Leben aus den Verheißungen: Traditionsgeschichtliche und biblisch-theologische Untersuchungen zur Rede von Gottes Verheißungen im Frühjudentum und beim Apostel Paulus 9783666538469, 3525538464, 9783525538463


118 26 21MB

German Pages [580] Year 1995

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Leben aus den Verheißungen: Traditionsgeschichtliche und biblisch-theologische Untersuchungen zur Rede von Gottes Verheißungen im Frühjudentum und beim Apostel Paulus
 9783666538469, 3525538464, 9783525538463

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

V&R

»An Jesus Christus glauben heißt aus den Verheißungen Gottes leben« (Iwand, Predigt-Meditationen 165)

GERHARD SASS

Leben aus den Verheißungen Traditionsgeschichtliche und biblisch-theologische Untersuchungen zur Rede von Gottes Verheißungen im Frühjudentum und beim Apostel Paulus

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend 164. Heft der ganzen Reihe

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Sass, Gerhard: Leben aus den Verheissungen: traditionsgeschichtliche und biblisch-theologische Untersuchungen zur Rede von Gottes Verheissungen im Frühjudentum und beim Apostel Paulus / Gerhard Sass. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1995 (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments; H. 164) ISBN 3-525-53846-4 NE:GT

© 1995 Vandenhoeck & Ruprecht, 37070 Göttingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindearbeiten: Hubert & Co., Göttingen

Vorwort „Wir wollen ... den unlösbaren Z u s a m m e n h a n g des Neuen T e s t a m e n t s mit dem A l t e n T e s t a m e n t neu sehen und das V e r h ä l t n i s von 'alt' und 'neu' von der V e r h e i ß u n g her verstehen lernen: als E r g e h e n ... E r f ü l l e n ... und B e k r ä f t i g u n g der V e r h e i ß u n g ' .

So heißt es in dem von der rheinischen Landessynode 1980 verabschiedeten Beschluß ,Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden' (Rheinische Landessynode, Erneuerung 11, vgl. dazu unten Kap.IV.D Anm.44). Was ist aber unter .Verheißung' zu verstehen? Zwar ist unumstritten, daß .Verheißung' ein grundlegender theologischer Begriff ist, der in der Theologiegeschichte immer wieder eine entscheidende Rolle gespielt hat, vor allem für die Frage nach der Geltung des Alten Testaments in der christlichen Kirche. Aber er wurde und wird sehr verschieden verstanden und gefüllt. Weder systematische Definitionen noch Überlegungen zum Gebrauch des Begriffs in der Bibel und in der Theologiegeschichte haben zu einem einheitlichen Verständnis geführt. Zum einen liegt dies gewiß an der Bedeutungsbreite des Begriffs selbst. Zum anderen standen und stehen im Hintergrund letztlich unterschiedliche theologische Grundsatzentscheidungen. Sie bestimmen das Verständnis des Lexems auch unabhängig von seiner Verwendung in biblischen Texten entscheidend mit. Das gilt z.T. selbst für die exegetische Forschung. Hier hat der Streit um theologische Grundfragen (des Gesetzesverständnisses, der Heilsgeschichte, der Christologie) die jeweilige Interpretation der neutestamentlichen (und da vor allem der paulinischen) Stellen entscheidend mitgeprägt. Solche Beobachtungen, in Ansätzen bereits im Studium bei der Auslegung von Texten wie Rom 4 gemacht, standen am Anfang meiner Arbeit. Der Weg der Untersuchung hat mich dann zunächst so weit und tief in eine Vielzahl jüdischer Texte hineingeführt, wie ich es selbst nicht erwartet habe. Diese Zeugnisse jüdischen Glaubens haben mein Gespür dafür geschärft, daß wir keinerlei Anlaß zu einem christlichen Triumphalismus haben (als wären Verheißung, Glauben und Hoffnung christliche Erfindungen und Besitzstände). Durch das Bemühen um die paulinischen Verheißungstexte vor diesem Hintergrund haben sich mir dann neue Zugänge zu der fest in der Schrift gegründeten Theologie des Völkerapostels insgesamt eröffnet. Das war eine beglückende Erfahrung, die bis zum Schluß über sich dehnende Zeiten und Durststrecken am Schreibtisch hinweggeholfen hat. J e mehr die Arbeit anwuchs und je zahlreicher die Anmerkungen wurden, je häufiger stellte sich die Frage: Wer soll das alles lesen? Wenn ich mich letztlich doch entschlossen habe, die Arbeit ohne nennenswerte Kürzungen in so ausführUcher Form zu veröffentlichen, dann deshalb, weil ich glaube, daß eine solche Arbeit so oder so mit verschiedenen Lesern rechnen muß und deshalb - so gut es geht - sie nebeneinander einigermaßen zu ihrem Recht kommen lassen sollte.

6

Vorwort

Dem eiligen Leser und demjenigen, dem es um die größeren Zusammenhänge geht, werden die Zusammenfassungen einen hinreichenden Einblick in das Thema geben. Der Argumentation größerer Abschnitte wird man in den meisten Fällen auch gut folgen können, ohne die Fußnoten zu beachten. Selbst (oder gerade) wo sie bald die Hälfte des Platzes eiimehmen, sollten sie in diesem Fall getrost überlesen werden. Die Fußnoten sind vor allem für die Leser gedacht, die das Buch sowieso selektiv, d.h. zu einzelnen Texten, wahrnehmen (wie ich selbst es für diese Arbeit mit so vielen Büchern tun mußte). Sie geben notwendige Hinweise und Informationen, die die exegetische Argumentation genau begründen und im Kontext der Fachdiskussion nachvollziehbar machen und deshalb auch nicht vorenthalten werden sollen. In mehr als einer Hinsicht ist eine solche Arbeit auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Das fängt schon bei den äußeren Bedingungen an, die meine Ehefrau und Kinder, Eltern und Schwiegereltern mitgeschaffen imd -bestimmt haben. Auch bei der Arbeit selbst erschließt sich vieles nicht ohne andere und wäre nicht so zustande gekommen. So schulde ich vielen Menschen besonderen Dank. Vor allen anderen ist dies Prof. Wolfgang Schräge, der mir als seinem Mitarbeiter nicht nur die nötige Zeit für eigene Arbeit gelassen, sondern auch die Entstehung der Arbeit mit ständiger kritischer Anteilnahme und hilfreichen A n regungen begleitet hat. Die Auffindung und Durchsicht der Belege aus der griechischen Literatur wäre mir ohne die Unterstützung von Dr. Peter Pilhofer (Münster) mit seinem auf Computer verfügbaren Thesaurus Linguae Graecae nicht möglich gewesen. Bei der Einarbeitung in die rabbinische Literatur hat mich Dr. Hans-Jürgen Becker (Berlin) durch Einweisung in die dortige Bibliothek für Judaistik, bibUographische Hinweise sowie Übersetzung und Erläuterung einzelner Stellen des Jerasalemer Talmud unterstützt. Wesentliche Teile des Manuskripts haben immer wieder die Mitglieder der Sozietät von Prof. Schräge sowie andere Kollegen gelesen und kommentiert. Besonders zu nennen sind hier Dr. Reinhard v. Bendemann, Bärbel Goedeking (Utrecht), Dr. Klaus Grünwaldt und Tobias Kriener. Dank schulde ich schließhch auch der Evangelischen Kirche im Rheinland, in deren Dienst als Pfarrer ich jetzt stehe. Sie hat mich als Pastor im Hilfsdienst für fünf Jahre an die Universität beurlaubt imd mir so die Zeit gewährt, die die Erstellung dieser Arbeit brauchte. Darüber hinaus hat sie für das fertige Werk - wie auch die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn einen namhaften Druckkostenzuschuß gewährt. 1996 wird ihre Synode in der Folge des seit 1980 begonnenen Weges über eine Änderung des Grundartikels der Kirchenordnung entscheiden. Die bleibende Erwählung Israels und die gemeinsame christhche und jüdische Hoffnung soll dann ausdrücklich zur gemeinsamen Grandlage unseres Kircheseins gezählt werden. Meine Hoffnung ist, daß diese Arbeit auch einen Beitrag dazu leisten kann aufzuzeigen, daß meine Kirche sich damh auf einem schon lange notwendigen, uns von der Schrift her gebotenen Weg befindet. Meerbusch-Strümp, den 12. Mai 1994

Inhalt

I. Zugänge

A. 1. 2. 3. 4. 5.

Lesefrüchte zur Rede von Verheißung

11

.Verheißung' in der hermeneutischen Diskussion um das AT Verschiedene Begriffe Verschiedene methodische Ansätze Verheißung und Erfüllung Verheißungswort und Verheißungsgut Geschichtstheologie und Existenztheologie

13 13 20 22 24 25

B.

.Verheißung' in der neueren exegetischen Forschung 1. Zum Alten Testament und Judentum 2. Zum Neuen Testament und Paulus 3. Theologische Wertungen

C. 1. 2. 3. 4.

Zu Zielsetzung und Methoden der Untersuchung Begriffsgeschichtliche Untersuchungen, ihre Kritik und Modifikation Beschreibung von Wortfeldern Beschreibung des literarischen und historischen Kontextes Beschreibung des Einflusses der Schrift auf die Argumentation des Paulus

27 27 30 36 37 37 40 42 46

II. Lexikalische Grundlagen A. B. C. D. E. F.

Griechische Lexeme für Versprechen Verheißen eines Gottes im griechischen Schrifttum Synonyme für Gottes Verheißen in frühjüdischen Schriften Übersicht über das Vorkommen der verschiedenen Lexeme Äquivalente für Gottes Verheißen in anderen Sprachen Übersicht über Häufigkeit und Verteilung der griechischen Lexeme .

50 52 54 59 63 69

8

Inhalt

III. Verheißung in den frühjüdischen Schriften A. 1. 2. 3. 4. 5. 6. B. 1. 2. 3. 4. C. 1. 2. 3. 4. 5.

Septuaginta und Pseudepigraphen Der vorbildliche Abraham Das verheißene Land Die verheißene Zukunft Der barmherzige Gott LibAnt - Gott verläßt nicht für immer, denn er ist barmherzig Zusammenfassung Philo von Alexandrien Gottes Schwur - Bekräftigung seiner Verheißung Abrahams Glauben - Vorbild für alle Menschen Allegorische Deutung der Verheißung Zusammenfassung

71 72 77 79 86 91 99 103 107 108 114 118

Josephus' Antiquitates Judaicae 121 Noah - die Verheißung, nie mehr so hart zu strafen 124 Abraham, Isaak, Jakob - Verheißung reicher Nachkommenschaft .. 125 Moses, Josua, das Volk - Verheißung von Beistand und Hilfe 128 David und Salomo - Verheißung von Herrschaft und Glück 133 Zusammenfassung 136

D. 1. 2. 3. 4. 5.

Apokalyptische Schriften: 4Esr und syrBar Die fraglich gewordene Gültigkeit der Verheißung Die Zukünftigkeit der Verheißung Verheißungsinhalte Wem gelten die Verheißungen? Zusammenfassung

142 145 147 148 150 152

E.

Rabbinische Literatur Die Väterverheißungen und Israel Gewißheit für die zukünftige Welt Antworten des Menschen auf Gottes Verheißen Gottes Treue zu seinen Verheißungen Zusammenfassung

154 158 167 172 178 180

1. 2. 3. 4. 5. F.

Zusammenfassung: Verheißung in den frühjüdischen Schriften 1. Zur Traditionsgeschichte der Rede vom verheißenden Gott 2. Zum Wortfeld der Rede vom verheißenden Gott

183 183 193

Exkurs: Der G e i s t als e n d z e i t l i c h e G a b e

216

Exkurs: B u n d und E i d

219

Inhalt

9

IV. Verheißung bei Paulus A. 1. 2. 3.

2. Korintherbrief 2Kor 1,18-22: Gottes Treue zu seinen Verheißungen 2Kor 6,14-7,1: Leben im Geist im Lichte der Verheißungen Verheißung im 2. Korintherbrief

236 239 252 266

B.

Galaterbrief Gal 3,1-29: Leben im Geist als Kinder und Erben der Verheißung . . Galater 4,21-31: Die Kinder der Verheißung sind frei und werden erben Verheißung im Galaterbrief

269 272

Römerbrief Rom 1,2: Gottes Verheißungen und das Evangelium von seinem Sohn

343

1. 2. 3. C. 1.

Exkurs: Z u m S c h r i f t g e b r a u c h und zur S c h r i f t d e u t u n g im R ö m e r b r i e f

2.

3. 4.

5. 6. D. 1. 2. 3.

313 339

346 . . 354

Rom 4,13-22: Gottes Verheißung für den ganzen Samen Abrahams

370

Exkurs: Z u m G l a u b e n A b r a h a m s bei P a u l u s und im F r ü h j u d e n t u m . . . .

403

Rom 9,4f: Gottes Gnadengaben für Israel

408

Exkurs: V o r z ü g e Israels?

430

Rom 9,6-13: Gottes Verheißung, seine erwählende Liebe und sein Erbarmen

434

Exkurs: Z u m Stilmittel d e s C h i a s m u s bei P a u l u s

437

Rom 15,7-13: Christi Werk setzt die Verheißungen für Juden und Heiden in Kraft Verheißung im Römerbrief

462 483

Verheißung bei Paulus - Zusammenfassung und Ausblick Traditionsgeschichüiche Wurzeln der Rede von der Verheißung . . . Zum Zusammenhang von Verheißung, Schriftverständnis und Schriftgebrauch Zum Ort der Rede von der Verheißung innerhalb der Theologie . . .

491 491 497 503

Literaturverzeichnis 1. Quellen 2. Konkordanzen und Wörterbücher 3. Kommentare 4. Sekundärliteratur

515 515 521 522 524

Stellenregister

553

I. Zugänge Lesefrüchte zur Rede von Verheißung ,Die g a n z e S c h r i f t b e i d e altes und n e u e s T e s t a m e n t s wird in die zwei Stück g e teilt und lehret diese zwei Stück, n ä m l i c h G e s e t z und göttliche V e r h e i ß u n g e n ... im alten T e s t a m e n t die S c h r i f t v e r h e i ß e t den z u k ü n f t i g e n C h r i s t u m u n d b e u t e t ewigen Segen, B e n e d e i u n g , ewiges Heil, G e r e c h t i g k e i t und ewiges L e b e n ... o d e r im n e u e n T e s t a m e n t , ... im E v a n g e l i o v e r h e i ß e t V e r g e b u n g der Sunden, ewige G e r e c h t i g k e i t , ewiges Leben." ( A C IV,5.182; BSLK 159,30ff) »Das Scheitern erweist die U n m ö g l i c h k e i t , u n d d e s h a l b ist das Scheitern die V e r h e i ß u n g . F ü r den M e n s c h e n kann nichts V e r h e i ß u n g sein als das Scheitern seines Weges.· ( B u l t m a n n , W e i s s a g u n g 51) »Überblicken wir das g a n z e A l t e T e s t a m e n t , so f i n d e n wir uns in e i n e g r o ß e G e schichte der Bewegung von V e r h e i ß u n g zu E r f ü l l u n g hingestellt." ( Z i m m e r l i , V e r h e i ß u n g 91.95) »Das V e r h e i ß e n e ist in der Bibel nicht p r i m ä r ein V e r h e i ß u n g s g u t , s o n d e r n ein Ereignis. E r e i g n i s ist die V e r h e i ß u n g , E r e i g n i s ist die E r f ü l l u n g . " ( W e s t e r m a n n , B e m e r k u n g e n 113) .Die M i t t e des A l t e n T e s t a m e n t s ... ist nach A u s s a g e des A l t e n T e s t a m e n t s i h r e m W e s e n n a c h V e r h e i ß u n g , ist die V e r h e i ß u n g des n e u e n Bundes." (Levin, V e r h e i ß u n g 12) »Charakteristisch ist f ü r die ,epaggelia' im p a u l i n i s c h e n S p r a c h g e b r a u c h ein e i g e n t ü m l i c h e s S c h w a n k e n in v e r s c h i e d e n e n D i m e n s i o n e n . E i n e r s e i t s ist sie ,exis t e n z - g r ü n d e n d und - t r a g e n d ' . . . A n d e r e r s e i t s a b e r bleibt sie f r e i e T a t G o t t e s ... ist ... Sprachgeschehen." (Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 6 8 f ) »Diese p a u l i n i s c h e Dialektik von V e r h e i ß u n g und E r f ü l l u n g ... w ä r e wohl ein l o h n e n d e r A u s g a n g s p u n k t f ü r den E n t w u r f einer biblischen T h e o l o g i e , w e l c h e w e d e r die A u s s a g e n des N e u e n T e s t a m e n t s e i n f a c h t r a d i t i o n s g e s c h i c h t l i c h auf j e n e des A l t e n z u r ü c k f ü h r e n , noch e i n e prinzipielle D i s k o n t i n u i t ä t zwischen b e i d e n T e s t a m e n t e n b e h a u p t e n will." ( W e d e r , K r e u z 236) »Die Dialektik von V e r h e i ß u n g und E v a n g e l i u m , E v a n g e l i u m u n d a p o k a l y p t i scher S e l b s t k u n d g a b e G o t t e s ist nicht die eines historischen W a c h s t u m s p r o z e s s e s . Sie e n t z ü n d e t sich ... d a r a n , d a ß im R a u m der W e l t g e s c h i c h t e V e r h e i ß u n g erst vom E v a n g e l i u m her als dessen P r o t o t y p e r k a n n t und E v a n g e l i u m n u r ... in s t ä n d i g n e u e r Z u s p r ä c h e als G o t t e s V e r h e i ß u n g f ü r Welt und M e n s c h b e w a h r t w e r d e n kann." ( K ä s e m a n n , R ö m e r 7)

12

I. Zugänge

«Gottes Verheißung oder: Die Z u k u n f t als Geschenk Gottes. Seine Verheißung, in Christus endgültig in Kraft gesetzt, ist es, die unsere heillose Gegenwart nach vornhin aufbricht, in Bewegung bringt und auf Gottes Kommen hin dynamisiert. Daß sie dadurch Juden und Christen zutiefst miteinander verbindet, die beide auf Gottes Treue bauen, sei eigens betont". (Theobald, Römerbrief 127.129) »Hinter dem Begriff der Verheißung verbirgt sich nicht ein Spezialthema des biblisch-systematischen Interesses, sondern es geht um die unaufgebbare Dimension aller Theologie des Wortes ... Es ist aber die Stärke der Verheißung, daß sie Verheißung bleibt und daß sie sich nicht in Zuständen vorläufiger Teilerfüllungen erschöpft ... Es ist die Stunde der verheißenen Erfüllung noch nicht die Stunde der erfüllten Verheißung." (Tacke, Verheißung 395f) .Eine Verheißung ist eine Zusage, die eine Wirklichkeit ankündigt, die noch nicht da ist. Damit eröffnet Verheißung das Aus-Sein des Menschen auf zukünftige Geschichte, in der die Erfüllung der Verheißung zu erwarten ist." (Moltmann, H o f f n u n g 92) .Dieser Unterschied von Verheißung und Erfüllung kann allein im Blick auf Christus gesehen werden. In Christus bestätigt Gott seine Verheißung so, daß Menschen auf ihn h o f f e n dürfen, daß sie ihn erwarten und damit auch etwas von ihm erwarten ... Einen biblischen Text als Verheißung lesen heißt darum, ihn als Treueversprechen Gottes vernehmen. " (Sauter, Kunst 358) .Verheißung fordert, um Verheißung zu sein, Glauben; und schöpferische V e r heißung schafft sich Gehör, indem sie Glauben schafft, wohlgemerkt: schafft, nicht .weckt" (Ernst Wolf, Peregrinatio I 124) J e s u s Christus ... ist der verheißene Sohn Abrahams und Davids, der Messias Israels ... Er ist als solcher der ursprüngliche Hörer der göttlichen Verheißung". .Die Verheißungen, die die Kirche ergreift, indem sie ihre H o f f n u n g auf ihren auferstandenen Herrn setzen darf, lauten auf die Gabe des Heiligen Geistes, auf die Vergebung der Sünden, auf die Besiegung der Mächte und Gewalten des Satans, auf die Auferweckung der Toten, auf ein ewiges Leben in Gottes Reich. Aber eben damit ergreift und begreift sie doch nur die gerade Israel gegebenen Verheißungen." (Barth, KD 11,2 218f.224) .Die Predigt hat ... Verheißung und Wirklichkeit miteinander zu ver-sprechen, so daß verständlich wird, wie die Verheißung auch und gerade die den Hörer jetzt bedrängende Wirklichkeit betrifft." (Lange, Predigen 67) .In der Geistesgegenwart wird die Verheißung vergegenwärtigt." (Bohren, Predigtlehre 222)

Α. .Verheißung' in der hermeneutischen Diskussion um das AT Die Zitate aus den verschiedenen theologischen Disziplinen können einen ersten Eindruck vermitteln davon, in welch verschiedenen Zusammenhängen von der Verheißung Gottes die Rede war und ist. In einer Reihe neuerer systematisch-theologischer' und homiletischer^ Entwürfe ist sie ein wichtiges Element. Daneben hat sie vor allem in der Diskussion um das Verstehen des A T und um eine Biblische Theologie eine große Rolle gespielt, die mit dem 1949 erschienen Aufsatz .Weissagung und Erfüllung' von Rudolf Bultmann neu in Gang kam. Die Frage, wie vom christlichen Glauben her das A T zu lesen und zu verstehen ist, stellt sich bereits seit ntl. Zeit, und schon seit der Alten Kirche dient das Schema .Verheißung - Erfüllung' als wesentliche Antwort auf diese Frage·^. Häufig bestimmt es seitdem auch das Verständnis der Rede von .Verheißung' überhaupt. Das gilt auch noch für die Diskussion der fünfziger Jahre um die alttestamentliche Hermeneutik", die wiederum zurückgewirkt hat auf die Behandlung des Themas Verheißung in der neutestamentlichen Exegese'. An ihr sollen deshalb in einem ersten Zugang theologische Grundfragen und Probleme erhellt werden, die sich bei der Beschäftigung mit dem Thema Verheißung einstellen. 1. Verschiedene Begriffe In der Diskussion werden bis heute verschiedene Begriffe nebeneinander verwandt, ohne daß sie in ihrer Bedeutung immer deutlich zu unterscheiden sind. Versuche, sie durch Definitionen voneinander abzugrenzen, haben sich nicht durchgesetzt. Das erschwert die Erfassung und Darstellung der einzelnen Positionen, weshalb es sinnvoll erscheint, die wichtigsten Stimmen zunächst für sich knapp zu skizzieren.

' V g l . z.B.: M ö l l m a n n , T h e o l o g i e ; Sauter, Z u k u n f t ; vgl. a u c h zur C h a r a k t e r i s i e rung der T h e o l o g i e H.J. Iwands: T a c k e , V e r h e i ß u n g . A u c h in der r e f o r m a t o r i s c h e n T h e o l o g i e und ihrer E r f o r s c h u n g hat der B e g r i f f promis,sio e i n e z e n t r a l e R o l l e g e spielt, vgl. Bayer, P r o m i s s i o ; Bizer, T h e o l o g i e ; Klappert, P r o m i s s i o . ^ Lange, A u f g a b e ; Bohren, Predigtlehre. ' »Die K a t e g o r i e mit der g r ö ß t e n W i r k u n g s g e s c h i c h t e bis h e u t e ist d i e v o n V e r h e i ß u n g und E r f ü l l u n g " ( S c h n a c k e n b u r g , T h e o l o g i e 36). V g l . a u c h d i e S t i c h w o r t e V e r h e i ß u n g und W e i s s a g u n g ( W e i s s a g u n g und E r f ü l l u n g ) im S a c h r e g i s t e r bei: G u n n e w e g , V e r s t e h e n . N a c h Dahl, P r o m i s e 123 ist d i e s e s M o d e l l unter Christen üblich seit Justin d e m Märtyrer, hat aber a u c h s c h o n V o r l ä u f e r im l u k a n i s c h e n Werk. I m mer w i e d e r w u r d e aber a u c h Kritik an d i e s e m S c h e m a laut ( v g l . M o u l e , F u l f i l m e n t W o r d s 320: ,a w i d e and l o o s e l y - u s e d phrase that r e q u i r e s definition"). ' W i c h t i g e Literatur zu d i e s e r D i s k u s s i o n ist z u s a m m e n g e f a ß t in d e m S a m m e l band: P r o b l e m e a l t t e s t a m e n t l i c h e r H e r m e n e u t i k (hg.v. C. W e s t e r m a n n ) , ( T B 1) M ü n c h e n , 1960. A u s f ü h r l i c h e D a r s t e l l u n g e n der e i n z e l n e n P o s i t i o n e n ( u n d der w e i t e r e n E n t w i c k l u n g der D i s k u s s i o n ) f i n d e n sich bei: G u n n e w e g , V e r s t e h e n ; Preuß, T e s t a ment; S c h m i d t , A n s ä t z e . ' V g l . d i e L i t e r a t u r a n g a b e n z u m Stichwort V e r h e i ß u n g in den e i n s c h l ä g i g e n W ö r t e r b u c h a r t i k e l n z u m T h e m a : H T h G II 759; T B L N T 2,2 1273; T h W N T X 1081.

14 a.

I.A. Verheißung in der hermeneutischen Diskussion um das AT Weissagung

N a c h R. Bultmann ist das Verständnis des A l t e n Testaments im N e u e n T e s t a m e n t und in der kirchlichen Tradition geprägt v o m Schema Weissagung und E r füllung®. Für uns heute ist eine solche Auslegung alttestamentlicher Texte seiner Ansicht nach nicht mehr möglich. Er fragt jedoch weiter, ob nicht im Blick auf das A T dennoch von Weissagung geredet werden kann, nämlich im Sinn einer weissagenden Geschichte. Allerdings kommt er zu einem gegenüber der heilsgeschichüichen Theologie J. Chr. Hofmanns, an die er mit dieser Überlegung a n knüpft,'' entgegengesetzten Ergebnis. So ist zwar die alttestamentlich-jüdische Geschichte auch für ihn noch Weissagung, aber nur „in ihrem inneren W i d e r spruch, in ihrem Scheitern."® F. Baumgärtel gesteht Bultmann zu, daß das Schema .Weissagung-Erfüllung' auch im N e u e n Testament begegne, bestreitet aber, daß damit „das n e u t e stamentliche Grundverständnis des A l t e n Testaments" richtig getroffen sei'. Zentraler für das „neutestamentliche Verständnis des alttestamentlichen W o r tes" ist für ihn der Begriff Verheißung. U n d er fordert, Weissagung und V e r h e i ßung „in der theologischen Diskussion streng ausemanderzuhalten" weil beide Begriffe wesensverschieden seien'". Weissagungen tragen zumeist eine B e d i n gung in sich: .Wenn D u ..., dann wird ...'. Weissagung bestimmt er als A n k ü n d i gung eines zukünftigen Geschehens durch Menschen (genauer: Propheten und

' Nach Bultmann folgt das Neue Testament dabei sowohl - im Blick auf die prophetischen Verheißungen und Drohungen - alttestamentlich-jüdischer Tradition, als auch - indem es das AT als Ganzes als Buch der Weissagung lese - hellenistisch-stoischer Tradition (Weissagung 163). Er selbst bestimmt Weissagung zunächst ganz allgemein als .die Voraussage eines künftigen Geschehens, und die Erfüllung ist das Eintreffen des Vorausgesagten." (ebd. 162). .Weissagung und Erfüllung' hieß bereits ein Aufsatz von J. Schildenberger, der fünf J a h r e zuvor erschien. Der katholische Autor bietet dort noch eine klassische heilsgeschichtliche Sicht der biblischen Texte. ' Bultmann, Weissagung 168f. Hofmann verstand in seinem Werk (Weissagung und Erfüllung 2 Bände, Nördlingen, 1841-1844) die ganze Geschichte Israels als weissagende Geschichte (und nicht mehr in erster Linie - wie bis dahin zumeist - das vorhersagende Wort als Weissagung). Bultmann nun zeigt an drei zentralen biblischen Begriffen (Bund, Königsherrschaft Gottes, Gottesvolk), daß das Neue Testament im Blick auf ihre Verwirklichung gerade nicht eine Erfüllung erkennen läßt, sondern im Gegenteil ihre U n r e a l i s i e r b a r k e i t , das Scheitern jeder i n n e r g e schichtlichen Verwirklichung. « Ebd. 183. ' Baumgärtel, Verheißung 71. Ebd. 32; zur folgenden Definition von Weissagung vgl. ebd. 28-36. Schon Dietrich Bonhoeffer forderte, aus z.T. anderen Gründen, „Weissagung und Verheißung .. klar zu unterscheiden". Denn: „Christi Weissagung geht nicht in Erfüllung wie beschrieben, aber seine Verheißung geht in Erfüllung. Verheißung besagt, daß Gott sich selbst und seinem Wort treu bleibt. Weissagung kann die Verheißung b e k r ä f t i gen. Weissagung kann, aber muß nicht im Dienst der Verheißung stehen" (Bonhoeffer, Schriften 3 302). Im Übrigen weist Prümm, Diakonia 207 Anm.6 darauf hin, daß sich diese Unterscheidung zwischen Verheißung und Weissagung bereits im Titel eines Traktates des Prosper von Aquitanien (Zeitgenosse und Schüler Augustins, gestorben nach 455) finde, die lautet: ,De promissionibus et praedictionibus Dei'.

Weissagung

15

Apokalyptiker), die erst durch Erfüllung bestätigt werden muß und die sich so als dem Verstand einsichtig erweist. Sie ist aber „kein allen sichtbares und hörbares Faktum"". Es kann auch Zeiten ohne Weissagung geben. Sie ist auf Verheißung angewiesen, was umgekehrt nicht gilt. Geweissagt wird sowohl Heil als auch Unheil und Gericht^^. C. Westermann hält diese Unterscheidung zwischen Weissagung und Verheißung jedoch nur im Blick auf die neutestamentlichen Begriffe έπαγγελία und προφητεΰενν für berechtigt. Er kritisiert im Blick auf das Alte Testament, daß es dort „Weissagung als Beweis ... überhaupt nicht oder nur am äußersten Rand" gebe. Vor allem sei ein solches Verständnis von Weissagung zur Beschreibung der Prophetie ungeeignet". G. von Rad, der Baumgärtels Beurteilung der Prophetie noch schärfer kritisiert'"·, verwendet in semer Theologie des Alten Testaments Weissagung und Verheißung ohne erkennbare Unterschiede nebeneinander'^.

"

B a u m g ä r t e l , V e r h e i ß u n g 34. Diese r a d i k a l e U n t e r s c h e i d u n g von W e i s s a g u n g und V e r h e i ß u n g ist bei B a u m g ä r t e l d u r c h die F r a g e motiviert, was im A l t e n T e s t a m e n t f ü r u n s e r e n G l a u b e n noch r e l e v a n t sein k a n n (dazu weiter s.u. S.26). Sein Schüler F. Hesse h a t sie später (als e i n z i g e r ) ü b e r n o m m e n und sich im Blick auf das A l t e T e s t a m e n t dabei sogar noch skeptischer g e ä u ß e r t als sein L e h r e r . E r b e z e i c h n e t j e d e E n t f a l t u n g der G r u n d v e r h e i ß u n g im A l t e n T e s t a m e n t als . m e n s c h l i c h e W e i s s a g u n g e n ' (Hesse, A l t e T e s t a m e n t 82), die sich . d u r c h den w e i t e r e n V e r l a u f der G e s c h i c h t e auch f a k t i s c h als irrig erwiesen h a b e n " (ebd. 84; vgl. B u l t m a n n s Position). Sie h a b e n die V e r h e i ß u n g . ü b e r s t e i g e r t , ja verfälsckrt" (ebd. 93), w e s h a l b a u c h die W e i s s a g u n g e n f ü r u n s C h r i sten a b g e t a n sind. " W e s t e r m a n n , B e m e r k u n g e n I I I . Die U n t e r s c h e i d u n g zwischen W e i s s a g u n g (•προφητεύειν) u n d V e r h e i ß u n g ist allerdings nicht allein auf das N T b e s c h r ä n k t , s o n d e r n f i n d e t sich z.B. a u c h deutlich bei J o s e p h u s (s.u. S.123). Auf W e s t e r m a n n bezieht sich später u.a. a u c h D u g a n d z i c , J a . N a c h ihm d i e n e n sowohl W e i s s a g u n g als a u c h V e r h e i ß u n g . z u r I n t e r p r e t a t i o n des Christusereignisses im Z u s a m m e n h a n g mit dem A l t e n T e s t a m e n t u n d g r ü n d e n auf der Ü b e r z e u g u n g , d a ß C h r i s t u s die . E r f ü l l u n g ' , die . V o l l e n d u n g ' oder die .Bestätigung' des A l t e n T e s t a m e n t s ist" ( I 4 9 f ) ; d e n n o c h u n t e r s c h e i d e t er d e u t l i c h zwischen W e i s s a g u n g , . d i e einen M e n s c h e n , einen W a h r sager zum Subjekt hat" und V e r h e i ß u n g , deren Subjekt . G o t t selbst" ist (ebd. 152). " . A b e r was f ü r ein v e r w e g e n e r E i n g r i f f ist die T r e n n u n g von V e r h e i ß u n g u n d W e i s s a g u n g " ( R a d , V e r h e i ß u n g 410). Ihm geht es bei seiner Kritik w e n i g e r um ein a n g e m e s s e n e s V e r s t ä n d n i s der B e g r i f f e , als um das r e c h t e V e r s t ä n d n i s d e r p r o p h e t i schen B o t s c h a f t . Dem e n t s p r i c h t es, w e n n er in seinem Schlußsatz den Begriff V e r h e i ß u n g völlig in ü b e r t r a g e n e m Sinn g e b r a u c h t : .Dieser a u f g e b r o c h e n e Dissensus k ö n n t e aber g r o ß e V e r h e i ß u n g h a b e n " (ebd. 413). " So schreibt er, d a ß das . N e u e T e s t a m e n t ... die a l t t e s t a m e n t l i c h e n V e r h e i ß u n gen in J e s u s C h r i s t u s e r f ü l l t " sieht ( R a d , T h e o l o g i e II 408) u n d e i n e Seite später heißt es: .Das, w a s die T h e o l o g i e W e i s s a g u n g n e n n t , ist doch e i n f a c h die E n t d e k kung, d a ß die alten W o r t e mit i h r e r A u s s a g e bis hin zu Christus r e i c h e n " (ebd. 409). A u c h a n d e r e T h e o l o g e n u n t e r s c h e i d e n h ä u f i g nicht n ä h e r zwischen V e r h e i ß u n g und Weissagung.

16

b.

I.A. V e r h e i ß u n g in d e r h e r m e n e u t i s c h e n Diskussion um das A T

Verheißung'^

Bultmann ersetzt dort, wo er die dem christlichen Glauben gegebene Hoffnung beschreiben will, Weissagung unvermittelt durch Verheißung". Die Geschichte Israels ist ihm, als in ihrem Scheitern weissagende Geschichte, zugleich Verheißung der eschatologischen Verwirklichung von Bund, Königsherrschaft und Gottesvolk. Als solche Verheißung ist sie Bestärkung der eschatologischen Haltung des Glaubens, der allein möglichen „Möglichkeit der eschatologischen Existenz in Welt und Zeit."!» W. Zimmerli behandelt die Fragen, um die es hier geht, „unter der etwas weitergefaßten Rede von der .Verheißung'"". Er geht - durch den Pentateuch, die Geschichtsschreibung und die Psalmen hindurch - den alttestamenüichen Tatbeständen nach und kommt zu dem Ergebnis: „Es will nicht gelingen, aus dem Alten Testament eine glatt aufgehende Summe aller Verheißungen zu errechnen."2° Im Blick auf das Neue Testament stellt er fest, daß Christus „ohne die volle Einbeziehung der alttestamentlichen Verheißungsansage nicht voll verstanden"^^ werden kann. Für Bauwgärtel ist der Begriff Verheißung der zentrale Begriff, in dem „das ganze christìiche Heilsgut" beschlossen ist^^. Was unter Verheißung zu verstehen

A u c h w e n n der F o r s c h u n g s ü b e r b l i c k sich auf die h e r m e n e u t i s c h e Diskussion im e n g e r e n Sinn b e s c h r ä n k e n soll, seien im f o l g e n d e n einige n e u e r e A r b e i t e n a l t t e s t a m e n t l i c h e r E x e g e t e n , die sich im R a h m e n der E x e g e s e des A T des V e r h e i ß u n g s b e g r i f f s b e d i e n e n , wenigstens g e n a n n t : H o f t i j z e r , V e r h e i ß u n g e n ; Plöger, V e r h e i ßungstradition; Veijola, Verheißung; Westermann, Verheißungen; Zimmerli, Grundriß 20-24; S e e b a ß , V e r h e i ß u n g e n ; ders., R e l a t i o n s h i p ; ders., H e r r s c h e r v e r h e i ß u n g e n ; Springer, L a n d v e r h e i ß u n g ; Levin, V e r h e i ß u n g ; K ö c k e r t , V ä t e r g o t t ; Boorer, P r o m i s e s ( w e i t e r e L i t e r a t u r bei P r e u ß , T h e o l o g i e 2 10-14). " I n s o f e r n gleicht sein G e b r a u c h bereits der von B a u m g ä r t e l später a u s d r ü c k l i c h g e f o r d e r t e n U n t e r s c h e i d u n g der b e i d e n B e g r i f f e . " B u l t m a n n , W e i s s a g u n g 184f. , A l s V e r h e i ß u n g ist das Scheitern f r e i l i c h erst von der E r f ü l l u n g aus zu v e r s t e h e n , d.h. aus der B e g e g n u n g mit d e r G n a d e Gottes" (ebd. 184). A n a n d e r e r Stelle k a n n er aber a u c h sagen, d a ß das A T insoweit positiv a u f g e n o m m e n w e r d e n k a n n , ,als es wirkliche V e r h e i ß u n g ist, d.h. als es wirklich das christliche S e i n s v e r s t ä n d n i s v o r b e r e i t e t . Soweit, m a g m a n sagen, r e d e t Christus schon im A l t e n T e s t a m e n t " ( B e d e u t u n g 336). " Z i m m e r l i , V e r h e i ß u n g 55 Anm.92. E r e r l ä u t e r t a l l e r d i n g s nicht, w a s u n t e r .etwas weiter g e f a ß t ' zu v e r s t e h e n ist. B u l t m a n n v e r m a g er nicht n u r s p r a c h l i c h , s o n d e r n auch inhaltlich nicht zu f o l g e n . Dieser messe , d i e a l t t e s t a m e n t l i c h e n W o r t e u n t e r der P e r s p e k t i v e des W a h r s a g e w o r t e s " u n d k ö n n e so , d e m a l t t e s t a m e n t l i c h e n S e l b s t v e r s t ä n d n i s des V e r h e i ß u n g s w o r t e s nicht gerecht ... w e r d e n " (ebd. 55). S k e p tisch ist er schließlich g e g e n ü b e r B u l t m a n n s E i n s c h ä t z u n g , ,in dieser A u f f a s s u n g g a n z e i n f a c h der p a u l i n i s c h e n I n t e r p r e t a t i o n des G e s e t z e s zu f o l g e n " ( e b d . 55). ^ E b d . 52. Der A u f s a t z Z i m m e r i i s u n d sein S p r a c h g e b r a u c h h a b e n die w e i t e r e Diskussion e n t s c h e i d e n d g e p r ä g t . D a s gilt b e s o n d e r s f ü r diese Z u s a m m e n f a s s u n g seiner E r g e b n i s s e im Blick auf das A T . V i e l e s p ä t e r e B e i t r ä g e b e z i e h e n sich z u s t i m m e n d d a r a u f (vgl. R a d , T h e o l o g i e II 341.395; W e s t e r m a n n , B e m e r k u n g e n 113; R u l e r , K i r c h e 42). Z i m m e r l i , V e r h e i ß u n g 54. S c h ä r f e r f o r m u l i e r t s p ä t e r P a n n e n b e r g , H e i l s g e s c h e h e n 305: . J e s u s ist die O f f e n b a r u n g G o t t e s nur im L i c h t e der V e r h e i ß u n g e n des Alten Testamentes." ^ B a u m g ä r t e l , V e r h e i ß u n g 71.

