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English Pages 721 [718] Year 2007
Eckhard Kirchner Leistungsübertragung in Fahrzeuggetrieben
Eckhard Kirchner
Leistungsübertragung in Fahrzeuggetrieben Grundlagen der Auslegung, Entwicklung und Validierung von Fahrzeuggetrieben und deren Komponenten
Mit 532 Abbildungen und 58 Tabellen
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Professor Dr.-Ing. Eckhard Kirchner Fachhochschule Wiesbaden Fachbereich Ingenieurwissenschaften Am Brückweg 26 65428 Rüsselsheim [email protected] hofer powertrain GmbH Rudolf-Diesel-Strasse 11 85101 Lenting [email protected]
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ISBN 978-3-540-35288-4 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz: Digitale Vorlage des Autors Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Vorwort
Eigentlich sollte man annehmen, dass nach mehr als 100 Jahren Automobilbau alles u ubertragung in Fahrzeuggetrieben in schriftlicher ¨ber die Leistungs¨ Form dokumentiert ist. Aber weit gefehlt: Das Fahrzeuggetriebe besch¨aftigt mehr denn je die Ingenieure in Forschung und Entwicklung, um unter dem Druck der Selbstverpflichtung der Automobilindustrie das technisch und ¨okonomisch M¨ogliche zur Senkung von Kraftstoffverbrauch und CO2 -Ausstoß bei gleichzeitiger Steigerung der Tragf¨ ahigkeit zu leisten. Das Manuskript zu diesem Buch entsteht also mitten in einer Zeit, in der die Automobilwirtschaft mit großem technischen Ehrgeiz nach neuen technischen M¨oglichkeiten zur Reduktion des Kraftstoffverbrauchs bei gleichzeitiger Beibehaltung der u ¨blichen Fahrleistungen sucht. Zeitgleich haben Kostendruck und Aufgabenteilung in der Entwicklung ein bisher noch nicht bekanntes Niveau erreicht. Hinzu kommen die Anforderungen des Kunden nach immer komfortableren, robusten Getrieben, die ihn begeistern und nicht nur zufriedenstellen. Der Aspekt der Kundensicht und mit ihm die vielf¨altigen Fragestellungen ¨ nach komfortrelevanten Ph¨ anomenen verbunden mit einem soliden Uberblick u uge der Fahrzeugge¨ber konstruktive und entwicklungsmethodische Grundz¨ triebe war meine urspr¨ ungliche Motivation f¨ ur dieses Buch. Es entstand auf der Grundlage einer Vorlesung, die ich f¨ ur Studierende des Maschinenbaus halte; die positiven R¨ uckmeldungen zum Inhalt der Vorlesung haben das Entstehen dieses Buches vorangetrieben. Die Zielgruppe dieses Buches ist somit in meinem ehemaligen T¨atigkeitsbereich – der Fahrzeug- und insbesondere in der Getriebeentwicklung – zu suchen; es ist als Einf¨ uhrungs- und Nachschlagewerk gleichermaßen konzipiert. Hinzu kommen als potentielle Leser die Studierenden an den deutschsprachigen ingenieurwissenschaftlichen Fakult¨ aten, die sich f¨ ur den Antrieb von Kraftfahrzeugen interessieren. Die Ausf¨ uhrungen und Auslegungsrichtlinien sind jeweils f¨ ur einen Erstentwurf und dessen Dimensionierung der verschiedenen Getriebekonzepte und ihrer Komponenten umfangreich genug, f¨ ur die
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Vorwort
Optimierung der Einzelteile werden viele Hinweise auf tiefergehende Quellen gegeben. Auf den Einsatz einer speziellen Software wurde ganz bewusst verzichtet, alle Auslegungsaufgaben und Beispiele sind mit dem Taschenrechner oder einem einfachen Tabellenkalkulationsprogramm l¨osbar. Die ausf¨ uhrlichen L¨osungen zu den enthaltenen Auslegungsfragen stelle ich gerne auf Anfrage zur Verf¨ ugung. Zumindest indirekt geholfen beim Entstehen haben viele ehemalige Kollegen, mit denen ich viele der hier zusammengetragenen Fakten diskutieren konnte; namentlich genannt seien – stellvertretend – Georg Bednarek, Friedhelm Krake, Josef Hau und J¨ org B¨ onning (Alle GM Powertrain Europe) aber auch Dr. Klaus Kalmbach, Dr. Peter Werth, Thomas Hackl, Ulf Polzin und Patrick Vikari, alle hofer powertrain GmbH. Die letztgenannten Herren, ihre Begeisterung und ihr Wissen um die Thematik haben viele Punkte einfließen lassen, die hier zusammengetragen sind. Dar¨ uber hinaus hat die hofer powertrain GmbH mir die Einbindung der Bilder in Farbe erm¨oglicht und stand meinen Bildw¨ unschen immer aufgeschlossen gegen¨ uber. Viele wertvolle Denkanst¨ oße zur Darstellung einzelner Fragestellungen habe ich von Herrn Prof. Dr.-Ing. B. Sauer, TU Kaiserslautern erhalten; zu nennen ist hier beispielsweise die explizite Auseinandersetzung mit den Wirkprinzipien mechanischer Leistungs¨ ubertragung direkt in der Einleitung. Weiterhin m¨ochte ich mit bei einer Reihe von Studierenden bedanken, die im Rahmen von Studien- und Diplomarbeiten Bausteine zu abgeschlossenen Themen erarbeitet und so zu diesem Buch beigetragen haben. Genannt seien hier Frau Rike Grotepass sowie die Herren Rene Johne, Hagen Plisch, Tillmann Sch¨afer, Martin S¨ anger, Christian Lunkenheimer, Florian Herbold, Matthias Reimann und Christian Hamann. Die Herren Dr.-Ing. Andreas Laschet (Arla Maschinentechnik, K¨ urten) und Dr. Jan Schlipf (GIF GmbH, Alsdorf) sowie die Firmen GM Powertrain Europe, DaimlerChrysler, BMW, ZF Zahnradfabrik Friedrichshafen, Voith Turbo Systems, ElringKlinger, H¨orbiger Antriebstechnik, LuK, INA, Jopp, MagnaSteyr und AGCO haben mir Material zur Verf¨ ugung gestellt. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich jemanden vergessen haben sollte, der zu diesem Buch beigetragen hat. Dem Springer Verlag, insbesondere Herrn Dr.-Ing. B. Gebhardt, danke ich f¨ ur die gute konstruktive Zusammenarbeit und die Unterst¨ utzung bei der Wahl der Schwerpunkte dieses Buchs. Es bleibt ein riesiges Danke an meine Frau Dr. Nina Kirchner f¨ ur ihre Hilfe beim Korrekturlesen und ihre vielen Verbesserungsvorschl¨age sowie meinen Kindern f¨ ur ihr Verst¨ andnis, wenn ich am Manuskript gearbeitet habe anstatt mit ihnen zu spielen. Mir hat es Spass gemacht, mein Wissen zum Thema Getriebe soweit m¨oglich niederzuschreiben; ich hoffe, dass man das merkt.
Saulheim bei Mainz, im Mai 2007
Eckhard Kirchner
Geleitwort
In den Zeiten des Internet ist ein neues Fachbuch an sich ja schon etwas Besonderes – die “Halbwertszeit” des Inhaltes wird durch die st¨andig verf¨ ugbare und aktuelle Information stetig k¨ urzer. Manche Autoren vor allem technischer Grundlagenwerke versuchen deshalb, mit einer Flut von Verweisen auf diverse Stellen des Internets der Situation Herr zu werden, und machen dadurch so manches Buch ohne einen Zugang zum Internet ungenießbar. Als Mitglied im F¨ uhrungsteam eines schnell wachsenden Triebstrang-Entwicklers bin ich st¨andig mit der Aufgabe konfrontiert, Grundlagenwissen weiterzugeben oder neue Mitarbeiter mit universit¨ arer Vorbildung aus verschiedenen F¨achern auf ein vergleichbares Niveau zu bringen. Manchmal ist aber auch ein kompaktes Nachschlagewerk zu vermitteln, das dem Ingenieur Hilfe bei der L¨osung seiner t¨ aglichen Aufgaben bietet, was hier vor allem durch die intuitive Gliederung erleichtert wird. Dieses Buch besitzt nun genau jenen Detaillierungsgrad, den der Ingenieur im Arbeitsleben ben¨otigt. Man wird Problemstellungen finden, die man scheinbar gel¨ost glaubte, und man wird Hinweise auf Probleml¨osungen finden, die inzwischen zum Standard-Repertoire des Triebstrangentwicklers geh¨oren. Begriffe wie Automatisierung des Getriebes, Komfortaspekte, Simulation und Validierung fehlen ebensowenig wie Konzepte auch f¨ ur Nutzfahrzeuge oder Hybridfahrzeuge. Man hat ein Buch in der Hand, das sich vor der Verschmelzung von klassischem Maschinenbau, elektronischen und hydraulischen Steuerungen, elektromechanischen und hydraulischen Aktuatoren sowie der zugeh¨origen Software, abgeleitet von brauchbaren Simulationsmodellen, nicht verschließt. Genau hier liegt die Zukunft des Triebstrangs: Im sinnvollen Zusammenwirken der verschiedenen Technologien zum Nutzen der Umwelt, des Verbrauchs und der Fahrdynamik.
M¨ unchen, im M¨arz 2007
Dr.-Ing. Peter M. Werth (Vorstandsmitglied der hofer AG)
Inhaltsverzeichnis
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Einf¨ uhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Aufgaben des Fahrzeuggetriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Ziel und Schwerpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Beschreibung der mechanischen Schnittstellen . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 PKW mit Frontantrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Heckangetriebene PKW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Sonderformen des PKW-Antriebstranges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Allradfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Mittelmotorkonzepte f¨ ur Sportwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Nutzfahrzeuge und Busse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Lastkraftwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Busse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Automatisierungsgrade von Fahrzeuggetrieben . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Teilautomatisierte PKW- und NKW-Schaltgetriebe . . . . 2.5.2 Vollautomatische Schaltgetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Manuelle Schaltgetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Getriebe f¨ ur den Frontquereinbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Getriebe f¨ ur frontgetriebene Fahrzeuge mit L¨angsmotor 2.6.3 Getriebe f¨ ur Fahrzeuge mit Heckantrieb . . . . . . . . . . . . . . 2.6.4 Beispiele f¨ ur Sportwagen-Schaltgetriebe . . . . . . . . . . . . . . 2.6.5 Manuell schaltbares Gruppengetriebe 16S109 . . . . . . . . . 2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Sequentielle, teilautomatisierte Getriebe . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2 Doppelkupplungsgetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.3 Stufenautomatikgetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.4 Stufenlose Automatikgetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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Systemauslegung von Antriebstr¨ angen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.1 Vorbemerkungen und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 ¨ 3.1.1 Vorzeichenkonvention und Ubersetzungen . . . . . . . . . . . . 66 3.1.2 Relativdrehzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.1.3 Verluste, Wirkungsgrad und Schleppmoment . . . . . . . . . . 74 3.2 Fahrleistung und Verbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.2.1 Ideale Zugkrafthyperbel und allgemeine Fahrwiderst¨ande 78 3.2.2 Einfluss und Auslegung von Getriebe¨ ubersetzungen . . . . 86 3.2.3 Verbrauchsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.2.4 Fahrleistung und Beschleunigungsverm¨ogen . . . . . . . . . . . 96 3.3 Lastannahmen f¨ ur die System- und Komponentenauslegung . . . 100 3.3.1 Auslegungslebensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3.3.2 Missbrauchslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3.3.3 Lastkollektive f¨ ur die Betriebsfestigkeitsanalyse . . . . . . . 104 3.3.4 Komfortanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3.4 Lastenheft, Systemkonfiguration und Entwicklungsprozess . . . . 105 3.4.1 Lastenhefterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.4.2 Identifikation m¨ oglicher Systemkonfigurationen . . . . . . . . 107 3.4.3 Entwicklungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
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Auslegung und Charakteristika spezieller Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.1.1 Aufbau des Kupplungsmoduls im Fahrzeuggetriebe . . . . 115 4.1.2 Belagmaterialien und ihre Belastungsgrenzen . . . . . . . . . 121 4.1.3 Auslegung des Kupplungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4.1.4 Mechanismen zur Selbstnachstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4.1.5 Kupplungsbet¨ atigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4.1.6 Prinzipieller Aufbau von Doppelkupplungen . . . . . . . . . . 146 4.2 Wellen und R¨ ader . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4.2.1 Gestaltung und Auslegung von Wellen . . . . . . . . . . . . . . . 150 4.2.2 Festigkeitsnachweis von Getriebewellen . . . . . . . . . . . . . . . 163 4.2.3 Gestaltung von R¨ adern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 4.3 Auslegung von Verzahnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4.3.1 Leistungsgrenzen, Tragbilder und Tragf¨ahigkeitsgrenzen 171 4.3.2 Achsabstand, Zahnbreite und Schr¨agungswinkel . . . . . . . 179 ¨ 4.3.3 Uberpr¨ ufung der Vorauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4.3.4 Nachweis von Zahnfuß- und Zahnflankentragf¨ahigkeit . . 193 4.3.5 Verzahnungskr¨ afte bei Stirnradstufen . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4.3.6 Besonderheiten von Kegelr¨ adern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.3.7 Qualit¨ atssicherung und Optimierungsans¨atze . . . . . . . . . . 209 4.4 Synchronisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4.4.1 Aufbau der Synchronisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4.4.2 Phasen des Synchronisationsvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . 220 4.4.3 Auslegung der Synchroneinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
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4.4.4 Fehlfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4.4.5 Reibbel¨ age f¨ ur Synchronisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 4.5.1 Schalten und W¨ ahlen – Externe Schaltung . . . . . . . . . . . . 245 4.5.2 Komponenten der Innenschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4.5.3 Rastierelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 5
Architektur, Komponenten und Baugruppen automatisch schaltender PKW-Getriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 5.1 Kommunikation zwischen Fahrzeug, Motor und Getriebe . . . . . 266 5.2 Teilautomatisierung manueller Schaltgetriebe . . . . . . . . . . . . . . . 269 ¨ 5.2.1 Automatisierungsstrategie – Anderungsumfang . . . . . . . . 269 5.2.2 Komponenten zur Teilautomatisierung . . . . . . . . . . . . . . . 273 5.3 Doppelkupplungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 5.3.1 Der mechanische Aufbau von Doppelkupplungsgetrieben276 5.3.2 Vergleich trocken und nass laufender Doppelkupplungen 283 5.3.3 Aktuatorik und Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben 295 5.4.1 Architektur und Leistungsfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 5.4.2 Leistungsf¨ uhrende Schaltelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 5.4.3 Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatikgetrieben . . . . 313 5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 5.5.1 Prinzip der hydrodynamischen Leistungs¨ ubertragung . . 322 5.5.2 Auslegung des Wandlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 5.5.3 Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 5.5.4 Entwicklungstrends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 5.6 Planetens¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 5.6.1 Aufbau und Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 5.6.2 Der einfache Planetensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 5.6.3 Graphische Verfahren – Momenten- und Drehzahlplan . 376 5.6.4 Aufw¨ andigere und verkettete Planetens¨atze . . . . . . . . . . . 381 5.6.5 Planetens¨ atze mehrstufiger Stufenautomatgetriebe . . . . . 387 5.7 Spezielle mechanische Komponenten stufenloser Getriebe . . . . . 396 5.7.1 Wirkprinzipien mechanischer Stufenlosgetriebe . . . . . . . . 397 5.7.2 Absch¨ atzung der Verlustleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 5.7.3 Ausgew¨ ahlte Komponenten des Kegelringgetriebes . . . . . 406 5.7.4 Leistungs¨ ubertragung in Umschlingungstrieben . . . . . . . . 412
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Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe . . . . . . . . . . . 423 6.1 Differentiale – Ausgleichsgetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 6.1.1 Achsparalleler An- und Abtrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 6.1.2 Winkliger An- und Abtrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 6.1.3 Differentiale mit Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 6.2 Achs- und L¨ angswellen und Gelenke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 6.2.1 Achswellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440
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6.2.2 L¨ angswellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 6.2.3 Kreuzgelenke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 6.3 Leistungsverteilende Komponenten f¨ ur Allradfahrzeuge . . . . . . . 448 6.3.1 Systematik von Allradantrieb und Leistungsverteilung . 450 6.3.2 Leistungsverteilung in Fahrzeugl¨angsrichtung . . . . . . . . . 458 6.3.3 Aktive Leistungsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 6.4 W¨alzlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 6.4.1 W¨ alzlager in Fahrzeuggetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 6.4.2 Dimensionierung auf Betriebsfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 474 6.4.3 Nadel- und Rollenlager f¨ ur die Lagerung von Losr¨adern 479 6.4.4 Kegel-, Rollen- und Kugellager f¨ ur die Wellenlagerung . 481 6.4.5 W¨ alzlagerungen f¨ ur Komfortbauteile der Schaltung . . . . 483 6.4.6 Lagersch¨ aden: Ursachen und Auswirkungen . . . . . . . . . . . 484 6.5 Geh¨ause, Dichtung und Be¨ olung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 6.5.1 Mechanische Funktionen des Geh¨auses . . . . . . . . . . . . . . . 487 6.5.2 Dichtkonzepte bei mehrteiligen Geh¨ausen . . . . . . . . . . . . . 491 ¨ als Konstruktionselement . . . . . . . . . . . . . . . 496 6.5.3 Be¨ olung – Ol 7
Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben . . . . . . . . . . . 505 7.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit mechanischer Leistungs¨ ubertragung . 506 7.1.1 Integration des Getriebes in den Triebstrang . . . . . . . . . . 506 7.1.2 Gruppenbauweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 7.1.3 Automatisierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung . 525 7.2.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit hydraulischen Komponenten . 525 7.2.2 Vario-Getriebe von Fendt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 7.2.3 DIWA-Getriebe von Voith . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 7.2.4 Hydraulisch bet¨ atigter optionaler Allradantrieb . . . . . . . 542 7.3 Spezielle Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 7.3.1 Klauenschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 7.3.2 Hydrodynamische Str¨ omungsbremse – Retarder . . . . . . . 545 7.3.3 Hydropumpen und -motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550
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Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . 559 8.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 8.1.1 Geschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 8.1.2 Grundstrukturen der Hybridantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 8.1.3 Einteilung nach der installierten Leistung . . . . . . . . . . . . . 571 8.1.4 Verbrauchsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 8.2 Betriebstrategien und Antriebstrangkonfiguration . . . . . . . . . . . . 574 8.2.1 Hybridkonzept des Toyota Prius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 8.2.2 Elektrischer Allradantrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 8.2.3 Two-Mode-Hybrid System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 8.3 Leistungs¨ ubertragung bei Brennstoffzellenfahrzeugen . . . . . . . . . 585
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XIII
Komfortaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 9.1 Subjektive Einflussfaktoren und Ans¨atze zur Objektivierung . 588 9.2 Schwingungen des Antriebstrangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 9.2.1 Rupfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 9.2.2 Ruckeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 9.2.3 Lastwechselst¨ oße und -ger¨ ausche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 9.2.4 Schwingungen und Ger¨ ausche bei Allradsystemen . . . . . . 596 9.2.5 M¨ ogliche Schwingungstilgung beim Hybridantrieb . . . . . 597 9.3 Zugkraftunterbrechung und Lastwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 9.3.1 Wesen von Zugkraftunterbrechung und Lastwechsel . . . . 598 9.3.2 Schaltkomfort automatisierter Schaltgetriebe . . . . . . . . . . 599 9.3.3 Doppelr¨ uckschaltungen bei Doppelkupplungsgetrieben . 601 9.3.4 Zugkraftunterbrechung bei Hybridkonzepten . . . . . . . . . . 602 9.4 Schaltkomfort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 9.4.1 Begriffskl¨ arung und relevante Kenngr¨oßen . . . . . . . . . . . . 605 9.4.2 Ph¨ anomene des Schaltkratzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 9.4.3 Fahrversuch, Pr¨ ufstand und Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . 611 9.4.4 Maßnahmen zur Schaltkomfortoptimierung . . . . . . . . . . . 614 9.5 Ger¨ausche und Schwingungen von Schaltung und Kupplung . . . 615 9.5.1 Vibrationen des Kupplungspedals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 9.5.2 W¨ ahlrauhigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 9.5.3 Vibrationen im Schaltsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 9.6 Getriebeger¨ ausche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 9.6.1 Getriebeheulen oder -pfeifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 9.6.2 Getrieberasseln oder -klappern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 9.6.3 Maßnahmen zur Ger¨ auschreduzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 630 9.6.4 Schaltger¨ ausche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 9.6.5 Lagerger¨ ausche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634
10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 10.1 Validierung und Entwicklung im Fahrzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 10.2 Dauerlauferprobung auf Komponentenpr¨ ufst¨anden . . . . . . . . . . . 638 10.3 Pr¨ ufst¨ande f¨ ur Fahrman¨ over und Komfortentwicklung . . . . . . . . 643 10.3.1 Komponenten- und Funktionspr¨ ufst¨ande . . . . . . . . . . . . . 644 10.3.2 Pr¨ ufst¨ ande f¨ ur Sonderman¨ over . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 10.4 M¨oglichkeiten und Grenzen der virtuellen Validierung . . . . . . . . 649 10.4.1 Vertrauenskennziffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 10.4.2 Methoden der Strukturmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 10.4.3 Mehrk¨ orpersimulationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 10.4.4 Str¨ omungsmechanische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 10.4.5 Road-to-Rig-to-Math Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654
XIV
Inhaltsverzeichnis
A
Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre . . . . . . . . . . . 655 A.1 Hertz’sche Fl¨ achenpressung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 A.1.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 A.1.2 Punktber¨ uhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 A.1.3 Linienber¨ uhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664 A.2 Grundz¨ uge der Betriebsfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 A.2.1 Das W¨ ohlerschaubild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 A.2.2 Original Palmgren-Miner-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 A.2.3 Relative Palmgren-Miner-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 A.2.4 Elementare Palmgren-Miner-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 A.2.5 Sch¨ adigungs¨ aquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675
B
Kurzl¨ osungen zu den Auslegungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 679
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693
Symbolverzeichnis
Lateinische Buchstaben A A∗F , A∗H Aα , Bα , Cα Ak a a1 b be C, C0 c cc , ce cF cstrang ct cw D DNZ , DGZ DM d d1 , d2 da1 , da2 db1 , db2 ds dw1 , dw2 E E∗ Eu e
Allg. Fl¨ ache, Projizierte Stirnfl¨ ache des Fahrzeugs [m2 ] Ausnutzungsgrad Zahnfuß- und Zahnflankentragf¨ahigkeit [-] Koeffizienten zur Berechnung der Formzahlen [-] Kolbenfl¨ ache von Lamellenkupplung und -bremse [mm2 ] Fahrzeugbeschleunigung [m/sec2 ], Achsabstand und -versatz [mm], Halbachse der Hertz’schen Kontaktellipse [mm] Umrechnungsfaktor der W¨ alzlager-Ausfallwahrscheinlichkeit [-] Zahnbreite, Flanschbreite, Halbachse der Kontaktellipse [mm] Spezifischer Kraftstoffverbrauch [g/kWh] Dynamische und statische Tragf¨ahigkeit eines W¨alzlagers [N] Allgemeine Steifigkeit [N/mm], Absolutgeschwindigkeit [m/sec] Breitenballigkeit, Endr¨ ucknahme [mm] Steifigkeit der Arretierungsfeder [N/mm] Triebstrangtorsionssteifigkeit [Nm/rad] Torsionssteifigkeit eines Wellenabschnitts [Nm/rad] Luftwiderstandsbeiwert [-] D¨ampfungsbeiwert [Nm/sec], Sch¨adigung [-], Durchmesser [mm] Durchmesser von Kupplungs-Nehmer- und Geberzylinder [mm] Pr¨ ufk¨ orperdurchmesser bei Zweikugelmaßmessung [mm] (Maßgeblicher) Wellendurchmesser [mm], allg. Abstand [µm] Teilkreisdurchmesser von Ritzel und Rad [mm] Grundkreisdurchmesser von Ritzel und Rad [mm] Kopfkreisdurchmesser von Ritzel und Rad [mm] Wirkdurchmesser der Dachfl¨ achen [mm] W¨alzkreisdurchmesser von Ritzel und Rad [mm] Elastizit¨ atsmodul [GPa] Modifizierter Elastizit¨ atsmodul der Kontaktpaarung [GPa] Euler-Zahl [-] Exzentrizit¨ at [mm], axiale Grenzbeanspruchung [-]
XVI
Symbolverzeichnis
F Allgemeine Kraft [N] FA Radiale St¨ utzkraft an der Lagerung der Arretierung [N] ¨ FAnpress Anderung der Anpresskraft an der Kupplungsscheibe [N] Fa Beschleunigungswiderstand [N] Fax Axialkraft aus Verzahnung, Axiale Anpresskraft [N] Fbn Normalkraft am Zahnkopf [N] FDA Umfangskraft zwischen Differentialachse und Ausgleichsrad [N] FE Einspurkraft [N] FF Federkraft in der Arretierung bzw. im Freilauf [N] Ff Fliehkraft [N] FHand Aufgebrachte Handkraft am Handschalthebel [N] Fh Str¨ omungskraft [N] Fk Kolbenkraft an Lamellenbremse oder -kupplung [N] FL Luftwiderstand [N] Flv Vorspannkr¨ afte der Kegelrollenlagerung [N] FN Normalkraft im Reifenaufstandspunkt / am Synchronkonus [N] FPedal Kraft am Kupplungspedal [n] FR Rollwiderstandskraft, Reibkraft [N] Fr , Frad Radialkomponente der Verzahnungskr¨afte, radiale Lagerkraft [N] Frutsch Rutschgrenze [N] FS Synchronkraft, Kraft an einer rastierten Stange [N] FSt Steigungswiderstand [N] Ft Nennumfangskraft am Teilkreis [N] FW Gesamtfahrwiderstand [N] Fu Umfangskraft am Zahneingriff bzw. am Reifen [N] f F¨ ullgrad [-] fR Rollwiderstandsbeiwert [-] fpe Eingriffsteilungsabweichung [-] fax , frad Axiale und radiale Einfederung von W¨alzlagern [mm] fw Reibfaktor [-] g Erdbeschleunigung g = 9.81 m/sec−2 hS Schwerpunktsh¨ ohe [mm] h Maßstabsh¨ ohe im Kutzbach-Plan [mm] IS , IE Synchronisierimpuls, Einspurimpuls [Nsec] It , Ib Fl¨ achentr¨ agheitsmoment f¨ ur Torsion bzw. Biegung [mm4 ] ¨ i Ubersetzung eines Getriebes oder einer Bet¨atigung [-] i0 Stand¨ ubersetzung von Planetengetrieben [-] iAnfahr Anfahr¨ ubersetzung [-] iG Spreizung [-] iGel¨ande Gel¨ ande¨ ubersetzung [-] ¨ iHydr. Bet¨atigung Ubersetzung der hydraulischen Kupplungsbet¨atigung [-] iSchongang Schongang¨ ubersetzung f¨ ur minimalen Kraftstoffverbrauch [-] iv,max H¨ ochstgeschwindigkeits¨ ubersetzung [-] ¨ iSeilzug Ubersetzung der Seilzugbet¨ atigung der Kupplung [-] jF , jH Ist-Sicherheit gegen Zahnbruch und Gr¨ ubchenbildung [-]
Symbolverzeichnis
XVII
∗ KA , KA Dimensionsloser und dimensionsbehafteter Anwendungsfaktor KF Zahnfußfestigkeit, statischer Festigkeitskennwert [MPa] KFα Stirnfaktor [-] KFβ Breitenfaktor [-] KFG Zahnfußtragf¨ ahigkeit [MPa] KHβ Breitenfaktor [-] KHα Stirnfaktor [-] KHG Zahnflankentragf¨ ahigkeit [MPa] KV Dynamikfaktor [-] Kzul Festigkeitsgrenzwert f¨ ur die Wellendimensionierung [MPa] k Allgemeiner Z¨ ahlindex, Neigungsexponent [-] k(vw ) Hilfsfaktor der Wandlerabstimmung [Nm min2 ] kij Drehzahlverh¨ altnis am Planetensatz [-] kF , kH Neigung von Zahnfuß- und Zahnflanken-W¨ohlerlinie [-] L, l Strecken an Fahrzeug und Kupplungsbet¨atigung [mm] L, Lq Allg. Lebensdauer, relative Lebensdauer eines W¨alzlagers [%] leff Effektive tragende L¨ ange der Kontaktzone [mm] Mb Biegemoment [Nm] Md Diametrales Zweikugelmaß [mm] M Mittlerer Stromfaden des Wandlers m Masse allgemein [kg], Lasthorizonte im Zeitfestigkeitsbereich [-] mn Normalmodul [mm] N All. Schwingspielzahl, Umfang des Auslegungskollektivs [-] ¨ ND Eckschwingspielzahl, Ubergang der Zeit- zur Dauerfestigkeit [-] NF,lim , NH,lim Eckschwingspielzahl von Zahnfuß- / Zahnflanken-W¨ohlerlinie [-] NP Anzahl der Planetenr¨ ader [-] Nc Anzahl der rotierenden Komponenten im Antriebstrang [-] Ns Anzahl der Gangstufen [-] n Allg. Drehzahl [u/min] ne,min Motordrehzahl im optimalen Betriebspunkt [u/min] nnenn Motordrehzahl im Nennleistungspunkt [n/min] P Allgemeine Leistung [kW], ¨ aquivalente Ersatzlast [N] Preib Reibleistung [kW] PR/S Leistung von Steigungs- und Rollwiderstand [kW] Pa Beschleunigungsleistung [kW] p Druck [MPa], Teilung [mm], Lebensdauerexponent [-] pme Effektiver Mitteldruck [Pa] ¨ pOl Oldruck [Pa] ¨ pH,stat , pH,dyn Zul¨ assige Hertz’sche Pressung statisch/dynamisch [MPa] q, qj Lastwechselzahl allg. bzw. des Lasthorizonts j, j = 1, . . . , s [-] qH Hilfsgr¨ oße der Verzahnungsberechnung [-] R Radien allgemein [mm] Re Reynolds-Zahl [-] R, Rz , Rmax Oberfl¨ achenrauhigkeiten [µm] Rdyn Dynamischer Reifenradius [m]
XVIII Symbolverzeichnis
Rm Rp0,2 r ra , r i , r m rw Squer SS Sw s ss T TD TDrill TL Tnenn TS Ts t tS U u V V VH v vw Wreib Wstoss w w1 wreib Wt , W b X x x1 , x2 Y YFa YFS YNT YST YSa YX Yβ Yδ rel T
Zugfestigkeit [MPa] 0,2%-Dehngrenze [MPa] Ruck [m/s3 ], Radialkoordinate [mm] ¨ Außerer, innerer und mittlerer Reibbelagdurchmesser [mm] W¨ alzkreisradius [mm] Sperrwert in Fahrzeugquerrichtung [-] Sperrwert der Synchronisation [-] Wandlerschlupf [%] Laufstrecke [km], Gesamtanzahl der Lasthorizonte [-] Stoßfaktor der Wandlerverlustberechnung [-] Allg. Torsionsmoment [Nm] Schleppmoment (d = drag) [Nm] Bohrmoment [Nm] Konstanes Lastmoment [Nm] Nennmoment des Verbrennunsmotors [Nm] St¨ utzmoment am Geh¨ ause [Nm] Sperrmoment [Nm] Zeit allgemein [sec] Zeit bis zum Stillstand im Ausrollversuch, Synchronzeit [sec] Umfang [mm] Z¨ahnezahlverh¨ altnis [-], Absenkung der Welle unter Last [mm], Umfangsgeschwindigkeit [m/sec] Volumen allgemein [mm3 ] Vertrauenskennziffer [-] Gesamthubvolumen des Hubkolbenmotors [cm3 ] Allgemeine Geschwindigkeit [m/sec] Drehzahlverh¨ altnis des Wandlers [-] Reibarbeit beim Anfahr- oder Synchronisationsvorgang [W] Maximale Verformungsenergie beim Schubschocktest [W] Wellendurchbiegung [mm], Relativgeschwindigkeit [m/sec] Richtung des W¨ alzleistungsfluss [-] Spezifische Reibarbeit [W/mm2 ] Widerstandsmomente f¨ ur Torsion bzw. Biegung [mm3 ] Radialfaktor der Lagerbeanspruchung [-] Motorposition, Feder- und Verschiebeweg [mm], Achslast [-] Profilverschiebung von Ritzel und Rad [-] Axialfaktoren der Lagerbeanspruchung [-] Formfaktor [-] Kopffaktor [-] Lebensdauerfaktor [-] Spannungskorrekturfaktor [-] Spannungskorrekturfaktor [-] Gr¨ oßenfaktor Zahnfuß [-] Schr¨ agungsfaktor [-] Relative St¨ utzziffer [-]
Symbolverzeichnis
Y ZE ZH ZL ZNT ZR ZV ZW ZX Zβ Z z zc zk znx
XIX
¨ Uberdeckungsfaktor [-] Elastizit¨ atsfaktor [-] Zonenfaktor [-] Schmierstofffaktor [-] Lebensdauerfaktor [-] Rauhheitsfaktor [-] Geschwindigkeitsfaktor [-] Werkstoffpaarungsfaktor [-] Gr¨oßenfaktor f¨ ur Flankenpressung [-] Schr¨ agungsfaktor [-] ¨ Uberdeckungsfaktor [-] Allgemeine Z¨ ahnezahl eines Stirn- oder Kegelrades [-] Anzahl identischer Reibfl¨ achen [-] Z¨ahnezahl der Sperrverzahnung [-] Z¨ahnezahl der Ersatz-Geradstirnr¨ader [-]
Griechische Buchstaben α αn αkb , αkt αt αwt β βb βm γ ∆(•) δ δF δH δS α , β , γ ζ η η0 Θ θOl ¨ θc κ, κI , κA κ1 , κ 2 , κ 3 λ µ
Knick- oder Beugewinkel, Neigungswinkel, Klemmwinkel [◦ ] Normaleingriffswinkel, Kegelradeingriffswinkel [◦ ] Formzahlen f¨ ur Biege- und Torsionsbeanspruchung [-] Eingriffswinkel im Stirnschnitt am Teilkreis [◦ ] Betriebseingriffswinkel im Stirnschnitt [◦ ] Schr¨ agungs-, Schwenk-, Dach- oder Rampenwinkel [◦ ] Grundschr¨ agungswinkel [◦ ] Mittlerer Schr¨ agungswinkel schr¨agverzahnter Kegelr¨ader [◦ ] Verdehwinkelspiel, Biegewinkel [◦ ] Abschnitt, Ausschnitt, Anteil, Inkrement einer Gr¨oße • ¨ Offnungswinkel von Kegelr¨ adern [◦ ] Reibwinkel der Arretierung [◦ ] Abplattung der Hertz’schen Kontaktpartner [mm] Nachgiebigkeit der Flanschschrauben [mm/N] Profil-, Sprung- und Gesamt¨ uberdeckung [-] Parametrierung der Rastierkontur Wirkungsgrad allgemein [-] Standwirkungsgrad einer Planetenstufe [-] Allgemeines Tr¨ agheitsmoment einer Komponente [kgm2 ] ¨ Oltemperatur [◦ C] Temperatur des Kupplungsbelags [◦ C] Koeffizienten der Wirkungsgradgleichung von Stirnradstufen [-] Hilfsgr¨ oßen der Verzahnungsberechnung [-] Drehzahlmassenfaktor, Leistungszahl [-] Allgemeiner Haft- oder Gleitreibungsbeiwert [-]
XX
Symbolverzeichnis
µW µk νR , νF , νH , νth νL νFluid ΞS ξH ρ ρ∗ ρL ρOl ¨ ρ, ρe , ρ1 , ρ2 σa σD σF , σF0 σF,lim σH , σH0 σH,lim σm σW , σbW , τtW ςH τABE τsync τW cos τ φ ϕN ϕi ϕk ϕtheo χH ψ ω ωvh
Wandlungsfaktor des Trilokwandlers [-] Wandlung der hydrodynamischen Kupplung (µk = 1) [-] Soll-Sicherheiten: Rutschen, Zahnfußbeanspruchung, ¨ Zahnflankenbeanspruchung, Thermische Uberlastung, Lebensdauer [-] kinematische Viskosit¨ at des Wandlerfluids [m2 /sec] Verh¨ altnis Einspurkraft zu Synchronisierkraft [-] Koeffizient der Hertz’schen Theorie [-] Kerbradius [mm] Kumuliertes Kr¨ ummungsmaß der Kontaktgeometrie [1/mm] Dichte der Luft [Kg/m3 ] Dichte des Hydraulik¨ ols bzw. des Wandlerfluids [Kg/m3 ] Kr¨ ummungsradien in der Hertz’schen Theorie [mm] Wirkende Spannungsamplitude [MPa] Dauerhaft ertragbare Spannungsamplitude (Dauerfestigkeit) [MPa] Biegespannung am Zahnfuß [MPa] Dauerhaft ertragbare Zahnfußspannung [MPa] Fl¨ achenpressung an der Zahnflanke [MPa] Dauerhaft ertragbare Zahnflankenpressung [MPa] Mittelspannung [MPa] Wechselfestigkeiten des Wellenwerkstoffs [MPa] Koeffizient der Hertz’schen Theorie [-] Rutschzeit der Kupplung bei Anfahrt [sec] Rutschzeit der Synchronisation beim Gangwechsel [sec] Wandschubspannung [MPa] Hilfsgr¨ oße der Hertz’schen Theorie [-] Winkeldifferenz am Kreuzgelenk [◦ ] Nickbewegung des Fahrzeugs [-] Winkel im Kutzbach-Plan Allg. Stufensprung, k = 1, . . . , N − 1 [-] Theoretischer Soll-Stufensprung bei geometrischer Stufung [-] Koeffizient der Hertz’schen Theorie [-] Progressionsfaktor [-], Verdrehung der Welle, Lagerdruckzone [◦ ], Widerstandsbeiwert [-] Allgemeine Winkelgeschwindigkeit [1/sec] Geschwindigkeit des Stoßmodells beim Schubschocktest [1/sec]
Symbolverzeichnis
XXI
Indizes und Superskripte • •˙ ˆ•( ) 0 1, 2 A AA AR Achs an , ab B BG C CH c D E ein erf Flansch f GH Get HG h hydro j, k K k L max , min mech mot N nenn opt P R Rad reac reib rel , red , res SG
Gr¨oße • wird gemittelt Zeitableitung der Gr¨ oße • Gr¨oße • h¨ angt von Variablen in der Klammer ab Anfangswert Kenngr¨ oßen von Ritzel und Rad (z1 < z2 ) Kennzeichnet Gr¨ oßen des Sonnenrades beim Planetensatz Gr¨oßen des Achsantriebskegelrades (AA) am Differential Gr¨oßen des Ausgleichskegelrades (AR) am Differential Kenngr¨ oße des Achsantriebs Bezogen auf An- bzw. Abtrieb des Getriebes Kennzeichnet Gr¨ oßen des Hohlrades beim Planetensatz Gr¨oße des Bereichsgetriebes von Nutzfahrzeugen Kriechgang, Gr¨ oßen des Stegs beim Planetensatz Gr¨oße wirkt am Kupplungsgeh¨ ause Gr¨oßen der Sekund¨ arseite der Kupplung Kennzeichnet Gr¨ oßen des Differentials Kenngr¨ oßen des sch¨ adigungs¨ aquivalenten Rechteckkollektivs Eingangsgr¨ oße Erforderlicher Mindestwert Gr¨oße bezieht sich auf den Geh¨auseflansch Gr¨oße beschreibt die Druckverluste im Wandler Gr¨oße wirkt am Getriebegeh¨ ause Kenngr¨ oße des Getriebes Gr¨oße des Hauptgetriebes von Nutzfahrzeugen Gr¨oße bezieht sich auf die Hinterachse Kennzeichnet hydraulischen Teilleistungszweig Z¨ahl- und Summationsindizes Kenngr¨ oßen der Kupplungsleistung bei Planetens¨atzen Kenngr¨ oßen des Synchronkonus Gr¨oße bezieht sich auf ein Losrad Kennzeichnet maximale bzw. minimale Gr¨oßen Kennzeichnet mechanischen Teilleistungszweig Kennzeichnet Kenngr¨ oßen des Verbrennungsmotors Kennzeichnet Gr¨ oßen der Fahrzeugnickbewegung Kennzeichnet Nenngr¨ oßen Kennzeichnet optimale Zust¨ ande Gr¨oßen des Pumpenrades beim Wandler oder der Planetenr¨ader Gr¨oßen des R¨ uckw¨ artsgangs oder des Leitrades beim Wandler Bezogen auf ein angetriebenes Rad Reaktionsgr¨ oße Kennzeichnet Gr¨ oßen einer Reibpaarung Kennzeichnet relative, reduzierte oder resultierende Gr¨oßen Gr¨oße des Splitgetriebes von Nutzfahrzeugen
XXII
Symbolverzeichnis
s s−p , s−p sm , sr soll T tr u v veh W zul
Gr¨ oße beschreibt die Stoßverluste im Wandler Prim¨ ar- und Sekund¨ arseite der Synchronisation Gr¨ oßen an Schaltmuffe und Synchronring Vorgabegr¨ oße der Auslegung Kennzeichnet Gr¨ oßen des Turbinenrades beim Wandler Gr¨ oße bezieht sich auf einen Anh¨anger Umfangskomponente Verlustgr¨ oße, Kenngr¨ oße der Vorderachsen Kennzeichnet Fahrzeuggr¨ oßen Gr¨ oße einer Welle, Kenngr¨ oßen der Kupplungsleistung Kennzeichnet zul¨ assige Grenzen
1 Einfu ¨ hrung
Um dem Leser den Anfang eines roten Fadens, der sich durch dieses Buch zieht, in die Hand zu geben, werden zun¨ achst, ohne auf Details einzugehen, zwei Hauptaufgaben eines Fahrzeuggetriebes sehr makroskopisch formuliert; gleichzeitig wird so ein konstruktiver und kreativer Umgang mit dem Thema “Fahrzeuggetriebe” erm¨ oglicht. Bevor mit der Besprechung von Fahrzeuggetrieben und ihrer Merkmale sowie der wichtigen Komponenten und deren Auslegung begonnen werden kann, m¨ ussen Ziel und Schwerpunkte des Buches gekl¨art werden. Ferner ist es notwendig, die Systemgrenzen der Betrachtung – die Schnittstellen des Fahrzeuggetriebes zu Motor und Fahrzeug – zu kl¨aren und den Inhalt auf ein Maß einzuschr¨ anken, welches als sinnvolle, in sich abgeschlossene Einheit angesehen werden kann. Eine kurze Skizze der Gliederung des Buches schließt diese Einf¨ uhrung ab.
1.1 Aufgaben des Fahrzeuggetriebes Als Erstes wird – bevor Getriebeschnitte analysiert und Komponenten dimensioniert werden – ein Blick auf die abstrakt formulierbaren Aufgaben eines Fahrzeuggetriebes geworfen werden. Dazu stellt man sich zun¨achst der Aufgabe, ein Fahrzeug ohne Getriebe entwickeln zu wollen. Man erkennt schnell, dass f¨ ur ein angenommenes Mittelklassefahrzeug mit 110 kW Motorleistung, f¨ ur das in Abbildung 1.1 ein Zugkraftdiagramm skizziert ist, die ohne Getriebe am Rad verf¨ ugbare Kraft deutlich zu klein ist, um station¨ar in der Ebene fahren zu k¨ onnen. Ein Beschleunigen oder Anfahren w¨are ebenfalls nicht m¨oglich. Die auftretenden Fahrwiderst¨ ande – das Beispiel wird in Abschnitt 3.2 ausf¨ uhrlich besprochen – u ugbare ¨berschreiten die am Rad verf¨ Kraft um Gr¨oßenordnungen, ein Fahren w¨ are nicht m¨oglich. Somit ist die erste Aufgabe an ein Getriebe schon formuliert: Die erste Hauptaufgabe eines Fahrzeuggetriebes ist die Wandlung des verf¨ ugbaren Motormoments in eine Zugkraft, die sich an die jeweiligen Zugkraftanforderungen im Fahrzeug anpassen l¨asst.
2
1 Einf¨ uhrung
Abb. 1.1. Aufgabe eines Fahrzeuggetriebes: Anpassung des Zugkraftangebots an den Zugkraftbedarf
Diese Formulierung beinhaltet nun aber auch schon die Forderung nach ei¨ ner ver¨anderlichen Ubersetzung, um nicht nur in der Ebene mit konstanter Geschwindigkeit fahren zu k¨ onnen, sondern ein Fahrzeug auch anfahren und Steigungen u onnen. Welches Anfahrelement – trockene oder ¨berwinden zu k¨ nasse Kupplung oder ein hydraulischer Wandler – dabei zum Einsatz kommt, ist zun¨achst noch zweitrangig. Dies ist eine der zentralen Aufgabenstellungen des Getriebes, die in diesem Buch diskutiert werden, naturgem¨aß mit Blick auf eine lebensdauer- und kostengerechte Auslegung. Die verschiedenen Wirkprinzipien, die f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung beim station¨aren Fahren und beim Anfahren genutzt werden, sind in Tabelle 1.1 schematisch und ohne Anspruch auf Vollst¨ andigkeit aufgef¨ uhrt mit exemplarischen Verweisen auf ausgef¨ uhrte Beispiele. Es wird deutlich, dass die Tabelle Mehrfachnennungen enth¨ alt; von wenigen Ausnahmen abgesehen ben¨otigt je¨ des Fahrzeuggetriebe mit begrenztem Ubersetzungsbereich ein Anfahrelement (Zeilen VIII und IX) und ein Element zum Darstellen der ver¨anderlichen ¨ Ubersetzung, Zeilen I/II, III, VI und VII. Die Reibkupplung ist aber u ¨ber ihre Funktion als Anfahrelement gestufter Stirnradgetriebe hinaus auch als Schaltelement in den Stufenautomatikgetrieben im Einsatz. Es ist offensichtlich, dass mit den in Tabelle 1.1 zusammengestellten Wirkprinzipien eine große Vielfalt an m¨ oglichen Kombinationen denkbar und auch praktisch relevant ist; viele Antriebe nutzen mindestens zwei der ausgez¨ahlten Prinzipien, z.B. kommen bei den Handschaltgetrieben Stirnradstufen I und Reibkupplungen VIII zum Einsatz, bei leistungsverzweigenden Antrieben f¨ ur
1.1 Aufgaben des Fahrzeuggetriebes
3
Tabelle 1.1. Wirkprinzipien der Leistungs¨ ubertragung Wirkprinzip
Formschluss
Kraftschluss
Prinzipskizze
Typisches Kon- AnwendungsBeispielNr. struktionselement feld getriebe Handschalter, Stirnradgetriebe Abbildungen Automatisierte I konventionell 2.21 und 2.27 Schaltgetriebe DoppelkuppZwei Teilgetriebe Abbildung 2.30 II lungsgetriebe Abbildungen 2.35 und 2.37
III
Planetengetriebe
Stufenautomatik
Kettentrieb
Verteilergetriebe
Axialer Formschluss
Synchronisation (In Einschaltposition)
Riementrieb
Stufenlosgetriebe Abbildung 2.38 VI f¨ ur PKW
Reibradgetriebe
Stufenlosgetriebe Abbildungen f¨ ur PKW VII 2.41 und 5.101 (CVT und IVT)
Reibkupplung
Hydrodynamische Getriebe Hydraulisch Hydrostatisch arbeitende Pumpen/Motoren
Trocken oder nass laufendes Anfahrelement, Schaltelement
Abbildung 6.35 IV
Abbildungen 4.74 und 4.76
V
Abbildungen 4.5, 5.15 und VIII 5.39
DrehmomentAbbildungen wandler der 2.35, 2.37 und Stufenautomatik 7.43 und Retarder
IX
Stufenlose Nutzfahrzeug- Abbildung 7.26 X antriebe
4
1 Einf¨ uhrung
Abb. 1.2. Drehschwingungsmodell des Antriebstrang
Nutzfahrzeuge die Prinzipien I, II, VIII und X, vgl. Abbildung 7.27. Beispiele f¨ ur Fahrzeuge, deren Antrieb nur ein Wirkprinzip nutzt, sind die hydrostatisch angetriebenen Sonderfahrzeuge aus Bau- und Landwirtschaft, die allerdings recht bescheidene Fahrleistungen aufweisen; bei regul¨aren Straßenfahrzeugen – das bedeutet in diesem Buch Personenwagen und Nutzfahrzeuge – kommen immer mindestens zwei Prinzipien zum Einsatz, um die Anforderungen des Anfahrens und der hohen Geschwindigkeiten zu erf¨ ullen. Die in Tabelle 1.1 aufgef¨ uhrten Wirkprinzipien werden aber in den Fahrzeuggetrieben nicht nur f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung genutzt: Die Synchronisation, die in Abschnitt 4.4 ausf¨ uhrlich besprochen wird, nutzt ebenfalls eine Reibkupplung – Prinzip VIII nach Tabelle 1.1 – zum Angleichen der Differenzdrehzahlen beim manuellen Schalten. Bei Stufenautomatik- und Doppelkupplungsgetrieben wird bei PKW das Fahrzeug mittels Formschluss ¨ahnlich zu Zeile IV in Parkstellung am Wegrollen gehindert, vgl. Abschnitt 5.4.3. Viele Auslegungsfragestellungen sind also in anderen Situationen wieder anwendbar, wenn man die zugrunde liegenden Wirkprinzipien ber¨ ucksichtigt. Ein weiterer wichtiger Punkt und damit die zweite Hauptaufgabe des zuvor formulierten Elements zur Leistungswandlung und zum Anfahren l¨asst sich aus Abbildung 1.2 ableiten. Ber¨ ucksichtigt man, dass ein Verbrennungsmotor keine konstante Leistung zur Verf¨ ugung stellt, sondern eine zeit- und lastabh¨angige Folge von Momentenst¨ oßen, so wird die in Abbildung 1.2 gezeigte Drehschwingungskette aus Motor, Getriebe, Achswellen, Reifen und Fahrzeugmasse zu Schwingungen angeregt. Je nach den Eigenschaften des Antriebstrangs und der Charakteristik des Motors k¨onnen diese Schwingungen so stark sein, dass ein Fahren nur sehr schwer und ein komfortables Fahren schier unm¨oglich sind. Die zweite Hauptaufgabe eines Fahrzeuggetriebes ist die Abkopplung der Motorschwingungen vom Antriebstrang.
1.2 Ziel und Schwerpunkt
5
Diese Fragestellung nimmt – vor allem unter Komfortgesichtspunkten – im Folgenden einen wichtigen Platz ein. F¨ ur die einzelnen Komponenten wie etwa Getriebewellen und Zahnr¨ ader, aber auch f¨ ur das System “Getriebe” werden lokale Einzelbeitr¨ age und globale L¨ osungskonzepte zur Erf¨ ullung dieser Herausforderung diskutiert. Lokale Einzelbeitr¨age k¨onnen dabei z.B. die vorhandenen Verdrehspiele in einer Verzahnung sein, globale Konzepte besch¨aftigen sich z.B. mit der gezielten Abstimmung des gesamten Schaltsystems mit Blick auf komfortrelevante Kriterien. Auf diese beiden Aufgaben wird – wenn immer sinnvoll – an den entsprechenden Stellen verwiesen.
1.2 Ziel und Schwerpunkt ¨ Prim¨ares Ziel dieses Buches ist die Bereitstellung eines breiten Uberblicks u ur Personenkraftwagen (PKW) und Lastkraftwagen ¨ber Antriebskonzepte f¨ (LKW). Ein deutlicher Schwerpunkt wird auf das manuelle Schaltgetriebe f¨ ur PKW gesetzt als Produkt mit den h¨ ochsten St¨ uckzahlen im Antriebstrangsektor, aber auch mit dem breitesten Kundenspektrum1 , vgl. Tabelle 1.2. Mit diesem Buch wird das Themengebiet der Fahrzeuggetriebe – beginnend beim Konzept u ¨ber Auslegung und Konstruktion bis zu Validierung und Komfortfragen – f¨ ur ein breites Publikum dargestellt; jeder Leser kann die Grundlagen “seines” Fahrzeuggetriebes ergr¨ unden. Dieses Buch erleichtert dar¨ uber hinaus dem Studierenden in der Ausbildung das Erlernen der Thematik, dem Konstruktions- oder Entwicklungsingenieur in der allgemeinen Fahrzeugtech¨ nik gibt es einen Uberblick u ¨ber die Getriebe und ihre Systemanforderungen und es dient dem Getriebefachmann als Hilfe bei der Auslegung eines Getriebekonzepts. Kriterium f¨ ur die Auswahl des Stoffes und die Darstellungsart ist dabei die praktische Anwendbarkeit in der Automobilindustrie und zwar losgel¨ost von speziellen Softwarepaketen; die dargestellten Auslegungswerkzeuge sind “per Handrechnung” anwendbar und daher manchmal auf sehr einfache, aber f¨ ur die Erstauslegung ausreichende F¨ alle beschr¨ankt. Detailliertere Untersuchungen werden dann ohnehin von Spezialisten mit Spezialwerkzeugen durchgef¨ uhrt, denen man mit einem Fachbuch selten Neues pr¨asentiert. Der pr¨asentierte Stoff wird den Leser in die Lage versetzen, die wesentlichen Schritte bei der – zugegeben sehr makroskopischen – Definition eines geeigneten Getriebetyps f¨ ur eine bestimmte Fahrzeugkonfiguration selbst¨andig durchzuf¨ uhren. Ferner wird er oder sie in der Lage sein, die Hauptkomponenten eines manuellen PKW-Schaltgetriebes so zu dimensionieren, dass ein Fahrzeug prinzipiell fahr- und schaltbar ist, wenngleich es vielleicht nicht direkt 1
In Braess & Seiffert [2005] finden sich auch Angaben zu den Trends im Jahr 2003; an der tendentiellen Aussage ¨ andert sich jedoch nichts. Neu hinzu kommen in 2003 die automatisierten Schaltgetriebe mit einem globalen Marktanteil von ¨ 0,6%, die Doppelkupplungstechnologie ist auch in der neueren Ubersicht noch nicht erfasst.
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1 Einf¨ uhrung
Tabelle 1.2. Prozentuale Anteile der Getriebebauarten an der PKW-Produktion. Angabe der Produktionsvolumina in Millionen Einheiten (Nach K¨ opf [2003]) Region Jahr Welt Nordamerika Japan Westeuropa Deutschland
PKW-Gesamtproduktion 1990 2000 35,5 40,6 7,7 8,4 9,9 8,4 13,1 15,1 4,7 5,1
Anteil Handschaltgetriebe 1990 2000 58,1 53,0 14,5 15,3 34,6 12,2 90,7 84,2 83,3 72,1
Anteil Auto- Anteil stumatgetriebe fenloser Get. 1990 2000 1990 2000 41,6 45,8 0,3 1,2 85,5 84,7 0,0 < 0,1 64,0 83,6 0,8 4,2 9,0 15,4 0,3 0,4 16,7 27,8 < 0,1 0,1
als “best-in-class” eingestuft werden wird. Ferner wird man dazu bef¨ahigt, die notwendigen Maßnahmen zur Automatisierung “seines” Getriebes zu konzipieren und die systematischen Unterschiede zu einem Stufenautomaten sowie zu einem Doppelkupplungsgetriebe zu erl¨ autern. Um bei entsprechendem Erfolg des Entwurfs die Grenzen der Anwendbarkeit abstecken zu k¨onnen, wird auf die speziellen Anforderungen leichter Nutzfahrzeuge als Fahrzeuge mit PKW-Fahrleistungen, -Antrieb und -Bremse, aber mit deutlich h¨oherem Gewicht als Grenzfall eingegangen. Auch die Frage der Zukunftstauglichkeit eines Entwurfs wird ber¨ uhrt, wenn die notwendigen Modifikationen des Antriebstrangs f¨ ur hybride Fahrzeugtechnologien besprochen werden. Spezielle Auslegungsformeln und Gestaltungsrichtlinien, die Spezialisten f¨ ur Kupplungsabstimmung, Verzahnungsberechnung, Schaltungsoptimierung, Ger¨auschreduzierung usw. ben¨ otigen, um hoch belastbare und sehr komfortable Getriebe weiter entwickeln und optimieren zu k¨onnen, werden im Sinne der K¨ urze nicht angegeben. Es wird vielmehr an den entsprechenden Stellen auf die einschl¨agige Literatur verwiesen; ebenso sind gerade bei zeitabh¨angigen Fragestellungen die Annahmen so gew¨ ahlt, dass der mathematische Aufwand begrenzt bleibt und trotzdem alle wesentlichen Effekte erfasst werden. Anmerkung 1.1 Es werden im Folgenden ganz bewusst so wenig wie m¨oglich Zahlenwertgleichungen angegeben, um die Beschreibung der Physik der Getriebe nicht von der (willk¨ urlichen) Wahl von Einheiten abh¨angig zu machen. Es ist zwar allgemein u ¨blich, Drehgeschwindigkeiten bezogen auf eine Minute und Fahrzeuggeschwindigkeiten in Kilometern pro Stunde anzugeben, es soll aber trotzdem m¨ oglich bleiben, bei Bedarf andere Einheiten w¨ahlen zu k¨onnen, ohne alle Gleichungen auf ihre Anwendbarkeit in einem solchen Fall u ufen und korrigieren zu m¨ ussen. Die gr¨ oßte Ausnahme von diesem Ziel ¨berpr¨ stellt in den Abschnitten 4.3.2 und 4.3.4 die Auslegung und der einfache Festigkeitsnachweis von Verzahnungen dar. 2
1.3 Beschreibung der mechanischen Schnittstellen
7
Abb. 1.3. Ansicht des Antriebstrangs eines Mittelklassefahrzeugs: Motor, Kupplung und manuelles Schaltgetriebe (Aus Kirchner et al. [2005])
1.3 Beschreibung der mechanischen Schnittstellen Die Systemgrenzen, die in diesem Buch gezogen werden m¨ ussen, sollen anhand von Eingangs- und Ausgangs-Schnittstellen definiert werden. Auf der Antriebsseite, d.h. zum Motor hin, wird der Kurbelwellenflansch als Systemgrenze definiert, vgl. Abbildung 1.3. Der Verbrennungsmotor stellt dabei dem Fahrzeuggetriebe die Leistung als (mehr oder weniger) gleichm¨aßiges Moment bei einer bestimmten Drehzahl zur Verf¨ ugung2 . Abtriebsseitig weren Achs- und L¨ angswellen sowie die verschiedenen Gleichlaufgelenke zwar noch angerissen, aber nicht detailliert besprochen. Die Ausf¨ uhrungen zu diesen Komponenten des Triebstrangs in den Abschnitten 6.2 und 6.3 sind – auch unter den Gesichtspunkten des Allradantrieb – eher qualitativer, einf¨ uhrender Art. Somit stellt Abbildung 1.4 den besprochenen Systemumfang f¨ ur PKW mit rein verbrennungsmotorischem Antrieb auf einen Blick dar. Die immer wichtiger werdende – f¨ ur hybride Technologien zwingend notwendige – Kommunikation zwischen Motor, Fahrwerk und (automatisiertem) Getriebe wird in Abschnitt 5.1 separat diskutiert. 2
Die sich mit den Drehunf¨ ormigkeiten des Verbrennungsmotors einstellenden Komfortbeeintr¨ achtigungen werden in Kapitel 9 angesprochen. Beispielsweise werden die Rasselprobleme der manuellen Schaltgetriebe in Abschnitt 9.6 skizziert, Maßnahmen zur Reduktion der Rasselempfindlichkeit durch ein gezieltes “Tunen” der Kupplung bzw. der Charakteristik eines Zweimassenschwungrades werden in Abschnitt 4.1.1 diskutiert.
8
1 Einf¨ uhrung
Abb. 1.4. Antriebstrang eines Fahrzeugs mit l¨ angs eingebautem Motor mit Hauptkomponenten
Um die Lagerung von Motor und Getriebe im Fahrzeug zu gew¨ahrleisten und die Einfl¨ usse auf den Antriebstrang zu erfassen, wird die Verschraubung der Triebwerkslagerung getriebeseitig als Systemgrenze definiert. Die Krafteinleitung durch die Triebwerkslagerung in die Geh¨ause wird als ein Auslegungskriterium f¨ ur die Bemessung der Geh¨ ause in Abschnitt 6.5.1 besprochen. Durch die Schwerpunktsetzung auf die Leistungs¨ ubertragung in der Fahrzeugtechnik, d.h. Personen- und Nutzfahrzeuge, wird angenommen, dass ein Verbrennungsmotor als Antriebsmaschine zur Verf¨ ugung steht. Wenn die Bauart (Zylinderzahl, Verbrennungsverfahren, etc.) des Motors wichtig f¨ ur den Antriebstrang ist, wird entsprechend darauf hingewiesen. Fragestellungen der Fahrwerktechnik als Nachbardisziplin werden z.B. von Reimpell & Betzler [2005] oder Preukschat [1988] diskutiert; der Verbrennungsmotor allgemein und nach dem Diesel-Verfahren im Speziellen wird von K¨ ohler [2001] oder Mollenhauer [2002] behandelt. Die f¨ ur den Antriebstrang spezifischen Fragestellungen von automatischen Fahrzeuggetrieben werden beispielsweise von F¨ orster [1991] besprochen, die Getriebe f¨ ur PKW stehen bei Klement [2005] im Vordergrund, w¨ahrend Lechner & Naunheimer [1994] und Looman [1988] Fahrzeuggetriebe sowohl f¨ ur Nutzals auch f¨ ur Personenfahrzeuge diskutieren; die drei zuletzt genannten Quellen gehen gleichermaßen auf manuelle als auch automatische Stufengetriebe ein. Die f¨ ur Automatgetriebe notwendigen Planeten- bzw. Umlaufgetriebe werden in der Monographie von M¨ uller [1998] behandelt. Nicht behandelt werden ungleichf¨ ormig u ¨bersetzende Getriebe, wie sie in Kurbeltrieben von Verbrennungsmotoren (siehe dazu speziell z.B. K¨ ohler [2001] oder Mollenhauer [2002]), Cabrio-Verdecken oder Kofferraumklap-
1.4 Gliederung
a)
9
b)
Abb. 1.5. Hydrostatisch angetriebene Schwermaschinen f¨ ur Großbaustellen und Tagebau: a) Schwerer selbstfahrender Raupenbagger; b) Tagebau-Muldenkipper
pen ben¨otigt werden. Diese werden bei Hagedorn et al. [1997], Kerle & Pittschellis [2002] oder Luck & Modler [1995] beschrieben und sind aufgrund der nachfolgenden Festlegung der Systemgrenzen hier nicht Gegenstand der Betrachtungen. Als Grenzfall der nicht gleichf¨ormig, unter Umst¨anden schlupfbehaftet u ¨bersetzenden Getriebe wird auf die Stufenlosgetriebe – Continously Variable Transmissions CVT – und deren Wirkweise bei der Leistungs¨ ubertragung anhand mehrerer Beispiele eingegangen. ¨ Anmerkung 1.2 Die Antriebstr¨ ange zur Ubertragung der Antriebsleistung bei Baufahrzeugen wie Baggern und Tagebaufahrzeugen, vgl. Abbildung 1.5, sowie von selbstfahrenden Arbeitsmaschinen der Bau-, Land- und Forstwirtschaft werden hier nicht besprochen, weil hier zwar ein Verbrennungsmotor als Antriebsmaschine genutzt wird, der eigentliche Fahrantrieb jedoch hydrostatisch angesteuert wird und nicht mechanisch. Der Fokus liegt hier auf der Mechanik und nicht der Hydraulik; die Ausf¨ uhrungen zu letzt genanntem Gebiet sind mehr der Vollst¨ andigkeit wegen enthalten, um auch die Einschr¨ankungen der Hydrostatik f¨ ur Fahrzeugantriebe deutlich machen zu k¨onnen und die Bewertung von Potentialen hydrostatischer Antriebe zu erm¨oglichen. 2
1.4 Gliederung Nach dieser Einf¨ uhrung werden in Kapitel 2 sehr makroskopisch die verschiedenen Triebstrangkonzepte f¨ ur front-, heck- und allradgetriebene PKW erl¨autert, ebenso wie die wichtigsten Konzepte f¨ ur Nutzfahrzeuge unter der zuvor getroffenen Einschr¨ ankung mehrheitlich formschl¨ ussiger Leistungs¨ ubertragung. Ein weiterer Schwerpunkt von Kapitel 2 ist die einf¨ uhrende Diskussion der Merkmale von PKW-Getrieben hinsichtlich ihrer Lage im Fahrzeug, der Lage und Orientierung des Achsantriebs sowie ihres eigentlichen Aufbaus als x-Wellengetriebe mit einem y-teiligen Geh¨ ause und einem z-System f¨ ur die
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1 Einf¨ uhrung
Synchronisation. F¨ ur die teil- und vollautomatischen Getriebe wird dabei die qualitative Beschreibung innerhalb dieses einleitenden Kapitels ausf¨ uhrlicher wiedergegeben, da die eigentliche Besprechung dieser Getriebe im Vergleich zu den manuell schaltbaren Konzepten k¨ urzer gehalten ist; viele Schwierigkeiten bei der Konstruktion und Entwicklung automatisch schaltender Getriebe sind mehr regelungstechnischer als konstruktiver Natur. Bevor die einzelnen Komponenten der Getriebe besprochen werden, ist es notwendig, auf der Fahrzeugebene die Berechnung und experimentelle Ermittlung charakteristischer Gr¨ oßen der leistungs¨ ubertragenden Bauteile zu diskutieren. In Kapitel 3 wird also neben den fahrleistungs- und verbrauchsorientierten Fragestellungen auch auf konzeptionelle Gr¨ oßen wie Soll-Lebensdauer, Auslegungskollektive und allgemeine Lastannahmen f¨ ur die Konzept- und Detailentwicklung der Antriebstrangkomponenten eingegangen. Dabei wird nicht nach PKW oder LKW und auch nicht nach dem Aufbau eines Fahrzeuggetriebes unterschieden; eine wesentliche Einschr¨ ankung ist jedoch die Beschr¨ankung auf nur eine angetriebene Achse bei der Fahrleistungsberechnung. Kapitel 4 orientiert sich bei der Beschreibung der wichtigsten Komponenten und Baugruppen manueller Schaltgetriebe am Leistungsfluss im Getriebe, wobei die Kupplung, deren Integrationsbauteile sowie die komplette Schaltung behandelt werden. R¨ ader, Wellen und Verzahnungen werden ebenfalls im Rahmen dieses Kapitels besprochen. Die Gleichungen zur detaillierten Berechnung der Komponenten und zur nachfolgenden Optimierung werden dabei im Sinne der K¨ urze nicht angegeben, die in diesem Buch enthaltenen Gleichungen sind auf die Auslegung und Dimensionierung beschr¨ ankt, wenngleich zur L¨osung einiger Auslegungsfragen durchaus ausf¨ uhrliche Berechnungen notwendig sind. Dann werden in Kapitel 5 die Grundz¨ uge der automatisch schaltenden Getriebekonzepte f¨ ur PKW besprochen. Dabei wird nach kurzen Ausf¨ uhrungen zur Kommunikation automatisch schaltender Getriebe u ¨ber den CAN-Bus mit den automatisierten Schaltgetrieben begonnen, die die gleichen leistungs¨ ubertragenden Komponenten aufweisen wie ihre manuell geschalteten Verwandten. Es schließen sich die verschiedenen Arten zugkraftunterbrechungsfrei schaltender Getriebe an: Doppelkupplungsgetriebe, Stufenautomatik und Stufenlosgetriebe. Dabei wird f¨ ur diese Konzepte jeweils kurz auf die Besonderheiten von Konstruktion und Auslegung der speziellen Baugruppen eingegangen; insbesondere werden der hydrodynamische Wandler und der Planetensatz eines Stufenautomatgetriebes oder auch das Doppelkupplungssystem besprochen. In Kapitel 6 werden Differentiale bzw. Achsgetriebe sowie Achs- und Gelenkwellen als leistungsf¨ uhrende gemeinsame Komponenten der verschiedenen Getriebekonzepte diskutiert; dabei wird zum ersten Mal die Annahme, dass ein Fahrzeug geradeaus f¨ ahrt, nicht implizit vorausgesetzt. Auch hier ist der Fokus wieder auf die Leistungs¨ ubertragung beschr¨ ankt; Aspekte der Fahrdynamik werden nur am Rande besprochen. Ebenso werden Geh¨ause und W¨alzlager als nicht leistungsf¨ uhrende Bauteile von manuell und automatisch schaltenden Getrieben besprochen.
1.4 Gliederung
11
Die Besonderheiten der Nutzfahrzeuggetriebe stehen in Kapitel 7 im Vordergrund; dabei wird weniger auf die gr¨ oßeren Leistungen und Momente eingegangen sondern auf die h¨ ohere Anzahl von Fahrstufen sowie auf die existierenden Konzepte zur Leistungsverzweigung. In diesem Zusammenhang ist Abschnitt 7.2 den leistungsverzweigenden Getrieben mit hydraulischem Teilleistungszweig und Abschnitt 7.3 den speziellen Komponenten der Nutzfahrzeugantriebe, die u ¨ber das in den Kapiteln 4 bis 6 Besprochene hinaus gehen – z.B. hydrostatische Komponenten – gewidmet. In Kapitel 8 stehen die Hybridfahrzeuge im Vordergrund und mit ihnen die Brennstoffzellentechnologie. Die Diskussion ist dabei wieder weitestgehend auf ¨ die Ubertragung mechanischer Leistung fokussiert, die Wandlung von chemischer und/oder elektrischer Energie in mechanische Leistung bleibt außen vor. So weit m¨oglich wird dabei auch auf Zusatzeffekte der Hybridisierung wie etwa einen elektrisch betriebenen Allradmodus oder eventuelle Komfortsteigerungen eingegangen. Schließlich werden – um auch die Schwierigkeiten bei der Entwicklung und Abstimmung von Antriebstr¨ angen zu erl¨ autern – komfortrelevante Fragen in Kapitel 9 diskutiert. Letztere gewinnen immer mehr an Bedeutung, da sie in erheblichem Maße das Qualit¨ atsempfinden der Kunden beeinflussen. Hinzu kommt die Problematik des nicht-standardisierten Fahrers, der durch subjektive Bewertungen eine objektive Entwicklung zus¨atzlich erschwert. Schaltungsruck, Schaltkratzen und Ger¨ ausche sind dabei drei der Schwerpunkte. Anmerkungen zur Validierung im Fahrzeugversuch, auf dem Pr¨ ufstand und in der Simulation werden im letzten Kapitel 10 besprochen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Technologien, die durch Substitution von Fahrzeugversuchen mit Prototypteilen oder Vorserienkomponenten durch Pr¨ ufstandstest oder Simulation wesentlich zur Kosten- und Zeiteinsparung in der Entwicklung beitragen. In einigen Kapiteln finden sich Auslegungsaufgaben zur Vertiefung und Verfestigung des vorgestellten Stoffs; die Fragestellungen sind f¨ ur den Einsatz in der Lehre konzipiert, f¨ uhren aber auch Praktiker in die entsprechenden Themenkreise ein. Im Anhang wird in Kapitel A auf die Grundz¨ uge der Hertz’sche Theorie der elastischen Fl¨ achenpressungen und die Grundlagen der Betriebsfestigkeit eingegangen, die f¨ ur die Auslegungsfragen in diesem Buch notwendig sind. Anmerkung 1.3 Folgende Konvention gilt f¨ ur die Querverweise in diesem Buch. Auf Gleichungen wird meist nur mit ihrer Nummer Referenz genommen, z.B. Die Auswertung von (4.73) ergibt ... Teilweise werden auch mit einer Gleichungsnummer zwei Beziehungen angegeben, auf die dann mit entsprechend zus¨atzlichen Indizes referenziert wird, z.B. (4.76)1 . Auf andere B¨ ucher oder Referenzen wird mit dem Namen des erstgenannten Autors und dem Erscheinungsjahr verwiesen, z.B. Palmgren [1924]. Die Bez¨ uge auf Beispiele, Definitionen oder Anmerkungen werden explizit angegeben. 2
2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte fu ¨r PKW und Nutzfahrzeuge
Bevor in den n¨achsten Kapiteln mit der quantitativen Beschreibung von An¨ triebstr¨angen und deren Komponenten begonnen wird, soll ein Uberblick u ¨ber die verschiedenen Konzepte zur Anordnung von Verbrennungsmotor und Getriebe im Fahrzeug gegeben werden. Dabei wird in den Abschnitten 2.1 und 2.2 zun¨achst auf die beim PKW dominierenden Antriebsarten mit einer angetriebenen Achse als Front- oder Hecktriebler eingegangen, ohne zwischen Handschalter, Stufenautomatik oder Doppelkupplungsgetriebe zu unterscheiden. Anschließend werden die Besonderheiten des Allradantriebs sowie die Sonderformen von Sportwagen mit Mittelmotor besprochen. Auf die Besonderheiten leichter Nutzfahrzeuge, die durch das h¨ ohere zul¨assige Gesamtgewicht st¨arker beansprucht werden, wird dabei an entsprechenden Stellen kurz eingegangen. ¨ Als n¨achstes wird in Abschnitt 2.4 ein Uberblick u ¨ber die Antriebstrangkonfigurationen von Nutzfahrzeugen und Bussen gegeben, auch hier wieder weitestgehend losgel¨ost von der Art der Bet¨ atigung von Schalt- und Anfahrkupplung sowie des Gangwechsels. Der Schwerpunkt liegt hier auf den Anwendungsgebieten der verschiedenen Antriebstrangkonfigurationen und weniger auf der konstruktiven Ausf¨ uhrung von Details. In Abschnitt 2.5 folgt ein kurzer Einschub und es werden die verschiedenen Automatisierungsgrade besprochen, die in Fahrzeuggetrieben realisiert werden. Dies ist sowohl f¨ ur die Nutzfahrzeuge notwendig, bei denen u ¨blicherweise aufgrund der h¨oheren Antriebsmomente und der h¨oheren Laufstrecken der Automatisierungsgrad h¨ oher ist als bei den PKW, aber auch als Vorbereitung der Analyse von automatisch schaltenden PKW- und Nutzfahrzeug-Getrieben am Ende dieses Kapitels. Anschließend werden in den Abschnitten 2.6 und 2.7 einzelne Getriebetypen f¨ ur die verschiedenen Antriebstrangkonfigurationen von PKW und Nutzfahrzeugen qualitativ vorgestellt, um die wichtigsten Merkmale der Getriebe herausarbeiten zu k¨ onnen. Anhand dieser Merkmale soll es dem Leser dann m¨ oglich sein, entsprechende L¨osungen zur Erreichung bestimmter Eigenschaften zu dimensionieren, konstruktiv auszuarbeiten, im Detail zu entwickeln und anschließend zu validieren. Dabei ist Abschnitt 2.6
14
2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.1. Motor-Getriebe-Anordnungen f¨ ur PKW mit Vorderradantrieb: a) L¨ angsmotor vor Achse, Getriebe l¨ angs; b) L¨ angsmotor hinter Achse, Getriebe l¨ angs; c) L¨ angsmotor u angs; d) Quermotor neben dem Getriebe; e) und ¨ber Achse, Getriebe l¨ f) Quermotor u ¨ber/hinter dem Getriebe (Nach Lechner & Naunheimer [1994])
den Schaltgetrieben gewidmet, die Gliederung des Abschnitts orientiert sich an der Abfolge der Fahrzeugtypen der Abschnitte 2.1 bis 2.4. Stellvertretend wird in Abschnitt 2.6.5 auch auf den Aufbau eines Nutzfahrzeuggetriebes eingegangen, ohne jedoch auf die leistungsverzweigenden Komponenten f¨ ur den Antrieb der verschiedenen angetriebenen Achsen einzugehen. Die verschiedenen automatisierten Getriebekonzepte von PKW werden in Abschnitt 2.7 qualitativ diskutiert; als Vertreter eines stufenlosen Nutzfahrzeugantriebstranges wird das mechanisch-hydraulische Antriebskonzept eines Ackerschleppers besprochen.
2.1 PKW mit Frontantrieb Dieser erste Abschnitt geb¨ uhrt dem Antriebstrangkonzept mit dem h¨ochsten Marktanteil; es werden die Antriebstrangkonfigurationen f¨ ur PKW mit Frontantrieb als kennzeichnendes Hauptmerkmal besprochen. Aus Abbildung 2.1 ist sofort ersichtlich, dass dieses Merkmal allein nicht zur Identifikation eines geeigneten Getriebetyps f¨ ur ein (gegebenes) Fahrzeug ausreichend ist; die Anordnung von Motor und Getriebe relativ zueinander ist ebenso entscheidend. Allen gezeigten Konzepten ist gemeinsam, dass bei Frontantrieb der Motor vor, u ¨ber oder direkt hinter der Vorderachse liegt im Gegensatz zu den nachfolgend besprochenen heckangetriebenen Fahrzeugen, bei denen die Lage des Motors weniger klar anzugeben ist. Die Suche nach repr¨ asentativen Beispielfahrzeugen zu all diesen Konzepten gestaltet sich – aufgrund der Vollst¨ andigkeit von Abbildung 2.1 – teilweise etwas schwierig; man findet aber auch Fahrzeuge aus den 80er Jahren, die sich keinem der gezeigten Konzepte eindeutig zuordnen lassen. Im Folgenden
2.1 PKW mit Frontantrieb
15
Abb. 2.2. Schaltgetriebe des Peugeot 205 mit hintenliegendem Differential und ¨ gemeinsamen Olhaushalt von Motor und Getriebe (Aus Preukschat [1988])
werden nun einige Antriebstrangkonzepte vorgestellt, die – mit Ausnahme der Varianten a) und d) – von wenigen exotischen Fahrzeugen abgesehen am Anfang des dritten Jahrtausends nicht mehr in Produktion sind, die aber eine Reihe technisch interessanter L¨ osungen beinhalten; im Zeitalter der Plattformtechnologie haben sich nur zwei Konzepte durch “Evolution” am Markt durchgesetzt. Als Beispiel f¨ ur das Konzept a) lassen sich die B- und C-Baureihen – A4 und A6 – von Audi1 anf¨ uhren mit l¨ angs eingebautem Motor und Frontantrieb, was die Notwendigkeit eines winkligen Achsantriebs2 mit sich f¨ uhrt. Auf diese Besonderheit der frontgetriebenen Fahrzeuge mit L¨angsmotor f¨ ur die gehobene Mittelklasse wird unter anderem im Zusammenhang mit der Konstruktion der Ausgleichsgetriebe in Abschnitt 6.1 n¨ aher eingegangen. Als Beispiel f¨ ur den Typ b) kann der bis 1983 produzierte Renault 5 angegeben werden, der den Motor l¨ angs hinter der Vorderachse hatte. Toyota produzierte mit einer 1,3 l Variante des Tercel in den fr¨ uhen 80er Jahren einen Vertreter f¨ ur Konzept c), der durch Platzierung des Differentials unter dem Motor diese Anordnung von Motor und Getriebe realisierte. Das Konzept d) aus Abbildung 2.1 schließlich umfasst viele moderne Fahrzeugkonzepte, die s¨ amtlich seit mindestens 2 Fahrzeuggenerationen – also 1
2
Die Baureihen Audi 80 und 100 haben bis Anfang der 90er Jahre das gleiche Antriebskonzept genutzt. Man verdeutliche sich dies an Abbildung 2.23 und 2.38.
16
2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
etwa seit 1995 – in Produktion sind: S¨ amtliche von General Motors in Europa (GME) entwickelten und produzierten Fahrzeuge der Marken Saab und Opel/Vauxhall geh¨ oren zu dieser Kategorie, ebenso wie der Golf von Volkswagen und der Audi A3, die sich eine Plattform teilen sowie die globale FocusPlattform von Ford u.v.m. Ein Großteil der folgenden Kapitel wird sich mit Getrieben dieser Familie besch¨ aftigen, daher werden in Abschnitt 2.6.1 etwas ausf¨ uhrlichere Erl¨ auterungen qualitativer Natur zu diesem Antriebstrangkonzept f¨ ur die manuellen Schaltgetriebe gegeben. Durch die Vielzahl der in diesem Segment angebotenen Getriebe – vom Standard-Handschalter u ¨ber teilund vollautomatisierte Getriebe, Stufenlos- und Doppelkupplungsgetriebe ist hier alles vertreten – besch¨ aftigt sich auch ein großer Teil von Abschnitt 2.7 mit diesem Antriebstrangkonzept und stellt wichtige ausgew¨ahlte Vertreter teil- und vollautomatischer Frontquergetriebe vor. Einen Vertreter f¨ ur eine Mischung aus den Klassen e) und f) findet man bei Peugeot mit einem Modell der Baureihe 205 der 80er Jahre, bei dem der Motor u ¨ber der Vorderachse mit hintenliegendem Getriebe angeordnet war, vgl. Abbildung 2.2; daher die nicht eindeutige Zuordnung. Ein weiterer (nicht eindeutiger) Vertreter der Konzepte e) und f) war nach Preukschat [1988] der Citro¨en Visa aus dem gleichen Produktionszeitraum. Auf die Merkmale der Konzepte b), c), e) und f) wird im Folgenden aufgrund ihrer untergeordneten Rolle nicht explizit eingegangen. Ein Punkt, auf den an dieser Stelle schon hinzuweisen ist, ist die Verwendung von PKW-Getrieben in leichten Nutzfahrzeugen. Zum einen werden bei der Auslegung der Getriebe f¨ ur diese relativ schnellen Fahrzeuge mit PKWa¨hnlichen Fahrleistungen h¨ ohere Laufleistungen angenommen. Zum anderen f¨ uhren diese Fahrzeuge aufgrund ihres deutlich h¨oheren zul¨assigen Gesamtgewichts zu wesentlich h¨ oheren dynamischen Lasten im Getriebe, was durch die gr¨oßere Gesamt¨ ubersetzung zum Erreichen der Anfahrbarkeit, vgl. Abschnitt 3.2.1, und durch das h¨ ohere Gewicht bedingt ist. Bei gleicher Motorleistung und gleichem Kupplungsrutschmoment steigen die getriebeinternen ¨ Beanspruchungen beim Ubergang von einem PKW der oberen Mittelklasse zu einem leichten Nutzfahrzeug3 unter missbrauchs¨ahnlichen Bedingungen deutlich an. Ferner ist zu beachten, dass zum Beispiel bei Fahrzeugen f¨ ur den Baubetrieb zu den h¨ oheren Laufleistungen, vgl. Tabelle 3.5, in der Regel ein ung¨ unstigeres Lastkollektiv anzunehmen ist, das sich am “Bergfahrer” gem¨aß Tabelle 3.6 orientiert. Leichte Nutzfahrzeuge werden – z.B. auf Großbaustellen bei starkem Regen – deutlich l¨ anger in den niedrigen G¨angen betrieben als normale PKW. Anmerkung 2.1 Das denkbare Konzept eines frontgetriebenen Fahrzeugs mit Heckmotor ist aufgrund der fehlenden Vorderachslast nicht unter realen Bedingungen fahrbar. 2
3
Das Fahrzeuggewicht steigt von etwa 3,7 auf bis zu 7 Tonnen an.
2.2 Heckangetriebene PKW
a)
17
b)
Abb. 2.3. Antriebstrangkonzepte f¨ ur Fahrzeuge mit Heckantrieb: a) L¨ angsmotor vorn u angsrichtung an den Mo¨ber/hinter der Vorderachse, Getriebe in L¨ tor angeflanscht, Achsantrieb mit Differential an der Hinterachse; b) L¨ angsmotor vorn u angsrichtung vor der Hinterachse ¨ber/hinter der Vorderachse, Getriebe in L¨ (Transaxle-Prinzip)
2.2 Heckangetriebene PKW In Analogie zu Abbildung 2.1 wird auch f¨ ur die Fahrzeuge mit Heckantrieb ¨ eine Ubersicht u ¨ber die relevanten Triebstrangkonzepte gegeben. Das in Abbildung 2.3 gezeigte Konzept a) wird h¨ aufig auch als “Standardantrieb” bezeichnet und ist durch den frontl¨ angs eingebauten Verbrennungsmotor mit angeflanschtem Getriebe mit einem nichtschaltbaren Hinterachsgetriebe eindeutig gekennzeichnet. BMW verwendet als weltweit einziger Fahrzeughersteller ausschließlich dieses Konzept f¨ ur alle Fahrzeugreihen mit nur einer angetriebenen Achse, von der Einser- bis zur Siebener-Baureihe. Auch die MercedesBenz C-, E- und S-Baureihe nutzen und deren Derivate – abgesehen von den allradgetriebenen 4MATIC-Modellen – diese Art des Antriebstrangs. Durch die bei Fahrzeugen mit Heckantrieb u ¨bliche Platzierung des Handschalthebels direkt am Getriebe f¨ allt die Notwendigkeit einer aufw¨andigen Schaltstangenkonstruktion oder einer Kabelschaltung weg, die f¨ ur die frontquer eingebauten Konzepte erforderlich sind. Als vorteilhaft ist zu werten, dass anders als beim Frontantrieb nach Abschnitt 2.1 – hier insbesondere f¨ ur Konzept d) nach Abbildung 2.1 – die Bauraumrestriktionen bei Heckantrieb in Getriebel¨angsrichtung weniger einschr¨ankend sind. Dies wird durch die Beschr¨ ankung des Bauraums quer zur Wellenrichtung zur Unterbringung des Getriebes im Fahrzeugtunnel erkauft, aufw¨andige Mehrfachverwendungen von Verzahnungsstufen zur Reduktion der axialen Baul¨ange, vgl. Abschnitt 2.6.1, sind selten vorteilhaft. Als nachteilig ¨ ist teils auch zu werten, dass durch den extrem kurzen Ubertragungsweg zwischen Getriebe und dem Handschalthebel als Schnittstelle des Kunden zum Getriebe wenig Platz f¨ ur komfortverbessernde Maßnahmen wie den Schaltkomfort oder allgemeine Schwingungsreduktion4 bleibt. Zwei Vertreter des Konzepts b) der 80er Jahre waren der Volvo 340/360, vgl. Abbildung 2.4, und der Porsche 928 S4, vgl. Abbildung 2.5, mit der als “Transaxle-Prinzip” bezeichneten Anordnung von Schalt- und Ausgleichsgetriebe direkt vor der Hinterachse zur fahrdynamisch besseren Verteilung der 4
Man vergleiche dazu Abschnitte 9.4 und 9.5.3.
18
2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.4. Darstellung des Transaxle-Prinzips am Beispiel des Volvo 340/360 mit dem Schaltgetriebe vor dem Differential an der Hinterachse
Abb. 2.5. Porsche Getriebe f¨ ur das Serienfahrzeug 928 S4 mit einer Momentenkapazit¨ at von 430 Nm (Aus Looman [1988])
Achslasten. Die Momenten- und Leistungs¨ ubertragung erfolgt hierbei u ¨ber Gelenkwellen zwischen Motor vorne und Getriebe hinten wiederum mit der Schwierigkeit, dass sich durch die Relativbewegungen von Motor und/oder Getriebe in den Lagern zus¨ atzliche Schwingungen bei hohen Drehzahlen aufbauen k¨onnen. Zu ber¨ ucksichtigen ist bei der Auslegung der Anbindung der Schaltstufen hinten bei Transaxle-Fahrzeugen das St¨ utzmoment, welches durch die Triebwerklagerung u.U. mit erheblichem konstruktiven Aufwand abgetragen werden muss; Gleiches gilt f¨ ur die Hinterachsgetriebe beim frontl¨angs eingebauten Getriebe.
2.3 Sonderformen des PKW-Antriebstranges
19
Abb. 2.6. Antriebskonzepte f¨ ur Allrad-PKW: a) Frontl¨ angsmotor vor der Achse; b) Frontquermotor neben dem Getriebe; c) Frontl¨ angsmotor vorn u ¨ber der Vorderachse; d) Heckl¨ angsmotor hinter der Hinterachse (Nach Lechner & Naunheimer [1994])
2.3 Sonderformen des PKW-Antriebstranges: Allradund Sportfahrzeuge Zwei Sonderformen des Antriebstrangs haben sich – aufgrund der Tendenz zum Fahren eines gel¨ andetauglichen Sport-Utility-Vehicles (SUV), eines Roadsters oder eines Sportwagens – zu einem eigenen Segment des Fahrzeugmarktes entwickelt: Die allradgetriebenen Fahrzeuge und die Fahrzeuge mit Heck- oder Mittelmotor sind heute mehr als nur Nischenmodelle mit geringen St¨ uckzahlen. Die Antriebstr¨ ange dieser Fahrzeuge beinhalten eine Reihe interessanter Details; wichtige Merkmale dieser Fahrzeuggetriebe werden nun kurz diskutiert. Auf die verschiedenen leistungsverzweigenden Komponenten der Allradfahrzeuge wird in Abschnitt 6.3 n¨ aher eingegangen. 2.3.1 Allradfahrzeuge Bei den Allradfahrzeugen ist die Vielfalt der Motor-Getriebe-Anordnungen ¨ahnlich groß wie bei den rein front- oder heckgetriebenen Fahrzeugen. Als Vertreter des Konzepts a) aus Abbildung 2.6 l¨ asst sich der Quattro-Antriebstrang von Audi f¨ ur die B- und C- Baureihe – A4 und A6 – mit Handschaltgetriebe5 anf¨ uhren. Die aufw¨ andige Konstruktion der als Hohlwelle ausgef¨ uhrten Hauptwelle des Quattro-Handschaltgetriebes nach Abbildung 2.7 ist als Baugruppe in Abbildung 2.8 gezeigt. Zu sehen ist in Abbildung 2.7 die Anordnung des Torsen-Verteilerdifferentials hinter dem Schaltgetriebe mit Durchf¨ uhrung der Antriebswelle durch die Hohlwelle zum vorderen Ausgleichsgetriebe mit Hypoidverzahnung. Die konstruktiven Unterschiede von Front- und Allradvariante werden in Abschnitt 2.6.2 diskutiert. Dabei wird der Mehraufwand 5
Die Stufenautomaten nutzen f¨ ur die gleiche Fahrzeugbaureihe Konzept c) nach Abbildung 2.6, vgl. Abbildung 6.34.
20
2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.7. 5-Gang Schaltgetriebe f¨ ur den Audi Quattro
Abb. 2.8. Detailansicht zu Abbildung 2.7: Hohlwellenkonstruktion und TorsenDifferential des Audi Quattro
durch die Hohlwelle und die Torsen-Verteilerstufe im Vergleich zur Basisvariante des Audi mit Frontantrieb, vgl. Abbildung 2.23, deutlich. Ferner ist das Hinterachs-Verteilergetriebe des Quattro-Antriebstrangs in Abbildung 2.9 gezeigt und verdeutlicht den technischen Mehraufwand f¨ ur die Realisierung des Allradantriebes. Ein neu entwickelter Vertreter des Konzepts b) nach Abbildung 2.6 ist der Alfa Romeo Crosswagon, der in der manuell schaltbaren, sechsg¨angigen Version f¨ ur bestimmte Motorvarianten das gleiche Basisgetriebe wie die Fahrzeuge der Vectra Generation C von GME besitzt, vgl. Abbildung 2.21. Die Allradtauglichkeit wird bei diesem Konzept dadurch erreicht, dass u ¨ber das Vorderachsausgleichsgetriebe ebenfalls die Hinterachse mit einem Winkelabtrieb gespeist wird. Varianten vom Typ c) nach Abbildung 2.6 bieten DaimlerChrysler mit den 4MATIC Modellen f¨ ur die Marke Mercedes-Benz sowie BMW mit den X-Modellen, vgl. Abbildung 2.10, seit mehreren Jahren an. Gut zu erkennen ist in dieser Ansicht die l¨ angs neben dem Motor verlaufende Antriebswelle zum Vorderraddifferential. Der Antriebstrang des Porsche 911 S4 schließlich stellt einen Vertreter des Konzepts d) nach Abbildung 2.6 dar; der Heckmotor deutet auf die System-
2.3 Sonderformen des PKW-Antriebstranges
21
Abb. 2.9. Hinterachsgetriebe des Audi Quattro (Aus Looman [1988])
Abb. 2.10. Triebstrang eines BMW 525iX
verwandtschaft mit dem Basis 911er hin. Gut zu erkennen in Abbildung 2.11 sind das u ur ¨ber der Hinterachse sitzende Schaltgetriebe und die Gelenkwelle f¨ den Vorderradantrieb. 2.3.2 Mittelmotorkonzepte f¨ ur Sportwagen Die Konstruktion von Antriebstr¨ angen f¨ ur Sportwagen ist – aufgrund besonderer Fahrleistungen und geringer St¨ uckzahlen – eine herausfordernde Aufgabe. Als Beispiel f¨ ur die in Abbildung 2.12 gezeigten Antriebstr¨ange von Personenwagen mit Heck- oder Mittelmotor lassen sich popul¨are Fahrzeuge
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.11. Schemadarstellung des Antriebstrang des Porsche 911 S4 (Aus Stockmar [2004])
Abb. 2.12. Heck- und Mittelmotorkonzepte: a) L¨ angsmotor vor Achse (Mittelmotor); b) L¨ angsmotor hinter Achse (Klassischer “Heckmotor”); c) Quermotor neben dem Getriebe vor der Achse (Mittelmotor) (Aus Lechner & Naunheimer [1994])
mit teils skurril wirkenden Gemeinsamkeiten finden. Als typischer Vertreter des Konzepts a) mit Motor l¨ angs vor der Hinterache l¨asst sich der Porsche 956 als Rennfahrzeug anf¨ uhren, vgl. Abbildung 2.13, aber auch der Ferrari Testarossa weist diese Motor-Getriebeanordnung auf. Im Gegensatz dazu hat das Konzept b) den Motor hinter der Hinterachse platziert; typische Vertreter sind etwa der Porsche 911 in der “einfachen” Version mit Hinterradantrieb, aber auch die alten Volkswagen Transporter6 , z¨ahlen zu diesem Typ, ebenso wie der K¨afer. Allen genannten Fahrzeugen ist gemeinsam, dass durch die Anordnung des Motors im Heck thermische Probleme entstehen, die bei allen drei Fahrzeugen spezielle Maßnahmen zur K¨ uhlung der Motoren erfordern. 6
Mit dem T4 zog der Frontmotor Anfang der 90er Jahre in diese Baureihe ein und “ebnete” einer ebenen, niedrigen Ladefl¨ ache den Weg.
2.4 Nutzfahrzeuge und Busse
23
Abb. 2.13. Porsche Getriebe f¨ ur das Rennfahrzeug Typ 956 mit Heck-L¨ angsAnordnung des Antriebstranges mit einer Kapazit¨ at von ca. 820 Nm. Kupplung, Achsantrieb und F¨ unfgang-Vorgelegegetriebe bilden drei Geh¨ auseabschnitte. (Aus Looman [1988])
Als Beispiel f¨ ur einen Sportwagen mit quer liegendem Motor vor der Hinterachse – Typ c) nach Abbildung 2.12 – lassen sich der Opel Speedster und der Lotus Elise anf¨ uhren. Diese Anordnung erlaubt – von den thermischen Problemen aufgrund der mangelnden K¨ uhlung hinter der Fahrgastzelle abgesehen – die Integration von Motor-Getriebe-Kombinationen f¨ ur den Frontquereinbau mit verh¨altnism¨ aßig einfachen Modifikationen am Getriebe in Mittelmotorfahrzeugen. Dies bringt den enormen Vorteil mit sich, dass die vielfach eingesetzte Technik aus der Kompakt- und der unteren Mittelklasse in ein Fahrzeugsegment u ur das allein sich die Entwicklung ¨bertragen werden kann, f¨ eines speziellen Fahrzeuggetriebes meist nicht wirtschaftlich realisieren l¨asst.
2.4 Nutzfahrzeuge und Busse Im Bereich der Nutzfahrzeuge (NFZ) findet man eine ¨ahnliche Variantenvielfalt vor wie im PKW-Bereich, daher wird die Diskussion wieder auf die wichtigsten Typen der Antriebstr¨ ange beschr¨ ankt, ohne auf den speziellen Aufbau der Getriebe und den Automatisierungsgrad, vgl. Abschnitt 2.5, einzugehen. 2.4.1 Lastkraftwagen F¨ ur Nutzfahrzeuge – Lastkraftwagen (LKW) und Busse – ab einem zul¨assigen Gesamtgewicht von vier Tonnen sind verschiedene Architekturen des Antriebstrangs u ¨blich, vgl. Abbildung 2.14. Die Konzeption mit l¨angs eingebautem Motor, der vor oder u ¨ber der Vorderachse angeordnet ist, wird haupts¨achlich bei großen Lastwagen angewandt. Dabei ist das Getriebe in L¨angsrichtung an den Motor angeflanscht, der Achsantrieb erfolgt mit einem
24
2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.14. Antriebskonzepte f¨ ur LKW mit einer bzw. mehreren angetriebenen Achsen: a) 2 × 4; b) 2 × 4, Unterflurmotor; c) 4 × 4, Allradantrieb; d) 2 × 6, Nachlaufachse; e) 4 × 6; f) 6 × 6, mit Durchtrieb zur zweiten Hinterachse; g) 6 × 6, zweite Hinterachse direkt angetrieben (Aus Lechner & Naunheimer [1994])
Differential an der Hinterachse. Ein reiner Frontantrieb findet nur bei einigen Bussen und Sonderkonstruktionen7 Anwendung und wird nicht n¨aher betrachtet. Bei derartigen Antriebskonzepten f¨ ur NKW kommt es i.d.R. zu ung¨ unstigen Vorderachslasten, h¨ aufig begleitet von Traktionsschwierigkeiten. F¨ ur die wichtigen Nutzfahrzeugklassen mit zwei und drei Achsen zeigt Ab¨ bildung 2.14 eine Ubersicht der vorkommenden Antriebstrangkonfigurationen bei einem zul¨assigen Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen und dar¨ uber. Beispiele zu den verschiedenen Antriebstrangkonzepten f¨ ur Nutzfahrzeuge nach Abbil7
Ein Containertr¨ ager mit Hubvorrichtung ist als Beispielfahrzeug in Abbildung 2.15.h gezeigt.
2.4 Nutzfahrzeuge und Busse
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
h)
25
Abb. 2.15. Beispiele von Nutzfahrzeugen mit zwei und drei Achsen zu Abbildung 2.14: a) Iveco 170-23, 2 × 4, b) Mercedes-Benz 1223, 2 × 4, Unterflurmotor, c) MAN 17-232, 4 × 4, d) Volvo FH12/420, 2 × 6 mit Nachlaufachse, e) MAN 26-403, 4 × 6, f) Mercedes-Benz 2631 mit 6 × 6 Antrieb, Durchtrieb zur zweiten Hinterachse, g) Milit¨ arfahrzeug DAF YA-328 mit 6 × 6 Konzept und direkt angetriebener zweiter Achse, h) Sonderfahrzeug mit Hubfunktion und reinem Vorderachsantrieb, 2 × 4
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
a)
b)
Abb. 2.16. Beispiele f¨ ur vierachsige Lastkraftwagen: a) Muldenkipper MercedesBenz 4146 mit 8 × 8 Antriebstrang, b) Schwerlastzugmaschine Actros 4160 S “SLT”
dung 2.14 sind – allerdings ohne auf Details einzugehen – in Abbildung 2.15 gezeigt, in Abbildung 7.3 wird der Vergleich der Konzepte im Zusammenhang mit den Anordnungen der Teilgetriebe im Fahrzeug noch vertieft. F¨ ur die Benennung der Antriebskonzepte gilt hier: “Anzahl der angetriebenen R¨ader × Anzahl der vorhandenen R¨ ader”. Die in Abbildung 2.14 dargestellten Antriebskonzeptionen e) und f) mit zwei angetriebenen Hinterachsen und optional angetriebener vorderer Lenkachse finden vor allem bei schweren Nutzfahrzeugen Anwendung. F¨ ur Gel¨ande- und Baustellenbetrieb entworfene Fahrzeuge werden fast immer mit Allradantrieb ausger¨ ustet, da diese h¨ aufig auf schlechten Wegen oder im Gel¨ande mit stark unterschiedlichen Traktionsverh¨ altnissen fahren m¨ ussen. Dabei befindet sich der Motor u ¨ber den vorderen Lenkachsen, der Antrieb der Achsen erfolgt u ¨ber Verteilergetriebe, dieser Einbau des Motors erm¨oglicht eine g¨ unstige Achslast¨ verteilung. Nicht vertreten in den Ubersichten in Abbildung 2.14 und 2.15 sind moderne Baufahrzeuge und schwere Zugmaschinen8 mit vier Achsen, vgl. Ab¨ bildung 2.16. Die Schwierigkeiten vom Ubergang von einem 6 × 6 auf ein 8 × 8 Konzept konzentrieren sich in der fahrwerktechnisch richtigen Lenkbewegung der zweiten gelenkten und angetriebenen Vorderachse und weniger auf die Integration einer zus¨ atzlichen Antriebswelle und eines weiteren Ausgleichsgetriebes. Das Konzept g) mit der zweiten direkt angetriebenen Hinterachse findet vor allem im milit¨ arischen Bereich Anwendung, da bei Ausfall eines Stranges der andere immer noch f¨ ur hinreichende Zugkraft und Fahrleistungen zur sofortigen Verf¨ ugung steht; eine aufw¨andige Reparatur kann etwas verschoben werden9 . 8
9
Der Actros 4160 S 4 × 8 “SLT” von Mercedes-Benz kann bis zu 250 Tonnen Gesamtzuggewicht bewegen, die Bezeichnung “SLT” steht f¨ ur SchwerlastTransporter. Es handelt sich dabei um eine vierachsige Spezial-Zugmaschine zur Bef¨ orderung gr¨ oßter Lasten mit bis zu 448 kW Antriebsleistung. Das Gruppengetriebe ist mit serienm¨ aßiger Wandlerschaltkupplung vor dem mechanischen 16stufigen Getriebe und einem Retarder nebst separater K¨ uhlanlage f¨ ur Wandler und Dauerbremse ausgestattet. Das “vierte” Rad in Abbildung 2.15.g ist ein Reserverad.
2.4 Nutzfahrzeuge und Busse
a)
27
b)
Abb. 2.17. Antriebskonzepte f¨ ur Busse: a) Quermotor hinter Achse, Getriebe l¨ angs; b) L¨ angsmotor hinter Achse, Getriebe l¨ angs (Nach Lechner & Naunheimer [1994])
a)
b)
Abb. 2.18. Beispiele f¨ ur moderne Bustypen: Niederflurbus in Gelenkbauweise Mercedes-Benz “CapaCity” (Studie) und b) Reisebus Mercedes-Benz Tourismo “Edition 10 000”
2.4.2 Busse Bei modernen Bussen findet man nur noch den l¨angs oder quer eingebauten Heckmotor, vgl. Abbildung 2.17; andere Konzepte mit fahrzeugmittig eingebautem Motor oder mit hinten quer platziertem Motor-Getriebe-Verband mit Umlenkung durch ein Antriebswellensystem haben sich als nachteilig erwiesen und sind nur noch von untergeordneter Bedeutung. Die Anordnung des Motors im Heck erm¨ oglicht bei modernen Bussen einen leichteren Wartungszugriff; zudem ist so auch mehr Platz f¨ ur Staur¨aume vorhanden und die Busse k¨ onnen niedriger gebaut werden; bei den so genannten Niederflurbussen wird z.B. das Einsteigen erleichtert und generell eine passagierfreundlichere Gestaltung des Fahrgastraumes erlaubt. Beim Gelenkniederflurbus nach Abbildung 2.18.a f¨ allt die niedrige Einstiegskante auf; diese kann noch durch ein einseitiges Absenken des Busses weiter verkleinert werden. Die Ger¨ausch¨ ubertragung in den Fahrgastraum l¨asst sich bei Anordnung von Motor und Getriebe im Fahrzeugheck durch Kapselung und Abkopplung erheblich minimieren. Viele Busse f¨ ur den Mittel- und Langstreckenverkehr werden entsprechend der Variante b) nach Abbildung 2.17 gebaut, da hier die Wartung von Motor und Getriebe am einfachsten ist. Die H¨ohe des Einstieges spielt bei diesen Reisebussen hingegen keine so große Rolle, stattdessen lassen sich aber große Staur¨ aume realisieren. Das Triebstrangkonzept mit einem l¨angs eingebauten Motor, das in Abbildung 2.18.b gezeigt ist, hat derzeit die gr¨oßte Marktdurchdringung, selbst Komponentens¨atze f¨ ur Sonderkonstruktionen sind in dieser Anordnung auf dem Markt verf¨ ugbar, vgl. Abbildung 2.19. Der quer eingebaute Motor nach Abbildung 2.17.a ist praktisch nur bei kleinen
28
2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.19. Chassis f¨ ur Sonderkonstruktionen von Bussen von Mercedes-Benz
Bussen von Bedeutung, bei denen der Vorteil durch den k¨ urzeren Triebstrang ¨ h¨oher bewertet wird als die Uberwindung der technischen Schwierigkeiten durch die Momentenumlenkung an der Schnittstelle zwischen Motor und Getriebe. Anmerkung 2.2 Da bei Nutzfahrzeugen h¨ ohere Leistungen und Momente u ur Berechnun¨bertragen werden als bei PKW, sind andere Auslegungsdaten f¨ gen zu Grunde zu legen. Geh¨ ause, Wellen und Zahnr¨ader m¨ ussen dementsprechend gr¨oßer ausgelegt werden, woraus auch die gr¨oßeren Abmaße resultieren. Es muss die Art der Anwendungen st¨ arker als beim PKW ber¨ ucksichtigt werden, vgl. Tabelle 3.5: Fahrzeuge f¨ ur die Stadtreinigung brauchen z.B. eine andere Auslegung des ersten Ganges als Fahrzeuge f¨ ur den Fernverkehr oder f¨ ur den Schwertransport, da diese u ¨berwiegend im “Stopp and Go”-Betrieb ¨ in den unteren G¨ angen betrieben werden. Ahnliches gilt f¨ ur Kleintransporter, ¨ die im Kurierdienst h¨ aufig im Stadtverkehr oder im Uberlandverkehr eingesetzt werden, auch hier wieder mit stark unterschiedlichen Gangnutzungsprofilen. Hinzu kommt das bereits angesprochene Mehrgewicht der leichten Nutzfahrzeuge, was die Nutzung von PKW-Getrieben f¨ ur diese Fahrzeugklasse erschwert durch h¨ ohere dynamische Lastmomente und eine notwendigerweise gr¨oßere Achs¨ ubersetzung. 2
2.5 Automatisierungsgrade von Fahrzeuggetrieben Im Folgenden wird der Automatisierungsgrad eines Fahrzeuggetriebes abstrakt beschrieben und klassifiziert. Diese Klassifikation bereitet sowohl auf die sich anschließende Analyse exemplarischer Nutzfahrzeuggetriebe vor als auch die der teil- und vollautomatisierten Getriebe in Abschnitt 2.7. Die eigentliche Analyse der Getriebe und ihrer Komponenten nimmt den Rest dieses sowie der ganzen Kapitel 4 und 5 ein, daher ist dieser Abschnitt vergleichsweise kurz.
2.5 Automatisierungsgrade von Fahrzeuggetrieben
29
Tabelle 2.1 verdeutlicht die verschiedenen Grade der Automatisierung von Fahrzeuggetrieben: demnach sind die in Abschnitt 2.6 besprochenen Handschaltgetriebe dem Automatisierungsgrad 0 zuzuordnen, da Gangwahl und Kupplung – beim Anfahren und beim Gangwechsel – manuell bet¨atigt werden. Sowohl die im folgenden Abschnitt 2.7 besprochenen teilautomatisierten Getriebe als auch die Doppelkupplungs-, Stufenautomatik- und Stufenlosgetriebe sind durch den Wegfall des Kupplungspedals f¨ ur PKW per definitionem den Automatisierungsgraden 2 oder 4 zuzuordnen. Der Grad 2 wird genutzt bei manueller Gangwahl, z.B. durch eine Tiptronic-Funktion und Grad 4 bei vollautomatischer Fahrweise. Die in Abschnitt 2.7.4 besprochenen stufenlosen Getriebe realisieren dabei im Stufenlosbetrieb unendlich viele m¨ogliche ¨ Gangstufen durch die kontinuierliche Verstellbarkeit der Ubersetzung; h¨aufig bieten diese auch einen “simulierten” Stufenbetrieb, der wieder einen Betrieb mit Automatisierungsgrad 2 erm¨ oglicht. Anmerkung 2.3 Die in Tabelle 2.1 wiedergegebenen Automatisierungsgrade stellen keinen Auszug aus beispielsweise einer Norm dar, sondern geben ¨ einen Uberblick u ¨ber die in der Praxis benutzten Abstufungen. Es sind auch ¨ Uberlappungen – gerade bei Nutzfahrzeugen – von Automatisierungsgraden denkbar und in der praktischen Anwendung; die Automatisierungsgrade 1 und 3 treten praktisch nur bei Nutzfahrzeugen auf. 2 2.5.1 Teilautomatisierte PKW- und NKW-Schaltgetriebe Bei den Automatisierungsgraden 1 bis 3 spricht man von einem teilautomatisierten Getriebe, wobei sich in Tabelle 2.1 der Begriff “teilautomatisiert” auf die Bedienvorg¨ ange “Kuppeln”, “Anfahren” und “Gang wechseln” bezieht. Einer dieser Vorg¨ ange ist bei diesen Getrieben automatisiert; die in Abschnitt 2.7.1 besprochene Easytronic stellt also nach dieser Klassifikation Tabelle 2.1. Automatisierungsgrade von Fahrzeuggetrieben Automatisie- Kennzeichen rungsgrad Anfahrvorgang 0 Fußbet¨ atigte Anfahrkupplung 1 Fußbet¨ atigte Anfahrkupplung 2 Automatisierte Anfahrkupplung 3 Automatisierte Anfahrkupplung 4
Kennzeichen Schaltkupplung Fußbet¨ atigtes Kuppeln Automatisiertes Kuppeln Automatisiertes Kuppeln Gangwechsel eingeleitet durch fußbet¨ atigtes Kuppeln Automatisierte Automatisiertes Anfahrkupplung Kuppeln
Kennzeichen Gangwahl Manuelles Bet¨ atigen des Schaltgetriebes Manuelles Bet¨ atigen des Schaltgetriebes Manuelle Ausl¨ osung des Schaltvorgangs Manuelle Gangvorwahl durch Tipptaster Automatisierte Gangwahl
30
2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
ein vollautomatisiertes Getriebe dar, da Anfahren und Gangwechsel automatisiert ablaufen. Neuere Getriebesteuerungen im PKW-Bereich bieten dem Fahrer zunehmend die M¨ oglichkeit, seinen Wunsch nach einem Gangwechsel u ¨ber verschiedene Bedienelemente direkt umzusetzen; durch den Wegfall der Kupplungsbet¨atigung f¨ ur den Fahrer ist ein Fahren mit Automatisierungsgrad 2 also eine reine Aufgabe der Getriebesteuerung und betrifft nicht die leistungs¨ ubertragenden Komponenten. Stellvertretend f¨ ur die teilautomatisierten NKW-Schaltgetriebe wird ein Getriebe in Abschnitt 7.1.3 analysiert, das zwischen den Stufen 2 und 3 anzusiedeln ist. 2.5.2 Vollautomatische Schaltgetriebe Bei vollautomatisierten Getrieben mit Automatisierungsgrad 4 sind die Bedienvorg¨ange “Kuppeln” und “Anfahren” sowie der Gangwechsel automatisiert. Dabei werden allgemein vier Bauarten unterschieden: Automatisierte Schaltgetriebe (ASG) Diese Getriebe bieten den Vorteil, auf herk¨ ommlichen Schaltgetrieben aufzubauen. Bei PKW und Nutzfahrzeugen wird meist eine automatisierte Anfahrkupplung und ein Schaltaktuator integriert, vgl. Abschnitt 2.7.1, bei den Nutzfahrzeugen wird bei Sonderanwendungen dem Gruppengetriebe ein hydrodynamischer Wandler vorgeschaltet, um bis zu 16 automatisch geschaltete Fahrstufen mit akzeptablem baulichen Aufwand realisieren zu k¨onnen. Die Gangwahl erfolgt f¨ ur PKW und NKW u ¨ber eine Steuerung, die die Funktion des Schalthebels u ¨bernimmt. Durch die Nutzung pneumatischer, hydraulischer oder elektrischer Komponenten zur Schaltungsunterst¨ utzung von NKW-Getrieben auch mit Automatisierungsgrad 0 ist der konstruktive Aufwand f¨ ur die Automatisierung der Schaltstufen bei Nutzfahrzeugen vergleichsweise klein. Doppelkupplungsgetriebe Diese Bauart10 hat in den letzten Jahren in den PKW-Bereich Einzug gehalten; die lastschaltbaren Doppelkupplungsgetriebe sind in ihrem Aufbau eher mit den manuell bet¨atigten Schaltgetrieben als mit den konventionellen Stufenautomaten vergleichbar und sind aus zwei alternierend nutzbaren drei- oder vierg¨angigen Teilgetrieben aufgebaut. Die thermisch Beanspruchung des Kupplungssystem ist ¨ durch die Uberblendung beim Fahrstufenwechsel vergleichsweise hoch, im Nutzfahrzeugbereich erf¨ ullt die Technologie die Standzeitanforderungen noch nicht. Konventionelle Automatikgetriebe Sie bestehen aus einem hydrodynamischen Wandler mit einem nachgeschalteten Getriebe in Planetenbauart. 10
Eine deutliche Unterscheidung zwischen Doppel- und Zweischeibenkupplung ist allerdings notwendig: Erstere steuert streng genommen zwei unabh¨ angige Schaltgetriebe an, w¨ ahrend letztere einfach dem Aufbau eines h¨ oheren u ¨bertragbaren Moments dient, vgl. Abbildung 4.13.
2.6 Manuelle Schaltgetriebe
31
Diese Bauart erm¨ oglicht ebenfalls ein Schalten ohne Zugkraftunterbrechung, was eine merkliche Komfortsteigerung f¨ ur den Fahrer zur Folge hat. Es sind Ausf¨ uhrungen mit bis zu 7 G¨angen aktuell in Produktion. Ein konventionelles Automatikgetriebe f¨ ur PKW und ein Nutzfahrzeuggetriebe werden in Abschnitt 2.7.3 vorgestellt, die Planetenstufen beider Getriebe werden in den Abschnitten 5.4 und 5.6 analysiert. Stufenlosgetriebe Zwei Beispiele von Stufenlosgetrieben werden in Abschnitt 2.7.4 qualitativ besprochen, die Komponenten werden in Abschnitt 5.7 eingehender diskutiert. Mechanische Stufenlosgetriebe stehen bei Nutzfahrzeugen derzeit noch nicht zur Verf¨ ugung, da diese die n¨otige Drehmomentkapazit¨ at nicht aufweisen. Anwendung in der Praxis finden hier nur stufenlose hydrostatische Getriebe in Kombination mit Zahnradgetrieben. Rein hydrostatische Getriebe finden aufgrund ihres schlechten Wirkungsgrades nur f¨ ur Nebenabtriebe im Nutzfahrzeugbereich oder bei reinen Sonderl¨ osungen Anwendung. Die hier gew¨ahlte Reihung der automatisiert schaltenden Getriebekonzepte ist durch deren Verwandtschaft zu den rein manuell schaltbaren Konzepten gepr¨agt. Automatisierte Vorgelegegetriebe und Doppelkupplungsgetriebe weisen noch eine Vielzahl gemeinsamer Komponenten mit den konventionellen Schaltgetrieben auf. Die Stufenautomatik nutzt bereits andere Komponenten f¨ ur Anfahrelement und mechanische Gangstufungen; die Stufenlosgetriebe schließlich arbeiten nach einen v¨ ollig anderen Leistungs¨ ubertragungsprinzip, vgl. Tabelle 1.1. Die gleiche Reihung wird auch in Abschnitt 2.7 sowie in Kapitel 5 genutzt, wenn zum einen qualitative Merkmale und zum anderen einzelne Komponenten und quantitative Merkmale dieser Getriebe besprochen werden.
2.6 Manuelle Schaltgetriebe Im Folgenden werden exemplarische Vertreter von drei verschiedenen Antriebstrangkonzepten f¨ ur PKW qualitativ vorgestellt. F¨ ur den europ¨aischen PKW-Markt wird mit diesen drei manuell geschalteten Getriebetypen ein Marktvolumen von sch¨ atzungsweise 70% der Kompakt- und Mittelklasse abgedeckt. In der oberen Mittelklasse wird mit den typischen Vertretern wie dem Audi A4 und A6, dem Passat von Volkswagen, den Baureihen der Cund teilweise der E-Klasse von DaimlerChrysler und der Dreier- und F¨ unfer Reihe von BMW ein Marktanteil von etwa 50% durch die manuellen Schaltgetriebe erfasst. Ferner werden Merkmale der beiden Sportwagengetriebe der Porsche Fahrzeuge 928 und 956, vgl. Abbildung 2.5 und 2.13, besprochen. Abschließend wird der prinzipielle Aufbau eines manuell geschalteten Gruppengetriebes f¨ ur Nutzfahrzeuge diskutiert. Insgesamt zeichnen sich die im Folgenden vorgestellten manuellen Schaltgetriebe f¨ ur alle Antriebsarten dadurch aus, dass sie mehr oder weniger die gleichen Komponenten nutzen, die in Kapitel 4 eingehend besprochen werden.
32
2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.20. F¨ unfganggetriebe F13 von GM Powertrain Europe f¨ ur den Frontquereinbau mit einer Nennkapazit¨ at von 130 Nm
In diesem Abschnitt werden Merkmale bestimmter Baugruppen an vier beispielhaft ausgew¨ ahlten Getrieben qualitativ beschrieben und – wenn m¨oglich – miteinander verglichen. 2.6.1 Getriebe f¨ ur den Frontquereinbau Als Vertreter dieses Antriebstrangkonzepts, das heute sch¨atzungsweise 60% der neu entwickelten Fahrzeuge und u ¨ber 90% der Kompaktklasse nutzen, werden zwei beispielhafte Getriebe f¨ ur den Frontquereinbau von Motor und Getriebe mit Anordnung des Getriebes in Fahrtrichtung links vor dem Fahrer – Konzept d) nach Abbildung 2.1 – besprochen. Wichtige Merkmale dieser
2.6 Manuelle Schaltgetriebe
33
beiden Getriebe, auf die vor allem in Kapitel 4 eingegangen wird, sind im direkten Vergleich in Tabelle 2.2 zusammengetragen. Anmerkung 2.4 Die Anordnung des Getriebes vor dem Fahrer ist insofern problematisch, als dass das Getriebe bei Frontalcrashs mit versetzten Fahrzeugen als quasi starrer K¨ orper sehr weit in den Fußraum des Fahrers eindringen kann. Diese Eindringung erfordert unter Umst¨anden zus¨atzliche Maßnahmen, um das Getriebe u ¨ber die Triebwerkslagerung hinaus im Crashfall am Vorderrahmen abzust¨ utzen. So wird die Eindringung in den Fahrgastraum und damit die Gef¨ahrdung des Knie- und Beinbereichs des Fahrers reduziert. 2 Wie schon erw¨ahnt, weisen alle derzeit produzierten Fahrzeuge von GME das Frontquerkonzept auf. Ein Vergleich der kleinsten Getriebefamilie F1311 in Abbildung 2.20 mit der gr¨ oßten F4012 in Abbildung 2.21 ergibt Hauptmerkmale dieses Konzepts und Einzelmerkmale der beiden Getriebe. Zus¨atzlich zu dem in Abbildung 2.21 gezeigten abknickenden Schnitt durch die Wellen des F40 sei auf die Ansicht in Abbildung 2.22 hingewiesen, in der man die r¨aumliche Anordnung der Wellen, der Schaltbet¨atigung und die Konzeption des R¨ uckw¨artsgangs erkennen kann. W¨ ahrend das F13 f¨ unf schr¨agverzahnte Vorw¨arts- und einen geradverzahnten, nicht synchronisierten R¨ uckw¨artsgang in Zwei-Wellen-Bauweise mit Fest-Los-Lagerung und Kegelrollenlagerung in X-Anordnung13 der Achsantriebs- oder Differentialwelle besitzt, weist das F40 mit 6 G¨angen eine Drei-Wellen-Architektur mit durchg¨angiger Kegelrollenlagerung auf. Durch die Anordnung des R¨ uckw¨artsganges “hinter” dem ersten Gang – d.h. das Schaltrad des ersten Ganges u ¨bernimmt die Funktion der Drehzahlumkehr im R¨ uckw¨ artsgang – ist hier auch der R¨ uckw¨artsgang schr¨agverzahnt und synchronisiert. Funktion und Auslegung der Synchronisation und die Lagerungskomponenten und -konzepte werden in den Abschnitten 4.4 und 6.4.4 eingehend besprochen. Beide Getriebe besitzen Aluminium-Druckgussgeh¨ause. Beim F13 sind die Festlager in einem Lagerschild untergebracht, der mit einer zwischengelegten Feststoffdichtung mit dem Getriebegeh¨ ause verschraubt ist. Im Bereich des (nachtr¨aglich implementierten) f¨ unften Ganges ist ein Sandwich-Blechdeckel um die Synchroneinheit herumgezogen. Das zweiteilige Geh¨ause beim F40 wird mit einer Silikondichtung gedichtet, Deckel m¨ ussen keine verwendet werden, da die Einstellung der axialen Vorspannung der Kegelrollenlager allein durch Beilegscheiben erreicht werden kann. Die Synchronisationen liegen alle auf den Hauptwellen; die Bet¨ atigung erfolgt bei allen Anwendungen mit Kabelschaltung, beim F13 kommen Kabel- und Stangenschaltung zum Einsatz. Beiden Getrieben gemeinsam ist ferner die Eigenschaft, dass durch die “gekippte” Einbaulage des Getriebes ein “Hintenliegen” des Differentials entspre11 12 13
F f¨ ur Front-Wheel-Drive und 13 f¨ ur 13 × 10 Nm = 130 Nm Momentenkapazit¨ at. Entsprechend 400 Nm Eingangsdrehmoment Nennkapazit¨ at. Betreffend die Lageranordnungen sei auf Abschnitt 6.4.4, insbesondere Abbildung 6.57 verwiesen.
34
2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Tabelle 2.2. Vergleich der Getriebefamilien F13 und F40 von GM Powertrain Europe Wellen
R¨ ader
5-Gang F13 2 Wellen, Eingangswelle mit aufgeschnittenen Treibern f¨ ur 1. bis 4. Gang. Stecktreiber 5. Gang erm¨ oglicht einfache Spargangumsetzung. Teilweise hohlgebohrte Hauptwelle f¨ ur verschiedene Rads¨ atze verwendbar. Teilweise verfestigungsgestrahlt, Kupplungsverzahnungen 1-4 angeschmiedet, beim 5. Gang gesteckt und geschweißt.
6-Gang F40 3 Wellen, zwei Hauptwellen greifen mit den Treibern des Achsantriebes in das gemeinsame Ringrad. Treiber 1. und 2. Gang sowie Achsantrieb aufgeschnitten, restliche Treiber gesteckt.
Teils gestrahlt, alle Kupplungsk¨ orper geschweißt. Beim getriebenen Rad vom 1. Gang massiver Bund zwischen Rollenlagern als Anlauffl¨ ache. R-Gang Geradverzahntes Schieberad zur Drehrichtungsumkehr u ¨ber das geDrehrichtungsumkehr greift in die triebene Rad 1. Gang, schr¨ agverVerzahnung ein, die auf die Schie- zahnt. Dadurch im Betrieb sehr hobemuffe vom 1./2. Gang aufgehe, nicht kompensierte Axialkr¨ afte schnitten ist. Nicht synchronisiert. an den Hauptwellenlagern. Synchronisiert. Lager Beide Wellen fest-los gelagert, Alle drei Wellen und Differential Differential in Kegelrollenlagern, mit vorgespannten KegelrollenlaX-Anordnung. Alle Laufr¨ ader gern, dadurch bei Erw¨ armung Vorauf Nadellagern gelagert. spannungsverlust. Laufr¨ ader 2-6 u. R nadelgelagert, 1 wegen hoher Belastung mit Rollenlagerung. Synchro- F¨ ur 1. und 2. Gang Dreikonussyn- F¨ ur 1./2. und R Gang Dreikonusnisation chronisierung, 2.-5. Einkonus. synchrosation, 2.-6. Einkonus. Schaltung Stangenschaltung, Rastierelemen- Seilzugschaltung mit speziellen te zur Schaltkraftmodulation im Elastomer-Koppelendst¨ ucken, Schaltungsdeckel, D¨ ampfer- und Schalt- und W¨ ahlseil. RastierunTilgerkonzepte in der Stangengen im Schaltungsdeckel und konstruktion. auf den Schaltstangen. Differen- Einteiliges Differentialgeh¨ ause, Zweiteiliges Geh¨ ause. Vier Austial Signalgeber, zwei Ausgleichskegel- gleichskegelr¨ ader auf sternf¨ ormir¨ ader auf starrer Achse. Kunstger Achse. Einzelne Anlaufscheiben stoff-Anlaufscheibenverbund. aus beschichtetem Stahl. Geh¨ ause Aluminiumgeh¨ ause mit massivem Zweiteiliges Aluminium-DruckgussLagerschild. Feststoffdichtungen geh¨ ause. Silikondichtung. Durch zwischen Schild und Geh¨ ause unterschiedliche W¨ armeausdehnung sowie zum Sandwichdeckel. Difdes Geh¨ auses verst¨ arkter Verlust ferentialdeckel wirkt versteifend. an Vorspannung. ¨ Be¨ olung Olleitbleche zur Einleitung von Schleuder¨ ol in die Hauptwellen zur ¨ Olversorgung der Synchronisationen und Losradlager.
2.6 Manuelle Schaltgetriebe
35
Abb. 2.21. Sechsganggetriebe F40 in Drei-Wellen-Bauweise von GM Powertrain Europe f¨ ur den Frontquereinbau mit einer Kapazit¨ at von 400 Nm im abknickenden Schnitt durch die Wellen
chend Abbildung 2.1.d erreicht wird. Beide Getriebe nutzen schr¨agverzahnte Stirnr¨ader f¨ ur den Achsantrieb; beim F13 greift nur die Vorgelegewelle in das Differential-Ringrad ein, w¨ ahrend beim F40 beide Zwischenwellen mit dem Ringrad k¨ammen, vgl. auch Abbildung 2.22.
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.22. Dreidimensionale Ansicht des F40 mit Darstellung der Wellen sowie der inneren Schaltbet¨ atigung
Weiterhin ist als wichtiges Merkmal beim F40 festzustellen, dass beim treibenden Rad des 3. und 5. Ganges eine Doppelverwendung zur Baul¨angenreduktion realisiert wurde, um bei verschiedenen Achsabst¨anden zwei unterschiedliche ¨ Ubersetzungen mit nur einem Ritzel realisieren zu k¨onnen. Ebenso wird das Schaltrad des ersten Ganges auch f¨ ur den R¨ uckw¨artsgang verwendet. Die beiden Maßnahmen f¨ uhren dazu, dass das F40 im Vergleich mit anderen Produkten dieses Marktsegments eine verh¨ altnism¨ aßig geringe Baul¨ange aufweist. Als Hauptmerkmale der Getriebefamilien ergeben sich folgende Charakteristika, die f¨ ur nahezu alle Fahrzeuge mit frontquer eingebautem Motor gelten: • Drehrichtungsgleichheit14 von Eingangs- und Achswellen, erreicht durch jeweils zwei eingreifende Stirnradstufen15 . • Beschr¨ankung auf gerade- und schr¨ agverzahnte Stirnr¨ader. 14
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Historisch drehen alle Verbrennungsmotoren gegen den Uhrzeigersinn, wenn man normal auf den Kurbelwellenflansch schaut. So wurde erreicht, dass man bei den ersten Fahrzeugen mit frontl¨ angs eingebautem Motor im Uhrzeigersinn von vorne im Sinne einer Rechtsschraube den Motor ankurbeln konnte. Man beachte, dass diese Eigenschaft beim Getriebe f¨ ur den Peugeot 205, vgl. Abbildung 2.2, mit ein Grund daf¨ ur gewesen sein kann, hinter der Kupplung
2.6 Manuelle Schaltgetriebe
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• Durch Anordnung des Getriebes in Fahrtrichtung links ungleich lange Antriebswellen. • Starke Beschr¨ankung des zur Verf¨ ugung stehenden Bauraums durch den Vorderrahmen und (dynamische) Radh¨ ullkurven16 . • Vor allem bei vierzylindrigen Motoren Gefahr der Einleitung von Motorkr¨aften in schwingungsf¨ ahige Systeme des Getriebes, z.B. Anregungen von Schwingungen des Schaltgewichts infolge nicht ausgeglichener Massenkr¨afte zweiter Ordnung, insbesondere bei Dieselmotoren. 2.6.2 Getriebekonzepte f¨ ur frontgetriebene Fahrzeuge mit l¨ angs eingebautem Motor Als Vertreter dieses Getriebekonzepts lassen sich die Audi Baureihen B (A4) und C (A6) anf¨ uhren, die in der einfachen frontangetriebenen Version von einem l¨angs eingebauten Motor angetrieben werden. Der Passat von Volkswagen hatte, um Gleichteile mit dem A4 und A6 nutzen zu k¨onnen, von 1996 bis 2005 das gleiche Antriebskonzept; mit der aktuellen Baureihe werden nun wieder Komponenten mit den Fahrzeugen der Golf- und A3-Familie – wie etwa das Direktschaltgetriebe, das in Abschnitt 2.7.2 besprochen wird – geteilt. Einen Schnitt in der Wellenebene eines A6-Getriebes zeigt Abbildung 2.23: Zu erkennen ist, dass im Gegensatz zu den in Abschnitt 2.6.1 besprochenen Getriebetypen zum einen – system- bzw. konzeptbedingt – der Achsantrieb u ¨ber eine Hypoidverzahnung im rechten Winkel zur Eingangswelle erfolgt. Die Lagerung des Differentials ist in dem Schnitt nicht zu sehen. Zum anderen sind, auch wieder um Baul¨ ange zu sparen, die Synchronisationen f¨ ur den 3. und 4. Gang auf der Eingangswelle platziert; die beiden nadelgelagerten Losr¨ader, der Synchronk¨orper der Synchronisation 3/4 und das treibende Rad des 5. Ganges sind axial u ¨ber einen Sprengring gesichert. Die Eingangswelle ist statisch unbestimmt fest-los-los gelagert, um die Durchbiegungen bei Betrieb in den beiden kleinen G¨angen zu reduzieren. Die Lagerung der Hauptwelle wird mit Kegelrollenlagern realisiert; zur Kompensation der unterschiedlichen W¨ armedehnungen von Stahlwelle und Aluminiumgeh¨ause werden an der hintenliegenden Lagerung Gummischeiben eingesetzt. Weiterhin ist deutlich, dass – anders als beim F40 von GM Powertrain Europe, vgl. Abbildung 2.21 – eine besonders breite Nadellagerung f¨ ur den ersten Gang gew¨ahlt wurde. Der synchronisierte R¨ uckw¨artsgang nutzt mit dem 5. Gang einen gemeinsamen Synchronk¨ orper; das Konzept f¨ ur die Drehrichtungsumkehr ist aus Abbildung 2.23 nicht zu erkennen. Das zweiteilige Geh¨ause ist
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vor der eigentlich treibenden Getriebewelle zwei Stirnradstufen zu platzieren, um Drehrichtungsprobleme zu vermeiden. Die (dynamischen) Radh¨ ullkurven ber¨ ucksichtigen als Extremfall h¨ aufig den gr¨ oßten zugelassenen Reifen mit Schneeketten bei maximal dann zul¨ assiger Geschwindigkeit von 50 km/h.
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.23. Manuelles 5-Gang-Schaltgetriebe f¨ ur die Audi B- und C-Plattform mit l¨ angs eingebautem Motor und Frontantrieb (Aus Looman [1988])
– aufgrund der 90◦ -Anordnung von Eingangs-/Hauptwelle und Differential – aufw¨andiger zu bearbeiten, um eine hohe axiale Positioniergenauigkeit von Differentialrad und Ritzel zueinander zu erreichen. Das Be¨olungskonzept verzichtet auf eine Bohrung in der unten liegenden ¨ Hauptwelle zur Olversorgung der Synchronisationen. Zur Be¨olung der oben angeordneten Nadelh¨ ulsen und der Synchronisation 3/4 ist u ¨ber dem Los¨ rad des R¨ uckw¨artsgangs ein Olkollektor platziert, der Spritz¨ol auff¨angt und u ¨ber eine Bohrung in die Eingangswelle einbringt; nicht zu erkennen ist außerdem die Ausf¨ uhrung der innenliegenden Schaltung. Weiterhin ist in Abbildung 2.23 im Differentialschnitt zu sehen, dass zwei Ausf¨ uhrungen dieses F¨ unfganggetriebes17 aus den 80er Jahren mit unterschiedlichen Durchmessern von Differential-Kegelrad- und -Geh¨ ause in Produktion waren. Die kleine Version hatte bei einem Tellerraddurchmesser von 174 mm und einem Differentialkugelinnendurchmesser von 80 mm eine Kapazit¨at von 175 Nm Eingangsmoment, die gr¨oßere brachte es bei Durchmessern von 184 bzw. 90 mm nach Looman [1988] auf 240 Nm; beide Varianten nutzten jedoch das gleiche Getriebegeh¨ause, wie in Abbildung 2.23 erkennbar ist. Ein Nachteil dieses Triebstrangkonzepts ist, dass – um einen kurzen Front¨ uberhang des Fahrzeuges zu erreichen – erhebliche Beugewinkel der Antriebswellen in Kauf genommen werden m¨ ussen. Abhilfe kann ein Verlegen des Differentials in Fahrtrichtung vor die Kupplung bringen, was neue Probleme birgt, da man ohne ein neues Ausgleichskonzept entweder – um mit der Hauptwelle mit dem 17
Die aktuellen Nachfolger in Sechsgangausf¨ uhrung sind sehr ¨ ahnlich aufgebaut.
2.6 Manuelle Schaltgetriebe
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abschließenden Hypoidritzel an der Kupplung vorbeizukommen – auf gr¨oßere Achsabst¨ande, d.h. wesentlich mehr Bauraum, oder aber auf zus¨atzliche Zwischenradstufen gehen muss. Die in Zukunft steigenden Anforderungen an den Fußg¨angerschutz und damit verbunden an den Front¨ ubergang und den k¨ uhlernahen Bauraum werden hier neue Ans¨ atze erzwingen: Bei Beibehaltung des Antriebstrangkonzepts muss der Motor etwas nach hinten gezogen werden, ohne den Achsantrieb weiter infolge zu hoher Achsbeugewinkel zu kompromittieren. Ein Vergleich des Schaltgetriebes f¨ ur den Frontantrieb nach Abbildung 2.23 mit der Allradvariante nach Abbildung 2.7 schließt die Diskussion dieses Getriebetyps ab. F¨ ur die Allradvariante wird, wie schon erw¨ahnt, die Hauptwelle als Hohlwelle ausgef¨ uhrt, um bei regelndem Torsen-Differential eine Relativverdrehung zwischen Vorder- und Hinterachse zu erm¨oglichen; man beachte den Mehraufwand bei der Lagerung der Hohlwelle. Die Eingangswelle mit den Treibern und der Synchronisation f¨ ur den 3. und 4. Gang ist bei der Frontantriebs- und der Allradvariante gleich, ebenso das Kupplungsgeh¨ause; bei der Quattro-Variante wird das Torsen-Differential in einem separaten dritten Geh¨auseteil untergebracht. Schaltbet¨ atigung und Synchronpakete der unten liegenden Hauptwelle bleiben ebenfalls gleich. 2.6.3 Getriebe f¨ ur Fahrzeuge mit Heckantrieb Anders als bei den bisher besprochenen Antriebstrang- und Getriebekonzepten liegen bei den Getrieben f¨ ur Fahrzeuge mit frontl¨angs eingebautem Motor und Heckantrieb der An- und Abtrieb des Getriebes koaxial zueinander; der Achsantrieb mit der Achs¨ ubersetzung wird u ¨ber ein separates Hinterachsgetriebe realisiert. Dies bedeutet zun¨ achst eine Reduktion der Variantenanzahl des Getriebes, gleich ob Handschalt- oder Automatikgetriebe, denn der Achs¨ antrieb mit verschiedenen Ubersetzungen f¨ ur die unterschiedlichen Motorisierungen einer Baureihe kann separat variiert werden. Meist kann man so mit einem auf sparsames Fahren optimierten Radsatz und mit einem eher sportlich ausgelegten Radsatz die Anforderungen einer Fahrzeugfamilie abdecken. Wie in Abbildung 2.24 erkennbar, erfordert die Koaxialit¨at von An- und Abtrieb meist die Lagerung der Abtriebswelle in der Antriebswelle; die beiden Rillenkugellager außen sind als Festlager ausgef¨ uhrt und das innen liegende Zylinderrollenlager in der Mitte u ¨bernimmt von der Eingangswelle nur Radialkr¨afte. Um ein radiales Auswandern der Welle in ihrer Lagerung zu vermeiden, werden f¨ ur die beiden Loslager von Ein- und Ausgangswelle radial steife Zylinderrollenlager verwendet. Die Gestaltung der Ausgangswelle folgt einem Biegetr¨ager; die maximale Biegesteifigkeit wird in der N¨ahe der maximalen Biegemomente bei Betrieb im ersten Gang und im R¨ uckw¨artsgang platziert, um die Durchbiegung der Welle zu reduzieren. Die Vorgelegewelle ist bei dem Getriebe in Abbildung 2.24 mit angestellten Zylinderrollenlagern in X-Anordnung gelagert.
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.24. 5-Gang Schaltgetriebe f¨ ur Heckantrieb
Auf der unten liegenden Vorgelegewelle ist nur der Treiber des 5. Ganges als Steckrad ausgef¨ uhrt, alle anderen Treiber und der Hauptwellenantrieb sind aufgeschnitten. Alle Kupplungsk¨ orper an den Losr¨adern sind formschl¨ ussig mit den Radk¨orpern verbunden; durch recht kurze Toleranzketten in der ausgef¨ uhrten Konstruktion ist eine sehr genaue Positionierung der Schaltmuffen relativ zu den Schaltgabeln m¨ oglich. Interessanterweise ist in Abbildung 2.24 keinerlei Maßnahme zur Be¨ olung der obenliegenden Synchronisationen und der Nadelh¨ ulsen erkennbar. Die Funktionsweise des R¨ uckw¨artsganges ist in Abbildung 2.24 nicht zu erkennen. In Abbildung 4.100 ist ein sehr ¨ahnliches Getriebe gezeigt, bei dem das Rad zur Drehrichtungsumkehr nadelgelagert auf eine Achse sitzt; die Radialkr¨ afte werden dort u uck ab¨ber ein Druckst¨ gest¨ utzt, um ein schlechtes Tragbild zu vermeiden. Sch¨on zu erkennen ist in Abbildung 2.24 auch die Ausf¨ uhrung des vierten Ganges als Direktgang; die Vorgelegewelle wird durch Formschluss zwischen Ein- und Ausgangswelle aus dem Leistungsfluss herausgenommen. 2.6.4 Beispiele f¨ ur Sportwagen-Schaltgetriebe Im Folgenden werden einige Besonderheiten der Sport- und Renngetriebe f¨ ur die Porsche Fahrzeuge 928 S4 sowie 956, vgl. Abbildungen 2.5 und 2.13, diskutiert, die bei Betrachtung der Schnittzeichnung schnell ins Auge fallen.
2.6 Manuelle Schaltgetriebe
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Anmerkung 2.5 Bei den Fahrzeugen der Formel 1 und der DTM kommen durchweg automatisierte Getriebe zum Einsatz; Ziel dieses Abschnitts ist also die Darstellung von Grenzbereichen der Anwendung manueller Getriebe. 2 Beim Getriebe f¨ ur den 928 S4, vgl. Abbildung 2.5, bei dem die Eingangswelle eine Ebene mit den Achsantrieben bildet, werden die ersten vier G¨ange u ¨ber eine auf einer Achse gelagerten Hauptwelle betrieben, im f¨ unften Gang wird ¨ i5 = 1 durch Formschluss der Ein- und Ausgangswelle die mit Ubersetzung Hauptwelle u uckt. In dem einteiligen, mit (teilweise massiv in Druck¨berbr¨ guss ausgef¨ uhrten) Deckeln versehenen Geh¨ ause aus Aluminium-Druckguss wird die als Hohlwelle ausgef¨ uhrte Hauptwelle nur radial auf der Achse gelagert; der Hauptwellenzusammenbau wird als Ganzes bei der Montage in das Geh¨ause eingebracht und durch seitliches Einschieben der Achse gefangen. Die wenigen, nicht ausgeglichenen Axialkr¨ afte der Hauptwelle werden u ¨ber Anlaufscheiben an den beiden Seiten aufgenommen. Ferner erkennt man, dass – anders als beim Getriebe in Abbildung 2.24 – durch eine etwas gr¨oßere St¨ utzl¨ange die Lagerungen der Eingangs- und Ausgangswellen ineinander biegesteifer ausgef¨ uhrt sind. Die beiden Kegelrollenlager der Abtriebswelle sitzen in einer steifen Graugussb¨ uchse und bilden so das Festlager der Ausgangswelle, nicht zuletzt auch wieder wegen der prinzipiellen Montierbarkeit bei dem einteiligen Geh¨ausekonzept. Die Lauffl¨ achen der Nadellager der Losr¨ader der ersten vier G¨ange sind als H¨ ulsen ausgef¨ uhrt, die zwischen den Synchronk¨orpern verdrehfest auf der Welle sitzen; alle Teile auf der Ausgangswelle werden durch eine Kronenmutter gesichert. Auch bei diesem Getriebe erkennt man keine ¨ Maßnahmen zur Be¨ olung der Synchronisationen durch einen Olfluss innerhalb der Wellen. Aufschl¨ usse u ¨ber die Art der inneren Schaltbet¨atigung k¨onnen aus Abbildung 2.5 nicht gewonnen werden. Die Drehzahlumkehr beim synchronisierten R¨ uckw¨artsgang wird durch ein Zwischenrad erreicht; beim Differential mit einem einteiligen Geh¨ ause werden vier Ausgleichskegelr¨ader benutzt. Beim Renngetriebe nach Abbildung 2.13 fallen sofort einige Besonderheiten auf, die bei einem Seriengetriebe – insbesondere bei hohen St¨ uckzahlen aus Kostengr¨ unden – kaum vorstellbar sind. Zun¨ achst f¨allt die externe Druck¨olver¨ sorgung zur gezielten Be¨ olung der Synchronpakete durch eine separate Olpumpe auf; eine Maßnahme, die in den Massen-Segmenten der Kompakt- und Mittelklasse derzeit nicht umsetzbar ist. Ferner f¨ allt bei Begutachtung des Differentialschnitts in Abbildung 2.25 auf, dass das Ausgleichsgetriebe auf Kosten eines deutlich h¨oheren Radschlupfs bei Kurvenfahrten durch einen starren Durchtrieb aus Titan ersetzt werden kann. Die Mehrscheiben-Rennkupplung ist ohne Trennen von Motor und Getriebe schnell auf der Rennstrecke wechselbar; f¨ ur normale PKW ist der Kupplungstausch heute i.d.R. mit einem Ausbau von Motor- und Getriebe aus dem Fahrzeug verbunden, fr¨ uher war dieser Tausch jedoch auch bei normalen PKW Standard, vgl. Abbildung 4.19. Weiterhin f¨allt bei genauer Betrachtung von Abbildung 2.13 auf, dass es sich ¨ um eine gezogene Kupplung handelt; das Offnen der Kupplung wird durch eine Ziehbewegung der Bet¨ atigungsmechanik erreicht.
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.25. Schnitt durch das Geh¨ ause des starren Achsantriebs des Porsche 956 Renngetriebes nach Abbildung 2.13 in der Draufsicht (Aus Looman [1988])
Der Einsatz von hochfestem Magnesium war f¨ ur den Porsche 956 als Geh¨ausewerkstoff in den 80er Jahren eine Ausnahme, mittlerweile ist dieser Werkstoff auch in hochwertigen Mittelklassefahrzeugen f¨ ur Getriebegeh¨ause im Einsatz, ebenfalls teils wie beim 956 in Kombination mit hochfesten Titanschrauben. Weiterhin ist in Abbildung 2.13 zu erkennen, dass durch die begrenzten Laufstreckenanforderungen und die niedrigen Laufleistungen in den kleinen G¨angen nur eine Nadelh¨ ulse f¨ ur den ersten Gang eingesetzt wird. F¨ ur die beiden großen G¨ ange ist dies auch bei Standardgetrieben h¨aufig anzutreffen, da hier sowohl die Kr¨ afte auf die Nadellagerung als auch das Drehzahlkollektiv etwas weniger hart ausfallen. F¨ ur den Rennbetrieb, bei dem der erste Gang kaum genutzt wird, ist die Beschr¨ ankung auf nur zwei W¨ahlebenen in den G¨angen 2 bis 5 g¨ unstig; man erkennt, dass die Schaltstange mit der Schaltgabel des 3. und 4. Ganges in einer W¨ alzlagerung sitzt, um u ¨ber weniger Reibung k¨ urzere Schaltzeiten und damit eine Reduktion der Zugkraftunterbrechung, vgl. Abschnitt 9.3, zu erzielen. Je nach Anforderung wird das Getriebe mit Klauenkupplungen oder aber mit Rennsynchronisationen eingesetzt. Die Hebelbet¨atigung der Kupplung erfolgt immer hydraulisch. 2.6.5 Manuell schaltbares Gruppengetriebe 16S109 von ZF f¨ ur Nutzfahrzeuge Das 16-Gang-Gruppengetriebe 16S109 der ZF AG, das in Abbildung 2.26 gezeigt ist, ist f¨ ur ein maximales Getriebeeingangsmoment von 1100 Nm ausgelegt und wird in LKW der oberen Mittelklasse (180 bis 240 kW) verbaut. Getriebe f¨ ur Nutzfahrzeuge, die mehr als sechs G¨ange aufweisen, werden heute in Gruppenbauweise ausgef¨ uhrt, vgl. Abschnitt 7.1.2. Ziel dieser Bauweise ist es, durch die Zusammenstellung von Baugruppen neue vielstufige Getriebe
2.6 Manuelle Schaltgetriebe
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Abb. 2.26. Manuell schaltbares Gruppengetriebe ZF 16S109 mit 16 G¨ angen. 1) Anschluss f¨ ur die Drehwellenfernschaltung, 2) Schaltfinger, 3) Schaltstange, 4) Kur¨ venscheiben, 5) Schaltventil, 6) Schaltzylinder, 7) Olpumpe, KH ) Konstante High, KL ) Konstante Low, Bereichsgruppe: R) Range und D) Direkt
zu erhalten. Eine Gruppe bezeichnet hier ein in sich abgeschlossenes Einzelgetriebe, dessen Systemgrenzen allerdings h¨ aufig fließend sind. Der Vorteil der Modulbauweise liegt in der Kostenersparnis durch die Verwendung vorhandener Komponenten, die bei geringem Neuteileaufwand lediglich neu kombiniert werden m¨ ussen. Generell kann man sagen, dass die Aufgabe, die sich bei Entwicklung (Zusammenstellung) eines Gruppengetriebes stellt, die Verwirklichung m¨ oglichst vieler Gangstufen mit wenig Zahnradpaaren und weitestgehender Verwendung vorhandener Baukastenkomponenten ist. Das 16-Gang-Getriebe 16S109 von ZF hat als Hauptgruppe ein 4-Gang Grundgetriebe mit angeflanschten Split- und Bereichsgruppen, wobei das Splitgetriebe die Vorschalt- und das Bereichsgetriebe die Nachschaltgruppe bildet. Auf ¨ ¨ die Vorteile bez¨ uglich der erzielbaren Ubersetzungen bei geeigneter Ubersetzungswahl der Getriebegruppen wird in Abschnitt 7.1.2 eingegangen. Der erste Gang und der R¨ uckw¨ artsgang liegen beide nahe an den Lagerungen, dadurch wird die Wellendurchbiegung gering gehalten. Danach folgen die Radpaare des zweiten und dritten Ganges. Der vierte Gang ist als Direktgang ausgef¨ uhrt. Durch die als Vorschaltgruppe angeflanschte Splitgruppe wird die zur Verf¨ ugung stehende Gangzahl auf acht erh¨oht, da zwei unterschiedliche Konstantenradpaare vorhanden sind. Die als Nachschaltgruppe angeflanschte
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Bereichsgruppe ist in Planetenbauweise ausgef¨ uhrt und erh¨oht die Gangzahl wiederum auf insgesamt 16 G¨ ange, die Bereichsgruppe wird auch als Rangegruppe bezeichnet, daher die Nomenklatur als “Range”- oder Direkt-Stellung in Abbildung 2.26. Alle Wellen außer dem Abtrieb sind mit Kegelrollenlagern gelagert, dabei st¨ utzt die Eingangswelle die Ausgangswelle ab; die genaue Konstruktion der Lagerung, insbesondere das axiale und radiale Abst¨ utzen der Ausgangswelle, ist in Abbildung 2.26 jedoch nicht erkennbar. Die Zentralwellen der Planetenstufe (Sonne, Hohlrad, Steg) werden untereinander mittels einer Einkonus-Synchronisierung gekoppelt. Diese ist abtriebsseitig neben den Zahnr¨ adern der Planetenstufe angeordnet. Das Planetengetriebe des Bereichsgetriebes wird abtriebsseitig durch ein als Festlager ausgef¨ uhrtes Kugellager und auf der anderen Seite u utzt. Das ¨ber die Sonne gest¨ abtriebsseitige Kugellager muss, da in der Bereichsstufe keine gr¨oßeren axialen Kr¨afte entstehen, nur externe Kr¨ afte im Getriebegeh¨ause abst¨ utzen, die u ¨ber die Gelenkwelle eingeleitet werden. 18 ¨ Die Olpumpe , die sich am antriebsseitigen Wellenende der Vorgelegewelle ¨ und kann bei Bedarf das Getriebe¨ol durch befindet, versorgt die Lager mit Ol ¨ uhler pumpen; das k¨ ¨ erh¨oht die Gr¨ einen separaten Olk¨ uhlere Ol ubchenfestigkeit der Zahnr¨ ader. Das Geh¨ ause ist dreiteilig in Topfbauform ausgef¨ uhrt, Split- und Bereichsgruppe sitzen jeweils in deckelartigen Geh¨auseteilen, die mit der vierstufigen Schaltgruppe verschraubt werden. Die Synchroneinheit der Splitgruppe liegt vor den Verzahnungsstufen, die Synchronisationen der Hauptschaltstufen und des Bereichsgetriebes liegen jeweils ¨ hinter den Ubersetzungen. Schaltventil, Kurvenscheibe und Schaltzylinder – Teile (4) bis (6) in Abbildung 2.26 – bilden die Komponenten der getriebeinternen Schaltung, die Bet¨ atigung erfolgt nach Fahrerwunsch rein pneumatisch, aber ohne Automatisierung des Gangwechsels. Am treibenden Rad der Konstante High19 sind auf beiden Seiten Kupplungsverzahnungen aufgebracht, in die zum einen die Schiebemuffe der Splitgruppe und zum anderen die der Synchronisation vom 3./4. Gang bei Betrieb im Direktgang der Hauptgruppe eingreift. ¨ Uber die Drehwellenfernschaltung (1) wird bei Bet¨atigung des Schalthebels der Schaltfinger (2) bewegt, vgl. Abbildung 2.26; dieser schaltet die Schaltstangen (3), die u ¨ber die Schaltgabel die Schiebemuffe verschieben. Die auf der Drehachse des Schaltfingers zu erkennende Kurvenscheibe (4) bet¨atigt bei einer axialen Verstellung des Schaltfingers (der Wechsel von Gasse 3-4 auf Gasse 5-6) das rechts liegende Schaltventil (5). Dieses schaltet mit dem u ¨ber dem Abtriebsflansch angeordneten Schaltzylinder (6) automatisch die
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Teil (7) in Abbildung 2.26. ¨ Die Konstante High hat eine geringf¨ ugig kleinere Ubersetzung als die Konstante Low, um eine etwas gr¨ oßere Drehzahl zu erreichen.
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe
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Bereichsgruppe; es kann vom vierten direkt in den f¨ unften Gang geschaltet werden20 . Anmerkung 2.6 Wie in Anmerkung 2.2 beschrieben, liegen den NKWGetrieben andere Lastannahmen zur Auslegung zu Grunde. Die Anwendung – ¨ Stadt- oder Uberlandverkehr usw. – spielt eine gr¨oßere Rolle als beim PKWGetriebe. Im Zusammenspiel mit den h¨ oheren Momenten, die u ¨bertragen werden, erkl¨aren sich die gr¨ oßeren Abmessungen. Die bei NKW-Getrieben m¨ogliche Spreizung iG , vgl. (3.21), reicht von 7 bis 18 und hebt sich so deutlich von der geringeren Spreizung der PKW-Getriebe mit iG ≈ 3, . . . , 6 ab. 2
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe In diesem Abschnitt werden die verschiedenen Arten teil- und vollautomatisierter Getriebekonzepte, die in Abschnitt 2.5 bereits abstrakt diskutiert wurden, qualitativ vorgestellt. Merkmale der Komponenten und Grundlegendes zur Architektur der verschiedenen Getriebebauformen werden in Kapitel 5 besprochen. Anmerkung 2.7 Von einem Vergleich der verschiedenen Getriebekonzepte miteinander wird hier abgesehen: Die ver¨ offentlichten Daten, die man zur Erarbeitung verschiedener Gegen¨ uberstellungen von Einzelpunkten nutzen kann, sind stets subjektiv vom Autor gepr¨ agt, der “sein” Getriebekonzept m¨oglichst gut darstellen will. Dar¨ uber hinaus gelten die verf¨ ugbaren Vergleiche jeweils nur f¨ ur ein spezielles Fahrzeug, selten wenigstens f¨ ur eine Klasse. Klar ist jedoch nur, dass das rein manuell bet¨ atigte Getriebe bez¨ uglich Kosten und Gewicht im Vorteil ist und dass Stufenautomaten mit Wandler den derzeit h¨ochsten Fahrkomfort – Ger¨ ausch- und Beschleunigungsempfinden – bieten k¨onnen. Mit Blick auf den Verbrauch l¨ asst sich schon kein einheitliches Bild mehr angeben; wenn man von Komfort im Allgemeinen reden will, ger¨at das Ziel eines objektiven Vergleichs v¨ ollig verloren, vgl. Abschnitt 9.1. 2 2.7.1 Sequentielle, teilautomatisierte Getriebe Das Automatisierungskonzept, welches GM Powertrain Europe mit der Vorstellung der Easytronic verfolgte, ist durch die weitestgehende Nutzung von Gleichteilen zwischen dem herk¨ ommlichen Schaltgetriebe, dessen Schnitt in Abbildung 2.20 gezeigt ist, und der automatisierten Variante getrieben. F¨ ur das Getriebe mit einem Automatisierungsgrad 4 f¨ ur die Kompakt- und untere Mittelklasse musste weder das Getriebe – Geh¨ause, rotierende Teile, Lager 20
Bei einigen Getriebemodellen erfolgt die Umschaltung der Bereichsgruppe nicht automatisch und muss vom Fahrer durch Bet¨ atigung der Kupplung im Leerlauf vorgenommen werden. Die Schaltung der Splitgruppe erfolgt ebenfalls pneumatisch und wird vom Fahrer durch ein Vorsteuerventil am Schalthebel vorgew¨ ahlt.
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.27. Automatisiertes Schaltgetriebe Easytronic
und Synchronisationen – noch das Ausr¨ ucksystem der Kupplung modifiziert werden, sondern lediglich die Bet¨ atigungsmodule – in Abbildung 2.27 markiert – getauscht werden. Der Austausch des Schaltungsdeckels durch einen Schaltaktuator und der Kupplungsbet¨ atigungsstrecke vor dem Nehmerzylinder durch einen Kupplungsaktuator bildet die Basis f¨ ur die Automatisierung. Abbildung 2.28 zeigt schematisch die notwendigerweise zu ¨andernden Komponenten einer fr¨ uhen Entwicklungsstufe, die noch wesentlich gr¨oßere Modifikationen des Grundgetriebes erfordert hat. Bei der Produktionsl¨osung konnte ¨ auf jegliches Andern der drehenden Teile, der Geh¨ause oder der inneren Schaltungskomponenten verzichtet werden, vgl. auch Abschnitt 5.2. Kennzeichnend f¨ ur dieses einfache Konzept ist die Beibehaltung s¨amtlicher Merkmale der manuellen Schaltgetriebe, lediglich die Bet¨atigung erfolgt eben nicht mehr mechanisch, sondern innerhalb eines shift-by-wire Systems rein elektrisch. F¨ ur eine ausreichende Standzeit der Synchroneinheiten ist es notwendig, einen geregelten Schaltaktuator einzusetzen, der in der Lage ist, z.B. eine hohe Schaltkraft zu detektieren. Wird ein solcher Fall erkannt, greift ein Regelalgorithmus ein, der ein f¨ ur die Synchronisation sch¨adliches Weiterschalten verhindert und erst dann weiter zustellt, wenn synchronisiert wurde und das Sperrmoment der Synchronisation zusammengebrochen ist. 2.7.2 Doppelkupplungsgetriebe Doppelkupplungsgetriebe geh¨ oren zur Gruppe der Lastschaltgetriebe; sie greifen die Technologie der Handschaltgetriebe f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung in zwei getrennten, abwechselnd genutzten Teilgetrieben auf. Im Gegensatz zu anderen Lastschaltgetrieben verf¨ ugen Doppelkupplungsgetriebe daher u ¨ber zwei separate Getriebeeingangswellen, die zwei separate Schaltstufen bzw.
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe
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¨ Abb. 2.28. Anderungsumfang einer fr¨ uhen Entwicklungsstufe der Easytronic: Die Komponenten innerhalb der Markierungen w¨ aren entfallen bzw. h¨ atten ge¨ andert werden m¨ ussen.
Abb. 2.29. Darstellung des Doppelkupplungsgetriebes als zwei Einzelgetriebe
zwei separate Teilgetriebe antreiben, vgl. Abbildung 2.29. Von den Getriebeeingangswellen ist jeweils eine im eingelegten Gang durch eine Kupplung reibschl¨ ussig mit dem Schwungrad verbunden. Die G¨ange werden im jeweiligen lastfreien Teilgetriebe vorgew¨ ahlt; der Gangwechsel selbst erfolgt – wie bei herk¨ommlichen Automatikgetrieben – unter Last mittels einer geregelten ¨ Ubergabe des Drehmoments von der ersten auf die zweite Kupplung – K1 auf ¨ K2 oder umgekehrt –, was auch als Uberschneidungsregelung bezeichnet wird.
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.30. Ansicht des Direktschaltgetriebes von Volkswagen in der Allradvariante
Dabei kommt es dann infolge des notwendigen Schlupfes an den Kupplungen zu erheblichen Verlustleistungen, die in Reibungsw¨arme umgesetzt werden. Vorgestellt wird das Direktschaltgetriebe von Volkswagen als Vertreter der frontquer angetriebenen Fahrzeuge sowie ein Getriebe von ZF mit sieben Fahrstufen f¨ ur Fahrzeuge mit Heckantrieb. Vertieft wird die Doppelkupplung als Komponenten dann in Abschnitt 5.3 diskutiert. Das Direktschaltgetriebe von Volkswagen Das in Abbildung 2.30 gezeigte Direktschaltgetriebe von Volkswagen verf¨ ugt u artsg¨ ange und einen R¨ uckw¨ artsgang, die in einem normalen ¨ber sechs Vorw¨ Automatikfahrprogramm, einem Sportfahrprogramm sowie u ¨ber W¨ahlhebelund Lenkradschalter auf Fahrerwunsch geschaltet werden k¨onnen. Mechanischer Teil des Fahrzeuggetriebes, elektronisches und elektrohydraulisches Steuerger¨at bilden eine Einheit und sind in einem Geh¨ause untergebracht; die M¨oglichkeiten zur optionalen Anbindung eines Allradsystems sind in Abbildung 2.30 angedeutet. Ohne auf Details einzugehen, sei darauf hingewiesen, dass das Getriebe u ugt: rollt das ¨ber eine so genannte hill-hold Funktion verf¨ Fahrzeug im Stand bei nur leicht bet¨ atigter Bremse, wird der Kupplungsdruck automatisch erh¨ oht und das Fahrzeug im Stand gehalten. Ferner wurde eine Creep-Regelung implementiert, die ein “Kriechen” des Fahrzeugs zum Beispiel beim Einparken erm¨ oglicht, ohne das Fahrpedal zu bet¨atigen.
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe
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Das Motormoment wird, vgl. Abbildung 2.31, u ¨ber die Kurbelwelle auf ein Zwei-Massen-Feder-D¨ ampfer-System u ur beide Kupplun¨bertragen, welches f¨ gen die Funktion eines konventionellen Zweimassenschwungrades u ¨bernimmt. ¨ Uber eine Steckverzahnung wird das Moment auf die Eingangsnabe eingeleitet, welche eine Einheit mit den beiden ¨ außeren Lamellentr¨agern und den innen und außen liegenden Kupplungen sowie der Hauptnabe bildet. Beim Anfahren wird die ¨ außere Kupplung durch einen Kolben mittels Hydraulikdruck geschlossen und dadurch das Drehmoment des Motors auf den inneren Lamellentr¨ager u ¨bertragen. Von dort gelangt das Moment u ¨ber eine Steckverzahnung zur Antriebswelle 1, vgl. Abbildung 2.31, u ¨ber die Verzahnung des ersten Ganges u ussig geschalteten, leistungsf¨ uhrenden Kom¨ber die formschl¨ ponenten der Synchronisation weiter auf die Abtriebswelle 1 und von dort schließlich zum Differential. Beim Wechsel von der ersten zur zweiten Fahrstufe wird die ¨außere Kupplung ge¨ offnet und die innere zeitgleich geschlossen. Das Moment wird dann vom Außenlamellentr¨ager der innen angeordneten Kupplung auf den Innenlamellentr¨ ager, dann u ¨ber Verzahnung auf die Antriebswelle 2 u ¨bertragen. Von dort geht der Leistungsfluss u ¨ber das Zahnradpaar der zweiten Stufe u ¨ber die Abtriebswelle 2 auf das Differential. Das Getriebe mit der internen Bezeichnung DSG 02E ist bez¨ uglich seines Gewichts mit den konventionellen Stufenautomaten vergleichbar, nach G¨ otte & Pape [2004] weist die Fronttriebsvariante ein Gewicht von 94 kg auf, die Allradversion ist mit 110 kg nur f¨ ur das Schaltgetriebe, vgl. Abbildung 2.30, nicht sehr viel schwerer. Details zur Architektur der Doppelkupplungsgetriebe und zu den Anforderungen an die Mechatronik werden in Abschnitt 5.3 besprochen, die namensgebende Komponente der Doppelkupplung wird ausf¨ uhrlich in Abschnitt 5.3.2 behandelt. Dort wird auch auf die prinzipiellen Unterschiede zwischen “nassen” und “trockenen” Systemen und deren Anwendungsgrenzen eingegangen. 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe von ZF Als weiterer Vertreter der Doppelkupplungsgetriebe soll das von Kubalczyk et al. [2006] vorgestellte 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe von ZF, vgl. Abbildung 2.32, besprochen und die Art der Leistungs¨ ubertragung in den verschiedenen Gangstufen einschließlich der Drehzahlumkehr im R¨ uckw¨artsgang diskutiert werden. Das Motormoment wird u ¨ber einen (nicht dargestellten) Torsionsd¨ampfer in die Doppelkupplung eingeleitet. Die radial ineinander geschachtelten Lamellenkupplungen u ¨bertragen die Leistung wechselweise an die beiden Eingangswellen des Vorgelegeradsatzes. Bei diesem liegt die Vorgelegewelle aus Bauraumgr¨ unden nicht unterhalb der Hauptwelle, sondern ist seitlich etwas nach rechts geschwenkt, vgl. Abbildung 2.32. Dies wird m¨oglich, da das Konzept auf einer Einspritzschmierung mit Trockensumpf basiert. Zum einen dient die Einspritzschmierung zur besseren W¨ armeabfuhr, zum anderen werden die
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.31. Momentenfl¨ usse im Direktschaltgetriebe von Volkswagen
¨ Verluste durch im Olsumpf planschende Zahnr¨ader erheblich reduziert und ¨ so der Wirkungsgrad verbessert. Die Olversorgung des Getriebes erfolgt u ¨ber eine Zahnradpumpe, die u ¨ber eine Stirnradstufe hinter der Doppelkupplung angetrieben wird; dieser Antrieb u ¨ber eine Stirnradstufe bringt nach Kubalczyk et al. [2006] den Vorteil, die Pumpe wirkungsgradoptimiert auslegen und betreiben zu k¨ onnen. Unterhalb des Radsatzes ist die hydraulische Steuerung angeordnet, die Hydraulik u ¨bernimmt die Kupplungsregelung und die Schmier¨olversorgung der drehenden Komponenten. Die Schaltaktuatoren sind seitlich des Radsatzes angeordnet und arbeiten mit doppeltwirkenden Zylindern. Direkt an den vier Schaltstangen ist die Sensorik zur Messung der Position der Schaltstangen angebracht; das Steuerger¨at ist in einem externen Geh¨ause angeordnet. Der Radsatz basiert auf dem Antriebskonstantenkonzept und besteht aus zwei konzentrischen Antriebswellen, die jeweils von einer der beiden Lamellenkupplungen der Doppelkupplung angetrieben werden, aus zwei ebenfalls zueinander konzentrischen Vorgelegewellen und einer Abtriebswelle. Die Gangstufen werden mittels der vier Synchroneinheiten A/B, C/D, E/F und G/H, vgl. Abbildung 2.33, eingelegt, welche auf der Hauptwelle und auf der hohlen Vorgelegewelle angeordnet sind. Ein wichtiges Kennzeichen des Radsatzes besteht
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe
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Abb. 2.32. 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe von ZF mit 500 Nm Eingangskapazit¨ at
in der Koppelbarkeit der beiden Vorgelegewellen durch die Synchronisierung C/D. In Schaltstellung D k¨ onnen auf diese Weise ausgew¨ahlte Gangstufen doppelt verwendet werden, wodurch sich der Bauaufwand gegen¨ uber konventionellen Doppelkupplungsrads¨ atzen verringert. G¨ unstigerweise wird dies im ersten Gang angewendet, da dann mit der leistungsf¨ahigeren ¨außeren Kupplung K1 angefahren wird. Durch diese Doppelverwendung der letzten Radebene im Getriebe f¨ ur den ersten und zweiten Gang wird der gew¨ unschte ¨ Gangsprung 1-2 durch die Ubersetzungsverh¨ altnisse der beiden Antriebskonstantstufen erzielt. Der Einsatz der Kupplung K1 zum Anfahren im 1. Gang ergibt zwangsl¨aufig, dass der direkte Gang ebenfalls dem ungeraden Teilgetriebe – man verdeutliche sich den Aufbau des Doppelkupplungsgetriebes als zwei Teilgetriebe noch einmal an Hand von Abbildung 2.29 – zugeordnet wird. Im vorliegenden Fall stehen somit der f¨ unfte und der siebte Gang als Direktgang zur Auswahl. So kann ein Radsatzbaukasten realisiert werden, der nur durch wenige ¨ ¨ Anderungen zwei verschiedene Ubersetzungsvarianten mit unterschiedlichen Spreizungen f¨ ur unterschiedliche Anwendungszwecke – komfortorientiert mit iG = 6, 8 oder sportlich mit iG = 4, 7 nach Kubalczyk et al. [2006] – darstellen kann.
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.33. Radsatzschema des 7-Gang Doppelkupplungsgetriebes von ZF (Aus Kubalczyk et al. [2006])
2.7.3 Stufenautomatikgetriebe Grunds¨atzlich sind alle Stufenautomatikgetriebe nach dem gleichen, in Abbildung 2.34 dargestellten Schema aufgebaut: Die Motorabtriebswelle (Kurbelwelle) ist mit einem so genannten Trilokwandler und dieser wiederum mit einem Schaltstufengetriebe in Planetenradsatzbauweise verbunden. Die Leistungs¨ ubertragung erfolgt wie bei den zuvor besprochenen manuell oder automatisch geschalteten Konzepten u ¨ber das Achsantriebsgetriebe. Aus Abbildung 2.34 wird auch klar, dass bei der Stufenautomatik bei der Berechnung der ¨ Gesamt¨ ubersetzung des Fahrzeuggetriebes eine Ubersetzungsstufe mehr – und zwar der Wandlungsfaktor µW des Trilokwandlers, vgl. (5.1) – zu ber¨ ucksichtigen ist. Der Aufbau und die Funktionsweise der hydrodynamischen Wandler wird in Abschnitt 5.5 besprochen. Beim Stufenautomaten erfolgt die Schaltung in die n¨achste Fahrstufe wie beim Doppelkupplungsgetriebe ohne Zugkraftunterbrechung, wie sie bei konventionellen manuellen oder automatisierten Schaltgetrieben konzeptbedingt auftritt. Die G¨ange werden reibschl¨ ussig mittels Bremsen und Kupplungen ge¨ schaltet. Durch eine Uberschneidungsregelung der ¨offnenden und schließenden Bremsen bzw. Kupplungen kann ein zugkraftunterbrechungsfreier Wechsel der leistungs¨ ubertragenden Schaltstufe erreicht werden. Man beachte, dass bei al-
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe
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Abb. 2.34. Architektur einer Stufenautomatik mit vorgeschaltetem Wandler
Abb. 2.35. Siebengang Automatikgetriebe 7G-Tronic von Mercedes-Benz
len in Abschnitt 2.6 und 2.7.1 besprochenen Konzepten die Leistungs¨ ubertragung w¨ahrend des Schaltvorganges unterbrochen werden muss, um den Leis¨ tungspfad wechseln zu k¨ onnen. Die Ubersetzung der Fahrstufen f¨ ur die verschiedenen Leistungspfade wird durch mehrere Planetenstufen realisiert; das Zusammenwirken der Planetenstufen mit den Kupplungen und Bremsen wird in Abschnitt 5.4.1 analysiert und in Abschnitt 5.6.5 an Hand von Beispielen vertieft. Auf die Planetens¨ atze als Hauptkomponenten in der Leistungsflusskette wird in Abschnitt 5.6 detailliert eingegangen.
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Die 7G-Tronic von Mercedes-Benz Nun wird auf das im Jahre 2003 vorgestellte 7-Gang-Stufenautomatikgetriebe f¨ ur PKW, die 7G-Tronic21 , von Mercedes-Benz eingegangen. Eine Darstellung dieses Getriebes zeigt Abbildung 2.35, einige Erl¨auterungen zu den Baugruppen sind auch in Abbildung 2.36 gegeben. Die 7G-Tronic von MercedesBenz ist in Planetenbauweise ausgef¨ uhrt, basiert auf dem Getriebekonzept des 5-Stufenautomatikgetriebes W5A580 und besitzt einen hydrodynamischen Drehmomentwandler. Dieser zeichnet sich durch eine Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung aus, die sich im hydrodynamischen Drehmomentwandler befindet und in vielen Betriebssituationen den Schlupf zwischen Pumpen- und Turbinenrad weitgehend eliminiert, indem sie eine nahezu starre Verbindung zwischen Motor und Getriebeeingangswelle herstellt. Anders als bei herk¨ommlichen Automatikgetrieben, bei denen der Wandler nur in den h¨oheren G¨angen ¨ u uckt werden kann, ist die Uberbr¨ uckungskupplung in der Siebengang¨berbr¨ Automatik von Mercedes-Benz ab dem ersten Gang aktiv. Aus Komfortgr¨ unden setzt die Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung schlupfgeregelt und somit sehr weich ein. Gegen¨ uber den f¨ unfstufigen Vorg¨angern wird mit der 7GTronic nach Greiner et al. [2003] eine h¨ ohere Getriebespreizung22 bei kleineren Stufenspr¨ ungen und zus¨ atzlicher Gewichteinsparung erreicht. Im Vergleich zum F¨ unfgang-Automatikgetriebe W5A580 wurde der vordere Einfachplanetenradsatz durch einen Ravigneaux-Planetenradsatz, vgl. Abbildung 5.87.b, ersetzt. Zus¨ atzlich wurde eine weitere Lamellenbremse integriert. Damit sind mit drei Planetenrads¨ atzen, drei Kupplungen und vier Bremsen insgesamt sieben Vorw¨ arts- und zwei R¨ uckw¨artsg¨ange schaltbar; Details zum Schaltschema werden in Abschnitt 5.6.5 besprochen. Durch die Verwendung des Ravigneaux-Planetenradsatzes w¨achst – bei gleichem Durchmesser wie beim W5A580 – die Baul¨ ange um lediglich 41 mm. Eine weitere Besonderheit stellt der im Vergleich zum Vorg¨anger W5A580 um 20 mm kleinere Wandlerdurchmesser dar. Diese Gr¨ oßenreduktion ist auf Grund der gr¨oßeren Spreizung der Schaltstufen m¨ oglich, die bei gleichen Antriebsleistungen eine geringere Wandlung, vgl. (5.1), m¨ oglich macht. Aufgrund der gr¨oßeren Spreizung kann bei gleichbleibender End¨ ubersetzung im h¨ochsten Gang ¨ durch die dann ebenfalls gr¨ oßere Ubersetzung im ersten Gang die Wandlung µW reduziert werden. Das Ecomat 2 Nutzfahrzeuggetriebe von ZF Im Folgenden wird ein Nutzfahrzeuggetriebe vorgestellt, das als konven¨ tionelles Stufenautomatikgetriebe mit vorgeschaltetem Wandler mit Uber21
22
Die interne Werksbezeichnung f¨ ur dieses Getriebe ist W7A700: W steht f¨ ur Wandler und 7A f¨ ur 7-Gangautomatik. Die letzte Zahl gibt Auskunft u ¨ber das u ¨bertragbare Motordrehmoment. Die Spreizung, vgl. (3.21), stieg von iG = 4, 32 (W5A580) auf iG = 6, 012 (W7A700).
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe
Abb. 2.36. Erl¨ auterungen zum Aufbau der 7G-Tronic von Mercedes-Benz
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.37. 6-Gang Automatikgetriebe ZF Ecomat 2; 1) Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung; 2) Turbinenrad; 3) Leitrad; 4) Pumpenrad; 5) Prim¨ arretarder; 6) Antrieb ¨ ¨ Olversorgung; 7) Olpumpe; 8) Kupplungen; 9) Bremsen; 10) Planetens¨ atze; 11) Getriebesteuerung (Bildquelle: ZF AG)
br¨ uckungskupplung und Planetens¨ atzen mit Reibkupplungen und -bremsen aus den gleichen Baugruppen besteht wie die 7G-Tronic. Im Sinne einer erh¨ohten Flexibilit¨ at bei der Integration des Getriebes in die Nutzfahrzeuge ist es m¨oglich, die Baugruppen Motor und Getriebe auch getrennt voneinander einzubauen, vgl. Abbildung 7.3.b; der Wandler ist dann in einem geschlossenen Geh¨ause einzubauen. Eine L¨ angswelle muss dann die Leistungs¨ ubertragung vom Motor zum Wandler oder allgemeiner zum Anfahrelement u ¨bernehmen, vgl. hierzu auch Abschnitte 6.2 und 7.1.1. Bei dem hier vorgestellten vollautomatischen Getriebe handelt es sich um das 6-Gang-NKW-Getriebe Ecomat 2 von ZF. Das Getriebe wird vorwiegend in Bussen verbaut und ist f¨ ur ein maximales Eingangsdrehmoment von 1600 Nm ausgelegt. Das vollautomatische Getriebe weist entsprechend Tabelle 2.1 einen Automatisierungsgrad 4 auf; es besteht aus zwei Teilen: Dem Wandler und dem eigentlichen Schaltgetriebe. Der Wandler (2-4) nach Abbildung 2.37 be¨ sitzt eine Uberbr¨ uckungskupplung (1), die u ¨ber einen separaten Hydraulikkolben zwischen Pumpen- und Turbinenrad bet¨atigt wird; die Druck¨olbeaufschlagung des Kolbens ist in Abbildung 2.37 nicht zu erkennen. Hinter dem Pumpenrad des Wandlers liegt die Getriebe¨olpumpe (6-7), die u ¨ber eine Zwischenradstufe angetrieben wird, im Leistungsnebenfluss. Als n¨achste
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe
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Baugruppe folgt der Prim¨ arretarder (5), der bei schweren Nutzfahrzeugen die Betriebsbremsen entlastet. Der Retarder arbeitet prinzipiell wie eine hydrody¨ ullgrad gesteuert. namische Kupplung, sein Bremsmoment wird u ¨ber den Olf¨ Das eigentliche Schaltgetriebe l¨ asst sich in zwei Bereiche untergliedern: in einen Bauraum f¨ ur die Schaltkupplungen (8) sowie in einen Bauraum f¨ ur die Bremsen (9) und die Planetens¨ atze (10). Die drei vorhandenen Schaltkupplungen sind auf einem gemeinsamen Kupplungstr¨ager zusammengefasst. Die innere Kupplung wird durch den antriebseitig neben ihr liegenden Ringkolben bet¨atigt. Die Lamellen der beiden ¨ außeren Kupplungen sitzen in einer gemeinsamen Innenverzahnung, die im Leistungsfluss vor den Kupplungen liegt. Zwischen den beiden Lamellenpaketen der Kupplungen liegt das zum Schließen erforderliche Widerlager. Die linke der beiden Kupplungen wird u ¨ber einen Ringkolben bet¨atigt; der Kolben der rechten Kupplung liegt am linken ¨außeren Durchmesser des Kupplungstr¨ agers. Dieser wirkt u ¨ber ein den ganzen Kupplungstr¨ager umschließendes Blechumformteil auf das auf der gegen¨ uberliegenden Seite befindliche Lamellenpaket. Rechts neben den Kupplungen sind die Planetenrads¨atze und die Bremsen (9) angeordnet. Die Lamellenpakete der Bremsen, vgl. Abbildung 2.37, werden durch Kolben bet¨atigt, welche zusammen mit den dazugeh¨ origen Widerlagern geh¨auseseitig gelagert sind. Der Anpressdruck der hydraulisch bet¨ atigten Kolben wird einerseits u ¨ber eine elektronische Schaltdruckregelung angepasst, andererseits u ¨ber den Einsatz von Stufenkolben mit unterschiedlich wirksamen Kolbenfl¨achen eingestellt. Die K¨ uhlung des Getriebes erfolgt u ¨ber einen externen W¨armetauscher, der ¨ den Olkreislauf u ber das K¨ u hlwasser k¨ uhlt. Das Ecomat 2 Getriebe wird von ¨ einer elektronisch-hydraulischen Regelung kontrolliert, die auch den vom Fahrer empfundenen “Schaltkomfort” beim zugkraftunterbrechungsfreien Wechsel der Fahrstufen maßgeblich bestimmt. Die Leistungsfl¨ usse in den verschiedenen Fahrstufen und in Neutralstellung sind in Abbildung 5.26 gezeigt und werden in Abschnitt 5.4.1 besprochen; dabei wird besonderer Wert auf die Funktionsweise der Kupplungen und Bremsen bei der Leistungs¨ ubertragung gelegt. 2.7.4 Stufenlose Automatikgetriebe Im Folgenden werden drei stufenlose Getriebekonzepte – zwei f¨ ur PKW und eines f¨ ur Nutzfahrzeuge – besprochen. Details zu den Komponenten und – soweit zug¨anglich – ihrer Auslegung werden in Abschnitt 5.7 besprochen. Die Multitronic von Audi “Was m¨ usste verbessert werden, damit Sie bei Ihrer n¨achsten Kaufentscheidung ein Fahrzeug mit Automatikgetriebe ernsthaft in Erw¨agung ziehen?” Die Antwort lautete europaweit bei rund 30 Prozent der Befragten: “der Verbrauch”. Fast 20 Prozent der Befragten nannten die Beschleunigung als wichtigsten Punkt. Diese Nachteile zu u ¨ berwinden und damit auch das Image der
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.38. Stufenlose Automatik “Multitronic” von Audi f¨ ur den A4 und A6
Automatikgetriebe in Europa zu verbessern, war oberstes Ziel bei der Entwicklung der neuen Audi Multitronic. (Aus Nowatschin et al. [2000]) Mit diesem Ziel vor Augen brachte Audi im Jahr 2000 das MultitronicKonzept auf den Markt, das als Umschlingungsgetriebe als erstes hier besprochenes Fahrzeuggetriebe auch im eingelegten Gang bei geschlossenem Anfahrelement Schlupf aufweisen kann, vgl. Abbildung 2.38. Der Schlupf und die damit bei den derzeitig mit der Multitronic u ¨bertragenen Eingangsdrehmomenten bis zu 350 Nm verbundene Reibarbeit23 verursachten erhebliche Verschleißprobleme. Dies ist einer der Gr¨ unde daf¨ ur, dass sich viele andere stufenlos verstellbare Umschlingungsgetriebe im Fahrzeugantrieb nicht langfristig durchsetzen konnten. Der mechanische Aufbau der Multitronic ist in Abbildung 2.39 gezeigt; zu erkennen sind zwei getrennte Kupplungen zur Ansteuerung eines Planetensatzes, mit dem die Drehrichtungsumkehr im R¨ uckw¨artsgang realisiert wird. Es folgt eine Vorgelegestufe, die den axial verstellbaren Prim¨arscheibensatz ¨ antreibt. Je nach gew¨ unschter Ubersetzung wird durch die hydraulische Regelung der Druckkolben im Prim¨ arscheibensatz die Laschenkette, vgl. Abbildung 2.40, auf einem bestimmten Wirkradius der treibenden “Riemenscheibe” positioniert. Dabei muss die Regelung des Sekund¨arscheibensatzes zum einen die aus der Verstellbewegung resultierenden Spiele der Laschenkette ausglei23
Die Berechnung der Verlustleistungen wird in Abschnitt 5.7.2 besprochen.
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe
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Abb. 2.39. Schnitt durch die Multitronic von Audi
a)
b)
Abb. 2.40. Komponenten der Multitronic: a) Abtriebsseitige Variatorwelle, b) Laschenkette
chen, zum anderen muss eine ausreichende Klemmkraft zwischen den Riemenscheiben und der Laschenkette gew¨ ahrleistet werden. So wird eine hohe Ausbeute, vgl. Steinhilper & Sauer [2006], der Laschenkette bei der Leistungs¨ ubertragung sichergestellt. Der Sekund¨ arscheibensatz treibt mit einem aufgeschnittenen Hypoidritzel, das in Abbildung 2.40 gut zu erkennen ist, den Achsantrieb quer zur Fahrtrichtung an. Zur Reduzierung des Verbrauchs und zur Erh¨ohung der Fahrleistungen wurde der Getriebewirkungsgrad – vgl. auch Tabelle 3.1 und dort insbesondere die mittleren Zeilen – nach Schiberna et al. [2004] durch die Reduzierung ¨ der Leistungsaufnahme der Olpumpe optimiert; zwei Maßnahmen sind ins-
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
a)
b) Abb. 2.41. Kegelringgetriebe von GIF: a) Prototyp, b) CAD-Ansicht
besondere zu nennen: Die Leckage der gesamten Hydraulik wurde optimiert, ¨ ordermenge der Druckpumwas zu einer Reduzierung der erforderlichen Olf¨ pe f¨ uhrt; konkret wurden optimierte Kolbenringe in den Drehdurchf¨ uhrungen der Scheibens¨atze, vgl. auch Abbildung 2.40.a, eingef¨ uhrt. Ferner wurde ein neues Pumpenaggregat mit verbessertem Wirkungsgrad entwickelt, was zu einer weiteren Reduzierung der Leistungsaufnahme des Getriebes und damit der Verlustleistungen f¨ uhrt. Kegelringgetriebe von GIF Als ein weiterer Vertreter stufenloser Getriebe soll hier das Kegelringgetriebe, vgl. Abbildung 2.41, vorgestellt werden, mit dem ohne einen Zugmitteltrieb wie bei der Multitronic ein stufenloses Verstellen der Getriebe¨ ubersetzung realisiert wird. Automatikgetriebe mit hoher Performance bei niedrigen Herstellkosten f¨ ur kleine und mittlere Fahrzeugklassen sind nach Petri & Laufs [2004] kaum vorhanden. Diese Feststellung gab f¨ ur GIF24 den Ausschlag, dieses neue Konzept bis zur Marktreife zu entwicklen25 . Mit dem Kegelringgetriebe hat GIF ein Produkt in Entwicklung, das dem Fahrer drei verschiedene Betriebsarten bietet: ¨ • Stufenlose Ubersetzungsanpassung (CVT-Modus), • 6 oder 7-Gang Automatik, • Simulierter Handschaltbetrieb (Step-Modus). Benchmarkuntersuchungen des Entwicklers bez¨ uglich Herstellungskosten zeigen, dass das Kegelringgetriebe wettbewerbsf¨ ahig sein kann, weil grundlegende 24 25
Gesellschaft f¨ ur Industrieforschung, www.gif-ac.net. Die Markteinf¨ uhrung in Europa gestaltet sich jedoch aufgrund der geringen Nachfrage nach stufenlosen Automatikgetrieben im Kompaktsegment als schwierig.
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe
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Abb. 2.42. Schematische Leistungs¨ ubertragung im Kegelringgetriebe
Funktionen durch rein mechanische L¨ osungsans¨atze erreicht werden. Außer¨ dem bestehen nur geringe Toleranzanforderungen an die Ubertragungsteile des Systems. Das in Abbildung 2.41 gezeigte Getriebe verf¨ ugt u ¨ber ein Nennmoment von 180 Nm bei einer maximalen Eingangsdrehzahl von 6.800 u/min, ¨ die Anfahr¨ ubersetzung betr¨ agt iges = 14, 32. Olbef¨ ullt liegt das Kegelringgetriebe wie gezeigt mit 65 kg im Bereich der Stufenautomatikgetriebe der entsprechenden Drehmomentklasse. ¨ Die stufenlose Ubersetzungsanpassung beim Kegelringgetriebe erfolgt u ¨ber zwei Kegel und einen verschieblichen Ring, vgl. Abbildung 2.42 und 2.43. ¨ ¨ Diese Ubertragungselemente sind im Betrieb durch einen Olfilm voneinander getrennt, so dass die Leistungs¨ ubertragung durch elasto-hydrodynamische ¨ kommt damit eine entscheiReibung erfolgt: Der Traktionseigenschaft des Ols ¨ dende Bedeutung zu. Um das Ol hinsichtlich Leistungs¨ ubertragung optimal ¨ aume f¨ gestalten zu k¨onnen, sind im Kegelringgetriebe die Olr¨ ur die Lagerung und die stufenlose Reibkraft¨ ubertragung voneinander getrennt, vgl. Abbil¨ dung 5.109.b. Der Olraum mit dem z¨ ahen Traktionsfluid ist vom normalen hochviskosen Getriebe¨ ol f¨ ur die Schmierung des Achsantriebes und des integrierten Planetensatzes zur Drehrichtungsumkehr im R¨ uckw¨artsgang durch vier Radialwellendichtringe getrennt. Als Anfahrelement ist in Kombination mit dem Kegelringgetriebe grunds¨ atzlich eine Reibkupplung oder ein hydrodynamischer Wandler m¨ oglich. Da das Kegelringgetriebe aufgrund seiner mechanischen Anpressung keine Druck¨ olpumpe ben¨ otigt, bringt eine automatisierte Trockenkupplung mit ihrem systembedingten hohen Wirkungsgrad Vorteile hinsichtlich Komplexit¨ at und Kosten des Gesamtsystems. ¨ Das Einstellen der geforderten Ubersetzung erfolgt durch kleine Lenkbewegun¨ gen am Ubertragungsring durch die elektrisch bet¨atigte Schwenkbr¨ ucke, vgl.
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
¨ Abb. 2.43. Verstelleinheit des Kegelringgetriebes: Die Ubersetzungs¨ anderung erfolgt durch Anstellen des Ringes und Verstellung bis zur Soll-Drehzahl. (1) Schlitten auf Gleitachsen, (2) Schwenkbr¨ ucke mit Rollenf¨ uhrung
Abbildung 2.43. Dieses Grundprinzip bedingt wie bei der Lenkbewegung beim Fahrrad eine hohe Verstelldynamik bei geringen Verstellleistungen; der vorgegebene Schwenkwinkel der Br¨ ucke sowie die Motordrehzahl sind entscheidend f¨ ur die Verstellgeschwindigkeit. Aufgrund der Tauchschmierung von Variator und Verzahnungen und einer rein mechanischen Anpresseinheit zur Klemmkrafterzeugung ben¨ otigt das Kegelringgetriebe zur Leistungs¨ ubertragung keine Hydraulik. Daraus resultieren hohe Wirkungsgrade und ein niedriges Gewicht. Der R¨ uckw¨ artsgang wird bei diesem Getriebe u ¨ber einen Planetensatz realisiert, der u ¨ber eine Muffe schaltbar die Drehzahlumkehr darstellt. Weitere Details – beispielsweise die Funktion des R¨ uckw¨artsgangs und der Aufbau des Variators – zu den Komponenten des Kegelringgetriebes werden in Abschnitt 5.7.3 besprochen. ¨ Anmerkung 2.8 Außer einer stufenlosen Ubersetzungs¨ anderung durch das Verklemmen eines Schubgliederbandes zwischen verschieblichen Druckkegeln (Multitronic-Konzept) oder dem Einklemmen eines Transmitterringes zwischen zwei Kegeln (Kegelring-Konzept) sind f¨ ur PKW-Applikationen weitere stufenlose Getriebebauformen denkbar, vgl. Abschnitt 5.7.1. Eine Strategie ist die Implementierung eines hydrostatischen Kreislaufs in den Antriebstrang, um ¨ahnlich wie bei den Landmaschinen u ¨ber Leistungsverzweigung und summation mit gesteuerten Planentens¨ atzen variable Stufungen zu erreichen. Ein anderer Ansatz ist die Toroid-Technologie, die vorrangig in Japan entwickelt und produziert wird. Eine weitere Alternative ist das in Wolf & Sch¨ afer [2004] vorgestellte Torotrak-System, vgl. Abschnitt 5.7.1. 2
2.7 Teil- und vollautomatische Getriebe
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Abb. 2.44. Schnittbild des Fendt 930 Vario (Bild: AGCO/Fendt)
Anmerkung 2.9 Im Bereich der stufenlosen Getriebe wird – was in diesem Abschnitt nicht notwendig ist – zwischen den CVT mit einer begrenzten Spreizung bzw. Verstellbereich und den IVT unterschieden, den infinitely variable transmissions. W¨ ahrend erstere durch die begrenzte Wandlungsf¨ahigkeit zus¨atzlich zu den Verstellelementen ein Anfahrelement ben¨otigen, kann mit ¨ IVT-Systemen ohne Anfahrelement mit einer theoretisch unendlichen Ubersetzung angefahren werden. 2 Stufenloser Antriebstrang eines Ackerschleppers Die Traktoren der 900er VARIO-Baureihe von FENDT, vgl. Abbildung 2.44, werden mit einem stufenlosen Getriebe ausgestattet. Die Motoren verf¨ ugt u ¨ber eine maximale Leistung bis zu 261 kW und ein Nennmoment von maximal 1480 Nm bei 1450 u/min. Das stufenlose Getriebe ist mit zwei unterschiedlichen Fahrbereichen f¨ ur die Bereiche Feld und Straße ausgestattet. Im Bereich “Feld” sind Geschwindigkeiten zwischen 0,02 und 34 km/h und im Bereich “Straße” Geschwindigkeiten zwischen 0,02 und 60 km/h m¨oglich. Die Leistung des Verbrennungsmotors wird durch das in Abbildung 2.45 schematisch dargestellte Planetengetriebe variabel in zwei Teile aufgeteilt. Das Hohlrad der Planetenstufe treibt den hydrostatischen Teil und das Sonnenrad den mechanischen Getriebeteil an; es kommt so zur Leistungsverzweigung. Im hydraulischen Teil treibt eine Hochleistungsverstellpumpe zwei auf einer gemeinsamen Welle sitzende verstellbare Hydromotoren an. Pumpe und
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2 Antriebstrang- und Getriebekonzepte f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge
Abb. 2.45. Schematische Darstellung der Leistungsverzweigung und -summation im Vario Getriebe: Mechanischer und hydrostatischer Teilleistungsfluss
Motoren werden gemeinsam gesteuert und zeichnen sich durch einen großen Schwenkwinkel von 45◦ , vgl. Abbildung 7.27, und einen hohen Wirkungsgrad aus. Im mechanischen Teil, der aus Planetensatz und Stufenschaltung besteht, wird die Motorleistung u ader ebenfalls auf die Summierungswelle ¨ber Stirnr¨ u usse – wie in Abbildung 2.45 ¨bertragen, die dann diese beiden Leistungsfl¨ schematisch skizziert – wieder zusammenf¨ uhrt und u ¨ber die Fahrbereichsschaltung zur Achse leitet; Details werden in Abschnitt 7.2 besprochen.
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
In diesem Kapitel wird in die gebr¨ auchlichen Konventionen zur Kennzeichnung von Leistungs- und Momentenfl¨ ussen in Getrieben eingef¨ uhrt. Es folgen eine Beschreibung der Begriffe Wirkungsgrad und Verlust- oder Schleppmoment sowie Hinweise zur Auslegung von Kraftfahrzeuggetrieben. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein Personen- oder ein Nutzfahrzeug handelt und ob ein Getriebe manuell, halb- oder vollautomatisch geschaltet wird. Betrachtet werden Kriterien wie die Anfahrbarkeit eines Fahrzeugs, d.h. die Fragestellung, ob – eventuell auch noch an einer Steigung – ein Einzelfahrzeug oder ein Gespann aus dem Stand angefahren werden kann oder ob die zur Verf¨ ugung stehende Zugkraft ausreicht, um alle Fahrwiderst¨ande zu u ¨berwinden; schließlich wird auf die Fahrleistungen und den Kraftstoffverbrauch eingegangen. In Abschnitt 3.3 werden die mechanischen Auslegungskriterien von Fahrzeuggetrieben – sowohl Fahrzeuglebensdauer und Fahrerprofile als auch m¨ogliche Missbrauchssituationen – behandelt. Ausf¨ uhrungen zu Auslegungs- und Validierungskollektiven f¨ ur die drehenden Teile eines Getriebes schließen sich an. In Abschnitt 3.4 wird, um den Anforderungen der Praxis gerecht zu werden, auf die notwendigen Vorgaben und Informationen eingegangen, um ausgehend von einem Blatt Papier mit einer Mittellinie ein Fahrzeuggetriebe zu entwickeln. Es wird auf die verschiedenen Schritte der Entwicklung eines produktionsreifen Getriebekonzepts eingegangen und damit – am Beispiel der manuellen Schaltgetriebe – der Bogen von der Konzeptbeschreibung und -identifikation u ¨ber die Lastenhefterstellung, die Komponentenkonstruktion und -auslegung bis hin zu Komfort- und Validierungsfragen gespannt, die gegen Ende dieses Buches in den Kapiteln 9 und 10 besprochen werden. ¨ Anmerkung 3.1 Auf die verschiedenen Ubersetzungen, die mit Planetenstufen – wie in Abschnitt 2.7.3 angerissen – in konventionellen Automatikgetrieben realisiert werden, wird in Abschnitt 5.6.2 detailliert eingegangen, ebenso auf die Ans¨ atze zur Wirkungsgradberechnung. Die prinzipiellen Unterschiede bei der Spezifikation von Planetens¨atzen, verglichen mit normalen Stirnradstufen, werden dort ebenfalls besprochen. 2
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3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
a)
b) Abb. 3.1. a) Vorzeichenkonvention f¨ ur Drehzahl, Leistung und Drehmoment am Beispiel einer Radwelle. b) Verdeutlichung der Vorzeichenkonvention an einem einstufigen Station¨ argetriebe
3.1 Vorbemerkungen und Definitionen Nachdem in Kapitel 2 die Grundarchitekturen von Antriebstr¨angen und Fahrzeuggetrieben besprochen wurden, ohne auf die technischen Details einzugehen, sollen nun einige formale Begriffe eingef¨ uhrt werden. Wichtig sind f¨ ur das Folgende verbindliche Konventionen f¨ ur die Vorzeichen bei der Angabe von Leistungs- und Drehmomentenfl¨ ussen, damit einhergehend die Definition von ¨ Ubersetzungen von Stirnradstufen. Außerdem sollen mit Blick auf die nachfolgenden Diskussionen zu Verlusten und zum Wirkungsgrad diese Begriffe erl¨autert und formal als Berechnungsgr¨ oße definiert werden. ¨ 3.1.1 Vorzeichenkonvention und Ubersetzungen Zur eindeutigen Kennzeichnung von Drehrichtungen und von Leistungs- und Drehmomentfl¨ ussen ist eine Vorzeichenkonvention notwendig. Abbildung 3.1 zeigt schematisch an einer einzelnen Radwelle, dass die Drehrichtung nat¨ urlich f¨ ur das gesamte Bauteil positiv bleibt. Leistungs- und Momentenfluss sind am Systemeingang positiv, weil die Fl¨ usse in das Bauteil hinein gehen; am Abtrieb, wo die Fl¨ usse aus dem Bauteil heraus gehen, sind sie jedoch negativ. Sinnvoll wird dabei die Motorleistung als positiv am Getriebeeingang angenommen, insgesamt gilt f¨ ur das reibungsfreie System Energieerhaltung.
3.1 Vorbemerkungen und Definitionen
67
W¨ahrend die Konventionen f¨ ur Drehzahl und Leistung recht einfach sind, erfordert das Moment eine genauere Betrachtung. Bei der Vorzeichendefinition f¨ ur das Moment greift man sinnvoll auf die Definitionen der technischen Mechanik zur¨ uck. Mit der “Rechten Hand Regel” hat man ein einfaches, aber effizientes Hilfsmittel zur Hand. Legt man die gekr¨ ummte rechte Hand so um die An- oder Abtriebswelle eines Fahrzeuggetriebes, dass der Daumen in Richtung des Leistungsflusses zeigt – am Antrieb ins Getriebe hinein, am Abtrieb heraus –, so definieren die Fingerspitzen positive Momente und Drehrichtungen: Positive Momente und Drehzahlen folgen den Fingerspitzen, negative sind in entgegengesetzter Richtung orientiert. Die Abtriebswelle in Abbildung 3.1.b hat nach dieser Regel dann an ihrem Antrieb bei negativer Drehrichtung auch ein negatives Moment, der Leistungsfluss geht in Richtung Getriebe-Abtrieb in die Welle hinein. Auch die Regeln der technischen Mechanik ergeben bei einem positiven Moment an der Eingangsseite – bei gleicher Richtungsdefinition an Antriebs- und Abtriebsseite – ein negatives, betragsm¨aßig gleich großes Moment am Abtrieb, damit die Welle im mechanischen Gleichgewicht ist. Schließlich muss nat¨ urlich f¨ ur die Leistung an An- und Abtrieb, Pan und Pab , stets gelten, dass Leistung P gleich Moment T mal Winkelgeschwindigkeit ω bzw. Drehzahl n mit n = 2 π n/(60 sec/min) ist, P =ω·T =2·π·n·T ,
(3.1)
was dann auch f¨ ur die Vorzeichenkonvention nach Abbildung 3.1 gilt. Anmerkung 3.2 Nach M¨ uller [1998] lassen sich die folgenden Merkregeln f¨ ur die Vorzeichenkonvention angeben: 1. Alle parallelen Wellen eines Getriebes, welche im gleichen Drehsinn rotieren, haben Drehzahlen mit gleichem Vorzeichen. 2. An der Antriebsseite einer Getriebewelle sind die Vorzeichen von Drehzahl und Drehmoment gleich, an der Abtriebsseite sind sie ungleich. 3. Eine Antriebsleistung ist stets positiv, eine Abtriebsleistung negativ. 2 Bei Getrieben mit nicht parallelem An- und Abtrieb – z.B. bei der Multitronic, Abbildung 2.38 – wird die formale Richtungsspezifikation etwas aufw¨andiger; in Abschnitt 7.2.1 wird auf die Definition der Vorzeichen von Moment und Drehzahl am Beispiel von Abbildung 3.2 noch einmal eingegangen. Beispiel 3.1 In Abbildung 3.2 sind die Leistungsfl¨ usse sowie die Zusammenh¨ange von Drehzahl, Drehmoment und Leistung noch einmal dargestellt. Die Leistung fließt grunds¨ atzlich von der positiven Seite, gekennzeichnet durch +P , zur abf¨ uhrenden Seite mit negativer Leistung, −P . Eine positive Leistung entsteht aus vorzeichengleichen Drehmoment und Drehzahl, f¨ ur eine negative Leistung m¨ ussen Drehmoment und Drehzahl ein unterschiedliches Vorzeichen haben. In Abbildung 3.2 sind drei Beispiele f¨ ur den Leistungsfluss dargestellt: Oben in den Ansichten a) und b) zun¨ achst eine einfache Welle. Aufgrund
68
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Abb. 3.2. Definition der Vorzeichen von Leistung, Moment und Drehzahl: a) Zuund abgef¨ uhrte Leistung, b) Moment und Drehzahl, c) und d) Momenten- und Drehzahlkonvention am Getriebe mit und ohne Drehrichtungsumkehr
des Newton’schen Axioms actio est reactio muss f¨ ur ein am Wellenende angreifendes Moment +M am anderen Ende ein gegenl¨aufiges Moment −M vorhanden sein. Die Drehrichtung kann sich in diesem Fall nicht ¨andern, sie bleibt gleich. Daraus ergibt sich ein Leistungsfluss von links nach rechts. Wird die Drehrichtung ge¨ andert so ergibt sich eine Leistungsfluss¨anderung. In den unteren Beispielen ist der Leistungsfluss f¨ ur eine Getriebestufe dargestellt: Die Skizze c zeigt ein Getriebe mit Drehrichtungsumkehr und Ansicht d eine drehsinnerhaltende Getriebestufe. Wird die Drehrichtung umgekehrt, so muss – um eine negative Leistung am Abtrieb zu erhalten – das Moment am Abtrieb das gleiche Vorzeichen haben wie am Getriebeeingang. Beispiel 3.2 F¨ ur das in Abbildung 3.3 dargestellte Getriebe sind ausgehend von der Spezifikation an der Kupplungsscheibe die Leistungs- und Momentenfl¨ usse vorzeichenm¨ aßig zu beschreiben. Die Vorzeichen sollen f¨ ur den ersten Gang und den R¨ uckw¨ artsgang angegeben werden; dabei ist zur Konstruktion des R¨ uckw¨ artsgangs Abschnitt 2.6.1 zu beachten, die Drehrichtungsumkehr erfolgt u ¨ber das Losrad des ersten Gangs. Ausgehend von der Vorzeichenspezifikation an der Welle-Nabe-Verbindung zur Kupplungsscheibe kann f¨ ur die leistungsabgebende Antriebsverzahnung am Ritzel des ersten Ganges aufgrund der Gleichheit von Dreh- und Momentenrichtung direkt auf 1 geschlossen werden. So ist die Welle station¨ar im Gleichgewicht, sie f¨ uhrt Leistung ab. An der getriebenen Verzahnung des ersten Ganges auf der unteren Hauptwelle gilt aufgrund der Richtungsumkehr von Drehzahl und Moment 2 , die Indizes an den Spezifikationen beziehen sich stets auf Abbildung 3.3. Der aus Sicht der Hauptwelle leistungsabf¨ uhrende Antrieb des Differentials wird dann mit 3 charakterisiert, am Differentialgeh¨ ause werden Drehmoment und Leistung aufgenommen und es ergibt sich 4 ; deutlich zu erkennen ist die Drehrichtungsgleichheit von Motor und Achsantrieb.
