen und daher aufgeschlossenen Unternehmungen gäbe es bereits den Bereich Personalentwicklung. Doch selbst dort, wo dieser Bereich vorbildlich ausgebaut sein mag,2 wären seine Reichweite als umfassende Querschnittfunktion und die "Entwicklungsphilosophie" zu überprüfen. Das "Macherdenken" des Pädagogen ist ein diametral anderes als das eines Managers. Nach traditionalem Selbstverständnis besteht erfolgreiche Pädagogik darin, sich nach und nach methodisch schrittweise überflüssig zu machen und ihre Partner in die Autonomie zu entlassen.21
20
21
Burnham, J.: The Managerial Revolution, New York 1941. Wie differenziert Personalentwicklung inzwischen in der Praxis betrieben wird, zeigt eindrucksvoll Riekhof, H.-C. (Hrsg.): Strategien der Personalentwicklung, 3. Aufl., Wiesbaden 1992. Dieses pädagogische Zentralanliegen ist auch der Entstehungszusammenhang von Herzogs Forschungsarbeit, impulsiert durch Herbarts Frage: "Wie läßt sich menschliche Subjektivität durch erzieherisches Handeln herstellen?" Herzog (1991: 370 ff.).
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer 200
Prozesse in der Unternehmung
6.3.1
Handlungskompetenz
In freier Orientierung an der Handlungslehre des Aristoteles (Prattologie) lassen sich pragmatisch ethisch-moralisch dramatisch
das Machen das Handeln die Tat
voneinander unterscheiden.22 In ökonomischen und technischen Lebenszusammenhängen spezifiziert sich aus abgegrenzter ZweckMittel-Beziehung heraus Aktivität häufig zum Machen. Chancen zur Tat stellen sich weit seltener ein, denn in den "Akten" des Alltags geht es anders zu als in den Akten eines Dramas, eben um die Bewältigung von Alltäglichem, und doch kann beispielsweise die Sinnherausforderung für die Kassiererin eines Supermarktes und eines Maschinenführers einer Produktlinie in der tagtäglichen moralischen Bewältigung (siehe Interdependenz mit moralischer Kompetenz) ein unsichtbares, weil intrapsychisches Drama verbergen. Diese tagtägliche situative Bewährung, der Prädikate wie "zuverlässig", "Durchhaltevermögen" zukommen und die Bewältigung "großer" Aufgaben des Management in außergewöhnlichen Situationen demonstrieren die Breite des Handlungsspektrums in einer Unternehmung. Dabei hat jede Handlung für jedes Subjekt, soweit sie sinnorientiert ist, ihren hohen inkompatiblen Eigenwert. Nicht zufällig haben wir soeben die Situation erwähnt. Menschliches Handeln ist stets situativ eingebunden. Die Situation hat durch ihre dinglichen, rechtlichen, technischen, sozialen und sonstigen Umstände eine zwar interpretierungsbedürftige, aber wie auch immer unausweichliche Struktur, mit der sich auseinanderzusetzen der Handelnde nicht umhinkommt.23 Die Herausforderung kann darin bestehen, eine Routineanforderung zu bewältigen, extemporiert mit neuen Situationen fertig zu werden oder auch darin, neue Situationen anzubahnen, beispielsweise die Markteinführung eines neuen Produkts mit vorzubereiten. Aber gerade in dem letztgenannten scheinbaren "Freiraum" stößt der Handelnde auf einen Siehe hierzu auch Rombach (1993: 362). Rombach entwirft zur Veranschaulichung eine "Situationskonkarde". Rombach (1993: 409).
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
201
Komplex strukturierter Situationen, die nicht nur, miteinander in Beziehung gebracht, widersprüchlich sein können, sondern sich überhaupt dem Handlungsziel widersetzen. Rombach schlägt die Unterscheidung Handeln und Grundhandeln und veranschaulicht dieses an einem Autofahrer. 24
vor
"Sein Handeln ist gewissermaßen in den Sachverhalt "Straße" eingebaut, so daß er nur noch dem Sachzwang "folgt". Es versteht sich, daß jetzt mit "folgen" nicht nur die räumliche Linienführung gemeint ist, sondern der ganze Umgriff des Autofahrens, das eine komplizierte Verarbeitung von stradalen, motorischen, witterungsmäßigen usw. Vorschriften bedeutet." Dieses Beispiel veranschaulicht etwas, was Rombach gar nicht demonstrieren möchte. "... in den Sachverhalt "Straße" eingebaut" steht als Beispiel für Grundhandeln, doch es zeigt unfreiwillig recht gut, daß sich Handeln und Grundhandeln schwerlich voneinander trennen lassen. Hinter der "komplizierten Verarbeitung von ..." steckt schon mehr als "Eingefahrenes". Die willensmäßige Bereitschaft, das Kraftfahrerethos, seine Reagibilität, insbesonders auch die Interaktionsfähigkeit den anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber (beachte die Kompetenzinterdependenzen) sind beim Fahrer für keinen Augenblick suspendiert, und es können eine Vielzahl situativer "Überraschungen" in eine Autofahrt eingelagert sein. Grundhandeln als habitualisierte Attitüde, wie es dem Persönlichkeitsnaturell entsprechen mag, aber auch Kulturkonventionen entspricht (einschließlich der Unternehmenskultur), möchte ich als routinierte Tiefenstruktur bezeichnen. 25 Grundhandeln beeinflußt die aktualisierbare Handlungskompetenz. Holleis berichtet von dem Unverständnis einer japanischen Mutterbank für das äußerst geringe Entfalten von Eigeninitiative der Manager ihrer amerikanischen Tochter. 26 Das Mißver24 25
26
Rombach (1993: 349). Rombach meint einerseits das Grundhandeln so, wie ich es darstelle, andererseits erläutert er am Beispiel "des ersten Hineinarbeiten des Bergsteigens (Whymper u.a.) in die Bergwelt als Handlungsmöglichkeit" ein schöpferisches Ersthandeln. Siehe Rombach (1993: 350 f.). Ich übergehe hier Rombachs dritte Kategorie: das Urhandeln. Holleis, W.: Unternehmenskultur und moderne Psyche, Frankfurt a. M. 1987.
202
6. Fördenmgsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
ständnis ergibt sich, weil das Urhandeln in japanischen Unternehmen informal und nicht an konkreten Direktiven orientiert ist.27 Man "weiß", was zu tun ist. Die Unternehmung benötigt beides: eine Handlungskompetenz, die sowohl vorgegebene Situationen durchsteht, sich aber auch in völlig neuartigen Situationen bewährt. Außerdem genügt zur erfolgreichen Handlung bereits aus traditionaler "Verwertungssicht" der Unternehmung - also gewissermaßen vor-identifikatorisch gedacht - nicht bloßer Handlungswille und fachliche Qualifikation, sondern es sind, wenn auch verkürzt, moralische und soziale Kompetenz gefragt. Demgemäß orientiert sich die betriebliche Personalentwicklung an komplementären Qualifizierungsvorstellungen, wie o funktionale o fachliche o operative
-
extrafunktionale Qualifikation charakterliche Qualifikation kommunikative Qualifikation.
Bereits die Pseudokomplementarität solcher Differenzierung zeigt, daß hier Qualifikation nicht identifikatorisch gemeint sein kann, denn beide Komplemente gehören elementar ganzheitlich jeweils zusammen, wie es in wirtschaftshistorischer Betrachtung das Handwerk und die Industrialisierung ante Taylor zu belegen vermag. Brater et alii stellen Maßnahmen der beruflichen Qualifikation auf Schlüsselqualifikationen ab. Ausgangspunkt für die Berufsausbildung ist für sie nicht das Berufsbild, sondern der handlungsfähige Mensch. 28 "Es genügt nicht mehr, einfach ein Berufsbild zu vermitteln, sondern es ist jetzt nötig geworden, berufliche bzw. (berufs)biographische Handlungsfähigkeit zu entwickeln gegenüber einer relativ unbekannten, in Ausbildungsordnungen inhaltlich nicht antizipierbaren Zukunft." In ihren didaktisch-methodischen Konzepten wird das Anliegen, explizit als Bildung verstanden, vom Subjekt ausgehend und von der Tätigkeit in der postmodernen Arbeitswelt zum Subjekt zurückdenkend,
Zahlreiche Belege hierfür findet man auch bei Fukuyama (1995). Brater, M., Büchele, U., Fucke, E., Herz, G.: Berufsbildung und Persönlichkeitsentwicklung, Stuttgart 1988: 46.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
203
konsequent durchgezogen. Damit demonstrieren sie exemplarisch eine zeitgemäße identitätsorientierte Qualifikationsförderung. "Die früher hochgelobte "Identifikation mit dem Beruf 1 wird heute eher als Problem erkennbar, und an die Stelle dieser entfremdeten Identitätsstruktur tritt die Notwendigkeit, sich mit sich selber bzw. mit der eigenen individuellen Entwicklung zu identifizieren, in der die verschiedenen Berufe und Tätigkeiten nur konstitutive Elemente sind." 29 Hinsichtlich Schlüsselqualifikationen als solchen sind bei Brater et alii allerdings weder Systematik noch Vollständigkeit erkennbar, obwohl durchaus eine Fülle aktueller Stichworte aufgelistet wird. 30 Das liegt einerseits schon daran, daß sich eine derartige Liste auch gar nicht aufstellen ließe, weil die Schlüsselqulifikationen in der Realität eines freien Arbeitsmarktes viel zu vielfältig sind, allerdings aber in der konkreten Situation einer bestimmten Unternehmung sehr wohl auf fünf bis zehn Items gebracht werden könnten. 31 Außerdem überschätzen Brater et alii die Antizipierbarkeit der Zukunft. Die passenden Schlüsselqualifikationen in das Schloß "Arbeitsmarkt 1998" sichern keineswegs Passung für das Jahr 2008. Man kann den betrieblichen Qualifikationsbedarf als Handlungskompetenzen nicht so klug im voraus bedenken, wie er sich alsbald unklug einstellen kann. 32 Auch hier gilt die von Bleicher formulierte Gesetzmäßigkeit der sogenannten Zeitschere. Betrachten wir die grundsätzliche Frage der Situationsstruktur, so finden sich die ersten wegweisenden Ansätze in den Humanisierungsbemühungen der späten sechziger Jahre, die teils demokratisch (AnkerOrding), teils motivatorisch (VOLVO) intendiert sind. Unter dem Vorstandsvorsitzenden Gyllenhammar revolutionierte VOLVO die Arbeits-
29 30 31
32
Brater et alii (1988: 46). Beispielsweise Brater et alii (1988: 46, 54, 72, 85). Ein überzeugendes Beispiel, wie in der Praxis umfassende Komprimierung auf wenige Items gelingen kann, bietet die Beiersdorff AG. Siehe hierzu Riekhof (1992). Die Schlüsselqualifikationen sind das Konstrukt der beruflichen Flexibilitätsforschung der sechziger und siebziger Jahre, in die auch Brater involviert war. Siehe hierzu vor allem die Veröffentlichungen von Mertens, Daheim, Beck/Brater aus jenen Jahren, bei Brater et alii angeführt.
204
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
organisation, indem folgende bisher ungewohnte Reihenfolge beachtet wurde:33 o
zuerst bestimmte menschliche legen,
Organisationsbedarfe
zugrunde
o
daraus entsprechende Organisationsformen (damals teilautonome Gruppenarbeit) entwickeln,
o
und erst dann, in einem letzten Schritt, entsprechende technische Montagevorrichtungen (kooperative Montage-Plattformen), Gebäude usw. entwickeln.
Nicht anders dürfte die Reihenfolge verlaufen, wollte man aus identitätsfördernder Sicht strukturelle Innovationen vornehmen (siehe Abschnitt 6.4). Die subjektive Handlung als "Existential" (Rombach) bedeutet, daß der Mitarbeiter in der Unternehmung bestrebt ist, sich im Handlungsprozeß und -ergebnis so zu erfahren, daß er zu sich "ja" sagen kann. Einer der ersten, der diese existentielle Dimension erkannt hat, ist der junge, damals noch "humanistische" und anthropologisierende Karl Marx in seiner Kritik des Entfremdungsprozesses in der kapitalistischen Organisation der Produktion.34 Doch einer der kardinalen Denkkurzschlüsse von Marx bestand bekanntlich darin, daß er Arbeit als Menschsein verabsolutierte und damit in jene Falle "ökonomischer Vernunft" ging, aus der bis heute noch nicht alle Ökonomen und Betriebspsychologen herausgefunden haben.35 Handeln als ein Sein, das auf dem Weg zu Sinn ist, umfaßt weit mehr als Arbeit. Weil das so ist, kann es passieren, daß ein Subjekt aus seiner Sicht eine Handlung vollzieht, die gegen die Vor-Schrift ist, aber intendiert, das für die Unternehmung Sinnvolle und das mit seinem moralischen Bewußtsein Vereinbare (beachte hier wieder die unauflösbare Verschränkung der Kompetenzfaktoren) auf einen Nenner zu bringen. Und es kann sein, daß ein Mitglied eine Aufgabe annimmt, die es eigentlich entfremden müßte, die es äußerlich nicht ändern kann, es aber innerlich durch das Erlernen von Akzeptanz und Ausdeutung (beachte
34 35
Gyllenhammar, P. G.: People at Work, Reading/Mass. 1977. Marx, K., Engels, F.: Werke, Ergänzungsband I: Berlin 1968: 515 ff. Siehe hierzu die kritischen Ausfuhrungen bei Ulrich, P. (1993: 351 ff.).
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
205
das Hineinspielen der neotenischen Kompetenz) mit Sinn zu bereichern vermag. Die Sinn-Vor-Schriften gibt sich das Subjekt autonom. Abb. 17
Handlungskompetenz
Handlungskomp etenz
Handeln
6.3.2
Moralische
handeln
Kompetenz
Für Aristoteles konnten Handlungskompetenz und moralische Kompetenz noch identisch sein. Dabei ist allerdings ein Definitionstrick. Praktisches Handeln begrenzt sich bei ihm auf "das Gute tun", und dieses "Gute tun" hatte seinen Zweck in sich selbst (z.B. die Wahrheitsfindung in einem Gerichtsprozeß). Poiesis als ein Handeln, das zu gegenständlichen Resultaten führt sowie das betrachtende Handeln sind dagegen ausgegrenzt.36 Daß diese beiden Kategorien deshalb außerhalb des Guten bleiben würden, war unwahrscheinlich, denn es gab einen die Gemeinschaft bindenden ethischen Konsens. Noch im neunzehnten
36
Siehe hierzu Herzog (1991: 329 f.).
206
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
Jahrhundert konnte Kierkegaard einen derartigen ethischen Konsens postulieren:37 "Das Ethische ist als solches das Allgemeine, und als das Allgemeine das, was für jedermann gültig ist, und das läßt sich andererseits so ausdrücken, daß es in jedem Augenblick gültig ist." Dieser ethische Urmeter ist in den westlichen Industrieländern längst verloren gegangen, anders als in asiatischen Ländern, wo, wie Fukuyama feststellt, ins Religiöse eingebettete gelebte ethische Traditionen nicht nur die gemeinschaftliche Orientierung allgemein erleichtern, sondern via Vertrauen als Wirtschaftsfaktor zu relativ niedrigen Transaktionskosten in einer Volkswirtschaft führt. 38 Die Konsequenz ist nicht unbedingt, daß es in den westlichen Industrieländern keine Moral mehr gäbe; es gibt nur keine mit Sicherheit allgemein verbindlichen Moralvorstellungen mehr. Infolgedessen vermag auch Erziehung wenig zu bewirken. Das Subjekt ist, noch mehr als in alten Zeiten, auf Selbsterziehung angewiesen. Dabei tut man sich schwer mit Kants anthropologischem Apriori, daß Wille, Freiheit und moralisches Gesetz ("das moralische Gesetz in mir") zusammengehören. Frankl geht davon aus, daß der Mensch für den "Willen zum Sinn" veranlagt ist. Jahrzehnte lange Erfahrungen und Erfolge mit klinischer Hilfe der darauf aufbauenden Logotherapie belegen, daß hier mehr vorliegt als ein ideelles Apriori. Einen naturwissenschaftlichen Nachweis in dieser Richtung zu führen hat bahnbrechend Piaget (Biologe und Entwicklungspsychologe) und später Kohlberg versucht. Piagets Leistung besteht darin, daß er moralische Kompetenz als menschliche Bewußtseinsleistung nachweist. Durch aufs Spiel bezogene Experimente hat er die Einstellung von Kindern zu Regeln untersucht und ist zu folgender Typisierung gelangt.39
38 39
Kierkegaard, S.: Furcht und Zittern, in: Werkausgabe I, Düsseldorf 1971: 67. Fukuyama (1995: 241). Zu Piagets Veröffentlichungen siehe Fußnote 16 zu Abschnitt 6.3.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
207
Egozentrische Phase des Kleinkindes, das auf Grund der Unfähigkeit, zwischen sich und anderen zu differenzieren, auf Regeln noch nicht ansprechbar ist. Stufe der heteronomen Moral In einer quasi noch mythischen Bewußtseinsphase nimmt das Kind Regeln als eine Art Botschaft einer höheren Macht an, bewundert vor allem die Eltern als eine solche höhere Macht und nimmt deren Regelvorgaben an, nicht immer ohne Angst vor sonst erfolgenden Sanktionen. Stufe der autonomen Moral Durch die erlangte Fähigkeit, logisch zu denken und die Interaktion mit Menschen, die es verstehen, möglichst auf gleicher Stufe mit ihm zu verkehren, entsteht aus dem kognitiven Erfassen der Selbstähnlichkeit mit Menschen, die man mag, die freiwillige Akzeptanz von Regeln. "Piaget zeigt, inwiefern das Selbst des Kindes moralische Bedeutung hat. Kinder, die sich nur ungenügend kennen und ihren Eltern gegenüber in gegenseitiger Achtung stehen, unterwerfen sich - ihres mangelnden Selbstverständnisses wegen - der elterlichen Autorität. Sie mögen sich sagen: "Ich 'gehöre' meinen Eltern, also übernehme ich deren Moral." Sind sie später in der Lage, sich selbst besser zu kennen und ihre Gleichartigkeit mit anderen einzusehen, anerkennen sie diese nicht mehr ohne weiteres als moralische Autoritäten. Die gegenseitige Achtung verlangt eine Begründung, die auf Reziprozität beruht. Das Kind mag sich nun sagen: "Ich bin einer von denen, also gilt für uns die gleiche Moral." Die Gleichheit ist für Menschen in modernen Gesellschaften wesentliche Instanz der moralischen Begründung."40 "Ich bin einer von denen, also gilt für uns die gleiche Moral" ist sicherlich eine Minimalausstattung moralischer Kompetenz, an der Unternehmungen und Unternehmensphilosophie ihre Freude hätten. Wenn Unternehmungen Bewerber mangels moralischer Kompetenz nicht einstellen, so ist es wohl meistens jenes Minimum, das man meint, als Herzog (1991: 211). Man beachte auch hier die notwendige Voraussetzung von Gleichheit, auf die wir bereits unter 6.2 hinwiesen.
208
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
Eintrittskarte nicht entdecken zu können. Aber kann man die Bereitschaft zu Verantwortung, die sinnorientiert auch couragiert ist "gegenzusteuern", kann man so das moralisch einsichtige Mitwirken an der Weiterentwicklung von Regeln oder das Abwägen von Gerechtigkeitskonflikten erklären? Wird hier nicht moralische Autonomie mit Rationalisierung von Moral verwechselt? Kohlbergs Konzept einer präkonventionellen, konventionellen und postkonventionellen Phase kann methodisch nicht ohne weiteres mit Piaget verglichen werden. 41 Doch knüpft die Diskursethik in ihrer Argumentation, über kommunikative Prozesse zu einer ethisch orientierten Vernunft gelangen zu können, nicht ohne Grund an Kohlberg an. 42 Kohlberg sieht die postkonventionelle Phase durch Prozesse bestimmt, in denen von Jugendlichen Rollen kritisch hinterfragt und in Diskursen verflüssigt werden. In moralischer Selbstbestimmung erfolgt dann "Orientierung an universellen ethischen Prinzipien. Orientierung nicht allein an tatsächlich geltenden sozialen Regeln, sondern an selbstgewählten abstrakten Prinzipien, die den Anspruch logischer Universalität und Konsistenz erfüllen. Orientierung am Gewissen als Handlungssdirektive und an gegenseitigem
Kohlberg, L.: Zur kognitiven Entwicklung des Kindes, Frankfurt a. M. 1974. Kohlberg, L.: Zusammenhänge zwischen der Moralentwicklung in der Kindheit und im Erwachsenenalter - neu interpretiert, in: Baltes, P. B. und Eckensberger, L. H. (Hrsg.): Entwicklungspsychologie der Lebensspanne, Stuttgart 1979: 379 - 407. - Zur Kritik siehe neben Herzog vor allem: Döbert, R.: Wider die Vernachlässigung des 'Inhalts' in den Moraltheorien von Kohlberg und Habermas - Implikationen fur die Relativismus/Universalismus-Kontroverse, in: Edelstein, W. und NunnerWinkler, G. (Hrsg.): Zur Bestimmung der Moral - Philosophische und sozialwissenschaftliche Beiträge zur Moralforschung, Frankfurt a. M. 1986: 86 - 125; Nunner-Winkler, D.: Two Moralities? A Critical Discussion of an Ethic of Care and Reponsibility versus an Ethic of Rights and Justice, in: Kurtines, W. M. und Gewirtz, J. L. (Ed.): Morality, Moral Behavior and Moral Development, New York 1984: 348 - 361; Oser, F., Althof, W.: Moralische Selbstbestimmung. Modelle der Entwicklung und Erziehung im Wertebereich. Ein Lehrbuch, Stuttgart 1992. Habermas, J.: Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt a. M. 1983.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
209
Respekt und Vertrauen. Anerkennung der Menschenwürde auch jenseits der Legalität." 43 In dieser Richtung, mögen auch insulare Restbestände konventionellen gesellschaftlichen Moralkitts für eine Weile vorhalten, liegt für das Sinn suchende Subjekt die einzige Chance: die Moral in der Handlung, via Aktion, Interaktion und Reflexion neu zu überprüfen, zu bewähren und weiterzuentwickeln. Nur so kann auch durch das Zusammenwirken der Mitglieder einer Unternehmung auf eine gemeinsame Identität hin, der Anschluß an die gesellschaftliche Realität gefunden und die Legitimation der Unternehmung jeweils aktualisiert werden. Die Diskursethik hat in ihren Bemühungen um die Neubestimmung moralischer Kompetenz sehr wichtige Beiträge geleistet. Zwar müssen wir auf unserem Standpunkt verbleiben, daß moralische Kompetenz letztlich eine Spezifität sui generis darstellt, doch hinsichtlich Förderung und Entfaltung stellt Interaktion neben Selbstreflexion und biographischen Schlüsselerlebnissen das wohl wichtigste Vehikel dazu dar. Es ist davon auszugehen, daß in jedem Menschen neben einem grundsätzlichen Sinnbedürfms, wie schemenhaft auch immer, grundsätzlich ein Sinn für Gerechtigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Soziabilität und vieles mehr veranlagt ist. Nur auf Grund dieses Apriori ist es möglich, daß sich moralische Kompetenz via interaktive Prozesse entwickeln und entfalten, sich dabei zugleich kulturell einkleiden und differenziert identifikatorische Gestalt gewinnen kann. Corsten und Lempert gehen in ihrem Forschungsbeitrag zur moralischen Kompetenz davon aus, daß die zugrunde gelegten Fähigkeiten nicht angeboren seien; man müsse sie entwickeln. 44 Entwickeln läßt sich indessen nur, was vorher bereits, zumindest wie im Samenkorn als Prinzip, eingewickelt war. Nur weil das hinsichtlich moralischer Kompetenz der Fall ist und der Mensch, geistig wie organisch gedacht, auf Ent-Wicklung angelegt ist, könnten die nützlichen Förderungsvorschläge von Corsten/Lempert auch tatsächlich etwas bewirken. 45
43 44
45
Herzog (1991: 380). Corsten, M., Lempert, W.: Moralische Kompetenz in einfachen Berufen als "human capital" und als humanes Kapital, in: Die Unternehmung (2) 1996: 75 - 88, Bezug: 77. Gleiches gilt für Brater et alii (1988).
