Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken 9783110337013, 9783110336887

This work presents theory surrounding the promotion of literacy and reading from a practical perspective. It aims to hel

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German Pages 211 [212] Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Verwendete Marginalien
1 Einleitung
2 Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken
2.1 Vom Sinn des Lesens
2.2 Warum muss das Lesen gefördert werden?
2.3 Wie werden Kinder zu Lesern?
2.3.1 Literacy und Sprache
2.3.2 Lesesozialisation
2.3.3 Lesefreude und Lesemotivation
2.4 Ziele und Zielgruppen der Leseförderung
2.5 Formen und Methoden
3 Frühkindliche Leseförderung
3.1 Der Wortschatz wird wertvoll durch Beziehungen
3.2 Kinder unter drei Jahren und ihre Eltern
3.3 Eltern-Kind-Veranstaltungen
3.3.1 Programmablauf
3.3.2 Räumlichkeiten
3.3.3 Mitmach-Impulse und Medien
4 Kindergarten- und Grundschulalter
4.1 Vom Erleben zum Lesen – vom Lesen zum Erleben
4.2 Spielerische Elemente in der Sprach- und Leseförderung
4.2.1 Bilderbücher und Geschichten ins Spiel bringen – ein Modell
4.2.2 Weitere Spielformen zum Thema Bibliothek
4.3 Die Bedeutung des Vorlesens und Erzählens
4.3.1 Vorlesen und Erzählen als Dialog
4.3.2 Unterschiede und Mischformen beim Vorlesen und Erzählen
4.3.3 Tipps zum dialogischen Vorlesen
4.3.4 Lebendiges Erzählen
4.4 Geschichten durch verschiedene Medienformen kennenlernen
4.4.1 Kamishibai-Erzähltheater
4.4.2 Bilderbuchkino und interaktive Boardstories
4.4.3 Film/Theater zu Bilderbüchern und Geschichten
4.4.4 Hörbücher zu Bilderbüchern und Geschichten
4.4.5 Tiptoi, TING & Co
4.5 Mit Geschichten kreativ und interaktiv umgehen
4.5.1 Geschichten bewegen
4.5.2 Rollenspiel
4.5.3 Figuren- und Objektspiel
4.5.4 Bildnerisches Gestalten
4.5.5 Geschichtenerfinder-Kinder multimedial
4.5.6 Interaktive Bilderbuch-Apps
4.5.7 Antolin
4.5.8 Kreative Lernrouten im Medienverbund
4.6 Die Welt entdecken mit Sachbüchern
4.6.1 Orientierung in der Sachbuchwelt
4.6.2 Forschen und Natur entdecken mit Sachbüchern
4.7 Gruppenerlebnisse mit Geschichten und Medien
4.7.1 Lesenächte
4.7.2 Bücher-Picknick
4.7.3 Hörclubs
5 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche
5.1 Zum Lesen anregen
5.1.1 Buch-Casting
5.1.2 Book Slam®
5.1.3 „Einfache Sprache“ und leicht zugängliche Texte
5.2 Information & Unterhaltung: Kreativer Umgang mit Literatur
5.2.1 Themenorientierte Leseförderung
5.2.2 Text- und handlungsorientierte Leseförderung
5.2.3 Schreibwerkstätten für Jugendliche
5.3 Social Reading: Lesen in der Peer Group
5.3.1 Leseclubs und Jugendliteraturjurys
5.3.2 Lesescouts und Lesementoren
5.3.3 Jugendblogs und Social Reading Plattformen
5.4 Leseförderung in vernetzten Medienwelten
5.4.1 Vom Film zum Buch – vom Buch zum Film
5.4.2 Musik und Hörbücher interaktiv
5.4.3 Leseförderung mit dem Internet
5.4.4 Transmediales Erzählen
5.5 Autorenlesungen und Workshops
5.5.1 Autorenlesungen und -begegnungen
5.5.2 Workshops und Projekttage
6 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen
6.1 Literaturveranstaltungen und Literaturevents
6.1.1 Lesungen, Lesereihen, Literaturtage
6.1.2 Schreibwerkstätten
6.1.3 Besondere Literaturevents
6.2 Literatur- und Themenausstellungen
6.2.1 Konzept „Museum der verlorenen und gefundenen Dinge“
6.2.2 Projekt „Themenraum“
6.3 Intergenerationelle Leseförderung
6.3.1 Erzählcafé
6.3.2 Fundstücke aus der Vergangenheit
6.4 Angebote für Menschen mit eingeschränktem Lesevermögen
6.4.1 Das Konzept der „Einfachen Sprache“
6.4.2 Angebote zur Alphabetisierung
6.5 Angebote für Menschen mit eingeschränkter Alterskompetenz
6.5.1 Begegnung und Kommunikation bei Menschen mit Demenz
6.5.2 Medien mit Geschichten und Gedichten
6.5.3 Medien mit Musik
6.5.4 Bildmedien und Materialien für alle Sinne
7 Vermittlungsförderung
7.1 Die Familie als Basis
7.1.1 Projekt „Vorlesen in Familien“
7.1.2 Projekt „Schenk mir eine Geschichte“
7.1.3 Leselatte für Eltern, Kindergärten und Kinderärzte
7.2 Vorlesen und freiwilliges Engagement
7.2.1 Vorleseinitiative gründen
7.2.2 Qualifizierung der Vorlesepaten
7.3 Angebote für Kindertagesstätten
7.3.1 Medienboxen
7.3.2 Elternabende
7.3.3 Weiterbildung für Erzieher
7.4 Angebote für Schulen
7.4.1 Medienboxen, Klassensätze, Elternabende
7.4.2 Klassenführungen und Begleitung von Projekttagen
7.5 Angebote für Pflegeheime
7.5.1 Unterstützung für die Begleitung von Menschen mit Demenz
7.5.2 Rolle der Bibliotheken bei der Demenzbetreuung
8 Ausgewählte Kampagnen und Aktionen
8.1 Welttag des Buches
8.2 Weltgeschichtentag
8.3 Welttag der Poesie
8.4 Vorlesewettbewerb
8.5 Internationaler Kinderbuchtag
8.6 „Wir lesen vor – überall & jederzeit“
Literaturverzeichnis
Bildnachweis
Über die Autorinnen
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Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken
 9783110337013, 9783110336887

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Kerstin Keller-Loibl, Susanne Brandt Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken

Praxiswissen Bibliotheks- und Informationsmanagement in der juristischen Praxis Herausgegeben von Anne Jacobs

Kerstin Keller-Loibl, Susanne Brandt

Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken

ISBN 978-3-11-033688-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-033701-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039624-9 ISSN 2193-0198 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Zeichnungen: Angela Holzmann, aha Design, München; Oliver Köjer, Duisburg Satz: Medien Profis GmbH, Leipzig Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Verwendete Marginalien  1 Einleitung 

 VIII

 1

 3 2 Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken  2.1 Vom Sinn des Lesens   3 2.2 Warum muss das Lesen gefördert werden?   4 2.3 Wie werden Kinder zu Lesern?   6 2.3.1  Literacy und Sprache   6 2.3.2 Lesesozialisation   8 2.3.3 Lesefreude und Lesemotivation   10 2.4 Ziele und Zielgruppen der Leseförderung   12 2.5 Formen und Methoden   15  24 3 Frühkindliche Leseförderung  3.1 Der Wortschatz wird wertvoll durch Beziehungen  3.2 Kinder unter drei Jahren und ihre Eltern   25 3.3  Eltern-Kind-Veranstaltungen   25 3.3.1 Programmablauf   26 3.3.2  Räumlichkeiten   27 3.3.3  Mitmach-Impulse und Medien   27

 24

 32 4 Kindergarten- und Grundschulalter  4.1  Vom Erleben zum Lesen – vom Lesen zum Erleben   32 4.2 Spielerische Elemente in der Sprach- und Leseförderung   32 4.2.1  Bilderbücher und Geschichten ins Spiel bringen – ein Modell   33 4.2.2  Weitere Spielformen zum Thema Bibliothek   38 4.3  Die Bedeutung des Vorlesens und Erzählens   43 4.3.1  Vorlesen und Erzählen als Dialog   45 4.3.2  Unterschiede und Mischformen beim Vorlesen und Erzählen   47 4.3.3  Tipps zum dialogischen Vorlesen   48 4.3.4  Lebendiges Erzählen   48 4.4  Geschichten durch verschiedene Medienformen kennenlernen   51 4.4.1  Kamishibai-Erzähltheater   51 4.4.2  Bilderbuchkino und interaktive Boardstories   57 4.4.3  Film/Theater zu Bilderbüchern und Geschichten   59 4.4.4  Hörbücher zu Bilderbüchern und Geschichten   60 4.4.5  Tiptoi, TING & Co.   62 4.5  Mit Geschichten kreativ und interaktiv umgehen   63 4.5.1  Geschichten bewegen   63 4.5.2  Rollenspiel   65 4.5.3  Figuren- und Objektspiel   67 4.5.4  Bildnerisches Gestalten   70 4.5.5  Geschichtenerfinder-Kinder multimedial   74 4.5.6  Interaktive Bilderbuch-Apps   77 4.5.7  Antolin   78 4.5.8  Kreative Lernrouten im Medienverbund   80 4.6  Die Welt entdecken mit Sachbüchern   80 4.6.1  Orientierung in der Sachbuchwelt   81

VI 

 Inhalt

4.6.2  4.7  4.7.1  4.7.2  4.7.3 

Forschen und Natur entdecken mit Sachbüchern  Gruppenerlebnisse mit Geschichten und Medien  Lesenächte   88 Bücher-Picknick   89 Hörclubs   90

 86  88

 94 5  Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche  5.1  Zum Lesen anregen   94 5.1.1  Buch-Casting   94 ® 5.1.2  Book Slam    97 5.1.3  „Einfache Sprache“ und leicht zugängliche Texte   104 5.2  Information & Unterhaltung: Kreativer Umgang mit Literatur  5.2.1  Themenorientierte Leseförderung   109 5.2.2  Text- und handlungsorientierte Leseförderung   112 5.2.3  Schreibwerkstätten für Jugendliche   115 5.3  Social Reading: Lesen in der Peer Group   118 5.3.1  Leseclubs und Jugendliteraturjurys   119 5.3.2  Lesescouts und Lesementoren   123 5.3.3  Jugendblogs und Social Reading Plattformen   124 5.4   Leseförderung in vernetzten Medienwelten   127 5.4.1  Vom Film zum Buch – vom Buch zum Film   128 5.4.2  Musik und Hörbücher interaktiv   131 5.4.3  Leseförderung mit dem Internet    134 5.4.4  Transmediales Erzählen   140 5.5  Autorenlesungen und Workshops   142 5.5.1  Autorenlesungen und -begegnungen   143 5.5.2  Workshops und Projekttage   146

 108

 149 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen  6   6.1  Literaturveranstaltungen und Literaturevents   149 6.1.1  Lesungen, Lesereihen, Literaturtage   149 6.1.2  Schreibwerkstätten   150 6.1.3  Besondere Literaturevents   152 6.2  Literatur- und Themenausstellungen   155 6.2.1  Konzept „Museum der verlorenen und gefundenen Dinge“   155 6.2.2  Projekt „Themenraum“   156 Intergenerationelle Leseförderung  6.3   156 6.3.1  Erzählcafé   157 6.3.2  Fundstücke aus der Vergangenheit    158 6.4  Angebote für Menschen mit eingeschränktem Lesevermögen   160 6.4.1  Das Konzept der „Einfachen Sprache“   160 6.4.2  Angebote zur Alphabetisierung   166 6.5  Angebote für Menschen mit eingeschränkter Alterskompetenz   169 6.5.1  Begegnung und Kommunikation bei Menschen mit Demenz   170 6.5.2  Medien mit Geschichten und Gedichten   172 6.5.3  Medien mit Musik   173 6.5.4  Bildmedien und Materialien für alle Sinne   175  177 Vermittlungsförderung  7  7.1  Die Familie als Basis   177 7.1.1  Projekt „Vorlesen in Familien“ 

 177



7.1.2  7.1.3  7.2  7.2.1  7.2.2  7.3  7.3.1  7.3.2  7.3.3  7.4  7.4.1  7.4.2  7.5  7.5.1  7.5.2 

Inhalt 

Projekt „Schenk mir eine Geschichte“   178 Leselatte für Eltern, Kindergärten und Kinderärzte   179 Vorlesen und freiwilliges Engagement   180 Vorleseinitiative gründen   181 Qualifizierung der Vorlesepaten   182 Angebote für Kindertagesstätten   183 Medienboxen   183 Elternabende   184 Weiterbildung für Erzieher   184 Angebote für Schulen   185 Medienboxen, Klassensätze, Elternabende   185 Klassenführungen und Begleitung von Projekttagen   186 Angebote für Pflegeheime   187 Unterstützung für die Begleitung von Menschen mit Demenz  Rolle der Bibliotheken bei der Demenzbetreuung   188

 190 8  Ausgewählte Kampagnen und Aktionen  Welttag des Buches  8.1   190 8.2  Weltgeschichtentag   190 Welttag der Poesie  8.3   191 8.4  Vorlesewettbewerb   191 Internationaler Kinderbuchtag  8.5   192 „Wir lesen vor – überall & jederzeit“  8.6   193 Literaturverzeichnis  Bildnachweis 

 194

 199

Über die Autorinnen 

 200

 188

 VII

Verwendete Marginalien Zum besseren Verständnis der Inhalte werden im Buch unterschiedliche Bildsymbole (Marginalien) am Seitenrand des Textes verwendet. Diese haben folgende Bedeutung:

Vertiefungen, Übungen, Anwendung: Am Ende einiger Kapitel werden zur Vertiefung Übungen angeboten. Die aufgeführten Fragen helfen, das Gelesene zu reflektieren.

Checkliste: Checklisten dienen als Arbeitshilfen. Sie fassen wesentliche Aspekte zusammen und können gezielt abgearbeitet werden.

Tipps & Tricks: Hier werden Tipps, Hintergrundinformationen und Literaturhinweise gegeben.

Zitat: Zitate aus verschiedenen Textquellen werden hier wiedergegeben.

Zielgruppe: Hier erfolgt ein Hinweis auf die Zielgruppe, für die das Angebot geeignet ist.



Verwendete Marginalien 

Allgemeine Aussage: Wichtige Aussagen, Feststellungen oder Merksätze werden besonders hervorgehoben.

Kennen Sie: Persönlichkeiten, Verbände oder Institutionen werden kurz vorgestellt.

Rechtsfragen: Hier werden Hinweise auf rechtliche Aspekte gegeben, die zu beachten sind.

Hinweise, Wissenswertes: Hinweise, Wissenswertes oder zentrale Aussagen werden auf den Punkt gebracht.

 IX

1  Einleitung Leseförderung gehört auch und gerade im Zuge einer wachsenden Berücksichtigung der Medienvielfalt zu den Kernaufgaben Öffentlicher Bibliotheken. Anregungen und inspirierende Impulse zur Lesemotivation sowie die Entwicklung von differenzierten Leseinteressen und ausgeprägten Lesegewohnheiten im Alltag sind längst nicht mehr nur an das Buch gebunden, sondern sie bilden die Grundlage für die kritische und gezielte Nutzung aller Medien mit ihren spezifischen Eigenschaften und Nutzungsformen. Dabei gehören Öffentliche Büchereien zu den wenigen Institutionen, die diesen Prozess bei Menschen von der ersten Sprachentwicklung an bis ins hohe Alter begleiten, und die Bildungsinteressen ebenso im Blick haben wie Freizeitbedürfnisse und soziale Belange. Mit der wachsenden Medienvielfalt in Bibliotheken weitet sich das Verständnis von Lesekompetenz und Leseförderung, das in seiner Komplexität erkannt werden muss, wenn es auch in der Praxis nicht immer in allen seinen Aspekten vertieft werden kann. Bewusst gesetzte Akzente und Beschränkungen auf ausgewählte Schwerpunkte in der bibliothekarischen Praxis vor Ort sind gut zu überlegen und begründet zu vertreten. Zu bedenken ist dabei, dass Sinnkonstruktion und Kommunikation im Umgang mit Medien von vielfältigen Wahrnehmungen geprägt sind und beispielsweise das Lesen von Bildern wie überhaupt eine zunehmende Multimodalität untrennbar mit jeder Mediennutzung verbunden ist. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass literale Erfahrungen in enger Beziehung zur sozialen Identität stehen. So gehört bei Jugendlichen das Lesen und Schreiben mit elektronischen Medien, das Verarbeiten von Bildern oder Rezipieren von Musik über Medien so selbstverständlich zum täglichen Handeln wie die elementaren mündlichen oder körpersprachlichen Ausdrucksweisen. Soziale Interaktion und die Bedeutung von Begleit- oder Anschlusskommunikation bei vielfältigen medialen Leseerlebnissen tragen also erheblich zur Lesemotivation bei. Gleichzeitig wird in der Schule das Lesen und Schreiben in erster Linie zum Zweck des gezielten Lernens vermittelt. Literarische Bildung und schulisches Lesetraining, das auf unterschiedlichen Stufen der Leseentwicklung die Fertigkeiten im Umgang mit Texten schult, werden noch zu wenig von lesefördernden Maßnahmen begleitet, die die alltäglichen Lesegewohnheiten von Kindern und Jugendlichen wahr- und ernstnehmen. Hier ergibt sich für Bibliotheken als außerschulische Institutionen eine wichtige Frage der Positionierung: Stellen sie sich mit ihrem Leseförderkonzept als Bildungspartner an die Seite von Schulen, auch wenn diese das Lesen weniger von den alltäglichen Lesegewohnheiten der Kinder und Jugendlichen her definieren und fördern? Sehen sie ihren Schwerpunkt eher bei einer Unterstützung des Lesens in einem weiteren Sinne, die vor allem die Eigenaktivitäten, sozialen Varianten und kommunikativen Chancen bei der kulturellen Teilhabe von Jugendlichen im Blick hat? Oder gelingt den Bibliotheken der Spagat, beides miteinander zu verbinden und in einem eigenständigen Leseförderkonzept angemessen zu integrieren? Daraus ergibt sich ein außerordentlich breites Anforderungsprofil für Sie als Mitarbeitende in Bibliotheken, die einerseits umfangreiche Kenntnisse und Methoden parat haben müssen, um den verschiedenen Zielgruppen in der Leseförderung gerecht werden zu können, und die andererseits im Arbeitsalltag oft nur wenig Zeit haben, um sich über den aktuellen Stand der Leseforschung zu informieren und sich dazu passende Angebote und Methoden anzueignen oder diese neu zu entwickeln.

2 

 Einleitung

Die Verwendung des grammatischen Geschlechts (Genus) ist in dieser Publikation grundsätzlich nicht mit dem biologischen Geschlecht (Sexus) gleichzusetzen, sondern entspricht dem der deutschen Sprache eigenen generischen Maskulinum und meint folglich sowohl männliche als auch weibliche Personen. Auch aus Platzgründen wird auf eine konsequente Doppelnennung verzichtet.

So entstand dieser Praxisratgeber mit dem Anliegen, Ihnen genau für diese Situation fundierte theoretische Grundlagen der Leseforschung praxisbezogen zu vermitteln, und auf dieser Basis eine umfassende Hilfestellung für die Planung und Durchführung von Veranstaltungen und Projekten zur Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken zu bieten. Das Buch zeichnet sich durch seine bibliotheksspezifische Ausrichtung aus: Veranstaltungsformate und Projekte, die sich für die bibliothekarische Praxis eignen, werden ausführlich vorgestellt, unter anderem mit detaillierten Konzeptideen, Ablaufplänen, konkreten Tipps für die Umsetzung und wichtigem Hintergrundwissen zur Zielgruppe. Pädagogisch-didaktisches Grundwissen und ein Potpourri an Vermittlungsmethoden ergänzen die Darstellung und regen dazu an, die vorgestellten Ideen und Konzepte umzusetzen oder eigene Leseförderungsaktivitäten zu entwickeln. Mit einem reichen Schatz langjähriger Erfahrungen aus der Bibliothekspraxis wie aus der beruflichen Weiterbildung, Forschung und Lehre möchten wir hier erstmals versuchen, den Bogen weit über alle Zielgruppen zu spannen. Denn in den letzten Jahren hat sich das klassische Feld der Leseförderung in verschiedene Richtungen deutlich ausgedehnt: Vor dem Kindergartenalter sind erste Begegnungen mit Schrift und Zeichen bei Kindern unter drei Jahren viel stärker in den Blick gerückt, und am Ende des Lebens stellt sich die Frage, wie Medien bei Hochbetagten mit eingeschränkter Alterskompetenz zu Orientierung und Wohlbefinden beitragen können. In einer Lebenslage, die möglicherweise von einem krankheits- oder altersbedingten Abbau oder Verlust der Lesefähigkeit gekennzeichnet ist, meint Leseförderung nicht den Versuch, die Lesefähigkeit zurückzugewinnen. Vielmehr geht es darum, wahrzunehmen, wie die Biografie und die Empfindungen eines Menschen bis ins hohen Alter geprägt sind von den Lese- und Medienerfahrungen eines langen Lebens. Hier gilt es, individuelle biografische Anknüpfungspunkte zu finden und Medien zum Einsatz zu bringen, die die Identität eines Menschen stärken und eine kulturelle Teilhabe in geeigneter Weise ermöglichen. Bei allem zu berücksichtigen ist das große Spektrum von Angeboten im Medienverbund, die neue Ansätze in der Leseförderung möglich und nötig machen. Hinzu kommen aktuelle Veränderungen im Bildungs- und Freizeitbereich, die zu neuen Strategien in der Arbeit mit verschiedenen Zielgruppen herausfordern. Die Themenvielfalt dieses Buches reicht daher von der frühkindlichen Sprachförderung über jugendspezifische Leseförderungsaktionen wie Book Slams® und Literaturevents bis hin zu sinnlichen Kommunikationsformen, bild- und musikgestützten Vermittlungswegen für alle Generationen in unterschiedlichen Lebenslagen. Interkulturelle Aspekte sind dabei exemplarisch in den verschiedenen Kapiteln mit eingearbeitet, weil sie in allen Generationen und Lebenslagen eine Rolle spielen können. Mit dieser Vielfalt wendet sich der Praxisratgeber nicht allein an Kinder- und Jugendbibliothekare, sondern an alle Mitarbeitende in Öffentlichen Büchereien, die vor der Aufgabe stehen, ihr Angebot kompetent auf verschiedene Zielgruppen auszurichten. Dabei haben wir versucht, die Beispiele so konkret wie möglich für die Bibliothekspraxis aufzubereiten. Auch Studierende erhalten mit diesem Buch eine umfassende und fundierte Einführung in das Forschungs- und Praxisfeld der Leseförderung. Umfangreiche Literaturhinweise und weiterführende Linktipps ergänzen und bereichern diesen Band.

2  Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken 2.1 Vom Sinn des Lesens Eva Heller sei Dank: Keine schweißtreibenden Leibesübungen mehr, um dem Schönheitsideal der Boulevardpresse zu entsprechen! Es gibt eine neue Wunderdiät: das Lesen. „Wie man allseits beliebt wird, glücklich und schlank, oder: Vom Sinn des Lesens“ lautet der mit (manchmal allzu offensichtlichem) Augenzwinkern geschrie­bene Roman von Eva Heller, der 2001 im Gerstenberg Verlag erschien. Der Verlag empfiehlt den Roman für Kinder ab neun Jahren und – nicht ohne Grund – für Erwach­sene, die – wie im Klappentext vorsichtig formuliert wird – „mitlesen dürfen“. Eigentlich sollten alle Eltern dieses Buch spätestens zur Einschulung ihres Kindes als Pflichtlektüre erhalten, zusammen mit einem Anmeldeschein für die örtliche Bibliothek. Worum geht es in diesem Roman und weshalb sollten ihn Erwachsene lesen? Erzählt wird die Erfolgsgeschichte des Mädchens Melitta. Sie ist faul, dick und ungeliebt und soll endlich etwas dagegen tun. Doch anstatt einer der schicken Sportarten nachzugehen, die ihre Eltern ihr empfehlen, widmet sie sich dem Training der Fantasie. Sie verbringt fortan ihre Zeit mit einem Märchenbuch und dem Austausch darüber mit einem lesenden Professor. Und weil Lesen spannender ist als Fernsehen, muss sie dabei auch nicht ständig naschen und verliert prompt einige Pfunde. Aber damit nicht genug: Melitta erzählt anderen Kindern selbst erfundene oder umgedichtete Märchen und wird eine beliebte „Märchentante“. Am Ende erlangt sie auch noch Ruhm, weil ihre Geschichten in der Tageszeitung abgedruckt werden. Erst jetzt begreifen ihre Eltern, die so gar keinen Bezug zu Büchern haben, dass Lesen doch von Vorteil ist und man es damit im Leben „zu etwas bringen kann“. Was ist der Sinn des Lesens? Es gibt viele gute Gründe für das Lesen, nicht nur lehrreiche Diäten, Ruhm und Geld: Lesen ist in unserer schriftbasierten Informationsgesellschaft die Schlüsselqualifikation für die gesamte schulische und berufliche Entwicklung. Es ist zudem für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen von grundlegender Bedeutung. Als positive Wirkungen des Lesens werden in der Leseforschung die Entwicklung des Vorstellungsvermögens, des komplexen Denkens und der Sprachkompetenz genannt (Dahrendorf, 1995, S. 34). Lesen fördert Fähigkeiten zu Kommunikation, zu politischer Meinungsbildung, zu kognitiver Orientierung und stärkt die Empathie- und Moralentwicklung, die ästhetische Sensibilität und die Reflexion (Garbe, 2010, S. 18). Lesen erweitert den Horizont. Wer liest und schreibt, entwickelt Fantasie und Kreativität. Bücher helfen Kindern, sich die Welt zu erklären und Antworten auf Fragen zu finden. Kinder können sich mit Figuren in Büchern identifizieren, gemeinsam Geschichten erleben, Gedanken und Gefühle kennenlernen und eigene Probleme verarbeiten. „Lesen lernen heißt Leben lernen“, hat die Kinderbuchautorin Mirjam Pressler formuliert und damit den Sinn des Lesens treffend beschrieben. Kindern, die keine Lesevorbilder haben, kann die faszinierende Welt des Lesens verborgen bleiben. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Defizite nicht durch andere Instanzen der Leseförderung ausgeglichen werden. Leseförderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und erfordert das Zusammenwirken verschiedener Institutionen und Einrichtungen, insbesondere der Kindertagesstätten, Schulen und Bibliotheken. Auch in der Geschichte von Melitta, die aus einer Familie stammt, in der das Fernsehen die liebste und fast einzige Freizeitbeschäftigung ist, war ein Einfluss von außen erforderlich, damit sie sich zu einer Leserin entwickeln konnte. Ihre Eltern hätten

„Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten, zu einem berauschend schönen, sinnerfüllten und glücklichen Leben.“ (Aldous Huxley)

„Man lernt in Büchern Menschen kennen, du lachst mit ihnen, weinst mit ihnen, und das ist, als ob du dich mit einem Freund unterhälst. So werden Bücher zu Freunden.“ (Heller, Wie man allseits beliebt wird…, S. 16)

4 

 Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken

lieber viel Geld für Sportclubs ausgegeben als für Bücher. Dass es Melitta am Ende sogar noch gelingt, ihre Eltern vom Wert des Bücherlesens zu überzeugen, gehört zur Erfolgsstory des Buches und ist im realen Leben leider nicht immer so.

2.2 Warum muss das Lesen gefördert werden?

„Das Betriebssystem für das Lesen ist die Sprachkompetenz. Oder […] hat jemand schon einmal ein Kind gesehen, das Fahrrad fahren konnte, bevor es laufen gelernt hatte?“ (Ulrich Wechsler, Erst laufen, dann Rad fahren)

Als Leser wird man nicht geboren! Lesen ist eine zentrale Kulturtechnik, die in einer schriftbasierten Gesellschaft eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzuhaben. Aber das Lesen muss erlernt werden. Das menschliche Gehirn besitzt keine Region, die speziell für die Kompetenz zum Lesen ausgebildet ist – ganz im Gegensatz zur Fähigkeit des Hörens, Sehens und Sprechens. Die Eignung für das Lesen ist aber angelegt, wir benutzen hierfür Hirnregionen, die ursprünglich für andere Zwecke entwickelt worden waren. Man nimmt an, dass diese Hirnregionen früher für das Spurenlesen verwendet wurden. Sprechen und Lesenlernen sind aktive und dialogische Prozesse. Keines der elektronischen Medien kann den Spracherwerb durch menschliche Kommunikation ersetzen. Die Unterstützung des Spracherwerbs ist die erste Voraussetzung für einen erfolgreichen Leselernprozess. Dass die Sprache der Schlüssel zu Kommunikation und Bildung ist, belegen auch neurowissenschaftliche Untersuchungen. Diese Studien wiesen nach, dass sich der Erwerb von Sprachkompetenz im ersten Lebensjahrzehnt vollzieht. In der Entwicklung des Menschen gibt es sogenannte „sensible Phasen“, biologische „Entwicklungsfenster“. Es wird vermutet, dass sich das Fehlen von notwendigen Erfahrungen innerhalb dieser Phasen ungünstig auf die weitere Entwicklung auswirken kann. Eine besonders sprachsensible Phase ist die Zeit von der Geburt bis zum Schuleintritt. In diesem Zeitfenster ist das Gehirn des Kindes besonders empfänglich für sprachliche Informationen. Spätestens im Alter von 13 Jahren ist die Sprachentwicklung nahezu vollständig abgeschlossen (Brandl, 2010, S. 10). Das bedeutet, dass vor allem in der frühen Kindheit der Grundstock für den Spracherwerb und somit auch für das Lesen gelegt werden muss. Häufig wird der Begriff „Literacy“ für die sprachliche Bildung im Elementarbereich verwendet, der kindliche Erfahrungen mit dem Buch und der Erzähl-, Reim- und Schriftkultur umfasst. Dazu gehören das Interesse an Schrift, das Symbolverständnis, der Umgang mit Büchern und die Lesefreude – Erfahrungen also, die Kinder vor dem Eintritt in die Schule mit Schrift und Zeichen machen. Diese frühen Literacy-Erfahrungen tragen langfristig dazu bei, dass bessere Sprach- und Schreibkompetenzen erworben werden (Ulisch, 2003). Das Lesenlernen erfordert den Erwerb verschiedener Teilfertigkeiten: Das Dekodieren von Wörtern, das Verstehen von Sätzen und schließlich das Verständnis von Textzusammenhängen. Die Entwicklung dieser Teilfähigkeiten wird im Deutschunterricht durch gezielte Leseübungen unterstützt. Die Deutschdidaktik sieht in Leseübungen ein wichtiges Mittel, um Leseschwächen zu diagnostizieren und mit entsprechenden Übungen und Aufgaben den Lesenden zu fördern (Beste, 2011, S. 17f.). Texte zu verstehen setzt Fähigkeiten voraus, die auf folgenden Grundlagen beruhen: –– eine Form erkennen, –– eine Struktur erkennen, –– eine mögliche Bedeutung aufbauen, –– einen Sinn erfassen (Heringer, 2001, S. 2).



Warum muss das Lesen gefördert werden? 

Um Texte zu verstehen, muss der Rezipient das Gelesene mit seinem Vorwissen und seinen Fähigkeiten zur Analyse verknüpfen und verarbeiten. Dies trifft auch auf monologische Kommunikationsformen wie zum Beispiel das Vorlesen zu. Auch hier findet ein aktives Rekodieren des Zuhörenden statt, um den Text zu verstehen. Die Rezeption gehörter oder gelesener Sprache basiert auf ähnlichen Grundmustern. Der Begriff „Lesekompetenz“ meint aber nicht nur die Fähigkeit zum Lesen oder des Textverstehens, sondern schließt darüber hinaus gehende Kompetenzen mit ein. In neueren Konzepten orientiert sich die Begriffsbeschreibung am angelsächsischen Verständnis von „Reading Literacy“ und umfasst die Fähigkeit zur kognitiven Nutzung schriftlicher Informationen. So versteht das deutsche Konsortium der PISA-Studie unter Lesekompetenz „die Fähigkeit, geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu verstehen und sie in einen größeren sinnstiftenden Zusammenhang einzuordnen, sowie in der Lage zu sein, Texte für verschiedene Zwecke sachgerecht zu nutzen“ (Baumert, 2001, S. 22). Nach diesem Verständnis ist der Erwerb von Lesekompetenz eine wesentliche Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Umgekehrt bedeutet eine gering entwickelte Lesefähigkeit bis hin zum funktionalen Analphabetismus eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Sprachliche Fähigkeiten und Lesekompetenz sind auch für die Orientierung im Internet und für den Umgang mit anderen Medien elementar. Die neuen Herausforderungen durch die Entwicklung digitaler Medien, multimedialer und vernetzter Angebote lassen das Lesen immer bedeutsamer werden, auch im Sinne eines übergreifenden und vernetzten Kompetenzverständnisses, das beispielsweise im Begriff „Literacy“ zum Ausdruck kommt. Die Begriffskombinationen zum Literacy-Begriff, die sich mit Suchmaschinen im Internet finden lassen, verweisen auf eine sehr weite Verwendungsweise und auf vernetzte Strukturen im Hinblick auf zentrale Kompetenzen wie Lesen, Schreiben, Informieren und Kompetenzen im Umgang mit Medien und dem Computer. So finden sich unter anderem die Kombinationen „Reading Literacy“, „Writing Literacy“, „Information Literacy“, „Media Literacy“ oder „Computer Literacy“. Das Literacy-Konzept umfasst wesentliche Grundfähigkeiten, die für Weltaneignung und lebenslange Lernfähigkeit von Bedeutung sind. Sean Cordes verwendet den Begriff „Multimodal Literacy“, um die benötigten Kompetenzen im Umgang mit interaktiven Medien in einer digitalen Welt zu beschreiben. „Multimodal literacy is the synthesis of multiple modes of communication” (Cordes, 2009, S. 3). Dazu gehören nach Cordes verschiedene Kompetenzen, die er mit den Begriffen „Visual Literacy“, „Information Literacy“, „Media Literacy“ und „Multicultural Literacy“ umschreibt. Das Erlernen der Kulturtechniken Lesen und Schreiben ist im 21. Jahrhundert nicht mehr zu trennen vom Umgang mit Bild-, Ton- und digitalen Medien. Die Digitalisierung von Texten erweitert die Zugangsmöglichkeiten zur Literatur und verändert zugleich unser Leseverhalten. Texte werden immer häufiger am Bildschirm oder auf dem Display gelesen. Das Internet ermöglicht den Zugang zu einer Vielfalt an Texten und Informationsquellen. Leseförderung und das Erlernen des Umgangs mit allen Medien gehören deshalb eng zusammen. „Die Fähigkeit, Texte zu entschlüsseln und deren Inhalt zu rekonstruieren, hat dabei unter den Kulturtechniken eine exponierte Stellung: Wir lesen erheblich häufiger, als wir schreiben oder rechnen. Im schulischen Bereich ist Leseverständnis eine wichtige Grundfähigkeit in fast allen Unterrichtsfächern“ (Lenhard, 2013, S. 11). Lesen ist und bleibt der zentrale Aspekt des Literacy-Begriffes. Mit der Zunahme digitaler Texte wird es immer wichtiger werden, ein hohes Niveau an Lesekompetenz zu erwerben, um sich in der Informationsvielfalt zu orientieren und sinnvoll Texte

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Für den aus dem anglo-amerikanischen Raum stammenden Begriff „Literacy“ gibt es keine adäquate deutsche Übersetzung. In den meisten Publikationen wird deshalb der englische Begriff beibehalten.

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auszuwählen und für sich zu nutzen. Lesekompetenz ist in einer schriftbasierten Gesellschaft eine Basiskompetenz und eine Vorläuferkompetenz für weitere Kernkompetenzen wie zum Beispiel Medien- und Informationskompetenz (Keller-Loibl, Leseförderung, 2012, S. 179).

2.3 Wie werden Kinder zu Lesern? 2.3.1 Literacy und Sprache Leseförderung kann und darf nicht erst beim Eintritt der Kinder in die Schule einsetzen, sondern sie muss im frühesten Kindesalter beginnen. Schon lange bevor ein Kind lernt, selbstständig Texte zu entziffern, setzt die kindliche Leseentwicklung ein. Zum Lesen gehört nicht nur das Lesen von Buchstaben und Wörtern, sondern auch das Verstehen von Bildern und Zeichen. Das Interesse an Schrift, das Symbolverständnis, der Umgang mit Büchern und die Lesefreude – all dies sind Literacy-Erfahrungen, die Kinder vor der Schule mit Zeichen und Schrift machen sollten. Kinderreime, -lieder und -gedichte sowie der spielerische Umgang mit Sprache durch Wortspiele und anderes fördern das Sprachbewusstsein und das Sprachvermögen. „Es ist inzwischen […] gut dokumentiert, dass der Erfolg sehr junger Kinder beim Lesen zum Teil mit ihrer frühen Kenntnis von Kinderreimen und Kinderliedern und ihrer Empfänglichkeit für Reime und poetische Lautwiederholungen in ihrer Sprache zu tun hat. Diese Kenntnis bezeichnet man […] als phonologischen Bewusstheit“ (Whitehead, 2007, S. 48). Auch das Vorlesen und Erzählen von Geschichten sowie das gemeinsame Gespräch über das Gelesene bzw. Gehörte sind wirksame Methoden der Leseförderung (siehe dazu Kapitel 4.3). Spaß an Erzählungen, Geschichten, Gedichten und Liedern sowie das Experimentieren mit Lauten, Wörtern und Texten sind die Anfänge einer Entwicklung zum Leser (Whitehead, 2007, S. 49). Kinder verbinden das Vorlesen mit der Nähe zu den Eltern, mit Geborgenheit und Harmonie. Sie empfinden das Lesen in diesem Zusammenhang als etwas Angenehmes und Schönes. Kinder, die gern vorgelesen bekommen und diese Situationen als etwas Besonderes genießen, bauen eine intensive Beziehung zu Büchern auf. „Durch Vorlesen erfahren Kinder außerdem schon sehr früh, dass gedruckte Texte eine Bedeutung haben, die man sich durch Lesen erschließen kann“ (Füssenich & Geisel, 2008, S. 40). Literacy beinhaltet zudem den Umgang mit anderen Sprachen und deren Wertschätzung. Diese Fähigkeiten können zum Beispiel durch das Betrachten mehrsprachiger Bilderbücher oder das Lernen von Liedern in anderen Sprachen gefördert werden. Mit der Sprachentwicklung, die sich entscheidend in den ersten Lebensjahren eines Kindes vollzieht, werden die Grundsteine für die Leseentwicklung gelegt.

Von Zeichen und Symbolen zur Schrift In der ersten Phase des Leselernprozesses steht das Verstehen von Bildern, Zeichen und Signalen im Vordergrund. Die Kinder lernen ihre Umwelt kennen und lernen, Zeichen und Signale zu verstehen. In der Theorie werden verschiedene Stufen des Lesens unterschieden: –– Situationslesen (Erkennen von Personen und die Wahrnehmung verschiedener Reize, z. B. Mutter deckt den Tisch → bald gibt es etwas zu essen),



Wie werden Kinder zu Lesern? 

–– Bilderlesen (Erkennen von Personen, Gegenständen, Räumen bzw. Orten und Situationen, z. B. auf Fotos, Zeichnungen, in Bilderbüchern), –– Bildzeichen oder Piktogramme lesen (z. B. Verkehrszeichen, Bildsymbole für Toiletten, Firmenlogos u. a.), –– Ganzwortlesen (ganze Wörter werden anhand des Wortbilds erkannt, z. B. Namen, Lebensmittel), –– Schriftlesen (alphabetisches Prinzip: Buchstaben, Silben und Worte werden erlernt, Schrift kann gelesen werden).

Stufenmodelle des Lesens Der Schriftspracherwerb wird meist als mehrphasiger Entwicklungsprozess gesehen, wobei sich die Phasen nicht ausschließen, sondern ineinandergreifen können. Hurrelmann unterscheidet drei Phasen im Hinblick auf die wachsende Fähigkeit der Kinder, Schriftsprache zu verstehen: –– Phase der prä- und paraliterarischen Kommunikation: Ausbildung von Sprachbewusstheit, –– Phase der Alphabetisierung: Dekodieren von Schrift und Entschlüsselung von schriftsprachlichen Texten, –– Phase der selbstständigen kindlichen Lektüre: die Zugänglichkeit von Lesestoffen gewinnt an Bedeutung (Hurrelmann, 2006, S. 29). Das folgende Stufenmodell nach Günther (1984) stellt die Entwicklung der Lesefähigkeit eines Kindes in einem Fünf-Phasen-Modell dar. Hier wird deutlich erkennbar, dass mit der Absolvierung der „alphabetischen Phase“ der Leselernprozess noch nicht abgeschlossen ist. Es folgen die „orthographische Phase“ und die „integrativautomatische Phase“. Erst beim Erreichen der sogenannten „automatischen Phase“ können Sinn und Inhalte von Texten erfasst werden. Die Phasen werden individuell verschieden schnell durchlaufen. 1. Präliteral-symbolische Phase – Wiedererkennen eines realen Gegenstands in einer zweidimensionalen Abbildung → Bilderbücher 2. Logographemische Phase – Zunahme des Interesses an Schrift, Wort und Texten – Erkennen einzelner Wörter anhand markanter Merkmale 3. Alphabetische Phase – Erfassen des Zusammenhangs zwischen Laut und Buchstabe – Wörter werden buchstabenweise gelesen 4. Orthographische Phase – Bewältigung größerer Buchstabeneinheiten – häufig vorkommende Wörter werden ganzheitlich erfasst 5. Integrativ-automatische Phase – Lesen von komplexen Wörtern in kürzerer Zeit – Alphabetisierung ist nicht mehr notwendig → Konzentration auf Sinn und Inhalt wird möglich Stufenmodell des Schriftspracherwerbs nach K. B. Günther, 1984.

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2.3.2 Lesesozialisation In der Leseforschung wird der Erwerb von Lesekompetenz als Sozialisationsprozess verstanden. Die Sozialisationstheorie geht davon aus, dass sich die menschliche Persönlichkeit in Wechselwirkung mit der gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Umwelt entwickelt. Der Umgang mit Sprache, Schriftlichkeit und Medien gehört zweifellos dazu. Lesekompetenz und Lesegewohnheiten werden in einem komplexen, von vielen Faktoren geprägten Prozess ausgebildet, in dem auch motivationale und emotionale Aspekte eine große Rolle spielen. In der Theorie der Lesesozialisation wurde ein Mehr-Ebenen-Modell entwickelt, das die Einflusskomplexe auf verschiedenen Ebenen beschreibt: Makro-Ebene: Meso-Ebene: Mikro-Ebene:

Gesellschaftliche Kultur Familie, Schule, Peers Persönliche Lesekultur

Modifizierte Darstellung des Mehrebenen-Modells nach Groeben, 2004 und Hurrelmann, 2006.

Die Entwicklung zum Leser ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Zum einen nehmen Eltern, Geschwister, Kindergarten, Schule und Freunde Einfluss auf das kindliche Leseverhalten. Zum anderen spielen gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie zum Beispiel die Strukturen des Mediensystems wie auch individuelle Dispositionen eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Lesegewohnheiten. Ob Heranwachsende gern und häufig lesen oder nicht ist geprägt von Motivationen, Einstellungen, Fähigkeiten und der Interaktion in der Familie, Schule und zwischen den Peers. Jede Lesekarriere verläuft individuell. Der theoretische Bezugsrahmen des Leseverhaltens wird in der folgenden grafischen Darstellung veranschaulicht: Gesellschaftliche Rahmenbedingungen 1. Kindheit und Jugend als gesellschaftliche Phasen 2. Strukturen und Institutionalisierungsformen des Mediensystems 3. sozio-kulturelle und bildungspolitische Stützung des Mediums „Buch“ ↓





Lesekompetenz: fördernde vs. hemmende Faktoren bezüglich Erwerb und Befähigung zum Lesen durch Schule, Familie

(Buch-)Lesen vs. Mediennutzung oder andere Freizeit- und Kulturaktivitäten, Arbeitssituation

Lesestoffe: Kenntnisse, Zugang und Verfügbarkeit: zu Hause – Bibliothek; Kaufen – Schenken – Ausleihen





Lesemotivation: fördernde vs. hemmende Faktoren in der Lesesozialisation durch Familie, Schule, Peers ↑

Freizeit- und Medienverhalten: verfügbarer Freizeitumfang, mediale und nichtmediale Aktivitäten

Individuelle Rahmenbedingungen 1. Entwicklungsphase im Lebenslauf 2. Informations- und Bildungsanforderungen 3. Bedürfnisse und Probleme 4. Persönlichkeit und Werte 5. soziale Situation und Lebensumstände Theoretischer Bezugsrahmen des Leseverhaltens, modifizierte Darstellung nach Handbuch Lesen, 2006, S. 107.



Wie werden Kinder zu Lesern? 

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Einflussfaktor Familie Ausschlaggebend für die Lesesozialisation des Kindes ist die Vorbildfunktion der Eltern. Das Elternhaus als primärer Erfahrungsraum eines Kindes stellt die Weichen für die Leseentwicklung. Wenn Kinder erleben, dass das Lesen ganz selbstverständlich zum Familienalltag gehört, dann wird auch für sie das Lesen zur Gewohnheit werden. Gemeinsame Besuche von Bibliotheken und Buchhandlungen ermöglichen den Zugang zu Büchern. Bereits beim frühkindlichen Spracherwerb ist die Familie die wichtigste Instanz. Eltern, die mit ihren Kindern von Anfang an verbal und nonverbal kommunizieren, fördern die sprachlichen Kompetenzen ihrer Kinder und legen somit den Grundstein für den Schriftspracherwerb. Die große Bedeutung, die der Familie bei der LiteracyVermittlung zukommt, betont auch der Ansatz der „Family Literacy“. Damit werden Programme und Maßnahmen beschrieben, die sozial-, bildungs- oder auf andere Weise benachteiligte Familien Zugänge zur Sprach- und Schriftkompetenz ermöglichen. Ist den Eltern die große Bedeutung der Entwicklung von Sprach-, Schreib- und Lesekompetenzen ihres Kindes bewusst? Wissen sie, wie sie dazu beitragen können, im frühen Kindesalter den Grundstein für eine erfolgreiche Leseentwicklung zu legen? Oft wird der Erwerb von Lesekompetenz noch immer als Aufgabe der Schule verstanden. In 30 Prozent der Familien mit Kindern im Vorlesealter von zwei bis acht Jahren wird laut der Vorlesestudie der Stiftung Lesen von 2013 selten oder gar nicht vorgelesen. Dies gilt besonders für Haushalte aus bildungsfernen Schichten (Stiftung Lesen, Vorlesestudie 2013). Mit Projekten wie →„Buchstart“ wird versucht, zeitig an Eltern heranzutreten und sie über ihre Rolle bei der Entwicklung ihres Kindes zum Leser zu informieren. Die bibliothekarische Leseförderung sollte ebenfalls versuchen, Familien als Partner beim Literacy-Start ihrer Kinder zu sehen und sie in die Aktivitäten zur Sprachund Leseförderung einzubeziehen. Dazu können Leseaktivitäten im Kindergarten, an deren Organisation Eltern mitwirken, oder spezifische Eltern-Kind-Veranstaltungen in Bibliotheken beitragen. Im frühen Kindesalter sind Konzepte zur familienorientierten Schriftsprachförderung von besonderer Bedeutung.

Einflussfaktor Schule Eine zentrale Aufgabe der Schule ist es, das Lesen und Schreiben zu lehren. Vor allem der Übergang vom Erstlesen zum weiterführenden Lesen stellt die Kinder vor zahlreiche Herausforderungen. Das Lesenlernen ist ein schwieriger und langwieriger Prozess, der durch die Bibliothek als außerschulische Einrichtung mit lesefördernden Maßnahmen aktiv begleitet werden sollte. Die Bibliothek kann dazu beitragen, dass die Vorfreude auf das Lesen nicht verloren geht, indem Freude und Spaß am Lesen vermittelt werden und das Selbstvertrauen der Kinder gestärkt wird. „Das beste Heilmittel für einige der Probleme von Leseanfängern ist es, zu all den Aktivitäten aus der Zeit vor der Einschulung zurückzukehren und so das Selbstbewusstsein eines Kindes zu stärken und die Freude an Büchern und Schrift wieder zu wecken“ (Whitehead, 2007, S. 122). In der schulischen Bildung stehen oft das Lesetraining und die literarische Bildung im Vordergrund. Deshalb sollte die außerschulische Leseförderung wie sie Bibliotheken leisten einen besonderen Fokus auf die Vermittlung von Lesefreude, Lesemotivation und die Ausbildung vielfältiger und stabiler Leseinteressen legen. Mitunter wird dem Deutsch- bzw. dem Literaturunterricht unterstellt, seine interpretative Methode führe in Kombination mit traditionellen Vermittlungsmethoden zum Rückgang des Leseverhaltens und schädige die intrinsische Lesemotivation.

Leseanfängern sollte viel vorgelesen werden, auch wenn die Kinder bereits selbst lesen können! Lesen ist in dieser Phase noch anstrengend. Durch das Vorlesen wird die Lesefreude und Lesemotivation gestärkt.

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Wenngleich einige Ergebnisse lesebiografischer Untersuchungen diese Annahme stützen, ist dieses Phänomen bisher kaum auf einer breiten Basis untersucht worden (Philipp, 2011, S. 104f.). Einig sind sich die bisher vorliegenden Studien darüber, dass der Unterricht für die Entwicklung der Lesemotivation ein hohes Potential hat. Die konkrete Umsetzung ist jedoch von vielen Faktoren wie der Auswahl der Lesestoffe und der jeweiligen Lehrperson abhängig, sodass die Schule sowohl eine fördernde als auch eine hemmende Instanz sein kann. Eine Kooperation zwischen dem schulischen und dem außerschulischen Bereich der Leseförderung ermöglicht eine systematische Unterstützung, die Autorenlesungen und weitere lesefördernde Veranstaltungen integriert.

Einflussfaktor Peers Der Einfluss der Peers auf die Leselust und das Leseverhalten gewinnt insbesondere im Jugendalter an Bedeutung. Studien weisen darauf hin, dass Peers für die Entwicklung und den Erhalt der Lesemotivation wichtige Instanzen sind. Neben dem gleichen Alter spielen die Ebenbürtigkeit und die Interessenähnlichkeit eine wichtige Rolle für die Bildung von Peergroups. Ist das Lesen eine akzeptierte Freizeitbeschäftigung in der Gruppe, so wirkt sich dies fördernd und stabilisierend auf die Lesemotivation aus. Vor allem die Anschlusskommunikation über gelesene Bücher ist von entscheidender Bedeutung. Andererseits kann die Peergroup auch ein hemmender Faktor sein, nämlich wenn das Lesen nicht zu den beliebten Freizeitaktivitäten zählt oder als „uncool“ empfunden wird. Hier sind Konzepte erforderlich, die an die Freizeitvorlieben dieser Gruppe anknüpfen und einen niederschwelligen Zugang zu Büchern und textorientierten Medien ermöglichen. Differenzen im Leseumfeld der Peers lassen sich im Hinblick auf die soziale Herkunft und die Schulform ableiten. „Jugendliche aus sozial höheren Schichten und formal höheren Schulformen wie dem Gymnasium beschrieben ihre Freundeskreise als leseaffiner als solche aus sozial schwachen Elternhäusern und Haupt- sowie Realschulen“ (Philipp, 2011, S. 135).

2.3.3 Lesefreude und Lesemotivation Das Verständnis von Reading Literacy als eine funktional ausgerichtete Basiskompetenz des Textverstehens wurde aus der Perspektive der Lesesozialisationstheorie und der Didaktik um motivationale, emotionale und kommunikativ-interaktive Dimensionen erweitert (Hurrelmann, 2002, S. 14f). Lesemotivation, Leseerfahrungen, die mit der Lektüre verbundenen Emotionen wie auch der Austausch über Gelesenes in der Anschlusskommunikation sind für die Entwicklung von Lesegewohnheiten und den Erwerb von Lesekompetenz von entscheidender Bedeutung. Kommunikative und kreative Aneignungsformen von Literatur sind daher wichtige Methoden der Leseförderung.

„Wir müssen das Lesen zu etwas machen, das das Kind lebhaft interessiert.“ (Bruno Bettelheim)

Lesefreude, Leselust und Leseinteresse zu wecken ist eine der wichtigsten Aufgaben der Leseförderung. Nur wer selbst erlebt, wie interessant und spannend das Lesen sein kann, ist motiviert zu lesen.

Die Ausbildung einer stabilen Lesemotivation ist ein wesentliches Ziel der Leseförderung. „Besonders aus der Perspektive des lebenslangen Lernens kommt der Lesemotivation die zentrale Rolle zu, spätere Leseaktivitäten zu initiieren und zu habitu-



Wie werden Kinder zu Lesern? 

alisieren und damit auch an der lesebezogenen kulturellen Praxis zu partizipieren“ (Artelt, 2010, S. 74). Die Leseforschung unterscheidet zwischen extrinsischen und intrinsischen Komponenten der Motivation. Intrinsische Motivation meint die Bereitschaft, eine Aktivität durchzuführen, weil diese für sich selbst befriedigend oder belohnend ist – man liest, weil man selbst lesen will. Die intrinsische Lesemotivation kann aus zwei Quellen gespeist sein: „Man kann zum einen intrinsisch motiviert sein, weil man Interesse am Thema eines Textes hat. Neben diesem gegenstandsspezifischen Anreiz hat das Lesen zum anderen aber auch tätigkeitsspezifische Anreize zu bieten, d. h., die Tätigkeit des Lesens kann an sich – unabhängig vom Thema – positiv erlebt werden. Von extrinsischer Lesemotivation würde man dagegen sprechen, wenn die Gründe für das Lesen außerhalb der Tätigkeit des Lesens selbst und außerhalb des Themas des Textes liegen“ (Artelt, 2005, S. 19). Ein solcher Grund für eine extrinsische Lesemotivation kann zum Beispiel die Tatsache sein, dass ein Text im Unterricht behandelt wird und eine schlechte Note zu erwarten ist, wenn man diesen nicht gelesen hat. Die extrinsische Motivation entsteht demnach durch „externe“ Anreize. Auf dem Weg zum Leser bedarf es beider Motivationen: Äußere Anreizfunktionen sind notwendig, um das Lesen zu entdecken, und die innere Bereitschaft zum Lesen führt langfristig zur Ausbildung von Lesegewohnheiten. Die intrinsische Lesemotivation wirkt sich besonders positiv auf das Leseverhalten aus: Wenn Kinder gern und aus eigener Motivation heraus lesen, so lesen sie häufig viel, und mit der Zeit fällt das Lesen immer leichter, wodurch wiederum die Lesemotivation und das Leseinteresse gestärkt und gefestigt werden. Eine stark ausgeprägte Lesemotivation mit vermehrtem Lesen wirkt sich indirekt auch positiv auf die Lesekompetenz aus (Artelt, 2010, S. 75). Lesemotivationen intrinsischer Natur sind zum Beispiel „das stellvertretende Erleben einer Geschichte, die Neugier bzw. das Interesse an einem Thema eines Textes und die als persönlich bedeutsam empfundene Wichtigkeit, ein guter Leser zu sein“ (Philipp, 2011, S. 39). Wichtig für die Entwicklung einer intrinsischen Lesemotivation ist vor allem die Möglichkeit, selbst attraktive Texte auszuwählen. Wenn das Erlebnis hinzukommt, Texte erfolgreich bewältigen zu können, wird langfristig die Herausbildung von Lesegewohnheiten gestärkt. Umgekehrt führen Misserfolge und Schwierigkeiten beim Lesen dazu, dass Lesen keinen Spaß macht und sich Leseunlust entwickelt. Nicht-Lesen führt langfristig zu einem niedrigen Niveau der Lesekompetenz.

Fazit Warum werden manche Kinder und Jugendliche zu Lesern und andere nicht? Es gibt unterschiedliche Wege zum Lesen. Einflussfaktoren wie Familie, Schule und Peers können fördernd oder hemmend sein. Ihr Zusammenspiel ist sehr komplex. Um zum Leser zu werden, bedarf es jeden Tag Anregungen und Gelegenheiten zum Betrachten von Bilderbüchern oder zum Lesen, mal allein und still und mal im Austausch mit anderen. Wichtig sind die freie und individuelle Wahl des Lesestoffs und das Kennenlernen ganz unterschiedlicher Texte in verschiedenen Medien mit verschiedenen Absichten und Verwendungsmöglichkeiten. Heranwachsende sollten mit der Vielfalt an Literatur zum Lesen und Zuhören bekannt gemacht werden, angefangen bei Geschichten und Erzählungen bis hin zu Sach- und Informationstexten. Dazu kann die Bibliothek als außerschulische Einrichtung zur Leseförderung einen entscheidenden Beitrag leisten. Defizite in der familiären und schulischen Leseförderung können zumindest teilweise ausgeglichen werden. Alle Kinder und Jugendlichen sollten die Chance haben, zum Leser zu werden!

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„… denn ohne die Motivation zu lesen nutzen weder der zur Verfügung stehende Lesestoff noch die vorhandene Lesekompetenz etwas.“ (Garbe, 2005, S. 9)

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2.4 Ziele und Zielgruppen der Leseförderung Lesen ist eine der Grundkompetenzen des Lebens in der (heutigen) Schrift- und Medienkultur. Der Umgang mit Zeichen, Sprache, Schriftlichkeit und Medien muss eingeübt und erlernt werden. Leseförderung umfasst alle Maßnahmen, die das Ziel haben, Kinder, Jugendliche und Erwachsene zum Lesen und zu der Beschäftigung mit Sprache und Schrift anzuregen. Neben der Stärkung der Kompetenz des Lesens wird auch der Erwerb von Sprach-, Schreib- und Medienkompetenz unterstützt und ein Beitrag zur literarischen Bildung geleistet. Leseförderung muss im 21. Jahrhundert multimedial verstanden werden, unabhängig vom jeweiligen Trägermedium des Textes (Buch, iPad, E-Book-Reader usw.). Gerade in Sozialen Medien gehört das Lesen zum Alltag. Die Fähigkeit, mit der Schriftsprache umzugehen, „gewinnt durch die fortlaufende Verlagerung von Lebensbereichen in digitale Welten nicht weniger, sondern immer mehr an Bedeutung“ (Lehnhard, 2013, S. 11).

Ziele der bibliothekarischen Leseförderung Leseförderung muss auf allen Stufen des →Leselernprozesses stattfinden. Sie beginnt demnach im frühen Kindesalter, begleitet die Entwicklung zum Leser und trägt dazu bei, die Lesefreude und Lesemotivation bis ins hohe Alter hinein zu erhalten oder neu zu wecken. Die bibliothekarische Leseförderung verfolgt in erster Linie das Ziel, Lesefreude und Lesemotivationen auszubilden und in den verschiedenen Altersstufen zu stabilisieren. Das Lesen als eine habituelle Verhaltensweise zu entwickeln ist ein wesentliches Ziel der Leseförderung in der Kindheit. Lesemotivationen sollten so entwickelt werden, dass sich stabile und differenzierte Leseinteressen möglichst bis zum elften und zwölften Lebensjahr herausgebildet haben, damit diese über die Jugend bis ins hohe Alter hinein erhalten bleiben. Lesekompetenz und die literarische Rezeptionsfähigkeit werden durch die Anregung und Begleitung von Sprach-, Leseund Schreibprozessen ausgebildet und auf einem immer höheren Niveau weiterentwickelt. Die literarische Sozialisation ist ein Teilziel der Leseförderung. Sie umfasst die Rezeption von Literatur in schriftlichen und nichtschriftlichen Medienkontexten (Buch, Film, Hörbuch, Theater usw.). Leseförderung im weiten Sinne bezieht sich nicht nur auf literarische, sondern auch auf nichtliterarische Texte wie Sach- und Informationstexte, Ratgeberliteratur oder Beiträge in Foren und Blogs. Die Leseforschung hat überzeugend nachgewiesen, dass sich vor allem die →intrinsische Lesemotivation, also eine von eigenen Interessen gesteuerte Motivation, besonders positiv auf die Lesekompetenz auswirkt. Hierin besteht die unverzichtbare Aufgabe der Bibliotheken in der Leseförderung: Durch die Anwendung geeigneter Formen und Methoden werden Leseanlässe geschaffen und Interessen geweckt, die zur Entwicklung einer stabilen Lesemotivation beitragen. Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken heißt: –– Lesefreude und Lesevergnügen zu wecken, –– zum Lesen anzuregen und die Lesemotivation zu stärken, –– Heranwachsende zum Lesen zu ermutigen, –– ein vielfältiges und motivierendes Angebot an Lesestoff (mit verschiedenen Anspruchsniveaus) bereitzustellen, –– eine anregende Leseumwelt zu gestalten,



Ziele und Zielgruppen der Leseförderung  

–– das Lesen in verschiedenen (auch digitalen) Medien zu berücksichtigen, –– an die alltäglichen Lesegewohnheiten, das Medienverhalten und die Leseinteressen anzuknüpfen, –– vielfältige Leseanlässe zu bieten, auch durch eine umfassende Programm- und Veranstaltungsarbeit, die an lebensweltlichen Erfahrungen anknüpft, –– vielfältige Leseinteressen anzuregen, zum Beispiel Lesen als „Informationen sammeln“, als ästhetisches Vergnügen, als kommunikatives Mittel usw., –– geschlechtsspezifische Lesepräferenzen zu berücksichtigen, –– lesefördernde Maßnahmen breit anzusetzen: affektiv, motivational, kognitiv, motorisch und kommunikativ, –– die Leseförderung mit den emotionalen und sozialen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen zu verknüpfen, –– Motivation, Anreiz und Unterstützung beim Erwerb von Sprach-, Schreib- und Lesekompetenz für unterschiedliche Zielgruppen zu geben.

Lebens- und Medienwelten berücksichtigen Die alltäglichen Lesegewohnheiten und neuen vernetzten und interaktiven Kommunikationsformen der nachwachsenden Generation müssen in der Leseförderung berücksichtigt werden. Nach Hurrelmann muss das Lesen „in die Lebenswelt der Heranwachsenden und in die Kommunikationskultur der Gegenwart“ (Hurrelmann, 2002, S. 15f.) eingebunden werden. Lesen beschränkt sich heute nicht mehr nur auf schriftliche Texte, sondern ist multimedial. Texte werden am Bildschirm und Display gelesen, teilweise angereichert mit multimedialen oder interaktiven Elementen. Leser sind auch in virtuellen Formaten aktiv, zum Beispiel in Sozialen Netzwerken. Die zunehmend digitalen und vernetzten Medienwelten erfordern eine Leseförderung, die untrennbar mit der kulturellen Medienbildung verknüpft ist. Diese schließt den Lebensweltbezug wie auch die Sinnesbildung mit ein. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags formuliert im Schlussbericht „Kultur in Deutschland“: Neue Medien haben die Eigenschaft, dass sie sowohl Kompetenzen erfordern wie auch Kompetenzen vermitteln. Dazu gehören unter anderem Symbol- und Bildsprachenkompetenz, Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit sowie Text- und Sprachkompetenz, des Weiteren die Fähigkeit, mit neuen Medien sowohl rezeptiv und produktiv als auch kritisch und reflektiert umzugehen (Deutscher Bundestag, 2008, S. 598).

In der Leseförderung werden genau diese zentralen Kompetenzen des Symbollesens, der Bildsprache und des Ausdrucks gestärkt, die für den Umgang mit den neuen Medien von entscheidender Bedeutung sind. Leseförderungsprogramme setzen daher immer mehr auf eine Medienintegration. So sollte zum Beispiel auch das Recherchieren und Lesen im Internet in die bibliothekarische Leseförderung eingebunden werden. Im weiten Sinne verfolgt die Leseförderung das Ziel, Orientierung, Mitgestaltung und selbstbestimmte aktive Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen.

Zielgruppen Leseförderung umfasst die lebenslange Anregung, Entwicklung und Verbesserung funktionaler Sprach-, Lese- und Schreibkompetenzen. Zielgruppen der Leseförderung sind demnach alle Mitglieder der Gesellschaft.

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Differenzierung nach Alter Nach Altersstufen kann man die Zielgruppe grob in Kinder, Jugendliche und Erwachsene unterteilen. Die biografische Leseförderung belegt, dass sich im Laufe der Entwicklung zum Leser verschiedene altersspezifische Phasen des Lesens abzeichnen, in denen unterschiedliche Schwerpunktsetzungen der Leseförderung notwendig sind. So sind im Kleinkindalter, also in der frühen Phase des Leselernprozesses, kindliche Erfahrungen rund um die Buch-, Erzähl- und Reimkultur bedeutsam. Im Jugendalter ist es hingegen wichtig, dass die Bedeutung des Lesens für die eigene Person in Bezug auf private und berufliche Ziele erkannt wird. Im Erwachsenenalter sind es die verschiedenen Lebenslagen, die unterschiedliche Anforderungen an die Leseförderung stellen. Zudem sind Vermittler und Multiplikatoren wie Eltern, Erzieher, Heilpfleger usw. wichtige Zielgruppen der Leseförderung. Zielgruppen der bibliothekarischen Leseförderung: – Kleinkinder und ihre Betreuungspersonen, Familien – Kinder im Kindergarten- und Vorschulalter – Grundschulkinder – Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche – Erwachsene und Senioren, auch in besonderen Lebenslagen (z. B. Menschen mit eingeschränktem Lesevermögen oder eingeschränkter Alterskompetenz) – Vermittler und Multiplikatoren (Eltern, Erzieher, Lehrer, Heilpfleger u. a.)

Als auffälligste Phase der Leseentwicklung beschreibt Erich Schön die Zeit zwischen Pubertät und Adoleszenz. Nach einer Zeit des lustvollen Lesens im Alter von ca. acht bis zwölf Jahren beobachtete er einen „Einbruch“ in der Lesekurve, der sich als ein Rückgang der Lesemenge und der Lesemotivation äußerte (Schön, 1990, S. 343). Dieser Befund aus der biografischen Leseförderung erklärt, weshalb Leseförderungsmaßnahmen in der Kindheit und im Jugendalter von besonderer Bedeutung sind. Gelingt es den Bibliotheken, die Begeisterung für das Lesen im Jugendalter zu erhalten, dann steigt die Chance, dass Leser der Bibliothek treu bleiben. Differenzierung nach Geschlecht, Milieu, Mediennutzung oder besonderen Lebenslagen Auch im Hinblick auf das Geschlecht, das Milieu, das Mediennutzungsverhalten und besondere Lebenslagen lassen sich spezifische Zielgruppen definieren. Mehrere Studien wiesen nach, dass sich Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen sowohl in der Lesehäufigkeit und Lesemotivation, als auch in den Leseinteressen und in der Wahl der Textgenres feststellen lassen. Insgesamt haben Mädchen laut PISA-Studie 2009 eine höhere Lesemotivation als Jungen, wohingegen mehr Jungen als Mädchen regelmäßig an Online-Diskussionen oder -Foren teilnehmen (Artelt, 2010, S. 88f.). Das intrinsisch motivierte Lesen in der Freizeit spielt bei Mädchen eine größere Rolle als bei Jungen. Auch bei den erwachsenen Lesern sind diese Unterschiede feststellbar: In Lesestudien geben mehr Frauen als Männer an, sich für Bücher zu interessieren. Im Hinblick auf die Lesepräferenzen und die Art und Weise des Lesens gibt es ebenfalls signifikante Unterschiede. Bei den Mädchen finden wir „eine gefühlsbetonte und einfühlende Lesehaltung und bei den Jungen eine auf Spannung, Abenteuer und Wissensdurst orientierte“ (Kaminski, 2006, S. 5). Diese unterschiedlichen Leseinteressen setzen sich im Erwachsenenalter fort. „Leserinnen öffnet sich die Lektüre mindestens auf drei Ebenen: sozial-emotional (lachen, weinen), hedonistisch (gefesselt werden, Begeisterung) und ästhetisch-reflexiv (Stil). Für männliche Leser do-



miniert bei der Betrachtung ihres Leseverhaltens dagegen die intellektuell-kognitive Ebene“ (Kaminski, 2006, S. 5). Zieht man die Ergebnisse der Milieuforschung zu Rate, so zeigt sich, dass in verschiedenen Lebenswelten divergierende Einstellungen im Hinblick auf das Lesen und die Mediennutzung vorzufinden sind. Daraus ergeben sich für die Leseförderung ebenfalls verschiedene Zielgruppen. Die Sinus-Jugendstudie 2012 belegte, dass konservativ-bürgerlich geprägte Jugendliche den neuen technischen Entwicklungen eher abwartend und sicherheitsbetont begegnen, während beispielsweise expeditive Jugendliche ihren Alltag digitalisiert haben und das Internet mit allen seinen Möglichkeiten ganz selbstverständlich nutzen (Calmbach & Borchard, 2012, S. 38ff.). Für beide Gruppen sind unterschiedliche Formen der Leseförderung anzuraten. Die Studie „Buchkäufer und Leser“, die im Auftrag des Deutschen Börsenvereins des Buchhandels 2005 durchgeführt wurde, beschreibt die Gesellschaft in Sinus-Milieus®. Sogenannte „Buchtypen“ werden innerhalb der verschiedenen Milieus definiert, um strategisch relevante Sinus-Milieus® für den Buchmarkt zu ermitteln. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Konservative und Postmaterielle die Kernzielgruppen für den Buchhandel darstellen und vier weitere Milieus strategisch interessant sind (Börsenverein des Deutschen Buchhandels, 2005). Zur genauen Beschreibung der Milieus können Sie die Ergebnisse der Studie einsehen. Ein Download als PDFDatei ist auf der Internetseite des Börsenvereins möglich. Bei der Planung von Leseförderungsmaßnahmen für Erwachsene sollte darüber hinaus überlegt werden, welche Zielgruppen man ansprechen möchte und in welchen besonderen Lebenslagen eine gezielte Unterstützung angemessen ist, so zum Beispiel bei Menschen mit einem eingeschränkten Sprach- und Lesevermögen oder mit eingeschränkter Alterskompetenz.

2.5 Formen und Methoden Es gibt keine feststehenden Formen und Methoden der bibliothekarischen Leseförderung. Wie Bibliotheken das Lesen fördern, ist von der jeweiligen Zielgruppe und von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Dazu gehören beispielsweise die sich ändernde Medienlandschaft, die Bedeutung des Lesens in der Gesellschaft oder das Grundverständnis von Pädagogik und Didaktik und ihren Methoden. So war bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein die Hinführung zum Buch und die lesepädagogische Erziehung ein wichtiges bibliothekarisches Anliegen. Die Veränderung der Medienlandschaft und des Medienverhaltens führte in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer wichtigen Neuerung: Davon ausgehend, dass Geschichten in unterschiedlicher medialer Form – zum Beispiel als Buch, als Hörspiel oder als Film – präsentiert werden können, fanden alle Medien Eingang in die bibliothekarischen Veranstaltungskonzepte. Im Vordergrund steht die kreative Auseinandersetzung mit Literatur und Medien, womit der Grundstein für eine neue Form der Leseförderung gelegt wurde: die Leseförderung im Medienverbund. Der erneute Wandel hin zu einer immer stärker digital vernetzten Welt stellt die Leseförderung und ihre Methoden wieder vor neue Herausforderungen. Lesen kann man im 21. Jahrhundert auf verschiedenen Trägermedien (Buch, iPad, E-Book-Reader oder Notebook). Lesen ist multimedial. Das heißt aber nicht, dass bewährte Methoden wie das Vorlesen oder die Arbeit mit dem Bilderbuch überholt sind. Im Gegenteil: Forschungsergebnisse aus der Medienpädagogik bestätigen, dass Bilderbücher das beste Medium sind, um zur Ausbildung und Differenzierung der Sprachfähigkeit beizutragen (Spanhel, 2007, S. 15).

Formen und Methoden  

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 Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken

Methodische Ansatzpunkte der Leseförderung: – Sprachorientiert – Themenorientiert – Textorientiert – Zielgruppenorientiert – Handlungsorientiert – Medienintegrativ – Generationsübergreifend

Bilderbücher bieten die Möglichkeit des Vorlesens und Erzählens, und über das Dargestellte kann mit den Kindern gesprochen werden. Kinder erwerben so die notwendigen Literacy-Erfahrungen im Leselernprozess. Nachgedacht werden sollte aber darüber, welche Methoden besonders geeignet sind, um Kinder und Jugendliche zu erreichen, die (noch) keine Bibliotheken besuchen oder die besondere Förderung brauchen, weil sie Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache und dem Lesen haben und deshalb auch nicht gern und häufig lesen. Hier können medienintegrative und sprachfördernde Methoden helfen. Im vorliegenden Band wird eine Auswahl an Formen und Methoden der Leseförderung vorgestellt. Dazu gehören unter anderem Methoden, die auf spielerische Weise Sprach- und Lesekompetenz vermitteln, zum Beispiel durch die Beschäftigung mit Bilderbüchern, Reimen und Liedern oder durch Puppenspiel und Pantomime. Für Jugendliche, die sich häufig in vernetzten Medienwelten bewegen, sind hingegen medienintegrative Methoden von besonderer Bedeutung, da auf ihre Lebenswelt und ihren Medienalltag Bezug genommen wird. Für diese Zielgruppe ist zudem eine Leseförderung in altersdifferenzierten und milieusensiblen Formen notwendig. Auch sollten Jugendliche aktiv in die Planung von Bibliotheksveranstaltungen einbezogen werden. Darüber hinaus werden Formen und Methoden zur Leseförderung von Erwachsenen vorgestellt, vor allem für jene in besonderen Lebenslagen wie funktionalem Analphabetismus oder solche, die mit Alterseinschränkungen leben müssen. Die Formen und Methoden sind auch für diese Zielgruppe sehr vielfältig: angefangen bei der Verwendung des Konzepts der „Einfachen Sprache“ über geeignete Formen und Methoden der Arbeit mit Menschen mit eingeschränkter Alterskompetenz bis hin zur Methode der generationsübergreifenden Leseförderung.

Direkte und indirekte Leseförderung Grundsätzlich kann man in der Theorie zwischen zwei Formen der Leseförderung in Bibliotheken unterscheiden: der direkten und der indirekten Leseförderung. Bei der indirekten Leseförderung (mitunter auch synonymisch als „passive“ Leseförderung bezeichnet) leisten Bibliotheken durch einen gezielten Bestandsaufbau, die Gestaltung der Räumlichkeiten und weitere Methoden, die die Bibliothek einladender und benutzerfreundlicher gestalten, einen Beitrag zur Leseförderung. Dazu gehören zum Beispiel: –– die Schaffung einer leseanregenden und leseförderlichen Umgebung (z. B. durch bequeme Sitzgelegenheiten und ein Literaturcafé), –– Angebote für unterschiedliche Lesebedürfnisse und -interessen (einschließlich WLAN und E-Books), –– die Einrichtung von Spiel-, Experimentier- und Lernräumen (die Bibliothek als „Werkstatt der Erfahrung“), –– die Nutzung besonderer Präsentationsformen (z. B. Frontalpräsentation oder Aktionsmöbel), –– die leseanregende Präsentation der Medien (z. B. durch Interessenkreisaufkleber oder Piktogramme), –– die Gestaltung von Erlebnisbereichen (z. B. Krimikabinett, besonders gestalteter Fantasy-Bereich u. a.), –– die Präsentation von Erwachsenenbeständen im Kleinkindbereich (Elternratgeber zur Leseförderung und Informationsbroschüren).



Die direkte Leseförderung (mitunter auch synonymisch als „aktive“ Leseförderung bezeichnet) umfasst alle von der Bibliothek organisierten Leseförderungsprogramme und -veranstaltungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, zum Beispiel Klassenführungen, Autorenlesungen oder Vorleseveranstaltungen. Darüber hinaus gehören zur direkten Leseförderung auch alle Bemühungen und Aktivitäten, Vermittler und Multiplikatoren der Leseförderung zu unterstützen, etwa durch das Angebot von Medienboxen für Kindergärten und Schulen.

Grundformen der Leseförderung Die Stiftung Lesen unterscheidet vier Grundformen der Leseförderung, die häufig in vermischter Form vorkommen: –– direkte Leseförderung, –– Vermittlungsförderung, –– Kampagneformen der Leseförderung, –– Leseförderung im Medienverbund (Stiftung Lesen, 1996). Die direkte Leseförderung bezeichnet alle Maßnahmen, die unmittelbar pädagogisch auf die Lesebereitschaft von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein­wirken. Dazu gehören Veranstaltungen wie Vorlesen, Bilderbuchkino oder Autorenlesungen. Die Vermittlungsförderung umfasst Maßnahmen, die sich mit Empfehlungen und Informationen an „Vermittler“ wie Eltern, Lehrer, Erzieher und Bibliothekare wenden. Dies können Auswahlverzeichnisse zur Kinderliteratur, Handreichungen für Lehrer oder Fortbildungsangebote sein. Kampagneformen der Leseförderung verfolgen das Ziel, Lesen zu einem öffentlichen Thema zu machen und die Lesemotivation zu befördern. Durch Anzeigeserien oder Werbung für das Lesen kann dies erreicht werden (Stiftung Lesen, 1996). Leseförderung im Medienverbund meint alle Maßnahmen, die durch eine bewusste Verbindung elektronischer Medien mit Printmedien eine für das Lesen förderliche Wechselwirkung anstreben (Stiftung Lesen, 1996). Heute bezeichnet man diese Form häufig auch als medienintegrative Leseförderung. Als eine weitere Grundform der Leseförderung kann die Leseförderung durch Partizipation (Keller-Loibl, 2010, S. 9f.) bezeichnet werden. Dieser innovative Ansatz in der bibliothekarischen Leseförderung gewinnt gerade im 21. Jahrhundert an Bedeutung. Der Begriff „Partizipation“ wird hier nicht im Sinne einer politischen und gesellschaftlichen Teilhabe verwendet, sondern im engeren Sinne als didaktisch-methodischer Ansatz, der ein aktives und eigenverantwortliches Handeln der intendierten Zielgruppe erlaubt. Partizipation meint in diesem Sinne die aktive Mitwirkung bei Leseförderungsaktivitäten und die Möglichkeit der Mitbestimmung. So können beispielsweise Jugendliche in vielfältiger Weise beteiligt werden, angefangen beim Medieneinkauf bis hin zur Veranstaltungsarbeit. Fokusgruppen beraten die Bibliothek beim Bestandsaufbau oder übernehmen die Pflege einer Sachgruppe, zum Beispiel die Genres „Fantasy“ oder „Manga“ – Bereiche, in denen sich Jugendliche gut auskennen. Auch in die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen können Jugendliche aktiv einbezogen werden, sodass Erwachsene nur noch eine Moderatorenrolle übernehmen. Das Prinzip der Partizipation im Sinne der aktiven Mitwirkung ist auch für weitere Zielgruppen geeignet, zum Beispiel hinsichtlich der Einbeziehung von Eltern und Familien in die Leseförderung. Auch für Senioren bietet sich diese Grundform der Leseförderung an: Ihre Ideen und Vorstellungen sollten bei der Planung von Aktivitäten und Veranstaltungen ebenfalls Berücksichtigung finden.

Formen und Methoden  

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 Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken

Bibliothekspädagogische Grundlagen Die Leseförderung hat das Ziel, Lesefreude und Lesemotivation auszubilden und vorhandene Kompetenzen zu stärken und zu erweitern. Die aktive Vermittlungsform schließt vielfältige pädagogische Handlungsfelder ein. Grundlagen der Bibliothekspädagogik sind deshalb unabdingbar: Subjektorientierung, Ganzheitlichkeit, Lebensweltbezug und Handlungsorientierung sind dabei wichtige didaktische Prinzipien. Pädagogische und didaktische Kenntnisse und Fähigkeiten können dazu beitragen, Veranstaltungen und Projekte zur Leseförderung effektiver zu planen und zielgruppenspezifisch zu agieren. Im Folgenden soll beschrieben werden, wie man bei der Planung von konkreten Veranstaltungen zur Leseförderung vorgehen kann. Lernsituation analysieren Als erstes sollte über das konkrete Ziel der Veranstaltung nachgedacht werden. Geht es in erster Linie darum, Lesemotivation zu wecken, oder sollen verschiedene Kompetenzen gefördert werden? Da die Ausbildung verschiedener Kompetenzen wie Sprach-, Lese- oder Medienkompetenz nicht getrennt erfolgt, sondern sich diese Kompetenzen häufig überlagern, ist es mitunter gar nicht so einfach, ein genaues Ziel festzulegen. Dennoch sollte im Vorfeld darüber nachgedacht werden, ob das Hauptziel der Veranstaltung ist, Sprach-, Lese- oder Schreibkompetenzen zu fördern, oder ob andere Aspekte im Vordergrund stehen. Ein Beispiel: Filme können hervorragend für die Leseförderung genutzt werden, etwa wenn sie Ausgangspunkt sind für neue Lese- oder Schreibanlässe. Das Ziel ist dabei nicht, filmästhetische Kenntnisse zu vermitteln, sondern die Anregungen, die vom Film ausgehen, für die Lesemotivation zu nutzen (siehe dazu die Beispiele in Kapitel 5.4.1). Auch emotionale Aspekte sollten bei der Formulierung von Lernzielen nicht vernachlässigt werden. Bei der Leseförderung geht es auch um die Ausbildung von Haltungen, Einstellungen und Überzeugungen. Welche Ziele im Vordergrund der konkret geplanten Leseförderungsveranstaltung stehen, sollte im Hinblick auf die konkrete Zielgruppe entschieden werden: Welche Voraussetzungen bringen die Teilnehmer mit? Was ist angesichts des Entwicklungsstandes im Hinblick auf den Leselernprozess erforderlich? Handelt es sich um eine homogene Gruppe oder muss ich davon ausgehen, dass die Lesefähigkeit und Lesemotivation in dieser Altersgruppe sehr unterschiedlich entwickelt sind? Ist der Besuch der Bibliotheksveranstaltung freiwillig oder erfolgt er im Rahmen des Unterrichts? Wenn Schüler, insbesondere im Jugendalter, im Rahmen des Schulunterrichts die Bibliothek besuchen, sollte für die Phase der Motivation beispielsweise mehr Zeit eingeplant werden als bei einer Freizeitveranstaltung, zu der Jugendliche kommen, weil sie sich für ein Thema besonders interessieren. Eine wichtige, im Vorfeld für die Planung benötigte Information ist auch die in etwa zu erwartende Anzahl der Teilnehmer. Das Wissen über die Gruppengröße ist für die Wahl geeigneter Methoden entscheidend. Auf der Basis der Informationen über die Zielgruppe und das vorgegebene Ziel kann nun der „Weg zum Ziel“ geplant werden, indem Sie geeignete Formen und Methoden der Leseförderung auswählen. Diese müssen für das gewählte Lernziel und die zu vermittelnden Inhalte geeignet sein. Zudem gilt es, die Rahmenbedingungen wie Raumgröße, Dauer, technische Ausstattung oder benötigtes Material im Vorfeld zu bedenken. Alle zu beachtenden Aspekte bei der Planung einer Veranstaltung sind in der folgenden Darstellung visualisiert.