3.1 Vorbemerkungen und Definitionen
69
Abb. 3.3. Ermittlung der Vorzeichen von Leistung, Drehzahl und Drehmoment sowie Z¨ ahnezahlen f¨ ur den ersten Gang, den R¨ uckw¨ artsgang und den Achsantrieb
F¨ ur den R¨ uckw¨artsgang gilt aufgrund der besonderen Konstruktion zur Drehrichtungsumkehr u ¨ber das Losrad des ersten Ganges bis zur Leistungsaufnahme durch das Losrad des ersten Ganges das Gleiche wie zuvor. Nun treibt jedoch im R¨ uckw¨ artsgang das Losrad des ersten Ganges das Losrad des R¨ uckw¨artsganges, in Abbildung 3.3 oben gelegen. F¨ ur den Abtrieb gilt dann 5 , damit die Leistung vom Losrad des ersten Ganges abgef¨ uhrt wird. Das leistungsaufnehmende Losrad des R¨ uckw¨artsgangs speist die obere Hauptwelle dann mit 6 , f¨ ur den Differentialantrieb der oberen Hauptwelle gilt dann 7 . Am Differentialgeh¨ ause und damit an der Vorderachse wird 8 aufgenommen, die Richtung von Antriebsmoment und Drehzahl wechselt gegen¨ uber dem ersten Gang. Anmerkung 3.3 Wenn eine Getriebewelle mit der Drehtr¨agheit ΘW mit einer Winkelbeschleunigung ω˙ rotatorisch beschleunigt werden muss, unterscheiden sich An- und Abtriebsmoment betragsm¨aßig um das d’almbert’sche Tr¨agheitsmoment ΘW · ω. ˙ 2
70
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Abb. 3.4. Verdeutlichung der gemeinsamen Geschwindigkeit im Eingriffspunkt von Stirnr¨ adern
¨ Bei der Spezifikation der Ubersetzung einer Stirnradstufe ist die Vorstellung hilfreich, dass im idealisierten Eingriffspunkt – im so genannten W¨alzpunkt, vgl. Abbildung 3.4 und auch Abschnitt 4.3.1 – treibendes und getriebenes Rad dieselbe Geschwindigkeit besitzen m¨ ussen, v1 = v2 . Da sich aufgrund der Profilverschiebung bei realen Verzahnungen die relevanten W¨alzkreisdurchmesser von treibendem und getriebenem Rad nur n¨aherungsweise verhalten wie die Z¨ahnezahlverh¨ altnisse, ist bei der Berechnung der Bahngeschwindigkeiten der W¨alzkreismittelpunkte der R¨ ader die Teilung am W¨alzkreis p der Verzahnung zu ber¨ ucksichtigen, vgl. auch Abbildung 4.54. Somit erh¨alt man f¨ ur das in Abbildung 3.4 links skizzierte, als treibend angenommene Ritzel mit Z¨ahnezahl z1 im W¨ alzpunkt eine Geschwindigkeit als Produkt von Drehzahl n1 und Umfang z1 · p am W¨ alzkreis – analog f¨ ur das getriebene Rad mit Drehzahl n2 und Z¨ahnezahl z2 – und erh¨ alt folgende Bedingung f¨ ur die Gleichheit der Bahngeschwindigkeiten !
v1 = n1 · z1 · p = v2 = −n2 · z2 · p .
(3.2)
Dabei ber¨ ucksichtigt das Minuszeichen in (3.2), dass das getriebene Rad mit entgegengesetzter Drehrichtung und so mit negativer Drehzahl rotiert. F¨ ur die ¨ Ubersetzung i einer einzelnen Stirnradstufe wie in Abbildung 3.1.b gilt dann i=
n1 nan ω1 ωan z2 zab = = = =− =− . n2 nab ω2 ωab z1 zan
(3.3)
¨ In der Praxis wird oft nur der Betr¨ age der Ubersetzungen angegeben, teilweise ¨ wird auch i > 0 als Ubersetzung mit Drehrichtungsumkehr definiert. Die mit (3.3) gew¨ahlte Definition ist die g¨ angige in der Verzahnungstechnik und insbesondere bei den Planetengetrieben unverzichtbar. Hier werden dann, wenn ¨ das Vorzeichen der Ubersetzung offensichtlich ist oder aber aufgrund nicht paralleler An- und Abtriebsachse nicht eindeutig definierbar, nur die Betr¨age in den Rechnungen verwendet. ¨ ¨ Eine Ubersetzung i < −1 f¨ uhrt also zu einer Drehzahlumkehr mit Uberset¨ zung ins Langsame; 0 < i < 1 ergibt nach (3.3) eine Ubersetzung ins Schnelle ¨ mit Beibehaltung des Drehsinns. Bei Ubersetzungen mit i > 0, z.B. bei Hohlradstufen, drehen beide Wellen gleichsinnig; die Z¨ahnezahl des Hohlrades ist
3.1 Vorbemerkungen und Definitionen
71
¨ definitionsgem¨aß negativ, vgl. Abschnitt 4.3.5, so dass die Ubersetzung einer einfachen Hohlradstufe positiv wird. Die Indizes ab und an bzw. 1 und 2 wurden mit Blick auf reale Fahrzeuggetriebe mit mehreren Zahnradstu¨ oglichkeiten mit verschiedefen benutzt, da es dort mehrere Ubersetzungsm¨ nen aktiven Verzahnungsstufen gibt. F¨ ur die Gesamt¨ ubersetzung iges eines Fahrzeuggetriebes – die Hintereinanderschaltung von Schaltstufe und Achsantriebs¨ ubersetzung – definiert man gem¨ aß (3.3) die Gesamt¨ ubersetzung direkt als Drehzahlverh¨ altnis der An- und Abtriebsdrehzahlen1 . F¨ ur mehrstufige ¨ Ubersetzungen beschr¨ ankt man sich h¨ aufig auf die Angabe der Fahrtrichtung und der Gesamt¨ ubersetzung wie im folgenden Beispiel. Beispiel 3.3 Man bestimme f¨ ur die in Abbildung 3.3 beispielhaft angegebe¨ nen Z¨ahnezahlen f¨ ur das Getriebe nach Abbildung 2.21 die Ubersetzungen f¨ ur den ersten Gang i1 , f¨ ur den R¨ uckw¨ artsgang iR , die Achs¨ ubersetzung iAchs sowie die jeweiligen Gesamt¨ ubersetzungen des Getriebes2 . ¨ Zur Bestimmung der Ubersetzung des ersten Ganges ist erg¨anzend in Abbildung 3.5.a das R¨aderschema des ersten Ganges sowie des Achsantriebs skiz¨ ziert. Mit (3.3) errechnet man f¨ ur die Ubersetzung des ersten Ganges i1 = −z1,ab /z1,an = −41/13 = −3, 154 mit Drehrichtungsumkehr von der Eingangs- zur unten liegenden Hauptwelle. F¨ ur die Achs¨ ubersetzung erh¨ alt man mit den angegebenen Z¨ahnezahlen iAchs = −zachs,ab /zachs,an = −43/14 = −3, 071 . F¨ ur die Gesamt¨ ubersetzung errechnet man iges,1 = i1 · iAchs = 9, 686 f¨ ur die Hintereinanderschaltung; Achsantrieb und Eingangswelle drehen nach zwei Stirnradstufen gleichsinnig. F¨ ur die R¨ uckw¨ artsgang¨ ubersetzung erh¨alt man mit den gegebenen Z¨ ahnezahlen z1,ab zR,ab zR,ab 39 iR = − · − = = = 3, (3.4) z1,an zR,an z1,an 13 ¨ da es sich um eine zweistufige Ubersetzung von der Eingangswelle zum Schaltrad des R¨ uckw¨artsganges handelt, dreht die obere Hauptwelle gleichsinnig mit der Eingangswelle. Das Losrad des ersten Ganges u ¨bernimmt die Funktion der Drehzahlumkehr und so gilt z1,ab = zR,an . F¨ ur die Gesamt¨ ubersetzung im R¨ uckw¨artsgang errechnet man iges,1 = iR · iAchs = −9, 213, durch drei Stirnradstufen entsprechend mit Drehrichtungsumkehr zur Achsantriebswelle. 1
2
Dabei nimmt man an, dass das Differential, das in Abbildung 3.3 im Halbschnitt gezeigt ist, nicht aktiv ist, um Drehzahldifferenzen zwischen rechtem und linkem Rad auszugleichen. Die Z¨ ahnezahlen sind hier beispielhaft gew¨ ahlt und entsprechen nicht dem Originalgetriebe, vgl. auch Tabelle 4.12.
72
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
a)
b)
Abb. 3.5. R¨ aderschemata zu Beispiel 3.3: a) erster Gang, b) R¨ uckw¨ artsgang
¨ Bei Steinhilper & Sauer [2006, Abschnitt 15.1] wird die Ubersetzung einer Stirnradkette mit k Stufen zu i=
zab k (−1) zan
angegeben; das Ergebnis ist konsistent mit (3.4) und kann gerade bei der Analyse von R¨ uckw¨ artsg¨ angen Vorteile bringen. Anmerkung 3.4 Trotz der ganzzahligen R¨ uckw¨artsgang¨ ubersetzung haben in Beispiel 3.3 alle ineinander greifenden R¨ ader, wie sp¨ater in Abschnitt 4.3.2 gefordert, teilerfremde Z¨ ahnezahlen. 2 3.1.2 Relativdrehzahlen F¨ ur die Auslegung von W¨ alzlagern und Synchronisationen ist die Relativdrehzahl zwischen einem nicht geschalteten Losrad und der f¨ uhrenden Welle von Bedeutung. Bei den Synchronisationen, vgl. Abschnitt 4.4.3 und Auslegungsaufgabe 4.6, wird die Relativdrehzahl zwischen dem Schaltrad des Zielgangs und der Welle f¨ ur die Berechnung der notwendigen Zeit zum Synchronisieren ¨ ben¨otigt; bei den W¨ alzlagern ist die Relativdrehzahl zum einen zur Uberpr¨ ufung der maximal auftretenden Lagerdrehzahl, zum anderen zur Lebensdauerabsch¨atzung notwendig. Zur Berechnung der Relativdrehzahl wird, vgl. Abbildung 3.6, zun¨achst eine einfache Stirnradstufe mit zwei m¨ oglichen G¨ angen betrachtet. Dabei bezeich¨ net iaktiv die Ubersetzung des eingelegten, lasttragenden Gangs und iinaktiv die des lastfreien Gangs, f¨ ur dessen Lagerung oder Synchronisation die Rela¨ tivdrehzahl nrel bestimmt werden soll. Da f¨ ur die einfache Ubersetzungsstufe beide Losr¨ader die gleiche Drehrichtung besitzen, ergibt sich der Betrag der Relativdrehzahl direkt durch Differenzbildung
3.1 Vorbemerkungen und Definitionen
73
Abb. 3.6. Zur Bestimmung der Relativdrehzahl nrel zwischen Losrad und Welle
Abb. 3.7. Schematischer Schnitt durch die Wellen des Getriebes nach Abbildung 2.21. Im 6. Gang ist ω1 < 0 und ωW < 0.
nrel
n1 n1 = |nL − nW | = − . iaktiv iinaktiv
(3.5)
¨ Man erkennt, dass die Relativdrehzahl mit zunehmendem Ubersetzungsun¨ terschied zwischen lasttragenden und lastfreien Ubersetzungsstufen zunimmt; noch gr¨oßer wird die Relativdrehzahl bei Losr¨adern von R¨ uckw¨artsg¨angen. Beispiel 3.4 F¨ ur das in Abbildung 3.7 im Seitenschnitt skizzierte Getriebe – Abbildung 2.21 zeigt den Schnitt durch die Wellenebenen – ist die Relativgeschwindigkeit zwischen dem Losrad des R¨ uckw¨artsgangs auf der oben liegenden Hauptwelle und der Welle bei Betrieb im 6. Gang bei einer Motor¨ drehzahl von 6000 u/min zu berechnen. Man verwende dazu die Ubersetzungen iR = 3, 54 und i6 = −0, 62 und beachte, dass der Achsabstand zwischen oberer und unterer Hauptwelle und der Differentialwelle gleich ist.
74
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Bei der Berechnung der Relativdrehdrehzahl ist hier darauf zu achten, dass sich die obere Hauptwelle mit ωW bei Betrieb im 6. Gang entgegengesetzt zum Losrad des R¨ uckw¨ artsganges mit ωR dreht, ωR > 0 und ωW < 0 f¨ ur ωEin > 0. Aufgrund des gleichen Achsabstandes zwischen dem Differential und den beiden Hauptwellen muss die obere Welle mit der gleichen Drehzahl und Drehrichtung wie die untere Hauptwelle drehen, auf der sich der leistungs¨ ubertragende 6. Gang befindet. Die Auswertung von (3.5) ergibt dann 1 1 1 −1 1 · − nrel = |nL − nW | = nein · − = 6000 = iR i6 min 0, 62 3, 54 1 = 11372, 3 . min Die Berechnung der in Abbildung 3.7 verwendeten relativen Winkelgeschwindigkeit erfolgt in vollkommener Analogie. 3.1.3 Verluste, Wirkungsgrad und Schleppmoment Der Wirkungsgrad von Fahrzeuggetriebe, Motor und Antriebstrang hat entscheidenden Einfluss auf Kraftstoffverbrauch, Emissionen und Fahrleistungen aller Kraftfahrzeuge. Der Motorwirkungsgrad wird dabei in diesem Buch mit Schwerpunkt “Fahrzeuggetriebe” vereinfacht durch die muschelf¨ormigen Linien spezifischen Kraftstoffverbrauchs repr¨ asentiert, vgl. Abbildung 3.15. Zur rechnerischen Bestimmung des Zugkraftangebots bzw. des idealen Motorbetriebspunkts ist die Kenntnis des Antriebstrangwirkungsgrads η vom Kurbelwellenflansch bis hin zu den Antriebsr¨ adern notwendig. Der Wirkungsgrad kann mit Hilfe von (3.1) mit verschiedenen Gleichungen definiert werden; er kennzeichnet das Verh¨ altnis von abf¨ uhrbarer Leistung Pab < 0 zu zugef¨ uhrter Leistung Pan > 0; es gilt also η=−
Pab T2 · ω2 = =1− Pan T1 · ω1
PN
k=1
Pv,k
Pan
.
(3.6)
Dabei k¨onnen die Verlustleistungen Pv,k > 0 aller k = 1, . . . , N Einzelkomponenten des Antriebstrangs formal einzeln ber¨ ucksichtigt werden; die Hauptverlustquellen sind die besten Ansatzpunkte f¨ ur Maßnahmen zur Wirkungsgradoptimierung. Die Antriebsleistung Pan entspricht f¨ ur den Antriebstrang dabei der vom Verbrennungsmotor zur Verf¨ ugung gestellten Leistung am Flansch der Kurbelwelle gem¨ aß der in Abschnitt 1.3 getroffenen Schnittstellenfestlegung, Pab ist vereinbarungsgem¨ aß als abgegebene Leistung negativ. F¨ ur den Antriebstrang lassen sich folgende Verlustquellen identifizieren: • Verzahnungsverluste durch lastabh¨ angige Reibung und durch lastunabh¨angige Plansch- und Quetschverluste bei Tauchschmierung der R¨ader, • Lagerverluste der W¨ alzlager durch lastabh¨angige Reibung und lastunabh¨angige Schmierung,
3.1 Vorbemerkungen und Definitionen
75
• Dichtungsverluste durch Reibung der Radialwellendichtringe an den Wellendurchf¨ uhrungen in den Geh¨ ausen und der Kolbenringe zur Abdichtung von Druck¨ol bei Schaltelementen, insbesondere bei Automatikgetrieben, • Synchronisationsverluste durch Fluidreibung zwischen Synchronring und Reibkonus, • Kupplungsverluste durch Fluidreibung bei nasslaufenden Lamellenkupplungen und Bremsen in Automatgetrieben, • Wandlerverluste im hydrodynamischen Drehmomentwandler, • Leistungsaufnahme von Neben- und Hilfsaggregaten wie beispielsweise von Hydraulikpumpen von CVT-Systemen. Anhaltswerte f¨ ur die Gr¨ oße des Wirkungsgrads bei verschiedenen Bauarten von Fahrzeuggetrieben gibt Tabelle 3.1 an. In der Praxis wird der Wirkungsgrad von Getrieben experimentell ermittelt und nachfolgend z.B. durch Reibungsbeitragsanalysen – das komponentenweise Demontieren und anschließendes Neuvermessen des Pr¨ uflings – untersucht und ggf. optimiert. Wichtig ist bei der experimentellen Ermittlung die genaue Kenntnis der Verlustbeitr¨age der Pr¨ ufeinrichtungen. Dabei wird h¨ aufig m¨oglichst nahe am Ein- und Ausgang des Pr¨ uflings mit einer Drehmomentmesswelle die zugef¨ uhrte Leistung erg¨anzend zu den digitalen Informationen aus der Pr¨ ufstandsregelung noch einmal mitgemessen, um m¨ oglichst viele Einfl¨ usse des Pr¨ ufaufbaus bei der Auswertung der Messung ausklammern zu k¨onnen. Neben dem Wirkungsgrad eines Fahrzeugtriebstranges ist das Schleppmoment TD eine wichtige Gr¨ oße, vgl. Abbildung 3.8. Das Schleppmoment betr¨agt bei Handschaltgetrieben u ur Getriebe ¨blicherweise im Bereich TD = 1, 5 . . . 3 Nm f¨ in Zwei-Wellen-Bauweise, vgl. z.B. Abbildung 2.20, und liegt f¨ ur die aufw¨andigeren Drei-Wellen-Getriebe, vgl. z.B. Abbildung 2.21, aufgrund der zus¨atzlichen Lagerungen im Bereich TD = 2, 0 . . . 4, 0 Nm. Zur experimentellen ErTabelle 3.1. Anhaltswerte f¨ ur die Wirkungsgradbereiche von Zahnradpaaren und von Fahrzeuggetrieben Getriebeart Zahnradpaar
η [%] Stirnrad 99,0-99,8 Kegelrad 95-99 Mechanische Fahrzeuggetriebe PKW 93-98 mit Tauchschmierung NFZ 90-98 Stufenautomatik mit u uckbarem Wandler 90-97 ¨berbr¨ Mechanische Anpressdruck nicht 75-85 leistungsbedarfsgeregelt Stufenlosgetriebe Anpressdruck 85-95 leistungsbedarfsgeregelt Rein hydrostatisches Stufenlosgetriebe 80-90 Mechanisch-hydrostatische Stufenlosgetriebe 85-95 mit Leistungsverzweigung
76
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Abb. 3.8. Zur Definition des Schleppmomentes als drehzahlunabh¨ angiger Verlust (Nach Lechner & Naunheimer [1994])
mittlung3 bieten sich zwei Methoden an. Zum einen kann auf dem Pr¨ ufstand das notwendige Moment bestimmt werden, um das Fahrzeuggetriebe, meist ¨ ohne Kupplung und Antriebswellen, bei einer definierten Oltemperatur θOl ¨ und einer gegebenen Drehzahl n in einem bestimmten Gang mit konstanter Geschwindigkeit drehen zu k¨ onnen; das Schleppmoment erh¨alt man dann direkt aus der Messung des Station¨ armoments. Alternativ kann man – was etwas komplexer, aber beispielsweise f¨ ur die Synchronisationsauslegung und -optimierung, vgl. Abschnitt 4.4, aussagekr¨ aftiger ist – einen Ausrollversuch durchf¨ uhren. Auf jeden Fall sollte man bei der Angabe des Schleppmoments immer die Methode nennen, nach welcher der angegebene Wert ermittelt wurde. Bedingt durch das Schleppmoment TD , das zum Halten station¨arer Drehzahlen selbst im lastfreien Zustand der Fahrzeuggetriebe aufgewendet werden muss, ist der Wirkungsgrad ηges im Bereich niedriger Eingangsmomente verglichen mit dem Nennbetriebsbereich relativ schlecht. Viele Versuche zeigen, dass das Schleppmoment einen weitestgehend konstanten Verlauf u ¨ber der Eingangsdrehzahl ω aufweist. Diese Eigenschaft des Schleppmomentes wird h¨ aufig genutzt, um es im Ausrollversuch als Kenngr¨oße zu bestimmen. Dazu wird das Getriebe oder der Antriebstrang zun¨achst auf eine Anfangsdrehzahl ω0 beschleunigt, um dann bei freiem An- und Abtrieb auszurollen. Aus der Bewegungsgleichung Θges · ω˙ + TD = 0
(3.7)
f¨ ur den Triebstrang mit einer Gesamttr¨ agheit Θges und dem konstant angenommenen Schleppmoment TD folgt die theoretische Drehzahl-Zeitfunktion 3
Die M¨ oglichkeiten zur Simulation und Prognose des Schleppmoments TD sind derzeit noch in Entwicklung und noch nicht praktisch einsetzbar.
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
ω(t) = ω0 − TD · t/Θges .
77
(3.8)
Kennt man das Gesamtdrehtr¨ agheitsmoment Θges des Versuchsaufbaus, kann an der n¨aherungsweise linearen Messkurve der Drehgeschwindigkeit im Ausrollversuch direkt das Schleppmoment aus der Neigung der GeschwindigkeitsZeit-Linie ermittelt werden. Die Drehtr¨ agheit Θges kann auch experimentell am Pr¨ ufstand in einem Beschleunigungsversuch ermittelt werden. Dazu kann z.B. bei konstant geregeltem Beschleunigungsmoment der Antriebsmaschine an der motorseitigen Schnittstelle des Antriebstrangs die erzielte Drehbeschleunigung gemessen werden. Ist das Beschleunigungsmoment deutlich gr¨oßer als das Schleppmoment, kann wiederum aus der bei konstantem Beschleunigungsmoment erzielten Drehzahlrampe n¨aherungsweise auf die Drehtr¨agheit des Strangs geschlossen werden. Anmerkung 3.5 Sollte es sehr schwierig sein, das Schleppmoment TD aus der Drehzahl-Zeit-Messung des Ausrollversuchs zu bestimmen4 , so ist eventuell die Annahme eines zus¨ atzlichen, der Drehgeschwindigkeit proportionalen Verz¨ogerungsterms D · ω in (3.7) sinnvoll, D ist ein D¨ampfungsbeiwert. Gleichung (3.7) wird durch einen zus¨ atzlichen Term erweitert zu Θges · ω˙ + D · ω + TD = 0
(3.9)
und die L¨osung von (3.9) erh¨ alt man unter Ber¨ ucksichtigung der Anfangsbedingung ω(t = 0) = ω0 zu Beginn der Ausrollphase zu TD ω(t) = ω0 · e−D·t/Θges − · 1 − e−D·t/Θges . (3.10) D Ein wichtiges Kriterium zur Identifikation der Gr¨oßen D und TD ist dabei die Zeit t = tS bis zum v¨ olligen Stillstand des Getriebes bzw. des Antriebstrangs auf dem Pr¨ ufstand, ω(tS ) = 0. Wenn die geschwindigkeitsproportionalen Effekte vernachl¨assigbar werden, D → 0, geht wegen 1 − e−D·t/Θges t lim = D→0 D Θges der Ausdruck (3.10) wieder in (3.8) u ¨ber.
2
3.2 Fahrleistung und Verbrauch als makroskopische Auslegungskriterien fu ¨ r Fahrzeuggetriebe Die Beziehungen, die in diesem Abschnitt angegeben werden, beziehen sich zun¨achst auf PKW mit einer angetriebenen Achse. Dies stellt jedoch keinen Verlust der Allgemeing¨ ultigkeit dar, da sich die Beziehungen ohne weiteres auch auf allradgetriebene PKW oder Nutzfahrzeuge mit mehreren angetriebenen Achsen u ¨bertragen lassen, vgl. Auslegungsaufgabe 3.2. 4
Dies kann der Fall sein, wenn die Drehzahl-Zeit-Funktion einen exponentiell abnehmenden Charakter hat.
78
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Abb. 3.9. Beispielhafte Leistungs- und Drehmomentkennlinie eines Verbrennungsmotors Dieselmotors. Charakteristische Punkte: Nennmomentenpunkt mit maximalem Motormoment Tmax bei Drehzahl n(Tmax ) und Nennleistungspunkt mit Pmax . Im Beispiel: Tmax = 175 Nm bei n(Tmax ) = 2000 u/min und Pmax = 60 kW bei nnenn = 4500 u/min
3.2.1 Ideale Zugkrafthyperbel und allgemeine Fahrwiderst¨ ande Die Hauptaufgabe des Kraftfahrzeuggetriebes ist, die zun¨achst ansteigende und bei hoher Drehzahl abfallende Kennlinie der Motorleistung, vgl. Abbildung 3.9, so zu wandeln, dass das Fahrzeug in einem vorgegebenen Geschwindigkeitsbereich m¨ oglichst mit der Maximalleistung Pmax seines Motors fahren kann. Diese Kennungswandlung bedeutet rechnerisch, dass das Produkt von Moment am Rad TRad und Raddrehzahl nRad bzw. von Zugkraft FRad und Fahrgeschwindigkeit v immer gleich der Maximalleistung Pmax des Verbrennungsmotors bei der Nenndrehzahl nnenn und Nennmoment Tnenn ist, Pmax = Tnenn · nnenn = FRad · v.
(3.11)
Im Zugkraft-Geschwindigkeitsdiagramm stellt sich diese Gleichung als Hyperbel dar, vgl. Abbildung 3.14, die es bei der Konstruktion eines Fahrzeuggetriebes - gleich welcher Bauart - anzustreben gilt. Mit einem stufenlosen Getriebe kann diese Hyperbel in einem großen Bereich “abgefahren” werden. Die Bedeutung der “idealen Zugkrafthyperbel” darf aber nicht u ¨bersch¨atzt werden, da vom Fahrzeug besonders im Bereich kleiner Geschwindigkeiten nur selten die H¨ochstleistung abverlangt wird. So kann in diesem Gebiet die Zugkraft eines Getriebes durchaus unterhalb der Hyperbel liegen, vgl. Abbildung 3.19, wenn daf¨ ur die Konstruktion des Fahrzeugs einfacher und preisg¨ unstiger wird,
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
79
oder andere Vorteile in der Getriebeanpassung (Beschleunigung, Kraftstoffverbrauch) wahrgenommen werden k¨ onnen. Zudem ist im Bereich kleiner Geschwindigkeiten die nach der idealen Zugkrafthyperbel vorhandene Kraft am Rad gar nicht auf die Straße u ¨bertragbar. Der Zugkraft entgegen wirken beim Anfahren, Beschleunigen und bei Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit vier verschiedene Fahrwiderst¨ande: Die Rollwiderstandskraft der Reifen FR , wirkend in der Reifenaufstandsfl¨ache, vgl. Abbildung 3.10, die sich mit dem Rollwiderstandsbeiwert5 fR > 0 aus dem Fahrzeuggewicht mveh berechnet als FR = fR · mveh · g · cos α
(3.12)
wobei α der der Straße ist, vgl. Abbildung 3.11. Man beachte, dass (3.12) implizit davon ausgeht, dass alle R¨ ader mit denselben Reifen versehen sind. Tabelle 3.2 gibt Richtwerte f¨ ur den Rollwiderstandsbeiwert an, die f¨ ur Geschwindigkeiten kleiner als 60 km/h als konstant angenommen werden k¨onnen. Abbildung 3.12 gibt dar¨ uber hinaus einige geschwindigkeitsabh¨angige Rollwiderstandsbeiwerte f¨ ur Reifen mit n¨ aherungsweise gleichem dynamischen Rollradius Rdyn an. Man erkennt, dass bis etwa 120 km/h gut mit der Annahme eines konstanten Rollwiderstandsbeiwertes gearbeitet werden kann. ¨ Die Steigungswiderstandskraft FSt zum Uberwinden der Steigung α FSt = mveh · g · sin α .
(3.13)
Tabelle 3.2. Richtwerte f¨ ur den Rollwiderstandsbeiwert Fahrbahnzustand Rollwiderstandsbeiwert fR Glatte Asphaltstraße 0,010 Glatte Betonstraße 0,011 Raue, gute Betonfahrbahn 0,014 Gutes Steinpflaster 0,020 Schlechte, ausgefahrene Straße 0,035 Sehr gute Erdwege 0,045 Schlechte Erdwege 0,160 Loser Sand 0, 15 . . . 0, 3 5
Wie in Abbildung 3.10 zu erkennen, ergibt sich durch Integration der Druckverteilung in der Reifenaufstandsfl¨ ache die Reaktionskraft Freac , die gleich der Radlast ist, Freac = m g xv bzw. Freac = m g xh . Durch die asymmetrische Druckverteilung in der Aufstandsfl¨ ache des rollenden Reifens liegt der rechnerische Angriffspunkt der Reaktionskraft Freac um die Strecke e, die als Exzentrizit¨ at bezeichnet wird, vor der Radachse. Das Momentengleichgewicht an dem mit einem Moment TRad angetriebenen Rad ergibt TRad = Fu Rdyn + Freac e . Nimmt man an, dass ein Rad ohne Brems- oder Antriebsmoment rollt, TRad = 0, so entspricht dann die Umfangskraft −Fu genau der Rollwiderstandskraft FR . F¨ ur die Ebene, α = 0, gilt somit wegen xv + xh = 1 in sehr guter N¨ aherung die Beziehung FR = fR m g = e m g/Rdyn f¨ ur die gesamte Rollwiderstandskraft eines Fahrzeugs.
80
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Abb. 3.10. Kr¨ afte und Momente am Rad
Abb. 3.11. Kr¨ afte am Fahrzeug beim Fahren an einer Steigung
Ist α < 0, d.h. das Fahrzeug f¨ ahrt auf einer Gef¨allestrecke, so wird FSt negativ, zum Beschleunigen oder Halten der Fahrgeschwindigkeit muss dann etwas weniger Zugkraft aufgebracht werden bzw. bei gleicher Leistung kann an Gef¨allestrecken eine gr¨ oßere Maximalgeschwindigkeit erreicht werden; der Steigungswiederstand wird zur Hangantriebskraft. Der Luftwiderstand FL , der quadratisch mit der Geschwindigkeit v ansteigt. Er errechnet sich mit der Dichte ρL der umgebenden Luft6 , dem Luftwiderstandsbeiwert cw des Fahrzeugs und der projizierten Stirnfl¨ache A zu 6
Bei Normalbedingungen (20◦ C, 1,013bar Luftdruck) ist ρL = 1, 199 kg/m3 .
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
81
Abb. 3.12. Geschwindigkeitsabh¨ angige Rollwiderstandsbeiwerte f¨ ur Reifen der Kompaktklasse (Aus Reimpell & Betzler [2005])
FL = ρL · cw · A · v 2 /2 .
(3.14)
Richtwerte f¨ ur Luftwiderstandsbeiwert cw und Stirnfl¨ache sind in Tabelle 3.3 gegeben. Man beachte gerade bei den Nutzfahrzeugen die starke Abh¨angigkeit beider Werte vom Aufbau; auch bei PKW nimmt der Ausdruck cw · A bei Dachaufbauten, z.B. bei Fahrradtr¨ agern, unter Umst¨anden erheblich zu. Der Beschleunigungswiderstand Fa (d’Alembert’sche7 Tr¨agheitskraft) des mit einer Beschleunigung a bewegten Fahrzeugs der Masse mveh Tabelle 3.3. Richtwerte f¨ ur den Luftwiderstandsbeiwert und die Stirnfl¨ ache A von PKW und Nutzfahrzeugen. Fahrzeugart cw [-] Motorrad mit Fahrer 0, 5 . . . 0, 7 Offenes Cabriolet 0, 5 . . . 0, 7 Geschlossene Limousine 0, 22 . . . 0, 4 VW Golf, Bj. 1992 0,3 Opel Astra GTC, Bj. 2005 0,32 Omnibus 0, 4 . . . 0, 8 LKW (Solo) 0, 45 . . . 0, 8 LKW mit Anh¨ anger 0, 55 . . . 1, 0 Sattelzug 0, 5 . . . 0, 9 7
A [m2 ] 0, 7 . . . 0, 9 1, 7 . . . 2, 0 1, 7 . . . 2, 3 2,0 2,06 6, 0 . . . 10, 0 6, 0 . . . 10, 0 6, 0 . . . 10, 0 6, 0 . . . 10, 0
cw · A [m2 ] 0, 4 . . . 0, 6 0, 85 . . . 1, 4 0, 4 . . . 0, 9 0,6 0,66 2, 4 . . . 8, 0 2, 7 . . . 8, 0 3, 3 . . . 10, 0 3, 0 . . . 9, 0
D’Alembert, Jean le Rond (1717 - 1783) war ein franz¨ osischer Naturwissenschaftler, einer der bedeutendsten Mathematiker und Physiker des 18. Jahrhunderts und ein Philosoph der Aufkl¨ arung. Außerdem studierte er Recht, dann Medizin, ehe er sich endg¨ ultig autodidaktisch der Mathematik und Physik zuwandte.
82
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Abb. 3.13. Richtwerte f¨ ur den Drehzahlmassenfaktor λ in Abh¨ angigkeit von der betrachteten Gesamt¨ ubersetzung iges
Fa = λ · mveh · a ,
(3.15)
wobei der Drehzahlmassenfaktor λ ≥ 1 die zu beschleunigenden Drehtr¨agheiten von Motor, Kupplung, Getriebe, Achswellen, Bremsscheiben und R¨adern usw. ber¨ ucksichtigt. Rechnet man die Drehtr¨ agheiten Θk aller proportional zur Fahrzeuggeschwindigkeit v rotierenden Teile, k = 1, . . . , Nc auf die Radantriebsachse um, so gilt mit dem dynamischen Rollradius des Reifens8 Rdyn und der Fahrzeugmasse mveh PNc
λ=1+
k Θred,k . 2 Rdyn · mveh
Durch die Umrechnung auf die Raddrehzahl entsteht eine Abh¨angigkeit des Faktors λ von der Getriebegesamt¨ ubersetzung im betrachteten Gang. Abbildung 3.13 gibt Richtwerte nach Lechner & Naunheimer [1994] f¨ ur λ an. Der Gesamtfahrwiderstand FW f¨ ur das beschleunigende Fahrzeug an einer Steigung folgt als Addition von (3.12), (3.13), (3.14) und (3.15) zu FW = FR + FSt + FL + Fa = m · g · (sin α + fR · cos α) + m · λ · a + 8
1 · ρL · cw · A · v 2 . (3.16) 2
Anders als bei Schienenfahrzeugen, bei denen sich der Rollradius durch Verschleiß im Bereich von Zentimetern ¨ andert, wird bei Straßenfahrzeugen die Abnutzung der Reifen in der Auslegung vernachl¨ assigt. Schienenfahrzeuge werden unter Annahme eines halb abgenutzten Rades berechnet.
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
83
Abb. 3.14. Zugkraft f¨ ur ein Fahrzeug mit verschiedenen Getrieben und Fahrwiderst¨ ande bei 0%, 10% und 20% Steigung
In Auslegungsaufgabe 3.1 und 3.2 wird (3.16) f¨ ur Gespanne erweitert. F¨ ur die unbeschleunigte Fahrt an geringen Steigungen vereinfacht sich (3.16) zu FW = m · g · (tan α + fR ) +
1 · ρL · cw · A · v 2 . 2
(3.17)
Im Folgenden wird ein exemplarischer Motor in einem fiktiven Fahrzeug9 betrachtet. F¨ ur diese Kombination wird die nach der Gleichung der theoretischen Zugkrafthyperbel (3.11) bei idealer Wandlung verf¨ ugbare Kraft am Rad FRad dem Fahrwiderstand f¨ ur Konstantfahrt nach (3.17) gegen¨ ubergestellt, dabei werden die Steigungen 0, 10% und 20% betrachtet. Da die verf¨ ugbare Zugkraft die Fahrwiderst¨ ande zumindest kompensieren muss, w¨are dieses Fahrzeug im Bereich zwischen der Hyperbel und der Fahrwiderstandskennline f¨ ur die 0%-Steigung mit einem solchen stufenlosen Getriebe nach Abbildung 3.14 fahrf¨ahig; in den Bereichen, in denen die verf¨ ugbare Zugkraft die Fahrwiderst¨ande u ¨bersteigt, kann mit dieser Zugkraftreserve beschleunigt werden. Die maximale Geschwindigkeit w¨ urde bei ca. 238 km/h liegen, bei dieser Geschwindigkeit sind in der Ebene Fahrwiderstand und Zugkraft gleich groß. Dar¨ uber hinaus u ¨bersteigt der Fahrwiderstand die Zugkraft und die Geschwindigkeiten k¨onnen nicht station¨ ar gefahren werden. Nur ein Getriebe mit einer 9
Es wird der Motor aus Abbildung 3.15 mit einer Maximalleistung von Pmax = 111 kW angenommen, f¨ ur das Fahrzeug werden folgende Parameter verwendet: mveh = 1600 Kg, fR = 0, 01, ρL = 1, 199 kg/m3 , cw · A = 0, 6 m2 , Rdyn = 0, 31 m, xV = 0, 6, ηGet · ηAchs = 0, 9, iGet · iAchs = 14, Tc,max = 300 Nm, µRad = 0, 85.
84
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
¨ unendlichen Ubersetzung – ein IVT gem¨ aß Anmerkung 2.9 – ist in der Lage, ohne spezielles Anfahrmoment die ideale Zugkrafthyperbel n¨aherungsweise abzufahren10 . Eine erste Einschr¨ ankung der exorbitanten Fahrleistungen, die mit einem solchen Fahrzeug erreichbar w¨ aren, wird durch das maximal am Rad u ¨bertragbare Moment gegeben. F¨ ur die Rutschgrenze an der angetriebenen Achse erh¨alt man unter Annahme einer Coulomb’schen Reibung11 mit dem Vorderachsanteil xV ·m des Fahrzeuggewichts zun¨ achst die maximal u ¨bertragbare Kraft am Rad Fmax,Rad zu Fmax,Rad = m · g · xV · cos α · µRad ,
(3.18)
wobei Anhaltswerte f¨ ur den Haftreibungswert neuer Reifen auf normalen Straßen in Tabelle 3.4 gegeben sind. Beachtet man mit Blick auf die Besprechung der Missbrauchsbeanspruchungen in Abschnitt 3.3.2, dass auch die Kupplung als reibschl¨ ussig wirkendes Anfahrelement ein maximal u ¨bertragbares Moment Tc,max besitzt, so erh¨ alt man f¨ ur die Rutschgrenze Frutsch,Rad bezogen auf die Kraft am Rad bzw. an der Achse im Ber¨ uhrpunkt mit der Straße Tc,max Frutsch,Rad = min Fmax,Rad , · ηAchs · ηGet · iAchs · iGet . (3.19) Rdyn ¨ Die Wirkungsgrade ηGet und ηAchs und Ubersetzungen iGet und iAchs von Getriebe und Achsantrieb wurden dabei bereits ber¨ ucksichtigt. F¨ ur das gew¨ahlte Modellfahrzeug ergibt sich auf einer trockenen, ebenen Straße eine Rutschgrenze von Frutsch,Rad = 8005 N. Die Zugkraft, die das ideale Stufenlosgetriebe zur Verf¨ ugung stellen kann, u ¨berschreitet im Bereich unterhalb 50 km/h die Rutschgrenze und kann nicht vollst¨andig u ¨bertragen werden. Die R¨ader der (vorderen) Antriebsachse rutschen durch, da die Haft- oder ¨ Ubertragbarkeitsbedingung (3.20) nicht erf¨ ullt ist, FRad ≤ Frutsch,Rad .
(3.20)
Zus¨atzlich f¨ uhrt das Anfahrnicken bei frontgetriebenen Fahrzeugen zu einer Reduktion der Vorderachslast und damit auch der Rutschgrenze. Ber¨ ucksichtigt man nun das vom Motor bei Volllast im m¨oglichen Drehzahlbereich lieferbare Antriebsmoment (Volllastkurve aus Abbildung 3.15) und nimmt an, dass gar kein Getriebe im Fahrzeug verbaut ist, so w¨are das Auto 10
11
Gerade im Bereich der sehr hohen Anfahr¨ ubersetzung reduzieren die auftretenden Verluste die tats¨ achlich verf¨ ugbare Zugkraft. ´ Charles Augustin de Coulomb (1736 - 1806) studierte an der Ecole de G´enie Mathematik und Naturwissenschaften. 1779 ver¨ offentlichte er die Abhandlung “Th´eorie des machines simples”, eine Analyse u ¨ber die Reibung der Maschinen. Er entdeckte nicht nur die Gesetze der Elektro- und Magnetostatik und der Drillkraft, sondern formulierte sp¨ ater auch das sogenannte Coulomb’sche Gesetz und begr¨ undete die Gesetze der gleitenden und inneren Reibung.
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
85
Abb. 3.15. Muscheldiagramm: spezifischer Kraftstoffverbrauch be in g/kWh. Kennfeld eines sechszylindrigen Benzintriebwerks mit 2 l Hubraum und 111 kW (Aus Lechner & Naunheimer [1994])
u ugbare Kraft am Rad nicht ausreicht, um ¨berhaupt nicht fahrbar, da die verf¨ wenigstens die Fahrwiderst¨ ande bei Konstantfahrt in der Ebene zu u ¨berwinden, vgl. in Abbildung 3.14 die Zugkraftkurve am unteren Bildrand. Ein Fahrzeuggetriebe ist also f¨ ur dieses Beispiel zwingend notwendig. Durch eine Reduktion der Fahrzeugmasse mveh ist infolge der Absenkung des Fahrwiderstandes die Konstantfahrt in einen sehr kleiner Bereich m¨oglich, wobei dann das Fahrzeug noch immer nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft aus dem Stand zu beschleunigen. Die Grenzf¨alle der idealen Leistungswandlung entsprechend der Zugkrafthyperbel und des Fahrzeugs ohne Getriebe demonstrieren, wie notwendig einerTabelle 3.4. Haftreibungsbeiwerte f¨ ur neue Reifen auf normalen Straßen Fahrgeschwindigkeit Haftreibungszahl des Reifens µRad [km/h] Trockene Straße Nasse Straße 50 0,85 0,65 90 0,80 0,60 130 0,75 0,55
86
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
seits ein Getriebe als Leistungswandler ist. Sie unterstreichen andererseite, wie entscheidend das Getriebe zum Erreichen guter Fahrleistungen ist. Verbrauchskennfeld F¨ ur den Verbrennungsmotor, der im Kraftfahrzeug als Leistungsquelle dient, kann f¨ ur den station¨ aren Betrieb der Kraftstoffverbrauch in Abh¨angigkeit von Drehzahl und Drehmoment angegeben werden. In Abbildung 3.15 ist der spezifische Verbrauch be in g/kWh f¨ ur einen beispielhaften Motor dargestellt. Knapp unter der Volllastkennlinie im unteren Drehzahlbereich liegt das Verbrauchsminimum be,min , dessen genaue Lage motorspezifisch ist. Bei PKWOttomotoren liegt das Verbrauchsminimum bei ca. 250 g/kWh, bei Dieselmotoren f¨ ur Nutzfahrzeuge bei ca. 190 g/kWh. Das Verbrauchskennfeld ist neben der Motorkennung – Leistung und Drehmoment u ur die Abstimmung ¨ber der Motordrehzahl – eine wichtige Grundlage f¨ von Motor, Getriebe und Fahrzeug. Das Getriebe kann die verbrauchsg¨ unstigen Gebiete des Motorkennfelds u ¨ber die Schongangauslegung erschließen. In Abbildung 3.15 sind neben den H¨ ohenlinien konstanten spezifischen Kraftstoffverbrauchs be (Muschellinien) auch die Drehmoment- bzw. Drehzahlverl¨aufe bei konstanter Motorleistung, die so genannten Leistungshyperbeln, T (P = konst) eingezeichnet, die unabh¨ angig vom Antriebstrang sind. So ist die gleiche Motorleistung bei unterschiedlichen Drehmoment-/Drehzahlwerten – Punkte 1 und 2 im Muscheldiagramm – und damit auch bei unterschiedlichem Kraftstoffverbrauch erzielbar. Auf jeder Leistungshyperbel l¨asst sich ein Punkt minimalen Kraftstoffverbrauchs finden. Werden diese Punkte verbunden, entsteht die Kurve minimalen Kraftstoffverbrauchs. Anmerkung 3.6 Im Muscheldiagramm wird h¨aufig anstatt des Motormoments der effektive Mitteldruck pme aufgetragen. Dann gilt f¨ ur Viertaktmotoren der Zusammenhang zwischen Motormoment Tmot und Mitteldruck pme mit dem Gesamthubvolumen VH des Motors Tmot = pme · VH /4π. 2 3.2.2 Einfluss und Auslegung von Getriebe¨ ubersetzungen Durch die Integration eines Getriebes kann schließlich das Fahrzeug fahrbar gemacht werden. Dazu soll folgendes Gedankenexperiment angestellt werden: Man w¨ahlt zun¨achst einmal willk¨ urlich f¨ ur das in Abbildung 3.14 zugrunde gelegte, fiktive Fahrzeug ein Sechsgang-Schaltgetriebe mit einer Gesamt¨ ubersetzung im ersten Gang i1,ges = i1 ·iAchs = 14 und i6,ges = i6 ·iAchs = 3. Durch die entsprechende Momentenwandlung erh¨ alt man die in Abbildung 3.14 eingezeichneten Radkraftkurven f¨ ur den ersten und sechsten Gang, die – trotz der absolut willk¨ urlichen Wahl der Gesamt¨ ubersetzungen – in jeweils einem Bereich der idealen Zugkrafthyperbel sehr nahe kommen. Das Fahrzeug w¨are anfahrbar, im ersten Gang w¨ urde in einem kleinen Bereich die Haftbedingung
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
87
(3.20) verletzt, die maximale Geschwindigkeit w¨ urde sich durch dieses Getriebe kaum verringern, die Vorteile sind offensichtlich. Im Folgenden werden nun die Kriterien f¨ ur die tats¨achliche Berechnung der ¨ Gang¨ ubersetzungen ik f¨ ur alle Ns G¨ ange, k = 1, . . . , Ns , sowie der Ubersetzung des Achsantriebs iAchs vorgestellt. Stufengetriebe moderner Fahrzeuge weisen im PKW-Bereich heute f¨ unf bis sieben G¨ange auf, Ns = 5, . . . , 7, bei stufenlosen Getriebekonzepten mit endlichem Verstellbereich kennzeichnen die Minimal- und Maximal¨ ubersetzung den maximalen Wandlungsbereich. Gesamtspreizung eines Stufengetriebes Generell sind die folgenden drei Kriterien bei der Auswahl der Gang¨ ubersetzungen bei Stufengetrieben – egal ob konventionelles oder teilautomatisiertes Handschaltgetriebe, Stufenautomat oder Doppelkupplungsgetriebe – zu beachten, Analoges gilt f¨ ur die Stufenlosgetriebe, vgl. Abschnitt 2.7.4: 1. Anfahren unter schweren Bedingungen, z.B. mit Anh¨anger am Berg, 2. Erreichen einer gegebenen H¨ ochstgeschwindigkeit vmax , 3. Fahren in verbrauchsg¨ unstigen Bereichen des Motorkennfeldes, z.B. bei der Richtgeschwindigkeit v = 110 km/h auf der Autobahn. ¨ Der erste Punkt f¨ uhrt auf die maximal n¨ otige Ubersetzung des kleinsten Ganges i1 · iAchs , die zweite Bedingung ergibt unter Ber¨ ucksichtigung der Maximaldrehzahl des Verbrennungsmotors die (theoretische) H¨ochstgeschwindigkeits¨ ubersetzung iv,max . Aus der dritten Forderung l¨asst sich dann bei Kenntnis des verbrauchsoptimalen Betriebspunkts be,min die Getriebegesamt¨ ubersetzung so errechnen, dass ein Gang – nicht notwendig der mit der kleinsten ¨ Ubersetzung – als Schongang ausgelegt ist. Eine weitere, wichtige Kenngr¨ oße von Stufengetrieben ist die Spreizung des ¨ Getriebes iG , definiert als Verh¨ altnis der gr¨ oßten zur kleinsten Ubersetzung iG = i1 /iNs .
(3.21)
Die Spreizung sollte auf Motor und Fahrzeug angepasst sein, um den Einsatzzweck des Fahrzeugs zu ber¨ ucksichtigen, vgl. Abbildung 3.16. Drehmomentenstarke Motoren lassen i.d.R. gr¨ oßere Spreizungen zu als leistungsschwache oder hochtourig drehende Aggregate. Auslegung der gr¨ oßten Gesamt¨ ubersetzung Um die Anfahr¨ ubersetzung iAnfahr des Gesamttriebstrangs mit der gr¨oßten Drehmomentsteigerung zu bestimmen, ist der gr¨oßte Zugkraftbedarf heranzuziehen. Die Kraftschlussgrenze, d.h. die maximale Reibkraft zwischen Reifen und Straße nach der Haftbedingung (3.20), muss bei der Auslegung von Getriebe und Zugkraftangebot beachtet werden.
88
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
¨ Abb. 3.16. Anhaltswerte f¨ ur die Spreizung iG der mechanischen, gestuften Ubersetzungen von Fahrzeuggetrieben f¨ ur verschiedene Einsatzzwecke
An den Antriebsr¨ adern m¨ ussen unter den gestellten H¨ochstforderungen an Beschleunigungsverm¨ ogen amax und Steigf¨ ahigkeit αmax bei einer bestimmten Fahrbahnbeschaffenheit µRad der resultierende, maximale Fahrwiderstand FW,max und die erforderliche Zugkraft FRad,erf zur Sicherstellung der Anforderungen miteinander im Gleichgewicht sein, Tmax iAnfahr ηAchs ηGet = m g (fR cos αmax + sin αmax ) + m · λ amax ,(3.22) Rdyn Dabei wird der im kleinsten Gang vorhandene Luftwiderstand FL des Fahrzeugs vernachl¨assigt. Aus (3.22) kann man die maximale Gesamt¨ ubersetzung des Getriebes f¨ ur zwei Extremf¨ alle errechnen: Zum einen kann die maximale Steigung vorgegeben werden, die mit konstanter Geschwindigkeit, d.h. a = 0, noch fahrbar ist: iAnfahr =
Rdyn · m · g · (fR · cos αmax + sin αmax ) . Tmax · ηAchs · ηGet
(3.23)
Zum anderen kann bei Fahrt in der Ebene α = 0 eine gew¨ unschte maximale Anfahrbeschleunigung amax vorgegeben sein, man erh¨alt dann aus (3.22) iAnfahr =
Rdyn · m · (g · fR + λ · amax ) . Tmax · ηAchs · ηGet
(3.24)
¨ Ublicherweise wird, um Zuladung und Anh¨ angerbetrieb zu erm¨oglichen, f¨ ur den unbeladenen PKW der Masse m ein Steigverm¨ogen tan αmax von gr¨oßer 50% verlangt. Dadurch wird gew¨ ahrleistet, dass steile Rampen gut u ¨berwunden werden k¨onnen und Gespanne auch am Berg anfahrbar sind. Das Beschleunigungsverm¨ ogen eines Fahrzeugs, z.B. beim Sprint 0–100 km/h, ist
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
89
Abb. 3.17. Auslegungsgeschwindigkeiten f¨ ur die Festlegung der H¨ ochstgeschwindigkeits¨ ubersetzung bei Nutzfahrzeug-Triebstr¨ angen. Die Angaben zu den zul¨ assigen H¨ ochstgeschwindigkeiten beziehen sich auf den deutschrachigen Raum
aber nicht nur von der Anfahr¨ ubersetzung abh¨angig, sondern wird wesentlich von der Tatsache beeinflusst, wie gut sich die verf¨ ugbaren Zugkr¨afte in Abh¨angigkeit von Motordrehzahl und Gang¨ ubersetzung an die Zugkrafthyperbel anschmiegen. Die geforderten Beschleunigungsergebnisse sind dabei stark vom Markenimage des Fahrzeugs abh¨ angig. Bisher wurde die maximale Gesamt¨ ubersetzung iAnfahr des ersten Gangs noch nicht in die Stufen¨ ubersetzung i1 und die Achs¨ ubersetzung iAchs aufgeteilt, da die hierzu notwendigen Informationen noch nicht alle vorliegen. H¨ ochstgeschwindigkeits¨ ubersetzung Das Kriterium f¨ ur die theoretisch m¨ ogliche Gesamt¨ ubersetzung iv,max , bei der die h¨ochste Geschwindigkeit erreicht wird, ist das Erreichen einer vorgegebenen Maximalgeschwindigkeit vmax bei maximaler Motordrehzahl nmax unter Annahme eines schlupffrei rollenden Reifens iv,max = 2 · π · nmax · Rdyn /vmax ,
(3.25)
wobei zu beachten ist, dass die Drehzahl nmax u ¨blich in u/min, die Maximalgeschwindigkeit vmax aber in km/h angegeben wird. F¨ ur Nutzfahrzeuggetriebe wird meist die Auslegung mit der H¨ochstgeschwindigkeit durchgef¨ uhrt, da hier zum einen gesetzliche Regelungen die Maximalgeschwindigkeit st¨ arker als beim PKW bestimmen, und zum anderen die Abregeldrehzahl des Dieselmotors eine wesentliche Begrenzung darstellt. Die aus der zul¨assigen H¨ochstgeschwindigkeit vzul resultierenden Auslegungsbereiche im deutschsprachigen Raum sind in Abbildung 3.17 aufgef¨ uhrt. ¨ Wichtig ist auch die Uberpr¨ ufung der station¨ar verf¨ ugbaren Zugkraft: Die gew¨ unschte Maximalgeschwindigkeit ist nur dann in der Ebene fahrbar, wenn – vgl. Abbildung 3.14 – die bei der maximalen Motordrehzahl nmax verf¨ ugbare
90
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Zugkraft bei der Gesamt¨ ubersetzung iv,max gr¨ oßer oder gleich dem auftretenden Fahrwiderstand ist. Die erreichbare Maximalgeschwindigkeit ergibt sich aus dem Schnittpunkt einer Zugkraftlinie mit der Fahrwiderstandslinie in der Ebene, bei dem die Geschwindigkeit maximal wird. Als Beispiel sei auf die aus Abbildung 3.14 ablesbare Maximalgeschwindigkeit von 238 km/h verwiesen: F¨ ur die angegebene Maximal¨ ubersetzung iges = 3 liegt der Schnittpunkt der Fahrwiderstandslinie unterhalb der maximalen Motordrehzahl nmax . Schongangauslegung In den letzten Jahren hat sich die Einf¨ uhrung eines Schongangs bei Stufengetrieben zur Absenkung des Drehzahlniveaus bei bevorzugten Fahrzust¨anden etabliert. Die Idee ist, dass man durch einen speziellen Schongang, heute meist der 5. oder 6. Gang, mit einer kleinen Gesamt¨ ubersetzung (einer so genannten ¨ “langen” Ubersetzung oder “langen Achse”) bei einer h¨aufig gefahrenen Geschwindigkeit, z.B. der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen, nahe des Verbrauchsoptimums des Motors f¨ ahrt. Will man also bei einer Geschwindigkeit vopt den Motor im optimalen Betriebspunkt be,min mit der Motordrehzahl ne,min betreiben, so muss die minimale Getriebegesamt¨ ubersetzung des Schongangs iSchongang gew¨ahlt werden zu iSchongang = ne,min · 2π · Rdyn /vopt .
(3.26)
Bei der Schongangauslegung wird sich unter Umst¨ande iSchongang < iv,max ergeben; das bedeutet, dass die H¨ ochstgeschwindigkeit nicht im gr¨oßten Gang erreicht wird, weil bei hohen Geschwindigkeiten die verf¨ ugbare Vortriebskraft im gr¨oßten Gang kleiner als der zu u ¨berwindende Gesamtfahrwiderstand ist. Bei der Festlegung der Getriebe¨ ubersetzungen in Abh¨angigkeit von Fahrzeugund Motordaten ist zu ber¨ ucksichtigen, dass die Fahrzeuge auch bei mittleren bis hohen Geschwindigkeiten Beschleunigungsreserven aufweisen sollen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Zugkraftgewinn, der bei Stufengetrieben durch manuelles oder automatisches W¨ ahlen einer kleineren Fahrstufe mit einer gr¨oßeren Gesamt¨ ubersetzung erreicht wird, und der ohne Gangwechsel verf¨ ugbaren Beschleunigungskraft. Letztere ist die Differenz der verf¨ ugbaren Kraft am Rad und den wirkenden Fahrwiderst¨ anden. Ist der Fahrwiderstand in einem Gang gr¨ oßer als die in diesem Gang bei Volllast verf¨ ugbare Zugkraft, so verz¨ogert das Fahrzeug. Wird hingegen der Fahrwiderstand von der Zugkraft u ¨berschritten, kann ohne Gangwechsel beschleunigt werden. ¨ Mit den drei errechneten Ubersetzungen iAnfahr aus (3.23) bzw. (3.24), iv,max aus (3.25) und iSchongang aus (3.26) sowie den in Abbildung 3.16 angegebenen Richtwerten f¨ ur die Spreizung eines Stufengetriebes hat man nun gen¨ ugend ¨ Vorgaben, um die Ubersetzung des ersten Gangs i1 , des Schongangs bzw. des gr¨oßten Ganges iNs sowie des Achsantriebes iAchs festlegen zu k¨onnen. Die Stufung der u ange ik , k = 2, . . . , Ns − 1 ist wiederum abh¨angig vom ¨brigen G¨ Fahrzeugtyp und wird im Folgenden besprochen.
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
91
Bei der praktischen Auslegung hat man – außer man entwickelt ein neues Getriebe – i.d.R. bereits bestehende Gang¨ ubersetzungen i1 bis iNs sowie Achs¨ ubersetzungen zur Verf¨ ugung, aus denen man die entsprechenden ¨ Ubersetzungen zusammenstellt. Dabei sollen die Wunschgr¨oßen f¨ ur die Anfahr¨ ubersetzung und eine verbrauchs- oder h¨ ochstgeschwindigkeitsorientierte End¨ ubersetzung m¨ oglichst gut abgebildet werden, vgl. auch Auslegungsaufgabe 3.1. Oft ist es dabei m¨ oglich, die Kriterien Verbrauch und H¨ochstgeschwindigkeit beide zu erf¨ ullen, da man drei Parameter – i1 , iNs und iAchs – w¨ahlen kann. Stufung der Zwischeng¨ ange ¨ Letzter offener Punkt ist nun f¨ ur Stufengetriebe die Bestimmung der Ubersetzungen der Zwischeng¨ ange, i.d.R. der G¨ ange 2 bis Ns − 1. Das Verh¨altnis ¨ der Ubersetzungen zweier benachbarter G¨ ange, der Stufensprung ϕk , k = 1, . . . , Ns − 1, berechnet sich zun¨ achst zu ϕk = ik /ik+1 > 1 .
(3.27)
¨ Die Getriebeabstufung – d.h. die Ubersetzungen der Zwischeng¨ange – von Stufengetrieben soll so groß gew¨ ahlt werden, dass bei Erreichen des maximalen Motordrehmoments im Gang k der n¨ achstkleinere Gang k−1 eingelegt werden kann, ohne dass die zul¨ assige H¨ ochstdrehzahl nmax des Motors u ¨berschritten ¨ wird, um den Motor vor einem unbeabsichtigten Uberdrehen zu sch¨ utzen. F¨ ur die Wahl der Gang¨ ubersetzungen gelten folgende Kriterien: • Je h¨oher die Gangzahl Ns des Getriebes ist, desto besser ist die Leistungsausnutzung des Motors durch Anschmiegen an die ideale Zugkrafthyperbel. Mit steigender Gangzahl vergr¨ oßert sich auch die Schalth¨aufigkeit und das Getriebe baut aufgrund des mechanischen Mehraufwandes schwerer und gr¨oßer. • Die Weganteile in den einzelnen Fahrstufen sind von der spezifischen Fahrzeugleistung, dem Streckenprofil, den Verkehrsverh¨altnissen und vom Fahrverhalten abh¨ angig. • Die Weganteile in den unteren G¨ angen sind vor allem bei PKW gering. • Je kleiner der Stufensprung ϕ ist, um so angenehmer ist das Getriebe zu schalten. Bei gleichbleibender geforderter Schaltzeit kann die Schaltkraft infolge der verringerten Drehzahldifferenz reduziert werden. • Der W¨armeeintrag an den Synchronringen12 durch Reibung pro Schaltvorgang ist proportional dem Quadrat des Stufensprungs, vgl. (4.72). Unter Beachtung dieser teilweise widerspr¨ uchlichen Aspekte m¨ ussen bei der Auslegung des Getriebes Kompromisse eingegangen werden. F¨ ur die Berechnung der Gangabstufung der Zwischeng¨ ange existieren drei formale Methoden, von denen sich in der Praxis zwei durchgesetzt haben: 12
Auf die Zusammenh¨ ange zwischen der Gangabstufung und der Schaltung bzw. Synchronisation wird in Abschnitt 4.4.3 eingegangen.
92
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
• die arithmetische, • die geometrische und • die progressive Gangabstufung. Die arithmetische Gangabstufung, die in Abbildung 3.19.a im ZugkraftDiagramm13 dargestellt ist, ist im Fahrzeugbereich nicht vertreten und wird hier nur der Vollst¨ andigkeit halber erw¨ ahnt. Sie zeichnet sich durch eine konstant bleibende Differenz der Geschwindigkeiten der einzelnen G¨ange bei gleicher Motordrehzahl aus. Nachteilig ist an diesem System die große Differenz der verf¨ ugbaren Zugkr¨ afte zwischen den hoch u ¨bersetzten G¨angen und die ¨ große Differenz der kleinen Ubersetzungen f¨ ur hohe Geschwindigkeiten. Bei der geometrischen Gangabstufung weist der Stufensprung ϕk zwischen den einzelnen G¨angen theoretisch immer den gleichen Wert auf, p √ (3.28) ϕtheo = Ns −1 iG = Ns −1 i1 /iNs , ¨ und die Ubersetzung in den einzelnen G¨ angen k = 1, . . . , Ns ergibt sich zu s −k ik = iNs · ϕN theo .
(3.29)
Die praktische Notwendigkeit ganzer Z¨ ahnezahlen f¨ ur Zahnradgetriebe f¨ uhrt zu kleinen Abweichungen des Stufensprungs ϕk von ϕtheo . Die Ann¨aherung an die Zugkrafthyperbel ist aber in allen G¨ angen gleich gut, wie in Abbil¨ dung 3.19.b verdeutlicht ist. Die Ubersetzungswahl nach (3.28) und (3.29) hat zur Folge, dass sich die Differenz der H¨ ochstgeschwindigkeiten zwischen den einzelnen G¨angen mit steigendem Gang vergr¨ oßert: Das Verh¨altnis zwischen den G¨angen bleibt gleich und so tritt mit steigender Gangnummer ein exponentieller Effekt auf. Eine geometrische Abstufung der G¨ange wird vor allem bei Nutzfahrzeug-Getrieben vorgenommen, da infolge der geringeren spezifischen Leistung alle Gangstufen gleichermaßen bedeutend sind. Die Zugkraftdifferenz – in Abbildung 3.19.b die graue Fl¨ ache – zwischen 1. und 2. Gang f¨allt geringer aus als bei den anderen Stufungskonzepten. Bei PKW-Getrieben, die mit einem gr¨ oßeren Anteil in den h¨oheren G¨ange betrieben werden, wird meist eine progressive Gangabstufung gew¨ahlt. Je h¨oher der Gang, um so kleiner ist dabei der Stufensprung zwischen aufeinanderfolgenden G¨ angen, vgl. z.B. Tabelle 4.12 auf Seite 184. In den Abbildungen 3.18.b und 3.19.c ist die progressive Getriebeabstufung im ZugkraftGeschwindigkeits- und im Geschwindigkeits-Drehzahl-Diagramm dargestellt. Deutlich zu erkennen ist, dass bei der progressiven Gangabstufung die Differenzen zwischen den H¨ ochstgeschwindigkeiten in den einzelnen G¨angen ann¨ahernd konstant bleiben, w¨ ahrend sie bei der geometrischen Gangabstufung mit gr¨oßeren G¨ angen zunehmen, vgl. Abbildung 3.18. Im Zugkraftdiagramm werden in den oberen G¨ angen die L¨ ucken zwischen der effektiven Zugkrafthyperbel und dem Zugkraftangebot verkleinert. 13
Der Geschwindigkeitsverlauf in den einzelnen G¨ angen bei der arithmetischen Stufung ist offensichtlich.
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
93
a)
b) Abb. 3.18. Auswirkungen der Gangstufungen im Geschwindigkeits-Drehzahl-Diagramm: a) Geometrische und b) Progressive Gangabstufung mit ψ = 1, 2 (i1 = 4 und i5 = 0, 8 f¨ ur beide Varianten, iAchs = 3, 5, Rdyn = 0, 305 m)
Dies ¨außert sich im f¨ ur PKW relevanten Geschwindigkeitsbereich in einem h¨oheren Schaltkomfort (kleines ϕ) und einem besseren Beschleunigungsverhal¨ ten. Wegen der hohen verf¨ ugbaren Uberschussleistung im unteren Geschwindigkeitsbereich k¨onnen bei PKW gr¨ oßere L¨ ucken im Zugkraftangebot in Kauf genommen werden als bei Nutzfahrzeugen, was die bereits besprochene Bevorzugung der progressiven Auslegung der Gangstufungen f¨ ur PKW rechtfertigt. Bei gegebener Spreizung iG des Getriebes und einem gegebenen Progressionsfaktor ψ errechnet sich der Grundstufensprung ϕ1 gem¨aß
94
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
a)
b)
c) Abb. 3.19. Auswirkungen der Gangstufungen im Zugkraft-Geschwindigkeits-Diagramm: a) Arithmetische, b) Geometrische und c) Progressive Gangabstufung mit ψ = 1, 2 (i1 = 4 und i5 = 0, 8 f¨ ur alle Varianten, iAchs = 3, 5, Rdyn = 0, 305 m)
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
s ϕ1 =
Ns −1
95
iG ψ 0,5·(Ns −1)·(Ns −2)
¨ und f¨ ur die Soll-Ubersetzungen der G¨ ange k = 1, . . . , Ns gilt dann (Ns −k)
ik = iNs · ϕ1
· ψ 0,5·(Ns −k)·(Ns −k−1) ,
(3.30)
wobei der Progressionsfaktor meist im Bereich ψ = 1, 05 . . . 1, 2 gew¨ahlt wird und der resultierende Grundstufensprung zwischen erstem und zweitem Gang bei etwa ϕ1 = 1, 1 . . . 1, 7 liegt. F¨ ur ψ = 1 geht die progressive Stufung in die geometrische u ¨ber. Die aufgef¨ uhrten Berechnungsmethoden liefern jedoch stets nur Startwerte ¨ f¨ ur die Ubersetzungswahl. In einer anschließenden Feinabstimmung werden die Gang¨ ubersetzungen dann an das Fahrzeug angepasst. Dies geschieht durch Fahr- und Pr¨ ufstandsversuche sowie rechnerische Fahrsimulation. Neben markentypischen Anforderungen an die Fahrleistungen spielt dabei der Verbrauch i.d.R. eine wichtige Rolle. 3.2.3 Verbrauchsaspekte Der Kraftstoffverbrauch bestimmt maßgeblich die Wirtschaftlichkeit eines Kraftfahrzeugs. Er ist aber verst¨ arkt auch unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenschonung und der Schadstoffemissionen, vor allem mit Blick auf die Zusagen der Automobilindustrie, den Flottenausstoß an CO2 , NOx und weiteren Schadstoffen drastisch zu reduzieren, zu sehen. Der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs wird je nach Bezugsgr¨ oße angegeben als • Streckenverbrauch bs in Liter pro 100 km, • zeitlicher Kraftstoffverbrauch bt in Liter pro Betriebsstunde. Er kann durch Berechnungen oder Versuche f¨ ur vorgegebene Testzyklen14 bestimmt werden. Die Pr¨ ufbedingungen zur Messung des Kraftstoffverbrauchs von PKW, LKW und Bussen sind in entsprechenden Richtlinien festgelegt und die Berechnungsprogramme darauf abgestimmt. Als wesentliche Pr¨ ufbedingung gilt auch hier die Belastung des Fahrzeugs mit der halben zul¨assigen Zuladung zus¨atzlich zum Leergewicht der Basisausstattung. Je nach Fahrweise, Straßen- und Verkehrsverh¨ altnissen, Umwelteinfl¨ ussen und Fahrzeugzustand sowie der Fahrzeugausstattung – z.B. permanent mitlaufende Klimaanlagen – ergeben sich im realen Einsatz Kraftstoffverbrauchswerte, die von den Werten der Normzyklen abweichen. Einen Haupteinfluss auf den Verbrauch hat der Fahrer: Er legt durch seine Geschwindigkeits- und Gangwahl die Motorbetriebspunkte und damit den Verbrauch fest. 14
Ein g¨ angiger Fahrzyklus ist der NEDC (New European Driving Cycle), auch MVEG (Motor Vehicle Emissions Group) oder NEFZ (Neuer europ¨ aischer Fahrzyklus) genannt.
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3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Das Getriebe beeinflusst auf zwei Arten den Kraftstoffverbrauch. Zum einen durch die Getriebeverluste, vgl. Abschnitt 3.1.3, und zum anderen durch die ¨ Bereitstellung geeigneter Ubersetzungen zur verbrauchsorientierten Nutzung des Motors in h¨aufig genutzten Fahrsituationen. Manuell geschaltete, rein mechanische Stufengetriebe haben h¨ aufig bereits einen so guten Wirkungsgrad, dass diese f¨ ur konstruktive Verbesserungen kaum noch zug¨anglich sind. Bei Stufenlosgetrieben spielt der Getriebewirkungsgrad hingegen eine große Rolle, wobei jedoch der Einfluss des Fahrers auf den Verbrauch immer noch gr¨oßer ist. Zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs im Bereich der Fahrzeuggetriebe und im Allgemeinen bestehen im wesentlichen folgende M¨oglichkeiten: • Optimierung des Wirkungsgrads des Verbrennungsmotors und hier vor allem Senkung des Teillastverbrauchs. ¨ • Bedarfsgerechte Motorisierung, d.h. Vermeiden von Uberoder Untermotorisierung, um m¨ oglichst h¨ aufig in energetisch g¨ unstigen Betriebspunkten zu fahren. • Senken der Fahrwiderst¨ ande, beispielsweise Luft- und Rollwiderstand. • Verlustreduktion der Nebenaggregate, z.B. Servopumpe, Klimaanlage. • Optimierung des Getriebewirkungsgrads. Hier sind vor allem die Stufenlosgetriebe, vgl. auch Abschnitt 2.7.4, und der hydrodynamische Wandler, vgl. Abschnitt 5.5, zu nennen. ¨ • Aktive Regelung der Ubersetzungswahl von Schaltautomaten und CVT’s. Wie beim Verbrauch, so kann auch bei den Emissionen nach der Ursache unterschieden werden: Emissionen, die das Getriebe direkt verursacht wie beispielsweise Ger¨ausche – z.B. Rasseln oder Klappern – und solche, die durch den u ¨bersetzungsbedingten Motorbetriebspunkt entstehen und somit nur mittelbar vom Getriebe abh¨ angig sind, wie etwa das Motorengrundger¨ausch. Ans¨atze zu Abhilfemaßnahmen der Ger¨ auschemissionen durch das Getriebe werden in Abschnitt 9.6 diskutiert. 3.2.4 Fahrleistung und Beschleunigungsverm¨ ogen In Abbildung 3.19 ist schon ein wesentlicher Aspekt bei der Auslegung von Getriebe¨ ubersetzungen kurz angerissen worden, ohne jedoch explizit darauf einzugehen: Die zur Verf¨ ugung stehende Zugkraft. Solange das Zugkraftangebot die Fahrwiderst¨ ande u ¨bersteigt, stehen Beschleunigungsreserven zur Verf¨ ugung. Bei Fahrt mit einem Gespann mit gr¨oßerer Gesamtmasse mges , h¨oherem Luftwiderstandsbeiwert cw und gr¨ oßerer quer angestr¨omter Fl¨ache A erh¨ohen sich die Fahrwiderstandskennlinien erheblich. Die dann noch zur Verf¨ ugung stehende Zugkraft kann wieder als Indikator f¨ ur die Anfahrbarkeit von Gespannen an Steigungen nach (3.22) oder deren theoretische erreichbare H¨ochstgeschwindigkeit verwendet werden. F¨ ur die Berechnung der erforderlichen Zeit f¨ ur die Beschleunigung auf die charakteristische Geschwindigkeit von 100 km/h ist wie folgt vorzugehen.
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
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Abb. 3.20. Schematische Darstellung der Streckenverh¨ altnisse am PKW: Einfluss der Fahrzeugl¨ angsdynamik auf die u ¨bertragbare Kraft am Rad
Die Beschleunigungsreserve, also die Differenz aus Zugkraft FRad und Fahrwiderstand FW nach (3.16), f¨ ur die einzelnen G¨ange ist als Funktion der Motordrehzahl oder der Fahrgeschwindigkeit darzustellen und nach der erreichbaren Beschleunigung in Abh¨ angigkeit von Gang und Motordrehzahl aufzul¨osen, was i.d.R. numerisch geschieht. Dann ist mit der Anfangsbedingung v(t = 0) = 0 die Beschleunigung in der Zeit zu integrieren, bis die Bedingung v = v100 = 100 km/h erf¨ ullt ist. Zu beachten ist dabei die (statische) Haftbedingung (3.20) sowie – unter Annahme einer Schaltzeit ∆tS , die zum Gangwechsel inklusive Drehzahlangleich des Motors ben¨otigt wird – die Zugkraftunterbrechung, vgl. Abschnitt 9.3, f¨ ur die manuell geschalteten Getriebe und deren automatisierte Derivate. Dabei wird die Schaltung dann ausgel¨ost, wenn bei hohen Drehzahlen in einem Gang k der n¨achste Gang k + 1 – je nach Schaltstrategie – z.B. eine h¨ ohere Zugkraft liefert, vgl. Anmerkung 5.1. Bei frontgetriebenen Fahrzeugen muss unabh¨ angig vom Getriebetyp beachtet werden, dass die in die Haftbedingung (3.20) eingehende maximal u ¨bertragbare Kraft am Rad von der Vorderachslast abh¨angt. Beim starken Beschleunigungen des Fahrzeugs entsteht nun infolge des Momentengleichgewichts am Fahrzeug, vgl. Abbildung 3.20, eine Nickbewegung ϕN , die zu einer Entlastung der Vorderachse und damit zu einer Reduktion der u ¨bertragbaren Kraft f¨ uhrt. Mit den in Abbildung 3.20 eingetragenen Strecken und Steifigkeiten der Vorder- und Hinterachse in Vertikalrichtung, cv und ch , erh¨alt man f¨ ur die Nickbewegung beim Beschleunigen die folgende Bewegungsgleichung:
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3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Abb. 3.21. Beispielhafte Drehmomentcharakteristik eines Verbrennungsmotors
ΘN · ϕ¨N = FRad · hS + FN,v · l − FN,h · (L − l) = FRad · hS + (m · g · xV − ϕN · cv · l) · l | {z }
(3.31)
FN,v (ϕN )
− (m · g · xH + ϕN · ch · (L − l)) · (L − l) , wobei der Kraftangriff der Fahrwiderstandskraft FW entsprechend der Dominanz von Steigungs- und Luftwiderstand im Fahrzeugschwerpunkt angenommen ist, um den in (3.31) bilanziert wird. Integriert man bei der Berechnung der Beschleunigungszeit neben der Fahrzeugl¨ angsbeschleunigung auch die aus der Beschleunigung resultierende Nickbeschleunigung (3.31), so steht dann mit der von der Nickbewegung abh¨ angigen Normalkraft FN (ϕN ) gem¨aß (3.20) eine dynamische Haftbedingung f¨ ur die vorderachsgetriebenen Fahrzeuge zur Verf¨ ugung; dabei ist dann auf die Zugkraftbegrenzung durch die Rutschgrenze zu achten. Bei Fahrzeugen mit Heckantrieb ist durch die Hebelverh¨altnisse die Antriebsachse beim starken Beschleunigen st¨arker belastet und die u ¨bertragbare Kraft am Rad nimmt zu. Auslegungsaufgabe 3.1 Fahrleistung und Verbrauch F¨ ur ein fiktives Fahrzeug sollen die Eckdaten des Getriebes ausgelegt werden: Volllastkurve F¨ ur einen Dieselmotor mit einer Leerlaufdrehzahl von 800 u/min soll die in Abbildung 3.21 dargestellte, sehr einfache Nennmomentenkurve angenommen werden. Man errechne und skizziere die zugeh¨orige Nennleistungskurve u ¨ber der Motordrehzahl, gebe den Kurvenverlauf qualitativ an und markiere ausgezeichnete Werte. Anfahr¨ ubersetzung Der Motor soll in ein Fahrzeug mit den Kennwerten mv = 1700 kg, Rdyn = 0, 33 m, fR = 0, 03, cw A = 0, 65 m2 , ηges = 0, 93
3.2 Fahrleistung und Verbrauch
99
und λ = 1, 15 integriert werden und mit einem Anh¨anger (mtr = 2000 kg) in der Ebene mit einer Beschleunigung amax = 3 m/s2 anfahrbar sein. Man bestimme die erforderliche Anfahr¨ ubersetzung. Spargangauslegung Bei Betrieb im optimalen Betriebspunkt des Motors (ne,min = 2200 u/min) soll eine Geschwindigkeit von 120 km/h erreicht werden. Bestimmen Sie die Gesamt¨ ubersetzung f¨ ur den 6. Gang eines Stufengetriebes, wenn dieser als Spargang ausgelegt werden soll. Wahl der Gangstufen F¨ ur das Getriebe befinden sich drei verschiedene Achs¨ ubersetzungen (iachs−1 = 3, 154, iachs−2 = 3, 356, iachs−3 = 3, 786), vier erste (i1−1 = 3, 154, i1−2 = 3, 385, i1−3 = 3, 769, i1−4 = 3, 923) und zwei sechste G¨ ange (i6−1 = 0, 742, i6−2 = 0, 788) in Produktion. W¨ahlen Sie die bestm¨ogliche Kombination f¨ ur das Fahrzeug aus. ¨ Bewertung der Ubersetzungen mit vorhandenen Rads¨ atzen Welche Beschleunigung ist mit Anh¨ anger in der Ebene und welche Geschwindigkeit im optimalen Betriebspunkt mit den vorhandenen Rads¨atzen erreichbar? Zur Optimierung des Getriebes f¨ ur die neue Anwendung soll als ¨ Erg¨anzung zu den bereits vorhandenen Ubersetzungen eine neue vorgeschlagen werden, mit der die Vorgaben besser erf¨ ullt werden. Die neue ¨ Ubersetzung, d.h. ein neues Zahnradpaar, kann f¨ ur den ersten Gang oder f¨ ur den Achsantrieb oder den R¨ uckw¨ artsgang ausgelegt werden, die beiden ¨ anderen Ubersetzungen sind aus dem Produktionsprogramm zu w¨ahlen. ¨ Zwischenstufungen Errechnen Sie die Ubersetzungen der Zwischeng¨ange i2 bis i5 bei progressiver Stufung mit einem Progressionsfaktor ψ = 1, 1. Wie groß ist der resultierende Grundstufensprung ϕ1 ? Wie fallen im Vergleich ¨ dazu die Ubersetzungen bei geometrischer Gangabstufung aus? Erreichbare Fahrleistungen Man zeichne die Zugkraftlinien und die Fahrwiderst¨ande f¨ ur unbeschleunigte Fahrt an Steigungen 0, 10% und 20% f¨ ur den PKW allein bei progressiver Gangstufung in ein Zugkraftdiagramm ein. Welche H¨ ochstgeschwindigkeit wird station¨ar in der Ebene erreicht? Zugkraftreserve Welche Zugkraftreserve steht f¨ ur den PKW alleine bei einer Geschwindigkeit von 90 km/h im 4. Gang zur Verf¨ ugung? ¨ F¨ ur die letzten beiden Teilaufgaben sollen die optimierten Ubersetzungen mit progressiver Abstufung der Zwischeng¨ ange verwendet werden. ♠ Auslegungsaufgabe 3.2 Fahrt mit Anh¨ anger Das Fahrzeug, welches in Auslegungsaufgabe 3.1 betrachtet wurde, wird mit einem Anh¨anger und einem Dachgep¨ acktr¨ ager f¨ ur eine Reise vorbereitet. Wohnwagen und Dachgep¨ acktr¨ ager f¨ uhren zu einer Verschlechterung des Luftwiderstandes, das f¨ ur die Berechnung des Luftwiderstandes notwendige Produkt cw · A erh¨oht sich dadurch um 0,6 m2 . Der schlecht bereifte Wohnwagen mit einer Masse von mtr = 1100 kg hat mangels korrektem Reifenluftdruck einen Rollwiderstandsbeiwert von fR,tr = 0, 075. Aus der Auslegung, ¨ vgl. Auslegungsaufgabe 3.1, sind die Ubersetzungen i1 = 3, 769, i2 = 2, 164, i3 = 1, 36, i4 = 0, 95, i5 = 0, 72 und i6 = 0, 605 sowie iachs = 3, 786 bekannt.
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3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Maximale Geschwindigkeit an einer Steigung Welche Geschwindigkeit ist maximal mit dem Gespann an einer 10%-Steigung konstant fahrbar? Maximale Anfahrbeschleunigung Welche maximale Beschleunigung des ruhenden Gespanns ist in der Ebene noch erreichbar? H¨ ochstgeschwindigkeit des Gespanns Welche H¨ochstgeschwindigkeit ist in welchem Gang unter diesen Umst¨ anden m¨oglich? Optimale Fahrgeschwindigkeit Bei welcher Geschwindigkeit in welchem Gang erzielt das Gespann bei Konstantfahrt in der Ebene die maximale Reichweite? ♠
3.3 Lastannahmen und -kollektive fu ¨ r die System- und Komponentenauslegung Bei der Auslegung von Fahrzeuggetrieben sind drei Punkte bei der Ermittlung der Dimensionierungslasten zu beachten: 1. das Motornennmoment, 2. die mittlere Fahrzeuglebensdauer bzw. -nutzungsdauer oder der Umfang des Validierungsprogramms, 3. die auftretenden Beanspruchungen infolge von Fehlbedienungen und deren H¨aufigkeit. Aus dem Motornennmoment und der Fahrzeuglebensdauer, vgl. Tabelle 3.5, l¨asst sich ein Auslegungskollektiv f¨ ur die drehenden Bauteile und die Schaltelemente errechnen, wenn das typische Beanspruchungskollektiv pro Streckeneinheit f¨ ur den Durchschnittskunden bekannt ist. Von praktischer Bedeutung ist jedoch eher der umgekehrte Weg: Die firmenspezifischen, freigaberelevanten Dauerpr¨ ufprogramme wurden so entwickelt, dass Tragbilder und Verschleißmarken am Ende der Pr¨ ufstandserprobung qualitativ und m¨oglichst auch ¨ quantitativ eine gute Ubereinstimmung mit dem Fahrzeugdauerlauf zeigen. W¨ahrend der Fahrzeugdauerlauf noch sehr viele zufallsartige – beispielsweise wetterbedingte – Faktoren beinhaltet, die eine mathematische Beschreibung der Belastungsabfolge erschweren, kann man f¨ ur die Dauerpr¨ ufprogramme auf Pr¨ ufst¨anden aus den Vorgaben f¨ ur den Pr¨ ufstandsbetrieb eine klare mathematische Beschreibung der Getriebebeanspruchung gewinnen: Das Auslegungskollektiv. Verdeutlicht wird dies im Folgenden sowie in Abschnitt 6.4 anhand der W¨alzlagerungen; in Abschnitt A.2 werden die dazu notwendigen Grundlagen der Betriebsfestigkeit kurz rekapituliert. Erg¨anzend wird – basierend auf der Kenntnis des Systemverhaltens bei missbrauchartigen Zust¨ anden, vgl. z.B. Abschnitt 4.1.3 ab Seite 135 – die Funktionsf¨ahigkeit des Getriebes in Grenzsituationen sichergestellt, z.B. mit kurzzeitigen, quasistatischen Tests zur Ermittlung der maximalen Tragf¨ahigkeit von Getrieben bis zum Komponentenbruch. Die Vorgehensweise wird anhand der Geh¨ause und der Dichtsysteme in Abschnitt 6.5 verdeutlicht.
3.3 Lastannahmen f¨ ur die System- und Komponentenauslegung
101
3.3.1 Auslegungslebensdauer Die Auslegungslebensdauer f¨ ur den normalen Einsatz von Personenfahrzeugen und Nutzfahrzeugen unterscheidet sich um bis zu einen Faktor 5: W¨ahrend f¨ ur einen PKW alle wichtigen Systeme f¨ ur 160 000 km ausgelegt sind, rechnet ¨ man bei LKW und Bussen im Uberlandverkehr mit einer Lebensdauer von 800 000 km, jeweils mit repr¨ asentativer Zuladung. Die Nutzung von “normalen” PKW f¨ ur den Taxi- oder Polizeidienst stellt bereits eine Ausnahme dar: bei Taxis ist vor allem f¨ ur die Motor-, aber auch f¨ ur die Getriebeentwicklung ein wesentlich h¨oherer Leerlaufanteil zu ber¨ ucksichtigen, z.B. f¨ ur die Aus¨ uhlsystemen bei Automatikgetrieben. Im Polizeidienst eines legung von Olk¨ PKW stellt ein m¨oglicherweise auftretendes Zur¨ ucklegen l¨angerer Strecken im R¨ uckw¨artsgang auf Autobahnen einen Betriebszustand dar, der im Normalbetrieb nicht zu ber¨ ucksichtigen ist und der zu h¨oheren Beanspruchungen des ¨ R¨ uckw¨artsgangs f¨ uhrt. Eine exemplarische Ubersicht von Nutzungsanteilen der einzelnen G¨ange von PKW- und NKW-Getrieben wird in Abschnitt 4.3.4, vgl. insbesondere Abbildung 4.64, in Zusammenhang mit der betriebsfesten Auslegung von Verzahnungen besprochen. Neben der bloßen Laufleistung, die die verschiedenen Fahrzeugtypen und Einsatzzwecke unterscheidet, ist auch das Kundenprofil zu ber¨ ucksichtigen: Die Tendenz, die in den letzten Jahren zu beobachten ist, Fahrzeuge f¨ ur den globalen Einsatz auf dem Weltmarkt zu entwickeln, f¨ uhrt zu einer deutlichen Erh¨ohung der Schlechtwegeanteile in den Auslegungsrichtlinien, um die schlechteren Fahrbahnbedingungen in Schwellen- und Entwicklungsl¨andern mit abzudecken. Entsprechend sind – f¨ ur die Fahrzeuggetriebe – infolge des h¨oheren Anteils stoßartiger Lasten mehr sch¨ adigende Lastanteile oberhalb der Belastung durch das Motornennmoment zu ber¨ ucksichtigen.
Um die Sch¨adigung der Fahrzeuggetriebe durch die stoßartigen Beanspruchungen aus den Schlechtweganteilen vor allem bei der Pr¨ ufstandserprobung abzudecken, werden in der Praxis bei hochdynamischen Pr¨ ufst¨anden stoßartige Impulse in die sonst eher gleichf¨ ormigen Belastungsstufen eingestreut. Bei weniger dynamischen Pr¨ ufst¨ anden wird hingegen entsprechend einer Sch¨adiTabelle 3.5. Auslegungslebensdauer von PKW- und LKW-Getrieben bei verschiedenen Einsatzbedingungen Fahrzeugart und Einsatzbedingung Lebensdauer [Km] PKW ≥ 160 000 Baustellenbetrieb (Off-Road und On-Road) ≥ 300 000 LKW Stadtverkehr (Stop-and-Go) ≥ 400 000 ¨ Uberlandverkehr ≥ 800 000
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3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Abb. 3.22. Knallstart eines Nutzfahrzeugs zur Validierung der Missbrauchssicherheit (Aus Steinel [2003])
gungsbetrachtung der Anteil der Stoßlasten durch eine “Verl¨angerung” der Laufzeiten im quasistatischen Betrieb erfasst, vgl. Abschnitte 10.2 und A.2. 3.3.2 Missbrauchslasten F¨ ur Fahrzeuggetriebe stellen die St¨ oße durch sehr schnelles oder schlagartiges Schalten und Kuppeln, vor allem bei manuellen Schaltgetrieben, die h¨ochsten Belastungen dar. Bei den automatisierten und vollautomatischen Getrieben, vgl. Abschnitt 2.7 und Kapitel 5, wird durch die reduzierten Eingriffs- bzw. Fehlbedienungsm¨ oglichkeiten des Fahrers der Schalt- und Kuppelstoß erheblich reduziert; zu ber¨ ucksichtigen bleiben – wie bei den Schaltgetrieben – die Lastwechselreaktionen im Getriebe, was aber mehr ein Komfort- als ein Lebensdauerkriterium ist, vgl. Abschnitt 9.3. Auch bei Nutzfahrzeugen kann es zu missbrauchsartigen Situationen kommen, die das Getriebe u ¨beraus stark beanspruchen, vgl. Abbildung 3.22; die Missbrauchsmomente werden im Zusammenhang mit der Kupplungsauslegung in Abschnitt 4.1.3 analysiert. Infolge sehr schnellen Einkuppelns sowohl in den kleinen Vorw¨artsg¨angen als auch im R¨ uckw¨artsgang kommt es – bedingt durch die Tr¨agheit von rollendem Tabelle 3.6. Fahrertypeinteilung nach der Belastung des Antriebstrangs eines PKW f¨ ur Mitteleuropa Anteil der gefahrenen Kilometer in % Fahrertyp Autobahn Landstraße Stadtverkehr Bergstrecke Autobahnfahrer 70 14 13 3 Landstraßenfahrer 40 46 11 3 Stadtfahrer 30 23 45 2 Bergfahrer 40 30 20 10
3.3 Lastannahmen f¨ ur die System- und Komponentenauslegung
103
Abb. 3.23. Bezogenes Torsionsmoment an der Achswelle beim Missbrauchstest im ersten Gang eines PKW
Fahrzeug und drehendem Motor – zu einem Verspannen des Antriebstrangs bis zum Rutschen von Kupplung oder Reifen und zu anschließenden stark ged¨ampften Eigenschwingungen. Dabei kann – abh¨angig von Reifen und Achslast sowie vom Rutschmoment der Kupplung – das Nennmoment des Fahrzeuggetriebes, das gr¨ oßer oder zumindest gleich dem Motornennmoment ist, um das zwei- bis dreifache u ¨berschritten werden. In Abbildung 3.23 sind beispielhaft die bezogenen Drehmomentverl¨aufe an einer Achswelle eines PKW bei missbrauchsartigen Anfahrten im ersten Gang und im R¨ uckw¨artsgang gezeigt; das Nennmoment wird dabei jeweils um etwa 100% u ¨berschritten. Anzumerken ist bei der bezogenen Darstellung lediglich die Tatsache, dass die starke Momenten¨ uberh¨ohung vorrangig auf das Fahrzeuggewicht und die demzufolge hohe Rutschgrenze an der Vorderachse zur¨ uckzuf¨ uhren ist; es wurde die Basismotorisierung des PKW im Test untersucht. Zudem war das absolute Missbrauchsmoment im R¨ uckw¨artstest um etwa 10% h¨oher als im Vorw¨ artstest, was mit der dynamischen Belastung der Vorderachse beim R¨ uckw¨ artsmissbrauch und der damit verbundenen Erh¨ohung der Vorderachsrutschgrenze zu begr¨ unden ist, vgl. (3.31). Da die absolute H¨ohe des Missbrauchsmoments neben den m¨oglicherweise momentenbegrenzend wirkenden Bauelementen Kupplung und Reifen von der Getriebegesamt¨ ubersetzung und vom Fahrzeuggewicht abh¨angt, sind auch hier die leichten Nutzfahrzeuge wieder als problematischer Grenzfall von PKW-Technologien anzusehen. Durch die gr¨ oßeren zul¨assigen Gesamtgewichte und den daraus resultierenden gr¨ oßeren Anfahr¨ ubersetzungen kann beim missbrauch¨ahnlichen Kuppeln das Nennmoment des Motors um bis zu einen Faktor 4 u ¨berschritten werden; selbst das Verdrehen von Felge und Reifen
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3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
infolge der Stoßlasten tritt auf. Deshalb wird in der Automobilindustrie die Diskussion gef¨ uhrt, ob nicht das Missbrauchsmoment – oder die zugeh¨orige maximale Tragf¨ahigkeit – f¨ ur Fahrzeuggetriebe fast noch wichtiger ist als das Auslegungsmoment und demzufolge als Ordnungskriterium zu w¨ahlen ist. 3.3.3 Vorgabe von Lastkollektiven f¨ ur die Betriebsfestigkeitsanalyse und die Dauerlaufpr¨ ufung F¨ ur die Auslegung der drehenden Teile von Fahrzeuggetrieben, insbesondere Wellen, Verzahnungen und Lager, ist es f¨ ur eine zielgerichtete Entwicklung unerl¨asslich, sehr fr¨ uh im Entwicklungsprozess zu wissen, nach welchen Kriterien das fertige Produkt validiert wird. So kann gezielt auf dieses Kriterium hin die Lebensdauer und damit Kosten und Gewicht der Bauteile optimiert ¨ werden. Ahnliches gilt f¨ ur die Schaltungs- und Kupplungskomponenten, f¨ ur die eine bestimmte Anzahl von x Schaltungen zwischen den verschiedenen G¨angen unter definierten Bedingungen ohne Funktions- oder Komfortbeeintr¨achtigung als Nachweis der Systemdauerhaltbarkeit gefordert wird. F¨ ur die Auslegungskollektive gibt es die verschiedensten M¨oglichkeiten, die Betriebszust¨ande der einzelnen G¨ ange zu spezifizieren: Es ist m¨oglich, Laufzei¨ ten oder Uberrollungen vorzugeben, die Pr¨ ufung kann im Nennleistungspunkt des Verbrennungsmotors oder bei Nennmoment erfolgen und der Pr¨ ufstandsantrieb kann elektromotorisch oder verbrennungsmotorisch gespeist werden. Letztendlich ist die Spezifikation der Pr¨ ufvorschrift von der Entwicklungsphilosophie und dem Kundenprofil eines Fahrzeugherstellers abh¨angig. Tabelle 3.7 gibt ein Beispiel einer Pr¨ ufprozedur f¨ ur Sechsganggetriebe an, die sich f¨ ur den Pr¨ ufbetrieb auf elektromotorisch betriebenen Pr¨ ufst¨anden mit geringer Dynamik eignet, vgl. auch Abschnitt 10.2. Die Pr¨ ufung mit insgesamt 7 Betriebszust¨ anden entspricht in guter N¨aherung dem aus der Betriebsfestigkeit bekannten Blockprogrammversuch, vgl. z.B. Haibach [2006]. Getriebewellen und Verzahnungen k¨onnen so in einem Blockprogrammversuch, wie von Ernst Gaßner vorgeschlagen, gepr¨ uft werden. Wenn bei Pr¨ ufung nach beispielsweise Tabelle 3.7 die einzelnen Tabelle 3.7. Zyklen¨ ubersicht eines Dauerpr¨ ufprogramm f¨ ur die Pr¨ ufstandserprobung von Sechsganggetrieben bei Motornennmoment Gang 1 2 3 4 5 6 R
Dauer Anzahl Zyklen Eingangswellendrehzahl 3 min 20 3000 u/min 30 min 40 3000 u/min 12,5 min 240 3000 u/min 20 min 240 3000 u/min 25 min 240 3000 u/min 30 min 240 3000 u/min 3 min 20 1500 u/min
3.4 Lastenheft, Systemkonfiguration und Entwicklungsprozess
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Lastniveaus in vergleichsweise kurzen Abschnitten gut durchmischt werden, erreicht man einen nahezu idealen Betriebsfestigkeitsversuch. F¨ ur die Laufverzahnungen der Gangr¨ ader trifft dies n¨ aherungsweise auch zu, wenn man die jeweils bis zu sechs lastfreien Zyklenanteile als Betriebszust¨ande ansieht, in denen gegen das Schleppmoment der Nadellagerungen gearbeitet wird. Wie in Abschnitt 6.5.1 diskutiert, werden die Geh¨ause im Pr¨ ufstandsdauerlauf aufgrund der fehlenden Lasten aus der Triebwerkslagerung nur unzureichend beansprucht. Hier ist der Fahrzeugdauerlauf aufgrund fehlender Pr¨ uftechniken – der Pr¨ ufstand m¨ usste mit Hydropulsern zur Beanspruchung der Lagerungsanbindungspunkte ausgestattet sein – noch immer die am einfachste Pr¨ ufmethode. 3.3.4 Komfortanforderungen Bei der Entwicklung von Fahrzeuggetrieben sind neben den Anforderungen ¨ hinsichtlich der Ubertragbarkeit der Leistung fr¨ uhzeitig klare Ziele f¨ ur Komfortkriterien zu definieren, um das Fahrzeuggetriebe auf die in Kapitel 9 diskutierten Aspekt hin abstimmen zu k¨ onnen. F¨ ur den europ¨aischen Markt sind die Ziele in einem komfortablen Gangwechsel ohne sp¨ urbare Zugkraftunterbrechung bei den automatisch schaltenden Konzepten und in niedrigen Bet¨atigungskr¨aften bei den Handschaltgetrieben zu sehen; Schwingungen und Ger¨ausche werden bei keinem Konzept toleriert. Anders sieht es bei Entwicklungen f¨ ur globale Fahrzeuge oder f¨ ur Schwellenl¨ander aus: hier werden f¨ ur die großvolumigen Marktsegmente h¨ aufig billige (nicht preiswerte) L¨osungen gefordert, speziell der chinesische Markt fordert niedrigste Bet¨atigungskr¨afte beim Handschalter, akzeptiert aber Beeintr¨ achtigungen durch Verzahnungsger¨ausche. F¨ ur Fahrzeuge der Oberklasse gelten weltweit die gleichen Anforderungen unabh¨angig von landestypischen Bewertungen anders als bei Kleinst-, Kompakt- und teils auch Mittelklassefahrzeugen.
3.4 Lastenheft, Systemkonfiguration und Entwicklungsprozess In diesem Abschnitt werden die Aspekte besprochen, die bei der Erstellung eines Lastenhefts f¨ ur ein Getriebe-Entwicklungsprojekt und die anschließende Konzeptfindung, Konstruktion und Validierung wichtig sind. Dabei wird der gesamte Entwicklungsprozess beginnend mit einem “Blatt” Papier mit einer Mittellinie skizziert, was allerdings aufgrund der Produktionszyklen moderner Getriebefamilien von u ¨ber 10 Jahren nur selten vorkommt. Viel h¨aufiger ist die Entwicklung eines Derivats anzutreffen, das nur die Modifikation weniger Komponenten unter Beibehaltung von Achsabst¨anden, Gangradanordnungen und Geh¨auseteilungen umfasst.
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3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Anmerkung 3.7 Mit Blick auf das folgende, umfangreichste Kapitel dieses Buches wird in den meisten F¨ allen von einem Handschaltgetriebe ausgegan¨ gen; die Uberlegungen sind jedoch direkt auf die in Kapitel 5 besprochenen teil- und vollautomatisierten Fahrzeuggetriebe anwendbar. 2 3.4.1 Lastenhefterstellung Nun werden die bisher besprochenen Informationen, die zur Konstruktion und Entwicklung eines Fahrzeuggetriebes notwendig sind, zusammengetragen; ferner wird auf den zur Verf¨ ugung stehenden Bauraum kurz eingegangen. Antriebstrangkonzept: Das Antriebstrangkonzept – die verschiedenen, teilweise exotischen Formen wurden in den Abschnitten 2.1 bis 2.3 besprochen – hat bei der Konzeption eines Getriebes den gr¨oßten Einfluss, entscheidet es doch bei den PKW mit nur einer angetriebenen Achse und Frontmotor direkt u ¨ber die Wellenanordnungen: Paralleler An- und Abtrieb mit integriertem Ausgleichsgetriebe bei frontquer eingebautem Motor und Frontantrieb, Abtrieb zu den Vorderr¨ adern mit Ausgleichsgetriebe und Antrieb in Fahrzeugl¨angsrichtung bei frontquer eingebautem Motor und schließlich der koaxiale oder achsparallele An- und Abtrieb mit separatem Hinterachsausgleichsgetriebe bei den heckgetriebenen Fahrzeugen mit L¨angsmotor. Typische Vertreter wurden in Abschnitt 2.6 besprochen; eine Nutzung eines Getriebes f¨ ur mehrere Antriebstrangkonzepte ist, von Ausnahmen abgesehen – auch mit Blick auf eventuelle Drehrichtungswechsel –, zwar theoretisch, aber praktisch kaum m¨oglich. Bei den Getrieben f¨ ur den typischen Frontantrieb mit Quermotor und den Getrieben f¨ ur Heckantrieb ist der Achsabstand zwischen Ein- und Ausgangswelle eine entscheidene Gr¨ oße; bei den Getrieben f¨ ur frontl¨angs angetriebene Fahrzeuge ist der Abstand zwischen Kupplungsflansch und der Mitte der Achswellen gleichermaßen entscheidend. Leistungs- und Momentenvorgaben: Die Nennleistung des Motors ist f¨ ur die Entwicklung gestuft u ¨bersetzender Fahrzeuggetriebe fast unbedeutend, da sie nur in einem sehr schmalen Drehzahlbereich des Motors erreicht wird; f¨ ur stufenlose Getriebe, die innerhalb ihres Wandlungsbereichs die Zugkrafthyperbel approximieren k¨ onnen, ist die Nennleistung eine maßgebliche Auslegungsgr¨oße, vgl. Abschnitt 5.7. Das Nennmoment bestimmt im Gegensatz dazu die dauerhaft auf die Getriebekomponenten wirkenden Beanspruchungen und hat so maßgeblichen Einfluss auf Lebensdauer und Verschleiß der Bauteile; zudem kann es im Bereich der geringen und m¨ aßigen Belastung als Proportionalit¨atsfaktor f¨ ur die auftretenden Verformungen angesehen werden. Im Bereich des Nennmomentes und dar¨ uber kommen dann nichtlineare Effekte beispielsweise aus der Lagersteifigkeit zum Tragen; die Proportionalit¨at zwischen Moment und auftretender Verformung und Beanspruchung geht verloren. Ganganzahl und Spreizung: Die Anzahl der gew¨ unschten G¨ange bei Stufengetrieben und deren Spreizung iges , vgl. (3.21), bzw. die Spreizung alleine
3.4 Lastenheft, Systemkonfiguration und Entwicklungsprozess
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bei Stufenlosgetrieben bestimmen den zum einen den konstruktiven Aufwand zur Realisation der geforderten Stufungen und geben auch die Gr¨oßenverh¨altnisse bei einstufigen Getrieben vor. Eine direkte, formelm¨aßige Abh¨angigkeit zwischen Spreizung und Baugr¨ oße existiert nicht, es ist jedoch klar, dass bei einem gegebenen Achsabstand a bei zunehmender Spreizung, die mit einem Wellenpaar realisiert werden soll, auch die Einh¨ ullenden der R¨ader wachsen; die Folge ist ein ansteigender Bauraumbedarf. Bei Nutzfahrzeugen wird dieser ¨ Effekt durch das Konzept des Gruppengetriebes mit meist drei Ubersetzungstufen vermieden, mit dem die Spreizungen der einzelnen Stufen klein gehalten werden k¨onnen. Notwendige Fahrzeugparameter: Die f¨ ur die Getriebeauslegung oder genauer f¨ ur die Fahrleistungs- und Anfahrbarkeitsberechnung notwendigen Parameter wurden alle in Abschnitt 3.2 schon benutzt; die hier diskutierten Kriterien zur Bestimmung von Anfahr-, End- und Achs¨ ubersetzung nehmen den einfachsten Fall an, der f¨ ur die Ermittlung von Auslegungsgr¨oßen ausreichend ist. Will man f¨ ur ein Getriebekonzept in Kombination mit einem speziellen Motor in einem ausgew¨ ahlten Fahrzeug z.B. den Verbrauch nach dem MVEG-Zyklus errechnen, so ben¨ otigt man weiterf¨ uhrende Daten, etwa zum Motorkennfeld. Verf¨ ugbarer Bauraum: Der verf¨ ugbare Bauraum f¨ ur das zu entwickelnde Fahrzeuggetriebe ist hier als einzige Gr¨ oße bisher nicht besprochen worden. Dies geschieht aus dem einfachen Grund, dass die Bauraumfestlegung ein – wieder vom Selbstverst¨ andnis der Fahrzeugmarke abh¨angiger – nicht exakt beschreibbarer Prozess ist. Das Ergebnis der Bauraumfestlegung ist meist ein zerkl¨ uftetes Gebilde, das f¨ ur die Fahrzeugplattformen, in denen das Getriebe zum Einsatz kommen soll, die Schnittmenge der verf¨ ugbaren Freir¨aume darstellt. Es stellt die Basis f¨ ur den Prozess der Kompromissfindung zwischen den unterschiedlichen Baugruppen – Motor, Chassis, Karosserie, K¨ uhlung, Elektrik und Getriebe – dar, der erst mit dem Serienanlauf einen verbindlichen Abschluss erreicht. Die aus der Konstruktionslehre bekannte Zehnerregel, vgl. Lindemann [2005] ¨ und Abbildung 3.24, besagt, dass sich die Anderungskosten technischer Produkte von einer Phase des Produktentstehungs- und Produktnutzungsprozesses zur n¨achsten jeweils in etwa verzehnfachen: Ein fr¨ uhes Aufzeigen gravierender konzeptioneller Schw¨ achen eines Produkts und das nachfolgende schnelle Handeln sind auch bei den Fahrzeuggetrieben von entscheidender Bedeutung f¨ ur den (finanziellen) Erfolg. 3.4.2 Identifikation m¨ oglicher Systemkonfigurationen Die Identifikation geeigneter Systemkonfigurationen soll anhand von Abbildung 3.25 verdeutlicht werden. Zusammengetragen sind die Getriebelayouts von sechs verschiedenen, zul¨ assigen L¨ osungen der Entwicklungsaufgabe “Getriebe f¨ ur ein Kompaktfahrzeug mit Frontantrieb und Quermotor”;
108
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Abb. 3.24. Relative Kosten der Fehlerbehebung in Abh¨ angigkeit vom Abstellzeitpunkt des Fehlers (Zehnerregel) (Nach Lindemann [2005])
die verschiedenen gezeigten Schemata verdeutlichen die Vielfalt der m¨oglichen L¨osungen dieser noch unscharf formulierten Aufgabe: Zweiwellen- oder Dreiwellen-Konzept, R¨ uckw¨ artsgang mit separatem Rad zur Drehzahlumkehr oder Nutzung eines vorhandenen Losrades, Platzierung der Synchroneinhei¨ ten vor und nach den Ubersetzungsstufen oder einheitliche Anordnung, usw. Alle M¨oglichkeiten, die eine zul¨ assige L¨ osung der zuvor formulierten Aufgabe darstellen, sind objektiv mit Blick auf ihre technische Qualit¨at und die Gesichtspunkte der Fertigung unter Ber¨ ucksichtigung realistischer Produktionsst¨ uckzahlen zu bewerten, um zu dem bestgeeigneten Konzept f¨ ur ein neues Getriebe zu gelangen. Auch hier gibt es wieder kein Patentrezept; es gibt fast so viele unterschiedliche Layouts wie es Getriebefamilien gibt. Sinngem¨aß gilt die Aussage von Abbildung 3.25 nat¨ urlich auch f¨ ur Doppelkupplungs- und Stufenautomatgetriebe und begrenzt auch f¨ ur die stufenlosen Konzepte. Wichtig ist an dieser Stelle nicht das Bereitstellen eines m¨oglichst alles umfassenden Katalogs realisierter Konzepte, sondern die Sensibilisierung f¨ ur die Vielzahl der m¨oglichen Anordnungen der Komponenten. Diese haben auch wieder auf den erforderlichen Bauraum und auch auf die M¨oglichkeiten zur Realisation einer tats¨ achlichen Getriebefamilie mit einer Vielzahl funktionierender Rads¨atze mit einem hohen Gleichteileanteil entscheidenden Einfluss. 3.4.3 Entwicklungsprozess: Konzeptidentifikation, Detaillierung und Entwicklung, Validierung und Produktion ¨ Ahnlich wie die Entwicklung von Fahrzeugen oder Motoren l¨asst sich der Prozess der Konzeption, Planung, Entwicklung und Markteinf¨ uhrung von
3.4 Lastenheft, Systemkonfiguration und Entwicklungsprozess
a) VW Lupo 1.6 GTI, 150 Nm
b) Toyota Yaris 1.5 TS, 143 Nm
c) Mercedes Benz A 160
d) Peugeot 106 GTi, 142 Nm
e) Nissan Micra 1.5 dCi, 185 Nm
109
f) Mini Cooper S, 210 Nm Legende:
Festrad
Losrad
Synchroneinheit
Synchro mit Geradverzahnung (R¨ uckw¨ artsgang-Schieberad)
Abb. 3.25. Layoutvergleich von sechs verschiedenen Handschaltgetrieben der Kompakt- und Mittelklasse mit Frontantrieb und Quermotor (IP = Eingangswelle/Input Shaft, OP = Ausgangswelle/Output Shaft, FD = Achsantrieb/Final Drive)
110
3 Systemauslegung von Antriebstr¨ angen
Fahrzeuggetrieben in vier große Bl¨ ocke einteilen; durch den Einsatz virtueller Entwicklungsmethoden, vgl. Abschnitt 10.4, ist jedoch in den letzten Jahren ein starkes Verschwimmen der vier Phasen zu beobachten. So verfolgt die Automobilindustrie zunehmend das Ziel, welches in der Flugzeugindustrie schon umgesetzt ist: Das erste produzierte Fahrzeug soll verkaufsf¨ahig sein. In der Konzeptfindungsphase werden typischerweise – je nach den Voraussetzungen einer Neu- oder Weiterentwicklung – die in Abschnitt 3.4.1 beschriebenen Punkte als Anforderungsliste f¨ ur ein neues Fahrzeuggetriebe formuliert; hinzu kommen h¨ aufig Forderungen nach der Nutzung von Gleichteilen mit anderen Produkten sowie ggf. Anforderungen an den Fertigungsprozess. Die Konzeptfindungsphase beinhaltet stets den Benchmark mit den Mitbewerbern sowie die Studie von Markttrends. Die Phase endet mit der Empfehlung f¨ ur ein bestimmtes Konzept, welches in der Lage ist, die Forderungen des Lastenhefts sowie m¨oglichst viele W¨ unsche, vgl. Pahl et al. [2006], zu erf¨ ullen. In der Detaillierungs- und Entwicklungsphase werden – in den meisten F¨allen in enger Abstimmung mit m¨ oglichen Lieferanten – basierend auf den Konzeptentw¨ urfen seriennahe Entw¨ urfe erarbeitet. H¨aufig kommen in dieser ¨ Phase schon Uberlegungen zum Fertigungsprozess hinzu, aufw¨andige Werkzeuge z.B. f¨ ur Druckgussgeh¨ ause m¨ ussen begonnnen werden, die daraus resultierenden Anforderungen an den Reifegrad der Konstruktionsdaten sind hoch. Zunehmend wird in dieser Phase auch auf den Aufbau von Prototypen verzichtet, da diese zum einen noch nicht repr¨ asentativ f¨ ur das Endprodukt sind, und zum anderen sehr viele experimentelle T¨ atigkeiten durch Berechnungen ersetzt werden, vgl. auch Abschnitt 10.4. In der Phase der Validierung und Produktionsvorbereitung sollen die zuvor konstruierten und entwickelten Fahrzeuggetriebe auf ihre Betriebs- und Missbrauchsfestigkeit getestet werden; hinzu kommen in den meisten F¨allen Feinabstimmungsarbeiten im Fahrzeug, die derzeit noch nicht zufriedenstellend rechnerisch entwickelt werden k¨ onnen. Zu nennen ist hier der Schaltkom¨ fort sowie die letztendliche Kupplungsabstimmung. Auch die Uberpr¨ ufung der Produktionsprozesse findet in dieser Phase des Entwicklungsprozesses statt und erfordert unter anderem die Sicherstellung qualit¨atsrelevanter Toleranzketten, beispielsweise in der Schaltung, um Qualit¨ats- oder Komforteinbr¨ uche auszuschließen. Die Getriebe und Fahrzeuge, die bis einschließlich zum Ende der Validierungsphase hergestellt werden, sind i.d.R. nicht verkaufsf¨ahig. Die Entwicklung und Validierung endet mit der Aufnahme der Produktion verkaufsf¨ahiger Produkte; es setzt zudem die Phase der Produktreifung ein, i.d.R. werden w¨ahrend der Produktionsdauer erhebliche Anstrengungen zur Kostenreduzierung sowie zur Tragf¨ ahigkeitssteigerung unternommen.
4 Auslegung und Charakteristika spezieller Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
In Kapitel 2 wurden alle wichtigen Antriebstrangkonzepte f¨ ur Personenkraftwagen sowie repr¨asentative Nutzfahrzeugantriebstr¨ange qualitativ analysiert. Anschließend wurden die Merkmale von Fahrzeuggetrieben diskutiert. Ferner wurden in Kapitel 3 ausgew¨ ahlte Kriterien f¨ ur die Auslegung von Getriebekenngr¨oßen auf der Fahrzeugebene sowie zu Dimensionierungskollektiven und Lastannahmen f¨ ur Schaltgetriebe als ein Schwerpunkt dieses Buches besprochen. In diesem Kapitel schließt sich nun – dem Leistungsfluss durch das Getriebe folgend – die Beschreibung der wichtigsten Komponenten von Handschaltgetrieben und deren Auslegung an. Das Kupplungssystem wird als eingangsseitige Schnittstelle zum Motor in Abschnitt 4.1 vorgestellt. In Abschnitt 4.2 folgen als Kernst¨ uck der Getriebe Ausf¨ uhrungen zur Auslegung und Konstruktion von Wellen und R¨adern. Die Verzahnungstechnik wird, soweit f¨ ur eine Dimensionierung und Entwurfskonstruktion eines Getriebes f¨ ur ein fahrbereites Fahrzeug notwendig, in Abschnitt 4.3 besprochen. Die Gleichungen zur Verzahnungsberechnung sind bewusst knapp gehalten und werden nicht wie in den Lehrb¨ uchern zur Verzahnungstechnik1 u ¨blich im Detail hergeleitet. Zum einen wird auf die Grob¨ dimensionierung der Verzahnungen mit Uberschlagsformeln und gegebenen Startwerten f¨ ur die verschiedenen Einflussfaktoren eingegangen, zum anderen wird ein Verfahren zur Erstbewertung nomineller Verzahnungsdaten – also ohne Maßnahmen zur Profil- und Tragf¨ ahigkeitsoptimierung – pr¨asentiert; die dazu notwendige Pr¨ azisierung der verschiedenen Einflussfaktoren wird in Abschnitt 4.3.4 aus der Literatur zusammengestellt, ohne jedoch auf die einzelnen Details eingehen zu k¨ onnen. Um die verschiedenen G¨ ange im Fahrbetrieb des Getriebeentwurfs nutzbar zu machen, werden in Abschnitt 4.4 die im Leistungsfluss liegenden Komponen1
Hier sei stellvertretend auf Linke [1996], Roth [2001] oder Niemann [1989] und Niemann & Winter [1989] verwiesen; in diesen Referenzen wird auch auf die Optimierung der Verzahnungen hinsichtlich Tragf¨ ahigkeit, Ger¨ ausch und Kosten eingegangen, was in diesem Buch den Rahmen sprengen w¨ urde.
112
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
ten der Synchronisation und deren Auslegung vorgestellt. Die Schaltung wird, da sie nicht an der Leistungs¨ ubertragung beteiligt ist, separat besprochen. In Abschnitt 4.5 stehen die Komponenten der getriebeinternen Schaltung – Schaltungsdeckel, Schaltwellen, Schaltgabeln etc. – sowie die fahrzeugspezifischen, externen Baugruppen, d.h. Schalt- und W¨ahlseil respektive Gest¨ange und Handschalthebel, im Vordergrund, die keine leistungs¨ ubertragende Funktion mehr besitzen. Die Ausf¨ uhrungen in den Abschnitten 4.4 und 4.5 sind auf die Grundz¨ uge der Synchronisation und der Schaltung beschr¨ankt; die Beschreibung eines Gesamtsystems w¨ urde den Rahmen sprengen und den Fokus von der allgemeinen Beschreibung der Komponenten und der Grundz¨ uge ihres Zusammenwirkens zu stark auf einzelne Praxisbeispiele verlagern. Statt dessen werden die wesentlichen Ph¨ anomene der Schaltung besprochen und so die Werkzeuge zur Analyse vorhandener und zur Konzeption und Detaillierung neuer Schaltsysteme zur Verf¨ ugung gestellt. Die Ausf¨ uhrungen sind dabei weitgehend auf die in Kapitel 9 zu f¨ uhrende Diskussion von Komfortkriterien abgestimmt. Als Vorbereitung dieses sehr umfangreichen Kapitels sei auf Abbildung 4.1 verwiesen: Die Komponenten zweier zerlegter Getriebe geben ein grobes Gef¨ uhl f¨ ur die Komplexit¨ at dieser Systeme und zeigen die Vielseitigkeit der Anwendungen, f¨ ur die die Werkzeuge zur Auslegung der Komponenten manueller Schaltgetriebe bereitgestellt werden. Anmerkung 4.1 Achsgetriebe, Achs- und L¨ angswellen, W¨alzlager und Geh¨ause werden wie auch die leistungsverteilenden Komponenten allradgetriebener Fahrzeuge in Kapitel 6 besprochen, da die Auslegung dieser Komponenten bei den automatischen Getrieben nach den gleichen Regeln erfolgt. 2 Anmerkung 4.2 Die Vorgehensweise bei der Teilutomatisierung manueller Schaltgetriebe wird als Vorbereitung der Diskussionen zu Stufenautomatikund Doppelkupplungsgetriebe, aber auch mit Blick auf hybride Antriebskonzepte im Zusammenhang mit den in Abschnitt 2.7.1 besprochenen automatisch schaltenden Getriebekonzepten in Abschnitt 5.2 skizziert. 2
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader Durch die Weiterentwicklungen im Fahrzeugbau haben die Komponenten des Kupplungssystems heute eine Vielzahl von Anforderungen zu erf¨ ullen, die großen Einfluss auf das Komfortverhalten des Fahrzeugs haben: Weiches Anfahren, schnelles Schalten, Schwingungsd¨ ampfung und Ger¨auschminderung sind nur einige Beispiele, die in Kapitel 9 vertieft werden. Aufgrund dieser Komfortanforderungen hat die Kupplung mehr zu leisten als nur ein Unterbrechen von Momenten- und Leistungsfluss; eine moderne Kupplung ¨ zeichnet sich durch Drehzahlfestigkeit, hohe Ubertragungssicherheit, geringe Bauh¨ohe, niedrige Ausr¨ uckkr¨ afte und hohe Lebensdauer aus. Die Hauptkomponenten einer Kupplung, die im Folgenden n¨ aher vorgestellt werden, sind das
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
a)
113
b)
Abb. 4.1. Zerlegte manuelle Schaltgetriebe: a) 6-Gang-Getriebe von Volkswagen f¨ ur den Lupo GTI und b) 5-Gang-Getriebe f¨ ur den Honda Accord
Schwungrad und die Kupplungsscheibe. In Abschnitt 4.1.5 wird auf die weitgehend fahrzeugspezifischen Komponenten des Kupplungssystems, die mechanische oder hydraulische Bet¨ atigung, eingegangen. In diesem Abschnitt wird zun¨ achst die trockene Reibkupplung als Anfahrelement f¨ ur Fahrzeuge mit einem konventionellen Stufengetriebe betrachtet. Auf die verschiedenen Doppelkupplungssysteme, ihre systembedingten Vorund Nachteile und ihre spezifischen Anwendungsgebiete wird intensiv in Abschnitt 5.3.2 bei der Besprechung der Doppelkupplungsgetriebe eingegangen. Auch der hydrodynamische Wandler, vgl. Abschnitt 5.5, erm¨oglicht das Anfahren aus dem Stillstand, ebenso nass laufende Mehrscheiben-Lamellenkupplungen und Magnetpulverkupplungen; keine dieser Komponenten kann aber mit einem konventionellen Schaltgetriebe kombiniert werden, weil sie den Leistungsfluss nicht schnell und vollst¨ andig unterbrechen. Der hydrodynamische Wandler hat jedoch den Vorteil, dass er automatisch arbeitet und hat sich
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4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
a)
b)
Abb. 4.2. Zu den Systemaufgaben der Kupplung: a) Triebstrang ¨ offnen und Relativverdrehung erm¨ oglichen, b) Resonanzen verschieben
Abb. 4.3. Einbausituation des Kupplungssystems im Fahrzeug
bei den Stufenautomatikgetrieben durchgesetzt; f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen, vgl. Kapitel 8, muss die Anfahrkupplung automatisiert werden oder das Anfahren u ¨ber die Elektromotoren erfolgen. Systemaufgaben Zuerst werden, ¨ahnlich wie in Abschnitt 1.1, die Hauptaufgaben des Kupplungssystems beschrieben. Dies sind zum einen das Trennen von Motor und Triebstrang, um Stillstand und Gangwechsel erm¨oglichen zu k¨onnen; die beiden in Abbildung 4.2.a skizzierten Reibfl¨ achen auf der Prim¨ar- und Sekund¨arseite der Kupplung stellen dies sicher. Die zweite Aufgabe der Kupplung ist das Erm¨ oglichen des Anfahrvorgangs durch das Verdrehen der Reibfl¨achen gegeneinander zum Ausgleich der Differenzgeschwindigkeit; wichtig ist dabei die Reibung, in Abbildung 4.2.a durch den Reibwert µc symbolisiert. Die dritte Hauptaufgabe schließlich ist das Verschieben der Eigenfrequenzen des Antriebstrangs aus dem Nutzungsbereich des Verbrennungsmotors heraus; durch die Integration eines zus¨ atzlichen Verdrehfreiheitsgrades wird es m¨oglich, dass der Triebstrang im Fahrbetrieb bezogen auf die erste Dreheigenfrequenz des Strangs u ¨berkritisch, bezogen auf die weiteren Eigenfrequenzen unterkritisch betrieben wird. Alle Aufgaben der Kupplung lassen sich, wie in Abbildung 4.2 skizziert, im Rahmen einfacher Drehschwingungsmodelle erl¨autern.
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
a)
115
b)
Abb. 4.4. a) Momentenfluss bei geschlossener Kupplung. b) Ge¨ offneter Antriebstrang
4.1.1 Aufbau des Kupplungsmoduls im Fahrzeuggetriebe Die Kupplungsdruckplatte bildet mit dem Schwungrad und der Kupplungsscheibe ein Reibsystem und ist am Schwungrad u ¨ber die Verschraubung des Druckplattengeh¨ auses befestigt, vgl. Abbildung 4.3. Dabei u ¨bertr¨agt die Druckplatte das Motormoment u ¨ber die Kupplungsscheibe an die Getriebe¨ eingangswelle, vgl. Abbildung 4.4.a. Die Anpresskraft zur Ubertragung des Motordrehmomentes erzeugt eine geschlitzte Tellerfeder, die man in Abbildung 4.5 gut erkennen kann. F¨ ur den Fahrer macht sich die Tellerfeder durch die Reduktion der Pedalkr¨ afte deutlich bemerkbar. Bei der klassischen Tellerfederkupplung handelt es sich um eine so genannte gedr¨ uckte Kupplung. Der Momentenfluss im Fahrbetrieb, vgl. Abbildung 4.4.a, geht u ¨ber den Kurbelwellenflansch, das verschraubte Schwungrad mit drehfester Druckplatte, von da aus im Reibschluss auf die Kupplungsscheibe und weiter zur Getriebeeingangswelle. Der Kraftfluss zum Aufbau des Reibmoments schließt sich dabei innerhalb der Wirkkette Schwungrad–Druckplatte– Kupplungsscheibe. Bei der in Abbildung 4.4 skizzierten L¨osung erfasst der ¨ Kraftfluss beim Offnen der Kupplung ausgehend vom Schwungrad u ¨ber Druckplattengeh¨ause, Tellerfeder, Ausr¨ ucklager und schließlich Getriebegeh¨ause sowie Motorblock und schließt sich u ¨ber das Kurbelwellenaxiallager. Bei ge¨offneter Kupplung, wenn das Ausr¨ ucklager die Tellerfeder ¨offnet, vgl. Abbildung 4.4.b, wird die Kupplungsscheibe aus dem Kraftfluss der Verspannkraft herausgenommen; sie kann sich relativ zu Schwungrad und Druckplattengeh¨ause drehen und erm¨ oglicht das Schalten und den Fahrzeugstillstand bei laufendem Motor. Das Ausr¨ ucklager, in Abbildung 4.4.a mechanisch u ¨ber einen Nehmerzylinder der hydraulischen Strecke bet¨ atigt, ist auf dem zylindrischen Außendurchmes-
116
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.5. Aufbau der Schnittstelle Kupplung-Ausr¨ ucklager: 1 Hydraulische Kupplungsbet¨ atigung, 2 Ausr¨ ucklager, 3 Kupplungsfeder, 4 Anpressfeder, 5 Druckplatte (Aus Kirchner et al. [2005])
ser der Nabe axial verschieblich angeordnet. Das Drehmoment wird u ¨ber die Nabe der Kupplungsscheibe auf die Getriebeeingangswelle u ¨bertragen, das Ausr¨ ucklager selbst liegt nicht im Leistungsfluss. Anmerkung 4.3 Die auf Reibung gegeneinander gedr¨ uckter Konen beruhende Synchronisation, vgl. Abschnitt 4.4.1, ist ebenso wie die Anfahrkupplung eine schaltbare Reibkupplung, allerdings, vgl. Abbildung 4.73, mit nichtebenen Reibfl¨achen. Nach Erreichen des Gleichlaufs von Antriebs- und Abtriebsdrehzahl wird die Synchronisation u ucke “ausgeschaltet” ¨ber die Druckst¨ und durch den Formschluss zwischen Schaltmuffe und Kupplungsverzahnung am Gangrad “¨ uberbr¨ uckt”; im eingelegten Gang liegen die Synchronringe mit den Reibbel¨agen somit nicht im Leistungsfluss. 2 Ein- oder Zweimassenschwungrad – EMS oder ZMS Ohne spezielle Maßnahmen wird der Antriebstrang h¨aufig bei Verwendung eines starren Einmassenschwungrades – kurz EMS – durch die z¨ undungsbedingten Drehungleichf¨ ormigkeiten des Verbrennungsmotors zu Schwingungen – h¨orbaren Ger¨ auschen oder f¨ uhlbaren Vibrationen – angeregt. Eine weitere starke Komfortbeeintr¨ achtigung kann sich durch Lastwechselreaktionen (schnelles Gasgeben und Wegnehmen) ergeben, hierbei wird der Antriebstrang wie eine Feder “aufgezogen” und schwingt bei schwacher D¨ampfung aus. Der Großteil dieser Ph¨ anomene l¨ asst sich wirkungsvoll durch die Implementierung eines schwingungsf¨ ahigen, aber auch d¨ ampfenden Systems mit einem inneren Freiheitsgrad beheben.
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
117
Abb. 4.6. Zweimassenschwungrad in Planetenbauweise (Aus Drexl [1997])
Daher wird zur Erh¨ ohung des Fahrkomforts in vielen Fahrzeugen anstelle eines einfachen Schwungrades mit aufgeschrumpftem Anlasserzahnkranz2 ein Zweimassenschwungrad (ZMS) verbaut. So lassen sich Ger¨ausche und Schwingungen im Antriebstrang wirkungsvoll reduzieren. Die prim¨are Masse des ZMS wird – wie das Einmassenschwungrad – direkt mit dem Kurbelwellenflansch verschraubt und tr¨ agt wieder den Anlasserzahnkranz. Sie ist neben der Druckplatte die zweite Reibfl¨ ache der Kupplungsscheibe. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von L¨osungsm¨oglichkeiten zur Schwingungsentkopplung entwickelt: Beim Planeten-ZMS, vgl. Abbildung 4.6, werden ein Planetengetriebe und ein Torsionsd¨ampfer im Schwungrad angeordnet. Andere konstruktive Ans¨ atze nutzen eine bogenf¨ormige Schraubenfeder, vgl. Abbildung 4.7, zur Federung und eine Fettf¨ ullung zur D¨ampfung der unerw¨ unschten Antriebstrangschwingungen. Abbildung 4.8 zeigt schematisch die Kennlinie eines Zweimassenschwungrades. Im Leerlaufbereich wird die ZMS-Kennlinie zur Reduktion der Rasselsensitivit¨at vieler Getriebe mit einer recht flachen Kennlinie ausgef¨ uhrt, im Fahrbereich steigt die Kennlinie rascher an bis zu einem Anschlag f¨ ur extreme Drehbewegungen des ZMS beim An- und Abstellen des Motors. Zudem ist die Hysteresekurve und damit die d¨ampfende Wirkung des ZMS deutlich zu erkennen. Die Auslegung eines Zweimassenschwungrades h¨angt immer von den Anforderungen des jeweiligen Fahrzeugs ab und kann mit den vielf¨altigen Komfortanforderungen meist nur einen Kompromiss darstellen. Daher wird hier nur der qualitative Einfluss eines Zweimassenschwungrades auf die in das Fahrzeuggetriebe eingeleiteten Drehungleichf¨ ormigkeiten diskutiert. Abbildung 4.10 zeigt in der Gegen¨ uberstellung den hochaufgel¨ osten Drehgeschwindigkeitsverlauf 2
In Abbildung 4.6 und 4.7 ist der Anlasserzahnkranz gut zu erkennen.
118
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.7. Ausf¨ uhrung des Zweimassenschwungrades mit einer Bogenfeder
Abb. 4.8. Schematische Kennlinie eines Zweimassenschwungrades
mit und ohne ZMS. Deutlich zu erkennen ist, dass die h¨oheren Motorordnungen – die gerade bei manuellen Schaltgetrieben erhebliche Ger¨auschprobleme verursachen k¨onnen – deutlich reduziert werden. Abbildung 4.9 zeigt zudem qualitativ den Einfluss des ZMS auf die Lage der ersten Eigenfrequenz des Antriebstrangs: Durch die Integration des ZMS wird die Eigenfrequenz von 1300 u/min auf ca. 300 u/min – jeweils bezogen auf die Motordrehzahl – abgesenkt, der Antriebstrang wird bei laufendem Motor u ¨berkritisch und mit ausreichend großem Abstand von der Eigenfrequenz angeregt. Das Durchlaufen der Eigenfrequenz bei etwa 300 u/min wird vom Fahrer in der Startphase des Verbrennungsmotors nicht als st¨ orend empfunden, w¨ahrend die Eigenfrequenz bei ca. 1300 u/min zu einer deutlichen Komforteinbuße f¨ uhrt.
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
a)
119
b)
Abb. 4.9. Einfluss des ZMS auf die Antriebstrang-Eigenfrequenzen: a) ohne ZMS nur mit Torsionsschwingungsd¨ ampfer in der Kupplungsscheibe und b) mit ZMS
a)
b) Abb. 4.10. Drehungleichf¨ ormigkeit am Getriebeeingang a) mit und b) ohne Zweimassenschwungrad
Kupplungsscheibe und Reibbelag Die Kupplungsscheibe ist das zentrale Verbindungselement der Kupplung. Zusammen mit der Druckplatte sorgt sie f¨ ur das Trennen und Verbinden von Motor und Antriebstrang. In den meisten F¨ allen wird die Kupplungsscheibe mit einer f¨ ur den jeweiligen Anwendungsfall optimierten Belagfederung in Axialrichtung ausgestattet, die einen sanften Momentenaufbau beim Anfahren und einen komfortablen Pedalkraftverlauf erm¨oglicht. Zur Reduzierung der Drehzahl- und Momentenschwankungen, vgl. Abbildung 4.10, muss die Kupplungsscheibe auch eine D¨ ampfungsfunktion u ¨bernehmen, um Ger¨ausche und Verschleiß im Getriebe zu reduzieren; diese Anforderung ist bei EMSSystemen ausgepr¨ agter als bei den schwingungsreduzierenden ZMS-Systemen.
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4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.11. System Kupplungsscheibe: Belag, Belagfederung, Torsionsd¨ ampfung, Nabe und Mitnehmerscheibe. Detailansicht der Konstruktion zur Torsionsd¨ ampfung
Die Massentr¨agheit einer Kupplung h¨ angt von Durchmesser und Gewicht der Kupplungs-D¨ampfereinheit ab. Zur D¨ ampfung von Vibrationen eines Benzinmotors gen¨ ugen h¨ aufig D¨ ampfungsplatten, die wenig Bauraum ben¨otigen und u agheit verf¨ ugen. Bei der Entkopplung von Diesel¨ber eine geringe Massentr¨ motoren vom Antriebstrang sind große Zweimassenschwungr¨ader notwendig, die die Massentr¨ agheit steigern und so die Eigendynamik des Triebstrangs reduzieren. Eine “Torsionsd¨ ampfung” mittels Schlupf in kritischen Situationen ist sowohl mit Blick auf Verschleiß und W¨armekapazit¨at als auch unter Effizienzgesichtspunkten keine akzeptable L¨ osung, die Kupplung darf im Station¨arbetrieb nicht nennenswert schlupfen. Die Kupplungsscheibe mit integriertem Torsionsd¨ampfer ist eine kosten- und bauraumsparende L¨ osung f¨ ur Torsionsschwingungsprobleme im Antriebstrang. Dabei wird durch die konstruktive Gestaltung der Zentrierung der Kupplungsscheibe auf der Getriebeeingangswelle ein Teil des m¨oglichen Achsversatzes zwischen Motor und Getriebe ausgeglichen. Auch im Leerlauf ergibt dieses System eine zufriedenstellende D¨ ampferfunktion. Das D¨ampfungssystem besteht aus einer Reibeinrichtung sowie je einem Federsatz f¨ ur Fahr- und Leerlaufbetrieb, vgl. die Detailansicht in Abbildung 4.11, und erm¨oglicht durch die in Fenstern gef¨ uhrten Schraubenfedern eine begrenzte Verdrehung zwischen Kurbelwelle und Getriebeeingangswelle. Da jede Motor/Fahrzeug-Kombination eine eigene Federcharakteristik erfordert, um eine gute Drehschwingungsreduktion zu erreichen, wird der Torsionsd¨ampfer im Rahmen der Applikationsentwicklung individuell auf das jeweilige Fahrzeug abgestimmt. So wird durch eine gute Federkennlinie und
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
121
D¨ampfung eine angemessene Entkopplungsg¨ ute erreicht. Allerdings sind die M¨oglichkeiten zur Abstimmung der Belags- und Scheibeneigenschaften recht begrenzt und kommen h¨ aufig in Fahrzeugen der unteren Klassen als Kompromissl¨osung mit EMS zum Einsatz. Kupplungsscheiben ohne Torsionsd¨ ampfer kommen meist in Verbindung mit einem ZMS als Torsionsschwingungsd¨ ampfer zur Anwendung. Durch Toleranzen an Motor und Getriebe, speziell bei Getriebeeingangswellen ohne ein so genanntes Pilotlager, u ¨ber das sich die Getriebeeingangswelle motorseitig am Kurbelwellenflansch abst¨ utzen kann, tritt zwischen Kurbelwelle und Getriebe ein Versatz auf. In Verbindung mit starren Kupplungsscheiben f¨ ur ZMS kann dieser Versatz bei kritischen F¨ allen zu Leerlaufger¨auschen und erh¨ohtem Profilverschleiß an den Verzahnungen der Gangr¨ ader f¨ uhren. Dabei induziert der “festgeklemmte” Achsversatz zwischen Motor und Getriebe eine Biegebelastung, die eine Ger¨ auschbildung f¨ ordern kann. Die Versatzausgleichsscheibe – Misalignment Disc (MAD) – die im Leerlaufund Niedriglastbereich eine radiale Verlagerbarkeit der Nabe erm¨oglicht und dadurch m¨oglichen Radialkr¨ aften ausweicht, bietet in vielen F¨allen eine L¨osung dieses Problems. Damit ist die Funktion des ZMS im Leerlauf auch bei Versatz gew¨ahrleistet. F¨ ur besonders ger¨ auschkritische Anwendungsf¨alle ist oft die Kombination von ZMS und MAD die geeignete L¨osung. 4.1.2 Belagmaterialien und ihre Belastungsgrenzen Aus Komfortgr¨ unden und aufgrund von Umweltschutzbestimmungen kommen haupts¨achlich Kupplungsbel¨ age zum Einsatz, die aus Garnen bestehen, die in einen organischen Reibzement aus Harz, Kautschuk und F¨ ullstoffen eingebettet sind. Die Garne bestehen i.d.R. aus Glas-, aber auch aus Polyacrylnitril-, Aramid-, Zellstoff- und anderen Fasern sowie einem Messing- oder Kupferdraht. Kupfer ist der Grundwerkstoff gesinterter Metallbel¨age, die sich durch einen auch bei extremer Belastung gleichbleibenden Reibungskoeffizienten und geringen Verschleiß auszeichnen. Allerdings f¨ uhren Sinterbel¨age teils zu erheblichem Verschleiß der Gegenreibfl¨ achen. Bez¨ uglich ihrer Dosierbarkeit aber wegen m¨oglicher Komfortbeeintr¨ achtigungen sind Metallbel¨age organischen Bel¨agen unterlegen; die Hauptanwendungsgebiete sind daher Landmaschinen und schwere Nutzfahrzeuge3 . Tabelle 4.1 enth¨ alt Auslegungsrichtwerte f¨ ur trocken laufen Einscheibenkupplungen und – mit Blick auf Abschnitt 5.3 – f¨ ur nass laufende Ein- und Mehrscheibenkupplungen. Einige der wichtigsten Kriterien f¨ ur die Beurteilung von Reibbel¨agen sind der Gleitreibungskoeffizient µc , insbesondere sein Minimalwert bei Extremlast, 3
F¨ ur Rennfahrzeugkupplungen hat sich die Reibpaarung Kohlefaser/Kohlefaser durchgesetzt. Der Reibungskoeffizient nimmt mit steigender thermischer Belastung zu, dieses Reibverhalten eignet sich jedoch nicht f¨ ur normale Straßenfahrzeuge. Der hohe Verschleiß und der hohe Preis – auch unter der Annahme großer St¨ uckzahlen – schließen diesen Werkstoff noch im Massensegment aus.
122
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Tabelle 4.1. Merkmale g¨ angiger Reibpaarungen (Nach Steinhilper & Sauer [2006])
Stahl, nitriert / Stahl, nitriert
Organische Bel¨ age / Grauguss
Sinterbronze / Stahl
Reibpaarung Gleitreibung µc 0,05–0,1 0,07–0,1 0,1–0,12 Haftreibung µc,0 0,12–0,14 0,1–0,14 0,08–0,1 Verh¨ altnis µc /µc,0 1,4–2,0 1,2–1,5 0,8–1,0 Max. Relativgeschwindigkeit vrel 40 20 30 [m/sec] Max. Fl¨ achenpres4 4 2 sung pmax [MPa] Zul. spezifischer W¨ armeeintrag bei 1,0–2,0 0,5–1,0 0,8–1,5 einer Schaltung wmax [J/mm2 ] Zul. spezifische W¨ armeleistung w˙ 1,5–2,5 0,7–1,2 1,0–2,0 [W/mm2 ]
Trockenlauf Stahl, geh¨ artet / Stahl geh¨ artet
Papier / Stahl
Sintereisen / Stahl
Sinterbronze / Stahl
Nasslauf
0,05–0,08 0,15–0,3 0,3–0,4 0,3–0,4 0,08–0,12 0,2–0,4 0,3–0,5 0,4–0,6 1,4–1,6 1,25–1,6 1,0–1,3 1,2–1,5 20
25
40
25
0,5
2
1
0,5
0,3–0,5
1,0–1,5 2,0–4,0 1,5–1,0
0,4–0,8
1,5–2,0 3,0–6,0 1,0–2,0
die Berstdrehzahl, der Verschleiß von Belag und Gegenreibfl¨achen sowie die Neigung zu selbsterregtem Rupfen, vgl. Abschnitt 9.2.1. Der Haftreibungskoeffizient µc,0 , vgl. Tabelle 4.1, ist f¨ ur die Auslegung von KFZ-Kupplungen nur von untergeordneter Bedeutung. Das so genannte Rupfen geh¨ ort zu den schwerwiegendsten kupplungsbezogenen Schwingungsproblemen. Vom Rupfen spricht man, wenn die erste Eigenfrequenz des Antriebstrangs so stark angeregt wird, dass L¨angsschwingungen des Fahrzeugs f¨ uhlbar werden. Dazu kommt es, wenn der Reibungskoeffizient mit zunehmender Differenzdrehzahl zwischen Druckplatte und Kupplungsscheibe (d.h. beim Anfahren) abnimmt und die Erregungsempfindlichkeit des Antriebstrangs groß ist. Rupfen kann auch durch Unstetigkeiten bei der Momenten¨ ubertragung erregt werden, wie sie z.B. durch Schiefstand der Druckplatte, unparallele Bel¨ age oder ungleichm¨ aßige Belagfedersteifigkeit entstehen k¨onnen. Verglichen mit dem belagbedingten Rupfen ist dieser Einfluss jedoch meistens vernachl¨ assigbar. Oft bleibt das Rupfen im Verlauf der Fahrzeugerprobung unentdeckt, weil es nur bei einem kleinen Prozentsatz der Fahrzeuge auftritt. Deshalb ist im Zuge der Belagentwicklung eine sorgf¨altige, statistisch abzusichernde Ermittlung der Rupferregung erforderlich.
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
123
Die Berstdrehzahl muss das 1,7- bis 2-fache der maximalen Motordrehzahl betragen, da Fehler beim Herunterschalten in Verbindung mit einer leistungsf¨ahigen Getriebesynchronisierung zu sehr hohen Drehzahlen der Kupplungsscheibe f¨ uhren k¨ onnen. Nuten in den Reibfl¨achen verbessern die K¨ uhlung bei extremer Belastung und verhindern, dass durch Unterdruck Probleme beim Trennen entstehen. Teilweise werden die Bel¨age zur Erh¨ohung der Berstdrehzahl auf ein ca. 0,3 mm dickes, verst¨ arkendes Stahlblech aufgeklebt. Thermische Beanspruchung Die Belastung einer Kupplung wird durch die mittlere Reibungsleistung, d.h. die Reibarbeit aller Reibvorg¨ ange bezogen auf die gesamte Betriebsdauer der Kupplung, quantifiziert. Die Betriebsdauer setzt sich aus den Reibzeiten und den dazwischen liegenden Erholzeiten zusammen, f¨ ur die Kupplungsbelastung entscheidend sind hierbei die Anfahrvorg¨ange. Die Schaltvorg¨ange zwischen den h¨oheren G¨ angen k¨ onnen in vielen F¨allen der Einfachheit halber vernachl¨assigt werden, da die Kupplungsbeanspruchung bei den Schaltungen zwischen diesen G¨ angen nicht so stark ist wie beim Anfahren. Die Grundauslegung einer Kupplung, vgl. Abschnitt 4.1.3, ber¨ ucksichtigt insbesondere den W¨ armeeintrag und das W¨ armespeicherverm¨ogen der Kupplung, die zusammen mit den Reib- und Verschleißkennwerten des Belags ¨ die Ubertragungssicherheit und die Lebensdauer des Systems entscheidend beeinflussen4 . Die Verformung der Reibbel¨ age wird durch die unterschiedliche W¨armeausdehnung als Folge der Temperaturdifferenz zwischen Reibund R¨ uckseite der Platten verursacht, dabei ziehen sich Druckplatte und Schwungrad im Bereich des Außendurchmessers von den Bel¨agen zur¨ uck. Dadurch verringert sich der Reibradius und die Fl¨achenpressung nimmt außen ab und innen zu. Die ungleichm¨ aßige Verteilung der Reibungsw¨arme f¨ uhrt zu ¨ einer weiteren Uberlastung des Innenbereichs; je d¨ unner die Platten, desto st¨arker ist die (konvexe) Verformung. Sind die Temperaturen so hoch, dass sich die Reiboberfl¨ ache plastisch verformt, kippt die weitgehend reversible konvexe in eine irreversible konkave Verformung um, die Folge sind Funktionsst¨orungen der Kupplung beim Anfahren bis zum merklichen Schlupf. Die Druckplatte ist in der Regel – konstruktiv bedingt auf Grund ihrer weicheren Struktur – wesentlich verformungsempfindlicher als das relativ massive Schwungrad. In Abbildung 4.12 sind die Belastungsgrenzen von Kraftfahrzeugkupplungen dargestellt. Im Bereich oberhalb von 15 Sekunden zwischen den Anfahrvorg¨angen handelt es sich um einmalige Reibvorg¨ange, bei l¨angeren Betriebsdauern ergeben sich Lastkollektive aus Reibvorg¨angen und den dazwischen liegenden Abk¨ uhlungszeiten im eingekuppelten Zustand. Alle markt¨ ublichen 4
Da das W¨ armespeicherverm¨ ogen der Kupplung von der Masse und der spezifischen W¨ armekapazit¨ at des Werkstoffs abh¨ angt, eignet sich Aluminium aufgrund seiner niedrigen W¨ armekapazit¨ at nicht als Tr¨ agermaterial f¨ ur Kupplungsscheiben.
124
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.12. Ertragbare Reibungsleistung von Kraftfahrzeugkupplungen mit entsprechenden Druckplattentemperaturen (Aus Drexl [1997])
Fahrzeugkupplungen f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge liegen zwischen der durchgezogenen Grenzkurve und der darunter liegenden gestrichelten Parallelen. Ausfallkriterium f¨ ur die Grenzkurve ist das Durchrutschen der geschlossenen Kupplung unter voller Anpresskraft. Bei kurzen Betriebsdauern (links) liegt die Ursache des Ausfalls im so genannten Fading, im mittleren Bereich in der Zerst¨orung der Bel¨ age infolge thermischer Zersetzung des Reibzements und bei langen Betriebsdauern (rechts) in dem durch die Membranfederkennlinie verursachten Anpresskraftverlust nach v¨ olligem Verschleiß der Bel¨age. Fading Wird die Reibungsw¨ arme schockartig zugef¨ uhrt, steigt die Reibfl¨achentemperatur schnell auf Werte, die ausreichen, um Harz und Kautschuk des Reibzements der Bel¨age zu sch¨ adigen sowie Druckplatte und Schwungrad zu verformen; der Reibungskoeffizient sinkt dann schnell ab, man spricht von Fading, vom Nachlassen der Reibeigenschaften. Wenn die W¨armezufuhr rechtzeitig unterbrochen und Zeit zur Abk¨ uhlung gegeben wird, erholt sich die Kupplung schnell, da die Bel¨ age wegen ihrer geringen W¨armeleitf¨ahigkeit nur oberfl¨achlich gesch¨adigt sind. Anpressplatten unter 10 mm Dicke sind aufgrund fehlender W¨armekapazit¨ at und Steifigkeit kritisch: Sie verformen sich sehr ¨ stark und k¨onnen sogar infolge thermischer Uberlastung brechen. Typische fadinggef¨ahrdete Vorg¨ ange sind das Anfahren mit maximaler Fahrzeugbeschleunigung (Rennstart) und mehrere, kurz aufeinander folgende Anfahrten mit
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
125
zul¨assigem Gesamtgewicht an gr¨ oßeren Steigungen, ¨ahnlich den Bedingungen bei der Typpr¨ ufung, vgl. Seite 129. Thermische Zerst¨ orung bzw. Verbrennen Falls eine Kupplung zu lange unter Last schleift, steigt die Temperatur auch im Inneren der Bel¨ age stark an und zerst¨ ort den Reibzement bis in den Belag¨ kern. Der Belag verliert durch thermische Uberlastung seine mechanische Festigkeit, f¨allt auseinander und die Gegenreibfl¨ achen zeigen die entsprechenden Anlauffarben und Hitzerisse. Druckplatte und Schwungrad sind infolge des sch¨adigenden Temperatureinflusses konkav verformt. Typische Vorg¨ange, die zu einem Verbrennen des Belags f¨ uhren k¨ onnen, sind das “Freischaukeln” des festgefahrenen Fahrzeugs oder das st¨ andige Anfahren in zu hohem Gang mit unzureichenden Abk¨ uhlphasen. Als eine Maßnahme ist f¨ ur zuk¨ unftige Anwendungen der Einsatz keramischer Bel¨ age denkbar, die u ¨ber ihre h¨ohere thermische Belastbarkeit Vorteile bez¨ uglich Baugr¨ oße bzw. u ¨bertragbarem Moment, vgl. Albers et al. [2006], bringen k¨ onnen. Verschleiß Wenn die Kupplung eine befriedigende Lebensdauer haben soll, d¨ urfen die Reibzeiten beim Anfahren in der Ebene nur selten 2 Sekunden u ¨berschreiten. Die mittleren Reibfl¨ achentemperaturen betragen nach einem solchen normalen Anfahrvorgang etwa θc = 80, . . . , 90◦ C und liegen selbst bei Stop-and-goVerkehr praktisch immer unter θc = 130◦ C. Die in den Reibphasen entstehende W¨arme belastet den Kupplungsbelag u unstigt ¨berdurchschnittlich und beg¨ ein vorzeitiges Verschleißen bei mangelnder W¨armeabfuhr durch W¨armeleitung und Konvektion. Der Gedanke, Funktion und Lebensdauer einer Kupplung durch gezielte Luftk¨ uhlung zu verbessern, liegt somit nahe; der praktische Nutzen ist allerdings bis auf wenige Ausnahmen gering: Bis etwa θc = 130◦ C ist der Verschleiß nahezu temperaturunabh¨ angig. Erst wenn die mittlere Reibfl¨achentemperatur θc = 150◦ C u bersteigt, ist bei der Verwendung von orga¨ nischen Reibbel¨agen eine gezielte K¨ uhlung der Kupplung angebracht, so bei Stadtbussen, Fahrzeugen der Stadtreinigung und Ackerschleppern, die h¨aufig angefahren werden oder dauerhaft bei hohen Reibleistungen betrieben werden. Die Kupplungsglocken dieser Fahrzeuge sollten zum Erreichen einer K¨ uhlwirkung durch aufgezwungene Konvektion von sauberer Luft durchstr¨omt wer¨ den. Direkte Offnungen der Kupplungsglocke nach außen sind zu vermeiden, da ihr geringer Nutzen durch die bessere W¨armeabfuhr von den Sch¨aden, die durch eindringenden Schmutz entstehen, in der Regel u ¨berwogen wird. ¨ Offnungen im Druckplattengeh¨ ause verbessern die interne Glockenzirkulati¨ on und damit die Ubertragungssicherheit und Lebensdauer bei h¨aufiger, hoch belastender Bet¨atigung der Kupplung.
126
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
4.1.3 Auslegung des Kupplungssystems Im Folgenden werden wichtige Aspekte der Auslegung von Fahrzeugkupplungen besprochen, die jedoch keinesfalls vollst¨ andig sind und nur einen sehr einfachen, exemplarischen Fall f¨ ur die Auslegung annehmen. Weiterf¨ uhrende und tiefergehende Betrachtungen in der Literatur, insbesondere zu den immer wichtiger werdenden Komfortthemen, sind extrem selten; Winkelmann ¨ & Harmuth [1985] geben eine gute Ubersicht, schr¨anken jedoch durch die Nutzung vieler Zahlenwertgleichungen die Anwendbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Ausf¨ uhrungen sehr ein. Micknass et al. [2004] geben ebenfalls keine Dimensionierungsregeln in allgemeiner Form an. Steinhilper & Sauer [2006] enth¨alt Auslegungshinweise unter ¨ ahnlichen Randbedingungen wie hier, allerdings ohne speziellen Bezug auf Fahrzeuggetriebe. Berechnung des maximal u ¨ bertragbaren Moments Als erstes soll die Berechnung des u ¨bertragbaren Kupplungsmoments besprochen werden. Im Sinne der Allgemeing¨ ultigkeit wird die Anzahl der Reibfl¨achen zc einer schaltbaren Reibkupplung nicht wie im Automobilbau meist u uckseite der Kupplungs¨blich direkt zu zc = 2 gesetzt – die Vorder- und R¨ scheibe werden zur Momenten¨ ubertragung genutzt –, sondern als allgemeine Gr¨oße zc variabel gelassen. Begr¨ undet wird dies mit der Notwendigkeit, auch bei PKW mit einem Nennmoment von etwa 500 Nm sowie bei Nutzfahrzeugen noch Schaltgetriebe mit konventionellen Kupplungen zu entwickeln: Eine Kapazit¨atsforderung, die bei den meisten heute genutzten Kupplungsscheiben nicht mehr von einer Scheibe allein erf¨ ullt werden kann. Die Kupplung w¨ urde dann zu groß und damit zu tr¨ age werden. Zwei Kupplungsscheiben mit einer gemeinsamen Bet¨ atigung, vgl. Abbildung 4.13, versprechen hier Vorteile, sowohl mit Blick auf die Tr¨ agheit und die resultierende Synchronisationsbelastung, als auch hinsichtlich der notwendigen Bet¨atigungskr¨afte. Betrachtet wird der ringf¨ ormige Ausschnitt einer rotationssymmetrischen Kupplungsscheibe mit dem mittleren Durchmesser r und der radialen “Breite” dr, vgl. Abbildung 4.14. Von der Tellerfeder wird bei geschlossener Kupplung eine Anpresskraft Fax zur Momenten¨ ubertragung zur Verf¨ ugung gestellt, die unter Ber¨ ucksichtigung des inneren und des ¨ außeren Radius ri und ra des Reibbelages – der durchaus etwas kleiner sein wird als die Abmessungen der Kupplungsscheibe – zu einem Anpressdruck p = Fax /Areib = Fax / π · (ra2 − ri2 ) f¨ uhrt. Mit dem Reibwert µc zwischen Belag und Druckplatte bzw. Schwungrad kann der d¨ unne ringf¨ ormige Ausschnitt bei Belastung durch den Anpressdruck p ein differentielles Moment dmc der Gr¨ oße dmc =
r 2 r dr} p µc = |{z} | π{z Hebelarm Fl¨ ache
2 Fax r2 µc dr ra2 − ri2
(4.1)
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
127
Abb. 4.13. Zweischeibenkupplung f¨ ur schwere Nutzfahrzeuge
Abb. 4.14. Ringf¨ ormiger Ausschnitt aus einer rotationssymmetrischen Kupplungsscheibe zur Verdeutlichung der Reibmomentenberechnung
u ¨bertragen. Im Sinne einer robusten Auslegung wird die Auslegung der Kupplung f¨ ur den Anfahrvorgang mit dem Gleitreibungskoeffizienten µc durchgef¨ uhrt; wenn die Kupplung rutscht, f¨ allt das Moment stark ab, vgl. Tabelle 4.1. Das Verh¨altnis µc,0 /µc quantifiziert die potentielle Erh¨ohung des u ¨bertragbaren Moments bei Schlupffreiheit. Das u bertragbare Gesamtmoment der ¨ Kupplung Tc ergibt sich dann bei Ber¨ ucksichtigung aller zc Reibfl¨achen5 durch Integration von (4.1) zu Zra T c = zc ·
dmc = ri
5
2 r3 − ri3 · Fax · zc · µc · a2 . 3 ra − ri2
(4.2)
Der Einfachheit halber wird angenommen, dass alle Reibbel¨ age gleich groß sind.
128
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
F¨ ur die meisten ausgef¨ uhrten Kupplungsreibbel¨age gilt ri /ra = 0, 7 . . . 0, 9; f¨ ur diese Radienverh¨ altnisse l¨ asst sich der letzte Term von (4.2) vereinfachen, ohne nennenswerte Fehler zu machen. Dazu wird – auch mit Blick auf die Synchronisationsauslegung – der mittlere Reibradius rm eingef¨ uhrt, rm =
ra + ri 2 r3 − ri3 ≈ · a2 , 2 3 ra − ri2
(4.3)
und man erh¨alt entsprechend Tc ≈ Fax · zc · µc ·
r a + ri = Fax · zc · µc · rm . 2
(4.4)
¨ Der Fehler, der beim Ubergang von (4.2) zu (4.4) entsteht, ist f¨ ur die g¨angigen Radienverh¨altnisse bei Fahrzeugkupplungen kleiner als 1%; die Ungenauigkeiten bei der Bestimmung des Reibwertes µc sind wesentlich gr¨oßer. Ferner sei darauf hingewiesen, dass weder (4.2) noch (4.4) Sicherheiten enthalten. Setzt man in (4.2) bzw. (4.4) statt des Gleitreibungskoeffizienten µc den Haftreibungskoeffizienten µc,0 ein, so erh¨ alt man anstelle des u ¨bertragenen Moments der rutschenden Kupplungs das bei quasistatischer Beanspruchung maximal u ¨bertragbare Grenzmoment Tc,max . Anmerkung 4.4 Bei der Dimensionierung von Kupplungen mit mehreren Reibbel¨agen, insbesondere von (nasslaufenden) Lamellenbremsen und -kupplungen f¨ ur Doppelkupplungen oder Stufenautomatikgetriebe, ist in (4.2) bzw. (4.4) nach Steinhilper [1963] ein Korrekturfaktor ζc einzuf¨ ugen, der zu einer Reduktion des u uhrt. F¨ ur den Faktor ζc kann man ¨bertragbaren Moments Tc f¨ bis zu einer Reibfl¨ achenzahl zc ≈ 15 vereinfachend die Absch¨atzung ζc = 1 −
zc 45
verwenden; die Reduktion des u undet Steinhil¨bertragbaren Moments begr¨ per mit den axialen Reibwiderst¨ anden der Lamellenpakete, die bei Lastschaltungen zu einer Reduktion des effektiven Anpressdrucks f¨ uhren. 2 Bei der Dimensionierung einer Kupplung wird das Nennmoment des Verbrennungsmotors Tnenn herangezogen und mit einer Soll-Sicherheit gegen Durchrutschen νR multipliziert, um das erforderliche u ¨bertragbare Moment Tc,erf = Tnenn · νR ≤ Tc
(4.5)
zu berechnen. Die anzunehmende Sicherheit gegen Durchrutschen νR kann man z.B. in Abh¨ angigkeit vom Konstruktionsprinzip der Kupplung und von der Motorisierung w¨ ahlen, ur kleine Motoren 1,20 F¨ νR = 1,30 F¨ ur große Motoren 1,35 Bei Verwendung einer selbstnachstellenden Kupplung (SAC).
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
129
In der Praxis wird h¨ aufig mit geometrisch ¨ ahnlichen Bel¨agen gearbeitet, die innerhalb einer Baureihe ein konstantes Verh¨ altnis di /da bzw. ri /ra aufweisen. Diese werden mit Tellerfedern mit verschiedenen, ebenfalls gestuften Anpresskr¨aften kombiniert. Die Suche nach den Parametern Fax , di und da ist also meist eine Suche nach der bestm¨ oglichen Kombination vorhandener oder – falls notwendig – leicht modifizierbarer Bauteile. Bestm¨ogliche Kombination bedeutet dabei funktions- und kostenoptimiert bei minimiertem Versagensrisiko. Anmerkung 4.5 Bei Reibkupplungen und -bremsen f¨ ur station¨are Antriebe muss bei der Berechnung des u ¨bertragbaren Moments bei nicht horizontal verlaufenden An- und Abtrieben zus¨ atzlich darauf geachtet werden, ob durch den Einfluss der Schwerkraft eine station¨ are Kraft auf die Reibbel¨age wirkt. Bei Fahrzeugkupplungen ist dies f¨ ur Personen- und Nutzfahrzeuge nicht der Fall, hier liegen die Drehachsen i.d.R. horizontal. 2 Anforderungen f¨ ur die Erteilung der allgemeinen Betriebserlaubnis F¨ ur die Erlangung der allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) wird von den Fahrzeugherstellern der Nachweis verlangt, dass ein Fahrzeug 5 Anfahrten innerhalb von 5 Minuten bei maximal zul¨ assigem Gesamtgewicht inklusive Anh¨anger an einer 12%-Steigung bew¨ altigen kann. Die Reibzeiten liegen dabei pro Anfahrvorgang u ¨blicherweise zwischen 5 und 7 Sekunden; bei sehr schwach motorisierten Fahrzeugen kann der Reibvorgang f¨ ur das Synchronisieren von Prim¨ar- und Sekund¨ arseite der Kupplung bis zu 15 Sekunden dauern; die Folge sind sehr hohe thermische Beanspruchungen der Kupplung. Rutschzeit und Reibarbeit beim einmaligen Anfahren F¨ ur die Berechnung der Reibarbeit beim Anfahren aus dem Stand werden hier die Bedingungen der ABE-Pr¨ ufung f¨ ur ein Gespann herangezogen. Detailliertere Berechnungen, die die zusammenfassend in Anmerkung 4.6 genannten Einschr¨ankungen teilweise aufheben, k¨ onnen auf der Grundlage von z.B. Steinhilper & Sauer [2006, Kap. 14] Winkelmann & Harmuth [1985] erarbeitet werden. Diese Vorgehensweise erfordert ein tieferes Eindringen in die Mechanik starrer Systeme und in die Mathematik, bringt aber keine neuen prinzipiellen Erkenntnisse. Zun¨achst wird, basierend auf dem Gesamtfahrwiderstand nach (3.16), f¨ ur ein Fahrzeug bei allgemeinen Betriebsbedingungen der Spezialfall des Anfahrens am Berg f¨ ur ein Gespann herauskondensiert. Der Luftwiderstand FL spielt hier aufgrund der geringen Geschwindigkeit beim Anfahren keine Rolle, wohl aber die zus¨atzliche Masse des Anh¨ angers mtr . Man erh¨alt somit f¨ ur den Fahrwiderstand des Gespanns am Berg FW = (mveh + mtr ) (g fR cos(α) + g sin(α)) + a (mveh λ + mtr ) . (4.6)
130
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Dieser Fahrwiderstand beinhaltet auch den beim Beschleunigen des Fahrzeugs zu u ¨berwindenden Beschleunigungswiderstand, wobei in (4.6) die Beschleunigung a die wichtigste, f¨ ur den Anfahrvorgang entscheidende Gr¨oße ist. Um diesen Fahrwiderstand beim Anfahren u ¨berwinden zu k¨onnen, ist an der Kupplung ein Moment Tc,anfahr erforderlich. Wichtig ist, bei der Berechnung des erforderlichen Kupplungsmomentes Tc,anfahr den Triebstrangwirkungsgrad sowie die Gesamt¨ ubersetzung des Fahrzeuggetriebes zu beachten. Es gilt zun¨achst zur Sicherstellung der Anfahrbarkeit die Bedingung, dass die Zugkraft am Rad Frad ausreicht, um den Fahrwiderstand FW zu u ¨berwinden, Frad = Tc,anfahr · iges · ηges /Rdyn ≥ FW ; ¨ dabei ist iges die Ubersetzung des Triebstrangs zwischen Kupplung und Rad, i.d.R. also iges = i1 · iAchs und ηges ist der Wirkungsgrad des Triebstrangs. Dann gilt f¨ ur das f¨ ur den Anfahrvorgang erforderliche Kupplungsmoment Tc,anfahr = =
FW Rdyn iges ηges Rdyn [(mveh + mtr ) (g fR cos(α) + g sin(α)) + a (mveh λ + mtr )] . iges ηges
Zweckm¨aßig zerlegt man f¨ ur das Weitere das erforderliche Moment in ein konstantes Lastmoment TL und einen beschleunigungsproportionalen Anteil, Tc,anfahr =
Rdyn · (mveh + mtr ) · (g · fR · cos(α) + g · sin(α)) iges · ηges | {z } TL
Rdyn · a · (mveh · λ + mtr ) + , iges · ηges
(4.7)
und dr¨ uckt die Fahrzeugbeschleunigung a in Abh¨angigkeit von der Winkelbeschleunigung ω˙ c der Sekund¨ arseite der Kupplung aus, a = ω˙ Rad · Rdyn = ω˙ c · Rdyn /iges
⇔
ω˙ c = iges · a/Rdyn .
Reduziert man die Tr¨ agheit des Fahrzeugs und des Triebstranges zu einer auf die Sekund¨arseite der Kupplung bezogene Ersatz-Drehtr¨agheit, so erh¨alt man Tc,anfahr = TL +
2 Rdyn · (mveh · λ + mtr ) def. · ω˙ c = TL + Θveh,red · ω˙ c . (4.8) i2ges · ηges
Mit (4.8) hat man das an der Kupplung f¨ ur den Anfahrvorgang ben¨otigte Moment in ein konstantes Lastmoment6 und einen Beschleunigungswiderstand zerlegt und kann nun recht einfach die Drehzahlverl¨aufe w¨ahrend des Beschleunigungsvorgangs berechnen. F¨ ur das Folgende wird nun – da mit einer 6
Das konstante Lastmoment fasst Roll- und Steigungswiderstand zusammen.
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
131
Abb. 4.15. Schematische Darstellung des angenommenen Drehzahl- und Drehmomentverlaufs f¨ ur die Kupplungsauslegung
komplexeren Beschreibung nur zus¨ atzliche Rechenarbeit, aber kein Wissensgewinn verbunden ist – angenommen, dass der Verbrennungsmotor im Fahrzeug ungeachtet des Anfahrvorganges bei einer festen Drehzahl ωmot ein festes Moment Tmot zur Verf¨ ugung stellt. Dieses Moment Tmot muss betragsm¨aßig kleiner sein als das w¨ ahrend des Anfahrvorgangs u ¨bertragbare Moment der Kupplung Tc nach (4.4), damit das volle Motormoment f¨ ur den Anfahrvorgang genutzt werden kann, Tmot ≤ Tc . Auch unterhalb der Rutschgrenze der Kupplung kommt es aber beim Anfahrvorgang zu einer Relativverdrehung von Druckplatte bzw. Druckplattengeh¨ause und Kupplungsscheibe zueinander; die Kupplung wird als Anfahrelement eingesetzt. Der Rutschvorgang dauert unter den getroffenen Annahmen einer konstanten Motordrehzahl solange, bis die Sekund¨arseite durch die verf¨ ugbaren Beschleunigungsmomente auf Motordrehzahl beschleunigt wurde, vgl. Abbildung 4.15. Dabei wirkt die Ersatzdrehtr¨agheit Θveh,red als Beschleunigungswiderstand; das an der Prim¨ arseite der Kupplung anliegende Motormoment muss dabei mit dem Gesamtwiderstand nach (4.8) im Gleichgewicht stehen, es gilt Tmot = TL + Θveh,red · ω˙ c
oder
ω˙ c = (Tmot − TL ) /Θveh,red . (4.9)
Dies entspricht aufgrund des lastunabh¨ angigen Motormoments und des konstanten Lastmoments TL einer gleichf¨ ormig beschleunigten Drehbewegung der Sekund¨arseite bzw. einer gleichf¨ ormigen Fahrzeugbeschleunigung a. Wird also, vgl. Abbildung 4.15, angenommen, dass der Anfahrvorgang aus der Ruhe ωc = 0 f¨ ur t = t0 beginnt, so ist zur Zeit t = t1 die Drehzahlgleichheit erreicht und der Rutschvorgang f¨ ur die Kupplung abgeschlossen. Es gilt dann !
def.
ωc = ωmot = ω˙ c · (t1 − t0 ) = ω˙ c · τABE
132
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
und damit ωmot ωmot Θveh,red = ω˙ c Tmot − TL (4.10) ωmot Θveh,red iges ηges = . Tmot iges ηges − Rdyn (mveh + mtr ) (g fR cos(α) + g sin(α))
τABE =
Je nach verf¨ ugbarem Motormoment wird beim Anfahren eine bestimmte Beschleunigung erreicht; f¨ ur Tmot < TL wird ein Anfahren jedoch unm¨oglich, der Fahrwiderstand u ugung ¨berschreitet die von Motor und Kupplung zur Verf¨ gestellte Zugkraft. Die hier vorgestellte Vorgehensweise liefert aufgrund der Annahme einer konstanten Motordrehzahl bei konstantem Motormoment tendenziell zu kleine Werte f¨ ur die Rutschzeit τABE . Eine realistischere Annahme der Drehzahl- und Drehmomentencharakteristik des Motors bringt – zum Preis der aufw¨andigeren Berechnung – genauere Werte f¨ ur die Rutschzeit τABE und damit Auslegungssicherheit. Details zu komplexeren Annahmen bez¨ uglich der Drehzahlverl¨ aufe von Prim¨ ar- und Sekund¨ arseite w¨ahrend des Einkuppelvorgangs findet man beispielsweise bei Steinhilper & Sauer [2006]. W¨ahrend der Rutschzeit wird aufgrund des anliegenden Motormoments – hier vereinfachend konstant Tmot w¨ ahrend des gesamten Einkuppelvorgangs – die Reibarbeit Wreib in W¨ arme umgesetzt, die in Kupplungsscheibe, Druckplatte und Schwungrad gespeichert und abgef¨ uhrt werden muss. Am einfachs¨ ten wird die Reibarbeit zur Dimensionierung und Uberpr¨ ufung der thermischen Kupplungsbeanspruchung durch Differenzbildung errechnet: Zugef¨ uhrt wird w¨ahrend des Einkuppelvorgangs eine konstante Leistung vom Motor, ¨ die zur Uberwindung von Steigungs- und Rollwiderstand – ausgedr¨ uckt durch ¨ das konstante Lastmoment TL – und zur Uberwindung der Tr¨agheiten aufgewendet wird. Der verbleibende Rest der zugef¨ uhrten Arbeit ist f¨ ur das Fahrzeug verloren, weil er irreversibel durch Reibung in W¨arme umgesetzt wurde. Formelm¨aßig l¨asst sich das Gesagte f¨ ur die Leistung wie folgt fassen: Pmot = Tmot ωmot = Preib + PR/S + Pa = Preib + (TL + Θveh,red ω˙ c ) ωc . Die Integration der Reibleistung u ¨ber die Rutschzeit ergibt die Reibarbeit w¨ahrend eines Anfahrvorganges entsprechend den getroffenen Annahmen, Zt1 [Pmot − (TL + Θveh,red · ω˙ c ) · ωc ] dt
Wreib = t0 Zt1
[Tmot · ωmot − (TL + Θveh,red · ω˙ c ) · ωc (t)] dt .
=
(4.11)
t0
Aufgrund der konstanten Winkelbeschleunigung f¨ ur diesen einfachen Fall nach (4.10) und Abbildung 4.15 gilt f¨ ur die Winkelgeschwindigkeit der Sekund¨arseite der Kupplung f¨ ur t 0 ≤ t ≤ t 1
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
133
Tabelle 4.2. Abmessungen der Innen- und Außenradien in Millimeter verschiedener verf¨ ugbarer Reibbel¨ age Scheibennummer 1 2 3 4 5 6 7 8 ri [mm] 70 80 85 90 95 100 110 120 ra [mm] 84 96 102 108 114 120 132 144 St¨ uckkosten [Euro] 6,70 8,80 10,00 11,20 12,50 14,00 16,80 20,00 Tabelle 4.3. Anpresskr¨ afte verf¨ ugbarer Tellerfedern Federnummer 1 2 3 4 5 6 7 Federkraft Fax [N] 2500 2800 3200 3700 4300 5000 5800 St¨ uckkosten [Euro] 1,50 1,60 1,72 1,85 2,00 2,20 2,50
ωc (t) = ω˙ c · (t − t0 ) .
(4.12)
Als Anfangsbedingung wird ein ruhendes Fahrzeug mit v(t0 ) = 0 und ωc (t0 ) = 0 angenommen. Einsetzen von (4.12) in (4.11) ergibt Wreib = Pmot · τABE −
2 1 · TL · ω˙ c + Θveh,red · ω˙ c2 · τABE . 2
(4.13)
Anmerkung 4.6 Es sei darauf hingewiesen, dass die hier pr¨asentierte Berechnung von Rutschzeit und Reibarbeit die folgenden Schwachpunkte enth¨alt: • F¨ ur den treibenden Verbrennungsmotor wurde angenommen, dass dessen Drehzahl ωmot und das abgegebene Moment w¨ahrend des gesamten Anfahrvorganges konstant bleiben. Gerade f¨ ur schw¨acher motorisierte Fahrzeuge ist dies jedoch nur sehr eingeschr¨ ankt der Fall, es kommt zu erheblichen Drehzahl- und Momenteneinbr¨ uchen und gr¨oßeren Rutschzeiten. • Das Lastmoment TL ber¨ ucksichtigt nur die konstanten Anteile aus Steigungs- und Rollreibungswiderstand des Fahrzeugs, vgl. (3.12) und (3.13). Dynamische Anteile, etwa aus einem Anfahrnicken, die sich negativ auf die Rutschgrenze am Rad auswirken k¨ onnen, sind nicht erfasst. • Es wird nur eine Anfahrt ber¨ ucksichtigt, die Temperaturentwicklung bei mehrmaligem Anfahren wird nicht als Auslegungsgr¨oße erfasst. Die Temperaturentwicklung w¨ ahrend wiederholter Anfahrvorg¨ange ist eine wichtige Auslegungsgr¨ oße bzw. ein kritischer Versagensfall. 2 Auslegungsaufgabe 4.1 Kupplungsauslegung Gegeben sind die in Tabelle 4.2 aufgelisteten Maße einer Baureihe von Kupplungsscheiben, ferner verschiedene Tellerfedern mit entsprechenden Anpresskr¨aften, vgl. Tabelle 4.3 vorgegeben. Man gehe f¨ ur die folgende Kupplungsauslegung von folgenden Fahrzeugdaten aus: Masse mveh = 1400 kg, zul¨ assige Anh¨ angelast mtr = 1200 kg, dynamischer Reifendurchmesser Ddyn = 0, 6 m, Gesamtwirkungsgrad ηges = 0, 9, Gesamt¨ ubersetzung i1,ges = 14, Rollreibungsbeiwert fR = 0, 04, Belagreibung
134
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben Tabelle 4.4. Verschiedene Motorisierungen f¨ ur die Kupplungsauslegung Variante Kleiner Diesel Kleiner Benziner Großer Diesel Großer Benziner Tmax [Nm] 220 170 400 330 nnenn [Nm] 2800 4000 3000 5000
µc = 0, 35, Drehmassenfaktor λ = 1, 05. F¨ ur das Fahrzeug sind 4 verschiedene Motoren in Tabelle 4.4 vorgesehen, die maximal zul¨assige Reibleistung pro ABE-Pr¨ ufzyklus und Fl¨ acheneinheit ist mit wreib,max = 40 J/mm2 f¨ ur die Diesel- und zu wreib,max = 80 J/mm2 f¨ ur die Benzinmotoren angegeben. F¨ ur das Fahrzeug sind f¨ ur die Motorvarianten die einsetzbaren Kupplungsbel¨age und die dazu passenden Tellerfedern auszuw¨ahlen; bei der Auswahl aus dem gegebenen Baukasten sind folgende Kriterien zu ber¨ ucksichtigen: ¨ • Die Soll-Sicherheit f¨ ur die Ubertragbarkeit des Motormoments soll mindestens νR = 1, 25 betragen. • Die Reibarbeit pro Anfahrvorgang und Fl¨acheneinheit nach den ABEPr¨ ufbedingungen ist auszuwerten und eine Sicherheit νth = 1, 2 gegen Verbrennen im ABE-Pr¨ ufzyklus zu gew¨ ahrleisten. • Es ist sicher zu stellen, dass die gew¨ ahlte Variante die mit den niedrigsten Produktkosten f¨ ur Scheibe und Tellerfeder ist, die die beiden zuvor formulierten Bedingungen erf¨ ullt. Sollte f¨ ur eine Motorvariante keine technisch zufriedenstellende L¨osung aus den gegebenen Tellerfedern und Kupplungsscheiben darstellbar sein, so ist zu untersuchen, wie weit die Anh¨ angerlast zu reduzieren ist, um die ABEBedingungen sicherzustellen. Man beachte die getroffene Annahme, dass der Anfahrvorgang beendet ist, sobald keine Relativverdrehung von Schwungrad bzw. Druckplatte und Kupplungsscheibe stattfindet. ♠
Temperaturentwicklung Infolge der Reibarbeit pro Anfahrvorgang – in (4.13) unter vereinfachten Annahmen betreffend Motormoment und Motordrehzahl nach Abbildung 4.15 quantifiziert –, kommt es zur Erw¨ armung der Kupplungsscheibe, insbesondere der Reibbel¨ age sowie der Reibfl¨ achen an Schwungrad und Druckplatte. Um die Temperaturentwicklung bei wiederholten Schaltungen absch¨atzen zu k¨onnen, ben¨otigt man f¨ ur das betrachtete System eine Reihe von Informationen, insbesondere u armekapazit¨aten und die geometri¨ber die spezifischen W¨ schen Abmessungen von Belag, Kupplungsscheibe, Schwungrad und Druckplatte. Ferner sind Informationen u ¨ber die durch W¨armeleitung und Konvektion abf¨ uhrbare W¨ arme zur Prognose des Abk¨ uhlverhaltens zur Verf¨ ugung zu stellen. Das Ergebnis einer solchen Berechnung ist ein Temperaturanstieg, der in Abh¨angigkeit vor allem von den Schalt- und Ruhezeiten s¨attigend gegen einen Grenzwert ansteigt, vgl. Abbildung 4.16.
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
135
Abb. 4.16. Qualitative Temperaturentwicklung im Kupplungsbelag bei wiederholten Anfahrvorg¨ angen unter hohen Lasten, hier ABE-Pr¨ ufbedingungen
Die dabei – z.B. bei den ABE-Pr¨ ufbedingungen – erreichte Maximaltemperatur ist ein Auslegungskriterium, das maßgeblich u ¨ber das Verschleißverhalten informiert. Um die Temperaturbelastung bei hohen Motormomenten in Grenzen zu halten, wird z.B. bei manuell oder automatisch geschalteten, synchronisierten Nutzfahrzeugen teils mit einer Zweischeibenkupplung7 gearbeitet, vgl. Abbildung 4.13. Die thermische Beanspruchung ist einer der Hauptgr¨ unde f¨ ur das (moderate) Anwachsen der Kupplungsdimensionen mit steigendem Motormoment, vgl. Abbildung 4.17 und (4.13). Eine weitere M¨oglichkeit zur Absenkung der Maximaltemperaturen in der Kupplung ist das gezielte Zuf¨ uhren ¨ uhlung kann zur von K¨ uhl¨ol bei nass laufenden Kupplungssystemen; die Olk¨ Vermeidung von Verbrennen oder Fading notwendig sein. Dynamische Einfl¨ usse F¨ ur die Ermittlung der dynamischen Beanspruchungen von Kupplung und Antriebstrang ist als einfachstes Ersatzmodell der fußpunkterregte Einmassenschwinger, vgl. Dresig & Holzweißig [2006], der schon in Abbildung 4.2.a verwendet wurde, heranzuziehen. Der schnelle Einkuppelvorgang, der zu den h¨ochsten Beanspruchungen des Triebstrangs f¨ uhrt, kann dabei durch die Sprungantwort des Einmassenschwingers abgesch¨atzt werden, an dessen Fußpunkt bei einer gegebenen Zeit t = t0 – beschrieben durch die Sprungfunktion – eine Kraft F0 wirkt. Es ist bekannt, dass beim unged¨ampften Einmassenschwinger die maximale Kraft im System Fmax gleich der doppelten Sprungkraft ist, Fmax = 2 F0 . Diese Absch¨ atzung l¨ asst sich f¨ ur den Anfahrvorgang auf das Kupplungssystem u ¨bertragen. Das maximale – bei sehr schnellem Einkuppeln und Annahme vernachl¨ assigbarer D¨ ampfung im Triebstrang wirkende – Moment Tmax kann so durch das doppelte Motormoment abgesch¨atzt werden, 7
Zudem erm¨ oglicht dies niedrigere Pedalkr¨ afte beim Auskuppeln durch die Nutzung von zc = 4 Reibfl¨ achen, vgl. (4.2).
136
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.17. Schematische Abh¨ angigkeit der Kupplungsscheibengr¨ oße vom Nennmoment des Verbrennungsmotors (aus Drexl [1997])
Tmax ∼ = 2 Tmot .
(4.14)
Tats¨achlich f¨ uhren jedoch im realen Triebstrang die reibungsbehafteten Komponenten zu einer Reduktion der dynamischen Last¨ uberh¨ohung; auch die Annahme eines sprungartigen Einkuppelns ist nicht exakt. Demzufolge sind die Beanspruchungen beim schnellen Einkuppeln etwas niedriger; die Absch¨atzung (4.14) ist f¨ ur die Dimensionierung der Komponenten hinreichend genau. Komplexer sind die Vorg¨ ange beim schnellen bzw. schlagartigen Einkuppeln beim fahrenden Fahrzeug; die Kupplung stellt unter Begrenzung durch das
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
137
Abb. 4.18. Zweimassenschwinger als Ersatzmodell des Triebstrangs beim schnellen Einkuppeln f¨ ur ein bewegtes Fahrzeug
maximal u ¨bertragbare Moment den Gleichlauf von Prim¨ar- und Sekund¨arseite. Der Triebstrang wird elastisch verspannt und das Nennmoment des Motors hat nur einen geringen Einfluss auf die H¨ ohe des auftretenden Stoßmoments, vgl. Abbildung 3.23. Eine Absch¨ atzung der auftretenden Stoßmomente kann – unter Zuhilfenahme einer zum vollplastischen Stoß analogen Argumentation sowie des Energiesatzes – angegeben werden: Dazu wird das in Abbildung 4.2.a verwendete Drehschwingungsmodell des Triebstrangs zum Zweimassenschwinger vereinfacht, vgl. Abbildung 4.18. F¨ ur das station¨ar rollende System gelten zur Zeit t < t0 vor dem Einkuppeln die Anfangsbedingungen f¨ ur die Drehgeschwindigkeiten von Motor und Fahrzeug ωmot (t < t0 ) = ωmot,0
und ωveh (t < t0 ) = ωveh,0 ;
(4.15)
ein Stoß erfordert ωmot,0 6= ωveh,0 . Unterstellt man nun, dass das schlagartige Einkuppeln in Analogie zum vollplastischen Stoß erfolgt, so ergibt sich die gemeinsame rechnerische Drehgeschwindigkeit ωvh von Motor und Fahrzeug aus der Impulserhaltung zu ωvh =
ωmot,0 · Θmot + ωveh,0 · Θveh,red . Θmot + Θveh,red
(4.16)
Dabei sind Θmot und Θveh,red die Drehtr¨ agheiten von Motor und reduziertem Fahrzeug; s¨amtliche Getriebe- und Kupplungseinfl¨ usse m¨ ussen dabei in Analogie zu (4.8) in die Berechnung8 einer der beiden Gr¨oßen einfließen. Fasst man analog die gesamte Drehsteifigkeit des Triebstranges unter Vernachl¨assigung aller Spiele und Nichtlinearit¨ aten zu einer makroskopischen Drehsteifigkeit cstrang , vgl. Abbildung 4.18, zusammen, so kann man zeigen, dass Motorund Fahrzeugseite der Drehschwingungskette mit der Eigenfrequenz ω0 des unged¨ampften Systems ω02 =
cstrang · (Θmot + Θveh,red ) Θmot · Θveh,red
durch den Stoß angeregt schwingen. Die kinetische Energie Wstoss , die bei dieser Relativverdrehung des Strangs infolge des Einkuppelstoßes auftritt, kann mit dem Energieerhaltungssatz9 abgesch¨ atzt werden zu 8 9
Es sei in diesem Zusammenhang auch auf Beispiel 4.3 verwiesen. Dabei wird angenommen, dass die Kupplung zur Zeit t = t0 ohne durchzurutschen perfekt schließt.
138
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Wstoss ≤
1 2 2 2 · ωmot,0 · Θmot + ωveh,0 · Θveh,red − (Θmot + Θveh,red ) · ωvh (4.17) . 2
Unter Ber¨ ucksichtigung von (4.15), (4.16) und (4.17) hat man unter der Annahme einer linearen Triebstrangfeder ein Mittel zur Absch¨atzung des auftretenden Stoßmoments Tstoss nach oben verf¨ ugbar, p (4.18) Tstoss ≤ 2 cstrang · Wstoss . Wie schon zuvor stellt (4.18) keinen exakten Wert, sondern eine Absch¨atzung dar, mit der nachfolgend beispielsweise Wellen und Verzahnungen sowie Geh¨ause auf Missbrauchssicherheit dimensioniert werden k¨onnen. Ber¨ ucksichtigt man, dass die reduzierte Fahrzeugtr¨ agheit Θveh,red stark vom Fahrzeuggewicht anh¨angt, so wird die bei leichten Nutzfahrzeugen deutlich h¨ohere Beanspruchung des Triebstrangs durch dynamische Lasten, die bereits in Abschnitt 2.4.2 angesprochen wurde, offensichtlich; die Berechnung der reduzierten Tr¨agheit wird auch in Auslegungsaufgabe 6.1 besprochen. 4.1.4 Mechanismen zur Selbstnachstellung Prinzipiell besteht ein linearer Zusammenhang zwischen dem zu u ¨bertragenden Motormoment bzw. der Anpresskraft der Kupplung und der notwendigen ¨ Bet¨atigungskraft beim Offnen der Kupplung. Trotz steigender Motormomente sollen die Bet¨ atigungskr¨ afte am Kupplungspedal u ¨ber die Fahrzeugklassen hinweg und auch bei hohen Laufstrecken jedoch konstant bleiben. Die Konzepte selbstnachstellender Kupplung – Self Adjusting Clutch, SAC – bieten hier eine L¨osung dieses Komfortkonfliktes. Im Mittelpunkt der Kupplungsentwicklung f¨ ur konventionelle Kupplungssysteme von PKW steht die Reduzierung der Bet¨atigungskr¨afte. Die Basis f¨ ur die Umsetzung dieser Forderung bildet die Entwicklung und Markteinf¨ uhrung der selbstnachstellenden Kupplung SAC10 . Die SAC ist f¨ ur viele Fahrzeuge Standard und erm¨ oglicht, dass viele hochmotorisierte Fahrzeuge vertretbare Kupplungspedalkr¨ afte haben, ohne aufw¨ andige und teure Systeme zur Unterst¨ utzung der Kupplungsbet¨ atigung zu ben¨ otigen. Bei PKW-Kupplungen ohne Selbstnachstellung11 , vgl. Abbildung 4.19, liegt zwischen der maximalen Kupplungsbet¨ atigungskraft und der Anpresskraft im Reibkontakt u ¨blicherweise durch die Hebelkonstruktion ein Faktor 4, vgl. Ab¨ bildung 4.20.a. Uber der Lebensdauer kann die Bet¨atigungskraft infolge Verschleiß an der Kupplungsscheibe noch einmal um ca. 40 % ansteigen. Bei der 10 11
Self Adjusting Clutch Bei entsprechendem Verschleiß wurde fr¨ uher die Kupplungsscheibe gewechselt, was die Notwendigkeit einer einfachen Demontage der Kupplungsscheibe ohne Triebstrangausbau begr¨ undete, vgl. Abbildung 4.19. Durch die SAC ist das heute nicht mehr notwendig; die Kupplungsscheibe ist auf Fahrzeuglebensdauer, i.d.R. 160 000 km, verschleißsicher im Rahmen der Selbstnachstellung dimensioniert.
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
139
Abb. 4.19. Kupplungseinbau “klassisch”: Antriebstrang eines Opel Kadett der fr¨ uhen 80er Jahre, basierend auf dem F13 Schaltgetriebe mit mechanischer Kupplungsbet¨ atigung (Ausr¨ uckwelle 11), nicht nachstellender Kupplung (Kupplungsscheibe 5, Torsionsd¨ ampfer 6, Anpressplatte 7, Membrantellerfeder 8 und Druckplattengeh¨ ause in Blechbauweise 9) und einfachem Einmassenschwungrad
selbsteinstellenden Kupplung SAC wird durch einen selbstt¨atigen, mechanischen Verschleißausgleichsmechanismus das Verh¨altnis zwischen u ¨bertragbarem Motormoment und maximaler Bet¨ atigungskraft hin zu deutlich niedrigeren Kr¨aften ver¨ andert. Dazu werden bei der SAC zwei bereits vorhandene Federkr¨afte genutzt: Zum einen ist dies die Belagfederung, welche zwischen den Kupplungsbel¨ agen auf der Kupplungsscheibe angeordnet ist, zum anderen die Tellerfeder, deren Kennlinie so modifiziert wird, dass ein hohes Verh¨altnis von maximaler zu minimaler Bet¨ atigungskraft sichergestellt ist. Praktisch umgesetzt wird dieses hohe Verh¨ altnis der Bet¨atigungskrafte durch eine Tellerfeder mit einer degressiven Kraft-Weg-Kennlinie, vgl. Abbildung 4.20.a. Da beim Bet¨atigen der Kupplung u ¨ber die Tellerfederzungen die Tellerfederkraft und die Belagfederkraft entgegengesetzt wirken, muss zum Bet¨atigen nur
140
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
a)
b)
Abb. 4.20. Qualitative Federkennlinien: a) Kennlinie der Kupplungstellerfeder und b) Arbeitspunkte der Sensorfeder eines SAC-Systems jeweils im neuen und verschlissenen Zustand
die Differenzkraft zwischen beiden Kr¨ aften aufgebracht werden. In Verbindung mit der degressiven Tellerfederkennlinie und einer angepassten Belagfeder¨ kennlinie k¨onnen dann geringe Bet¨ atigungskr¨ afte erzielt werden. Andert sich jedoch der Arbeitspunkt der Kupplung durch Verschleiß nach links in Richtung des Maximums der Tellerfederkraft, vgl. Abbildung 4.20.a, so steigt die Ausr¨ uckkraft massiv an. Begr¨ unden l¨ asst sich dieser Anstieg mit den gr¨oßeren Federwegen, die bei axialem Verschleiß zu kompensieren sind; eine progressive Tellerfederkennlinie w¨ urde diesen Effekt noch verst¨arken, die degressive Kennlinie – die in Abbildung 4.20.b qualitativ dargestellt ist – schw¨acht ihn ab. Als Mechanismus zur Nachstellung hat sich das System mit Kraftsensor mittels einer zweiten Tellerfeder (Sensortellerfeder) und einem Stahlnachstellring zwischen Tellerfeder und Kupplungsgeh¨ ause bew¨ ahrt, vgl. Abbildung 4.21. Der Nachstellring bildet auf der einen Seite den Auflagepunkt f¨ ur die Tellerfeder, auf der anderen Seite st¨ utzt er sich u ber keilf¨ o rmige Rampen am Kupplungs¨ geh¨ause ab. In Umfangsrichtung wird der Nachstellring u ber zwei bis drei ¨ kleine Druckfedern mit einer Federkraft in Umfangsrichtung beaufschlagt. Die Sensortellerfeder dient als mechanischer Sensor zur Verschleißerkennung und wird so abgestimmt, dass sich die Tellerfeder bei verschleißbedingtem Anstieg der Bet¨atigungskr¨ afte beim Bet¨ atigen in Richtung Motor verlagert. Dadurch wird der Nachstellring kraftfrei und kann sich relativ zum Kupplungsdeckel verdrehen. Durch diesen Vorgang wird die Tellerfeder dem Belagverschleiß an der Kupplungsscheibe nachgef¨ uhrt und der Betriebspunkt der Kupplung bleibt konstant. So kann der Verschleißbereich der Kupplung und somit die Lebensdauer um bis zu 50 % gesteigert werden. 4.1.5 Kupplungsbet¨ atigung Die Kupplungsbet¨ atigung umfasst alle Bauteile, mit denen der Pedalweg auf die Druckplatte u ¨bertragen wird; das System besteht aus vier Hauptkom-
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
a)
b)
141
c)
Abb. 4.21. Mechanismus zur Nachstellung und Verschleißausgleich der selbstnachstellenden Kupplung: a) SAC im Neuzustand und bei Verschleiß; b) vor und c) nach dem Nachstellen durch Verschieben des Rampenkeils. Die Dicke der Kraft- und Momentenvektoren spiegelt qualitativ deren Betrag wieder.
Abb. 4.22. Konventionelle Seilzugbet¨ atigung f¨ ur Kompaktfahrzeuge
ponenten: Dem Kupplungspedal mit dem (integrierten) Geberzylinder der hydraulischen Bet¨ atigung, der Druckleitung mit verschiedenen Komfortelementen und dem konzentrischen Nehmerzylinder mit dem Ausr¨ ucklager. Das System leitet – auch bei mechanischer Seilzugbet¨atigung – die vom Fahrer aufgebrachte Pedalkraft an die Kupplung weiter, um diese zu ¨offnen. Wichtig f¨ ur den Fahrer ist die Vermittlung eines guten Gef¨ uhls f¨ ur den Druckpunkt: Bei der Abstimmung der Kupplungsmodulation ist das Verst¨andnis f¨ ur das Gesamtsystem vom Pedal u ¨ber die Kupplung bis zum Schwungrad notwendig. Das Kupplungsbet¨ atigungssystem besteht heute bei den meisten Fahrzeugen aus einem hydraulischen und einem mechanischen Teilsystem; ¨altere Fahr-
142
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.23. Hydraulische Kupplungsbet¨ atigung
zeuge oder Kompaktfahrzeuge weisen h¨ aufig aber noch eine Seilzugbet¨atigung, vgl. Abbildung 4.22, auf. Das hydraulische Teilsystem der Kupplungsbet¨atigung umfasst, vgl. Abbildung 4.23, den Geberzylinder mit Verbindung zum Bremsfl¨ ussigkeitsvorratsbeh¨ alter, die Druckleitung und den am Getriebegeh¨ause befestigten Nehmerzylinder. Das mechanische Teilsystem befindet sich innerhalb der Kupplungsglocke. Der Pedaldruck des Fahrers wird u ucklager auf die Kupplung ¨ber das hydraulische Teilsystem durch das Ausr¨ u ucklagers dr¨ uckt dabei direkt gegen die Fe¨bertragen, die Schulter des Ausr¨ derzungen der geschlitzten Tellerfedern. Wichtig ist dabei ein einwandfreies Mitdrehen der Ausr¨ ucklagerschulter mit der Kupplungsfeder, um m¨ogliche St¨orquellen f¨ ur Ger¨ ausche oder u aßigen Verschleiß an der Kontaktstelle ¨berm¨ Lager-Feder auszuschließen, vgl. Kirchner et al. [2005]. In hydraulischen Zentralausr¨ uckern, durch die hindurch die Eingangswelle u ¨ber eine Vielkeilverzahnung die Kupplungsscheibe form- und reibschl¨ ussig aufnimmt, sind unterschiedliche Funktionen in einer kompakten und einfach an das Getriebe zu montierenden, selbst zentrierenden Einheit integriert. Teilweise sind die Geh¨ause der konzentrischen Zentralausr¨ ucker (Concentric Slave Cylinder) in Kunststoff ausgef¨ uhrt; Abbildung 4.25 zeigt beispielhaft einen Schnitt, eine 3D-Ansicht und eine reale Ausf¨ uhrung eines CSC. Als Komfortkriterium bleibt zu erw¨ ahnen, dass die Bet¨atigungskraft am Pedal im Dosierbereich ein lokales Maximum haben soll; je nach Charakteristik liegt der anzustrebende Spitzenwert im Bereich von etwa 150 N, 90 N sind nach Micknass et al. [2004] als Zielwert anzusetzen. Bei Kr¨aften unter 70 N am Pedal besteht, vgl. Drexl [1997], die Gefahr des Verbrennens der Kupp-
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
143
¨ Abb. 4.24. Ubertotpunktfeder am Kupplungspedal (Aus Micknass et al. [2004])
a)
b)
c)
Abb. 4.25. Concentric Slave Cylinder – Konzentrischer Nehmerzylinder: a) Schnitt (Aus Drexl [1997]), b) dreidimensionale Ansicht, c) umgesetzte Variante
lungsbel¨age infolge mangelnder R¨ uckkopplung an den Fahrer. H¨aufig wird zur Unterst¨ utzung der Federkennlinie des CSC und der Kupplungsfeder am Pedal ¨ eine so genannte Ubertotpunktfeder integriert, die ¨ahnlich der in der inneren Schaltung verbauten Rastierelemente12 den Vorgang des Kupplungs¨offnens und -schließens unterst¨ utzt. Abbildung 4.24 verdeutlicht die Funktionsweise: 12
Die Rastierelemente werden ausf¨ uhrlich in Abschnitt 4.5.3 im Zusammenhang mit der inneren Schaltung besprochen.
144
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
a)
b) ¨ Abb. 4.26. Ubersetzungsverh¨ altnisse bei a) mechanischer und b) hydraulischer Kupplungsbet¨ atigung (Nach Micknass et al. [2004])
¨ Bis zum Erreichen des Totpunktes, im dem die Ubertotpunktfeder ihre maximale Kraft aufgebaut hat, muss beim Bet¨ atigen der Kupplung eine Kraft zum ¨ ¨ Zusammendr¨ ucken der Ubertotpunktfeder aufgewendet werden. Nach Uberschreiten des Totpunktes unterst¨ utzt die Feder durch die gespeicherte potentielle Energie den Fahrer beim Bet¨ atigen des Kupplungspedals; eine Reduktion der aufzuwendenden Pedalkraft ist die Folge. ¨ Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Ubersetzung der Kupplungsbet¨atigung, die sich als Gesamt¨ ubersetzung des Pedals, des hydraulischen Kreislaufs bzw. der Seilzuganlenkung und einer getriebeinternen Hebel¨ ubersetzung zusammensetzt. So erh¨ alt man f¨ ur die in Abbildung 4.26.a gezeigte, mechanisch wirkende Seilzugbet¨ atigung unter Annahme von Reibungsfreiheit ¨ ein Ubersetzungsverh¨ altnis iSeilzug mit den angegebenen Strecken von
4.1 Kupplungen und Schwungr¨ ader
a)
b)
145
c)
Abb. 4.27. Drehmomentenbegrenzer von LuK: a) Komponente, b) offener Kanal, c) durch Blendenk¨ orper verengter Durchflusskanal zur Reduktion des Einkuppelschlags
iSeilzug = FAnpress /FPedal = (L1 · L3 · L5 ) / (L2 · L4 · L6 )
(4.19)
von wirkender Entlastung der Anpresskr¨ afte am Kupplungsbelag FAnpress zu aufgebrachter Pedalkraft FPedal ; auch die Kraft am Zentralausr¨ ucker FAusr¨ucker kann nach Abbildung 4.26.a ermittelt werden. F¨ ur die hydraulische Bet¨atigung aus Abbildung 4.26.b geht anstelle des L¨angenverh¨altnisses das Durchmesserverh¨ altnis von Geber- und Nehmerzylinder DGZ /DNZ in die Gesamt¨ ubersetzung ein. Mit den Strecken aus Abbildung 4.26.b erh¨alt man iHydr.
Bet¨ atigung
=
2 FAnpress (L1 + L2 ) · (L3 + L4 ) · L5 · DNZ = , (4.20) 2 FPedal L2 · L4 · L6 · DGZ
die weiteren Kr¨afte aus Abbildung 4.26.b erh¨ alt man analog bei Bedarf. Man beachte, dass die nichtlinearen geometrischen Effekte aus der Kinematik der ¨ Bet¨atigung und der Ubertotpunktfeder in den als konstant angenommenen ¨ Ubersetzungen nach (4.19) und (4.20) nicht erfasst werden. Soll die Nichtlinearit¨at der Bet¨atigungskinematik ber¨ ucksichtigt werden, empfiehlt sich der Einsatz von Methoden der (statischen) Mehrk¨ orpersimulation, vgl. z.B. Luck & Modler [1995] oder Kerle & Pittschellis [2002]. Auch bei der Kupp¨ lungsbet¨atigung zeigt eine Ubersetzung i > 1 an, dass die aufgebrachte Kraft zur Wirkstelle am CSC hin verst¨ arkt wird und dass der Bet¨atigungsweg am Ausr¨ ucklager kleiner ist als der Pedalweg, vgl. Abschnitt 3.1.1, speziell (3.3). Zur Komfort- und Funktionsverbesserung k¨ onnen zus¨atzliche Komponenten wie etwa so genannte Kribbelfilter und Drehmomentenbegrenzer13 , vgl. Ab13
Ein in der Kupplungsbet¨ atigung integrierter Drehmomentenbegrenzer wirkt nicht direkt auf das an der Kupplung u ¨bertragene oder u ¨bertragbare Moment ein. Er begrenzt den Durchfluss durch das hydraulische Teilsystem und f¨ uhrt so zu einer Reduktion der Spitzenmomente beim schlagartigen Einkuppeln, vgl. Abschnitt 3.3.2. Die hohen Belastungen beim schnellen Einkuppeln lassen sich vermeiden, wenn die Einkuppelgeschwindigkeit durch einen Spitzenmomentbegrenzer reduziert wird. Hierbei handelt es sich um einen in den Fluidstrom eingebauten beweglichen Blendenk¨ orper, vgl. Abbildung 4.27.b und c, welcher seine Wirkung nur beim sehr schnellen Einkuppeln entfaltet, in dem er sich bei hohen Durchflussraten querschnittsbegrenzend verschiebt. Bei einem derartigen System zur Drehmomentbegrenzung kann also kein Zahlenwert f¨ ur das im Fahrzeuggetriebe maximal auftretende Spitzenmoment angegeben werden, sondern lediglich der maximale Druckgradient der Bet¨ atigung.