Verheißung

17

ist, ist aber nicht aus dem AT, sondern allein „vom neutestamentlichen V e r ständnis von Verheißung aus"^ zu erheben. Er definiert Verheißung als absolut gültige Zusage eines Gutes durch Gott, die denen gilt, die an Jesus Christus glauben^·*. E n t s c h e i d e n d ist ihre Faktizität und Universalität und ihr e x i stenzgründender und -tragender Charakter. Im N T hat Verheißung nicht nur eine „eschatologische Bestimmtheit"^, sondern auch .retrospektiven Charakter"^®. Sie v e r w e i s t zurück auf d a s A l t e T e s t a m e n t , g e n a u e r : auf die Grundverheißung, die in der Zusage besteht: „Ich bin der Herr dein Gott'"^''. Nur diese Grundverheißung ist für unseren Glauben relevant, nicht aber das, was „Israel unter der Grundverheißung als Verheißung entfaltet"^^. Z u s a m m e n g e faßt und begründet findet er sein Verständnis in dem Begriff „.Verheißung in Christus' (epaggelia en Christo, Eph 3,6)"^'. Diese .Verheißung in Christus' kann es nur im Neuen Testament geben. Unklar bleibt, wie diese Formel genauer zu füllen ist (Wie ist das έν zu übersetzen?). Schon bei Baumgärtel selbst sind verschiedene Näherbestimmungen erkennbar. Gemeint kann sein: 1) Christus ist das Mittel, durch das die Verheißungen des AT wahr geworden sind^®. Dabei meint Verheißung des AT für ihn, wie die weiteren Ausführungen zeigen, die .Grundverheißung an Israel: ,Ich bin der Herr dein Gott'"-^', nicht die scharf davon zu unterscheidenden Weissagungen. Zugleich wird aber durch ihn die Verheißung überhaupt erst faktisch und universal·^^. 2) Er ist der Träger der Verheißung. 3) Zugleich ist er aber auch der Geber von Verheißungen^·^. Dabei könnte an die atl. Grundverheißung gedacht sein, die auch erst für die

^ Ebd. 129. " Vgl. ebd. 7ff. ^^ Ebd. 9. ^ Ebd. 12f. " Ebd. 19. Inwiefern eine solche Bestimmung der .Grundverheißung' im AT sinnvoll ist, ist umstritten. Westermann weist etwa darauf hin, daß gerade der Satz ,Ich bin der Herr, dein Gott' „wie Baumgärtel selbst ausführt, einen Gnadenaspekt und einen Zornesaspekt" hat (Bemerkungen, 109) und somit .gerade die Grundverheißung des Alten Testaments ... der Begriffsbestimmung von επαγγελία nicht" entspricht (ebd. 110). Zu katholischer Kritik an Baumgärtels Position vgl. Prümm, Diakonia 207f. ^ Baumgärtel, Verheißung 27. Denn die alttestamentlichen Verheißungen sind nicht faktisch und nicht universal (ebd. 26.) Außerdem hat Israel zumeist die Grundverheißung mit menschlichen Einsichten und Erwartungen, haben die Propheten sie mit Weissagungen verkettet. Aber als an Christus Glaubende .erfahren und wissen" wir, ,daß Gott mit seiner Grundzusage ihr Wahrwerden in Jesus Christus gemeint hat" (ebd. 48). Ebd. 7. .Der Gehalt dessen, was das Neue Testament mit dem Begriff Verheißung umschreibt, ist die .Verheißung in Christus'. Damit ist für die theologische Erörterung der Begriff Verheißung definiert" (ebd. 28). In letzter Zeit hat Luz, Theologie 132 gemeint, Baumgärtels Entwurf müsse .als Versuch, die paulinische (kursiv im Zitat) .Biblische Theologie' im Alten Testament durchzuführen, neu positiv - gewürdigt werden." " Baumgärtel, Verheißung 11, mit Verweis auf Röm 15,8; 2Kor 1,20. " Ebd. 19. " Ebd. 8. " „Der Träger der Verheißung macht sie wahr, indem er sie gibt* (ebd. 33).

18

I.A. Verheißung in der hermeneutischen Diskussion um das A T

Gläubigen ,in Christus' faktisch geworden ist. Es kann aber auch an neue V e r h e i ßungen gedacht sein, die Christus allererst gewährt^·*. 4) Schließlich ist Christus auch selbst die Verheißung, die Gabe, das faktische .Realwerden der Lebensgemeinschaft mit Gotf^s.

Für F. Hesse, der den Begriff von seinem Lehrer Baumgärtel übernimmt, ist .Verheißung in Christus' „die schon dem alttestamentlichen Gottesvolk gegebene, absolut gültige, heilvolle Zusage Gottes, die Gott in Jesus Christus bekräftigte, als gültig bestätigte und besiegelte"^®. Man kann die Bedeutung des Begriffs für eine biblische Theologie kaum höher einstufen, als er es zunächst tut^''. Später hat Hesse seine eigene Position jedoch radikal geändert^®. Er identifiziert nun letzüich vom Neuen Testament her den Inhalt der Verheißung mit der Rechtfertigung und bestreitet aus diesem Grund „die Existenz einer Verheißung über das vorchristliche Israel"''. Im Gegensatz zu Baumgärtel und Hesse sieht A. van Ruler die Verheißungen ganz auf der Seite des AT, wobei ihm wichtig ist, daß es „nicht eine Verheißung gibt, in die das Alte Testament eindeutig ausläuft, sondern daß es viele und dazu noch sich sehr widersprechende Verheißungen gibt."'"' Im Rückblick auf diese Diskussionen um den Verheißungsbegriff im Kontext der Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Testament beklagt Westermann (nicht zu unrecht), daß .Verheißung' hier so allgemein verwandt worden ist, „daß seine Konturen immer unklarer werden. Die Begriffe, wie sie von F. Baumgärtel einerseits, von W. Zimmerli andererseits gebraucht werden, haben kaum noch etwas Gemeinsames'"'^. Ihm geht es angesichts dessen immer wieder um eine Klärung des alttestamentlichen Sachverhalts mit Hilfe formgeschichtlicher Beobachtungen, und er unterscheidet für das Alte Testament „drei Grundformen der Verheißung: die Heilszusage, die Heilsankündigung und die Heilsschilderung". Diese umschließen zugleich „die drei zeiüichen Aspekte... : den perfektischen, futurischen und präsentischen"'*^. ^ ....das Verheißungsgut ist also im Grunde die Rechtfertigung" (ebd. 7). '' Ebd. 33. " Hesse, Altes Testament 72 (vgl. auch oben A n m . l 2 ) . Neutestamentlich gründet er sein Verheißungsverständnis in diesem Buch in erster Linie auf Gal 3 (ebd. 67). " Verheißung ist für ihn der .hermeneutische Schlüssel" (ebd. 67) für das V e r ständnis des Alten Testamentes in der Kirche, ein Begriff, .der geeignet ist, die w e senhafte Zusammengehörigkeit von alt- und neutestamentlichem Zeugnis deutlich zu machen" (ebd. 67. Vgl. auch S.151). Mehr noch: .nur bei diesem Ansatz können wir den Satz, daß die gesamte Botschaft des Alten Testaments uns gilt, festhalten, ohne uns in heillose Widersprüche zu verwickeln" (ebd. 96). Vgl. auch unten Anm.89. " Hesse, Profanität 288.285; schon Baumgärtel konnte den Inhalt der Verheißung als Rechtfertigung bestimmen, s.o. Anm.34. * Ruler, Kirche 42. Es ist letztlich das Reich Gottes, das bei Ruler das A l t e T e stament für die christliche Kirche notwendig macht. Die Verheißungen des Alten Testamentes meinen dieses Reich (ebd. 74). Westermann, Segen 20f. Westermann, Weg 247.248. A n anderer Stelle unterscheidet er, bedingt durch

Versprechen

С.

19

Versprechen

Nicht in direktem Zusammenhang mit der hermeneutischen Diskussion um das Alte Testament, aber doch mit Blick auch auf den biblischen Befund versuchen R. Wonneberger und H.P. Hecht mit Mitteln sprachanalytischer Philosophie zu einer weiteren Klärung des Begriffs Verheißung beizutragen. Sie analysieren dazu mit Hilfe der Sprechakttheorie näher das Phänomen des Versprechens allgemein, um die so gewonnenen Ergebnisse dann ins Gespräch zu bringen mit dem zentralen theologischen Begriff der Verheißung^^. Ausgangspunkt dabei ist u.a. die Beobachtung, daß nur im Deutschen sprachlich unterschieden wird zwischen Verheißung (als religiös bestimmtem Wort, das ein Handeln Gottes anzeigt) und Versprechen (als menschlicher, .profaner' Handlung). Im Griechischen und Lateinischen (und davon abgeleitet auch im Englischen und Französischen) gibt es dagegen für beides nur ein Wort (έπαγγελία, promissio, promise, promesse)*^. Sie kommen im Laufe ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, daß das Versprechen ein „konstitutives Element des Bundes"" ist und daß auch die paulinischen Indikative Verheißungsstruktur haben"·®. Zusammenfassend konstatieren sie: „Die Behandlung des Abraham-Modells nötigt uns also dazu, die Beziehung zwischen Gott und Mensch als Versprechensstruktur zu verstehen: Gott gibt das Versprechen, der Mensch nimmt es an, Gott erfüllt es"'*''. Im Fortgang dieser Untersuchung wird um der sprachlichen Klarheit und Lesbarkeit der Arbeit willen - dem deutschen Sprachgebrauch entsprechend zwischen Versprechen (unter Menschen) und Verheißung (als Versprechen Gottes) unterschieden·*®.

die ihm wichtige Differenz zwischen rettendem und segnendem Handeln Gottes, in etwas anderer Weise zwischen der .Heilsankündigung, die auf ein Ereignis in der Z u k u n f t weist" und der .Heilsschilderung ..., in der ein Zustand des Gesegnetseins in Aussicht gestellt wird. Die Heilsankündigung steht im Zusammenhang des rettenden, die Heilsschilderung im Zusammenhang des segnenden Handelns Gottes* (Segen 21). Wonneberger/Hecht, Verheißung (vgl. auch schon die Beobachtungen zum allgemeinen Sprachgebrauch bei Dahl, Promise 121f, der hier u.a. den Unterschied zwischen Verheißung und prophetischer Vorhersage herausarbeitet). Der Begriff Versprechen hat zwar in der hermeneutischen Diskussion keine große Rolle gespielt, begegnet aber auch hier hin und wieder. So bestimmt Bultmann die Weissagung als ein .Versprechen Gottes" (Weissagung 162). Wonneberger/Hecht weisen auch darauf hin, daß die Trennung im Deutschen, genauer in der theologischen Fachsprache, vor allem auf die durch Luther geprägte Bibelsprache zurückgeht. In der Lutherbibel kommt Versprechen selten vor, vermutlich weil „versprechen' im niederdeutschen Sprachraum zu Luthers Zeiten vorwiegend im negativen Sinn gebraucht wurde ... etwa i.S. von .schmähen'" (ebd. 10). Statt dessen gebraucht Luther .zusagen' oder .geloben'. Auffällig ist, daß in Kirchenliedern diese Trennung nicht vollzogen wird. Für Gottes Handeln wird dort .verheißen' und auch .versprechen' verwandt (zur sprachlichen Entwicklung im Deutschen insgesamt ebd. S. 1-14). « Ebd. 176. « Ebd. 192f. " Ebd. 194. " Ungeachtet dessen ist im Blick auf eine in unserer heutigen Situation ange-

20

I.A. V e r h e i ß u n g in der h e r m e n e u t i s c h e n Diskussion um das A T

2. Verschiedene methodische Ansätze Wie die gebrauchten Begriffe so ist auch das methodische Vorgehen in der hermeneutischen Diskussion unterschiedlich. Dabei macht sich u.a. die Schwierigkeit bemerkbar, daß es für den griechischen Begriff έ π α γ γ ε λ ί α im Alten Testament kein direktes Äquivalent zu geben scheint. So sind sich zwar alle Beteiligten mehr oder minder einig, daß die .Sache', die mit .Verheißung' bezeichnet wird, auch im Alten Testament begegnet. Umstritten ist aber, wie diese .Sache' inhaltlich näher zu beschreiben ist, und vor allem, wie sie methodisch angemessen erfaßt werden kann. Selbstverständlich vorausgesetzt wird zunächst, daß christliche Theologie letztlich vom Neuen Testament her auf das Alte Testament zugeht''^. Vor diesem Hintergrund lassen sich grob vier methodische Wege unterscheiden, die auch in unterschiedlichen Kombinationen begegnen: Das NT ist auch methodisch der Ausgangspunkt, von dem aus zurückgefragt wird zum A T (a); oder es wird beim AT selbst eingesetzt und von dort auf das NT geblickt (b). U n tersucht werden Begriffe (c); oder es geht darum, den Tatbeständen, dem G e schehen nachzugehen (d). Ausdrücklich beim NT setzt Baumgärtel ein. Ihm dient sein Verständnis des neutestamentlichen Begriffs έ π α γ γ ε λ ί α als Fundament für das Verstehen des AT''". Er ist mit diesem Vorgehen allerdings auf Kritik gestoßen. So wendet sich Westermann gegen den Versuch, „das Alte Testament von neutestamentlichen Begriffen her zu deuten"^^ Statt dessen müsse die Begriffsexegese Altes wie Neues Testament umgreifen'^ sowie in enger Verbindung mit der Formgeschich-

m e s s e n e t h e o l o g i s c h e T e r m i n o l o g i e der V o r s c h l a g von J . Soosten b e d e n k e n s w e r t , a u c h im Blick auf Gott zur R e d e vom . V e r s p r e c h e n ' z u r ü c k z u k e h r e n , um , d i e E i n sicht in die g r u n d s ä t z l i c h a n a l o g i s c h e R e d e von G o t t ' zu f ö r d e r n und «die R e l e v a n z m e n s c h l i c h e r E r f a h r u n g f ü r den H o f f n u n g s c h a r a k t e r des G l a u b e n s k e n n t l i c h " zu m a c h e n (Soosten, U n d e 479f). Vgl. Schmidt, A n s ä t z e 437. Dies bestätigt sich bei B u l t m a n n , der W e i s s a g u n g u n d E r f ü l l u n g als n e u t e s t a m e n t l i c h e s Schema ansieht, bei Z i m m e r l i , der a u s d r ü c k l i c h die . n e u t e s t a m e n t l i c h e R e d e von V e r h e i ß u n g und E r f ü l l u n g " als A u s g a n g s p u n k t wählt ( V e r h e i ß u n g 34), und a u c h bei B a u m g ä r t e l . Selbst f ü r R u l e r s t h e o k r a t i s c h e n A n s a t z gilt dies ( K i r c h e 52). ™ B a u m g ä r t e l , V e r h e i ß u n g 129 u.ö. In diesem m e t h o d i s c h e n A n s a t z v e r g l e i c h b a r ist ihm L a r c h e r , L ' A c t u a l i t é . A u c h er u n t e r s u c h t zuerst V o r k o m m e n u n d G e b r a u c h von έ π α γ γ ε λ ί α im N e u e n T e s t a m e n t , e h e er von dort z u r ü c k f r a g t n a c h dem A l t e n T e s t a m e n t . E r k o m m t a l l e r d i n g s von seinen systematischen V o r a u s s e t z u n g e n her zu a n d e r e n E r g e b n i s s e n als B a u m g ä r t e l . F ü r ihn sind das M y s t e r i u m Christi (ebd. 530) sowie die I n s p i r a t i o n s l e h r e ( e b d . 524) und der „sens spirituel" (ebd. 519) die V o r a u s s e t z u n g f ü r die a n d a u e r n d e B e d e u t u n g des A l t e n T e s t a m e n t s in der K i r c h e . Vgl. auch H e s s e (s.o. Anm.37). " W e s t e r m a n n , B e m e r k u n g e n 112. W e i t e r heißt es da, d a ß der, der das u n t e r n i m m t , . d a m i t zu e r k e n n e n " gibt, „daß er vom N e u e n T e s t a m e n t her schon alles weiß, w a s das A l t e T e s t a m e n t der K i r c h e zu sagen hat". A u c h f ü r Schmidt ist der A n s a t z beim N T .als m e t h o d i s c h - h e r m e n e u t i s c h e F o r d e r u n g , die nur diese Z u g a n g s weise zuläßt, z u m i n d e s t m i ß v e r s t ä n d l i c h , w e n n nicht einseitig" ( A n s ä t z e 437). " . H i e r b e i wird vor allem wichtig, in w e l c h e m V e r h ä l t n i s die B e g r i f f e z u e i n a n d e r s t e h e n ; w e l c h e im A l t e n T e s t a m e n t z e n t r a l e n B e g r i f f e im N e u e n T e s t a m e n t f e h l e n oder g a n z am R a n d s t e h e n und u m g e k e h r t ; wo ein n e u e r Begriff einsetzt"

Verschiedene methodische Ansätze

21

te Stehen^-''. Er selbst wählt methodisch einen anderen Weg. Er geht „vom Tatbestand" im AT aus, „von den Vorgängen selbst"^''. Dahinter steht bei ihm die Voraussetzung, „daß das Alte Testament weithin nicht begrifflich denkt"^', und außerdem eine grundsätzliche Skepsis gegenüber begrifflichem Denken'®. Es ist deutlich, daß diese verschiedenen methodischen Zugänge immer auch begründet sind in unterschiedlichen theologischen Entscheidungen, ja in der eigenen theologischen Grundhaltung'"'. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach den Grenzen historisch-kritischer Exegese. Von Rad sieht eine „Beweislücke"'* dort, wo, obwohl „das Alte Testament ... nicht anders denn als das Buch einer ins Ungeheure anwachsenden Erwartung gelesen werden" kann, dennoch die historisch-kritische Wissenschaft nicht sicher beantworten kann, ob es „deshalb auch als das Buch der Weissagung auf Jesus Christus gelesen werden muß"'^. Er zieht daraus die Konsequenz, den Glauben in die Auslegung zu integrieren und mit Hilfe der typologischen Exegese „das Christuszeugnis des Neuen Testaments bewußt in die Interpretation des Alten Testaments" einzubringen^o.

Die verschieden gefüllten Begriffe und die unterschiedlichen methodischen Ansätze geben den Blick frei auf weitere Fragenkreise, die zugleich Konfliktlinien der Auseinandersetzung um das Verstehen des Alten Testaments und Konfliktlinien des Verständnisses von Verheißung berühren: a. Verheißung und Erfüllung; b. Verheißungswort und Verheißungsgut; c. Geschichtstheologie und Existenztheologie. Ihnen soll im folgenden weiter nachgegangen werden.

( W e s t e r m a n n , B e m e r k u n g e n 104). B u l t m a n n , W e i s s a g u n g g e h t d i e s e n W e g , i n d e m er die drei B e g r i f f e B u n d , K ö n i g s h e r r s c h a f t G o t t e s , G o t t e s v o l k durch b e i d e T e s t a m e n t e hindurch untersucht. " W e s t e r m a n n , B e m e r k u n g e n 105. " W e s t e r m a n n , W e g 230.231. E i n e n ä h n l i c h e n W e g g e h t Z i m m e r l i ( V e r h e i ß u n g 34). " S c h m i d t , A n s ä t z e 449. ^ So s c h r e i b t W e s t e r m a n n zum S c h l u ß s e i n e r T h e o l o g i e : . A n d i e n e u t e s t a m e n t l i c h e n T h e o l o g e n ist d i e F r a g e zu richten, ob es nicht m ö g l i c h ist, von e i n e r g e d a n k l i c h - b e g r i f f l i c h e n Struktur der n e u t e s t a m e n t l i c h e n T h e o l o g i e z u r ü c k z u k e h r e n zu e i n e r v e r b a l e n oder g e s c h i c h t l i c h e n Struktur, die darstellt, w a s im N e u e n T e s t a m e n t z w i s c h e n Gott u n d M e n s c h g e s c h i e h t . Der erste Schritt dazu w ä r e die E r k e n n t n i s , d a ß das, w a s g e s c h e h e n ist, w i c h t i g e r ist als das, w a s darüber g e d a c h t w o r d e n ist" ( T h e o l o g i e 204). " Ruler, K i r c h e 9 - 1 2 zählt m ö g l i c h e G r u n d h a l t u n g e n a u f . " O e m i n g , T h e o l o g i e n 22. ^ R a d , T h e o l o g i e II 341; ä h n l i c h b e r e i t s W e s t e r m a n n , B e m e r k u n g e n 107. V g l . a u c h E i c h r o d t , T h e o l o g i e 348. ® O e m i n g , T h e o l o g i e n 24. Er arbeitet für R a d i n s g e s a m t vier v o n e i n a n d e r zu u n t e r s c h e i d e n d e A u s l e g u n g s m o d e l l e heraus: das v e r h e i ß u n g s - , das ü b e r l i e f e r u n g s - , d a s heils- und das sprachgeschichtliche Modell (ebd. 20-33).

22

I.A. V e r h e i ß u n g in der h e r m e n e u t i s c h e n Diskussion um das A T

3. Verheißung und Erfüllung Was bereits für die einzelnen Begriffe festzustellen war, gilt ebenso für das Schema .Verheißung - Erfüllung': es wird unterschiedlich verstanden, begründet und gefülh. Selbstverständliche Voraussetzung bei allen ist, daß das Schema der Sache nach im A T bereits vorhanden ist®^ Manche führen seinen Ursprang dennoch ausdrücklich auf das Neue Testament zurück®^. Mit dem Bild eines „Spannungsbogens von der Verheißung zur Erfüllung" der „für die ganze Bibel tragende Bedeutung" habe,® wird die Vorstellung einer Verheißungsgeschichte, oder noch gmndsätzlicher einer Universalgeschichte®'* verbunden. Auch die Frage, wo und wie von Erfüllung gesprochen werden kann, ist umstritten. Eine einfache Aufteilung, die Weissagung ganz dem A T und Erfüllung ganz dem NT zurechnet, findet sich zwar kaum mehr. Allerdings läuft Bultmanns Position, auch wenn er dem Schema gerade kritisch gegenübersteht, doch auf eine solche Antithese der beiden Testamente hinaus®^. Ihr gegenüber wird zum einen darauf hingewiesen, daß es Erfüllung bereits im Alten Testament gibt. Zum anderen wird betont, daß auch die christliche Gemeinde „wiederum von einer Verheißung auf eine Erfüllung in Bewegung gebracht ist"®®. In einer gewissen Spannung zu solchen Aussagen stehen die Bemühungen, Person und Werk Jesu Christi im Zusammenhang des Schemas angemessen zu verstehen. So stellt zwar Zimmerli fest, daß die Christen die neutestamentlichen Erfüllungsaussagen nicht einfach ungebrochen aufnehmen können®^. Er betont aber andererseits, daß auch noch zukünftige Erfüllung nichts „anderes mehr bringen kann als die offenbare Enthüllung des schon Erfüllten"®^. Und für Westermann ist Christus „die endgül-

" So b e z e i c h n e n f ü r W e s t e r m a n n , W e g 231 die b e i d e n B e g r i f f e die „ E n t s p r e c h u n g eines R e d e n s zu e i n e m T u n G o t t e s ' , die in „der G e s c h i c h t e G o t t e s mit seinem Volk ... einen w e s e n t l i c h e n Platz" h a t . E t w a s vorsichtiger f o r m u l i e r t zuletzt Schmidt, A n s ä t z e 438. E r sieht mit diesem S c h e m a „das A l t e T e s t a m e n t nicht u n t e r e i n e m ihm von a u ß e n a u f g e n ö t i g t e n , s o n d e r n ihm selbst e i g e n t ü m l i c h e n A s p e k t b e t r a c h t e t - der U n a b g e s c h l o s s e n h e i t , O f f e n h e i t , dem H o f f n u n g s c h a r a k t e r , g e n a u e r : der A n k ü n d i g u n g und E r w a r t u n g von Z u k ü n f t i g e m . " Vgl. Z i m m e r l i , V e r h e i ß u n g 34: „ n e u t e s t a m e n t l i c h e R e d e von V e r h e i ß u n g und E r f ü l l u n g ' (vgl. a u c h B u l t m a n n , W e i s s a g u n g 162). Dagegen weist Hesse, A l t e T e s t a m e n t 69 a u s d r ü c k l i c h d a r a u f hin, d a ß es im N e u e n T e s t a m e n t n i r g e n d w o h e i ß e , die V e r h e i ß u n g w e r d e . e r f ü l l t ' (vgl. a u c h u n t e n Anm.137). ® W e s t e r m a n n , B e m e r k u n g e n 112f; ganz ä h n l i c h schon Z i m m e r l i , V e r h e i ß u n g 53; R a d , T h e o l o g i e II 395 spricht vom „Spannungsfeld". N o c h g r u n d s ä t z l i c h e r b e t o n t G r o ß , P r o b l e m 12 die t r a g e n d e B e d e u t u n g des Schemas, w e n n er vom „Wesensk o n s t i t u e n s " d e r g a n z e n Bibel spricht. " Z u r V e r h e i ß u n g s g e s c h i c h t e : W e s t e r m a n n (s.u. Anm.81); zur U n i v e r s a l g e s c h i c h t e vgl. P a n n e n b e r g , H e i l s g e s c h e h e n 299 (s.u. Anm.88). ^ Vgl. etwa a u c h E i c h r o d t , T h e o l o g i e I 344, der in der „ V o l l e n d u n g der G o t t e s h e r r s c h a f t " den t r a g e n d e n G r u n d g e d a n k e n sieht, „der die a l t t e s t a m e n t l i c h e W e i s s a g u n g mit der n e u t e s t a m e n t l i c h e n E r f ü l l u n g u n z e r r e i ß b a r z u s a m m e n s c h l i e ß t . " « R a d , T h e o l o g i e II 408; vgl. a u c h : Z i m m e r l i , V e r h e i ß u n g 53; R u l e r , K i r c h e 39; Schmidt, E i n f ü h r u n g 374f. " Z i m m e r l i , V e r h e i ß u n g 56 Anm.97. « E b d . 53.

V e r h e i ß u n g und E r f ü l l u n g

23

tige Erfüllung der Verheißungen des Alten Testamentes"®'. Noch weiter geht Larcher. In Christus sind für ihn die Verheißungen des Alten Testaments realisiert und erfüllt bzw. auch zu ihrem Ende gekommen, und diese Erfüllung wird in der Kirche erfahrbar™. Die im Zusammenhang mit Verheißung-Erfüllung am häufigsten genannte neutestamentliche Belegstelle ist 2Kor 1^0. Auch in der Auslegung dieses Verses spiegelt sich wiederum die Vielfalt der Positionen. Mitunter wird der Vers einfach als Beleg dafür angeführt, daß in Christus die Verheißungen erfüllt seien. Häufiger heißt es, quasi als Zitat, daß .Christus Ja und Amen" der alttestamentlichen Verheißungen sei^'. A n g e m e r k t sei, d a ß diese W e n d u n g den g r i e c h i s c h e n Text n u r u n g e n a u w i e d e r gibt. N a c h 2Kor 1,20 sind G o t t e s V e r h e i ß u n g e n das Subjekt d e r A u s s a g e . Z u ihnen spricht Gott selbst sein J a in Christus (έν αύτω) und das A m e n d a z u spricht die G e m e i n d e . Die bis in j ü n g s t e Zeit h ä u f i g w i e d e r h o l t e und b e i n a h e zum .geflügelten W o r t ' g e w o r d e n e W e n d u n g von J e s u s als dem J a und A m e n geht o f f e n s i c h t l i c h auf e i n e f a l s c h e W i e d e r g a b e des g r i e c h i s c h e n T e x t e s in der Ü b e r s e t z u n g M a r t i n L u t h e r s z u r ü c k , die zwar in der r e v i d i e r t e n F a s s u n g der L u t h e r b i b e l von 1956 g e ä n d e r t w o r den ist, a b e r doch die A u s l e g u n g der Stelle bis h e u t e weiter b e e i n f l u ß t .

Eine genauere inhaltliche Bestimmung muß dann jeweils zusätzlich gegeben werden. Dabei reicht die Spannbreite von „bestätigen", „wahr" und »gültig" werden über „Verwirklichung", „Wirklichkeit", „Realität" bzw. „faktisch" werden, bis zu der Aussage, daß Christus „der Schlußpunkt, das Siegel" auf die Verheißung ist"'^. Von unterschiedlichen Ausgangspunkten her wird Kritik am Schema Verheißung-Erfüllung geübt. i?u/e/· wendet gegenüber einem einlinigen Verständnis ein, daß es sich christliche Theologen oft zu leicht machen, „wenn sie annehmen, daß Gott in Christus diesen Knoten durchgehauen und in ihm eine eindeutige Erfüllung der vielen sich widersprechenden Verheißungen gegeben habe"^^. " W e s t e r m a n n , W e g 247. Diese A u s s a g e ist a l l e r d i n g s auch n a c h W e s t e r m a n n letztlich ein G l a u b e n s s a t z u n d nicht exegetisch zu erweisen (vgl. W e s t e r m a n n , Bem e r k u n g e n 107). ™ E r spricht m e h r f a c h von .réalisée" ( L a r c h e r , L , A c t u a l i t é 432 u.ö.) und von E r f ü l l u n g ( e b d . 438f: »accomplissement décisif"; »parvenue à son terme"). Z u r F u n k t i o n der K i r c h e heißt es dort weiter (ebd. 438f): . D a n s la r é a l i t é v i v a n t e du Christ J é s u s , p r o l o n g é par l'Église qui est son Corps, u n e synthèse n o u v e l l e d e t o u t e s les v a l e u r s d e la P r o m e s s e a été f a i t e : u n e synthèse d é f i n i t i v e ... Les é l é m e n t s t e m p o rels et p o l i t i q u e s des P r o m e s s e s p e r d e n t n é c e s s a i r e m e n t leur s i g n i f i c a t i o n p r o p r e d a n s la m e s u r e où ils d e v i e n n e n t i n c o m p a t i b l e s avec cet a c c o m p l i s s e m e n t décisif". " B a u m g ä r t e l , V e r h e i ß u n g 11; vgl. auch W e s t e r m a n n , T h e o l o g i e 204; R u l e r , K i r c h e 67.71. B a u m g ä r t e l , V e r h e i ß u n g l l f . .Bestätigen' bei Schmidt, A n s ä t z e 442, mit V e r weis auf R o m 15,8; Hesse, A l t e T e s t a m e n t 69: . d i e in Christus bestätigte, b e s i e g e l t e G o t t e s v e r h e i ß u n g " . . W a h r " u n d .gültig": R u l e r , K i r c h e 67; a u c h B a u m g ä r t e l , V e r h e i ß u n g 11 spricht im Blick auf R o m 15,8 vom w a h r w e r d e n . . V e r w i r k l i c h u n g " : S c h n a c k e n b u r g , T h e o l o g i e 37. .Wirklichkeit", .Realität": Hesse, A l t e T e s t a m e n t 69. . H ö h e p u n k t u n d V o l l e n d u n g der a l t t e s t a m e n t l i c h e n V e r h e i ß u n g e n ( R o m 1, I f f ; 2Kor 1, 20; R o m 15, 7ff)": S t u h l m a c h e r , E r w ä g u n g e n 426. Vgl. a u c h zur A u s l e g u n g der Stelle (s.u. S.242). " R u l e r , K i r c h e 42.

24

I.A. Verheißung in der hermeneutischen Diskussion um das A T

Geht es ihm mit seinem Einwand vor allem auch darum, der Bedeutung des A l ten Testaments gerecht zu werden, so kritisiert umgekehrt Hesse das Schema, weil er hier die Bedeutung Jesu Christi zu sehr nivelliert sieht'''*. Statt von Erfüllung redet er davon, daß die „Verheißungen ... in Christus Wirklichkeit geworden"^^ sind. .Verheißung' umfaßt zwar auch für ihn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, insofern es „Zusage, faktische Gabe und eschatologisches Gut" ist^®. Aber solche Verheißung ist allein als .Verheißung in Christus' zu bestimmen. 4. Verheißungswort und Verheißungsgut Die Unterscheidung zwischen Verheißungswort und Verheißungsgut markiert in der hermeneutischen Diskussion einen weiteren tiefgreifenden Dissens. So heißt es bei Westermann grundsätzlich: „Das Verheißene ist... in der Bibel nicht wesentlich, nicht primär ein Verheißungsgut, sondern ein Ereignis. Ereignis ist die Verheißung, Ereignis ist die Erfüllung; und alle Versuche, aus diesen Ereignissen einen irgendwie sachlichen, objektiven .Gehalt' zu abstrahieren, lassen die Bibel nicht das sein, was sie nun einmal ist: ein Geschichtenbuch, der Bericht von einem Geschehen."·'·' Hesse betont dagegen die grundlegende Bedeutung des Verheißungsgutes für den Christen''®. Er bestimmt anhand des seiner Ansicht nach sehr verschiedenen Verheißungsgutes den Unterschied zwischen alttestamentlicher und neutestamentlicher Verheißung^®. In der exegetischen Literatur (vor

" Hesse, A l t e T e s t a m e n t 94. E r wehrt sich d a g e g e n , „daß das . F a k t u m ' J e s u s C h r i s t u s a l l z u s e h r in d i e s e B e w e g u n g v o n V e r h e i ß u n g zu E r f ü l l u n g h i n .einnivelliert' wird", so d a ß J e s u s . n u r ein E r f ü l l e r n e b e n vielen a n d e r e n " ist, der „für die Seinen sogleich auch w i e d e r zu n e u e r V e r h e i ß u n g " wird. . A n dieser Stelle zeigt sich, wie mißlich es ist, als P e n d a n t zum W o r t » V e r h e i ß u n g " die V o k a b e l „ E r f ü l l u n g " zu setzen. In W i r k l i c h k e i t ist J e s u s Christus w e d e r der E r f ü l l e r i r g e n d w e l c h e r k o n k r e t e r a l t t e s t a m e n t l i c h e r E r w a r t u n g e n noch der E r f ü l l e r der a l t t e s t a m e n t l i c h e n G r u n d - V e r h e i ß u n g . W ä r e er das, und w ä r e er d a b e i zugleich A u s g a n g s punkt n e u e r V e r h e i ß u n g , so w ä r e er eben a u c h nur ein T e i l - E r f ü l l e r . H ä t t e er die a l t t e s t a m e n t l i c h e V e r h e i ß u n g g a n z und völlig e r f ü l l t , so w ü r d e er nicht w i e d e r n e u e V e r h e i ß u n g aus sich h e r a u s s e t z e n , die d a n n a u c h wieder n e u e r E r f ü l l u n g h a r r t . Ihn a b e r nur als T e i l - E r f ü l l e r a n z u s e h e n , heißt, ihn auf eine S t u f e mit s o u n d s o vielen a l t t e s t a m e n t l i c h e n T e i l - E r f ü l l u n g e n zu stellen.« F e n s h a m , C o v e n a n t 305f, der e b e n f a l l s das m o d e r n e Schema . p r o m i s e a n d f u l f i l l ment" f ü r . i n a d e q u a t e and u n s a t i s f a c t o r y " hält, v e r b i n d e t bei seiner Kritik b e i d e A s p e k t e : zum einen f ü h r e es zu einer rigorosen Suche nach Christus im A l t e n T e s t a ment, die zu einer I g n o r i e r u n g des u r s p r ü n g l i c h e n Sinns und zu einer vagen I d e e o h n e A n h a l t an der R e a l i t ä t f ü h r e . Z u m a n d e r e n b e r ü c k s i c h t i g e es nicht g e n ü g e n d die e i n m a l i g e u n d n e u e B o t s c h a f t über J e s u s Christus. Hesse, A l t e T e s t a m e n t 69. ™ E b d . 70. " W e s t e r m a n n , B e m e r k u n g e n 113. A n B a u m g ä r t e l s Position kritisiert W e s t e r m a n n von d a h e r , d a ß hier der V o r g a n g der V e r h e i ß u n g h i n t e r den V e r h e i ß u n g s i n h a l t z u r ü c k t r e t e . D a d u r c h f a l l e die f ü r die V e r h e i ß u n g w e s e n t l i c h e und k e n n z e i c h n e n d e . E r s t r e c k u n g in die Z u k u n f t f o r t " ( e b d . 104). ™ E s ist . f ü r den C h r i s t e n das E n t s c h e i d e n e schlechthin" (Hesse, A l t e T e s t a m e n t 68f.). " V o n ihr h e r übt er auch Kritik an Z i m m e r l i und R a d . E r b e m ä n g e l t , d a ß sie

G e s c h i c h t s t h e o l o g i e und E x i s t e n z t h e o l o g i e

25

allem in Wörterbuchartikeln) dient die Unterscheidung, weniger grundsätzlich, einer genaueren Erfassung der Wortbedeutung an den einzelnen Belegstellen®". 5. Geschichtstheologie und Existenztheologie Die Auseinandersetzung um Geschichtstheologie und Existenztheologie läuft teilweise parallel zu der eben skizzierten um Verheißungswort und Verheißungsgut. Westermann spricht, um die Zukunftsoffenheit der Bibel festzuhalten, von der „Geschichte der Verheißungen" bzw. auch von „Verheißungsgeschichte"®!. Damit setzt er sich bewußt ab von Ansätzen, die „das Christusgeschehen wesentlich oder einzig auf die Existenz des Einzelnen"®^ beziehen, so daß „für uns diese Geschichte" des Alten Testamentes „nicht mehr relevant" ist"^. Für Baumgärtel hingegen ist die Frage bestimmend, welche „Relevanz für ... unseren christlichen Glauben"®'' die alttestamentlichen Weissagungen und Verheißungen haben können. Das erkenntnisleitende Prinzip ist dabei offensichtlich „ein bestimmtes Verständnis des reformatorischen pro me"^^. Einen Versuch „heilsgeschichtliche Darstellung und existentiale Interpretation ... nebeneinander" zu „behaupten und miteinander" zu „vereinigen", unternimmt

lediglich rein f o r m a l d a r a u f hinweisen , d a ß der a l t t e s t a m e n t l i c h e M e n s c h u n t e r w e g s ist von V e r h e i ß u n g zu E r f ü l l u n g hin". Es d ü r f e aber nicht »das inhaltlich s c h w e r w i e g e n d e M e r k m a l ü b e r s e h e n werden", d a ß das a l t t e s t a m e n t l i c h e V e r h e i ß u n g s g u t nicht das u n s e r e ist und sein k a n n (ebd. 94.) So meint schon Cremer, W ö r t e r b u c h 27, d a ß ε π α γ γ ε λ ί α im n e u t e s t a m e n t l i c h e n S p r a c h g e b r a u c h .nicht bloß die g e g e b e n e V e r h e i ß u n g , s o n d e r n auch das v e r h e i ß e n e Gut s e l b s t ' b e z e i c h n e t . E r u n t e r s c h e i d e t im f o l g e n d e n zwischen aktiver B e d e u t u n g , .den V e r h e i ß u n g s a c t b e z e i c h n e n d ' und passiver B e d e u t u n g a) f ü r .die g e g e b e n e V e r h e i ß u n g ' und b) f ü r . d a s v e r h e i ß e n e Gut". Z u l e t z t hat Rose, V e r h e i ß u n g sich b e m ü h t , mit H i l f e der U n t e r s c h e i d u n g von V e r h e i ß u n g s w o r t und V e r h e i ß u n g s g u t die exegetischen P r o b l e m e bei der I n t e r p r e t a t i o n von έ π ο ί γ γ ε λ ί α im H e b r zu k l ä r e n . S c h n i e w i n d / F r i e d r i c h ä u ß e r n sich allerdings eher kritisch zu solchen V e r s u c h e n : .Die r e i n l i c h e T r e n n u n g von V e r h e i ß u n g s w o r t und V e r h e i ß u n g s g u t , die W ö r t e r b ü cher v e r s u c h e n , läßt sich nicht ü b e r a l l d u r c h f ü h r e n . In dem W o r t έ π α γ γ ε λ ί α ist eben beides ... e n t h a l t e n " ( T h W N T II 580 Anm.59). " W e s t e r m a n n , T e s t a m e n t 70. . G e s c h i c h t e der V e r h e i ß u n g e n " : W e s t e r m a n n , Bem e r k u n g e n 107; ders.. W e g 247; ders., T e s t a m e n t 51; ders., T h e o l o g i e 198. " W e s t e r m a n n , Weg 248; n e b e n B a u m g ä r t e l r e c h n e t er hierzu auch B u l t m a n n . Er selbst sieht seine A r b e i t im Blick auf V e r h e i ß u n g als F o r t f ü h r u n g der Position Z i m merli's (ebd. 231). A l l e r d i n g s steht B u l t m a n n s A u f s a t z , wo die a l t t e s t a m e n t l i c h - j ü d i sche G e s c h i c h t e als Weissagung, a b e r nur .in ihrem i n n e r e n W i d e r s p r u c h , in ihrem S c h e i t e r n ' b e z e i c h n e t wird, letztlich (als N e g a t i o n der heilsgeschichtlichen K o n z e p tionen des 19.Jh) auch im Bann der geschichtstheologischen K o n z e p t i o n e n . " W e s t e r m a n n , B e m e r k u n g e n 109. " B a u m g ä r t e l , V e r h e i ß u n g 35. " Schmidt, E i n h e i t 126. R a d , V e r h e i ß u n g 411 w i r f t B a u m g ä r t e l n e b e n der m a n g e l n d e n B e r ü c k s i c h t i g u n g der G e s c h i c h t s b e z o g e n h e i t der a l t t e s t a m e n t l i c h e n Bots c h a f t vor allem die B e s c h r ä n k u n g dieser B o t s c h a f t auf die R e l e v a n z f ü r die G l a u bensexistenz des e i n z e l n e n Christen vor: . A l s o w a r u m redet B. immer nur von dem h e u t i g e n christlichen I n d i v i d u u m und nicht von der Kirche Christi?" E i n e g e n a u e r e A n a l y s e des Dissensus zwischen diesen beiden E x e g e t e n zeigt, d a ß er letztlich nicht e x e g e t i s c h e r N a t u r ist, s o n d e r n b e g r ü n d e t ist in . u n t e r s c h i e d l i c h e n s y s t e m a t i s c h - t h e o l o g i s c h e n V o r e n t s c h e i d u n g e n " (Schmidt, E i n h e i t 131).