Formen und Methoden  

Wer lehrt

= Lehrender

Wem

= Lernender

Was

= Lehr- / Lernstoff, Inhalte

Wie

= Lehr- / Lernmethode bzw. -methoden

Womit

= Lehr- / Lernmittel, Material usw.

Wann

= Lehr- / Lernzeit, Dauer usw.

Wo

= Lehr- / Lernort, Raum usw.

Warum

= Gründe des Lernens / Motivation

Wozu

= Lehr- / Lernziele

Elemente der didaktischen Situation, modifiziert nach Schultka, 2006, S. 4.

Sie sollten sich bei jeder Planung einer konkreten Veranstaltung diese didaktische Situation vor Augen führen. Neben der Klärung der zeitlichen, räumlichen und technischen Rahmenbedingungen ist die Zielgruppenanalyse von besonderer Bedeutung. Stellen Sie sich vor jeder Veranstaltung folgende Fragen: –– Wer sind die Lernenden (Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund, Einstellungen, Erwartungen, Interessen usw.)? –– Mit welcher Motivation besuchen die an der Veranstaltung teilnehmenden Kinder, Jugendlichen oder Erwachsenen die Bibliothek? –– Ist die Teilnahme an der Veranstaltung Pflicht, zum Beispiel im Rahmen des Unterrichts, oder erfolgt sie freiwillig in der Freizeit? –– Wie groß ist die zu erwartende Teilnehmerzahl? –– Was erwarten die Teilnehmer von der Veranstaltung? –– Über welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen verfügen sie? –– Handelt es sich um eine homogene Zielgruppe oder nicht? –– Wie viel Zeit können (oder wollen) die Teilnehmer aufwenden? Konzept erstellen Auf der Basis der Analyse der Lernsituation, der Voraussetzungen der Zielgruppe, des festgelegten Ziels und der gewählten Form bzw. Methode der Leseförderung erfolgt nun die Feinplanung. Dazu wird der Ablauf der Veranstaltung unter Berücksichtigung lerntheoretischer Erkenntnisse in verschiedene Phasen unterteilt und im Detail geplant. Beispiel für eine Phaseneinteilung bei einem handlungsorientierten Modell Phase der Hinführung –– Einführung in das Thema und Motivierung –– Erarbeitung der Voraussetzungen zur Bewältigung des Themas –– Auftragsübergabe an die Teilnehmer Phase der Er-/Bearbeitung –– eigenverantwortliches Lernen, zum Beispiel in Gruppenarbeit –– Einsatz aktivierender Methoden –– Begleitung des Erarbeitungsprozesses Phase der Präsentation / der Anwendung / des Wiederholens –– Präsentation der Ergebnisse –– Feedback der Teilnehmer (z. B. durch den Einsatz der Methode →Bilanzwaage) –– Sicherung der Lernergebnisse und ggf. weiterführende Fragestellungen

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 Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken

Bilanzwaage

Bilanzwaage: Die Waage kann auf ein Flipchart oder eine Tafel gezeichnet werden. Die Teilnehmer beantworten die Fragen auf Metaplankarten und pinnen diese an. So erhält man schnell und unkompliziert ein Feedback.

Was hat mir gefallen? Welche Anregungen habe ich erhalten?

Was hat mir nicht gefallen? Was hat mir gefehlt?

Strukturaufriss Die Planung des Ablaufs einer Veranstaltung kann auch in Form eines Strukturaufrisses erfolgen. Der Strukturaufriss dokumentiert für einzelne Phasen die Teilziele, Inhalte, Methoden und das jeweils benötigte Material. Ablauf und Vorgehensweise werden zeitlich geordnet und beinhalten alle organisatorischen Details. Zeit

Ziel

Inhalt

Methode

Material

9.00–9.15

Einführung in das Thema und Vorbereitung der Gruppenarbeit

Zoo – bisherige Erfahrungen, Einführung in die Rahmenhandlung, Zoodirektor braucht Hilfe

Brainstorming Präsentation

CD mit Zoogeräuschen

9.15–9.20

selbstständiges Arbeiten in Gruppen

Gruppeneinteilung

Puzzle

laminierte Puzzleteile mit Tieren, z. B. Bär, Löwe

9.20–9.50

Informationen zu einem Thema finden

Recherche nach Informationen über das jeweilige Tier, Nutzung der Bibliotheksmedien, Ausfüllen des Steckbriefes

Gruppenarbeit (feste Gruppen), Steckbrief

vorbereitete Arbeitsblätter (Steckbrief)

… Beispiel für einen Strukturaufriss.

Beim Erstellen des Strukturaufrisses ist es wichtig, die verschiedenen Phasen der Veranstaltung bewusst zu planen. Diese Bewusstmachung ermöglicht nicht nur eine bedarfsgerechte Zeitplanung, sondern auch die Anwendung geeigneter Methoden für die verschiedenen Lernziele. Je detaillierter die Lerneinheiten geplant sind, umso einfacher sind im Nachhinein die Reflexion des Lernprozesses und die Einarbeitung möglicher Verbesserungen.



Aktivierende Methoden: Team- und Gruppenarbeit Verwenden Sie bewusst aktivierende Formen und Methoden, denn wir wissen, dass im selbstständigen Handeln effektiver und nachhaltiger gelernt wird. Es geht in der bibliothekarischen Leseförderung nicht darum, den Lesestoff durchzuarbeiten, sondern Literatur soll mit allen Sinnen erfahrbar werden. Produktives Agieren im Sinne von Handlungsorientierung sollte angeregt und begleitet werden. Aktivierende Methoden sind zum Beispiel: –– Brainstorming / Mindmap –– Team- und Gruppenarbeit –– Szenisches Spiel / Rollenspiel –– Puzzle / Memory / Quiz Die Team- und Gruppenarbeit bietet sich als aktivierende Methode bei vielen Leseförderungsmaßnahmen an. Als Lernmethode verfolgt sie das Ziel, das Lerninteresse und die Motivation zu erhöhen und die sozialen Kompetenzen der Lernenden zu verbessern. Damit der Lernprozess zum Erfolg führt, ist eine genaue Planung, Steuerung und Auswertung der Gruppenarbeit erforderlich. Alle Gruppenmitglieder sollen sich mit den Gruppenaufträgen auseinandersetzen und Verantwortung innerhalb der Gruppe übernehmen. Überschaubare Gruppengrößen (drei bis vier Teilnehmer pro Gruppe) sind dabei von Bedeutung. Die Methode eignet sich besonders gut für die selbstständige Erarbeitung von Themen. Die Gruppenbildung kann ganz unterschiedlich erfolgen. Die freiwillige Interessengruppe ist für Jugendliche und Erwachsene am besten geeignet, da sie hier ihren eigenen Neigungen und Interessen folgen können. Wenn es sich anbietet, können auch Zufallsgruppen, Puzzle-Gruppen oder Gruppen mit gemeinsamen Merkmalen gebildet werden. Beim Einsatz von Texten mit unterschiedlichen Anforderungen an die Lesekompetenz (z. B. Originaltexte und bearbeitete Texte in „Einfacher Sprache“) können die Gruppen auch nach Lesegewohnheiten und Lesekompetenzniveaus eingeteilt werden. Dabei ist es wichtig, dass mit der Gruppenbildung keine Wertung vorgenommen wird. Formulierungen wie „Vielleser“ und „Nichtleser“ oder „gute Leser“ und „schwache Leser“ sollten bei der Zielgruppe eher vermieden werden. Stattdessen können originelle Formulierungen oder Umschreibungen gefunden werden, die die Lesetypen oder das Mediennutzungsverhalten charakterisieren. Zum Beispiel können die Lesetypen mit verschiedenen Aussagen beschrieben werden, etwa: „Beim Lesen vergesse ich alles!“ oder: „Hin und wieder lese ich auch mal ein Buch.“ oder: „Beim Lesen schlafe ich meistens ein!“ usw. Auch verschiedene Lesepräferenzen können Ausgangspunkt der Gruppenbildung sein. Dazu stehen die Schüler in einem Kreis und es werden Aussagen rund um die Mediennutzung getroffen, zum Beispiel: „Ich lese gern Fantasy-Romane“ oder „Ich surfe lieber im Internet als zu lesen“. Wer einer Aussage zustimmt, tritt hervor und bildet mit Gleichgesinnten eine Gruppe. Ein Vorteil dieser Methode besteht darin, dass Sie einen Eindruck von den Lesevorlieben und Medienpräferenzen der Teilnehmer erhalten. Checkliste für die Planung und Durchführung einer Gruppenarbeit: 1. Einführung in das Thema und Vorstellung der Themen für die Gruppenarbeit 2. klare Formulierung des Arbeitsauftrags für die Gruppen 3. Bildung der Gruppen 4. Durchführung der Gruppenarbeit: Orientierungsphase, Klärungsphase, Arbeitsphase, Vorbereitung der Auswertungsphase 5. Auswertung der Ergebnisse (Präsentation u .a.) und Weiterverarbeitung 6. Feedback

Formen und Methoden  

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„Sage es mir, und ich vergesse es. Zeige es mir, und ich erinnere mich. Lass es mich machen, und ich werde es behalten.“ (Konfuzius, 551–479 v. Chr.)

Zufallsgruppen: Gruppen, die durch Abzählen, Spielkarten verteilen, Lose ziehen, Farben zuordnen u. a. zustande kommen. Puzzle-Gruppen: Ein Bild oder das zu bearbeitende Material wird zerschnitten. Die Schüler finden sich mit ihren verschiedenen Puzzleteilen und bilden dann eine Gruppe. Gruppen mit gemeinsamen Merkmalen: z. B. alle im Frühling, Sommer, Herbst und Winter Geborenen bilden eine Gruppe, oder Einteilung nach Lese- und Medienpräferenzen.

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 Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken

Problemfeld / Aufgabe Einführung und Arbeitsauftrag bzw. Arbeitsaufträge ↓





Kleingruppe

Kleingruppe

Kleingruppe







↓ Kleingruppe ↓

Zusammenführung der Teilergebnisse in der Auswertungsphase Endergebnis / Aufgabenlösung Darstellung des Prozesses einer Gruppenarbeit.

Varianten der Gruppenarbeit Stationenlernen: Die Gruppen durchlaufen nacheinander verschiedene Stationen, die in der Bibliothek verteilt sind. Dort werden jeweils Arbeitsaufträge in Gruppenarbeit erfüllt. Gruppenpuzzle: Die Teilnehmer werden in Gruppen (Stammgruppen) aufgeteilt, die jeweils so viele Mitglieder haben, wie Teilthemen (Puzzle-Teile) bearbeitet werden sollen. In jeder Gruppe ist jeder Teilnehmer ein Experte für ein bestimmtes Teilthema. Die Stammgruppen lösen sich vorübergehend auf und die Experten kommen zusammen. Sie bearbeiten ihr gemeinsames Teilthema mit Hilfe von Materialien, Informationsrecherche usw. weiter und vertiefen so ihr Wissen. Danach erfolgt die Rückkehr in die Stammgruppe. Jeder Experte trägt dort den anderen sein Spezialwissen vor. So wird das Themen-Puzzle allmählich komplett. Kugellager: Es werden ein innerer und ein äußerer Sitzkreis gebildet, sodass sich jeweils zwei Teilnehmer gegenüber sitzen, die sich in einem begrenzten Zeitrahmen über ein Thema austauschen. Danach verschiebt sich der Innen- und Außensitzkreis schrittweise gegeneinander, sodass mehrfach ein Wechsel der Gesprächspartner stattfindet. Alle Teilnehmer werden so aktiviert, sich am Austausch zu beteiligen. Ein Thema kann zudem aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Sandwich-Methode: Diese Methode beinhaltet den Wechsel von aktiven und passiven Methoden. Sie umfasst vier Phasen: –– Phase 1 als Gruppenarbeit – Austausch über das Thema, eigenes Vorwissen aktivieren, –– Phase 2 als Input des Veranstaltungsleiters – neue Fakten und Informationen als Referat, Filmausschnitt, Beispielsammlung, Vorführung usw., –– Phase 3 als Gruppenarbeit – Vertiefung oder Anwendung des Themas, –– Phase 4 als Rundgespräch – Zusammenfassung und Präsentation der Ergebnisse.

Übung Zur Vertiefung des Themas schlagen wir Ihnen vor, zu einer bereits durchgeführten oder noch geplanten Veranstaltung zur Leseförderung das folgende Planungsraster auszufüllen. So können Sie überprüfen, ob Ihre bisherige Planung stimmig ist und ob ggf. weitere aktivierende Methoden zum Einsatz kommen können.



Formen und Methoden  

Übung zur Erstellung eines Strukturaufrisses Zeit

Ziel

Inhalt

Methode

Material

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3  Frühkindliche Leseförderung 3.1 Der Wortschatz wird wertvoll durch Beziehungen Die Anbahnung von Lesekompetenz und Lesemotivation hängt untrennbar zusammen mit der Entwicklung der kindlichen Spiel- und Entdeckerfreude – von Geburt an. Gute Beziehungserfahrungen und vielfältige Bewegungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten mit allen Sinnen sind bei diesem Prozess von besonderer Bedeutung. 2013 konnten bei der von der Stiftung Lesen organisierten und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten internationalen Fachkonferenz „Prepare for Life!“ in Leipzig weltweit gesammelte Erfahrungen aus Projekten zur frühkindlichen Lesesozialisation mit Wissenschaftlern, Praktikern und Experten diskutiert werden. Der Kongressband „Prepare for Life!“ (Maas, 2013) steht mit allen Vorträgen wie auch den entwickelten „Leipziger Empfehlungen“ als Leitlinien zur frühkindlichen Lesesozialisation als kostenfreies E-Book zum Download auf der Seite „Publikationen“ der Stiftung Lesen zur Verfügung. Der Band bietet einen umfassenden Einblick in den internationalen Stand der Entwicklung. URL: http://www.stiftunglesen.de/institut-fuer-lese-und-medienforschung/Veröffentlichungen/publikationen/

„Der treibende Faktor im frühen Spracherwerb ist nicht die schiere Menge der gehörten Wörter – sondern der menschliche Austausch, in dem sie mit Bedeutung beladen werden.“ (Hüther & Renz-Polster, 2013, S. 130)

Die Teilnehmenden der Konferenz loteten die verschiedenen Facetten der sprachlichen Entwicklung aus und brachten zum Ausdruck, dass es dabei um mehr ginge als um das Lernen des Alphabets. Inzwischen gut erforscht ist beispielsweise, dass Bewegung und Musik, vor allem aber ein reicher Schatz an sinnlichen und beziehungsstiftenden Erfahrungen eine entscheidende Rolle bei der frühen Sprach- und Leseförderung spielen. Um das an einem konkreten Beispiel anschaulich zu machen: Das Wort „Apfel“ wird im Verlauf des frühen Spracherwerbs nicht isoliert als Vokabel „begriffen“, sondern zunächst durch seine vielfältigen Verknüpfungen mit alltäglichen Erfahrungen. Ein Apfel lässt sich in seiner besonderen Form und Beschaffenheit ertasten. Er lässt sich mit Geschmacks- oder Geruchserlebnissen verbinden, aber auch mit beziehungsstiftenden Handlungen und Gesten. Der Apfel wird durch oder mit andere(n) Menschen zusammen verarbeitet und gegessen. Dazu können Zubereitungsformen gehören wie das Schälen und Teilen. Ein gedeckter Tisch oder Rituale in Verbindung mit gemeinsamen Mahlzeiten gehören dazu. Alles das wird von Dialogen begleitet. Auf jeden Fall reichern der menschliche Austausch beim Handeln und Sprechen wie auch die damit verbundenen sinnlichen und emotionalen Wahrnehmungen die Bedeutung des gehörten Wortes „Apfel“ mehr und mehr an. Das Wort wird sozusagen eingebettet in einen mit Erfahrungen zunehmend reich gefüllten Korb. Kinder, die in ihren ersten Lebensjahren die Chance erhalten, ihren wachsenden Wortschatz in dieser Weise zu sammeln und zu umhüllen, erhalten so bereits eine gute Basis für die spätere Lesekompetenz und Lesemotivation, weil die vielfältig mit Sprache verknüpften Beziehungs- und Sinneserfahrungen das Wiederentdecken von Zeichen und Wörtern in Büchern oder anderen Medien zu einem umso lebendigeren und interessanteren Erlebnis machen. Das frühe Erleben nimmt so Einfluss auf das spätere Lesen und umgekehrt: Bilder und Zeichen aus Medien können dazu motivieren, umso interessierter den Bezug zu Dingen und Menschen im Alltag zu entdecken. Die im Buch abgebildete Schnecke lässt sich beispielsweise auch im eigenen Garten mit seinen vielen Gerüchen und Bewegungsräumen suchen, und viele Dialoge, die sich zu einer Geschichte ergeben können, führen vielleicht aus dem Buch heraus – aber mitten hinein in eine lebendige Beziehungserfahrung mit vertrauten Menschen.



Kinder unter drei Jahren und ihre Eltern 

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3.2 Kinder unter drei Jahren und ihre Eltern Bei der Leseförderung für Kinder unter drei Jahren spielen die Eltern eine entscheidende Rolle. Werden die ersten Begegnungen mit Büchern, Sprache und Geschichten mit Gefühlen der Geborgenheit und Nähe beim Kuscheln und Sprechen mit Vater oder Mutter verbunden, so kann sich dies als eine tragende Grundlage für alle weiteren Schritte der Sprach- und Leseentwicklung erweisen. Bibliothekarische Leseförderung für Kinder unter drei Jahren ist also immer als eine Familien-Leseförderung zu verstehen und zu gestalten. Die PISA-Sonderauswertung „Let’s Read Them a Story! The Parent Factor in Education“ (OECD, 2012) untermauert den Zusammenhang, dass Kinder, in deren Familien gelesen wurde, später eine höhere Lesefähigkeit aufweisen, und zwar quer durch alle soziale Gruppen. Die Sonderauswertung liefert ergänzend dazu auch praktische Vorschläge, wie Eltern besser beteiligt werden können und zeigt, welche Aktivitäten am ehesten zu besseren Leseleistungen führen.

Die Entwicklung der Kinder fördern Gegen Ende des ersten Lebensjahres werden die Wortbildungs-Versuche des Kindes immer deutlicher. Es handelt sich um einfache Silbenketten, die im Umfeld des Kindes oft zu hören sind: Ma-ma, Pa-pa. Erst nach und nach wird der aufgenommene Wortklang mit Sinn verknüpft. Das Sprechen mit dem Kind, gemeinsames Betrachten von Bilderbüchern, Reime und Lieder nehmen stimulierend Einfluss auf diesen Prozess. Einfache, kurze Sätze, die das alltägliche Handeln und Bewegen begleiten, sind eine wichtige Voraussetzung, um die Entschlüsselung von Zeichen und Bildern in Büchern anzubahnen, die im Vergleich zu den realen Dingen und Erlebnissen bereits eine Abstraktion darstellen. Neben dem Sprechen ist auch das Hören auf die Äußerungen des Kindes von entscheidender Bedeutung. Zeit, Geduld und Einfühlungsvermögen für die Versuche des Kindes, Worte zu bilden und die eigenen Äußerungen zur Verständigung immer weiter zu verfeinern, stehen jetzt im Vordergrund. Gefördert wird diese Entwicklung nicht durch ständiges Korrigieren oder Abrufen bestimmter Sprachleistungen, sondern durch den fortgesetzten natürlichen Alltagsdialog, der sowohl gutes Zuhören als auch ein wachsendes Angebot an Wörtern und Wendungen beinhaltet. Bücher bieten hierfür eine wichtige Unterstützung, da sie sich anregend auf das alltägliche Sprechen und die Intensität der Zuwendung auswirken können.

3.3 Eltern-Kind-Veranstaltungen Seit 2006 etabliert sich ein nach dem Vorbild des britischen „Bookstart“-Projekts entwickeltes Familien-Förderprogramm für frühe Sprach- und Leseerfahrungen mit verschiedenen Varianten auch in Deutschland. Es wird vielerorts durch regelmäßige Eltern-Kind-Veranstaltungen in Bibliotheken begleitet. Die Kampagne der Briloner Stadtbibliothek „Bücherbabys – Ein guter Start für jedes Kind“ (http://www. buecherbabys.de/) machte damals den Anfang. Bundesweit ist inzwischen neben verschiedenen regionalen Initiativen vor allem das auf mehrere Jahre und Entwicklungsstufen angelegte Projekt „Lesestart“ bekannt und weit verbreitet (http://www. lesestart.de/).

Um Familien aus verschiedenen Herkunftsländern mit dem „Lesestart“-Programm zu erreichen, sind unter www.lesestart.de mehrsprachige Materialien erhältlich.

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 Frühkindliche Leseförderung

Abb. 1: Entdecken im ersten Lebensjahr

Bei all diesen Projekten geht es darum, Eltern vom ersten Lebensjahr ihrer Kinder an über die Wichtigkeit der Leseförderung zu informieren und ihnen neben einem kleinen Lesestart-Paket, bestehend aus einer Tasche mit Bilderbuch und Begleitinformationen, auch Begegnungsmöglichkeiten anzubieten, um beispielsweise in der Bibliothek andere junge Familien zu treffen und die Kinder unter fachkundiger Anleitung erste Erfahrungen mit einfachen Bilderbüchern, Liedern und Reimen sammeln zu lassen.

3.3.1 Programmablauf

Zielgruppe: Eltern mit Kindern unter drei Jahren Dauer: etwa 45 Minuten

Folgender Vorschlag für den Ablauf einer solchen Eltern-Kind-Veranstaltung, zu der regelmäßig in die Bibliothek eingeladen werden sollte, ist als eines von mehreren Modellen zu verstehen, die sich inhaltlich variieren lassen. Die Gesamtzeit liegt bei etwa 45 Minuten. Manche Bibliotheken verbinden das Angebot auch mit einem Eltern-Café, das anschließend Gelegenheit gibt, den Kindern mehr Spielzeit in der Bibliothek einzuräumen, den Austausch mit anderen Eltern zu vertiefen oder weitere Beratungen durch die Bibliothek in Anspruch zu nehmen. 1. Kleines Begrüßungslied zur Einstimmung, vielleicht in Verbindung mit einer vertrauten Figur/ Puppe, die die Kinder wiedererkennen. 2. Eventuell kurzer Hinweis für die Eltern auf zwei bis drei neue und interessante Medien (kann auch im Anschluss oder während der Spielphase erfolgen). 3. Persönliche Begrüßung für jedes Kind, verbunden mit einem Vers oder Lied, anschließend Fingerspiele und Reime zum Mitmachen, passend zu einem einfachen Bilderbuch (ca. 15 Minuten). 4. Freie Spielzeit mit der Möglichkeit, Bücher und Spielsachen der Bibliothek zu erkunden. Dabei können auch die Eltern Kontakte knüpfen (ca. 15 Minuten). 5. Gemeinsames Aufräumen und Lied zur Verabschiedung.



Eltern-Kind-Veranstaltungen  

3.3.2 Räumlichkeiten Der Raumbedarf für eine Eltern-Kind-Veranstaltung fordert vor allem einen ausreichend großen freien Platz, der den Teilnehmenden die Möglichkeit gibt, sich bequem im Kreis zu versammeln und den Kindern zugleich genügend Bewegungsraum lässt. Ein dafür ausgelegter Teppich oder eine Decke, die sich regelmäßig reinigen lassen, sowie Sitzkissen, mit denen die Eltern entspannt neben ihren Kindern auf dem Boden sitzen können, lassen sich für die Veranstaltung schnell herbeischaffen und anschließend wieder wegräumen. Vorbereitete Medien- und Materialkisten werden ebenfalls griffbereit zur Verfügung gestellt. Es ist darauf zu achten, dass in unmittelbarer Nähe zum Treffpunkt keine Verletzungsgefahr durch spitze Möbelecken und verschluckbare Kleinteile besteht. Die Nähe zur Kinderbuchecke sollte gegeben sein, um beim Stöbern die dortigen Bestände kennenlernen zu können. Eine Wickelmöglichkeit ist inzwischen in vielen Öffentlichen Bibliotheken selbstverständlich und bei diesem Angebot unerlässlich.

3.3.3 Mitmach-Impulse und Medien Anhand der Ausführungen ist bereits deutlich geworden, dass bei Programmen für Kinder unter drei Jahren die Interaktion zu kleinen Versen, Texten oder Büchern eine besondere Rolle spielt. Das soll hier mittels einiger Beispiele eine Konkretisierung erfahren. Vielleicht stellt sich Ihnen gerade bei den Vorschlägen für Klang- und Singspiele die Frage, welche Rolle AV-Medien bei der Vermittlung spielen können, zumal die dazu angebotenen Bücher und Anleitungen oft in Kombination mit einer CD oder DVD erscheinen. Für Erwachsene, die es als Hilfe empfinden, sich die Lieder und Fingerspiele mit der CD anzueignen, kann der Einsatz gewiss von Nutzen sein. Die Kinder selbst profitieren mehr von einer persönlichen Vermittlung durch die Eltern oder andere Bezugspersonen, bei der sich Tempo, Wiederholungen und Varianten individuell aus der dialogischen Begegnung heraus entwickeln, was so beim Einsatz einer Begleit-CD nur sehr eingeschränkt möglich ist. Medien mit Sing- und Bewegungsspielen für die Jüngsten sind also vorrangig als Hilfsmittel für die Vorbereitung von Bedeutung. Anders verhält es sich dagegen mit Bilderbüchern, die durch eine klare Bildersprache und besondere Materialeigenschaften im Dialog mit dem Kind zum Einsatz kommen. Für Kinder unter drei Jahren stehen hierbei noch keine Geschichten im Vordergrund, sondern vielmehr Motive, die erkannt und im Dialog mit Worten und Geräuschen verbunden werden. Oft erlaubt das Material (stabile Pappe, Textilien) neben dem Schauen und Hören auf die dazu gebildeten Worte und Geräusche auch noch eine besondere haptische Erfahrung mit dem Medium Buch. Tipps für das erste Vorlesen mit Kindern von null bis drei Jahren Das Kind steht im Mittelpunkt. Seine Bedürfnisse und das Eingehen auf spontane Reaktionen und Äußerungen brauchen Zeit und Zuwendung. Bilder und Wörter zu einfachen Alltagshandlungen erlauben die Anknüpfung an den Erfahrungsschatz der Kinder und unterstützen bei Kindern ab zwei Jahren die zunehmende Fähigkeit, vom Konkreten auf das Abstrakte zu schließen. Bücher aus Hartpappe, stabilem Karton oder festem Papier erleichtern den Kindern das eigenhändige Umblättern. Wimmelbücher wecken die Lust, gemeinsam auf Entdeckungsreise zu gehen und laden dazu ein, die Suche nach Figuren und Gegenständen im Bild mit freien Dialogen zu begleiten.

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 Frühkindliche Leseförderung

Bücher, die die Kinder selbst auswählen, geben erste Hinweise auf bestimmte Vorlieben. Ergänzende Anschauungsmaterialien zu den Büchern wie ein Ball, Textilien oder andere Gegenstände die in den Büchern abgebildet sind, erweitern das sinnliche Erlebnis beim Vorlesen und Sprechen.

Mitunter enthalten Bilderbücher für Kinder unter drei Jahren zugleich Impulse für Sing- und Bewegungsspiele, die durch das gemeinsame Betrachten des Buches angeregt werden, dann aber auch losgelöst vom Buch in eine freie Spielhandlung übergehen können. Nicht das Medium steht dann im Mittelpunkt, sondern die Entdeckerfreude und Interaktion zwischen Eltern und Kind, die durch Medien vielfältige Impulse erfahren kann, aber zugleich die Freiheit der individuellen Entfaltung braucht. Wie das in der Praxis konkret aussehen kann, soll im Folgenden exemplarisch veranschaulicht werden:

Klang- und Singspiele Sprache und Musik sind eng miteinander verwandt. Die menschliche Stimme spielte in der mündlichen Sprache vor der Entstehung der Schriftsprache ebenso wie beim Gesang eine wichtige Rolle. In vielen ursprünglichen Kulturen wird die Verwandtschaft von Stimme und Instrument, Lied und Erzählung als ganz natürlich und selbstverständlich empfunden und gelebt. In Begriffen wie „Wortklang“ und „Satzmelodie“ kommt davon auch heute noch etwas zum Ausdruck. Beim natürlichen Sprechen und ganz besonders beim flüssigen und sinngebenden Vorlesen und Erzählen werden musikalische Grundmuster oft unbewusst von uns erinnert und angewandt. Erst so kommt die Bedeutung der Worte wirklich bei den Hörenden an, verbindet sich mit Gefühlen und bleibt umso länger in guter Erinnerung. In der frühen Phase der Sprachentwicklung beim Säugling lässt sich zwischen Sprache und Lauten kaum eine Trennung ausmachen, und auch später bleiben die Übergänge stets fließend. Die engen Bezüge zwischen Sprache, Musik und Rhythmik legen also nahe, diese auch bei einer ganzheitlich ausgerichteten Sprach- und Leseförderung spürbar werden zu lassen. Die spielerische Verbindung von Lied und Text, gesungener und gesprochener Sprache trägt viele Chancen in sich, um Sinne und Seele – bei Kindern wie bei Erwachsenen – nicht nur über das Verstehen von Wortbedeutungen, sondern ebenso über Klang und Gefühl für lebensbejahende und tröstliche Botschaften zu öffnen. Dabei ermöglichen Lieder zugleich schöpferische und ästhetische Erfahrungen. Mehr als der vorgelesene Text allein bringen sie die klanglichen Eigenschaften der Sprache zum Ausdruck, wecken die Freude an Musik und regen die Fantasie bei der Mitgestaltung von Tönen und Bewegungen an. Hinzu kommt die gemeinschaftsstiftende und kommunikative Wirkung von Liedern. Wer zu einer Geschichte miteinander singt – ob zu zweit in der Familie oder als große Gruppe im Kindergarten – verbindet mit dem Gehörten wichtige Beziehungserfahrungen: 1. Ich bin nicht allein. 2. Meine Stimme wird getragen im Konzert mit anderen Stimmen. 3. Gefühle finden einen Ausdruck. 4. Sie lassen sich (mit-)teilen durch die Kraft des gemeinsamen Singens.

So natürlich und naheliegend das Singen als Ausdruck von und Antwort auf Geschichten und Lebenserfahrungen auch sein mag – selbstverständlich ist es nicht! Mehr denn je brauchen Kinder heute „Ermutigung zum Singen“ – und glaubwürdige



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Vorbilder. Eine solche Ermutigung aber kann nur mit solchen Liedern gelingen, die auch für Ungeübte und gesanglich Unerfahrene keine Hürde darstellen, sondern ein rasches Mitsingen leicht machen. Folgende Kriterien können bei der Suche nach geeigneten Liedmaterialien für das Singen mit kleinen Kindern helfen: 1. Die Texte und Melodien weisen einprägsame Wiederholungsstrukturen auf, die es leicht machen, die Lieder schnell auswendig zu lernen und frei nachzusingen. 2. Begleitende Bewegungen, die keinen großen Raum fordern, sondern auch am Platz durchführbar sind, unterstützen das Textverständnis. 3. Im Vordergrund steht nicht das Vorsingen, sondern das Mitmachen. Kinder und Eltern lassen sich von Beginn an durch begleitende Spiel- und Bewegungselemente aktiv in das Singen einbeziehen. 4. Breit einsetzbar sind Lieder, die thematisch die klassischen Familien- und Krippen-Themen wie Geborgenheit, Gemeinschaft, Spielzeug, Natur, Tages- und Jahreslauf umkreisen und deshalb bei verschiedenen Gelegenheiten mehrmals wiederholt werden können.

Das Beispiel Gut geeignet zur Begrüßung (besonders im Winter!) wie auch in Verbindung mit verschiedenen Bilderbüchern und Geschichten ist folgender Mitmach-Text, der sich – leicht variiert – auf die bekannte traditionelle Spiellied-Melodie von „Ringlein, Ringlein, du musst wandern“ singen (oder einfach sprechen) lässt. Dazu werden entsprechende Bewegungen mit den Kindern ausgeführt: Lied zum Warmwerden Fass mal deine Nase an, hängen Eiszapfen schon dran? Schnell die Nase warm gemacht! Knete sie ganz sacht, ganz sacht! Fass mal deine Ohren an, hängen Eiszapfen schon dran? Schnell die Ohren warm gemacht! Zupf daran ganz sacht, ganz sacht! Fass mal deine Finger an, hängen Eiszapfen schon dran? Schnell die Finger warm gemacht! Reibe sie ganz sacht, ganz sacht! … Weitere Strophen lassen sich beliebig ergänzen, bis der ganze Körper „warm“ ist. Text: Susanne Brandt (Brandt, 2007, S. 42)

Hand- und Fingerspiele Keine Eltern-Kind-Veranstaltung mit Kindern unter drei Jahren kommt ohne Handund Fingerspiele aus. Das sprachbegleitende Bewegen der Hände und Finger hat in vielen Kulturen der Welt eine lange Tradition. Entsprechend reich ist auch der Schatz an traditionellen Texten und Materialien, die hierfür zur Verfügung stehen. Aber auch der Markt an neuen Hand- und Fingerspielen ist inzwischen unüberschaubar groß. Dabei kommt es nicht darauf an, möglichst viele und immer wieder neue Hand- und

Zur Vertiefung empfehlen wir folgende Lektüre: Vahle, Fredrik: Sprache mit Herz, Hand und Fuß. Wege zur Motorik der Verbundenheit. – Weinheim: Beltz, 2010. – 272 S. ISBN 978-3-407-62725-4

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 Frühkindliche Leseförderung

Fingerspiele kennenzulernen, sondern eine vielfältige kleine Auswahl an Texten und Modellen auswendig (!) parat zu haben, um sie – je nach Stimmung und Situation – in den Familienalltag integrieren und textlich frei variieren zu können. Die Bedeutung von unterstützenden Bewegungen für die Sprachentwicklung als elementare Mitteilungsmöglichkeit wird so in Verbindung mit einprägsamen gereimten Versen spielerisch erfahrbar.

Das Beispiel Zaubersprüche für die lebendigen Finger Ene mene Zauberhand, die Finger sind außer Rand und Band. Ene mene Zauberbein, die Finger werden starr wie Stein. Ene mene Zauberhut, recken und strecken – das tut gut! Ene mene Zauberkind, die Finger tanzen leicht im Wind. Ene mene Zauberhaus, die Finger tippeln wie ‘ne Maus. Ene mene Zauberschatz, die Finger finden einen Platz. Ene mene Zauberschuh, die Finger kommen nun zur Ruh‘. Wer findet weitere Zaubersprüche für lebendige Finger? Text: Susanne Brandt / variiert nach einer traditionellen Idee

Bewegungsspiele Was für Hände und Finger gilt, das gilt auch für den ganzen Körper: Sprache und Bewegung als elementare Mitteilungsformen des Kindes lassen sich nicht trennen und öffnen auch in kleinen Räumen mit zahlreichen einfachen Spielformen zu variablen Textmodellen viele Möglichkeiten für eine Sprachförderung „mit Hand und Fuß“.

Das Beispiel Hier finden Sie weitere Beispiele für Finger- und Bewegungsspiele: Hering, Wolfgang: Kunterbunte Hits für die Kleinsten. Musik-, Spiel- und Sprachangebote für U3-Kinder. – Münster: Ökotopia, 2014. – 112 S. ISBN 978-3-86702-242-2

Der kleine Bär ist aufgewacht (zu singen nach der Melodie des traditionellen Spiellieds „Dornröschen war ein schönes Kind“) Der kleine Bär ist aufgewacht, aufgewacht, aufgewacht, der kleine Bär ist aufgewacht, aufgewacht. Erst streckt er sich mal richtig aus, richtig aus, richtig aus, erst streckt er sich mal richtig aus, richtig aus. Dann schüttelt er die Füße wach, Füße wach, Füße wach, dann schüttelt er die Füße wach, Füße wach. Jetzt stapft er in den Wald hinaus, Wald hinaus, Wald hinaus, jetzt stapft er in den Wald hinaus, Wald hinaus. Text: Susanne Brandt Viele Variationen sind hier möglich! Statt des Bären kann auch ein Hund, ein Zwerg oder eine beliebige Bilderbuchfigur aufwachen, und was dann alles passiert, lässt sich nach dem vorgegebenen Muster immer wieder verändern und mit entsprechenden Bewegungen begleiten.



Eltern-Kind-Veranstaltungen  

Zur Vertiefung Sie haben viele Möglichkeiten und Beispiele kennengelernt, mit denen sich eine Eltern-Kind-Veranstaltung gestalten lässt. Damit sind Sie jetzt in der Lage, selbst eine solche Veranstaltung vorzubereiten und durchzuführen. Orientieren Sie sich am vorgeschlagenen Programmablauf und nutzen Sie die freien Variationsmöglichkeiten der vorgestellten Modelle für kleine Lieder, Fingerund Bewegungsspiele, um diese frei weiter zu dichten und mit einem von Ihnen ausgewählten Bilderbuch zu verbinden:

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4  Kindergarten- und Grundschulalter 4.1 Vom Erleben zum Lesen – vom Lesen zum Erleben

„Geschichten funktionieren nur, wenn sie die wichtigste Grundlage der kindlichen Entwicklung stärken und nicht schwächen: reichhaltige, lebendige Beziehungen.“ (Hüther & Renz-Polster, 2013, S. 162)

Wie die Ausführungen zur frühkindlichen Entwicklung bei Kindern unter drei Jahren bereits gezeigt haben, verweist die Kurzform „Vom Erleben zum Lesen – vom Lesen zum Erleben“ auf eine entscheidende und in ihren Facetten überaus komplexe Wechselwirkung, die für die Sprach- und Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken von der Geburt an richtungsweisend ist. Denn nicht weniger als die Auswahl des Mediums entscheiden Beziehungsqualität und Dialogbereitschaft sowie die begleitenden spielerischen und sinnlichen Anregungen zur Interaktion darüber, ob Lesen und Erzählen als inspirierend und bedeutsam für das eigene Leben empfunden werden. Das gilt auch für das eigentliche „Vorlesealter“ – für jene Phase der kindlichen Sprachentwicklung also, in der die Lust an und das Verständnis für Geschichten oder Themen wächst, die mit und durch Medien erzählt oder angeregt werden.

4.2 Spielerische Elemente in der Sprach- und Leseförderung

„Kinder erobern ihre Umwelt im Spiel und erwerben dabei konkrete Erfahrungen über natürliche Zusammenhänge […]. Dabei spielt die Fantasie eine wichtige Rolle, denn mit ihrer Hilfe werden Sinneseindrücke und Erlebnisinhalte so kombiniert und umgestaltet, dass bei den Kindern eigene Vorstellungsbilder entstehen.“ (Stein, 2004, S. 9 f.)

Wie aber können solche spielerischen und sinnlichen Anregungen in Verbindung mit Medien und Geschichten für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter konkret aussehen? Um darauf Antworten zu finden, ist neben der Bedeutung von Sprache und Lesen auch die Bedeutung des Spielens in den Blick zu nehmen. Der Neurologe und Psychotherapeut Eckhard Schiffer, der in seinen Veröffentlichungen zur kindlichen Entwicklung die Zusammenhänge von Lesen, Sprache und Spiel immer wieder beleuchtet, versteht das Spiel in diesem Kontext als Welterfahrung mit allen Sinnen. Das, was wir im Spiel mit allen Sinnen erfahren, wird in unseren Denksymbolen aufbewahrt. Denksymbole, das sind Begriffe und Worte, aus denen heraus sich unsere Phantasie speist. Ob ich nun einen Ball ausschließlich vom Videospiel kenne oder ob ich mit ihm gebolzt, geschossen oder was auch immer habe, ist ein sehr großer Unterschied. Wenn ich mit dem Ball viele körperliche und affektive Erfahrungen gemacht habe, dann ist das Denksymbol „Ball“ affektusensomotorisch sozusagen voll geladen, wie eine Tasse mit Tee. Wenn der „Ball“ aber nur vom Videospiel her bekannt ist, dann ist dieses Denksymbol sensomotorisch nur gering beladen. Je mehr ein Denksymbol affektusensomotorisch beladen ist, desto lebendiger lässt es unsere Phantasie werden. Das lässt das Kind wiederum unglaublich frei werden (Schiffer, 2003).

Spiele zur Sprach- und Leseförderung tragen also nicht allein dazu bei, eine Leseförderaktion in der Bibliothek unterhaltsamer und abwechslungsreicher zu gestalten – sie reichern auch die beim Sprechen und Lesen vermittelten Denksymbole in dem bereits beschriebenen Sinne weiter an und sind als solche sorgfältig auf die geplante Vorlese- und Erzählsituation abzustimmen. Stellt man sich beispielsweise eine typische Vorlese- und Erzählsituation in einer Bibliothek mit einer Gruppe von vielleicht zehn oder 20 Kindern im Kindergartenalter vor, so gilt es zu überlegen, wie die dabei vermittelten Bilder und Geschichten mit spielerischen Elementen so in der Gruppe lebendig werden können, dass sie im Inneren etwas anrühren, wecken und bewegen, was in jedem Kind bereits als Empfindung, Imaginationskraft oder Gestaltungslust vorhanden ist und nach Ansprache, Ausdruck, Weiterentwicklung oder Veränderung sucht.



Spielerische Elemente in der Sprach- und Leseförderung  

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Spiel- und handlungsorientierte Formen der Leseförderung unterstützen das Vertrautwerden mit Sprache und sind daher in der interkulturellen Bibliotheksarbeit von zentraler Bedeutung. Eine Fülle von Ideen, die sich für die Begegnung mit Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern eignen, wird in der Publikation „Buch, Bücher, am besten!“, herausgegeben von der Evangelische Akademie Bad Boll, vorgestellt und beschrieben. URL: http://www.ev-akademie-boll.de/fileadmin/res/news_pm/13/ Handbuch_20_Projekte_Lesefoerderung_Boller_Skripte_2013-1.pdf

4.2.1 Bilderbücher und Geschichten ins Spiel bringen – ein Modell Das Ziel Durch eine bewusste Einbeziehung von spielerischen Elementen in die Vorlese- und Erzählsituation sollen die Kinder Gelegenheit erhalten, die durch Medien vermittelten Eindrücke und inneren Bilder mit verschiedenen Sinnes- und Beziehungserfahrungen in der Gruppe zu verbinden und im freien spielerischen Tun individuell zu vertiefen. Ziel ist es, die Kinder mit Geschichten und Themen vertraut zu machen und ihnen Möglichkeiten zu öffnen, um Medien mit Geschichten und Themen als bedeutsam für ihr Leben wahrzunehmen.

Die Methode Kennzeichnend für die methodische Gestaltung einer solchen Vorlese- und Erzählsituation ist ein gut ausbalanciertes Wechselspiel zwischen Phasen, in denen die Kinder sich einerseits spielerisch mit ihren Ausdrucksmöglichkeiten in der Gruppe erleben und andererseits Freiräume für ein ungestörtes Bei-sich-sein entdecken. Auf diese Weise kann das Vorlesen und Erzählen vertiefende beziehungs- und sinnstiftende Erfahrungen im Leben der Kinder entfalten.

Die Inhalte Bilderbücher und Geschichten, die sich für diese Methode eignen, sind nicht an bestimmte Inhalte gebunden, bieten jedoch ausreichend große Deutungs- und Gestaltungsräume, in denen die Kinder individuelle Zugänge zu ihnen finden und eigene Bildvorstellungen aufbauen können. Die Geschichte selbst sollte dafür vom Umfang her überschaubar sein (nicht länger als 10 Minuten), geeignete Impulse zum freien Weiterdenken und spielerischen Tun enthalten und Anknüpfungspunkte bieten für das Weltwissen der Kinder.

Vorbereitung Die Auswahl der Vorlese- oder Erzählvorlage und die Planung der dazu passenden spielerischen Elemente für den Einstieg, für den Abschluss wie auch zur individuellen Entfaltung der Kinder geschehen Hand in Hand im Rahmen eines kreativen Vorbereitungsprozesses. Am Anfang steht immer das persönliche Vertrautwerden mit der Geschichte: Welche Bilder steigen beim Lesen in mir auf? Welche Emotionen werden hervorgerufen? Wie werden verschiedene Erfahrungsräume der Kinder angesprochen? Wo lassen sich in der Geschichte besondere Klang-, Bild- und Bewegungseigenschaften ausmachen, die Impulse liefern für eine spielerische Entfaltung? Um zwischen den Phasen des etwa 45-minütigen Beisammenseins einen fließenden Wechsel zu ermöglichen, der nicht durch notwendige Räumarbeiten unter-

Zielgruppe: Kinder im Vor- und Grundschulalter Dauer: ca. 45 bis 60 Minuten

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 Kindergarten- und Grundschulalter

brochen wird, empfehlen sich vor allem solche Spiel- und Gestaltungsideen, die mit wenig Material auskommen und der Raumsituation in der Bibliothek gerecht werden.

Durchführung Folgendes Modell für einen möglichen Ablauf einer solchen Veranstaltung in vier Phasen, die sich als Erfahrungsbereiche gegenseitig ergänzen (Zusammenfinden, Ansprechen, Raum geben, Teilnehmen = ZART), kann eine Orientierungshilfe bieten, mit der sich immer wieder neue spielerische Ausgestaltungsmöglichkeiten für die Praxis entwickeln lassen. Anders als bei komplexeren Spielformen, die oft einen größeren Zeitraum und Materialeinsatz erfordern und das kreative und interaktive Tun als Aktion stärker in den Mittelpunkt stellen (mehr dazu s. Kapitel 4.5), geht es bei ZART um ein Veranstaltungsmodell mit einer Dauer von insgesamt etwa 45 Minuten, das vor allem das Vertrautwerden mit Sprache und Geschichten in Verbindung mit spielerischen und sinnlichen Elementen zum Ziel hat und dabei besonders den dialogischen und beziehungsstiftenden Erfahrungen in der Gruppe Raum gibt. Bei den Zeitangaben zu den einzelnen Phasen handelt es sich um Richtwerte, die je nach Situation auch spontan variiert werden können: Zusammenfinden (ca. 5 Minuten) Ein kleines spielerisches Einstiegsritual mit einem inhaltlichen Bezug zur nachfolgenden Geschichte schafft Vertrautheit, bündelt die Aufmerksamkeit der Kinder und weckt die Achtsamkeit für die Gruppe wie auch für die Beziehungen untereinander. Es regt die individuelle Fantasie und Gestaltungsfreude der Kinder an, leitet spielerisch zur Geschichte über und bereitet so das gemeinsame Schauen, Sprechen und Hören vor (geeignete Spielformen hierfür sind z. B. Gestenspiel, Bewegungsvers, Lied, Wahrnehmungsspiel mit Materialien usw.). Ansprechen (ca. 10 Minuten) Hier kommt das ausgewählte Medium zum Einsatz, also die Geschichte, das Bilderbuch, möglicherweise auch ein kleines Hörspiel. Dabei werden die Kinder so angesprochen, dass jedes einen eigenen Zugang, eigene Gefühle und Gedanken zu dem, was es hört und sieht, finden und sich im Dialog dazu äußern kann. Raum geben (ca. 20 Minuten) Im Anschluss an das Vorlesen und Betrachten ist es wichtig, Raum zu geben für persönliche Äußerungen der Kinder wie auch für spielerische oder gestaltende Ausdrucksformen, die vertiefend an Aspekte der Geschichte anknüpfen können, zugleich aber genügend Freiraum lassen für individuelle Umsetzungsideen (freies Spielen, Legen, Formen, Fantasieren, Bewegen usw.). Teilnehmen (ca. 10 Minuten) Alle Phasen geschehen mit einem Bewusstsein der Teilnahme, das bedeutet: Die vorlesende und begleitende Person nimmt aufrichtig und einfühlsam Anteil an den Äußerungen und Ausdrucksformen jedes einzelnen Kindes (Echtheit und Verständnis) durch aufmerksames Zuhören und wertschätzende Beachtung. Ebenso erleben sich die Kinder teilnehmend in einer Gruppe, die ihnen Freiraum für eigene Ausdrucksformen gibt, die aber auch von Achtung und Wahrnehmung untereinander getragen wird. Eine verbindende Geste, etwa ein spielerisches Abschlussritual, kann am Ende die gemeinsame Anteilnahme erneut spürbar werden lassen und vielleicht die Wertschätzung für entstandene Ideen oder Bilder der Kinder bewusst machen, bevor sich am Ende alle voneinander verabschieden (Brandt, 2010, S. 25f).



Spielerische Elemente in der Sprach- und Leseförderung  

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Weitere Umsetzungsmöglichkeiten Auch wenn im Text immer wieder von Bilderbüchern und Geschichten, vom Vorlesen und Erzählen die Rede ist – anwendbar ist das Modell ebenso auf die Beschäftigung mit Sachthemen oder beim Einsatz von kleinen Hörspielen, die gemeinsam gehört und dann in gleicher Weise ausgestaltet werden. Prinzipiell ist ein in dieser Form beziehungsstiftendes und spielerisch gestaltetes Angebot für Kinder ab vier Jahren in Bibliotheken zu allen Themen und Medienformen vorstellbar.

Das Beispiel Kimura, Ken / Murakami, Yasunari: 999 Froschgeschwister wachen auf. – Zürich: NordSüd Verlag, 2013. – 48 S. ISBN 978-3-314-10127-4

Zum Inhalt „Höchste Zeit, den Winterschlaf zu beenden“, findet Mama Frosch und weckt ihre 999 Froschkinder auf – alle bis auf einen, der noch eine Runde schnarchen möchte. Damit ist er nicht allein: Denn es gibt noch andere Schlafmützen, die den Frühling glatt verpassen könnten – wären da nicht die eifrigen Frösche, die nicht mal davor zurückschrecken, eine riesige Schlange aus ihrem Loch zu ziehen. Doch bevor die so richtig erwacht, kommt Rettung von der hilfsbereiten Schildkröte. Material –– ein Stück Zeitungspapier für jedes Kind zum Rascheln und Knüllen –– ein großes grünes Tuch für die Wiese –– Malblätter und Farbstifte –– eine Klangkugel Durchführung 1. Zusammenfinden – eine Spielidee zur Einstimmung in das Thema „Frühling“: Die Kinder sitzen im Kreis und werden zu Beginn mit folgender Spielidee auf den Frühling draußen in der Natur eingestimmt: Jedes Kind bekommt ein Stück Zeitungspapier, hält es zu Beginn mit der Hand hoch, hört zu, wie der nachfolgende Vers gesprochen wird und nimmt nach jeder Zeile mit seinem Zeitungspapier etwas von den Bewegungen und Geräuschen auf (gern individuell variiert), die dazu vorgeführt werden: tippen, rascheln, knüllen, werfen. Das Sprechen und das Bewegen des Papiers erfolgen dabei nicht gleichzeitig, sondern nacheinander, das heißt: Es wird jeweils eine Zeile gesprochen und anschließend etwas Zeit gegeben, um das Papier der Kinder in Ruhe „sprechen“ zu lassen. Am Ende landen alle Zeitungspapier-Bälle mit einem lustvollen Wurf in der Kreismitte und werden mit einem großen grünen Tuch überdeckt, sodass eine hügelige Wald- und Wiesenlandschaft entsteht. Damit ist die Szenerie der Bilderbuchgeschichte angedeutet und eine fließende Überleitung geschaffen zu deren Ort des Geschehens.

Zielgruppe: Kinder ab vier Jahren Dauer: etwa 45 bis 60 Minuten

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 Kindergarten- und Grundschulalter

Der Spielvers zum Mitmachen: Geh – tap-tap – auf die Wiese raus. (mit den Fingern 7x wie „Schritte“ auf das Zeitungspapier tippen) Der Frühlingswind weht schon ums Haus. (Zeitungsblatt in der Luft bewegen, sodass ein leichter Wind entsteht) Das Gras, das raschelt sonderbar. (Zeitungspapier raschelnd mit den Händen zu einem Ball zusammenknüllen) Aufgepasst – gleich sind wir da! (Den Zeitungspapier-Ball in die Mitte des Kreises werfen)

2. Ansprechen – die Vermittlung der Geschichte: Mit dem Wurf des Papierballs und der angedeuteten Wald- und Wiesenlandschaft in der Mitte sind die Kinder nun buchstäblich in der Frühlingsgeschichte „angekommen“, die jetzt mit dem Bilderbuch vorgelesen oder frei nacherzählt wird. Die Überleitung kann direkt aus der gemeinsam gebildeten Landschaft heraus erfolgen, zum Beispiel so: „Dort bei der Wiese am Rande des Waldes zwischen den Hügeln, dort hielt die Froschfamilie ihren Winterschlaf. Aber eines Tages…“ 3. Raum geben – spielerische Vertiefungsmöglichkeiten zur Geschichte: Nach der Geschichte werden leere weiße Malblätter an die Kinder ausgeteilt und Farbstifte zur Verfügung gestellt. Gemeinsam wird überlegt, wer im Frühling bei uns aus dem Winterschlaf erwacht oder was alles neu aus der Erde hervorblüht. Jedes Kind entscheidet selbst, was es davon auf das Papier malen möchte: ein frei gewähltes Tier oder etwa eine Blume als Frühlingsbote. Steht nur wenig freier Raum für die Veranstaltung zur Verfügung, so wird die Landschaft mit dem Tuch jetzt abgebaut, um am Boden Platz für das freie Malen zu gewinnen. Besteht die Möglichkeit, eine andere Fläche im Raum zum Malen zu nutzen, zieht die Gruppe nun dorthin um und beendet am neuen Platz auch die Veranstaltung. 4. Teilnehmen – ein spielerisches Abschlussritual: Zum Abschluss werden all die gemalten Winterschläfer in einer kleinen Spielrunde aufgeweckt und gemeinsam begrüßt. Dazu werden die Blätter mit der bemalten Seite nach unten dicht an dicht auf dem Fußboden ausgelegt, sodass die weißen Rückseiten den Eindruck einer noch geschlossenen Schneedecke vermitteln. Um dieses Schneefeld herum bilden die Kinder einen dichten Kreis. Jetzt kommt eine Klangkugel ins Spiel, die auch unter dem Namen Qigong-Kugel bekannt ist. Das sind handliche Kugeln, die in unterschiedlichen Größen preiswert angeboten werden und mit einem klingenden Material im Inneren ausgestattet sind. Dadurch entsteht bei jeder Bewegung ein silberheller Ton. Mit diesem Ton werden die Winterschläfer nun aufgeweckt. Dazu wird die Kugel von einem Punkt des Kreises aus quer über die Fläche der in der Mitte ausgelegten Bilder einem Kind auf der gegenüberliegenden Kreisseite zugerollt. Folgendes Gedicht lässt sich dazu sprechen:



Spielerische Elemente in der Sprach- und Leseförderung  

Der Frühling kommt auf Zehenspitzen und zaubert Spuren in den Schnee. Pssst – horch! In manchen Winterträumen, da singt sogar der kleine Zeh des Frühlings dieses leise Lied: (klingen / summen) Pssst – horch! Ich spüre, dass da was geschieht! Text: Susanne Brandt

Alle verfolgen dabei genau mit Augen und Ohren, welchen Weg die klingende Kugel nimmt. Denn die Bilder, die beim Rollen mit der Kugel in Berührung kommen, dürfen anschließend umgedreht werden. Der Klang hat den darunter verborgenen Winterschläfer „aufgeweckt“. Ein Kind im Kreis nimmt die Kugel in Empfang und schickt sie erneut rollend auf Reisen über die Bilder. Nach und nach kommen auf diese Weise immer mehr Bilder ans Licht, bis am Ende alle Winterschläfer wach sind. Jetzt können alle die entstandenen Bilder nochmal in Ruhe betrachten. Damit endet die Veranstaltung.

Vertiefung Entwickeln und skizzieren Sie nun stichwortartig eigene Ideen für eine BilderbuchVeranstaltung mit einer Gruppe von Kindergartenkindern nach diesem Modell: Titel des ausgewählten Bilderbuches:

Zusammenfinden – eine Spielidee zu Beginn:

Ansprechen – die Vermittlung der Geschichte:

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 Kindergarten- und Grundschulalter

Raum geben – spielerische Vertiefungsmöglichkeiten zur Geschichte:

Teilnehmen – ein spielerisches Abschlussritual:

4.2.2 Weitere Spielformen zum Thema Bibliothek Neben spielerischen Elementen, die in unmittelbarer inhaltlicher Verbindung mit dem Vorlesen und Erzählen rund um eine ausgewählte Geschichte stehen, bietet eine Bibliothek auch Gelegenheiten für andere kleine Spielaktionen mit Kindern im Vorund Grundschulalter, die bei verschiedenen Anlässen zum Einsatz kommen können. Sie dienen dazu, die Menschen, Medien und Räumlichkeiten der Bibliothek besser kennenzulernen und so den Ort Bibliothek insgesamt auf spielerische Weise positiv und lustvoll zu erleben. Es liegt nahe, bei solchen Spielaktionen in Bibliotheken einen altersgerechten Bezug zu Buchstaben, Bildern und Medien herzustellen.

Bildersuchspiel für Kindergartenkinder Kindergartenkinder haben Freude daran, in der Bibliothek spielerisch elementare Rechercheaufgaben zu lösen und dabei spannende Entdeckungen zu machen. Sie orientieren sich hier vor allem an Bildmotiven. Folgendes Beispiel beschreibt ein beliebtes Bildersuchspiel, das sich an jedem Bilderbuchtrog spontan durchführen lässt und anschließend mit verschiedenen Spielvarianten weiter entfaltet werden kann.

Zielgruppe: Kinder ab vier Jahren Dauer: etwa 45 Minuten

Das Beispiel: Wenn Tiere aus den Geschichten springen Kaum zu glauben, wie viele verschiedene Bären, Pferde oder Schnecken sich in einem Bilderbuchtrog und bei den Kindersachbüchern verstecken können! Die Kinder erhalten die Aufgabe, nach verschiedenen Abbildungen zu bestimmten Tieren in den Bilderbüchern zu suchen (je nach Schwierigkeitsgrad und Bestandsgröße wird nach Bären oder auch nach selteneren Bilderbuchtieren wie Pferden oder Schnecken geschaut).



Spielerische Elemente in der Sprach- und Leseförderung  

Jedes Kind bringt anschließend ein Buch mit dem gefundenen Tier in den gemeinsamen Kreis, schlägt die Fundstelle auf und legt das Bild gut sichtbar vor sich auf den Boden. Nun wird den Kindern Zeit gegeben, um im Kreis die Vielfalt an verschiedenen Abbildungen und Darstellungsweisen zu einem Tier zu betrachten. Wie unterscheiden sich die Bären voneinander? Wer hat seinen Lieblingsbären entdeckt? Wer mag eine Abbildung überhaupt nicht? Warum? Ganz nebenbei ergeben sich auf diese Weise Gespräche zu verschiedenen Vorlieben bei der Bilddarstellung und zu Unterschieden zwischen Fotos und grafischen Umsetzungsformen. Die Kinder üben auf elementare Weise eine gezielte Suche im Bestand, werden für Unterschiede in der Bilddarstellung sensibilisiert und tauschen untereinander persönliche Meinungen zu den Bildern aus. An diese Phase kann sich ein gemeinsames Geräuschespiel mit den gefundenen Büchern anschließen, bei dem sprachlich und klanglich auf spielerische Weise an das Thema „Tiere in Büchern“ angeknüpft wird. Jedes Kind hält dazu sein gefundenes Buch in der Hand und improvisiert zu dem folgenden Text passende Geräusche und Bewegungen. Der Text wird dabei frei und lebendig erzählt. Zwischen den gesprochenen Zeilen gibt es immer wieder Pausen, in denen nur die Geräusche und Bewegungen „sprechen“. Die Kinder lassen sich davon zum Mitmachen anregen und entdecken so auch ihr Buch als Klang- und Rhythmusinstrument. Wenn Tiere aus den Geschichten springen Ich frage mich manchmal: Wie mag das klingen, wenn Tiere aus den Geschichten springen? Zuerst schlägt der Bär eine Seite um und reckt und streckt sich mit Gebrumm. (alle recken und strecken sich mit wohligem Gebrumm) Dann rennt ein Pferd im wilden Galopp, hopp hopp, hopp hopp, hopp hopp, hopp hopp, (dazu im Pferdegalopp klopfen) quer übers Buch und trifft an der Ecke die still-vergnügte Bücherschnecke. Die kommt, weil sie’s nicht anders kann, ganz schnecklich langsam nur voran, (kriechende Bewegungen mit den Fingern nachmachen) so schleimig schleichend, kaum zu hören, wird sie den frechen Floh kaum stören. Der aber hüpft von seinem Platz, (1x in die Hände klatschen) macht dabei mächtigen Rabatz und piekt dem Bären in den Po. Da brummt er wütend: „Ohoho! Jetzt wird es wirklich Zeit zu geh’n!“ Wo will er hin? Wir werden seh’n! Text: Susanne Brandt (frei variiert nach „Wenn Tiere aus den Geschichten springen“); Brandt, 2009, S. 30.

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Buchstabenspiel für Kinder zu Beginn der Grundschulzeit Es gibt viele Spielformen, die dazu einladen, die Buchstaben des Alphabets mit allen Sinnen zu entdecken: –– Buchstaben ertasten: Aus Knete werden lange Schlangen gerollt, zu Buchstaben geformt und auf einer glatten Fläche ausgelegt. Wer kann die Buchstaben anschließend „blind“ mit den Fingerspitzen „lesen“? –– Buchstaben spüren: Die Kinder malen sich gegenseitig Buchstaben mit dem Finger auf den Rücken. Lassen sich diese dabei erspüren? –– Buchstaben-Wege: Mit einem langen Wollfaden werden große Buchstabenformen so auf den Boden gelegt, dass die Kinder daran entlang laufen können. Bei dem nachfolgenden Beispiel lädt ein kleines Gedicht, das zu Beginn frei und lebendig gesprochen wird, Kinder am Anfang der Grundschulzeit zur „Eiersuche“ ein. Es beinhaltet eine spielerische Übung zum genauen Blick auf die Buchstaben der Titel und regt dazu an, Silben und Reime von Wörtern als sprachliches Material wahrzunehmen und kreativ zu nutzen. Das Beispiel Bücher-Ei-Suche Zielgruppe: Kinder ab etwa sechs Jahren Dauer: etwa 30 Minuten

Sieh da, hier kannst du in den Ecken nicht nur zu Ostern Eier entdecken! Besonders wohl fühlt sich das Ei bekanntlich in der Bücherei. Es ist dort gerne zu Besuch bei diesem oder jenem Buch: die Zauberei, die Fliegerei, die Reise und die Meise… Text: Susanne Brandt

Die Beispiele am Ende können auch anders lauten. Sie ergeben sich aus den Titeln vorhandener Bücher, die als Beispiele hochgehalten werden und zum Mitmachen überleiten. Spielverlauf Die Kinder suchen in den Titeln der Bibliotheksmedien nach Wörtern mit der Silbe „ei“, ziehen etwa fünf Beispiele aus dem Regal und bringen sie mit in die Runde. Mit den gefundenen „Eiern“ kann das Gedicht nun von den Kindern selbst weitergetextet werden: Die Polizei, die Drei, die Steinzeit und der Streit… Ältere Kinder können die gefundenen Wörter auch nach Endreimen oder Silbenzahl ordnen, um so das Gedicht am Ende rhythmisch und klanglich feiner auszugestalten. Wenn die gefundenen Medien anschließend von den Kindern selbst an ihren richtigen Standort im Regal zurück gebracht werden sollen, lässt sich dabei gleich das Ordnungsprinzip der Signaturen oder Stoffkreise erklären und spielerisch üben.

Weitere Spielideen mit Buchstaben für Grundschulkinder Mit Grundschulkindern, die bereits das Alphabet beherrschen, lassen sich weitere Spielformen rund um Bücher und Buchstaben in der Bibliothek durchführen: Beliebt und unkompliziert in vielen Situationen einsetzbar ist das „lebendige Alphabet“, bei



Spielerische Elemente in der Sprach- und Leseförderung  

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dem die Kinder versuchen, nach den Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen eine alphabetisch sortierte Reihe zu bilden. Bei größeren Schulklassen lässt sich das auch in zwei gleichgroßen Gruppen als Wettspiel durchführen. Die Gruppe, die am schnellsten in der richtigen Reihenfolge steht, hat gewonnen. Etwas komplexer ist folgendes ABC-Spiel als Entdeckungsreise durch die Bibliothek. ABC-Spiel als Entdeckungsreise durch die Bibliothek Das Ziel Die Kinder lernen in einer spielerischen Verbindung aus ABC-Spiel und Poesie die Medien der Bibliothek kennen und machen sich mit den Räumlichkeiten und Standorten vertraut. Die Methode Die Standorte der verschiedenen Medien werden nicht erklärt, sondern erschließen sich nach und nach durch ein Spiel, bei dem die Kinder zunächst in Bewegung Dinge in der Bibliothek entdecken und sammeln, um diese anschließend in Beziehung zueinander zu bringen und dabei Einblicke in die Ordnung der Bibliothek zu gewinnen. Daraus ergibt sich ein freier Austausch rund um Angebot und Nutzung der Bibliothek, an dem die Kinder aktiv teilhaben, weil sie die entscheidenden Stichworte dazu selbst einbringen und nicht in der Rolle der passiven Zuhörer bleiben. Der Inhalt Folgender Text bildet das „Herzstück“ dieser Bibliothekserkundung von A bis Z: Das Bibliotheks-ABC Ach, was das wohl werden soll! Bücher – ganze Wände voll, CD-ROMs, PCs und Spiele, Davon gibt es hier ganz viele! Erst mal sehn, wie das hier geht. Find ich raus, wo alles steht? Größe ist wohl nicht so wichtig, Hund bei „Haustier“ – das ist richtig! Igelbuch gehört zu „Tier“, Jugendbücher stehen hier, Kinderkrimis stehen dort, Lesefutter – Wort für Wort. Meterlange Bücherreihen, Nicht zum Kaufen – doch zum Leihen! Oder Schmökern gleich vor Ort. Purer Lesespaß: sofort! Quietschvergnügt, doch auch mal still. Regeln sind da mit im Spiel. So, wie viele viel hier machen, Teilen sie sich Raum und Sachen: Ungeheuerspukgeschichten, Verse, die Verliebte dichten, Wissen, Märchen, Fantasien, X-mal wohl schon ausgelieh‘n, Y-mal schon zurück. Zeit für neues Leseglück! Text: Susanne Brandt

Zielgruppe: Kinder ab etwa acht Jahren Dauer: etwa 30 Minuten

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Vorbereitung 26 zu Aufstellern geknickte Kartonstreifen werden mit jeweils einer Zeile des ABCGedichts beschriftet (Anfangsbuchstaben werden dick hervorgehoben) und an passender Stelle in der Kinderbücherei platziert: „Hund bei ‚Haustier‘...“ steht bei der entsprechenden Sachgruppe, „Nicht zum Kaufen...“ steht am Verbuchungsplatz, „Ungeheuerspukgeschichten“ bei Gruselbüchern usw. Verse, die in der räumlichen Zuordnung nicht eindeutig festgelegt sind, werden so verteilt, dass in möglichst allen Bereichen der Bibliothek etwas zu finden ist. Durchführung Gemeinsam wird ein Spaziergang durch die Bibliothek unternommen. Dabei stoßen die Kinder an verschiedenen Orten auf die Kartonstreifen mit den ABC-Versen und werden aufgefordert, die entdeckten Karten nach und nach einzusammeln und – wo möglich – auch ein Buch mitzunehmen, das an genau der Stelle im Regal steht. Anschließend bilden die eingesammelten Kartonstreifen – von A bis Z sortiert und ausgelegt – eine lange Schlange auf dem Boden. Erst jetzt erschließen sich Reim und Struktur des Gedichts komplett. Sie werden mehrfach miteinander gesprochen. Wer weiß noch, wo die verschiedenen Verskarten in der Bibliothek ihren Platz hatten? Wer hat ein Buch von dort mitgebracht? Nach und nach lassen sich nun Besonderheiten zu den verschiedenen Standorten im Gespräch austauschen, die den Kindern helfen, sich besser in der Bibliothek zu orientieren.

Vertiefung Durch die verschiedenen Beispiele haben Sie einen kleinen Eindruck davon gewonnen, wie sich Buchstaben, Bilder und Medien der Bibliothek so mit einer spielerischen Aufgabe verbinden lassen, dass Kindergarten- und Grundschulkinder dabei etwas über den Ort und das Angebot der Bibliothek erfahren und zugleich eigene Meinungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten erproben können. Der Kreativität sind bei der Entwicklung solcher Spielformen, die sich direkt aus dem Bestand der Bibliothek entwickeln lassen und oft ganz ohne zusätzliche Vorbereitung und Materialien auskommen, keine Grenzen gesetzt. Probieren Sie es aus: Denken Sie an die Buchstaben, Bilder und Bewegungen, die zum Alltag einer Bibliothek gehören, und entwickeln Sie daraus eine altersgerechte Spielidee. Oft kann dazu auch einfach ein bekanntes Gruppenspiel so abgewandelt werden, dass ein Bibliotheksspiel daraus wird.



Die Bedeutung des Vorlesens und Erzählens  

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4.3 Die Bedeutung des Vorlesens und Erzählens „Lesen lernen heißt Leben lernen“, so wurde schon zu Beginn dieses Buches mit einem Zitat von Mirjam Pressler der Blick geweitet für die Bedeutung des Lesens als Lebenslernprozess im umfassenden Sinne. Dieser Prozess beginnt beim Vorlesen und Erzählen lange vor der Fähigkeit, selbst lesen zu können, und bietet dem Kind weit mehr als „nur“ ein Vorbild und einen Anreiz zum späteren Selbstlesen. Im Vorlesen und Erzählen liegt ein eigener Wert für die kindliche Entwicklung, der gewiss auch positive Effekte für das spätere Lesenlernen in sich trägt, zunächst aber in seiner Bedeutung „für den heutigen Tag“ zu betrachten ist. Bei dem polnischen Kinderarzt und Autor Janusz Korczak gehörte das „Recht des Kindes auf den heutigen Tag“ zu einem der wichtigsten Grundrechte. Er dachte dabei nicht zuletzt an die Momente des Träumens und der Vertiefung in Fantasien, an innere Bilder und Geschichten, wie sie durch das Vorlesen und Erzählen in vertrauter Atmosphäre entstehen können und nicht zu schnell dem Anspruch des „Lernens für die Zukunft“ untergeordnet werden sollten.

Zum Weiterlesen: Brandt, Susanne: Gedankenflüge ohne Illusion. Janusz Korczak als Impulsgeber für die dialogische Begegnung mit Kindern beim Lesen, Erzählen und Schreiben. – Wetzlar: Phantastische Bibliothek, 2010. – 69 S.

„Geschichten, vorgelesene, erzählte, selbst erfundene und aufgeschriebene, helfen bei der Verarbeitung innerer Konflikte, tragen dazu bei, Verdrängtes und Belastendes zuzulassen, zu bearbeiten und vielleicht sogar zu verarbeiten. Im Erzählen setzen wir uns mit Erlebtem auseinander, können Geschichten, die uns widerfahren sind, sogar umerzählen, können ein Happy End erfinden, um uns zu trösten oder Hoffnung zu machen.“ (Hering, 2008, S. 48)

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Abb. 2: Janus Korczak als Inspiration

Dass aus solchen Erfahrungen mit vorgelesenen und erzählten Geschichten nachweislich stärkende und heilende Kräfte für die Bewältigung von Konflikten im eigenen Leben erwachsen können, ist in der Bibliotherapie wie auch in der Salutogenese seit langem bekannt.

„Im Sinne der Salutogenese könnten in komplexen oder auch schwierigen Situationen über die Reflexion möglicher anderer ‚Spielarten‘ und Perspektiven individuelle Ressourcen aktiviert werden, neue Möglichkeiten und Zusammenhänge entdeckt und ‚Kohärenzfäden gesponnen‘ werden.“ (Schneider, 2009, S. 227)

Exkurs: Bei der Salutogenese als multidisziplinäres Konzept, wie es hier nur knapp in Verbindung mit der stärkenden Kraft vertrauensbildender Erlebnisse beim Lesen und Vorlesen erwähnt sein soll, geht es um die Entstehung und Entwicklung von Gesundheit im ganzheitlichen Sinne. Nach dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky spielt dabei das Kohärenzgefühl eine entscheidende Rolle: Verständnis für Zusammenhänge, die Fähigkeit, mit Erlebnissen umzugehen und das Empfinden von Sinn in dem, was geschieht, sind die drei Komponenten für dieses Kohärenzgefühl. Geschichten und die damit verbundene Anschlusskommunikation können durch ihr Potenzial, Sinn und Zusammenhänge zu verdeutlichen, wirksam zu einer Unterstützung des Kohärenzgefühls beitragen. Zum Weiterlesen: Krause, Christina / Lorenz, Rüdiger-Felix: Was Kindern Halt gibt. Salutogenese in der Erziehung. – Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009. – 234 S. ISBN 978-3-525-40423-2

Es wäre also zu wenig, sich in Bibliotheken allein auf die Bedeutung des Lesens für das Lernen und die Informationsgewinnung mit Blick auf Schule, Ausbildung und Medienkompetenz zu konzentrieren. Zumindest in Grundzügen ist ebenso das Potenzial des Vorlesens und Erzählens für eine gesunde seelische Entwicklung des Kindes zu bedenken, daraus ein sensibles und personenzentriertes Bewusstsein für die Gestaltung von Vorlese- und Erzählsituationen in Bibliotheken zu entwickeln und etwas davon in der Beratung auch an Eltern für das häusliche Vorlesen weiterzugeben. Solche Vorlese- und Erzählstunden können und sollen keine Therapie sein! Aber wenn es stimmt, dass sich Kinder beim Vorlesen und Erzählen seelisch berühren, zur Fantasiebildung wie auch zur Reflexion und Kreativität anregen lassen, so gilt es, von diesen Wirkungsweisen zu wissen und ihnen beim dialogischen Miteinander in angemessener Weise Raum, Zeit und Zuwendung zu schenken.



Die Bedeutung des Vorlesens und Erzählens  

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4.3.1 Vorlesen und Erzählen als Dialog Eine dialogisch gestaltete Vorlese- und Erzählsituation ermöglicht dem Kind ein Ausbalancieren zwischen fiktiver und realer Wirklichkeit und weckt über begleitende Gespräche immer wieder Fantasien und Bilder für die eigenen Gefühle und Handlungsmöglichkeiten. Dabei öffnet sich für Kinder quasi der Vorhang für eine innere Bühne, auf der alle Gefühle in der Fantasie Ausdruck finden können: Projektionen und Identifikationen, wie sie durch das Eintauchen in Geschichten möglich sind, helfen gerade auch mit schwierigen persönlichen Gefühlen wie Trauer, Angst, Wut oder Aggression umzugehen und sie unbeschadet bewältigen zu lernen. Dabei lässt sich die Erfahrung machen, dass Menschen sich beim Vorlesen von Bilderbüchern mitunter leichter finden und zwischenmenschlich intensiver verbinden als in der Alltagssprache. Gerade dort, wo bei „Gefühlssachen“ oft die passenden Worte und Bilder fehlen, ist auf die poetische und symbolische Kraft von Bildern, Symbolen und Geschichten Verlass – vorausgesetzt, die Vermittlung geschieht in einer guten Atmosphäre der Geborgenheit und der Dialogbereitschaft. Ein typisches Beispiel aus der bibliothekarischen Praxis dafür ist die Frage nach Geschichten und Bilderbüchern zum Thema „Tod“. Bei kaum einem anderen Thema macht sich die „Sprachlosigkeit“ im Alltag so deutlich und schmerzlich bemerkbar wie bei einem Trauerfall im engsten Familienkreis. Oft fragen Eltern in dieser Situation gezielt nach einem Bilderbuch für das Vorlesen zu Hause, das hilft, diese Sprachbarriere zu überwinden, um dem Kind – und sich selbst – in der Trauerzeit Worte und Bilder zu schenken. Eine breite Auswahl an Bilderbüchern zum Thema „Tod“, die für unterschiedliche Weltanschauungen, Religionen und Altersgruppen so viele verschiedene Deutungsmöglichkeiten aufzeigen, dass jeder Mensch darin etwas finden kann, was seinen persönlichen Vorstellungen entspricht, leistet einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung einer häuslichen Vorlesekultur in besonderen Lebenssituationen. Die vielen Bilderbüchern, Märchen und Geschichten innewohnende Symbolsprache ist eine Sprache, in der innere Erfahrungen, Gefühle und Gedanken so ausgedrückt werden, als ob es sich um sinnliche Wahrnehmungen, um Ereignisse in der Außenwelt handele. Es ist eine Sprache, die einer anderen Logik folgt als wir es von der Alltagssprache her gewohnt sind und so Zugänge zu tieferen Schichten unserer eigenen Persönlichkeit schafft.

Während eine rein sachliche Alltagssprache, die vielfach aus Kürzeln und Mitteilungen besteht, kaum mehr die schöpferische Imaginationskraft anzuregen vermag, kann die poetische Symbolsprache in Text und Bild heilsame Räume für die Seele öffnen, in denen Menschen sich wertgeschätzt und verwurzelt fühlen. Im Kindergartenalter durchleben Kinder entwicklungspsychologisch gesehen eine Phase des „magischen Denkens“. Sie geben Tieren und Dingen im Spiel eine „menschliche Stimme“ und lassen in der Fantasie vielfältige Verwandlungen geschehen. Wenn ein Kind in diesem Alter von Erwachsenen Bilderbücher und Geschichten vorgelesen oder erzählt bekommt, empfängt es dabei eine dreifache Botschaft: 1. Das Kind erfährt in der Vorlese- oder Erzählsituation mit Bilderbüchern: „Ich bin mit meinen Gefühlen nicht allein. Im Bilderbuch begegnen mir Menschen und Wesen, die ähnlich fühlen.“ Auf der „Bühne der Bilder und Geschichten“ kann das Kind spielerisch mit seinen Gefühlen umgehen und somit seine Lebensmöglichkeiten erweitern und Lösungen erproben. Es findet Zeit und Ruhe, um sich selbst wahrzunehmen.

„Geschichten entfalten sich im Gespräch und durch Nachdenken.“ (Peitz, 2014, S. 69)

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2. Die erzählende oder vorlesende Bezugsperson verkörpert jene Nähe und Geborgenheit, die das Kind braucht, um dieses Hinschauen und Hineinfühlen auszuhalten. Das Kind vertraut darauf: „Ich kann alles anschauen, was in dem Bilderbuch geschieht, ohne dass mir selbst etwas Böses dabei passiert.“ 3. Die Welt, wie sie sich in der Fantasie des Kindes als Bild formt, ist reich an Farben und Facetten. In der Begegnung mit allem, was sie an „Schätzen“ bereithält, weckt sie die Lust am Entdecken und schöpferischen Tun. Das Kind stellt fest: „Das Leben in dieser Welt ist sinnvoll geordnet und gibt mir gute Möglichkeiten der Teilnahme und Mitgestaltung.“

Eine Schlüsselerfahrung beim dialogischen Vorlesen und Erzählen ist also das Gefühl des unbedingten Angenommenseins mit allen Empfindungen, die das Kind in diese Hör-, Betrachtungs- und Gesprächssituation einbringt, und somit das Gefühl der spürbaren Wertschätzung durch die vorlesende Bezugsperson. Dabei öffnen Bilderbücher und Geschichten beim dialogischen Vorlesen und Erzählen zugleich den Blick für das, was in der Welt über die eigene Person hinausweist. Das hilft dem Kind, Empathie wie auch befreiende und entlastende Bilder für die guten Möglichkeiten des Lebens in Gemeinschaft zu entwickeln. Als Arbeitshilfe für das Vorlesen und Erzählen im Rahmen der interkulturellen Bibliotheksarbeit bietet das Amt für Bibliotheken und Lesen in Bozen folgende Publikation als Download an: Koler, Martina: Schatzkiste der Kulturen. Arbeitshilfen und Informationen. Bozen: Amt für Bibliotheken und Lesen 2013. URL: http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/download/Broschuere%281%29.pdf

Dialogisches Vorlesen und Erzählen öffnet besonders dann viele Möglichkeiten der Interaktion, wenn sich der Vorlesende selbst ebenso intensiv auf das Bilderbuch einlässt wie das Kind und die eigenen Gefühle bewusst wahrnimmt – auch an den unbequemen Stellen, die ein solches Buch reich und vielschichtig machen. Es geht nicht darum, ausschließlich „leicht verdauliche“ Geschichten und Bücher anzubieten. Kinder haben sich in ihrem eigenen Leben immer auch mit Brüchen, Ängsten und Ungerechtigkeiten auseinanderzusetzen. Eine Befreiungs- und Vertrauensgeschichte kann nur dann ihre Kraft und Authentizität entfalten, wenn die Bedrohung nicht beschönigt oder verschwiegen wird. In der Begegnung mit Bilderbüchern sind Kinder nicht bloß passiv Schauende und Zuhörende. Sie nehmen beim Vorlesen und Erzählen in einem aktiven Prozess immer das aus einer Geschichte auf und bauen in ihren eigenen Bilderund Erfahrungsschatz ein, was sie davon brauchen und in ihrer Weise deuten. Zusammenfassend lässt sich das dialogische Vorlesen und Erzählen unter drei Aspekten beschreiben, die beim gemeinsamen Erlebnis mit Bilderbüchern eine besondere Rolle spielen: 1. Jeder Mensch hört, sieht, spürt und assoziiert bei Bildern und Geschichten etwas anderes. Dabei wird das Kind zunächst vor allem in seiner Emotionalität und Intuition angesprochen. Das gemeinsame Betrachten, Lesen, Hören und Erzählen braucht zunächst einmal Offenheit für die Wahrnehmungen und das Staunen des Kindes und Sensibilität für die Vieldimensionalität wahrgenommener Äußerungen. Die unvoreingenommenen Reaktionen der Kinder werden nicht gleich in den „erwachsenen“ Erfahrungshintergrund eingeordnet. In allem Betrachten, Wahrnehmen, Erfahren, Erkennen und Denken findet eine Begegnung mit dem Eigensinn statt. Es ist wichtig, zunächst einen eigenen Zugang zum Gegenstand der Betrachtung zu ermöglichen, bevor ein Dialog und Austausch von verschiedenen Sichtweisen angeregt wird.