146
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.28. Prinzipschnitt durch ein trocken laufendes Doppelkupplungssystem
bildung 4.27.a, integriert werden. Ein Kribbelfilter ist ein Differenzdruckventil, mit dem sich durch Frequenzmodulation insbesondere niederfrequente Schwingungen ohne zus¨ atzliche Wegverluste d¨ ampfen lassen und unangenehme Pedalvibrationen somit unterbunden werden. Die Position des Systems ist beispielhaft in Abbildung 4.23 gezeigt. Ein Wegsensor am Nehmerzylinder kann Kolbenweg und Belagverschleiß registrieren; so sind beispielsweise zur Erh¨ohung der Sicherheit Eingriffe in die Motorsteuerung m¨oglich. Zunehmend werden in die vier Hauptkomponenten der Kupplungsbet¨atigung – Pedal, Geberzylinder, Nehmerzylinder und Ausr¨ ucklager – Sensoren integriert, um die sichere Funktion und Dichtigkeit des Systems zu u ¨berwachen und um den Motorsteuerger¨aten sowie der Fahrzeugelektronik notwendige Informationen u ¨ber den Zustand der Kupplung zu liefern. 4.1.6 Prinzipieller Aufbau von Doppelkupplungen Bei einer Doppelkupplung, vgl. Abbildung 4.28, handelt es sich eigentlich um zwei unabh¨angig voneinander steuerbare automatisierte Kupplungen. Das dazugeh¨orige Getriebe muss entsprechend zwei Eingangswellen aufweisen, bei denen die innere Vollwelle von einer Hohlwelle umschlossen wird. Die einzelnen treibenden Verzahnungen auf den Eingangswellen sind auf zwei Ganggruppen verteilt: Eine f¨ ur die geraden, eine f¨ ur die ungeraden G¨ange. Generell l¨asst sich dieses Prinzip f¨ ur alle mehrg¨ angigen Getriebe anwenden, es sind also durchaus auch Doppelkupplungsgetriebe mit 5 oder 7 G¨angen realisierbar, vgl. Abschnitt 2.7.2 und Certeza et al. [2004]. Bei Doppelkupplungen ist immer eine Kupplung im Eingriff. Bei einem Schaltvorgang um eine Stufe wird, w¨ ahrend die eine Kupplung das Drehmoment
4.2 Wellen und R¨ ader
147
Abb. 4.29. Nass laufendes Doppelkupplungssystem f¨ ur das Direktschaltgetriebe von Volkswagen (Aus G¨ otte & Pape [2004])
u ¨bertr¨agt, bei ge¨offneter zweiter Kupplung in der dazugeh¨origen Schaltgruppe der n¨achste Gang eingelegt. Daraufhin wird beim Gangwechsel gleichzeitig Kupplung eins ge¨ offnet und Kupplung zwei geschlossen, wobei es zu einer ¨ genau definierten Uberschneidung der Kupplungen kommt, um die zugkraftunterbrechungsfreie Schaltung wie beim konventionellen Stufenautomaten zu ¨ macht gew¨ahrleisten. Diese Anforderung an die Uberschneidungseinhaltung eine komplizierte Regeleinheit notwendig, die besonders bei Spr¨ ungen u ¨ber mehrere G¨ange innerhalb einer Schaltgruppe gefordert ist. Die sich aus diesem Doppelkupplungsprinzip erschließenden Vorteile sind der Wegfall der Zugkraftunterbrechung w¨ ahrend des Schaltvorgangs und damit verbunden eine Erh¨ohung von Fahrleistung und -komfort. Durch die elektronische Steuerung des Kupplungsvorgangs wird zudem Verhinderung von Fehlbedienungen der Kupplung und der Synchronpakete erreicht. Auf das System der Doppelkupplung und seine Anforderungen wird in Abschnitt 5.3 eingegangen. Einer der wichtigsten Punkte ist dabei der Ver¨ wie beim Direktschaltgetriegleich trocken und nass – d.h. in speziellem Ol be von Volkswagen nach Abbildung 4.29 – laufender Kupplungen, vgl. Abschnitt 5.3.2.
4.2 Wellen und R¨ ader In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Merkmale von Wellen und Radk¨orpern besprochen, die – abgesehen von den Verzahnungen und den leistungs¨ ubertragenden Bauteilen der Synchronisation – das Herz eines Fahrzeuggetriebes bilden. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Vorgehensweisen zur Ermittlung der wirkenden Beanspruchungen – Lagerreaktionen bei statisch bestimmter Lagerung und Schnittkraftlinien f¨ ur Biege- und Torsionsbe-
148
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.30. Allgemeine Verzahnungskr¨ afte am R¨ uckw¨ artsgang und am Achsantrieb f¨ ur die Hauptwelle eines Handschaltgetriebes. Vereinfachtes zweidimensionales Prinzipmodell f¨ ur die Belastungsanalyse.
anspruchung sowie f¨ ur Zug/Druck – der Wellen bekannt sind. Ausf¨ uhrliche Beschreibungen zur Ermittlung von wirkenden Lasten, Schnittkr¨aften und Lagerreaktionen finden sich in den speziellen B¨ uchern zu diesem Thema, z.B. Steinhilper & Sauer [2005], um nur ein Beispiel zu nennen. Das folgende Beispiel 4.1 zeigt die Vorgehensweise zur exakten Festlegung der Lastangriffspunkte in Abh¨angigkeit von Gang und Betriebsart an einer Getriebewelle und weist auf einige Problempunkte hin, die f¨ ur ein Fahrzeuggetriebe bei der Belastungsanalyse beachtet werden m¨ ussen und die u ¨ber die u ¨bliche technische Mechanik etwas hinausgehen. Systemaufgaben R¨ader und Wellen u ubertragung ¨bernehmen als Hauptaufgabe die Leistungs¨ innerhalb des Getriebes in den verschiedenen Fahrstufen. Zus¨atzlich tragen sie durch ihre Tr¨ agheiten und Steifigkeiten, vgl. Abbildung 1.2, maßgeblich zu den dynamischen Eigenschaften des Triebstrangs bei. Beispiel 4.1 Die Vorgehensweise bei der Beanspruchungsanalyse einer Welle soll an einem Beispiel verdeutlicht werden; dazu sind in Abbildung 4.30 die wirkenden Kr¨afte aus einer R¨ uckw¨ artsgangverzahnung am getriebenen Losrad
4.2 Wellen und R¨ ader
149
sowie am treibenden Differentialritzel eingezeichnet. Auf die Berechnung der Verzahnungskr¨afte f¨ ur Stirnradstufen wird in Abschnitt 4.3.5 und f¨ ur Kegelradstufen in Abschnitt 4.3.6 eingegangen. Die aufgeschnittene Verzahnung auf der Welle greift in das Ringrad des Differentials ein, das in Abbildung 4.30 nur unvollst¨andig dargestellt ist. Die entsprechenden Kr¨afte sind als Fr,R , Fu,R und Fax,R f¨ ur die R¨ uckw¨ artsgangverzahnung und als Fr,D , Fu,D und Fax,D f¨ ur den Differentialantrieb jeweils in der Mitte der Verzahnung als angenommenem Lastangriffspunkt in Radial-, Umfangs- und Axialrichtung eingezeichnet. Auf die Welle wirkt bei der angenommenen Axialkraftrichtung die axiale Komponente der R¨ uckw¨ artsgangverzahnung Fax,R erst am Wellenbund, wo sich das Losrad u utzen kann. Die aus der tangential ¨ber eine Anlaufscheibe axial abst¨ wirkenden Umfangskraft Fu,R und der Radialkraft Fr,R der uckw¨artsgangq R¨ 2 + F2 verzahnung resultierende biegerelevante Kraft Fres,R = Fr,R u,R wirkt auf die Welle in der Mitte der Verzahnung. Das Moment TR , das aus der Umfangskraftkomponente Fu,R mal dem W¨ alzkreisradius dw,R /2 des R¨ uckw¨artsgangs resultiert, wird u ubertragenden Bauteile der Synchroni¨ber die leistungs¨ sation in der Mitte der formschl¨ ussigen Verbindung zwischen Synchronk¨orper und Welle u ubertragung innerhalb der Synchronisa¨bertragen. Die Leistungs¨ tion geht von der Kupplungsverzahnung am R¨ uckw¨artsgang-Losrad u ¨ber die Schiebemuffe und den Muffentr¨ ager auf die Welle, jeweils durch Formschluss, vgl. Abschnitt 4.4.1. ¨ F¨ ur den Differentialantrieb gestaltet sich die Ubertragung der Verzahnungskr¨afte auf die Welle etwas einfacher, da hier keine Synchroneinheit im Kraftfluss liegt. Die f¨ ur den Differentialantrieb im R¨ uckw¨artsgang ermittelte Kraftkomponente Fax,D wirkt direkt auf die Welle in der Mitte der Achsantriebsverzahnung, die radiale Komponente Fr,D und die Umfangskomponente Fu,D q
2 + F2 werden wieder zur biegerelevanten Resultierenden Fres,D = Fr,D u,D zusammengefasst. Das Moment TR muss u ber den W¨ a lzkreisradius des Diffe¨ rentialantriebs dw,D /2 und die Umfangskomponente Fu,D an das Differential u ¨bergeben werden, um in Drehrichtung Momentengleichgewicht zu erzielen. An den Lagern wirken schließlich neben den Vorspannkr¨aften14 in Axialrichtung aus der vorgespannten Kegelrollenlagerung Flv die u ¨blichen Lagerreaktionskr¨afte in Radialrichtung Fr,GH und Fr,CH , die sich an Getriebe- und Kupplungsgeh¨ause15 abst¨ utzen. Bei der freien Axialkraftkomponente aus den beiden Verzahnungen, die schließlich von den Lagern aufgenommen werden muss, ist bei der Kegelrollenlagerung zu beachten, dass die Lager in Axialrichtung an die Geh¨ ause nur Druckkr¨ afte abgeben k¨onnen. Die Details hierzu werden in Beispiel 6.1 weiterf¨ uhrend besprochen. Bei der Berechnung der r¨ aumlichen Lagerreaktionen ist dann schließlich zu be-
14
15
Im betriebswarmen Zustand geht i.d.R. die Vorspannung der Kegelrollenlagerung in ein leichtes Betriebsspiel u ¨ber. GH = gear housing, CH = clutch housing.
150
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.31. Anordnungen und Typen von Getriebewellen: a) Anordnung bei Heckantrieb in Vorgelegebauweise, b) Zweiwellenbauweise f¨ ur Getriebe von frontquer angetriebenen Fahrzeugen (Aus Lechner & Naunheimer [1994])
achten, dass die Umfangs- und Radialkomponenten der Verzahnungskr¨afte aus der R¨ uckw¨artsgangverzahnung und dem Differentialantrieb i.d.R. alle unterschiedliche r¨aumliche Richtungen haben. In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass die Berechnung der auf die Welle wirkenden Beanspruchungen immer am dreidimensionalen Modell erfolgen muss. Ebenso ist zu ber¨ ucksichtigen, dass die biegerelevanten Resultierenden Fres,R und Fres,D in unterschiedlichen Richtungen auf die Welle wirken. Bei der Berechnung der Durchbiegung unter Last, vgl. Seite 161, ist dies wichtig. F¨ ur das Beispiel 4.1 wird eine bestimmte Lastrichtung angenommen, ohne n¨aher darauf einzugehen; f¨ ur die Analyse der wirkenden Kr¨afte in einem Fahrzeuggetriebe ist die Momentenrichtung jedoch essentiell. Wird das Fahrzeug beschleunigt, spricht man von Zug; wird das Fahrzeug durch die Fahrwiderst¨ande und vor allem die Bremswirkung des Motors verz¨ogert, spricht man von Schub. Zug- und Schub-Zustand f¨ uhren zu unterschiedlich orientierten Verzahnungskr¨ aften; die Wellen suchen sich bei angestellten Lagerungen innerhalb ihres Betriebsspiels andere Anlagefl¨ achen, ebenso die Losr¨ader. Die Anlagefl¨achen ¨andern sich nach den M¨ oglichkeiten des vorhandenen Axialspiels und es kommt zu einer Lastumverteilung f¨ ur die Wellen. 4.2.1 Gestaltung und Auslegung von Wellen Neben der Ermittlung der wirkenden Beanspruchungen f¨ ur alle G¨ange sind Aspekte wie die Wahl bzw. Vorgabe eines Wellenkonzepts – voll oder hohl – bei Dimensionierung und Detailkonstruktion zu ber¨ ucksichtigen. Ferner m¨ ussen Kerbspannungen vermieden sowie die Durchbiegungen der Wellen als “Lager” f¨ ur die Verzahnungen bei der konstruktiven Umsetzung beachtet werden.
4.2 Wellen und R¨ ader
151
Abb. 4.32. Leichtbauwellen des 6-Gang Handschaltgetriebes f¨ ur die BMWBaureihen 1, 3, 5 und Z4 (Aus Bencker & Walter [2005])
Wellenarten Bei der Festlegung, ob eine Welle kosteng¨ unstig als Vollwelle ausgef¨ uhrt werden kann oder aufw¨ andig als Hohlwelle realisiert werden muss, beeinflussen folgende Kriterien den Entscheidungsprozess: • Die m¨ogliche Gewichtsersparnis einer Hohlwelle im Vergleich zur Vollwelle bei nur geringem Steifigkeitsabfall, vgl. Abbildung 4.32 und Beispiel 4.2. ¨ • Die M¨oglichkeiten zur gezielten Olversorgung von Synchronisationen und Nadellagern f¨ ur die Losr¨ ader auf der Welle. • Ineinanderschachtelung von Hohl- und Vollwellen, wie bei den Doppelkupplungsgetrieben, vgl. Abschnitt 5.3 oder Abbildung 4.28, oder bei Durchtrieben bei Allradfahrzeugen, vgl. Abbildung 2.8. Weiterhin ist bei der generellen Konzeption eines Wellenlayouts zu ber¨ ucksichtigen, ob das Getriebe als Vorgelegegetriebe – die typische Bauform des Heckantriebs bei manueller Schaltung, vgl. z.B. Abbildung 2.24 – oder als Zweioder Dreiwellengetriebe, wie die in Abschnitt 2.6.1 besprochenen Vertreter, ausgef¨ uhrt werden soll. Im erstgenannten Fall ist in den meisten F¨allen die Lagerung der Abtriebswelle in der Eingangswelle oder umgekehrt notwendig, was besondere Biegebeanspruchungen der dann teilweise hohl auszuf¨ uhrenden, aufnehmenden Welle bedingt. Ebenso kann es bei Zwei- oder Dreiwellenkonzepten mit z.B. u ¨berkragenden Differentialantrieben eventuell zu erheblichen Verformungen unter Maximallast kommen. Eine generelle Richtlinie zur Festlegung der Wellenart - Voll- oder Hohlwelle – kann es aufgrund der Vielfalt der m¨ oglichen Anwendungen nicht geben. F¨ ur
152
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.33. Typische Kerben an Getriebewellen: 1) Gewinde, 2) Nuten f¨ ur Sicherungsbleche, 3) Lagersitz, 4) Passfedernut, 5) Querbohrungen, 6) Nut f¨ ur Sicherungsring, 7) Abs¨ atze (Aus Lechner & Naunheimer [1994])
das Weitere wird bei Gleichungen die Hohlwelle bevorzugt, ist doch die Vollwelle nichts anderes als eine Hohlwelle mit Innendurchmesser Null, ri = 0. F¨ ur sp¨atere Berechnungen werden noch die Fl¨ achentr¨agheitsmomente und Widerstandsmomente der Hohlwelle f¨ ur Biegung und Torsion Ib , It bzw. Wb , Wt zur Verf¨ ugung gestellt, Ib =
π(ra4 − ri4 ) π(ra4 − ri4 ) π(ra4 − ri4 ) π(ra4 − ri4 ) , It = , Wb = , Wt = . (4.21) 4 2 4 da 2 da
Dabei sind ri und ra der Innen- und Außendurchmesser eines betrachteten Querschnitts; d¨ unne axialsymmetrisch verlaufende Bohrungen mit ri < 0, 1·ra m¨ ussen bei der Auswertung von (4.21) nicht ber¨ ucksichtigt werden, der resultierende Fehler ist kleiner als ein Prozent. Bei der Aufstellung von Drehschwingungsmodellen ben¨ otigt man außerdem die Drehtr¨agheit ΘW eines Wellenabschnitts der L¨ange l, um die Steifigkeitseigenschaften korrekt zu erfassen, ΘW =
R V
r2 ρ dV =
πρl r2 + ri2 · ra4 − ri4 = mW · a . 2 2
(4.22)
Die Masse mW des Wellenabschnitts ist mit (4.22) nun ebenfalls bekannt. Die Torsionssteifigkeit ct des Wellenabschnitts wird mit Blick auf die in Abschnitt 9.6.2 im Zusammenhang mit Getriebeklappern bzw. -rasseln diskutierten Torsionsschwingungsmodelle noch mit ct = G It /l = E It / (2 l (1 + ν))
(4.23)
angegeben. Dabei ist E der Elastizit¨ atsmodul und ν die Querkontraktionszahl des Wellenwerkstoffs, das Fl¨ achenmoment It wird aus (4.21) u ¨bernommen. Beispiel 4.2 Ein Wellenabschnitt (L¨ ange l = 80 mm, da = 50 mm) kann technisch als Hohlwelle mit di = 28 mm ausgef¨ uhrt werden. Man ermittle
4.2 Wellen und R¨ ader
153
Abb. 4.34. M¨ oglichkeiten zur Vermeidung von Kerbspannungen an Wellen an Abs¨ atzen, Lagersitzen, Pressverb¨ anden und aufgeschnittenen Verzahnungen
die Vorteile der Hohlwelle bez¨ uglich Gewicht und Tr¨agheit verglichen mit der Vollwelle. Ferner soll der Verlust an Drehsteifigkeit des Abschnitts sowie die Spannungserh¨ohung bei gleichbleibender Beanspruchung bewertet werden. Mit der Dichte von Stahl ρ = 7, 81·10−6 kg/mm3 errechnet man als Vorteil der Hohlwelle eine Gewichtsreduktion um 384 Gramm oder 31% bei dem beispielhaft vorgegebenen Wellenabschnitt sowie eine Reduktion der Drehtr¨agheit von 767 gmm2 auf 691 gmm2 oder entsprechend 10%. Auf der “Nachteilsseite” weist die Hohlwelle ein um ebenfalls 10% geringeres Widerstandsmoment auf, ebenso geht die Verdrehsteifigkeit um 10% zur¨ uck. Aus Beispiel 4.2 wird ersichtlich, dass es vorteilhaft ist, mit geringf¨ ugig gr¨oßerem Wellendurchmesser zu arbeiten, um u uhrung der ¨ber eine gezielte Ausf¨ Wellen als Hohlwellen die Gewichtsvorteile sinnvoll nutzen zu k¨onnen. Dem steht ein erh¨ohter Fertigungsaufwand gegen¨ uber: Meist werden Hohlwellen spanend, z.B. durch Bohren, hergestellt, es ist nur in Ausnahmef¨allen wirtschaftlich und technisch m¨ oglich, einen “hohlen” Wellenrohling zu verwenden, der z.B. durch Fließpressen hergestellt wurde. Beanspruchungs- und fertigungsgerechte Konstruktion Kerben sind bei der Konstruktion von Getriebewellen unvermeidlich, vgl. Abbildung 4.33; eine Vielzahl von Sicherungsringnuten, Bearbeitungsausl¨aufe
154
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.35. Bauteiloptimierung durch kurze Wellenbunde: Der lange Wellenbund links st¨ ort den Kraftfluss st¨ arker als der kurze Wellenbund rechts; demzufolge ist die Kerbwirkung f¨ ur den langen Wellenbund h¨ oher Gestaltungsrichtlinie
nicht fertigungsgerecht
fertigungsgerecht
Beachten des erforderlichen Werkzeugauslaufs
Anstreben einfacher Formmeißel Vermeidung von Nuten und engen Toleranzen bei Innenbearbeitung Bereithalten ausreichender M¨ oglichkeiten zum Spannen Vermeiden großer Zerspanarbeit, z.B. durch hohe Wellenbunde, besser sind aufgesetzte Buchsen Anpassen der Bearbeitungsl¨ angen und -g¨ uten an Funktion Abb. 4.36. Gestaltungsrichtlinien f¨ ur drehgerechte Konstruktion
etc. f¨ uhrt zu einer Schw¨ achung des Bauteils. Abbildung 4.34 soll einige konstruktive M¨oglichkeiten zur beanspruchungsgerechten Gestaltung von Abs¨atzen, Lagersitzen, Presssitzen und aufgeschnittenen Verzahnungen rekapitulieren, die es dem Konstrukteur erm¨ oglichen, durch geschickte Formgebung die Wellen beanspruchungsgerecht zu gestalten. Dass dies nicht immer gelingen kann, verdeutlicht Abbildung 4.35: F¨ ur eine beanspruchungsgerechte Konstruktion ist die Ausf¨ uhrung eines kurzen Wellenbundes vorteilhaft. F¨ ur die Fertigung – z.B. wenn das Wellenrohteil geschmiedet wird – kann der kurze Wellenbund nachteilig sein, da hohe Kr¨ afte beim Schmieden des Rohlings erforderlich sind, um den Bund sauber ausschmieden zu k¨onnen. Eine kurze ¨ Ubersicht der Regeln f¨ ur fertigungsgerechte Konstruktion – hier sind f¨ ur Wellen insbesondere eine dreh- und schleifgerechte Konstruktion notwendig – ist
4.2 Wellen und R¨ ader Gestaltungsrichtlinie
nicht fertigungsgerecht
155
fertigungsgerecht
Vermeiden von Begrenzungen der Wellenb¨ unde
Vorsehen von Schleifscheibenauslauf Anstreben unbehinderten Schleifens durch zweckm¨ aßige Anordnung der Bearbeitungsfl¨ achen Bevorzugen gleicher Ausrundungen (wenn kein Auslauf m¨ oglich ist) und Neigungen an einem Werkst¨ uck Abb. 4.37. Gestaltungsrichtlinien f¨ ur schleifgerechte Konstruktion
a)
b)
Abb. 4.38. Freistiche an Wellenabs¨ atzen nach DIN 509: a) Form E, b) Form F
in Abbildung 4.36 und 4.37 in Anlehnung an Pahl et al. [2006] gegeben. Die h¨aufigste Form der beanspruchungsgerechten Konstruktion im Getriebebereich zeigt Abbildung 4.38: den Freistich nach DIN 509. Mit Blick auf eine dreh- oder schleifgerechte Ausf¨ uhrung ist dann Form F mit den besseren Werkzeugausl¨aufen f¨ ur die radiale und axiale Bearbeitung vorzuziehen. H¨aufig wird jedoch auch – aus verschiedensten Gr¨ unden – von der Normform abgewichen. Bei Lagersitzen ist – wenn irgend m¨ oglich – eine Entlastungskerbe vorzusehen, Abbildung 4.39 zeigt zwei beispielhafte L¨ osungen. Bei Variante a) werden durch den Distanzring die Kerbspannungen infolge des Absatzes aus dem Bereich der maximalen Biegespannungen unterhalb der gedachten Lagermitte weg verlagert. Bei Variante b) nach Abbildung 4.39 wird durch die Entlastungskerbe ein gr¨oßerer wirksamer Kerbradius erreicht. Eine Absch¨atzung der Formzahlen oder Kerbwirkungszahlen f¨ ur die Entlastungskerben nach em-
156
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.39. Reduktion der Kerbspannungen an Lagersitzen durch Entlastungskerben: a) Ausrundung zur¨ uckverlegen, Entlastungskerbe auf gr¨ oßerem Durchmesser, b) Ausrundung mit Hinterdrehung, Reduktion der Kantenpressung, c) Abschr¨ agung zur Verlagerung der Kantenpressung auf den glatten Wellenteil, d) beidseitige Entlastungskerbe an der Sicherungsringnut, Vermeidung von Kantenpressungen
Abb. 4.40. Sicherungsringnut mit schematisch bemaßten Entlastungskerben
pirischen Gleichungen oder aus Tabellenwerken ist jedoch nur in seltenen Ausnahmef¨allen m¨ oglich. Bei Nuten f¨ ur Sicherungsringe nach DIN 471 ist nach M¨ uller [1987] das Einbringen beidseitiger Entlastungsfreistiche eine M¨oglichkeit zur Optimierung der Wellen. Ohne auf Details einzugehen, soll auf die damit f¨ ur die optimierte Parameterkombination16 dieses Kerbsystems erreichbare Reduktion der Kerbwirkung um fast 50% hingewiesen werden; M¨ uller [1987] gibt an, dass f¨ ur die reine Zugbeanspruchung f¨ ur die in Abbildung 4.40 gezeigte Konfiguration im Vergleich zur Normnut ohne Entlastungskerbe folgende Verbesserung der Formzahl αkz erzielt wurde: αkz, ohne Entlastungskerbe = 5, 2
versus
αkz, mit Entlastungskerben = 2, 8 .
Mit Blick auf eine kerbspannungsoptimierte Konstruktion soll kurz auf die Berechnung der Kerbformzahlen f¨ ur die Beanspruchungsarten Zug/Druck, Biegung und Torsion – αkz , αkb und αkt – eingegangen werden, die f¨ ur den Festigkeitsnachweis von Getriebewellen nach der DIN 743 ben¨otigt werden. Die wesentlichen Aspekte des Festigkeitsnachweises sind in Abschnitt 4.2.2 dargestellt, der Ablauf der Nachweisrechnung nach DIN 743 wird verk¨ urzt wiedergegeben, ohne auf Details einzugehen. Tabelle 4.5 nach Niemann [1981] enth¨alt Koeffizienten Aα , Bα und Cα zur Berechnung der Formzahlen f¨ ur zy16
Bei den sehr scharfen Kerben an der Sicherungsringnut sind die Entlastungskerben dicht neben Hauptkerbe, geringf¨ ugig tiefer mit rE2 > rE1 ≈ r auszuf¨ uhren, optimale Ergebnisse werden nach M¨ uller [1987] f¨ ur D/t = 32, r/t = 0, 12, m/t = 1, 5, l/t = 1, 2, mE /t = 2, tE /t = 1, 16 und RE1 /t = 0, 5 erreicht.
4.2 Wellen und R¨ ader
157
Tabelle 4.5. Koeffizienten zur Berechnung der Formzahlen f¨ ur Zug, Biegung und Torsion f¨ ur Wellen mit Rundkerbe oder Absatz nach (4.24) (Nach Niemann [1981]) Kerbform
Lastfall Aα = Cα = d/D 0,2 0,4 0,6 0,8 0,9 0,95 0,98
Welle mit Rundkerbe
Welle mit Absatz
Zug-Druck Biegung Torsion Zug-Druck 1,140 1,154 1,070 1,080 0,830 0,980 0,940 0,770 Bα = 0,7201 0,4561 0,2797 0,4884 0,6880 0,5315 0,2691 0,4579 0,6340 0,5055 0,2557 0,4107 0,5255 0,4451 0,2246 0,3254 0,4105 0,3687 0,1855 0,2452 0,3052 0,2873 0,1442 0,1783 0,1960 0,1914 0,0958 0,1127
Biegung Torsion 0,780 0,950 0 0,30 0,3689 0,3562 0,3346 0,2885 0,2359 0,1840 0,1215
0,1983 0,1895 0,1747 0,1452 0,1137 0,0847 0,0538
lindrische Wellen17 in Abh¨ angigkeit von den Verh¨altnissen d/ρ und d/D nach der N¨aherungsgleichung p αk = Aα + Bα · d/ρ − Cα . (4.24) Man sieht an (4.24) gut, dass mit abnehmendem Ausrundungsradius ρ im Kerbgrund die Kerbsch¨ arfe zunimmt, die Kerbformzahl wird gr¨oßer; die Steigerung der Kerbwirkung mit kleiner werdendem Radius wird jedoch teils wieder durch positive Einfl¨ usse der Kerbe – etwa das Spannungsgef¨alle – kompensiert. Generell sollte jedoch die Regel “Minimiere die Kerbwirkung” ber¨ ucksichtigt und ein m¨ oglichst großer Ausrundungsradius gew¨ahlt werden. Bei der Werkstoffauswahl ist darauf zu achten, dass der Wellenwerkstoff entweder m¨oglichst geringe H¨ arteverz¨ uge bei der thermischen Behandlung der Wellen aufweist oder aber auch im geh¨ arteten Zustand noch eine ausreichende Richtbarkeit besitzt, um nach der W¨ armebehandlung im abschließenden Richtvorgang keinen unn¨ otigen Ausschuss zu produzieren. Tabelle 4.6 enth¨alt einige Werkstoffkennwerte f¨ ur g¨ angige Wellenwerkstoffe nach der DIN 743; sollen Verzahnungen auf eine Welle aufgeschnitten werden, so sind zus¨atzlich die an der Verzahnung relevanten Festigkeitskennwerte bei der Werkstoffauswahl zu ber¨ ucksichtigen, vgl. Tabelle 4.14. 17
Bei Steinhilper & Sauer [2005] findet man dar¨ uber hinaus auch eine entsprechende Gleichung mit Koeffizienten f¨ ur Flachst¨ abe mit Absatz oder ausgerundeter bzw. halbkreisf¨ ormiger Kerbe.
158
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Tabelle 4.6. Festigkeitskennwerte ausgew¨ ahlter Wellenwerkstoffe f¨ ur den statischen Festigkeitsnachweis, Rm und Rp0,2 , und den Dauerfestigkeitsnachweis, σW , σbW und τtW , nach DIN 743 T3 Kurzname Rm [MPa] Rp0,2 [MPa] σW [MPa] σbW [MPa] τtW [MPa] Einsatzst¨ ahle im blindgeh¨ arteten Zustand nach DIN EN 10084 C10E 750 430 300 375 225 17Cr3 1050 750 420 525 315 16MnCr5 900 630 360 450 270 20MnCr5 1100 730 440 550 330 20CrMoS4 900 630 360 450 270 18CrNiMo7-6 1150 830 460 575 345 Verg¨ utungsst¨ ahle im verg¨ uteten Zustand nach DIN EN 10083 46Cr2 900 650 360 450 270 41Cr4 1000 800 400 500 300 34CrMo4 1000 800 400 500 300 42CrMo4 1100 900 440 550 330 50CrMo4 1100 900 440 550 330 36CrNiMo4 1100 900 440 550 330 30CrNiMo8 1250 1050 500 625 375 34CrNiMo6 1200 1000 480 600 360 Nitrierst¨ ahle nach DIN 17211 31CrMo12 1000 800 400 500 300 31CrMoV9 1000 800 400 500 300 15CrMoV59 900 750 360 450 270 34CrAlMo5 800 600 320 400 240 34CrAlNi7 850 650 340 425 255
Dimensionierung F¨ ur die Absch¨atzung des erforderlichen Durchmessers derf von Vollwellen kann man verschiedene Ans¨ atze w¨ ahlen, die mit zunehmender Genauigkeit naturgem¨aß komplexer werden. Notwendig ist in jedem Fall – auch wenn die letztendlichen Maße von beispielweise Lagerabst¨anden, axialer Position der R¨ader, Lagertypen etc. noch nicht festliegen – die u ¨berschl¨agige Ermittlung der Schnittgr¨oßenverl¨ aufe f¨ ur Torsions- und Biegemoment, T und Mb . H¨aufig treten die Maxima von Biege- und Torsionsbeanspruchung f¨ ur ein Bauteil an unterschiedlichen Stellen auf. In diesen F¨allen kann man mit dem Widerstandsmoment nach (4.21) f¨ ur biege- oder torsionsdominiert beanspruchte Wellen den Mindestdurchmesser derf eines zylindrischen Vollquerschnitts mit einem Beanspruchungsgrenzwert Kzul absch¨ atzen zu
4.2 Wellen und R¨ ader
159
Tabelle 4.7. Absch¨ atzung mittlerer Zug-Druck-, Biege- und Torsions-Wechselfestigkeiten σW , σbW , τtW aus der Zugfestigkeit Rm (Nach Niemann [1981]) Werkstoff Zug-Druck σW Grauguss ≈ 0, 25 · Rm Einsatzstahl ≈ 0, 4 · Rm Verg¨ utungsstahl ≈ 0, 41 · Rm Baustahl ≈ 0, 45 · Rm Aluminium≈ 0, 3−0, 4 · Rm legierungen ≈ 130 MPa Titan≈ 0, 55 · Rm legierungen ≈ 620 MPa Kupfer-/Nickel≈ 0, 4 · Rm legierungen ≈ 300 MPa
derf
Biegung σbW ≈ 0, 37 · Rm ≈ 0, 41 · Rm ≈ 0, 44 · Rm ≈ 0, 49 · Rm ≈ 0, 8 · σW ≈ 0, 8 · σW ≈ 0, 8 · σW
r r 32 · Mb Mb 3 3 π · K ≈ 2, 07 · K zul zul = r r 16 · T T 3 ≈ 1, 72 · 3 π · Kzul Kzul
Torsion τtW Anmerkung ≈ 0, 36 · Rm ≈ 0, 3 · Rm ≈ 0, 3 · Rm ≈ 0, 35 · Rm ≈ 0, 8 · σW Rm < 330 MPa Rm > 330 MPa ≈ 0, 8 · σW Rm < 1100 MPa Rm > 1100 MPa ≈ 0, 8 · σW Rm < 750 MPa Rm > 750 MPa
falls Biegung dominiert (4.25) falls Torsion dominiert.
F¨ ur kritische Querschnitte, die durch Biegung und Torsion beansprucht sind, kann anstelle von Mb in (4.25) das Ersatzmoment nach der Gestalt¨andeq
rungsenergiehypothese (GEH) Mb,ers = Mb2 + 34 T 2 verwendet werden. Der in (4.25) ben¨otigte Festigkeits-Grenzwert Kzul ist abh¨angig vom Werkstoff und vom kritischsten Lastfall, dem die Getriebewelle voraussichtlich unterworfen wird. Dimensioniert man gegen Wellenbruch im Missbrauchsfall, so ist Kzul = 0, 2 . . . 0, 3 Rm ein guter Anhaltspunkt. Die Reduktion der Zugfestigkeit Rm f¨ ur den Wellenwerkstoff auf nur 20 bis 30% ber¨ ucksichtigt die im schw¨achsten Querschnitt vorhandene Kerbwirkung. Bei Dimensionierung gegen Dauerbruch kann der Beanspruchungsgrenzwert Kzul aus der Wechselfestigkeit bei Biege- oder Torsionsbeanspruchung des Werkstoff, σbW0 oder τtW0 in gleicher Weise abgesch¨ atzt werden. Abbildung 4.41 gibt f¨ ur den Grundwerkstoff 42CrMo4 die Dauerfestigkeitsschaubilder der Grundbelastungsarten und Anhaltswerte f¨ ur die Zug-Druck-Dauerfestigkeit verschiedener Werkstoffklassen an. Sind die Wechselfestigkeiten f¨ ur den Wellenwerkstoff nicht verf¨ ugbar, so enth¨alt Tabelle 4.7 Anhaltswerte zur Absch¨ atzung aus der Zugfestigkeit. Eine umfangreiche Zusammenstellung der f¨ ur die Festigkeitsnachweise notwendigen Materialkennwerte ist in der FKM-Richtlinie (H¨ anel et al. [2003]) enthalten; Tabelle 4.6 stellt Angaben zu h¨ aufig verwendeten Wellenwerkstoffen zur Verf¨ ugung. Die Absch¨atzung des erforderlichen Mindestdurchmessers nach (4.25) gibt einen Anhaltspunkt f¨ ur die Dimensionierung der Getriebewellen; sie ersetzt nicht die Durchf¨ uhrung eines entsprechenden Festigkeitsnachweises, vgl. Abschnitt 4.2.2. Hierbei ist es i.d.R. nicht zu empfehlen, die Wellen f¨ ur den Gang mit der h¨ochsten Beanspruchung allein auf Dauerfestigkeit zu dimensionieren.
160
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.41. a) Dauerfestigkeitsschaubilder f¨ ur den Grundwerkstoff 42CrMo4 unter Zug/Druck-, Biege- und Torsionsbelastung, b) Smith-Diagramme verschiedener St¨ ahle unter Zug/Druck-Belastung (Aus Schlecht [2006])
Dies kann als erstes Qualit¨ atskriterium f¨ ur die G¨ ute des Entwurfs ausreichend sein; f¨ ur eine robuste Auslegung empfiehlt sich die Dimensionierung mit einem Auslegungskollektiv, welches z.B. auf einem Dauerpr¨ ufprogramm wie in Tabelle 3.7 dargestellt, aufbaut nach den Regeln der Betriebsfestigkeit. Der allgemeine theoretische Hintergrund ist bei Haibach [2006], Radaj [2003] oder auch Issler et al. [1997] beschrieben. Wenn die Formzahlen und Nennspannungen bei Bauteilen mit mehreren Lastf¨allen und Kerbstellen keine eindeutige Identifikation der kritischsten Stelle zulassen, so ist der Festigkeitsnachweis f¨ ur mehrere Stellen und Lastf¨alle zu f¨ uhren. Ein Entscheidungskriterium sollte dabei neben der Kerbsch¨arfe, d.h. der H¨ohe der Formzahl, und den wirkenden Nennspannungen auch die rechnerische Maximalspannung infolge Kerbwirkung σkerb = αk · σnenn sein. Durchbiegung der Wellen als Dimensionierungskriterium Mit Blick auf eine funktionierende Verzahnung m¨ ussen Wellen so konstruiert und gelagert werden, dass an den Eingriffsstellen der Verzahnungen aller Zahnradstufen in einem Getriebe die Durchbiegungen und Biegewinkel innerhalb enger Toleranzen bleiben. F¨ ur die jeweils leistungs¨ ubertragenden Radpaare ist dies wichtig, damit ein gleichm¨ aßiges Tragbild und demzufolge niedriger Verschleiß erzielt werden. Bei den leer mitdrehenden Verzahnun-
4.2 Wellen und R¨ ader
161
Abb. 4.42. Schematische Durchbiegung w und Biegewinkel ψ bei Wellen mit unsymmetrischer Belastung
gen k¨onnen die elastischen Verformungen des Systems zum Klemmen f¨ uhren, mindestens aber bewirkt die nicht optimale Platzierung lastfrei zueinander laufender Verzahnungen ein erh¨ ohtes Verlustmoment und verschlechtert so den Gesamtwirkungsgrad. Abbildung 4.42 zeigt f¨ ur ein sehr einfaches Beispiel die Einwirkung eines geradverzahnten Stirnrades auf eine Welle und die sich einstellende Deformation unter Last. Dies soll auf die Tatsache hinweisen, dass Absenkung und Verdrehung eines Zahnrades unter Last wichtige Dimensionierungskriterien f¨ ur Wellen und Verzahnung sind. F¨ ur Wellen mit n¨ aherungsweise konstanter Querschnittsform kann in guter N¨aherung das Fl¨achenmoment Ib f¨ ur die Berechnung der Durchbiegung als konstant angenommen werden. Die L¨ osung der gew¨ohnlichen Differentialgleichung vierter Ordnung f¨ ur die Durchbiegung in Lastrichtung w unter Vernachl¨assigung von Eigengewicht und verteilten Kr¨aften f¨ ur Wellen mit abschnittsweise konstantem Querschnitt EIb w0000 = 0
(4.26)
unter Beachtung der Lagerungsbedingungen ist dann oft ausreichend; die Bestimmung der Biegelinie w(x) erfolgt nach den Regeln der technischen Mechanik und wird hier nicht vertieft, f¨ ur den Elastizit¨atsmodul kann f¨ ur Wellenwerkstoffe der Anhaltswert E = 200 GPa verwendet werden. F¨ ur abgesetzte Wellen bietet sich f¨ ur eine Handrechnung die Nutzung des Arbeitssatzes an, geringe Querschnitts¨ anderungen – z.B. an einer aufgeschnittenen Verzahnung Tabelle 4.8. Anhaltswerte f¨ ur die zul¨ assige Durchbiegung w und den Biegewinkel ψ bei Zahnradstufen G¨ ultigkeit
Durchbiegung
Biegewinkel ψ 2 dw Allgemeine Zahnr¨ ader wzul ≤ 0, 01 · mn tan ψzul ≤ 4 10 b Anhaltswerte f¨ ur wzul ≤ 0, 02 . . . 0, 06 mm tan ψzul ≤ 0, 005 f¨ ur Stirnr¨ ader Verzahnungen tan ψzul ≤ 0, 001 f¨ ur Kegelr¨ ader mn Normalmodul, dW W¨ alzkreisdurchmesser, b Zahnbreite
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4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
eines Ritzels – sind h¨ aufig von untergeordneter Bedeutung f¨ ur die Verformung der Wellen. Ebenso k¨ onnen die Freistiche f¨ ur Werkzeugausl¨aufe und Sicherungsringe bei der Berechnung der Durchbiegung “von Hand” vernachl¨assigt werden. Die Querschnittsfl¨ ache ist dort zwar geschw¨acht, aber der “Abschnitt” mit dem Freistich oder der Nut ist vergleichsweise kurz, vgl. (4.23), und damit f¨ ur die Durchbiegung weniger relevant als f¨ ur die Festigkeitsberechnung. Hat man die Verformung einer Welle – die Absenkungen und Neigungen sowie eventuell existierende kinematische Kopplungen wie etwa das Kippen (starrer) Zahnr¨ader – berechnet, dann sind die Ergebnisse mit den entsprechenden Grenzwerten18 , vgl. z.B. Tabelle 4.8, zu vergleichen. Die Grenzwerte sind dabei von der Verzahnung abh¨ angig, die auf ihre Funktionsf¨ahigkeit hin bewertet werden soll. Wichtig ist auch, dass die W¨alzlager teilweise erheblich zu den Verformungen der Wellen durch ihre radialen und axialen Nachgiebigkeiten beitragen, vgl. Beispiel 6.1. Hinzu kommt, dass auch f¨ ur die W¨alzlager zul¨assige Neigungen u uft werden m¨ ussen, um einen u ¨berpr¨ ¨berm¨aßigen Verschleiß infolge einer m¨ oglichen Wellenschiefstellung zu vermeiden. Sind die Querschnittsunterschiede nicht mehr vernachl¨assigbar, so ist dies bei der Berechnung der Durchbiegung von Hand zu ber¨ ucksichtigen und die Welle in mehrere Abschnitte mit jeweils (n¨ aherungsweise) konstanter Querschnittsform zu zerlegen. Die Beziehung (4.26) ist dann f¨ ur jeden Abschnitt zu l¨osen. ¨ ¨ An den Ubergangsstellen ist durch Ubergangsbedingungen f¨ ur die Durchbiegung, den Biegewinkel, das Biegemoment und die Querkraft das mechanische Gleichgewicht der Gesamtwelle herzustellen und die Kompatibilit¨at der Gesamtverformung der Welle sicherzustellen. F¨ ur die rechnergest¨ utzte Auswertung kommen kommerzielle Finite Elemente Programme oder die von der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA) entwickelten Werkzeuge oder aber Eigenentwicklungen der Getriebehersteller zur Anwendung. Letztere bieten den Vorteil, dass sie das Expertenwissen der Firmen beinhalten und gerade bei der Bewertung von Durchbiegung und Biegewinkel in Bezug auf ihre Zul¨ assigkeit pr¨ azisere Angaben liefern, als man sie mit standardisierten Kriterien erarbeiten kann; h¨aufig sind firmeninterne Berechnungsprozeduren auf den Fertigungsprozess und seine Anforderungen detaillierter zugeschnitten oder basieren auf einer großen Menge vergleichbarer Daten. Auch Programme wie MDesign (http://www.tedata.de) oder Kisssoft (http://www.kisssoft.ch) bieten Funktionen zur praktischen Berechnung der Durchbiegungen einschließlich einer teilautomatisierten Dokumentation der Auslegungs- oder Nachweisrechnung an. Anmerkung 4.7 Eine Dimensionierung der Getriebewellen auf Knicksicherheit ist i.d.R. nicht erforderlich, da die wirkenden Axialkr¨afte in Kombination mit den Biegebeanspruchungen weit unter den kritischen Knicklasten der meist gedrungenen Wellen bleiben. 2 18
Die Verzahnungsgr¨ oßen mn Normalmodul, dW W¨ alzkreisdurchmesser und b Zahnbreite werden in Abschnitt 4.3 eingef¨ uhrt.
4.2 Wellen und R¨ ader
163
Abb. 4.43. Schematische Darstellung der Festigkeitsnachweise von Wellen mit Visualisierung der Beziehungen zwischen den einzelnen Gruppen von Rechengr¨ oßen. Kursiv geschriebene Gr¨ oßen ergeben sich aus der Konstruktion bzw. den wirkenden Lasten, gerade geschriebene Gr¨ oßen ergeben sich.
4.2.2 Festigkeitsnachweis von Getriebewellen Die Vorgehensweise beim Nachweis von Betriebs- und Dauerfestigkeit von Wellen ist f¨ ur den allgemeinen Maschinenbau in DIN 743 genormt. Aspekte der Betriebsfestigkeit, die bei einer zeitfesten Dimensionierung von Wellen hilfreich sind – Details sind im Entwurf Teil 4 zu DIN 743 zur Normung vorbereitet – werden in Abschnitt A.2 bereitgestellt, soweit sie u ¨ber den Umfang der klassischen Maschinenelemente-Verfahren hinaus gehen. F¨ ur Getriebewellen werden dar¨ uber hinaus von den Getriebeherstellern in den meisten F¨allen interne Berechnungsroutinen oder die bereits zuvor genannten kommerziellen Universalprogramme wie MDesign oder Kisssoft genutzt; dabei gehen dann firmenspezifische Kennwerte f¨ ur die Materialspezifikation und weitere Erfahrungswerte zur Erfassung von Oberfl¨ achengestalt, Fertigungsverfahren und Lagerungsbedingungen ein. Insbesondere die Kenntnis zutreffender Beanspruchungskollektive ist bei der betriebsfesten Auslegung notwendig. Das Kollektiv wird dann entsprechend Abschnitt A.2.5 in ein sch¨adigungs¨aquivalentes Rechteck-Ersatzkollektiv umgerechnet, f¨ ur das dann ein Betriebsfestigkeitsnachweis bei einstufiger Beanspruchung entsprechend DIN 743, Teil 4, gef¨ uhrt werden kann. Den prinzipiellen Ablauf der Nachweise von statischer Sicherheit (Bemessung gegen die Werkstoff-Fließgrenze Rp0,2 ) und der Zeit- oder Dauerfestigkeit (Bemessung gegen die Werkstoff-Nennspannungs-W¨ohlerlinie) zeigt Ab-
164
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
bildung 4.43. Wesentlich ist, dass die folgenden Punkte betreffend Werkstoffauswahl, Konstruktion, Herstellung und Einsatz der Wellen m¨oglichst pr¨azise abgebildet werden, um eine aussagef¨ ahige Bewertung der Wellen zu erhalten. In der schematischen Darstellung sind die gegebenen Informationen in kursiver Schrift dargestellt, sich ergebende Zwischenergebnisse nach der DIN werden mit Schlagworten charakterisiert und zusammengefasst. Auf die Eintragung s¨amtlicher in der Norm vorhandener Einflussfaktoren wurde bewusst verzichtet, da dann kein u ¨bersichtliches Bild mehr m¨oglich w¨are. F¨ ur den Festigkeitsnachweis von Getriebewellen sind folgende Informationen nach der DIN 743 notwendig: Schnittgr¨ oßenverl¨ aufe relevanter G¨ ange Die Verl¨aufe von Torsions- und Biegemoment, die in Abbildung 4.43 verk¨ urzt als Schnittlasten u. Zeitverlauf eingetragen sind, sowie – in begrenztem Umfang – von Axial- und Querkraft sind nach Maßgabe des anliegenden Moments, der daraus resultierenden Verzahnungskr¨ afte an An- und Abtrieb, vgl. Abschnitt 4.3.5, und der Lagerung zu bestimmen. Dabei sind ggf. die unterschiedlichen Betriebszust¨ ande Schub und Zug zu beachten. Geometrische Eigenschaften Neben den zur Bestimmung der Formzahlen notwendigen Verh¨ altnisse geometrischer Kenngr¨oßen der Bauteilgeometrie ist der charakteristische oder maßgebliche Durchmesser d einer Welle in einem als gef¨ ahrdet eingestuften Querschnitt relevant. Werkstoffeigenschaften Vom Werkstoff m¨ ussen neben dessen Tragf¨ahigkeits- und Elastizit¨ atseigenschaften, ausgedr¨ uckt durch den Elastizit¨atsmodul E, die 0,2%-Dehngrenze Rp0,2 und die Zugfestigkeit Rm , auch Informationen zu dessen Dauer- und Zeitfestigkeitsverhalten vorliegen, i.d.R. in Form einer Nennspannungsw¨ ohlerlinie des Grundwerkstoffs. Sind W¨ohlerlinie und Wechselfestigkeiten nicht verf¨ ugbar, so k¨onnen diese notfalls aus der Zugfestigkeit abgesch¨ atzt werden, vgl. Tabelle 4.7. Angaben zur Oberfl¨ achenbeschaffenheit Neben H¨arte und Rauhigkeit sind f¨ ur den Festigkeitsnachweis entsprechend der DIN 743 Angaben zum Fertigungsverfahren notwendig. In Abh¨ angigkeit von der beabsichtigten Vorgehensweise, ob eine Dimensionierungs- oder eine Nachweisrechnung durchgef¨ uhrt werden soll, sind entweder ungef¨ahre Angaben zu erzielbaren mittleren Rautiefen und zur Oberfl¨ achenh¨arte zu machen oder Rautiefe und Oberfl¨ achenverg¨ utung nach den M¨oglichkeiten des Produktionsverfahrens zu bewerten. Wichtig ist dabei, im Sinne einer konservativen Auslegung die dauerhaft erzielbaren Qualit¨aten und H¨arteverl¨aufe anzunehmen. Spezifikation von Auslegungs- oder Validierungskollektiv Soll f¨ ur eine Welle eine gezielte zeitfeste Auslegung vorgenommen werden, so ist u ¨ber Abbildung 4.43 hinaus neben den Zeitfestigkeitsangaben zum Werkstoff das zugrunde zu legende Kollektiv notwendig, gleich ob mit diesem Konzept dimensioniert oder bewertet werden soll. Das Kollektiv kann da-
4.2 Wellen und R¨ ader
165
Abb. 4.44. Schematischer Schnitt durch ein Losrad eines Handschaltgetriebes mit beispielhaften konstruktiven Parametern (Aus Seidel & Beitz [2004])
bei in Form beispielsweise einer Beschreibung eines Dauerversuches, vgl. Tabelle 3.7, oder als gemessenes Beanspruchungskollektiv19 vorliegen. Sollsicherheiten Die Vorgabe der Sollsicherheiten νF und νD muss die Folgen eines Ausfalls ber¨ ucksichtigen. Dabei sind m¨ogliche Versagensmuster und ihre Folgesch¨ aden abzusch¨ atzen, hinsichtlich ihrer Auswirkungen und der erwartbaren Auftretenswahrscheinlichkeit nach den Regeln der Zuverl¨assigkeitstechnik zu bewerten, vgl. Bertsche & Lechner [2004]. Fehlen diese Angaben teilweise, wird von absoluten Aussagen zur Festigkeit und Lebensdauer von Wellen dringend abgeraten; die Aussagen sollten dann auf qualitative, also vergleichende Bewertungen beschr¨ankt bleiben. F¨ ur die Gestaltung und Berechnung von hoch belastbaren, kerbspannungsarmen Welle-Nabe-Verbindungen – zu nennen sind hier f¨ ur die Fahrzeugge¨ triebe in erster Linie Querpressverbindungen, Vielkeilverzahnungen mit Ubermaß oder angestellter Wellen-Außenverzahnung – sei hier stellvertretend f¨ ur die Auslegung und Gestaltung hochbeanspruchter, aber f¨ ur die Wellen kerbspannungsarmer Welle-Nabe-Verbindungen z.B. auf Steinhilper & Sauer [2005, Kap. 9] oder Kollmann [1984] verwiesen. 4.2.3 Gestaltung von R¨ adern Die Gestaltung der Losr¨ ader, aber auch aufgesteckter Zahnr¨ader, z.B. f¨ ur die treibenden Verzahnungen h¨ oherer G¨ ange, orientiert sich zun¨achst an den 19
F¨ ur die rechnerische Bewertung von Rainflow-Kollektiven sind die in Abschnitt A.2 besprochenen einparametrigen, linearen Schadensakkumulationshypothesen nicht ausreichend, f¨ ur die Sch¨ adigungsbewertung zweiparametriger Z¨ ahlergebnisse sei beispielhaft auf Gudehus & Zenner [2004] verwiesen. Die im Anhang beschriebenen linearen Schadensakkumulationshypothesen k¨ onnen nur einparametrige Z¨ ahlergebnisse z.B. einer Verweildauerklassierung verarbeiten.
166
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.45. Schnitt durch das Losrad des 6. Ganges eines Handschaltgetriebes mit aufgeschweißtem Kupplungsk¨ orper f¨ ur die formschl¨ ussige Leistungs¨ ubertragung
Konstruktionsrichtlinien f¨ ur eine beanspruchungsgerechte Konstruktion, vgl. Pahl et al. [2006]. Wichtig ist dabei, exzentrische Massen auf jeden Fall zu vermeiden, um unwuchterregte Schwingungen nicht zu beg¨ unstigen. Wie bei Wellen muss darauf geachtet werden, dass beim H¨arten keine H¨arteverz¨ uge entstehen, die sp¨ ater Ger¨ ausche oder Schwingungen durch Rundlaufabweichungen bewirken k¨ onnen. Der sicherste Weg, dies zu vermeiden, ist die Ausf¨ uhrung als massives Rad; eine Rippenstruktur kann bei R¨adern zu gr¨oßeren H¨arteverz¨ ugen f¨ uhren. Zur Vermeidung von Rasselempfindlichkeiten empfiehlt es sich, die Losr¨ader eines Getriebes so auszuf¨ uhren, dass alle bei Bezug auf die Eingangswelle eine gleichm¨aßige, geringe Tr¨ agheit aufweisen. Die auf die Eingangswelle reduzierte Drehtr¨agheit des Losrades Θred,L,k des k−ten Ganges ergibt sich mit der ¨ Ubersetzung der Zahnradstufe ik und der Tr¨ agheit ΘL,k des Losrades zu Θred,L,k = ΘL,k /i2k .
(4.27)
F¨ ur die kleinen und mittleren G¨ ange mit großen Losr¨adern ist die Forderung nach einer Angleichung der reduzierten Tr¨ agheiten noch verh¨altnism¨aßig einfach umsetzbar. Abbildung 4.44 l¨ asst die trotzdem schon sehr beschr¨ankten konstruktiven M¨ oglichkeiten zur Reduktion der Drehtr¨agheit erkennen. Man bedenke, dass die wirkungsvollste Reduktion der Tr¨agheit durch Materialwegnahme direkt unter dem Zahnfuß erreichbar ist, was aber H¨artbarkeit und Dauerfestigkeit negativ beeinflusst. Bei den großen G¨angen von Handschaltgetrieben ist dies sehr viel schwieriger, da diese aufgrund ihrer kompakten Bauweise, vgl. Abbildung 4.45, nur wenig Gestaltungsspielraum bieten. Eine weitere Reduktion der konstruktiven Freir¨ aume wird dadurch verursacht, dass die Kupplungsverzahnungen f¨ ur den Formschluss im eingelegten Gang oft direkt an den Radk¨ orper angeschmiedet oder zumindest fl¨achig im Laserschweissverfahren angeschweisst werden, was eine saubere Anbindung an den Radk¨orper erfordert. Eine Materialwegnahme in diesem Bereich ist also nur begrenzt m¨oglich bei R¨ adern mit geschweissten Kupplungsk¨orpern. Außerdem werden die konischen Reibfl¨ achen f¨ ur die Synchronisation teils direkt auf das Rad geschliffen; auch hier ist eine Materialumverteilung nicht m¨oglich.
4.2 Wellen und R¨ ader
167
Abb. 4.46. Eingangswelle mit Synchronpaketen, Kupplung und zwei Losr¨ adern Tabelle 4.9. Berechnung der Tr¨ agheiten bezogen auf die Kupplungsdrehzahl ¨ Komponente Ubersetzung Einzeltr¨ agheit Bezogene Tr¨ agheit 1 Kupplungsscheibe 1 0,009 kgm2 0,0090000 kgm2 2 Eingangswelle 1 0,000555 kgm2 0,0005520 kgm2 2 3 Losrad 1. Gang 3,417 0,003413 kgm 0,0002925 kgm2 2 4 Losrad 4. Gang 1,95 0,001581 kgm 0,0004158 kgm2 2 5 Synchronpaket 3/4 1 0,001631 kgm 0,0016310 kgm2 2 6 Synchronpaket 5/R 1 0,000726 kgm 0,0007260 kgm2 Gesamttr¨ agheit bezogen auf die Kupplungsdrehzahl 0,0126 kgm2
Beispiel 4.3 F¨ ur die in Abbildung 4.46 dargestellte Eingangswelle mit drehfester Kupplung, Synchronpaketen und zwei Losr¨adern ist das Gesamt-Dreh¨ tr¨agheitsmoment bezogen auf die Kupplungsscheibe zu ermitteln. Die Ubersetzung des ersten Ganges betr¨ agt i1 = 41/12 = 3, 417, die des zweiten Ganges i2 = 39/20 = 1, 95, die Drehtr¨ agheiten der 6 relevanten Komponenten sind in Tabelle 4.9 eingetragen. Die Anwendung von (4.27) erfolgt f¨ ur die beiden Losr¨ader mit den jeweiligen ¨ Ubersetzungen, alle anderen Komponenten drehen mit der Kupplungsdrehzahl. Entsprechend erh¨ alt man durch Summation, wie in Tabelle 4.9 ausgef¨ uhrt, eine Gesamtdrehtr¨ agheit des Verbandes von Θges = 0, 0126 kgm2 . F¨ ur gesteckte und formschl¨ ussig mit der Welle verbundene R¨ader, gleich ob Stirn- oder Kegelr¨ ader, ist zudem zu beachten, dass der Radk¨orper und die Welle-Nabe-Verbindung so ausgef¨ uhrt sind, dass im schw¨achsten Querschnitt
168
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.47. Anforderungen an die Rest-Wandst¨ arke bei aufgesetzten R¨ adern am Beispiel eines Kegelritzels
in radialer Richtung eine Mindest-Wandst¨ arke – einmal der Normalmodul mn der Verzahnung – stehen bleibt. Abbildung 4.47 zeigt hierzu ein Beispiel anhand einer Passfederverbindung bei einem aufgesetzten Kegelritzel, kritisch ist hier der Auslauf der Passfedernut an der kleinen Stirnseite des Kegelritzels. Anmerkung 4.8 F¨ ur k¨ unftige Generationen von Fahrzeuggetrieben werden aus Gewichtsgr¨ unden auch Verbundstrukturen zum Einsatz kommen, um neben dem geringen Gewicht der R¨ ader auch eine gute D¨ampfung sowie eine Reduktion der Stoß- und damit der Ger¨ auschempfindlichkeit zu erreichen. F¨ ur die Serienanwendung mit geh¨ arteten Verzahnungen sind Sch¨aume zwischen der Stahlnabe und dem Zahnkranz aber noch nicht anwendbar. 2
4.3 Auslegung von Verzahnungen Das erkl¨arte Ziel dieses Buches ist es, den Auslegungs- und Entwicklungsprozess f¨ ur Fahrzeuggetriebe in seiner Gesamtheit m¨oglichst vollst¨andig darzustellen. Der weitaus gr¨ oßte Anteil der Fahrzeuggetriebe sind Zahnradgetriebe; sie bieten bei der Wandlung von Drehzahlen und Drehmomenten nach wie vor ¨ die h¨ochste Leistungsdichte. Meist erfolgt die Ubertragung zwischen parallelen Wellen mit gerad- und schr¨ agverzahnten Stirnr¨adern, deren Vordimensionierung hier besprochen wird. Auf Feinheiten – etwa das gezielte Einbringen von Balligkeiten zur Verbesserung des Tragbildes oder von Profilkorrekturen zum Optimieren der Lastverteilung bei hohen Beanspruchungen – wird hier nicht eingegangen, da der dazu notwendige Rechengang den Rahmen sprengen w¨ urde. F¨ ur Details sei z.B. auf Niemann [1989], Niemann & Winter [1989] und Linke [1996] verwiesen, aber auch Steinhilper & Sauer [2006] gehen im Kontext der Maschinenelemente auf die Verzahnung ein. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf dem Grunds¨atzlichen der Berechnungsmethodik und -abl¨ aufe. Damit soll dem Konstrukteur das Werkzeug bereitgestellt werden, um “von Hand” die Grunddaten der Verzahnung und nachfolgend die anderen Getriebebauteile im Leistungsfluss auslegen zu k¨onnen. Ein solches Vorgehen wird beispielsweise bei Machbarkeitsstudien
4.3 Auslegung von Verzahnungen
169
verlangt, bei denen es darum geht, schnell einen realisierbaren Entwurf zu erstellen, ohne das letzte Detail optimieren zu m¨ ussen. Bevor auf die Kriterien Zahnflanken- und Zahnfußtragf¨ ahigkeit als Tragf¨ahigkeitsgrenzen eingegangen wird, sollen einige Schadensbilder den prinzipiellen Unterschied der Schadensmechanismen verdeutlichen. Es schließen sich Ausf¨ uhrungen zur Bestimmung der wichtigsten Parameter einer Verzahnung, zur einfachen Nachweisrechnung sowie zu den aus der Leistungs¨ ubertragung resultierenden Kr¨afte an. Zun¨achst sollen acht der im Fahrzeuggetriebebau wichtigsten Verzahnungsarten vorgestellt werden, von denen vier n¨ aher analysiert werden, da sie sich bez¨ uglich ihrer Auslegung sehr ¨ ahnlich verhalten, vgl. Abbildung 4.48. Die gerade- und schr¨agverzahnten Stirnr¨ ader sowie die Hohlradstufen als Sonderfall werden in Abschnitt 4.3.2 besprochen, gemeinsames Kennzeichen ist der achsparallele An- und Abtrieb – die Planetenstufen werden allgemein in Abschnitt 5.6 analysiert. Auf die gerade verzahnten Kegelr¨ader wird in Abschnitt 4.3.6 eingegangen. F¨ ur die schr¨ agverzahnten Kegelradstufen, bei denen sich die Achsen von An- und Abtrieb kreuzen, sowie f¨ ur die Hypoidkegelr¨ader, bei denen sich die Drehachsen nicht schneiden, sondern einen Achsabstand a aufweisen, werden lediglich die Gleichungen zur Berechnung der Zahnradkr¨afte aus dem u ¨bertragenen Moment in Abschnitt 4.3.6 angegeben. Pfeil- und Doppelschr¨agverzahnung, vgl. Abbildung 4.48.g und h, sind im Fahrzeuggetriebebau nicht vertreten. Bei der Konstruktion und Herstellung der Verzahnungen werden im Fahrzeuggetriebebau durchweg Evolventenverzahnungen angewendet. Details zur Geometrie der Evolventenverzahnungen und Ableitung vieler hier angegebener Faktoren finden sich bei Niemann [1989], Roth [2001] oder Linke [1996], dort werden auch die anderen Verzahnungsarten besprochen. F¨ ur Schneckenoder Hypoidgetriebe sei auf Niemann & Winter [1989] verwiesen. Anmerkung 4.9 Die geometrischen Kenngr¨ oßen und die verschiedenen Einflussfaktoren, die f¨ ur die Verzahnungsberechnung relevant sind, werden entweder zun¨achst abgesch¨ atzt oder vorgegeben und sp¨ater pr¨azisiert, oder aber direkt aus bereits vorhandenen Gr¨ oßen berechnet. Es sind – wie z.B. bei der Berechnung der Profil¨ uberdeckung nach (4.49) – immer alle Eingangsgr¨oßen bekannt oder werden im direkten Kontext bestimmt, vgl. z.B. (4.57). 2 Systemaufgaben Bei den Verzahnungen ist wie bei den R¨ adern und Wellen die Leistungs¨ ubertragung als Hauptaufgabe des Systems zu beachten. Durch die Anordnung mehrerer Stirnradstufen nebeneinander in Handschalt- oder Doppelkupplungsgetrieben oder mehrerer (schaltbarer) Planetenstufen hintereinander im Stufenautomatgetriebe wird zudem ein gestuftes Anpassen des Drehmomentangebots an die Zugkraftanforderungen erm¨ oglicht.
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4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
h)
¨ Abb. 4.48. Ubersicht u ¨ber wichtige Verzahnungsarten: a) gerade verzahnte Stirnradstufe, b) schr¨ agverzahntes Stirnradpaar, c) gerade verzahnte Kegelradstufe, d) schr¨ ag verzahnte Kegelradstufe, e) Hypoidkegelradstufe, f) Hohlradstufe, g) Pfeilverzahnung, h) Doppelschr¨ agverzahnung
4.3 Auslegung von Verzahnungen
171
4.3.1 Leistungsgrenzen, Tragbilder und Tragf¨ ahigkeitsgrenzen Ausgangspunkt der Auslegungsrechnung von Zahnr¨adern sind deren Leistungsgrenzen, sprich die Ausfallursachen, auf die im Folgenden n¨aher eingegangen wird. Die Leistungsgrenze eines Zahnradpaares kann grunds¨atzlich durch vier verschiedenartige Sch¨ aden bestimmt sein: • • • •
Zahnbruch, Gr¨ ubchenbildung (Pitting), Fressverschleiß (Warmfressen), Verschleißgrenze (Kaltfressen).
Diese Grenzen legen die Tragf¨ ahigkeit der Zahnr¨ader fest, die Leistungsgrenzen werden wesentlich beeinflusst durch: • Betriebsbedingungen (Art der Belastung, Zahnkr¨afte und Zusatzkr¨afte, Umfangsgeschwindigkeit, Temperatur), • Werkstoffauswahl, • Verzahnungsgeometrie, • Herstellungsgenauigkeit, • Oberfl¨achenbehandlung und -rauhigheit, • Schmierstoffauswahl (chemische und physikalische Eigenschaften), • Bearbeitungsr¨ uckst¨ ande und Verschleiß der drehenden und bewegten Getriebekomponenten. Zahnr¨ader f¨ ur Fahrzeuggetriebe werden heute fast ausnahmslos so ausgelegt, dass die Leistungsgrenze “Gr¨ ubchenbildung” maßgebend ist. Durch genaue Lastannahmen k¨ onnen Modul und Zahnbreite so gew¨ahlt werden, dass Zahnbruch als gravierender Schaden vermieden wird. Der Fressverschleiß wird durch Einsatz eines entsprechend legierten Getriebe¨ols verhindert. Grunds¨atzlich werden die Zahnr¨ ader einsatzgeh¨ artet und oft zus¨atzlich oberfl¨achenverfestigt, z.B. durch Kugelstrahlen. Ausnahmen bilden Hohlr¨ader und Planetenr¨ader von Planetengetrieben, diese werden teilweise carbonitriert, i.d.R. werden normale Zahnr¨ ader geschabt und gehont; ger¨auscharme und hoch belastete Getriebe werden mit geschliffenen Zahnr¨adern ausgef¨ uhrt. Profilkorrekturen mit H¨ ohen- und Breitenballigkeit sind Stand der Technik. Zahnbruch Beim Zahnbruch kommt es zum Ausbrechen von Zahnteilen oder ganzer Z¨ahne, man unterscheidet je nach Ursache den Gewaltbruch und den Schwingoder Dauerbruch. Der Gewaltbruch in Abbildung 4.49 ist die Folge einer kurz¨ zeitigen, starken Uberlastung des Zahnradpaars, wie etwa im Missbrauch, vgl. auch Abschnitt 3.3.2. Einen Ansatz zur Berechnung der Sicherheit20 gegen Gewaltbruch im Bereich des Zahnfußes liefern Linke et al. [2003]. 20
Dabei wird bei der Bestimmung einiger Beiwerte vom Berechnungsgang nach der DIN 3990, der in Abschnitt 4.3.4 besprochen wird, abgewichen.
172
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.49. Gewaltbruch an einem schr¨ agverzahnten Stirnrad (aus Lechner & Naunheimer [1994])
Abb. 4.50. Dauerschwingbruch an einem geradverzahnten Stirnrad (aus Lechner & Naunheimer [1994])
Ein einzelner Zahn eines Zahnrades unterliegt im Normalfall einer schwellenden Belastung. Eine Ausnahme bilden Zwischenr¨ader, die z.B. zur Drehrichtungsumkehr im R¨ uckw¨ artsgang verwendet werden, wie z.B. das Losrad des ersten Ganges beim Getriebe nach Abbildung 2.21, das die Funktion der Drehrichtungsumkehr im R¨ uckw¨ artsgang u ¨bernimmt. Hier tritt eine wechselnde Belastung des einzelnen Zahns auf, da er einmal im Eingriff treibt und einmal getrieben wird; die maximale Biegespannung entsteht dabei im Zahnfußbereich. Liegt die Beanspruchungsh¨ ohe h¨ aufig oder zeitweise u ¨ber der Dauerschwingfestigkeit des Zahnrads, kann dies zum Schwing- oder Dauerbruch f¨ uhren. Die Verzahnungen der kleinen G¨ ange von Kraftfahrzeuggetrieben, die i.d.R. nur zum Anfahren und zum Rangieren verwendet werden, sind i.d.R. betriebsfest mit Lebensdauern im Bereich weniger Stunden ausgelegt.
4.3 Auslegung von Verzahnungen
173
Die Schwingfestigkeit des Zahnrads wird in hohem Maße durch die Zahnfußgestaltung, die Oberfl¨ achenrauheit, die Oberfl¨achenverfestigung in der Zahnfußausrundung und die W¨ armebehandlung beeinflusst. Abbildung 4.50 zeigt einen Schwingbruch an einem geradverzahnten Stirnrad; die f¨ ur einen Schwingbruch charakteristischen, muschelf¨ ormigen Rissfortschrittslinien sind gut zu erkennen. Zur Vermeidung von Zahnbr¨ uchen ist darauf zu achten, dass im Zahnfuß keine fertigungsbedingten Kerben entstehen, die – an der h¨ochstbeanspruchten Stelle des Zahns platziert – einen Zahnbruch beg¨ unstigen k¨onnen. In der Produktion von Zahnr¨ adern wird daher zur Vermeidung von Schleifkanten am Zahnfuß mit einer so genannten Protuberanz gearbeitet, d.h. einer speziell dimensionierten Bearbeitungszugabe, die beim Schleifen oder Schaben abgetragen wird; ein spezieller Protuberanz-W¨alzfr¨aser l¨asst diese Bearbeitungszugabe f¨ ur die Endbearbeitung stehen, vgl. Seite 211. Gr¨ ubchenbildung Eine Sch¨adigung des Zahnrads durch Gr¨ ubchen ¨außert sich im Auftreten von Poren und fl¨achigen Flankenausbr¨ uchen, meist unterhalb des W¨alzkreises. Gr¨ ubchenbildung ist eine Erm¨ udungserscheinung des Werkstoffs an den Zahnflanken. Als Ursachen der Gr¨ ubchen sind entweder Oberfl¨achenrisse infolge von Schlupf oder Schubspannungen unterhalb der Zahnflankenoberfl¨ache zu sehen. Zur Beurteilung der Gr¨ ubchentragf¨ ahigkeit wird grunds¨atzlich die Hertz’sche Pressung benutzt, die als Grundlage f¨ ur die Berechnung der Flankenpressung dient. Die Eckpunkte der Hertz’schen Theorie sind, soweit sie den Umfang der elementaren Festigkeitslehre u ¨berschreiten, in Abschnitt A.1 kurz dargestellt und sollen das Verst¨ andnis der folgenden Ausf¨ uhrungen vereinfachen. Die Hertz’sche Pressung ist eine wichtige Kenngr¨oße f¨ ur die Beanspruchung beim Eingriff der Zahnflanken, aber nicht notwendig die einzige Ursache f¨ ur Gr¨ ubchenbildung; die Schubspannungen unter der Oberfl¨ache sind ebenso entscheidend. ¨ ¨ Die Gr¨ ubchenfestigkeit wird durch H¨ arte, Olviskosit¨ at, Oltemperatur, spezifisches Gleiten, Flankenformfehler, Oberfl¨ achenrauheit und Umfangsgeschwindigkeit beeinflusst. Ein Gr¨ ubchenfeld mit Ausbr¨ uchen unterschiedlicher Gr¨oße ist in Abbildung 4.51 zu sehen. Fressverschleiß Beim Versagen der Zahnflankenschmierung k¨ onnen je nach Umfangsgeschwindigkeit zwei Versagensarten unterschieden werden: das Kaltfressen und das Warmfressen. Kaltfressen tritt meist bei niedrigen Umfangsgeschwindigkeiten unter 5 m/sec an verg¨ uteten Zahnr¨ adern grober Verzahnungsqualit¨at auf, die aber im Fahrzeuggetriebebau kaum verwendet werden. Es ist eine reine Verschleißerscheinung und bei Fahrzeuggetrieben demzufolge im Normalfall selten anzutreffen. Beim Warmfressen wird der Schmierfilm infolge hoher
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Abb. 4.51. Gr¨ ubchenbildung mit Zahnkopfbruch infolge Flankenerm¨ udung (aus Lechner & Naunheimer [1994])
Abb. 4.52. Fresser u ¨ber der gesamten Tragbildbreite eines geradverzahnten Stirnrades (aus Lechner & Naunheimer [1994])
Temperatur oder zu hoher Belastung zerst¨ ort; durch den Zusammenbruch des Schmierfilms kommt es zu metallischer Ber¨ uhrung, ¨ortlichem Verschweißen und nachfolgendem Lostrennen der Zahnflanken. So entstehen Schadensbilder wie in Abbildung 4.52; bei der Entstehung dieser Sch¨aden sind nicht nur mechanische, sondern insbesondere auch chemische Vorg¨ange maßgebend. Weiterhin unterscheidet man beim Warmfressen zwei Arten des Fressverschleißes. Zum einen die so genannte Riefenbildung, die typischerweise f¨ ur legierte ¨ 21 bei Umfangsgeschwindigkeiten < 30 m/sec auftritt und sich in einzelnen Ole oder mehreren unterschiedlich starken Riefen in Gleitrichtung an den Zahn21
Die Anreicherung des Tr¨ ager¨ ols mit bestimmten Additiven zur gezielten Beeinflussung der Verzahnungs- und Lagerdauerhaltbarkeit, aber auch zur Optimierung des Schaltkomforts f¨ uhrt, zu diesen “legierten” Spezial¨ olen, vgl. Abschnitt 6.5.3.
4.3 Auslegung von Verzahnungen
175
flanken erkennen l¨ asst. Zum anderen sind die so genannten Fresser zu nennen: Sie treten als einzelne feine Striche (Fressstriche), als zusammenh¨angende Felder (starke Fresser) oder als Zonen u ¨ber die ganze Zahnbreite auf (Fresszonen). Hauptmerkmal der Fressgebiete ist ein mattes Aussehen. F¨ ur den Fressvorgang ist die Erw¨ armung der Zahnr¨ader von entscheidender Bedeutung: Der Fressvorgang wird von einem Zusammenbruch des chemischen Schutzfilms an der Zahnflanke eingeleitet, wobei die Festigkeit dieses Schutzfilms von der Zahnflankentemperatur abh¨angt. F¨ ur die Beanspruchung des chemischen Schutzfilms ist die Hertz’sche Pressung maßgebend. Gr¨oßere Schmierfilmdicken, erzeugt durch eine h¨ ohere Viskosit¨at des Schmierstoffs, k¨onnen Fresserscheinungen unterbinden; von besonderer Bedeutung sind hier ¨ vgl. Abdie tragf¨ahigkeitssteigernden, hoch druckbest¨ andigen Zus¨atze im Ol, schnitt 6.5.3 ab Seite 502. Nachfolgend werden die Berechnungsans¨ atze f¨ ur Zahnbruch und Gr¨ ubchenbildung skizziert. Aufbauend auf der Berechnung der Gr¨ ubchentragf¨ahigkeit wird dann ein Vorgehen zur u agigen Bestimmung des Achsabstands ¨berschl¨ und der Zahnbreiten bei gegebenen Schr¨ agungswinkeln gezeigt. Zahnfußtragf¨ ahigkeit – Auslegung gegen Zahnbruch F¨ ur die Berechnung der Leistungsgrenze bez¨ uglich Versagen durch Zahnbruch ist die Zahnfußtragf¨ ahigkeit zu u ufen, um die Entstehung eines Anrisses ¨berpr¨ im Zahnfuß und den folgenden Dauerbruch bzw. den Restgewaltbruch zu vermeiden. Der Zahn ist am st¨ arksten gef¨ ahrdet, wenn die l¨angs der Eingriffslinie wirkende Normalkraft Fbn am Kopf eines Zahns angreift, vgl. Abbildung 4.53. Die Normalkraft Fbn setzt sich dabei vektoriell aus der Nennumfangskraft am Teilkreis Ft und der Radialkraft Fr zusammen; die Beanspruchung f¨ uhrt im Zahn zu Druck-, Biege- und Schubspannungen. Es hat sich gezeigt, dass nur die Biegespannung, deren qualitativer Verlauf in Abbildung 4.53 skizziert ist, f¨ ur die Berechnung maßgebend ist; Schub- und Druckspannungsanteile k¨onnen vernachl¨assigt werden. In der auf DIN 3990 aufbauenden Literatur, vgl. z.B. Linke [1996], findet man f¨ ur die tats¨achliche Zahnfußspannung σF die folgende Beziehung (4.28), die aufbauend auf einem Nennwert f¨ ur die Biegespannung σF0 verschiedene Einflussfaktoren ber¨ ucksichtigt. F¨ ur die u ¨berschl¨agige Auslegung werden im Folgenden an den entsprechenden Stellen Startwerte angegeben, die dann im Laufe einer detaillierten Auslegungsrechnung pr¨azisiert und konkretisiert werden k¨onnen, vgl. Abschnitt 4.3.4. Man erh¨alt f¨ ur die Biegespannung am Zahnfuß σF Zahnfußspannung nach DIN 3990 σF =
Ft · (YFa YSa Y Yβ ) ·(KA KV KFβ KFα ) b mn | {z } σF0
= σF0 · (KA KV KFβ KFα ).
(4.28)
176
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.53. Biegespannung am Zahnfuß bei Kraftangriff am Zahnkopf (Nach Muhs et al. [2005])
Dabei ergibt sich die Umfangskraft Ft aus dem am W¨alzkreis des Rades dW anliegenden Moment, f¨ ur das meist das Auslegungs-Nennmoment Tnenn angenommen wird, Ft = 2 Tnenn /dW . Die u ¨brigen Koeffizienten in (4.28) bedeuten • • • • • • • • • •
die Zahnbreite b in mm, den Normalmodul mn in mm, den Formfaktor YFa nach DIN 3990, Teil 3, den Spannungskorrekturfaktor YSa (Kerbformzahl) nach DIN 3990, Teil 3, ¨ den Uberdeckungsfaktor Y nach DIN 3990, Teil 3, den Schr¨agungsfaktor Yβ nach DIN 3990, Teil 3 den Anwendungsfaktor KA , den Dynamikfaktor KV nach DIN 3990, Teil 1, den Breitenfaktor KFβ nach DIN 3990, Teil 1, und den Stirnfaktor KFα nach DIN 3990, Teil 1.
Die Zahnfußfestigkeit KFG , der der Zahnfußspannung zugeordnete Festigkeitskennwert, bestimmt sich nach DIN 3990 zu KFG = σF,lim YST YNT Yδ rel T YX .
(4.29)
4.3 Auslegung von Verzahnungen
177
Die dabei verwendeten Materialparameter und Koeffizienten bedeuten • • • • •
Dauerfestigkeitswert σF,lim nach DIN 3990, Teil 5, vgl. auch Tabelle 4.14, Spannungskorrekturfaktor YST nach DIN 3990, Teil 3, Lebensdauerfaktor YNT nach DIN 3990, Teil 3, Relative St¨ utzziffer Yδ rel T nach DIN 3990, Teil 3, Gr¨oßenfaktor Zahnfuß YX nach DIN 3990, Teil 3.
Die vorhandene Zahnfußspannung σF wird in der Festigkeitsbedingung mit der Zahnfußfestigkeit KFG verglichen, der Quotient aus Zahnfußfestigkeit und vorhandener Zahnfußspannung bildet die Ist-Sicherheit gegen Zahnbruch jF , jF =
KFG . σF
(4.30)
Ist eine Sollsicherheit νF > 1 gegen Zahnbruch gegeben, kann auch ein Ausnutzungsgrad A∗F = νF /jF definiert werden, der die H¨ohe der Beanspruchung durch Zahnfußspannungen nach Maßgabe der Soll-Sicherheit gewichtet. F¨ ur A∗F < 100% ist die geforderte Sollsicherheit rechnerisch gegeben, jF > νF . Zahnflankentragf¨ ahigkeit – Auslegung gegen Gr¨ ubchenbildung Bei der Quantifizierung der Zahnflankenbeanspruchungen als maßgebliche Versagensart wird auf die Hertz’sche Theorie zum Kontakt zweier elastischer, ruhender Walzen, vgl. Abschnitt A.1.3, zur¨ uckgegriffen. Wie im Anhang beschrieben, l¨ asst sich die maximale Fl¨ achenpressung an der Oberfl¨ache allgemein f¨ ur den Kontakt zweier Walzen angeben; f¨ ur die st¨ahlernen Z¨ahne eines leistungs¨ ubertragenden Stirnrades l¨ asst sich die Berechnung ausgehend von (A.15) konkretisieren zu s EF pmax = 0, 175 (4.31) b ρe mit dem Elastizit¨atsmodul E der Verzahnungswerkstoffe und der in der Verbindungsebene der beiden Walzenachsen wirkenden Kraft F ; b ist die tragen¨ de Verzahnungsbreite. Die Vereinfachung bzw. Spezialisierung beim Ubergang von (A.14) u ucksichtigt, dass f¨ ur St¨ahle und Leicht¨ber (A.15) auf (4.31) ber¨ metalle die Querkontraktionszahl ν = 0, 3 ist, ρe = ρ1 · ρ2 /(ρ1 + ρ2 ) ist der gemittelte Ersatzkr¨ ummungsradius der Kontaktpartner. Wichtig f¨ ur die Interpretation der Hertz’schen Theorie ist das Verst¨andnis, dass der Ort der maximalen Beanspruchung in der Zone der gr¨oßten “Abplattung” liegt, bei den ruhenden Walzen in Kraftwirkrichtung in der Mitte der Kontaktstelle. Da nun Zahnr¨ader nur sehr n¨ aherungsweise ruhende Walzen sind, wie f¨ ur die Hertz’sche Theorie in Abschnitt A.1.3 angenommen, sind einige Korrekturen erforderlich, um zur tats¨ achlichen Fl¨ achenpressung an den Zahnflanken zu gelangen.
178
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
¨ Ahnlich wie in (4.28) geht dieser Weg der Korrektur der reinen Theorie f¨ ur die Anwendbarkeit auf Stirnr¨ ader u uhrung einer Reihe von Einfluss¨ber die Einf¨ faktoren. Die Gleichung f¨ ur die maximale Fl¨ achenpressung an der Zahnflanke σH nach der DIN 3990 u uhrt (4.31) in die Form ¨berf¨ r Ft u + 1 p σH = (ZH ZE Z Zβ ) · · · KA KV KHα KHβ b d1 u (4.32) | {z } σH0 p = σH0 · KA KV KHα KHβ wobei σH0 die Nenn-Flankenpressung im W¨ alzpunkt der fehlerfreien Verzahnung ist. Die folgenden Einflussfaktoren werden in (4.32) u ¨ber die bereits aufgelisteten Faktoren und Gr¨ oßen hinaus ben¨ otigt: • • • • • • • • • •
Zonenfaktor ZH nach DIN 3990, Teil 2, Elastizit¨atsfaktor ZE nach DIN 3990, Teil 2, ¨ Uberdeckungsfaktor Z nach DIN 3990, Teil 2, Schr¨agungsfaktor Zβ nach DIN 3990, Teil 2, Teilkreisdurchmesser d1 des Ritzels (Kleinrad), Z¨ahnezahlverh¨ altnis u = z2 /z1 mit u ≥ 1, Anwendungsfaktor KA nach DIN 3990, Teil 1, Dynamikfaktor KV nach DIN 3990, Teil 1, Stirnfaktor KHα nach DIN 3990, Teil 1, Breitenfaktor KHβ f¨ ur Flankenpressung nach DIN 3990, Teil 1.
In der DIN 3990 ist in der Gleichung zur Berechnung der Zahnflankenpressung noch ein weiterer Koeffizient ZB,D vorgesehen, der Einzeleingriffsfaktor; nach Steinhilper & Sauer [2006, Kap. 15.3] kann dieser jedoch entfallen. Der Festigkeitskennwert f¨ ur die Dimensionierung auf Flankenpressung ist die Gr¨ ubchengrenzfestigkeit bzw. Gr¨ ubchentragf¨ ahigkeit KHG . Sie ergibt sich wieder aus einem Materialkennwert und einer Reihe von Einflussfaktoren zu KHG = σH,lim ZNT ZL ZR ZV ZW ZX .
(4.33)
Die einzelnen, in (4.33) ben¨ otigten Faktoren sind: • Dauerfestigkeitswert σH,lim des Werkstoffs nach DIN 3990, Teil 5, vgl. auch Tabelle 4.14, • Lebensdauerfaktor ZNT nach DIN 3990, Teil 2, • Schmierstofffaktor ZL nach DIN 3990, Teil 2, • Rauheitsfaktor ZR nach DIN 3990, Teil 2, • Geschwindigkeitsfaktor ZV nach DIN 3990, Teil 2, • Werkstoffpaarungsfaktor ZW nach DIN 3990, Teil 2, • Gr¨oßenfaktor ZX f¨ ur Flankenpressung nach DIN 3990, Teil 2. Die Ist-Sicherheit f¨ ur Versagen durch Gr¨ ubchenbildung jH und der entsprechende Ausnutzungsgrad A∗H bei vorgegebener Soll-Sicherheit νH > 1 bestimmt sich aus (4.32) und (4.33) in Analogie zu (4.30) zu
4.3 Auslegung von Verzahnungen
179
Abb. 4.54. Verdeutlichung der Benennungen am geradverzahnten Stirnrad ohne Profilverschiebung (Aus Muhs et al. [2005])
jH = KHG /σH
und A∗H = νH /jH ,
(4.34)
auch hier gilt wieder die Forderung A∗H < 100%. 4.3.2 Dimensionierung von Achsabstand, Zahnbreite und Schr¨ agungswinkeln von Stirnradstufen f¨ ur Konzept- und Machbarkeitsstudien Nur selten werden – bei einer mittleren Lebensdauer einer Getriebefamilie von mehr als 10 Jahren – Getriebe komplett neu entwickelt. Da die Frage nach dem Achsabstand als direktes Maß f¨ ur die Baugr¨oße eines Fahrzeuggetriebes von entscheidender Bedeutung ist, werden hier die Schritte zur Absch¨atzung ¨ des Achsabstandes kurz beschrieben. Abbildung 4.54 gibt eine kurze Ubersicht wichtiger Begriffe der Verzahnungstechnik, vereinfacht dargestellt am geradverzahnten Stirnrad ohne Profilverschiebung22 . 22
Die Festlegung von Schr¨ agungswinkeln und Profilverschiebungen erfordert dann weitere Definitionen, auf die hier aber nur am Rande und soweit notwendig eingegangen werden kann. In Abbildung 4.61 werden weitere Verzahnungskenngr¨ oßen im Zusammenhang mit der Erl¨ auterung der Profilverschiebung gezeigt.
180
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
H¨aufig tritt in der Praxis die Frage auf, wie man bei einem gegebenen Achsabstand und einem Auslegungsmoment Tnenn innerhalb eines verf¨ ugbaren Bau¨ raumes eine Soll-Ubersetzung isoll realisiert. Die Schritte zur Definition der Auslegungsgr¨oßen wie Z¨ ahnezahlen, Modul, Schr¨agungswinkel und Profilverschiebung zur Darstellung einer geeigneten Verzahnung in einem Stirnradgetriebe werden daher kurz erl¨ autert. Ausgehend von gegebenen Startwerten f¨ ur die Einflussfaktoren werden dann die wichtigsten Schritte besprochen, um zu einer Verzahnung zu gelangen, welche die Anforderungen – ausgedr¨ uckt in den Soll-Sicherheiten (4.30) und (4.34)1 und einem Nenn-Auslegungsmoment Tnenn f¨ ur die einstufige Beanspruchung – erf¨ ullen kann. In Auslegungsaufgabe 4.4 wird an einem Beispiel der Nachweis bei einstufiger Beanspruchung ¨ vertieft, Auslegungsaufgabe 4.5 f¨ uhrt in die wichtigsten Uberlegungen zur mehrstufigen, betriebsfesten Auslegung ein. Absch¨ atzung des erforderlichen Achsabstandes Der Achsabstand a ist eines der bestimmenden Maße von Fahrzeuggetrieben und beeinflusst maßgeblich den Bauraumbedarf quer zur Wellenachse. F¨ ur die Auslegung eines Getriebes ist es daher wichtig, unter Ber¨ ucksichtigung geringer Reserven f¨ ur die Tragf¨ ahigkeitssteigerung des Getriebes innerhalb des Produktionszeitraumes dieses Maß fr¨ uh und genau festzulegen. Die bereits besprochene Gr¨ ubchenbildung ist dabei i.d.R. das wichtigste Kri¨ terium als bestimmende Leistungsgrenze. Zur Bestimmung eines Uberschlagswerts f¨ ur den Achsabstand geht man daher von der Hertz’schen Theorie f¨ ur die nominelle Fl¨ achenpressung σH0 am W¨ alzkreis nach (4.32) und einem an der Ritzelwelle wirkenden Moment Tnenn = Ft d1 /2 aus. Nun legt man f¨ ur den ¨ Gang mit der gr¨oßten Ubersetzung imax , der mit dem gesuchten Achsabstand f¨ ur ein Wellenpaar realisiert werden soll, das Verh¨altnis von Zahnbreite zu Durchmesser b/d1 f¨ ur die Auslegung fest; Abbildung 4.55 gibt dabei Anhaltswerte23 f¨ ur b/d1 . Setzt man den Zusammenhang zwischen Moment und Tangentialkraft sowie das Verh¨ altnis b/d1 in (4.32) ein und ersetzt das in (4.32) enthaltene Z¨ahnezahlverh¨ altnis u durch die zu realisierende Maximal¨ ubersetzung imax < 0, so erh¨ alt man mit u ∼ = −imax s 2 Tnenn imax − 1 p σH = (ZH ZE Z Zβ ) · · · KA KV KHα KHβ . (4.35) d31 (b/d1 ) imax ¨ Man beachte, dass die Ubersetzung der einfachen Stirnradstufe nach (3.3) hier als negatives Z¨ ahnezahlverh¨ altnis definiert ist; die Drehrichtung wechselt bei der einfachen Stirnradstufe. Ber¨ ucksichtigt man die zul¨assige Fl¨achenpressung KHG nach (4.33) und quadriert (4.35), so erh¨alt man mit der in (4.34) enthaltenen Soll-Sicherheit νH 23
Der leichte Anstieg des Verh¨ altnisses f¨ ur den 6. Gang ber¨ ucksichtigt in Erweiterung zu Lechner & Naunheimer [1994] dessen hohen Nutzungsanteil.
4.3 Auslegung von Verzahnungen
181
Abb. 4.55. Anhaltswerte f¨ ur das Verh¨ altnis b/d1
2 Tnenn imax − 1 · d31 (b/d1 ) imax 2 2 2 ≤ σH,lim · (ZNT ZL ZR ZV ZW ZX ) · νH . 2
2 σH = (ZH ZE Z Zβ ) ·
· (KA KV KHα KHβ ) (4.36)
Die Tatsache, dass sich der Achsabstand a unter der Annahme einer Geradverzahnung24 als Summe der W¨ alzkreisradien von Ritzel und Rad errechnen l¨asst, 2 a = d1 +d2 , und dass das Verh¨ altnis der Durchmesser von Rad und Ritzel der zu realisierenden Maximal¨ ubersetzung imax entspricht, f¨ uhrt zun¨achst auf den Teilkreisdurchmesser d1 , d1 = 2 a/(1 − imax ) ,
(4.37)
Einsetzen in (4.36) und Aufl¨ osen nach dem Achsabstand a ergibt v u 2 u (ZH ZE Z Zβ )2 (KA KV KHα KHβ ) (imax − 1)4 Tnenn νH 3 a≥t · · .(4.38) 2 2 |imax | 4 (b/d1 ) (ZNT ZL ZR ZV ZW ZX ) · σH,lim ¨ Werte f¨ ur die Faktoren, die in (4.38) f¨ ur die Uberschlagsrechnung ben¨otigt werden, sind in Tabelle 4.10 angegeben; der Startwert f¨ ur die Auslegung des Verh¨altnisses von Zahnbreite zu Durchmesser (b/d1 ) ist aus Abbildung 4.55 f¨ ur die Absch¨atzung zu u ¨bernehmen. Mit dem Achsabstand nach (4.38) k¨ onnen nun die Teilkreisdurchmesser von ¨ Ritzel und Rad der Verzahnung des Ganges mit der Ubersetzung imax , d1 und d2 festgelegt werden. F¨ ur die u ange, die mit dem gleichen Achs¨brigen G¨ abstand realisiert werden, empfiehlt sich zumindest f¨ ur den zweiten Gang 24
Der Fehler, den man dabei macht, ist hier noch vernachl¨ assigbar; sp¨ ater wird ¨ f¨ ur die erste Uberschlagsrechnung nach Abschnitt 4.3.4 dann die Schr¨ agung der Verzahnung ber¨ ucksichtigt.
182
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Tabelle 4.10. Startwerte der Einflussfaktoren zur Achsabstandsberechnung (4.38) Einflussfaktor KA KV , KHβ , KHα ZH ZE Z Zβ Z L , ZR , ZV ZNT , ZW , ZX σH,lim νH
Startwert zur Ermittlung der Hauptabmessungen 0,65 f¨ ur PKW oder 0,85 f¨ ur LKW; jew. nach DIN 3990, Teil 41 1 2,25 bei αn ≈ 20◦ , p β ≈ 15◦ , (x1 + x2 )/(z1 + z2 ) ≈ 0, 15 √ 0, 175 E = 191, 6 N/mm2 f¨ ur Werkstoffpaarung Stahl/Stahl 0,95 0,95 1 1 1800 MPa nach DIN 3990, Teil 41 f¨ ur Werkstoff 16MnCr5 1,2
Abb. 4.56. Vergleich zwischen abgesch¨ atztem und umgesetztem Achsabstand (Nach Lechner & Naunheimer [1994])
und den R¨ uckw¨artsgang eine Kontrolle des gew¨ahlten Achsabstandes durch ¨ Einsetzen der entsprechenden Soll-Ubersetzungen ij , j = 2, . . . , Ns und der Breite-Durchmesser-Verh¨ altnisse b/dj,1 nach Abbildung 4.55. Der nach (4.38) ermittelte Achsabstand ist nur eine erste Absch¨atzung f¨ ur ¨ diese charakteristische Gr¨ oße eines Getriebes bzw. einer Ubersetzungsgruppe. Demzufolge zeigt Abbildung 4.56 exemplarisch bewertete Getriebe; die Korrekturen des Sch¨ atzwertes nach (4.38) gehen demnach sowohl zu kleineren als auch zu gr¨oßeren Abmaßen bei der Umsetzung. Anmerkung 4.10 Man beachte, dass bei vielen Fahrzeugen im ersten Gang das Motormoment elektronisch begrenzt wird. Zum einen ist dies notwendig, um die im Getriebe wirkenden Kr¨ afte zu begrenzen. Zum anderen ist
4.3 Auslegung von Verzahnungen
183
Tabelle 4.11. Zeitfestigkeits-Gr¨ ubchenfestigkeit σH,lim (Nach Lechner & Naunheimer [1994]) Gang 1. Gang 2. Gang Weitere G¨ ange σH,lim [MPa] 1800 1600 1200
vor allem bei frontgetriebenen Fahrzeugen oft nicht das volle Motormoment u 2 ¨bertragbar, da die Rutschgrenze der Reifen (3.18) u ¨berschritten wird. Absch¨ atzung der erforderlichen Zahnbreite Neben der u agigen Auslegung des erforderlichen Achsabstands nach ¨berschl¨ (4.38) nimmt die Festlegung der Verzahnungsbreiten eine weitere wichtige Rolle bei der Getriebedimensionierung ein, entscheiden doch die Zahnbreiten u ¨ber die Baul¨ange eines Getriebes. Die Zahnbreite b1,1 des Ritzels des ersten Ganges ergibt sich mit dem in (4.38) ¨ angenommenen Verh¨ altnis b/d1 f¨ ur die Uberschlagsrechnung auch wieder bei Annahme einer Geradverzahnung zu b1,1 = (b/d1 ) · d1 = 2 · (b/d1 ) · a/(1 − imax ) . F¨ ur die Zahnbreiten der Ritzel bj,1 der G¨ ange j = 2, . . . , Ns kann man aus (4.36) die folgende Absch¨ atzung der Zahnbreiten gewinnen, die notwendigen Festigkeitskennwerte σH,lim f¨ ur die Auslegung sind in Tabelle 4.11 angegeben, 2
bj,1 ≥
2 (ZH ZE Z Zβ ) (KA KV KHα KHβ ) ij − 1 2 Tnenn νH · · . (4.39) 2 2 2 ij dj,1 (ZNT ZL ZR ZV ZW ZX ) · σH,lim
¨ ij , j = 2, . . . , Ns und des NennEinsetzen der jeweiligen Soll-Ubersetzungen moments der h¨oheren G¨ ange ergibt dann die Ritzelbreiten. Man beachte, dass jeweils der entsprechende Teilkreisdurchmesser dj,1 des Ritzels nach (4.37) zu verwenden ist. Mit den Startwerten aus Tabelle 4.10, die zur Auslegung des Achsabstandes nach (4.38) angegeben wurden, kann man (4.39) nach Lechner & Naunheimer [1994] weiter vereinfachen und erh¨alt die Verzahnungs¨ breite in mm f¨ ur den Gang j mit einer Ubersetzung ij zu ( 2 0, 65 N/mm PKW ∗ ∗ Tnenn (ij + 1) bj,1 = 427 800 KA 2 mit K = (4.40) A 2 2 dj,1 ij σH,lim 0, 85 N/mm LKW, wobei das Auslegungsmoment der Verzahnungsstufe Tnenn wieder in Nmm einzusetzen ist; die Angabe der Dimensionen des modifizierten Anwendungs∗ faktors KA in (4.40) ber¨ ucksichtigt diese Vorgaben bereits. Um die verschiedenen Belastungscharakteristiken – insbesondere die Laufstrecken bzw. Streckenanteile – der verschiedenen G¨ ange bei der Auslegung ber¨ ucksichtigen zu
184
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben Tabelle 4.12. Auslegungs¨ ubersetzungen Variante 1. Gang 1 3,77 2 3,92 Achs¨ ubersetzungen
2. 3. 4. 5. 2,04 1,321 0,95 0,755 2,04 1,365 1,05 0,846 3,1 3,3 3,5 3,7
6. R 0,62 3,54 0,71 3,75 3,9
k¨onnen, nimmt man h¨ aufig schon bei der Auslegung eine k¨ urzere Lebensdauer des ersten und zweiten Ganges in Kauf, um die Zahnbreiten gering halten zu k¨onnen. Dies wird u ubchentragf¨ahigkeit des Werkstoffs ¨ber die reduzierte Gr¨ σH,lim ber¨ ucksichtigt, vgl. Tabelle 4.11, die f¨ ur die Auslegung der wenig genutzten G¨ange nach (4.39) verwendet wird. Bei der Zahnbreitenermittlung muss die unterschiedliche Vorgehensweise bei ¨ ¨ Ubersetzungen ins Langsame oder ins Schnelle beachtet werden: F¨ ur Ubersetzungen ins Schnelle, −1 < i < 0, muss das Moment zun¨achst mit der ¨ Soll-Ubersetzung isoll auf die getriebene Welle umgerechnet werden, um dann ∗ die Beziehung (4.39), die f¨ ur die Ritzelbreite gilt, mit Tnenn = Tnenn · isoll und −1 ∗ isoll = isoll anwenden zu k¨ onnen. Auslegungsaufgabe 4.2 Getriebehauptabmessungen F¨ ur das Getriebe nach Abbildung 2.21 sollen die Achsabst¨ande f¨ ur ein Nennmoment von 400 Nm an der Eingangswelle ausgelegt und die Zahnbreiten zur Ermittlung der Getriebel¨ ange abgesch¨ atzt werden. Tabelle 4.12 nach B¨ onning et al. [2004] enth¨ alt die Auslegungs¨ ubersetzungen, die das Anwendungsspektrum abdecken. Der Einsatzstahl 16MnCr5 soll f¨ ur die Zahnr¨ader verwendet werden. ¨ Stufungstyp Handelt es sich bei den Ubersetzungen in Tabelle 4.12 um eine progressive oder geometrische Gangstufung? Festlegung der Auslegungsmomente Man bestimme ausgehend vom Mo¨ tornennmoment die relevanten Auslegungsmomente und Ubersetzungen zur Festlegung der Achsabst¨ ande ainp−msu zwischen Eingangswelle und oberer Hauptwelle, ainp−msl zwischen Eingangswelle und unterer Hauptwelle sowie amsu−diff und amsl−diff zwischen den Hauptwellen und der Differentialwelle, vgl. Abbildung 4.57. Auf der oberen Hauptwelle befinden sich der R¨ uckw¨ artsgang sowie der 3. und 4. Vorw¨artsgang. Auf der unteren Hauptwelle sind 1., 2., 5. und 6. Gang angeordnet. Welche Bedingung muss an die vier Achsabst¨ande formuliert werden, wenn die Antriebsritzel beider Hauptwellen in ein gemeinsames Differentialringrad eingreifen sollen; man vergleiche auch Abbildung 2.21 und 2.22 zur Veranschaulichung der r¨ aumlichen Wellenanordnungen. Achsabst¨ ande Man ermittle die ungef¨ ahren Achsabst¨ande des Getriebes. Dabei ist zu beachten, dass das treibenden Rad des dritten Gangs auch
4.3 Auslegung von Verzahnungen
185
Abb. 4.57. Schematischer Schnitt durch die Wellen des Getriebes nach Abbildung 2.21 und 2.22.
den f¨ unfte Gang angetreibt. Was bedeutet dies f¨ ur die Auslegung und wie ber¨ ucksichtigt man diese Forderung? Verzahnungsbreiten Man ermittle die notwendigen Verzahnungsbreiten aller Vorw¨artsg¨ange der unteren Hauptwelle, um die Baul¨ange des Getriebes absch¨atzen zu k¨ onnen. Was ist bei den Verzahnungen der oberen Hauptwelle zu beachten? ♠ Auslegung eines Zahnradpaares bei gegebenem Achsabstand und ¨ Soll-Ubersetzung Hat man wie zuvor besprochen f¨ ur ein Fahrzeuggetriebe den Achsabstand und die notwendigen Verzahnungsbreiten u ¨berschlagsm¨aßig ermittelt, ist der n¨achste Schritt die Suche nach einer geeigneten Kombination der Z¨ahnezahlen von Ritzel und Rad. In der Praxis kommt zudem aufgrund der schon angesprochen langen Produktionszeitr¨ aume von Getrieben h¨aufig die Frage auf, wie man innerhalb eines bestehenden Getriebes durch einfache Modifikationen der Verzahnungsdaten bei m¨ oglichst gleichen Zahnradrohlingen neue ¨ Ubersetzungen darstellen kann, Achsabstand und Verzahnungsbreiten sind dann vorgegeben. ¨ Der erste Schritt ist bei einer gegebenen Soll-Ubersetzung isoll < 0 die Suche nach einer Kombination von zwei teilerfremden Z¨ahnezahlen z1 und z2 f¨ ur Ritzel und Rad. Dabei gilt f¨ ur das Z¨ ahnezahlverh¨altnis u die Forderung
186
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Tabelle 4.13. Anhaltswerte f¨ ur das Verh¨ altnis Zahnbreite zu Normalmodul b/mn . Je besser die Lagerverh¨ altnisse sind, um so kleiner kann der Modul mn im Verh¨ altnis zur Zahnbreite b gew¨ ahlt werden. Anwendung Werkzeugmaschinenbau Fahrzeuggetriebe Lagerung in Stahl-(tr¨ ager) Konstruktionen Gute Lagerung in Getriebek¨ asten Starre Lagerung
u=
z2 ≈ −isoll z1
oder
b/mn 5, . . . , 10 7, . . . , 12 10, . . . , 15 15, . . . , 25 25, . . . , 40
|u + isoll | = |z2 /z1 + isoll | ≤ T OL ,
¨ wobei T OL eine gegebene Toleranz f¨ ur die Abweichung der Ist-Ubersetzung ¨ u von der Soll-Ubersetzung ist und die Ritzelz¨ahnezahl z1 < z2 die untere Grenzz¨ahnezahl zgrenz = 13 nicht unterschreiten soll. Um den Normalmodul zu bestimmen, wird aus der Gleichung f¨ ur die Beanspruchung auf Fl¨achenpressung (4.32) mit (4.34) wieder eine Auswahlgleichung abgeleitet. Dazu muss man das Verh¨ altnis b/mn der Zahnbreite zum gesuchten Normalmodul absch¨atzen, nach Tabelle 4.13 ist b/mn = 10 f¨ ur Fahrzeuggetriebe ein guter Startwert, den man in vielen ausgef¨ uhrten Verzahnungen wiederfindet. Ber¨ ucksichtigt man mit Blick auf die bereits abgeleitete Beziehung (4.36) den Zusammenhang zwischen dem Teilkreisdurchmesser und der Z¨ahnezahl ¨ d1 = z1 · mn und ersetzt die maximale Ubersetzung imax durch das gew¨ahlte Z¨ahnezahlverh¨ altnis u, so erh¨ alt man aus (4.36) eine Gleichung f¨ ur den erforderlichen Normalmodul unter der Annahme einer Geradverzahnung v u 2 u (ZH ZE Z Zβ )2 (KA KV KHα KHβ ) u + 1 2 Tnenn νH 3 mn ≥ t · · 2 . (4.41) 2 2 u z1 (b/mn ) (ZNT ZL ZR ZV ZW ZX ) · σH,lim Die Startwerte nach Tabelle 4.10 werden auch in (4.41) verwendet, so erh¨alt man eine Absch¨ atzung zur Wahl des Normalmoduls. Gerade bei mehrfach ¨ verwendeten Zahnr¨ adern sind die verschiedenen Ubersetzungen, die mit einem Rad oder Ritzel realisiert werden sollen, einzeln zu u ufen, vgl. ¨berpr¨ Auslegungsaufgabe 4.3. Bei der Wahl des Moduls25 mn ist f¨ ur einen ruhi25
Die DIN 780 gibt f¨ ur den Maschinenbau zwei Modulreihen vor. Nach Reihe 1 (Vorzugsreihe) sind zul¨ assig die folgenden Normalmoduli in mm: 0,5; 0,6; 0,7; 0,8; 0,9; 1,0; 1,25; 1,5; 2,0; 2,5; 3,0; 4,0; 5,0; 6,0; 8,0; 10,0; 12,0; 16,0; usw. Nach Reihe 2 sind m¨ oglich, aber f¨ ur Neukonstruktionen nicht empfohlen: 0,55; 0,65; 0,75; 0,85; 0,95; 1,125; 1,375; 1,75; 2,25; 2,75; 3,5; 4,5; 5,5; 7,0; 9,0; 11,0; 14,0; usw. F¨ ur diese Moduli gibt es standardisierte Werkzeuge. Im Fahrzeuggetriebebau hingegen wird h¨ aufig aufgrund der hohen St¨ uckzahlen von diesen Vorgaben abgewichen, da man ohnehin auf Sonderwerkzeuge angewiesen ist und so die Vorteile einer freien Modulwahl keinen wesentlichen Kostennachteil in der Fertigung bedeuten.
4.3 Auslegung von Verzahnungen
a)
187
b)
Abb. 4.58. Definition der Steigungsrichtung bei Außenverzahnungen: a) links steigend, b) rechts steigend (Aus Steinhilper & Sauer [2006])
gen Lauf m¨oglichst klein zu w¨ ahlen. Er ist nach unten durch die Zahnfußtragf¨ahigkeit – vgl. (4.28), (4.29) und (4.30) –, die G¨ ute der Lagerung und die Fertigungsm¨oglichkeiten und nach oben durch die Mindestz¨ahnezahl begrenzt. Die letzten, zur Festlegung eines Zahnrades f¨ ur eine Getriebekonstruktion fehlenden Gr¨oßen sind der Schr¨ agungswinkel β sowie die Schr¨agungsrichtung, vgl. Abbildung 4.58. Schr¨ agverzahnungen werden insbesondere zur Vermeidung von Eingriffsst¨oßen und den resultierenden Getriebeger¨auschen angewendet, vgl. Abschnitt 9.6.1. Das oft bei kleineren Fahrzeugen noch zu beanstandende Heulen im R¨ uckw¨ artsgang ist eine Folge der verwendeten Geradverzahnung, β = 0. H¨aufig – man denke an die Ausf¨ uhrungen zum R¨ uckw¨artsgangkonzept des Getriebes nach Abbildung 2.20, vgl. Tabelle 2.2 – ist jedoch eine Geradverzahnung f¨ ur die Funktion bzw. Schaltbarkeit des R¨ uckw¨artsgangs bei Nutzung eines Schieberades eine notwendige Bedingung. Bei manchen Getrieben wird bei gerade verzahnten R¨ uckw¨ artsg¨ angen mit angespitzen Z¨ahnen gearbeitet, die u ¨ber die resultierende Axialkraft bei Momentenbelastung das Schieberad axial an seiner Anlauffl¨ ache halten, vgl. Abbildung 4.59, und das Einspuren erleichtern. Nach Niemann [1989] liegt das Optimum des Schr¨agungswinkels bez¨ uglich Ger¨auschentwicklung bei etwa 30◦ , was allerdings, vgl. (4.66), zu erheblichen axialen Kr¨aften f¨ uhrt, welche die Lager stark beanspruchen. Ein akzeptables Ergebnis wird meist erreicht, wenn man den Schr¨agungswinkel zun¨achst zu β = 15◦ und somit einen vertretbaren Kompromiss zwischen Ger¨ausch und Axialkraft w¨ ahlt. Kann die im Folgenden zu formulierende Bedingung der Sprung¨ uberdeckung, vgl. (4.48), anderweitig erf¨ ullt werden, so kann der Schr¨agungswinkel auch kleiner gew¨ ahlt werden, um die Axialkr¨afte aus der Verzahnung zu reduzieren. Da bei Fahrzeuggetrieben i.d.R. mehrere R¨ader auf einer Welle angeordnet sind, wird zur Reduktion der Axiallast auf die Lager der Wellen wenn m¨ oglich eine einheitliche Schr¨agungsrichtung aller R¨ader
188
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.59. Anspitzung des Treiberritzels eines geradverzahnten R¨ uckw¨ artsganges
auf einer Welle gew¨ ahlt. Bei gleichsinnig orientierter Schr¨agung der Verzahnungen auf einer Welle kompensieren sich die Axialkr¨afte von treibendem und getriebenem Rad teilweise wieder. Um eine eindeutige Positionierung der Losr¨ader innerhalb der Wellen-Zusammenbauten zu erreichen, empfiehlt es sich, durch Schr¨ agungswinkeloptimierung nicht alle Axialkraftkomponenten zu eliminieren. Abbildung 4.60 zeigt einen beispielhaften Wellensatz eines 6Gang-Getriebes in Dreiwellenbauweise. Zu erkennen ist an der rechts im Bild gezeigten Welle die wechselnde Schr¨ agungsrichtung eines Rades, es handelt sich hierbei um das Losrad des R¨ uckw¨ artsganges, das R¨aderschema ist a¨hnlich zu den Abbildungen 2.21 und 3.7. Der zweite bestimmende Winkel einer Verzahnung ist der Normaleingriffswinkel αn . Die DIN 3990 gibt f¨ ur Evolventenverzahnungen als einzigen Wert αn = 20◦ an, bei Fahrzeuggetrieben wird jedoch davon abgewichen; durch die hohen St¨ uckzahlen und die Besonderheiten hochgradig optimierter Verzahnungen werden hier ohnehin Sonderwerkzeuge genutzt, die abweichende Normaleingriffswinkel erm¨ oglichen. Vom Normaleingriffswinkel werden einige Gr¨oßen in den verschiedenen Schnitten zur Berechnung der letztendlichen Zahntragf¨ahigkeit und damit der wirkenden Spannungen abgeleitet. Anmerkung 4.11 R¨ uckblickend kann festgestellt werden, dass beim Getriebe des Porsche 928 nach Abbildung 2.5 eine erhebliche Optimierung der Schr¨agungswinkelkombinationen notwendig war, um eine fast durchg¨angige Eliminiation der Axialkr¨ afte zu erzielen. 2 Im Normalfall unterscheidet sich die aus den Z¨ahnezahlen z1 und z2 , dem gew¨ahlten Normalmodul mn sowie dem Schr¨ agungswinkel β ergebende W¨alzkreissumme vom gew¨ ahlten Achsabstand, dw1 + dw2 6= 2 a; die resultierende Differenz ist also durch Profilverschiebung der Verzahnungswerkzeuge zu kompensieren, um die Verzahnung realisieren zu k¨ onnen.
4.3 Auslegung von Verzahnungen
189
Abb. 4.60. Wellensatz eines 6-Gang Schaltgetriebes in Dreiwellenbauweise: Links Hauptwelle mit vier Losr¨ adern, mitte Eingangswelle mit festen Treibern, rechts Hauptwelle mit 2 Vorw¨ arts- und einem R¨ uckw¨ artsgang
Vereinbarungsgem¨ aß ist die Profilverschiebung eines Zahnrades x positiv, wenn das Werkzeug bei der Verzahnungsbearbeitung vom Werkst¨ uck zur¨ uckgezogen wird. Bei negativen Profilverschiebungen wird das Werkzeug zum Rad hin verschoben. Den prinzipiellen Einfluss der Profilverschiebung auf die Zahnform – das “dicker”- bzw. “d¨ unner”-Werden der Z¨ahne – zeigt Abbildung 4.61; es ist klar, dass eine positive Profilverschiebung zu einem dickeren Zahn und damit u oßere Biegesteifigkeit zu reduzierten Span¨ber dessen gr¨ nungen am Zahnfuß f¨ uhrt. Bei einer negativen Profilverschiebung werden die Z¨ahne schmaler und verbiegen sich bei gleicher Kraft st¨arker; hier ist insbesondere darauf zu achten, dass die Zahnfußbeanspruchung nicht u ¨berschritten wird. Außerdem kann es bei negativer Profilverschiebung leichter zu Eingriffsst¨orungen kommen. Die “weicheren” Z¨ ahne wirken sich allerdings positiv auf das Ger¨auschverhalten aus. Bevor die Profilverschiebungssumme als Schl¨ ussel zur Erreichung des gew¨ahlten Achsabstands errechnet wird, m¨ ussen noch einige geometrische Kenngr¨oßen der Verzahnung aus den bisher festgelegten Gr¨oßen abgeleitet werden. Den Eingriffswinkel im Stirnschnitt am Teilkreis αt errechnet man zu tan(αt ) = tan(αn )/ cos(β) ,
(4.42)
und den Betriebseingriffswinkel im Stirnschnitt αwt erh¨alt man aus cos(αwt ) =
(z1 + z2 ) · mn cos(αt ) · . 2a cos(β)
(4.43)
Wie man erkennt, gehen bei der Berechnung von αwt bereits der gew¨ahlte Achsabstand a sowie die Z¨ ahnezahlsumme z1 +z2 ein. Mit den beiden Winkeln
190
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.61. Einfluss der Profilverschiebung auf die Zahnform
aus (4.42) und (4.43) kann man nun die gesuchte Profilverschiebungssumme ausrechnen; dabei sind die Winkel αt und αwt im Bogenmaß einzusetzen26 , x1 + x2 =
z1 + z2 · (tan(αwt ) − αwt − tan(αt ) + αt ) . 2 tan(αn )
(4.44)
Die Profilverschiebungssumme kann zur gezielten Beeinflussung der Eigenschaften des Radpaares bzw. der R¨ aderkette genutzt werden, f¨ ur hohe Tragf¨ahigkeiten ist eine Profilverschiebungssumme x1 + x2 = 0, 6 . . . 1, 4 vorteilhaft. Sollte die errechnete Profilverschiebungssumme zum Erreichen des gew¨ahlten Achsabstandes a betragsm¨ aßig gr¨ oßer als zwei sein, |x1 + x2 | ≥ 2, so sollte bereits an dieser Stelle die Wahl der Z¨ ahnezahlen, des Schr¨agungswinkels, des Normalmoduls und des Achsabstandes u ¨berdacht werden. In vielen F¨allen ist beispielsweise durch eine leichte Korrektur der Z¨ahnezahl des Großrades eine Verbesserung hin zu u ¨blichen Profilverschiebungssummen zu erreichen. Die Aufteilung der Profilverschiebungssumme auf Rad und Ritzel wird z.B. bei Niemann [1989] oder Linke [1996] erl¨ autert. Hier wird nur auf die Aspekte bei m¨oglichen Mehrfachverwendungen von Zahnr¨adern eingegangen. Bei Mehrfachverwendungen wie etwa beim Treiber des F40-Getriebes von GM Powertrain Europe nach Abbildung 2.21, der sowohl den dritten als auch den f¨ unften Gang antreibt, greift das Zahnrad bei zwei verschiedenen Achsabst¨anden in zwei verschiedene Losr¨ ader mit unterschiedlichen Z¨ahnezahlen ein, Auslegungsaufgabe 4.3 vertieft diese spezielle Auslegungsfrage. F¨ ur jeden Achsabstand und jede Z¨ ahnezahlsumme ergibt sich aber eine resultierende Profilverschiebungssumme. Die Profilverschiebung des gemeinsamen Treibers x3/5,1 und die Profilverschiebungen beider getriebener R¨ader x3,2 und x5,2 sind 26
Der Ausdruck tan(α)−α entspricht dabei der Involut-Funktion inv(α), der bei der geometrischen Analyse der Evolventenverzahnung eine zentrale Rolle zukommt.
4.3 Auslegung von Verzahnungen
191
Abb. 4.62. Verzahnungsqualit¨ aten 1 bis 12 nach DIN 3962: a) nach Anwendungsgebieten, b) nach Umfangsgeschwindigkeit am Teilkreis, c) nach Herstellungsverfahren
dann so zu w¨ahlen, dass das gemeinsame Ritzel und beide Losr¨ader schließlich alle hier vorgestellten Dimensionierungskriterien und die entsprechenden Lebensdaueranforderungen des Fahrzeuggetriebes erf¨ ullen. Letzter Punkt bei der Festlegung einer Verzahnung f¨ ur einen Getriebeentwurf ist die wirtschaftlich und technisch sinnvolle Verzahnungsqualit¨at nach DIN 3962 Teil 1-3, vgl. Abbildung 4.62. Die verschiedenen Qualit¨atsstufen unterscheiden sich hinsichtlich der zul¨ assigen geometrischen Formabweichungen des Einzelrades vom mathematischen Ideal, z.B. der Balligkeiten und der Flankenlinienformabweichungen, aber auch in den erreichbaren Spielen von R¨aderpaaren oder Stirnradketten. Die Spiele gehen maßgeblich in das Ger¨auschbild eines Fahrzeuggetriebes ein, zu geringe Spiele k¨onnen die Gefahr von Fressern steigern. Wichtig ist f¨ ur das Folgende die Festlegung der Qualit¨at unter Ber¨ ucksichtigung der Umfangsgeschwindigkeiten, um die u ¨berschl¨agige Nachweisrechnung f¨ ur die Radpaare durchf¨ uhren zu k¨onnen; i.d.R. sind bei der Festlegung der Verzahnungsqualit¨ at auch Vorgaben aus der Fertigung zu ber¨ ucksichtigen. Allgemeine Details zur Definition der Verzahnungsqualit¨aten finden sich beispielsweise bei Linke [1996]. ¨ Die folgenden Abschnitte 4.3.3 bis 4.3.4 dienen der Uberpr¨ ufung der getroffenen Auswahl auf ihre Funktionsf¨ ahigkeit hin und ergeben z.B. Verzahnungskr¨afte, die zur Auswahl und Lebensdauerabsch¨atzung von W¨alzlagern aber auch zur Dimensionierung von Wellen und Geh¨ausen notwendig sind.
192
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
¨ 4.3.3 Uberpr¨ ufung der Vorauslegung ¨ F¨ ur die erste Uberpr¨ ufung der Verzahnung m¨ ussen noch einige Hilfsgr¨oßen ermittelt werden. Da die W¨ alzkreisdurchmesser auch zur Bestimmung der wirkenden Verzahnungskr¨ afte ben¨ otigt werden, k¨onnen diese nach dw1 =
mn · z1 · cos(αt ) cos(β) · cos(αwt )
und dw2 =
mn · z2 · cos(αt ) cos(β) · cos(αwt )
(4.45)
errechnet werden, die Probe f¨ ur den Achsabstand !
2 a − dw1 − dw2 = 0 ¨ muss im Rahmen einer recht engen Toleranz erf¨ ullt sein. Um die Uberdeckungskriterien der Verzahnung zu u ufen, m¨ ussen die Grundkreisdurchmesser ¨berpr¨ von Rad und Ritzel db1 und db2 bekannt sein, db1 = z1 ·
mn · cos(αt ) cos(β)
und db2 = z2 ·
mn · cos(αt ) , cos(β)
außerdem erh¨alt man die Kopfkreisdurchmesser da1 und da2 zu z1 z2 da1 = mn · 2 + und da2 = mn · 2 + . cos(β) cos(β)
(4.46)
(4.47)
¨ Zur Uberpr¨ ufung der Verzahnung werden die Sprung¨ uberdeckung β , β = b · sin(β)/ (π · mn ) ,
(4.48)
und Profil¨ uberdeckung α herangezogen; beide geometrische Kenngr¨oßen werden z.B. von Linke [1996] oder Roth [2001] ausf¨ uhrlich erl¨autert w¨ahrend die Diskussion hier auf die Erf¨ ullung wichtiger Pr¨ ufkriterien beschr¨ankt ist. Die in (4.46) und (4.47) ermittelten Grund- und Kopfkreisdurchmesser von Rad und Ritzel erlauben eine vergleichsweise einfache Berechnung der Profil¨ uberdeckung27 , p p cos(β) · d2a1 − d2b1 + d2a2 − d2b2 − (z1 + z2 ) · mn · sin(αt ) α = .(4.49) 2 · π · mn · cos(αt ) Die Profil¨ uberdeckung α ist ein Maß f¨ ur die Anzahl der im Eingriff befindlichen Z¨ahne. Wenn die Profil¨ uberdeckung α ganzzahlig ist, so sind immer gleichbleibend viele Z¨ ahne im Eingriff. F¨ ur Fahrzeuggetriebe wird i.d.R. die Forderung α ≥ 1, 4 gestellt, um einen ruhigen Lauf zu gew¨ahrleisten. Ferner wird eine Sprung¨ uberdeckung β ≥ 1 f¨ ur eine ger¨auschunempfindliche Verzahnung gefordert. 27
Alternative Berechnungsvorschriften erfordern die Bestimmung zus¨ atzlicher geometrischer Kenngr¨ oßen, was f¨ ur die Erst¨ uberpr¨ ufung nicht notwendig ist.
4.3 Auslegung von Verzahnungen
193
Die formulierten Anforderungen an die Profilverschiebungssumme (4.44), die Sprung¨ uberdeckung (4.48) und die Profil¨ uberdeckung (4.49) sind nur drei grobe, erste Pr¨ ufkriterien. Weitere Kriterien wie z.B. das spezifische Gleiten – eine dimensionslose Gleitgeschwindigkeit f¨ ur den W¨alzkontakt an den Zahnflanken – sind prinzipiell f¨ ur eine gew¨ ahlte Verzahnung zu u ufen, bei festgestell¨berpr¨ ten Defiziten ist die Wahl der Verzahnungsparameter zu korrigieren. Auslegungsaufgabe 4.3 Auslegung von Verzahnungskenngr¨ oßen F¨ ur das in Auslegungsaufgabe 4.2 betrachtete Getriebekonzept soll nun die Verzahnung f¨ ur den dritten und f¨ unften Gang mit dem doppelt verwendeten Ritzel bewertet werden, um die Machbarkeit der Doppelverwendung zu u ufen. ¨berpr¨ Z¨ ahnezahlen Bestimmen Sie f¨ ur Variante 1 oder 2 aus Tabelle 4.12 m¨ogliche Z¨ahnezahlkombinationen, die die in Abschnitt 4.3.2 besprochenen Anforderungen erf¨ ullen. Vordimensionierung einer Verzahnung Man bestimme f¨ ur die Achsabst¨ande ainp−msl = 83 mm und ainp−msu = 108 mm nach B¨ onning et al. [2004] mit den zuvor ermittelten Z¨ ahnezahlen Anhaltswerte f¨ ur einen passenden Modul. Profilverschiebungssummen F¨ ur die Ritzel-Rad Kombinationen von drittem und f¨ unftem Gang sollen die Profilverschiebungssummen errechnet werden. Dabei soll von einer Verzahnungsbreite b = 18 mm, einem Schr¨agungswinkel β = 20◦ , einem Normeingriffswinkel αn = 17◦ und einem Normalmodul mn = 1.64 mm ausgegangen werden. Profil- und Sprung¨ uberdeckung Man bestimme f¨ ur die Verzahnung die Profil¨ uberdeckung α nach (4.49) und die Sprung¨ uberdeckung β nach (4.48) mit mn = 1.64 mm. Wie gut sind die Anforderungen erf¨ ullt? Verzahnungskr¨ afte Um das Getriebe weiter konzipieren zu k¨onnen, werden f¨ ur die gew¨ahlte Verzahnung die Verzahnungskr¨afte bei einem Auslegungsmoment von 400 Nm ben¨ otigt. ♠ 4.3.4 Nachweisrechung von Zahnfuß- und Zahnflankentragf¨ ahigkeit f¨ ur die Nominaldaten einer Verzahnung ¨ Zur vollst¨andigen Uberpr¨ ufung von Verzahnungen auf ihre prinzipielle Anwendbarkeit ist unter Annahme einer einstufigen Beanspruchung der einfache Tragf¨ahigkeitsnachweis, der auf dem Formelwerk der DIN 3990 aufbaut, vgl. auch Auslegungsaufgabe 4.4, ausreichend. Dabei wird basierend auf einer synthetischen W¨ohlerlinie des Verzahnungswerkstoffs, vgl. Abbildung 4.63, eine einstufige Betriebsfestigkeitsrechnung durchgef¨ uhrt, die auf den Dauerfestigkeitskennwerten, vgl. z.B. Tabelle 4.14, aufbaut28 . F¨ ur komplex beanspruchte 28
Die Diskrepanz der Neigungsexponenten der W¨ ohlerlinie zwischen Abbildung 4.63 und Tabelle 4.14 erkl¨ art sich durch die unterschiedlichen Quellen.
194
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
¨ Abb. 4.63. W¨ ohlerlinien mit 90% Uberlebenswahrscheinlichkeit f¨ ur verschiedene Werkstoffe und Schadensf¨ alle (Aus Lechner & Naunheimer [1994])
Abb. 4.64. Zeitanteile der einzelnen G¨ ange f¨ ur ein 5-Gang-PKW-, ein 6-GangPKW- und ein 8-Gang-Nutzfahrzeuggetriebe bei Fahrt auf bergigen Landstraßen
Verzahnungen, etwa bei doppelt verwendeten treibenden Zahnr¨adern, bei Differentialantrieben oder -ringr¨ adern, die in mehreren G¨angen beansprucht werden, ist unter Ber¨ ucksichtigung der verschiedenen Laufzeitanteile der einzelnen G¨ange, vgl. Abbildung 4.64, ein voller Betriebsfestigkeitsnachweis notwendig, dem eine entsprechenden Schadensakkumulationshypothese hinterlegt ist. Die dazu notwendige Reduktion des Beanspruchungskollektivs auf eine sch¨adigungs¨aquivalente einstufige Belastung wird erg¨anzend in Abschnitt A.2.5 besprochen und in Auslegungsaufgabe 4.5 an einem Beispiel vertieft. Eine Nachweisrechnung endet u ¨blicherweise mit der Angabe von Ist-Sicherheiten und Ausnutzungsgraden der Form (4.30) bzw. (4.34).
4.3 Auslegung von Verzahnungen
195
F¨ ur die Nachweisrechnung bei ein- und mehrstufiger Beanspruchung m¨ ussen die Beziehungen f¨ ur die Zahnfußbeanspruchung σF nach (4.28) und die Zahnflankenbeanspruchung σH nach (4.32) sowie die Gleichungen f¨ ur die entsprechenden Festigkeitskennwerte KFG und KHG nach (4.29) und (4.33) pr¨azisiert werden. Die Koeffizienten, die auf Seite 180 noch u ¨ber Tabelle 4.10 als Vorgabewerte angegeben waren, m¨ ussen konkretisiert werden. Im Folgenden werden die Gleichungen aus der Literatur – vgl. z.B. Linke [1996], Roth [2001], Steinhilper & Sauer [2006], Muhs et al. [2005] – zusammengetragen, die eine schnelle Berechnung bzw. Ermittlung der verschiedenen Einflussfaktoren erm¨ oglichen. Dabei wird auf das Ablesen von Diagrammen verzichtet; der Preis, der hierf¨ ur zu zahlen ist, ist die Einf¨ uhrung weniger vereinfachender Annahmen. Das vorgestellte Formelwerk ist nutzbar, um fr¨ uhzeitig Potentialabsch¨ atzungen treffen zu k¨onnen, kann aber ausdr¨ ucklich nicht zur Optimierung von Detailgr¨ oßen verwendet werden. Einige Faktoren erfordern die Berechnung weiterer Hilfsgr¨oßen; solange dies mit wenig Aufwand machbar ist, werden die Gleichungen vorgestellt. Einzelne Einflussfaktoren k¨onnen jedoch nur durch aufw¨ andige Gleichungen bestimmt wer¨ den, die u ufung einer Verzahnungswahl auf ¨ber die hier angestrebte Uberpr¨ ihre Funktionsf¨ahigkeit deutlich hinaus gehen; in diesen F¨allen wird mit den Startwerten aus Tabelle 4.10 weiter gearbeitet. Die Faktoren werden dabei stichwortartig aufgelistet, die Reihenfolge orientiert sich an den Beziehungen (4.28), (4.32), (4.29) und (4.33) und erm¨ oglicht die Auswertung der Festigkeitsbedingungen f¨ ur die Zahnfußfestigkeit bzw. Zahnbruch (4.30) und Zahnflankenfestigkeit (4.34). Die Gr¨ oßen, die im Rahmen der Vordimensionierung ¨ nach Abschnitt 4.3.2 bzw. der Erst-Uberpr¨ ufung wichtiger Kenngr¨oßen in Abschnitt 4.3.3 errechnet wurden, werden nicht noch einmal aufgef¨ uhrt. Anmerkung 4.12 Man beachte, dass die im Folgenden angegebenen Gleichungen i.d.R. f¨ ur Rad und Ritzel bzw. bei Stirnradketten f¨ ur alle Einzelr¨ader ausgewertet werden m¨ ussen, so z.B. der Kopffaktor YFS nach (4.52) mit den Z¨ahnezahlen z1 und z2 und den Profilverschiebungen x1 und x2 . 2 Anmerkung 4.13 In der folgenden Auflistung der Faktoren werden einige Gr¨oßen, die in Tabelle 4.10 vereinfachend gleich der Identit¨at gestezt wurden, nicht pr¨azisiert sondern beim Wert 1 belassen. Diese auf den ersten Blick unn¨otige Aufwand wird bewusst betrieben, um die Kompatibilit¨at mit den g¨angigen Normen zu gew¨ ahrleisten. 2 Anmerkung 4.14 F¨ ur (geradverzahnte) Zahnr¨ader aus Sinterwerkstoffen, die durch die Fortschritte in der Sintertechnik, vgl. Sperling [2006], zunehmend an Bedeutung gewinnen, zeichnen sich zwei Probleme bei der Einf¨ uhrung in die Serie ab: Zum einen weichen die Zahngeometrien, die sintertechnisch zu den h¨ ochsten Festigkeitskennwerten f¨ uhren, vom Evolventenprofil ab; die erprobten Berechnungswerkzeuge sind nur bedingt einsetzbar und die Auslegung hochbeanspruchter Verzahnungen entsprechend schwierig.
196
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Tabelle 4.14. Oberfl¨ achenh¨ arte, Zahnfuß- und Zahnflankentragf¨ ahigkeit ausgew¨ ahlter Verzahnungswerkstoffe sowie Neigungsexponenten kF / kH der Zeitfestigkeitslinie (Nach Grote & Feldhusen [2005] und Steinhilper & Sauer [2006]) Werkstoff
Flanken- σF,lim σH,lim Mindeststreck- Neigungsexpoh¨ arte [MPa] [MPa] grenze Rp0,2 nenten kF / kH Verg¨ utungsst¨ ahle, verg¨ utet 34Cr4 225 HV 565 665 460 6,2 / 13,2 34CrMo4 250 HV 585 700 550 6,2 / 13,2 42CrMo4 280 HV 605 740 650 6,2 / 13,2 34CrNiMo6 310 HV 625 785 800 6,2 / 13,2 Verg¨ utungsst¨ ahle, verg¨ utet und nitrocarburiert 20MnCr5 500 HV2 640 800 450 8,4 / 31,4 34Cr4 500 HV2 640 800 460 8,4 / 31,4 34CrMo4 500 HV2 640 800 550 8,4 / 31,4 42CrMo4 500 HV2 640 800 650 8,4 / 31,4 Nitrierst¨ ahle, verg¨ utet und nitriert 34CrMo4 500 HV2 740 1000 550 17,0 / 11,4 34CrNiMo6 500 HV2 740 1000 800 17,0 / 11,4 31CrMoV9 800 HV2 850 1250 800 17,0 / 11,4 15CrMoV5.9 800 HV2 850 1250 700 17,0 / 11,4 Verg¨ utungsst¨ ahle, induktions- oder flammgeh¨ artet 46Cr2 54 HRC 740 1200 400 8,7 / 13,2 41Cr4 53 HRC 740 1185 560 8,7 / 13,2 34CrMo4 50 HRC 720 1155 550 8,7 / 13,2 42CrMo4 53 HRC 740 1185 650 8,7 / 13,2 Einsatzst¨ ahle DIN EN 10 884, einsatzgeh¨ artet 16MnCr5 58 HRC 860 1450 700 8,7 / 13,2 20CrNi6 58 HRC 920 1450 700 8,7 / 13,2 18CrNiMo7-6 58 HRC 920 1450 700 8,7 / 13,2 17CrNiMo6 58 HRC 920 1450 800 8,7 / 13,2
Zum anderen fehlen f¨ ur die Sinterwerkstoffe noch die Beanspruchungsgrenzwerte σH,lim und σH,lim f¨ ur eine zeit- oder dauerfeste Auslegung. 2 Zahnfußbeanspruchung σF nach (4.28) • Der Formfaktor YFa und der Spannungskorrekturfaktor (Kerbformzahl) YSa k¨ onnen nach Steinhilper & Sauer [2006] zusammengefasst werden zum Kopffaktor YFS . Zun¨achst wird daf¨ ur der Grundschr¨agungswinkel βb ben¨ otigt, sin(βb ) = sin β/ cos αn ,
(4.50)
mit diesem werden die Z¨ ahnezahlen der Ersatz-Geradstirnr¨ader znx jeweils f¨ ur Ritzel und Rad nach
4.3 Auslegung von Verzahnungen
znx = z/ cos2 (βb ) cos β
197
(4.51)
bestimmt. Dann errechnet man mit den Profilverschiebungen x der R¨ader die Kopffaktoren YFS nach folgender empirischer N¨aherungsgleichung, vgl. Steinhilper & Sauer [2006, Kap. 15] YFS = YFa · YSa = 3, 467 +
13, 17 x − 27, 91 + 0, 091 x2 . (4.52) znx znx
¨ • Uberdeckungsfaktor Y : Hier gilt mit der Profil¨ uberdeckung α nach (4.49) der Zusammenhang Y = 0, 25 + 0, 75α .
(4.53)
• Schr¨agungsfaktor Yβ : In den Schr¨ agungsfaktor gehen die Sprung¨ uberdeckung β nach (4.48) und der Schr¨ agungswinkel β in Grad, [◦ ], ein: Yβ = 1 − β · β/120◦ .
(4.54)
• Anwendungsfaktor KA : Hier wird f¨ ur die Getriebe verbrennungsmotorisch angetriebener Kraftfahrzeuge von der DIN-Empfehlung, die sich in den Lehrb¨ uchern mit Anhaltswerten KA ≈ 1, 5 niederschl¨agt, deutlich abgewichen. Die tats¨ achliche Beanspruchung wird durch die in Tabelle 4.10 gegebenen Werte f¨ ur die betriebs- und nicht dauerfeste Auslegung nach unten korrigiert, KA = 0, 65 f¨ ur PKW oder KA = 0, 85 f¨ ur LKW ist weiter zu verwenden. • Dynamikfaktor KV : Die sich im Eingriff befindlichen Z¨ahne verhalten sich wie Biegefedern mit ver¨ anderlicher Steifigkeit29 entlang der Eingriffslinie, vgl. Abbildung 9.32. St¨oße beim Zahneingriff, Abweichungen von der idealen Zahnform und Verformungen von Zahnrad, Welle, Lager und Geh¨ ause regen das System zu Schwingungen an, welche dynamische Zusatzkr¨ afte hervorrufen. Der Dynamikfaktor KV erfasst die inneren dynamischen Zusatzkr¨afte, die unter Belastung durch Verformung der Z¨ ahne, Radk¨ orper und s¨amtlicher anderer kraft¨ ubertragender Elemente des Getriebes entstehen und Abweichungen von der theoretischen Zahnform verursachen. F¨ ur die Anwendung in Fahrzeuggetrieben kann folgende Beziehung nach Muhs et al. [2005] verwendet werden, in die mit u.a. das Z¨ ahnezahlverhaltnis u eingeht, s κ1 u2 KV = 1 + + κ3 · 0, 01 · z1 · n1 · dw,1 · π · (4.55) κ2 u+1 Die Hilfsfaktoren κ1 und κ3 in (4.55) erfassen dabei nach Tabelle 4.15 den Einfluss der Verzahnungsqualit¨ at, f¨ ur die bezogene Linienbelastung des Zahnes κ2 mit der Einheit [N/mm] gilt 29
Die Berechnung der Zahnsteifigkeit ist recht aufw¨ andig und wird beispielsweise bei Linke [1996] beschrieben; die Gr¨ oße wird f¨ ur detaillierte Simulationen zum Klapperverhalten ben¨ otigt, vgl. Abschnitt 9.6.2.
198
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben Tabelle 4.15. Hilfsfaktoren κ1 und κ3 f¨ ur (4.55)
DIN Geradverzahnung Schr¨ agverzahnung ISO Geradverzahnung Schr¨ agverzahnung
3 2,1 1,9 2,1 1,9
κ1 entsprechend Verzahnungsqualit¨ at nach DIN 3962 Teil 1-3 oder ISO 1328 4 5 6 7 8 9 10 11 12 3,3 5,7 9,6 15,3 24,5 34,5 53,6 76,6 122,5 2,9 5,1 8,5 13,6 21,8 30,7 47,7 68,2 109,1 3,9 7,5 14,9 26,8 39,1 52,8 76,6 102,6 146,3 3,5 6,7 13,3 23,9 34,8 47,0 68,2 91,4 130,3
( KA · Ft /b κ2 = 100 N/mm
κ3 0,0193 0,0087 0,0193 0,0087
wenn Ft /b > 100 N/mm sonst.
Der Ausdruck π z1 n1 in (4.55) ist ein Maß f¨ ur Zahneingriffsfrequenz. • Die Breitenlastverteilungsfaktoren KFβ und KHβ erfordern streng genommen die genaue Analyse der Verformung der Wellen und der R¨ader unter Last; f¨ ur die Erstbewertung k¨ onnen vereinfachend die in Tabelle 4.16 angegebenen Werte in Abh¨ angigkeit von der Verzahnungsqualit¨at genutzt werden. • Die Stirnfaktoren KFα und KHα ber¨ ucksichtigen die ungleichm¨aßige Kraftaufteilung bei mehreren gleichzeitig eingreifenden Z¨ahnen; rechnerisch k¨ onnen diese unter Vernachl¨ assigung des Einlaufbetrages30 abgesch¨atzt werden. Mit dem Gr¨ oßtwert der Eingriffsteilungs-Abweichung fpe , der sich nach Muhs et al. [2005] mit dem W¨alzkreisdurchmesser d gem¨ aß √ fpe ≈ 4 + 0, 315 · (mn + 0, 25 d) · qH (4.56)
KFα
absch¨atzen l¨ asst und der Eingriffsteifigkeit cγ , die f¨ ur die Paarung Stahl/Stahl n¨ aherungsweise zu cγ = 20 N/(mm µm) gesetzt werden kann, erh¨ alt man f¨ ur die Stirnfaktoren in Abh¨angigkeit von der Gesamt¨ uberdeckung γ = α + β dann γ 0, 4 cγ fpe 0, 9 + wenn γ ≤ 2 Ft KA KHβ KV /b 2 s = KHα = (4.57) cγ fpe 0, 9 + 0, 4 2(γ − 1) wenn γ > 2 . γ Ft KA KHβ KV /b Der Koeffizient qH in (4.56) ist dabei in Abh¨angigkeit von der Verzahnungsqualit¨ at aus Tabelle 4.17 zu entnehmen.
30
Dieser ist aufw¨ andig zu ermitteln und wird f¨ ur die hier beabsichtigte Erst¨ uberpr¨ ufung einer Nominalverzahnung vernachl¨ assigt.
4.3 Auslegung von Verzahnungen
199
Tabelle 4.16. Breitenlastverteilungsfaktoren KFβ und KHβ in Abh¨ angigkeit von der Verzahnungsqualit¨ at Verzahnungsqualit¨ at nach DIN 3962 5–6 7–8 9–10 11–12 Breitenlastverteilungsfaktoren KFβ 1,15 1,25 1,35 1,50 Breitenlastverteilungsfaktoren KHβ 1,30 1,50 1,70 2,00 Tabelle 4.17. Koeffizient qH zur Ermittlung des Gr¨ oßtwertes der EingriffsteilungsAbweichung (4.56) in Abh¨ angigkeit von der Verzahnungsqualit¨ at
qH
Verzahnungsqualit¨ at nach DIN 3962 Teil 1-3 5 6 7 8 9 10 11 12 1 1,4 1,96 2,75 3,85 6,15 9,83 15,75
Zahnfuß-Grenzfestigkeit KFG nach (4.29) • Der Spannungskorrekturfaktor wird vereinfachend, dem Vorschlag der DIN 3990 T1 folgend, zu YST = 2 gesetzt. • Bei der Bestimmung des Lebensdauerfaktors YNT ist zu beachten, ob eine Verzahnung zeitfest ausgelegt wird oder dauerfest. Meist wird erstere Option bei Getrieben f¨ ur PKW f¨ ur den 1. Gang und den R¨ uckw¨artsgang, oft auch f¨ ur den 2. Gang gew¨ahlt, w¨ahrend die dauerfeste Bemessung bei den h¨ oheren G¨ angen mit gr¨oßeren Laufzeitanteilen, vgl. Abbildung 4.64, angewendet wird. Mit dem Neigungsexponenten kF der Zeitfestigkeitsgerade der Zahnfußfestigkeit im W¨ohlerschaubild – f¨ ur wichtige Verzahnungswerkstoffe ist kF in Tabelle 4.14 angegeben – und der Eckschwingspielzahl NF,lim = 3 · 106 , die den ¨ Ubergang von der Zeit- zur Dauerfestigkeit charakterisiert, wird YNT =
NF,lim N
1/kF .
(4.58)
Die Schwingspielzahl N des einstufigen Auslegungskollektivs muss dabei bekannt sein, ggf. muss ein einstufiges Ersatzkollektiv aus einem errechneten oder gemessenen Lastkollektiv gem¨aß Abschnitt A.2.5 errechnet werden, f¨ ur das dann die Auslegung bei einstufiger Beanspruchung erfolgt. Ist N ≥ NF,lim , muss dauerfest bemessen werden, es gilt dann YNT = 1. Anmerkung 4.15 Ein Vergleich von (4.58) mit den verschiedenen in Abschnitt A.2 besprochenen linearen Schadensakkumulationshypothesen zeigt, dass der Ausdruck NF,lim /N dem Kehrwert der Sch¨adigung D nach den verschiedenen Formulierungen der Palmgren-Miner-Regel, z.B. (A.18), entspricht. Der Lebensdauerfaktor beschreibt somit die m¨ogliche Laststeigerung, um bei der Schwingspielzahl N die Zahnflankentragf¨ahigkeit auszusch¨ opfen. 2
200
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
• Relative St¨ utzziffer Yδ rel T : Die relative St¨ utzziffer Yδ rel T wird nach Muhs et al. [2005] hier unter Annahme gut und gleichm¨aßig verrundeter Fußradien zu Yδ rel T = 1 gesetzt31 . • Gr¨oßenfaktor Zahnfuß YX : Hier kann die Vielfalt der m¨oglichen Beziehungen zur Bestimmung dieses Einflussfaktors, vgl. z.B. Steinhilper & Sauer [2006, Tab. 15.6], f¨ ur Fahrzeuggetriebe aufgrund der Beschr¨ankung auf die Werkstoffpaarung Stahl/Stahl und Normalmoduli kleiner 30 Millimeter reduziert werden auf ( 1 wenn mn ≤ 5 mm , YX = 1, 03 − 0, 006 · mn wenn 5 mm < mn < 30 mm . Zahnflankenbeanspruchung σH nach (4.32) • Die Tragf¨ ahigkeitskennwerte σF,lim und σH,lim sind f¨ ur wichtige Verzahnungswerkstoffe in Tabelle 4.14 f¨ ur die Erst¨ uberpr¨ ufung zusammengefasst; bei Grote & Feldhusen [2005] sind weitere Angaben auch zur Gusswerkstoffen f¨ ur Verzahnungen zu finden. • Zonenfaktor ZH : Mit dem Grundschr¨ agungswinkel βb nach (4.50) ergibt sich dieser Einflussfaktor nach Muhs et al. [2005] zu p ZH = 2 cos βb /(cos2 αt tan αwt ) . (4.59) • Elastizit¨atsfaktor ZE : Allgemein gilt mit den Querkontraktionszahlen ν1 und ν2 und den Elastizit¨ atsmoduli E1 und E2 von Rad und Ritzel −1/2 1 − ν12 1 − ν22 ZE = π · + . E1 E2
(4.60)
F¨ ur die Werkstoffpaarung Stahl/Stahl p mit ν1 = ν2 = 0, 3 und E1 = E2 = 210 GPa wird ZE = 191, 6 N/mm2 ; die Struktur von (4.60) verr¨at die Verwandtschaft des Elastizit¨ atsfaktors mit der Hertz’schen Theorie, vgl. (A.2) und (A.14). ¨ • Uberdeckungsfaktor Z : Durch die Forderung nach einer Sprung¨ uber¨ deckung β > 1 kann die Berechnung des Uberdeckungsfaktors vereinfachen f¨ ur die Erst¨ uberpr¨ ufung gem¨ aß Z = −1/2 α
(4.61)
¨ ber¨ ucksichtigt die Lastaufteilung auf erfolgen; der Uberdeckungsfaktor mehrere Zahnflanken. F¨ ur Sonderf¨ alle mit β < 1 und Schr¨agverzahnung wird auf Roth [2001] oder Linke [1996] ur Geradpverwiesen, f¨ verzahnungen von R¨ uckw¨ artsg¨ angen ist Z = (4 − α )/3. 31
Die genaue Bestimmung von Yδ rel T erfordert ein tieferes Eindringen in die Geometrie der Verzahnung; es geht die Kerbsch¨ arfe im Zahnfuß sowie die Elastizit¨ atsgrenze f¨ ur duktile oder die Zugfestigkeit f¨ ur spr¨ ode Werkstoffe ein.
4.3 Auslegung von Verzahnungen
201
• Der Schr¨agungsfaktor Zβ kann nach Muhs et al. [2005] konkretisiert werden zu p Zβ = cos β . (4.62) Zahnflanken-Grenzfestigkeit KHG nach (4.33) • Der Lebensdauerfaktor ZNT errechnet sich in Analogie zu YNT , vgl. (4.58), mit der Lastwechselzahl N , der Eckschwingspielzahl NH,lim , die nun vom Werkstoff abh¨ angt, ( 2 · 106 bei nitrierten Verzahnungen NH,lim = ,(4.63) 6 50 · 10 f¨ ur Verg¨ utungsst¨ ahle und geh¨artete St¨ahle und dem W¨ ohlerlinienexponent der Gr¨ ubchenfestigkeit kH nach z.B. Tabelle 4.14. Es gilt dann r kH NH,lim , (4.64) ZNT = N dabei sind bei eventuell mehrfach k¨ ammenden Zahnr¨adern, z.B. bei Sonnenr¨adern von Planetenstufen, entsprechend alle Einzeleingriffe in die Berechnung der Lastwechselzahl einzubeziehen, vgl. Abschnitt 5.6.2 ab Seite 372. Auch hier gilt f¨ ur den Bereich der Dauerfestigkeit N ≥ NH,lim wieder ZNT = 1; Anmerkung 4.15 gilt sinngem¨aß. • Schmierstofffaktor ZL , Rauheitsfaktor ZR und Geschwindigkeitsfaktor ZV : Diese hydrodynamischen Einflussfaktoren k¨onnen f¨ ur geschliffene oder geschabte Verzahnungen, wie sie in Fahrzeuggetrieben verwendet werden, vernachl¨ assigt werden, ZL · ZR · ZV = 1. • Der Gr¨oßenfaktor f¨ ur Flankenpressung ZX und der Werkstoffpaarungsfaktor ZW werden ebenfalls vernachl¨ assigt, ZX · ZW = 1. Mit den vorgestellten Gleichungen k¨ onnen die Belastungskennwerte f¨ ur die Zahnflanken- und die Zahnfußbeanspruchung f¨ ur die Nominalgeometrie eines Radpaares oder einer R¨ aderkette berechnet werden; die Festigkeitsnachweise schließen mit der Angabe von Ist-Sicherheiten gegen die beiden Versagensarten Gr¨ ubchenbildung und Zahnbruch ab, vgl. (4.30) bzw. (4.34). Anmerkung 4.16 Praktisch wird die Verzahnungsauslegung von den Getriebeherstellern entweder mit eigenen Programmen durchgef¨ uhrt oder mit Berechnungswerkzeugen, die von der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA) entwickelt wurden. Die Programme der FVA, die den Mitgleidsfirmen vorbehalten sind, erlauben neben der Spannungs-, Deformations- und Lebensdauerberechnung auch die Analyse von Maßnahmen zur Optimierung der Zahnmikrogeometrie. Eine Handrechnung wird nur f¨ ur die Vordimensionierung der Hauptabmessungen oder aber zur Bewertung der nominalen Zahngeometrien empfohlen. In Auslegungsaufgabe 4.4 und 4.5 wird beispielhaft die
202
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Tabelle 4.18. Verzahnungskenngr¨ oßen der Stirnradstufe eines Handschaltgetriebes und Zwischenergebnisse der Vorauslegung Gr¨ oße Treibendes Rad Getriebenes Ritzel Dimension Normalmodul mn 1,64 mm ◦ Normaleingriffswinkel αn 17 Z¨ ahnezahlen z1 , z2 43 42 – ◦ Schr¨ agungswinkel β 33,75 Teilkreisdurchmesser d1 , d2 84,8137 84,8413 mm Profilverschiebung x1 , x2 0,38 0,37 – Flankenrichtung rechts links – Verzahnungsbreite b 16,7 mm Achsabstand a 85,0 mm
Dauerfestigkeit bei einstufiger Beanspruchung eines Stirnradstufe nachgewiesen und der Betriebsfestigkeitsnachweis f¨ ur Verzahnungen mit Mehracheingriffen durchgef¨ uhrt; in der Praxis verwendet man z.B. die FVA-tools St-Plus oder auch universelle Auslegungswerkzeuge wie MDesign oder Kisssoft. 2 Auslegungsaufgabe 4.4 Einstufiger Tragf¨ ahigkeitsnachweis F¨ ur eine Stirnradstufe eines Handschaltgetriebes sind die Ist-Sicherheiten gegen Zahnbruch und Gr¨ ubchenbildung zu ermitteln. Treibendes und getriebenes Rad sind aus 16MnCr5 gefertigt und werden einsatzgeh¨artet, die Verzahnungsqualit¨at ist mit Stufe 6 nach DIN 3962 T1-3 festgesetzt worden. Am treibenden Rad wirkt ein Moment von T4 = 350 Nm, das dauerhaft ertragbar sein soll; die Verzahnungsdaten als Ergebnisse der Vorauslegung f¨ ur Rad und Ritzel sind in Tabelle 4.18 zusammengestellt. Man beachte den speziellen Normaleingriffswinkel α = 17◦ und ermittle die • Profil¨ uberdeckung α nach (4.49) und Sprung¨ uberdeckung β nach (4.48), • Zahnfußbeanspruchung σF nach (4.28) und Zahnflankenbeanspruchung σH nach (4.32), • Festigkeitskennwerte KFG und KHG nach (4.29) und (4.33) f¨ ur treibendes Rad und getriebenes Ritzel entsprechend Abschnitt 4.3.4. Man bestimme aus den Festigkeitsbedingungen f¨ ur die Zahnfußfestigkeit bzw. Zahnbruch (4.30) und f¨ ur die Zahnflankenfestigkeit (4.34) die Ist-Sicherheiten jF und jH f¨ ur die gegebene Verzahnung bei dauerfester Auslegung. ♠ Auslegungsaufgabe 4.5 Betriebsfestigkeitsbewertung Basierend auf dem Beanspruchungskollektiv eines Pr¨ ufstandsversuchs ist f¨ ur einen Achsantrieb die rechnerische Laufstrecke zu ermitteln, die mit einer Sicherheit von νF = 1.2 und νH = 1.2 bei Auslegung auf Zahnbruch bzw. Gr¨ ubchenbildung erreicht wird. Die Verzahnungsdaten des Achsantriebs sind
4.3 Auslegung von Verzahnungen
203
Tabelle 4.19. Verzahnungsdaten der Achs¨ ubersetzung Gr¨ oße Treibende Ritzel Getriebenes Rad Achsabstand a 155 mm Verzahnungsbreite b 35 mm Normalmodul mn 3,17 mm Eingriffswinkel α 21◦ Schr¨ agungswinkel β 27◦ Z¨ ahnezahl z 15 59 Profilverschiebung x 1,0 2,5 Kopfkreis-Durchmesser da 70.5 mm 255.8 mm ¨ Profil-Uberdeckung α 1.61 ¨ Sprung-Uberdeckung β 1.59 ¨ Gesamt-Uberdeckung γ 3.2
in Tabelle 4.19 und die Laufzeitanteile des Blockprogrammversuchs in Tabelle 4.20 gegeben. Die Verzahnungen sind aus dem Werkstoff 16MnCr5 gefertigt und werden einsatzgeh¨ artet, die Verzahnungsqualit¨at ist mit Stufe 6 nach DIN 3962 T1-3 anzunehmen. Der Achsantrieb ist konstruktiv so ausgef¨ uhrt, dass bei gleichem Achsabstand zwei geometrisch gleiche Ritzel in ein gemeinsames Differentialringrad eingreifen. Zu bearbeiten sind die Teilfragen: ¨ Aquivalente Ersatzmomente F¨ ur die beiden Versagensarten Gr¨ ubchenbildung und Zahnbruch sind entsprechend Abschnitt A.2.5 die ¨aquivalenten Ersatzmomente zu berechnen. Die unterschiedlichen W¨ohlerlinienexponenten nach Tabelle 4.14 der beiden Versagensarten und die unterschiedlichen Laufzeitanteile des Kollektivs sind f¨ ur beiden treibenden Ritzel zu ber¨ ucksichtigen; das gemeinsame Ringrad u ¨bertr¨agt das vollst¨andige Kollektiv. Dabei ist die Schadensakkumulationshypothese nach der elementaren Palmgren-Miner-Regel zu verwenden und das einstufige Ersatzkollektiv auf die Gesamt¨ uberrollungszahl des Lastkollektivs zu beziehen, vgl. Abschnitt A.2.5. Ermittlung der Beanspruchungskenngr¨ oßen Basierend auf den ¨aquivalenten Ersatzmomenten sind die Zahnfußspannungen f¨ ur beide Ritzel und das Rad zu ermitteln sowie die entsprechenden Zahnflankenpressungen. Ermittlung der Festigkeitskennwerte Basierend auf Abschnitt 4.3.4 sind die Festigkeitskennwerte KFG und KHG nach (4.29) und (4.33) f¨ ur Ritzel und Rad zu bestimmen. Die Lebensdauerfaktoren ZNT nach (4.64) und YNT nach (4.58) bleiben dabei unbestimmt. Lebensdauerfaktoren Aus den Festigkeitsbedingungen f¨ ur die Zahnfußfestigkeit (4.30) und f¨ ur die Zahnflankenfestigkeit (4.34) sind soweit m¨oglich mit den Vorgabewerten f¨ ur die Sicherheiten die rechnerischen Lebensdauerfaktoren ZNT und YNT zu ermitteln.
204
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Tabelle 4.20. Laufzeitanteil der einzelnen G¨ ange im Leistungs- und Momentenmaximum des Verbrennungsmotors in den verschiedenen G¨ angen und Kennzeichnung des leistungs¨ ubertragenden Ritzels ¨ Gang Drehzahl Pr¨ ufdauer Motormoment Ubersetung Welle 1. 3500 10 min 330 Nm 3,769 1 1. 2500 10 min 300 Nm 3,769 1 2. 3500 30 min 360 Nm 2,164 1 2. 2500 30 min 330 Nm 2,164 1 3. 3500 5h 400 Nm 1,36 2 3. 2500 5h 360 Nm 1,36 2 4. 3500 25 h 400 Nm 0,95 2 4. 2500 25 h 360 Nm 0,95 2 5. 3500 75 h 400 Nm 0,72 1 5. 2500 75 h 360 Nm 0,72 1 6. 3500 125 h 400 Nm 0,605 1 6. 2500 125 h 360 Nm 0,605 1 R 2500 15 min 330 Nm 3,914 2
Laufstreckenabsch¨ atzung Basierend auf den Lebensdauerfaktoren sind die rechnerischen Laufstrecken nach dem zugrunde gelegten Lastkollektiv der beiden treibenden Ritzel und des gemeinsamen Ringrades abzusch¨atzen, dabei ist wieder die elementare Palmgren-Miner-Regel zu verwenden. Es soll angenommen werden, dass das Kollektiv in Tabelle 4.20 einer Lauf♠ strecke von 100 000 km entspricht. 4.3.5 Verzahnungskr¨ afte bei Stirnradstufen F¨ ur die Auslegung von Wellen und Geh¨ ausen, f¨ ur die Auswahl von axial wirkenden Sicherungselementen wie Sicherungsringen nach DIN 471 oder Kronenmuttern sowie f¨ ur die Dimensionierung von Welle-Nabe-Verbindungen, ist es notwendig, die aus der Verzahnung resultierenden axialen und radialen Beanspruchungen zu quantifizieren. Die tangential im W¨alzkreis dW angreifende Umfangskraft Ft muss zun¨ achst mit dem am treibenden Rad wirkenden Moment Tnenn im Gleichgewicht stehen, Ft =
2 Tnenn . dW
(4.65)
Die aus der Geometrie der Evolventenverzahnung resultierenden axialen und radialen Kr¨afte, vgl. Abbildung 4.65, ergeben sich zu Fr = Ft
tan(αn ) cos(β)
und Fax = Ft tan(β) .
(4.66)
4.3 Auslegung von Verzahnungen
205
Abb. 4.65. Kraftverh¨ altnisse an den Zahnflanken eines schr¨ agverzahnten Stirnrads im Normalschnitt
Man beachte dabei, dass gem¨ aß des Newton’schen Axioms32 von actio und reactio die Umfangs-, Radial- und Axialkraft jeweils an treibendem und getriebenen Rad in entgegengesetzten r¨ aumlichen Richtungen angreift. Mit den beiden Beziehungen (4.65) und (4.66) stehen dann zusammen mit der Argumentation zur Bestimmung eines Anhaltswerts f¨ ur den Achsabstand, vgl. ¨ (4.38) und der Soll-Ubersetzung isoll alle Angaben zur Verf¨ ugung, um auch die notwendigen Lagerungen der Wellen innerhalb eines Konzeptfindungsprozesses bestimmen zu k¨ onnen, vgl. Abschnitt 6.4.2. Aufgrund des hohen Wirkungsgrades von Stirnradstufen, η = 0, 985 . . . 0, 995, treten in den einzelnen Stufen relativ geringe Verluste auf, vgl. auch Tabelle 3.1. F¨ ur reine Stirnradgetriebe, wie sie in frontgetriebenen Fahrzeugen mit Quermotor Anwendung finden, kann also der Gesamtwirkungsgrad des Getriebes bei zwei aktiven Stirnradstufen zu η = 0, 97 . . . 0, 99 abgesch¨atzt werden; in Abschnitt 5.6.2 wird ab Seite 363 ein Ansatz zur Berechnung bzw. Absch¨atzung des Wirkungsgrades einzelner Zahnradstufen vorgestellt. Etwas schlechter sind die Verh¨ altnisse bei heck- und frontl¨angs getriebenen Fahrzeugen aufgrund der etwas h¨ oheren Verluste in den Kegelradstufen, in denen gr¨oßere verlustbehaftete W¨ alzbewegungen stattfinden als in Stirnradstufen. F¨ ur die mechanische Auslegung der Getriebe ist die Verlustleistung jedoch nicht weiter relevant. Anmerkung 4.17 Hohlr¨ ader, wie sie beispielsweise in Planetengetrieben in gerade- und schr¨agverzahnter Form verwendet werden, werden im Rahmen der hier besprochenen Auslegung wie Stirnr¨ ader behandelt. Auf folgende Punkte 32
Sir Isaac Newton, 1643-1727, formulierte u.a. das Gravitationsgesetz und damit eine mathematische Theorie zur Erkl¨ arung der Bewegungen der Himmelsk¨ orper. Newton war ab 1669 Professor f¨ ur Mathematik in Cambridge. 1671 wurde er Mitglied, 1703 Pr¨ asident der “Royal Society”. 1687 erschien sein Hauptwerk “Philosophiae naturalis principia mathematica”.
206
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
a)
b)
c)
d)
Abb. 4.66. Verschiedene Flankenverl¨ aufe schr¨ agverzahnter Kegelr¨ ader: a) Geradverzahnung, b) linkssteigende Schr¨ agverzahnung, c) rechtssteigende Bogenverzahnung, d) schr¨ agungsfreie Bogenverzahnung (Aus Niemann & Winter [1989])
muss dabei geachtet werden, um Stirn- und Hohlrad sauber in der Auslegung unterscheiden zu k¨ onnen: • Negativ sind f¨ ur die Berechnung die Z¨ ahnezahl des Hohlrades und alle seine relevanten Durchmesser, der Achsabstand sowie das Z¨ahnezahlverh¨altnis der Hohlradstufe. • Positiv bleiben alle die Verzahnung betreffenden Gr¨oßen wie etwa der Normalmodul, der Schr¨ agungs- und der Normeingriffswinkel sowie die Pr¨ ufkriterien Profil- und Sprung¨ uberdeckung. • Die Profilverschiebung beim Hohlrad ist positiv, wenn das Werkzeug aus dem Eingriffsbereich in Richtung Radachse herausgenommen wird; sie ist negativ, wenn das Werkeug tiefer schneidet und somit von der Radachse weggef¨ uhrt wird. Dementsprechend hat eine einfache Hohlradstufe wie in Abschnitt 3.1.1 be¨ schrieben eine positive Ubersetzung und beh¨ alt den Drehsinn bei. 2 4.3.6 Besonderheiten von gerade-, schr¨ ag- und spiralverzahnten Kegelr¨ adern Bei den Kegelr¨adern m¨ ussen prinzipiell, vgl. auch Abbildung 4.48, drei verschiedene Konzepte hinsichtlich der Verzahnung, aber auch mit Blick auf die Lage der Achsen zueinander unterschieden werden:
4.3 Auslegung von Verzahnungen
Axialkr¨ afte
207
Radialkr¨ afte Geradverzahnung
Treibendes Rad (Kegelwinkel δ) Fax = Ft (tan αn sin δ)
Fr = Ft (tan αn cos δ)
Getriebenes Rad (Kegelwinkel 90◦ − δ) Fax = Ft (tan αn cos δ)
Fr = Ft (tan αn sin δ)
Rechtsdrehende Rechtsspirale oder linksdrehende Linksspirale Treibendes Rad Ft Ft Fax = (tan αn sin δ + sin βm cos δ) Fr = (tan αn cos δ − sin βm sin δ) cos βm cos βm Getriebenes Rad Ft Ft Fax = (tan αn cos δ − sin βm sin δ) Fr = (tan αn sin δ + sin βm cos δ) cos βm cos βm Rechtsdrehende Linksspirale oder linksdrehende Rechtsspirale Treibendes Rad Ft Ft Fax = (tan αn sin δ − sin βm cos δ) Fr = (tan αn cos δ + sin βm sin δ) cos βm cos βm Getriebenes Rad Ft Ft Fax = (tan αn cos δ + sin βm sin δ) Fr = (tan αn sin δ − sin βm cos δ) cos βm cos βm Abb. 4.67. Kraftverh¨ altnisse an gerade- (βm = 0) und spiralverzahnten (βm 6= 0) Kegelr¨ adern bei einem Gesamt-Kegelwinkel δ1 + δ2 = 90◦
• Die gerade verzahnten Kegelr¨ ader, die beispielsweise innerhalb des Achsausgleichsgetriebes verwendet werden, vgl. Abschnitt 6.1 insbesondere Abbildung 6.11. Ein wichtiges Merkmal ist, dass sich die Achsen des treibenden und des getriebenen Kegelrades in einem Punkt schneiden. Die
208
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Grundz¨ uge der Berechnung gerade verzahnter Kegelr¨ader werden im Folgenden kurz andiskutiert; wichtig ist dass geradverzahnte Kegelr¨ader prinzipiell mit Ersatzstirnr¨ adern berechnen lassen. • Die schr¨agverzahnten Kegelr¨ ader umfassen eine ganze Familie m¨oglicher Zahnrad¨ ubersetzungen. Allen ist die Tatsache gemeinsam, dass sich die Drehachsen von Rad und Ritzel wie zuvor besprochen in einem gemeinsamen Punkt schneiden und dass die R¨ ader eine kegelf¨ormige Gestalt aufweisen. F¨ ur die Verzahnung als solche gibt es aber mehrere M¨oglichkeiten, die dann gekr¨ ummten Z¨ ahne zu beschreiben, vgl. Abbildung 4.66. F¨ ur Details zur Berechnung sei hier stellvertretend auf Niemann & Winter [1989] verwiesen. Schr¨ agverzahnte Kegelr¨ader kommen beispielsweise beim Antrieb des Achsausgleichsgetriebes bei Fahrzeugen mit Heckantrieb zum Einsatz, vgl. Abbildung 6.13 oder 6.14. Schr¨agverzahnte Kegelr¨ader mit einem Gesamtkegelwinkel δ1 +δ2 6= 90◦ kommen z.B. beim Antrieb von L¨angswellen zum Einsatz, die die Leistung bei AWD-Fahrzeugen schr¨ag am Getriebe vorbei zur Vorderachse u ¨bertragen, vgl. Abbildung 6.34. Die Berechnung bei schr¨ agverzahnten Kegelr¨ adern kann nicht auf ein ErsatzStirnrad zur¨ uckgef¨ uhrt werden; Details werden ausf¨ uhrlich von Niemann & Winter [1989] behandelt. Die aus der Leistungs¨ ubertragung resultierenden Kr¨afte k¨ onnen mit Tabelle 4.21 ermittelt werden. • Die Hypoid-Kegelr¨ ader, die beispielsweise beim Achsantrieb von frontgetriebenen Fahrzeugen mit l¨ angs eingebautem Motor verwendet werden, er¨ lauben die Uberbr¨ uckung eines Achsabstandes der i.d.R. im rechten Winkel zueinander verlaufenden Achsen. Hypoidgetriebe eignen sich f¨ ur die ¨ Ubertragung großer Kr¨ afte, weil durch den Achsversatz a des Tellerrades zum Kegelrad nahezu die gesamte Zahnl¨ange der eingreifenden Z¨ahne belastet wird. Es sei darauf hingewiesen, dass der Achsversatz a nicht beliebig groß gew¨ ahlt werden kann; u ¨blich sind bei Fahrzeuggetrieben etwa 10-15 mm; auch nimmt mit zunehmendem Achsversatz durch die stark ansteigenden W¨ alzverluste der Wirkungsgrad eines Hypoidtriebes rasch ab. Auch auf die Hypoidkegelr¨ ader wird hier nicht n¨aher eingegangen sondern auf Niemann & Winter [1989] verwiesen. F¨ ur die Kegelr¨ader im Allgemeinen gilt die Anforderung, dass konstruktiv die M¨oglichkeit geschaffen werden muss, Kegelrad und -ritzel so zueinander zu positionieren, dass sich die gedachten Kegelspitzen in einem Punkt schneiden, um ein gutes Tragbild zu gew¨ ahrleisten. Dies erfordert i.d.R. das Vorsehen von Beilegscheiben gestufter Dicke in der Montage, um neben der axialen Vorspannung der W¨alzlager auch die genaue Positionierbarkeit der R¨ader sicherzustellen, vgl. Abbildung 6.8. Soll ein Kegelritzel wie in Abbildung 4.47 gezeigt als Steckrad ausgef¨ uhrt werden, so ist hier insbesondere darauf zu achten, dass selbst unter dem kleinsten Fußkreisradius mindestens eine Wandst¨arke entsprechend dem Normalmodul im schw¨ achsten Querschnitt sichergestellt ist. Bei der Auslegung und der Nachweisrechnung k¨onnen gerade verzahnte Kegelr¨ader durch ein Ersatz-Stirnrad-Paar abgebildet werden und so die f¨ ur die
4.3 Auslegung von Verzahnungen
209
Tabelle 4.21. Kraftverh¨ altnisse an schr¨ agverzahnten Kegelr¨ adern bei beliebigen Kegelwinkeln (δ1 + δ2 6= 90◦ ). Das obere Vorzeichen gilt f¨ ur gleiche Schr¨ agungs- und Drehrichtung am treibenden Rad, das untere f¨ ur entgegengesetzte Richtungen; vgl. auch Abbildung 4.67 Axialkr¨ afte
Fax
Fax
Radialkr¨ afte
Treibendes Rad mit Kegelwinkel δ1 Ft · (tan αn sin δ1 ± sin βm cos δ1 ) Ft · (tan αn cos δ1 ∓ sin βm sin δ1 ) = Fr = cos βm cos βm Getriebenes Rad mit Kegelwinkel δ2 Ft · (tan αn sin δ2 ∓ sin βm cos δ2 ) Ft · (tan αn cos δ2 ± sin βm sin δ2 ) = Fr = cos βm cos βm
Stirnr¨ader erarbeiteten Rechenvorschriften nutzbar gemacht werden. F¨ ur schr¨agverzahnte Kegelr¨ ader sind spezielle Berechnungsvorschriften anzuwenden, beides w¨ urde hier den Rahmen sprengen. Nur auf die Berechnung der aus Kegelradstufen resultierenden Verzahnungskr¨afte als Kriterium f¨ ur die Wellen- und Geh¨ausegestaltung soll hier noch kurz eingegangen werden. Maßgebliche Gr¨oße ist neben dem Schr¨ agungswinkel βm der Kegelwinkel δ des treibenden Kegelrades, vgl. Abbildung 4.67 und Tabelle 4.21; die Gr¨oße αn ist dort wieder der Eingriffswinkel im Stirnschnitt. F¨ ur die tangential in der Mitte des Verzahnungskegels des Ritzels mit dem mittleren Teilkreisdurchmesser dm1 angreifende Umfangskraft ergibt die Momentenbilanz um die Drehachse Ft = 2 Tnenn,1 /dm1 ,
(4.67)
wobei Tnenn,1 das auf das Ritzel bezogene Nennmoment ist. Bei der Auslegung von Kegelradstufen f¨ ur Hinterachsdifferentiale ist entsprechend f¨ ur Tnenn,1 das im ersten Gang wirkende Nennmoment f¨ ur die Bewertung der Gefahr eines Gewaltbruchs anzusetzen; f¨ ur eine betriebsfeste Auslegung muss wie in Auslegungsaufgabe 4.5 ein entsprechendes Ersatzmoment berechnet werden. 4.3.7 Maßnahmen zur Qualit¨ atssicherung und Optimierungsans¨ atze Im folgenden Abschnitt werden noch einige Maßnahmen zur Qualit¨atssicherung bei Stirnr¨adern besprochen, erste Ans¨ atze zur Analyse und Optimierung des Tragbildes aufgezeigt und Wege zur gezielten Beeinflussung von Verzahnungsger¨auschen vorgestellt. Maßnahmen zur Optimierung des Tragbildes Infolge ¨außerer Ursachen – zu nennen sind hier beispielsweise große Wellendurchbiegungen, zu nachgiebige Lagerungen oder beginnender Lagerverschleiß – k¨onnen im belasteten Zustand durch eine Verlagerung des Kontaktbereichs sch¨adliche Kantenpressungen am Zahnfuß auftreten. Zum Ausgleich
210
a)
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
b)
Abb. 4.68. Verdeutlichung von a) Breitenballigkeit cc und b) Endr¨ ucknahme ce auf einer L¨ ange be
a)
b)
Abb. 4.69. Endoskopische Aufnahme des Tragbildes am a) getriebenen und b) treibenden Rad einer schr¨ agverzahnten Stirnradstufe. Die Verzahnungen werden mit einer Paste beschichtet und langsam unter Last gegeneinander verdreht, die Verzahnungsspuren in der Paste geben Aufschluss u aßigkeit der Pres¨ber die Gleichm¨ sungsverteilung in Abh¨ angigkeit von der angelegten Last. Die Belastung bei der Aufnahme betrug 87,5% des Auslegungsmoments.
dieser Verlagerung unter Last wird das Ritzel h¨ aufig mit balligen Z¨ahnen oder im Kleinen kegeligen Stirnradverzahnung versehen, vgl. Abbildung 4.68. Im schwach beanspruchten Zustand erreicht man dann zwar nur ein schmales Tragbild, welches sich aber bei zunehmender Belastung unter dem Einfluss der Verformung und der Verlagerung der Wellen u ¨ber einen großen Teil der Zahnbreite erstreckt, vgl. Abbildung 4.69. Die Wahl der Breitenballigkeit cc , vgl. Abbildung 4.68.a, und der Endr¨ ucknahme ce zum Erreichen einer “kegelf¨ ormigen” Verzahnung im h¨ochstbeanspruchten Teil, vgl. Abbildung 4.68.b, erfordert viel Erfahrung; beide Maßnahmen bewirken eine Entlastung der Zahnkante und so eine Vergleichm¨aßigung der wirkenden Fl¨ achenpressungen. Eine unverbindliche Erfahrungsregel f¨ ur die H¨ohe der Balligkeit, die n¨ otig ist, um eine brauchbare Kraftverteilung zu erhalten, sch¨atzt die Balligkeit nach J¨ ackle [2001] durch die lastabh¨angige Flankenlinienabweichung sowie die Flankenlinienwinkelabweichung ab. Die Bestimmung der beiden letztgenannten Gr¨ oßen ist bei Niemann [1989], cite¨ roth und Linke [1996] beschrieben und sollte fr¨ uhzeitig in die Uberlegungen zur optimalen Gestaltung von Verzahnungen einfließen.
4.3 Auslegung von Verzahnungen
211
Abb. 4.70. Stirnschnitt eines mit Protuberanz-Werkzeug gefr¨ asten Zahns eines einsatzgeh¨ arteten Zahnrades
Tragf¨ ahigkeitssteigernde Maßnahmen Mit Blick auf die Tragf¨ ahigkeitssteigerung von Zahnr¨adern erfordern die Versagensbilder Gr¨ ubchenbildung und Zahnbruch unterschiedliche Maßnahmen bei gleicher Grundauslegung der Verzahnung. Verfr¨ uhte Ausf¨alle durch Pittings k¨onnen in begrenztem Umfang durch eine gezielte W¨armebehandlung ¨ als und durch Anheben der Oberfl¨ achenqualit¨ at vermieden werden. Das Ol Optimierungsparameter der Verzahnung steht bei Fahrzeuggetrieben i.d.R. ¨ ¨ nur zur Verf¨ ugung, wenn eine Olraumtrennung verschiedene Olqualit¨ aten f¨ ur Lager, Synchronisationen und Laufverzahnungen erm¨oglicht, vgl. Abschnitt 6.5.3; f¨ ur Details sei auf Roth [2001] oder Linke [1996] verwiesen. Zur Vermeidung von Zahnbr¨ uchen sind zwei Maßnahmen besonders zu nennen: Das oberfl¨achenverfestigende Kugelstrahlen als letzte Fertigungsoperation, das u ¨ber Druckeigenspannungen in der Randschicht einen Teil der rissgef¨ahrlichen Zugspannungen im Zahnfuß, vgl. Abbildung 4.53, kompensieren kann und die Bearbeitung mit speziellen Protuberanz-W¨alzfr¨asern. Geh¨artete Zahnr¨ader werden weich vorbearbeitet und nach dem H¨arten fertigbearbeitet, beim Schleifen entstehen Kerben im Bereich des Zahnfußes. Durch eine Schleifzugabe (Aufmaß) an den Zahnflanken, vgl. Abbildung 4.70, kann man erreichen, dass alle Bereiche der Zahnflanken vollst¨andig geschliffen werden und dass keine Kerbe im Bereich der Fußausrundung entsteht; die Rundung der Kopfkante des Schleifwerkzeugs ist f¨ ur diese Kerbe verantwortlich. Die Schleifzugabe entspricht der Protuberanz des Werkzeugs, das durch seine besondere Form ein Zahnprofil mit geringem Unterschnitt erzeugt und so die Kerben vermeidet; hier sei f¨ ur Details zur Fertigung von Zahnr¨adern auf Weck & Brecher [2005] oder Klocke & K¨ onig [2005] verwiesen, wichtigster Punkt bei der Auslegung der Protuberanz ist die Relativkinematik von Werkst¨ uck und Werkzeug bei der Fertigbearbeitung. Einfache Messmethoden f¨ ur die Qualit¨ atssicherung Die aus Teilungsfehlern oder Rundlaufabweichungen der Verzahnungen resultierenden Ger¨ausche und Schwingungen k¨ onnen den Fahrkomfort eines Fahrzeug beeintr¨achtigen. Um f¨ ur die M¨ oglichkeiten der messtechnischen Erfassung
212
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.71. Prinzipielle Vorgehensweise bei der Messung der Rundlaufabweichung mit Keil und Kugel
der geometrisch relevanten Gr¨ oßen zu sensibilisieren, wird kurz auf zwei Messmethoden eingegangen. Diese stellen ein vergleichsweise einfaches Mittel zur Qualit¨atssicherung dar und sind in den Produktionsprozess integrierbar. So k¨onnen diese Methoden zur Ursachenvermeidung von einigen Ger¨ausch- und Schwingungsproblemen beitragen, wenn u ufung aller Teile ¨ber eine 100%-Pr¨ Ausreißer und damit potentielle Problemquellen erkannt werden; ein Garant f¨ ur die absolute Vermeidung von verzahnungsbedingten Komforteinbußen ist die Messung jedoch nicht. Die Auslegungsgr¨ oßen der Verzahnungen k¨ onnen in der Serienproduktion nicht ganz exakt in Fertigteile umgesetzt werden. Die Ursachen daf¨ ur liegen unter anderem in den Bewegungsabl¨ aufen zwischen Werkst¨ uck und Verzahnungswerkzeug, vgl. Weck & Brecher [2005]. Die maßgeblichen Fertigungstoleranzen m¨ ussen dabei trotz Kostendruck so gew¨ahlt werden, dass die Funktion des Getriebes gew¨ ahrleistet ist und dass eventuelle Abweichungen von der Soll-Geometrie durch Werkzeugverschleiß etc. keinen negativen Einfluss haben k¨onnen. Die Rundlaufabweichung ist ein Maß f¨ ur die Außermittigkeit der Verzahnung oder, anders gesagt, einer Zahnl¨ ucke. Das Tastelement – eine Kugel, ein Zylinder oder ein Keil – wird bei der Produktionskontrolle nacheinander in alle Zahnl¨ ucken eines Zahnrades gelegt, vgl. Abbildung 4.71. Der Messwert entspricht der senkrecht zur Radachse gemessenen Eintauchtiefe und ist abh¨angig von der Geometrie des Tastelements. Wichtig ist die entlang des Umfangs gemessene Verteilung der Rundlaufabweichungen der einzelnen Z¨ahne. Wenn beispielsweise ein deutlicher sinusf¨ ormiger Schlag erkennbar ist, kann das Zahnrad in radialer Richtung Schwingungen mit seiner eigenen Drehfrequenz anregen. Sind zwei Sinuswellen in der Verteilungskurve erkennbar, w¨ urde mit der doppelten Wellendrehzahl angeregt usw. Zur Messung der Zahnl¨ ucken in der Produktion zur Quantifizierung der zu erwartenden Verdrehspiele im Zusammenbau bietet sich zur Bestimmung das
4.3 Auslegung von Verzahnungen
a)
213
b)
Abb. 4.72. Bestimmung des diametralen Zweikugelmasses Md bei a) geraden Z¨ ahnezahlen z und b) ungeraden Z¨ ahnezahlen
diametrale Zweikugelmaß Md an, vgl. Abbildung 4.71. Da wegen einer zu geringen Zahnbreite bei schr¨ agverzahnten Zahnr¨adern die Zahnweitenmessung oft nicht m¨oglich ist, wird die L¨ uckenweite u uberliegend ein¨ber zwei gegen¨ gelegte Kugeln mit Durchmesser DM bestimmt. Hierbei h¨angt der Messwert und damit das Qualit¨ atskriterium wieder von der Gr¨oße der Pr¨ ufkugel ab; das Zweikugelmaß wird h¨ aufig unter Angabe einer Toleranz als Pr¨ ufkriterium f¨ ur die Produktion auf der Zeichnung angegeben. Maßnahmen an der Verzahnung zur Vermeidung von Komfortbeeintr¨ achtigungen Die last- und damit verformungsbedingten Eingriffsst¨orungen, die das in Abschnitt 9.6.1 besprochene Ph¨ anomen des Heulens verursachen, k¨onnen durch Profilkorrekturen, z.B. Kopfr¨ ucknahme oder Breitenballigkeit, reduziert werden. Außerdem m¨ ussen Radk¨ orper, Wellen, Lager und Geh¨ause m¨oglichst steif ausgef¨ uhrt werden, damit die Verformungen und Abdr¨angungen der leistungs¨ ubertragenden Zahnflanken nicht zu groß werden. Die Fertigungsqualit¨at der Verzahnung ist dabei wesentlich f¨ ur die Abw¨alzger¨ausche verantwortlich, w¨ahrend die Eingangsdrehzahl bzw. die Zahneingriffsfrequenz der leistungsf¨ uhrenden Verzahnung die Tr¨ agerfrequenz m¨oglicher Ger¨ausche bestimmt; die absolute H¨ ohe der Belastung hat nur einen geringen Einfluss auf die Getriebeger¨ausche. Beide Betriebsparameter sind jedoch fahrerabh¨angig und von der Getriebeentwicklung nicht ver¨ anderbar. Zur Beeinflussung des Getrieberasselns, vgl. Abschnitt 9.6.2, bieten die Verzahnungen nur den Ansatzpunkt der Verringerung des Verdrehflankenspiels, um die m¨oglichen Schwingwege klein zu halten, vgl. Abschnitt 9.6.2. Die M¨oglichkeiten sind hier aber, da die Verzahnungen wirtschaftlich in Groß-
214
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
serie produziert werden m¨ ussen, sehr klein. Dar¨ uber hinaus besteht bei einem zu kleinen Verdrehflankenspiel die Gefahr eines Verklemmens der Verzahnung mit erh¨ohter Fressneigung, vgl. Abschnitt 4.3.1.
4.4 Synchronisation In diesem Abschnitt wird zun¨ achst der Aufbau der Synchronisation nach dem Konstruktionsprinzip der Sperrsynchronisation, welches auf BorgWarner zur¨ uck geht, besprochen; dabei ist die Antriebsart des Fahrzeugs, vgl. Abschnitte 2.1 bis 2.3 noch unerheblich; auch f¨ ur Doppelkupplungsgetriebe, vgl. Abschnitt 5.3, gelten die Ausf¨ uhrungen, ist das Konzept doch nichts anderes als ein automatisiertes Umschalten zwischen zwei normalen, vollsynchronisierten Stufengetrieben. Auf die Komponenten der inneren und ¨außeren Schaltung ohne leistungs¨ ubertragende Funktion wird in Abschnitt 4.5 eingegangen; die Art der Wandlung der Schaltbewegung am Schalthebelknopf in Fahrzeugl¨angsrichtung in eine translatorische Bewegung der Muffen ist hier noch nicht wichtig. Die Synchronisierung ist eine der wichtigsten Baugruppen des Schaltgetriebes und beeinflusst durch die Wahrnehmung des Schaltablaufs am Schalthebel als direkte Schnittstelle des Kunden dessen Bewertung von der Qualit¨at des Fahrzeuggetriebes. Innerhalb der Besprechung der Funktionsweise und Auslegung der Synchronisation schließt sich in Abschnitt 4.4.2 eine Beschreibung und weitestm¨ogliche Visualisierung der einzelnen Phasen des Synchronisationsvorgangs an. Hinweise zur Auslegung und zu Beurteilungskriterien folgen in Abschnitt 4.4.3. Eine Form konstruktiv bedingter Fehlfunktion der Synchroneinheit wird in Abschnitt 4.4.4 besprochen. Die Diskussion technisch relevanter Reibbel¨age schließt mit Abschnitt 4.4.5 die Betrachtungen zur Synchronisation ab. Systemaufgaben Die Synchronisation, die an der Leistungs¨ ubertragung nur indirekt beteiligt ist, hat Hauptaufgaben, die u ¨ber die in Abschnitt 1.1 besprochenen Punkte hinausgehen. Die Aufgabe der Synchronisation ist es, in komfortabler Weise den Drehzahlangleich der leistungs¨ ubertragenden Komponenten des Zielganges bei einem Gangwechsel herzustellen, um nach erfolgtem Formschluss die Kupplung wieder schließen zu k¨ onnen; sie unterst¨ utzt damit also die Forderung nach einer situationsbezogenen Anpassung der Momentenwandlung des Fahrzeuggetriebes, vgl. Abbildung 1.1. 4.4.1 Aufbau der Synchronisation Zun¨achst sei r¨ uckblickend auf Anmerkung 4.3 noch einmal der Hinweis aufgegriffen, dass die Synchronisation eine Reibkupplung mit nicht-ebenen Reibfl¨achen ist; hinzu kommen Konstruktionselemente, die im eingelegten Gang
4.4 Synchronisation
215
Abb. 4.73. Einkonus-Synchronisation (Aus INA [2005])
formschl¨ ussig die Leistung vom Losrad auf eine Welle u ¨bertragen, vgl. Tabelle 1.1 Zeile V. Beim Aufbau der Synchronisationseinheit von Fahrzeuggetrieben ist – sowohl f¨ ur die Anwendungen in PKW als auch f¨ ur Nutzfahrzeuge – weiter zu unterscheiden, ob die Synchronisation mit einer kegelf¨ormigen Reibfl¨ache arbeitet oder mit mehreren, d.h. in der Praxis zwei oder drei. Die Anzahl der Reibfl¨ achen – 1, 2 oder 3 – geht dabei nahezu als Multiplikator in weitgehender Analogie zur Anzahl der Reibfl¨achen der Kupplung zc , vgl. (4.2), in die Gleichungen zur Berechnung der Leistungsf¨ahigkeit der Synchronisation ein. Die Mechanismen zur Leistungs¨ ubertragung im eingelegten Gang sind von der Anzahl der Reibfl¨ achen wieder unabh¨angig. Anmerkung 4.18 Bei Lechner & Naunheimer [1994] wird die Synchronisation mit Hilfe eines morphologischen Kastens analysiert, weiterhin gibt Steinz [2006] eine detaillierte Betrachtung der Druckst¨ ucke an und zeigt neue konstruktive Ans¨ atze zur Verbesserung des Synchronsystems auf. Besprochen werden hier nur die Sperrsynchronisierungen, die auf ein Konzept von BorgWarner zur¨ uck gehen, die fast ausschließlich im PKW-Bereich angewendet werden. Andere Synchronkonzepte sind, vgl. Hackl et al. [2006] in Entwicklung aber noch nicht mit nennenswerten St¨ uckzahlen in Produktion vertreten. Bei den Nutzfahrzeugen schließlich sind teilweise auch bei modernen Getrieben noch (vollautomatisierte) nichtsynchronisierte Stirnradstufen im Einsatz, vgl. Abschnitt 7.3.1. 2 Die mechanisch am einfachsten aufgebaute Synchronisation ist die EinkonusSynchronisation, vgl. Abbildung 4.73. Der Synchronring sitzt dabei mit einem
216
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.74. Aufbau der Dreikonus-Synchronisation im Schnitt: (1) Schiebe- oder Schaltmuffe, (2) Druckkugel, (3) Druckst¨ uck, (4) Druckst¨ uckfeder, (5) Aufgeschweißte Kupplungsverzahnung, (6) Außensynchronring, (7) Zwischenring mit beidseitiger Beschichtung, (8) Innensynchronring mit Innen-Reibbelag, (9) Losradk¨ orper mit geschliffenem Synchronkonus, (10) Muffentr¨ ager, (11) Nadellagerung des Losrades, (12) Axialer Sicherungsring, (13) Welle mit Vielkeilverbindung zur Aufnahme des Muffentr¨ agers
Verdrehwinkelspiel γ formschl¨ ussig im Muffentr¨ager. Im nicht geschalteten Gang kann sich zwischen der innenliegenden Reibfl¨ache am Synchronring und der Gegenreibfl¨ache am Konus des Schaltrades ein Schmierfilm aufbauen. Dabei zentriert sich der Synchronring aufgrund der Relativdrehzahlen innerhalb des Synchronpaketes im nichtgeschalteten Gang infolge der hydrodynamischen Effekte selbst in seinem axialen und radialen Spiel. Notwendigkeit und Gr¨oße des Verdrehwinkelspiels γ werden im Folgenden bei der Beschreibung der einzelnen Phasen des Synchronisationsablaufs erl¨ autert. Weitaus leistungsf¨ ahiger als die Einkonus-Synchronisation ist die in Abbildung 4.74 im Schnitt dargestellte Dreikonus-Synchronisation, aus der sich z.B. durch Wegfall des Reibkonus am Losrad dann die Zweikonus-Synchronisation als Spezialfall ergibt, Abbildung 4.75 zeigt Zwei- und Dreikonus-Synchronisation in der direkten Gegen¨ uberstellung. Zur Erh¨ohung der Anzahl der Reibfl¨achen werden bei der Mehrkonus-Synchronisation i.d.R. tiefgezogene Zwi-
4.4 Synchronisation
217
Abb. 4.75. Doppelkonus- (links) und Dreifachkonus-Synchronisation (rechts) im direkten konstruktiven Vergleich (Aus INA [2005])
schenringe als weitere, verdrehspielbehaftete Losteile eingesetzt. W¨ahrend bei der Einkonus-Synchronisation die Abst¨ utzung des Synchronringes u ¨ber die drei Abs¨atze der Vorsynchronisation in den Druckst¨ ucktaschen des Muffentr¨agers ausreichend ist, um ein Verdrehen des Ringes zu verhindern, ist bei der Dreikonus-Synchronisation mehr Aufwand notwendig. Die formschl¨ ussigen Verbindungen, die im Rahmen des Axialspiels innerhalb des Synchronpaketes die Teile abst¨ utzen, sind in Abbildung 4.76 verdeutlicht. Da die Zwischenringe im Gegensatz zum Synchronring keine außenliegende Sperrverzahnung tragen, kann f¨ ur diese Losteile das Verdrehwinkelspiel so klein ausgef¨ uhrt werden, dass keine komfortbeeintr¨ achtigenden oder sch¨ adigenden Schwingungen entstehen, aber die Ringe immer noch im nicht geschalteten Gang einen ausreichenden hydrodynamischen Schmierspalt aufbauen k¨ onnen. Von den Hauptkomponenten der Synchronisation, die in Abbildung 4.77 als Einzelteile dargestellt sind, haben die Schiebemuffe und der Muffentr¨ager eine leistungs¨ ubertragende Funktion, ebenso wie der Kupplungsk¨orper, der in Abbildung 4.77 fehlt. Gerade f¨ ur die großen G¨ ange werden die Kupplungsk¨orper h¨aufig als separates Teil ausgef¨ uhrt und mit dem Radk¨orper des Schaltrades unter Einhaltung strenger Rundlauftoleranzen verschweißt, vgl. Abbildung 4.45. Bei den kleinen G¨ angen wird h¨ aufig die Kupplungsverzahnung direkt an das Losrad angeschmiedet, um die Vorteile der Werkstoffverfestigung durch die Umformung nutzen zu k¨ onnen, vgl. Abbildung 4.78. Die Kupplungsverzahnung kann im Vergleich zur Laufverzahnung vergleichsweise filigran ausgef¨ uhrt werden, da zwischen 30 und 60 Z¨ahnen – abh¨angig von der Qualit¨at der Kupplungsverzahnung am Gangrad und der SchiebemuffenInnenverzahnung sowie von Lastrichtung und Moment – im Eingriff sind und sich das zu u aßig auf mehrere Z¨ahne verteilt. ¨bertragende Moment so gleichm¨
218
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.76. Reibfl¨ achen und formschl¨ ussige Verbindungen bei der DreikonusSynchronisation: (1) Muffentr¨ ager mit Tasche (2) zur verdrehspielbehaftetem Aufnahme der Verriegelungslasche (7), (3) Druckst¨ uck, bestehend aus Geh¨ ause, Feder und Kugel, (4) Außensynchronring mit Innenreibfl¨ ache (5). Die Verdrehsicherung des Außensynchronrings erfolgt ebenfalls u ¨ber die Lasche (7) in der Tasche (2), die Freistellung (4) am Außensynchronring erm¨ oglicht ein Verdrehwinkelspiel zwischen (4) und (7). Innensynchronring mit Außenreibfl¨ ache (6) zu Reibpartner (11) und Innenreibfl¨ ache (8) zur Konusfl¨ ache am Gangrad (nicht dargestellt), Zwischenring mit Außenreibfl¨ ache (9) und Innenreibfl¨ ache (11) sowie Verriegelungsnasen (10) zur Aufnahme im Gangrad in der Tasche (13) der (aufgeschweißten) Kupplungsverzahnung. Die Außenreibfl¨ ache (9) wird mit der Innenreibfl¨ ache des ¨ außeren Synchronrings (5) gepaart. Kupplungsverzahnung (12) zur formschl¨ ussigen Verbindung mit der Außenverzahnung des Muffentr¨ agers durch die innenverzahnte Schiebemuffe.
Bei der Gestaltung der Muffentr¨ ager ist auf zwei Punkte besonderer Wert zu legen. Zum einen ist bei der Gestaltung der Taschen f¨ ur die Aufnahme der Druckst¨ ucke auf eine m¨ oglichst kerbspannungsarme Konstruktion zu achten, da die h¨aufig eingesetzten Sinterwerkstoffe eine nur begrenzte Zugfestigkeit aufweisen. Formteilungsgrate im Bereich der Druckst¨ ucktaschen sind unbedingt zu vermeiden, um ein Anreißen unter Spitzenlasten und den nachfolgenden Dauerschwingbruch zu vermeiden. Weiterhin ist bei der Auslegung der Welle-Nabe-Verbindung, die den Muffentr¨ager mit der Welle verbindet, eine kosteng¨ unstige und losr¨ uttelsichere L¨ osung sicherzustellen. In den meisten F¨allen wird diese Welle-Nabe-Verbindung als wellenseitig gerollte und ¨ muffentr¨agerseitig ger¨ aumte Geradverzahnung mit leichtem radialen Ubermaß oder mit einer leichten Verschr¨ ankung der Wellenverzahnung ausgef¨ uhrt. ¨ Auch Kombinationen aus Ubermaß und Verschr¨ankung sind m¨oglich. Wichtig
4.4 Synchronisation
219
Abb. 4.77. Beispielhafte Komponenten der Synchronisation: a) Synchronring, b) Zwischenring, c) Schiebemuffe, d) Muffentr¨ ager
Abb. 4.78. Treibende Verzahnung und Losrad eines 6-Gang Handschaltgetriebes mit angeschmiedeter Kupplungsverzahnung
¨ ist, auf die in den Muffentr¨ ager infolge des Ubermaßes eingeleiteten Umfangsspannungen sowie die resultierenden F¨ ugekr¨ afte in der Montage zu achten. ¨ Zu hohe Ubermaße k¨ onnen dabei zum Spanziehen f¨ uhren; die stark u ¨bermaßbehaftete Welle “r¨ aumt” sich dabei ihre Bahn im Muffentr¨ager frei, die resultierenden Sp¨ ane k¨ onnen sich z.B. unter den Nadellagern der Losr¨ader fangen. Abbildung 4.79 zeigt ein Finite-Elemente-Modell eines Muffentr¨agers
220
a)
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
b)
Abb. 4.79. Strukturanalyse eines Muffentr¨ agers: a) Berechnungsmodell mit Wellenabschnitt und Schiebemuffe, b) Spannungsverteilung
und die Spannungsverteilung bei Nennlast infolge des angreifenden Moments ¨ und des wirkenden Ubermaßes. 4.4.2 Phasen des Synchronisationsvorgangs Der Ablauf der Synchronisation kann in unterschiedlich viele Abschnitte ge¨ gliedert gegliedert werden; die Uberg¨ ange zwischen den einzelnen Phasen sind zum Teil fließend, teilweise werden einzelne Zeitpunkte als “Phase” bezeichnet. Die hier vorgestellte Gliederung des Ablaufs in sechs Phasen stellt eine m¨oglichst einfache Beschreibung des komplexen Vorgangs der Drehzahlangleichung und der anschließenden Herstellung des leistungs¨ ubertragenden Formschlusses dar. Die folgende Beschreibung geht von einem Druckst¨ uck mit einer federbelasteten Kugel, vgl. Abbildung 4.74, aus; f¨ ur die anderen Druckst¨ uckkonzepte, die in Abbildung 4.80 gezeigt sind, gelten die Ausf¨ uhrungen jedoch analog, vgl. hierzu auch Steinz [2006]. Die sechs Phasen lassen sich, vgl. Abbildung 4.81, wie folgt strukturieren: 1. Neutralstellung: Das Gangauslegen wird als erste Phase der Synchronisation betrachtet, an der Synchronisation muss dazu eine Kraft aufgewendet werden, um die so genannte Hinterlegung33 der Kupplungsverzahnung, vgl. auch Abbildung 4.82, u ur den Kunden ¨berwinden zu k¨onnen. F¨ 33
Als Hinterlegung wird die leicht konische Form der Z¨ ahne der Kupplungsverzahnung und des vorderen Teils der Schiebemuffen-Innenverzahnung bezeichnet, vgl. Abbildung 4.80.c. Die Hinterlegung soll ein unbeabsichtigtes Herausspringen der Schiebemuffe aus der Einschaltposition unter Last durch den Aufbau einer leichten Axialkraft verhindern, die die Schiebemuffe an das Schaltrad dr¨ uckt. Andere Ans¨ atze, um das so genannten Gangspringen zu vermeiden, sind etwa ein permanentes Anpressen der Schiebemuffe an das Gangrad. Dies kann aber
4.4 Synchronisation
a)
b)
c)
d)
221
Abb. 4.80. Verschiedene ausgef¨ uhrte Druckst¨ ucke: a) Schraubenfeder mit Metallk¨ orper, b) Schraubenfeder in Kunststoffgleitst¨ uck, c) Blattfederkonzept, d) Ausf¨ uhrung mit Ringfeder (Aus Steinz [2006])
ist w¨ahrend des Gangauslegens unter Umst¨anden eine negative Kraft am Schalthebel feststellbar: die verschiedenen Rastierelemente unterst¨ utzen das Gangauslegen und f¨ uhren den Schalthebel in Neutralposition. Das entsprechende Gef¨ uhl am Schalthebelknopf wird h¨aufig als “Schnappeffekt” bezeichnet, vgl. auch Abbildung 4.95. In Neutralstellung beginnt das Schleppmoment, die Prim¨arseite der Synchronisation abzubremsen. Die im Leistungsfluss hinten liegende Sekund¨arseite dreht sich mit n¨ aherungsweise konstanter Winkelgeschwindigkeit entsprechend der Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeugs weiter. Bei Synchronisationen auf der Eingangswelle vor der Verzahnungsstufe, wie etwa bei den Getrieben nach Abbildung 2.23, sitzen auf der Prim¨arseite, die durch den Leistungsfluss definiert ist, der Muffentr¨ager samt Schiebemuffe und Synchronring; die Kupplungsverzahnung am Losrad bildet dann die Se¨ kund¨arseite. Bei Synchronisationen hinter der Ubersetzungsstufe, wie etwa beim F40, vgl. Abbildung 2.21, bildet die Kupplungsverzahnung mit einem eventuellen Zwischenring, vgl. Abbildung 4.76, die Prim¨arseite; die Schiebemuffe und der Muffentr¨ ager fungieren dann als Sekund¨arseite. Kennzeichnend f¨ ur die Sekund¨ arseite ist jeweils, dass ihre Drehgeschwinzu erh¨ ohtem Verschleiß der Gabelschuhe f¨ uhren, wenn die Druckkraft zwischen Muffe und axialer St¨ utzfl¨ ache in der Schaltung und nicht an der Rastierung der Schiebemuffe erzeugt wird.