26

I.A. Verheißung in der hermeneutischen Diskussion um das A T

Hesse^. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, daß zwar „der Schlüsselbegriff .Verheißung' ... hilft, geschichtliche Auslegung ... und existentiale Interpretation als gleichberechtigt nebeneinander zu behaupten", daß aber „keineswegs eine Vermischung oder Verschmelzung beider Auslegungsweisen möglich" sei^''. Sind in der hermeneutischen Diskussion die geschichtstheologischen Konzeptionen zumeist eigenüich heilsgeschichtliche Konzeptionen, so bestimmt Pannen berg gegen sie Geschichtstheologie als Theologie, die Universalgeschichte umgreift®®. Neben diesem Versuch, mittels einer allgemeinen Geschichtstheologie über die Heilsgeschichte und die existentiale Interpretation hinauszukommen, gibt es auch grundsätzliche Kritik an den heilsgeschichtlichen Entwürfen®®. Die knappe Übersicht über verschiedene Problemkreise, die im Kontext der hermeneutischen Diskussion um das Alte Testament mit dem Begriff Verheißung verbunden sind, haben in einem begrenzten Bereich den Eindruck bestätigt, den bereits die vorangestellten Zitate aus verschiedenen theologischen Disziplinen vermitteln konnten. Die Entscheidungen zu wesentlichen biblisch-theologischen Grundfragen spiegeln sich in der Art und Weise, wie von Verheißung geredet wird. Zugleich implizieren diese Entscheidungen auch vorgängige (z.B. sprachphilosophische und geschichtsphilosophische) Setzungen®". Ein ebenfalls knapper Überblick über die Behandlung des Themas in der neueren neutestamentlichen Forschung wird zeigen, daß auch die Exegese nicht losgelöst von solchen Voraussetzungen nach .Verheißung' fragen kann.

" Hesse, A h e Testament 9. " Ebd. 134f. Das sich so ergebende Nebeneinander beider Auslegungsweisen findet seinen Niederschlag in einem Nebeneinander unterschiedlicher A k z e n t e bei der Beschreibung der Verheißung selbst. So bindet er einerseits Verheißung und G e schichte ganz eng zusammen, um so dem Vorwurf der Geschichtslosigkeit zu b e g e g nen. »Von unserem Schlüsselbegriff .Verheißung' aus werden wir also dahin g e führt, daß wir Geschichte, speziell die Geschichte Israels, für einen theologisch höchst belangvollen Sachverhalt halten müssen" (ebd. 113). Andererseits betont er: .Verheißung als Zusage, als Wort Gottes, meint den jeweils angeredeten Menschen in seiner Existenz vor Gott* (ebd. 114). Er definiert Geschichte von der Verheißung her als „das zwischen Verheißung und Erfüllung hineingespannte Geschehen in dem es durch die Verheißung eine unumkehrbare Zielrichtung auf künftige Erfüllung hin erhält" (Pannenberg, H e i l s g e schehen 299). Die Struktur von Verheißung und Erfüllung verweist auf die ,an der Kontinuität im Wandel ihres Inhaltes faßbare Geschichtseinheit' (ebd. 311). " So hat Hesse selbst sich später ganz vom heilsgeschichtlichen Ansatz verabschiedet (Hesse, Abschied 108; s.o. Anm.38). A u c h Gunneweg kommt nach einer ausführlichen Darstellung und Wertung des bisherigen Forschungsganges zu dem Ergebnis, daß .diesem Begriff und dieser Idee der Abschied gegeben werden sollte" (Gunneweg, Verstehen 173). ^ Vgl. Oeming, Theologien 222f.

в. .Verheißung' in der neueren exegetischen Forschung 1. Zum Alten Testament und Judentum" a. Vorkommen

und traditionsgeschichtliche

Ergebnisse

Im Blick auf das Alte Testament stellt der bis heute grundlegende Wörterbuchartikel von Schniewind/Friedrich (1935) fest: „eine alttestamentliche Vorgeschichte unseres Wortes (sc. έπαγγελία) gibt es nicht"'^, die „Vorstellung der Verheißung Gottes" ist aber „schon vor Paulus im Judentum gebildet worden"'^. Diese Einschätzung wird seither von den meisten Exegeten geteilt'". Für sie werden einige pseudepigraphische und vor allem apokalyptische und rabbinische Belege angeführt, zumeist ohne traditionsgeschichtlich noch weiter zu differenzieren®'. Für die Fragen wann, wo und in welchen motivischen Zusammenhängen die Rede von der Verheißung im Frühjudentum ihre Ursprünge hat, werden verschiedene Antworten gegeben. Als Motive werden das Thema ,Kind der Verheißung'®®, aber auch die Landverheißung®'' erwogen. Andere vermuten allge" Z u r n e u e r e n exegetischen F o r s c h u n g zu . V e r h e i ß u n g ' insgesamt sind, über die L e x i k o n a r t i k e l zum Stichwort έ π α γ γ ε λ ί ο ί / V e r h e i ß u n g in C r e m e r , W ö r t e r b u c h , T h W N T , E W N T , T B L N T , H T h G , L T h K (in der R G G f i n d e t sich im Register u n t e r dem Stichwort V e r h e i ß u n g ein V e r w e i s auf den A r t i k e l W e i s s a g u n g und E r f ü l l u n g ) und die e n t s p r e c h e n d e n Stellen in den K o m m e n t a r e n h i n a u s i n s b e s o n d e r e zu n e n n e n (in der R e i h e n f o l g e ihres E r s c h e i n e n s ) : Billerbeck 3 204-217; P r ü m m , D i a k o n i a 204-208; Rössler, G e s e t z 26-29; D i e t z f e l b i n g e r , P a u l u s 7-13.24-30; L a r c h e r , L ' A c t u a lité 399-445; Berger, A b r a h a m 53-55; Bieder, V e r h e i ß u n g 11-23; C o n z e l m a n n , G r u n d r i ß 187-191; Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 66-69; T h ü s i n g , Gott; Z e l l e r , J u d e n 79-137; Dahl, Promise; Goppelt, T h e o l o g i e 382f; R o l o f f , N e u e s T e s t a m e n t 170f; D u gandzic. J a 39-48; Byrne, Sons 157.160f; Moxnes, Theology; P e n n a , A t t e g g i a m e n t i 195-201; Sanders, P a u l u s 96-98; K o c h , S c h r i f t 309-312; Luz, T h e o l o g i e 132; Williams, Promise. S c h n i e w i n d / F r i e d r i c h , T h W N T II 575. Vgl. schon C r e m e r , W ö r t e r b u c h 26: . D a s A . T . h a t keinen e n t s p r e c h e n d e n term, techn." Soweit ich s e h e n k a n n , h a b e n im Z u s a m m e n h a n g des T h e m a s lediglich C e r f a u x , T h é o l o g i e 20 (vgl. auch ders., P r i v i l è ge 353), S c h a r b e r t , H T h G II 7.52 und Moxnes, Theology 118 jeweils einmal - m e h r am R a n d e - d a r a u f verwiesen, d a ß der Sache nach von der V e r h e i ß u n g an A b r a h a m im Buch G e n e s i s mit den B e g r i f f e n διαθήκη bzw. ορκος und ομνυμι die R e d e sei. " S c h n i e w i n d / F r i e d r i c h , T h W N T II 576; ä h n l i c h n o c h m a l s ebd. 578: . D u r c h das J u d e n t u m hat έ π α γ γ ε λ ί α seine E i g e n a r t als O f f e n b a r u n g s w o r t G o t t e s in der H e i l s g e schichte e r h a l t e n . " « Vgl. u.a. Michel, H e b r ä e r 192; S c h a r b e r t , H T h G II 755f; M ö l l m a n n , T h e o l o g i e 130; Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 64 A n m . 137; H o f f m a n n , T B L N T 2,2 1270; K ä s e m a n n , R ö m e r 112f; Sand, E W N T II 35; Wilckens, R ö m e r 1 269; P e n n a , A t t e g g i a m e n t i 201; G r ä ß e r , H e b r ä e r 200 A n m . 12. S c h m i d t / B e c k e r , Z u k u n f t 13: .Der Begriff mit seinem s p e z i f i s c h e n Sinn entsteht erst, als griechische S p r a c h e ( έ π α γ γ ε λ ί α ) mit a l t testamentlicher Überlieferung zusammentrifft". " S c h i e r s e , V e r h e i ß u n g 133 h ä l t a l l g e m e i n f e s t : .im S p ä t j u d e n t u m w i r d έ π α γ γ ε λ ί α zum K e n n w o r t der m ä c h t i g e n e s c h a t o l o g i s c h e n Z e i t s t r ö m u n g " . " So L a r c h e r , L ' A c t u a l i t é 417f; er verweist d a f ü r auf die a l t t e s t a m e n t l i c h e n T a t bestände. " So Berger, der .als A u s g a n g s p u n k t f ü r alle έ π α γ γ ε λ ί α im S p ä t j u d e n t u m die

28

I.B. Skizze der neueren exegetischen Forschung

meiner, der „Verheißungsbegriff von 4Esr und syrBar" lasse darauf schließen, daß das Wort έ π α γ γ ε λ ί α „aus bestimmten theologischen Interessen der Apokalyptik in die Theologie eingeführt" wurde. Es bezeichne dort „regelmäßig den Vätern einst gegebene Versprechen, die in der Endzeit erfüllt werden."'® Nur selten wird nach der Datierung der Schriften gefragt, in denen sich ε π α γ γ ε λ ί α findet. Wo dies geschieht, wird angenommen, daß wohl PsSal 7,10; 12,6; 17,5 zum frühesten Vorkommen des Wortes gehören®'. Überblickt man diese unterschiedlichen Antworten, so ergibt sich der Schluß, daß eine umfassendere Behandlung der Traditionsgeschichte der Rede von der Verheißung Gottes im Frühjudentum noch aussteht. b. Themen (1) Abraham: Schniewind/Friedrich sehen als einen großen Themenkreis der Verheißungsvorstellung im Judentum den Zusammenhang von Abraham, Verheißung und Gesetz^™. Im Blick auf Abraham greifen sie dabei vor allem zurück auf Billerbecks Kommentar aus Talmud und Midrasch und damit auf die rabbinische Tradition. Billerbeck betont, daß Abraham nach dem Verständnis des Frühjudentums die Verheißungen nur auf Grund seiner Gesetzesgerechtigkeit zuteil geworden sind und daß auch sein „Glaube nur als eine verdienstliche Leistung in Betracht"!''^ kam (im Gegensatz zu Rom 4). Weiter stellt er heraus, daß die Rabbinen nun auch ein hebräisches Äquivalent für έ π α γ γ ε λ ί α kennen, nämlich ппиап = Zusicherung, „ein nomen actionis von n:¡p30 = zusichern, verheißen." Die Wahl dieses Begriffs zeige, worum es den Rabbinen dabei hauptsächlich zu tun war: um die Verläßlichkeit und „unbedingte Sicherheit"^"^ der Zusagen Gottes. Das bestätige auch die Form пазп (Partizip passiv) = „sich versichert halten, ein Sohn der zukünftigen Welt zu werden", die im Talmud als stereotype Wendung begegnet'"^. Rössler hat später, unter Verwendung lediglich einer Auswahl der bei Billerbeck genannten (längst nicht vollständigen) Belege, Landverheißung· au.smacht (Abraham 54 Anm.9). Er sieht dabei am A n f a n g eine Vorstellung (wie sie sich in JosAnt 2,201; T e s t j o s 20 finde), die sich direkt auf die Landverheißung beziehe. Diese könne dann aber auch (wie die Verbindung von κληρονομιά und ε π α γ γ ε λ ί α in PsSal 12,6, 2Makk 2,17 zeige) „eine mehr oder weniger vergeistigte Stufe der Landverheißung' darstellen, wobei immer mehr eine . V e r l a g e rung des Erbgutes in die jenseitige oder kommende Welt" stattfinde (a.a.O.; vgl. auch ebd. 80 Anm. 77). " So Berger, Abraham 53. Diese These bleibt zwar recht unverbunden neben seiner Herleitung von der Landverheißung stehen, wird aber in der Forschung häufig übernommen (vgl. etwa Käsemann, Römer 112 und Wilckens, Römer 1 269). " So Cranfield, Romans I 56. Auf die Stellen PsSal 7,10 und 17,5 hatte bereits Luz, Geschichtsverständnis 66 hingewiesen. Schniewind/Friedrich, T h W N T Π 576. "" Billerbeck 3 204. ™ Ebd. 207. Schniewind/Friedrich bemerken zu dieser Wendung: „Das N T u die A p o k a lyptik sichern den frühen Ursprung der Anschauung; noch deutlicher ist das beim Subst" (ThWNT II 577,3f und Anm.43).

Themen: Abraham

29

diese Interpretation der rabbinischen Überlieferung noch zugespitzt, um damit die These zu stützen, daß das Gottesverhältnis des rabbinischen Frommen allein »durch den Gebotsgehorsam" bestimmt sei, was zur Folge habe, „daß es für den Frommen niemals eine Heilsgewißheit gibt">°''. Luz trägt demgegenüber den vielfältigen und z.T. sehr unterschiedlichen Funktionen, die die Abrahamsgestalt im Frühjudentum übernehmen konnte, deutlicher Rechnung, wenn er vorsichtig feststellt, daß hier „gerade derselbe Abraham, der der Inbegriff der Gesetzesfrommen ist, zum Verheißungsträger par excellence werden""'·'' kann. Zuletzt hat Moxnes (ausgehend von Rom 4,13-22) eine ausführliche Untersuchung der Traditionen von der Abrahamsverheißung bei den Zeitgenossen des Paulus vorgenommen'"® (2) Gesetz: Bereits das zu Abraham Ausgeführte zeigt deutlich, daß die Forschung bisher im Blick auf die frühjüdischen Wurzeln der Verheißungsvorstellung in erster Linie am Thema des Gesetzes interessiert war. Zumeist wurden dabei die jüdischen Quellen stark durch die Brille der paulinischen Theologie ausgewählt und gewertet. Schniewind/Friedrich etwa fassen die jüdische Position so zusammen: „Von der Erfüllung des Gesetzes wird das Eintreffen der Verheißungen abhängig gemacht. Dadurch kommt eine Unsicherheit in die Verwirklichung der έπαγγελίαι hinein. Gott hält, was er verspricht. Aber gehöre ich zu denen, die die Verheißungen ererben werden, wenn ich das Gesetz nicht halte? ... Das ist die Frage des Juden. Hier offenbart sich die ganze Unsicherheit und Ungewißheit des Judentums"^"^. Eine zeitliche und zeitgeschichtliche Einordnung der für die These angeführten Stellen (2Makk 2,17, syrBar, 4Esr und rabbinische Quellen) erfolgt dabei nicht. Aber solche Urteile aus Lexikonartikeln finden Eingang in die übrige theologische Literatur, so z.B. wenn mit Verweis auf den Wörterbuchartikel vom „im Spätjudentum vorlaufend, vorläufig gebildeten Verheissungsbegriff" die Rede ist, „der von einem ruhelosen Verlangen nach Sicherheit beherrscht wird"^°^. Deutliche Kritik an solcher Bestimmung der Funktion des Gesetzes im Judentum hat Sanders geübt. Gegen sie setzt er seine Beschreibung der Struktur der jüdischen Religion als Bundesnomismus. Danach begründet die unbegründbare Erwählung Gottes den Bund mit seinem Volk, und dieser Bund ist „nicht nur Gesetz ... sondern auch Verheißung""'^.

R ö s s l e r , G e s e t z 32.33. "" Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 66. D i e v o r s i c h t i g e F o r m u l i e r u n g trägt w o h l der T a t s a c h e R e c h n u n g , d a ß v o n A b r a h a m im F r ü h j u d e n t u m s o w o h l im K o n t e x t v o n G e s e t z , als auch im K o n t e x t von V e r h e i ß u n g s v o r s t e l l u n g e n d i e R e d e ist, d a ß aber von e i n e m b e h e r r s c h e n d e n Z u s a m m e n h a n g aller drei G r ö ß e n nicht u n b e d i n g t die R e d e s e i n kann. Moxnes, Theology 117-206. 107 T h W N T II 576; zur Kritik an d i e s e r T h e s e der H e i l s u n s i c h e r h e i t des J u d e n tums s.u. S.173f. Sauter, Z u k u n f t 48. "" Sanders, P a u l u s 98; vgl. a u c h ebd. 170: . s o l a n g e w i e j e m a n d an s e i n e m

30

I.B. Skizze der neueren exegetischen Forschung

(3) Eschatologische Hoffnung: Neben dem Themenkreis Abraham-Verheißung-Gesetz behandeln Schniewind/Friedrich - allerdings knapper - einen weiteren Themenkreis, in dem die Verheißungen Gottes «einen geprägt eschatologischen Charakter""" haben. Diesen finden sie vor allem in den Apokalypsen, aber auch bei den Rabbinen. /?ó's5/er unterscheidet für die rabbinische Literatur ebenfalls, offensichtlich in engem Anschluß an Schniewind/Friedrich, zwei verschiedene Zusammenhänge des Verheißungsbegriffs im rabbinischen Schrifttum: 1. Anwendung auf das eschatologische Gericht; 2. Zusagen Gottes an die Väter. Auch für die eschatologisch bestimmten Belege hebt er wiederum ganz ab auf die vorgebliche jüdische Heilsunsicherheit und stellt fest: „Sicher kann also das Vertrauen auf die Verheißung des gerechten Gerichts sein, unsicher bleibt das Vertrauen auf die eigene Gerechtigkeit"^". Luz unterscheidet stärker als Schniewind/Friedrich zwischen rabbinischer und apokalyptischer Literatur. Er stellt fest, „daß die Rabbinen auch innergeschichtliche Erfüllungen einzelner Verheißungen bedenken und statuieren, während die Verheißungen in der Apokalyptik meist erst in der Endzeit zur Erfüllung kommen""^. In dem einschränkenden .auch' und .meist' spiegeln sich dabei u.a. die Probleme der Forschung bei der Bestimmung des Charakters rabbinischer und apokalyptischer Literatur und ihres Verhältnisses zueinander. 2. Zum Neuen Testament und Paulus a. Vorkommen

und traditionsgescbichtliche

Ergebnisse

Der Bedeutung des Begriffs έπαγγελία bei Paulus galt bisher das vorrangige Interesse der Exegeten"^. Ob und wo bereits vor ihm im Frühchristentum frühjüdische Verheißungsvorstellungen übernommen und gegebenenfalls neu interpretiert wurden, ist von der Mehrzahl der Arbeiten, die sich intensiver mit dem Begriff έπαγγελία auseinandersetzen, nicht gefragt worden.

Wunsch festhäh, innerhalb des Bundes zu bleiben, hat er Anteil an den Bundesverheißungen, einschließlich des Lebens in der zukünftigen Welt. Gehorsamsvorsatz und -anstrengung sind die Bedingungen für das Verbleiben im Bund, sie erwerben es aber nicht'. T h W N T II 576. Rössler, Gesetz 27. Von den Zusagen an die Väter behauptet er: "Solche V e r heißungen, die einen bestimmten und konkreten Inhalt haben, stehen also nicht mehr aus«; sie sind .offenbar endgültig erfüllt" und deshalb .eben nicht .geschichtliche', in der Geschichte geltende, noch o f f e n e , auf ihre geschichtliche oder künftige E r f ü l lung hin angelegte. Verheißungen als in der Väterzeit schon erfüllte Verheißungen sind .ungeschichtlich' und greifen nicht mehr in den Gang der Geschichte von Situation zu Situation ein" (ebd. 27f). Zur Kritik vgl. Sanders, Paulus 213f und unten S.161 mit Anm.27. Geschichtsverständnis 66. Vgl. von den Anm.91 genannten Autoren vor allem Prümm, Dietzfelbinger, Luz, Conzelmann, Zeller, Goppelt, Dugandzic, R o l o f f , Koch, Williams. A u f f ä l l i g (und kennzeichnend) ist, daß der Begriff in Bultmanns .Theologie des N e u e n Testaments' fehlt.

Zum Neuen Testament und Paulus

31

Bei der A u s l e g u n g einzelner Stellen innerhalb der Paulusbriefe wird jedoch m i t u n t e r e r w o g e n , o b d e r A p o s t e l dort a u f T r a d i t i o n e n z u r ü c k g r e i f t - s e i e n e s n u n f r ü h j ü d i s c h e o d e r s c h o n frühchristlich g e p r ä g t e V e r h e i ß u n g s v o r s t e l l u n g e n . Z u n e n n e n s i n d hier R o m

l^f und 1 5 , R o m

(vgl. a u c h E p h 2,12) u n d

2 K o r 1,20^^®. W e i t e r w u r d e 2 K o r 7,1 m i t u n t e r f ü r v o r p a u l i n i s c h o d e r a u c h f ü r eine unpaulinische Interpolation gehalten"''. A u ß e r h a l b der Paulusbriefe sind für die F r a g e möglicher frühchristlicher V e r h e i ß u n g s t r a d i t i o n e n v o r a l l e m A p g 7,5.17^^® u n d H e b r 11,9.11.13.17^^' i n t e r e s sant, a b e r a u c h L k Ì,72P'^° u n d evtl. E p h

da für alle diese Texte häufig

z u g r u n d e l i e g e n d e j ü d i s c h e T r a d i t i o n e n a n g e n o m m e n werden'^^. D i e s e S t e l l e n l a s s e n z u g l e i c h e r k e n n e n , in w e l c h e n S c h r i f t e n n e b e n d e n e c h t e n P a u l u s b r i e f e n v o r a l l e m v o n G o t t e s V e r h e i ß e n d i e R e d e ist: i m H e b r ä e r b r i e f u n d i m l u k a n i -

"" Z u R o m 1,2: Z e l l e r , J u d e n 80: ,P1 n i m m t e i n e im J u d e n c h r i s t e n t u m v o r g e g e b e n e Ü b e r z e u g u n g auf"; M i c h e l , R ö m e r 30: . H a t Pis d e n I n h a l t d i e s e s R e l a t i v s a t z e s a u s d e r T r a d i t i o n ü b e r n o m m e n ? H a t er ihn in b e s o n d e r e r A b s i c h t an d i e r ö m i s c h e G e m e i n d e g e r i c h t e t ? " W i l c k e n s , R ö m e r 1 56: , D a s legt d i e V e r m u t u n g n a h e , d a ß P a u l u s b e i d e r F o r m u l i e r u n g von V 2 v o r f o r m u l i e r t e n W o r t l a u t a u s f u n d a m e n t a l e r . E v a n g e l i u m ' - T r a d i t i o n b e n u t z t hat." Z u R o m 15,8: Z e l l e r , J u d e n 85: , I n 15,8 g e b r a u c h t PI d a s W o r t . V e r h e i ß u n g ' o f f e n b a r in h e r k ö m m l i c h e r W e i s e " . H i e r ist u m s t r i t t e n , ob m a n mit p a u l i n i s c h e r B i l d u n g o d e r mit e i n e m T r a d i t i o n s s t ü c k zu r e c h n e n h a t . M i c h e l , R ö m e r 197: . D e r k u n s t v o l l e A u f b a u d e r A u f z ä h l u n g u n d d e r H i n w e i s auf das c h r i s t o l o g i s c h e B e k e n n t n i s als A b s c h l u ß l a s s e n v e r m u t e n , d a ß Pis in V 4 ä l t e r e s h e l l e n i s t i s c h - j ü d i s c h e s B e k e n n t n i s g u t v e r a r b e i t e t h a t , z u m a l d a s s p r a c h l i c h e M a t e r i a l n i c h t t y p i s c h p a u l i n i s c h ist b z w . s o n s t bei Pis a n d e r s verwandt wird." D u g a n d z i c , J a 43 m e i n t , d a ß d e r P l u r a l έ π α γ γ ε λ ί α ι an e i n e C h r i s t o l o g i e d e n k e n lasse, d i e in C h r i s t u s d i e m e s s i a n i s c h e n V e r h e i ß u n g e n e r f ü l l t s i e h t . D i e s e T r a d i tion h ä t t e P a u l u s h i e r ü b e r n o m m e n u n d - ä h n l i c h w i e in R ö m l,2ff - d u r c h d i e Z u f ü g u n g d e s S o h n e s t i t e l s i n t e r p r e t i e r t . F u r n i s h , II C o r i n t h i a n s 147 d a g e g e n d e n k t an e i n e möglicherweise traditionelle Formel, die V e r h e i ß u n g und Geist m i t e i n a n d e r v e r b i n det (bei P a u l u s f i n d e sich d i e s e V e r b i n d u n g d i r e k t n o c h in G a l 3,14; 4,28f) u n d d e r e n E x i s t e n z v o r a l l e m d a s l u k a n i s c h e W e r k n a h e l e g e ( z u r V e r h e i ß u n g bei L u k a s s.u. S.33f). M o x n e s , T h e o l o g y v e r m u t e t f ü r alle 4 S t e l l e n e i n e t r a d i t i o n e l l e V e r b i n d u n g von C h r i s t u s u n d V e r h e i ß u n g , d a sie . s h a r e a s i m i l a r s t r u c t u r e " . D i e G r ü n d e h i e r f ü r l i e g e n vor a l l e m in d e r B e u r t e i l u n g des g a n z e n A b schnittes 2Kor 6,14-7,1 (siehe dazu unten Kap.IV.A.IV..2). V g l . W e i s e r , A p o s t e l g e s c h i c h t e 181: . D e r G e s c h i c h t s a b r i ß ( V e r s e 2-34.36.38. 4 4 - 4 7 ) s t a m m t a u s g e s e t z e s - u n d t e m p e l f r o m m e m ... J u d e n t u m . " E r .ist v o n h e l l e n i s t i s c h e n C h r i s t e n , w i e sie e t w a im S t e p h a n u s k r e i s e r k e n n b a r sind, in e i n e an J u d e n gerichtete Umkehrpredigt einbezogen worden." V i e l h a u e r , G e s c h i c h t e 244: . D e r V e r f a s s e r b e n u t z t h i e r e i n e j ü d i s c h e V o r l a g e ... d i e j ü d i s c h e V o r l a g e w u r d e n u r d u r c h zwei Z u s ä t z e (... V.26 ... V . 3 9 f ) leicht c h r i s t i a n i s i e r t . " Z u A p g 7 u n d H e b r 11 vgl. a u c h M o x n e s , T h e o l o g y 169.190. ™ N a c h G r ä ß e r , B u n d 35f ist d e r u n u m s t r i t t e n e e r s t e T e i l d e s B e n e d i c t u s ein j ü d i s c h - e s c h a t o l o g i s c h e r H y m n u s mit n a t i o n a l e r u n d p o l i t i s c h e r H o f f n u n g , . d e r d e n A n b r u c h der Heilszeit besingt" und diese versteht .als E r f ü l l u n g der V e r h e i ß u n g e n des B u n d e s g o t t e s " , d u r c h d i e d e r . e n d z e i t l i c h e ( n ) G o t t e s d i e n s t d e r g ä n z l i c h e n G e setzeserfüllung" zum .irdischen Endzustand" wird. S c h n a c k e n b u r g , E p h e s e r 267 v e r w e i s t h i e r auf P a r a l l e l e n bei P h i l o ( S p e c . L e g . 11,262). N a c h M o x n e s , T h e o l o g y 190-194 e n t h ä l t a u c h I K l 10 ä l t e r e t y p i s c h j ü d i s c h e Tradition.

32

I.B. Skizze der n e u e r e n exegetischen F o r s c h u n g

sehen Werk. Daneben findet es sich im Epheserbrief^^^ sowie den Pastoralbriefeni24 und schließlich in IJoh^s, 2Petri26 und Jaki". Im Hebräerbrief ist Verheißung „zum zentralen Theologoumenon" geworden, das „das Heil in der Spannung zwischen gegenwärtig proklamiertem Verheißungsakt und eschatologischer Vollendung ... festhält"^^®. Die Eigenart der lukanischen Verwendung der Traditionen ist dagegen bisher nur teilweise untersucht worden^^'. Dabei ist Lukas insofern interessant, als er offensichtlich eine ganze Reihe verschiedener und ursprünglich selbständiger Traditionen in seine Konzeption einbindet und sie sowohl in eine christologische als auch in eine pneumatologische Dimension stellt. Die Verheißungen an die Väter (Apg werden so zusammengesehen mit der messianischen Ver-

Eph 1,13; 2,12; 3,6; 6,2. E p h , der auch hier enge B e r ü h r u n g e n zu P a u l u s e r k e n n e n läßt ( u n d wie er vom v e r h e i ß e n e n Geist spricht), liegt an der V e r h e i ß u n g vor allem, .weil e.s zum jetzt g e o f f e n b a r t e n C h r i s t u s g e h e i m n i s gehört, d a ß die H e i d e n der V e r h e i ß u n g m i t t e i l h a f t w e r d e n in Christus" ( S c h n a c k e n b u r g , E p h e s e r 64). I T i m 4,8; 2Tim 1,1; Tit 1,2 (sowie in I T i m 2,10; 6,21 p r o f a n mit der B e d e u t u n g .bekennen'). C h a r a k t e r i s t i s c h f ü r den B e g r i f f s g e b r a u c h der P a s t o r a l b r i e f e ist die V e r b i n d u n g mit ^ωή: „ ε π α γ γ ε λ ί α ist Gottes Z u s a g e , sich als der seiner G e m e i n d e L e ben S c h e n k e n d e zu e r w e i s e n ' ( R o l o f f , T i m o t h e u s 246 A n m . 133). Die V e r b i n d u n g von ε π α γ γ ε λ ί α und ξ'ωή ist allerdings „keineswegs nur f ü r die P a s t o r a l b r i e f e spezif i s c h ' ( W o l t e r , P a s t o r a l b r i e f e 85 A n m . 1 2 [gegen Sand, E W N T II 39]; zum V e r s t ä n d nis von έ π α γ γ ε λ ί α κτλ. vgl. insgesamt ebd. 83-88); vgl. auch I J o h 2,25 sowie 4Makk 15,2; L i b A n t 23,10; syrBar 57,2 (s.u. S.215). In I J o h 2,25 ist ^ωή αίώνιον der V e r h e i ß u n g s i n h a l t . D a s ewige L e b e n ist dabei nicht nur in J o h 17,3, s o n d e r n auch in I J o h 5,11 (vgl. auch 3,14) . p r ä s e n t i s c h k o n z i p i e r t ' ; „doch rückt der - im E v a n g e l i u m f e h l e n d e - Begriff der . V e r h e i ß u n g ' z u s a m m e n mit dem Ausblick von 2,28 und 3,1-2 auch das A u s s t ä n d i g e ins Blickfeld, das, was an der v o l l k o m m e n e n R e a l i s i e r u n g des g e g e n w ä r t i g e n Heils noch f e h l t " (Klauck, J o h a n n e s b r i e f 166). 2Petr 1,4; 3,4.9.13 (sowie in 2,19 f ü r V e r s p r e c h e n von M e n s c h e n ) ; I n h a l t der V e r h e i ß u n g ist die P a r u s i e sowie d a m i t z u s a m m e n ein n e u e r H i m m e l und eine n e u e E r d e . 2Petr „bewegt sich hier in der a p o k a l y p t i s c h e n Z u k u n f t s e r w a r t u n g des J u d e n tums", stellt aber die V e r h e i ß u n g nun in den Dienst „der u r k i r c h l i c h e n P a r u s i e a n s a ge" (Sand, E W N T II 40). J a k 1,12; 2,5; die V e r h e i ß u n g des L e b e n s bzw. des R e i c h e s gilt bei J a k o b u s jeweils d e n e n , die G o t t lieben. Diese „jüdische B e z e i c h n u n g der F r o m m e n ... (Sir. 1,10; Ps. Sal. 4,25; äth. H e n . 108,8 и.о.)" (Schräge, J a k o b u s 19; vgl. aber z.B. schon Dtn 7,9 und die von dort b e e i n f l u ß t e d e u t e r o n o m i s t i s c h e T r a d i t i o n , s.u. S.218f) w u r d e a u c h sonst im U r c h r i s t e n t u m ü b e r n o m m e n ( i K o r 2,9; E p h 6,24). G r ä ß e r , H e b r ä e r 200.201; der Begriff f i n d e t sich in H e b r 4,1; 6,12.13.15.17; 7,6; 8,6; 9,15; 10,23.36; 11,9.11.13.17.33.39; 12,26. Die V e r h e i ß u n g s v o r s t e l l u n g e n des H e b r ä e r b r i e f e s sind bereits m e h r f a c h G e g e n s t a n d auch exegetischer E i n z e l u n t e r s u c h u n g e n gewesen: K ä s e m a n n , Gottesvolk 11-19; Schierse, V e r h e i ß u n g 133-141; K ö ster, A u s l e g u n g ; M e r c a d o , L a n g u a g e 162f; Rose, V e r h e i ß u n g . Der Begriff f i n d e t sich in Lk 24,49; A p g 1,4; 2,33.39; 7,5.17; 13.23.32; 26,6 ( s o wie in 23,21 p r o f a n ) . N a c h dem A b s c h n i t t bei S c h n i e w i n d / F r i e d r i c h ( T h W N T II 578) hat sich m.W. bis h e u t e lediglich ein w e i t e r e r A u f s a t z e i n g e h e n d e r mit diesen Stellen b e f a ß t : J e r v e l l , T r e u e ; zu A p g 26,6 vgl. auch H a a c k e r , B e k e n n t n i s . „Die V e r h e i ß u n g e n g e h ö r e n immer Israel an, A p g 2,39. U n d das H e i l der H e i d e n ist f ü r L u k a s ein Teil der V e r h e i ß u n g e n an I s r a e l ' (Jervell, T r e u e 19). „Die V e r h e i ß u n g e n w e r d e n alle e r f ü l l t , das Volk als Volk wird nie v e r w o r f e n . Denn V e r h e i ß u n g e n und Heil sind v e r e r b b a r , aber n u r von Israel" (ebd. 22). Vgl. a u c h zu A p g 7,5.17 und zum Schema V e r h e i ß u n g - E r f ü l l u n g bei L u k a s Moxnes, Theology 169-177.

Z u m N e u e n T e s t a m e n t und P a u l u s

33

heißung e i n e s Retters aus d e m S t a m m D a v i d s " ' . D i e s e ist erfüllt in Christus ( A p g 13^332)"^, der als G e i s t e m p f ä n g e r u n d - t r ä g e r ( A p g 2 3 3 ) selbst z u m Vermittler der V e r h e i ß u n g d e s V a t e r s ( L k 24,49; A p g 1,4) u n d z u m G e i s t s p e n d e r ( A p g 2 3 3 ) wird^•". S o ist f ü r die Christen G o t t e s V e r h e i ß u n g darin erfüllt, daß sie d e n v e r h e i ß e n e n H e i l i g e n G e i s t e r l a n g e n ( A p g 2 3 9 ) . A u f f ä l l i g sind eine g a n z e R e i h e von G e m e i n s a m k e i t e n zwischen den l u k a n i s c h e n R e d e n und p a u l i n i s c h e n A r g u m e n t a t i o n e n , f ü r die sich sonst keine w e i t e r e n P a r a l l e len f i n d e n (vgl. z.B. Gal 3,8.14 und A p g 3,25; Rom 1,2-4 und A p g 3,2.')f; 13,23.32-37; 26,22f). Im R a h m e n dieser U n t e r s u c h u n g kann j e d o c h nicht weiter geklärt w e r d e n , ob das mit dem R ü c k g r i f f auf g e m e i n s a m e f r ü h c h r i s t l i c h e Traditionen^^·* oder mit A b h ä n g i g k e i t des Lk von Paulus zu e r k l ä r e n ist, auch w e n n letzteres gut d e n k b a r e r scheintl^^. In der F o r s c h u n g h e r r s c h t an diesem P u n k t bis zum h e u t i g e n Tag k e i n e Einigkeit.

b. Themen H ä u f i g sind es z u s a m m e n f a s s e n d e B e t r a c h t u n g e n ( s o z u s a g e n B e g r i f f s d e f i n i t i o n e n ) mit z.T. recht unterschiedlichen S c h w e r p u n k t s e t z u n g e n , die d i e bisherige Forschung z u m Begriff έ π α γ γ ε λ ί α b e s t i m m t haben. A n erster Stelle ist hier d i e F r a g e n a c h d e m Verhältnis v o n A l t e m u n d N e u e m T e s t a m e n t zu n e n n e n ' ^ . E n g damit z u s a m m e n hängt das hermeneutische Schema Verheißung-Erfüllung (s.o. S 2 3 f ) . D a ß Paulus nicht v o n der E r f ü l l u n g der V e r h e i ß u n g redet ( s o n d e r n v o n Bestätigung, B e k r ä f t i g u n g u.ä.), w u r d e bereits d e s ö f t e r e n vermerkt''^.

,Die V e r h e i ß u n g e n von dem d a v i d i s c h e n König w u r d e n k u r z vor J e s u A n k u n f t b e s t ä t i g e n d w i e d e r h o l t , Lk l,32f, vgl. auch Lk l , 4 6 f f . 6 8 f f , und sie w e r d e n auch d u r c h die A u f e r s t e h u n g e r f ü l l t , A p g 2,30ff. Die A u f e r s t e h u n g J e s u ist d e m n a c h die d a v i d i s c h e I n t h r o n i s a t i o n " (Jervell, T r e u e 21). Z u m Text A p g 13,16-41 und dem Z u s a m m e n h a n g von J e s u s g e s c h e h e n und G e s c h i c h t e Israels im E v a n g e l i u m des Lukas und der A p o s t e l g e s c h i c h t e vgl. Delling, Geschichte. 13.1 N a c h L i n d a r s , A p o l o g e t i c 51-.56 f i n d e t dieser G e d a n k e des d u r c h C h r i s t u s v e r h e i ß e n e n und v e r l i e h e n e n Geistes seine R e c h t f e r t i g u n g d u r c h e i n e m e s s i a n i s c h e I n t e r p r e t a t i o n von ψ 67,19 (vgl. E p h 4,8; A p g 2,33; 5,31). "" So Dodd, Scriptures 44; auch L i n d a r s , A p o l o g e t i c 201.224. D a f ü r s p r e c h e n m.E. etwa auch die P a r a l l e l e n beim Ιουδαίων πρώτον ( R o m 1,16; 2,9f; A p g 3,26; 13,46) und beim κρεμάμενος έ π ί ξύλου (Gal 3,13; A p g 5,30; 10,39; vgl. 13,29) und die von A n b e g i n n an z e n t r a l e Stellung des Titels υιός im p a u l i n i s c h e n E v a n g e l i u m (Gal l,15f; A p g 9,20; 13,33). Vgl. D i e t z f e l b i n g e r , Paulus; Koch, Schrift; weiter auch C o n z e l m a n n , G r u n d r i ß 188; G o p p e l t , T h e o l o g i e 381f; D u g a n d z i c , J a 40; P e n n a , A t t e g g i a m e n t i . A l s erster a u s d r ü c k l i c h d a r a u f hingewiesen, d a ß von E r f ü l l u n g der V e r h e i ßung im N T nicht g e s p r o c h e n wird, hat soweit ich sehe, O. W e b e r , G r u n d l a g e n 337. Vgl. auch Hesse, A l t e T e s t a m e n t 69: . N i r g e n d w o im N e u e n T e s t a m e n t wird der T e r minus έ π α γ γ ε λ ί α mit dem V e r b u m pleroun ... v e r b u n d e n ... es heißt nicht, die V e r h e i ß u n g w e r d e .erfüllt'. Die bei uns seit eh und je übliche G e g e n ü b e r s t e l l u n g von V e r h e i ß u n g und E r f ü l l u n g wird d u r c h den n e u t e s t a m e n t l i c h e n S p r a c h g e b r a u c h nicht g e d e c k t ' . Beide ü b e r s e h e n zwar A p g 13,32f (τους πατέρας έ π α γ γ ε λ ί α ν ... ó θεός έκπεπλήρωκεν ... άναστήσας Ίησοϋν), eine Stelle, auf die auch Dahl, Promise 121 als einzige A u s n a h m e hinweist. Doch ist auf jeden Fall die B e o b a c h t u n g richtig, d a ß

34

I.B. Skizze der neueren exegetischen Forscliung

Erfüllt wird in den Evangelien die Schrift"® bzw. die Schriftenl^', ein Wort der Propheten^^" oder auch ein Wort Jesu^''^. Ähnliches gilt auch f ü r P a u lus^''^. Auch im jüdischen Schrifttum ist im übrigen nur relativ selten ausdrücklich von der Erfüllung einer Verheißung die Rede^·*^.

Dennoch wird dieses Schema auch bei der Beschreibung der Position des Apostels weiterhin häufig gebraucht^''^. Zumeist wird die Rede von der Erfüllung der Verheißung mit einem Hinweis auf 2Kor 1Д0 begründeti''^. Andere halten dagegen betont an der weiter bestehenden Offenheit der Verheißung auf die Zukunft hin fest"^ Ein weiteres, mit den zwei genannten Punkten eng verknüpftes Problem ist die Frage nach der Heilsgeschichte. Die grundsätzliche Diskussion hierzu findet in der exegetischen Literatur zu έ π α γ γ ε λ ί α einen recht breiten Widerhall""'.