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2. Menschen entwickeln sich und lernen in Beziehungen zu anderen und zu sich selbst. Beim dialogischen Vorlesen und Betrachten von Bilderbüchern entdecken Kinder ihre eigene Beziehung zu Bildern, Texten, Tönen, suchen Verbindungen zu gesammelten Lebenserfahrungen und spüren die vertrauensvolle Zuwendung einer Bezugsperson. Empathiefähigkeit, sinnliches Wahrnehmen, differenziertes Denkvermögen, Emotionswissen und Emotionsausdruck – nonverbal oder verbal – werden dabei in vielfältiger Weise unterstützt. 3. Die Entwicklung vom ersten Staunen zur dialogischen Auseinandersetzung schenkt Erfahrungen mit verschiedenen Ausdrucks- und Gestaltungsmitteln. Die Fähigkeit, Dinge zu erkennen und zu benennen, gewinnt als Bestätigung der eigenen Entdeckungen und Gedanken oder in der Konfrontation mit anderen möglichen Sichtweisen an Bedeutung. Bilderbücher können bei diesem Prozess dazu einladen, in das betrachtete Geschehen mit allen Sinnen einzutauchen, die Rolle der Akteure einzunehmen, sich an die Stelle des anderen zu denken, zu einer immer differenzierteren Wahrnehmung eigener und fremder Erfahrungen zu finden und mit eigenen kreativen Möglichkeiten zu spielen.

4.3.2 Unterschiede und Mischformen beim Vorlesen und Erzählen Bisher war immer vom Erzählen und Vorlesen gleichzeitig die Rede, ohne zwischen beiden Formen ausdrücklich zu unterscheiden. Es ging zunächst um die dialogische Qualität mit Blick auf das Kind – und diese ist beim Erzählen wie auch beim Vorlesen gleichermaßen von Bedeutung. Wichtig ist jedoch ebenso, sich die Unterschiede und Wechselwirkungen zwischen beiden Formen bewusst zu machen, um diese gezielt bei der Gestaltung von Vorlese- und Erzählsituationen einsetzen und nutzen zu können. Zu den wichtigen Unterschieden beim Vorlesen im Vergleich zum freien Erzählen gehören die Bindung an die Text- und Bildvorlage und die Präsenz des Mediums Buch. Die Chance, Kinder mit einem reichen Wortschatz und sprachlichen Qualitäten vertraut zu machen, die über die Alltagssprache hinaus weisen, ist beim textgebundenen Vorlesen in besonderem Maße gegeben. Auch erhalten Kinder beim Vorlesen eines Bilderbuchs die Möglichkeit, sich von Wort-Bild-Beziehungen in der Fantasie anregen zu lassen und erste Eindrücke von der Ästhetik der Sprach- und Illustrationskunst zu gewinnen. Wird das Vorlesen mit dem Buch in der Hand als wohltuend und spannend empfunden, so erfährt oft auch das Buch als Medium eine besondere Wertschätzung. Dies kann sich motivierend auf das Lesenlernen auswirken. Das Erzählen wiederum öffnet andere Möglichkeiten: Es schenkt größere Spielräume für eine lebendige Gestaltung wie auch für Kommunikation über Blickkontakt und spontane Dialoge, weil das ganze Repertoire des freien Ausdrucks ungehindert und variabel genutzt werden kann und ein flexibleres Eingehen auf die Reaktionen der Zuhörenden erlaubt. Mit etwas Übung weist auch hier der Wortschatz in den eigenen Formulierungen deutlich über die Alltagssprache hinaus und vermittelt den Kindern durch die Poesie der Geschichte oder des Gedichts eine literarische Erfahrung – wenn auch nicht in unmittelbarer Beziehung zum Medium Buch. Ideal ist eine Mischform aus Vorlesen und Erzählen: Dabei ist das Buch als Textquelle für die Kinder präsent und bietet gegebenenfalls durch seine Illustrationen wertvolle Erzähl- und Fantasieimpulse; die Vermittlung der Geschichte aber geschieht je nach Situation, Spannung und Aufmerksamkeit der Kinder in einem souveränen Wechselspiel zwischen textgebundenem Vorlesen und freiem Nacherzählen der Handlung. Das setzt voraus, dass sich der Vorlesende gut in der Geschichte auskennt. Er sollte nicht mit den Augen am Text „kleben“, sondern jederzeit aufschauen

„Ein frei erzähltes Märchen enthält z. B. durch die Persönlichkeit der Erzählerin, die sich u. a. in Gestik, Mimik, Betonung und Wortwahl widerspiegelt, einen theatralen Schwerpunkt. Ein vorgelesenes Märchen ist literarischer, weil die Buchsprache in Wortwahl und Satzbau spezifische Charakteristika aufweist.“ (Peitz, 2014, S. 36)

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können, den Blickkontakt zu den Kindern suchen und möglicherweise Spannungsverlust und Verständnisschwierigkeiten im Text während des Vorlesens am Verhalten der Kinder erkennen, um darauf nötigenfalls durch freies Weitererzählen geschickt zu reagieren. An anderer Stelle sollte der Vorlesende dann wieder nahtlos in den gedruckten Text einsteigen können.

4.3.3 Tipps zum dialogischen Vorlesen Jede Vorlesesituation ist anders, und ein Patentrezept mit Erfolgsgarantie für eine gelingende Vorlesesituation gibt es nicht. Es gibt jedoch einige Vorüberlegungen, die dabei helfen können, sich ruhig, authentisch und offen in die Vorlesesituation zu begeben und daraus einen sicheren Handlungsspielraum zu gewinnen: 1. Machen Sie sich bewusst, für wen Sie lesen. Bedenken Sie dabei das Alter der Kinder, die Beziehung der Kinder untereinander und die Gruppengröße. 2. Rufen Sie sich die räumlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen der Vorlesesituation vor Augen: Morgens passen andere Geschichten als abends. In der Natur ist die Vorleseatmosphäre eine andere als in geschlossenen Räumen. Wenn Nebengeräusche unvermeidbar sind, ist das bei der Wahl, Länge und Art der Vermittlung zu berücksichtigen. 3. Auch spontanes unvorbereitetes Vorlesen kann sich für Sie und die Kinder zu einem spannenden Erlebnis entwickeln. Sie erweitern jedoch Ihre Möglichkeiten und gewinnen mehr Sicherheit, wenn Sie sich vorher gut mit der Textform (Bilderbuch, Geschichte, Gedicht, Sachtext) vertraut machen, die Sie für die Zielgruppe ausgewählt haben. Achten Sie auf die besonderen Eigenschaften der Sprache, der Handlung, der Bilder oder des Themas und entwickeln Sie eine lebendige persönliche Beziehung dazu. Umso authentischer wird davon auch etwas beim Vorlesen für die Kinder spürbar werden! 4. Lesen Sie sich den Text laut vor und erzählen Sie ihn mit eigenen Worten nach, um zu merken, wie vertraut Ihnen die Handlung bereits geworden ist. Sie entwickeln auf diese Weise zugleich ein Gespür für Aufbau, Stimmung, Spannungsbogen und Charakter des Textes und der Bilder. Das gibt Ihnen Sicherheit bei der Ausgestaltung mit Stimme, Mimik, Gestik oder Spiel und schenkt Ihnen Flexibilität, um nötigenfalls spontan den geplanten Verlauf der Vorlesestunde zu ändern. Kurze Texteinheiten und Abschnitte, die sich nach Bedarf kürzen oder ergänzen lassen, erweisen sich dabei als günstiger als lange, zusammenhängende Texte. 5. Falls Sie zur Ausgestaltung oder Vertiefung kreative und spielerische Formen einsetzen, bei denen bestimmte Materialien zum Einsatz kommen: Legen Sie sich alles dafür Nötige griffbereit zurecht. 6. Freuen Sie sich auf die Fragen der Kinder und sehen Sie überraschenden Reaktionen, auch Unmutsäußerungen oder Gesprächen, die sich anders entwickeln als geplant, gelassen und interessiert entgegen. Sie tragen zur Lebendigkeit der Situation bei und können ein Zeichen dafür sein, dass Vorlesen etwas anstößt, auslöst und verändert.

4.3.4 Lebendiges Erzählen Lebendiges freies Erzählen mit dialogischen Elementen bewegt sich im Übergangsbereich zwischen alltäglichen Gesprächssituationen und geformter literarischer Sprache. Es vermittelt und fördert daher sowohl kommunikative als auch literarische Spracherfahrungen. Die mit dem Erzählen einhergehende Bewegung in Gestik und



Die Bedeutung des Vorlesens und Erzählens  

Mimik unterstützt die Vorstellungskraft der Kinder und die Einprägsamkeit des Gesagten. Das alles erleichtert auch die Beziehung zu den Zuhörenden. Eine fantastische Fundgrube für mehrsprachige Erzählaktionen mit Hilfen, Ideen und Vorschlägen für das Geschichtenerzählen auch in Verbindung mit dem DaZ-Unterricht in der Grundschule ist die Website der Erzählwerkstatt Bremen. URL: http://www.erzaehlwerkstatt.de/ Buchtipp: Klein, Julia / Merkel, Johannes: Sprachförderung durch Geschichtenerzählen. Handlungsorientierte Materialien für die gezielte Spracharbeit. – Hamburg: Persen, 2008. – 115 S. ISBN 978-38344-3781-5

Der Schritt vom textgebundenen Vorlesen einer literarischen Vorlage zum freien (Nach-)Erzählen hat etwas mit Loslassen zu tun: Die Sicherheit des vorgegebenen Wortlauts wird aus der Hand gelegt – aber es gibt ein anderes „Geländer“, das Halt geben kann. Folgende Tipps zur Einübung des freien Erzählens sind als eine kleine „Bauanleitung“ für dieses Geländer zu verstehen: 1. Lesen Sie sich die ausgewählte Geschichte zunächst laut vor. Ist das Ihre Geschichte? Fühlen Sie sich wohl damit? Dann legen Sie den Text zur Seite und versuchen frei nachzuerzählen, was Ihnen von der Handlung in Erinnerung geblieben ist. 2. Besinnen Sie sich zunächst auf die Bilder: Stellen Sie sich die Bilder der Geschichte wie einen „inneren Film“ so genau wie möglich vor. Alle Sinne können sich dabei mit angesprochen fühlen (Was höre, rieche, schmecke, sehe ich?). 3. Denken Sie besonders an die Hauptpersonen: Welche Menschen oder Dinge prägen und tragen die Geschichte mit ihren Handlungen und Entscheidungen? 4. Jetzt haben Sie bereits alles sicher im Kopf, was das Grundgerüst der Geschichte ausmacht: Es besteht aus den Personen, dem Ort des Geschehens sowie ungewöhnlichen Ereignissen und Wendepunkten zwischen Anfang und Schluss. Manchmal hilft es, das Gerüst ohne Worte als kleinen Plan mit Zeichen und Symbolen zu skizzieren. Der Spannungsverlauf ähnelt dabei mitunter dem Umriss eines Hutes mit einem Höhepunkt in der Mitte. 5. Mit diesem sicheren Gerüst vor dem inneren Auge darf man sich nun getrost ans Erzählen wagen: Gestik und Mimik sind beim Erzählen mit im Spiel! Dabei geht es nicht darum, Theater zu spielen. Sparsame Andeutungen sind oft wirkungsvoller und ausdrucksstärker als ein übertriebener Körpereinsatz. Auch gilt es, sich klar für eine Form des gestischen und mimischen Spiels zu entscheiden und diese durchzuhalten: – Schlüpfe ich mit dem ganzen Körper in verschiedene Rollen für ein pantomimisches Spiel? – Reduziere ich das Rollenspiel auf meine Hände für eine Art Handtheater? – Spiele ich mit einem imaginären Gegenüber, dem ich dann durch eine entsprechende Blickrichtung eine klare Position zuweise? 6. Erzählen ist Kommunikation! Wo immer es sich anbietet, sollten die Kinder Gelegenheit bekommen, die Geschichte „mitzuerzählen“: Sie können beispielsweise Vorschläge für den Fortgang der Geschichte machen, einprägsame Wendungen wiederholen und mitsprechen oder etwa sich mit Bewegungen oder Geräuschen gestalterisch in das Geschehen einbringen. 7. Ein wiederkehrendes Ritual am Anfang und am Schluss stimmt in die Geschichte ein und führt aus der Geschichte heraus. Im Anschluss können weitere Vertiefungsmöglichkeiten durch kreatives Tun ihren Platz finden.

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Zielgruppe: Kinder ab etwa vier Jahren Dauer: etwa 30 Minuten

Das Beispiel Probieren Sie das freie Erzählen unter Verwendung der oben beschriebenen Anleitung mit folgender Geschichte einfach mal aus. Überlegen Sie dabei auch, wie und an welchen Stellen die Kinder dialogisch und spielerisch mit einbezogen werden können: Das beste Bett Es war einmal ein Tischler, der viel von seinem Handwerk verstand. Er konnte aus Holz die schönsten Dinge machen. Gern ließen sich die Leute etwas von ihm bauen: einen Tisch oder einen Stuhl, einen Schrank oder eine Truhe. Eines Tages aber passierte etwas Seltsames: Dem Tischler schien die Arbeit nicht mehr recht zu gelingen. Er klagte über Müdigkeit, musste immer öfter eine Pause machen und es passierte, dass er den einen oder anderen Auftrag ganz vergaß. Fragte man ihn, wie das denn käme, so antwortete er: „Ach, wenn ich doch bloß mal wieder richtig schlafen könnte! Doch in jeder Nacht rappelt und klappert, raschelt und rumpelt es in meiner Kammer so laut! Wer kann da schon ein Auge zutun?“ Weil er nun bald nicht mehr ein noch aus wusste, erzählte er der guten Fee im Wald von seinem Kummer. Denn es war bekannt, dass die gute Fee vieles erklären konnte, was den Menschen ein Rätsel war. Die Fee hörte sich seine Geschichte aufmerksam an. Dann sprach sie: „Vielleicht hast du dir mit dem Holz aus dem Wald einen Zwerg ins Haus geschleppt, der nun Nacht für Nacht sein Unwesen treibt. Ich denke, er ist noch auf der Suche nach einem gemütlichen Schlafplatz und wird erst Ruhe geben, wenn er den gefunden hat.“ „Na, wenn das so ist“, seufzte der Tischler erleichtert. „Ein gemütliches Zwergenbett bauen – das ist schnell getan.“ Flink eilte er zurück in seine Werkstatt. Dort kramte er Papier und Bleistift hervor und zeichnete den Bauplan für ein Bett. Das war so fein gestaltet, dass es auch in der Kammer einer Prinzessin hätte stehen können. Dann machte er sich an die Arbeit, um nach dieser Skizze das besondere Stück anzufertigen. Der Gedanke, vielleicht schon diese Nacht endlich wieder ruhig zu schlafen, ließ ihn ganz fröhlich werden: (wiederkehrender Sprechvers, auch zu singen auf die Melodie: „Zeigt her eure Füße“) Ich baue ein Bettchen. Was brauch’ ich dafür? Die Säge, den Hammer, das Schleifpapier. Ich säge, ich hämmer’ und schleife alles glatt… (dazu passende Geräusche und Bewegungen machen und die Kinder zum Mitmachen einladen) Am Abend stellte der Tischler das kleine Bettchen dicht an den Ofen und legte noch eine weiche Decke hinein. Dann ging er selbst schlafen. Mitten in der Nacht wurde er von einer hohen meckernden Stimme geweckt: „Das Bett ist zu eckig, das Bett ist zu eckig, das Bett ist zu eckig...“ Er stand auf, um nach dem unglücklichen Zwerg zu sehen. Doch, „schwups“ – schon war dieser aus dem Bett gehüpft. Das grimmige Zischeln aber verstummte erst, als die Morgensonne ins Zimmer schien. „Zwergenbetten bauen, das mache ich nicht alle Tage“, murmelte der Tischler, griff wieder zu Stift und Papier und zeichnete eine Wiege mit kunstvollen Verzierungen an allen Seiten. „Wenn Zwerge keine eckigen Betten mögen“, so dachte er, „dann ist vielleicht eine solche Wiege genau das Richtige“: Ich bau‘ eine Wiege. Was brauch’ ich dafür? Die Säge, den Hammer, das Schleifpapier. Ich säge, ich hämmer’ und schleife alles glatt… Als die Wiege fertig war, stellte er sie zwischen ein paar Tannenzweige, die er am Tage aus dem Wald geholt hatte. Es war die Zeit vor Weihnachten. Da wollte er seine Wohnung festlich mit den Zweigen schmücken. „Der frische Waldgeruch wird ihn gut schlafen lassen“, dachte der Tischler und ging ins Bett. Es dauerte nicht lange, da drang ein jämmerliches Klagen an sein Ohr: „Das Bett ist zu wackelig, das Bett ist zu wackelig, das Bett ist zu wackelig...“ Er stand auf, um nach dem jammernden Zwerg zu sehen. Doch, „schwups“ – schon war dieser aus dem Bett gehüpft. Der Tischler tat in dieser Nacht kein Auge mehr zu. Er grübelte viele Stunden darüber nach, wie denn ein Bett zu bauen wäre, in dem der Zwerg nun endlich zur Ruhe kommen konnte. Gleich nach dem Frühstück am nächsten Morgen zeichnete er auf, was er sich in der Nacht überlegt hatte: Eine breite Liege mit vier dicken Kugeln als Füße und einem weich abgerundeten Rahmen. Da konnte nichts wackeln. Da gab es keine scharfen Ecken. Damit sollte der Zwerg doch nun wirklich zufrieden sein!



Geschichten durch verschiedene Medienformen kennenlernen 

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Ich bau’ eine Liege, was brauch ich dafür? Die Säge, den Hammer, das Schleifpapier. Ich säge, ich hämmer’ und schleife alles glatt… In der Nacht aber schluchzte die Stimme lauter als je zuvor: „Das Bett ist zu breit, das Bett ist zu breit, das Bett ist zu breit...“ Als der Tischler das hörte, hatte er keine Lust mehr, nach dem Zwerg zu schauen. Er hatte auch keine Lust mehr, sich ein neues Zwergenbett auszudenken. Weil nun aber an Schlafen nicht mehr zu denken war, setzte er sich an den Küchentisch. Dort stand eine Schale mit Nüssen. Er griff nach ein paar Nüssen und fing an, die harten Schalen zu knacken: Krick und krach und krick und krach… Sein Ärger wurde ein bisschen kleiner dabei. Und der Haufen mit leeren Nussschalen auf dem Tisch wurde immer größer. „Da, du dummer Zwerg“, rief der Tischler und schmiss eine davon mit aller Kraft gegen die Wand. „Dann schlaf doch in einer Nussschale.“ Danach war sein Ärger fast verflogen. Am nächsten Abend nahm der Tischler ein spannendes Buch mit ins Bett. Er wollte lesen und wach bleiben, bis der Zwerg wieder anfing, Rabatz zu machen. Vielleicht, so dachte er, könnte es ihm gelingen, den Zwerg einzufangen. Doch, was war das? Rrrr – Schschsch – Rrrr – Schschsch – Rrrr – Schschsch… Ein ganz leises Schnarchen ließ ihn aufhorchen. Das kam genau von dort, wo gestern die Nussschale zu Boden gefallen war. Er lauschte in die Dunkelheit; lauschte und lauschte, und es dauerte nicht lange, da schnarchte auch er: Rrrr – Schschsch – Rrrr – Schschsch – Rrrr – Schschsch… Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als der Tischler am nächsten Morgen erwachte. Munter sprang er aus dem Bett und stärkte sich mit Honig und Haferbrei. Bald konnten die Leute hören, wie er in der Werkstatt fröhlich ein Lied vor sich hin pfiff. Da wussten sie, dass er wieder Freude hatte an seiner Arbeit. Und alle Sachen, die er nun anfing, wurden schöner als je zuvor. (frei nacherzählt und variiert von Susanne Brandt nach einer mündlichen Quelle)

4.4 Geschichten durch verschiedene Medienformen kennenlernen Im vorangegangenen Kapitel ist bereits deutlich geworden, wie groß unser Repertoire an persönlichen Ausdrucks- und Gestaltungsmitteln beim Vorlesen und Erzählen ist, um vor allem jüngere Kinder mit einer Geschichte unmittelbar anzusprechen, ihre eigene Vorstellungskraft zu stärken, ihrer Freude am Fragen und Erzählen Zeit und Raum zu schenken und mit ihnen gemeinsam kreative und spielerische Möglichkeiten zum „Weiterspinnen“ zu entdecken. Das alles geht immer und an allen Orten auch ohne Medien mit einer Geschichte im Kopf oder einfach mit einem Buch in der Hand. Ebenso sind aber auch viele Varianten möglich, bei denen die elementare Erfahrung des Vorlesens und Erzählens von Geschichten mit verschiedenen medialen oder darstellenden Vermittlungsformen ergänzt und verbunden werden. Es geht darum, entscheidungskompetent dahingehend zu werden, wie sich verschiedene mediale Möglichkeiten je nach Situation und Zielgruppe einsetzen lassen und wo die Chancen, aber auch die Grenzen der verschiedenen Vermittlungswege liegen.

4.4.1 Kamishibai-Erzähltheater Beim Kamishibai-Erzähltheater geht es um eine Form des bildgestützten Vorlesens und Erzählens, für die besonders in Japan verschiedene Traditionen und historische Bezüge zu finden sind, die in Deutschland aber erst seit wenigen Jahren eine neue Ausprägung und Popularität – vor allem in Bibliotheken – erfahren hat.

Zielgruppe: Kinder ab zwei Jahren. Vor allem bei kleineren und mittelgroßen Gruppen zwischen drei und 20 Teilnehmern Dauer: je nach Alter und Geschichte zwischen fünf und 20 Minuten

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Abb. 3: Erzählen mit Kamishibai

Das Ziel Kinder erfahren bei dieser Form des Vorlesens und Erzählens durch eine individuell zu gestaltende Kombination aus Bildbetrachtung, persönlicher Ansprache und kreativen Dialog- und Mitgestaltungsmöglichkeiten vielfältige Sprachanregungen. Sie lernen beim Hören, Schauen wie auch bei der Umsetzung eigener Ideen das Potenzial von Geschichten besonders nachhaltig kennen.

Gerade die Überschaubarkeit und Ruhe, die von dem „Fernseher ohne Strom“ ausgeht, scheint eine besondere Spannung, Konzentration und Verbundenheit bei den zuschauenden Kindern zu bewirken.

Die Methode Das Kamishibai besteht aus einem tragbaren hölzernen Kasten oder Rahmen, der an ein Puppentheater erinnert. Hinter dem nach vorn ausgerichteten Sichtfenster im DIN A3-Format befindet sich ein Bilderfach, das oben oder seitlich geöffnet ist. Eine Flügeltür an der Vorderseite erlaubt ein Öffnen und Schließen des „Theaters“ und sorgt aufgestellt gleichzeitig für die nötige Standfestigkeit des Rahmens. Das Bilderfach bietet Platz für einen Stapel von bis zu 30 stabilen Bildkarten, die im Verlauf des Vorlesens und Erzählens nacheinander vor den Augen der Kinder sichtbar werden. Dazu wird einfach das jeweils vordere Bild mit der Hand durch die Bilderfach-Öffnung weggezogen und das nächste Motiv erscheint. Dieses einfache und überall einsetzbare Prinzip der Bildpräsentation löst in der Praxis eine oft verblüffende Faszination aus. Eine entscheidende Rolle spielt dabei offenbar die persönliche Nähe und Ansprache der vorlesenden und erzählenden Person, die neben dem Bild nicht „verschwindet“, sondern – mehr noch als mit einem Buch in der Hand – durch Blickkontakt in Beziehung zu den Kindern tritt, jederzeit dialogisch mit ihnen kommuniziert, das Tempo des Bildwechsels individuell auf die Bedürfnisse der Kinder abstimmt und viele Möglichkeiten erproben kann, um beispielsweise die Bildbetrachtung mit Musik oder Bewegung zu verbinden. Die methodische Vielfalt im Umgang mit dem Kamishibai wächst mit dem Erfahrungsschatz und bietet vor allem auch den Kindern



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selbst zahlreiche Wege der Mitgestaltung. Die Erstellung eigener Bilderserien mit den Kindern und das damit einhergehende Erfinden von Geschichten ist dabei nur ein Hinweis auf das kreative Potenzial dieser Methode. Da das Vorlesen und Erzählen mit Kamishibai sehr individuell auf die Bedürfnisse der Zielgruppe ausgerichtet werden kann und bildgestütztes Sprechen das Verstehen und Erproben von Sprache in besonderer Weise unterstützt, kommt es gern im Bereich von Deutsch als Zweitsprache oder in der Sonderpädagogik zum Einsatz. Ausführlich beschrieben und mit zahlreichen Praxis-Tipps, Links und Materialhinweisen speziell für die bibliothekarische Praxis versehen ist das Erzählen mit Kamishibai unter www.bibliotheksportal. de („Tipps und Trends der Kinderbibliotheksarbeit“). Eine ergänzende Quelle für hilfreiche Praxismaterialien und weiterführende Links rund um das Vorlesen und Erzählen mit Kamishibai ist das folgende Praxisbuch: Gruschka, Helga / Brandt, Susanne: Mein Kamishibai. Das Praxisbuch zum Erzähltheater. – München: Don Bosco, 2013. – 125 S. ISBN 978-3-7698-2068-3

Die Inhalte Für das Vorlesen und Erzählen mit Kamishibai eignen sich Bilderbuchgeschichten mit klaren, auch auf Entfernung gut erkennbaren Motiven, aber auch Märchen und solche Geschichten, die die Kinder selbst entwickeln und illustrieren. Daneben lassen sich aber auch Fotos oder Kunstwerke mit dieser Methode in besonderer Weise vor Augen führen und als Erzählanlässe nutzen. Neben einer noch begrenzten Zahl an Bildkartensätzen, die auf dem deutschen wie auch internationalen Markt erhältlich sind, ist die Herstellung eigener Bildkartensätze durch Kopien aus Bilderbüchern möglich, jedoch an die Genehmigung durch den jeweiligen Verlag gebunden. Auch dazu gibt die oben genannte Informationsquelle www.bibliotheksportal.de detailliert Auskunft.

Vorbereitung Das Erzählen und Vorlesen mit Kamishibai kann überall dort geschehen, wo die Umgebung für die etwa zu erwartende Anzahl der Kinder ausreichend Raum lässt zum ungehinderten Schauen und Mitmachen. Der Rahmen ist so zu platzieren, dass möglichst alle eine gute Sicht auf das Geschehen haben. Das kann ein kleiner Tisch sein, geht aber bei kleineren Gruppen auch auf dem Fußboden, draußen auf der grünen Wiese oder – so die ursprüngliche Praxis in Japan – auf dem Gepäckträger eines Fahrrads. Weitere technische Vorbereitungen sind nicht zwingend erforderlich, können jedoch zum Beispiel durch Beleuchtung oder Raumgestaltung je nach Situation oder Zielgruppe getroffen werden. Wichtiger ist die inhaltliche Vorbereitung: Der Vorleser oder Erzähler macht sich zuvor gründlich mit dem Verlauf der ausgewählten Geschichte vertraut, um individuell zwischen freiem Erzählen und Vorlesen wechseln und jederzeit auf die Reaktionen der Zuhörenden eingehen zu können. Die dafür nötigen Bildkarten werden in richtiger Reihenfolge ins Bilderfach gestellt. Je nach der geplanten Ausgestaltung liegen eventuell weitere Materialien (zum Malen o.ä.) bereit.

Durchführung Die Durchführung eines Kamishibai-Erzähltheater-Angebots kann je nach Zielgruppe und Zielsetzung unterschiedlich verlaufen. Folgende Empfehlung für einen bewähr-

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ten Ablauf bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren beschreibt nur eine von vielen Möglichkeiten. –– Einstimmung: Die Kindergruppe versammelt sich vor dem Kamishibai. Gemeinsam wird Sorge dafür getragen, dass alle eine gute Sicht auf das Geschehen haben und eine bequeme Sitzposition finden. Je nach Alter der Kinder und Inhalt der Geschichte empfiehlt sich ein kleines Begrüßungsritual mit einem Lied, einem Dialog oder einem kleinen Gesten- oder Bewegungsspiel, um alle miteinander vertraut zu machen und in die folgende Geschichte oder Thematik einzustimmen. Dann erst werden die Flügeltüren des Kamishibais geöffnet. –– Vorlesen und Erzählen: Zur Bilderfolge, die jetzt im Kamishibai-Sichtfenster Bild für Bild zum Vorschein kommt, wird die Geschichte vorgelesen und erzählt. Wichtig ist hierbei, den Blickkontakt zu den Kindern zu suchen, ihnen ausreichend Zeit zu lassen, die Bilder in Ruhe zu betrachten, Interessen und Äußerungen der Kinder dialogisch einzubeziehen und den Fortgang der Geschichte sowohl im Tempo als auch im Wechsel aus Vorlesen und Erzählen entsprechend mit der Situation in Einklang zu bringen. Das bedeutet, dass die Aufmerksamkeit auf die Geschichte gelenkt werden sollte, aber ebenso die Reaktionen der Kinder sensibel aufzunehmen und mit in das Erzählerlebnis einzubinden sind. –– Abschluss: Nach dem Vorlesen und Erzählen ergeben sich vielfältige Möglichkeiten für einen gestalteten Abschluss oder eine Vertiefung des Erlebten. Entweder verabschieden sich alle nun mit einem kleinen Ritual, einem Lied oder einem Spiel voneinander oder es wird den Kindern Gelegenheit dazu gegeben, nach der Geschichte zu malen, bestimmte Aspekte in einem Gespräch genauer zu betrachten oder Erzählimpulse zu nutzen, um aus der Geschichte heraus eigene Ideen und Fantasien zu entwickeln und zum Ausdruck zu bringen. Die Stadtbücherei Frankfurt/Main hat in Kooperation mit dem Amt für multikulturelle Angelegenheiten und dem Stadtschulamt eine Handreichung für den Einsatz von Kamishibai in der Sprachförderung von Kindertagesstätten herausgegeben, die besonders interkulturelle Aspekte mit berücksichtigt.

Zur Diskussion: Kamishibai – stehendes Bild oder Bildertheater? Im hier beschriebenen Sinne hat Kamishibai als eine Sonderform des Erzählens und Spielens mit darstellenden und bildnerischen Mitteln im großen Spektrum von Darstellungsformen mit Papier einen ganz eigenen Platz. Da sich diese Entwicklung vor allem im Kontext von Pädagogik und Literaturvermittlung ereignet, ist die Nähe zu literarischen und bildkünstlerischen Traditionen größer als zu szenischen Erzählformen des Theaters. Der im Sprachgebrauch noch erhaltene Theaterbezug ist bei Kamishibai manchmal irreführend, weil es bei der Bildpräsentation längst nicht immer um eine szenische Darstellung geht, sondern eher um ein „Theater im Kopf“, das durch stehende Bilder angeregt wird. Bildgestütztes Erzählen und das Betrachten von stehenden Bildern führt also nicht zwingend den Verlauf einer Handlung vor, sondern es setzt eher Anker und Zeichen, an denen innere Vorstellungen, Erinnerungen und Fantasien entspringen oder festgemacht werden können. Dabei ist es möglich, verschiedene Darstellungsformen und Erzählmittel frei miteinander zu kombinieren, also z. B. durch Bilder in eine Geschichte oder Atmosphäre hineinzuführen und dann wiederum die Szenen, die dazu als Fantasie im Kopf entstehen, bildnerisch umzusetzen und in die Präsentation kreativ einfließen zu lassen.



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Es geht im Kern um eine Übersetzungsleistung, mit der Bilder in Geschehen übertragen werden. Das Wahrnehmungsbild wird dabei in ein Vorstellungsbild verwandelt. Das gelingt Kindern oft genauer und detaillierter als Erwachsenen, die dazu neigen, Bilder eher oberflächlich zu analysieren oder „abzuscannen“.

Das Beispiel Kamishibai-Bilderfolge zu einem Thema mit Kindern selbst entwickeln Wo finde ich Ideen und Informationen zu einem Thema? Wie werden Ideen und Wissen in Worte gefasst oder als Bild zum Ausdruck gebracht? Welche Text- und Bildmuster kann ich dafür als Vorlagen nutzen? Was ist bei der Abstimmung zwischen Text und Bild wichtig? Und was ist am Ende für eine gelungene Präsentation zu beachten? Diese und andere Fragen berühren grundlegende Gestaltungsmerkmale auf dem Weg von der Idee zum Buch wie auch zur Darstellung von Inhalten in anderen medialen Formen. Das Kamishibai-Erzähltheater ist mit seiner unkomplizierten Handhabung ein geeignetes Instrument, um schon jüngere Kinder handlungsorientiert für diese Fragen zu sensibilisieren, sie erste eigene Gestaltungserfahrungen mit Texten und Bildern sammeln zu lassen und diese in relativ kurzer Zeit als Ergebnis zu präsentieren. Das folgende Beispiel zeigt einen möglichen Ablauf eines solchen Angebots in zehn Schritten: Thema: Texte und Illustrationen für eine Kamishibai-Bilderfolge zum Thema „Bauernhof“ mit Kindern erarbeiten Zielgruppe: Kinder im Vor- und Grundschulalter (fünf bis acht Jahre) Zeitaufwand mit Vorbereitungszeit: drei bis vier Stunden Raumbedarf: Bücherei und/oder Klassenraum mit einer ausreichenden Anzahl von Tischplätzen oder Malunterlagen auf dem Fußboden Materialbedarf: eine Auswahl an Sach- und Bilderbüchern zum Thema „Bauernhof“, ca. 20 DIN A3-Bögen Zeichenkarton (300g), Wachsmalstifte, Papierkleber, Scheren (ausreichende Stückzahl für alle beteiligten Kinder), Kamishibai-Rahmen zur Präsentation der fertigen Ergebnisse Bildkarten-Beispiel: Nutz, Bettina: Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Ein Spiellied. – München: Don Bosco, 2014. – 14 Bl. (Bildkarten für unser musikalisches Erzähltheater)

Der Ablauf Schritt für Schritt: 1. Stellen Sie den Kindern das Erzählen und Singen mit einem Kamishibai-Erzähltheater zunächst an einem fertigen Beispiel vor, hier mit der Bilderfolge zu „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“. 2. Sprechen Sie mit den Kindern über die Idee, als Gruppe gemeinsam eine eigene Bilderfolge zum Thema „Bauernhof“ zu entwickeln und überlegen Sie gemeinsam, was man dafür alles braucht. Bieten Sie das zuvor präsentierte Liedmodell von „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ als Vorlage an. Es lässt eine be-

Zielgruppe: Kinder im Vor- und Grundschulalter Dauer: etwa zwei Stunden

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liebige Zahl von neuen Strophen zu und erlaubt schon jüngeren Kindern, sich mit ihren eigenen Ideen einzubringen, weil die Varianten aus einfachen Sätzen ohne Endreim gebildet werden. 3. Entscheiden Sie mit den Kindern, ob zum Thema „Bauernhof“ eher ein „Quatschlied“ entstehen soll, bei dem vor allem Fantasie gefragt ist, oder ob die Kinder mit der Kamishibai-Präsentation zeigen möchten, was sie alles über die Tiere und Fahrzeuge auf dem Bauernhof wissen. 4. Schlagen Sie als wiederkehrende Schlusszeile, die alle Strophen miteinander verbindet, folgenden Satz vor: „Auf dem Bauernhof ist immer etwas los!“ 5. Mit folgenden Beispielsätzen können Sie die Kinder dazu anregen, weitere Varianten zu bilden: a) Beispielsätze für die Bilderfolge zu einem „Quatschlied“: Unsre Hühner tanzen Tango auf der Wiese... Unsre Kühe tragen bunte Sonnenhüte... Unsre Schweine schlafen gerne auf dem Sofa... Unsre Schafe können fliegen wie die Wolken... Weitere Ideen:

­­­­­­­­­­­­b) Beispielsätze für eine sachbezogene Bilderfolge zum Leben auf dem Bauernhof: Unsre Schweine spielen gerne in der Pfütze... Unsre Kühe werden jeden Tag gemolken... Unsre Hühner gehen auf dem Hof spazieren... Weitere Ideen:

6. E ­ ntscheiden sich die Kinder dafür, mit den Strophen vor allem ihr Sachwissen zum Thema „Bauernhof“ zu präsentieren, können Sachbücher hilfreiche Informationen und Anregungen bieten. Planen Sie genügend Zeit ein, damit die Kinder sich mit Hilfe der bereitgestellten Sachbücher aus der Bibliothek mit dem Thema vertraut machen können. 7. Sammeln Sie nun die Textideen der Kinder, am besten mündlich per Zuruf, sodass die Vorschläge für alle sichtbar an einer Tafel oder gut leserlich auf einzelnen Blättern notiert werden. Helfen Sie nötigenfalls dabei, die Idee sprachlich der vorgegebenen Silbenzahl und Betonung anzupassen. Probieren Sie zwischen-



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durch aus, ob sich die neu erfundenen Sätze tatsächlich auf die bekannte Melodie singen lassen. 8. Schauen Sie sich schließlich gemeinsam alle Vorschläge (das sollten nicht weniger als acht und nicht mehr als 20 Sätze sein) daraufhin an, was für Bilder dazu entstehen könnten. Sind alle Sätze als Bilder darstellbar? Wer hat Lust, welches Bild zu illustrieren? Wer möchte das gern allein, wer lieber in Partner- oder Gruppenarbeit probieren? 9. Überlegen Sie mit den Kindern, was wichtig ist, damit die Bilder bei einer Kamishibai-Präsentation auch aus der Entfernung gut zu erkennen sind: ausreichend große Formen, deutliche Konturen, nicht zu viele kleine Einzelheiten, eher die Blattmitte als die Ränder gestalten u. a. Daraus ergibt sich auch die Gestaltungstechnik: Gut eignet sich der kräftige, farbintensive Strich von Wachsmalstiften. Auch Collagetechniken, bei denen Formen aus Papier ausgeschnitten und aufgeklebt werden, bieten gute Möglichkeiten für die Gestaltung der DIN A3-Bilder. 10. Am Ende der gemeinsamen Aktion steht die Aufführung: Bilder und Textblätter werden einander zugeordnet und in die richtige Reihenfolge gebracht. Verabreden Sie mit den Kindern, wie die Präsentation genau ablaufen soll: Erst den Text zum Bild vorlesen und dann gemeinsam auf die schon bekannte Melodie nachsingen? Oder nur sprechen? Oder nur singen? Und wer wechselt dabei die Bilder im Rahmen?

4.4.2 Bilderbuchkino und interaktive Boardstories Die sogenannten Bilderbuchkinos gehören seit Jahren zu den Klassikern des bildgestützten Vorlesens und Erzählens in Bibliotheken. Die großformatige Präsentation von Bilderbuch-Illustrationen mittels Beamer-Technik stellt eine bewährte Möglichkeit dar, vor einer größeren Gruppe eine illustrierte Geschichte so vorzulesen, dass die Kinder dabei gleichzeitig die Bilder mühelos mit allen Einzelheiten betrachten können. Oft entdecken sie dabei mehr, als das bei Gruppenstunden allein mit dem Bilderbuch möglich wäre. Erzählimpulse, die von vielen Illustrationen ausgehen, kommen auf diese Weise besonders zur Geltung. Der Vorleser oder Erzähler rückt neben den großen Bildern als Person etwas in den Hintergrund, behält jedoch die Möglichkeit, die Kinder direkt anzusprechen, um beispielweise ein genaues Schauen und Entdecken von Details auf den Bildern anzuregen. Im Anschluss an die Bilderbuchkino-Präsentation können verschiedene Spielformen oder kreative Gestaltungsangebote zur Vertiefung der Eindrücke beitragen. Buchbezogene Bildmedien, oft ergänzt mit Arbeitshilfen zur kreativen Nachbereitung der Geschichte, werden von verschiedenen Verlagen zum Kauf angeboten und auch von Fachstellen an Bibliotheken verliehen. Einige solcher Bilddateien zu Bilderbüchern werden von den Verlagen kostenlos im Netz zur Verfügung gestellt. Andere sind als Datenträger käuflich erhältlich oder liegen dem Bilderbuch bei. Besonders beliebt in Bibliotheken ist die digitale Bilderserie zu dem Bilderbuch „Pippilothek“, die der Atlantis-Verlag als Download frei zur Verfügung stellt. URL: http://www.ofv.ch/_extra/14787/Atlantis_Pippilothek_Bilderbuchkino.pdf

Vieles, was in Kapitel 4.4.1 bereits zum bildgestützten Vorlesen und Erzählen mit Kamishibai erläutert wurde, lässt sich ebenso auf das Bilderbuchkino übertragen. Es erweitert die beschriebenen Möglichkeiten vor allem beim Einsatz mit Gruppen von mehr als 15 Kindern, ist dabei allerdings an gewisse technische und räumliche Vor-

Die kinoartige Atmosphäre im abgedunkelten Raum übt eine ganz eigene Faszination auf die Kinder aus und lenkt ihre Aufmerksamkeit auf die Leinwand als zentralen Bezugspunkt.

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aussetzungen gebunden, meistens nicht so stark dialogisch geprägt und geschieht in einer anderen Atmosphäre. Auch die zuvor Schritt für Schritt beschriebene kreative Erarbeitung einer eigenen Bilderfolge ist als Bilderbuchkino umsetzbar, wenn die von den Kindern erstellten Bilder anschließend eingescannt und als Bilddateien in „Kinoformat“ präsentiert werden. Eine Weiterentwicklung des Bilderbuchkinos stellen Boardstories dar: Boardstories sind interaktive Bilderbuchkinos, die zusätzliche Möglichkeiten bieten, um beispielsweise Texte zum Mitlesen (auch mehrsprachig) und Töne zu den Bildern einzuspielen und die Kinder während oder nach der Präsentation zum Aktivieren und Variieren von animierten Bild- und Handlungselementen anzuregen. Folgende technische Voraussetzungen müssen gegeben sein, um die Boardstories mit einer entsprechenden Bibliotheken-Lizenz online über den Boardstory-Player abspielen zu können: – Computer (PC oder Mac) – Internetverbindung (mind. 1.000 kbit/s) – Browser – Adobe Flashplayer ab Version 9 – Beamer und Leinwand oder interaktives Whiteboard – optimal: PC- bzw. Beamer-Fernbedienung, Laserpointer; ggf. Möglichkeit zum Abdunkeln von hellen Räumen

Bei der Präsentation kann entschieden werden, ob die Bilderfolge automatisch (pro Bild mind. 6 Sekunden Zeit) oder manuell gesteuert wird. Ein Vor- und Zurückspringen über die Pfeiltasten ist jederzeit möglich. Das wahlweise Einblenden des Textes in gut lesbarer Schrift gibt Kindern die Möglichkeit, beim Zuhören gleichzeitig das Schriftbild mit zu sehen oder zu lesen. Grundschulkinder können so auch selbst die Vorleser-Rolle übernehmen. Gleiches gilt für den Einsatz von mehrsprachigen Boardstories, die das Vertrautwerden mit einer Fremdsprache unterstützen. Im Sinne der Medienvielfalt bietet es sich an, ergänzend zur Boardstory das entsprechende physische Buch zu präsentieren und zur Ausleihe anzubieten. Wie bei allen Vorleseangeboten können auch im Anschluss an Boardstory-Stunden verschiedene Aktivitäten zur Vertiefung der gesammelten Eindrücke beitragen: Zu denken ist hier an Anregungen zum „Weiterspinnen“ oder Nachspielen der Geschichte, zum Basteln von Figuren oder zum Malen. Speziell mit Blick auf eine Verbindung zum Schulunterricht werden zu einigen Geschichten bereits fertig ausgearbeitete Lernspiele und Fragebögen angeboten. Wenn in Bibliotheken alle hier vorgestellten Möglichkeiten für das bildgestützte Vorlesen und Erzählen in Gruppen – Kamishibai, Bilderbuchkino und interaktive Boardstory – mit den dafür nötigen Materialien und technischen Voraussetzungen nebeneinander zur Verfügung stehen, so kann je nach Situation und Zielgruppe zwischen den verschiedenen Formen gewählt und gewechselt werden. Mit allen drei Formen sind besondere Chancen für die Vermittlung, aber auch Grenzen und Nachteile verbunden. Die Kunst besteht darin, für die jeweilige Zielgruppe, Situation und Schwerpunktsetzung die jeweils passende Präsentationsform zu finden. Auf diese Weise wird den Kindern ein breites Spektrum an Medienerlebnissen ermöglicht. Sie selbst wiederum sollten die dabei gesammelten Praxiserfahrungen sorgfältig und kritisch reflektieren.



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Entscheidend ist, ob mit der gewählten Technik und Methode die jeweilige Zielgruppe, die ausgewählte Geschichte und die mit dem Angebot verbundene Umsetzung und Vertiefung in einem stimmigen Verhältnis zueinander stehen. Letztendlich spielt bei allen Vermittlungsformen die Präsenz, Authentizität und Glaubwürdigkeit des Vorlesers oder Erzählers in der Beziehung zu den Kindern eine zentrale Rolle.

4.4.3 Film/Theater zu Bilderbüchern und Geschichten Filme und Theaterinszenierungen in Kombination mit Bilderbüchern und Geschichten bilden eine jeweils eigene Kunstform im Spektrum der „medialen Geschichtenerzähler“. Sie unterscheiden sich als solche von den eben beschriebenen Varianten des bildgestützten Vorlesens und Erzählens, die mit den Illustrationen und Texten der Buchvorlage arbeiten und diese lediglich in neuen Formaten präsentieren. Bei Filmen und Theateraufführungen dagegen findet die Geschichte des Buches eine ganz neue künstlerische Umsetzung und Ausdrucksform. Diese kann das Lesebzw. Vorleseerlebnis in inspirierender Weise ergänzen und erweitern, bislang vielleicht wenig beachtete Aspekte und Charaktere überraschend anders herausarbeiten und so wiederum die Neugier wecken, die Geschichte anschließend vielleicht „mit anderen Augen und Ohren“ zu lesen, zu hören und zu deuten. Neben solchen erweiternden Möglichkeiten gibt es auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Darstellungs- und Rezeptionsformen: So sind bei der Theaterarbeit sowohl Erfahrungen mit Sprache und Stimme als auch Fantasie und Ausdrucksmöglichkeiten für innere Bilder von besonderer Bedeutung. Eine medienpädagogisch verstandene und gestaltete Filmarbeit wiederum fördert die Fähigkeit, Bilder zu dechiffrieren. Die Frage, welcher Film für welches Alter geeignet ist, wird nicht allein durch die Empfehlung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) entschieden, die ihr Augenmerk auf den Jugendschutz legt, sondern ebenso durch die Frage, welche Filmdauer und Schnittgeschwindigkeit der Konzentrations- und Wahrnehmungsfähigkeit von Kindern in verschiedenen Altersstufen entspricht. Die Organisation und Durchführung von Kinderfilm- und Theaterveranstaltungen liegt oft in der Hand von Kulturinitiativen, die sich gut als Kooperationspartner für Bibliotheken eignen. Vielerorts haben sich regelmäßige Formen der Zusammenarbeit bewährt, bei denen beispielsweise Kinderkinotage in Bibliotheken stattfinden und Literaturverfilmungen mit entsprechenden Hinweisen oder Vertiefungsangeboten rund ums Buch ergänzt werden. Neben der rezeptiven Filmarbeit lassen sich bereits mit einfachen Mitteln wie beispielsweise einer Webcam und einem kostenlosen PC-Programm für virtuelle Daumenkinos (Stop-Motion-Technik oder Stop-Trick-Technik, z. B. mit MonkeyJam) auch aktive und kreative Formen der Filmarbeit in Bibliotheken verwirklichen. Die Basisformen für bewegte Bilder wie das klassische Daumenkino oder die Wunderscheibe aus Papier sind für Kinder auf dem Weg zu digitalen Medien ein elementares Mittel der Film- und Wahrnehmungsschulung. Sie lassen sich als kreatives Angebot in der Bibliothek nachbasteln. Der Verein für Medien- und Kulturpädagogik www.blickwechsel.org bietet hierfür vielfältige Tipps und Methoden. URL: http://www.blickwechsel.org/praxis_meth_basteln.html

Beratung und Hilfe zu allen Fragen rund um die Kinder- und Jugendfilmarbeit bietet der Bundesverband Jugend und Film e.V.

Die Wort-Bild-Beziehung ist bei Filmen nicht weniger bedeutsam als bei der Bewertung und beim Einsatz von Bilderbüchern.

Die Rechtskommission des DBV hat für Filmvorführungen in Bibliotheken eine Empfehlung erarbeitet, die zum Download bereit steht. URL: http:// www.bibliotheksverband.de/ fileadmin/user_upload/ Kommissionen/Kom_Recht/ Rechtsinformationen/ Filmvorf%C3%BChrungen_in_ Bibliotheken_Empfehlungen_der_ RK_des_dbv.pdf

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Ebenso lassen sich Theateraufführungen zu Kinderbüchern in Bibliotheken gegebenenfalls durch ein theaterpädagogisches Zusatzangebot ergänzen, bei dem die Kinder unter professioneller Anleitung lernen, eine Geschichtenidee als Rollenspiel umzusetzen. Viele Kindertheater bieten nach den Aufführungen ein Gespräch mit dem Publikum an und lassen die Kinder hinter die Kulissen schauen, was zur Vertiefung dieses besonderen kulturellen Erlebnisses beiträgt. Bei der Suche nach geeigneten Partnern für solche Kooperationsvorhaben können verschiedene Bundes- und Landesverbände behilfliche sein, die sich im Bereich Kinderfilm und Kindertheater engagieren. Viele davon sind Mitglied bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung und dort bezüglich ihrer Kontaktdaten recherchierbar.

Individuell mit den Kooperationspartnern zu klären sind außerdem Fragen zu Vorführrechten und GEMA-Gebühren bei öffentlichen Film- und Theateraufführungen in und mit Bibliotheken.

4.4.4 Hörbücher zu Bilderbüchern und Geschichten An den eben erläuterten Beispielen Kinderfilm und Kindertheater zu Bilderbüchern ist bereits deutlich geworden, dass das Buch längst nicht das alleinige Medium ist, das Kinder an Geschichten heranführt. Auch die bei Kindern im Vorschulalter besonders beliebten Tonträger mit Hörspielen gehören dazu. Sie zählen zu den ersten Medien, über die Drei- bis Vierjährige bereits relativ frei verfügen können. Somit haben sie einen bedeutsamen Platz in der literalen Praxis von Kindern. Dieses frühe Zuhören bleibt nicht ohne Wirkung für das spätere Lesenlernen. Denn eine frühzeitige Förderung der Zuhörfähigkeit wirkt sich positiv auf die gesamte kognitive Entwicklung von Kindern aus, stärkt ihre Beziehungsfähigkeit und unterstützt die ästhetisch-musischkulturelle Bildung sowie den Erwerb von Wissen. Zuhörförderung trägt dazu bei, gezielt das Sprechen, Sprachhören und Sprachverstehen anzuregen und den Schriftspracherwerb an der Schule vorzubereiten. Mit dem Einsatz von Hörmedien sind besondere Chancen verbunden: Das wiederholte Hören gesprochener Schriftsprache erweitert den Wortschatz und ermöglicht ein unbewusstes Erfassen von Grammatik. Es macht vertraut mit verschiedenen Texttypen und Erzählmustern und vermittelt Erfahrungen mit Sprache, losgelöst vom unmittelbaren Handlungszusammenhang. Reime und Verse in Hörspielen verfeinern die Wahrnehmung von Klang und Rhythmus in der Sprache. Eine gute Sprachgestaltung wirkt als Vorbild für den eigenen Umgang mit Betonungen und Stimmmodulationen beim Lesen.

Die Freude, die viele Kinder beim Hören von Hörspielen erleben, weckt insgesamt die Neugier auf Geschichten und trägt so zur Lesemotivation bei. Elementare Erfahrungen, die dazu beitragen, dass Geschichten auch beim Selbstlesen lustvoll erlebt und verstanden werden, spielen beim Hören eine wichtige Rolle: Die emotionale Verbundenheit mit Figuren der Geschichte sowie das Durchschauen von Zusammenhängen, Personenkonstellationen, Handlungsmomenten und Sinnfragen wird beim Zuhören eingeübt und beim Lesen und Schreiben immer weiter ausgebildet. Diese förderlichen Wirkungen entfalten sich vor allem dann, wenn das Hören mit kommunikativen Erfahrungen verbunden wird. Eine dialogische Gestaltung der Zuhörsituation, in der die Kinder beim Deuten des Textes eine aktive Rolle einneh-



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men, ist genau wie schon beim Vorlesen ein wichtiger Faktor beim Umgang mit Hörmedien. Wie Bibliotheken dieser Aufgabe beispielsweise durch sogenannte „HörclubStunden“ gerecht werden können, wird als Gruppenangebot in Kapitel 4.7.3 konkret beschrieben. An dieser Stelle geht es zunächst um die Situation, in der sich ein Kind Hörmedien entsprechend der eigenen Vorlieben in der Bibliothek ausleiht, um diese mit einfach zu bedienenden CD-Abspielgeräten selbstständig zu Hören – zu Hause im Kinderzimmer oder gegebenenfalls auch mit dem Kopfhörer in der Bibliothek. Die beliebige Wiederholbarkeit und ein selbstbestimmtes Vertiefen in die Geschichte liegen dabei ganz in der Regie des Kindes. Nicht selten ist zu beobachten, dass beim Hören gleichzeitig in Büchern geblättert wird und Bilder intensiv betrachtet werden. Das Angebot von Bilderbuch und Hörspiel als Medienkombination wird von Kindern also oft ganz intuitiv simultan genutzt und genossen.

Das Beispiel Innovativ, außergewöhnlich und gelungen ist die Verbindung aus Bilderbuch und Hörmedium bei der seit 2012 neu erschienenen Reihe der „Wimmel-Hinhörbücher“ von Rotraut Susanne Berner nach dem Konzept von Ebi Naumann, ausgezeichnet mit dem LEO Hörbuchpreis: Berner, Rotraut Susanne: Winter-Wimmel-Hinhörbuch. – Hildesheim: Gerstenberg, 2013. – 16 S. + 1 CD. ISBN 978-3-8369-5723-6 Berner, Rotraut Susanne: Frühlings-Wimmel-Hinhörbuch. – Hildesheim: Gerstenberg, 2013. – 16 S. + 1 CD. ISBN 978-3-8369-5724-3 Berner, Rotraut Susanne: Sommer-Wimmel-Hinhörbuch. – Hildesheim: Gerstenberg, 2013. – 16 S. + 1 CD. ISBN 978-3-8369-5759-5 Berner, Rotraut Susanne: Herbst-Wimmel-Hinhörbuch. – Hildesheim: Gerstenberg, 2013. – 16 S. + 1 CD. ISBN 978-3-8369-5760-1

Das bewährte Prinzip der Wimmelbücher, das die Kinder durch Gucken, Suchen und Geschichtenerfinden in besonderer Weise zu Eigenaktivitäten anregt, wird hier eben nicht durch ein Zuviel an Deutungen und Lenkungen durch die neu dazu erschienene Hörbegleitung überdeckt, sondern ist in kunstvoll gelungener Weise angelegt: Man muss die jeweilige Doppelseite des beigelegten Bilderbuches schon genau betrachten, um zuordnen zu können, wer da gerade spricht. Denn das spannende Gewimmel geschieht nicht allein vor den Augen, sondern auch in den Ohren: Stimmengewirr und Klanggewimmel aus Müllautogeräuschen, Baustellenlärm, Vogelgezwitscher und Babygeschrei gilt es, mit den Motiven im Buch zu verknüpfen. Und auch die Musiker auf den Bildern werden nicht vergessen und laden mit ihren Liedern zum Mitsingen ein. Auf diese Weise bekommen die Sinne richtig was zu tun, schauen, entdecken, horchen, kombinieren und die Kinder haben dabei eine Menge Spaß. Das alles ist so locker-luftig gestrickt, dass dazwischen immer Freiräume für Kommunikation und eigene Beobachtungen – gern auch gemeinsam mit den mithörenden Eltern – bleiben. Medienkombinationen, die gleichermaßen das Hören, Schauen, Fantasieren, Kombinieren, Kommunizieren und Bilderlesen lebendig und flexibel zu verknüpfen wissen, gibt es selten. Das Konzept dieser Reihe zeigt, wie’s gehen kann!

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4.4.5 Tiptoi, TING & Co. Digitale Lesestifte als Begleitmaterial zu Kinderbüchern, die unter Produktnamen wie Tiptoi, TING oder Toystick seit 2010 auf dem deutschen Markt sind, bringen über integrierte Lautsprecher Audiodateien zu Gehör. Die Buchseiten sind an bestimmten Stellen mit Codes präpariert, die durch Darüberfahren mit der Stiftspitze gelesen und so mit den entsprechenden Informationen verknüpft werden. Die Audiodateien werden zuvor aus dem Internet heruntergeladen und per USB-Kabel auf dem Stift gespeichert. So ertönen beispielsweise Tierstimmen, gelesene Textteile aus dem Buch, Klangproben von Liedern und Musikinstrumenten oder auch konkrete Aufgabenstellungen, wenn die Stiftspitze die dazu passende Stelle auf den illustrierten Seiten berührt. Dabei funktioniert die Anwendung der Stifte nur mit präparierten Produkten des entsprechenden Verlags oder – wie bei TING – mit speziellen Titeln aus verschiedenen Verlagen. Mit der Anfangsinvestition für ein Stift-Set als Startpaket entscheidet man sich also für eine begrenzte Auswahl an Büchern, die in Kombination mit diesem Stift-Modell zum Klingen gebracht werden können. Inspiration für die Erfindung lieferte ein chinesischer „Vorlese-Stift“, der als ausbaufähige neue Geschäftsidee zu den jetzt in Deutschland erhältlichen Formen weiterentwickelt wurde. Denn diese reichen mit ihren Klängen und Informationen zu einzelnen Bildmotiven deutlich über die reine Textwiedergabe hinaus. Genau hier ergeben sich auch die qualitativen Fragestellungen: Bieten die digitalen Soundangebote einen wirklichen Mehrwert, der so beim „normalen“ Vorlesen kaum zu erreichen wäre? Für klanglich überzeugende Tierstimmen oder Audio-Lernhilfen bei Fremdsprachen lässt sich das durchaus bejahen. Sie bieten reizvolle Ergänzungen, die das gemeinsame Betrachten und Vorlesen um sinnvolle Zusatzangebote erweitern, aber nicht ersetzen wollen. Es gibt jedoch auch Sounddateien, die verzichtbar wären, von technisch schlechter Klangqualität sind oder im Vorlesedialog ebenso gut oder besser mit den eigenen Stimmen zu erzeugen wären. Überhaupt reicht das wiederholte Abrufen unveränderbarer Informationen nicht an die Lebendigkeit und Variabilität der dialogischen Vorlesesituation heran und wird so manchen Themen und Geschichten, die die Chance für vielfältigere Antworten und immer wieder neue Entdeckungen in sich tragen, kaum gerecht. Schließlich spielt auch das Alter beim Nutzen des Stiftes eine wesentliche Rolle. Die Hersteller geben mitunter relativ breite Altersspannen an und setzen auf die Wahlmöglichkeiten und unterschiedlichen Niveaus der Informationen. Aber eine gezielte Auswahl der Sounddateien wird gerade von den Jüngeren nur selten vorgenommen: Kindergartenkinder erproben die Möglichkeiten des Stiftes zunächst spielerisch durch wahlloses und flüchtiges Antippen mit der Neugier auf das, was dabei passiert. Erst nach und nach erschließt sich ihnen der Sinnzusammenhang zwischen Bild, Text und Klang – vor allem dann, wenn Kinder dabei nicht allein gelassen werden. Um Bibliotheksnutzern die Möglichkeit zu geben, diese Form der Bilderbuchnutzung mit digitalen Sound-Ergänzungen kennenzulernen und eigene Erfahrungen damit zu sammeln, empfiehlt es sich, einen oder auch mehrere Stifte zum Ausprobieren oder Ausleihen bereit zu halten und die dazugehörigen Bücher in breiter Auswahl im Bestand zu erschließen. Mit dabei zu bedenken sind die damit verbundenen Arbeitsabläufe in der Bibliothek wie etwa das regelmäßige Zurücksetzen auf die Werkeinstellung nach dem Software-Download.

Wer nach dem Erproben eines solchen Bibliotheksangebots für sich entscheidet, dieses regelmäßig beim Vorlesen mit zu nutzen, kauft sich dann in der Regel selbst den Stift seiner Wahl und hat fortan die Möglichkeit, auf die dazugehörigen Bücher der



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Bibliothek zurückzugreifen und diese zu Hause mit dem eigenen Stift jederzeit klanglich zu aktivieren. Auf diese Weise unterstützt die Bibliothek ihre Nutzer dabei, verschiedene Medienangebote zunächst kritisch für sich zu prüfen, bevor sie sich durch den Kauf von Zusatzmaterialien an bestimmte Produkte binden.

4.5 Mit Geschichten kreativ und interaktiv umgehen Wie und warum Geschichten kreativ und interaktiv zur Entfaltung kommen können, wurde vom Ansatz her bereits in den bisherigen Abschnitten im Zusammenhang mit spielerischen und dialogischen Elementen deutlich: Der Weg vom Erleben zum Lesen und vom Lesen zum Erleben mit Geschichten gleicht einer spannenden Entdeckungsreise. Er wird von Menschen, Medien und Methoden in vielfältiger Weise begleitet und bringt immer wieder neue Querverbindungen zu anderen Disziplinen und Kompetenzen ans Licht. Was das konkret für die Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken bedeutet, soll mit den folgenden Anregungen und Beispielen für weitere spielerische, bewegte und kreative Gestaltungsformen genauer betrachtet werden. Vielfältige konkrete Anregungen und Praxisbeispiele für den kreativen und interaktiven Einsatz von Geschichten, Bilder- und Kinderbüchern im Vor- und Grundschulalter sind hier zu finden: 99 neue Lesetipps: Bücher für Grundschulkinder / hrsg. von Susanne Helene Becker. – Seelze: Kallmeyer, 2012. – 336 S. ISBN 978-3-7800-1093-3 55 neue Lesetipps: Bücher für Kitakinder / hrsg. von Susanne Helene Becker. – Seelze : Kallmeyer, 2014. – 189 S. ISBN 978-3-7800-4957-5

4.5.1 Geschichten bewegen Mit Sprache und Bewegung verhält es sich ähnlich wie mit Sprache und Spiel (siehe Kapitel 4.2): Sie sind für Kinder wesentliche Mittel der Erkenntnisgewinnung, die in einem engen Bezug zueinander stehen. Im Sinne einer bewegungsorientierten Sprachförderung brauchen Kinder eine anregende Umwelt, in der spielerische Sprach- und Bewegungsanlässe zum Handeln ermuntern. Vor allem in den ersten sechs Lebensjahren ist davon auszugehen, dass Bewegung ein entwicklungsförderndes Potenzial besitzt, das sich positiv auf die Sprachentwicklung auswirkt, weil… … Sprachentwicklung auf Wahrnehmungsfähigkeit aufbaut. … gemeinsames bewegtes Handeln die Kommunikation miteinander unterstützt. … Körpererfahrungen die Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts und damit auch die sprachliche Ausdrucksfähigkeit unterstützen. … spielerische Sprachanlässe und Lautexperimente das Erproben der eigenen Stimme herausfordern. … lebendig erzählte Geschichten und spielerische Mitmachangebote einen lustvollen Kontext bilden für eine zwanglose Verbindung von Bewegungshandeln und sprachlichem Handeln. … unterschiedliche Lerntypen dabei unterschiedliche Lernwege entdecken können.

Wir können Geschichten in Bewegung bringen und Geschichten bewegen uns!

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„Gesten sind ja niemals eindeutig […]. Sie wirken wie eine Art Rätsel, das nach Entschlüsselung ruft. Den Schlüssel aber liefert die Sprache […]. Anders als manche Märchenfreunde annehmen, lenkt gestische Darstellung nicht von der Sprache ab, sondern führt zum genaueren Hinhören“ (Merkel, 2005, S. 211).

Diesen Erkenntnissen steht die Erfahrung gegenüber, dass Bewegungselemente bei der konventionellen Vorlese- und Erzählarbeit in Bibliotheken nur eine relativ geringe Beachtung finden. Daraus ergibt sich für Bibliotheken die Herausforderung, bezogen auf verschiedene Altersstufen der Kinder die Bedeutung von bewegungs- und handlungsorientierten Elementen für das Vorlesen und Erzählen von Geschichten zu reflektieren, neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Praxis zu entwickeln und gegebenenfalls Chancen der Zusammenarbeit mit Kindergärten und Grundschulen zu entdecken und zu nutzen. In den Blick zu nehmen ist beispielsweise eine genauere Differenzierung zwischen verschiedenen Vorlese- und Erzählsituationen: Während das Vorlesen mit einzelnen Kindern sehr stark dialogisch zu gestalten ist und in starkem Maße von individueller Zuwendung, etwa in Verbindung mit Hand- und Fingerspielen, bestimmt wird, gilt es in der Vorlese- und Erzählsituation mit größeren Gruppen (zwischen fünf und 25 Kindern) andere Formen der Bewegung für ein sprachförderndes Miteinander zu erproben. Hier spielen beispielsweise deutliche Gesten als bewusste Bewegungsgestaltung im Rahmen eines lebendigen und handlungsbezogenen Geschichtenerlebnisses für die Gruppenkommunikation eine besondere Rolle. Im Rahmen des Projekts „Bewegte Sprache“ des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (NIFBE) wurde 2010 bis 2012 unter Einbeziehung mehrerer Bibliotheken ein Transferprojekt zur Weiterentwicklung einer bewegten und lebendigen Vorlese- und Erzählkultur durchgeführt, zu dem unter folgender Adresse weitere Informationen zu finden sind. URL: http://www.bewegtesprache.de/index.php/geschichten.html

Das Beispiel Zielgruppe: Kinder ab etwa fünf Jahren Dauer: etwa 20 Minuten

Rosen, Michael / Oxenbury, Helen: Wir gehen auf Bärenjagd. – Frankfurt: Fischer Sauerländer, 2011. – 48 S. ISBN 978-3-7373-6027-2

Dieser preisgekrönte Bilderbuchklassiker – 1989 erstmals erschienen – der immer wieder neu aufgelegt wurde und in den meisten Bibliotheken vorhanden sein dürfte, knüpft an ein altes Kinderspiel an: Es gilt, einen Bären zu fangen – mutig und bereit, unterwegs alle Hindernisse zu überwinden! Als dann aber das Ziel greifbar nahe scheint, kommt sie doch, die große Angst. Nun geht’s den gleichen Weg so schnell wie möglich zurück. Denn der Bär ist ihnen schon auf den Fersen! Am Ende sind alle in Sicherheit – nur der Bär muss draußen bleiben. Bis zum nächsten Mal… Schon kleinere Kinder ab drei Jahren haben bei diesem Buch Freude an den rhythmischen Textwiederholungen, die zum Mitsprechen einladen, und an der klaren Reihenstruktur des Geschehens, das geprägt ist von lautmalerisch beschriebenen Bewegungsszenen. Ähnlich wie bei Kettenmärchen wiederholt sich die Überwindung von Hindernissen in verschiedenen Variationen und führt vom Höhepunkt der Geschichte aus in umgekehrter Reihenfolge zurück zum sicheren Haus, wo alles ein gutes Ende nimmt. Wenn nicht bald schon wieder alles von vorn beginnt…



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Gestenspiel zur Geschichte: Von Wischel Waschel bis Tipp Tapp und zurück Das Bilderbuch beschreibt sechs lautmalerische Bewegungsszenen mit starkem Aufforderungscharakter. Ob auf Stühlen, Sitzkissen oder dem Teppich am Boden – in jeder Sitzposition bleibt den Zuhörenden wie auch dem Vorlesenden genügend Bewegungsfreiheit, um mit einem Gestenspiel der Hände und Arme in stimmiger Weise zu antworten, ohne sich vom Handlungsfaden des Buches zu entfernen oder sich aus der konzentrierten Aufmerksamkeit für die Geschichte zu verabschieden. Beim Vorlesen wird allerdings das Buch hin und wieder aus der Hand gelegt, um mit den Kindern in die Bewegungsszenen „einzutauchen“. Je besser sich die Kinder so die Abfolge der Szenen mit allen Sinnen vorstellen und einprägen können, desto leichter gelingt es am Ende, auch den fluchtartigen Heimweg in umgekehrter Reihenfolge nachzuvollziehen und mitzumachen. Folgende Geräusch- und Bewegungsaktionen mit Händen und Armen zu den einzelnen Szenen sind als Vorschläge zu verstehen – selbstverständlich können dafür auch andere Formen erprobt und gefunden werden. Die beschriebenen Bewegungen werden jeweils durch das Nachsprechen der lautmalerischen Worte begleitet, wobei auch die stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten je nach Situation variieren. Nasses Gras: Wischel Waschel (= mit den Handflächen „raschelnd“ auf dem Boden oder den Oberschenkeln vorwärts rutschen) Kalter Fluss: Plitsch Platsch (= Schwimm- und Kraulbewegungen mit Händen und Armen) Matschiger Schlamm: Quitsch Quatsch (= Hände zur Faust formen und abwechselnd mit kraftvollen Bewegungen hochziehen, als wäre es schwer, sich vom Boden zu lösen) Dunkler Wald: Holper Stolper (= vorsichtig tastende Bewegungen mit ausgestreckten Händen, so als müsste man sich blind in einem dunklen Wald orientieren) Wirbeliger Schneesturm: Huuuh Wuuuh (= schützende Bewegungen mit Armen und Oberkörper, um sich gegen den Sturm zu stemmen) Finstere Höhle: Tipp tapp (= mit den Fingerspitzen „schleichen“) Und jetzt auf gleichem Wege ganz schnell zurück nach Hause!

Nachdem die Abfolge zunächst bildgestützt mit dem Buch vermittelt wird, kann in einem zweiten Schritt, wenn die Geschichte schon etwas vertrauter ist, auch ohne Buch probiert werden, ob sich die Geschichte nun mit Geräuschen und Bewegungen frei nacherzählen lässt. Wo der Platz es erlaubt, werden dazu nun die „Zuhörplätze“ verlassen, um das Geschehen schließlich „von Kopf bis Fuß“ in Bewegung zu bringen.

4.5.2 Rollenspiel „Räuberbande“, „Mörderjagd“ oder „Vater, Mutter, Kind“ – Situationen aus dem Alltagsleben oder auch Szenen aus Fernsehserien, Hörspielen und Büchern werden ohne Vorlage als improvisierte, oft spontane Aktion der Kinder mit verteilten Rollen nachgespielt, fortgesetzt oder umgeschrieben. Dabei findet eine intensive Verarbeitung von Alltags- und Medienerlebnissen statt. Mit ungefähr drei Jahren beginnen die Kinder mit ersten, einfachen Rollenspielen. Von da an wächst die Lust und Kompetenz am Rollenspiel in immer wieder veränderter Form von Jahr zu Jahr mit.

„Geschichten lassen sich als versprachlichte Rollenhandlungen verstehen, umgekehrt liefern Geschichten ständig Vorlagen für diese Spiele.“ (Merkel, 2005, S. 207)

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Was die Kinder dabei in einem spielerischen, in der Gruppe weitgehend selbst gesteuerten Prozess erproben, trägt dazu bei, sich mit der Welt der Geschichten – und so auch mit Büchern und Lesen – vertraut zu machen: –– Die Kinder verständigen sich sprachlich über ein Thema und über Handlungselemente. –– Sie erproben Möglichkeiten, eine Geschichte im Spiel zu variieren und weiterzuentwickeln. –– Sie erkennen und verteilen die dafür nötigen Rollen untereinander und üben sich darin, eine zuvor verabredete Rolle durchzuhalten. –– Sie erproben ihr Repertoire an sprachlichen und gestischen Ausdrucksformen. Der Bedarf an Material für das Rollenspiel ist gering. Vieles entsteht und formt sich in der Fantasie. Gelegentlich werden leicht verfügbare Alltagsmaterialien genutzt, um Kostüme oder Gegenstände anzudeuten. Tücher, Stoffe und Kissen in verschiedenen Größen, Zeitungspapier und Naturmaterialien wie Blätter, Steine und Holz sind vielseitiger einsetzbar als fertig ausgeformte Gegenstände. In der Bibliothek können auch Bücher als „Bau- und Legematerial“ gute Dienste leisten, um beispielsweise die Umrisse eines Hauses zu markieren.

Das Beispiel Zielgruppe: Kinder ab etwa fünf Jahren Dauer: etwa 45 bis 60 Minuten

Tolman, Marije / Tolman, Ronald: Das Baumhaus. – Berlin: ars edition, 2010. – 36 S. ISBN 978-3-82705421-0

Poesie ohne Worte: ein einsames Baumhaus im Regen. Ein Eisbär kommt geschwommen – und er bleibt nicht lange allein! Denn bald schon steuert ein Braunbär im Boot auf das Baumhaus zu. Als dann beide ihre Bärennasen in ein rotes Buch stecken, wird nicht nur die Atmosphäre um sie herum plötzlich rosarot und kunterbunt: Es strömen Flamingos herbei… und ein Nashorn… und Pandabären… und ein Luftschiff… und noch andere Tiere machen es sich bald auf den Brettern des Baumhauses gemütlich. Bis es plötzlich wieder da ist: das rote Buch. Jetzt aber ist es zugeschlagen. Zeit für alle Gäste, sich wieder auf den Heimweg zu machen? Denn Geschichten gehen irgendwann zu Ende. Bilderbücher auch – ganz poetisch natürlich: mit schwebenden Schneeflocken und Mondschein im satten Blau des Abends. Stimmungen und Situationen aufnehmen und „weiterspinnen“ Bilder und Geschichten ohne Worte lassen viel Raum für eigene Worte und Ideen – so auch in diesem Bilderbuch, das 2011 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde: Da ist es wichtig, den Kindern beim Betrachten der doppelseitigen Bilder zunächst genügend Zeit zu lassen. Was gibt es da alles zu entdecken! Auch wenn sich die seltsamen Begegnungsszenen durchweg am selben Ort abspielen und das Baumhaus bleibt, was es ist – ein Bretterbau zwischen Zweigen – das Drumherum verändert sich umso deutlicher und rätselhafter: Die Farben wechseln. Die Jahreszeiten wechseln. Wasser und Himmel – auch die Elemente kommen und gehen wie die Tiere. Darin steckt Stoff und Anreiz für allerlei Fragen und Geschichten zum „Weiterspinnen“. Im freien Rollenspiel können die Ideen und Fantasien ihren Ausdruck finden.



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Was wäre, wenn… – Häuser und Höhlen regen zu Rollenspielen an Baumhäuser und Höhlen bauen – dazu haben Kinder (fast) immer Lust! Denn solche geheimnisvollen Rückzugsorte haben bis heute nicht an Reiz und Faszination verloren. Während das Bauen von „echten“ Baumhäusern schon gewisse Anforderungen an Material, Außengelände und handwerkliche Erfahrungen stellt, können selbstgebaute Höhlen immer und überall entstehen – auch in der Bibliothek! Ob nun mit ein paar Wolldecken unter Tischen und Stühlen oder in einem gemütlichen Winkel zwischen den Regalen, der vielleicht durch eine kleine „Mauer“ aus aufgestapelten Büchern begrenzt wird – wer nach dem Betrachten und Erzählen rund um das Bilderbuch zu einer improvisierten Höhlenbauaktion einlädt, kann vielleicht etwas von der Magie des Bilderbuch-Baumhauses in den Höhlen der Kinder weiterleben lassen. Denn: Höhlen sind wunderbare Erzähl-, Fantasie- und Begegnungsorte! Was wäre, wenn auch hier plötzlich seltsame Besucher kämen, um eine Weile mit in der Höhle zu wohnen? Wo kommen sie her? Was bringen sie mit? Von welchen Abenteuern können sie berichten? Mit solchen Fragen beginnen freie Rollenspiele, bei denen die Erwachsenen keine Anleitungen geben, sich je nach Situation spielerisch in das Geschehen einbringen und den Kindern vor allem folgende Kostbarkeiten frei überlassen: Raum, Zeit, vielfältig nutzbare Gestaltungsmaterialien (Tücher, Kissen, Decken, Bücher usw.) und Offenheit für das, was die Kinder im Verlauf oder anschließend mitteilen möchten. Lediglich das Ende der Spielzeit zu einer vereinbarten Uhrzeit bedarf einer vorherigen Abstimmung und sollte in einer gemeinsamen Abschlussrunde gestaltet werden. Geeignet als Anregung für freie Rollenspiele sind nahezu alle Bilderbücher und Geschichten, die ein eher offenes Ende haben, eine freie Rollenbesetzung für beliebig viele Kinder erlauben und Handlungselemente enthalten, die sich mit Fantasie gut weitererzählen und ausschmücken lassen.

4.5.3 Figuren- und Objektspiel Vieles, was bereits zum Rollenspiel ausgeführt wurde, gilt in ähnlicher Weise auch für das Figuren- und Objektspiel. Es gehört zu den elementaren Spielformen, die sich oft spontan und improvisiert im freien Spiel der Kinder entwickeln. Diese weisen den verfügbaren Materialien oder Figuren bestimmte Rollen zu und greifen dabei oft Alltagserlebnisse, Geschichten oder Medieneindrücke auf, um sie im Spiel zu verarbeiten. In Bibliotheken kann diese Form des freien Figuren- und Objektspiels zu Geschichten unterstützt werden, indem Kinder Zugang erhalten zu entsprechenden Figuren und Materialien, die zu der Geschichte passen oder im kreativen Prozess passend gestaltet werden können. Schon Kinder ab dem Krippenalter erhalten durch das Stellen und Spielen mit kleinen Tieren aus Holz, bunten Häusern oder Stoffpuppen eine Unterstützung, um dem Verlauf einer Reihengeschichte sinnlich zu folgen oder spielerische Zugänge zu finden für Reime und formelhafte Wendungen in kurzen Geschichten. Die Stadtbibliothek Brilon bietet beispielsweise „Erzählkoffer“ zu bestimmten Bilderbüchern an, die speziell zusammengestellte Materialien und Umsetzungs-Tipps zu der jeweiligen Geschichte enthalten und die Spielaktivität der Kinder nach dem Vorlesen und Erzählen anregen können. Bei manchen Geschichten liegt der Bezug zur spielerischen Vertiefung im Spiel mit Objekten so nah, dass eine Umsetzung keinen großen Vorbereitungsaufwand erfordert und in jeder Bibliothek möglich ist.

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Alle wichtigen Informationen zu Material und Einsatz der „Erzählkoffer“ sind auf folgendem Merkblatt zusammengefasst (oder direkt bei der Stadtbibliothek Brilon zu erfragen). URL: http://www.ub.unikoeln.de/e50/e15994/e15995/e46593/erzaehlkofferinfowerbunglitfass_ger.pdf

Das Beispiel Zielgruppe: Kinder ab etwa drei Jahren Dauer: etwa 20 Minuten

Heyduck-Huth, Hilde: Tanzen können auch die Steine. – Zürich: Atlantis, 2008. – 32 S. ISBN 978-37152-0284-6

Steine in verschiedenen Formen, Farben, Mustern und Größen, wie man sie in der Natur finden kann, zeigen die künstlerisch ausdrucksstark und zugleich schlicht gestalteten Bildseiten dieses Buchs. Dazu lässt jeweils ein gereimter Vers ahnen, wie die Steine vom Leben erzählen: vom Streiten und Versöhnen, von Gemeinschaft und Einsamkeit, von Freude und Kummer. Die symbolhafte Darstellung vertrauter Situationen und emotionaler Erfahrungen aus dem Kinderalltag in Verbindung mit verschieden geformten Steinen, wie die Kinder sie als leicht verfügbares Naturmaterial kennen, leitet über zur spielerischen Umsetzung mit Objekten. Aus einem großen Korb mit zuvor gesammelten (oder im Garten- und Baumarkt in vielen Formen und Farben erhältlichen) Kieselsteinen wählt sich jedes Kind seinen „Lieblingsstein“. Die Form wird betastet, Glanz und Farbe betrachtet, Größe und Gestalt miteinander verglichen. Bei ruhiger Musik lässt sich die Beziehung zu jedem Stein in einer meditativen Übung noch vertiefen. Die Kinder legen sich dazu auf den Boden und spüren den Stein auf dem Bauch, auf dem Rücken oder in der geöffneten Hand, nehmen sein Gewicht sowie vielleicht seine Rundungen oder Kanten auf der Haut wahr.