222
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.81. Prinzipieller Schaltkraftverlauf u uckgelegten Weg mit Kenn¨ber dem zur¨ zeichnung der Phasen der Synchronisation. Die Kraft wird positiv gez¨ ahlt, wenn Sie vom Fahrer in Richtung des Zielganges ausgebracht wird (Quelle: hofer powertrain)
digkeit unabh¨ angig vom geschalteten Gang proportional zur Fahrzeuggeschwindigkeit ist. In Abbildung 4.83 wird verdeutlicht, dass in dieser ersten Phase Muffe, Synchronring und Kupplungsverzahnung des Zielgangs noch nicht miteinander in Kontakt sind. Beim Gangauslegen f¨ uhren alle derzeit g¨ angigen Druckst¨ uckkonzepte, vgl. Abbildung 4.80, nach Steinz [2006] zu einem leichten Ansynchronisieren des jeweils anderen Ganges der Synchroneinheit. Dieses Ph¨anomen begr¨ undet sich dadurch, dass das Druckst¨ uck der Muffe infolge Reibung und eventuell nicht ausgeglichener Federkr¨ afte in Axialrichtung ausweicht und sich am Synchronring der Gegenseite abst¨ utzt. Dieses Ansynchronisieren kann vorteilhaft sein, z.B. bei Auf- und Abschaltungen innerhalb einer Synchroneinheit, i.d.R. zwischen 1./2. bzw. 3./4. und gegebenenfalls 5./6. Bei einem Wechsel zwischen Synchroneinheiten – es wird gem¨aßg der in Abschnitt 4.5.1 beschriebenen Aufteilung der Vorg¨ange beim Gangwechsel geschaltet und gew¨ ahlt – ist das Ansynchronisieren nachteilig, da die zu u berwindende Drehzahldifferenz dadurch etwas ansteigt. ¨ 2. Vorsynchronisation und Sperren: Wird die Schiebemuffe aus der Neutralstellung heraus in Richtung Zielgang verschoben, so ber¨ uhrt nach ¨ dem Uberwinden ihres Spiels die Druckkugel des Druckst¨ ucks, vgl. Abbildung 4.80, die Innen-Rastierkurve der Schaltmuffe. Dadurch st¨ utzt sich das kippbar gelagerte Druckst¨ uck infolge der Kraft zwischen Muffe und Rastierkugel seitlich am Synchronring ab. Dieser ber¨ uhrt bei der
4.4 Synchronisation
223
Einkonus-Synchronisation den Reibkegel am Schaltrad. Bei der DreikonusSynchronisation kommt es entsprechend zum ersten Kontakt an den drei Reibfl¨achen wie in Abbildung 4.76 beschrieben, zwischen den Reibfl¨achen besteht dann tribologisch ein Grenzreibungszustand, vgl. Abschnitt 4.4.5. Als Folge dieses ersten metallischen Kontakts “zerschneiden” die Rillen im Belag des Synchronringes den Schmierfilm, der sich aufgebaut hat, es kommt zum Aufbau eines Reibmomentes zwischen Prim¨ar- und Sekund¨arseite. Dieses Reibmoment verz¨ ogert die Eingangswelle und die mit ihr drehenden Losr¨ ader bei Aufschaltungen, z.B. bei der 1-2 Schaltung; das zuvor besprochene Schleppmoment hilft der Synchronisation bei diesem Abbremsen. Bei Abschaltungen, z.B. der 2-1 Leistungsschaltung, muss die Eingangswelle mit allen synchron drehenden Bauteilen, also auch der Sekund¨arseite der Kupplung, vgl. Abschnitt 4.1.1 und Beispiel 4.3, durch das Reibmoment der Synchronisation beschleunigt werden. Dies hat eine wesentlich h¨ohere (thermische) Beanspruchung der Synchronfl¨achen zur Folge, denn die Synchronisation arbeitet gegen das Schleppmoment und den Beschleunigungswiderstand der Prim¨ arseite der Synchronisation34 Durch das sich aufbauende Reibmoment w¨ahrend der Vorsynchronisation kommt es zum Kontakt der Dachfl¨ achen von Synchronring und Schiebemuffe, die Dachfl¨ achen der Z¨ ahne stehen aufeinander. Ein axiales Weiterschieben der Muffe in Richtung Schaltrad ist aufgrund der reibungsbedingten Sperrwirkung nicht m¨ oglich, solange durch Drehzahldifferenzen zwischen Synchronring und Reibkonus am Schaltrad ein Reibmoment induziert wird, das die Dachfl¨ achen aneinander dr¨ uckt, vgl. Abbildung 4.82. Das Anliegen der Dachfl¨ achen in dieser Phase ist in Abbildung 4.83 gezeigt. Den Zeitpunkt des Aufeinandertreffens der Dachfl¨achen von Synchronring und Schiebemuffe definiert man h¨aufig als das Ende der Vorsynchronisation, danach beginnt die eigentliche Synchronisation, eine Drehzahl der Prim¨ arseite hat sich noch nicht nennenswert ver¨andert. 3. Synchronisieren: Infolge des an der Synchronisation eingeleiteten Reibmoments wird nun die Prim¨ arseite der beschleunigt oder abgebremst, bis Gleichlauf von Sekund¨ ar- und Prim¨ arseite erreicht ist. Durch den Wegfall der Relativbewegung an den druckbelasteten Reibfl¨achen f¨allt das Reibmoment auf nahezu Null ab und der Synchronring kann von der Schiebemuffe zur¨ uck gedreht werden. Die Rastierkugel des Druckst¨ ucks muss dazu, von der Rastierkontur unterst¨ utzt, unter der Schiebemuffe abtauchen und die Druckkraft vom Synchronring nehmen. 4. Entsperren: Als Entsperren wird das nun m¨ogliche Verdrehen des Synchronrings relativ zur Schiebemuffe nach Erreichen der Drehzahlgleichheit bezeichnet. Eine Bewegung der Schiebemuffe in Richtung Gangrad ist nach dem Entsperren m¨ oglich, notwendige Bedingung dazu ist, dass die zuvor beschriebenen Phase der Synchronisierung abgeschlossen ist und 34
Die Berechnung der unterschiedlichen Synchronzeiten f¨ ur Auf- und Abschaltungen ist der Schwerpunkt von Auslegungsaufgabe 4.6.
224
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.82. Dachwinkel β der Sperrverzahnung am Synchronring und der Schaltverzahnung am Kupplungsk¨ orper (Aus INA [2005])
der Synchronring kraftfrei ist. Beim Entsperren wird nun der Synchronring um maximal den halben Teilungswinkel der Sperrverzahnung verdreht. Um das Entsperren bei Auf- und Abschaltung zu erm¨oglichen, ist also einmal die Teilung als Verdrehspiel des Synchronrings relativ zum Muffentr¨ager vorzuhalten; ausgedr¨ uckt mit der Z¨ahnezahl zk der Sperrverzahnung muss γ = 2 π/zk sein. Ist das Verdrehwinkelspiel γ zu klein, weist die Sperrverzahnung ein schlechtes Tragbild auf und es kommt zu Kantentr¨agern mit fr¨ uhzeitigem Verschleiß der Dachfl¨achen gefolgt von Sperr- und demzufolge Synchronisationsversagen. Ist γ zu groß, kann die Sperrverzahnung u ¨berspringen und verklemmen. In Abbildung 4.83 ist das Entsperren durch eine Relativverdrehung von Schaltmuffe und Synchronring zueinander visualisiert; das Sperrmoment ist zusammengebrochen. 5. Freiflug: In der anschließenden Freiflugphase muss nun die Schiebemuffe in Richtung Gangrad verschoben werden, um den Formschluss zur Leistungs¨ ubertragung sicherstellen zu k¨ onnen. Da sowohl die Kraft auf den Synchronring durch die Rastierkugel als auch der metallische Kontakt der Reibfl¨achen in dieser Phase wegfallen, kommt es zu einem starken Abfall der Vorspannkraft im Schaltsystem, vgl. Abbildung 4.81. Ziel der Abstimmung der Rastierelemente im Schaltsystem ist das Zustandekommen einer freien Kraft im Schaltsystem, die die Schaltmuffe in Richtung Losrad bewegt und gleichzeitig den Handschalthebel in die Zielposition f¨ uhrt; man spricht dann vom “Schnappeffekt”. Wichtig mit Blick auf Schaltzeit und Schaltkomfort ist, dass die Freiflugphase kurz bleibt. Wenn der Fahrer mit seiner Hand das Schaltsystem in Richtung Zielgang vorgespannt hat, steht nach dem Entsperren an der Schiebemuffe eine Kraft zur Verf¨ ugung, um die Muffe schnell in die Kupplungsverzahnung einf¨ uhren zu k¨ onnen. Liegt jedoch keine ausreichende
4.4 Synchronisation
225
Kraft zum Beschleunigen an der Schiebemuffe durch extreme Reibung im Schaltsystem oder durch eine unzureichende Schaltkraft des Fahrers an, bewegt sich die Muffe nur langsam in Richtung Kupplungsverzahnung. Dabei kann es zum erneuten Aufbau einer Drehzahldifferenz kommen, der Schaltkomfort wird stark beeintr¨ achtigt. Abhilfemaßnahme kann in solchen F¨allen, vgl. Abschnitt 9.4, die Integration eines Rastierelements nahe der Schaltmuffe sein, welche die zur Verk¨ urzung der Freiflugphase notwendige Kraft in Richtung Schaltrad zur Verf¨ ugung stellt. Wiederum ist in Abbildung 4.83 erkennbar, dass die Schiebemuffe den Synchronring innerhalb eines engen Verdrehspiels aufgenommen hat; zwischen Kupplungsverzahnung und Muffe besteht aber noch kein Kontakt. 6. Einspuren: Beim Herstellen des Formschlusses zwischen der Schiebemuffe und der Kupplungsverzahnung, dem so genannten Einspuren, sind drei verschiedene m¨ ogliche Kombinationen f¨ ur den Erstkontakt beim Einspuren zu beachten: • Die Dachfl¨ achen von Kupplungsverzahnung und Schiebemuffen stehen exakt versetzt zueinander, die Schiebemuffe kann ohne metallischen Kontakt bis in die Endposition am Endanschlag eingeschoben werden. Der erste Kontakt zwischen Schiebemuffe und Kupplungsverzahnung findet dann u ¨ber die so genannten Hinterlegungsfl¨achen statt. Ein Kraftimpuls tritt dann nicht auf, lediglich beim Erreichen eines harten Endanschlags kann der Kunde bei ausreichender Sensibilisierung eine Kraftspitze an der Hand f¨ uhlen. • Die Schiebemuffe trifft auf das “abfallende” Dach der schnelleren Kupplungsverzahnung am Gangrad, es kommt zum Stoß, der aber vom Fahrer am Schalthebel kaum wahrgenommen wird. Die Dachfl¨achen gleiten aneinander ab und erm¨ oglichen das Einf¨adeln der Schiebemuffe in der Kupplungsverzahnung. Der n¨ achste metallische Kontakt findet an den Hinterlegungsfl¨ achen statt. Trainierte Fahrer beurteilen eine solche Schaltung trotz des Kraftimpulses immer noch als gut, man spricht dann auch von einem “Zweiten Druckpunkt”, der aber erst ¨ nach Uberschreiten eines Grenzwerts, vgl. (9.2) und Abschnitt 9.4.1, beanstandet wird. • Schiebemuffe und Kupplungsverzahnung treffen mit den “aufsteigenden” Dachfl¨ achen aufeinander. Der mechanische Stoß ist h¨arter und wird vom Fahrer bei mangelnder Abstimmung des Schaltsystems, vgl. Abschnitt 4.5 und 9.4, als komfortbeeintr¨achtigend empfunden. Die Schiebemuffe wird durch den Impuls zur¨ uckgewiesen und trifft anschließend die n¨ achste Zahnl¨ ucke der Kupplungsverzahnung, es kommt ¨ zum Uberspringen. Dieser Vorgang kann sich mehrmals wiederholen, man spricht dann vom Schaltkratzen oder auch vom Ratschen; der Kunde sp¨ urt eine deutliche Kraftschwankung am Schalthebel und bewertet die Schaltung als verbesserungsw¨ urdig. Die beiden zuletzt beschriebenen Punkte – Schaltkraft und Schaltkratzen – stellen neben der bloßen Steigerung des u ¨bertragbaren Moments und
226
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.83. Visualisierung der Phasen des Synchronisationsvorgangs durch die relative Stellung von Schaltmuffe, Synchronring und Kupplungsverzahnung zueinander. Die Schaltmuffe bewegt sich beim Schalten nach links, der Kupplungsk¨ orper steht.
der Reduktion der verschiedenen Verluste – die derzeit gr¨oßte Herausforderung bei der weiteren Optimierung von Handschaltgetrieben dar. Bei der in Abbildung 4.81 dargestellten Kraft-Weg-Kennlinie eines typischen Schaltvorgangs wird eine Kraft im Schaltsystem dann als positiv gewertet, wenn sie die Schiebemuffe in Richtung des Zielgangs bewegt; bei einer 2-3 Schaltung mit hintenliegendem zweiten Gang z¨ahlt beispielsweise eine Kraft am Schalthebel in Fahrtrichtung nach dieser Konvention positiv. Das Gleiche gilt sinngem¨aß f¨ ur die Schaltwege. Bei der Auswertung von Messungen zur Analyse und Optimierung einer Synchronisation werden u ¨blicherweise nicht nur eine Kraft und ein Weg hochaufgel¨ ost u ¨ber der Zeit gemessen, sondern auch Schaltgabelwege, Kabel- oder Stangenwege und u ¨ber eine Dehnungsmessung z.B. an den Beinen der Schaltgabeln die Kraft zwischen Schaltgabel und Schiebemuffe, vgl. Abbildung 9.17. Wichtig ist diese synchrone Messung mehrerer Gr¨oßen mit Blick auf die Interpretation der Abl¨aufe, denn die genauen Positionen der einzelnen Teile in der Schaltbet¨atigung und ihrer Belastung gibt Aufschluss u ¨ber das Systemverhalten auf der Einzelteilebene. Dies stellt einen Grad an Informationsbereitstellung f¨ ur die Analyse dar, der mit der bloßen Messung von Kraft und Weg am Schalthebelknopf nicht erreichbar ist. Auf die Optimierung des Schaltkomforts und die notwendige Mess- und Auswertetechnik wird separat in Abschnitt 9.4 eingegangen. Anmerkung 4.19 Ist das Schleppmoment TD zu hoch, insbesondere bei niedrigen Temperaturen, kann dies zu erheblichen Schaltbarkeitsproblemen f¨ uhren, vgl. auch Abschnitt 9.4. Infolge des hohen Schleppmoments insbesondere bei den ersten Aufschaltungen nach dem Losfahren kann das Schleppmoment quasi die Funktion der Synchronisation u ¨bernehmen; es kann zur Entsperrhemmung kommen. Dabei findet der Drehzahlabfall der getriebenen
4.4 Synchronisation
a)
227
b)
Abb. 4.84. a) Festlegung des Konuswinkels bei der Einkonus-Synchronisation, b) prinzipielle Vorgehensweise bei der Dreikonus-Synchronisation (Nach INA [2005])
Welle u.U. so schnell statt, dass nach Entsperrung und Freiflugphase wieder eine Abschaltung mit Beschleunigung der Eingangswelle stattfinden muss, um die Drehzahlen von Schaltmuffe und Kupplungsverzahnung anzugleichen; die Folge ist eine hohe Schaltkraft, die beanstandet werden kann. Eine geringe Drehzahldifferenz zu Beginn der Einspurphase kann zu einem erh¨ohten zweiten Druckpunkt f¨ uhren, der nicht zwingend beanstandet wird. 2 4.4.3 Auslegung der Synchroneinheiten Im Folgenden wird nun, analog zu den Kupplungen und Wellen, die Grobauslegung der Synchronisation besprochen, um im Rahmen eines Konzeptentwurfs f¨ ur ein manuelles Schaltgetriebe auch diese Komponenten vorauslegen zu k¨onnen. Ferner soll ein Gleichungsger¨ ust besprochen werden, welches die Beurteilung einer bereits ausgef¨ uhrten Produktionsl¨osung einer Synchronisation in einem neuen Kontext, d.h. in einem anderen Getriebe mit anderen charakteristischen Abmessungen und anderen Drehtr¨agheiten, erlaubt. Die besprochenen Auslegungskriterien liefern jeweils Anhaltswerte f¨ ur die konstruktiven Parameter der Synchronisation, deren Detaillierung dann mit Simulation und Versuch erfolgt. Zun¨achst soll das u ¨bertragbare Konusmoment der kegelf¨ormigen Reibkupplung ermittelt werden, Kraftschluss – Fall VIII nach Tabelle 1.1 – wird als Wirkprinzip f¨ ur den Drehzahlangleich genutzt; die Vorgehensweise ist dabei vollkommen analog zur Berechnung des u ¨bertragbaren Kupplungsmoments in Abschnitt 4.1.3, vgl. Seite 126. Die wirkenden Kr¨afte sind in Abbildung 4.84.a eingezeichnet, man erh¨ alt zun¨ achst f¨ ur die Einkonus-Synchronisation die Normalkraft FN , die senkrecht auf der konusf¨ ormigen Wirkfl¨ache mit dem Konuswinkel αk steht, FN =
Fax . sin(αk )
228
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Anmerkung 4.20 Die Analogien zwischen der ebenen Reibkupplung und der kegelf¨ormigen Einkonus-Synchronisation entsprechen in der Auslegung den Analogien zwischen Flach- und Keilriemen bei der Ber¨ ucksichtigung des Neigungswinkels α der Wirkfl¨ achen, vgl. Steinhilper & Sauer [2006]. 2 Anmerkung 4.21 F¨ ur die Auslegung der Synchronisation wird stark vereinfachend angenommen, dass die Reibverh¨ altnisse, die Bet¨atigungskraft und die wirkenden Verlustmomente, vgl. hierzu auch Auslegungsaufgabe 4.6, konstant sind. Tats¨achlich jedoch sind die Reibverh¨ altnisse von der Reibgeschwindigkeit abh¨angig, vgl. Abschnitt 4.4.5 insbesondere Abbildung 4.91, und die axiale Bet¨atigungskraft Fax schwankt durch die intuitive “Regelung” von Schaltkraft und Schaltweg bzw. -geschwindigkeit durch den Fahrer ebenfalls. 2 Die Axialkraft Fax , mit der die Druckst¨ ucke den Synchronring w¨ahrend Phase der Vorsynchronisation gegen den Außenkonus dr¨ ucken, ist wird als konstant angenommen. Die Axialkraft h¨ angt jedoch – sowohl den absoluten Betrag betreffend als auch den Verlauf l¨ angs der Vorsynchronisationsstrecke – entscheidend von der Rastierkontur, der Arretierung und der wirksamen Reibung im System ab. Die Bestimmung der Kraft zwischen Druckst¨ uck, Synchronring und Außenkonus in Abh¨ angigkeit vom Schaltweg wird in Abschnitt 4.5.2 besprochen. Nimmt man wieder die G¨ ultigkeit des Coulomb’schen Reibgesetzes zwischen den Konen an, so erh¨ alt man das u ¨bertragbare Reibmoment Tk der Einkonussynchronisation mit dem mittleren Wirkdurchmesser dk der Synchronpakete zu Tk = Fax · µk · dk / (2 sin(αk )) .
(4.68)
Dabei wurde in Analogie zu (4.3) vereinfachend wieder der mittlere Konusdurchmesser dk = 2 · rm benutzt, der Fehler ist wieder verglichen mit den Ungenauigkeiten der Reibwertbestimmung, vgl. Abschnitt 4.4.5 vernachl¨assigbar. Der zum Erreichen einer niedrigen Schaltkraft erforderliche vergleichsweise hohe Reibwert µk wird durch die Nutzung von Grenz- bzw. Mischreibungszust¨anden erreicht, dabei werden die Reibpartner nur durch einen wenige Nanometer dicken Schmierfilm voneinander getrennt. Der auf die Konusfl¨achen wirkende Druck h¨ angt von der Konusgeometrie ab, er f¨allt bei Mehrkonus-Synchronisationen von der inneren zur ¨außeren Konusfl¨ache durch die stetig gr¨oßer werdenden Konusabmessungen etwas ab. F¨ ur eine DreikonusSynchronisation mit im allgemeinen unterschiedlichen Konuswinkeln αk,i , wirksamen Konusdurchmessern dk,i und Reibwerten µk,i erh¨alt man analog zu (4.68) durch die Summation der Teilmomente das u ¨bertragbare Reibmoment µk,1 · dk,1 µk,2 · dk,2 µk,3 · dk,3 Fax Tk = · + + . (4.69) 2 sin(αk,1 ) sin(αk,2 ) sin(αk,3 ) Anmerkung 4.22 Man beachte, dass beim L¨osen des Synchronverbandes beim Gangauslegen keine Selbsthemmung auftreten darf; die Forderung µk < tan(αk ) ist entsprechend f¨ ur die Konen der Synchronisation sicherzustellen,
4.4 Synchronisation
229
um ein Verklemmen oder hohe Ausschaltkr¨ afte zu vermeiden. Wird die Bedingung µk < tan(αk ) nicht erf¨ ullt, ist der Entwurf zu verwerfen; Anhaltswerte die Wahl der Konuswinkel sind αk = 6, . . . , 7◦ f¨ ur Einkonussysteme und αk = 9, . . . , 12◦ f¨ ur Mehrkonussynchronisationen. 2 Wichtig f¨ ur das Verst¨ andnis von (4.69) ist das in Abbildung 4.76 verdeutlichte wechselseitige Abst¨ utzen der Reibpartner an Prim¨ar- und Sekund¨arseite der Synchronisation. Mit (4.68) und (4.69) stehen nun die Beziehungen zur Berechnung des Beschleunigungsmoments einer Synchroneinheit zur Verf¨ ugung, mit der die Prim¨ arseite bei Aufschaltungen verz¨ogert und bei Abschaltungen beschleunigt werden kann. Dabei bestimmt das auf die Prim¨arseite der Synchronisation bezogene Drehtr¨ agheitsmoment Θred,s−p der Eingangswelle, der mit ihr k¨ammenden Losr¨ ader und der Kupplungs-Sekund¨arseite nach dem d’Alembert’schen Prinzip die erreichbare Drehbeschleunigung bzw. Verz¨ogerung ω˙ s−p der Prim¨ arseite gem¨ aß ω˙ s−p = (Tk ± TD ) /Θred,s−p .
(4.70)
Der Index s−p weist dabei auf die Prim¨ arseite der Synchronisation hin. Das obere Vorzeichen in (4.70) gilt f¨ ur Aufschaltungen, bei denen das an der Synchronisation wirkende Schleppmoment TD das Konusmoment unterst¨ utzt; das Minuszeichen gilt f¨ ur die Abschaltungen, das Schleppmoment reduziert das Konusmoment. Die Bestimmung der reduzierten Drehtr¨ agheit Θred,s−p wird in Beispiel 4.4 besprochen und greift die Beziehung zur Umrechnung der Losrad-Drehtr¨agheit (4.27) wieder auf, allgemein gilt zur Bestimmung die Gleichung Θred,s−p = Θs−p +
Nk X
Θj /i2j .
(4.71)
j=1
Dabei bezeichnet Θs−p die Tr¨ agheit des Losrades der betrachteten Synchronisation. Die Summation erfasst alle relevanten prim¨arseitigen Drehtr¨agheiten ¨ j = 1, . . . , Nk mit den jeweiligen Ubersetzungen ij , die hier von der Synchronisationsdrehzahl ausgehend zu rechnen sind. Beispiel 4.4 F¨ ur den in Abbildung 4.85 symbolisch dargestellten Antriebsstrang soll die auf das Losrad 7 bezogene Drehtr¨agheit Θred,s−p,7 der Prim¨arseite der Synchronisation berechnet werden, um die Dimensionierung der Synchroneinheit f¨ ur eine 2-1 Leistungsschaltung u ufen zu k¨onnen. Die ¨berpr¨ Symbolik entspricht der von Abbildung 3.25. Mit den in Abbildung 4.85 eingezeichneten Drehtr¨agheiten kann (4.71) fast direkt ausgewertet werden. Dabei werden jedoch zweckm¨aßig die Drehtr¨aghei¨ ten vorher entsprechend der wirksamen Ubersetzungen bis zur betrachteten Prim¨arseite am Losrad 7 gruppiert. Mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit wie das Losrad 7 dreht kein weiteres Teil. Mit der Drehzahl der Vorgelegewelle drehen neben der Welle ΘVorgelegewelle selbst die Treiber 2, 4 , 6, 8, 10 und 13;
230
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.85. Symbolischer Antriebstrang eines Fahrzeugs mit 5-Gang Vorgelegegetriebe
¨ die Ubersetzung vom Losrad 7 zur Vorgelegewelle entspricht dem Kehrwert der ersten Gang¨ ubersetzung z8 /z7 . Die mit der Vorgelegewelle k¨ammenden Losr¨ader 3, 5, 9, 11 und 12 gehen mit den jeweiligen Gang¨ ubersetzungen in ¨ die Berechnung ein; f¨ ur das Losrad 9 des R¨ uckw¨artsgangs ist dabei die Ubersetzung ohne das Rad 11 zu bilden, was nur die Funktion der Drehrichtungsumkehr u agheit separat erfasst ist. Schließlich ¨bernimmt und dessen Drehtr¨ sind noch die Antriebswelle ΘAntriebswelle mit der Kupplungstr¨agheit Θc und dem Treiber der Konstant¨ ubersetzung 1 zu ber¨ ucksichtigen. Formelm¨aßig stellt sich dann die Berechnung als Θred,s−p,7 = Θ7 + (ΘAntriebswelle + Θc + Θ1 ) ·
z7 z8
2 2 z2 · z1
+ (ΘVorgelegewelle + Θ2 + Θ4 + Θ6 + Θ8 + Θ10 + Θ13 ) · 2 2 2 z4 z6 z10 + Θ3 + Θ5 + Θ9 + z3 z5 z9 2 2 ! 2 z10 z13 z7 Θ11 + Θ12 · z11 z12 z8
z7 z8
2
dar. Die Tr¨agheiten von Ausgangswelle ΘAbtrieb und Fahrzeug Θveh brauchen bei der Berechnung des wirksamen Tr¨ agheitsmoments f¨ ur den Schaltvorgang nicht zu ber¨ ucksichtigt werden, da das Fahrzeug w¨ahrend des Gangwechsels eine n¨aherungsweise konstante Geschwindigkeit hat. Wie in Abschnitt 3.2.2 angedeutet, hat der Stufensprung benachbarter G¨ange entscheidenden Einfluss auf die erforderlichen Synchronkapazit¨aten, vgl. Seite 91. Veranschaulicht man sich, dass die mittels Abbildung 3.6, vgl. Seite 73 motivierte Gleichung f¨ ur die Relativdrehzahl (3.5) direkt auch die zu synchronisierende Drehzahldifferenz beinhaltet, wird der Einfluss des Stufensprungs
4.4 Synchronisation
231
Tabelle 4.22. Richtwerte f¨ ur die zul¨ assige Schaltkraft am Schalthebelknopf FHand,zul und die zul¨ assige Rutschzeit τsync,zul beim Synchronisieren beim Schalten f¨ ur alle G¨ ange PKW
Nutzfahrzeug-Gruppengetriebe Hauptgr. Splitgr. Bereichsgr. Zul¨ assige Schaltkraft FHand,zul [N] 80–120 180–250 pneumatisch Zul¨ assige Rutschzeit tS,zul [sec] 0,15–0,25 0,25–0,4 0,15 0,2
klar. F¨ ur eine Aufschaltung identifiziert man in Abbildung 3.6 das als inaktiv bezeichnete Losrad als das Losrad des Zielganges j + 1, dann ergibt sich f¨ ur die zu synchronisierende Relativdrehzahl zwischen Prim¨ar- und Sekund¨arseite ¨ der Synchronisation mit der Ubersetzung des Ursprungsganges ij nein nein nein nrel = |ns−s − ns−p | = − = · |ϕj − 1| . (4.72) ij ij+1 ij+1 Analoges gilt dann f¨ ur eine Abschaltung. Dabei ist nein die Drehzahl der Eini gangswelle und der Stufensprung ϕj = j+1 wurde in (3.27) definiert, vgl. ij Seite 91. Aus (4.72) wird also der in Abschnitt 3.2.2 beschriebene Zusammenhang zwischen Stufensprung und Synchronkapazit¨at deutlich; bei geometrischer Stufung der G¨ ange bleibt die zu synchronisierende Drehzahldifferenz konstant, wenn man eine gleichbleibende Motordrehzahl unterstellt; bei progressiver Gangstufung nimmt die Drehzahldifferenz mit wachsender Gangzahl ab. Mit kleiner werdender Drehzahldifferenz nimmt aber auch die erforderliche Gr¨oße der Synchroneinheit zum Puffern der Reibungsverluste ab und die Synchronpakete h¨ oherer G¨ ange k¨ onnen somit kleiner und leichter gebaut werden, ohne die Bel¨age thermisch zu u ¨berlasten. Bei den Synchronisationen moderner Kraftfahrzeuge ist heute in den meisten F¨allen nicht mehr die mechanische und/oder thermische Leistungsf¨ahigkeit der Synchronpakete der limitierende Faktor. Vielmehr sind es die erzielbaren Schaltzeiten bis zum Erreichen des Formschlusses, um gerade bei automatisierten Getriebekonzepten mit konventionellen Synchronisationen, vgl. Abschnitt 5.2, eine schnelle Schaltung und eine kurze Zugkraftunterbrechung realisieren zu k¨ onnen, vgl. auch Abbildung 9.7 und die Diskussion in Abschnitt 9.3.2. Bei konventionellen Schaltgetrieben ist die gew¨ unschte niedrige Handkraft am Schalthebelknopf bei Komfortschaltungen die eigentliche Herausforderung, vgl. Abschnitt 9.4.1. In Tabelle 4.22 sind Richtwerte f¨ ur die zul¨assigen Rutschzeiten τsync,zul und Schaltkr¨afte am Handschalthebel FHand,zul f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge angegeben. Die Berechnung der Rutschzeit und der dissipierten Reibarbeit erfolgt in Analogie zur Kupplungsberechnung, (4.10) und (4.11), und wird in Auslegungsaufgabe 4.6 vertieft. Tabelle 4.23 stellt die Analogien zwischen Synchronisation und Kupplung zusammen und zeigt die weitgehenden Parallelen auf, die sich bei Nutzung der einfachen Modellannahmen, vgl. z.B. Abbildung 4.15, nutzen lassen. Bei der
232
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben Tabelle 4.23. Gegen¨ uberstellung von Kupplung und Synchronisation
Eigenschaft – Rechengr¨ oße Kupplung Synchronisation Treibendes, als konstant angenommenes Moment. Tmot Tk F¨ uhrt bei konstanter Drehzahl Leistung zu. Rutschzeit; Dauer des gleichf¨ ormig beschleunigten τABE τsync Prozess zur Angleichung der Drehzahlen von Prim¨ ar- und Sekund¨ arseite Ungef¨ ahr konstantes Lastmoment, unabh¨ angig von TL TL der Drehzahl des zu beschleunigenden Reibpartners Drehzahlgradient der gleichf¨ ormig beschleunigten ω˙ c ω˙ s−p bzw. verz¨ ogerten Drehbewegung Beschleunigungswiderstand; Drehtr¨ agheit der zu Θveh,red Θred,s−p beschleunigenden oder zu verz¨ ogernden Drehmasse
Abb. 4.86. Besch¨ adigung einer Sperrverzahnung durch Ratschen infolge Synchronisationsversagen (Aus Lechner & Naunheimer [1994])
Berechnung von Temperaturverl¨ aufen und -verteilungen wird i.d.R. eine mittlere Reibfl¨ache angenommen und ein fl¨ achiges Anliegen der Reibpartner vorausgesetzt; die Temperaturen in den Rillenspitzen des Belags u ¨berschreiten jedoch die mittlere Temperatur kurzzeitig erheblich. Um die Sperrsicherheit einer Synchronisation zu beurteilen, wird noch das Sperrmoment berechnet. Zun¨ achst versteht man unter dem Sperrmoment das Grenzmoment der Synchronisation, bei der die Haftbedingung an den Dachfl¨achen der Innenverzahnung der Schiebemuffe und der Sperrverzahnung des Synchronrings, vgl. Abbildung 4.87.a, verletzt wird und die Sperrverzahnung gegen den Reibwiderstand verdreht werden kann. Bei den folgenden Betrachtungen wird nur ein in Kontakt stehendes Dachfl¨achenpaar in Abbildung 4.87 betrachtet, die Ausf¨ uhrungen gelten jedoch f¨ ur alle in Kontakt befindlichen Z¨ahne der Sperrverzahnung. Analysiert wird im Folgenden der Zustand, bei dem die Haftreibungsgrenze an der Sperrverzahnung erreicht wird.
4.4 Synchronisation
a)
233
b)
Abb. 4.87. Kr¨ afte an der Sperrverzahnung zwischen Synchronring und Schiebemuffe: a) Draufsicht auf die Sperrfl¨ ache, b) Seitenansicht des Synchronrings mit wirkender Kraft und angenommener Drehrichtung ω und -beschleunigung ω˙
Die Forderung ist also, dass das durch die Synchronisation w¨ahrend des Synchronisationsvorgangs – Phasen 2 und 3 – u ¨bertragbare Moment Tk gr¨oßer ist als das Sperrmoment Ts . Ist die Sperrbedingung Tk /Ts ≥ 1
(4.73)
verletzt, so l¨asst sich die Schiebemuffe durchschalten, ohne dass die Drehzahlen des Gangrades und der Synchroneinrichtung angeglichen wurden. Der Quotient Ss = Tk /Ts wird auch als Sperrwert der Synchronisation bezeichnet; Ss > 1 kennzeichnet die funktionssicher ausgelegte Synchronisation. Die Forderung (4.73) l¨asst sich folgendermaßen veranschaulichen: W¨achst das Sperrmoment mit zunehmender Axialkraft bei Ss < 1 schneller als das Konusmoment, so kann das Sperrmoment als Reaktionsmoment den Synchronring trotz des angreifenden Konusmoments verdrehen und die Schiebemuffe wird vor Erreichen der Drehzahlgleichheit in die Kupplungsverzahnung einger¨ uckt; man spricht von Synchronisationsversagen. Die Folge dieses Synchronisationsversagens ist ein deutlich h¨ orbares Ratschen infolge des metallischen Kontakts der mit unter Umst¨anden hohen Differenzdrehzahlen aufeinandertreffenden Z¨ahne von Schiebemuffen- und Kupplungsverzahnung; Abbildung 4.86 zeigt beispielhafte Sch¨aden an einer Kupplungsverzahnung infolge Synchronversagen. Ist die Sperrsicherheit nach (4.73) gew¨ ahrleistet, so kann die Sperrverzahnung am Synchronring erst nach Erzielen des Gleichlaufs von Muffe und Kupplungsverzahnung aufgrund der dann wegfallenden Reibkr¨afte verdreht werden, um mit der Schiebemuffe in Richtung Kupplungsverzahnung f¨ ur den Freiflug Weg machen zu k¨onnen. ¨ Als Ausgangspunkt der folgenden Uberlegungen wird an der Schiebemuffe u ¨ber die Schaltgabel eine axiale Schaltkraft35 Fax eingeleitet, die bei der Be35
Die Schaltkraft ist in Abbildung 4.87.a als Reaktionskraft auf die Druckbelastung der Schiebemuffe durch die Schaltgabel eingezeichnet.
234
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
trachtung zur Sperrsicherheit zum einen zur Momenten¨ ubertragung, zum anderen f¨ ur das (beabsichtigte) Verdrehen des Synchronringes aufgewendet wird. Es herrscht in axialer Richtung Gleichgewicht am Zahn der Schiebemuffe, vgl. Abbildung 4.87.a, Fax = Fax,sm + Fax,sr ,
(4.74)
wobei die Indizes sr und sm auf die Sperrverzahnung des Synchronring bzw. die Dachfl¨ache der Schiebemuffe hinweisen. Zum anderen gilt f¨ ur die Umfangskraft am Synchronring die Gleichgewichtsbeziehung Ft = Ft,sm − Ft,sr .
(4.75)
F¨ ur die Normal- und Tangentialkr¨ afte an der Dachfl¨ache der Schiebemuffe, die hier symmetrisch mit einem Dachwinkel β ausgef¨ uhrt ist, gilt Fax,sm = FN,sm · sin (β/2)
und Ft,sm = FN,sm · cos (β/2) ,
(4.76)
dabei ist β der Dachwinkel der Sperrverzahnung, vgl. Abbildung 4.87.a. Wenn der Moment des Rutschbeginns betrachtet wird, f¨ ur den die Haftbedingung an den Dachfl¨achen gerade noch erf¨ ullt ist, so gilt mit dem Haftreibungsbeiwert µd der Dachfl¨achenpaarung36 als weitere Bedingung mit der Coulomb’schen Reibkraft FR,d = µd FN,sm an der Dachfl¨ ache Fax,sr = FR,d · cos (β/2)
und Ft,sr = FR,d · sin (β/2) .
(4.77)
Mit den Gleichungen (4.74), (4.75), (4.76) und (4.77) stehen nun genug Beziehungen zur Verf¨ ugung, um bei gegebener Axialkraft an der Muffe Fax die resultierende Umfangskraft Ft ausrechnen zu k¨onnen, die noch f¨ ur die Beschleunigung bzw. Verz¨ ogerung der Prim¨ arseite nutzbar bleibt, bevor das Synchronisationsversagen einsetzt und die Sperrverzahnung wegrutscht. Als ersten Zwischenschritt erh¨ alt man die Tangentialkraft in Abh¨angigkeit von der Normalkraft an der Dachfl¨ ache FN,sm aus (4.75) mit (4.76)2 und (4.77)2 Ft = FN,sm · {cos(β/2) − µd · sin(β/2)} .
(4.78)
Die unbekannte Kraft FN,sm an der Dachfl¨ ache kann man mit der Reibkraft und den Beziehungen (4.74) sowie (4.76)1 und (4.77)1 durch die gegebene Axialkraft ausdr¨ ucken, FN,sm =
Fax . µd · cos(β/2) + sin(β/2)
(4.79)
Mit dem in Abbildung 4.87.b angegebenen Hebelarm der Sperrverzahnung rs = ds /2 ergibt sich schließlich mit Hilfe von (4.78) und (4.79) das gesuchte Sperrmoment der Synchronisation zu 36
Da man diesen Reibwert im Gegensatz zum Reibwert der Konusfl¨ achen µk praktisch nicht messen kann, ist µd ≈ 0, 09 nach Lechner & Naunheimer [1994] eine u aherung. ¨bliche N¨
4.4 Synchronisation
a)
235
b)
Abb. 4.88. Asymmetrische (Toyota) und symmetrische (Peugeot) Kupplungsverzahnung
T s = Ft ·
ds Fax · ds cos(β/2) − µd · sin(β/2) = · . 2 2 µd · cos(β/2) + sin(β/2)
(4.80)
Wichtig ist das Verst¨ andnis, dass das Sperrmoment eigentlich ein Reaktionsmoment ist, welches sich infolge der Keilwirkung der Dachverzahnung auf¨ baut. Uberschreitet es das u ¨bertragene Konusmoment, wird der Synchronring verdreht und ohne Drehzahlangleich zwischen Prim¨ar- und Sekund¨arseite der Synchronisation durchgeschaltet. Zur Optimierung von Schaltkomfort und Sperrsicherheit f¨ uhren manche Getriebehersteller die Kupplungsverzahnung asymmetrisch aus, wie in Abbildung 4.88.a gezeigt. Durch die unterschiedlichen Dachwinkel auf der Abschaltungs- und Aufschaltungsseite werden unterschiedliche Sperrmomente f¨ ur Auf- und Abschaltung nach (4.80) erreicht; durch diese Maßnahme kann den bei Auf- und Abschaltung unterschiedlichen Synchronzeiten, vgl. auch Auslegungsaufgabe 4.6, Rechnung getragen werden. Ferner wird, wie in Abbildung 4.84.b gezeigt, bei Mehrkonussynchronisationen mit einem kleinen Differenzwinkel in der Gr¨ oßenordnung von etwa 4 Winkelminuten gearbeitet; Innenreibfl¨ achen werden um diesen Differenzwinkel kleiner ausgef¨ uhrt, Außenreibfl¨ achen entsprechend gr¨oßer. Der so entstehende keilf¨ormige Spalt bringt axiale Elastizit¨ at in das System und f¨ uhrt u ¨ber den sich leichter aufbauenden Schmierfilm im nichtgeschalteten Gang zu einer Reduktion der hydrodynamischen Reibungsverluste an den Synchroneinheiten. Auslegungsaufgabe 4.6 Synchronisationsvergleich F¨ ur die in Tabelle 4.24 angegebenen Dreikonus-Synchronssysteme zweier Getriebe sollen • die Synchronzeit τsync,1−2 zum Angleichen einer Drehzahldifferenz von 6000 auf 3800 u/min bei einer 1-2-Schaltung, • die Synchronzeit τsync,2−1 bei einer bei einer 2-1-Schaltung von 4000 auf 6000 u/min,
236
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben Tabelle 4.24. Parameter zweier Dreikonussynchronisationen Vorgabewert Variante 1 Variante 2 Kraft am Synchronring Fax 100 N 100 N Konusdurchmesser dk,1 78 mm 58 mm Konusdurchmesser dk,2 73 mm 54,4 mm Konusdurchmesser dk,3 68,4 mm 47,5 mm Konuswinkel αk 7,5◦ 9,5◦ ◦ Dachwinkel β 42,5 45,5◦ Reibwert am Synchronkonus µk,1 0,14 0,11 Reibwert am Synchronkonus µk,2 0,12 0,11 Reibwert am Synchronkonus µk,3 0,10 0,11 Haftreibungsbeiwert der Dachfl¨ achenpaarung µd 0,09 0,09 Mittlerer Durchmesser der Sperrverzahnung ds 91,8 mm 91,8 mm Reduzierte Tr¨ agheit 1. Gang Θred,s−p,1 18 gm2 12 gm2 2 Reduzierte Tr¨ agheit 2. Gang Θred,s−p,2 15,5 gm 10,4 gm2 ¨ Ubersetzung erster Gang i1 3,91 4,21 ¨ Ubersetzung zweiter Gang i2 3,21 3,27
• der W¨armeeintrag in die Synchroneinheit bei einer 2-1-Schaltung, • sowie der Sperrwert nach (4.73) beider Einheiten berechnet werden. F¨ ur die beiden ersten Teilaufgaben ist die Fahrzeuggeschwindigkeit vveh und damit die Winkelgeschwindigkeit der Sekund¨ arseite der Synchronisation ωs−s als konstant anzunehmen. Man beachte die systembedingten Analogien zwischen der Kupplung und der Synchronisation, vgl. Anmerkung 4.3. Bei der Berechnung der Synchronzeiten ist vereinfachend an der Eingangswelle ein konstantes Lastmoment TL = 1, 0 Nm anzunehmen, welches die Schleppund Lagerreibungsverluste im Getriebe erfasst. Bei der Ber¨ ucksichtigung des ¨ Lastmoments TL ist jeweils die Ubersetzung des Zielganges zur Umrechnung der Schleppeffekte auf die Synchronisation zu beachten. ♠ 4.4.4 Fehlfunktionen Fehlfunktionen in der Synchronisation k¨ onnen z.B. durch schlecht zentrierte Druckst¨ ucke auftreten. Dabei wird der nicht geschaltete, gegen¨ uberliegende Synchronring (4), vgl. Abbildung 4.89, permanent vorsynchronisiert. Als weiteres Versagensmuster kann es durch zu große Freiheitsgrade der Synchronisationsbauteile zum unbeabsichtigten Ansynchronisieren einzelner Ringe kommen, z.B. durch eine vergr¨ oßerte Fase (1) an der Schiebemuffe, die zu einem Spiel des Druckst¨ ucks relativ zum Muffentr¨ ager f¨ uhrt. Dabei positioniert dann die federvorgespannte Kugel (2) das Druckst¨ uck (3) in eine nicht gew¨ unschte Lage; da das Druckst¨ uck nun auf den Synchronring (4) dr¨ uckt, entsteht eine konstante An-/Vorsynchronisation des drehenden Losrades. Durch die kontinuierliche Reibung verschleißt der Synchronisationsverbund fr¨ uhzeitig.
4.4 Synchronisation
237
Abb. 4.89. Fehlfunktion der Synchronisation (Aus INA [2005])
Ein anderes Ausfallmuster der Synchronisation ist das mit Sperrversagen verbundene Durchschalten bei nicht-synchronisierter Kupplungsverzahnung; die Folge dieses Versagensmusters ist das so genannte Ratschen, das sich als metallisches Ger¨ausch bemerkbar macht. Wichtigstes Kriterium zur Vermeidung von Sperrversagen ist die Sperrbedingung (4.73). Aus Komfortgr¨ unden muss die Schiebemuffe leichtg¨ angig in die Kupplungsverzahnung des Zahnrads durchgeschaltet werden k¨ onnen, dazu muss sich jedoch der Reibverbund nach dem Synchronisieren der Drehzahlen korrekt l¨osen. Das hierzu erforderliche L¨osemoment wird durch die tangentiale Umfangskraft Ft der Dachverzahnung aufgebaut. Bei gleicher Schaltkraft Fax weist die Mehrkonus-Synchronisation eine h¨ohere Synchronisationsleistung auf. Somit kann der Winkel f¨ ur die Sperrverzahnung kleiner ausgef¨ uhrt werden, wodurch sich zum einen gem¨aß (4.80) bei gleicher Schaltkraft die Umfangskraft vergr¨oßert und zum anderen das vergr¨oßerte L¨osemoment den Reibverbund sicher trennt. Den Einfluss des Dachwinkels β auf den Durchschaltvorgang zeigt Abbildung 4.87, visualisiert durch eine h¨ohere tangentiale Verdrehkraft zwischen Muffe und Synchronring bei gleichen Schaltkr¨ aften. 4.4.5 Arten und Charakteristiken von Reibbel¨ agen f¨ ur Synchronisationen Um die Erstauslegung einer Synchronisation praktisch durchf¨ uhren zu k¨onnen, ist die Kenntnis der wichtigsten Materialien f¨ ur die Reibbel¨age notwendig. Die Detailfestlegung der Innenverzahnung der Schiebemuffe und der Sperr- und Kupplungsverzahnung an Synchronring und Kupplungsk¨orper erfolgt mehr mit Blick auf den Schaltkomfort, vgl. Abschnitt 9.4.
238
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.90. Synchronringe aus Messing (Aus INA [2005])
Reib- bzw. Materialpaarungen Die in Abbildung 4.90 dargestellten Außen- und Innen-Synchronringe ohne spezielle Beschichtung bestehen aus Bronze- oder Messing-Sonderlegierungen, z.B. Mangan-, Aluminium-, oder Siliziumbronze. In die Konusfl¨achen sind Gewinde- oder Rillenmuster und axiale Nuten eingearbeitet, die den Schmierstoff schneller verteilen bzw. verdr¨ angen. Je schneller das Getriebe¨ol die Reibfl¨ache verl¨asst, desto fr¨ uher steigt beim Synchronisieren das Reibmoment an und verringert die Schlupfphase. Fehlen die axialen Nuten, kann sich leichter ein hydrodynamischer Schmierspalt aufbauen, dessen Folge ein starkes Abfallen des Reibwerts und ein Ansteigen der Synchronzeit37 sind; die Syn¨ die W¨arme aus dem chronisation wird zum Gleitlager. Ferner muss das Ol Reibverbund abf¨ uhren, was ebenfalls durch die Rillierung des Belages unterst¨ utzt wird. Die Konen weisen bei der Reibpaarung Messing/Bronze etwa 40 Rillen pro Zoll auf, bei beschichteten Bauteilen etwa 20 Rillen pro Zoll. Sind zu viele Nuten eingearbeitet, besteht die Gefahr eines fr¨ uhzeitigen Verklemmens des Synchronrings. Aus tribologischen Untersuchungen weiss man, dass w¨ahrend der Synchronisation im Kontaktbereich der Reibpartner die so genannte Grenzschichtreibung erreicht wird, bei der keine hydrodynamische Kraft¨ ubertragung mehr stattfindet und die beiden Kontaktpartner nur noch durch eine wenige Nanometer dicke Grenzschicht voneinander getrennt sind. Die Auswahl der Materialien der Reibpartner – der Reibkonus am Losrad ist in den allermeisten F¨ allen aus einsatzgeh¨ artetem Stahl, z.B. 16MnCr5 oder 20MnCr4 mit einer H¨ arte von mindestens 60 HRC gefertigt – wird im Wesentlichen durch die spezifische Belastung beeinflusst. Bei EinkonusSynchronisationen werden f¨ ur PKW-Schaltgetriebe meist profilierte Synchron37
F¨ ur den Zusammenhang zwischen dem Konusmoment Tk respektive Reibwert und der Synchronisierzeit tS sei auf Abbildung 9.14 verwiesen, vgl. Abschnitt 9.4.1.
4.4 Synchronisation
239
Abb. 4.91. Mittlere geschwindigkeitsabh¨ angige Reibkoeffizienten verschiedener Materialpaarungen
ringe aus Sondermessing genutzt, f¨ ur NKW-Schaltgetriebe kommen Ringe aus Stahl mit einer dicken Schicht aus Molybd¨ an zum Einsatz. Bei MehrkonusSynchronisationen, bei denen die spezifische Belastung geringer ist als bei der Einkonus-Synchronisation, hat sich in der Praxis die Kombination mit StahlZwischenringen bew¨ ahrt, die mit Molybd¨ an oder Streusinter beschichtet sind; ferner kommen organische Papierbel¨ age zum Einsatz. Alle Belagmaterialien m¨ ussen hoch verschleißfest sein, einen gleichm¨aßigen Reibwert w¨ahrend der gesamten Gebrauchsdauer sicherstellen und eine ausreichende Sicherheit ge¨ gen thermische und mechanische Uberlastung aufweisen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Vertr¨ aglichkeit des Synchronbelags mit dem vorgesehenen Getriebe¨ol, insbesondere mit dessen Additiven38 . F¨ ur vier exemplarische Reibpaarungen von Stahlkonen sind in Abbildung 4.91 die mittleren geschwindigkeitsabh¨ angigen Reibkoeffizienten nach dem Coulomb’schen Ansatz aufgetragen; man erkennt deutlich die Nachteile der Paa¨ rung Stahl-Stahl und die Uberlegenheit der auf Kevlar als Reibmaterial basierenden organischen Bel¨ age. Wichtige technische Merkmale verschiedener Materialien f¨ ur die Reibbel¨ age sind in Tabellen 4.25 und 4.26 in Anlehnung an Hoerbiger39 zusammengestellt. Neben den aufgef¨ uhrten Belagmaterialien werden f¨ ur Nutz- und Sonderfahr¨ laufende Bremsen und Automatikgetriebe – auch zeuge – vorrangig f¨ ur in Ol Carbonbel¨age und organische Reibbel¨ age auf Zellulosebasis eingesetzt. Man 38
39
Hier unterscheidet man die Additivsorten FM (Friction Modifier) zur Minderung der Reibung, AW (Anti-Wear) zur Minderung des Verschleißes und EP (extreme Pressure) zur Minderung des Verschleißes bei hohen Pressungen. http://www.ansog.hoerbiger.de
240
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Tabelle 4.25. Qualitativer und quantitativer Vergleich verschiedener Reibbel¨ age f¨ ur Synchronisierungen (Nach Hoerbiger [2006]) Eigenschaft Verschleiß Synchronring Verschleiß Gegenkonus Reibwert Reibwertkonstanz ¨ Uberlastbarkeit ¨ Olvertr¨ aglichkeit Spez. Reibarbeit wreib,zul Dyn. Reibwert µk
Sondermessing Streusinter Molybd¨ an Papier Qualitativ 0 ++ + −− 0 0 − 0 0 + + ++ 0 + 0 ++ 0 ++ + − 0 ++ + ++ Quantitativ 1,2 Jmm−2 4 Jmm−2 1,5 Jmm−2 2,5 Jmm−2 0,08 - 0,10 0,09 - 0,11 0,09 - 0,11 0,10 - 0,13
Tabelle 4.26. Vergleichende Bewertung unterschiedlicher Synchronisierkonzepte (Nach Hoerbiger [2006]) Anforderung Schaltkraftreduzierung Schaltkomfort Bauraumbedarf Leistungsf¨ ahigkeit ¨ Uberlastbarkeit Kosten
Synchronisierung Außenkonus Doppelkonus Doppelkonus Dreifachkonus Sondermess. Sondermess. Sinter Sondermess. + ++ +++ +++ + − + 0 0
+ 0 ++ 0 −−
+ 0 +++ +++ −−−
− − +++ 0 −−−
beachte, dass der hohe Reibwert mit den organischen Papierbel¨agen nur bei einer extrem hohen Oberfl¨ acheng¨ ute der Gegenreibfl¨achen erreicht wird; im Vergleich zu Tabelle 4.25 liegen die Carbon-Bel¨ age bei etwa µk = 0, 12 . . . 0, 14. Karbon-, Kevlar- und Zellulose-Bel¨ age erfordern im Vergleich zu den in Tabelle 4.25 angegebenen zul¨ assigen Fl¨ achenpressungen sehr viel niedrigere Maximalwerte im Bereich von pmax = 2, 5 . . . 4, 0 MPa, wobei ein Wert von nur p = 1, 5 MPa f¨ ur diese Materialien empfohlen wird. Entsprechend Tabelle 4.26 kann es g¨ unstiger sein, bei hoch beanspruchten Synchronisierungen statt eines “teuren” Einkonus-Systems auf Basis organischer oder sintertechnischer Bel¨age drei “billige” Messingkonen zu verwenden, die allerdings mehr Bauraum ben¨otigen. Verschleißverhalten Die Oberfl¨achenfeingestalt der Reibkonen ver¨ andert sich im Laufe der Betriebsdauer: In der Einlaufphase entsteht am weicheren Reibpartner ein geringf¨ ugiger Abrieb, der zum Gl¨ atten der Rillenspitzen an den Synchronringen
4.4 Synchronisation
a)
241
b)
Abb. 4.92. Schematischer Verschleiß am Zwischenring: a) gest¨ orte und b) intakte Funktion (Aus INA [2005])
f¨ uhrt; es entsteht eine gleichm¨ aßige Oberfl¨ achenrauheit. Gegen¨ uber dem normalen betriebsbedingten Abrieb wirkt sich ungleichm¨aßiger bzw. einseitiger Verschleiß an den Konusfl¨ achen negativ auf die Funktion der Synchronisationseinrichtung aus, vgl. Abbildung 4.92.a. Besonders verschleißf¨ordernd sind dabei eine geometrisch ung¨ unstige Anordnung der Synchronisationselemente sowie Formfehler der Synchron- und Zwischenringe. Dadurch bilden sich Rillen bzw. Eingrabungen an den Reibfl¨ achen, was im Rahmen der axialen Beweglichkeit der Ringe zu Funktionsst¨ orungen f¨ uhren kann, da eine wirksame Anlage der Reibfl¨achen nicht mehr sichergestellt ist. Die Folge sind Fehlsynchronisationen – von drei vorhandenen Konus-Fl¨ achenpaaren synchronisiert nur eine Paarung korrekt – und damit massiver Verschleiß der Dachfl¨achen, wenn die Schaltmuffe zu fr¨ uh auf die Kupplungsverzahnung des Gangrades trifft, ohne dass Drehzahlgleichheit vorliegt: es kommt zum h¨orbaren Ratschen. Normaler Verschleiß f¨ uhrt zu lokalem Abplatten bei weiterhin intaktem Kontaktbild; es tritt zwar eine Vergr¨ oßerung der Spiele aber keine deutlich negative Beeintr¨achtigung des Schaltkomforts, vgl. Abbildung 4.92.b auf. Bei Streusinterbel¨agen, die gegen metallische Konen arbeiten, ist wichtig, dass die Porosit¨at der Reibschicht erhalten bleibt, vgl. Abbildung 4.93, um eine ausreichende ¨ Olbenetzung des Belags sicherzustellen. Werden die Poren infolge u ¨berm¨aßiger thermischer oder mechanischer Beanspruchung geschlossen, u ¨berhitzt der Belag weiter infolge Mangelschmierung und es kommt zum v¨olligen Synchronversagen. Verschmutztes Getriebe¨ ol kann ein u aßiges Verschleißverhalten zus¨atz¨berm¨ lich beg¨ unstigen, wenn sich harte Schmutzteilchen in die weiche Oberfl¨ache der Messing-Synchronringe einlagern, wodurch der geh¨artete Zwischenring
242
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.93. Schliffbild eines HS45 Streusinterbelags nach 48 h bei 150◦ C. Hell ist der Sinterbelag, dunkel die Poren bzw. Zwischenr¨ aume dargestellt (Aus Hoerbiger [2006])
verst¨arkt verschleißt. Bei der Festlegung des Toleranzbereichs ist der axiale Verschleißweg infolge des zul¨ assigen radialen Verschleißes der Reibbel¨age zu ber¨ ucksichtigen; man beachte, dass auch hier wieder der Konuswinkel den Radialverschleiß in Axialrichtung verst¨ arkt. Anmerkung 4.23 Bei der Materialauswahl f¨ ur die axial und radial beweglichen Synchron- und Zwischenringe ist darauf zu achten, dass diese einen m¨oglichst kleinen thermischen Ausdehnungskoeffizienten aufweisen; idealerweise sollte die thermische Ausdehnung gleich der des Wellenwerkstoffs sein, um auch im betriebswarmen Zustand ein gleichbleibendes Axial- und Radialspiel sicher zu stellen. Aluminium mit seinem hohen thermischen Ausdehnungskoeffizienten w¨ urde bei Stahlwellen zu einem großen Spielverlust und demzufolge hohen Schleppverlusten bei warmen Synchronpaketen f¨ uhren. 2
4.5 Fahrzeug- und getriebespezifische Komponenten der Schaltbet¨ atigung In diesem Abschnitt wird die Schaltbet¨ atigung besprochen, die den Wunsch des Fahrers nach einem Gangwechsel – ausgedr¨ uckt durch das Bet¨atigen der Kupplung und eine im Allgemeinen kombinierte Schalt- und W¨ahlbewegung – in eine Bewegung einer oder zweier Schiebemuffen umsetzt. Der mit der Bewegung der Schiebemuffen verbundene Wechsel der leistungs¨ ubertragenden Komponenten durch Aus- und Einlegen entsprechender G¨ange wurde in Abschnitt 4.4 besprochen, dabei wurden die einzelnen Phasen der Synchronisation und daraus ableitbare Funktions- und Komfortkriterien diskutiert. ¨ In Abschnitt 4.5.1 wird die Aufteilung und Ubertragung von Schalt- und W¨ahlbewegung am Schalthebel auf die Schaltungsbauteile besprochen, dabei wird auf die externe Schaltung als fahrzeugspezifische Baugruppe speziell eingegangen. Es folgen – mit starker Orientierung auf Fahrzeuge mit frontquer eingebautem Motor und Getriebe, aber ohne Verlust der Allgemeing¨ ultigkeit
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
a)
243
b)
Abb. 4.94. Schalt- (a) und W¨ ahlbewegung (b) am stilisierten Schalthebel f¨ ur ein F¨ unfgangschaltbild
– die Bauteile der getriebeinternen Schaltung in Abschnitt 4.5.2, die weitgehend vom Fahrzeug unabh¨ angig sind. Die Aufteilung der Schaltungskomponenten nach “¨außerer” und “innerer” Schaltung orientiert sich in etwa am Produktionsprozess: Der Zusammenbauumfang des Getriebewerks, in dem Fahrzeuggetriebe f¨ ur unter Umst¨ anden verschiedene Fahrzeugmarken produziert werden, definiert den Komponentenumfang der inneren Schaltung. Der Montageumfang des Fahrzeugwerks beinhaltet dann die ¨außere Schaltung. In Abschnitt 4.5.3 wird auf die Arretierung40 als Kernkomponenten der inneren Schaltung zur Kraftmodulation eingegangen; ferner werden Merkmale und Bauformen sowie die generelle Vorgehensweise bei der Auslegung der Arretiersysteme analysiert. Systemaufgaben In Abschnitt 4.4 wurde die Synchronisation besprochen, ohne jedoch darauf einzugehen, wie die Schaltbewegung, vgl. Abbildung 4.94.b, des Handschalt¨ hebels in eine Bewegung der Schiebemuffe u ¨bersetzt wird; dieses Ubersetzen der Schaltbewegung und das Modulieren des Kraft-Weg-Verlaufs am Schalthebelknopf entsprechend der idealen Kraft-Weg-Kennlinie, vgl. Abbildung 4.95, ist eine Hauptaufgabe der Schaltbet¨ atigung. Die zweite Hauptaufgabe der externen Schaltung besteht in der Wandlung der W¨ahlbewegung zur anschließenden Bet¨atigung des richtigen Ganges beim Schaltablauf, auch wieder nach Maßgabe einer als ergonomisch g¨ unstig empfundenen Kraft-Weg-Kennlinie f¨ ur die W¨ahlbewegung, vgl. Abbildung 4.96. Die hier besprochenen Komponenten liegen nicht im Leistungsfluss, die Bemessung auf die Bet¨ atigungskr¨ afte zum dauerhaften Sicherstellen der Funktion Kraft u ¨bertragen ist also ausreichend. Die Absolutwerte der beiden KraftWeg-Kennlinien h¨ angen, vgl. Abschnitt 4.4.3, von der Anwendung (PKW oder LKW) und den Komfortvorgaben der Fahrzeughersteller ab. 40
Die Arretierungen, vgl. Abbildung 4.113, werden h¨ aufig auch nur als Arren bezeichnet.
244
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.95. Theoretisch idealer Schaltkraftverlauf: 1 Neutralstellung, 2 Synchronisieren, 3 Beginn des Einspurens, 4 Endposition, 5 Gang auslegen (Aus INA [2005])
Anmerkung 4.24 Da immer alle Komponenten des Schaltungssystems am Schaltvorgang beteiligt sind, ist eine strikte Trennung von Schaltung und Synchronisation im Rahmen dieses Buches nicht umsetzbar, da sich auch die Komponenten untereinander in Funktion und Auslegung beeinflussen. Zudem steht die gesamte Schaltung in enger Wechselwirkung mit der Synchronisation, vgl. Abschnitt 4.4, die als Komponente mit Blick auf die wachsenden Komfortanforderungen separat besprochen wurde. Schließlich geh¨ort die Synchronisierung auch zu den leistungs¨ ubertragenden Komponenten. 2 Anordnung der Schaltbet¨ atigung F¨ ur PKW haben sich im wesentlichen drei verschiedene Anordnungen des Schalthebels im Fahrgastinnenraum als Hauptl¨osungen etabliert, vgl. Abbildung 4.97: F¨ ur normale PKW und Gel¨ andewagen wird sowohl f¨ ur die manuell geschalteten als auch die automatischen Getriebe in den meisten F¨allen die Mittelkonsolenschaltung genutzt, Handschalthebel oder Bet¨atigungsmodul sind am Fahrzeugboden zwischen den vorderen Sitzen gelagert. Die Lenkradschaltung, vgl. Abbildung 4.97.b, wird u ¨ber alle Fahrzeugklassen hinweg vorrangig bei automatisch schaltenden Getrieben verwendet, die eine elektronische Ansteuerung des Getriebes zulassen und i.d.R. lediglich die Parksperre mechanisch bet¨ atigen. F¨ ur manuell geschaltete Getriebe kommt die Lenkradschaltung aufgrund der ergonomisch ung¨ unstigen Platzierung nicht zur Anwendung. Die Cockpitschaltung schließlich ist nahezu eine Spezialit¨at der Vans und Nutzfahrzeuge, f¨ ur die die hohe Position des Schalthebels ergo-
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
245
Abb. 4.96. Momentenverlauf beim W¨ ahlvorgang: 1 Neutralstellung, 2 W¨ ahlweg, 3 Endstellung (Schaltgasse 1-2 oder 5-6 bzw. 5-R), 4 R¨ uckweg (Aus INA [2005])
a)
b)
c)
Abb. 4.97. Positionen der Schaltbet¨ atigung: a) Mittelkonsolenschaltung, b) Lenkradschaltung, c) Cockpitschaltung (Nach B¨ uchs [2004])
nomisch vorteilhaft ist. Vom mechanischen Aufbau her unterscheiden sich die Mittelkonsolen- und die Cockpitschaltung kaum. 4.5.1 Schalten und W¨ ahlen – Externe Schaltung Der Aufbau der Schaltbet¨ atigung ist f¨ ur Fahrzeuge mit frontquer und frontl¨angs eingebautem Motor prinzipiell unterschiedlich. Bei Fahrzeugen mit Heckantrieb oder – wie bei den Audi Fahrzeugen A4 bis A8 – frontl¨angs einge-
246
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.98. Koppelschaltung eines Fahrzeugs mit Heckantrieb: (1) Schaltschwingen, (2) Koppelstangen (Aus Micknass et al. [2004])
bautem Motor und Getriebe sitzt der Handschalthebel, vgl. Abbildung 4.98, vergleichsweise nahe am Getriebe und die Schalt- und W¨ahlbet¨atigung erfolgt u ¨ber eine recht kurze Bauteil- und damit Toleranzkette. Die Schaltund W¨ahlbewegungen werden dabei durch so genannte Koppelstangen – wie in Abbildung 4.98 – oder durch ein System von Schaltschwingen – wie in Abbildung 4.99 – in eine translatorische Schaltbewegung der entsprechenden Schiebemuffe u ¨bersetzt. Die Aufteilung der Bewegung der Fahrerhand am Schalthebel in getrennte Schalt- und W¨ahlvorg¨ ange erfolgt bei dem in Abbildung 4.98 gezeigten Getriebe u ¨ber den Drehfußpunkt des Handschalthebels; der fingerf¨ormige Mitnehmer, der in die Koppelstangen (2) eingreift, bet¨atigt je nach W¨ahlposition die entsprechende Schaltschwinge. Wie in Abbildung 4.98 im Schnitt A–B zu erkennen, f¨ uhrt der Handschalthebel beim W¨ ahlen eine Drehbewegung aus; dadurch wird der Schaltfinger, der sich am unteren Ende des Handschalthebels befindet, in das Stangenmaul der zu bet¨ atigenden Schaltgasse eingeschwenkt. Die Drehbewegung beim W¨ ahlen bringt den Mitnehmer mit der entsprechenden Koppelstange in den drei W¨ ahlebenen, vgl. Abbildung 4.94.b, in Eingriff. Die anschließende Schaltbewegung f¨ uhrt dann dazu, dass der Schaltfinger beim Schalten in Fahrzeugl¨ angsrichtung die entsprechende Koppelstange verschiebt. Die Koppelstange greift oben in eine Schwinge ein, die bodenseitig gelagert ist, um eine weitere Verst¨ arkung der Schaltkraft darstellen zu k¨onnen; die Schwinge umfasst die Schaltmuffe und f¨ uhrt diese dann axial. ¨ Deutlich zu erkennen ist in der System¨ ubersicht die zweifache Ubersetzung der Handkraft am Knopf, zum einen u ¨ber die Lagerung und die Hebelverh¨altnisse des Schalthebels, zum anderen u ¨ber die Detailgestaltung der Schwinge.
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
247
Abb. 4.99. Schwingenschaltung des ZF-Getriebe S 5-31: (1) Zentralschaltwelle, (2) W¨ ahlschwinge, (3) Rastierbolzen, (4) Kugelh¨ ulse, (5)-(7) Schaltschwingen, (8) Verriegelung, (9) Drehpunkt, (10) Schenkelfeder
Abb. 4.100. Explosionsansicht des 6-Gang Handschaltgetriebe der Baureihe I von BMW (Aus Bencker & Walter [2005])
Die genaue Gestaltung der Verriegelung, die ein unbeabsichtigtes Einlegen andere G¨ange vermeiden soll, ist aus Abbildung 4.98 nicht erkennbar. Bei der Schwingenschaltung nach Abbildung 4.99 wird u ¨ber die Drehbewegung der Zentralschaltwelle (1), die direkt an den Handschalthebel angebun-
248
a)
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
b)
Abb. 4.101. Stangenschaltungssystem eines Opel Fahrzeugs: a) Externe Schaltung vom Handschalthebel bis zum Getriebeeingang, b) Detailansicht Getriebeeingang mit Ansteuerung der Schaltgabeln (Aus Seidel & Beitz [2004])
den ist, eine der Schaltschwingen (5-7) ausgew¨ahlt; die W¨ahlbewegung wird somit rotatorisch u ¨bertragen. Die Translation der Zentralschaltwelle l¨ost das Schalten aus, die in der entsprechenden W¨ ahlgasse inaktiven Schaltschwingen st¨ utzen sich u ¨ber das Verriegelungssystem (9) ab. Die Schenkelfeder (10) an der W¨ahlschwinge (2) moduliert den Kraft-Weg-Verlauf beim W¨ahlen, der Rastierbolzen (3) unterst¨ utzt den Schaltablauf. Die Kugelh¨ ulse (4) schließlich reduziert u ¨ber eine verlustarme Lagerung der Zentralschaltwelle die Schaltund W¨ahlkr¨afte am Schalthebel, vgl. Abschnitt 6.4.5. Ein weiteres Getriebe mit Schwingenschaltung ist in Abbildung 4.100 gezeigt; man erkennt den konzeptverwandten Aufbau des Systems, auch wieder mit einer etwas l¨angeren Schwinge, die in die Schaltmuffe der Synchroneinheit 3/4 auf der unten liegenden Vorgelegewelle eingreift. Bei Fahrzeugen mit frontquer eingebautem Motor, wie sie in der Kompaktund der unteren Mittelklasse dominieren, kommen aufgrund der r¨aumlichen Distanz entweder Stangenschaltungen, vgl. Abbildung 4.101, oder aber Seilzugschaltungen, vgl. Abbildung 4.103, zum Einsatz. Bei der Stangenschaltung wird die W¨ahl- und Schaltbet¨ atigung durch eine Stangenmechanik als kombinierte Rotation und Translation bis zum Getriebe u ¨bertragen und dabei ggf. durch die Schaltkinematik mehrfach umgelenkt, vgl. Abbildung 4.101.b. Bei Fahrzeugen mit Schaltstangenbet¨ atigung, vgl. Abbildung 4.101.a, erfolgt ¨ die Ubertragung von Schalt- und W¨ ahlbewegung durch eine Stange, die, vgl. Abbildung 4.101.b, i.d.R. umgelenkt werden muss, um die fahrzeugspezifischen Bauraumanforderungen zu erf¨ ullen. Bei der Konstruktion des Schaltgest¨anges ist darauf zu achten, dass durch entsprechende Kompensationselemente die Triebwerksbewegungen beim Lastwechsel oder beim Durchfahren
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
249
Abb. 4.102. Externe Schaltung f¨ ur ein Fahrzeug mit Kabelschaltung
von Schlagl¨ochern usw. nicht auf den Handschalthebel u ¨bertragen werden, da dies, vgl. Abschnitt 9.3, als Komfortbeeintr¨achtigung empfunden werden kann. Da die Gestaltung dieser Elemente sowohl von der Art der Triebwerkslagerung als auch vom Verlauf des Stangensystems abh¨angt, kann hier leider keine allgemein g¨ ultige Richtlinie f¨ ur die Auslegung der Kompensationskinematik gegeben werden. Steifigkeit und Belastbarkeit des Systems m¨ ussen entsprechend den Anforderungen des Fahrzeugsherstellers dimensioniert werden, um z.B. ein unbeabsichtigtes schnelles Einschieben einer Leiter mit missbrauchs¨ahnlichem Stoß an den Schalthebel ohne Sch¨aden an der Bet¨atigung ¨ akzeptieren zu k¨onnen. Ahnliche Missbrauchssituationen in Quer- bzw. W¨ahlrichtung am Schalthebel sind ebenfalls zu ber¨ ucksichtigen. Bei der Seilzugschaltung werden W¨ ahl- und Schaltwunsch des Fahrers, vgl. Abbildung 4.94, im Handschalthebel entkoppelt und durch zwei getrennte Seilz¨ uge – einen W¨ ahl- und einen Schaltzug – an das Getriebe u ¨bertragen, vgl. Abbildung 4.102. Die Aufteilung der W¨ ahlbewegung quer zur Fahrtrichtung und der Schaltbewegung ist f¨ ur die Anordnung nach Abbildung 4.103 gut zu erkennen; die beiden Seile u ¨bertragen die Bewegungen getrennt voneinander. Das Schaltkabel u agt die Schaltbewegung direkt als translatorische ¨bertr¨ Bewegung zur getriebeseitigen Aufnahme des Kabelendst¨ ucks; beim W¨ahlkabel ist eine einfache Umlenkung erforderlich, um eine starkes Abknicken des W¨ahlkabels am Handschalthebel zu vermeiden, vgl. Ansicht B in Abbil¨ dung 4.103. Ersoy [1998] gibt eine Ubersicht u ¨ber die M¨oglichkeiten zur konstruktiven Aufteilung der Schalt- und W¨ ahlbewegung am Handschalthebel und ordnet die verschiedenen Varianten in einem morphologischen Kasten im Sinne der Konstruktionslehre nach Pahl et al. [2006] an. Zudem ist in Abbildung 4.105.a die getriebeseitige Anbindung der beiden Kabel in einem steifen Widerlager f¨ ur die H¨ ullen41 und der Anbindung der Seelen an den W¨ahl- und Schalthebel am Getriebe gut zu erkennen. Sowohl das Schalt- als auch das W¨ ahlkabel sind als Drahtgeflecht mit ei¨ oder Fettnem Außendurchmesser von ca. 3 mm aufgebaut, die mit einer Olbeschichtung in einer armierten Kunststoffh¨ ulle gef¨ uhrt werden, vgl. Abbildung 4.104. Die verschiedenen Arten des Aufbaus der Schalt- und W¨ahlz¨ uge 41
Die Bezeichungen der Seilzugbet¨ atigungen werden in Abbildung 4.104 erl¨ autert.
250
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.103. Seilzugschaltung eines Fahrzeugs mit frontquer eingebautem Getriebe
werden beispielsweise bei Leiseder [1994] umfassend beschrieben, der Aufbau der Seele hat entscheidenden Einfluss auf das Reibungsverhalten der externen Schaltung und damit auf den Schaltkomfort sowie die Anf¨alligkeit der Schaltsystems bez¨ uglich m¨ oglicher Schwingungen, vgl. Abschnitte 9.4 und 9.5.3. Durch die vergleichsweise hohe Biegesteifigkeit der Kabel wird gew¨ahrleistet, dass wie gefordert Zug- und Druckkr¨ afte zum Ein- und Auslegen der G¨ange bzw. f¨ ur den Gassenwechsel in beide Richtungen ausgehend von der Neutralstellung m¨oglich sind. Zur optimalen Einstellung in der Montage und zur Toleranzkompensation sind am Schalthebel f¨ ur beide Kabel an der Aufnahme Einstellm¨oglichkeiten vorzusehen. An der Anbindung der Kabel an das Getriebe wird die mechanische Verbindung meist durch einen Kugelzapfen dargestellt, der die getriebeseitige Schnittstelle der Bet¨ atigung bildet. Kabelseitig wird der Kugelzapfen i.d.R. in einer Kunststoffpfanne aufgenommen, die in einem Polymerring gelagert ist, vgl. Abbildung 4.104.b. Durch die gezielte Abstimmung der Eigenschaften des Polymerrings kann, vgl. Abschnitt 9.4 insbesondere Abbildung 9.22, in gewissen Grenzen eine Optimierung des Schaltkomforts bzw. eine Entkopplung der getriebeinternen Vibrationen vom Handschalthebel erfolgen, vgl. Abschnitt 9.5.3. In Abbildung 4.105.b sind an der getriebeseitigen Anbindung der Seile federnde Ummantelungen zwischen Kabelende und dem Widerlager der H¨ ulle zu erkennen, die Bewegungen des Kabels d¨ampfen und in geringem Maße den Schaltablauf modulieren k¨onnen; Abbildung 4.104.b zeigt die Endst¨ ucke ¨ ahnlich zu Abbildung 4.105.b einzeln. Ferner ist in Abbildung 4.104.a skizziert, dass zumindest die Schaltkabelenden in gewissen
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
a)
251
b)
Abb. 4.104. a) Prinzipieller Aufbau der Schalt- und W¨ ahlkabel (System Vofaflex, aus Leiseder [1994]): 1) Kabelseele, 2) Kabelh¨ ulle, 3) Anschlussbolzen, 4) Stangengelenk, 5) F¨ uhrungsh¨ ulse. b) Spezielle Endst¨ ucke mit Einstellm¨ oglichkeit und Entkoppelwirkung von Volkswagen (Aus B¨ uchs [2004]): 1) Sichernde Schiebeh¨ ulse, 2) Endst¨ uckrahmen, 3) Kunststoffpfanne, 4) Polymerring, 5) Innenrastiertes, einstellbares und selbstaufspreizendes Kupplungselement, 6) Anschlussbolzen des Seilzugs
Grenzen flexibel sein m¨ ussen, um die kinematisch bedingte Winkel¨anderungen zwischen Seilaufnahme und Schalthebel ausgleichen zu k¨onnen, vgl. hierzu Abschnitt 9.5.3 insbesondere Abbildung 9.26. Bei der Auslegung, insbesondere bei der Absch¨ atzung der auftretenden Bet¨atigungskr¨afte, ist der Wirkungsgrad der externen Schaltung zu betrachten. In Abh¨angigkeit vom kummulierten Beugewinkel γges des Kabels entlang seiner Verlegestrecke kann der Wirkungsgrad η f¨ ur Kabelbet¨atigungen abgesch¨atzt werden zu ( 0, 7 wenn γges ≤ 90◦ Nutzkraft η= ≈ Bet¨atigungskraft 0, 6 wenn 90◦ < γges ≤ 180◦ . Die experimentelle Ermittlung des Wirkungsgrades ist aufw¨andig und die Stabilit¨at der ermittelten Werte ist in der Serienanwendung kaum sicherzustellen; f¨ ur Stangenbet¨ atigungen haben die Lagerungen der Elemente – Gleitoder W¨alzlagerungen – erheblichen Einfluss auf den Wirkungsgrad und damit auf die notwendigen Bet¨ atigungskr¨ afte, auch hier wird der Wirkungsgrad am einfachsten experimentell bestimmt. Bei Kabeln mit Fettf¨ ullung ist die Fettmenge f¨ ur eine leichtg¨ angige Schaltung gering zu halten. Zu hohe Fettmengen f¨ uhren aufgrund der ansteigenden Reibung zu einem z¨ahen, teigigen Schaltgef¨ uhl. Durch Alterung und h¨ aufige Benutzung kann sich die Charakteristik eines gefetteten Seilzuges w¨ ahrend der Gebrauchsdauer ¨andern. Anmerkung 4.25 Die Ermittlung der Gesamt¨ ubersetzung des Schaltsystems – das Verh¨altnis des Schaltwegs am Handschalthebel zum Weg der Schiebemuffe – kann zwar formal definiert werden und ist auch f¨ ur die Praxis relevant; aufgrund der Vielzahl der Varianten der Bet¨atigung wird hier jedoch davon Abstand genommen und die Gr¨ oße lediglich verbal eingef¨ uhrt. Zudem
252
a)
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
b)
Abb. 4.105. Anbindung der externen Schaltung an das Getriebe: a) GM F40 und b) VW MQ 250: (1) Schaltzug, (2) W¨ ahlzug, (3) Schaltgewicht, (4) Schalthebel, (5) Schaltwelle, (6) Schalter R¨ uckw¨ artsfahrlicht (Aus B¨ uchs [2004])
¨ durch die Kinematik der Schaltbet¨ati¨andert sich die effektive Ubersetzung gung entlang des Schaltweges durch die kinematische Nichtlinearit¨at, vgl. Abbildung 9.26. Die Forderung nach k¨ urzeren Schaltwegen impliziert somit bei gleichbleibenden oder sogar abnehmenden Bet¨ atigungskr¨aften am Handschalthebel das Ansteigen des Konusmoments und das Absenken der Verluste im Bet¨atigungssystem, um die kurzen Wege am Handschalthebel komfortabel zu gestalten. Eine weitere Reduktion des Schaltmuffenweges ist aufgrund der Toleranzanforderungen kaum darstellbar, oft betr¨agt der Weg nur 6-8 mm. 2 Bei der Auslegung der Federelemente, die den Bewegungsablauf bzw. die W¨ahlkraft am Handschalthebel modulieren und den Schalthebel in eine definierte Neutralstellung – meist zwischen 3. und 4. Gang – zur¨ uckf¨ uhren, ist darauf zu achten, dass das Kraftniveau zum W¨ahlen niedrig bleibt; Abbildung 4.96 zeigt den qualitativen Verlauf als W¨ahlmoment am W¨ahlhebel u ¨ber dem W¨ahlwinkel, vgl. Abbildung 4.109.a. Zu erkennen ist in Abbildung 4.96 außerdem, dass vor dem Einsetzen einer tats¨achlichen W¨ahlbewegung zun¨achst das Losbrechmoment u ¨berwunden werden muss, welches auf die Reibung der am W¨ ahlvorgang beteiligten Komponenten zur¨ uckzuf¨ uhren ist. F¨ ur den Kunden sind Verlauf und H¨ ohe der W¨ahlkr¨afte in hohem Maße von der Detailkonstruktion des W¨ ahlmechanismus abh¨angig: Eine Gleitlagerung des W¨ahlhebels f¨ uhrt nach Abbildung 4.106 zu einem kleinen Bereich um die Neutralstellung herum, in dem die Schaltung infolge der Systemreibung nicht voll zur¨ uckstellt, insgesamt steigt das W¨ahlkraftniveau an; die Mehrzahl der Kunden sp¨ urt diesen Unterschied jedoch nicht. Abbildung 4.107 zeigt beispielhaft eine Ausf¨ uhrung eines Handschalthebels mit Schenkelfeder zur R¨ uckstellung des Hebels in die Neutralgasse, in Ansicht b ist die Feder infolge der W¨ahlbewegung um eine Gasse gespannt. Ein weiterer Punkt, der bei der Konstruktion von Handschaltgetrieben und insbesondere bei der Konzeption der W¨ ahlmechanik zu beachten ist, ist die
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
a)
253
b)
Abb. 4.106. Vergleich des Momentenverlaufs beim W¨ ahlen: a) gleit- und b) w¨ alzgelagerter W¨ ahlhebel. 1 Neutralstellung, 2 W¨ ahlweg, 3 Endanschlag, 4 R¨ uckweg (Nach INA [2005])
a)
b)
Abb. 4.107. Schenkelfeder am Handschalthebel: a) Einbaulage in Neutralposition bei Schaltgasse 3-4, b) Vorgespannte Feder beim W¨ ahlen
relative Anordnung der getriebeinternen W¨ ahlrichtung zur Kolbenlaufrichtung des Verbrennungsmotors vor allem bei Vierzylinderaggregaten, vgl. Abschnitt 9.5.2. Bei diesen Triebwerken, insbesondere bei Dieselmotoren, kann es durch die Dominanz der Gaskr¨ afte zweiter Ordnung zu einem weiteren Komfortproblem kommen, wenn die Hauptbewegungsrichtung beim W¨ahlen in etwa gleich der Kolbenlaufrichtung ist. W¨ ahrend des Bewegungsablaufes beim W¨ahlen kann es zu sp¨ urbaren Rauhigkeiten im Bewegungsablauf kommen, die gerade im Leerlaufberech ausgepr¨ agt sind und beispielsweise bei langsamen 0-1-Schaltungen bem¨ angelt werden k¨onnen, Details hierzu werden in Abschnitt 9.5.2 diskutiert.
254
a)
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
b)
Abb. 4.108. W¨ ahlhebel des F40 von GM Powertrain Europe: a) Neutralstellung, b) Gassenwechsel durch L¨ angsverschieben der Schaltwelle an der F¨ uhrungsnut
4.5.2 Komponenten der Innenschaltung Die Komponenten der Innenschaltung wurden f¨ ur die Getriebe nach Abbildung 4.98 und 4.99 teilweise bereits besprochen, da bei den Getrieben mit frontl¨angs eingebautem Motor die Innenschaltung die Entkopplung von Schalt- und W¨ahlbewegung u ur frontl¨angs ein¨bernimmt. Bei den Getrieben f¨ gebaute Motoren wird die Trennung der Abl¨ aufe von der externen Schaltung u ¨bernommen, hier werden nun die getriebeseitigen W¨ahl- und Schaltkomponenten besprochen. Die getriebeseitige Anbindung des W¨ ahlkabels erfolgt bei Getrieben mit zentralen Schaltwellen u ahlhebel, vgl. Abbildung 4.108. Dieser Hebel ¨ber den W¨ ist auch in Abbildung 4.103 in der oberen linken Ansicht zu erkennen; der W¨ahlhebel setzt die Bewegung der Seele des W¨ahlseiles in eine Translation der Schaltwelle, vgl. auch Abbildung 4.109.a, um. In Abbildung 4.105.b ist der W¨ahlhebel in der Bildmitte angeordnet; er greift mit einer F¨ uhrungsrolle in eine umlaufende Nut an der Schaltwelle ein, wie in Abbildung 4.108 gut zu erkennen und auch in Abbildung 4.109.a markiert ist. Aus Komfortgr¨ unden – zur Absenkung der W¨ ahlkr¨ afte – wird der W¨ahlhebel immer h¨aufiger mit einer W¨alzlagerung versehen, die gegen¨ uber einer konventionellen Lagerung mit einer Buchse zu einer Verminderung der Reibungsverluste f¨ uhrt, vgl. Abbildung 4.106. Durch die Translation der Schaltwelle wird je nach W¨ahlposition ein anderer Schaltfinger mit der entsprechenden Schaltgabel in Eingriff gebracht; der Schaltfinger verschiebt die Schaltgabel bei einer Schaltbewegung, die wieder in die Schiebemuffe eingreift. Beim Getriebe nach Abbildung 4.109.a sind ferner auf der Schaltwelle so genannte Sperrzylinder angeordnet, die mit einer Spielpassung im halbkreisf¨ ormigen Gabelmaul sitzen und ein unbeabsichtigtes Verschieben der anderen Schaltgabeln verhindern. Die Schaltwelle, die in Abbildung 4.109.a gezeigt ist, f¨ uhrt beim Schalten eine Rotation um einen definierten Schaltwinkel aus. Der Schaltwinkel ist abh¨angig vom radialen Abstand des Anbindungspunktes des Schaltseils von der Drehachse der Schalt-
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
a)
255
b) Abb. 4.109. Schaltwelle (a) und Schaltdeckel (b)
a)
b)
Abb. 4.110. a) Gabelmaul mit H¨ artezone einer feingestanzten Schaltgabel, b) Gebaute Gabel aus Messing von Peugeot
welle und vom Kabelweg; bei der Auslegung der Innenschaltung muss die Nichtlinearit¨at der Kinematik beachtet werden. Mit dem Radienverh¨altnis von der Mitte des Schaltkugelzapfens zum mittleren Wirkradius des Schaltfingers ¨ liegt die Ubersetzung der inneren Schaltung fest, der Schaltfinger verschiebt wie schon besprochen u ¨ber die Schaltgabel die Schiebemuffe. Dabei kommt es zu einer kombinierten W¨ alz- und Gleitbewegung zwischen Schaltfinger und Schaltgabel; aus diesem Grund werden Schaltfinger und Gabelmaul, vgl. Abbildung 4.110.a, geh¨ artet. Dar¨ uber hinaus gibt es Schaltungskonzepte mit rastierten F¨ uhrungsschienen der Schaltgabeln, vgl. Abbildung 4.117, bei denen sich die Schaltgabeln am Sperrzylinder abst¨ utzen, um die Rastierung der Schaltgabel bet¨atigen zu k¨onnen. Beim Getriebe nach Abbildung 4.99 ist der Sperrmechanismus u ¨ber
256
a)
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
b)
Abb. 4.111. Ausgef¨ uhrte Kulisse eines A-Klasse Getriebes von Mercedes-Benz (a) und (b) Ansicht des Integralmoduls mit Kulisse und Schaltfinger. 1) Schaltkulisse und R¨ uckw¨ artsgangsperre, 2) Schaltzuganbindung, 3) W¨ ahlzuganbindung, 4) Schaltgewicht, 5) Schaltwelle, 6) Schalter R¨ uckfahrlicht, 7) Gangerkennenung
eine Hebelkonstruktion gel¨ ost, die bei Bet¨ atigung einer Schaltschwinge die anderen blockiert.
Die Schaltwelle ist im Schaltdeckel untergebracht; wie in Abbildung 4.109.a angedeutet, sind im Schaltdeckel auch Rastierelemente integriert, die den Schaltablauf unterst¨ utzen und die Schaltungsbauteile im geschalteten Gang oder in der Neutralstellung fixieren. Bei Getrieben mit Stangenschaltung u ¨bertr¨agt die externe Stangenkonstruktion die i.d.R. gekoppelte translatorischrotatorische Bewegung bis zum Getriebeeingang. Der in Abbildung 4.101 mit der Ziffer 1 markierte Zentralhebel wird wieder beim W¨ahlen translatorisch entlang seiner Achse und rotatorisch beim Schalten bewegt, vgl. auch Abbildung 4.109.b; auch hier ist die getriebeseitige Mechanik einschließlich der Zentralwelle im Schaltdeckel integriert. Aus Komfortgr¨ unden kann es sinnvoll sein, innerhalb der Schaltwelle einen begrenzten Verdrehfreiheitsgrad vorzuhalten, um Vibrationen der rotierenden Teile von der externen Schaltung und damit der Schnittstelle zum Kunden abzukoppeln. Wichtig ist dabei ein definiertes Leerspiels mit einer schwach ansteigenden Kraft-Verformungskennlinie und ein stark progressiver Verlauf nach Spielaufbrauch, ¨ ahnlich wie es mit dem Modulationshebel nach Abbildung 9.22 m¨oglich ist. Zur D¨ ampfung sollte dabei ein Polymerelement integriert werden, der direkte Reibkontakt zwischen metallischen Bauteilen ist aus Gr¨ unden der Parameterkonstanz zu vermeiden. Wichtig ist dabei in jedem Fall das Verst¨andnis f¨ ur das System: Wenn das Schaltsystem beispielsweise zur Vorbereitung der n¨ achsten Schaltung vorgespannt ist, wird die Entkopplung u uckt und deren Wirkung verhindert; die Vibrationen infolge umlaufen¨berdr¨ der Formabweichungen werden am Schalthebel f¨ uhlbar.
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
257
Abb. 4.112. Kulisse eines Volkswagen-Getriebes auf dem Sperrzylinder. Die im Bild links aufgepr¨ agte Kontur moduliert die Kraft bei der Schaltbewegung
Schaltgabeln werden meist in Feinguss ausgef¨ uhrt wie in Abbildung 4.110.a gezeigt oder als Schweißteil; hierbei hat Messing-Feinguss den Vorteil einer tribologisch g¨ unstigen Materialpaarung an der Grenzstelle zur Schaltmuffe. Bei gestanzten und verschweißten Stahlgabeln werden h¨aufig Kunststoffschuhe u ¨ber die Gabelenden gesteckt, um eine verschleißfeste Paarung zu erreichen. Wenn in einem Getriebe die Schaltgabel die Schiebemuffe im eingelegten Gang konstruktiv bedingt gegen das Losrad dr¨ uckt, ist die Gefahr des Verschleißes h¨oher; stark verschlissene Gabelschuhe k¨onnen sogar zum Herausspringen eines eingelegten Ganges f¨ uhren. Die Schaltgabel ist auf einer h¨aufig zylindrischen Welle gef¨ uhrt, es kommen dann Gleit- und W¨alzlager zum Einsatz, vgl. auch Abschnitt 6.4.5. Alternativ kann die Schaltgabel formschl¨ ussig mit einer Welle verbunden sein. Die Elastizit¨at der Gabel kann als Federspeicher in engen Grenzen den Schaltablauf unterst¨ utzen; recht weiche Gabeln reduzieren unter Umst¨ anden die Gefahr der Anregung von Schwingungen im Schaltsystem, vgl. Abschnitt 9.5.3. Bei Audi sind Schaltgabeln mit einem Drehfreiheitsgrad in Produktion; der Gabelbogen kann sich relativ zur F¨ uhrungsschiene verdrehen. Dieses Konstruktionsprinzip kann genutzt wer¨ den, um die Ubertragung von Muffenbewegungen im eingelegten Gang auf das Schaltsystem zu reduzieren und so die Gefahr der Entstehung von Ger¨auschen und Schwingungen in der Schaltung zu vermindern. Die in Abbildung 4.111 gezeigte Kulisse eines Mercedes-Benz A-Klasse Getriebes hat die Aufgabe, die Schaltungskomponenten m¨oglichst nahe an der Synchronisation zu f¨ uhren; ein Stift l¨ auft mit einem Spiel von wenigen Zehntel Millimetern in einer Gasse, das dem Schaltbild am Handschalthebel entspricht. So wird mit einer kurzen Toleranzkette die Funktion der Schaltung sichergestellt. Abbildung 4.112 zeigt eine andere m¨ogliche Anordnung der Kulisse auf dem Sperrzylinder; der Sperrstift wird dann im Schaltdeckel radial in die Kulisse eingesteckt und stellt so wieder die Positionsgenauigkeit her. 4.5.3 Rastierelemente Aufgabe der Rastierelemente ist die bestm¨ ogliche Abbildung des “optimalen Schaltverlaufes” entsprechend Abbildung 4.95, ausgedr¨ uckt sowohl durch
258
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.113. Bauformen von Arretierungen f¨ ur Fahrzeuggetriebe (Aus INA [2005])
die absolute Kraft an der Fahrerhand als auch durch den Kraft-Weg-Verlauf, um dem Fahrer eine pr¨ azise und komfortable Schaltung zu erm¨oglichen. Dazu werden neben der bereits besprochenen Lagerung der Schaltelemente in W¨alzlagern f¨ ur einen leichtg¨ angigen W¨ ahl- und Schaltablauf eine Reihe ver¨ schiedener Arretierelemente eingesetzt. Abbildung 4.113 zeigt eine Ubersicht gebr¨auchlicher Bauformen, die mit wachsender Nummer an Komplexit¨at zunehmen, um stetig abnehmende Verschiebewiderst¨ande zu realisieren, vgl. Abbildung 4.114. Andererseits bringt eine einfache Bauform der Arretierung – z.B. die Varianten 2 oder 3 nach Abbildung 4.113 – u ¨ber die h¨ohere Reibung wiederum D¨ampfung in das Schaltsystem ein, was die Reduktion von Schwingungen unterst¨ utzt, vgl. Abschnitt 9.5.3. Eine Arretierung – h¨ aufig auch kurz nur als Arre bezeichnet – kann in ein rotatorisches oder ein translatorisches System integriert werden, wie in Abbildung 4.115 gezeigt ist; rotatorische Arretierungen sitzen haupts¨achlich auf Schaltwellen oder auch an der Lagerung des Handschalthebels, translatorische finden sich an Schaltgabeln und -schienen, vgl. Abbildung 4.98 und 4.117. Gemeinsam ist beiden Anordnungen, dass die federbelastete Arretierkugel u ¨ber eine Rampe abrollt, wobei sich aufgrund der Topographie der Rampe die wirkenden Kr¨ afte in der Feder der Arretierung und auch die notwendigen Verschiebekr¨ afte l¨ angs des Weges ¨ andern. Dabei wirkt die Arrenfeder als Energiespeicher f¨ ur den Schaltvorgang. Rampenprofil und Arretierung – oder genauer der Kraft-Einfederungs-Verlauf an der Arretierkugel und deren Durchmesser – m¨ ussen genau aufeinander abgestimmt sein; die Folge einer mangelhaften Abstimmung sind hier fr¨ uhzeitiger Verschleiß oder negative Beurteilungen des Schaltkomforts. Durch das
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
259
Abb. 4.114. Verschiebewiderstand in Abh¨ angigkeit von der Bauform der Arretierung (Aus INA [2005])
a)
b)
Abb. 4.115. Rotatorisch (a) und translatorisch (b) wirkende Arretierungen (Nach INA [2005])
Zusammendr¨ ucken der Feder in der Arretierung wird an einer ansteigenden Rampe, die w¨ahrend des Schaltvorgangs u ¨berwunden werden muss – z.B. der leichte Anstieg der Kontur in Abbildung 4.117.a aus der Mittelstellung heraus – potentielle Energie in der Feder gespeichert. An einer abfallenden Rampe – die z.B. dann von der Arretierkugel abgefahren wird, wenn die Vorsyn-
260
a)
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
b)
Abb. 4.116. Notwendige Bet¨ atigungskraft zum Verschieben verschiedener Rampenprofile u atigungskraft durch ung¨ unstige Ecke ¨ber dem Verschiebeweg. a) Hohe Bet¨ der Rastierkontur, b) Niedrige Bet¨ atigungskraft durch gute Verrundung der Kontur (Aus INA [2005])
chronisation beendet und entsperrt wurde und sich die Schiebemuffe in der Freiflugphase befindet – wird nun diese gespeicherte Energie freigesetzt und an der Schiebemuffe als zus¨ atzliche Kraft zum Beschleunigen zur Verf¨ ugung gestellt. Ein positives und ein negatives Beispiel der Ausf¨ uhrung einer Kombination aus Arretierung und Rastierkontur zeigt Abbildung 4.116: Es ist deutlich zu erkennen, dass die “Ecke”, um die die Arretierkugel beim Verlassen der Gleichgewichtsposition zwischen den beiden Rampenflanken gef¨ uhrt wird, zu einem starken Anstieg der notwendigen Bet¨atigungskraft f¨ uhrt. Dies ¨ ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass nach Uberwinden der Arrenreibung direkt eine Steigung u ¨berwunden werden muss, die zu der weiter ansteigenden Kraft-WegCharakteristik f¨ uhrt. F¨ allt dieser Anstieg durch das st¨arkere Ausrunden der ¨ Kontur in Abbildung 4.116.b weg, wird nach Uberwinden des Reibmoments der Schaltverlauf harmonischer beurteilt. Aufgrund der relativ hohen Hertz’schen Fl¨ achenpressungen im Kontaktpunkt ist es notwendig, die Laufbahnen der Arretierungen zu h¨arten, um Gr¨ ubchenbildung an den Konturen, vgl. auch Abschnitt 4.3.1, zu vermeiden. F¨ ur die Quantifizierung der Pressungen nach der Hertz’schen Theorie, vgl. Abschnitt A.1, kann dabei f¨ ur die federbelasteten Kugeln der Arretierungen als Kontaktpartner eine Ebene oder im allgemeinsten Fall bei Konturen mit
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
a)
261
b)
Abb. 4.117. Rastierkonturen: a) exemplarisch bemaßte Schnittdarstellung und b) Realisierung einer Kontur auf einer Schaltstange
a)
b)
Abb. 4.118. Kr¨ aftesituation an einer Arretierung: a) makroskopische Situation, b) Verh¨ altnisse an der Kugel und Kr¨ afteplan (Aus INA [2005])
komplexen Kr¨ ummungen die Theorie entsprechend Abschnitt A.1.1 angewendet werden. Dabei sollte die maximale in der Arretierung wirkende Kraft f¨ ur eine betriebsfeste Auslegung von Kontur und Rastierelement genutzt werden. Bei nichtausreichender H¨ arte der Rampenkontur kann es analog zu den Verzahnungen, vgl. Abbildung 4.51, bzw. zu den W¨alzlagern, vgl. Abbildung 6.60, zur Bildung kraterf¨ ormiger Ausbr¨ uche in den Lauffl¨achen infolge zu hoher Fl¨achenpressungen kommen. Auch hier beginnt der Anriss unter der Oberfl¨ache, daher ist auf eine ausreichende Einh¨ artetiefe zu achten. Wichtig ist f¨ ur die Auslegung der Arretierungen und der Rampenkonturen die Kenntnis der Kr¨ afteverh¨ altnisse. Arretierungen werden bei u ¨berwiegend statischer Belastung eingesetzt, sie “fangen” beispielsweise eine Schaltgabel ¨ nach Abbildung 4.117.b in Schaltrichtung und vermeiden so die Ubertragung unerw¨ unschter Schwingungen, vgl. Abschnitt 9.5.3. Dar¨ uber hinaus k¨onnen die Arretierungen beim Abrollen auf der Rampenkontur wie bereits angedeutet als Engergiespeicher wirken und so den Schaltungsablauf modulieren. Dabei h¨angt die Kraft FF der federvorgespannten Arretierung von der Vorspannung der Arrenfeder FF,0 und dem Einfederweg relativ zur Bezugslage
262
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
Abb. 4.119. Verlauf von Federkraft und den Stangenkr¨ aften beim Ein- und Ausschalten
∆x = 0 ab. Eine positive Einfederung der Arre ∆x > 0 verursacht eine weitere Zusammendr¨ uckung der vorgespannten Arrenfeder und bewirkt so einen Kraftanstieg entsprechend der Federsteifigkeit cF der Arrenfeder, FF = FF,0 + ∆x · cF .
(4.81)
F¨ ur die Auslegung von Arre und Rampe ist die Beziehung zwischen dem Rampenwinkel β, der Rollreibung der Arretierkugel µF = tan δF und der axialen Reaktionskraft zwischen Kontur und Arre FS wichtig, vgl. Abbildung 4.118, FS = FF · tan (β ± δF ) .
(4.82)
Mit (4.81) und (4.82) steht dann ein Werkzeug zur Berechnung der Reaktionskraft zwischen beispielsweise einer Schaltgabel mit einer eingefr¨asten Rastierkontur wie in Abbildung 4.117 und der entsprechenden Arretierung zur Verf¨ ugung. Dabei muss man dann entsprechend der Erhebungskurve der Rastierkontur nach Abbildung 4.117.a die Einfederung der Arrenfeder ansetzen. Das positive Vorzeichen in (4.82) gilt f¨ ur eine ansteigende Flanke einer Kontur, an der Steigung und Reibung u ussen, an der abfallenden ¨berwunden werden m¨ Flanke gilt das negative Vorzeichen. Abbildung 4.119 zeigt die Kraft-WegKurven einer beispielhaften Rastierkontur bei beiden Bewegungsrichtungen sowie den effektiven Federweg der Rastierfeder u ¨ber dem Verschiebeweg einer translatorisch wirkenden Arretierung; die Ermittlung dieser Verschiebekr¨afte an der rastierten Stange wird in Auslegungsaufgabe 4.7 besprochen. Wesentlich f¨ ur die Ermittlung der Belastung der W¨alzlagerungen qualitativ hochwertiger Arretierungen sind der Abstand a vom Kraftangriffspunkt an
4.5 Komponenten der Schaltbet¨ atigung
263
Abb. 4.120. Funktionsintegration: Arretierung mit intergiertem Schalter f¨ ur das R¨ uckfahrlicht. 1 Dichtmembran, 2 Bet¨ atigungsstift des Schalters (Aus INA [2005])
der Kugel zum innenliegenden Lagerpunkt der Druckh¨ ulse in Einfederungsrichtung und die Abst¨ utzbreite b der Lagerung, vgl. Abbildung 4.118.a. Da die axiale Reaktionskraft zwischen Arretierkugel und Rampenprofil außerhalb der Abst¨ utzbasis b angreift – kennzeichnend f¨ ur Arretierungen – wird die Kraft ung¨ unstig abgest¨ utzt. Die f¨ ur die Dimensionierung der Lagerung in der Arretierung einerseits und die Lagerung der Arretierung im Getriebeoder Schaltdeckelgeh¨ ause andererseits erforderliche maximale radiale St¨ utzkraft am mittleren Lagerpunkt der verschieblichen H¨ ulse errechnet sich f¨ ur die gr¨oßte Reaktionskraft FS,max zu FA,max = FS,max
a+b . b
Dabei ist die Kragl¨ ange a entsprechend f¨ ur die entsprechende Einfederrung ∆x zu berechnen, f¨ ur die FS maximal wird. Kritisch mit Blick auf die Positionsgenauigkeit ist das Spiel zwischen der Lagerung bei den Bauarten 5 und 6 nach Abbildung 4.113; alternative Konstruktionsprinzipien kompensieren das Spiel der Lagerung und sorgen so f¨ ur eine pr¨ azise Lagerung und Positionierung der Schaltungsbauteile. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass auch bei den Arretierung mittlerweile zur Reduktion der Teilevielfalt und der Montageoperationen in der Fertigung zus¨ atzliche Funktionen integriert werden k¨onnen. Werden Arretierungen gangspezifisch bet¨ atigt, so kann beispielsweise der Schalter des R¨ uckw¨artsscheinwerfers u uckw¨artsgangs ¨ber die Arre der Schaltgabel des R¨ bet¨atigt werden, ein ausgef¨ uhrtes Beispiel ist in Abbildung 4.120 gezeigt. Auslegungsaufgabe 4.7 Analyse einer Rastierkontur F¨ ur die in Abbildung 4.121.a skizzierte Rastierkontur sind die Verschiebekr¨afte an der rastierten Stange zu berechnen. Dazu soll zun¨achst angenommen werden, dass der Reibwinkel zwischen der Druckkugel der federbelasteten Arretierung und der Rastierkontur δF = 6, 8◦ entsprechend einem Reibwert µ = 0, 12 betr¨agt. Die Federkraft der Arretierung wird in Abh¨angigkeit von der Einfederung ∆x der Feder durch das Federgesetz (4.81) beschrieben.
264
a)
4 Systeme und Baugruppen von manuellen Schaltgetrieben
b)
Abb. 4.121. Beispielhafte, axial verschiebliche Rastierkontur: a) Gesamtansicht, b) Bemaßung der halben Rastierkontur
Die Arretierung wird in Neutralposition in der Konturmitte mit einer Vorspannkraft von FF,0 = 70 N eingebaut; f¨ ur die Analyse ist in der Neutralposition der Federweg ∆x0 = 0 zu setzen. F¨ ur die Analyse ist cF = 8 N/mm zu verwenden. Die Kontur ist in allgemeiner Form in Abbildung 4.121.b bemaßt; f¨ ur die Analyse sind Radien r1 = r3 = 3 mm und r2 = 0, 25 mm zu verwenden, die Winkel der Kreisb¨ ogen betragen ζ1 = ζ2 = 35◦ sowie ζ3 = ζ4 = 29◦ . F¨ ur den Kreisbogen mit Radius r3 , der den Endanschlag der Kontur beschreibt, ist ζ5 > 63◦ anzunehmen. Folgende Punkte sind bei der Auslegung des Rastiersystems zu erledigen: • Die Rastierkontur ist abschnittsweise zu parametrisieren und die Rastiererhebung h(x) ist u ur ¨ber dem Verschiebeweg x graphisch darzustellen. F¨ die Parametrisierung der Kreissektoren w¨ ahlt man dabei zweckm¨aßig den Winkel ζ als Neigung der Ber¨ uhrnormalen als unabh¨angige Gr¨oße und stellt x und h(x) als abschnittsweise Funktion von ζ dar. • Der Neigungswinkel der Ber¨ uhrnormalen β als wirksamer Rampenwinkel zwischen der abrollenden Kugel und der Arretierkontur ist u ¨ber dem Verschiebeweg aufzutragen. • Die notwendige Verschiebekraft an der rastierten Stange FS (x) ist f¨ ur den Ein- und Ausschaltvorgang zu ermitteln. Eine Stangenkraft ist positiv zu z¨ahlen, wenn sie in Richtung des als positiv gez¨ahlten Verschiebewegs wirkt, also wenn Arbeit zum Verschieben der Stange aufgebracht wird. • Die resultierende Mittelpunktsbahn der Arretierkugel mit einem Durchmesser d = 4, 3 mm ist u ¨ber dem Verschiebeweg x aus der Neutralposition heraus aufzutragen. • Welche Folgerungen kann man aus dem Verlauf der Stangenkraft FS (x) beim Ein- und Ausschalten ziehen? Der Schaltvorgang ist beendet, wenn die Kugel einen Rampenwinkel |ζ| > 60◦ u usste; der nominelle Schaltweg aus der Neutralstellung bis in die ¨berwinden m¨ geschaltete Position betr¨ agt xmon = 8, 4 mm. ♠
5 Architektur, Komponenten und Baugruppen automatisch schaltender PKW-Getriebe
In diesem Kapitel werden nach der Diskussion der Komponenten manueller Schaltgetriebe die Eigenschaften und – soweit m¨oglich – Auslegungskriterien f¨ ur die verschiedenen automatisch schaltenden Getriebekonzepte, vgl. auch Abschnitte 2.5 und 2.7, besprochen. Vorbereitend wird zun¨achst in Abschnitt 5.1 eine sehr makroskopische Beschreibung1 der Kommunikation zwischen Getriebe und Motor bzw. Fahrzeug gegeben, die f¨ ur die verschiedenen automatischen Getriebe gleichermaßen notwendig ist, um in Wechselwirkung mit dem Motor und dem Fahrzustand des Fahrzeugs jeweils die bestm¨ogliche ¨ Ubersetzung automatisch einlegen oder anfahren zu k¨onnen. In den folgenden Abschnitten, die sich mit Aufbau und Komponenten der verschiedenen Konzepte automatischer PKW-Getriebe besch¨aftigen, wird die Verwandschaft zum manuellen Schaltgetriebe als “Ordnungskriterium” verwendet: Zun¨achst werden in Abschnitt 5.2 die Automatisierungsstrategie und die notwendigen Aktuatoren automatisierter Schaltgetriebe wie etwa der Easytronic besprochen, vgl. auch Abschnitt 2.7.1; automatisierte Synchrongetriebe werden unter den Abk¨ urzungen2 AMT, MTA oder ASG gef¨ uhrt, hier wird die Bezeichnung Automatisiertes Schaltgetriebe – kurz ASG – benutzt. ¨ Auf die Uberlegungen zum Erreichen einer großen gemeinsamen Teilebasis von manuell und automatisch geschalteten Ausf¨ uhrungen des selben Basisgetriebes wird dabei speziell eingegangen. Als n¨achstes schließt sich – wegen der Verwendung konventioneller Stirnradstufen und Synchronpakete – die Beschreibung der Eigenschaften von Doppelkupplungsgetrieben an, die kurz als DCT – Dual Clutch Transmission – bezeichnet werden. Auch die Gemeinsamkeiten mit den Handschaltgetrieben werden in Abschnitt 5.3 aufgezeigt. In den folgenden Abschnitten 5.4 bis 5.6 wird die Leistungs¨ ubertragung in konventionellen Stufenautomatgetrieben besprochen. Zun¨achst wird in Ab1
2
Tiefgreifendere Ausf¨ uhrungen finden sich bei Braess & Seiffert [2005, Kap. 8] bezogen auf die PKW-Technik im Allgemeinen und bei Zimmermann & Schmidgall [2006] bezogen auf die BUS-Technolgie und ihre Protokolle im Speziellen. Automized Manual Transmission
266
5 Komponenten automatischer Getriebe
schnitt 5.4 die generelle Architektur von Stufenautomatgetrieben analysiert; die f¨ ur das zugkraftunterbrechungsfreie Schalten notwendigen Kupplungen und Bremsen sowie die Freil¨ aufe als einseitig wirkende Kupplungen werden besprochen und das notwendige Formelwerk f¨ ur deren erste Dimensionierung bereitgestellt. Ferner wird auf die Auslegung von Parksperren f¨ ur hydraulisch bet¨atigte Getriebe eingegangen. In Abschnitt 5.5 wird – nun wieder dem Leistungsfluss folgend – der hydrodynamische Wandler als Anfahrelement diskutiert, in Abschnitt 5.6 folgen die Planetens¨atze. Schließlich werden die leistungs¨ ubertragenden Komponenten der Stufenlosgetriebe in Abschnitt 5.7 diskutiert, dabei wird sehr makroskopisch auf die Verluste infolge der Leistungs¨ ubertragung mit einem Wirkmedium in Abschnitt 5.7.2 eingegangen, da dies die maßgebliche Gr¨ oße bei der verschleißfesten Auslegung dieser Getriebekonzepte ist. Anmerkung 5.1 Bei der Ausl¨ osung der Schaltung von gestuften Getrieben sind prinzipiell ein fahrleistungs- und ein verbrauchsorientierter Automatikmodus m¨oglich, unabh¨ angig davon, ob es sich um ein ASG, ein DCT oder einen konventionellen Stufenautomaten handelt. Beim Beschleunigen wird in der fahrleistungsorientierten Betriebsart geschaltet, wenn der Motor den Nennleistungspunkt mit Drehzahl nnenn u ¨berschritten hat und in der n¨achsth¨oheren Fahrstufen n + 1 mit |in+1 | < |in | bei geringerer Motordrehzahl mehr Beschleunigungsleistung zur Verf¨ ugung steht, vgl. Abbildung 3.18 und 3.21. Verbrauchsorientierte Strategien wechseln die Fahrstufe, wenn bei gleicher Fahrpedalstellung in der n¨ achsth¨ oheren Fahrstufe ein geringerer spezifischer Verbrauch realisiert werden kann; der Kompromiss ist die Ausl¨osung der Schaltung, wenn in der n¨ achsth¨ oheren Fahrstufe mehr Zugkraft zur Verf¨ ugung steht. Bei Konstantfahrt wird nach normaler und verbrauchsorientierter Abstimmung jeweils die verbrauchsg¨ unstigste Fahrstufe gew¨ahlt und bei sportlicher Betriebsstrategie die n¨ achstniedrigere, um mehr Leistung und Zugkraft ohne Schaltung nutzen zu k¨ onnen. Bei stufenlosen Getrieben gilt das Gleiche ¨ ¨ des stufenlosen Ubertragungselements. 2 sinngem¨aß f¨ ur die Ubersetzung Anmerkung 5.2 Auf eine detaillierte Beschreibung der Sensorik und Aktuatorik und der relevanten Regelstrategien der automatisierten Getriebekonzepte wird hier verzichtet. Der Fokus liegt vielmehr auf den mechanischen Komponenten – Wandler, Planetens¨ atze und Kupplungssystemen – sowie auf die prinzipiellen konstruktiven Unterschiede zum konventionellen Schaltgetriebe. Ausf¨ uhrungen zur Regelung von Stufenautomaten und automatisierten Schaltgetrieben finden sich z.B. bei Oberhauser & Vetter [2003]. 2
5.1 Kommunikation zwischen Fahrzeug, Motor und Getriebe Die Automatisierung der in diesem Kapitel besprochenen Getriebekonzepte erfordert die Kommunikation des Getriebes mit Motor und Fahrzeug. F¨ ur
5.1 Kommunikation zwischen Fahrzeug, Motor und Getriebe
267
Abb. 5.1. Elektrische Vernetzung automatisch schaltender Getriebe im Fahrzeug am Bespiel eines automatisierten Schaltgetriebes
den automatisierten Wechsel der Fahrstufe bei gestuften Konzepten – Doppelkupplungsgetriebe, Stufenautomatik oder auch automatisierten Schaltge¨ trieben – oder der aktuellen Ubersetzung bei den stufenlosen Getrieben sind Informationen u ¨ber die Geschwindigkeit des Fahrzeugs aber auch der einzelnen R¨ader bei Schlupf oder Kurvenfahrt und u ¨ber die aktuelle Motordrehzahl, die Drosselklappen- bzw. Fahrpedalstellung erforderlich, um die richtige ¨ Ubersetzung bestimmen zu k¨ onnen. Dieser Datenaustausch l¨auft bei modernen Fahrzeugen u ur Diagnose- oder Entwicklungszwecke, ¨ber den CAN-Bus3 ; f¨ vgl. Abschnitt 10.1, werden h¨ aufig die Bus-Signale ausgelesen. Die Leistungsansteuerung der elektrischen Getriebeaktuatoren erfolgt direkt von der Getriebesteuerung (Transmission Control Unit TCU), die Steuerstr¨ome fließen nicht u ¨ber den CAN-Bus. Am Beispiel der automatisierten Schaltgetriebe, vgl. Abschnitt 2.7.1 und 5.2, zeigt Abbildung 5.1 die prinzipielle Systemarchitektur des Fahrzeuggetriebes mit seinen elektrischen Schnittstellen im Fahrzeug; die TCU bildet in Abbildung 5.1 eine Einheit mit dem Kupplungsaktuator. Unabh¨angig vom Automatisierungskonzept sind die folgenden Schnittstellen des Getriebesteuerger¨ ates in das elektrische Netz zu integrieren, um eine effiziente Leistungs¨ ubertragung und die Erf¨ ullung verschiedenster Komfort- und Gesetzesanforderungen sicherzustellen:
3
Das CAN-Bussystem – Controller Area Network – ist in den 1980er Jahren von Bosch f¨ ur den Einsatz in Kraftfahrzeugen entwickelt worden und heute in auch in Schiffen, Schienenfahrzeugen und station¨ aren Maschinen im Einsatz.
268
5 Komponenten automatischer Getriebe
• Motorsteuerung, d.h. das rechnerische Motormoment in Abh¨angigkeit von Fahrpedalstellung und Motordrehzahl, • Raddrehzahl- und ABS-Sensorsignale der angetriebenen Achse bei ungeregeltem einachsigen Antrieb oder aller R¨ ader bei Vernetzung des Triebstranges mit aktiven Leistungsverteilungskomponenten, vgl. Abschnitt 6.3.3, • Display-Ganganzeige im Cockpit (Neutral als “N”, Automatikmodus “A”, manueller Modus des jeweiligen geschalteten Ganges), • Anlasserfreigabe, • Automatikw¨ahlhebel, • Bremse / ABS und • Diagnose. Hinzu kommen je nach Automatisierungsstrategie weitere Schnittstellen wie Gangerkennungssensor, Drehzahlsensor am Getriebeeingang und Kupplungswegsensor bzw. Sensoren f¨ ur Dr¨ ucke und Aktuatorwege. Automatisierungskonzepte wie die Doppelkupplung oder die Stufenautomatik4 erfordern auch die Kommunikation der verschiedenen Regler und Aktuatoren untereinander; man erkennt, dass ohne die Kommunikation zwischen Motor und Kupplungsaktuator z.B. eine adaptive Regelung des Kupplungsdrucks nicht m¨oglich ist. Anders als die manuellen Getriebe, die h¨ ochstens u ¨ber den Schalter des R¨ uckw¨artsfahrlichts, vgl. Abbildung 4.120, in das elektrische Bordnetz integriert ist, m¨ ussen die automatisierten Getriebe mit dem Fahrzeug kommunizieren. F¨ ur die Getriebesteuerung automatisierter Nutzfahrzeuggetriebe, vgl. Abbildung 7.38, ist es wichtig, dass zus¨ atzlich das Fahrzeuggewicht und die aktuelle Streckentopograhie zumindest n¨ aherungsweise bekannt sind, um unter Ber¨ ucksichtigung variabel gleitender Schaltkennfeldern - so genannter reakti¨ ver Schaltstrategien – stets die richtige Ubersetzung zu w¨ahlen. Die getriebeinterne Regelung umfasst bei Stufenautomatik und Doppelkupplungsgetriebe auch ein Hydrauliksystem, das, durch Magnetventile angesteuert, die Steuerdr¨ ucke f¨ ur die Kolben von Kupplungen und Bremsen zur Verf¨ ugung stellt, vgl. Abbildung 5.2. Alternativ zu einer hydraulischen Steuerung kann, wie bei der Eastronic oder manchen Doppelkupplungskonzepten, die Ansteuerung der Aktuatoren elektrisch u ¨ber das Steuerger¨at ausgel¨ost werden; im Nutzfahrzeugbereich sind auch pneumatische Systeme vertreten. Da die TCU und der Regelkreis nicht an der Leistungs¨ ubertragung beteiligt sind, wird das Thema hier nicht weiter vertieft, es wird auf Zimmermann & Schmidgall [2006] betreffend die Bus-Systeme und Will et al. [2007], Findeisen [1994] oder Ivantysyn & Ivantysynova [1993] f¨ ur die hydraulische Steuerung verwiesen.
4
Die ersten Stufenautomaten wurden noch u ¨ber Fliehkraftelemente geschaltet, danach waren analoge Steuerungen im Einsatz.
5.2 Teilautomatisierung manueller Schaltgetriebe
a)
269
b)
Abb. 5.2. Getriebesteuerung des SPS6-Doppelkupplungsgetriebes von Getrag Ford Transmission: a) Systemansicht, b) Detailansicht der Steuerplatte der Hydraulikeinheit (Aus Bernemann & Hopf [2004])
5.2 Teilautomatisierung manueller Schaltgetriebe In diesem Abschnitt werden recht knapp die Schritte zur Automatisierung konventioneller Schaltgetriebe besprochen einschließlich der Strategien zum Erreichen eines m¨ oglichst hohen Gleichteileanteils zwischen dem Basisgetriebe und dem automatisierten Derivat. Der detaillierte Aufbau der mechatronischen Komponenten und ihre Bemessung wird hier nicht besprochen, da diese Komponenten nicht an der Leistungs¨ ubertragung beteiligt sind; z.B. wird von Bolton [2004] oder Isermann [2007] auf diese Details eingegangen. Systemaufgaben Bei den automatisierten Schaltgetrieben, die auf einem konventionell manuell bet¨atigten Stirnrad-Stufengetriebe basieren, haben die in diesem Abschnitt besprochenen Automatisierungskomponenten die Aufgabe, die Kupplung zum Anfahren und w¨ahrend des Gangwechsels zu bet¨atigen und u ¨ber eine modifizierte Innenschaltung den Wechsel der leistungsf¨ uhrenden Komponenten umzusetzen. Der Automatisierungsgrad wird so – je nach Konzeption des Systems – von 0 bis maximal 4, vgl. Tabelle 2.1, ver¨ andert. ¨ 5.2.1 Automatisierungsstrategie – Anderungsumfang Bei der Automatisierung des Basisgetriebes F13 von GM Powertrain Europe nach Abbildung 2.20 und 5.3.a wurde als erste Variante – im Gegensatz zu den in Abbildung 2.27 gezeigten Aktuatoren f¨ ur Schaltung und Kupplung – f¨ ur die getriebeinterne Schaltbet¨ atigung eine Schaltwalze, vgl. Abbildung 5.3.b und 5.4 untersucht. Der Radsatz f¨ ur das automatisierte Schaltgetriebe kann
270
a)
5 Komponenten automatischer Getriebe
b)
Abb. 5.3. Ansicht des Basisgetriebes (a) und der ersten Entwicklungsstufe (b) der Easytronic mit Schaltwalze im halboffenen Schnitt
dabei unver¨andert aus der laufenden Serie u ¨bernommen werden, alle Schaltgabeln sowie die Geh¨ ause zur Lagerung der Schaltwalze m¨ ussen als Neuteile ausgef¨ uhrt werden. In die Schaltwalze ragen bei diesem Entwurf Stifte, die in die Schaltgabel eingepresst werden. Durch Drehen der Schaltwalze mittels Elektromotor werden u ¨ber die Stifte, die in der in Abbildung 5.4.a erkennbaren Wendelnut der Schaltwalze auf einer Rolle laufen, die Schaltgabeln auf der Schaltgabelwelle verschoben und so die einzelnen G¨ange eingelegt; die Kupplung kann elektro-hydraulisch oder auch rein elektrisch bet¨atigt werden. Der Fahrer hat bei Verwendung der Schaltwalze die M¨oglichkeit, dieses mechanische Getriebe zum einen als Automatik-Getriebe, zum anderen in der sportlichen Variante als sequentielles Schaltgetriebe zu fahren. Durch den Einsatz der Schaltwalze wird das vom Seriengetriebe F13 bekannte Schaltbild5 der HSchaltung verlassen. Neu war damit f¨ ur die ersten Entw¨ urfe der Easytronic das f¨ ur die sequentielle Schaltung typische Schaltbild, bei dem in eine Richtung hoch- und in die andere Richtung runtergeschaltet wird; der R¨ uckw¨artsgang war u ¨ber eine gezogene Sperre am Handschalthebel einzulegen. Nachteilig ist an dem Schaltwalzen-Konzept f¨ ur das Beispiel der Easytronic, dass durch die Integration der Schaltwalze nicht nur die getriebeinterne Schaltbet¨atigung, sondern auch der Schaltgabelsatz sowie zur Nadellagerung der Walze die Geh¨ ause ge¨ andert werden m¨ ussen. Durch die Automatisierung nach diesem Ansatz ist es also erforderlich, alle in Abbildung 2.28 markierten Komponenten zu ¨ andern, was f¨ ur die Großserieproduktion einen erheblichen Aufwand – Kosten ohne einen Mehrwert f¨ ur den Kunden – bedeuten kann. 5
Dieses Schaltschema wurde urspr¨ unglich an Rennfahrzeugen der Formel 3 und der DTM entwickelt. Somit ist die Easytronic ein gutes Beispiel daf¨ ur, dass zwischen Entwicklungen f¨ ur den Rennsport sowie f¨ ur die Serie enge Zusammenh¨ ange bestehen, selbst wenn Einsatz- und Fahrerprofil deutlich unterschiedlich sind.
5.2 Teilautomatisierung manueller Schaltgetriebe
a)
271
b)
Abb. 5.4. a) Schemadarstellung der Schaltwalze eines fr¨ uhen Entwicklungsstands der Easytronic, b) Radsatz eines Formel-3 Getriebes mit Schaltwalze (Aus Barnbeck et al. [2000])
a)
b)
Abb. 5.5. Automatisierte Schaltgetriebe: a) integriertes System 423 von Getrag, b) Add-on System MT75 von Getrag Ford Transmission (Aus Eggert et al. [2004])
W¨ahrend die Schaltwalze bei der Easytronic von GM Powertrain Europe als Nachteil bewertet und nicht in Serie umgesetzt wurde, ist bei Getrag mit dem System 423, vgl. Abbildung 5.5.a ein ASG-System mit Schaltwalze bei kleineren bis mittleren St¨ uckzahlen in Produktion. Soll mit der Schaltwalze ein sequentielles, automatisiertes Schalten erm¨ oglicht werden, so ist dies bei der Konzeption des Geh¨ auses f¨ ur die manuell und die automatisiert geschaltete Variante in der Konzeptphase vorzusehen, um die zuvor besprochenen Kostennachteile zu vermeiden. Das in Abbildung 5.5.b gezeigte System verdeutlicht eine weitere M¨oglichkeit, durch hydraulische Aktuatoren ein Schaltgetriebe zu automatisieren, auch wieder ohne Eingriff in die Geh¨ause, die leistungsf¨ uhrenden Teile oder das getriebeinterne Schaltsystem. Auch aus Gr¨ unden der Wahlfreiheit beim Schalten wurde bei der Entwicklung der Easytronic das Schaltwalzenprinzip verlassen und zum Seriengetriebe oh-
272
a)
5 Komponenten automatischer Getriebe
b)
c)
Abb. 5.6. Ansichten des Getriebeaktuators der Easytronic: a) und b) Ansichten der ausgef¨ uhrten Konstruktion, c) CAD-Ansicht mit den Elektromotoren f¨ ur die Schalt(links) und W¨ ahlbet¨ atigung (rechts)(Quelle: LuK bzw. GM)
¨ ne Anderung zur¨ uckgekehrt, bei dem lediglich der Schaltdeckel, vgl. Abbildung 4.109.b, ausgetauscht werden muss. Bei der Easytronic wird daher – um eine bessere Modularisierung zu erreichen – die mechanische Schalteinheit durch einen elektrischen Getriebeaktuator ersetzt, der einen Elektromotor f¨ ur die Schaltfunktion und einen f¨ ur die W¨ ahlfunktion beinhaltet, vgl. Abbildung 5.6. Der Schalt- und W¨ ahlaktuator wird an den Befestigungspunkten des regul¨aren Schaltdeckels verschraubt. Die Schnittstellen zwischen Zentralhebel und den Schaltgabeln, vgl. Abbildung 4.109.b, und das Funktionsprinzip des Zentralhebels beim Schalten und W¨ ahlen bleiben durch die separaten Aktuatoren f¨ ur die beiden Bedienvorg¨ ange erhalten. Der Kupplungsaktuator bet¨ atigt – wie beim Seriengetriebe – u ¨ber eine hydraulische Strecke die selbstnachstellende Kupplung, vgl. Abschnitt 4.1.4. Die Selbstnachstellung stellt sicher, dass trotz Verschleiß der Kupplungsscheibe die Ausr¨ uckkraft der Kupplung konstant bleibt und dass an der Kupplung, mit einem Sicherheitsfaktor versehen, immer nur das zur Leistungs¨ ubertragung n¨otige Moment anliegt. Die Vorteile dieser regelungstechnisch realisierten Momentennachf¨ uhrung mit Blick auf das Komfortempfinden werden in Abschnitt 9.3.2 besprochen. Der Kupplungsaktuator mit dem integrieten Getriebesteuerger¨at, vgl. Abbildung 2.27, wird am Getriebegeh¨ause an drei bereits vorhandenen Befestigungspunkten fixiert. Der getriebeseitige EasytronicKabelbaum verbindet die TCU mit Kupplungs- und Getriebesteuerung mit den beiden Motoren des Getriebeaktuators, die man in Abbildung 5.6 sieht. Ein fahrzeugseitiger Karosserie-Kabelsatz, vgl. Abbildung 5.1, verbindet das Steuerger¨at mit den Schnittstellen von Fahrzeug und Motor. Das Automatisierungssystem bietet einen automatischen wie auch einen manuellen Betriebsbereich, der w¨ ahrend der Fahrt u ¨ber den Handschalthebel, vgl. Abbildung 5.7, gewechselt werden kann. Da der elektromechanische Getriebeaktuator im Gegensatz zur Schaltwalze die Vorg¨ange “Schalten” und ¨ “W¨ahlen” u von ¨ber eigene Elektromotoren ansteuert, ist ein Uberspringen G¨angen wie beim Handschaltgetriebe m¨ oglich. Beim “kick down” zum Bei-
5.2 Teilautomatisierung manueller Schaltgetriebe
a)
273
b)
Abb. 5.7. a) W¨ ahlhebel des Easytronic-Systems f¨ ur den Corsa 2001 und b) f¨ ur den Astra 2004
spiel, erm¨oglicht das System eine direkte R¨ uckschaltung von 5 nach 2, was gute Fahrleistungen und einen hohen Sicherheitsstandard durch die damit kurzfristig verf¨ ugbaren Beschleunigungsreserven bedeutet. Kennzeichnend f¨ ur die Automatisierungsstrategie der Easytronic ist also die Verwendung eines hohen Gleichteileanteils; dies wird erreicht durch den Austausch lediglich der getriebeinternen Schaltbet¨atigung gegen ein Aktuatormodul, vgl. Abbildung 5.6. Andere automatisierte Getriebekonzepte verfolgen – je nach Marktsegment – das gleiche Ziel m¨ oglichst vieler gemeinsamer Komponenten zwischen dem konventionellen Handschalter und der automatisierten Variante; f¨ ur exotische Fahrleistungen wie etwa beim BMW M5, der mit einem automatisierten, sequentiellen 7-Gang Getriebe ausgestatet ist, gilt diese Forderung aufgrund der Exklusivit¨ at des Fahrzeugs nur sehr begrenzt. Gleich, ob die Aktuatoren elektrisch, pneumatisch oder hydraulisch bet¨atigt werden, f¨ ur jede zu automatisierende Operation entsprechend Tabelle 2.1 – Kuppeln, Schalten und W¨ahlen – muss ein entsprechender Aktuator im Bauraum des Getriebes mit entsprechenden Anbindungen an die Fahrzeug- und Motorsteuerung platziert werden, vgl. Abbildungen 5.1 und 5.6. 5.2.2 Komponenten zur Teilautomatisierung Die Komponenten, die zur Integration eines automatisierten Schaltgetriebes in das Fahrzeug notwendig sind, sind im wesentlichen ein entsprechender Kabelsatz sowie der Handschalt- bzw. W¨ ahlhebel f¨ ur das shift-by-wire System, vgl. Abbildung 5.7.a. Der Aufbau der Aktuatoren f¨ ur Kupplung und Schaltung h¨angt naturgem¨aß stark von der Art der Ansteuerung ab – elektrisch oder hydraulisch. Zur Entlastung der Synchronisationen sind jedoch die elektrisch bet¨atigten Aktuatoren deutlich zu bevorzugen, da diese u ¨ber die Erfassung ihrer Regelgr¨oßen eine bessere M¨ oglichkeit zur komfortablen und lebensdauerorientierten Abstimmung der Automatisierung bieten als ein hydraulisches System, wie es in Abbildung 5.5.b gezeigt ist. Da die Aktuatoren nicht im Leis-
274
5 Komponenten automatischer Getriebe
tungsfluss liegen, ist eine Dimensionierung entsprechend der Fahrzeug- oder Motorkennwerte nicht erforderlich, vielmehr m¨ ussen die Aktuatoren entsprechend der auftretenden Bet¨ atigungskr¨ afte an Schaltung und Kupplung ausgelegt werden. Dabei ist zu beachten, ob eine Bet¨atigungskraft wie etwa bei einer hydraulisch geschlossenen Kupplung permanent f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung zur Verf¨ ugung gestellt werden muss oder ob die Aktuatoren lediglich w¨ahrend des Bedienvorganges beansprucht werden. Details m¨ ussen mit dem Systemlieferanten der Aktuatoren abgestimmt werden, um im Fahrzeug ein perfektes Zusammenspiel von Leistungs¨ ubertragung und Automatisierung unter Komfort- wie Lebensdauerkriterien sicherzustellen. Das shift-by-wire System des Schalthebels, vgl. Abbildung 5.7, verbessert den Ger¨auschkomfort durch den Wegfall des direkten K¨orperschallpfades zwischen Getriebe und Handschalthebel deutlich. Die in Abschnitt 9.5 diskutierten Schwingungs- und Ger¨ auschph¨ anomene der Bet¨atigungssysteme treten bei den automatisierten Schaltgetrieben somit nicht auf; Verzahnungsger¨ausche, vgl. Abschnitte 9.6.1 und 9.6.2, k¨ onnen aber aufgrund der gleichen leistungs¨ ubertragenden Bauteile auch bei den ASG auftreten. Automatikfunktionen der Easytronic Beim Starten gibt die Steuerung des Easytronic-Systems nur in der W¨ahlhebelposition N bei getretener Bremse den Anlassvorgang frei. Nach dem Anlassen ist – wenn der W¨ ahlhebel, vgl. Abbildung 5.7, nach links gelegt ist – automatisch der Automatikmodus A eingelegt. Nach dem L¨osen der Fußbremse kriecht das Fahrzeug im Automatik-Programm an und f¨ahrt nach Gaspedalbet¨atigung entlang der im Steuerger¨ at festgelegten Schaltkennlinie, vgl. dazu auch Anmerkung 5.1. Bei eingelegtem R¨ uckw¨artsgang kriecht das Fahrzeug r¨ uckw¨arts an. In der kick-down-Funktion – beim Wunsch des Fahrers nach maximaler Beschleunigung – schaltet das System selbstt¨atig auf ¨ den zur Beschleunigung g¨ unstigsten Gang. Ein Uberspringen von G¨ange ist bei Verwendung eines Schaltaktuators entsprechend Abbildung 5.6 im Gegensatz zum Getriebe mit Schaltwalze m¨ oglich, was die Fahrsicherheit u ¨ber die schneller verf¨ ugbaren Beschleunigungskr¨ afte erh¨ohen kann. Anmerkung 5.3 Die Kupplungsansteuerung muss beim Kriechen des Fahrzeugs u ¨ber die Creep-Regelung so erfolgt, dass eine ausreichende Standzeit der Kupplung gew¨ ahrleistet ist; automatisierte Trockenkupplungen erfordern hier mehr Aufmerksamkeit als der hydrodynamische Wandler der Stufenautomatik, von dem diese Automatikfunktion auf die ASG u ¨bertragen wird. 2 Wird die Z¨ undung in W¨ ahlhebelposition N ausgeschaltet, bleibt das Getriebe in Neutralstellung, so dass das Fahrzeug geschoben werden kann. Wird das Fahrzeug in D oder R abgestellt, bleibt der 1. oder der R¨ uckw¨artsgang eingelegt und die Kupplung schließt als Wegrollsicherung6 . Der Wintermodus 6
Das Getriebe ben¨ otigt also im Gegensatz zu den hydraulisch aktuierten DCTs oder den Stufenautomaten keine Parksperre, vgl. Abschnitt 5.4.3.
5.3 Doppelkupplungssystem
275
erm¨oglicht ein leichteres Anfahren bei winterlichen Straßenverh¨altnissen, in diesem Modus wird dann generell im 2. Gang angefahren. Weiterhin ist in die Easytronic eine Fahrwiderstandserkennung integriert; dabei wird st¨andig die Soll-Beschleunigung der Regelung mit der Ist-Beschleunigung, die die Drehzahlsensoren des ABS-Systems liefern, verglichen. Zeigt eine Schwellwert¨ uberschreitung einen erh¨ ohten Fahrwiderstand – z.B. bei Bergfahrt oder H¨angerbetrieb – an, wird in ein Fahrwiderstandsprogramm verzweigt, bei dem z.B. bergauf und bergab der Schaltpunkt zu h¨oheren Drehzahlen hin verlagert ist, vgl. Abschnitt 3.2.1. Somit wird bergauf ein st¨orendes Hin- und Herschalten zwischen den niedrigen Gangstufen unterbunden und bergab das Schubmoment des Motors besser ausgenutzt.
5.3 Besonderheiten und Komponenten von Doppelkupplungsgetrieben In diesem Abschnitt wird die Architektur der Doppelkupplungsgetriebe – Dual Clutch Transmission DCT – erl¨ autert, die notwendig ist, um einen komfortablen Wechsel der Fahrstufen ohne Zugkraftunterbrechung – also eine Zugkraftschaltung – zu erm¨ oglichen. Ferner wird auf Eigenschaften und Anforderungen der Doppelkupplung als Komponente eingegangen; dabei werden die Unterschiede zwischen trocken und nass laufenden Systemen speziell in Abschnitt 5.3.2 diskutiert. In Abschnitt 5.3.3 wird auf die hydraulischen Komponenten und auf m¨ ogliche Regelstrategien zur Komfortsteigerung eingegangen. Die Ausf¨ uhrungen sind dabei weitgehend allgemein gehalten und werden jeweils f¨ ur das Direktschaltgetriebe von Volkswagen pr¨azisiert, mit dem die Technologie erstmals in Großserie umgesetzt wurde. Anmerkung 5.4 Das erste Patent f¨ ur ein DCT wurde 1940 vom Volkswagenkonzern angemeldet. Es sollte in Gel¨ andefahrzeugen und Traktoren zum ¨ Einsatz kommen, bei welchen es durch die Uberschneidungen der Kupplungseingriffe f¨ ur eine unterbrechungsfreie Zugkraft¨ ubertragung sorgen sollte. Seit den 80er-Jahren sind DCTs im Motorsport im Einsatz. Beim S1 Sportquattro von Audi sowie im 962 C von Porsche wurde durch die Verk¨ urzung der Schaltzeiten das Beschleunigungsverm¨ ogen der Fahrzeuge optimiert. Das Problem bei zwei konkurrierenden Kupplungen ist allerdings die Regelung; so konnte der f¨ ur die Serie n¨ otige Schaltkomfort zun¨ achst noch nicht realisiert werden. ¨ Durch zu lange Uberschneidungszeiten der Kupplungseingriffe war der Verschleiß der Kupplungsbel¨ age f¨ ur den Serieneinsatz nicht akzeptabel. Auf der Suche nach konstruktiven M¨ oglichkeiten, die Vorteile eines manuellen Getriebes – Wirtschaftlichkeit und einfacher Aufbau – mit den Vorteilen eines automatischen Getriebes – Schalt- und Bedienkomfort – zu verbinden, griff die Volkswagen AG Ende der 90er Jahre das DCT-Konzept erneut auf. 2
276
5 Komponenten automatischer Getriebe
a)
c)
b)
d)
Abb. 5.8. M¨ ogliche Anordnungen von Doppelkupplungen: a) Beispielschnitt einer radialen Anordnung, b) Schema, c) Beispiel einer axialen Anordnung, d) Schema. Teilgetriebe TG1 h¨ angt an der Kupplung K1, TG2 an K2 (Zahlen in Ansichten a und c ohne Bedeutung)
Systemaufgaben Die Doppelkupplung als Kernkomponente der nach ihr benannten Getriebe hat zun¨achst die gleichen Hauptaufgaben wie die konventionelle Ein- oder Mehrscheibenkupplung, vgl. Abschnitt 4.1. Hinzu kommt jedoch, um die zugkraftunterbrechungsfreie Lastschaltung zu erm¨ oglichen, die Anforderung nach einem geregelten Wechsel von einer Kupplung zu anderen, um die beiden in Abbildung 2.29 schematisch dargestellten Einzelgetriebe der geraden und ungeraden G¨ange abwechselnd nutzbar zu machen. 5.3.1 Der mechanische Aufbau von Doppelkupplungsgetrieben Doppelkupplungsgetriebe bestehen aus zwei voneinander unabh¨angigen Teilgetrieben, vgl. Abbildung 2.29: Jedes Teilgetriebe ist funktionell wie ein Handschaltgetriebe aufgebaut, weist also konventionelle Stirnradstufen und von Aktuatoren bet¨atigte Synchroneinheiten auf; die Aktuatorik und ihre Regelung wird in Abschnitt 5.3.3 besprochen. Die in Kapitel 4 ausgef¨ uhrten Konstruktions- und Dimensionierungshinweise f¨ ur die drehenden Komponenten und die Synchronisation sind also analog auch auf dieses Konzept der Lastschaltgetriebe anwendbar. Ein entscheidender Unterschied zu den Handschaltgetrieben ist jedoch, dass benachbarte G¨ ange nicht mit einer Synchronisationseinheit bet¨ atigt werden k¨ onnen, da sonst die Gangvorwahl und damit die zugkraftunterbrechungsfreie Lastschaltung nicht m¨oglich sind.
5.3 Doppelkupplungssystem
277
Abb. 5.9. 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe mit axialer Anordnung der Kupplungen des Bugatti Veyron mit 1250 Nm Auslegungsmoment
Jedem Teilgetriebe ist eine separate Reibkupplung zugeordnet, die den Leistungsfluss vom Motor ins Getriebe sicherstellt. In Abh¨angigkeit vom Motormoment und der Fahrzeugklasse werden die Kupplungen als trockene Ein¨ laufende Lamellenpakete. Das scheibenkupplungen ausgef¨ uhrt oder als in Ol Drehmoment wird bei nass laufenden Systemen in die jeweilig leistungs¨ ubertragende Lamellenkupplung durch den prim¨ arseitigen Lamellentr¨ager eingeleitet, bei trocknen Einscheibensystemen bilden wieder Schwungmasse und Druckplatten die Prim¨ arseite, vgl. Abbildung 5.22.b. Station¨ar ist immer nur eine Lamellenkupplung geschlossen und u ¨bertr¨agt die Antriebsleistung kraftschl¨ ussig an das entsprechende Teilgetriebe. Beim Direktschaltgetriebe von Volkswagen, vgl. Abschnitt 2.7.2, werden bei einem Auslegungsmoment von 350 Nm nass laufende Lamellenkupplungen eingesetzt, ebenso beim 7-Gang Getriebe von ZF, vgl. Abbildung 2.32, das auf 500 Nm ausgelegt ist. Wie in Abbildung 5.8 skizziert ist es m¨ oglich, je nach Einbausituation die beiden Kupplungen in verschiedenen Relativanordnungen zu platzieren: Radial oder axial. Ein Vorteil der radialen Anordnung der Bel¨age ist der kurze axiale Bauraum, dabei ist die außen angeordnete Kupplung durch den gr¨oßeren mittleren Reibradius rm , vgl. (4.3), deutlich leistungsf¨ahiger. Nachteilig kann der gr¨oßere radiale Platzbedarf und die schlechtere W¨armeabfuhr von der inneren Kupplung sein. Die Baul¨ ange des Doppelkupplungssystems ist bei axialer Anordnung der Kupplungen gr¨ oßer, vgl. Abbildung 5.9, vorteilhaft kann der symmetrische Aufbau der Kupplung mit Blick auf eine reduzierte Teilevielfalt und die damit verbundene Senkung der St¨ uckkosten sein.
278
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.10. Schnittdarstellung der Antriebswelleneinheit des DSG von Volkswagen ¨ mit Durchtrieb der Olpumpenwelle (Aus Volkswagen [2004])
a)
b)
Abb. 5.11. Schematische Darstellung von Doppelkupplungsgetrieben in InlineBauweise mit eingangsseitiger Kupplung und optional vorgeschaltetem Wandler. K1 und K2 bezeichnen die Kupplungen f¨ ur die gerade und ungeraden G¨ ange, KU und KG die Konstant¨ ubersetzungen zu den beiden Vorgelegewellen, beide Varianten ohne (a) und mit (b) Wandler nutzen das selbe Radsatzschema
Um das Getriebe kompakt zu halten, sind beim Direktschaltgetriebe von Volkswagen, vgl. Abbildung 2.30, sowohl die Kupplungen als auch die beiden Antriebswellen radial angeordnet; d.h. die Antriebswelle mit den treibenden Zahnr¨adern f¨ ur den 2., 4. und 6. Gang ist eine Hohlwelle, die wie in Abbildung 5.10 gezeigt die Antriebswelle f¨ ur den 1., 3. und 5. Gang aufnimmt. Beim Getriebe nach Abbildung 2.32 von ZF wird die Vorgelegewelle als VollHohlwellen-Kombination ausgef¨ uhrt, um die mit der Inline-Anordnung nach Abbildung 5.11 verbundenen Bauraumnachteile in Fahrzeugquerrichtung zu vermeiden, vgl. auch Abbildung 2.33. Gelagert werden die innen laufende Welle i.d.R. mittels Nadellager und die ineinander gesteckte Antriebswelleneinheit mittels Fest-Los-Lagerung, vgl. Abschnitt 6.4. Anmerkung 5.5 Ein hydrodynamischer Wandler, vgl. Abschnitt 5.5, wie er in Abbildung 5.11.b schematisch gezeigt ist, ist prinzipiell mit einer Doppelkupplung kombinierbar. Der wesentliche Vorteil dieser Anordnung, die bisher noch nicht in Produktion ist, ist die starke Momenten¨ uberh¨ohung beim Anfah-
5.3 Doppelkupplungssystem
279
ren und die Entlastung der Anfahrkupplung; dies bringt zus¨atzliche Freiheiten bei der Auslegung der beiden Kupplungen f¨ ur den Fahrstufenwechsel durch den Wegfall der Anfahrfunktion einer Kupplung. Als Nachteil ist jedoch zu werten, dass die Tr¨ agheit des Wandlers zu einer minimalen Reduktion des Beschleunigungsverm¨ ogens f¨ uhren kann; die in Abschnitt 9.3.3 diskutierten Strategien f¨ ur Mehrfach-R¨ uckschaltungen werden vom Wandler nicht beeintr¨achtigt, da der Wandler u uckt ist oder schlupft, aber in jedem Fall ¨berbr¨ kontinuierlich Leistung an beide Prim¨ arseiten der Kupplungen u ¨bertr¨agt. 2 Bei nass laufenden Doppelkupplungsgetrieben wie etwa beim Direktschaltgetriebe wird teilweise auch die innere Antriebswelle hohl ausgef¨ uhrt, um bei Fahrzeugen mit Frontquerantrieb die dann fahrzeugseitig links liegen¨ de Olpumpe permanent zu betreiben, vgl. Abbildung 5.10. Da der Wechsel der einzelnen Getriebestufen nicht manuell durch den Fahrer erfolgt, sondern durch eine von einer Elektronik gesteuerte Elektrohydraulik, ist eine Pumpe ¨ ¨ erforderlich, die kontinuierlich f¨ ur den n¨ otigen Oldruck sorgt. Die Olpumpe, vgl. Abschnitt 5.4.3 ab Seite 320, u ¨bernimmt bei Doppelkupplungsgetrieben mit nasslaufenden Reibkupplungen im Allgemeinen und beim Direktschaltgetriebe im Speziellen die folgenden Funktionen: • • • •
die die die die
Bet¨atigung der Lamellen-Kupplungen, K¨ uhlung der Lamellen und der mitrotierenden Reibpartner, Versorgung der hydraulischen Schaltaktuatorik mit Druck¨ol und Zahnradschmierung, vgl. Abbildung 6.78.
Sind alle Anforderungen an das Getriebe¨ ol hinsichtlich Schmierung, K¨ uhlung ¨ und hydraulischer Funktionen nicht mit einer Olqualit¨ at zufriedenzustellen, ¨ so ist eine Olraumtrennung zur weitestgehenden Befriedigung aller Anforde¨ rungen mit m¨oglichst nur zwei Olen vorzusehen, vgl. Abschnitt 6.5.3. Meist werden – zumindest bei DCTs f¨ ur den Frontquereinbau – auch zwei Hauptwellen verbaut, vgl. Abbildung 2.29, um bei mindestens einer doppelt verwendeten Verzahnung auf der Antriebswelle eine k¨ urzere Baul¨ange zu erreichen. Bei Doppelkupplungsgetrieben f¨ ur Fahrzeuge mit Heckantrieb ist dies nicht zwingend erforderlich, hier ist die Verwendung von zwei Hauptwellen durch die dann ansteigenden Bauraumanforderungen quer zur Wellenrichtung eventuell nachteilig; man kann dann aber wie in Abbildung 5.11 skizziert auf aufw¨andige Hohlwellen f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung verzichten. Die Radsatzanordnung des ZF-Getriebes nach Abbildung 2.33 bringt im Vergleich zur Anordnung in Abbildung 5.11 mit zwei massiven Vorgelegewellen Bauraumvorteile durch den h¨ oheren konstruktiven Aufwand der Hohlwellen. Generell ist bei den DCTs wie auch bei den manuellen Schaltgetrieben auf die Relativdrehzahlen an den Losradlagerungen zu achten. Wichtig ist hierbei die Ber¨ ucksichtigung der Vorwahlstrategie: Wird bei station¨arer Fahrt kein Gang vorgew¨ahlt, so k¨ onnen sich die nicht leistungs¨ ubertragende Kupplung und die mit ihr verbundenen Stirnradketten relativ zum leistungsf¨ uhrenden Teilgetriebe verdrehen; es kann sich ein Zustand einstellen, in dem die freie
280
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.12. Gangsteller des Direktschaltgetriebes (Aus G¨ otte & Pape [2004])
Welle nur durch die Verlustmomente an Lagerungen und Verzahnungen geschleppt wird. Wird hingegen auch bei Station¨arfahrt ein Gang vorgew¨ahlt – z.B. bei Fahrt im 6. Gang der 5. zur Verk¨ urzung der Schaltzeit bei einer ¨ raschen Anderung der Fahrpedalstellung – so resultieren aus der Zwangsbewegung des nicht leistungsf¨ uhrenden Teilgetriebes unter Umst¨anden erhebliche Relativdrehzahlen; man verdeutliche sich die Zusammenh¨ange noch einmal an Hand von Beispiel 3.4. Gerade bei schnelldrehenden Getrieben, wie z.B. beim Bugatti-Getriebe nach Abbildung 5.9, sind hierbei die Einsatzgrenzen der W¨alzlager zu beachten. Bei Doppelkupplungsgetrieben u ¨bernimmt die Getriebesteuerung neben der Regelung der beiden Kupplungen auch die Ansteuerung der Schaltgabeln, die hydraulisch oder elektrisch bet¨ atigt die Schiebemuffe in die entsprechende Schaltstellung bewegen; ein beispielhaftes Teilsystem ist in Abbildung 5.12 gezeigt und wird in Abschnitt 5.3.3 besprochen. Beim Einlegen z.B. des ersten Ganges wird die separat schaltbare Synchroneinheit der zweiten Getriebestufe als wahrscheinlich n¨ achste zu bet¨ atigende ebenfalls einger¨ uckt; die Kupplung der Welle, auf welcher der zweite Ganges sitzt, wird jedoch zun¨achst noch nicht geschlossen. Analog werden beim Verz¨ ogern – im so genannten Coast Down – die jeweils n¨ achst kleineren G¨ ange vorgew¨ahlt, auch um bei einem erneuten Beschleunigen sehr schnell eine erh¨ ohte Zugkraft zur Verf¨ ugung stellen zu k¨onnen. Der Wechsel in den n¨ achsten Gang erfolgt sowohl bei Auf- als auch ¨ bei Abschaltungen durch das geregelte Offnen der einen und das synchrone ¨ Schließen der anderen Kupplung, dabei kommt es zu einer kurzen Uberschneidung der beiden Kupplungen zur Vermeidung der Zugkraftunterbrechung. Der Schaltablauf beim Doppelkupplungsgetriebe gliedert sich in f¨ unf Phasen, vgl. Abbildung 5.13, die an Hand einer Zughochschaltung vom 2. in den 3. Gang erl¨autert werden sollen:
5.3 Doppelkupplungssystem
281
Abb. 5.13. 2-3 Zughochschaltung eines trocken laufenden Doppelkupplungsgetrie¨ bes: 1) Beginn des Offnens von K2, 2) Beginn des Schließens von K1, 3) Ende der ¨ Uberschneidungszeit, 4) lastfreie Umschaltung im geraden Teilgetriebe von 2 nach 4, 5) Vollst¨ andiger Abschluss der 2-3 Schaltung und der Vorbereitung der 3-4 Schaltung (Nach Wagner et al. [2004])
¨ 1. Zur Vorbereitung der Uberschneidungsphase wird die Kupplung K2 des “ungeraden” Teilgetriebes leicht ge¨ offnet, so dass Schlupf an K2 ent¨ steht. W¨ahrend der Uberschneidung wird K2 so gesteuert, dass Schlupf stets in der gleichen relativen Drehrichtung entsteht, um Richtungswechsel des u ogliche sprunghafte Momenten¨bertragenen Momentes und damit m¨ verl¨aufe zu vermeiden. Hierf¨ ur sind eine gut steuerbare Kupplung und ein Schlupfregler mit hoher Regelg¨ ute notwendig. Die Phase kann je nach Schaltungsabstimmung zwischen nahezu 0 ms bei einer sportlichen Abstimmung und 300 ms bei komfortabler Abstimmung dauern. ¨ 2. W¨ahrend der Uberschneidungsphase der Kupplungen – K1 wird geschlossen w¨ahrend K2 noch nicht vollst¨ andig ge¨offnet ist – werden die Kupplungen so angesteuert, dass die Summe der Kupplungsmomente stets dem anliegenden Motormoment entspricht. Wie in Abbildung 5.13 angedeutet, ¨ sind Uberschneidungszeiten im Bereich von 100 ms m¨oglich. ¨ 3. Die Uberschneidungsphase ist beendet, K2 ist vollst¨andig ge¨offnet und K1 hat das Drehmoment voll u ¨bernommen. Jetzt wird die Motordrehzahl elektronisch u ¨ber Momenteneingriff auf die Getriebeeingangsdrehzahl des dritten Ganges synchronisiert; akustisch kann der Fahrer diese Phase als
282
a)
5 Komponenten automatischer Getriebe
b)
Abb. 5.14. Parksperrmechanismus des Direktschaltgetriebes von Volkswagen: Die Sperrklinke rastet in das Parksperrenrad ein, wenn der W¨ ahlhebel auf P ger¨ uckt wird. a) Differential mit Parksperrenrad, b) Schnitt der Bet¨ atigungselemente (Aus Volkswagen [2004])
Schaltung wahrnehmen. Je nach Abstimmung kann die Drehzahlanpassung zwischen 300 und 500 ms in Anspruch nehmen. ¨ 4. Wie in der Messung zu sehen, wird unmittelbar nach Offnen von K2 im geraden Teilgetriebe als Vorbereitung der erwarteten 3-4 Schaltung schon der vierte Gang vorgew¨ ahlt. 5. Die Getriebesteuerung schaltet um auf Schlupfregelung oder Momentennachf¨ uhrung, f¨ ur den Fahrer ist die Schaltung beendet. Die Argumentation f¨ ur R¨ uckschaltungen verl¨ auft sehr ¨ahnlich. Mechanischer Aufbau des Direktschaltgetriebes von Volkswagen Beim Direktschaltgetriebe von Volkswagen befinden sich auf der Abtriebswelle 1 – in Abbildung 2.31 mit TW1 markiert – die dreifach synchronisierten Schaltr¨ader f¨ ur die G¨ ange 1, 2 und 3, das einfach synchronisierte Schaltrad f¨ ur den 4. Gang und das Differentialritzel, welches in das Ausgleichsgetriebe des Vorderachsantriebs eingreift. Auf der Abtriebswelle 2 – TW2 in Abbildung 2.31 – befinden sich ein Impulsrad f¨ ur die Getriebeausgangsdrehzahl, die Schaltr¨ader der G¨ ange 5, 6 und das Gangrad des R¨ uckw¨artsganges sowie das Abtriebszahnrad f¨ ur den Eingriff in das Ausgleichsgetriebe. Der 5. und 6. Gang sind einfach synchronisiert, der R¨ uckw¨artsgang verf¨ ugt u ¨ber eine Zweikonussynchronisation. Die Zahnr¨ ader der Abtriebswellen 1 und 2 sind so angeordnet, dass sich benachbarte Stufen niemals eine Synchroneinheit teilen. Durch die gemeinsame Nutzung der Gangr¨ ader f¨ ur den 1. und den R¨ uckw¨artsgang sowie f¨ ur den 4. und 6. Gang auf den Antriebswellen wird die Baul¨ange des Getriebes reduziert. Beide Hauptwellen greifen mit unterschiedlichen Ritzelz¨ahnezahlen in das Ringrad des Differentials und u ¨bertragen so das Drehmoment auf das Aus-
5.3 Doppelkupplungssystem
283
gleichsgetriebe, in welches das Parksperrenrad7 integriert ist, vgl. Abbildung 5.14. An Abbildung 2.31 wird deutlich, dass anders als beim F40 von GM Powertrain Europe, vgl. Abbildung 2.21, die beiden Hauptwellen unterschiedliche Achsabst¨ande zur Differentialdrehachse aufweisen, die ist durch die einheitliche Anordnung der “großen” und “kleinen” – 1-4 und 5-6 – G¨ange auf unterschiedlichen Wellen m¨ oglich. Die in Abbildung 2.31 oben gezeigte R¨ ucklaufwelle ¨andert im R¨ uckw¨ artsbetrieb die Drehrichtung der Abtriebswelle 2, sie k¨ammt mit dem gemeinsamen Gangrad f¨ ur den 1. Gang und den R¨ uckw¨artsgang auf der Abtriebswelle 1 und mit dem Schaltrad f¨ ur den R¨ uckw¨artsgang auf der Abtriebswelle 2. Die Antriebswelleneinheit ist mit einem Kugellager und einem Zylinderrollenlager in Fest-Los-Anordnung, die Abtriebswellen und Differentialwelle in Kegelrollenlagern in X-Anordnung und die R¨ ucklaufwelle in Zylinderrollenlagern in Fest-Los-Anordnung gelagert. 5.3.2 Vergleich trocken und nass laufender Doppelkupplungen Neben den nassen laufenden Kupplungen – wie etwa beim Direktschaltgetriebe, vgl. Abbildung 4.29 – werden auch trockene Doppelkupplungen entwickelt, Abbildung 4.28 zeigt einen exemplarischen Schnitt durch ein trocken laufendes System. W¨ahrend trocken laufende Systeme meist als Einscheibenkupplungen in Analogie zu den manuellen Schaltgetrieben ausgef¨ uhrt werden, nutzen nass laufende System meist einen Lamellensatz, um u ber die gr¨oßere o¨lbe¨ netzte Fl¨ache des Lamellenpaketes mehr Reibmoment aufzubauen und mehr Reibenergie abzuf¨ uhren. Der Vorteil der Trockenkupplungen sind der h¨ohere Wirkungsgrad, da es hier keine hydraulischen Schleppverluste gibt, und der ¨ ¨ uhler einfachere Aufbau, bei dem auf Olpumpe und ggf. einen separaten Olk¨ ¨ verzichtet werden kann. Auch der systembedingte Olwechsel, der bei nass laufenden DCTs in etwa alle 60.000 km notwendig wird, kann entfallen. Allerdings wird das u ¨bertragbare Moment der Trockenkupplung vom Scheibendurchmesser begrenzt, w¨ ahrend bei der Nasskuppplung durch das Hinzuf¨ ugen zus¨atzlicher Lamellen und demzufolge zuz¨ atzlicher Reibfl¨achen h¨ohere Momente u onnen. Dadurch kann die Lamellenkupplung f¨ ur ¨bertragen werden k¨ nass laufende Systeme im Vergleich zur trockenen Kupplung etwas kompakt bauen, vgl. Abbildung 5.15. In Abschnitt 5.4.2 wird die Gestaltung und Berechnung der Lamellenkupplungen und -bremsen besprochen, Tabelle 4.1 gibt Anhaltswerte f¨ ur die Auswahl undAuslegung der Belagmaterialien an. Die in Abbildung 5.16 gezeigte Kupplung des Direktschaltgetriebes hat als nass laufendes System einen Durchmesser von 200 mm und eine Baubreite 7
Die Parksperren werden in Abschnitt 5.4.3 mit Fokus auf die Stufenautomatik besprochen. Da jedoch auch bei den nass laufenden Doppelkupplungssystemen im Stillstand bei ruhendem Motor ohne die Parksperre ein Wegrollen des Fahrzeugs durch die fehlende reibschl¨ ussige Blockierung eines Teilgetriebes m¨ oglich ist, muss auch bei diesen Fahrzeuggetrieben eine Parksperre integriert werden.
284
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.15. Links trocken und rechts nass laufendes Doppelkupplungssystem im Vergleich (Trocken laufendes System mit integriertem Zweimassenschwungrad, Foto: LuK GmbH & Co. oHG)
von 80 mm und ist f¨ ur Momente bis 350 Nm ausgelegt. Bei ¨ahnlichen Einbaumaßen w¨ urde eine Trockenkupplung etwa einem Nennmoment von 200 Nm dauerhaft standhalten. So wird die trockene Kupplungsvariante in Zukunft eher in kleinen, leistungsschw¨ acheren Fahrzeugen und die Nasskupplung in leistungsstarken Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Nach Certeza et al. [2004] liegt die Einsatzgrenze f¨ ur die trockenen Systeme bei etwa 200 Nm; die Hersteller von trocken laufenden Doppelkupplungen sehen die Anwendungsgrenzen bei etwa 350 Nm etwas großz¨ ugiger. Die wesentlichen Unterschiede trocken und nass betriebener Kupplungen bez¨ uglich wichtiger Auslegungs- und Systemkriterien werden im Folgenden diskutiert, Tabelle 5.1 fasst den Vergleich8 zusammen. Bauraumbedarf: Entscheidend f¨ ur den Betrag des Momentes, das von einer Kupplung u ¨bertragen werden kann, sind nach (4.2) bzw. (4.4) der innere und ¨außere Reibfl¨achenradius ri und ra , die Anzahl der Reibfl¨achen zc , die Anpresskraft Fax sowie der Reibkoeffizient µc des Kupplungsbelages. 8
Tabelle 5.1 zeigt die einleitend mit Anmerkung 2.7 formulierte Subjektivit¨ at der Bewertungen, die einen direkten Vergleich schwierig machen. Selbst beim Kraftstoffverbrauch, der exakt in Menge pro Fahrstrecke quantifizierbar ist, wird durch Nutzung unterschiedlicher Beurteilungsfahrzeuge kein einheitliches Bild m¨ oglich und die beiden Quellen zeigen entgegengesetzte Resultate.
5.3 Doppelkupplungssystem
285
a)
b) Abb. 5.16. Schnittdarstellung der Doppelkupplung des Direktschaltgetriebes f¨ ur die unterschiedlichen Bet¨ atigungszust¨ ande: a) Anfahrkupplung K1 bet¨ atigt, b) K2 bet¨ atigt
286
5 Komponenten automatischer Getriebe
Tabelle 5.1. Tabellarischer Vergleich wichtiger Eigenschaften nass und trocken laufender Doppelkupplungssysteme (Nach Herbst [2004]) Kriterium Regelbarkeit Einkuppelverhalten Modulation Belagverschleiß W¨ armekapazit¨ at
Trocken + + + – 0 +
Nass ++ ++ + + + +
Kaltstartverhalten Bauraumbedarf Massentr¨ agheit Momentenkapazit¨ at Systemgewicht Komfort Fahrdynamik Produktkosten Kraftstoffverbrauch Kraftstoffverbrauch
+ (–) 0 (–) 0 0 + + 0 + + ++
0 ++ + + + ++ + 0 ++ +
Bemerkung Bei Betriebstemperatur Bei Betriebstemperatur Nasse Kupplung fast verschleißfrei Station¨ ar Kurzzeitig: W¨ armeschock kann regelungstechnisch vermieden werden (–) bei Verwendung eines ZMS, problematisch bei drehmomentstarken Motoren
Bei elektromechanischer Bet¨ atigung des trockenen Systems
Nach Certeza et al. [2004] 2-3% Verbrauchsvorteil f¨ ur trockene Systeme
Da die Anpresskraft, die bei der Nasskupplung von einer Hydraulik und bei der Trockenkupplung durch eine Elektromechanik realisiert wird, begrenzt ist und der Reibkoeffizient µc nach Tabelle 4.1 nicht beliebig erh¨oht werden kann, ist das zu u ¨bertragende Moment haupts¨achlich von der Anzahl und dem Durchmesser der Reibfl¨ achen abh¨ angig. Dar¨ uber hinaus darf die wirkende Fl¨achenpressung in den Reibbel¨ agen die in Tabelle 4.1 angegebenen Grenzwerte nicht u ¨berschreiten. Durch die Anordnung mehrerer Reibfl¨ achen hintereinander kann bei der Nasskupplung der Außendurchmesser wirkungsvoll reduziert werden. Auch durch die konstruktionsbedingte Durchsetzung der einzelnen Lamellen mit Getriebe¨ol und der daraus resultierenden h¨ oheren W¨ armekapazit¨at kann die Kupplung kompakter gehalten werden. Da die spezifische W¨armekapazit¨at einer Trockenkupplung recht gering ist, darf deren Masse aufgrund ihrer Wirkung als W¨armespeicher und damit der Durchmesser nicht zu klein ausfallen. Desweiteren kann die nasse Kupplung komplett in das Getriebe integriert werden, da alle Aktuatoren direkt in der Kupplung untergebracht sind und Schmierung und K¨ uhlung in das Getriebesystem eingebunden werden k¨onnen. ¨ f¨ Andererseits wird gerade f¨ ur diese Versorgung der Kupplung mit Ol ur Steuerung, Schmierung und K¨ uhlung eine separate Pumpen/Filtrierungseinheit ben¨otigt, die zwar recht gut im Getriebe untergebracht werden kann, die aber auch Mehrgewicht und zus¨ atzliche Kosten verursacht. Hinzu kommen hydraulische Verluste, z.B. an den Drehdurchf¨ uhrungen, die in Abbildung 5.16 gut zu
5.3 Doppelkupplungssystem
287
erkennen sind. Bei trocken laufenden Kupplungen ben¨otigen die Aktuatoren extra Bauraum und m¨ ussen wie bei den Handschaltgetrieben in der Kupplungsglocke untergebracht werden. So f¨ allt insgesamt eine Trockenkupplung bei gleicher Momentenkapazit¨ at etwa 25% gr¨ oßer im Durchmesser und rund 40% gr¨oßer in der Baul¨ ange aus. Regelbarkeit / Bet¨ atigung: Bemerkbar macht sich eine gute Steuerung, wenn eine gute Beschleunigung des Fahrzeugs ohne sp¨ urbare Zugkraftunterbrechung mit sehr gutem Schalt- und Anfahrkomfort einhergeht und die ¨ Schaltvorg¨ange an sich immer von gleicher Qualit¨at sind. Die Art des Offnens und Schließens der Kupplungen h¨ angt von mehreren Faktoren ab, die bei tro¨ ckenen und nassen Systemen verschieden stark auftreten. So ist die Anderung des Reibkoeffizienten µc bei der Trockenkupplung durch die geringere W¨armekapazit¨at des Systems und der daraus resultierenden st¨arkeren Erw¨armung gravierender und muss in der Steuerung kompensiert werden. W¨ahrend sich der Reibkoeffizient µc bei der Trockenkupplung tempor¨ar durch starkes Aufheizen der Bel¨age ¨andert, ist bei Nasskupplungen eine stetige Verschlechterung von µc durch Alterungsprozesse des Getriebe¨ ols u ¨ber die gesamte Lebenszeit der Kupplung zu beobachten, µc,alt < µc,neu . Durch Experimente mit Konsistenzvariierung der Bel¨ age – Modifikation der chemischen Zusammensetzung ¨ wurde dieser Nachteil des Tr¨ager- und Beschichtungsmaterials – und des Ols der nass laufenden Systeme fast eliminiert, so dass µc,alt ≈ µc,neu gilt. Ein weiteres steuerungstechnische Problem stellt der Verlauf des Signalpfades dar. So ist das Ein- und Ausr¨ ucken des Kolbens der hydraulischen Bet¨atigung und des Lamellenpakets der Nasskupplung auf der einen und das Bet¨atigen des Steuerventils beider Kupplungen auf der anderen Seite keine proportionale Funktion, sondern ist ¨ ahnlich einer Hystereseschleife. Insbesondere bei der Trockenkupplung muss zus¨ atzlich die Auswirkung der Reibung in den Dichtungen und die mechanische Reibung im Ausr¨ ucksystem beachtet werden. Eine deutliche Hysterese weißt auch die Bet¨atigung der Druckplatte auf. Um ein verlustarmes, schnell ansprechendes und gut regelbares Kupplungssys¨ tem mit Oldruckbet¨ atigung zu erreichen, ist wenn m¨oglich zur Kompensation der Fliehkr¨afte eine Gegendruckfl¨ ache oder eine o¨ffnende Feder, vgl. Abbil¨ aus dem drucklosen dungen 5.37 und 5.38, vorzusehen. Ein Abfließen des Ols Kolben muss f¨ ur eine gute Ansprechzeit vermieden werden; Details zur Fliehkraftkompensation werden in Abschnitt 5.4.2 besprochen. ¨ Verschleiß: Durch die Uberschneidungen der Kupplungseingriffe zum Erreichen der Zugkraftunterbrechungsfreiheit der Schaltung sind die Kupplungen der DCTs verglichen mit den manuellen Schaltgetrieben einem erh¨ohtem Ver¨ schleiß ausgesetzt: W¨ ahrend der Uberschneidungszeit liegen beide Teilgetriebe – wie in Abbildung 5.13 erkennbar – im Leistungsfluss. Die Folge ist aufgrund ¨ der unterschiedlichen Ubersetzungen der beiden eingelegten G¨ange eine Relativverdrehung der Kupplungen unter Last. Bei der trockenen Doppelkupplung liegt der Verschleiß rund 30% h¨ oher als bei Kupplungen konventioneller
288
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.17. Vergleich der simulierten Fahrzeuggeschwindigkeit f¨ ur trocken und nass laufende Doppelkupplungssysteme f¨ ur ein Mittelklassefahrzeug bei einer 5-2 KickDown-Abschaltung (Nach Certeza et al. [2004])
Schaltgetriebe und muss entsprechend bei der Dimensionierung vorgehalten werden. Die Lamellen der Nasskupplungen arbeiten fast verschleißfrei, durch K¨ uhlung k¨onnen kurzfristig hohe Reibleistungen aufgenommen werden. W¨ armekapazit¨ at: Hier liegen die konstruktionsbedingten Schw¨achen der Trockenkupplung, denn das Fehlen einer aktiven K¨ uhlung f¨ uhrt zu einer hohen Belagtemperatur. Gerade bei h¨ aufigem Anfahren an Steigungen kann sich der Reibkoeffizient des Belagswerkstoffes durch starkes Erhitzen verringern, es kommt zum Fading, vgl. Abschnitt 4.1.2 und zum Durchrutschen der Kupplung. Dies wiederum f¨ uhrt zu einem verst¨arkten Temperaturanstieg und im schlimmsten Fall zur Zerst¨ orung der Kupplung. Um dem vorzubeu¨ gen, werden die Uberschneidungsund Einkuppelzeiten bei trocken laufenden Doppelkupplungsgetrieben verringert, was zu Komforteinbußen f¨ uhrt. Um die W¨armekapazit¨at einer Trockenkupplung zu erh¨ohen, m¨ ussen die Massen und somit die Baugr¨oße erh¨ oht werden, was die Anwendung in kleinen Fahrzeugklassen durch die zunehmende erforderliche Synchronkapazit¨at und den steigenden Bauraumbedarf gef¨ ahrden kann. Die effektive W¨armekapazit¨ at der Nasskupplung h¨angt vor allem vom Mas¨ und K¨ senstrom des K¨ uhl¨ ols und der durch das Oluhlsystem abf¨ uhrbaren W¨armeleistung ab. Ein im Kupplungsraum angeordneter Sensor u ¨berwacht die Temperatur des austretenden Schleuder¨ ols und dient zur Steuerung der optimalen K¨ uhl¨olmenge. Durch den im Bedarfsfall zur Verf¨ ugung stehenden K¨ uhl¨olstrom von bis zu 20 l/min f¨ ur das Direktschaltgetriebe in Kombination mit einem hohen W¨ armespeicherverm¨ ogen der nassen Doppelkupplung sind kurzzeitig Reibleistungen bis zu 70 kW zul¨ assig. Massentr¨ agheit: Im Unterschied zu den nass laufenden Systemen besitzt die Trockenkupplung bei gleichem Auslegungsmoment eine fast doppelt so
5.3 Doppelkupplungssystem
289
hohe Massentr¨agheit, hervorgerufen durch den gr¨oßeren Außendurchmesser und der gr¨oßeren Masse, die zum Puffern der Reibw¨arme ben¨otigt wird. Bei einem Schaltvorgang mit kleinen Drehzahl¨ anderungen, z.B. beim Wechsel vom ersten zum zweiten Gang, macht sich diese noch nicht stark bemerkbar, bei Mehrfachr¨ uckschaltungen, vgl. Abbildung 5.17, ist die Dynamik der Trockenkupplung jedoch messbar schlechter. Im direkten Vergleich weist die Nasskupplung durch den geringeren Außendurchmesser die geringere Massentr¨ agheit auf, mit steigendem Motormoment w¨achst dieser Unterschied weiter an. F¨ ur Motormomente bis etwa 250 Nm kann eine trocken laufende Doppelkupplung inklusive Torsionsd¨ampfer mit einer Massentr¨agheit von 0, 14 kg m2 konstruktiv dargestellt werden. Wird die Funktionalit¨at eines Zweimassenschwungrades ben¨otigt, steigt die Tr¨agheit auf etwa 0, 23 kg m2 f¨ ur das trockene System an; die Tr¨agheit einer vergleichbaren nass laufenden Doppelkupplung mit Prim¨arseite eines ZMS liegt dagegen bei 0, 12 kg m2 . Drehmomentkapazit¨ at: Die Gr¨ oße des u ¨bertragbaren Momentes h¨angt, wie bereits diskutiert, vor allem vom Radius der Reibfl¨achen und deren Anzahl ab. Durch Hinzuf¨ ugen von Lamellen k¨ onnen h¨ ohere Momente bei geringf¨ ugig steigender Baul¨ange u oßeren Belagsdurchmesser steigt ¨bertragen werden. Bei gr¨ auch die Momentenkapazit¨ at der Trockenkupplung, jedoch verbunden mit einer deutlichen Erh¨ ohung der Drehtr¨ agheit und Einbußen bei der Schaltdynamik. Ausgehend von den Kriterien Momentenkapazit¨at, Bauraumbedarf und Tr¨agheit ist es sinnvoll, die Grenze bei etwa 250 bis 300 Nm f¨ ur den Einsatz trockener Doppelkupplungen zu ziehen. Soll die trocken laufende Doppelkupplung jenseits von 250 bis 300 Nm bei akzeptabler Einbaugr¨oße und Massentr¨agheit eingesetzt werden, m¨ ussen bei Systemfunktionalit¨at und Komfort ¨ Abstriche gemacht werden. Uber 250 Nm ist das nass laufende Doppelkupplungsgetriebe aufgrund der besseren Fahrdynamik, des erreichbaren Maßes an Komfort und der Drehmomentkapazit¨ at u ¨berlegen. Anmerkung 5.6 Eine trocken laufende Lamellenkupplung bringt zwar hohe u uhrt aber durch die schlechte W¨armeabfuhr von den ¨bertragbare Momente, f¨ innenliegenden Lamellen zu erheblichen thermischen Problemen. 2 Kupplungssystem des Direktschaltgetriebes von Volkswagen Die Anfahrkupplung K1 mit dem gr¨ oßeren Durchmesser, vgl. Abbildung 5.16, ist als Mehrlamellenkupplung außen angeordnet und u ¨bertr¨agt das Drehmoment auf die Antriebswelle 1 f¨ ur die G¨ ange 1, 3, 5 und den R¨ uckw¨artsgang. ¨ in den Oldruckraum ¨ Zum Schließen der Kupplung wird das Ol der Kupplung K1 gepresst. Dadurch verschiebt sich der Kolben 1 und dr¨ uckt das Lamellenpaket der Kupplung K1 zusammen, die Leistung wird kraftschl¨ ussig – ¨ahnlich zu Wirkprinzip V nach Tabelle 1.1 – auf die Antriebswelle 1 u ¨bertragen. Beim ¨ Offnen der Kupplung dr¨ uckt die Tellerfeder den Kolben 1 wieder in die Ausgangslage zur¨ uck.
290
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.18. Mechanisch bet¨ atigtes Ausr¨ ucksysteme mit Hebelmechanik f¨ ur Doppelkupplungen (Aus Wagner et al. [2004])
Die innenliegende K2 des geraden Teilgetriebes ist eine reine Schaltkupplung; ¨ zum Schließen wird der Oldruckraum von K2 beaufschlagt, Schraubenfedern ¨ dr¨ ucken den Kolben von K2 beim Offnen in die Ausgangslage zur¨ uck und l¨ uften das Lamellenpaket. Die Tellerfeder der K1 und die Schraubenfedern der K2 u ¨bernehmen beim Direktschaltgetriebe die Funktion der Fliehkraftkompensation, vgl. auch Seite 310. 5.3.3 Aktuatorik und Regelung F¨ ur die Bet¨atigung der DCT-Systeme sind – wie auch bei den automatisierten Schaltgetrieben, vgl. Abschnitt 5.2 – zwei Vorg¨ange zu automatisieren: das Einlegen der G¨ ange und das Kuppeln beim Anfahren und beim Gangwechsel. Die Bet¨ atigung der Schiebemuffen kann elektrisch oder hydraulisch erfolgen, Abbildung 5.12 zeigt einen hydraulisch bet¨atigten Schaltaktor des Direktschaltgetriebes. Die hydraulische Ansteuerung ist bei nass laufenden, ebenfalls hydraulisch bet¨ atigten DCT-Systemen zu bevorzugen. Analoges gilt dann f¨ ur die elektromotorische Bet¨ atigung trocken laufender DCTs. Die Auslegung der hydraulischen Komponenten muss so erfolgen, dass – evtl. von Rastierelementen wie in Abbildung 5.12 gezeigt unterst¨ utzt – u ¨ber Arbeitsdruck und Kolbenfl¨ ache eine hinreichende Synchronkraft erzeugt wird, um schnell synchronisieren zu k¨ onnen, vgl. auch Abbildung 9.14. Bei der hydraulischen Ansteuerung der Kupplungen wird, vgl. Abbildung 5.16, durch Druckbeaufschlagung einer der Kupplungen der Leistungsfluss sichergestellt; nachteilig ist hierbei die Notwendigkeit einer konstanten Druckzufuhr ¨ und der damit verbundene dauerhafte Betrieb der Olpumpe. Alternativ ist es
5.3 Doppelkupplungssystem
291
Abb. 5.19. Hydrostatisch bet¨ atigter Kupplungsaktuator f¨ ur ein Doppelkupplungssystem mit 6-Kolbeneinr¨ ucker (Aus Wagner et al. [2004])
a)
b)
Abb. 5.20. Hydraulisches Schaltbild (a) und Prototyp (b) einer hydraulischen Getriebesteuerung
denkbar, die Doppelkupplungen konventionell u ¨ber einen doppelt wirkenden Zentralausr¨ ucker zu bet¨ atigen und hier die Technologien wie die Mechanismen zur Selbstnachstellung von der konventionellen trockenen Reibkupplung, vgl. Abschnitt 4.1.5, zu u ucker des DCT kann ¨bernehmen. Der Zentralausr¨ rein elektrisch geregelt werden, vgl. Abbildung 5.18, vom Hydraulikkreislauf eines nasslaufenden System mit gespeist werden oder nach Wagner et al. [2004] mit einem eigenen Hydraulikkreis mit elektrischer Pumpe angesteuert werden, vgl. Abbildung 5.19. Der Vorteil des letzt genannten Systems ist die M¨oglichkeit, den Bet¨ atigungsdruck nur kurzzeitig zur Verf¨ ugung zu stellen, wenn die Schaltstrategie des DCT bei quasi-station¨aren Betriebszust¨anden keine Gangvorwahl vorsieht; wird nahezu permanent ein Gang vorgew¨ahlt, kann das System nach Abbildung 5.19 die m¨ oglichen Verbrauchsvorteile durch den Wegfall der station¨ aren Druck¨ olversorgung nicht erzielen und ist der direkten hydraulischen Ansteuerung unterlegen. Die Ansteuerung der hydraulisch bet¨ atigten Kupplungen und Schaltelemente erfolgt – von der TCU geregelt – innerhalb des Schieberkastens, vgl. Abbil-
292
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.21. Nass laufende Doppelkupplung mit mechanischer Bet¨ atigung u ¨ber einen doppelt wirkenden elektrischen Zentralausr¨ ucker (Nach Reik et al. [2004]): 1 Antriebswelle Teilgetriebe TG1, 2 Antrieb TG2, 3 Aktuator des doppelt wirkenden Zen¨ tralausr¨ uckers, 4 Ausr¨ ucker K2, 5 Ausr¨ ucker K1, 6 Antrieb Olpumpe, 7 Tellerfeder der K2, 8 Tellerfeder der K1, 9 Lamellenpaket K2, 10 Lamellen K1, 11 Axiallager, 12 Verschraubung zum Kurbelwellenflansch, 13 Verbindung Innenlamellentr¨ ager K2 zur Eingangswelle TG2, 14 Anbindung K1 an TG1, 15 Außenlamellentr¨ ager, 16 Lagerplatte des Axiallagers, 17 Sekund¨ armasse des ZMS, 18 Torsionsschwingungsd¨ ampfer, 19 Prim¨ armasse, 20 Anlasserzahnkranz
¨ dung 5.20, der den von der Olpumpe zur Verf¨ ugung gestellten Arbeitsdruck u ¨ber Magnetventile bedarfsgerecht verteilt; der Aufbau der Schieberk¨asten ist f¨ ur Stufenautomaten, Stufenlosgetriebe und DCTs prinzipiell sehr ¨ahnlich, das Verst¨andnis erfordert jedoch ein tieferes Eindringen in die Hydraulik. Bei der Suche nach einer bez¨ uglich Kosten, Verbrauch, Lebensdauer und Energieeintrag g¨ unstigen L¨ osung erweist sich eine Kombination von Nass- und Trockensystem nach Reik et al. [2004] als Erfolg versprechend. Die wesentlichen Merkmale eines solchen kombinierten System sind eine elektromotorische Aktuatorik in Verbindung mit einer ¨ olgek¨ uhlten Nassdoppelkupplung, ¨ deren Olversorgung u ¨ber eine energiesparende Niederdruck¨olpumpe erfolgt. Einen schematischen Schnitt durch ein solches System zeigt Abbildung 5.21, man erkennt die Merkmale sowohl der nassen Doppelkupplung wie z.B. den
5.3 Doppelkupplungssystem
293
¨ Olpumpenantrieb als auch der konventionellen Kupplungsbet¨atigung, z.B. die Ausr¨ ucklager und die Tellerfedern. Im Vergleich zu einem konventionellen Nasskupplungssystem, vgl. Abbildung 5.22.a, f¨allt zun¨achst auf, dass keine mit der Kupplung rotierenden Kolben zur Axialkrafterzeugung mehr vorhanden sind, damit entfallen auch die leckagebehafteten hydraulischen Drehdurchf¨ uhrungen; die Bet¨ atigung der Kupplungen erfolgt rein mechanisch wie beim Handschalter. Eine solche nasslaufende Doppelkupplung, die u ¨ber nahezu konventionelle Ausr¨ ucklager bet¨atigt wird, besitzt eine hohe Drehmoment- und W¨armekapazit¨at bei geringeren Verlusten verglichen mit einer hydraulischen Bet¨atigung. Das System gestattet durch den Verzicht auf eine hydraulische Aktuatorik einschließlich der notwendigen Ansteuerung einen reduzierten konstruktiven Aufwand, Abbildung 5.22 zeigt nass und trocken laufenden Systeme im direkten Vergleich. Eine konventionelle, nass laufende Doppelkupplung bietet zwar die im Vergleich h¨ ochsten Drehmoment- und W¨armekapazit¨aten aber weißt die h¨ochsten Verluste und die aufw¨ andigste Konstruktion durch die hydraulische Ansteuerung auf. Anmerkung 5.7 Bei hochmotorisierten Fahrzeugen kann es vorteilhaft sein, in Abh¨angigkeit vom zeitlichen Gradienten der Fahrpedalstellung im zweiten Gang anzufahren, z.B. beim Bugatti Veyron, Abbildung 5.9. Der erste Gang kann dann als reiner Rangiergang ausgelegt werden, bei Hochleistungsanfahrten k¨onnen u ¨ber eine entsprechende Regelung von Motormoment und Kupplungsdruck eine optimale Traktion und so hohe Beschleunigungswerte erreicht werden; dabei kann bei Nutzung eines Wandlers als Anfahrelement eventuell auf eine Schaltung beim Sprint von 0 auf 100 km/h verzichtet werden. Allerdings erfordert diese Strategie i.d.R. die axiale Anordnung der beiden Kupplungen, vgl. Abbildung 5.8, um jeweils gleich leistungsf¨ahige Kupplungen f¨ ur das Anfahren und das Rangieren konstruktiv darzustellen. 2 Mechatronik des Direktschaltgetriebes von Volkswagen Das mechatronische Getriebesteuerger¨ at des Direktschaltgetriebes, vgl. Abbildung 5.23.a, umfasst einen elektronischen Teil und eine elektrohydraulische Steuereinheit und kontrolliert hydraulisch acht Gangsteller u ¨ber sechs Druckmodulations- und f¨ unf Schaltventile sowie den Druck und den K¨ uhl¨olStrom der beiden Kupplungen, vgl. auch Abbildung 6.78. Das Steuerger¨at “erlernt” und adaptiert die Stellungen der Kupplungen, die Positionen der Gangsteller bei eingelegtem Gang und den Hauptdruck u ¨ber entsprechende Signalgeber. Hallsensoren in der W¨ ahlhebel-Aufnahme, vgl. Abbildung 5.23.b, erfassen die Stellung des W¨ ahlhebels und stellen sie u ¨ber den CAN-Bus der Mechatronik zur Verf¨ ugung, die Schaltwippenstellung wird optional u ¨ber Hallsensoren am W¨ahlhebel in die Getriebesteuerung eingespielt. ¨ Uber Drehzahlsensoren werden die Geschwindkeit der gemeinsamen Kupplungsprim¨arseite sowie der Hauptwellen 1 und 2 der Teilgetriebe erfasst; durch
294
5 Komponenten automatischer Getriebe
a)
b) Abb. 5.22. Direkter Vergleich: a) Nass laufende, hydraulisch bet¨ atigte Doppelkupplung, b) trocken laufendes, elektromotorisch-mechanisch bet¨ atigtes System (Aus Reik et al. [2004])
Differenz- bzw. Quotientenbildung der Signale von den Sensoren an Antriebsund Abtriebswellen wird u uft, ob der richtige Gang geschaltet ist. Der ¨berpr¨ Signalunterschied zwischen dem Sensor an der Außenseite der Kupplung und dem Sensor an der Antriebswelle 1 und 2 gibt Auskunft u ¨ber den Schlupf der Kupplung und somit u ¨ber deren Betriebszustand (offen oder geschlossen). Aus der Schlupfinformation und dem momentanen Motormoment wird der richtige Hydraulikdruck der Kupplungen im Steuerger¨at berechnet und dem aktuellen Reibwert der Lamellenkupplungen angepasst. Die hydraulischen Aktuatoren an den Schaltgabeln werden u ¨ber Magnetventile geschaltet, wie beim konventionellen Schaltgetriebe schaltet eine Gabel
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
a)
295
b)
Abb. 5.23. a) Mechatronikmodul und b) W¨ ahlhebel des Direktschaltgetriebes von Volkswagen (Aus G¨ otte & Pape [2004])
zwei Stufen, vgl. Abbildung 5.12, die beim Doppelkupplungsgetriebe nicht benachbart sind; u ¨ber Wegsensoren wird die Schaltgabelstellung kontrolliert. Zudem u ¨berwachen Temperatursensoren das Getriebe¨ol und das Steuerger¨at. Die Kupplung ist neben der durch W¨ armeleitung u ¨bertragenen Abw¨arme des Motors haupts¨achlich f¨ ur die starke Erw¨ armung des Getriebes verantwortlich, ¨ uhler erforderlich macht, der in den K¨ was einen Olk¨ uhlkreislauf des Motors eingebunden ist, vgl. auch Abbildung 6.75. Zur K¨ uhlung der Kupplungen gibt ¨ es innerhalb des Olkreislaufes einen separaten Zweig, vgl. Abbildung 6.78.
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben In diesem Abschnitt wird zun¨ achst die Funktionsweise der Lastschaltung bei Stufenautomatikgetrieben beschrieben, da die Vorg¨ange beim Schaltvorgang und in den einzelnen Fahrstufen mehr noch als beim manuellen Schaltgetriebe essentiell f¨ ur das Verst¨ andnis der Anforderungen an das Anfahrelement – den hydrodynamischen Wandler, vgl. Abschnitt 5.5 – und die Betriebsbedingungen der Planetens¨ atze sind, vgl. Abschnitt 5.6. Ferner werden die verschiedenen leistungsf¨ uhrenden Schaltelemente – Kupplungen, Bremsen und Freil¨aufe – in Abschnitt 5.4.2 besprochen, sofern nicht Gemeinsamkeiten zum bereits vorher Diskutierten f¨ ur Konstruktion und Auslegung dieser Komponenten genutzt werden k¨ onnen. In Abschnitt 5.4.3 folgen schließlich die nicht leistungsf¨ uhrenden Bet¨ atigungselemente der Schaltung und die Getriebebremse, die das Fahrzeug bei ausgeschaltetem Motor auch ohne Bet¨atigung einer mechanischen Bremse am Wegrollen hindert, wenn der Automatikw¨ahlhebel
296
5 Komponenten automatischer Getriebe
in Parkstellung steht. Ferner wird kurz auf konstruktive L¨osungsans¨atze von ¨ Olpumpen eingegangen, die zur Sicherstellung der Leistungs¨ ubertragung in Stufenautomaten zwingend notwendig sind, aber auch in Doppelkupplungsoder Stufenlosgetrieben verwendet werden. Systemaufgaben Die Schaltelemente m¨ ussen im Stufenautomaten so angeordnet sein, dass sie eine komfortable Zugkraftschaltung erm¨ oglichen; dabei m¨ ussen sie Relativverdrehungen zwischen einer Welle und einer zweiten Welle oder einem Festglied einseitig selbstt¨atig oder beidseitig regelbar erm¨oglichen bzw. verhindern. 5.4.1 Architektur und Leistungsfluss Wie in Abschnitt 2.7.3 an Hand von Abbildung 2.34 bereits andeutet, setzt sich beim Stufenautomatgetriebe die Anfahr¨ ubersetzung anders als beim Handschaltgetriebe aus drei Anteilen zusammen, die zu einer Verst¨arkung des von Motor abgegebenen Moments Tmot zu einem an der Achs f¨ ur den Anfahrvorgang nutzbaren Moment TAchs f¨ uhren. Wie im folgenden Abschnitt 5.5 erl¨autert wird, f¨ uhrt das Prinzip der hydrodynamischen Leistungs¨ ubertragung beim Wandler w¨ahrend des Anfahrvorgangs zu einer Erh¨ohung des am Abtrieb abgebenen Moments, so dass auch das Anfahrelement zur Momentensteigerung u agt, ¨ber seine Wandlung µW ≥ 1 beitr¨ iGesamt, Stufenautomatik = TAchs /Tmot = µW · imechanisch · iAchs .
(5.1)
Durch die Momentenverst¨ arkung des Wandlers µW m¨ ussen die mechanischen Elemente, die im Leistungsfluss “hinter” dem Anfahrelement9 liegen, f¨ ur den Anfahrbereich auf entsprechend gr¨ oßere Momente auszulegen; f¨ ur die h¨oheren Fahrstufen, wenn der Wandler u uckt ist, vgl. Abschnitt 5.5.3, ist in ¨berbr¨ den entsprechenden Lastkollektiven das Motormoment als Getriebeeingangsmoment anzunehmen. Wenn die Spreizung iG des gekoppelten Planetengetriebes hinter dem Wandler groß ist, kann bei einer gleichbleibenden End¨ ubersetzung des mechanischen Teils imechanisch,Ns wegen imechanisch,1 = imechanisch,Ns · iG die Anforderung an die Anfahrwandlung des hydrodynamischen Wandlers reduziert werden; die Reduktion kann dann zu einer Verringerung der erforderlichen Wandlergr¨oße wie bei der 7G-Tronic f¨ uhren, vgl. Abschnitte 2.7.3 und 5.5.2. Der große Vorteil des Stufenautomatikgetriebes ist die F¨ahigkeit zur Last¨ schaltung, d.h. zum Wechsel der mechanischen Ubersetzung imechanisch ohne Zugkraftunterbrechung. Wurde diese Funktionalit¨at fr¨ uher bei drei oder vier 9
Hier ist prinzipiell auch eine nass laufende Lamellenkupplung ¨ ahnlich wie beim Doppelkupplungsgetriebe denkbar, die dann allerdings zu keiner zus¨ atzlichen Wandlung, µW = 1 in (5.1), f¨ uhrt.
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
297
a)
b) Abb. 5.24. Stufenautomatikgetriebe von ZF f¨ ur die BMW 7er-Baureihen: a) 4HP24 von etwa 1980, b) 6HP32 von 2002
G¨angen mit einer großen Anzahl von Kupplungen, Bremsen und Freil¨aufen ¨ realisiert, die das Uberblenden von der Ausgangs- zur Ziel¨ ubersetzung steuerten und unbeabsichtigte Relativverdrehungen verhinderten, so kommt man heute bei mehr G¨ angen mit weniger Schaltelementen aus. Der Einsatz der hydraulisch bet¨atigten Lamellenkupplungen und -bremsen sank von 3 Kupplungen, 4 Bremsen und 3 Freil¨ aufen beim vierg¨angigen Getriebe 4HP24 von ZF zu Beginn der 80er-Jahre, vgl. Abbildung 5.24.a und 5.25.a, auf nur noch 3 Kupplungen und 2 Bremsen beim sechsg¨ angigen 6HP26, das 2002 in Produktion ging, vgl. Abbildung 5.24.b und 5.25.c. Erm¨oglicht wird diese Reduktion der Schaltelemente durch die h¨ ohere Pr¨ azision der Regel- und Steuerelemente: Die Freil¨aufe, die fr¨ uher zur Unterst¨ utzung der Lastschaltung nocht notwendig waren, k¨onnen heute entfallen. Oft ist bei modernen Stufenautomatikgetrieben nur noch ein einziger Freilauf im Wandler verbaut, der ein Mitdrehen des Leitrades ab dem Kupplungspunkt, vgl. Abschnitt 5.5.1, erm¨oglicht. Weiterhin wird an Hand des Vergleichs der R¨ aderschemata dreier aufeinanderfolgender Getriebegenerationen in Abbildung 5.25 deutlich, dass auch die An-
298
5 Komponenten automatischer Getriebe
a)
b)
c) Abb. 5.25. Vergleich der Radsatzschemata von ZF Stufenautomatikgetrieben: a) 4-Ganggetriebe 4HP22, b) 5-Ganggetriebe 5HP24, c) 6-Ganggetriebe 6HP26, beide ¨ Wandvon ZF (Nach Hall & Bock [2001]). Bx Bremsen, Kx Kupplungen, WUK ler¨ uberbr¨ uckungskupplung, FL Freilauf, T Turbinenrad, P Pumpenrad, R Leitrad
zahl der Planetens¨ atze abgenommen hat, w¨ ahrend die Komplexit¨at der einzelnen Planetenstufen zunahm. Das vierg¨ angige ZF 4HP22, dessen R¨aderschema in Abbildung 5.25.a gezeigt ist, war aus einem dreig¨angigen Simpson-Satz und einer nachgeschalteten einfachen Planetenstufe aufgebaut. Beim f¨ unfg¨angigen 5HP24, vgl. Abbildung 5.25.b, kamen nach Hall & Bock [2001] noch drei einfache, nicht gestufte Planetens¨ atze, die zu einem so genannten WilsonSatz kombiniert sind, zum Einsatz w¨ ahrend beim 6HP26 nur noch ein einfacher Planetensatz und ein Ravigneaux-Satz zur Anwendung kommt; die in Abbildung 5.25.c gezeigte Kombination wird als Lepelletier-Satz bezeichnet. Auf die verschiedenen Rads¨ atze wird in Abschnitt 5.6.4 eingegangen. Die Veranschaulichung der Leistungsfl¨ usse in den verschiedenen Fahrstufen geschieht an Hand des Ecomat 2 Getriebes in Abbildung 5.26; ferner wird die Bet¨atigungsweise der Kupplungen und Bremsen verdeutlicht und die Beanspruchungen und die Betriebsmodi der Komponenten einf¨ uhrend analysiert. Ein Schnittbild des Ecomat 2 Getriebes von ZF, das in Bussen eingesetzt
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
299
a)
b)
c) Abb. 5.26. Leistungsfluss und R¨ aderschema des konventionellen 6-Gang-NFZAutomatgetriebes Ecomat 2 von ZF: a) Neutralstellung, b) erste Fahrstufe mit aktivem oder u ucktem Wandler, c) vierte Fahrstufe. Abk¨ urzungen wie in Ab¨berbr¨ bildung 5.25
wird, ist in Abbildung 2.37 gezeigt; das Getriebe wird makroskopisch in Abschnitt 2.7.3 ab Seite 56 besprochen. Zun¨ achst wird der Betrieb des Getriebes in Neutralstellung betrachtet, Abbildung 5.26.a: Mit dem Abtrieb stehen nat¨ urlich auch die Planetens¨ atze still, alle Kupplungen und Bremsen sind ge¨offnet, die Getriebeeingangswelle dreht lastfrei mit der Drehzahl des Turbinenrades nT des Wandlers. Die Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung ist offen, da als n¨achstes der Anfahrvorgang und damit eine Nutzung der Wandlungsfunktion erwartet wird; der Freilauf des Leitrades FL als einseitig wirkende Kupplung sperrt und kann beim Anfahren das f¨ ur die Momentenwandlung notwendige Reaktionsmoment abst¨ utzen. Wird nun die erste Fahrstufe eingelegt, so werden die Kupplung K1 und die Bremse B3 geschlossen; es ist kennzeichnend f¨ ur das Ecomat 2 Getriebe, dass in allen Fahrstufen immer zwei Schaltelemente geschlossen sind, bei der 7GTronic sind es immer drei, vgl. Abbildung 5.100. Bei einem Wechsel um eine Fahrstufen wird immer eines der aktiven Schaltelemente ge¨offnet und ein freies geschlossen. Der Wandler ist in der ersten Fahrstufe bis zum Schließen der
300
5 Komponenten automatischer Getriebe
¨ Uberbr¨ uckungskupplung aktiv, gekennzeichnet durch die gepunkteten Leistungsfl¨ usse in Abbildung 5.26.b, die Bremse B3 und die Kupplung K1 liegen im Leistungsfluss und m¨ ussen das St¨ utzmoment des Hohlrades des letzten Planetenstufe bzw. das Motormoment u uhren¨bertragen. Alle nicht leistungsf¨ den Planetens¨atze drehen sich infolge der kinematischen Zwangsbedingungen lastfrei mit, an den Bremsen B1 und B2 und den Kupplungen K2 und K3 treten unterschiedliche Relativgeschwindigkeiten auf. Bei der Lastschaltung in die zweite Fahrstufe wird B3 ge¨ offnet und B2 synchron geschlossen; hierbei ¨ kommt es ¨ahnlich wie bei den Doppelkupplungsgetrieben zu einer Uberschneidung und demzufolge zu Reibverlusten an den Schaltelementen. Entsprechend ist bei der Konzeption eines Stufenautomatikgetriebes darauf zu achten, dass die Differenzdrehzahl am schließenden Schaltelement m¨oglichst gering bleibt, um Verlustleistung und W¨ armeeintrag zu begrenzen. In der vierten Fahrstufe, die hier als letzte noch sehr makroskopisch bespro¨ chen wird, ist die K1 immer noch geschlossen, das Offnen der K1, vgl. Abbildung 5.26.c, erfolgt erst beim Wechsel von der vierten in die f¨ unfte Fahrstufe. Die Kupplung K2 ist ebenfalls geschlossen, alle Bremsen sind offen und der gesamte Planetensatz l¨ auft als Block um; der vierte Gang ist der Direktgang der Ecomat 2 Baureihe und die Auslegung der geschlossenen Schaltelemente kann wieder auf Nennmoment10 erfolgen, die Verteilung des Getriebeeingangsmoments auf die Kupplungen K1 und K2 wird in Abschnitt 5.6.4 besprochen. Ein Schließen der K3 in der vierten Fahrstufe w¨are kinematisch m¨oglich und k¨onnte zur weiteren – aber sehr begrenzten – Reduktion der Verluste infolge Schlupf an K1 und K2 f¨ uhren; allerdings w¨ urde ein Schließen der K3 der “Regel” wiedersprechen, dass immer nur zwei Schaltelemente geschlossen sein sollen. Zudem f¨ uhrt ein geringer Schlupf an K1 und K2 zu einer leichten Relativverdrehung der Planetens¨ atze und reduziert so die Beanspruchungen infolge der station¨aren Leistungs¨ ubertragung des sonst starr umlaufenden Planetenblocks im vierten Gang. In den beiden h¨oheren Fahrstufen wird dann die Leistung u uhrt ¨ber die K2 gef¨ und an B1 bzw. B2 abgest¨ utzt, die Kinematik der Planetens¨atze f¨ uhrt zu ver¨ schiedenen Ubersetzungen ins Schnelle, i6 < i5 < 1. Der Wandler wird ab der zweiten Fahrstufe u uckt, um die hydraulischen Verluste zu reduzieren. ¨berbr¨ In Stufenautomaten m¨ ussen also anders als bei manuell oder automatisch bet¨atigten Vorgelegegetrieben oder Doppelkupplungsgetrieben die Verzahnungen in den Planetens¨ atzen in mehreren G¨ angen Leistung u ¨bertragen. Es ist daher wichtig, erg¨ anzend zu den Nutzungsanteilen der einzelnen Fahrstufen, vgl. Abbildung 4.64, auch die Lastniveaus der unterschiedlichen Verzahnungen ¨ und speziell bei Hohl- und Sonnenr¨ adern der Planetens¨atze auch die Uberrollungsh¨aufigkeiten genau zu kennen, vgl. Abschnitt 5.6.2 ab Seite 372.
10
Es kommt jedoch zur Leistungsverzweigung, K1 und K2 teilen das verf¨ ugbare Antriebsmoment so auf, dass der Ausgangsplanetensatz station¨ ar uml¨ auft.