,der Gedanke der Erfüllung der Verheißung bei Paulus nie ausgesprochen" ist (Luz, Geschichtsverständnis 67; vgl. auch Koch, Schrift 309). Offener ist dagegen Luz' Analyse in ders. Theologie 132: ,Die Verheissung ist also nicht nur ein Vorweis auf eine später durch das Evangelium erfolgende Erfüllung, sondern auch eine Analogie zum Evangelium, die Christus bekräftigt. An dieser Bekräftigung wird die Treue Gottes sichtbar ... Dennoch spricht Paulus nicht von einer gegenwärtigen Erfüllung früherer Verheißungen, sondern von ihrer Bekräftigung bzw. In-Geltung-Setzung*. Vgl. Mk 15,28; Lk 4,21; Joh 13,18; 17,12; 19,24.36. Vgl. Mt 26,54.56; Mk 14,49; vgl. Lk 24,44: πάντα τά γεγραμμενα έν τω νόμω. Mt spricht lOx davon, daß das Wort (τό ρηθέν) erfüllt sei; vgl. auch Lk 7,1; Joh 12,38; 15,25. Vgl. Joh 18,9.32. Vgl. IKor 15,54: γενήσετατ ó λόγος ó γεγραμμένος (Futur!). Vgl. LibAnt 12,4; 13,6: compleantur sponsiones; Philo Her. 96; Somn, 1,181: βεβοίίωσις, s.u. Kap.III.B. Anm.26; im apostolischen Schrifttum noch Barn 5,7. Zum Motiv der Erfüllung der Verheißung vgl. auch unten S.234. Scharbert, HThG II 755f. Conzelmann, Grundriß 191 konstatiert, daß .Paulus in Christus und in der Glaubensgerechtigkeit die Erfüllung der Verheißung sieht, die Israel anvertraut wurde'. Vgl. auch Sand, E W N T II 36: .Damit aber tritt zur Verheißungsvorstellung der Gedanke der Erfüllung"; Roloff, Neues Testament 167f stellt das ganze zweite Kapitel seiner Einführung in die Paulus-Exegese unter die Überschrift .Verheißung und Erfüllung' (obwohl er selbst feststellt: .Den Begriff der Erfüllung ... vermeidet Paulus jedoch", ebd. 171). "" Dugandzic stellt bei der Exegese dieser Stelle zwar ausdrücklich fest, daß .Paulus nicht von der Erfüllung der Verheißungen spricht", meint aber, daß er .diesen Tatbestand auf andere Weise ausdrückt" (Ja 41); ähnlich Schnackenburg, Theologie 37: .Trotzdem ist auch bei Paulus die Kategorie von Verheißung und E r füllung erkennbar, nicht in jener heilsgeschichtlichen Kontinuität wie bei Lukas, sondern im Umbruch der Geschichte zum Eschaton". Zeller meint, die Rede von .Erfüllung' bei Paulus sei .eine Sache genauerer Sprachregelung" und begründet sie vom Wort βεβαιούν her (Zeller, Juden 83f). So setzt f ü r Thüsing .die Heilstat Gottes in Christus die Verheißungen erst eigentlich frei, läßt ihre eigentliche Dimension erst erkennen ... Der große, endlose Horizont der Verheißungen ... ist durch das Ja, das Gott in seinem Sohn setzte, ungeahnt weit aufgerissen worden" (Gott 77). Er spricht auch von der .Vorerfüllung" (^ebd. 78) der Verheißungen in Christus, die die endgültige Erfüllung f ü r ganz Israel und die ganze Menschheit allererst eröffnet. Dabei ist umstritten, ob im Blick auf den Gebrauch von έ π α γ γ ε λ ί α und das sich in diesem Begriff spiegelnde Verhältnis des Paulus zum Alten Testament der

Zum Neuen Testament und Paulus: Themen

35

Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings, daß in der für die Positionen der Bultmannschule und des Pannenbergkreises exemplarischen exegetischen Auseinandersetzung um die Heilsgeschichte anhand von Rom 4 zwischen Wilckens und Klein der Begriff der επαγγελία keine wesentliche Rolle gespielt hat^·**. Eine in dieser Auseinandersetzung eher vermittelnde exegetische Position nimmt Luz ein: .Charakteristisch ist für επαγγελία im paulinischen Sprachgebrauch ein eigentümliches Schwanken in verschiedenen Dimensionen. Einerseits ist sie .Existenzgründend und -tragend' für ihre .Kinder', die aus ihr leben. Andererseits aber bleibt sie freie Tat Gottes und hat als solche ihre bestimmte Zeit in der Geschichte. Zugleich aber ist .Verheißung' Sprachgeschehen, d.h. den Empfängern immer wieder als Wort zugesagte Tat Gottes"^'*'. Darüber hinaus wird in der Forschung darauf hingewiesen, daß Paulus mit dem Begriff je nach Kontext unterschiedliche Vorstellungen und Ziele verbinden kann^-''^. Schließlich wird die Nähe des Begriffs zum Bund'^', zum Erwählungsgedanken'^2, zum ε ύ α γ γ έ λ ι ο ν ί ^ ^ und schließlich zur Treue Gottes''"* und zur Selbigkeit seines Handelns'^'' herausgestellt.

Begriff .heilsgeschichtlich' angemessen ist (vgl. Käsemann, Römer 112) oder nicht (vgl. Conzelmann, Grundriß 190; Koch, Schrift 320f). Im Blick auf Paulus für ganz falsch hält Dahl, Widersprüche 18 die moderne Alternative zwischen heilsgeschichtlich und existential: .Bei Paulus handelt es sich nicht um eine Alternative zwischen objektiver Heilsgeschichte und Daseins-Verständnis des Individuums, sondern um eine Korrelation zwischen der Situation einer Missionsgemeinde und der Schrift". Vgl. Wilckens, Rechtfertigung; Klein, Römer 4; Wilckens, Römer 3,21-4,25; Klein, Probleme. "" Luz, Geschichtsverständnis 68f. 1W . Vgl. auch Dietzfelbinger, Paulus 8 Anm.4: .Verheißung hier (Rom 9,4f) und dort (Gal 3 und Röm 4) meint jeweils etwas sehr Verschiedenes". Für Zeller ist es ein anstößiger .Tatbestand, daß PI an einigen Stellen sich der traditionellen Redeweise anschließt, wonach die Verheißungen nicht nur an Israel gerichtet sind, sondern auch für dieses Volk ergehen' (Juden 87; zur Kritik s.u. Kap.IV.D Anm.105). Nach Schlier, Galater 99 ist für Paulus .die Identität der διαθήκη mit den έπαγγελίαι so selbstverständlich, daß er die letzteren einfach für erstere einsetzt". Auch Hegermann, EWNT I 720 sieht (im Kontext von Hebr 8,6) in επαγγελία einen .synonymen Begriff" zu διαθήκη. Vgl. Koch, Schrift 311 und auch Wolter, Pastoralbriefe 85. Vgl. Schniewind/Friedrich, ThWNT II 575; Sand, EWNT II 35f; Käsemann, Römer 112: .Das Evangelium ist ... die eschatologisch sich realisierende Verheißung". "" Vgl. Moxnes, Theology 216-223. Sein Buch enthält die bisher ausführlichste Behandlung der Verheißungsstellen bei Paulus und berücksichtigt f ü r Röm 4 intensiv auch den traditionellen jüdischen und frühchristlichen Hintergrund der Aussagen. Vgl. Koch, Schrift 311: .Der Begriff επαγγελία dient ... dazu, Gottes gegenwärtiges Handeln, dem sich die Gemeinde verdankt, mit seinem früheren, in der Schrift bezeugten Tun in Beziehung zu setzen, und zwar so, daß die Übereinstimmung im Handeln Gottes aufgewiesen wird."

36

I.B. Skizze der n e u e r e n exegetischen F o r s c h u n g

3. Theologische Wertungen Bereits bei Baumgärtel und Larcher, die von ihren theologischen Prämissen her eine Vorgeschichte des Begriffs ε π α γ γ ε λ ί α vor Paulus zumindest implizit ganz bezweifeln'^®, zeigt sich, daß traditionsgeschichtliche und theologische Urteile engstens miteinander verflochten sind. Eine vergleichbare, wenn auch nicht ganz so deutliche Tendenz findet sich dort, wo zwar die etwa bei Schniewind/Friedrich zu findenden traditionsgeschichtlichen Ergebnisse nicht direkt historisch korrigiert werden, aber alles Gewicht sozusagen auf das .theologische Urheberrecht' des Paulus gelegt wird. Dann kann es z.B. heißen, daß έ π α γ γ ε λ ί α erst bei Paulus „prägnante theologische Bedeutung"'^'' erlange, bzw. daß „bei Paulus ein bisher sprachgeschichtlich peripherer Ausdruck fundamentale theologische Bedeutung" gewinne, sodaß „ein neuer theologischer Schlüsselbegriff entsteht"^·''® - theologische Werturteile, für die exegetische Argumente nicht genannt werden.

L a r c h e r , L ' A c t u a l i t é 399 A n m . 2 : ,Les exemples cités par S C H N I E W I N D F R I E D R I C H d a n s T h . W N T , II, p.576, ne s u f f i s e n t pas à p r o u v e r q u e la n o t i o n d e P r o m e s s e était d é j à f o r m é e d a n s le J u d a ï s m e a v a n t saint P a u l . ' E i n e B e g r ü n d u n g f ü r dieses U r t e i l f e h l t allerdings an dieser Stelle. B a u m g ä r t e l , V e r h e i ß u n g 15 sucht den G r u n d f ü r das F e h l e n des B e g r i f f s im A T d a r i n , d a ß eben dort „die n e u t e s t a m e n t l i c h e Sache . V e r h e i ß u n g ' (die ja . V e r h e i ß u n g in C h r i s t u s ' ist) ... ü b e r h a u p t nicht v o r h a n d e n " ist. Vgl. a u c h P r ü m m , D i a k o n i a 204: »Der T e r m i n u s E p a n g e l i e g e h ö r t zu den B e g r i f f s w o r t e n , die erst mit der A b l ö s u n g des A l t e n T e s t a m e n t e s d u r c h das N e u e zu i h r e r vollen B e d e u t u n g g e l a n g e n sollten, als m a n lernte, den g o t t g e s e t z t e n Sinn und Z w e c k des A l t e n T e s t a m e n t e s im L i c h t e der m e s s i a n i s c h e n E r f ü l l u n g zu b e trachten." Goppelt, T h e o l o g i e 382; ganz ä h n l i c h R o l o f f , N e u e s T e s t a m e n t 170: . g e w i n n t erstmals bei P a u l u s präzisen t h e o l o g i s c h e n Sinn". Luz, T h e o l o g i e 132; etwas e i n s c h r ä n k e n d e r h a t t e er in ders., G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 67 f o r m u l i e r t : . N i r g e n d s ist er mit solcher t h e o l o g i s c h e n P r ä g n a n z g e b r a u c h t wie bei Paulus". Vgl. a u c h Sauter, Z u k u n f t 48: „Erstmals wird also im N e u e n T e s t a m e n t p r o f i l i e r t , a b e r auch gelegentlich so s e l b s t v e r s t ä n d l i c h von . V e r h e i ß u n g ' g e s p r o c h e n , dass es zuweilen f a s t f o r m e l h a f t klingt".

с. Zu Zielsetzung und Methoden der Untersuchung 1. Begriffsgeschichtliche Untersuchungen, ihre Kritiic und Modifiication Der hermeneutische und auch der forschungsgeschichtliche Zugang haben gezeigt, daß der theologische Begriff der Verheißung auf vielfältige Weise gefüllt und in sehr unterschiedlichen thematischen Zusammenhängen gebraucht wird, wobei (wohl nicht zuletzt deshalb) sein rechter Gebrauch häufig umstritten ist. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, die Untersuchung nicht von Fragestellungen her zu strukturieren, die aus der bisherigen Forschungsgeschichte gewonnen wurden, sondern zunächst die Rede von der Verheißung in der frühjüdischen Literatur und bei Paulus in ihrem jeweiligen Kontext zu untersuchen. Dabei ist auszugehen von den im Neuen Testament für Verheißung verwendeten griechischen Lexemen und ihren möglichen Synonymen. Die Beschränkung innerhalb des NT auf die paulinischen Schriften hat ihren Grund zunächst im notwendig begrenzten Umfang der Arbeit. Sie scheint mir aber auch sachlich in zumindest zweierlei Hinsicht gerechtfertigt zu sein. Paulus ist zum einen unbestritten der wichtigste Zeuge für die Bedeutung dieses Wortes im NT. In seinen Briefen t)egegnet uns die Rede von der Verheißung zuerst, am häufigsten und mit sachlichem Gewicht im Kontext seiner Theologie. Zudem hat in der hermeneutischen Diskussion um das Verhältnis von A T und NT und um die Heilsgeschichte gerade das Verständnis der paulinischen Theologie eine entscheidende Rolle gespielt. D i e F r a g e n a c h e i n e m m ö g l i c h e n R ü c k g r i f f d e s P a u l u s auf e i n e n b e r e i t s e n t w i k k e l t e n f r ü h c h r i s t l i c h e n S p r a c h g e b r a u c h (s.o. S.32) k o m m t in d i e s e r A r b e i t nur im K o n t e x t der e n t s p r e c h e n d e n p a u l i n i s c h e n S t e l l e n in d e n Blick, E i n e e i n g e h e n d e r e Untersuchung solchen Gebrauchs, die auch weitere möglicherweise relevante Stellen mit e i n b e z i e h t , u n t e r b l e i b t d a g e g e n . D e n n zum e i n e n s c h e i n t es - n a c h einer ersten S i c h t u n g - bei der A n f ü h r u n g der A b r a h a m s v e r h e i ß u n g in A p g 7 und Hebr 11 nur s c h w e r l i c h m ö g l i c h zu sein, d e u t l i c h z w i s c h e n e i n e m f r ü h c h r i s t l i c h e n oder f r ü h j ü d i s c h e n G e b r a u c h zu u n t e r s c h e i d e n ' ^ ' . Z u m a n d e r e n w ü r d e e i n e g e w i s s e n h a f t e U n t e r s u c h u n g es e r f o r d e r n , die b e t r e f f e n d e n A u s s a g e n im K o n t e x t der j e w e i l i g e n S c h r i f t ( u n d ihrer R e d e v o n der V e r h e i ß u n g ) i n s g e s a m t zu w ü r d i g e n - w a s den R a h m e n d i e s e r A r b e i t s p r e n g e n w ü r d e . D i e S t e l l e n in d e n P a s t o r a l b r i e f e n , I J o h und i n s b e s o n d e r e 2Petr (s.o. S . 3 3 f ) l a s s e n j e d o c h d e u t l i c h e r k e n n e n , d a ß es im F r ü h c h r i s t e n tum n e b e n und n a c h P a u l u s o f f e n b a r u n a b h ä n g i g v o n s e i n e m G e b r a u c h auch a n d e r e A r t e n der R e d e v o n G o t t e s V e r h e i ß e n (im R ü c k g r i f f auf v e r s c h i e d e n e a n d e r e f r ü h j ü d i s c h e T r a d i t i o n s s t r ä n g e ) g e g e b e n hat.

Z u e i n e r A u s l e g u n g d i e s e r S t e l l e n vgl. M o x n e s , T h e o l o g y 1 7 0 - 1 8 8 . A u c h er b e h a n d e l t s i e in e i n e m K a p i t e l g e m e i n s a m mit f r ü h j ü d i s c h e n T r a d i t i o n e n und m e i n t , es sei an dieser S t e l l e .arbitrary to d i v i d e J e w i s h i n t e r p r e t a t i o n s f r o m Christian i n t e r p r e t a t i o n s ' , ebd. 118.

38

I . e . Z u Z i e l s e t z u n g und M e t h o d e n der U n t e r s u c h u n g

Ein möglicher Einwand gegen solclies Vorgehen ist, daß man damit weder im Alten Testament und in den frühjüdischen Schriften, noch auch bei Paulus alle Stellen erfaßt, die der Sache nach Verheißungen sind. Das ist in der Tat so. Wenn man jedoch nicht zunächst von den Lexemen für Verheißung ausgeht und untersucht, was sie bezeichnen, dann bleibt man auf eine vorgängige Definition der .Sache' der Verheißung angewiesen. Dabei ist fraglich, woher eine solche Definition gewonnen werden könnte. Gerade angesichts des breit divergierenden Gebrauchs der Rede von der Verheißung in den verschiedenen theologischen Disziplinen und Diskussionen scheint eine solche vorgängige Definition nicht sinnvolU®". Deshalb geht die folgende Untersuchung vom lexikalischen Befund aus und bemüht sich von der so gewonnenen Textbasis her die mit der Rede von der Verheißung verbundenen Motiv- und Wortfelder und ihre Traditionsgeschichte zu erschließen. Ergebnis einer solchen, in wesentlichen Teilen begriffs- und traditionsgeschichtlich orientierten Untersuchung will und kann es nicht sein, aus dem Neuen Testament die eindeutige und für weitere theologische Diskussionen verbindliche .Bedeutung' des Wortes έ π α γ γ ε λ ί α oder gar des theologischen Begriffs .Verheißung' zu erheben. Denn sicherlich kann das .richtige' Verständnis von Verheißung nicht allein vom lexikalischen Befund des Wortes έ π α γ γ ε λ ί α und seiner Synonyme her gewonnen werden. Andererseits kann es jedoch (zumindest für jede an die Schrift gebundene Theologie) auch nur schlecht ohne oder gar gegen ihn gewonnen werden^®!. Zumindest werden vom Sprachgebrauch der Texte her Fragen gestellt werden können, so daß auf diese Weise die Exegese helfen mag, die eigenen Vorverständnisse zu klären und auch sie der Kritik des biblischen Zeugnisses auszusetzen^^^. Die vorliegende Untersuchung will und kann von daher nicht mehr (und nicht weniger) sein, als eine exegetische Vorarbeit für die weitere Klärung wesentlicher biblisch-theologischer Fragen, die sich mit der Rede von der Verheißung Gottes verbinden. Die Möglichkeiten und Grenzen sogenannter .begriffsgeschichtlicher' Untersuchungen sind seit Erscheinen des Artikels von Schniewind/Friedrich zu έ π α γ γ ε λ ί α κλτ. im ThWNT 1935 immer wieder diskutiert worden. Deshalb ist über das methodische Vorgehen in dieser Untersuchung noch etwas genauer R e chenschaft abzulegen. 1961 hat J. Barr u.a. auch das ThWNT in seinem die methodische Diskussion entscheidend anstoßenden Buch The Semantics of Bi-

'«>

V g l . L ü h r m a n n , G l a u b e 13 (vgl. a u c h Perlitt, B u n d e s t h e o l o g i e 3.130). V g l . a n a l o g z u m V e r h ä l t n i s v o n B u n d e s t h e o l o g i e u n d d e m W o r t ¡T'Ha Perlitt, B u n d e s t h e o l o g i e 2. Л е näher d i e B e g r i f f l i c h k e i t den E i n z e l t e x t e n und T r a d i t i o n s z u s a m m e n h ä n g e n steht, d e s t o w e n i g e r b e s t e h t die G e f a h r , die b i b l i s c h e n B e f u n d e v o r s c h n e l l in t h e o l o g i s c h e P a r a m e t e r e i n z u z w ä n g e n , die i h n e n kaum oder gar nicht e n t s p r e c h e n * ( s t u h l m a c h e r , Sicht 354). W e n n ihr V o r h a b e n g e l i n g t , kann E x e g e s e so a u c h «die A u f g a b e der K o n t r o l l e und A n r e g u n g für d i e s y s t e m a t i s c h - t h e o l o g i s c h e B e s i n n u n g " z u k o m m e n ( S c h m i d t , E i n h e i t 139; vgl. a u c h 132).

E r w ä g u n g e n zur M e t h o d i k

39

blical Language^^^ scharf kritisiert. Er fordert dort, „Begriff" und „Wort" deutlich zu unterscheiden und bestreitet, daß eine Begriffsgeschichte zu einzelnen Worten des NT überhaupt möglich und sinnvoll sei, da das „theologische Denken ... seinen ... Ausdruck nicht in einzelnen Worten, sondern in Wortkombinationen und Sätzen"^^'' finde. Damit kritisiert er zwar nicht Wortstudien als solche'^^, aber er mahnt an, den Gebrauch einzelner Worte und die Entwicklung und G e schichte von Konzepten bzw. Ideen deutlicher zu unterscheiden, als dies in vielen Artikeln des ThWNT geschehen ist. Dieser zugespitzten Kritik Barr's wurde entgegengehalten, daß man nicht allein dem Satz, sondern auch dem einzelnen Wort ein eigenes Feld von .Bedeutung' und somit eine relative semantische Autonomie zugestehen müsse^^^. Doch auch Barr hatte nicht bestritten, daß es eine Verbindung zwischen Worten und Konzepten gibt. Er wies nur darauf hin, daß es eine große Bandbreite der möglichen Verbindungen zwischen Worten und Konzepten gibt, daß deshalb beide nicht einfach vermischt werden sollten und daß der größere Kontext zumeist entscheidender ist für die Bedeutung eines Wortes'^^. Damit hat er faktisch weite Zustimmung gefunden. Die Wort-Studien haben seitdem nicht aufgehört^^® - lexikalische Semantik bleibt weiterhin ein notwendiger Bestandteil der Erschließung von Bedeutung - , jedoch berücksichtigen sie nun häufiger auf diese oder jene Weise bei ihrem methodischen Vorgehen Anregungen der Linguistik und Semantik. Allerdings hat sich dabei bis heute kein wirklich allgemein akzeptierter methodischer Kanon herausgebildet'^'. Die vorliegende Untersuchung verbindet solche Zugänge miteinander, die sich bei der Arbeit an den Texten von selbst angeboten und als fruchtbar erwiesen haben. Die m e t h o d i s c h e Diskussion - nicht nur in der Linguistik, s o n d e r n ebenso a u c h in der E x e g e s e - ist an vielen Stellen weit e n t f e r n t von einer allgemein a k z e p t i e r t e n Be-

Deutsch; Bibelexegese und m o d e r n e Semantik. T h e o l o g i s c h e und linguistische M e t h o d e in der B i b e l w i s s e n s c h a f t , G ö t t i n g e n , 1965. Barr, Bibelexegese 233. „Dr. J a m e s Barr p r o n o u n c e d the patient severly ill, a n d gave it but a short time to live" ( C o t t e r e l l / T u r n e r , I n t e r p r e t a t i o n 106; vgl. auch die F e s t s t e l l u n g von L ü h r m a n n , Pistis 19 A n m . 4: .Die Krise der s o g e n a n n t e n . b e g r i f f s g e s c h i c h t l i c h e n ' U n t e r s u c h u n g e n ist o f f e n b a r " ) . Vgl. C o t t e r e l l / T u r n e r , I n t e r p r e t a t i o n 110. F r i e d r i c h , U n t e r s u c h u n g e n 174; vgl. auch T h i s e l t o n , S e m a n t i c s 83f. Vgl. C o t t e r e l l / T u r n e r , I n t e r p r e t a t i o n 124. V o n d a h e r steht die vorgelegte U n t e r s u c h u n g , bei allen U n t e r s c h i e d e n , in einer R e i h e mit einer ganzen A n z a h l ä h n l i c h e r n e u e r e r V e r s u c h e , z e n t r a l e p a u l i n i sche B e g r i f f e (mit u n t e r s c h i e d l i c h e n M e t h o d e n ) g e n a u e r zu e r f a s s e n ; vgl. ( o h n e A n spruch auf V o l l s t ä n d i g k e i t ) T h e o b a l d , G n a d e ; N e b e , . H o f f n u n g ' ; Eckstein, Syneidesis; J o n e s , .Freiheit'; Dobbeler, G l a u b e ; V o l l e n w e i d e r , F r e i h e i t ; B r e y t e n b a c h , V e r s ö h n u n g ; N e w m a n , G l o r y - C h r i s t o l o g y ; Scott, A d o p t i o n . "" Z u r a l l g e m e i n e n E i n f ü h r u n g in die B e d e u t u n g dieser A n s ä t z e f ü r die E x e g e s e vgl. z.B. Silva, W o r d s ; C o t t e r e l l / T u r n e r , I n t e r p r e t a t i o n ; Black, Linguistics; T h i s e l t o n , Semantics; M a r g u e r a t , T e x t l e k t ü r e n . V o n den d e u t s c h s p r a c h i g e n E i n f ü h r u n g e n in die M e t h o d e n der E x e g e s e h a b e n allein Berger, E x e g e s e und vor allem Egger, M e t h o d e n l e h r e (vgl. auch noch Stenger, M e t h o d e n l e h r e ) sich b e m ü h t , m e t h o d i s c h e A n s ä t z e der Linguistik mit solchen der h i s t o r i s c h - k r i t i s c h e n F o r s c h u n g zu v e r b i n d e n . Beide n e n n e n auch z a h l r e i c h e weitere L i t e r a t u r zum T h e m a .

40

I . e . Z u Z i e l s e t z u n g u n d M e t h o d e n der U n t e r s u c h u n g

g r i f f l i c h k e i t . In dieser Situation wird im W e i t e r e n ein p r a g m a t i s c h e r W e g g e w ä h l t und versucht, w e i t g e h e n d auf die Ü b e r n a h m e einer F a c h t e r m i n o l o g i e zu v e r z i c h t e n . Sie e r s c h w e r t nicht n u r dem , N i c h t - E x p e r t e n ' h ä u f i g die L e k t ü r e , s o n d e r n e r m ö g licht in den m e i s t e n F ä l l e n auch nur einen auf d e n t e r m i n o l o g i s c h e r f a ß t e n Bereich b e g r e n z t e n m e t h o d i s c h e n Z u g a n g zu den T e x t e n . Statt dessen w e r d e n in der R e g e l B e g r i f f e in e i n e m e h e r a l l g e m e i n e n Sinn ( . a l l g e m e i n v e r s t ä n d l i c h ' ) g e b r a u c h t , als eine A r t g r o b e r H i n w e i s s c h i l d e r . I h r e jeweilige B e d e u t u n g ergibt sich d a b e i meist aus i h r e m G e b r a u c h u n d Kontext^™.

2. Beschreibung von Wortfeldern Was unter .Verheißung' (Gottes) zu verstehen ist, soll - sowohl in synchroner wie in diachroner Hinsicht - in erster Linie durch die Ermittlung und Beschreibung von Wortfeldern"^ erfaßt werden"^. Sinnvoll erscheint es dabei, zunächst auf der syntaktischen Ebene eine formale Beschreibung des Verheißungsgeschehens zu geben, die für die primär semantisch orientierten Wortfeldanalysen ein differenzierteres Instrumentarium bereitstellen und die Darstellung ihrer Ergebnisse strukturieren kann. Sie kann auch an die Stelle einer vorläufigen Beschreibung der .Sache' der Verheißung treten, weil sie nicht von bestimmten Vorentscheidungen ausgehen muß, sondern an den Sprachgebrauch der konkreten Texte zurückgebunden ist. Für den Kontext von ε π α γ γ ε λ ί α κτλ. ergibt sich dabei: - Subjekt des Satzes und Geber der Verheißung ist Gott"^.

Dies gilt auch f ü r die K a t e g o r i s i e r u n g e n t h e o l o g i s c h e r F r a g e s t e l l u n g e n , wie sie sich in der s y s t e m a t i s c h - t h e o l o g i s c h e n U n t e r s c h e i d u n g von G o t t e s l e h r e , C h r i s t o logie, Soteriologie, Ekklesiologie, Ethik etc. h e r a u s g e b i l d e t h a b e n . V o r allem bei der E x e g e s e der P a u l u s t e x t e wird es sich immer w i e d e r als sinnvoll und nötig erweisen, v e r s c h i e d e n e A u s s a g e - und B e d e u t u n g s e b e n e n in den u n t e r s u c h t e n T e x t e n zu u n t e r s c h e i d e n . Dazu b e d i e n t sich die U n t e r s u c h u n g in e i n e m h e u r i s t i s c h e n Sinn a u c h der genannten Unterscheidungen. U n t e r W o r t f e l d e r n w e r d e n hier „mehr oder w e n i g e r k o n v e n t i o n e l l e W o r t v e r b i n d u n g e n " (Berger, E x e g e s e 138) v e r s t a n d e n . Z u r M e t h o d i k der E r m i t t l u n g solcher F e l d e r vgl. ebd. Kap.5: ,Die E r f o r s c h u n g von s e m a n t i s c h e n Feldern", sowie E g g e r , M e t h o d e n l e h r e 110-115. Berger selbst spricht in diesem Z u s a m m e n h a n g a l l e r d i n g s a u s d r ü c k l i c h von .semantischen F e l d e r n ' , o f f e n s i c h t l i c h um sich a b z u s e t z e n von e i n e m V e r s t ä n d n i s von .Wortfeld', das dieses im A n s c h l u ß an J . T r i e r . d i r e k t vom Begriff und von der Sache her" g e w i n n t und s t r e n g einem E r f a h r u n g s b e r e i c h z u o r d net, also seinen A u s g a n g s p u n k t n i m m t bei „der E i n t e i l u n g der W i r k l i c h k e i t in b e s t i m m t e S i n n b e z i r k e ' . In der Sache an diesem P u n k t mit Berger einig, g e b r a u c h e ich d e n n o c h in dieser A r b e i t (mit E g g e r ) den Begriff . W o r t f e l d ' - nicht als d u r c h T r i e r ' s A n s a t z d e f i n i e r t e n F a c h t e r m i n u s , s o n d e r n in einem a l l g e m e i n e r e n Sinn. Mit Blick auf die p a u l i n i s c h e T h e o l o g i e ( u n d eine R e i h e der in A n m . 1 6 8 g e n a n n t e n A r b e i t e n ) u r t e i l t auch H ü b n e r , M e t h o d o l o g i e 314f: „ G e r a d e ... die M e t h o d e , s p e z i f i s c h e B e g r i f f s v e r k n ü p f u n g e n mittels W o r t f e l d u n t e r s u c h u n g e n a u f z u w e i s e n , f ü h r t im V e r s t ä n d n i s p a u l i n i s c h e r T e x t e ein g e h ö r i g e s Stück weiter." V o n d a h e r h a t eine U n t e r s c h e i d u n g zwischen W e i s s a g u n g ( P r o p h e t i e ) - und V e r h e i ß u n g , wie sie B a u m g ä r t e l aus h e r m e n e u t i s c h e n E r w ä g u n g e n f o r d e r t e , ein g e wisses exegetisches R e c h t , und zwar nicht n u r im Blick auf die n e u t e s t a m e n t l i c h e n B e g r i f f e ε π α γ γ ε λ ί α und προφητεύειν (gegen W e s t e r m a n n , s.o. S.16). Vgl. a u c h D u g a n d z i c , J a 40 Anm.84: „Der e l e m e n t a r s t e U n t e r s c h i e d liegt d a r i n , d a ß die V e r h e i ß u n g i m m e r auf Gott als ihr Subjekt z u r ü c k g e h t und in seiner T r e u e g r ü n d e t .

Beschreibung von W o r t f e l d e r n

41

- D a s V e r b beschreibt s e i n e Tätigkeit: er verspricht bzw. verheißt. Dabei wird jeweils a u c h nach der Z e i t f o r m des V e r b s ( V e r g a n g e n h e i t , G e g e n wart, Z u k u n f t ) zu f r a g e n sein. Ist die V e r h e i ß u n g bereits in der V e r g a n g e n h e i t e r g a n g e n und u n t e r U m s t ä n d e n schon e r f ü l l t ? Gilt sie von der V e r g a n g e n h e i t her bis in die Z u k u n f t ? H a n d e l t es sich um eine a k t u e l l e Z u s a g e ? - D a s Dativobjekt b e z e i c h n e t d e n / d i e E m p f ä n g e r der Verheißung. Dabei k a n n g e f r a g t w e r d e n : Gibt es a u ß e r d e m / d e n jeweils u r s p r ü n g l i c h e n E m p f ä n g e r / n noch weitere, f ü r die die V e r h e i ß u n g auch noch gilt? W e m gilt sie nicht? W a r u m nicht? - D a s A k k u s a t i v o b j e k t b e z e i c h n e t d e n / d i e Verheißungsinhalt(e). Der V e r h e i ß u n g s i n h a l t ist i m m e r ein Gut'^''. - W e i t e r e Satzteile k ö n n e n b e g r ü n d e n d e oder f o l g e r n d e E r g ä n z u n g e n (oder a u c h Geltungsbedingungen?!^^) n e n n e n . B e g r ü n d e n d e F u n k t i o n k ö n n t e n u.a. E r w ä g u n g e n zur V e r l ä ß l i c h k e i t der V e r h e i ß u n g e n und zur V e r t r a u e n s w ü r d i g k e i t und Z u v e r l ä s s i g k e i t des V e r h e i ß u n g s g e bers h a b e n , f o l g e r n d e F u n k t i o n E r w ä g u n g e n zur R e s o n a n z , die die V e r h e i ß u n g beim E m p f ä n g e r h e r v o r r u f t (z.B. V e r t r a u e n und H o f f n u n g oder auch ein der V e r h e i ß u n g und ihrem G e b e r e n t s p r e c h e n d e s H a n d e l n ) . D i e E i n b e z i e h u n g der W o r t f e l d e r hat für das T h e m a u.a. zwei V o r z ü g e : W o r t f e l d e r sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der Ermittlung v o n S y n o n y m e n u n d s i n n v e r w a n d t e n L e x e m e n , d i e in die U n t e r s u c h u n g mit e i n b e z o g e n w e r d e n müssen, w e n n m a n das B e d e u t u n g s f e l d , mit d e m sich .Verheißung' im J u d e n t u m v e r b i n d e n k o n n t e , möglichst g e n a u erfassen wilF^^. W o r t f e l d e r h e l f e n a u c h ein Stück weit, d e m P r o b l e m der unterschiedlichen Sprachen, in d e n e n die Q u e l l e n überliefert sind, a n g e m e s s e n zu b e g e g n e n . V o r ausgesetzt ist dabei, daß a u c h durch Ü b e r s e t z u n g e n hindurch der K e r n b e s t a n d e i n e s W o r t f e l d e s in s e i n e m Z u s a m m e n h a n g erhalten u n d e r k e n n b a r bleibt^".

w ä h r e n d die W e i s s a g u n g das W o r t eines W a h r s a g e r s oder P r o p h e t e n ist" (vgl. auch ebd. 152f). N u r in w e n i g e n A u s n a h m e f ä l l e n wird so etwas wie eine D r o h u n g .verheißen'. W i c h t i g ist die B e s t i m m u n g des V e r h e i ß u n g s i n h a l t s als eines G u t e s auch f ü r die U n t e r s c h e i d u n g von p r o p h e t i s c h e n A n s a g e n und einzelnen S c h r i f t w o r t e n , d e r e n E r f ü l l u n g etwa Mt m e h r m a l s k o n s t a t i e r t . M a n kann f r a g e n , ob f ü r ein V e r s p r e c h e n nicht die F r e i h e i t des G e b e r s und auch die des E m p f ä n g e r s konstitutiv ist. Dann ist zu u n t e r s c h e i d e n zwischen einem solchen f r e i e n V e r s p r e c h e n und einem V e r t r a g , der geschlossen wird . u n t e r w e c h s e l seitigen B e d i n g u n g e n und V e r s i c h e r u n g e n ' , in die das V e r s p r e c h e n e i n g e b u n d e n ist (vgl. Soosten, U n d e 481; vgl. auch dort A n m . 5 den Verweis auf die D e f i n i t i o n des V e r t r a g e s in I. K a n t s Metaphysik der Sitten). Bei der B e r ü c k s i c h t i g u n g s i n n v e r w a n d t e r W ö r t e r wird a l l e r d i n g s keine V o l l s t ä n d i g k e i t a n g e s t r e b t - wie das f ü r eine streng l e x i k o g r a p h i s c h e A r b e i t nötig w ä r e . Selten v o r k o m m e n d e D e r i v a t e (wie ε π ά γ γ ε λ μ α 2Fetr 1,4; 3,13; π ρ ο ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι Röm 1,2; κ α τ ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι J o s A n t 7,93; προκατεποίγγέλλομοιι J o s A n t 2,218; όρκί^ω, ορκωμοσία) w e r d e n d e s h a l b , soweit sie das g e w o n n e n e Bild nicht wesentlich b e e i n f l u ß e n bzw. v e r ä n d e r n , nicht g e s o n d e r t a u f g e f ü h r t . Z u r Ü b e r t r a g u n g von B e d e u t u n g bei der Ü b e r s e t z u n g in f r e m d e S p r a c h e n vgl. z.B. Louw, S e m a n t i c s 43-45.

42

I . e . Z u Z i e l s e t z u n g und M e t h o d e n der U n t e r s u c h u n g

Nicht nur die LXX ist ja eine Übersetzung aus dem Hebräischen, sondern auch sonst sprechen häufig gewichtige Gründe dafür, hinter einer erhaltenen griechischen ÜberUeferung frühjüdischer Schriften eine hebräische (oder auch aramäische) Urfassung anzunehmen™. Hinzu kommen (vor allem apokalyptische) Texte, die lediglich in lateinischer, äthiopischer und syrischer Sprache und weiteren Übersetzungen erhalten sindi™. Auch hier geht man in jedem Fall von einem zugrunde liegenden griechischen Text aus und nimmt zudem häufig eine noch davor liegende hebräische Urfassung an^®". Es ist kaum möglich sicher zu erschließen, welche griechischen Lexeme hier jeweils den Begriffen des Versprechens und Verheißens zugrunde liegen und erst recht nicht, welche h e bräischen wiederum dahinter. Es erscheint aber andererseits sachlich geboten, sich nicht auf die griechischen Quellen allein zu beschränken, will man sich nicht mit der Auskunft begnügen, daß einerseits ein hebräisches Äquivalent zu ε π α γ γ ε λ ί α nicht existiert, daß aber andererseits von der .Sache' der Verheißung im A T selbstverständlich die Rede ist. 3. Beschreibung des literarischen und historischen Kontextes Die Untersuchung von Wortfeldern schließt auch die Fragen nach dem jeweiligen literarischen Zusammenhang, nach den Intentionen einer Schrifti^^ und ihrem historisch-soziologischen Kontext mit eini''^. Vorausgesetzt wird im folgenden die - kaum mehr umstrittene, wenn auch nicht immer genügend in Rechnung gestellte - Annahme, daß historisch gesehen das Neue Testament zu allererst als ein Teil einer umfassenderen und vielschichtigen Bewegung jüdischer religiöser und kultureller Geschichte zu begreifen ist^^^. Vor allem die Wechselwirkungen zwischen Christentum und Judentum im 1 Jh.n.Chr. sind jedoch noch nicht genügend erforscht, und es ist - auch im Blick auf die Verheißungsvorstellung - m e thodisch zumindest nicht von vornherein auszuschließen, daß sie sich im Judentum auch durch „Kontakte und Diskussionen mit Christen"^'^'' weiter verändert



So für die PsSal, Bar 1,15-3,8; 2Makl: 1 - 2 , TestAbr. So u.a. lateinisch: Jub, LibAnt, 4Esr; äthiopisch: Jub, 4Esr; syrisch: syrBar,

4Esr. V o n syrBar sind z.B. auch Fragmente in griechischer Sprache erhalten. E i n e hebräische U r f a s s u n g wird u.a. e r w o g e n für LibAnt, 4Esr, syrBar, A p k E s r , ApkSedr, ApkMos. In der T e r m i n o l o g i e der Linguistik könnte man auch sagen: sie u m f a ß t bei der U n t e r s u c h u n g der e i n z e l n e n T e x t e nicht nur die s e m a n t i s c h e E b e n e in synchroner und diachroner Hinsicht, sondern berücksichtigt auch die pragmatische E b e n e . Vgl. Berger, E x e g e s e 137-159. Vgl. auch Müller, J u d e n t u m 83, der meint, , d a ß das Projekt einer .neutestamentlichen B e g r i f f s g e s c h i c h t e ' m e t h o d i s c h nur dann a u s sichtsreich sein kann, w e n n die im E i n z e l f a l l n o t w e n d i g a n g e f r a g t e Kontinuität einer sich auf ein Wort und dessen syntaktische B e z i e h u n g e n k o n z e n t r i e r e n d e n b e g r i f f l i c h e n Sinneinheit korrelativ zur Leitlinie der g e s c h i c h t l i c h e n E n t w i c k l u n g der urchristlichen R e l i g i o n g e w o n n e n wird"; ähnlich zuletzt auch Hahn, Streit 61. V g l . z.B. V e r m e s , Literature 374f. "" Stemberger, Einleitung 259; kritisch d a g e g e n Maier, A u s e i n a n d e r s e t z u n g 206.