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
210
Abb. 18
Moralische Kompetenz
Moralische Kompetenz o Wertorientierung nicht als rationalistisches Argumentationsmittel, sondern als feste identifikatorische Bindung o Stets sozial orientiert und über individuale Verbindlichkeit hinausweisend o In konkretes Handeln eingelagert o Bei Kant ein anthropologisches Merkmal, von Piaget und Kohlberg "empirisch" nachgewiesen
6.3.3
Soziale
Kompetenz
Soziale und moralische Kompetenz lassen sich faktisch nicht voneinander trennen. Sucht man in phänomenologischer Reduktion nach dem minimalen Funktionsgehalt, so ergibt sich: der Einzelne ist bereits physiologisch, bloß um zu überleben, auf Mitmenschen angewiesen. Erst recht gilt dieses für die Entwicklung unter dem Aspekt Entwicklungspsychologie (Piaget) und für das Finden personaler Identität (Buber). In weitester Umschreibimg und damit die Bedürfnisse des Einzelnen wie von Institutionen gleichermaßen umfassend, trifft "Kooperation" den rein funktionalen Kontext. Kooperation wird, wie Herzog präzisiert, ermöglicht durch die Abstimmung individualen Verhaltens über wechselseitige Erwartungen. Es mangelt nicht am Engagement der Wissenschaft, wie beispielsweise des Symbolischen Interaktionismus (Mead) und der konstruktivistischen
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
211
Psychologie (Watzlawick), diese Funktionalität untersucht und verwertbar gemacht zu haben. In aufgeschlossenen Unternehmungen mangelt es ebenfalls nicht an Maßnahmen zur Förderung der Kommunikationsfähigkeit und der Teamfähigkeit. Und doch kann solch alltäglicher Funktionalismus nur dann als betriebssicher gelten, wenn er ethisch vitalisiert ist und deshalb Vertrauen schafft. Im Kern bedeutet also soziale Kompetenz, in moralischer kung,
Verschrän-
Soziabilität. Rein Kommunikables und genuin Moralisches, wie die Befähigung zu Mitgefühl, Loyalität, Solidarität, Fairness, aber auch zu Verantwortung, durchdringen sich zu Soziabilität. Die Einzelelemente wirken, in Handlungen praktiziert, sich wechselseitig hochsteigernd, aufeinander zurück. Das signifikanteste Kommunikationsvehikel für menschliches Miteinander ist die Sprache. Die Sprache, auch wo sie n u r Medium des Denkens und Erinnerns ist, ist nur interaktiv entfaltbar. Die soziale Vernetzung zu einer DU-ICH-Beziehung und einer WIR-Beziehung, sei es als Mitteilung, Argumentation, Appell, Frage, ist nur über Sprache möglich, und menschliche Verständigung, bei der der Funke überspringt, hat ihre eigene empathische Kybernetik, die durch Intuition, Wir-Bewußtsein, Spontaneität, Dialektik, sich als menschliche Struktur erweist. Für die Bedeutung von sozialer Kompetenz als Soziabilität in der Unternehmung mögen drei Beispiele stehen. Ein besonders aktuelles Beispiel bietet die Cyberspace-Euphorie, die, vor allem in den USA, meint, nun sei das goldene Zeitalter der unbegrenzten Kommunikationsmöglichkeiten angebrochen. Zunächst wäre zu hinterfragen, ob hier nicht Kommunikation hinter jene Dimension zurückfällt, die nach anthropologischer Erkenntnis den Menschen von Tieren unterscheidet.46
Siehe hierzu die Befunde der empirischen Untersuchung von Famulla, G E., Gut, P., Möhle, V., Schumacher, M., Witthaus, U.: Persönlichkeit und Computer, Opladen 1992.
212
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
Doch noch ein zweiter Aspekt, auf den Fukuyama hinweist, ist sehr wichtig:47 "Das Internet ist ein physikalisches Netzwerk und in einem gewissen engen, aber sehr wichtigen Sinn auch eine Gemeinschaft geteilter Wertvorstellungen." Superdatenautobahnen, deren technische Effizienz unstrittig ist, können auf die Dauer nur effizient funktionieren, "wenn ihre Benutzer auf einem hohen Vertrauensniveau zusammenarbeiten und sich an gemeinsame ethische Verhaltensnormen halten .... Netzwerkorganisationen reagieren sehr empfindlich auf regelloses und unsoziales Verhalten." Ein zweites Beispiel, das ich ebenfalls Fukuyama verdanke, bezieht sich auf die Unternehmung als Netzwerkorganisation, und zwar in der spezifischen Ausgestaltung des Lean Management. Fukuyama verdeutlicht, daß das ursprünglich für den Hausgebrauch von Toyota entwikkelte Lean Management seinen Wesenskern im Identifikatorischen hat. Nur auf dieser Basis entwickeln sich in Japan die Beziehungen innerhalb informaler Untemehmensvernetzungen (Keiretsu) zwischen Zulieferern und Kunden zu Solidargemeinschaften.48 Es bedarf in Japan keines Hinweises einer ökonomischen Institutionenlehre, um die Transaktionskosten zu minimieren.49 Bezeichnenderweise haben sich japanische Automobilwerke in ihren USA-Zweigwerken bisher nicht entschließen können, mit amerikanischen Zulieferern eine ähnliche Vertrauensbeziehung einzugehen. Ein letztes Beispiel: Soziale Kompetenz hilft die Chancen der Globalisierung zu nutzen. Der Schlüssel für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen in einem anderen Land steht und fällt mit dem Einfühlungsvermögen in andere Kulturen und geht weit über die Kenntnis unterschiedlich kultu-
4S 49
Fukuyama (1995: 235 f.). So weist pornographischer Mißbrauch eindrucksvoll darauf hin, was "machbar" ist, wenn die gemeinschaftlichen Wertvorstellungen brüchig geworden sind. Fukuyama (1995: 236 ff.). Siehe hierzu auch Abschnitt 5.2.4. Fukuyama (1995: 303 ff.). - In Williamson's Verhaltensannahmen über den Menschen als den Schöpfer von Verträgen geht es lediglich um die Differenzierung von Rationalität und Eigeninteresse. Williamson, 0 . E.: Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
213
rell differenziert ausgeprägter ökonomischer Handlungsmuster (vergleiche Teppichkauf in Deutschland mit Türkei) hinaus. Abb. 19
Soziale Kompetenz
Soziale Kompetenz
Wahrnehmend
Handelnd
Sprechend
o soziale Sensibilität
o Kooperationsund Teamfähigkeit
o Diskursfähigkeit, Konsens- und Kompromißfähigkeit
o Verantwortungsbereitschaft
o Fähigkeit zu Fairness, Toleranz, Loyalität o Fähigkeit zu Solidarität
6.3.4
Neotenische
Kompetenz
Neotenie bezeichnet die Bewährung von Merkmalen der embryonalen und infantilen Entwicklungsphasen im Erwachsenenalter. Der Mensch kommt, wie Portmann und Gould nachgewiesen haben, ein Jahr zu früh zur Welt und macht in seinem exuterinen Frühjahr, entscheidend ab-
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
214
hängig von seinem sozialen Umfeld, für seine weitere Entwicklung signifikante Entwicklungsschritte. Dann aber retardiert seine Entwicklung außerordentlich, und zwar morphologisch, anatomisch und verhaltensmäßig. Der Mensch muß sich seine Menschlichkeit in einem langen Prozeß erwerben. Im Vergleich mit den Primaten behält der Mensch dann aber, anders als diese, kindliche Merkmale bei, aber auch sein Verhalten weist persistierende juvenile Züge (Lorenz) auf. Das bedeutet für den Verhaltensbereich nach Montagu: 0 o o o o o
Bewahrung und Fortentwicklung der Spielfähigkeit Beibehalten des Humors Beibehalten der Lernfähigkeit Anhaltende Zunahme der Wißbegierde bemerkenswerter Einsatz des Vorstellungsvermögens in der Fähigkeit zum "So-tun-als-ob"
Herzog betont, daß die Neotonie den Menschen davor bewahrt habe, in eine evolutionäre Sackgasse zu geraten und daß man das Kind gewissermaßen als den "Vater des Menschen" betrachten müsse. Man sollte derartige "gesicherte" Befunde nicht überstrapazieren, weil es sowohl genetische als auch soziale Gegenkräfte gibt, die zu Erstarrung und Abbau fuhren können. So haben gerade für die Arbeitswelt "klassische" empirische Untersuchungen (Jaide, Wurzbacher) bei Jungarbeiterinnen nachgewiesen, wie unter ungünstigen Milieueinflüssen und einfachsten, rein repetitiven Arbeitsanforderungen die neotenische Kompetenz bereits verkümmert ist.51 Man kann also, als ob der Ausdruck dafür geschaffen wäre, unter mißlichen Umständen bereits zwischen dem sechzehnten und achtzehnten Lebensjahr "fix und fertig" sein. Doch auch hier dürfte es möglich sein, die prinzipielle neotenische Veranlagung sozialpädagogisch und therapeutisch behutsam wieder zu reaktivieren. Montagu, A.: Zum Kinde reifen, Stuttgart 1984: 91; übernommen von Herzog (1991: 266). Jaide, W.: Junge Arbeiterinnen, München 1969. Wurzbacher, G., Jaide, W., v. Recum, H., Cremer, M.: Die Junge Arbeiterin, 3. Aufl., München 1960. Siehe auch Lievegoed, B.C.J. (1997): Lebenskrisen - Lebenschancen, Die Entwicklung des Menschen zwischen Kindheit und Alter, 11. Aufl., München.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
215
Das Stichwort "lebenslanges Lernen" gehört inzwischen zum Standardrepertoire von Managementlehrbüchern. Dabei wird bereits häufig erkannt, daß Verlernen, nicht zu verwechseln mit Vergessen, mit Lernen oft Hand in Hand gehen muß. Umdenkprozesse zu identitätsorientiertem Management hin bieten sich dafür als Beispiel an. Auch wird häufig erkannt, daß Lernen in der Handlung (on the job), weil sich selbst entfaltend, eine der besten Lernmethoden ist, nur wird - und das gilt vor allem an der Basis - stets übersehen, daß viele Handlungen in der Unternehmung, so wie sie derzeit organisiert ist, als Lernherausforderung völlig ungeeignet sind, weil die Mitglieder in ihrer identifikatorischen Kompetenz ständig völlig unterfordert werden. 52 Neuerdings verbreitet sich in der Managementliteratur ein Mißverständnis darüber, wer denn der Lernende sei. Es gibt nicht, wie Schein es darstellt, eine "lernende Unternehmenskultur", sondern nur eine Unternehmenskultur, die für lernendes Handeln ihrer Mitglieder förderlich ist. Ebenso abwegig ist es, wie Senge von einer "lernenden Organisation" zu sprechen. 53 Nur Individuen lernen, wie Staehle richtig feststellt, wobei allerdings bei seiner Darstellung der Lerntheorien die behavioristischen Theorien, die auf Konditionierung zielen, überii 54 wiegen. Der Reduktion zu Konditionierung wäre stets vorgebaut, würde man, was ich in der Managementliteratur bisher nicht entdeckt habe, Lernen als funktional in den neotenischen Kontext integriert betrachten. Aus Sicht unserer Thematik bedeutet aber die Förderung neotenischer Kompetenz durch die Unternehmung mehr: entfaltete neotenische Kompetenz wirkt als sich selbst steuerndes Förderungsvehikel der vier anderen Kompetenzfaktoren. Vermutlich erlangen Menschen auf der Suche nach dem Sinn so etwas wie ein neotenisches Gespür. Als Einstein äußerte,
Offes Nachweis, Leistung im Industriebetrieb bestehe an der Basis im Wesentlichen darin, nicht zu versagen, also in eine geplante Norm zu passen, kann, auch wenn er vor etwa fünfundzwanzig Jahren geführt wurde, nicht ohne weiteres als überholt gelten. Offe, C.: Leistungsprinzip und industrielle Arbeit. Mechanismen der Statusverteilung in Arbeitsorganisationen der industriellen "Leistungsgesellschaft", 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1972. Schein, E. H.: Unternehmenskultur, Ein Handbuch für Führungskräfte, Frankfurt a. M. 1995. Senge, P. M.: The Fifth Discipline, New York 1980. Staehle, W. H.: Management, Eine verhaltenswissenschaftliche Einführung, 6. überarbeitete Aufl., München 1992: 188 - 199.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identiflkatorischer Prozesse in der Unternehmung
216
sein Genie sei nur dadurch zum Durchbruch gelangt, daß er ein Spätentwickler war, hat er die kreativen Chancen, die in der neotenischen Kompetenz eingeschlossen sind, feinstspürig erfaßt. Und Schlick bekannte: "Der Sinn des Lebens ist die Jugend, ... wer jung stirbt, wie lange er auch gelebt haben möge, dessen Leben hat Sinn gehabt." 55 Abb. 20
Neotenische Kompetenz Neotenische Kompetenz o
Neotenie: Bewahrung von Merkmalen der embryonalen und infantilen Entwicklungsphase
0
Körperausschaltungsprinzip
o
Lebenslange Verlernfähigkeit
o
Lebenslange Lernfähigkeit
o
Die Fähigkeit, geistig jung zubleiben - homo ludens - Flexibilität - Kreativität
0
6.3.5
Chancen für ein biographisches Werden
Selbstüberschreitungskompetenz
Man könnte diesen identifikatorischen Kompetenzparameter auch selbstkritisches Bewußtsein nennen. Seine Bedeutung für unsere
Schlick, M.: Vom Sinn des Lebens, in: Symposium 1 1927: 346, zitiert nach Herzog (1991: 266).
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
217
Thematik erschließt sich am klarsten über die anthropologische Interpretation von Scheler. 56 Nach der Schelerschen Stufenlehre gelangt der Mensch, nur weil er außerdem Geist hat, über das organisch Triebhafte des Tieres hinaus. Er erlangt dadurch Selbstbewußtsein und Weltoffenheit. Man könnte auch, Scheler leicht verfälschend, sagen, durch die geistige Reflexionsfreiheit konstitutiert sich der Mensch zum offenen System. Doch die Offenheit des Systems Mensch hat nicht das Zerfließen im Grenzenlosen, sondern das Sich-Finden im Selbstbegrenzen zur Folge. Der selbstreflexive Mensch trifft mit seiner Vernunft auf Widerstände, auf "Gegen-Stände", auf die er kritisch zu reagieren vermag. Hierin besteht seine eigentliche Freiheit und Autonomie, und das ist entscheidend: 57 "Kraft seines Geistes vermag das Wesen, das wir "Mensch" nennen, nicht nur die Umwelt in die Dimension des Weltseins zu erweitem und Widerstände gegenständlich zu machen, sondern es vermag auch - und das ist das Merkwürdigste - seine eigene physiologische und psychische Beschaffenheit und jedes einzelne psychische Erlebnis, jede einzelne seiner vitalen Funktionen selbst wieder gegenständlich zu machen. Nur darum vermag dieses Wesen auch sein Leben frei von sich zu werfen." Für unsere Thematik ist damit dreierlei gewonnen: 1. Identifikationsfähigkeit setzt kritisches Wertbewußtsein voraus. 2. Das Subjekt hat die Freiheit zu beurteilen, ob es seine Handlungen bejahen will und kann Konsequenzen daraus ziehen. 3. Besonders hat das Subjekt zum mindesten die geistige Freiheit, aus seinen systemischen, kulturellen und sonstigen Zwängen bewußtseinsmäßig herauszutreten, sich also distanziert kritisch, quasi von
57
Scheler, M.: Die Stellung des Menschen im Kosmos, 13. verbesserte Aufl., Bonn 1995. Aus der Fülle weiterer anthropologischer Ableitungen scheint mir außerdem unerläßlich für das Grundverständnis: Plessner, H.: Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie, Gesammelte Schriften, Bd. 4, Frankfurt a. M. 1981. Scheler (1995: 41 f.).
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
218
außen, zu betrachten. Es ist systemisch bar. 58
niemals total vereinnahm-
Auch der fünfte Parameter wird also zur selbstevolutionären Schubkraft der übrigen vier, vorausgesetzt, daß er nicht verkümmert ist. Doch selbstkritisches Bewußtsein läßt sich wiederfinden und trainieren.
Abb. 21
Selbstüberschreitungskompetenz
Selbstüberschreitungskompetenz o
Kritische Distanzierungsfähigkeit Heideggers Hinweis auf "exsistere" = aus sich heraustreten sich zu sich verhalten
o
Systemisch: geistige Autonomiechancen
o
Situativ: geistige Autonomiechancen
o
Die Fähigkeit zur Selbstinstrumentalisierung für selbst gesetzte Ziele
o
In Fähigkeiten und Weltsicht über sich hinauswachsen
Mit der Bereitschaft, sich dem kritischen Bewußtsein ihrer Mitglieder zu öffnen, hätte die Unternehmung einen qualitativ äußerst wichtigen Gestaltungsdurchbruch vollbracht. Sie könnte sich nunmehr auch nach innen als ein offenes System bezeichnen. Für den Einstieg in identi-
Selbstverständlich handelt sich das Subjekt damit unausweichlich Konflikte ein, die sich entgegen Plessners Auffassung von "Versöhnung" nicht immer lösen lassen.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
219
tätsorientiertes Management wäre das eine außerordentlich günstige Voraussetzung.
6.4 Die organisatorischen Strukturdimensionen: Instrument, System, Sinn Organisationsstrukturen bereiten betrieblich erwünschte Handlungschancen vor. Sinnförderung als Managementaufgabe muß dieses bei allen organisatorischen Maßnahmen mit bedenken, wie das bereits erwähnte Pionierbeispiel VOLVO zeigt. Wir unterscheiden eine instrumentale, eine systemische und eine Sinndimension. Mit bedenken heißt nicht, die beiden ersten Dimensionen außer Betracht zu lassen, sondern ganzheitliches Denken. Ganzheitliches Denken, fokussiert auf die genannten drei Dimensionen, heißt synoptisches Denken. Dieses synoptische Denken einzuüben, erleichtert nachstehende Übersicht (Abb. 22). 59 Ich versuche damit an die von H. Ulrich 1968 eingeleitete Wende anzuknüpfen, als er in seinem Systemansatz eine materielle, eine funktionale und eine Sinnebene unterschieden hat. 60
59
60
Diese Übersicht habe ich in der Erstfassung für meinen Vortrag: "Challenges for Industry - Chances for Management", dargestellt am Konzept 'Identitätsorientiertes Management', am 14.12.1993 an der Universität Oldenburg entwickelt. Ulrich, H.: Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern 1968. - Als beispielhaft für die richtungsweisende Weiterentwicklung des St. Galler Ansatzes von der Organisationsseite her darf Gomez/Zimmermann (1992) gelten. Die Sinndimension sucht man dort allerdings vergebens. Ähnlich ergebnislos verläuft die Lektüre des sonst an Einblicken in humane Tiefenstrukturen von Organisation überaus hilfreichen Buches von Morgan, G.: Images of Organization, Newbury Park 1986.
6. Fördenmgsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
220
Abb. 22 Orientierungsdimensionen betrieblicher Organisation Instrumentale Dimension (1) Integrations- • Eine Organisation grad der haben Organisationselemente (2) Leit• Maschine metaphem (3) Funktionsweisen
• Machbarkeit
(4) Hauptaufgaben
• Optimale Faktorkombination
(5) Rationalitätstyp
• linear-analytisch
(6) Aktionsparameter
• Formalisierung • Standardisierung, Normung, Typung • Differenzierung, Koordination • Synchronisierung • Konzentration, Zentralisation (+, ./.) • objektbezogen • definitorische Stimmigkeit • "veranstalteter" Fortschritt
(7) Identifikationstyp
(8) Verbind• Rigide Richtlinien lichkeit der Maßnahmen (9) Konfigura- • steil tion • monozentrisch
Systemische Sinndimension Dimension • Eine Organisation • Eine Organisation sein leben • • • • • •
Organismus Gehirn Homöostase Selbstregulation Systemoffenheit Evolution
• • • • •
• Menschen als sinnorientierte Wesen • • • • •
Normen Werte Symbole Rituale Selbstidentifikation
Funktionalität Varietät Rekursion Autonomie Oberlebensfähigkeit • vernetzt-integrativ • kognitiv-intuitiv • nach außen: • nach außen: integrativ offen assoziativ offen • Kybernetik • Unternehmens ziele • Unternehmensgrundsätze • Unternehmens philosophie • Interaktionsstrukturen • prozeßbezogen • personenbezogen • systemische Stimmigkeit • personale und soziale Stimmigkeit • evolutionärer Fortschritt • Fortschritt durch idenfikatorisches Engagement • Rahmensetzung • Lockere normative Orientierungslinien • flach • polyzentrisch
• entdinglicht • kognitive Landkarten in den Köpfen der Mitarbeiter
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
221
Neun Aspekte halte ich für unerläßlich, um uns in sinnorientiertes Denken einzuüben. (1)
Integrationsgrad Wer eine Organisation hat, verfügt darüber wie über ein Gerät. Eine Organisation sein, ist bereits organismisch gedacht: durch mein Verhalten wird die Organisation als Ganzes mit beeinflußt; ich bin ihr ein dem Ganzen ähnliches Element. Wenn ich eine Struktur lebe, trage ich sie nur so lange mit, wie ich es verantworten kann. Ich versuche, wo immer möglich, mich in die Mitgestaltung und Weiterentwicklung der Organisation einzubringen.
(2)
Leitmetaphern Die Maschine und der Organismus als Metaphern sind in der Literatur ausgiebig und zutreffend behandelt worden. Diese Metaphern haben typische weitreichende Denkweisen und Maßnahmen inspiriert. Für die Sinndimension setzen wir keine Metapher, sondern das Agens selbst.
(3)
Funktionsweisen Für instrumentales Denken ist alles machbar, und alles, was vernutzt, veraltet oder zu teuer ist, ersetzbar oder abschaffbar. Entscheidend auch: ohne "Macher" tut sich nichts. Hingegen herrscht von einem Organismus die Vorstellung, daß er sich weitgehend selber reguliert. Sinn orientiert sich an Normen, Werten, Ritualen und reibt sich daran, soweit das Subjekt entsprechende Vorgaben nicht als für sich sinnadäquat akzeptieren kann.