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
a)
301
b)
Abb. 5.27. Freil¨ aufe: a) Klemmsteinfreilauf, b) Rollenfreilauf. In Pfeilrichtung ist die Drehung des Außenteils relativ zum Innenteil m¨ oglich (Aus F¨ orster [1991])
5.4.2 Leistungsf¨ uhrende Schaltelemente von Automatikgetrieben Die Schaltelemente von Stufenautomatikgetrieben unterscheiden sich in einem wichtigen Punkte von der Synchronisation, vgl. Abschnitt 4.4: W¨ahrend die Sperrsynchronisation f¨ ur den Drehzahlangleich und die station¨are Leistungs¨ ubertragung zwei verschiedene Wirkprinzipien – Reibschluss beim Synchronisieren entsprechend Prinzip VIII nach Tabelle 1.1 und Formschluss im eingelegten Gang nach Prinzip V – aufweist, m¨ ussen beide Anforderungen bei den Schaltelementen der Stufenautomaten mit einem Prinzip abgedeckt werden. Die leistungsf¨ uhrenden Schaltelemente m¨ ussen also den zugkraftun¨ terbrechungsfreien Wechsel der mechanischen Ubersetzung durch regelbares Kuppeln von Wellen mit Wellen oder drehfesten Geh¨auseteilen erm¨oglichen. Freilauf Der Freilauf ist ein Verbindungselement zwischen einer Welle und einer zweiten Welle oder einem Geh¨ ause, das nur in eine Drehrichtung eine Relativverdrehung von Innen- und Außenteil zul¨ asst; in die andere Richtung hingegen sperrt der Freilauf. Freil¨ aufe werden beispielsweise im Wandler zwischen Geh¨ause und Leitrad eingesetzt, vgl. Abbildung 5.67, aber auch zwischen den Wellen der Planetens¨ atze und dem Geh¨ ause, vgl. Abbildung 5.25. Die h¨aufigste Bauart ist der Klemmk¨ orper-Freilauf entsprechend Abbildung 5.27.a, der weder einen Innen- noch einen Außenstern wie die Klemmrollenfreil¨aufe aufweist, sondern zwei konzentrische Lauffl¨ achen, die sich leicht und pr¨azise schleifen lassen. Die Sperrwirkung wird durch Klemmk¨ orper erreicht, die so gestaltet sind, dass sie sich in der einen Drehrichtung aufrichten, vgl. Abbildung 5.28.b und c, und dabei kraftschl¨ ussig sperren; in der anderen Drehrichtung rutschen die Klemmk¨orper durch, Abbildung 5.28.a. Bei zunehmender Belastung des
302
a)
5 Komponenten automatischer Getriebe
b)
c)
Abb. 5.28. Klemmk¨ orperfreilauf im Leerlauf- und im Sperrbetrieb: a) Leerlauf, b) Fassen und normale Belastung, c) Maximalbeanspruchung. Durch den Doppelk¨ afig gehen die Klemmk¨ orper synchron in Eingriff, der Innenring kann sich im Leerlauf gegen den Uhrzeigersinn relativ zum Außenring verdrehen
Freilaufs in Sperrrichtung verdrehen sich die Klemmk¨orper infolge der elastischen Deformationen etwas, es kommt zu g¨ unstigeren Kontaktverh¨altnissen im Bereich der h¨ ochsten Beanspruchung, vgl. Abbildung 5.28.b und c. Die Kr¨ ummungsradien ri und ra des Klemmk¨ orpers in den Kontaktzonen, vgl. Abbildung 5.30, sind dabei weitgehend frei w¨ ahlbar; die vergleichsweise freie Wahl der Kr¨ ummungsradien erm¨ oglicht die Optimierung der Pressungen an Innen- und Außenteil in relativ großen Grenzen. Federelemente – z.B. Schraubenringfedern, Bandspreizfedern oder K¨ afigfedern – sorgen f¨ ur sicheres Anlegen und Klemmen; die Drehrichtung kann durch einfaches Umdrehen des Klemmk¨orperk¨afigs und damit der Klemmk¨ orper gewechselt werden. Je nach Auslegung der Federelemente und der Klemmk¨orpergeometrie ist es m¨oglich, bei großen Drehzahlen des Freilaufs im lastfreien Zustand ein Abheben der Klemmk¨ orper vom Innenteil und so eine Reduktion der Verlustmomente im Freilauf zu erreichen. Das in Abbildung 5.29 gezeigte Abheben des Klemmk¨ orpers vom Innenteil infolge der Fliehkraft ist anwendbar, wenn der Außenring mit m¨ oglichst gleichm¨ aßiger Geschwindigkeit uml¨auft, z.B. bei R¨ uckw¨artsg¨ angen, die eine eindeutige Fassrichtung erfordern und die auch unterhalb der abhebekritischen Drehzahl betrieben werden. Wenn die Klemmk¨orper des Freilaufs infolge Fliehkraft abheben sollen, muss der Schwerpunkt S der Klemmk¨ orper so liegen, dass er von der Fliehkraft FF entgegen der Federkraft Ff nach außen gedreht wird. Die Bedingung f¨ ur das Abheben, die die Geometrie nach Abbildung 5.29 und die Gleichgewichtsbedingungen erfasst, l¨asst sich nach Muhs et al. [2005] als FF · b > Ff · a schreiben, f¨ ur den Abhebeweg in radialer Richtung ist ∆r = 0, 1 . . . 0, 2 mm ausreichend. Der Fassvorgang – das Greifen der Klemmelemente – erfolgt automatisch bei Drehzahlgleichheit, also auch im Stillstand des Freilaufs. Bei diesem Vorgang kann es zu einem sprunghaften Anstieg des Drehmoments kommen, der Stoß wird durch die Drehnachgiebigkeit des Antriebstrangs abgefangen bzw. gemildert. Jedoch kann der Momentenimpuls bei Greifen des Freilaufs auch zu Drehschwingungen im Triebstrang f¨ uhren. Daher ist es wichtig, Ausf¨ uhrungen von Freil¨aufen mit m¨ oglichst kleinen R¨ uckdrehwinkel – in den meisten Anwendungen kleiner 1◦ – zu verwenden, damit Drehmomentspitzen durch unsauberes Fassen des Freilaufs vermieden werden. Nachstehende Anforderungen werden an Freil¨ aufe gestellt:
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
303
Abb. 5.29. Fliehkraftabhebender Klemmk¨ orperfreilauf mit Schwerpunktslage S und Spiel ∆r zwischen Klemmk¨ orper und Innenteil
• verschleiß- und verlustarmer Lauf, • bei Drehzahlgleichheit exaktes Fassen der zu kuppelnden Wellen, • gen¨ ugend Festigkeit der Kupplungselemente auch bei stoßartiger Belastung gegen¨ uber Verformung und Gr¨ ubchenbildung. Die in Abbildung 5.27.b gezeigte Ausf¨ uhrung mit Klemmrollen weist im Gegensatz zum Klemmk¨ orperfreilauf einen zu hohen R¨ uckdrehwinkel und eine vergleichsweise hohe Verdrehnachgiebigkeit auf und ist deshalb nur begrenzt f¨ ur den Einsatz in PKW-Automatgetrieben geeignet; die typischen formschl¨ ussigen Freil¨aufe11 scheiden f¨ ur den Einsatz aufgrund ihres charakteristischen Betriebsger¨ausch in Fahrzeuggetrieben fast v¨ollig aus, in Abschnitt 5.5.4 wird ein m¨ogliches Anwendungsbeispiel am Wandlerleitrad vorgestellt. Beim Klemmk¨orperfreilauf muss, vgl. Abbildung 5.28, wie auch beim Rollenfreilauf nach Abbildung 5.27.b, die Reibschlussbedingung tan α ≤ µ
(5.2)
erf¨ ullt werden, um die Funktion des Freilaufs sicherzustellen; die Bedingung (5.2) l¨asst sich entsprechend Abbildung 5.31 aus der Kinematik einer unbelasteten Rolle ableiten. Ist die Bedingung (5.2) erf¨ ullt, nimmt die in Umfangsrichtung infolge der radialen Klemmung u ¨bertragbare Reibkraft schneller zu als die Umfangskraft, die die Verklemmung verursacht. F¨ ur die Dimensionierung von Freil¨ aufen werden die Resultate von Looman [1969] wiedergegeben, die eine u agige Ermittlung der Abmessungen ¨berschl¨ eines Freilaufs erlauben. Bei Klemmrollenfreil¨aufen ist der Klemmwinkel α auf die beiden Kr¨ ummungsradien ri und ra so abzustimmen, dass der effektive Klemmwinkel zwischen Außenteil und Klemmk¨orper αa , vgl. Abbil11
Beim Fahrrad wird eine Klinkensperre als formschl¨ ussiger Freilauf in die Hinterachsnabe integriert und verursacht das typische Ger¨ ausch an der frei drehenden Hinterradnabe.
304
5 Komponenten automatischer Getriebe
a)
b)
c)
Abb. 5.30. Zur Geometrie der Kontaktbedingungen am Freilauf: a) Außenfreilauf, b) Innenfreilauf, c) Klemmk¨ orperfreilauf (Nach Looman [1969]) Rollenlagerung
Klemmk¨ orperfreilauf
Klemmrollenfreilauf
Abb. 5.31. Zur Reibschlussbedingung am Freilauf. a) Rollenlagerung, b) Klemmk¨ orperfreilauf, c) Klemmrollenfreilauf
dung 5.30.c, auch im Toleranzfall und bei Ber¨ ucksichtigung von Deformationen und Stoßlasten nicht zu klein wird, damit kein Verklemmen oder sogar Umkippen der Klemmk¨ orper auftritt; die Bedingung (5.2) ist f¨ ur beide Winkel αa und αi zu erf¨ ullen. Zwischen den Klemmwinkeln αi und αa und den Radien von Innen- und Außenring Ri und Ra l¨ asst sich durch eine Gleichgewichtsbetrachtung am Klemmk¨ orper, vgl. Abbildung 5.30.c, der Zusammenhang sin αi / sin αa = Ra /Ri
(5.3)
ableiten, anschaulich entsprechen die Klemmwinkel dem von der Radialrichtung und der wirkenden Gesamtklemmkraft F 0 eingeschlossenen Winkel. Die wichtigen geometrischen Kenngr¨ oßen der Außen- und Innenfreil¨aufe mit Klemmrollen, die jeweils ein Kreisbogenprofil am Innen- oder Außenstern aufweisen, sind die Ber¨ uhr- und Klemmk¨ orperradien, vgl. Abbildung 5.30. Zur Ermittlung der maximalen Fl¨ achenpressungen im Kontaktbereich als maßgeblicher Versagensfall durch Gr¨ ubchenbildung an den Lauffl¨achen wird – wie schon bei der Analyse der Zahnflankenpressungen in Abschnitt 4.3.1 – auf die Hertz’sche Theorie zur Ber¨ uhrung zweier ruhend gegeneinander ge-
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
305
dr¨ uckter Walzen f¨ ur den linienf¨ ormigen Kontaktbereich zur¨ uckgegriffen, vgl. Abschnitt A.1.3. Mit den mittleren Kr¨ ummungsradien im Kontaktbereich re , die in Abbildung 5.30 f¨ ur den Klemmrollen- und den Klemmk¨orperfreilauf angegeben sind, kann (A.15) f¨ ur die Ermittlung der maximalen Pressungen an den Kontaktstellen zwischen Klemmk¨ orper oder -rolle und dem Innen- oder Außenteil des Freilaufs spezialisiert werden zu r EF pmax = 0, 175 , (5.4) b re dabei ist b hier die tragende Klemmk¨ orperl¨ ange und F ist die im Kontaktpunkt wirkende Normalkraft. Ausgehend von (5.4) kann man nun f¨ ur einen gegebenen Freilauf mit z Klemmk¨ orpern f¨ ur die Kontaktstellen der Wirkk¨orper oder -rollen am Innen- und Außenteil mit der zul¨assigen Fl¨achenpressung pzul des jeweils schw¨acheren Kontaktpartners das maximal u ¨bertragbare Moment absch¨atzen. Mit der Neigung α der Ber¨ uhrnormalen, vgl. Abbildungen 5.30 und 5.31, und dem Radius des zylindrischen Innen- oder Außenteil R errechnet man das u ¨bertragbare Moment zu Tmax = z · R · Fmax · tan α = z · R · tan α · b · re · p2zul / (0, 175 · E) ; (5.5) im Anhang werden in Tabelle A.1 Anhaltswerte f¨ ur einige Werkstoffe f¨ ur die zul¨assige Hertz’sche Fl¨ achenpressung zur Verf¨ ugung gestellt. Es sei darauf hingewiesen, dass beide Kontaktstellen der Klemmk¨orper zu untersuchen sind; die Schmiegungsverh¨ altnisse sind am Außenteil tendenziell besser, zudem ist dort der Wirkradius auch noch gr¨ oßer als am Innenteil, vgl. Abbildung 5.30. Generell sind die Beziehungen (5.4) und (5.5) f¨ ur die Dimensionierung ausreichend, sie ersetzen aber nicht den sorgf¨ altigen Nachweis der rechnerischen Dauerfestigkeit und den Versuch. Details zur betriebsfesten Auslegung von Freil¨aufen finden sich z.B. bei Lohrengel [2001]. Die Quantifizierung der Verformungen ist auch wieder mit der Hertz’schen Theorie m¨oglich, der Schl¨ ussel zur Berechnung der Verformungen ist die Abplattung im Kontaktbereich entsprechend (A.7) oder (A.13), je nach der konkreten Form der Klemmk¨orper, Kugel oder Rolle. Anmerkung 5.8 Bandbremsen als reibschl¨ ussig wirkende Freil¨aufe wurden fr¨ uher in Stufenautomatikgetrieben verwendet, vgl. Abbildung 5.32. Dabei wird konstruktiv in einer Drehrichtung eine Selbsthemmung erreicht, in der anderen Drehrichtung wirkt die Bremse nur u ¨ber ein leichtes Schleppmoment auf den Triebstrang. Aus Wirkungsgradgr¨ unden sind derartige Bandbremsen in modernen Automatikgetrieben nicht mehr vertreten. 2 Beispiel 5.1 Gegeben ist ein Klemmk¨ orperfreilauf nach Abbildung 5.28 und 5.30.c, der durch ein Moment von T = 530 Nm belastet wird. Außerdem gelte f¨ ur die geometrischen Kenngr¨ oßen des Freilaufs Ri = 40 mm, Ra = 52 mm, ri = ra = 15 mm; der Freilauf beinhaltet z = 10 Klemmk¨orper mit einer L¨ange von jeweils b = 18.8 mm.
306
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.32. Dreigang-Stufenautomatikgetriebe C5 von Ford/USA (Aus Looman [1988]): 1) Hydrodynamischer Wandler, 2) Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung, 3) Antriebswelle, 4) Lamellenkupplung 3. und R-Gang, 5) Lamellenkupplung f¨ ur die G¨ ange 1-3, 6) Bandbremse 2. Gang, 7) Bandbremse f¨ ur Step im 1. und R-Gang, 8) Freilauf, 9) Planetensatz Vorw¨ artsg¨ ange, 10) Planetensatz 1/R, 11) Abtriebswel¨ le, 12) Parksperre, 13) Olpumpe, 14) Geschwindigkeitssensor f¨ ur Getriebesteuerung, 15) Hydraulische Steuerung, 16) Servoeinheit 1/R
Zu ermitteln sind bei einem inneren Klemmwinkel αi = 3, 5◦ der ¨außere Klemmwinkel αa sowie die wirkenden Fl¨ achenpressungen an den inneren und a¨ußeren Ber¨ uhrstellen Bi und Ba , vgl. Abbildung 5.30.c. Ferner ist das maximal zul¨assige Moment Tmax zu bestimmen, wenn am weicheren Außenteil des Freilaufs eine maximal zul¨ assige Fl¨ achenpressung pzul = 1600 MPa erlaubt ist; an den Klemmk¨ orpern und am Innenteil des Freilauf kann die h¨ohere Fl¨achenpressung pzul = 2200 MPa zugelassen werden. F¨ ur alle Komponenten des Freilaufs ist der Elastitzt¨ atsmodul E = 2, 1 · 105 MPa anzunehmen. Aus (5.3) leitet man zun¨ achst direkt ab, dass sin αa = sin αi
Ri Ra
;
αa = 2, 69◦
gilt. F¨ ur Reibwerte µkrit > tan 2, 69◦ = 0, 047 ist der Freilauf also nach (5.2) funktionsf¨ahig, die Reibpaarung Stahl/Stahl mit typischerweise µ ≈ 0, 1 ist zul¨assig. F¨ ur die zwischen den Klemmk¨ orpern und dem Innenring wirkende Kontaktkraft Fi , die f¨ ur die Auswertung von (5.4) ben¨otigt wird, und die entsprechende Kraft am Außenring Fa leitet man aus (5.5) den Zusammenhang
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
Fi =
T = 21, 664 kN z · Ri tan αi
und Fa =
307
T = 21, 693 kN z · Ra tan αa
ab; f¨ ur die wirksamen Kr¨ ummungen erh¨ alt man mit den in Abbildung 5.30.c angegebenen Gleichungen re,i =
R i · ri = 10, 909 mm R i + ri
und re,a =
R a · ra = 20, 081 mm . Ra + ra
Einsetzen in (5.4) f¨ uhrt dann direkt auf die wirkenden maximalen Fl¨achenpressungen an der inneren und der ¨ außeren Kontaktstelle von Klemmk¨orper und Innen- bzw. Außenring s 0, 175 · E · T pmax,i = = 1970 MPa und pmax,a = 1418 MPa . b · z · re,i · tan αi Der Ausnutzungsgrad A∗ = pmax /pzul ist mit A∗i = 89, 5% an der Kontaktstelle am Innenring geringf¨ ugig gr¨ oßer als am Außenring, A∗a = 88, 6%, die Pressungen am Innenring sind also f¨ ur das maximal u ¨bertragbare Moment ausschlaggebend, es gilt Tmax = T /A∗i = 592 Nm. Bremsen und Kupplungen Bei Stufenautomatgetrieben sind immer steuerbare Lamellenkupplungen und -bremsen erforderlich, ebenso ist die Lamellenkupplung eine Hauptkomponente nass laufender Doppelkupplungsgetriebe; Bremsen und Kupplungen trennen bzw. verbinden Wellen miteinander. Bremsen stehen dabei einseitig still, bei Kupplungen laufen beide Seiten um. Ist es m¨oglich, die Bremsen oder Kupplungen eines Getriebes so zu steuern, dass sie die Arbeitsweise von Freil¨aufen – das Sperren in einer Drehrichtung und Blockieren in der anderen, vgl. Abschnitt 5.4.2 – u ¨bernehmen, so kann auf Freil¨aufe verzichtet werden. Bremsen u ussige Verbindung ¨bernehmen im Automatikgetriebe die kraftschl¨ drehender Bauteile mit dem Geh¨ ause; sie halten drehbare Komponenten relativ zum Geh¨ause fest. Meist sind bei den Bremsen die Außenlamellen drehfest aber axial verschieblich mit dem Geh¨ ause verbunden. Bei einer Getriebe¨ ubersetzung i 6= 1 wird immer ein St¨ utzmoment TS von den Bremsen auf das Geh¨ause u ¨bertragen, vgl. Abbildung 6.61, nur im Direktgang – z.B. im 5. Gang bei der 7G-Tronic nach Abbildung 5.100, wenn alle Kupplungen geschlossen sind – sind keine Bremsen aktiv. Im R¨ uckw¨artsgang ist das St¨ utzmoment aufgrund der Richtungsumkehr betragsm¨aßig am gr¨oßten; eine steife und kerbspannungsarme Anbindung der Bremsen an das Geh¨ause ist notwendig f¨ ur eine betriebsfeste Gestaltung von Bremse und Geh¨ause. Eine Kupplung kommt zum Einsatz, wenn ein Drehmoment zwischen zwei drehbaren Bauteilen zu u ¨bertragen ist, dabei sind Eingangs- und Ausgangsmoment betragsm¨ aßig gleich groß und entsprechen dem zu u ¨bertragenden Kupplungsmoment. Das u ¨bertragbare Drehmoment von Lamellenkupplung
308
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.33. Aufbau einer Lamellenkupplung
und -bremse kann durch die Zahl der Reibfl¨ achen zc stufenweise ge¨andert werden, ohne dass sich im System die Kr¨ afte ¨ andern. Dabei ist zu beachten, dass am Druckkolben und am axialen Wiederlager des Lamellenpakets keine Relativbewegungen durch rotierende Lamellen auftreten. Zum Schalten der ¨ Lamellenbremse bzw. -kupplung wird u am Druckkolben ei¨ber die Olzufuhr ne Druckkraft aufgebaut, welchen gegen die R¨ uckstellfederkraft die Lamellen zusammendr¨ uckt, womit eine reibschl¨ ussige Verbindung entsteht. ¨ Zum L¨osen der Kupplung bzw. -bremse wird der Oldruck gesenkt, eine gezielte ¨ Uberschneidungssteuerung von ¨ offnenden und schließenden Kupplungen und Bremsen erm¨oglicht wieder den zugkraftunterbrechungsfreien Stufenwechsel; wichtig ist dabei die Beschr¨ ankung auf den Wechsel zwischen nur zwei Schaltelementen, vgl. z.B. Abbildung 5.100. Infolge des Druckabfalls wird der Kolben durch die Kraft der R¨ uckstellfeder wieder in die Freilaufposition gebracht; ¨ aus dem Druckraum ausgeschoben werden, gleichzeitig muss das drucklose Ol ohne jedoch die Druckkammer vollst¨ andig zu entleeren. Bei Lamellenkupplungen wird der Ablauf durch ein Kugelventil erm¨oglicht, vgl. Abbildung 5.33, das die Ablassbohrung freigibt, sobald die Zentrifugalkraft die Kugel gegen den sinkenden Kolbendruck radial nach außen bewegen kann; bei Bremsen mit stehendem Kolben ist die Federr¨ uckstellung i.d.R. wegen der fehlenden Zentrifugalkr¨afte in der Druckkammer ausreichend. Das u ¨bertragbare Drehmoment einer Lamellenkupplung bzw. -bremse ist bestimmt durch die effektive Kolbenkraft, Fk = pOl ¨ · Ak − Ff .
(5.6)
¨ Durch Vergr¨oßerung des Oldrucks pOl oßeren Kolbenfl¨ache Ak ¨ oder einer gr¨ kann das Kupplungsmoment erh¨ oht werden, Ff ist die Kraft der R¨ uckdruckfe¨ der. Meist wird jedoch aufgrund der mit dem Oldruck steigenden hydraulischen Verluste und der mit der Kolbenfl¨ ache steigenden Baugr¨oße eine
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
a)
309
b)
¨ Abb. 5.34. Maßnahmen an Lamellen zur Verbesserung des Offnens und zur Reduktion der Schleppverluste: a) Sinuswellung, b) Schirmung
a)
b)
Abb. 5.35. Einfluss der Fl¨ achenpressungsverteilung auf die Belastung von Kupplungslamellen: a) nicht optimierte und b) optimierte Verteilung. Eine ungleichf¨ ormige Fl¨ achenpressungsverteilung f¨ uhrt zu lokalen Temperaturspitzen, die man an den Anlassfarben in der Randzone in Ansicht a) erkennt (Aus Rohm & Reißer [2004])
Erh¨ohung der Lamellenanzahl zc vorgezogen. Das Kupplungsmoment ergibt sich dann mit (5.6) in Analogie zu (4.4) zu, Tk = (pOl ¨ · Ak − Ff ) · µc · zc ·
ra + r i , 2
(5.7)
auch Anmerkung 4.4 gilt analog. Ebenso ist die maximale Fl¨achenpressung zu beachten, p = Fk /Ak < pzul , Anhaltswerte f¨ ur die zul¨assige Pressung pzul ¨ sind in Tabelle 4.1 gegeben. Um das Offnen der Kupplungen und Bremsen zu beschleunigen – ebene Lamellen bleiben aneinander haften – werden die Innen- oder Außenlamellen mit einem Sinusschlag oder einer leichten Schir¨ mung ausgef¨ uhrt, vgl. Abbildung 5.34, auch Olnuten helfen, den Verbund zu l¨osen. Auch auf die Verlustmomente an nicht geschalteten Kupplungen und Bremsen haben diese Maßnahmen einen positiven Einfluss. Man beachte, dass, vgl. Abbildung 5.35, die Form der Lamellen u ¨ber die Verteilung der Fl¨achenpressungen entscheidenden Einfluss auf die Standfestigkeit der Lamellenpakete hat. Da die Lamellenkupplungen und -bremsen in Stufenautomatikgetrieben nicht als Anfahrelement genutzt werden, ist bei diesen Getrieben die Dimensionierung nach dem maximal anliegenden Moment unter Ber¨ ucksichtigung des W¨armeeintrags beim wiederholten Fahrstufenwechsel ausreichend. Bei ¨ Doppelkupplungsgetrieben ist die Anfahrkupplung die Ubertragungsf¨ ahigkeit nach den ABE-Bedingungen, vgl. Abschnitt 4.1.3 ab Seite 129, zu ber¨ ucksichtigen. Als Grundmaterialien der Lamellen kommen Stahlwerkstoffe zum
310
5 Komponenten automatischer Getriebe
a)
b)
Abb. 5.36. Schematische Darstellung innen- (a) und außenverzahnter (b) Lamellen
a)
b)
Abb. 5.37. Konstruktive Maßnahmen zur Fliehkraftkompensation (Aus F¨ orster [1991]): a) Gegenkolben zum Aufbringen des L¨ osedrucks pgegen , b) Kompensations¨ p0 . fl¨ ache mit drucklosem Ol
Einsatz; die Reibbel¨ age, die auf Innen- und/oder Außenlamellen aufgebracht werden, sind entsprechend Tabelle 4.1 zu w¨ ahlen. F¨ ur die Form der Mitnehmer zwischen den Lamellen und dem innen- oder außenverzahnten Tr¨ager kommen verschiedene Bauformen – Nocken, Nuten oder Verzahnungen – f¨ ur die forscmhl¨ ussige, axial verschiebliche Verbindung zum Einsatz; Abbildung 5.36 zeigt schematisch den unterschiedlichen Aufbau von Innen- und Außenlamellen. ¨ auf die Kolben und damit die Um den Fliehkrafteinfluss des drucklosen Ols Schlepp- und Bremsmomente der Lamellenkupplungen durch die Fliehkraftvorlast zu reduzieren, sind prinzipiell drei M¨ oglichkeiten denkbar; ohne eine dieser Maßnahmen kann der Fliehkraftdruck auf die Kolben zu erheblichen Kupplungsmomenten und damit Verlusten im Getriebe f¨ uhren – das Getriebe ist i.d.R. dann nicht dauerhaft funktionsf¨ ahig: • Implementierung von R¨ uckdruckfedern, die durch ihre Vorspannkraft Ff den Fliehkraftdruck kompensieren, vgl. Abbildung 5.16.
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
311
Abb. 5.38. Einfluss der Fliehkraftkompensation f¨ ur einen Kolben mit da,Kolben = 118 mm, di,Kolben = 74 mm bei einer Gegendruckfl¨ ache mit gleichem Außenradius und Innendurchmesser di,Ausgleich = 76 mm
• Ausf¨ uhren einer separaten R¨ uckdruckfl¨ ache, auf die im gel¨osten Zustand ¨ ein gesonderter Oldruck pgegen gegeben wird, vgl. Abbildung 5.37.a. • Fliehkraftkompensation durch eine in etwa gleich große Gegendruckfl¨ache, vgl. Abbildung 5.37.b, mit Durchmessern di,Kolben ≈ di,Ausgleich und ¨ ansteht als beste aber auch da,Kolben ≈ da,Ausgleich an der druckloses Ol konstruktiv aufw¨ andigste Maßnahme. Abbildung 5.38 zeigt die Gegen¨ uberstellung der mittleren Dr¨ ucke an Kolben und Ausgleichsfl¨ache u ¨ber der Drehzahl sowie den Differenzdruck und die resultierende Kolbenkraft bei 3 einer Dichte des Druck¨ ols von ρOl ¨ = 900 kg/m . Abbildung 5.39 zeigt ausgef¨ uhrte R¨ uckf¨ uhrungen mittels Tellerfedern der ZF 6-Gang-Stufenautomatfamilie, wie sie unter anderem in BMW-Fahrzeugen verbaut werden; zu erkennen ist, dass aus Wirkungsgradgr¨ unden auch die drehfesten Kolben der Bremsen durch Tellerfedern im nicht geschalteten Gang in ihre Ausgangslage zur¨ uckgedr¨ uckt werden, um u uftspiel an ¨ber das axiale L¨ den Lamellen ein minimales Schleppmoment zu erreichen. Anmerkung 5.9 Bei der Konstruktion der Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung, vgl. Abbildung 5.67, wird das Wirkprinzip der Fliehkraftkompensation entsprechend Abbildung 5.37.b umgekehrt: W¨ ahrend sich in der Kupplung die resultierenden Axialkr¨ afte aus dem Fliehkraftdruck kompensieren, addieren sie sich bei der Wandler¨ uberbr¨ uckung, die Wandlerkupplung schließt. 2
312
5 Komponenten automatischer Getriebe
a)
b) Abb. 5.39. Schaltelemente der ZF-Getriebe 6HP19, 6HP26 und 6HP32: a) Kupplungen, b) Bremsen. R¨ aderschema in Abbildung 5.25.c. (Aus ZF [2002])
Auslegungsaufgabe 5.1 Kompensationsfl¨ ache einer Kupplung F¨ ur den in Abbildung 5.40 skizzierten Kolben einer Lamellenkupplung ist der Einfluss der Kompensationsfl¨ ache auf die Kolbenkraft bei druckloser Kupplung zu ermitteln. Die Maße des System sind mit da,K = da,G = 118 mm f¨ ur die Außen- und di,K = 74 mm und di,G = 76 mm f¨ ur die Innenradien der zylindri¨ betr¨agt ρ ¨ = 900 kg/m3 , schen Druckr¨aume gegeben. Die Dichte des Ols rmOl ¨ zum Arbeitsraum erfolgt mit dem Abstand rzu,K = 33 mm der Zulauf des Ols ¨ f¨ von der Rotationsachse mit dem Restdruck pK , das drucklose Ol ur die Kompensationsfl¨ache steht bei rzu,G = 38 mm mit p0 an.
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
313
Abb. 5.40. Arbeitskolben mit Druckzulauf pK am Radius rzu,K und Gegenfl¨ ache ¨ p0 am Radius rzu.G zur Fliehkraftkompensation mit Zufuhr von drucklosem Ol
¨ in Abh¨angigkeit von • Man ermittle allgemein die Druckverteilung im Ol der Kupplungsdrehzahl, vom Druckniveau am Zulauf und vom radialen Abstand des Zulaufs von der Drehachse. • Man stelle den Verlauf des mittleren Drucks an Kolben und Kompensationsfl¨ache u ur pK = p0 = 0. ¨ber der Kupplungsdrehzahl dar f¨ • Man berechne die verbleibende Kraft, mit der der Druckkolben bei einer Kupplungsdrehzahl n = 7000 u/min das Lamellenpaket belastet. ♠ 5.4.3 Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatikgetrieben Zwei Bet¨atigungselemente der Stufenautomaten liegen nicht im Leistungsfluss: Die Parksperre und der mechanische oder elektronische W¨ahlhebel. Erstere ist als sicherheitsrelevantes Bauteil bei der Auslegung besonders zu beachten. ¨ Ferner wird kurz auf die Olpumpen f¨ ur die Druck¨olversorgung der hydraulischen Schaltelemente eingegangen. Parksperre Beim Abstellen eines PKW mit manuellem Schaltgetriebe wird zur Sicherung gegen unbeabsichtigtes Wegrollen im Gef¨ alle i.d.R. zus¨atzlich zur Feststellbremse auch ein Gang eingelegt. Bei automatischen Fahrzeuggetrieben mit
314
5 Komponenten automatischer Getriebe
hydrodynamischem Wandler und hydraulisch bet¨atigten Doppelkupplungsgetrieben12 kann bei Motorstillstand keine mechanische Verbindung zwischen Motor und Fahrzeug hergestellt werden. Bei den Stufenautomaten mit Wandler kann das Str¨omungsgetriebe bei Drehzahl Null kein Drehmoment u ¨bertra¨ gen und die G¨ange k¨ onnen ohne Betrieb der Olpumpe nicht geschaltet werden. Bei Doppelkupplungsgetrieben mit hydraulischer Bet¨atigung der Kupplungen ist ebenfalls ohne Motorbetrieb kein Regeldruck im Hydraulikkreis vorhanden, der den Reibschluss zwischen Motor und Antriebsrad u ¨ber eine der beiden Kupplungen sicher stellen kann. Automatische Getriebe haben daher eine formschl¨ ussig wirkende Parksperre zur zus¨ atzlichen Sicherung des abgestellten Fahrzeugs, vgl. auch Abbildung 5.14. In der W¨ahlhebelposition P kann der Motor bei beiden Getriebekonzepten angelassen werden; als zus¨atzliche Mißbrauchsicherung finden sich bei modernen Fahrzeugen i.d.R. elektronische Vorrichtungen, die das Abziehen des Z¨ undschl¨ ussels nur in der W¨ahlhebelposition P erlauben. Da die Folgen einer Fehlbedienung groß sein k¨ onnen, muss verhindert werden, dass die Parksperre w¨ ahrend der Fahrt eingelegt wird. Bei sehr langsamen Bewegungen geschieht die Sicherung mechanisch, bei Geschwindigkeiten ab ca. 1 m/sec wird das Einlegen des W¨ ahlhebels in die Parkstellung mechanisch, hydraulisch oder elektronisch blockiert. F¨ orster [1991] geht auf die geometrischen und kinematischen Beziehungen beim Einlegen der Parksperre ein; hier ist die Betrachtung auf die mechanische Funktion beschr¨ankt. Bei Nutzfahrzeugen, die mit einer pneumatisch bet¨atigten FederspeicherFeststellbremse ausger¨ ustet sind, reicht diese zur Sicherung des abgestellten Wagens im Gef¨alle; automatische Getriebe f¨ ur Nutzfahrzeuge haben daher keine Parkverriegelung, vgl. Abbildung 2.37. Die Verriegelung der Parksperre wird vom Fahrer u ¨ber den W¨ahlhebel eingeleitet, wenn die Parkstellung eingelegt wird. An Hand von Abbildung 5.41 sollen Aufbau und Funktion einer Parksperre bei einem konventionellen Stufenautomatgetriebe erl¨ autert werden, die Ausf¨ uhrungen sind vollkommen analog auf die Doppelkupplungsgetriebe u ¨bertragbar. Die in Abbildung 5.41 dargestellte Parksperre weist – wie auch die in Abbildung 5.14 gezeigte – eine radial eingreifende Sperrklinke auf. Das Stellen des W¨ahlhebels W in die Parkstellung P, vgl. Abbildung 5.41, bewirkt die folgenden Schritte: • Der Automatik-W¨ ahlhebel mit der Rastenplatte RP dreht um die Schaltachse A, bis die Rolle an der Biegefeder B in die Parkstellung P einrastet. • Die am W¨ahlhebel W angebundene Bet¨ atigungsstange S bewegt die auf ihr laufende Rolle R in der starren F¨ uhrung F parallel zur Tr¨agerwelle T des Parksperrenrades PR. 12
Bei Doppelkupplungsgetrieben mit elektromechanischer Bet¨ atigung der Kupplung, vgl. Abbildungen 5.18 und 5.21, kann – wenn ein Schaltaktuator auch bei ausgeschaltetem Motor einen Gang des gekuppelten Teilgetriebes eingelegt l¨ asst – in Parkstellung eine Tellerfeder des Kupplungssystems den Reibschluss zwischen Motor und Fahrzeug herstellen und die mechanische Parksperre kann entfallen.
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
315
Abb. 5.41. Parksperre mit radial eingreifender Sperrklinke der F¨ unfstufenautomatik W5A030. W Automatik-W¨ ahlhebel am Getriebe, A Achse des W¨ ahlhebels, P Parkstellung, B Biegefeder, AF Ausgleichsfeder, S Bet¨ atigungsstange, T Tr¨ agerwelle, PR Parksperrenrad, RF R¨ uckholfeder, K Klinke, R Rolle, F starre F¨ uhrungsschiene, L Rollenlager, RP Rastenplatte
• Am Ende der F¨ uhrung w¨ alzt sich die Rolle u ¨ber das im Geh¨ause fixierte Rollenlager L ab. Dabei dr¨ uckt sie nach oben gegen den abgeschr¨agten R¨ ucken der Klinke K. Diese schwenkt gegen die Kraft der R¨ uckholfeder RF bis zum Kontakt mit dem Parksperrenrad PR nach oben. • Steht das Fahrzeug oder bewegt es sich mit einer Geschwindigkeit unter 3 km/h, dann greift die Klinke in eine L¨ ucke des Parksperrenrads ein und sichert das Fahrzeug formschl¨ ussig gegen Rollen, ggf. kann das Fahrzeug bis zum Erreichen einer L¨ ucke zwischen Klinke und Sperrenrad etwas rollen. • Bewegt sich das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit gr¨oßer 3 km/h, so spannt sich die an der Bet¨ atigungsstange S befindliche Ausgleichsfeder AF, da durch die Flankenabschr¨ agung am Klinkenrad und an der Klinke diese ¨ nicht eingreifen kann. Dieser Zustand des Uberspringens bleibt erhalten, solange sich das Fahrzeug schneller als die Grenzgeschwindigkeit von 3 km/h bewegt. Wird die Grenzgeschwindigkeit unterschritten, greift die Klinke ein und blockiert weitere Bewegungen. • Ausger¨ uckt wird die Klinke durch Stellen des Bet¨atigungshebels von P weg und das damit verbundene Drehen des W¨ahlhebels W um seine Achse A. Die Rolle R bewegt sich zur¨ uck in die F¨ uhrung F und gibt der Klinke die Bewegung nach unten aus der Verzahnung des Parksperrenrads frei, dabei wird das Entrasten durch die R¨ uckholfeder RF unterst¨ utzt. Die eingerastete Verriegelung der Parksperre muss auch bei starker Neigung ohne Schwierigkeiten wieder sicher gel¨ ost werden k¨onnen. Die technische Darstellbarkeit der Parksperre bei Stufenautomaten und DCTs ist im Detail sehr vom Getriebe abh¨ angig. Wichtig ist, dass das Parksperren-
316
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.42. Zur Berechnung der Parksperre im verriegelten Zustand (Nach Looman [1988]): B Bet¨ atigung der Parksperre; G Getriebegeh¨ ause, K Zahnklinke der Parksperre. A Achse der Ausgangswelle, S St¨ utzglied der Parksperren-Auswerfkr¨ afte, PR mit Ausgangswelle verbundenes Parksperrenrad, RF R¨ uckholfeder, Fex Auswerfkraft durch Zahnschr¨ age, FH Verriegelungskraft, FN Normalkraft, Fz Richtung der Auszugskraft, Rv mittlerer Radius der Verzahnung des Parksperrenrads, γv Flankenwinkel der Verriegelungsverzahnung
rad an eine station¨ ar angetriebene Achse angebunden ist; bei Stufenautomatgetrieben liegt das Parksperrsystem i.d.R. hinter dem letzten Planetensatz. Um die Auslegung eines konkreten Systems zu erm¨oglichen, werden hier zwei entscheidende Gr¨ oßen besprochen, vgl. hierzu auch Abbildung 5.42, die f¨ ur die Auslegung des Sperrsystems und seiner Anbindung ben¨otigt werden: Die Umfangskraft FP , die zwischen Parksperrenrad und Klinke maximal wirken kann und die mit ihr im Gleichgewicht stehenden Reaktionskr¨afte sowie die maximale Zahnkraft beim Einrasten der Sperre. Die Beziehungen werden exemplarisch erl¨autert und sind auf andere Sperrsysteme u ¨bertragbar. Zun¨achst ist f¨ ur die Auslegung der Parksperre das zu sperrende Moment bzw. die tangentiale Verriegelungskraft, Tv und Fv , zu ermitteln. Mit dem zu ber¨ ucksichtigenden Gesamtgewicht13 des Fahrzeugs mges , dem Steigungs¨ winkel αv , f¨ ur den die Verriegelung auszulegen ist, der wirksamen Ubersetzung zwischen der Antriebsachse und der Parksperre iv – meist ist dies die 13
Je nach Anforderung umfasst dies ein Zugfahrzeug und einen Anh¨ anger.
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
317
Achs¨ ubersetzung, iv = iAchs – und dem Reifendurchmesser Rdyn des Fahrzeugs erh¨alt man aus (3.16) Tv =
mges · g · sin αv · Rdyn |iv |
und Fv =
Tv mges · g · sin αv · Rdyn = . Rv |iv | · Rv
Der mittlere Radius des Klinkenrades Rv ergibt sich meist aus dem zur Verf¨ ugung stehenden Bauraum der Konstruktion. Ein großer Radius ist erw¨ unscht, um die Umfangskraft zu verringern und um starke Z¨ahne bei kleiner Teilung zu erreichen. Im Sinne einer konservativen Auslegung ist die Fl¨achenpressung an Klinke und Sperrenrad nach der Hertz’schen Theorie f¨ ur die jeweils projektierten Formen der Kontaktfl¨achen auf ihre Zul¨assigkeit hin zu u ufen, dabei finden die Werkzeuge aus Abschnitt A.1 Anwendung; ¨berpr¨ auf die Bewertung der Pressungen hinsichtlich der zul¨assigen Beanspruchungen wird in Abschnitt A.1.3 gesondert eingegangen. Die Reibung zwischen den Zahnflanken der Verriegelung spielt eine wichtige Rolle f¨ ur die Bestimmung der Bet¨ atigungskr¨afte. Dabei ist es wichtig, die Grenzen, zwischen denen der Reibbeiwert µv infolge Oberfl¨ache, Schmierung, Verformung usw. von Parksperrenrad und Sperrklinke schwanken kann, zu ber¨ ucksichtigen. Bei der Berechnung der Kr¨ afte f¨ ur das Halten und L¨osen der Sperre werden unterschiedliche Extremwerte angesetzt: • F¨ ur das Halten ist der kleinste Reibwert, µv,min ≈ 0, 06 relevant, • f¨ ur das L¨osen muss der gr¨ oßte Wert, µv,max ≈ 0, 20 ber¨ ucksichtigt werden. Ein hoher Reibwert verhindert m¨ oglicherweise das L¨osen der Zahnflanken beim Entriegeln, daher muss die Schr¨ age γv der Zahnflanke so groß gemacht werden, dass sie immer eine positive Auswerfkraft Fex erzeugt, vgl. Abbildung 5.42. F¨ ur µv,max muss sichergestellt sein, dass der Winkel der Rastenflanke γv gr¨oßer ist als der Reibwinkel δv,max = arctan µv,max . Ist dagegen der Reibwert klein, dann bewirkt der so bestimmte Winkel der Zahnflanke eine hohe Auswerfkraft Fex , die die Parksperre selbstt¨atig l¨osen will; es gilt dann Fex,max = Fv · tan (γv − δv,min ) . Eine Haltekraft, die mit dieser Auswerfkraft im Gleichgewicht steht, kann nicht direkt von der Bet¨ atigung dauerhaft aufgebracht werden. Die Verriegelung muss sich im gesperrten Zustand am Geh¨ ause abst¨ utzen, so dass ein innerer Schluss der Kr¨ afte hergestellt wird. Abbildung 5.42 zeigt eine Parksperre im eingerasteten Zustand, in dem die Klinke mit ihrem Zahn in das Klinkenrad eingreift. Sie wird durch die Bewegung der oberen Bet¨atigungsrolle B, die entweder u uckt oder um deren Mittelpunkt geschwenkt ¨ber die untere Rolle gedr¨ wird, gegen die Kraft der R¨ uckholfeder der Klinke RF in diese Position gebracht. In der Endlage liegt der Mittelpunkt der beweglichen Rolle um wenige Zehntel Millimeter jenseits der Verbindungslinie von der Mitte des Parksperrenrades zur Mitte der unteren Rolle und daher in einer selbstsch¨ utzenden ¨ Uberknick-Position. Die Auswerfkraft Fex h¨ alt die Rolle in dieser Endlage
318
5 Komponenten automatischer Getriebe
a)
b)
Abb. 5.43. W¨ ahlhebelmodul ohne Kulisse (a) und W¨ ahlhebel in Einbauposition (b) (Quelle: Jopp GmbH)
durch eine Kraftkomponente FH am Anschlag, die Normalkraftkomponente st¨ utzt die Bet¨atigungsrolle auf dem Bolzen der unteren Rolle ab. Um das L¨osen der Parksperre auch unter extremen Bedingungen sicherzustellen, muss die Reibung innerhalb der Bet¨ atigung so klein wie m¨oglich gehalten werden, die W¨alzlagerung von Klinke, Hebel und Rollen ist zu empfehlen. Zum ¨ L¨osen muss die mittlere Rolle aus der Uberknickstellung nach links gezogen bzw. geschwenkt werden, dabei muss an der Bet¨atigungsrolle die Haltekraft FH u ur eine leichtere Entriegelung der Parksperre ist die ¨berwunden werden. F¨ Bet¨atigungsstrecke vom Handschalthebel bis zur Anlenkung der Sperre mit ¨ einer Ubersetzung versehen, die die Bet¨ atigungskraft des Fahrers verst¨arkt. W¨ ahlhebel und Bet¨ atigungssystem Wie beim manuellen Schaltgetriebe ist auch bei den automatisch schaltenden Getrieben ein W¨ ahlhebel notwendig; eine Vielzahl der Ausf¨ uhrungen zur ¨außeren Schaltung aus Abschnitt 4.5.1 ist direkt u ¨bertragbar, z.B. zu den m¨oglichen Anordnungen des W¨ ahlhebels und den beidseitig wirkenden Seilz¨ ugen, vgl. auch Abbildung 5.43. Wie bei den manuellen Schaltgetrieben werden auch bei den automatischen Getrieben Schutzfunktionen gegen das unbeabsichtigte Einlegen des R¨ uckw¨ artsganges oder der Parksperre im W¨ahlhebelmodul integriert; die Beschreibung der konstruktiven und regelungstechnischen Ans¨atze findet man in knapper Form bei B¨ uchs [2004]. Besonders bei Fahrzeugen der Ober- und Luxusklasse ist in den letzten Jahren die deutliche Abkehr von mechanischen Bet¨ atigungen der Automatikgetriebe zu beobachten; in diesen F¨ allen wird der Wunsch des Fahrers nach Ausl¨osung
5.4 Aufbau und Bet¨ atigungselemente von Stufenautomatgetrieben
319
Abb. 5.44. Bet¨ atigungskr¨ afte am W¨ ahlhebel eines Stufenautomatikgetriebes: a) Ausgangssituation, b) Optimierte Konfiguration
Abb. 5.45. Rastenscheibe eines mechanisch bet¨ atigten Stufenautomatikgetriebes mit Seilzuglagerung, Getriebehebel und federbelasteter Druckrolle
eines Fahrstufenwechsels oder das beabsichtigte Einlegen der Parksperre elektronisch u ¨bertragen und elektrisch bzw. hydraulisch umgesetzt. Die Auslegung auf Missbrauchssicherheit ist dann mehr eine regelungstechnische als eine mechanisch-konstruktive Aufgabe. Wichtig ist an dieser Stelle, dass die mechanische Bet¨atigungsstrecke von Stufenautomaten oder Doppelkupplungsgetrieben mit nur einem Seilzug auskommt, da die Aufteilung in W¨ ahl- und Schaltbewegung entf¨allt. Im Sinne eines gleichm¨aßigen Schaltgef¨ uhls soll die aufzuwendende Kraft zwischen den
320
5 Komponenten automatischer Getriebe
a)
b)
Abb. 5.46. Wirkprinzip von a) Zahnring- und b) Sichelpumpe
Rastenpositionen m¨ oglichst gleichm¨ aßig verlaufen, vgl. Abbildung 5.44. Ein m¨oglicher Ansatzpunkt ist der Erhebungsverlauf der Abwicklung der Rastenscheibe, vgl. Abbildung 5.45, die Ausf¨ uhrungen zur Rastierung aus Abschnitt 4.5.3 sind wieder direkt u bertragbar. Die Rastenscheibe ist mit einer ¨ in rotatorisch wirkenden Arretierung, vgl. Abbildung 4.115.a, versehen; die Federvorspannung wird bei der in Abbildung 5.45 gezeigten Konstruktion u ¨ber die Blattfeder erzeugt. ¨ Olpumpen In Automatik- aber auch in Doppelkupplungsgetrieben werden h¨aufig Zahnradpumpen zur F¨ orderung von K¨ uhl- und Bet¨ atigungs¨ol eingesetzt. Im Prinzip bestehen diese sehr einfach aufgebauten Druckerzeuger aus drei Bauteilen: einem Geh¨ause mit Zu- und Ablauf und zwei Zahnr¨adern, von denen wie in Abbildung 5.46 skizziert eines angetrieben ist. Je nach Anordnung und Gr¨oße der Zahnr¨ader unterscheidet man verschiedene Bauformen, f¨ ur die Anwendung in Fahrzeuggetrieben sind die in Abbildung 5.46 gezeigten Zahnringund Sichelpumpen interessant, die zu den Außen- bzw. Innenzahnradpumpen geh¨oren. Bei Stufenautomatikgetriebe werden die Zahnradpumpen h¨aufig direkt hinter dem Wandler angeordnet, wie es am Beispiel des ZF-Ecomat 2 Getriebes in Abbildung 2.37 gezeigt ist; beim Direktschaltgetriebe wird die ¨ Olpumpe mit einem Durchtrieb direkt an den Kurbelwellenflansch angebunden, vgl. Abbildung 5.10. Bei der Innenzahnrad- bzw. Zahnringpumpe l¨ auft das treibende Zahnrad exzentrisch in der Innenverzahnung eines Zahnringes, vgl. Abbildung 5.46.a, das Medium wird durch den sich im Volumen ver¨andernden Verdr¨angungsraum zwischen den Zahnl¨ ucken gef¨ ordert. Bei der Sichelpumpe, vgl. Abbildung 5.46.b, wird das zu f¨ ordernde Medium in den R¨aumen zwischen den Zahnl¨ ucken der beiden Zahnr¨ ader gef¨ ordert, wobei die Z¨ahne durch die Sichel abgedichtet werden. Der Außenring einer Zahnringpumpe weist genau einen Zahn mehr als das Innenrad, meistens kommen im Gegensatz zu den in Abschnitt 4.3 besprochenen Evolventenverzahnungen bei den Zahnradpumpen Trochoidenverzahnungen zum Einsatz. Bei der Innenzahnrad- oder Sichelpumpe hat das außen liegende Rad deutlich mehr Z¨ahne als das innere.
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
321
b)
a)
c)
Abb. 5.47. Spaltkompensation bei einer Innenzahnradpumpe: a) Ansicht der Pumpe, b) Axiale und c) Radiale Spaltkompensation (Aus Lauth et al. [2002])
Trotz der fehlenden Regelbarkeit, die die einfachen Zahnradpumpen von den aufw¨andigeren hydrostatischen Pumpen, vgl. Abschnitt 7.3.3, differenzieren, bietet vor allem die Sichelpumpe im relevanten Betriebsbereich im Automatikgetriebe mit ihrer geringen Leistungsaufnahme Vorteile. Die gef¨orderten ¨ ucke liegen zwischen 4 und 20 bar, die Volumenstr¨ome sind von der PumOldr¨ pendrehzahl und dem Zahnkammervolumen abh¨angig. In Abbildung 5.47 ist das Wirkprinzip der Spaltkompensation bei Innenzahnradpumpe – den am h¨ aufigsten verwendeten Pumpe bei Stufenautomatikgetrieben – gezeigt; eine Maßnahme, mit der der Wirkungsgrad f¨ ur den Hochdruckeinsatz verbessert werden kann. Die axiale Spaltkompensation beruht auf einer beidseitigen Anpressung der Axialplatten, bei der der ¨außere Anpressdruck gr¨ oßer ist als der Arbeitsdruck der Pumpe. So werden die Geh¨auseplatten mit einer geringen Kraft an das rotierende Hohlrad und Ritzel gedr¨ uckt und damit die Spalte minimiert, vgl. Abbildung 5.47.b. Zur radialen Spaltkompensation wird gezielt Druck¨ ol in eine geteilte Sichel gef¨ uhrt, die sich unter dem Kompensationsdruck aufspreizt und an den rotierenden Zahnr¨adern wie in Abbildung 5.47.c skizziert zum Anliegen kommt.
5.5 Drehmomentwandler fu ¨ r Stufenautomaten Der hydrodynamische Wandler ist das typische Anfahrelement von Stufenautomatikgetrieben auf Basis von Planetens¨ atzen, die in Personen- und Nutz-
322
5 Komponenten automatischer Getriebe
fahrzeugen erfolgreich zur Anwendung kommen. Die kinetische Energie des Wandlerfluids wird dabei zur Leistungs¨ ubertragung und zur stufenlosen Anpassung an vorhandene Drehzahldifferenzen von Ein- und Ausgang – z.B. beim Anfahren – genutzt. Da die rein hydrodynamische Leistungs¨ ubertragung zwingend auf Relativdrehzahlen zwischen An- und Abtrieb angewiesen ist, werden bei heutigen Wandlern die hydraulischen Komponenten ab einer bestimmten Geschwindigkeit aus Effizienzgr¨ unden u uckt; die in Abschnitt 5.5.3 be¨berbr¨ sprochene Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung wird geschlossen. Ziel dieses Abschnittes ist die Erl¨ auterung von Wandlerprinzip und -dimensionierung sowie ¨ die Besprechung konstruktiver Merkmale der Uberbr¨ uckungskupplung. Das Anfahren u uber einer Reibkupplung, vgl. Ab¨ber den Wandler hat gegen¨ schnitte 4.1 und 5.3, den Vorteil, dass das Anfahrmoment durch die hydrodynamische Leistungswandlung auf das zwei- bis dreifache des Nennmomentes erh¨oht wird. Des Weiteren arbeitet der Wandler ruck- und stoßfrei; zudem tritt ebenso wie bei den hydraulischen Komponenten der Nutzfahrzeugantriebstr¨ange, vgl. Abschnitt 7.3, praktisch kein Verschleiß auf. Anmerkung 5.10 Da der Wandler den Leistungsfluss nicht wie die Reibkupplung beim Schalten unterbrechen kann, ist er nicht f¨ ur den Einsatz in synchronisierten Getrieben ohne zus¨ atzliche Schaltkupplung geeignet. 2 Systemaufgaben Der hydrodynamische Wandler hat in automatischen Fahrzeuggetrieben zum einen die Funktion eines komfortablen Anfahrelements zu u ¨bernehmen; die rotatorisch zugef¨ uhrte Antriebsleistung ist auch bei stehenden Antriebsr¨adern in ein Anfahrmoment respektive eine Anfahrzugkraft zu wandeln; das vom Verbrennungsmotor zur Verf¨ ugung gestellte Getriebeeingangsmoment ist dabei zu ¨ verst¨arken. Zum anderen soll die Konstruktion des Wandlers ein Uberbr¨ ucken bei geringen Relativdrehzahlen zwischen An- und Abtrieb erm¨oglichen; aus ¨ Komfortgr¨ unden soll die Uberbr¨ uckung regelbar arbeiten. 5.5.1 Prinzip der hydrodynamische Leistungs¨ ubertragung beim Wandler Der hydrodynamische Wandler geh¨ ort zun¨ achst zu den hydraulischen Getrieben; hier existieren, vgl. Tabelle 1.1, zwei unterschiedliche Wirkprinzipien: Hydrostatische Leistungs¨ ubertragung: Hier arbeiten die Getriebe – genauer Pumpen und Motoren – nach dem Verdr¨angerprinzip, die mechanisch angetriebene Pumpe liefert einen Volumenstrom, der im Motor eine Arbeitsbewegung hervorruft. Durch die Belastung an der Abtriebsseite des Motors entsteht ein Druck im Fluid, die Leistungs¨ ubertragung erfolgt somit durch den Druck des Volumenstroms. Die Arbeitsgeschwindigkeit
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
323
a)
b)
c) Abb. 5.48. Hauptkomponenten der hydrodynamischen Getriebe: a) Wandler, b) Kupplung und c) Bremse. R=Reaktionsglied/Leitrad, T=Turbine, P=Pumpe, G=Geh¨ ause, S=Stator (Aus VDI-Richtlinie 2153)
hydrostatischer Maschinen ist nahezu unabh¨angig von der Belastung, sie zeigen ein so genanntes Nebenschlussverhalten, vgl. Will et al. [2007]; ¨ Hydrostaten erm¨ oglichen so die stufenlose Verstellung der Ubersetzung in einem recht großen Bereich. Pumpe und Motor k¨onnen r¨aumlich voneinander getrennt platziert und mittels Druckleitungen verbunden werden, eine feste r¨aumliche Zuordnung von An- und Abtrieb ist nicht erforderlich. Hydrostatische Antriebe erlauben u ¨ber die Beeinflussung des Drucks oder des Volumenstroms eine zuverl¨ assige Steuerung oder Regelung des Antriebs, i.d.R. werden Ventile als Steuerelemente, vgl. z.B. Findeisen [1994], Will et al. [2007] oder Merkle et al. [2004]verwiesen. ¨ Hydrodynamische Leistungs¨ ubertragung: Hier erfolgt die Ubertragung der Antriebsleistung durch die kinetische Energie des Fluids. Bei steigendem Moment am Abtrieb nimmt die Abtriebsdrehzahl ab, man spricht hier vom Hauptschlussverhalten. Hydrodynamische Getriebe erfordern
324
5 Komponenten automatischer Getriebe
a)
b)
c)
d)
Abb. 5.49. Hierarchie hydrodynamischer Leistungs¨ ubertragung: a) Hydrodynamische Kupplung, b) F¨ ottinger-Wandler mit festem Leitrad, c) Trilokwandler, d) ¨ Trilokwandler mit Uberbr¨ uckungskupplung
aufgrund ihrer kompakten Bauweise die feste r¨aumliche Zuordnung von An- und Abtrieb. Die aktive Steuerung hydrodynamischer Getriebe ist nur u ullungssteuerung m¨ oglich und wird im Bereich der Fahrzeu¨ber eine F¨ gantriebe nur bei den Retardern, vgl. Abschnitt 7.3.2, eingesetzt. Wandler werden nicht aktiv gesteuert sondern arbeiten automatisch. Auf die hydrostatischen Getriebe wird in Abschnitt 7.2 im Zusammenhang mit der Vorstellung hydrostatischer stufenloser Antriebe von Nutzfahrzeugen detaillierter eingegangen, die Hydrostaten als Komponenten werden in Abschnitt 7.3.3 besprochen. ¨ In diesem Buch werden drei Bauformen hydrodynamischer Ubertragungselemente behandelt: Wandler, Kupplung und Bremse; in Abbildung 5.48 sind diese vergleichend zusammengetragen. Eine funktionelle Hierarchie der Bauformen ist in Abbildung 5.49 gezeigt: Neben der Einordnung dieser Bauformen hinsichtlich ihrer Komplexit¨ at und Leistungsf¨ ahigkeit erlaubt diese Darstellung auch eine historische Reihung. Im Laufe der Entwicklung nahm durch Leitrad, Freilauf und Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung der Komponentenumfang und die Komplexit¨ at aber gleichzeitig auch die Leistungsf¨ahigkeit der hydrodynamischen Leistungswander kontinuierlich zu. Im Bereich der Fahrzeugantriebe werden heute typischerweise Dauerbremsen – Retarder – als hydrodynamische Kupplungen entsprechend Abbildung 5.49.a bzw. 5.48.c mit stehendem Geh¨ ause ausgef¨ uhrt, vgl. Abschnitt 7.3.2. Bei den
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
a)
325
b)
Abb. 5.50. Komponenten und Wirkprinzip eines hydrodynamischen Drehmomentwandlers: a) Komponenten 1) Pumpenrad, 2) Turbinenrad, 3) Leitrad, 4) Hohlwelle f¨ ur Leitradabst¨ utzung am Geh¨ ause, 5) Geh¨ ause, 6) Pumpenradhohlwelle f¨ ur Antrieb der Getriebe¨ olpumpe, 7) Wandlerdeckel, verbunden mit dem Pumpenrad, 8) Leitradfreilauf, 9) Turbinenwelle (Getriebeeingang), 10) Anlasserzahnkranz; b) Str¨ omungsverlauf
Stufenautomaten kommt derzeit fast ausschließlich der Trilokwandler14 mit ¨ geregelter Uberbr¨ uckungskupplung als Anfahrelement zum Einsatz. Die Zwischenstufen b und c in Abbildung 5.49 – der F¨ ottinger-Wandler15 und der nicht u uckte Trilok-Wandler – sind der Vollst¨andigkeit wegen angef¨ uhrt. ¨berbr¨ Sie sind jedoch zur Erl¨ auterung von Funktionsweise und Auslegung unverzichtbar und zeigen die Entwicklung des Einsatzes hydrodynamischer Leistungs¨ ubertragung im Fahrzeugantrieb. 14
15
Die VDI-Richtlinie 2153 klassifiziert den Trilok-Wandler als zweiphasig einstufig arbeitenden Wandler: Er weist zwei Betriebszust¨ ande auf, das Turbinenrad ist als mit einstufige Zentripetalturbine axial gegen¨ uber dem Pumpenrad angeordnet. Hermann F¨ ottinger (geb. 1877 in N¨ urnberg; gest. 1945 in Berlin) war Professor am Lehrstuhl f¨ ur Str¨ omungsphysik und Turbomaschinen an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg und ist der Erfinder des nach ihm benannten hydrodynamischen Drehmomentwandlers.
326
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.51. Prinzip des Str¨ omungsgetriebes. 1 Antriebsmaschine, 2 Pumpenrad, 3 Leitrad, 4 Turbinenrad, 5 Arbeitsmaschine
Die wesentlichen Bestandteile eines Wandlers sind, wie in Abbildung 5.50 dargestellt, drei beschaufelte R¨ ader: Pumpenrad, Turbinenrad und Leitrad bilden zusammen, mit einer sie umschließenden oder mit ihnen verbundenen Schale – dem Geh¨ause – einen geschlossenen Arbeitsraum. Dieses Zusammenziehen von Pumpe und Turbine und Implementierung eines zus¨atzlichen Leitrades in einem rotierenden Str¨ omungsgetriebe geht auf eine Entwicklung von Hermann F¨ ottinger zur¨ uck, sein urspr¨ ungliches Anwendungsgebiet waren Schiffsantriebe; Abbildung 5.51 visualisiert F¨ ottinger’s Idee. Die Pumpe und mit ihr das Wandlergeh¨ ause sind drehfest u ¨ber eine Verbindungsplatte, die den Anlasserzahnkranz tr¨ agt, mit dem Motor verbunden, abtriebsseitig ist die Turbine formschl¨ ussig mit der Getriebeeingangswelle gekoppelt. Der gesamte Wandler ist mit Automatic Transmission Fluid (ATF-Getriebe¨ol) gef¨ ullt, die Leitschaufeln in Pumpe und Turbine lenken die Str¨omung des Wandlerfluids wie in Abbildung 5.50.b skizziert um. In den meisten F¨allen wird das Wandlergeh¨ause als Blechschale aufgebaut und mit dem Turbinenrad verschweißt, vgl. Abbildung 5.50, das Leitrad wird i.d.R. gegossen. Abbildung 5.52 zeigt einen Schnitt durch den Wandler der 6-Gang Stufenautomatik 6HP26 von ZF mit allen Komponenten eines modernen Wandlers; lediglich der Torsionsd¨ampfer, der im u uckten Zustand die Motorschwingungen von Triebstrang abkop¨berbr¨ pelt, vgl. Abschnitt 5.5.3, ist in dieser Darstellung nicht gezeigt. Das Pumpenrad wird vom Motor u ¨ber die Kurbelwelle angetrieben und be¨ vom Innen- zum Außendurchmesser. Am außenliegenden schleunigt das Ol ¨ durch die Fliehkr¨afte infolge der Rotation Pumpenradaustritt wird das Ol des Pumpenrades in die Turbine geschleudert und durchstr¨omt das Turbinenrad vom Außen- zum Innendurchmesser. Dabei treibt es das Turbinenrad und ¨ am Indamit die Getriebeeingangswelle an. Im Nabenbereich verl¨asst das Ol nendurchmesser wieder die Turbine und gelangt auf das Leitrad. Das Leitrad bewirkt eine Richtungsumkehr der str¨ omenden Fl¨ ussigkeit f¨ ur den Wiedereintritt in das Pumpenrad. Durch die Umkehr des Fluidstroms entsteht am Leitrad ein Moment, dessen Reaktionsmoment das Turbinenmoment erh¨oht.
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
327
Das Leitrad bewirkt in Abh¨ angigkeit vom Betriebszustand – der wesentlich durch das Drehzahlverh¨ altnis vw bestimmt ist, das im Folgenden definiert wird ¨ – durch eine Umlenkung der Str¨ omung eine Anderung des Drehimpulses, so dass das von der Turbine abgegebene Moment bis um etwa einen Faktor 2,5 gr¨oßer sein kann als das der Pumpe vom Motor zugef¨ uhrte Eingangsmoment, Abbildung 5.53 zeigt ein Beispiel. Der Wandler ist somit eine Str¨ omungsmaschine, in der das Pumpenrad mechanische in hydraulische Energie umwandelt, w¨ahrend das Turbinenrad diese wieder in mechanische Energie wandelt. Die Energie l¨asst sich abz¨ uglich auftretender Verluste an der Abtriebswelle wieder abgreifen; auf die Verluste wird in Abschnitt 5.5.2 eingegangen. Die Leistungswandlung im Drehmomentwandler ist gerade beim Anfahren mit ¨ großer W¨armeentwicklung verbunden; die Reibarbeit wird u ¨ber den Olkreislauf von einem separaten Getriebe¨ olk¨ uhler abgef¨ uhrt. Das K¨ uhl¨ol wird dem Wandler durch eine Wellenbohrung zugef¨ uhrt und fließt u uhlkan¨ale nach ¨ber K¨ ¨ ¨ außen ab; im Olsumpf des Automatikgetriebes wird es von der Olpumpe an¨ zum K¨ gesagut, die das Ol uhler f¨ ordert. Das Verh¨altnis von Turbinendrehzahl zu Pumpendrehzahl wird als Drehzahlverh¨altnis vw bezeichnet, die Drehrichtung der Pumpe wird dabei entsprechend der in Abschnitt 3.1.1 getroffenen Definition im Hauptbetriebsbereich als positive Drehrichtung angenommen. Das Drehzahlverh¨altnis16 vw =
Turbinendrehzahl nT = Pumpendrehzahl nP
(5.8)
kann je nach Drehrichtung der Turbine theoretisch auch negativ werden, bei Abschaltungen oder zur Nutzung der Motorbremse kann bei offenem Wandler das Drehzahlverh¨altnis auch gr¨ oßer als vw = 1 werden. Das Drehzahlverh¨altnis und der Wandlerschlupf Sw , der als Sw =
nP − nT nP
(5.9)
definiert ist, sind nicht unabh¨ angig voneinander, es gilt Sw = 1 − vw ; beide Gr¨oßen werden oft in Prozent angegeben. Auch das Drehmomentverh¨altnis bzw. die Wandlungsziffer µW wird als dimensionslose Kenngr¨oße u ¨ber das Verh¨altnis von Turbinen- zu Pumpenmoment bestimmt, unter Ber¨ ucksichtigung der Vorzeichen nach Abschnitt 3.1.1 gilt µW =
−Turbinenmoment −TT = =µ ˆW (vW ) . Pumpenmoment TP
(5.10)
Die Wandlung µW ist bei Wandlern vom Drehzahlverh¨altnis vw abh¨angig. ¨ der Sie bleibt f¨ ur ein gegebenes Drehzahlverh¨ altnis wegen der Ahnlichkeit 16
Setzt man nP = n1 und nT = n2 , so entspricht das Drehzahlverh¨ altnis vw gem¨ aß ¨ der Definition (3.3) der Ubersetzung i = n1 /n2 ; man beachte, dass Pumpen- und Turbinenrad im normalen Fahrbetrieb gleichsinnig drehen.
328
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.52. Komponenten des Wandlers der 6-Gang Stufenautomatik 6HP26 von ZF: 1) Befestigung an der Schwungscheibe, 2) F¨ uhrungszapfen in der Schwungscheibe, 3) Wandlerdeckel, 4) Kolben der wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung, 5) Belaglamelle, 6) Pumpe, 7) Turbine, 8) Leitrad, 9) Freilauf, 10) Wandlernabe, 11) Leitradwelle, 12) Turbinenwelle (Getriebeeingang) (Aus ZF [2002])
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
329
Abb. 5.53. Zur Funktionsweise des hydrodynamischen Wandlers. Das Leitrad st¨ utzt sich beim Anfahren am Geh¨ ause ab und verst¨ arkt so das Anfahrmoment; im Kupplungsbereich l¨ auft das Leitrad lastfrei mit um, der Wandler arbeitet als Kupplung.
Abb. 5.54. Schematische Kennlinie eines F¨ ottinger-Wandlers mit nahezu konstanter Leistungsziffer (A= Anfahrpunkt, K= Kupplungspunkt, M=Wirkungsgradoptimum, D=Durchgangspunkt
¨ Str¨omungszust¨ande auch bei geometrisch ¨ ahnlicher Anderung der Abmessung, der Antriebsdrehzahlen oder der Dichte des Betriebsfluids nahezu konstant. Das Turbinenmoment, das – jeweils innerhalb einer Fahrstufe mit konstanter ¨ mechanischer Ubersetzung – direkt proportional zur Zugkraft ist, ¨andert sich proportional zum Pumpenmoment, der Proportionalit¨atsfaktor ist die aktu-
330
a)
5 Komponenten automatischer Getriebe
b)
Abb. 5.55. a) Hydrodynamische Kupplung (Quelle: www.voith-turbo.de), b) Schematische Kennlinie einer hydrodynamischen Kupplung
elle Wandlungsziffer µW nach (5.10). Die Drehmomentwandlung µW ist wie in Abbildung 5.54 dargestellt um so st¨ arker, je gr¨oßer der Schlupf Sw zwischen Turbine und Pumpe ist, d.h. je kleiner das Drehzahlverh¨altnis zwischen Turbine- und Pumpenrad nach (5.9) wird. In Abbildung 5.54 ist eine beispielhafte Kennlinie eines F¨ ottinger-Wandlers dargestellt, die f¨ ur eine konstante Eingangsdrehzahl nP = nmot und ein konstantes Eingangsmoment TP = Tmot gilt. Es wird deutlich, dass mit abnehmendem Schlupf – also gr¨ oßer werdender Turbinendrehzahl bzw. mit zunehmendem Drehzahlverh¨ altnis vw – die Drehmomentenwandlung reduziert wird. Beim so genannten Kupplungspunkt K des Wandlers gilt TT = TP bzw. TR = 0, es findet also keine Drehmomentwandlung mehr statt. Mit weiter ansteigender Turbinendrehzahl wird das Reaktionsmoment TR am Leitrad – der Index R f¨ ur Reaktor wird analog zur VDI-Richtlinie 2153 f¨ ur die Leitradgr¨oßen verwendet – negativ und es kommt zu einem starken Abfall des Wirkungsgrads η. Durch den starken Wirkungsgradabfall ist der F¨ ottinger-Wandler in dieser Form f¨ ur den Einsatz in Kraftfahrzeugantrieben ungeeignet. Um den Wirkungsgradeinbruch zu umgehen, wird ein Freilauf – Teil 1 in Abbildung 5.50 – in den Wandler integriert, der so genannte Trilok-Wandler entsteht. Hydrodynamische Kupplung Die hydrodynamische Kupplung l¨ asst sich durch das Entfallen des feststehenden Leitrades aus dem F¨ ottinger-Wandler ableiten, vgl. Abbildung 5.55.a. Wie zuvor beschrieben hat das Leitrad die Aufgabe, die in der Pumpe be¨ schleunigten und in der Turbine verz¨ ogerten Olpartikel umzulenken, die dadurch entstehende Drehmomentwandlung findet bei der hydrodynamischen Kupplung ohne Leitrad nicht statt. Somit sind die Drehmomente an der Tur-
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
a)
b)
331
c)
Abb. 5.56. Hochlauf der hydrodynamischen Kupplung: a) Die Kupplung steht und das Kupplungsfluid ist in Ruhe und sammelt sich am Boden der Kupplung, b) das Fluid wird vom Rotor beschleunigt, mit steigender Drehzahl bildet sich ein Str¨ omungskreislauf aus, c) bei hohen Drehzahlen wird eine station¨ are Str¨ omung in der umlaufenden Kupplung erreicht (Quelle: www.voith-turbo.de)
bine und an der Pumpe gleich groß, bei den hydrodynamischen Kupplungen findet nur eine Drehzahlwandlung statt. Nur bei einer Drehzahldifferenz zwischen Pumpen- und Turbinenrad kann von der hydrodynamischen Kupplung ein Moment u ¨bertragen werden, indem durch unterschiedliche Fliehkr¨ afte eine Druckdifferenz zwischen Pumpen- und Turbinenseite zustande kommt. Dadurch wird das Betriebsfluid umgew¨alzt und ein Impulsaustausch zwischen den beiden Schaufelr¨adern erm¨oglicht; es wird also ein Moment hydrodynamisch u ¨bertragen. Abbildung 5.56 zeigt den Hochlauf der hydrodynamischen Kupplung, je gr¨oßer die Drehzahldifferenz zwischen Pumpe und Turbine ist, um so st¨ arker wird das Fluid umgew¨alzt. Stellt man sich vor, dass – wie in Abbildung 5.56.c skizziert – Pumpe und Turbine gleich schnell umlaufen und sich das Fluid quasi als starrer K¨orper dreht, so findet keine Bewegung des Fluids und demzufolge keine Momenten¨ ubertragung statt. Ausgedr¨ uckt wird die maßgebliche Differenzgeschwindigkeit durch den Schlupf Sw als bezogene Drehzahldifferenz. In Abbildung 5.55 ist die dimensionslose Kennlinie einer hydrodynamischen Kupplung dargestellt. Der Verlauf der Leistungsziffer λ – welche wesentlich das Leistungsaufnahmeverhalten17 eines Wandlers am Pumpenrad charakterisiert – als Funktion des Schlupfs Sw l¨ asst sich durch die konstruktive Gestaltung der Schaufelr¨ader und des Str¨ omungskreislaufes sowie durch eine Ver¨anderung des F¨ ullgrades beeinflussen. In Abbildung 5.57 wird die Abh¨angigkeit des u ¨bertragbaren Drehmoments einer hydrodynamischen Kupplung vom F¨ ullungsgrad gezeigt; man erkennt, dass bei stehendem Turbinenrad, nT = 0 bzw. 17
Zur Verwendung der Leistungsziffer vgl. (5.20).
332
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.57. Prinzipielle Abh¨ angigkeit des u ¨bertragbaren Kupplungsmoments einer hydrodynamischen Kupplung vom F¨ ullungsgrad f und dem Drehzahlverh¨ altnis vw
vw = 0, bei einer Reduktion der Kupplungsf¨ ullung von 100% auf 80% nur noch 40% des Drehmoments u ¨bertragbar sind. Der Trilok-Wandler Bei Kraftfahrzeugen hat sich der Trilok-Wandler als eine Weiterentwicklung des F¨ ottinger-Wandlers durchgesetzt. Wie schon erw¨ahnt ist der TrilokWandler mit einem Freilauf, auf den in Abschnitt 5.4.2 n¨aher eingegangen wird, ausgestattet. Der Trilok-Wandler, vgl. Abbildung 5.58, kann so die Vorteile der hydrodynamischen Kupplung und des F¨ ottinger-Wandlers kombinieren und so den abfallenden Zweig der parabelf¨ormigen Kurve des Wandlerwirkungsgrads nach Abbildung 5.54 vermeiden; der Trilok-Wandler schaltet am Kupplungspunkt vom F¨ ottinger-Prinzip zur hydrodynamischen Kupplung um. Das Leitrad kann sich u ¨ber den Freilauf mitdrehen, wenn es oberhalb des Kupplungspunkt kein Moment mehr abst¨ utzen muss. In der ersten Phase bis zum Kupplungspunkt K wirkt der Wandler: Wenn Momentengleichheit erreicht wird, TP = TT , l¨ost sich das Leitrad u ¨ber den Freilauf vom Geh¨ ause. Das Leitrad wird durch den Fl¨ ussigkeitsstrom mitgenommen und dreht sich in Freilaufrichtung mit; es nimmt keine Reaktionsmomente mehr auf. Ab dem Kupplungspunkt arbeitet der Trilok-Wandler somit wie eine hydrodynamische Kupplung und es ergibt sich die f¨ ur die Kupplungen typische Ursprungsgerade des Wirkungsgrads, die in Abbildung 5.55 dargestellt ist. Es findet somit keine Drehmomentwandlung mehr statt und der Wirkungsgrad steigt; die Berechnung von Wirkungsgrad, Leistungsziffer und Wandlung sowie die Abstimmung von Motor und Wandler auf das Fahrzeug
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
a)
333
b)
¨ Abb. 5.58. a) Trilok-Wandler mit Uberbr¨ uckungskupplung von MannesmannSachs, b) Hydrodynamischer Wandler von Porsche (Porsche Museum Stuttgart)
¨ werden in Abschnitt 5.5.2 besprochen. Der Ubergang des hydrodynamischen Verhaltens des Trilok-Wandlers zur Str¨ omungskupplung l¨asst sich in der schematischen Kennlinie in Abbildung 5.59 erkennen. Der Freilauf hat die Aufgabe, die kraftschl¨ ussige Verbindung des Leitrades mit dem Geh¨ause in einer Drehrichtung aufzuheben und reduziert die Verluste des Wandlers. Um die Verluste weiter zu vermindern, wird der Trilok¨ Wandler zus¨atzlich – wie in Abschnitt 5.5.3 besprochen – mit einer Uberbr¨ uckungskupplung ausgestattet, um die Verluste der hydrodynamischen Leistungs¨ ubertragung bei ann¨ ahernder Drehzahlgleichheit vw ≈ 1 zu vermeiden.
5.5.2 Auslegung des Wandlers Nun werden die Werkzeuge f¨ ur die Auswahl eines geeigneten Wandlers f¨ ur eine Fahrzeuganwendung besprochen; die Detailkonstruktion der str¨omungsf¨ uhrenden Geometrien, insbesondere die Gestaltung der Schaufeln, wird von F¨ orster [1991], [1996] besprochen und hier nicht behandelt. Grundlegende Beziehungen und Verh¨ altnisse Bei der hydrodynamischen Leistungs¨ ubertragung werden – entsprechend den Vorgehensweisen der Dimensionsanalyse in der Str¨omungslehre, vgl. Spurk &
334
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.59. Schematische Kennlinien eines Trilok-Wandlers
Aksel [2007] - dimensionslose Kenngr¨ oßen zur Beschreibung der Geometrie¨ und Str¨omungsverh¨ altnisse benutzt, welche den Ubertragungscharakter der hydrodynamischen Kupplung und des Wandlers beschreiben. Die Abh¨angigkeit µW = µ ˆW (vw ) in (5.10) charakterisiert das Drehmomentverhalten eines Wandlers auf der Abtriebseite. Bei hydrodynamischen Kupplungen gilt somit – wegen der Gleichheit von Turbinen- und Pumpenmoment, TT = TP – unter Vernachl¨ assigung von mechanischen Reibungsverlusten µk = 1 f¨ ur das Momentenverh¨ altnis. In Analogie zu (3.6) wird noch der Wirkungsgrad des Wandlers ηw bzw. einer hydrodynamischen Kupplungen ηk definiert, dazu werden die Leistungen an den Turbinen- und Pumpenwellen betrachtet und die zuvor getroffenen Definitionen der Kennziffern des Wandlers benutzt. Mit (5.8) und (5.10) erh¨ alt man aus (3.6) ηw = −
PT TT ω T =− = µW · vw PP TP ω P
und ηk =
PT = vw . PP
Gerade die Beziehung f¨ ur ηk ist hilfreich, um die Form der Wirkungsgradkennlinie der hydrodynamischen Kupplung in Abbildung 5.55 zu erkl¨aren und der Abfall des Wirkungsgrads im Bereich vw ≈ 1 l¨asst sich mit dem fehlenden Impulsaustausch bei n¨ aherungsweiser Drehzahlgleichheit von Pumpen- und Turbinenrad begr¨ unden. Im geschlossenen Kreislauf des Str¨ omungsgetriebes, vgl. Abbildung 5.60, ist der Massenstrom durch alle R¨ ader und Kan¨ ale konstant. Die Drehimpulserhaltung f¨ ur das station¨ ar rotierende System des Str¨omungsgetriebes liefert dann bei Anwendung auf den Str¨ omungskreislauf TP + T T + TR = 0 . Das an einem Schaufelrad – Pumpen-, Leit- oder Turbinenrad – wirksame Drehmoment TSR l¨ asst sich nach der Euler’schen Turbinengleichung bestim-
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
335
Abb. 5.60. Radienverh¨ altnisse und schematischer Kreislauf eines F¨ ottingerWandlers. P Pumpenrad, T Turbinenrad, R Leitrad, D gr¨ oßter Kreislaufdurchmesser, M mittlerer Stromfaden. P1 Pumpeneintritt; P2 Pumpenradaustritt, T1 Turbineneintritt, T2 Turbinenaustritt, R1 Leitradeintritt, R2 Leitradaustritt, RP1/2 Radien am Pumpenein- und Austritt; RT1/2 Radien am Turbinenein- und Austritt; RR1/2 Radien am Leitradein- und Austritt
men, man verdeutliche sich die Zusammenh¨ ange an Hand von Abbildung 5.60. Nach der Stromfadentheorie, vgl. Spurk & Aksel [2007], gilt vereinfacht TSR = m ˙ · ∆(r cu ) = m ˙ · (rA cu,A − rE cu,E ) , dabei bezeichnen m ˙ den Massenstrom, rA und rE die Wirkradien am Ein- bzw. Austritt der Schaufeln und cu die Umfangskomponente der Absolutgeschwindigkeit c des Fluids. Die Drehimpulsdifferenz zwischen Ein- und Austritt der Schaufel wird als ∆(r cu ) bezeichnet. Die Leistung am Schaufelrad ergibt sich mit der Winkelgeschwindigkeit ω des Schaufelrades zu P = TSR · ω. Da es sich um ein abgeschlossenes System handelt, bei dem der Fluidstrom nacheinander alle R¨ ader durchl¨ auft und somit l¨angs des mittleren Stromfadens M, vgl. Abbildung 5.60, u m ˙ vorliegt, ¨berall der gleiche Massenstrom P kann man die Drehimpulsbilanz symbolisch schreiben als ∆(r cu ) = 0. Mit der Leistung eines Rads folgt aus der Tatsache, dass das Leitrad feststeht, PR = 0, die Leistungsbilanz X X P = PP + PT − Pv . (5.11) P Die beiden Gleichungen ∆(r cu ) = 0 und (5.11) weisen darauf hin, dass das Betriebsverhalten eines Str¨ omungskreislaufes nicht durch ein Schaufelrad alleine, sondern erst durch das Zusammenwirken aller P R¨ader im Kreislauf bestimmt wird. Die Summe der Leistungsverluste Pv setzt sich aus Stoß-,
336
5 Komponenten automatischer Getriebe
Reibungs-, Ventilations-Pund Spaltverlusten zusammen und verschlechtert die Leistungsbilanz (5.11), Pv > 0; die Verluste werden irreversibel als W¨arme abgef¨ uhrt, dominant sind Reibungs- und Stoßverluste; aufgrund der in Abschnitt 3.1.1 getroffenen Vorzeichenfestlegung ist PP > 0 und PT < 0. Bei der Durchstr¨ omung des Wandlers entstehen Reibungsverluste an den benetzten Fl¨achen der Schaufelr¨ ader und des Geh¨auses. Durch die Relativgeschwindigkeit w zwischen der Str¨ omung und den Kanalw¨anden entsteht Reibung, die sich durch die Schubspannung τw zwischen den relativ zueinander bewegten K¨orpern beschreiben l¨ asst, τw = ψ ·
ρ2Ol ¨ 2
· w2 ,
dabei ist ψ ein Widerstandsbeiwert, i.d.R. ist 0, 015 ≤ ψ ≤ 0, 03. Mit Umfang U , L¨ange L und Querschnitt A des durchstr¨omten Kanals kann man den Druckverlust l¨angs des Kanals ∆pf entsprechend der Stromfadentheorie – man fomuliere das mechanische Gleichgewicht an einem station¨ar durchstr¨omten Kanalsegment – angeben zu ∆pf = ψ · L ·
2 U ρOl ¨ · · w2 > 0 , A 2
(5.12)
Die Kanaldimensionen L, A und U und der Widerstandsbeiwert ψ werden i.d.R. zu einem dimensionslosen Reibfaktor fw = ψ · L · U/A zusammengefasst; da fw die Kanalform ber¨ ucksichtigt, ist die Gr¨oße des Reibfaktors f¨ ur verschiedene Wandlerkonfigurationen selbst bei gleichen Widerstandsbeiwert ψ sehr verschieden, nach F¨ orster [1991] schwankt dann der Reibfaktor im Bereich 0, 07 ≤ fw ≤ 0, 3. Mit dem Druckverlust durch Reibung nach (5.12) wird die zugeordnete Verlustleistung Pv,f mit dem Volumenstrom V˙ > 0 zu Pv,f = V˙ · ∆pf . Neben den Reibungsverlusten treten Stoßverluste durch unpassende Schaufelanstr¨omungen auf. Wenn ein Massenstrom beim Eintritt in einen Schaufelkanal aufgrund der Schaufelgeometrie seine Stromrichtung ¨andern muss, ergibt sich daraus ein Druckverlust ∆ps , der umso gr¨oßer ist, je st¨arker die Richtungs¨anderung ist. Die Gr¨ oße der Richtungs¨ anderung wird durch den Vektor der Stoßgeschwindigkeit cs definiert, der notwendig ist, um den Geschwindigkeitsvektor des einstr¨ omenden Fluids c0 in Kanalrichtung c1 umzulenken, vgl. Abbildung 5.61. Die H¨ ohe des Druckverlustes durch den Eintrittsstoß ∆ps h¨angt auch von der Form der Eintrittskante der Schaufeln ab. Dieser Formeinfluss wird in einem dimensionslosen Faktor ss erfasst, die Verlustleistung durch den Eintrittsstoß Pv,s l¨ asst sich dann nach der VDI-Richtlinie 2153 u ¨ber den sich einstellenden Druckverlust berechnen, ∆ps = ss ·
ρ2Ol ¨ 2
· c2s > 0
;
Pv,s = V˙ · ∆ps .
(5.13)
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
337
Abb. 5.61. Str¨ omumgskreislauf im Wandler mit Str¨ omungsgeschwindigkeiten bei stoßfreier Str¨ omung (Aus Lechner & Naunheimer [1994])
Im Bestpunkt M der Wandlerkennlinie, vgl. Abbildung 5.54, kann das Fluid beim Austritt aus der einen Schaufel tangential in die n¨achste Schaufel innerhalb der Kette Pumpe–Turbine–Leitrad, vgl. Abbildung 5.61, einlaufen; die Stoßverluste werden minimiert. Ob die rechnerische Erfassung der u ¨brigen Verluste die Genauigkeit der Berechnung des Wandlers nennenswert beeinflussen kann, muss im Einzelfall entschieden werden. Meistens gen¨ ugt eine Anpassung der Verlustfaktoren von Reibung fw und Stoß ss an den vorlie¨ genden Wandlertyp, um eine gute Ubereinstimmung zwischen Rechnung und Messung zu erlangen. Anmerkung 5.11 Um die Geschwindigkeits- und Stoßverh¨altnisse innerhalb des Wandlers zu verdeutlichen, sind in Abbildung 5.61 rechts die Absolutund Relativgeschwindigkeiten der Fluidpartikel f¨ ur einen “Rundlauf” PumpeTurbine-Leitrad angetragen. Da sich Pumpe und Turbine mit im Allgemeinen unterschiedlichen Winkelgeschwindigkeiten drehen, a¨ndern sich bei gleichblei¨ bender Absolutgeschwindigkeit c die Relativgeschwindigkeiten w beim Ubertritt des Fluids von einem Schaufelrad ins n¨ achste, die Differenzen sind jeweils durch die Umfangsgeschwindigkeiten u von Pumpe bzw. Turbine gegeben. Vektorielle Addition bzw. Subtraktion ergibt dann die verschiedenen Relativgeschwindigkeiten. Bei anderen Betriebspunkten als im Bestpunkt der Wandlerkennlinie wird das Verst¨ andnis der Geschwindigkeiten durch die Umlenkungen und St¨ oße komplizierter. 2 ¨ Ahnlichkeitsbeziehungen Der Betriebszustand eines Wandlers oder einer Kupplung wird bei sonst konstanten Randbedingungen durch das Drehzahlverh¨altnis (5.8) als charakteristische Bezugsgr¨oße eindeutig bestimmt. Bei gleichem Drehzahlverh¨altnis vw
338
5 Komponenten automatischer Getriebe
bilden sich im Kreislauf des Wandlers auch bei anderen Absolutdrehzahlen ande aus. Das Verh¨ altnis der Str¨omungsgeschwindig¨ahnliche Str¨omungszust¨ keit ist dabei konstant, das Str¨ omungsfeld l¨ asst sich bei gleichem Drehzahlverh¨altnis zwischen geometrisch ¨ ahnlichen Wandlern u ¨bertragen; bei geometrisch ¨ahnlichen Wandlern lassen sich alle str¨ omungsf¨ uhrenden Maße mit ei¨ nem einfachen Skalierungsfaktor ineinander u uhren. Diese Ahnlichkeitsbe¨berf¨ ziehungen nutzend werden Wandler nach hydraulischen Modellgesetzen unter ¨ Zuhilfenahme experimenteller Kennwerte ausgelegt. Mit Hilfe der Ahnlichkeitsbeziehungen lassen sich die Versuchswerte auf die Betriebsgr¨oßen geometrisch ¨ahnlicher Ausf¨ uhrungen bei ver¨ anderten Eingangsdrehzahlen und bei Betrieb mit Fl¨ ussigkeiten anderer Dichte und Viskosit¨at u ¨bertragen, Lechner & Naunheimer [1994] diskutieren die notwendigen Anforderungen. Nach der VDI-Richtlinie 2153 sind gem¨ aß den Gesetzen der Str¨omungsmechanik geometrisch ¨ ahnliche Betriebspunkte bei unterschiedlichen Gr¨oßen- und Eingangsbedingungen durch ein gleiches Verh¨ altnis der Druckkr¨afte zu den ¨ kinetischen Kr¨aften gekennzeichnet. Diese Ahnlichkeit wird durch eine konstante Euler-Zahl Eu ausgedr¨ uckt, die definiert ist als Eu =
∆p . ρ c2
(5.14)
¨ Diese Ahnlichkeitsbeziehung ist nach der VDI-Richtlinie 2153 bei Str¨omungsmaschinen vorherrschend. In den Druckverlust ∆p in (5.14) gehen streng genommen neben den beiden Anteilen der Reibungs- und Stoßverlust, (5.12) und (5.13), auch noch die Ventilations- und Spaltverluste mit ein; in der Praxis bleibt die Auswertung jedoch auf die prinzipiellen Abh¨angigkeiten der beiden dominierenden Beitr¨ age aus Fluidreibung und Umlenkstoß beschr¨ankt. Der ¨ Einfluss der durch die Viskosit¨ at mitbestimmten hydraulischen Ahnlichkeit, 18 die durch die Reynolds-Zahl Re ausgedr¨ uckt wird, bleibt dem gegen¨ uber auf den Wirkungsgrad beschr¨ ankt. Der Wandlerwirkungsgrad ηw l¨ asst sich mit Hilfe der auf die Pumpenleistung PP bezogenen Verluste, die in Abschnitt 5.5.2 besprochen wurden, berechnen bzw. absch¨atzen. Das Verh¨ altnis der Str¨ omungsverluste durch Wand- bzw. Schichtreibung wird bei ver¨ anderten Str¨ omungsgr¨oßen durch die “hydrauli¨ sche” Ahnlichkeit mit Hilfe der Reynolds-Zahl beschrieben, die das Verh¨altnis von Tr¨agheits- zu Z¨ ahigkeitskr¨ aften f¨ ur das Fluid bzw. die durchstr¨omte Geometrie charakterisiert. F¨ ur den Wandler kann die Reynolds-Zahl als Re =
(ωP D) D νFluid
(5.15)
definiert werden; dabei ist der Ausdruck (ωP D) die f¨ ur die Str¨omung durch das Pumpenrad der Gr¨ oße D bei der Pumpenraddrehzahl ωP charakteristische 18
Benannt nach Osborne Reynolds (1842–1912), einem englischen Physiker. Reynolds war als Mathematiker bis 1905 Professor f¨ ur “Engineering” in Manchester, 1877 wurde er Mitglied der Royal Society.
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
339
Geschwindigkeit und νFluid ist die kinematische Viskosit¨at des Wandlerfluids. Die Str¨omungsverh¨ altnisse zweier Wandler mit unterschiedlichem Durchmesser sind ¨ahnlich, wenn deren str¨ omungsf¨ uhrende Konturen geometrisch ¨ahnlich sind und die gebildeten Reynolds-Zahlen u ¨bereinstimmen. Bei Ver¨anderung der Betriebsgr¨oßen k¨ onnen, wie man durch Vergleich von (5.14) und (5.15) erkennt, die beiden dimensionslosen Gr¨ oßen Re und Eu nicht gleichzeitig konstant gehalten werden. Mit (5.12) und (5.13) lassen sich aus (5.14) und (5.15) die Abh¨angigkeiten ∂Re '0 , ∂vw
∂Re ∝D ∂D
,
∂Eu ∝ vw ∂vw
und
∂Eu '0 ∂D
absch¨atzen und man erkennt, dass sich – wie am Beispiel des Drehzahlverh¨altnis vw und des maßgeblichen Durchmesser D gezeigt – die beiden Kenngr¨oßen Eu und Re partiell unabh¨ angig voneinander einstellen lassen. Das bedeutet aber, dass bei einer Optimierung alleine der Wandlergr¨oße zwischen Wirkungsgrad und Wandlung als Prim¨ arziel entschieden werden muss. Will man bei ¨ahnlichen Wandlern bleiben, so kann man nur ein Kriterium optimieren, zumal auch das Drehzahlverh¨ altnis vom Betriebszustand abh¨angt und nur bedingt konstruktiv beeinflussbar ist. R¨ uckblickend bedeutet dies f¨ ur die 7G-Tronic, vgl. Abschnitt 2.7.3, dass mit der gr¨ oßeren Spreizung des Planetensatzes ein kleinerer Wandler erm¨ oglicht wurde, der nicht nur weniger Bauraum beansprucht sondern auch Potentiale f¨ ur die Wirkungsgradoptimierung bietet. Bei einer Vergr¨oßerung der Abmessungen, einer Steigerung der Pumpendrehzahl oder einer Verringerung der Viskosit¨at des Wandlerfluids steigt die ¨ Reynolds-Zahl an; gleichzeitig erh¨ oht sich der Ubertragungswirkungsgrad ηw des Wandlers, da sich die bezogenen Str¨ omungsverluste verringern. Allgemein kann man diese Abh¨ angigkeit zwischen Reynolds-Zahl und Wirkungsgrad nach der VDI-Richtlinie 2153 formulieren als α 1 (1 − ηW ) ∝ . (5.16) Re Der Einfluss der einzelnen in der Reynolds-Zahl nach (5.15) zusammengefassten Faktoren auf die Wirkungsgrad¨ anderung ist dabei wegen der unterschiedlichen Exponenten in (5.15) bzw. (5.16) verschieden voneinander. Erfahrungswerte f¨ ur den Exponenten α liegen im Bereich α = 0, 1 . . . 0, 3, mit gr¨oßeren Exponenten nimmt der Wirkungsgrad bei wachsenden ReynoldsZahlen nach (5.16) schneller zu; gr¨ oßere Reynolds-Zahlen erfordern gr¨oßere Drehzahlen oder charakteristische Abmessungen des Wandlers. Leistungsaufnahme des Wandlers Um einen Wandler f¨ ur konkrete Anwendungen dimensionieren – d.h. aus einer gegebenen Baureihe a ¨hnlicher Wandler mit gleicher Euler-Zahl den
340
5 Komponenten automatischer Getriebe
richtigen ausw¨ahlen – zu k¨ onnen, ist nun das vom Pumpenrad aufnehmbare Moment bzw. die dem Pumpenrad zuf¨ uhrbare Leistung zu quantifizieren. Dazu m¨ ussen die zur Berechnung der Euler-Zahl nach (5.14) notwendigen Gr¨oßen in Abh¨angigkeit vom Bezugsdurchmesser19 des Wandlers D, vgl. Abbildung 5.60, und der Winkelgeschwindigkeit ω ausgedr¨ uckt werden. Zun¨achst gilt f¨ ur die geometrischen Gr¨ oßen und die Geschwindigkeiten Abmessungen L∝D Fl¨ achen A ∝ D2 Geschwindigkeiten c ∝ w ∝ u ∝ ω · D .
(5.17)
H¨alt man nun f¨ ur einen gegebenen Wandler unter der Annahme geometrisch ur ¨ahnlicher Str¨omungen die Euler-Zahl konstant, Eu =konstant, so folgt f¨ die Druckdifferenz l¨ angs eines St¨ ucks der Mittellinie M, vgl. Abbildung 5.60, ∆p ∝ ρc2 ∝ ρ · D2 · ω 2 . R Aus der Definition der Kraft20 als Fl¨ achenintegral der Druckes F = ∆p dA folgt f¨ ur die Str¨omungskraft Fh , die man sich vorstellen kann als die Resultierende des Str¨omungsdrucks auf einen Kontrollschnitt normal zu Mittellinie M, die Abh¨angigkeit Fh ∝ ∆p · A ∝ ρ · D4 · ω 2 .
(5.18)
Aus der Kontinuit¨ atsgleichung f¨ ur inkompressible Fluide, vgl. Spurk & Aksel [2007], die man vereinfacht f¨ ur den durchstr¨omten Kanal als V˙ = c · A schreiben kann, ergeben sich die Proportionalit¨aten f¨ ur den Volumenstrom V˙ und den Massenstrom m ˙ V˙ ∝ D3 · ω
und m ˙ = ρ · V˙ ∝ ρ · D3 · ω .
Das von der Str¨omungskraft auf ein Schaufelrad ausge¨ ubte hydraulische Moment Th gehorcht mit (5.17) und (5.18) der Beziehung T h ∝ Fh · D ∝ ρ · D 5 · ω 2 .
(5.19)
Mit den abgeleiteten Beziehungen, erweitert um eine Leistungszahl λ, die die ¨ Str¨omungsverh¨altnisse erfasst, ergibt sich nun das Ahnlichkeitsgesetz f¨ ur die Drehmomentaufnahme des Pumpenrades aus (5.19), 5 2 TP = λ · ρOl ¨ · D · ωP
(5.20)
und analog f¨ ur die Leistungsaufnahme am Pumpenrad 19
20
I.d.R. wird der ¨ außere Durchmesser der str¨ omungsf¨ uhrenden Geometrie des Pumpenrades, vgl. Abbildung 5.60, als Bezugsdurchmesser verwendet. Streng genommen ist die Str¨ omungskraft Fh damit eine Differenzkraft; der mittlere Druck im Wandlerfluid z.B. infolge der Zentrifugalkr¨ afte tr¨ agt nicht zur Momenten¨ ubertragung bei und geht daher auch nicht in die Str¨ omungskraft ein.
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
341
Abb. 5.62. Wandlerversuchsdiagramm bei einer Pumpendrehzahl nP = 2000 u/min 5 3 PP = λ · ρOl ¨ · D · ωp .
Die Leistungszahl λ ist eine dimensionslose Gr¨oße, die f¨ ur eine gegebene Ausf¨ uhrung und Bauart eines Wandlers kennzeichnend ist; dabei ist λ > 0 eine ˆ w ) und charakterisiert wesentlich Funktion des Drehzahlverh¨ altnisses λ = λ(v das Drehmoment- bzw. das Leistungsaufnahmeverhalten eines Wandlers. Sie kann somit zum Vergleich verschiedener Wandler herangezogen werden. Mit (5.10) und (5.20) steht dann auch das Turbinenmoment zur Verf¨ ugung, um Motor, Getriebe, Fahrzeug und Wandler aufeinander abzustimmen. Abstimmung von Wandler und Motor Beim hydrodynamischen Wandler ist die Abstimmung von Motor und Wandler aufeinander schwieriger und wichtiger als bei der Reibkupplung, vgl. Abschnitt 4.1. Sind – sehr makroskopisch – bei der Reibkupplung als Anfahrelement Kriterien wie die Verbrennsicherheit, eine maximale Rutschzeit, das station¨ar u ¨bertragbare Reibmoment, vgl. z.B. (4.5) und (4.10), sowie die maximale Fl¨achenpressung f¨ ur die Erstauswahl einer Kupplung ausreichend, so muss der Wandler aufgrund seines Eigenverhaltens genau auf den Motor abgestimmt werden. Sehr detailliert und zum großen Teil losgel¨ost vom Fahrzeug wird diese Abstimmung bei F¨ orster [1996] beschrieben, Lechner & Naunheimer [1994] gibt einen Ablaufplan f¨ ur einen Handrechenalgorithmus an. Hier sollen die Eckpunkte der Auslegung der Wandlergr¨oße erl¨autert und Hinweise zur Detailabstimmung gegeben werden. Kernpunkt der Abstimmung von Wandler und Motor ist die Bestimmung des Zugkraftdiagramms eines Antriebes, dabei werden – von Hand oder mit einer entsprechenden Software – Motor- und Wandlerkennlinien miteinander
342
5 Komponenten automatischer Getriebe
verkn¨ upft. F¨ ur die Hintereinanderschaltung von Motor und Wandler entsprechend Abbildung 2.34 wird die vom Motor am Kurbelwellenflansch bei der Drehzahl nmot abgegebene Leistung Pmot vom Pumpenrad des Wandlers aufgenommen, es gilt also zun¨ achst nmot = nP
,
Tmot + TP = 0
und Pmot + PP = 0 .
(5.21)
Im Wandlerversuchsdiagramm, das experimentell f¨ ur eine Baureihe ¨ahnlicher Wandler ermittelt wird, vgl. Abbildung 5.62, wird u ¨ber dem Drehzahlverh¨altnis vw das bei konstanter Pumpendrehzahl nPv gemessene Pumpenmoment Tp und die zugeh¨ orige Drehmomentwandlung µW nach (5.10) aufgetragen; der zus¨atzlich nachgestellte Index v kennzeichnet die Versuchsergebnisse. Gemessen wird die Leistungsaufnahme und -abgabe, d.h. Turbinendrehzahl und -moment, und die Wandlung als dimensionsloses Abtriebsmoment wird er¨ ausgedr¨ uckt durch die Euler-Zahl Eu rechnet. Die Ahnlichkeitsbeziehungen, nach (5.14) und die Reynbolds-Zahl Re nach (5.15) k¨onnen dabei genutzt werden, um den experimentellen Aufwand zu begrenzen. Auf der Abszisse des Versuchsdiagramms werden einige Drehzahlverh¨altnisse vwv gew¨ahlt und die zugeh¨ origen Wandlungsfaktoren µwv und Pumpenmomente TPv abgelesen. Gleichung (5.20) kann zur Berechnung des Pumpenmoments herangezogen werden, dabei wird zur Vereinfachung der Abstimmungsrechnung eine Hilfsgr¨ oße k(vw ) eingef¨ uhrt, die die Steigung der Wandlerparabeln, d.h. des Pumpenmoments u ¨ber der Pumpendrehzahl, beschreibt. Aus (5.20) erh¨alt man dann def.
5 2 2 TP = λ · ρOl ¨ · D · ωP = k(vw ) · nP .
(5.22)
Die noch unbekannte, vom Drehzahlverh¨ altnis vw abh¨angige Leistungziffer λ und die Dichte des Wandlerfluids werden ebenfalls durch die Hilfsgr¨oße k(vw ) erfasst. So kann man mit den abgelesenen Werten f¨ ur die Pumpenmomente TPv die Hilfsfaktoren k(vw ) bei den Drehzahlverh¨altnissen vwv berechnen als k(vw ) = TPv /n2Pv ,
(5.23)
man beachte dabei, dass die Pumpendrehzahl nPv zur Ermittlung des gesamten Versuchsdiagramms Abbildung 5.62 genutzt wurde. Tr¨agt man die Pumpenmomente nach (5.22) u ur die verschiedenen ¨ber der Pumpendrehzahl f¨ Drehzahlverh¨altnisse auf, so gelangt man mit den Voll- und Teillastkennlinien des Verbrennungsmotors zum Prim¨ arkennfeld des Wandlers, das in Abbildung 5.63 qualitativ gezeigt ist. Man erkennt die typische Parabelform, die Hilfsgr¨oßen k(vw ) nach (5.23) transportieren die experimentellen Befunde des Versuchsdiagramms in die Auslegungsrechnung. An den Schnittpunkten der Motorkennlinie mit den Pumpenparabeln herrscht nun Gleichgewicht zwischen dem vom Verbrennungsmotor bereitgestellten Moment und dem aufnehmbaren Pumpenmoment, vgl. (5.21); die Punkte stellen m¨ogliche Betriebspunkte des Systems Motor-Wandler dar. Rechnet man
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
343
Abb. 5.63. Prim¨ arkennfeld: Motorkennfeld bei Teil- und Volllast und Wandlerkennfeld bei verschiedenen Drehzahlverh¨ altnissen
u altnis (5.8) die Turbinendrehzahl nT aus ¨ber die Definition des Drehzahlverh¨ und mit der Definition der Wandlung (5.10) das Turbinenmoment, so gelangt man zum Sekund¨ arkennfeld des Systems, das oft auch als Turbinenkennfeld bezeichnet wird. Aufgetragen wird wie in Abbildung 5.64 das verf¨ ugbare Turbinenmoment u ¨ber der Turbinendrehzahl, d.h. das Motor- bzw. Pumpenmoment an einem der Schnittpunkte der Kennlinien des Prim¨arkennfeldes multipliziert mit der gemessenen Wandlung beim entsprechenden Drehzahlverh¨altnis u ¨ber der Pumpendrehzahl multipliziert mit dem Drehzahlverh¨altnis. Die Gr¨oßen nT und TT sind jeweils direkt proportional zur Fahrzeuggeschwindigkeit bei aktivem Wandler und der am Rad verf¨ ugbaren Zugkraft. Man erkennt in Abbildung 5.64 am Verlauf des Turbinenmomentes gut die Anfahrwandlung, die im Vergleich zum Motormoment zu einer erheblichen Steigerung der verf¨ ugbaren Beschleunigungsmomente f¨ uhrt. Ferner ist am Knick in der Verlustleistungskurve der Kupplungspunkt des Trilokwandlers ablesbar, an dem die parabelf¨ ormige Wandlerwirkungsgradkennlinie wieder in die ansteigende Kennlinie der hydrodynamischen Kupplung, vgl. auch Abbildung 5.59, u ¨bergeht. ¨ Mit dem Turbinenkennfeld ist nun eine erste Uberpr¨ ufung der zu erwarten¨ den Fahrleistungen des Fahrzeugs m¨ oglich, bei bekannten Ubersetzungen von Planetensatz und Achse lassen sich die erzielbaren Beschleunigungswerte ermitteln. F¨ ur die Berechnung von H¨ ochstgeschwindigkeit und Zugkraftreserve bei mittleren und h¨ oheren Fahrzeuggeschwindigkeiten ist die Kenntnis des Wandlerverhaltens nicht notwendig, da in diesen Fahrzust¨anden ohnehin die
344
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.64. Sekund¨ arkennfeld: Motorkennlinie, Motordrehzahl nmot , Verlustleistung PV , Wandlerwirkungsgrad ηw und Turbinenmoment TT u ¨ber der Turbinendrehzahl (Quelle: ZF-Sachs)
¨ Uberbr¨ uckungskupplung geschlossen und der Wandler aus dem Leistungsfluss herausgenommen ist. F¨ ur die erste Auswahl eines geeigneten Wandlers f¨ ur ein Fahrzeug kann aus (5.20) der erforderliche Wandlerdurchmesser abgesch¨atzt werden, dabei kann man den Nennleistungspunkt des Verbrennungsmotors (nnenn , Tnenn ) f¨ ur die Auslegung heranziehen oder den Betriebspunkt mit dem maximalen Motormoment (n(Tmax ), Tmax ), vgl. Abbildung 3.9, s Tmot D= 5 . (5.24) 2 λ ρOl ¨ ωmot Beide Absch¨atzungen k¨ onnen – einen festen Wandlertyp als Vorauswahl mit bekannter mittlerer Leistungsziffer vorausgesetzt – zur Identifikation eines m¨oglichen Typs aus einer Baureihe genutzt werden. Die Absch¨atzung nach (5.24) mit dem maximalen Moment liefert etwas gr¨oßere Werte f¨ ur den erforderlichen Wandlerdurchmesser. Auslegungsaufgabe 5.2 Wandlerauslegung F¨ ur ein Nutzfahrzeug soll ein Stufenautomatikgetriebe hinsichtlich der verf¨ ugbaren Zugkraft bewertet werden. Dazu ist in Abbildung 5.65 die Volllastkennlinie eines Nutzfahrzeugmotors und dessen Leistungscharakteristik gezeigt, in Abbildung 5.66 ist das Wandlerversuchskennfeld gezeigt. Folgende Fragen sollen bearbeitet werden: • Erstellung des Prim¨ arkennfelds f¨ ur die Motor-Wandlerkombination, • Ableitung des Sekund¨ arkennfeldes, • und Darstellung der verf¨ ugbaren Zugkraft in der ersten und zweiten Fahrstufe mit i1 = 4, 4, i2 = 3, 7 und iAchs = 4, 1 bei einem Reifendurchmesser
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
345
Abb. 5.65. Momentenkennlinie eines Nutzfahrzeugmotors bei Volllast und Leistungskennlinie
Abb. 5.66. Versuchskennfeld eines Nutzfahrzeug-Wandlers mit D = 370 mm Durchmesser bei nPv = 1600 u/min (Aus Lechner & Naunheimer [1994])
Ddyn = 0, 85 m und einem Wirkungsgrad von Planetenstufen und Achsantrieb ηges = 0, 94. Der Wandler wird weder in der ersten noch in der zweiten Fahrstufe u ¨berbr¨ uckt, der Kupplungspunkt K des Wandlers liegt beim Drehzahlverh¨altnis vw = 0, 88. ♠ Zwei Kriterien sind an Hand des Turbinenkennfeldes nach der Vorauslegung zu u ufen, um ein komfortables Zusammenspiel zwischen Motor und Wand¨berpr¨
346
5 Komponenten automatischer Getriebe
ler sicherzustellen. Zum einen darf der Wandler den Motor nicht abw¨ urgen, d.h. das bei Leerlaufdrehzahl und stehendem Turbinenrad wirkende Pumpenmoment muss kleiner sein als das Motorleerlaufmoment; ist das Pumpenmoment gr¨oßer als das Motormoment, bremst der Wandler den Motor und w¨ urgt ihn ab. Der zweite Punkt ist, dass der Motor nicht u ¨berdrehen darf, d.h. der Wandler muss bei hohen Drehzahlen mehr Pumpenmoment aufbauen als der Verbrennungsmotor liefert, um hier nun gezielt den Motor zu begrenzen und ggf. die Selbstabriegelung des Motors zu unterst¨ utzen. F¨ uhrt man den Wandler kleiner aus, als es die Absch¨atzung (5.24) vorsieht, so nimmt das aufnehmbare Pumpenmoment nach (5.22) ab und die Wandlerparabeln im Prim¨ arkennfeld verlaufen flacher; man spricht von einem weichen Wandler, die m¨ oglichen Betriebspunkte im Sekund¨arkennfeld liegen bei h¨oheren Drehzahlen. Nach Lechner & Naunheimer [1994] f¨ uhrt ein weich ausgelegter Wandler tendenziell zu einem leicht h¨oheren Kraftstoffverbrauch bei Betrieb ohne Wandler¨ uberbr¨ uckung. Wird hingegen der Wandler gr¨oßer gew¨ahlt als errechnet, so nimmt das aufnehmbare Pumpenmoment rasch zu, bei einer 5%-igen Vergr¨ oßerung des Wandlers nimmt das Pumpenmoment durch die f¨ unfte Potenz des Durchmessers in (5.22) bereits um etwa 28% zu. Durch die h¨oheren aufnehmbaren Momente verschieben sich die Betriebspunkte des harten Wandlers in Richtung niedriger Motordrehzahlen, die Wandlerparabeln laufen steiler. Ob der Wandler weich oder hart ausgelegt ist, hat auch Einfluss auf die Festbremsdrehzahl, die meistens als Stall Speed bezeichnet wird und deren experimentelle Ermittlung nachfolgend beschrieben ist; bei weichem Wandler steigt die Festbremsdrehzahl etwas an. Diese charakteristische Drehzahl des Triebstrangs ist vom Verlauf der Momentenkennlinie des Motors abh¨angig; zwei verschiedene Motoren mit demselben Wandler weisen daher im Allgemeinen verschiedene Festbremsdrehzahlen auf. Bei der Festbremsdrehzahl ist das am Pumpenrad wirkende Moment gleich dem abgegebenen Motormoment, ein weiteres Ansteigen der Motordrehzahl ist wegen TP ∝ n2mot , vgl. (5.22), nicht m¨oglich; man beachte, dass infolge der bet¨atigten Fahrzeugbremse das Turbinenrad steht, vw = 0. Bei defektem Wandler – z.B. bei einem defekten Leitradfreilauf oder eine defekten Bremse oder Kupplung in der Anfahrfahrstufe – steigt die Festbremsdrehzahl an, deshalb wird die stall speed oft bestimmt, wenn trotz richtiger Motoreinstellung die normale H¨ ochstgeschwindigkeit oder Beschleunigung eines Fahrzeugs nicht erreicht werden. Der Test ist denkbar einfach und besteht in der Erfassung der maximalen Motordrehzahl – der Festbremsdrehzahl – bei Kick-down und getretener Fußbremse im Kurzzeitversuch; zum Schutz ¨ vor thermischer Uberlastung darf der Test nicht l¨anger als 5 Sekunden dauern, denn die gesamte vom Motor abgegebene mechanische Leistung wird in W¨arme umgewandelt. Der Triebstrang vom Turbinenrad des Wandlers bis zu den Bremsen wird mit dem maximalen Anfahrmoment belastet, das sich aus dem Turbinenmoment bei der Festbremsdrehzahl, der Anfahrwandlung und
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
347
¨ den mechanischen Ubersetzungen von Planetensatz und Achsantrieb ergibt. Zur Reduktion des Kraftstoffverbrauchs bei Leerlaufdrehzahl und Fahrzeugstillstand wird bei eingelegter Fahrposition “D” bei modernen Fahrzeuggetrieben die Standabkopplung aktiviert. Auch im Stillstand des Fahrzeugs u ¨bertr¨agt der Wandler wegen des stehenden Abtriebs, SW = 100% bzw. vw = 0, das Anfahrmoment bei Leerlaufdrehzahl an die Getriebeeingangswelle und nimmt Leistung auf, die aber im Stillstand vollst¨andig in W¨arme umgesetzt wird; bei nicht bet¨ atigter Bremse f¨ uhrt dies zum Kriechen des Fahrzeugs. Neben dem h¨oheren Kraftstoffverbrauch zum Anpassen des Leerlaufmomentes u ¨ber die Drosselklappenstellung des Motors bei konstant gehaltener Leerlaufdrehzahl stellt auch die h¨ ohere Pedalkraft zum Halten des Fahrzeugs – z.B. beim Stehen an einer Ampel – eine leichte Komfortminderung dar. Die Funktion der Standabkoppelung wird durch die Regelung der Schaltelemente realisiert; in der ersten Fahrstufe wird im Stillstand ein Schaltelement, das im ersten Gang Leistung f¨ uhrt, leicht ge¨ offnet; die Standabkoppelung bedeutet somit die Reduzierung der Motorleistung bei Fahrzeugstillstand und eingelegter Fahrposition “D” durch Trennung des Kraftschlusses. Die Regelung der Standabkoppelung erfolgt durch die Berechnung des Wandlermoments aus Motordrehzahl und Turbinendrehzahl, zus¨atzlich werden Steigungs¨ winkel und ATF-Oltemperatur mit einbezogen. Die Standabkopplung ist bei ¨ der Familie der 6-Gang Stufenautomaten von ZF durch ein Offnen der Kupplung K2, vgl. Abschnitt 5.6.5 ab Seite 390 dargestellt, die Regelung greift nur im ersten Gang f¨ ur ATF-Temperaturen im Bereich von 13 bis 120◦ C, vgl. ZF [2002]. 5.5.3 Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung Die hydrodynamische Leistungs¨ ubertragung im Wandler erfordert – wie am Anfang dieses Abschnitts erl¨ autert – Schlupf zwischen Pumpen- und Turbinenrad. Dieser Schlupf bedeutet einen Leistungsverlust und dadurch einen leicht erh¨ohten Kraftstoffverbrauch und CO2 -Ausstoß. Bei modernen Fahrzeugen ist das Ziel, einen niedrigen Kraftstoffverbrauch zu erreichen, hoch angesetzt; um dieses Ziel zu erf¨ ullen, wird in modernen Automatikgetrieben – wie in Zusammenhang mit Abbildung 5.49 diskutiert – der Wandler mit einer ¨ Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung (WUK) ausgestattet. Abbildung 5.67 zeigt einen Schnitt durch den Wandler des ZF-Getriebes 6HP26 mit einer hydrau¨ lisch ge¨offneten Uberbr¨ uckungskupplung, die Pumpen- und Turbinenrad mit¨ tels Reibschluss miteinander verbindet. Sie wird u aktiviert und ¨ber Oldruck von der TCU gesteuert. Die Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung eliminiert somit u ubert¨ber den Kraftschluss den Schlupf im Wandler; die Art der Leistungs¨ ¨ ragung wechselt beim Schließen der Uberbr¨ uckungskupplung von hydrodynamisch auf kraftschl¨ ussig, vgl. Tabelle 1.1. ¨ Die Uberbr¨ uckungskupplung wird immer dann geschlossen, wenn man den Wandler nicht zum Anfahren oder zur Drehmomentwandlung braucht; die
348
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.67. Schnitt durch den Wandler der ZF 6HP26 (Nach ZF [2002]): 1 Druck¨ 2 WUK-Kolben, ¨ raum der WUK, 3 Verbindung zum Verbrennungsmotor, 4 Belagla¨ 5 Torsionsd¨ melle der WUK, ampfer, 6 Wandlerdeckel, 7 Turbinenrad, 8 Pumpenrad, 9 Leitrad, 10 Freilauf des Leitrad
¨ Zuschaltung und das Offnen der Kupplung erfolgt also geregelt bei einem vorgegebenen Drehzahlverh¨ altnis. ¨ Im Wandlungsbereich ist die Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung offen; der Oldruck in der Druckkammer (1), vgl. Abbildung 5.67, zwischen motorseitiger ¨ und dem TurbinenGeh¨auseschale und dem Bet¨ atigungskolben (2) der WUK ¨ bereich ist ausgeglichen. Da der Druck vor und hinter dem Uberbr¨ uckungskolben gleich groß ist, wird der Reibbelag (4) nicht mit Druck beaufschlagt. Die ¨ zum Offenhalten der Uberbr¨ ¨ Zufuhr des Ols uckungskupplung erfolgt durch ¨ und fließt zwidie Turbinenwelle, im Bereich hinter dem Kolben staut das Ol schen Belaglamelle (4) und Bet¨ atigungskolben (2) zum Turbinenraum hin ab. ¨ Um die Uberbr¨ uckungskupplung zu schließen und die Belaglamelle (4) reib¨ u schl¨ ussig zu halten, wird die Fließrichtung des Ols ¨ber ein Ventil im hydraulischen Schaltger¨ at umgekehrt, gleichzeitig wird die Druckkammer (1) ¨ entl¨ uftet. Der Oldruck wirkt einseitig vom Turbinenraum (3) auf den Kolben und presst ihn gegen die Wandleraußenschale (6). Somit wird die Turbine (7) u ¨ber die Belaglamelle (4) zwischen Kolben und Wandleraußenschale blockiert und erm¨oglicht, vgl. Anmerkung 5.9, einen starren Durchtrieb ohne bzw. mit reduziertem Schlupf bei Regelbetrieb z.B. beim Schalten der gekoppelten Pla¨ erfolgt analog zur Schaltkupplung, vgl. nentens¨atze. Die Auslegung der WUK Abschnitt 4.1, auf das station¨ ar zu u ¨bertragende Moment.
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
349
Abb. 5.68. Verschiedene Feder-Masse Systeme zur Analyse der Triebstrangdynamik: OD = Ohne D¨ ampfer, TD = Torsionsd¨ ampder, TTD = Turbinentorsionsd¨ ampder, ZDW = Zwei-D¨ ampfer-Wandler (Aus H¨ ormann et al. [2006])
¨ Bei offener Uberbr¨ uckungskupplung d¨ ampft der Wandler die vom Motor u ormigkeiten und tr¨agt somit zur Verbesserung ¨bertragenen Drehungleichf¨ ¨ des Fahrkomforts bei. Mit geschlossener Uberbr¨ uckungskupplung entf¨allt die¨ se D¨ampfung, deswegen werden Uberbr¨ uckungskupplungen in der Regel mit Torsionsd¨ampfer, vgl. Abbildung 5.67 Kennzeichnung 5, ausgestattet. Torsionsd¨ampfer verbessern in Analogie zum Zweimassenschwungrad bzw. zum D¨ampfer der Kupplungsscheibe, vgl. Abschnitt 4.1.1 insbesondere Abbildung 4.7 und 4.11, das Schwingungsverhalten des Abtriebstranges, so dass sich das Schließen der Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung nicht negativ auf Triebstrangschwingungen und Fahrzeugakustik auswirkt. Angetrieben durch die Forderung nach reduziertem Kraftstoffverbrauch wird von H¨ ormann et al. [2006] durch Versuche an 6-Gang-Automatgetrieben21 von ZF gezeigt, dass durch ein weiteres fr¨ uhes Schließen der Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung und der damit verbundenen Reduzierung der Fahranteile mit geregelter, d.h. schlupfender Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung signifikante ¨ Verbesserungen im Verbrauchszyklus erreichbar sind: Die schlupfende Uberbr¨ uckungskupplung hat einen besseren Wirkungsgrad als der nicht u uckte ¨berb¨ Wandler. Eine Voraussetzung, um das fr¨ uhere Schließen zu erreichen, besteht darin, das Schwingungsverhalten des Antriebstranges akustisch und schwingungstechnisch zu verbessern. Notwendig ist dazu ein mechanisches D¨ampfungssystem, das bei niedrigem Massentr¨ agheitsmoment eine m¨oglichst gute Dreh- und Torsionsschwingungsentkopplung erm¨oglicht. 21
Typen 6HP19, 6HP26 und 6HP32, vgl. auch Abschnitt 5.6.5 ab Seite 390.
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5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.69. Zwei-D¨ ampfer-Wandler von ZF
Abb. 5.70. D¨ ampfungscharakteristik eines Wandlers mit verschiedenen Torsionsschwingungsd¨ ampfern am Beispiel eines 6-Zylinder Benzinmotors (Aus H¨ ormann et al. [2006])
In Analogie zur Abstimmung der Anfahrkupplung beim Handschaltgetriebe ist nach H¨ ormann et al. [2006] die Anpassung des Torsionsd¨ampfersystems auf Motor und Triebstrang notwendig; am Beispiel der ZF 6-Gang Stufenautomaten wurden dabei neben dem konventionellen Torsionsd¨ampfer zwei weitere Varianten der D¨ ampferanordnung erprobt, die sich als zielf¨ uhrend erwiesen. Nach Abbildung 5.68 werden diese Varianten als Turbinentorsionsd¨ampfer (TTD) und Zwei-D¨ ampfer-Wandler (ZDW) bezeichnet entsprechend der An-
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
351
zahl und Anordnung der D¨ ampfer im Triebstrang. Ein Schnittmodell des ZweiD¨ampfer-Wandlers zeigt Abbildung 5.69, man erkennt die Anordnung der beiden Torsionsd¨ampfer vor und hinter der Anbindung des Turbinenrades an die Getriebeeingangswelle. Abbildung 5.70 zeigt den Einfluss der verschiedenen Konzepte auf die in den Antriebstrang eingeleiteten Drehungleichf¨ormigkeiten; wie zu erwarten zeigt das Zwei-D¨ ampfer-System die beste Wirksamkeit, kann es doch auf zwei Frequenzen abgestimmt werden und so im u ¨berkritisch rotierenden Triebstrang resonanzartige Zust¨ ande f¨ ur den relevanten Drehzahlbereich vermeiden. 5.5.4 Entwicklungstrends Stufenautomatikgetriebe galten fr¨ uher, vgl. Dach & K¨ opf [2002], als ineffizient und unsportlich, einige Gr¨ unde f¨ ur diese schlechte Beurteilung konnten eindeutig dem Wandler zugewiesen werden; durch die Optimierungen am Wandler und den weitestgehenden Einsatz der Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung wurde dieses Vorurteil mittlerweile f¨ ur moderne Getriebe zum großen Teil widerlegt. Dennoch sind, gerade aufgrund des verst¨arkten Einsatzes der Wandlergetriebe in hubraum- und leistungsstarken Fahrzeugen, weitere Anstrengungen notwendig, um Verbesserungen in den Bereichen Kraftstoffverbrauch, Lebensdauer, Leistung, Komfort und Kosten zu erzielen. Ferner ist es notwendig, bei der Wandlerentwicklung die Tendenzen in der sonstigen Triebstrang- und Motorentechnologie zu ber¨ ucksichtigen, um den Wandler z.B. in stufenlosen Getriebe oder in Hybridfahrzeugen einzusetzen und den Wandler bei noch niedrigeren Drehzahlen u ucken zu k¨onnen. Im Folgen¨berbr¨ den werden einige Konzepte vorgestellt, die die Entwicklungstrends22 ohne Anspruch auf Vollst¨ andigkeit skizzieren. Durch Weiterentwicklungen an den Schaufelr¨adern der Wandler kann man heute h¨ohere Momente bei weniger Bauraum u ¨bertragen als noch vor wenigen Jahren; die Motormomente sind mit der Zeit immer weiter angestiegen, w¨ahrend der Bauraum in axialer und radialer Richtung im Getriebegeh¨ause verkleinert wurde: 1985 konnten nach McGrath et al. [2006] Wandler noch 124 mm axialen Bauraum in Anspruch nehmen und es war bei dieser L¨ange m¨oglich, einen runden Torus mit guter Wandlercharakteristik und einen D¨ampfer mit großer Feder und guter Schwingungsisolation unterzubringen. Die Situation im Jahr 2005 zeigt einen Anstieg des Drehmoments und eine Reduktion des axialen Bauraums; ein wesentlicher Beitrag zur L¨osung dieser Aufgabe liegt im Leitrad und seinem Freilauf. Das Leitrad hat wie zuvor schon genauer besprochen, die Aufgabe, das Motormomente beim Anfahren zu verst¨ arken. Mit der Einf¨ uhrung von Automatikgetrieben mit 6 und 7 G¨ angen mit einer gr¨oßeren Spreizung konnten die Anforderungen – wie z.B. bei der 7G-tronic, vgl. Abschnitt 2.7.3 – an die Wandlung des Wandlers und damit an das Leitrad reduziert werden. Um den 22
Stand 2006.
352
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.71. Neue Anforderungen an das Leitrad (Aus McGrath et al. [2006])
axialen Bauraum zu reduzieren, kann z.B. die L¨ange der Schaufeln gek¨ urzt werden, w¨ahrend die Anzahl der Schaufeln verdoppelt wird; so muss nun jede der Schaufeln nur noch das halbe Moment abst¨ utzen und die Schaufeldicke kann ebenfalls reduziert werden. Einen Vergleich zwischen den urspr¨ unglichen und den neuen Schaufeln des Leitrades ist in Abbildung 5.71 dargestellt. Das neue Schaufelprofil des Leitrades kann als Blechumformteil hergestellt werden, bei dem die Schaufeln eine h¨ ohere Festigkeit aufweisen als die u ¨blicherweise aus Aluminium oder Phenolharz hergestellten Ausf¨ uhrungen. Dadurch kann die Dicke weiter reduziert werden, die Schaufelkr¨anze bestehen aus zwei Teilen, die jeweils die H¨ alfte der Schaufeln tragen, vgl. Abbildung 5.72, die jeweils versetzt zueinander angeordnet sind. Die beiden Schaufelkr¨anze werden dann am Freilauf durch Umformung oder Nieten befestigt. Mit dieser Konfiguration ist ein hoher und flacher Momentenverlauf bei gutem Wirkungsgrad erreichbar. Mit Anpr¨ agungen an den Blechschaufeln kann das Profil optimiert werden, wie es f¨ ur Schaufeln von Pumpe und Turbine auch u ¨blich ist. Eine gemessene Charakteristik ist in Abbildung 5.73 gezeigt, die grundlegende Funktion dieses Wandlerkonzepts wird best¨atigt. ¨ Der axiale Bauraum f¨ ur den Olstrom wurde durch die axiale Verkleinerung des Leitrades reduziert, weiteres Optimierungspotential bietet der f¨ ur den Freilauf notwendige Bauraum. Eine M¨ oglichkeit ist, den Freilauf ebenfalls als Blechkonstruktion auszuf¨ uhren, bei der Ausgangskonstruktion ist der Freilauf im Gegensatz zu Abbildung 5.27.b als Außenfreilauf ausgef¨ uhrt: Der ¨außere Ring ist mit Rampen f¨ ur die Rollen ausgef¨ uhrt, der Ring dient gleichzeitig als K¨afig f¨ ur die Rollen und st¨ utzt diese federnd ab. Alternativ dazu wurde der Ratschenfreilauf entwickelt, der aus Blechumformteilen aufgebaut wird und
5.5 Drehmomentwandler f¨ ur Stufenautomaten
a)
353
b)
Abb. 5.72. Weiterentwicklungen von Leitrad und Freilauf: a) Rollenfreilauf mit Ringen aus Blechumformteilen, b) Ratschenfreilauf mit Abdeckblech
Abb. 5.73. Gemessenes Pumpenmoment des Wandlers mit Blechleitrad bei konstanter Pumpendrehzahl nP = 2000 u/min (Nach McGrath et al. [2006])
der ohne Klemmrollen arbeitet. Um das f¨ ur formschl¨ ussige Freil¨aufe charakteristische Ger¨ausch, vgl. Abschnitt 5.4.2, zu kapseln wurde ein Abdeckblech integriert, das in Abbildung 5.72.b zu sehen ist. Dieses Abdeckblech ist zwischen der Nabe und dem Rampenring der Ratschenmechanik eingebaut, f¨ ur Details zur Konstruktion sei auf McGrath et al. [2006] verwiesen. In Abbildung 5.74 sind die axialen Baul¨ angen der verschiedenen Leitrad- und Freilaufkonzepte einander gegen¨ ubergestellt, der Bauraumvorteil des Rollenfreilaufs aus Blechumformteilen gegen¨ uber einem Freilauf mit Klemmk¨orpern betr¨agt axial 5,6 mm. Der Ratschenfreilauf ist 11,2 mm dick und damit um 60 % schmaler als ein konventioneller Freilauf mit einem gegossenen Leitrad. Die Bauraumvorteile aufgrund des Ratschenfreilaufs und des Leitrads als Blechumformteil ergeben ein sehr schmales Leitrad, das die axiale Bauraumsituation im Inneren des Wandlers entsch¨ arft.
354
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.74. L¨ angenvergleich verschiedener Freilauffunktionen (Aus McGrath et al. [2006])
Um das Verschleißverhalten und die thermische Belastung der Reibpaarung der Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung zu verbessern, wurde weiter von McGrath et al. [2002] eine Optimierung der Belagnutung vorgeschlagen. Ty¨ pischerweise ist der Belag auf der Lamelle der Uberbr¨ uckungskupplung genutet, vgl. Abbildung 5.75.a. Ersetzt man die Nutung des Belags durch eine radiale Profilierung der Gegenreibfl¨ ache am Wandlergeh¨ause, so erreicht ¨ man eine besseres Reibverhalten und einen gr¨oßeren Olstrom zur K¨ uhlung, ¨ vgl. Abbildung 5.75.b/c; die WUK kann besser zur Schwingungsd¨ampfung eingesetzt werden. Da die Nuten im Deckel nicht verschleißen, m¨ ussen sie nicht so tief sein wie im bisher gebr¨ auchlichen Papierbelag, dadurch ist eine gr¨oßere Anzahl von Nuten m¨ oglich, wodurch das Durchsp¨ ulen der Reibfl¨ache verbessert wird. Dar¨ uber hinaus bewirken die Seiten der Nuten und die ge¨ ringere Nuttiefe eine bessere W¨ arme¨ ubertragung. Weitere Uberlegungen zur Effizienzsteigerung in Automatikgetrieben sind h¨aufig mit dem Entfall des Wandlers verbunden. Drehzahl- und Momentenwandlung werden dann durch Elektromotoren in einer parallel-hybriden Anordnung u ¨bernommen, vgl. Abschnitt 8.1.2 und Abbildung 8.6. Dabei werden die Elektromotoren kurzzeitig u ¨berlastet, die Fahrleistungen der so hybridisierten Versuchstr¨ager sind mit den Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb vergleichbar, die Grundstruktur des Planetenteils der Stufenautomatik bleibt erhalten.
5.6 Planetens¨ atze
355
b)
a)
c)
Abb. 5.75. Optimierungsmaßnahmen am Belag der Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung: a) konventionelle Belagnutung, b) radiale Profilierung der Reibfl¨ ache im Wandlerdeckel, c) ungenuteter Reibbelag (Aus McGrath et al. [2002])
5.6 Planetens¨ atze Nachdem in Abschnitt 5.4 der prinzipielle Aufbau von Stufenautomatikgetrieben – insbesondere die Schaltelemente zum Erm¨oglichen der Zugkraftschaltung – und in Abschnitt 5.5 die Funktion des hydrodynamischen Wandlers als typischem Anfahrelement von Stufenautomaten besprochen wurden, folgen ¨ nun die Planetens¨ atze, die als Umlaufgetriebe die stufenweise Anderung der ¨ Ubersetzung erm¨oglichen. Im Gegensatz zu den normalen Stirnradstufen, die i.d.R. f¨ ur Handschaltgetriebe und Doppelkupplungsgetriebe verwendet werden, nutzen die Planetens¨ atze innenverzahnte Hohlr¨ader sowie die Vorteile der Leistungsverzweigung. Zun¨achst wird in Abschnitt 5.6.1 der generelle Aufbau der Planetenstufen besprochen, danach werden die m¨ oglichen Drehzahl- und Momentenverh¨altnisse besprochen, die sich mit einfachen Planetens¨ atzen realisieren lassen, ebenso wird auf das Thema Wirkungsgrad eingegangen; der Wirkungsgrad einer Planetenstufe ist von deren Betriebszustand abh¨ angig. In Abschnitt 5.6.4 werden dann kurz die M¨oglichkeiten der Gestaltung von Planetens¨atzen mit mehr als drei Ein- und Ausg¨ angen besprochen sowie die Verkettung von Planetens¨atzen, die in den Stufenautomaten notwendig ist. Abschließend werden in Abschnitt 5.6.5 Beispiele ausgef¨ uhrter Automatikgetriebe besprochen und an einem generisch aufgebauten Planetensatz die M¨oglichkeiten der Einbindung von Freil¨aufen als selbstt¨ atig schaltenden Elementen verdeutlicht. Anmerkung 5.12 In der Literatur zu den Planetengetrieben – z.B. in der VDI-Richtlinie 2157 oder bei M¨ uller [1998] – werden viele weiteree Begriffe eingef¨ uhrt, die hier aber nicht ben¨ otigt werden; die Darstellungen hier ist auf das f¨ ur die Anwendung in Fahrzeuggetrieben Notwendige beschr¨ankt. 2
356
5 Komponenten automatischer Getriebe
5.6.1 Aufbau und Besonderheiten Unter dem Begriff der Planetengetriebe werden nach der allgemeinen Definition die Getriebesysteme verstanden, die mindestens drei nach außen f¨ uhrende koaxiale Wellen haben, die dann als Zentral- oder Mittelwellen bezeichnet werden. Die Bezeichnung Planetengetriebe ist von der Anordnung der Zahnr¨ader abgeleitet, die Planeten sind um die Sonne herum angeordnet und laufen ggf. um. In Abbildung 5.76 ist der Aufbau eines einfachen Planetengetriebes mit vier Planetenr¨adern stark vereinfacht dargestellt. In der Regel kreisen um das Sonnenrad A (Sonnenradwelle als Vollwelle) die Planetenr¨ader P, die wiederum in einem Planetentr¨ ager C auf einer Achse gelagert sind. Beim einfachen Planetensatz wird das ganze vom innenverzahnten Hohlrad B (Hohlradwelle in Abbildung 5.76 als Hohlwelle) umschlossen. Bei der Welle des Planetentr¨agers spricht man auch von der Stegwelle. Bei Planetengetrieben unterscheidet man nach M¨ uller [1998] grunds¨atzlich zwei Arten: Standgetriebe und Umlaufgetriebe. Bei den Standgetrieben wird der Steg mit den Planetenr¨ adern festgehalten, es gibt nur eine Antriebs- und Abtriebswelle. Das Planetengetriebe als Standgetriebe wird oft als Berechnungsgrundlage f¨ ur die Umlaufgetriebe herangezogen, z.B. bei der Berechnung der Wirkungsgrade, vgl. ab Seite 363. Bei den Umlaufgetrieben hingegen ist der Steg drehbeweglich, die Drehachsen der Planetenr¨ader laufen um. In einem einfachen Planetengetriebe besitzen alle Zahnr¨ader den gleichen Normalmodul mn , vgl. Abschnitt 4.3.2, bzw. die gleiche Teilung am W¨alzkreis p. Somit verhalten sich die Eingriffsradien der Zahnr¨ader bzw. dem Steg proportional zu den Z¨ahnezahlen der Zahnr¨ ader in vollkommener Analogie zur einfachen Stirnradstufe, vgl. Abschnitt 3.1.1. Als Eingriffsradien werden hierbei die Orte des Zahneingriffs bezeichnet: Der Zahneingriff zwischen dem Sonnenrad und den Planetenr¨ adern, der als RA bezeichnet ist, ist festgelegt durch die Z¨ahnezahl zA bei gegebenem Modul mn . Der Eingriff der Planetenr¨ader in das Hohlrad wird als RB bezeichnet, zB bestimmt die absolute Gr¨oße. Der Wirkungsradius des Steges ist RC ; alle Radien werden immer ausgehend vom gemeinsamen Drehpunkt von Sonnenrad, Steg und Hohlrad, wie in Abbildung 5.76.a skizziert gemessen. Dementsprechend lassen sich die Eingriffsradien in Verh¨altnissen von den Z¨ ahnezahlen der Zahnr¨ader ausdr¨ ucken, es gilt Rx ∝ zx f¨ ur alle R¨ ader des Planetensatzes aufgrund des gemeinsamen Moduls. Wenn zwei Radien oder Z¨ ahnezahlen bekannt sind, kann also die dritte, f¨ ur den einfachen Planetensatz kennzeichnende Gr¨oße bereits errechnet werden, RA /RB = −zA /zB
und RC =
RA − RB , 2
(5.25)
weitere Verh¨altnisse zwischen den Z¨ ahnezahlen und den Radien sind nat¨ urlich aus (5.25) ableitbar, die Minuszeichen ber¨ ucksichtigen die negative Z¨ahnezahl des Hohlrades, zB < 0. Durch die drei – bei komplexeren Planetens¨ atzen auch vier – Ein- und Ausgangswellen bieten Planetengetriebe M¨ oglichkeiten, die mit konventionellen
5.6 Planetens¨ atze
357
a)
b)
c)
Abb. 5.76. Einfacher Planetensatz mit vier Planetenr¨ adern: a) Schemadarstellung in Draufsicht und Seitenschnitt, b) Zusammenbauansicht, c) Explosionsansicht. Sonnenrad A, Hohlrad B, Planetentr¨ ager C, Planetenrad P
Stirnradstufen nicht mit einfachen Konstruktionen dargestellt werden k¨onnen. Zu nennen sind hier die folgenden Vorteile der Planetens¨atze, die beim Einsatz in Automatikgetrieben genutzt werden: • In Abh¨angigkeit voneinander variierbare Durchmesser der Zahnr¨ader bei gegebenem Hohlradaußendurchmesser, ¨ • Verschiedene Ubersetzungen i 6= 1 darstellbar durch Festhalten (Abbremsen) von Mittelwellen, • Einheits¨ ubersetzung i = 1 m¨ oglich durch Koppeln von 2 der 3 Wellen, • Leistungsverzweigung durch parallele Anordnung mehrerer Planetenr¨ader f¨ uhrt zu hoher Leistungsdichte und zu einer besseren Lebensdauer der Zahnr¨ader,
358
5 Komponenten automatischer Getriebe
• Koaxialit¨at von An- und Abtrieb unabh¨ angig von der Detailausf¨ uhrung der Planetens¨ atze, • hoher Wirkungsgrad, wenn die W¨ alzleistung klein ist, • ruhigerer Lauf als in Vorgelegegetrieben, da keine Radialkr¨afte auf Wellen und Geh¨ause wirken, • Belastung der Lagerung der Zentralwellen des Planetensatzes nur durch Axiallasten auch bei schr¨ agverzahnten Verzahnungen, • konzentrische Anordnung von Lamellenbremsen und -kupplungen und Freil¨aufen zum Planetengetriebe beg¨ unstigt die Bauraumverh¨altnisse und l¨asst Platz f¨ ur die hydraulische Steuerung. Trotz des ruhigeren Laufes von Planetengetrieben gegen¨ uber Vorgelegegetrieben aufgrund des Ausgleichs der Radialkr¨ afte aus der Leistungs¨ ubertragung im Planetensatz23 wird in Stufenautomaten von PKW zur Reduzierung von Ger¨auschen eine Schr¨ agverzahnung gew¨ ahlt. Bei Automatikgetrieben f¨ ur LKW und Busse wird meist eine Geradverzahnung oder eine Schr¨agverzahnung mit sehr kleinem Schr¨ agungswinkel realisiert, um die aus der Zahnschr¨age resultierenden Achssch¨ ube zu vermeiden, vgl. Abbildungen 2.37 und 7.30. Die Aspekte der Lebensdauer und des u ¨bertragbaren Drehmoments sind bei LKW-Automatikgetrieben von entscheidender Bedeutung, der Komfort – und damit das Ger¨ auschverhalten – spielt hierbei im Vergleich zum PKW eine weniger dominante Rolle. Zur Berechnung der Verzahnung wird an dieser Stelle auf Abschnitt 4.3 verwiesen, wobei die Anmerkungen zu den Hohlr¨adern aus Abschnitt 4.3.5 zu beachten sind; Last- und Drehzahlverh¨altnisse f¨ ur die Auslegung der Verzahnungen werden ab Seite 372 besprochen. 5.6.2 Der einfache Planetensatz Zur Illustration wird zun¨ achst ein einfaches Planetengetriebe, vgl. Abbildung 5.76, benutzt, an dem sich die f¨ ur Fahrzeuggetriebe wichtigsten Aspekte von Planetens¨atzen erkl¨ aren lassen. F¨ ur Details zu Umlaufgetrieben, zu deren Grundgesetzen und Anwendungen der verschiedenen Bauarten wird auf M¨ uller [1998] oder F¨ orster [1991] verwiesen. Der f¨ ur Fahrzeuggetriebe wichtigste Vorteil von Planetengetrieben ist, dass sich durch ein Blockieren des Steges, der Hohlwelle oder der Eingangswelle f¨ ur die jeweils verbleibenden ¨ zwei drehbaren Komponenten verschiedene Ubersetzungen realisieren lassen. Zudem stellt die einfache Planetenstufe ein sehr einfaches Summationsgetriebe dar, das, vgl. Abschnitt 7.2, vielseitig f¨ ur die Fahrantriebe von Nutzfahrzeugen und Arbeitsmaschinen genutzt wird. Ein wichtiges Kennzeichen der Planetengetriebe – auch bei komplexeren Planetens¨ atzen, vgl. Abschnitt 5.6.4 – ist die Koaxialit¨at von An- und Abtrieb. 23
Man kann sich die Kompensation der Radiallasten innerhalb des Planetensatz leicht mit einem Kr¨ afteplan klarmachen; die Radialkr¨ afte bilden ein regelm¨ aßiges NP −Eck entsprechend der Anzahl NP der Planetenr¨ ader mit verschwindender Resultierender.
5.6 Planetens¨ atze
a)
b)
359
c)
Abb. 5.77. Betriebsarten des einfachen Planetengetriebes als Zweiwellengetriebe: a) Steg steht, b) Sonne steht, c) Hohlrad steht ¨ ¨ Tabelle 5.2. Uberblick der Ubersetzungsverh¨ altnisse im einfachen Planetengetriebe Fall Antrieb Abtrieb I
A B (Sonne) (Hohlrad)
Fest
¨ Ubersetzung Anmerkung i = nAn /nAb
C (Steg)
i = i0 = zB /zA Drehrichtungsumkehr ins Langsame, −∞ < i < −1
C (Steg)
i = 1/i0 = zA /zB Drehrichtungsumkehr ins Schnelle, −1 < i < 0 ¨ i = 1 − i−1 Ubersetzung ins Lang0
II
B A (Hohlrad) (Sonne)
III
B (Hohlrad)
C (Steg)
A (Sonne)
IV
C (Steg)
B (Hohlrad)
A (Sonne)
V
A (Sonne)
C (Steg)
B (Hohlrad)
VI
C (Steg)
A (Sonne)
B (Hohlrad)
VII Blockumlauf des Planetensatzes
same, 1 < i < 2 ¨ i = i0 /(i0 − 1) Ubersetzung ins Schnelle 0, 5 < i < 1 ¨ i = 1 − i0 Ubersetzung ins Langi = 1/(1 − i0 )
same, 2 < i < ∞ ¨ Ubersetzung ins Schnelle, 0 < i < 0, 5
i=1
¨ Drehzahlverh¨ altnisse und Ubersetzungen Wie bereits erw¨ahnt, zeichnet sich das Planetengetriebe dadurch aus, dass sich ¨ verschiedene feste Ubersetzungen bei Festlegung einer Mittelwelle darstellen lassen. Alle Wellen k¨ onnen dabei prinzipiell die Funktion von An- und Abtrieb u ¨bernehmen, deshalb wurde auch in Abbildung 5.76.a auf die Eintragung eines An- und Abtriebs sowie auf eine Lagerung von Planetenwelle, Geh¨ause oder ¨ Stegwelle verzichtet. Die Ubersetzungsverh¨ altnisse werden durch die Z¨ahnezahlen der Zahnr¨ader, die Wahl der An- bzw. Abtriebswellenanordnung und die Art der Wellenlagerung charakterisiert. So lassen sich drei verschiedene Lagerungsm¨oglichkeiten beim einfachen Planetensatz unterscheiden, die in Abbildung 5.77 skizziert sind.
360
5 Komponenten automatischer Getriebe
Lagerung des Stegs: Zun¨ achst wird das Standgetriebe analysiert, dass sich aus dem einfachen Planetensatz durch Blockieren des Stegs ergibt; alle Drehachsen der R¨ ader sind nun raumfest, vgl. Abbildung 5.77.a. Treibt man am Sonnenrad mit der Eingangsrehzahl nan = nA an, so wirken die Planetenr¨ader rein als Drehrichtungswandler und das Hohlrad u ¨bernimmt die Funktion des Abtriebs, die Drehrichtungen des Hohlrads dreht sich dabei um. F¨ ur die Gesamt¨ ubersetzung gilt dann i=
nan nSonnenrad zB def. = i0 , = = nab nHohlrad zA
(5.26)
sie wird als Stand¨ ubersetzung i0 des einfachen Planetensatz definiert, i0 < −1. Vertauscht man die Rollen von Sonne und Hohlrad, so erh¨alt man Fall II in Tabelle 5.2, auch wieder mit Drehrichtungswechsel; man beachte die Definition der Stand¨ ubersetzung i0 nach (5.26). Lagerung des Sonnenrades: Wird das Sonnenrad festgehalten und das Hohlrad angetrieben, muss sich der Steg als Abtrieb mit gleicher Drehrichtung wie das Hohlrad drehen; der W¨ alzpunkt der Planetenr¨ader auf dem Hohlrad ist der Momentanpol der Bewegung, vgl. Abbildung 5.77.b. F¨ ur die Gesamt¨ ubersetzung ergibt sich aufgrund der Drehrichtungsgleichheit ¨ von An- und Abtriebswelle dann eine Ubersetzung ins Langsame, iges =
nan nHohlrad zB − zA 1 = = =1− . nab nSteg zB i0
(5.27)
Wird am Steg angetrieben und das Hohlrad u ¨bernimmt bei festgehaltener Sonne die Rolle des Abtriebs, so erh¨ alt man wieder den in Tabelle 5.2 als Fall IV angegebenen Kehrwert von (5.27). Lagerung des Hohlrades: Wird das Hohlrad z.B. durch eine Bremse dreh¨ fest gelagert, so kann mit der einfachen Planetenstufe sowohl eine Ubersetzung ins Schnelle 0 < i < 1 als auch ins Langsame i > 1 unter Beibehaltung der Drehrichtung realisiert werden; der W¨alzpunkt von Planetenrad und Hohlrad ist der Momentanpol der Bewegung der Planetenr¨ager. Wird die Sonne angetrieben, so muss sich der Steg aufgrund der W¨alzbewegung der Planeten relativ zum ortsfesten Hohlrad mit der halben ¨ Drehgeschwindigkeit der Planetenr¨ ader drehen; die Ubersetzung ist f¨ ur Fall V, vgl. Tabelle 5.2 iges =
nan nSonnenrad zA − zB = = = 1 − i0 . nab nSteg zA
Wird der Steg angetrieben und die Sonne dient als Abtrieb, dreht sich die Argumentationskette sinngem¨ aß um, vgl. Tabelle 5.2 Fall VI. Werden zwei der drei Mittelwellen durch eine Kupplung miteinander verbunden, l¨auft der Planetensatz als Block mit i = 1 um, vgl. Tabelle 5.2 Fall VII; analog zu den bisher besprochenen Betriebszust¨anden des Planetensatz wird
5.6 Planetens¨ atze
361
er immer noch als Zweiwellengetriebe betrieben, auf die aufzuwendenen Kupplungsmomente wird in Abschnitt 5.6.3 eingegangen, vgl. Abbildung 5.86. Wird der einfache Planetensatz als Summations- oder Verteilergetriebe eingesetzt, so wird entweder u uhrt und an ¨ber zwei Mittelwellen Leistung zugef¨ der jeweils “freien” dritten Welle als Summenleistung abgegeben oder die zugef¨ uhrte Leistung wird auf zwei Abtriebe verteilt; als Beispiele seien hier der Triebstrang des hybriden Toyota Prius, vgl. Abbildung 8.15.b, oder das VarioGetriebe von Fendt f¨ ur Großtraktoren, vgl. Abbildung 7.27 genannt. F¨ ur die Bestimmung der Drehzahlen aller drei Wellen in einem Planetengetriebe ist es dann stets ausreichend, wenn – beim Summationsgetriebe – die zwei Drehzahlen der Antriebe bekannt sind oder – beim Verteilergetriebe24 – die Drehzahl des Antriebs und das Verh¨ altnis der beiden Abtriebsdrehzahlen. ¨ Diese Zusammenh¨ ange, aber auch die in Tabelle 5.2 angegebenen Uberset25 zungen, lassen sich aus der Willis-Gleichung gewinnen, die nach M¨ uller [1998] allgemein als nA − nB i0 − (1 − i0 ) nC = 0
(5.28)
formuliert werden kann und die in Abschnitt 5.6.3 auch graphisch veranschaulicht wird. Mit der Willis-Gleichung (5.28) kann man alle mit dem einfachen ¨ Planetensatz darstellbaren Ubersetzungen auf die Stand¨ ubersetzung (5.26) zur¨ uckf¨ uhren. Anmerkung 5.13 Der Willis-Gleichung (5.28), die man in verschiedenen Formen in der Literatur findet, liegt die Vorstellung zugrunde, dass sich die Bewegungen der R¨ader im Planetensatz auf zwei Teilbewegungen zur¨ uckf¨ uhren lassen. Zun¨achst betrachtet man gedanklich wieder das Standgetriebe mit nc = 0, u ¨ber die Sonnenrad- und die Hohlradwelle werden die W¨alzleistungsanteile zu- bzw. abgef¨ uhrt. Dann analysiert man die Verh¨altnisse in einem mit dem Steg umlaufenden Koordinatensystem und bilanziert die dem Steg durch die Momente an den drei Mittelwellen zu- und abgef¨ uhrten Leistungen, wenn der Steg mit nc 6= 0 uml¨ auft; man erh¨ alt die Kupplungsleistungen. Wie bereits an dieser Stelle klar wird, verschwinden f¨ ur die in Tabelle 5.2 betrachteten F¨alle I und II die Kupplungsleistungen, da der Steg drehfest gelagert ist; ebenso verschwinden f¨ ur Fall VII die W¨ alzleistungen, da bei Blockumlauf des Planetensatz keine W¨ alzleistungen u 2 ¨bertragen werden. 24
25
M¨ oglich ist beispielsweise, dass das Sonnenrad von einem Verbrennungsmotor direkt angetrieben wird und ein vom Motor unabh¨ angig betriebener hydrostatischer Antrieb am Hohlrad angreift, der Steg u ¨bernimmt dann die Funktion des Abtriebs. So wird eine kontinuierliche Drehzahlanpassung u ¨ber die Steuerung der Hydrostaten erreicht, die auch einen Drehrichtungswechsel erm¨ oglicht. Derartige Konzepte sind, auch aufgrund des ohnehin umfangreich vorhandenen hydraulischen Kreislaufs, bei Landmaschinen stark verbreitet, vgl. Abschnitt 7.2. Robert Willis war Jacksonian Professor of Natural and Experimental Philosophy an der Universit¨ at Cambridge und formulierte 1841 die Grundlagen der nach ihm benannten Gleichung (5.28).
362
5 Komponenten automatischer Getriebe
Tabelle 5.3. H¨ aufigste Bauarten einfacher, dreiwelliger Planetengetriebe: a)-c) Minusgetriebe, d)-f) Plusgetriebe. zA , zP1 , zP2 > 0, zB < 0. M¨ oglicher Bereich der Stand¨ ubersetzung i0 bei etwa gleicher Zahnfußbeanspruchung aller R¨ ader, Gleichung der Stand¨ ubersetzung und Richtwerte f¨ ur den Standwirkungsgrad (Nach M¨ uller [1998])
i0 = −1, 2 . . . − 11 a)
zB zA η0 ≈ 0, 985 i0 =
i0 = 1 . . . 41 d)
i0 = −0, 54 . . . − 53 b)
zB zP2 zA zP1 η0 ≈ 0, 985 i0 =
i0 = 1 . . . 2, 7 e)
zB zA η0 ≈ 0, 98 i0 = −
zB zP1 zA zP2 η0 ≈ 0, 99 i0 =
i0 = 1, 2 . . . 17, 6
i0 = −1 c)
zB zP1 zA zP2 η0 ≈ 0, 98 i0 =
f)
−zB zA η0 ≈ 0, 975 i0 =
Weitere dreiwellige Planetens¨ atze sind in Tabelle 5.3 gezeigt; man erkennt, dass z.B. die Varianten d) und e) die gleichen Stand¨ ubersetzungen aufweisen aber unterschiedliche Wirkungsgrade; dies h¨angt mit der unterschiedlichen Leistungs¨ ubertragung in den verschiedenen Planetens¨atzen zusammen, wie im folgenden gezeigt wird. M¨ uller [1998] formuliert diese Tatsache als Merkregel und stellt fest, dass zwei Getriebe kinematisch gleichwertig sind, ¨ wenn sie die selben Stand¨ ubersetzungen haben oder gleiche Ubersetzungen korrespondierender Wellen, aber im allgemeinen unterschiedliche Wirkungsgrade. In Abbildung 5.78 ist ein einfacher Planetensatz mit einem gestuften Planetenrad dargestellt, die Kinematik bleibt die gleiche wie zuvor, durch die ¨ zus¨atzliche Variable einer weiteren Z¨ ahnezahl kann man jedoch die Ubersetzungen etwas freier w¨ ahlen, vgl. Tabelle 5.3.b mit (5.26). In Tabelle 5.3 sind noch zwei Begriffe eingef¨ uhrt, die bei der Analyse von Planetens¨atzen wichtig sind: Die Plus- und Minusgetriebe. Ein Plusgetriebe hat eine positive Stand¨ ubersetzung bei raumfestem Betrieb aller Wellen, d.h. bei
5.6 Planetens¨ atze
a)
363
b)
Abb. 5.78. Gestufter, einfacher Planetensatz: a) isometrische Ansicht, b) Schnittansicht mit Z¨ ahnezahlen. Dargestellt sind die W¨ alzkreisdurchmesser der R¨ ader
blockiertem Steg, i0 > 0; An- und Abtrieb drehen gleichsinnig. Bei den Minusgetrieben ist die Stand¨ ubersetzung negativ und die Drehrichtung des Abtriebs wechselt; der einfache Planetensatz, der in Tabelle 5.2 analysiert wird, ist also wegen i0 < 0 ein Minusgetriebe. Man mache sich klar, dass f¨ ur die Plus- und Minusgetriebe nach Tabelle 5.3 jeweils die folgenden Ungleichungen gelten, die im Folgenden ben¨ otigt werden Plusgetriebe: TB TA < 0 Minusgetriebe: TB TA > 0
und ωA ωB > 0 und ωA ωB < 0 .
(5.29)
Weiterhin zeigt Tabelle 5.4 drei Beispiele kinematisch gleichwertiger Planetens¨atze. Man erkennt, dass die Gleichwertigkeit durch Vertauschen der Wellen erreicht wird: Die in Tabelle 5.4 als Welle a bezeichnete Welle ist f¨ ur das erste Beispiel die Sonne, f¨ ur das zweite der Steg, der das gestufte Planetenrad tr¨agt, und f¨ ur das dritte Beispiel wieder die Sonne und so weiter. Momenten- und Leistungsbilanzen einfacher Planetens¨ atze – Wirkungsgrad Zun¨achst wird f¨ ur einen dreiwelligen Planetensatz allgemein die Momentenbilanz formuliert, dabei m¨ ussen die Vorzeichenkonventionen, die in Abschnitt 3.1.1 besprochen wurden, beachtet werden. W¨ahlt man willk¨ urlich einen der Planetens¨ atze aus Tabelle 5.3, so ergibt die Momentenbilanz an den drei Wellen, TA + TB + TC = 0 .
(5.30)
Die Leistungsbilanz des Planetensatzes folgt analog mit einer allgemeinen Verlustleistung Pv > 0 in Analogie zu (3.6) zu
364
5 Komponenten automatischer Getriebe
Tabelle 5.4. Beispiel f¨ ur drei kinematisch gleichwertige Planetengetriebe: An den Wellen a, b und c verhalten sich die drei Planetens¨ atze kinematisch gleichwertig; die Stand¨ ubersetzung der einzelnen Planetens¨ atze ist jeweils hervorgehoben (Nach M¨ uller [1998]) Schl¨ ussel
a A
b B
c C
a C
b A
c B
a A
b C
c B
Allg. Beispiel
iab
+3
iba iac ica ibc icb
+1/3 −2 −1/2 +2/3 +3/2
= iAB = iBA = iAC = iCA = iBC = iCB
= iCA
= iAC
= iAC = iCB = iBC = iAB = iBA
= iCA = iAB = iBA = iCB = iBC
PA + PB + PC − Pv = 0 ,
(5.31)
zugef¨ uhrte Leistungen an den Antrieben sind positiv, abgef¨ uhrte Leistungen an den Abtrieben sind negativ; die Verlustleistung ist in (5.31) zu subtrahieren. An blockierten Wellen wird wegen n = 0 weder Leistung zu- noch abgef¨ uhrt, z.B. gilt PC = 0 beim Standgetriebe, das im Folgenden betrachtet wird. Treibt man das Standgetriebe an der Sonne an, so erh¨alt man mit der allgemeinen Definition (3.6) des Wirkungsgrads die am Hohlrad als Abtrieb verf¨ ugbare Leistung zu Pab = TB ωB = −TA ωA η0
bzw. TB = −TA η0 i0 .
(5.32)
Die Gleichung (5.32) gilt wegen (5.29) f¨ ur alle einfachen Planetens¨atze bei Betrieb als Standgetriebe mit Abtrieb an der Sonne A. Vertauscht man Anund Abtrieb, so wird aus (5.32) TB ωB = −TA ωA /η0
bzw. TB = −TA η0−1 i0 .
(5.33)
F¨ ur den Standwirkungsgrad26 η0 , der von der Sonne zum Hohlrad definiert ist, sind f¨ ur einige dreiwellige Planetens¨ atze in Tabelle 5.3 Richtwerte angegeben; sind diese Pauschalwerte nicht ausreichend, so kann man nach F¨ orster [1991] den Standwirkungsgrad eines speziellen Planetensatz rechnerisch absch¨atzen. F¨ ur den Einzeleingriff gilt je nach Art der Verzahnungsstufe 26
Hier werden verlustsymmetrische Planetens¨ atze angenommen, ηAB ≈ ηBA = η0 .
5.6 Planetens¨ atze
η =1−κ
1 1 + |z1 | |z2 |
( 0, 15 = κA mit κ = 0, 2 = κI
365
f¨ ur Stirnradstufen (5.34) f¨ ur Hohlradstufen.
Fasst man den Planetensatz als Verkettung von Stirn- und Hohlradstufen auf, so erh¨alt man f¨ ur den Standwirkungsgrad des einfachen Planetensatz entsprechend Tabelle 5.3.a 1 1 1 1 η0 = 1 − κA + 1 − κI − (5.35) zA zP zP zB wobei zP = (zA − zB )/2 gilt. Ferner soll (5.34) noch beispielhaft auf das Plusgetriebe aus Tabelle 5.3.f angewendet werden, man erh¨alt 1 1 1 1 1 1 η0 = 1 − κA + 1 − κA + 1 − κI − . zA zP1 zP1A zP2 zP2 zB Der Parameter κA = 0, 15 ist der Verlustbeiwert des Außen-Außen-Zahneingriffs zwischen Sonnen- und Planetenrad, der Beiwert stellt nach F¨ orster [1991] eine zuverl¨ assige Ann¨ aherung an die realen Verh¨altnisse dar. Der Koeffizient κI = 0, 2 gilt f¨ ur den Außen-Innen-Eingriffs zwischen Hohl- und Planetenrad, er erfasst die W¨ alzverluste zwischen Außen- und Innenverzahnung. F¨ uhrt man nun einen Hilfsexponenten w1 – wie in der Literatur zu den Planetengetrieben allgemein u ¨blich – ein, der die Richtung des W¨alzleistungsflusses am Sonnenrad kennzeichnet, ( 1 wenn W¨ alzleistung von A nach B fließt w1 = (5.36) −1 sonst , so kann man (5.32) und (5.33) zusammenfassen als TB = −η0w1 i0 ; TA
(5.37)
auf die W¨alzleistung wird im Folgenden eingegangen. Da der Steg – wie bisher bei den Wirkungsgradbetrachtungen angenommen – steht, wird entsprechend Anmerkung 5.13 die zugef¨ uhrte Leistung vom Sonnenrad zum Hohlrad nur durch W¨alzleistung u ur Antrieb am Hohlrad und Abtrieb ¨bertragen, w1 = 1; f¨ am Sonnenrad ist dann w1 = −1 wegen des sich umkehrenden W¨alzleistungsfluss. Die Ergebnisse in (5.32) und (5.33) bzw. (5.37) unterscheiden sich jedoch noch nicht von den Verh¨ altnissen bei normalen Stirnradstandgetrieben, die Verlustleistung ist f¨ ur beide F¨ alle gleich; die auftretenden Verluste entstehen, vgl. Anmerkung 5.13, alleine durch W¨ alzbewegungen. Das Reaktionsmoment am Steg TC , das zur Erf¨ ullung der Momentenbilanz (5.30) notwendig ist und das bei Drehzahlwandlung i0 6= 1 von der Steglagerung bzw. der Stegbremse aufgenommen werden muss, folgt aus (5.30) TC = η0w1 i0 − 1 TA
und
TC 1 = w1 − 1 . TB η0 i0
(5.38)
366
5 Komponenten automatischer Getriebe
Erm¨oglicht man nun die Drehung des Steges, nC 6= 0, so bietet sich die Zerlegung der Leistungen an den drei Wellenenden an; in Analogie zur Betrachtung von Willis, vgl. Anmerkung 5.13, wird die Leistung durch zwei Wirkprinzipien mit ihren zugeh¨ origen Bewegungsanteilen u ¨bertragen: Die W¨alzleistungsanteile mehrheitlich verlustbehaftet durch Kraftschluss und die Kupplungsleistungen verlustfrei durch Formschluss. Die Zerlegung ergibt PA = PA,K + PA,W = TA ωC + TA (ωA − ωC ) = TA ωA PB = PB,K + PB,W = TB ωC + TB (ωB − ωC ) = TB ωB PC = PC,K = TC ωC ,
(5.39)
man erkennt an der Struktur von (5.39)3 , dass am Steg C keine W¨alzleistung u ¨bertragen wird; die Bewegung des Stegs legt die eine Teilbewegung fest, die der Zerlegung (5.39) zugrunde liegt, daher muss auch die zugeh¨orige Teilleistung der Stegwelle verschwinden. Die Kupplungsleistungen PA,K und PB,K kann man sich veranschaulichen durch die mit ωC umlaufenden Tangentialkr¨afte an den W¨ alzkreisradien von Sonnen- und Hohlrad bzw. durch die Tangentialkr¨afte an den Planetenradlagerungen am Steg. Die W¨alzleistungen entstehen durch die u ¨berlagerten Drehbewegungen von Sonnen- und Hohlrad relativ zum umlaufenden Steg. Weiterhin wird deutlich, dass durch ein festgehaltenes Hohl- oder Sonnerad, ωA = 0 oder ωB = 0, am entsprechend blockierten Rad ein Blindleistungsfluss hervorgerufen wird, Kupplungs- und W¨alzleistung verschwinden jeweils nicht, heben sich aber nach außen hin auf. Mit (5.39)1 kann nun auch die W¨ alzleistung am Sonnenrad quantifiziert werden: In (5.36) gilt also w1 = 1, wenn PA,W = TA (ωA − ωC ) > 0 ist, denn dann fließt die W¨alzleistung von der Sonne zum Hohlrad. Will man nun erg¨ anzend zum Standwirkungsgrad die Wirkungsgrade des umlaufenden Getriebes, ωc 6= 0, ermitteln, so geht man zun¨achst von (5.30) aus. Die Ergebnisse, d.h. die verschiedenen Wirkungsgrade zu den vier Umlauf¨ ubersetzungen, F¨ alle III bis VI in Tabelle 5.2, sind in Tabelle 5.5 zusammengetragen, die Ermittlung wird am Beispiel des Wirkungsgrades ηAC , Antrieb an der Sonne und Abtrieb am Steg, f¨ ur einen Planetensatz entsprechend Tabelle 5.3.d erl¨ autert. Zun¨achst wird f¨ ur Fall V – Sonne treibt an, Steg treibt ab – nach Tabelle 5.2 die Abtriebsdrehzahl in Abh¨ angigkeit von der Antriebsdrehzahl ermittelt, ωC = ωA /(1 − i0 ). Dass die Stand¨ ubersetzung nicht genau gegeben ist, ist nicht nachteilig; aus Tabelle 5.3.d ist i0 > 1 gegeben. Das am Steg anliegende Moment ist mit (5.38) ebenfalls bekannt. Somit kann man ausgehend von (3.6) den Wirkungsgrad berechnen und erh¨alt durch Einsetzen ηAC = −
PC TC ωC η0 i0 − 1 =− = . PA TA ωA i0 − 1
(5.40)
Nun fließt wegen PA,W = TA (ωA − ωC ) = PA i0 /(i0 − 1) > 0 die W¨alzleistung von der Sonne zum Hohlrad, w1 = +1, und das Ergebnis in (5.40) geht u ¨ber in den entsprechenden Eintrag f¨ ur ηAC in Tabelle 5.5 f¨ ur i0 > 1.
5.6 Planetens¨ atze
367
¨ Tabelle 5.5. Wirkungsgrade der Umlauf-Ubersetzungsgetriebe. Der erste Index kennzeichnet die Antriebswelle, der zweite den Abtrieb; die im Index nicht genannte Welle ist blockiert und der Standwirkungsgrad ist verlustsymmetrisch, ηAB ≈ ηBA = η0 . (Nach Grote & Feldhusen [2005, Kap. G]) Stand¨ ubersetzungsbereich i0 < 0 0 < i0 < 1 i0 > 1 i0 η0 − 1 i0 − 1 w1 = +1 i0 − 1 Steg – Sonne ηCA = i0 /η0 − 1 w1 = −1 i0 − η0 Hohlrad – Steg ηBC = i0 − 1 w1 = −1 i0 − 1 Steg – Hohlrad ηCB = i0 − 1/η0 w1 = +1
Wirkungsgrad Sonne – Steg Hilfsexponent Wirkungsgrad Hilfsexponent Wirkungsgrad Hilfsexponent Wirkungsgrad Hilfsexponent
ηAC =
i0 /η0 − 1 i0 − 1 w1 = −1 i0 − 1 ηCA = i0 η0 − 1 w1 = +1 i0 − η0 ηBC = i0 − 1 w1 = −1 i0 − 1 ηCB = i0 − 1/η0 w1 = +1
ηAC =
i0 η0 − 1 i0 − 1 w1 = +1 i0 − 1 ηCA = i0 /η0 − 1 w1 = −1 i0 − 1/η0 ηBC = i0 − 1 w1 = +1 i0 − 1 ηCB = i0 − η0 w1 = −1 ηAC =
Konkretisiert man den Wirkungsgrad nun f¨ ur i0 = 1, 1 und η0 = 0, 98, vgl. Tabelle 5.3, so erh¨ alt man f¨ ur das Plusgetriebe einen Umlaufwirkungsgrad von ηAC =
η0 i0 − 1 0, 98 · 1, 1 − 1 = = 0, 78 i0 − 1 1, 1 − 1
;
ηAC = 78% .
Es wird deutlich, dass f¨ ur das Plusgetriebe der Wirkungsgrad des Umlaufgetriebes niedriger ist als der des Standgetriebes, ηAC < η0 ; bei Minusgetrieben ist der Umlaufwirkungsgrad gr¨ oßer als der Standwirkungsgrad. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die in Tabelle 5.5 angegebenen Verluste nur die Leistungs¨ ubertragung u ucksichtigen ¨ber den Planetensatz ber¨ und die durch W¨alzarbeit dissipierte Energie ausdr¨ ucken; die Kupplungsleistungen werden verlustfrei u ur die Planetens¨atze in ¨bertragen. Hinzu kommen f¨ ¨ Automatikgetrieben noch Plansch- und Reibungsverluste im Olsumpf und an der Lagerung der Planetenr¨ ader sowie Schlepp- und Leckageverluste an den Schaltelementen und deren teils mitrotierender Druck¨olversorgung. Planetengetriebe k¨ onnen auch im Bereich der Selbsthemmung betrieben werden, der Wirkungsgrad gem¨ aß (3.6) bezogen auf den jeweiligen An- und Abtrieb wird dann negativ. An- und Abtrieb f¨ uhren dann Leistung zu, die u ¨ber W¨alzleistungsverluste dissipiert wird, das folgende Beispiel skizziert die Vorg¨ange anschaulich. Beispiel 5.2 F¨ ur das in Abbildung 5.79 gezeigte Plusgetriebe mit Z¨ahnezahlen zA = 50, zP1 = zP2 = 40 und zB = 49 ist der Wirkungsgrad zu bestimmen, wenn das Planetengetriebe am kleinen Sonnenrad B gehalten wird und der Antrieb bei A erfolgt.
368
5 Komponenten automatischer Getriebe
Abb. 5.79. Planetensatz mit gestuften Planetenr¨ adern
Zun¨achst ermittelt man gem¨ aß Tabelle 5.3.d die Stand¨ ubersetzung zu zB zP1 i0 = = 0, 98 , zA zP2 der Standwirkungsgrad η0 l¨ asst sich mit den gegebenen Z¨ahnezahlen f¨ ur die beiden Stirnradstufen mit (5.34) absch¨ atzen zu 1 1 1 1 + 1 − κA − = 98, 2% . (5.41) η0 = 1 − κA zA zP1 zP2 zB F¨ ur den Betrieb mit Antrieb an der großen Sonne A und Abtrieb an der ¨ Sonnenradwelle C errechnet man die wirksame Ubersetzung des Planetensatz nach Tabelle 5.2 Fall V zu iAC = 1 − i0 = 0, 02 , das Getriebe u ¨bersetzt in diesem Betriebszustand ins Schnelle. Der Wirkungsgrad l¨asst sich aus Tabelle 5.5 ermitteln, man erh¨alt mit der angegebenen Gleichung f¨ ur den Bereich der Stand¨ ubersetzung 0 < i0 < 1 dann ηAC =
i0 /η0 − 1 = 10, 18% . i0 − 1
(5.42)
Man erkennt am Gesamtwirkungsgrad (5.42) f¨ ur den angenommenen Betriebszustand, dass f¨ ur η0 < i0 das Getriebe in Selbsthemmung u ¨bergeht, ηAC < 0; f¨ ur η0 = 97% erh¨ alt man bereits einen Betriebswirkungsgrad von ηAC = −51, 5%, auch das als Abtrieb angenommene kleine Hohlrad B muss Leistung zuf¨ uhren. Ber¨ ucksichtigt man, dass die bisher betrachteten Verluste alleine die W¨alzleistungsanteile des Planetensatz abdecken, so wird deutlich, dass das Getriebe im praktischen Betrieb in der Selbsthemmung laufen wird. Die W¨alzleistung, die als Blindleistung im Planetensatz uml¨auft, folgt aus (5.39) zu PA,W = TA (ωA − ωC ) = TA ωA (1 − 1/(1 − i0 )) = 49 PA , die entsprechenden Leistungsverluste in den Lagerungen der Planetenr¨ader f¨ uhren auch mit dem abgesch¨ atzen Wirkungsgrad des Planetensatz nach (5.41) zur praktischen Selbsthemmung.
5.6 Planetens¨ atze
369
Leistungsverzweigung und Leistungssummation Wird ein dreiwelliger Planetensatz zur Leistungsverzweigung oder -summation eingesetzt, so m¨ ussen die beiden Teilleistungszweige, die vor oder hinter dem Planetensatz im Leistungsfluss liegen, bestimmte Anforderungen erf¨ ullen. Momente und Drehzahlen k¨ onnen nicht vollkommen unabh¨angig voneinander an den drei Wellen eingestellt werden. Zun¨ achst gilt f¨ ur die drei Mittelwellen f¨ ur die Drehgeschwindigkeiten stets die Willis-Gleichung (5.28), die Drehzahlen k¨onnen – soweit sich aus den Fliehkr¨ aften und den Relativgeschwindigkeiten an den Lagerstellen keine Probleme ergeben – frei gew¨ahlt werden. Die Momente an den drei Wellenenden m¨ ussen jedoch, um einen station¨aren Betrieb des Planetensatz zu erm¨ oglichen, in einem festen Verh¨altnis zueinander stehen, dies ist bei der Anwendung von Planetens¨atzen als Leistungsteiler (vgl. Abschnitt 7.2) oder als Summationsglieder (vgl. Abschnitt 8.1.2) zu ber¨ ucksichtigen. Soll der Planetensatz frei umlaufen, so m¨ ussen die Verh¨altnisse (5.37) bzw. (5.38) n¨ aherungsweise eingehalten werden. Weichen die anliegenden Momente deutlich von diesen Idealwerten ab, wird die Drehbewegung des Planetensatz infolge der nicht erf¨ ullten Drallbilanz beschleunigt oder verz¨ogert oder aber es wird ein verlustbringender Blindmomentenfluss induziert, der die Erf¨ ullung der Bedingungen (5.37) und (5.38) gew¨ahrleistet. In Tabelle 5.6 sind die Wirkungsgradgleichungen f¨ ur den Betrieb dreiwelliger Planetens¨atze als Verzweigungs- oder Summationselemente angegeben; dabei wird zun¨achst nach der Stand¨ ubersetzung und dann nach der Betriebsart des Planetensatz unterschieden. Die Standwirkungsgrade i0 = nSonne /nHohlrad sind dabei von der Bauart abh¨ angig, vgl. Tabelle 5.4; soll ein Wellenende Leistung zuf¨ uhren, so m¨ ussen Moment und Drehzahl gleiche Vorzeichen haben, bei Abtrieben ungleiche Vorzeichen. Mit der Willis-Gleichung (5.28) und (5.39) kann dann die Richtung des W¨ alzleistungsflusses bestimmt, der Exponent w1 nach (5.36) festgelegt und der Wirkungsgrad ermittelt werden. Die Gesamtleistungswelle u ¨bernimmt die Funktion des gemeinsamen An- oder Abtriebs, f¨ ur die beiden anderen Wellen k¨ onnen die Drehzahlverh¨altnisse der drei Mittelwellen vorgegeben werden. Man erkennt, dass sich der Wirkungsgrad teilweise beim Erreichen bestimmter Grenzzust¨ ande ¨ andert, die Richtung der verlustbehafteten W¨alzleistungsfl¨ usse ¨ andert sich. F¨ ur die Drehzahlverh¨altnisse gilt stets kij = ni /nj mit i, j =A,B,C und i 6= j. Nimmt man als Beispiel einen einfachen Planetensatz nach Abbildung 5.76 an, so ist zun¨achst allgemein i0 = zB /zA < 0. Der Planetensatz wird als Summationsgetriebe verwendet, der Steg ist die Gesamtleistungswelle und f¨ ur das Drehzahlverh¨ altnis der beiden Abtriebe ist mit kAB = nA /nB > 1 einschr¨ankbar. Wenn Sonne und Hohlrad gegenl¨ aufig betrieben werden, ist eine Leistungssummation auf den Steg nicht m¨ oglich, da (5.37) f¨ ur i0 < 0 gleiche Vorzeichen von Sonnen- und Hohlradmoment f¨ ur den station¨aren Betrieb vorschreibt. Will man nun den Wirkungsgrad ohne Anwendung von Tabelle 5.6 ermitteln, so muss die Gleichung (3.6) wieder konkretisiert werden, zun¨achst
>1
0...1
>1
< iBC
>1
< iAC
> i0
1
= 0 . . . 1 = iBC . . . 1
= 0...1
= 1 . . . i0
= iAC . . . 0 = 0 . . . iBC
1
= i0 . . . 1
>1
iBC
= 0 . . . 1 = 1 . . . iBC
2 η0 nach (6.5) zu erreichen, damit das Fahrverhalten des Fahrzeugs in Kurven oder auf unterschiedlichen Fahrbahnen verbessert werden kann. Die hier diskutierten Ans¨atze zum Erzielen eines Sperreffekts fokussieren zun¨ achst auf die Fahrzeugquerdynamik; es wird der Unterschied des Achsantriebsmoments rechts versus links, vgl. (6.5), be¨ trachtet. Die Uberlegungen sind jedoch vollkommen analog auch auf Allradfahrzeuge mit einer eventuellen Drehzahldifferenz vorne-hinten u ¨bertragbar, vgl. Abschnitt 6.3. Die einfachste M¨oglichkeit, eine Sperrvorrichtung in das Differential zu integrieren, zeigt Abbildung 6.13: Das mechanisch bet¨atigte, manuell schaltbare Sperrdifferential, welches u ¨ber eine Schiebemuffe Formschluss zwischen einer Abtriebswelle und dem Differentialgeh¨ ause herstellt. Die M¨oglichkeit eines Drehzahlunterschiedes zwischen linkem und rechten Rad wird dadurch unterbunden. Eine aktive Beeinflussung der Momentenverteilung zwischen linkem und rechten Rad ist so nicht m¨ oglich, da es an regelbaren Kraft¨ ubertragungselementen fehlt. Mechanisch bet¨ atigte Sperren der Bauart nach Abbildung 6.13 sind i.d.R. aufgrund der fehlenden Synchronisation nur im Stand oder bei sehr kleinen Geschwindigkeiten schaltbar. Das so genannte Torsen-Differential (TORque SENsing) von Gleason nach Abbildung 6.14 ist ein weiterer Vertreter der nicht regel- oder schaltbaren Sperrelemente. Die Sperrwirkung wird durch Reibung und Selbsthemmung des Schneckentriebs erreicht, der bei Relativdrehzahl gegen seine hohe Selbsthemmung verdreht werden muss. Die Reibung bei Relativverdrehung der beiden Abtriebswellen gegeneinander wird zum einen in der gezeigten Stirnradkette und dem Schneckentrieb erzeugt, zum anderen sind zum Erreichen hoher Sperrwerte weitere Reibelemente – etwa beigelegte Reibscheiben an den Schneckenr¨adern – implementierbar. Das in Abbildung 6.15 gezeigte Viscodrive-Ausgleichsgetriebe basiert betreffend der Sperrfunktion wieder auf Reibung, diesmal der geschwindigkeitsproportionalen Reibung zwischen den Lamellen der Viskokupplung, dem Differentialkorb und einer Abtriebsseite. Baut sich in der Kurve eine wachsende Drehzahldifferenz auf, steigt die Reibung durch das verwendete Silikon¨ol nahezu linear mit der Winkelgeschwindigkeitsdifferenz der beiden Abtriebe an. Dreht das mit den Lamellen verbundene Rad schneller als der Korb – in Abbildung 6.15.b die unten markierte Rechtskurve – wird durch das schnellere Drehen der radseitigen Lamellen ein Blindmomentenfluss aufgebaut, der eine Umverteilung des zugef¨ uhrten Antriebsmoments zum langsamer drehenden, kurveninneren Rad bewirkt. Dreht der Korb schneller als die Abtriebsseite mit dem Lamellenpaket – in Abbildung 6.15.b die oben eingezeichnte Linkskurve 2
Mit η0 wird der Standwirkungsgrad des Umlaufgetriebes im Achsausgleich quer zur Fahrtrichtung bezeichnet, vgl. Seite 363.
438
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.14. Selbstsperrdifferential mit integrierten Schneckenr¨ adern nach TorsenBauart: 1) Differentialtellerrad mit Schr¨ agverzahnung, 2) Differentialgeh¨ ause, 3) Schneckenr¨ ader, 4) Stirnradverzahnung, 5) Schneckenwelle, 6) Achswellen, 7) Keilverzahnung der Achswelle zur formschl¨ ussigen Verbindung mit den Schneckenwellen
– so wird durch die Bremswirkung des Lamellenpaketes dem kurveninneren Rad wiederum mehr Antriebsmoment zugef¨ uhrt. Deutlich zu erkennen ist, dass das Viscodrive-Differential etwas mehr axialen Bauraum ben¨otigt als eine nichtsperrende Querverteilung, vgl. Abbildung 6.11; der Differentialbolzen wird hier anders als bei den bisher besprochenen Ausf¨ uhrungen formschl¨ ussig im Geh¨ause fixiert. Anmerkung 6.2 Es sei darauf hingewiesen, dass die Art der Momentenumverteilung – zum kurveninneren oder -¨ außeren Rad – vom Fahrverhalten des Fahrzeugs abh¨angt, ob ein unter- oder u ¨bersteuerndes Verhalten erreicht werden soll; die in Abbildung 6.15 gezeigte Anordnung beg¨ unstigt mit dem h¨oheren Moment am kurveninneren Rad ein eher untersteuerndes Verhalten, es entsteht ein kurvenausdrehendes Moment um die Fahrzeugvertikalachse. 2 Elektromechanische Sperrsysteme, die etwa u ¨ber eine elektrisch bet¨atigte Reibkupplung arbeiten, bieten schließlich die M¨oglichkeit einer schnellen Regelbarkeit und erlauben die aktive Beeinflussung der Momentenverteilung; das so genannte torque vectoring wird erm¨ oglicht. Die entsprechenden Konzepte zur aktiven Umverteilung des Antriebsmoments in Fahrzeugsquerrichtung werden in Abschnitt 6.3.3 besprochen.
6.2 Achs- und L¨ angswellen und Gelenke
439
a)
b) Abb. 6.15. a) Viscodrive-Hinterachsdifferential: 1) Lamellenpaket, 2) Differentialkorb bzw. -geh¨ ause, 3) Innenverzahnung zur Aufnahme der rechten Achswelle, 4) Vielkeilverzahnung der linken Achswelle zur Aufnahme von Abtriebskegelrad und Innenlamellentr¨ ager, 5) Differentialbolzen; b) Schematischer Drehmomentenfluss bei Kurvenfahrt
6.2 Achs- und L¨ angswellen und Gelenke In diesem Abschnitt wird, um die Leistungs¨ ubertragung vom Kurbelwellenflansch bis zu den R¨ adern bzw. Radnaben abzuschließen, auf Achs- und L¨angswellen eingegangen; Achswellen laufen – von eventuellen Beugewinkeln abgese-
440
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.16. Seitenwelle mit getriebeseitigem Verschiebegelenk (1) und radseitigem Gleichlaufgelenk (2) (www.gkndriveline.com)
hen – quer zur Fahrtrichtung, L¨ angswellen in Fahrtrichtung. Die Gelenke und Gelenkwellen f¨ ur den Fahrzeugbau aber auch f¨ ur die Anwendung in Nebenabtrieben in Nutzfahrzeugen werden ausf¨ uhrlich von Graf v. Seherr-Thoss et al. [2002] besprochen; neben zahlreichen ausgef¨ uhrten Beispielen wird dort auch die auf der Hertz’schen Theorie basierende Festigkeitsrechnung f¨ ur die Gelenke detailliert diskutiert. Systemaufgaben Achswellen u ¨bertragen die Leistung vom Ausgleichsgetriebe zu den R¨adern; L¨angswellen u ubertragung zwischen den ¨bernehmen die Aufgabe der Leistungs¨ einzelnen Teilgetrieben, d.h. der Schaltstufen und dem Hinterachsgetriebe, vgl. Abschnitt 6.1.2. Neben der reinen Leistungs¨ ubertragung ist dabei von den Achswellen der Bewegungsausgleich zwischen Rad und seiner Aufh¨angung einerseits und Getriebe andererseits sicherzustellen; die L¨angswellen m¨ ussen analog in gegebenen Grenzen eine verspannungsfreie Relativbewegung zwischen Triebwerk und Hinterachsgetriebe erm¨ oglichen. 6.2.1 Achswellen Seitenwellen u ¨bertragen das Drehmoment vom Differential auf die angetriebenen R¨ader von Vorder- und/oder Hinterachse und erm¨oglichen die Bewegung der Radaufh¨ angungen und das Lenken der R¨ader. Um dies zu erreichen, wird das System aus drei Hauptkomponenten aufgebaut: Dem getriebeseitigen Gleichlaufgelenk, einer Verbindungswelle und dem radseitigen Gleichlaufgelenk, vgl. Abbildung 6.16. In den meisten F¨allen wird das getriebeseitige Gleichlaufgelenk als Verschiebegelenk ausgef¨ uhrt, so dass die Seitenwelle den Bewegungen der Radaufh¨ angung folgen kann. An der Vorderachse als Lenkachse muss das radseitige Gelenk das Drehmoment u ¨ber einen großen Winkel u ¨bertragen, an der Hinterachse sind die Arbeitswinkel der Gelenke kleiner und auf die Eigenlenkwinkel der Radaufh¨angung beschr¨ankt, vgl. Reimpell & Betzler [2005]. Achswellen werden als Hohl- oder Vollwellen ausgef¨ uhrt, vgl. Abschnitt 4.2.1; die Dimensionierung erfolgt dauerfest mit Ber¨ ucksichtigung von Spitzenlastf¨allen. Die Außenverzahnung am Verschiebegelenk (1) in Abbildung 6.16 wird
6.2 Achs- und L¨ angswellen und Gelenke
441
Abb. 6.17. L¨ angswellen in ein- und zweiteiliger Bauweise (mit Zwischenlagern) (www.gkndriveline.com)
axial formschl¨ ussig u ¨ber beispielsweise Spreizringe mit den Kegelr¨adern des Achsantriebs, vgl. Abschnitt 6.1.1, verbunden. Verschiebe- und Gleichlaufgelenke m¨ ussen die im Folgenden diskutierten Bedingungen der Homokinematik erf¨ ullen, vgl. Seite 446. 6.2.2 L¨ angswellen L¨angswellen u ¨bertragen das Drehmoment in L¨angsrichtung vom Motor zum Hinterachsgetriebe, sie m¨ ussen bei Schnellganggetrieben f¨ ur große Drehgeschwindigkeiten nmax = nmot /iNs ausgelegt sein und Relativverschiebungen zwischen Stufen- und Hinterachsgetriebe ausgleichen k¨onnen. H¨aufig sind die L¨angswellen in das Sicherheitskonzept der Fahrzeuge integriert und absorbieren bei einem Front- oder Heckaufprall einen Teil der Verformungsenergie; wichtig ist dabei, dass die Wellen kontrolliert gestaucht werden, bevor sie knicken oder abreißen. L¨ angswellen k¨ onnen mit Kreuzgelenken, elastischen Kupplungen oder Gleichlaufgelenken ausgestattet sein; als Material kommen Stahl-, ¨ Aluminium- oder Verbundrohre zum Einsatz. Uber die in Abbildung 6.17 gezeigten ein- und zweiteiligen Ausf¨ uhrungen hinaus werden im PKW-Bereich auch dreiteilige Konzepte mit zwei Zwischenlagern verwendet, vgl. z.B. Greiner et al. [2005]. Die Vielzahl der m¨ oglichen Anordnungen von L¨angswellen bei Nutzfahrzeugen wird in Abschnitt 7.1.1 kurz andiskutiert. Aufgrund der hohen Drehzahlen – bei Schnellganggetrieben dreht die L¨angs¨ welle zwischen Schaltstufe und Hinterachsgetriebe bei Ubersetzungen iGet < 1 schneller als der Motor – ist bei Achs- und L¨ angswellen auf eine symmetrische Konstruktion zu achten, die die Gefahr von Unwuchten reduziert; die Wellen sind auf jeden Fall auszuwuchten, um unwuchterregte Kr¨afte und die damit verbundene Einleitung von komfortbeeintr¨ achtigenden Schwingungen in den Fahrzeugboden klein zu halten. Aus Gewichtsgr¨ unden werden die L¨angswellen stets als Hohlwellen ausgef¨ uhrt. Bei Nutzfahrzeugen mit einem (automatisch oder manuell bet¨atigten) Schaltgetriebe mit r¨aumlicher Trennung vom Motor oder bei PKW mit Transaxle-Anordnung des Getriebes, vgl. Abbildungen
442
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
a)
b) Abb. 6.18. Kreuzgelenke: a) Schematische Darstellung mit Antragung der Winkelgeschwindigkeiten ω1 und ω2 und des Beugewinkels α; b) Explosionsdarstellung eines Kreuzgelenk (Aus Micknass et al. [2004])
2.3.b und 2.4, l¨auft die L¨ angswelle mit der Motordrehzahl um, vgl. Abbildung 7.3.a; Details findet man bei Graf v. Seherr-Thoss et al. [2002]. 6.2.3 Kreuzgelenke Die Verbindung zwischen den Achs- und L¨ angswellen erfordert, um den bereits angesprochenen Winkel- und/oder L¨ angenausleich zu erm¨oglichen, flexible Kupplungselemente zur Leistungs¨ ubertragung zwischen Getriebe und Rad bzw. zwischen Schaltstufe und Hinterachsgetriebe. Die Art der eingesetzten Gelenke kann grob nach der Anwendung – PKW und Nutzfahrzeuge – unterschieden werden: F¨ ur NFZ kommen f¨ ur die L¨angswellen nahezu ausschließlich Kreuzgelenke zum Einsatz, die im Folgenden noch genauer besprochen werden; Abbildung 6.18.a zeigt den schematischen Aufbau. Zum Ausgleich von L¨ angsverschiebungen zwischen treibendem und getriebenem Flansch bzw. Wellenende werden h¨ aufig axial verschiebliche Vielkeilverzahnungen eingesetzt, um die auftretenden L¨ angsdehnungen der Welle und die
6.2 Achs- und L¨ angswellen und Gelenke
a)
443
b) Abb. 6.19. Kreuzgelenk in den Extremstellungen a) φ = 0◦ und b) φ = 90◦ .
resultierende Belastung der beidseitigen Lagerungen der Getriebeabtriebswelle und des Antriebs des Hinterachsgetriebes zu reduzieren. Die Verschieblichkeit erfordert nach Ziaei [2003] bestimmte Zahnformen um diese Axialkupplung unter Last verschieben zu k¨ onnen. Im PKW-Bereich werden die Kreuzgelenke nur f¨ ur L¨ angswellen eingesetzt, die vergleichsweise kleine Winkel¨anderungen zwischen treibendem und getriebenem Wellenende ausgleichen m¨ ussen. Ein beispielhaftes Kreuzgelenk aus dem PKW-Bereich ist in Abbildung 6.18.b skizziert, es ist zu erkennen, dass der sternf¨ormige Zentralk¨orper vierfach gleit- oder w¨ alzgelagert ist; ferner erkennt man am linken Bildrand die Innenverzahnung f¨ ur den L¨ angenausgleich. Die typischen Verschiebewege betragen bei den gezeigten Gelenken zwischen 20 und bis zu 50 mm, je nach Bauart und Gr¨ oße, meist k¨ onnen von den Gelenken Knickwinkel bis etwa α = 22◦ dargestellt werden. Trotz der vielen Vorz¨ uge dieser nicht schaltbaren Kupplungselemente ist ein entscheidender Nachteil der Kreuzgelenke zu nennen: Die aus der Kinematik des einfachen Kreuzgelenks resultierenden Drehzahlschwankungen bei winkligem Betrieb, α 6= 0, vgl. Abbildung 6.19. Um dieses Ph¨anomen und die resultierenden konstruktiven L¨ osungsans¨ atze zu verdeutlichen, sei angenommen, dass sich die Antriebsseite des einfachen Kreuzgelenks mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω1 = φ˙ 1 drehe. Betrachtet werden nun die beiden in Abbildung 6.19 mit φ = 0◦ und φ = 90◦ gekennzeichneten Extrempositionen des abgeknickten einfachen Kreuzgelenks. Die Lagen φ = 0◦ und φ = 90◦ sind also dadurch gekennzeichnet, dass eine der beiden Achsen des Zentralkreuz normal auf der durch die beiden Wellen aufgespannten Ebene steht. Bei der angenommenen gleichf¨ ormigen Drehbewegung mit der Winkelgeschwindigkeit ω1 hat der in Abbildung 6.19 skizzierte Anbindungspunkt der treibenden Welle zum Zentralkreuz bei der Winkelgeschwindigkeit ω1 eine Bahngeschwindigkeit v1 , die sich mit dem mittleren Radius R1 = R der Zentralkreuzlagerung zu v1 = ω1 · R ergibt. Abgenommen wird die Bewegung des Zentralkreuzes von der getriebenen Welle auf einem Radius R2 = R·cos α, wodurch sich f¨ ur die in Abbildung 6.19.a skizzierte Extremlage φ = 0 aufgrund der Bedingung v1 = v2 = konstant
⇔
R1 · ω 1 = R2 · ω 2
444
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
¨ Abb. 6.20. Zum Kardanfehler: a) Winkeldifferenz ∆φ und b) momentanes Uber◦ ◦ ◦ setzungsverh¨ altnis f¨ ur Beugewinkel α = 15 , 30 und 45 . (Nach Graf v. SeherrThoss et al. [2002])
ein momentanes Drehzahlverh¨ altnis iφ=0 wie folgt ergibt, iφ=0 = imin =
ω1 ω1 = = cos α < 1 . ω2 ω1 · R1 /R2
(6.8)
F¨ ur die ausgezeichnete Lage φ = 0◦ stellt das einfache Kreuzgelenk also eine ¨ Ubersetzung ins Langsame dar. F¨ ur die ausgezeichnete Lage φ = 90◦ hingegen ist dann R1 = R · cos α und R2 = R und es ergibt sich f¨ ur das momentane Drehzahlverh¨altnis
6.2 Achs- und L¨ angswellen und Gelenke
445
a)
b) Abb. 6.21. Richtige Positionierung von Kreuzgelenken zur Vermeidung von unwuchterregten Schwingungen des Antriebstrang bei a) zwei- und b) dreiteiligen Wellen (Aus Micknass et al. [2004])
iφ=90 = imax =
ω1 ω1 1 = = > 1. ω2 ω1 · R1 /R2 cos α
(6.9)
In dieser zweiten ausgezeichneten Lage u ¨bersetzt das Kreuzgelenk also ins Schnelle. Tr¨agt man den Differenzwinkel, um den sich An- und Abtrieb aufgrund des Beugewinkels α gegeneinander verdrehen, den so genannten Kardanfehler ∆φ = φ2 − φ1 , und das ver¨ anderliche Drehzahlverh¨altnis in Abh¨angigkeit von der Winkelposition der Antriebswelle φ und vom Beugungswinkel α auf, so erh¨ alt man die in Abbildung 6.20 skizzierten Abh¨angigkeiten f¨ ur das einfache Kreuzgelenk3 . Problematisch ist diese Drehungleichf¨ormigkeit 3
Bei Dahlke [1994] wird eine Gleichung f¨ ur das momentane Drehzahlverh¨ altnis in Abh¨ angigkeit von den Winkelpositionen der beiden Kreuzgelenkh¨ alften und vom Beugewinkel α angegeben; die Extremwerte nach (6.8) und (6.9) imin und imax ergeben sich dabei formal als Scheitelpunkte der Kurvenschar in Abbildung 6.20.
446
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
a)
b) Abb. 6.22. Schematische Darstellung der korrekten Anordnungen hintereinander geschalteter Kreuzgelenke: a) Z-Anordnung, b) W-Anordnung
vor allem mit Blick auf die zus¨ atzliche Anregungsordnung, die vor allem bei nicht richtig ausgewuchteten L¨ angswellen Problemen verursachen kann. Um den Drehfehler des einfachen Kreuzgelenks auszugleichen, werden diese Gelenke meist paarweise verwendet und um 90◦ verdreht zueinander eingebaut, um die M¨oglichkeit zur Kompensation der Ungleichf¨ormigkeit zu schaffen, vgl. Abbildung 6.21. Wenn es aus Bauraumgr¨ unden notwendig ist, den L¨angswellenstrang abzuwinkeln, bieten sich bei Wellen mit zwei Gelenken die in Abbildung 6.22 skizzierten W- und Z-f¨ ormigen Anordnungen der Wellen an, die ebenfalls drehfehlerkompensierend wirken. An- und abtreibende Welle laufen bei der Z-Anordnung parallel, bei der W-Anordnung halbiert die Zwischenwelle den Knickwinkel, es soll α1 ≈ α2 sein. Zu beachten sind bei der Auslegung der notwendigen Zwischenlager mehrteiliger Wellen die aus der Umlenkung des Torsionsmoments resultierenden St¨ utzmomente und St¨ utzkr¨afte, vgl. Abbildung 6.23. Die Berechnung erfolgt nach den Regeln der technischen Mechanik starrer K¨ orper f¨ ur die station¨ar drehende Welle; man beachte, dass bei gleichbleibender Antriebsleistung durch die Drehungleichf¨ormigkeit an den Zwischenwellenlagern pulsierende Momente wirken, die Momentenpulsation erfolgt um 90◦ phasenverschoben zur Drehgeschwindigkeit, vgl. Abbildung 6.20. F¨ uhrt man die Zwischenwelle bei den Anordnungen nach Abbildung 6.22.b sehr kurz aus, geht die Gelenkgruppe in ein Doppelkreuzgelenk u ¨ber; von diesen Gelenken ist bekannt, dass sie eine Drehbewegung dann gleichf¨ormig u ullt sind, vgl. Abbil¨bertragen, wenn die folgenden beiden Bedingungen erf¨ dung 6.24: • die Achsen der An- und Abtriebswelle treffen sich in einem Punkt, in Abbildung 6.24 ist dies der Punkt O, • die beiden Kreuzgelenke sind symmetrisch zu einer Ebene angeordnet, die durch den Punkt O und den Mittelpunkt C der Kreuzgelenkwelle geht und ullt. die die Bedingung B 0 B ⊥ D0 D erf¨
6.2 Achs- und L¨ angswellen und Gelenke
447
a)
b) Abb. 6.23. Lagerreaktionen bei Kreuzgelenkwellen: a) Z-Anordnung nach Abbildung 6.22.a und b) W-Anordnung nach Abbildung 6.22.b (Aus Muhs et al. [2005])
Gelenke, die aufgrund ihrer Bauart die beiden genannten Bedingungen erf¨ ullen, nennt man homokinetisch. Drei exemplarische Doppelkreuzgelenke sind in Abbildung 6.25 gezeigt; keines dieser Gelenke ist konstruktiv in der Lage, L¨angen¨anderungen axialkraftfrei auszugleichen. Um diesen Nachteil auszugleichen, wurden die Gleichlauf-Verschiebegelenke entwickelt, in Abbildung 6.16 ist eine H¨alfte eines solchen Gelenks gezeigt. Deutlich ist zu erkennen, dass die axiale Verschieblichkeit bei gleichzeitiger Drehbarkeit nur mittelbar erreicht werden kann; die meisten Gleichlaufgelenke nutzen Kugeln oder bombierte ¨ Rollen als Ubertragungsk¨ orper, die im Kontaktpunkt zu vergleichsweise niedrigen Hertz’schen Fl¨ achenpressungen f¨ uhren, vgl. auch Abschnitt A.1.2, und die geforderte Beweglichkeit des Gelenks erm¨ oglichen. Verschiedene Bauformen von Verschiebegelenken oder Kugelgelenken werden f¨ ur die Achswellen bei PKW benutzt; Abbildung 6.26 zeigt einen Schnitt durch
448
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.24. Zur Gleichlaufbedingung f¨ ur Doppelkreuzgelenke
eine ausgef¨ uhrte Kugelgelenkwelle: Das rechte Verschiebegelenk erm¨oglicht Winkel- und L¨angenausgleich, das linke Festgelenk kann nur Winkelfehler ausgleichen. Die Kunststoffmanschetten sch¨ utzen die Gelenke vor eindringendem Schmutz; Abbildung 6.27 zeigt verschiedene Bauformen der Faltenb¨alge f¨ ur Gleichlaufgelenke. Die Faltenb¨ alge sind zur Sicherung jeweils mit einem ¨außeren Einzug am Balgende versehen, in die eine Bandschelle in der Montage eingelegt wird; entsprechend erkennt man die innenliegende Aufdickung zum Erreichen einer gleichm¨ aßigen Wandst¨ arke und zum Erh¨ohen der gelenkseitigen Nutf¨ ullung, vgl. auch Abbildung 6.26. In Abbildung 6.28 sind dar¨ uber hinaus drei verschiedene Bauformen von Gleichlaufgelenken f¨ ur PKW gezeigt; deutlich erkennbar sind die bombierten W¨ alzk¨ orper, die die Leistungs¨ ubertragung zwischen den Gelenkh¨ alften bei den Bauformen a) und c) u ¨bernehmen. ¨ Die Schmierung der Ubertragungsk¨ orper erfolgt u ¨ber eine auf Lebensdauer dimensionierte Fettf¨ ullung.
6.3 Leistungsverteilende Komponenten fu ¨r Allradfahrzeuge In diesem Abschnitt werden die f¨ ur Allradfahrzeuge notwendigen Komponenten zur geregelten und nicht geregelten Verteilung des Antriebsmoments auf Vorder- und Hinterachse besprochen. Die Ausf¨ uhrungen sind wieder auf ¨ die Ubertragung des Antriebsmoments beschr¨ ankt; die diskutierten Beispiele erheben keinen Anspruch auf Vollst¨ andigkeit, sondern sollen einen groben ¨ Uberblick u uhrlich wird ¨ber das Gebiet der Allradtechnologie4 geben. Ausf¨ das Thema AWD – All Wheel Drive – mit vielen Beispielen von Stockmar [2004] behandelt. 4
In Abschnitt 9.2.4 wird auf die mit Allradsystemen verbundenen Herausforderungen mit Blick auf den Fahrkomfort, insbesondere die Einleitung von Triebstrangschwingungen in die Karrosserie eingegangen.