B e s c h r e i b u n g des l i t e r a r i s c h e n und h i s t o r i s c h e n K o n t e x t e s

43

hat. Allerdings ist hier immer die Gefahr der .Parallelomanie' zu beachten, vor der in unserem Zusammenhang vor allem der jüdische Forscher S. Sandmel nachdrücklich gewarnt hat'®''. In der großen Mehrzahl der Fälle wird vermutlich keine direkte Abhängigkeit der einen von der anderen Textgruppe nachgewiesen werden können'®®. Um die Ursprünge der Verheißungstraditionen und ihre Weiterentwicklung im Frühjudentum und im Urchristentum möglichst genau erfassen zu können, ist es wichtig zu erkennen: Auf welche Situation wird in den entsprechenden Zusammenhängen reagiert? Auf welche Weise wird in dieser Situation u.U. signifikant von den erwartbaren Konnotationen des Wortfeldes abgewichen? Wo und warum kommt es also zu Innovationen der Traditionen'®''? Dies ist auch deshalb wesentlich, weil das Bild des Judentums im Kontext ntl. Exegese z.T. bis heute ohne genügende Berücksichtigung dieser Fragen beschrieben wird. Der Grund hierfür dürfte u.a. in dem Interesse liegen, auf diese Weise eine (ungeschichtliche) Negativfolie für die Darstellung christlichen Glaubens zu gewinnen. Das gilt zumindest für die prägenden Darstellungen von Weber und Bousset'®® und einflußreiche Kompendien wie etwa Billerbecks fünfbändiges Werk. Auf deren Mängel und auf die Gefahr eines zu unkritischen Gebrauchs wurde zwar schon früh hingewiesen'®®, aber dennoch werden sie häufig noch zu unkritisch rezipiert und haben vor allem viele Artikel in Standardwerken wie dem ThWNT auch inhaltlich entscheidend geprägt.

S a n d m e l , P a r a l l e l o m a n i a . N a c h S c h ä f e r , R e s e a r c h 140 ist die H e r a n z i e h u n g e i n z e l n e r isolierter E l e m e n t e zur E r k l ä r u n g ntl. Stellen ein primitiver m e t h o d i s c h e r A n s a t z und von ihrem Kontext isolierte P a r a l l e l e n sind letztlich »meaningless'. Z u gespitzt C h a r l e s w o r t h , P s e u d e p i g r a p h a 49: , T h e e x t r a p o l a t i o n of a term, p h r a s e or concept f r o m a living d o c u m e n t t e n d s to kill both the term and even the document." Z u diesem E r g e b n i s k o m m t etwa auch M a i e r , A u s e i n a n d e r s e t z u n g 207: »Die g e m e i n s a m e biblische Basis war bereits zur Zeit der T r e n n u n g des f r ü h e n C h r i s t e n tums vom J u d e n t u m mit mehr oder weniger b e w u ß t e n A u s l e g u n g s t r a d i t i o n e n und I n t e p r e t a t i o n s m e t h o d e n so b e f r a c h t e t , d a ß p a r a l l e l e E r s c h e i n u n g e n - i n s b e s o n d e r e a u f g r u n d ä h n l i c h e r U m s t ä n d e - eine s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e Folge waren." Vgl. auch S a n d m e l , P a r a l l e l o m a n i a 3. "" Vgl. Berger, E x e g e s e 137. "» W e b e r , T h e o l o g i e ; Bousset, Religion. U m eine g e r e c h t e W ü r d i g u n g Boussets in diesem Z u s a m m e n h a n g b e m ü h t sich L ü d e m a n n , Schule 342-350. E r hebt a b auf e i n e E n t w i c k l u n g der W e r t u n g des J u d e n t u m s bei Bousset und zitiert als Beleg f ü r e i n e g e w a n d e l t e , positivere Sicht Boussets seine A b s i c h t , »das S p ä t j u d e n t u m in g a n z a n d e r e r W e i s e als bisher in seiner positiv v o r b e r e i t e n d e n W i r k u n g f ü r das C h r i s t e n tum zu w ü r d i g e n und zu b e t o n e n " ( L ü d e m a n n , Schule 349 zitiert hier aus einem A u f satz Boussets in T h R 18, 1915, 123). Vgl. schon 1921 M o o r e , W r i t e r s . N a c h ihm h a b e n i m m e r wieder vor allem F o r s c h e r , die sich mit den j ü d i s c h e n Quellen selbst b e s c h ä f t i g e n , einen m e t h o d i s c h g e s i c h e r t e n U m g a n g mit ihnen g e f o r d e r t und vor u n r e f l e k t i e r t e m G e b r a u c h des W e r k s von Billerbeck g e w a r n t . Vgl. z.B. S a n d m e l , P a r a l l e l o m a n i a 8f; Sanders, P a u l u s 220f; M ü l l e r , J u d e n t u m 74f. D a ß bei aller b e r e c h t i g t e r Kritik am u n k r i t i s c h e n G e b r a u c h dieses W e r k e s die g r o ß e - bis h e u t e nicht ü b e r h o l t e oder auch n u r e r r e i c h t e w i s s e n s c h a f t l i c h e Leistung Billerbecks nicht vergessen w e r d e n d a r f , m a h n t zu R e c h t H e n g e l , P a u l u s 249 an.

44

I . e . Zu Zielsetzung und Methoden der Untersuchung

A u c h w e n n der W e r t dieses bis h e u t e u n ü b e r b o t e n e n W ö r t e r b u c h s und die L e i s t u n g der an ihm beteiligten F o r s c h e r a n e r k a n n t bleiben sollen (vgl. das in der v o r i gen A n m e r k u n g schon zu Billerbeck Gesagte), darf die G e f a h r , die in diesem S a c h v e r h a l t liegt - aber auch die t h e o l o g i s c h e V e r a n t w o r t u n g der F o r s c h e r f ü r ihre Sätze - nicht v e r h a r m l o s t w e r d e n (was z.T. leider noch i m m e r geschieht). Ich bin jedoch ü b e r z e u g t , d a ß wir - nicht n u r um der w i s s e n s c h a f t l i c h e n R e d l i c h k e i t willen, s o n d e r n in einer Zeit, in der der A n t i s e m i t i s m u s an vielen O r t e n w i e d e r o f f e n z u t a g e tritt, a u c h um der W a h r h a f t i g k e i t der V e r k ü n d i g u n g willen - e m p f i n d l i c h e r w e r d e n m ü s sen u n d e r s c h r e c k e n über Sätze wie den f o l g e n d e n : »Auf dem zeitgeschichtlichen H i n t e r g r u n d des S p ä t j u d e n t u m s mit seinem völkisch v e r b i s s e n e n E r w ä h l t e n t r o t z u n d seiner s e k t e n h a f t e n V e r e n g u n g vertritt die U r c h r i s t e n h e i t e i n e r a d i k a l e N e u g e s t a l t u n g des B e g r i f f e s von C h r i s t u s her'^'®. Dies ist ein z u f ä l l i g h e r a u s g e g r i f f e n e s Beispiel u n d beileibe kein b e d a u e r l i c h e r Einzelfall^^V W e r k a n n a u s s c h l i e ß e n , d a ß sich die in solchen Sätzen e n t h a l t e n e n W e r t u n g e n bis h e u t e in den K ö p f e n der Leser f e s t s e t z e n ? Auf den d o m i n i e r e n d e n E i n f l u ß des T h W N T - A r t i k e l s zu έ π α γ γ ε λ ν α (mit seiner B e t o n u n g .jüdischer H e i l s u n s i c h e r h e i t ' ) auf die e x e g e t i s c h e F o r s c h u n g w u r d e bereits hingewiesen^®^.

Solche methodisch geforderte Berücksichtigung von Kontexten und Überlieferungsträgern ist auch der vorliegenden Untersuchung allerdings für die jüdischen Quellen häufig nur fragmentarisch möglich - sowohl aufgrund des untersuchten Gegenstandes selbst mit seiner häufig komplizierten Quellenlage*'·^, als auch aufgrund der Grenzen, die der Umfang der Untersuchung und nicht zuletzt das eigene Wissen""* setzen. Im Blick auf έ π α γ γ ε λ ί α wurde bereits in der Forschungsgeschichte zwischen pseudepigraphischen, apokalyptischen und rabbinischen Überlieferungen unterschieden'®''. Wie die folgende Untersuchung zeigen wird, sind zu unserem Thema als zusätzliche eigene Überlieferungsgruppen darüber hinaus auch die Schriften der hellenistischen Juden Philo und Josephus mit

S c h r e n k , T h W N T I V 197 - e r s c h i e n e n 1942! - , in der Z u s a m m e n f a s s u n g des A r t i k e l s εκλεκτός. Vgl. auch Vos, A n t i j u d a i s m u s . S.o. S.29f.37f. A l s Beispiele aus dem letzten J a h r z e h n t sei s t e l l v e r t r e t e n d v e r wiesen auf B a u r a b a c h (er verweist auf „die j ü d i s c h e K o n z e p t i o n von der V o r - und Ü b e r o r d n u n g der T o r a über die V e r h e i ß u n g " , A b r a h a m 40; d a b e i geht sein U r t e i l im K e r n auf Billerbecks K o m m e n t a r zurück, vgl. ebd. A n m . 2 l ) u n d P e n n a (.nel g u i d a i s mo e x t r a b i b l i c o in g e n e r a l e la p r o m e s s a r i g n a r d a la r i c o m p e n s a per l ' o s s e r v a n z a della L e g g e e il c o n s e g u i m e n t o del m o n d o f u t u r o " , A t t e g g i a m e n t i 201 Anm.63). Vgl. V e r m e s , M e t h o d o l o g y 157: „Usually, the a v a i l a b l e e v i d e n c e is f r a g m e n tary a n d sporadic". Vgl. S a n d m e l , P a r a l l e l o m a n i a 11: . T h e v a r i o u s l i t e r a t u r e s r e l e v a n t to J u d a i s m and Christianity a r e so bulky a n d so diverse and so complex t h a t no one person can m a s t e r t h e m all a n d t h e s e c o n d a r y scholarship in full t h o r o u g h n e s s . " D a ß a p o k a l y p t i s c h e Ü b e r l i e f e r u n g e n auch p s e u d e p i g r a p h e n C h a r a k t e r h a b e n und d a ß sie z.T. a u c h in die r a b b i n i s c h e Ü b e r l i e f e r u n g E i n g a n g g e f u n d e n h a b e n , ist d a m i t nicht b e s t r i t t e n . D e n n o c h liegt es an dieser Stelle n a h e , die drei B e r e i c h e v o n e i n a n d e r zu u n t e r s c h e i d e n . Denn die S c h r i f t e n 4Esr und syrBar, die der l i t e r a r i s c h e n G a t t u n g A p o k a l y p s e a n g e h ö r e n , w e r d e n im W e i t e r e n (wie schon in der F o r s c h u n g s g e s c h i c h t e ) a u f g r u n d ihres s p e z i f i s c h e n G e b r a u c h s der R e d e von der V e r h e i ß u n g als e i g e n s t ä n d i g e r Bereich von S c h r i f t e n n e b e n den s o g e n a n n t e n P s e u d e p i g r a p h e n und den r a b b i n i s c h e n S c h r i f t e n b e h a n d e l t .

B e s c h r e i b u n g d e s l i t e r a r i s c h e n und h i s t o r i s c h e n K o n t e x t e s

45

heranzuziehen^'®. In Einzelfällen fällt die Zuordnung einer Schrift zu einer der Überlieferungsgruppen schwer, zumal die Beschreibung der Charakteristika und Kriterien der Unterscheidung (in Bezug etwa auf die Sammelbezeichnung .Pseudepigraphen', auf die Beurteilung der Apokalyptik, auf die Berechtigung der Unterscheidung palästinisch-hellenistisch) in der Forschung z.T. umstritten sind. Die vorliegende Untersuchung kann und will keinen Beitrag zu diesen Diskussionen und Problemen leisten. Die im traditionsgeschichtlichen Kap. III gewählten Zuschreibungen sind daran orientiert worden, ob sich ein relativ einheitliches Traditionsfeld im Blick auf die Rede von der Verheißung erkennen läßt (dies gilt insbesondere für IIIA). Dies macht aber die Frage, welche der verschiedenen Trägerkreise mit ihren Traditionen hauptsächlich als Grundlage der paulinischen Theologie anzusehen sind, nicht überflüssig. Diese Frage ist in der Forschung seit alters umstritten. Z u meist wird die Hauptalternative gesehen zwischen rabbinischer und hellenistisch bestimmter Tradition"^. Aber daneben wurde immer wieder auch die jüdische Apokalyptik „als Grandlage des paulinischen Evangeliums" betont^'^. Für u n ser Thema wurden bis heute sowohl die rabbinischen Quellen^'', als auch vor allem 4Esr und syrBar herangezogen zur Erläuterang paulinischer Aussagen. Dabei wurde (stillschweigend) vorausgesetzt, daß die dort zu findenden Vorstellungen, selbst wenn die Schriften alle jünger sind als die paulinischen Briefe, dennoch älter sind als diese. Nun gehört das rabbinische Schrifttum unzweifelhaft zu den wichtigen Traditionsträgern jüdischen Glaubens bis in die Zeit noch vor Christi Geburt hinein. Doch Ergebnisse im Blick auf den traditionsgeschichtlichen Horizont der paulinischen Theologie sind hier mehr noch als sonst mit großen Unsicherheiten behaftet. Dies hängt zum einen zusammen mit verschiedenen sachlichen Erwägungen zur Person des Paulus selbst. Die Bedeutung und Zuverlässigkeit der Angaben der Apg zur pharisäischen Vergangenheit und Ausbildung des Paulus sind nicht einfach zu bestimmen^'", zumal sie z.T. in Spannung ste-

Bisher w u r d e hier l e d i g l i c h v e r e i n z e l t auf J o s A n t 2,219 s o w i e P h i l o Mut. 201 h i n g e w i e s e n , da der Z u s a m m e n h a n g von ύ π ο σ χ έ σ ι ς κτλ. und ε π α γ γ ε λ ί α nicht b e a c h tet w u r d e ( l e d i g l i c h M o x n e s , T h e o l o g y 1 3 0 - 1 6 3 g e h t bisher - im Z u s a m m e n h a n g der A u s l e g u n g von R o m 4 , 1 3 - 2 2 - a u s f ü h r l i c h e r auf P h i l o ein). In den S c h r i f t e n v o n Q u m r a n k o n n t e kein d i r e k t e s V e r g l e i c h s m a t e r i a l e r s c h l o s s e n w e r d e n (s.u. S.65). V g l . M ü l l e r , A u s l e g u n g 1 - 1 9 . Er k o m m t in s e i n e m F o r s c h u n g s ü b e r b l i c k zu d e m E r g e b n i s , d a ß für die P a u l u s e x e g e s e ,im L a u f e der F o r s c h u n g s g e s c h i c h t e der r a b b i n i s c h e H i n t e r g r u n d g e g e n ü b e r d e m j ü d i s c h - h e l l e n i s t i s c h e n i m m e r m e h r den V o r r a n g erhalten" h a b e ( e b d . 9 f ) und a u c h s e i n e A r b e i t f o l g t d i e s e r Linie. D e n n o c h wird a u c h i m m e r w i e d e r der j ü d i s c h - h e l l e n i s t i s c h e E i n f l u ß auf d a s p a u l i n i s c h e D e n ken b e t o n t . "" Beker, Sieg 2 4 f f ( v g l . s c h o n K ä s e m a n n , T h e m a 1 2 5 - 1 3 1 ) . A l l e r d i n g s wird man t r a d i t i o n s g e s c h i c h t l i c h a p o k a l y p t i s c h e und p h a r i s ä i s c h e T r a d i t i o n k a u m als g r u n d s ä t z l i c h e A l t e r n a t i v e n b e g r e i f e n d ü r f e n (vgl. Becker, P a u l u s 42). H i e r wird die Z u s a m m e n s t e l l u n g B i l l e r b e c k s w e i t g e h e n d (und z.T. u n k r i t i s c h ) ü b e r n o m m e n und d i e B e l e g e a u s der r a b b i n i s c h e n Literatur d i e n e n h ä u f i g als N e g a t i v f o l i e für die n e u t e s t a m e n t l i c h e und vor a l l e m die p a u l i n i s c h e R e d e von der V e r heißung. ™ B e c k e r (in: A n f ä n g e 104) z w e i f e l t ein S t u d i u m b e i m g r o ß e n G a m a l i e l I an.

46

I . e . Zu Zielsetzung und Methoden der Untersuchung

hen mit den eigenen (ebenfalls nicht an objektiver Darstellung interessierten) Mitteilungen des Apostels selbst. Zum anderen ist ein gesichertes und zugleich auch einigermaßen konkretes Bild des Pharisäertums der Zeit vor dem Fall des Tempels nur schwer zu gewinnen^^^. Auch ist das rabbinische Judentum nach dem Fall des Tempels gewiß nicht sogleich zum .normativen Judentum' geworden^"^ und theologisch kaum als eine einheitliche Bewegung zu begreifen. Etwas anders (aber ebenfalls mit Schwierigkeiten belastet) ist der Vergleich mit den Traditionen in 4Esr und syrBar, jedenfalls wenn man ernst nimmt, daß beide Schriften dezidiert auf die Probleme eingehen, vor die das Judentum durch den Fall des Tempels gestellt wurde^®. Bei allem Nutzen, den die Notierung möglicher Parallelen und die Konstatierung möglicher traditionsgeschichtlicher Zusammenhänge haben kann, bleibt für das Verständnis der pauhnischen Texte immer die Struktur der jeweiligen Aussage in ihrem aktuellen Kontext entscheidend^"''. Solange man aufweisbare Linien historischer Abhängigkeit nicht demonstrieren kann, wird man parallele Phänomene in den meisten Fällen besser nicht durch gegenseitige Beeinflußung erklären, sondern in ihnen das Resultat paralleler Interpretationen des gleichen religiösen und kulturellen Erbes sehen, wie sie durch Israels Schriften repräsentiert werden^"^. 4. Zum Einfluß der Schrift auf die Argumentation des Paulus In sehr vielen der Texte, die von Verheißung handeln, findet sich tatsächlich ein direkter Rückbezug auf Texte und Sachverhalte der .Schrift'. Von daher ist - als Ergänzung zur Untersuchung von Wortfeldern - ein weiterer (komplementärer) methodischer Zugang nötig, der bei der Untersuchung der Auslegung des Alten Testaments durch Paulus bisher noch nicht viel Beachtung gefunden h a t ^ : die Frage nach dem möglichen Einfluß des größeren Kontextes der herangezogenen Schriftstellen (seien es direkte Zitierungen oder Anspielungen^"^) auf die Gedankenführang und theologische Argumentation.

hält aber ein zeitweiliges Studium in Jerusalem historisch für denkbar. Eine ausführliche Diskussion der hier genannten Fragen bietet zuletzt Hengel, Paulus. Vgl. Becker, in: A n f ä n g e 105. ^ Vgl. Stemberger, Einleitung 15. S.u. S.143f. ™ Vgl. Sandmel, Parallelomania 5: .Paul's context is of infinitely more significance than the question of the alleged parallels". ™ Vgl. Hays, Echoes 11. ^ Vgl. aber für Rom 9 - 1 1 Hübner, Ich. Koch, Schrift 11-20 unterscheidet zwischen Zitat, Paraphrase, Anspielung und Verwendung der Sprache der Schrift. Hübner, Theologie 2 18 sieht zu Recht zwischen Anspielung und der bloßen Verwendung alttestamentlichen Sprachgebrauchs f l i e ßende Grenzen. Dennoch bewertet er m.E. die Bedeutung, die der N a c h w e i s einer Anspielung auf eine bestimmte Stelle für die Auslegung hat, nicht hoch genug.

E i n f l u ß der Schrift auf die A r g u m e n t a t i o n des P a u l u s

47

E i n e n solchen Z u g a n g zum p a u l i n i s c h e n S c h r i f t g e b r a u c h hat jüngst R. Hays g e f o r d e r t und im Blick auf seine h e r m e n e u t i s c h e n u n d m e t h o d i s c h e n I m p l i k a t i o n e n g e n a u e r entfaltet^®®. E r u n t e r s c h e i d e t zwischen . Q u o t a t i o n , allusion, and echo", die g e s e h e n w e r d e n k ö n n e n ,as points a l o n g a s p e c t r u m of i n t e r t e x t u a l r e f e r e n c e , moving f r o m the explicit to the subliminal'^"®. A l s m e t h o d i s c h e K r i t e r i e n , a n h a n d d e r e r ü b e r p r ü f t w e r d e n k a n n , ob eine A n s p i e l u n g oder ein E c h o auf b e s t i m m t e S c h r i f t s t e l l e n w a h r s c h e i n l i c h g e m a c h t w e r d e n k a n n , n e n n t er: »availability*, .volume", . r e c u r r e n c e " , . t h e m a t i c coherence", .historical plausibility", .history of i n t e r p r e t a t i o n " und .satisfaction"^'". J e d o c h k ö n n e n auch mit ihnen .intertextual e c h o e s ' n u r in etwa w a h r s c h e i n l i c h g e m a c h t w e r d e n und H a y s b e t o n t , d a ß E x e g e s e auch hier nicht s t r e n g e W i s s e n s c h a f t , s o n d e r n . m o d e s t i m a g i n a t i v e c r a f t " i s t ^ " .

Sinnvoll erscheint es, dabei zugleich die Auslegungsgeschichte der betreffenden Stoffe - soweit das möglich ist - mit im Auge zu behalten^'^. Prinzipiell kann und sollte man einen solchen, um auslegungsgeschichtliche Beobachtungen ergänzten, Zugang des .intertextual approach'^" auf alle Texte anwenden, die

™ Hays, E c h o e s 5 - 1 4 bietet a u c h einen Ü b e r b l i c k zum Stand der Diskussion um den p a u l i n i s c h e n S c h r i f t g e b r a u c h . O h n e Z w e i f e l hat die A r b e i t von H a y s die F o r schung zum V e r h ä l t n i s des P a u l u s zu den S c h r i f t e n Israels stark b e f r u c h t e t . Z u r Diskussion um diese A r b e i t vgl. z.B. E v a n s / Sanders, Paul. Z u r F o r d e r u n g nach der Ber ü c k s i c h t i g u n g des K o n t e x t e s der S c h r i f t w o r t e vgl. a b e r auch schon D o d d , Scriptures 126; H a n s o n , I n t e r p r e t a t i o n 7; H ü b n e r , Ich 42. Vgl. zum P r o b l e m auch Barr, Alt 137f. Er weist d a r a u f hin, d a ß f ü r die n e u t e s t a m e n t l i c h e n A u t o r e n unser .Begriff des .Kontextes' ... n o r m a l e r w e i s e nicht v o r h a n d e n " war (ebd. 138). Z u R e c h t b e s t e h t auch seine W a r n u n g , d a ß keine M e t h o d e (auch nicht die B e a c h t u n g des K o n t e x t e s ) . p a u s e n l o s und o h n e U n t e r s c h i e d a n g e w e n d e t w e r d e n d a r f " (ebd.). D e n n o c h erweist sich in den P a u l u s b r i e f e n dieser m e t h o d i s c h e Schritt als f r u c h t b a r . F ü r das N T insg e s a m t k o m m t M e a d , Opinion 287-289 a l l e r d i n g s zu dem E r g e b n i s , d a ß es je n a c h A r g u m e n t a t i o n s s i t u a t i o n sehr v e r s c h i e d e n e A r t e n der S c h r i f t a n f ü h r u n g gab, w e s h a l b die N a c h f r a g e n a c h dem Kontext nicht überall f r u c h t b a r sein k a n n . E r w e n d e t sich damit zugleich gegen die T h e s e von E d g a r , Respect 62, d a ß J e s u s selbst weit mehr als die ü b r i g e n n e u t e s t a m e n t l i c h e n S c h r i f t s t e l l e r den K o n t e x t der S c h r i f t s t e l l e n b e a c h t e t habe. ^ Hays, E c h o e s 23. ™ E b d . 29-31. E b d . 29. F ü r Campbell ist H a y s A r b e i t ein w e s e n t l i c h e r Schritt zum V e r s t e h e n des P h ä n o m e n s der I n t e r t e x t u a l i t ä t bei Paulus. .But the f u l l flexibility and r a n g e of his i n t e r t e x t u a l i t y a r e p e r h a p s only b e g i n n i n g to be fully a p p r e c i a t e d " ( M e a n i n g 93). A u f die B e d e u t u n g e i n e r . B e a c h t u n g d e r A u s l e g u n g s g e s c h i c h t e " , d i e . b e w a h r t vor a n a c h r o n i s t i s c h e n A n n a h m e n und ... eine u n e r s e t z l i c h e H i l f e " darstellt .bei d e r Ü b e r b r ü c k u n g der Distanz .zwischen den T e s t a m e n t e n ' " , weist M a i e r , Z w i schen 23 hin. F ü r ihn . d e c k e n sich in der a u s l e g u n g s g e s c h i c h t l i c h e n F o r s c h u n g die A n l i e g e n der j u d a i s t i s c h - h i s t o r i s c h e n F o r s c h u n g und der biblischen T h e o l o g i e des A l t e n wie des N e u e n T e s t a m e n t s in e v i d e n t e m Maße". Ein im G r u n d a n l i e g e n v e r g l e i c h b a r e s Konzept ist das des s o g e n a n n t e n . C o m p a r a t i v e M i d r a s h ' (vgl. die e x e m p l a r i s c h e Studie von Callaway, Sing). Der A u s d r u c k stammt von Hays, E c h o e s , der damit h i s t o r i s c h - k r i t i s c h e E x e gese mit E l e m e n t e n aus der m o d e r n e n L i t e r a t u r k r i t i k e r g ä n z e n will. E r verweist hier auf N a m e n von J u l i a Kristeva und R o l a n d Barthes über T.S, Eliot und H a r o l d Bloom bis J o h n H o l l a n d e r ( e b d . 14-19), entwickelt jedoch aus den A n r e g u n g e n , die er bei ihnen und a n d e r e n e m p f ä n g t , einen eigenen, i n s b e s o n d e r e auf P a u l u s zugespitzten Z u g a n g , den er selbst e i n e A r t „ c o m m o n sense' h e r m e n e u t i c s " ( e b d . 27) n e n n t . Auf k o n z e p t i o n e l l e S c h w ä c h e n des A n s a t z e s von Hays weist H ü b n e r , I n t e r t e x t u a l i t ä t hin. E r b e m ä n g e l t den allzu p r a g m a t i s c h e n Z u g r i f f und die . V e r n a c h l ä s s i g u n g der p h i l o -

48

I . e . Zu Zielsetzung und Methoden der Untersuchung

ältere Texte auslegen, folglich selbstverständlich auch auf die hier untersuchten frühjüdischen Schriften. Im Rahmen dieser Arbeit - die letztlich auf das bessere Verständnis der paulinischen Briefe zielt - können zum Befund in den frühjüdischen Schriften allerdings angesichts der Vielzahl der Belege nur größere thematische Überblicke versucht werden (vgl. Kap. III.F2.). Einer genauen Einzelanalyse der jeweiligen Argumentation (wie sie für einen solchen Zugang nötig ist) werden allein die Texte aus dem 2.Korinther-, Galater- und Römerbrief unterzogen. Wo hier Zitate oder auch Anspielungen auf Schriftstellen erkennbar sind, soll zumindest geprüft werden, ob die jeweiligen Schriftstellen dem Apostel lediglich als isolierte Belegstellen dienen oder inwieweit Zusammenhänge zwischen ihrem Kontext und ihrer inhaltlichen Stoßrichtung und der paulinischen Argumentation zu erkennen sind. Dies führt zwar zumindest z.T. über eine Analyse des paulinischen Verständnisses und Gebrauchs von έ π α γ γ ε λ ί α κτλ. hinaus. Es kann aber ein Weg sein um zu kontrollieren, ob bei der Analyse der sprachlichen Seite die Sache, um die es Paulus an diesen Stellen geht, in rechter Weise in den Blick kommt^'"·. Zugleich mag so die Stimme des Alten Testaments selbst, dessen Verheißungsverständnis (aufgrund des methodischen Ansatzes bei den griechischen Lexemen, der sich zunächst als notwendig erweist, hier aber eben seine Grenzen hat) nicht eigens in den Blick genommen wird, wenigstens durch die Brille paulinischer Auslegung hier und da noch ausdrücklich zu Wort kommen. Dieser methodische Schritt eines auf das „Vetus Testamentum Graece in Novo receptum"^^' konzentrierten .intertextual approach' dient also einerseits dem besseren Verständnis der paulinischen Argumentation, insoweit sie „gar nicht dargestellt werden kann, wenn nicht zugleich die Rezeption der alttestamentlichen Aussagen mitbedacht wird"^'^. Zugleich ermöglicht er andererseits auch notwendige Vorarbeiten für eine zukünftige biblische Theologie^'^.

sophischen Implikationen", die die Diskussionen der Literaturwissenschaft um die Bestimmung des Phänomens der Intertextualität (zwischen Strukturalismus und Poststrukturalismus) deutlich machen. Dadurch entgehe ihm zugleich die »Fülle des methodischen Instrumentariums", das von dieser Seite her gewonnen werden könne, was sich u.a. in der .Unklarheit des von H. in den Mittelpunkt gestellten Terminus ,Echo'" auswirke (ebd. 895). Dabei werden einige Mosaiksteine in dem Bild .Paulus und die Schrift' neu gewonnen und einem in seinen Konturen noch umstrittenen Bild einige Facetten hinzugefügt werden können (vgl. unten S.354ff und S.519ff). Eine ausdrückliche Diskussion des ganzen Fragenkomplexes kann und soll hier nicht geleistet werden. Hübner, Theologie 67. Hübner, Ich 11. Stuhlmacher, Theologie 37 kritisiert diese in dieser Wendung implizierte Unterscheidung Hübners, da sie eine Differenzierung beinhalte, ,die den neutestamentlichen Autoren ... fremd war". Vgl. auch K. Koch, nach dem .Rezeptionsgeschichte ... notwendige V o r a u s setzung einer Biblischen Theologie" ist (Rezeptionsgeschichte 155). Zu weit geht dagegen wohl die Feststellung von Hübner, Theologie 28: .die Aufarbeitung des theologischen Umgangs der neutestamentlichen Autoren mit dem Alten Testament (ist) die primäre und fundierende A u f g a b e einer Biblischen Theologie".

E i n f l u ß der Schrift auf d i e A r g u m e n t a t i o n des P a u l u s

49

Aus diesen methodischen Überlegungen ergibt sich, daß das Ergebnis einer Untersuchung wie der folgenden nicht einfach eine etwas ausführlichere neue Begriffsbestimmung oder eine umfassende Traditionsgeschichte des .Begriffs Verheißung' sein wird. Deshalb wird auch nicht einfach ein Ergebnis oder eine These am Ende stehen können. Statt dessen kann mit Hilfe der einzelnen Zusammenfassungen nach und nach ein Bild von der Rede der Verheißung im Frühjudentum und beim Apostel Paulus entstehen, in ihren vielfältigen literarischen und theologischen Kontexten. Auch sachlich scheint mir dies der Themenstellung angemessen zu sein. Denn bei dem Versuch, eine Art Quersumme aller mit der Rede von der Verheißung verbundenen Inhalte zu ziehen, läßt sich die Gefahr kaum vermeiden, daß solche Rede zu allgemein und damit auch inhaltsleer wird. Aus der Schrift und von ihren Auslegern im Frühjudentum und im NT läßt sich dagegen lernen, daß biblisch-theologisch verantwortetes Zeugnis von Gottes Verheißungen gut daran tut, so konkret wie möglich zu bleiben.

п. Lexikalische Grundlagen Grundlage der Untersuchung sollen diejenigen frühjüdischen und paulinischen Texte bzw. Textabschnitte sein, an denen in sprachlich fixierter Form von einem Verheißen Gottes die Rede ist. In einem ersten Schritt ist es deshalb nötig, nach den griechischen Lexemen (und dann auch Lexemen in anderen Sprachen) zu fragen, die für solches Verheißen gebraucht werden. In einem weiteren Schritt kann dann mit Hilfe von Konkordanzen eine erste allgemeine Übersicht über alle in Frage kommenden Stellen gegeben werden.

A. Griechische Lexeme für Versprechen Bei den Griechen haben έ π α γ γ ε λ ί α und επαγγέλλομαι die allgemeine Bedeutung .etwas ankündigen, bekanntmachen'^. H i e r i n sind sie w e i t g e h e n d b e d e u t u n g s g l e i c h mit den ü b r i g e n L e x e m e n des S t a m mes ά γ γ ε λ - . Ά γ γ ε λ ί ο ι κτλ.^ h a b e n die H a u p t b e d e u t u n g . b o t s c h a f t e n , a n s a g e n , p r o k l a m i e r e n ' , w o b e i es v o r r a n g i g um d i e A n s a g e d e s G u t e n g e h t , ist d o c h , ε ύ α γ γ έ λ - ... schon im H e l l e n i s m u s der Z e n t r a l b e g r i f f ' ^ . Sie s t e h e n j e d o c h f a s t nie f ü r ein Verheißen'*. Ε ύ α γ γ έ λ ι ο ν wie auch επαγγελία-'' sind „fester geprägt, w ä h r e n d bei den übrigen ά γ γ ε λ - W ö r t e r n das G e m e i n s a m e neben den U n t e r s c h i e d e n b e d e u t sam ist"'*. Beide h a b e n a l l e r d i n g s t r a d i t i o n s g e s c h i c h t l i c h z u m i n d e s t auf d e n ersten Blick im J u d e n t u m u n d U r c h r i s t e n t u m k a u m B e r ü h r u n g e n . W ä h r e n d ε ύ α γ γ έ λ ν ο ν ,im G e f ä l l e einer e s c h a t o l o g i s c h e n A u s l e g u n g s t r a d i t i o n von D e u t e r o - und T r i t o - J e s a j a , b e s o n d e r s J e s 61,1 und 52,7 steht"^, f i n d e t sich έ π α γ γ ε λ ί α v o r r a n g i g im K o n t e x t von T r a d i t i o n e n des P e n t a t e u c h .

' Z u r a l l g e m e i n e n B e d e u t u n g eines W o r t e s und ihrer A b g r e n z u n g vom K o n z e p t einer G r u n d b e d e u t u n g vgl. Louw, S e m a n t i c s 33-37. ' Ά γ γ ε λ λ ε ί ν , άναγγελλείν, άπαγγελλείν, δναγγελλειν, έξαγγελλείν, καταγγελλ ε ϊ ν , π ρ ο κ α τ α γ γ ε λ λ ε ί ν - die . W ö r t e r sind w e i t g e h e n d auswechselbar* (Schniewind, T h W N T I 57). ' Schniewind, T h W N T I 57. •· Vgl. a b e r 2Sam 7,11; J o s A n t 1,191. ' Z u r T r a d i t i o n s g e s c h i c h t e u n d B e d e u t u n g des B e g r i f f s ε ύ α γ γ έ λ ι ο ν vgl. F r i e d r i c h , T h W N T II 705-735; S t u h l m a c h e r , E v a n g e l i u m ; M e r k l e i n , V e r s t ä n d n i s . Z u r N ä h e b e i d e r B e g r i f f e s.o. Kap.I A n m . 1 5 3 und u n t e n S.494f. « Schniewind, T h W N T I 56. ^ M e r k l e i n , V e r s t ä n d n i s 283. So steht ε ύ α γ γ ε λ ί ^ ε σ θ α ι f ü r i t o u n d ε ύ α γ γ έ λ ι ο ν f ü r mita.

G r i e c h i s c h e L e x e m e für V e r s p r e c h e n

51

Schniewind/Friedrich unterscheiden für ε π α γ γ ε λ ί α κτλ. im Einzelnen 7 Bedeutungen®: 1. bekanntgeben; 2. befehlen, fordern; 3. erstatten einer Anzeige, erheben einer Klage (term.techn. der Gerichtssprache); 4. sich zu etwas bekennen; 5. versprechen, geloben; 6. Geldversprechen; term.techn. für Schenkung, Spende, Stiftung (oft an Tempel, Kulte, Götter). - Das Wort „erhält hier ... sakralen Klang". 7. «Ein geprägter Sakralgebrauch" entsteht schließlich in Kleinasien. 'Επαγγελία „ist Terminus für die Ankündigung eines Festes."' Für unsere Untersuchung wesentíich ist allein das engere Bedeutungsfeld .versprechen'. Der häufigste Ausdruck hierfür ist im Griechischen allerdings ύπισχνέομαι κτλ.^". Es bezeichnet „ein Anerbieten aus freien Stücken ... das immer eine Pflicht in sich schließt"'' für den Versprechenden. Dagegen betont έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι κτλ. ganz einseitig den „Begriff des freien Anerbietens, zu dem man durch nichts gezwungen war"'^ das aus eigenem Antriebe gegeben wurde. „Der Begriff des έπαγγέλλεσθαι ist ... in dem des ύπισχνείσθαι eingeschlossen"^·''. Sowohl bei griechischen Schriftstellern^'' als auch in jüdischen Schriften der Zeit können ύπόσχεσις/ύπισχνέομαι und έ π α γ γ ε λ ί α / έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι dementsprechend auch weitgehend synonym gebraucht werden'^. Das gilt in

" T h W N T II 573f. Dabei f o l g e n sie bei a ) - d ) Pape, H a n d w ö r t e r b u c h 787f. Vgl. d a r ü b e r h i n a u s B o n h ö f f e r , Epiktet 204, der d a r a u f hinweist, d a ß ε π α γ γ ε λ ί α bei . E p i k t e t , o h n e Z w e i f e l auch hierin stoischen V o r g ä n g e r n f o l g e n d , ... f ü r den . B e g r i f f eines Dinges oder W e s e n s oder die V o r s t e l l u n g , w e l c h e ein W o r t o d e r N a m e erweckt, die F u n k t i o n , die man der W o r t b e d e u t u n g n a c h von ihm e r w a r t e t " steht und er „von der epaggelia des M e n s c h e n , des P h i l o s o p h e n , des Bürgers, a b e r auch von der epaggelia des B e d i n g u n g s - und D i s j u n k t i o n s s a t z e s · spricht. ' T h W N T II 574.576. Vgl. Schmidt, Synonymik 229: ,Im a l l g e m e i n e n ... v e r s t e h e n wir unter V e r s p r e c h u n g e n freiwillig g e m a c h t e A n e r b i e t u n g e n , die aber d a d u r c h doch zu V e r p f l i c h t u n gen w e r d e n k ö n n e n , dass der a n d e r e sich d a r a u f verlässt und d a r n a c h h a n d e l t . In diesem U m f a n g e n u n e n t s p r e c h e n sich: v e r s p r e c h e n und ύ π ι σ χ ν ε ί σ θ α ι , das V e r s p r e chen und ύπόσχεσις' (Schmidt, H a n d b u c h 64). " Schmidt, Synonymik 229; vgl. auch Z i e n e r , B e g r i f f s s p r a c h e 78: ,ύπόσχεσις ist ein v e r t r a g l i c h f e s t g e l e g t e s V e r s p r e c h e n * ... „ ε π α γ γ ε λ ί α ist d e m g e g e n ü b e r ein f r e i e s V e r s p r e c h e n G o t t e s ' (ebd. A n m . 4); er verweist h i e r f ü r auf Hastings, Dictionary of the Bible (Vol. IV), E d i n b u r g h 1947 105a; vgl. auch P a p e , H a n d w ö r t e r b u c h 788. " Schmidt, Synonymik 229. „Das so v e r s p r o c h e n e heißt ε π ά γ γ ε λ μ α , w e n i g e r g e nau ε π α γ γ ε λ ί α , mit dem m e h r der V o r g a n g selbst b e z e i c h n e t w i r d ' (Schmidt, H a n d buch 65). " Schmidt, H a n d b u c h 65. N a c h Schmidt ist die U n t e r s c h e i d u n g zwischen b e i d e n , wie sie sich bei alten G r a m m a t i k e r n f i n d e t (er f ü h r t z.B. A m m o n . p. 139 an: ύπόσχεσις και ε π α γ γ ε λ ί α διαφέρει, ύ π ι σ χ ν ε ϊ τ α ι uèv γάρ ó τό άξιωθέν διδόναι μ έ λ λ ω ν ε π α γ γ έ λ λ ε τ α ι δέ ό άφ' έαυτοϋ δώσειν όμολογήσας) zu einseitig und b e s c h r ä n k t (ebd.). Vgl. z.B. D e m o s t h e n e s Or. 19,178; A p p i a n , Mith. 312,3; Polybius 5,36,4; 8,17,2; 21,15,11; P l u t a r c h A e m . 8,41 und h ä u f i g e r auch in der griechischen L i t e r a t u r des 2.-5.Jh n.Chr (Dio Cassius, Libanius). " S c h n i e w i n d / F r i e d r i c h weisen auf die Synonymität beider W o r t g r u p p e n bei den G r i e c h e n hin ( T h W N T II, 574 A n m . 5 ; vgl. schon Pape, H a n d w ö r t e r b u c h 788; S c h n i e wind, T h W N T I 69 A n m . 4 f ü h r t d a n e b e n POxy XI 1381,150 an, das von e i n e m V e r s p r e c h e n an die G o t t h e i t [ κ α τ η γ γ ε λ μ έ ν η ν ύπόσχεσιν] h a n d e l t ) ; zu S c h a r b e r t s.u. Anm.29. F ü r die F r a g e der R e d e von G o t t e s V e r h e i ß e n ist diese Feststellung a l l e r dings, soweit ich sehe, bisher k a u m f r u c h t b a r g e m a c h t w o r d e n (obwohl Weish 12,21 und Sib 3,767 schon bisher selbstverständlich als Parallelstellen h e r a n g e z o g e n w u r -

52

II. Lexikalische Grundlagen

den jüdischen Schriften sowohl für die Bedeutung .Versprechen'!® als auch für die Bedeutung .Verheißung'^'' (d.h. ein Versprechen, dessen Geber Gott ist). V o n Interesse für die weitere lexikalische Rückfrage ist allein diese Bedeutung. Für sie ist nach weiteren synonymen L e x e m e n zu fragen.