(4)
Hauptaufgaben Instrumentales Denken ist streng der Zweck-Mittel-Logik verhaftet. Optimale Faktorkombination und optimale Prozeßergebnisse werden angestrebt. Systemisches Denken richtet das Augenmerk vor allem auf die Selbststeuerungsmechanismen des Ganzen. Damit das Ganze überleben kann, sind auch außerökonomische Zielsetzungen denkbar, und ökonomisch hat gelegentlich Satisfizieren gegenüber Optimieren und Maximieren den Vorzug. Sinnorientiert ist das Mitglied der Unternehmung ein Systemelement, das widersprechen kann, kooperationsfähig und selbständig handelt. Das Sich-Anpassen an vorgegebenen Sinn ist das Minimum an sozialer und moralischer Kompetenz, das ein
222
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
Mitglied einbringen muß. Es braucht diese Kompetenz außerdem, um frei zustande gekommene Unternehmensidentität als eine Selbsteingrenzung zu akzeptieren, an der es selbst mitgewirkt hat. (5)
Rationalitätstyp Der linear-analytische Typ darf als hinreichend bekannt vorausgesetzt werden. Der große, auch qualitative Fortschritt des Systemdenkens ist Ganzheitlichkeit, gemeint als Funktionalität. Systemdenken bewährt sich als Selektions- und Integrationsprinzip von reiner Instrumentalität. Nach außen darf Systemoffenheit nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Bezugspunkt letztlich das System bleibt, das möglichst viel Umweltkontingenzen effizient für sich integrieren möchte. Die eigene Anpassungsbereitschaft bleibt dabei ökonomistisch begrenzt. Der Rationalitätstyp "kognitiv-intuitiv" verfügt neben der Fähigkeit der beiden erwähnten Denktypen auch über "weichere Vernunftarten", wie sie beispielsweise mit Piagets Begriff des Kognitiven umfaßbar sind. Offenheit nach außen erschließt sich diesem Rationalitätstyp in ethisch gegründeter Assoziationsfähigkeit. Die Bedürfnisse der Umwelt werden zum entscheidenden Bezugspunkt. 61
(6)
Aktionsparameter Die längst klassischen Parameter des instrumentalen Katalogs können durchaus effektiv sein, falls sie eine Synthese zum Systemischen finden. Im Systemdenken gelten kybernetische Regulative als Aktionsparameter. Eine tiefer gehende Analyse würde allerdings ergeben, daß Systemdenken in der Praxis auf EDV-Vernetzung und sonst nichts hinausläuft. Das würde nicht nur eine Reduktion der Artenvielfalt von Kommunikation bedeuten, sondern lediglich auf eine fortschrittliche Stufe instrumentalen Denkens hinauslaufen. Als Aktionsparameter, die Sinn bieten oder, anders formuliert, auf Sinn widerstand stoßen könnten, sind alle normativen Handlungsregulative zu verstehen, seien es auf der Metaebene Unternehmungsphilosophie, Führungsgrundsätze und ähnliches oder, organisatorisch enger und konkreter geFür assoziative Systemoffenheit könnte beispielsweise beim Engagement im Umweltschutz die Rede des Indianerhäuptlings Seattle vor dem amerikanischen Präsidenten (1855) Leitbild sein: "Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns ... das wissen wir, die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde." Zitiert nach H. Ulrich (1985: 3).
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
223
dacht, beispielsweise Interaktionsstrukturen, wie sie im kommunikativen Zustandekommen von Beschlüssen, Sitzungsmodi, Kompetenzengliederungen und Arbeitskoordinationen eingelassen sind. Managementkonzepte stellen, bisher stets aus rein systemischer Sicht, Pakete "ganzheitlich" aufeinander abgestimmter Regulative zur Verfügung. "Management by Identification" könnte sich mit einem Päckchen begnügen. (7)
Identifikationstyp Für die beiden ersten Dimensionen bleibt Identität eine Kategorie logischer Identifizierbarkeit. Dieses gilt demnach auch für Unternehmensidentität organismisch verstanden. Organismisches Denken ist ein hilfreiches Analogisieren, doch die Unternehmung ist kein Organismus, sondern eine Sinngemeinschafi. Für Menschen bedeutet Identifikation neben der formalen Nämlichkeitsbestimmung ("identity card") den Prozeß subjektiven existentiellen Selbstverständnisses von einer selbstentworfenen Sinnperspektive her.
(8)
Verbindlichkeit der Maßnahmen Nach der Logik, daß ohne "Macher" nichts geht und mit der Exaktheit chemischer Rezepturen führt instrumentales Denken zu engmaschiger Bürokratie, in der möglichst alles geregelt ist, orientiert an allen denkbaren Pannen und Risiken auf dem Weg zum optimalen Leistungsergebnis. Je dichter beim Systemischen die Vernetzung, desto eher läuft das System Gefahr, sich als eine Art fortgeschrittener (oder fortschrittlicher?) Bürokratismus selbst zu disjunktionalisieren. Weder lassen sich alle betrieblichen Ereignisse voraussehen, noch lassen sich alle betrieblichen Vorgänge, auch wenn man nur an das "rein ökonomisch Sinnvolle" denkt, vernetzen. Bei Sinnorientierung würden sich Regularien auf das Allemötigste begrenzen, und ein schnelleres SichUmstellen auf situative Herausforderungen wäre möglich.
(9)
Konfiguration Die steile und monozentrische Hierarchisierung hat ihre Zukunft hinter sich. Doch auch die flache und polyzentrische Organisation dürfte allmählich noch mehr abschmelzen und dem zunehmend entdinglichten Organisationsmodell ähnlich werden, das Hedberg als Zeltorganisation beschrieben hat. Da Sinn a priori
224
6. Förderungsperspektiven konkreativer identiñkatorischer Prozesse in der Unternehmung
eine entdinglichte Kategorie darstellt, ist hier eine Entschlankung nicht erforderlich. Etwas überspitzt formuliert: die Qualität der Konfiguration bei Sinnorientierung ergibt sich aus der Qualität der "kognitiv sinnhaften Landkarten in den Köpfen der Mitglieder" und dem daraus folgenden Zusammenwirken. Abb. 23 Die organisatorischen Strukturdimensionen
Identitätsorientiertes Management erfordert das Bedenken organisatorischer Dreidimensionalität. Nur im Zusammenwirken der drei Dimensionen vermag Unternehmensorganisation erfolgreich zu sein. Die Dimensionen lassen sich graphisch darstellen und, indem man jede Dimension skaliert, als analytisches Hilfsmittel für empirische IstAufnahmen nutzen, vorbehaltlich einer gewissen Problematik, die sich stets bei der Umsetzung qualitativer in quantitative Daten ergibt. Keine Unternehmung kann auf rein funktionalistische Ganzheitlichkeit verzichten, die ihrerseits bereits reinen Instrumentalismus zügelt. Doch erst identitätsorientiertes Management könnte zur eigentlichen Integration, zur übergeordneten Sinnintegration führen. Das sinngeleitete Mitglied einer Unternehmung sieht im Zweifel, was eine aktuelle Situation an Handlung erfordert, nicht durch die Gitterstäbe eines Systemkäfigs, sondern es sieht die Erfordernisse an Hand-
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
225
lung unverstellt. Wenn alle Mitglieder zusammenwirkend so verfahren, so hat das kurz über lang zur Folge: der systemische Determinismus wird überwunden. Es gilt dann nicht mehr als Grundtendenz: Das System schafft sich seine Mitglieder, sondern Mitglieder gestalten ein System und erfüllen es mit Sinn. Die Systemerstarrung weicht einer stetigen Wandlungsfähigkeit.
6.5 Das konkreative
Er-Eignis
Sünnemann et alii formulieren als Praktiker: "Sinnmanagement ist Zusammenwirken" und propagieren "Mehr Effizienz durch Zusammenwirken".62 Die besondere Art des sozialen Beziehungszusammenhanges, der die "Effizienzsteigerung" - es geht um weit mehr als um Effizienz - bewirkt, ist damit aber nicht ausgedrückt. Solches vermag hingegen der von Rombach geprägte Begriff Konkreativität zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir uns in dem Bemühen, identifikatorischen Zusammenhängen auf den Grund zu kommen, mit Rombach beschäftigen, so hat das einen freiwilligen und einen zwingenden Grund. Der freiwillige Grund liegt in der von uns gewählten phänomenologischen Methode, die, auf seine Weise, Rombach ebenfalls anwendet. Der zwingende Grund liegt inhaltlich in Rombachs Strukturontologie. Rombach ist deren Begründer, indem er eigenwillig behauptet, das ontologische Paradigma sei bis zu Beginn der Neuzeit das des Substanzdenkens gewesen, es sei dann durch das Systemdenken abgelöst worden, und schließlich sei in neuerer Zeit das Strukturdenken zum Durchbruch gelangt.63 Nun ist wohl objektiv weder zutreffend, daß das systemische Paradigma abgedankt habe, noch daß das Strukturdenken verbreitet sei. Doch weil Rombach seine Strukturontologie in Antithese zum systemischen Denken entwickelt, berücksichtigt seine Systemanalyse die Tiefenstruk62 63
Sünnemann et alii (1994: 93 ff.). Siehe hierzu grundlegend: Rombach, H.: Substanz, System, Struktur. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, 2 Bde., 2. Aufl., Freiburg 1981; ferner vor allem: Rombach (1993: 127 ff., 431) sowie Rombach, H.: Der Ursprung, Philosophie der Konkreativität von Mensch und Natur, Freiburg 1994.
226
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
turen von Systemen. Man kann auch sagen, obwohl das gewiß nicht Rombachs Zustimmung finden würde, er entwickelt eine qualifizierte Systemtheorie, in der ontologische Fragestellungen nicht ausgeblendet sind. In diesem größeren Zusammenhang untersucht Rombach die Selbstentfaltung von Mensch und Institution. Sinn und Identifikation sind dabei die gestaltenden humanen Antriebskräfte. Rombach zeigt auf, wie es in der Dynamik einer sich selbstgestaltenden Gemeinschaft selbstidentifikatorische Prozesse, die zugleich selbstintegrativ sind, zu einem Steigerungspunkt kommt, bei dem gemeinsame Identität einen qualitativen Durchbruch, einen Dimensionssprung, bewirkt. Diesen hier grob skizzierten Vorgang nennt Rombach "Konkreativität", eine Bezeichnung, die wir in unser identifikatorisches Erklärungskonzept als höchst treffenden Terminus einbringen möchten. Wir können allerdings Rombach hier jedoch nicht einfach eklektisch in unsere eigene Sichtweise einbauen, sondern müssen darauf hinweisen, daß wir dabei zwei für Rombach höchst wichtige Vorstellungen nicht nachvollziehen können: die Identitätssteigerung zu Idemität und die "transzendentale Geistgewißheit". Nur auf der Basis letzterer wird verständlich, was Rombach mit Idemität meint. Er unterstellt in seiner Strukturonotologie, daß alles Seiende, also auch "tote" Materie einen den Kosmos durchwaltenden Geist transzendiere. Von den zahlreichen Stellen, wo sich Rombach mit Idemität auseinandersetzt, erscheint mir seine Herausarbeitung am Beispiel des Aurelius Agustinus am einleuchtendsten; Idemität ist ein Sich-Selbstfinden in einer Einheit mit Gott.6* Rombachs "Gott" heißt aber offensichtlich "Struktur", denn "Strukturontologie ist eigentlich Strukturkosmologie, lich Strukturtheologie."
oder letzt-
Dieses ist eine Feststellung, die sowohl Philosophen als auch Theologen - also nicht nur Ökonomen - ratlos machen dürfte. 66
65 66
Rombach (1993: 97, im Kontext von 96 - 106). Idemität ist abgeleitet aus der lateinischen Fasung des Jesu-Wortes: "Ich und der Vater sind eins". Rombach (1993: 276, im Kontext 271 - 278). Grundlegend für die moderne Metaphysik-Problematik erscheint mir Heidegger, M.: Was ist Metaphysik? (1929), in: Heidegger, M.: Wegmarken, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 1996: 103 - 122.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
227
Meine Arbeit ist besonders im Apriori eines dreidimensionalen Menschenbildes um metaphysische Behutsamkeit bemüht. Wenn ich beispielsweise eine der Identifikation förderliche Organisationsgestaltung vorschlage, gehe ich davon aus, daß Strukturen und Objekte Geist widerspiegeln können, und zwar den Geist, den Menschen in sie hineinveranlagt haben. 67 Man betrachte beispielsweise unter solchem Aspekt historisch das Freiburger Münster, ehemalige KZ-Anlagen und die "Mauer", oder mit aktuellem Bezug die Struktur des Konzepts Lean Management und eine hochleistungsfähige "Eierfabrik". Wenn wir Rombach einerseits nicht voll folgen können, so hat er uns doch auf einen anderen wichtigen "Gestaltungsparameter" aufmerksam gemacht; die Strukturiertheit der Situation ist stets mitzubedenken, wenn wir von Handlungen sprechen (siehe Abschnitt 6.3.1). Das muß, obwohl es Rombach in solchem Zusammenhang nicht noch einmal ausdrücklich betont, selbstverständlich auch für konkreatives Handeln gelten. Situationen können so strukturiert sein, daß sie konkreative und damit auch identifikatorische Prozesse hemmen, fördern, aber auch antithetisch provozieren können. Es bedarf keiner metaphysischen Argumentation, um den Dimensionssprung, der den Einstieg in eine neue Qualität bedeutet, zu begründen. Daß Menschen über sich hinauswachsen können, zeigt bereits Frankl, 68 und in Rombachs "Phänomenologischer Soziologie" ist die erste Phase konkreativer Prozesse, das identifikatorische Zusammenwachsen von Menschen zu einer Gemeinschaft als Sozialgenese, ohne "kosmologische" Strukturbeteiligung, sondern reduktiv folgerichtig und somit empirisch überprüfbar, aufgedeckt: 69 daß, wenn ein Mensch über sich hinauswachsen kann, es eine Gemeinschaft erst recht kann. Den Dimensionssprung, welchen konkreative personale Prozesse im Sinn Finden zu gemeinsamer Identität bewirken, bezeichne ich als Er-Eignis, denn es entsteht etwas Eigenes, in der Qualität völlig Neues. Ein glänzendes Beispiel für einen durch konkreative Funktionalität bewirkten Dimensionssprung liefert die jüngste deutsche Geschichte: die Ereignisse im November 1989, die dann zur deutschen Einheit führten. Wieviel aufeinander zustrebende Identität ist in mehrjährigen konkrea-
68 69
Selbstverständlich wäre weiter zu fragen, hier aber nicht Thema: Und welcher Geist spiegelt sich im Geist des Menschen wider? Siehe auch Plessner (1981). Rombach (1994: 146 ff.).
228
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
tiven Wachstumsprozessen in Ostdeutschland entstanden, um mit "Wir sind das Volk" den Dimensionssprung zu schaffen! Bekannte westdeutsche Politiker, die sich blitzschnell und pragmatisch an die Spitze des Dimensionssprunges stellten, um ihn in einer Art Swinegel-Syndrom (Ick ben all doar) als ihre eigene Leistung auszugeben, sind in keiner Weise in diesen Prozeß involviert gewesen. Sie haben ihm möglicherweise alsbald durch ihr Einbringen mit Macht unterfütterter Eigenvorstellungen eher geschadet. Statt dessen trifft das nach Rombach mit entscheidende Kriterium für Sozialgenese, das breite Getragenwerden von ganz unten, eindeutig zu. Der materialisierte "Ungeist" Mauer steht dabei provokatorisch als Symbol für eine seit Jahren unerträgliche Situation und muß weichen. Das Er-Eignis im November 1989 zeigt auch idealtypisch, wie durch den Dimensionssprung neues Bewußtsein sich Bahn bricht und neue Gestaltungschancen sich eröffnen. Wohl nahezu ein Jahr lag in Ost und West konkreative Umbruchstimmung geradezu in der Luft. Es bot sich die einmalige Gelegenheit, eine Neugestaltung des deutschen, also auch des westdeutschen Staatswesens gemeinsam zu erarbeiten. Daß und warum dieser konkreative Schwung dann abklang, ist hier nicht zu behandeln.70 Ich bin aber der Auffassung, daß mein Beispiel auch für die Institution Unternehmung sehr lehrreich ist. Zwar laufen in der Unternehmung konkreative Prozesse und Dimensionssprünge nicht in solch einmaliger und schicksalhafter Bedeutung ab. Doch noch mehr als der Staat wäre die Unternehmung auf die tagtägliche Identifikation und Mitgestaltung aller Mitglieder angewiesen. Ich sage "wäre", denn die Verhältnisse, sie sind nicht so. Ich erinnere an meine Schlußfolgerungen im ersten Hauptteil. Angesichts der zu bewältigenden völlig neuartigen Herausforderungen und ökonomisch nach wie vor stark reduktionistischen Denkmuster, wird man sich an maßgeblicher Stelle dafür entscheiden müssen, ob man neues Denken und neue Strukturen wagen oder es auf den meiner Überzeugung nach sonst allfälligen Knall ankommen lassen will.71 Soviel ist jedoch bei nüchterner Betrachtung festzustellen, daß die bloße Eingliederung der DDR in die BRD - mehr ist nicht geschehen, und auch das nur ohne Feingespür - nicht das ist, was östlicherseits mit dem Dimensionssprung angestrebt wurde. Siehe hierzu Abschnitt 4.3.
6. Förderungsperspektiven konkreativer identifikatorischer Prozesse in der Unternehmung
229
Besonders eindrucksvoll zeigt schließlich das Beispiel November 1989, wie unter einem gemeinsamen Ziel sich alle Menschen als Gleiche finden. Hier ist eindeutig jene elementare Interesseneinheit gegeben, für deren Bedarf aber in der Unternehmung, wie ich in meinen Ausführungen zur gemeinsamen Zielbestimmung dargelegt habe, sich überhaupt erst ein Bewußtsein entwickeln müßte. Immerhin lassen sich manche Firmengründungen und management buy out-Vorgänge als konkreative Episoden analysieren.
7. Identifikatorische Interferenzen Mit welchen identifikatorischen Interferenzen ist bei der Überführung des Idealtyps in den Realtyp zu rechnen? Zwei Ebenen sind zu bedenken. Auf der ersten Ebene geht es um die bejahende Einstellung der Unternehmensleitung, also um grünes Licht für identitätsorientiertes Management. Berger und Luckmann bemerken im Rahmen der Sinnfrage, bei der ihnen, nebenbei erwähnt, "Zweckrationalität" als Sinn der Unternehmung sakrosankt ist, zutreffend, daß von alters her das "Überwachen von Sinnproduktion" Anliegen der Institutionen im Interesse der Herrschaftssicherung ist.1 Aus diesem Grund hat sich das tradierte Paradigma "Unternehmensidentität" in die maßgeblichen Lehrmeinungen und ins Alltagsverständnis eingeschlichen. Nicht das Unternehmen, sondern die Identität ihrer privilegierten, herrschenden Minderheit stände bei grünem Licht auf dem Prüfstand. Mir ist menschlich verständlich, wenn die Mehrzahl von Unternehmen, selbstredend "im Interesse des Allgemeinwohls", "des nicht zu verantwortenden Risikos" (Unternehmer sein ist immer ein Risiko!), "den ökonomischen Sachzwängen" und anderen wohl erwogenen Gründen, das neue Konzept ablehnt. Wer stellt sich schon gerne - und noch dazu vor anderen - in Frage? Ich bin mir allerdings menschlich wie professionell betrachtet sicher, daß es nicht wenige aufgeschlossene und im modernen Managementdenken versierte Unternehmer/Manager geben wird, die weil sie auch ihre Unternehmung (sprich das vorliegende ökonomisch-soziale Szenario ihrer Unternehmung) dafür reif halten, das neue Konzept nach sorgfältiger Prüfung und Vorbereitung einzuführen bereit sind. Auf der zweiten Ebene ist zu bedenken, daß nicht alle Mitglieder sich achtzig- bis hundertprozentig auf die Sinnfindung in der Unternehmung und gar das Mitmischen in Geschäften, "für die Andere hoch bezahlt werden", einlassen werden. Mir scheint solche Hundertprozentigkeit aber auch weder möglich, denn wir leben nicht in dem japanischen Kulturkreis, noch wünschenswert, das erreichen zu wollen. Rousseaus aufklärerische Vorstellungen, grundrechtlichen Fortschritt mit Zwang
Berger, P. L., Luckmann, Th.: Modernität, Pluralismus und Sinnkrise. Die Orientierung des modernen Menschen, Gütersloh 1995: 15.
7. Identiflkatorische Interferenzen
einzuführen, hat sich in politisch totalitärer Nutzanwendung Reduktion der conditio humana erwiesen.
231 als
Wir können auf der Basis unserer im Untersuchungsverlauf mehrfach entwickelten Ableitungen von Frankl, Weber, Rombach und Herzog zuversichtlich auf die sozial verantwortete Sinnautonomie des Einzelnen und damit bei einer Gruppe von Einzelnen auf ein konstitutiv signifikantes Bemühen um gemeinsame Sinnfindung setzen. Auch der Blick auf die Unternehmensrealität bestärkt uns in dieser Annahme. Es gibt nämlich keine wirklich fitnktionierende Unternehmung, in der es nicht, zumindest informal, ein Minimum allgemeinen Sinnkonsenses, erwachsen und nicht erdacht oder gemacht, bereits gibt. Diese jenseits von "Unternehmenskultur"- und "Identifikationsstrategien" in der Praxis aufdeckbaren Ansätze zu genetisch keimender Unternehmensidentität können als Evidenzbeweis für unser gedankliches Konzept gelten. 2 Man wird mit folgenden Ausfällen rechnen müssen: (1) Bislang verschüttete identiflkatorische Kompetenzen (2) Orientierung der Person an anderen Sinnschwerpunkten als der Unternehmung (3) Blockade durch intrapsychische und soziale Konflikte sowie andere persönliche Belastungen (4) Angst vor Veränderungen (1) Verschüttete identiflkatorische Kompetenz wieder freizulegen, ist sicherlich kein leichtes Unterfangen, vor allem wenn die Ursachen nicht in der Arbeitswelt, sondern auf der breiten Basis allgemeiner Sinnerosion zu suchen, also gar nicht spezifisch, beispielsweise zu Herkunft und Erziehung, zuordnungsfähig wären. Hier steht der Manager vor völlig neuen Aufgaben, bedarf also auch (siehe 8. Kapitel) neuer Qualifikationen. (2) Die Orientierung der Person an anderen Sinnschwerpunkten kann daraus erwachsen sein, daß die Unternehmung sich nicht als über-
Schiffeler, J. U.: Identität in der Unternehmung. Ein empirischer Differenzierungsversuch, unveröffentlichte Diplomarbeit, Bremerhaven 1998. Schiffeier erbringt Belege für meine Vermutung, daß sich besonders Kleinund Mittelunternehmen für den Nachweis urwüchsiger Identifikationsansätze besonders eignen.
232
7. Identifikatorische Interferenzen
zeugendes Angebot darstellte. Zunächst wäre es erforderlich, die realen Angebote zu kennen. Es wäre beispielsweise schlimm, wenn einfache stumpfsinnige Routinearbeit, mit der einzigen Herausforderung, dabei nicht einzuschlafen, als Sinnangebot begriffen würde. Selbst wo "Sinn und Verstand" erforderlich sind, meint "Sinn" zumeist nur begriffenes und versiertes Handling.3 Eine andere Perspektive ist es, ob nicht über den Betriebsalltag hinausgreifendes identifikatorisches Pflichtbewußtsein die betrieblichen Aufgaben, so wie sie nun einmal sind, akzeptiert und gewissenhaft ausführt, ohne dabei an Entfremdung zu leiden. Aber auch anspruchsvollere Tätigkeiten müssen für das Mitglied nicht immer ein existentielles Sinnangebot darstellen. Hier reicht vielleicht nicht Pflichtbewußtsein, aber gerade, wer in Familie, Hobby oder politischem Engagement zu seinem zentralen Lebenssinn gefunden hat, vermag aus dieser Mitte heraus in anderen Lebensbereichen Überdurchschnittliches zu leisten. Menschen, die sich derart ihre Ganzheitlichkeit bewahren, können vermutlich auch mehr kreative Distanz, ganzheitliches Denken und Führungsqualitäten einbringen als Personen, für die die betriebliche Funktion, die sie ausfüllen und die Unternehmung als solche eines, aber auch w i r k l i c h alles
ist.
(3) Ein Mensch, der Probleme hat, ist, das hat schon Herzberg in seiner Motivationstheorie erkannt, betrieblich nicht voll engagiert, auf Sinnorientierung also zumindest zwischenzeitlich schon gar nicht ansprechbar. Es ist Frankl zuzustimmen, daß man seine Probleme loswerden kann, wenn man sich selbst vergißt und sinnhaft in einer Aufgabe wiederfindet. Ob das immer ohne Hilfestellung möglich ist, ist eine, aber eine andere Frage, auch wenn der Betroffene selbst aus seinem Problemkäfig herausfinden muß. Ob der Betrieb hier Hilfestellung geben sollte, wäre nicht nur eine Frage der Kompetenz, sondern auch des Taktes. Soweit es sich um Konflikte handelt, die das Subjekt blockieren, ist sicherlich von außen schwer zu entscheiden, ob es sich um einen Rollenkonflikt oder einen Sinnkonflikt handelt. Wie schon erwähnt, vermag ich die vereinfachte Verknüpfung, welche Soziologen und Psychologen zwischen Rolle und Identität herstellen, nicht nachzuVergleiche hierzu die identifikatorisch bedeutsamere "Handlung", Abschnitt 6.3.1.