6.3 Leistungsverteilende Komponenten f¨ ur Allradfahrzeuge
449
a)
b)
c) Abb. 6.25. Doppelkreuzgelenke verschiedener Bauarten. Schemadarstellung und konstruktive Ausf¨ uhrung: a) ohne Zentrierung, b) mit Zentrierung (quasi-homokinetisch, c) mit F¨ uhrungsvorrichtung (streng homokinetisch) (Nach Graf v. SeherrThoss et al. [2002])
Der Abschnitt ist wie folgt strukturiert: Zun¨ achst wird recht makroskopisch eine Einteilung der M¨ oglichkeiten zur Konstruktion von Allradantrieben gegeben, wobei Merkmale einzelner Konzepte analysiert werden. In Abschnitt 6.3.2 werden die Komponenten zur Leistungsverteilung zwischen Vorder- und Hin-
450
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.26. Kugelgelenkwelle nach Bauart L¨ obro mit Fest- und Verschiebegelenk
Abb. 6.27. Verschiedene Bauformen von Faltenb¨ algen (Aus Micknass et al. [2004])
terachse besprochen5 , dabei wird qualitativ auf die Grenzen der einzelnen Systeme eingegangen. Der letzte Abschnitt 6.3.3 ist den regelbaren Systemen zur Beeinflussung des Moments in Querrichtung gewidmet, die die Gierneigung von Fahrzeugen in Grenzsituationen reduzieren. Systemaufgaben Leistungsverzweigende Komponenten bei Allradfahrzeugen m¨ ussen es erm¨oglichen, bei unterschiedlichen Traktionsverh¨ altnissen an den angetriebenen Achsen die Leistung gezielt auf einzelne Achsen oder auf nicht schlupfende R¨ader zu verteilen; immer h¨ aufiger kommen dabei nicht mehr nur rein mechanische Komponenten sondern elektrisch oder hydraulisch bet¨atigte mechatronische Systeme zum Einsatz. 6.3.1 Systematik der Allradantriebe – Konzepte zur Leistungsverteilung Erg¨anzend zu Abschnitt 2.3 wird die Systematik der Allradantriebe vertieft. Prinzipiell ist zu unterscheiden, ob ein Fahrzeug den Allradantrieb als Opti5
Die beiden in Abschnitt 6.1.3 besprochenen Bauformen selbstt¨ atig sperrender, nicht geregelter Differentiale, vgl. Abbildung 6.14 und 6.15, basieren auf den gleichen Prinzipien, verteilen aber das Antriebsmoment in Fahrzeugquerrichtung.
6.3 Leistungsverteilende Komponenten f¨ ur Allradfahrzeuge
451
a)
b)
c) Abb. 6.28. Verschiedene Gleichlaufgelenke: a) Tripodefestgelenk, b) Kugelfestgelenk, c) Verschiebe-Tripodegelenk (Aus Micknass et al. [2004])
on bekommt oder ob ein Gel¨ andefahrzeug konzipiert wird. Abbildung 6.29.a zeigt die M¨oglichkeiten zur Ableitung eines Allradfahrzeugs aus einem PKW mit frontquer eingebautem Motor und Vorderradantrieb. Dabei bestehen zwei M¨oglichkeiten, den Hinterachsantrieb – Beispiele werden im Folgenden besprochen – anzutreiben: Wie in Abbildung 6.29.b gezeigt, kann der Differentialkorb des Vorderachsgetriebes starr mit dem Hinterachsantrieb verbunden sein; ein Ausgleichselement zur Vermeidung von Verspannungen im Triebstrang in L¨angsrichtung sitzt dann vor dem konventionellen Hinterachsantrieb. Die andere M¨oglichkeit besteht in der Integration eines L¨angsdifferentials im Bau-
452
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
a)
b)
c) Abb. 6.29. Basis-Frontantrieb a) und AWD-Derivate b), c)
6.3 Leistungsverteilende Komponenten f¨ ur Allradfahrzeuge
453
Abb. 6.30. Allradantriebstrang auf der Basis eines Frontquerantriebs
Abb. 6.31. Ansichten des Doppelkupplungsgetriebe SPS6 mit Hinterachsantriebseinheit von Getrag Ford Transmission (Aus Bernemann & Hopf [2004])
raum des normalen Vorderachsgetriebes mit einer dann starren L¨angswelle und einem Standardhinterradantrieb. Bedingt durch das L¨angsdifferential, welches dann in Planetenbauweise ausgef¨ uhrt ist und die zugef¨ uhrte Leistung in einem festen Verh¨ altnis6 verteilt, vgl. Abschnitt 5.6.2, muss das Vorderachsausgleichsgetriebe kompakter ausgef¨ uhrt werden. In jedem Fall ist bei der Integration eines zus¨ atzlichen Allradantriebs eine neue Hinterachse erforderlich; Abbildung 6.30 zeigt ein Beispiel eines vollst¨andigen Triebstrangs entsprechend Abbildung 6.29.b oder c. Neben der Hinterach6
Maßgeblich sind f¨ ur die Verteilung des Antriebsmoments auf Vorder- und Hinterachse nur die Z¨ ahnezahlverh¨ altnisse des Planetensatz, vgl. (5.37) und (5.38).
454
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.32. Power Take-off Unit: Hinterachsantriebseinheit f¨ ur frontquer eingebaute Motoren
se kommt dabei dem Hinterachsantrieb, der h¨ aufig als Power Take-Off Unit (PTU) bezeichnet wird, eine entscheidende Bedeutung zu. Die PTU, die direkt mit Motor und/oder Getriebe verschraubt ist, vgl. Abbildung 6.31, wird ¨ als Getriebe mit konstanter Ubersetzung ausgelegt. Dabei ist ein entsprechendes Lastkollektiv zur betriebsfesten Bemessung der Kegelradverzahnung, der Lagerungen und der Geh¨ ause, vgl. Abbildung 6.32, zugrunde zu legen. Die Anbindung des PTU-Abtriebs an die L¨ angswelle ist mit einem Gelenk auszuf¨ uhren, das in der Lage ist, die beim Allradantrieb mit Quermotor auftretenden Nickbewegungen des Motors zu kompensieren; eine Tatsache, die bei den L¨angswellen und Gelenken reiner heckgetriebener Fahrzeuge durch die vom Rollen dominierte Motorbewegung nicht notwendig ist. Die Ableitung eines Allradfahrzeugs aus einem frontgetriebenen Fahrzeug mit L¨angsmotor gestaltet sich, vgl. Abschnitt 2.3.1 etwas einfacher, wie anhand von Abbildungen7 2.7 bis Abbildung 2.9 bereits diskutiert wurde. Die Derivatkonstruktion eines Allradfahrzeugs aus einem heckgetriebenen PKW erfordert, vgl. Abbildung 6.33.a und b, wieder deutlich mehr konstruktiven Aufwand: Problematisch ist hier neben der Anordnung der L¨angswelle nach vorne neben dem Getriebe, vgl. Abbildung 6.34, die h¨aufig erforderliche ¨ Durchf¨ uhrung von Achswellen durch die Olwanne des Motors oder auch die Integration des ganzen Vorderachsdifferentials in den Bauraum des Motors. Kennzeichnend f¨ ur Allradsysteme von Fahrzeugen mit L¨angsmotor ist h¨aufig die Verwendung eines zweistufigen Zwischen-Zahnradsatzes f¨ ur den Einbau im beengten Tunnel einer Limousine, vgl. Abbildung 6.34, um den Vorderachsantrieb außen an Getriebe und ggf. Motor vorbei u ¨ber eine L¨angswelle 7
PKW mit Frontl¨ angsmotor wie etwa die Audi Quattro Modelle sind in Abbildung 6.29 und 6.33 nicht enthalten.
6.3 Leistungsverteilende Komponenten f¨ ur Allradfahrzeuge
455
a)
b)
c) Abb. 6.33. Triebstrangkonzepte auf Basis eines heckgetriebenen Fahrzeugs: a) Basis, b) AWD-Derivat und c) Voll-AWD mit Gel¨ ande¨ ubersetzung und L¨ angssperre
456
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.34. Allradvariante eines Sechsgangstufenautomatikgetriebes mit schr¨ ager Anordnung der vorderen Antriebswelle seitlich am Getriebe vorbei. 1) Zweistufiger Zwischenzahnradsatz, 2) L¨ angswelle nach vorne, 3) Differentialantrieb mit Kegelwinkelsumme 6= 90◦
Abb. 6.35. Verteilergetriebe des Volkswagen Touareg mit integrierter Gel¨ ande¨ ubersetzung auf Planetenbasis (Quelle: MagnaSteyr)
zu speisen. Bei SUV und Gel¨ andewagen hingegen dominiert die Zahnkette in der Anwendung, die zwar etwas mehr Bauraum ben¨otigt, aber kostenm¨aßige Vorteile bietet, vgl. Abbildung 6.35. Auch in den Kriterien Wirkungsgrad und Ger¨ausch ist die Kette mit dem zweistufigen Getriebe meist gleichwertig. Fahrzeuge, die als Gel¨ andefahrzeuge konzipiert sind, weisen neben der L¨angsverteilung des Antriebsmoments h¨ aufig noch eine Gel¨andeuntersetzung auf, vgl. Abbildung 6.33.c, wie etwa der Touareg von Volkswagen, dessen L¨angsverteilergetriebe mit integrierter Sperre und Gel¨andeuntersetzung in Abbildung 6.35 gezeigt ist. Diese Gel¨ ande¨ ubersetzung wird meist als Planetenge-
6.3 Leistungsverteilende Komponenten f¨ ur Allradfahrzeuge
457
¨ triebe ausgef¨ uhrt mit einer typischen Ubersetzung von iGel¨ande ≈ 2, 7. In der Vergangenheit waren die Gel¨ andestufen fast ausschließlich unsynchronisiert und handgeschaltet, heute finden immer mehr synchronisierte Getriebe mit elektromechanischer Bet¨ atigung Anwendung. Eine weitere Unterscheidung der Allradantriebe ist hinsichtlich ihrer F¨ahigkeiten zur Beeinflussung der Momentenverteilung zwischen vorderer und hinterer Achse m¨oglich; hinzu kommt die M¨ oglichkeit der Abschaltung des (optionalen) ¨ zus¨atzlichen Antriebs der zweiten Achse. Abbildung 6.36 fasst die Ubersicht der m¨oglichen Varianten graphisch zusammen: • In die erste Gruppe fallen der zuschaltbare und der permanente Allradantrieb mit Zentraldifferential (ohne bzw. mit mechanischer Sperre des Zentraldifferentials in Analogie zu Abbildung 6.13). • Die zweite Gruppe nutzt h¨ aufig auch ein Zentraldifferential, u ¨berlagert sie jedoch mit einem regelbaren Sperrensystem (z.B. Viskosperre oder Torsen). In diese Gruppe geh¨ ort auch der direkte Antrieb der zweiten Achse u uhlende Kupplung, die das Zentraldifferential ¨ber eine differenzdrehzahlf¨ ersetzt und schlupfabh¨ angig Drehmoment u ¨bertr¨agt. Neben der bekannten Viscokupplung sind dies Lamellenkupplungen, die von differenzdrehzahlf¨ uhlenden Pumpen mit Druck beaufschlagt werden. • Typisch f¨ ur Systeme der dritten Gruppe ist die Verwendung elektronischer Komponenten zur externen Regelung von Kupplungen und Zentraldifferentialsperren. Vertreter dieser Gruppe sind die regelbare Viscokupplung (Viscomatic, vgl. Abbildung 6.42) und die Lamellenkupplung vom HaldexTyp, die z.B. im 4motion-System von Volkswagen eingesetzt werden, vgl. Abbildung 6.40. • In einer vierten Gruppe verf¨ ugen Allradantriebe u ¨ber eine frei regelbare Leistungsverzweigung – auch als torque vectoring bezeichnet, vgl. Anmerkung 6.4 und Abbildung 6.37 – und fallweise auch kombiniert mit freier Momentenverteilung quer an den Achsen, vgl. Abschnitt 6.3.3. Die M¨oglichkeiten zur gezielten Leistungsverteilung nehmen also in Abbildung 6.36 von oben nach unten hin zu, f¨ ur Details wird auf Stockmar [2004] verwiesen. Wichtig ist, dass bei automatisch zuschaltenden AWD-Systemen der Schaltimpuls durch eine Logik zur Radschlupferkennung ausgel¨ost wird; die Zuschaltung kann durch eines der im Folgenden besprochenen Elemente reibschl¨ ussig oder durch Formschluss wie in Abbildung 6.13 erfolgen. Anmerkung 6.3 Bei Nutzfahrzeugen, vgl. Abschnitt 7.2.4, findet man als zuschaltbaren Allradantrieb L¨ osungen mit hydrostatisch angetriebenen Vorderachsen; bei Hybridfahrzeugen, vgl. Abschnitt 8.2.2, werden elektrisch angetriebene Hinterachsen realisiert. Beide Konzepte werden in den entsprechenden Zusammenh¨angen kurz skizziert, aber aufgrund der Schwerpunktsetzung auf die mechanische Leistungs¨ ubertragung nicht im Detail vertieft. 2
458
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.36. Systematik der Allradantriebe (Nach Stockmar [2004])
6.3.2 Komponenten zur Leistungsverteilung in Fahrzeugl¨ angsrichtung In diesem Abschnitt werden die verschiedenen Konzepte zur u.U. geregelten Leistungsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse vorgestellt; dabei wird – soweit anhand der Abbildungen nachvollziehbar – auf Details eingegangen. Anmerkung 6.4 Aus Sicht einer optimalen Fahrzeugdynamik ist das Fernziel der Triebstrangentwicklung mit aktiv regelbaren Komponenten in Abbildung 6.37 skizziert: Die freie Leistungsverteilung abh¨angig vom momentanen Fahrzeugverhalten, die sowohl bei unter- als auch u ¨bersteuerndem Eigenlenkverhalten des Fahrzeugs in einer gegebenen Situation durch die Umverteilung das Fahrverhalten in L¨ angsrichtung ohne Quereingriff stabilisiert. 2 Die ideale Verteilung der Momente an den R¨ adern bzw. Achsen muss stets so erfolgen, dass – auch unter Ber¨ ucksichtigung dynamischer Effekte – der gleiche Schlupf und somit auch gleiche Reibwertausnutzung an allen angetriebenen R¨adern bzw. Achsen auftritt. Mit der Vorderachslast Fv = mveh g · xv und der Hinterachslast Fh kann man in Analogie und Erweiterung zu (3.18) das ideale Verh¨altnis von Vorderachs- und Hinterachsmoment Tv und Th errechnen zu Fv /Fh = Tv /Th ,
(6.10)
d.h. die Momente und damit auch Umfangskr¨ afte verteilen sich wie die dynamischen Achslasten. Abweichungen von diesem Verh¨altnis in L¨angsrichtung
6.3 Leistungsverteilende Komponenten f¨ ur Allradfahrzeuge
459
a)
b) Abb. 6.37. M¨ oglichkeiten der Beeinflussung des Kurvenverhaltens durch Momentenumverteilung in Fahrzeugl¨ angsrichtung bei a) u ¨bersteuerndem Fahrverhalten durch Umverteilung des Antriebsmoments nach vorne, um am kurven¨ außeren Rad die Resultierende Reibkraft aus Vortriebs- und Seitenf¨ uhrungskraft noch u ¨bertragen zu k¨ onnen, ohne dass das Fahrzeug hinten u ¨berschiebt; b) bei untersteuerndem Fahrverhalten rutscht entsprechend das kurven¨ außere Vorderrad und kann durch die Umverteilung nach hinten h¨ ohere Seitenf¨ uhrungskr¨ afte u ¨bertragen (Aus Petersen & Sue [2006])
begr¨ unden nach Braess & Seiffert [2005] die Tendenz eines Fahrzeugs zu unter- oder u ¨bersteuerndem Verhalten. Starre, nicht regelbare Zentraldifferentiale verteilen die Momente immer im gleichen Verh¨altnis, alle anderen Systeme zur L¨angsverteilung steuern schlupfabh¨angig, wobei bei den geregelten Systemen wieder eine Abh¨ angigkeit des Verteilungsverh¨altnis von Steigung bzw. Beschleunigung besteht. Die implizite Abh¨ angigkeit von (6.10) von der Fahrzeuggeschwindigkeit und den Raddrehzahlen f¨ uhrt zu Kennfeldern f¨ ur die Regelung der Verteilerkomponenten, die fahrzeugabh¨ angig angepasst und in der Triebwerksregelung hinterlegt werden m¨ ussen; besonders elektronisch geregelte Kupplungen und Sperren erweitern den Parameterbereich des Kennfeldes noch einmal weiter. Ist eine regelbare Kupplung in einen Teiltriebstrang integriert, so kann zwischen den
460
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.38. Verteilerdifferential eines Allradsystems von Ford auf Basis des MTX75 Getriebes: Ausgehend vom frontquer eingebautem Antrieb wird u ¨ber eine Viskokupplung ein Hinterachsantrieb angebunden. Die Komponenten 1 bis 12 werden im Text erl¨ autert (Aus Micknass et al. [2004])
Grenzen Einachsantrieb einerseits und der starren Koppelung andererseits geregelt werden. Abbildung 6.38 zeigt einen Schnitt durch das Differential des MTX-75 Getriebes von Ford, das die PTU eines Fahrzeugs mit permanentem Allradantrieb speist. Der Aufbau des Ausgleichsgetriebes f¨ ur den (serienm¨aßigen) Vorderantrieb und der PTU-Einheit f¨ ur den optionalen Hinterachsantrieb sowie der Leistungsfluss lassen sich f¨ ur das in Abbildung 6.38 gezeigte System wie folgt skizzieren: Das Verteilergetriebe (1) besteht aus einem Verteilerdifferential in Planetenbauweise (2) und einem Kegeltrieb (3); vom Achsantrieb (4) wird das Drehmoment u ¨ber das Antriebsgeh¨ause (5) auf den Steg (6) u altnis 60/40 auf das Hohlrad (7) und die Sonnenrad¨bertragen und im Verh¨ welle (8) verteilt; Teile (5) und (8) sind nicht miteinander verbunden, man erkennt das klein ausgef¨ uhrte Kegelradausgleichsgetriebe f¨ ur die Vorderachse entsprechend der Diskussion zu Abbildung 6.29.c. Das Drehmoment f¨ ur die Vorderr¨ader gelangt u ¨ber die Sonnenradwelle und das Ausgleichsgetriebe (9) auf die beiden Seitenwellen (10). Das Hinterachsmoment wird vom Hohlrad u ¨ber den Kegeltrieb auf die Gelenkwelle zur Hinterachse (11) u ¨bertragen. Drehzahlunterschiede zwischen Vorder- und Hinterachse werden u ¨ber eine Viskomatic-Sperre (12) im Vorderachs-Ausgleichsgetriebe (9) ausgeglichen. Die Viskomatic-Sperre (12) erm¨ oglicht bei unterschiedlichen Reifen-Straße-
6.3 Leistungsverteilende Komponenten f¨ ur Allradfahrzeuge
461
Abb. 6.39. Komponenten des Torsen-Differentials und ihre Anteile zur Reibarbeit
Reibverh¨altnissen zwischen Vorder- und Hinterachse eine Relativverdrehung zwischen dem Differential-Ringrad und den F¨ uhrungen der Ausgleichskegelr¨ader f¨ ur den Frontantrieb bei gleichzeitiger Lastumverteilung. Durch die Integration von zwei Verteilungselementen – der Viskomatic-Sperre zum Erm¨oglichen von Drehzahlunterschieden vorne-hinten und dem Planetensatz zur Verteilung des Moments auf Vorder- und Hinterachse – bietet dieses System ausreichend konstruktive Optionen zur fahrdynamischen Abstimmung des Fahrverhaltens. Das Fahrverhalten ist durch das Fehlen regelbarer Elemente und die Beschr¨ ankung auf ein differenzdrehzahlf¨ uhlendes aber nicht steuerbares L¨ angsdifferential nicht aktiv beeinflussbar. Eine Sperrfunktion f¨ ur den Frontantrieb ist – außer durch die Reibungsverluste und die damit verbundenen St¨ utzmomente bei Kurvenfahrt – nicht realisiert. Beim Audi Quattro, vgl. Abbildung 2.7, wird die Momentenverteilung in L¨angsrichtung von einem Torsen-Differential u ¨bernommen; der prinzipielle Aufbau der L¨angsverteilereinheit ist identisch mit Abbildung 6.14: Im Gegensatz zum herk¨ommlichen Kegelrad-Differential u ¨bernehmen Schneckenr¨ader die Verteilung der Antriebsleistung zwischen Vorder- und Hinterachse. Die blockierende Wirkung des Torsen-Differentials basiert auf der Selbsthemmung des Schneckensatzes und der Reibung der einzelnen W¨alz- oder Gleitkontakte, deren einzelne Beitr¨ age zur Gesamtreibarbeit in Abbildung 6.39 prozentual angegeben sind. Durch eine gezielte Beschichtung der Reibscheiben kann, vgl. auch Abschnitt 6.1.3, der Reibwert des Differentials und damit seine Sperrwirkung eingestellt werden. Bei Normalbetrieb und demzufolge nicht ausgleichender Torsenstufe betr¨ agt die Kraftverteilung auf beide Achsen je 50%, im Extremfall kann die gesamte Antriebsleistung an eine Achse geleitet werden. Die in Abbildung 6.40 gezeigte Allradversion des Sechsgang-Handschaltgetriebes MQ350 f¨ ur die Golf-Plattform ist – im Gegensatz zum MTX-75 Getriebe von Ford in Abbildung 6.38 – vom Typ b) nach Abbildung 6.29. Das Moment wird fest auf Vorder- und Hinterachse verteilt; das als Rutschkupplung
462
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.40. Allradvariante des MQ350 Getriebes von Volkswagen f¨ ur die GolfPlattform (Quelle: MagnaSteyr))
ausgef¨ uhrte L¨angsdifferential ist in der Lage, Verspannungen des Triebstrangs zu vermeiden, kann aber kein Moment umverteilen. Gesteuerte Versionen dieses auch als Haldex-System bezeichneten L¨ angsdifferentials sind, vgl. Abbildung 6.41.a, auch in der Lage, bei Bedarf zu o ¨ffnen, um so den Hinterachsantrieb zu entlasten. Gut erkennbar ist die Aufteilung des 4Motion-Getriebes in ein Fahr- und ein Winkelgetriebe – die PTU – mit jeweils separaten Geh¨ausen. Ein Vorteil dieses Konstruktionsprinzips ist, dass das Schaltgetriebe nahezu identisch mit der Frontantriebsvariante bleibt und so mit einer PTU unterschiedlichste Wechselgetriebe mit geringen Aufw¨anden zu einem Allradantrieb adaptiert werden k¨ onnen. Dabei sind je nach den Anforderungen der ¨ Schalt- und Verteilerstufen an die Olqualit¨ aten f¨ ur Fahr- und Winkelgetriebe ¨ Ausf¨ uhrungen mit gemeinsamen oder getrenntem Olhaushalt m¨oglich. ¨ Kernst¨ uck des Haldex-Sytems ist eine im Olbad laufende Lamellenkupplung, die axial zusammengedr¨ uckt wird, vgl. Abbildung 6.41.b. Mit der H¨ohe des
6.3 Leistungsverteilende Komponenten f¨ ur Allradfahrzeuge
a)
463
b) Abb. 6.41. Haldex Kupplung: a) Offene Ansicht, b) Prinzipschaubild
ausge¨ ubten Drucks l¨ asst sich das u ¨bertragbare Drehmoment variieren und damit die Leistungs¨ ubertragung zur Hinterachse regeln. Die Regelung einer aktiven Haldex-Kupplung ben¨ otigt u ¨ber den CAN-Bus Daten von ABS-, ESPund Motorsteuerger¨ at wie etwa Signale von den Radsensoren, der SchlupfRegelsysteme, der Gaspedalstellung sowie die Motordrehzahl. Abh¨angig von diesen Parametern werden die H¨ ohe und der Verlauf des hydraulischen Drucks, der auf die Kupplungslamellen ausge¨ ubt wird, geregelt. Die Druck¨olpumpe wird nur dann aktiv, wenn Ein- und Ausgangswelle nicht mit gleicher Drehzahl laufen, denn nur dann ist eine Umverteilung des Antriebsmoment erforderlich; die Pumpe arbeitet also abh¨ angig von der Differenzdrehzahl. Ein Vorteil des abgeschlossenen Haldex-Systems nach Abbildung 6.41.b ist seine außerordentlich kurze Reaktionszeit: Schon nach einem Differenzdrehwinkel von nur 45◦ liegt der Druck vollst¨ andig an und u ¨bertr¨agt das entsprechende Hinterachs-Drehmoment. Die Kupplung regelt das Moment stufenlos von ¨ Null bis zur vollen Ubertragung hoch, was einer Aufteilung des Antriebs von 50:50 zwischen Vorder- und Hinterr¨ adern entspricht; je nach Reibwertverh¨altnis k¨onnen bis zu 100 % des Antriebsmoments zur Hinterachse u ¨bertragen werden. Im Gegensatz zur Lamellenkupplung des Haldex-Systems u ¨bertr¨agt die Viscokupplung, vgl. Abbildung 6.42, das Drehmoment durch Fl¨ ussigkeitsreibung. In den schmalen Spalten zwischen den An- und Abtriebslamellen wird die Fl¨ ussigkeit durch die hohen Scherraten bei Differenzgeschwindigkeit hohen Scherkr¨aften ausgesetzt, die die Drehmoment¨ ubertragung u ¨bernehmen. Die H¨ohe des u ¨bertragenen Drehmomentes ist im normalen Arbeitsbereich der Viscokupplung haupts¨ achlich von der Differenzdrehzahl – dem Kupplungsschlupf – abh¨angig. Durch das auch bei offener Kupplung entstehende Schleppmoment u ¨bertr¨agt die Viscokupplung immer, auch ohne Differenzdrehzahl, ein ¨ geringes Moment. Zur Ubertragung h¨ oherer Momente reichen schon relativ geringe Drehzahldifferenzen aus. Bei Erw¨ armung durch anhaltendes Schlupfen erw¨armt sich die Lamellenkupplung, was zu einem Druckanstieg und zur Erh¨ohung der u uhrt. Die Viscomatic des Alfa 166 in ¨bertragenen Momente f¨
464
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.42. Offene Ansicht der regelbaren Viscokupplung zur L¨ angsverteilung des Antriebsmoments des Alfa 166 mit Schemadarstellung (Quelle: MagnaSteyr)
Abb. 6.43. Elektromagnetisch bet¨ atigte Lamellenkupplung zur Momentenverteilung in L¨ angsrichtung des Porsche 911 Turbo (Aus Casper et al. [2006])
Abbildung 6.42 ist nach Braess & Seiffert [2005, Abs. 5.5] die erste in Serie eingesetzte geregelte Viscokupplung; sie erlaubt die aktive Drehmomentverteilung zwischen den beiden Achsen in einem weiten Bereich. Im Porsche 911 Turbo wird zur L¨ angsmomentenverteilung eine geregelte elektromagnetisch bet¨ atigte Lamellenkupplung eingesetzt, vgl. Abbildung 6.43 und Casper et al. [2006]. Durch die Bestromung des Elektromagneten baut sich ein zum Strom proportionales Magnetfeld in der Kupplung auf, welches eine als “Active Armature” bezeichnete Metallscheibe anzieht und so eine Axi-
6.3 Leistungsverteilende Komponenten f¨ ur Allradfahrzeuge
a)
b)
465
c)
¨ Abb. 6.44. Schematische Ubersicht einiger M¨ oglichkeiten zur aktiven Beeinflussung ¨ der Querdynamik: a) Cletrac-System mit Stirnraddifferential , b) Uberlagerungsgetriebe mit zwei Planetenstufen mit zweistufigen Planetenr¨ adern oder durchgehenden Planetenr¨ adern mit unterschiedlichen Sonnenr¨ adern mit großen Profilverschiebun¨ gen, c) Uberlagerungsgetriebe mit Stirnradstufe zur Momentenumverteilung (Aus Rosemeier et al. [2006])
alkraft auf die Stahllamellen der Prim¨ arkupplung aus¨ ubt. Durch das in der Prim¨arkupplung aufgebaute Drehmoment werden Antriebs- und Abtriebseite der Kupplung u ¨ber die Stellscheibe der Kugelrampe gekoppelt. Dadurch verdreht sich die Stellscheibe der Kugelrampe bei Differenzdrehzahl um maximal 15◦ , bis sich ein Momentengleichgewicht zwischen der Kugelrampe und dem ¨ Lamellenpaket der Prim¨ arkupplung einstellt. Uber der Verdrehung der Stellscheibe baut sich durch den Rampenwinkel in der Kugelrampe eine Axialkraft auf, die direkt vom Kupplungsmoment der Prim¨arkupplung abh¨angig ist. Diese Axialkraft st¨ utzt sich am Sekund¨ arkupplungspaket und an der Reibscheibe zwischen Antriebswelle und Stellscheibe ab. Dadurch wird in den Lamellen der Sekund¨arkupplung ein gegen¨ uber der Prim¨arkupplung um den Faktor 12 verst¨arktes Drehmoment aufgebaut. Die Summe der zwei Einzelmomente aus Prim¨ar- und Sekund¨ arkupplung, sowie das Moment zwischen Reibscheibe und Stellscheibe ergibt das Kupplungsgesamtmoment. 6.3.3 Aktive Leistungsverteilungskomponenten zur Verbesserung der Querdynamik Mit der Etablierung aktiver Komponenten zur Momentenverteilung in Fahrzeugl¨angsrichtung ist der Bedarf nach aktiven Systemen zur Momentenverteilung in Fahrzeugquerrichtung offensichtlich geworden; aus Bauraumgr¨ unden und zur Verbesserung der Fahrzeugquerdynamik werden diese Systeme nahezu ausschließlich f¨ ur die Hinterachse eingesetzt. Wie schon bei dem in Abschnitt 6.1.3 anhand von Abbildung 6.15 besprochenen Viscodrive-System soll dem langsameren Rad beim Kurvenfahren gezielt – je nach u ¨ber- oder untersteuerndem Verhalten – mehr oder weniger Moment zugeleitet werden, um in Analogie zu Abbildung 6.37 die Fahrdynamik zu verbessern. W¨ahrend beim Viscodrive-System nach Abbildung 6.15 das System noch passiv reagiert, sollen die unter dem Stichwort Active Yaw Control (AYC) entwickelten Systeme aktiv zur Beeinflussung von Giermomenten genutzt werden k¨onnen.
466
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.45. Active Yaw Hinterachsdifferential von Mitsubishi (Quelle: MagnaSteyr)
¨ Eine Ubersicht von drei exemplarischen AYC-Konzepten zeigt Abbildung 6.44. ¨ Die einfachste Variante a) f¨ ur ein Uberlagerungsgetriebe ist aus zwei ineinander geschachtelten Differentialen aufgebaut und die Abtriebe des ¨außeren Differentials werden auf feststehende Bremsen gef¨ uhrt. Bei deren Bet¨atigung wird das Antriebsmoment ungleich auf die R¨ ader verteilt; gut zu erkennen ¨ ist das Stirnraddifferential des Hinterachsantriebs. Damit bei den Uberlagerungsgetrieben in Abbildung 6.44.b und c das Moment mit Kupplungen bzw. Bremsen in die gew¨ unschte Richtung verschoben werden kann, muss ein ge¨ ringf¨ ugiger Ubersetzungsfehler der Planetenstufen – in Abbildung 6.44.b gut erkennbar – dargestellt werden. Bei Variante c) nach Abbildung 6.44 ist die Verteilungsstufe mit einer separaten Welle realisiert, die u ¨ber Kupplungen ei¨ ne Abtriebsseite beschleunigen oder bremsen kann. Ist der Ubersetzungsfehler jedoch zu groß, nehmen die Verluste stark zu; ist er zu klein, ist die Funktion bei engen Kurvenradien nach Rosemeier et al. [2006] eingeschr¨ankt. Ein Beispiel von Mitsubishi f¨ ur Variante c) ist in Abbildung 6.45 gezeigt. Ein weiteres AYC-Konzept, welches im Gegensatz zu den bisher Vorgestellten auf ein herk¨ommliches Hinterachsdifferential auf Kegelradbasis verzichtet, ist in Abbildung 6.46 gezeigt. Das Hinterachsgetriebe basiert auf zwei geregelten Kupplungen, die das anliegende Moment zwischen den R¨adern der Hinterachse aufteilen. Durch eine asymmetrische Verteilung der Momente an der Hinterachse zum kurven¨ außeren Rad kann wie in Abbildung 6.47 schematisch skizziert ein kurveneindrehendes Moment auf das Fahrzeug ausge¨ ubt
6.4 W¨ alzlagerungen
467
Abb. 6.46. Elektromechanisch bet¨ atigtes Kupplungs-Hinterachsgetriebe von ZF ohne Differentialradsatz (Aus Rosemeier et al. [2006])
werden. Bei Sperrung beider Kupplungen kann ein gesperrtes Hinterachsdifferenzial nachgebildet werden; eine Funktion, die bei den Systemen nach Abbildung 6.44 nur mit Variante c) dargestellt werden kann. Die Kupplung zum kurven¨außeren Rad ist im Normalfall geschlossen, u ¨ber die schlupfende kurveninnere Kupplung wird die Momentenverteilung an der Hinterachse ge¨ steuert. In Fahrsituationen, bei denen z.B. ein Ubersteuern bek¨ampft werden soll, wird das Moment an der inneren Kupplung erh¨oht und das Moment an der kurven¨außeren Kupplung reduziert, dadurch entsteht ein kurvenausdrehendes, stabilisierendes Moment.
6.4 W¨ alzlagerungen Im folgenden Abschnitt wird auf die f¨ ur Fahrzeuggetriebe wichtigen Punkte bei der Auslegung und Gestaltung von W¨ alzlagerungen eingegangen werden. Weiterf¨ uhrende Details finden sich in allen Abhandlungen zu allgemeinen Maschinenelementen, z.B. Steinhilper & Sauer [2005], Grote & Feldhusen [2005] oder Niemann et al. [2005]. Ferner sei auf Br¨ andlein et al. [1998] und Dahlke [1994] verwiesen, wo – unabh¨angig vom Fahrzeuggetriebe – das Thema W¨ alzlager generell ausf¨ uhrlich behandelt wird. Einen groben ¨ Uberblick u ¨ber die Vielfalt der eingesetzten W¨alzlager bei manuellen Schaltgetrieben gibt Abbildung 6.48: Sie umfasst von den Wellenlagerungen, hier ausgef¨ uhrt als Kugellager und Zylinderrollenlager, u ¨ber die Losradlagerungen auf Nadelh¨ ulsen bis zur Lagerung der Schaltwelle ein breites Spektrum. Bei den automatischen Getrieben, vgl. Abbildung 6.49, ist die Vielfalt nicht klei-
468
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.47. Zur Entstehung eines stabilisierenden Giermoments beim gezielten Umverteilen des Antriebsmoments in Fahrzeugquerrichtung
ner, ist doch schon die Anzahl der W¨ alzlager durch die Vielzahl der drehbar zu lagernden Teile von Wandler, Planetenstufen sowie der verschiedenen, teilweise hohl ausgef¨ uhrten Wellen gr¨ oßer. Aufgrund des Umfangs der Auslegungs- und Gestaltungsm¨oglichkeiten von W¨alzlagerungen f¨ ur Fahrzeuggetriebe wird hier nur die Theorie pr¨asentiert, die notwendig ist, um zum einen u agig – basierend auf beispielsweise ¨berschl¨ einem Validierungskollektiv ¨ ahnlich Tabelle 3.7 – die erforderlichen Tragf¨ahigkeitskennwerte eines Lagers ermitteln zu k¨ onnen. Zum anderen soll ein Werkzeug bereitgestellt werden, um die Lebensdauer eines W¨alzlagers unter definierten Einsatzbedingungen absch¨ atzen zu k¨ onnen. F¨ ur die Serienausf¨ uhrung eines Fahrzeuggetriebes u ¨bernimmt in der Praxis der W¨alzlagerhersteller mit seinem Erfahrungsschatz die Detailauslegung der Lager, um eine funktionsund kostenoptimale L¨ osung bereitzustellen. Systemaufgaben W¨alzlager erm¨oglichen die reibungsarme Lagerung der Wellen im Getriebe mit niedrigen Losbrech- und Schleppmomenten f¨ ur einen guten Gesamtwirkungsgrad; ferner werden sie eingesetzt, um die Relativverdrehung der Losr¨ader auf den Wellen sicherzustellen. Als Komfortelement unterst¨ utzen W¨alzlager in den Komponenten der Schaltbet¨ atigung zunehmend die Forderung nach niedrigen Bedienkr¨ aften.
6.4 W¨ alzlagerungen
469
Abb. 6.48. Einsatz von W¨ alzlagern in manuellen Schaltgetrieben (Aus INA [2005])
470
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.49. Einsatz von W¨ alzlagern in automatischen Getrieben (Aus INA [2005])
6.4 W¨ alzlagerungen
471
¨ Anmerkung 6.5 Die Ubertragung der Ausf¨ uhrungen aus diesem Abschnitt auf die W¨alzlager, die in stufenlosen Getrieben, vgl. Abschnitt 2.7.4 sowie 5.7, ¨ in den Verstelleinheiten zur Ubertragung des axialen Anpressdrucks auf das Wirkmedium eingesetzt werden, vgl. Abbildung 2.39 oder Abbildung 5.111.a, erfordert aufgrund der dominanten Axialbeanspruchungen besondere Vorsicht; auf den Einsatz der W¨ alzlager in den Verstellern der CVT wird nicht weiter explizit eingegangen. 2 6.4.1 Generelles zu W¨ alzlagern und deren Verhalten in Fahrzeuggetrieben Bei der Ermittlung der Beanspruchungen der W¨alzk¨orper und der Lauffl¨achen wird die Theorie der Fl¨ achenpressungen nach Hertz angewendet, vgl. Abschnitt A.1. F¨ ur die verschiedenen W¨ alzk¨ orperformen – Kugeln, zylindrische Rollen oder Kegelst¨ umpfe – lassen sich unter der Annahme ruhender Kontaktpartner die maximalen Pressungen quantifizieren. Die Orte der maximalen Pressung, also der h¨ ochsten Beanspruchung, liegen dabei unter der Oberfl¨ache und dr¨ ucken sich bei Langzeitbeanspruchung z.B. durch Sch¨alungen – schuppenf¨ormige Ausbr¨ uche – oder Gr¨ ubchen an den Lagerringen oder den W¨alzk¨orpern aus, vgl. Abbildung 6.60, insbesondere c), e) und i). Ein wesentlicher Faktor, welcher bei der Auslegung von W¨alzlagern ber¨ ucksichtigt werden muss, ist deren Nachgiebigkeit unter radialen und axialen Lasten, vgl. Abbildung 6.50. Die axialen Verschiebungen der Lagerinnenringe unter Last f¨ uhren unter Umst¨ anden zu einer Axialverschiebung der leistungs¨ ubertragenden Verzahnungen relativ zueinander. Die entsprechenden maximalen Verschiebungen in Wellenl¨ angsrichtung der einzelnen R¨ader zueinander k¨onnen durch eine entsprechend breitere Ausf¨ uhrung der treibenden Verzahnungen verglichen mit den getriebenen R¨adern kompensiert werden. Zweckm¨aßig wird dabei aus Bauraumgr¨ unden jeweils bei Schaltstufen die Verzahnung am Losrad schmaler ausgef¨ uhrt, um Bauraum f¨ ur die Synchronisation zu sparen. Kritischer k¨ onnen jedoch die aus den radialen Verformungen der W¨alzlager resultierenden Beitr¨ age zur Zahnflankenfehlstellung sein, da hier eine einfache Kompensationsm¨ oglichkeit nicht gegeben ist. Die Wechselwirkung zwischen axialer und radialer Verschiebung, die vor allem bei Kegelrollenlagerungen von Bedeutung ist, wird in Beispiel 6.1 diskutiert. Mit Blick speziell auf Kegelrollenlager wird noch auf folgende Punkte bez¨ uglich des Kraft-Verformungsverhaltens von W¨ alzlagern hingewiesen: • Axiale und radiale Steifigkeit h¨ angen von axialer und radialer Belastung ab, es liegt also ein gekoppeltes, nichtlineares Verhalten vor; die Kennlinien in Abbildung 6.50 gehen in Kennfelder frad = fˆrad (Fax , Frad ) und fax = fˆax (Fax , Frad ) u ¨ber. • Die radiale und axiale Steifigkeit h¨ angen stark von der Lagergr¨oße ab. • Die in Abbildung 6.50 gezeigten Kurven setzen Spielfreiheit des Lagers in Lastrichtung voraus.
472
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
a)
b) Abb. 6.50. Verlauf der Einfederung in axialer (a) und radialer (b) Richtung f¨ ur ausgew¨ ahlte W¨ alzlagertypen mit 50 mm Bohrung (Nach Niemann et al. [2005])
Gerade der erste Punkt ist bei Kegelrollenlagern besonders zu beachten, sowohl bei der Bestimmung von Gesamtabdr¨ angungen von Zahnflanken unter Last als auch bei der Bestimmung der erforderlichen Beilegscheiben zum Einstellen des richtigen Betriebsspiels bzw. der richtigen Vorspannung bei der Montage der Getriebe. ¨ Beispiel 6.1 Als Fortf¨ uhrung der qualitativen Uberlegungen zur Wellenbeanspruchung soll f¨ ur den in Beispiel 4.1 angenommenen Lastfall der Einfluss der Kegelrollenlagerung auf die Zahnflankenabdr¨angung diskutiert werden. In Abbildung 6.51 ist die im R¨ uckw¨ artsgang auf die Welle wirkende resultierende Axiallast Fax am axial belasteten rechten Kegelrollenlager eingezeichnet; es stellt sich aufgrund der axialen Lagernachgiebigkeit eine axiale Verschiebung uax der Wellenbaugruppe mit all ihren Komponenten ein. Am linken Lager resultiert aus dieser Verschiebung der Welle in axialer Richtung ein radialer Freiheitsgrad, der in Abh¨ angigkeit vom Kegelwinkel δ und dem herrschenden Betriebsspiel der Kegelrollenlagerung, vgl. Abbildung 6.51, zu einem betr¨achtlichen Beitrag zur Zahnflankenfehlstellung f¨ uhren kann. Aus
6.4 W¨ alzlagerungen
473
Abb. 6.51. Schematische Darstellung der Wirkkette Axialverschiebung–Radialverschiebung bei einer Kegelrollenlagerung
der Geometrie der Kegelrollenlagerung kann man schließen, dass f¨ ur die radiale Verschieblichkeit im linken Lager wrad f¨ ur die im lastfreien Zustand spielfrei angenommene Lagerung der Zusammenhang wrad = uax · tan(δ) gilt. Aus Verformungsgr¨ unden sollte daher der Kegelwinkel m¨oglichst klein gew¨ahlt werden, was aber wiederum zu einer reduzierten axialen Tragf¨ahigkeit der Lager f¨ uhrt. Es gilt also wieder, einen Kompromiss zwischen Lager- und Verzahnungsoptimierung zu finden. Weiterhin ist mit Blick auf die Lasteinleitung in die Geh¨ause die Tatsache zu beachten, dass nur druckbeanspruchte W¨ alzk¨ orper eine Kraft in den Außenring und damit ins Geh¨ ause einleiten k¨ onnen. Massiv ausgef¨ uhrte Lageraußenringe tragen zu einer Vergleichm¨ aßigung des Lasteintrags ins Geh¨ause bei. Abbildung 6.52 zeigt die prinzipielle Verteilung des Drucks p in der Kontaktzone der W¨alzlager und den schematischen Einfluss der Axialbeanspruchung auf die Lastverteilung. Deutlich zu erkennen ist dabei der positive Einfluss einer kleinen Axiallast bei gleichbleibender Radiallast: Durch die Axiallast werden zun¨achst mehr W¨ alzk¨ orper innerhalb der Druckzone ψ beansprucht, was zu einer Reduktion der maximalen Kontaktpressungen p infolge der Lastumverteilung in der Druckzone f¨ uhrt. Steigt jedoch die Axiallast weiter an, so wird der positive Effekt der Vergleichm¨ aßigung der Lasteinleitung durch die steigende Axiallast aufgezehrt und es kommt zu einer effektiven Mehrbelastung der W¨alzk¨ orper und demzufolge zu einer Lebensdauerreduktion, vgl. Abbildung 6.53. Die korrekte Abbildung der radialen Verteilung der Lager¨ last u ψ auf das ¨ber den Umfangsanteil des Außenrings mit Offnungswinkel Geh¨ause ist bei Untersuchungen zur Geh¨ auseoptimierung aber auch f¨ ur die Interpretation von Geh¨ auserissen, vgl. Abbildung 6.62.b, von Bedeutung. Bei der Wahl der Passungen am Innen- und Außenring der W¨alzlager sind f¨ ur die Wellenlagerungen, vgl. Abschnitt 6.4.4, die Innenringe mit einer leichten Presspassung auf den Wellen aufgrund der Umfangslast am Innenring fest-
474
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
¨ Abb. 6.52. Verteilung des Kontaktdruckes p der W¨ alzk¨ orper u ¨ber den Offnungswinkel der Druckzone ψ bei a) reiner Radiallast und b) kombinierter axialer und radialer Belastung (Aus Niemann et al. [2005])
zusetzen, um ein Verdrehen des Innenrings auf der Welle zu vermeiden. Die ¨ Außenringe in den Geh¨ ausen k¨ onnen mit einer Ubergangspassung ausgelegt werden. Diese erlaubt ein leichtes Spiel, da hier die Gefahr eines Verdrehens aufgrund der Punktlast – abgesehen von Gang- und Schub-Zug-Lastwechseln – die Lastrichtung relativ zum Ring konstant bleibt. Bei den Losradlagerungen, vgl. Abschnitt 6.4.3, verschiebt sich aufgrund der in Fahrzeuggetrieben meist verwendeten Rollen- oder Nadelkr¨ anze die Toleranzfestlegung zu einer Spielauslegung f¨ ur Axial-, Radial- und Kippspiel. F¨ ur die Lagerungen der komfortrelevanten Teile der Schaltung, vgl. Abschnitt 6.4.5, liegen aufgrund der sehr begrenzten Verschiebe- und/oder Verdrehm¨oglichkeiten sowohl f¨ ur das Innen- als auch f¨ ur das Außenteil Punktlasten vor, daher sollten bei Lage¨ rungen mit Innen- und/oder Außenteil Ubergangspassungen gew¨ahlt werden. F¨ ur die Lagerungen von Losr¨ adern und Schaltungsteilen ist noch anzumerken, dass Lauffl¨achen von W¨ alzk¨ orpern, beispielsweise von Nadelh¨ ulsen, zum Erreichen einer hohen Standzeit geh¨ artet werden m¨ ussen, um insbesondere bei Punktlast die Ausbildung von W¨ alzk¨ orperabdr¨ ucken und die damit verbundenen Risiken eine Komfortbeeintr¨ achtigung zu vermeiden. 6.4.2 Dimensionierung auf Betriebsfestigkeit Die Lebensdauer von W¨ alzlagerungen in Fahrzeuggetrieben h¨angt – neben den ¨ geometrischen Verh¨ altnissen und dem Grad an Ubereinstimmung zwischen den Lastannahmen bei der Dimensionierung und den tats¨achlichen Belastungen – in der Praxis von einer Reihe von Faktoren ab. Zu nennen sind dabei
6.4 W¨ alzlagerungen
475
Abb. 6.53. Dynamisch ¨ aquivalente Beanspruchung einreihiger Schr¨ agkugellager (Nach Niemann et al. [2005])
insbesondere die folgenden Punkte, die einzeln oder in Kombination Ausl¨oser eines W¨alzlagerversagens sein k¨ onnen: • starke Streuungen der tats¨ achlichen Beanspruchungen von den Lastannahmen der Auslegungsrechnung, • Abweichungen vom idealen Betriebsspiel in Axial- bzw. Radialrichtung, • Verschmutzung des Getriebes durch Schleifmittelr¨ uckst¨ande oder Sp¨ane, • unzureichende Schmierung, • exzessive Stoßlasten infolge Missbrauchs, • Vorsch¨aden bei der Montage, • zu hohe Betriebstemperaturen. Gerade der erste genannte Punkt dieser Aufz¨ahlung ist mit Blick auf die Auslegung und Vorauswahl eines m¨ oglicherweise geeigneten Lagers f¨ ur ein Fahrzeuggetriebe von großer Bedeutung: Zum einen soll das im Folgenden ben¨otigte Auslegungskollektiv einfach in der Handhabung und zum anderen f¨ ur ein m¨oglichst breites Fahrzeug- und Kundenspektrum nutzbar sein, ohne ¨ f¨ ur den Normalkunden zu inakzeptablen Uberdimensionierungen zu f¨ uhren. F¨ ur die Auswahl eines betriebsfesten Lagers bedeutet dies eine nicht zu untersch¨atzende Herausforderung, da die Auslegungskollektive oft auf quasistatischen Blockprogrammversuchen basieren und nur selten die dynamischen Prozesse im Getriebe etwa beim Lastwechsel ber¨ ucksichtigen, die z.T. hochdynamische Vorg¨ange im W¨ alzlager verursachen k¨onnen. Bei der Auslegung eines W¨ alzlagers wird, unter Ber¨ ucksichtigung der Verzahnungsdaten und der Verzahnungskr¨ afte, vgl. (4.65) und (4.66), sowie der Wellengeometrien ein Lastkollektiv der Form entsprechend Tabelle 6.1 mit s Lasthorizonten zugrunde gelegt. In Analogie zu Tabelle 3.7 – vgl. Seite 104 – wird dabei f¨ ur jedes Beanspruchungsniveau j eine Lastwechselzahl qj aus
476
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe Tabelle 6.1. Schematisches Auslegungskolletiv f¨ ur W¨ alzlager Nr. j Drehzahl nj Verweildauer ∆tj Radiallast Frad,j Axiallast Fax,j 1 n1 ∆t1 Frad,1 Fax,1 2 n2 ∆t2 Frad,2 Fax,2 .. .. .. .. .. . . . . . s ns ∆ts Frad,s Fax,s
Drehzahl nj und Beanspruchungszeit ∆tj ermittelt, qj = nj ·∆tj . Als n¨achstes muss f¨ ur die einzelnen Beanspruchungsniveaus j in Abh¨angigkeit vom Verh¨altnis der Axial- zur Radialkraft Fax,j /Frad,j f¨ ur das Lastniveau eine dynamisch ¨aquivalente Ersatzlast Pj bestimmt werden, Pj = X · Frad,j + Y · Fax,j .
(6.11)
Hierbei sind die beiden Koeffizienten X und Y neben dem Kraftverh¨altnis auch von der Lagerbauart abh¨ angig, vgl. Abbildung 6.53, ˆ ax,j /Frad,j , Lagerbauart) X = X(F Y = Yˆ (Fax,j /Frad,j , Lagerbauart) . Unterhalb einer axialen Grenzbeanspruchung Fax,j /Frad,j < e f¨ uhrt die geringe Axiallast, vgl. Abbildung 6.52, zu einer gleichm¨aßigeren Druckverteilung u ¨ber den Umfang und somit im Endeffekt zu einem leichten Anstieg der Lagerlebensdauer, der jedoch bei der vereinfachten Auslegung nicht erfasst werden kann. F¨ ur Rillenkugellager lassen sich, vgl. Niemann et al. [2005], f¨ ur die erste Vordimensionierung die Radial- und Axialfaktoren X und Y mit einer axialen Grenzbeanspruchung e = 0, 3 im ersten Schritt absch¨atzen zu ( 1 wenn Fax,j /Frad,j < e X= und 0, 55 wenn Fax,j /Frad,j > e ( (6.12) 0 wenn Fax,j /Frad,j < e Y = . 1, 5 wenn Fax,j /Frad,j > e F¨ ur Kegelrollenlager geht der mittlere Kegelwinkel δ in die Faktoren mit ein, es gilt dann ( 1 wenn Fax,j /Frad,j < 1, 5 · tan δ X= und 0, 4 wenn Fax,j /Frad,j > 1, 5 · tan δ (6.13) ( 0 wenn Fax,j /Frad,j < 1, 5 · tan δ Y = . 0, 4 cot δ wenn Fax,j /Frad,j > 1, 5 · tan δ
6.4 W¨ alzlagerungen
477
Man verdeutliche sich, dass (6.12) und (6.13) qualitativ den Verlauf der N¨aherungsfunktion in Abbildung 6.53 wiedergeben. Hat man nun f¨ ur jedes Lastniveau j = 1, . . . , s nach (6.11) die dynamisch ¨aquivalente Belastung Pj errechnet, so kann man f¨ ur das Auslegungskollektiv nach Tabelle 6.1 die sch¨adigungs¨aquivalente Auslegungslast Pges errechnen, v u ! s s u X X u p p (qj Pj ) / qi . (6.14) Pges = t j=1
i=1
Der Koeffizient p ist der Lebensdauerexponent, der nur vom W¨alzlagertyp abh¨angt; f¨ ur Kugellager ist p = 3, f¨ ur Rollenlager gilt p = 10/3. Anmerkung 6.6 Die in (6.14) angewendete Schadensakkumulationshypothese ist die elementare Form der Palmgren-Miner-Regel und geht zur¨ uck auf die Arbeiten, die Palmgren8 an W¨ alzlagern durchgef¨ uhrt hatte, um diese grundlegende Hypothese der Betriebsfestigkeit abzuleiten. 2 Mit (6.14) steht nun f¨ ur die Lagerauswahl f¨ ur ein Getriebekonzept eine wichtige Kenngr¨oße zur Verf¨ ugung, ebenso wird (6.14) f¨ ur eine vereinfachte Nachweisrechnung der Lagerlebensdauer ben¨ otigt. Ber¨ ucksichtigt man, dass die dynamischen Tragf¨ ahigkeiten C der W¨ alzlager u ¨blicherweise bei einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 10% auf eine Lebensdauer von 106 Umdrehungen bezogen werden, so kann man mit dem Auslegungskollektiv nach Tabelle 6.1 die erforderliche dynamische Tragzahl Cerf eines Lagers absch¨atzen nach ( Cerf =
s X
)1/p
! qi
6
/(a1 · 10 )
· Pges .
(6.15)
i=1
Der Umrechnungsfaktor der Ausfallwahrscheinlichkeit a1 stellt eine M¨oglichkeit zur Verf¨ ugung, um – im statistischen Mittel – die Ausfallwahrscheinlichkeit ausgehend von den u ¨blichen 10% bei den angenommenen 106 Lastwechseln zu korrigieren. Die erforderliche Tragzahl wird mit den in Tabelle 6.2 angegebenen Umrechnungsfaktoren a1 bei einer Inkaufnahme ansteigender Ausfallwahrscheinlichkeiten kleiner; sollen die Ausfallswahrscheinlichkeiten vermindert werden, steigt die erforderliche dynamische Tragzahl Cerf stark an. F¨ ur eine einfache Lebensdauerabsch¨ atzung f¨ ur ein gegebenes Lager mit einer dynamischen Tragf¨ ahigkeit C kann man aus den u ur die ¨blichen Gleichungen f¨ Lebensdauerberechnung von W¨ alzlagern ein effizientes Werkzeug gewinnen, wenn man basierend auf dem Kollektiv der Beanspruchungen nach Tabelle 6.1 die Gesamt¨ uberrollungszahl qges des Kollektivs als Bezugsgr¨oße w¨ahlt. 8
Arvid Palmgren (1890-1971) trat 1917 bei SKF (Svenska Kullagerfabriken AB) ein und entwickelte u.a. selbst zentrierende Rollenlager; seine Arbeiten hatten maßgeblichen Einfluss auf die internationale Normung der W¨ alzlagerberechnungsvorschriften. Im Zeitraum 1937-1955 war er Entwicklungsleiter bei SKF.
478
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Tabelle 6.2. Umrechnungsfaktor der W¨ alzlager-Ausfallwahrscheinlichkeit a1 Ausfallwahrscheinlichkeit [%] 50 30 10 5 4 3 2 1 Erm¨ udungslaufzeit L50 L30 L10 L5 L4 L3 L2 L1 Umrechnungsfaktor a1 5 3 1 0,62 0,53 0,44 0,33 0,21
Man erh¨alt f¨ ur die relative LebensdauerP Lq des Lagers mit der Tragzahl C bes zogen auf den Kollektivumfang qges = j=1 qj unter Ber¨ ucksichtigung einer eventuellen Korrektur der p C 106 · a1 Lq = · · 100% . (6.16) Pges qges Die Lebensdauer Lq gibt unter Ber¨ ucksichtigung einer bestimmten Ausfallwahrscheinlichkeit an, welche prozentuale Lebensdauer bezogen auf den Kollektivumfang qges von einem Lager bis zum wahrscheinlichen Ausfall ertragen wird. Mit (6.15) und (6.16) stehen nun zwei Dimensionierungs- bzw. Beurteilungswerkzeuge f¨ ur W¨ alzlagerungen zur Verf¨ ugung, die es erlauben, die im Folgenden noch detaillierter diskutierten Lagerungen von Wellen und Losr¨adern von Fahrzeuggetrieben bez¨ uglich ihrer Lebensdauer zu beurteilen. F¨ ur die sta¨ tische Ausfallsicherheit bzw. f¨ ur die Dimensionierung gegen Uberlastsch¨ aden bei missbrauchs¨ahnlichen Bedingungen findet die normale statische Bemessung auf die Maximallasten Anwendung. Neben der Tragzahl ist die maximal auftretende bzw. erwartbare Drehzahl eines W¨alzlagers eine wichtige Auslegungsgr¨ oße. Bei den Lagerungen der Wellen ist die Bestimmung der maximalen Drehzahl direkt u ¨ber die maximale Motor¨ drehzahl und die Ubersetzung des h¨ ochsten Gangs auf der betrachteten Welle m¨oglich. Bei Losradlagerungen ist die maximale Relativdrehzahl zu beachten, die, vgl. Beispiel 3.4, teils deutlich gr¨ oßer als die Eingangsdrehzahl des Getriebes sein kann. In Abh¨ angigkeit von Baugr¨oße und Lagerbauart geben die W¨alzlagerhersteller Maximaldrehzahlen f¨ ur die verschiedenen Lagertypen an, i.d.R. liegen die Drehzahlgrenzen je nach Bauart zwischen 10 000 und 12 000 u/min. Auch hier ist durch ein Optimieren der Detailparameter eines Lagers oft noch Potential zur Steigerung der Drehzahlfestigkeit vorhanden. Um der Tatsache zu gen¨ ugen, dass die in Fahrzeuggetrieben eingebauten W¨alzlager durch Detailoptimierungen meist erheblich h¨ohere Tragzahlen aufweisen als bauraumgleiche Standard-W¨ alzlager, kann unter bestimmten Bedingungen die Nutzung einer Lebensdauerabsch¨atzung basierend auf der relativen Palmgren-Miner-Regel Auslegungsvorteile, vgl. Abschnitt A.2.3, bringen. Dabei wird f¨ ur das bekannte Vergleichslager mit dem entsprechenden Lastkollektiv eine kummulierte Sch¨ adigung f¨ ur den Auslegungszyklus errechnet, die man dann f¨ ur ein ¨ ahnliches Lager bei ¨ ahnlichen Einsatzbedingungen als Auslegunsgr¨oße verwendet. F¨ ur Details sei auf Abschnitt A.2.3 und die dort genannten Referenzen verwiesen.
6.4 W¨ alzlagerungen
479
Abb. 6.54. Radiales Betriebsspiel im Einbauzustand, hier beispielhaft f¨ ur ein Nadellager (Aus INA [2005])
Die Detailauslegung der W¨ alzlager ist – selbst wenn man bei der vereinfachten Lebensdauerberechnung bleibt und nicht den vollen Lebensdauernachweis ¨ nach DIN 281 f¨ uhrt – deutlich komplexer als die hier pr¨asentierten Uberschlagsgleichungen es erwarten lassen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Radial- und Axiallastfaktoren X und Y f¨ ur den Nachweis genau bestimmt werden unter Beachtung von Lagertyp, Lastverh¨altnis und ggf. weiterer Informationen etwa zur Schmierungssituation. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die diskutierten Wege zur u ¨berschl¨agigen Ermittlung der notwendigen W¨alzlagerkenngr¨oßen stets voraussetzen, dass die Lager mit dem richtigen Betriebsspiel ausgef¨ uhrt werden, vgl. Abbildung 6.54. Dass dies – gerade bei Kegelrollenlagerungen – nicht immer einfach ist, wird in Abschnitt 6.4.4 diskutiert. W¨ahrend bei Ausf¨ uhrung der Wellenlagerung mit einem Festlager und einem Loslager mit Rillenkugeloder Zylinderrollenlagern Axialspiel der Welle und Radialspiel in den Lagern voneinander nahezu vollst¨ andig entkoppelt sind, h¨angen Radial- und Axialluft bei der Kegelrollenlagerung, vgl. auch Beispiel 6.1, direkt voneinander ab. 6.4.3 Nadel- und Rollenlager f¨ ur die Lagerung von Losr¨ adern Bei der Ausf¨ uhrung der W¨ alzlagerungen von Losr¨adern wie in Abbildung 6.55 kommen aus Bauraumgr¨ unden i.d.R. Nadel- oder Rollenh¨ ulsen ohne massiven Innen- und Außenring zum Einsatz. An Welle und Losradinnenseite sind geh¨artete Lauffl¨ achen mit einer Mindesth¨arte von 670 HV und einer entsprechenden Einh¨ artetiefe erforderlich, um Lagerausf¨alle durch Gr¨ ubchenbildung infolge der herrschenden Druckbeanspruchungen auszuschließen; die Hertz’sche Theorie erfasst die wirkenden Pressungen. Die axiale Tragf¨ahigkeit der Losradlagerungen ist aufgrund der fehlenden Innen- und Außenringe der Nadel- und Rollenh¨ ulsen meist sehr begrenzt, es
480
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.55. Detailansicht von Losradlagerungen. Ausf¨ uhrung links mit Nadelh¨ ulse mit gr¨ oßerem axialen Spiel und rechts mit doppelreihiger Rollenh¨ ulse mit einem axial wirkenden Anlaufbund
sollten hier unbedingt die Herstellerangaben zu den geplanten Lagertypen beachtet werden. Zweckm¨ aßig u ¨bernimmt der Lagerhersteller die Detailoptimierung, die sich mit einer gezielten Bombierung der W¨alzk¨orper und der Detailgestaltung des K¨ afigs zum Schutz vor W¨alzk¨orperversagen besch¨aftigt. Im geschalteten Gang muss die Axialkraft9 aus der Schr¨agverzahnung der Gangr¨ader f¨ ur eine robuste Lagerung u ¨ber massive Anlaufbunde oder speziell beschichtete Anlaufscheiben aufgenommen werden. Aus Sicht des im geschalteten Gang stehenden Losradlagers wird der radial umlaufenden Beanspruchung aus dem Zahneingriff ein wechselndes Kippmoment aus der am W¨alzkreis angreifenden Axialkraftkomponente u ¨berlagert. Aufgrund der m¨oglichen Mikrobewegung der W¨ alzk¨ orper durch die umlaufenden Lasten im geschalteten Gang ist eine ausreichende Be¨ olung der Nadeln oder Rollen sicherzustellen, idealerweise durch Be¨ olungsbohrungen in den losradtragenden Wellen. Die Erarbeitung von Auslegungskollektiven f¨ ur Losradlagerungen ist schwierig, da die Lager im geschalteten Gang als Block umlaufen mit bestenfalls Mikrobewegungen, also rein statisch beansprucht sind. Im nicht geschalteten Gang werden die Losr¨ ader gegen das Lagerreibmoment und ggf. Planschverluste geschleppt, die Beanspruchungen sind dabei meist relativ klein. F¨ ur die u ¨berschl¨agige Auswahl ist die statische Bemessung mit den wirkenden Verzahnungslasten das einzige anwendbare Kriterium, ohne wie zuvor erw¨ahnt mit einem Lagerlieferanten das einsetzbare Lager im Detail festlegen zu m¨ ussen. Ein Punkt von essentieller Bedeutung ist bei der Losradlagerung die gezielte Einstellung von Axial- und Radialspiel unter Ber¨ ucksichtigung der vielf¨altigen Anforderungen der Fertigung. Die Vorgabe von Axial- und Radialspiel erfordert ein hohes Maß an Systemverst¨ andnis und findet die Balance zwischen 9
Typische Ausfallmuster bei unzul¨ assig hoher Axiallast von Losradlagerungen sind in Abbildung 6.60.b und 6.60.j gezeigt.
6.4 W¨ alzlagerungen
481
Abb. 6.56. Entstehung eines St¨ utzmoments im W¨ alzlager infolge Wellenbiegung
hoher Rasselneigung infolge zu großen Spiels, vgl. Abschnitt 9.6.2, und Lastwechselger¨auschen auf der einen Seite und einer u ¨berh¨ohten Fressgefahr infolge zu kleinen Spiels andererseits. Dabei werden heute die Toleranzketten, die Axial- und Radialspiel bestimmen, i.d.R. mit statistischen Methoden bewertet unter Ber¨ ucksichtigung einer Vielzahl relevanter Gr¨oßen, die die Streuung der Einzelmasse quantifizieren. Eine bloße Betrachtung von statischen Toleranzketten f¨ ur minimales und maximales Betriebsspiel ist aufgrund der damit ¨ verbundenen Uber-Tolerierung der Bauteile heute nicht mehr zeitgem¨aß, f¨ ur Details zur statistischen Tolerierung sei z.B. auf Klein & Mannewitz [1993] oder Jorden [2001] verwiesen. 6.4.4 Kegel-, Rollen- und Kugellager f¨ ur die Wellenlagerung Bei der Gestaltung der Wellenlagerungen ist das Lagerungskonzept zu beachten: Fest-Los oder Angestellt. Bei der Fest-Los-Lagerung, die meist mit Kugeloder Rollenlagern der verschiedensten Bauarten je nach Einbaubedingung ausgef¨ uhrt wird, kann die u agige Auslegung entsprechend Abschnitt 6.4.2 ¨berschl¨ erfolgen. Zu beachten ist dabei, dass gerade bei schlanken Wellen die Neigung ψ der Welle in den gedachten Lagermittelpunkten vom gew¨ahlten Lager aufgenommen werden kann, ohne infolge eines Verklemmens oder einer zu hohen Biegesteifigkeit unzul¨ assige Reaktionsmomente Mreac in den Lagern hervorzurufen, die einen vorzeitigen Lagerausfall beg¨ unstigen, vgl. Abbildung 6.56. Die Einstellung der Lagerluft erfolgt durch die Wahl der Passungen des Außendurchmessers vom Lageraußenring und der Welle, wenn man am System der Einheitsbohrung mit einer h-Passung festh¨alt. Bei angestellten Lagerungen sind bei der Auslegung mehr Punkte zu ber¨ ucksichtigen als bei der Fest-Los-Lagerung. Die Festlegung einer Anordnungsform nach Abbildung 6.57 f¨ ur die axial einseitig wirkenden Lager ist die Aufgabe mit den weitreichendsten konstruktiven Auswirkungen. Eine O-Anordnung wird h¨aufig bei den Achsantrieben mit Kegelr¨ adern, vgl. z.B. Abbildung 6.11 oder 6.13, oder auch bei den Gelenkwellenantrieben bei AWD-Fahrzeugen
482
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
eingesetzt, vgl. Abbildung 6.38. Die O-Anordnung bietet hier aufgrund der gr¨oßeren St¨ utzl¨ange eine bessere Abst¨ utzung der Welle im Geh¨ause und kann gerade bei den hochbeanspruchten Achsantriebsritzeln den wirksamen Lagermittelpunkt fast unter die Mitte der Kegelritzelverzahnung verlagern. Durch die eindeutige axiale Lastrichtung und die niedrige Radiallast kann dann das dem Kegelritzel abgewandte Lager beim winkligen Achsantrieb vergleichsweise klein ausgef¨ uhrt werden; es sei auf das in Abbildung 6.13 gezeigte, manuell sperrbare Hinterachsdifferential verwiesen, bei dem das vorne liegende Kegelrollenlager im betriebswarmen Zustand nur geringe Radiallasten tr¨agt. Bei den Wellenlagerungen verbietet sich f¨ ur die Kombination “Stahlwelle in Aluminiumgeh¨ause” die O-Anordnung mit einer im Montagezustand auf axialen Zug vorgespannten Welle aufgrund thermischer Probleme: Durch die im Betrieb verglichen mit der Montage h¨ ohere Temperatur des Getriebes dehnt sich das Geh¨ause aufgrund des hohen thermischen Expansionskoeffizienten etwa dreimal so stark aus wie die Welle. Ein drastischer Anstieg der Vorspannkraft im Welle-Lager-System ist die Konsequenz. W¨ urde man die thermische Expansion des Geh¨ auses durch eine bei der Montage gezielt eingestellte große axiale Luft erreichen wollen, w¨ are ein nicht akzeptables Ger¨auschverhalten des Getriebes bei niedrigen Temperaturen nach diesem Gedankenexperiment die Folge, hinzu k¨ amen massive Tragbildprobleme an der Verzahnung. Mit der X-Anordnung der Lager l¨ asst sich die Situation stark verbessern: Bei der Montage wird eine gezielte Wegvorspannung durch Einlegen gestufter Beilegscheiben10 erreicht. Bei Erw¨ armung geht dann bei einer Temperatur im ¨ Bereich von etwa 60◦ C das Ubermaß infolge der zuvor besprochen unterschiedlichen thermischen Expansionseigenschaften von Welle und Geh¨ause verloren und erlaubt im betriebswarmen Zustand ein recht exakt einzuhaltendes Axialund Radialspiel, vgl. Beispiel 6.1. Nachteilig an der X-Anordnung ist die bei niedrigen Temperaturen hohe axiale Vorspannung des Welle-Lager-Systems. Der Grund hierf¨ ur liegt im hohen Lagerreibmoment, welches auch bei Einsatz geringster Mengen von Leichtlauf¨ol nicht zufriedenstellend reduziert werden kann11 . Bei Getriebekonzepten mit schr¨agverzahnten R¨ uckw¨ artsg¨ angen mit vergleichsweise hohem Schr¨agungswinkel wie etwa in Abbildung 2.21 erscheint die Kegelrollenlagerung aufgrund der fehlenden Kompensationsm¨ oglichkeit der Axialkr¨afte auf die Lagerung als einzig erfolgversprechendes Konzept, welches die hohen axialen Lasten im R¨ uckw¨artsbetrieb selbst bei den niedrigen Nutzungsanteilen aufnehmen kann. Bei Getrieben f¨ ur Heckantrieb ist die Axiallast aufgrund des fehlenden Differentialantriebs auf der Hauptwelle des R¨ uckw¨ artsgangs geringer. 10
11
L¨ osungen u ¨ber maßlich gestufte Lagerinnen- oder außenringe sind bereits im Vorgriff auf zuk¨ unftige Technologien patentrechtlich gesch¨ utzt und erlauben den Wegfall einer ganzen Bauteilklasse in der Fertigung. Auch auf die R¨ ader, insbesondere das Differential, welches in Ruhe etwa h¨ alftig im ¨ Olsumpf liegt, wirkt bei niedrigen Temperaturen ein erhebliches Schleppmoment ¨ ¨ ahigkeit. zur Uberwindung der Olz¨
6.4 W¨ alzlagerungen
a)
483
b)
Abb. 6.57. M¨ oglichkeiten zur Anordnung von Kegelrollenlagern und anderen schr¨ ag wirkenden Lagertypen: a) X-Anordnung, b) O-Anordnung. A bezeichnet den Abstand der Druckmittelpunkte der Lager.
Eine Ber¨ ucksichtigung der im Montagezustand herrschenden axialen Vorspannkraft ist bei der u agigen Ermittlung der Lagertragf¨ahigkeit nicht ¨berschl¨ notwendig; im Rahmen der einfachen Lebensdauerabsch¨atzung wird f¨ ur die Kegelrollenlagerung lediglich ein korrektes Betriebsspiel im Hauptbetriebszustand – bei Fahrzeuggetrieben etwa 90◦ C – vorausgesetzt. 6.4.5 W¨ alzlagerungen f¨ ur komfortrelevante Bauteile der Schaltung Bei manuellen Schaltgetrieben sowie bei deren teilautomatisierten Ablegern kommen seit einigen Jahren zwei weitere W¨ alzlagerungen aus Komfortgr¨ unden verst¨arkt zum Einsatz. Dies sind zum einen federvorgespannte Kugelb¨ uchsen, die so genannten Arretierungen, vgl. Abschnitt 4.5.3, bei denen die auf einer Kontur abrollende Kugel zur Reduktion der Subsystemreibung immer h¨aufiger selbst kugelgelagert wird, vgl. Abbildung 6.58. Auf den Einsatz der Arretierungen (oder kurz Arren) innerhalb der Schaltung wurde in Abschnitt 4.5 eingegangen. Ein Verzicht auf die Kugellagerung der Rastierkugel f¨ uhrt u ¨ber die ansteigende Reibung zu einer negativen Beeinflussung des Schaltkomforts durch das oft zitierte teigige Schaltgef¨ uhl infolge hoher Reibung, vgl. auch Abbildung 4.106 und Abschnitt 9.4. Die Kugelumlaufb¨ uchsen, die mittlerweile h¨ aufig ebenfalls zur Reibungsreduktion von Schaltwellen und Schaltgabeln eingesetzt werden, sind ebenfalls ein reines Komfortelement ohne strukturtragende oder leistungsf¨ uhrende Funktion, vgl. Abbildung 6.59, Abbildung 4.99 zeigt eine kugelgelagerte Schaltwelle. Den Kugelumlaufb¨ uchsen und den Arrenkugel-Lagerungen ist gemeinsam, dass sie bei vergleichsweise kleinen Verdreh- bzw. Verschiebewegen haupts¨achlich statisch beansprucht werden, Missbrauch ist hier selten. Demzufolge ist die statische Bemessung der W¨ alzlagerungen von Komfortelementen mit den Bet¨atigungskr¨ aften ausreichend, wenngleich auch hier wieder darauf
484
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.58. Kugelgelagerte Arretierung f¨ ur die Innenschaltung und Einbaueinfluss auf die Sub-Systemreibung (Aus INA [2005])
Abb. 6.59. Kugelumlaufh¨ ulse f¨ ur die Lagerung von Schaltwellen und Schaltachsen (Aus INA [2005])
hinzuweisen ist, dass aufgrund der hohen Hertz’schen Pressungen im Kontaktpunkt die Lauffl¨ achen der Arren bzw. die Kontaktfl¨achen der Schaltwellen und Schaltgabeln zu h¨ arten sind. 6.4.6 Lagersch¨ aden: Ursachen und Auswirkungen Die Hauptausfallursachen von W¨ alzlagerungen in Fahrzeuggetrieben wurden bereits auf Seite 475 im Vorgriff auf die Auslegung genannt. F¨ ur die in Abbildung 6.60 gezeigten Schadensbilder lassen sich die Ausl¨oser der Sch¨aden folgendermaßen klassifizieren:
6.4 W¨ alzlagerungen
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
h)
i)
j)
485
Abb. 6.60. Lagersch¨ aden: a) V¨ olliges Verklemmen, Rollenschiefstellung und K¨ afigu achen der Rollen infolge metallischen Kon¨berrollung, b) Tragmarken an den Stirnfl¨ takts nach Zusammenbruch des Schmierfilms, c) Schuppenf¨ ormige Ausbr¨ uche infolge u aßiger Beanspruchung und Deformation, d) Eingraben von Fremdk¨ orpern in ¨berm¨ den K¨ afig, e) Schuppenf¨ ormiger Ausbruch an der Innenseite des Außenrings infolge Steifigkeitssprung an der Geh¨ auseteilung, f) Bruch des Innenrings infolge unzul¨ assi¨ gen Ubermaßes am Innenring, g) Verdrehen des Außenringes infolge zu niedriger Fl¨ achenpressung, h) Axiale Laufspuren an den K¨ afigtaschen infolge zu hoher axialer Luft, i) Sch¨ alung infolge Fremdk¨ orper¨ uberrollung und Mangelschmierung, j) Axialfressen und Zapfenbildung infolge zu hoher Axiallast (Aus Timken [1995], INA [2005] und Br¨ andlein et al. [1998])
486
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
• Schlechter Sitz – Fehlpassung am Innen- oder Außenring: Fehlpassungen und falsche Betriebsspiele in radialer und/oder axialer Richtung sind Ursachen f¨ ur die Schadensbilder a), b), f), g) und h). Eine falsche Passungskombination, die zum Reißen von Innenringen oder zum Losdrehen f¨ uhren kann, ist im Gegensatz zum Betriebsspiel nur durch wenige Parameter in der Produktion bestimmt und somit eigentlich im Rahmen der Produktkontrolle identifizierbar. Schwieriger ist es bei den Betriebsspielen, die sich als Folge einer langen Toleranzkette und abh¨angig vom Betriebszustand einstellen; hier ist eine einfache Identifikation problematischer Kombinationen in der Produktion auch aufgrund des Einlaufeffekts nicht m¨oglich. • Mangelschmierung: Eine unzureichende Be¨olung kann – neben dem ¨ – durch Verunreinigungen oder zu eng toleschlichten Mangel an Ol rierte und ausgef¨ uhrte Be¨ olungsquerschnitte verursacht werden. Die Ausfallerscheinungen ¨ außern sich als Deformationen an den W¨alzk¨orpern oder Sch¨alungen, Ansichten b), i) und j). • Fremdmaterial und Restschmutz: Verunreinigungen des Getriebe¨ols sind die Hauptursache f¨ ur die Ausf¨ alle c), d), e) und i) in Abbildung 6.60. ¨ Durch Uberrollung von Restschmutzpartikeln an den Lauffl¨achen und der damit verbundenen Initialsch¨ adigung als Ausgangspunkt f¨ ur die Ausbildung eines gr¨ oßeren Sch¨ albereichs oder Eingrabung von Fremdpartikeln in den K¨afig werden die Lager stark besch¨adigt; es folgen nach kurzer Restlaufzeit Ger¨ auschbildung, vgl. Abschnitt 9.6.5, und Ausfall. Bei missbrauchsartigen Beanspruchungen oder sehr schnellen Lastwechseln k¨onnen – in Kombination mit einem falsch ausgelegten Betriebsspiel – der ¨ K¨afig oder einzelne Rollen infolge mechanischer Uberlastung verklemmt werden, der sofortige Totalausfall des Lagers ist die Folge. Bei starkem Verklemmen kann sogar das gesamte Getriebe blockieren; nicht selten kommt es dann zu Konsekutivsch¨ aden wie Zahn- oder Geh¨ ausebruch. Zum Teil sind nat¨ urlich ¨ auch Folgeketten denkbar: Etwa die Annahme, dass Fremdmaterial die Olversorgungsbohrungen in den Wellen verstopft und es danach zum Ausfall durch Mangelschmierung kommt. Letztendlich stellt ein Lagerausfall immer eine Verkettung ung¨ unstiger Konstellationen dar, es wird nur in seltenen F¨allen gelingen, eine eindeutige Ursache f¨ ur einen Ausfall identifizieren zu k¨onnen. Anmerkung 6.7 H¨ aufig ist ein Lagerausfall – gerade auf dem Pr¨ ufstand, vgl. Abschnitt 10.2 – durch die Entwicklung typischer Ger¨ausche erkennbar. ¨ Eine Ubersicht u ¨ber die Charakteristiken typischer Ger¨ausche und der mit ihnen verkn¨ upfbaren Ausfallmuster und Abhilfemaßnahmen wird bei Dahlke [1994] gegeben; die dort diskutierten Ger¨ ausche am Einzellager k¨onnen teils auf die W¨alzlager in Fahrzeuggetrieben u ¨bertragen werden, da h¨aufig u uckschluss auf das wahr¨ber W¨alzk¨orperzahlen und andere Parameter ein R¨ ¨ scheinlich betroffene Lager erm¨ oglicht wird. Ahnliche Methoden der K¨orperschall¨ uberwachung werden auch f¨ ur Fehlerfr¨ uherkennung und Pr¨ uflings¨ uberwachung am Pr¨ ufstand angewendet, vgl. Abschnitt 10.2 ab Seite 643. 2
6.5 Geh¨ ause, Dichtung und Be¨ olung
487
Abb. 6.61. Eingangs-, Ausgangs- und St¨ utzmoment am Fahrzeuggetriebe
6.5 Geh¨ ause, Dichtung und Be¨ olung Im diesem Abschnitt liegt nun der Fokus auf den Geh¨ausen der Fahrzeuggetriebe, auf den anzuwendenden Konstruktionsrichtlinien und Auslegungs¨ annahmen. Hinzu kommen verschiedene Anforderungen an die Olversorgung im Inneren des Getriebes sowie die Dichtigkeit der Getriebe nach außen. In Abschnitt 6.5.1 steht zun¨ achst die Lagerungsfunktion der Geh¨ause im Vordergrund, es wird auf die Auslegung im Normalbetrieb eingegangen; außerdem wird die Abst¨ utzung der Getriebe im Fahrzeug und die dabei entstehenden Beanspruchungen besprochen. Die Dichtigkeit nach außen und die Be¨olung und K¨ uhlung im Inneren werden in den Abschnitten 6.5.2 und 6.5.3 analysiert, besonderer Wert wird dabei auf die M¨ oglichkeiten zur Abdichtung und ¨ ¨ uhrung gelegt. die Olraumgestaltung und Olf¨ Systemaufgaben Das Geh¨ause u ¨bernimmt die Lagerung aller drehenden Teile des Fahrzeuggetriebes und st¨ utzt die aus der Leistungswandlung resultierenden Momente und Lagerreaktionen ab, die z.B. an der Verzahnung entstehen, vgl. Abschnitt 4.3.5; ebenso werden die beim Gang- oder Fahrstufenwechsel notwendigen Bet¨atigungskr¨ afte aufgenommen. Ferner stellt das Geh¨ause die dauerhafte ¨ Be¨olung durch ein System von Dichtungen und Olleiteinrichtungen sicher. Das Abst¨ utzen der Reaktionsmomente am Fahrzeuggetriebe, die in Abbildung 6.61 als einzelnes St¨ utzmoment TS dargestellt sind, TS = Tab − Tan = Tan · (iGet − 1) ,
(6.17)
muss ebenfalls dauerhaft vom Geh¨ ause12 sichergestellt werden. 6.5.1 Mechanische Funktionen des Geh¨ auses Die mechanische Konstruktion von Getriebegeh¨ausen hat, den Regeln der Konstruktionslehre nach z.B. Pahl et al. [2006] folgend, eine Reihe von Anforderungen zu erf¨ ullen, die sich mit den Schlagworten • beanspruchungsgerecht • fertigungsgerecht 12
Diese Aufgabe ist bei Auslegung auf Missbrauchssicherheit, vgl. Abschnitt 3.3.2, jedoch nur von untergeordneter Schwierigkeit.
488
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
a)
b)
Abb. 6.62. Getriebegeh¨ ause eines 6-Gang PKW-Getriebes: a) CAD-Ansicht, b) Spannungsverteilung bei Missbrauchsbeanspruchung einer ¨ ahnlichen Variante
• kostengerecht • umweltgerecht zusammenfassen lassen. W¨ ahrend der erste Punkt die mechanischen Eigenschaften der Geh¨ ause sicherstellt und der zweite – gerade bei Großserienprodukten – eine wirtschaftliche Produktion, die sich z.B. in einem einheitlichen Schraubentyp zur Montage aller Geh¨ auseteile in der Zusammenbaulinie wiederspiegelt, sind die beiden anderen Punkte vielschichtiger. Mit Blick auf die Kostengerechtheit sind Rohteil-, Bearbeitungs- und Montagekosten zu ber¨ ucksichtigen; Umweltvertr¨ aglichkeit beinhaltet die Dichtigkeit des Geh¨auses und die Energieeffizienz des Getriebes im Betrieb, die durch die Geh¨auseinnengestaltung und das Schleppmoment infolge des Schmier- und K¨ uhlstoffs wesentlich beeinflusst werden. Die mechanische Funktion des Geh¨ auses ist die Aufnahme der Reaktions- und Bet¨atigungskr¨afte; dabei ist darauf zu achten, dass der Kraftfluss innerhalb des Geh¨auses m¨oglichst schnell geschlossen wird, um unn¨otige Beanspruchungen zu vermeiden. Zur Verst¨ arkung von Leichtmetallgeh¨ausen bieten sich z.B. Lagerbrillen aus Stahl an, die zwei Festlager aufnehmen k¨onnen, so den Axialkraftfluss schnell schließen und damit zur einer Absenkung des Lastniveaus im Getriebegeh¨ause beitragen. Abbildung 6.62.a zeigt eine Ansicht des Geh¨auses eines Sechsganggetriebes mit einer steifen Anbindung des hoch beanspruchten Differentiallagers an die Lagerstellen der Haupt- und Eingangswelle, die den Kraftfluss trotz der erforderlichen Umlenkung im Bereich der Achswellen m¨oglichst kurz schließt. Ferner ist in Abbildung 6.62.b das Ergebnis einer Spannungsanalyse f¨ ur ein ¨ ahnliches Geh¨ ause unter Missbrauchslast, vgl. Abschnitt 3.3.2, gezeigt; deutlich zu erkennen sind einige Spannungskonzentrationen in der Berechnung, die auf hoch belastete Zonen hinweisen. Neben der Ausfallsicherheit im Missbrauchsfall bei Extremlasten ist eine ausreichende Steifigkeit zu gew¨ ahrleisten, um bei ertr¨aglichen Spannungen eine
6.5 Geh¨ ause, Dichtung und Be¨ olung
a)
489
b)
Abb. 6.63. Gestaltung von Versteifungsrippen: a) Gute Ausf¨ uhrung mit reiner Zugbzw. Druckbeanspruchung der Rippe, b) nicht optimale Orientierung der Rippe, die zu einer Biegung der Rippe und erh¨ ohtem Anrissrisiko f¨ uhrt
zu große Deformation der Geh¨ auseteile unter Last zu vermeiden und so auch bei Volllast ein ausreichendes Tragbild, vgl. Abschnitt 4.3, zu erreichen. Bei der Gestaltung von Versteifungsrippen ist darauf zu achten, dass diese Rippen – zur Vermeidung von Anrissen unter Last – rein in ihrer Mittelebene auf Druck beansprucht werden; ein Tordieren der Rippen wie in Abbildung 6.63 gezeigt sollte mit konstruktiven Mitteln verhindert werden, um eine gute Wirkung der Rippen zu erreichen und fr¨ uhzeitige Anrisse zu vermeiden. Bei d¨ unnwandigen, großfl¨ achigen Fl¨ achen ist eine ausreichende Verrippung vorzusehen, um diese Bereiche lokal zu versteifen und damit die M¨oglichkeit einer großfl¨achigen Luftschallabstrahlung zu reduzieren. Abbildung 6.64 zeigt zwei Bereiche des Geh¨ auses eines Handschaltgetriebes; eine große glatte Fl¨ache konnte mit Hilfe der Simulation als akustischer Problembereich identifiziert und durch Rippen wirkungsvoll versteift werden. Ist eine Verrippung aus Bauraumgr¨ unden nicht m¨ oglich, ist eine Beschichtung der gef¨ahrdeten Geh¨ausepartie mit einem d¨ ampfenden Material, z.B. Schwerspat, zu u ¨berpr¨ ufen. Als Geh¨ausewerkstoff kann heute Aluminium als Standard angesehen werden, auch Magnesium wird im Kokillendruckguss f¨ ur Getriebegeh¨ause bei kleinen und mittleren St¨ uckzahlen eingesetzt. Abbildung 6.65 zeigt das einteilige Geh¨ ause der 7G-Tronic von Mercedes-Benz aus Magnesiumdruckguss. Die Werkstoffwahl von Magnesium f¨ ur das Getriebegeh¨ause gegen¨ uber einer vergleichbaren Ausf¨ uhrung in Aluminium f¨ uhrt zu einer Gewichtseinsparung von 2,5 kg nur f¨ ur das Geh¨ause. Durchgef¨ uhrte Finite-Elemente-Berechnungen ergaben nach Greiner et al. [2003] Hinweise auf Zonen hoher Beanspruchungen wie in Abbildung 6.62.b, in denen zum Teil die Wandst¨arken zur Spannungsreduktion erh¨oht oder durch Rippen die Biegesteifigkeit gezielt optimiert wurde. Der mit Blick auf das akustische Verhalten kritische Steifigkeitsverlust in Folge des geringeren Elastizit¨atsmoduls von Magnesium gegen¨ uber Aluminium wird so weitgehend kompensiert.
490
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.64. Zwei Ansichten der berechneten Oberfl¨ achenschnellenverteilung als Maß f¨ ur die Neigung der Geh¨ ausepartien zur Abstrahlung von Luftschall (Aus Groß & Kaindl [2006])
Abb. 6.65. Getriebegeh¨ ause W7A700 aus Magnesium AS 31 HP (Aus Greiner et al. [2003])
Ein weiterer wichtiger Punkt, der bei der Bemessung von Getriebegeh¨ausen beachtet werden muss, sind die durch die Triebwerkslagerung eingeleiteten Kr¨afte und ggf. auch Momente, vgl. Abbildung 6.61 und (6.17). W¨ahrend beim Fahren auf schlechten Strecken Fahrwerk und Triebwerkslagerung stark beansprucht werden bei i.d.R. moderaten Motormomenten, kommt es im Fall ¨ des Fahrzeugmissbrauchs, vgl. Abschnitt 3.3.2, zu einer Uberlagerung von hohen Motormomenten mit hohen Triebwerksbeschleunigungen; man bedenke, dass z.B. Abbildung 3.23 eine Momenten¨ uberh¨ohung um u ¨ber 100% bezogen auf das Auslegungsmoment zugrunde liegt. Dabei lassen sich f¨ ur den Fall des Fahrzeugmissbrauchs die Antriebstrangmomente und die notwendigen St¨ utzmomente bzw. St¨ utzkr¨ afte der Triebwerkslagerung rechnerisch absch¨atzen, wenn die Steifigkeitskennlinien der Triebwerkslager sowie die Gesamttr¨agheitsdaten des Triebwerks bekannt sind. Eine solche Vorgehensweise erfordert den Aufbau eines Starrk¨ orpermodells, das zumindest in der Lage sein muss, beim Missbrauch unter realistischen Annahmen f¨ ur das Kupplungsschließen und das Reifenrutschen die dynamischen translatorischen wie rotatorischen Bewegungen des Triebwerks zu erfassen; ideal unter gleichzeitiger Ber¨ ucksichtigung der Gesamtfahrzeugdynamik, vgl. Abschnitt 10.4.3.
6.5 Geh¨ ause, Dichtung und Be¨ olung
a)
491
b)
Abb. 6.66. Anbindung einer Triebwerkslagerung an ein Getriebegeh¨ ause: a) CADModell und b) Vergleichsspannungsverteilung im Missbrauchsfall
Um den Einfluss der Triebwerkslagerung auf die Geh¨ause zu verdeutlichen, zeigt Abbildung 6.66 einen Entwurf eines Getriebelagers einer DreipunktTriebwerkslagerung und die Beanspruchung des Geh¨auses in der N¨ahe der Anbindung unter Missbrauchslast. Die Spannungsspitzen sind deutlich zu erkennen; es wurde ein St¨ utzmoment von 4,6 kNm von den Triebwerklagern aufgenommen. Die Reaktionsmomente und -kr¨afte im Fahrzeuggetriebe und die resultierenden Lagerbeanspruchungen m¨ ussen f¨ ur die Analyse der leistungs¨ ubertragenden und abst¨ utzenden Komponenten gemessen oder berechnet werden, um auch diese missbrauchssicher auslegen zu k¨onnen. 6.5.2 Dichtkonzepte bei mehrteiligen Geh¨ ausen Im Schaltgetriebebau dominiert heute aufgrund der niedrigen St¨ uckkosten die Abdichtung der Getriebe durch Silikon oder durch anaerobe Klebstoffe; beide Systeme werden in der Fertigung automatisch aufgetragen, Tabelle 6.3 fasst die Anforderungen und Auslegungskriterien f¨ ur diese Dichtungen zusammen. Wichtig ist, dass die Dichtungen auf Silikonbasis eine gewisse Toleranz bez¨ uglich Mikrobewegung der Flanschfl¨ achen besitzen, w¨ahrend die anaeroben Klebstoffe bei einmaligem Kontaktverlust, zum Beispiel infolge einer missbrauchsartigen Schaltung, direkt ihre Dichtwirkung irreversibel verlieren. Auch bei den Fl¨ ussigdichtungen ist man nicht frei von Konstruktionsrichtlinien, wie in Tabelle 6.3 zu erkennen ist. Details f¨ ur Serienl¨osungen m¨ ussen immer mit dem Lieferanten des Dichtsystems abgestimmt werden; die hier gegebenen Werte sind als Anhaltswerte zu verstehen. Problematisch sind die Fl¨ ussigdichtungen auch insofern, als dass sie in der Produktion nur sehr geringe Wartezeiten ohne Schaden u ¨berstehen. Ebenso kann bei Silikondichtungen durch einen zu fr¨ uhen Funktionstest ein Teil des Dichtmaterials ausgewaschen werden, was sp¨ater entweder zu Leckagen ¨ oder zu Lager- oder Verzahnungssch¨ aden durch Olkontamination f¨ uhren kann. Nachteilig ist bei den Silikondichtsystemen somit die Notwendigkeit einer
492
6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Tabelle 6.3. Eigenschaften und Anforderungen von Fl¨ ussigdichtsystemen (Quelle: ElringKlinger AG) Eigenschaft Mindest-Flanschbreite Oberfl¨ achenrauhigkeit Oberfl¨ achenzustand f¨ ur Dichtmittelauftrag Aush¨ artezeiten Servicem¨ oglichkeiten
Auslegungskriterium Relativbewegung in der Dichtfl¨ ache Abheben der Dichtfl¨ achen Mindestfl¨ achenpressung Schraubenabstand
a)
Anaerober Klebstoff Silikondichtraupe 6 mm 8 mm, innen 3 mm 15◦ -Fase < 8 µm, leichte Textur < 8 µm ¨ und Staubfrei Fett-, Ol10 min. 30 min. Keine. Dichtmittel restlos entfernen, Flansche m¨ ussen beim Auftragen des Dichtmittels absolut sauber und fettfrei sein Anaerober Klebstoff Silikondichtraupe < 5 µm < 0,25 mm < 5 µm 1 MPa
< 0,1 mm 0,1 MPa < 70 mm
b)
c)
Abb. 6.67. Gestaltungsm¨ oglichkeiten f¨ ur Dichtflansche bei silikonbasierten Dichtkonzepten: a) einfache Kammerung, b) Kammerung mit eingreifender Feder vom Oberteil, c) 15◦ Anfasung der Innenkontur
speziellen Flanschgestaltung zum gezielten Einbringen des Dichtmittels in einen Dichtspalt. In Abbildung 6.67 sind verschiedene denkbare Varianten zum gezielten Erzeugen einer “Kammer” f¨ ur das Silikon gezeigt, nur Variante c) ist in der Produktion unter Großserienbedingungen umsetzbar mit akzeptablen Aush¨ artezeiten und m¨ aßigem Bearbeitungsaufwand. Eine Kammerl¨osung f¨ uhrt immer zur Notwendigkeit verl¨angerter Aush¨artezeiten und damit zwangsweise zu l¨ angeren Ruhezeiten des “halbfertigen” Getriebes in der Produktion, sch¨ utzt das Dichtmittel aber vor der Gefahr des Auswaschens. Unproblematischer sind in dieser Beziehung alle Arten von Feststoffdichtungen, vgl. Tabelle 6.4, die zwar durch die Notwendigkeit eigener Werkzeuge teurer in der Herstellung sind, aber durch ihre Robustheit in der Montage und im Service Vorteile bieten: W¨ ahrend eine Fl¨ ussigdichtung bei einmali-
6.5 Geh¨ ause, Dichtung und Be¨ olung
493
Tabelle 6.4. Getriebedichtsysteme auf Feststoff-Basis (Quelle: ElringKlinger AG) Eigenschaften
Weichstoff
Metaloseal
Notwendige Fl¨ achenpressung > 20 MPaa > 10 MPab (abh¨ angig vom anliegenden Druck) Geforderte Bauteilsteifigkeit Hochc Mittel Empfohlene Schraubabst¨ ande 50-70 mm 70-100 mm Ebenheit der Bauteiled 0,1 mm 0,15 mm Rauhigkeit Rz < 16µm, Rz < 16µm, Rmax < 25µm Rmax < 25µm Reibwert µ > 0,26 0, 08 < µ < 0, 35 Medienbest¨ andigkeit Gut Sehr gut Demontierbarkeit Akzeptabel Sehr gut Anpassungsf¨ ahigkeit und Gute Geringes Setzen Setzverhalten Zusatzfunktionen Keine Integrierbar a
b c
d e
f
Elastomer / MetallElastomer > 1, 5 MPa Niedrig 100-140 mm 0,4 mm Rz < 35µm, Rmax < 50µm < 0,1 Sehr gut Sehr gut Nahezu kein Setzenf Integrierbar
Wert kann durch partielle Beschichtung oder Formgebung der Dichtungskontur beeinflusst werden. Wert kann durch Profilierung der Sicke beeinflusst werden. Die Schraubenwirklinie muss zwingend auf die Stegmitte bzw. die Dichtungskontur fallen. Summe beider Bauteile im verschraubten Zustand. Gute Anpassungsf¨ ahigkeit, aber dadurch hohes Setzen mit einhergehendem Vorspannungsverlust. Die Dichtlippe liegt im Kraftnebenschluss, der eigentliche Kraftfluss geht u ¨ber die angespritzte Metalllage.
ger missbrauchsartiger Beanspruchung direkt durch Haarrisse in der Klebung ausfallen kann, gleichen die Feststoffdichtungen durch ihre Elastizit¨at diese kurzzeitigen Bewegungen im Dichtflansch aus. Tabelle 6.4 fasst Eigenschaften und Auslegungskriterien von drei g¨ angigen Feststoffkonzepten zusammen. Weichstoffdichtungen sind aus Compositematerial – Fasern, F¨ ullstoffen und Bindemitteln – aufgebaut. Sie wurden im Getriebebereich bislang h¨aufig zum ¨ Beispiel bei Olwannen, Hydrauliksteuerungen und Geh¨ausen eingesetzt. Die erforderliche Fl¨achenpressung f¨ ur eine dauerhafte Abdichtung ist vergleichs¨ weise hoch, vgl. Tabelle 6.4. Uber die Auswahl des Weichstoffs und die Materialdicke k¨onnen das Setzverhalten und die dadurch bedingten Schraubenkraftverluste verringert werden. Dennoch stoßen Weichstoffdichtungen heute an ihre konstruktiven Grenzen, insbesondere bei Leichtbaukonzepten, die reduzierte Bauteilsteifigkeiten und somit eine geringere erzielbare Fl¨achenpressung im Dichtflansch mit sich bringen. Hinzu kommt, dass die Weichstoffdichtungen bei Dichtigkeitspr¨ ufungen – speziell bei Druckpr¨ ufung mit Helium – aufgrund der konzeptbedingten Poren im Dichtungsmaterial nicht prozesssicher u ¨ber-
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6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
b)
Abb. 6.68. Experimentelle Ermittlung der Druckverteilung einer Metallsickendichtung eines Pumpendeckels: a) Druckverteilung auf dem Sickenberg., b) Druckverteilungen an den beiden Sickenflanken (Quelle: ElringKlinger AG)
Abb. 6.69. Finite Elemente Modell der Metalldichtung und errechnete Dichtfugendruckverteilung (Quelle: ElringKlinger AG)
pr¨ ufbar sind. Daher kommen heute leistungsst¨ arkere Systeme zum Einsatz wie zum Beispiel Metaloseal-Metall-Sickendichtungen, die meist beidseitig elastomerbeschichtet sind, sowie Metall-Elastomer- bzw. Elastomer-Dichtungen. S¨amtliche Elastomere m¨ ussen dabei bei Großserienanwendungen speziell entwickelt und auf die jeweiligen Spezifikationen, die die Betriebsumgebung und auch den Produktionsprozess ber¨ ucksichtigen, abgestimmt werden. So wird auch bei den aggressiven Automatik¨ olen eine sichere Funktion gew¨ahrleistet. Das Setzverhalten der Metallsickendichtungen ist im Vergleich zu Weichstoffdichtungen gering, d.h. auch Anwendungsstellen, die in kritische Toleranzket-
6.5 Geh¨ ause, Dichtung und Be¨ olung
495
Abb. 6.70. Ausgef¨ uhrter Kunststoffdeckel eines Automatikgetriebes mit verliersicher integrierter Polymerdichtung (Quelle: ElringKlinger AG)
ten wie etwa das Lagerspiel eingehen, k¨ onnen mit Metalldichtungen sicher abgedichtet werden. Ein großer Vorteil dieses Konzepts ist, dass sich je nach Anwendungsstelle verschiedene Metalle als Tr¨agermaterial mit unterschiedlichen Elastomertypen kombinieren lassen. Durch zus¨atzlich eingepr¨agte Sicken zur Linienabdichtung k¨ onnen die Eigenschaften des Tr¨agermaterials optimal auf den Dichtverband abgestimmt werden. Mit der Profilierung der Sicke wird gezielt Einfluss auf die Dichtpressung und deren Verteilung genommen, vgl. auch Abbildung 6.68, um auch kritische Bereiche sicher abdichten zu k¨onnen; Abbildung 6.69 zeigt ein FE-Modell eines Pumpendeckels zur rechnerischen Verifikation der experimentell ermittelten Dichtfugendruckverteilung. Ein weiterer Vorteil der Metallsickendichtungen ist, dass sich aufgrund der Verwendung eines metallischen Tr¨ agermaterials Zusatzfunktionen in die Dichtung ¨ ¨ integrieren lassen, z.B. Olleitbleche oder Olabscheider bei Automatikgetrieben und Vormontagel¨ osungen wie Halteklammern oder Zentrierelemente. Ab¨ bildung 6.70 zeigt ein Beispiel einer Olwanne eines Automatikgetriebes, bei dem durch Umstellung des Dichtkonzepts 50% der Flanschschrauben wegfallen konnten; durch den Kunststoffdeckel wurde die Konstruktion zudem leichter. Der Preisvorteil dieser L¨ osung verglichen mit dem konventionell fl¨ ussig gedichteten Vorg¨angerbauteil auf Druckgussbasis betrug mehr als 25%. Generell bleibt anzumerken, dass – egal welches Dichtungskonzept verwendet werden soll – immer auf eine dichtungsgerechte Konstruktion der Flanschgeometrien zu achten ist. Bei der ersten in Abbildung 6.71 gezeigten Ausf¨ uhrung kann durch den großen Abstand der Ecke von der Schraubenverbindungslinie nur sehr wenig Dichtdruck aufgebaut werden. Es bleibt zweifelhaft, ob es m¨oglich ist, unter ung¨ unstigen Bedingungen, d.h. z.B. permanente Benetzung ¨ der Ecke durch den Olsumpf oder h¨ aufiges Auftreten hoher Beanspruchungen, die ein Aufklaffen der Ecke beg¨ unstigen, diese L¨osung dauerhaft abzudichten, gleich ob mit einer Dichtung auf Feststoffbasis oder einer Fl¨ ussigdichtung gearbeitet wird. Variante b) ist wesentlich besser gestaltet, der Flanschbereich wird besser von den Druckkegeln der Flanschverschraubung erfasst und
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6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
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Abb. 6.71. Verschiedene Arten der Flanschgestaltung an einer Geh¨ auseecke: a) Nicht dichtungsgerechte Gestaltung mit sehr ungleichm¨ aßiger Druckverteilung im Zwischenschraubenbereich, b) bessere und c) gute Ausf¨ uhrung mit gleichm¨ aßig hoher Dichtfugendruckverteilung
auch die Abst¨ande von der Schraubenverbindungslinie sind g¨ unstiger. Variante c) schließlich l¨asst bei ausreichender Dimensionierung der Flanschverschraubung13 , sowohl f¨ ur die Feststoffdichtungen, vgl. Tabelle 6.4, als auch f¨ ur die Fl¨ ussigdichtungen, Tabelle 6.3, eine technisch saubere L¨osung zu. Eine umfassende Betrachtung der Getriebeabdichtungen wird von Kl¨ opfer et al. [1995] gegeben, J¨ ackle [2001] nimmt wesentliche Argumente im Zusammenhang mit der elastischen Verformung von Fahrzeuggetrieben auf. Man erinnere sich, dass gerade bei den Dichtsystemen auf Fl¨ ussigbasis die Verformungen der abzudichtenden Partner zueinander ein wichtiges Auslegungskriterium sind. Kurz erw¨ahnt werden soll noch die Notwendigkeit der Abdichtung der Wellen am Getriebeeingang und an den Durchf¨ uhrungen der Achswellen. Sehr weit verbreitet sind Radialwellendichtringe f¨ ur diese Dichtaufgabe, die eine hohe Dichtwirkung besitzen, vgl. Abbildung 6.72. Aufgrund des Verschleißes der Dichtlippe ist jedoch die Lebensdauer nicht unbegrenzt, bei fachgerechter Montage ist jedoch das Erreichen der Fahrzeuglebensdauer technisch f¨ ur die Dichtringe kein Problem. Ber¨ uhrungsfreie Dichtungen, bei denen die Dichtwirkung durch sehr enge Spalten erzeugt wird, sind trotz ihrer Verschleißund Reibungsfreiheit und ihrer damit unbegrenzten Lebensdauer im Fahrzeuggetriebebereich kaum im Einsatz. Neben den engen Toleranzen, die f¨ ur eine gute Dichtwirkung notwendig sind und die sich als zus¨atzlicher Produktkostentreiber bemerkbar machen w¨ urden, sind sie im Stillstand nicht absolut dicht. Eine direkte Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen w¨are die Folge, was ein nicht kalkulierbares und damit prohibitives Risiko bedeutet. ¨ als Konstruktionselement 6.5.3 Aspekte der Be¨ olung – Ol ¨ ¨ Im Folgenden werden wichtige Punkte der Olraumgestaltung, der Olauswahl und der Additivierung als konstruktive Einflussgr¨oßen auf das Betriebsver13
Die bedeutet hinreichende minimale Klemmkr¨ afte, ausreichende zul¨ assige dynamische Beanspruchungen, m¨ oglichst Verwendung von Dehnschrauben sowie kleine Schubbeanspruchungen der Geh¨ auseteile zueinander.
6.5 Geh¨ ause, Dichtung und Be¨ olung
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Abb. 6.72. Radialwellendichtringe zur Abdichtung von Wellendurchtritten: a) totale Ansicht im Einbauzustand, b) Detailansicht der Dichtlippe zur Medientrennung
¨ Abb. 6.73. Olfangbleche eines Toyota-Getriebes
halten der Fahrzeuggetriebe besprochen; ferner wird f¨ ur die stetig steigenden Anforderungen an die Leichtlaufeigenschaften und die Lebensdauerauslegung ¨ des Olsystems sensibilisiert. ¨ Olraumgestaltung F¨ ur die Geh¨ause-Innengestaltung – insbesondere die Platzierung und Orien¨ tierung von Versteifungs- und Olleitrippen, aber auch von Zusatzelementen ¨ zur Olspeicherung und -abgabe wie etwa Tropfbleche – gibt es keine allgemeinen Richtlinien, wohl aber eine Vielzahl konstruktiver Maßnahmen zur Beeinflussung von Einzelaspekten. Abbildung 6.73 zeigt beispielhaft ausgef¨ uhrte ¨ Olfangbleche, die im Inneren des Fahrzeuggetriebes Schleuder¨ol auffangen und ¨ u ale im Geh¨ ause in die Wellen weiterleiten, um von in¨ber Olversorgungskan¨ ¨ zu versorgen. Ferner nen heraus Synchronisationen und Nadelh¨ ulsen mit Ol
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6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
b)
¨ ¨ Abb. 6.74. a) Olsammelblech zur Schmier¨ olversorgung einer Welle, b) Olkanal zur Versorgung eines Kegelrollenlagers mit K¨ uhl- und Schmier¨ ol
¨ ist in Abbildung 6.74.a ein Olleitblech gezeigt, welches in ein Geh¨ause eingepresst wird und u ¨ber eine Hohlwelle die Nadellager und Synchroneinheiten ¨ ¨ auf einer Hauptwelle be¨ olt. Uber den gegossenen Olkanal wird die Versorgung eines Kegelrollenlagers mit K¨ uhl- und Schmiermedium sichergestellt, vgl. Ab¨ bildung 6.74.b. Bei Getrieben mit einem druckbeaufschlagten Olkreislauf – wie etwa beim Doppelkupplungsgetriebe von Volkswagen nach Abbildung 6.75 – bietet es sich an, zur gezielten und effizienten Be¨olung von Synchronpaketen ¨ und Verzahnungen den Olstrom mit speziell geformten Spritzrohren direkt an die kritischen Stellen zu f¨ uhren. Bei manuell bet¨atigten Getrieben ist meist der Aufwand14 f¨ ur eine aktive Be¨ olung zu hoch; die in Abschnitt 5.4.3 be¨ schriebenen Olpumpen sind der Ansatzpunkt zu aktiven Be¨olung. Die Schwierigkeiten bei der Entwicklung des Be¨olungssystems sind auch in der Vielzahl der zu betrachtenden Betriebszust¨ande begr¨ undet: kleinster und gr¨oßter Gang, R¨ uckw¨ artsgang, Leerlauf und Volllast, um nur wenige Stichworte zu nennen. Hinzu kommt die starke Temperaturabh¨angigkeit der Getriebe¨ole. Bei tiefen Temperaturen, die f¨ ur den Fahrzeugeinsatz in Skandinavien bei der Entwicklung immer beachtet werden m¨ ussen, verh¨alt sich z.B. ein Standardgetriebe¨ ol sehr z¨ ah, w¨ ahrend ein Leichtlauf¨ol bei gleichen Temperaturen wesentlich niedrigere Scherz¨ ahigkeiten aufweist. Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass in allen Getrieben aufgrund der immer vorhandenen Restschmutzmengen und zum Auffangen verschleißbedingter Mikropartikel in den Geh¨ ausen Magnete angeordnet sind; in Abbildung 6.63 sieht man Taschen, in die rechteckige Permanentmagnete eingelegt werden. Die Magnete sollen entweder an einer gut bestr¨ omten Ecke des Geh¨auses oder aber ¨ ¨ im beruhigten Olsumpf liegen, um eine maximale Olreinigung zu erreichen. Abh¨angig vom verf¨ ugbaren Raum im Getriebe werden teilweise auch mehre14
¨ ¨ f¨ Man beachte, dass die Olpumpe dann auch bei Stillstand des Fahrzeugs Ol ordern ¨ muss; der Antrieb der Olpumpe muss also direkt an die Kurbelwelle oder einen Torsionsschingungsd¨ ampfer angebunden sein, z.B. u ¨ber eine eigene Welle, vgl. Abbildung 5.10.
6.5 Geh¨ ause, Dichtung und Be¨ olung
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¨ Abb. 6.75. Olkreislauf des Direktschaltgetriebes von Volkswagen mit speziellen Spritzrohren zur Be¨ olung der Verzahnungen (Aus G¨ otte & Pape [2004])
¨ Abb. 6.76. Kunststoff-Olwanne eines Automatikgetriebes mit Integralmagnet
¨ re kleine Magnete eingesetzt. Abbildung 6.76 zeigt am Beispiel der Olwanne eines Automatikgetriebes, dass auch die Magnete wie die Dichtungen in Systeme integrierbar sind; eine faserverst¨ arkte Kunststoff¨olwanne kann durch die Weiterentwicklung der Kunststoffe alle Anforderungen auch hinsichtlich Steinschlagsicherheit genau so wie eine Aluminium¨ olwanne erf¨ ullen. Bei manchen Fahrzeuggetrieben – zum Beispiel bei der Multitronic von Audi, vgl. Abbildung 2.39 oder dem Kegelringgetriebe, vgl. Abbildung 5.109.b – sind die verschiedenen Anforderungen an den Schmierstoff der verschiedenen ¨ Baugruppen nicht mehr mit einer Olqualit¨ at erf¨ ullbar. In diesen F¨allen ist es
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6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
¨ notwendig, bereits bei der Konzeption des Getriebelayouts eine Olraumtrennung vorzusehen, um z.B. Synchronisation und Stirnradstufen mit einem auf ¨ zu versorgen w¨ Leichtlauf hin optimierten Ol ahrend Achsantriebe in Kegel¨ mit einer hohen Druckfestigkeit ben¨otigen. Die oder Hypoidbauweise ein Ol wachsenden Anforderungen bei stufenlosen Getrieben oder nass laufenden ¨ Doppelkupplungsgetrieben machen immer h¨ aufiger unterschiedliche Olqualit¨aten bzw. Additivierungen notwendig, um die im Folgenden analysierten Kriterien der Dauerhaltbarkeit zur Sicherstellung einer Lebensdauer¨olf¨ ullung sowie Verbrauchs- und Komfortaspekte gleichmermaßen zu erf¨ ullen. ¨ Anmerkung 6.8 Uberlegungen, die Be¨ olungsentwicklung rechnerisch durchzuf¨ uhren, vgl. Abbildung 10.15, scheitern aktuell – neben der Verf¨ ugbarkeit geeigneter Methoden – noch an den verf¨ ugbaren Rechenkapazit¨aten, da alle uhrenden Geometrien vernetzt werden m¨ ussen; z.B. m¨ ussen die Verzahnung ¨olf¨ ebenfalls als bewegtes Modell abgebildet werden. 2 ¨ als Schmier- und K¨ Anforderungen an das Ol uhlstoff Das Getriebe¨ol u atzlich zwei Aufgaben: Zum einen dient es ¨bernimmt grunds¨ bei allen Tribosystemen – d.h. an den Kontaktstellen von Teilen, die sich relativ zueinander bewegen – als Schmierstoff, es soll die beiden Kontaktk¨orper voneinander trennen. Mit dem Trennen der Kontaktpartner, d.h. mit dem “Abstand” d der K¨ orper verglichen mit den typischen Oberfl¨achenrauhigkeiten R, geht nach der Stribeck’schen Kurve15 , die qualitativ in Abbildung 6.77 skizziert ist, ein Abfall des Reibwertes und damit der Verlustleistungen an den Reibstellen sowie des Verschleiß einher. Je nach Betriebszustand befinden sich die Synchronbel¨ age, vgl. Abschnitt 4.4.5, im Grenzbereich zwischen Mischreibung und hydrodynamischer Reibung, ebenso k¨onnen an den Verzahnungen bei gleicher Last verschiedene tribologische Bedingungen herrschen. Zum anderen hat das Getriebe¨ ol die Funktion des K¨ uhlmittels und soll die durch Reibung entstehende W¨ arme abf¨ uhren, Abbildung 6.78 zeigt den K¨ uhl¨olkreislauf des Doppelkupplungssystems des Direktschaltgetriebes. Ob¨ wohl f¨ ur K¨ uhlung und Schmierung an sich hohe Olmengen w¨ unschenswert ¨ sind, ist es aus Gr¨ unden des Getriebewirkungsgrades notwendig, die Olmengen so weit wie m¨ oglich zu reduzieren, um Plansch- und Quetschverluste an den Verzahnungen und den Lagern so weit wie m¨oglich zu eliminieren. In Tabelle 6.5 ist am Beispiel eines Nutzfahrzeuggetriebes eine Auswahl der Grundanforderungen an den Schmierstoff zusammengetragen; die Anforderungen an die Viskosit¨ at zur Optimierung der Einzelpunkte verdeutlicht den Zielkonflikt bei der Festlegung alleine des Tr¨ ager¨ols; hinzu kommen die vorher bereits erw¨ahnten Einschr¨ ankungen bei der Wahl der Additive. Bei der 15
Richard Stribeck (1861-1950) lehrte an der TU Dresden mit Schwerpunkt Zahnradgetriebe und Tribologie; 1902 beschrieb er den Reibungskoeffizienten in geschmierten Lagern mit dem nach ihm benannten Diagramm.
6.5 Geh¨ ause, Dichtung und Be¨ olung
501
Abb. 6.77. Qualitatives Stribeck-Diagramm mit den Bereichen der Festk¨ orper-, der Misch- und der hydrodynamischen Reibung in Abh¨ angigkeit vom Kontaktpartnerabstand d und der charakteristischen Rauhigkeit R der K¨ orper
¨ Festlegung von Olzusammensetzung und -menge sind also neben Verbrauchsund Komfortaspekten16 auch Fragen der Dauerhaltbarkeit zu ber¨ ucksichtigen, insbesondere beim Einsatz von Hypoidverzahnungen ist auf eine ausreichende ¨ zu achten. Teils werden, vgl. Bein et al. [2004], Druckstabilit¨at des Ols ¨ zur Verbesserung des Kompromisses bei der Olfestlegung von den Getriebe¨ herstellern erg¨anzend zu den u aten eigene Standards f¨ ur die ¨blichen Olqualit¨ Grund¨ole und ihre Zus¨ atze entwickelt. Die meisten Getriebe¨ole sind jedoch den international anerkannten SAE-Standards (Society of American Engineers) in den Qualit¨atsstufen SAE 75W, 85W oder 90 zuzuordnen, wenngleich die Fahrzeug- bzw. Getriebehersteller auch eigene Standards definieren. ¨ Zu beachten ist bei der Auslegung des Olsystems, dass die Getriebe¨ole nicht dauerhaft u ¨berhitzt werden, bei Stufenautomaten und nass laufenden Doppelkupplungssystemen wird daher h¨ aufig ein Getriebe¨olk¨ uhler vorgesehen, bei Nutzfahrzeugen wird die Getriebe¨ olk¨ uhlung u uhlkreislauf ¨ber den Fahrzeugk¨ realisiert. Bei Systemen zur gezielten K¨ uhlung einzelner Komponenten sind entsprechende Temperatursensoren zu integrieren, vgl. Abbildung 6.78, um ei¨ l¨angerne bedarfsgerechte Be¨ olung und K¨ uhlung sicherzustellen. Wird das Ol fristig u ¨berhitzt, kommt es zu chemischen Reaktionen im Grund¨ol und in deren Folge zu einer verst¨ arkten Alterung; i.d.R. werden PKW-Getriebe¨ole auf ¨ Lebensdauer ausgelegt, bei Nutzfahrzeugen liegen die empfohlenen Olwechselintervalle zwischen 200 000 und 500 000 km.
16
Leichtlauf¨ ole k¨ onnen die Rasselneigung beg¨ unstigen, vgl. Abschnitt 9.6.2.
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6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
Abb. 6.78. K¨ uhlkreislauf f¨ ur das Doppelkupplungsystem des Direktschaltgetriebes (Aus Volkswagen [2004])
Additive Additive sind Zus¨ atze, die mineralisch basierten Getriebe¨olen – f¨ ur bestimm¨ te Anwendungsf¨alle auch synthetisch gewonnenen Olen – beigemischt werden, um bestimmte Eigenschaften des K¨ uhl- und Schmiermittels zu erzielen. Additive bieten damit die M¨ oglichkeit, den Einsatzbereich von Mineral¨olen zu erweitern und die Anwendung der teuren, rein synthetischen Schmierstoffe so h¨aufig zu umgehen; insbesondere Alterungsstabilit¨at und K¨alteverhalten sind ¨ preisnach Niemann et al. [2005] durch Additivierung konventioneller Ole ¨ werter zu erreichen als mit synthetischen Olen. Man unterscheidet bei den Additiven zwei Grundtypen: Zum einen sind die Stoffe zu nennen, die Oberfl¨ achenschichten bilden, die als Schmierfilm wirken. Damit wird die Reibung gemindert und die Tragf¨ahigkeit von Gleit-W¨alzPaarungen verbessert. Dabei gibt es verschiedene Wirkmechanismen: Durch Adsorption, d.h. durch physikalische Anlagerung einer Schicht aus Zus¨atzen entsteht ein nur wenige Molek¨ ule dicker Schmierfilm. Biologisch leicht ab¨ und tierische Fette erzeugen ebenfalls tragf¨ahige adsorbierte baubare Ole Schichten und werden daher teilweise Mineral¨ olen beigemischt. Sehr tragf¨ahige Schmierfilme kann man durch milde chemische Reaktion von Fetts¨auren erzielen, die als Zus¨atze zu Getriebe¨ olen verwendet werden. Besonders tragf¨ahige Schutzschichten bilden sich mit EP-Additiven (Extreme Pressure), d.h. mit Legierungselementen, die mit den metallischen Oberfl¨achen chemisch reagieren und phospor- und schwefelhaltige Schichten bilden. Hauptanwendungsge-
6.5 Geh¨ ause, Dichtung und Be¨ olung
503
Tabelle 6.5. Auswahl von Grundanforderungen an einen Schmierstoff f¨ ur Nutzfahrzeuggetriebe (Nach Bein et al. [2004]) ¨ Aufgaben des Oles hohe Temperatur- und Alterungsbest¨ andigkeit geringe Planschverluste (hoher Wirkungsgrad) Verzahnungen & Schutz vor Fressen, Erm¨ udung Lager und Verschleiß geringe Reibungsverluste (hoher Wirkungsgrad) Synchronisierungen & stabile Reibwerte auf erforderKupplungen lichem Niveau geringe Schaltkr¨ afte ¨ Retarder und hydraulische Ubertragung von Wandler Momenten hohe Temperaturbest¨ andigkeit ¨ Olpumpen & Hydraulik geringe Leckageverluste Dichtungen Chemische Vertr¨ aglichkeit Schutz vor Verschleiß Bauteil Allgemein
Haupt-Stellschraube Additiv, Grund¨ ol Viskosit¨ at ↑ Additiv, Viskosit¨ at ↑ Grund¨ ol, Additiv, Viskosit¨ at Additiv Viskosit¨ at ↓ Viskosit¨ at ↓ Additiv Viskosit¨ at ↑ Additiv, Grund¨ ol Viskosit¨ at ↑
biete sind hochbelastete W¨ alzpaarungen und hier insbesondere die HypoidRadpaare, aber auch die Bel¨ age der Synchronisation, vgl. Abschnitt 4.4.5, k¨onnen spezielle Additive erforderlich machen. Alle diese Additive, die auf die Beeinflussung der Oberfl¨acheneigenschaften abzielen, haben Nachteile: Additivierte Schmierstoffe oxidieren schneller als normale Mineral¨ole und neigen dazu, korrosive S¨auren sowie unl¨osliche R¨ uckst¨ande zu bilden. Sie sind daher vor allem wegen der h¨oheren Kosten nur einzusetzen, wenn die Betriebsbedingungen dies erfordern. Ferner ist die Gruppe der Additive von technischer Relevanz, die die Eigenschaften des Schmierstoffs selbst ver¨ andern, wie Schaumverhalten, Korrosionsverhalten, Schlammbildung, Stockpunkt, um nur wenige Beispiele zu nennen. Hierzu geh¨oren die Hochlast-Additive (Heavy-Duty HD), die Ablagerungen an den Oberfl¨ achen und Schlammbildung entgegenwirken, ferner Friction Modifier (FM-Additive), d.h. Schmierstoffkomponenten, die sich physikalisch an der Werkstoffoberfl¨ ache anlagern und deren Haftreibung mindern. Eine ¨ Ubersicht u ¨ber die wichtigsten Additiv-Typen und deren Einsatzgebiete geben Niemann et al. [2005, Abb. 16.18.]; man beachte, dass sich bestimmte Eigenschaften, wie z.B. W¨ armeleitf¨ ahigkeit, Fl¨ uchtigkeit oder Kompressibilit¨at des Schmierstoffs sich durch Additive kaum beeinflussen lassen, diese Charakteristika werden durch die Eigenschaften des Grund¨ols dargestellt. Wenn bei Nutzfahrzeugen – insbesondere bei Traktoren und Baumaschinen – ¨ f¨ ein gemeinsames Ol ur K¨ uhlung und Schmierung des mechanischen Getriebes und f¨ ur das Hydrauliksystem genutzt wird, ist ein Kompromiss bei der Wahl
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6 Allgemeine Komponenten der Fahrzeuggetriebe
der Grund¨olviskosit¨ at notwendig. W¨ ahrend normale Getriebe¨ole der Viskosit¨atsklasse SAE 90 nach Matthies & Renius [2006] f¨ ur den Hydraulikteil ¨ niederer Viskosit¨at – SAE 75W oder 80W eher zu viskos sind, k¨ onnen Ole – die sich gut in Hydraulikaggregaten verwenden lassen, mit Blick auf die Zahnflankenschmierung und m¨ ogliche Gr¨ ubchenbildung kritisch sein.
7 Leistungsu ¨ bertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Bei Nutzfahrzeugen sind aufgrund der deutlich gr¨oßeren Fahrzeuggewichte und Anh¨angelasten und der damit verbundenen geringeren gewichtsbezogenen Antriebsleistung die L¨ ucken im Zugkraftangebot gr¨oßer als beim PKW. Nutzfahrzeuggetriebe werden daher geometrisch und nicht progressiv gestuft und weisen i.d.R. mehr Fahrstufen auf als typische PKW-Getriebe. Wie bereits in Abschnitt 2.6.5 andiskutiert, wird bei Nutzfahrzeuggetrieben zum Erreichen hoher Ganganzahlen bei den manuell geschalteten Getrieben und ihren automatisierten Derivaten das Gruppenkonstruktionsprinzip angewendet; hinzu kommen abweichend oder erg¨ anzend zum PKW modulare Strategien zur Automatisierung. Schließlich wird bei selbstfahrenden Arbeitsmaschinen der Land- und Bauwirtschaft oft ein Teil der Antriebsleistung hydraulisch – i.d.R. hydrostatisch – u ¨bertragen; es existiert eine Reihe von Fahrzeugen, die rein hydrostatisch angetrieben werden. Das weite Feld der Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben wird hier – ohne Anspruch auf Vollst¨ andigkeit – umrissen: In Abschnitt 7.1 stehen die Nutzfahrzeugantriebstr¨ ange mit rein mechanisch-rotatorischer Leistungs¨ ubertragung im Vordergrund; wesentlicher Punkt sind die f¨ ur mehrachsig angetriebene Fahrzeuge notwendigen Verteilerkomponenten sowie wie bereits angedeutet das Gruppenbauprinzip. In Abschnitt 7.2 werden Beispiele leistungsverzweigender Triebstr¨ ange mit hydraulischen Teilleistungsfl¨ ussen besprochen. Die Komponenten, die in Nutzfahrzeuggetrieben abweichend von den in den Kapiteln 4 bis 6 besprochenen Baugruppen Anwendung finden, werden in Abschnitt 7.3 vorgestellt. Vertieft wird das Thema der hydrostatischen Antriebe z.B. von Findeisen [1994], Will et al. [2007] oder Schweickert [2005]; mit Bezug auf die notwendigen Ventile verschiedenster Bauart zur Realisierung hydraulischer Antriebe wird beispielhaft auf Merkle et al. [2004] verwiesen. Hoepke et al. [2006] gehen auf das Nutzfahrzeug im Allgemeinen ein, ohne jedoch die Leistungs¨ ubertragung von Motor zu den R¨ adern detailliert zu analysieren.
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7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.1. Doppel-Hinterachse mit obenliegendem Durchtrieb, l¨ angswirkendem Ausgleichsdifferential und Achsausgleichsgetrieben (Aus Hoepke et al. [2006])
7.1 Merkmale und Konzepte von Nutzfahrzeuggetrieben mit rein mechanischer Leistungsu ¨ bertragung Zun¨achst werden in Abschnitt 7.1.1 die M¨ oglichkeiten zur Anordnung der Getriebekomponenten und der Nebenabtriebe im Fahrzeug diskutiert. Danach wird unter dem Gesichtspunkt der Modularisierung auf die Nutzfahrzeuggetriebe eingegangen; von besonderem Interesse sind dabei in Abschnitt 7.1.2 neben dem Gruppenkonstruktionsprinzip zum Erreichen hoher Ganganzahlen bei begrenztem konstruktiven Aufwand1 die M¨oglichkeiten zur teilweisen oder vollst¨andigen Automatisierung entsprechend Tabelle 2.1. Die Automatisierungskonzepte werden in Abschnitt 7.1.3 diskutiert unter Nutzung der bestehenden Parallelen zu den automatisch schaltenden PKW-Getrieben, vgl. Abschnitt 2.7 und Kapitel 5. 7.1.1 Integration der Getriebekomponenten in den Nutzfahrzeugtriebstrang Bei den Nutzfahrzeugen ist – bedingt durch das breitere Anwendungsspektrum, vgl. Abbildungen 2.14 und 2.15 – der Anpassungsbedarf an die jeweilige ¨ Anwendung gr¨oßer als beim PKW. Uber die beim PKW eingesetzten Schaltund Achsgetriebe hinaus werden bei den Nutzfahrzeugen mit rein mechanischem Antriebstrang f¨ ur die Anpassung an die jeweilige Fahrzeuganwendung zus¨atzliche Verteilergetriebe notwendig. Bei zuschaltbaren Achsantrieben – wie z.B. in Abbildung 7.34.a gezeigt – ist i.d.R. der Teiltriebstrang zur Vorderachse mechanisch trennbar; die lastfrei mitrotierenden Komponenten des inaktiven Teilantriebstrangs m¨ ussen aber beim konventionellen zuschaltbaren Allradantrieb – im Gegensatz zu Systemen wie dem HydroDrive, vgl. 1
Die leistungs¨ ubertragenden Komponenten von Nutzfahrzeugantriebstr¨ angen, die im PKW-Bereich aus den verschiedensten Gr¨ unden nicht zur Anwendung kommen, werden in Abschnitt 7.3 besprochen.
7.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit mechanischer Leistungs¨ ubertragung
507
Abb. 7.2. Zweigang-Hinterachse f¨ ur Lastkraftwagen von Daimler Benz, bestehend aus Hypoidtrieb, Planetengetriebe und Kegelraddifferential. Dargestellt ist der Gel¨ andegang: Das Schieberad 23 wird durch seine Klauenverzahnung am Sperrbock 20 festgehalten, wodurch sich zwischen Tellerrad 27 (Hohlrad) und Ausgleichs¨ geh¨ ause 16 (Steg) eine Ubersetzung i = 1, 4 ergibt. Straßen- bzw. Direktgang: Im gesperrten Zustand wird das Schieberad 23 nach links verschoben, die Laufverzahnung von 23 greift in die Klauenverzahnung der Sperrplatte 17 ein, so dass das Planetengetriebe als Block uml¨ auft. Druckluftumsteuerung mit 3-Wegventil und Druckluftzylinder. 1 Gelenkst¨ uck; 2 Kupplungsflansch; 3 Gewindering; 4 Ring-Kegellager; 5 Ring-Zylinderlager; 6 Glockennabe; 7 Geh¨ ause; 8 Gewindering; 9 Ausgleichgeh¨ ausedeckel; 10 Schaltgabel (Differentialsperre); 11 Hinterachstragrohr; 12 Achswelle; 13 ¨ Olfangring; 14 Schaltmuffe (Differentialsperre); 15 Ausgleichkegelrad; 16 Ausgleichgeh¨ ause; 17 Sperrplatte; 18 Geh¨ ausedeckel; 19 Deckelnabe; 20 Sperrbock; 21 Hinterachstragrohr; 22 Schaltgabel (Planetengetriebe); 23 Schieberad; 24 Ring-Kegellager; 25 Ausgleichstern; 26 Planetenrad; 27 Tellerrad; 28 Abstandring; 29 Druckring; 30 Antriebskegelrad; 31 Gelenkwelle (Aus Looman [1988])
Abschnitt 7.2.4 – trotzdem mitbeschleunigt werden. Teilweise kommen auch, vgl. Abbildung 6.2, schaltbare Achsantriebe zum Einsatz, wichtig ist dann die synchrone Schaltung der Gel¨ andeuntersetzung aller angetriebenen Achsen. Ein Beispiel f¨ ur ein Verteilergetriebe ist in Abbildung 7.1 gezeigt, das den ¨ Ubergang von einem 2 × 4− zu einem 4 × 6−Fahrzeug erm¨oglicht: der zweite Hinterachsantrieb erfordert ein zus¨ atzliches Getriebe, auch bei nicht angetriebener Lenkachse. Die in Abbildung 7.1 gezeigte L¨osung einer Durchtriebsachse erm¨oglicht den L¨angsausgleich und den Querausgleich bei Kurvenfahrt an der angetriebenen ersten Hinterachse, eine Stirnradstufe treibt das unten liegende Achsgetriebe an; gut zu erkennen ist die wechselseitige Platzierung der An¨ triebsritzel, die die zus¨ atzliche Ubersetzung mit Drehrichtungswechsel an der vorderen Achse ausgleicht.
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7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Weiterhin ist in Abbildung 7.2 ein Beispiel eines schaltbaren Achsantriebs ¨ gezeigt; die zus¨atzliche Ubersetzung kann zur Aufweitung der Spreizung des Gesamtantriebstrangs entsprechend (3.21) verwendet werden, um insbesondere bei Baufahrzeugen eine weitere Gel¨ andeuntersetzung einfach darzustellen. Die Auslegung der Zweigangachse kann weitgehend unabh¨angig vom Stufengetriebe erfolgen, als Auslegungsmoment ist wie bei den Hinterachsgetrieben von PKW, vgl. Abschnitt 6.1, ein sch¨ adigungs¨ aquivalentes Ersatzmoment f¨ ur die verschiedenen Gangstufen und ihre Nutzungsanteile abzuleiten. Soll die schaltbare Achse in die Gangfolge des Stufengetriebes integriert werden, gelten f¨ ur das Achsgetriebe die gleichen Auslegungskriterien f¨ ur den Stufensprung wie f¨ ur das Bereichsgetriebe, vgl. Seite 515. Neben der gr¨oßeren Spreizung, die bei den Nutzfahrzeuggetrieben darzustellen ist, sind auch die St¨ uckzahlen i.d.R. kleiner als bei den Personenfahrzeugen, was den Druck, mit Baukastenl¨ osungen m¨ oglichst flexibel verschiedenste Triebstr¨ange darzustellen, noch verst¨ arkt. Ein Verteilergetriebe soll als Beispiel m¨oglichst ohne Modifikationen von einem zweiachsigen 4 × 4, einem 6 × 6 bis hin zum vierachsigen 8 × 8 Fahrzeug einsetzbar sein; Abbildung 7.3 zeigt die m¨oglichen Anordnungen mit Fokus auf die verschiedenen Arten der in ¨ L¨angsrichtung notwendigen Wellen, die Ubersicht erlaubt aber auch Aussagen zu Verteiler- und Achsgetrieben hinsichtlich m¨oglicher Anordnungen und realisierbarer Mehrfachverwendungen dieser Komponenten. Bei den Nutzfahrzeuggetrieben mit rein mechanischer Bet¨atigung ist die richtige Anordnung des Bet¨ atigungsgest¨ anges im Fahrzeug schwieriger ist als beim PKW. Bei Lastwagen – bei denen das F¨ uhrerhaus i.d.R. nach vorne f¨ ur den Wartungszugriff zum Motor gekippt werden kann – sitzt der Schalthebel recht nahe am Getriebe, vgl. Abbildung 2.14, so dass man die kombinierte Schaltund W¨ahlbewegung nahezu direkt wie in Abbildung 7.4.a dargestellt an das Getriebe u ¨bertragen kann. Bei einer Seilzugbet¨atigung kann man u ¨ber die Freiheiten bei der Verlegung der Kabel hinaus leichter eine pneumatische Unterst¨ utzung integrieren. Beim Bus ist die Distanz zwischen Fahrer und Getriebe gr¨oßer und das Schaltgest¨ ange muss die Bewegung mehrfach umlenken, vgl. Abbildung 7.4.b; die Ausf¨ uhrungen zur mechanischen Bet¨atigung aus Abschnitt 4.5.1 gelten auch f¨ ur die einstufigen Nutzfahrzeuggetriebe. Aufgrund der Entwicklung hin zu vollautomatischen Getrieben sowohl bei den LKW als auch bei den Bussen wird jedoch zunehmend die Schaltung rein elektronisch u ¨ber shift-by-wire Systeme gesteuert; eine direkte mechanische Verbindung wie in Abbildung 7.4 ist bei modernen Nutzfahrzeugkonzepten f¨ ur den Fernverkehr und bei h¨ oheren Antriebsleistungen recht selten. Nebenabtriebe ¨ Uber die verschiedenen in Abbildung 7.3 gezeigten M¨oglichkeiten der Anordnung der einzelnen Schalt-, Ausgleichs- und Verteilergetriebe hinaus werden in die Triebstr¨ange von Nutzfahrzeugen noch vielf¨altige Antriebe von Ne-
7.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit mechanischer Leistungs¨ ubertragung
a)
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b)
c)
d)
e)
f)
g) Abb. 7.3. Anordnungen von Nutzfahrzeugantriebstr¨ angen: a) 2 × 4 mit separatem Stufengetriebe, b) 2 × 4 mit angeflanschtem Stufengetriebe, c) 4 × 4, d) 4 × 6, e) 6 × 6, f) 4 × 8, g) 8 × 8. 1 Schnell laufende L¨ angswelle zwischen Motor und Schaltgetriebe, 2 moderat drehende L¨ angswellen zwischen Schaltstufe und Verteilergetriebe, 3/5 L¨ angswellen zwischen Verteilergetriebe und Achse, 4 Welle zur zweiten Hinterachachse, 6 Antriebswellen der vorderen Lenkachse (Nach Graf v. Seherr-Thoss et al. [2002])
510
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
a)
b) Abb. 7.4. Kinematisch g¨ unstige geradlinige Verlegung des Schaltgest¨ anges bei LKW und Bus: a) LKW mit motorseitiger Lagerung des Handschalthebels und direkter mechanischer Anbindung, b) Bus mit mehrfacher Umlenkung in einer Ebene mit Zwischenlagerung
benaggregaten integriert, um hydraulisch bet¨ atigte Arbeitseinrichtungen zu betreiben wie z.B. Hub- oder F¨ ordersysteme. Bei den meisten Nebenabtrieben, die Leistung aus dem Triebstrang f¨ ur Arbeitsmaschinen entnehmen, wird i.d.R. der Antrieb f¨ ur eine Hydropumpe, vgl. Abschnitt 7.3.3, im Leistungsnebenfluss integriert, die den notwendigen Volumenstrom f¨ ur die hydrostatischen Nebenabtriebe zur Verf¨ ugung stellt. Teilweise werden auch die Antriebe von Lenkhilfspumpen direkt geschwindigkeitsproportional am Getriebeausgang angeflanscht, vgl. Abbildung 7.5.a; bei Fahrzeugen f¨ ur die Landwirtschaft wird wie in Abbildung 7.27 die Antriebsleistung f¨ ur die Zapfwelle proportional zur Motordrehzahl entsprechend Abbildung 7.5.b von einem Nebenabtrieb aus dem Hauptleistungsfluss entnommen. Als weitere Variante ist die Anbindung des Nebenabtriebs u ¨ber eine Vorgelegewelle wie in Abbildung 7.5.c m¨ oglich, die den Nebenabtrieb bei fahrendem Fahrzeug proportional zur Motordrehzahl aber unabh¨angig von der Fahrgeschwindigkeit speist; bei Fahrzeugstillstand muss das Getriebe dann in Neutralstellung sein, um den Nebenabtrieb betreiben zu k¨onnen.
7.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit mechanischer Leistungs¨ ubertragung
a)
b)
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c)
Abb. 7.5. M¨ ogliche Anordnungen von Nebenabtrieben in Nutzfahrzeugtriebstr¨ angen: a) Antrieb proportional zu Fahrgeschwindigkeit, b) Antrieb nur abh¨ angig von der Motordrehzahl, c) Antrieb proportional zur Getriebeeingangsdrehzahl
Die Platzierung der teilweise abschaltbaren Nebenabtriebe im Gesamttriebstrang richtet sich im Wesentlichen nach den Anforderungen hinsichtlich der geforderten Abh¨angigkeit von Motor- und Fahrgeschwindigkeit; der verf¨ ugbare Bauraum kann bei der Detailfestlegung des Nebenabtriebs ein wichtiges Kriterium sein. ¨ Anmerkung 7.1 Ahnlich zu einem Nebenabtrieb gibt es optionale Parkbremsen f¨ ur manche Nutzfahrzeuggetriebe, die erg¨anzend oder anstatt einer druckluftbet¨atigten Federspeicherbremse in den Triebstrang integriert werden. Diese optionalen Parkbremsen blockieren den Triebstrang anders als die in Abschnitt 5.4.2 besprochenen Parksperren der PKW-Getriebe außerhalb des eigentlichen Fahrzeuggetriebes im Nebenabtrieb und werden hier nicht weiter besprochen. 2 7.1.2 Gruppenbauweise Um hohe Ganganzahlen zu erreichen, hat sich im Nutzfahrzeugbereich bei Antriebsleistungen von mehr als etwa 160 kW die Gruppenbauweise durchgesetzt. Bei Nutzfahrzeugantrieben bis ca. 1000 Nm Eingangsmoment und maximal 6 Fahrstufen vorw¨ arts werden wie bei den PKW teils automatisierte Synchrongetriebe angewendet mit 6+1 Stirnradstufen zur Leistungswandlung; der einzige Unterschied zu den PKW-Anwendungen besteht in den gr¨oßeren Dimensionen bei kleineren Schr¨ agungswinkeln der Laufverzahnungen. Der Grundgedanke der Gruppenbauweise besteht in der Hintereinanderschaltung von zwei oder drei schaltbaren Getrieben2 , die sich wie folgt einteilen lassen. Jedes Einzelgetriebe bildet f¨ ur sich eine logische Einheit, die Grenzen innerhalb des Getriebegeh¨ auses k¨ onnen jedoch fließend sein. Dies wird an Hand des treibenden Rades der Konstante High des in Abschnitt 2.6.5 besprochenen 16-Gang Getriebes 16S109 von ZF klar, vgl. Abbildung 2.26, das auf einer Seite die Kupplungsverzahnung der Splitgruppe f¨ ur die schnellere 2
Die notwendigen Rechengr¨ oßen, die sich auf die einzelnen Teilgetriebe beziehen, sind mit den zus¨ atzlichen Indizes SG (Splitgetriebe), HG (Hauptgetriebe) und BG (Bereichsgetriebe) gekennzeichnet.
512
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.6. Schematische Darstellung des Schaltbildes eines Nutzfahrzeuggetriebes mit 16 Fahrstufen: 8 große Stufungen mit jeweils m¨ oglicher Feingliederung “Low” und “High” durch die Splitgruppe
¨ Ubersetzung zur Vorgelegewelle und auf der anderen Seite die Kupplungsverzahnung der vierten Schaltstufe des Hauptgetriebes f¨ ur den Direktgang tr¨agt. Splitgetriebe: Die Splitstufen dienen mit ihren zwei G¨angen zum Feingliedern der Fahrstufen, man spricht oft auch von “halben G¨angen”. Die Spreizung der Splitstufe iG,SG ist meist recht klein, sie entspricht dem ¨ Stufensprung zwischen langsamer und schneller Ubersetzung eines “ganzen Ganges”; in Abbildung 7.6 ist ein entsprechende Schalter gezeigt, der am Handschalthebel angeordnet ist und die Schaltung der Splitgruppe ausl¨ost. Meist werden die Splitgetriebe als Vorschaltgetriebe direkt hinter einer normalen Trockenkupplung angeordnet, die Stufe kann synchronisiert sein oder die in Abschnitt 7.3.1 besprochenen formschl¨ ussigen Schaltelemente nutzen. Die Klauenschaltung erfordert die volle Automatisierung des Getriebes, der Schaltwunsch kann noch manuell vom Fahrer angezeigt werden, wird aber vollautomatisch umgesetzt. Eingesetzt werden diese Zweiganggetriebe ab 12 Fahrstufen vorw¨ arts, die Bet¨atigung der Schaltung erfolgt i.d.R. wie in Abschnitt 2.6.5 besprochen pneumatisch mit manueller oder automatischer Ausl¨ osung des Fahrstufenwechsels. Mehrstufengetriebe: Das Schaltgetriebe mit i.d.R. drei bis f¨ unf Fahrstufen wird hinter Schaltkupplung und Splitgruppe angeordnet, um auf ein m¨oglichst gleichm¨ aßiges Eingangsmoment dimensionieren zu k¨onnen. Die Fahrstufen sind – wie bei Nutzfahrzeugen u ¨blich – geometrisch gestuft und nutzen wieder normale Synchroneinheiten oder aber Klauenschaltungen, abh¨angig vom Automatisierungskonzept f¨ ur das Gesamtgetriebe. Bereichsgetriebe: Auch das Bereichsgetriebe ist ein Zweiganggetriebe, allerdings mit einer gr¨ oßeren Spreizung iG,BG als die Splitgruppe und Dreioder Viergangteil. Die Bereichsgruppe liegt i.d.R. vor dem Abtrieb und wird u uhrt, dessen Hohl¨blicherweise als schaltbarer Planetensatz ausgef¨ rad im niedrigen Fahrbereich (Schaltstellung3 R in Abbildung 7.10) formschl¨ ussig festgehalten wird; das Planetengetriebe u ¨bersetzt bei Antrieb 3
Die Bereichsgruppe wird h¨ aufig auch als Rangegruppe bezeichnet mit den Schaltstellungen Range R und Direct D.
7.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit mechanischer Leistungs¨ ubertragung
a)
513
b)
Abb. 7.7. Nutzfahrzeuggetriebe in Gruppenbauweise: a) ZF Ecomid Getriebe mit 9 Fahrstufen, b) ZF Ecosplit Getriebe mit 16 Fahrstufen
an der Sonne und Abtrieb am Steg ins Langsame, vgl. Abschnitt 5.6.2. Im hohen Geschwindigkeitsbereich, gekennzeichnet als Direktgang D in Abbildung 7.10, sind Hohlrad und Steg formschl¨ ussig verbunden, der Planetensatz l¨auft als Block um. Alternativ ist auch eine Ausf¨ uhrung mit Stirnradstufen m¨ oglich, dabei kann auch die in Abbildung 7.13 dargestellte Leistungsverzweigung zur Anwendung kommen. ¨ Um eine harmonische Abfolge der Ubersetzungen in den einzelnen Fahrstufen ¨ zu erreichen, m¨ ussen einige Bedingungen an die Ubersetzungsverh¨ altnisse der zwei oder drei Teilgetriebe formuliert werden. Die Abh¨angigkeiten zwischen Mehrstufen- und Bereichsgetriebe werden am Beispiel des ZF Getriebes 9S109 mit 8+1 Vorw¨artsfahrstufen – Acht Fahrg¨ ange und ein Kriechgang – erl¨autert, das in Abbildung 7.7.a gezeigt ist. Die Restriktionen der Splitgruppenstufung werden anhand der 16-Gang Nutzfahrzeuggetriebes 16S109 von ZF, vgl. Abbildung 7.7.b und Abschnitt 2.6.5, analysiert. Sowohl die Split- als auch die Bereichsgruppe werden – traditionell – pneumatisch oder hydraulisch bet¨ atigt; die Ausl¨ osung der Schaltung der Bereichsgruppe auf mechanischem Wege ist am Beispiel des ZF 16S109 in Abschnitt 2.6.5 beschrieben. Bei den Getrieben aktueller Produktion erfolgt Stand 2007 die Ausl¨osung des Schaltimpulses elektronisch und die Umsetzung durch einen Aktuator, vgl. Abschnitt 7.1.3 und dort speziell Abbildung 7.16. Zweistufiges Gruppengetriebe – ZF 9S109 Das 9S109 ist, vgl. Abbildung 7.8, aus zwei Stufen – einem F¨ unfgangGrundgetriebe und einem nachgeschalteten Bereichsgetriebe – aufgebaut und geh¨ort zur Ecomid-Familie, vgl. Abbildung 7.7.a. Das Grundgetriebe weist zudem eine R¨ uckw¨artsfahrstufe auf, insgesamt w¨ urde man also zehn Vorw¨artsund zwei R¨ uckw¨artsg¨ ange erwarten. ¨ Analysiert man nun die in Abbildung 7.9 skizzierten Ubersetzungen der einzelnen Fahrstufen, so erkennt man zun¨ achst den ann¨ahernd u ¨ber alle Schaltungen
514
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.8. Getriebe- und Kraftflussschema des zweistufigen Gruppengetriebes 9S109 von ZF. a Getriebeeingang, b Radsatz Konstante, c Radsatz 3./7. Gang, d Radsatz 2./6., e Radsatz 1./5., f Crawler-Radsatz, g Radsatz R¨ uckw¨ artsgang, h Bereichsgruppe, i Getriebeausgang. Kraftflussschemata f¨ ur C, 1-8 und R
konstanten Stufensprung, man errechnet ϕ ≈ 1, 4 f¨ ur alle benachbarten G¨ange ¨ wie mit (3.28) vorgegeben; die logarithmierten Ubersetzungen liegen n¨ahe¨ rungsweise alle auf einer Geraden, vgl. Abbildung 7.9. Die Ubersetzung der Bereichsgruppe iBG kann man durch Vergleich von G¨angen mit gleichem Leistungsfluss im Schaltstufenteil ermitteln, z.B. durch Vergleich der Gesamt¨ ubersetzungen4 im vierten und achten Gang, i4 = 3, 53 und i8 = 1: Man findet iBG = 3, 53. W¨ urde man also den Radsatz des Kriechgangs C (Crawler) noch einmal verwenden, so w¨ urde man bei iC = 12, 91 eine weitere Gesamt¨ ubersetzung i∗C = iC /iBG = 3, 66 erhalten, die sehr nahe beim vierten Gang liegt und einen nicht harmonischen Stufenwechsel verursachen w¨ urde. Zudem w¨ urde eine Integration der Zweitverwendung des Crawler-Radsatz zu erheblichem Aufwand bei der Ansteuerung der Schaltung verursachen; bei rein manuell Bet¨atigung der Schaltung w¨ are der Gang nicht ins Schaltbild integrierbar, man verzichtet auf die theoretisch m¨ ogliche zehnte Fahrstufe vorw¨arts. 4
Man beachte, dass beide Teilgetriebe den Drehsinn erhalten, iHG ≥ 1 und iBG ≥ 1.
7.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit mechanischer Leistungs¨ ubertragung
515
¨ Abb. 7.9. Ubersetzungen der Fahrstufen C und 1-8 in linearer und logarithmischer Darstellung, Stufenspr¨ unge ϕi f¨ ur die Schaltungen von C bis zur 8. Fahrstufe des zweistufigen Gruppengetriebe ZF 9S109
Auch ein zweiter m¨ oglicher R¨ uckw¨ artsgang ist zwar technisch m¨oglich, der ¨ Stufensprung ϕ−1 = iR1 /iR2 = 3, 53 = iBG entsprechend der Ubersetzung der Bereichsgruppe w¨ urde aber keinen Vorteil ergeben, da die resultierende Zugkraftl¨ ucke bei der Schaltung von R1 nach R2 zu groß w¨are; der R¨ uckw¨artsgang iR1 = −12, 2 ist ebenfalls ein reiner Rangiergang. Von den technisch m¨oglichen zehn Vorw¨arts- und zwei R¨ uckw¨ artsg¨ angen mit den vorhandenen Teilgetrieben werden also nur neun plus eins genutzt. Die Stufenspr¨ unge des vierstufigen Schaltgetriebes und der Crawler-Gang m¨ ussen somit eine n¨ aherungsweise geometrische Stufung ergeben; die Bereichsgruppe muss die Stufungsfolge fortsetzen. Ber¨ ucksichtigt man nun, dass bei der Schaltung von der vierten zur f¨ unften Fahrstufe im Schaltgetriebe, vgl. Abbildung 7.8, quasi um drei Stufen zur¨ uckgeschaltet wird, w¨ahrend zeitgleich ¨ die Schaltung der Bereichsstufe ausgel¨ ost wird, so kann man die Ubersetzung der Bereichsgruppe iBG (R-Stellung) mit der vierten Potenz des mittleren Stufensprungs des Hauptgetriebes ϕ¯HG absch¨atzen, iBG ≈ ϕ¯4HG . Nutzt man ¨ die in Abbildung 7.9 angegebenen Zahlenwerte der einzelnen Ubersetzungen, so erkennt man, dass diese Bedingung f¨ ur das 9S109 gut erf¨ ullt ist. F¨ ur ein Hauptgetriebe mit nur drei Fahrstufen, die zum Aufbau von Gruppengetrie¨ ben mit 12 Fahrstufen genutzt werden, muss dann das Ubersetzungsverh¨ altnis der Bereichsschaltung gleich der dritten Potenz des mittleren Stufensprungs des Grundgetriebes sein. Anmerkung 7.2 Auch die Wiederverwendung der Hauptschaltgruppe als F¨ unfganggetriebe ist nat¨ urlich denkbar, allerdings f¨allt die Spreizung der f¨ unf
516
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.10. Schematischer Leistungsfluss des 16-Gang-Getriebes 16S109 in den Hauptg¨ angen 1, 4, 5 und 8
Schaltstufen – Crawler und 1 bis 4 – mit iG,BG = 3, 66 sehr gering aus; notwendig ist dann aber eine große, idealerweise schaltbare Achs¨ ubersetzung, die sich in die Gesamtstufenfolge einf¨ ugen muss. 2 Dreistufige Gruppengetriebe In Abschnitt 2.6.5 wird das 16-Ganggetriebe 16S109 von ZF qualitativ vorge¨ stellt; hier folgt die Analyse des Leistungsfluss und der Ubersetzungen in den einzelnen Fahrstufen. In Abbildung 7.10 ist der schematische Leistungsfluss ¨ f¨ ur 8 Fahrstufen dargestellt, die restlichen Ubersetzungen und Leistungspfade f¨ ur den zweiten und dritten Gang des Hauptgetriebes folgen in v¨olliger Analogie zu Abbildung 7.8. Das 16S109 geh¨ ort trotz seines komplexeren Aufbaus auch noch zur Ecomid-Klasse von ZF, vgl. Abbildung 7.7.b. Man erkennt, dass die nun dem Grundgetriebe vorgeschaltete Splitstufe die Vorgelegewelle mit unterschiedlichen Drehzahlen antreibt. Der vierte Gang des Hauptgetriebes ist als Direktgang ausgef¨ uhrt, die Verzahnung der Kon¨ stante High u des vierten Gangs ¨bernimmt auch die Funktion der Ubersetzung des Hauptgetriebes. W¨ ahrend in den G¨ angen eins bis drei des Hauptgetriebes in Splitstellung High die Leistung von der Getriebeeingangswelle u ¨ber
7.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit mechanischer Leistungs¨ ubertragung
517
Abb. 7.11. Nutzfahrzeuggetriebe ZF 16S2720 TO mit 16 Fahrstufen und 2700 Nm Auslegungsmoment
die Konstante zur Vorgelegewelle u ¨bertragen wird, fließt die Leistung in der ¨ vierten Fahrstufen in der langsamen Ubersetzung des Splitgetriebes von der Vorgelegewelle zur Abtriebswelle; jeweils u ¨ber dieselbe Stirnradstufe. Bei der Auslegung dieser doppelt verwendeten Verzahnung ist also entsprechend auf ein gr¨oßeres Kollektiv5 auszulegen, vgl. auch Abschnitt 4.3.4. Bei Schaltstellung High der Splitgruppe und bei eingelegtem vierten Gang des Grundgetriebes wird, vgl. Abbildung 7.10, die unten liegende Vorgelegewelle aus dem Leistungsfluss herausgenommen, die h¨ochste Fahrstufe ist bei diesem Getriebe der Direktgang mit einer Einheits¨ ubersetzung in allen drei Teilgetrieben. Um eine ann¨ ahernd durchg¨ angige geometrische Stufung des Gruppen¨ getriebes zu erreichen, muss auch das Ubersetzungsverh¨ altnis der Splitgruppe auf die Haupt- und Bereichsgruppe abgestimmt werden. Soll u ¨ber alle m¨oglichen Fahrstufen ein einheitlicher Stufensprung erreicht werden, so muss f¨ ur 1/2 den Stufensprung der Splitgruppe ϕSG die Bedingung ϕSG ≈ ϕHG erf¨ ullt sein, wobei ϕHG der einheitliche Stufensprung der Hauptgruppe ist; der Zusam¨ menhang zwischen dem Ubersetzungsverh¨ altnis der Bereichsgruppe und dem Hauptgetriebe wurde am Beispiel des 9S109 zuvor erl¨autert. Abbildung 7.11 zeigt ein weiteres Beispiel eines Dreigruppengetriebes – hier eine Ausf¨ uhrung mit integriertem Retarder, bei ZF als Intarder bezeichnet. Das Getriebe 16S2720 TO ist ebenfalls ein 16-Gang-Getriebe; es ist als Schnellganggetriebe mit einer End¨ ubersetzung von 0,84 auf ein Eingangsmoment von 2700 Nm ausgelegt. Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Getrieben weist diese Ausf¨ uhrung f¨ ur schwere LKW zwei R¨ uckw¨artsg¨ange ¨ auf, die sich um die Ubersetzung der Splitgruppe unterscheiden; das Ge¨ triebe geh¨ort zur Ecosplit-Familie von ZF. Die Ubersetzungen des Schnell5
Leistungsfluss vom Getriebeeingang zur Vorgelegewelle in den Fahrstufen 1-3 bei Splitstellung H und Leistungsfluss von der Vorgelegewelle zur Abtriebswelle in Schaltstellung 4-L, also in insgesamt acht Fahrstufen des Gesamtgetriebes f¨ ur das Radpaar der Konstante High des 19S109.
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7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.12. Gesamt¨ ubersetzungen und Einzel¨ ubersetzungen eines 16-Gangetriebes: Schnellganggetriebe ZF 16S2720 TO nach Abbildung 7.11 und ableitbares Direktganggetriebe mit gleicher Spreizung bei Modifikation nur der Splitgruppe. ¨ Ausf¨ uhrung der Splitgruppe jeweils mit Ubersetzung ϕSG = 0, 84 und Drehrichtungsumkehr zur Vorgelegewelle
ganggetriebes sind in Abbildung 7.12 graphisch dargestellt; die Splitgruppe u ¨bersetzt entweder ins Schnelle mit iSG = −0, 84 oder dient nur zur Dreh¨ zahlumkehr der Vorgelegewelle. Die Hauptgruppe kann die Ubersetzungen i1,HG = −3, 01, i2,HG = −2, 08, i3,HG = −1, 43 und iR,HG = 2, 82 darstellen, der vierte Gang ist mit i4,HG = −1 wieder der Direktgang. Man sieht, dass 1/2 (i1,HG /i2,HG ) ≈ 1/iSG gilt, die Bedingung f¨ ur eine durchg¨angige geometrische Stufung ist erf¨ ullt. Ebenso ist mit iBG = 4, 57 die Bereichsgruppe gut in die Stufungsfolge integriert, iBG ≈ i−8 SG . ¨ Vergleicht man nun die in Abbildung 7.12 aufgetragenen Ubersetzungen f¨ ur die 16 Fahrstufen mit dem Leistungsflussschema in Abbildung 7.10, so f¨allt auf, dass beim ZF 16S2720 TO im Vergleich zum 16S109 nur die Platzierung der schnellen und der langsamen Konstant¨ ubersetzung vertauscht sind, damit in der 15. Fahrstufe die Einheits¨ ubersetzung im Direktgang darstellbar ist und damit der 16. Gang ein Schnellgang ist. Im Gegensatz zum 16S109 u ¨bersetzt ¨ die Konstante High also mit einer Ubersetzung von 0,84 ins Schnelle, beim 16S109 ist die Konstante High die Einheits¨ ubersetzung. Tauscht man gedanklich wellenweise die Position der Konstant¨ ubersetzungen, so wird durch die Umkehr des Leistungsfluss die bisherige Konstante High zur neuen Konstante Low und u ¨bersetzt mit 1/0,84 ins Langsame, der 16. Gang ist wieder der Direktgang und man erreicht die in Abbildung 7.12 aufgetragene Stufenfolge
7.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit mechanischer Leistungs¨ ubertragung
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Abb. 7.13. Leistungsverzweigung am Beispiel eines 12-Gang Gruppengetriebes: A Splitgruppe, B Hauptgetriebe mit zwei Vorgelegewellen, C Bereichsgetriebe, 1 Getriebebemse, 2 getriebenes Rad der Konstante Low, 3 getriebenes Rad der Konstante High und treibendes Rad dritter Gang Grundgetriebe, 4 treibendes Rad zweiter Gang Grundgetriebe, 5 treibendes Rad erster Gang Grundgetriebe, 6 R¨ ucklaufr¨ ader
des Direktganggetriebes mit gleicher Gesamtspreizung wie das 16S2720 TO. ¨ Deutlich zu erkennen ist, dass die Anfahr¨ ubersetzung um das Ubersetzungsverh¨altnis der Splitgruppe zugenommen hat. Leistungsverzweigende Vorgelegegetriebe Unabh¨angig von der Modulstrategie, die beim Aufbau des mechanischen Leistungspfades zum Erreichen hoher Gangzahlen und bei der Automatisierung angewendet wird, zeichnen sich Nutzfahrzeuggetriebe f¨ ur h¨ochste Antriebsleistungen bei Schwerlastzugmaschinen und großen Arbeitsmaschinen durch eine weitere Besonderheit aus: Die mechanische Leistungsverzweigung mit zwei parallelen Vorgelegestufen, vgl. Abbildung 7.13. Bei Antriebsmomenten ab etwa 2800 Nm wird diese Strategie angewendet, um in Analogie zur Tragf¨ahigkeitssteigerung bei den Planetens¨ atzen, vgl. Abschnitt 5.6.2 ab Seite 372, durch die Halbierung der wirkenden Kr¨afte an den Verzahnungen eine wesentliche Steigerung der Tragf¨ ahigkeit bzw. Lebensdauer zu erreichen. Wenn eine solche Leistungsverzweigung mit zwei parallelen Vorgelegestufen angewendet wird, so empfiehlt es sich, im Sinne einer konservativen Auslegung6 nicht beide Pfade aufgrund m¨ oglicher Imperfektionen an den Verzahnungen als voll tragend anzunehmen. Rechnet man bei der Aufteilung des 6
Die Argumentation erfolgt in Analogie zur Auslegung von Passfederverbindungen mit zwei um 180◦ versetzten Passfedern.
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7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
a)
b)
Abb. 7.14. Vollautomatisiertes Vorgelegegetriebe f¨ ur schwere Nutzfahrzeuge: a) ZF AS-Tronic mid f¨ ur Nutzfahrzeuge und b) beispielhafte Anwendung der Baureihe im Mobilkran Liebherr LTM1200
Moments an den treibenden R¨ adern der Konstant¨ ubersetzungen nicht mit zwei gleich gut tragenden Pfaden, sondern nur mit etwa 1,5 bis 1,75 tragenden Pfaden, so tr¨ agt man den Toleranzen an Verzahnungen und WelleNabe-Verbindungen Rechnung; die wirkenden Lasten in den beiden parallelen Vorgelegestufen reduzieren sich dann nicht um die theoretischen 50% bei zwei tragenden Lastpfaden sondern nur um 33% bis 43%, die Auslegung gewinnt an Sicherheit. In Abbildung 7.14.a ist mit dem ZF AS-Tronic Getriebe ein Beispiel gezeigt, bei dem – als 12-Ganggetriebe wie in Abbildung 7.13 skizziert – die Leistungsverzweigung zum Einsatz kommt, außerdem zeigt Abbildung 7.14.b eine Anwendung der AS-Tronic f¨ ur den Fahrantrieb eines Mobilkrans. Durch die hohen Momente, die moderne Nutzfahrzeugmotoren bereits bei niedrigen Drehzahlen und u ¨ber ein großes Drehzahlband liefern, bieten die 12 G¨ange eine hinreichend gute Ann¨ aherung der Zugkraftverl¨aufe in den einzelnen Fahrstufen an die ideale Zugkrafthyperbel, vgl. Abschnitt 3.2.1. Wichtiger als der Bauraumvorteil der 12-Gang-Variante gegen¨ uber der Ausf¨ uhrung mit dem vierstufigen Grundgetriebe zum Erreichen von 16 Fahrstufen ist h¨aufig der Gewinn an Nutzlast, der so erreicht wird. 7.1.3 Automatisierungsstrategien Rein manuell bet¨ atigte Getriebe werden bei modernen Nutzfahrzeugen mittlerweile fast nur noch f¨ ur Transporter und leichte LKW f¨ ur den Kurzstreckenund Verteilerverkehr eingesetzt. Aufbau und Integration des Getriebes in das Fahrzeug erfolgen vollkommen analog zum PKW, die Spreizung ist mit iG ≈ 8 gr¨oßer als bei den PKW, vgl. Abbildung 7.15. Bei ausreichender Motorleistung werden – wie am Beispiel des ZF Ecolite Getriebes 6S1200TD gezeigt – bei
7.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit mechanischer Leistungs¨ ubertragung
a)
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b)
Abb. 7.15. ZF Ecolite Getriebe mit 6 Fahrstufen f¨ ur Verteilerfahrzeuge mit bis zu ¨ 1200 Nm Eingangsmoment. a) Getriebeansicht, b) Ubersetzungen
leichten LKW die Getriebe auch progressiv7 gestuft, wenn die resultierenden L¨ ucken im Zugkraftangebot keine wesentliche Einschr¨ankung der erzielbaren Fahrleistung verursachen, vgl. auch Abbildung 3.19. Vom Aufbau her ist das Getriebe in Abbildung 7.15 – von den Abmessungen abgesehen – gleich den PKW-Getrieben f¨ ur Fahrzeuge mit L¨ angsmotor und Heckantrieb konzipiert, vgl. Abbildung 2.24. Bei mittleren und schweren LKW sind die Getriebe i.d.R. teil- oder vollautomatisiert. Bei Bussen kommen h¨ aufig Stufenautomatgetriebe zum Einsatz, die auch wieder in Architektur und Funktion den PKW-Getrieben sehr ¨ahnlich sind. Zwei Beispiele von Stufenautomaten f¨ ur Busse werden in diesem Buch besprochen: Zum einen das DIWA-Getriebe von Voith, vgl. Abschnitt 7.2.3, das abweichend von den Stufenautomaten f¨ ur PKW einen hydrodynamischen Teilleistungszweig in der ersten Fahrstufe aufweist und zum anderen das Ecomat 2 Getriebe von ZF, vgl. Abbildung 2.37. Dessen Schalt- und R¨aderschema wird in den Abschnitten 5.4.1 und 5.6.4 analysiert; an Hand des Wilson-Satz dieses Getriebes wird die Nutzung des Momentenplans f¨ ur verkettete Planetens¨atze gezeigt, vgl. Abbildungen 5.92 bis 5.95. F¨ ur beide Getriebe lassen sich die Unterschiede zu den PKW-Stufenautomaten im Wesentlichen auf die gr¨oßeren Fahrwiderst¨ ande und die h¨ oheren Motormomente beschr¨anken. Die Automatisierungskonzepte bei den Nutzfahrzeugen lassen sich gem¨aß Tabelle 2.1 f¨ ur die Nutzfahrzeuge nach den Vorg¨angen “Anfahren” und “Gang einlegen” unterteilen; die Ausl¨ osung des Gangwechsels erfolgt bei modernen Nutzfahrzeuggetrieben entweder durch den Fahrer oder durch die Antriebsregelung. Die Schaltkupplung ist bei den automatisierten Nutzfahrzeuggetrieben vollst¨andig automatisiert, das Kupplungspedal entf¨allt. 7
Die progressive Stufung l¨ asst sich an der leichten Kr¨ ummung der Verbindungslinie ¨ der logarithmierten Ubersetzungen erkennen; bei geometrischer Stufung ist dieser Kurvenzug n¨ aherungsweise eine Gerade, vgl. Abbildung 7.9.
522
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.16. Automatisierung der Schaltung beim Gruppengetriebe: 1 Schaltzylinder Splitgetriebe, 2 Schaltzylinder Hauptgetriebe, 3 Schaltzylinder Bereichsgetriebe, 4 Bet¨ atigungszylinder W¨ ahlen Hauptgetriebe, 5 Schaltmodul, 6 Schaltgabel Splitgetriebe, 7 Schaltgabel 3./4. Hauptgetriebe, 8 Schaltgabel 1./2. Hauptgetriebe, 9 Schaltgabel R Hauptgetriebe, 10 Schaltgabel Bereichsgetriebe
Automatisierung des Gangwechsel Der Gangwechsel kann auf zwei Arten automatisiert werden: Durch Integration von Schaltaktuatoren an der Synchronisation des Ausgangsgetriebes wie in Abschnitt 5.2 f¨ ur die PKW besprochen; die Automatisierung ist regelungstechnisch vergleichsweise einfach zu realisieren, f¨ uhrt aber, vgl. Abschnitt 9.3, zu einer erheblichen Zugkraftunterbrechung, die gerade bei schweren Nutzfahrzeugen nicht akzeptiert wird. Der Aufbau des entsprechenden Schaltmoduls ist in Abbildung 7.16 schematisch dargestellt, die Vorg¨ange Schalten und W¨ahlen des Hauptgetriebes sowie die Schaltbewegungen von Split- und Bereichsgetriebe werden jeweils von separaten Aktuatoren ausgef¨ uhrt. Anmerkung 7.3 Die Grundstruktur des Schaltmoduls in Abbildung 7.16 kann auch zur Teilautomatisierung oder zur Unterst¨ utzung der manuellen Bet¨atigung eingesetzt werden; die Ansteuerung der vier gezeigten Zylinder kann pneumatisch oder hydraulisch erfolgen. 2 Alternativ kann vom Konzept des Synchrongetriebes mit einer Sperrsynchronisation abgewichen werden und der Angleich der Drehzahlen von Prim¨arund Sekund¨arseite beim Fahrstufenwechsel durch Motoreingriff und das gezielte Abbremsen der Getriebeeingangswelle erreicht werden. Ist der Synchronlauf erreicht, so kann ein formschl¨ ussig wirkendes Schaltelement, z.B. die in
7.1 Nutzfahrzeuggetriebe mit mechanischer Leistungs¨ ubertragung
523
Abb. 7.17. Teilautomatisiertes 16-Gang-NKW-Schaltgetriebe ZF-Transmatic: 1) ¨ Olpumpe; 2) Ausr¨ uckhebel; 3) Schaltfinger; 4) Faltenbalg; 5) Ausr¨ ucklager; 6) ¨ Schaltkupplung; 7) Wandler; 8) Uberbr¨ uckungskupplung; 9) Hydraulikkolben; 10) ¨ ¨ Schubfreilauf; 11) Olfilter; 12) Olpumpe; 13) Retarder; KH Konstante High; KL Konstante Low; R Range; D Direkt
Abschnitt 7.3.1 besprochene Klauenschaltung, einger¨ uckt werden und die automatisierte Schaltkupplung geschlossen werden. Der Einsatz der Getriebebremse zum Absenken der Eingangswellendrehzahl ist ausreichend, da sie den kritischeren Beschleunigungsvorgang unterst¨ utzt; bei R¨ uckschaltungen muss der Verbrennungsmotor die Getriebeeingangsseite u ¨ber eine ganz oder teilweise geschlossene Kupplung beschleunigen, bevor der Formschluss hergestellt werden kann. Um den Formschluss zu erleichtern, wird dabei i.d.R. eine sehr geringe Drehzahldifferenz von der Antriebsregelung angestrebt, um ung¨ unstige Klaue-auf-Klaue Positionen beim Einspuren zu vermeiden. Automatisierung des Anfahrens Bei der Automatisierung des Anfahrvorgangs kommen bei normalen Anforderungen automatisierte Trockenkupplungen zur Anwendung, falls notwendig wird die Kupplung zum Erreichen einer hinreichenden Standzeit und zur Vermeidung von thermischen Sch¨ aden als Zweischeibenkupplung, vgl. Abbildung 4.13, ausgef¨ uhrt. Die Ansteuerung der Kupplungsbet¨atigung kann elektrisch, pneumatisch oder hydraulisch erfolgen; je nach Automatisierungskonzept des Stufenwechsels muss dabei die Kupplung als Schaltkupplung den Drehzahlangleich unterst¨ utzen. Zum Erreichen kurzer Schaltzeiten bietet sich wie bei den PKW mit ASG die Momentennachf¨ uhrung zur Reduktion der Kuppelzeiten an, vgl. Abschnitt 9.3.2 insbesondere Abbildung 9.8.
524
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
¨ Abb. 7.18. ZF-Wandler mit Schalt- und Uberbr¨ uckungskupplung
Bei Sonderfahrzeugen – Schwerlastzugmaschinen und mobilen Arbeitsger¨aten – kann es vorteilhaft sein, einen hydrodynamischen Wandler als Anfahrelement einzusetzen in Kombination mit einem fein gestuften Schaltgetriebe. Da der Wandler entsprechend Anmerkung 5.10 den Leistungsfluss nicht trennen kann, muss er – um die Momenten¨ uberh¨ohung beim Anfahren nutzen zu k¨onnen – mit einer zus¨ atzlichen Kupplung ausgestattet werden, die den Leistungsfluss w¨ ahrend des Schaltvorgangs unterbricht: Mit einer Wandlerschaltkupplung. Am Aufbau des Stufengetriebes wird dabei nichts ge¨andert, Abbildung 7.17 zeigt als Beispiel die Tansmatic von ZF, die die gleichen drei Gruppen zum Erreichen der 16 Fahrstufen nutzt wie das in Abbildung 2.26 gezeigte manuell bet¨ atigte 16S109 Getriebe; Schaltbild und Leistungsfl¨ usse in den Fahrstufen bleiben wie in Abbildung 7.10 skizziert. Die Einheit aus ¨ Wandler mit Uberbr¨ uckungskupplung und Schaltkupplung wird vor dem automatisisch bet¨atigten Stufengetriebe in den Leistungsfluss integriert. Da die Kupplung der Wandlerschaltkupplung zwischen Anfahrelement und Stufengetriebe sitzt, muss sie nicht f¨ ur den Anfahrvorgang dimensioniert werden sondern lediglich auf die Beanspruchungen beim Fahrstufenwechsel; die Anforderungen sind wesentlich geringer, vgl. Abschnitt 4.1.2 und 5.3. Die D¨ampfung des hydrodynamischen Wandlers ist beim Anfahren ausreichend, um eventuelle Schwingungen zur reduzieren, daher ist ein Torsionsd¨ampfer wie beim PKW-Wandler, vgl. Abbildung 5.67, nicht notwendig. Man beachte jedoch, dass die Schaltkupplung zwischen Wandler und Stufengetriebe aufgrund der Momenten¨ uberh¨ ohung des Wandlers, die u ¨ber die Wandlungsziffer
7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung
a)
525
b)
Abb. 7.19. Verteiler- (a) und Sammelgetriebe (b) in einem stufenlos arbeitenden Nutzfahrzeugtriebstrang mit hydraulisch wirkenden Komponenten
µw nach (5.10) erfasst wird, st¨ arker belastet wird; das u ¨bertragbare Moment der Schaltkupplung muss somit also mindestens gleich dem Anfahrmoment am Turbinenrad des Wandlers sein, um ein Durchrutschen der Schaltkupplung und damit ein Verbrennen beim Anfahren zu vermeiden. Bei hohen Drehzahlen wird der Wandler wieder u uckt; Abbildung 7.18 zeigt ein ausgef¨ uhr¨berbr¨ tes Beispiel eines Wandlers mit Schaltkupplung als separates Element des Triebstrangs.
7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungsu ¨ bertragung Dieser Abschnitt besch¨ aftigt sich mit den verschiedenen M¨oglichkeiten der Leistungs¨ ubertragung und -verzweigung in Nutzfahrzeugantrieben mit hydrodynamischen oder hydrostatischen Komponenten8 . Zun¨achst wird allgemein der Unterschied zwischen Verteiler- und Sammelgetrieben besprochen, der Vergleich wird am Beispiel eines Sammelgetriebes mit Leistungsverzweigung und hydrostatischem Teilgetriebe konkretisiert, dabei werden Kutzbach- und Momentenplan des Getriebes analysiert, vgl. hierzu auch Abschnitt 5.6. Danach wird aufbauend auf den Ausf¨ uhrungen aus Abschnitt 5.5 der Unterschied zwischen hydrostatisch und hydrodynamisch wirkenden Getrieben aufgezeigt und an Hand der Beispiele des DIWA-Getriebes von Voith und des Vario-Getriebes von Fendt in den beiden folgenden Abschnitten vertieft. In Abschnitt 7.2.4 wird mit dem HydroDrive von MAN ein Beispielkonzept f¨ ur einen zuschaltbaren hydraulisch arbeitenden Allradantrieb vorgestellt. 7.2.1 Leistungsverzweigung in Nutzfahrzeugen mit hydraulischen Komponenten Die Leistungsverzweigung soll durch die Nutzung alternativer Wirkprinzipien der Leistungs¨ ubertragung, vgl. Tabelle 1.1, mit einem stufenlosen Element in 8
Die dazu notwendigen hydrostatischen Komponenten werden in Abschnitt 7.3.3 besprochen.
526
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.20. Schemadarstellung eines Sammelgetriebes mit stufenloser hydrostatischer Leistungs¨ ubertragung einer Teilleistung
einem Leistungszweig den Gesamtwirkungsgrad des Getriebes positiv beeinflussen. Getriebe mit Leistungsverzweigung k¨ onnen das hydrostatische oder das hydrodynamische Prinzip zur stufenlos verstellbaren Leistungs¨ ubertragung nutzen. Auf die prinzipiellen Unterschiede wird in Abschnitt 5.5.1 eingegangen. Leistungsverzweigende Getriebe lassen sich auf zwei verschiedene Arten realisieren, vgl. Abbildung 7.19: Die eine M¨oglichkeit ist das so genannte Verteiler- oder auch Differentialgetriebe, welches die Leistung durch einen Planetensatz auf einen stufenlosen und einen gestuften mechanischen Teil aufteilt, vgl. Abbildung 7.19.a. Am Getriebeausgang werden die Teilleistungen wieder u uhrt und auf die Abtriebswelle u ¨ber eine Stirnradstufe zusammengef¨ ¨bertragen. Die andere M¨ oglichkeit ist das Sammelgetriebe, vgl. Abbildung 7.19.b, in welchem sich der Antrieb auf den stufenlosen und den mechanischen Zweig aufteilt, und am Ende des Getriebes durch den Planetensatz wieder zusammengef¨ uhrt wird. Die Bezeichnung des leistungsverzweigenden Getriebes als Differential- oder Summengetriebe richtet sich nach der Anzahl der Antriebsbzw. Abtriebswellen am Planetensatz: W¨ ahrend am Differentialgetriebe eine Antriebswelle und zwei Abtriebswellen vorhanden sind, gibt es am Summierungsgetriebe eine Abtriebswelle und zwei Antriebswellen. In der praktischen Anwendung wird bei leistungsverzweigenden Getrieben i.d.R. ein Planetensatz als Differentialgetriebe eingesetzt. Erl¨auternd soll nun ein einfaches Beispiel einer Leistungsverzweigung besprochen werden. Es handelt sich hierbei um ein Sammelgetriebe, dessen stufenloser Teil hydrostatisch realisiert wird. Abbildung 7.20 zeigt das Schema des Getriebes: Es ist zu erkennen, dass die Antriebsleistung durch eine Stirnradstufe verzweigt wird, ein Teil der Antriebsleistung wird u ¨ber die Getriebestufe auf das Hohlrad des Planetensatzes geleitet. Der andere Teil fließt direkt zur Hydropumpe, die die rotatorisch zugef¨ uhrte Energie in hydraulische Energie konvertiert, und weiter zum Hydromotor, welcher die hydraulische Energie wieder in mechanisch-rotatorische Energie umwandelt und u ¨ber den Steg in den Planetensatz einleitet. Die Teilleistungen, die dem Summationsplaneten-
7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung
527
Abb. 7.21. Nicht maßst¨ ablicher Kutzbach-Plan f¨ ur den Planetensatz als Sammelgetriebe zu Abbildung 7.20
satz von Hohlrad und Steg zugef¨ uhrt werden, werden vom Sonnenrad aufgenommen und zum Abtrieb weitergeleitet. Der stufenlose hydraulische Teil des Beispielgetriebes in Abbildung 7.20 be¨ sitzt einen Ubersetzungsbereich von ihydro,max = 2, 5 bis ihydro,min = 0, 5, entsprechend einer Spreizung iG = ihydro,max /ihydro,min = 5 des hydraulischen Teilzweiges. Die Hydropumpe wird direkt mit der Drehzahl des Verbrennungs¨ motors beaufschlagt; die Getriebestufe besitzt eine feste Ubersetzung von ¨ imech = 0, 66, vom Sonnenrad zum Getriebeausgang betr¨agt die Ubersetzung iab = −0, 8. Weiterhin werden f¨ ur die Analyse des Getriebes die Z¨ahnezahlen des Planetensatzes ben¨ otigt; es gen¨ ugen nach Abschnitt 5.6.2 die Z¨ahnezahlen von Hohlrad und Sonne, f¨ ur das Hohlrad ist zB = −92 und f¨ ur die Sonne zA = 30 anzunehmen entsprechend einer Stand¨ ubersetzung i0 = −3, 067. ¨ Um den Ubersetzungsbereich zu analysieren, wird der Drehzahlplan f¨ ur den Summierungsplanetensatz des Getriebes nach Abbildung 7.20 ben¨otigt, der auch als Kutzbach-Plan bezeichnet wird und in Abbildung 7.21 dargestellt ist; der Kutzbach-Plan wird in Abschnitt 5.6.2 besprochen, vgl. Seite 359. Um nun die Gesamtgetriebe¨ ubersetzung darzustellen, wird zun¨achst ausgehend von der Nulllinie eine willk¨ urlich gew¨ ahlte Eingangsdrehzahl in positiver ¨ Drehrichtung aufgetragen, vgl. Abschnitt 5.6.2. Die Ubersetzung der Getriebestufe ist bekannt, daher kann nun zum Verh¨altnis der Eingangsdrehzahl die Stufenausgangsdrehzahl bzw. Eingangsdrehzahl des Hohlrades aufgetragen werden, ebenfalls in positiver Drehrichtung. Weiterhin wird die minimale ¨ und maximale Ubersetzung des hydraulischen Leistungspfades ben¨otigt, die ¨ Ubersetzungen sind bekannt. Die Hydropumpe dreht mit Antriebsdrehzahl, somit werden die minimale und maximale Abtriebsdrehzahl des hydrostatischen Teils im Verh¨ altnis zur Antriebsdrehzahl aufgetragen. Da sich keine Drehrichtungs¨anderung ergibt, werden sie ebenfalls positiv aufgetragen.
528
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.22. Momentenplan f¨ ur das Getriebe nach Abbildung 7.20 f¨ ur ihydro = 1, vgl. auch Abbildung 7.23
Nun sind die Kutzbach-Geraden, die in Abbildung 7.21 blau dargestellt sind, ¨ von Interesse; f¨ ur jede m¨ ogliche Ubersetzung kann eine Kutzbach-Gerade gezeichnet werden. Die Geraden beginnen bei der W¨alzebene von Planet und Hohlrad im Punkt der Eingangsdrehzahl des Hohlrades, sie schneiden die minimale bzw. maximale Drehzahl des hydraulischen Teils in der Drehachse des Planeten und enden auf der W¨ alzebene der Sonne und des Planeten. ¨ F¨ ur die Gerade der Ubersetzung ins Langsame ist ersichtlich, dass sich eine Drehrichtungsumkehr der Sonne ergibt. Um nun die Gesamtgetriebe¨ ubersetzung zu erhalten, wird noch je eine Gerade vom Ursprung u ¨ber den Schnittpunkt Kutzbach-Gerade/W¨ alzebene Sonne zur W¨alzebene Hohlrad gezogen. Der Bereich zwischen den beiden Schnittpunkten auf der W¨alzebene des ¨ Hohlrades ist die Gesamtgetriebe¨ ubersetzung. Es besitzt somit eine Ubersetˆ zung von iges,max = iges (ihydro,max ) = 0, 269 bei Drehrichtungsgleichheit von An- und Abtrieb und iges,min = ˆiges (ihydro,min ) = −0, 226 bei Drehrichtungs¨ wechsel, die Berechnung und Darstellung der Ubersetzungen ist Gegenstand von Auslegungsaufgabe 7.1. Abbildung 7.23 zeigt den Verlauf der Drehzahlverh¨altnis iges = nan /nab u ubersetzung ihydro ; bei ¨ber der hydrostatischen Teil¨ ihydro = 244/276 liegt der Anfahrpunkt, von dem aus stufenlos in beide Richtungen angefahren werden kann, der Abtrieb steht. ¨ F¨ ur die weitere Betrachtung ist ein Momentenplan f¨ ur die einzelnen Ubersetzungen notwendig. Im Folgenden wird nur der Momentenplan f¨ ur die hydrau¨ lische Ubersetzung von ihydro = 1, 0 betrachtet, dieser ist in Abbildung 7.22 dargestellt. Der rechts dargestellte Kreis repr¨ asentiert den Planetensatz, die horizontal nach rechts abgehende Gerade kennzeichnet die Ausgangswelle des Planetensatz, die Sonnenwelle. Wie zu erkennen, verzweigt sich die Leistung zur Getriebestufe und dem hydrostatischen Teil und wird im Planetensatz wieder zusammengef¨ ugt. Um nun die Momentenverteilung zu erhalten, m¨ ussen einige Grunds¨atze f¨ ur den Momentenplan beachtet werden, vgl. M¨ uller [1998] und Abschnitt 5.6.2 ab Seite 363. Der Leistungsfluss ergibt sich, vgl. Abschnitt 3.1.1, aus der Mul-
7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung
529
Abb. 7.23. Verlauf des Drehzahlverh¨ altnis iges = nan /nab f¨ ur das hydrostatisch leistungsverzweigende Getriebe aus Abbildung 7.20
tiplikation von Drehmoment und Drehzahl; eine Umkehr des Leistungsflusses z.B. im Schubbetrieb ist durch eine Drehzahlumkehr oder eine Momentenumkehr prinzipiell m¨ oglich, vgl. Beispiel 3.1. Klar zu erkennen ist, dass am Eingang der Hydropumpe ein gr¨oßeres Moment anliegt als u uhrt wird. Dies liegt an einem Leis¨berhaupt dem Getriebe zugef¨ tungsr¨ uckfluss aus dem Planetensatz, der so genannten Blindleistung, einer im Getriebe umlaufenden Leistung. In Beispiel des Sammelgetriebes entsteht sie dann, wenn eine der Sammelwellen Leistung abf¨ uhrt: In dem hier dargestellten Beispiel fließt Leistung vom Hohlrad u ¨ber die Getriebestufe in den hydrostatischen Teil. Der Leistungsfluss ergibt sich wie besprochen aus der Drehrichtung multipliziert mit der Momentenrichtung. Da sich bei diesem Beispiel keine Drehrichtungs¨ anderung an der Getriebestufe ergibt, ist ein positives Moment mit einer positiven Drehrichtung vorhanden. Definitionsgem¨aß muss daher Leistung vom Planetensatz zur¨ uckfließen. Beim Anfahren ist die Abtriebsdrehzahl – also die Drehzahl des Sonnenra¨ des – gleich Null w¨ ahrend das Hohlrad entsprechend der Ubersetzung der Stirnradkette zwischen Motor und Hohlradwelle uml¨auft, der Steg muss u ¨ber eine erh¨ohte Drehzahl die kinematischen Bindungen des Planetensatzes si¨ cherstellen. Uber die Hydrostaten wird nun mehr Leistung abgefordert, um das Momentengleichgewicht im Planetensatz herzustellen und den Drehzahlausgleich zum stehenden Sonnenrad zu erm¨ oglich; die Leistungsaufnahme am Hohlrad bleibt aber davon unber¨ uhrt, es baut sich ein Blindleistungsfluss auf. Am Sonnenrad liegt also ein ausreichendes Moment an, um aus dem Stillstand anzufahren, die dazu notwendige Leistung wird aus dem Blindleistungsfluss abgezweigt. Es wird also kein separates Anfahrelement ben¨otigt, die IVT-
530
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.24. Qualitative Darstellung des Wirkungsgrads in Abh¨ angigkeit von der Gesamt¨ ubersetzung eines Sammelgetriebes
Eigenschaft ist sichergestellt und es kann mit diesem Getriebe bei unendlicher Anfahr¨ ubersetzung in beide Richtungen angefahren werden. Betrachtet man nun die Wirkungsgrade, so stellt man fest, dass diese abh¨angig ¨ von der Ubersetzung sind, vgl. Abschnitt 5.6.2 ab Seite 363; eine weitere Abh¨angigkeit ergibt sich aus dem Anteil der Leistung, die u ¨ber den stufenlosen Teil gef¨ uhrt wird: Je gr¨ oßer der Anteil der hydrostatischen Leistungs¨ ubertragung desto geringer der Getriebewirkungsgrad. Vernachl¨assigt man die Verluste in der Stirnradstufe imech und sch¨ atzt mit den gegebenen Z¨ahnezahlen zA und zB den Standwirkungsgrad des Sammelgetriebes nach (5.35) ab, η0 ≈ 98, 6%, so kann man eine erste Absch¨ atzung des Gesamtwirkungsgrades ableiten. Aus DIN 24564-T1 kann entnommen werden, dass der Wirkungsgrad f¨ ur Hydropumpen bei ηHydropumpe ≈ 0, 89 und f¨ ur Hydromotoren bei ηHydromotor = 0, 92 liegt; es ergibt sich der Gesamtwirkungsgrad ηges zu ηges = η0 · ηHydropumpe · ηHydromotor = 80, 7%,
(7.1)
f¨ ur den Einsatz in Fahrzeugantrieben ist dieser Gesamtwirkungsgrad als zu niedrig zu werten, zumal (7.1) weder Leitungs- noch Leck¨olverluste des hydrostatischen Kreislauf erfasst. Hinzu kommt, vgl. auch Tabelle 5.6, die Abh¨angigkeit des Wirkungsgrads des Sammelgetriebes vom Betriebszustand. In Abbildung 7.24 ist der Wirkungsgrad des Sammelgetriebes mit stufenlosem Zweig u ubersetzung des Getriebes schematisch skizziert, die Aussa¨ber der Gesamt¨ gen gelten jedoch prinzipiell f¨ ur alle Getriebe mit hydraulischem Teilleistungszweig; der stufenlose hydraulische Zweig kann dabei mit einem hydrodynamischen Wandler, vgl. Abschnitt 5.5, oder hydrostatisch mit Hydropumpe und -motor realisiert sein, vgl. Abschnitt 7.3.3. Der hydraulische Zweig erm¨oglicht die stufenlose Variation der Gesamtgetriebe¨ ubersetzung als Hauptmerkmal der Getriebe, allerdings ist der Wirkungsgrad des Zweiges etwas schlechter. Im Allgemeinen liegen die Wirkungsgrade der Verdr¨angermaschinen bei ca. 90 %, bei hydrodynamischen Kupplungen und Wandlern l¨asst sich der
7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung
531
Wirkungsgrad in etwa als proportional zum Drehzahlverh¨altnis absch¨atzen, vgl. z.B. Abbildung 5.59. Die schlechten Wirkungsgrade liegen einerseits an Str¨omungs- und Leck¨ olverlusten, die bedingt durch die Druckverh¨altnisse von etwa 400 bar bei den Hydrostaten auftreten, andererseits am hydrodynamischen Wirkprinzip im Allgemeinen. L¨asst man die gesamte Leistung u ¨ber den mechanischen Zweig laufen, so ergibt ¨ sich eine feste Ubersetzung und ein recht hoher Wirkungsgrad, die Variabilit¨at ¨ der Ubersetzung geht allerdings verloren. Also verzweigt man die Leistung, dabei senkt jedoch der verlustbehaftete hydraulische Zweig den Gesamtgetriebewirkungsgrad; je mehr Leistung u ¨ber diesen Zweig l¨auft desto geringer der Wirkungsgrad. Im diesem Beispiel zeigt sich ein relativ schlechter Wir¨ kungsgrad bei einer Ubersetzung ins Langsame, iges > 1. Der Wirkungsgrad ¨ erreicht bei einer Ubersetzung von iges = 1 etwa 83 % und steigert sich auf ¨ ungef¨ahr 90 % bei einer maximalen Ubersetzung von iges = 0, 5 ins Schnelle. ¨ Auslegungsaufgabe 7.1 Ubersetzung eines leistungsverzweigenden Getriebes F¨ ur das in Abbildung 7.20 dargestellte Getriebe sind, basierend auf den An¨ gaben aus Abschnitt 7.2.1, die minimale und die maximale Ubersetzung zu ¨ und Drehzahlen zu ermitteln; dabei sind die Vorzeichen von Ubersetzungen beachten. Folgende Schritte sollen bearbeitet werden: • R¨ uckf¨ uhren aller Drehzahlen im Getriebe auf die Antriebsdrehzahl; ¨ • Ermitteln der beiden Grenz¨ ubersetzungen f¨ ur die extremen Ubersetzungen des hydraulischen Zweigs, ihydro,max = 2, 5 und ihydro,min = 0, 5; • Nachweis des Stillstands des Abtriebs bei der Teil¨ ubersetzung ihydro = 244/276 der hydraulischen Strecke; ¨ ¨ • Uberpr¨ ufung der Ubersetzung mit einem maßst¨ablichen Kutzbach-Plan f¨ ur An- und Abtrieb des Getriebes. ♠ Auslegungsaufgabe 7.2 Hydrostatisch leistungsverzweigendes Getriebe In Abbildung 7.25 ist eine Konzeptstudie f¨ ur ein stufenloses Nutzfahrzeuggetriebe gezeigt, das im Folgenden bewertet werden soll; das Getriebe stellt eine Modifikation des Beispiels dar, das in Abschnitt 7.2.1 besprochen wurde, vgl. ¨ Abbildung 7.20. Im ersten Schritt sollen dazu die Ubersetzung imech = 0, 66 f¨ ur die Stirnradstufe und i0 = zB /zA = −3 f¨ ur den Planetensatz angenommen werden, der als Sammelgetriebe geplant ist. Die nachgeschaltete Stufe iab = −0, 8 am Abtrieb ist zur Drehrichtungsanpassung konzipiert, die hydrostatischen Komponenten erlauben einen Verstellbereich f¨ ur die Drehzahlwandlung zwischen ihydro,min = 0, 5 und ihydro,max = 2, 5, die Verluste k¨onnen zun¨achst vernachl¨ assigt werden. ¨ • Man bestimme die minimale und die maximale Ubersetzung, die sich f¨ ur das verlustfrei arbeitende Getriebe gem¨ aß Abbildung 7.25 ergeben.
532
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.25. Hydrostatisch leistungsverzweigtes Getriebe
¨ • Wie wirkt sich eine andere Ubersetzung der Stirnradstufe imech , die das Hohlrad des Sammelgetriebes antreibt, auf die Gesamt¨ ubersetzung aus? • Ist es m¨oglich, alleine durch Modifikation der Stand¨ ubersetzung i0 des Sammelgetriebes, vgl. auch Abschnitt 5.6.2, mit dem gegebenen Getriebekonzept in eine Richtung drei mal so schnell zu fahren wie in die andere? • Wie groß ist der Gesamtwirkungsgrd des Getriebes in der gegebenen Kon¨ figuration bei Betrieb mit der minimalen und der maximalen Ubersetzung, wenn der Standwirkungsgrad des Planetengetriebe η0 = 97% betr¨agt und der hydrostatische Teilleistungszweig konstant bei ηhydro = 85% arbeitet? ♠ 7.2.2 Das Vario-Getriebe von Fendt f¨ ur Traktoren mit hydrostatisch arbeitendem Teilleistungszweig Das stufenlose Getriebe von Fendt, das in Abbildung 7.26 gezeigt ist, wird in Großtraktoren der Vario-Baureihen eingesetzt, vgl. Abbildung 2.44. Es u ¨bertr¨agt Leistungen9 bis 261 kW bei einem Nenndrehmoment von 1480 Nm bei 1450 u/min. Das Getriebe verf¨ ugt u ¨ber zwei unterschiedliche Fahrbereiche: Einen f¨ ur das Feld mit einem Geschwindigkeitsbereich von 0,02 bis 34 km/h ¨ und eine k¨ urzere Ubersetzung f¨ ur die Straße mit einem Geschwindigkeitsbereich von 0,02 bis 60 km/h. In Abbildung 7.27 ist der Kraftfluss des Vario Getriebes schematisch dargestellt. Wie zu erkennen ist, wird die Eingangsleistung u ¨ber den Torsionsd¨ampfer (1) zum Planetensatz (2) u ¨bertragen, dort findet die Leistungsverzwei¨ gung statt: Uber den Planetentr¨ ager verzweigt sich die Leistung u ¨ber das Sonnenrad (4) auf den mechanischen Teil sowie u ¨ber das Hohlrad (3) auf den hydraulischen Teil. Im hydraulischen Teil treibt das Hohlrad mittels einer Zahnradstufe eine Verstellpumpe an, diese treibt zwei auf einer Welle 9
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7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung
533
Abb. 7.26. Offene Ansicht des leistungsverzweigenden Getriebes der Fendt VarioBaureihen (Quelle: AGCO/Fendt)
liegende verstellbare Hydromotoren (7) an, die wiederum ihre Leistung auf die Summierungswelle u ¨bertragen. Die Verstellpumpe und die Hydromotoren sind jeweils in Schr¨ agachsenbauart ausgef¨ uhrt, vgl. Abschnitt 7.3.3; kleinere Baureihen bis zu 152 kW weisen nur einen Hydromotor auf. Die mechanische Teilleistung wird u ¨ber die Planeten zum Sonnenrad (4) und weiter u ¨ber eine Zahnradstufe zur Summierungswelle (8) u ¨bertragen; die Summierungswelle f¨ uhrt die Leistungen beider Zweige wieder zusammen und u ¨bertr¨agt sie u ¨ber die Fahrbereichsschaltung (9) zum Differential bzw. zum Allradantrieb. ¨ Weiterhin treibt der Planetentr¨ ager ohne weitere Ubersetzung den Zapfwellenantrieb f¨ ur die Anbauger¨ ate an. Definitionsgem¨aß handelt es sich bei diesem Getriebe um ein Differentialgetriebe, bei dem ein Verteilerplanetensatz vorhanden ist, welcher – wie bereits dis¨ kutiert – die Leistung verzweigt. Die stufenlose Ubersetzung u ¨bernehmen hier die Hydrostaten, die zum Anfahren die maximale Wandlung realisieren; das Getriebe arbeitet dann entsprechend Anmerkung 2.9 als IVT mit unendlichem Wandlungsbereich, die Wandlung nimmt dann mit der Fahrgeschwindigkeit ¨ ab. Die stufenlose Ubersetzungs¨ anderung erfolgt u ¨ber die Schwenkbewegung ¨ der Pumpen und die damit verbundene Anderung des F¨ordervolumens. Verschwindet die Pumpendrehzahl, so ist die Maximalgeschwindigkeit in diesem Fahrbereich erreicht, es wird keine Leistung mehr u ¨ber den hydrostatischen Pfad u ¨bertragen und der Schwenkwinkel der Motoren wird auf β = 0 abgesenkt. W¨ahrend die Pumpendrehzahl f¨ allt, steigt die Drehzahl in der Zahnradstufe und die Hydrostaten werden wegen ihres fallenden Wirkungsgrades
534
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.27. Kraftfluss des stufenlosen Vario-Getriebes; 1) Torsionsd¨ ampfer, 2) Planetengetriebe (Leistungsverzweigung), 3) Hohlrad, 4) Sonnenrad, 5) Planetentr¨ ager, 6) Hydropumpe, 7) Hydromotor, 8) Summierungswelle, 9) Fahrbereichsschaltung (Quelle: AGCO/Fendt)
entlastet; mit steigender Geschwindigkeit nimmt im hydrostatischen Teil wegen der Zunahme der Str¨ omungs- und Leck¨ olverluste der Wirkungsgrad ab. Daher wird die Pumpendrehzahl durch Verstellung mit steigender Geschwindigkeit verringert, vgl. Abschnitt 7.3.3. Bei halber Fahrgeschwindigkeit wird die Leistung so jeweils h¨ alftig u ¨ber die Hydrostaten und u ¨ber die Zahnradstufe u ¨bertragen, um den guten Wirkungsgrad der Zahnradstufe zu nutzen. Das R¨ uckw¨artsfahren erfolgt ebenfalls stufenlos u ¨ber eine Drehzahlumkehr der Hydromotoren und des Sonnenrades (4), vgl. Abbildung 7.27. Dies ist nur m¨oglich, wenn die Pumpe eine h¨ ohere Leistung asl die Motorleistung und somit eine h¨ohere Drehzahl aufnehmen kann, da sie im Moment des Anfahrens in Vorw¨artsfahrt schon 100% der Leistung u uckw¨arts¨bertr¨agt. Zum R¨ fahren muss die Pumpe bei einer gr¨ oßeren Drehzahl betrieben werden, was an der roten Gerade im Kutzbach-Plan Abbildung 7.28 deutlich wird; die Pumpe nimmt somit eine gr¨ oßere Leistung auf als im Vorw¨artsbetrieb, dies begr¨ undet auch die niedrigeren Geschwindigkeiten, die r¨ uckw¨arts gefahren werden k¨onnen. Erreicht wird diese Drehzahl¨ uberh¨ohung durch die Drehrichtungsumkehr des Sonnenrades. Dadurch ver¨ andert sich der Leistungsfluss an der Getriebestufe: Es fließt nun ein Teil der Leistung u ¨ber das Sonnenrad zur¨ uck bzw. weiter zur Hydropumpe, dabei baut sich ein Blindleistungsfluss
7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung
535
Abb. 7.28. Nicht maßst¨ ablicher Kutzbach-Plan f¨ ur das Vario-Getriebe von Fendt
auf, vgl. Abschnitt 7.2.1. Da am Sonnenrad das kleinste Moment anliegt, kann die Blindleistung relativ klein gehalten werden. Die Pumpe wird bei R¨ uckw¨artsfahrt durch die Leistungserh¨ ohung bei etwas h¨oheren Drehzahlen betrieben; da aber der R¨ uckw¨ artsgang nicht u ¨ber einen l¨angeren Zeitraum bzw. zum Zur¨ ucklegen gr¨ oßerer Strecken genutzt wird, bleibt der Einfluss der Leistungs¨ uberh¨ohung auf die Lebensdauer der Pumpe jedoch begrenzt. Ein wesentliches Kennzeichen des Vario-Getriebes ist, dass der Fahrtrichtungswechsel ebenso wie beim Torotrak-Getriebe, vgl. Abschnitt 5.7.1, ohne Bet¨atigung von Schaltelementen vollzogen werden kann; das Merkmal ist kennzeichnend f¨ ur IVT, die normalen CVT wie das Kegelringgetriebe oder auch die Multitronic, vgl. Abschnitte 5.7.3 und 5.7.4 ben¨otigen daf¨ ur ein kraft- oder formschl¨ ussiges Schaltelement. In Abbildung 7.28 ist der Kutzbach-Plan f¨ ur das Vario-Getriebe dargestellt. Wie beschrieben beginnt das Anfahren mit der maximalen Pumpendrehzahl und endet mit der Pumpendrehzahl Null, dargestellt durch die beiden blauen Geraden. Die fett gezeichnete rote Gerade stellt die Kutzbach-Gerade f¨ ur den R¨ uckw¨artsgang dar. Es ist zu erkennen, dass das Sonnenrad eine Drehrichtungsumkehr erf¨ ahrt sowie eine h¨ ohere Pumpendrehzahl. Abbildung 7.29 zeigt den Momentenplan des Vario-Getriebes. Dargestellt sind jeweils die Momentverh¨ altnisse bezogen auf ein dimensionsloses Antriebsmoment Tan = 1, rot dargestellt sind die jeweiligen Momente beim R¨ uckw¨artsfahren. Die Werte sind rein fiktiv und entsprechen nicht den tats¨achlichen Gegebenheiten, da hier nur das Funktionsschema dargestellt werden soll. Am Planetensatz – stilisiert durch den Kreis mit den innen stehenden Z¨ahnezahlen, vgl. Abbildung 5.85.a – sind die zu- und abgef¨ uhrten Momente in dimensionsloser Form angetragen, Umkehr¨ ubersetzung und hydraulische Strecke verst¨arken die Momente in den Teilleistungszweigen. Es ist zu erkennen, dass bei Vorw¨artsfahrt eine Momentenverst¨ arkung entsprechend iges = 4, 41
536
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.29. Momentenplan f¨ ur das Vario-Getriebe von Fendt
und f¨ ur das R¨ uckw¨ artsfahren eine Verst¨ arkung um einen Faktor 2,79 f¨ ur das verlustfrei angenommene Getriebe erzielt wird. Weiterhin ist zu erkennen, dass wegen der Drehrichtungsumkehr im Getriebe beim R¨ uckw¨artsfahren auch ein Vorzeichenwechsel im Leistungsfluss stattfindet, vgl. auch Abschnitt 3.1.1. Bedingt durch die Verluste in den Hydrostaten wird die maximale Momentenwandlung erreicht: Im Anfahrpunkt werden wie bereits diskutiert 100% der Leistung u uhrt. Die Hydropumpe baut jedoch ¨ber die Hydrostaten gef¨ aufgrund der Leistungszuf¨ uhrung durch den Verbrennungsmotor einen hohen Druck auf, der – solange das Fahrzeug still steht – ein Bremsmoment in den Hydromotoren erzeugt. Durch den hohen Fluiddruck wird sich das ¨olf¨ uhrende System stetig aufheizen, was zu einem steigenden Leistungsverlust f¨ uhrt. Bei ¨ ausreichender K¨ uhlung des Oles kann das Bremsmoment, das beim Anfahren entsteht, in ein Vortriebsmoment gewandelt werden und mit einer starken Momenten¨ uberh¨ ohung angefahren werden. Der Vorteil dieser Technologie ist, dass das Fahrzeug z.B. an Steigungen auch ohne Bet¨atigung der Fahrbremse stehenbleibt, bei PKW wird dies als hill-hold Funktion bezeichnet, vgl. Abschnitt 2.7.2. Im Gegensatz dazu wird der hydrodynamische Wandler in der gleichen Situation das Fahrzeug im Kriechzustand bewegen. Insgesamt bietet die stufenlose Antriebstechnik bei Traktoren den Vorteil, dass in einem recht großen Geschwindigkeitsbereich stets die volle Motorleistung genutzt werden kann und dass durch die zugkraftunterbrechungsfreie Anpassung der Geschwindigkeit aus dem Stand heraus das Fahren mit schweren Arbeitsger¨aten erleichtert wird. Hinzu kommt die Tatsache, dass Traktoren ohnehin mit einem umfangreichen hydrostatischen System ausger¨ ustet sind, um die Anbauger¨ ate steuern und teils auch antreiben zu k¨onnen.