B. Verheißen eines Gottes im griechischen Schrifttum V o m Verheißen eines Gottes ist in vorchristlicher Zeit offenbar lediglich in zwei Inschriften die Rede^®. A u s der einen, der sogenannten .delischen Sarapisaretalogie' (DittSylP 663,25ff), zitieren bereits Schniewind/Friedrichi'. D i e andere, Sb 7172,27f, stammt aus einer ägyptischen Inschrift zu Ehren der Krönung Ptolemaios IV. (217 v.Chr)^". In beiden geht es u m den Beistand, den Götter E i n z e l nen gewähren. In der griechischen Literatur ist ε π α γ γ ε λ ί α im Sinne einer H e i l s zusage von Göttern erst in einem Beleg aus dem 2Jh.n.Chr. nachweisbar (Pausanias 10,22,13)^!. Z w e i weitere Belege finden sich mit ύ π ό σ χ ε σ ι ς (Dio Chrysostomus 1,12,422. Lucian, Alex. 35,1").

den, s.u. Anm.73). Die einzige Ausnahme habe ich in einer Dissertation zu Hebr 11,8-19 gefunden. Dort findet sich der knappe Hinweis, daß Philo ύπόσχεσις gebraucht, wo sich bei Paulus έπαγγελία findet (Mercado, Language 124). Ein Grund f ü r die weitgehende Vernachlässigung von ύπόσχεσις κτλ. in diesem Zusammenhang könnte die Übernahme und Verstärkung der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen ε π α γ γ ε λ ί α und ύπόσχεσνς bei den alten Grammatikern sein (s.o. Anm.l3). Zumindest stellt Lightfood, Galatians 139 fest: ,The divine promise in the New Testament is always επαγγελία not ύπόσχεσις, .pollicitum' not .promissum', a gift graciously bestowed and not a pledge obtained by négociation". Doch schon die Vulgata gibt ε π α γ γ ε λ ί α in den allermeisten Fällen mit prowissio/promissum wieder (s.u. S.67). 2Makk 4,8.9; Philo Imm. 10,146.149; Congr. 18.134.138; JosAnt 1,320.321; 14,30.31. " Philo Mut. 154.201; JosAnt 2,272.275; 3,23-35; 5,39.40; 7,373; 8,24 u.ö.; später auch Justin Dial. 67,9f; 116,2; 119,4. Dagegen kennt der Polytheismus wohl ein Schwören der Götter untereinander (wobei der Gott Re in Ägypten auch bei sich selbst schwor, vgl. vSeebaß, TRE 9 377). " Έπηνγείλατο δ' έμοί à θεός κατά τάν υπνον οτι νικήσομεν (vgl. ThWNT II 575 Anm.23; vgl. auch Braun, Hebräer 101f.l83f). " Τήν πάσαν έπιμέλειαν έποιήσατο ευχάριστων τοίς θεοίς έπί τώι συν[τελ]έσαι αυτούς, α έπηγγείλαντο [αύτώι ά]γαθήι τύχηι (vgl. Bauer, Wörterbuch 568). Καν ό θεός σφας ούκ εϊα φοβεΐσθαν, φυλάξειν δέ αύτός έπηγγελετο τα έαυτοΰ. οί δέ άφικόμενοι τιμωρεϊν τω θεώ τοσοίδε έγένετο ' Ε λ λ ή ν ω ν ^^ Als Dio im J a h r e 82 n.Chr. von Domitian aus Rom und Italien verbannt wurde, verfaßte er einen Diskurs über die Verbannung. Hier erinnert er u.a. an Odysseus, den selbst eine schöne und gute Göttin nicht über sein Schicksal und das seines Landes hinwegtrösten könnte, auch wenn sie ihm verhieße, ihn unsterblich zu machen (ύποσχέσθαι ποιήσετν αύτόν άθάνατον). ^ Ό δέ έβδομηκοντούτης άπέθανεν μελαγχολήσας, ού περιμείνας τήν του θεού ύπόσχεσιν. Der Kontext ist ironisch. Der falsche Prophet Alexandres hat im Namen des Gottes Asklepios einem Mann geweissagt, er werde über hundert J a h r e leben, dieser aber stirbt siebzigjährig ,ohne auf die Verheißung des Gottes zu warten'.

Verheißen eines Gottes im griechischen Schrifttum

53

Der Befund läßt zumindest erkennen, daß der G e d a n k e eines verheißenden Gottes im Hellenismus nicht unbekannt war^'·. U m hier zu weiteren Ergebnissen und u.U. dann auch zu verantwortbaren religionsgeschichtlichen Vergleichen zu kommen, müßten noch zumindest in zweifacher Hinsicht Untersuchungen a n g e stellt werden. Z u m einen wären angesichts der Zweisprachigkeit des römischen Reiches auch die lateinischen Zeugnisse auszuwerten. Eine Durchsicht von e i n schlägigen Lexika verspricht hier zwar kein grundsätzlich anderes Bild. Jedoch zeigt mir ein Zufallsfund, daß auch dort von Verheißungen der Götter an Menschen die R e d e sein kann^^. Z u m anderen wäre allgemein nach dem Verhältnis von Göttern und Menschen in der griechischen und lateinischen L i t e ratur zu fragen. Wiederum mag ein Zufallsfund ein Schlaglicht auf mögliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede werfen. Am Ende der Odyssee vollzieht Odysseus nach seiner Rücklcehr gemeinsam mit seinem Sohn Telemachos die Rache an den eingedrungenen Freiern seiner Frau. Die Frage ist nun, ob durch die Sippenrache das Blutvergießen immer weiter gehen wird. In dieser Lage berät sich Athene mit ihrem Vater Zeus und er sagt ihr, was recht ist; Weil nunmehr an den Freiern Odysseus Rache genommen, schwöre man heiligen Bund (öpKia πιστά τάμοντες); er bleib' ihr König für immer. Und wir wollen der Söhn' und der leiblichen Brüder Ermordung aus dem Gedächtniß tilgen; sie sollen sich unter einander lieben, wie sonst, und gedeihen in Reichthums Fülle und Frieden (πλίΐΐηος δέ και είρήνη)^^. Das ganze Buch endet damit, daß Athene tatsächlich die Rache beendet und den Bund (ορκια) zwischen Odysseus und den anderen erneuert (24,545ff) und so ,das uralte Gesetz der Sippenrache, nach der Blut immer wieder Blut fordert, durch eine neue, von Vergessen und Liebe bestimmte Rechtsordnung ersetzt"^^. Einige Züge erinnern an eine Verheißung wie 2Sam 7. Jeweils geht es um einen König und seinen Sohn und um das Handeln eines Gottes, das ihnen und ihrem Volk Reichtum und Frieden sichert. Der Bund bzw. Schwur allerdings wird bei Homer zwischen Menschen getätigt, und das Vorhaben des Zeus und der Athene ist zwar dem Leser bekannt, wird aber nicht dem Odysseus schon vorher als Zusage der Athene oder des Zeus versprochen^®.

" Schniewind/Friedrich, ThWNT Π 575 und Sand, EWNT II 35 urteilen hier noch skeptischer. In der Tat begegnet das Motiv - zumindest im Zusammenhang dieser Begriffe - sicherlich nicht sehr viel häufiger, wie ich bei der Durchsicht von über 1100 Belegen zu ε π α γ γ ε λ - (369), επηγγελ- (285), υποσχεσ- (458) aus griechischen Schriften des 5.Jh. v.Chr. bis 6.Jh. n.Chr. feststellen konnte. (Peter Pilhofer, Münster, der diese Stellen mit Hilfe des Computers aus dem Thesaurus Linguae Graecae [TLG CD-ROM C] herausgesucht und mir zur Verfügung gestellt hat, danke ich herzlich). Die Belege für όρκος κτλ. wurden zwar nicht in gleichem Umfang durchgesehen. Aber eine erste Durchsicht der im Thesaurus Graecae Linguae abgedruckten Belege bestätigte den Befund. Häufig wird zwar bei einem Gott geschworen, und Götter überwachen die Einhaltung eines Schwurs. Aber Belege dafür, daß ein Gott selbst Menschen Gutes schwört, habe ich nicht gefunden. " Horaz [65-8 v.Chr.] Od. I,7,28f: certus enim promisit Apollo ambiguam tellure nova Salamina futuram. ^ Homer, Odyssee 24,481ff (Übersetzung nach F.W. Ehrenthal, Leipzig, 1878). " Funke, Homer 136. ^ Funke übersetzt zwar: ,laß einen Bund uns beschwören auf Treu und Glauben" (ebd.) und denkt also offensichtlich an eine Vereinbarung zwischen Zeus und

54

II. L e x i k a l i s c h e G r u n d l a g e n

Diese Beispiele mögen zeigen, daß auch ein religionsgeschichtlicher Vergleich noch einige interessante Ergebnisse erwarten lassen könnte. Ein größerer Einfluß solcher antiker Traditionen auf die Rede von Gottes Verheißen im Frühjudentum ist angesichts der dürftigen Zahl von Belegen, der inhaltlich anderen Akzente und der überdeutlichen atl. Traditionslinien allerdings unwahrscheinlich^'. Deshalb kann sich die Untersuchung im Weiteren auf die frühjüdischen und frühchristlichen Schriften beschränken.

C. Synonyme für Gottes Verheißen in frühjüdischen Schriften Selbst wenn im Neuen Testament ϋπισχνέομαι κτλ. nicht begegnet und es wohl deshalb bisher kaum je für die Traditionsgeschichte hinreichend berücksichtigt wurde, sollte es bei der Untersuchung der Rede von Gottes Verheißungen in den frühjüdischen Schriften neben ε π α γ γ ε λ ί α κτλ. herangezogen werden^". Als weitere Synonyme sind aber auch ορκος und όμνύω (hehr. Wurzel wnii») zu berücksichtigen. Sie stehen sogar wohl, wie die weitere Untersuchung zeigen wird, traditionsgeschichtlich mit am Anfang der Rede von Gottes Verheißen im griechischsprachigen Judentum^'. In der LXX ist όμνύω fast regelmäßig Äquivalent

A t h e n e . A b e r die A u f n a h m e von δρκια in 24,545f zeigt doch, d a ß schon hier der F r i e d e n s b u n d zwischen Ody.sseus und seinen W i d e r s a c h e r n g e m e i n t ist. " G e g e n S c h a r b e r t , H T h O II 755, der meint: . D a s h e l l e n i s t i s c h e J u d e n t u m ü b e r n i m m t aus dem G r i e c h i s c h e n die auch dort schon gelegentlich f ü r göttliche, in d e r Regel a b e r f ü r p r o f a n e V e r s p r e c h u n g e n g e b r a u c h t e n B e g r i f f e ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι ε π α γ γ ε λ ί α .. und έ π ι σ χ ν έ ο μ α ι [gemeint ist o f f e n s i c h t l i c h ύπνσχνέομαν, G.S.] ύπόσχεσις f ü r die göttlichen Heilszusagen." E r n e n n t k e i n e Belege f ü r diese E i n schätzung! ^ K o m p o s i t a wie κ α θ ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι , καθύπισχέομαι, προυπισχνέομαι (bei J o s e p h u s ) sind recht selten und h a b e n keine e i g e n s t ä n d i g e B e d e u t u n g . Sie k ö n n e n d e s h a l b jeweils im Z u s a m m e n h a n g m i t b e r ü c k s i c h t i g t w e r d e n . " In Schmidt, Synonymik f e h l e n b e i d e nicht nur an dieser Stelle s o n d e r n a u c h im Register ( e b e n s o in Schmidt, H a n d b u c h ) . Sie k ö n n e n a b e r auch im p r o f a n e n G r i e chisch synonym g e b r a u c h t w e r d e n zu ε π α γ γ ε λ ί α u n d zu ύπόσχεσις: - ε π α γ γ ε λ ί α - ορκος bei H e l i o d o r u s A e t h . 4,16,10,6; 7,23,6,6 (3.Jh. n.Chr.); L i b a n i u s Prog. 11,1,6,6 (4.Jh. n.Chr.); vgl. im j ü d i s c h e n S c h r i f t t u m PsSal 17,3f; Philo A b r . 273; Leg.All. 3,203; J o s A n t 6,229; nicht n u r in der j ü d i s c h e n L i t e r a t u r ist - wie bei έ π α γ γ ε λ ί α ν έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ν - die b e k r ä f t i g e n d e F o r m δρκον όμνύω gebräuchlich.^ - ύπόσχεσις - ορκος z.B. bei Plato, P h a e d r . 241a,8 (όρκομόσιά τε καΐ υποσχέσεις; 4.Jh.v.Chr.); L i b a n i u s Or. 29,6,5. - ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι - όρκος bei L i b a n i u s Or. 53,8,8 (vgl. ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι - όμνύω bei J o s A n t 4,133; 17,72). Auf die s a c h l i c h e V e r w a n d s c h a f t von V e r s p r e c h e n und S c h w ö r e n weist a u c h die übliche U n t e r s c h e i d u n g zwischen a s s e r t o r i s c h e n und promissorischen (!) E i d e n (vgl. z.B. S c h n e i d e r , T h W N T V 459) hin. Bereits C e r f a u x und a n d e r e h a b e n n e b e n b e i d a r auf a u f m e r k s a m g e m a c h t , d a ß das T h e m a der V e r h e i ß u n g an die V ä t e r im Buch G e n e s i s h ä u f i g d u r c h die B e g r i f f e ορκος und ομνυμι r e p r ä s e n t i e r t wird (s.o. Kap.I Апш.92).

Synonyme f ü r G o t t e s V e r h e i ß e n

55

der hebräische Wurzel ua«) (ni.)'^. Diese weist im masoretischen Text ein dem griechischen επαγγέλλομαι in vielem ähnliches Bedeutungsspektrum auf. Sie scheint „sehr oft nur .versprechen' zu bedeuten", kann aber auch „praktisch synonym" sein „mit ,sich zu Jahwe bekennen'"^^. Und schließlich heißt es „von Jahwe, er habe sich .eidlich verpflichtet'"^'*. „Der Gebrauch der Vokabel weist also darauf hin, daß Jahwe sein Handeln voraus anzeigt, und daß diese A n zeige unwiderruflich, für ihn selber verpflichtend ist"^^. Zuerst begegnet die R e de vom Schwören Gottes dabei im Kontext der Gerichtspredigt der vorexilischen Gerichtspropheten Amos und Jeremia. Hier findet sich mehrfach die Aussage, daß Gott bei sich selbst schwört, Gericht zu halten über Israel·'"', aber auch über die Völker^"'. Auch wenn im Lauf der weiteren Entwicklung auch das Gerichtshandeln Gottes noch eine Rolle spielt, tritt doch im Zusammenhang mit Gottes Schwören die Heilsverkündigung völlig in den Vordergrund^^. Ausgehend von Überlieferungen im Deuteronomium ist es dabei vor allem die Verheißung des Landes, das der Herr den Vätern geschworen hat zu geben, die im deuteronomistischen Geschichtswerk zur festen Formel wird-^'. Aber auch die Mehrungsver-

" S c h n e i d e r , T h W N T V 177; zur Wurzel УЗШ im Alten T e s t a m e n t vgl. i n s b e s o n d e r e Giesen, W u r z e l . " Keller, T H A T II 856.861. D e m e n t s p r e c h e n d übersetzt die L X X es in J e s 45,23 mit έξομολογέω. " E b d . 861. " E b d . 862. ^ Vgl. A m 4,2 (Samaria); 6,8; 8,7 ( J a k o b ) . „Der älteste Z e u g e der E i d e G o t t e s im A T ist A m o s ' ( S c h n e i d e r , T h W N T V 461 A n m . 21). A u c h J e r 22,5; 28,14; 51,26 f i n d e n sich ä h n l i c h e A u s s a g e n . Z w a r sind viele der Belege f ü r das Schwören G o t t e s (vor allem im K o n t e x t der L a n d v e r h e i ß u n g ) bei J e r e m i a sicher auf die d e u t e r o n o m i s t i s c h e R e d a k t i o n des P r o p h e t e n b u c h e s z u r ü c k z u f ü h r e n , aber z u m i n d e s t f ü r 28,14 ist wohl k e i n e R e d a k t i o n a n z u n e h m e n (vgl. Thiel, J e r e m i a 26-45 10). " Vgl. J e r 29,13: E d o m (nach Thiel, J e r e m i a 26-45 16 g e h ö r t der V e r s zur d e u t e ronomistischen Redaktion). " Im dtr. G e s c h i c h t s w e r k wird Israel in der W ü s t e zum Modell des G e r i c h t s h a n delns Gottes, i n s o f e r n das u n g e h o r s a m e Volk das L a n d nicht erhält, das Gott ihren V ä t e r n z u g e s c h w o r e n h a t t e (vgl. N u m 14,23; 32,10; Dtn 1,34; 2,14; auch Ч' 94,11: ,ich schwor in m e i n e m Z o r n : Sie sollen nicht zu m e i n e r R u h e kommen"). Ä h n l i c h schwört Gott dem a b f a l l e n d e n Israel in der R i c h t e r z e i t U n h e i l (Ri 2,14). Doch in „der M e h r zahl der Fälle v e r p f l i c h t e t sich J a h w e , den M e n s c h e n G u t e s zu tun" (Keller, T H A T II 862). Dabei schwört er z.T. a u s d r ü c k l i c h bei sich selbst ( G e n 22,16; Ex 32,13; Dtn 9,27; 32,40; -Φ- 88,36; J e s 45,23; 62,8; J e r 22,5; 28,14; 29,13; 51,26, vgl. Philo Leg.All. 3,203; H e b r 6,13). " Την γήν, ήν ώμοσα τοις πατράσιν u.a. (insgesamt begegnet die F o r m e l m e h r als 40x in d e r LXX). Vgl. Dtn 1,8.35; 6,10.18.23; 7,13; 8,1; 10,11; 11,9.21; 19,8; 26,3.15; 28,11; 30,20; 31,7.20f; 34,4. A u c h wenn die Z u w e i s u n g der Texte zu möglichen Ü b e r l i e f e r u n g s s c h i c h t e n im einzelnen umstritten bleibt, so ist doch deutlich, d a ß diese F o r m e l „vor allem in sing, wie plur. R a h m e n s t ü c k e n des Dtn.s und in späten T e x t e n dieses Buches" begegnet ( P r e u ß , D e u t e r o n o m i u m 186). Perlitt, B u n d e s t h e o l o g i e 68 hält die E n t s t e h u n g der L a n d s c h w u r ü b e r l i e f e r u n g dagegen f ü r eine E n t w i c k l u n g der Zeit zwischen J und Dtn, die im Dtn bereits abschlossen sei, „wie die u n r e f l e k t i e r t e S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k e i t der W e n d u n g von Dtn 7,13b beweist"; vgl. auch Perlitt, Motive 55f, wo er L a n d s c h w u r und L a n d g a b e f o r m e l n zu den K e n n z e i c h e n schon der dtn L a n d t h e o l o g i e zählt, d e r e n i n h a l t l i c h e r Kern, wie er sich in Dtn 12-26 n i e d e r s c h l ä g t , b e r e i t s v o r - d t r sei. W e s t e r m a n n , V e r h e i ß u n g e n 137f, der sich e b e n f a l l s gegen e i n e

56

II. Lexikalische G r u n d l a g e n

heißung wird mehrmals genannt als Inhalt des Schwurs Gottes an die Väter^°. Schließlich ist im dtrG auch von einem Bund mit den Vätern die Rede, zu dem Gott sich selbst verpflichtet''^ Vermutlich eine Bildung der Spätzeit ist dabei die Kennzeichnung der Davidsverheißung'*^ als Bund, die nur in poetischen Texten begegnet'^'. Daneben ist Inhalt der Selbstverpflichtung Gottes mehrmals auch allgemein sein Erbarmen und seine Treue"". Schließlich bezieht sich Gottes Eid bei Deutero- und Tritojesaja mehrfach auf die neue Heilszeif^. Manchmal kann auch όμολογέω die Bedeutung .versprechen' bzw. .verheißen' annehmen"®. Im Judentum und Urchristentum bezeichnen das Lexem und seine Komposita (έξομολογέω, άνθομολογέομαι) in der Mehrheit der Fälle aber

Spätdatierung der S c h w u r f o r m u l i e r u n g der L a n d v e r h e i ß u n g in die Zeit des Exils wendet, nimmt sogar an, die Bemühung eines Schwurs entspräche der Situation der Unsicherheit vor und bei der L a n d n a h m e . A u c h Gen 24,7; 26,3; 50,24; Ex 13,5.11; 32,13; 33,1; N u m 11,12; 14,23; 32,10f; J o s 5,6; 21,23f; Ri 2,1 sind der dtr Schule z u z u ordnen. Jer 39,22 gehört zur dtr R e d a k t i o n des Prophetenbuches, ähnliches läßt sich vermuten f ü r Ez 20,6; vgl. d a r ü b e r hinaus Bar 2,34. Das Land ist f ü r die vom Dtn b e e i n f l u ß t e L i t e r a t u r „Jahwes zentrale Heilsgabe an sein Volk schlechthin" (Preuß, D e u t e r o n o m i u m 191). Z u r .Doktrin' vom v e r h e i ß e n e n Land im Alten T e s t a m e n t und im F r ü h j u d e n t u m insgesamt vgl. Davies, Gospel 15-160 und den Sammelband von Strecker, L a n d . Dtn 7,13; 13,18; 28,11; (Preuß, D e u t e r o n o m i u m 186 nennt noch weitere Stellen, an denen allerdings ν3ΐ2):/όμνύω nicht begegnen). In Gen 26,3f und Sir 44,20f ist der Segen, der A b r a h a m f ü r die Völker sein soll, Inhalt der Zusage. Vgl. Dtn 4,31; 7,12; 29,12. Der Bundesgedanke im Dtn ruht d e m n a c h »seinem Schwergewicht nach auf der V ä t e r v e r h e i ß u n g " (Rad, Gottesvolk, zitiert nach Perlitt, Bundestheologie 64). In Dtn 29,12 wie auch in J e r 11,5 wird mit der Vorstellung des V ä t e r b u n d e s zusammen aber auch die sogenannte .Bundesformel' a n g e f ü h r t (,ihr sollt mein Volk sein und ich will euer Gott sein"; zur B u n d e s f o r m e l vgl. auch Schmid, Gott, der ebd. 16 feststellt, daß ,die Beziehung der Formel zum T h e m a .Bund' ... äußerst locker" sei) und in Jes 54,9f; Bar 2,34 ein nicht h i n f a l l e n d e r , ewiger .Bund' versprochen; vgl. auch Ψ 104,8 = I C h r 16,16. Ez 16,8 verweist auf den E h e b u n d Gottes mit Israel. « Vgl. 2Sam 3,9; ^ 88,50 (im NT: Apg 2,30): ώμοσεν. " Ψ 88,4.36; [131,11]; Weish 18,22. In dem f ü r die Davidverheißung (auch w i r kungsgeschichtlich) zentralen Text 2 Sam 7 fehlt sowohl die K e n n z e i c h n u n g als Bund, als auch die R e d e vom Schwur Gottes (vgl. Perlitt, Bundestheologie 49; an ihrer Stelle steht λ έ γ ε ι κύριος παντοκράτωρ [V8] und ά π α γ γ ε λ ε ί [ V i l ] ) . Die V o r s t e l lung entstand vermutlich erst, „als Israel die Tradition der Davidverheißung in eine ausgearbeitete, alles b e h e r r s c h e n d e Bundestheologie" einordnen konnte (Perlitt, Bundestheologie 51). Sie zeigt, daß es in der nachexilischen .Zeit der Konsolidierung eine zeitweilige Schwerpunktverlagerung" (Giesen, Wurzel 371) gegeben hat g e g e n über der in der exilischen Zeit im dtn Konzept völlig dominierenden L a n d v e r h e i ßung. « Έ λ ε ο ς ( ί ο π ) : Dtn 7,12; Mi 7,20; Jes 54,9f, jeweils parallel zum Bund; -ψ- 88,.50 im Blick auf David (vgl. auch Dtn 13,18 D 'Dm); άλήt^εш: -ψ- 88,36.50 (π J 1ПН); Mi 7,20 (nns). « Vgl. J e s 45,23; 54,9; 62,8f und Giesen, Wurzel 383. « Die L X X - H a n d s c h r i f t B^ liest es in Ez 16,8 f ü r ώμοσα; in A p g 7,17 lesen F", W A B C und weitere Textzeugen ε π α γ γ ε λ ί α ς , ής ώμολόγησεν ό ΰεός. ( έ π η γ γ ε ι λ α τ ο b i e ten Ρ"' D Ε ρ vg™" mae; ώμοσεν lesen ψ, der Mehrheitstext, gig sy*··' bo). Vor allem bei Philo kann όμολογέω in vergleichbarer Weise eine . f e i e r l i c h e Aussage Gottes in der Schrift" (Michel, T h W N T V 206) bezeichnen: Philo Mos. l,71f; 1,86 (parallel zu ύπισχνείται!); A b r . 275; Det. 60; Ebr. 39 (άμολογίαις); Mut. 51; Somn. 1,174; vgl. auch J o s A n t 8,113.207; 9,96.

Synonyme für Gottes V e r h e i ß e n

57

ein menschliches Tun, insonderheit ein Bekennen (Sündenbekenntnis oder Glaubensbekenntnis) und auch Lobpreisen''''. Von daher ist όμολογέω hier auch nur mit Einschränkungen zu den Synonymen zu rechnen''^. Mit Gottes Schwören eng zusammen steht schließlich bereits im Deuteronomium mehrfach der Begriff διαθήκη (л'лз)'*®. Als wichtiger zusammenfassender Begriff für Gottes Zusagen und sein Erwählungshandeln an Israel hat er sachlich z.T. enge Berührungspunkte mit den bisher genannten Lexemen. Das zeigen bereits die verschiedenen in der alttestamentlichen Forschung üblich gewordenen Differenzierungen innerhalb des Bundesbegriffes, wie etwa die Unterscheidung zwischen .Verheißungsbund' und ,Gesetzesbund'^°. Auch wenn man von den Empfängern her die Noah-foer/i, Abraham-ber/i, Sinai-berit, David-öerii sowie „die prophetische(n) und eschatologische(n) Rede von herit' unterscheidet, zeigen sich Überschneidungen, sind doch Noah, vor allem aber Abraham und David wichtige Verheißungsempfänger^^ Es bleiben aber auch wesentliche U n terschiede. So ist zwar Gott immer „Subjekt seiner jeweiligen Setzung", und die Rede vom Bund dient zuerst „der Zusicherung unbedingten Heils". Doch nichtsdestotrotz bleibt die alttestamentliche Rede vom Bund ein spannungsvoller Zusammenhang, und neben der Abrahams- und Väter-beni, bei der die einseitige

Vgl. Michel, T h W N T V 199-220. N a c h Schmidt, Synonymik 230 b e d e u t e t es , d i e bloße V e r a b r e d u n g ... mit einem O b j e k t e (oder in o b j e k t i v e m V e r h ä l t n i s s e s t e h e n d e n Satze) j e d o c h das in dieser V e r a b r e d u n g e n t h a l t e n e Versprechen*. Die w e i t e r e n Synonyme, die er noch f ü r .versprechen' n e n n t (άναδέχομαι, ύπο&έχομαι, υφίσταμαι, ύποστήναι), spielen in u n s e rem Z u s a m m e n h a n g im j ü d i s c h e n S c h r i f t t u m k e i n e w e s e n t l i c h e Rolle und w e r d e n d e s h a l b im f o l g e n d e n nicht in die U n t e r s u c h u n g mit e i n b e z o g e n . Z u n e n n e n ist an dieser Stelle d a g e g e n noch Arist 212, wo das s e l t e n e προσημαίνω f ü r G o t t e s V e r h e i ßen g e b r a u c h t wird. « Vgl. Dtn 4,31; 7,12; 29,12; auch in -ir 104,8ff stehen Bund und Eid parallel. Im f r ü h j ü d i s c h e n S c h r i f t t u m vgl. z.B. Weish 18,22; J u b 6,11; A s s M o s 1,9; 3,9; 12,13. Die Ü b e r s e t z u n g .Bund' f ü r Л ' П З wird von einigen F o r s c h e r n sachlich nicht f ü r a n g e messen g e h a l t e n (vgl. Kutsch, T R E 7 399; Perlitt, B u n d e s t h e o l o g i e 284; zu 2Kor 3 auch H o f i u s , Gesetz 106). J e d o c h , . w e n n es richtig ist, d a ß in den t h e o l o g i s c h e n t / r í í - A u s s a g e n des A T mit den z u n ä c h s t einseitigen V e r p f l i c h t u n g s h a n d l u n g e n e i n e zweiseitige V e r b i n d l i c h k e i t gesetzt wird, d a n n ist die Ü b e r s e t z u n g mit .Bund' nicht nur möglich, s o n d e r n sie sollte f e s t g e h a l t e n w e r d e n " ( G r ä ß e r , Bund 7; vgl. auch H e g e r m a n n , E W N T I 720, sowie die - vorsichtigeren - s e m a n t i s c h e n E r w ä g u n g e n in Barr, N o t e s ) . Kutsch, T R E 7 397 mit V e r w e i s auf Clements, P r o p h e c y und Z i m m e r l i , S i n a i b u n d . W a r schon in f r ü h e r e n J a h r e n der B u n d e s b e g r i f f h ä u f i g e r z e n t r a l e K a t e g o r i e f ü r T h e o l o g i e n des A l t e n T e s t a m e n t s , so hat es in j ü n g e r e r Zeit n e u e r l i c h M c C o m i s key. C o v e n a n t s u n t e r n o m m e n , auf dem H i n t e r g r u n d eines (von d o g m a t i s c h e n P r ä missen b e s t i m m t e n , weithin u n h i s t o r i s c h e n ) heilsgeschichtlichen A n s a t z e s mit H i l f e einer ä h n l i c h e n U n t e r s c h e i d u n g (.promise c o v e n a n t ' und .administrative c o v e n a n t ' ) e i n e »Theology of the Old T e s t a m e n t C o v e n a n t s " (so der U n t e r t i t e l des Buches) zu e n t w e r f e n (vgl. auch J o h n Bright, C o v e n a n t and Promise, L o n d o n , 1977). Schon zuvor hat Periitt, B u n d e s t h e ç l o g i e 284 a l l e r d i n g s beklagt, d a ß der Begriff Л ' П З in solchen Z u s a m m e n h ä n g e n zu „einem alle N u a n c e n des religiösen R e i c h t u m s I s r a els v e r s c h l i n g e n d e n Moloch" w e r d e . " Vgl. Schmidt, V o r s t e l l u n g e n ( Z i t a t 162). A u c h im Blick auf den n e u t e s t a m e n t lichen G e b r a u c h w u r d e schon h ä u f i g e r in der F o r s c h u n g auf den engen Z u s a m m e n h a n g von V e r h e i ß u n g und Bund hingewiesen, s.o. Kap.I Anm.151.

58

П. L e x i k a l i s c h e G r u n d l a g e n

Heilssetzung im Vordergrund steht, wird auch „die .gesetzliche' Rede von Bund in Gestalt der Sinai-ber/i... gewahrt"'^, so daß im Begriff des Bundes letztlich Zuspruch und Anspruch - mit unterschiedlicher Akzentuierung - immer eng verbunden bleiben. Dieses Nebeneinander von Verheißung und Gesetz hält sich im Bedeutungsfeld des Lexems auch in den frühjüdischen Schriften durch'^. Die sachliche Überschneidung mit Gottes Schwören und Verheißen führt hier an einigen Stellen dazu, daß διαθήκη neben ορκος bzw. έ π α γ γ ε λ ί α und z.T. auch synonym mit ihnen verwandt wird''''. Häufiger noch werden (etwa bei Josephus und Philo) Schriftstellen, an denen ursprünglich vom Bund die Rede ist, als Verheißung interpretiert^·'*. Umgekehrt kann aber auch ein Zusammenhang, der sonst als Schwur bzw. Verheißung Gottes bezeichnet wird, als Bund beschrieben werden'*®. Doch die oben genannte spezifische Eigenart des Bundesbegriffs (in wichtigen Teilen alttestamentlicher und frühjüdischer Tradition), Zuspruch und Anspruch in sich zu verbinden, die ihn von den Lexemen des Schwörens und Verheißens unterscheidet, spricht sachhch gegen eine Einbeziehung von διαθήκη als Synonym in die folgende Untersuchung^^. Hinzu kommt die praktische Erwägung, daß eine zusätzliche Einbeziehung aller diesbezüglichen Stellen den U n tersuchungsgegenstand noch weit stärker ausweiten würde. Dennoch wird im weiteren Verlauf das enge Verhältnis der Rede von der Verheißung und der Rede vom Bund mit im Blick bleiben müssen (vgl. den Exkurs unten S.219f).

Schmidt, V o r s t e l l u n g e n 166f. Vgl. K u t s c h , T R E 7 403-406. Vgl. Weish 12,21 (hier allerdings συνθήκη f ü r διαθήκη und ύπόσχεσις f ü r ε π α γ γ ε λ ί α ) ; Rom 9,4; G a l 3,16f; E p h 2,12; H e b r 8,6 (vgl. später auch J u s t i n Dial. 67,9: καινήν διαθήκην δναθήσεσθαι ό θεός έ π ή γ γ ε λ τ α ι ) · A u s l e t z t g e n a n n t e r Stelle hat b e r e i t s H e g e r m a n n , E W N T I 720 geschlossen, d a ß ε π α γ γ ε λ ί α und διαθήκη s y n o n y m e B e g r i f f e seien (s.o. Kap.I Anm.151). G r ä ß e r , Bund 8 sieht lediglich f ü r ορκος in Lk 1,73 (vgl. z u d e m etwa a u c h Weish 18,22) synonymen G e b r a u c h , bestreitet ihn a b e r f ü r ε π α γ γ ε λ ί α (ebd. Anm.21). " Auf das a u f f ä l l i g e .Bundesschweigen' b e i d e r w u r d e schon h ä u f i g h i n g e w i e sen (zu P h i l o s.u. Kap.III.B. Anm.69; zu J o s e p h u s s.u. S.126.138f). A u c h P a u l u s , der m e h r m a l s den Begriff διαθήκη a u f n i m m t , g e b r a u c h t doch weit h ä u f i g e r u n d o f f e n b a r statt dessen έ π α γ γ ε λ ί α (vgl. oben Kap.I Anm.151.; L ü h r m a n n , G a l a t e r 79 v e r m u t e t , der Begriff Bund sei ihm »zu sehr vom G e s e t z her d e f i n i e r t , w e s h a l b er d a n n n u r noch von der V e r h e i ß u n g s p r i c h t ' ) . " So Gen 22,16ff in A p g 3,25. Bereits i n n e r h a l b der a l t t e s t a m e n t l i c h e n Stellen, auf die sich f r ü h j ü d i s c h e und f r ü h c h r i s t l i c h e V e r h e i ß u n g s r e d e p r i m ä r bezieht, stehen z.T. G o t t e s Z u s a g e n (mit L e x e m e n des R e d e n s ) , sein Schwören u n d sein Bund n e b e n e i n a n d e r (vgl. z. B. Gen 17; Ex 6,6-8; Dtn 7,7-9; 88,4; siehe a u c h oben A n m . 4 1 - 4 3 ) . " Die d a m i t v o r g e n o m m e n e U n t e r s c h e i d u n g zwischen .Bund' u n d . V e r h e i ß u n g ' e n t s p r i c h t sachlich der b e r e i t s a n g e f ü h r t e n a l l g e m e i n e n U n t e r s c h e i d u n g z w i schen . V e r s p r e c h e n ' und . V e r t r a g ' (in dem das V e r s p r e c h e n e i n g e b u n d e n ist in wechselseitige B e d i n g u n g e n , s.o. Kap.I Anm.175). Solche teilweise N ä h e des t h e o l o g i s c h e n B e g r i f f s .Bund' zum . V e r t r a g ' h a t auch s p r a c h l i c h e n A n h a l t am B e d e u t u n g s f e l d von διαθήκη u n d dem v e r w a n d t e n σΰνθηκη. "

D. Übersicht über das Vorkommen der verschiedenen Lexeme 1. έ π α γ γ ε λ ί α / έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι a. Septuaginta

und

Pseudepigraphen

In der LXX begegnen έ π α γ γ ε λ ί α / έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι nicht sehr häufig (επαγγελία 6x, έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι llx, έ π ά γ γ ε λ μ α fehlt) und zudem fast ausschließlich in den späteren, im masoretischen Kanon noch nicht enthaltenen Schriften'''. Sie sind offensichtlich nirgends direkte Übertragung hebräischer Äquivalente. Die Bedeutung der Lexeme entspricht weitgehend dem üblichen hellenistischen Sprachgebrauch-''®. So bezeichnen sie allgemein ein Versprechen, häufiger noch speziell das Geldversprechen®". Daneben kann έ π α γ γ ε λ ί α auch die .Ankündigung' eines Berichtes meinen''^ sowie έπαγγέλλομαι ,sich rühmen' bedeuten.®^ Darüber hinaus wird hier aber auch Gott 4x zum Subjekt des Verheißens, zum Geber der Verheißung®^. Bei den griechischen Pseudepigraphen ist die Bedeutung Verheißung bereits häufiger als die profane Bedeutung Versprechen. Nur έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι findet sich hier 3x im profanen Sinn®'', aber 5x und έ π α γ γ ε λ ί α 8x für Verheißung®'.

" Z i t a t e und S t e l l e n a n g a b e n w e r d e n im W e i t e r e n nach der L X X - A u s g a b e von R a h l f s g e b o t e n . Die Z a h l der zur L X X g e r e c h n e t e n Bücher s c h w a n k t in den e i n z e l nen H a n d s c h r i f t e n und in den T e x t a u s g a b e n . Für PsSal und O r M a n f o l g e ich um der besseren Ü b e r s i c h t l i c h k e i t willen den K o n k o r d a n z e n ( f ü r die LXX; H a t c h / R e d p a t h , C o n c o r d a n c e ; f ü r die P s e u d e p i g r a p h e n : Denis, C o n c o r d a n c e ) u n d z ä h l e sie nicht bei der L X X mit (wie R a h l f s ) , s o n d e r n bei den P s e u d e p i g r a p h e n . Sachlich g e h ö r e n j e doch viele der p s e u d e p i g r a p h e n Belege mit solchen aus der L X X z u s a m m e n . D e s h a l b w e r d e n in der E i n z e l a u s l e g u n g auch b e i d e S c h r i f t g r u p p e n g e m e i n s a m b e h a n d e l t . A n d e r e p s e u d e p i g r a p h e Belege zählen e h e r zur a p o k a l y p t i s c h e n L i t e r a t u r . M i t u n t e r bleibt eine Z u o r d n u n g a b e r auch schwierig; vgl. z.B. T e s t A b r , das in Stone, J e w i s h W r i t i n g s zwei Mal b e h a n d e l t wird: u n t e r der Ü b e r s c h r i f t .Stories of Biblical and early Postbiblical Times" ( 3 3 f f ) u n d unter der Ü b e r s c h r i f t . A p o c a l y p t i c L i t e r a t u r e " (383ff), nicht aber, trotz des N a m e n s , u n t e r der R u b r i k des . T e s t a m e n t s ' ! . " Z u den einzelnen B e d e u t u n g e n von έ π α γ γ ε λ ί α / έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι s.o. S.51. «> V e r s p r e c h e n : Spr 13,12; G e l d v e r s p r e c h e n : Est 4,7; I M a k k 10,15; 3Esr 1,7 ( έ π α γ γ ε λ ί α ) ; Est 4,7; I M a k k 11,28; 2Makk 4,8.27.45; З М а к к 1,4 ( έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι ) . " 4 М а к к 12,9. Z u r speziellen B e d e u t u n g . V o r a n k ü n d i g u n g ' in einem Buch vgl. Polybius 7,13,2; D i o d o r u s Siculus 1,5,3; 2,60,3; Arist 51,3; 322,1; vgl. auch J o s A p 2,288 (προΟπεσχόμην). P a u l u s g e b r a u c h t h i e r f ü r προλέγω (Gal 5,21; 2Kor 13,2) bzw. προείπον (2Kor 7,3). E i n e von den K o r i n t h e r n v o r a n g e k ü n d i g t e Spende b e z e i c h n e t er in 2Kor 9,5 auch als προεπηγγελμένην. « Weish 2,13. " Ψ 55,9; A m 9,6 ( ε π α γ γ ε λ ί α ) ; 2Makk 2,18; З М а к к 2,10 ( έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι ) . A u c h für 55,9 und A m 9,6 gilt, d a ß sich kein f e s t e s h e b r ä i s c h e s Ä q u i v a l e n t f ü r έ π α γ γ ε λ ί α f i n d e n läßt. V e r m u t l i c h ist es hier jeweils b e w u ß t vom Ü b e r s e t z e r als I n t e r p r e t a t i o n e i n g e t r a g e n w o r d e n (s.u. S.89). " A l l g e m e i n V e r s p r e c h e n : Arist 124,1 (vgl. auch TestSal 3,7; 20,2, Belege aus einer v e r m u t l i c h christlichen S c h r i f t mit j ü d i s c h e n T r a d i t i o n s e l e m e n t e n aus dem 3.Jh.n.Chr.); A n k ü n d i g u n g eines Berichts: Arist 51,3; 322,1. « Έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι : A p k M o s 41; T e s t A b r 3,6; PsSal 7,10; 17,5; O r M a n 7 (zu O r M a n 7 s.u. K a p . I I L A Anm.103; έ π α γ γ ε λ ί α : A p k E s r 3,10; O r M a n 6; PsSal 12,6; T e s t A b r

60

II. L e x i k a l i s c h e G r u n d l a g e n

b. Philo und

Josephu^

Bei Philo begegnet ε π α γ γ ε λ ί α nur einmal (Mut. 201) - mit der Bedeutung Verheißung. ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι gebraucht er nur in profaner Bedeutung Josephus dagegen verwendet in seinen Antiquitates, auch wenn die im hellenistischen Griechisch üblichen profanen Bedeutungen bei ihm noch vorherrschen, häufiger ε π α γ γ ε λ ί α (4 von insgesamt 9 Belegen) und έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι (13 von insgesamt 68 Belegen) auch für das Verheißen Gottes''®. c. Neues

Testament^

Im Neuen Testament bestimmt die Bedeutung Verheißung fast völlig den Wortgebrauch von ε π α γ γ ε λ ί α (51 von 52 Belegen) und auch ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι wird nur mehr selten mit profaner Bedeutung verwandt (4 von 15 Belegen). 2x wird έ π ά γ γ ε λ μ α für Verheißung gebraucht (in 2Petr), und bei Paulus findet sich 2x προεπαγγέλλομαι (einmal davon in profaner Bedeutung). Von den insgesamt 65 Stellen, die von der Verheißung Gottes handeln, entfallen 23 (=35%) auf die paulinischen Briefe, hier vor allem auf Gal (11) und Rom (10). Die Einzelschrift mit dem häufigsten Vorkommen ist der Hebr (18 = 27%). SchUeßlich ist auch in der Apg insgesamt 8x vom Verheißen Gottes die Rede. Die restlichen 11 Belege verteilen sich auf die späteren Briefe"'". Bemerkenswert ist, daß der Begriff in den Evangelien^! ^QJ. allem auch in der Offenbarung des Joh fehlt.