7. Identifikatorische Interferenzen
233
vollziehen. Wer eine klare Sinn Vorstellung für seine Person gefunden hat, der braucht sich nicht, wie Habermas und Krappmann es sehen, auf das heikle Geschäft der Ausbalancierung von Rollen einzulassen, um zu seiner Ich-Identität zu gelangen, es sei denn, es würde sich um Sinnkonflikte handeln. 4 Nicht jeder Rollenkonflikt stellt, gemessen an "Menschsein wozu?", einen Sinnkonflikt dar, aber aus einer Sinnmitte heraus läßt sich die Vielzahl der täglich von einer Person zu spielenden Rollen durchaus, ohne neurotisch zu werden, durchhalten. Die Psychologie verwechselt, weil von einem anderen Menschenbild geleitet, Rollenpluralität und Sinnpluralität und gelangt zur Erkenntnis von "Patchwork-Identität" (Keupp) und "multiphrener Identität" (Gergen) als normaler Identität. Ich lasse diese Erkenntnis für sich sprechen. 6 (4) Die Angst vor Veränderungen ist vielen Menschen angeboren. Ab einem bestimmten Alter haben viele Menschen gelernt, sich in ihre Lebenssituation zu schicken, auch wenn man sie nicht für völlig zufriedenstellend hält. 7 In Unternehmungen hat dergleichen Angst häufig ihren Erfahrungshintergrund, wenn sich viele einander ablösende "managerielle Innovationen" immer wieder nur als Taylorismus anderer Machart und Vorzeigekostüm des sozialen up to date entpuppte. Die Führungsqualität des Vertrauen Schenkens und des Vertrauen Weckens könnte solche Blockaden wahrscheinlich aufbrechen.
5 6
7
Ergänzend zu meinen Ausfuhrungen in Abschnitt 2.2 sei auf den Maskenbegriff Nietzsches hingewiesen, der zutreffender als "Rolle" das Ineinandergreifen von personaler und sozialer Identität veranschaulicht. Nietzsche, F.: Jenseits von Gut und Böse, in: Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden, Bd. 2, München 1994: 603 f. Siehe hierzu Meyer-Faje (1990: 68 ff.). Keupp, H.: Auf der Suche nach der verlorenen Identität, in: Keupp, H. und Bilden, H.: Verunsicherungen. Das Subjekt im gesellschaftlichen Wandel, Göttingen 1989: 47 - 69; Gergen (1994: 34 - 38). Nietzsche: "Seit ich des Suchens müde ward, erlernte ich das Finden." Nietzsche (Bd. 2, 1994: 17).
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt Sich auf identitätsorientiertes Management einzulassen würde für die Führungskräfte der Unternehmung vordringlich zur Folge haben, sich mit dem Faktorenbündel identifikatorischer Kompetenz vertraut zu machen, und zwar erst als Zweites, um daran ausgerichtet eine kritische Sichtung bewährter Führungsmethoden vorzunehmen, die keineswegs immer zu verwerfen, sondern teilweise nur zu modifizieren sein werden. Als Erstes müssen die Führungskader das Faktorenbündel identifikatorischer Kompetenz kritisch auf sich selber wenden, also als Abhörgerät identifikatorische Stärken und Schwächen ex nunc nutzen. Es war die Absicht, das Faktorenbündel, wie verbesserungsfähig es auch sein mag, weil paradigmatisch leitend, in logischer Geschlossenheit zu entwickeln. Geht man nun in paradigmatischer Absicht weiter, so gelangt man immer noch nicht zum Machen des Nichtmachens, also zur Neubestimmung von Strategien und Organisationsstrukturen, sondern fragt nach den speziellen Führungsqualitäten, welche für das Bewirken der Initialzündung unerläßlich sind. Zweifellos handelt es sich dabei um Qualitäten, die auch danach erforderlich sein werden, um den identifikatorischen Prozeß durchzuhalten. Doch es ist mit Sicherheit, weil Menschen sich während identifikatorischer Prozesse verändern, zu erwarten, daß "mitten drin" neue Führungsqualitäten zusätzlich gefragt sein werden. Diese fortwährende Neubestimmung von Führungsqualitäten verstärkt sich dadurch, daß Freiräume für personale identifikatorische Prozesse - mit großem Vorteil für die Unternehmung die Situationsreagibiiität steigern. 1 Die hier vorgestellten sechs Hebelqualitäten erheben also nicht den Anspruch der Geschlossenheit. Selbstverständlich gilt auch hier, wie schon beim Faktorenbündel identifikatorischer Kompetenz, daß nur integrative, d.h. aufeinander bezogene Anwendung "Sinn" macht. Es handelt sich dabei um: (1) Sensitiv denken können (2) Sich distanzieren können (3) Loslassen können Rombach (1994: 253 ff.).
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt
23 5
(4) Sich auch nach "unten" solidarisieren können (5) Vertrauen schenken und annehmen können (6) Offensein für Sinnevolution Kommen die identifikatorischen Prozesse in Gang, so wachsen auch die Mitglieder in diese Führungsqualitäten hinein, denn sie lernen, viel weitergehend als bisher, sich gemeinsam zu führen. (1) Als sensitives Denken bezeichne ich ein Denken, das Rationalität nicht ausschließt, wohl aber integriert in ein umfassendes Verstehen mitmenschlicher Begegnungen und komplexer Alltagssituationen, so wie sie speziell die Unternehmung mit sich bringt. 2 Wenn wir uns einen Menschen vorstellen, der in der Lage ist, auf die Stimme seines Gewissens zu hören, also moralisch zumindest konfliktfähig zu sein, was wohl dem Muster "idealistisches wirtschaftsethisches Denken" bei Ulrich/Thielemann entspräche, sind wir der Sache schon ziemlich nahe. Saint-Exupéry sprach hier, etwas freibleibender, von der "Logik des Herzens". 3 Moderne Menschen sprechen lieber davon, auf einen anderen Kulturkreis zurückgreifend, daß sie "mit dem Bauch" denken würden, und damit völlig freibleibend, auch für Ego-Trip und jedwede Art von Irrationalität. Wenn wir "sens" aus dem Lateinischen übersetzen, kommen wir auf "Sinn" und "Gespür". Sensitives Denken hat dieses Gespür im weitestmöglichen Umfang entfaltet, wobei dem Menschen seine mindestens fünf Sinne wahrnehmend assoziativ und intuitiv, aber möglicherweise auch instinktiv, zur Verfügung stehen. Diese Kontextvariablen sind neben der Rationalität mit ins menschliche Siehe hierzu Heidegger, M.: Zur Sache des Denkens, 3. Aufl., Tübingen 1988: 79: "Vielleicht gibt es ein Denken, das nüchterner ist als das unaufhaltsame Rasen der Rationalisierung und das Fortreißende der Kybernetik. Vermutlich ist gerade dieser Fortriß äußerst irrational. Vielleicht gibt es ein Denken außerhalb der Unterscheidung von rational und irrational, nüchterner noch als die wissenschaftliche Technik, nüchterner und darum abseits, ohne Effekt und gleichwohl von eigener Notwendigkeit." Saint-Exupéry auch für Manager? Schläpfer beweist für sein Unternehmen, daß das "Sinn" macht. Schläpfer, R. ].: Kreativität und Excellence, in: A Need for Excellence, Sammelband zum 14. Internationalen Managementgespräch an der Hochschule St. Gallen, St. Gallen 1984. Siehe auch Morgan, G., Images of Organization, Beverly Hills 1986: 195: "An Organization embraces many rationalities."
236
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt
Bewußtsein eingelagert, das, wie erinnerlich, ein moralisches Bewußtsein ist. Umfassendes Wahrnehmen und Sich-Bewußtmachen führen also zu einem sensitiven Denken und Handeln, das wenn es einmal beherrscht wird, spontan ineins erfolgt. Der gelegentliche Hinweis, Frauen würden diese Art von Denken besser beherrschen als Männer, mag einiges für sich haben. Für die Problematik derartiger sekundär-geschlechtsspezifischer Attributierungen spricht, daß sie nicht objektivierbar sind, schon gar nicht Bezug nehmend auf Karrierefrauen. Noch "weicher" ist die auch in der Managementlehre verbreitete Etikettierung als "weiches Denken". (2) Sich distanzieren können heißt (vergleiche Identifikatorisches Kompetenzbündel) von der Freiheit Gebrauch zu machen, geistig aus seiner Situation heraustreten zu können, um so objektiver, emotionsfreier, aber auch einfühlsamer urteilen zu können. Wer "eine Sache überschläft", beweist, daß bei ihm eine wesentliche menschliche Fähigkeit noch intakt ist. Ein bewußtes geistiges Heraustreten einer Führungskraft bei Siemens aus der Siemenswelt ist natürlich eine viel schwierigere und umfassendere Aufgabe, aber ihr im Interesse der Führungsqualität und damit auch des Hauses Siemens gerecht zu werden, ist möglich.4 (3) Loslassen können ist aktives und risikobewußtes Können, nicht laissez-faire. Viele Vorgesetzte, ohne eigentlich autoritäre Neigungen zu haben, kümmern sich um alles, weil sie aus Erfahrung gelernt zu haben meinen, daß sonst nichts läuft. Sie werden dadurch zwangsläufig autoritär, denn sie erzeugen damit Mitarbeiter, die geschoben und kontrolliert werden müssen und denen "nachgearbeitet" werden muß. Beim Mut, die eigene Unübertrefflichkeit zu relativieren und einem Sich-Zurücknehmen ginge durch die "Untergebenen" ein Ausatmen, die Arbeitsfreude würde wiederkommen und die Leistung steigen. Für unser Konzept ist gezieltes Sich-Zurücknehmen mit eine wichtige Voraussetzung, weil hier selbstverantwortliches Handeln die entscheidende identifikatorische Triebkraft wäre.
Zu Distanzieren und Loslassen können finden sich wertvolle Anregungen bei Kükelhaus, H.: Organismus und Technik. Gegen die Zerstörung der menschlichen Wahrnehmung, Frankfurt a. M. 1979.
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt
237
(4) Rombach präzisiert Solidarität als "Geist mitmenschlicher Gemeinsamkeit". 5 P. Ulrich gelingt mit seinen Kriterien einer "normativen Logik der Zwischenmenschlichkeit" eine Verschmelzung ethischer und sozialpsychologischer Komponenten. 6 Ähnlich wie Ulrich sehe ich das Gelingen von Solidarität in Gang kommen über (a) die Einsicht in die prinzipiell gleiche Verletzlichkeit Schutzbedürftigkeit aller Menschen.
und
(b) die grundsätzliche Fähigkeit des Menschen, sich in andere Menschen hineinversetzen zu können. (c) grundsätzlich wechselseitiges Aufeinander-Angewiesensein aller Menschen. Vereinfacht gesagt, läuft (a) auf die Einsicht hinaus: Was ich bin und was ich zu leisten vermag, verdanke ich mit anderen Menschen. Die anderen Menschen sind genauso wertvoll wie ich. (b) weist auf eine weitgehend verschüttete Fähigkeit hin, die sich bei Gruppenarbeit, in Leistung vereint, geradezu modellhaft als "veranlagt" demonstrieren läßt, sich als Gleicher unter Gleichen zu wissen und zu bewegen. Sich darum zu bemühen ist für eine Führungskraft ein Bemühen, das immer nur Annäherungserfolg haben kann; die Mitglieder honorieren das redliche Bemühen, wollen und brauchen aber zugleich die Führungskraft als "Führungskraft", also als identifikatorische Stütze. Und doch ist es mehr als ein "als ob". Entscheidend ist es, daß die Einstellung, die vorbehaltlose Bereitschaft zur Solidarität, bei den Mitgliedern "rüberkommt". Zumindest in Deutschland haben höhere Führungskräfte bei aller verbindlichen Jovialität nach unten immer noch starke solidarische Berührungsängste. 7 Zwei Verdachtsmomente, worauf das deutsche Nachhinken gründen könnte, scheinen mir überprüfenswert: zum einen, ob Jahrhunderte lang weiter vererbtes Obrigkeitsdenken immer noch stärker wiegen als fünfzig Jahre Demokratie es vermögen, zum anderen, inwieweit die erstaunlichen Aufbauleistungen der westdeutschen Wirtschaft das gesellschaftliche Prestige höherer Rombach (1994: 370). Ulrich, P.: Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie, Bern 1997; 44 ff. Nach meiner Erfahrung mit ausländischen Unternehmen, die sich allerdings auf Skandinavien, die Niederlande und die Schweiz begrenzt, ist Managern das Sich-Solidarisieren dort eine unverkrampfte Selbstverständlichkeit.
238
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt
Führungskräfte zur vermeintlichen staatstragenden Elite hochschnellen läßt, eine Rolle, mit der diese neue Elite dann bisher überwiegend noch nicht fertig geworden wäre. (c) Ulrich folgert aus (a) und (b) "die sich daraus erschließende Reziprozität legitimer moralischer Ansprüche". Er überwindet damit die Sichtweise einer wechselseitigen moralischen Verklammerung nicht zur Disposition stehender gesellschaftlicher Ungleichheit. Jene "Reziprozität" war das tragende gesellschaftliche Denkmuster seit dem Entstehen des Lehenswesens im Mittelalter. Es hat sich "bewahrend" auch in das Verständnis betrieblicher Sozialstrukturen und in das Selbstverständnis eines sozial verpflichteten Unternehmertums des neunzehnten Jahrhunderts eingeschlichen und dürfte auch im zwanzigsten Jahrhundert noch keineswegs überwunden sein (siehe hierzu Abschnitt 4.1). 8 (5) C. G. Jung berichtet, daß S. Freud in einem gemeinsamen Gespräch im August 1909 den Einwand gebracht habe: "Ich kann doch meine Autorität nicht riskieren." Hierzu Jung: "In dem Moment hatte er sie verloren." 9 Dieses scheint mir ein treffendes Beispiel in doppelter Hinsicht: in Freuds offensichtlich fehlender Souveränität wird ein hierarchisches oben-unten-Denken evident sowie die Unfähigkeit, Vertrauen zu haben. In der Managementlehre ist Vertrauen als eines der Elemente des kooperativen Führungsstils seit Jahrzehnten bekannt. 10 Im Konzept identitätsorientiertes Management hat Vertrauen - hier übernehme ich eine Formulierung von Giddens, die er im Zusammenhang von "disembedding - reembedding" gebraucht - eine ontologische Schlüsselfoinktionn Es schafft ontologische Sicherheit und damit eine wichtige Stütze bei der Konstituierung selbstidentifikatorischer Entwicklung.
Ulrich (1997: 44 f.). Die ökonomische Bedeutung des traditionalen Begriffs "Reziprozität" ist tiefgreifend dargestellt bei Polanyi, K.: The Great Transformation, Frankfurt a. M. 1978. Zitiert nach Wehr, G.: Carl Gustav Jung. Leben, Werk, Wirkung. München 1985: 110. Wie bereits herkömmliches "Machen" von Identität die Bedeutung von Vertrauen erkennt, belegt eindrucksvoll Große-Oetringhaus, W. F., Strategische Identität. Orientierung im Wandel, Berlin 1996. Giddens (1997 a: vor allem 117 -168).
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt
239
Fukuyama sagt, Vertrauen entstehe dann, wenn eine Gemeinschaft eine Reihe gemeinsamer moralischer Wertvorstellungen habe, die gegenseitiges Verhalten "berechenbar", man sollte wohl besser sagen, einschätzbar, mache. Er fährt fort: 12 "Dabei ist es im Grund weniger wichtig, um welche Werte es sich im einzelnen handelt, in erster Linie kommt es darauf an, daß sie von allen Mitgliedern geteilt werden ..." In solchem Teilhaben können an gemeinsamen Werten offenbart sich zugleich die Fähigkeit zu Solidarität. Giddens arbeitet in Anlehnung an Erikson heraus, wie wichtig es ist, daß bereits das Kleinkind in Urvertrauen hineinwächst. Solches Vertrauen erwächst aus der steten Erfahrung wechselseitiger Zuverlässigkeit in der zwischenmenschlichen Begegnung. Die Kehrseite von Vertrauen ist ontologisch nicht einfach Mißtrauen, sondern begründet tiefsitzende, die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussende Furcht und Angst. Wir begegnen hier Giddens in einem zentralen Punkt, gehen dann aber grundsätzlich andere Wege. Giddens setzt auf Vertrauen, um Menschen die Angst vor institutionaler Potenz zu nehmen und sie so zugleich identifikatorisch zu stützen. Identitätsorientiertes Management baut auf Vertrauen auf, damit Menschen gemeinsam zusammenfinden und lernen, die Institution Unternehmung, in der sie tätig sind, aktiv zu verkörpern. Allerdings beleuchtet Giddens' Zentralaspekt einen auch für unsere Sichtweise nicht unwichtigen Nebenaspekt, der besonders Großunternehmen betrifft. Ab einer bestimmten Betriebsgröße, einem Mindestmaß an Arbeitsteilung und einem Netz von Tochtergesellschaften, hat jedes Mitglied unausweichlich mit einem nicht geringen Maß an Abstraktheit und Anonymität, ja auch mit einigen funktionalen "black boxes" fertig zu werden. Führungspersönlichkeiten wie Späth für die Jenaer Optik, Maucher bis vor kurzem für Nestlé und Herrhausen einst für die Deutsche Bank, sind deshalb eine unschätzbare "gesichtsabhängige" Identifikations- und Integrationsstütze nach innen, und zwar bis nach unten (obwohl sie dort 12
Fukuyama (1995: vor allem 185 - 313, Zitat 190).
240
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt
gar nichts zu sagen haben). Nicht minder wichtig ist aber etwas abgewandelt Giddens' Kernpunkt, daß diese Persönlichkeiten auch nach außen ein unschätzbares Vertrauenskapital darstellen. Sie tragen entscheidend dazu bei, daß die Gesellschaft ihren Unternehmen Vertrauen schenkt. 13 Es ist kein Zufall, daß bei einem so erfolgreichen Unternehmen wie Hewlett Packard Vertrauen in der Unternehmensphilosophie ausdrücklich thematisiert ist. Hier kommt, schon ein wenig angenähert an unser Managementkonzept, zu dem hohen Abstraktionsgrad eines weltweit verzweigten Unternehmens hinzu, daß Mitarbeiter bei HP einen breiteren selbstverantwortlichen Handlungsspielraum haben als allgemein üblich. Identitätsorientiertes Management kann nur erfolgreich sein, wenn die Handlungsspielräume der Mitglieder möglichst groß sind. Auch wenn das Unternehmen kein Multi ist, erhöht sich dadurch der Abstraktionsgrad um ein Vielfaches. Hier wirkte bisher der Vorgesetzte als Transformator und Filter. Gemäß meinem Konzept werden die Übergänge zwischen Führungskraft und Mitarbeiter verflüssigt, der Abstraktionsgrad schlägt um. Um den Freiraum zu vergrößern, muß den Mitarbeitern, damit sie zu Mitgliedern werden, ein großes Vertrauen entgegengebracht werden, und alle Mitglieder müssen nun selber in wechselseitigem Vertrauen empfangen und schenken, das in Leistungsprozesse integriert zu sehen ist, zum erfolgreichen Zusammenspiel finden. Vertrauen also mindestens im Quadrat! Jedes Mitglied wird zum vertrauenswürdigen und vertrauenswilligen Experten, der von den anderen Experten abhängt. Der Führungsexperte, der zwar Führung teilt, aber keineswegs aufgibt, respektiert jeden seiner Mitarbeiter als Experte und umgekehrt, wenn Vertrauen gelten soll. Ich behaupte, daß es bereits Unternehmen und Teilbereiche in Unternehmen gibt, die nicht veranstaltet, sondern selbstevolutionär, ansatzweise und mit Vertrauensdominanz derart funktionieren. Wie Fukuyama sehr anschaulich darstellt, wäre die Wirtschaft längst zusammengebrochen, wenn nicht tagtäglich, auch über globale Distanzen hinweg, Vertrauen ausgeAuch negativ läßt sich solches demonstrieren. Ein Amtsnachfolger von Herrhausen schadete seinem Unternehmen mit dem Fehlwort "Peanuts" sehr.
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt
241
tauscht würde. Meine Ausführungen machen, so hoffe ich, deutlich, daß Vertrauen schenken, Loslassen können, sich zu solidarischer Leistungsbereitschaft vereint wissen, nur unterschiedliche Aspekte ein und derselben Grundeinstellung sind. (6) Offensein für die Eigengesetzlichkeit selbstidentifikatorischer Prozesse erfordert ein Zweifaches: eine veränderte Zeitperspektive, die ich die "Wiederentdeckung der Langsamkeit" (Nadolny) nennen möchte, und ein Verständnis dafür, daß selbstidentifikatorische Prozesse eine andere Isomorphie aufweisen als beispielsweise chemische Laborprozesse oder der Fertigungsprozeß eines PKW. Weil das die moderne Ökonomie beherrschende Gesetz der Zeitschere schlußendlich auch der Ökonomie ihre eigene Basis entzieht - man denke vor allem an die ökologischen Folgen eines Wirtschaftens auf Distanz zur Öko-Uhr - wurde auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro SUSTAINABLE DEVELOPMENT proklamiert, als "eine Form des Wirtschaftens und Lebens, die sich finanziell, sozial und ökologisch durchhalten läßt".14 Es geht um die Berücksichtigung des ökologischen und sozialökonomischen Gleichgewichts (ich nenne als "Denkwort" zum letzteren die "80 : 20 Gesellschaft") und das Einräumen von Chancen für Selbstheilungskräfte. Mit der Franklinschen Devise "time ist money" ist das nicht zu schaffen. Bergmann veranschaulicht "Nachhaltigkeit" am Beispiel der deutschen Forstwirtschaft. Der Forstwirt geht mit dem Wald so um, daß er in Jahrzehnten noch da sein wird, und er pflanzt Bäumchen, deren "Erwachsensein" er mitunter nicht mehr erleben wird. Eben dieses Warten Können, die behutsame Geduld, ist auch im Umgang mit identifikatorischen Prozessen erforderlich. Identifikatorische Prozesse brauchen ihre Zeit, und diese Zeit läßt sich nicht fremdbestimmend verkürzen (wie das beispielsweise lebensmitteltechnologisch bei der Reifezeit für Rohwurst durchaus der Fall ist). Es ist deshalb infolge sozialer Kohäsion zwar nicht anzunehmen, daß in einer Gemeinschaft die Entwicklung von Selbstidentifikation und die Transformationsfähigkeit zur sozial übergreifenden Identifikation zeitlich völlig auseinander liegen werden, aber grundsätzlich ist ein zeitlicher Gleichschritt auszuschließen, und auch das Gesamttempo ist nicht berechenbar. Bergmann, G.: Zukunftsfähige Unternehmensentwicklung. Realistische Visionen einer anderen Betriebswirtschaftslehre, München 1996: 2.