Abb. 4: Bilder mit Steinen legen



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Beim anschließenden gemeinsamen Betrachten der Bilderbuchseiten entdecken die Kinder Ähnlichkeiten zu ihren eigenen Steinen und werden dazu angeregt, die Bilder des Buchs mit den Steinen auf dem Boden nachzulegen. Wer hat den größten Stein? Welcher Stein ist ähnlich rund wie dort im Buch? Was können unsere Steine miteinander machen und darstellen? Der Übergang vom Nachlegen der Bilder zur Gestaltung und Entwicklung neuer „Alltagsszenen“ mit den Steinen ergibt sich aus dem spielerischen Umgang mit dem Material, angeregt durch das Bilderbuch, ganz organisch und natürlich.

Freies Figuren- und Objektspiel mit einfachen Materialien Die Möglichkeiten für das vertiefende freie Spiel der Kinder mit Figuren und Objekten zu Geschichten und Medieneindrücken sind vielfältig. Folgende Materialien, die in jeder Bibliothek ohne große Vorbereitungen und Kosten zum Einsatz kommen können, lassen sich beliebig in Verbindung mit ganz verschiedenen Geschichten und Medien anwenden: Stab- und Pappfiguren: Bilderbuchfiguren auf Karton kopieren und als Spielfiguren mit Führungsstab aus Pappe oder Holz im Kartontheater einsetzen (Tipp: Auch ein Kamishibai-Theater eignet sich als Kulisse und Rahmen für Papierfiguren). Handpuppen: Holzkochlöffel auf der Löffelfläche mit Gesichtern bemalen und als Spielfiguren nutzen, die schon kleine Kinder gut in der Hand halten können (Tipp: Die Löffel können ferner ohne großen Aufwand noch mit Servietten o.ä. „angezogen“ und ausgeschmückt werden). Standfiguren für Tischtheater: Kleine Tonblumentöpfe mit der Öffnung nach unten als standfesten Fuß nutzen und in das nach oben weisende Bodenloch einen aus Pappe (oder anderen Materialien) gebastelten Figurenkopf stecken.

Dialogisch Vorlesen und Erzählen mit einer Handpuppe Neben dem freien Figuren- und Objektspiel als spielerische Auseinandersetzung mit Geschichten und Medienerlebnissen können Figuren auch genutzt werden, um die Kinder vor oder während der dialogischen Vorlese- und Erzählsituation in besonderer Weise anzusprechen. Folgende Überlegungen sind dafür bei der Vorbereitung wichtig: Welche Puppe nehme ich? Wenn die Handpuppe zur Hinführung oder im Nachgespräch zu einem Buch eingesetzt wird – welche Figur passt dazu? Soll die Figur dem Buch quasi „entsprungen“ sein und somit einer der dort agierenden Figuren ähneln oder eher als „Freundin“ des Buchs auftreten? Wie kommt die Puppe ins Spiel? Günstig ist es, die Figur langsam „aufzuwecken“. Vielleicht ist sie anfangs noch in einer Tasche versteckt und kommt erst allmählich zum Vorschein. Das Aufwecken geschieht behutsam und zärtlich im Dialog zwischen Puppe und Vorleser, vielleicht auch unter Einbeziehung der Kinder. Wie spricht die Puppe? Lassen wir die Puppe sprechen, so ändern wir dabei leicht unseren Tonfall (das passiert oft schon ganz automatisch), müssen die Stimme aber nicht

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künstlich und extrem verstellen, weil das dem Sprechen oft nicht gut tut und auch nicht immer konsequent durchzuhalten ist. Zu wem spricht die Puppe? Damit die Kinder die Puppe als sprechendes Gegenüber akzeptieren, schauen wir die Puppe (nicht die Kinder!) an, während wir sie sprechen lassen. Dabei schaut die Puppe wiederum die Kinder an, während sie spricht. Wie sprechen die Kinder mit der Puppe? Oft bringt eine Puppe Kinder zum Sprechen, die sich sonst nur sehr zögernd oder gar nicht frei äußern mögen. Gerade im Kontext von Vorlesesituationen mit wenigen oder einzelnen Kindern ist das Puppenspiel keine Vorführung, sondern vielmehr ein Mittel zur Unterstützung und Anregung der wechselseitigen, spontan und einfühlsam zu gestaltenden Kommunikation. Wie verabschiedet sich die Puppe? Ähnlich, wie die Puppe zu Beginn „geweckt“ wird, sollte sie zum Schluss auch wieder verabschiedet werden und nicht einfach verschwinden. Das bewusste Ankommen und Abschiednehmen kann sich so zu einem vertrauten Ritual entwickeln. Literaturtipps: Möller, Olaf: Große Handpuppen ins Spiel bringen. Technik, Tipps und Tricks für den kreativen Einsatz in Kindergarten, Schule, Familie und Therapie. – Münster: Ökotopia, 2007. – 107 S. ISBN 978-386702-017-6 Zeppezauer, Christine: Kleine Geschichten für Krippenkinder. Lebendig vorlesen und erzählen mit Spielfiguren. – München: Don Bosco, 2014. – 102 S. ISBN 978-3-7698-2059-1

Sonderform Schattenspiel Eine besondere Form des darstellenden Spiels, die sowohl dem Rollenspiel als auch dem Figuren- und Objektspiel zuzuordnen ist, bildet das Schattenspiel mit seinen Unterformen „Menschenschattenspiel“ und „Figurenschattenspiel“. Nötig sind dafür eine durchscheinende Projektionsfläche in passender Größe, eine starke Lichtquelle, die ein Experimentieren mit Darstellungsmöglichkeiten von Licht und Schatten im Spiel mit lichtundurchlässigen oder farbigen Körpern und Formen erlaubt, sowie ein Raum mit Verdunkelungsmöglichkeiten. Die Materialien und Spieltechniken für die Arbeit mit Geschichten sind ausgesprochen vielfältig und in folgender Publikation in Verbindung mit bekannten Märchen, Kinder- und Bilderbuchgeschichten detailliert beschrieben: Herlyn, Heinrich: Schattenspiele mit Pfiff. Szenische Projekte für den Musikunterricht an der Grundschule. – Mainz: Schott Verlag, 2004. – 48 S. + 1 CD. ISBN 978-3-7957-0512-1

4.5.4 Bildnerisches Gestalten Malen ist eine bewährte und bekannte Form, um Kindern Gelegenheit zu geben, Medienerlebnisse und Geschichten nach dem Vorlesen und Erzählen zu vertiefen und zu verarbeiten. Kinder sammeln dabei zugleich Erfahrungen damit, sich in Zeichen und Symbolen auszudrücken, üben den Umgang mit Stiften und erproben Bewegungen, die auch beim Schreiben von Bedeutung sind.



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Ästhetische Eindrücke, die durch die Illustrationen von Bilderbüchern vermittelt werden, können im Experimentieren mit Farben und Formen eine kreative Verarbeitung finden. Nicht selten fangen Kinder auch bei Hörspielen oder Vorlesegeschichten spontan an, noch während des Zuhörens zu malen, und zeigen dabei eine erstaunliche Konzentration und genaue Aufmerksamkeit – sowohl für das, was gesprochen wird, als auch für das, was sie dabei gleichzeitig bildnerisch gestalten. Bildnerisches Gestalten steht also in zahlreichen Bezügen zum Vorlesen, Erzählen und Zuhören bis hin zum Einüben der Schriftsprache. Es lässt sich im Rahmen der Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken so vielfältig nutzen, dass an dieser Stelle einige Möglichkeiten nur in Auswahl benannt und ausführlich beschrieben werden können.

Weitermalbilder Weitermalbilder regen Kinder dazu an, eine in Teilen angedeutete Szenerie auf dem Papier malend weiter zu gestalten und dabei die im Bild begonnene Geschichte nach eigenen Vorstellungen weiterzuerzählen. Sie geben der Fantasie deutlich mehr Entfaltungsmöglichkeiten als konventionelle Ausmalbilder, bei denen die Fläche durch Motive und Figuren bereits so weit gefüllt ist, dass die Kinder mit ihrer Farbgestaltung relativ eng an die grafischen Vorgaben gebunden sind. Das ist bei Weitermalbildern anders. Hier sind bewusst dort freie Flächen gelassen, wo die Kinder die Bildidee aufgreifen und weiterentwickeln können. Die dadurch gegebenen Bild- und Erzählimpulse stellen für viele Kinder eine Hilfe dabei dar, über den gegebenen Anfang leichter ins freie Malen und Erzählen hineinzufinden. Einige Kinderbuchverlage wie zum Beispiel Carlsen, Boje oder Herder bieten verschiedene Weitermalbilder und Kritzelbücher zu Titeln und Themen aus ihrem Programm an, die auch für die Ausgestaltung von Vorleseangeboten in Bibliotheken Materialien und Ideen liefern.

Sprechzeichnen Sprechzeichnen ist eine Methode aus der spielerischen Sprachförderung in Kindergärten, die dazu beiträgt, dass Sprache und Bewegung in einen guten Fluss kommen. Rhythmus und Bewegung beim Malen zu Versen unterstützen das gut gegliederte, richtig betonte und fließende Sprechen. Auch in Verbindung mit Vorleseangeboten in Bibliotheken kann sich Sprechzeichnen als sinnvolle und spielerische Ergänzung im Sinne einer ganzheitlichen Sprach- und Leseförderung erweisen – besonders dann, wenn die Verse inhaltlich zur Geschichte passen. Fachbücher zum Sprechzeichnen bieten eine Auswahl an Versen und Malvorlagen an. Einfache Zweizeiler lassen sich mit etwas Übung aber auch passend zu Geschichten und Bilderbüchern, zum Beispiel als magische „Zaubersprüche“ zu einer Hexen- oder Gespenstergeschichte, neu erfinden. Literatur-Tipp: Roß, Gabriele / Erker, Robert: Lustiges Sprechzeichnen. Eine spielerische Sprachförderung. 24 Hexengeschichten und dazu passende Übungszeichen. – Hamburg: Nikol Verlag, 2013. – 80 S. ISBN 978-386820-173-4

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Zielgruppe: Kinder ab etwa fünf Jahren Dauer: je nach Übungsfolge zehn bis 20 Minuten

Schritt für Schritt – so geht’s! 1. Den Sprechvers lernen: Mit den Kindern wird ein ausgewählter oder selbst erdachter kleiner Sprechvers in Anknüpfung an eine zuvor erzählte Geschichte auswendig gelernt. 2. Formen in Bewegung kennenlernen: Bewegungsgrundformen zum Vers wie der Kreis werden zunächst mit dem ganzen Körper erfahrbar. Dazu schwingen die Kinder die Arme in großen Kreisen, kreisen mit der Hüfte oder laufen im Raum eine Kreislinie ab. 3. Vers und Form verbinden sich: Mit der erprobten Kreisbewegung wird der Vers im Rhythmus der Bewegung gesprochen. 4. Form auf Papiervorlage nachempfinden: Zunächst mit dem Zeigefinger wird die Form nun auf einer dafür vorbereiteten Papiervorlage nachempfunden. Anschließend kommen dabei Stifte in verschiedenen Farben zum Einsatz. Durch mehrmaliges Wiederholen kommen der gesprochene Vers und das Sprechzeichnen miteinander mehr und mehr in ein rhythmisches Schwingen.

Zeichengeschichten Mit großer Neugier und Aufmerksamkeit reagieren Kinder darauf, wenn beim Vorlesen oder Erzählen vor ihren Augen an einer Tafel oder auf einem gut sichtbaren großen Bogen Papier ein einfaches freihändig gezeichnetes Bild entsteht. Die amerikanische Geschichtenerzählerin und Bibliothekarin Anne Pellowski hat für solche sogenannten Drawing Stories viele Beispiele in alten und neueren Erzählkulturen der Welt gefunden und daraus eine ausgereifte Methode für das vom Zeichnen unterstützte Erzählen von Geschichten entwickelt. Literatur-Tipp: Pellowski, Anne: Drawing Stories from Around the World and a Sampling of European Handkerchief Stories. – Westport: Libraries Unlimited, 2005. – 258 S. ISBN 1-59158-222-9

In freier Anlehnung daran lassen sich jedoch auch einzelne Szenen aus Geschichten nutzen, um das Erzählen durch eingebaute „Zeichenszenen“ spannend und interaktiv zu gestalten – besonders dann, wenn die Kinder per Zuruf mitbestimmen können, wie die Bildgestaltung verlaufen soll. Das Beispiel Sehr bewährt hat sich diese Methode in der Praxis am Beispiel der in Kapitel 4.3.4 bereits vorgestellten und mit dem kompletten Text abgedruckten Geschichte „Das beste Bett“. Sie beinhaltet eine mehrfach variierte Szene, bei der der Tischler versucht, ein passendes Bett für den Zwerg zu bauen, um diesen endlich zur Ruhe zu bringen. Zu Beginn dieser Szene wird nun im freien Dialog mit den Kindern immer wieder festgestellt, dass für solche Tischlerarbeiten zunächst eine Zeichnung anzufertigen ist, die die geplante Form des Bettes zeigt. Die Kinder können dabei per Zuruf bestimmen, wie genau das neue Bett aussehen soll. Der Erzähler versucht vor den Augen der Kinder die Gestaltungsvorschläge mit einfachen Strichen umzusetzen. Diese Szene wiederholt sich im Verlauf der Handlung mehrmals – und immer wieder entsteht ein anderes Bild von einem fantasievoll ausgestalteten Bett.



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Bildergeschichten Eine erdachte oder vorgegebene Geschichte in Szenen zu gliedern und für die einzelnen Szenen bildnerische Darstellungen zu entwickeln, ist eine bewährte Form der kreativen Begleitung und Nachbereitung beim Vorlesen und Erzählen von Geschichten. Schon Kinder, die noch nicht lesen können, entwickeln dabei eine Vorstellung von Gliederung und Struktur eines Handlungsverlaufs durch die Unterteilung einer vorgegebenen Geschichte in einzelne Szenenbilder oder durch das „Weiterspinnen“ eines Erzählanfangs. Es ist wiederum das Kamishibai (siehe dazu Kapitel 4.4.1), das für die so entstehenden Bilder im DIN A3-Format einen besonders geeigneten und flexibel nutzbaren Rahmen bietet und mitunter reizvolle Kombinationen erlaubt zwischen vorgegebenen und eigenen Bilddarstellungen. Aber auch Bilderbücher lassen sich in dieser Weise als Impulsgeber nutzen, wenn sie genügend Freiräume lassen für die bildnerische Fantasie der Kinder. Bilderbücher als Inspiration für eigene Bildergeschichten Röckener, Andreas: Wie geht’s weiter? Bilder und Geschichten zum Weiterspinnen. – Frankfurt am Main: Moritz, 2014. – 64 S. ISBN 978-3-89565-218-9 Röckener, Andreas: Ist das wirklich alles? Geschichten zum Weiterfabulieren. – Frankfurt am Main: Moritz, 2012. – 48 S. ISBN 978-3-89565-255-4

Das Beispiel Zu Bildern Geschichten erzählen – zu Geschichten Bilder malen Ein besonderer Reiz bei der Arbeit mit Bilderbüchern oder Kamishibai liegt in der Möglichkeit, kreative und narrative Gestaltungselemente rund um eine Geschichte zu verknüpfen. Dabei wird einerseits zu vorgegebenen Bildern eine Geschichte erzählt, zugleich aber auch mit eigenen Bildern die Geschichte ergänzt oder frei „ausgesponnen“. Diese wechselseitige Möglichkeit ist beispielsweise mit dem Strandmärchen „Flaschenpost von Puk“ (als Bilderbuch wie auch als Bildkartensatz für Kamishibai einsetzbar) bewusst und in besonderer Weise gegeben: Zunächst wird hier mit einer Naturfoto-Serie der Verlauf der erzählten Handlung gestützt und begleitet. Doch erzählen die Bilder dabei nicht alles; sie illustrieren den Text nicht 1:1, sondern arbeiten vielmehr mit Assoziationen und Anregungen aus der Natur. Es bleiben Freiräume für die Fantasien und Ideen der Kinder, sodass diese in einem zweiten Schritt zu einer kleinen „Geschichte in der Geschichte“ eine eigene Bilderfolge mit fünf bis sieben Einzelbildern gestalten können, die dann am Ende mit den Naturfotos kombiniert werden. Sie folgen dabei von der Erzählstruktur her einer Art Heldenreise, bei der die einzelnen Motive folgende Aspekte der Geschichte darstellen: Impulse für Motive einer Bilderfolge der Kinder zu einer „Geschichte in der Geschichte“: 1. Unterwegs in einer weiten Landschaft 2. Erinnerung an die Schwanenprinzessin 3. Wie lässt sich der Weg finden? Eine alte Frau weiß Rat… 4. Der rettende Flug mit dem Adler übers Meer 5. Hochzeit mit der Prinzessin im Schloss Literarische Vorlage: Brandt, Susanne: Flaschenpost von Puk. Ein Strandmärchen. – Flensburg: Glas und Wort, 2014. – 48 S. ISBN 978-3-938500-13-2

Zielgruppe: Kinder ab etwa acht Jahren Dauer: etwa 60 bis 90 Minuten

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Durch die Übersichtlichkeit der Geschichte ist die Aufgabe auch von kleineren Gruppen und Kindern im Grundschulalter gut zu bewältigen. Die von den Kindern gestalteten fünf bis sieben Bilder werden am Ende beim nochmaligen Erzählen der gesamten Geschichte mit den Naturfotos zur Geschichte verbunden und bilden so ein reizvolles Wechselspiel aus Fotografie und Malerei.

4.5.5 Geschichtenerfinder-Kinder multimedial Das Erfinden, Erzählen und Aufschreiben von eigenen Geschichten oder Fortsetzungsideen zu vorhandenen Geschichten gehört zu den wichtigsten Erfahrungen im Rahmen einer kreativen und interaktiven Sprach- und Leseförderung bei Vor- und Grundschulkindern und lässt verschiedene Verknüpfungen mit unterschiedlichen Medien zu. Dabei ist, wann immer möglich, zunächst vor allem dem freien Fabulieren der Kinder viel Raum, Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Oft ergibt sich direkt aus einer Vorlese- und Erzählsituation heraus ein mündliches und spontanes Weiter- oder Umerzählen der Geschichte, das durch aufmerksames Zuhören oder dialogisch begleitendes Miterzählen die wirksamste Förderung erfährt. Dazu können mit der Zeit weitere Formen der gezielten Erzähl- und Schreibmotivation treten, die das Erfinden von Geschichten weiter beleben, verfeinern und mit verschiedenen medialen Ausdrucksformen in Verbindung bringen. Schon vor dem eigentlichen Lesen und Schreiben entwickeln die Kinder dafür mündliche Kompetenzen und Ausdrucksmöglichkeiten, wie einige Beispiele zum bildnerischen Gestalten bereits gezeigt haben. Bei älteren Grundschulkindern gewinnen Hilfen und Methoden an Bedeutung, die schon zu Beginn des Schreibenlernens Wege öffnen, um erste Geschichtenideen mit wenigen Worten zu Papier zu bringen. Neben vielen Fachveröffentlichungen zum Thema liefern erfahrene Geschichtenerzähler wie Claus Claussen oder Helga Gruschka mit ihren Praxisbüchern zahlreiche Tipps und Anleitungen dafür. Literatur-Tipps: Claussen, Claus: Die große Erzählwerkstatt für kleine Geschichtenerfinder. Das Praxispaket zur Entwicklung von Erzählkompetenz und Kreativität (1. bis 4. Klasse). – Donauwörth: Auer Verlag, 2011. – 120 S. ISBN 978-3-403-06155-7 Gruschka, Helga / Brandt, Susanne: Mein Kamishibai. Das Praxisbuch zum Erzähltheater. – München: Don Bosco, 2013. – 140 S. ISBN-13: 978-3-7698-2068-3 (Das Buch beinhaltet eine ausführliche Anleitung für den Einsatz des Geschichtenbaukastens zum Erzählen mit und ohne Kamishibai.)



Mit Geschichten kreativ und interaktiv umgehen 

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Das Beispiel Ein Gedicht zur poetischen Einstimmung in das Geschichtenerfinden: Insel der Ruhe Hast du schon mal eine Insel betreten im schillernden Licht am Rande der Nacht? Vielleicht hat ein Boot dich nach langer Reise ganz überraschend dort hingebracht. Kein Mensch ist zu sehen. Du bist allein. Das könnte ein spannender Anfang sein für eine Geschichte, von dir erdacht. Doch, halt – Geschichten werden in Ruhe gemacht aus Bildern, Geräuschen, Gerüchen und Dingen, die dich auf neue Gedanken bringen. Die Insel hält alles für dich bereit. Und du hast Zeit. Schau, wie die Spinnen sich Nahrung holen. Spüre die Steine unter den Sohlen. Hör auf das Mückengesumm in der Luft. Rieche den würzigen Waldmeisterduft. Atme tief ein. Atme tief aus. Und dann: Mach eine Geschichte daraus. Text in: Brandt, Susanne / Riedel, Elke: Was macht das Licht den ganzen Tag? Die Entdeckung der Welt in sieben Fragen. – Flensburg: Glas und Wort, 2009. – 72 S. ISBN 978-3-938500-08-8

Geschichten leben von Bildern, von sinnlichen Wahrnehmungen, Stimmungen und Fantasien. Alles, was Anregungen und Inspiration dafür liefert, kann zum Gelingen einer „Geschichtenwerkstatt“ in der Bibliothek beitragen. Manchmal hilft es auch, vorher oder zwischendurch nach draußen zu gehen, um den Vorrat an Ideen und Eindrücken zu erweitern. Aber ein bisschen Handwerkszeug gehört für die „Bauarbeit“ an einer Geschichte ebenso dazu: Manche Kinder haben Mühe, all ihre Einfälle für eine Geschichte in eine geordnete Reihenfolge zu bringen. Als Orientierungshilfe können folgende sechs Fragen dienen: 1. Wie stelle ich mir die Hauptperson vor? 2. Wo spielt die Geschichte? 3. Welches Problem / welche Aufgabe entsteht und muss bewältigt werden? 4. Wer oder was kommt dabei zur Hilfe? 5. Welche Lösung des Problems / der Aufgabe ist möglich? (Hier darf auch Magie mit ins Spiel kommen!) 6. Wie endet die Geschichte?

Zielgruppe: Kinder ab etwa acht Jahren Dauer: etwa 60 bis 90 Minuten

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Auch der Anfang ist schwer – besonders dann, wenn man vor einem leeren weißen Blatt sitzt und sich plötzlich nicht mehr zutraut, so viel freien Raum mit Worten oder Skizzen für eine eigene Geschichte zu füllen. Hilfreich kann es sein, das leere Blatt in kleinere Einheiten zu untergliedern, zumal es beim Geschichtenerfinden nicht unbedingt darauf ankommt, einen kompletten Text ausformuliert zu Papier zu bringen. Weitere Anregungen zur Ausgestaltung der Handlung können durch Bilder oder Gegenstände gegeben werden, die den Kindern neue Ideen liefern, um damit den Erzählfaden „weiterzuspinnen“. Kindern, die eine gewisse Stütze erhalten – wie beispielsweise durch die sechs genannten Fragen – um sich Schritt für Schritt an dieser Gliederung zu orientieren, gelingt es oft schon zu Beginn der Grundschulzeit, die Ideen für ihre Geschichte mit einzelnen Stichworten oder Zeichnungen als Erinnerungsstütze zu skizzieren, um sie dann anschließend frei nachzuerzählen. Gut einsetzbar ist hierfür – wie auch für viele andere Leseförderaktionen – ein ganz einfach aus einem Blatt DIN A4-Papier zu faltendes „Hosentaschenbuch“, in dem sich innen sechs Seiten und außen zwei Umschlagseiten mit einer selbst erfundenen Geschichte so gestalten lassen, dass jedes Kind am Ende sein erstes eigenes Buch in den Händen hält. Die sechs Seiten erlauben es, pro Seite genau eine der oben genannten Leitfragen zu bearbeiten, das heißt mit Wörtern oder Bildzeichen kurz zu skizzieren. Blättern die Kinder ihr Buch schließlich von vorn bis hinten durch, so „lesen“ sie dabei den Verlauf der erfundenen Geschichte in einer schlüssigen Reihenfolge und können ihr Werk am Ende noch mit einer passenden Umschlag- und Titelgestaltung vervollständigen. Eine genaue Faltanleitung mit Tipps rund um den Einsatz dieser unkomplizierten Minibücher ist hier zu finden: http://www.minibooks.ch/

Wir empfehlen zur Vertiefung: Annette Kautt: Literatur für und von Kindern im Netz. Chancen für die Lese- und Schreibförderung. In: JuLit 2013, 2, S. 22–28.

Eigene Texte und Geschichten im Internet schreiben und teilen Neben dieser noch sehr buchnahen Form der Entwicklung und Präsentation von eigenen Geschichten gewinnt mit zunehmender Schreibkompetenz auch das „Schreiben im Netz“ an Bedeutung. Ältere Grundschulkinder sammeln erste Erfahrungen mit dem Web 2.0, wenn sie eigene Geschichten und Gedichte nicht nur in der kleinen Runde erfinden und schreiben, sondern dabei auch das Internet nutzen. Es gibt eine Reihe von betreuten Kinderseiten, die neben kleinen Schreibkursen für Kinder auch die Möglichkeit anbieten, eigene Texte zu publizieren und mit anderen Kindern zu teilen. Man kann das „Schreiben im Netz“ für ältere Grundschulkinder gut mit den Leseförderangeboten der Bibliothek verbinden, indem zunächst in Kleingruppen vor Ort gemeinsam an den Texten und Themen gearbeitet wird, bevor dafür dann an PC-Arbeitsplätzen mit Internetanschluss geeignete Möglichkeiten der Veröffentlichung im Internet gesucht, geprüft und ausgewählt werden.



Mit Geschichten kreativ und interaktiv umgehen 

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Hier ein paar Tipps für dafür nutzbare Seiten: Mitmach-Bereich der Kinderseite des Deutschen Kinderhilfswerks mit kindgerechten Schreib-Tipps. URL: http://www.kindersache.de/bereiche/mitmachen/artikel-schreiben/seite/schreibe-einen-eigenen-artikel-anleitung Mitmachbereich des Online-Kinder-Literaturmagazins „Rossipotti“ für verschiedene Beiträge und zum Mitschreiben an einer gemeinsamen Geschichte, hier speziell mit Weiterschreibgeschichten. URL: http://www.rossipotti.de/textkrake.html Kreativer Mitmachbereich in der digitalen Kinderstadt „Kidsville“ zum thematischen und literarischen Schreiben. URL: http://www.kidsville.de/atelier/schreiben/ Online-Magazin der Kinder-Suchmaschine „Blinde Kuh“, geschrieben von Kindern für Kinder zu frei wählbaren Sachthemen. URL: http://www.kids-e-zine.de/

4.5.6 Interaktive Bilderbuch-Apps Tablets tragen als „digitale Alleskönner“ dazu bei, dass Erfahrungen mit digitalen Medien zunehmend auch in Kindergärten und Familien mit jüngeren Kindern gesammelt werden. Mit ihren Einsatzmöglichkeiten etwa als Fotoapparat, Videokamera, Mikrofon und PC bieten sie nicht nur ausgesprochen kreative Chancen in der Arbeit mit Medien – deutlich angenehmer als mit Smartphones lassen sich auf den größeren, aber dennoch handlichen Displays auch gemeinsam Bilderbuch-Apps anschauen. Vielseitige Nutzungsmöglichkeiten, die leichte Handhabung und die geringe Störanfälligkeit gehören zu den großen Pluspunkten, die den Tablets schnell zu einer großen Verbreitung in Familien verholfen haben – und das unabhängig vom Bildungsniveau. Das wiederum scheint nicht folgenlos zu bleiben für die häusliche Vorlesepraxis. Der Vorlesestudie von 2012 zufolge wird in jeder dritten Familie, die ein Tablet besitzt, dieses auch für Bilder- und Kinderbuch-Apps verwendet. Besonders Väter scheinen sich durch Tablets gern zum Vorlesen animieren zu lassen. Daneben bleibt das Buch weiterhin interessant. Die Studie deutet daraufhin, dass gezielt entschieden wird, in welcher Situation – z. B. auf Reisen – eine Bilderbuch-App zum Einsatz kommt und wann das gedruckte Bilderbuch bevorzugt wird. Für Bibliotheken, die die Apps nicht als Einzelmedien ausleihen, sie wohl aber als Begleitmedium wahrnehmen und empfehlen können, heißt das: Es ist gut und wichtig, sich auf dem aktuellen Markt der Bilderbuch-Apps auszukennen, um auf Fragen von Eltern beratend Auskunft geben zu können und bei Interesse auf spielerische Ergänzungsmöglichkeiten zu einzelnen Bilderbüchern hinzuweisen. Ein gutes Hilfs- und Auskunftsmittel bietet die Datenbank des Deutschen Jugendinstituts zu „Apps für Kinder“: http://www.dji.de/index.php?id=43390

Die Datenbank bietet einen laufend aktualisierten Einblick in das App-Angebot für Kinder und berücksichtigt dabei nicht allein die „pädagogisch wertvollen“ Titel, sondern auch all jene, die unter Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter besonders beliebt und stark verbreitet sind. Dazu wird jede Applikation danach bewertet, ob sie der Zielgruppe gerecht wird, interaktive Möglichkeiten bietet und ob der Kinder- und Datenschutz vor allem auch mit Blick auf Werbung und In-App-Käufe gewährleistet ist.

Zielgruppe: Kinder im Vorschulalter mit ihren Eltern Dauer: variabel als Beratungsangebot in Bibliotheken zu wechselnden Terminen

Die Stadtbibliothek Köln bietet zu dieser Thematik bereits ein niederschwelliges Angebot für junge Familien mit Kindern bis sechs Jahren an. Die Eltern erhalten dort in Kleingruppen erste Basisinformationen zu Kinder-Apps. Sie haben die Möglichkeit, sich vor Ort einen Tablet-PC mit 40 Apps zu entleihen und diese mit ihren Kindern spielerisch zu erkunden.

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Die Datenbank erlaubt eine gezielte Recherche im Volltext und nach verschiedenen Suchkategorien. Bibliotheken können hier gezielt nach Bilderbuch-Apps zu bestimmten Themen oder Titeln suchen. Sie sind so in der Lage, auf App-Angebote zu Themen oder Bilderbüchern aus dem Bestand hinzuweisen oder dazu beispielweise eine Empfehlungsliste zu erstellen. Bei weitergehenden Fragen zu Kindersicherheit und Datenschutz am Tablet geben folgende Links genaue Auskunft: Schau-hin.info: Sicherheitseinstellungen: So entdecken Kinder sicher die spannende Welt der Tablet-PCs.  URL: http://www.schau-hin.info/ Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: Handys, Smartphones, Apps. Infoset Medienkompetenz: 10 Fragen – 10 Antworten. Stuttgart 2013  URL: http://www.mpfs.de/fileadmin/Infoset_neu/Infoset_Handy.pdf Klicksafe.de: Datenschutz-Grundlagenwissen und Datenschutz-Dossier URL: http://www.klicksafe.de/themen/datenschutz/

Zum Beratungsangebot der Bibliothek gehört auch, im Gespräch die Chancen und Grenzen der technischen Medien für kleine Kinder aufzuzeigen. So gern viele Familien sich auch daran gewöhnen mögen, die „digitalen Babysitter“ immer dann zum Einsatz zu bringen, wenn im Alltag bei Wartezeiten oder langen Autofahrten die gute Laune kippt – eine allgegenwärtige Verfügbarkeit der digitalen Möglichkeiten bedeutet nicht nur eine Bereicherung, sondern in mancherlei Hinsicht auch eine Einschränkung. Einige wichtige Wahrnehmungs- und Lernerfahrungen werden dadurch nämlich eher unterdrückt als gefördert: Das Erkunden des natürlichen Raums und die Entdeckung, aus eigener Kraft und mit anderen zusammen die Zeit gestalten und eigene Ideen entwickeln zu können – das sind Erfahrungen, die in Freiräumen ohne digitale Angebote besser zur Entfaltung kommen. Sie halten die Neugier wach und stärken die Frustrationstoleranz. Ablenkung und Unterhaltung auf Knopfdruck bieten also längst nicht nur Vorteile. Eine generelle Ablehnung aller technischen Medien im Vorschulalter lässt sich davon allerdings auch nicht ableiten. Vielmehr gilt es, Familien bei medienbewussten Entscheidungen und Einsatzformen im Alltag beratend zu unterstützen. Weitere Informationen: Stiftung Lesen (Hrsg.): Vorlesestudie 2012. Digitale Angebote – neue Anreize für das Vorlesen?, Mainz 2012. Vorlesen mit Bilder- und Kinderbuch-Apps. Repräsentative Befragung von 250 Vätern und 250 Müttern mit Kindern im Alter von zwei bis acht Jahren. Download unter URL: http://www.stiftunglesen.de/download.php?type=documentpdf&id=752

4.5.7 Antolin Antolin (www.antolin.de) heißt ein webbasiertes Programm zur Leseförderung an Schulen für die Klassenstufen eins bis zehn, das durch das Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH angeboten wird und sich inzwischen an vielen Schulen großer Beliebtheit erfreut. Auch zahlreiche Bibliotheken haben bereits auf die gezielte Nachfrage von Kindern, Jugendlichen und Eltern für Bücher, die im Antolin-Programm zu bearbeiten sind, reagiert und entsprechende Titel im Katalog oder im Regal leicht auffindbar gemacht. Bei mehr als 40.000 Titeln, die im Programm inzwischen zu bearbeiten sind, betrifft das große Teile des Kinderbuchbestands.



Mit Geschichten kreativ und interaktiv umgehen 

Als ein Programm, das nach dem Prinzip der Lernzielkontrolle funktioniert, ist Antolin vor allem für Schulen konzipiert und schwerpunktmäßig an Grundschulen im Einsatz. Diese erhalten über eine entsprechende Lizenz einen Zugang zur Teilnahme. Die Schüler melden sich über ihre Lehrer an, die dabei wiederum die Leseleistung ihrer Schüler an deren Punktestand individuell verfolgen können. Punkte werden durch das Lösen von Quizfragen zu den gelesenen Büchern nach einem MultipleChoice-Verfahren gesammelt. Durch ein daran gebundenes Belohnungssystem entsteht ein Wettbewerb, der sich als Ansporn zum Lesen auswirkt. Auch die Verbindung des Bücherlesens mit der Bearbeitung von Fragen am Computer ist für viele Kinder sehr attraktiv. Die Frage, ob neben dieser extrinsischen auch eine intrinsische Lesemotivation durch Antolin bewirkt werden kann, ist umstritten. Zweifellos kommt es durch das Programm zu einer gewissen Steigerung der Leseintensität. Mit der dabei wachsenden Lesegewohnheit und -sicherheit könnte die Lust und Freude am Lesen generell steigen und so zumindest indirekt eine intrinsische Motivation auch unabhängig von dem Programm und den Wettbewerbsanreizen angebahnt werden. Kritisch ist allerdings auch zu bedenken, dass die Antolin-Quizfragen den Kindern durch das Multiple-Choice-Verfahren keine Gelegenheit geben, eigene Gedanken und Meinungen zum Gelesenen frei und ohne Bewertung zu formulieren.

Auch wird das Lesen auf diese Weise an ein Programm gebunden, das Einfluss nimmt auf die Titelwahl und das das Lesen im Rahmen des Förderprogramms an stets präsente Leistungserwartungen bindet. Für Schulen ergibt sich so ein leicht quantifizierbares Mittel zur Bewertung. Und auch in Bibliotheken zeigt das Konzept eine spürbare Wirkung: Einerseits ist mitunter ein deutlicher Anstieg der Entleihungen von Antolin-Büchern zu beobachten. Andererseits wird in Gesprächen aber auch deutlich, dass sich das Auswahl- und Leseverhalten signifikant verändert. Bücher, die nicht bei Antolin gelistet sind, haben weniger Chancen, von den Grundschülern gelesen zu werden, und bei der Entscheidung für oder gegen ein Buch spielt eine gewisse „Kosten-Nutzen-Rechnung“ nach der Logik des Bewertungssystems oft eine deutlich größere Rolle als das tatsächliche Interesse am Thema. Im Sinne einer gezielten Zusammenarbeit mit Schulen kann es für Bibliotheken zwar sinnvoll sein, mit gewissen Hilfestellungen zum Auffinden von Antolin-Titeln die Arbeit mit dem Programm zu unterstützen. Zur bibliothekarischen Leseförderung selbst, die vorzugsweise an intrinsischer Motivation orientiert ist, leistet das Antolin-Programm jedoch keinen bedeutsamen Beitrag, da viele Aspekte eines selbstbestimmten, kreativen und kritischen Umgangs mit Literatur dabei nicht oder nur mit gezielten Begleitangeboten zur Entfaltung kommen können. Literatur-Empfehlungen: Rütten, Bettina: Leseförderung und Lesemotivation in der Grundschule mit ANTOLIN. Möglichkeiten und Grenzen der Leseförderung und Lesemotivation in der Grundschule mithilfe der Web-basierten Plattform ANTOLIN. – München: GRIN-Verlag, 2010. – 48 S. ISBN 978-3-640-66255-5 Endlein, Verena: Beeinflusst Antolin das Leseverhalten? Eine qualitative Studie. Hausarbeit zur Diplomprüfung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fakultät Design, Medien und Information. – Hamburg, 2009.

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4.5.8 Kreative Lernrouten im Medienverbund Dass bereits Kindergartenkinder spielerisch Erfahrungen sammeln können im produktiven Umgang mit verschiedenen Medien, zeigen Projekte wie zum Beispiel „Emma auf Reisen“, das vom mec, dem „Medienpädagogischen Erzieher/innen Club Rheinland-Pfalz“, entwickelt und 2012 mit verschiedenen Kooperationspartnern, darunter auch Bibliotheken, an den Start gegangen ist. Anknüpfend an das Bilderbuch „Emma, das Schaf“ von Susanne Benz geht dabei ein Schaf aus Pappmaché per Postpaket auf Reisen durch verschiedene Einrichtungen der frühkindlichen Bildung. Es entdeckt mit Kindern und Erwachsenen auf verschiedenen Lernrouten die Vielfalt medialer Ausdrucksmöglichkeiten. Einen USB-Stick, das Buch mit der Geschichte und medienpädagogische Tipps für die jeweilige Lernroute bringt Emma als Gepäck mit an jeden Ort. Am Ziel angekommen, erlebt Emma neue Geschichten und kreative Verwandlungen mit den Kindern, die in einem Weblog-Reisetagebuch im Internet dokumentiert werden. Es entstehen dabei Fotostories, Videos und andere mediale Umsetzungen. Das Weblog-Reisetagebuch gibt Kindern an jedem Ort zugleich die Möglichkeit, sich am PC anzuschauen, was Emma anderswo bereits erlebt hat, und die Reise anschließend weiterzuverfolgen. Das Bilderbuch zum Projekt: Benz, Susanne: Emma, das Schaf. – Nierstein: Traumland-Verlag, 2006. – 43 S. ISBN 978-3-933384-06-5 Das Reisetagebuch und weitere Informationen zum Projekt sind hier zu finden. URL: http://emma.wordpress-und-bildung.de/ URL: http://medienundbildung.com/mec/emma-auf-reisen/emma-die-idee/

4.6 Die Welt entdecken mit Sachbüchern Die Frage, ob Internetangebote das Buch verdrängen, wird in Bezug auf das Sachbuch besonders häufig gestellt. Tatsächlich macht sich in Bibliotheken schon seit Jahren ein Rückgang bei den Ausleihzahlen von Sachbüchern bemerkbar. Das gilt besonders für die Zielgruppe der älteren Kinder, der Jugendlichen und der Erwachsenen, bei denen Online-Quellen bei der Informationsgewinnung eine wachsende Rolle spielen. Bei Kindern im Vor- und Grundschulalter hingegen, die noch nicht über alle nötigen Kompetenzen für eine gezielte Online-Recherche zu Themen verfügen, scheint das Sachbuch noch immer die Informationsquelle erster Wahl zu sein. „Jede Form, mit Sprache umzugehen, beinhaltet auch ein Denkmodell. Sprache ist vielfältig, und es gibt mehr als nur einen Weg, einen Sachverhalt zu formulieren. Für das Kind bedeutet dies: Flexibilität im Denken, Sprechen und schließlich auch im Handeln“ (Peitz, 2014, S. 34). Die Verlage reagieren auf dieses ungebrochene Interesse mit einer Vielzahl von Sachbilderbüchern, die durch attraktive Extra-Effekte die Lust am Entdecken wecken: Klappen, Schieber und Pop-Ups, Hör- und Fühlelemente sowie Verknüpfungsmöglichkeiten zu digitalen Ergänzungen in Form von Apps oder Audio-Dateien als Bestandteile des Buchs tragen dazu bei, Spannung und Überraschung mit ins Spiel zu bringen. So wird die Wissensvermittlung nicht allein über Bild und Text, sondern ferner über Elemente für alle Sinne interaktiv gestaltet. Gleichzeitig ist ein kritischer Blick auf manche Effekte gefragt: Bilden die Extras im Buch zusammen mit Inhalt, Text- und



Die Welt entdecken mit Sachbüchern 

Bildqualität ein in sich stimmiges Ganzes oder handelt es sich dabei eher um „Hingucker“ und Überraschungselemente, die ihren Reiz nach kurzer Zeit verlieren? Eine Bereicherung erfährt die Sachbuchvielfalt außerdem – gerade für jüngere Kinder - durch fließende Übergänge zwischen fiktionaler und nichtfiktionaler Literatur. Denn die natürliche Aneignung von Wissen geschieht bei jüngeren Kindern nie losgelöst von Gefühlen, inneren Bildern, Beziehungen und Bildvorstellungen, die aus vielerlei Quellen gespeist werden und so in einem lebendigen Wechselspiel Anteil haben am Entdecken und Verstehen der Welt.

4.6.1 Orientierung in der Sachbuchwelt Entsprechend farbig und facettenreich kann darauf mit Büchern geantwortet werden, die neben sachbezogenen Elementen ebenso erzählende Anteile haben und an die Gefühle wie auch an die Lust am Staunen und Entdecken – auch in der realen Welt – anknüpfen. Es gilt also, differenziert auf die Gestaltungselemente zu schauen, um ein Sachbuch angemessen bewerten zu können. Neben Bild und Text kommen in neuerer Zeit auch Effektelemente (klingende Elemente, digitale Ergänzungen, Pop-Up-Effekte etc.) hinzu. Die wichtigsten Bewertungskriterien bei Sachliteratur sind: – Sachliche Richtigkeit – Verhältnis Text – Bild – Gestaltungsaspekte wie Übersichtlichkeit, Ästhetik und Sondereffekte – Sprache und Stil – Angemessenheit mit Blick auf die Zielgruppe

Dabei lassen sich folgende Sachbuchtypen unterscheiden: Sacherzählung: Hier ist die Darstellung der Sache eingebettet in einen (dafür konstruierten) erzählenden Rahmen, oder sie ist verbunden mit Erzählelementen. Erzählendes Sachbuch: Hier bilden das Handeln der literarischen Figuren und die dargestellte Sache eine Einheit, der Wirklichkeitsbezug ergibt sich also unmittelbar aus der Handlung heraus. Bildersachbuch: Hier geht die Information maßgeblich von den Bildern aus und der Text spielt eher eine untergeordnete Rolle oder fehlt ganz. Illustriertes Sachbuch: Hier illustrieren die Bilder die im Text dargestellten Sachverhalte, der Text bleibt aber auch ohne Bilder noch verständlich. Sachbilderbuch: Hier tragen Bilder und Texte gemeinsam die Gesamtinformation. Beide ergänzen sich so, dass das eine ohne das andere nicht verständlich ist. Als weitere Sondergattungen der Sachliteratur lassen sich nennen: Ratgeber, Lexika/ Nachschlagewerke, Beschäftigungsbücher und Lernhilfe.

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Das Beispiel Zielgruppe: Kinder ab etwa acht Jahren Dauer: verschiedene Projektformen – von zwei Stunden bis hin zu mehreren Tagen möglich

Leitzgen, Anke M. / Rienermann, Lisa: Entdecke deine Stadt. Stadtsafari für Kinder. – Weinheim: Beltz, 2011. – 152 S. ISBN 978-3-407-75360-1

Dieses Buch bietet Kindern ab acht Jahren und Erwachsenen besondere Anreize, den eigenen Lebensraum zu entdecken – was nicht allein auf die Großstadt zu beziehen ist. Es geht hier weniger um die Vermittlung von Faktenwissen, sondern vielmehr darum, den Kindern aufzuzeigen, dass in der Welt noch nicht alles fertig gedacht ist. Das Buch liefert eine Fülle an Stoff für größere oder kleinere Projekte, die mit der Bibliothek vor Ort zur Umsetzung kommen können. Folgende Merkmale erweisen sich bei dem Buchkonzept als besonders innovativ: Nicht-lineare Gliederung nach Themenräumen: Die Struktur des Buches ist nicht linear angelegt im Sinne des klassischen, hierarchisch gegliederten Inhaltsverzeichnisses, sondern sie setzt sich aus klar umrissenen Themenräumen zusammen, in die man beliebig und auf verschiedenen Ebenen eintauchen kann. Dieses Prinzip nimmt zum einen die durch Internetnutzung veränderten Erschließungsgewohnheiten von Wissen ernst und erlaubt zum anderen eine Arbeit mit dem Buch auf verschiedenen Niveaus im Sinne eines offenen Adressatenkreises von Kindern und Erwachsenen. Damit stellt der Titel ein selten gelungenes Beispiel intermedialer Bezüge dar, indem Erfahrungen aus anderen Medienformen nicht einfach als vermeintliche „Modernisierung“ in das Buch hineingepackt werden, sondern das Medium Buch mit seinen spezifischen Möglichkeiten sehr bewusst konzeptionell neu gedacht und gestaltet wird. Beschreiben statt belehren: Das Buch nimmt keine belehrende, sondern eine fragende und beschreibende Haltung ein. Zwar liegt ihm ein sorgfältig recherchiertes Sachwissen zugrunde, dieses aber wird nicht als abgeschlossen dargestellt, sondern vielmehr als Anreiz zum Weiterforschen. Anregungen für alle Sinne: Durch die Wahl der Fotomotive und die Form der Beschreibung verlockt das Buch zum genauen Hinschauen, Nachfragen und Mitdenken als Basis aller Prozesse der Wissensaneignung. Kinder in ihrem Fragen und Denken ernst nehmen: Kinder werden dabei nicht künstlich zu „Experten“ erklärt. Vielmehr geht es darum, mit dem Buch ein ehrliches Interesse an ihren Sicht- und Denkweisen zum Ausdruck zu bringen und sie in ihrer Art des Fragens und Entdeckens zu begleiten.

Machen Sie den Sachbuch-Test! Wählen Sie drei bis fünf möglichst unterschiedliche Sachbücher für Kinder im Vorund Grundschulalter aus, um sie nach folgenden Kriterien zu bewerten und zu befragen. Notieren Sie Ihre Eindrücke dazu in Stichworten:



1. Inhalt und Form des Buches: sachliche Richtigkeit:

repräsentative Auswahl der Inhalte für das Thema:

adäquate Darstellung für die Zielgruppe:

ideologiefreie Darstellung:

Spielraum für kognitive, kreative und emotionale Zugänge zum Thema:

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Hilfen zur Bewältigung des inhaltlichen Angebots (Layout, Glossar, Strukturierungshilfen etc.):

Stimmigkeit Klappentext – Inhalt:

Qualität eventueller Beilagen (CD-Rom, CD, Audio-Datei etc.):

2. Mögliche Wirkungsweise des Buches mit Blick auf die Sprach- und Leseförderung für Kinder im Vor- und Grundschulalter: Bietet das Buch Anregungen zur Interaktion, zum gemeinsamen Entdecken, Bedenken und Tun – auch über das eigentliche Buch hinaus?



Die Welt entdecken mit Sachbüchern 

Kommt das Buch dem natürlichen Wissensdurst der Kinder entgegen?

Ermuntert das Buch zu einem schöpferischen Erfahrungs- und Lernprozess, um dabei immer wieder auf neue Mutmaßungen und Fragen zu stoßen und nicht bei fertigen Antworten stehen zu bleiben?

Ermöglicht das Buch Freiräume für eigene Interpretationen und Sichtweisen, ungewöhnliche Blickwinkel auf das Thema oder Anknüpfungspunkte aus dem eigenen Erleben der Kinder?

Wird eine achtsame und wertschätzende Haltung gegenüber den Dingen der Welt, ihrer Einzigartigkeit und individuellen Bedeutung spürbar und drückt sich dies auch ästhetisch und sinnlich in Wort und Bild aus?

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4.6.2 Forschen und Natur entdecken mit Sachbüchern

Abb. 5: Mit Büchern im Rucksack am Teich

An einigen Orten engagieren sich Bibliotheken als Partner im lokalen Netzwerk der deutschlandweiten Bildungsinitiative „Haus der kleinen Forscher“ (www.Haus-derkleinen-forscher.de) und beteiligen sich mit Veranstaltungen, Bücherkisten, Workshops und handlungsorientierten Angeboten daran, Kinder bei naturwissenschaftlichen, mathematischen und technischen Fragestellungen zu begleiten und sie in ihrer natürlichen Entdeckerlust zu unterstützen. So öffnen beispielsweise thematische Sachbuch-Zusammenstellungen, vor allem aber konkrete Ideen für das Forschen und Experimentieren mit Sachbüchern in der Praxis viele Wege, um als Bibliothek mit anderen Bildungspartnern vor Ort zu kooperieren.



Die Welt entdecken mit Sachbüchern 

Daneben lassen sich je nach Landschaft und Umwelt lokale Initiativen nutzen oder neu anstoßen, um die vielfältigen Bezüge von Sachbüchern zu Naturphänomenen vor der eigenen Haustür erfahrbar zu machen. Viele natur- und landschaftsbezogenen Themen der Region sind gut dazu geeignet, Lesen und sinnliches Erleben unmittelbar zu verbinden und die Türen der Bibliothek immer wieder auch für Exkursionen mit Kindern in die Natur zu öffnen. Dabei erweisen sich die Grenzen zwischen sachbezogener und erzählender Literatur zu Naturphänomenen oft als fließend – so wie sich eben auch beim Naturerlebnis selbst Faktenwissen und Magie gerade für jüngere Kinder oft vermischen. Eine konzeptionelle Verwirklichung in Bibliotheken erfährt dieser Ansatz seit 2007 vor allem beim sogenannten Egon-Naturgeschichtenprojekt. Dabei steht die Abkürzung „Egon“ für „Entdecke geheimnisvolle Orte in der Natur“ und verweist bereits auf das Anliegen: Kinder, die mit Büchern und Naturerlebnissen ihre natürliche Umwelt als spannend, anregend und geheimnisvoll erfahren, entwickeln eher ein Interesse, diese bewusster wahrzunehmen und zu erforschen und bauen so eine intensivere emotionale Beziehung zur Landschaft, Tier- und Pflanzenwelt auf. Und umgekehrt: Die Entdeckerfreude in der Natur führt nicht selten zurück in die Bibliothek, um dort mit Hilfe von Sachbüchern den Fragen zu Tieren und Naturphänomenen auf die Spur zu kommen oder erneut in Geschichten einzutauchen, in denen sich etwas von den eigenen Naturerfahrungen wiederfinden lässt. Folgende Bausteine gehören zur Umsetzung des Projekts in der bibliothekarischen Praxis: Bereitstellung von „Egon-Medienkisten“ zu verschiedenen Schwerpunktthemen (z. B. Wiese, Meer & Küste, Wald, Garten) als ausleihbare Medienauswahl zum Thema. Veranstaltung von Entdeckertouren in die umliegende Natur wie z. B. Besuch eines Insektenhotels, begleitet von Sachbilderbüchern zum Thema, aber auch Liedern, Märchen und Spielen über Bienen, Libellen, Mücken und Co. Schulungen, um Ehrenamtliche als Begleiter und Mitgestalter solcher Touren zu gewinnen. Publikationen und Öffentlichkeitsarbeit zur Darstellung und Verbreitung der Projektidee und zur Dokumentation der dabei erarbeiteten Ergebnisse. Vielfältige Kooperationen mit Kindergärten, Schulen, Agenda-Gruppen und Naturschutzgruppen vor Ort.

Das Konzept eröffnet Bibliotheken, jeweils abgestimmt auf die individuellen Gegebenheiten vor Ort, verschiedene erlebnisorientierte Einsatzmöglichkeiten von Sachbüchern in Verbindung mit Umweltbildung, Sprach- und Leseförderung, bürgerschaftlichem Engagement und je nach Umfeld auch Tourismus. Von großer Bedeutung sind dabei neue Kooperationsformen mit Partnern aus Naturverbänden, die so auf die Bestände der Bibliothek aufmerksam werden und von den naturkundlichen Medienangeboten profitieren. Die Bibliothek wiederum profitiert von den Kompetenzen und Netzwerken der Naturverbände, indem geschulte Naturführer, Vogelkundler und Wattexperten in die Veranstaltungsangebote einbezogen werden. Weitere Informationen zum Projekt, das inzwischen in verschiedenen Ländern zur Anwendung kommt, finden Sie unter folgender Adresse. URL: http://www.goethe.de/ins/lv/rig/kul/mag/bib/lef/deu/de7373429.htm Buch zum Projekt: Brandt, Susanne: Erzählen und Entdecken. Lebendige Spracherfahrung mit Naturgeschichten. Ein Praxis- und Lesebuch für Bibliotheken, Schulen, Kindergärten und freie Gruppen. – Berlin: Simon Verlag für Bibliothekswissen, 2010. – 136 S. ISBN 978-3-940862-18-1

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4.7 Gruppenerlebnisse mit Geschichten und Medien 4.7.1 Lesenächte

Zielgruppe: Grundschulkinder Dauer: etwa von abends 18.00 Uhr bis zum nächsten Morgen nach dem Frühstück

Lesenächte gehören in vielen Bibliotheken zum regelmäßigen Angebot im Rahmen der Veranstaltungsarbeit und Leseförderung. Das Übernachten in der Bibliothek zwischen den Bücherregalen ist für viele Kinder ein ganz besonderes Erlebnis, und für jüngere Kinder mitunter die erste Gelegenheit, eine Nacht nicht im eigenen Bett zu verbringen. Ziel einer solchen Veranstaltungsform ist das spielerische Vertrautwerden mit Räumen und Angeboten der Bibliothek, verbunden mit einer außergewöhnlichen und spannenden Gruppenerfahrung in besonderer Atmosphäre. Eine gute Planung und gründliche Vorbereitung ist dabei unverzichtbar. Auch sollten für die Nacht mehrere Erwachsene bereit sein, die Betreuung zu übernehmen. Beliebt sind Lesenächte zu bestimmten Themen, wie beispielsweise „Hexen & Vampire“, „Kriminacht“, „Märchenträume“ oder auch „Computer & Co.“ mit multimedialen Spielangeboten. Ein möglicher Ablauf für eine solche Lesenacht kann sich an folgenden Punkten orientieren: 1. Die Kinder suchen sich einen Platz als Nachtlager und haben dafür Schlafsäcke, Isomatten und natürlich Taschenlampen mitgebracht. 2. Für alle findet eine Einführung in den Programmablauf und in die zu beachtenden Regeln statt. 3. Falls die Kinder sich als Schulklasse nicht bereits untereinander kennen, kann ein Kennenlernspiel dazu anregen, sich miteinander bekannt zu machen. 4. Die Bibliothek als Ort wird erläutert und erkundet. 5. Das Abendprogramm mit gemeinsamen Spiel- und Bastelangeboten beginnt und beinhaltet Angebote wie: – Vorlesen – Filmvorführung – Rätsel oder Quiz – Taschenlampen-Lesezeit auf dem Nachtlager – Kleine Nachtwanderung in die Umgebung – Gruselgeschichte um Mitternacht – Pausen mit Imbiss 6. Nach einem gemeinsamen Frühstück am nächsten Morgen, zu dem auch Eltern und Geschwister eingeladen werden können, endet die Veranstaltung. Auch Zeit für das Aufräumen ist am Ende mit einzuplanen.

Vertiefung Planen Sie nun selbst eine solche Lesenacht: Sie können dazu die Stichpunkte für einen möglichen Ablauf nutzen und die genannten Punkte mit Inhalten ihrer Wahl füllen. Entscheiden Sie sich dabei für ein interessantes Thema und wählen Sie passend dazu die Spiele, Bücher, Filme und Aktionen für die Programmgestaltung aus:



Gruppenerlebnisse mit Geschichten und Medien 

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4.7.2 Bücher-Picknick Viele Familien kommen gern und gezielt in die Bibliothek. Aber die Bibliothek kann auch zu den Familien kommen – am besten dort, wo sie sich in der Freizeit zwanglos aufhalten: im Park zum Beispiel. Mehrere Städte und Gemeinden haben diese Form der Leseförderung vor allem für die Sommermonate entdeckt: Auf den grünen Wiesen der Volksparks herrscht buntes Treiben. Hier trifft man sich, hat den Picknick-Korb dabei, klönt und spielt miteinander – und kann dabei eben auch Bücher und Geschichten sozusagen im Vorbeigehen entdecken. Die Atmosphäre ist zwanglos und offen. Sie verbindet Menschen, für die das Lesen zum Familienalltag gehört, mit jenen, die vielleicht noch nie eine Bibliothek besucht haben.

Entsprechend kurzweilig, vielfältig und offen sind auch die Bücher- und Geschichtenangebote konzipiert: Da kann eine große Kiste mit Bilderbüchern einfach zum Stöbern auf den daneben ausgebreiteten Wolldecken einladen. Einige Meter weiter macht vielleicht jemand mit Mitmachliedern zur Gitarre auf sich aufmerksam, lockt neugierige Kinder an und lädt zum Mitsingen und Bewegen ein. Wiederum an einem anderen Platz kommt eine Handpuppe zum Einsatz und erzählt, was in dem dazu vorgestellten Bilderbuch alles passiert. Und auch ein Kamishibai-Erzähltheater braucht keinen Strom, ist auf jedem Rasen im Handumdrehen auseinander geklappt und präsentiert für alle, die sich spontan und neugierig dazu einfinden, ein „Zehn-MinutenBilder-Kino“ für Klein und Groß. Vor allem auf Mobilität und Flexibilität kommt es beim Bücher-Picknick an. Ein geräumiger Bollerwagen als Erkennungszeichen wie auch als Transportmittel für die nötigen Utensilien kann dafür sehr nützlich sein.

Zielgruppe: Familien in ihrer Freizeit Dauer: variabel, in der Regel zwei bis drei Stunden

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 Kindergarten- und Grundschulalter

Das alles kann mit ins Picknick-Gepäck gehören: – Wolldecken – Bilderbücher zum Vorlesen und Stöbern – Erzähl- und Vermittlungshilfen wie Kamishibai, Handpuppen oder Gitarre – ein Korb mit Äpfeln, Mini-Brötchen o.ä. als kleine Stärkung – evtl. Materialien für kleine Spiel- oder Bastelaktionen, die unkompliziert möglich sind (z. B. Papier zum Falten von Minibüchern, Schiffen oder Papierfliegern und Bewegungsmaterial wie Bälle oder Tücher) – ein Sonnenschirm (nötigenfalls auch ein Regenschutz- oder Zeltdach) mit Bücherei-Aufdruck als gut sichtbares Erkennungszeichen – das trägt zur nötigen Aufmerksamkeit bei – mit Bücherei-T-Shirts können sich Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter als solche zu erkennen geben

Mit Plakaten, Pressemeldungen und Handzetteln wird vorab für die Aktion geworben. Da es bei dieser Aktion jedoch nicht vorrangig darum geht, dass die Familien gezielt auf das Angebot zugehen, sondern andersherum die Bibliothek mit dem Bücher-Picknick auf die Menschen zugeht, und zwar bewusst dort, wo sie ohnehin ihre Freizeit verbringen, kommt es vor allem auf eine einladende und offene Ausstrahlung vor Ort an. Dabei kann eine gewisse Regelmäßigkeit während der Sommermonate – z. B. an jedem ersten Samstag im Monat von 14.00 bis 16.00 Uhr – das Interesse an Büchern, Geschichten und der Bibliothek nachhaltiger wecken als eine einmalige Aktion. Wie, wann, wie oft und wo auch immer – Spontanität und Flexibilität auch im Umgang mit ungeplanten Situationen und überraschenden Momenten tragen zur Lebendigkeit des Bücher-Picknicks bei und vermitteln auch ohne große Worte und Programm die Botschaft: „Bücher und Geschichten machen Spaß – immer und überall“.

4.7.3 Hörclubs

„Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme.“ (Michael Ende, 1973)

Traditionell haben im Rahmen von Kooperationen zwischen Grundschulen und benachbarten Öffentlichen Bibliotheken Gruppenangebote zur Leseförderung wie z. B. Klassenführungen, Autorenlesungen, Literaturrallyes, Vorlesewettbewerbe oder Lesenächte ihren festen Platz. Weniger im Blick ist hingegen die Bedeutung der Zuhörförderung für das Sprechen und Lesen als gemeinsame und bewusst gestaltete Aufgabe. Erstaunlich ist das insofern, als dass Tonträger überall eine bedeutende Mediengruppe mit einer überdurchschnittlich hohen Ausleihquote im Bibliotheksbestand bilden. Unbestritten ist, dass Hören und Sprechen beim Lesen- und Schreibenlernen eine zentrale Rolle spielen. Auch die kombinierte Präsentation von Hör- und Schriftmedien gehört bereits zur gängigen Praxis in Bibliotheken. Dennoch setzt sich dort nur langsam die Bereitschaft durch, der Zuhörförderung gezielt mit entsprechenden Angeboten für Grundschulkinder einen größeren Platz einzuräumen. Tipps, Adressen und Hinweise rund um das Thema Zuhörförderung: www.stiftung-zuhoeren.de www.br-online.de/erzaehlen www.ganzohrsein.de www.schule-des-hoerens.de



Gruppenerlebnisse mit Geschichten und Medien 

Mit der Stiftung Zuhören das Hören neu entdecken Vor mehr als zehn Jahren entwickelte die Stiftung Zuhören das Konzept der sogenannten Hörclubs, um der Zuhörförderung in der medienpädagogischen Praxis mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und konkrete Hilfen für die Umsetzung anzubieten. Mit den von der Stiftung Zuhören angebotenen Hörclub-Paketen, die ausgewählte CDs für verschiedene Altersgruppen sowie methodisch-didaktische Materialien und Spielanregungen enthalten, können auch jene, die auf dem Gebiet der Zuhörförderung bisher nur wenige Erfahrungen gesammelt haben, den Anfang wagen. Die klare und verlässliche Struktur einer wöchentlich stattfindenden Hörclub-Stunde mit einer festen Gruppe von Clubkindern bietet gute Rahmenbedingungen, um gemeinsam in die spannende Welt des Hörens einzutauchen. Neben den vorgeschlagenen Materialien kann die Gruppe bald auch eigene Ideen entwickeln für immer wieder neue Hörwege durch die Medienwelt.

„Wer lesen will, sollte hören“ (Haug, 2006). Experten der Leseförderung haben den Zusammenhang von Lesen und Hören schon längst erkannt, und so finden sich in der Leseförderungsszene viele Projekte, die sich auch oder sogar in erster Linie darauf konzentrieren, die Welt des Hörens in den Mittelpunkt zu stellen. Weitere Informationen zum Thema „Hörfähigkeit als Vorläuferkompetenz des Lesens“ finden Sie im Beitrag „Wer lesen will, sollte hören“ von Katja Haug: http://www.lesen-in-deutschland. de/html/content.php?object=journal&lid=638.

Wie und warum engagieren sich Bibliotheken für das Hören? Für Bibliotheken bietet sich hierbei in besonderem Maße eine Kooperation mit der Grundschule an, vor allem dort, wo sich die Bibliothek in räumlicher Nachbarschaft zur Schule befindet und so Aufgaben im Rahmen von schulischen Betreuungs- und Ganztagsangeboten außerhalb der regulären Unterrichtszeit unterstützen, begleiten oder komplett übernehmen kann. Dabei sind Bibliotheken mit gut ausgebauten Beständen nicht unbedingt auf spezielle Medienpakete angewiesen, sondern sie können aus ihrem eigenen reichen Schatz an Hörmedien und Materialien schöpfen: Verschiedene Tonträger, Spielbücher mit medienpädagogischen Anregungen, Gedichtsammlungen und Geschichten als unerschöpfliche Quelle für immer wieder neue Ideen zur Gestaltung von HörclubStunden lassen die Ideen nicht ausgehen. Denn so vielfältig wie die Medienangebote der Bibliothek sind auch die Facetten der Zuhörförderung, die im Rahmen von Hörclub-Stunden mit wechselnden Schwerpunktsetzungen lebendig werden. Es kann und soll – gerade am Ende eines langen Unterrichtsvormittags – nicht darum gehen, ein möglichst langes und konzentriertes Hören von Tonträger-Darbietungen einzufordern. Was passiert beim Zuhören? Im Hörclub geht es darum, Hörerlebnisse so zu gestalten, dass Kinder… … interessante und wohltuende Erfahrungen für sich und miteinander daraus schöpfen, … sensibel werden für feine Klangnuancen, … Kompetenz im Beschreiben, Unterscheiden und Bewerten von Hörstücken entwickeln, … im Gespräch besser aufeinander hören, … Fantasie entfalten, … Wechselbeziehungen zwischen Hören, Schrift- und Bildsprache entdecken,

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 Kindergarten- und Grundschulalter

… Sachwissen gewinnen, … Körper und Sinne in einem Zusammenspiel erleben, … Freude empfinden, … Neugier spüren, … Bewegungsimpulse empfangen und umsetzen sowie … Vorlesen und Erzählen als besonderes Hörerlebnis wahrnehmen.

Vier große Handlungsfelder sind dabei für die Förderung des Hörens im Kontext der Leseförderung von besonderer Bedeutung: Sensibilisierung für Geräusche, Töne und Klänge Die Welt ist Klang – und das Zuhören ist eine besondere Form der Hinwendung zur Welt und zu allem, was darin klingt. Die Ohren können gewissermaßen „lesen“, was die Umwelt ihnen mitteilt. Jede Begegnung mit Sprache(n) und Geschichten geht einher mit der Fähigkeit, Klänge, Töne und Geräusche auch in feinen Nuancen voneinander zu unterscheiden. Alles, was die Neugier und Lust auf das genaue Hinhören wie auch den kreativen und bewussten Umgang mit verschiedenen Tönen und Klängen anregt, kann auch zu einem lebendigen Umgang mit Sprache beitragen. Sprache und Stimme Mit der Vielfalt und dem Klang von Sprache(n) zu spielen – auch im interkulturellen Kontext – fördert die Wahrnehmungsfähigkeit und Kreativität, erweitert die Sprachkompetenz und unterstützt das literarische Lernen. Sprechverhalten und Stimme stehen in Zusammenhang mit den äußeren und inneren Umständen, unter denen wir sprechen: Raumverhältnisse, der Umgebungslärm und die Beziehung zur Zuhörerschaft spielen dabei ebenso eine Rolle wie die persönliche Grundstimmung, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, die körperliche Konstitution sowie Bedingungen des Stimmapparates und des Gehörs. Stimme und Person sind eng miteinander verbunden. Wo sie im Einklang sind, wird auch die übermittelte Botschaft eher als überzeugend empfunden. Kommunikation Im Gespräch lernen Kinder, sich mit einer Sache und mit anderen auseinander zu setzen. Die Beziehungsfähigkeit wird dadurch gestärkt und die Gewaltbereitschaft abgebaut. Einsichten, die beim Zuhören gewonnen werden, wirken im Vergleich zu visuellen Eindrücken tiefer und klingen länger nach. Der Einzelne muss sich im Gespräch ganz auf sein Gegenüber einlassen und gelangt nur gemeinsam mit ihm zu einem Konsens. Zuhörgeschulte Kinder lernen leichter, menschliche Grundtöne und damit Gemeinsamkeiten zu erkennen. Sie hören aber auch aus Gesprächen Zwischentöne heraus, die häufig überhörte soziale Informationen enthalten. Oberflächliche, oftmals stereotype Wahrnehmungsmuster können so aufgebrochen werden. Gerade in jungen Jahren ist das Ohr der von Kindern bevorzugte Kanal, um Neues wahr- und aufzunehmen. Vorlesen und Erzählen Erzählen ist weit mehr als eine Vorbereitung auf die Schriftlichkeit. Über die Kenntnis von mündlichen Gestaltungsmitteln wie Wortwitz oder das Erzeugen von Bildern mit Worten und Nuancen des Stimmklangs wird nicht nur die Erzähl- und damit Sprachkompetenz, sondern auch die Zuhörkompetenz der Kinder erweitert. Fantasie und Kreativität der Kinder erfahren dabei eine intensive Anregung. Dazu muss es im Kindergarten, in der Bibliothek, in der Schule oder zu Hause regelmäßig Erzählzeiten geben, in denen sich eine sensible Interaktion zwischen Erzähler und Zuhörer entwickelt.



Gruppenerlebnisse mit Geschichten und Medien 

Das Beispiel: einen Hörclub gründen – wie und warum? Um der Zuhörförderung eine gewisse Regelmäßigkeit im Bibliotheksalltag zu geben, empfiehlt sich das Angebot regelmäßiger Zuhörzeiten, etwa in Form eines Hörclubs. Das durch die 2002 gegründete Stiftung Zuhören zunächst für den Grundschulbereich entwickelte Hörclub-Modell bietet auch für Bibliotheken und für Bildungskooperationen (etwa im Ganztagsschulangebot) wertvolle Anregungen zur Umsetzung. Folgende Voraussetzungen und Tipps zum Ablauf einer Hörclub-Stunde sind dabei zu bedenken: –– Für die einmal in der Woche stattfindenden Treffen wird ein zuhörfreundlicher Raum benötigt, der ein von Nebengeräuschen weitgehend ungestörtes Zuhören erlaubt und zugleich genügend Platz lässt für Bewegung. –– Ein reiches Hörspiel-Repertoire finden Bibliotheken in der Regel in ihrem eigenen CD-Bestand. Bei der Auswahl helfen Empfehlungslisten, die zum Beispiel für den Deutschen Kinderhörbuchpreis BEO (www.kinderhoerbuchpreis.de) oder für den Medienpreis LEOPOLD (www.musikschulen.de/projekte/leopold) erstellt werden. –– Benötigt wird außerdem ein CD-Spieler und – falls auch eigene Hörstücke aufgenommen werden sollen – ein digitales Aufnahmegerät. –– Als Geräuschmaterialien sind viele Alltagsgegenstände nutzbar. Sie laden zum Experimentieren ein: Kartons und Papier, Gefäße und auch die Bücher einer Bibliothek bieten vielfältige Möglichkeiten, zum Klingen gebracht zu werden. –– Beim Ankommen und Einstimmen zu Beginn hilft ein Ritual, z. B. eine Ohrenmassage oder das Kennenlernen eines unbekannten Geräuschs. Dem schließt sich ein Zuhörangebot (Hörspiel, Musik, Lied, Poesie usw. von CD) mit einer Dauer von etwa 15 Minuten an. –– Die Eindrücke und Bilder, die beim Zuhören entstehen, können anschließend durch Gespräche, bildnerisches Gestalten, Rollenspiele oder eigene kleine akustische Produktionen der Kinder reflektiert und kreativ umgesetzt werden. –– Weitere kreative Aufgaben mit Klangexperimenten, Geräuschen und Stimmen runden das Programm einer Hörclub-Stunde ab. Fortgeschrittene Hörclubs produzieren sogar eigene Hörspiele. –– Nicht zu vergessen: Die aktuelle Stimmung und Konzentrationsfähigkeit der Kinder ist bei der Stundengestaltung mit zu berücksichtigen. Gerade nach einem langen Unterrichtsvormittag ist der Schwerpunkt möglicherweise eher auf das Bewegen beim Hören zu legen. Niemals sollte ein Zuhören so eingefordert werden, dass die Kinder sich dazu gezwungen fühlen. Ein gewisses Repertoire an Spiel-, Hör- und Bewegungsangeboten, aus dem auch spontan je nach Situation und Wünschen der Kinder geschöpft werden kann, ist daher von großem Vorteil. Links und Literatur mit praktischen Anregungen für Hörclub-Stunden in Bibliotheken: Audio-Blog für Kinder mit zahlreichen kreativen Ideen und praktischen Tipps zur auditiven Wahrnehmung und Gestaltung mit Medien. URL: http://www.murle-murmelt.de Eine einzigartige Sammlung mit kurzen Geschichten zur kreativen Verklanglichung mit Alltagsmaterialien, Musikinstrumenten, Handy & Co. wurde von der Worpsweder Musikwerkstatt für die Arbeit (nicht nur) mit Kindern herausgegeben: Jehn, Margarete / Jehn, Wolfgang: KlangKiste. Mit Handy, Schlagwerk, Klingelton. Eine Materialsammlung mit Spielszenen, Spielfeldern und Geschichten. – Worpswede: Worpsweder Musikwerkstatt, 2014. (Dazu erhältlich: Begleit-CD „Blechbuckels Weltreise“.) Weitere Infos: www.worpsweder-musikwerkstatt-onlineshop.de Theorie und Praxis der Zuhörförderung in Bibliotheken sind hier zusammengefasst: Brandt, Susanne: Lauschen und Lesen. Hörerlebnisse in der Sprach- und Leseförderung von Kinderbibliotheken. – Berlin: Simon Verlag für Bibliothekswissen, 2009. – 116 S. ISBN 978-3-940862-06-8

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Zielgruppe: Grundschulkinder Dauer: wöchentlich etwa 45 bis 60 Minuten

5  Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche 5.1 Zum Lesen anregen

Auch in den Nutzerzahlen von Bibliotheken zeichnet sich der Leseknick direkt ab. So ergab die Studie „Das Image von Bibliotheken bei Jugendlichen“, in der 1.440 Jugendliche im Alter von zwölf bis 19 Jahren befragt wurden, dass fast zwei Drittel aller jugendlichen Nichtnutzer als Kind eine Bibliothek aufsuchten (Keller-Loibl, Image von Bibliotheken, 2012, S. 8).

Untersuchungen verweisen darauf, dass der Übergang von der Kindheit zur Pubertät mit einem Rückgang des Lesens verknüpft ist. So belegt zum Beispiel die Befragung von knapp 4.500 Schülern der ersten bis zehnten Klasse im Rahmen des Modellprojektes „Öffentliche Bibliothek und Schule“ der Bertelsmann-Stiftung eine kontinuierliche Abnahme der Leseintensität in den höheren Altersgruppen. „Während in den Klassenstufen 1 und 2 etwa 80 Prozent der Kinder im Leseindex ‘hoch’ oder ‘sehr hoch’ liegen, sind es in den Stufen 3 bis 6 etwa 55 Prozent und in den Stufen 7 bis 10 nur noch 30 Prozent“ (Hamgarth, 1997, S. 12). Der Leseindex umfasst sowohl Faktoren der Leseneigung als auch der Lesehäufigkeit. Besonders betrifft der Leserückgang die Jungen: „Ab der siebten Klasse gehört fast jeder fünfte Junge, jedoch nur jedes 20. Mädchen in die Leseindexkategorie ‚sehr niedrig‘. Es findet also fast eine Verdreifachung im Rückgang der Leseintensität in dieser Zeit […] statt“ (Garbe, 2005, S. 18). Dieser sich im Alter von etwa zwölf bis 14 Jahren abzeichnende „Leseknick“ ist eng mit dem Verlust der Lesefreude und des Interesses am Lesen verknüpft. Während sich im Grundschulalter die meisten Kinder als begeisterte Leser erweisen, gehört das Lesen bei älteren Kindern und Jugendlichen, insbesondere bei Jungen, nur noch selten zu den beliebten Freizeitbeschäftigungen. Für Kinder und Jugendliche ab elf/zwölf Jahren ist es deshalb besonders wichtig, dass sie vielfältige Leseanlässe und Leseanregungen erhalten. Lesemotivationen sollen geweckt, unterstützt und aufrechterhalten werden, um motivationale Orientierungen und Gewohnheiten auszubilden. Wer gern liest, liest viel und verbessert so seine Lesekompetenz. Wichtig ist, dass Heranwachsende ihre Lesestoffe frei wählen können und vielfältige Anregungen dafür erhalten, was sie lesen können und was sie anspricht. Ein freier Zugang zu Lesestoffen in der Bibliothek ist deshalb von besonderer Bedeutung. Neben einer Vielfalt an Textsorten (Romane, Sachbücher, Comics usw.) sollten auch Texte in →„Einfacher Sprache“ für Leseungeübte angeboten werden. Wer Schwierigkeiten beim Lesen hat, liest nicht gern.

5.1.1 Buch-Casting

Zielgruppe: fünfte bis achte Klasse Dauer: 45 Minuten

Das Ziel Das Buch-Casting verfolgt das Ziel, Kinder und Jugendliche auf Bücher neugierig zu machen und sie zum Lesen anzuregen. Die Teilnehmer sollen durch die Veranstaltung motiviert werden, in den vorgestellten Büchern zu blättern und diese sowie weitere Titel aus dem Jugendbuchbestand auszuleihen und zu lesen.

Die Methode Das Buch-Casting ist eine Methode der Leseanimation. Wie in einer Casting-Show werden die Bücher als „Kandidaten“ von Kindern und Jugendlichen nach verschiedenen Kriterien bewertet. Am Ende wird ein Siegerbuch ermittelt. Die Methode wurde von der AG Jugend-Führung der Stadtbibliothek Bremen entwickelt (Freihold, 2008). Die beteiligten Kinder und Jugendlichen werden als Jurymitglieder aktiv in die Veranstaltung einbezogen, ohne dass eine langfristige und aufwändige Vorbereitung notwendig ist. Das Buch-Casting kann von einem Mitarbeiter der Bibliothek durch-



Zum Lesen anregen 

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geführt werden und eignet sich daher auch für kleine Bibliotheken. Zudem muss ein Buch-Casting nicht in der Bibliothek stattfinden, sondern es kann von der Bibliothek auch in Schulen oder Jugendclubs veranstaltet werden.

Die Inhalte Aus dem Bibliotheksbestand werden jeweils fünf aktuelle Buchtitel zu verschiedenen Themen ausgewählt, zum Beispiel „Fantasy“, „Historisches“ oder „Thriller“, sowie Bücher mit geschlechtsspezifischen Themen und Inhalten, die sowohl für Mädchen (weibliche Hauptfiguren, Freundschaft, erste Liebe, Probleme) als auch für Jungen (männliche Hauptfiguren, Liebe, Abenteuer, Komik) geeignet sind. Die ausgewählten Bücher werden von den Jugendlichen nach folgenden Kriterien bewertet: Titel, Cover, Klappentext und Textauszug. Es ist nicht notwendig, dass die Bücher im Vorfeld gelesen werden. Es reicht aus, sich bei der Auswahl in einschlägigen Rezensionsforen zu informieren. Neben ausgezeichneten oder empfohlenen Titeln wie zum Beispiel die nominierten Bücher des Deutschen Jugendliteraturpreises sollten auch unterhaltsames „Lesefutter“, Texte in „Einfacher Sprache“ und mehrsprachige Bücher dabei sein. Wichtig ist, dass bei der Auswahl der Bücher die Schulart und das Alter der Schüler beachtet werden.

Vorbereitung Die Vorbereitung ist nicht sehr aufwändig. Es wird ein größerer Tisch benötigt und einige Buchstützen. In ein vorbereitetes Casting-Formular werden die Bücher eingetragen, die bewertet werden sollen. Statt eines Formulars können auch ein Flipchart oder eine Tafel genutzt werden. Aus den vorzustellenden Büchern kann eine geeignete Lesestelle ausgewählt und markiert werden (max. ¼ bis ½ Seite). Möglich ist auch, eine beliebige Seite aufzuschlagen und einen Absatz auf dieser Seite vorzulesen. Die Schüler können bei dieser Variante aktiv beteiligt werden, indem sie durch ein „Stopp“ selbst per Zufall bestimmen dürfen, welche Seite vorgelesen wird.

Durchführung Nach der Begrüßung der Teilnehmer werden kurz die Spielregeln erläutert. Zwei Schüler werden als Assistenten gewonnen. Sie haben die Aufgabe, jeweils die Abstimmung auszuzählen, das Ergebnis zu verkünden und zu notieren. Sie können ggf. auch in die Präsentation einbezogen werden, zum Beispiel indem sie einen Klappentext vorlesen. Je nach der zur Verfügung stehenden Zeit können mehrere Themen bzw. Genres vorgestellt werden. In 45 Minuten lassen sich ca. drei bis vier davon gut schaffen. Sie beginnen zum Bespiel mit dem Thema „Fantasy“, zu dem fünf Titel vorgestellt werden. Danach folgt das Thema „Thriller“ und dann zum Beispiel das Thema „Love & Co.“ mit wieder jeweils fünf Büchern. Zu jedem Titel aus den einzelnen Themenkreisen werden verschiedene Wertungskriterien abgefragt: –– Wir lesen den Buchtitel (und den Namen des Autors). Spricht mich der Buchtitel an? –– Wir betrachten das Cover und „machen uns ein Bild“ vom Buch. –– Wir lesen den Klappentext, um uns über den Inhalt zu informieren. –– Wir lesen eine Textstelle vor, um einen Eindruck vom Schreibstil zu erhalten (Freihold, 2008).

Wenn die zur Verfügung stehende Zeit knapp bemessen ist, können Sie nur ein oder zwei Themen für das Buch-Casting wählen. Oder Sie stellen Bücher vor, ohne sie einem Thema oder einem Genre zuzuordnen. Varianten sind erlaubt!