7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung
537
Abb. 7.30. DIWA-Getriebe von Voith f¨ ur Busse. 1) Gegenlaufwandler, 2) Pumpenbremse, 3) Durchkupplung, 4) Differentialgetriebe, 5) Eingangskupplung, 6) Planetengetriebe, 7) Planetengetriebe f¨ ur R¨ uckw¨ artsgang und Retarder, 8) Torsionsschwingungsd¨ ampfer, 9) W¨ armetauscher, 10) Kupplung f¨ ur den 4. Gang, 11) Planetenbremse f¨ ur DIWA-Fahrstufe
7.2.3 Das DIWA-Getriebe von Voith f¨ ur Busse mit hydrodynamischem Teilleistungszweig Das DIWA-Getriebe von Voith, vgl. Abbildung 7.30, ist ein Automatikgetriebe, das vorwiegend in Bussen Anwendung findet. Es erm¨oglicht ein sanftes, automatisiertes Anfahren und erlaubt u ¨ber die integrierte Retarderfunktion den Betrieb des Getriebes als Dauerbremse; der Retarderbetrieb des Wandlers reduziert die thermische Beanspruchung und den Verschleiß der regul¨aren Betriebsbremse. Bei diesem Getriebe handelt es sich, vgl. Abschnitt 7.2.1, um ein Differentialgetriebe, der stufenlose Teil des Getriebes – der bei Vorw¨artsfahrt nur in der ersten Fahrstufe genutzt wird – wird durch einen hydrodynamischen Gegenlaufwandler realisiert w¨ ahrend der mechanische Teil, der als Planetensatz aufgebaut ist, direkt mit dem Abtrieb verbunden ist. Abbildung 7.30 zeigt das DIWA-Getriebes von Voith im Schnitt, die Schemata in Abbildung 7.31 verdeutlichen die Ausf¨ uhrungen weiter. Der Antrieb l¨auft u ¨ber die Durchgangskupplung (3) und/oder die Eingangskupplung (5) in den Verteilerplanetensatz (4). Dort verzweigt sich in der ersten Fahrstufe die Leistung u ager zum Abtrieb und u ¨ber den Planetentr¨ ¨ber das Sonnenrad und Pumpenbremse (2) zur Pumpe des hydrodynamischen Wandlers (1). ¨ Uber das Turbinenrad des hydrodynamischen Wandlers (1) wird die Leis-
538
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g) Abb. 7.31. Leistungsfluss im DIWA-Getriebe von Voith in den Fahrstufen 1-4 und R (a-d und e), beim Bremsen (f) und im Leerlauf (g). In den Fahrstufen 2-4 ist die Pumpenbremse geschlossen, Wander und abtriebsseitiger Planetensatz liegen nicht im Leistungsfluss. R Leitrad, T Turbinenrad, P Pumpenrad
tung auf das Sonnenrad des Planetensatzes (6) u ¨bertragen, der Steg leitet diese dann zum Abtrieb weiter. Das Hohlrad des Planetensatzes (6) treibt beim Bremsen, wenn die Bremse am Hohlrad des Planetengetriebes (7) geschlossen ist, den Retarder, vgl. Abschnitt 7.3.2, an, die Pumpenbremse (2) st¨ utzt das Retarderbremsmoment ab. Beim R¨ uckw¨artsfahren ist die Bremse am abtriebsseitigen Planetensatz (7) ebenfalls geschlossen und die beiden Planetens¨atze kehren die Drehrichtung um, die Leistung wird anders als in der DIWA-Fahrstufe im ersten Gang nicht verzweigt.
7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung
539
In der ersten Fahrstufe, vgl. Abbildung 7.31.a, sind die Eingangskupplung (5) und die Planetenbremse (11) geschlossen, die Antriebsleistung l¨auft u ¨ber das Hohlrad des Differentialgetriebe (4) zum Planetensatz und verzweigt dort: Zum einen auf den Planetentr¨ ager, der direkt mit der Abtriebswelle verbunden ist und zum anderen auf das Sonnenrad, welches das Pumpenrad des Wandlers antreibt. Im zweiten Planetensatz (6) wird das Sonnenrad vom Turbinenrad des Wandlers angetrieben, das Hohlrad ist durch die Turbinenbremse (2) festgehalten und der Planetentr¨ ager ist mit der Abtriebswelle gekoppelt. Betrachtet man die zweite bis vierte Fahrstufe, vgl. Abbildung 7.31.b-d, so ist festzustellen, dass die Leistungs¨ ubertragung rein mechanisch ohne Leistungsverzweigung realisiert ist. Die Turbinenbremse (2) ist geschlossen und trennt damit den Wandler (1) vom Differentialgetriebe (4). Im zweiten Gang, der schematisch in Abbildung 7.31.b gezeigt ist, wird die Antriebsleistung wie im ersten Gang u ¨ber die Eingangskupplung zum Hohlrad und dann u ¨ber den Steg zur Abtriebswelle u ¨bertragen. Im dritten Gang ist die Durchkupplung ¨ (3) geschlossen und u agt die Antriebsleistung direkt ohne Ubersetzung ¨bertr¨ auf den den Steg des Differentialgetriebes (4) und wiederum weiter auf die Abtriebswelle. Analysiert man nun den vierten Gang, Abbildung 7.31.d, so ist zu erkennen, dass nun die spezielle Kupplung f¨ ur den vierten Gang (10) geschlossen ist, diese Kupplung leitet die Leistung zum Steg des Planetensatzes f¨ ur die 4. Fahrstufe. Von dort aus fließt die Leistung u ¨ber das Hohlrad zum Steg des Differentialgetriebes und dann direkt zum Abtrieb. Der R¨ uckw¨artsgang Abbildung 7.31.e ist hydraulisch/mechanisch ohne Leistungsverzweigung realisiert. Die dem Getriebe zugef¨ uhrte Leistung l¨auft u ¨ber die Eingangskupplung zum Hohlrad des Differentialgetriebes (4) und weiter u ¨ber die Planeten zum Sonnenrad. Das Sonnenrad treibt wiederum das Pum¨ penrad des Wandlers an. Uber das Leitrad und die Turbine fließt die Leistung zur Sonne des Turbinenplanetensatzes (6), weiter u ¨ber das Hohlrad zur Sonne des Retarderplanetensatzes (7); diese u ¨bersetzt wiederum auf den Steg und treibt mit umgekehrtem Drehsinn den Antrieb an. In Abbildung 7.31.f ist der Bremsvorgang unter Einbeziehung der Str¨omungsbremse – der Wandler u ¨bernimmt die Funktion des Retarders, vgl. Abschnitt 7.3.2 – dargestellt. In diesem Betriebszustand wird Leistung an der Getriebeausgangsseite zugef¨ uhrt und vom “Retarder” – das Turbinenrad u ¨bernimmt die Funktion des Rotors, das gebremste Pumpenrad und das Geh¨ause bilden den Stator, vgl. Abbildung 5.48.c – und dem Verbrennungsmotor verschleißfrei in W¨arme bzw. Str¨ omungsverluste umgewandelt; das Fahrzeug wird gebremst. Im Retarderbetrieb wird die Leistung u ¨ber ein Planetengetriebe zum Wandler und u ¨ber das Eingangsplanetengetriebe zum Motor verzweigt. Der Retarderbetrieb wird beim Bremsen zugeschaltet, indem die Retarderbremse geschlossen wird. Die Leistung fließt u ¨ber den Steg des Retarderplanetensatzes zur Sonne und dann weiter zum Hohlrad des Turbinenplanetensatzes. In diesem Planetensatz wird die Leistung u ¨ber die Sonne auf das Turbinenrad und weiter an das Leitrad u ¨bertragen. Da aber die Pumpenbremse
540
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.32. Nicht maßst¨ ablicher Kutzbach-Plan f¨ ur das DIWA-Getriebe f¨ ur den Anfahrvorgang
das Pumpenrad festh¨ alt, wird die Str¨ omungsenergie in W¨armeenergie umgewandelt, welche u armetauscher abgef¨ uhrt wird. Weiterhin fließt ¨ber einen W¨ ein Teil der Leistung von der Abtriebswelle u ¨ber den Steg des Differentialgetriebes (4) zum Motor und erzeugt so ebenfalls ein Bremsmoment, welches die Str¨omungsbremse unterst¨ utzt und die Betriebsbremsen weiter entlastet. Der Betrieb dieser verschleißfreien Str¨ omungsbremse ist nur in den mechanischen G¨angen – der zweiten bis vier Fahrstufe – m¨ oglich, da dort die Pumpe ausgeschaltet ist. Der Retarder wird in Abschnitt 7.3.2 ausf¨ uhrlich besprochen. In Abbildung 7.31.g ist die Neutralstellung dargestellt, in der keine Leistung an die R¨ader u ¨bertragen wird; alle Kupplungen und Bremsen sind offen. Bei Stillstand des Fahrzeuges und eingelegter erster Fahrstufe muss die Abtriebswelle stehen, infolge dessen m¨ ussen die Planetentr¨ager beider Planetens¨atze stehen. Im Verteilerplanetensatz kommt es kommt es daher zu einer Drehrichtungsumkehr, die Pumpe des Wandlers l¨ auft nun mit hoher Drehzahl und entgegengesetzt der Motordrehrichtung. Weiterhin steht das Turbinenrad, da das Hohlrad des zweiten Planetensatzes sowie dessen Planetentr¨ager ebenfalls steht. W¨ahrend des Anfahrvorgangs in der ersten Fahrstufe nimmt die Drehzahl des Turbinenrades, vgl. Abbildung 7.31.a, bei konstanter Motorleistung und -drehzahl zu; der Anteil der hydrodynamisch u ¨bertragenen Leistung nimmt durch Nutzung des F¨ ottinger-Wandlers ab, vgl. Abbildung 5.54, gleichzeitig nimmt die mechanische Leistungs¨ ubertragung anteilig zu. Da f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung im Wandler ein St¨ utzmoment erforderlich ist, muss sich das Pumpenrad in der ersten Fahrstufe stets mitdrehen. Der Maximalgeschwindigkeit in der ersten Fahrstufe sind durch den hydrodynamischen Wandler Grenzen gesetzt: Ab einer Turbinendrehzahl von etwa 50% der Pumpendrehzahl nimmt der Wirkungsgrad des Wandlers und die Drehmomentwandlung entsprechend der Charakteristik in Abbildung 5.54 kontinuierlich ab. Der DIWAGang wird daher nur bis zu etwa 40% der Maximalgeschwindigkeit genutzt. In
7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung
541
Abb. 7.33. Momentenplan des DIWA-Getriebe f¨ ur den Anfahrvorgang. Symbolik entsprechend Abbildung 5.85.b, Stand¨ ubersetzungen/Z¨ ahnezahlverh¨ altnisse im Text
den Fahrstufen 2 bis 4 wird das Pumpenrad des Wandlers von der Pumpenbremse blockiert, bei Station¨ arfahrt stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht an der abtriebsseitigen Planetengruppe und am Turbinenrad ein. In Abbildung 7.32 ist der Kutzbach-Plan f¨ ur das DIWA-Getriebe w¨ahrend des Anfahrvorgangs dargestellt, die fett gezeichnete Gerade visualisiert die Drehzahlverh¨altnisse beim Anfahren und man erkennt, dass die Pumpe in entgegengesetzter Drehrichtung zur Turbine betrieben wird. Betrachtet man den Momentenplan des DIWA-Getriebes in Abbildung 7.33 f¨ ur den Anfahr¨ vorgang, so l¨asst sich eine Ubersetzung von iges = 4, 98 bei einer Wandlung µW = −2 des Gegenlaufwandlers, vgl. (5.10), ablesen entsprechend den eingetragenen dimensionslosen An- und Abtriebsmomenten Tan = 2, 33 und Tab = 11, 61. Die in Abbildung 7.33 dargestellten dimensionslosen Momente sollen die Funktionsweise des DIWA-Getriebes beim Anfahren verdeutlichen, das Moment wurde willk¨ urlich an der Sonne des Verteilplanetensatz zu 1 gesetzt; die angegebenen Z¨ ahnezahlverh¨ altnisse u1 = 2, 33 des Differentialplanetensatz (4) und u2 = 3, 14 des Planetengetriebes (6), vgl. Abbildung 7.30, orientieren sich am Produktionsstand des vierg¨angigen Getriebes; f¨ ur gr¨oßere Wandlungsziffern nimmt die Momenten¨ ubersetzung beim Anfahren weiter zu. Wird der Wandler als hydrodynamische Kupplung mit µk = 1 betrieben, wird nur noch eine Momentenverst¨ arkung um einen Faktor 3,09 erreicht. Auslegungsaufgabe 7.3 Momentenverst¨ arkung im Anfahrpunkt Man zeichne den Momentenplan f¨ ur das verlustfrei angenommene DIWAGetriebe aus Abschnitt 7.2.3 und ermittle die effektive Momentenverst¨arkung beim Anfahrvorgang f¨ ur Wandlungsziffern µw,min = 1, 5 und µw,max = 3, 0. Die Z¨ahnezahlverh¨ altnisse des Getriebes k¨ onnen aus Abbildung 7.33 u ¨bernommen werden. ♠
542
a)
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
b)
Abb. 7.34. Vergleich herk¨ ommlicher Allrad (a) – MAN HydroDrive (b) (Aus Frick [2006]): 1) Gelenkwelle, 2) Verteilergetriebe, 3) Hochdruckpumpe, 4) Hydraulikleitung, 5) Hydromotor
Abb. 7.35. Aufbau des Nebenabtriebes samt HydroDrive-Hochdruckpumpe in Schr¨ agscheibenbauart (Aus Frick [2006])
7.2.4 Hydraulisch bet¨ atigter optionaler Allradantrieb Unter der Bezeichnung HydroDrive produziert MAN seit ca. 2005 eine Kombination aus konventionellem Antrieb an der/den Hinterachsen und einem zuschaltbaren hydrostatischen Antrieb an der Vorderachse. Der Antrieb der zuschaltbaren Vorderachse erfolgt hydrostatisch u ¨ber einen Hydromotor im Nebenabtrieb, vgl. Abbildung 7.34; im Ventilblock, vgl. Abbildung 7.35, wird u ¨ber den Hydraulikdruck die Antriebsleistung der Vorderachse geregelt. Beim konventionellen zuschaltbaren Allradantrieb, vgl. Abbildung 7.34, fehlt bei Nutzfahrzeugen oft das in L¨ angsrichtung wirkende Ausgleichsgetriebe und ein recht starres L¨ angswellensystem verbindet Vorder- und Hinterachse. Um beim Fahren auf festem Grund Verspannungen des Triebstrangs zu vermeiden,
7.2 Nutzfahrzeugantriebe mit hydraulischer Leistungs¨ ubertragung
543
Abb. 7.36. Prinzipschnitt des Hydrodrive-Radantriebs (Aus Frick [2006]): 1) Verteiler, 2) Kolben mit Gleitrollen, 3) Zylinderblock, 4) Nockenbahn, 5) Federn
muss der Allradantrieb im Verteilergetriebe abgeschaltet werden; ein Zuschalten des Allradantriebs ist nur im Fahrzeugstillstand oder bei geringer Geschwindigkeit zul¨assig. Wenn der Allradantrieb abgeschaltet ist, werden alle rotierenden Teile jedoch momentenfrei mitgeschleppt. Dies f¨ uhrt bei gr¨oßeren Fahrgeschwindigkeiten zu einer Verschlechterung des Antriebswirkungsgrades gegen¨ uber Fahrzeugen mit nicht angetriebener Lenkachse. Durch die Platzierung der Hydraulikpumpe als Nebenabtrieb des konventionellen Antriebstrangs kann der HydroDrive bei kleinen Fahrgeschwindigkeiten bis 28 km/h – beim Anfahren oder im Gel¨ ande – jederzeit zugeschaltet werden. Bei hohen Geschwindigkeiten kann die Pumpe u ¨ber eine Lamellenkupplung, vgl. Abbildung 7.35, aus dem Leistungsfluss herausgenommen werden und der hydrostatische Teilast wird deaktiviert; die Federn im hydrostatischen Radantrieb ziehen die Kolben radial zur¨ uck und der Vorderachsantrieb ist r¨ uckwirkungsfrei abgeschaltet. Im Schubbetrieb kann bis ebenfalls 28 km/h ein zus¨atzliches Bremsmoment u ¨ber den Vorderachsantrieb generiert werden. Nach Frick [2006] wird mit dem HydroDrive ein verbesserter Wirkungsgrad im Vergleich mit dem konventionellen Allradantrieb erreicht und zus¨atzlich das Gewicht des Triebstrangs im Vergleich zum zuschaltbaren mechanischen Allradantrieb bei Nutzfahrzeugen um etwa 400 kg reduziert. Zudem kann wegen des Wegfalls des mechanischen Vorderachsantriebs mit Verteilergetriebe und Kardanwellen auf den hochgesetzten Rahmen mit der unkomfortabel großen Einstiegsh¨ ohe verzichtet werden. Abbildung 7.35 zeigt den Nebenantrieb mit der Hydropumpe: Beim Einschalten des Allradantriebs wird die Lamellenkupplung geschlossen, die Stirnradstufe treibt die Hydropumpe an. Die Pumpe ist als Schr¨agscheibenkonstantpumpe ausgef¨ uhrt, vgl. Abschnitt 7.3.3, und wandelt die Rotationsenergie in hydraulische Energie um und u agt diese bei bis zu 400 bar Druck ¨bertr¨
544
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.37. Radnabe mit Hydromotor des HydroDrive-Systems von MAN (Aus Frick [2006]): 1) Bremsscheibe, 2) Achsschenkel, 3) Hochdruckleitungen, 4) Leckageleitungen, 5) Radlagerung, 6) Hydromotor, 7) Radnabe
an die Hydromotoren. Die Antriebe der R¨ ader sind als Radialkolbenmotoren ausgef¨ uhrt, Abbildung 7.36 zeigt den Prinzipschnitt, die Motoren sind in die Radnaben integriert, vgl. Abbildung 7.37. Wie in Abbildung 7.37 zu erkennen, ist der Hydromotor auf dem Achsschenkel befestigt, durch den die Hochdruck-, und Leckageleitungen laufen, die die hydrostatische Leistung zum Einzelradantrieb u ¨bertragen. Auf dem Hydromotor sind Kegelrollenlager angeordnet, die die Radnabe mit der Brems¨ scheibe lagern. Uber dem Achsschenkel befindet sich ein Verteiler, der sich ¨ uhrungs¨ offnungen hinwegbewegt; wird die mit Raddrehzahl u ¨ber den Olzuf¨ ¨ Olzuf¨ uhrung eines einzelnen Hydraulikkolbens im Hydromotor ge¨offnet, so ¨ in den Druckraum unter dem Kolben (Druckmodus), dr¨ str¨omt Ol uckt ihn nach oben und erzeugt so aufgrund der Nockenbahnform ein Drehmoment. ¨ Nachdem die Olzuf¨ uhrung geschlossen ist, ¨ offnet der Verteiler den R¨ uckfluss ¨ aus dem Druckraum gesaugt wird (Saugmodus), der Koldurch den das Ol ben f¨ahrt dabei federunterst¨ utzt in seine Ausgangsposition zur¨ uck. Wie aus Abbildung 7.36 ersichtlich, befinden sich immer ein Teil der Kolben im Saugund im Druckmodus, vgl. Abschnitt 7.3.3 insbesondere Seite 552.
7.3 Spezielle Komponenten In diesem Abschnitt werden einige Komponenten vorgestellt, die im Nutzfahrzeugbereich Anwendung finden, bei den PKWs aber aufgrund von Komfortanforderungen oder wegen der nur geringen Antriebsmomente nicht vorkommen.
7.3 Spezielle Komponenten
545
Abb. 7.38. Power-Shift Getriebe von Mercedes-Benz
7.3.1 Klauenschaltung Das in Abbildung 7.38 gezeigte Power-Shift Getriebe von Mercedes-Benz ist im Gegensatz zu den PKW-Getrieben ein unsynchronisiertes, mechanisches Schaltgetriebe mit 12 Gangstufen; wahlweise werden auch 16 Fahrstufen realisiert. Der typischerweise bei nichtsynchronisierten Getrieben notwendige Eingriff in Motorsteuerung w¨ ahrend des Gangwechsels stellt die schnellstm¨ogliche Drehzahlangleichung von Prim¨ ar- und Sekund¨arseite der formschl¨ ussigen Verbindungselememente her; dabei wird wie in Abschnitt 7.1.3 ausgef¨ uhrt der Drehzahlangleich von einer Getriebebremse bei Aufschaltungen unterst¨ utzt. Bei Abschaltungen wird die Drehzahl der Prim¨arseite der Klauenkupplung u ¨ber die Motordrehzahl und die schlupfend geregelte Trockenkupplung angehoben, um bei einer geringf¨ ugigen Drehzahldifferenz einzuspuren. Wichtig ist an dieser Stelle die Gegen¨ uberstellung der Synchronisation mit der Klauenschaltung in Abbildung 7.39: Trotz des Entfalls der Synchronkegel f¨ ur den reibschl¨ ussigen Drehzahlangleich lassen sich diese Getriebe schneller schalten als herk¨ommliche Synchrongetriebe der gleichen Leistungsklasse, sowohl bei automatischer als auch manueller Ausl¨osung des Gangwechsels. Der Kupplungsk¨orper zum Herstellen des losradseitigen Formschluss ist bei der Klauenschaltung in Abbildung 7.39.b an das Losrad angeformt. 7.3.2 Hydrodynamische Str¨ omungsbremse – Retarder Der Retarder ist eine hydrodynamische Dauerbremse und entlastet auf Gef¨allestrecken die Betriebsbremse. Dabei ist der Begriff Bremse f¨ ur den Retarder eigentlich kaum zutreffend: Er kann zwar den Fahrvorgang effektiv verz¨ogern aber das Fahrzeug nicht bis zum Stillstand abbremsen oder am Wegrollen hindern. Diese Beschr¨ ankung der Funktionalit¨at des Retarders ist durch sein
546
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
a)
b)
Abb. 7.39. Vergleich von Synchron- (a) und Klauenschaltung (b): 1) Losrad, 2) Kupplungsk¨ orper, 3) Synchronringe, 4) Schaltmuffe, 5) Muffentr¨ ager
a)
b)
Abb. 7.40. Retarder der Baureihe B180 M von Voith im L¨ angs- (a) und Querschnitt (b); im L¨ angsschnitt ist der Retarder ¨ olgef¨ ullt, im Querschnitt ist der Rerader entleert und die Blenden sind geschlossen. a) Antriebswelle, b) Getriebestufe, c) Rotor, d) Statoren, 1) Regel-, und Steuerkolben, 2) Ein- und Ausschaltventil, 3) ¨ Uberstr¨ omventil, 4) Ventilationsblende (Aus Schweickert [2005])
Wirkprinzip als hydrodynamische Kupplung, vgl. Abschnitt 5.5.1 insbesondere Abbildung 5.48, begr¨ undet. Ein deutlicher Vorteil des hydrodynamischen Prinzips ist der im Vergleich zu konventionellen Bremsen vernachl¨assigbare Verschleiß sowie die einfacheren M¨ oglichkeiten zur Abfuhr der Bremsw¨arme u uhlkreislauf des Fahrzeugs. ¨ber den K¨ Im Allgemeinen wird zwischen Prim¨ ar- und Sekund¨arretarder unterschieden: Prim¨arretarder sind zwischen Getriebe und Motor, direkt nach der Kurbelwelle10 vor dem Anfahrelement angeordnet, w¨ ahrend Sekund¨arretarder hinter dem Getriebe in den Antriebstrang integriert sind. Bei automatisch schalten10
Der in Abbildung 7.43 gezeigte Aquatarder ist ein Beispiel f¨ ur einen Prim¨ arretarder.
7.3 Spezielle Komponenten
547
den Getrieben kann der Wandler wie z.B. beim DIWA-Getriebe von Voith, vgl. Abschnitt 7.2.3, in bestimmten Bereichen seines Kennfeldes ebenfalls als hydrodynamische Str¨ omungsbremse genutzt werden. Die Wandlerdimensionierung ist dann jedoch neben dem Nennmoment des Motors vom Fahrzeuggewicht abh¨angig, da ein entsprechendes Bremsmoment erzeugt werden muss. Umgekehrt jedoch ist der Retarder nicht als Anfahrelement nutzbar. Weiterhin wird nach der Anordnung des Retarder im Triebstrang unterschieden: So genannte Inline-Retarder sind direkt in den Triebstrang integriert, die volle Antriebsleistung muss vom Retarder u ¨bertragen werden; sie sind entweder direkt an das Getriebe angeflanscht oder aber sind Teil der Gelenkwelle, vgl. Abbildung 7.40. Offline-Retarder sind am Getriebeausgang u ¨ber einen Nebenabtrieb seitlich der Triebwelle angeordnet und liegen somit nicht im Leistungsfluss. Beispielsweise wird beim DIWA-Getriebe von Voith, vgl. Abschnitt 7.2.3, der Wandler als Retarder genutzt, durch die Nutzung eines Planetensatzes zum Antrieb des Wandlers im Bremsmodus arbeitet dieser streng genommen im Nebentrieb, vgl. Abbildung 7.31.f, und kann als OfflineRetarder klassifiziert werden. Ebenfalls zu unterscheiden sind die zwei Funktionsweisen der Retarder: Die eine ist die hydrodynamische Dauerbremse, die andere die elektrodynamische Bremse. Dieser Abschnitt behandelt nur den hydrodynamischen Retarder, der elektrodynamische Retarder – die Wirbelstrombremse – soll an dieser Stelle lediglich der Vollst¨ andigkeit halber erw¨ ahnt werden; sie kann aufgrund der Eignung zum regenerativen Bremsen auch in hybride Nutzfahrzeugkonzepte eingebunden werden. Im Vergleich zum hydrodynamischen Retarder f¨ uhrt der elektrodynamische Retarder im Normalfall die in W¨arme gewandelte kinetische Energie des Fahrzeugs an die Luft ab und erreicht schon bei niedrigen Drehzahlen hohe Bremsmomente, vgl. Hoepke et al. [2006]. In Abbildung 7.40.a ist der Retardertyp B180 M von Voith im L¨angsschnitt dargestellt. Es handelt es sich dabei um eine doppelflutige Str¨omungsbremse, erkennbar an den zwei zus¨ atzlichen Bremsstatoren (d). Im normalen Fahrbetrieb ist der Rotorbereich ¨ olfrei und auf die Antriebswelle (a) wird u ¨ber die Getriebestufe (b) kein Bremsmoment u ¨bertragen, der Rotor (c) kann sich frei drehen. Die f¨ ur den Vortrieb zur Verf¨ ugung stehende Antriebsleistung wird also nur durch geringe zus¨ atzliche Schleppverluste gemindert. Sobald der Re¨ in das Geh¨ause und der tarder bet¨atigt wird, pumpt eine Hydraulikpumpe Ol ¨ Rotor erzeugt durch seine Rotation einen Olstrom, der gegen die Statoren ¨ dr¨ uckt; das Abbremsen des Olstroms an den Statoren verursacht das Retar¨ derbremsmoment, die Bewegungsenergie des Olstroms wird in W¨armeenergie ¨ umgewandelt. Durch die Statoren kann das Ol nicht abfließen und baut einen Staudruck auf, der Rotor wird gebremst und erzeugt ein Bremsmoment u ¨ber die Getriebestufe auf die Antriebswelle. In Abbildung 7.40.b ist der Querschnitt des B180 M dargestellt, zu erkennen ¨ ullung des Retarders gesteuist der Regel- und Steuerkolben, u ¨ber den die Olf¨ ert wird. Bei Einbindung hydrodynamischer Retarder in den Fahrzeugk¨ uhl-
548
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.41. Schema der typischen Retarderanbindung an die Motork¨ uhlung (Aus Schweickert [2005])
kreislauf ist der m¨ ogliche W¨ armeeintrag in das K¨ uhlsystem bei dessen Auslegung zu ber¨ ucksichtigen: Kann der Retarder nicht genug W¨arme u ¨ber das K¨ uhlwasser abf¨ uhren, so drohen W¨ armesch¨ aden. In Abbildung 7.41 ist ein exemplarische K¨ uhlkreislauf dargestellt: Am Retarder ist ein W¨armetauscher ¨ W¨arme an das K¨ angeflanscht, im W¨ armetauscher gibt das Ol uhlwasser ab. Wie zu erkennen, ist der W¨ armetauscher direkt an den K¨ uhlkreislauf des Motors angeschlossen. Das Thermostat ¨ offnet den kleinen Kreislauf zum Motork¨ uhler nur bei Bedarf; bei l¨ angerer Fahrten an Gef¨allestrecken kann u ¨ber eine W¨armer¨ uckf¨ uhrung vom Retarder zum Motor ein Abk¨ uhlen des Motors und der damit verbundene Anstieg an Schadstoffen vermieden werden. In Abbildung 7.42 ist das bezogene Bremsmoment f¨ ur verschiedene F¨ ullgrade f u ¨ber der bezogenen Drehzahl qualitativ aufgetragen, entsprechend der VDI-Richtlinie 2153 wird das Pumpenmoment in Abh¨angigkeit von der Rotordrehzahl in dimensionsloser Form dargestellt. Die parabolische Kurvenform verdeutlicht die Systemverwandschaft mit der hydrodynamischen Kupplung und dem Wandler, vgl. z.B. Abbildung 5.63; die Piktogramme illustrieren den F¨ ullungsgrad der Str¨ omungsbremse. Um mit dem Retarder eine konstante Bremsleistung zu erreichen, ist es notwendig, w¨ahrend des Betriebes den F¨ ullungsgrad des Retarders an das erforderliche Pumpen- bzw. Bremsmoment in Abh¨angigkeit von der aktuellen Rotordrehzahl anzupassen: bei fallender Drehzahl wird der Retarder bei konstanter Bremsleistung bef¨ ullt, bei steigender Drehzahl etwas entleert. Das gr¨ oßte Pumpenmoment wird mit einem F¨ ullgrad von ca. 80% bei kleiner Drehzahl erreicht. Je gr¨oßer die Drehzahl wird, um so kleiner wird das erreichbare Pumpenmoment, vgl. die Kennlinien in
7.3 Spezielle Komponenten
549
Abb. 7.42. Bremsmoment in Abh¨ angigkeit der Drehzahl und des F¨ ullungsgrades (Nach Schweickert [2005])
Abb. 7.43. Aquatarder – Prim¨ arretarder Baureihe WR 115 (Quelle: Voith Turbo)
Abbildung 7.42 im Bereich nP /nP,max > 0, 7 f¨ ur moderate F¨ ullgrade. Dementsprechend f¨ uhrt ein großer F¨ ullungsgrad zu hohen Bremsmomenten und somit zu kleinen Relativdrehzahlen zwischen Rotor und Stator bzw. Geh¨ause. Eine Weiterentwicklung ist der Aquatarder von Voith, vgl. Abbildung 7.43, der mit Wasser aus dem K¨ uhlkreislauf betrieben wird und nicht mit ATF11 , wie 11
Automatic Transmission Fluid
550
7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
a)
b)
Abb. 7.44. K¨ uhlungsschema des Aquatarder: a) “Offline” und b) “Online”: 1) Kurbelwelle; 2) Wasserpumpe; 3) 3/2-Wegeventil; 4) Aquatarder; 5) Auslassregelventil; 6) Leckager¨ uckschlagventil; 7) Temperatursensor; 8) Temperatursensor; 9) Thermostat;10) 2/2-Wegeventil (Quelle: Voith Turbo)
bei den hydrodynamischen Getrieben sonst u ¨blich. Somit k¨onnen die zus¨atzlichen Bauteile, die f¨ ur den Retarderbetrieb mit ATF notwendig sind – Leitungen, W¨armetauscher oder Vorratsbeh¨ alter – entfallen und der Aquatarder kann mit relativ wenig Bauraumbedarf bei einer hohen spezifischen Bremsleistung ausgef¨ uhrt werden. Ein weiterer Vorteil ist die h¨ohere W¨armekapazit¨at des K¨ uhlwassers verglichen mit ATF. Abbildung 7.44.a zeigt den Wasserkreislauf bei abgeschaltetem Retarder; im Normalbetrieb wird der Volumenstrom des Wassers am Aquatarder (4) vorbei direkt dem Motor zugef¨ uhrt. Bei Aktivierung des Umschaltventils (3) wird der gesamte Volumenstrom des Wassers von der Wasserpumpe zum Aquatarder umgeleitet, vgl. Abbildung 7.44.b, der Aquatarder u uhl¨bernimmt die Funktion der Wasserpumpe und leitet das K¨ wasser in den Motor weiter. Am Aquatarderausgang sitzt ein Regelventil (5), das die Ausflussmenge des K¨ uhlwassers drosselt und somit das Bremsmoment regelt. Wird das Umschaltventil deaktiviert und der Aquatarder abgeschaltet, l¨auft das K¨ uhlwasser von der Wasserpumpe (2) in den Motorkreislauf. 7.3.3 Hydropumpen und -motoren Mit Blick auf die Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben mit vollst¨andig oder teilweise hydraulischer Leistungs¨ ubertragung werden die Hydrostaten in ihrer Wirkweise besprochen werden, ohne auf Details einzugehen. Hydropumpen Hydropumpen sind Verdr¨ angermaschinen, die sich in zwei Hauptgruppen aufteilen lassen: Die erste ist die Gruppe der Drehkolbenmaschinen, welche sich durch rotierende Verdr¨ angerelemente definiert. Die zweite Gruppe umfasst die
7.3 Spezielle Komponenten
551
Hubkolbenmaschinen, welche sich durch oszillierende Verdr¨angerelemente auszeichnen. Die weitere Aufteilung richtet sich nach der Art, wie die Verdr¨angerelemente zur Achslage angeordnet sind sowie bei den Drehkolbenmaschinen nach der Art, wie das Fluid gef¨ ordert bzw. geschluckt wird. F¨ ur die Hydropumpen gilt der zul¨ assige Betriebsdruck als Auswahlkriterium und f¨ ur die Hydromotoren das maximale Abtriebsmoment. Nach Findeisen [1994] sind Hydropumpen mechanisch-hydraulische Energieumformer, die eine an ihrem Antrieb bereitgestellte rotatorisch-mechanische Energie u ¨ber die Pumpenwelle aufnehmen, in hydraulische Energie umformen und dies dann am Druckstutzen abgeben, vgl. auch Tabelle 1.1 und Abschnitt 5.5.1. Der gef¨orderte Volumenstrom h¨angt von der Stellung der Pumpe – i.d.R. ausgedr¨ uckt durch den Schwenkwinkel β – und deren Antriebsdrehzahl ab; der Druck im Fluid stellt sich als Folge des am Hydromotor angreifenden Moments ein. F¨ ur die Verwendung in Fahrantrieben wird in diesem Abschnitt nur auf die Axialkolbenpumpen12 eingegangen, die f¨ ur diese Anwendung wegen ihres kleinen leistungsbezogenen Bauvolumens besonders geeignet sind. Betrachtet man die maximale Antriebsdrehzahl, so kann man mit Schr¨agachsenpumpen – einer speziellen Bauart der Axialkolbenpumpen – Drehzahlen bis zu 6000 u/min und Betriebsdr¨ ucke bis zu 400 bar erreichen. Die Axialkolbenpumpen kann man entsprechend ihres Aufbaus in Schr¨agscheiben-, Taumelscheiben-, und Schr¨ agachsenpumpen unterteilen. Im Folgenden werden die verstellbaren Bauarten der Schr¨ agscheiben- und der Schr¨agachsenpumpen betrachtet, es wird deren Aufbau sowie die Funktionsweise erl¨autert. Die Taumelscheibenpumpen arbeiten mit konstantem Hubvolumen und werden hier nicht weiter vertieft. Die Funktionsweise der Axialkolbenpumpe in Schr¨agachsenbauart wird am Beispiel des Schnittes in Abbildung 7.45 besprochen. Wie bereits erl¨autert, wird bei den Pumpen rotatorische Energie in hydraulische Energie umgewandelt: Die Antriebsleistung wird rotatorisch u ¨ber die Antriebswelle (3) in die Pumpe eingeleitet. Die Antriebswelle ist mit der Triebscheibe (4) verbunden, in der Triebscheibe sind die Kugelk¨ opfe der Schubstangen (7) gelagert, welche in die Kolben u ¨bergehen. Die Zylindertrommel (2) ist schr¨ag zur Triebachse angeordnet, wodurch unterschiedliche Hubh¨ohen entstehen, durch die Drehung der Triebscheibe werden die Kolben ein- und ausgefahren. Durch die Aufw¨artsbewegung des Kolbens wird ein Unterdruck im Arbeitsraum erzeugt, ¨ der dazu f¨ uhrt, dass nach Offnen der Saugniere in der Steuerscheibe (6), vgl. Abbildung 7.46, Fluid angesaugt wird; im oberen Totpunkt der Schubstangenbewegung wird die Saugniere geschlossen. Bei der Abw¨artsbewegung des ¨ Kolbens wird Betriebsdruck aufgebaut, der nach Offnen der Druckniere in das System abgegeben wird. Durch Ver¨ andern des Winkels β, vgl. Abbildung 7.45, zwischen dem Mittenzapfen (5) und der Antriebswelle werden der Kolbenhub 12
Bei Findeisen [1994] oder Ivantysyn & Ivantysynova [1993] werden umfang¨ reiche Ubersichten u angigen Konstruktionsprinzipien von Hydromotoren ¨ber die g¨ und -pumpen im Allgemeinen gegeben.
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7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.45. Axialkolbenpumpe in Schr¨ agachsenbauart: 1) Kolben, 2) Zylindertrommel, 3) Antriebswelle, 4) Triebscheibe, 5) Mittenzapfen, 6) Steuerscheibe, 7) Schubstange, 8) Feder, 9) Schwenkgeh¨ ause (Aus Findeisen [1994])
Abb. 7.46. Schematischer Schnitt durch die Steuerscheibe von Axialkolbenpumpen
und damit das F¨ ordervolumen beeinflusst; ein gr¨oßerer Schwenkwinkel ergibt gr¨oßere F¨ordervolumina, ist der Winkel β gleich Null so ist der Hub gleich Null. Bei Verstellung ins negative erfolgt ein Tausch von Saugseite und Druckseite; bei einer Drehrichtungsumkehr der Antriebswelle erfolgt dieser Tausch ebenfalls. Der Druck im System stellt sich als Folge der “Gegenkraft” am Abtrieb ein, der Druck ist unabh¨ angig vom F¨ ordervolumen der Pumpe. Um die Forderung nach hohen Wirkungsgraden und langer Lebensdauer zu erf¨ ullen, wird der Verstellwinkel β, vgl. Abbildung 7.45, beschr¨ankt. Der Wirkungsgrad der Schr¨ agachsenbauart ist wegen der weitaus kleineren Querkraft am Kolben h¨ oher als bei der Schr¨ agscheibenbauart. Nach Ivantysyn & Ivantysynova [1993] und Findeisen [1994] lassen sich als Vorteile der Schr¨agachsenbauart unabh¨ angig von der Anwendung in Fahrzeugantrieben das erreichbare hohe Druckniveau und ihr ver¨ anderliches Verdr¨angungsvolumen angeben, die einen guten Wirkungsgrad und demzufolge niedrige Betriebskosten bedingen. Mit Blick auf Komfort und Triebstrangdynamik sind das kleine Massentr¨ agheitsmoment der rotierenden Teile der Pumpe und die niedrigen Ger¨auschemissionen zu nennen, der Betrieb bei hohen Drehzahlen
7.3 Spezielle Komponenten
553
Abb. 7.47. Axialkolbenpumpe in Schr¨ agscheibenbauart: 1) Kolben, 2) Schr¨ agscheibe, 3) Antriebswelle, 4) Kerbzahnprofil, 5) Zylinderblock, 6) Steuerscheibe, 7) Gleitschuhe, 8) Feder, 9) F¨ uhrungsnut der Schr¨ agscheibe, 10) Verstelldeckel, 11) Hilfspumpe in Zahnring- oder Sichelbauweise (Aus Findeisen [1994])
ist zul¨assig. Dem entgegen stehen die hohen Produktkosten, die bauartbedingt großen Verstellwege und die zur Verstellung notwendigen hohen Kr¨afte. Ferner ist bei Einsatz von Pumpen in Schr¨ agachsenbauart darauf zu achten, dass nur geringe Drehschwingungen des Antriebs zul¨assig sind. Die Funktionsweise der Axialkolbenpumpe in Schr¨agscheibenbauart soll an Hand von Abbildung 7.47 besprochen werden. Wie auch bei der Schr¨agachsenbauart wird u ¨ber die Antriebswelle (3) die Antriebsenergie rotatorisch eingeleitet, u ¨ber ein Kerbzahnprofil wird diese auf die Zylindertrommel (5) u ¨bertragen. Die Zylindertrommel erzeugt eine Querkraft auf die Kolben (1) und nimmt diesen mit. Durch die Schr¨ agscheibe (2) wird der Kolben abw¨arts bewegt, durch die rotationsbedingte Fliehkraft wird der Kolben wieder ausgefahren, die Feder (8) dichtet den Speisedruck – einen konstanten Mindestdruck – im hydraulischen System ab. Bei dieser Bauart steht die Steuerscheibe still, sie besitzt wie auch bei der Schr¨ agachsenbauart Saug- und Druckniere, vgl. Abbildung 7.46; die Funktion der Steuerscheibe ist identisch wie bei der Schr¨agachsenbauart. Die Verstellung erfolgt ¨ ahnlich zur Schr¨agachsenbauart an der Schr¨agscheibe (2) u ¨ber ein Verdrehen des Deckels (10). Die Verstellung der Pumpen kann unabh¨ angig von der Bauart mechanisch, elektrisch oder hydraulisch realisiert werden, wobei die hydraulische Verstellung bei Anwendung in Nutzfahrzeugantriebstr¨ angen sehr kurze Verstellzeiten erm¨oglicht. Der Wirkungsgrad ist bei der Schr¨ agscheibenbauart wegen einer gr¨oßeren Querkraft am Kolben kleiner als bei der Schr¨ agachsenbauart.
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7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Auch f¨ ur die Schr¨ agscheibenbauart sollen in Anlehnung an Ivantysyn & Ivantysynova [1993] und Findeisen [1994] Vor- und Nachteile schlagwortartig und unabh¨ angig von der Anwendung angegeben werden. Als Vorteile sind das hohe erreichbare Druckniveau bei ver¨ anderlichem Verdr¨angungsvolumen und der g¨ unstige Wirkungsgrad zu nennen; das Konstruktionsprinzip erm¨oglicht eine durchgehende Pumpenwelle und f¨ uhrt zu kleinen Massentr¨agheitsmomenten der rotierenden Teile. Dar¨ uber hinaus sind Schr¨agscheibenpumpen weniger st¨ oranf¨ allig gegen Drehschwingungen. Neben den hohen Kosten13 m¨ ussen die im Verh¨ altnis zu Radialkolbenmaschinen große Baul¨ange und die gr¨oßere Verschleißanf¨ alligkeit als nachteilig genannt werden, zudem ist die zul¨assige Antriebsdrehzahl recht klein. Die zul¨assigen Verschmutzungsgrade des Hydraulik¨ ols sind f¨ ur alle Pumpenbauart gleichermaßen niedrig, kontaminiertes Hydraulik¨ ol f¨ uhrt sofort zu verst¨arktem Verschleiß. Hydropumpen lassen sich weiterhin anhand ihrer Verstellm¨oglichkeiten und ihrer Stromrichtungen unterteilen, analoges gilt auch f¨ ur die Hydromotoren. ¨ Hydropumpen mit einem festen Hub f¨ ordern ein konstantes Olvolumen pro Umdrehung und werden als Konstantpumpen bezeichnet, i.d.R. sind diese nur f¨ ur eine Drehrichtung ausgelegt. Als Verstellpumpen werden die Konstruktionen bezeichnet, die u ¨ber eine Verstellung unterschiedliche F¨ordervolumina pro Umdrehung darstellen k¨ onnen. Verstellpumpen mit einer Stromrichtung, bei denen sich Ein- und Ausgangsseite nicht vertauschen lassen, k¨onnen in nur einer Richtung von Null aus verstellt werden. Bei den Pumpen mit zwei Stromrichtungen lassen sich Ein- und Ausgangsseite vertauschen und der erzeugte Volumenstrom kann in beide Richtungen stufenlos gesteuert werden; i.d.R. erfordern die Hydropumpen im Hydraulikkreis einen konstanten Vordruck, f¨ ur Details sei z.B. auf Matthies & Renius [2006] verwiesen. Hydromotoren Hydromotoren sind nach Findeisen [1994] hydraulisch-mechanische Energieumformer, die die vom Druckmedium u ¨bertragene und am Druckstutzen bereitgestellte hydraulische Energie in rotatorische mechanische Energie umformen und an die Motorwelle abgeben. Dabei lassen sich f¨ ur die Hydromotoren die gleichen geometrischen Anordnungen wie f¨ ur die Hydropumpen verwenden, auch hier sei auf die Literatur zur Hydraulik verwiesen, vgl. z.B. Matthies & Renius [2006] oder Findeisen [1994]. Weiter lassen sich die Hydromotoren nach Ivantysyn & Ivantysynova [1993] nach ihrer Geschwindigkeit einteilen in Langsam-, Mittel- und Schnelll¨aufer. Die Festlegung richtet sich zum einen nach der Mindestdrehzahl, ab der der Motor l¨ auft ohne zu ruckeln und zum anderen nach der bauartbedingten Maximaldrehzahl. Der Drehzahlbereich liegt f¨ ur die Langsaml¨aufer 13
Die Schr¨ agscheibenpumpen sind zwar preisg¨ unstiger als Radial- und Schr¨ agachsenpumpen, aber immer noch im Vergleich zu den anderen Komponenten der Fahrzeuggetriebe verh¨ altnism¨ aßig teuer.
7.3 Spezielle Komponenten
555
Abb. 7.48. Gegen¨ uberstellung der Wirkungsgrade verschiedener Hydromotoren in Abh¨ angigkeit von der Drehzahl (Nach Ivantysyn & Ivantysynova [1993])
bei 0 bis etwa 250 u/min, f¨ ur die Mittell¨ aufer bei etwa 250 bis 800 u/min und f¨ ur die Schnelll¨ aufer ab etwa 800 u/min; die Grenzen sind fließend. Der Schnelll¨aufer gibt nur kleine Momente ab w¨ ahrend der Langsaml¨aufer deutlich gr¨oßere Momente bereitstellen kann. Daher eignet sich der Langsaml¨aufer f¨ ur den Direktantrieb von Schwerarbeitsmaschinen sowie von schweren Nutzfahrzeugen. Soll dennoch ein Schnelll¨ aufer große Antriebsmomente bereitstellen, muss ein Untersetzungsgetriebe nachgeschaltet werden. In Abbildung 7.48 sind die Wirkungsgrade eines Langsaml¨aufers und eines Schnelll¨aufers mit und ohne Untersetzungsgetriebe in Abh¨angigkeit von der Motordrehzahl beispielhaft gegen¨ ubergestellt. Man erkennt, dass der Langsaml¨aufer seinen besten Wirkungsgrad bei niedriger Drehzahl hat w¨ahrend der Schnelll¨aufer mit wachsender Drehzahl einen steigenden Wirkungsgrad aufweist und sein Maximum erst bei hohen Drehzahlen erreicht. Wird dem Schnelll¨aufer ein Untersetzungsgetriebe nachgeschaltet, wird bei hohen Drehzahlen ein nahezu konstanter Wirkungsgrad erreicht, durch die zus¨atzliche Leistungswandlung jedoch auf etwas niedrigerem Niveau als ohne Untersetzungsgetriebe; die tats¨ achlichen Wirkungsgrade sind in hohem Maße von der Bauartvarianten abh¨ angig. Durch Reibung, Str¨omung, Massentr¨agheit, Anlaufwiderst¨ande und Temperatur entstehen je nach Variante mehr oder minder große Verlustleistungen, die den Wirkungsgrad beeinflussen. Abbildung 7.49 zeigt eine Bauartvariante eines rein hydrostatischen Antriebs f¨ ur selbstfahrende Vollerntemaschinen, in diesem Beispiel wird die stufenlose ¨ Ubersetzung u ¨ber eine Verstellpumpe realisiert. Die beiden Axialkolbenmotoren in Schr¨agscheibenbauart sind Konstantmotoren, die bei konstantem Ar¨ beitsdruck ein konstantes Drehmoment an die R¨ader u eine ¨bertragen. Uber
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7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.49. Hydrostatischer Achsantrieb f¨ ur Vollerntemaschinen von ZF: 1) Verstellpumpe, 2) Konstantmotoren in Schr¨ agscheibenbauart, 3) Planetengetriebe mit integrierter Bremse, 4) End¨ ubersetzung, 5) Achsrohr (Nach Schweickert [2005])
den Motoren nachgeschaltete Planetenstufe sowie ein Stirnradgetriebe wird die Leistung auf die Radnabe u ¨bertragen. Andere Varianten sind ebenfalls ¨ denkbar: Uber eine Verteilung nach der Pumpe kann eine zweite Achse angetrieben werden, durch eine geregelte Verteilung des F¨ordervolumens auf die beiden Motoren bei konstantem Druck lassen sich Drehzahldifferenzen zwischen linkem und rechtem Rad realisieren. Die in Abbildung 7.49 gezeigte Anordnung ist insofern von Vorteil, als dass die Pumpen ihrer kompakten Bauweise wegen flexibler verbaut werden k¨ onnen und dass zus¨atzliche Bauteile wie z.B. das Ausgleichsgetriebe und die Achswellen zum Rad entfallen. Als Beispiel eines Schnelll¨ aufers wird der Axialkolbenmotor in Schr¨agachsenbauweise, der in Abbildung 7.50 gezeigt ist, kurz besprochen; der Schr¨agachsenmotor ist ein Verstellmotor. In diesem Beispiel kann die Verstellung zwischen einer Minimal- und einer Maximaldrehzahl in nur einer Richtung erfolgen. Erkennbar ist dies an der Stellschraube (8), die das minimale Motorschluckvolumen durch den Anschlag des Steuerpiegels (7) in eine Richtung begrenzt. Wenn der Zylinderblock (1) an der Stellschraube angelangt ist, fluchtet seine Mittellinie mit der Mittellinie der Abtriebswelle (4) und steht somit im Nullpunkt, Drehzahl und somit Drehmoment werden nicht u ¨bertragen. Die Verstellung des Schluckvolumens geschieht durch den Stellkolben (10), welcher durch die hydraulische Verstellung (11) angesteuert wird. Die Steuerung des Fluidstroms in die Kolben (2) erfolgt durch die feststehende Steuerscheibe (7), vgl. Abbildung 7.46. Sobald Fluid in den Arbeitsraum unterhalb des Kolbens gelangt, wird dieser mit Druck beaufschlagt. Der Kolben f¨ahrt aus und dr¨ uckt u ¨ber die Gleitschuhlagerung auf die Abtriebswelle und erzeugt ein Drehmoment; die Abtriebswelle beginnt zu rotieren. Da die Abtriebswelle
7.3 Spezielle Komponenten
557
Abb. 7.50. Schnelllaufender Axialkolbenmotor in Schr¨ agachsenbauweise: 1) Zylinderblock, 2) Kolben mit Kolbenring, 3) Synchronisierungsgelenk, 4) Abtriebswelle, 5) Kegelrollenlager, 6) Lagerplatte, 7) Steuerspiegel, 8) Stellschraube, 9) Sp¨ uldruckbegrenzungsventil, 10) Stellkolben, 11. Hydraulische Verstellung (Aus Ivantysyn & Ivantysynova [1993])
u ¨ber das Synchronisierungsgelenk (3) mit dem Zylinderblock verbunden ist, beginnt dieser zwangsweise ebenfalls zu rotieren. Durch die Rotation des Zylinderblockes fahren die Arbeitsr¨ aume der Kolben u ¨ber die Steuernieren der Steuerscheibe wodurch – wie in Zusammenhang mit Abbildung 7.46 f¨ ur die Hydropumpen besprochen – der Druck und Saugmodus gesteuert wird. In Abbildung 7.36 ist ein Radialkolbenmotor als Beispiel f¨ ur einen Langsaml¨aufer dargestellt, der Motor kommt im zuschaltbaren Allradantrieb HydroDrive von MAN, vgl. Abschnitt 7.2.4, zum Einsatz. Abbildung 7.51 zeigt einen dreistufigen hydrostatischen Kompaktantrieb mit Lamellenhaltebremse und Einschubmotor von Bosch Rexroth. Zur erkennen ist, dass das komplette Paket, bestehend aus Getriebestufe und Motor, in der Radnabe untergebracht ist, es handelt sich um einen Axialkolbenmotor in Schr¨agachsenbauart. Dieser Motor ist ein Schnelll¨aufer und ben¨otigt daher ein Untersetzungsgetriebe um ein großes Moment bei kleiner Drehzahl am Rad bereitstellen zu k¨onnen; das geradverzahnte Untersetzungsgetriebe ist hier als dreistufiger, gekoppelter Planetensatz realisiert. Die Auswahl der Bauartvariante f¨ ur ein bestimmtes Fahrzeug h¨angt von verschiedenen Faktoren ab, h¨ aufig erscheinen schnelllaufende hydrostatische Komponenten auf den ersten Blick als vorteilhafter; Einsatzgebiet und Kundenanforderungen sind bei der Bewertung und der Ausf¨ uhrung zu beachten. Einfließende Kriterien sind beispielsweise der ben¨otigte Bauraum, m¨ogliche
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7 Leistungs¨ ubertragung in Nutzfahrzeuggetrieben
Abb. 7.51. Dreistufiger hydrostatischer Kompaktantrieb mit Lamellenhaltebremse und Einschubmotor (System Hydrotrac GFT von Bosch-Rexroth) Tabelle 7.1. Exemplarische Vor- und Nachteile hydrostatischer Antriebskonzepte f¨ ur Schwerantriebe (Nach Findeisen [1994]) Langsamer Direktantrieb Hochmoment-Radialkolbenmotor Vorteile
Schnelle Getriebekombination Niedermoment-Axialkolbenmotor Vorteile
•
• • • • •
• •
Sehr gutes Anlauf- und Langsamlaufverhalten Hochdynamischer Antrieb, schnelle Drehrichtungs¨ anderungen Geringe Ger¨ auschemissionen
Nachteile • • • •
Blockieren bei Drehmoment¨ uberschreitung Teilweise begrenztes Nennmoment Radialer Bauraumbedarf St¨ orung durch Drehschwingungen
Guter Anlauf und Langsamlauf sehr gute Momentenstabilit¨ at Hohe nominelle Lebensdauer Hohe Verstelldynamik Bei Schr¨ agscheibenmotoren M¨ oglichkeit des Durchtriebs, geringer radialer Bauraum
Nachteile • •
Geringe Anlaufdynamik durch hohes Tr¨ agheitsmoment Niedrigerer Gesamtwirkungsgrad
Ger¨auschemissionen oder auch Anforderungen an die Umweltvertr¨aglichkeit und Toxizit¨at des einzusetzenden Hydraulikmediums. Exemplarische Vor- und Nachteile sind in Tabelle 7.1 zusammengetragen und sollen bei der Auswahl eines Systems f¨ ur einen Fahrzeugantrieb helfen.
8 Leistungsu ¨ bertragung in Hybridfahrzeugen
¨ Außerlich unterscheiden sich die Hybridfahrzeuge nicht von Fahrzeugen mit konventionellem Verbrennungsantrieb, vgl. Abbildung 8.1; die Integration des zus¨atzlichen Antriebs erfordert jedoch stets eine sorgf¨altige Analyse des verf¨ ugbaren Bauraums, vor allem im Motorraum. Um aus der Vielzahl der M¨oglichkeiten die bestgeeignete Konfiguration in einer m¨oglichst optimalen Auslegung zu finden, bedarf es einer genauen Analyse der Randbedingungen von Fahrzeug und Nutzungsprofil. So k¨ onnen die Vorteile beider Antriebsarten kombiniert, Synergieeffekte genutzt und das systemimmanente Problem des doppelten Antriebs (Gewicht, Raumbedarf, Kosten, etc.) begrenzt werden. Dieses Kapitel – das sich mit einem Sektor der Fahrzeuggetriebe besch¨aftigt, der sich mit großer Geschwindigkeit entwickelt – skizziert die M¨oglichkeiten der Leistungs¨ ubertragung1 in Hybridfahrzeugen und ist dabei mehr auf die Zusammenh¨ange und Ans¨ atze anstatt auf Detaill¨osungen konzentriert; erg¨anzende Ausf¨ uhrungen zu den elektrischen und regelungstechnischen Komponenten von Hybrid- aber auch von Brennstoffzellenfahrzeugen findet man bei Kozlowski [2004] oder Gerl [2002]; die Brennstoffzelle wird hier als Sonder- oder Grenzfall eines rein elektrischen Fahrzeugantriebs mit einem alternativen Brennstoff ebenfalls angesprochen. Nach der recht abstrakten Besprechung von Ordnungskriterien und Verbrauchsaspekten in Abschnitt 8.1 werden im folgenden Teil konkrete Beispiele vorgestellt; dabei wird auch hier der Toyota Prius als erstes Serienfahrzeug mit Hybridtechnologie besprochen. Ein Ausblick auf das Gemeinschaftsprojekt “Two Mode Hybrid” von GM, DaimlerChrysler und BMW schließt sich in Abschnitt 8.2 an. Das Kapitel schließt ein Blick in die Zukunft der Brennstoffzellentechnologie in Abschnitt 8.3 ab. Trotz der Prognose, dass ohne al1
Die Technologien zur Nutzung alternativer Kraftstoffe in modifizierten Ottomotoren – insbesondere Erd- und Fl¨ ussiggasantriebe aber auch der Wasserstoffmotor, der im BMW Hydrogen7 Demonstrationsfahrzeug eingesetzt wird – erfordern keine Ver¨ anderungen an den leistungs¨ ubertragenden Komponenten und werden deshalb hier nicht gesondert besprochen.
560
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
Abb. 8.1. Prototypfahrzeug eines Mild-Hybrid-Systems (Mischhybrid, aus Diehl [2004])
ternative – i.d.R. regenerative – Antriebskonzepte die Selbstverpflichtungen der Automobilindustrie zur Reduktion der Schadstoffemissionen nach Dudenh¨ offer [2005] nicht erreichbar sind, ist eine langsame Einf¨ uhrung der Brennstoffzellen- und Hybrid-Technologien festzustellen. Im deutschsprachigen Raum treiben die Hersteller von Teilsystemen des Fahrzeugs die Entwicklung der Hybridtechnologie wesentlich voran. Anmerkung 8.1 Die Forderung nach einer Reduktion des CO2 -Ausstoß der Fahrzeugflotte, wie sie von der europ¨ aischen Automobilindustrie zugesagt wurde, vgl. Abbildung 8.2, erscheint derzeit2 als nicht erf¨ ullbar. Mit ein Grund daf¨ ur ist – neben der mangelnden Verf¨ ugbarkeit entsprechender Fahrzeuge – der immer noch geringe Marktanteil; damit sich der Emissionsvorteil der Hybridtechnologie auf den Flottenverbrauch auswirkt, bedarf es eines hohen Marktanteils der Hybridkonzepte; einzelne Technologietr¨ager der Fahrzeughersteller sind hier nicht ausreichend. 2 Systemaufgaben Bei einem Hybridantrieb werden mindestens zwei unterschiedliche Antriebskonzepte kombiniert, um die Nachteile der einzelnen Systeme im Zusammenspiel zu kompensieren. Das Ziel ist es stets, den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen innerhalb eines vorgegebenen Pr¨ ufzyklus zu reduzieren, um so den Mehraufwand f¨ ur die beiden Antriebe zu rechtfertigen. Je nach Betriebszustand und -strategie des Fahrzeugs arbeiten die Antriebe erg¨anzend oder alternierend. 2
Gegen Ende des Jahres 2006.
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
561
Abb. 8.2. Mittlerer CO2 -Ausstoß der Neufahrzeuge f¨ ur Europa: Status und Prognose, ACEA-Selbstverpflichtung
Zielgr¨ oßen f¨ ur Hybridfahrzeuge – Anforderungsliste In den letzten Jahren haben sich die folgenden Kriterien als Haupttreiber f¨ ur die Auswahl der verschiedenen Hybridsysteme herausgestellt; die Wichtung der folgende Punkte als Wunsch oder Forderung im Sinne der Konstruktionslehre, vgl. Pahl et al. [2006], ergibt dann die Anforderungsliste f¨ ur das zu konzipierende Hybridfahrzeug. Elektrisches Fahren Es ist zu unterscheiden, ob nur ein rein elektrisches Anfahren darzustellen ist oder ob das Fahrzeug auch begrenzte Strecken elektrisch angetrieben emissionsfrei3 fahren soll. Dieses Kriterium hat Einfluss auf die Gr¨ oße der beiden Antriebe und der elektrischen Energiespeichers. Stop-Start-Betrieb Im Stand soll der Verbrennungsmotor bei den meisten Hybridkonzepten ausgeschaltet werden, um die mit dem Leerlauf verbundenen Emissionen zu vermeiden; i.d.R. ist mit der Einf¨ uhrung der notwendigen Starter-Generator-Konzepte eine Komfortsteigerung beim Anfahren verbunden, vgl. Abschnitt 9.2.2. Effiziente Rekuperation Die Bef¨ ullung der elektrischen Energiespeicher soll zu einem m¨ oglichst hohen Anteil durch Nutzung von Bremsenergie erfolgen, die bei konventionellen Fahrzeugen als Verlustleistung ungenutzt bleibt; das Nachladen der Energiespeicher durch Betrieb des Verbrennungsmotors sollte m¨ oglichst im energetisch optimalen Betriebspunkt erfolgen. 3
Man spricht in diesem Zusammenhang dann von lokaler Emissionsfreiheit; bei den meisten Hybridfahrzeugen wird ein schadstoff-emittierender Verbrennungsmotor f¨ ur den Ladevorgang der Energiespeicher genutzt.
562
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
Unterst¨ utzungsfunktion Bei vielen Hybridkonzepten kann der Elektromotor eine zus¨ atzliche Beschleunigungsleistung zur Verf¨ ugung stellen, meist wird dieser Betriebszustand als Boost-Funktion bezeichnet. Die Unterst¨ utzungsfunktion des Elektromotors erfordert, wie im Folgenden diskutiert wird, die mechanische Kopplung beider Antriebe in einem Parallelhybrid, vgl. Abschnitt 8.1.2. Unbemerkter Start des Verbrennungsmotors Bei Konzepten, die den Stop-Start-Betrieb des Verbrennungsmotors nutzen, ist ein m¨oglichst f¨ ur den Kunden nicht sp¨ urbares Starten des Verbrennungsmotors erforderlich. Hierzu bieten sich zwei Strategien an, f¨ ur die es jeweils notwendig ist, den verbrennungsmotorisch angetriebenen Teilstrang durch eine Kupplung von den R¨ adern trennen zu k¨ onnen: • Beim Impulsstart wird der Drehimpuls des Antriebstrang genutzt, um den Verbrennungsmotor zu starten. F¨ ur einen schnellen Impulsstart mit einer niedrigen thermischen Belastung der Kupplung ist diese m¨oglichst klein zu dimensionieren mit geringer Tr¨agheit4 . • Beim Schleppstart wird der Verbrennungsmotor durch den StarterGenerator gestartet, die dazu erforderliche elektrische Startleistung ist wesentlich h¨ oher als beim Impulsstart und bedingt etwa eine Verdopplung der Startzeit. Durch die h¨ ohere Startzeit steigt auch die thermische Beanspruchung der Kupplung an, vgl. Abschnitt 4.1.3. W¨ahrend die ersten vier Punkte dieser Auflistung ¨ok¨onomischer bzw. ¨ok¨ologischer Natur sind, ist der letzte Punkt ein reines Komfortkriterium, welches aber bei der Entscheidung u ¨ber Betriebsstrategien und bei der Komponentenkonzeption zu ber¨ ucksichtigen ist.
8.1 Allgemeines In diesem Kapitel wird auf die verschiedenen Arten der Hybridantriebe in Kraftfahrzeugen und ihre Spezifika bei der Leistungs¨ ubertragung eingegangen. ¨ Ublich sind zwei grunds¨ atzlich verschiedene M¨ oglichkeiten der Einteilung: 1. nach dem Antriebskonzept oder 2. nach der Gr¨oße der installierten Leistung. Diese beiden M¨oglichkeiten werden nach einem kurzen R¨ uckblick auf die geschichtliche Entwicklung der Hybridantriebe erl¨autert. Weiter wird auf die Betriebsstrategien der Hybridfahrzeuge eingegangen und ansatzweise die Problematik der Regelungen und entsprechender L¨osungsans¨atze angesprochen. Anmerkung 8.2 Hybridantriebe, deren elektrischer Energiespeicher nicht aus dem Stromnetz aufgeladen werden kann, bezeichnet man unabh¨angig 4
Ein Wandler als Anfahrelement scheidet hier aufgrund der fehlenden Regelbarkeit aus, vgl. Abschnitt 5.5.
8.1 Allgemeines
563
Abb. 8.3. Varianten des Lohner-Porsche-Elektromobils von 1900
von der Anordnung der beiden Antriebe und der Gr¨oße des Energiespeichers als autarke Hybride, vgl. Schmidbauer [2004] und Kerschl [1998]. Die so genannten Mild-Hybrid Systeme lassen keinen kontinuierlichen Elektrobetrieb zu w¨ahrend Vollhybride auch in der Lage sind, l¨angere Distanzen z.B. im Stadtverkehr mit rein elektrischem Antrieb zur¨ uckzulegen. Fahrzeuge mit Starter-Generatoren und konventionellen Blockbatterien bezeichnet man h¨aufig als Micro-Hybride. 2 8.1.1 Geschichtlicher Hintergrund Die Diskussionen w¨ ahrend der Energiekrise in den 1970er Jahren bzw. die Abh¨angigkeit des Individualverkehrs vom Erd¨ol hat zu verst¨arkten Entwicklungsaktivit¨aten auf dem Gebiet der Hybridantriebe gef¨ uhrt. Ansatzpunkt war die M¨oglichkeit der Kraftstoffeinsparung durch die Kombination eines Verbrennungsmotors mit einem Elektroantrieb, auch die Verringerung von Kohlendioxidemissionen war und ist ein wichtiges Thema. Anfang der 1990er Jahre wurden Hybridfahrzeuge als eine M¨oglichkeit zur Emissionsreduzierung angesehen. Wegen der Fortschritte bei der Verbrauchsund Abgasreduzierung konventioneller Verbrennungsmotoren und dem prognostizierten Potenzial des Brennstoffzellenantriebs ist die Entwicklung von Hybridantrieben Ende der 1990er Jahre jedoch fast zum Stillstand gekommen. Die Brennstoffzellenfahrzeuge5 sind jedoch – Stand 2007 – noch reine Versuchstr¨ager und nicht serienreif, so dass der Hybridantrieb aufgrund seines Potentials zur Verbrauchsreduzierung wiederum aktuell geworden ist. Der Hybridantrieb an sich ist keine neue Entwicklung, sondern schon fast seit dem Beginn der Automobilisierung bekannt. Anfang des 20. Jahrhunderts spielten insbesondere in den USA Elektrofahrzeuge eine große Rolle; um die Jahrhundertwende waren dort mehr Elektrofahrzeuge zugelassen als 5
Die Fahrzeuge der Hydrogen 7 Versuchsflotte von BMW nutzen keine Brennstoffzelle mit Wasserstoff als Treibstoff sondern besitzen einen bivalenten Verbrennungsmotor, der mit Superbenzin oder Wasserstoff betrieben wird.
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8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Im Vergleich zu den damals noch nicht ausgereiften, unzuverl¨ assigen Verbrennungskraftmaschinen, welche von Hand zu starten und im Betrieb unkomfortabel waren, zeigte sich die einfache Handhabung der Elektrofahrzeuge als entscheidender Vorteil. Auch damals gab es schon die ersten Ans¨ atze, die Vorteile elektrischer Maschinen, insbesondere ihre gute Regelbarkeit, mit denen von Verbrennungsmotoren zu kombinieren. In Deutschland konstruierte Ferdinand Porsche6 im Jahr 1899 den LohnerPorsche, vgl. Abbildung 8.3, der auf der Weltausstellungen 1900 in Paris vorgestellt wurde. Bei diesem Fahrzeug war ein Generator an einen Benzinmotor gekoppelt, der vier als Radnabenmotoren in den R¨adern installierte Elektromaschinen mit elektrischer Energie versorgte. Dieses war somit eines der ersten Fahrzeuge mit Allradantrieb und im weiteren Sinne eines der ersten Hybridfahrzeuge. Die Vorteile, die der Verbrennungsmotor im Laufe seiner Entwicklung mit sich brachte, f¨ uhrten jedoch dazu, dass heutige Kraftfahrzeuge fast ausschließlich von Otto- und Dieselmotoren angetrieben werden, die alleine keinen schadstofffreien Betrieb erlauben. Mit Elektrofahrzeugen k¨ onnen die Anforderungen7 an einen emissionsfreien Betrieb erf¨ ullt werden; beim aktuellen Stand der Batterietechnik ist es jedoch nicht m¨oglich, Elektrofahrzeuge zu entwickeln, die die Anforderungen an PKW hinsichtlich Reichweite und Geschwindigkeit erf¨ ullen. Die Fahrleistungen von Elektrofahrzeugen sind f¨ ur den Stadtverkehr hinreichend, aber nicht f¨ ur den universellen Einsatz. Die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien, die bereits in Hybridfahrzeugen im Prototypstadium erfolgreich eingesetzt werden8 , verspricht hier wegen der h¨ oheren Leistungs- und Energiedichten m¨ogliche Verbesserungen der Reichweite elektrischer Fahrzeugantriebe. Mit Brennstoffzellen betriebene Elektrofahrzeuge k¨onnen zuk¨ unftig die mit der Batterietechnik verbundenen Probleme reiner Elektrofahrzeuge vermeiden. Aus Sicht der batteriegetriebenen Elektrofahrzeuge erscheint die Kombination von Verbrennungsmotor, Brennstoffzelle und Elektromaschine zu einem Hybridantrieb sinnvoll, da so die Vorteile der Antriebsarten – z.B. hohe Reich6
7
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Ferdinand Porsche (1875–1951), ¨ osterreichischer Autokonstrukteur; seine bekannteste Konstruktion war der VW K¨ afer, die unter dem Namen Porsche produzierten Fahrzeuge wurden von seinen Nachfahren entwickelt. Zwischen 1893 und 1897 konstruierte er den Radnabenelektromotor, auf welchen er 1896 ein Patent anmeldete. 1898 wechselte er zur Hofwagenfabrik Ludwig Lohner & Co. in Wien, wo er das Lohner-Porsche-Elektromobil entwickelte. Gesetzgebungen in den USA, die schadstofffrei betreibbare ZEV-Fahrzeuge (Zero Emission Vehicle) und extrem schadstoffarme Fahrzeuge (Low Emission Vehicle) fordern, haben die Diskussion um Hybridfahrzeuge ebenfalls deutlich forciert. Obwohl die aktuelle LEV-Gesetzgebung bisher keine besondere Ber¨ ucksichtigung f¨ ur Hybridfahrzeuge vorsieht, werden in den USA Hybridantriebskonzepte sowie deren Komponenten durch ¨ offentliche F¨ orderung intensiv entwickelt und erprobt. www.degussa.com
8.1 Allgemeines
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¨ Abb. 8.4. Ubersicht u ¨ber Hybridformen
weite, schnelles Nachtanken, regeneratives Bremsen (Rekuperation), Nutzung regenerativer Energiequellen sowie emissionsfreier Betrieb – nutzbar sind. Von den Ausnahmen einzelner Versuchstr¨ ager abgesehen, werden f¨ ur Fahrzeuganwendungen elektrische Antriebe mit Verbrennungskraftmaschinen kombiniert. Ein Hybridantrieb kann jedoch nicht einfach die Addition zweier Antriebe in einem Fahrzeug sein; vielmehr m¨ ussen durch geeignete Kombination und Dimensionierung die Vorteile der einzelnen Antriebe genutzt und die Schwachstellen vermieden werden. Hierdurch wird die M¨oglichkeit sowohl zu Verbrauchs- und Emissionsreduktionen als auch zu lokal emissionsfreiem Fahren gegeben. Je nach Einsatzzweck sind so unterschiedlichste L¨osungen denkbar. Aufgrund der Komplexit¨ at der aufwendigen Regelungstechnik und infolge der hohen Konsten f¨ ur die Batterie ist der Hybridantrieb unter heutigen Bedingungen noch nicht voll konkurrenzf¨ ahig zu konventionellen Fahrzeugen. Der Hybridantrieb besitzt jedoch von der Einsatzf¨ahigkeit und Nutzbarkeit her – anders als Elektrofahrzeuge – ein gleichwertiges Anwendungspotential wie konventionell angetriebene Fahrzeuge. Unter dem Druck zunehmender Umweltprobleme und bei entsprechenden politischen und gesetzgeberischen Randbedingungen hat der Hybridantrieb somit das Potential, in wenigen Jahren einen erw¨ahnenswerten Marktanteil zu erreichen. 8.1.2 Grundstrukturen der Hybridantriebe Zu differenzieren sind, vgl. Abbildung 8.4, zwei Grundprinzipien f¨ ur Hybridantriebe mit ihren Potentialen und Problemen: parallele und serielle Konzepte; zudem ergeben sich Mischformen aus beiden Grundstrukturen. Beim parallelen Hybrid sind Verbrennungs- und Elektromotor mechanisch mit den
566
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
Antriebsr¨adern gekoppelt. Solche Konzepte beinhalten neben den beiden Antriebsmotoren und Energiespeichern ein oder auch mehrere Getriebe, Kupplungen oder Freil¨ aufe; die beiden Antriebssysteme k¨onnen einzeln oder gleichzeitig zum Vortrieb des Fahrzeugs genutzt werden. Aufgrund der Leistungsaddition k¨onnen beide Motoren relativ klein ausgelegt werden, ohne die Fahrleistungen zu kompromittieren. Abbildung 8.5 zeigt schematisch und erg¨anzend zu Abbildung 8.4 m¨ ogliche Anordnungen der Komponenten im Fahrzeug. ¨ Ublicherweise wird der elektrische Antriebszweig f¨ ur den begrenzten, emissionsfreien Fahrbetrieb in der Stadt ausgelegt, w¨ahrend der leistungsst¨arkere ¨ Verbrennungsmotor f¨ ur Uberlandverkehr und auf Autobahnen genutzt wird. Die Leistungen von Elektro- und Verbrennungsmotor k¨onnen, vgl. Abbildung 8.4, mechanisch mittels Drehzahl-, Momenten- oder Zugkraftaddition u ¨berlagert werden. Bei der Drehzahladdition werden die Leistungen der Motoren u uhrt, wobei das Momentenverh¨alt¨ber ein Planetengetriebe zusammengef¨ ¨ ¨ nis f¨ ur die Ubersetzung der Teilantriebsmomente durch die Ubersetzungen des Sammelgetriebes vorgegeben ist. Bei der Momentenaddition l¨asst sich das Verh¨altnis der Drehmomente der beiden Energiewandler frei variieren, w¨ahrend die Drehzahlen in starrem Verh¨ altnis zueinander stehen; die eigentliche mechanische Addition der Momente erfolgt z.B. u ¨ber eine Stirnradstufe oder eine Kette. Eine Entkopplung der beiden Antriebssysteme kann u ¨ber einen Freilauf oder eine Kupplung realisiert werden. Unter Zugkraftaddition9 schließlich versteht man, wenn Elektro- und Verbrennungsmotor auf unterschiedliche Antriebsachsen wirken und ohne mechanische Verbindung der beiden Antriebe die verf¨ ugbaren Vortriebskr¨ afte am Rad genutzt werden. Eine weitere M¨oglichkeit zur Unterscheidung paralleler Hybride mit Momentenaddition besteht in der Anordnung der Energiewandler. Wirken beide Antriebssysteme auf die Getriebeeingangswelle, so spricht man von einem Einwellenhybrid. Von einem Zweiwellenhybrid wird gesprochen, wenn Verbrennungsund Elektromotor auf unterschiedlichen Wellen (Ein- bzw. Ausgangswelle) angeordnet sind; die Abgrenzung ist hier nicht immer pr¨azise m¨oglich. Bei den in Abbildung 8.6 gezeigten L¨ osungen wirken der Elektromotor, der im Bauraum des Wandlers untergebracht ist, und der Verbrennungsmotor auf die Eingangswelle vor den Planetens¨ atzen, das Getriebe wird vom Stufenautomaten abgeleitet. Die Kupplungen zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor erm¨oglichen das rein elektrische Anfahren und den begrenzten elektrischen Fahrbetrieb. Kennzeichen serieller Hybridantriebe, vgl. Abbildung 8.4 und Abbildung 8.5, ist die Reihenschaltung der Energiewandler ohne direkte mechanische Anbindung des Verbrennungsmotors an die Antriebsr¨ader. Der Verbrennungsmotor 9
Bei einem Hybrid mit Zugkraftaddition, vgl. Abbildung 8.4, handelt es sich im physikalischen Sinne ebenfalls um eine Momentenaddition, wobei die beiden Energiewandler auf unterschiedliche Achsen wirken z.B. der elektrische Antrieb auf die Vorder- und der Verbrennungsmotor auf die Hinterachse, vgl. Abschnitt 8.2.2.
8.1 Allgemeines
567
Serieller Hybrid (Momentenaddierend)
Elektrischer Vorderoder Hinterradantrieb
Tandemantrieb mit Verbrennungs- und E-Motor Paralleler Hybrid
Tandemantrieb mit Gasturbine und E-Motor
Momentenaddition von Zugkraftaddition, VerMomentenaddition von Verbrennungs- und brennungsmotor treibt Verbrennungs- und EE-Motor, Vorder- oder eine Achse, elektrischer Motor, Allradantrieb Hinterradantrieb Tandemtrieb die andere Kombinierter bzw. leistungsverzweigender Hybrid
Momentenaddition durch Kombinierte DrehzahlMomentenaddition von Kupplung, Vorder- oder u. Momentenaddition im Verbrennungs- und E-Motor, Hinterradantrieb Planetensatz, Vorderkombiniert mit Drehzahloder Hinterradantrieb Addition, Allradantrieb Reiner Brennstoffzellen- oder Elektroantrieb
Einachsantrieb
Tandemantrieb
Allradantrieb
Legende:
Abb. 8.5. Schaubilder verschiedener Hybrid- und Brennstoffzellensysteme
568
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
Abb. 8.6. M¨ oglichkeiten der bauraumneutralen Subsitution des hydrodynamischen Wandlers durch einen Elektromotor bei Hybridisierung von Stufenautomatikgetrieben (Aus Wagner & Vahlensieck [2006])
treibt hierbei einen Generator an, der seinerseits den elektrischen Fahrantrieb sowie eine im elektrischen Zwischenkreis angeordnete Batterie als Speichermedium mit Energie versorgt. Es existieren beim seriellen Hybrid sowohl Varianten mit einem Fahrmotor und Differential als auch Konzepte mit zwei Fahrmotoren pro Achse unter Wegfall des Differentials bis hin zu Radnabenfahrmotoren10 wie beim LohnerPorsche in Abbildung 8.3. Die Dimensionierung der Generatoreinheit und des Speichers richtet sich nach der Betriebs- und Ladestrategie, einer eventuell gew¨ unschten Netzunabh¨ anigkeit beim autarken Hybrid, die eine hohe Ladeleistung erforderlich macht, sowie der Reichweite und den Fahrleistungen. Der h¨ohere Bauaufwand durch den zus¨ atzlichen Generator wird großteils durch den Wegfall des Schaltgetriebes kompensiert; zudem k¨onnen die Elektromotoren in einem Hybridantrieb in beide Drehrichtungen betrieben werden, wodurch die Notwendigkeit eines Radpaares im mechanischen Getriebeteil zur Drehrichtungsumkehr bei R¨ uckw¨ artsbetrieb f¨ ur die seriellen Hybride entf¨allt. Die indirekte mechanische Anbindung des Verbrennungsmotors an die Antriebsr¨ader erm¨oglicht eine hohe Flexibilit¨ at bei der Anordnung der Komponenten der Einzelantriebe. Im Vergleich zum reinen Elektrofahrzeug kann die Batterie kleiner dimensioniert werden und die Verf¨ ugbarkeit des Fahrzeugs durch die netzunabh¨ angige, fahrzeugbasierte Nachladung erh¨oht werden. F¨ ur die Dimensionierung eines rein elektrischen Fahrantriebs ist zu beachten, dass dieser die gesamte Leistung bereitstellen muss, die f¨ ur die gew¨ unschte Beschleunigung oder Steigf¨ ahigkeit ben¨ otigt wird. Die Notwendigkeit zur Speicherung elektrischer Energie und zur Konversion gr¨oßerer Mengen mechanischer Energie begr¨ undet die Tatsache, dass in 10
Radnabenmotoren f¨ uhren zu hohen ungefederten Radmassen, die f¨ ur die Fahrdynamik sehr nachteilig sind; f¨ ur z.B. Flurf¨ orderfahrzeuge kann dieser Antrieb durch die geringen Anforderungen an die Vertikaldynamik vorteilhaft sein.
8.1 Allgemeines
a)
569
b)
Abb. 8.7. Hybrides Nutzfahrzeug EcoCraft: a) Ansicht des Prototypen, b) Aufbauschema mit optionalem Dieselmotor und Generator (www.ecocraft-automotive.de)
den 1970er und 1980er Jahren vornehmlich parallele Hybridantriebe realisiert wurden, da keine Elektromotoren mit entsprechend hoher Leistungsdichte und hohem Wirkungsgrad verf¨ ugbar waren. Durch die mechanische Entkopplung kann der Verbrennungsmotor phlegmatisiert, d.h. in seiner Dynamik eingeschr¨ankt, mit einem zeitlich gemittelten Leistungsbedarf oder auf der Kennlinie des optimalen Kraftstoffverbrauchs, vgl. Abschnitt 3.2.1 ab Seite 86, betrieben werden und muss deshalb nicht unbedingt auf die Maximalleistung ausgelegt werden. Im Extremfall wird der Verbrennungsmotor beim Hybridfahrzeug nur noch in einem, auf Emission und Verbrauch optimierten Betriebspunkt betrieben, z.B. im Punkt mit dem minimalen spezifischen Kraftstoffverbrauch be,min , vgl. Abbildung 3.15. Anmerkung 8.3 Abbildung 8.7 zeigt einen Prototyp eines elektrisch angetriebenen Nutzfahrzeugs. Der Elektroantrieb, der mit einer drehzahl- oder drehmomentengeregelten Asynchronmaschine arbeitet, kann durch einen optionalen seriellen Hybridzusatz erg¨ anzt werden, dabei treibt ein 3-Zylinder Dieselmotor einen Generator an, der die Batterie l¨adt, vgl. Abbildung 8.7. Dieselmotor und Generator sind mechanisch nicht mit dem Antrieb verbunden und werden mit konstanter Drehzahl betrieben, um den bestm¨oglichen Wirkungsgrad zu generieren. Der Laderegler wird durch ein Energie-ManagementSystem erweitert, das die Betriebsarten “Laden” und “Entladen” kontinuierlich steuert. 2 Durch den angestrebten Wegfall dynamischer Betriebsvorg¨ange beim Verbrennungsmotor im seriellen Hybrid k¨ onnen die Emissionen reduziert werden. Komfortvorteile entstehen durch den zugkraftunterbrechungsfreien, rein elektrischen Antrieb beim seriellen Hybrid, wobei jedoch eine betriebspunktentkoppelte Betriebsweise des Verbrennungsmotors durch das ungewohnte Ger¨auschniveau vom Fahrer als st¨ orend und unkomfortabel empfunden werden kann. Nachteilig bei seriellen Hybridantrieben ist die doppelte Energiewandlung von mechanischer in elektrische Energie und umgekehrt, eventuell noch verbunden mit einer Speicherung, und die damit entsprechend ung¨ unstig lange Wirkungsgradkette. H¨ aufig ergibt sich aus der begrenzten Leistungsf¨ahigkeit der Batterie der Zwang, den Verbrennungsmotor zumindest teilweise transient zu betreiben, um Leistungsspitzen bei Steigungsfahrt oder Beschleunigungen abzudecken. Dies kann den Emissions- und Verbrauchsvor-
570
a)
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
b)
Abb. 8.8. Prototyp eines Mild-Hybrid Systems: a) CAD-Ansicht des Hybridtriebwerks, b) Schnittmodell des Getriebezusammenbaus aus ASG und Zwischengetriebe. Fahrzeugintegration vgl. Abbildung 8.1 (Aus Diehl [2004])
teil reduzieren und eine Anpassung des Motors an den station¨aren Betrieb einschr¨anken. Motormanagement und -bauweise sind bei reinem Station¨arbetrieb des Verbrennungsmotors entsprechend einfacher zu realisieren. Eine Mischform zwischen parallelen und seriellen Strukturen ist der sogenannte kombinierte oder leistungsverzweigende Hybrid, vgl. Abbildung 8.5. Beim kombinierten Hybrid besteht die M¨ oglichkeit, durch Schließen einer Kupplung direkt die Leistung des Verbrennungsmotors mechanisch an die R¨ader zu u anden – z.B. hoher Leistungs¨bertragen, was in bestimmten Betriebszust¨ bedarf bei Autobahnfahrt – eine Verbesserung des Gesamtwirkungsgrades erm¨oglicht. Gleichzeitig k¨ onnen beide Elektromotoren wie bei einem parallelen Hybrid noch zus¨ atzlich Leistung abgeben und so kurzzeitig die Spitzenleistung im Boostbetrieb erh¨ ohen. Dem verbesserten Wirkungsgrad steht der h¨ohere Aufwand durch die Kupplung und die komplexere Betriebsstrategie gegen¨ uber. Weiterhin kann die Anordnung von Verbrennungsmotor und Generator nicht mehr frei gew¨ ahlt werden, da eine direkte mechanische Ankopplung an den Antriebstrang erfolgen muss; Abbildung 8.8 zeigt ein Beispiel eines Prototypen eines Mischhybrid mit einem dieselmotorischen Basisantrieb mit einer Leistung von 60 kW und einem Nennmoment von 190 Nm. Eine weitere, allerdings komplexere M¨ oglichkeit stellen nach Abbildung 8.5 leistungsverzweigende Hybridantriebe dar, i.d.R. mit konventionellen Batterien f¨ ur die elektrische Energiespeicherung. Bei diesen Strukturen wird ein Teil der Leistung des Verbrennungsmotors direkt mechanisch an die Antriebsr¨ader u ¨bertragen; die restliche Leistung gelangt z.B. u ¨ber ein Planetengetriebe und zwei Elektromotoren an die Antriebsr¨ ader. Mit dieser Anordnung der Elektromotoren und der Leistungssummation im Planetensatz kann das Gesamtsystem die Summenleistung beider Antriebe bedarfsabh¨angig wandeln, so dass
8.1 Allgemeines
571
Abb. 8.9. Unterteilung der hybriden Antriebssysteme nach Antriebsart und Energiespeicherung
kein zus¨atzliches Getriebe f¨ ur den Verbrennungsmotor notwendig ist. Der Verbrennungsmotor kann prinzipiell drehzahl- und leistungsunabh¨angig vom u ¨brigen Antrieb betrieben werden. Der Wirkungsgrad kann aufgrund der teilweise direkten mechanischen Leistungs¨ ubertragung besser sein als bei seriellen Strukturen. 8.1.3 Einteilung nach der installierten Leistung Neben den grunds¨ atzlichen Hybridstrukturen l¨asst sich noch zus¨atzlich nach der Gr¨oße der installierten elektrischen Leistung sowie der gespeicherten elektrischen Energie unterscheiden, vgl. Abbildung 8.9. Parallele Hybride mit geringer elektrischer Leistung und kleinem elektrischen Energiespeicher bezeichnet man auch als Starter/Generator-Hybrid: Ein Antriebskonzept, dessen Kernst¨ uck ein Verbrennungsmotor, i.d.R. nach dem Otto-Prozess arbeitend, bildet, ist direkt mit einem Elektromotor gekoppelt. Je nach Fahrsituation schaltet sich der Elektromotor zu und erh¨oht damit die Leistung und Effizienz des Motors. Beim Anbremsen vor Kurven oder beim Zur¨ uckschalten l¨adt der Motor die Batterie wieder auf, man spricht vom regenerativen Bremsen. Um weitere Verbrauchsvorteile zu erzielen, schaltet sich der Verbrennungsmotor bei Stillstand des Fahrzeugs automatisch ab, um nach Einlegen des ersten Gangs wieder nahezu lautlos anspringen zu k¨onnen. Ist die elektrische Leistung etwas gr¨ oßer dimensioniert, spricht man von einem Unterst¨ utzungshybrid oder auch – bezogen auf den Energieinhalt des elektrischen Energiespeichers – von einem Kleinspeicherhybrid. Der serielle Hybrid mit großer Batterie und kleiner Stromerzeugungseinheit dient der
572
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
Erh¨ohung der Reichweite des Fahrzeugs, daher die Bezeichnung als Reichweitenunterst¨ utzung in Abbildung 8.9. Ist der Energieinhalt der Batterie gering bemessen, folglich die emissionsfreie Reichweite gering, spricht man ebenfalls von einem Kleinspeicherhybrid – Low Storage Hybrid. Ist gar kein Speicher im elektrischen Zwischenkreis integriert, erh¨alt man eine Anordnung mit einem elektrischen Stufenlosgetriebe mit unendlicher Spreizung IVT. Auch bei Brennstoffzellenfahrzeugen mit zus¨ atzlichem elektrischen Energiespeicher handelt es sich im weiteren Sinne um serielle Hybride, da die mit der Brennstoffzelle erzeugte elektrische Energie nicht vollst¨andig f¨ ur den Fahrantrieb genutzt, sondern zumindest teilweise zwischengespeichert wird. Aufgrund der vom konventionellen Fahrzeug abweichenden Einsatzbedingungen bedarf es bei den Komponenten eines Hybridantriebs (Antriebs-, Hilfsund Komfortaggregate) einer speziellen Anpassung. Wie bei Elektrofahrzeugen m¨ ussen die Aggregate im Nebenabtrieb wie z.B. Lenkhilfepumpe oder Bremskraftverst¨arkung elektrisch betrieben werden. Auch f¨ ur die Klimatisierung eines Hybridfahrzeugs sind aufgrund der nicht kontinuierlichen Betriebsweise der Verbrennungskraftmaschine entsprechende Zusatzsysteme, z.B. elektrisch betriebene W¨ armepumpen, zu installieren; die entsprechende elektrische Energie muss bei der Auslegung des Gesamtkonzepts ber¨ ucksichtigt werden. Nachteilig hinsichtlich Emissionen ist bei Hybridfahrzeugen auch die Kaltstartphase. Durch den kalten Verbrennungsmotor wird das Gemisch angefettet und die Abgase enthalten gr¨ oßere Anteile von Stickoxiden. Zus¨atzlich arbeitet der Katalysator erst bei Betriebstemperaturen von 400◦ C - 800◦ C effektiv und kann erst dann das Abgas wirkungsvoll reinigen. Grunds¨atzlich bieten Hybridfahrzeuge mit einem leistungsstarken Energiespeicher hier die M¨oglichkeit, sowohl die Verbrennungskraftmaschine als auch die Abgasnachbehandlungskomponenten thermisch vorzukonditionieren oder das Aufheizen zu beschleunigen, um so erh¨ ohte Kaltstartemissionen zu vermeiden; hierbei kann bereits rein elektrisch gefahren werden. Auch bei intermittierendem Motorbetrieb (an/aus) kann der Katalysator mit Energie aus dem elektrischen Kreislauf durch Zusatzheizeinrichtungen auf Betriebstemperatur gehalten werden. 8.1.4 Verbrauchsaspekte Wie schon erw¨ahnt, nutzen Hybridfahrzeuge zwei unterschiedliche Antriebsstrategien, welche die Vorteile der einzelnen Konzepte kombinieren und die Nachteile vermeiden, um den Gesamtwirkungsgrad zu verbessern. Vergleicht man ein Hybridfahrzeug mit einem herk¨ ommlichen Kraftfahrzeug, so sind in bestimmten Bereichen Kraftstoffeinsparunen erzielbar: • Bei einem “normalen” Kraftfahrzeug wird z.B. beim Stop-and-Go-Betrieb im Stadtverkehr oder im Stau der Verbrennungsmotor durchgehend betrieben. W¨ahrend der Standzeit l¨ auft der Motor im Leerlauf und verbraucht Kraftstoff, ohne ihn zu ben¨ otigen. Bei einem Hybridantrieb kann w¨ahrend
8.1 Allgemeines
573
Abb. 8.10. CO2 -Emissionen bei Station¨ arbetrieb eines hybriden Lexus RX 400h (Aus Hohenberg & Indra [2006])
der Standzeiten der Motor abgeschaltet werden und kurze Strecken k¨onnen bei entsprechender Dimensionierung rein elektrisch zur¨ uckgelegt werden. • Etwa 80% der Abbremsungen erfolgen nach unabh¨angigen Untersuchungen mit einer Verz¨ ogerung von weniger als 0,3 g; bei einem herk¨ommlichen Fahrzeug wird die kinetische Energie beim Bremsen in W¨arme umgewandelt und ungenutzt an die Umwelt abgegeben. Bei einem Hybridfahrzeug kann diese Energie bei normalen Abbremsungen alleine durch regeneratives Bremsen wieder aufgenommen und gespeichert werden. In der Schubphase und beim leichten Verz¨ ogern kann Energie zur¨ uckgewonnen, beim Beschleunigen und Anfahren wieder genutzt werden. • Bei einer Kombination aus einem Verbrennungsmotor und einem Elektromotor, bei dem der Elektromotor durch eine so genannte “Boost-Funktion” den Verbrennungsmotor unterst¨ utzt, kann der Verbrennungsmotor kleiner ausgef¨ uhrt werden. Ein kleinerer Verbrennungsmotor bringt deutliche Vorteile beim Verbrauch. Zus¨ atzlich kann z.B. beim leistungsverzweigenden Hybrid die Drehzahl des Verbrennungsmotors in einem g¨ unstigen Bereich gehalten werden. Untersuchungen mit einem Lexus RX 400h haben nach Hohenberg & Indra [2006] ergeben, dass der CO2 -Ausstoß und damit der Verbrauch des hybriden Lexus bis zu einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 130 km/h geringer ist als der des Basisfahrzeugs; im Bereich niedriger Geschwindigkeiten sind erhebliche Einsparungen durch den Hybridbetrieb erreichbar, vgl. Abbildung 8.10.
574
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
Abb. 8.11. Station¨ arer Kraftstoffverbrauch der Vergleichsfahrzeuge Lexus RX 400h und Daimler-Benz S430 4Matic (Aus Hohenberg & Indra [2006])
Wenn bei Geschwindigkeiten u ¨ber 130 km/h viel Drehmoment des Verbrennungsmotors u ¨ber den elektrischen Pfad geleitet wird, kommt es zu einer dreifachen Umwandlung der im Kraftstoff vorhandenen Energie. Eine Umwandlung ist immer mit Verlusten behaftet und so erkl¨art sich die schlechte Bewertung der Hybridfahrzeuge in diesem Bereich im Vergleich mit herk¨ommlichen Fahrzeugen, vgl. Abbildung 8.11. Die Ergebnisse unter realen Straßenbedingungen zeigen dieses Ergebnis noch deutlicher, vgl. Abbildung 8.12. Im Bereich bis ca. 100 km/h ist das Hybridfahrzeug bei ¨ahnlichen Fahrleistungen bez¨ uglich Kraftstoffverbrauch den Vergleichsfahrzeugen u ¨berlegen. Nat¨ urlich kommen die in den Abbildungen 8.10 bis 8.12 gezeigten Vorteile nicht ausschließlich aus dem Hybrid-System. Andere Faktoren wie Fahrzeuggewicht, der Luftwiderstandsbeiwert cw , etc. spielen hier auch eine Rolle. Man kann jedoch bei a ¨hnlichen Fahrleistungen von einem Verbrauchsvorteil des Hybridfahrzeuges sprechen. Zudem ist der prozentuale Anteil von Geschwindigkeiten u ¨ber 100 oder 130 km/h im Alltag relativ gering.
8.2 Betriebstrategien und Antriebstrangkonfiguration Die prinzipiell unterschiedlichen Anordnungen der Energiewandler bei parallelen und seriellen Hybriden erm¨ oglichen unterschiedliche Betriebsstrategien zur Festlegung der logischen und zeitlichen Abfolge der Betriebszust¨ande. Sie erfordern sie jedoch auch: Zun¨ achst kann man beim parallelen Hybrid zwischen den Betriebsmodi rein elektrisch, rein verbrennungsmotorisch oder Hybridbe-
8.2 Betriebstrategien und Antriebstrangkonfiguration
575
Abb. 8.12. Kraftstoffverbrauch verschiedener konventioneller und hybrider Fahrzeuge im realen Fahrbetrieb (Aus Hohenberg & Indra [2006])
trieb (beide Antriebssystem aktiv) unterscheiden, beim seriellen Hybrid rein elektrisch bzw. Hybridbetrieb. Die Wahl zwischen diesen Betriebsarten liegt h¨aufig im Einflussbereich des Fahrers. Die Betriebsstrategien werden prim¨ ar durch die Betriebsart des Verbrennungsmotors bestimmt. Hierbei kann man bezogen auf das Lastkollektiv – im Wesentlichen sind hier die zeitlichen Anteile der Fahrpedal- bzw. Drosselklappenstellungen relevant – und die Leistungsabgabe der W¨armekraftmaschine verschiedene Arten unterscheiden; prinzipiell beruht die Betriebsoptimierung des Verbrennungsmotors in Hybridantrieben auf der Vermeidung des Teillastbetriebs. Zum einen sind Strategien denkbar, bei denen der Verbrennungsmotor dem aktuellen Leistungsbedarf des Fahrzeugs folgt; zum anderen besteht die M¨oglichkeit, den Verbrennungsmotor in Betriebspunkten zu betreiben, in denen die abgegebene Leistung deutlich vom momentanen Leistungsbedarf des Fahrzeugs abweicht. Entsprechend dieser Klassifikation lassen sich die unterschiedlichen Antriebsstrangkonfigurationen zuweisen, die eine entsprechende Strategie unter Last- und Leistungsvariation erm¨oglichen. Bei konventionell gestuften Antrieben l¨ asst sich das Lastkollektiv – d.h. die H¨aufigkeitsverteilung der Betriebspunkte von elektrischem und verbrennungsmotorischen Antrieb – bei automatisch schaltenden Konzepten nur durch Ver¨anderung der Schaltpunkte u ¨ber die Getriebesteuerung beeinflussen; einen zus¨atzlichen Freiheitsgrad bringt jedoch die Verwendung eines stufenlosen Getriebes. Bei parallelen Hybriden kann man zwar die Leistung des Verbrennungsmotors unabh¨ angig von der Leistungsanforderung des Antriebs ver¨andern, jedoch liegt bei Momentenaddition immer die Drehzahl oder bei Drehzahladdition das Moment aufgrund der direkten mechanischen Anbindung des Verbrennungsmotors an den Abtrieb fest.
576
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
Serielle Hybride geben aufgrund der vollst¨ andigen mechanischen Entkopplung die gr¨oßtm¨ogliche Freiheit bez¨ uglich der Betriebsweise der Verbrennungskraftmaschine. So lassen sich die Bereiche, in denen der Motor betrieben wird, in dessen Kennfeld frei festlegen. Der Verbrennungsmotor kann entweder dem aktuellen Leistungsbedarf folgend, station¨ ar, intermittierend oder phlegmatisiert z.B. mit einem zeitlich gemittelten Leistungsbedarf, betrieben werden. Dabei k¨onnen besonders emissions- oder verbrauchsg¨ unstige Betriebsbereiche oder -kennlinien des Verbrennungsmotors gew¨ ahlt werden, vgl. Anmerkung 8.3. Als Vorgabegr¨oßen f¨ ur eine Betriebsstrategie bieten sich eine Vielzahl von Parametern an. Im wesentlichen sind dies der momentane oder der gemittelte Leistungsbedarf des Fahrzeugs, die Fahrzeuggeschwindigkeit, der Ladezustand des elektrischen Energiespeichers, Zeitkonstanten (z.B. minimale Zuschaltzeit des Verbrennungsmotors) und Betriebstemperaturen (z.B. Katalysatortemperatur). In der Praxis kommen diese Einflussgr¨oßen h¨aufig kombiniert u ¨ber mehrdimensionale Betriebsstrategiefelder zum Einsatz. Ziel der Betriebsstrategie eines seriellen Hybrids ist es, den Verbrennungsmotor m¨oglichst dauerhaft in seinem Bestpunkt bez¨ uglich Verbrauch und Emissionen zu betreiben, welches eine Ein- oder Mehrpunktstrategie bedeutet. Zudem soll auch m¨ oglichst wenig Energie im elektrischen Speicher gepuffert werden, um die Wirkungsgradverluste gering zu halten. Theoretisch muss keine Energie gespeichert werden, wenn man dem Leistungsbedarf folgend den Verbrennungsmotor auf seiner Linie minimalen Kraftstoffverbrauchs betreibt, was bedingt, dass der Motor nicht st¨ andig in seinem Bestpunkt – dem Punkt minimalen Kraftstoffverbrauchs11 be,min , vgl. Abbildung 3.15 – arbeitet. Durch die Zusammenf¨ uhrung der beiden Antriebsleistungen kann, vgl. Abbildung 8.13, die schon angesprochene Addition der Vorteile der Einzelantriebe erreicht werden: Am Beispiel des Toyota Prius, der im n¨achsten Abschnitt vorgestellt wird, wird offensichtlich, dass sich die Momentencharakteristiken von Elektro- und Verbrennungsmotor so kombinieren lassen, dass bei Einhaltung der Rutschgrenze eine sehr gute Ann¨ aherung an die ideale Zugkrafthyperbel, vgl. Abschnitt 3.2.1, erreicht wird. 8.2.1 Hybridkonzept des Toyota Prius Als Beispiel f¨ ur ein Hybridfahrzeug mit paralleler Anordnung der Einzelantriebe wird der Triebstrang des Toyota Prius, vgl. Abbildung 8.14, besprochen. Der Triebstrang des Fahrzeugs ist schematisch in Abbildung 8.15 gezeigt: Das Planetengetriebe verteilt in Abh¨ angigkeit vom Betriebszustand des Fahrzeugs die Leistung des Verbrennungsmotors zu den R¨adern oder zum Generator. Diese vom Betriebszustand abh¨ angige Regelung erm¨oglicht den Betrieb des Verbrennungsmotors in m¨ oglichst verbrauchsg¨ unstigen Punkten des 11
Man verdeutliche sich noch einmal, dass der Punkt be,min minimalen Kraftstoffverbrauchs dem Minimum entlang der bestm¨ oglichen Kraftstoffverbr¨ auche bei unterschiedlichen Leistungen entspricht.
8.2 Betriebstrategien und Antriebstrangkonfiguration
577
a)
b) Abb. 8.13. Leistung und Drehmoment der Einzelantriebe des Toyota Prius. a) Verl¨ aufe bezogen auf die Motordrehzahlen, b) verf¨ ugbare Summenleistung und moment in Abh¨ angigkeit von der Fahrgeschwindigkeit
Kennfeldes. Bei einem momentenaddierenden Planetengetriebe kann durch ¨ altnis ge¨andert werden; die Steuerung der Drehzahlen das Ubersetzungsverh¨ ¨ anders als bei einem herk¨ ommlichen Automatikgetriebe wird die Ubersetzung dabei nicht nur durch Bremsen und Kupplung reibschl¨ ussig in vorgegebenen Stufen variiert, sondern die zugef¨ uhrten Teilleistungen k¨onnen bei beliebigen Drehzahlen addiert werden. Durch die elektrische Regelung der Drehzahlen von einer Welle des Planetengetriebes erh¨ alt man ein elektronisch geregeltes
578
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
a)
b) Abb. 8.14. Anordnung der Triebstrangkomponenten im Prius (a) und HybridTriebwerk (b) (Quelle: Toyota)
Stufenlosgetriebe mit unendlicher Spreizung (IVT, vgl. Anmerkung 2.9) und ben¨otigt entsprechend keine Kupplung zum Anfahren12 . Die Drehzahlanpassung des Planetengetriebes und somit des Verbrennungsmotors erfolgt stufenlos u ¨ber die Regelung von Elektromotor und Generator. Der Generator liefert seine Energie entweder direkt zum Elektromotor oder speichert diese in einer Nickel-Metallhydrid-Batterie zwischen. Wird die volle Antriebsleistung ben¨ otigt, steht der Generator und mit ihm der Steg der Planetenstufe; eventuell kann dabei auch der Elektromotor noch gespeicherte elektrische Energie zuf¨ uhren. Der Hybridantrieb im Toyota Prius verf¨ ugt 12
Man verdeutliche sich, dass auch bei stufenlosen Getrieben konventionell angetriebener PKW IVT’s m¨ oglich sind. Durch das Erzeugen einer mechanischen Blindleistungsflusses kann beim Toriodgetriebe, vgl. Abbildung 5.101 und Abschnitt 5.7.1, auf die Kupplung als Anfahrelement verzichtet werden; ¨ ahnlich wird auch beim Prius beim Anfahren ein mechanisch-elektrischer Blindleistungsfluss generiert, aus dem hoch verst¨ arkt das Anfahrmoment abgegriffen wird.
8.2 Betriebstrategien und Antriebstrangkonfiguration
579
a)
b) Abb. 8.15. Antriebstrang des Toyota Prius: a) Gesamtansicht, b) Planetensatz zur Leistungssummation (Quelle: Toyota)
grunds¨atzlich nur u ¨ber einen Betriebsmodus, in dem die Regelung der Antriebsmaschinen automatisch erfolgt, ein manueller Eingriff in die Fahrstufenwahl ist nicht vorgesehen. Wie zuvor besprochen verbindet ein Planetensatz, vgl. Abschnitt 5.6.2, Generator, Elektro- und Verbrennungsmotor mechanisch und verteilt so die Antriebsleistung des Verbrennungsmotors auf die Antriebsr¨ader und den Generator. Der Verbrennungsmotor kann das Fahrzeug dabei auf zwei verschiedene Arten antreiben: Auf direktem mechanischem Weg und auf indirektem elektrischem Weg mit einer zweifachen Energiewandlung. Die Leistungs¨ ubertragung vom Verbrennungsmotor erfolgt dabei u ¨ber den Steg des Planetensatzes, das Hohlrad ist u ¨ber eine Kette und zwei Stirnradstufen mit dem Vorderachsantrieb verbunden, vgl. Abbildung 8.15.a. Die Antriebsleistung des Elektromotors wird direkt vom Hohlrad und die Kette an die Antriebsr¨ader u ¨bertragen.
580
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
Abb. 8.16. Elektrischer Allradantrieb mit Elektromotoren (Quelle: Toyota)
Je nach Differenz der Drehzahlen st¨ utzen sich dabei Hohlrad, Sonnenrad und der Steg mit den Planetenr¨ adern aneinander ab und stellen ein gleichbleibend gutes Zugkraftangebot zur Verf¨ ugung, vgl. Abbildung 8.13; der Generator ist u ¨ber eine Hohlwelle mit dem Sonnenrad verbunden. 8.2.2 Elektrischer Allradantrieb Bei Hybridfahrzeugen ist es m¨ oglich, Allradsysteme einzusetzen, die mit Hilfe von mehreren Elektromotoren ohne die in den Abschnitten 6.2 und 6.3 besprochenen Gelenkwellen, Sperrdifferentiale oder Verteilergetriebe auskommen; der Allradantrieb wird u ¨ber die elektronische Regelung realisiert, vgl. Abbildung 8.5. So ist es m¨ oglich, die Momentenverteilung innerhalb des Regelbereiches von 0-100% sehr schnell zu ver¨ andern. Dieser Allradantrieb ist zwar nicht so leistungsf¨ ahig wie ein konventioneller mechanisch verzweigter Allradantrieb, stellt aber f¨ ur den Normalverbraucher, der den Allradantrieb nicht zwingend ben¨ otigt eine interessante Alternative dar; Abbildung 8.16 zeigt ein entsprechendes Prinzipschaubild. Wenn schwierige Witterungsbedingungen oder Straßenverh¨ altnisse es erfordern, kann dieser Allradantrieb elektrisch zugeschaltet werden; die zweite Achse wird wie beim Lexus RX 400h unterst¨ utzend elektromotorisch angetrieben. Anders als bei konventionellen Stabilit¨ atssystemen die bei Erreichen einer kritischen Gierwinkelbeschleunigung die gezielte Verz¨ogerung einzelner R¨ader einleiten, ist bei allradgetriebenen Hybridfahrzeugen eine aktive L¨osung m¨oglich. Durch die geregelte Verteilung der Antriebsmomente kann ein Eingreifen des Stabilit¨atssystems und die damit verbundene Verz¨ogerung in kritischen Situationen ¨ahnlich zu den in Abschnitt 6.3.3 besprochenen aktiven Verteilerkomponenten im konventionellen Antriebstrang h¨aufig verhindert werden. Das Fahrzeug verh¨ alt sich wesentlich ruhiger und stabiler. Durch die regelbare Momentenverteilung beim Tandemantrieb nach Abbildung 8.5 kann auch
8.2 Betriebstrategien und Antriebstrangkonfiguration
581
Abb. 8.17. Elektrischer Hinterachsantrieb
¨ Einfluss auf die Tendenz des Unter- oder Ubersteuerns, vgl. Abbildung 6.37, durch Umverteilung des Antriebsmoments in L¨angsrichtung genommen werden. Bei einem Prototypen von Daihatsu, dessen struktureller Aufbau in Abbildung 8.17 skizziert ist, wird die Hinterachse mit einem Elektromotor mit einer maximalen Leistung von 20 kW angetrieben; das System kann somit nach Abbildung 8.4 als Parallelhybrid mit Zugkraftaddition charakterisiert werden. Anstelle eines konventionellen Hinterachsdifferentials werden bei diesem Prototypen zwei elektromagnetische Kupplungen verwendet, ¨ahnlich dem in Abschnitt 6.3.3 vorgestellten System eines elektromechanisch bet¨atigten Kupplungs-Hinterachsgetriebes von ZF, vgl. Abbildung 6.46. Der elektrische Hinterachsantrieb hat bei Kurvenfahrten deutliche Vorteile, da dadurch die Kurvengeschwindigkeit erh¨ oht werden kann, zudem kann der Motor an der Hinterachse als Generator betrieben werden und so zur Regeneration der Energiespeicher beitragen. 8.2.3 Two-Mode-Hybrid System Das Two-Mode-Hybrid System ist ein gemeinsames Entwicklungsprojekt von von General Motors, DaimlerChrysler und BMW; das System ist eine Weiterentwicklung der Toyota-L¨ osung, vgl. Abschnitt 8.2.1 und optimiert dessen Schwachstellen. Die schematische Anordnung der Komponenten des Hybridsystems ist in Abbildung 8.18 gezeigt. Die Platzierung der Batterien im Fahrzeugheck bietet den Vorteil einer besseren Achslastverteilung und sorgt f¨ ur bessere Traktionseigenschaften des Hinterachsantriebs. Anders als beim System des Toyota Prius gibt es beim Two-Mode-Concept zwei Betriebsarten, die durch die Verwendung eines zus¨atzlichen Planetenge¨ triebes erm¨oglicht werden. Durch diese Ubersetzung k¨onnen die Elektromoto-
582
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
Abb. 8.18. Anordnung der Triebstrangkomponenten im Two-Mode-Hybrid System (www.gm.com)
ren kleiner dimensioniert werden, was die elektrischen Verluste reduziert. Die eine Betriebsart wird beim Anfahren und bei niedrigen Geschwindigkeiten genutzt, bei h¨oherem Tempo wird automatisch und f¨ ur den Fahrer aufgrund der gleich bleibenden Drehzahl des Verbrennungsmotors nicht feststellbar in die andere Stufe gewechselt. Insgesamt drei Planetens¨atze und zwei Kupplungen sorgen daf¨ ur, dass sowohl der Verbrennungs- als auch die beiden Elektromotoren stets in einem m¨ oglichst effizienten Betriebsbereich mit geringen Verlusten arbeiten, vgl. Abschnitt 8.1.4. Das gesamte Hybrid-Antriebssystem wird kontinuierlich von einem elektronischen Steuerger¨at optimiert, um f¨ ur jede Laststufe des Verbrennungsmotors im System den effizientesten Betriebspunkt auszuw¨ahlen. Durch die Verwendung von zwei Elektromotoren erm¨oglicht das Two-ModeSystem aber auch das rein elektrische Fahren und erf¨ ullt so die Anforderungen an ein Vollhybridsystem. So kann zum Beispiel mit einem Elektromotor nahezu lautlos angefahren werden, w¨ ahrend der andere sp¨ater unabh¨angig die Funktion des Anlassers f¨ ur den Verbrennungsmotor u ¨bernimmt, vgl. Abbildung 8.19. Des Weiteren existiert beim neuen Hybrid-System die M¨oglichkeit, neben dem stufenlosen Two-Mode-Betrieb zus¨ atzlich die Funktionalit¨at eines Automatikgetriebes mit vier festen Gangstufen darzustellen. Das System arbeiten dann wie ein Parallel-Hybrid, vgl. Abbildung 8.4 – also ¨ahnlich einem System mit Kurbelwellen-Starter-Generator – mit direkter mechanischer Verbindung zum Antrieb. Bei Bedarf kann die Antriebskraft des Motors durch die Elektromotoren unterst¨ utzt werden. Drei verschiedene Varianten werden f¨ ur unterschiedliche Fahrzeugkonzepte und Nutzungsprofile entwickelt: je eine f¨ ur leichte Nutzfahrzeuge, f¨ ur heckgetriebene Limousinen und f¨ ur frontquergetriebene Kompaktwagen. Der erste Serieneinsatz des Two-Mode-Systems ist f¨ ur das Modelljahr 2008 in den US-Gel¨ andewagen Chevrolet Tahoe und GMC Yukon geplant.
8.2 Betriebstrategien und Antriebstrangkonfiguration
583
Abb. 8.19. Two-Mode-Hybrid System (www.gm.com)
Wegen seiner zwei Betriebsarten f¨ ur niedrige und hohe Geschwindigkeiten wird das auf einem elektrisch gesteuerten, stufenlosen Getriebe (ECVT – Electric Continuously Variable Transmission) basierende System als Two-ModeSystem bezeichnet. Abbildung 8.19 zeigt das angepasste Getriebe f¨ ur eine heckgetriebene Fahrzeugvariante, das in seiner Struktur einem konventionellen Stufenautomatgetriebe, vgl. z.B. Abbildung 2.36 und 5.97, sehr ¨ahnlich ist. Der eine Betriebsmodus, der als input split mode, vgl. Abbildung 8.20.a, bezeichnet wird, wird f¨ ur das Anfahren aus dem Stand, niedrige Geschwindigkeiten und f¨ ur das Gespannfahren verwendet, wenn h¨ohere Anforderungen an die Antriebsleistung gestellt werden. Der zeite Betriebsmodus, der compound split mode, vgl. Abbildung 8.20.b, wird f¨ ur Fahrten bei gleichm¨aßig hohen Geschwindigkeiten bei niedrigeren Leistungsanforderungen genutzt. Die vier me¨ chanischen G¨ange mit festem Ubersetzungsverh¨ altnis erm¨oglichens in einem recht großen Anwendungs- und Betriebsbereich einen guten hoher Wirkungsgrad. In den beiden ECVT-Betriebsarten und den vier festen G¨angen k¨onnen die Elektromotoren jeweils f¨ ur die Beschleunigungsvorg¨ange und das regenerative Bremsen zum Aufladen der Batterien sowie zum rein elektrischen Fahren wie beim One-Mode-Hybrid mit nur einer Betriebsstrategie genutzt werden. ¨ Die vier G¨ange mit festem Ubersetzungsverh¨ altnis u ¨berlagern die zwei ECVTBetriebsarten, so dass insgesamt sechs Betriebsarten, vgl. Abbildung 8.21, zur Verf¨ ugung stehen: • Leistungsverzweigter ECVT-Modus bzw. stufenlos variabler Modus 1 f¨ ur den Fahrzyklus vom Motorstart bis zum zweiten festen Gang.
584
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
a)
b)
Abb. 8.20. Gegen¨ uberstellung der Input-Split (a) und Compound-Split (b) Systeme (In Anlehnung an GM-Quellen)
• Kombinierter ECVT-Modus bzw. stufenlos variabler Modus 2 f¨ ur den Fahrzyklus ab dem zweiten festen Gang. ¨ • 1. Gang mit festem Ubersetzungsverh¨ altnis, wobei beide Elektromotoren Leistung f¨ ur den Verbrennungsmotor bereitstellen oder Energie vom regenerativen Bremsen, Verz¨ ogern und Fahren im Schubbetrieb aufnehmen und speichern. ¨ altnis, wobei ein Elektromotor f¨ ur • 2. Gang mit festem Ubersetzungsverh¨ die Beschleunigungs-/Bremsvorg¨ ange zur Verf¨ ugung steht. ¨ • 3. Gang mit festem Ubersetzungsverh¨ altnis, wobei beide Elektromotoren f¨ ur die Beschleunigungs-/Bremsvorg¨ ange zur Verf¨ ugung stehen. ¨ • 4. Gang mit festem Ubersetzungsverh¨ altnis, wobei ein Elektromotor f¨ ur die Beschleunigungs-/Bremsvorg¨ ange zur Verf¨ ugung steht. In mechanischer Hinsicht und in Bezug auf die Gesamtgr¨oße ist das VollhybridSystem mit einem herk¨ ommlichen Automatikgetriebe vergleichbar, vgl. Abbil¨ dung 8.19, kann aber durch die elektrische Einspeisung mit stufenloser Uber¨ setzung oder in einem der vier G¨ ange mit festem Ubersetzungsverh¨ altnis betrieben werden. Hauptvorteile des Two-Mode-Systems Im Vergleich zu herk¨ ommlichen Hybrid-Systemen soll diese neue Hybrid¨ Technologie, die die ECVT-Betriebsarten um vier G¨ange mit festem Ubersetzungsverh¨altnis erg¨ anzt, deutliche Vorteile im Hinblick auf den kombinier¨ ten Kraftstoffverbrauch (Stadt- und Uberlandverkehr), die dynamischen Eigenschaften und das Zugverm¨ ogen bringen. Herk¨ommliche Hybrid-Systeme – die One-Mode-Systeme – haben normalerweise nur eine Drehmomentverzwei¨ gung und keine festen mechanischen Ubersetzungsverh¨ altnisse, wie in Abbildung 8.20 schematisch dargestellt ist. Bedingt durch den mechanischen Aufbau muss bei One-Mode-Hybrid-Systemen ein großer Teil der Leistung u ¨ber den elektrischen Zweig u ¨bertragen werden, dessen Wirkungsgrad schlechter ist als der eines mechanischen Zweigs, da die mehrfache Leistungswandlung
8.3 Leistungs¨ ubertragung bei Brennstoffzellenfahrzeugen
585
Abb. 8.21. Schematische Darstellung der Fahrzust¨ ande des Two-Mode Systems (www.gm.com)
einen schlechteren Gesamtwirkungsgrad zur Folge hat. Dieser Umstand erfordert entweder Kompromisse im Hinblick auf die Leistungsf¨ahigkeit des Fahrzeugs oder den Einsatz von gr¨ oßeren Elektromotoren, was wieder zu h¨oheren Kosten, mehr Gewicht und einem h¨ oheren Platzbedarf f¨ uhrt. Die sechs Betriebsbereiche reduzieren die Leistungs¨ ubertragung durch den weniger effizienten elektrischen Zweig, so ist es m¨ oglich, Elektromotoren einzusetzen, die nicht nur kompakter, sondern auch unabh¨ angiger von der Leistungs- und Momentencharakteristik des Verbrennungsmotors sind.
8.3 Ausblick: Leistungsu ¨ bertragung bei Brennstoffzellenfahrzeugen Mit dem Hybridantrieb kann auch der Einstieg in die Brennstoffzellentechnik erleichtert werden, die große Zukunftschancen hat, wenngleich heute reine Brennstoffzellenantriebe aufgrund ihrer komplizierten Herstellung und Regelung noch zu teuer bezogen auf ihre derzeitige Lebensdauer sind. Mit Hilfe der Hybridtechnologie ist ein schnellerer Einstieg m¨oglich, da die Kombination der Brennstoffzelle mit anderen Antriebsarten einen deutlichen Vorteil in Bezug auf die Kosten und die Alltagstauglichkeit des Fahrzeuge schafft. Die kanadische Firma EVI13 hat beispielsweise ein Antriebskonzept f¨ ur ein Kleinfahrzeug vorgestellt, welches durch den Einsatz einer speziellen Pufferbatterie 13
Unter www.innovations-report.de/html/berichte/energie elektrotechnik/bericht12764.html wird das Konzept von Energy Vision Inc., Ottawa, vorgestellt.
586
8 Leistungs¨ ubertragung in Hybridfahrzeugen
nur 20% eines reinen Brennstoffzellenantriebes kosten soll. Vereinfacht kann man die Brennstoffzelle mit einer wiederaufladbaren Batterie vergleichen, die durch eine chemische Reaktion aus Wasserstoff und Sauerstoff Strom erzeugt; die entsprechend m¨ oglichen Anordnungen eines hybriden Brennstoffzellenantriebs sind in Abbildung 8.5 bereits angedeutet. Die Verkn¨ upfung von Hybrid- und Brennstoffzellentechnologie bedeutet somit, dass bei Hybridfahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor und einem Elektromotor nur die Versorgung des Elektromotors ge¨andert werden muss, w¨ahrend man bei den leistungserzeugenden Komponenten teilweise und bei den leistungs¨ ubertragenden Komponenten vollst¨andig auf erprobte Technologien zur¨ uckgreifen kann. Die enge Verwandtschaft der Hybrid- und der Brennstoffzellentechnologie wird an hand von Abbildung 8.5 deutlich; durch den Austausch von Speicherbatterie und Brennstoffzelle ist die Umstellung zum ¨ Brennstoffzellen-Mildhybrid sehr schnell umsetzbar, der Ubergang von existierenden Hybridfahrzeugen auf Brennstoffzellenbetrieb ist wesentlich schneller und kosteng¨ unstiger zu realisieren als der Wechsel vom rein verbrennungsmotorischen Antrieb direkt zum vollen Brennstoffzellenfahrzeug. Es sind aber immer noch erhebliche Aufw¨ ande notwendig, um die mit der Komplexit¨at des Systems, seiner Gr¨ oße und insbesondere der Kosten verbundenen Probleme zu l¨osen.
9 Komfortaspekte
Nachdem die Hauptkomponenten von manuell und automatisch bet¨atigten Getriebekonzepten f¨ ur PKW und Nutzfahrzeuge mit Schwerpunkt “Leistungs¨ ubertragung” sowie Aspekte der Hybridisierung von Fahrzeuggetrieben besprochen wurden, liegt nun der Fokus auf wichtigen Komfortthemen; die dritte S¨aule, die nach Funktion und Kosten zur Kundenzufriedenheit oder begeisterung beitragen muss. Die Ausf¨ uhrungen sind dabei zum Großteil auf manuelle Schaltgetriebe konzentriert, einige Details zu den automatischen Getrieben werden angegeben. Die Bewertung von “Komfort” durch den Fahrer – d.h. von Ger¨auschen, sichtbaren und f¨ uhlbaren Schwingungen und des Ablaufs von Bedienvorg¨angen – entsteht aufgrund seiner subjektiven Wahrnehmung; wichtige Aspekte dieser Subjektivit¨at werden in Abschnitt 9.1 andiskutiert. Die Reihenfolge der Diskussion ausgew¨ ahlter komfortrelevanter Ph¨anomene in den folgenden Abschnitten orientiert sich an deren Zuordnung zu den Betriebszust¨anden Fahren, Schalten oder Stehen. Zun¨ achst werden also in Abschnitt 9.2 Triebstrangschwingungen als m¨ ogliches Komfortkriterium besprochen, die w¨ahrend der Fahrt und beim Anfahren im Triebstrang entstehen k¨onnen. W¨ahrend des Schaltvorganges ist die Zugkraftunterbrechung als direkt – sogar f¨ ur die Passagiere – f¨ uhlbares Ph¨ anomen zu beachten, vgl. Abschnitt 9.3. Nur den Fahrer hingegen betrifft beim Gangwechsel der Schaltkomfort, ausgedr¨ uckt in H¨ohe und zeitlichem Verlauf der notwendigen Schaltkraft beim Handschaltgetriebe. Der Schaltkomfort ist – neben Leichtbau und Tragf¨ahigkeitssteigerung – eine der Hauptaufgaben bei der weiteren Entwicklung von Handschaltgetrieben und Gegenstand von Abschnitt 9.4. Die beim W¨ahlvorgang und beim Kuppeln m¨ oglicherweise auftretenden Ph¨anomene sind Inhalt von Abschnitt 9.5, ebenso wie die Entstehung von Schwingungen und Ger¨auschen im Schaltsystems w¨ ahrend des Fahrens bei eingekuppeltem Getriebe. Mit Abschnitt 9.6 schließen die Ger¨ ausche, die im Getriebe beim Fahren aber auch im Stillstand auftreten, dieses Kapitel ab.
588
9 Komfortaspekte
¨ Abb. 9.1. Ubliches subjektives Bewertungssystem der Fahrzeugindustrie mit einer Zehner-Beurteilungsskala
9.1 Subjektive Einflussfaktoren und Ans¨ atze zur Objektivierung Bevor mit der Beschreibung komfortrelevanter Kriterien begonnen wird, soll die Subjektivit¨at der Komfortbeurteilung analysiert werden. Ob ein Beurteiler oder ein Kunde1 ein Ph¨ anomen als st¨ orend empfindet, h¨angt von der Reizschwelle der beurteilenden Person ab; mehrere Personen werden ein und dasselbe Fahrzeug oder Getriebe trotz eines einheitlichen Beurteilungsschemas unterschiedlich bewerten. Die in der Fahrzeugindustrie u ¨bliche Zehnerskala ist in Abbildung 9.1 gezeigt; meist werden f¨ ur die Freigabe der Produktion f¨ ur den deutschen Markt in allen Beurteilungskriterien Noten 7–8 und dar¨ uber gefordert; andere L¨ ander k¨ onnen andere Anforderungen haben. Ein weiterer Faktor, der die Beurteilung und auch die Messung erschwert, ist oft der Zufallscharakter der Vorg¨ ange. Verdeutlicht werden soll dies anhand von Beispielen, die die Abh¨ angigkeit verschiedener Ph¨ anomene von nicht oder kaum beeinflussbaren Parametern zeigen: • Zuf¨ alligkeit der Einschaltposition Die Einschaltposition, d.h. die relative Orientierung von Schaltmuffe und Kupplungsk¨orper zueinander, vgl. Abbildung 4.79, hat Einfluss auf das Entstehen m¨oglicher Schwingungen im Schaltsystem. Abbildung 9.2 zeigt die Abh¨angigkeit eines gemessenen Signals von der Einschaltposition2 : Man erkennt deutlich die Streuung entlang des Umfangs und sogar bezogen auf die einzelne Stellung, ohne dass zwischen den einzelnen Messungen in den verschiedenen Positionen andere Lastzust¨ande gepr¨ uft werden. 1
2
Beurteiler sind im Gegensatz zum Normalkunden auf spezielle Ph¨ anomene geschult und k¨ onnen gezielt bestimmte Fahrzust¨ ande provozieren. Es sind bei der betrachteten Kombination von Schaltmuffe und Kupplungsk¨ orper 48 verschiedene Einschaltpositionen m¨ oglich, die in Abbildung 9.2 entlang des Umfangs durchnummeriert sind, die gemessene Beschleunigung wird entsprechend in radialer Richtung abgetragen.
9.1 Subjektive Einflussfaktoren und Ans¨ atze zur Objektivierung
589
Abb. 9.2. Abh¨ angigkeit eines gemessenen Beschleunigungssignals am Schaltsystem von der Einschaltposition Muffe-Kupplungsk¨ orper
• Erstkontakt beim Einspuren Der Ort des Erstkontakts zwischen der Schaltmuffe und dem Kupplungsk¨ orper hat, vgl. Abschnitt 4.4.2, entscheidenden Einfluss auf den weiteren Verlauf des Schaltvorgangs und entscheidet u ¨ber das Auftreten von zweiten Druckpunkten, Kratzen oder einer normalen Komfortschaltung. • Einkuppelgeschwindigkeit Die Einkuppelgeschwindigkeit beim Gangwechsel hat nicht nur Einfluss auf die H¨ ohe des Rucks in Fahrzeugl¨angsrichtung; zu schnelles Einkuppeln kann auch dazu f¨ uhren, dass Druckplatte und Kupplungsscheibe mit einem geringen Achsversatz zueinander verspannt werden; die Folge des umlaufenden Achsversatz ist zwar f¨ ur die Welle als station¨ ares Biegemoment unkritisch, ein eventuell umlaufender Radialschlag kann aber zu Ger¨ auschen f¨ uhren. • Lastzustand Ob ein Getriebe im Zug oder Schub betrieben wird, entscheidet u ¨ber die Richtung der wirkenden Torsionsmomente in den rotierenden Teilen und u achen an spielbehaftet formschl¨ ussig ¨ber die Anlagefl¨ miteinander verbundenen Teilen, z.B. zwischen Schaltmuffe und Kupp-
590
9 Komfortaspekte
lungsk¨orper. Die Anregung von Ger¨ auschen und Schwingungen infolge von Rundlaufabweichungen oder dynamischer Zahnkr¨afte h¨angt also oft auch vom Lastzustand ab, den der Fahrer nicht immer beeinflussen kann. • Wiederholbarkeit von Fahrman¨ overn H¨aufig stellt sich das Problem, dass bestimmte Fahrman¨ over nicht wiederholbar sind; eine als Komfortbeeintr¨achtigung wahrgenommene St¨ orung kann unter Umst¨anden nicht reproduziert werden, um das Ph¨ anomen erkunden und abstellen zu k¨onnen. Als Beispiel hierf¨ ur sei das unregelm¨ aßig auftretende, kreischende Ger¨ausch zu nennen, was nur w¨ ahrend der Einlaufphase von Kupplungen – wenige hundert Kilometer Fahrstrecke – beobachtet wird, vgl. Kirchner et al. [2005]. Neben der eventuellen Zuf¨ alligkeit des Auftretens der Ph¨anomene ist dar¨ uber hinaus deren zutreffende Beschreibung als subjektiver Prozess einzustufen; selbst innerhalb der Fahrzeugindustrie ist die Terminologie oft nicht einheitlich. Aus diesem Grund wird von Tsch¨ ope et al. [2005] ein Ansatz zur Klassifikation von Ger¨ auschen anhand charakteristischer Merkmale pr¨asentiert. Ziel ist, die Vielfalt der unterschiedlichen Beschreibungen eines Ger¨auschs, vgl. Abbildung 9.3, die aufgrund der subjektiven Wahrnehmung unterschiedlicher Personen entstehen, durch die Beschr¨ ankung auf nur zwei Charakteristika des Ger¨auschs einzuengen und vergleichbar zu machen. Ebenso versuchen Liebl et al. [2005], die Wahrnehmung von Ger¨ auschen zu objektivieren. Dabei geht neben dem physischen H¨ orverm¨ ogen – der F¨ahigkeit der Wahrnehmung unterschiedlicher akustischer Frequenzen ab einem bestimmten Schalldruckpegel, vgl. auch Kollmann et al. [2006] – auch die psychische Verfassung des Beurteilenden ein; beide Faktoren zusammen begr¨ unden die starken Streuungen, die selbst bei ge¨ ubten Beurteilern zu erwarten sind. Bei nicht geschulten Personen vervielfacht sich die Streubreite. Ein mehr formal orientierter Ansatz zur Objektivierung wird von Henze & K¨ uc¨ ukay [2005] vorgestellt und eignet sich, wenn Messung und subjektive Beurteilung miteinander korreliert werden sollen. In diesen F¨allen kann man aus den Messungen Indikatoren ableiten, die - unter der Einschr¨ankung auf ge¨ ubte Beurteiler – Aufschluss u ogliche Komfortbeeintr¨achtigungen ¨ber m¨ erwarten lassen. Die Methoden zur Ermittlung quasi-subjektiver Noten sind mittlerweile recht weit entwickelt, so dass basierend auf Messdaten bewertet werden kann. Entsprechend kann man – eine gute Kalibration des Modells vorausgesetzt – auch die Indikatoren, die als wahrscheinliche Einflussfaktoren der Benotung identifiziert wurden, rechnerisch entwickeln, vgl. Anmerkung 10.1. Dylla [2006] schließlich diskutiert die Bewertung des Komfortempfindens am Beispiel des Schaltkomforts; dabei werden vier Teilprozesse beispielhaft angef¨ uhrt, die in Abschnitt 9.4 in die Gesamtbewertung einfließen und in der Summe zur Komfortbeurteilung einer manuellen Schaltung f¨ uhren: • Vorw¨ahlen der Schaltgasse • statischer Schaltvorgang • dynamischer Schaltvorgang
9.2 Schwingungen des Antriebstrangs
591
Abb. 9.3. Katalogisierung von Ger¨ ausch-Ph¨ anomenen durch Zusammenfassung zu Ger¨ auschmustern nach der Tr¨ agerfrequenz der Ger¨ ausche und der Modulation (H¨ aufigkeit) der Einzelereignisse
• Pr¨azision der Schalthebelf¨ uhrung. Jeder dieser Teilprozesse muss dann mit einer Messung oder einer Rechnung hinterlegt sein, um das Einzelkriterium und den Gesamtschaltablauf bewerten zu k¨onnen; auf die vier Punkte wird in Abschnitt 9.4 detailliert eingegangen. Analoge Unterteilungen k¨ onnen auch f¨ ur andere Bedienvorg¨ange und Betriebszust¨ande angebbar.
9.2 Schwingungen des Antriebstrangs F¨ ur die verschiedenen Schwingungsph¨ anomene des Antriebstrangs lassen sich teils Maßnahmen angeben, die im Rahmen der Fahrzeuggetriebe die Ph¨anomene vermeiden k¨ onnen, teils sind aber auch Motor oder Fahrer die Ursache. Zun¨achst wird in Abschnitt 9.2.1 das Kupplungsrupfen besprochen, das schon in Abschnitt 4.1.1 angerissen wurde, und das beim Kuppeln von manuellen Schaltgetrieben angeregt werden kann. Als n¨ achstes wird in Abschnitt 9.2.2 auf das Ruckeln eingegangen; hier stehen die automatischen Getriebe mit Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung im Vordergrund, das Ph¨anomen wird aber auch bei Fahrzeugen mit Doppelkupplungsgetrieben beobachtet. Es schließt sich in Abschnitt 9.2.3 mit den Stoßvorg¨ angen beim Lastwechsel der letzte Punkt an, der mit dem Gang- oder Fahrzustandswechsel verbunden ist. In Abschnitt 9.2.4 wird auf Besonderheiten der Antriebstrangschwingungen f¨ ur Allradfahrzeuge eingegangen; in Abschnitt 9.2.5 schließen sich Ausf¨ uhrungen zur Reduktion der Triebstrangschwingungen in Hybridfahrzeugen an.
592
9 Komfortaspekte
Messtechnische Erfassung und rechnerische Analyse Die messtechnische Erfassung der folgenden Ph¨anomene ist gleichermaßen problematisch, da immer die Relativbewegung von rotierenden Komponenten hochaufgel¨ost zu messen ist. Zur Analyse des Rupfens muss die Relativverdrehung von Prim¨ ar- und Sekund¨ arseite der Kupplung gemessen werden, beim getriebeverursachten Ruckeln die Relativbewegung der Wandlerkomponenten und beim Lastwechselschlag der Anlagewechsel beweglicher Komponenten innerhalb der verf¨ ugbaren Axial-, Radial- und Kippspiele. Die rechnerische Analyse der Schwingungsph¨ anomene des Triebstrangs erfordert i.d.R. den Aufbau eines zweckorientierten Drehschwingungsmodells, vgl. z.B. Laschet [1988] oder K¨ uc¨ ukay [1987], und den intensiven Abgleich zwischen Rechnung und Messung. F¨ ur diesen Zweck ist die Messung am Komponentenpr¨ ufstand sinnvoll, vgl. Abschnitt 10.3.1, mit sehr genauer definierbaren Last- und Betriebsbedingungen als diese im Fahrversuch realisierbar sind. 9.2.1 Rupfen Unter Rupfen werden Schwingungen verstanden, die w¨ahrend der Schlupfphase der Kupplung im Antriebstrang auftreten und im Bereich der Kupplung entstehen. Diese Begriffsbestimmung ist noch allgemein g¨ ultig, denn es werden keine Annahmen u ¨ber die Ursachen der Schwingungen gemacht, vgl. Winkelmann & Harmuth [1985]. Rupfen entsteht, wenn bei einer schlupfenden Kupplung periodische Wechselmomente erzeugt werden, deren Frequenz im Eigenfrequenzbereich des durch die Kupplung nur reibschl¨ ussig angebundenen Antriebstrangs liegen. Die erste Eigenfrequenz von PKW-Antriebstr¨angen liegt unter diesen Bedingungen meist zwischen 8 und 12 Hz und wird bei einer Motordrehzahl von etwa 480 bis 720 u/min mit der ersten Ordnung angeregt; es kommt zur L¨angsschwingung des Fahrzeugs, die vorrangig u ¨ber den Sitz auf den Fahrer u ¨bertragen werden. Dieser empfindet unangenehme Vibrationen und Schwingungen, unter Umst¨ anden in Kombination mit Ger¨auschen. Durch den resonanzartigen Charakter des Ph¨ anomens sind kleine Wechselmomente – hervorgerufen durch z.B. Toleranzen der Kupplungsscheibe innerhalb der vorgegebenen Toleranzbreite – zur Anregung ausreichend. ¨ Ursache des selbsterregten Rupfens ist i.d.R. eine Anderung des Reibwertes in Abh¨angigkeit von der Gleitgeschwindigkeit, Abbildung 9.4 zeigt ein einfaches Ersatzmodell f¨ ur den Mechanismus der Entstehung: Ein K¨orper wird von seiner Gewichtskraft auf ein rauhes Band gedr¨ uckt. Wird das Band in Bewegung gesetzt, nimmt es den K¨ orper aufgrund der Haftreibung mit und lenkt die Feder aus. Ab einer bestimmten Federauslenkung bleibt der K¨orper im Raum stehen, weil die Federkraft der Haftreibung entspricht und zwischen K¨orper und dem laufenden Band tritt eine Relativbewegung auf. Ist nun der Gleitreibwert des Kontaktes niedriger als der Haftreibwert, vgl. Abbildung 9.4.b, sinkt pl¨otzlich die Reibkraft und die Feder zieht den K¨orper solange u ¨ber das Band zur¨ uck, bis wieder Haften auftritt und der K¨orper erneut nach vorne
9.2 Schwingungen des Antriebstrangs
a)
593
b)
Abb. 9.4. Erregung des Rupfens: a) selbsterregtes Rupfen durch geschwindigkeitsabh¨ angiges Verhalten des Reibbelags, µc = µc (∆v), oder fremderregtes Rupfen durch externe Anregung, F = F (t), b) Typen geschwindigkeitsabh¨ angiger Reibwerte und ihr Einfluss auf das Rupfen, µ0c = dµc /d∆v
gezogen wird. Der Vorgang beginnt von vorne – der K¨orper schwingt, physikalisch wird der Effekt des abwechselnden Haftens und Gleitens als stick-slip bezeichnet; demnach ist die abfallende Reibwertkurve in Abbildung 9.4.b Voraussetzung f¨ ur das Rupfen. F¨ ur konstante oder zunehmende Reibwerte des Kupplungsbelags kann sich nach Albers & Herbst [1998] ein station¨arer Gleichgewichtszustand ausbilden und das Rupfen unterbleibt. Eine hohe D¨ampfung im Antriebstrang reduziert die Amplituden beim zwangserregten Rupfen und kann im Fall des Belagrupfens das Ph¨anomen nahezu vollst¨andig beseitigen; da die Antriebstrangd¨ ampfung aber wesentlich auf der Reibung der Komponenten basiert, nimmt mit einer hohen D¨ampfung der Wirkungsgrad ab und der Kraftstoffverbrauch steigt an. Eine weichere Kennlinie der Belagfederung, vgl. Abschnitt 4.1.1, in der Kupplungsscheibe f¨ uhrt bei den immer vorhandenen geometrischen Formabweichungen der Kontaktpartner vom Ideal zu einer geringeren Variation der Anpreßkraft und damit des u ¨bertragenen Drehmomentes und kann so bei gegebenen Geometrieabweichungen die Rupfanregung verringern. Die weichere Kennlinie kann mit R¨ ucksicht auf die geometrischen Verh¨ altnisse und die aufzunehmende Anpreßkraft jedoch nur in Teilbereichen realisiert werden, die Auswirkungen auf das sonstige Systemverhalten der Kupplung m¨ ussen ber¨ ucksichtigt werden. Eine Einengung der Fertigungstoleranzen kann nur die durch geometrische Bauteilabweichungen – im wesentlichen Rundlaufabweichungen – angeregten Schwingungen, vgl. Abbildung 9.4.a, bei steigenden Produktionskosten senken. Dabei kann die Toleranzeinengung das Rupfen nur mildern, aber nicht verhindern, wenn ein Belag mit rupfempfindlicher Qualit¨at – einer abfallenden Reibwertkennlinie in Abbildung 9.4.b – verwendet wird, weil damit nur das zwangserregte, nicht aber das selbsterregte Rupfen reduziert wird. Bei Winkel et al. [2006] werden Maßnahmen zur Vermeidung des Rupfens am Beispiel automatisierter Nutzfahrzeuggetriebe mit trockener Anfahrkupplung gesprochen, ferner wird auf die mit der Automatisierung verbundenen Schwierigkeiten aber auch M¨ oglichkeiten der Problembehebung u ¨ber eine ak-
594
9 Komfortaspekte
tive Kupplungsansteuerung besprochen; f¨ ur eine tiefergehende Analyse des Kupplungsrupfens sei auf Kr¨ uger [2003] verwiesen. Anmerkung 9.1 Der Antriebstrang kann nach Albers & Herbst [1998] auch bei geschlossener Kupplung in einem ¨ ahnlichen Frequenzbereich wie beim tats¨achlichen Rupfen schwingen. Dieses “Pseudo-Rupfen” wird z.B. durch extrem niedertouriges Fahren, defekte Motorlager oder schlagartiges Einkuppeln hervorgerufen und h¨ aufig mit dem eigentlichen Rupfen verwechselt, hat aber andere Ursachen. 2 9.2.2 Ruckeln Das Ruckeln von Fahrzeug und Triebstrang wird bei Handschaltgetrieben vorrangig durch eine falsche Gangwahl hervorgerufen; der Fahrer und ein untertourig laufender Motor sind hier als Ursache des Ph¨anomens zu nennen. Bei Stufenautomaten kann eine nicht optimale Anpassung von Motor und Wandler/Getriebe das Ruckeln verursachen: wenn die Drehzahl des Motors bei ann¨ahernd station¨ arem Betrieb in dem Bereich liegt, in dem die in Abschnitt 5.5.3 besprochene Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung schließt bzw. ¨offnet, kann es zum Ruckeln kommen. Schließt die Wandler¨ uberbr¨ uckung bei niedrigeren Drehzahlen, steht gerade bei aufgeladenen Dieselmotoren aufgrund der niedrigen Drehzahl noch nicht das gesamte Motormoment zur Verf¨ ugung, die Anregung von Brummger¨ auschen ist m¨oglich. Wird die Wandler¨ uberbr¨ uckung sp¨ ater geschlossen, f¨ uhrt dies infolge des vergr¨oßerten Wandlungsbereich zu einem schlechteren Wirkungsgrad, zudem kann der Verlauf von Motor- und Getriebeger¨ ausch beim Beschleunigen als Gummibandeffekt beanstandet werden. Bei Ottomotoren kann die Wandler¨ uberbr¨ uckung fr¨ uher geschlossen werden, da im niedrigen Drehzahlbereich kein Turboloch zu kompensieren ist. Als Maßnahmen zur Vermeidung des Ruckelns steht also bei manuellen Getrieben lediglich die Abstimmung der Triebstrangdrehsteifigkeit zur Beeinflussung der Ruckelfrequenz zur Verf¨ ugung; bei Wandlergetrieben bietet ferner die Kalibierung der Getriebeschaltpunkte und der Wandler¨ uberbr¨ uckung M¨oglichkeiten zu Vermeidung des Ruckelns. Anmerkung 9.2 Generell ist es bei Fahrzeugen mit geregelten Kupplungen m¨oglich – wie in Abschnitt 9.2.1 bereits angerissen – die beiden Ph¨anomene Ruckeln und Rupfen u ¨ber eine entsprechende Druckregelung der Kupplung zu reduzieren; beim Rupfen muss dabei die Kombination von Kupplungsbelag ¨ trotzdem so abgestimmt werden, dass der Gradient des Reibwertes und Ol n¨aherungsweise gr¨ oßer oder zumindest gleich Null ist, vgl. Abbildung 9.4.b. Auch bei Doppelkupplungsgetrieben kann es zu Schwingungen im Triebstrang kommen, z.B. bei Berganfahrten; hier kann man die Schwingungen u ¨ber den Kupplungsdruck ausregeln. 2
9.2 Schwingungen des Antriebstrangs
a)
595
b)
Abb. 9.5. a) Starter-Generator Konzept DynaStart von ZF Sachs, b) Integriertes Anlasser-Generator-D¨ ampfer System ISAD (Integrated Starter Alternator Damper) von Continental Teves
Komfortsteigerung durch Kurbelwellengeneratoren Kurbelwellengeneratoren k¨ onnen vor allem bei Micro- oder Mild-Hybridfahrzeugen, die u ugen, vgl. Abschnitt 8.1, ¨ber mindestens zwei Antriebssysteme verf¨ durch ihr h¨oheres Drehmoment und die h¨ oheren Drehzahlen verglichen mit konventionellen Anlassern das Anfahren und Starten des Verbrennungsmotors deutlich komfortabler gestalten. Beim konventionellen Anlasser wird der Motor nur auf ca. 200 u/min, d.h. etwa 25% der normalen Motordrehzahl im Leerlauf beschleunigt und der Motor muss die restlichen 75% der Beschleunigung auf Leerlaufdrehzahl selbst erbringen, was meist mit einer Anfettung des Gemisches und demzufolge einem Mehrverbrauch verbunden ist. Die unzureichende Drehzahl hat einen unruhigen Motorlauf mit starken, f¨ ur den Fahrer deutlich sp¨ urbaren Vibrationen f¨ ur ca. 2 Sekunden zu Folge. Die deutlich st¨arker ausgelegten Kurbelwellengeneratoren bei Micro- oder Mild-Hybridfahrzeugen k¨ onnen den Motor in nur 0,2 Sekunden auf die volle Leerlaufdrehzahl beschleunigen, was einen deutlichen Komfortgewinn f¨ ur die Insassen erm¨oglicht. Das Ruckeln beim Starten wird v¨ollig eliminiert und die auftretenden Vibrationen sind geringer als im Leerlauf. Durch die zus¨atzliche Bauraumanforderung im Bereich der konventionellen Kupplung, vgl. Abbildung 9.5, werden jedoch neue Konzepte f¨ ur Kupplung und Schwungrad notwendig, die die Kombination von Generatorkomponenten mit den Massen des Schwungrades erlauben, vgl. Abschnitt 4.1.1. 9.2.3 Lastwechselst¨ oße und -ger¨ ausche Bei den Lastwechselreaktionen ist zu differenzieren zwischen denen, die vom Getriebe beeinflusst werden und denen, die unabh¨angig vom Fahrzeuggetriebe
596
9 Komfortaspekte
und seiner Funktionsweise sind. Alle mit der Fahrzeugl¨angsdynamik verbundenen Aspekte wie etwa Nickbewegungen sind vom Getriebe weitgehend un¨ abh¨angig und werden im wesentlichen durch Gasst¨oße – rasche Anderungen der Fahrpedalstellung – hervorgerufen. Innerhalb der Systemgrenzen dieses Buches sind neben der Schalthebelbewegung beim Lastwechsel – die in Abschnitt 9.3.1 besprochen werden – die Ger¨ ausche beeinflussbar, die durch Spielumschlag von Losteilen hervorgerufen werden. Beim Wechsel der Lastrichtung kommt es zum Drehmomentenstoß im Triebstrang, der h¨orbare Schwingungen anregen kann; der prinzipielle Charakter der Triebstrangschwingungen ist in Abbildung 3.23 erkennbar, nach dem pl¨ otzlichen Einkuppeln dominieren zun¨achst die ersten Eigenformen des Triebstrangs3 mit etwa 10 Hz. Eines der bekanntesten Ph¨ anomene ist das Umschlagger¨ausch beim Einlegen des R¨ uckw¨artsganges beim Rangieren eines noch langsam vorw¨arts rollenden Fahrzeugs; Voraussetzung ist hierbei ein synchronisierter R¨ uckw¨artsgang. Durch den Momentenstoß beim Synchronisieren zur Drehrichtungsumkehr der Prim¨arseite kann es zum schnellen Anlagewechsel des R¨ uckw¨artsgangLosrades und damit zum so genannten Clonk kommen, vgl. Laschet [2004]. Die konstruktiven Maßnahmen zur Vermeidung des Ph¨anomens sind recht begrenzt, eine Spieleinengung oder -aufweitung scheidet oft aus Gr¨ unden der Funktionsf¨ahigkeit von Synchronisation und Verzahnung aus, bez¨ uglich des Einbringens von D¨ ampfung in den Triebstrang gelten die Ausf¨ uhrungen aus Abschnitt 9.2.1 auch hier. Denkbar ist – entsprechende konstruktive M¨oglichkeiten im Bereich der inneren Schaltung, vgl. Abschnitt 4.5.2, vorausgesetzt – ein leichtes Ansynchronisieren eines anderen Ganges beim W¨ahlen in die R¨ uckw¨artsganggasse der Schaltung. Durch dieses kurze Ansynchronisieren kann u.U. erreicht werden, dass die Losteile, die das Clonk verursachen, durch Verlustmomente und Eigentr¨ agheit in Richtung der Anlagefl¨achen beim Drehrichtungswechsel der Getriebeeingangsseite verschoben werden; der Stoß beim Einlegen des R¨ uckw¨ artsganges bei rollendem Fahrzeug und damit das ClonkGer¨ausch wird reduziert. 9.2.4 Schwingungs- und Ger¨ auschverhalten von Allradsystemen Die gr¨oßere Anzahl an Bauteilen des Antriebstranges von Allradfahrzeugen im Vergleich zu Fahrzeugen mit nur einer angetriebenen Achse, vgl. Abschnitt 6.3, verursacht durch die zus¨ atzlichen spielbehafteten Freiheitsgrade der gr¨oßeren Drehschwingungskette zus¨ atzliche Herausforderungen auf dem Weg zum ger¨auscharmen und komfortablen Fahrzeug. Hinzu kommt, dass die bei der Derivatentwicklung – ein 2 × 4 PKW wird zu einem 4 × 4 – in ¨ vielen F¨allen notwendigen Anderungen an der Fahrzeugstruktur, am Fahrwerk und an der Abgasanlage meist mit einer Verminderung des Akustik- und 3
Die sp¨ ater in Abbildung 3.23 einsetzenden vergleichsweise hochfrequenten Schwingungen sind auf die Schwankungen der Motorgrunddrehzahl zur¨ uckzuf¨ uhren.
9.3 Zugkraftunterbrechung und Lastwechsel
597
Schwingungskomforts einhergehen. Das Schwingungsverhalten der Einzelbauteile des Antriebstranges – z.B. Getriebeeinheiten inkl. Sperren, Antriebswellen, Lamellenkupplungen – kann beispielsweise durch stick-slip Effekte infolge geschwindigkeitsabh¨ angiger Reibwerte, vgl. Abbildung 9.4.b, bei Lamelleneinheiten und Torsen-Systemen, aber auch durch verspannte Differentiale negativ beeinflusst werden. Eine Abhilfe kann hier nach Braess & Seiffert [2005] ¨ bzw. Lamellenausf¨ durch spezielle Ole uhrungen in den Leistungsverteilungskomponenten mit spezieller Oberfl¨ achenqualit¨at erreicht werden. Weiterhin beeinflusst das dynamische Verhalten des Antriebstrang durch die Wirkkette von Torsionsschwingungen, Biegeschwingungen, K¨orperschalltransfer und Ger¨auschabstrahlung durch die erh¨ ohte Anzahl an Aggregatlagerstellen die Ger¨ausch¨ ubertragungspfade in den Fahrzeuginnenraum. Sehr kritisch sind die vermehrten Lastwechselschl¨ age aufgrund m¨oglicher Bewegungen der Abst¨ utzelemente zu sehen. Diesen begegnet man mit einer geeigenten Abstimmung der Aggregate- und Achslagerungen und durch gezielte Auslegung des Motormanagements, um abrupte Antriebsmomentenst¨oße zu gl¨atten. Auch gezielt eingesetzte Reibelemente oder Momentenbegrenzer, vgl. auch Seite 145, bringen Abhilfe. Fragen, die in Verbindung mit dem allgemeinen Fahrkomfort von Allradfahrzeugen zu beachten sind, werden bei Stockmar [2004] besprochen. 9.2.5 M¨ ogliche Schwingungstilgung beim Hybridantrieb Neben dem Leistungszuwachs kann bei einem Hybridfahrzeug der Elektromotor auch als Schwingungstilger eingesetzt werden, vgl. Abbildung 9.6. Dazu muss vom Elektromotor ein Wechselmoment mit korrekter Frequenz und Phasenlage geregelt eingespeist werden, welches die von den Massenkr¨aften verursachten Drehungleichf¨ ormigkeiten des Verbrennungsmotors wirksam kompensiert. Durch diese Komfortsteigerung kann der Verbrennungsmotor auf Verbrauch und Emissionen ausgelegt werden, da die Komfortregelung der Elektromotor u ¨bernimmt. Dadurch werden verbrauchs- und emissionsintensive Maßnahmen zur Reduktion der Drehungleichf¨ormigkeiten des Verbrennungsmotors reduziert. Es k¨ onnen zum Beispiel auch kleiner bzw. einfachere Motoren mit 2 bzw. 4 Zylindern verwendet werden, ohne auf den ruhigen Lauf der mehrzylindrigen 4 bzw. 6 zylinderigen Motoren zu verzichten.
9.3 Zugkraftunterbrechung und Lastwechsel W¨ahrend des Gangwechsels kommt es bei den konventionellen manuellen Schaltgetrieben und deren automatisierten Derivaten zur Unterbrechung der Leistungs¨ ubertragung an die R¨ ader und somit zu einer Unterbrechung der Zugkraft; die stufenlosen Getriebekonzepte umgehen diesen Nachteil durch
598
9 Komfortaspekte
Abb. 9.6. Kompensation von Drehungleichf¨ ormigkeiten des Verbrennungsmotors beim Hybridantrieb durch geregelte Kompensationsmomente des Elektromotors
¨ die M¨oglichkeit zur kontinuierlichen Verstellung der Ubersetzung, vgl. Abschnitt 2.7.4 und 5.7. Die Doppelkupplungsgetriebe und die klassischen Stufenautomaten k¨onnen durch den geregelten Wechsel des Leistungspfades die wahrnehmbare Zugkraftunterbrechung fast vollst¨andig reduzieren; hier werden also mit Schwerpunkt auf die Handschaltgetriebe und deren Derivate Maßnahmen zur Reduktion der Zugkraftunterbrechung besprochen. 9.3.1 Wesen von Zugkraftunterbrechung und Lastwechsel Qualitativ ist die Fahrzeugbeschleunigung w¨ ahrend des Schaltvorgangs in Abbildung 9.7 gezeigt; die abfallende Flanke vor und die ansteigende Flanke nach der eingezeichneten Zugkraftunterbrechung kennzeichnen das Aus- und Einkuppeln. Erfolgt der Anstieg der Beschleunigung nach dem Schaltvorgang zu rasch, wird dies als Ruck empfunden und unter Umst¨anden negativ bewertet ¨ oder aber f¨ ur ein sportliches Fahrverhalten explizit gew¨ unscht; die Uberg¨ ange nach beiden Seiten hin sind unscharf. Der kleine Bereich einer positiven Beschleunigung w¨ahrend der eigentlichen Zugkraftunterbrechung resultiert bei Aufschaltungen aus der Verz¨ogerung der Prim¨arseite der Synchronisation mit der drehfest verbundenen Sekund¨arseite der Anfahrkupplung; der Drehimpuls der Getriebeeingangsseite bleibt beim
9.3 Zugkraftunterbrechung und Lastwechsel
599
Abb. 9.7. Fahrzeugbeschleinigung w¨ ahrend einer Aufschaltung
Synchronisieren in etwa erhalten und f¨ uhrt so zu einer leichten Beschleunigung des Triebstrangs und des Fahrzeugs. Bei rein manuell bet¨atigten Getrieben besteht – außer Maßnahmen zur Steigerung der Leistungsf¨ahigkeit der Synchronisation und zur Absenkung der Tr¨ agheiten der zu beschleunigenden oder abzubremsenden Massen zum Erreichen einer kurzen Synchronzeit – fast keine M¨oglichkeit, die Dauer der Zugkraftunterbrechung zu reduzieren. ¨ Weiterhin kann beim Lastwechsel der Ruck – die zeitliche Anderung der Beschleunigung – als st¨ orend bewertet werden; hier ist der Ansatzpunkt f¨ ur Komfortoptimierungsmaßnahmen h¨ aufig die Motorsteuerung, die u ¨ber die m¨ogliche Motordynamik4 beim Tip-In und Let-Off den Ruck beeinflusst. Schließlich kann es infolge des Anlagewechsels im Getriebe beim Wechsel vom Schub- in den Zug-Zustand oder umgekehrt zu einer sichtbaren Bewegung des Schalthebels kommen. Die Bewegung der Schaltmuffe beim Lastwechsel kann bei nicht ausreichender Rastierung der Muffe bzw. des Schaltsystems bis zum Schalthebelknauf u ¨bertragen werden und so vom Fahrer wahrgenommen werden; i.d.R. ist eine exakte Positionierung des Handschalthebels auch beim Lastwechsel sicherzustellen. Ein Anstieg der Schalthebelbewegungen beim Lastwechsel mit der Fahrzeuglaufleistung kann ein Indiz f¨ ur (starken) Verschleiß der Synchronbel¨ age und der damit verbundenen Spielzunahme sein, vgl. Abschnitt 4.4.5 insbesondere Seite 240. 9.3.2 Schaltkomfort automatisierter Schaltgetriebe – Reduktion der Zugkraftunterbrechungszeit Die Dauer der Zugkraftunterbrechung beim automatisierten Wechsel der Gangstufen bei Getriebekonzepten entsprechend Abschnitt 2.7.1 bzw. 5.2 wird h¨aufig ebenfalls als Schaltkomfort bezeichnet. Durch die fehlende Vorbereitung 4
¨ Schnelles Anderungen der Fahrpedalstellungen werden als Tip-In (Gas geben) und Let-Off (Gas wegnehmen) bezeichnet.
600
9 Komfortaspekte
Abb. 9.8. Zeitverlauf der Momentennachf¨ uhrung
des Fahrers auf den Schaltvorgang durch das aktive Kuppeln ist dieser physiologisch weniger gut in der Lage, den Ruck und die Zugkraftunterbrechung muskul¨ar abzust¨ utzen; es kommt zur Nickbewegung des Fahrerkopfes. ¨ Die zeitliche Anderung der Beschleunigung a ergibt wie zuvor erw¨ahnt den Ruck, r(t) = da/dt. l¨ asst sich die zeitliche Abh¨angigkeit der Beschleunigung a(t) n¨aherungsweise wie in Abbildung 9.7 mit der roten gestrichelten Linie 2 skizziert, als quadratisches Polynom der Form a(t) ≈ c · (t − t0 ) beschreiben, ¨ dann nimmt die zeitliche Anderung des Rucks dr/dt = 2 · c einen konstanten Wert w¨ahrend des Gangwechsels an, was prinzipiell vom Fahrer subjektiv besser bewertet wird. Haben Ein- und Auskuppelflanke betragsm¨aßig stark unterschiedliche Flankensteigungen, dann gilt die quadratische Approximati¨ on nicht mehr und die zeitliche Anderung des Rucks variiert unter Umst¨anden stark w¨ahrend des Gangwechsels; die Beurteilung wird schlechter. Die Dauer des Gangwechsels und damit der Zugkraftunterbrechung, vgl. Abbildung 9.7, h¨angt neben der Abstimmung des Eingriffs in die Motorsteuerung sehr eng mit den Kuppel- und Schaltzeiten zusammen; eine selbstnachstellende Kupplung f¨ uhrt mit einer u ¨ber die Druckregelung des Kupplungsaktuators realisierten Momentennachf¨ uhrung, vgl. Abbildung 9.8, zu einer Reduktion der Kuppelzeiten. Dar¨ uber hinaus lassen sich f¨ ur eine komfortable Abstimmung gleiche Steigungen f¨ ur Ein- und Auskuppelvorgang u ¨ber die Kupplungsregelung approximieren, um das Komfortempfinden zu steigern. Wenn das Kupplungsmoment mit einer gegebenen Sicherheit immer nur knapp ¨ u ¨ber dem Motormoment liegt, vgl. (4.5), ist der Weg bzw. die Zeit zum Offnen der Kupplung bei einer in Abh¨ angigkeit vom momentanen Motormoment geregelten Kupplungsaktuatorik deutlich geringer als beim konventionellen Ablauf, bei dem die Kupplung immer ihr maximales Moment u ¨bertr¨agt, vgl. Abbildung 9.9. Das restliche Auskuppeln bei Momentennachf¨ uhrung kann dann sehr schnell erfolgen. Diese Reduzierung der Kuppelzeit und damit auch die Absenkung der f¨ ur den Gangwechsel notwendigen Zeit f¨ uhrt zu einer Steigerung des Komfortempfindens im Vergleich zu anderen Systemen mit Zugkraft-
9.3 Zugkraftunterbrechung und Lastwechsel
601
Abb. 9.9. Schaltvorgang beim automatisierten Schaltgetriebe: a) ohne Momentennachf¨ uhrung, b) mit Momentennachf¨ uhrung
unterbrechung. Zur Reduzierung der Schaltzeit tragen auch Rastierelemente im Schaltaktuator bei, die gezielt freie Kr¨ afte zur Verk¨ urzung der Freiflugphase der Schaltmuffe zur Verf¨ ugung zu stellen, vgl. auch Abschnitt 4.4.2. Die Momentennachf¨ uhrung erm¨ oglicht auch die D¨ampfung niederfrequenter Lastwechsel- oder Ruckelschwingungen durch kurze Kupplungsschlupfphasen. Dabei bleibt das u ¨bertragene Kupplungsmoment kurzzeitig hinter dem anliegenden Motormoment zur¨ uck. In Abbildung 9.9 sind derartige Situationen gezeigt, wo im Bereich t ≈ 6 sec. das Motormoment kurzzeitig zu einem Rutschen der automatisierten Kupplung f¨ uhrt. 9.3.3 Doppelr¨ uckschaltungen bei Doppelkupplungsgetrieben W¨ahrend bei den in Abschnitt 5.3 besprochenen Doppelkupplungsgetrieben die einfachen Schaltungen um eine Stufe zugkraftunterbrechungsfrei abl¨auft, sind Doppel- bzw. allgemeine Mehrfachr¨ uckschaltungen ohne sp¨ urbare Zugkraftunterbrechung regelungstechnisch anspruchsvoller. Mehrfachr¨ uckschaltungen treten im Kick-Down Modus auf, wenn die Motor- und Getriebesteuerung einen hohen zeitlichen Gradienten der Fahrpedalstellung und Beschleunigungswunsch erkennen. W¨ urde einfach z.B. aus Gang 6 nach 4 geschaltet, w¨ urde die Zugkraft unterbrochen, weil Ausgangs- und Zielgang auf der gleichen Kupplung liegen; eine – wenn auch nur kurze – Zeit lang m¨ usste der Triebstrang ge¨ offnet werden und es k¨ onnte w¨ahrend dieser Zeit nicht beschleunigt werden. Die Folge w¨ are beim Einsetzen des Motormoments im Zielgang ein starker Ruck und damit eventuell eine Komfortbeeintr¨achtigung; man spricht dann von einer ASG-Schaltung, vgl. Abbildung 9.9. Altenativ ist eine Doppelr¨ uckschaltung m¨ oglich, bei der w¨ahrend der Zeit des Gang Aus- und wieder Einlegens des Ausgangs- und Ziel-Teilgetriebes der zwischenliegende Gang den Momentenfluss abst¨ utzt, der Arbeitsdruck der
602
9 Komfortaspekte
Abb. 9.10. Zus¨ atzliche Beschleunigung w¨ ahrend des Gangwechsels bei Hybridfahrzeugen mit automatisiertem Schaltgetriebe
“¨ ubersprungenen” Kupplung wird nur auf etwa ein Viertel bis ein Drittel des Normalen geregelt. Dies f¨ uhrt streng genommen zu einer schnellen doppelten Einfach-R¨ uckschaltung mit nur teilweiser Belastung des Zwischenganges; es kommt zu einem Zugkrafteinbruch aber nicht zur Unterbrechung. 9.3.4 Reduktion der Zugkraftunterbrechung bei Hybridkonzepten Hybride Antriebe bieten weitere M¨ oglichkeiten, die bei automatisierten Schaltgetrieben oft kritisierte Zugkraftunterbrechung und das daraus resultierende Schaltnicken zu reduzieren oder nahezu vollst¨ andig zu vermeiden, vgl. Abbildung 9.10. Durch eine entsprechende Regelung kann der Elektromotor f¨ ur die Zeit der Zugkraftunterbrechung w¨ ahrend des Gangwechsels im verbrennungsmotorisch angetriebenen Teil des Antriebstranges bei parallelen oder kombinierten Hybridkonzepten, vgl. Abschnitt 8.1.2 und Abbildung 8.4, f¨ ur die Dauer von ca. 0.5 - 5 Sekunden den Antrieb komplett u ¨bernehmen. W¨ahrend der oft als zu lange empfundenen Schaltpausen kann der elektrische Antrieb auch kurzfristig u ucke zu schließen. Der hieraus ¨berlastet werden, um die Zugkraftl¨ resultierende Leistungsschub kann die empfundenen Schaltpausen verk¨ urzen oder verschwinden lassen, je nach Gr¨ oße und Anteil des elektrischen Antriebes, vgl. Abbildung 8.9. Dies bietet die M¨ oglichkeit, in Hybridfahrzeugen die leichteren und kosteng¨ unstigeren automatisierten Schaltgetriebe ohne wesentlichen Komfortverlust gegen¨ uber den Automatikgetrieben zu nutzen. Versuche haben gezeigt, dass die oft kritisierte Zugkraftunterbrechung bei Kleinwagen durch den Einsatz dieser Technologien erfolgreich minimiert werden, bei Starter-
9.4 Schaltkomfort
603
Abb. 9.11. Streuung des gemessenen Kraft-Weg-Verlaufs f¨ ur ein 6-Ganggetriebe
Generator-Konzepten als Micro-Hybrid ist der elektrische Teilantrieb f¨ ur die ¨ Uberbr¨ uckung der Zugkraftl¨ ucke nicht ausreichend dimensioniert.
9.4 Schaltkomfort Dieser Abschnitt geht nun auf den Schaltkomfort – die Definition relevanter Kenngr¨oßen sowie Maßnahmen zur Analyse und Optimierung des Schaltungsablaufs – ein. Dieser ist f¨ ur den Kunden als direkt am Handschalthebel f¨ uhlbare Gr¨oße entscheidend f¨ ur die Beurteilung eines Getriebes. Ausgeklammert werden hier die konventionellen Stufenautomaten: Durch den Wegfall des Synchronisationsablaufs und den reinen Wechsel des Leistungspfades ¨ ¨ durch das geregelte Uberblenden reibschl¨ ussiger Ubertragungselemente ist der Schaltkomfort hier fast vollst¨ andig auf die Abstimmung der Schaltpunkte, vgl. B¨ ohl & K¨ uc¨ ukay [2004], zu beschr¨ anken. Hinzu kommt h¨aufig die Forderung nach einem m¨ oglichst stetigen Beschleunigungsverlauf5 w¨ahrend des Fahrstufenwechsels, was eine entsprechenden Kommunikation zwischen Motor und Getriebe und eine pr¨ azise Regelung der Schaltelemente erfordert, vgl. Abschnitte 5.1 und 5.4.1. F¨ ur die automatisierten Schaltgetriebe wird der Begriff des Schaltkomfort h¨ aufig f¨ ur die Vermeidung der Zugkraftunterbrechung w¨ahrend des Gangwechsels verwendet, vgl. Abschnitt 9.3.2. Generelle Beobachtungen Zwei wesentliche Punkte sollen einf¨ uhrend besprochen werden, die sehr anschaulich die Schwierigkeiten bei der Abstimmung des Schaltkomforts f¨ ur ein Handschaltbetriebe verdeutlichen. Zun¨ achst ist an Hand von Abbildung 9.11 ersichtlich, dass selbst f¨ ur ein und dasselbe Getriebe bei mehrfach wiederholten Schaltungen die mess- und f¨ uhlbaren Kr¨afte entlang des Schaltweges 5
Die Ausf¨ uhrungen aus Abschnitt 9.3.2, vgl. Seite 600, gelten hier entsprechend.
604
a)
9 Komfortaspekte
b) Abb. 9.12. Vergleich der Schaltkraftverl¨ aufe bei a) 1-2 und b) 2-3 Schaltung
deutlich streuen; das Verhalten des Systems in Abbildung 9.11 ist in dieser Hinsicht noch als stabil zu bezeichnen, die Messungen wurden unter sehr gut reproduzierbaren Bedingungen am Pr¨ ufstand durchgef¨ uhrt. In Abschnitt 4.4.2 wurde darauf hingewiesen, dass es beim Erstkontakt zwischen der Schaltmuffe und der Kupplungsverzahnung des Zielganges drei m¨ogliche Kombination von Kontaktbereichen gibt; in Abschnitt 9.1 wurde die Abh¨angigkeit des Verhaltens der Synchronisation von der Einschaltposition besprochen. Beide Faktoren f¨ uhren dazu, dass die Verh¨ altnisse beim Schalten im realen Fahrbetrieb stark streuen, selbst bei einem einzigen Getriebe auf einem Funktionspr¨ ufstand nach Abschnitt 10.3.1. Hinzu kommt, vgl. Abbildung 9.12, dass sich die verschiedenen Gangwechsel eines Getriebes aufgrund der u.U. unterschiedlichen Synchronisationen, der unterschiedlichen Tr¨ agheiten und eventuell zus¨ atzlich verschiedener Steifigkeiten der Bet¨atigungselemente der inneren Schaltung sowie der unterschiedlichen Drehzahlverh¨ altnisse ebenfalls voneinander differenzieren. Schaltkomfort bedeutet also die Betrachtung aller u ¨blichen Gangwechsel zwischen benachbarten G¨angen und die Sicherstellung bestimmter Eigenschaften des Schaltablaufs auch unter Einbeziehung der Produkttoleranzen. Die Schwierigkeit besteht also in der Sicherstellung eines m¨ oglichst homogenen Schaltablaufs u ber alle G¨ a nge hinweg unter Ber¨ u cksichtigung der Alterung der Komponen¨ ten und der Produktionsstreuungen. Dar¨ uber hinaus werden die Getriebe als Baugruppe in unterschiedlichen Fahrzeugen mit unterschiedlichen Schalthebelpositionen, vgl. Abbildung 4.97, oder Bet¨ atigungskonzepten – Stange nach Abbildung 4.101 oder Seilzug nach Abbildung 4.103 – eingesetzt, die sich hinsichtlich ihrer Kinematik und Steifigkeit noch zus¨atzlich unterschiedlich verhalten.
9.4 Schaltkomfort
605
9.4.1 Begriffskl¨ arung und relevante Kenngr¨ oßen In Abschnitt 9.1 wurde festgestellt, dass sich das subjektive Empfinden der Schaltung bzw. genauer der Kraft-Weg-Verh¨ altnisse beim Schalten und W¨ahlen in vier Teilaspekte gliedert. Neben der allgemeinen Pr¨azision – Spielfreiheit und gute F¨ uhrung durch z.B. Kulissen wie in Abbildung 4.112 – und Leichtg¨angigkeit – geringe Reibung und Selbstr¨ uckstellung in Neutralposition – der Schaltung sind dabei die Verh¨ altnisse beim W¨ahl- und Schaltvorgang f¨ ur den Kunden relevant. Zun¨ achst ist der Verlauf der W¨ahlkraft u ¨ber dem W¨ahlweg, vgl. Abbildung 4.94.b und 4.96, so zu gestalten, dass dem Kunden ein pr¨azises Gef¨ uhl daf¨ ur vermittelt wird, ob die gew¨ unschte Schaltgasse – 1-2 oder 3-4 oder 5-R beim Schaltbild nach Abbildung 4.94 – erreicht ist. Dazu wird z.B. im Handschalthebel wie in Abbildung 4.107 gezeigt eine Schenkelfeder appliziert und zus¨ atzlich eine Rastierung f¨ ur die W¨ahlbewegung im Bereich der getriebeinternen Schaltung, vgl. Abbildung 4.112. Wird die Gasse erreicht, h¨alt die Kulisse die Schaltwelle f¨ ur die anstehende Schaltbewegung in der gew¨ unschten Bahn; gleichzeitig erh¨ alt der Kunde u ¨ber den beginnenden Anstieg der W¨ahlkraft durch die W¨ ahlrastierung eine R¨ uckmeldung, dass die Gasse erreicht ist. Wichtig ist bei der Auslegung, dass die Rastierelemente die Reibung im System u ¨berwinden und der Schalthebel alleine in die Neutralstellung – i.d.R. die Gasse zwischen drittem und viertem Gang – zur¨ uckstellt. Der eigentliche Ablauf der Schaltung wird zu einem großen Teil von statischen Kr¨aften bestimmt, d.h. von Reaktionskr¨aften aus den Rastierelementen und der Vorsynchronisierung. Empfunden wird der statische Schaltablauf bei stehendem Getriebe, damit ist er als “Show-Room-Effekt” oft f¨ ur die Kaufentscheidung eines Kunden mit verantwortlich. Entscheidend sind jedoch die dynamischen Effekte, die sich aufgrund der Relativbewegung der zu synchronisierenden Komponenten ergeben. Bei der Schaltung im Stillstand erfolgt bei der ersten Einschaltung eines Ganges die Ausrichtung der leistungs¨ ubertragenden Komponenten – der Schaltmuffe und der Kupplungsverzahnung, vgl. Abbildung 4.83 – und beim zweiten Einschalten kann der Formschluss ohne ein Relativverdrehen von Synchronring und Schiebemuffe erfolgen6 ; dann ¨ sind nur noch die Rastierkr¨ afte f¨ ur den Bediener f¨ uhlbar. Die Uberpr¨ ufung der Abstimmung der Rastierelemente kann bei hinreichender Kenntnis der Reibbedingungen der einzelnen Komponenten rechnerisch erfolgen; die Schwierigkeiten beschr¨anken sich dabei h¨ aufig auf die korrekte Abbildung der Reibung an innerer und ¨außerer Schaltung, vgl. Abschnitt 4.5. Wird die Schaltung bei asynchron drehender Prim¨ar- und Sekund¨arseite der Synchronisation bet¨ atigt, kommen zus¨ atzlich dynamische Einfl¨ usse hinzu; diese sind – wie zuvor beschrieben – stark stochastischer Natur. Je nach H¨ohe der Synchronkraft FS wird f¨ ur das Synchronisieren bis zum Erreichen des Gleichlaufs eine bestimmte Zeit tS ben¨ otigt, die Synchronisierdauer, vgl. Ab6
Dazu kann es notwendig sein, beim ersten Einlegen eines Ganges die Kupplungs zu bet¨ atigen, um eine Relativverdrehung der Getriebeeingansseite zu erm¨ oglichen.
606
9 Komfortaspekte
Abb. 9.13. Zur Definition des Schaltimpuls und weiterer Komfortkenngr¨ oßen (Erl¨ auterungen der Symbole im Text)
bildung 9.13. Zum Synchronisieren einer vorgegebenen Drehzahldifferenz ist nun stets eine bestimmte Menge kinetischer Energie aufzuwenden oder abzuf¨ uhren; bei einer konstanten Synchronkraft zum Aufbau des Synchronmomentes nach (4.68) besteht somit ein antiproportionaler Zusammenhang zwischen der aufgewendeten Kraft FS und der ben¨ otigten Zeit tS zum Synchronisieren; Abbildung 9.14 stellt die entsprechende Hyperbel dar. Die Formparameter der Hyperbel sind nach Dylla [2006] kennzeichnend f¨ ur eine Synchronisation und erm¨ oglichen die Absch¨ atzung der erzielbaren Synchronzeiten in Abh¨angigkeit von der am Synchronpaket angreifenden Axialkraft. Dabei ist der Synchronisierimpuls IS ein erster Indikator f¨ ur den Schaltkomfort, Z tS IS = FS dt . (9.1) t0
Anschaulich l¨asst sich die entsprechende Forderung f¨ ur eine Komfortverbesserung, vgl. Tabelle 9.1, als Minimierung der Fl¨ ache unter der Kraft-Zeit-Kurve im Schaltkraftdiagramm Abbildung 9.13 deuten, die dem Synchronimpuls IS nach (9.1) entspricht. Es ist offensichtlich, dass die aus (9.1) ableitbare Forderung an die Konstruktion die Maximierung des Konusmoments – des Beschleunigungsverm¨ ogens der Synchronisation bei gegebener Tr¨agheit der Getriebeeingangsseite – nach (4.68) bzw. (4.69) impliziert. Ist der Gleichlauf erreicht und das Sperrmoment zusammengebrochen, vgl. Abschnitt 4.4.3, so folgen die Phasen des Freiflugs und des Einspurens: Phasen 5 und 6 nach Abschnitt 4.4.2. Die auf Seite 225 beschrieben F¨alle f¨ ur den m¨oglichen Erstkontakt zwischen Schiebemuffe und Kupplungsverzahnung entscheiden nun, ob die Schaltmuffe glatt ohne eine nennenswerte Einspurkraft FE den Formschluss herstellen kann oder ob aufgrund einer oder mehrerer Zur¨ uckweisungen insgesamt n Kraftspitzen messbar sind und f¨ uhlbar sein k¨onnen, vgl. Abbildung 9.13 und Tabelle 9.1. In Analogie zu (9.1) wird nun
9.4 Schaltkomfort
607
Tabelle 9.1. Kriterien f¨ ur die Optimierung des Schaltkomfort Kriterium zur Minimierung Bezeichnung Einheit Zeit bis zum Abschluss der Synchronisation (Entsperren) tS s Zeit bis zum Formschluss tE s Anzahl der Kraftspitzen beim Einspuren n – Maximale Synchronisierkraft FS,max N Synchronisierimpuls IS Ns Einspurimpuls IE Ns Verh¨ altnis Einspurkraft zu Synchronisierkraft ΞS –
Abb. 9.14. Schaltkrafthyperbel (Aus Dylla [2006])
der Einspurimpuls IE definiert, der ebenfalls – wie auch die Anzahl der Kraftspitzen n – zu minimieren ist, Z tE IE = FH dt . tS
Auch hier ist die anschauliche Interpretation des Einspurimpuls als Fl¨ache in Abbildung 9.13 m¨ oglich. Solange das Verh¨ altnis ΞS der Einspurkraft FE zur maximalen Synchronisierkraft FS,max klein ist, ΞS =
FE / 0, 8 , FS,max
(9.2)
und die Zahl der Kraftspitzen ebenfalls klein, n = 1, wird der Verlauf der Schaltkraft als gut bewertet werden. Ist das Verh¨altnis der Kr¨afte ΞS ≈ 1 und n ≤ 2, wird meist ein hoher zweiter Druckpunkt beanstandet aber kein so genanntes Kratzen. Von Kratzen spricht man – im englischen als clash oder nibble bezeichnet – wenn mehrere Kraftspitzen mess- bzw. f¨ uhlbar sind, n ≥ 2. Kommt es dabei zu h¨ orbaren Ger¨ auschen, vgl. Abschnitt 9.6.4, ist die Schaltung als nicht komfortabel zu werten bzw. nicht mehr funktionsf¨ahig, vgl. Abbildung 4.86.
608
1.)
9 Komfortaspekte
2.)
3.)
Abb. 9.15. Zur Entstehung des Schaltkratzens
9.4.2 Ph¨ anomene des Schaltkratzens Die Symptome und das Zustande kommen des Schaltkratzens l¨asst sich an Hand von Abbildung 9.15 verdeutlichen; der Prozess umfasst vier Phasen und gilt unabh¨angig von der Anordnung vor – vgl. Abbildung 2.21 – oder hinter – 3./4. Gang des Getriebes nach Abbildung 2.23 – der Synchronisation: 1. Verspannen der Getriebeeingangsseite gegen den Triebstrang w¨ahrend der Synchronisation durch das Konusmoment, dabei werden alle Spiele aufgebraucht, Phase 2 nach Abschnitt 4.4.2; 2. Entspannen und gegenl¨ aufiges Schwingen von Getriebeeingangsseite und Triebstrang durch das Zusammenbrechen des Synchronmomentes beim Entsperren, Phase 4 nach Abschnitt 4.4.2; ¨ 3. Stoßartige Ubertragung eines gegensinnig wirkenden Verspannmoments zwischen Eingangsseite und Triebstrang nach aufgebrauchten Spielen am Ende der Freiflugphase bei Beginn des Einspurens, Phasen 5 und 6; ¨ 4. Eventuell (mehrmalige) Zur¨ uckweisung der Schaltmuffe und Uberspringen von Kupplungsverzahnung und Schaltmuffe beim Einspuren. Bei genauerer Analyse dieser vier Schritte wird deutlich, dass es neben dem ¨ beschrieben Uberspringen bzw. Zur¨ uckweisen noch eine zweite Ursache f¨ ur das Kratzen geben kann. Der zweite m¨ ogliche Ausl¨oser kann ein zu langsamer Schaltvorgang mit einer zu langen Freiflugphase sein; es baut sich wieder eine merkliche Drehzahldifferenzen zwischen Prim¨ar- und Sekund¨arseite der Synchronisation nach dem bereits erreichten Gleichlauf auf. Sowohl das ¨ Uberspringen als auch der Aufbau einer Drehzahldifferenz sind auf langsame Schaltungen mit zu niedrigen Schaltkr¨ aften beschr¨ankt. Der Einfluss der Schaltkraft auf den Ablauf der Schaltung wird anhand von Abbildung 9.16 erl¨ autert; dabei ist die Darstellung einer Kraftgr¨oße u ¨ber einer Weggr¨oße wie in Abbildung 9.16 nat¨ urlich f¨ ur die vollst¨andige Beurteilung der Vorg¨ange nicht ausreichend. F¨ ur die Interpretation der Messungen sind stets vollst¨andige Messdiagramme wie in Abbildung 9.17 notwendig, um Aussagen u ¨ber das Verhalten der beteiligten Komponenten treffen zu k¨onnen. Dabei werden Drehzahlen, Positionen und Kr¨ afte zun¨achst u ¨ber der Zeit aufgetragen; andere Darstellungen wie z.B. in Abbildung 9.11 sind m¨oglich. Man kann beispielweise an den Zeitschrieben erkennen, bei welcher Weg- oder Winkelposition welche Drehzahl¨ anderung infolge eines Stoßes einsetzt. Idealer Weise
9.4 Schaltkomfort
a)
b)
c)
d)
e)
f)
609
Abb. 9.16. Schaltungen mit Streubereich eines Getriebes bei unterschiedlichen Schaltkr¨ aften mit unterschiedlichen Komfortbewertungen: a)-c) geringe Schaltkraft, d) und e) mittlere Schaltkraft und f) hohe Schaltkraft. Dargestellt ist stets die Schaltkraft u ¨ber dem Schaltweg an einem Punkt der Innenschaltung
f¨ uhrt man die entsprechenden Versuche zur Konstanthaltung der Triebstrangdrehzahl auf einem Funktionspr¨ ufstand oder einem Rollenpr¨ ufstand wie in Abschnitt 10.3.1 beschrieben durch, um den Effekt m¨oglicher Geschwindigkeits¨anderungen des Fahrzeugs respektive Triebstrangs aus der Analyse auszuklammern. Abbildung 9.17 zeigt eine exemplarische Messung mit 5 gemessenen und einer errechneten Kurve u ¨ber der Zeit; alternative Darstellung der gemessenen Gr¨oßen wie in Abbildung 9.16 k¨ onnen das Verst¨andnis der Vorg¨ange erleichtern; die Auftragung der Triebstrangdrehzahl im Ausgangs- und im Zielgang ist hilfreich um die Drehzahlangleichung beurteilen zu k¨onnen. Die Darstellungen in Abbildung 9.16 sind mit dem Kraft-Weg-Verl¨aufen auf das konzentriert, was der Kunde – auch im Stillstand des Fahrzeugs – f¨ uhlt.
610
9 Komfortaspekte
Abb. 9.17. Beispielhafte Messung einer Schaltung: Gemessen werden sollten mindestens die Drehzahlen von An- und Abtrieb, die Schaltkraft sowie die Wege der Schaltung am Schalthebelknopf und am Getriebeeingang oder an der Schaltgabel
In Abbildung 9.16.a ist zun¨ achst eine langsame Schaltung mit einer vergleichsweise niedrigen Schaltkraft gezeigt; w¨ ahrend der Freiflugphase baut sich – wegen eines hohen Schleppmoments oder wegen einer sehr langsamen Vorw¨artsbewegung wieder eine Drehzahldifferenz auf, es kommt zum R¨ uckstoß am folgenden Zahn der Kupplungsverzahnung und zum erneuten Sperren an der Schaltverzahnung bis sich das Moment abgebaut hat, was zum erneuten Beschleunigen der Getriebeeingangsseite ben¨ otigt wird. Bei der Schaltung nach Abbildung 9.16.b mit einer ebenfalls geringen Schaltkraft springt die Kupplungsverzahnung einmal u ¨ber nach dem Erstkontakt, es kommt zum Kratzen mit einem weiteren R¨ uckstoß. Die Kupplungsverzahnung “sperrt” wieder bis zum Abbau des Moments zwischen Muffe und Kupplungsk¨orper. Wird die Schaltkraft in Abbildung 9.16.c im Vergleich zu Ansicht a) um 25% auf niedrigem Niveau etwas erh¨ oht, so wird die Freiflugphase verk¨ urzt und der Momentenstoß beim Erstkontakt nach dem Zusammenbruch des eigentlichen Sperrmoments reicht nicht mehr aus, um die Schiebemuffe zur¨ uckzuweisen; es tritt ein deutlicher zweiter Druckpunkt aber kein Kratzen auf. Steigert man die Schaltkraft weiter, so wird im Bereich mittlerer Schaltkr¨afte in Abbildung 9.16.d der zweite Druckpunkt merklich reduziert, es kommt immer noch zum kurzzeitigen Sperren an der Kupplungsverzahnung aber ein Kratzen wird nicht mehr beobachtet. Bei noch einmal leicht gesteigerter Kraft tritt wieder ein etwas h¨ oherer zweiter Druckpunkt auf und es tritt beim Einf¨adeln in die Kupplungsverzahnung ein zweiter Stoß an der Gegenflan-
9.4 Schaltkomfort
611
ke der Kupplungsz¨ ahne auf, vgl. Abbildung 9.16.e. Bei hohen Schaltkr¨aften findet die Schaltung schnell genug statt, dass sich keine merklichen Drehzahldifferenzen w¨ahrend der Freiflugphase aufbauen k¨onnen; das Schaltsystem ist hinreichend vorgespannt, um die Schiebemuffe schnell nach dem Entsperren in Formschluss zu bringen, vgl. Abbildung 9.16.f. Es kommt noch zu leichten Momentenst¨oßen im sich wieder entspannenden Triebstrang, jedoch ohne Auswirkungen auf das Empfinden des Fahrers von der Schaltung. 9.4.3 Abgleich Fahrversuch, Pr¨ ufstand und Rechnung Die Analyse des Schaltkomfort oder – nach den vorangegangenen Ausf¨ uhrungen konkreter – des Ablauf der f¨ uhlbaren Bet¨atigungskraft am Handschalthebel kann im Fahrzeug oder auf einem Funktionspr¨ ufstand erfolgen; f¨ ur die Optimierung des Schaltkomforts sind rechnerische Methoden verf¨ ugbar, die eine entsprechende Kalibration erfordern, vgl. Abschnitt 10.4.3. Wichtig ist jedoch im ersten Schritt vom Fahrzeug weg auf den Pr¨ ufstand, dass alle f¨ ur den Schaltkomfort relevanten Komponenten bei der Errichtung eines Funktionspr¨ ufstandes, vgl. hierzu auch Abschnitt 10.3.1, ber¨ ucksichtigt werden. Abbildung 9.18 verdeutlicht den Umfang der Komponenten, die aufgebaut werden m¨ ussen, um die f¨ ur den Schaltkomfort wichtigen Kriterien auf dem Pr¨ ufstand untersuchen zu k¨ onnen. Wesentlicher Punkt ist dabei die korrekte Erfassung von Steifigkeiten, Tr¨ agheiten und Spielen des Triebstranges. Die Fahrzeugmasse wird dabei i.d.R. u ¨ber Schwungmassen statt der R¨adern angebunden oder aber – wie in Abbildung 10.9 und 10.10 zu erkennen – u ¨ber Riemen mit den R¨ adern verbunden; der Vorteil dieses Aufbaus ist die dann oft bessere Zug¨anglichkeit des Pr¨ uflings und die besseren M¨oglichkeiten zur Kapselung der Schwungmassen. Vorteilhaft ist die Untersuchung der Schaltabl¨aufe auf der Rolle oder dem Funktionspr¨ ufstand, weil sehr genau einzelne Man¨over durchgef¨ uhrt werden k¨onnen mit nahezu identischen Randbedingungen; auf ¨offentlichen Straßen ist ¨ dies fast unm¨oglich. Ist die Ubereinstimmung zwischen Fahrversuch und Funktionspr¨ ufstand sichergestellt, wird i.d.R. am Pr¨ ufstand ein Simulationsmodell so weit kalibiert, bis – vgl. Abbildungen 9.19 bis 9.21 – alle Hauptmerkmale der Messung auch von der Simulation reproduziert werden. Im Einzelnen ist bei der Kalibration der Simulationsmodelle neben dem korrekten Einfluss der H¨ ohe der Schaltkraft auf den generellen Schaltungsablauf, vgl. Abschnitt 9.4.2, die Ber¨ ucksichtigung eines Reglers f¨ ur die Ausl¨osung der Schaltung notwendig. Nach Hackl et al. [2006] reagiert der menschliche Fahrer intuitiv auf eventuell am Schalthebelknopf wahrnehmbare St¨orungen des Schaltablaufs und schaltet nicht wie ein Roboter mit einer fest vorgegebenen Geschwindigkeit trotz aller wahrnehmbaren Widerst¨ande durch; die Abbildung dieses menschlichen Reglers f¨ ur die Modulation der aufgebrachten Kraft-Schaltweg-Beziehungen ist eines der Kernprobleme auf dem Weg zur Fortentwicklung der Methoden zur Schaltkomfortoptimierung ohne Fahrzeuge. Ist der Regler erst in der Rechnung kalibriert, kann er h¨aufig auch zur
612
9 Komfortaspekte
Abb. 9.18. Massen und Elastizit¨ aten im Antriebstrang des Porsche Cayenne (Aus Casper et al. [2004])
Abb. 9.19. Abgleich von Messung und Rechnung des Kraft-Zeit-Verlaufs bei der Schaltkomfortanalyse am Beispiel einer Kraft im Schaltsystems
Regelung eines Bet¨ atigungsger¨ ates am physikalischen Pr¨ ufstand verwendet werden. ¨ Vergleicht man die verschiedenen Grade der Ubereinstimmung bei der Simu¨ lation des Kraft-Zeit-Verlaufs in Abbildung 9.19 mit den erreichbaren Ubereinstimmungen bei den Geschwindigkeits-Zeit-Verl¨aufen, so wird ein Problem deutlich, welches in der Theorie zur Finiten Elemente Methode seit langem ¨ bekannt ist: Der Grad der Ubereinstimmung ist bei den Gr¨oßen besser, die direkt berechnet werden k¨ onnen und die nicht durch Differenzenbildung oder (numerische) Differentiation abgeleitet werden m¨ ussen. Die Drehzahlen als direktes Ergebnis aus der Drehschwingungssimulation der Triebstrangkompo-
9.4 Schaltkomfort
613
Abb. 9.20. Abgleich gemessener und gerechneter Drehgeschwindigkeitsverl¨ aufe an An- und Abtrieb f¨ ur die Schaltungsanalyse
Abb. 9.21. Darstellung einer errechneten Kraft-Weg-Kurve im Streuband der zugrunde liegenden Messungen
nenten werden von der Simulation besser approximiert als die Schaltkr¨afte, die eine Differenzbildung errechneter Wege erfordern; von den zuvor diskutierten Problemen bei der Modulation der Bet¨atigungskraft ganz abzusehen. Wie bereits ausgef¨ uhrt ist das Verhalten der Synchronisation von Handschaltgetrieben stark stochastischer Natur; daher ist es nicht sinnvoll, wie in den Abbildungen 9.19 und 9.20 nur einzelne Ereignisse miteinander zu vergleichen; die Streuungen des Versuchs m¨ ussen auch mit der Simulation reproduzierbar sein. Meist wird dies durch eine stufenweise Abbildung m¨oglicher Relativstellungen innerhalb einer Zahnteilung der Kupplungsverzahnung realisiert, etwa 10 verschiedene Stellungen von Schaltmuffe und Kupplungsk¨orper relativ zueinander werden ben¨ otigt. Die sich ergebenden Streub¨ander von Messung und
614
9 Komfortaspekte
Simulation m¨ ussen dieselben Tendenzen aufzeigen und bei Variationen einzelner Parameter sehr ¨ ahnliche Reaktionen zeigen. Sind all diese Anforderungen erf¨ ullt, kann eine Reihe von Versuchen durch Simulation substituiert werden, bevor eine erneute Kalibration des Simulationsmodell durch Vergleich mit dem Funktionspr¨ ufstand erforderlich wird. 9.4.4 Maßnahmen zur Schaltkomfortoptimierung Die Maßnahmen zur Optimierung des Schaltkomforts lassen sich im wesentlichen wieder in zwei Gruppen unterteilen: ursachen- und wirkungsbek¨ampfende. W¨ahrend die Methoden, die auf eine Behebung der Ursachen des f¨ uhlbaren Schaltkratzens abzielen, i.d.R. im Bereich der Innenschaltung oder der Synchronisation angreifen, vgl. Abschnitte 4.4 und 4.5.2, werden die Maßnahmen zur D¨ampfung der f¨ uhlbaren Schwankungen der Bet¨atigungskraft – Kapseln des Kratzens im Getriebe – im Bereich der ¨außeren Schaltung appliziert, vgl. Abschnitt 4.5.1. Maßnahmen im Bereich der Innenschaltung sind das gezielte Abstimmen der Dachwinkel an der Kupplungsverzahnung mit teilweise unsymmetrischen Z¨ ahnen, vgl. Abbildung 4.88, die gezielte Ausformung von Rastierkurven an der Schaltmuffe f¨ ur die Vorsynchronisierung sowie die Gestaltung von Steifigkeiten und Spielen der gesamten Schaltbet¨atigungsstrecke. Wichtig sind zudem die Tr¨ agheitsmomente der Getriebeeingangsseite, wobei diese nur sehr begrenzt ge¨ andert werden k¨ onnen, sowie die Schleppmomente, die auf die Eingangsseite und die mit ihr synchron drehenden R¨ader wirken, welche gerade bei tiefen Temperaturen erheblichen Einfluss haben. Im Bereich der a¨ußeren Schaltung k¨ onnen verschiedene Koppelelemente zwischen Kabel bzw. Gest¨ ange und Getriebe durch eine gezielte Abstimmung der Steifigkeitskennlinie dazu beitragen, dass der Kunde das Kratzen nicht f¨ uhlt. Problematisch ist dabei der sich eventuell einstellende Pr¨azisionsverlust durch die Entkopplung; i.d.R. erfordert dies die zus¨atzliche Implementierung einer Rastierung am Handschalthebel, die den Kunden wieder einen sauberen Kraft-Weg-Verlauf f¨ uhlen l¨ asst. Abbildung 9.22 zeigt beispielhaft einen speziellen Hebel von Porsche, der am Getriebeeingang einen Teil der Kraftschwankungen im Bereich der getriebeinternen Schaltung kompensieren kann. Etwa seit dem Jahr 2000 wurde h¨ aufig u ur die ma¨ber shift-by-wire Systeme f¨ nuellen Schaltgetriebe berichtet; diese Systeme haben derzeit noch den Nachteil, dem Kunden zu wenig das Gef¨ uhl einer echten Handschaltung zu geben. Die Simulation von Verschiebewiderst¨ anden beim Sperren an der Kupplungsverzahnung, ist noch nicht zuverl¨ assig im Rahmen einer elektrischen Bet¨atigung mit einer Kraft-Weg-R¨ uckmeldung am Bet¨atigungshebel in Echtzeit m¨oglich. Weitere Ans¨ atze mit neuen Synchronisationssystemen sind vorgestellt und versprechen eine gr¨ oßere Variantenvielfalt, manche Autoren, z.B. Hackl et al. [2006], sehen Ans¨ atze zur Produktkostensenkung bei gleichzeitiger Steigerung der Schaltqualit¨ at.