242
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt
Schauen wir auf den identifikatorischen Prozeß als solchen. Identifikatorische Prozesse sind ein ganzheitliches (Geist-Psyche-Leib) Werden. Die Identifikanten ändern sich sinnorientiert kontinuierlich, aber gelegentlich auch diskontinuierlich. Selbstverständlich wissen sie, daß sie "die nämlichen" sind, aber sie können nichts dafür, wenn sie, wie Adenauer einst für sich bekannte, von Tag zu Tag klüger werden, also ihre Sinnorientierung von gestern heute aus sinnhafter Einsicht ändern. Dieser Wandel ist durch keine BioUhr determiniert. Die unwiderruflichen biologisch determinierten Lebensphasen stellen vielmehr eine geistige Herausforderung dar, zu der sich jeder Einzelne in Freiheit sehr unterschiedlich stellen kann. Es gibt aber auch keinen identifikatorischen Determinismus, der besagen würde, Sinnorientierung und damit identifikatorisches Reifen erfolge in der Hauptrichtung als ansteigende Gerade. Der Identifikant hat auch die Freiheit, auf der identifikatorischen Wegstrecke "dümmer" zu werden. Dabei trifft existentiell allein er die Entscheidung über "dumm" und "klug". Vielleicht wertet er seine gestrige Klugheit heute als Dummheit. In der Unternehmung scheint mir ein übliches Mißverstehen selbstidentifikatorischer Prozesse bei der Neubesetzung von Führungspositionen häufig geradezu exemplarisch evident zu sein. Es ist mit zu bedenken, wie sich eine Persönlichkeit entwickeln wird, nachdem sie den Karrieresprung geschafft hat. Wächst sie mit den höheren Herausforderungen, oder läßt sie die positiven Eigenschaften, welche die Besetzung bewirkt haben, als nun überflüssig hinter sich? Wie wird sie auf bisher von ihr nicht gekannte Einflüsse, auf Sachzwänge, aber auch bisher nicht geahnte Machtausübungsmöglichkeiten reagieren? Wie beeinflußt der Erfolg den Charakter? Welchen Einfluß kann Privates auf identifikatorische Entwicklung haben? Fragen über Fragen. Die Praxis, einen gegebenen Leistungsstand und ein gegebenes Persönlichkeitsprofil in die Zukunft hochzurechnen, geht immer wieder voll daneben. Auch wie im Test der Proband seine eigene Entwicklung sieht, sagt bei aller Ehrlichkeit nichts darüber aus, ob er vielleicht schon in einem Jahr via Entwicklung sich ein abweichendes Sinnprofil für seine Zukunft geben würde.
243
8. Neue Führungsqualitäten sind gefragt
Abb. 24
Identitätsfordernde Führungsqualitäten Sensitiv denken
Offen sein für Eigensinn
Distanz finden
Vertrauen schenken und annehmen
Loslassen können
Solidarität einüben
Selbstidentifikatorische Prozesse haben es also auf Grund ihrer lebendigen Isomorphie in sich. Sie bieten aber in gelebte Unternehmensidentität und damit in mitgestaltende Zielbestimmung der Unternehmung mündend, die Gewähr für eine Soziabilität, die im persönlichen Interesse der Mitglieder wie im gemeinsamen Leistungsbewußtsein up to date ist.
RÜCKBLICK
UND
AUSBLICK
9. Zusammenfassung Ich gliedere meine thesenartige Zusammenfassung in o
Grundsätzliche Leitlinien und
o Annäherung an die Praxis. Es werden hier nur die tragenden Stichworte für identitätsorientiertes Management genannt, ohne die in meiner Untersuchung vorgenommene wissenschaftliche Ableitung, wohl aber in der Kontinuität der entwikkelten Systematik. Grundsätzliche
Leitlinien
0) Ausgangsbasis ist ein dreidimensionales Menschenbild. Der Mensch ist ein Wesen, das aus der Wechselwirkung von Körper, Psyche und Geist besteht. Trotz dieser Wechselwirkung ist es die geistige Autonomie, die den Menschen zu einer intellektuell und moralisch freien und damit selbstverantwortlichen Persönlichkeit macht. (2) Für den Menschen stellt sich implizit oder explizit die existentielle Frage: Menschsein wozu? In dieser Bedeutung wird hier "Sinn" verstanden. Daß es auch andere Sinnbegriffe gibt, wie lebenspraktisches Verstehen eines technischen Vorgangs oder die Frage nach dem Sinn einer mathematischen Aufgabe bleibt unberücksichtigt.
(3) Auch für die Unternehmung stellt sich die Frage nach dem Sinn. Sie lautet hier: Unternehmung wozu?
9. Zusammenfassung
245
(4) Der Unterschied zwischen beiden Sinnfragen besteht darin: -
Die Person kann nur selber ihren Sinn finden, und jeder Mensch ist bei allen sozialen und situativen Abhängigkeiten - frei dafür, das auf seine Weise zu tun.
-
Welchen Sinn er sich auch gibt und in wieweit er dabei stecken bleibt oder scheitert, ist ausschließlich sein privates Risiko. Er geht durch solches Scheitern, zumindesten oberflächlich betrachtet, normalerweise nicht zugrunde.
-
Die Unternehmung ist eine Einrichtung, die ihre Existenz ausschließlich menschlichen Bedürfhissen in der Gesellschaft verdankt.
-
Sie kann sich, um nicht Konkurs zu machen, nur den Sinn leisten, der ihre Existenz vor der Gesellschaft legitimiert.
-
Wir sprechen deshalb bei der Sinnfrage der Unternehmung von "Legitimation".
(5) Auch der Markt ist eine gesellschaftliche und damit historisch und kulturell eingebundene Einrichtung.
(6) Wenn wir den inhaltlichen Aspekt der Sinnfrage betrachten, bleiben wir bei Sinn. Wenn wir den formalen Prozeß dabei betrachten, sprechen wir von "Selbstidentifikation" (der Kürze halber gelegentlich auch nur von Identifikation). Wenn wir von dem jeweiligen Selbstbewußtsein der im selbstidentifikatorischen Prozeß stehenden Person sprechen, bezeichnen wir das als "Identität", meinen damit also stets Selbstidentität. Andere wichtige Identitätsbegriffe, wie die logische Nämlichkeit und die sozial zugeschriebene Identität berühren den Kern unserer Untersuchung nicht.
246
9. Zusammenfassung
(?) Die Unternehmung ist eine Institution. Eine Institution kann als solche kein eigenes Bewußtsein haben. Es ist zwar gebräuchlich, von Unternehmensidentität zu sprechen. Gemeint sind damit aber Sinnleitbilder, welche die Unternehmensleitung erstellt und deren Übernahme durch die Mitarbeiter sie anstrebt. (8) Die Unternehmung wird von Menschen konstituiert, die in ihr eine soziale Leistungskooperation bilden. Somit kann Unternehmensidentität nur als Resultante selbstidentifikatorischer Prozesse von Einzelpersonen, die sich in gegenseitigem Verständnis füreinander um den gemeinsamen Leistungserfolg bemühen, entstehen. Alle Personen in der Unternehmung leben also die Unternehmung und damit auch Unternehmensidentität. (9) Entsprechend der Bedeutung, welche damit der identifikatorische Beitrag jedes Mitarbeiters grundsätzlich hat, sprechen wir von "Mitgliedern" der Unternehmung. Das englische Substantiv "member" ist noch bezeichnender, weil es zugleich "Glied" bedeutet. Ein member als Mitarbeiter konkurriert nicht mit den anderen Mitarbeitern. Es herrscht das Bewußtsein, daß jedes Glied in der Unternehmung "in der Schuld des anderen" steht.1 (10) Daß es in jeder Unternehmung einen gewichtigen institutionalen Restkern gibt, der zwar von Menschen geschaffen, aber für die Mitglieder zunächst als Datum betrachtet werden muß, beeinträchtigt unsere Schlußfolgerungen nicht. Siehe hierzu Thureau-Dangin, Ph.: Die Beine der Konkurrenz. Wenn Wettbewerb zur leitenden Idee wird. Eine Gesellschaft ohne Schatten und eine Gegenwart ohne Zukunft. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bilder und Zeiten, v. 12.9.1988.
9. Zusammenfassung
247
Ol) Selbstidentifikation der Mitglieder setzt weitestgehende Handlungsund Verantwortungsfreiheit voraus. Damit es nicht zur "halbierten" Verschränkung der selbstidentifikatorischen Prozesse zu Unternehmensidentität kommt, müssen sich die Mitglieder an dem Prozeß der gemeinsamen Ziel- und Legitimationsbestimmung der Unternehmung beteiligen können. (12) Dadurch entsteht ein Doppel-"Nutzen" für die Mitglieder und das soziale Gesamt "Unternehmung": - Die Mitglieder haben die Möglichkeit, ihre Persönlichkeit ganzheitlicher in die Unternehmung einzubringen als bisher. - Es entsteht in fortschreitender sich vernetzender Identifikation ein qualitativer (konkreativer) sozialer Sprung. - Außerdem hat der Legitimationsprozeß keine Chance mehr zu erstarren. Er vermag up to date zu bleiben. (13) Im Unterschied zur personalen Sinnfindung, die jeder irgendwie mit sich alleine abmachen muß, lassen sich grundsätzlich für die Suche nach Unternehmenslegitimation Suchrichtungen weisen: - Was erwartet die Gesellschaft altbewährt streng ökonomisch, was an sozial verantwortlicher Leistung, beides möglichst in der Legierung "sozial-ökonomisch" zusammengreifend? - Welche normative Orientierung erwartet die Wirtschaftsordnung, hier die Soziale Marktwirtschaft? - Welche Eigengesetzlichkeiten des immateriellen, materiellen und humanen Kapitals sind zu beachten? -
Sind insbesondere, weil das humane Kapital der für die Gestaltung und damit für den Erfolg entscheidende Faktor ist, die anderen Faktoren, Sinn und damit auch Arbeitsfreude und Leistung fördernd, dienend auf das humane Kapital abgestimmt? Die bisherige Form der Menschenführung schreibt nur Methoden, deren Grundlegung im neunzehnten Jahrhundert erfolgte, partial innovierend fort.
248
9. Zusammenfassung
(14) Identitätsorientierte Menschenführung bietet sich als Konzept an, das der Eigengesetzlichkeit des humanen Kapitals Rechnung trägt und zugleich unternehmenskompatibel ist. (15) Selbstidentifikation läßt sich niemals machen, sondern nur fördernd in Gang setzen und in Gang halten. (16) Die Unterschiede zwischen Führenden und Geführten verflüssigen sich. Führung wird deshalb keineswegs überflüssig, muß aber im Grundsätzlichen und von den Methoden her neu durchdacht werden. (17) Der Leistungsprozeß in der Unternehmung muß sich schlußendlich rechnen. Er setzt sich aber aus einem Komplex zusammenwirkender vielfältiger Faktoren zusammen. Für einen Teil dieser Faktoren ist Rechnen der völlig inadäquate Annäherungsversuch. Es gilt das Paradox: Sobald man auf dem Gebiet der Menschenführung anfängt zu rechnen, gefährdet man das durchaus rechnungsbedürftige Gesamtergebnis. Nur Führungsmaßnahmen, die wirklich nur um des Menschen willen erfolgen, haben die Chance, zu einem erhöhten Erfolg zu führen.
Annäherung an die Praxis (18)
Identitätsorientierte Menschenführung ermöglicht eine fließende Aktualisierung von Zwecken, Strukturen und Prozessen in der Unternehmung.
9. Zusammenfassung
249
(19) Identitätsorientierte Menschenführung kann nur starten, wenn die Führungskräfte der Unternehmung bereit sind, sich auf einen grundlegenden Umdenkprozeß einzulassen. (20) Die personale Ist-Situation der Unternehmung ist zu bedenken, und zwar hinsichtlich der gelebten "Unternehmenskultur" und der bisher erkennbaren und geförderten identifikatorischen Kompetenz der Mitarbeiter. Für Unternehmen, deren Mitarbeiter schon seit langem durch human verantwortliche Führung aufgeschlossen sind, dürfte sich unser Konzept zunächst besonders eignen. (21) Die entscheidenden Gestaltungsparameter (Eckparameter) sind: -
das Faktorenbündel identifikatorischer Kompetenz
- selbstidentifikatorische Zielfunktionalität in der Unternehmung -
sinnintegratives Organisationsverständnis
(22) Als Hebelqualitäten müssen die Führungskräfte beherrschen: - sensitives Denken -
Distanzierungsfähigkeit
-
Loslassen können
-
Solidarisierungsfähig sein
- Vertrauen schenken und annehmen können - Einsicht und Offenheit für Eigengesetzlichkeit identifikatorischer Prozesse (23) Es wird nicht unterstellt, daß alle Mitglieder achtzig- bis hundertprozentig (soweit überhaupt meßbar) in die hier aufgezeigten "inneren Möglichkeiten" hineinwachsen werden. Solches wird auch aus Achtung
250
9. Zusammenfassung
vor der personalen Autonomie in der Sinnfrage nicht für wünschenswert gehalten. Wohl aber muß die aufgezeigte "innere Möglichkeit" der Selbstidentifikation seitens der Unternehmung grundsätzlich für alle Mitglieder gefördert werden. Es ist realistisch, davon auszugehen, daß trotz der Einschränkung, daß ein Teil der Mitglieder identitätsorientierte Co-Führung nur begrenzt mittragen will oder kann (oder zur Zeit noch nicht kann), sich mehr als eine "tragende Minderheit" stark selbstidentifikatorisch in die Unternehmung einbringen würde. (24) Bei identitätsorientierter Unternehmensführung.
Führung ist Menschenführung Kern
der
(25) Die Unternehmung findet auf einer realistischen Basis zu Handlungsautonomie zurück. Identitätsorientierte Unternehmensfiihrung bietet die Chance, Antworten zu finden auf die von Franz Böhm und Hans Großmann-Doerth aufgeworfene Frage: "Wie kann der Geist die Tatsachen gestalten, wenn er sich selbst vor dem Gang der Tatsachen verneigt?" 2
Schlußbetrachtung Mit dem Konzept Identitätsorientiertes Management meine ich nicht, das Rad neu erfunden zu haben. Die Grundahnung, daß allen bisherigen Managementmethoden und den betriebswirtschaftlichen Paradigmen etwas Entscheidendes fehlt, um die Herausforderungen eines diskontinuierlich veränderten globalen Szenarios zu bestehen, ist in Theorie und Praxis ansatzweise vorhanden. Dafür spricht die Fülle der einschlägigen Literatur. Es gibt systemische und instrumentale Bausteine die Fülle.
Zit. nach: Jöhr, W. A.: Der Auftrag der Nationaläkonomie. Ausgewählte Schriften, Tübingen 1990: 393.
9. Zusammenfassung
251
Dieses verkenne ich nicht. In dem Bemühen auf dem Weg zu einem neuen Gebäude habe ich aber versucht, das sozioökonomische Handlungszenario von einer bisher noch nicht gewagten Perspektive, also unter einer neuen Beleuchtung zu sehen. Dadurch wird manches angeblendet, was traditional ausgeblendet blieb: Durch die Sinnfrage können die bisher bereiten Bausteine, wenn auch neu durchdacht, außerordentlich hilfreich sein. Mit Sinn scheint mir das signifikante Bindeglied (missing link) aufgezeigt. Oder, um auf die Radmetapher zurückzukommen: hier wurde nicht wieder einmal versucht, das Rad neu zu erfinden - obwohl solche phänomenologischen Grundbetrachtungen durchaus ein Schulungsweg zum Wiedererkennen-Können für Wesentliches sind -, vielmehr wurde versucht zu hinterfragen, wie für das Rad eine überlebensfähige Laufbahn herausgefunden werden könnte. Daraus ergibt sich allerdings leicht, daß Räder, so rund sie auch bleiben, durchaus verbesserungsfähig sein können.
10. Unwägbarkeiten Gesetzt den Fall, jemand würde mich fragen: "Und Sie halten es für realistisch, daß ein Unternehmen bereit wäre, das Konzept Identitätsorientiertes Management in die Praxis umzusetzen?" Was würde ich antworten? Zunächst würde ich versuchen zu erklären, daß es sich um ein Mißverständnis handeln könnte. So wie das Konzept hier vorgestellt wird, sind meine Ausführungen von nichts anderem geleitet als von dem Bemühen um die idealtypische Grundlegung einer in sich stimmigen Führung, kurz von dem, was man als das wissenschaftliche Bemühen um Wahrheit zu bezeichnen pflegt. Über eine "Verwertung" hat der Leser zu entscheiden, und hier wäre mit Denkimpulsen, die diese Arbeit geben könnte, schon einiges erreicht. Das Unterfangen einer praktischen Implementierung, bei der ich, wenn dazu gerufen, auch bereit wäre mitzuwirken, steht auf einem anderen Blatt. Ich könnte mich also nur auf der durchgehaltenen Untersuchungsebene angesprochen fühlen. Hier sehe ich erstens keine Bedenken, ob meine Anregungen auf Interesse stoßen würden, wohl aber wären bei der Einführung einige in meiner Studie nicht angesprochene Unwägbarkeiten in Betracht zu ziehen. (1) Die Wahrscheinlichkeit von Akzeptanz ergibt sich, sobald sich jemand auf Denkprozesse zur aktuellen Ortsbestimmung von Ökonomie und Gesellschaft einläßt, daraus, daß die sogenannte Lebenswelt und die ökonomische Sonderwelt längst gemeinsam in einem lecken Boot sitzen. Die Durchdringung von ökonomischer und nichtökonomischer Lebenswelt - bisher fast nur als Einbahnstraße von der Ökonomie ausgehend und mit gefilterter Rückkoppelung - ist zwar überfällig und nicht hinfällig, aber von einer höheren Metaebene aus betrachtet ist die Lebenswelt in toto längst zu einer Überlebenswelt geworden. Ich meine, aufgeschlossene Unternehmer und Manager nehmen das wahr, sehen aber keine Lösung. Sich mit neuen Konzepten auseinanderzusetzen, lehrt sie, hier greife ich entfremdend einen Leitbegriff von P. Ulrich auf, deshalb schon die "lebenspraktische Vernunft".
10. Unwägbarkeiten
253
(2) Die Unwägbarkeiten liegen meines Erachtens zum einen in der nicht determinierbaren Mitgift der Lebenswelt als solcher und zum anderen in nicht abschätzbarer managerieller Einstellung zu der in unserem Konzept thematisierten Neubestimmung betrieblicher Machtausübung. Auch wenn unser Menschenbild richtig ist und auch wenn es logischerweise keinen anderen Weg für die Neubestimmung von Unternehmensführung geben dürfte als die legitimatorische Rückbesinnung auf den Menschen nach innen und nach außen, bleibt ein gewisses Risiko. Es könnte doch sein, daß es, "Jenseits von links und rechts" (Giddens) nicht so einfach ist, der Kolonialisierung der Lebenswelt durch die Ökonomie "emanzipatorisch" die Rekolonialisierung entgegenzusetzen. Inglehart hat erst unlängst "The Shift toward Postmaterialist Values" nachgewiesen. Die Volkswirtin Gräfin Dönhoff klagt dagegen das total ökonomisierte Bewußtsein der Menschen dieser Republik an.1 Sie vermißt den für eine Gesellschaft überlebenswichtigen ethischen Minimalkonsens und konstatiert eine kritiklose Idealisierung des Marktes zu einer sozusagen "säkularisierten Eschatologie". Es ist schwierig, sich zwischen diesen beiden Sichtweisen zurechtzufinden. Da "anything goes" als Kurzformel für die Postmoderne nicht völlig unzutreffend ist, sollte man wohl Inglehart's höchst elaborierte Untersuchung nur mit den Vorbehalten zur Kenntnis nehmen, die gegenüber derartigen Untersuchungen, zumal wenn von Koryphäen stammend, angebracht sind. Sie beeinflussen zwar meinungsbildend stark den Prozeß gesellschaftlicher Reflexivität, doch werden auch hier häufig nur vorher die Ostereier versteckt, die man dann mit methodischer Raffinesse als Ergebnis findet und serviert. Das mehr durch Lebenserfahrung und als Journalistin in herausragender Stellung geprägte Urteil der Gräfin kritisiert die Welt von heute, wie sich leicht feststellen läßt, mit den unwiederbringlichen Maßstäben von gestern. Man wird Frau Dönhoff beispielsweise nicht zustimmen können, daß es in der Bundesrepublik keinen ethischen Minimalkonsens gibt. So mini Inglehart, R.: Modernization and Postmoderaization. Cultural, Economic, and Political Change in 43 Societies, Princeton, New Jersey 1997: 131 159. Dönhoff, M. von: Zivilisiert den Kapitalismus. Grenzen der Freiheit, Stuttgart 1997.
254
Unwägbarkeiten
der Konsens auch sein mag, ohne ihn wäre unsere Gesellschaft längst zusammengebrochen. Das total ökonomisierte allgemeine Bewußtsein kann man allerdings, wenn man wachen Sinnes in dieser Republik lebt, nicht rundweg überzeichnet finden. Zumindest erscheinungsmäßig kann es den Eindruck erwecken, daß die Ökonomie das übergeordnete Leitbild abgibt. Ich lasse es dahingestellt, denn das wäre ein Thema für sich, ob das ein Ergebnis kontinuierlicher ökonomischer Indoktrination, ganz allgemein das Zerbröseln der Sinnorientierung in bloßen Konsummaterialismus oder in der hilflosen Suche nach Halt die sinnorientierte Fetischisierung der einzigen Institution der Gesellschaft, die wirklich noch funktioniert, nämlich die Wirtschaft, sein könnte.2 Setzt man die Wirtschaft in Relation etwa zum Gesundheitswesen, der Altersversorgung, dem Bildungswesen, so erweist sich die Wirtschaft für den Durchschnittsbürger immer noch als etwas Zuverlässiges, Handfestes, am wenigsten bürokratisch Erstarrtes, auch wenn wir festgestellt haben, daß solcher Schein trügt. Gerade von letzterer Version her wäre die eschatologische Erwartungshaltung dem Markt gegenüber besonders plausibel. Nicht nur in Deutschland greift eine Privatisierung der öffentlichen Leistungen als mit Sicherheit fehlleitende Heilserwartung um sich. Leistungen, die im gemeinnützigen Interesse der hoheitlichen Garantie und Gestaltung bedürfen, stehen zum Ausverkauf. McKinsey ist sogar zum "Kulturarzt" avanciert. Wo gibt es noch einen Lebensbereich, der nicht durch das Modewort Management "Aufwertung" und Sinnzerbröselung erfahren hätte? 3 Adam Smith's Warnung vor einem "state in the hands of shopkeepers" ist heute aktueller denn je. Falls, wie ableitbar auch immer, Gräfin Dönhoffs Urteil ins Schwarze trifft, würde die Förderung selbstidentifikatorischer Prozesse keineswegs jene konkreativen Wirkungen, die wir versucht haben aufzuzeigen, zur Folge haben. Die Unternehmung als gesellschaftliche Institution kann nur so gut sein wie die Menschen, die sie tragen. Wir dürfen aber davon ausgehen, daß nicht nur Materialismus und Postmaterialismus als Werthaltungen in der Gesellschaft gut durchmischt sind, wobei die materialistische Haltung ihrem Wesen nach viel leichter evidenter ausfindig zu machen ist als immaterialistische; es gibt mit Sicherheit 2 3
Ich benutze hier "Institution" in der üblichen Bedeutung des Sprachgebrauchs. Das neueste Unwort hierzu lautet: "Chancen-Management".
10. Unwägbarkeiten
255
außerdem eine Vielzahl tradierter geistiger Werthaltungen, in unzähligen Nischen, die unter dem modischen Etikett Postmaterialismus nicht subsumierbar sind (siehe Abschnitt 1.3.2). Die zweite Unwägbarkeit stellt die Bereitschaft und Fähigkeit von Unternehmern und Managern dar, sich auf eine Reform der Unternehmensfunktionalität einzulassen, falls dabei intern die Machtstrukturen zur Verflüssigung anstehen. Nach außen steht nicht in Frage, daß eine Unternehmung mit Macht ausgestattet sein muß, auch wenn die legitimatorische Neuorientierung nach außen einen weit behutsameren und maßvolleren Umgang mit ökonomischer Macht zur Folge haben würde. Unternehmen würden dann nach außen aus einem anderen Verständnis ihrer Aufgabe handeln. Ich schließe im Einzelfall Bereitschaft zu diesem neuartigen Wagnis nicht aus. Unternehmertum, wenn es denn diese Bezeichnung wert sein soll, bedeutet, und das heute erst recht, Mut zum Wagnis. Etwas zu wagen bedeutet, sich auf eine Handlung mit ungewissem Ausgang einzulassen. Die eingangs genannten Megatrends erfordern nicht nur den Mut, sich auf völlig neue Handlungszenarien einzulassen. Sie evozieren sogleich die Notwendigkeit, die Gestaltung der Handlungen der Unternehmung und in der Unternehmung von Grund auf neu zu bedenken.