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

Nach jeder Runde scheidet ein Buch aus. Jeder Jugendliche hat pro Runde eine Stimme. Pro Thema bzw. Genre gibt es somit einen Siegertitel, der zum Abschluss der Veranstaltung noch einmal gezeigt und besonders gewürdigt wird. Die Teilnehmer können nun in allen Büchern blättern und diese ggf. auch ausleihen. Schematischer Ablauf „Fantasy“ Buchtitel lesen Cover betrachten Klappentext vorlesen Leseprobe

→ → → →

Abstimmung → Abstimmung → Abstimmung → Abstimmung →

ein Buch raus, noch 4 ein Buch raus, noch 3 ein Buch raus, noch 2 ein Buch raus = Siegertitel

„Thriller“ Buchtitel lesen Cover betrachten Klappentext vorlesen Leseprobe

→ → → →

Abstimmung → Abstimmung → Abstimmung → Abstimmung →

ein Buch raus, noch 4 ein Buch raus, noch 3 ein Buch raus, noch 2 ein Buch raus = Siegertitel

„Love & Co.“ Buchtitel lesen Cover betrachten Klappentext vorlesen Leseprobe

→ → → →

Abstimmung → Abstimmung → Abstimmung → Abstimmung →

ein Buch raus, noch 4 ein Buch raus, noch 3 ein Buch raus, noch 2 ein Buch raus = Siegertitel

Beispiel für eine Wertungstabelle beim Buch-Casting „Fantasy“

Titel

Cover

Klappentext

Leseprobe

The Winner Is…

Titel

Cover

Klappentext

Leseprobe

The Winner Is…

Titel

Cover

Klappentext

Leseprobe

The Winner Is…

Titel 1 Titel 2 Titel 3 Titel 4 Titel 5 „Thriller“ Titel 1 Titel 2 Titel 3 Titel 4 Titel 5 „Love & Co.“ Titel 1 Titel 2 Titel 3 Titel 4 Titel 5



Zum Lesen anregen 

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Weitere Umsetzungsmöglichkeiten Verschiedene Variationen dieser Methode im Hinblick auf die Zeit, die Einsatzmöglichkeiten und die Akteure sind möglich. –– Die Jugendlichen werden nicht nur als Jurymitglieder und Assistenten aktiv einbezogen, sondern auch in die Vorstellung der Bücher, indem zum Beispiel jeweils zwei Schüler die Vorstellung der Bücher eines Themas bzw. Genres übernehmen. Dafür bedarf es jedoch einer kurzen Einführung und Vorbereitungsphase. –– Möglich ist auch, dass auf der Basis der Freiwilligkeit die Teilnehmer aktiv in die Buchpräsentation einbezogen werden, zum Beispiel beim Vorlesen der Klappentexte oder der Leseproben. –– Über die Siegerbücher können Buchtipps verfasst werden, die auf der Homepage oder auf dem Blog der Bibliothek publiziert werden. –– Statt eines Buch-Castings kann auch ein Medien-Casting durchgeführt werden, um auf die Medienvielfalt in der Bibliothek aufmerksam zu machen. Bei Hörmedien kann eine Hörprobe vorgestellt werden, bei Filmen ein geeigneter Filmausschnitt oder Trailer. –– Die Methode Buch-Casting kann auch als Einstieg in ein Leseförderungsprogramm verwendet werden. Nachdem ein Siegerbuch ermittelt wurde, beschäftigen sich die Jugendlichen intensiver mit den Inhalten an verschiedenen Stationen (z. B. Hörbuch-Auszug, Textprobe lesen, Filmausschnitt sehen, kreative Gestaltung usw.).

5.1.2 Book Slam® Das Ziel Jugendliche sollen mit dieser Methode für Bücher interessiert und zum Lesen angeregt werden, indem ihre Neugier geweckt wird. Ziel ist es, die Motivation für das Lesen durch interessante Lektürevorschläge zu stärken und zu stabilisieren.

Die Methode Book Slam® (engl. to slam = zuschlagen, zuknallen) ist eine moderne und jugendgemäße Form der Buchvorstellung. Aktuelle Jugendbücher werden unter Einsatz verschiedener Präsentationsmethoden und Formen der Visualisierung in einem Zeitrahmen von maximal drei Minuten pro Buch präsentiert. Die Zuschauer bewerten die Buchpräsentationen anhand eines Punktesystems und küren das Siegerbuch. Ein großer Vorteil dieser Methode ist die aktive Mitwirkung der Jugendlichen als Jury, ohne dass vorherige Absprachen oder andere langwierige Vorbereitungen erforderlich sind. Da Jugendliche aus Casting-Shows die Bewertung durch Jurys kennen, werden die Regeln schnell verstanden. Auch die Schnelligkeit der Methode, die Vorstellung von Büchern „Schlag auf Schlag“, ist besonders für Jugendliche geeignet. Es kommt keine Langeweile auf, im Gegenteil: Oft sind Jugendliche von dieser Art der Buchpräsentation sehr positiv überrascht, und selbst notorische Nichtleser nehmen am Ende der Veranstaltung das eine oder andere Buch in die Hand. Dann weiß man, dass sich der Aufwand gelohnt hat! Die Methode Book Slam® wurde an der Akademie Remscheid von der dortigen Dozentin für Literatur, Dr. Stephanie Jentgens, entwickelt (www.bookslam.de). Als Vorbild für die Methodenentwicklung diente der →Poetry Slam, ein Autorenwettbewerb, bei dem Amateur-Schriftsteller ihre Beiträge in wenigen Minuten auf kreative Art und Weise vorstellen und vom Publikum bewertet werden.

Zielgruppe: siebte bis zwölfte Klasse Dauer: 45 Minuten (bei Bedarf auch 90 Minuten)

Die Akademie Remscheid hat den Begriff Book Slam® als eingetragene Marke schützen lassen. Jeder, der die Methode anwendet, muss den Begriff mit dem „®“ kennzeichnen. Bei einer kommerziellen Nutzung müssen die Nutzungsrechte mit der Akademie Remscheid geklärt werden. URL: http://www.akademieremscheid.de

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

„Book Slam® ist eine schnelle Aktionsform, sie setzt auf Geschwindigkeit, Spannung und Effekt. Sie wurde entwickelt als ein Mittel zur Leseförderung für Jugendliche, eignet sich aber auch für Gruppen mit Erwachsenen und Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren“ (Jentgens, Bookslam).

Die Inhalte Bei der Buchauswahl sollten aktuelle Jugendbücher berücksichtigt werden, da die Methode zum Lesen anregen will. Bekannte Bücher müssen nicht noch einmal vorgestellt werden. Die Bücherauswahl sollte dem jeweiligen Alter entsprechen: Für eine elfte Klasse muss man also andere Bücher auswählen als beispielsweise für eine siebte Klasse. Eine gute Mischung aus Belletristik und Sachbüchern ist ebenfalls zu empfehlen. Ebenso sollte darauf geachtet werden, dass die Auswahl für Mädchen und Jungen gleichermaßen interessant ist und auch mehrsprachige Bücher Berücksichtigung finden. Buchinhalte oder Auszüge eines Buches werden beim Book Slam® auf kreative Weise umgesetzt. Dies kann das Vorlesen einer spannenden Stelle sein, gepaart mit einem YouTube-Video zum Buch, oder es werden Mittel der szenischen Gestaltung genutzt. Die Präsentation kann sich auch biografischer Notizen, Fotos, knapper Inhaltsangaben oder thematisch passender Musik bedienen sowie Hörbuch- und Filmausschnitte nutzen, um die jeweiligen Besonderheiten der Buchtitel hervorzuheben. Da für jedes Buch nur wenig Zeit zur Verfügung steht, kann weder die ganze Geschichte erzählt noch das gesamte Sachwissen eines Sachbuches referiert werden. Stattdessen sollte man sich fragen, was Jugendliche an diesem Buch interessant finden würden, was sie ansprechen oder emotional berühren könnte. Was „macht“ das Buch lesenswert und interessant? Gibt es ein Geheimnis oder eine Pointe? Welcher Textauszug bietet sich an? Hat man die Grundidee gefunden, sind verschiedene Präsentationsformen möglich: –– eine ausgewählte Textstelle vorlesen, auch mit musikalischer Untermalung, –– einen Dialog, ein Interview oder einen Rap zum bzw. über den Inhalt des Buches erarbeiten, –– ein Quiz durchführen (z. B. bei Sachbüchern in Form von „Wer wird Millionär?“), –– freies Erzählen oder szenisches Darstellen (Rollenspiel) zum Thema des Buches, –– Einsatz von Musik und Tanz, –– Filmausschnitte (bei Verfilmungen) oder Werbetrailer (auf YouTube) zeigen, –– Hörbuchausschnitte zur Veranschaulichung einbinden, –– Bildergeschichten mit Hilfe von PowerPoint-Präsentationen vorführen, –– Fotos oder gemalte Plakate zum Einsatz bringen, –– Schattenspiel oder Pantomime zur Darstellung nutzen.

„Versuchen Sie, authentisch zu bleiben, machen Sie also nur, was zu Ihnen passt. Wenn Sie ernsthaft agieren, werden Sie auch von den Jugendlichen ernst genommen.“ (Scheuer, 2012, S. 50)

Vorbereitung Die Durchführung eines Book Slams® muss gut vorbereitet sein. Die Veranstaltung kann in der Bibliothek oder in der Schule stattfinden. Der Raum muss so gestaltet sein, dass alle gut das Geschehen verfolgen können. Falls vorhanden, kann auch eine kleine Bühne oder eine Veranstaltungsinsel mit Treppen o.ä. genutzt werden. Es wird eine Grundausstattung benötigt, zu der ein Flipchart oder eine Tafel, ein Gong, eine Trillerpfeife oder Hupe, eine Stoppuhr und mehrere Sätze an Wertungskarten für die Teams gehören. Je nach geplanter Präsentation werden Abspielgeräte, Requisiten, Notebook und Beamer oder sonstige Materialien benötigt.



Zum Lesen anregen 

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Erforderlich ist, dass zwei Mitarbeiter der Bibliothek den Book Slam® inhaltlich und organisatorisch vorbereiten und durchführen. Oft sind Dialoge zu gestalten, und der Einsatz verschiedener Medien bedarf nicht nur zweier, sondern vierer Hände, damit alles zügig vorangeht. Zu zweit macht die Entwicklung der Präsentationen zudem auch mehr Spaß, denn: Ideen entstehen oft im gegenseitigen Austausch.

Durchführung Die Teilnehmer werden über die Methode des Book Slams® informiert, indem knapp und leicht verständlich die Regeln erläutert werden. Danach werden Gruppen von zwei bis fünf Jugendlichen gebildet. Jede Gruppe erhält einen Satz Wertungskarten. Zwei Schüler werden beauftragt, mit Hilfe einer Stoppuhr und einer Trillerpfeife die Zeit zu überwachen. Beiträge, die länger als die festgelegte Zeitspanne dauern, müssen abgebrochen werden. Erfahrungsgemäß ist die Freude groß, wenn tatsächlich einmal ein Beitrag länger dauert als geplant. Also: keine Angst vor der Trillerpfeife! Viel wichtiger ist es zu vermitteln, dass die Regeln von allen Beteiligten (also auch den Bibliotheksmitarbeitern) eingehalten werden. Nun kann die Präsentation des ersten Buches beginnen. „Das Publikum belohnt die Darsteller mit einem Applaus, das gehört zur Regel der gegenseitigen Achtung. Die Akteure stellen das soeben gezeigte Buch gut sichtbar auf einem Tisch aus, so dass es für das Publikum die gesamte Zeit über präsent ist“ (Scheuer, 2012, S. 48). Die Jugendlichen beraten sich dann in ihren Gruppen über die Wertung des Buches und entscheiden sich für eine Punktzahl. Die Entscheidungen sollen möglichst schnell getroffen werden. Falls es vorkommt, dass in einer Gruppe keine Einigung erzielt wird, kann man eine Abstimmung empfehlen. Wichtig ist, dass vorher erläutert wurde, dass nicht die Präsentation bewertet werden soll, sondern die Wirkung des Buches auf die Zuschauer, auch wenn sich beides nicht immer genau voneinander trennen lässt. Während der Gruppendiskussionen können die Darsteller bereits die nächste Präsentation vorbereiten. Nach Aufforderung halten alle Wertungsteams ihre Wertungskarten nach oben. Zur Wertung werden ein bis zehn Punkte pro Beitrag vergeben, wobei eins dem schlechtesten und zehn dem besten Wert entspricht. Auf einem Flipchart oder einer Tafel werden die Wertungspunkte der einzelnen Teams für das erste Buch notiert. Danach erfolgt ein Gong oder ein anderes deutlich zu hörendes Signal und die nächste Präsentation kann beginnen. Nach der Vorstellung von ca. sechs bis zehn Büchern (je nach vorhandener Zeit) werden am Ende die Punkte zu jedem Buch möglichst schnell zusammengezählt und das Siegerbuch wird ermittelt. Ein „Assistent“ aus den Reihen der Jugendlichen kann Sie dabei unterstützen. Am Ende der Veranstaltung haben die Teilnehmer die Möglichkeit, in die vorgestellten Bücher hineinzuschauen. Beispiel für eine Wertungstabelle eines Book Slams® Titel

Team A

Team B

Team C

Team D

Team E

Gesamt

Live fast…

9

7

8

9

7

40

Die Scanner

5

6

8

6

9

34

100 Dinge…

7

8

4

4

9

32

Der Bus von Rosa Parks

6

7

8

9

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Der Umbau für die nächste Szene muss schnell gehen. Alle Requisiten oder benötigten Materialien sollten deshalb schon gut sortiert bereit liegen.

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Weitere Umsetzungsmöglichkeiten Verschiedene Variationen dieser Methode im Hinblick auf die Zeit, die Einsatzmöglichkeiten und die Akteure sind möglich. –– Die Zeit für die Vorstellung der einzelnen Bücher kann auch auf bis zu fünf Minuten erhöht werden, um intensiver auf die Inhalte eingehen zu können. So mancher Jugendroman lässt sich schwer in nur drei Minuten vorstellen, gerade wenn zum Beispiel auch noch ein Filmausschnitt gezeigt werden soll. –– Diese ungewöhnliche Buchpräsentation kann auch im Rahmen anderer Konzepte zum Einsatz kommen. Zum Beispiel können einzelne Bücher während einer Klassenführung auf diese Weise vorgestellt werden. In diesem Falle kann die Wertung entfallen. –– Statt der Vorstellung der Bücher durch das Bibliothekspersonal können Jugendliche animiert werden, in einem Workshop eigene kreative Beiträge für einen Book Slam® zu entwickeln und vor ihren Mitschülern zu präsentieren. Die Jugendlichen werden in Form eines Workshops in die Methode eingeführt und entwickeln erste Ideen. Die Erarbeitung der Beiträge kann idealerweise im Deutschunterricht erfolgen. In einer Folgeveranstaltung findet in der Bibliothek der Book Slam® statt, ggf. auch als öffentliche Aufführung. –– Gelungene Buchpräsentationen können mitgeschnitten und über einen Flachbildschirm oder eine Videowand in der Bibliothek gezeigt werden, wenn die „vorführenden“ Bibliothekare damit einverstanden sind. Bei Schülern muss für einen Mitschnitt eine Einverständniserklärung vorliegen. Die Buchpräsentationen können entweder gezielt vor Publikum oder als Dauerpräsentation im Hintergrund während der Öffnungszeiten der Bibliothek gezeigt werden. Denkbar ist auch, dass zu festgelegten Zeiten, zum Beispiel jeden Freitag zwischen 17.00 und 18.00 Uhr, ein virtueller Book Slams® stattfindet. –– Statt eines Book Slams® kann auch ein Medien Slam entwickelt werden, um auf die Medienvielfalt in der Bibliothek aufmerksam zu machen. Jugendliche, die keine Bibliotheken nutzen, kennen oft nicht das vielfältige multimediale Bibliotheksangebot.

Das Beispiel Im Folgenden werden zwei Präsentationsmöglichkeiten von Büchern im Rahmen eines Book Slams® vorgestellt. Sie zeigen, dass es nicht so schwer ist, auch als Anfänger einen Zugang zu dieser Methode zu finden und Ideen für die Präsentationen zu entwickeln. Buchkandidat Nr. 1 Michalke, Marie / Weiß, Katharina: 100 Dinge, die man tun sollte, bevor man 18 wird. – 3. Aufl. – Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2012. – 182 S. ISBN 978-3-89602-594-4

Zum Inhalt: Die beiden jungen Autorinnen berichten auf humorvolle Weise über Erfahrungen und Abenteuer, die man bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gemacht haben sollte. Dabei werden sowohl spaßige Themen wie „Der Held einer Foto-Lovestory sein“ als auch ernste Themen wie „Ehrenamtlich arbeiten“ angesprochen. Dieses humorvolle Sachbuch wird Jugendliche ab 14 Jahren interessieren. Präsentationsform: Rollenspiel mit einem selbst verfassten Dialog (Idee: A. Göbel & N. Obermeier, Seminar Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit unter der Leitung von Prof. Dr. K. Keller-Loibl, HTWK Leipzig)



Zum Lesen anregen 

Material: zwei Stühle, eine Trennwand, Umhang für den Beichtvater, ggf. Kirchenmusik als Einstieg in die Präsentation Durchführung: Mitarbeiter 1 (Beichtvater) sitzt im Umhang auf einem Stuhl. Im Hintergrund läuft leise die Kirchenmusik. Mitarbeiter 2 (Jugendliche) kommt herein und lässt sich auf den anderen Stuhl fallen. Es folgt ein Dialog (hier leicht gekürzt): Jugendliche:

Grüß Gott!

Beichtvater:

Wie kann ich Dir helfen, mein Kind?

Jugendliche: Meine Mutter hat mich geschickt. Ich werde morgen 18 und soll vorher meine „Jugendsünden“ beichten. Beichtvater:

Dann sprich.

Jugendliche: Also ich finde das ja alles gar nicht so schlimm. Alles ganz easy, völlig normal. Beichtvater:

Ich höre.

Jugendliche:

Also… es fing gestern Nachmittag an. Ich war bei einem Casting und bin sogar in den Recall gekommen. Ich habe mich so gefreut, dass ich mich mit meiner besten Freundin gleich aufgestylt habe, und dann waren wir im coolsten Club der Stadt feiern.

Beichtvater holt tief Luft und fasst sich ans Herz. Jugendliche: Wir wollten gar nicht so viel trinken, aber Sie kennen das ja. Beichtvater schüttelt den Kopf und schnieft laut. Jugendliche: Also jedenfalls sind wir total abgestürzt und dann war da dieser Typ mit seinem Kumpel. Wir haben die blödesten Flirtsprüche an den beiden ausprobiert… Jedenfalls haben wir dann ziemlich viel rumgeknutscht. Beichtvater rutscht nervös auf seinem Stuhl hin und her und schnauft. Jugendliche: Und weil die Nacht noch jung war, hatten wir eine super Idee: wir sind ins Freibad eingebrochen und waren nackt baden! Beichtvater schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und bekreuzigt sich. Jugendliche: Und dann… (hier können weitere „Sünden“ aus dem Buch erzählt werden). Beichtvater:

Kind! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Die Jugend heutzutage! Wie kommst Du denn auf solche Ideen?

Jugendliche:

Na, ich hab mir das Buch „100 Dinge, die man tun sollte, bevor man 18 wird“ gekauft und gelesen. Und ich probiere auch noch andere Ratschläge aus. Also im Moment schwänze ich die Schule…

Beichtvater steht auf und sagt: Kind! Dir ist nicht zu helfen! Jugendliche:

Und was sage ich jetzt meiner Mutter?

Beichtvater:

Hast Du das sündige Buch dabei?

Jugendliche: Ja… Beichtvater:

Dann gib es mir und geh. Deine Sünden seien Dir verziehen.

Jugendliche überreicht das Buch und geht. Beichtvater blättert interessiert mit vielen „Ohʼs“ und „Ahʼs“ und Bemerkungen wie „sehr interessant“ im Buch.

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Buchkandidat Nr. 2 Silei, Fabrizio: Der Bus von Rosa Parks. – Berlin: Jacoby & Stuart, 2011. – 40 S. ISBN 978-3-941787-40-7

Zum Inhalt: Rosa Parks wurde berühmt, weil sie sich im Jahr 1955 weigerte, ihren Sitzplatz im Bus für einen Weißen freizumachen. Dieses wichtige Ereignis aus der Zeit der Rassentrennung in den USA erzählt ein Großvater als Augenzeuge seinem Enkel. Die Atmosphäre jener Zeit der Diskriminierung wird durch den Text und die künstlerischen Illustrationen meisterhaft erzählt. Das Buch wurde 2012 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Präsentationsform: Vorlesen von Textstellen, begleitet von einer Fotopräsentation. Der Trailer zum Buch wird auf YouTube gezeigt (Idee: K. Kilian, Leipziger Städtische Bibliotheken). Statt des Buchtrailers können auch die Illustrationen aus dem Buch gezeigt werden. Material: Kopien der Texte, Fotopräsentation mit Hilfe einer PowerPoint-Präsentation (Fotos aus der Zeit der Rassentrennung und Diskriminierung, ein Foto von Rosa Parks), Trailer zum Buch (auf YouTube) oder Illustrationen aus dem Buch. Durchführung: Person 1 liest folgenden Text vor. Im Hintergrund läuft die Fotopräsentation. Das letzte Foto, auf dem Rosa Parks zu sehen ist, bleibt im Hintergrund eingeblendet. Angst schnürt unser Herz zu und knebelt unsere Gedanken. Sie versiegelt unsere Worte und bringt uns zum Schweigen. Angst hält uns davon ab, den Opfern von Ungerechtigkeit zu helfen und denen beizustehen, die gegen diese Ungerechtigkeit kämpfen (Anmerkung von Amnesty International in: Fabrizio Silei, Der Bus von Rosa Parks, Jacoby & Stuart, 2011). Person 2 liest folgende Textstelle aus dem Buch vor (hier gekürzt): Es war der 1. Dezember 1955, und wie jeden Abend nahm ich den Bus, und zwar genau den, in dem du jetzt sitzt, um nach Hause zu fahren. Die vorderen Sitzplätze waren für die Weißen reserviert, auf die anderen konnten auch wir uns setzen, vorausgesetzt, dass kein Weißer stehen musste. An diesem Abend war es kalt, und ich war müde. Als ich einstieg, waren zum Glück noch Plätze frei, und so konnte ich mich hinsetzen. Ein paar Haltestellen weiter stieg auch sie ein: Rosa. Sie war zweiundvierzig Jahre alt, trug eine Brille und strahlte Würde aus. Sie war eine der vielen Farbigen, die jetzt von der Arbeit heimkehrten; sie arbeitete als Schneiderin in einem Kaufhaus. Sie setzte sich neben mich. Ein paar andere Schwarze mussten stehen, aber die Weißen hatten alle einen Sitzplatz. An der nächsten Haltestelle stiegen vier Personen ein, deren Haut weiß wie Mehl war. Sofort schrie uns der Busfahrer an, wir sollten aufstehen und unsere Plätze für die Weißen freimachen. Ich gehorchte, und so wie ich gehorchten auch zwei andere schwarze Frauen. Jetzt fehlte noch ein Sitzplatz, aber Rosa rührte sich nicht. Der Busfahrer bemerkte das und brüllte noch einmal nach hinten: „Alle Neger müssen aufstehen und ihre Plätze für die Weißen freimachen. Du da, steh auf, und gib dem Herrn deinen Platz!“ In diesem Augenblick geschah etwas Unglaubliches, etwas vollkommen Außergewöhnliches, das alles verändern sollte. Von diesem Tag an war nichts mehr wie zuvor: Rosa blieb regungslos auf ihrem Platz sitzen. […] Besorgt betrachtete ich diese Frau, die ich nicht kannte. „Madam, Sie müssen aufstehen, sonst bekommen Sie Schwierigkeiten.“ Sie blickte mir tief in die Augen und sah meine Angst. Ich verstummte, und auch sie sagte nichts. Unter dem Blick dieser zarten und entschlossenen Frau fühlte ich mich auf einmal ganz klein (Fabrizio Silei, Der Bus von Rosa Parks, Jacoby & Stuart, 2011). Im Anschluss wird der Trailer zum Buch „Der Bus von Rosa Parks“ abgespielt bzw. Illustrationen aus dem Buch werden gezeigt.



Anwendung Zur Vertiefung des Themas schlagen wir Ihnen vor, sich zu einem Jugendbuch Ihrer Wahl eine Präsentationsform zu überlegen. Was würde Jugendliche an diesem Buch besonders interessieren? Wie kann ich es so interessant oder emotional berührend vorstellen, dass Jugendliche Lust bekommen, das Buch zu lesen? Nachdem eine Idee oder ein Einstieg gefunden ist, können die oben beschriebenen Methoden zum Einsatz kommen. Autor und Buchtitel:

Zielgruppe:

Idee:

Methode / Umsetzung:

Material / Technik:

Zum Lesen anregen 

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

5.1.3 „Einfache Sprache“ und leicht zugängliche Texte Das Ziel Einige Jugendliche haben Schwierigkeiten, längere und komplexe Texte zu lesen. Bücher und das Lesen interessieren sie dann häufig nicht. Um den Zugang zur gesprochenen und geschriebenen Sprache zu erleichtern, kann die „Einfache Sprache“ verwendet werden. Sie ist eine nicht standardisierte Varietät der deutschen Sprache mit einer Vereinfachung der Syntax und der Morphologie sowie einem reduzierten Wortschatz. Oft werden die Termini „Einfache Sprache“ und „Leichte Sprache“ synonym verwendet, da der Begriff „Leichte Sprache“ nicht geschützt ist. „Leichte Sprache“ im Sinne der UN-Behindertenrechtskonventionen soll in erster Linie sprachliche Barrieren für Menschen mit geistiger Behinderung und Lernschwierigkeiten abbauen. Sie folgt bestimmten Regeln und zeichnet sich durch kurze Hauptsätze und die Verwendung von bekannten Wörtern aus. Schwierige Wörter werden erklärt. Nach jedem Satzzeichen und bei Satzabschnitten wird ein Absatz gemacht. Die „Einfache Sprache“ zeichnet sich dadurch aus, dass sie im Unterschied zur „Leichten Sprache“ eine höhere Lesekompetenz voraussetzt. Sie ist nicht in erster Linie für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt, sondern richtet sich an Leser, die mit Texten auf einem hohen Sprachniveau Probleme haben. Sie transferiert oder „übersetzt“ Texte in eine leicht verständliche Sprache. Im Vergleich zur „Leichten Sprache“ sind die Sätze bei der „Einfachen Sprache“ länger, und es muss nicht zwingend nach jedem Satzzeichen und Satzabschnitt ein Absatz folgen. Auch der Sprachstil ist im Unterschied zur „Leichten Sprache“ komplexer (Kellermann, 2014, S. 7). Die „Einfache Sprache“ ist besonders gut für Kinder und Jugendliche geeignet, die Leseschwierigkeiten haben oder die wenig motiviert sind, längere, komplexe Texte zu rezipieren. Mit Texten in „Einfacher Sprache“ können Kinder und Jugendliche motiviert werden, wieder zu lesen und den „Mehrwert“ des Lesens für sich zu entdecken, auch – und nicht zuletzt – weil mit diesen einfach rezipierbaren Texten wieder Erfolgserlebnisse möglich werden.

Die Zielgruppe Nach dem Verlassen der Grundschule ist die Lesekompetenz bei einem Teil der Schüler (noch) nicht so weit entwickelt, dass Texte auf einem hohen sprachlichen Niveau mühelos gelesen werden können. Es bedarf ab der fünften Klasse einer weiteren Förderung der Lesekompetenz durch lesemotivierende, einfach zu verstehende Texte. So unterscheidet die PISA-Studie insgesamt sechs Niveaustufen der Lesekompetenz. Nach der PISA-Studie von 2009 erreichten 13,3 Prozent der befragten Schüler nur die unterste Kompetenzstufe (Stufe 1a); 5,2 Prozent erreichten diese nicht. Der Anteil der 15-Jährigen, die man zu den schwachen Lesern zählen kann, liegt in Deutschland somit bei 17,5 Prozent. Im Hinblick auf das Geschlecht wird erneut bestätigt, dass vor allem Jungen in Bezug auf das Lesen als Risikogruppe einzustufen sind. Während knapp 13 Prozent der Mädchen zu den schwachen Lesern zählen, liegt der Anteil an Jungen bei 24 Prozent (Naumann, 2010, S. 46f.). Fast ein Viertel der männlichen Jugendlichen kann somit nur auf einem geringen Niveau Texte verstehen und interpretieren. Für diese Zielgruppe bietet sich die Verwendung von Texten in „Einfacher Sprache“ besonders an. Die in der PISA-Studie gemessenen Leseleistungen stehen in einem engen Zusammenhang mit der Lesemotivation. Wer gern und viel liest, erreicht in der Regel



ein höheres Lesekompetenzniveau. Laut JIM-Studie 2013 lesen 18 Prozent der Zwölfbis 19-Jährigen nie ein Buch, 29 Prozent nur einmal im Monat oder noch seltener (JIM-Studie 2013, S. 19). Für diese Jugendlichen können Bücher und andere Medien in „Einfacher Sprache“ eine Chance sein, an der Lesekultur teilzuhaben. Auch für Kinder und Jugendliche, die Deutsch als Fremdsprache erlernen, stellt die „Einfache Sprache“ in der Anpassungsphase und bei der Festigung der Sprachkenntnisse eine Hilfe dar.

Die Methode Die Entwicklung der „Einfachen Sprache“ wurde von der Bewegung „Easy to Read“ angestoßen. Die „Richtlinien für Easy-Reader Material“ der IFLA beschreiben, wie Texte beschaffen sein sollten, damit sie für Leser mit begrenztem Sprach- oder Lesevermögen verständlich sind. Die Texte sollen auf verschiedenen Kompetenzniveaus verfasst sein und neben Belletristik und Sachliteratur auch Zeitschriften und audiovisuelle Medien umfassen. Ziel ist es, Interesse am Text zu wecken und so die Lesefähigkeit zu verbessern. „Einfache Sprache“ für Jugendliche zeichnet sich unter anderem durch folgende inhaltliche und formale Aspekte aus: –– Einsatz von konkreter statt abstrakter Sprache, –– logischer Ablauf der Handlung und begrenzte Anzahl von Personen, –– Vermeiden von Fremdwörtern, aber erwachsenengemäße Sprache, –– übersichtliches Layout, Textblöcke mit begrenzter Anzahl von Zeilen pro Seite, klares Schriftbild (IFLA, 1999, S. 12).

Lektüreauswahl für leseungeübte Jugendliche Auf dem Buchmarkt gibt es einige Angebote mit Texten in „Einfacher Sprache“, die speziell für leseschwache Jugendliche konzipiert wurden. Verlag an der Ruhr / Reihe K.L.A.R. (Kurz-Leicht-Aktuell-Real) –– Umfang zwischen 80 und 100 Seiten, –– überschaubare Abschnitte, einfache Satzstrukturen, kurze Kapitel, ein großes Schriftbild und ein leicht verständlicher Inhalt, –– aktuelle Themen aus der Lebenswelt der Jugendlichen, viele problemorientierte Titel. Begleitend bietet der Verlag eine Literatur-Kartei zum K.L.A.R.-Roman an, die sich in erster Linie für den Literaturunterricht eignet, aber auch einige Anregungen und Tipps für die Leseförderung in Bibliotheken enthält. Ravensburger / Reihe short & easy (Klassenstufe 6 bis 8) –– Umfang zwischen 100 und 120 Seiten, –– Gliederung des Textes in leicht zu erfassende Sinnschritte, angemessene Schriftgröße, zahlreiche Illustrationen, einfache Sprache und einfacher Satzbau, –– Texte stammen von renommierten Autoren, –– aktuelle Themen aus der Lebenswelt der Jugendlichen. Zu vielen Titeln sind Materialien zur Unterrichtspraxis erschienen, die auch Anregungen für die Veranstaltungsarbeit in der Bibliothek geben können.

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Klett-Verlag (in Kooperation mit dem Bundesverband Alphabetisierung und dem Deutschen Volkshochschulverband) – Reihe „Das F.A.N. (Fußball. Alphabetisierung. Netzwerk.)-Projekt“ –– Fernsehserie „Das Kreuz mit der Schrift“: sechs Folgen auf DVD, jeweils mit einem Buch und einem Sachheft (Bücher mit größerer Schrift und übersichtlich gestalteten Seiten samt Illustrationen), –– Reihe „Texte für neue Leser/innen“ für Jugendliche und Erwachsene, die Probleme mit dem Lesen haben.

„Tschick“ (2010) von Wolfgang Herrndorf (1965–2013) erhielt 2011 den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte „Jugendbuch“. Der Autor setzte sich persönlich dafür ein, dass sein Buch auch in „Einfacher Sprache“ verlegt wird.

Spaß am Lesen Verlag Der Verlag publiziert seit 2008 Vereinfachungen von Bestsellern und Klassikern für Jugendliche und Erwachsene in drei Kompetenzniveaus. In diesem Verlag ist beispielsweise auch das Jugendbuch „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf 2013 in „Einfacher Sprache“ erschienen. Der Roman von 254 Seiten wurde auf 64 Seiten reduziert und in der Sprache vereinfacht. Als Beispiel werden im Folgenden die ersten Sätze des Romans im Original und in „Einfacher Sprache“ zitiert: Romananfang im Original: Als Erstes ist da der Geruch von Blut und Kaffee. Die Kaffeemaschine steht drüben auf dem Tisch, und das Blut ist in meinen Schuhen. Um ehrlich zu sein, es ist nicht nur Blut. Als der Ältere „vierzehn“ gesagt hat, hab ich mir in die Hose gepisst. Ich hab die ganze Zeit schräg auf dem Hocker gehangen und mich nicht gerührt. Mir war schwindlig. Ich hab versucht auszusehen, wie ich gedacht hab, dass Tschick wahrscheinlich aussieht, wenn einer „vierzehn“ zu ihm sagt, und dann hab ich mir vor Angst in die Hose gepisst. Maik Klingenberg, der Held (Wolfgang Herrndorf, Tschick, Rowohlt, 2010, S. 7). Der Roman in „Einfacher Sprache“ beginnt mit konkreten Fakten: Hi! Ich bin Maik. Maik Klingenberg. Ich bin 14 und wohne in Berlin. Da geh ich auf ein Gymnasium, in die achte Klasse. Ich bin ganz gut in der Schule. Besonders in Deutsch, Sport und Kunst. In Mathe nicht so (Wolfgang Herrndorf, Tschick. In Einfacher Sprache, Spaß am Lesen Verlag, 2013, S. 9).

Aktive Literaturvermittlung für leseungeübte Jugendliche Bücher und andere Materialien in „Einfacher Sprache“ sollten in jedem Bibliotheksbestand vorhanden sein. Es reicht aber nicht aus, diese Titel zu erwerben und darauf zu hoffen, dass die intendierte Zielgruppe die Bücher ausleiht. Denn genau jene Jugendlichen, für die diese Bücher gedacht sind, nutzen bisher eher selten oder gar nicht die Bibliothek. Die Ergebnisse der Studie „Das Image von Bibliotheken bei Jugendlichen“ belegen, dass sowohl die Bibliotheksnutzung als auch die -nichtnutzung in einem engen Zusammenhang mit der Leseaffinität zu sehen sind. So sind 87 Prozent der Zwölf- bis 19-jährigen Bibliotheksbenutzer leseaffin: Sie lesen „sehr gern“ oder „gern“ und sie lesen regelmäßig (täglich oder mehrmals pro Woche). Bei den Nichtnutzern in dieser Altersgruppe ist hingegen die reichliche Mehrheit (54 Prozent) nicht leseaffin. Sie lesen nicht gern und auch nicht häufig (Keller-Loibl, Image von Bibliotheken, 2012, S. 66). Es bedarf deshalb einer aktiven Vermittlung dieses Bibliotheksbestandes, entweder indem man die Vermittler und Multiplikatoren informiert (Lehrer, Mitarbeiter in Jugendclubs und Freizeitzentren usw.) oder selbst an die Zielgruppe gezielt herantritt, beispielsweise über die Schule oder über andere Einrichtungen der Jugendkultur.



Auch im Rahmen von Klassenführungen oder anderen themenorientierten Veranstaltungen für Schulklassen lassen sich diese Buchtitel gut bekanntmachen. Zum Beispiel können beim Buch-Casting oder Book Slam® die Titel in „Einfacher Sprache“ bewusst einbezogen werden. Es ist auch möglich, für eine Haupt- oder Realschule diese Titel ins Zentrum einer Veranstaltung zu stellen, zum Beispiel indem – ähnlich wie beim Buch-Casting – der Titel, das Cover und der Klappentext von den Schülern bewertet werden. Um die Leseprobe einschätzen zu können, erhalten die Schüler jeweils kurze Textausschnitte, die sie still lesen sollen. Im Anschluss wird die Bewertung in der Gruppe vorgenommen. So erleben Jugendliche, denen das Lesen ggf. nicht so leicht fällt, dass sie es schaffen können, einen Text in einer bestimmten Zeit zu lesen und gut zu verstehen. Sie erfahren durch die Textprobe, dass die Sprache einfach ist und die Texte gut strukturiert sind. Dieser Leseerfolg kann ggf. zum Weiterlesen des Buches motivieren. Möglich ist auch, dass im Rahmen einer Veranstaltung die Schüler die verschiedenen Verlagsreihen mit Titeln in „Einfacher Sprache“ bewerten. Im Vordergrund sollte dabei aber nicht das Thema „Einfache Sprache“ stehen, sondern ob Titel, Cover, Layout und Thema der Bücher einer Reihe interessant sind und zum Lesen anregen. Sie können auch Verlagsvertreter in die Bibliothek einladen, die diese Reihen vorstellen und Fragen der Schüler beantworten.

Anregungen für die Arbeit mit leseungeübten Jugendlichen Wenn Sie mit leseschwachen Jugendlichen arbeiten, dann sollten Sie nicht versuchen, etwas nach- oder aufholen zu wollen. Es geht nicht darum, die Lesekompetenz durch möglichst viele Leseübungen und Lesekontrollen zu verbessern. Ziel sollte es vielmehr sein, den Jugendlichen in der Bibliothek positive Erfahrungen im Umgang mit Literatur und Sprache zu ermöglichen. Die Literatur bietet viele Möglichkeiten, Interesse zu wecken, und sie kann die Jugendlichen in einer schwierigen Phase der Persönlichkeitsfindung unterstützen. Literatur kann emotional berühren, zum Nachdenken und zur Diskussion anregen oder Neugier und Interesse für verschiedene jugendrelevante Themen wecken. Des Weiteren sollte verdeutlicht werden, dass die Lesefähigkeit für die berufliche Zukunft sehr wichtig ist (Kiwitt, 2006, S. 11). Wenn Jugendliche im Lesen von Romanen keinen Sinn sehen, dann bietet sich das Lesen anderer Medien (Zeitschriften, Sachtexte, Internetquellen usw.) an. Damit kann ein Zugang zu Texten als Lernressourcen und als wichtige Quellen für die Freizeitgestaltung eröffnet werden. Es sollte jedoch nicht das „Üben“ des Lesens im Vordergrund stehen, sondern das interessante Thema oder die interessante Geschichte, die auf verschiedenen Wegen erzählt werden kann. Die folgenden Methoden eignen sich in der Arbeit mit leseungeübten Jugendlichen: –– Vorlesen interessanter Buchszenen, –– Buchpräsentationen, zum Beispiel Buch-Casting oder Book Slam®, –– Einsatz von Comics oder Graphic Novels (z. B. kurze Bildtexte verfassen lassen), –– themenorientierte Leseförderung (z. B. Berufsorientierung, Musik u. a.), siehe Kapitel 5.3, –– Leseförderung in vernetzten Medienwelten, siehe Kapitel 5.4.

Zum Lesen anregen 

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Das Beispiel Shaw, Tucker: Cyril oder wie schmeckt die Liebe. – Würzburg: Arena, 2005. – 217 S. ISBN 978-3-40102459-2 Veranstaltungsidee von Nicola Kiwitt (siehe Kiwitt, 2006, S. 15f.)

Zielgruppe: Jugendliche ab 13 Jahren (z. B. eine Schulklasse) Siebte bis zehnte Klasse, besonders geeignet für Hauptund Realschulklassen Dauer: 45 Minuten

In der Mitte steht ein Tisch mit roter Tischdecke, Kerzenleuchter, einer großen leeren Menükarte (ggf. auch mehrere leere Menükarten) und Keksen. Die Teilnehmer assoziieren, worum es hier gehen könnte. Danach werden die ersten beiden Seiten des Bilderbuchs vorgelesen und die Frage gestellt: „Wie schmeckt die Liebe?“ Jeder Schüler schreibt in die Menükarte, wie für ihn die Liebe schmeckt. Danach wird der Inhalt des Buches grob nacherzählt und im Anschluss die Szene vorgelesen, in der es darum geht, was man alles für seine Liebste bzw. seinen Liebsten tut. Dazu werden rote Papierherzen verteilt und jeder schreibt anonym, was er tun würde. Die Herzen werden gemischt und vorgelesen, ggf. schließt sich ein Gespräch an (Kiwitt, 2006, S. 15f.). Denkbar ist auch, dass die Herzen an eine Pinnwand geheftet werden und jeder Schüler individuell die Botschaften lesen kann.

5.2 Information & Unterhaltung: Kreativer Umgang mit Literatur Interesse und Freude am Lesen zu wecken und zu erhalten sowie einen selbstverständlichen Umgang mit Texten und Literatur auszubilden, das sind wichtige Ziele der Leseförderung für Schüler ab der fünften Klasse. Öffentliche Bibliotheken können durch eine themen- und handlungsorientierte Leseförderung dazu beitragen, dass sich vielfältige Leseinteressen bei Kindern und Jugendlichen ausbilden und die Lesemotivation erhalten bleibt und gestärkt wird. Dies ist im Jugendalter aufgrund des in Kapitel 5.1 beschriebenen „Leseknicks“ besonders wichtig. Im Jugendalter gewinnt die personale Dimension an Bedeutung: Jugendliche erkennen nun, dass eine hohe Lesekompetenz für das Erreichen von privaten und beruflichen Zielen von Vorteil ist. Die Lese-Erfahrungen Heranwachsender sollten unter diesem Aspekt im Hinblick auf die Auswahl der Themen und Genres erweitert werden. In der Leseförderung können nun Sach- und Informationstexte (gedruckt, elektronisch oder als Online-Ressource) eine große Rolle spielen. So kann gezeigt werden, dass sich viele Fragen mit Hilfe geeigneter Informationsquellen beantworten lassen. Dies kann die Information über Freizeitinteressen wie Filme, Musik oder Sport sein oder die Information über geeignete Ausbildungsplätze oder Studienmöglichkeiten. Darüber hinaus sollte gezeigt werden, dass Jugendliteratur anregen, unterhalten und der Lebensorientierung dienen kann. Neben beliebten Genres wie „Fantasy“ sollten in der Leseförderung auch jene Titel der Jugendliteratur einen wichtigen Platz einnehmen, die dazu beitragen können, Entwicklungsaufgaben im Jugendalter wie zum Beispiel die eigene Identitätsfindung zu meistern. Es eignen sich Titel aus der Jugendliteratur, die jugendrelevante Themen behandeln und jugendspezifische Erfahrungen, Gefühle und Bewusstseinslagen spiegeln. Im Jugendalter eignen sich vor allem visuelle, imaginative und emotional-persönliche Zugänge zu Texten. Durch einen kreativen und spielerischen Umgang mit Literatur, der die Vorstellungskraft und das Hineinversetzen in andere Figuren oder fremde Perspektiven ermöglicht, können Jugendliche einen eigenen Zugang zur Literatur finden.



Information & Unterhaltung: Kreativer Umgang mit Literatur 

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5.2.1 Themenorientierte Leseförderung Das Ziel Ziel der themenorientierten Leseförderung ist der Erhalt der Lesemotivation und die Entwicklung und Vertiefung von vielfältigen Leseinteressen, sowohl in der erzählenden Kinder- und Jugendliteratur als auch in der Sachliteratur. In diesem Alter sollten eine Vielzahl von Informationsressourcen (Sachbücher, Zeitschriften, Datenbanken, Internetquellen usw.) wie auch literarische Texte mit einer breiten thematischen Spanne und unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden in die Leseförderung einbezogen werden. Kinder und Jugendliche können so erfahren, dass es für ihre vielfältigen Interessen und Hobbys interessante Bücher oder andere Informationsquellen gibt. Zugleich wird die Recherchekompetenz gefördert.

Die Methode Nicht alle Kinder und Jugendlichen greifen von sich aus gern zu Büchern, wenn sie ein Thema besonders interessiert. Bei dieser Methode werden Kinder und Jugendliche mit Hilfe eines interessanten Themas motiviert und aktiviert, sich mit Texten zu beschäftigen. Dabei muss sich nicht ausschließlich auf Bücher konzentriert werden, sondern die Methode schließt die Nutzung aller Medien ein. Aus dem Interessen- und Lebensfeld der Zielgruppe werden ein oder mehrere Themen ausgewählt, die den Ausgangspunkt der Veranstaltung darstellen. Die Kinder und Jugendlichen werden motiviert, sich über dieses Thema zu informieren. Sie nutzen dafür Bücher und andere Medien. Die Beschäftigung mit Texten und das Suchen und Finden von Informationen werden über das Interesse für das Thema ausgelöst.

Die Inhalte Für themenorientierte Veranstaltungen bietet sich ein breites Themenspektrum an. Besonders eignen sich Themen, die aus der Lebenswelt der Zielgruppe stammen. Freizeitinteressen oder Hobbys wie Musik, Sport, Videospiele oder Filme sind für Jugendliche bedeutsam; sie sind neugierig und interessiert, mehr darüber zu erfahren. Mit dem Thema „Sport“ können zum Beispiel auch weniger leseaffine Jugendliche angesprochen werden. Das Angebot an Jugendliteratur mit Fußballromanen, Wettkampfgeschichten und Sportlerbiografien ist groß. Hinzu kommen Sportzeitschriften sowie Informationsportale und Diskussionsforen im Internet. Auch Veranstaltungen zu Themen wie „gesunde Ernährung“ oder „Berufsorientierung“ sind gut geeignet. Die themenorientierte Leseförderung kann auch allgemeinere Unterrichtsthemen ins Zentrum stellen und mit Hilfe verschiedener Medien lebendig vermitteln. Dies können Geschichtsepochen sein (Antike, Mittelalter, DDR-Geschichte u. a.) oder Themen aus dem Deutsch- oder Sozialkundeunterricht („Religion“, „Werbung“, „Datenschutz versus Terrorabwehr“ u. a.) und der Naturwissenschaft („Klimawandel“, „Doping im Profi-Sport“ u. a.). In Absprache mit der Schule und den Fachlehrern kann eine solche Bibliotheksveranstaltung der Einführung in ein neues Stoffgebiet im Rahmen des Lehrplans dienen.

Zielgruppe: fünfte bis zwölfte Klasse Dauer: 90 bis 120 Minuten

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Vorbereitung Um eine themenorientierte Veranstaltung in der Bibliothek vorzubereiten, ist es erforderlich, das eigene Medienangebot diesbezüglich zu sichten, um genügend Quellen für die Recherche anbieten zu können. Zudem sollten für die Zielgruppe geeignete Informationsportale und Foren im Internet (z. B. in Form einer Linkliste) bereitgestellt werden.

Methode „Punktabfrage“: Auf einem Flipchart stehen verschiedene Aussagen zu einem Thema. Die Teilnehmer können nun entscheiden, welcher Aussage sie zustimmen würden, und signalisieren dies durch das Anbringen eines Klebepunktes.

Durchführung In einer ersten Phase werden Neugier und Interesse für das Thema bzw. die Themen geweckt und die Kinder und Jugendlichen werden aktiviert. Die Einführung in das Thema und die Motivierung der Teilnehmer, sich mit diesem Thema bzw. Teilthemen zu beschäftigen, kann durch einen Einstiegsimpuls, eine Einstiegsfrage oder mit Hilfe von Einstiegsmedien realisiert werden. Das kann geschehen, zum Beispiel indem ein kurzer Filmausschnitt gezeigt, eine Zeitungsüberschrift angeheftet, eine Nachrichtenmeldung verlesen, eine interessante Textstelle vorgelesen oder in eine (reale oder fiktive) Rahmenhandlung eingeführt wird. Die Teilnehmer werden bereits jetzt aktiv einbezogen: Brainstorming oder die Anwendung der →Punktabfrage sind beispielsweise geeignete Methoden. In einer sich anschließenden zweiten Phase, der Bearbeitungsphase, werden mit einem Partner oder in der Gruppe Aufgaben zum Thema bearbeitet. Für diese Form der Leseförderung bieten sich verschiedene Formen der Gruppenarbeit an. Gut geeignet ist für Schulklassen das Stationenlernen. An verschiedenen Stationen in der Bibliothek werden Arbeitsaufträge ausgelegt, die nacheinander von den Schülern bearbeitet werden. Die Aufträge stehen meisten in einem thematischen Zusammenhang, können aber unabhängig voneinander und in unterschiedlicher Reihenfolge bearbeitet werden. Auch das Themenpuzzle und die Sandwich-Methode (siehe dazu Kapitel 2.5) können zur Anwendung kommen, müssen jedoch sehr gut vorbereitet werden. Die Kinder und Jugendlichen beschäftigen sich in der Gruppenarbeit intensiv mit Büchern und anderen Medien, um die benötigten Informationen zum Thema zu finden und das vorher ausgeteilte oder an den Gruppenstationen ausgelegte Arbeitsblatt auszufüllen oder entsprechende Fragen zu beantworten. Es muss nicht immer ein Arbeitsblatt verwendet werden. Es ist auch möglich, Lückentexte oder einen Steckbrief vorzubereiten. Beliebt bei der Zielgruppe sind auch spielerische Formen wie ein Quiz, ein Rätsel oder Frage-Antwort-Spiele in Form eines Dominos oder eines Memorys. In der dritten Phase werden die Ergebnisse präsentiert, entweder indem zum Beispiel die Lückentexte vorgelesen werden, das Quiz mit der gesamten Gruppe durchgeführt oder ein Plakat oder eine Pinnwand mit den wichtigsten Informationen zum Thema gezeigt wird. Vermeiden Sie das Abfragen der Lösungen auf Arbeitsblättern. Sich die Ergebnisse von vier oder mehr Gruppen in der großen Runde anzuhören, vor allem dann, wenn die Lösungen beliebig wirken und keinen inhaltlichen Zusammenhang ergeben, kann sehr ermüdend sein und schnell zu Unruhe führen.



Information & Unterhaltung: Kreativer Umgang mit Literatur 

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Methodenbox Lückentexte: In einem Text fehlen wesentliche Informationen, die recherchiert und ergänzt werden sollen. Dafür können die Teilnehmer alle Medien der Bibliothek nutzen. Quiz, Kreuzworträtsel oder Balkenrätsel: Diese Formen eigenen sich sehr gut zur Informationsverarbeitung und können zur Überprüfung und Sicherung des Lernerfolgs eingesetzt werden. Domino oder Memory: Diese Formen ermöglichen mit Frage- und Antwortkarten eine spielerische Wissensvermittlung: beim Domino durch das Aneinanderlegen von passenden Karten als Frageund Antwortspiel und beim Memory durch das Aufdecken der zueinander gehörenden Frage- und Antwortkarten. Steckbrief: Informationen werden mithilfe von W-Fragen (Wer?, Wann?, Wo?, Warum?, Wozu?) ermittelt. Bei Personen kann man z. B. nach Name, Herkunft, Alter, äußerem Erscheinungsbild, Hobbys und besonderen Eigenschaften fragen. Bei Tieren bieten sich u. a. folgende Fragen an: Tierart? Ernährung? Lebensraum? Haltung? Besonderheiten?

Das Beispiel „Rasende Reporter“ (modifiziert nach dem gleichnamigen Konzept in: Keller-Loibl, Bibliothekspädagogische Klassenführungen, 2012, S. 123ff.) Die Schüler schlüpfen in die Rolle eines Nachrichtensprechers, der für die aktuellen Abendnachrichten Fakten recherchieren will. Um die Aufgabe zu erleichtern, werden zu verschiedenen Themen (z. B. „Tiere“, „Sport“, „Weltraum“ usw.) Lückentexte in Form einer Nachrichtenmeldung vorbereitet, die mit Hilfe der Bibliotheksmedien und des Internets ausgefüllt werden sollen. Mit der Wahl des Themas werden die Schüler zugleich in Gruppen von ca. vier Schülern eingeteilt. Zudem wird ein Fernseher aus Pappmaché benötigt, um nach der Faktenrecherche in der Bibliothek die Ergebnisse in Form einer Nachrichtensendung zu präsentieren. 1. Einführung und Motivationsphase: Es wird erklärt, dass die Schüler in die Rolle von Nachrichtsprechern schlüpfen und für die Abendnachrichten an einer Story arbeiten. Es werden Presseausweise verteilt und Gruppen eingeteilt, die jeweils an einer Meldung in Form eines Lückentextes arbeiten. 2. Gruppenarbeitsphase: Die Schüler erarbeiten die fehlenden Informationen in den Lückentexten. Dazu stehen Internetarbeitsplätze und die Medien der Bibliothek zur Verfügung. Es kann am Regal und mit Hilfe des Bibliothekskatalogs gesucht werden. Zudem wird die Präsentation der Nachricht vorbereitet. Zwei Schüler üben das professionelle Vorlesen der Nachricht, zwei weitere bereiten begleitende Informationsmöglichkeiten (wie Bilder o.ä.) vor. Dafür sollten Bastelutensilien und einfache Requisiten bereitliegen. 3. Präsentation der Ergebnisse / Feedback: Der Redaktionsschluss wird durch einen Gong eingeleitet. Nun beginnt die Sendung und die Gruppen präsentieren nacheinander ihre Nachrichtenmeldungen. Da die Lückentexte originell und interessant sind, hören alle gern und interessiert zu. Nach der Präsentation wird den Schülern für die aktive Mitarbeit gedankt. Als kleines Dankeschön können sie die Presseausweise behalten. Auf deren Rückseite befinden sich die Öffnungszeiten der Bibliothek. Ob die Veranstaltung der Klasse gefallen hat, wird mit Hilfe einer Klebepunktabfrage überprüft. Beim Verlassen des Raums kleben die Schüler auf ein vorbereitetes Flipchart oder auf ein an die Tür angebrachtes Plakat auf einer Skala von „sehr gut“ bis „schlecht“ ihren Punkt.

Das Konzept „Rasende Reporter“ sowie fünf vorbereitete Lückentexte in Form von Kopiervorlagen (einschließlich der Lösungsblätter) finden Sie hier: Bibliothekspädagogische Klassenführungen: Ideen und Konzepte für die Praxis / hrsg. von Kerstin Keller-Loibl. – 2., aktualisierte u. erw. Aufl. – Bad Honnef: Bock + Herchen, 2012. – 196 S. ISBN 978-3-88347-291-1 Der Band enthält weitere Veranstaltungskonzepte für eine themenzentrierte Leseförderung.

Zielgruppe: fünfte und sechste Klasse Eine Schulklasse Dauer: 60 Minuten

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

5.2.2 Text- und handlungsorientierte Leseförderung Das Ziel Heranwachsende sollen mit Hilfe von spielerisch-kreativen Methoden an Texte herangeführt werden und erkennen, dass es einen Zusammenhang zu eigenen lebensweltlichen Erfahrungen gibt. Es wird vermittelt, dass Literatur subjektiv bedeutsam sein kann. Individuelle Ausdrucksmöglichkeiten werden nicht nur zugelassen, sondern sie sind erwünscht. Fantasie und Kreativität spielen eine große Rolle. Damit wird das Verständnis von Texten gefördert und unterstützt.

Zielgruppe: fünfte bis zwölfte Klasse Dauer: 90 bis 120 Minuten

Die Methode Der text- und handlungsorientierte Ansatz berücksichtigt die kognitiven und emotionalen Möglichkeiten der Leseförderung und greift auf eine Vielzahl von Arbeitsformen zurück, darunter die Partner- sowie die Gruppenarbeit. Die Methoden sind vielfältig. Es eignen sich vor allem offene Methoden, die den Prozess des Erarbeitens und der eigenen kreativen Textverarbeitung ins Zentrum stellen. Die Kinder und Jugendlichen werden als aktive Leser angesprochen. Sie beschäftigen sich mit ausgewählten Textpassagen (oder dem ganzen Buch) und denken die Texte weiter und verarbeiten das Gelesene. Es eignen sich dafür besonders gut jene Texte, die es ermöglichen, dass Kinder und Jugendliche eine Verbindung zwischen Text und der eigenen Lebenswelt herstellen und angeregt sind, ihre Erfahrungen in verschiedenen (medialen) Formen zu verarbeiten. Methoden-Box Texte weiterschreiben: Hier sind vielfältige Umsetzungen möglich. Die Teilnehmer schreiben zum Beispiel die Geschichte aus dem Blickwinkel einer Figur weiter oder sie denken sich eine neue Figur aus, die an einer bestimmten Stelle in das Buch bzw. die Handlung „hineinspringt“. Möglich ist auch, ein neues Ende zu erfinden, sich Konfliktlösungsmöglichkeiten auszudenken, eine Geschichte an ihrem Wendepunkt zu unterbrechen und selbst weiterzuschreiben oder sich auszudenken, wie einzelne Figuren zehn Jahre später leben. Personen kennenlernen: An eine selbstgewählte Figur des Buches wird eine Frage formuliert (z. B. was man gern noch wissen will oder was man nicht verstanden hat), die Fragen werden auf einen Zettel notiert und an eine Wäscheleine, Pinnwand oder Tafel gehängt. Jeder Teilnehmer wählt eine Frage aus und versucht, sie zu beantworten. Szenische Lesung: Der Text wird dem Publikum in Form einer gespielten Lesung vorgetragen. Entweder enthält das Buch geeignete Dialoge, die herausgesucht werden müssen, oder es werden Textauszüge so umformuliert, dass aus einer erzählten Handlung ein Dialog entsteht. Es ist auch möglich, einen Erzähler einzubauen, der zwischen den Dialogen beschreibende Textpassagen vorträgt. Rollenspiel: Situationen einer Geschichte können nachgespielt oder in einer eigenen Interpretation dargestellt werden. Eine Festlegung der Rollen und Vorbereitungszeit sind erforderlich. Reportage: Begebenheiten einer Geschichte (bei erzählenden Texten) oder Informationen zu einem Thema (bei Sachbüchern) können in Form einer Reportage aufbereitet und anschaulich wiedergegeben werden. Buchempfehlung: Statt einer Rezension wird der Inhalt bzw. die Aussage des Buches in Form eines Rezepts oder etwa eines Beipackzettels formuliert. Texte oder Textpassagen in andere Medien transformieren: Zum Beispiel kann ein Textabschnitt in einen Drehbuch- oder Hörbuchtext umgeformt werden. Die Szene wird nachgespielt, aufgenommen und ggf. mit Geräuschen und Musik untermalt.



Information & Unterhaltung: Kreativer Umgang mit Literatur 

Das Beispiel: „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf Der Jugendroman „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf bietet vielfältige Möglichkeiten, sich kreativ mit diesem Text zu beschäftigen. Der Jugendroman ist spannend erzählt und nimmt jugendliche Leser mit auf eine aufregende Abenteuerreise. Im Roman sind die Protagonisten zwei Jungen im Alter von 14 Jahren, sodass gerade männliche Jugendliche eine Identifikationsmöglichkeit haben. Das Jugendbuch trägt dazu bei, Entwicklungsaufgaben im Jugendalter zu lösen: Themen wie „Freundschaft“, „erste Liebe“ und „Identitätsfindung“ stehen im Mittelpunkt. Die unkonventionelle Gestaltung dieser Themen und die Jugendsprache des Romans tragen dazu bei, dass er sich für den Einsatz in der bibliothekarischen Leseförderung sehr gut eignet. Jugendliche, die Einschränkungen in der Lesekompetenz haben oder denen das Lesen komplexer Texte schwerfällt, können für das Lesen von Textpassagen oder des ganzen Romans begeistert werden, da „Tschick“ auch in „Einfacher Sprache“ vorliegt (siehe dazu auch Kapitel 5.1.3). Für die Veranstaltung können beide Textfassungen genutzt werden. Im Folgenden wird ein Konzept für eine text- und handlungsorientierte Bibliotheksveranstaltung skizziert. Ziel der Veranstaltung soll es sein, die Lesemotivation und die Lesekompetenz der Teilnehmer zu erhöhen. Die Jugendlichen lesen ausgewählte Textpassagen des Romans und verarbeiten das Gelesene durch die Anwendung verschiedener Methoden wie das Rollenspiel oder die Reportage. 1. Motivationsphase Durch die Anwendung verschiedener Methoden soll Neugier für das Buch geweckt werden, zum Beispiel durch einen Steckbrief zu den beiden jugendlichen Protagonisten des Romans, eine Nachrichtenmeldung oder eine szenischen Lesung. Danach wird der Rahmen für die Gruppenarbeit vorgegeben: Es werden Aufträge verteilt und die Gruppen gebildet (hier ggf. nach Lesertypen, siehe dazu Kapitel 2.5, Absatz „Aktivierende Methoden“). 2. Gruppenarbeit Jede Gruppe erhält Textpassagen aus dem Buch (im Originaltext und Auszüge aus dem Text in „Einfacher Sprache“) und einen gemeinsamen Arbeitsauftrag (siehe unten), das Gelesene zu bearbeiten, beispielsweise in Form einer szenischen Lesung, einer Reportage oder eines Rollenspiels. 3. Präsentation der Ergebnisse / Feedback Jede Gruppe präsentiert ihr Ergebnis. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, die Darbietungen einzuschätzen oder zu bewerten. Dies kann durch verbale Einschätzungen erfolgen, die auf einer Metaplankarte notiert werden, oder durch den Einsatz von Wertungskarten.

Beispielaufgaben für die Gruppenarbeit Künstlerische Textbearbeitung: Szenische Lesung oder Rollenspiel verfassen Maik erzählt, wie Tschick in die Klasse kommt und von Lehrer Wagenbach der Klasse vorgestellt wird. Diese in Kapitel 9 (S. 41–47) geschilderte Situation soll als szenische Lesung gestaltet werden. In der Ausgabe des Romans in „Einfacher Sprache“ wird diese Begegnung ebenfalls dargestellt, und der Leser lernt Lehrer Wagenbach und Tschick am Anfang des Romans kennen (S. 9–11). Journalistische Textbearbeitung: Zeitungsnachricht oder Reportage verfassen Kapitel 35 erzählt, wie die beiden Protagonisten des Romans vor der Polizei fliehen und dabei einen Autounfall verursachen. Der Wagen fällt eine Böschung hinunter und bleibt auf dem Dach liegen. Eine Frau, die helfen will, lässt unabsichtlich einen Feuerlöscher fallen und verletzt Tschicks Fuß. Die Reise endet im Krankenhaus.

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Zielgruppe: Schüler ab der neunten Klasse Dauer: 90 bis max. 120 Minuten

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

Weitere Umsetzungsmöglichkeiten: Für eine intensivere Beschäftigung mit dem Jugendbuch „Tschick“ eignen sich Projekttage, ggf. in Zusammenarbeit mit der Schule. Die Lektüre des Romans wird auch für den Deutschunterricht empfohlen. Die Ergebnisse der Auseinandersetzung mit diesem Text können in Form einer Ausstellung mit Texten, Plakaten oder Videomitschnitten präsentiert werden. Weitere Umsetzungsmöglichkeiten bieten sich im Hinblick auf verschiedene Themen des Romans (wie z. B. „Außenseiter“, „Integration“ oder „Identitätssuche“) an. Möglich ist auch, dass in einer eigens eingerichteten Facebook-Gruppe der Roman aus Sicht des Erzählers Maik oder aus Sicht von Tschick weitererzählt wird. Die Jugendlichen schlüpfen in die Rollen der beiden Protagonisten und schreiben auf, wie deren Leben weitergehen könnte. Wie ergeht es Tschick im Heim? Wird Maik das Mädchen Isa wiedersehen? Wie entwickelt sich die Freundschaft weiter? Die Handlung des Romans bietet viele Anknüpfungspunkte für Fortsetzungsgeschichten. Literaturtipp: Van der Gieth, Hans-Jürgen: Literaturprojekt zu „Tschick“. – Kempen: BVK Buch Verlag, 2013. – 48 S. ISBN: 978-3-86740-369-6

Fantasy-Rollenspiele Sehr beliebt sind bei insbesondere männlichen Jugendlichen fantastische Rollenspiele. Die ursprüngliche Form, aus der sich die beliebten Online-Rollenspiele entwickelt haben, sind die am Tisch gespielten Pen-and-Paper-Rollenspiele. Dieses Geschichtenerzählen ist interaktiv. Die in der Geschichte handelnden Personen können über die Spieler, die diese Personen steuern, aktiv in den Handlungsverlauf eingreifen und die Geschichte verändern. Das Fantasy-Rollenspiel spielt in einer Fantasy-Welt. Häufig gibt es auch Romane, die in den fantastischen Welten (z. B. in „Midgard“ und in der „Welt des Schwarzen Auges“) spielen, in denen auch die Abenteuer der Rollenspiele angesiedelt sind. Die Rollenspiele können das Interesse dafür wecken, die Romane zu lesen, um die Spielwelt des Rollenspiels besser kennenzulernen. Beispiele: –– Rollenspielsystem „Dungeons & Dragons“ –– Rollenspielsystem „Das Schwarze Auge“ –– „Midgard Abenteuer Klingensucher“ –– kostenlose Einsteigerabenteuer, z. B. „Shadowrun“ oder „Cthulhu“ Die Werwölfe von Düsterwald Weniger aufwändig in der Vorbereitung als die oben genannten sehr komplexen Rollenspiele und auch in viel kürzerer Zeit (ca. 30 Minuten) zu spielen ist das Rollenspiel „Die Werwölfe von Düsterwald“ (franz. „Les Loups-garous de Thiercelieux“). Dieses Gesellschaftsspiel von Philippe des Phallières und Hervé Marly mit Illustrationen von Alexios Tjoyas erschien erstmals 2001 bei Lui-même auf Französisch. Das Spiel wurde in mehrere Sprachen übersetzt und ist mittlerweile auch als Forenspiel im Internet sehr beliebt. Es eignet sich für acht bis 18 Spieler und ist für Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren geeignet.



Information & Unterhaltung: Kreativer Umgang mit Literatur 

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Abb. 6: Fantasy-Rollenspiele

5.2.3 Schreibwerkstätten für Jugendliche Das Ziel Lesen und Schreiben gehören eng zusammen. Wer selbst ausprobiert, eine Geschichte zu schreiben, beschäftigt sich zugleich mit Sprache und der narrativen Struktur von Geschichten. Schreibwerkstätten fördern nicht nur das kreative Schreiben, sondern auch die Sprach- und Lesekompetenz. Es wird der kreative Umgang mit Sprache geschult und die literarische Rezeptionsfähigkeit entwickelt.

Die Methode In Workshops in den Sommerferien oder bei regelmäßigen Treffen in Kleingruppen werden unter Anleitung eines Zirkelleiters (Bibliotheksmitarbeiter oder ein dafür gewonnener Schriftsteller) literarische Texte vorgelesen und eigene literarische Texte verfasst. Textrezeption und Textproduktion werden bei dieser Methode miteinander verknüpft. Die verfassten Texte werden ggf. in einem Blog oder einer Anthologie publiziert. Möglich ist auch, die Texte in einer öffentlichen Lesung einem größeren Leserkreis vorzustellen.

Die Inhalte In einer Schreibwerkstatt werden von Jugendlichen eigene Texte geschrieben und vorgestellt. Es können selbst geschriebene Texte mitgebracht und in der Gruppe vorgelesen und diskutiert werden. Schreibspiele und -übungen tragen dazu bei, das kreative Schreiben zu erlernen. Dafür gibt es vielfältige Methoden. So kann zum Beispiel durch Assoziationen wie einer Fantasie-Reise zum Schreiben einer Geschichte angeregt werden. Auch die Auseinandersetzung mit anderen literarischen Texten eröffnet Zugänge zu eigenen Ideen, so kann ein neuer Schluss verfasst oder die Geschichte in Form eines Raps erzählt werden. Möglich ist auch, dass sich eine Schreibwerkstatt einem Thema oder einem besonderen Genre widmet. Zum Beispiel kann nach einem gemeinsamen Theaterbesuch ein eigenes Theaterstück verfasst werden.

Zielgruppe: zwölf bis 18 Jahre

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

„lyrix“ ist der Bundeswettbewerb für junge Schreibende von Deutschlandfunk, Deutschem Philologenverband und Deutschem Museumsbund. Teilnehmen können Jugendliche im Alter von zehn bis 20 Jahren.

Die Mitglieder einer Schreibwerkstatt können auch dazu motiviert werden, sich an bundesweiten Schreibwettbewerben wie zum Beispiel „lyrix“ oder dem Bundeswettbewerb „Treffen junger Autorinnen und Autoren“ zu beteiligen. Bei letzterem werden aus den Einsendungen von selbstverfassten Texten zehn Preisträger von einer Fachjury ausgewählt und zu einem mehrtägigen Treffen ins Haus der Berliner Festspiele zu einer öffentlichen Lesung und einem Erfahrungsaustausch eingeladen. Es können sich Jugendliche im Alter von elf bis 21 Jahren beteiligen. Im Rahmen dieses Treffens wird auch ein Forum für Leiter und Moderatoren von Schreibwerkstätten angeboten.

Durchführung Die Zirkeltreffen sollten regelmäßig (z. B. einmal im Monat an einem bestimmten Tag) stattfinden. Ideal ist eine Gruppengröße von ca. zehn bis zwölf Teilnehmern. Die Treffen sollten in einer zwanglosen, gemütlichen Atmosphäre stattfinden. Zur Einstimmung kann mit einem Schreibspiel begonnen werden, etwa indem gemeinsam eine Geschichte zu einem vorgegebenen Thema erfunden wird, zu der jeder Teilnehmer ein Wort oder einen Satz beisteuert. Dafür kann auch eine Box bereitgestellt werden, in der auf Karten Wörter oder Sätze stehen, die für das Spiel verwendet werden können. Danach werden die mitgebrachten Texte der Teilnehmer vorgelesen. Jeder Teilnehmer kann einen selbst verfassten Text vorlesen, muss dies aber nicht tun. Je nach vorhandener Zeit kann im Anschluss auch an eigenen Texten weitergearbeitet werden. Der Kursleiter und die Teilnehmer können Anregungen dazu geben, wenn dies gewünscht ist. Zum Abschluss kann erneut ein Spiel gespielt werden. Die Ergebnisse können in Form von Web-Tagebüchern auf einem Blog des Schreibzirkels publiziert werden.

Beispiele für Schreibspiele und -übungen Spiegelgeschichten Die Jugendlichen erhalten einen Einstieg in die Geschichte, zum Beispiel wie folgt: „Als ich heute von zu Hause wegging, warf ich noch rasch einen Blick in den Spiegel. Ich erschrak, denn…“. Dann verfasst jeder individuell seine Geschichte, zum Beispiel so: „Als ich heute… Ich erschrak, denn da war noch jemand! Ich fasse es nicht, da stand mein Schwarm hinter mir!“ (Zimmermann, 2014, S. 27). Perspektivwechsel Jeder Teilnehmer wählt einen Gegenstand aus, der sich in seiner Tasche, seinem Rucksack etc. befindet (alternativ auch ein Gegenstand von zu Hause, zum Beispiel aus dem Bade- oder Schlafzimmer). Dazu soll eine Erzählung aus Sicht dieses Gegenstands verfasst werden. Was könnte diesem Gegenstand gefallen, was nicht? Wie würde er vielleicht lieber benutzt werden? Was hat er alles schon erlebt? Beispiel „Shampoo“: „Heute hat meine Besitzerin Svenja wieder in die Vollen gegriffen und eine Handvoll von mir benutzt. Ich glaube, sie will ihre sonst so fettigen Haare mit mir richtig weich machen… Oder ist sie etwa verabredet und will sich für jemanden schön machen? […]“ (Leis, 2006, S. 44).



Information & Unterhaltung: Kreativer Umgang mit Literatur 

Gedichte schreiben: Elfchen Ohne lange Vorbereitung kann man auf Anhieb ein Gedicht verfassen, indem ein festes Schema vorgegeben wird. Elfchen bestehen aus insgesamt elf Wörtern, verteilt auf fünf Zeilen. Ein Beispiel: Heute 1. Zeile = 1 Wort ist es 2. Zeile = 2 Wörter wieder ziemlich kalt. 3. Zeile = 3 Wörter Morgen ist hoffentlich wieder 4. Zeile = 4 Wörter Sonnenschein. 5. Zeile = 1 Wort (Portmann & Schneider, 1997, S. 61)

Für das Verfassen von Elfchen kann auch ein Thema vorgegeben werden, zum Beispiel „Freundschaft“ oder eine Jahreszeit (Portmann & Schneider, 1997, S. 61). Das Schreiben kann einer inhaltlichen Logik folgen: Bei einem „Farb-Elfchen“ ist zum Beispiel das erste Wort eine Farbe. Die zweite Zeile formuliert, welcher Gegenstand, Zustand usw. diese Farbe hat. Die dritte Zeile beschreibt wie oder wo der Gegenstand, der Mensch oder der Zustand sich befindet. Die vierte Zeile erzählt noch etwas mehr darüber oder bringt eine Wendung des Geschehens ein. In der letzten Zeile erfolgt eine Art Ausrufezeichen, ein letztes, zusammenfassendes oder kommentierendes Wort (Böseke, 1992, S. 87f.). Farb-Elfchen grün 1. Zeile = Farbe das Blatt 2. Zeile = Gegenstand, Zustand usw. dem Wind gehorchend 3. Zeile = Wie oder Wo? die Laus noch dazu 4. Zeile = weitere Beschreibung u. a. ärgerlich 5. Zeile = Kommentierung (Böseke, 1992, S. 88)

Weitere Ideen für Schreibspiele und -übungen: –– gemeinsam eine Geschichte verfassen, indem jeder reihum ein Wort hinzufügt, –– einen vorgegebenen Satzanfang vervollständigen, –– einen Text verfassen, in dem der Buchstabe „e“ fehlt, –– zu Bildern, Gegenständen oder Musik eine kurze Geschichte erfinden, –– Gedichte mit vorgegebenen Reimpaaren schreiben, –– zwei Gedichte zerlegen und aus diesem „Gedichtpuzzle“ ein neues Gedicht erstellen, –– zu einem literarischen Text ein alternatives Ende schreiben oder die Geschichte weiterdenken, –– einen Text in ein anderes Genre „übersetzen“, zum Beispiel in einen Rap, eine Kurzgeschichte usw.

U-Bahn-Schreiber Initiiert vom Verein „Schreibende Schüler e.V.“ fand das Projekt „Die U-Bahn-Schreiber“ statt, um den sich häufenden Gewalttaten in Berliner U-Bahnen etwas entgegenzusetzen. Die Schreibwerkstatt der Bibliothek in Marzahn beteiligte sich daran und

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

lud Schüler in die Bibliothek ein. Nach einem Austausch über das Thema „Gewalt“ folgte die Phase der Ideenfindung und des Schreibprozesses. Die Jugendlichen verfassten mit viel Fantasie und Kreativität Geschichten, Gedichte und Haikus. Danach folgte eine ungewöhnliche Aktion: Die Jugendlichen verteilten ihre Texte an die Passanten im U-Bahnhof Hellersdorf. Die Resonanz der Fahrgäste war sehr positiv (Zimmermann, 2014, S 83f.). Die Aktion und die entstandenen Texte sind hier nachlesbar: http://u-bahn-schreiber.blog.de. Literaturempfehlung: Feuerwerk der Fantasie: Schreibwerkstatt für Jugendliche in Theorie und Praxis / hrsg. von Renate Zimmermann. – Berlin: Simon Verlag für Bibliothekswissen, 2014. – 265 S. ISBN 978-3-940862-70-9

5.3 Social Reading: Lesen in der Peer Group

Leser brauchen lesende Freunde!

Partizipation bietet: – Authentizität und Identifikationspotenzial – Einbringen der Jugendkultur – Kollektives Schaffen und Motivation durch Gleichaltrige

Der Begriff „Social Reading“ steht im US-Amerikanischen für das Gespräch und den Austausch über Bücher. Das Bedürfnis, sich mit anderen Lesern über das gelesene Buch auszutauschen, gibt es schon lange. Erste Lesegesellschaften und Lesezirkel entstanden im 18. Jahrhundert. Heute ist die Konversation über Bücher in Leseclubs möglich oder online auf Plattformen wie „GoodReads“ oder „LovelyBooks“. Insbesondere für Jugendliche ist es wichtig, sich mit Gleichaltrigen auszutauschen. Der Freundeskreis und die soziale Dimension gewinnen im Jugendalter an Bedeutung. In der Leseförderung für diese Zielgruppe ist es wichtig, dass die Gemeinschaft eine große Rolle spielt und eine Atmosphäre des Vertrauens geschaffen wird, in der auch mit Leseschwierigkeiten offen umgegangen werden kann. Ein wesentliches Ziel ist die Stärkung des Selbstvertrauens in die eigenen Fähigkeiten als Leser durch die Gruppe. Formen und Methoden des „Social Reading“ in Bibliotheken sind zum Beispiel die Initiierung eines Leseclubs, der Einsatz von Lesescouts oder die Betreuung eines Jugendblogs, in dem sich Jugendliche über Bücher oder andere Medien austauschen können. Die Jugendlichen werden bei diesen Methoden aktiv einbezogen und übernehmen Verantwortung. Man nennt diese Form der Leseförderung auch Leseförderung durch Partizipation (siehe auch Kapitel 2.5). Die Leseförderung durch Partizipation ist eine Grundform der Leseförderung, die bei der Zielgruppe Jugendliche besonders geeignet ist. Der Begriff „Partizipation“ meint hier nicht im weiteren Sinne die politische und gesellschaftliche Teilhabe, sondern im engeren Sinne die Einbeziehung der Jugendlichen in die Leseförderungsaktivitäten von Bibliotheken und das Ernstnehmen ihrer Entwicklungsaufgaben im Jugendalter. Mitglieder eines Leseclubs können zum Beispiel in Eigenregie Neuerscheinungen im Blog der Bibliothek besprechen oder sie entwickeln Veranstaltungsideen, um andere Jugendliche für das Lesen zu begeistern. Sie können Lesungen oder Workshops gemeinsam mit der Bibliothek vorbereiten, an der Medienauswahl und am -einkauf beteiligt werden oder sie betreuen eigenverantwortlich eine Sachgruppe, bei der sie sich gut auskennen. Wie wichtig es ist, dass Bibliotheken soziale Formen der Leseförderung anbieten, bestätigt folgender Befund: An deutschen Schulen liegen die Schwerpunkte der außerunterrichtlichen Angebote eher in der Musik und der Bildenden Kunst als in der Literatur. Während über zwei Drittel der Schulen in Deutschland für 15-Jährige Aktivitäten wie zum Beispiel Chor, Orchester oder Kunst-AGs anbieten, liegt „der Anteil von Schulen mit Angeboten zur Teilnahme an Buch- oder Leseclubs lediglich bei 15



Social Reading: Lesen in der Peer Group 

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Prozent“ (Brendel-Perpina, 2013, S. 68). Die Einrichtung von Leseclubs an Bibliotheken ist folglich eine wichtige lesebegleitende Maßnahme. Als Institution bietet sich die Bibliothek sehr gut an, da der Zugang zu Büchern vorhanden ist und ein niedrigschwelliges Angebot unterbreitet werden kann. Für die Bibliothek ergibt sich der Vorteil, dass durch die Anbindung eines Leseclubs junge Leser gewonnen werden.

5.3.1 Leseclubs und Jugendliteraturjurys Das Ziel Die Betreuung eines Leseclubs in der Bibliothek ermöglicht aufgrund der Regelmäßigkeit der Clubtreffen eine nachhaltige Förderung der Lesemotivation und der Lesekompetenz. Leseclubs bieten vielfältige Möglichkeiten zum Kontakt mit Literatur und den Austausch mit Gleichaltrigen über das Gelesene. Außerdem vermitteln sie den Teilnehmern auch „kulturelles Wissen und Handeln“ und bieten die Chance, „langfristig in eine strukturell abgesicherte Lesekultur hineinzuwachsen“ (Brendel-Perpina, 2013, S. 78). Leseclubs machen das Erleben von Autonomie möglich, sei es bei der Wahl der Texte oder auch bei begleitenden Aktivitäten.

Die Methode Kinder und Jugendliche treffen sich regelmäßig in der Bibliothek, um über Bücher zu sprechen. Die Treffen werden von den Bibliotheksmitarbeitern organisatorisch unterstützt und – zumindest am Anfang – moderiert. Je länger die Gruppe besteht, desto weniger Moderation ist notwendig, da sich die Teilnehmer selbst organisieren. Die Mitglieder können sich neben den Treffen in der Bibliothek auch auf Online-Plattformen oder per E-Mail austauschen. Einige Leseclubs stellen die besprochenen Bücher und ihre Clubaktivitäten auch auf einer eigenen Internetpräsenz oder in Blogs vor. Neben den Buchbesprechungen sind auch weitere gemeinsame Aktivitäten möglich, zum Beispiel die Exkursion zu Buchmessen, Theaterbesuche oder die Teilnahme an Lesungen und Gesprächen mit Autoren, Lektoren oder Übersetzern. Manche Leseclubs erarbeiten auch Literaturempfehlungen oder vergeben eigene Literaturpreise. Für die Identifikation mit dem Leseclub kann dieser einen eigenen Namen tragen, der durch die Gestaltung eines Logos oder anderer Werbemittel (Plakate, T-Shirts usw.) ergänzt werden kann.