3,6; 6,5; 8,5; 20,11; T e s t j o s 20. Sehr viel h ä u f i g e r sind in der L X X ά ν α γ γ έ λ λ ω u n d α π α γ γ έ λ λ ω ; m i t u n t e r k ö n n e n sie auch zwar nicht f ü r G o t t e s V e r h e i ß e n , doch f ü r ein V o r h e r s a g e n G o t t e s stehen (zu ά ν α γ γ έ λ λ ε ν ν vgl. z.B. Dtn 4,13; 8,3; J e s 42,9; 43,12; 45,19.21; 46,10; 48,3.5; J e r 33,3; Ϋ 110,6; zu α π α γ γ έ λ λ ω 2Sam 7,11; J e s 44,8; Sir 44,3; zu J o s e p h u s s.u. Kap.III.C. A n m . l l ) . ® Vgl. zu Philo: M a y e r , I n d e x ; zu J o s e p h u s : R e n g s t o r f , C o n c o r d a n c e . Bei M a y e r , Index sind a l l e r d i n g s lediglich die vollständig e r h a l t e n e n S c h r i f t e n e r f a ß t und nicht alle F r a g m e n t e . Z w e i weitere Belege f ü r ε π α γ γ ε λ ί α f i n d e n sich bei P r o c o p i u s 353C.356B (vgl. M a r c u s , S u p p l e m e n t II 211). H i e r wird zur A u s l e g u n g von G e n 17,1-2 θήσομαι την διαθήκην μου i n t e r p r e t i e r t mit ώς περί άθλου έ π α γ γ ε λ ί α . U n d das N i e d e r f a l l e n A b r a h a m s in Gen 17,3 wird u.a. e r k l ä r t mit der G r ö ß e der V e r h e i ß u n g e n (τά δέ μέγεθος των ε π α γ γ ε λ ι ώ ν ) . M a r c u s o r d n e t diese Ü b e r l i e f e r u n g e n Q u a e s t . G e n . 3,40.41 zu. Sie f e h l e n j e d o c h in den g r i e c h i s c h e n F r a g m e n t e n der S c h r i f t u n d h a b e n auch in den ü b e r l i e f e r t e n Ü b e r s e t z u n g e n keinen N i e d e r s c h l a g g e f u n d e n . D e s h a l b w e r d e n b e i d e Belege auch in den n e u e r e n w i s s e n s c h a f t l i c h e n T e x t a u s g a b e n (vgl. z.B. Petit, Q u a e s t i o n e s ) zu Q u a e s t . G e n . nicht a u f g e n o m m e n . In den w e i t a u s meisten F ä l l e n g e b r a u c h t Philo a b e r f ü r V e r h e i ß u n g / v e r h e i ß e n nicht ε π α γ γ ε λ ί α κτλ., s o n d e r n ύ π ό σ χ ε σ ι ς / ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι (oder s e l t e n e r auch όμολογέω, s.u. S.106). " E b e n s o έ π ά γ γ ε λ μ α (9x). ® ' Ε π α γ γ ε λ ί α : J o s A n t 1,236; 2,219; 3,24; 3,77; έ π ά γ γ ε λ μ α b e g e g n e t e i n m a l in p r o f a n e r B e d e u t u n g ; έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι : J o s A n t 1,208; 2,275; 3,23; 5,16.39.159.214; 7,153.295. 337.373; 8,24; 9,10; vgl. auch 1,191 ( α π α γ γ έ λ λ ο μ α ι ) und 2,218 ( π ρ ο κ α τ α γ γ έ λ λ ο μ α ι ) . " Z a h l e n a n g a b e n , auch in den f o l g e n d e n A b s c h n i t t e n zum N e u e n T e s t a m e n t , nach Aland, Konkordanz. ™ E p h 4x; 2Petr 4x; J a k u n d I J o h j e 2x; I T i m sowie 2Tim und Tit je Ix. " Mit A u s n a h m e von Lk 24,49 und Mk 14,11 (dort in p r o f a n e r B e d e u t u n g ) .

Ü b e r s i c h t über das V o r k o m m e n der v e r s c h i e d e n e n L e x e m e

61

2. ύπόσχεσις/ύπισχνέομαι a. Septuaginta

und

Pseudepigraphen

In der LXX begegnen diese Lexeme noch seltener als έ π α γ γ ε λ ί α / έ π α γ γ έ λ λ ο μαι (ύπόσχεσνς 2x, ύπισχνέομαι 4x) und Weish 12Д1 ist hier der einzige Beleg für ύπόσχεσις mit der Bedeutung Verheißung''^. In den Pseudepigraphen ist Sib 3,769 der einzige Beleg, der ύπνσχνέομαν für Gottes Verheißen gebraucht'''^. Mit profaner Bedeutung findet es sich in den jüdischen griechischen Pseudepigraphen Sx""·, ύπόσχεσις fehlt ganz. b. Philo und

Josepbus

Philo gebraucht, wo er vom Verheißen Gottes spricht, fast ausschließlich ύπόσχεσις/ύπισχνέομαι^^. ύπόσχεσις findet sich bei ihm lOx (von insgesamt 27 Belegen) als Begriff für Gottes Verheißung und ύπισχνέομαι llx (bei insgesamt 26 BelegenF^ Josephus hingegen, der in seinen Antiquitates ύπόσχεσις (6 von insgesamt 22x) und ύπισχνέομαι (19 von insgesamt 145x) auch für Gottes Verheißen verwendet", gebraucht es parallel zu επαγγελία κτλ. c. Neues Testament

.

Im Neuen Testament fehlen sowohl Substantiv als auch Verb^**.

" A n s o n s t e n f i n d e n sich hier e b e n f a l l s die von έ π α γ γ ε λ ί α / έ π ο γ γ έ λ λ ο μ α ι her b e k a n n t e n B e d e u t u n g e n (allgemein V e r s p r e c h e n : Weish 17,8; 2Makk 8,11; 4Makk 15,2; G e l d v e r s p r e c h e n : 2Makk 4,9; 12,11). W i e auch Weish 12,21 w u r d e diese Stelle schon bisher in A r t i k e l n zur V e r h e i ß u n g mit h e r a n g e z o g e n (vgl. Billerbeck 3 207; S c h a r b e r t , H T h G II 752; Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 66 Anm.149). " A p k S e d r 16,4 sowie 2x bei A r t a p a n u s und je Ix in E z e c h i e l u s T r a g i c u s und Theodotus. ' ' M e r c a d o , L a n g u a g e 124 weist bereits d a r a u f hin. ™ Ύπόσχεσνς: H e r . 96 (2x).101; Leg.All. 3,85.203; Migr. 43; Mut. 54.154; Somn. 1,175.181; ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι : A b r . 110.111.132.273; Congr. 119; H e r . 90.290; Leg.All. 3,218; Migr. 44; Mos. 1,86; Mut. 166. " Ύ π ό σ χ ε σ ι ς : J o s A n t 3,25.312; 5,40.65; 6,21; 7,373; ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι : J o s A n t 1,103.272; 2,170.175.272,272.331; 3,7.35.306,314; 4,5.168; 5,5.93; 6,21; 8,24.110.373. E i n e n ä h n l i c h e n B e f u n d zeigen die A p o s t o l i s c h e n V ä t e r , wo ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι l e diglich Ix, έ π α γ γ ε λ ί α 19x und ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι 13x v o r k o m m e n (vgl. K r a f t , Clavis 161f.).

62

II. L e x i k a l i s c h e G r u n d l a g e n

3. ορκος/όμνύω a. Septuaginta

und

Pseudepigrapben

In der LXX bezeichnet όμνΰω in 76 von 175 Fällen und όρκος in 9 von 57 Fällen ein Reden Gottes^^. Die Pseudepigrapben verwenden beide Lexeme fast ausschließlich für das Schwören von Menschen (δρκος 15x, όμνΰω 16x). In PsSal 17,4 sowie in Testlud 22 ist von Gottes Schwören die Rede. Beide Male geht es um die Erhaltung des Königtums (Davids bzw. Judas, vgl. 2Sam 7) in Ewigkeit*^. Weish 12,21 spricht von Gottes Eiden und Verträgen gegenüber den Vätern^^. b. Philo und

Josephus

Bei Josephus, der 99x ορκος und 67x όμνΰω gebraucht, findet sich doch nie die Bedeutung Verheißung. Philo dagegen (68x ορκος, 44x όμνΰω) verwendet beide einige Male (ορκος 7x; όμνΰω Bx^^) auch mit Gott als Subjekt, immer innerhalb bzw. im Kontext atl. Zitate. Zweimal schließt sich daran eine ausführlichere Erörterung an über den Eid allgemein und darüber, ob es angemessen sei zu sagen, daß Gott schwört.^^ c. Neues

Testament

Auch im Neuen Testament kommt ορκος bzw. όμνΰω mitunter mit der Bedeutung Verheißung vor (ορκος 4 von lOx; όμνΰω 9 von 26x), wiederum fast ausschließlich innerhalb bzw. im Kontext atl. Zitate®"*. Eine Ausnahme hiervon bildet lediglich Hebr 6,13.17, wo beide Lexeme unabhängig von Zitaten mit ε π α γ γ ε λ ί α parallelisiert werden (vgl. Philo, Leg All. 3,203ff).

G i e s e n , W u r z e l 368 zählt für d e n m a s o r e t i s c h e n T e x t i n s g e s a m t 82 v o n 215 B e l e g e n für G o t t e s S c h w ö r e n . E i n m a l spricht a u c h L i b A n t (30,7) v o m E i d (iuramento quod iuravit) Gottes, sein V o l k nicht bis z u m E n d e zu v e r l a s s e n (vgl. a u c h A s s M o s 12,11). " H i e r wird der A u s d r u c k πατράσνν όρκους και συνθήκας n ä h e r erläutert durch d a s G e n i t i v a t t r i b u t ύποσχεσεως. V e r m u t l i c h ist συνθήκη και ορκους e i n e g e b r ä u c h l i c h e W e n d u n g , vgl. mit p r o f a n e r B e d e u t u n g z.B. J o s B e l l 2,453; 6,253; 7,111; 8,388. In Lk 1,73 ist es das v e r w a n d t e διαθήκη, das „geradezu durch ορκος erklärt wird" ( S c h n e i der, T h W N T V 462). V g l . auch J o s A n t 4,133; 17,72 ( p r o f a n ) ; P h i l o A b r . 273; L e g . A l l . 203 ( v o n Gott). A b r . 273; F u g . 175; Sacr. 5 7 . 8 9 f f ; L e g . A l l . 3 , 2 0 3 f f . «' Sacr. 8 9 f f ; L e g . A l l . 3 , 2 0 3 f f . V g l . darüber h i n a u s auch Q u a e s t . G e n . 4,180. " Ό ρ κ ο ς : Lk 1,73; A p g 2,30; Hebr 6,16.17; όμνύω: Lk 1,73; A p g 2,30; H e b r 3,11.18; 4,3; 6,13.13.16; 7,21.

Ä q u i v a l e n t e für G o t t e s V e r h e i ß e n in a n d e r e n S p r a c h e n

d. Rabbinische

63

Literatur

Bereits ein grober Überblick - eine erschöpfende Untersuchung zu уза) bei den Rabbinen kann hier nicht geboten werden - zeigt, daß sie bei der Auslegung atl. Texte (ähnlich wie das NT) auch die Rede von Gottes Schwören übernehmen, ohne sie besonders zu problematisieren®'. Andererseits sind die Rabbinen von der sprachlichen Entwicklung im griechischsprachigen Judentum, das ορκος κτλ. immer mehr durch andere Lexeme ersetzte, nicht unbeeinflußt geblieben. Denn auch bei ihnen kommt es zu einer neuen Begriffsbildung, die dann häufig an die Stelle treten kann, an der im A T von Gottes Schwören die Rede war. Sichtbares Indiz für diesen Prozeß ist eine Stelle wie SifDev §309, wo beide Lexeme synonym nebeneinander gebraucht werden**^.

E. Äquivalente für Gottes Verheißen in anderen Sprachen 1. Hebräisch (п^изл, лпизл, паз ι η) Im A T ist die Wurzel пип „ein eminent theologischer Terminus"®'. Das Verb beschreibt nicht nur den Zustand des Vertrauens, sondern auch seine Entstehung bzw. den Akt des Vertrauens. Immer ist dieses Vertrauen auf ein Gegenüber bezogen. Dem entspricht es, daß das abgeleitete Nomen паз in (die Form лпизл ist im A T noch nicht belegt) zumeist objektivierend den Gegenstand des Vertrauens bezeichnet. Letztes Vertrauensobjekt kann begründet nur Gott sein diese Überzeugung durchzieht Propheten und Geschichtsbücher und Psalmen. Das Vertrauen auf ihn entspricht dem Vertrauen der Väter und schließt die Hoffnung auf Gottes rettendes Handeln ein®^. An diesen Kontext knüpfen die Rabbinen an®', bauen ihn darüber hinaus aber auch selbständig aus. So bekommt die Hi philform п'изл in tannaitischen (5x) und ebenso auch amoräischen Midraschim (ca. 8x) zumeist die Bedeutung ,verheißen"'°. Offensichtlich liegt hier eine gegenüber dem A T neue rabbini-

" V g l . z.B. M e k h Y OTDD 5; BerR 56,11; S h e m R 44,6; W a R 29,9; B a m R 17,2; bBer 32a. " R. S c h i m e o n b. J e h u d a spricht hier zu Israel: Gott . g a b dir, w a s er dir z u g e s c h w o r e n hatte, und liess dicfi erben, w a s er dir z u g e s a g t hatte" (лп'ИЗЛФ s n "1Ш''Л1Л1 "iV узш:ш нп i V i n : ) . " G e r s t e n b e r g e r , T H A T I 304. Í8 V g l . ψ 21,5, w o d i e L X X ПИЗ mit ε λ π ί ζ ω übersetzt. I n s g e s a m t gibt d i e L X X п а з und d i e von ihr a b g e l e i t e t e n S u b s t a n t i v e 78x mit ε λ π ί ζ ω κτλ. w i e d e r , h ä u f i g e r aber n o c h mit π ε π ο ι θ έ ν α ι κτλ. ( v g l . B u l t m a n n , T h W N T II 518). " V g l . B i l l e r b e c k 3 207f; L e v y , W ö r t e r b u c h . " T a n n a i t i s c h e B e l e g e : Sifra 112,2; S i f D e v §11.303.309; S i f B a m §84 ( a l l e drei g e h ö r e n zu den h a l a k h i s c h e n M i d r a s c h i m ) ; a m o r ä i s c h e B e l e g e : BerR 76,1; S h e m R 19,4; 38,6; 44,6; B a m R 2,12; P e s R 1,2; 42,5; T a n B -["p -['? 17 . Im A T f i n d e t sich ПИЗ im H i p h i l 5x, aber nie mit der B e d e u t u n g .verheißen'.

64

П. L e x i k a l i s c h e G r u n d l a g e n

sehe Begriffsbildung vor. Etwas anders ist der Befund in Mischna, Tosefta und den beiden Talmudim. Zwar steht п^изп auch hier (9x) für .verheißen', fast ebenso häufig ist jedoch die profane Bedeutung .versprechen/versichern' Mehrmals findet sich in den Midraschim auch die Kombination п-адпи) ппызл (6x) für Gottes Verheißen'2. Das nomen actionis nnaan, eine Form, die im AT noch nicht begegnet, kann schließlich hier auch allein diese Bedeutung haben In der Mischna und im babylonischen Talmud dagegen steht es so gut wie immer für menschliches (Selbst-)Vertrauen®''. Offenbar umstritten und genauerer Auslegung bedürftig ist die Bedeutung an zwei Stellen, wo sowohl .Vertrauen', als auch .Verheißung' Sinn geben kann®''. Im Blick auf das Vorkommen in den verschiedenen Traditionszusammenhängen umgekehrt ist das Verhältnis bei der Hophaiform пизш. Sie findet sich in den Midraschim selten (6x), in der Mischna fehlt sie, im babylonischen Talmud dagegen begegnet sie häufig und überwiegt dort die beiden anderen Formen bei weitem®'*. An einer ganzen Reihe von Stellen steht sie profan für menschliche Gewißheit'^. Doch vor allem findet sich пиз I D fast ausschließlich in halakhischen Kontexten, in der offensichtlich stehenden Redewendung: sich versichert halten, Sohn der zukünftigen Welt zu sein, bzw. am Leben der zukünftigen Welt teilzuhaben®^. Da eine inhaltliche Näherbestimmung des Vertrauens bzw. der Gewißheit hier (anders als zumeist bei der Wurzel пиз im AT) jeweils mit angeben wird (nämlich die zukünftige Welt), läßt sich fragen, ob hier bei der Übersetzung der Akzent mehr auf das Element des menschlichen Vertrauens oder auf die göttliche Verheißung (auf die hier ein passivum divinum hinweisen könnte) zu legen ist'®. Für die genannte stereotype Wendung legt sich zwar bei genauerem Hinsehen letztere

" . V e r h e i ß e n ' : m M S h 5,13; y S h a b 7,2 ( 1 0 c ) ; 7,4 (lOd); 12,1 ( 1 3 c ) ; 15,1 ( 1 5 a ) ; y E r 5,1 ( 2 2 c ) ; bSot 39b; b S a n 98a; b S h e v u 35b; . v e r s p r e c h e n / v e r s i c h e r n ' : m P e s 8,6; t A Z 1,9; y B e r 3,1 ( 6 a ) ; y N a z 7,1 ( 5 6 a ) ; y P e s 8,6 (Зба); b P e s 9 1 a . M e k h Y П'7ШЗ 3 ( 9 8 f ) ; S h e m R 19,4; 38,6; 44,6; B a m R 2,12; E s t R 8,6. A u f d i e s p r a c h l i c h a n a l o g e B i l d u n g έ π α γ γ ε λ ί α ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι w e i s e n b e r e i t s ( m i t V e r w e i s auf I J o h 2,25) S c h n i e w i n d / F r i e d r i c h , T h W N T II 576 A n m . 3 1 hin; v g l . a u c h d i e W e n d u n g όρκος όμνύω. S i f D e v §323.329; B e r R 41,2; 52,13; 76,2; v g l . a u c h S H L §326. « V g l . m B e r 5,4; b S o t 38b; v g l . a u c h D E R 2,1: ППИЗП ''РУЗ ( t r u s t w o r t h y m e n ) . B e r R 7 6 , 2 (s.u. S . 1 7 3 f f ) u n d b B e r 17a (s.u. S . 1 7 0 f ) . ЛПИЗП Ix; П ' И З П 6x, d a v o n 4x V e r h e i ß u n g ; ПИ31П 17x, d a v o n 12x . v e r s i c h e r t halten'. " V g l . t N i d 5,15; b P e s 3b; b N a z 29b; b G i t 5 8 a ( s i c h e r s e i n , d a ß N . N . d e r e i n s t d a s G e s e t z in Israel l e h r e n wird; b P e s 49a: s i c h e r s e i n , d a ß d i e S ö h n e S c h r i f t g e l e h r t e w e r d e n ) . W e i t e r b B e r 60a; b B M 83a; b X a a n 21a ( s i c h e r s e i n b e i b e s t i m m t e n B e g e b e n heiten). »» КЗП D l > y n 13: b B e r 4b; b B e r 57a; b K e t l i l a ; b M e g 28b; b N i d 73a; b Y o m 88a; K a l l a 5,2; v g l . a u c h S i f D e v §305; S E Z 2 ( s p ä t e r a u c h S H L § 4 8 2 . 4 8 4 . 5 4 7 . 7 1 0 . 9 5 3 ) ; h i n z u k o m m t d i e v e r w a n d t e W e n d u n g КЗП О'РТУП ' ' Π : y S h a b 1,4 ( 3 c ) ( s p ä t e r a u c h : S H L §940.952). Dort, w o man bestrebt war, den christlichen G l a u b e n von s o g e n a n n t e r j ü d i s c h e r G e s e t z l i c h k e i t mit ihrer H e i l s u n s i c h e r h e i t u n d i h r e m S t r e b e n n a c h S i c h e r h e i t a b z u h e b e n , v e r s t a n d m a n d i e s e S t e l l e n als A u s d r u c k s o l c h e n S i c h e r h e i t s s t r e b e n s ( s . o . S.29f.; zur Kritik an s o l c h e r P o s i t i o n v g l . vor a l l e m S a n d e r s , P a u l u s 4 8 . 2 1 3 и.о.).

Ä q u i v a l e n t e f ü r G o t t e s V e r h e i ß e n in a n d e r e n S p r a c h e n

65

Möglichkeit nicht nahe^"". Aber zumindest an einigen weiteren Stellen kann man erwägen, daß auch die Form паз in mitunter die Bedeutung des Verheißens annehmen kann. So wird Israel zugesichert, daß Elia nicht am Sabbath kommen wird'"'. Israel wiederum betont gegenüber Moses, daß ihm Segnungen in Fülle verheißen sind^°^. Und dem Beter wird verheißen, daß sein Gebet erhört wirdios. Der g e g e b e n e Ü b e r b l i c k über die einzelnen Belegstellen ist, a n d e r s als bei den bisher b e h a n d e l t e n j ü d i s c h e n S c h r i f t e n , v e r m u t l i c h nicht ganz vollständig. Denn die zum A u f s p ü r e n der Belege u n e r l ä ß l i c h e n K o n k o r d a n z e n gibt es bisher lediglich f ü r M i s c h n a , T o s e p h t a , die beiden T a l m u d i m sowie die t a n n a i t i s c h e n Midraschim^'*'*. Für den ( f ü r u n s e r e T h e m e n s t e l l u n g zeitlich nicht m e h r ganz so i n t e r e s s a n t e n ) K o m plex der s p ä t e r e n (zumeist a m o r ä i s c h e n ) A u s l e g u n g s - und H o m i l i e n m i d r a s c h i m f e h len d a g e g e n solche H i l f s m i t t e l noch. H i e r war es mir lediglich möglich, mit H i l f e diverser Lexika w e n i g e w e i t e r e Stellen über die bei Billerbeck a u f g e f ü h r t e n h i n a u s zu finden^"^. D e n n o c h e r l a u b t es wohl die Z a h l von 13 z.T. recht u m f a n g r e i c h e n Belegen, a u c h f ü r diesen Bereich einen h i n r e i c h e n d d e t a i l l i e r t e n Ü b e r b l i c k zu g e w i n nen. Ü b e r die g e n a n n t e n Stellen h i n a u s ist in der r a b b i n i s c h e n L i t e r a t u r von V e r h e i ßung - wie schon im A T - sachlich gewiß auch dort die R e d e , wo sich allgemein L e x e m e f ü r G o t t e s R e d e n f i n d e n , gebildet etwa mit den W u r z e l n -13Ί und ΊΠ«'"®. I h re E i n b e z i e h u n g w ü r d e aber, e b e n s o wie dort, den R a h m e n der A r b e i t s p r e n g e n . Die W u r z e l n t o pi (eine f r e u d i g e B o t s c h a f t v e r k ü n d i g e n ) b e g e g n e t e i n m a l (tSot 4 , 2 ) ' " ' in etwa in der B e d e u t u n g V e r h e i ß u n g , gehört a b e r a n s o n s t e n o f f e n s i c h t l i c h (vor allem im Z u s a m m e n h a n g des auch im J u d e n t u m l e b e n d i g g e b l i e b e n e n d e u t e r o j e s a j a n i s c h e n Motivs des F r e u d e n b o t e n ) zur T r a d i t i o n s g e s c h i c h t e des ntl. B e g r i f f s εύαγγελί^ομαι^®^.

In den Qumranschriften begegnet uiaa) im Sinne von Zusage Gottes lediglich in CD 8,5; 19,28, jeweils innerhalb eines Zitats aus Dtn 7,8 (9,5). Und auch

s . u . S.171. Vgl. yPes 3,1 (30b); bPes 13a; b E r 43b. ™ S i f B a m §84. ™ W a R 16,9; vgl. bereits O r M a n 6f; З М а к к 2,10; auch S i f B a m §68. Im Blick auf Ri 20,28 wird schließlich in bShevu 35b auch diskutiert, ob Gott seine V e r h e i ß u n g (im Blick auf den Sieg) auch g e h a l t e n h a b e . Vgl. Kasowski, T o m u s M i s h n a e ; ders., T o m u s T o s e p h t a e ; ders., T h e s a u r u s T a l m u d i ; Kosovski, C o n c o r d a n c e ; Kasowki, M e c h i l t a d ' R a b b i Ismael; ders., S i f r a ; ders., T h e s a u r u s ,Sifrei'. Der - zeitlich u n d sachlich nicht mehr voll in u n s e r e n Z u s a m m e n h a n g g e h ö r e n d e - Komplex der H e k h a l o t l i t e r a t u r ist m i t t l e r w e i l e auch mit H i l f e von S c h ä f e r , K o n k o r d a n z voll erschlossen. "" B e n - Y e h u d a , G e s a m t w ö r t e r b u c h ( T a n B l"? η·? 17); J a s t r o w , Dictionary ( S h e m R 38,6; FesR 1,2); Levy, W ö r t e r b u c h ; ders., C h a l d ä i s c h e s W ö r t e r b u c h . A u f g r u n d gezielter Suche a n h a n d der in m a n c h e n A u s g a b e n b e i g e g e b e n e n Bibelstellenregister h a b e ich d a r ü b e r h i n a u s lediglich noch S h e m R 44,6 g e f u n d e n . Vgl. z.B. die g r a m m a t i s c h dem Л'ИЗЛШ ППИЗЛ v e r w a n d t e Bildung т т ш Ί 1 3 Ί Π (ShemR 44,9). "" Vgl. S c h ä f e r , Studien 264: hier wird »jemandem die z u k ü n f t i g e Welt .verheißen'." Z u m V e r h ä l t n i s von ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι und ε υ α γ γ ε λ ί ζ ο μ α ι s.o. S.50.

66

II. Lexikalische Grundlagen

ппозп, das später in den rabbinischen Schriften manchmal im Sinne von Verheißung gebraucht wird (s.u.), spielt hier (ebenso wie die übrigen Derivate von пиз) kerne Rolle. Aus diesem Grand wird der Komplex der Qumranschriften nicht zur weiteren Untersuchung mit herangezogen. Wiedemm ist damit nicht gesagt, daß in diesen Texten die Sache der Verheißung überhaupt nicht vorkomme. Jedoch kommen Gottes Zusagen in ihnen so gut wie ausschließlich im Zusammenhang der Bundesvorstellung zur Sprache^°^. Dabei könnte man es als Kennzeichen der Qumrangemeinde bezeichnen, daß sie bei διαθήκη stärker als Gottes gebenden Willen die „autoritative Willenskundgebung", seinen fordernden Willen als „durch Gott gesetzte Verpflichtung" betont"". 2. Lateinisch Im Lateinischen können vor allem pronuntiare, promittere, polliceri, spandere für .versprechen' stehen. Dabei entspricht pronuntiare dem griechischen έπαγγέλλομαι, wird aber oft, wo es um Versprechungen aus eigenem Antrieb geht, von polliceri vertreten. Promittere dagegen stimmt eher mit ύπισχνέομαι überein, insofern es „auf den eignen Antrieb des Versprechenden wenig Beziehung nimmt". Es hat offenbar „den weiteren Begriff, weshalb denn auch promissum der allgemeine Ausdmck für jedes Versprechen ist"'". Spandere schließlich bezeichnet das förmliche „Versprechen mit gerichtlich verbindender Kraft"ii2. 2..a. Vulgata Ein Blick auf die Vulgata kann Hilfestellung bieten für die Frage, welche Lexeme im Blick auf die jüdischen Schriften und die alttestamentliche Tradition von Interesse sind"^. Dabei ist das Bild, das sich ergibt, im Blick auf die atl. Schriften und die Pseudepigraphen differenziert, da die Schriften zum größeren Teil direkt aus dem Hebräischen, z.T. aber auch aus dem Griechischen übersetzt sind. 'Επαγγελία und ύπόσχεσις in der L X X können in der Vulgata pramissia

Kuhn, Konkordanz 36f zählt um die 140 Belege für Л-ПЗ auf. .Gottes Ifrít ist einerseits die .Verheißung' an die Väter ..., deren Gott gedenkt ... und die er .erneuert' ..., an David an die Priester ..., an die Frommen, .daß sie leben sollen tausend Geschlechter' ..., auch die Zusage, die Sünden zu vergeben - andererseits das Gebot Gottes" (Kutsch, T R E 7 404; vgl. auch Kapelrud, Bund). "0 Gräßer, Bund 4; vgl. Kutsch, T R E 7 404. Zur Bundestheologie der Gemeinde von Qumran vgl. auch Maier/ Schubert, Qumran-Essener 73-76. Schmidt, Handbuch 66.67. Zum Vorkommen von promittere in den lateinisch erhaltenen Pseudepigraphen (in 4Esr; LibAnt; V i t A d ; AssMos; A s c j e s ) vgl. Lechner-Schmidt, Wortindex. Döderlin, zitiert nach Schmidt, Handbuch 67. V g l . Fischer, N o v a e Concordantiae. Sicherlich bildet die Vulgata nicht den Anfangspunkt der textgeschichtlichen Entwicklung der lateinischen Übersetzungen. A l s durch die Konkordanz besonders gut erschlossenes Hilfsmittel für eine grobe Orientierung im Blick auf die Verwendung der in Frage kommenden Lexeme mag sie hier aber dienen.

Äquivalente für Gottes Verheißen in anderen Sprachen

67

und promissum entsprechen, έπαγγέλλομαν und ύπισχνέομαι promittere^^"* und όμνύω polliceor^^^. Allen diesen Lexemen entsprechen daneben aber in der LXX noch eine ganze Reihe anderer griechischer Lexeme. So können pwmissio (das sich in den atl. und pseudepigraphen Schriften der Vulgata insgesamt 8x findet) und promissum (5x) ebenso λόγος, ρήμα und ορισμός in der LXX entsprechen, aber auch vom Übersetzer sinngemäß zugefügt worden sein"®. Promittere (46x), repromittere (Ix) und polliceor (38x) stehen dementsprechend häufig auch dort, wo die LXX ε'ί·πεν, έλάλησεν oder ähnliche Ausdrücke bietet. Sehr viel einheitlicher ist der Befund für das NT. Die Vulgata verwendet für die hier vorkommenden Belege von έπαγγελία (und nur für sie) promissio (31x), promissum (7x), repromissio (19x) sowie pollicitatio (3x)"^; επαγγέλλομαι wird 12x mit promittere, 8x mit repromittere^^^ und Ix mit polliceor wiedergegeben''', sponsio, das 7x begegnet (einschließlich 4Esr, s.u.), steht nur in Ex 8,9 (entsprechend όρισμός in der LXX) für eine Zusage Gottes. 2..b. 4Esr, syrBar und

LibAnt

Wie in der Vulgata wird in 4Esr und syrBar für Gottes Verheißen promissio, repromissio, promittere, repromittere gebraucht. Daneben finden sich wiederum einige andere Lexeme, so polliceor (syrBar 78,7), praedicere (4Esr 8,59; syrBar 46,6), annuntiatio (syrBar 46,6). Ein abweichendes Bild zeigt LibAnt. Hier tritt sponsio neben und vor promissio und seine Derivate'^", vermutlich wegen der Verschmelzung mit der im LibAnt beherrschenden Bundesvorstellung (s.u. S.93f). Daneben finden sich in ähnlichen Argumentationszusammenhängen und Wortfeldern häufiger locutus, dicere und disponere, ebenfalls zumeist in Verbindung mit der Bundesvorstellung'^'.

Vor allem in IMakk und 2Makk. Dem entspricht es, daß in den atl. Schriften vor allem polliceor verwandt wird, wo von Gottes Verheißen die Rede ist (so 9x im Zusammenhang der Landverheißung, 4x im Zusammenhang der Väterverheißung, 5x im Zusammenhang der V e r heißungen an David und Salomon). Zu polliceor vgl. auch die lateinische Fassung von Philo Quaest.Gen. 3,40. Entsprechendes gilt für repromissio (3x) und pollicitatio (Ix). Die Aufstellung ergibt insgesamt mehr als die Zahl 52 (= Belege für ε π α γ γ ε λ ί α im NT), da hier auch textkritische Varianten (z.B. repromissio statt promissio) berücksichtigt sind und so manche Belege doppelt gezählt sind. Das Gleiche gilt für die folgenden Aufstellungen. Dabei ist in A p g 7,17 die Übersetzung repromiserat in der Vulgatahandschrift С vermutlich abhängig von der Lesart von P" D E (s.o. Anm.46). Darüber hinaus findet sich lediglich polliceor Ix als Übersetzung für όμνύω (Mt 14,7). Sponsio: LibAnt 12,4; 13,6; 30,1; 32,12f; 35,2f; dagegen nur zweimal promittere für Gottes Verheißen: LibAnt 51,2; 53,12. Locutus: LibAnt 9,3f; 12,9; 21,9; 23,10f; dicere: LibAnt 9,16; 13,10; disponere: LibAnt 9,3f; 11,1; 13,10; 19,2; 30,7; 32,12f; 49,6: dispositio.

68

II. Lexikalische Grundlagen

3. Syrisch In 4Esr und syrBar findet sich dort, wo von Gottes Verheißung die Rede ist, fast durchgängig die Wurzel mlk (bzw. die substantivierte Form mwlk^^'^). Sie ist auch in der syrp häufig Äquivalent für επαγγέλλομαι^^. 4. Koptisch Die Wurzel SPOP findet sich für Gottes Verheißen zwei Mal in Apokalypsen, vor allem aber in den in Nag Hammadi gefundenen gnostischen Texten. In anderen Texten von dort wird anstelle von SPOP die Wurzel ERET gebrauchti24_

Mlk: 4Esr 4,27; 7,119; syrBar 14,13; 44,13; 51,3; 83,5 (in den lateinischen Fassungen promittere bzw. repromittere)· mwlk: 4Esr 7,60.66; syrBar 48,34; 57,2; 59,2 (in den lateinischen Fassungen promissio bzw. repromissio). ^^^ Von 15 Belegen 8x: 7x wird επαγγέλλομαι dort mit ktd wiedergegeben (vgl. Trafton, Syriac Version 87). ÄthHen 25,7 (in der griechischen Überlieferung, grHen 25,7, steht an dieser Stelle εϊπεν); ApkEl 22,5. Zu den Nag-Hammadi-Stellen vgl. Siegert, Register. Diese Texte sind weit nach dem in dieser Arbeit zu untersuchenden Zeitraum zu datieren und werden an dieser Stelle lediglich als Hinweis auf die fortdauernde Wirkung und Verwandlung der Verheißungsvorstellung angeführt. SPOP: NHS I 13,33; 14,5.13 15,37 (ApJac); NHS I 92,7; 93,32; 95,26; 102,22; 114,13.19; 117,15.17; 119,5 (TTrip) NHS II 21,24 (ApJohn); ERET: NHS II 58,31 (EvPh); NHS V 53,14; 60,18 ( A p o c j a c ) NHS VI 52,2.9.11 (Disc89); NHS VIII 132,22; 137,25 (EpFt). Bemerkenswert ist, daß in diesen Texten vor allen Dingen Jesus, der Herr, zum Geber der Verheißung wird. Der Inhalt ist häufig (so vor allem in ApJac) das Leben, aber auch andere, zumeist allgemeine Hoffnungsgüter werden genannt. Damit setzen sich Tendenzen der Entwicklung fort, die bereits in den späten Briefen des NT ihren A n f a n g genommen haben.

F. Häufigkeit und Verteilung der griechischen Lexeme Die Lexeme έ π α γ γ ε λ ί α , έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι , ύπόσχεσις, ύπισχνέομαι, όρκος und όμνύω kommen in den griechischsprachigen frühjüdischen Schriften insgesamt 192 mal mit theologischer Bedeutung vor. Das entspricht gut 21% ihres Gesamtvorkommens. Die zusammen 75 .theologischen' Belege im Neuen Testament machen demgegenüber fast 73% des Gesamtvorkommens aus. Die tabellarische Übersicht auf der folgenden Seite schlüsselt diese Angaben nach Schriftgruppen und Lexemen a u f ' ^ . Für die Lexeme ппизп, п'ызп und паз in in den rabbinischen Schriften ist eine Gesamtübersicht nur teilweise möglich, da die späteren Midraschim noch nicht ausreichend durch Konkordanzen erschlossen sind. Hier dominiert deutlich der theologische Gebrauch (50 Belege, ohne die Hekhalotliteratur), allerdings in den frühen, halakhischen Midraschim deutlicher als in Mischna und Talmud. Insgesamt finden sich über 280 Belege in der LXX und den verschiedenen frühjüdischen Schriften, die mit unterschiedlichen Lexemen ausdrücklich von Gottes Verheißen handeln. Auf welche Weise das geschieht, wird im folgenden Kapitel näher zu untersuchen sein. Die zahlreichen Stellen zum Schwören in den hebräischen Schriften des Alten Testaments (85 Belege für ορκος/όμνϋω in der LXX) sollen dabei allerdings nicht eigens untersucht werden^^®.

U m die D a r s t e l l u n g nicht u n n ö t i g zu k o m p l i z i e r e n , w e r d e n in den f o l g e n d e n Ü b e r s i c h t e n s e l t e n v o r k o m m e n d e L e x e m e ( α π α γ γ έ λ λ ω , προσημαίνω, όμολογέω) s o w i e K o m p o s i t a ( π ρ ο κ α τ α γ γ έ λ λ ο μ α ι , κ α θ ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι , καθύπισχνέομαι, π ρ ο υ π ι σ χ ν έ ο μ α ι ) nicht e i g e n s a u f g e f ü h r t . Sie v e r ä n d e r n den G e s a m t b e f u n d kaum. PsSal und O r M a n w e r d e n j e w e i l s zu d e n P s e u d e p i g r a p h e n g e z ä h l t , s.o. A n m . 5 8 . Für die über 40 w e i t e ren, l a t e i n i s c h ( L i b A n t , 4Esr, Jub), syrisch (4Esr; syrBar) s o w i e koptisch ( ä t h H e n ; Jub; OdSal; A p k E l ) ü b e r l i e f e r t e n B e l e g e vor a l l e m aus der j ü d i s c h e n A p o k a l y p t i k w u r d e e i n e v e r g l e i c h e n d e G e s a m t a n a l y s e des G e b r a u c h s der b e t r e f f e n d e n (relativ z a h l r e i c h e n ) L e x e m e nicht d u r c h g e f ü h r t . Sie g e h ö r t e s c h o n zum B e r e i c h der w e i t e r e n s p r a c h l i c h e n W i r k u n g s g e s c h i c h t e der g r i e c h i s c h e n L e x e m e und w ü r d e z u d e m den R a h m e n d i e s e r A r b e i t s p r e n g e n . R ü c k s c h l ü s s e auf das u r s p r ü n g l i c h e g r i e c h i s c h e bzw. h e b r ä i s c h e L e x e m w ä r e n z u d e m zu u n s i c h e r , z u m a l bei den Ü b e r s e t z u n g e n i m m e r a u c h mit der T e n d e n z zu i n t e r p r e t i e r e n d e r E i n f ü g u n g zu r e c h n e n ist (s.u. zu ψ 55,9; A m 9,6; O r M a n 7). D i e w i c h t i g s t e n i n h a l t l i c h e n A s p e k t e d a z u sind bereits im l e x i k a l i s c h e n Teil a n g e f ü h r t w o r d e n (s.o. S.63f); vgl. a u c h G i e s e n , W u r z e l .