Verzeichnis der Abbildungen Seite Abb. 1
Merkmale Person - Unternehmung
16
Abb. 2
Die Unternehmung: ein Netzwerk von Menschen
17
Abb. 3
Arten von Identität
19
Abb. 4
Megatrends der Herausforderung der Unternehmung
28
Abb. 5
Qualifikationskriterien des humanen Handlungspotentials der Unternehmung
30
Abb. 6
Personale Identität im Wandel
34
Abb. 7
Der Prozeß der Selbstidentifikation
58
Abb. 8
Institutionen aus soziologischer Sicht
94
Abb. 9
Der identifikatorische Prozeß der Unternehmung
105
Abb. 10
Systemische Perspektiven nach Hans Ulrich
141
Abb. 11
Beispiel für die St. Galler Quadrantierung
150
Abb. 12
Lean Production
178
Abb. 13
Lean Management auf der Grundlage von Bösenberg/Metzen
179
Abb. 14
Die Eckparameter identitätsorientierten Managements
190
Abb. 15
Die Zielfunktion der Unternehmung
191
Abb. 16
Die personalen identifikatorischen Komp etenzfaktoren
198
Abb. 17
Handlungskompetenz
205
Abb. 18
Moralische Kompetenz
210
Abb. 19
Soziale Kompetenz
213
Abb. 20
Neotenische Kompetenz
216
Abb. 21
Selbstüberschreitungskompetenz
218
257
Abbildungsverzeichnis
Abb. 22
Orientierungsdimensionen betrieblicher Organisation
220
Abb. 23
Die organisatorischen Strukturdimensionen
224
Abb. 24
Identitätsfördernde Führungsqualitäten
243
Literaturverzeichnis Andersen, I., Jensen, H. (1973): Identitet og Kultur, Akademisk Forlag, Danmark. Anker-Ording, A. (1975): Industrielle Demokratie in Norwegen, in: Vilmar (1975: 116- 127). Antoni, M. (1983): Anthropologische Vorarbeiten zur Bestimmung eines Begriffs der menschlichen Arbeit, in: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, (1) 1983: 65 - 68. Arendt, H. (1983): Vita activa oder vom tätigen Leben, 3. Aufl. der Neuausgabe 1981, München. Battegay, R. (1973): Der Mensch in der Gruppe, Bd. I: Sozialpsychologie und dynamische Aspekte, 4. überarbeitete Aufl., Bern. Baudrillard, J. (1991): Der symbolische Tausch und der Tod, München. Beck jr., A. C., Hillmar, E. D. (Ed.) (1972): A Practical Approach to Organization Development Through MBO. Selected Readings, Reading, Mass. Beck, U. (1979): Was ist Globalisierung? 2. Aufl., Frankfurt a. M. Beck, U., Brater, M. (Hrsg.) (1977): Die soziale Konstitution der Berufe. Materialien zu einer subjektbezogenen Theorie der Berufe, 2 Bde., Frankfurt a. M. Beck, U., Beck-Gernsheim, E. (Hrsg.) (1994): Riskante Freiheiten: Individualisierung in modernen Gesellschaften, Frankfurt a. M. Berger, P. L. (1994): Sehnsucht nach Sinn, Frankfurt a. M./NewYork. Berger, P. L., Luckmann, Th. (1980): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M. Berger, P. L., Luckmann, Th. (1995): Modernität, Pluralismus und Sinnkrise. Die Orientierung des modernen Menschen, Gütersloh. Bergmann, G. (1996): Zukunftsfähige Unternehmensentwicklung. Realistische Visionen einer anderen Betriebswirtschaftslehre, München. Bertaux, P. (1979): Mutation der Menschheit. Zukunft und Lebenssinn, Frankfurt a. M.
Literaturverzeichnis
259
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (1994): Markt mit Moral. Das ethische Fundament der Sozialen Marktwirtschaft, Gütersloh. Biedermann, C. (1989): Identitätspolitische Interpretation von subjektiven Führungstheorien, Bern. Bien, G. (1974): Stichwort "Hypolepsis", im Historischen Wörterbuch der Philosophie, Bd. 3, Darmstadt: 1252 - 1254. Biervert, B., Held, M. (Hrsg.) (1989): Ethische Grundlagen der ökonomischen Theorie. Eigentum, Verträge, Institutionen, Franfurt a. M./New York. Biervert, B., Held, M. (Hrsg.) (1991): Das Menschenbild in der ökonomischen Theorie. Zur Natur des Menschen. Frankfurt a. M./New York. Binswanger, H. Ch. (1998): Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen, München. Bleicher, K. (1991): Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt a. M./New York. Bleicher, K. (1992): Unternehmenspolitische Leitbilder, in: Die Unternehmung, (2)1992: 59- 78. Bloch, E. (1974): Das Prinzip Hoffnung, Bd. 3, Frankfurt a. M. Blumenberg, H. (1966): Die Legitimation der Neuzeit, Frankfurt a. M. 1966. Böckmann, W. (1987): Sinn-orientierte Führung als Kunst der Motivation, Landsberg. Böckmann, W. (1990): Wer Leistung fordert, muß Sinn bieten: moderne Menschenführung in Wirtschaft und Gesellschaft, Düsseldorf. Bösenberg, D., Metzen, H. (1993): Lean Management. Vorsprung durch schlanke Konzepte, 3. durchgesehene Aufl. Bolay, E., Trieb, B. (1988): Verkehrte Subjektivität. Kritik der individuellen Ich-Identität, Frankfurt a. M./New York. Boulding, K. (1981): Evolutionary Economics, Beverly Hills/London. Brandt, K. (1992, 1994): Geschichte der deutschen Volkswirtschaftslehre, Bd. 1, Freiburg 1992; Bd. 2, Freiburg 1994. Brater, M., Büchele, U., Fucke, E„ Herz, G. (1988): Berufsbildung und Persönlichkeitsentwicklung, Stuttgart. Braverman, H. (1977): Die Arbeit im modernen Produktionsprozeß, Frankfurt a. M./New York.
260
Literaturverzeichnis
Briggs, J., Peat, F. D. (1980): Die Entdeckung des Chaos, München/Wien. Brightford, E (1974): Verhaltensorientiertes Management, Einführung in die Methoden der Unternehmensführung, Frankfurt a. M./New York. Brodbeck, K.-H. (1998): Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie Eine philosophische Kritik der modernen Wirtschaftswissenschaften, Darmstadt. Brown, H. (1985): People, Groups and Society, Philadelphia. Brug, J. van der, Locher, K. (1997): Unternehmen Lebenslauf. Biographie, Beruf und persönliche Entwicklung. Ein Workshop fur alle, die ihr Arbeitsleben bewußt gestalten wollen, Stuttgart. Buber, M. (1984): Das dialogische Prinzip, 3. Aufl., Heidelberg. Bungard, W. (Hrsg.) (1995): Lean Management auf dem Prüfstand, Weinheim. Bungard, W. (1995): Lean Management - Ein Thema der Arbeits- und Organisationspsychologie, in: Bungard (1995: 7 - 22). Bühl, W. (Hrsg.) (1972): Verstehende Soziologie. Grundzüge und Entwicklungstendenzen, München. Bürgin, A. (1993): Zur Soziogenese der Politischen Ökonomie. Wirtschaftsgeschichtliche und dogmenhistorische Betrachtungen, Marburg. Büschges, F., Abraham, M., Funk, W. (1995): Grundsätze der Soziologie, München. Burnham, J. (1941): The Managerial Revolution, New York. Capra, F. (1982): Wendezeit. Bausteine für ein neues Weltbild, Bern. Chandler, A. D. (1977): The Visible Hand. The Managerial Revolution in American Business, Cambridge, Mass. Chardin, T. de (1980): Der Mensch im Kosmos, München. Checkland, P. (1985): Systems Thinking, Systems Practice, Chichester/New York. Corsten, H., Reiß, M. (Hrsg.) (1995): Handbuch der Unternehmensführung. Konzepte - Instrumente - Schnittstellen, Wiesbaden. Corsten, H., Will, Th. (Hrsg.) (1993): Lean Production - Schlanke Produktionsstrukturen als Erfolgsfaktor, Stuttgart/Berlin.
Literaturverzeichnis
261
Corsten, M., Lempert, W. (1996): Moralische Kompetenz in einfachen Berufen als "human capital" und als humanes Kapital, in: Die Unternehmung, (2)1996: 75 - 88. Crott, H. (1977): Soziale Interaktion und Gruppenprozesse, Stuttgart. Crozier, M. (1992): Entsteht eine neue Managementlogik? In Journal für Sozialforschung (32)1992: 131 - 140. Dahrendorf, R. (1997): Weltmarkt und Sozialökonomie, in: Merkur, (9/10) 1997: 821 - 828. Dale, St. E. (1991): Bringing Heaven Down to Earth. A Practical Spirituality of Work, New York. Davis, L. E., Cherns, A. B. (ed.) (1976): The Quality of Working Life, New York. Deming, W. E. (1997); Out of the Chrisis, 25th printing, Cambridge, Mass. Dessler, G. (1988): Organization Theory. Integrating Structure and Behavior, Englewood Cliffs, N. J. Detmers, U. (1992): Identitätskonzepte von Managern, Bielefeld. Döbert, R., Habermas, J., Nunner-Winkler, G. (Hrsg.) (1980): Entwicklung des Ichs, Königstein i. Ts. Dönhoff, M. von (1997): Zivilisiert den Kapitalismus. Grenzen der Freiheit, Stuttgart. Dreyfus, H. L., Rabinow, P. (1994): Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik, 2. Aufl., Weinheim. Drucker, P. (1972): Management by Objectives and Self-Control, in: Beck/Hillmar (1972: 72 - 87). Dubiel, H. (1973): Identität and Institution, Düsseldorf. Dubiel, H. (1976): Stichwort "Institution", im Historischen Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4, Darmstadt: 418 - 424. Dürkheim, E. (1977): Über die Teilung der sozialen Arbeit, Frankfurt a. M. Ebbinghaus, A. (1983): Zur Entstehung der "Wissenschaftlichen Betriebsführung", Opladen. Ebeling, H. (1982): Die ideale Sinndimension, Freiburg. Eberle, F., Maindok, G. (1984): Einführung in die soziologische Theorie, München/Wien.
262
Literaturverzeichnis
Eberle, Th. S. (1984): Sinnkonstitution in Alltag und Wissenschaft. Der Beitrag der Phänomenologie an die Methodologie der Sozialwissenschaften, Bern/Stuttgart. Elias, N. (1984): Über die Zeit, Frankfurt a. M. Eucken, W. (1890): Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 6. Aufl., Tübingen. Esser, H. (1993):Soziologie, Frankfurt a. M./New York. Emery, F. E., Thorsrud, E., in corporation with E. Trist (1969): Form and Content in Industrial Democracy. Some Experiences from Norway and other European Countries, London/Assen; deutsch unter dem Titel: Industrielle Demokratie. Bericht über das norwegische Programm der industriellen Demokratie, Bern/Stuttgart 1982. Emery, F E., Trist, E. L. (1992): Towards a Social Ecology. Conceptual Appreciation of the Future in the Present, London. Erhard, L. (1965/66): Das gesellschaftliche Leitbild der Formierten Gesellschaft, in Stützel (1981: 79 - 82). Famulla, G.-E., Gut, P., Möhle, V., Schumacher, M., Witthaus, U. (1992): Persönlichkeit und Computer, Opladen. Fischbacher-Bosshardt, A. (Hrsg.) (1991): Identität und Identitätskrise. Eine Festgabe für Hans Wysling, Bern/Frankfurt a. M. Fischer-Winkelmann, W. F. (Hrsg.) (1983): Paradigmenwechsel in der Betriebswirtschaftslehre? Spardorf. Flasch, K. (1996): Der Traum der Vernunft. Zum vierhundertsten Geburtstag von René Descartes, der Europa eine wunderbare Wissenschaft lehrte, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.3.1996. Forrester, V. (1997): Der Terror der Ökonomie, Wien. Fort, T. L., (1995): The Spirituality of Solidarity and Total Quality Management, in: Business & Professional Journal, (2)1995, Vol. 14: 3-21. Fort, T. L. (1996): Business as Mediating Institution, in: Business Ethics Quarterly, (2)1996, Vol. 6: 149 - 163. Foucault, M. (1974 a): Die Ordnung der Dinge, Frankfurt a. M. Foucault, M. (1974 b): Wahnsinn und Gesellschaft, Frankfurt a. M. Foucault, M. (1976 a): Überwachen und Strafen, Frankfurt a. M.
Literaturverzeichnis
263
Foucault, M. (1976 b): Mikrophysik der Macht. Über Strafjustiz, Psychiatrie und Medizin, Berlin. Frankl, V. E. (1969): Der Wille zum Sinn und seine Frustration durch die moderne Gesellschaft, in: Gottlieb Duttweiler Institut (Hrsg.): Hemmende Strukturen in der heutigen Industriegesellschaft, Zürich. Frankl, V. E. (1987): Ärztliche Seelsorge. Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse, 14. Aufl., Frankfurt a. M. Frankl, V. E. (1984): Der Wille zum Sinn. Ausgewählte Vorträge über Logotherapie, 2. Aufl. der erweiterten Neuaufl. 1991, München/Zürich. Frankl, V. E. (1996): Sinn als anthropologische Kategorie. Meaning as an Anthropological Category, Heidelberg. Fräser, J. T. (1990): Of Time, Passion, and Knowledge, 2nd ed., Princeton, N. J. Friedlein, C. (1980): Geschichte der Philosophie. Lehr- und Lernbuch, 13. überarbeitete Aufl., Bielefeld. Fukuyama, F. (1995): Konfuzius und Marktwirtschaft, München 1995. Gehlen, A. (1961): Anthropologische Forschung. Zur Selbstbegegnung und Selbstentdeckung des Menschen, Hamburg. Gehlen, A. (1977): Urmensch und Spätkultur. Philosophische Ergebnisse und Aussagen, 4. verbesserte Aufl., Frankfurt a. M. Gellner, E. (1995): Descartes & Co. Von der Vernunft und ihren Feinden, Hamburg. Gergen, K. (1994): Sinn ist nur als Ergebnis von Beziehungen denkbar. Ein Interview durch H. Ernst, in: Psychologie Heute, (10)1994: 34-38. Geulen, D. (1977): Das vergesellschaftete Subjekt. Zur Grundlegung der Sozialisationstheorie, Frankfurt a. M. Giddens, A. (1997 a): Konsequenzen der Moderne, 2. Aufl., Frankfurt a. M. Giddens, A. (1997 b): Jenseits von Links und Rechts. Die Zukunft radikaler Demokratie, Frankfurt a. M. Glasl, F., Lievegoed, B.C.J. (1996): Dynamische Unternehmensentwicklung. Wie Pionierbetriebe und Bürokratien zu schlanken Unternehmen werden, 2. Aufl. Bern/Stuttgart.
264
Literaturverzeichnis
Goethe, J. W. von (1982): Schriften zur Biologie, herausgegeben von K. Dietzfelbinger, München/Wien. Goffman, F. (1967): Stigma, Frankfurt a. M. Gomez, P. (1981): Modell und Methoden des systemorientierten Managements, Bern/Stuttgart. Gomez, P./Zimmermann, T. (1992): Unternehmensorganisation. Profile, Dynamik, Methodik, Frankfurt a. M./New York. Grabowski, J. (1997): Unternehmensqualität, Begriff und Modell, St. Galler Diss. Greipel, P. (1988): Strategie und Kultur. Grundlagen und mögliche Handlungsfelder kulturbewußten strategischen Managements, Bern/Stuttgart, Wuppertaler Diss. 1987. Große-Oetringhaus, W. F. (1996): Strategische Identität - Orientierung im Wandel. Ganzheitliche Transformation zu Spitzenleistungen, Berlin. Guardini, R. (1995): Das Ende der Neuzeit, 9. Aufl., Mainz/ Paderborn. Gutenberg, E. (1965): Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Erster Band: Die Produktion, 10. neue bearbeitete Aufl., Berlin/ Heidelberg. Gyllenhammar, P. G. (1977): People at Work, Reading, Mass. Habermas, J. (1969): Erkenntnis und Interesse, Frankfurt a. M. Habermas, J. (1974): Können komplexe Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden? In: Habermas/Henrich (1974). Habermas, J. (1976): Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Frankfurt a. M. Habermas, J. (1977): Kultur und Kritik, Frankfurt a. M. Habermas, J. (1983): Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt a. M. Habermas, J. (1988): Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, Frankfurt a. M. Habermas, J./Henrich, D. (1974): Zwei Reden aus Anlaß des Hegelpreises, Frankfurt a. M. Habermas, J., Luhmann, N. (1971): Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie - Was leistet die Systemforschung? Frankfurt a. M.
Literaturverzeichnis
265
Hartfelder, D. (1989): Unternehmen und Management vor der Sinnfrage - Ursachen, Probleme und Gestaltungshinweise zu ihrer Bewältigung, St. Galler Diss. Hasenack, W. (1952): Betriebliche Kategorien - Konzeption und Grundriß von Seins-Kategorien und allgemeinen Handlungsprinzipien im betrieblichen Leben, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, (1)1952: 1 - 28. Hasenack, W. (1958): Stichwort "Kategorien, betriebliche", im Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 3, 3. Aufl., Stuttgart: 3088 - 3115. Hasenack, W. (1961): Mensch im Betrieb, Inwieweit kann oder muß die Betriebswirtschaftlehre den Menschen in ihre Untersuchungen einbeziehen? In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, (31)1961: 577 - 596. Hasenack, W. (1963): Gedanken zu einer Betriebswirtschaftslehre in ganzheitlicher Sicht, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, (15)1963: 257- 269. Hauriou, M. (1965): Die Theorie der Institution und zwei andere Aufsätze, mit Einführung von R. Schnur (Hrsg.), Berlin. Hauriou, M. (Hrsg.) (1968): Institution und Recht, Darmstadt. Hayek, F. A. von (1989): The Fatal Conceit. The Errors of Socialism, ed. by W. W. Bartley III, London/New York. Heene, R. (1994): Die Kulturdimension in Theorie und Praxis. Ausgangspunkt für eine identitätsgerechte Steuerung organisatorischer Lernprozesse, St. Galler Diss. Hegel, F. (1986): Werke in 20 Bdn., Bd. 2 und 7, Frankfurt a. M. Heidbrink, H. (1991): Stufen der Moral. Zur Gültigkeit der kognitiven Entwicklungstheorie Lawrence Kohlbergs, München 1991. Heidegger, M. (1994): Was heißt Denken? 4. durchgesehene Aufl., Tübingen. Heidegger, M. (1988): Zur Sache des Denkens, 3. Aufl., Pfullingen. Heidegger, M. (1990): Identität und Differenz, 9. Aufl., Pfullingen. Heidegger, M. (1991): Die Technik und die Kehre, 8. Aufl., Pfullingen. Heidegger, M. (1993): Sein und Zeit, 17. Aufl., Tübingen. Heidegger, M. (1996): Wegmarken, 3. durchgesehene Aufl., Frankfurt a. M.
266
Literaturverzeichnis
Heinen, E. (1981): Identität. Ein bisher vernachlässigtes Element im Zielsystem der Unternehmung? In: W. J. Mückl, A. E. Ott (Hrsg.): Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik. Gedenkschrift fur Erich Preiser zum 80. Geburtstag, Passau. Heissenberger, M. (1987): Erziehung und Identität. Zur Identitätsfindung im pädagogischen Handlungsfeld, Frankfurt a. M./Bern. Hennis, W. (1987): Max Webers Fragestellung. Studien zur Biographie des Werks, Tübingen. Hennis, W. (1996): Max Webers Wissenschaft vom Menschen, Tübingen. Herzog, W. (1991): Das moralische Subjekt. Pädagogische Intuition und psychologische Theorie, Bern/Göttingen. Holleis, W. (1987): Unternehmenskultur und moderne Psyche, Frankfurt a. M. Homans, G.C. (1965): Theorie der sozialen Gruppe, 2. Aufl., Opladen. Hügli, A., Lübcke, P. (Hrsg.) (1992): Philosophie im 20. Jahrhundert, Bd. 1, Reinbek. Hügli, A., Lübcke, P (Hrsg.) (1997): Philosophielexikon, Reinbek. Humble, J. W. (1972 a): Management by Objectives, London; deutsch unter dem Titel: MBO-Fibel. Grundsätze des Management by Objectives, Frankfurt a. M./New York. Humble, J. W. (1972 b): Praxis des Managements by Objectives, München. Inglehart, R. (1997): Modernization and Postmodernization. Cultural, Economic and Political Change in 43 Societies, Princeton, N. J. Ishikawa, K. (1985): What is Total Quality Control? New York. Jacobs, R. (1953): TQM, More than a Dying Fad? In: Fortune, 18.10.1993: 52- 56. Jaide, W. (1969): Junge Arbeiterinnen, München. Jedlicka, M. (1992): Total Quality Management (TQM) - Paradigmenwechsel für Spitzenunternehmen, in: Zsifkovits, H. (Hrsg.) (1992): Total Quality Management (TQM) als Strategie im internationalen Wettbewerb, Köln: 2 1 - 3 1 . Jöhr, W. A. (1990): Der Auftrag der Nationalökonomie. Ausgewählte Schriften, herausgegeben von Ch. Binswanger et alii, Tübingen.
Literaturverzeichnis
267
Jonas, F. (1966): Die Institutionenlehre Arnold Gehlens, Tübingen. Jonas, H. (1982): Das Prinzip Verantwortung, 3. Aufl., Frankfurt a. M. Jünger, F. G. (1993): Die Perfektion der Technik, 7. Aufl., Frankfurt a. M. Jürgens, U. (1993): Mythos und Realität von Lean Production in Japan eine kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der MITStudie, in: Fortschrittliche Betriebsfuhrung und Industrial engineering, (42)1993, 18 -23. Juran, J. M. (1993): Der neue Juran - Qualität von Anfang an, Landsberg. Kamiske, G. F., Brauer, J.-P. (1995): Qualitätsmanagement von A - Z, Erläuterungen moderner Begriffe des Qualitätsmanagements, 2. überarbeitete und erweiterte Aufl., München/Wien. Kamiske, G. F. (Hrsg.) (1996): Rentabel durch TQM. Return on Quality, Berlin/Heidelberg. Kant, I. (1993): Grundlegung der Metaphysik der Sitten, WeischedelAusgabe, Bd. 4, Frankfurt a. M. Katterle, S. (1990): Der Beitrag der institutionalistischen Ökonomik zur Wirtschaftsethik, in: Ulrich (1990: 121 - 144). Kaufmann, F.-X. (1984): Solidarität als Steuerungsform - Erklärungsansätze bei Adam Smith, in: Kaufmann/Krüsselberg (1984: 158 184). Kaufmann, F.-X. - Krüsselberg, H.-G. (Hrsg.) (1984): Markt, Staat und Solidarität bei Adam Smith, Frankfurt a. M./New York. Keidel, St. (1995): Das Lean Management Konzept. Ursprünge - Bestandteile - Auswirkungen. Eine kritische Beurteilung unter normativen Aspekten, St. Galler Diss. Kern, H., Schumann, M. (1984): Das Ende der Arbeitsteilung? Rationalisierung in der industriellen Produktion: Bestandsaufnahme, Trendbestimmung, München. Keupp, H. (1989): Auf der Suche nach der verlorenen Identität, in: Keupp, H. und H. Bilden (Hrsg.): Verunsicherungen. Das Subjekt im gesellschaftlichen Wandel, Göttingen/Toronto: 47 - 69. Keupp, H. (1995): Aktuelle Befindlichkeiten zwischen postmoderner Diffusion und der Suche nach neuen Fundamenten, in: Psychologie und Gesellschaftskritik, (1)1995: 29 - 55.