Die Inhalte Clubteilnehmer sprechen und diskutieren über Bücher, sie lernen die Qualität eines Buches einzuschätzen und entsprechend zu begründen. Es geht aber nicht vorrangig um eine breitgefächerte literarische Bildung, sondern um die Begeisterung für Bücher und die Möglichkeit des Austauschs mit der Peergroup. Geselliges Zusammensein, das Erleben der Gemeinschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl, das in festen Interessengruppen entstehen kann, sind genauso wichtig wie die Anregung vielfältiger Leseinteressen. Die Auswahl der Bücher, über die diskutiert werden soll, bestimmen die Clubteilnehmer. Der erwachsene Mentor kann Impulse geben, zum Beispiel indem er auf die Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis oder andere Informationsquellen wie Fachzeitschriften aufmerksam macht. Von Vorteil ist es auch, die Interessen beider Geschlechter bei der Auswahl der Titel zu berücksichtigen. Neben Jugendro-

Zielgruppe: Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren Dauer: regelmäßige Treffen, mehrjährige Mitgliedschaft

„… unsere Fahrt zur Frankfurter Buchmesse ist immer etwas Besonderes.“ (zit. nach Bernd, 2010, S. 15)

„Der Reiz ist für mich […] das Lesen und das spätere Diskutieren der Bücher in der Gemeinschaft. Es macht einfach Spaß, ein Buch zusammen zu lesen, sei es das Zuhören oder das Vorlesen.“ (zit. nach Bernd, 2010, S. 12)

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

manen können auch Comics, Sachbücher, Zeitschriften und andere Medien gelesen und diskutiert werden. Die Medien sollten aktuell sein. Für die Jugendlichen ist es besonders interessant, Neuerscheinungen zu lesen und zu diskutieren.

„Er oder sie muss sich für Kinderund Jugendliteratur interessieren und gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Im Leseclub ist er eher ein Partner… Es ist sehr wichtig, dass er den Mitgliedern das Gefühl gibt, was Eigenes zu schaffen.“ (zit. nach Bernd, 2010, S. 17)

Checkliste „Leseclubtreffen“ – Häufigkeit: mindestens einmal im Monat – Dauer: 45 bis 150 Minuten – Kleingruppen – altersgemischte Gruppen, ggf. auch in zwei Altersgruppen geteilt – Raum, der zum Verweilen einlädt – Regelmäßige Mitgliederwerbung – Moderation der Diskussionen

Organisation und Durchführung Die Gründung eines Leseclubs kann von der Bibliothek oder den Jugendlichen selbst ausgehen. Werbemaßnahmen für die Gründung eines Leseclubs sind vor allem dann erfolgreich, wenn durch Aktivitäten wie Autorenlesungen, Sommerleseclubs oder besondere Literaturevents bei den Jugendlichen das Bedürfnis entstanden ist, sich längerfristig mit Büchern zu beschäftigen und sich darüber austauschen zu wollen. Wer einen Leseclub anbieten und begleiten möchte, sollte möglichst selbst ein begeisterter Leser sein und gern mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Zudem bedarf es der Motivation, langfristig und regelmäßig eine Lesegruppe zu betreuen und für neue Lesestoffe und -eindrücke offen zu sein. Ina Brendel-Perpina empfiehlt, Zirkelleiter auszuwählen, die jugendliche Lesepräferenzen akzeptieren: Ebenso wie sie [Zirkelleiter] als ‚Experten‘ für Kinder- und Jugendliteratur auftreten und als solche die Jugendlichen beraten, müssen sie offen sein für (eigene) neue Leseerfahrungen, die im Dialog mit lesebegeisterten Jugendlichen möglicherweise entstehen. Dies setzt Interesse und Akzeptanz jugendlicher Lesepräferenzen unbedingt voraus (Brendel-Perpina, 2013, S. 205).

Leseclubs arbeiten mit altersgemischten Gruppen. Wenn die Altersdifferenz jedoch zu groß ist, kann es sein, dass die Leseinteressen stark divergieren. Dann bietet es sich an, die Gruppen nach Altersstufen zu teilen. Die Sitzungen finden regelmäßig zu einem festen Zeitpunkt statt. Die Häufigkeit der Treffen kann je nach Wunsch der Teilnehmer variieren. Treffen können im zweiwöchigen Rhythmus oder einmal im Monat stattfinden. Auch die Dauer der Clubsitzung kann unterschiedlich sein: Je nach Häufigkeit der Treffen kann die Dauer zwischen 45 und 150 Minuten liegen. Da sich die Jugendlichen länger in der Bibliothek aufhalten, ist die Ausstattung des Raumes von besonderer Bedeutung. Der Raum sollte mit Sofas, Sitzecken oder anderen bequemen Sitzgelegenheiten für Diskussionen in Kleingruppen geeignet sein und zum längeren Verweilen einladen. Ein Internetzugang für Recherchen bietet sich ebenfalls an. Wenn der Leseclub bereits länger besteht, werden neue Mitglieder meistens durch die vorhandenen Mitglieder geworben, indem zum Beispiel Freunde eingeladen werden. Wenn ältere Teilnehmer ausscheiden, sollte darauf geachtet werden, dass immer wieder jüngere Teilnehmer gewonnen werden, um den Nachwuchs zu sichern. Zudem sollte der Leseclubleiter auch überlegen, wie man das Interesse männlicher und bildungsferner Jugendlicher gewinnen kann, da prozentual mehr Mädchen als Jungen in Leseclubs mitarbeiten und der Anteil der Schüler von Gymnasien höher ist als der von Real- oder Hauptschulen. Der Ablauf eines Leseclubtreffens kann unterschiedlich gestaltet werden. Wichtig ist, dass die Jugendlichen aktiv beteiligt sind und sich wohl fühlen. Für ein erstes Treffen bietet sich an, dass sich die Teilnehmer zunächst mit spielerischen Methoden kennenlernen, zum Beispiel durch ein Partnerinterview. Auch die Vorstellung von Lieblingsbüchern ist denkbar. Bei weiteren Clubtreffen steht das Gespräch über gemeinsam ausgewählte und gelesene Bücher im Vordergrund. Subjektive Meinungen und der Bezug zur eigenen Lebenswelt sind nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht! Die Teilnehmer können eigene Leseerfahrungen äußern und sich darüber in einer zwanglosen Atmosphäre mit Gleichaltrigen austauschen. Die erwachsenen



Social Reading: Lesen in der Peer Group 

Mentoren motivieren zum Austausch und sollten – vor allem bei den ersten Clubtreffen – moderierend zur Seite stehen, zum Beispiel bei der Strukturierung des Gespräches, des Aufstellens von Gesprächsregeln und der Verteilung von Aufgaben unter den Clubmitgliedern. Ziel des Betreuers ist es, die Eigenverantwortlichkeit der Clubmitglieder zu stärken. Sind die Clubtreffen „eingespielt“, kann auch zum Verfassen von Buchtipps oder zu anderen gemeinsamen Aktivitäten angeregt werden. Die Buchtipps können beispielsweise in der Schülerzeitung, dem Blog der Bibliothek oder anderen geeigneten Foren publiziert werden.

Jugendliteraturjurys Leseclubs können auch Literaturpreise oder -empfehlungen (ver)geben. Die Mitglieder fungieren dann als Jurymitglieder. So führte zum Beispiel die Stadtbücherei Landshut 2009 den „Landshuter Jugendbuchpreis“ ein. Es können das „Buch des Monats“ oder ein oder mehrere Titel eines Jahres prämiert werden (so z. B. von der Leipziger Jugend-Literatur-Jury). Die Jurymitglieder sichten Neuerscheinungen und wählen aus dem Jugendbuchangebot ihre „Sieger“ aus. Es besteht auch die Möglichkeit, als Leseclub in der Jury des Deutschen Jugendliteraturpreises mitzuwirken. Um dorthin berufen zu werden, sind mehrjährige Erfahrungen in der Bewertung von Literatur erforderlich.

Das Beispiel Seit 1991 betreut die Stadtbücherei Landshut einen Leseclub. 1999 wurde er in einen Kinder- und in einen Jugendleseclub geteilt. Im Kinderleseclub sind Acht- bis Elfjährige aktiv, der Jugendleseclub nimmt Teilnehmer ab zwölf Jahren auf. Von 2003 bis 2008 war der Jugendleseclub Landshut eine von bundesweit sechs Gruppen, die die Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises bildeten. Gemeinsam werden neue Bücher ausgewählt, gelesen und gemeinsam diskutiert. Seit 2009 wird unter dem Motto „Auserlesen“ der Landshuter Jugendbuchpreis verliehen. Die in Landshut ansässige Autorin Mirjam Pressler ist Schirmherrin des Preises. Der Jugendleseclub Landshut nominiert jährlich die 15 besten JugendbuchNeuerscheinungen des Vorjahres. Aus diesen Titeln wählt die Jury, die sich aus Schülern verschiedener Schulen und jugendlichen Bibliotheksnutzern zusammensetzt, drei Preisträger aus. Weitere Informationen zum Jugendleseclub der Stadtbücherei Landshut und zum Jugendbuchpreis finden Sie auf der Internetseite der Bibliothek. URL: http://www.landshut.de/es/portal/bildung/ stadtbuecherei/veranstaltungen/jugend-erwachsene/jugendleseclub.html

Initiativen „Lesen im Sommer“ Der Clubgedanke liegt auch dem Bibliotheksprojekt „Lesen im Sommer“ zugrunde, das inzwischen in 14 Bundesländern stattfindet und im Sommer Kinder und Jugendliche zum Lesen in die Bibliotheken lockt. Die Initiativen heißen vor Ort unterschiedlich: „Lesesommer XXL“, „Buchdurst“, „Cool am Pool“, „Ferienleseclub“, JULIUSCLUB oder „53 Grad – dein Sommer“. Sie basieren jedoch alle auf dem gleichen Konzept: Fast immer ist der Auftakt des Projektes mit einer Party kurz vor den Sommerferien verbunden. Während der Veranstaltung oder danach können sich Kinder

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Abb. 7: Neue Bücher für den SommerLeseClub

und Jugendliche in der Bibliothek für den Leseclub anmelden. Sie müssen für die Teilnahme keinen Bibliotheksausweis besitzen. Stattdessen erhalten sie eine ClubKarte und ein Lese-Logbuch, in das die gelesenen Bücher eingetragen werden. Für die Durchführung des Sommerleseclubs werden von der Bibliothek neue Bücher erworben, die an einem Extra-Standort präsentiert werden. Sie sind gesondert gekennzeichnet und können nur von Clubmitgliedern ausgeliehen werden. Wer eine bestimmte Anzahl von Büchern während der Sommerferien gelesen hat, erhält am Ende ein Zertifikat. Ob die Bücher gelesen worden sind, prüfen die Bibliotheksmitarbeiter per Gespräch oder Bewertungsbogen. Der Abschluss des Projektes wird meistens auch gefeiert. Die Zertifikate werden ausgegeben und es werden kleine Belohnungspräsente überreicht. Ein Teil der Leseclubteilnehmer bleibt auch nach dem Projekt der Bibliothek treu. Literaturempfehlung: Eine ausführliche Beschreibung, wie ein solcher Sommerleseclub organisiert, durchgeführt und finanziert werden kann, finden Sie hier: Schröder, Cornelia: LeseClubs im Sommer. Eine Erfolgsgeschichte. // In: Handbuch Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit / hrsg. von Kerstin Keller-Loibl. – 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. – Bad Honnef: Bock + Herchen, 2014. – ISBN 978-3-88347-295-9. – S. 224–231



Social Reading: Lesen in der Peer Group 

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5.3.2 Lesescouts und Lesementoren Das Ziel Begeisterung für das Lesen kann ansteckend sein. Dies ist der Ausgangspunkt der Idee der Lesescouts oder Lesementoren. Die eigene Begeisterung für das Lesen und die positiven Leseerfahrungen sollen an andere Kinder und Jugendliche weitergegeben werden.

Die Methode Leseempfehlungen von Peers werden lieber angenommen als von Erwachsenen. Darauf gründet das Konzept der „Lesescouts“, das von der Stiftung Lesen konzipiert wurde. Im Rahmen von eintägigen Seminaren (mit der Option späterer Aufbaukurse) werden Schüler ab der siebten Klasse zu Lesescouts ausgebildet. Sie sollen an ihren Schulen zum Lesen motivieren, indem sie jüngeren Schülern vorlesen, ihre Buchfavoriten vorstellen oder weitere Leseförderprojekte anregen. Neben Freude und Begeisterung für das Lesen sollen im Lesementoring vor allem die Kenntnisse und Erfahrungen beim Lesen an Jüngere weitergegeben werden. Zum Beispiel wurde diese Idee im niedersächsischen Lesementoring-Projekt „Gymnasiasten lesen mit Grundschülern“ umgesetzt. Die Methode der Lesescouts oder des Lesementorings, die ursprünglich für Schulen entwickelt wurde, kann auf Öffentliche Bibliotheken übertragen werden. So können Jugendliche gewonnen werden, die als freiwillige Lesepaten zu Gesprächen über Literatur oder zu anderen literarischen Aktivitäten jüngere Schüler oder Gleichaltrige in die Bibliothek einladen. Zudem können Bibliotheken die an Schulen gegründeten Lesescouts-Gruppen oder eine Lesescout-AG unterstützen oder selbst eine solche AG ins Leben rufen.

Die Inhalte

Lesescouts können auf ganz unterschiedliche Weise aktiv werden. Angefangen bei einer Buchvorstellung in der eigenen Klasse, dem Vorlesen in jüngeren Klassen bis hin zur Durchführung einer Umfrage zu Lieblingsbüchern, einem literarischen Quiz am Tag der Offenen Tür, der Verwirklichung einer Bücherrallye oder einer Buchtauschbörse in der Bibliothek. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, Bücher interessant zu machen und die Neugier der Mitschüler zu wecken. Die Aktionen können in der Schule oder in der Bibliothek stattfinden. Die Bibliotheksmitarbeiter unterstützen die interessierten Jugendlichen inhaltlich und organisatorisch.

Literanauten-Projekt

Der Arbeitskreis für Jugendliteratur e.V. (AKJ) hat eine neue Initiative gestartet, die sich inhaltlich an die Idee der Lesescouts oder des Lesementorings anlehnt: Unter dem Titel „Literanauten überall“ sollen lesebegeisterte Jugendliche aktiv werden und mit Leseaktionen Jugendliche ansprechen, die bisher wenige Berührungspunkte mit Literatur hatten. Die Formen und Methoden, um auf Bücher neugierig zu machen, sind dabei so vielfältig wie die Aktivitäten der Leseclubs oder der Lesescout-AGs. Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie unter: http://www.literanauten.org.

Zielgruppe: lesebegeisterte Schüler ab der siebten Klasse Dauer: keine zeitliche Begrenzung

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5.3.3 Jugendblogs und Social Reading Plattformen

Zielgruppe: zwölf bis 19 Jahre Dauer: unbegrenzt oder als Projekt begrenzt auf eine bestimmte Zeitspanne (z. B. drei Monate oder ein Jahr)

Das Ziel Unabhängig von örtlichen und zeitlichen Einschränkungen können Jugendliche in einem Weblog mit anderen Lesern in Kontakt treten und sich über Literatur austauschen, indem sie eigene Beiträge einstellen oder Beiträge anderer kommentieren. Die Jugendlichen erwerben darüber hinaus Medienkompetenz, indem sie lernen, wie Artikel eingestellt werden, Links zu setzen sind oder Bilder über die Mediathek hochgeladen und eingefügt werden.

Die Methode Ein Weblog ist ein Forum, auf dem Beiträge zu verschiedenen Themen multimedial publiziert werden können. Es können problemlos Bilder und Videos, Dateien und Links eingebunden werden, Leser können Kommentare hinterlassen. Die Erstellung eines Weblogs ist mit wenigen Vorkenntnissen und in relativ kurzer Zeit möglich. So kann zum Beispiel mit der kostenfreien Blogsoftware „Wordpress“ gearbeitet werden.

Unter www.flickr.com sind gemeinfreie Bilder und Bilder mit sogenannten Creative-CommonsLizenzen zu finden. Diese Fotos können für öffentliche Internetseiten der Bibliothek wie Blogs oder Facebook-Seiten genutzt werden. Wenn es um Filmtrailer geht, bietet sich „YouTube“ als Quelle an.

Die Inhalte Weblogs eignen sich gut als Arbeitsinstrumente im Rahmen von Leseförderungsmaßnahmen. So können zum Beispiel Leseclubs oder Schreibwerkstätten diese Möglichkeit des Austausches für ihre Aktivitäten nutzen. Gelesene Bücher können im Blog vorgestellt und diskutiert werden oder durch eigene Geschichten oder selbst erstellte Filmtrailer bereichert werden. Auch für die →themenorientierte Leseförderung bietet sich die Arbeit mit einem Weblog an. Über ein spezifisches Thema können Fakten und inhaltliche Zusammenhänge gemeinsam erarbeitet werden. Die eigene Position zu einem Thema kann durch eine spezifische mediale Umsetzung zum Beispiel als Bildcollage, Text oder Handyfilm erfolgen.

Vorbereitung und Umsetzung 1. Einen eigenen Jugendblog erstellen Zunächst gilt es, die strukturelle und inhaltliche Konzeption des Blogs zu erstellen. Dies kann die Bibliothek in Eigenregie übernehmen. Besser ist jedoch, von Anfang an Jugendliche in das Projekt zu integrieren und gemeinsam mit ihnen – zum Beispiel im Rahmen eines Workshops – das Konzept zu erstellen. Dazu werden verschiedene Blogbeispiele in Kleingruppen betrachtet und diskutiert, was dieses Online-Format im Besonderen ausmacht. Danach sollte überlegt werden, welche strukturellen Elemente und welches Design der eigene Jugendblog aufweisen sollte. Gemeinsam können Artikelkategorien oder Themen festgelegt werden. 2. Inhaltliche und organisatorische Fragen klären Bevor der Jugendblog online geht, sollte diskutiert werden, was die Publikation von Beiträgen im Internet bedeutet und welche inhaltlichen und rechtlichen Aspekte berücksichtigt werden müssen. Zudem sollte geklärt werden, wie eine kontinuierliche Arbeit mit dem Weblog gewährleistet werden kann. Folgende Fragen sollten unbedingt vorab besprochen werden:



Social Reading: Lesen in der Peer Group 

–– Welche besonderen Anforderungen stellt dieses Medium an das Verfassen von Textbeiträgen (kurze Texte, Hypertextstruktur u. a.)? –– Welche rechtlichen Fragen müssen beim Veröffentlichen im Internet geklärt werden (Copyright, Persönlichkeitsrechte, Bildrechte)? –– Wie können weitere Mit- und Gastautoren gewonnen werden (geeignete Werbung, Ankündigung über Schülerzeitschrift u. a.)? –– Wie und in welchem Umfang werden diese Beiträge redigiert (Checkliste für Autoren und das Redaktionsteam erstellen usw.)? –– Welche Verantwortlichkeiten müssen festgelegt werden (z. B. Projektleiter festlegen, Aufgaben des Redaktionsteams klären, Rolle der Bibliotheksmitarbeiter festlegen usw.)? 3. Der Weblog geht online Wichtig ist, dass regelmäßig Beiträge akquiriert werden und Buch-Rezensionen oder Film-Tipps eingestellt werden, damit eine lebhafte Diskussion entstehen kann. Da im Alltag die Bibliotheksmitarbeiter oft wenig Zeit haben, regelmäßig Informationen zu veröffentlichen, sollten die Jugendlichen selbst die Möglichkeit erhalten, Daten und Bilder auf dem Jugendblog der Bibliothek einzustellen. Die Bibliotheksmitarbeiter übernehmen lediglich die Kontrollfunktion, vor allem im Hinblick auf die Einhaltung des Jugendschutzes und des Urheberrechts. Es bietet sich deshalb an, eine feste Gruppe von Jugendlichen als Redaktionsteam zu gewinnen, die das Einstellen der Beiträge übernimmt. Sie haben auch die Aufgabe, Gleichaltrige zu gewinnen, die Beiträge für den Blog verfassen oder eingestellte Beiträge kommentieren. Falls es von den Jugendlichen gewünscht wird, kann das Forum auch für die Diskussion schulischer Lesestoffe genutzt werden. Damit das Interesse am Weblog nicht nach kurzer Zeit verloren geht, sollten aktuelle Bücher, Filme oder Computerspiele vorgestellt und diskutiert werden. Und diese Medien sind dann natürlich auch in der Bibliothek ausleihbar! Für das jugendliche Redaktionsteam kann es ein Anreiz sein, beim Jugendblog der Bibliothek mitzuarbeiten, wenn es mit entscheiden kann, welche neuen Jugendmedien die Bibliothek erwirbt, und wenn es diese auch als erste ausleihen darf. Der Jugendblog sollte sich durch Aktualität und Kontinuität auszeichnen. Möglichst regelmäßig werden Beiträge eingestellt. Es ist aber auch möglich, für eine bestimmte Zeitspanne im Rahmen eines Projektes einen Weblog zu nutzen oder Pausen einzuplanen. In diesen Fällen sollte im Blog publiziert werden, dass es nun eine Pause gibt oder das Projekt abgeschlossen ist. Das Beispiel: FerienLeseClub-Weblog Parallel zum FerienLeseClub (siehe dazu Kapitel 5.3.1) wurde während der Sommerferien 2011 unter Leitung von Lisa Heyse erstmals ein Weblog in der Bücherei Bordesholm eingerichtet, auf dem sich junge Leser austauschen konnten. Eine fünfköpfige Redaktionsgruppe, bestehend aus drei Mädchen und zwei Jungen im Alter von 13 bis 18 Jahren, gestaltete den Blog konzeptionell und begleitete ihn während der Sommerferien durch das Verfassen eigener Beiträge und durch das Redigieren der Artikel von Gastautoren. Jugendliche Teilnehmer des FerienLeseClubs sowie die Mitarbeiter der Bücherei Bordesholm betätigten sich als Blogger. Das Spektrum der Texte reichte von Buchtipps über Partyberichte bis hin zu Interviews oder Umfragen. Am Ende des Projektes zählte die Blogstatistik insgesamt über 2.000 Aufrufe der Seite. Demnach wurde der Blog im Durchschnitt 35,6 Mal pro Tag aufgerufen. Der 2011 in der Gemeindebücherei Bordesholm initiierte FerienLeseClub-Weblog ist seit 2012 ein landesweites Zusatzangebot zum FerienLeseClub in Schleswig-Hol-

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stein. Weitere Informationen zum Weblog der Bücherei Bordesholm unter folgender URL: http://flcblogbordesholm.wordpress.com Zeitliche Planung und Ablauf eines FerienLeseClub-Weblogs Vorbereitung (mindestens drei Wochen vor den Sommerferien) Vorbereitung und Durchführung von Redaktions-Workshops mit jugendlichen Teilnehmern, Entwicklung und Umsetzung von Blogaufbau und -design. Durchführung (Sommerferien) Verfassen eigener Artikel der Redaktionsmitglieder; Gewinnung von Gastautoren, Redigieren der Beiträge und Publikation im Blog; Redaktionssitzungen zur Klärung von Fragen und zur inhaltlichen Weiterentwicklung des Blogs. Auswertung (eine Woche nach den Sommerferien) Evaluation durch Auswertung der Blog-Statistiken und Überprüfung, ob die Zielsetzungen erreicht wurden; Präsentation der Ergebnisse des Blogprojekts bei der Abschlussparty des FerienLeseClubs.

„Lenas Bücherwelt – Bücher ohne Ende“ (Start: 2014). Noch ist der nicht-kommerzielle JugendbuchBlog von Lena mit ca. 150 Followern ein Geheimtipp. Aber das kann sich schnell ändern. URL: http:// lenasbuecherwelt.blogspot.de/

Online-Plattformen für Social Reading Wenn Sie als Bibliothek keinen eigenen Jugendblog initiieren und betreuen wollen oder können, dann ist zu empfehlen, dass Sie geeignete Blogs zum Austausch über Literatur oder Social Reading Plattformen in die Veranstaltungsarbeit integrieren, um Jugendlichen den Online-Austausch mit anderen Lesern zu ermöglichen. Die Hemmschwellen sinken, wenn man im Netz (oft auch anonym) seine Leseerfahrungen mitteilen kann. Leider sind die bekanntesten Social Reading Plattformen nicht speziell für die Zielgruppe Jugendliche entwickelt, sondern sprechen eine größere Zielgruppe an. Zudem sind die meisten Plattformen kommerziell und nicht frei von Werbung. Im Folgenden sollen die „Lese-Netzwerke“ Goodreads, LovelyBooks und LibraryThing vorgestellt werden. Jugendliche und Erwachsene können hier Leseempfehlungen tauschen und ihre Leseeindrücke mit anderen Lesern teilen. Goodreads Auf der Plattform kann man seine subjektiven Leseeindrücke mitteilen und angeben, was man gerne lesen will. Man ist mit anderen Lesern in Verbindung, idealerweise mit seinen Facebook-Freunden, und erfährt, was diese lesen oder lesen wollen. Seit dem Start der Lesecommunity im Jahr 2007 ist das Wachstum ungebrochen: 2013 wurde Goodreads an Amazon verkauft und umfasst mittlerweile 25 Millionen Nutzer und 29 Millionen Rezensionen. Die Online-Plattform ist damit die größte Lesecommunity der Welt. URL: http://www.goodreads.com

Ein weiteres Beispiele für eine jugendliche Bloggerin, die Bücher bespricht: Blog von Leonie Demand, URL: http://www.leoloewchen.de

LovelyBooks Die Holtzbrinck-Tochter LovelyBooks ist Marktführer für Social Reading in Deutschland. Seit dem Relaunch der Seite im Frühjahr 2013 sind auf dieser Online-Plattform rund 450.000 User und über 2.000 Autoren aktiv. Für Jugendliche dürften vor allem die Rubriken „Fesselnde Jugendbücher“ und „Neue Fantasy-Bücher“ interessant sein. Bei LovelyBooks gibt es auch eine Gruppe von Bibliothekaren, die aktive Leser sind. Warum sollte man nicht auch gemeinsam mit einer Gruppe von leseinteressierten Jugendlichen auf dieser Plattform aktiv sein? Allerdings sollte Ihnen bewusst sein, dass auch dieses Portal nicht frei von der Werbung der Verlage ist. URL: http://www.lovelybooks.de/



Leseförderung in vernetzten Medienwelten 

LibraryThing Mitglieder können eigene Buchbestände katalogisieren, einem eigenen Nutzerkonto zuordnen und online hinterlegen. Es ist möglich, auf mehr als 690 Online-Bibliothekskataloge weltweit zurückzugreifen, um Bücher in den eigenen LibraryThing-Katalog einzutragen. LibraryThing ist vor allem für Buchliebhaber gedacht und dürfte deshalb vor allem für leseaffine Jugendliche und Erwachsene interessant sein. Mit Hilfe von LibraryThing for Libraries können Bibliotheken ihre eigenen Katalogoberflächen mit Daten aus diesem weltweit populären Social-Cataloguing-Angebot anreichern. URL: http://www.librarything.de

Weitere Formen und Methoden Kreatives Schreiben für Blogger In den →Schreibwerkstätten steht meist das Schreiben von eigenen literarischen Texten und deren Diskussion in der Gruppe im Vordergrund. Für Jugendliche, die sich eher für das Schreiben von Beiträgen in Blogs, Foren oder im Nachrichtendienst Twitter interessieren, können ebenfalls Kurse angeboten werden. Unter professioneller Anleitung konzipieren und schreiben die Teilnehmer gemeinsam Texte, die im Blog der Bibliothek oder anderen Internetforen eingestellt werden. Die Stadtbibliothek Köln bietet dieses Programm seit 2014 in ihrem Makerspace an, einem Raum für DoIt-Yourself-Projekte. Facebook-Gruppe der Bibliothek Die Bibliothek kann auch eine eigene Facebook-Gruppe mit Jugendlichen gründen. Die Jugendlichen werben für die Bibliothek, indem sie auf Neuerwerbungen hinweisen, Lese- und Medienempfehlungen erstellen oder Hinweise auf Veranstaltungen in der Bibliothek geben.

5.4 Leseförderung in vernetzten Medienwelten Jugendliche wachsen heute in einer medialen Partizipationskultur auf. Das Web 2.0 bietet vielfältige Möglichkeiten der aktiven Teilnahme, sei es in Blogs oder in Social Communities. Diese Angebote entsprechen den Bedürfnissen der Zielgruppe. Auch die Medienangebote und deren Nutzung verändern sich. Jugendliche eignen sich ein inhaltlich vernetztes Medienangebot an und teilen in Internetforen kommunizierend ihre Präferenzen mit anderen Jugendlichen. In diesem Medienensemble sind Printmedien genauso zu finden wie elektronische Angebote, zum Beispiel der Film zum Buch oder die Computerzeitschrift zum Computerspiel. Der Medienalltag Jugendlicher ist gekennzeichnet durch die parallele Nutzung verschiedener Medien. Regelmäßig werden Internet und Handy von jeweils 89 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen genutzt. 88 Prozent schauen täglich oder mehrmals pro Woche fern. Dass das Musikhören im Jugendalter ebenfalls eine große Rolle spielt, zeigt der Umgang mit verschiedenen Musikmedien: Täglich oder mehrmals pro Woche werden MP3-Daten (79 Prozent), Radio (79 Prozent) und Musik-CDs/Kassetten (54 Prozent) genutzt (JIM-Studie 2013, S. 11). Zunehmend übernehmen das Handy, der Computer bzw. Laptop und das Internet die Funktion von Haupt- oder Leitmedien für die Kommunikation und als multifunktionale Plattform für Fernsehen, Musikhören, Filme schauen, das Lesen von Online-Zeitschriften oder den Austausch in Blogs, Chats und Foren.

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Klassische Erzählstrukturen werden dadurch erweitert und durch zusätzliche Ebenen ergänzt. Geschichten werden interaktiv, Storytelling wird mehrdimensional. Aber wir müssen nicht befürchten, dass das Lesen und das geschriebene Wort keine Bedeutung mehr haben. Auch im Netz wird viel gelesen und geschrieben. Die Medienvorlieben Jugendlicher bieten vielfältige Ansatzpunkte für eine medienintegrative Leseförderung. Das Leseförderungsprojekt des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. „Lesen macht stark: Lesen und digitale Medien“ reagiert auf die crossmediale Mediennutzung der heranwachsenden Generation. Durch den Einsatz digitaler Medien soll die Lesefähigkeit bildungsbenachteiligter Kinder und Jugendlicher im Alter von drei bis 18 Jahren verbessert werden. Interessierte Bibliotheken haben bis 2017 die Möglichkeit, sich um Fördergelder für die fünf angebotenen Projektpakete für verschiedene Altersgruppen zu bewerben, wenn sie mit mindestens zwei weiteren Partnern vor Ort, zum Beispiel Familien-, Medien- oder Jugendzentren, kooperieren. Weitere Informationen unter folgender URL: http://www.lesen-und-digitale-medien.de.

Im folgenden Abschnitt lernen Sie einige Möglichkeiten kennen, wie Sie mit den Medien Film, Hörbuch und Internet zum Lesen, Schreiben, Kommunizieren und Reflektieren anregen können. Auch das bei Jugendlichen beliebte Smartphone kann in die Veranstaltungsarbeit integriert werden.

5.4.1 Vom Film zum Buch – vom Buch zum Film Filme, vor allem aktuelle Kinofilme, stehen weit oben auf der Beliebtheitsskala von Jugendlichen. Sie schauen sich gern gemeinsam mit Gleichaltrigen Filme an und tauschen sich darüber aus. Das Medium Film kann Ausgangspunkt für vielfältige lesefördernde Maßnahmen sein. Die Stiftung Lesen bietet im Rahmen des Lehrerclubs Filmhefte an, die Impulse für den Unterricht geben sollen. Dieses Material eignet sich ebenfalls sehr gut für die bibliothekarische Leseförderung im Medienverbund. Die Filmhefte enthalten viele Anregungen sich mit der Handlung des Films kreativ auseinanderzusetzen. Zudem befinden sich in jedem Heft Lese-, Medien- und Linktipps, um sich weiterführend mit den Themen des Films oder mit verwandten Themen zu beschäftigen. Ziel ist es, Kinder und Jugendliche anzuregen, sich eingehender mit dem Film oder verwandten Themen zu beschäftigen und sie so zum Lesen von Büchern und anderen textbasierten Quellen (Belletristik, Sachbücher, Internetressourcen) zu motivieren. Zum Kinostart der Verfilmung des Bestsellers „Die Bücherdiebin“ hat die Stiftung Lesen Unterrichts- und Aktionsmaterialien für Lehrer für die Klassenstufen acht bis zwölf herausgegeben, die hier auch für Bibliotheken zum Download bereitstehen: http://www.derlehrerclub.de/buecherdiebin

Zielgruppe: ab achte Klasse Eine Schulklasse Dauer: ca. 90 Minuten

Das Beispiel Im Folgenden soll eine Konzeptidee vorgestellt werden, in der Kinofilme den Ausgangspunkt für vielfältige Lese- und Rechercheaktivitäten in der Bibliothek darstellen. Das Konzept ist nicht sehr zeitaufwändig und kann auch in kleineren Bibliotheken durchgeführt werden.



Leseförderung in vernetzten Medienwelten 

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1. Phase der Einführung und Motivation Die Veranstaltung beginnt mit einem Film-Ratespiel, in dem Filmausschnitte, -bilder, -zitate und -musik von einer Auswahl an Filmen vorgeführt werden. Die Jugendlichen sollen die Filme erraten. Sie werden motiviert, zu den erratenen Filmen weitere (Quiz-)Fragen in Gruppenarbeit zu beantworten. 2. Bearbeitungsphase Die Gruppen erhalten entsprechende Fragenbögen. Zur Beantwortung der Fragen können der Bibliotheksbestand und das Internet (Filmportale mit Filmkritiken u. a.) genutzt werden. Die Jugendlichen sollten sich frei entscheiden können, zu welchem Film sie gern mehr erfahren wollen. Es können auch mehrere Gruppen zu einem Film arbeiten. Die Fragen können sich auf die Schauspieler, die Filmmusik, auf spezielle Effekte oder die Drehorte beziehen. Die Bibliotheksmitarbeiter unterstützen die Recherche und geben Tipps. 3. Auswertungsphase Die Jugendlichen empfehlen den Film, indem sie auf Besonderheiten der Schauspieler, der Filmmusik und andere Aspekte ihrer ermittelten Informationen näher eingehen.

Empfehlenswerte Filmportale im Internet kinofenster.de: Das von VISION KINO und der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung getragene Online-Portal eignet sich gut für die pädagogische Arbeit mit Filmen. Im Archiv werden neben Inhaltsangaben, Besprechungen und Interviews auch Filmhefte zur Verfügung gestellt. In einem Glossar werden Begriffe anschaulich erklärt. URL: http://www.kinofenster.de/ vierundzwanzig.de: Das Wissensportal der Deutschen Filmakademie bietet umfassende Informationen. Filmschaffende berichten in Videoclips von ihrer Arbeit und ermöglichen einen Einblick in die Filmproduktion. Pädagogische Begleitmaterialien werden zur Verfügung gestellt. URL: http://www.vierundzwanzig.de/

Vom Buch zum Handyfilm Bei der Verarbeitung eines Textes kann die Umsetzung einer Textpassage oder einer Kurzgeschichte in einem anderen Medium, zum Beispiel als Handyfilm, hilfreich sein. Grundlage dafür ist ein Drehbuch mit Dialogen und Handlungsanweisungen, das die Schüler zunächst in Gruppen verfassen. Danach kann die filmische Umsetzung starten, indem die Szene nachgespielt und mit dem Handy gefilmt wird. Für den Einstieg ist zu empfehlen, dass zunächst kurze Handyclips von maximal ein bis zwei Minuten gedreht werden. Zudem sollen die Filme in einer Aufnahme gedreht werden, damit die Zeit für die Bearbeitung und den Schnitt entfallen kann. Die Teilnehmer werden aufgefordert, das Storyboard in Form einer einfachen Skizze mit Strichmännchen zu entwerfen und Handlungsanweisungen am Rand zu notieren. Die Jugendlichen werden ermutigt, Improvisationen in der Umsetzung zuzulassen. Es sollte deutlich gemacht werden, dass keine perfekten Filme erwartet werden, sondern der Spaß und das Experimentieren im Vordergrund stehen. Vorbereitung Wenn Sie in der Bibliothek Handyclips zu Büchern drehen wollen, sollten Sie im Vorfeld folgende Punkte in Erfahrung bringen: –– mit der Schule oder dem Jugendclub klären, wie viele der am Projekt teilnehmenden Jugendlichen ein Handy besitzen und für diesen Zweck nutzen dürfen,

Zielgruppe: siebte bis zwölfte Klasse Eine Schulklasse oder offene Veranstaltung in Zusammenarbeit mit einem Freizeitzentrum oder Jugendclub Dauer: 90 bis 120 Minuten

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–– Einverständniserklärung der Eltern, dass ihre Tochter / ihr Sohn im Rahmen dieses bibliothekarischen Projektes gefilmt werden darf, falls die Handyclips online publiziert werden sollen, –– technische Voraussetzungen klären (z. B. USB-Kabel, um die Handyfilme auf einen Computer zu übertragen, ggf. Adapter für Mini- und Micro-SD-Karten, Beamer und Leinwand), –– Textauszüge aus aktuellen Büchern auswählen, die sich für ein Drehbuch für einen Handyfilm von ein bis zwei Minuten eignen (z. B. mit einem Dialog oder einer Textstelle, die sich in einem Rollenspiel umsetzen lässt), –– Bewertungskarten für die Nominierung der Filme bereitlegen und Preise für die drei besten Handyfilme besorgen.

Durchführung 1. Phase der Hinführung/Motivation Während die Schüler in die Bibliothek kommen, wird Filmmusik gespielt, um auf die Veranstaltung einzustimmen. Anschließend werden Aufgabe und Ablauf der Veranstaltung erklärt. Ggf. können Beispiele gezeigt werden.

Da nicht jede Handykamera eine gute Tonqualität hat, sollten die Teilnehmer darauf hingewiesen werden, dass sie bei der Aufnahme laut und deutlich sprechen müssen.

2. Erarbeitungsphase Die Heranwachsenden finden sich in Gruppen von drei bis fünf Teilnehmern zusammen. Durch Lose erhalten sie die Bücher und Buchausschnitte, die Grundlage für den Handyclip sind. Sie lesen die Texte, entwickeln Ideen für die Umsetzung der Textstelle und erstellen ein Storyboard in Form einer Skizze. Danach werden die Rollen festgelegt und sie beginnen mit der Aufnahme. Es sind mehrere Versuche möglich, bis ein vorzeigbares Ergebnis entstanden ist. Allerdings sollte unbedingt eine Gesamtzeit für die Gruppenarbeit vorgegeben werden, die eingehalten werden muss. 3. Präsentationsphase und Abschluss Nach Abschluss der Dreharbeiten wird die Präsentation der Filme vorbereitet. Dazu werden die Handyclips über die (möglichst mitgebrachten) USB-Kabel auf den Computer übertragen. Danach kann die Präsentation der Ergebnisse beginnen. Jede Gruppe nennt den Titel und Autor des Buches, aus dem die Textstelle stammt, und führt den Handyclip vor. Nach jeder Vorführung erfolgt die Bewertung des Beitrages mit Wertungskarten von eins bis zehn. Die besten Beiträge werden prämiert.

Weitere Umsetzungsmöglichkeiten Auch „YouTube“ oder „MyVideo“ können genutzt werden, um gemeinsam mit Jugendlichen ein Filmprojekt zu realisieren. Ziel ist es, Werbefilme zu drehen, die Lust machen, Bücher zu lesen oder die Bibliothek zu besuchen. Hier finden Sie ein Praxisbeispiel aus Lauenburg: „Blog & Büchereifilm der Videowerkstatt“. URL: http:// buechereilauenburg.wordpress.com/2013/11/13/tataaa-unser-film-ist-fertig/ Tipps und Tricks zur Filmarbeit mit Jugendlichen Womit filme ich? Was muss ich beim Filmen beachten? Wie kann ich Filme bearbeiten und schneiden? Wie kann ich das Video auf YouTube oder MyVideo hochladen? Antworten auf diese Fragen finden Sie zum Beispiel in dem vom Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. herausgegebenen Themenheft „Video“. Es bietet jungen Erwachsenen und Vermittlern, die in dieses Themenfeld einsteigen wollen, eine Anleitung, wie man einen Film drehen und auf entsprechenden Filmportalen im Netz hochladen kann (Download: http://www.chancen-erarbeiten.de/fileadmin/ webdata/PDFs/Inhalte_Video.pdf).



Leseförderung in vernetzten Medienwelten 

Auf der Website www.undaction.de stehen rund 40 Übungen und Methoden mit über 170 Übungsblättern kostenfrei zum Download bereit. Der Schwerpunkt liegt auf der Arbeit mit Haupt- und Sekundarschülern (Download: http://www.undaction.de/ um_6.html).

Literaturverfilmungen Bücher, die verfilmt wurden, eignen sich besonders gut für Vergleiche zwischen dem Buch und dem Film. So kann ein Buch zum Beispiel in Auszügen vorgelesen werden, danach wird der entsprechende Filmausschnitt aus der Literaturverfilmung gezeigt. Die Teilnehmer schildern im Anschluss, wie sie die Verfilmung fanden und was sie sich aufgrund der Schilderung im Buch anders vorgestellt hatten. Im Anschluss kann in Form eines Rollenspiels die Szene nachgespielt werden.

5.4.2 Musik und Hörbücher interaktiv Hörmedien spielen bei Jugendlichen im Alter von zwölf bis 19 Jahren eine wichtige Rolle im Medienalltag. Insbesondere das Musikhören gehört zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten. Jugendliche nutzen Hörmedien zum Entspannen und zum Abschalten vom Alltag. Musik ist oft mittels MP3-Player oder Smartphone permanent verfügbar. Hörmedien (Musik oder Hörbücher) können auch der Ausgangspunkt sein, um zum Lesen und Schreiben von Texten anzuregen.

Information über Musik und Stars Internetressourcen, die Jugendlichen den Zugang zu Musikangeboten eröffnen und zugleich zum Lesen anregen, sind zum Beispiel: –– DASDING, URL: http://www.dasding.de –– ByteFM, URL: http://www.byte.fm Der Jugendradiosender DASDING vom SWR ging 1997 erstmals auf Sendung und ist frei von Werbung. Das Radioangebot wird durch ein Online-Angebot ergänzt. ByteFM ist ein Internet-Radio, das 2008 sein Programm aufnahm und sich durch musikjournalistische Beiträge von über 80 Autoren auszeichnet. Es können Interviews mit bekannten Musikern gelesen, Star-News verfolgt oder spannende Hintergrundinformationen über Szenen, Bands, Entwicklungen und Zusammenhänge nachgelesen werden. Auch diese Plattform ist frei von Werbung. Beide Internetressourcen eignen sich hervorragend für die Leseförderung rund um das Thema Musik.

Songtexte verfassen Jugendliche können angeregt werden, ihre Lieblingsmusiktitel in einer Bibliotheksveranstaltung vorzustellen. Im Anschluss werden ausgewählte Lyrics ohne Nennung der Band oder des Sängers vorgelesen oder auf eine andere interessante Art und Weise präsentiert. Die Teilnehmer müssen nun erraten, um welche Band oder um welchen Sänger es sich handelt. Im Anschluss werden eigene Songtexte verfasst, ggf. zu Themen, die von den Jugendlichen selbst vorgeschlagen werden. Hilfreich für die Veranstaltung kann das Webportal Golyr (www.golyr.de) sein. Hier findet man über 450.000 Songtexte und Lyrics von etwa 30.000 Musikern und Bands.

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Als Einstieg in die Veranstaltung eignet sich zum Beispiel ein Zitat von Dirk von Lowtzow, Sänger und Texter von Tocotronics: „Oft kommt man ganz zufällig auf Dinge, und der Text stellt irgendwas mit einem an, wenn man ihn schreibt. Man fragt sich, was am Ende wohl rauskommt?“ (zit. nach Abou-Dakn, 2013, S. 30f.). Wie ein Songtext entsteht Einige Jugendliche haben vielleicht spontan eine Idee und schreiben die erste Fassung eines Songtextes in wenigen Minuten nieder. Andere Jugendliche warten passiv auf einen Einfall – für diese Gruppe müssen Sie Anregungen und Inspirationen bereithalten. Dies können spannende Themen oder anregende Inhalte sein, die gemeinsam mit den Jugendlichen entwickelt werden. So bietet zum Beispiel das Thema Liebe vielfältige Variationen (z. B. Sehnsucht nach Liebe, Liebe auf den ersten Blick, unerfüllte Liebe, Trennung usw.). Auch verschiedene emotionale Zustände können Ausgangspunkt für eine Idee sein. Fordern Sie die Jugendlichen auf, verschiedene Emotionen auf ein Flipchart zu notieren (z. B. Glücksempfinden, Hoffnung, Freude, Eifersucht, Wut, Angst usw.). Danach soll sich jeder eine Emotion aussuchen und in Zusammenhang mit einer persönlichen Erfahrung bringen, z. B.: Wovor habe ich Angst? Was macht mich glücklich? usw. Alternativ können auch Songtexte analysiert werden, indem das jeweilige Thema und die Grundstimmung ermittelt werden. Weitere Umsetzungsmöglichkeiten: –– Die Teilnehmer schreiben in drei Minuten auf, wie es ihnen geht und was sie gerade sehen. Die Texte dürfen auch belanglos sein. –– Die Teilnehmer versuchen, sich an einen Traum zu erinnern, und schreiben diesen auf. –– Die Teilnehmer hören Popsongs und notieren, was ihnen dazu assoziativ einfällt. –– Die Teilnehmer blättern in Zeitschriften oder betrachten Buchcover und lassen sich dadurch anregen (Abou-Dakn, 2013, S. 31f.). Nachdem die ersten Ideen notiert sind, beginnt die Überarbeitungsphase der Texte in Bezug auf die Inhalte, die lyrische Umsetzung und die Strukturierung des Textes. Sind die Bilder und die Wortwahl passend? Wie kann ich den Text strukturieren? Sollen Strophen entstehen oder nicht? Welche Reimart oder -form ist passend? Eignet sich mein Text als Rap? Freiheit des Reimens Die Form sollte nicht den Inhalt bestimmen. Entwickeln Sie nicht den Ehrgeiz, den Jugendlichen die Theorie des Reimens zu vermitteln. Man kann verschiedene Songs anhören und die Texte lesen, um unterschiedliche Arten von Reimen kennenzulernen. Die Jugendlichen können dann entscheiden, welche Reime ihnen besonders gefallen. Viele Songtexte arbeiten mit dem verbindenden Reim am Ende einer Verszeile (Endreim). Im Rap wird häufig der Binnenreim verwendet, der sich dadurch auszeichnet, dass der Reim nicht am Versende, sondern innerhalb der Verse steht: Beispiel Hey, heute ist wieder einer der verdammten Tage die ich kaum ertrage und mich ständig selber frage warum mich all diese Gefühle plagen, die ich nicht kannte oder nur vom Hörensagen, denn bisher rannte



Leseförderung in vernetzten Medienwelten 

ich durch meine Welt und war der König doch alles, was mir gefällt, ist mir jetzt zu wenig alles, was mich kickte, von dem ich nie genug kriegte lass ich lieber sein, denn ich fühl mich allein Aus: „Sie ist weg“, Songtext der Fantastischen Vier, Text: Michael DJ Beck, Thomas Dürr, Andreas Rieke, Michael B. Schmidt

Am Ende der Veranstaltung stellen die Jugendlichen ihre Ergebnisse vor. Wichtig ist, dass Sie als Moderator ein positives Feedback geben. Es gibt keine richtigen und keine falschen Texte. Auch sollten die Jugendlichen nicht gezwungen werden, ihre Texte vorzutragen, wenn sie dies nicht möchten. Für diese Leseförderungsmethode bietet sich an, dass im Deutschunterricht weiter an den Songtexten gearbeitet wird. Als Bibliothek können Sie natürlich auch eine zweite Veranstaltung für das Verfassen von Songtexten anbieten, wenn die Jugendlichen dies wünschen. Die Teilnahme sollte freiwillig sein. Alternativ kann auch eine Rap-Werkstatt oder ein Workshop zum Verfassen von Poetry Slam Texten mit Sprach- und Groove-Übungen angeboten werden. Hierzu können professionelle Akteure aus diesem Bereich eingeladen werden, die den Workshop durchführen (siehe dazu Kapitel 5.5.2). Vertiefung Entwickeln Sie aus diesen Anregungen einen ersten Grobentwurf für ein Veranstaltungskonzept für eine neunte Klasse. Zur Verfügung stehen insgesamt 90 Minuten. Gliedern Sie das Konzept in die drei Hauptphasen „Einführungsphase / Motivation“, „Erarbeitungsphase“ und „Präsentation / Feedback“.

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Gerade bei schwächeren Lesern kann das „Lesen mit den Ohren“ zur Lesemotivation beitragen.

Hörbücher als Verständnishilfe Hörbücher können eingesetzt werden, um Texte besser verstehend lesen zu können. Die sinngemäße Betonung beim Vorlesen erschließt den Text und ermöglicht auch Jugendlichen mit eingeschränkter Lesekompetenz die Geschichte zu verstehen. Das Hörbuch hat den Vorteil, dass Textstellen bei Bedarf auch mehrfach vorgespielt werden können. Spielidee Es wird eine spannende Geschichte als Hörspiel oder Hörbuch präsentiert. Das Vorspielen wird an einem Punkt unterbrochen, an dem die Handlung eine entscheidende Wendung nimmt oder eine Entscheidung getroffen werden muss. Die Zuhörer erarbeiten in Gruppen, wie die Geschichte weitergehen könnte und stellen ihre Ideen vor, zum Beispiel indem der gemeinsam verfasste Text vorgelesen oder in Form eines Rollenspiels nachgestellt wird. Danach wird die entsprechende Stelle im Hörspiel oder Hörbuch vorgespielt. Die Kinder und Jugendlichen können nun die Originalgeschichte mit ihren erfundenen Fortsetzungen vergleichen. Varianten: –– Die Teilnehmer gestalten den Schluss der Geschichte oder erfinden eine neue Figur o.ä. –– Alle Teilnehmer setzen die selbsterfundene Wendung oder Schlussvariation als Rollenspiel um. Die Rollenspiele werden als Hörspiel aufgenommen.

Vom Buch zum Hörbuch Texte können auch in anderen Medien transformiert oder weitererzählt werden. So kann zum Beispiel ein Textabschnitt in ein kleines Drehbuch oder in einen Hörbuchtext umgeformt werden. Die Szene kann mit Partnern gespielt und aufgenommen werden, Geräusche und Musik untermalen die akustische Darstellung. Es eignen sich vor allem Texte, die viele Dialoge enthalten und den Einsatz einfacher Hintergrundgeräusche ermöglichen. Wichtig ist, dass bei der Umarbeitung hörspieltypische Elemente enthalten sind, zum Beispiel ein Erzähler, mehrere Hauptpersonen, Dialoge und Spannungsmomente, Geräusche und Musik. Diese Kriterien können zum Beispiel gemeinsam mit der Gruppe erarbeitet werden und auf einem Flipchart notiert werden. Die Geräusche können selbst produziert oder als fertiges Geräusch zur Verfügung gestellt werden. Einige technische Kenntnisse und entsprechende Aufnahmetechnik sind erforderlich. Varianten: –– Es ist möglich, ein Rollenspiel nach einem Buch oder Buchabschnitt einzuüben und es hinter einer Trennwand als Hörspiel aufzuführen. –– In Gruppenarbeit erzählt jeweils ein Schüler einem anderen den Inhalt seines Lieblingsbuches. Der zuhörende Schüler nimmt den Text auf.

5.4.3 Leseförderung mit dem Internet Das Internet ist das Medium, das Jugendliche mit Abstand am häufigsten nutzen.

Soziale Netzwerke, Wikipedia, YouTube und Co., Informationsportale und Diskussionsforen sind häufig genutzte Online-Angebote. Für viele Jugendliche ist die Internetnutzung mittlerweile habitualisiert: 73 Prozent aller Zwölf- bis 19-Jährigen gehen täglich online, 89 Prozent mehrmals pro Woche (JIM-Studie 2013, S. 28). Dabei ver-



Leseförderung in vernetzten Medienwelten 

bringen die Jugendlichen nach eigener Schätzung fast die Hälfte ihrer Nutzungszeit im Internet mit „Kommunikation“ wie Mailen, Chatten oder der Nutzung Sozialer Netzwerke. Die restliche Zeit verteilt sich fast gleichmäßig auf die Bereiche „Information“, „Spiele“ oder auf „Unterhaltungsangebote“ wie Musikhören, Filme und Bilder ansehen (JIM-Studie 2013, S. 31). Bei den kommunikativen Tätigkeiten im Internet stehen die Online-Communities an erster Stelle: 75 Prozent der befragten Jugendlichen nutzen täglich oder mehrmals pro Woche Plattformen wie Facebook oder StudiVZ. E-Mails empfangen und versenden ist ebenfalls eine häufige Tätigkeit, die mit zunehmendem Alter immer mehr an Bedeutung gewinnt. Twitter ist für die Zwölf- bis 19-Jährigen hingegen weniger von Bedeutung. Nur fünf Prozent lesen solche Kurznachrichten (JIM-Studie 2013, S. 32). Die Nutzung von Suchmaschinen steht bei der Informationssuche mit 80 Prozent auf Platz eins. 38 Prozent recherchieren regelmäßig Informationen, viele verwenden dafür die Online-Enzyklopädie „Wikipedia“ oder ähnliche Informationsquellen. Web-2.0-Aktivitäten wie „in Newsgroups bzw. Foren schreiben“, „Musik/Sound-Dateien einstellen“, „Weblogs schreiben“, „Fotos/Videos oder Podcasts erstellen“ sind hingegen nur bei einer kleinen Gruppe Jugendlicher regelmäßige Tätigkeiten (JIMStudie 2013, S. 33f.). Viele Lese- und Schreibaktivitäten von Heranwachsenden finden heute im Internet und insbesondere in den sozialen Medien statt. Der kommunikative Aspekt ist im Jugendalter ein wichtiger Anreiz für das Lesen und Schreiben in der Freizeit. In der bibliothekarischen Leseförderung sollten diese Mediennutzungsgewohnheiten aufgegriffen werden. Leseförderung mit dem Internet schult verschiedene Bereiche des Lesens und des Textverständnisses: das Orientierungslesen, das Lesen von Texten unter verschiedenen Fragestellungen, den Umgang mit Hypertexten oder dem Schreiben eigener Textbeiträge. Das Internet bietet vielfältige Möglichkeiten, neue Formen und Methoden der Leseförderung zu entwickeln und das Lesen und Schreiben in digitalen Medien zu fördern. In diesem Kapitel werden Sie einige Möglichkeiten kennenlernen.

Abb. 8: Mediengewohnheiten Jugendlicher ernstnehmen

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Was kann man alles tun? –– Bewertung von Internetseiten mit Jugendlichen und Erstellung von Linklisten zu relevanten Themen für die Homepage der Bibliothek (z. B. Hausaufgabenhilfe, Musik, Berufsorientierung, Stars und Sternchen, Was ich schon immer wissen wollte u. a.), –– Jugendinformation online: betreute Jugendinformationsportale in die →themenorientierte Leseförderung integrieren und damit bei Jugendlichen bekannt machen, –– Bewertung von Wikipedia-Beiträgen, Bearbeitung von vorhandenen Einträgen oder gemeinsames Erarbeiten neuer Beiträge, –– Betreuung eines Jugendblogs der Bibliothek oder einer Facebook-Gruppe der Bibliothek, die Lese- und Medienempfehlungen für Gleichaltrige verfassen (siehe dazu Kapitel 5.3.3), –– kreatives Schreiben im Internet oder per E-Mail, –– Erzählen – digital und interaktiv (Digitales Storytelling, Fanfiction, Interactive Fiction), –– Produktionsorientierte Medienarbeit, zum Beispiel Entwicklung eines digitalen Quiz oder eines Online-Spiels.

Jugendinformation online Informelles Lesen auf Webseiten mit jugendaffinen Themen wie Prominente, Musik, Mode oder Sport ist bei Jugendlichen beliebt. Jugendmagazine wie „Bravo“, „Kicker“ oder „Geo“ bieten mittlerweile kostenlose Alternativen zum Zeitschriftenabonnement im Internet an. Die Webseiten enthalten neben den Rubriken der Printausgaben auch Foren, in denen sich Jugendliche austauschen können. Die Bibliothek sollte auf diese Online-Magazine aufmerksam machen, zum Beispiel mit Hilfe von Links auf der Jugendseite der Bibliothek oder in einer Veranstaltung mit Jugendlichen, in der auch Online-Ressourcen genutzt werden. Fragen zu spezifischen Themen wie Liebe und Sexualität oder zu Themen wie Gesundheit und Ernährung, Drogenmissbrauch oder Mobbing versuchen Jugendliche oft mit Hilfe des Internets zu beantworten, bietet das World Wide Web doch eine scheinbare Anonymität im Unterschied zur Ausleihe eines Buches in der Bibliothek. Allerdings gelangen die Jugendlichen dabei nicht immer auf für sie geeignete und qualitätsvolle Seiten. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Bibliotheken ihren Auftrag als Informationsdienstleister ernst nehmen und Jugendliche dabei unterstützen, entsprechende Seiten im Internet zu jugendaffinen Themen zu finden. Hinweise auf der Jugendseite der Bibliothek sollten nicht fehlen. Zudem können betreute und für Jugendliche geeignete Informationsportale in die themenorientierte Leseförderung mit einbezogen werden. Empfehlenswerte Informationsportale für Jugendliche: –– Feel-ok.ch ist ein Internetportal für Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren mit vielfältigen Themen wie Sport, Ernährung oder Suchtmittel. Es bietet umfassende und jugendspezifische Informationen und ermöglicht den Erfahrungsaustausch in Foren und Chats. Für Vermittler werden didaktische Unterlagen zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt, um die Inhalte von feel-ok.ch mit Jugendlichen zu bearbeiten. URL: http://www.feel-ok.ch/de_CH/jugendliche/jugendliche.cfm –– Loveline.de ist das Jugendportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Im Vordergrund steht die Sexualaufklärung. Es werden Themen wie Liebe, Verhütung, Sex oder Aussehen behandelt. Zudem beantworten Experten



Leseförderung in vernetzten Medienwelten 

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in einem Chat anonym spezifische Fragen der Jugendlichen. Chats, Foren und Videobeiträge ermöglichen einen vielfältigen Austausch. URL: https://www.loveline.de/startseite.html –– Youngdata.de ist eine Datenschutzseite für Jugendliche, die vom Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz betreut wird. Themen sind unter anderem der Datenschutz, der Umgang mit Facebook, Smartphones, WhatsApp, Skype & Co. URL: http://www.youngdata.de/

Mit Wikipedia arbeiten Schnell in der Online-Enzyklopädie Wikipedia etwas nachzuschauen, das gehört für viele Jugendliche zum Alltag, sei es zur Erledigung von Hausaufgaben oder für Alltagsfragen. Die wenigsten davon sind aktive Wikipedia-Autoren. Sich mit dieser Enzyklopädie näher zu beschäftigen, indem Beiträge analysiert und ergänzt oder eigene Beiträge verfasst werden, kann zur Förderung der Lese- und Schreibkompetenz beitragen. Zudem erfahren die Jugendlichen, worin die Besonderheit von Wikipedia im Vergleich zu gedruckten Enzyklopädien besteht und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind. Mit dem Einsatz der Online-Enzyklopädie Wikipedia in der bibliothekarischen Leseförderung wird die Lese- und Schreibkompetenz von Kindern und Jugendlichen auf verschiedenen Feldern verbessert: Die Teilnehmer lernen Texte zu vergleichen und kritisch zu betrachten, auf Richtigkeit und Aktualität zu achten und einen Text in einer Enzyklopädie von einem essayistischen, journalistischen oder wissenschaftlichen Text zu unterscheiden. Diese Methode lässt sich allerdings nicht in 90 Minuten umsetzen, sondern erfordert eine längere Beschäftigung mit diesem Thema. Es eignet sich daher das Format des Workshops oder die Beteiligung der Bibliothek an Projekttagen der Schule. Auch im Rahmen eines Ganztagsangebots kann sich die Bibliothek sinnvoll mit diesem Projekt einbringen. Alternativ kann auch mit einem eigenen Wiki gearbeitet werden. Die Software für die Einrichtung und den Betrieb eines Wikis ist oft kostenlos erhältlich (z. B. PBworks). Die Jugendlichen können eigene Wiki-Seiten mit Medienempfehlungen oder zur Bearbeitung eines Themas erstellen. Der Bibliothekar übernimmt die Moderatorenrolle. Als Organizer wird er per E-Mail über jede Änderung im Wiki informiert und kann Informationen kommentieren oder bei Bedarf löschen. Wer ein eigenes Wikipedia-Projekt mit Schülern initiieren möchte, findet in dieser Handreichung eine geeignete Anleitung: Rack, Stefanie / Hahn, Franziska / Buffy, Vanessa: Wikipedia. Gemeinsam Wissen gestalten. / hrsg. von der EU-Initiative Klicksafe. – Ludwigshafen, 2014. URL: http://www.klicksafe.de/service/aktuelles/news/detail/neu-zusatzmodul-fuer-den-unterrichtwikipedia-gemeinsam-wissen-gestalten

Kreatives Schreiben im Internet oder per E-Mail Eigene Geschichten und Texte im Netz publizieren Eigene Geschichten, Gedichte oder Rezensionen schreiben und im Netz publizieren und sich darüber mit anderen austauschen – das ist für Jugendliche interessant. Frei zugängliche und betreute Netzangebote für das kreative Schreiben können in der bib-

Die Jugendlichen verfassen in diesem Projekt gemeinsam Beiträge, sodass neben der Förderung der Lese- und Schreibkompetenzen auch kollaboratives Lernen ermöglicht wird.

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

liothekarischen Leseförderung im Rahmen von Veranstaltungen, Workshops oder bei der Gründung und Betreuung einer Schreibwerkstatt genutzt werden. Beispiele für betreute und frei zugängliche Seiten für Jugendliche: –– Hierschreibenwir.de ist eine Plattform zum Veröffentlichen von eigenen Texten, die vom Carlsen Verlag betreut wird. Sie enthält auch Hinweise auf aktuelle Schreibwettbewerbe und ermöglicht den Austausch über eigene Texte. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Registrierung ist erforderlich. URL: http://www.hierschreibenwir.de –– Schreibende-schueler.de wird vom Verein „Schreibende Schüler e.V.“ betreut. Neben Schreibwerkstätten in verschiedenen Städten Brandenburgs und in Berlin betreut der Verein einen bundesweiten Schreibwettbewerb. URL: http://www.schreibende-schueler.de –– Spinxx.de ist ein Forum, das Tipps zum Schreiben von Filmkritiken für Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 15 Jahren bietet. URL: http://www.spinxx.de/home.html –– Lizzynet.de ist eine Online-Zeitung von Mädchen für Mädchen, die regelmäßig Schreibwettbewerbe veranstaltet. Die Nutzerinnen können auch Buchrezensionen verfassen oder sich journalistisch betätigen. URL: http://www.lizzynet.de –– E-stories.de ermöglicht, Gedichte und Kurzgeschichten in verschiedenen Sprachen zu veröffentlichen. Zudem kann gemeinsam mit anderen an einer Endlosgeschichte geschrieben werden. URL: http://www.e-stories.de

Erzählen digital und interaktiv

Die klassische Leseförderung kann mit digitalen Angeboten bereichert werden.

Digitales Storytelling Die Tradition des mündlichen Geschichtenerzählens wird beim digitalen Storytelling mit multimedialer Computertechnik verknüpft. Eine kurze Geschichte wird vom Autor vorgetragen und mit multimedialen Elementen wie Bildern und Musik angereichert. Die Bilder können Fotos sein, aber auch Zeichnungen, die eingescannt werden. Die so entstandenen Filme, die meist nur drei bis fünf Minuten dauern, können dann auf DVD gebrannt oder im Web veröffentlicht werden. Das digitale Storytelling fördert die Sprachgestaltung und das Schreiben ebenso wie das Vorlesen und Erzählen. Zudem ist diese Methode handlungsorientiert und stellt die Eigenaktivität der Jugendlichen in den Mittelpunkt. Die Anforderungen an die Technik sind nicht hoch. Benötigt werden ein oder mehrere PCs, möglichst mit einem Bildbearbeitungsprogramm, ein oder mehrere Mikrofone sowie eine Auswahl an Bildern und Musik und eine gute Idee. Bei der Verwendung von Bildern und Musik muss unbedingt das Urheberrecht beachtet werden. Die kurzen Geschichten sollten die Jugendlichen selbst verfassen. Beispiele finden Sie unter anderem auf den Seiten des „Center for Digital Storytelling“ unter http://www.storycenter.org/stories. Fanfiction Fanfiction (oder kurz FF) ist die Bezeichnung für Geschichten, die Fans über beliebte Bücher, Filme, Fernsehserien oder Computerspiele verfassen, indem sie die Handlung fortschreiben oder die Protagonisten in einer neuen oder alternativen Handlung darstellen.



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Das Fanfiction-Archiv (http://www.fanfiction.net/book) enthält Beispiele wie die Geschichte, die an ein beliebtes Buch, einen Film oder eine Fernsehserie anknüpft, weitererzählt, ergänzt oder variiert werden kann. In einem Projekt mit Jugendlichen können diese Geschichten diskutiert und eigene Geschichten verfasst und online publiziert werden. Wichtig ist, dass das Urheberrecht nicht verletzt wird. Auch die kostenfreie Android-App auf Google Play „Wattpad“ kann für ein solches Projekt genutzt werden: Die Rubrik „FanFiction“ ist bei Teenagern sehr beliebt und enthält Fortsetzungsgeschichten zu TV-Serien oder über „Stars und Sternchen“ (z. B. zahlreiche Geschichten über Justin Bieber). Interactive Fiction Interactive-Fiction-Geschichten verknüpfen das Storytelling mit einer Spielidee in sogenannten „Text Adventures“. Diese Spiele zeichnen sich dadurch aus, dass die Spieler die Geschichte durch Texteingaben mitbestimmen können. Der Interactive Fiction Grand Prix zeichnet jährlich die besten deutschen „Text Adventures“ aus. Spiel- und Rezensionsdatenbanken im Internet: –– Ifwizz.de ist eine Spiele-Datenbank mit News-Blog. URL: http://ifwizz.de/ –– The Interactive Fiction Database (IFDB) ist eine umfangreiche Datenbank mit Rezensionen und Empfehlungen. URL: http://ifdb.tads.org/ Auch für Spielekonsolen gibt es eine Reihe von Spielen, in denen die User textbasierte Aufgaben lösen müssen. Zudem bieten Verlage für Tablets interaktive Buch-Apps an, wie zum Beispiel die „Living Stories“-Reihe vom Ravensburger Verlag für das iPad. Storytausch per E-Mail Die Stadt- und Landesbibliothek Potsdam veranstaltete einen Schreibwettbewerb per E-Mail. Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen schrieben gemeinsam mit bekannten Jugendbuchautoren Geschichten, die per E-Mail ausgetauscht wurden. Der Name des Jugendbuchautors blieb bis zuletzt geheim. Der Aufruf zum Wettbewerb ging an alle Potsdamer Schulen. Angemeldet haben sich Schülergruppen vorwiegend aus den siebten bis zehnten Klassen. Über fünf Schreibetappen innerhalb von sechs Wochen entstand in Zusammenarbeit zwischen Schülern und Autoren eine gemeinsame Story. Mindestens zwei Schüler und maximal eine ganze Schulklasse fanden sich zu einer gemeinsamen Schreibgruppe zusammen. Diese hatte die Aufgabe, den Anfang ihrer Geschichte zu erfinden. Der so entstandene Textbaustein wurde an einen der beteiligten Autoren gemailt, der dann die Fortsetzung schrieb. Den dritten Teil der Geschichte übernahm wieder die Schülergruppe, dann war erneut der Autor an der Reihe. Den Schluss der Geschichte durften dann wieder die Schüler verfassen. Am Ende waren nicht nur die Kinder und Jugendlichen stolz auf ihre Geschichten, auch die Jugendbuchautoren konnten neue Erfahrungen sammeln. Insgesamt nahmen 25 Schreibgruppen am Wettbewerb teil. Die besten Geschichten wurden prämiert. Eine ausführliche Beschreibung, wie ein solcher Schreibwettbewerb organisiert, durchgeführt und finanziert werden kann, finden Sie hier: Gohr, Ronald: Mailen im „Storytausch“. Junge Potsdamer schrieben gemeinsam mit Profi-Jugendbuch-Autoren Geschichten. // In: Handbuch Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit / hrsg. von Kerstin Keller-Loibl. – 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. – Bad Honnef: Bock + Herchen, 2014. – ISBN 978-3-88347-295-9. – S. 242-247

Die Freude am Spielen sollten wir für die Leseförderung nutzen.

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Digitaler Werkzeugkoffer Das Internet liefert auch das Werkzeug für eine digitale und multimediale Leseförderung. Neben den vielfältigen Informationsmöglichkeiten, dem Schreiben von Texten und dem digitalen Storytelling gibt es mittlerweile auch Seiten, die zur selbstständigen Mediengestaltung anregen und gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen genutzt werden können. Ein digitales Quiz für eine Leseförderungsveranstaltung zu erstellen bedarf viel Zeit und technisches Know-how. Die Seite „Learningapps“ (http://learningapps.org) ermöglicht es, mit Kindern und Jugendlichen einfache Mini-Apps und Online-Spiele nach einem Baukastenprinzip zu verschiedenen Themen zu kreieren. Auch ein Quiz kann so entwickelt werden. Die Nutzung des Angebots ist kostenfrei. Hilfreich für das digitale Storytelling, aber auch für den Jugendblog und andere Internetseiten, für die einfache Zeichnungen oder bildhafte Darstellungen benötigt werden, ist das kostenfreie Angebot der Seite „Openclipart“ (http://openclipart.org). „Saferinternet.at“ unterstützt Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrende beim sicheren und kompetenten Umgang mit digitalen Medien. Der Bereich für Jugendliche (http://www.saferinternet.at/staysafe) bietet ein Online-Jugendquiz zum Thema Sicherheit im Netz, das in die bibliothekarische Veranstaltungsarbeit integriert werden kann.

Abb. 9: Jugendquiz, www.saferinternet.at

Das Internetportal des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg „MediaCulturOnline“ (http://www.lmz-bw.de/medienbildung.html) bietet Informationen zu den Themen Medienbildung, Medienpraxis und Medienkultur. Multiplikatoren erhalten Anleitungen und Literatur für die Medienproduktion, Medienanalyse und Mediennutzung.

5.4.4 Transmediales Erzählen Eine Geschichte kann über verschiedene Medien erzählt und kennengelernt werden. Es können auch unterschiedliche Aktionsformen für die eigene Verarbeitung der Geschichte genutzt werden. Wenn der Transfer zwischen den Medien im Vordergrund steht, dann spricht man von Transmedialität. Diese kann erst im Prozess der Rezeption wirksam werden. Das Beispiel Sonntag, Robert M.: Die Scanner. – Frankfurt am Main: Fischer KJB, 2013. – 189 S. ISBN 978-3-59685537-7



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Zum Inhalt: Die Geschichte spielt im Jahr 2035, in dem das Leben hauptsächlich digital stattfindet. Die Aufgabe der Hauptfigur Rob und seines Freundes Jojo ist es, Leser zu finden, ihnen Bücher abzukaufen und diese für ihren Arbeitgeber, dem übermächtigen Konzern Ultranetz, einzuscannen. Sie treffen auf einen Leser, der einer Organisation namens „Büchergilde“ angehört, dessen Mitglieder Ultranetz misstrauen. Rob muss fliehen, als er die ganze Wahrheit erfährt und schreibt seine Geschichte auf. Das Buch „Die Scanner“ ist spannend geschrieben und regt dazu an, über aktuelle Probleme des Datenschutzes und der Wahrung von Persönlichkeitsrechten nachzudenken. Umsetzungsmöglichkeiten In einer Einführungsveranstaltung geht es zunächst darum, den Inhalt des Buches „Die Scanner“ kennenzulernen. Ideal wäre, wenn die Schüler dieses im Rahmen des Deutschunterrichts lesen würden. Die mediale Umsetzung und das Weiterdenken und -erfinden können das Interesse am Lesen stärken und ermöglichen ein vertieftes Verständnis der im Buch angesprochenen Probleme. Wenn der Romaninhalt noch nicht bekannt ist, dann kann zu Beginn der Veranstaltung der Anfang szenisch vorgelesen werden, um Neugier zu wecken: „… Guten Tag, ich bin Lukas. Tschuldigen Sie bitte die Störung. Ich lebe seit fünf Monaten in der C-Zone. Und ich bin leider auf Ihre Hilfe angewiesen“ (Sonntag, 2013, S. 11). Eine große, modern aussehende Sonnenbrille kann als „Mobril“ dienen. Nach einer Beschreibung der Welt des Buches von 2035 lernen die Schüler die Figuren kennen. Ist der Inhalt des Romans aufgrund der vorherigen Lektüre bekannt, dann können die Schüler selbst diese Welt beschreiben und die Figuren charakterisieren. Erst nach einer ausreichenden Kenntnis der Figuren und der Handlung kann eine transmediale Umsetzung der Geschichte erfolgen. Dafür eignen sich viele Methoden, die Sie in den vorangegangenen Kapiteln kennengelernt haben. Zum Beispiel können im transmedialen Erzählen die Figuren eine Art Eigenleben entwickeln. Die Teilnehmer stellen sich vor, wie sich einzelne Figuren in anderen Situationen verhalten würden, sodass neue Episoden in anderen Medien, zum Beispiel als →Handyfilm oder als →Digitales Storytelling, erzählt werden können. Für das Beispielbuch bietet sich zudem an, die Untergrundorganisation der „Büchergilde“ und das Unternehmen „Ultranetz“ näher zu betrachten. Um die Ziele der Untergrundbewegung und die gesellschaftliche Bedrohung durch den Konzern „Ultranetz“ zu verstehen, kann von den Teilnehmern ein Flugblatt entwickelt werden, das auf „geheimen Wegen“ im (Ultra-)Netz publiziert werden soll, um Mitstreiter für die Bewegung zu finden. Möglich ist auch, für die „Büchergilde“ unter einem verschleierten Namen einen →Blog anzulegen, in dem Nachrichten erstellt werden, die auf die Gefahren, die von „Ultranetz“ ausgehen, aufmerksam zu machen. Der Blog kann auch angereichert werden mit aktuellen Meldungen aus unserer Welt, die beispielsweise auf den Missbrauch von Daten hinweisen. „Ultranetz“ spielt ein doppeltes Spiel in dieser Welt von 2035: Nach außen stellt sich der Konzern als modernes Unternehmen auf hohem technischen Niveau dar. Entsprechende Werbebotschaften, die über das immer zu tragende „Mobril“ gesendet werden, können von den Schülern erfunden werden. Die eigentliche Absicht der Scan AG „Ultranetz“ ist jedoch die Ausübung von Macht und Kontrolle. Die Menschen werden abgelenkt und Bücher werden vernichtet, da sie als Gefahr für die Konformität gelten. Der Text enthält Hinweise auf Huxleys „Schöne Neue Welt“ und auf die Autoren Bradbury und Orwell. Die Teilnehmer erhalten den Auftrag, in einem geheimen Archiv, unserem heutigen Internet, zu recherchieren, weshalb für die Untergrundbe-

Transmediales Erzählen erfordert Zeit und viel Kreativität. Ein solches Projekt eignet sich besonders gut für Projekttage oder einen Workshop.

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wegung diese Namen von so großer Bedeutung sind. Viele weitere Aktivitäten können durch die Beschäftigung mit diesem Buch ausgelöst werden, sodass am Ende eine über den Romaninhalt hinausgehende transmediale Welt entsteht, in der aktuelle Themen unserer Zeit problematisiert und diskutiert werden.

5.5 Autorenlesungen und Workshops

Autorenlesungen sind auch für Jugendliche, die (noch) keine Bibliotheken nutzen, ein reizvolles Freizeitangebot. Fast ein Drittel der zwölf- bis 19-jährigen Nichtnutzer, die Interesse an Veranstaltungen in der Bibliothek bekundeten, können sich vorstellen, eine Autorenlesung in der Bibliothek zu besuchen (Keller-Loibl, Image von Bibliotheken, 2012, S. 87).

Jugendliche reagieren mitunter verhalten, wenn man sie zu Literaturveranstaltungen oder Lesungen einlädt. Oft denken sie dabei an klassische, langweilige Buchvorstellungen oder -lesungen. Die Ergebnisse des „2. Jugend-KulturBarometers 2012“ lassen bei jungen Leuten zwischen 14 und 22 Jahren generell ein abnehmendes Interesse im Bereich Literatur und am Besuch von Literaturveranstaltungen erkennen (2. JugendKulturBarometer, 2012, S. 3). Dieses allgemein sinkende Interesse an Literaturveranstaltungen kann jedoch nicht bei der Gruppe der jungen Bibliotheksbenutzer beobachtet werden. Die Studie „Das Image von Bibliotheken“ belegt, dass zwölf- bis 19-jährige Bibliotheksbesucher häufig viel und gern lesen und deshalb auch ein größeres Interesse an Literaturveranstaltungen und Autorenlesungen haben als Jugendliche, die weniger leseaffin sind und/oder keine Bibliotheken nutzen. Die Autorenlesung steht bei jugendlichen Bibliotheksbenutzern sogar auf Platz eins der Wunschliste: Mit 71 Prozent ist sie besonders beliebt bei Jugendlichen, die schon Bibliotheksveranstaltungen kennen und demnach wohl gute Erfahrungen gemacht haben. Auch Jugendliche, die Bibliotheken nutzen, aber (bisher) noch keine Bibliotheksveranstaltungen besucht haben, äußern mit 52 Prozent mehrheitlich Interesse an Autorenlesungen (Keller-Loibl, Image von Bibliotheken, 2012, S. 93). Zudem ist die Autorenlesung auch für potentielle Nutzer interessant: 32 Prozent der Nichtnutzer, die Interesse an Bibliotheksveranstaltungen bekundeten, äußerten Interesse am Besuch einer Autorenlesung in der Bibliothek (Keller-Loibl, Image von Bibliotheken, 2012, S. 87). Auch Formen der aktiven Mitarbeit und der Möglichkeit des sozialen Kontakts mit Gleichaltrigen wie es zum Beispiel bei Konzerten/Partys, Workshops oder beim Book Slam® möglich ist, werden präferiert.

Welche Veranstaltungen in Bibliotheken würden dich interessieren? 52

Autorenlesungen Konzerte/Partys

43

Informationen zur beruflichen Entwicklung

36

Computer-/Internetworkshops

28

Book-Slam®

28

Hausaufgabenhilfe

19

Veranstaltungen mit Prominenten

16

andere Vorschläge

12

zu bestimmten Themen weiß nicht

71

9 7

0 20 40 60 80 kein Veranstaltungsbesucher (N=868)

Veranstaltungsbesucher (N=58)

Darstellung der Veranstaltungsinteressen 12- bis 19-Jähriger Bibliotheksnutzer nach Keller-Loibl, Image von Bibliotheken, 2012, S. 93.



Autorenlesungen und Workshops  

Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung von Literaturveranstaltungen, insbesondere für weniger leseaffine Jugendliche, sind ein jugendgerechtes Ambiente und neue unterhaltende Veranstaltungsformate mit Eventcharakter. Im „2. Jugend-KulturBarometer“ präferieren „die mittelmäßig bis gar nicht kulturinteressierten 14- bis 24-Jährigen […] unterhaltende, spannende Inszenierungen. Als bevorzugte Veranstaltungsformate werden, ebenfalls wie im 1. Jugend-KulturBarometer, ‚lockere‘ Veranstaltungen mit der Gelegenheit zum Essen und Trinken (67%) sowie ‚besondere Events‘ (63%) hervorgehoben“ (2. Jugend-KulturBarometer, 2012, S. 3). Im folgenden Kapitel sollen neben der Autorenlesung deshalb auch Veranstaltungsformate und Methoden zur Leseförderung vorgestellt werden, die den Wunsch nach besonderen Events bedienen und eine aktive Beteiligung der Jugendlichen ermöglichen. Jugendliche und junge Erwachsene wollen teilhaben, sich selbst erproben, mitwirken sowie kreativ und eigenständig etwas gestalten. Gut geeignet sind daher Konzepte, die Jugendlichen etwas zutrauen, sie aktiv fordern und fördern. Viele dieser Angebote können gemeinsam mit Kulturveranstaltern vor Ort geplant werden, so zum Beispiel die Durchführung eines Literaturfestivals. Oft macht es auch Sinn, sich in größere, von Jugendlichen akzeptierte Events wie Sommerfeste, WaveGotik-Treffen oder Poetry-Slam-Veranstaltungen als Mitveranstalter einzubringen.

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Jugend-KulturBarometer: 2004 und 2012 vom Zentrum für Kulturforschung (ZFK) durchgeführte Befragung zu den kulturellen Interessen und Aktivitäten der in Deutschland lebenden 14- bis 24-Jährigen.

5.5.1 Autorenlesungen und -begegnungen Das Ziel Autorenlesungen oder -begegnungen stärken die Lesemotivation und ermöglichen einen neuen, ganz besonderen Zugang zur Literatur. Das Vorlesen des Textes durch den Autor macht Literatur nicht nur zu einem sinnlich erlebbaren Ereignis, sondern die Lesung weckt auch ein starkes Interesse, das Buch nach der Lesung selbst zu lesen. Die Jugendlichen lernen die Person kennen, die hinter dem Buch steckt. Auch für Heranwachsende mit geringerer Lesekompetenz ist diese Form sehr geeignet, da eine Verständnishilfe durch das Vorlesen des Textes geboten wird. Im Anschluss an eine Autorenlesung können dem Autor Fragen gestellt werden bzw. kann der Autor in einer Autorenbegegnung vom Entstehen seines Buches und dem Erfinden von Geschichten erzählen, sodass ein emotionaler Zugang zur Literatur über die Person des Autors ermöglicht wird.