9.5 Ger¨ ausche und Schwingungen von Schaltung und Kupplung
615
Abb. 9.22. Modulationshebel des Handschaltgetriebes im Porsche Cayenne (Aus Casper et al. [2004])
9.5 Ger¨ ausche und Schwingungen von Schaltung und Kupplung In diesem Abschnitt werden drei beispielhafte Ph¨anomene beschrieben, die bei manuellen Schaltgetrieben auftreten k¨ onnen; die Voraussetzungen – z.B. ein bestimmtes Bet¨atigungssystem f¨ ur Schaltung oder Kupplung – werden dabei beschrieben sowie die Betriebszust¨ ande, in denen das Ph¨anomen beobachtbar sein kann. Hinweise zu potentiellen Abhilfemaßnahmen schließen sich an. 9.5.1 Vibrationen des Kupplungspedals Beschreibung und Voraussetzungen Als Pedalvibration wird eine am Fuß sp¨ urbare Pulsation des Kupplungspedals beim Bet¨atigen bezeichnet, das am deutlichsten bei maximaler Pedalkraft feststellbar ist. Bei vollst¨ andig geschlossener bzw. vollst¨andig ge¨offneter Kupplung sind hingegen am Pedal keine Beschleunigungen zu beanstanden; das Ph¨anomen der Pedalvibration tritt vor allem im Leerlaufbereich auf. Ursachen Die Ursache des als Pedalvibration m¨ oglicherweise f¨ ur die Kupplungsbet¨atigung zu beanstandenden Ph¨ anomens ist der Z¨ undimpuls des kupplungsseitigen Zylinder des Verbrennungsmotors: Infolge der elastischen Kurbelwellenverfomung stellt sich die Schwungscheibe bei Z¨ undung des kupplungsnahen
616
9 Komfortaspekte
Abb. 9.23. Schemadarstellung der Ursache von Vibrationen des Kupplungspedals
Abb. 9.24. Arbeitspunkte auf der schematischen Kraft-Verformungskennlinie von W¨ ahlmechanik und Kupplungsbet¨ atigung
Zylinders leicht schief, vgl. Abbildung 9.23. Bei Bet¨atigung der Kupplung wird die Bet¨atigungstrecke in Abh¨ angigkeit von der Pedalkraft so versteift, dass sich die Weganregung durch die Schiefstellung der Schwungscheibe als f¨ uhlbarer Kraftimpuls bis zum Pedal u agt; die Zusammenh¨ange sind in ¨bertr¨ Abbildung 9.24 f¨ ur die Kupplungsbet¨ atigung dargestellt. Bei maximaler Pedalkraft k¨onnen die Pedalkraftpulsationen am ehesten wahrgenommen werden. ¨ Bei getretener Kupplung ist die Schwungscheibe nicht mit der Ubertragungskette Belag–Tellerfeder–Ausr¨ ucker in Kontakt, bei geschlossener Kupplung wird die Anregung von der D¨ ampfung der Bet¨ atigungsstrecke geschluckt. Bei hohen Drehzahlen reduziert der Kreiseleffekt der Schwungscheibe die m¨ogliche Taumelbewegung und das Ph¨ anomen wird nicht mehr beanstandet. M¨ ogliche Abhilfen Als Abhilfe kommen die in Abschnitt 4.1.5 auf Seite 145 bereits erw¨ahnten Kribbelfilter in der hydraulischen Bet¨ atigungstrecke zum Einsatz: Differenzdruckventile, mit denen sich die niederfrequenten Schwingungen ohne
9.5 Ger¨ ausche und Schwingungen von Schaltung und Kupplung
617
zus¨atzliche Wegverluste d¨ ampfen und somit unangenehme Pedalvibrationen ¨ unterbinden lassen. Der Kribbelfilter setzt also an der Ubertragungskette des Ph¨anomens an und nicht an seiner Ursache. 9.5.2 W¨ ahlrauhigkeit Beschreibung und Voraussetzungen Unter W¨ ahlrauhigkeit wird ein rauer Verlauf langsamer W¨ahlbewegungen verstanden, der – fast ausschließlich – bei vierzylindrigen Dieselmotoren7 zu beobachten ist; am Handschalthebel wird w¨ ahrend der W¨ahlbewegung eine deutliche Kraftschwankung wahrgenommen. Wird schnell gew¨ahlt oder dreht der Motor mit h¨oheren Drehzahlen, verschwindet das Ph¨anomen; es ist nahezu auf den Leerlaufbereich beschr¨ ankt. Die W¨ ahlrauhigkeit ist fast ausschließlich eine Eigenart von Handschaltgetrieben mit Kabelschaltung. Ursachen Prim¨are Ursache f¨ ur die W¨ ahlrauhigkeit sind nicht ausgeglichene Gas- bzw. Massenkr¨afte der 2. Motorordnung, die zu einer in erster N¨aherung u ¨ber den Drehzahlbereich konstanten Beschleunigungsamplitude des Motor-GetriebeVerbandes f¨ uhren. Auch im Innenraum ist die 2. Motorordnung u ¨berall leicht sp¨ urbar, aber die Amplitude ist viel niedriger als im Motorraum. Es findet also eine Relativbewegung zwischen Getriebe und Innenraum statt. Nimmt man nun – der Einfachheit halber – eine u ¨ber der Motordrehzahl nmot gleichbleibende Kraft- bzw. Beschleunigungsamplitude a an, so ist im eingeschwungenen Zustand einer harmonischen Schwingung8 wegen ∆x ∝
a n2mot
(9.3)
der Schwingweg ∆x des Motors und damit auch die Amplitude der Relativverschiebung im Leerlauf am gr¨ oßten; das Verschwinden der W¨ahlrauhigkeit mit hohen Drehzahlen l¨ asst sich also bereits erkl¨ aren. Durch die meist progressive Kennlinie der Verbindungsst¨ ucke zwischen getriebeinterner Schaltung und W¨ahlzug, vgl. Abbildung 4.104.b, wirkt das W¨ ahlkabel um so steifer, je gr¨oßer die anliegende W¨ahlkraft ist. Aus Abbildung 9.24 wird klar, dass in Neutral¨ stellung das Ubertragungsverhalten des W¨ ahlsystems sehr weich ist und bei einer gegebenen Weganregung ∆x nur eine kleine Kraftamplitude im Schaltsystem entstehen kann, die dann durch die D¨ampfung am Handschalthebel 7
8
Vielzylindrige V-Motoren und Benzinmotoren sind wegen der wechselnden Richtungen der Kolbenkr¨ afte bzw. wegen der geringeren Z¨ unddr¨ ucke weniger kritisch. Die Annahme einer eingeschwungenen harmonischen Bewegung trifft kaum zu, die Zusammenh¨ ange erl¨ autern jedoch mit (9.3) das Abnehmen der messbaren Wegamplituden sehr anschaulich.
618
9 Komfortaspekte
nicht mehr wahrnehmbar ist. Im Arbeitspunkt des W¨ahlsystems beim eigentlichen W¨ahlvorgang ist jedoch die anliegende Kraft gr¨oßer und das System daher steifer; der einzelne Z¨ undimpuls als Weganregung kann einen gr¨oßeren Kraftimuls ausl¨osen, der dann am Handschalthebel sp¨ urbar ist. Wird die W¨ahlbewegung unterbrochen, so f¨ allt die Kraft im W¨ahlsystem wieder ab, der Handschalthebel verharrt in W¨ahlrichtung in Ruhe und der “weiche” Arbeitspunkt der Neutralstellung, vgl. Abbildung 9.24, wird wieder eingenommen; die W¨ ahlrauhigkeit verschwindet wieder. Analysem¨ oglichkeiten Die W¨ahlrauhigkeit l¨ asst sich messtechnisch erfassen; notwendig sind synchrone Kraft- und Wegmessungen am Handschalthebel und am W¨ahlhebel des Getriebes, vgl. Abbildung 4.108, mit Messschalthebel und Kraftmessdosen. Zus¨atzlich sollten Motorbewegung und -beschleunigung mit Laser und Beschleunigungsaufnehmern gemessen werden. Amplituden- und Phaseng¨ange f¨ uhren auf die Relativverschiebungen als m¨ ogliche Indikatoren. M¨ ogliche Abhilfen M¨ogliche Maßnahmen sind kaum anzugeben; die Prim¨arursache der Gaskr¨afte der 2. Motorordnung l¨ asst sich nicht eliminieren. Vorteilhaft ist, um Schwingungen der Schaltwelle in W¨ ahlrichtung, vgl. Abbildung 4.109.a, und damit eine Anregung der W¨ ahlmechanik zu vermeiden, eine relative Orientierung von Motor und Getriebe zueinander, die zu einem Winkel von m¨oglichst 90◦ zwischen Kolbenlaufrichtung und W¨ ahlrichtung der Innenschaltung f¨ uhrt. Ein Abstimmen der Verbindungselemente zwischen W¨ahlmechanik und externer Schaltung kann das Ph¨ anomen abschw¨ achen aber nicht ganz vermeiden. 9.5.3 Vibrationen im Schaltsystem Beschreibung, Voraussetzungen und Ursachen Vibrationen im Schaltsystem werden, vgl. Abschnitt 4.5.2, durch die Bewegungen der Synchronisationsbauteile ausgel¨ ost; wie in Abschnitt 4.4 beschrieben, muss die Schiebemuffe etwas Spiel in ihrer F¨ uhrung auf dem Muffentr¨ager besitzen. Innerhalb dieses Spiels positioniert sich nun die Muffe in Abh¨angigkeit vom Lastzustand an den m¨ oglichen Anlagefl¨ achen; die Folge ist eine mit der Wellendrehzahl umlaufende Exzentrizit¨ at oder Schiefstellung, die die Innenschaltung sowie die fahrzeugseitigen Komponenten der Schaltbet¨atigung zu Schwingungen anregen kann, vgl. Abbildung 9.25. Die Schwingungen des Kabels bzw. der Schaltbet¨atigung k¨onnen sich auf zwei verschiedene Arten als Komfortbeeintr¨ achtigung bemerkbar machen, vgl. dazu Abbildung 9.26:
9.5 Ger¨ ausche und Schwingungen von Schaltung und Kupplung
619
Abb. 9.25. Vereinfachte Darstellung der externen Schaltung als schwingungsf¨ ahiges System
Abb. 9.26. Zum Entstehen von Schwingungen der Außenschaltung: Die Rotation des getriebeseitigen Schalthebels verursacht sowohl eine transversale als auch eine longitudinale Anregung des Schaltseils
Schwingungen des Schalthebels in Schaltrichtung F¨ ur die Entstehung der Schalthebelschwingungen ist vorrangig die Axialkomponente der Anregung am Schaltkabel verantwortlich, die Projektion der rotatorischen Bewegung des Schaltgewichts, vgl. Abbildung 4.109.a in die Kabell¨angsrichtung9 . Wird die externe Schaltung in Analogie zum federfußpunkterregten Schwinger nur schwach ged¨ ampft, so kann es zu f¨ uhlbaren Komfortbeeintr¨achtigungen durch die Vibration des Schalthebels kommen; die Wahrnehmungsgrenze liegt bei ca. 2 m/sec2 am Schalthebelknopf unabh¨angig vom Frequenzbereich. Ger¨ auschentwicklung im Schaltkabel Weiterhin kann es durch die transversale Anregung des Schaltkabelendes zur Entwicklung metallisch-schlagender Ger¨ausche kommen; die Ger¨ ausche werden analog zu Abbildung 9.3 je nach Frequenzlage als “Schwirren” oder “Schnarren” bezeichnet. In der Praxis dominieren jedoch durch die hochgradige Kopplung meist Mischformen der Ph¨anomene. Da die Ursache des Ph¨anomens maßgeblich in der Bewegung der Schaltmuffe liegt, zeigt sich eine deutliche Abh¨angigkeit der 9
In den meisten F¨ allen betr¨ agt der Winkel zwischen getriebeseitigem Schalthebel und Kabelseele in Neutralposition 90◦ ; der Schaltwinkel, um den der Schalthebel beim Schalten geschwenkt wird, betr¨ agt zwischen 20◦ und 30◦ , und f¨ uhrt, vgl. ¨ Anmerkung 4.25, zu einer ver¨ anderlichen Ubersetzung der externen Schaltung.
620
9 Komfortaspekte
Abb. 9.27. Frequenzgang der ersten und zweiten Ordnung bei Einleitung gleichf¨ ormiger Vibrationen in ein Schaltsystem
a)
b)
Abb. 9.28. Anregungen von Schwingungen erster (a) und zweiter (b) Ordnung im Schaltsystem
auftretenden Beschleunigungen von der relativen Position von Schiebemuffe zu Kupplungsk¨orper, vgl. Abbildung 9.2. Dies erschwert auch die Reproduktion des Ph¨anomens im Fahrzeug, da die Position der Schaltmuffe relativ zur Kupplungsverzahnung beim Gangeinlegen nicht kontrollierbar ist. Das Auftreten wahrnehmbarer Schaltkabelger¨ ausche oder Schalthebelschwingungen ist h¨aufig auf ein relativ enges Drehzahlband beschr¨ankt; dies deutet auf eine lokale Resonanz des Kabels oder der Getriebeinnenschaltung hin, die ¨ zu einer Uberh¨ ohung der Antwortpegel f¨ uhrt, vgl. Abbildung 9.27. Die Grundfrequenz der Anregung entspricht i.d.R. der Drehfrequenz des leistungsf¨ uhrenden Synchronverbandes, es treten aber auch zweite Wellenordnungen im Frequenzspektrum einer auff¨ alligen Schwingung oder eines Ger¨auschs auf. Bei der Anregung mit der ersten Ordnung der Wellendrehzahl weist die formschl¨ ussige Verbindung zwischen Schaltgabel und Schiebemuffe in Schaltrichtung ein hinreichendes Spiel auf, so dass die schief umlaufende Muffe w¨ahrend einer Drehnung nur einmal ein Gabelbein ber¨ uhrt. Voraussetzung ist also hier
9.5 Ger¨ ausche und Schwingungen von Schaltung und Kupplung
a)
621
b)
Abb. 9.29. Ausr¨ ustung mit Beschleunigungssensoren zur Analyse der Schaltkabeldynamik: a) Position 1 Getriebegeh¨ ause (Grundpegel), 2 Schaltgewicht, 3 Kabelseele, 4 Kabelh¨ ulle, b) 5 Kabelseele am Handschalthebel, 6 Handschalthebel
eine etwas winklig stehende Schaltgabel, denn sonst w¨ urden beim Umlauf der Muffe beide Gabelbeine ber¨ uhrt. Ist das Spiel der Gabelbeine in der Schaltmuffennut nicht ausreichend groß, kann es zu einem wechselseitigen Anschlagen der Schaltmuffe an den Gabelbeinen kommen; auch das entspricht, vgl. Abbildung 9.28, immer noch der ersten Ordnung. Bei einer Anregung zweiter Ordnung l¨auft nun die taumelnde Muffe relativ zu einer “geraden” Gabel um, es kommt zum gleichsinnigen Anschlagen an den beiden Schaltgabelbeinen und somit zur doppelten Anregungsfrequenz. Analysem¨ oglichkeiten Die pr¨azise Erfassung der Schaltkabeldynamik im Fahrzeug ist relativ aufw¨andig. Um die in Abbildung 9.2 gezeigten Abh¨angigkeiten der auftretenden Beschleunigungs- und Verschiebungspegel zu erfassen, m¨ ussen viele Einschaltpositionen untersucht werden; ein Kontrollieren der Einschaltposition ist im Fahrzeug unm¨oglich und selbst am Funktionspr¨ ufstand mit erheblichem Aufwand verbunden. Bei der Messung erfasst man sinnvoll die Beschleunigungsund Wegamplitudenpegel von H¨ ulle und Seele des Schaltkabels getrennt, um ggf. u uge der Messgr¨ oßen erste Aufschl¨ usse gewinnen zu ¨ber Phasenbez¨ k¨onnen. Ferner muss die gesamte Schaltung mit Weg- oder Beschleunigungsaufnehmern best¨ uckt werden, um lokale Effekte wie beispielsweise Subsystemresonanzen identifizieren zu k¨ onnen. Abbildung 9.29 zeigt einen exemplarischen Messaufbau zur Untersuchung der Kabeldynamik im Fahrzeug; in Abbildung 10.12 ist die Instrumentierung einer externen Schaltung f¨ ur die Pr¨ ufstandsmessung gezeigt. Die Messung im Fahrzeug findet idealerweise auf einem Rollenpr¨ ufstand statt, da man hier gleichm¨ aßige Fahrzust¨ ande erh¨ alt und insbesondere schmalbandig auftretende Schwingungsph¨ anomene gut analysieren kann. Weiterhin ist es m¨oglich, auf einem Funktionspr¨ ufstand Untersuchungen zum dynamischen
622
9 Komfortaspekte
a)
b)
c)
d)
Abb. 9.30. Rasche Abhilfemaßnahme zur Vermeidung von Schaltkabelger¨ auschen oder Schalthebelschwingungen: Verdrillen der Außenschaltung: a) links einfach verdrillt, b) rechts einfach, c) links zweifach, d) rechts zweifach
Verhalten des Schaltsystems durchzuf¨ uhren; Details werden einschließlich ei¨ nes kurzen Uberblicks u ¨ber die Messtechnik in Abschnitt 10.3.1 besprochen. M¨ ogliche Abhilfemaßnahmen Sinnvoll muss zwischen Problem- und Ursachenvermeidung unterschieden werden: W¨ahrend Maßnahmen wie das in Abbildung 9.30 gezeigte Verdrillen der Schalt- und W¨ahlkabel gegeneinander oder eine gezielt eingebrachte Reibung oder D¨ampfung im Kabel recht schnell umsetzbar sind und das Ph¨anomen der Schwingungen der ¨ außeren Schaltung abschw¨ achen, erfordern Abhilfemaßnahmen zur Vermeidung der Ursache mehr Aufwand. In erster Linie ist das Entkoppeln der Innenschaltung – d.h. das Auftrennen des K¨orperschallpfades – zu nennen, vgl. Abschnitt 4.5.2. Ein nachtr¨ agliches Umsetzen einer Entkopplung der Innenschaltung ist sehr aufw¨ andig, da dies i.d.R. einen Eingriff in den Montageprozess von Wellen- und Schaltungszusammenbau erfordert, um die f¨ ur eine robuste Entkopplung notwendigen Toleranzen einzuhalten. Das nachtr¨agliche Einbringen eines begrenzten Verdrehfreiheitsgrades, vgl. Abbildung 9.22, innerhalb des getriebeseitigen Schaltmodules erfordert keinen direkten Eingriff in den Produktionsablauf. Diese Maßnahme bringt aber unter Umst¨anden neue Bauraumzw¨ ange und den Bedarf nach einer vollst¨andigen Neuabstimmung der Schaltung, vgl. Abschnitt 9.4, mit sich und ist h¨aufig auch nicht auf andere Fahrzeuganwendungen direkt u ¨bertragbar. Bei Abhilfemaßnahmen, die auf Reibung oder Entkopplung mit progressiven Federn basieren ist darauf zu achten, dass sowohl das Tribosystem des Kabels als auch die Federkennlinie bzw. -hysterese ausreichend alterungsbest¨andig sind, um die gew¨ unschte Behebung des Ph¨ anomens der Schaltsystemschwin-
9.6 Getriebeger¨ ausche
623
gungen auch u ¨ber Fahrzeuglaufstrecke sicher zu stellen. Ferner ist ein m¨oglicher Pr¨azisionsverlust durch die Entkopplung anderweitig zu kompensieren.
9.6 Getriebeger¨ ausche Die vom Fahrzeuggetriebe verursachten Ger¨ ausche und Schwingungen sind in den letzten Jahren durch den Erfolg der sonstigen Ger¨auschminderungsmaßnahmen und Komfortoptimierungen an den u ¨brigen L¨armquellen des Gesamtfahrzeugs zunehmend interessant geworden. Getriebeger¨ausche st¨oren meist nicht aufgrund ihrer hohen Schallleistung, sondern infolge ihres besonderen Charakters, der sich von den u armquellen des Fahrzeugs abheben ¨brigen L¨ kann. In diesem Abschnitt werden die Ger¨ ausche und Schwingungen analysiert, die vom Basisgetriebe – in der Hauptsache den Verzahnungen sowie den Lagern – ausgehen, die Diskussion ist mehrheitlich auf Stirnradgetriebe konzentriert. Die klassischen Getriebeger¨ ausche, die von leistungs¨ ubertragenden Radpaaren verursacht werden, sind bei heutigen Stand der Technik so gering zu halten, dass sie nicht oder nur sehr schwach im Fahrzeug wahrgenommen werden k¨onnen; problematisch ist jedoch der mit zunehmenden Anspr¨ uchen ansteigende Fertigungsaufwand. Klapper- und Rasselger¨ausche werden durch Maßnahmen am Kupplungssystem, die die Torsionsschwingungen des Motors vom Getriebe fernhalten, innerhalb eines ertr¨ aglichen Rahmens gehalten. Aber auch hier werden durch die Anforderungen an die Einhaltung schmaler Toleranzb¨ander beispielweise f¨ ur die torsionsd¨ ampfenden Eigenschaften vor allem des Zweimassenschwungrades schnell wirtschaftliche Grenzen erreicht. Manche Ger¨auschph¨ anomene des Getriebes stellen als solche keine große Komfortbeeintr¨achtigung dar, da sie, wie zum Beispiel das Klappern und Rasseln, nur bei ganz bestimmten Betriebszust¨ anden h¨ orbar sind. Sie sind aber h¨aufig Anlass zu Reklamationen, da der Kunde f¨ alschlicherweise Sch¨aden am Fahrzeug vermutet, vgl. z.B. Kirchner et al. [2005]. Getriebeger¨ausche werden vom Kunden oft nicht als solche erkannt, sondern dem Motor zugeschrieben, da mit dem Abstellen des Motors auch das Getriebeger¨ausch verschwindet. Getriebeger¨ausche k¨ onnen bez¨ uglich ihrer Ursachen in vier gr¨oßere Kategorien unterteilt werden, vgl. Tabelle 9.2. Die Reihenfolge, in der die Ger¨auschph¨anomene im Folgenden aufgef¨ uhrt werden, entspricht auch der Bedeutung, welche die einzelnen L¨ armursachen in modernen Fahrzeuggetrieben einnehmen. Die Ursachen f¨ ur die verschiedenen Ger¨ ausche und m¨ogliche L¨osungsans¨atze werden nachfolgend kurz besprochen; bei allradgetriebenen PKW und Nutzfahrzeugen mit mehr als einer angetriebenen Achse ist durch die zus¨atzlichen L¨angsverteilungsgetriebe die Anzahl m¨ oglicher Problemquellen noch gr¨oßer als beim PKW mit reinem Front- oder Heckantrieb.
624
9 Komfortaspekte
Tabelle 9.2. Ursachen von Getriebeger¨ auschen (Nach Lechner & Naunheimer [1994]) Ger¨ ausch Heulen oder Pfeifen
M¨ ogliche Ursache Schwingungen belasteter Zahnr¨ ader durch Eingriffsst¨ oße, parametererregte Schwingungen oder Abw¨ alzger¨ ausche (Schaben), vgl. Abschnitt 9.6.1 Klappern oder Schwingungen der Losteile (Synchronringe oder Schaltr¨ ader) Rasseln angeregt durch Torsionsschwingungen des Antriebstrangs, vgl. Abschnitt 9.6.2 Schaltger¨ ausche Kratzen oder Ratschen der Kupplungsverzahnung bei mangelhafter Funktion der Synchronisation, vgl. Abschnitt 9.4 Lagerger¨ ausche Laufger¨ ausche bei W¨ alzlagern; insbesodere bei besch¨ adigten Lagern, vgl. Abschnitt 6.4.6
Abb. 9.31. Eingriffsstoß infolge defomierter Z¨ ahne (Aus Niemann [1989])
9.6.1 Getriebeheulen oder -pfeifen Unter Heulen bzw. Pfeifen werden die Abw¨ alzger¨ausche unter Last stehender, leistungs¨ ubertragender Zahnradpaare verstanden; alternative aber weniger gel¨aufige Bezeichnungen sind Mahlen oder Singen, vgl. Abbildung 9.3. Diese Laufger¨ausche k¨ onnen verschiedene Ursachen haben: • Eingriffsst¨oße als Folge von Teilungsfehlern oder von Abweichungen vom Verzahnungsgesetz aufgrund von Verformungen der belasteten Z¨ahne, vgl. Abbildung 9.31; ein Beispiel hierf¨ ur ist das charakteristische Ger¨ausch geradverzahnter R¨ uckw¨ artsg¨ ange. Die zur Vermeidung dieser Eingriffsst¨oße durchgef¨ uhrten Profilkorrekturen sind jedoch meist nur f¨ ur einen bestimmten Lastbereich wirksam.
9.6 Getriebeger¨ ausche
625
Abb. 9.32. Abh¨ angigkeit der dimensionslosen Zahnverformung von der Zahnstellung innerhalb der Eingriffsteilung als Maß f¨ ur die ver¨ anderliche Zahnsteifigkeit
• Parametererregte Schwingungen infolge der mit der Eingriffsteilung wechselnden Zahnsteifigkeit, vgl. Abbildung 9.32. Das Ausmaß dieser Schwingungen h¨angt von der Verzahnungsgeometrie und der Drehzahl ab. Liegt die anregende Frequenz in der N¨ ahe einer Eigenfrequenz des lasttragenden Radpaars, so treten aufgrund der Resonanzerscheinung große Schwingungsamplituden und damit potentiell Ger¨ ausche auf. Diese Schwingungen werden auch beim Abw¨ alzen vollkommen fehlerfreier Zahnr¨ader angeregt. • Abw¨alzger¨ausche entstehen aufgrund von wellenf¨ormigen Oberfl¨achentexturen; auch bei Einhaltung der Fertigungstoleranzen k¨onnen Ger¨ausche auftreten, wenn fertigungsbedingte Oberfl¨achenstrukturen der Zahnflanken Schwingungen anregen. In vielen Fahrzeugen werden heute noch geradverzahnte R¨ uckw¨artsgangr¨ader – vorrangig bei nichtsynchronisierten R¨ uckw¨artsg¨angen f¨ ur Fahrzeuge der Kompaktklasse – eingebaut, die bez¨ uglich der Ger¨auschanregung nicht optimal sind; hier sind die Abw¨ alzger¨ ausche besonders deutlich h¨orbar. 9.6.2 Getrieberasseln oder -klappern Als Klappern oder Rasseln werden die Ger¨ ausche infolge der Schwingungen unbelasteter R¨ader und Schaltungsteile innerhalb ihres funktions- und fertigungsbedingten Spiels bezeichnet. Sie werden durch Torsionsschwingungen der Getriebewellen verursacht; K¨ uc¨ ukay [1987] oder Laschet [1988] geben Ans¨atze zur Analyse der Drehschwingungsph¨anomene mit Einfluss auf ¨ die Klapper- oder Rasselsensitivit¨ at an. Uberschreitet die Amplitude der Torsionsschwingungen ein gewisses Maß, heben die gerade nicht geschalteten Losr¨ader von ihrer Zugflanke ab und schwingen innerhalb ihres Zahnflankenspiels, vgl. auch Abbildung 9.33. Diese Amplitude h¨angt bei gegebener Drehungleichf¨ormigkeit des Verbrennungsmotors vom Massentr¨agheitsmoment des Losrads, vgl. Abschnitt 4.2.3, insbesondere (4.27), und dem Schleppmoment, das verz¨ ogernd auf dieses Teil wirkt, ab. Synchronringe und Schiebemuffen k¨onnen ebenfalls zu Torsionsschwingungen innerhalb ihres Spiels angeregt werden; hier ist die Anregbarkeitsanalyse, vgl. Laschet [1988], einer der Schl¨ ussel zur rechnergest¨ utzen Entwicklung dieses Komfortthemas. Die St¨oße beim Auftreffen der Losteile an den Spielgrenzen sind eine der Hauptursache f¨ ur Klapper- und Rasselger¨ ausche. Treten sie in Neutralstellung
626
9 Komfortaspekte
Abb. 9.33. Schematische Entstehung von Losradschwingungen infolge ungleichf¨ ormiger Motoranregung
des Getriebes auf, spricht man von Leerlaufklappern, treten die Ger¨ausche im Fahrbetrieb auf, unterscheidet man Zug- und Schubrasseln. Abbildung 9.33 zeigt schematisch den Vorgang der Losradschwingung innerhalb des Axialund Verdrehspiels; wie aus Abbildung 9.33 hervorgeht, kann durch den Zahnkontakt bei entsprechender axialer und radialer Beweglichkeit des Losrads das Getriebe sowohl axial als auch radial mit der doppelten Z¨ undfre¨ quenz zu Schwingungen angeregt werden. Die Ubertragungskette von der Motorungleichf¨ormigkeit u ¨ber den Zahneingriff auf die Lagerstellen zeigt Abbildung 9.34: Durch die axialen wie radialen Schwingungen wird vornehmlich das (d¨ unnwandige) Geh¨ ause zu Schwingungen angeregt; schwingungsempfindliche Geh¨ausepartien strahlen Schall in den Motorraum ab, vgl. Abbildung 6.64. Ob dieser abgestrahlte Schall als Beeintr¨ achtigung empfunden wird, h¨angt u.a. von der Kapselung des Triebstrangs und dem sonstigen Ger¨auschpegel ab. Bei Fahrt auf glatten B¨ oden vorbei an ebenfalls glatten W¨anden kann durch die gute Reflektion des Luftschalles das Ger¨ausch besser wahrgenommen werden. Die Prim¨arursache f¨ ur das Getrieberasseln ist damit die Ungleichf¨ormigkeit der Motordrehzahl, vgl. Abbildung 4.10, bzw. der Eingangswellendrehzahl bei unzureichender Torsionsschwingungsd¨ ampfung10 ; bei hoher Aufl¨osung der Ger¨ausche in der Messung ist es m¨ oglich, den Einfluss des Verbrennungsmotors im abgestrahlten Getriebeger¨ ausch zu identifizieren, vgl. Abbildung 9.35. 10
Viele Maßnahmen, die zur Verbrauchs- und Emissionsreduzierung an Verbrennungsmotoren durchgef¨ uhrt werden, f¨ uhren zu einem ungleichf¨ ormigeren Drehzahlverlauf, die Losteilger¨ ausche gewinnen daher zunehmend an Beachtung.
9.6 Getriebeger¨ ausche
627
Abb. 9.34. Wirkketten der Ger¨ auschenstehung im Getriebe
Tendentiell zeigt sich der Motoreinfluss an typischsten durch die verschiedenen Harmonischen der Motorgrundordnung, aber auch bei elektrischem Antrieb mit konstanter Winkelgeschwindigkeit lassen sich parametererregte Schwingungen im Getriebe infolge dynamischer Zahnkr¨afte nachweisen. Bei hochaufgeladenen Dieselmotoren, insbesondere bei schlechtem Ausgleich der zweiten Motorordnung, ist das Leerlaufklappern besonders stark. Wenn die Ungleichf¨ormigkeit des Motormoments entsprechend groß ist, kann es auch im Schubbetrieb zum so genannten Schubrasseln kommen; auch im Zugbetrieb treten Rasselger¨ausche nahe der Leerlaufdrehzahl auf. Bei sehr kleiner Last – also beim Mitschwimmen im rollenden Verkehrsfluss mit nur leichtem Gasgeben zum Halten der Fahrgeschwindigkeit – k¨ onnen sowohl im Zug- als auch im Schubbetrieb die Flanken der leistungsf¨ uhrenden und leerlaufenden Zahnr¨ader und der Mitnahmeverzahnung des geschalteten Gangs abheben und Rasselger¨ausche verursachen. Die Anregbarkeit von Klapper- und Rasselger¨auschen h¨angt entscheidend von der Abstimmung des Antriebstrangs ab. Hier sind insbesondere die Torsionsd¨ ampfer in der Kupplungsscheibe bzw. das Zwei-
628
9 Komfortaspekte
Abb. 9.35. Einfluss der Motordrehungleichf¨ ormigkeit auf das Getriebeger¨ ausch. Links breitbandigeres Ger¨ ausch infolge der Drehungleichf¨ ormigkeit, rechts Ger¨ ausch bei reiner Drehbewegung ohne h¨ ohere Ordnungen
Abb. 9.36. Einflussfaktoren der Rasselempfindlichkeit eines Fahrzeuggetriebes (Aus Ryborz [2003])
massenschwungrad richtig auszulegen, um die Torsionsschwingungsamplituden des Antriebstrangs in allen Betriebssituationen zu begrenzen. Eine graphische Zusammenfassung der Einflussfaktoren auf das Rasselverhalten eines Getriebes zeigt Abbildung 9.36; dabei ist es wichtig, die wechselseitigen Abh¨angigkeiten der Parameter untereinander zu kennen und zu beach-
9.6 Getriebeger¨ ausche
629
ten. Das Verdrehflankenspiel und das Axialspiel eines Losrades bilden z.B. ein elasto-hydrodynamisches System, welches die ausreichende Schmierung der Verzahnung sowie der axialen Anlauffl¨ achen des Losrades und damit seine Funktionssicherheit gew¨ ahrleistet. Eine einseitige Einengung der Toleranzen zur Vermeidung von Rasselger¨ auschen wird h¨aufig zu neuen Problemen bei der Dauerhaltbarkeit der Funktionsfl¨ achen des Losrades f¨ uhren. Bei automatischen Getrieben, vgl. Abschnitt 2.7.3 und 5.5, treten normalerweise keine großen Anregungsamplituden auf, da der hydrodynamische Wandler die Drehungleichf¨ ormigkeit des Motors sehr gut d¨ampft. Wird der Wandler jedoch zur Treibstoffeinsparung u uckt, vgl. Abschnitt 5.5.3, k¨onnen ¨berbr¨ auch hier Rasselger¨ ausche angeregt werden; die Mechanismen sind prinzipiell die gleichen wie bei den Handschaltgetrieben. Man bedenke jedoch, dass die bei Stufenautomatikgetrieben angewendeten Planetens¨atze durch den Mehrfacheingriff der Planetenr¨ ader und die nahezu geschlossene Bauweise, vgl. Abbildung 5.87, schwieriger anregbar und zugleich besser gekapselt sind. Ans¨ atze zur Simulation von Rassel- und Klapperph¨ anomenen Um die zuvor beschriebene Kette des dynamischen Zahnkontaktes und die damit verbundene Schallentstehung analytisch beschreiben zu k¨onnen, sind i.d.R. zwei Schritte in der Modellbildung notwendig. Als erstes muss die Kausalkette der Ger¨auschentstehung vom ungleichf¨ormigen Motor bis zur Einleitung dynamischer Lagerkr¨ afte in das Geh¨ ause entsprechend Abbildung 9.33 in einem Drehschwingungs- oder Mehrk¨ orpermodell abgebildet werden, welches in der Lage ist, den Zahnkontakt und die dynamischen Prozesse zu beschreiben. Abbildung 9.37 zeigt den schematischen Aufbau mit den einzubindenden Nichtlinearit¨aten von Zweimassenschwungrad, Verzahnung, Synchronisation und Lagerung. Dabei ist die so genannte Anregbarkeitsanalyse, vgl. Laschet [1988], eine gute M¨oglichkeit, um das Rassel- oder Klapperverhalten eines Getriebes rechnerisch zu untersuchen und zu entwickeln. Die Anregbarkeitsanalyse betrachtet die potentielle Energie einzelner Eigenformen des diskretisierten Getriebemodells: Freiheitsgrade mit einer großen potentiellen Energie11 besitzen eine große Mobilit¨at und k¨ onnen somit innerhalb der vorhandenen Spiele st¨arker zu Schwingungen neigen als Freiheitsgrade mit niedriger potentieller Energie. Die Rassel- oder Klappersimulation findet aufgrund der mit den Spielen verbundenen Nichtlinearit¨ at im Zeitbereich statt, die Anzahl der Stoßereignisse dient als Indikator f¨ ur die Rasselempfindlichkeit. Dabei werden in Studien zur Ger¨auschoptimierung neben den konstruktiven Parametern der Steifigkeitsund Massenverteilung auch produktionsrelevante Gr¨oßen wie etwa die Spiele der Verzahnungen und Losteile variiert, um die generelle Rasselempfindlichkeit eines Getriebes zu reduzieren. 11
In einer normierten Darstellung; f¨ ur Details sei z.B. auf Laschet [1988] verwiesen.
630
9 Komfortaspekte
Abb. 9.37. Schematische Darstellung der Vorgehensweise bei der Simulation des Getriebeklapperns
Zur Berechnung der Schallabstrahlung werden die errechneten Lagerkr¨afte dann in einem Folgeschritt als Anregungsgr¨ oßen auf ein Finite Elemente Modell aufgebracht, vgl. Abbildung 9.38; i.d.R. findet die Berechnung nach einer Fourier-Transformation der anregenden Kr¨ afte aus der MKS-Simulation im Frequenzbereich statt. Die sich anschließenden Analysenschritte sind in Abbildung 9.38 mit den entsprechenden Modellen abgebildet, die Kette geht u ¨ber die Ermittlung der frequenzabh¨ angigen Oberfl¨ achenschnellen bis zur Schallabstrahlung ins Freifeld mit einem gekoppelten Randelemente oder Infinite Elemente Modell. Problematisch ist die Annahme der Schallabstrahlung ins Freifeld vor dem Hintergrund der Einbausituation des Getriebes im Motorraum zu sehen, denn die Schallabsorption im Motorraum und die K¨orperschallleitung in den Fahrzeuginnenraum werden dann in der Analyse nicht ber¨ ucksichtigt, vgl. auch Abschnitt 10.4.2. Trotzdem bietet die Simulation der Schallabstrahlung auch aufgrund der m¨ oglichen Korrelation mit dem Pr¨ ufstand, vgl. Abbildung 9.39, viele Vorteile gegen¨ uber den Versuch, da wieder Varianten sehr schnell untersucht und unter gleichen Annahmen verglichen werden k¨onnen. 9.6.3 Maßnahmen zur Ger¨ auschreduzierung Das Entwicklungsziel eines ger¨ auscharmen Getriebes ist schon in der Konzeptund Entwurfsphase eines neuen Getriebes zu ber¨ ucksichtigen, denn es ist mit fortschreitender Entwicklungszeit und zunehmender N¨ahe zum Serienanlauf exponentiell schwieriger, an einem fast fertig entwickelten oder bestehenden Getriebe Ger¨ auschminderungsmaßnahmen durchzuf¨ uhren, vgl. Abbil-
9.6 Getriebeger¨ ausche
a)
b)
c)
d)
631
Abb. 9.38. Vorgehensweise bei der rechnerischen Analyse des Getrieberasselns: a) FE-Modell zur Beschreibung der dynamischen, getriebe-internen Vorg¨ ange, b) Verteilung der Oberfl¨ achenschnellen, c) grobes Randelemente-Modell zur Simulation der Schallabstrahlung ins Freifeld, d) berechneter Schalldruck
dung 3.24. Bei der Bek¨ ampfung von Getriebeger¨auschen reicht es oft nicht aus, nur Verbesserungen am Getriebe selbst vorzunehmen. Wie bei allen Ger¨auschproblemen an Fahrzeugen m¨ ussen auch hier die Karosserie und andere, an der Schall¨ ubertragung und -abstrahlung beteiligte Komponenten gegebenenfalls ber¨ ucksichtigt werden. Es kann hierbei zwischen aktiven Maßnahmen, welche die Anregung der Ger¨ ausche vermindern, und passiven, die die Ausbreitung der Ger¨ausche betreffen, unterschieden werden, vgl. Tabelle 9.3. Die aktiven Maßnahmen beeinflussen somit immer nur eine spezielle Schwingungs- bzw. Ger¨auschart, die passiven Maßnahmen vermindern das Ger¨auschniveau des Getriebes insgesamt. Aktive Maßnahmen, die zum Beispiel die Schwingungen der leistungsf¨ uhrenden Radpaare vermindern sollen, betreffen die Geometrie und die Fertigungsqualit¨ at der Verzahnung sowie deren Auslegung: Eine große Profil- und Sprung¨ uberdeckung, vgl. Abschnitt 4.3.3 insbesondere (4.49) und (4.48), vermindert die Ungleichf¨ormigkeit der resultieren-
632
9 Komfortaspekte
Abb. 9.39. Pr¨ ufstand zur Untersuchung der Schallabstrahlung eines Fahrzeuggetriebes ins Freifeld
den Zahnsteifigkeit, vgl. Abbildung 9.32, und mildert den Eingriffsstoß. Wenn die Amplitude der Torsionsschwingungen der Getriebewellen durch die Abstimmung der Drehschwingungseigenschaften der Kupplung und des Antriebstrangs entsprechend reduziert wird, k¨ onnen die Klapper- und Rasselger¨ausche deutlich vermindert werden. Kann die Drehungleichf¨ormigkeit des Verbrennungsmotors durch die Abstimmung von Kupplung und Schwungmassen abgekoppelt werden, ist dies eine der effizientesten Maßnahmen zur Ger¨auschminderung. Teilweise wird auch zur gezielten Bed¨ampfung ger¨auschempfindlicher Losteile eine sehr gezielte Be¨ olung realisiert, vgl. Abbildung 6.75. Passive Maßnahmen im Getriebe betreffen insbesondere die K¨orperschall¨ ubertragung von den Zahnr¨ adern u ¨ber die Wellen zum Geh¨ause. Hier sollte eine m¨oglichst weiche Lageraufnahme als Tiefpassfilter f¨ ur die hochfrequenten Schwingungen dienen, ohne dass unzul¨ assige Verformungen unter Last auftreten. Der Gestaltung des Getriebegeh¨ auses ist dabei eine besondere Bedeutung beizumessen und darauf zu achten, dass impulsartige Lagerlasten keine großen unverrippten Wandungsfl¨ achen zu membranf¨ ormigen Schwingungen anregen, vgl. Abbildung 6.64; ger¨ auschintensive Eigenschwingungsformen der Getriebew¨ande sind zu vermeiden. Auch der Geh¨ ausewerkstoff hat großen Einfluss auf die Schallabstrahlung: Die heute meist verwendeten Leichtmetallegierungen haben schlechtere D¨ ampfungseigenschaften als etwa Grauguß, sind aber aufgrund ihrer Gewichtsvorteile der Standardwerkstoff f¨ ur die Geh¨ause. Die K¨orperschall¨ ubertragung auf die Karosserie ist durch die Abstimmung der Aufh¨angungsorte und der Lagersteifigkeiten der Getriebelager zu minimieren. Aber auch hier bestehen Zielkonflikte mit anderen funktionalen Anforderungen an die Lagerung des Triebwerks im Fahrzeug. Durch eine Kapselung des Getriebes kann die Luftschallabstrahlung nahezu vollkommen unterbunden werden. Das große Gewicht, die schnell zu erwartenden thermischen Proble-
9.6 Getriebeger¨ ausche
633
Aktive Maßnahmen (Ursachen mindernd)
Aktive Maßnahmen (Ursachen mindernd)
¨ Tabelle 9.3. Ubersicht ausgew¨ ahlter aktiver und passiver Maßnahmen zur Reduzierung von Getriebeger¨ auschen Getriebebezogene Fahrzeug- oder MotorMaßnahme bezogene Maßnahme Schwingungen lasttragender R¨ ader – Zug- und Schubrasseln Verzahnungsgeometrie Betriebszustand (Meist nicht zu beeinflussen) • Schr¨ agverzahnung mit α + β > 2, 5, vgl. (4.48), (4.49) • Abgegebenes / eingeleitetes Mo• Hochverzahnung mit α > 2 und tormoment α 6= {2; 2.5}, vgl. (4.49)) • Motordrehzahl • Profilkorrektur (Kopfr¨ ucknahme) • Keine ganzzahligen Z¨ ahnezahlverh¨ altnisse Verzahnungsqualit¨ at • Enge Toleranzen, IT7 bis IT4 • Bearbeitungsverfahren wie Schleifen, Hohnen oder Schaben f¨ ur hohe Oberfl¨ achenqualit¨ at • • • • •
Losteilschwingungen Spieleinengung der Losr¨ ader radial Torsionsschwingungen an der Getriebeeingangswelle reduzieren und/oder axial • Abkopplung des Motors durch ein Anordnung der Losr¨ ader Zweimassenschwungrad oder TorArt der Synchronisation sionsd¨ ampfer in der KupplungsErh¨ ohen des wirkenden Schlepp¨ scheibe, vgl. Abschnitt 4.1.1 moments, z.B. durch mehr Ol Direkte Maßnahmen wie Verspan- • Einsatz von Tilgern zur Reduktion der Resonanz¨ uberh¨ ohung nen von Losr¨ adern und Synchronringen mit Belleville-Federn
Passive Maßnahmen (Wirkung lindernd)
K¨ orperschall¨ ubertragung und -Abstrahlung • • • •
K¨ orperschall¨ ubertragung im Getriebe reduzieren, z.B. durch entkoppelnde Lagerung der Wellen Schwingungen des Getriebes vermindern, z.B. durch Geh¨ ausegestaltung (Verrippen) oder gezielte Materialauswahl Kapseln des Getriebes Gezieltes Beschichten stark schallemitierender Partien des Geh¨ auses, z.B. mit Schwerspat
me, der hohe Preis und der enorme Bauraumbedarf sprechen jedoch in den meisten F¨allen gegen diese Maßnahme. 9.6.4 Schaltger¨ ausche Bei nicht optimaler Funktion der Synchronisierung k¨onnen u ¨ber die in Abschnitt 9.4 besprochenen Schwankungen der Schaltkraft am Schalthebel hinaus f¨ ur den Kunden Schaltger¨ ausche w¨ ahrend des Gangwechsels h¨orbar sein. ¨ Dieses Ger¨ausch entsteht durch den metallischen Kontakt beim Uberspringen
634
9 Komfortaspekte
der Schiebemuffe vor dem endg¨ ultigen Einf¨ adeln in die Kupplungsverzahnung; ob diese Ger¨ausche auftreten, h¨ angt auch davon ab, wie der Fahrer schaltet. Schaltger¨ausche k¨ onnen nicht als reines Komfortproblem angesehen werden, weil sie zum Verschleiß der Dachfl¨ achen, vgl. Abbildung 4.86, beitragen. Maßgebliche Faktoren zur Beeinflussung bzw. Vermeidung von Schaltger¨auschen sind wie bei den Maßnahmen zur Optimierung des Schaltkomforts u.a. das Schleppmoment im Getriebe, das gerade bei sehr kalten Umgebungsbedingungen, vgl. Anmerkung 4.19, bei Aufschaltungen dazu f¨ uhren kann, dass w¨ahrend der Freiflugphase die Drehgeschwindigkeit der Kupplungsscheibe und der Eingangswelle unter die Abtriebswellendrehzahl f¨allt und eine “Abschaltung” mit erneuter Beschleunigung der Eingangswelle erfolgen muss. Dies kann bei ung¨ unstigen Konstellationen zum Ratschen und zum Ger¨ausch f¨ uhren. Eine andere Maßnahme ist, wie in Abschnitt 9.4 besprochen, das gezielte Bereitstellen einer freien Kraft an der Schiebemuffe kurz vor der Freiflugphase zur erneuten Beschleunigung der Muffe und somit zur Verk¨ urzung der Freiflugphase und damit die Limitierung der Relativverdrehung zwischen Muffe und Kupplungsverzahnung nach erfolgter Synchronisation. 9.6.5 Lagerger¨ ausche Lagerger¨ausche werden normalerweise kaum wahrgenommen. Nur bei besch¨adigten W¨alzlagern treten Ger¨ ausche auf, deren Pegel mit zunehmender Sch¨adigung stark ansteigt. Dieses Ger¨ auschph¨ anomen ist eigentlich positiv zu sehen, da der Fahrer hier einen Schaden, der zum Ausfall von Getriebe und Fahrzeug f¨ uhren kann, schon fr¨ uh erkennen kann, bevor Konsekutivsch¨aden am Fahrzeuggetriebe eintreten. Ans¨ atze zur Ableitung von Schadensursachen aus dem Lagerger¨ausch werden von Dahlke [1994] oder auch Br¨ andlein et al. [1998] besprochen, allerdings meist f¨ ur das isolierte W¨alzlager und nicht in der Einbausituation eines Fahrzeuggetriebes.
10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
In diesem letzten Kapitel werden – zugegeben sehr makroskopisch, um den Gesamtrahmen nicht zu sprengen – die Grundz¨ uge verschiedener M¨oglichkeiten der Validierung von Fahrzeuggetrieben mit Fokus auf die Anwendung in Personenfahrzeugen skizziert. Unter Validierung wird dabei der Nachweis der Funktionsf¨ahigkeit w¨ ahrend der gesamten Produktnutzungsdauer einschließlich der Erf¨ ullung der zugeh¨ origen Komfortanforderungen verstanden. Die Gliederung dieses Kapitels folgt der allgemeinen Tendenz, die Fahrzeugvalidierung durch Pr¨ ufstandsarbeiten und Computersimulation zu ersetzen: Zun¨achst werden in Abschnitt 10.1 die M¨oglichkeiten, aber auch Einschr¨ankungen und Nachteile der Fahrzeugvalidierung von Getrieben diskutiert. Einige Aspekte der Validierung, die nach dem aktuellen Stand der Methodenentwicklung nur im Fahrzeug m¨ oglich sind, werden dabei besonders gew¨ urdigt. Mit Abschnitt 10.2 schließt sich ein Abriss u ¨ber die Dauererprobung des Fahrzeuggetriebes und seiner Baugruppen auf dem Pr¨ ufstand an. W¨ahrend bisher nur die Dauer- bzw. Betriebsfestigkeit des Fahrzeuggetriebes im Vordergrund stand, werden in Abschnitt 10.3 beispielhafte Pr¨ ufstandsmethoden zur Komfortentwicklung beschrieben; auf die Notwendigkeit der Kalibration eines geeigneten Pr¨ ufstands zur Reproduktion der fahrzeugspezifischen Ph¨anomene wird dabei entsprechend eingegangen. Der letzte Abschnitt besch¨aftigt sich mit den F¨ ahigkeiten der rechnergest¨ utzten Entwicklung; Abschnitt 10.4.5 geht als Momentaufnahme auf die Strategien zur Abl¨osung von Fahrzeugaktivit¨aten durch Pr¨ ufstandsarbeiten im ersten Schritt und durch Simulation im zweiten ein. Die Entwicklungsmethodik befindet sich in einem raschen Wandel; aufgrund der Kurzlebigkeit existierender methodischer Grenzen wird insbesondere in Abschnitt 10.4 auf Details verzichtet.
10.1 Validierung und Entwicklung im Fahrzeug Die Fahrzeugvalidierung der Getriebe umfasst vorrangig die Sicherstellung der Leistungs¨ ubertragung bei gleichzeitiger Einhaltung von Vorschriften und
636
10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
a)
b)
c)
d)
e)
f)
Abb. 10.1. Verschiedene Streckentypen zur Fahrzeug- und Antriebstrangerprobung und -Validierung: a) Querrillen, b) Belgisch Pflaster, c) H¨ ocker und Absenkungen, d) Bergstrecke, e) Kleines Pflaster, f) Normale Straße
Komfortanforderungen w¨ ahrend der Auslegungslebensdauer des Fahrzeugs. Dabei werden f¨ ur die verschiedenen Fahrzeugtypen f¨ ur den jeweiligen Einsatzzweck, vgl. Tabelle 3.5, verschiedene Dauerpr¨ ufprogramme auf nicht ¨offentlichen und ¨offentlichen Straßen gleichermaßen absolviert; je nach Anforderung des Fahrzeugherstellers werden dabei Marterstrecken, vgl. Abbildung 10.1, mit Hochgeschwindigkeitsfahrten und Sonderman¨overn durchmischt. Die verschiedenen Teststrecken, die in Abbildung 10.1 exemplarisch gezeigt sind, f¨ uhren f¨ ur die Fahrzeuggetriebe anders als f¨ ur das Fahrwerk meist aufgrund der geringen Fahrgeschwindigkeit und der niedrigen erforderlichen Motorleistung bei makroskopischer Betrachtung unter Vernachl¨assigung der Fahrbahnunebenheiten zu relativ geringen Sch¨adigungsbeitr¨agen, vgl. Ab-
10.1 Validierung und Entwicklung im Fahrzeug
637
schnitt A.2. Durch den sich infolge der Vertikaldynamik des Fahrzeuges einstellenden Mikroschlupf der Reifen beim kurzzeitigen Abheben der angetriebenen R¨ader auf unebener Fahrbahn und den sich anschließenden Momentenstoß tragen diese Strecken jedoch u ¨ber die hohe Impulsfrequenz und die vergleichsweise hohen Achswellenmomente signifikant zur Bauteilsch¨adigung innerhalb des Pr¨ ufprogramms bei. Insgesamt erreichen die Marterstrecken – haupts¨achlich f¨ ur die Fahrwerkskomponenten – verglichen mit Normalstrecken einen so genannten Raffungsfaktor von etwa 100 bis 150; ein Kilometer Marterstrecke entspricht 100 bis 150 Kilometern normaler Fahrstrecke. ¨ Uber die Dauererprobung des Fahrzeugs hinaus werden jedoch bei einer abschließenden Validierung vor Produktionsstart noch eine Reihe von Sonderman¨overn gefahren, um auch Missbrauchssicherheit und Komfort entsprechend u ufen zu k¨ onnen; h¨ aufig werden dazu in die Dauererprobungs¨berpr¨ zyklen in regelm¨aßigen Abst¨ anden subjektive und objektive Beurteilungen integriert. Die Sonderman¨ over umfassen dabei Pr¨ ufungen wie beispielsweise ¨ • Anh¨angerberganfahrten zur Uberpr¨ ufung der ABE-Richtlinien f¨ ur die Kupplung, vgl. Abschnitt 4.1.3 ab Seite 129, • Missbrauchstest entsprechend Abschnitt 3.3.2, • Stop-and-Go Versuche zur Sicherstellung der Funktion von Kupplung und Synchronisation bei fast ausschließlicher Nutzung des Fahrzeugs im Stadtverkehr. Dar¨ uber hinaus werden h¨ aufig gerade bei Problemen, die sich nur mit extremen Aufwand und mit langem Vorlauf auf dem Pr¨ ufstand untersuchen lassen, Sonderman¨over kreiert, wenn diese ein spezielles Versagensmuster schnell und zuverl¨assig erkennen lassen. Ferner ist man – wie in den Abschnitten 4.1, 4.4 und 9.4 bereits angedeutet – bei der Feinabstimmung von Kupplungs- und Schaltbet¨atigung auf das Fahrzeug angewiesen, da sich manche Effekte nur mit unverh¨altnism¨ aßigem Aufwand auf dem Pr¨ ufstand reproduzieren und nur begrenzt auf andere Fahrzeuge u ¨bertragen lassen. Da bei Validierungsprogrammen i.d.R. nichts an den Getrieben vom Serienstand abweichen darf, ist die Datenerfassung schwierig, wenn nicht unm¨oglich; die einzige Abhilfe bietet h¨ aufig das Auslesen der CAN-Bus-Signale, vgl. Abschnitt 5.1, um u ¨ber indirekte Daten wie Drosselklappenstellung und Raddrehzahlen der einzelnen ABS-Sensoren auf die Beanspruchung des Getriebes schließen zu k¨onnen. Bei Entwicklungsfahrzeugen bzw. -getrieben bieten sich vielf¨altige M¨oglichkeiten, um u ¨ber die Messung von Kr¨aften, Verschiebungen und Temperaturen, vgl. auch Abschnitt 9.4.3, die thermische und mechanische Beanspruchung der Komponenten zu ermitteln. H¨aufig stellt sich dabei die Herausforderung der Messung an rotierenden Wellen; hier bietet die Telemetrie ein gutes Mittel, um u ¨ber kleine mitrotierende Sender die Signale wellenseitig applizierter Messstellen, etwa eines Dehnungsmessstreifens wie in Abbildung 10.2, an einen geh¨ auseseitigen Empf¨anger zu u ¨bertragen. H¨aufig f¨ uhrt die Applizierung von Telemetriesystemen jedoch zu einem Steifigkeits-
638
10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
Abb. 10.2. Achswellenflansch mit applizierten Dehnungsmessstreifen und telemetrischer Daten¨ ubertragung (Quelle: hofer powertrain)
Abb. 10.3. Schematische Vorgehensweise zum Abgleich von Pr¨ ufstands- und Fahrzeugerprobung
verlust oder aber zu lokalen Spannungsspitzen, die die Belastbarkeit der betroffenen Bauteile begrenzen.
10.2 Dauerlauferprobung auf Komponentenpru anden ¨ fst¨ Dauerpr¨ ufprogramme f¨ ur den Pr¨ ufstand werden entweder auf der Grundlage von umfangreichen Messungen und nachfolgenden Sch¨adigungsanalysen errechnet oder sie basieren auf der Erfahrung mehrerer Getriebe- und Fahrzeuggenerationen und reproduzieren ohne einen expliziten Bezug zur Betriebsfestigkeitslehre hinreichend genau die Verschleißbilder der Fahrzeugerprobung. Wichtig ist dabei stets der Abgleich, dass Pr¨ ufstands- und Fahrzeugerprobung zu m¨oglichst ¨ahnlichen Schadens- und Verschleißmustern f¨ uhren, um Getriebe
10.2 Dauerlauferprobung auf Komponentenpr¨ ufst¨ anden
639
nicht f¨ ur den Pr¨ ufstand, sondern f¨ ur ein Fahrzeug zu entwicklen, vgl. Abbildung 10.3. Wichtig ist dabei neben der Reproduktion bzw. Approximation von ¨ Schadens- und Verschleißbildern die ungef¨ ahre Ubereinstimmung zwischen der Beanspruchungs-Zeit-Funktion im Fahrbetrieb und auf dem Pr¨ ufstand unter Beibehaltung des Charakters des tats¨ achlichen Lastkollektivs. Die Pr¨ ufst¨ande zur Dauerlauferprobung von Fahrzeuggetrieben m¨ ussen die verschiedenen in Kapitel 2 besprochenen Antriebstrangkonfigurationen, vgl. z.B. Abbildungen 2.1, 2.3 und 2.6, auf dem Pr¨ uffeld m¨oglichst gut und gleichzeitig flexibel abbilden. Wenn m¨ oglich werden dabei die Aufbauten aus einem Baukasten1 von Antriebs-, Umlenk- und Bremselementen ¨ahnlich zu Abbildung 10.4 realisiert. Als Antriebsmaschinen kommen dabei Verbrennungs- und Elektromotoren zum Einsatz; h¨ aufig ist der Elektromotor die einfachere Variante. Typische Umlenkelemente k¨ onnen (¨ uberdimensionierte) Winkelgetriebe sein, um beispielweise Getriebe f¨ ur den Frontquereinbau nach Abbildung 2.1.c auf einem Pr¨ ufstand mit fest installierten, koaxialen Antriebs- und Bremsmaschinen f¨ ur Hecktriebsfahrzeuge zu pr¨ ufen. Die Pr¨ ufst¨ande f¨ ur manuell geschaltete Getriebe erfordern einen entsprechenden Schaltaktuator, der direkt die getriebeinterne Schaltung bet¨ atigt oder den Handschalthebel. Bei automatisch schaltenden Getrieben wird der Schaltimpuls vom Getriebesteuerger¨at ausgel¨ost; hier bietet die Kombination mit einem Verbrennungsmotor Vorteile, da dann die zur Bedatung der Getriebesteuerung notwendigen Motordaten teils direkt genutzt werden k¨ onnen und nicht synthetisch generiert werden m¨ ussen. Wichtig ist in jedem Fall eine entsprechende Automatisierung des Pr¨ ufstandes, um entsprechend einer Pr¨ ufprozedur, vgl. z.B. Tabelle 3.7, die verschiedenen Gangstufen testen zu k¨ onnen. Problematisch ist – gerade bei einfachen Pr¨ ufst¨anden – die Pr¨ ufung des Achsantriebs, vgl. Abschnitt 6.1. Hier setzt eine fahrzeugnahe Pr¨ ufung auf dem Pr¨ ufstand zwei voneinander unabh¨ angige Bremsen bei Getrieben f¨ ur reinen Front- oder Heckantrieb voraus; ein Fahren mit konstanter Relativdrehzahl ¨ im Differential als Einstufenversuch f¨ uhrt eventuell zu einer Uberdimensionierung des Achsantriebs durch fehlende Regenerationspausen. Wichtig ist bei allen quasi-station¨ aren Pr¨ ufungen, die auf einem Lastkollektiv und nicht auf einer Fahrzeugmessung oder einer Simulation eines Fahrman¨overs basieren, eine gute Durchmischung der verschiedenen Lastanteile in einem Blockprogrammversuch, vgl. Abbildung 10.5. Der von Gassner2 vorgeschlagene Blockprogrammversuch – die Reihung quasi-station¨arer Phasen der Lasthorizonte in den einzelnen G¨ angen, vgl. Abbildung 10.5 – f¨ uhrt nach Radaj [2003] zu einer guten, realit¨ atsnahen Pr¨ ufung. Ein Pr¨ ufen der Lastanteile wie etwa beim Programm nach Tabelle 3.7 in 13 Zyklen ohne die vorgeschlagene 1
2
Die gleichen Komponenten k¨ onnen auch zum Aufbau des Schaltkomfortpr¨ ufstandes nach Abbildung 10.10 genutzt werden. Professor Dr. Ernst Gassner (1908-1988) lebte und forschte in Darmstadt; er war Mitbegr¨ under des heutigen Fraunhofer Instituts f¨ ur Betriebsfestigkeit und einer der Pioniere der betriebsfesten Bemessung.
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10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
a)
b) Abb. 10.4. Pr¨ ufstandsaufbau aus Baukastenmodulen: a) Konfiguration zum Ermitteln dynamischer Reibwerte einer Synchronisation, b) Aufbau f¨ ur die Pr¨ ufung eines Getriebes in Transaxle-Anordnung, vgl. Abbildung 2.3.b (Quelle: hofer powertrain)
Aufteilung in Einzelbl¨ ocke f¨ uhrt aufgrund der fehlenden Erholphasen durch den Betrieb in anderen Lastzust¨ anden mit u.U. wechselnden Leistungspfaden zu verfr¨ uhten Ausf¨ allen und entspricht nicht dem typischen Kundenprofil. Bei der Dauererprobung einzelner Komponenten oder Subsysteme ist die Durchf¨ uhrung von Blockprogrammen jedoch aufgrund der eingeschr¨ankten Variabilit¨at der Last- und Betriebszust¨ ande nur begrenzt bei geringer Raffung m¨oglich. Als Beispiel hierf¨ ur ist der Nachweis einer vorgegebenen Anzahl von Schaltungen f¨ ur die Komponenten der externen Schaltung, vgl. Abbildung 4.102, zu nennen. Hier wird z.B. das Schaltbild R-1-2-3-4-5-6 in auf- und
10.2 Dauerlauferprobung auf Komponentenpr¨ ufst¨ anden
641
Abb. 10.5. Schematischer Blockprogrammversuch mit achtstufiger Folge der Lastamplituden nach Gassner (Aus Radaj [2003])
Abb. 10.6. Pr¨ ufstand zur Untersuchung der Betriebsfestigkeit hinsichtlich Gr¨ ubchenbildung an einsatzgeh¨ arteten Stirnradflanken (Quelle: FZG, TU M¨ unchen)
absteigender Folge durchgeschaltet, ggf. mit Ber¨ ucksichtigung von “Stadtfahrten”, in denen nur bis in den dritten oder vierten Gang geschaltet wird. Ein weiteres Beispiel f¨ ur Erm¨ udungserscheinungen, bei denen die Versuche nur in begrenztem Maße zeitlich gerafft werden k¨ onnen, ist die Gr¨ ubchenbildung an den Zahnflanken, vgl. Abbildung 10.6. Allerdings werden diese Untersuchungen i.d.R. nicht von den Getriebeherstellern durchgef¨ uhrt sondern dienen der Absicherung neuer Berechnungs- und Auslegungsrichtlinien und werden im akademischen Umfeld durchgef¨ uhrt.
642
10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
a)
b) Abb. 10.7. Schematischer Aufbau von Dauerlaufpr¨ ufst¨ anden f¨ ur Synchronbel¨ age: a) Einwelliges Layout, b) zweiwellige Anordung
Abbildung 10.7.a zeigt das Schema eines Synchronisationspr¨ ufstandes im Einwellenbetrieb. Die Aufgabe des Pr¨ ufstandes ist die Ermittlung des Verschleißes und des Reibungsverhaltens von Synchronringen im Betrieb, dabei kommt der Reibwertstabilit¨ at des Synchronbelags, vgl. Abschnitt 4.4.5, als komfortund funktionsrelevanter Kenngr¨ oße eine wichtige Bedeutung zu. Demzufolge ist die Auslegung des Pr¨ ufstandes auf nur einen Lastfall ausreichend; alternativ zu dem in Abbildung 10.7.a gezeigten Zweikonussystem k¨onnen auch Ein- und Dreikonussynchronisationen getestet werden. Im Pr¨ ufbetrieb wird die angetriebene Welle auf Pr¨ ufdrehzahl beschleunigt und dann vom Antrieb getrennt, anschließend dr¨ uckt ein Hydraulikzylinder das Synchronpaket aufeinander, wodurch die drehende Welle abgebremst wird. Bei Stillstand der Wellen wird das Paket getrennt und der Zyklus beginnt erneut, bis die geforderte Anzahl an Schaltungen erreicht ist. Wichtig ist dabei, dass die zu pr¨ ufende Synchronisation m¨ oglichst nahe an ihren sp¨ateren Einsatzbedingun¨ versorgt wird. Zu viel Ol, ¨ z.B. durch direkte Be¨olung gen im Getriebe mit Ol
10.3 Pr¨ ufst¨ ande f¨ ur Fahrman¨ over und Komfortentwicklung
643
¨ verglichen der Synchronfl¨achen, ergibt ein falsches Verschleißbild; zu wenig Ol mit dem realen Getriebe f¨ uhrt zu hohem Verschleiß und verfr¨ uhten Ausf¨allen. Der in Abbildung 10.7.b gezeigte Aufbau pr¨ uft hingegen das Verschleiß- und Reibungsverhalten der Synchronisationsbaugruppe. Dabei schaltet der Pr¨ ufstand die Schiebemuffe zwischen einem stehenden und einem drehenden Gangrad hin und her. Die Massentr¨ agheit der drehenden Welle kann variiert werden, um wirklichkeitsgetreue Pr¨ ufbedingungen, vgl. Abschnitt 4.4.3, zu erhalten; der Antrieb mit der konstanten Schwungmasse erfasst die Fahrzeugmasse. Maßnahmen zur Pr¨ ufstands- und Pr¨ uflings¨ uberwachung H¨aufig werden Dauerlaufpr¨ ufst¨ ande mit einer Pr¨ uflings¨ uberwachung ausgestattet, die z.B. den K¨ orperschallpegel misst und diesen in den Verweilphasen in den quasi-station¨ aren Zust¨ anden der einzelnen Lasthorizonte mitein¨ ander vergleicht. Bei einem vorgegebenen Grenzwert f¨ ur die zul¨assige Ande¨ rung des K¨orperschallpegels schaltet die Uberwachung den Pr¨ ufstand ab, wenn sich durch Ver¨anderungen des K¨ orperschallspektrums bevorstehende Ausf¨alle an einzelnen Teilen ableiten lassen. Oft ist man dann in der Lage, anhand der “verd¨achtigen” Frequenz direkt auf das betroffene Bauteil zu schließen, wenn Anrisse von Z¨ ahnen oder Lauffl¨ achensch¨aden zu einer Ver¨anderung des K¨orperschalls f¨ uhren. Besonders gut lassen sich Anrisse an einzelnen Z¨ahnen ¨ u ihrer Eingriffssteifigkeit – Ungleichm¨aßigkeiten der Steifig¨ber die Anderung keitsvariation l¨anges des Umfang, vgl. Abbildung 9.32 – und die damit verbun¨ dene Anderung der dynamischen Lagerkr¨ afte sowie Gr¨ ubchen an W¨alzlagern detektieren; die Anregungsordnung bzw. die verd¨achtige Frequenz kann verbunden mit den Z¨ ahnezahlen und den W¨ alzk¨ orperanzahlen Hinweise auf ein konkretes, gesch¨adigtes Bauteil geben. Bei Komponentenpr¨ ufst¨ anden lassen sich bevorstehende Ausf¨alle h¨aufig auch ¨ durch Anderungen der Steuer- oder Regelgr¨ oßen des Pr¨ ufstands erkennen. Ei¨ ne gute Uberwachung von Pr¨ ufstand und Pr¨ ufling ist aufw¨andig, kann aber Ausf¨alle von Einzelteilen und deren Folgesch¨ aden am gesamten Pr¨ ufstands¨ aufbau unter Umst¨ anden vermeiden. Die vollst¨andige Uberwachung selbst des einstufigen Pr¨ ufstandes f¨ ur die Synchronbel¨ age nach Abbildung 10.7.a erfordert schon die Messung von Antriebsdrehzahl, Synchronisationsdrehzahl, Kraftrichtung, Reibmoment und Axialkraft sowie der Temperatur von Innen¨ u ring und Ol ¨ber der Zyklenzahl.
10.3 Pru ande fu ¨ fst¨ ¨ r spezielle Fahrmano ¨ver und Komfortentwicklung Neben den zuvor beschriebenen Pr¨ ufst¨ anden f¨ ur die Dauererprobung werden vielf¨altige Einrichtungen zur Komfortentwicklung und zur Durchf¨ uhrung von Sonderman¨overn eingesetzt; die hier gezeigten Bilder haben auch wieder
644
10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
Abb. 10.8. Schematische Darstellung eines Rasselpr¨ ufstandes: Simulation der Motordrehungleichf¨ ormigkeit durch winklig angeordnetes, nicht drehfehlerkompensierendes Gelenkwellensystem (Winkelfehler α)
beispielhaften Charakter und erheben keinen Anspruch auf Vollst¨andigkeit. Die meisten Pr¨ ufst¨ ande f¨ ur Sonderman¨ over und Komfortuntersuchungen setzen der Einfachheit wegen – falls es nicht anders explizit f¨ ur eine Aufgabe notwendig ist – voraus, dass das betrachtete Fahrzeug geradeaus f¨ahrt, der Achsausgleich ist nicht aktiv bzw. blockiert. 10.3.1 Komponenten- und Funktionspr¨ ufst¨ ande Die Pr¨ ufst¨ande zur Komfortentwicklung werden mit zwei verschiedenen Zielen eingesetzt: Zum einen zur direkten Entwicklung einzelner komfortrelevanter Ph¨anomene, vgl. Kapitel 9, zum anderen zur Kalibration von Simulationsmodellen, mit denen dann, vgl. Abschnitt 10.4.3, die Komfortentwicklung teilweise im Rechner durchgef¨ uhrt wird. In Abbildung 10.8 ist ein m¨ oglicher Aufbau eines Rasselpr¨ ufstandes schematisch dargestellt; zu erkennen ist, dass die Drehungleichf¨ormigkeit des Verbrennungsmotors, die in vielen F¨ allen eine der Ursachen des Getrieberasselns ist, durch ein nicht drehfehlerkompensierendes Gelenkwellensystem erreicht wird, vgl. Abschnitt 6.2.3. Dieser Aufbau ist jedoch auf vierzylindrige Motoren beschr¨ankt; eine Hintereinanderschaltung mehrerer versetzter Kreuzgelenke f¨ uhrt zwar zu einer weiteren Verst¨ arkung der Drehungleichf¨ormigkeiten, jedoch mit Verlust eines pr¨ azisen Phasenbezugs. Die Nutzung mehrerer
10.3 Pr¨ ufst¨ ande f¨ ur Fahrman¨ over und Komfortentwicklung
645
Abb. 10.9. Pr¨ ufstand mit offenem Triebstrang zur Schaltkomfortuntersuchung: Schwungmassen simulieren das rollende (Quelle: hofer powertrain)
Kreuzgelenke ist demzufolge nicht zum Aufbau eines einfachen Pr¨ ufstands zu empfehlen; außerdem ist bei der Simulation der Drehungleichf¨ormigkeit vielzylindriger Motoren mit einem Gelenkwellensystem der Kalibrationsaufwand inakzeptabel hoch. Bei Verbrennungsmotoren mit mehr als vier Zylindern erfolgt die Anregung der h¨ oheren Motorordnungen daher meist durch hochdynamische Elektromotoren, vgl. z.B. Nicola et al. [2004], oder durch ¨ Momentenaddition zweier Elektromaschinen, d.h. durch Uberlagerung eines wechselnden St¨ormoments und eines konstanten Lastmoments. Auf dem Rasselpr¨ ufstand wird dabei dann die Schallabstrahlung des Getriebes n¨aherungsweise unter Freifeldbedingungen, wie in Abbildung 9.39 gezeigt, untersucht, vgl. Kollmann et al. [2006]; f¨ ur die Untersuchung des Getriebes unter Einbaubedingungen ist die Pr¨ ufung im Fahrzeug notwendig. Vorteilhaft ist der Pr¨ ufstand vor allem dann, wenn m¨ ogliche Rasselprobleme stets in einem engen Frequenzband auftreten und gut reproduzierbar sind. Pr¨ ufst¨ande zur Entwicklung des Schaltkomforts werden meist mit offenem Triebstrang aufgebaut; da der Verbrennungsmotor w¨ahrend des Gangwechsels keine Leistung zuf¨ uhrt, vgl. Abschnitt 4.4.2, ist die Beschr¨ankung auf das Getriebe hinreichend. Um jedoch den Einfluss des Triebstrangs und der Fahrzeugmasse zu erfassen, muss der Antriebstrang m¨oglichst fahrzeugnah mit entsprechenden Schwungmassen aufgebaut werden, vgl. Abbildungen 10.9 und 10.10. Die Spiele und Steifigkeiten des Triebstrangs spielen, vgl. Abschnitt 9.4, eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung des Schaltkomforts und m¨ ussen, auch um eine gute Korrelation zwischen Fahrzeug und Pr¨ ufstand zu erreichen, mit ber¨ ucksichtigt werden. Wie in Abbildungen 10.8 und 10.9 ersichtlich, m¨ ussen gerade bei Getrieben f¨ ur den Frontquereinbau nach Abbildung 2.1.d aufgrund der ungleich langen Antriebswellen beide R¨ader mit aufgebaut werden, dabei ist die Anbindung der Schwungmassen an die Fahrzeugr¨ader u ¨ber
646
10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
Abb. 10.10. Schematischer Aufbau eines Pr¨ ufstandes zur Schaltqualit¨ atsoptimierung von Getrieben f¨ ur heckgetriebene Fahrzeuge (Quelle: hofer powertrain)
Riemen wegen des einfacheren Pr¨ ufstandsaufbaus vorteilhaft. Bei Fahrzeugen mit Heckantrieb wie in Abbildung 10.10 kann auch mit nur einer Schwungmasse3 bei gesperrtem Hinterachsdifferential gepr¨ uft werden. Wichtig ist bei der Analyse des Schaltkomforts nach Abschnitt 9.4.3 die umfangreiche Ausr¨ ustung des Pr¨ ufstands mit Beschleunigungs- und Wegaufnehmern, um die Abl¨ aufe im Getriebe, d.h. den Zusammenhang zwischen den Bet¨atigungskr¨aften und den Positionen der Einzelkomponenten, aufl¨osen und verstehen zu k¨onnen. Pr¨ ufstandsaufbauten wie in Abbildung 10.9 und Messungen wie in Abbildung 9.17 sind notwendig, um die Modelle f¨ ur die Simulation des Schaltvorgangs zu kalibrieren; Voraussetzung f¨ ur eine erfolgreiche Simula¨ tion ist auch hier wieder zun¨ achst die Ubereinstimmung der Verh¨altnisse im Fahrzeug und auf dem Pr¨ ufstand. Wesentliche Ph¨anomene des Fahrzeugs, die auf der Straße oder einem Rollenpr¨ ufstand beanstandet und gemessen werden, muss der Pr¨ ufstand zumindest qualitativ abbilden k¨onnen. Ist z.B. das Schleppmoment zwischen Prim¨ ar- und Sekund¨arseite der Kupplung f¨ ur den Schaltkomfort relevant, m¨ ussen Motor und Kupplung wie in Abbildung 10.10 gezeigt mit aufgebaut werden. Als letztes Beispiel der vielf¨ altigen Pr¨ ufst¨ ande zur Komfortentwicklung soll der Aufbau zur Untersuchung von Vibrationen im Schaltsystem, vgl. Abschnitt 9.5.3, besprochen werden. Da – wie in Abschnitt 4.5 angesprochen – der Lastzustand des Getriebes f¨ ur das Entstehen von Schwingungen relevant ist, 3
Ideal sollte dann die Steifigkeit der Achswelle zwischen Hinterachsdifferential und der einen Ersatzmasse verdoppelt werden, um die lokale Eigenfrequenz des Einmassensystems Rad/Fahrzeugmasse mit der Achswellenfeder am festgehaltenen Achsantrieb n¨ aherungsweise konstant zu halten.
10.3 Pr¨ ufst¨ ande f¨ ur Fahrman¨ over und Komfortentwicklung
a)
647
b)
Abb. 10.11. a) Entwicklungspr¨ ufstand zur Untersuchung von Schwingungen und Ger¨ auschen im Schaltsystem, b) Aufgeschnittenes Fenstergetriebe zur optischen Beurteilung von Bewegungen des Schaltsystems (Quelle: hofer powertrain)
a)
b)
Abb. 10.12. Instrumentierung von getriebeseitiger Schaltwelle (a) und Handschalthebel (b) f¨ ur die Beschleunigungsmessung (Quelle: hofer powertrain)
muss der Pr¨ ufstand Motor- und Radseite geregelt gegeneinander verspannen k¨onnen, vgl. Abbildung 10.11. Bei niedrigen Drehzahlen bietet sich dar¨ uber hinaus auf dem Pr¨ ufstand die M¨ oglichkeit, an Hand eines Fenstergetriebes die Vibrationen auch visuell oder mit Methoden der digitalen Bildverarbeitung zu analysieren. Dies setzt jedoch voraus, dass niedrige Lasten im Getriebe einen ¨ Betrieb des Getriebes mit minimalen Olmengen erlauben. Auch bei der Analyse von Schwingungen im Schaltsystem ist wieder die Ausstattung des Pr¨ ufaufbaus mit Messtechnik erforderlich. Dabei m¨ ussen die Schwingwege und -beschleunigungen, wie auch in Abbildung 9.29 dargestellt, nicht nur an der getriebeseitigen Schnittstelle des Schaltsystems, sondern auch am Handschalthebel gemessen werden, um direkte Schl¨ usse auf die Komfortbeurteilung durch den Kunden ziehen zu k¨onnen, vgl. Abbildung 10.12. Hierbei ist wieder darauf zu achten, dass die Anordnung des Schaltsystems
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10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
Abb. 10.13. Pr¨ ufstand zur Simulation des Knallstarts f¨ ur allradgetriebene PKW (Aus M¨ uller-Kose et al. [2004])
m¨oglichst exakt mit der im Fahrzeug u ¨bereinstimmt, um gerade die tribologischen Effekte im gekr¨ ummt verlegten Kabel richtig abzubilden. 10.3.2 Pr¨ ufst¨ ande f¨ ur Sonderman¨ over Beispielhaft werden nun noch zwei Pr¨ ufstandsaufbauten zur Durchf¨ uhrung und Vermessung von Sonderman¨ overn vorgestellt. In Abbildung 10.13 ist ein hochdynamischer Pr¨ ufstand gezeigt, der in der Lage ist, die so genannten Knallstarts und Schubschocktests wie in Abschnitt 3.3.2 beschrieben f¨ ur den Gesamtantriebstrang abzubilden. F¨ ur die realit¨atsnahe Abbildung des Radschlupfs mit einem entsprechenden Regelmodell sind extrem niedrige Tr¨aghei¨ ten der verwendeten Elektromotoren erforderlich. Die Ubereinstimmung zwischen Fahrzeug- und Pr¨ ufstandsmessung f¨ ur solch einen Pr¨ ufstand ist nach M¨ uller-Kose et al. [2004] gut; die Messung auf dem Pr¨ ufstand dient auch zur Kalibration von Simulationsmodellen, mit denen dann Parameterstudien sehr schnell durchgef¨ uhrt werden k¨ onnen. Das letzte Pr¨ ufstandsbeispiel, vgl. Abbildung 10.14, zeigt einen wiederum sehr einfachen Pr¨ ufaufbau zur Analyse der Verh¨altnisse im Getriebe beim Abschleppen; die Versuche sind notwendig, um die Funktionsf¨ahigkeit des ¨ Olsystems gerade bei Automatikgetrieben auch bei geneigtem Getriebe und stehendem Motor sicherzustellen. Der Antrieb erfolgt u ¨ber eine Gelenkwelle oder direkt u ¨ber den Abtriebsflansch des Getriebes mit einem Elektromotor.
10.4 M¨ oglichkeiten und Grenzen der virtuellen Validierung
649
Abb. 10.14. Pr¨ ufstand zur Untersuchung des Getriebes beim Abschleppen eines Fahrzeuges mit Heckantrieb (Quelle: hofer powertrain)
10.4 M¨ oglichkeiten und Grenzen der virtuellen Validierung ¨ In diesem Abschnitt wird ein kurzer Uberblick u ¨ber die F¨ahigkeit der virtuellen Entwicklungsmethoden gegeben; die Ausf¨ uhrungen erheben keinen Anspruch auf Vollst¨andigkeit und unterliegen in der Bewertung dem Einfluss der sich rasch entwickelnden computergest¨ utzten Methoden. Abschnitt 10.4.5 beschreibt die Herausforderungen und M¨ oglichkeiten des Ziels, die Entwicklung der Fahrzeuggetriebe m¨ oglichst ohne Fahrzeuge am Pr¨ ufstand oder, besser noch, am Rechner durchf¨ uhren zu k¨ onnen. 10.4.1 Vertrauenskennziffer Zun¨achst soll als eine Einzelgr¨ oße zur Bewertung der Aussagef¨ahigkeit von Berechnungsmethoden in der Entwicklung von Fahrzeuggetrieben eine Vertrauenskennziffer V definiert werden. Diese l¨ asst sich als Maß f¨ ur die m¨oglichen Reduktionen der Versuchstr¨ ager direkt mit dem wirtschaftlichen Vorteil von Berechnungsverfahren zu korrelieren. Dazu sei zun¨achst auf die in Abschnitt 3.4.3 besprochenen Phasen des Entwicklungsprozesses verwiesen: In der Entwicklungs- und Validierungsphase wird zunehmend versucht, auf Prototypfahrzeuge und -getriebe zu verzichten. Kann durch den Einsatz virtueller Methoden ein spezieller Test sowohl in der Entwicklung als auch in der Validierung ganz entfallen und der entsprechende Test vollst¨ andig durch Simulation ersetzt werden, dann ist die Vertrauenskennziffer am h¨ ochsten, V ' 4 − 5, vgl. Tabelle 10.1. Ist eine Berechnungsmethode nur in der Lage, nach aufw¨ andiger Kalibration des Modells ein Ph¨anomen zu erkl¨ aren, ohne Extrapolationen bzw. die Analyse alternativer Konfigurationen zu erm¨ oglichen, so wird dies nicht zur Einsparung von Versuchstr¨agern f¨ uhren und ergibt somit nur eine niedrige Vertrauenskennziffer, V ' 1 − 2.
650
10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
Dabei wird nach drei Arten der notwendigen Versuchstr¨ager unterschieden, die aus Sicht der Simulation verschiedenen Zwecken dienen; die Angabe der 100% bezieht sich jeweils auf den Bedarf an Versuchsteilen der traditionellen versuchsgetriebenen Entwicklung: Kalibration Diese Versuche dienen als Basis f¨ ur die notwendige Kalibration von Simulationsmodellen; die Versuche erfordern i.d.R. den gezielten Einsatz von Messtechnik, um alle f¨ ur den Abgleich von Simulation und Messung erforderlichen Daten zusammenzutragen. Entwicklung Wird w¨ ahrend der Entwicklung f¨ ur den sinnvollen Einsatz virtueller Methoden die Durchf¨ uhrung erneuter Versuche erforderlich, um nach Verlassen des urspr¨ unglichen Vertrauensintervalls der ersten Kalibration die Modelle zu re-kalibrieren, so f¨ uhrt dies nach Tabelle 10.1 zu einer Verschlechterung der Vertrauenskennziffer V. Validierung Sind trotz des Einsatzes von Berechnungsverfahren immer noch abschließende Validierungsversuche notwendig, f¨ uhrt dies zu einer Verschlechterung von V; kann man auf diese Versuche verzichten, ist das Ziel einer prototypfreien Entwicklung f¨ ur die einzelne Aufgabe erreicht. Bei genauerer Betrachtung von Tabelle 10.1 wird klar, dass auch eine Reduktion der Validierungsversuche auf 0% bei alleiniger Nutzung von Prototypen in einer der fr¨ uheren Phasen des Produktentstehungsprozesses als Vertrauenskennziffer V = 4 definiert werden k¨ onnte. Die Validierungsteile sind jedoch, da mit seriennahen Prozessen hergestellt, preiswerter als die Kalibrations- oder Entwicklungshardware, die meist als Einzelst¨ uck oder Kleinstserie gefertigt wird. Diese potentielle Vereinfachung des Entwicklungsprozesses durch den Verzicht auf Prototypteile aus Hilfseinrichtungen wird h¨oher gewichtet. Anmerkung 10.1 Im Folgenden fehlt die rechnerische Quantifizierung von Komfortkriterien: Ber¨ ucksichtigt man die Ausf¨ uhrungen aus Abschnitt 9.1, so wird klar, dass Komfortkriterien direkt derzeit noch nicht rechnerisch entwickelbar sind; indirekte Indikatoren f¨ ur das Komfortempfinden wie etwa Beschleunigungen oder Kr¨ afte sind aber der Analyse recht gut zug¨anglich. 2 Tabelle 10.1. Definition der Vertrauenskennziffer u ¨ber erzielbare Einsparungen an Versuchstr¨ agern Vertrauenskennziffer V Kalibration Entwicklung Validierung 1 100 % 100 % 100 % 2 100 % ≈ 50 % 100 % 3 100 % 0% 100 % 4 0% 0% 100 % 5 0% 0% 0%
10.4 M¨ oglichkeiten und Grenzen der virtuellen Validierung
651
10.4.2 Methoden der Strukturmechanik Die Berechnungsmethoden auf dem Gebiet der Strukturmechanik sind am weitesten entwickelt; sie basieren durchweg auf der Methode der Finiten Elemente, angepasst auf statische oder dynamische Problemstellungen, vgl. z.B. Zienkiewicz et al. [2005]. Es wird – so weit m¨oglich – hier nun beispielhaft f¨ ur einige Berechnungsergebnisse, die in diesem Buch gezeigt sind, eine Einsch¨atzung der Vertrauenskennziffer gegeben, um die F¨ahigkeiten der Methoden qualitativ darzustellen. Geh¨ ausedauerfestigkeit Die Dauerfestigkeit der Geh¨ause kann mit einer Vertrauenskennziffer V = 4 bewertet werden; Ausf¨alle der Geh¨ause bei normalen Betrieb sind ¨ außerst selten. Dichtigkeit Die Dichtigkeit mehrteiliger Geh¨ause ist gut berechenbar; notwendig sind entsprechende Lastannahmen zu den kritischsten Lastf¨allen, die je nach Dichtkonzept zur Klaffung oder Scherung des Dichtmediums f¨ uhrt. F¨ ur Fl¨ ussigdichtungen und formstabile Metall- oder Papierdichtungen ist gleichermaßen eine Vertrauenskennziffer zwischen 3 und 4 erzielbar. Missbrauchssicherheit von Geh¨ ausen, R¨ adern und Wellen Hier muss zun¨achst Abbildung 6.62 etwas relativiert werden; die Darstellung hat h¨ochstens vergleichenden Charakter, denn die virtuelle Entwicklung der Missbrauchssicherheit stellt eine erhebliche Herausforderung dar, daher gilt etwa V ' 2 − 3. Zu begr¨ unden ist diese vergleichsweise schlechte Einstufung mit den erheblichen Streuungen der Material- und Festigkeitskennwerte im typischen Lastwechselbereich von weniger als 500 Wiederholungen. Hier sind die Methoden der Betriebsfestigkeit nicht anwendbar; hinzu kommen durch die Nachgiebigkeit von R¨adern, Lagern und Wellen erhebliche nichtlineare Effekte, die die Analyse erschweren. Ans¨atze zur Betrachtung einzelner Zahnr¨ ader unter Missbrauchsbedingungen sind ver¨offentlicht, vgl. z.B. Linke et al. [2003], vernachl¨assigen aber den Einfluss des Gesamtzusammenbaus. Dauerfestigkeit von Verzahnungen und Wellen Hier ist in vielen F¨allen die FE-Methode den Auslegungsrichtlinien nach DIN 743 und 3990 ff. unterlegen, da diese eine Vielzahl festigkeitssteigernder Effekte ber¨ ucksichtigen, die in einem FE-Modell kaum darstellbar sind, vgl. auch Abbildung 4.43 und Abschnitt 4.3.4, V ' 4 − 5. Leistungs¨ ubertragung in der Synchronisation Bei der Bewertung der Bauteilbeanspruchungen der Synchronisation ist als entscheidende Einschr¨ankung die nur unzureichende Abbildung der realen Kontaktverh¨altnisse an den formschl¨ ussigen Verbindungen zwischen Welle, Synchronk¨orper, Schiebemuffe und Kupplungsk¨ orper, vgl. Abbildung 4.79, zu nennen. Da gerade die Verbindungsstellen die potentiellen Schwachpunkte dieser Bauteile darstellen, ist die Vertrauenskennziffer auf V ' 3 begrenzt: Die Detailgeometrie der toleranzbehafteten formschl¨ ussigen Welle-NabeVerbindung einschließlich der genauen Anzahl tragender Z¨ahne ist nicht modellierbar.
652
10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
Anbindung der Triebwerkslagerung Die Anbindung der Triebwerkslagerung ist ebenso wie die Geh¨ ausedauerfestigkeit an sich unkritisch, vgl. Abbildung 6.66, der Crash stellt die wesentliche Herausforderung bei der Berechnung des Verhaltens der Geh¨ auseanbindung dar. Hat man verstanden, wie sich das Getriebe im Crashfall verh¨alt, kann in der Rechnung die Verformung der Bauteile untersucht und mit einem Test abschließend verifiziert werden; dies entspricht V = 3. Schallabstrahlung Die Simulation der Schallabstrahlung ist auf die Abstrahlung ins Freifeld beschr¨ ankt, vgl. Abbildung 9.38, und liefert hier brauchbare Ergebnisse, die jedoch sowohl auf dem Pr¨ ufstand unter Freifeldbedingungen als auch im Fahrzeug unter Einbaubedingungen verifiziert werden m¨ ussen, vgl. Groß & Kaindl [2006]. Die Vertrauenskennziffer liegt somit etwa bei 2. Wichtig ist die Grundtendenz, dass die Strukturentwicklung der Fahrzeuggetriebe sehr weit mit der Berechnung vorangetrieben werden kann; in vielen F¨allen dient der Versuch nur noch der abschließenden Verifikation. 10.4.3 Mehrk¨ orpersimulationsverfahren In das Gebiet der Verfahren der Mehrk¨ orpersimulation, vgl. Eich-S¨ ollner & F¨ uhrer [1998] oder Schwertassek & Wallrapp [1998], fallen in der Hauptsache komfortrelevante Fragestellungen, vgl. Abschnitt 9.1, womit nat¨ urlich direkt die Einschr¨ ankungen der subjektiven Beurteilung der Ph¨anomene die erzielbaren Vertrauenskennziffern der Simulation reduzieren. Folgende Gruppen von Methoden lassen sich anf¨ uhren: Klappern und Rasseln F¨ ur die Ph¨ anomene Getrieberasseln bzw. -klappern, vgl. Abschnitt 9.6.2, gilt die gleiche Einschr¨ankung wie bei der Schallabstrahlung, dass der Triebstrang im Freifeld betrachtet wird und dass h¨aufig nur mit Indikatoren wie etwa Stoßh¨aufigkeiten oder Energiespektren f¨ ur die Rasselneigung von Getrieben gearbeitet wird. Die starke Abh¨angigkeit der Klapperger¨ ausche vom Lastzustand beschr¨ankt die Vertrauenskennziffer auf etwa 2. Schaltkomfort Die Simulation der in Abschnitt 9.4 besprochenen Fragestellungen des Schaltkomforts erfordert f¨ ur eine aussagekr¨aftige Simulation immer neben der subjektiven Bewertung und der messtechnischen Analyse des Problems im Fahrzeug die Vermessung des Schaltsystems auf dem Pr¨ ufstand, vgl. Abschnitt 10.3.1. Ohne Kalibration der Simulationsmodelle an umfangreiche Messungen bleibt die Rechnung fast aussagefrei; bei guter Kalibration kann das Vertrauen in die Rechnung mit V ' 2 − 3 angegeben werden, wobei V = 3 die regelm¨ aßige Neukalibration der Modelle ¨ von Modell und/oder Versuchsaufbau nach umfangreicheren Anderungen erfordert. Schwingungen des Schaltsystems F¨ ur die Schwingungen im Schaltsystem gilt hinsichtlich der Kalibration das gleiche; hier l¨asst sich die Reibung
10.4 M¨ oglichkeiten und Grenzen der virtuellen Validierung
653
¨ im Schaltsystem als maßgebliche Einschr¨ ankung der Ubertragbarkeit von Simulationsmodellen angeben, vgl. Abschnitt 9.5.3. Torsionsschwingungen des Triebstrangs Die Analyse der Triebstrangschwingungen erfordert die Kenntnis von Spielen und Steifigkeiten des Triebstrangs; die Ergebnisse h¨ angen in hohem Maße vom Belastungszustand ab, daher ist f¨ ur die Simulation der in Abschnitt 9.2 beschriebenen Fragestellungen nur eine Vertrauenskennziffer V ' 2 − 3 angebbar. Reibungsinduzierte Ger¨ ausche und Schwingungen Die Simulation von Ph¨anomenen, die im wesentlichen durch Reibung hervorgerufen werden, wie etwa das Kupplungskreischen, vgl. Kirchner et al. [2005], oder die in Abschnitt 9.5.2 beschriebene W¨ ahlrauhigkeit, kann nur zum besseren Verst¨andnis des Problems beitragen; nur selten k¨onnen Versuche aufgrund ¨ der recht eingeschr¨ ankten Ubertragbarkeit kalibrierter Modelle entfallen, was zu einer Vertrauenskennziffer von nur V ' 1(−2) f¨ uhrt. Synthetische Lastdatenanalyse Die synthetische Lastdatenanalyse baut auf der Digitalisierung von Dauerpr¨ ufstrecken, vgl. Abbildung 10.1, und der nachfolgenden Analyse des virtuellen Fahrzeugs auf und liefert sowohl Momentenkollektive der Antriebswellen als auch der Triebwerkslagerkr¨afte. Bei entsprechender Aufl¨ osung der Teststrecke und bei guter Abbildung des Rad-Straße Kontakts kann eine Vertrauenskennziffer von etwa 3 angegeben werden, vgl. H¨ ackh & Willmerding [2006]; die Modelle sollten jedoch f¨ ur Einzelabschnitte durch Vergleich exemplarischer Messund Rechengr¨ oßen wie etwa Lagerkr¨ afte oder Starrk¨orperverschiebungen verifiziert werden, bevor man tats¨ achlich die Entwicklungsschleifen ohne Versuchstr¨ager durchf¨ uhrt. Virtueller Missbrauchsversuch Die Haupteinschr¨ankungen bei der Simulation des Missbrauchsversuchs nach Abschnitt 3.3.2 resultieren aus der Schwierigkeit, den Rad-Straße Kontakt und die mit der Fahrzeugdynamik, vgl. Abbildung 3.20, verbundene Lastumverteilung richtig zu erfassen; hinzu kommen die Zahnsteifigkeiten und die Verformung des Getriebes unter Last. Messungen zeigen jedoch, dass die Simulationsergebnisse, vgl. Abbildung 3.23, innerhalb des Streubandes mehrfacher Wiederholungen liegen, daher ist V ' 3. Will man den Missbrauchsversuch auf dem Pr¨ ufstand nach Abbildung 10.13 wie in Abschnitt 10.3.2 beschrieben durchf¨ uhren, ist der mehrfache Abgleich zwischen Simulation und Messung f¨ ur verschiedene Fahrzeuge und Triebstr¨ ange zu empfehlen, wenn man den Verzicht auf Kalibrationsversuche im Vorfeld anstrebt, vgl. M¨ uller-Kose et al. [2004]. 10.4.4 Str¨ omungsmechanische Verfahren Die Methoden der numerischen Str¨ omungsmechanik, vgl. z.B. Ferziger & Peric [2006], bieten f¨ ur die Anwendung im Bereich der Fahrzeuggetriebe derzeit noch keine nennenswerten Vorteile, vgl. Anmerkung 6.8. Trotzdem gibt ¨ es erste Ans¨atze, den Wirkungsgrad von Getrieben und die innere Olstr¨ omung
654
a)
10 Validierung: M¨ oglichkeiten und Konzepte
b)
Abb. 10.15. Simulation der Getriebe¨ olverteilung mit einem Zweiphasenmodell: a) Simulierter Phasenanteil, b) Visualisierung am Pr¨ ufstand (Aus Mayr et al. [2006])
rechnerisch zu entwickeln, vgl. Abbildung 10.15 und Mayr et al. [2006], mit allerdings derzeit noch niedrigem Vertrauen in die Extrapolationsf¨ahigkeit der Berechnung, Vertrauenskennziffer V ' 1(−2). 10.4.5 Road-to-Rig-to-Math Strategie Unter dem Schlagwort Road to Rig to Math (R2R2M) wird die Abl¨osung von Fahrzeugversuchen durch Pr¨ ufstandstests und damit die Trennung der Getriebeentwicklung vom Fahrzeug und die weitere Reduktion von Pr¨ ufstandsarbeiten durch Simulationen am Rechner bei v¨ olligem Verzicht auf Versuchsteile verstanden. Der erfolgreiche Methodenwechsel setzt zur Absicherung der computergest¨ utzten Entwicklung f¨ ur eine kurze Zeit die parallele Durchf¨ uhrung von Versuch und Rechnung voraus, um die zuvor beschriebenen notwendigen Vertrauenskennziffern V ≥ 3 zur Abl¨ osung der Versuche zu erarbeiten. Die erfolgreiche Umsetzung gerade f¨ ur den Nachweis der Dauerhaltbarkeit von Getrieben setzt voraus, dass die der Bemessung zugrunde liegenden Lastkollektive gut abgesichert sind, vgl. Dlugosch & K¨ uc¨ ukay [2006]. Bei der Planung der Versuche, die zur Absicherung der R2R2M-Methodik notwendig sind, werden meist Methoden der statistischen Versuchsplanung, vgl. z.B. B¨ ohl et al. [2006], eingesetzt. Die virtuelle Entwicklung der Struktureigenschaften und der prinzipiellen Dauerhaltbarkeit ist nahezu etabliert; ein Beispiel hier f¨ ur ist nach Greiner et al. [2004] die in Abschnitt 2.7.3 besprochene 7G-Tronic von Mercedes-Benz. Die Komfortentwicklung ist wegen der noch geringeren Leistungsf¨ ahigkeit der rechnerischen Methoden und der hohen Toleranzanf¨ alligkeit derzeit noch st¨ arker auf den Versuch angewiesen.
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre fu ¨ r die Auslegung betriebsfester Fahrzeuggetriebe
In diesem Kapitel werden die Elemente der h¨oheren Festigkeitslehre und der Betriebsfestigkeit besprochen, die f¨ ur Auslegung und Validierung von Fahrzeuggetrieben notwendig sind. Dies umfasst einen kurzen Abriss zur Hertz’schen Fl¨achenpressung in Abschnitt A.1, die z.B. f¨ ur die Verzahnungsauslegung, vgl. Abschnitt 4.3.1 und dort insbesondere (4.31), sowie f¨ ur das Verst¨andnis der W¨ alzlagerbeanspruchungen in Abschnitt 6.4 notwendig ist; weitere Anwendungen der Theorie werden im Zusammenhang mit den Arretierungen und Parksperren besprochen. Dar¨ uber hinaus werden in Abschnitt A.2 einfache, lineare Schadensakkumulationshypothesen vorgestellt, die f¨ ur die Lebensdauerabsch¨ atzung von Wellen, Verzahnungen und W¨alzlagern etc. ben¨otigt werden. F¨ ur die Erarbeitung von Pr¨ ufstandsprogrammen zur Validierung der rotierenden Komponenten von Fahrzeuggetrieben, vgl. Abschnitt 10.2, und f¨ ur die Auslegung komplex beanspruchter Verzahnungen in Planetens¨atzen und Differentialantrieben, die in mehreren Fahrstufen Leistung u ¨bertragen, wird in Abschnitt A.2.5 auf die Ermittlung sch¨adigungs¨aquivalenter Einstufenkollektive eingegangen.
A.1 Hertz’sche Fl¨ achenpressung Die Theorie der Fl¨ achenpressungen elastischer K¨orper, die maßgeblich auf die Arbeiten von Heinrich Hertz1 zur¨ uckzuf¨ uhren ist, wird hier mit Bezug auf folgende Anwendungen zusammengefasst: • Ermittlung der Fl¨ achenpressungen zwischen Arretierungskugel und Rastkontur, vgl. Abschnitt 4.5.2 f¨ ur die Komponenten der inneren Schaltung 1
Heinrich Rudolf Hertz (geb. 1857 in Hamburg, gest. 1894 in Bonn) lehrte er als Professor f¨ ur Physik von 1885 bis 1889 an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, ab 1889 an der Universit¨ at in Bonn. Hertz berechnete elastizit¨ atstheoretisch die Spannungen beim Druckkontakt gekr¨ ummter Fl¨ achen (Hertz’sche Pressung).
656
• • • •
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
von Handschaltgetrieben bzw. Abschnitt 5.4.3, Seite 319 f¨ ur die mechanische Bet¨atigung von Stufenautomatgetrieben; Berechnung der Flankenpressungen an Zahnradflanken, vgl. (4.31), und Dimensionierung von Achsabstand, Modul und Verzahnungsbreite; Auslegung von Freil¨ aufen auf das u ¨bertragbare Moment, vgl. (5.4); Analyse der Pressungen an Parksperrenr¨ adern beim Halten eines Gespanns an einer Steigung, vgl. Seite 313; Analyse von W¨ alzlagersch¨ aden sowie Detailberechnung2 der W¨alzlager, vgl. Abschnitt 6.4.1.
Die Ausf¨ uhrungen hier orientieren sich am u ¨blichen Umfang der Darstellung der Hertz’schen Theorie f¨ ur die Anwendungen auf Maschinenelemente, vgl. z.B. Steinhilper & Sauer [2005] oder Schlecht [2006]. Nach einigen Vorbemerkungen wird in Abschnitt A.1.2 das allgemeine Kontaktproblem zwischen zwei gekr¨ ummten K¨ orpern besprochen und f¨ ur den Spezialfall des Kontakt einer Kugel mit einer zweiten Kugel bzw. einer Ebene weiter konkretisiert, die Gemeinsamkeit ist hier die ellipsoidale bzw. kreisf¨ormige Form der Kontaktzone. In Abschnitt A.1.3 wird der Kontakt zwischen einem Zylinder und einem zweiten Zylinder oder einer Ebene als quasizweidimensionales Problem besprochen. A.1.1 Vorbemerkungen – Kontakt zwischen gekr¨ ummten K¨ orpern Die Approximation der Kontaktspannungen als “Kraft pro Fl¨ache” wie in Abbildung A.1.a skizziert ist bei der Auslegung von Fahrzeuggetrieben – von der Ermittlung von Passfugendr¨ ucken f¨ ur die Auslegung von Flanschverschraubungen abgesehen – kaum anwendbar, da die gegeneinander gedr¨ uckten Fl¨achen außer bei den Flanschen nicht eben sind. Auch bei den Lagerungen zylindrischer Bauteile in zylindrischen F¨ uhrungen, die nur auf Querkraft belastet werden, ist die vereinfachte Berechnung der Pressung als Kraft pro Fl¨ache i.d.R. nicht zul¨ assig, da die notwendige Spielfreiheit nicht sicherge¨ stellt ist; Spiel oder Ubermaß m¨ ussen separat erfasst werden. F¨ ur den Grenzfall der biegemomentenfreien Abst¨ utzung zylindrischer, spiel- und u ¨bermaßfrei gepasster Bauteile kann nach Abbildung A.1.b die mittlere Pressung pm nach diesem einfachen Ansatz f¨ ur die Vordimensionierung der Lagerung z.B. von Schaltungsteilen im Geh¨ ause genutzt werden; Abbildung A.1.c verdeutlicht die tats¨achliche Pressungsverteilung realer Bolzenverbindungen. Sehr h¨aufig und daher von großer praktischer Relevanz ist der Kontakt zwischen gekr¨ ummten K¨ orpern; es wurden bereits die entsprechenden Verweise auf betroffene Bauteile genannt. Im Ber¨ uhrpunkt zweier elastischer K¨orper, vgl. Abbildung A.2, kommt es zur Ausbildung einer Kontaktzone mit stark ver¨anderlichen Kontaktpressungen p; nach den Annahmen von Hertz nimmt 2
Die auf der DIN 622 basierende Berechnung der W¨ alzlager wird z.B. bei Br¨ andlein et al. [1998] oder Dahlke [1994] besprochen.
A.1 Hertz’sche Fl¨ achenpressung
a)
b)
657
c)
Abb. A.1. Einfache Modelle zur Ermittlung von Fl¨ achenpressungen: a) Ebene Ber¨ uhrfl¨ achen, p = F/A, b) Ermittlung des mittleren Passfugendrucks pm = F/(bd) mit der projizierten Kontakfl¨ ache (L¨ ange b, Breite d) bei spielfreien Bolzenverbindungen, c) tats¨ achliche Fl¨ achenpressungsverteilung p(ϕ) der spielfreien Bolzenverbindung mit Maximalpressung pmax > pm (Nach Schlecht [2006])
die Kontaktzone die Form einer Ellipse mit den Halbachsen a und b an, vgl. Abbildung A.2.b. Folgende Annahmen werden f¨ ur Theorie vorausgesetzt: • • • •
Beide Kontaktpartner bestehen aus isotropem und homogenem Material, die Kontaktpartner sind frei von Eigenspannungen, die K¨orper sind nur durch Normal-, nicht durch Tangentialkr¨afte belastet, die Spannungen bleiben im elastischen Bereich; d.h. es treten keine bleibenden Deformationen (Abplattungen) auf, • die Kontaktk¨orper sind in Ruhe und • der Kontaktbereich ist trocken und ungeschmiert. Vergleicht man diese Annahmen mit den tats¨achlichen Gegebenheiten z.B. an Zahnflanken oder Klemmk¨ orpern in Freil¨ aufen – vgl. z.B. Abbildung 5.28 – so werden teils erhebliche Abweichungen zwischen den Annahmen und der Realit¨at deutlich; diesen wird durch die Einf¨ uhrung entsprechender Korrekturfaktoren3 oder die Beschr¨ ankung auf Dimensionierungsrechnungen begegnet. Abweichende Verh¨ altnisse von den Annahmen der Hertz’schen Theorie kann man oft auch bei der Ermittlung der zul¨ assigen Pressungen ber¨ ucksichtigen, die durch Versuche am Bauteil – oft unter Vereinfachung der tats¨achlichen Geometrie wie etwa bei Zahnrad oder W¨ alzlager – bestimmt werden. Da bei der experimentellen Ermittlung h¨ aufig spezifische Versuchsbedingungen zugrunde gelegt werden, d¨ urfen i.d.R. die an einer Bauteilklasse ermittelten Festigkeitskennwerte nicht auf andere Bauteile u ¨bertragen werden. Die Hertz’sche Theorie liefert also oft nur relative Aussagen. F¨ ur viele Anwendungen ist es ausreichend, die errechnete maximale Pressung nach der Hertz’schen Theorie mit experimentell ermittelten Grenzbeanspruchungen zu vergleichen; die in Tabelle A.1 angegebenen Materialkennwerte 3
Man verdeutliche sich das Ausmaß der notwendigen Korrekturen an Hand des ¨ Ubergangs von der nominellen zur tats¨ achlichen Flankenpressung in (4.32).
658
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
Abb. A.2. Ber¨ uhrung zweier allseitig gekr¨ ummter K¨ orper: a) R¨ aumliche Ansicht, b) Druckverteilung in der ellipsoidalen Kontaktfl¨ ache, c) Hauptkr¨ ummungsebenen
sind nur f¨ ur die Erstdimensionierung auf Hertz’sche Pressung mit Ausnahme der Verzahnungen zu verwenden, f¨ ur die Fl¨ achenpressung an Zahnflanken sind in z.B. in Tabelle 4.14 Richtwerte gegeben. Die Pressung an der Oberfl¨ache verursacht im Werkstoff Schubspannungen, deren Maximum unter der Oberfl¨ache im Material liegen. Das bedeutet, dass die Sch¨aden infolge unzul¨assiger Fl¨achenpressung sich nicht an der Oberfl¨ ache zeigen, sondern z.B. in Form von Ausbr¨ uchen – Gr¨ ubchen oder Sch¨ alungen – wie in den Abschnitten 4.3.1 und 6.4.6 ausgef¨ uhrt zu Erm¨ udungssch¨ aden bis hin zum Ausfall f¨ uhren k¨onnen. Die Versagensmuster infolge Hertz’scher Pressung werden mit Orientierung auf W¨alzlager von Br¨ andlein et al. [1998] und Dahlke [1994] diskutiert. Man beachte, dass die in Tabelle A.1 angegebenen Werte nur f¨ ur die Fl¨achenpressungen zwischen gekr¨ ummten Kontaktpartnern gelten; f¨ ur die Pressungen, die als Mittelwerte f¨ ur die Auflagefl¨ achen an Schraubenverbindungen errechnet werden, sind in der VDI-Richtlinie 2230 Grenzwerte vorgegeben. A.1.2 Punktber¨ uhrung – Allgemein und Spezialfall Kugel-Fl¨ ache Die Form der K¨orper im Ber¨ uhrpunkt wird zun¨achst noch nicht weiter spezifiziert; zur Berechnung der auftretenden Pressungen in der Kontaktzone und zur Ermittlung der h¨ ochsten Werkstoffbeanspruchung ist dann die Vereinfachung auf den Fall “Kugel gegen Ebene” wegen der Existenz geschlossener Gleichungen f¨ ur die Spannungsverteilung sinnvoll.
A.1 Hertz’sche Fl¨ achenpressung
659
Tabelle A.1. Anhaltswerte f¨ ur verschiedene Werkstoffe f¨ ur die zul¨ assige Hertz’sche Pressung bei statischer und dynamischer Beanspruchung pH,stat und pH,dyn und Vergleich mit der Fließgrenze Rp0,2 Werkstoff Stahlguß
GS-38 GS-45 GS-52 GS-60 GS-62 GS-70 Verg¨ utungsstahl C45V Cf53V Cf56V C60V 46Cr2V 42CrMo4V 50CrV4V geh¨ arteter Stahl 100Cr6H 16MnCr5E Cf53Hl Cf56Hl
pH,stat [MPa] pH,dyn [MPa] Rp0,2 [MPa] 780 380 200 920 450 230 1 050 510 260 1 250 600 300 1 300 630 350 1 450 700 420 1 400 670 500 1 450 710 520 1 550 760 550 1 600 780 580 1 750 850 650 2 000 980 900 2 000 980 900 4 000 1 500 1 900 4 000 1 500 770 4 000 1 500 730 4 000 1 500 760
Zur Beschreibung der Pressungen in der Kontaktzone, vgl. Abbildung A.2, werden die Kr¨ ummungen bzw. Kr¨ ummungsradien der beiden Kontaktpartner in den Hauptkr¨ ummungsebenen als bekannt vorausgesetzt. Der erste Index bezeichnet den K¨ orper, der zweite die Kr¨ ummungsebene, in der der Kr¨ ummungsradius rij die Geometrie des K¨ orpers i in der Ebene j beschreibt, vgl. Abbildung A.2.c. Ist ein Kr¨ ummungsradius negativ, rij < 0, so liegt der Kr¨ ummungsmittelpunkt wie in Abbildung A.3 skizziert außerhalb des K¨orpers; im Kontaktbereich weist der K¨ orper i in der Ebene j eine konkave Form auf wie z.B. an der W¨ alzlagerlauffl¨ ache am Lagerinnenring. Der Kehrwert des Kr¨ ummungsradius ergibt die entsprechende Kr¨ ummung, ρij = 1/rij . F¨ ur die Berechnung der Gr¨ oße des Kontaktbereichs, die durch die beiden Halbachsen der Kontaktellipse a und b, vgl. Abbildung A.2 beschreibbar ist, werden u ummungs¨blicherweise die Hertz’schen Beiwerte genutzt, die von den Kr¨ verh¨altnissen im Kontaktbereich abh¨ angig sind. Dazu wird, der Literatur4 zur Hertz’schen Theorie folgend, der Hilfswert cos(τ ) definiert u ¨ber die Verh¨altnisse in den beiden Hauptkr¨ ummungsebenen, 4
In der neueren Literatur – z.B. Steinhilper & Sauer [2006], Schlecht [2006] oder Br¨ andlein et al. [1998] – wird keine Herleitung von (A.1) und zur Berechnung der Beiwerte nach Tabelle A.2 mehr angegeben, es werden lediglich die Werte tabelliert. Bei Timoshenko & Goodier [1985] finden sich noch Ans¨ atze zur Berechnung der Beiwerte aufbauend auf umfangreichen Integralgleichungen, aber ebenfalls keine anschauliche Interpretation der Gr¨ oßen.
660
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
Tabelle A.2. Koeffizienten zur Hertz’schen Theorie (Nach Br¨ andlein et al. [1998]) cos τ 0,9990 0,9975 0,9950 0,9925 0,9900 0,9875 0,9850 0,9825 0,9800 0,9775 0,9750 0,9700 0,9600 0,9500 0,9400 0,9300 0,9200 0,9100 0,9000
ξH 18,53 13,15 10,15 8,68 7,76 7,13 6,64 6,26 5,94 5,67 5,44 5,05 4,51 4,12 3,83 3,59 3,40 3,23 3,09
χH 0,185 0,220 0,251 0,271 0,287 0,299 0,310 0,319 0,328 0,336 0,343 0,357 0,378 0,396 0,412 0,426 0,438 0,450 0,461
a)
ςH 0,207 0,266 0,320 0,356 0,384 0,407 0,427 0,444 0,459 0,473 0,486 0,509 0,546 0,577 0,603 0,626 0,646 0,664 0,680
cos τ 0,875 0,850 0,800 0,750 0,700 0,650 0,600 0,550 0,500 0,450 0,400 0,350 0,300 0,250 0,200 0,150 0,100 0,050 0,000
ξH 2,82 2,60 2,30 2,07 1,91 1,77 1,66 1,57 1,48 1,41 1,35 1,29 1,24 1,19 1,15 1,11 1,07 1,03 1,00
χH 0,485 0,507 0,544 0,577 0,607 0,637 0,664 0,690 0,718 0,745 0,771 0,796 0,824 0,850 0,879 0,908 0,938 0,969 1,000
ςH 0,715 0,745 0,792 0,829 0,859 0,884 0,904 0,922 0,938 0,951 0,962 0,971 0,979 0,986 0,991 0,994 0,997 0,999 1,000
b)
Abb. A.3. Konvex (a) und konkav (b) gekr¨ ummte K¨ orper mit betragsm¨ aßig gleicher Kr¨ ummung
cos(τ ) =
ρ11 − ρ12 + ρ21 − ρ22 . ρ11 + ρ12 + ρ21 + ρ22
(A.1)
In Abh¨angigkeit dieser Hilfsgr¨ oße lassen sich nun die Koeffizienten5 ξH , χH und ςH bestimmen, die in Tabelle A.2 aufgelistet sind. Die beiden Koeffizi5
Hier wird von der normalen Schreibweise abgewichen und f¨ ur den Beiwert zur Bestimmung der Ann¨ aherung nach (A.7) die Gr¨ oße ςH anstelle des sonst u ¨blichen Ausdrucks 2 k/πξH – f¨ ur dessen Schreibweise es keine plausible Erkl¨ arung in der aktuellen Literatur gibt – benutzt.
A.1 Hertz’sche Fl¨ achenpressung
661
enten ξH und χH werden f¨ ur die Ermittlung der Gr¨oße des Kontaktbereichs genutzt, ςH bei der Berechnung der elastischen Verformung in Lastrichtung. Um die Darstellung der Zusammenh¨ ange und die Berechnung im Folgenden zu vereinfachen, werden ein modifizierter Elastizit¨atsmodul E ∗ und ein kumuliertes Kr¨ ummungsmaß ρ∗ eingef¨ uhrt. Es wird f¨ ur die Kontaktpaarung mit den Materialkennwerten E1 und ν1 von K¨ orper 1 bzw. E2 und ν2 von K¨orper 2 der modifizierte Elastizit¨ atsmodul E ∗ definiert als 2 E1 E2 f¨ ur unterschiedliche 2 2 ∗ E = (1 − ν1 ) E2 + (1 − ν2 ) E1 (A.2) E/(1 − ν 2 ) f¨ ur gleiche Kontaktmaterialien. Ferner wird dann f¨ ur die Kontaktpaarung mit den in Abbildung A.2 benutzten Kr¨ ummungsradien das kumulierte Kr¨ ummungsmaß ρ∗ festgelegt zu ρ∗ = ρ11 + ρ12 + ρ21 + ρ22 =
1 1 1 1 + + + . r11 r12 r21 r22
(A.3)
Mit den beiden Hertz’schen Koeffizienten ξH und χH sowie (A.2) und (A.3) kann man die Gr¨oße der Kontaktzone – ausgedr¨ uckt durch die beiden Halbachsen a und b – berechnen, f¨ ur die die Pressungsverteilung in Abbildung A.2.b infolge der wirkenden Kraft F skizziert ist, s s 3F 3F 3 a = ξH · und b = χH · 3 ∗ ∗ . (A.4) ∗ ∗ E ρ E ρ F¨ ur die tragende Fl¨ ache AH des Kontaktbereichs gilt dann 2/3 3F AH = π ξH χH · . E ∗ ρ∗
(A.5)
Mit der tragenden Fl¨ ache kann nun die maximale Pressung pmax nach der Hertz’schen Theorie ausgewertet werden; man erh¨alt f¨ ur den Fall des Kontakts zweier gekr¨ ummter K¨ orper mit parallelen Hauptkr¨ ummungsebenen pmax =
3 F . 2 AH
(A.6)
Man erkennt durch Vergleich von (A.5) mit (A.6), dass die maximale Pressung nach der Hertz’schen Theorie nicht linear mit der angreifenden Kraft zunimmt, sondern proportional zur dritten Wurzel der Kraft; die Vergr¨oßerung der Kontaktellipse gem¨ aß (A.5) bewirkt diesen verlangsamten Anstieg. Die Bemessung nach der maximalen Pressung entsprechend (A.6) kommt f¨ ur Arretierelemente der Schaltung zur Anwendung sowie bei den Kugellagern. Ferner kann es notwendig sein, die Ann¨ aherung der beiden ruhenden K¨orper in Richtung der wirkenden Kontaktkraft zu quantifizieren, z.B. bei der Detailoptimierung hochpr¨ aziser Rastierungen bei der Bewertung des Einflusses der
662
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
Systemverformungen auf die entstehenden Rastierkr¨afte. Man findet f¨ ur die elastische Abplattung δ, um die die beiden K¨ orper aufeinander zu bewegt werden, z.B. bei Steinhilper & Sauer [2005] eine Gleichung, in die der dritte Koeffizient ςH aus Tabelle A.2 eingeht, s 3 F 2 ρ∗ δH = ςH 3 . (A.7) 2 3 (E ∗ )2 Weiterhin kann f¨ ur den Kontakt zwischen Kugel und Ebene im Kontaktmittelpunkt y = 0 die Spannung σz in Lastrichtung z ermittelt werden, die an der Oberfl¨ache z = 0 ihr Maximum hat; die Lage der verwendeten Koordinatensysteme ist Abbildung A.4.a zu entnehmen, −1 z 2 σz (z) = −pmax· +1 a
⇒
|σz,max | = |pmax | .
(A.8)
Mit (A.8) und den folgenden Gleichungen f¨ ur die Spannungen des Kontaktproblems kann man – unter Nutzung des Maximalwerts der Pressung f¨ ur die gegebene Geometrie nach (A.6) in (A.8) – die maximale Belastung des Werkstoffs absch¨atzen. Die Vereinfachung des tats¨ achlichen Problems auf den Fall Kugel-Ebene erlaubt die Angabe expliziter Werte f¨ ur die Spannungen und ihren Wirkort und erm¨ oglicht so die Auslegung der Werkstoffpaarung und der W¨arme- und Oberfl¨ achenbehandlung der Kontaktpartner. F¨ ur die Normalspannungen in radialer Richtung σr entlang der Wirkungslinie der angreifenden Kraft gilt dann mit der Querkontraktionszahl ν der Auflage z z 1 σr (z) = −pmax · (1 − ν) · 1 − · arctan − .(A.9) a a 2 ((z/a)2 + 1) Nimmt man die Schubspannungshypothese als g¨ ultiges Versagenskriterien f¨ ur die Entstehung von ersten Mikrodefekten an, die zu Gr¨ ubchen oder Sch¨alungen f¨ uhren, so kann man die entlang der Verl¨ angerung der Wirkungslinie der angreifenden Kraft wirkende Vergleichsspannung nach der Schubspannungshypothse explizit angeben. Die maximale auftretende Schubspannung τmax (z) bei gegebener zweiachsiger Normalspannungsbelastung erh¨alt man durch Differenzbildung von (A.8) und (A.9) zu z 1−ν z 3 τmax (z) = pmax · · 1 − · arctan − .(A.10) 2 a a 4 ((z/a)2 + 1) Der Verlauf der beiden Spannungskomponenten und der Vergleichsspannung nach (A.10) ist in Abbildung A.4.a graphisch dargestellt. Bemerkenswert ist, dass das Schubspannungsmaximum τmax = 0, 31 pmax unterhalb der Kontaktfl¨ache im Abstand z = 0, 47 · a auftritt; dieser Punkt muss bei Bauteilen mit Punktkontakt nach der Hertz’schen Theorie noch in der Einh¨artezone liegen, um einen fr¨ uhzeitigen Ausfall zu vermeiden.
A.1 Hertz’sche Fl¨ achenpressung
a)
663
b)
Abb. A.4. Verteilung der Normalspannungen σz und σz bzw. σy und der maximalen Schubspannung τmax u ¨ber dem bezogenen Abstand vom Kontaktpunkt nach der Hertz’schen Theorie: a) Kugel gegen Ebene (Punktber¨ uhrung), b) Zylinder gegen Ebene (Linienber¨ uhrung) (Aus Schlecht [2006])
Wird gegen plastische Verformung der Kugelauflage dimensioniert, so kann man mit der Vergleichspannung nach der Schubspannungshypothese, σv,SH = 2 τmax , mit der maximalen Schubspannung 0, 31 · pmax nach Abbildung A.4.a die zul¨assige Fl¨achenpressung errechnen, die sich nach (A.6) ergeben darf: σv,SH = 2 τmax = 2 · 0, 31 pmax ≤ Rp0,2
bzw. pmax,zul =
Rp0,2 . (A.11) 0, 62 νF
Dabei ist Rp0,2 die Elastizit¨ atsgrenze der Kugelauflage und νF > 1 die SollSicherheit gegen unzul¨ assige Deformation der Auflage, νF = 1, 1, . . . , 1, 3. Anmerkung A.1 Die in Abbildung A.2 implizit enthaltene Annahme, dass die Hauptkr¨ ummungsrichtungen beider Kontaktk¨orper im Ber¨ uhrpunkt gleich sind und somit eindeutig zwei Kontaktebenen bzw. Hauptkr¨ ummungsebenen aufspannen, stellt f¨ ur die Anwendung der hier besprochenen Theorie auf die Fahrzeuggetriebe keine wesentliche Einschr¨ ankung dar. F¨ ur die hier wichtigen F¨alle der Kontaktkombinationen sind entweder alle Richtungen auch Hauptkr¨ ummungsrichtungen (Kugel gegen Kugel oder Ebene) oder aber es verschwindet mindestens ein Kr¨ ummungsmaß (Zylinder gegen Zylinder oder Ebene) und man gelang so zu eindeutigen Betrachtungsebenen. Ein Fall, f¨ ur den die Kr¨ ummungsverh¨ altnisse aus Abbildung A.2 die Kontaktzone nicht richtig
664
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
Abb. A.5. Hertz’sche Pressung zwischen zwei zylindrischen Walzen mit tragender L¨ ange leff bei Belastung durch eine Kraft F . Die qualitative Pressungsverteilung gilt f¨ ur die Kontaktzone mit der Breite 2 b.
beschreiben, wird in Abschnitt 5.7 besprochen: Betrachtet man den Verstell¨ vorgang des Ubertragungsrings des Kegelringgetriebe, vgl. Abschnitt 5.7.3 insbesondere Abbildung 5.109.a, so stimmen die Hauptkr¨ ummungsrichtungen ¨ der Kegel und des Ubertragungsrings nicht u ¨berein; im station¨aren Zustand sind die Annahmen von Abbildung A.2 wieder erf¨ ullt. 2 A.1.3 Linienber¨ uhrung – Kontakt Zylinder-Zylinder und Zylinder-Ebene Sowohl die Bemessung gegen Gr¨ ubchenbildung der Verzahnungen in Abschnitt 4.3.1 und als auch die Dimensionierung von Freil¨aufen bauen auf der Quantifizierung der Fl¨ achenpressung zwischen zwei elastischen Walzen auf, die entsprechend den zuvor getroffenen Einschr¨ ankungen querkraftfrei statisch gegeneinander gedr¨ uckt werden, vgl. Abbildung A.5. Bei Beanspruchung durch eine Druckkraft F in der durch die beiden Zylinderachsen aufgespannten Ebene ergibt sich mit den Radien r1 und r2 der Zylinder und der tragenden L¨ange leff des Kontaktbereichs zun¨ achst die Breite 2b der Kontaktzone zu s s 8F 8 F r1 r2 2b = 2 =2 . (A.12) π leff E ∗ (ρ11 + ρ21 ) π leff E ∗ (r1 + r2 ) Es wird deutlich, dass die tragende Fl¨ ache des Kontaktbereichs mit der Wurzel der angreifenden Kraft zunimmt. Die Verwendung des modifizierten Elastitzt¨atsmoduls nach (A.2) erlaubt dabei die Betrachtung unterschiedlicher Materialien der Kontaktpartner, die Verwendung des kumulierten
A.1 Hertz’sche Fl¨ achenpressung
665
Kr¨ ummungsmaß nach (A.3) ist f¨ ur die einfachen Kr¨ ummungsverh¨altnisse zwischen den beiden Walzen nicht erforderlich. F¨ ur die Bewertung der Nachgiebigkeit von Freil¨aufen ist die Abplattung δH eine hilfreiche Gr¨oße, die die Strecke quantifiziert, um die sich die beiden gedachten Walzenachsen infolge der Kraft F bei einer tragenden L¨ange leff der Kontaktpaarung ann¨ ahern, δH = 4, 05 · 10−5 mm
(F/1 N)0,925 ; (leff /1 mm)0,85
(A.13)
in diese Zahlenwertgleichtung nach Steinhilper & Sauer [2005] sind die wirkende Kraft in N und die tragende L¨ ange in mm einzusetzen. F¨ ur die maximale Pressung im Kontaktbereich gilt die Beziehung r 2F F E ∗ r1 + r2 pmax = = , (A.14) π leff b 2 π leff r1 r2 Die Gleichung (A.14) wird oft dahingehend vereinfacht, dass die Betrachtung von St¨ahlen vorausgesetzt wird, f¨ ur die 1/ 2 π (1 − ν 2 ) = 0, 175 gilt, vgl. z.B. (4.31) und (5.4); man erh¨ alt r F E r1 + r2 pmax = 0, 175 . (A.15) leff r1 r2 Wird statt zweier Walzen wie in Abbildung A.5 der Kontakt zwischen einem ¨ Bolzen und einer Ubermaßbohrung analysiert, so ist der Bohrungshalbmesser als Kr¨ ummungsradius in (A.14) bzw. (A.15) gem¨aß Abbildung A.3 negativ einzusetzen, vgl. z.B. Abbildung 5.30. So wird z.B. f¨ ur den Außenfreilauf an der Ber¨ uhrstelle zwischen Klemmrolle und Außenring f¨ ur die konkav-konvexe Kontaktzone nach Abbildung 5.30.a in (5.4) 1 2 1 = − re d R f¨ ur die mittlere Kr¨ ummung gesetzt, um die geometrischen Bedingungen korrekt zu erfassen. F¨ ur die Bestimmung der notwendigen Einh¨artetiefen der Innen- und Außenteile von Freil¨ aufen, von Sperrklinken und Parksperrenr¨adern sollen noch die Spannungen entlang der Wirkungslinie der Kontaktkraft angegeben werden; dabei wird in Analogie zu (A.8) bis (A.10) der Grenzfall einer Walze betrachtet, die gegen eine Ebene gedr¨ uckt wird, vgl. Abbildung A.4.b. Die Spannungen in Lastrichtung ergeben sich f¨ ur y = 0 zu z 2 −1/2 σz (z) = −pmax · 1 + , b der Maximalwert |σz,max | = |pmax | wird wieder an der Oberfl¨ache erreicht und der Wert folgt aus (A.14). Weiterhin findet man f¨ ur die Normalspannungen in Querrichtung σy entlang der Wirkungslinie von F die Gleichung
666
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
2 z 1 + 2 (z/b) ; σy (z) = pmax · 2 − q b 2 1 + (z/b) f¨ ur die maximale Schubspannungen τmax als versagenskritische Gr¨oße nach der Schubspannungshypothese erh¨ alt man durch Differenzbildung 2 σy (z) − σz (z) z (z/b) . τmax (z) = = pmax · − q 2 b 2 1 + (z/b) In diesem Fall tritt das Schubspannungsmaximum unterhalb der Kontaktfl¨ache im Abstand z = 0, 786 · b auf, b ist die Breite der Kontakzone nach (A.12); es ist wichtig, dass dieser Punkt maximaler Schubbelastung noch in der harten Randschicht liegt, um fr¨ uhzeitige Ausf¨alle zu vermeiden. Entsprechend (A.11) kann man auch f¨ ur die Kontaktpaarung Rolle-Ebene die zul¨assige maximale Fl¨ achenpressung angeben, ab der mit einer bleibenden Deformation des ebenen Kontaktpartners zu rechnen ist. Mit der Vergleichspannung nach der Schubspannungshypothse, σv,SH = 2 τmax erh¨alt man mit dem angegebenen Maximalwert 0, 3 · pmax der Schubspannung nach Abbildung A.4.b die zul¨ assige maximale Fl¨ achenpressung, die sich nach (A.14) ergeben darf: pmax,zul =
Rp0,2 . 0, 6 · νF
Wieder ist Rp0,2 die Elastizit¨ atsgrenze der Kugelauflage und νF > 1 eine sinnvoll vorzugebende Soll-Sicherheit gegen unzul¨ assige Deformation der Auflage.
A.2 Grundzu ¨ ge der Betriebsfestigkeit In diesem Abschnitt wird die Betriebsfestigkeitslehre so weit rekapituliert, wie es f¨ ur das Verst¨andnis der Anforderungen einer betriebsfesten Auslegung not¨ wendig ist; zudem soll dieser Abschnitt das Bearbeiten der Ubungen erleichtern. Als tiefergehende Referenzen zur Betriebsfestigkeit sei stellvertretend auf Gudehus & Zenner [2004] und Haibach [2006] verwiesen. A.2.1 Das W¨ ohlerschaubild ¨ Ublicherweise wird das W¨ ohlerschaubild metallischer Bauteile in drei Bereiche aufgeteilt, vgl. Abbildung A.6; das Symbol N bezeichnet hier stets Lastwechselzahlen bis zum Versagen bei einstufiger Beanspruchung, vereinfacht dargestellt durch eine einzelne Normalspannung σ. Zu den drei Bereichen des W¨ohlerschaubildes werden direkt entsprechende beispielhafte Komponenten der Getriebe genannt, die typisch f¨ ur die entsprechende Auslegungsart sind. Die drei Bereiche sind:
A.2 Grundz¨ uge der Betriebsfestigkeit
667
Abb. A.6. Schematische Darstellung der W¨ ohlerlinie in doppelt logarithmischer Darstellung mit Schwingspielzahlbereichen und tendenziellem Einfluss der Mittelspannung σm auf Dauer- und Zeitfestigkeit. KF ist der statische Festigkeitskennwert bei Bemessung gegen unzul¨ assige Deformation bei duktilen Werkstoffen.
N ≈ 100 , . . . , 103 : Statische Festigkeit – Kurzzeitfestigkeit H¨aufig wird z.B. die getriebeseitige Anbindung der Triebwerkslagerung auf Kurzzeitfestigkeit ausgelegt, hier sind die missbrauchs¨ahnlichen Ereignisse maßgebend, vgl. Abbildung 3.23 und Abschnitt 6.5.1; der normale Fahrbetrieb selbst bei hohen Antriebsmomenten wird von den Geh¨ausen als quasistation¨are Lastphase empfunden, daher sind die Lastwechselzahlen f¨ ur die Auslegung durchaus dem Bereich der Kurzzeitfestigkeit zuzuordnen. Eine Korrelation errechneter Spannungen mit Ausfallschwingspielzahlen wie im Bereich der Zeitfestigkeit ist jedoch nicht m¨oglich. ¨ N ≈ 103 , . . . , 106 : Zeitfestigkeitsbereich Die G¨ange mit den großen Ubersetzungen – erster und zweiter Gang sowie der R¨ uckw¨artsgang bei PKWGetrieben – werden meist zeitfest mit einer Auslegungslebensdauer von etwa zwei Stunden bei Maximalmoment und Nenndrehzahl des Motors f¨ ur den ersten Gang und den R¨ uckw¨ artsgang und etwa 20 Stunden f¨ ur den zweiten Gang ausgelegt, vgl. Abschnitt 4.3.4 und Abbildung 4.63. N > 106 : Dauerfestigkeitsbereich Wellen und die R¨ader der gr¨oßeren G¨ange mit den großen Nutzungsanteilen werden dauerfest ausgelegt, hier sind die Lastwechselzahlen f¨ ur eine zeitfeste Auslegung zu hoch, vgl. Abschnitt 4.2.2. Man beachte, dass der Bereich der Dauerfestigkeit bei Leichtmetallen erst bei etwa N = 108 Lastwechseln beginnt. Die W¨ohlerlinie wird in doppelt logarithmischer Darstellung lg(N ) – lg(σ) durch drei Geradenabschnitte approximiert und folgendermaßen analytisch beschrieben. Dabei h¨ angt das W¨ ohlerschaubild ab von der wirkenden (stati-
668
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
on¨aren) Mittelspannung σm , der Einfluss der Mittelspannung auf die ertragbaren Spannungen ist in Abbildung A.6 skizziert. 1. Statische Festigkeit (Zugfestigkeit Rm bzw. Fließgrenze Rp0,2 ): Im Bereich der statischen Festigkeit kann zum einen das Auftreten unzul¨assiger oder bleibender Vorformungen als Versagensriterium gew¨ahlt werden; f¨ ur den Grenzwert KF in Abbildung A.6 gilt dann z.B. KF = Rp0,2 . Andererseits ist die Dimensionierung auf die Bruchfestigkeit m¨oglich, KF = Rm . Eine Lastwechselzahl bis zum Ausfall kann bei Beanspruchungen im Bereich der statischen Festigkeit nicht angegeben werden. 2. Zeitfestigkeitsbereich: Die Vielzahl der vorliegenden Versuchsergebnisse hat gezeigt, dass sich die Versagenspunkte P (N/σa ) bei doppelt logarithmischer Auftragung gut durch eine Ausgleichsgerade beschreiben lassen. Die Gleichung dieser Geraden wird unter Verwendung des Neigungsexponenten k, vgl. z.B. Tabelle 4.14, beschrieben durch −k −1/k N σa σa N = bzw. = f¨ ur σD ≤ σa < KF . (A.16) ND σD σD ND Dabei ist σa die bei einstufiger Beanspruchung wirkende Spannungsamplitude, N ist die errechnete Lastwechselzahl bis zum Versagen, ND ist ¨ die so genannte Eckschwingspielzahl an der Ubergangsstelle vom Zeitzum Dauerfestigkeitsbereich, N < ND . Im Zeitfestigkeitsbereich ist die wirkende Spannungsamplitude gr¨ oßer als die dauerhaft ertragbare Ausschlagsspannung, die Dauerfestigkeit, σa > σD . 3. Dauerfestigkeitsbereich: Dieser Bereich der W¨ohlerlinie wird durch eine horizontale Linie in H¨ ohe der Dauerfestigkeit σD beschrieben und gibt die dauerhaft ertragbare Spannungsamplitude σD f¨ ur die dem W¨ohlerdiagramm zugrunde liegende Mittelspannung σm an. Dabei wird – wie in Abbildung A.7 angedeutet – f¨ ur die W¨ohlerlinie eine ¨ bestimmte Ausfall- oder Uberlebenswahrscheinlichkeit des Werkstoffs bzw. des Bauteils vorausgesetzt. Beispiel A.1 Man ermittle die Gleichung der W¨ohlerlinie f¨ ur 50%-Ausfallwahrscheinlichkeit f¨ ur Abbildung A.7 sowie die ertragbare Spannungsamplitude σD bei der Eckschwingspielzahl ND = 5 · 106 . Zun¨achst erh¨alt man durch Logarithmieren aus (A.16)1 eine Gleichung f¨ ur den gesuchten Neigungsexponenten k, k = − lg (N/ND ) / lg (σa /σD ) ; als St¨ utzwerte P (N/σa ) werden aus Abbildung A.7 die Punkte P1 (2, 2 · 104 /150 MPa) und P2 (1, 1·106 /100 MPa) verwendet, die Argumentation dabei ist, dass die W¨ohlerlinie durch zwei bekannte Punkte gehen muss, N2 σa2 k = −lg /lg = 9, 65 . N1 σa1
A.2 Grundz¨ uge der Betriebsfestigkeit
669
Abb. A.7. W¨ ohlerlinie aus Zugschwellversuchen an Blech-Flachproben mit Linien f¨ ur 10 %, 50 % und 90 % Ausfallwahrscheinlichkeit
F¨ ur die dauerhaft ertragbare Spannungsamplitude σD bei der Grenzschwingspielzahl des Zeitfestigkeitsbereichs ND = 5 · 106 erh¨alt man aus (A.16)2 mit den Koordinaten des Punktes P2 auf der W¨ ohlerlinie 1/k 1/9,65 N2 1, 1 · 106 σD = σa2 = 100 MPa = 85, 5 MPa . (A.17) ND 5 · 106 Zur Probe bzw. Best¨ atigung kann man in (A.17) die Zahlenwerte f¨ ur den Punkt P1 aus Abbildung A.7 einsetzen. Die Lebensdauer einstufig schwingend beanspruchter Bauteile kann aus der W¨ohlerlinie, vgl. Abbildung A.6, abgelesen bzw. errechnet werden. Mit der Dauerschwingfestigkeit σD bei einer gegebenen Mittelspannung σm und der Eckschwingspielzahl ND ergibt sich danach bei einer Spannungsamplitude σa eine rechnerische Schwingspielzahl bis zum wahrscheinlichen Bauteilversagen N gem¨aß (A.16). Bei mehrstufigen, regellosen Schwingbeanspruchungen, wie sie im Betrieb von Fahrzeuggetrieben auftreten, ist die Anwendung von (A.16) nicht mehr m¨oglich, da die W¨ ohlerkurven zun¨ achst nur f¨ ur einstufige Schwingbeanspruchung gelten. Die reale Beanspruchungs-Zeit-Funktion ist also f¨ ur ein spezielles Bauteil so aufzubereiten, dass Klassen von Ereignissen gebildet und jeweils separat mit der W¨ ohlerlinie verglichen werden, um den Schadensanteil aller Einzelklassen festzustellen. Man gelangt zur Betriebesfestigkeit: Die Beanspruchungs-Zeit-Funktion wird mit einem Z¨ ahlverfahren in ein Lastkollektiv u uhrt und mit einer Schadensakkumulationshypothese gegen die W¨ohler¨berf¨ linie von Bauteil oder Grundwerkstoff bewertet. Unabh¨angig von der Beanspruchungs-Zeit-Funktion nimmt die ertragbare Spannungsamplitude σa mit zu erwartender Lastspielzahl ab. Zum Zeitpunkt
670
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
des Bruchs ist die Erm¨ udungsfestigkeit des Werkstoffs bzw. des Bauteils ausgesch¨opft – das Bauteil versagt durch Anriss und Funktionsverlust oder Konsekutivschaden. Wenn die w¨ ahrend der Schwingbeanspruchung eintretende Sch¨adigung D eines Bauteils quantitativ in Abh¨angigkeit vom Beanspruchungsverlauf erfasst wird, kann z.B. jeder Stufe einer mehrstufigen Schwingbeanspruchung oder jedem Lastniveau im Blockversuch, vgl. Abbildung 10.5, ein Sch¨adigungsbeitrag zugeordnet werden. Die Akkumulation der einzelnen Sch¨adigungsgrade ergibt die Schadenssumme, deren H¨ohe ein Maß f¨ ur die Werkstofferm¨ udung ist. Das Bauteil versagt mit einer Wahrscheinlichkeit von i.d.R. 90%, wenn die Schadenssumme einen als kritisch eingestuften Grenzwert erreicht. Teilweise exisitieren einfache Korrekturfaktoren f¨ ur die Absch¨atzung ¨ anderer Uberlebenswahrscheinlichkeiten, beispielsweise bei der W¨alzlagerauslegung, vgl. Abschnitt 6.4.2 und dort insbesondere Tabelle 6.2. Eine Schadensakkumulationshypothese zur Bewertung von Teilsch¨adigungen auf einzelnen Lasthorizonten und zur nachfolgenden Ermittlung der Lebensdauer eines Bauteils unter ver¨ anderlichen Schwingbeanspruchungen muss einige grunds¨atzliche Anforderungen erf¨ ullen: • Das Verfahren soll allgemeing¨ ultig und nicht auf spezielle Werkstoffklassen, Beanspruchungskollektive, Geometrien oder Lastspielzahlbereiche beschr¨ankt sein. • Das Verfahren muss einfach durchzuf¨ uhren sein und darf zur Bestimmung von Konstanten f¨ ur die Rechnung nicht die Versuche erfordern, die durch Anwendung des Verfahrens eigentlich eingespart werden sollten. • Genauigkeit und Zuverl¨ assigkeit des Verfahrens m¨ ussen reproduzierbar und angebbar sein, um falls notwendig entsprechende Sicherheitsfaktoren in die Bauteildimensionierung zu ber¨ ucksichtigen, um ein Fahrzeuggetriebe zuverl¨assig auszulegen, vgl. Bertsche & Lechner [2004]. Erste Ans¨atze einer Schadensakkumulationshypothese wurden von Palmgren [1924] f¨ ur W¨ alzlager entwickelt. Seitdem wurde eine Vielzahl von Methoden und Verfahren zur Schadensakkumulation ver¨offentlicht, von denen jedoch lediglich die Methoden der linearen Schadensakkumulation eine mehr oder weniger große praktische Bedeutung erlangt haben, da sie einfach anzuwenden sind und am h¨ aufigsten experimentell belegt wurden. Die Verfahren zur Erfassung der Schadensakkumulation unterscheiden sich u ¨berwiegend in der Bewertung von Schwingbeanspruchungen unterhalb der Dauerschwingfestigkeit bei Werkstoffen mit ausgepr¨ agter Dauerschwingfestigkeitsgrenze, eine Annahme, die viele St¨ ahle erf¨ ullen. In allen Verfahren stellen die W¨ ohlerlinien des Werkstoffs die Grundlage zur ¨ Beschreibung des Werkstoffverhaltens dar. Uber die Schadensakkumulationshypothese werden die mehrstufigen Schwingbeanspruchungen mit den einstufigen W¨ohlerlinien verkn¨ upft. Nachfolgend werden ausgew¨ahlte linearen Schadensakkumulationshypothesen besprochen, die von praktischer Relevanz f¨ ur die Auslegung von Fahrzeuggetrieben sind.
A.2 Grundz¨ uge der Betriebsfestigkeit
671
Abb. A.8. Darstellung der Originalform der Palmgren-Miner-Regel und ihrer Erweiterungen: Originalform der Palmgren-Miner-Regel, elementare Erweiterung, Modifikation nach Haibach und Schadensakkumulationshypothese nach Miner, Zenner & Liu.
Die unterschiedlichen linearen Schadensakkumulationshypothesen werten die Schwingspiele mit Ausschlagsspannungen im Bereich der Zeitfestigkeit σa > σD mit einer Ausnahme alle gleich. Sie unterscheiden sich jedoch in der Wertung von Spannungsamplituden, die kleiner sind als die Dauerschwingfestigkeit, σa < σD . Im Gegensatz zur urspr¨ unglichen Annahme von Palmgren [1924] und Miner [1945], dass Spannungsausschl¨age unterhalb der Dauerschwingfestigkeit keinen Sch¨ adigungsbeitrag liefern, gehen die zahlreichen Modifikationen der Palmgren-Miner-Regel, vgl. Abschnitt A.2.2, davon aus, dass die Schwingungen unterhalb der Dauerfestigkeit durchaus sch¨adigen. Unter anderem wird dabei angenommen, dass durch die dauernde Belastung die Dauerfestigkeit absinkt. Dabei werden die Zeitfestigkeitslinien unterhalb der Dauerschwingfestigkeit σD unterschiedlich fortgef¨ uhrt, um die Sch¨adigung auch kleiner Spannungs- und Lastamplituden zu erfassen. Will man f¨ ur eine Bauteilklasse die am besten zutreffende Schadensakkumulationshypothese identifizieren, so sind die Lastkollektive bekannter Ausf¨alle mit den verschiedenen Schadensakkumulationshypothese zu bewerten, ggf. sind komplexere Regeln – vgl. Anmerkung A.2 – in den Vergleich mit einzubeziehen, die in Abbildung A.8 graphisch mit dargestellt sind. Basierend auf den errechneten Schadenssummen f¨ ur die bekannten Ausf¨alle sind die Abweichungen der Summenwerte regelweise zu bewerten; die Schadensakkumulationshypothese, die zu den geringsten bezogenen Abweichungen f¨ uhrt, kann auf der Basis der bewerteten Versuchsergebnisse als die Beste angesehen werden; dabei sind sowohl die absoluten wie auch die statistischen Abweichungen zu ber¨ ucksichtigen.
672
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
Wie in Abbildung A.6 skizziert, werden die m Lasthorizonte eines Lastkollektivs so nummeriert, dass der erste Lasthorizont der mit der maximalen Beanm spruchung ist, σa,1 = max(σa,i ). Ferner wird im Folgenden angenommen, dass k=1
s Lasthorizonte des betrachteten Lastkollektiv zu Beanspruchungen im Zeitfestigkeitsbereich oberhalb der Dauerschwingfestigkeit σD f¨ uhren, σa,i > σD f¨ ur i = 1, . . . , s und s ≤ m. F¨ ur die u ¨brigen Lasthorizonte unterhalb der Dauerfestigkeit j = s + 1, . . . , m gilt σa,i ≤ σD . Kennzeichen der im Folgenden diskutierten linearen Schadensakkumulationshypothesen ist, dass ein linearer Zusammenhang zwischen der Lastwechselzahl ni auf einem Lasthorizont i, i = 1, . . . , m, und dem zugeh¨origen Sch¨adigungsbeitrag Di besteht. Eine Verdopplung der Lastwechselzahl f¨ uhrt also direkt auch zu einer Verdopplung der Sch¨ adigung; f¨ ur die nichtlinaren Schadensakkumulationshypothese ist dies nicht mehr der Fall. Die hier vorgestellten Schadensakkumulationshypothesen k¨ onnen nur die Z¨ahlergebnisse einparametriger Z¨ahlverfahren verwerten, z.B. sind die mit der Klassengrenzen¨ uberschreitungsz¨ahlung, der Spitzenwertz¨ ahlung oder der Verweildauerklassieung gewonnenen Kollektive mit den linearen Verfahren zur Schadensbewertung zu verarbeiten. Ergebnisse einer Rainflow-Z¨ ahlung, vgl. z.B. Haibach [2006], Gudehus & Zenner [2004] oder Radaj [2003], die zwei Merkmale der Beanspruchungs-Zeit-Funktion erfassen, erfordern den Einsatz nichtlinearer Schadensakkumulationshypothesen. Anmerkung A.2 Die in den folgenden Abschnitten A.2.2 bis A.2.4 vorgestellten Schadensakkumulationshypothesen stellen die einfachsten Regeln zur Bewertung mehrstufiger Beanspruchungen dar und sollen den rechnerischen Vergleich z.B. eines Dauerlaufkollektivs mit dem eines Pr¨ ufstandversuchs f¨ ur die drehenden Getriebekomponenten erm¨ oglichen. Weitere lineare Schadensakkumulationshypothese, die man in der Literatur findet, sind die Regeln nach Haibach6 oder Zenner & Liu [1992]. 2 A.2.2 Original Palmgren-Miner-Regel Die Palmgren-Miner-Regel als einfachste lineare Schadensakkumulationshypothese wurde unabh¨ angig von Palmgren [1924] zur Absch¨atzung der Lebensdauer von W¨alzlagern und von Miner [1945] entwickelt, der die Ergebnisse mehrstufiger Schwingversuche an Aluminium-Proben beschrieb. Nach dem Konzept von Palmgren & Miner nimmt die Sch¨adigung eines Lastwechsels linear mit der Lastspielzahl zu. Bei mehrstufigen Schwingbeanspruchungen, vgl. Abbildung A.9 und Abbildung 10.5, entstehen auf jedem Beanspruchungshorizont Teilsch¨adigungen, die aufsummiert die Gesamtsch¨adigung ergeben. Abbildung A.9 zeigt eine mehrstufige Schwingbeanspruchung mit m = 4 Beanspruchungshorizonten, auf jedem Beanspruchungshorizont werden ni , 6
Diese Regel wird auch unter der Bezeichnung der modifizierten Palmgren-MinerRegel in der Literatur beschrieben, vgl. z.B. Gudehus & Zenner [2004].
A.2 Grundz¨ uge der Betriebsfestigkeit
673
Abb. A.9. Mehrstufiges Beanspruchungskollektiv und Gegen¨ uberstellung der Beanspruchungen mit der W¨ ohlerlinie
i = 1, . . . , m, Lastspiele absolviert. Der 4. Lasthorizont P4 (N4 , σa,4 ) liegt im Bereich der Dauerfestigkeit, σa,4 < σD . Aus der W¨ohlerkurve folgt die Lastspielzahl Ni , bei der auf dem Beanspruchungshorizont i das Versagen eintritt, auf jedem Lasthorizont wird somit ein Anteil ni /Ni des Erm¨ udungswiderstands verbraucht. Die Summe der Teilsch¨ adigungen Di , i = 1, . . . , m, ist die Schadenssumme D des Kollektivs. Allgemein gilt f¨ ur die Sch¨adigung eines Kollektivs mit s Lasthorizonten oberhalb der Dauerfestigkeit k s s X X ni ni σa,i D= = · . (A.18) Ni ND σD i=1 i=1 Das Versagen tritt nach der Palmgren-Miner-Regel in der Originalform ein, wenn die Schadenssumme den Wert D = 1 erreicht hat. Die Gr¨oße k in (A.18) ist wieder der Neigungsexponent der W¨ ohlerlinie. Beanspruchungskollektive, die durch die Auswertung von Messungen regelloser Schwingbeanspruchungen entstanden sind, weisen durch die Vielzahl der Auswerteklassen h¨ aufig einen nahezu stetigen Kurvenverlauf auf, der f¨ ur die Sch¨adigungsrechnung durch einen treppenf¨ormigen Verlauf, vgl. Abbildung 10.5, ersetzt werden kann, um (A.18) leichter auswerten zu k¨onnen. F¨ ur Schadenssummen D < 1 werden die Kollektivbeanspruchungen wahrscheinlich insgesamt D−1 -mal bisP zum Versagen ertragen. Die Ausfallschwingspielzahl NL ist dann bei nges = ni Lastspielen im Kollektiv und der Schadenssumme D ! s X NL = ni /D = nges /D . (A.19) i=1
Man beachte, dass in (A.19) keinerlei Sicherheiten eingerechnet sind. Die Vorgehensweise zur Ber¨ ucksichtigung von lebensdauerbezogenen Soll-Sicherheiten
674
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
νL wird beispielsweise von Bertsche & Lechner [2004] beschrieben, auch mit Bezug auf Fahrzeuggetriebe. A.2.3 Relative Palmgren-Miner-Regel Umfangreiche Untersuchungen zur Prognosegenauigkeit der einfachen, linearen Palmgren-Miner-Regel zeigen, dass die Schadenssummen im Mittel nahe D = 1 liegen. Jedoch k¨ onnen auch beachtliche Abweichungen von diesem Wert in beide Richtungen auftreten, durch die entsprechende Unterschiede zwischen berechneter und tats¨ achlicher Lebensdauer im Experiment entstehen. An Aluminium-Legierungen und niedriglegierten St¨ahlen wird eine Tendenz zu Werten D < 1 f¨ ur das Bauteilversagen beobachtet. Bei Biegebeanspruchungen liegen die Schadenssummen meist unter 1, w¨ahrend die Schadenssumme nach (A.18) bei Axialbeanspruchungen im Mittel Werte um 1 einnehmen. Die Streuungen in den experimentell ermittelten Schadenssummen f¨ uhren zu ¨ der Uberlegung, anstelle des von Palmgren & Miner eingef¨ uhrten Grenzwertes D = 1 andere Grenzwerte D 6= 1 zu verwenden. Umfangreiche Experimente haben gezeigt, dass 94 % aller mit dem Konzept von Palmgren & Miner berechneten Schadenssummen oberhalb D = 0, 3 liegen und dass die Begrenzung der Schadenssumme auf D ≤ 0, 3 somit eine konservative Annahme darstellt. Gegen¨ uber der urspr¨ unglichen Annahme von D = 1 ergeben sich ¨ dann Uberdimensionierungen von 16% bis 21% bezogen auf die im Bauteil wirkenden Spannungen, die als zus¨ atzliche Sicherheitsreserve zu betrachten sind. Eine andere Form der relativen linearen Schadensakkumulationshypothese basiert auf der Berechnung der Sch¨ adigungssumme nach der Originalform (A.18) der Palmgren-Miner-Regel f¨ ur ein Bauteil, das in einem Betriebsfestigkeitsversuch mit einem bekannten Lastkollektiv ausgefallen ist. Vorausgesetzt wird ferner eine abgesicherte W¨ ohlerlinie f¨ ur das betrachtete Bauteil aus der f¨ ur die Lasthorizonte die Ausfallschwingspielzahlen bei einstufiger Beanspruchung Ni ermittelt werden k¨ onnen. Man errechnet also zun¨achst die Schadenssumme D∗ f¨ ur das Kollektiv mit s1 Stufen im Zeitfestigkeitsbereich und ni , i = 1, . . . , s1 , Schwingspielen in den einzelnen Stufen sowie die Ausfallschwingspielzahlen Ni entsprechend der Bauteilw¨ ohlerlinie nach (A.18). Dabei nimmt man an, dass diese Schadenssumme ungeachtet ihres absoluten Wertes auch f¨ ur ein ¨ahnliches Kollektiv mit s2 Stufen im Zeitfestigkeitsbereich und nj , j = 1, . . . , s2 , Schwingspielen pro Lasthorizont und Ausfallschwingspielzahlen Nj f¨ ur ein uhrt: ¨ahnliches Bauteil zum Ausfall f¨ s2 P
D j=1 = s1 P D∗
nj /Nj ni /Ni
k k ! s s X X n σ n σ j a,j i a,i / = ≤ 1. (A.20) ND σD ND σD j=1 i=1
i=1
Umfassende Untersuchungen zur relativen linearen Schadensakkumulation nach (A.20) haben gezeigt, dass das Verfahren bei ¨ahnlichen Kollektiven und
A.2 Grundz¨ uge der Betriebsfestigkeit
675
¨ahnlichen Bauteilen meistens – aber leider nicht immer – gute Ergebnisse lie¨ fert. Um eine gute Ubereinstimmung zu erzielen, m¨ ussen daher Betriebsfestigkeitsversuche mit definierten Kollektiven f¨ ur die Bauteilklassen durchgef¨ uhrt werden, sonst ist das Verfahren nur eingeschr¨ankt anwendbar. Ferner ist es m¨oglich, relative Betrachtungen der Art (A.20) auch mit anderen linearen Schadensakkumulationshypotheses anzustellen. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Schwingspiele im Bereich der Dauerfestigkeit mit σa < σD weder in (A.18) noch in (A.20) eingehen; Spannungsausschl¨ age der Lasthorizonte s + 1, . . . , m unterhalb der Dauerfestigkeitsgrenze werden als nicht sch¨ adigend gewertet. A.2.4 Elementare Palmgren-Miner-Regel Die einfachste Erweiterung der Palmgren-Miner-Regel zum Erfassen der Lasthorizonte i = s+1, . . . , m unterhalb der Dauerschwingfestigkeit, σa,i < σD , die nach der Schadensakkumulationshypothese (A.18) zu keinem Sch¨adigungsbeitrag f¨ uhren, ist die Fortf¨ uhrung der Zeitfestigkeitsgerade im W¨ohlerdiagramm u ber die Eckschwingspielzahl NG hinaus, vgl. Abbildung A.8. Dies bedeutet, ¨ dass auch f¨ ur die Lasthorizonte i = s + 1, . . . , m f¨ ur die σa,i < σD gilt, die Ausfallschwingspielzahlen Ni der einzelnen Lasthorizonte jeweils nach (A.16) errechnet werden k¨ onnen. F¨ ur σa,i < σD ist dann allerdings die wahrscheinliche Schwingspielzahl bei einstufiger Belastung auf dem Lastniveau i gr¨oßer als die Eckschwingspielzahl des W¨ ohlerschaubildes, Ni > ND . Die Berechnung der Sch¨ adigungssumme D erfolgt auch f¨ ur die elementare Form der Palmgren-Miner-Regel nach (A.18), nur werden alle m Lasthorizonte des Kollektivs ber¨ ucksichtigt. Somit ist klar, dass bei gleichem Lastkollektiv mit m Lasthorizonten die elementare Form der Palmgren-Miner-Regel eine gr¨oßere Sch¨adigung ergibt als die urspr¨ unglich vorgeschlagene Hypothese nach (A.18). Die elementare Form der Palmgren-Miner-Regel baut auf der Vorstellung auf, dass auch Lasten unterhalb der Dauerschwingfestigkeit das Entstehen von Mikrorissen beg¨ unstigen k¨onnen, die dann bei den Schwingspielen im Zeitfestigkeitsbereich das Versagen des Bauteils durch makroskopischen Bruch beschleunigen. Das typische Anwendungsgebiet der elementaren Form der Palmgren-Miner-Regel sind die W¨alzlager, f¨ ur die in (6.16) nach der DIN 622 angenommen wird, dass auch kleine ¨aquivalente Lasten P sch¨ adigen, vgl. Abschnitt 6.4.2. A.2.5 Sch¨ adigungs¨ aquivalenz F¨ ur die betriebsfeste Auslegung von Verzahnungen und W¨alzlagern, aber auch f¨ ur die Bemessung von Einstufenprogrammen f¨ ur die Pr¨ ufstandsdauererprobung von Fahrzeuggetrieben ist es – von Extremsituationen wie beispielsweise Fahrzeugmissbrauch, vgl. Abschnitt 3.3.2, abgesehen – ausreichend, die gestuften Lastkollektive aus einer Fahrzeugmessung oder einer dynamischen
676
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
Beanspruchungsrechnung durch ein Rechteckkollektiv mit nur einem einzigen Lasthorizont zu ersetzen. Die Sch¨ adigung D des gemessenen oder gerechneten Kollektivs mit m Lasthorizonten ist dabei bei Anwendung der elementaren Palmgren-Miner-Regel gegeben durch D=
m k X ni σa,i i=1
k ND σD
.
(A.21)
Genauso lassen sich nat¨ urlich die anderen beschriebenen Schadensakkumulationshypothesen – die Originalform (A.18) der Palmgren-Miner-Regel oder ¯ die relative Form (A.20) – anwenden. Die Sch¨ adigung des Ersatzkollektivs D mit nur einem Lasthorizont σa,E und nE Lastwechseln soll nun der Sch¨adigung D des Ausgangskollektivs entsprechen, dabei wird der Einfachheit halber die elementare Form der Palmgren-Miner-Regel verwendet, ¯ = D
k nE σa,E k ND σD
!
=D.
(A.22)
Dabei gibt es vier M¨ oglichkeiten, die Parameter σa,E und nE des Ersatzkollektivs festzulegen: 1. F¨ ur den vorgegebenen H¨ ochstwert σa1 des urspr¨ unglichen Kollektivs wird eine sch¨adigungs¨ aquivalente Ersatz-Schwingspielzahl n ¯ 1 bestimmt: ! m X −k k n ¯1 = ni · σa,1 · σa1 . (A.23) i=1
Mit n ¯ 1 wird eine maximale zeitliche Raffung des Versuchs erreicht; die Aussagef¨ahigkeit des Tests bei Fahrzeuggetrieben ist genau zu u ufen, ¨berpr¨ da durch den fehlenden Wechsel der Betriebszust¨ande die Abk¨ uhlpausen fehlen, die im tats¨ achlichen Betrieb aber immer vorhanden sind; zudem werden Langzeiteinfl¨ usse kaum erfasst. Pm 2. F¨ ur den vorgegebenen Kollektivumfang nges = i=1 ni wird eine sch¨adigungs¨aquivalente Ersatz-Spannungsamplitude σ ˆa bestimmt: " σ ˆa =
m X
#1/k
! ni ·
k σa, i
/nges
.
(A.24)
i=1
Diese Form des Ersatzkollektivs f¨ uhrt i.d.R. zu langen Laufzeiten im Pr¨ ufstandsversuche, die vor allem aber den Langzeitverschleiß gut repr¨asentieren k¨onnen. Eine Raffung der Pr¨ ufdauer ist dann im Rahmen realit¨atsnaher Pr¨ ufbedingungen kaum erreichbar, es ist mit langen Versuchszeiten zu rechnen; oft kann man durch Pr¨ ufung mit Resonanzpulsern u ¨ber die hohe Pr¨ uffrequenz trotzdem eine ertr¨ agliche Pr¨ ufdauer erreichen. 3. F¨ ur eine beliebig vorgegebene Spannungsamplitude σa∗ wird eine sch¨adigungs¨aquivalente Ersatz-Schwingspielzahl n∗ bestimmt:
A.2 Grundz¨ uge der Betriebsfestigkeit m X
n∗ =
677
! k ni · σa, i
−k
· (σa∗ )
.
(A.25)
i=1
Hier bietet sich die M¨ oglichkeit, einen Pr¨ ufzyklus optimal auf die Leistungsf¨ahigkeit vorhandener Dauerpr¨ ufeinrichtungen anzupassen. Die Pr¨ ufgeschwindigkeit, mit der die Lasten σa∗ aufgebracht werden, ist aber so zu w¨ahlen, dass eine u aßige Erw¨ armung des Pr¨ uflings infolge zu schnel¨berm¨ ler Pr¨ ufung ausgeschlossen bleibt. 4. Bei einer beliebig vorgegebenen Schwingspielzahl n ˜ wird die sch¨adigungs˜a bestimmt: ¨aquivalente Ersatz-Spannungsamplitude σ " σ ˜a =
m X
#1/k
! ni ·
k σa,i
/˜ n
.
(A.26)
i=1
Diese Art der Bestimmung des rechteckigen Ersatzkollektivs bietet sich an, wenn man bestimmte Pr¨ ufzeiten einstellen will, um beispielweise die ¨ Olalterung innerhalb bestimmter Zeitfenster zu analysieren. Die Ausf¨ uhrungen wurden hier immer f¨ ur Spannungen gemacht; genau in der gleichen Art k¨onnen nat¨ urlich auch Momente, Verschiebungen usw. in die Gleichungen eingesetzt werden, vorausgesetzt, dass zwischen den einzusetzenden Gr¨oßen und der Spannung als maßgeblicher Gr¨oße im Zeitfestigkeitsbereich ein linearer Zusammenhang besteht. Bei der Ermittlung der sch¨adigungs¨aquivalenten Ersatzmomente bei der Auslegung von Verzahnungen auf Zahnflankentragf¨ahigkeit, vgl. Auslegungsaufgabe 4.5, ist dies entsprechend zu ∗ ber¨ ucksichtigen durch Nutzung des Neigungsexponenten kH = kH /2 f¨ ur die Ersatzmomente zur Bewertung der Zahnflankenbeanspruchung; kH ist der Neigungsexponent der W¨ ohlerlinie des Grundwerkstoffs bez¨ uglich Ausfall durch Zahnflankenbeanspruchung nach Tabelle 4.14. Anmerkung A.3 Eine eventuell in der Auslegung der Getriebe ber¨ ucksichtigte lebensdauerbezogene Soll-Sicherheit νL muss bei der Bestimmung von Ersatzkollektiven nicht ber¨ ucksichtigt werden, da man sich auf die Sch¨adigungs¨aquivalenz konzentriert. Um sicherstellen, dass die im Ausgangskollektiv enthaltene Sch¨adigung mit einer Sicherheit νS erreicht wird, kann bei Annahme einer linearen Schadensakkumulationshypothese f¨ ur die Bestimmung des Ersatz-Rechteckkollektivs die Laufzeit prozentual erh¨oht werden. 2 Beispiel A.2 Gegeben sei das in Tabelle A.3 gegebene Kollektiv mit den ¨ Spannungsamplituden σa,i und Uberrollungszahlen (Lastwechselzahlen) ni , der Neigungsexponent der W¨ ohlerline ist k = 5. Zu bestimmen sind n ¯1, σ ˆa , n∗ f¨ ur σa∗ = 450 MPa sowie σ ˜a f¨ ur n ˜ = 3 · 106 . Pm k Zun¨achst errechnet man zweckm¨ aßig den Ausdruck i=1 ni · σa,i zu 2, 4275 · 19 10 (Zahlenwert), den man dann immer wieder f¨ ur die Auswertung der Formeln f¨ ur die Ersatzkenngr¨ oßen verwendet.
678
A Erweiterungen der elementaren Festigkeitslehre
Tabelle A.3. Lastkollektiv f¨ ur die Bestimmung von Rechteck-Ersatzkollektiven σa,i ni
1 2 3 4 5 600 MPa 500 MPa 400 MPa 300 MPa 200 MPa 90 000 240 000 520 000 1 200 000 4 800 000
Man erh¨alt zun¨achst n ¯ 1 = 312 181 aus (A.23), die deutliche Raffung von u ¨ber 95% der Lastwechsel ist beeindruckend. Eine gleichbleibende Lastwechselzahl nges verglichen mit dem Ausgangskollektiv erh¨alt man nach (A.24) f¨ ur eine Ausschlagsspannung σ ˆa = 324 MPa. Dimensioniert man sein Ersatzkollektiv auf eine Pr¨ uflast von σa∗ = 450 MPa so m¨ ussen nach (A.25) immerhin ∗ n = 1 315 529 Schwingspiele absolviert werden. Gibt man zuletzt eine Zyklenzahl n ˜ = 3 · 106 f¨ ur das Rechteckkollektiv vor, so betr¨agt die zugeh¨orige Pr¨ uflast nach (A.26) σ ˜a = 382 MPa.
B Kurzl¨ osungen zu den Auslegungsaufgaben
Auslegungsaufgabe 3.1: Anfahr¨ ubersetzung iAnfahr = 14, 36; Spargang iSpar = 2, 28; Kombination iachs−3 = 3, 786, i1−3 = 3, 769 und i6−1 = 0, 742 bester erreichbarer Kompromiss; Zwischenstufungen progressiv i2 = 2, 164, i3 = 1, 36, i4 = 0, 95 und i5 = 0, 72; Zwischenstufen geometrisch i2 = 2, 62, i3 = 1, 81, i4 = 1, 26 und i5 = 0, 87; Maximalgeschwindigkeit des Gespanns im 5. Gang etwa 165 km/h; Zugkraftreserve im vierten Gang bei 90 km/h F = 1877 N. Auslegungsaufgabe 3.2: Maximale Geschwindigkeit ca. 97 km/h (abgelesen); Maximale Anfahrbeschleunigung amax = 3, 784m/sec2 ; H¨ochstgeschwindigkeit des Gespanns etwa 145 km/h im vierten Gang; Optimale Fahrgeschwindigkeit vopt = 97, 69 km/h. Auslegungsaufgabe 4.1: Notwendiges u ¨bertragbares Kupplungsmoment Tc,min,Top−Benziner = 412, 5 Nm; erzielbare Winkelbeschleunigung der Sekund¨arseite ω˙ c,Basis−Diesel = 90, 6 sek−1 ; Reibzeit τABE,Top−Diesel = 1, 410 sek; Reibarbeit Wreib,Basis−Benziner = 276, 3 kJ; Basis-Diesel Scheibe 7 und Feder 4, Produktkosten 18,65 Euro; f¨ ur Basis-Benziner keine verbrennsichere L¨osung, Reduktion der zul¨ assigen Anh¨ angelast auf mtr,zul = 1150 kg erlaubt Verwendung von Scheibengr¨ oße 8 mit Feder 1. Auslegungsaufgabe 4.2: Progressive Auslegung; Auslegungsmomente f¨ ur die Achsabst¨ande ainp−msu und ainp−msl Motormoment 400 Nm ber¨ ucksichtigt, Achsabstand Hauptwellen-Differential amsu−diff = amsl−diff = adiff Verwendung der gr¨oßten vorhandenen Achs¨ ubersetzung iAchs = 3, 9 mit Auslegungsmoment Tmot · 3, 92; ainp−msl = 99, 56 mm; ainp−mso = 69, 83 mm, adiff = 156, 4 mm; b1,1 = 26, 3076mm, b5,2 = 14, 46 mm, b6,2 = 13, 72 mm. Auslegungsaufgabe 4.3: Z¨ ahnezahlen f¨ ur Variante 1: Gemeinsamer Treiber z3/5,1 = 53, Losr¨ ader z3,2 = 70 und z5,2 = 40; Normalmodul rechnerisch mn3 = 1, 905 mm und mn5 = 2, 523 mm; Profilverschiebungssumme 3. Gang x3,1 + x3,2 = 0, 92, 5. Gang x5,1 + x5,2 = 0, 70; Sprung¨ uberdeckung f¨ ur 3.
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und 5. Gang β = 1, 19, Profil¨ uberdeckungen α,3 = 1, 75 und α,5 = 1, 573; Tangentialkraft Ft3/5 = 8535 N, Axialkraft Fr3/5 = 2777 N. Auslegungsaufgabe 4.4: Profil¨ uberdeckung α = 1, 45, Sprung¨ uberdeckung β = 1, 801; Zahnfußspannung σF = 411 MPa, Zahnflankenpressung σH = 1193 MPa; Zahnfuß-Grenzfestigkeit KFG = 1720 MPa, Zahnflankentragf¨ahigkeit KHG = 1450 MPa; Ist-Sicherheit Zahnfuß jF = 4, 18, Ist-Sicherheit Zahnflanke jH = 1, 21. ¨ Auslegungsaufgabe 4.5: Aquivalentes Ersatzmomente am gemeinsames Ringrad f¨ ur Zahnfußbeanspruchung TˆF,RR = 474 Nm und f¨ ur Zahnflanˆ ˆ kenbeanspruchung TH,RR = 657 Nm, Ritzel der Welle 1 TF,1 = 441 Nm und TˆH,1 = 619 Nm, Welle 2 TˆF,2 = 581 Nm und TˆH,2 = 758 Nm, alle nach der elementaren Form der Palmgren-Miner-Regel; Zahnfußspannungen σF,1 = 145, 7 MPa, σF,2 = 185, 7 MPa und σF,RR = 57, 88 MPa; Zahnflankenpressungen σH,1 = 1207 MPa, σH,2 = 1318 MPa und σH,RR = 348, 5 MPa; Festigkeitskennwerte: KFG = 1720 MPa und KHG = 1450 MPa; Dauerfeste Auslegung von Welle 1 und Ringrad f¨ ur Zahnfußspannungen und Zahnflankenpressungen notwendig, alle Ist-Sicherheiten liegen hier u ¨ber den geforderten Soll-Sicherheiten; f¨ ur Welle Dauerfestigkeit notwendig hinsichtlich Zahnflankenpressung, jF,2 = 9, 26, bei Auslegung auf Zahnflankenfestigkeit l¨asst Auslegungslastwechselzahl eine zeitfeste Dimensionierung zu, Aufl¨osen der Festigkeitsbedingung nach dem Lebensdauerfaktor ergibt ZNT,2 = 1, 091, f¨ ur die wahrscheinlichen Lastwechselzahl bis zum Ausfall durch Gr¨ ubchen erh¨alt man mit der Lastwechselzahl des Ritzel von Welle 2qges,2 = 1, 08 · 107 kH aus der Definition des Lebensdauerfaktors qzul = NH,lim /ZNT , entsprechend einer wahrscheinlichen Laufstrecke von 158 800 km. Auslegungsaufgabe 4.6: Konusmoment Variante 1 Tk,1 = 10, 16 Nm, Variante 2 Tk,2 = 5, 328 Nm; Synchronzeit Variante 1 f¨ ur 1-2 Schaltung τsync,1−2 = 0, 267 sek, 2-1 Schaltung τsync,2−1 = 0, 604 sek; W¨armeeintrag in die Synchronsation bei 2-1 Schaltung von Variante 1 W = 3210, 8 J; Sperrwert Ss ≈ 1, 1 > 1. Auslegungsaufgabe 4.7: Abbildung 4.119 zeigt den Verlauf der Federkraft und der Bet¨atigungskr¨ afte an der Stange beim Ein- und Ausschalten. Auslegungsaufgabe 5.1: Abbildung 5.38 zeigt den Verlauf des mittleren Drucks an der Kolbenfl¨ ache und der Kompensationsfl¨ache sowie die nicht ausgeglichene Rest-Fliehkraft u ¨ber der Kupplungsdrehzahl. Auslegungsaufgabe 5.2: Anfahrmoment am Turbinenrad TT (NT = 0) ∼ = 2184 Nm. Auslegungsaufgabe 5.3: Wirkungsgrad Plusgetriebe ηAC = 95, 9%; Reduktion der Verlustleistungen um ∆Pv = 2, 53 kW.
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Auslegungsaufgabe 5.4: Betr¨ age der verf¨ ugbaren Momente an den Abtrieben des Kollektivs f¨ ur den verlustfreien Planetensatz TA,1 = 318, 3 Nm, TB,2 = 382, 0 Nm, TC,3 = 367, 7 Nm, TA,4 = 184, 9 Nm Auslegungsaufgabe 5.5: Bremsmoment an der B3 im 1. Gang h¨angt vom abgegebenen Turbinenmoment des Wandlers ab, TBrems,B3,1. Gang = 1, 43 · TT ; Kupplungsmoment an K1 und K2 im 4. Gang bei u ucktem Wandler ¨berbr¨ TK1 = Tmot · 0, 292 und TK2 = Tmot · 0, 708. Auslegungsaufgabe 5.6: Stand¨ ubersetzung des Eingangsplanetensatz aus Gesamt¨ ubersetzung des Getriebes im 3. Gang: i0 = −1, 92; Getriebe ist ¨ bei Anderung der Stand¨ ubersetzung des Eingangsplanetensatz nicht mehr durchg¨angig progressiv gestuft. Auslegungsaufgabe 6.1: Missbrauchsmoment Knallstart: T = 560 Nm; reduzierte Tr¨agheit des Fahrzeuge Θveh,red = Θveh /i2ges ; Missbrauchsmoment im Schubschocktest TSchub = 620, 5 Nm; kritisches Missbrauchsmoment Tachs = TSchub iges /2; Spreizkraft in Achs- und Radialrichtung FSpreiz,axial = 32, 04 kN und FSpreiz,radial = 25, 64 kN. Auslegungsaufgabe 7.1: Maximal¨ ubersetzung iges,max = ˆiges (ihydro,max ) = 0, 269 (drehrichtungsbewahrend), Minimal iges,min = ˆiges (ihydro,min ) = −0, 226 mit Drehrichtungsumkehr; Abbildung 7.23 zeigt das Drehzahlverh¨altnis iges = nan /nab u ubersetzung ihydro ; der Anfahrpunkt ¨ber der hydrostatischen Teil¨ liegt bei ihydro = 244/276. Auslegungsaufgabe 7.2: Gesamt¨ ubersetzung des Getriebes allgemein in nan Abh¨angigkeit von der hydraulischen Teil¨ ubersetzung ihydro : iges = = nab iab (1 − i0 ) 1/ihydro − i0 /imech Auslegungsaufgabe 7.3: Gesamtverst¨ arkung des Motormoments beim Anfahren f¨ ur µw,min = 1, 5 betr¨ agt iges,min = 4, 09, bei µw,max = 3, 0 wird iges,max = 4, 09 erreicht.
Ausf¨ uhrliche L¨osungen aller Aufgaben werden auf Anfrage vom Autor zur Verf¨ ugung gestellt.
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Normen und Standards DIN 76 DIN 281 DIN 355 DIN DIN DIN DIN DIN
471 509 611 616 622
DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN
623 625 720 743 780 867 1132
DIN 3761 DIN 3960 DIN 3962 DIN 3963 DIN 3964 DIN 3965 DIN 3966
DIN 397I DIN 3979 DIN 3990
W¨alzlager; Statische Tragzahlen W¨alzlager; Dynamische Tragzahlen und nominelle Lebensdauer W¨alzlager; Metrische Kegelrollenlager, Maße und Reihenbezeichnungen Sicherungsringe f¨ ur Wellen und Achsen Freistiche-Formen, Maße W¨alzlager, W¨ alzlagerteile, W¨ alzlagerzubeh¨or und Gelenklager W¨alzlager, Maßpl¨ ane f¨ ur ¨ außere Abmessungen Tragf¨ahigkeit von W¨ alzlagern; Begriffe Tragzahlen, Berechnung der ¨aquivalenten Belastung und Lebensdauer (Teil 1) Bezeichnungen f¨ ur W¨ alzlager (Teil 1) Rillenkugellager Kegelrollenlager Tragf¨ahigkeit von Wellen und Achsen Modulreihe f¨ ur Zahnr¨ ader Bezugsprofile f¨ ur Evolventenverzahnungen W¨alzlager; Toleranzen; Definitionen (Maß-, Form- und Laufgenauigkeit) Radialwellendichtringe f¨ ur Kraftfahrzeuge Begriffe und Bestimmungsgr¨ oßen f¨ ur Stirnr¨ader (Zylinderr¨ader) und Stirnradpaare (Zylinderradpaare) mit Evolventenverzahnung Toleranzen f¨ ur Stirnradverzahnungen (Toleranzen f¨ ur Abweichungen einzelner Bestimmungsgr¨ oßen) Toleranzen f¨ ur Stirnradverzahnungen (Toleranzen f¨ ur W¨alzabweichungen) Achsabstandsabmaße und Achslagetoleranzen f¨ ur Geh¨ause f¨ ur Stirnradgetriebe Toleranzen f¨ ur Kegelradverzahnungen Teil 1: Grundlagen Angaben f¨ ur Verzahnungen in Zeichnungen Teil 1: Angaben f¨ ur Stirnrad- (Zylinderrad-) Evolventenverzahnungen Teil 2: Angaben f¨ ur Geradzahn-Kegelradverzahnungen Teil 3: Angaben f¨ ur Schnecken- und Schneckenradverzahnungen Begriffe und Bestimmungsgr¨ oßen f¨ ur Kegelr¨ader und Kegelradpaare Zahnsch¨ aden an Zahnradgetrieben; Bezeichnung, Merkmale, Ursachen Tragf¨ahigkeitsberechnung von Stirnr¨adern Teil 1: Einf¨ uhrung und allgemeine Einflussfaktoren
692
DIN
DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN
Literaturverzeichnis
Teil 2: Berechnung der Gr¨ ubchentragf¨ahigkeit Teil 3: Berechnung der Zahnfußtragf¨ahigkeit Teil 4: Berechnung der Fresstragf¨ahigkeit Teil 5: Dauerfestigkeitswerte und Werkstoffqualit¨aten Teil 6: Betriebsfestigkeitsrechnung 3991 Tragf¨ ahigkeitsberechnung von Kegelr¨adern ohne Achsversetzung Teil 1: Einf¨ uhrung und allgemeine Einflussfaktoren Teil 2: Berechnung der Gr¨ ubchentragf¨ahigkeit Teil 3: Berechnung der Zahnfußtragf¨ahigkeit Teil 4: Berechnung der Fresstragf¨ahigkeit 3992 Profilverschiebung bei Stirnr¨ adern mit Außenverzahnung 3993 Geometrische Auslegung von zylindrischen Innenradpaaren mit Evolventenverzahnung 7168 Allgemeintoleranzen; L¨ angen- und Winkelmaße, Form und Lage Nicht f¨ ur Neukonstruktionen zu verwenden 7186 Teil 1: Statistische Tolerierung; Begriffe, Anwendungsrichtlinien und Zeichnungsangaben 7190 Pressverb¨ ande – Berechnungsgrundlagen und Gestaltungsregeln 50281 Reibung in Lagerungen; Begriffe, Arten, Zust¨ande, Gr¨oßen 50320 Verschleiß; Begriffe, Systemanalyse, Gliederung
VDI 2127 Getriebetechnische Grundlagen; Begriffsbestimmungen der Getriebe VDI 2153 Hydrodynamische Leistungs¨ ubertragung: Begriffe – Bauformen – Wirkungsweisen VDI 2157 Planetengetriebe; Begriffe, Symbole, Berechnungsgrundlagen VDI 2221 Methodik zum Entwicklen und Konstruieren technischer Systeme und Produkte, Verein Deutscher Ingenieure, D¨ usseldorf. VDI 2230 Systematische Berechnung hochbeanspruchter Schraubenverbindungen – Zylindrische Einschraubenverbindungen VDI 2722 Gelenkwellen und Gelenkwellenstr¨ ange mit Kreuzgelenken Einbaubedingungen f¨ ur Homokinematik
Sachverzeichnis
0,2%-Dehngrenze, 164, 666 Abw¨ alzger¨ ausche, 625 ACEA-Selbstverpflichtung, 95, 560 Achsabstand, 169, 180, 181 Achsantrieb, 42, 59, 208, 424, 482, 507 Achsantriebs¨ ubersetzung, 71, 424 Achsausgleichsgetriebe, 506 Achsversatz, 208, 425, 435 Achswelle, 556 Achswellen, 440 Active Yaw Control, 465 Additive, 502, 503 ¨ Ahnlichkeitsbeziehungen, 338 Aktuatorik, 266 Allradantrieb, 19, 39, 435, 448, 457, 525, 541, 564, 580 Anfahr¨ ubersetzung, 61, 99 Anfahrelement, 31, 63, 84, 113, 131, 529, 562 Anfahrpunkt, 327, 528 Anfahrvorgang, 131 Anh¨ angerbetrieb, 88 Anlaufscheibe, 427 Anregbarkeitsanalyse, 625 Anregungsordnung, 643 Antriebstrangkonzept, 14, 106, 506 Antriebstrangwirkungsgrad, 74 Aquatarder, 549 Arbeitssatz, 161 Arretierung, 228, 258, 320, 483, 656 Ausfallschwingspielzahlen, 478, 674 Ausfallursache, 171
Ausfallwahrscheinlichkeit, 477, 668 Ausgleichsgetriebe, 423, 507 Auslegungskollektiv, 104, 124, 199, 374, 475 Auslegungslebensdauer, 636, 667 Ausrollversuch, 76 Autarker Hybrid, 563 Automatisierungsgrad, 29, 269, 506 Axialkolbenmotor, 555 Axialkolbenpumpe, 552 Axialkraft, 480 Axiallastfaktor, 476 Bahngeschwindigkeit, 70 Bauraum, 17, 107, 520 Beanspruchungskollektiv, 163, 194, 202 Belagrupfen, 122, 593 Belastungsgrenzen, 123 Bereichsgetriebe, 43, 512 Berstdrehzahl, 123 Beschleunigungsreserve, 96 Beschleunigungsverm¨ ogen, 88, 99 Beschleunigungswiderstand, 81, 223 Bet¨ atigungskraft, 138, 145, 243, 274, 317, 320 Betriebseingriffswinkel, 189 Betriebserlaubnis, allgemeine, 129 Betriebsfestigkeit, 104, 163, 194, 475, 638, 675 Betriebspunkt, verbrauchsoptimaler, 87 Betriebsspiel, 472, 481, 486 Betriebsstrategie, 562, 574 Betriebszust¨ ande, 164 Bewertungssystem, 588
694
Sachverzeichnis
Blindleistung, 366, 529, 535, 578 Blindmoment, 437 Blockprogrammversuch, 203, 475, 639 Bohrschlupf, 402 Boostfunktion, 562 Bremsvorgang, 539 Brennstoffzelle, 559, 586 CO2 -Ausstoß, 95, 560 Cockpitschaltung, 245 Creep-Regelung, 48, 274, 414 Dachfl¨ ache, 234 Dauerfestigkeit, 159, 163, 193, 202, 305, 651, 667 Dauerlauf, 104, 639 Dauerpr¨ ufeinrichtung, 677 Dauerpr¨ ufprogramm, 638 Detaillierungsphase, 110 Dichtigkeit, 487, 493, 651 Differential, 15, 33, 423 Differentialgetriebe, 526, 537 Differentialsperre, 457 Differenzdruckventil, 146, 616 Doppelkreuzgelenk, 446 Doppelkupplungsgetriebe, 6, 30, 46, 146, 214, 267, 275, 300, 498 Doppelr¨ uckschaltung, 390, 601 Drehmomentenbegrenzer, 145 Drehmomentverteilung, 464 Drehmomentwandler, 54, 296, 324, 524 Drehrichtungsumkehr, 68, 172, 360, 393, 415, 507, 528, 535, 552 Drehungleichf¨ ormigkeit, 116, 443, 597 Drehzahlausgleich, 424 Dreikonus-Synchronisation, 216 Druckplattengeh¨ ause, 115 Druckst¨ uck, 220 Durchtrieb, 507 Eckschwingspielzahl, 199, 668 Eigenschwingungsform, 632 Einflussfaktor, 164, 175 Eingriffsst¨ orung, 189, 624 Eingriffswinkel, 189 Einh¨ artetiefe, 665 Einkonus-Synchronisation, 215 Einkuppelgeschwindigkeit, 589 Einmassenschwungrad, 116
Einschaltposition, 220, 588, 621 Einspurphase, 225, 227, 589 Elastizit¨ atsmodul, 661 Elastomer-Dichtung, 494 Elektrofahrzeug, 564 Emissionsfreiheit, 561 End¨ ubersetzung, 54, 87, 296 Energiespeicher, 561, 581 Energieumformer, 550 Entkopplung, 117, 250, 614, 622 Entlastungskerbe, 155 Entsperren, 223 Entsperrhemmung, 226 Entwicklungsphase, 110 Erm¨ udung, 173, 641, 658, 670 Ersatzkollektiv, 163, 199, 203, 676 Ersatzmoment, 159 Evolventenverzahnung, 169 Fading, 124 Fahrbahnneigung, 79 Fahrstufe, 30, 52, 90, 148, 539 Fahrverhalten, 438, 458, 459 Fahrwerktechnik, 8 Fahrwiderstand, 1, 79, 129, 133, 275 Fehlpassung, 486 Fertigungsaufwand, 153, 187 Festbremsdrehzahl, 346 Festigkeitsnachweis, 6, 160, 201 Feststoffdichtung, 492 Fl¨ achenpressung, 178, 240, 261, 471 Fl¨ ussigdichtung, 491 Fliehkraftkompensation, 311 Formzahlen, 157, 164 Freifeldbedingungen, 630, 645 Freiflugphase, 227, 608 Freilauf, 656 Freistich, 155 Fremdmaterial, 486 Fressverschleiß, 173 Front¨ uberhang, 38, 436 Frontantrieb, 14 Frontantrieb, 24 Frontl¨ angseinbau, 435 Frontquereinbau, 32 Fußg¨ angerschutz, 436 Funktionspr¨ ufstand, 604, 609, 621 Gangwechsel, 29, 114, 214, 242, 290, 600
Sachverzeichnis Ger¨ auschminderungsmaßnahmen, 623 Gef¨ allestrecke, 80, 545 Gegenlaufwandler, 537, 541 Geh¨ ausewerkstoff, 429, 482 Gel¨ andefahrzeug, 451 Gel¨ andeuntersetzung, 508 Gelenk, 440, 447 Gelenkwelle, 547 Generator, 568 Ger¨ ausch, 116, 587, 590 Ger¨ auschminderungsmaßnahme, 630 Gesamt¨ ubersetzung, 16, 71, 99, 424 Gesamtfahrwiderstand, 82 Gesamtsch¨ adigung, 672 Gesamtwirkungsgrad, 572 Gestalt¨ anderungsenergiehypothese, 159 Getriebeger¨ ausch, 623 Getrieberasseln, 626, 652 Gewichtsvorteil, 153, 632 Gieren, 430, 465, 580 Gleichgewicht, mechanisches, 67, 363 Gleichlaufgelenk, 440 Gr¨ ubchen, 471 Gr¨ ubchenbildung, 180, 211, 260, 303, 641, 664 Gr¨ ubchentragf¨ ahigkeit, 178, 184 Grenzschichtreibung, 238 Gruppenbauweise, 506 Gruppengetriebe, 42, 107 Gummibandeffekt, 594 H¨ ochstgeschwindigkeit, 89, 100, 343 H¨ orverm¨ ogen, 590 Haftbedingung, 84, 232 Haldex-Kupplung, 457 Handkraft, 246 Handschalthebel, 251 Hauptkr¨ ummung, 659 Hauptschlussverhalten, 323 Heckantrieb, 17, 39, 435 Heckmotor, 21 Hertz’sche Theorie, 173, 177, 260, 403, 471, 479, 656 hill-hold Funktion, 48, 536 Hinterachsgetriebe, 17, 39, 429, 506 Hinterlegung, 220 Hohlwelle, 151 Homokinetische Gelenke, 447 Hybridfahrzeug, 11, 457, 602
695
Hybridtechnologie, 6 Hydraulikmedium, 558 Hydromotor, 63, 533, 543, 554 Hydropumpe, 510, 533, 550 Impulsstart, 562 Innenschaltung, 254, 618 K¨ orperschallpegel, 643 K¨ uhlung, 22, 125, 286 K¨ uhlwasser, 550 Kalibration, 652 Kaltfressen, 173 Kaltstartphase, 572 Kardanfehler, 444 Kegelrad, 206, 426, 432 Kegelradstufe, 38, 169 Kegelringgetriebe, 60, 397, 499 Kegelrollenlager, 149, 471 Kerbsch¨ arfe, 160 Klauenschaltung, 545 Klebstoffe, 491 Kleinspeicherhybrid, 571 Knallstart, 648 Kolbenkraft, 145, 308 Komfortbeeintr¨ achtigung, 116, 429, 474, 619 Komfortentwicklung, 635, 646 Komponentenpr¨ ufstand, 643 Konsekutivschaden, 486, 670 Konstruktionsrichtlinien, 155, 166, 249, 487 Kontaktspannung, 656 Konusmoment, 227 Konzeptfindungsphase, 110 Konzeptphase, 271 Koppelschaltung, 246 Korrekturfaktor, 657 Kr¨ ummung, 659 Kraftmodulation, 243 Kraftstoffverbrauch, 74, 95, 560, 569 Kribbelfilter, 145, 616 Kugellager, 477 Kugelstrahlen, 211 Kugelumlaufb¨ uchse, 483 Kugelventil, 308 Kulisse, 257 Kunststoff¨ olwanne, 499 Kupplung, selbstnachstellend, 138, 272
696
Sachverzeichnis
Kupplungsauslegung, 126 Kupplungsbelag, 125, 284, 593 Kupplungsbet¨ atigung, 140 Kupplungsleistung, 361 Kupplungsmodulation, 141 Kupplungsmoment, 84, 126, 281, 307, 332, 380 Kupplungsscheibe, 119 Kupplungsverzahnung, 217, 221, 605 Kurbelwellengenerator, 595 Kurvenfahrt, 425 Kutzbachplan, 377, 527, 540 L¨ angswelle, 508 L¨ angswellen, 441 L¨ armquellen, 623 Lagerbauart, 476 Lagerger¨ ausche, 634 Lagerlebensdauer, 476 Lagersch¨ aden, 484 Lagerspiel, 474 Lagersteifigkeit, 471 Lamellenbremse, 307 Lamellenkupplung, 49, 307, 413, 457, 464 Laschenkette, 59, 413 Lastdatenanalyse, 100, 653 Lastkollektiv, 653 Lastschaltgetriebe, 46, 276, 296 Lastwechselreaktion, 595 Lebensdauer, 140, 474 Lebensdauerabsch¨ atzung, 477 Lebensdauerexponent, 196, 477 Leerlaufklappern, 626 Leichtbau, 152, 434 Leichtlauf¨ ol, 500 Leistungsfluss, 66 Leistungshyperbeln, 86 Leistungssummation, 369, 570 Leistungsverzweigung, 63, 369, 457, 525, 538 Lenkradschaltung, 244 Losradgestaltung, 166 Luftwiderstand, 80 Maßgeblicher Durchmesser, 164 Mangelschmierung, 486 Marterstrecke, 636 Massentr¨ agheit, 120, 288
Materialkennwerte, 159, 196 Maximaldrehzahl, 87, 478 Maximalleistung, 78, 344 Mehrfachr¨ uckschaltung, 601 Mehrfachverwendung, 190 Metallsickendichtung, 494 Mikroriss, 675 Minusgetriebe, 362 Missbrauch, 102, 249, 637, 653 Mittelkonsolenschaltung, 244 Mittelmotor, 21 Modulationshebel, 256, 614 Modulbauweise, 43 Momentenaddition, 575 Momentenfluss, 66 Momentennachf¨ uhrung, 272, 414, 523, 600 Momentenplan, 379, 535 Momentenstoß, 137, 610 Momentenverh¨ altnis, 458 Motordrehzahl Ungleichf¨ ormigkeit, 626 Motorengrundger¨ ausch, 96 Motorwirkungsgrad, 74 Muffentr¨ ager, 218, 618 Muscheldiagramm, 86 Nadellager, 479 Nebenabtrieb, 511 Nebenschlussverhalten, 323 Neigungsexponent, 193, 374, 477, 668 Nennleistung, 266, 344 Normaleingriffswinkel, 188, 202 Normalmodul, 186, 356 Normmodul, 186 Notrad, 433 Nutzfahrzeug, 16, 424, 457 Nutzfahrzeugantriebe, 525 O-Anordnung, 482 Oberfl¨ ache, 164, 503, 625 Objektivierung, 590 ¨ Olalterung, 677 ¨ Olleitblech, 498 ¨ Olqualit¨ at, 462, 501 ¨ Olversorgung, 151 Palmgren-Miner-Regel, 477, 671 Parksperre, 244, 283, 314, 511, 656
Sachverzeichnis Pedalkraft, 144 Pedalvibration, 146, 615 Pilotlager, 121 Planetengetriebe, 53, 63, 356, 526, 566 Plusgetriebe, 362 Pr¨ uflings¨ uberwachung, 486, 643 Produktionsphase, 110 Produktreifung, 110 Profil¨ uberdeckung, 192 Profilverschiebungssumme, 190 Progressionsfaktor, 99 Protuberanz, 173, 211 Pufferbatterie, 585 Qualit¨ atssicherung, 209 R¨ uckw¨ artsscheinwerfer, 263 Radialkolbenmotor, 543 Radiallastfaktor, 476 Radialwellendichtring, 496 Radnabenmotor, 568 Radschlupf, 426, 648 Raffung, 637, 676 Rangegruppe, 512 Rasselneigung, 481, 628 Rasselpr¨ ufstand, 644 Rastierkontur, 262 Ratschen, 237, 634 Ravigneaux-Planetenradsatz, 54, 298, 382 Rechte Hand Regel, 67 Rechteckkollektiv, 676 Reibarbeit, 129 Reibbelag, 126, 237, 283 Reibfl¨ achen, 126 Reibmoment, 115, 223, 283 Reibpaarung, 121, 238, 306 Reibradgetriebe, 398 Reibradius, 128, 277, 399 Reibungsleistung, 123 Reibwertschwankung, 128 Reibwertstabilit¨ at, 642 Reifen, 79 Rekuperation, 565, 573 Relativdrehzahl, 72, 230 Relativgeschwindigkeit, 336 Resonanzpulser, 676 Restschmutz, 486 Retarder, 26, 324, 537
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Rollenlager, 477 Rollenpr¨ ufstand, 609 Rollwiderstand, 79, 132 Ruckeln, 592 Rundlaufabweichung, 166, 211 Rupfen, 122, 592 Rutschgrenze, 84, 131, 427 Sammelgetriebe, 526 Sch¨ adigung, 165, 173, 194, 374, 477, 670 Sch¨ alung, 471 Schadensakkumulationshypothese, 165, 199, 203, 373, 477, 670 Schadensbild, 639 Schallabstrahlung, 489, 630, 645 Schaltaktor, 290 Schaltaktuator, 30, 46, 274, 522 Schaltbet¨ atigung, 243, 614, 637 Schaltbewegung, 243, 246 Schaltgabel, 257, 484, 620 Schaltger¨ ausche, 633 Schalthebelbewegung, 599 Schalthebelvibrationen, 618 Schaltkomfort, 17, 250, 483, 614, 634, 652 Schaltkraft, 227, 605, 607 Schaltmuffe, 221 Schaltwalze, 270 Schaltzeit, 231, 600 Schirmung, 309 Schleppmoment, 75, 614 Schleppstart, 562 Schluckvolumen, 557 Schnappeffekt, 221, 224 Schneckentrieb, 437 Schnellganggetriebe, 441 Schongangauslegung, 90 Schr¨ agscheibenpumpe, 543 Schr¨ agungswinkel, 190 Schubspannungshypothese, 662 Schwingenschaltung, 246 Schwingung, 625 Schwingungstilgung, 597 Schwungmasse, 643 Schwungrad, 115 Seilzugschaltung, 249 Selbsthemmung, 228, 437, 461 Selbstnachstellende Kupplung, 138, 272 Sensorik, 266, 294
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Sachverzeichnis
Sicherheitsreserve, 674 Sickendichtung, 494 Silikon, 491 Sonderman¨ over, 636, 648 Spargangauslegung, 99 Speisedruck, 553 Sperrdifferential, 402, 430, 457 Sperrmoment, 232, 606 Sperrsynchronisation, 214 Sperrversagen, 237 Sperrverzahnung, 217, 224 Sperrwert, 233, 430, 437 Sperrwirkung, 461 Spezifisches Gleiten, 193 Splitgetriebe, 43, 512 Spreizkr¨ afte, 431 Spreizung, 51, 87, 106, 296, 508 Sprung¨ uberdeckung, 192 St¨ utzmoment, 307, 446, 490 Stand¨ ubersetzung, 360, 527 Standardantrieb, 17 Standwirkungsgrad, 366 Starter-Generator, 562 Steigungswiderstand, 79 Steuerelemente, 266 Stirnradstufe, 70, 169 Stirnschnitt, 189 Stop-and-Go Versuch, 637 Str¨ omungsbremse, 539 Stribeck-Diagramm, 500 Stufenautomatikgetriebe, 52 Stufenlosgetriebe, 29, 58, 471 Stufensprung, 91, 230, 390, 512 Summationsgetriebe, 371 Summenleistung, 361 Synchronimpuls, 606 Synchronisationsablauf, 220, 603 Synchronisationsversagen, 233, 634 Synchronisierung, 244 Synchronk¨ orper, 221 Synchronkapazit¨ at, 230 Synchronkraft, 605 Synchronringe, 239 Synchronzeit, 599 Systemkonfiguration, 107 Teillastverbrauch, 96 Teilsch¨ adigung, 672 Teilungsfehler, 211, 624
Tellerfeder, 115, 139, 289 Temperaturentwicklung, 133, 288 Teststrecke, 636 Thermische Ausdehnung, 482 Tiefpassfilter, 632 Toroidgetriebe, 62, 398 Torsen-Differential, 39, 437, 461 Torsionsschwingung, 120, 349, 597, 625 Tr¨ agheit, 126, 148, 229, 289, 349 Tr¨ agheitsmoment, 69 Tragbild, 160, 209, 482 Tragf¨ ahigkeit, 111, 169, 211, 436, 468, 477, 502 Tragzahl, 477 Triebwerkslagerung, 491 Trilokwandler, 52, 325 Tropfbleche, 497 Turbinenkennfeld, 343 Two-Mode-Hybrid, 581 ¨ Uberschneidungssteuerung, 308 ¨ Uberlagerungsgetriebe, 466 ¨ Uberlebenswahrscheinlichkeit, 668 ¨ Uberrollungszahl, 300, 478, 677 ¨ Uberschneidungsregelung, 47, 52, 147, 288 ¨ Ubersetzung, 70 Achsgetriebe, 424 Kupplungsbet¨ atigung, 145 Planetengetriebe, 359, 381 Schaltbet¨ atigung, 252 Stirnradstufe, 70 W¨ ahlhebel der Stufenautomatik, 318 ¨ Ubertotpunktfeder, 143 ¨ Ubertragbarkeitsbedingung, 84 Umlaufwirkungsgrad, 366 Umschlingungsgetriebe, 58, 401 Unterschnitt, 211 Unterst¨ utzungsfunktion, 562 Unterst¨ utzungshybrid, 571 Unwucht, 166, 429 Validierungsphase, 110 Variator, 59, 62, 401, 413 Verbrauchsminimum, 86, 576 Verbrennen, 125 Verbrennungsmotor, 116, 342, 595, 615, 639 Verlustleistung, 74, 300, 335, 431, 555
Sachverzeichnis Versatzausgleichsscheibe, 121 Verschiebegelenk, 440 Verschiebekraft, 258 Verschleiß, 58, 140, 171, 239, 415, 500, 638 Dachfl¨ achen, 634 Dichtung, 496 Kupplungsbelag, 125, 272 Retarder, 546 Schaltungsteile, 258 W¨ alzlager, 429 Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung, 354 Verschmutzung, 475, 554 Versteifungsrippe, 489, 497 Verstellpumpe, 532 Verteilergetriebe, 460, 508 Vertrauenskennziffer, 649 Verzahnung, 6, 150, 168, 279 Verzahnungsarten, 169 Verzahnungsbreite, 183 Verzahnungskr¨ afte, 204, 372 Verzahnungswerkstoffe, 177 Vibration, 251, 592 Vollhybrid-System, 584 Vordimensionierung Freilauf, 303 Lamellenkupplung, 309 Planetensatz, 375 Synchronisation, 227 Verzahnungen, 180 W¨ alzlager, 476 Wandler, 397 Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung, 348 Wellen, 150, 158 Vorsynchronisation, 223, 228 Vorzeichenkonvention, 66, 363, 536 W¨ ahlbewegung, 243, 246, 618 W¨ ahlkraft, 605 W¨ ahlrauhigkeit, 617 W¨ alzk¨ orper, 471 W¨ alzlager, 467, 656, 670 W¨ alzleistung, 365, 432 W¨ alzverluste, 431 W¨ ohlerlinie, 163, 164, 193, 374, 669
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Wandler¨ uberbr¨ uckungskupplung, 54, 299, 347, 594 Wandlerdurchmesser, 54, 344 Wandlerschaltkupplung, 524 Wandlung, 296, 327, 524 Warmfressen, 173 Weichstoffdichtung, 493 Welle-Nabe-Verbindung, 204, 218, 427 Wellenarten, 151 Wellenlagerung, 481 Werkstofferm¨ udung, 670 Wirkprinzip, 4, 215, 227, 301, 322, 525 Wirkradius, 305, 399 Wirkungsgrad, 74, 205, 366, 526, 531, 576, 653 Wolf’sches Schema, 379, 540 X-Anordnung, 482 Z¨ ahnezahlverh¨ altnis, 185, 379 Zahnbruch, 171, 211 Zahnflankenfehlstellung, 472 Zahnfußfestigkeit, 176 Zahnrad, 656 Zahnsteifigkeit, 197, 625 Zehnerregel, 107 Zeitfestigkeit, 163, 199, 473, 666 Zentraldifferential, 457 Zugkraft, 1, 74, 84, 329, 341 Zugkraftaddition, 581 Zugkrafthyperbel, 78, 86, 520, 576 Zugkraftreserve, 83, 343 Zugkraftschaltung, 275, 296, 355 Zugkraftunterbrechung, 31, 147, 522, 598 Zweigangachse, 508 Zweikugelmaß, 213 Zweimassenschwungrad, 117, 289, 349, 623 Zweischeibenkupplung, 30, 135, 523 Zweiter Druckpunkt, 225, 607 Zwischenr¨ ader, 172 Zwischenringe, 217 Zyklenzahl, 678