268
Literaturverzeichnis
Kierkegaard, S. (1971): Furcht und Zittern, in: Werkausgabe, Bd. 1, Düsseldorf. Kieser, A. (1995): Die MIT-Studie zur Automobilindustrie, oder: Wie man eine Revolution anzettelt, in: Bungard (1995: 37 - 51). Kieser, A., Kubicek, H. (1983): Organisation, 2. neubearbeitete und erweiterte Aufl., Berlin/New York. Kirsch, W. (1992): Kommunikatives Handeln, Autopoiese, Rationalität. Sondierungen zu einer evolutionären Führungslehre, München. Kiss, G. (1980): Grundzüge und Entwicklung der Luhmannschen Systemtheorie, 2. Aufl., Stuttgart. Klages, H. (1984): Wertorientierung im Wandel, Frankfurt a. M./New York. Kleiner, J.-C. (1992): Aufbruch zu einem ganzheitlichen Personalwesen, St. Galler Diss. Kloidt, G. (1978): Zur ontologischen Grundlegung der Betriebswirtschaftslehre, in: Schweitzer (1978: 110 - 132). Kögler, H. H. (1984): Michel Foucault, Stuttgart/Weimar. Kohlberg, L. (1974): Zur kognitiven Entwicklung des Kindes. Drei Aufsätze, Frankfurt a. M. Kohlberg, L. (1979): Zusammenhänge zwischen der Moralentwicklung in der Kindheit und im Erwachsenenalter - neu interpretiert, in: P. B. Baltes, L. H. Eckensberger (Hrsg.): Entwicklungspsychologie der Lebensspanne, Stuttgart: 379 - 407. Koslowski, P. (1988): Die postmoderne Kultur. Gesellschaftlichkulturelle Konsequenzen der technischen Entwicklung, München. Koslowski, P. (Hrsg.) (1992): Neuere Entwicklungen in der Wirtschaftsethik und Wirtschaftsphilosophie, Berlin. Koslowski, P. (1994): Die Ordnung der Wirtschaft. Studien zur Praktischen Philosophie und Politischen Ökonomie, Tübingen. Krüsselberg, H.-G. (1984): Wohlfahrt und Institutionen. Betrachtungen zur Systemkonzeption im Werk von Adam Smith, in: Kaufmann/Krüsselberg (1984: 185 - 216). Krüsselberg, H.-G. (1991): Die immanente Ethik des Vermögensbegriffs bei Adam Smith - Kooperationspotential einer freien und gerechten Gesellschaft, in: Meyer-Faje/Ulrich (1991: 192 - 222). Krüsselberg, U. (1993): Theorie der Unternehmung und Institutionenökonomik. Die Theorie der Unternehmung im Spannungsfeld
Literaturverzeichnis
269
zwischen neuer Institutionenökonomik, ordnungspolitischem Institutionalismus und Marktprozeßtheorie, Heidelberg. Krüger, W. (1995): Management-by-Konzepte, in: Corsten/Reis (1995: 173 - 186). Kükelhaus, H. (1979): Organismus und Technik. Gegen die Zerstörung der menschlichen Wahrnehmung, Frankfurt a. M. Langle, A. (1998): Viktor Frankl. Ein Porträt, München. Lau, E. E. (1978): Interaktion und Institution. Zur Theorie der Institution und der Institutionalisierung aus der Perspektive einer verstehend-interaktionistischen Soziologie, Berlin. Laslett, P. (1984): The World We Have Lost. England before the Industrial Age, 3rd ed., New York. Lawrence, P. R., Lorsch, J. W. (1967): Organization and Environment, Cambridge, Mass. Lay, G. (1993): Lean Production - Wirkung und Nebenwirkung. Schlankheitskur mit Schönheitsfehlern, in: Technische Rundschau, (5)1993:36 - 39. Lay. R. (1992): Vom Sinn des Lebens, München/Landsberg. Lepenies, W., Nolte, H. (1971): Kritik der Anthropologie: Marx und Freud, Gehlen und Habermas, München. Lievegoed, B.C.J. (1974): Organisation im Wandel. Die praktische Führung sozialer Systeme in der Zukunft, Bern/Stuttgart. Lievegoed, B.C.J. (1997): Lebenskrisen - Lebenschancen. Die Entwicklung des Menschen zwischen Kindheit und Alter, 11. Aufl., München. Lippe, R. zur (1975): Bürgerliche Subjektivität. Autonomie als Selbstzerstörung, Frankfurt a. M. Littmann, F. (1980): Stichwort "Gruppendynamik", in. R. Ansanger, G. Wenninger (Hrsg.): Handwörterbuch der Psychologie, Weinheim/Basel: 184 - 188. Lübbe, H. (1983): Zeit-Verhältnisse. Zur Kulturphilosophie des Fortschritts, Graz. Lübbe, H. (1987): Handlungssinn und Lebenssinn. Über die Reichweite von Rationalitätspostulaten, in: Orth (1987: 11 - 35).
270
Literaturverzeichnis
Lübbe, W. (1991): Legitimität kraft Legalität, Sinnverstehen und Institutionen, Analyse bei Max Weber und seinen Kritikern, Tübingen. Luhmann, N. (1970): Institutionalisierungs-Funktion und Mechanismus im sozialen System der Gesellschaft, in: Schelsky (1970: 27 - 41). Luhmann, N. (1979): Identitätsgebrauch in selbstsubstitutiven Ordnungen, besonders Gesellschaften, in: Marquard/Stierle (1979: 315 345). Luhmann, N. (1985): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Franfurt a. M. Luhmann, N. (1987): Die gesellschaftliche Differenzierung und das Individuum, in: Th. Olk, H.-U. Otto (Hrsg.): Soziale Dienste im Wandel 1, Neuwied/Darmstadt: 121-137. Luhmann, N. (1988): Die Wirtschaft der Gesellschaft, Franfurt a. M. Luhmann, N. (1996): Die neuzeitlichen Wissenschaften und die Phänomenologie, Wien. Luhmann, N. (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft, 2 Bde., Frankfurt a. M. Lyotard, J.-F. (1994): Das postmoderne Wissen, 3. Aufl., Wien. Malik, F. (1985): Gestalten und Lenken von Sozialen Systemen, in. Probst/Siegwart (1985: 205 - 216). Malik, F. (1993): Systemisches Management, Evolution, Selbstorganisation, Grundprobleme, Funktionsmechanismen und Lösungsansätze für komplexe Systeme, Bern/Stuttgart. Malik, F. (1994): Managementperspektiven. Wirtschaft und Gesellschaft, Strategie, Management und Ausbildung, Bern/Stuttgart. Malinowski, B. (1974): Eine wissenschafltiche Theorie der Kultur, Frankfurt a. M. Marx, K., Engels, F. (1968): Werke, Ergänzungsbd. I, Berlin. Marquard, O. (1979): Identität: Schwundtelos und Mini-Essenz Bemerkungen zur Genealogie einer aktuellen Situation, in: Marquard/Stierle (1979: 347 - 369). Marquard, O , Stierle, K. (Hrsg.) (1979): Identität, München. Matson, F. W. (1969): Rückkehr zum Menschen. Vom mechanistischen zum humanen Weltverständnis, Freiburg. Maunz, Th. (1951): Deutsches Staatsrecht. Ein Studienbuch, München.
Literaturverzeichnis
271
McGregor, D. (1957): An Uneasy Look at Performance Appraisal, in: Harvard Business Review, V/VI 1957). Mead, G. H. (1975): Geist, Identität und Gesellschaft, 2. Aufl., Frankfurt a. M. Metzen, H. (1994): Lean Management als Paradigma interkulturellen Lernens, in: Th. Alexander (Hrsg.): Psychologie und multikulturelle Gesellschaft, Göttingen: 275 - 287. Meyer-Faje, A. (1984): Das Menschenbild bei Adam Smith, in: M. J. Holler (Hrsg.): Homo Oeconomicus DI, München: 43 - 62. Meyer-Faje, A. (1985 a). Der Betrieb im Wandel. Konsequenzen für Struktur, Kommunikation, Motivation und Autorität als wesentliche Inhalte einer modernen Führungslehre, Bern/Stuttgart. Meyer-Faje, A. (1985 b): Betriebliche Motivation: kein Mythos - aber auch kein social engineering, in: Die Mitarbeit, (2)1985: 161 - 172. Meyer-Faje, A. (1986): Marktwirtschaftliche Unternehmensführung und gesellschaftliche Innovationen, in: Orientierungen, (1)1986: 41 49. Meyer-Faje, A. (1987): Anwendungs- und wertorientierte Managementlehre bei Taylor, Herzberg und P. Ulrich, in: Loccumer Protokolle "Theologische Aspekte der Wirtschaftsethik HI", Loccum: 94 - 139. Meyer-Faje, A. (1988): Der Beitrag der Unternehmer für die Wirtschaftsordnung, in: Orientierungen, (1)1988: 26 - 30. Meyer-Faje, A. (1990 a): Adam Smith: Zuverlässiger Kompaß für postindustrielle Ökonomie, in: Orientierungen, (2)1990: 60 - 66. Meyer-Faje, A. (1990 b): Identitätsorientierte Menschenführung. Ein Beitrag zum Paradigmenwechsel in der Führungslehre, Bern/ Stuttgart. Meyer-Faje, A. (1991): Adam Smiths politökonomisches System eine Antwort auf die Gefährdung der Conditio Humana, in: MeyerFaje/Ulrich (1991: 303 -340. Meyer-Faje, A. (1992): Bausteine für eine identitätsfördernde Managementstrategie, in: Die Unternehmung, (2)1992: 89 - 100. Meyer-Faje, A. (1994): Identitätsorientiertes Handeln als Chance der Rückgewinnung lebensweltlicher Bezüge für die Mitarbeiter der Unternehmung, in: A. Biesecker, K. Grenzdörffer (Hrsg.): Ökonomie als Raum sozialen Handelns, Bremen: 92 - 106.
272
Literaturverzeichnis
Meyer-Faje, A. (1996): Mensch und Unternehmung als Sinneinheit. Was ist die identifikatorische Basis? St. Gallen. Meyer-Faje, A. (1998): Stichwort "Arbeitswissenschaft", in: Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. völlig neu bearbeitete Aufl., Bd. 1, Tübingen. Meyer-Faje, A., Ulrich, P. (Hrsg.) (1991): Der andere Adam Smith. Beiträge zur Neubestimmung von Ökonomie als Politischer Ökonomie, Bern/Stuttgart. Minssen, H. (1993): Lean production - Herausforderung für die Industriesoziologie, in: Arbeit, (1)1993: 36 - 52. Mintzberg, H. (1991): Mintzberg über Management, Führung und Organisation, Mythos und Realität, Wiesbaden. Mittmann, J. (1991): Identitätsorientierte Unternehmensführung, Bern/ Stuttgart. Montagu, A. (1984): Zum Kinde reifen, Stuttgart 1984. Montaner, A. (1948): Der Institutionalismus als Epoche amerikanischer Geistesgeschichte, Tübingen. Morel, J., Meleghi, T., Preglau, M. (Hrsg.) (1980): Führungsforschung. Kritische Beiträge, Göttingen/Toronto. Morel, J., Bauer, E., Meleghi, T., Niedenzu, H.-J., Preglau, M., Staubmann, H. (1992): Soziologische Theorie. Abriß der Ansätze ihrer Hauptvertreter, 2. verbesserte Aufl., München/Wien. Morgan, G. (1986): Images of Organization, Newbury Park/London. Müller, W. R. (1981): Führung und Identität, Bern/Stuttgart. Müller-Armack, A. (1960): Die zweite Phase der Sozialen Marktwirtschaft: Ihre Ergänzung durch das Leitbild einer neuen Gesellschaftspolitik, in: Stützel (1981: 63 - 78). Müller-Schwefe, H.-R. (1977): Technik und Glaube. Eine permanente Herausforderung, Gottingen. Müri, P. (1989): Chaos-Management, München. Muller, J. Z. (1992): Adam Smith in His Time and Ours. Designing the Decent Society, New York/Toronto. Naisbitt, J. (1984): Megatrends - Ten Directions - Transforming Our Lives, 2nd ed., New York. Neuberger, O. (1990): Führen und geführt werden, 3., völlig neu bearbeitete Aufl. von "Führung", Stuttgart.
Literaturverzeichnis
273
Nieder, L. (1994): Die Dynamik sozialer Prozesse, Frankfurt a. M. Nienhüser, W. (1989): Die praktische Nutzung theoretischer Erkenntnisse in der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart. Nietzsche, F. (1994): Werke in drei Bänden, Herausgegeben von K. Schlechta, München. Nonnenmacher, G. (1989): Die Ordnung der Gesellschaft, Weinheim. North, D. C. (1982): Theorie des institutionellen Wandels, Tübingen. Novak, M. (1993): The Catholic Ethic and the Spirit of Capitalism, New York/Oxford. Nunner-Winkl er, G. (1984): Two Moralities? A Critical Discussion of an Ethic of Care and Responsibility versus an Ethic of Rights and Justice, in: W. M. Kurtines and J. L. Gewirtz (ed.): Morality, Moral Behavior, and Moral Development, New York: 348 - 361. Odiorne, G. S. (1979): MBO II. A System of Managerial Leadership for the 80s, Belmont, Cai. OECD (1997): Sustainable Development: OECD Policy Approaches for the 21th Century, Paris. Offe, C. (1972): Leistungsprinzip und industrielle Arbeit. Mechanismen der Statusverteilung in Arbeitsorganisationen der industriellen Leistungsgesellschaft, 2. Aufl., Frankfurt a. M. Orth, E. W. (Hrsg.) (1987): Handlungssinn und Lebenssinn. Zum Problem der Rationalität im Kontext des Handelns, Freiburg/ München. Ortmann, G (1976): Unternehmensziele als Ideologie: Zur Kritik betriebswirtschaftlicher und organisationstheoretischer Entwürfe einer Theorie der Unternehmensziele, Köln. Ortmann, G. (1995): Formen der Produktion. Organisation und Rekursivität, Opladen. Oser, F., Althoff, W. (1992): Moralische Selbstbestimmung. Modelle der Entwicklung und Erziehung im Wertebereich. Ein Lehrbuch, Stuttgart. Parsons, T. (1963): The Social System, 4th ed., New York. Parsons, T. (1980): Der Stellenwert des Identitätsbegriffs in der allgemeinen Handlungstheorie, in: Döbert/Habermas (1980: 68 - 88).
274
Literaturverzeichnis
Perich, R. (1992): Unternehmensdynamik. Zur Entwicklungsdynamik von Organisationen aus zeitlich-dynamischer Sicht, Bern/Stuttgart, St. Galler Diss. Pestalozzi, H. A. (1979): Nach uns die Zukunft, Von der positiven Subversion, Bern. Peters, T., Waterman jun., R. H. (1984): Auf der Suche nach Spitzenleistungen. Was man von den bestgeführten US-Unternehmen lernen kann, 8. Aufl., Landsberg. Piaget, J. (1973): Der Strukturalismus, Ölten. Piaget, J. (1974): Biologie und Erkenntnis. Über die Beziehungen zwischen organischen Regulationen und kognitiven Prozessen, Frankfurt a. M. Piaget, J. (1976): Psychologie der Intelligenz, München. Piaget, J. (1983 a): Das moralische Urteil bei Kinde, Stuttgart. Piaget, J. (1983 b): Meine Theorie der geistigen Entwicklung, Frankfurt a. M. Pinchot, G. (1988): Intrapreneuring. Mitarbeiter als Unternehmer, Wiesbaden. Plessner, H. (1976): Die Frage nach der Conditio Humana. Aufsätze zur philosophischen Anthropologie, Frankfurt a. M. Plessner, H. (1979): Macht und menschliche Natur, in: H. Plessner: Zwischen Philosophie und Gres ellschaft, Frankfurt a. M. Plessner, H. (1981): Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie, Gesammelte Schriften, Bd. 4, Frankfurt a. M. Polanyi, K. (1978): The Great Transformation, Frankfurt a. M. Portmann, A. (1970): Entläßt die Natur den Menschen? Gesammelte Aufsätze zur Biologie und zu einer Anthropologie, München. Preglau, M. (1980): Organisation, Führung und Identität, in: Morel et alii (1980: 133 - 169). Preyer, G. (1996): Integrationsmanagement, Was kommt nach der Lean Production? Frankfurt a. M. Pribram, K. (1992): Geschichte des ökonomischen Denkens, 2 Bde., Frankfurt a. M. Prisching, M. (1992): Soziologie, 2. überarbeitete Aufl., Wien/Köln.
Literaturverzeichnis
275
Probst, G.J.B. (1985): Regeln des Systemdenkens, in: Probst/Siegwart (1985: 181 -204). Probst, G.J.B., Siegwart, H. (1985): Integriertes Management. Bausteine des systemorientierten Managements. Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr.Dr.hc. H. Ulrich, Bern/Stuttgart. Rathenau, W. (1919): Autonome Wirtschaft, Berlin. Rehberg, K.-S. (1973): Ansätze zu einer perspektivischen Soziologie der Institutionen, Aachener Diss. Retzmann, Th. (1994): Wirtschaftsethik und Wirtschaftspädagogik. Eine fachdidaktische Analyse von Möglichkeiten zur Förderung der moralischen Urteils- und Handlungskompetenz von Führungskräften, Köln. Rieh, A. (1985): Wirtschaftsethik. Bd. 1: Grundlagen in theologischer Perspektive, 2. durchgesehene Aufl., Gütersloh. Riedel, M. (Hrsg.) (1972, 1974): Rehabilitierung der Praktischen Philosophie, Bd. 1, Freiburg, 1972; Bd. 2, Freiburg 1974. Rieger, W. (1964): Einführung in die Privatwirtschaftslehre, 3. Aufl., Erlangen. Riekhof, H.-Ch. (Hrsg.) (1992): Strategien der Personalentwicklung, 3. Aufl., Wiesbaden. Ritter, J. (1969): Metaphysik und Politik. Studien zu Aristoteles und Hegel, Frankfurt a. M. Ritter, J. (1970): Institutionen "ethisch". Bemerkungen zur philosophischen Theorie des Handelns, in: Schelsky (1970: 59 - 65). RKW (Hrsg.) (1992): Lean Production. Tragweite und Grenzen eines Modells, Fachtagung 8. Mai 1992, Eschborn. Roethlisberger, F. J. , Dickson, W. J. (1970): Management and the Worker, 15th printing, Cambridge, Mass. Rombach, H. (1981): Substanz, System, Struktur. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, 2 Bde., 2. Aufl., Freiburg. Rombach, H. (1993): Strukturanthropologie. "Der menschliche Mensch", 2. durchgesehene Aufl., Freiburg/München. Rombach, H. (1994): Phänomenologie des sozialen Lebens. Grundlagen einer Phänomenologischen Soziologie, Freiburg/München.
276
Literaturverzeichnis
Rose, I. (1973): Untersuchungen zur traditionellen und aktuellen Identitätsproblematik, Kölner Diss. Rosenstiel, L. von, Stengel, M. (1987). Identifikationskrise? Zum Engagement in betrieblichen Führungspositionen, Bern/Stuttgart. Safranski, R. (1994): Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit, München. Salin, E. (1951): Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 4. erweiterte Aufl., Bern 1951. Sander, M. (1991): Die Sinndimension in Unternehmungen. Strategien zur Steigerung der Sinnautonomie, St. Galler Diss. Sandner, K. (1982): Zur Reduktion von Management auf Kybernetik. Eine Duplik zu Gilbert Probst, Thomas Dyllick und Fredmund Malik, in: Die Unternehmung, (2) 1982: 113 - 122. Sandner, K. (1988): " ... von Mythen und Märchen, Kulturpflege und Sinn-Management", in: Die Betriebswirtschaft, (5)1988: 651 - 678. Scheler, M. (1995): Die Stellung des Menschen im Kosmos, herausgegeben von M. S. Frings, 13. verbesserte Aufl., Bonn. Schelsky, H. (1965): Auf der Suche nach der Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze, Düsseldorf. Schelsky, H. (Hrsg.) (1970): Zur Theorie der Institution, Düsseldorf. Schenk, K. F. (1992): Die neue Institutionenökonomie - Ein Überblick über wichtige Elemente und Probleme der Weiterentwicklung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, (3)1992: 337- 378. Scherer, G. (1982): Identität und Sinn, in: G. Scherer, C. G. Gethmann, W. Krewani, H. J. Heckelei, St. M. Witschier: Studien zum Problem der Identität, Opladen. Scheuch, E. K., Kutsch, Th. (1972): Grundbegriffe der Soziologie. Bd. 1: Grundlegung und elementare Phänomene, Stuttgart. Schieber, D., Sloan, St. (1972): Management by Objectives, in: Beck/Hillmar (1972: 87 - 96). Schiffeier, J. U. (1998): Identität in der Unternehmung, Ein empirischer Differenzierungsversuch, Unveröffentlichte Diplom-Arbeit, Bremerhaven. Schildknecht, R. (1992): Total Quality Management, Konzeption und State of the Art, Frankfurt a. M./New York.
L iteratur verzei chni s
277
Schimank, U. (1981): Identitätsbehauptung in Arbeitsorganisationen. Individualität in der Formalstruktur, Frankfurt a. M./New York. Schläpfer, R. J. (1984): Kreativität und Excellence, in: Sammelbd. zum 14. Internationalen Managementgespräch an der Hochschule St. Gallen: 83 - 93. Schluchter, W. (1998): Die Entstehung des modernen Rationalismus. Eine Analyse von Max Webers Entwicklungsgeschichte des Okzidents, Frankfurt a. M. Schmidtchen, G. (1996): Lebenssinn und Arbeitswelt. Orientierung im Unternehmen, Gütersloh. Schneider, D.: Betriebswirtschaftslehre. Bd. 1: Grundlagen, München/Wien. Schnur, R (Hrsg.) (1968): Institution und Recht, Darmstadt, 1968. Schoppe, S. G., Czege, W. von, Münchow, M.-M., Stein, I., Zimmer, K. (1995): Moderne Theorie der Unternehmung, München/Wien. Schräder, E. (1966): Zum Begriff der Institutionalisierung in Talcott Parsons soziologischem System, in: Soziale Welt, 1966: 111 - 135. Schreyögg, G,. Noss, Ch. (1994): Hat sich das Organisieren überlebt? In: Die Unternehmung, (1)1994: 17 - 33. Schülein, J. A. (1982): Zur Konzeptualisierung des Sinnbegriffs, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1982: 649 - 664. Schülein, J. A. (1987): Theorie der Institution. Eine dogmengeschichtliche und konzeptuelle Analyse, Opladen. Schütz, A. (1971): Gesammelte Aufsätze. Bde. 1 und 3, Den Haag. Schütz, A. (1981): Theorie der Lebensformen, Frankfurt a. M. Schütz, A. (1993): Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie, 6. Aufl., Frankfurt a. M. Schütz, A., Luckmann, Th. (1975, 1984): Strukturen der Lebenswelt, Bd. 1, Darmstadt/Neuwied 1975; Bd. 2, Frankfurt a. M. Schulz, W. (1989): Grundprobleme der Ethik, Pfullingen. Schwaninger, M. (1994): Managementsysteme, Frankfurt a.M./New York Schweitzer, M. (Hrsg.) (1978): Auffassungen und wissenschaftliche Zielsetzungen der Betriebswirtschaftslehre, Darmstadt.
278
Literaturverzeichnis
Sedlmayr, H. (1970): Gefahr und Hoffnung des technischen Zeitalters, Salzburg. Seghezzi, H. D. (1994): Paradigm Shift, in: European Quality, (1)1994, Vol. I: 64 - 68. Seghezzi, H. D. (1996): Integriertes Qualitätsmanagement. Das St. Galler Konzept, München/Wien 1996. Seifert, E,. Priddat, B. P. (Hrsg.) (1995): Neuorientierungen in der ökonomischen Theorie. Zur moralischen, institutionellen und evolutorischen Dimension des Wirtschaftens, Marburg. Senge, P. M. (1990): The Fifth Discipline. The Art and Practice of the Learning Organization, New York. Sennett, R. (1985): Autorität, Frankfurt a. M. Sennett, R. (1998): Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus, Berlin. Seubold, G. (1986): Heideggers Analyse der neuzeitlichen Technik, Freiburg/München. Shingo, Sh. (1992): Das Erfolgsgeheimnis der Toyota-Produktion. Eine Studie über das Toyota-Produktionssystem - genannt die "Schlanke Produktion", Landsberg. Shumway, D. R. (1992): Michel Foucault, Charlotteville/London. Skinner, B. F. (1979): Beyond Freedom and Dignity, New York. Skinner, B. F. (1983): Futurum Zwei, Reinbek. Smith, A. (1977): Theorie der ethischen Gefühle, herausgegeben von W. Eckstein, 2. Aufl., Hamburg. Smith, A. (1978): Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, herausgegeben von H. C. Recktenwald, München. Spiegelberg, H. (1994): The Phenomenological Movement. A Historical Introduction, third revised and enlarged edition, with the collaboration of K. Schumann, Dortrecht/Boston. Staehle, W. (1991): Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, 6. überarbeitete Aufl., München. Steger, U. (1982): Future Management. Europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb, Frankfurt a. M. Stogdill, R. M. (1963): Manual for the LBDO Form XII, Columbus State University.