Die Methode Ein junges Publikum für eine Autorenlesung zu begeistern, ist kein so leichtes Unterfangen, es sei denn der Autor ist bei der Zielgruppe sehr bekannt und beliebt. Allerdings ist dies oft der Ausnahmefall oder der Autor ist international so bekannt, dass das Budget der Bibliothek nicht reicht, das hohe Autorenhonorar zu bezahlen. Bei einem jungen Publikum ist es deshalb besonders wichtig, bei der Auswahl der Autoren, Themen und der Gesamtinszenierung der Lesung den jugendlichen Geschmack zu treffen. Für eine klassische Autorenlesung sollten nur Jugendautoren eingeladen werden, die entweder bei der Zielgruppe ein „Geheimtipp“ sind, oder Autoren, die für Jugendliche interessante Themen und Stoffe aufgreifen und ihre Texte auch mitreißend und spannend vorlesen können. Nichts ist schlimmer als ein Autor, der nicht gut vorlesen kann! Für Jugendliche ist es besonders wichtig, dass ein Buch stimmungsvoll und professionell vorgelesen wird. Eine Hilfestellung bei der Auswahl von geeigneten Autoren sind die Empfehlungen von Jugendjurys.

Zielgruppe: fünfte bis zwölfte Klasse Dauer: 60 bis 90 Minuten

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Autorenlesungen können auch durch Musik oder andere multimediale Inszenierungen bereichert werden. Ebenso sind mehrsprachige Autorenlesungen denkbar. Zudem können jugendgemäße Formen der Autorenlesung genutzt werden, die mehr Action und Spaß versprechen als die klassische Autorenlesung. Dazu gehören unter anderem ein Poetry Slam oder ein Live Poetry.

Abb. 10: Autorenlesung mit Klaus Hagerup

Wenn Sie noch keinen Poetry Slam live erlebt haben, dann kann das besondere Flair dieses Dichterwettstreits in verschiedenen Videoclips auf YouTube nachempfunden werden. Die besten Poetry Slams laufen unter dem YouTube-Kanal von spokenwordberlin. URL: www.youtube.com/user/ spokenwordberlin

Poetry Slam Der Poetry Slam ist eine ursprünglich in den USA entwickelte Form eines für alle offenen Lesewettbewerbs, bei dem Autoren eigene literarische Texte mit möglichst viel Dramatik, Mimik und Gestik einem größerem Publikum vorstellen. Die Selbstinszenierung spielt eine große Rolle. Das Publikum oder eine aus dem Publikum gewählte Jury kürt den Sieger. Hilfsmittel wie Kostüme oder Instrumente sind nicht erlaubt. Es zählt allein das gesprochene Wort und die Art der Darstellung bzw. des Gesamtauftrittes. Jeder Slamer muss ein Zeitlimit einhalten, das in der Regel zwischen fünf und zehn Minuten liegt. Erlaubt sind alle literarischen Genres, zum Beispiel Kurzgeschichten, Lyrik, Rap oder Comedy. Bei professionellen Slams begleiten häufig DJs und Bands den Wettbewerb, wodurch der Event- und Partycharakter betont wird, so unter anderem bei den jährlich stattfindenden Poetry Slam Meisterschaften des deutschsprachigen Raums. Die Clubatmosphäre und die Interaktion zwischen Autoren und Publikum sind das Besondere beim Poetry Slam. Bekannte deutschsprachige Slampoeten veröffentlichen bei Publikumsverlagen wie Ullstein und Carlsen oder in Independent-Verlagen wie zum Beispiel Voland & Quist (www.voland-quist.de). Zu bekannten Vertretern der Poetry-Slam-Szene gehören beispielsweise Bas Böttcher, Michael Lenz, Marc-Uwe Kling oder Jan Philipp



Autorenlesungen und Workshops  

Zymny, der 2013 zum deutschsprachigen Poetry-Slam-Meister gewählt wurde. Zudem gibt es eine Reihe von Slam-Teams, die regelmäßig gemeinsam auftreten. Es ist auch möglich, mit lokalen Slam-Bühnen zusammenzuarbeiten, auf denen sowohl Laien als auch professionelle Slammer regelmäßig auftreten. Unter www.myslam. net können Sie die Slam-Veranstalter in der Nähe des eigenen Ortes suchen und ansprechen. Mittlerweile gibt es vielfältige Varianten des Poetry Slam, zum Beispiel den Live Poetry – eine Kombination aus Poetry Slam und Improvisationstheater. Autoren verfassen auf der Bühne – oft gemeinsam mit dem Publikum – neue Texte im gegenseitigen Wettstreit. Anschließend wird wie beim Poetry Slam über den Sieger abgestimmt.

Vorbereitung einer Autorenlesung Sie können Autorenlesungen in Zusammenarbeit mit anderen Jugendeinrichtungen oder mit Schulen durchführen. Die Zielgruppe kann in die Vorbereitung einbezogen werden, indem sie beispielsweise ihre Wunschkandidaten für eine Autorenlesung in der Bibliothek diskutieren und eine Vorschlagsliste mit kurzen Informationen zu den Autoren erstellen. Auch in die Organisation und Werbung für die Lesung können Jugendliche aktiv einbezogen werden, indem sie beispielsweise in den Sozialen Netzwerken dafür werben. Gewinnspiele, bei denen Eintrittskarten für eine Lesung gewonnen werden, oder Freigetränke können zum ersten Besuch einer Lesung locken.

Autorenlesungen für Schulklassen Auf das Angebot von Autorenlesungen für Schulen sollte nicht verzichtet werden. Sie ermöglichen, jene Kinder und Jugendliche zu erreichen, die nicht von sich aus eine Schriftstellerlesung besuchen würden, aber im Klassenverband erreicht werden können. Wenn junge Leute gute Erfahrungen bei einer Schriftstellerlesung gemacht haben, dann steigt die Chance, dass sie erneut eine Lesung besuchen. Dadurch werden die Lesefreude und ein nachhaltiges Lesen gefördert. Die Autorenlesung oder -begegnung kann in der Bibliothek, aber auch in der Schule in Zusammenarbeit mit der Bibliothek stattfinden. Durch die Lesung wird eine verstärkte Nachfrage nach Büchern zu beobachten sein, und im besten Fall besuchen danach einige Schüler zum ersten Mal eine Bibliothek. Es können Jugendbuchautoren mit ihren belletristischen Werken, aber auch Sachbuchautoren zu jugendrelevanten Themen eingeladen werden. Die Autorenlesung kann auch mit weiteren Methoden der Leseförderung in der Vor- und Nachbereitung verknüpft werden: –– Zur Vorbereitung der Lesung erhalten die Schüler Auszüge aus dem Buch des Autors zur Lektüre. –– Die Schüler informieren sich im Vorfeld der Lesung in Form von Internetrecherchen über den Autor. –– Die Schüler erarbeiten Interviewfragen für das Gespräch im Anschluss an die Lesung. –– Nach der Lesung können Lesetagebücher oder Poster erstellt werden, die in der Bibliothek präsentiert werden. –– Nach der Lesung soll die Geschichte auf einer Plattform im Internet oder dem Weblog der Bibliothek weitererzählt werden. –– Die Schriftstellerlesung kann in einen Projektunterricht oder in Projekttage der Schule eingebunden werden.

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

Friedrich Bödecker (1896–1954) war ein deutscher Pädagoge, der sich für eine anschauliche Vermittlung von Literatur einsetzte und bereits in den 1920er Jahren Kinder- und Jugendbuchautoren in die Schule eingeladen hatte, um neue Formen der Literaturvermittlung zu erproben. Nach ihm ist der 1954 von engagierten Autoren, Pädagogen, Bibliothekaren, Buchhändlern und Verlegern gegründete „FriedrichBödecker-Kreis e.V. Hannover“ benannt. Inzwischen gibt es Friedrich-Bödecker-Kreise in fast allen Bundesländern.

Der Friedrich-Bödecker-Kreis e.V. unterstützt Sie bei der Vermittlung von Jugendbuchautoren sowie bei der Organisation und Finanzierung einer Autorenlesung für Schüler. Bei Interesse wenden Sie sich an den jeweiligen Landesverband. Die Ansprechpartner finden Sie auf der Homepage des Vereins: http://www.boedecker-kreis. de/ Neben der Autorenlesung oder Autorenbegegnung kann auch durch die Einladung von Lektoren, Verlegern oder Buchgestaltern ein Zugang zum Buch und zum Lesen eröffnet werden.

Lesetagebücher für subjektive Eindrücke Das Lesetagebuch ist eine häufig verwendete Methode in der schulischen Leseförderung. Ziel ist es, dem Schüler einen persönlichen Zugang zur Literatur zu vermitteln. Oft wird es begleitend zur Lektüre eines Buches im Unterricht eingesetzt. In einem Lesetagebuch kann die Geschichte noch einmal schreibend oder zeichnend vergegenwärtigt werden. Subjektive Leseeindrücke können ebenfalls in dieses persönliche Heft eingetragen werden. Als Variante für die Bibliothek wäre vorstellbar, dass die Teilnehmer im Anschluss an eine Autorenlesung gemeinsam ein Lesetagebuch erstellen, in das jeder Schüler seinen subjektiven Eindruck von der Lesung und der gehörten Geschichte schreiben kann. Dafür eignen sich zum Beispiel Paperblanks®-Notizbücher mit interessanten und zum Thema der Autorenlesung passenden Einbandgestaltungen. Kritik ist natürlich auch erlaubt. Daraus lässt sich ableiten, was man bei der nächsten Autorenlesung besser machen kann.

5.5.2 Workshops und Projekttage In Workshops oder Projekttagen können Kinder und Jugendliche intensiv an einem Thema arbeiten. Viele Themen und Methoden der Leseförderung lassen sich nicht in das Format einer Schulstunde von 45 oder 90 Minuten pressen. Workshops und Projekttage sind zudem darauf ausgerichtet, ein Produkt herzustellen. Die Teilnehmer werden aktiv, können selbst etwas gestalten und kreativ tätig sein. Dies entspricht den Bedürfnissen der Zielgruppe. Workshops können an einem Tag oder in Form einer Projektwoche auch an mehreren Tagen stattfinden. Bei der Themenwahl sind keine Grenzen gesetzt. Die Jugendbibliothek Hoeb4U der Bücherhallen Hamburg bietet zum Beispiel jeden Samstag während der Öffnungszeiten Workshops an – vom Buchbinden über Upcycling (aus Tetrapaks kleine Taschen basteln) bis hin zu Manga- oder Gaming-Workshops (Filme mit Games drehen). Im Hinblick auf die Ziele der Leseförderung eignen sich ebenfalls Zeitungs- und Comic-Workshops oder ein Poetry Slam-Workshop. Auch das bei der Zielgruppe beliebte Scrapbooking kann Gegenstand eines Workshops oder einer Projektwoche sein. Im Folgenden sollen einige Beispiele vorgestellt werden.

Zielgruppe: elf bis 18 Jahre

Manga-Workshop Ein Manga-Workshop kann beispielsweise als Zeichenworkshop durchgeführt werden. Dazu laden Sie am besten einen Mangakünstler in die Bibliothek ein, der den Workshop mit Jugendlichen durchführt. Geeignete Künstler können Sie bei MangaVerlagen anfragen. Eine Mangakünstlerin, die Workshops für Bibliotheken anbietet, ist zum Beispiel D. N. Mai. Sie führte bisher Manga-Workshops in Hamburg und Dresden durch.



Autorenlesungen und Workshops  

Ein Manga-Zeichenworkshop kann zum Beispiel wie folgt ablaufen: 1. Zu Beginn des Workshops findet ein einführendes Gespräch über die bisherigen Erfahrungen der Teilnehmer mit Mangas statt (z. B. „Welche Mangas lest ihr gerne und warum?“). 2. Der Mangakünstler stellt Proben seiner Zeichnungen vor und zeigt, worauf man achten sollte, wenn man Mangas zeichnet, z. B. welche Unterschiede es zwischen weiblichen und männlichen Figuren gibt. Es werden Tipps und Tricks zum Zeichnen von Mangas vom Experten „verraten“. 3. Die Teilnehmer gestalten nun selbst eine Manga-Seite mit eigenen Figuren und erhalten vom Kursleiter individuelle Unterstützung beim Zeichnen. 4. Die Ergebnisse werden präsentiert und die Teilnehmer erhalten ein Feedback vom Künstler. Ggf. können die entstandenen Zeichnungen in der Bibliothek ausgestellt werden.

Scrapbooking-Workshop Beim Scrapbooking wird ein Fotoalbum erstellt, indem mit Fotos, Aufklebern und anderen zu den Fotos passenden Gegenständen eine Geschichte erzählt wird. Ein Merkmal der Scrapbook-Bewegung ist die gemeinschaftliche Anfertigung von Scrapbooks und der Austausch darüber. Workshops, in denen Techniken und Fähigkeiten vermittelt werden, wie man ein Scrapbook erstellt, werden gern besucht. Mittlerweile gibt es auch digitales Scrapbooking. Bei der Vorbereitung eines Workshops muss beachtet werden, dass ausreichend Material für die Gestaltung bereitliegt. Auch sollten die Teilnehmer vorab informiert werden, dass ein eigenes Scrapbook im Rahmen des Workshops gestaltet wird bzw. an einem bereits vorhandenen weiter gearbeitet werden kann. Die Teilnehmer bringen zum Workshop ein Album und eine Auswahl an Fotos mit. Ein Scrapbooking-Workshop kann zum Beispiel wie folgt ablaufen: 1. Zu Beginn des Workshops findet ein Austausch der Teilnehmer über ihre bisherigen Erfahrungen mit Scrapbooking statt. Dafür können Sie die Methode „Erwartungsabfrage“ einsetzen. Teilen Sie Metaplankarten aus und bitten Sie die Teilnehmer darauf zu notieren, was sie von diesem Workshop erwarten und was ihnen besonders wichtig ist. Achten Sie darauf, dass auf jeder Karte nur ein Stichpunkt steht. Fordern Sie die Teilnehmer auf, die Karten an einer Pinnwand anzubringen. Eventuell lassen sich Aussagen thematisch sortieren. Betrachten Sie gemeinsam die Ergebnisse und stellen Sie ggf. klärende Nachfragen. Versuchen Sie, die Ergebnisse für die Veranstaltung zu nutzen. 2. Entsprechend der Schwerpunkte, die sich aus der Erwartungsabfrage ergaben, werden nun Tipps und Tricks zum Scrapbooking vermittelt. Die bisherigen Erfahrungen der Gruppenteilnehmer können in Form eines Brainstormings eingebracht werden. Alle Fragen werden beantwortet. 3. Die Teilnehmer erhalten nun genügend Zeit, ihr Scrapbook zu erstellen bzw. an einem bereits vorhandenen Scrapbook weiterzuarbeiten. Der Kursleiter beantwortet individuelle Fragen und gibt Tipps für die Gestaltung. 4. Im Anschluss stellen die Teilnehmer in einem Stuhlkreis ihre angefertigten Scrapbooks den anderen Kursteilnehmern vor, indem sie die illustrierte Geschichte Seite für Seite zeigen und mit eigenen Worten das im Scrapbook dokumentierte Erlebnis nacherzählen. 5. Zum Abschluss werden die Teilnehmer angeregt, die erzählte Geschichte aufzuschreiben und bei Interesse im Blog der Bibliothek zu veröffentlichen. 6. Der Workshop wird mit einer Feedback-Abfrage beendet.

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D. N. Mai studierte Grafik-Design in Hamburg. Sie gewann mehrere Zeichenwettbewerbe. Proben ihres Schaffens können auf der FacebookSeite der Künstlerin betrachtet werden.

Zielgruppe: elf bis 18 Jahre

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 Kinder ab elf/zwölf Jahren und Jugendliche

Zielgruppe: 13 bis 20 Jahre

Poetry Slam-Workshop Für einen Poetry Slam-Workshop können Sie einen Slam-Poeten einladen, der den Workshop durchführt. Einen ersten Überblick über bundesweit angebotene Workshops erhalten Sie unter www.poetry-slam-workshop.de. Sie können auch Slam-Poeten direkt bei lokalen Veranstaltungen ansprechen und fragen, ob Interesse besteht, einen Workshop mit Jugendlichen in der Bibliothek durchzuführen. Das Honorar für den Workshop können Sie jeweils mit den Workshop-Leitern abstimmen. Ein Stundensatz von 70 Euro und die Übernahme der Reisekosten sind üblich (Anders, 2013, S. 152). Ein Slam-Workshop erfolgt in der Regel in folgenden Schritten: 1. Einführung in das Thema „Poetry Slam“ und Erfragen des Vorwissens / der Vorlieben der Teilnehmer, Vortrag ausgewählter Performance-Texte, 2. Arbeit an eigenen Texten der Teilnehmer; die Teilnehmer werden durch Schreibimpulse zum Schreiben motiviert, auch ein kooperatives Schreiben mehrerer Personen ist möglich, 3. Bühnensituation kennen lernen und Vermittlung von Vortragstechniken, Gruppenübungen zum Stimm- und Sprechtraining, Einsatz von Mimik und Gestik üben, Umgang mit dem Mikrofon, 4. Präsentation der Texte in einem Poetry Slam vor der Gruppe und ggf. Überarbeitung der Texte nach dem Feedback durch die Teilnehmer (Anders, 2013, S. 52). Jugendwettbewerb U20-Poetry Slam In den USA gibt es seit 1999 Poetry Slam für Jugendliche und Jugend-Meisterschaften. Im deutschsprachigen Raum findet seit 2004 der U20-Poetry Slam-Wettbewerb statt. Die auftretenden Slammer sind nicht älter als 20 Jahre. Die Veranstaltungen, die am Nachmittag oder frühen Abend stattfinden, werden von einem jugendlichen Publikum zwischen zehn und 22 Jahren besucht.

6  Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen 6.1 Literaturveranstaltungen und Literaturevents 6.1.1 Lesungen, Lesereihen, Literaturtage Lesungen, Lesereihen und Literaturtage können Menschen aller Altersgruppen für das Lesen begeistern und die Lesemotivation erhalten und stärken. Das unmittelbare Erleben eines Autors eröffnet einen neuen Zugang zur Literatur. Mit einem vielseitigen Angebot an Lesungen und Lesereihen trägt die Bibliothek zur aktiven Literaturvermittlung bei. In vielen kleineren Städten und Gemeinden ist die Bibliothek die Kultureinrichtung vor Ort. In größeren Städten sollte keine Konkurrenz zu anderen Kultureinrichtungen wie Literaturhäusern oder Literaturbüros entstehen. Stattdessen bietet sich eine Kooperation mit den Literatureinrichtungen der Stadt an. Auch die Termine für Lesungen sollten im städtischen Literaturnetzwerk abgestimmt werden. Setzen Sie in der bibliothekarischen Leseförderung nicht nur auf Autoren mit hoher Popularität. Die Bibliothek kann gemäß ihrem Auftrag und unter Beachtung des Einzugsgebietes Schwerpunkte bei der Auswahl der Autoren und Themen setzen. Dazu gehören beispielsweise: –– Veranstaltung mehrsprachiger Autorenlesungen, –– Vorstellung literarischer Werke von Nachwuchsautoren, –– Lesungen von regionalen Autoren und Übersetzern, –– Vorstellung von Sachbuchtiteln, –– Zielgruppenspezifische Angebote, zum Beispiel für junge Erwachsene (z. B. Poetry Slam-Autoren) oder für Krimifans.

Veranstaltungsformate Literaturveranstaltungen lassen sich in verschiedenen Veranstaltungsformaten realisieren, zum Beispiel als Einzelveranstaltung, als Reihe oder als Projekt. Die verschiedenen Formen sollten je nach Zielsetzung der Veranstaltungsarbeit ausgewählt werden. Einzelveranstaltung –– sporadisch, ohne Rhythmus und Fortsetzung –– bei herausragenden Gästen, –– zur Vorstellung von Neuerscheinungen Reihenveranstaltung –– langfristig und regelmäßig –– Kontinuität, schafft Gewohnheiten –– meist zielgruppenspezifisch oder themenorientiert –– für verschiedene Themen wie z. B. eine Debüt-Autoren-Reihe oder eine Reihe mit regionalen Autoren Einbindung in kommunale Ereignisse wie Stadtfeste oder Kulturfestivals usw. –– größere öffentliche Aufmerksamkeit –– meist finanzielle Förderung durch die Kommune –– Stärkung der Zusammenarbeit mit städtischen Organisationen und Institutionen, Imagebildung

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

Projekttage (Literaturtage, Literaturwoche u. a.) –– besonders öffentlichkeitswirksam –– Chance der Finanzierung durch Fördermittel und Sponsoren –– Gewinnung neuer Benutzer, Imagebildung

Zielgruppe: Erwachsene Dauer: ca. 90 Minuten

Organisation und Durchführung einer Autorenlesung Im Folgenden wird dargestellt, was bei der Organisation und Durchführung einer Autorenlesung zu beachten ist. Sie sollten für die Vorbereitung reichlich Zeit einplanen: Ein Vorlauf von einem halben Jahr ist angemessen. Wenn Sie sehr bekannte Schriftsteller einladen wollen, dann sollte die Anfrage an den Verlag ein Jahr vorher erfolgen. Vorprüfung 1. Wahl des Themas/Autors 2. intendierte Zielgruppe und Zeitraum festlegen 3. Finanzierbarkeit klären Planungsphase Absprache mit Verlag und Autor: – Honorar, Nebenkosten, Termin; Vertragsabschluss – Verlagswerbemittel anfordern, Büchertisch planen – Hotelzimmerbestellung Öffentlichkeitsarbeit: – Plakate, Handzettel, ggf. Einladungskarten erstellen – Pressetext erstellen – Meldung an die regionalen Veranstaltungskalender (oft Meldung ein Monat vorher erforderlich!), Lokalpresse, Rundfunk, Fernsehen, alternative Stadtzeitung u. a. – Werbung im Internet (Homepage, ggf. Blog der Bibliothek, Twitter u. a.) Feinplanung der Veranstaltung: – Vorbereitung der Moderation und der anschließenden Diskussion – organisatorische Feinabstimmung mit dem Gast (Hoteladresse, Diskussion und Signieren gewünscht?, Abholung gewünscht? u. a.) – Dekoration und Bestuhlung klären, Licht- und Tonanlage – Zeitplan und Verantwortlichkeiten noch einmal durchgehen Durchführungsphase – – – –

Kontrolle des Raumes (Temperatur, Lüftung etc.) Autor empfangen, wichtige Gäste begrüßen Vorabinterviews mit Presse ermöglichen Getränk für Autor bereitstellen (in der Regel Wasser)

Nachbereitungsphase – – – –

Zielgruppe: Erwachsene Dauer: regelmäßige Gruppentreffen von jeweils etwa 90 bis 120 Minuten

Dankschreiben an Autor mit Beilage der Presseberichte und ggf. Fotos Rückblick und „Manöverkritik“ Dokumentation intern und ggf. extern Abrechnung (Honorar, Reise- und Übernachtungskosten, Künstlersozialkasse)

6.1.2 Schreibwerkstätten Nicht selten äußern Leser in Bibliotheken den Wunsch, Unterstützung oder Beratung zu finden, um Erlebtes aufzuschreiben, selbst geschriebene Gedichte und Geschichten oder vielleicht sogar ein Romankonzept mit anderen Menschen zu diskutieren. Mit-



Literaturveranstaltungen und Literaturevents 

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unter ist damit auch die Hoffnung verbunden, ein eigenes Buch zu veröffentlichen und in der Bibliothek Hilfe und Orientierung bei der Suche nach einem geeigneten Verlag zu finden. In manchen Städten kann man bei solchen Anfragen gezielt an Werkstätten für Kreatives Schreiben verweisen, die zum Beispiel an Volkshochschulen angeboten werden. Aber auch die Gründung eines Treffpunkts für schreibende Menschen in der Bibliothek ist denkbar und meistens ohne großen Aufwand zu realisieren. Folgende Fragen gilt es dafür vorab gemeinsam mit dem Gründerkreis für eine solche Gruppe zu klären: Welcher Zeitpunkt und Rhythmus für die geplanten Treffen bietet sich an? Welche Räumlichkeiten können dafür genutzt werden? Welche Kosten entstehen dabei eventuell? Welche Ziele und Erwartungen verbinden die Teilnehmenden mit den geplanten Treffen? Wird eine beratende und moderierende Begleitung gewünscht? Wie wird für das Angebot geworben?

Viele weitere Fragen, die Ablauf, Inhalt und Regeln für den Austausch betreffen, ergeben sich während der ersten Gruppenstunden und sind mit allen Teilnehmenden zu bedenken und untereinander abzustimmen. Bewährt hat sich im Rahmen der bibliothekarischen Leseförderung für Erwachsene beispielsweise die Form einer offenen moderierten Schreib- und Lesegruppe, die sich im Unterschied zu Kursangeboten der Volkshochschule nicht als Lehrgang für Kreatives Schreiben versteht, sondern das Ziel hat, schreibenden und literaturinteressierten Menschen ein kreatives Forum zum gemeinsamen Lernen und Lesen zu bieten. Bei den Treffen stellen sich die Teilnehmenden gegenseitig ihre Texte vor, diskutieren darüber und erhalten gegebenenfalls bibliothekarische Beratung zu literarischen Formen und Themen, zum Verlagswesen wie auch zur Auswahl und Nutzung von Online-Foren.

Die Bibliothek bringt dazu geeignete Ratgeber und Handbücher rund um das Schreiben ein, mit denen bei den Treffen gearbeitet werden kann. Ausgewählte Lektürevorschläge aus dem Bestand regen das gemeinsame Lesen an, um von Autoren für das eigene Schreiben zu lernen. Wer ergänzend zu den Gruppentreffen für das Selbststudium zu Hause nach weiteren Informationen und Austauschmöglichkeiten rund um das Schreiben sucht, kann durch die bibliothekarische Beratung eine Orientierungshilfe bei der Suche nach geeigneten Internetseiten erhalten. Auch Einblicke in das Verlagswesen tragen dazu bei, die Chancen und Grenzen von Veröffentlichungen realistisch einzuschätzen. Um aus der großen Fülle an Online-Foren für Hobby-Autoren einen ersten Eindruck von Aufbau und Informationsgehalt solcher Seiten zu gewinnen und zu vermitteln, sind hier lediglich drei Links als Beispiele genannt. Sie bieten vielfältige Vernetzungsstrukturen, Möglichkeiten für Online-Veröffentlichungen und Austausch zu eigenen Texten, liefern Tipps, Hilfen und Informationen rund ums Schreiben und verweisen auf aktuelle Ratgeber und Fachliteratur. Es kann sich als hilfreich erweisen, bei den Treffen von offenen Schreibgruppen die Möglichkeiten solcher Online-Foren aktiv und bewusst mit einzubeziehen. Oft bieten sie inspirierende Schreibübungen, laden zur Teilnahme an Wettbewerben und Anthologie-Projekten ein und vermitteln in kleinen Kurseinheiten praktisches Handwerkszeug für verschiedene Textformen. Erfahrungen, die Teilnehmende zu Hause mit

Internet-Tipps für Schreibwerkstätten in Bibliotheken – drei Beispiele: www.leselupe.de www.blauersalon.net www.literaturcafe.de

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

den Online-Foren gesammelt haben, können in der Gruppe ausgetauscht werden und so in der Kombination aus Nah- und Fernphasen eine gemeinsame Weiterentwicklung beim produktiven wie rezeptiven Umgang mit literarischen Texten bewirken.

6.1.3 Besondere Literaturevents Besondere Höhepunkte im Veranstaltungsprogramm Ihrer Bibliothek können mit Literaturevents geschaffen werden. Sie sind zwar oft sehr aufwändig in der Vorbereitung, aber aufgrund des Eventcharakters werden auch (potentielle) Nutzer der Bibliothek erreicht, die sonst für das Lesen und die Literatur kaum zu begeistern sind. Einige Formen und Methoden sollen im Folgenden skizziert werden.

Zielgruppe Jugendliche und Erwachsene Dauer: von 30 bis 90 Minuten

„Die Bibliothek als neutraler Ort ist die geeignete Umgebung, um aktuelle gesellschaftspolitische Fragen untereinander zu diskutieren.“ (Detlefs, 2006, S. 20)

Living Library „Living Library“ steht für die Idee, dass sich Menschen mit „lebenden Büchern“, also anderen Menschen, unterhalten. Das Konzept ermöglicht die Begegnung von Menschen aus unterschiedlichen Berufen, unterschiedlicher Herkunft usw., um mögliche Vorurteile abzubauen. Menschen erzählen als „lebende Bücher“ ihre Alltagsgeschichten und sie werden von den Nutzern der Bibliothek befragt. So kommen Menschen zusammen, die vielleicht sonst nie miteinander reden würden. „Eine ‚Menschenbibliothek‘ bietet sowohl eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem komplizierten Thema ‚Vorurteile‘ als auch eine humorvolle Herangehensweise“ (Detlefs, 2006, S. 20). „Living Library“ wurde von der dänischen Non-Governmental-Organisation „Stop the Violence“ erstmals im Jahr 2000 auf dem Musikfestival im dänischen Roskilde organisiert. Die Idee verbreitete sich schnell: „Lebende Bücher“ finden Sie heute auf Musikfestivals und auf Buchmessen (z. B. 2014 auf der Leipziger Buchmesse, veranstaltet von den Kornhausbibliotheken Bern). Mit dieser Methode können Menschen aller Altersgruppen angesprochen werden. Auch Menschen, die selten oder gar nicht Bibliotheken nutzen, aber kulturell interessiert sind, dürfte dieses Event ansprechen. Zudem ist eine Kooperation mit Schulen oder Hochschulen denkbar. „Living Libraries“ sind auch für junge Leute interessante Aktionen. Das Beispiel In der Stadtbibliothek Marzahn-Hellersdorf in Berlin wurde im Rahmen des „UNESCOWelttag des Buches“ dieses Event 2007 veranstaltet. Insgesamt waren über den Tag verteilt vierzehn „Lebende Bücher“ in der Bibliothek zu Gast. Als „Lebende Bücher“ wurden Menschen eingeladen, die sich für die Gesellschaft engagieren, interessante Berufe ausüben oder ein ungewöhnliches Lebenskonzept verfolgen, darunter ein Entwicklungshelfer, ein Pastor, eine Greenpeace-Aktivistin und ein Paralympics-Athlet. Am Vormittag konnten Schulklassen in Kleingruppen Fragen an die „Lebenden Bücher“ stellen. Am Nachmittag fanden Einzelgespräche mit Bibliotheksbesuchern statt, die sich ihre „Lebenden Bücher“ schon vor dem Event für 30 Minuten „reservieren“ konnten (Schachner, 2007, S. 12).

Zielgruppe: Erwachsene Dauer: ca. 90 bis 120 Minuten

Literaturshows Literatur kann inszeniert werden. Veranstalten Sie unterhaltsame Abende in der Bibliothek rund um das Lesen und die Welt der Bücher. Es gibt vielfältige Formate, Literatur interessant, geistreich und zugleich unterhaltsam zu vermitteln.



Literaturveranstaltungen und Literaturevents 

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Veranstalten Sie zum Beispiel einen geselligen Quiz-Abend, an dem verschiedene Teams gegeneinander antreten und Fragen rund um die Welt der Bücher und Autoren beantworten. Das Quiz kann multimedial aufbereitet werden und neben Textfragen auch Coverabbildungen, Filmausschnitte und Hörproben enthalten. So garantiert der Abend kurzweilige Unterhaltung. Am Ende werden die Siegerteams prämiert. Literaturabende im Show-Format können auch zu unterhaltsamen Themen wie „Kochen & Kulinarisches“ oder „Reisen & Literatur“ veranstaltet werden. Wenn Sie selbst keine Showmaster-Qualitäten haben, dann laden Sie prominente Gäste ein, die den Abend gestalten. Anlässe und Themen für unterhaltsame Lese- und Rateabende in der Bibliothek bieten sich viele. Die Themen können aus den Bereichen Kultur, Wirtschaft, Politik oder Sport stammen und aktuelle Ereignisse aufgreifen (z. B. Fußballweltmeisterschaft, 25 Jahre Mauerfall usw.). Stellen Sie Bücher und Medien mit Lesestellen, Zitaten, Filmausschnitten und Ratespielen unterhaltsam vor oder laden Sie Schauspieler, Sportler, (Sachbuch-)Autoren oder Politiker ein. Bestsellerlisten können auch von Bibliothekslesern erstellt werden. Greifen Sie die Idee der Nominierung von Büchern auf und laden Sie zum Beispiel die Leser Ihrer Bibliothek ein, jeweils ihr Lieblingsbuch und das von ihnen am meisten „gehasste“ Buch zu benennen. Die Ergebnisse können off- und online publiziert werden. Als Höhepunkt dieser Aktion findet ein unterhaltsamer Abend statt, an dem die am meisten genannten Bücher von Bibliothekaren und Lesern in Form einer Leseempfehlung oder eines Verrisses vorgestellt werden.

Abb. 11: Miteinander Literatur entdecken

Twitteratur „Endspurt auf www.welttwitteratur.de. In unserer digitalen Bibliothek der Welttwitteratur fehlen z. B. noch ‚Die Buddenbrooks‘. Twittern Sie uns noch bis zum 15.04. diesen oder einen anderen Klassiker und Sie haben die Chance auf ein T-Shirt mit Ihrem schönsten Tweet“ (Hanser, 2011). Mit diesem Aufruf, den der Hanser Verlag 2011 auf Facebook publizierte, wurden weitere Beitrage der sogenannten Twitteratur gesucht. Auf welttwitteratur.de wurden Tweets gesammelt, in denen bekannte Werke der Literatur in 140 Zeichen zusammengefasst werden. Das las sich dann beispiels-

Zielgruppe: Erwachsene, die gern twittern Dauer: Schreibwettbewerb ca. vier Wochen, Preisverleihung mit Lesung ca. 90 bis 120 Minuten

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

weise so: „Die Erlebnisse eines kurzgewachsenen Adligen“. Gemeint ist hier das Buch „Der kleine Prinz“. Auch wenn diese „Twitteratur“ nicht jedermanns Sache ist, weil 140 Zeichen keinem literarischen Text gerecht werden können, sollten Sie überlegen, ob Sie mit dieser Aktion ggf. neue Leser gewinnen können. Das Verfassen dieser Texte setzt die Kenntnis weltliterarischer Werke voraus und erfordert Kreativität und Fantasie. Die Internetseite www.welttwitteratur.de ist mittlerweile nicht mehr aktiv, aber Tweets zu Werken der Weltliteratur sind in einem 2011 publizierten Buch des Hanser-Verlages nachzulesen: Alexander Aciman und Emmett Rensin erzählen 70 Werke im TwitterFormat. Darunter befinden sich auch Autoren wie Homer, Oscar Wilde oder Franz Kafka. Wenn Sie selbst Twitter-Fan sind, werden wollen oder Mitarbeiter kennen, die gern und häufig twittern, dann können Sie in der Bibliothek einen Twitter-Wettbewerb starten. Der Schreibwettbewerb kann anregen, sich mit literarischen Werken der Weltliteratur oder mit aktuellen Neuerscheinungen (auch zu einem bestimmten Genre wie „Krimi“ oder „Fantasy“) zu beschäftigen und eigene Tweeds zu verfassen. Am Ende können die originellsten Ideen im Rahmen eines Literaturabends, der in einer lockeren Atmosphäre mit Getränken und kleinen Snacks in der Bibliothek stattfindet, vorgetragen und ausgezeichnet werden. Und anlässlich der Präsentation der besten Tweets und der Preisverleihung kann eine Autorenlesung veranstaltet werden. Dann kommt die „echte“ Literatur wieder zu Wort.

BookCrossing Beim BookCrossing werden Bücher „rein zufällig“ von BookCrossers liegen gelassen. Die „gefundenen“ Bücher sollen zum Lesen animieren. Lesen wird bei diesem Projekt mit den Gedanken des Abenteuers und der Uneigennützigkeit verknüpft. Es erinnert an das Finden einer Flaschenpost oder einer versteckten Botschaft. Die „Reise“ des Buches kann von allen Teilnehmern nachverfolgt werden (Bookcrossers.de, Was ist BookCrossing?). BookCrossers registrieren ihre Bücher auf der Webseite www.BookCrossing.com. Jedes Buch bekommt eine eigene BCID (BookCrossingIDNumber). Das Buch wird handschriftlich oder durch das Anbringen eines Etiketts mit der BCID versehen. Diese Verfahrensweise wird auf der Webseite wie folgt beschrieben: Anhand dieser Nummer kann derjenige, der ein freigelassenes Buch findet, auf www.BookCrossing.com nachschauen, wer das Buch freigelassen hat und wo es schon überall gewesen ist. Selber kann man auch noch einen Eintrag zu diesem Buch machen, so dass die anderen BookCrosser wissen, dass es dem Buch gutgeht. Nachdem man es dann gelesen hat (oder auch nicht), lässt man selber das Buch wieder frei. Das heißt z. B. in einer Kneipe, in der Bahn oder im Park liegen lassen, damit andere es finden können – oder an einen Freund oder Bekannten weitergeben (Bookcrossers.de, Was ist BookCrossing?).

BookCrossers stammen aus allen Altersgruppen, sodass sich dieses Projekt auch für eine literarische Aktion der Bibliothek eignet. Sie können BookCrossers zum Erfahrungsaustauch einladen oder als Bibliothek eine eigene BookCrossing-Aktion in Ihrer Gemeinde oder Stadt veranstalten. Das Medienecho wird sicher groß sein!



Literatur- und Themenausstellungen 

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6.2 Literatur- und Themenausstellungen Literatur- und Themenausstellungen gehören zu den Klassikern bibliothekarischer Veranstaltungsarbeit. Kaum eine Bibliothek verzichtet auf die einfache Möglichkeit, durch wechselnde Buchpräsentationen an gut sichtbarer Stelle auf besondere Themen und Neuerscheinungen aufmerksam zu machen. Daneben gehören Bibliotheken als öffentliche Einrichtungen mit regem Publikumsverkehr zu jenen Orten, die gern von Kooperationspartnern als Ausstellungsfläche genutzt werden und dabei wiederum Themen, die durch Kunst- oder Informationsobjekte ins Haus kommen, mit passenden Medienpräsentationen ergänzen. Die Form der Ausstellung ist abhängig von den räumlichen Gegebenheiten. Manche Häuser verfügen über einen separaten Veranstaltungsraum mit freien Wänden zum Aufhängen von Bildern, der zudem gute Möglichkeiten bietet, das Thema der Ausstellung durch Lesungen oder Diskussionen zu begleiten. Anderswo erlauben die Räume eher eine Vitrinen-Ausstellung oder eine Präsentation an mobilen Stellwänden. Ideen und Anregungen für eine fantasievolle Darbietung von Themen lassen sich gut in den Schaufenstern von Buchhandlungen sammeln. Oft können leicht beschaffbare Alltagsgegenstände wie Küchenutensilien, Gartengeräte oder Stoffe dazu beitragen, die passend dazu ausgewählten Medien zu einem Blickfang werden zu lassen und die Neugier der Lesenden zu wecken.

Ausstellungen zu Jahres- und Gedenktagen Als Themenimpulse werden in Bibliotheken gern Jahres- und Gedenktage genutzt, zu denen sich aus dem vorhandenen Bestand passende Medien zusammenstellen und attraktiv in den Fokus stellen lassen. Die Planungen dafür sollten rechtzeitig in der zweiten Hälfte des Vorjahres erfolgen, um die Medien zu ausgewählten Themen termingenau reservieren und nötigenfalls durch gezielte Neukäufe ergänzen zu können. Bei der Planung von terminbezogenen Ausstellungen zu besonderen Anlässen im Jahr hilft der Termindienst des Deutschen Rundfunkarchivs, über den sich auch weniger bekannte Ereignisse und Gedenktage aus den Bereichen Politik, Kultur und Gesellschaft recherchieren lassen (URL: http://www.dra.de/online/hinweisdienste/termindienste.html). Neben diesen „Klassikern“ zeigen die beiden folgenden Beispiele exemplarisch, dass Ausstellungen in Bibliotheken auch neue Wege gehen können, indem sie die Lust am Erzählen anregen oder die Vielfalt medialer Informationen und Vermittlungsformen nutzen, um Themen zu inszenieren.

Eine Quelle für wichtige Jahrestage ist hier zu finden: URL: http://geboren.am/jubilaeen

6.2.1 Konzept „Museum der verlorenen und gefundenen Dinge“ Das Projekt „Ein Ding aus meiner Welt“ begleitete die große Landesausstellung „Weltsichten – Ein Blick über den Tellerrand“ des Linden-Museums in Stuttgart. Studierende der Hochschule der Medien erarbeiteten im Rahmen des Seminars „Zielgruppenorientierte Kulturvermittlung“ bei Prof. Susanne Krüger die einzelnen Konzeptideen. Das Motiv „Sammeln“, bei dem sich Dinge mit Erinnerungen und Geschichten verbinden, stand dabei besonders im Mittelpunkt. Zu den verschiedenen medienpädagogischen Veranstaltungen und Ideen, die bei dem Projekt zur Umsetzung kamen, gehört auch das „Museum der verlorenen und

Zielgruppe: Erwachsene Dauer: 60 bis 90 Minuten

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

gefundenen Dinge“: Es geht darum, Geschichten zu erahnen, die sich hinter Fundsachen verbergen könnten, und ihnen eine Stimme zu geben. Wohl jeder kennt die Gefühle, die mit dem Verlieren eines Gegenstands verbunden sind. Denn mit dem Verlust werden nicht selten menschliche Geschichten und Erlebnisse berührt, die etwas mit dem Verlorenen zu tun haben. Das Veranstaltungskonzept bringt zunächst Erfahrungen mit dem Verlieren von Dingen zur Sprache, nutzt reale Fundsachen zur Inspiration für das Erzählen von Geschichten und bietet am Ende eine Ausstellungsmöglichkeit, bei der die Dinge und Geschichten für alle sichtbar zueinander finden (Ein Ding aus meiner Welt, www.hdm-stuttgart.de).

6.2.2 Projekt „Themenraum“

Themenraum der AmerikaGedenkbibliothek der ZLB, Blücherplatz 1, 10961 Berlin

Bei dem Projekt „Themenraum“ der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) stehen aktuelle politische und gesellschaftliche Fragen und diskutierte Kulturthemen im Mittelpunkt. Dazu bündelt die ZLB allmonatlich das Wissen aus allen Bereichen der Bibliothek zu einem Thema. Auf drei iPads erweitern Tweets, Blogs und Online-Auftritte von Zeitungen aus der Region in einer eigens für den Themenraum entwickelten App das Informationsspektrum, das auch die aktuellen Publikationen der bpb mit einbezieht. So ermöglicht das interdisziplinäre Medienangebot gleichzeitig einen schnellen Zugriff und liefert vertiefte Informationen. Zu jedem Themenraum erscheint eine ausführliche Bibliografie zum Mitnehmen. Ergänzend zu den ausgestellten Medien findet mit „Themenzeit“ eine monatliche Diskussionsveranstaltung statt.

6.3 Intergenerationelle Leseförderung Eine intergenerationelle Perspektive eröffnet neue Möglichkeiten für Programme und Projekte der Leseförderung. „Intergenerationell“ heißt, Angehörige zweier oder mehrerer Generationen bei Angeboten zur Leseförderung zu berücksichtigen. Eine wichtige Komponente intergenerationeller Projekte ist der Erfahrungsaustausch. In Deutschland steht die Entwicklung solcher Konzepte und Modelle für das Bibliothekswesen noch am Anfang. In der sozial- und medienpädagogischen Praxis finden sich mittlerweile zahlreiche Projekte, die die Begegnung altersheterogener Gruppen initiieren und den Generationendialog stärken wollen. Bei diesen Projekten handelt es sich jedoch oft um einseitige Lernverhältnisse: Schüler erklären Senioren das Internet oder Senioren berichten Schülern als Zeitzeugen über die Vergangenheit. Diese Projekte sind zweifellos wichtig, aber sie sind im engen Sinne keine intergenerationellen Projekte (Hartung, 2012, S. 113). Erst wenn das Gemeinsame in den Mittelpunkt gerückt wird, „dass sich erst im wechselseitigen Bezug aufeinander entfalten kann“ (Hartung, 2012, S. 114), findet die Bezeichnung ihre Berechtigung. Intergenerationelles Lernen heißt Voneinander-Lernen, Miteinander-Lernen und Übereinander-Lernen. Im Folgenden sollen Ideen für eine Intergenerationelle Leseförderung in Bibliotheken vorgestellt werden.



Intergenerationelle Leseförderung 

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Abb. 12: Erzählen für Jung und Alt

6.3.1 Erzählcafé Das Ziel Erzählcafés verfolgen das Ziel, dass sich Menschen aus verschiedenen sozialen Milieus und Altersstufen kennenlernen und Erfahrungswissen austauschen. Im Zentrum steht das Hören und Erzählen von Lebensgeschichten und persönlichen Erinnerungen zu einem vorher festgelegten Thema und der gemeinsame Austausch darüber. Man kann an „erlebter Geschichte“ teilhaben und für die Gestaltung des eigenen Lebens wertvolle Anregungen erhalten. Ziel ist ein Voneinander-, Miteinander- und Übereinander-Lernen.

Die Methode Das Erzählcafé ist eine interaktive Methode des autobiografischen Erzählens und des biografischen Lernens. In der Bibliothek kann das Erzählcafé als öffentliche Veranstaltung oder als geschlossene Veranstaltung mit geladenen Gästen stattfinden. Die Methode ermöglicht einen ungezwungenen Austausch zwischen Alt und Jung in einer angenehmen und offenen Atmosphäre. In der Erwachsenenbildung und Seniorenarbeit ist das Erzählcafé eine beliebte Methode, um Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. 1987 wurden in Berlin-Wedding erste Erzählcafés nach amerikanischem Vorbild ins Leben gerufen. Mittlerweile gibt es sie in mehreren Städten, zum Beispiel in Frankfurt am Main, Köln, München, Göttingen oder Tübingen. In Berlin finden seit 2001 beispielsweise im „Kreativhaus“, einem generationenübergreifenden Projekt, Erzählcafés als moderierte Gesprächsrunde über Kunst, Kultur, Literatur und das Leben statt. Im Rahmen des Modellprojektes des Zentrums für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW) der Universität Ulm „Stadträume – Stadtträume,

„Gemeinsam nach den Spuren in der eigenen Vergangenheit und Gegenwart zu suchen und darüber zu erzählen soll nicht dem Selbstzweck dienen, sondern aufzeigen, wie die Vergangenheit die Gegenwart mitbestimmt und welche Richtungen und Perspektiven sich daraus für unsere Zukunft ergeben.“ (Stephan, Erzählcafé Ulm, S. 2)

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

Gemeinwesen gestern – heute – morgen“ fanden in Ulm in Zusammenarbeit mit verschiedenen Bildungsträgern Erzählcafés statt. Unter dem Motto „der Geschichte Gesichter geben“ trafen sich in Ulm im Erzählcafé ältere Menschen mit gleichaltrigen und jüngeren Menschen. Ein Erzählcafé kann auch von einer Öffentlichen Bibliothek ins Leben gerufen werden, ist doch die Bibliothek ein Ort der Begegnung und der Geschichten.

Durchführung Ein Erzählcafé kann in unterschiedlichen Varianten durchgeführt werden. Als Bibliotheksveranstalter können Sie Gäste einladen, die zunächst aus eigener Erfahrung über Erlebtes oder über bestimmte Themen und Sachverhalte, die für sie persönlich bedeutsam waren, berichten. Emotionen sollen nicht verborgen werden, im Gegenteil: Im Vordergrund stehen Gefühle, Gedanken und Erfahrungen. Das Publikum übernimmt zunächst die Rolle des Zuhörers und kann dann Fragen stellen und einzelne Aspekte diskutieren. Die Atmosphäre sollte durch das Servieren von Kaffee aufgelockert werden, damit der Austausch locker stattfinden kann. Alternativ können auch gemeinsam individuelle Erlebnisse zu einem festgelegten Thema ausgetauscht werden. Wichtig ist (unabhängig davon, für welche Variante Sie sich letztendlich entscheiden): Erzählen und Austausch von Lebenserfahrungen braucht Zeit und eine Atmosphäre, in der sich alle Teilnehmenden wohlfühlen. Das Beispiel Margit Stephan schildert eine Begegnung von Alt und Jung in einem Ulmer Erzählcafé wie folgt: „Ich wollte nie Optiker werden, aber als ich erst einmal drin war, hab ich bemerkt, dass das ein ganz ganz toller Beruf war. Und ich muss sagen, dass ich ein erfülltes Berufsleben hinter mir habe“. So begann die Einführungserzählung eines älteren Herrn im Erzählcafé des ZAWiW im Ulmer Altentreff zu seinem beruflichen Werdegang. Er erinnerte sich daran, wie es dazu kam, dass sein Nicht-Berufswunsch später dann zu seinem „Ideal-Beruf“ wurde, obwohl ihn seine Eltern dazu gezwungen hatten. Die anwesenden Schülerinnen einer 9. Hauptschulklasse berichten von ihrer Situation, dass sie zwar zum Teil von ihren Eltern und Lehrern bei ihrer Suche nach einem Arbeitsplatz unterstützt werden, dafür aber mit Vorurteilen zu kämpfen haben, weil viele denken, „der Hauptschüler ist jemand, der bringt es sowieso nicht.“ (Stephan, Ulmer Erfahrungen, S. 2)

6.3.2 Fundstücke aus der Vergangenheit

Zielgruppe: Erwachsene, insbesondere Senioren, Kinder und Jugendliche Dauer : 60 bis 120 Minuten

Erinnerungsstücke erzählen Die Teilnehmer bringen Erinnerungsstücke aus dem Urlaub (oder bei Migranten aus der Heimat) mit und erzählen, welche Erlebnisse sie mit dem Gegenstand verbinden. Erinnerungsstücke können Muscheln, Steine, Postkarten, Fotos oder mitgebrachte Souvenirs sein. Auf einem Globus oder einer Weltkarte werden die Orte markiert, aus denen die Gegenstände kommen. Anschließend basteln die Teilnehmer Schilder und Steckbriefe für ihre Gegenstände, um diese in einer Ausstellung zur Geschichte der Erinnerungsstücke zu präsentieren. Dieses Konzept wurde im Rahmen des Projekts „Ein Ding aus meiner Welt“ von Studierenden der Hochschule der Medien unter Leitung von Prof. Susanne Krüger erarbeitet. Es eignet sich sehr gut für eine generationsübergreifende Veranstaltung. Es können Kinder, Jugendliche und Erwachsene, insbesondere Senioren, daran teilnehmen. In der Einladung zur Veranstaltung muss erwähnt werden, dass die Teilnehmer einfache Gegenstände mitbringen sollen, die sie an einen Urlaub oder einen anderen



Intergenerationelle Leseförderung 

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Ort erinnern, an dem sie sich gern aufgehalten haben oder an den sie gern zurückdenken. Sinnvoll ist auch, dass zwei bis drei erwachsene Personen nach vorheriger Absprache mit ihrem Gegenstand und ihrer Geschichte beginnen, damit die teilnehmenden Kinder neugierig werden, Fragen stellen und ihre eigene Geschichte erzählen (Hochschule der Medien, Ein Ding aus meiner Welt).

Abb. 13: Erinnerungen teilen

„Local History“-Projekt In den „Leisure and Culture Libraries“ in Dundee (Schottland) beschäftigten sich Schüler im Alter zwischen 13 und 14 Jahren im Rahmen eines Geschichtsprojekts mit der örtlichen Geschichte. Die Schüler recherchierten nach alten Stadtfotos aus dem Stadtarchiv und fotografierten diese Plätze oder Gebäude im heutigen Zustand. Die Resultate wurden in einer Ausstellung der Bibliothek gezeigt, zu deren Eröffnung sie ältere Menschen aus dem Viertel einluden. Die Ausstellung lud zu einem Gespräch über die Fotos und die Ortsgeschichte zwischen Alt und Jung ein (Kaiser, 2013, S. 21). Diese Idee lässt sich gut in der Zusammenarbeit mit Schulen im Rahmen von Projekttagen umsetzen. Suchen Sie das Gespräch mit dem Geschichtslehrer und stellen Sie ihm diese schöne Idee vor.

Zielgruppe: Senioren und Jugendliche

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

Vertiefung Fallen Ihnen weitere Ideen ein, wie man mit dem Thema Erinnerung Jung und Alt zusammenbringen und ein Voneinander-, Miteinander- oder Übereinander-Lernen anregen kann?

6.4 Angebote für Menschen mit eingeschränktem Lesevermögen 6.4.1 Das Konzept der „Einfachen Sprache“ Dass es sehr anstrengend ist, Texte zu lesen, die ein eigenes Fachvokabular verwenden, das uns nicht geläufig ist, kennen wir alle. Briefe von Behörden oder vom Rechtsanwalt und auch der eine oder andere Gesetzestext sind oft nur mit großer Mühe zu verstehen. Häufig werden Texte zu schwierig verfasst und nicht für den Laien oder den Leseungeübten aufbereitet. Die Sprach- und Lesekompetenz unserer (potentiellen) Bibliotheksbenutzer ist sehr unterschiedlich. Hier kann das Konzept der „Einfachen Sprache“ gute Dienste leisten, denn es ermöglicht, dass der Experte mit dem Laien kommunizieren kann. Ob dies in Ihren Informationsmaterialen oder auf dem Internetauftritt Ihrer Bibliothek bereits der Fall ist, sollten Sie überprüfen. Und zu fragen ist auch, wie Sie diese aufbereiten können, damit sie von allen verstanden werden. Insbesondere für Menschen mit eingeschränktem Lesevermögen sind Texte in „Einfacher Sprache“ unabdingbar. Leseförderung hat hier eine ganz wesentliche Aufgabe: an das Lesen heranzuführen, indem Texte, Medien und andere, auch elektronische Ressourcen, in einer einfachen, verständlichen Sprache angeboten werden. Die folgenden Kapitel werden Ihnen dazu wertvolle Hinweise geben.



Angebote für Menschen mit eingeschränktem Lesevermögen 

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Warum „Einfache Sprache“? Ziel der Verwendung der „Einfachen Sprache“ ist eine Kommunikation auf einem verständlichen Niveau, auch und insbesondere für Menschen, die es nicht gewohnt sind, viel zu lesen, und denen das Lesen anspruchsvoller oder komplexer Texte mit vielen Fremdwörtern schwerfällt. Die Idee baut auf dem Konzept der „Leichten Sprache“ auf, das sich in erster Linie an Menschen richtet, die über ein eingeschränktes Sprach- und Lesevermögen verfügen, so zum Beispiel für Menschen mit geistiger Behinderung. Das Konzept der „Einfachen Sprache“ hat eine potentiell größere Zielgruppe im Blick. Sie ist nicht nur für Menschen gedacht, die Leseschwierigkeiten haben. Die „Einfache Sprache“ ist für all jene eine große Hilfe, denen das Lesen von komplexen Texten auf einem hohen sprachlichen Niveau schwerfällt, zum Beispiel weil die deutsche Sprache nicht die Muttersprache ist. Sie kann Menschen mit einer Beeinträchtigung der Lesekompetenz die Angst vor dem Lesen nehmen. Texte auf einem angepassten Sprachniveau können zudem das Selbstvertrauen stärken und so langfristig die Lesefähigkeit verbessern. Medien in „Einfacher Sprache“ sollten unbedingt beim Bestandsaufbau berücksichtigt werden. Es gibt mittlerweile Krimis, Romane, Ratgeber, Wörterbücher und politische Informationen. Zudem sollten grundlegende Informationsmaterialien der Bibliothek in „Einfacher Sprache“ vorliegen. Auch die Internetpräsenz sollte Informationen in „Einfacher Sprache“ enthalten. Die Abgrenzung zwischen der „Leichten Sprache“ und der „Einfachen Sprache“ fällt allerdings nicht immer leicht. Viele Empfehlungen, die für die „Leichte Sprache“ getroffen werden, sind auch Grundlage des Konzepts der „Einfachen Sprache“. Zudem wird der Begriff der „Leichten Sprache“ seit einiger Zeit nicht mehr allein auf die Zielgruppen Menschen mit Behinderung oder Menschen mit Leseschwierigkeiten angewandt. So setzt sich auch das „Netzwerk Leichte Sprache“ für eine Vereinfachung der Sprache für eine breite Gruppe der Bevölkerung ein. Ziele und Aufgaben des Vereins sind unter anderem die Übersetzung schwerer Texte in „Leichte Sprache“, zum Beispiel Gesetze, Verträge oder Informationen. Der Verein bietet darüber hinaus Schulungen und Buchempfehlungen in „Leichter Sprache“ an.

Zielgruppen der „Einfachen Sprache“ Während die Zielgruppen für die „Leichte Sprache“ in erster Linie Menschen mit Legasthenie und Menschen mit geistiger Behinderung sind, so richtet sich das Konzept der „Einfachen Sprache“ an eine weite und nur sehr allgemein beschreibbare Zielgruppe. Dazu gehören alle Menschen, denen das Lesen von Texten auf einem hohen sprachlichen Niveau Schwierigkeiten bereitet. Die Gründe für eine Beeinträchtigung der Literalität im Erwachsenenalter können vielfältig sein: –– fehlerhaftes oder fehlendes Erlernen des Lesens und Schreibens in der Schule, –– Lese- und Rechtschreibschwäche, –– fehlende Lesemotivation und -praxis, –– Kompetenzverlust im Alter, zum Beispiel durch fehlende schriftsprachliche Praxis im Beruf, –– relativ geringeres sprachliches Kompetenzniveau, weil Deutsch die Zweitsprache ist. Diese Auflistung zeigt, dass der Adressatenkreis für die „Einfache Sprache“ stark divergiert. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Text für alle potentiellen Zielgruppen gleichermaßen ansprechend ist. Dennoch ermöglichen Texte in „Ein-

Einfach geschriebene und gut strukturierte Texte sind schnell zu rezipieren und in manchen Kontexten sicherlich für alle Bibliotheksnutzer von Vorteil.

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

facher Sprache“, dass Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen der Zugang zur Schriftsprache erleichtert wird. Dass die Zielgruppe für die „Einfache Sprache“ insgesamt groß ist, belegen die Ergebnisse der PIAAC-Studie (= Programme for the International Assessment of Adult Competencies), mit der in 24 Industrieländern die Lesekompetenz der Menschen im Alter von 16 bis 65 Jahren untersucht wurde. Die Studie weist nach, dass in Deutschland 18 Prozent der Befragten nicht über die niedrigste Kompetenzstufe hinauskamen (Rammstedt, 2013, S. 8), weil ihre Lesefähigkeit nur rudimentär entwickelt ist. In Deutschland hat das Konzept der „Einfachen Sprache“ vor allem durch die Ergebnisse der ersten Level-One Studie an Bedeutung gewonnen. Durch den Forschungsschwerpunkt „Alphabetisierung und Grundbildung“ (2008-2012), den das Bundesministerium für Bildung und Forschung auflegte, wurde erstmals die Größenordnung des funktionalen Analphabetismus (→Funktionaler Analphabetismus) in Deutschland offenbar: Etwa 14 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung hat demnach erhebliche Probleme beim Lesen und Schreiben.

Das Sprachniveau der „Einfachen Sprache“ Das Sprachniveau der „Einfachen Sprache“ kann auf der Grundlage der Niveaustufen beschrieben werden, die der „Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen“ des Europarats von 2001 definiert hat. Dort werden drei Kompetenzniveaus unterschieden. Niveau A: Elementare Sprachverwendung Niveau B: Selbstständige Sprachverwendung Niveau C: Kompetente Sprachverwendung

Die drei Levels untergliedern sich jeweils in zwei weitere Stufen des Sprachniveaus, zum Beispiel das Niveau A in A1 und A2, wobei verschiedene Teilqualifikationen wie Leseverstehen, Hörverstehen, Schreiben und Sprechen definiert werden. An dieser Stelle soll der Fokus darauf gelegt werden, was auf Stufen A und B an Lesevermögen beschrieben wird. B2

Ich kann Artikel und Berichte über Probleme der Gegenwart lesen und verstehen, in denen die Schreibenden eine bestimmte Haltung oder einen bestimmten Standpunkt vertreten. Ich kann zeitgenössische literarische Prosatexte verstehen.

B1

Ich kann Texte verstehen, in denen vor allem sehr gebräuchliche Alltags- oder Berufssprache vorkommt. Ich kann private Briefe verstehen, in denen von Ereignissen, Gefühlen und Wünschen berichtet wird.

A2

Ich kann ganz kurze, einfache Texte lesen. Ich kann in einfachen Alltagstexten (z. B. Anzeigen, Prospekten, Speisekarten oder Fahrplänen) konkrete, vorhersehbare Informationen auffinden und ich kann kurze, einfache persönliche Briefe verstehen.

A1

Ich kann einzelne vertraute Namen, Wörter und ganz einfache Sätze verstehen, z. B. auf Schildern, Plakaten oder in Katalogen.

Gemeinsame Referenzniveaus für das Lesen der Stufen A1-B2, zit. nach: Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen, 2009.



Angebote für Menschen mit eingeschränktem Lesevermögen 

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Das Konzept der „Einfachen Sprache“ kann verglichen werden mit den hier beschriebenen Sprachniveaus in der Teilkompetenz Lesen. Der Schwerpunkt liegt auf den Niveaustufen A2 und B1, wobei die Grenzen nach oben oder unten offen sind. Das Verstehen zeitgenössischer literarischer Texte oder das Erkennen des Standpunktes eines Verfassers, wie es in der Stufe B2 definiert wird, sind Kompetenzen, die bei Texten in „Einfacher Sprache“ von Menschen mit eingeschränktem Sprach- und Lesevermögen sehr gut bewältigt werden können. Die Niveaustufe A1 beschreibt erste Fähigkeiten beim Erlernen einer Sprache. Übertragen auf das Thema „Einschränkung der Lesefähigkeit“ kann in diesem Fall von Analphabetismus gesprochen werden, worüber Sie im nächsten Kapitel mehr erfahren werden. Die Anlehnung an den „Gemeinsamen Referenzrahmen für Sprache“, wie sie unter anderem auch von „Klar & Deutlich – Agentur für einfache Sprache“ vorgenommen wird, ist allerdings nur eine Orientierung für das Sprachniveau der „Einfachen Sprache“. Es gibt Leseschwierigkeiten unterschiedlichen Grades und es handelt sich um eine insgesamt sehr heterogene Zielgruppe mit unterschiedlichsten Voraussetzungen und Erfahrungen.

Empfehlungen für das Verfassen von Texten in „Einfacher Sprache“ Während für die „Leichte Sprache“ ein Regelwerk vorliegt, ist bisher noch nicht genau definiert, wie Texte in „Einfacher Sprache“ zu verfassen sind. In vielerlei Hinsicht lehnt sich die „Einfache Sprache“ an das Konzept der „Leichten Sprache“ an. Sie ist gekennzeichnet durch ähnliche Kriterien (z. B. Vermeidung von Fremdwörtern, größere Schrift, aufgelockerte Gestaltung einer Seite u. a.). Im Unterschied zur „Leichten Sprache“ ist der Vereinfachungsgrad jedoch geringer. Bei der „Einfachen Sprache“ dürfen die Sätze länger sein und auch Nebensätze sind zugelassen. Gebräuchliche Begriffe aus dem Alltag werden als bekannt vorausgesetzt und müssen nicht zwingend erklärt werden wie bei der „Leichten Sprache“. „Auch das optische Erscheinungsbild von Schrift und Bild ist weniger streng geregelt“ (Kellermann, 2014, S. 7). Eine Hilfestellung für das Verfassen von Texten in „Einfacher Sprache“ bieten die Richtlinien für Easy-Reader-Materialien, 1999 von der IFLA herausgegeben, Die IFLA-Richtlinien haben zwei Zielgruppen im Blick: zum einen Menschen mit einer Behinderung, die auf Easy-Reader Material angewiesen sind, und zum anderen Leser mit begrenztem Sprach- oder Lesevermögen, die diese Texte zeitweise benötigen. Für diese letztgenannte Gruppe sollen diese Texte eine Übung darstellen, um die Lesefähigkeit zu verbessern (IFLA, 1999, S. 4). Die Richtlinien enthalten eine Reihe von Empfehlungen für das Verfassen von leicht lesbaren Texten. An dieser Stelle seien nur einige wenige genannt: –– Die Texte sollten in konkreter und nicht in abstrakter Sprache verfasst sein. –– Bei erzählenden Texten sollte die Handlung einem logischen Ablauf folgen und eine begrenzte Anzahl von Personen enthalten. –– Metaphern und schwierige Wörter sollten möglichst nicht verwendet werden, die Sprache soll aber erwachsenengemäß sein. –– Ungewöhnliche Worte sollten durch den Kontext erklärt werden (IFLA, 1999, S. 12). Richtlinien zum Verfassen von Texten in „Einfacher Sprache“, an denen man sich orientieren kann, hat auch die Agentur „Klar & Deutlich“ verfasst. Die Agentur ist eine Abteilung des Verlages „Spaß am Lesen“, der Zeitungen und Bücher für Menschen mit Schwierigkeiten beim Lesen herausgibt. Seit 2008 werden in diesem Verlag auch Klassiker und Beststeller in vereinfachter Sprache für Jugendliche und Erwachsene

Die Regeln für „Leichte Sprache“ des Vereins „Netzwerk Leichte Sprache“ finden Sie hier: http://www.leichtesprache.org

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

verlegt. Die Empfehlungen der Agentur enthalten ähnliche Hinweise in Bezug auf die Wortwahl, die Satzgestaltung und den Einsatz von Bildern. Die detaillierten Hinweise und Beispiele, die man in Form einer PDF-Datei auf der Homepage der Agentur downloaden kann (http://www.klarunddeutlich.de), bieten viele Hinweise zur sprachlichen Vereinfachung von Informationsangeboten, die auch von Bibliotheken gut genutzt werden können. Die Agentur unterscheidet dabei zwischen „Leichter Sprache“ (sehr einfach) und „Einfacher Sprache“ (Alltagsdeutsch). Beim Verfassen von Texten in „Einfacher Sprache“ sollten bibliothekarische Fachbegriffe und Fremdwörter vermieden werden. Zusammengesetzte Wörter, auf die Sie nicht verzichten können, lösen Sie bitte auf. Substantivierte Verben sollten ebenfalls vermieden werden. Beispiel Ungünstig: Problematik, Leihfristverlängerung oder Verlängerung der Leihfrist, OPAC, Kundenselbstverbuchung Günstig: Problem, die Leihfrist verlängern, elektronischer Katalog, Medien selbst ausleihen

Komplizierte Sätze mit vielen Nebensätzen sollten ebenfalls vermieden werden. Sprechen Sie Ihre Kunden direkt an! Beispiel Ungünstig: Wenn Sie mir sagen, was Sie wünschen, kann ich Ihnen helfen. Günstig: Ich kann Ihnen helfen. Was wünschen Sie? Modifiziert nach den Regeln des „Netzwerkes Leichte Sprache“.

Um einfach und in verständlicher Weise zu schreiben, ist es zudem notwendig zu hinterfragen, welche Informationen der (potentielle) Bibliotheksnutzer tatsächlich benötigt. Nur die wichtigsten Dinge sollten gesagt werden, viele Details kann man weglassen. Auch eine volle Textseite regt nicht zum Lesen an, wenn das Lesen schwerfällt. Lockern Sie die Texte auf, zum Beispiel mit Bildern oder Icons.

Internetpräsenz in „Einfacher Sprache“ Menschen, die Probleme mit dem Lesen haben, kann durch die Verwendung von „Einfacher Sprache“ das Verstehen von Texten erleichtert werden. In der Kundenkommunikation von Bibliotheken sollte dieser Aspekt Berücksichtigung finden. Jede Öffentliche Bibliothek sollte das Konzept der „Einfachen Sprache“ in der Internetpräsenz ihrer Angebote und Dienstleistungen berücksichtigen. Nur dadurch können Sie gewährleisten, dass Ihre Informationen von Menschen mit Einschränkungen im Lesevermögen verstanden werden. Wichtig ist, dass Sie bibliothekarische Inhalte vereinfachen und in einem allgemeinverständlichen Vokabular für Laien formulieren. Nur so kann die Bibliothek ihr Ziel erreichen, für alle Angehörigen der Gesellschaft den Zugang zu Informationen zu ermöglichen.



Angebote für Menschen mit eingeschränktem Lesevermögen 

Das Beispiel Die Anmeldung erklärt – ein typisches Beispiel aus Bibliotheken

Abb. 14: Städtische Bibliotheken Dresden, Anmeldung in der Bibliothek

Die Anmeldung in „Einfacher Sprache“ erklärt Wie können Sie sich in der Bibliothek anmelden? Kommen Sie in die Stadtbibliothek. Bringen Sie Ihren Personalausweis mit (oder Ihren Reisepass oder Führerschein mit amtlicher Meldebestätigung). Bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren muss der Erziehungsberechtigte einverstanden sein und das Anmeldeformular unterschreiben. Sie erhalten von uns einen Ausweis, mit dem Sie kostenlos Medien ausleihen dürfen. Der Ausweis kostet pro Jahr eine Gebühr. Sie können auch einen Ausweis für ein halbes Jahr erwerben. Was kostet der Ausweis? (übersichtliche Tabelle mit den Preisangaben für einen Ausweis einfügen)

Webauftritte Öffentlicher Bibliotheken in „Einfacher Sprache“ „Einfache Sprache“ kann zusätzlich zu den vorhandenen Auskünften auf der Webseite eingebunden werden. In der Stadtbibliothek Essen verweist beispielsweise auf der Seite zur Bibliotheksbenutzung ein Icon auf die einfache Erklärung der Anmeldung und Nutzung der Bibliothek. Möglich ist auch, ein Wörterbuch in „Leichter Sprache“ und/oder „Einfacher Sprache“ zu integrieren, damit die Texte für alle (potentiellen) Nutzer verständlich sind. Beispiele: –– Stadtbibliothek Marzahn-Hellersdorf: Wörterbuch in „Leichter Sprache“ und „Einfacher Sprache“. URL: http://www.stb-mh.de/woerterbuch.html –– Stadtbibliothek Essen: Ausleihe wird unter dem Icon „Einfach erklärt!“ in „Einfacher Sprache“ beschrieben. URL: http://www.stadtbibliothek-essen.de/ausleihe_2/ ausleihe_einfach/ausleihe_einfach_1.de.html

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

Zur Vertiefung Überprüfen Sie die Internetpräsenz Ihrer Bibliothek! Wie wird die Anmeldung in der Bibliothek beschrieben? Wenn Sie die Anmeldung in „Einfacher Sprache“ verfassen möchten, dann fragen Sie sich: Was kann weggelassen, was vereinfacht ausgedrückt werden? Welche Verlinkung ist nicht zwingend erforderlich? Versuchen Sie, das Anmeldeprozedere wie im oben dargestellten Beispiel leicht verständlich zu erklären.

6.4.2 Angebote zur Alphabetisierung Kann es in Deutschland Analphabetismus geben, wenn eine allgemeine Schulpflicht herrscht? Tatsächlich geht die Anzahl derer, die mit drei Kreuzen unterschreiben müssen, in Deutschland vermutlich gegen Null (Grotlüschen, 2012, S. 15). Das Problem ist in Deutschland nicht der Analphabetismus im engeren Sinne, also die fehlende Beherrschung der Schriftsprache, sondern der funktionale Analphabetismus. Der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. spricht von einem funktionalen Analphabetismus, „wenn die schriftsprachlichen Kompetenzen von Erwachsenen niedriger sind als diejenigen, die minimal erforderlich sind und als selbstverständlich vorausgesetzt werden, um den jeweiligen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Diese schriftsprachlichen Kompetenzen werden als notwendig erachtet, um gesellschaftliche Teilhabe und die Realisierung individueller Verwirklichungschancen zu eröffnen“ (Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V., 2010).



Angebote für Menschen mit eingeschränktem Lesevermögen 

Analphabetismus und funktionaler Analphabetismus nach Alpha-Levels Das unterste Kompetenzniveau des Lesens und Schreibens (auch Level-One genannt) wird seit 2010 nach Alpha-Levels (1 bis 6) unterteilt. Die folgende Tabelle zeigt, welche Niveau-Ebenen auf der untersten Kompetenzstufe unterschieden werden. Der funktionale Analphabetismus wird mit dem Unterschreiten des Alpha-Levels 4 definiert. Alpha-Level

Merkmal

1

Buchstabenebene, prä- und paraliterales Lesen

2

Wortebene, überwiegend konstruierendes Lesen

3

Satzebene, überwiegend konstruierendes Lesen sowie lexikalisches Erlesen von Standardwörtern

4

Textebene, kurze und einfache Texte, gleichermaßen konstruierendes und lexikalisches Lesen

5

Textebene, mittelschwere Texte mit Illustrationen, gleichermaßen konstruierendes und lexikalisches Lesen

6

Textebene, mittelschwere und angrenzende Texte, Unterhaltungsliteratur, überwiegend lexikalisches Lesen mit häufigen Rückgriffen auf die konstruierende Lesestrategie

Alpha-Levels Lesen (Kretschmann & Wieken, 2010).

Die Größenordnung des funktionalen Analphabetismus in Deutschland wurde auf der Grundlage dieser Alpha-Levels im Jahr 2010 von der Universität Hamburg untersucht. Die repräsentative Studie „leo. – Level-One“ mit einer Stichprobe von über 8.000 Personen kam zu dem Ergebnis, dass mehr als 14 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung mit Wohnsitz in Deutschland zur Gruppe der funktionalen Analphabeten zählen. 7,5 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren können demnach nur auf einem niedrigen Level, den Alpha-Levels 1 bis 3, einzelne Sätze lesen oder schreiben. Bei weiteren 25 Prozent zeigt sich fehlerhaftes Schreiben trotz gebräuchlichem Wortschatz (Lage auf dem Alpha-Level 1 bis 4). Dies betrifft 13 Millionen Menschen der erwerbsfähigen Bevölkerung. Analphabetismus im engeren Sinne betrifft mehr als vier Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung (Lage auf den Alpha-Levels 1 bis 2). Die Betroffenen können zwar einzelne Wörter lesend verstehen bzw. schreiben, aber keine ganzen Sätze. Zudem müssen auch gebräuchliche Wörter Buchstabe für Buchstabe zusammengesetzt werden (Grotlüschen, 2012, S. 19ff.).

Literalität, Alter und Geschlecht Bei der leo.-Befragung schneiden Frauen im Schnitt etwas besser ab als Männer: Innerhalb der männlichen erwerbsfähigen Bevölkerung befinden sich 17,4 Prozent Betroffene, innerhalb der weiblichen erwerbsfähigen Bevölkerung 11,6 Prozent. Beide Gruppen sind jedoch zu heterogen, um von typischen männlichen oder weiblichen Betroffenen zu sprechen. Es sind Frauen und Männer aller Altersstufen mit und ohne Migrationshintergrund betroffen. Die höchsten Risiken, vom funktionalen Analphabetismus betroffen zu sein, sind für beide Gruppen der fehlende Schulabschluss und die Tatsache, Deutsch nicht als Erstsprache erlernt zu haben (Buddeberg, 2012, S. 193). Die Anzahl der Personen mit funktionalem Analphabetismus steigt mit zunehmendem Alter leicht an. Während bei den 18- bis 29-Jährigen 13 Prozent betroffen

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

sind, steigt die Zahl unter den 50- bis 64-Jährigen auf 16 Prozent an (Buddeberg, 2012, S. 200). Eine Ursache für diesen Kompetenzverlust im Alter wird in erster Linie in der mangelnden schriftsprachlichen Praxis durch fehlende Erwerbstätigkeit oder Arbeit in einfachsten Hilfstätigkeiten gesehen. Eine weitere Erklärung „ist der Kompetenzverlust als Folge erworbener Behinderungen, chronischer Krankheiten oder sonstiger Beeinträchtigungen (Schlaganfall, Unfallfolgen) oder als Folge von Drogenmissbrauch“ (Buddeberg, 2012, S. 206). Unter den 50- bis 64-Jährigen ist der Anteil jener, die über einen weniger guten bzw. einen schlechten Gesundheitszustand verfügen, viermal so hoch wie unter den 18- bis 20-Jährigen. Klaus Buddeberg schlussfolgert daraus, „dass mit fortschreitendem Alter eine Beeinträchtigung der Literalität zumindest wahrscheinlicher wird“ (Buddeberg, 2012, S. 207).

Ursachen für Analphabetismus in Deutschland Die Gründe für Analphabetismus sind sehr unterschiedlich, sodass von keiner homogenen Gruppe ausgegangen werden kann. „Innerhalb des Personenkreises der funktionalen Analphabeten kann unterschieden werden zwischen: –– Erwachsenen mit Lernrückständen infolge unzulänglicher, pädagogisch-didaktischer Angebote während der Schulzeit; –– Erwachsenen, die als Kinder infolge schwieriger Lebensumstände bei der Aneignung literaler Kompetenzen behindert wurden; –– Erwachsenen, denen zwar grundsätzlich die Aneignung von literalen Kompetenzen möglich ist, die aber aufgrund psycho-organischer Beeinträchtigungen Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb hatten oder haben; –– Erwachsenen, denen bereits vorhandene literale Fertigkeiten infolge fehlender Praxis verloren gingen; –– Erwachsenen mit Migrationshintergrund, die während ihrer Schulzeit aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb hatten oder haben“ (Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V., 2010).

Beitrag der Bibliotheken zur Alphabetisierung Wir sind es gewohnt, über mündliche und schriftliche Kommunikation den Kontakt zu Menschen herzustellen. Im Umgang mit Menschen mit eingeschränktem Sprachund Lesevermögen ist dies eine entscheidende Hemmschwelle. Im Umgang mit dieser Zielgruppe müssen sprachliche Verständnisschwierigkeiten minimiert werden. Dies beginnt mit der Bereitstellung von Informationsmaterial in „Einfacher Sprache“ bzw. einem Einbezug derselben in die Internetpräsenz der Bibliothek (siehe dazu oben). Auch der Einsatz von Symbolen, Bildern und anderen bildgestützten Materialien kann eine Hilfe sein, um die Zielgruppe zu erreichen und erste Hemmungen zu überwinden. Bibliotheken können eine wichtige Rolle in der Alphabetisierung spielen, angefangen beim Zugang zu Materialien bis hin zur Förderung von Sprach- und Lesekompetenzen in Kooperation mit Volkshochschulen und anderen Organisationen und Vereinen der Alphabetisierungs- und Leseförderung sowie der Erwachsenenbildung. Auch in der Vermittlungsförderung können wichtige Aufgaben von Öffentlichen Bibliotheken übernommen werden, so zum Beispiel die Bereitstellung einer Medienbox oder eines Medienkoffers zur Alphabetisierung mit einer Auswahl an geeigneten Medien zur Thematik.



Angebote für Menschen mit eingeschränkter Alterskompetenz  

Kommunikation mit den Betroffenen Der Begriff „Analphabetismus“ wird zwar im politischen Diskurs und in der Forschung genutzt, er sollte aber im pädagogischen Alltag mit der Zielgruppe vermieden werden, da er stigmatisierend und ausgrenzend wirken kann. Vielmehr ist es erforderlich, mit den verschiedenen Gruppen, die vom Analphabetismus betroffen sein können, ermutigend und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Häufig zählen sich die Betroffenen selbst gar nicht zur Gruppe der Analphabeten. Dies sollte bei allen Kampagnen und Veranstaltungen sowie in der Kommunikation (Ankündigungstexte, Beratungsgespräche u. a.) unbedingt beachtet werden. Zudem ist es erforderlich, die Bedürfnisse und Ängste der Betroffenen zu kennen und entsprechende Angebote und Dienstleistungen zu entwickeln.

Hinweise auf Kontaktstellen und Vernetzungsmöglichkeiten Für das Thema Alphabetisierung gibt es verschiedene Anlaufstellen und Kooperationspartner, wenn Sie auf diesem spezifischen Gebiet der Leseförderung aktiv werden wollen. Alphabund (Bundesministerium für Bildung und Forschung): URL: http://www.alphabund.de/ Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V.: URL: http://www.alphabetisierung.de/infos/analphabetismus.html Projekt Lea Leseklub® des Vereines zur Förderung der Kultur, Bildung und sozialer Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung (KuBus e.V.®): URL: http://www.kubus-ev.de/lea-leseklub Deutscher Volkshochschul-Verband / Alphabetisierung und Grundbildung: URL: http://www.dvv-vhs.de/themenfelder/alphabetisierung/einfuehrung.html

6.5 Angebote für Menschen mit eingeschränkter Alterskompetenz In einer Gesellschaft, in der Menschen ein immer höheres Lebensalter erreichen, steigt auch die Zahl der von Altersdemenz Betroffenen. 1,4 Millionen Menschen sind zurzeit in Deutschland erkrankt – Tendenz steigend. Das stellt heute und in Zukunft auch Bibliotheken vor die Aufgabe, sich auf die besonderen Bedürfnisse dieser Menschen einzustellen und ihnen in angemessener und einfühlsamer Weise eine kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Leseförderung ist in diesem Kontext nicht misszuverstehen als ein Bemühen, die möglicherweise eingeschränkte oder verlorene Lesefähigkeit zurückzugewinnen. Vielmehr geht es darum, sensibel und individuell wahrzunehmen, wie die Biografie und die Empfindungen eines Menschen bis ins hohe Alter geprägt sind von den Leseund Medienerfahrungen eines langen Lebens. Es gilt, individuelle biografische Anknüpfungspunkte zu finden und Medien zum Einsatz zu bringen, die die Identität eines Menschen stärken und eine kulturelle Teilhabe mit Rücksicht auf die jeweilige Lese- und Lebensbiografie ermöglichen.