Literaturverzeichnis
279
Streminger, G. (1995): Der natürliche Lauf der Dinge. Essays zu Adam Smith and David Hume, Marburg. Stützel, W., Watrin, Ch., Willgerodt, H., Hohmann, K. (1981): Grundtexte zur Sozialen Marktwirtschaft. Zeugnisse aus zweihundert Jahren ordnungspolitischer Diskussion, Stuttgart/New York. Stum, R. (1990): Natürliche Freiheit und soziale Kontingenz - Individualismus und Kollektivismus der Smithschen Handlungstheorie, in: H. D. Kurz (Hrsg.) (1990): Adam Smith (1723 - 1790). Ein Werk und seine Wirkungsgeschichte, Marburg: 93 - 117. Sünnemann, K.-0., Oefner-Py., St., Mees, J., Loddenkemper, H. (1994): Sinn-Management. Mehr Effizienz durch Zusammenwirken, Wiesbaden. Tafertshofer, A. (1980): Führung und Gruppen, in: Morel/Meleghi (1980: 11-40). Tafertshofer, A. (1982): Corporate Identity. - Magische Formel als Unternehmensideologie, in: Die Unternehmung, (1)1982: 11 - 25. Tarnas, R. (1993): The Passion of the Western Mind. Understanding the Ideas That have Shaped Our World View, New York; deutsch unter dem Titel: Idee und Leidenschaft. Die Wege des westlichen Denkens, 3. Aufl., Hamburg/Frankfurt 1998. Taylor, F. W. (1977): Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung. Neu herausgegeben und eingeleitet von W. Volpert und R. Vahrenkamp, Weinheim/Basel. Tenbruck, F. H. (1975): Das Werk Max Webers, in Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, (27)1975: 663 - 702. Thorsrud, E. (1973): Demokratisierung der Arbeitsorganisation. Einige konkrete Methoden zur Neustrukturierung des Arbeitsplatzes, in: Vilmar (1973: 117- 132). Thureau-Dangin, Ph. (1998): Die Beine der Konkurrenz. Wenn der Wettbewerb zur leitenden Idee wird. Eine Gesellschaft ohne Schatten und eine Gegenwart ohne Zukunft, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.9.1998. Trist, E. (1981): The evolution of socio-technical systems - a conceptual framework and an action research program, occasional paper No. 2, June 1981 of "Issues in the Quality of Working Life", Ontario Ministry of Labour: Quality of Working Life Centre, Ontario.
280
Literaturverzeichnis
Trist, E. (1990): Socio-Technische Systeme: Ursprünge und Konzepte, in: Organisationsentwicklung, (4)1990: 10 - 26. Türk, K. (1989): Neuere Entwicklungen in der Organisationsforschung, Stuttgart. Ulich, E. (1995): Lean Production aus arbeitspsychologischer Sicht, in: Bungard (1995: 23 - 35). Ulrich, H., (1970): Die Unternehmung als produktives soziales System. Grundlagen der allgemeinen Unternehmenslehre, 2. überarbeitete Aufl., Bern/Stuttgart. Ulrich, H. (1976): Zum Praxisbezug der Betriebswirtschaftslehre aus wissenschaftstheoretischer Sicht, Bern/Stuttgart. Ulrich, H. (1978): Der systemorientierte Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre, in: M. Schweitzer (1978: 270 - 291). Ulrich, H. (1981): Die Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Sozialwissenschaft, in: M. N. Geist, R. Köhler (Hrsg.): Die Führung des Betriebes, Festschrift für C. Sandig zum 80. Geburtstag, Stuttgart: 1 - 25. Ulrich, H. (Hrsg.) (1981): Management-Philosophie für die Zukunft, Bern/Stuttgart. Ulrich, H. (1983): Von der Betriebswirtschaftslehre zur systemorientierten Managementlehre, in: R. Wunderer (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre als Management- und Führungslehre, Stuttgart: 3 - 32. Ulrich. H. (1984): Management, herausgegeben von Th. Dyllick und G.J.B. Probst, Bern/Stuttgart. Ulrich, H. (1985 a): Plädoyer für ganzheitliches Denken. Aulavortrag der Hochschule St. Gallen, in: Dokumentation zum 15. Internationalen Management-Symposium 1985. Ulrich, H. (1985 b). Unternehmenspolitik - Instrument und Philosophie ganzheitlicher Unternehmensführung, in: Die Unternehmung, (4)1985: 389 -405. Ulrich, H,. Probst, G.J.B. (1988): Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln. Ein Brevier für Führungskräfte, Bern/Stuttgart. Ulrich, P. (1977): Die Großunternehmung als quasi-öffentliche Institution: Eine politische Theorie der Unternehmung, Stuttgart. Ulrich, P. (1984): Sytemsteuerung und Kulturentwicklung. Auf der Suche nach einem ganzheitlichen Paradigma der Managementlehre, in: Die Unternehmung, (4)1984: 303 - 325.
Literaturverzeichnis
281
Ulrich, P. (Hrsg.) (1990): Auf der Suche nach einer modernen Wirtschaftsethik, Bern/Stuttgart. Ulrich, P. (1993): Transformation der ökonomischen Vernunft. Fortschrittsperspektiven der modernen Industriegesellschaft, 3., revidierte Aufl., Bern/Stuttgart. Ulrich, P. (1997): Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie, Bern/Stuttgart. Ulrich, P., Thielemann, E. (1992):Ethik und Erfolg. Unternehmensethische Denkmuster von Führungskräften - eine empirische Studie, Bern/Stuttgart. Vajanos, K. (1995): Nach Lean Production: Die Prinzipien lebendiger Organismen, Frankfurt a. M. Vilmar, F. (Hrsg.) (1973): Menschenwürde im Betrieb. Modelle der Humanisierung und Demokratisierung der industriellen Arbeitswelt, Reinbek 1973. Vilmar, F. (Hrsg.) (1975): Industrielle Demokratie in Westeuropa. Menschenwürde im Betrieb II, Reinbek. Visker, R. (1991): Michel Foucault. Genealogie als Kritik, München. Volmerg, U. (1978): Identität und Arbeitserfahrung. Eine theoretische Konzeption zu einer Sozialpsychologie der Arbeit, Frankfurt a. M. Walton, M. (1986): The Deming Management Method, New York. Warnecke, H.-J. (1995): Die fraktale Fabrik - Durch Umdenken zu neuer Wettbewerbsfähigkeit, in Bungard (1995: 53 - 65). Weber, J. (1985): Unternehmensidentität und unternehmerische Rahmenplanung, München. Weber, M. (1958): Gesammelte Politische Schriften, herausgegeben von J. Winckelmann, Tübingen. Weber, M. (1980): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5., revidierte Aufl., herausgegeben von J. Winckelmann, Tübingen. Weber, W. (1971): Das Identifikationsphänomen und seine Bedeutung als Determinante menschlichen Verhaltens in Organisationen, Mannheimer Diss.
282
Literaturverzeichnis
Weick, K. E. (1986): Kosmos versus Chaos - Sinnstiftung und Sinnverlust bei der Arbeit mit elektronischen Medien, in: gdi-impuls, (2)1986: 45 - 56. Weizsäcker, C. Ch. von (1993): Stichwort "Wirtschaftsordnung und Unternehmung", im Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Teilbd. 3, 5. Aufl., Stuttgart: 4721 - 4733. Welsch, W. (1995): Vernunft. Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft, Frankfurt a. M. Westerlund, G., Sjörstrand, S.-E. (1981): Organisationsmythen, Stuttgart. Williams, K., Haslam, C., Williams, J. and Cutler, T. with Adcroft, A. and Johal, S. (1992): Against lean production, in: Economy and Society, Vol. 21, (3)1992: 321 - 354. Wiswede, G. (1981): Stichwort "Arbeitsmotivation", im Handwörterbuch der Betriebspsychologie und Betriebssoziologie, Stuttgart: 48-51. Woll, H. (1994): Menschenbilder in der Ökonomie, München. Womack, J. P., Jones, D. T., Roos, D (1994): Die zweite Revolution in der Autoindustrie. Konsequenzen aus der weltweiten Studie des Massachussetts Institute of Technology, Frankfurt a. M./New York. Wünsche, H. F. (1990): Verlorene Maßstäbe in der Ordnungspolitik, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Jg. 35, Tübingen: 53 - 74. Wünsche, H. F. (1991). Die immanente Sozialorientierung in Adam Smiths Ordnungsdenken - ein Paradigma für die Soziale Marktwirtschaft, in: Meyer-Faje/Ulrich (1991: 249 - 274). Wunderer, R. (1985): Führung - Wohin führst du? In: Die Unternehmung (4)1985: 337 - 350. Wunderer, R., Mittmann, J. (1995). Identitätspolitik. Einbindung des Mitarbeiters in den unternehmerischen Wertschöpfungsprozeß, Stuttgart. Wurzbacher, G., Jaide, W., Recum, H. von, Cremer, M. (1960): Die junge Arbeiterin, 3. Aufl., München. Zabeck, J. (1991): Ethische Dimensionen der "Wirtschaftserziehung", in: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, (7)1991: 533 - 562.
Literaturverzeichnis
283
Zahlmann, Ch. (Hrsg.) (1992): Kommutarismus in der Diskussion. Eine streitbare Einführung, Berlin. Zihlmann, V. (1980): Sinnfindung als Problem der industriellen Gesellschaft, Diessenhofen, Basler Diss.
Anschrift des Autors Prof. Dr. Arnold Meyer-Faje Querlandweg 8 D-283 57 Bremen Telefon 0421 - 27 10 88
Personenregister Adorno 40 Alchian 111 Anker-Ording 165, 203 Aquin, von 107 Aristoteles 85, 95 f., 103, 107, 200,205 Barnard 72 Battegay 72 f. Baudrillard 34 Beck 110, 203 Beer 140 Berger 87, 230 Bergmann 242 Bertalanffy 140 Bleicher 27, 36, 111, 147, 149 ff., 193, 203 Bloch 64 Böckmann 152 Böhm 120, 251 Bösenberg 177 ff. Bohr 48 Bosch 124 Brandt 26 f., 89 Brater 110, 202 f., 209 Buber 63 f., 122, 210 Bürgin 49 f, 89 Burnham 199 Capra 43, 46 Cooley 72 Corsten, H. 134 Corsten, M. 209 Daimler Dawkins Deming Demsetz
124, 192 46 168, 172 112
Derrida 35 f. Descartes 20, 41 ff., 60, 71, 99 Dönhoff, von 254
Drucker 135, 188 Dubiel 27, 80, 82 Durkheim 21, 72 ff., 94 Einstein 186,215 Emery 164 f. Erhard 120 f. Eucken 26, 118 f. Feigenbaum 168 Feyerabend 32 Fort 165 ff., 170, 172 f. Foucault 18, 21, 45, 95, 98 ff. Frankl 25, 56 ff., 100, 206, 227, 231 f. Fräser 36 f. Freud 46 f., 51, 71, 195, 238 Friedman 166 Fukuyama 41, 106, 176, 194, 202, 206,212, 239 f. Gehlen 20, 33, 79, 81, 84, 87, 94 General Motors 174 Gergen 60 Giddens 20, 27, 40, 182, 189, 238 ff., 253 Goffman 69 Gould 213 Grabowski 159, 161 f. Großmann-Doerth 250 Gutenberg 109 f., 121, 128, 147, 150 Gyllenhammar 203f. Habermas 32, 41, 69 ff., 87, 90, 94, 96, 101, 122, 143, 208, 233 Hartmann 25, 53 Hasenack 108 Hauriou 78, 80, 127 Hayek, von 124,145
Personenregister
Hegel 44, 78, 85, 95 ff., 100 f. Heidegger 15, 18,25,35,41, 54 f., 57, 60, 98, 218, 226, 235 Heisenberg 48 Hennis 89 f., 92 Herzberg 161,232 Herzog 1 5 , 4 4 , 4 6 , 5 1 , 5 3 , 6 4 , 131, 194 ff., 199,205, 207 ff., 214, 216, 231 Hewlett Packard 126, 148,240 Hobbes 72 f. Homans 68, 72 f., 76 Humble 136 ff. Husserl 1 8 , 2 6 , 3 2 , 9 3 IBM 126 Inglehart 253 Ishikawa 168 Jahoda 125 Jaide 214 Jedlicka 161 Jonas 59 Jürgens 176 Jung 238 Juran 163, 170 ff. Kant 45, 59, 100 ff., 123, 128, 132, 206. 210 Katterle 123, 128, 132 Kaufmann 131 Kierkegaard 206 Kirsch 143 Klages 66 Kleiner 156 Kohlberg 60, 68, 206, 208, 210 Kojève 63 Koslowski 40, 107, 120 Krappmann 61, 69 f., 233 Krieg 149 Krüger 139 Krüsselberg, H.-G. 113,125, 131 Krüsselberg, U. 112 ff., 125
285
LaMettrie 43 Lau 79 f., 84, 86, 90 f. Lawler 161 Lempert 209 Levinson 139 Lewin 72 Likert 138 Lippit 72 Locke 119 Lorenz 214 Luckmann 85, 230 Luhmann 87 f., 94, 100, 128, 143 Lyotard 35 f., 38 Malik 111, 146 ff., 152 ff., 158 Malinowski 79 ff., 86, 94 Malthus 49 Marx 71, 92, 204 Maslow 170 Matson 43 Maturana 87 Maucher 239 Mayo 72 McGregor 135 McLuhan 36 Mead 68, 83 ff., 94, 210 Metzen 177 ff. Mill 49 MIT 174 ff., 180 ff. Montagu 214 Müller-Armack 121 Müller-Schwefe 42 Myrdal 123, 130 Nadolny 242 Nietzsche 8, 24, 89, 100 f., 233 North, D. 49 Odiorne 136, 138 Ortmann, G. 181 ff. Parsons 62, 79, 83, 86 f., 128, 143 Pestalozzi 9, 24
286
Personen Verzeichnis
Piaget 60, 68, 131, 193, 195 f., 206 ff., 210, 222 Plessner 70 f., 217, 227 Portmann 213 Pribram 92 Probst 111, 141 ff., 150, 157 Rathenau 126 Ricardo 49 Rieh 132 Rieger 147 Ritter 62, 85, 95 ff., 101 Röpke 120 Roethlisberger 72 Rombach 15, 18, 21 f., 25 f f , 55 ff., 61,67, 69, 72, 75, 83, 87, 94, 130, 187, 191 f f , 200 f., 204, 225 ff., 231, 234, 237 Rosenstiel, von 162 Rosow 161 Rüstow 120 Saint-Exupéry 235 Salin 50 Schei er 25, 217 Schelsky 77 f f , 85, 87, 95 f f , 101 Scherer 55 Schildknecht 162 ff., 168 ff. Schiller, K. 120 Schläpfer 235 Schlick 216 Schmitt 78 Schneider 118 Schnur 78 Schulz 60 Schütz 26 f., 80, 85, 93 Seghezzi 162 f., 168 ff. Shell 125
Siemens 236 Simmel 72 Skinner 46, 48, 51 Smith 21, 50 f., 95, 107 f., 112 f., 115 f., 119 f., 124, 126, 130 f., 166, 170, 254 Sokrates 42 Späth 239 Spencer 79 Steger 31 Sturn 116, 132 Sumner 79 Tarnas 32, 40, 44 Taylor 46, 48, 182, 186, 202 Thielemann 235 Thorsrud 163 ff. Tönnies 72 Toyota 174,212 Trist 164 f., 169, 171, 177 Ulrich, H. 111, 135, 140 ff., 156 ff., 185 f., 188,219, 222 Ulrich, P. 50, 93, 101, 108, 113 ff., 126, 132, 158, 235, 237 f. Varela 87 Vehlen 80 f. Volvo 169,177,203,219 Watzlawick 75,211 Weber, M. 21, 26 f., 33, 65 f., 79, 84 ff., 88 ff., 100, 231 Welsch 41, 97 f., 100 Wiswede 66 Wittgenstein 35 Woll, H. 15, 87, 109, 130 f., 145, 147 Wurzbacher 214
Sachregister Arbeit 109 f., 112 f., 125, 130, 163, 166 ff. Autogenese 72 Autonomie 20, 25, 67 f., 73, 88, 90 ff., 207 f., 217 f. Autopoiesis 87, 103 f., 183, 195 Behaviorismus 46 f., 47, 51, 83, 195 Bewußtsein 31, 56 f., 59 f f , 121 ff., 194 Chaos 193 Co-Entrepreneurship 130, 199 Corporate Identity 31,182 Demokratie 119, 129, 164 f., 177,192 Denken, ökonomisches —» Erblasten Determinismus 79 f f , 98, 101 f., 181, 225, 242 Dialog 63, 122 Differenz 54, 65, 92 f., 96 Dimensionssprung 226 ff. Diskursethik 84, 208 f. Distanzierungsfahigkeit 70,218, 234, 236, 249 Eckparameter 23, 135, 188 ff., 198,249 Effizienz 104 f., 123, 126, 152, 177 f., 180 f., 184, 187, 225 ff. Eigengesetzlichkeit (-sinn), identifikatorisch 20, 23, 25, 77, 241, 248 f. Eigentum 130, 194 Entropie 35 Erblasten ökonomischen Denkens 49 f., 107 ff.
Ethik 45, 50, 115, 125, 157, 205 ff., 253 f. Freiheit 42, 45, 56, 62, 69, 84, 95 ff., 101, 112 ff., 119, 142 f., 146, 195, 206, 217, 236,242 Führungsqualitäten, identitätsfördernde 234 ff., 249 Ganzheitlichkeit (Ganzheit) 14, 49, 107 ff., 111, 135, 140 ff., 151, 154, 157 ff., 166 f., 185 f., 192 f., 219 ff. Geist —> Menschenbild Gerechtigkeit 112, 115, 120, 131,209 Gleichheit 120, 189, 207 Globalisierung 27 ff., 37, 159, 212 Gruppe 67 ff., 176 f., 182, 231 Handlungskompetenz 23, 197 ff. Herrschaft 21, 87 ff., 104 homo faber leaniens 180 f. homo oeconomicus 21,46,49, 108, 114, 131, 186 Humanes Handlungspotential 30, 117, 129, 131 Hypolepsis 62 Ich-Identität 69 f., 233 Idemität 55 f., 226 Identifikation (Selbstidentifikation) 16, 18, 56 ff., 115 f., 137 f., 152 ff., 170 ff., 182, 241,245 Identifikatorische Interferenzen 230 ff. Identifikatorische Kompetenz 23, 71, 100, 189, 194 ff., 234, 241,249
288
Sachregister
Identität - allgemein 16 ff. - personal 52 ff., 102 ff., 127 ff. - sozial 67 ff. - institutional 77 ff., 102ff. -Unternehmung 110 f f , 127 ff. Institution - allgemein 16 f f , 77 -Unternehmung 107 f f , 142, 246 Institutionenökonomik 21, 112 ff Interaktion 68 f., 75, 83f., 86, 117, 209 ff. Interessen, versus Präferenzen 116 Internet 211 f. ISO 9000 29, 159 f., 163 Kommunikation 87, 122, 144 Kommunitarismus, versus Individualismus 38 Komplexität 35, 47, 49, 143, 145, 147, 153 f. Konflikte 72, 231 ff. Konkreativität (konkreativer Sprung) 22, 75, 130, 192, 225 ff., 247 Kybernetik 75, 143 ff., 152, 157,211, 220 Lean Management 13, 22, 36, 109, 135, 174 ff., 186, 212, 227 Lebenswelt 14, 20, 26 f., 32 ff., 41, 50, 63, 69, 87, 92, 101 f., 103, 166, 172, 252 Legitimation (Legitimierung) 21, 77 ff., 110 ff., 117 f f , 137 f., 151 ff., 168 ff., 181 f f , 245 Leitmetaphern (der Organisation) 220 f.
Lernfähigkeit -»neotenische Kompetenz Loslassen können 23, 234 ff., 249 Machbarkeit 5, 23, 199 Maschine 43, 46, 169, 195, 220 f. Macht 99 ff., 255 Management by Objectives 134 ff., 185 Markt 14, 111, 127, 245, 254 Megatrends 27 ff., 254 ff. Member -> Mitglied Menschenbilder 14 f., 25, 42 ff., 80 ff., 102, 109, 127, 130, 180, 195 ff. Mitglied 5, 14, 22, 74, 102 ff., 110 ff., 117 ff., 185 ff., 246 Moralische Kompetenz 23, 75, 197 ff., 249 Motivation 65 f. Multiphrene Identität 60, 233 Neotenische Kompetenz 23, 53, 213 ff., 249 Ontologie 16, 25, 52 ff., 93, 107 f., 117, 225 ff., 238 Optimierung 177 f. Ordnung(en) 21, 26 f., 50, 79, 89 ff., 101 f., 117 ff., 128 Ordnungsmuster 145 f., 193 Organisationsstrukturen 2 3, 219 ff., 249 Organismus 220 f. Person 16, 20, 52 - 76, 88 ff., 102 ff., 193 ff. Phänomenologie 18, 25 ff. Präferenzen 116 Property Rights 112 ff., 129 Prozeß, identifikatorisch 22, 54 ff., 103 ff., 127 ff., 247
Sachregister
Qualität -» Total Quality Management Rationalität - ökonomisch 49 f., 89 ff., 109 f. - kognitiv 196 Rechnen 126, 248 Reflexbogenmodell 48 Rekursivität 181 f. REMM 108 f. res cogitans 42 ff. res extensa 42 ff. Rolle 61 f., 68 ff., 232, 238 Schlüsselqualifikationen 202 f. Selbstintegration 57, 63 f., 75 Selbstüberschreitungskompetenz 23, 53, 197, 216 ff. Sensitives Denken 235 f., 249 Sinn 13 -24, 32 - 4 0 Sinnautonomie —> auch Autonomie 52 f f , 131, 231 f., 242 Sinnkonflikte 70, 232 f. Situation 200, 203, 227 Solidarität 23, 131, 166 ff., 186, 211, 213, 237, 239, 243 Soziabilität 209,211 Soziale Kompetenz 23,75, 194, 197 f., 202, 210 ff. Soziale Symmetrie 123 Soziale Marktwirtschaft 120 f. Sozialgenese 192, 227 f. Soziogenese 67 ff.
289
St. Galler Systemdenken 140 ff. Sustainable Development 241 Sympathie 131 System - allgemein 16, 46, 85 f f , 118, 128, 195, 217 ff. - Managementsysteme 133 -186 Team 175 ff. Total Quality Management 22, 135 ff., 185 Transversales Denken 41 Unternehmung 14, 114, 123, 126, 142, 166, 191,245 f. Verantwortung 15, 21 f., 40, 59, 63, 75, 79, 84, 94, 103, 118, 124 ff., 154, 163, 168, 208, 211 Vertrauen 189,206,209,211, 233, 235, 238 ff., 249 Werden 36, 192, 216, 242 Wille zum Sinn 53, 206 Wirtschaftsordnung Ordnungen) Zeit 36 f., 103, 153, 168, 175, 178, 203, 241 Ziele 23, 133, 135 ff., 142, 151, 168, 170, 181, 188, 190 ff., 218