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Auch wenn es in der Praxis meistens die Angehörigen, freiwillig Engagierte oder Fachkräfte aus dem Pflegebereich sind, die in der Bibliothek nach Hilfen und Medien für Menschen mit Demenz fragen und diese dann an die Betroffenen weitergeben: Für den Bestandsaufbau wie auch für eine kompetente Beratung sollten Sie sicher einschätzen können, worauf es bei der Begleitung von Menschen mit Demenz ankommt. Sie sollten die verschiedenen Möglichkeiten der Kommunikation und Aktivierung kennen und eine realistische Vorstellung von den Chancen und Grenzen beim Einsatz von Musik, Bildern, Geschichten und Gedichten haben. Das dafür nötige Grundwissen wird Ihnen in diesem Kapitel vermittelt. Wie Sie schließlich mit diesem Grundwissen ein passendes Angebot entwickeln können, um sich damit gezielt an die Vermittler in Pflegeheimen zu wenden, wird im Kapitel 7.5 genauer beschrieben.

6.5.1 Begegnung und Kommunikation bei Menschen mit Demenz Die Begegnung und Kommunikation mit einem Menschen, der von Demenz betroffen ist, wird von vielen individuellen Faktoren bestimmt. Verallgemeinerungen sind kritisch zu sehen, und in jeder Beziehung sind andere Lösungen und Wege für ein gutes Miteinander zu finden. Es gibt hier kein „Rezept“, das für alle Menschen gleichermaßen gut und hilfreich ist – aber es gibt Erfahrungen und Empfehlungen, die dazu beitragen können, dass sich Menschen in dieser Begegnung wohlfühlen. Dazu gehört es, –– Wohlbefinden und noch vorhandene Kompetenzen zu stärken anstatt Defizite anzusprechen oder zu versuchen, diese zu korrigieren, –– den Betroffenen mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen, –– Ruhe und Sicherheit zu vermitteln, –– Selbstständigkeit zu unterstützen.

Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass wir es sind, die sich auf die Situation einstellen müssen. Der Demenzkranke selbst kann sich nicht ändern oder anpassen.

Gerade mit diesem Anspruch, das Medien- und Beschäftigungsangebot ganz individuell auf die mitunter schwer vorhersehbaren Bedürfnisse, Stimmungen und Signale einzelner Menschen oder kleiner Gruppen abzustimmen, leisten Büchereien mit einem breiten und vielfältigen Medienangebot speziell für diese Zielgruppe eine wertvolle Hilfe: Mit einer großen Auswahl an unterschiedlichen Materialien, die einfach ausprobiert oder auch weggelassen werden können, bieten sie den Betroffenen und ihren Begleitern gute Möglichkeiten, um gemeinsam Erfahrungen zu sammeln. Nicht jedes Medienangebot passt für jeden und in jeder Situation. Aber etwas davon ist immer geeignet, um zu entdecken: Das macht uns Freude! Ein offener und einfühlsamer Umgang mit Menschen mit Blick auf deren besondere Vorlieben für bestimmte Themen, Medien und Materialien kann dazu beitragen, einander besser kennenzulernen.

Menschen mit Demenz fühlen sich wohl, wenn sie... –– Anerkennung und Bestätigung finden in dem, was sie wissen und können, –– sich angenommen und verstanden fühlen, –– durch verständliche Sprache und Wiederholungen Orientierung und Sicherheit finden.



Angebote für Menschen mit eingeschränkter Alterskompetenz  

Menschen mit Demenz sind verzweifelt, wenn sie... –– ihre Defizite und Fehler bemerken, –– keine Geborgenheit erfahren, –– mit ihren Gefühlen nicht ernst genommen werden, –– ihr Selbstbild als bedroht oder zerstört erleben. Wir sind es gewohnt, vor allem über sprachliche Kommunikation den Kontakt zu Menschen herzustellen und Beziehungen zu pflegen. Umso mehr Verunsicherung macht sich auf beiden Seiten bemerkbar, wenn diese Kommunikation – etwa bei Menschen mit Demenz – nicht mehr wie gewohnt gelingt. Der Einsatz von Medien – Bücher, Bilder, Musik und Materialien für verschiedene Sinne – kann hier eine Hilfe sein, um miteinander in Kontakt zu kommen, erste Schwierigkeiten, Hemmungen und „Sprachlosigkeit“ zu überwinden und so miteinander wie auch mit der vielleicht neuen Situation durch bekannte Mittel vertraut zu werden. Das Ziel bleibt dabei immer eine gute menschliche Begegnung und Beziehungsqualität, zu der Medien in der einen oder anderen Weise unterstützend beitragen können. Richtig kommunizieren – die wichtigsten Regeln: Sorgen Sie dafür, dass die Begegnung mit genügend Zeit und Ruhe geschieht, und schalten Sie Störquellen aus. Suchen Sie im Gespräch Blickkontakt und sprechen Sie Ihr Gegenüber mit deutlicher und freundlicher Stimme namentlich an. Formulieren Sie kurze Sätze und stellen Sie keine Wieso-Weshalb-Warum-Fragen. Geben Sie nur eine Mitteilung auf einmal und wiederholen Sie Wichtiges. Unterstützen Sie Ihr Sprechen durch Gesten und Berührungen und kündigen Sie Handlungen durch klare Aussagen an. Bestätigen Sie das, was Sicherheit und Vertrautheit schafft, und nutzen Sie biografisches Wissen. Akzeptieren Sie die Wahrnehmung des anderen. Verzichten Sie darauf, zu berichtigen und zu kritisieren, und vermeiden Sie Diskussionen. Lektüre-Tipp: http://www.wegweiser-demenz.de/richtig-kommunizieren.html

Mögliche Beschäftigungsformen und gemeinsame Erlebnisse mit Medien Folgende Beschäftigungs- und Medienformen sind bei der Begleitung von Menschen mit Demenz besonders von Bedeutung: –– Bewegung, z. B. Rhythmen, Sitztänze zur Musik, –– Musik, z. B. Lieder zum Singen und Mitmachen, –– Erinnerungspflege, z. B. alte Fotos, Stoffe etc., –– Spiele, z. B. klassische Spielmaterialien (ggf. in Spezialanfertigung), die aus der Kindheit bekannt und vertraut sind, –– Sinneserfahrungen / Berührungen, z. B. Bilder mit klaren Konturen und übersichtlichen Informationen, Materialien mit verschiedenen haptischen Eigenschaften, –– Vorlesen / Erzählen, z. B. kurze Artikel, Geschichten, Verse, möglichst frei und persönlich ansprechend, –– künstlerisch-kreative Aktivitäten, z. B. Anleitungsbücher mit Bastelanregungen, –– Erlebnisse mit Natur und Tieren, z. B. Spazierengehen, Gartenarbeit, Haustiere etc. –– einfach da sein, Hand halten, gemeinsam schweigen etc.

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

Wichtiger als Inhalt und Form der Medien ist das Wie, das heißt die Qualität der Beziehung und das Einfühlungsvermögen bei dem, was Sie miteinander tun. Frühere Interessen und Gewohnheiten geben gute Hinweise auf das, was beim gemeinsamen Tun Vertrauen und Sicherheit bieten kann. Gemeinsame Aktivitäten im Alltag sind keine „Therapiestunden“, sondern eine Normalität, in der die Gefühle und Wahrnehmungen von Menschen mit Demenz Ausdruck und Raum finden können. Auch gemeinsames „Nichtstun“ und „Beiseitelegen“ kann eine Aktivität sein, die gut tut. Mit kurzen Aktivitäten und Medienimpulsen können Sie leichter und flexibler auf die Bedürfnisse und Signale von Menschen mit Demenz reagieren. Nachfolgend werden die Chancen und Grenzen des Einsatzes verschiedener Medien genauer beschrieben.

6.5.2 Medien mit Geschichten und Gedichten Für viele demenzkranke Menschen ist das Vorlesen von Geschichten ein angenehmes Erlebnis. Dabei kommt es gar nicht vorrangig darauf an, dass der vorgelesene Text in allen Aspekten aufgenommen und verstanden wird. Es kann passieren, dass lediglich Bruchstücke des Vorgelesenen das Langzeitgedächtnis ansprechen und plötzlich ein Thema aus der Vergangenheit wieder präsent ist.

Manchmal lässt sich auf diesem Weg ein Schatz lebensgeschichtlicher Erfahrungen wieder ans Licht holen, der beglückende und identitätsstärkende Gefühle weckt. Für das Miteinander ergeben sich daraus neue Kommunikationsmöglichkeiten, und die Verunsicherung auf beiden Seiten wird gemildert. Eine besondere Rolle hierbei spielt das Vorlesen von biografischen Erinnerungstexten, die folgende Merkmale aufweisen: –– Authentische Geschichten von realen Alltags- und Bewährungssituationen stellen oft eine größere Nähe zur eigenen Biografie dar als konstruierte Geschichten. Das gilt besonders für Erlebnisse und Beschreibungen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angesiedelt sind (= Zeit der Kindheit für die heute von Demenz betroffenen Menschen). –– Thematisch gut geeignet sind humorvolle Begebenheiten, die mit vertrauten Situationen in Verbindung stehen, z. B. Jahreszeiten, Natur und Tiere, Handwerk, Berufe, Küche, Wetter, Familienleben usw. –– Nicht das Trainieren von kognitiven Fähigkeiten steht im Mittelpunkt, sondern das Wachrufen von positiven Bildern aus der eigenen Vergangenheit. –– Ein Vorlesen in kurzen, in sich abgeschlossenen Einheiten (max. 2 bis 3 Seiten) muss möglich sein. Geschichten, die sich in ihrem Verlauf über ein ganzes Buch erstrecken und entwickeln, sind nicht geeignet. –– Die Sprache ist von kurzen, einfach gebauten Sätzen geprägt, die weitgehend ohne Fremdwörter auskommen. Komplizierte Personenkonstellationen und abstrakte Gedankengänge sind nicht geeignet. Wichtig sind konkrete und lebendige Schilderungen von Erlebnissen. –– Gesprochen wird mit Augenkontakt und deutlicher Artikulation, Gestik und Mimik. Passendes Anschauungsmaterial, das verschiedene Sinne anspricht, kann das Vorleseerlebnis ergänzen und vertiefen. Daneben haben viele Menschen Freude an kurzen bekannten Volksmärchen wie zum Beispiel „Sterntaler“ oder „Die Bremer Stadtmusikanten“, da diese ebenfalls Erinnerungen an Märchenstunden und -bilder aus der Kindheit zulassen. Spannung oder



Angebote für Menschen mit eingeschränkter Alterskompetenz  

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Erleichterung, die in Kindheitstagen beim Märchenhören empfunden wurden, sind dann plötzlich wieder präsent. Dazu ist es hilfreich herauszufinden, welche Versionen der Grimmschen Märchen in der Jugend der heute Über-Siebzigjährigen zeitgemäß waren. Oft sind Märchen – ähnlich wie Lieder und Gedichte – ein wichtiger „gemeinsamer Nenner“ aus der Kindheit und Jugend einer Generation. Das erlaubt das Vorlesen und Erzählen von Märchen auch in kleineren Gruppen. Das kann auch bildgestützt geschehen, etwa durch den Einsatz eines Kamishibai-Erzähltheaters. In diesem Sinne bedeutsam sind außerdem Gedichte, die in der Schulzeit auswendig gelernt worden sind. Durch die besonders einprägsame Wirkung von Reim und Rhythmus wecken Gedichte (ähnlich wie Lieder) oft eine spontane Freude und Motivation zum Mitsprechen. Das wiederum stärkt Gefühle und Erfahrungen von Teilhabe, Bestätigung und Orientierung im Vertrauten.

6.5.3 Medien mit Musik Musik kann Menschen mit Demenz auf einer sehr individuellen und emotionalen Ebene ansprechen. Denn die Reaktion auf klangliche Außenreize und die emotionale Ansprechbarkeit bleiben ein Leben lang erhalten. Musik ist daher gut geeignet, um das Wohlbefinden zu verbessern und bestimmte Kompetenzen und somit ein selbstbestimmtes Leben zu stärken. Liederbücher für das gemeinsame Singen wie auch Musiktonträger können dabei als Anregung und Inspiration zum Einsatz kommen. Entscheidend aber beim Einsatz von Musikmedien bleibt die persönliche Vermittlung durch Menschen, die ihre Freude an der Musik an andere weitergeben. Musik kann –– den Kontakt zu anderen Menschen erleichtern, –– auf beiden Seiten eine emotionale Entlastung schaffen, –– sprachliche Kompetenzen wecken, –– innere wie äußere Unruhe in eine rhythmisch koordinierte Bewegung bringen, –– bei der Bewältigung von Krisen und Trauer helfen, –– Ereignisse und Erlebnisse aus der Vergangenheit in Erinnerung rufen und so zur Vergewisserung von Identität beitragen, –– Aufschluss über Vorlieben und Abneigungen geben, –– Ängste, Depressionen und Schmerzen lindern, –– den Schlaf fördern, –– aus einer Passivität herauslocken, –– Aggressionen mildern.

Musik und Biografie – was bedeutet das für die Auswahl? –– Wenn es möglich ist, schauen Sie sich die Schallplatten, CDs oder Instrumente an, die der an Demenz erkrankte Mensch in seiner Wohnung hat oder hatte. –– Sprechen Sie mit dem an Demenz erkrankten Menschen über die Erinnerungen, die er bei einer bestimmten Musik hat – vielleicht weiß er auch noch etwas über seine musikalischen Vorlieben oder frühere musikalische Tätigkeiten. –– Schauen Sie sich gemeinsam alte Filme an und hören Sie zusammen Evergreens. –– Betrachten Sie Fotos des an Demenz erkrankten Menschen – vielleicht gibt es auch hier Hinweise auf musikalische Erfahrungen und Erinnerungen. –– Fragen Sie die Angehörigen nach der musikalischen Lebensgeschichte oder den Vorlieben des an Demenz erkrankten Menschen.

„Das Singen ist die eigentliche Muttersprache aller Menschen: Denn sie ist die natürlichste und einfachste Weise, in der wir ungeteilt da sind und uns ganz mitteilen können – mit all unseren Erfahrungen, Empfindungen und Hoffnungen. Das Singen ist zuerst der innere Tanz des Atems, der Seele, aber es kann auch unsere Körper aus jeglicher Erstarrung ins Tanzen befreien und uns den Rhythmus des Lebens lehren.“ (Menuhin, 1999)

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

Abb. 15: Aktivierung mit Musik

Musik und Bewegung – was passiert dabei? –– Musik kann unruhiges Hin- und Herlaufen durch Rhythmus beeinflussen und dazu anregen, sich anders zu bewegen. –– Gefühle, die sich verbal nur noch schlecht oder gar nicht mehr beschreiben lassen, können über die Bewegung zur Musik deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. –– Nicht jede Musik und Wiedergabe tut gut: Ist die Musik zu laut? Oder zu schnell? Oder passt sie einfach nicht zu den individuellen musikalischen Vorlieben? Lenken andere Dinge im Raum zu sehr ab? Sind Sie selbst gerade nicht in musikalischer Stimmung? An Demenz erkrankte Menschen haben eine „feine Antenne“ für atmosphärische Störungen. –– Tanzen ist meist mit körperlicher Berührung verbunden, und auch bei Tänzen im Sitzen können Berührungen eingebaut werden. Das kann an Demenz erkrankten Menschen ein Gefühl der Nähe, Geborgenheit und Sicherheit geben.

Menschen mit Demenz und Singen – wie geht das? –– Ältere Menschen singen oft etwas langsamer und in einer etwas tieferen Stimmlage. –– Zwischen den Zeilen und den Strophen muss ausreichend Zeit bleiben für Atempausen, was das Mitsingen zu einer CD manchmal erschwert. –– In der Regel werden bekannte Lieder auswendig gesungen, zumal einigen das Lesen schwerfällt oder viele Schwierigkeiten haben, sich in der Strophenordnung und Notenschrift zu orientieren. –– Bei Liedern, zu denen nur die Refrains wirklich bekannt sind – z. B. Schlager, Stimmungs- und Schunkellieder – kann eine CD mit Gesangsstimme unterstützend hilfreich sein, um immer wieder gemeinsam in den vertrauten Kehrvers einzustimmen. –– Am wirkungsvollsten bleibt immer das Gesangserlebnis „live“, animiert durch die eigene Stimme oder ein Begleitinstrument wie Gitarre oder Akkordeon.



Angebote für Menschen mit eingeschränkter Alterskompetenz  

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6.5.4 Bildmedien und Materialien für alle Sinne Das bereits in Kapitel 4.4.1 ausführlich vorgestellte Kamishibai eignet sich nicht nur für das Erzählen mit Kindern. Da die Methode von einer besonderen Ruhe und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten bei Bildwechsel und Auswahl der Motive geprägt ist, kann sie gut bei der Biographie- und Erinnerungsarbeit mit alten Menschen zum Einsatz kommen. Die Gruppe sollte dazu allerdings nicht zu groß sein und die Bilder nicht zu kindlich wirken. Ähnlich wie Musik können Bilder als Teil des kollektiven und persönlichen Gedächtnisses bei Menschen mit Demenz unmittelbar Emotionen und Erinnerungen auslösen, wenn die gezeigten Motive biografische Anknüpfungspunkte bieten. Das Betrachten von großformatigen Bildern mit dem Kamishibai-Rahmen kann sich dabei als eine sehr gut sichtbare Veranstaltungsform erweisen und lässt sich nach Bedarf und Situation auch mit anderen sinnlichen Erfahrungen verbinden (z. B. Lieder singen und hören zu Bildern, Materialien ertasten, Gerüche wahrnehmen, Sprichwörter, Gedichte und Märchen zu Bildern in Erinnerung rufen). Motiv- und Themenkreise, die dabei von besonderem Interesse sein könnten, sind zum Beispiel historische Fotos der 1930er bis 1960er Jahre, kurze bekannte Märchen und Geschichten aus der Kinderzeit oder Feste und Brauchtum (z. B. Weihnachten). Folgende sinnliche Erfahrungen können die Themenkreise der Bilder ergänzen: –– Ernteprodukte wie Kartoffeln, Getreide oder Rüben riechen und ertasten, –– pantomimische Bewegungsspiele zu landwirtschaftlichen und handwerklichen Tätigkeiten, –– verschiedene Textilien anfassen, z. B. Leinen, Schafwolle, Schürzenstoff, Kartoffelsack u.ä.

Nesteldecken und Fühlbücher – Lesen mit „Herz und Hand“ Mitunter neigen Menschen mit Demenz dazu, an ihrer Kleidung zu zupfen und nach allem zu greifen, was sich in ihrer Reichweite befindet. Um diesem Bedürfnis nach Berührung und Bewegung der Finger und Hände zu begegnen, kommen in einigen Pflegeeinrichtungen sogenannte „Nesteldecken“ zum Einsatz, die in einer Art Patchwork-Technik aus verschiedenen reizintensiven Stoffen und Materialien wie Leder, Cord und Frottee zusammengefügt sind. Manche verfügen über zwei große Eingriffsöffnungen, sodass zuvor hineingelegte Gegenstände beim Reingreifen weitere sensorische Reize bieten. Wenn im Rahmen einer Ergotherapie der Einsatz von Nesteldecken bei Menschen mit Demenz erprobt wird, stehen folgende Fragen im Mittelpunkt: Was macht der Betroffene mit der Nesteldecke? Gibt es Verhaltensänderungen während des Medieneinsatzes? Wie lange ist der Betroffene ohne externe Anregungen aktiv? Was hat sich nach drei Monaten Einsatz verändert? In der Praxis lässt sich beobachten, dass das Nesteln sich sehr verschieden auf die Befindlichkeit und das Aktivitätsniveau einzelner Menschen auswirkt: Manche werden äußerlich und innerlich ruhiger dabei. Andere, die im Alltag eher ruhig wirken, zeigen mit der Decke verstärkte Aktivitäten. Oft bieten die Stoffe der Nesteldecken einen Anreiz zum Erzählen: Menschen schildern beim Nesteln und Tasten, wie das Nähen früher zu ihrem Leben gehörte, oder sie haben Erinnerungen an verschiedene Kleidungsstücke und Stoffe. Im Vergleich zu anderen Tastmaterialien wie einfachen Handtüchern oder Igelbällen sind die Nesteldecken reicher an verschiedenen Reizvarianten und verfügen über ein größeres Aktivierungspotenzial. So können Stoffe zu Vermittlern von Geschichten werden, die „mit Herz und Hand“ gelesen werden.

„Das kleine Theater ist eine gute Möglichkeit, biographische Erinnerungen bei Menschen mit einer Demenzerkrankung zu wecken. Mit Hilfe des Kamishibai gelingt es uns, die Senioren zu aktivieren und zu stärken. Sie haben einfach Spaß daran! Da kommen bei den Leuten viele Kindheitserinnerungen zurück.“ (Barbara Schachtschneider, gerontopsychiatrische Fachkraft, zit. nach Don Bosco, www.mein-kamishibai.de)

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 Verschiedene Lebens- und Interessenlagen bei Erwachsenen

Von solchen Erfahrungen und Überlegungen geleitet können auch spezielle Fühlbücher für Erwachsene zum Einsatz kommen. Anstelle einer Decke gleicht die äußere Form hier eher einem Textilbuch mit Seiten- oder Wickelform. Die Gestaltung mit Applikationen aus verschiedenen Tastmaterialien, die vertraute Bildmotive darstellen, folgt meistens einem thematischen Zusammenhang (z. B. Landleben, Kleiderschrank oder Jahreszeiten). In der Praxis können unterschiedliche Erfahrungen damit gesammelt werden, ob die Aktivierung und Anregung von Erinnerungen beim Fühlen und Betrachten eher von den dargestellten Motiven ausgeht oder mehr durch das Ertasten der verschiedenen Stoffe und Materialien geschieht. Zu beachten ist, dass die Motive nicht zu sehr an ein Buch für Kleinkinder erinnern. Aber auch diese Einschätzung ist letztendlich von Erfahrungen und Rückmeldungen aus der Praxis abhängig, die – wie bei allen Materialien für Menschen mit Demenz – je nach Vorlieben und Art der Vermittlung sehr unterschiedlich ausfallen können. Die schönsten Ergebnisse bei Nesteldecken und Fühlbüchern entstehen, wenn diese in Handarbeit oder in Werkstätten nach individuellen Wünschen angefertigt werden und dabei bereits vorhandene Erfahrungen aus der Praxis ihre Berücksichtigung finden.

Auch Spiele können sich als wertvolle Erzählmedien erweisen. Manchmal lassen sich beim Spielen lange verborgen gebliebene Lebenserinnerungen wecken. Geschichten werden durch das Spielen wieder lebendig, und in entspannter spielerischer Atmosphäre ergeben sich mitunter spontane Sprachanlässe.

Spiele Klassische Gesellschaftsspiele wie zum Beispiel „Mensch-ärgere-dich-nicht“ kennen fast alle älteren Menschen. Einige Spiele gibt es auch in Großausgabe, um das Greifen nach den Spielfiguren zu erleichtern. Bei Spiele-Klassikern sind die Spielregeln meistens noch präsent. Wer „rausgeworfen“ wird, reagiert manchmal mit kindlicher Wut. Es ist daher die Belastungsgrenze der einzelnen Mitspieler zu beachten. Bei vielen Spielen sind auch Variationen und Vereinfachungen möglich, um sich auf die Kompetenzen der Mitspielenden einzustellen. Beliebt sind auch Puzzle- und Legespiele mit Bildmotiven. Hier wie auch bei anderen Bildmedien ist darauf zu achten, dass die Bildmotive nicht zu kindlich sein sollten. Die Frage, wann Bilder mit klaren Konturen und Farben den Menschen gut tun oder aber ihnen den Eindruck vermitteln, nicht als erwachsene Menschen ernst genommen zu werden, ist oft eine Gratwanderung und lässt sich schwer allgemeingültig beantworten. Sowohl hier als auch bei allen anderen Beschäftigungsangeboten für Menschen mit Demenz ist ein gutes Gespür für Gefühlsreaktionen, Stimmungsveränderungen, Abwehrverhalten oder Anzeichen für Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung. Von größerer Relevanz als Auswahl und Form der eingesetzten Medien ist auch hier die Beziehungsqualität und Sensibilität in der Zuwendung, die bei der gemeinsamen Beschäftigung von Mensch zu Mensch wirksam wird.

7  Vermittlungsförderung 7.1 Die Familie als Basis Schon in den Kapiteln zur frühen Lesesozialisation (siehe Kapitel 2) und zur frühkindlichen Leseförderung (siehe Kapitel 3) ist deutlich geworden, dass die Familie eine entscheidende Rolle dabei spielt, Kinder mit Sprache und frühen Medienerfahrungen vertraut zu machen. Die Grundlagen für Lesefreude und Lesemotivation werden schon vor dem Eintritt ins Kindergartenalter gelegt: durch die familiäre Alltagskommunikation, durch Rituale wie etwa das Vorlesen oder Singen am Abend, durch eine Sensibilität für Sprachanlässe, die dazu einladen, erste Erfahrungen mit Worten, Schrift und Zeichen in einem natürlichen Zusammenhang mit Bewegung, Spielen und Entdecken wahrzunehmen und lustvoll mit den Kindern zu teilen. Nicht selten finden Familien schon vor dem Kindergartenalter den Weg in die Bibliothek, um das Angebot von Pappbilderbüchern für Kinder unter drei Jahren zu nutzen oder spezielle Eltern-Kind-Angebote im Veranstaltungsprogramm wahrzunehmen – vorausgesetzt, die Bibliothek bietet familienfreundliche Bedingungen, mit denen sich Eltern mit kleinen Kindern wirklich wohl fühlen. Gute Zugänge für Kinderwagen oder Kinderkarre gehören ebenso dazu wie ein Wickelraum und eine auf familiäre Bedürfnisse abgestimmte Einrichtung mit Krabbelzone und gut erreichbaren Bilderbuch-Kisten, aber auch Sitzmöglichkeiten für Eltern. Familienfreundliche Öffnungszeiten wie ein ausreichend langer Samstag, der dem Wochenrhythmus von Berufstätigen entgegen kommt, begünstigen regelmäßige Eltern-Kind-Besuche in der Bibliothek. Kooperationen mit und Kontakte zu Einrichtungen, die häufig von jungen Familien besucht werden wie zum Beispiel Kinderarzt- und Hebammenpraxen, Familienhäuser, Kinderkrippen und Krabbelgruppen in Kirchengemeinden können dazu beitragen, die Bibliothek bekannter zu machen. Da junge Eltern nicht immer und überall Gelegenheit haben, mit kleinen Kindern mühelos eine weiter entfernte Bibliothek in der Stadt zu erreichen, sind mobile Dienste wie Fahrbüchereien oder kleine Zweigstellen in den Wohngebieten von besonders großer Bedeutung für den Erstkontakt junger Familien zur Bibliothek. Hier auch öffentlich immer wieder dafür einzutreten, den Bestand wohnortnaher Bibliotheksdienste durch den Erhalt von kleinen Zweigstellen und Bücherbussen zu sichern, ist eine nicht zu unterschätzende familien- und bildungspolitische Aufgabe. Neben einer solchen Grundversorgung gibt es sowohl an vielen Orten in Deutschland als auch in anderen Ländern eine große Zahl an Projekten, mit denen sich Bibliotheken der Zielgruppe Familie mit verschiedenen Anliegen und Schwerpunkten zuwenden. Exemplarisch sollen im Folgenden zwei Beispiele vorgestellt werden.

7.1.1 Projekt „Vorlesen in Familien“ Das sozialpräventive Projekt „Vorlesen in Familien“ der Phantastischen Bibliothek Wetzlar verfolgt das Anliegen, durch eine ganzheitliche familienorientierte Ausrichtung Kontakt zu bildungsbenachteiligten Familien aufzubauen und mit Vorlesestunden direkt in deren Alltag wirksam zu werden. Nach dem anglo-amerikanischen Vorbild der „Family Literacy Workers“ finden die „Vorlesestunden“ durch speziell geschulte ehrenamtliche Vorleser jeweils im familiären Umfeld der Kinder statt. Diese gezielte Verbindung von Bildungs- mit Sozialarbeit geschieht in einem festen Netz-

Zielgruppe: Eltern und Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien

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 Vermittlungsförderung

Abb. 16: Mit Papa Geschichten hören

Veranstaltungsform: regelmäßige Vorlesestunden im familiären Umfeld durch Vorleser, die als „Family Literacy Workers“ mit literaturtherapeutischer Ausrichtung für diese Aufgabe intensiv durch das „Zentrum für Literatur“ an der Phantastischen Bibliothek Wetzlar ausgebildet und begleitet werden.

werk aller familienunterstützenden Einrichtungen und in enger Anbindung an die jeweiligen Bildungsinstitutionen. Da die Struktur des Projekts prinzipiell auf jede Kommune übertragbar ist, hat es Pilotfunktion. Das Besondere an dem Projekt im Unterschied zu anderen Leseförderprojekten für Familien ist sein literaturtherapeutischer Ansatz, der in einer qualifizierten Aus- und Weiterbildung der Vorleser vermittelt und mit Supervision durch professionelle Familientherapeuten begleitet wird. Erste Erfahrungen sammeln die Vorleser zunächst in Kleingruppen an Kitas, Schulen, Jugendzentren, Familien- und Nachbarschaftszentren, um mit Hilfe der Fachkräfte den Kontakt und das Vertrauen zu Familie und Kindern zu finden. Ein Besuch bei den Familien zu Hause erfolgt nur nach ausdrücklicher Einladung durch die Eltern. Die Eltern und Kinder sollen die Vorlesestunden als willkommenes Geschenk erleben und nicht als Pflichtübung, die als Forderung von außen an die Familie herangetragen wird. Sowohl die Koordination und Vermittlungsarbeit als auch die intensive Einsatzbegleitung und -betreuung läuft über das „Zentrum für Literatur“, einem außerschulischen Kompetenzzentrum der Phantastischen Bibliothek Wetzlar. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter www.phantastik.eu/abteilungen/ vorlesen-in-familien. 7.1.2 Projekt „Schenk mir eine Geschichte“

Zielgruppe: Eltern mit zwei- bis fünfjährigen Kindern, die zweioder mehrsprachig aufwachsen.

Das Schweizer Projekt „Schenk mir eine Geschichte – Family Literacy“ ist ein integriertes Elternbildungsangebot, bei dem Bibliotheken als Begegnungsorte und Vermittler von Kindermedien eine wichtige Rolle spielen. Zielgruppe sind Eltern mit ihren zwei- bis fünfjährigen Kindern, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen. Gemeinsam wird dabei die Welt der Sprache, der Geschichten und der Schrift erkundet, und zwar mit folgenden Zielsetzungen:



–– Eltern erkennen den Wert der Mehrsprachigkeit und die Bedeutung einer guten Kompetenz in der Erstsprache für den Zweitspracherwerb. –– Eltern werden in ihrer Rolle als Experten für die Sprach- und Leseentwicklung ihrer Kinder bestätigt. –– Eltern erkennen ihre eigenen Ressourcen bei der Sprach- und Leseförderung im Familienalltag und setzen sie ein, um ihren Kindern vielfältige Anregungen zu bieten und sie dabei zu begleiten. –– Eltern kennen den Zugang zu Kindermedien in ihrer Umgebung (v.a. Bibliotheken). –– Eltern kennen und nutzen Angebote in ihrer Umgebung (Spielgruppen, Aktivitäten in Bibliotheken, Deutschkurse o.ä.). –– Kinder werden in ihrer (Schrift-)Sprachkompetenz in der Erstsprache gefördert. –– Kinder erhalten regelmäßige und vielfältige sprachliche und literale Anregungen in der Familie. –– Kinder besuchen vorschulische deutschsprachige Institutionen (z. B. Spielgruppen). –– Die Öffentlichkeit wird für eine positive Wahrnehmung und Wertschätzung von Mehrsprachigkeit sensibilisiert. Weitere Informationen zum Projekt: http://www.sikjm.ch/medias/sikjm/literale-foerderung/projekte/ family-literacy/family-literacy-projektbeschrieb.pdf Materialien für die interkulturelle Bibliotheksarbeit finden Sie auf dem Bibliotheksportal (www.bibliotheksportal.de).

7.1.3 Leselatte für Eltern, Kindergärten und Kinderärzte Bin ich wieder gewachsen? Wie viele Zentimeter sind dazu gekommen? Kinder haben das Bedürfnis, ihre Größe zu messen. Früher griff man dafür zu Bleistift und Lineal und suchte sich einen Türrahmen. Dort wurde mit Bleistiftstrich über Bleistiftstrich das Wachstum des Kindes – manchmal über Jahre hinweg – dokumentiert. Heute gibt es dafür schicke Messlatten für das Kinderzimmer. Eine solche Messlatte hängt oft jahrelang im Kinderzimmer, bis mindestens 1,50 Meter erreicht sind. Ein großer Vorteil besteht darin, dass die Messlatte immer präsent ist. Warum also die Messlatte nicht auch noch für andere wichtige Informationen nutzen, die über mehrere Jahre hinweg von Nutzen sein sollen und nicht in der Fülle von Flyern und Werbematerialien untergehen sollten? Genau das war der Ausgangspunkt für die Idee der Leselatte: Sie ist eine Messlatte aus Hartplastik mit Zentimeterangaben für Kinder bis zehn Jahre. Neben den Zentimeterangaben und dem jeweiligen Durchschnittsalter informiert die Latte die Eltern über wichtige Schritte, um Kinder an Bücher und das Lesen heranzuführen. So sind zum Beispiel folgende Ratschläge auf der Leselatte zu finden: –– Babyalter: Bücher sind für Babys noch Spielzeug. Fühlbücher, Holzbücher und Badebücher fördern den Umgang mit dem Gegenstand Buch. –– Zwei Jahre: Langsam begreifen Kinder kleine Szenen mit zwei oder drei Personen. Kurze, einfache Geschichten sind jetzt spannend. Tipp: Die Handlung aber bitte noch mit eigenen Worten erzählen. –– Sieben Jahre: Jetzt steht das Lesenlernen im Vordergrund. Im Wechsel lesen macht Spaß. Ein Satz die Mutter, ein Satz der Vater, ein Satz das Kind. Tipp: Weiter vorlesen, wenn das Kind darum bittet.

Die Familie als Basis 

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Veranstaltungsform: Netzwerkarbeit im Verbund mit verschiedenen Partnern vor Ort mit dem Ziel, eine wertschätzende und anregende Sprach- und Lesekultur in den Familien zu unterstützen.

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 Vermittlungsförderung

Abb. 17: Leselatte

Die Leselatte eignet sich damit hervorragend für die Verbreitung von wichtigen Informationen zur Leseförderung an Vermittler und Multiplikatoren. Die Leselatte kann nicht nur für Eltern eine wichtige Erinnerungsstütze sein, sondern sie kann auch in Kindertagesstätten, bei Kinderärzten oder in Hebammenpraxen auf die Bedeutung der Lesefrühförderung hinweisen. Entwickelt wurde die Leselatte von der Stadtbibliothek Brilon im Jahr 2003. Mittlerweile ist das Konzept der Leselatte im In- und Ausland verbreitet. Die Leselatte ist mehrfach als Idee ausgezeichnet worden, liegt nun in mehreren Sprachen vor und wurde durch eine Bastel-Leselatte ergänzt.

7.2 Vorlesen und freiwilliges Engagement Vorlesen und Erzählen ist in der Frühförderung eine wichtige Maßnahme der Leseförderung. Kindern, denen vorgelesen wird, fällt das Lesenlernen später leichter und sie erreichen durchschnittlich bessere Schulnoten als Kinder, denen nicht vorgelesen wurde, so das Ergebnis der Vorlesestudie 2011 der Stiftung Lesen (Stiftung Lesen, 2011). Allerdings wird nur in 30 Prozent der Familien mit Kindern im Vorlesealter von zwei bis acht Jahren selten oder gar nicht vorgelesen (Stiftung Lesen, 2013). Für diese Kinder sind Vorlesestunden in Kindertagesstätten, Schulen oder Bibliotheken von großer Bedeutung. Aber auch in Alten- und Pflegeheimen oder anderen Senioreneinrichtungen sind ehrenamtliche Vorleser gern gesehene Gäste.



Vorlesen und freiwilliges Engagement  

Als Bibliothek können Sie das ehrenamtliche Vorlesen fördern, indem Sie mit vorhandenen Vorleseinitiativen zusammenarbeiten oder als Bibliothek selbst ein Netzwerk ehrenamtlicher Vorleser ins Leben rufen und betreuen. Die ehrenamtlichen Vorleser können regelmäßig in der Bibliothek Kindern vorlesen, aber auch im Namen der Bibliothek Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder Altenheime aufsuchen.

7.2.1 Vorleseinitiative gründen Zunächst sollten Sie prüfen, ob es in Ihrer Gemeinde oder Stadt bzw. Ihrem Stadtteil bereits Vorleseinitiativen gibt. Ein solches Netzwerk kann ggf. von Freiwilligenagenturen, Vereinen, Kindertagesstätten, Grundschulen oder Sozial- und Jugendämtern getragen werden. Wenn es noch keine Initiative in der Nähe gibt, dann ist die Bibliothek eine ideale Einrichtung, eine solche zu gründen. Über eine Pressemitteilung in der lokalen Zeitung oder Aushänge in der Bibliothek, in Schulen, Kindergärten, Arbeitsagenturen, Volkshochschulen und in anderen städtischen Einrichtungen sowie mit weiteren Off- und Online-Werbemaßnahmen kann auf das Projekt aufmerksam gemacht werden. Bitten Sie darum, dass sich Interessierte in der Bibliothek melden und machen Sie deutlich, dass man außer Freude am Umgang mit Kindern bzw. alten Menschen keine besonderen Voraussetzungen für dieses ehrenamtliche Engagement mitbringen muss. Das Vorlesen in verschiedenen Sprachen ist zu empfehlen. So können Sie die jeweilige Muttersprache wertschätzen und leisten einen Beitrag zur interkulturellen Bildung. Versuchen Sie deshalb auch mehrsprachige Vorleser zu gewinnen. Es ist nachgewiesen, dass Kinder leichter und besser Deutsch lernen, wenn sie ihre Erstsprache sicher beherrschen. Andere Sprachen können zum Beispiel im Rahmen von zweisprachigen Vorleseaktionen eingebunden werden, bei denen ein deutschsprachiger Vorleser und ein Vorleser mit einer anderen Herkunftssprache Texte im Wechsel lesen. Verlage bieten Texte in verschiedenen Sprachkombinationen an. Mehrsprachige Bilder- und Kinderbücher sollten auch zum Bestand jeder Bibliothek gehören.

Abb. 18: Vorlesen in der Muttersprache baut Brücken

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 Vermittlungsförderung

Für die ehrenamtlichen Vorleser müssen für alle Fragen und Probleme stets Ansprechpartner von Seiten der Bibliothek zur Verfügung stehen. Wichtig ist, dass rechtzeitig eine gegenseitige Abstimmung der Erwartungen erfolgt. Treffen Sie klare Absprachen! Das ehrenamtliche Engagement Ihrer Vorlesepaten sollte die Bibliothek in hohem Maße wertschätzen, zum Beispiel durch eine Aufwandsentschädigung, ein jährliches Fest für alle Lesepaten oder einen von der Bibliothek organisierten Ausflug zur Buchmesse bzw. zu einem anderen Literaturevent.

7.2.2 Qualifizierung der Vorlesepaten

Das „Netzwerk Vorlesen“ der Stiftung Lesen unterstützt ehrenamtliches Vorlesen in Deutschland in Form von Informationen, LeseEmpfehlungen, Schulungsmaterialien und Kontaktadressen. URL: http://www.netzwerkvorlesen.de

Vorlesen will gelernt sein! Um Schwellenängste abzubauen, sollen die ehrenamtlichen Vorlesepaten zum Einstieg Tipps und Tricks rund ums Vorlesen erhalten (siehe dazu auch die Vorlesetipps in Kapitel 4.3.3). Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um alle Fragen zu beantworten und vorhandene Hemmschwellen abzubauen. Darüber hinaus stellt die Bibliothek eine Auswahlliste an Büchern zum Vorlesen für Kinder bzw. für ältere Menschen zur Verfügung. Die empfohlenen Vorlesebücher sind selbstverständlich auch im Bestand der Bibliothek vorhanden und werden auf Wunsch für die Vorlesepaten reserviert. Natürlich kann auch aus dem eigenen Lieblingsbuch vorgelesen werden, wenn es sich für die Zielgruppe eignet. Es lohnt sich, in regelmäßigen Abständen eine Schulung oder ein Seminar für die freiwilligen Vorleser anzubieten. Die Vorträge und Workshops können mit internen oder externen Referenten stattfinden. Das „Netzwerk Vorlesen“ der Stiftung Lesen vermittelt Referenten und stellt Ihnen auch Materialien für die Ausbildung und Qualifizierung der Ehrenamtlichen zur Verfügung. Das Beispiel In den Städtischen Bibliotheken Dresden gibt es schon seit vielen Jahren zahlreiche ehrenamtliche Vorlesepaten: So waren im Jahr 2012 über 90 Lesepaten im Alter zwischen 21 und 78 Jahren aktiv. Sie lesen regelmäßig Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter vor und werden von den Bibliothekaren in den Stadtteilbibliotheken unterstützt sowie mit einem Lesekoffer ausgestattet. Hauptamtlich tätige Projektkoordinatoren stehen für alle Fragen und Probleme der Vorleser zur Verfügung. Zudem können die Lesepaten an einem umfassenden Fortbildungsangebot teilnehmen. Monatlich finden Vorträge und Workshops mit internen und externen Referenten statt, die zur sehr guten Qualität der Vorlesestunden beitragen und die Motivation und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Lesepaten stärken. Eine ausführliche Beschreibung des Projekts finden Sie hier: Kunis-Michel, Marit / Menzel, Sonhild: Das Projekt „Lesestark! Dresden blättert die Welt auf. // In: Handbuch Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit / hrsg. von Kerstin Keller-Loibl. – 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. – Bad Honnef: Bock + Herchen, 2014. – ISBN 978-3-88347-295-9. – S. 204-212



Angebote für Kindertagesstätten  

7.3 Angebote für Kindertagesstätten 7.3.1 Medienboxen In der Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten ist das Angebot von Medienboxen durch Bibliotheken von besonderer Bedeutung. Oft wird der Alltag in Kindertagesstätten, ausgerichtet an den Bildungsplänen für den Elementarbereich der einzelnen Länder, durch wiederkehrende Themen bestimmt, die von einer passenden Auswahl an thematisch ausgewählten Medien begleitet werden können. Eine bundesweite Übersicht zu den Bildungsbereichen in Kindertagesstätten bietet der Deutsche Bildungsserver. URL: http://www.bildungsserver.de/Elementarbildung-Bildung-und-Erziehung-in-Kindertagesbetreuung-1658.html

In jedem Fall empfiehlt sich bei der Planung von Medienboxen-Angeboten zunächst ein Gespräch mit den Mitarbeitenden der Kindertagesstätten in der näheren Umgebung, um ein möglichst genaues Bild von den Wünschen und Erwartungen der pädagogischen Fachkräfte zu gewinnen und diese bei der Zusammenstellung mit zu berücksichtigen. Zu den Themen für Medienboxen, die in vielen Kindertagesstätten besonders gefragt sind, gehören zum Beispiel: –– Bauernhof –– Buchstaben und Zahlen –– Farben –– Ernährung –– Konflikte im Zusammenleben –– Feuerwehr, Polizei, Müllabfuhr –– Hexen und Zauberer –– Körper und Gesundheit –– Musik und Theater –– Sinneswahrnehmungen –– Zirkus Die thematische Auswahl der Medien sollte zugleich das Vertrautwerden mit verschiedenen Medien- und Vermittlungsformen ermöglichen, zum Beispiel durch eine Mischung aus Sachbilderbüchern, erzählenden Bilderbüchern zum Thema, Tonträgern und Liedern. In der Regel umfasst eine Box etwa 20 bis 30 verschiedene Titel, sodass eine ganze Kindergruppe Gelegenheit bekommen kann, gleichzeitig in verschiedenen Medien zu stöbern. Als Behältnis dafür ist eine stabile, ausreichend große Plastikkiste erforderlich, die nach Möglichkeit mit einem Deckel zu verschließen ist. Die Ausleihzeit sollte zur Arbeitsweise der Kindertagesstätte passen, ist in der Regel länger als die reguläre Ausleihzeit einzelner Bücher und sollte auch die Möglichkeit individueller Vereinbarungen mit der Kindertagesstätte erlauben.

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 Vermittlungsförderung

7.3.2 Elternabende

Die folgenden Hinweise der „Akademie für Leseförderung Hannover“ für die Durchführung eines Elternabends in der Grundschule bieten auch für die Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten wichtige Anhaltspunkte. URL: http://www.hdm-stuttgart.de/ ifak/giraffe/archiv/Elternabend.pdf

Eine entscheidende Instanz bei der Frage, ob Kinder früh Freude am Hören, Lesen und Entdecken entwickeln, sind die Eltern als wichtigste Bezugspersonen der Kinder. Es gilt daher, geeignete Möglichkeiten zu nutzen, um auch die Eltern über die Bedeutung der Leseförderung zu informieren und ihnen dafür praktische Tipps und Empfehlungen mit an die Hand zu geben. Ein gutes Forum dafür sind Elternabende, zu denen in Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten eingeladen werden kann. Ort der Begegnung ist dabei entweder die Bibliothek selbst oder aber ein Kindergarten, der das Thema „Leseförderung“ als Schwerpunkt auf die Tagesordnung setzt und Mitarbeitenden der Bibliothek Gelegenheit gibt, das Angebot der Bibliothek für Familien vorzustellen. Bei einem solchen Elternabend kann ein kleiner Vortrag zu der Frage „Wie wecke ich die Freude am Lesen bei meinem Kind?“ zunächst in das Thema einführen und anschließend mit Buchtipps und kreativen Bausteinen für handlungsorientierte Medienerlebnisse in der Familie ergänzt werden. Eine Auswahl an Ratgebern für Eltern zur Sprachentwicklung des Kindes kann ebenfalls von Interesse sein. Entscheidend ist, dass es bei der Veranstaltung gelingt, vor allem die eigene Freude der Eltern an Bilderbüchern zu wecken. Ton und Stil der Veranstaltung sollten daher weniger belehrend und mehr inspirierend und lustmachend sein.

Eine lockere und freie, auf Dialog angelegte Vortragsweise und attraktive Buchbeispiele, die die Eltern zum Blättern und Entdecken anregen, tragen zum Gelingen der Veranstaltung bei. Bibliotheksflyer mit Angaben zu den Öffnungszeiten und gegebenenfalls speziellen familienorientierten Angeboten (z. B. regelmäßige Vorlesestunden usw.) können als Erinnerungshilfe für Zuhause an die Eltern verteilt werden.

7.3.3 Weiterbildung für Erzieher Bibliotheken und Erzieher arbeiten im Idealfall Hand in Hand und lernen dabei miteinander und voneinander: Im Rahmen des bibliothekarischen Sprachförder-Projekts für Vorschulkinder „Kinder werden WortStark“, das aus verschiedenen Modulen besteht, wurde für das Modul „WortStark Praxis“ ein spezielles Qualifizierungsprogramm für Mitarbeitende in Kindertagesstätten erarbeitet. Es befähigt Pädagogen dazu, selbstständig nach dem „WortStark“-Konzept zu arbeiten, Methoden und Materialien zur Sprach- und Leseförderung zu erproben und diese in enger Kooperation mit der Bibliothek zum Einsatz zu bringen. Inhalte und Ablauf der Workshops und Informationsveranstaltungen zum Projekt „Kinder werden WortStark“ sind hier beschrieben: http://www.berlin.de/stadtbibliothek-friedrichshain-kreuzberg/lesen-lernen/kinder-werden-wortstark/ programm-module/wortstark-praxis/

Dieses Weiterbildungsprogramm kann dazu anregen, auch im Rahmen anderer Projekte zur Sprach- und Leseförderung regionale Kursangebote für Erzieher zu konzipieren oder hierfür gegebenenfalls Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Institu-



Angebote für Schulen 

tionen zur beruflichen Weiterbildung für sozialpädagogische Berufe zu nutzen. Viele Volkshochschulen und Trägerverbände von Kindertagestätten sind offen für Ideen und Anregungen zu Kursen, die in Zusammenarbeit mit Bibliotheken entwickelt und durchgeführt werden und für die Sprach- und Leseförderung in Kindertagesstätten elementare Methoden und Medienkenntnisse vermitteln.

7.4 Angebote für Schulen 7.4.1 Medienboxen, Klassensätze, Elternabende Ebenso wie bei der Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten ist auch für die Zusammenarbeit mit Schulen die Ausleihe von Medienboxen von großer Bedeutung. Viele Bibliotheken stellen den Schulen einen kostenfreien Benutzerausweis zur Verfügung, um die Ausleihe von Medienboxen und Klassensätzen zu erleichtern. Die Bildungs- und Lehrpläne der einzelnen Länder enthalten Themenschwerpunkte, an denen sich die Zusammenstellung der Medienboxen orientieren kann. Oft fragen auch Lehrer wiederholt nach bestimmten Themen, sodass je nach Bedarf das Angebot an Medienboxen erweitert und aktualisiert werden kann. Darüber hinaus können in die Medienboxen „Wunschlisten“ gelegt werden, um zu erfahren, welche Medien ggf. in der Box gefehlt haben und zu welchen weiteren Themen sich die Lehrer Medienboxen wünschen würden. So kann man auf unkomplizierte Weise erfahren, welche Wünsche und Erwartungen die Lehrer haben. Mittlerweile bieten Bibliotheken auch Medienboxen mit Antolin-Erstlesebüchern für die zweite und dritte Klasse an. Zu den Themen für Medienboxen, die an vielen Schulen in der Primar- und Sekundarstufe I besonders gefragt sind, gehören zum Beispiel: Primarstufe (1. bis 4. Klasse)

Sekundarstufe I (5. bis 7. Klasse)

Bauernhof Dinosaurier Ernährung Experimente/Elemente Haustiere Hexen und Gespenster Indianer Jahreszeiten Kinder der Welt Körper und Gesundheit Märchen Piraten/Seeräuber Ritter und Burgen Wald und Bäume

Ägypten Drogen und Sucht Entdeckungen und Entdecker Erfindungen, Erfinder und Technik Europa Gewalt Griechen (Antike) Mittelalter Nationalsozialismus Religionen Römer (Antike) Steinzeit und Urmenschen Sterne und Planeten

Die Zusammenstellung der Medien zu einem Thema sollte verschiedene Medienarten und Umsetzungsmöglichkeiten des Themas berücksichtigen, zum Beispiel durch eine gute Mischung aus Sachbüchern (informativ und erzählend), erzählender Literatur, Hörbücher, Filme oder Spiele zum Thema. In der Regel umfasst eine Medienbox etwa 20 bis 30 Titel, sodass sich eine ganze Schulklasse gleichzeitig mit den Medien beschäftigen kann.

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 Vermittlungsförderung

Als Behältnis dafür ist eine stabile, verschließbare Plastikbox erforderlich, die mit dem jeweiligen Thema beschriftet wird. Möglich ist auch, statt oder zusätzlich zu einer Box einen Rollkoffer zu verwenden, um bei Bedarf die Mitnahme für Lehrer, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, zu erleichtern. Die Ausleihzeit sollte in der Regel länger sein als die reguläre Ausleihzeit einzelner Bücher, damit über einen längeren Zeitraum hinweg mit den Medien gearbeitet werden kann. Ein weiteres Standardangebot für Schulen ist die Ausleihe von Klassensätzen. Klassensätze sollten für Klassen der Jahrgangsstufen eins bis zwölf angeboten werden und neben Klassikern der Kinder- und Jugendliteratur auch aktuelle Titel für die Schullektüre anbieten. Ein Klassensatz umfasst ca. 30 Exemplare des jeweiligen Buches, damit allen Kindern und Jugendlichen ein Buch zur Verfügung steht. Zur Ergänzung kann den Klassensätzen eine Auswahl an Interpretationshilfen und didaktisches Material für Lehrkräfte beigelegt werden. Die Klassensätze sollten nach Voranmeldung für mindestens drei Monate ausgeliehen werden können. Natürlich können sich Bibliotheken auch auf Elternabenden in der Schule präsentieren. Insbesondere im Grundschulalter bietet sich an, Eltern über die Möglichkeiten der Leseförderung und Medienkompetenzvermittlung zu informieren (siehe dazu Kapitel 7.3.2). Bei Elternabenden in der Schule sind auch die teilnehmenden Klassenlehrer eine wichtige Zielgruppe. Einige Bibliotheken bieten auch speziell für Lehrer Informationsveranstaltungen an, bei denen die Angebote der Bibliothek zur Leseförderung vorgestellt werden oder – im Sinne einer Weiterbildung für Lehrer – aktuelle Kinder- und Jugendliteratur präsentiert wird. Die Formen der Vermittlungsförderung im Hinblick auf Lehrer können sehr vielfältig sein. In Kapitel 5 finden Sie zahlreiche Ideen und Konzepte, die sich gut für Projekttage oder das Ganztagsangebot an Schulen eignen, so zum Beispiel das Wikipedia-Projekt (siehe Kapitel 5.4.3) oder die in Kapitel 5.5.2 vorgestellten Workshops. Sprechen Sie die Schulen diesbezüglich direkt an und stellen Sie Ihre Angebote vor.

7.4.2 Klassenführungen und Begleitung von Projekttagen Klassenführungen, in denen Schüler im Klassenverband in den Bestand und die Benutzungsbestimmungen der Bibliothek eingeführt werden, gehören zum Standardangebot von Bibliotheken für Schulen. Hauptzielgruppe von Klassenführungen sind die Schüler, die mitunter das erste Mal im Rahmen der Schule die Bibliothek besuchen. Darüber hinaus sind auch die begleitenden Lehrer eine wichtige Zielgruppe, sodass dieses Angebot auch zur Vermittlungsförderung gezählt werden kann. Klassenführungen sind eine gute Methode, um Lehrer von den Angeboten der Bibliothek zu überzeugen und zu verdeutlichen, wie sinnvoll ein Bibliotheksbesuch und die Nutzung der Bibliotheksangebote wie Medienboxen, Klassensätze oder Bibliotheksveranstaltungen zur Leseförderung den Unterricht bereichern können. Klassenführungen sind schon längst nicht mehr nur eine Führung im Sinne eines Rundgangs durch die Bibliothek, sondern sie sind darauf ausgerichtet, bei den Schülern eine aktive Beschäftigung mit der Bibliothek und den Medien auszulösen. Ziel ist es, dass die Schüler die Bibliothek für sich entdecken, Lust am Lesen und an der Mediennutzung durch die Veranstaltung erhalten und ggf. Nutzer der Bibliothek werden. Neben der Vermittlung altersspezifischer Fertigkeiten für die Benutzung einer Bibliothek wird ein Beitrag zur Leseförderung geleistet. Zum Beispiel kann sich die Klassenführung einem interessanten Thema widmen (siehe dazu auch Kapitel 5.2.1 „Themenorientierte Leseförderung“) oder die Entdeckung



der Bibliothek wird als Erlebnis inszeniert, zum Beispiel in Form einer FantasieRahmenhandlung, in der das Bibliotheksgespenst gesucht wird oder ein Kriminalfall gelöst werden muss. Konzepte für Klassenführungen von der ersten Klasse bis zur zwölften Klasse mit zahlreichen Kopiervorlagen finden Sie hier: Bibliothekspädagogische Klassenführungen: Ideen und Konzepte für die Praxis / hrsg. von Kerstin Keller-Loibl. – 2., aktualisierte u. erw. Aufl. – Bad Honnef: Bock + Herchen, 2012. – 196 S. ISBN 978-3-88347-291-1

Ein weiteres Angebot von Bibliotheken für Schulen ist die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung von Projekttagen oder -wochen. Zum Beispiel kann gemeinsam mit der Schule eine Comic-Woche mit verschiedenen Aktivitäten wie Informationsveranstaltungen über Comics und Comic-Zeichner, Comic-Tauschbörse, Anime-Nächten oder Manga-Schreibworkshops (siehe dazu Kapitel 5.5.2) vorbereitet werden. Für viele fächerübergreifende Themen werden zudem Medien benötigt. Hier kann die Bibliothek helfen und für die Lehrer und Schüler Medienpakete zusammenstellen. Lehrer nehmen diese Unterstützung sehr gern an! Auch im Rahmen des Ganztagsangebotes von Schulen können sich Bibliotheken mit Veranstaltungen zur Leseförderung einbringen. Zum Beispiel kann die Arbeit von Freizeit-AGs unterstützt werden, indem Sie einen Leseclub (siehe Kapitel 5.3.1) oder eine Schreibwerkstatt (siehe dazu Kapitel 5.2.3) unterstützen oder gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen eine literarische Veranstaltung vorbereiten.

7.5 Angebote für Pflegeheime In Kapitel 6.5 konnten Sie sich bereits über die besonderen Möglichkeiten bibliothekarischer Angebote und Medien (insbesondere in Form von Musik, Bildern, Sprache und Bewegung) für Menschen mit Demenz einen Überblick verschaffen, die dazu in der Lage sind, in wohltuender Weise auf diese Zielgruppe einzuwirken. Dieses Vorwissen ist nötig, um auch jene Menschen kompetent ansprechen und beraten zu können, die als Angehörige, freiwillig Engagierte oder Fachkräfte in der Altenpflege die Unterstützung der Bibliothek in ihrem Familien- und Arbeitsalltag suchen. Sie leisten damit eine gesellschaftliche Aufgabe, die in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird. Denn: Im Hinblick auf den demografischen Wandel reicht es nicht aus, lediglich die Strukturen für Betreuung und Pflege im engeren Sinne zu verbessern – ebenso wichtig ist es, dass jeder dort, wo er gerade lebt und arbeitet, an einem würdigen und einfühlsamen Miteinander und an Wegen zur kulturellen und sozialen Teilhabe für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen im Rahmen der individuellen Möglichkeiten mitwirkt. Das beginnt mit dem Bewusstsein für die Würde des Menschen sowie mit dem Wissen um Demenz als veränderte Lebenssituation für Betroffene und Angehörige, und es drückt sich aus in der Gestaltung einer demenzfreundlichen Lebensumgebung in Dörfern und Städten, an der sich jeder Mensch in vielfältiger Weise beteiligen kann. Hinsichtlich dieser umfassenden gesellschaftlichen Bedeutung des Themas sind auch Öffentliche Büchereien gefragt und gefordert, ihrerseits durch Informationen sowie durch Dienstleistungs- und Begegnungsangebote diesen Prozess zu begleiten und zu unterstützen.

Angebote für Pflegeheime  

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 Vermittlungsförderung

7.5.1 Unterstützung für die Begleitung von Menschen mit Demenz Folgende Aspekte sind wichtig, um für Demenz mehr Verständnis, Akzeptanz und Unterstützung auf verschiedenen Ebenen des öffentlichen Lebens zu erreichen: –– Öffentlichkeitsarbeit, Beratung und Information, –– interdisziplinäre Vernetzung und Förderung von freiwilligem Engagement, –– Begegnungsmöglichkeiten für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, –– Angebote zur Entlastung und zur Verbesserung der Lebens- und Wohnqualität im Quartier, –– aktive Einbeziehung von Menschen mit Demenz, um deren Stimme deutlicher wahrzunehmen. Dabei kann ein individueller und einfühlsamer Einsatz von Medien – so zeigen die Erfahrungen – das Vertrautwerden mit der Lebenssituation von Menschen mit Demenz positiv anregen, eigene Ängste und Unsicherheiten abbauen, Lust und Lebensfreude bei gemeinsamen Beschäftigungen wecken und das Netzwerk an Hilfsangeboten für Betroffene erweitern.

7.5.2 Rolle der Bibliotheken bei der Demenzbetreuung Während Bibliotheken durch Bildungspartnerschaften auf Angebote zur Leseförderung von Kindern und Jugendlichen bereits gut eingestellt sind, war die Medienauswahl und -beratung zur Unterstützung der Demenzbetreuung in den meisten Büchereien bislang eher schwach ausgebaut, und eine regelmäßige Zusammenarbeit mit Pflege- und Betreuungseinrichtungen bildete die Ausnahme. Zwar gibt es inzwischen verschiedene Ansätze für das Engagement von Bibliotheken im Netz von Pflegeeinrichtungen, Bildungspartnern und Familien, aber ebenso gibt es eine Reihe von Schwierigkeiten und Fragen, mit denen sie sich hierbei konfrontiert sehen: Oft fehlen praktische Erfahrungen, um die sehr facettenreiche Lebenssituation der Betroffenen genau einschätzen zu können und sich mit passenden Medienangeboten darauf einzustellen. Viele ehrenamtliche Vorleser, die den Kontakt zu Senioreneinrichtungen suchen, um dort ihre Vorlesedienste anzubieten, stellen in der Praxis fest, dass Vorlesen in der gewohnten Weise bei Menschen mit Demenz nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gelingt. Die Konzentrationsspanne mancher Zuhörenden ist sehr kurz, und viele können sich nicht mehr in der Handlung oder Sprache einer Geschichte orientieren. Schnell wird deutlich, dass eigentlich nur in der Einzel- oder Kleingruppenbetreuung, die ein sehr individuelles Eingehen auf die Biografien und aktuellen Lebenssituationen erlaubt, eine sinnvolle Ansprache durch geeignete Medien möglich ist. Die Medienauswahl und -beratung für die Demenzbetreuung ist also sehr stark an individuelle Gegebenheiten gebunden. Bei einem darauf abgestimmten Bestandsaufbau, der den Betreuenden möglichst vielfältige Wahlmöglichkeiten bietet, sind folgende Aspekte besonders in den Blick zu nehmen: –– Geschichten, Gedichte, Lieder und Bilder mit „Wiedererkennungswert“ aus der Alltagswelt vor allem der prägenden Lebensphasen (Kindheit/Jugend) alter Menschen, –– bekannte Sprichwörter und Redewendungen, –– Praxisbücher und Non-Book-Materialien mit Beschäftigungsanregungen für Menschen mit Demenz, die neben der verbalen Kommunikation auch eine sinnliche Ansprache über Materialerfahrungen (Hören, Fühlen, Sehen, Riechen) erlauben.



Angebote für Pflegeheime  

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Bücher, die in Fachverlagen speziell für die Betreuung von Menschen mit Demenz erschienen sind, spielen beim Bestandsaufbau eine wichtige, jedoch nicht die einzige Rolle. Sie lassen sich gut ergänzen und kombinieren mit historischen Fotomaterialien aus der Region, Sprichwort-Sammlungen, Volksliederbüchern und anderen Materialien.

Hier wie bei allen Medien gilt es, vor allem den Menschen mit seinem Mitteilungsund Zuwendungsbedürfnis ernst zu nehmen und die Aufmerksamkeit nicht vorrangig dem Medieneinsatz zu widmen. Manchmal reicht ein ganz kurzer Impuls, ein einzelnes Foto, das Erinnerungen weckt, oder ein schlichtes Sprichwort, um behutsam ein Gespräch anzubahnen. Bei der Konzeption von geeigneten bibliothekarischen Angeboten gilt es, folgende Ziele besonders in den Blick zu nehmen: –– dem Thema Demenz durch Informationen und Veranstaltungen im öffentlichen Raum insgesamt mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und Berührungsängste abzubauen, –– mit Medien und gemeinsamen kulturellen Erlebnissen „Brücken von Mensch zu Mensch zu bauen“, um auf diese Weise Kommunikation und wohltuende Beschäftigungsmöglichkeiten in Gang zu bringen, –– Partnerschaften und Netzwerke zu entwickeln und zu unterstützen. Das Beispiel Die Büchereizentrale Schleswig-Holstein stellt den Öffentlichen Bibliotheken im Rahmen des Projektes „Picknick im Labyrinth“ ein Medienangebot für die Begleitung von Menschen mit Demenz zur Verfügung. Speziell zusammengestellte Medienboxen können von Senioren- und Pflegeeinrichtungen sowie von ehrenamtlich Tätigen über die Öffentlichen Bibliotheken in Schleswig-Holstein, die dem Fahrdienst der Büchereizentrale angeschlossen sind, und über die Fahrbüchereien gegen eine geringe Gebühr für acht Wochen entliehen und in der täglichen Arbeit eingesetzt werden. Jede Medienbox enthält ca. 20 Titel, darunter Bücher, DVDs, Hörspiele, Lieder und Bildkarten für das Erzähltheater zu Märchen, Geschichten und Alltagswelten vor allem der prägenden Lebensphasen Kindheit und Jugend alter Menschen, darüber hinaus Beschäftigungsideen und Spiele zur Aktivierung von Körper, Geist und Seele als Ideenbörse für Betreuer sowie Fachinformationen zur Begleitung von Menschen mit Demenz. Der Einsatz der Medien wird unterstützt durch passend darauf abgestimmte Weiterbildungs- und Veranstaltungsangebote in einzelnen Bibliotheken, die in Kooperation mit verschiedenen Partnern durchgeführt werden. Im Zentralkatalog der Büchereizentrale sind außerdem zahlreiche Online-Dokumente rund um das Thema Demenz erschlossen, die Informationen und Hilfen bieten zu allen Fragen rund um Pflege, Begleitung und Beschäftigung von Menschen mit Demenz. Die Publikationen sind abrufbar über das Stichwort „Demenz“. Die Suche lässt sich mit der Auswahlleiste am oberen Bildschirmrand eingrenzen auf Download-Dokumente. URL: www.bz-sh.de/zentralkatalog

Hinweise auf Kontaktstellen & Vernetzungsmöglichkeiten Pflegestützpunkte, sozialpsychiatrische Dienste, Mehrgenerationenhäuser, Pflegeeinrichtungen und die Anlaufstellen in verschiedenen Regionen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. (www.deutsche-alzheimer.de) bieten ein Netz an Hilfsangeboten. Sie sind wichtige Ansprechpartner für Betroffene und ihre Familien wie auch für Büchereien, die sich in Kooperation mit anderen Initiativen auf diesem Gebiet engagieren möchten.

Die Büchereizentrale SchleswigHolstein stellt auf ihrer Homepage www.bz-sh.de ein Auswahlverzeichnis, genaue Angaben zum Inhalt der Boxen wie auch Flyer und eine Handreichung zum Projekt als Download zur Verfügung: http://www.bz-sh.de/index.php/ blockbestaende/medien-fuer-diebegleitung-von-menschen-mitdemenz

8  Ausgewählte Kampagnen und Aktionen 8.1 Welttag des Buches

Datum: 23. April (jährlich / international) Weitere Informationen: http://www.welttag-des-buches.de

1995 erklärte die UNESCO den 23. April zum „Welttag des Buches“, dem Feiertag für das Lesen, für Bücher und die Rechte der Autoren. Die Wahl des Datums ist nicht zufällig: Nach einem katalanischen Brauch werden zum Namenstag des Volksheiligen St. Georg Rosen und Bücher verschenkt. Über diesen Brauch hinaus ist der 23. April auch der Todestag von zwei bedeutenden Autoren der Weltliteratur: William Shakespeare und Miguel de Cervantes. Seit 1996 wird der „Welttag des Buches“ auch in Deutschland gefeiert. Buchhandlungen, Verlage und Bibliotheken bieten am UNESCO-Welttag des Buches vielfältige Programme und Aktionen zur Leseförderung für alle Altersklassen an. Auch die Stiftung Lesen veranstaltet rund um den Welttag des Buches Aktionen und Kampagnen zur Leseförderung, an denen sich auch Bibliotheken beteiligen können. Einige Beispiele –– Aktion „Ich schenk dir eine Geschichte“: Kinder der vierten und fünften Klassen können ein Welttags-Taschenbuch aus der Reihe „Ich schenk dir eine Geschichte“ in einer Buchhandlung vor Ort als Geschenk abholen. Teilnehmende Buchhandlungen erwerben die Bücher vorher zum Selbstkostenpreis und verschenken diese am Welttag des Buches. Die Kinder erhalten vorab von der Schule einen Gutschein für ihr persönliches Exemplar. Auch Bibliotheken können Buchpakete zum Selbstkostenpreis bei der Stiftung Lesen bestellen und am Welttag des Buches Kindern und Jugendlichen ein Buchgeschenk überreichen. –– Aktion „Lesefreunde“: Mit einem persönlichen Buchgeschenk sollen diejenigen für das Lesen begeistert werden, die bisher wenig oder gar nicht zum Buch greifen. Leser, die gern ein Buch verschenken möchten, können sich online bei der Aktion „Lesefreunde“ der Stiftung Lesen registrieren und einen Titel wählen, den sie verschenken möchten. Das Buch kann dann in einer Buchhandlung oder Bibliothek vor Ort abgeholt werden. Die Buchtitel werden kostenlos von den beteiligten Verlagen zur Verfügung gestellt.

8.2 Weltgeschichtentag

Datum: 20. März (jährlich / international) Weitere Informationen: http://www.weltgeschichtentag.de

Der Weltgeschichtentag wird jährlich am 20. März als internationaler Aktionstag begangen. Er hat seinen Ursprung in einem schwedischen Geschichtenerzähltag, fand zunächst im nordeuropäischen Raum eine immer größere Verbreitung und wird seit 2004 in vielen Ländern der Welt als ein Fest des Erzählens im Frühling gefeiert. Das Anliegen des Tags ist es, in der weltweiten Tradition des mündlichen Erzählens Geschichten miteinander zu teilen, sich am Reichtum der Bilder zu erfreuen und Kontakte zu knüpfen, indem an vielen Orten und in vielen Sprachen und Kulturen zur gleichen Zeit Geschichten in alle Himmelsrichtungen weitergetragen werden und Menschen dabei einander begegnen und zuhören. Zu den weit mehr als 50 Veranstaltungen, die zum Weltgeschichtentag 2014 im deutschsprachigen Raum stattfanden, zählten so originelle Ideen wie beispielsweise die Kinderstraßenbahn „Lottchen“, die Kinder in Dresden, begleitet von Erzählern, zu verschiedenen Geschichtenorten der Stadt fuhr. In Berlin luden verschiedene Bibliotheken zu Erzählveranstaltungen ein und in Bayern fanden an



Welttag der Poesie  

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verschiedenen Orten Städtetouren statt, bei denen musizierende und erzählende Künstler im Verlauf eines märchenhaften Bummels durch die Straßen auch in der Bibliothek Station machten. Durch den nicht-kommerziellen internationalen und interdisziplinären Charakter des Tages bietet der Weltgeschichtentag Bibliotheken und allen anderen Akteuren, die sich daran beteiligen, gute Chancen für Zusammenarbeit und Begegnung. Als Gastgeber können Bibliotheken Erzählern ein Forum bieten, eigene Aktionen rund um Geschichten initiieren oder sich an regionalen Festivals beteiligen. Die Mündlichkeit des Erzählens steht dabei besonders im Vordergrund. In jedem Jahr wird außerdem ein Motto bestimmt, das Anregungen für eine inhaltliche Ausrichtung des Tags bietet.

8.3 Welttag der Poesie Der „Welttag der Poesie“ wurde für den 21. März eines jeden Jahres von der UNESCO ausgerufen und erstmals im Jahre 2000 begangen. Der Stellenwert der Poesie und die Vielfalt des Kulturgutes Sprache stehen dabei im Mittelpunkt. Anliegen des Tags ist es, der Dichtkunst auch im Zeitalter der neuen Informationstechnologien einen wichtigen Platz im kulturellen und gesellschaftlichen Leben zuzuweisen. Es gilt, Verlage darin zu unterstützen, poetische Werke besonders auch von jungen Dichtern zu verbreiten und den kulturellen Austausch zwischen den Kulturen zu intensivieren. Mit Lesungen aus poetischen Werken und künstlerischen Darbietungen wie Tanz, Theater oder Ausstellungen, die von Poesie inspiriert sind, lässt sich der Tag in vielfältiger Weise gestalten. Das Internet ist in das Engagement für Poesie ebenso mit einzubeziehen. So wurde aus Anlass des ersten Welttags der Poesie im Jahr 2000 die Internetplattform www.lyrikline.org eingerichtet, auf der heute über 8.400 Gedichte von fast 1.000 Dichtern in über 60 Sprachen im Originalton zu hören wie auch im Originaltext und vielfach in deutscher Übersetzung zu lesen sind. Bibliotheken können sich als Vermittler von Poesie in allen Medienformen sowie als Veranstaltungsorte und Kooperationspartner in besonderer Weise an der Gestaltung dieses Tags beteiligen.

Datum: 21. März (jährlich / international) Weitere Informationen: http://www.un.org/en/events/ poetryday/

8.4 Vorlesewettbewerb Der Vorlesewettbewerb des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels wurde 1959 ins Leben gerufen. Er wird jährlich vom Börsenverein in Zusammenarbeit mit Schulen, Buchhandlungen, Bibliotheken und weiteren kulturellen Einrichtungen veranstaltet. Er zählt zu den größten Schülerwettbewerben in Deutschland: Jährlich nehmen mehr als 600.000 Kinder der sechsten Klassen aller Schularten daran teil. Die Wettbewerbsidee besteht darin, dass die Teilnehmer in etwa drei bis fünf Minuten aus einem selbstgewählten Buch vorlesen. Zuvor erzählen sie mit eigenen Worten, worum es in diesem Buch geht. Der beste Vorleser wird am Ende von einer Jury prämiert. Der Wettbewerb findet auf verschiedenen Stufen statt: Klassenentscheide, Schulentscheide, Kreis- bzw. Stadtentscheide, Bezirksentscheide, Landesentscheide und das Finale beim Börsenverein in Frankfurt/Main. Beim Vorlesewettbewerb sollen Lesefreude und Lesemotivation im Vordergrund stehen. Er bietet die Gelegenheit, dass Heranwachsende ihre Lieblingsgeschichten vorstellen und neue Bücher entdecken. Der Vorlesewettbewerb erhält einerseits viel

Jährlicher Schülerwettbewerb (jährlich / national) Zielgruppe: Sechste Klassen aller Schularten Weitere Informationen: http://www.vorlesewettbewerb.de

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 Ausgewählte Kampagnen und Aktionen

Anerkennung, andererseits erfährt er immer wieder harsche Kritik. Diese bezieht sich vor allem auf den Wettbewerbscharakter des Gewinnens eines einzelnen Schülers und auf die Auszeichnung einer besonderen Vorleseleistung. Damit würden jene Schüler bevorzugt, die besonders gut vorlesen können. Der Gewinn für die Lesemotivation im Hinblick auf die gesamte Klasse sei eher gering.

8.5 Internationaler Kinderbuchtag

Datum: 2. April (jährlich / international) Weitere Informationen: http://www.ibby.org

Der Internationale Kinderbuchtag (ICBD = International Children’s Book Day) wird seit 1967 in jedem Jahr am 2. April, dem Geburtstag von Hans Christian Andersen, begangen. Er wirbt für das Lesen und den Zugang zu Kinderliteratur weltweit. Jährlich wechselnd übernimmt jeweils eine nationale Sektion des International Board on Books for Young People (IBBY) die Patenschaft. Dazu gehört die Wahl eines Schwerpunktthemas, eine Grußbotschaft an die Kinder der Welt durch einen Autoren des jeweiligen Landes sowie die Plakatgestaltung zur Bewerbung des Aktionstags. So wird dieser Tag bewusst von verschiedenen Kulturen mit geprägt. Zu den Aktionsmöglichkeiten rund um den Internationalen Kinderbuchtag gehören Veranstaltungen vor Ort (Lesungen oder Ausstellungen mit Autoren und Illustratoren, Schreibwettbewerbe), die Vergabe von Buchpreisen oder auch grenzüberschreitende Aktionen, die den internationalen Charakter des Tags in besonderer Weise verdeutlichen. Internationale Bibliothekspartnerschaften, wie sie beispielsweise über das IFLAProjekt „Sister Libraries Project“ (http://sisterlibraries.wordpress.com) gepflegt werden können, bieten eine ideale Grundlage für gemeinsame Aktionen zum Internationalen Kinderbuchtag.

Abb. 19: Minibücher international



„Wir lesen vor – überall & jederzeit“  

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Einige Beispiele: –– Aktion „Bilderbuch-Paket“: Textlose Bilderbücher werden über Landesgrenzen hinweg ausgetauscht, um Freude an der Sprache der Bilder miteinander zu teilen, dabei mit der Illustrationskunst verschiedener Länder vertraut zu werden und so Sprachbarrieren zu überwinden. –– Kleine Mini-Bücher oder Lesezeichen werden mit Kindern in verschiedenen Ländern gleichzeitig gebastelt und dann als Päckchen einander zugeschickt, um damit jeweils vor Ort eine Mini-Buch-Ausstellung „von Kindern für Kinder“ zu präsentieren. –– Zweisprachige Lesungen von Kinderbüchern mit Kamishibai werden veranstaltet, dazu werden Kinder und Familien mit verschiedenen Herkunftssprachen eingeladen und über das bildgestützte Vorlesen und Erzählen wird eine gemeinsame Erfahrung der Verständigung vermittelt.

8.6 „Wir lesen vor – überall & jederzeit“ Mit der Initiative „Wir lesen vor“ fördern DIE ZEIT und die Stiftung Lesen gemeinsam das Vorlesen und Erzählen überall dort, wo Spaß an der Sprache lebendig werden kann: in Familien, Kindergärten, Bibliotheken und Schulen. Seit 2004 organisiert die Initiative jährlich im November einen bundesweiten Vorlesetag. Ziel dieser Aktion ist es, vor allem junge Familien und engagierte Erwachsene für regelmäßiges Vorlesen zu gewinnen. Begleitet von Presse- und Werbekampagnen lesen Autoren, Journalisten, Schauspieler, Prominente, Schüler und Vorlesepaten an diesem Tag aus Kinderbuchklassikern, Lieblingsbüchern oder aktuellen Neuerscheinungen vor. Als Veranstaltungsorte eigenen sich Einrichtungen, die aktive Leseförderung betreiben, wie zum Beispiel Bibliotheken, Schulen und Buchhandlungen. Alle Vorleser werden auf der Website der Initiative „Wir lesen vor“ genannt und mit einer doppelseitigen Anzeige in DIE ZEIT präsentiert.

Datum: im November (jährlich / bundesweit) Weitere Informationen: www.wirlesenvor.de

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Bildnachweis Abb. 1: Entdecken im ersten Lebensjahr / © Börge Nommensen Abb. 2: Janusz Korczak als Inspiration / © Susanne Brandt Abb. 3: Erzählen mit Kamishibai / © Susanne Brandt Abb. 4: Bilder mit Steinen legen / © Susanne Brandt Abb. 5: Mit Büchern im Rucksack am Teich / © Susanne Brandt Abb. 6: Fantasy-Rollenspiele / © Bücherhallen Hamburg Abb. 7: Neue Bücher für den Sommerleseclub / © Stadtbibliothek Brilon Abb. 8: Mediengewohnheiten Jugendlicher ernstnehmen / © Bücherhallen Hamburg Abb. 9: Jugendquiz, www.saferinternet.at Abb. 10: Autorenlesung mit Klaus Hagerup / © Ronald Gohr, Potsdam Abb. 11: Miteinander Literatur entdecken / © Büchereizentrale Schleswig-Holstein, Foto: Sauerbrey Abb. 12: Erzählen für Jung und Alt / © Büchereizentrale Schleswig-Holstein, Foto: Funk Abb. 13: Erinnerungen teilen / © Klaus-Uwe Nommensen Abb. 14: Städtische Bibliotheken Dresden, Anmeldung in der Bibliothek, www.bibo-dresden.de/2/index_2.html Abb. 15: Aktivierung mit Musik / © Heike Kellermann Abb. 16: Mit Papa Geschichten hören / © Susanne Brandt Abb. 17: Leselatte / © Stadtbibliothek Brilon Abb. 18: Vorlesen in der Muttersprache baut Brücken / © Stadtbibliothek Stuttgart Abb. 19: Minibücher international / © Daniela Skokovic, Serbien

Über die Autorinnen

Prof. Dr. Kerstin Keller-Loibl Kerstin Keller-Loibl ist seit 2000 Professorin an der Fakultät Medien der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Pädagogik war sie in verschiedenen Bereichen der Leseförderung und Literaturvermittlung praktisch tätig. Heute lehrt und forscht sie im Studiengang Bibliotheks- und Informationswissenschaft, insbesondere zur Leseförderung und zur Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit. Neben ihrer Lehrtätigkeit hält sie Vorträge im In- und Ausland und ist als Dozentin in der Weiterbildung aktiv. Sie war viele Jahre Mitglied in der dbv-Kommission Kinder- und Jugendbibliotheken (2006–2012) und im Standing Committee der IFLA, Libraries for Children and Young Adults Section (2009–2013). Sie ist Herausgeberin und Autorin zahlreicher Publikationen, darunter Standardwerke wie „Bibliothekspädagogische Klassenführungen“ oder „Handbuch Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit“. Kontakt: [email protected] Weitere Informationen: http://www.fbm.htwk-leipzig.de/de/fakultaet-medien/professorinnen/weitere-informationen/ kerstin-keller-loibl



Susanne Brandt Susanne Brandt ist Dipl.-Bibliothekarin und als Lektorin bei der Büchereizentrale Schleswig-Holstein tätig. 25 Jahre lang hat sie zuvor in leitender Funktion an Öffentlichen Bibliotheken gearbeitet und war dort vor allem in der Entwicklung und Umsetzung von Projekten und Methoden zur Leseförderung engagiert. Berufsbegleitende Qualifikationen als Rhythmikpädagogin, im Kulturmanagement wie auch für bibliotherapeutische Ansätze in der Arbeit mit Literatur und Sprache haben ihr interdisziplinär orientiertes Verständnis von Leseförderung vertieft, das sie durch Praxisseminare, Vorträge und Fachbücher Interessierten aus verschiedenen Berufsgruppen vermittelt. Bei beruflichen Auslandsexkursionen in die USA und in zahlreiche europäische Länder hat sie prägende Eindrücke und Anregungen für die Leseförderung in Deutschland gewonnen. Viele Jahre lang war sie Mitglied der DBV-Expertengruppe Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit. Kontakt: [email protected] Weitere Informationen: http://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Brandt

Über die Autorinnen 

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