-vi о

Verheißung

profan

Verheißung

profan

Verheißung

profan

Verheißung

profan

Verheißung

profan

επαγγελία

2

4

8

0

1

0

4

5

S1

1

έπαγγέλλομαι

2

9

5

3

0

15

13

55

11

4

ύπόσχεσις

1

1

10

16

6

27

ύπισχνέομαι

0

4

2

4

11

16

19

126

όρκος

9

48

1

15

7

61

0

99

4

6

όμνύω

76

99

2

16

13

31

0

67

9

17

Septuaginta

Pseudepig raphen

Philo

Josephus

с û.

Neues Testament

Verheißung

profan

Verheißung

Verheißung

profan

Verheißung

profan

ΠΤΤΏΙΠ

4

0

8

0

2

1

0

П-ЧЗДП

10

0

IS

9

8

тлзпп

3

1

2

IS

9

MekhY, Sifra, SifNum, Siffiev (13 Belege)

Übrige Midraschim u.a. (15 Belege)

Mischna, Tosefta, Traktate, Talmudim (22 Belege)

X è'

Hekhalothliteratur (9 Belege)

I с

s

ET X

Ш. Verheißung in den frühjüdischen Schriften

A. Septuaginta und Pseudepigraphen Die späten Schriften der LXX und die z.T. zeitgleich entstandenen pseudepigraphen und apokryphen Schriften erlauben gemeinsam einen guten ersten Überblick über Themen und Zusammenhänge, in denen im Judentum in der Zeit seit der Mitte des 2Jh. v.Chr. von Gottes Verheißen die Rede ist'. Von daher ist es sinnvoll, sie in einem Abschnitt gemeinsam zu behandeln. Die verschiedenen Schriften decken ein weites Spektrum unterschiedlicher Literaturformen ab und verarbeiten unterschiedlichste Traditionen^. Weil sie im Blick auf Gottes Verheißen häufig mehrere Themen und Wortfelder kombinieren, kann die folgende Zuordnung einzelner Belege zu den thematischen Überschriften nur grob Zusammengehöriges gemeinsam darstellen, aber nicht allen Gemeinsamkeiten voll Rechnung tragen. Lexikalischer Befund: In der LXX am weitaus häufigsten für Gottes Verheißen gebraucht wird ορκος κτλ.'. In den Pseudepigraphen dagegen wird es weitgehend ersetzt durch ε π α γ γ ε λ ί α κτλ., das wiederum in der LXX erst vereinzelt in den späteren griechisch verfaßten Schriften begegnet. Ύπόσχεσις κτλ. schließlich ist sowohl in der LXX als auch in den Pseudepigraphen nur selten belegf*.

' V e r m u t l i c h noch im 2.Jh. v.Chr. sind Sir; Sib 3; T e s t j o s u n d J u b e n t s t a n d e n . In das l . J h . v.Chr. g e h ö r e n Bar; W e i s h ; 2 M a k k ; З М а к к ; PsSal und in das l . J h . n.Chr. 4 M a k k ; T e s t A b r ; L i b A n t . Die D a t i e r u n g e n sind a l l e r d i n g s zumeist mit U n s i c h e r h e i ten b e l a s t e t . Für O r M a n läßt sich gar kein sicherer Z e i t p u n k t a n g e b e n . ^ D a z u g e h ö r e n W e i s h e i t s s c h r i f t e n , P s a l m e n und G e b e t e , G e s c h i c h t s ü b e r b l i c k e , T e s t a m e n t s l i t e r a t u r u n d p h i l o s o p h i s c h e T r a k t a t e . Sie e n t h a l t e n , a u c h in v e r s c h i e d e nen K o m b i n a t i o n e n , u.a. weisheitliche, d e u t e r o n o m i s t i s c h e u n d a p o k a l y p t i s c h e T r a d i t i o n e n . D e n n o c h bieten sie im Blick auf die R e d e von der V e r h e i ß u n g ein relativ e i n h e i t l i c h e s Bild. D e s h a l b erscheint es sinnvoll, dem S p r a c h g e b r a u c h einer R e i h e von n e u e r e n S a m m e l e d i t i o n e n und Ü b e r s e t z u n g s s a m m l u n g e n zu f o l g e n (vgl. M a i e r , Z w i s c h e n 74) u n d diese sehr u n t e r s c h i e d l i c h e n S c h r i f t e n im f o l g e n d e n Kapitel u n t e r der m e h r t e c h n i s c h e n B e z e i c h n u n g . P s e u d e p i g r a p h e n ' z u s a m m e n z u f a s s e n . ' In die f o l g e n d e U n t e r s u c h u n g w e r d e n f ü r diese beiden L e x e m e lediglich die w e n i g e n Belege aus den später h i n z u g e k o m m e n e n griechischen S c h r i f t e n m i t e i n b e z o gen: Sir 44,21; Weish 18,6.22; T e s t j u d 22 (όρκος) sowie Bar 2,34 (ομνύω). * Z u V o r k o m m e n u n d A n z a h l d e r e i n z e l n e n L e x e m e vgl. die Ü b e r s i c h t S.69. V o n den insgesamt 255 V o r k o m m e n der g e n a n n t e n L e x e m e in der L X X h a b e n 90 (=35%) die B e d e u t u n g . V e r h e i ß u n g ' u n d von den insgesamt 56 V o r k o m m e n in den P s e u d e p i g r a p h e n 18 (=33%).

72

III.A. Septuaginta und Pseudepigraphen

1. Der vorbildliche Abraham a. Sir 44,19-21 - Gottes Bund und Abrahams

Bewährung

Der Kontext des zweiteiligen Hymnus 42,15-4333; 44,1-50^4® ist eindeutig theozentrisch^. Dementsprechend dient letztlich der gesamte Hymnus zuerst dem Lob Gottes und nicht dem Lob der Väter, auch wenn die Schilderung der einzelnen Gestalten der Vätergeschichte darauf angelegt ist, ihr Verhalten als beispielhaft und damit nachahmenswert herauszustellen®. Seine Funktion ist in erster Linie doxologisch und nicht paränetisch'. Dies gilt es zu beachten bei der Interpretation der Strophe zu Abraham. Denn diese Stelle wird in der exegetischen Literatur gerne als eine Hauptbelegstelle für ein auf das menschliche Tun konzentriertes jüdisches Bundes- und Gesetzesverständnis genannt. Abraham wurde der Vater vieler Völker, seine Ehre blieb makellos. Er hielt das Gebot des Höchsten und trat in einen Bund mit ihm. Wie ihm befohlen wurde, hat er sich beschnitten; in der Prüfung wurde er treu befunden. Darum hat ihm Gott mit einem Eid zugesichert, durch seine Nachkommen Völker zu segnen, sie zahlreich zu machen wie den Staub auf der Erde und seine Nachkommen zu erhöhen wie die Sterne, ihnen Besitz zu geben Meer zu Meer, vom Eufrat bis an die Grenzen der Erde".

die von

' Das uns erhaltene Buch Sirach ist die nach 132 v.Chr. in Ägypten angefertigte griechische Übersetzung eines um 190 v.Chr. in hebräischer Sprache von Jesus Sirach verfaßten Weisheitsbuches (vgl. Eißfeldt, Einleitung 808f; hebräische Fragmente wurden in der Kairoer Geniza und in Qumran und Masada gefunden). ' Der .Preis der Väter' (44,1-50,24), zu dem unsere Stelle gehört, ist eine .didaktische Erzählung' (vgl. Skehan, Ben Sira 30). Zur Intention Sirachs vgl. Michaelis, Jesus Sirach 604: ,im Hintergrunde der Auseinandersetzung steht der Versuch eines Ausgleichs zwischen jüdischem Glauben und hellenistischer Weltanschauung, und siehe da: Es gibt keine grundsätzlichen Unterschiede" (ähnlich Siebeneck, Bones 423f). Allerdings ist die von den Vätern überkommene Form des Glaubens der modernen vorzuziehen „wegen ihres höheren Alters und der durch Gesetz und Kult gestützten größeren A u t o r i t ä t ' (Michaelis, ebd.). ' Zur Theozentrik vgl. Siebeneck, Bones 416f sowie die Rahmung in 42,15; 43,27-33; 50,22-24 und den doxologischen Einschub in 45,25. In diesem Hymnus folgt dem .Preise Gottes aus der Natur ... nun (sc. ab 44,1) der Preis Gottes aus der G e schichte des israelitischen Volkes" (Ryssel, in: Kautzsch, Apokryphen I 449 Anm. d). ' Anders gewichtet Gilbert (in: Stone, Writings 297): ,Ben Sira ... does not praise so much God's action in them and through them as the men themselves, whom he sees as giants, examples often worth propounding and imitating by the wise man". ' Gegen Michaelis, Jesus Sirach 607, der „aus dem Hinweis auf die Leistungen der Väter ... eine gewaltige Paränese" gestaltet sieht. Daß es mit der Doxologie vor allem um eine Darstellung der Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk geht und nicht so sehr um Paränese, bestätigt auch die Beobachtung, daß das Lob der Väter {laus patrum) deutlich in der Darstellung des Hohenpriesters Simon gipfelt (vgl. Mack, Wisdom 54f: ,It is the climax toward which the entire history has been moving. Its glory is manifest in the figure of Simon the high priest, whose .place' is at the center of it all in the sanctuary, whose office effects the formation of the congregation of Israel, and whose deed mediates the promised blessing of God to the peopie·.) "> Übersetzung nach Einheitsübersetzung. Die Beschreibung des Umfangs des

Der v o r b i l d l i c h e A b r a h a m - Sir 44,19-21

73

Die erste Zeile bietet (wie in den anderen Strophen des Hymnus auch) eine allgemeine Charakterisierung, der im folgenden eine Zusammenfassung der wichtigsten Begebenheiten folgt. Dabei wird die Abrahamstradition zugleich in bemerkenswerter Weise interpretiert. So fällt auf, daß Gottes Verheißung deutlich mit Abrahams Verhalten begründet wird (V21: δνά), so daß sie geradezu als „Antwort Gottes, als Lohn auf das zuvor geschilderte Verhalten Abrahams" erscheint. Von daher wird man sagen müssen, daß in Sir 44^1f Abraham auch der Patriarch ist, dessen Gehorsam und Bewährung vorbildlich sind und erklären, warum gerade er Träger der - auch noch durch einen Eid bekräftigten - Verheißung wurde. Meist wird aber schon für 44,19f darauf abgehoben, daß hier die Reihenfolge von Bundesschluß und Gesetzesgehorsam umgekehrt worden ist und deshalb der Bund nurmehr ganz vom Gesetz her und ausschließlich „im Sinne der Verpflichtung"'2 zu verstehen ist. Das hängt allerdings sowohl davon ab, wie man hier νόμος, als auch davon, wie man διαθήκη versteht". Einiges spricht dafür, daß Sir sich in seiner Schilderung Abrahams, wie an anderen Stellen des Väterlobes auch, an die biblische Reihenfolge hält. Dann könnte νόμος in V20a die göttlichen Weisungen und Zusagen Gen 12,1-3 und Gen 15,1-6 bezeichnen, denen Abraham folgt^'', und V20b den Bundesschluß Gen 15,7-21 bezeichnen^^. So verstanden widerspricht V20 kaum dem Grund-

Besitzes (άπό θαλάσσης εως θαλάσσης και άπό ποταμού εως άκρου της γής) e n t s p r i c h t der B e s c h r e i b u n g der H e r r s c h a f t des k o m m e n d e n Königs (Messias) in 71,8 (vgl. auch Sach 9,10) " W i e s e r , A b r a h a m v o r s t e l l u n g e n 170. V o r s i c h t i g e r M c G o n i c a l , A b r a h a m 132: ,It may be, a l t h o u g h t h e text does not explicitly say so, that the a u t h o r sees the promises as s o m e t h i n g e a r n e d on the basis of A b r a h a m ' s piety." " K u t s c h , T R E 7 403. E i n e U m k e h r der R e i h e n f o l g e der biblischen O r d n u n g sieht H a n s e n , A b r a h a m 180. " O b w o h l es nicht a u s d r ü c k l i c h gesagt ist, wird in der F o r s c h u n g erwogen, ob Sir mit νόμος hier auf das m o s a i s c h e Gesetz a b h e b t , so d a ß u n s e r e Stelle der A u s g a n g s p u n k t d e r s p ä t e r e n T r a d i t i o n sein k ö n n t e , d a ß A b r a h a m das Sinaigesetz b e r e i t s zuvor d u r c h O f f e n b a r u n g k a n n t e und b e f o l g t e (vgl, syrBar 57,2 und Siebeneck, Bones 423f A n m . 23). So Skehan, Ben Sira 505; V20c folgt d a n n der B u n d e s s c h l u ß G e n 17 und V20d die V e r s u c h u n g G e n 22. V21 schildert zum A b s c h l u ß , im R ü c k g r i f f auf Gen 22,16-18, a u s f ü h r l i c h G o t t e s d u r c h Eid b e s t ä t i g t e V e r h e i ß u n g (auch hierin spiegelt sich der t h e o z e n t r i s c h e C h a r a k t e r ) . Bei solchem V e r s t ä n d n i s von νόμος wird man a l l e r d i n g s συντηρέω mit ,im G e d ä c h t n i s b e w a h r e n * (Bauer, W ö r t e r b u c h 1581; vgl. a u c h Sir 39,2; T o b 1,11; Arist 209; Dan 7,28 Θ; Lk 2,19) ü b e r t r a g e n müssen. Das ist möglich. Es ist a l l e r d i n g s doch a u f f ä l l i g , d a ß in Sir συντηρέω o f f e n s i c h t l i c h f ü r das W a n d e l n in den W e g e n (Sir 2,15; 6,26) oder auch das H a l t e n der G e b o t e (Sir 15,15; 32,1 [LXX 35,1]; 37,12) g e b r a u c h t wird (in der LXX f i n d e t sich dieser G e b r a u c h sonst nur noch Ez 18,19; vgl. auch A r i s t 127). So ist es w a h r s c h e i n l i c h e r , d a ß auch νόμος υψίστου in Sir 44,20 in dieser Linie zu verstehen ist, auch wenn ein Bezug zum erst später e r l a s s e n e n Sinaigesetz damit nicht z w a n g s l ä u f i g gegeben ist. Die W e i s u n g des H ö c h s t e n b e f o l g t A b r a h a m ja etwa auch, wenn er der A u f f o r d e r u n g zum A u s z u g in das v e r h e i ß e n e L a n d F o l g e leistet ( G e n 12). " Dies paßt auch zum sonstigen B e f u n d in Sir, wo διαθήκη zumeist deutlich f ü r die g ö t t l i c h e Z u s a g e g e b r a u c h t wird, die o h n e B e d i n g u n g ergeht (vgl. auch Kutsch, T R E 7 403). Das gilt gleich d a r a u f in 44,23 (Isaak und Israel) u n d auch in 44,18

74

III.A. S e p t u a g i n t a und P s e u d e p i g r a p h e n

satz, daß Gottes ErwäMung und Zusage jedem Gesetzesgehorsam vorangeht^'^. Dennoch wird immer wieder gerade Sir 44,19-22 als Hauptbeleg für jüdische Gesetzesgerechtigkeit genannt (häufig ohne nähere Analyse der Verse)^''. SicherUch ist nicht zu bestreiten, daß durch das διά τούτο in V21 eine deutliche Verbindung zwischen Abrahams Verhalten und Gottes Zusage gegeben ist. Jedoch dürfen dabei einige Sachverhalte nicht unterschlagen werden. Die Schilderung folgt dem Ablauf der Genesis, stelh also nicht prinzipiell Abrahams Verhalten vor Gottes Zusage. Am Schluß wird nochmals Gottes Verheißung (wie zuvor Abrahams Verhalten mit einem ganzen Vers) genannt. Das dient eher ihrer Hervorhebung als der Vorordnung des Tuns Abrahams und entspricht der theozentrischen Ausrichtung des Väterlobes insgesamt. Schheßlich wird diu-ch das διά τούτο - entsprechend der biblischen Vorlage (Gen 22,16; vgl. auch Gen 26,5) - ja nicht die Zusage Gottes selbst (die schon Gen Д 1 - 4 u.ö. erging) mit Abrahams Tun begründet, sondern ihre Bestätigung mit einem Eid. Im Judentum hat es offensichtlich eine Diskussion darüber gegeben, warum dieser Eid noch berichtet wird, wenn doch die Verheißungen bereits ergangen sind^®. Nur wenn man das alles nicht zur Kenntnis nimmt, kann diese Stelle als Hauptbeleg für jüdische Gesetzesgerechtigkeit (und Negativfolie für Paulus) dienen. Auffällig ist die Interpretation der schon mit Gen 12Д gegebenen und hier im Anschluß an Gen 22,17f (vgl. das έν ορκω εστησεν) formulierten Verheißungen. Denn ihre Reihenfolge erscheint hier umgedreht. Während in Gen 22,17f (und an den Parallelstellen Gen 12Д; 18,18; 26,4; 28,14) die Segensverheißung für aUe Völker (πάντα bzw. πάσαι) jeweils der Mehrungsverheißung für Abrahams Nachkommen folgt (quasi als weitere Steigerung und zugleich als Universalisierung), ist nun zuerst vom Segen für εθνη (ohne πάντα und Artikel!) die Rede. Dieser soll durch die nachgestellten Mehrungszusagen offenbar inhaltUch näher bestimmt werden. D a mit bleibt er zugleich stärker auf Israel bezogen: Israel wird so zahlreich werden

( N o a h ) ; 45,24 (διαθήκη ειρήνης - P i n e h a s u n d s e i n e n N a c h k o m m e n wird d a s H o h e p r i e s t e r a m t für i m m e r z u g e s a g t ; zur B e d e u t u n g d e s H o h e p r i e s t e r a m t e s i n n e r h a l b d e s Jaus patrum s.o. A n m . 9 ) ; 45,25 ( D a v i d ) . D i e e i n z i g e w e i t e r e Stelle, an der ,Bund' im L o b der V ä t e r o f f e n s i c h t l i c h für die B i n d u n g an das G e s e t z steht (44,12) wirkt d a g e g e n w i e ein E i n s c h u b ( v g l . R y s s e l , in: K a u t z s c h , A p o k r y p h e n I 450 A n m . e ) . '' V g l . a u c h N e h 9,7f, w o e b e n f a l l s d i e A b f o l g e E r w ä h l u n g - treu e r f u n d e n Bund zu f i n d e n ist. " E i n g u t e s B e i s p i e l h i e r f ü r ist d i e f o l g e n d e P a r a p h r a s e v o n V 1 9 f durch D u Toit: . A b r a h a m , der V a t e r e i n e r M e n g e v o n V ö l k e r n - nicht ist s e i n e m R u h m g e g e n ü b e r ein T a d e l g e s t a t t e t ! D e n n er b e o b a c h t e t die G e b o t e des H ö c h s t e n u n d trat in d e n B u n d mit i h m ein* ( G e s e t z e s g e r e c h t i g k e i t 77). D u T o i t s c h l i e ß t daran die S c h l u ß f o l g e r u n g an: . H i e r g e h t m e n s c h l i c h e L e i s t u n g der B u n d e s s c h l i e s s u n g voran" u n d g e b r a u c h t d i e so v e r s t a n d e n e S t e l l e als E i n w a n d g e g e n Sanders' T h e s e d e s . B u n d e s n o mismus'. Er v e r n a c h l ä s s i g t j e d o c h d e n Ü b e r s c h r i f t c h a r a k t e r v o n V 1 9 und b i n d e t V 2 0 mit e i n e m in d e n T e x t e i n g e t r a g e n e n γ ά ρ k a u s a l an ihn zurück. In der L X X ist z u d e m a u c h n i c h t v o m T a d e l s e i n e s R u h m e s d i e R e d e . O f f e n b a r hat D u T o i t d e n T e x t w e n i g e r a u s sich als , i m G e i s t e v o n R o m 4" ( G e s e t z e s g e r e c h t i g k e i t 77), und z w a r als N e g a t i v f o l i e und B e l e g t e x t der v o n i h m b e i d e n J u d e n v e r m u t e t e n G e s e t z e s g e r e c h t i g k e i t gelesen. V g l . P h i l o A b r . 273f; L e g . A l l . 3,203; W a R 29,9.

Der vorbildliche Abraham - Sir 44,19-21

75

- SO kann m a n jetzt verstehen - , daß es zu Völkern werden wird^'. D i e u r sprünglich in den Väterüberlieferungen universale T e n d e n z der S e g e n s verheißungen wird auf diese Weise letztlich auf Israel begrenzt^". b. Jub

19,9 - Abraham,

gläubig

erfunden

in der

Bewährung^'

In Jub 19,9 bittet A b r a h a m u m eine Stätte, w o er Sara begraben kann, ohne zu erwähnen, daß Gott ihm dies Land schon verheißen hat^^. Dies ist die letzte B e währung Abrahams in einer Reihe von 10 Versuchungen (19,8), von denen Jub allerdings nicht alle berichtet^. Aufgrund seiner Bewährung in diesen V e r s u chungen wird A b r a h a m zum Vorbild im Glauben, mit dem die Leser sich identifizieren sollen^'*. c. TestAbr

- Gottes

Verheißungstreue

trotz

Abrahams

Verbalten^^

T h e m a der Schrift ist das Problem des Todes und die richtige bzw. falsche B e u r -

" Vgl. zu ähnlichen T e n d e n z e n bei J o s e p h u s und Philo unten Kap.III.F. Anm.156. ^ Insofern läßt sich Sir 44,19-21 viel eher als Beleg für eine jüdische Position des .extra Israel nulla salus esf (Du Toit, Gesetzesgerechtigkeit 76) anführen, eine Position, gegen die sich Paulus ebenfalls wendet, und die tatsächlich im Judentum seiner Zeit herrschend war. Das Jubiläenbuch ist ursprünglich hebräisch geschrieben und ungefähr um 140 v.Chr entstanden (vgl. Berger, Jubiläen 285f.300; Steck, Israel 158 nimmt die A u f standszeit zwischen 167 und 164 v.Chr. als Entstehungszeit an; Nickelsburg, in: Stone, Writings 103 sieht 168 v.Chr als das Jahr der Entstehung). Es erzählt, mit vielen halachischen, aber auch mit eschatologischen und allgemein ethischen Erweiterungen, Gen 1 - Ex 14 nach. ^ .Und er sagte kein Wort über die Verbeißung in betreff des Landes, daß Gott gesagt habe, er werde es ihm und seinem Samen nach ihm geben' (Obersetzung nach Littmann, in: Kautzsch, Apokryphen II 72). Für Verheißung steht im Lateinischen wörtlich: sermonem pro sermone terrae sicut dixit Uli dare deus; vgl. zu dieser Tradition später auch MHG zu Gen 23,4 (angeführt bei Sandmel, Place 83 Anm. 432). " Im Hintergrund scheint eine Tradition von 10 Versuchungen zu stehen, wie sie sich auch im rabbinischen Schrifttum mehrmals findet, vgl. Nickelsburg (in: Stone, Writings 99; dort Anm. 43 sind die rabbinischen Parallelen genannt; s. auch unten S.165). " Er wurde in der Versuchung .als gläubig erfunden und wurde als Freund Gottes auf die himmlischen Tafeln geschrieben". .Freund Gottes' wird Abraham noch in TestAbr 13; CD 3,2; Philo Abr. 273 (vgl. auch Leg.All. 3,204); Jak 2,23; IKl 10,1 genannt. Erwägungen zum Anhalt am alttestamentlichen Text und zur Traditionsgeschichte dieses Epithets bei Sandmel, Place 44f Anm.130 (vgl. auch Berger, T R E 1 373). " Trotz der Überschrift ist TestAbr kein Testament (es enthält keine Abschiedsrede Abrahams). Man kann es als Erzählung bezeichnen oder auch als Apokalypse, insofern nämlich Abrahams Himmelsreise ein integraler Bestandteil der Schrift ist (vgl. Collins, in: Stone, Writings 326). Inhaltlich finden sich Parallelen zu einzelnen Motiven sowohl in rabbinischen, als auch in griechischen und ägyptischen Texten (vgl. Janssen, Testament 196f). Christlicher Einfluß ist allein in Kap. 20 sicher festzustellen.

76

ΙΠ.Α. Septuaginta und Pseudepigraphen

teilung seines Verhältnisses zu Gottes Gericht^. Beides wird beispielhaft an der Gestalt des Erzvaters Abraham vorgeführt, wobei die Schrift insgesamt zur Parodie auf das traditionelle Bild vom vorbildlichen Abraham wird^^. Abraham weigert sich mehrmals zu sterben. Als Gott ihm daraufhin die Bitte einer Himmelsreise gewährt, fordert er - man könnte sagen selbstgerecht^ - zunächst die unerbittìiche Bestrafung der Sünder von Gott (TestAbr 10). Abrahams eigene Gerechtigkeit macht ihn völlig unsensibel für die Sünder^'. Erst, als er den Prozess des Gerichtes kennengelernt hat, erkennt er seine Unbarmherzigkeit und bittet für die Sünder um Barmherzigkeit (TestAbr 14). Von ε π α γ γ ε λ ί α ist nur in der Langfassung und dort insgesamt an vier Stellen die Rede-^". Der Erzengel Michael kommt, um Abraham den Tod anzusagen. Sara erkennt in ihm einen der drei Männer, die einst Abraham und ihr die Geburt des Isaak verheißen haben (TestAbr Michael sagt dem Isaak zu (TestAbr 3,6): Der Herr, Gott, wird seine Verheißung dir gewähren, die er deinem ham verheißen hat und seinem Samen, und er wird dir ebenso das Gebet deines Vaters und deiner Mutter erfüllen''.

Vater Abraehrfurchtsvolle

Gedacht ist dabei offensichtlich an Nachkommenschaft (vgl. 6,5) und auch an das Land (vgl. 8,5; 20,11) und schließlich an den Segen^^. Als Abraham sich beim ersten Besuch des Erzengels weigert zu sterben^"*, beauftragt Gott ihn, den Abraham an sein Wirken zu erinnern und ihm zu übermitteln (TestAbr 8,5): „Das sagt der Herr, dein Gott, der dich hineinführte

^

in das Land der

Verheißung."

Vgl. Nickelsburg, in: Stone, Writings 61. Nickelsburg, in: Stone, Writings 61f; vgl. auch Collins, in: Stone, Writings 328: »highly ironic work". " Vgl. Nickelsburg, in: Stone, Writings 62. ® Vgl. TestAbr 10,13 und Rüssel, P s e u d e p i g r a p h a 77. TestAbr ist in zwei unterschiedlichen Fassungen ü b e r l i e f e r t . Das V e r h ä l t n i s von L a n g - (=A) und K u r z f a s s u n g (=B), eine g e n a u e r e Datierung und auch die religionsgeschichtliche E i n o r d n u n g der Schrift sind aber umstritten. Schmidt, T e s t a m e n t meint, В sei in Palästina, А später in Ägypten entstanden (ähnlich Wieser, A b r a h a m vorstellungen 176). U m g e k e h r t hält James, T e s t a m e n t 35-49 В f ü r eine K u r z f a s s u n g von А und auch Nickelsburg, Eschatology 220 meint, А sei älter; ders., in: Stone, Writings 60f, schränkt dies Urteil dann allerdings auf die Form der E r z ä h l u n g ein und rechnet mit einer komplexen Ü b e r l i e f e r u n g s g e s c h i c h t e (ebd. 64). Delcor, T e s t a ment 73-78 vermutet schließlich, daß A und В beide auf ein im l . J h . v . - l . J h . n . C h r . in Ägypten e n t s t a n d e n e s griechisches Original zurückgehen (ähnlich sieht es wohl J a n s s e n , T e s t a m e n t 195f; er plädiert allerdings f ü r eine E n t s t e h u n g in römischer nachchristlicher Zeit in Palästina, ebd. 198). " TestAbr 6,5: κάρπον κοιλίας εξ ε π α γ γ ε λ ί α ς . Auch Philo A b r . llOf berichtet von der V e r h e i ß u n g des Isaak, und in der Folge ist es e b e n f a l l s Sara, die in den Besuchern Geistwesen erkennt (vgl. weiter J o s A n t 1,191); τέκνον της ε π α γ γ ε λ ί α ς : Rom 9,8; Gal 4,28. " Übersetzung, auch im f o l g e n d e n , nach Janssen, Testament. Vgl. 3,6: ηύλόγησεν τάν Ισαάκ; 8,5 (mit Bezug auf A b r a h a m ) : έγώ εϊμν 6 θεός σοΰ ... ό εύλογήσας σε. Dies Motiv f i n d e t sich h ä u f i g e r in der zeitgenössischen jüdischen Literatur, vgl. AssMos, A p k E s r , ApkSedr.

Das verheißene Land

77

Endlich willigt Abraham, nach längerem Widerstand und nach seiner Himmelsreise ein in sein Sterben, und es wird berichtet, daß er im Land der Verheißung begraben wird (TestAbr 20,11). So bewirkt das Verhalten des Verheißungsträgers in TestAbr gerade nicht die Verwirklichung der Verheißungen. Das z.T. eher unrühmliche und gewiß nicht vorbildliche Schauspiel, das Abraham in dieser Schrift bietet, zeigt vielmehr, daß es allein Gottes Treue zu seinen Verheißungen ist, die ihre Verwirklichung bewirken kann und bewirkt.

2. Das verheißene Land In der hebräischen Bibel ist das Land der mit Abstand am häufigsten genannte Inhalt der Verheißung Gottes an sein Volk^^. Auch in den späteren griechischen Schriften der LXX und den Pseudepigraphen ist es ein öfter begegnendes Verheißungsgut. Es erscheint dabei jedoch mehrfach bloß als traditioneller Topos, auf dem im Kontext kein großes Gewicht liegt^. Konkrete gegenwärtige, etwa auch politische Hoffnungen oder Ansprüche knüpfen sich dagegen offenbar nurmehr selten an die Landverheißung^^. a. Bar 2,34f - Gott wird sein Volk ins verheißene Land

zurückführen^^

Gott hat nach seinem Erbarmen gehandelt, wie er Moses gesagt hat. Das ist die Hoffnung. Er hat Israel in die Verbannung geführt, wie er schon durch Moses angekündigt hat. Aber wenn Israel sich wieder abwendet von seinen Sünden, wird er sie auch wieder zurückführen: Dann werde ich sie in das Land zurückführen, das ich ihren Vätern Abraham, Isaak und Jakob unter Eid versprochen habe [ωμοσα], und sie werden (wieder) seine Besitzer sein. Ich mache sie zahlreich, und sie werden nie mehr vermindert. Dann schließe ich mit ihnen einen ewigen Bund: Ich will ihr Gott sein, und sie

" S.o. Kap.II Anm.39. ^ So in TestAbr und Jub 19,9, wo die Person und das Verhalten Abrahams im Vordergrund stehen. In AssMos 2,1 verweist Moses gegenüber Josua vor der Landnahme auf die Landverheißung (terram, quam decrevit et promisit dare patribus eorum). In T e s t j o s 20 wird es zum Topos eschatologischer Erwartung und in Sib 3,767f steht es deshalb auch in einer Reihe mit vielen weiteren eschatologischen Heilsgütern. Jub 1,7 blickt auf die erste Landnahme. " 2Makk 2,17f sieht sie anscheinend als ein weiteres Mal erfüllt an, ohne daß damit bereits ein befriedigender Heilszustand erreicht wäre. Für die Zukunft wird deshalb noch auf die Erfüllung weiterer Verheißungen gehofft (s.u. S.79). Zur Traditionsgeschichte der Landverheißung s.u. Kap. III.E.2.b.(l). " Der Vers gehört zu einer Art Rückschau auf Gottes Heilshandeln (2,27-2,3.5), die sich innerhalb des Bußgebets 1,15-3,8 und nach einem Bekenntnis der Schuld findet. Dies Bußgebet ist vermutlich im l.Jh. v.Chr. entstanden (vgl. Eißfeldt, E i n l e i t u n g 804; Nickelsburg, in: Stone, Writings 145 hält es für noch älter: .116 B.C.E... terminus ante quem"). Es folgt dem Schema von Dtn 28-32 und ist sprachlich von Dtn und Jer beeinflußt.

78

III.A. Septuaginta und Pseudepigraphen

sollen mein Volk sein; und nie wieder werde ich mein Volk Israel aus dem verstoßen, das ich ihnen gegeben habe^.

Land

Daram bitten die Betenden und hoffen, daß ihre Bitte um Vergebung und Erbarmen (3^.4) auch in der nachexilischen Situation erhört wird. Ob die Rückkehr in das verheißene Land für die nähere Zukunft real erwartet wird, oder ob sie eher eschatologisches Hoffnungsgut ist, muß dabei offenbleiben'"'. b. TestJos 20 - Gott führt das Volk in die Verheißung

der

Vätei^'

TesJos 20 gehört zum Ausblick auf die Zukunft, der seinen Ort insbesondere jeweils am Schluß der einzelnen Testamente hat. Hier kündigt Joseph seinen Nachkommen an, daß Gott sie in die Verheißung der Väter hineinführen wird"*^. Die Erwartung, daß Israel, weil es dem Gesetz nicht folgt, zerstreut werden wird'^', daß Gott es aber schließlich doch wieder sammeln wird'''', begegnet stereotyp in Test XII. Immer wird dieses Handeln Gottes mit seiner Barmherzigkeit begründet. Dahinter ist eine eschatologische Variante der deuteronomistischen Sicht von Geschichte erkennbar, die ein Schema von Sünde und Bestrafung in der Geschichte Israels erkennf*^ und die im nachexilischen Judentum weit verbreitet war^. Die Ankündigungen in den übrigen Testamenten zeigen, daß sie eine Vielfalt von Ausdrücken und Konzepten enthalten, die zumeist eschatologisch geprägt sind''^. Dies läßt es wahrscheinlich erscheinen, daß auch in TestJos 20 die Landverheißung weniger auf reale politische Hoffnungen als auf eine letzte eschatologische Sammlung Israels zielt.

" Übersetzung nach Einheitsübersetzung. Zur Landverheißung an die Väter (την γήν, ήν ώμοσα τοις πατράσιν) vgl. auch Jer 11,5; 39,22 und oben Kap.II Anm.39. "" Für das erstere könnte das betonte .Siehe, wir sind noch heute in den Ländern unserer Verbannung, in die du uns versprengt hast" in 3,8 sprechen, das über die in 3,7 bereits angesprochene Situation der Verbannung nach dem Fall von 587 v.Chr. hinausweisen könnte. Für das letztere spricht sicherlich die Erwartung eines ewigen Bundes. Test XII ist in seiner vorliegenden Form Ergebnis christlicher Bearbeitung. Die Schrift benutzt aber ausführlich jüdische Traditionen, denen vermutlich eine in Ägypten entstandene Schrift des hellenistischen Judentums aus dem 2.Jh v.Chr zugrunde liegt (vgl. Becker, Testamente 25f). Die Mehrheit des verwendeten Materials paßt sowohl zu jüdischer als auch zu christlicher Autorenschaft (vgl. Collins, in: Stone, Writings 342f). " ... είσάξει... εις την έπαγγελίαν των πατέρων (eine griechische Handschrift und die armenische Ü b e r l i e f e r u n g lesen den Singular, vier a n d e r e griechische Handschriften den Plural επαγγελίας, vgl. Becker, Testamente 130). « Vgl. TestLev 15.16; Testiss 6; TestSeb 9; TestDan 5; TestAss 7. « Vgl. Testiss 6; TestSeb 9; TestDan 5; TestNaph 4; TestAss 7. « Vgl. Collins, in: Stone, Writings 330. Vgl. Jonge, Future 200. Zum deuteronomistischen Geschichtsbild vgl. u.a. unten Anm.131. Vgl. Jonge, Future 196. TestBen 10 u.ö. wird das Gericht angekündigt; die Auferstehung ist Inhalt der Ankündigung in TestBen 10; T e s t j u d 25; TestSeb 10; TestSim 6; das ewige Leben wird genannt in TestAss 5.

Die v e r h e i ß e n e Z u k u n f t - 2 М а к к 2,17f

79

3. Die verheißene Zukunft a. 2Makk 2,17f - Wiederherstellung

von König-

und Heiligtum''^

Da in V17 das Verb ist die Aussage der Verse nicht ganz sicher zu erschließen. Unbestritten sind zwei Grundaussagen: Gott hat sein ganzes Volk gerettet und allen das Erbe gegeben. Und: mit einer Verheißung, die er durch das Gesetz gegeben hat, verbindet sich die Hoffnung auf ein baldiges Erbarmen Gottes. Κληρονομιά bezeichnet hier eindeutig das Land. Mit νόμος ist die Schrift gemeint, genauer wohl Ex 19,6^°. Die Hoffnung auf Gottes Erbarmen bedeutet hier konkret die Hoffnung auf die baldige Rückkehr der Juden von überall her aus der Diaspora an den heiligen Ort (vgl. schon 1^9; 2,7). Unklar bleibt, ob die Verheißung von Ex 19,6 zusammengesehen wird mit dem Empfang der κληρονομιά. Das erstere ist der Fall, wenn man έστίν o.ä. ergänzt und dann z.B. übersetzt: „Gott ist es ja, der ... allen das Erbland gegeben hat, das Königtum und die Priesterschaft und die Heiligung"^^. Diese Lösung ist allerdings - je nach Datierung des Briefes - nicht ohne inhaltliche Probleme. Denn sieht man die Zusagen von Erbland, Königtum, Priesterschaft und Heiligung als eingelöst an, dann stellt sich die Frage, welche Könige hier gemeint sein könnten. Zumeist wird ein Bezug auf die hasmonäischen Könige eher für unwahrscheinlich gehalten^^. Bezieht man statt dessen den Aorist άποδούς zurück

" 2Makk 2,17f g e h ö r t zum g e b e t s a r t i g e n A b s c h l u ß ( G o l d s t e i n , II M a c c a b e e s 187: . c h a r a c t e r of a prayer") des s o g e n a n n t e n 2 . E i n l e i t u n g s b r i e f e s , der im R a h m e n einer S c h l u ß r e d a k t i o n in 2Makk e i n g e f ü g t w o r d e n ist. E i n e M e h r h e i t von F o r s c h e r n n i m m t an, d a ß er um 60 v.Chr e n t s t a n d e n ist (vgl. H a b i c h t , 2 . M a k k a b ä e r b u c h 199). G o l d stein, II M a c c a b e e s 25 vertritt die T h e s e , der Brief sei, als Stück a n t i - o n i a d i s c h e r P r o p a g a n d a , im N o v e m b e r 103 v.Chr. im K o n t e x t des j ü d i s c h - s y r i s c h - ä g y p t i s c h e n K o n f l i k t s e n t s t a n d e n . Z u l e t z t h a t allerdings T a a t z , B r i e f e 42 w a h r s c h e i n l i c h zu m a chen v e r s u c h t , d a ß der Brief ,als ein echtes Schreiben* zu v e r s t e h e n ist, , d a s in V o r b e r e i t u n g des ersten F e s t e s anlässlich der vollzogenen T e m p e l r e i n i g u n g im J a h r e 164 v.Chr. oder noch w a h r s c h e i n l i c h e r 163 v.Chr. von J e r u s a l e m nach Ä g y p t e n g e s a n d t wurde", 2 M a k k 2,17: ό δέ θεός ó σώσας τον πάντα λαόν αύτοϋ και άποδούς τήν κληρονομίαν π ά σ ι ν και tò β α σ ί λ ε ι ο ν και το ίεράτευμα και τόν άγιασμόν, καθώς έπηγγείΧατο διά τοΰ νόμου· Vgl. G u t b r o d , T h W N T IV 1040. In Ex 19,6 heißt es: ύμεις δέ εσεσθε μοί β α σ ι λ ε ί ο ν ίεράτευμα και έθνος ά γ ι ο ν (vgl. auch I P e t r 2,9). Von d a h e r läßt 2Makk 2,17f sich k a u m - in einer R e i h e mit syrBar 57,2; 59,2 - als Beleg f ü r die V e r b i n d u n g von G e s e t z e s e r f ü l l u n g und E i n t r e f f e n der V e r h e i ß u n g und f ü r die j ü d i s c h e H e i l s u n s i c h e r h e i t a n f ü h r e n (gegen S c h n i e w i n d / F r i e d r i c h , T h W N T II 576; a u c h H e s t e r , C o n cept 33 b e h a u p t e t f ü r u n s e r e n Text diesen Z u s a m m e n h a n g von G e s e t z e s e r f ü l l u n g und E r b s c h a f t : .Only the o b s e r v a n c e of t h e Law will p r o v i d e the purity necessary f o r i n h e r i t a n c e " ) und auch nicht - vorsichtiger - als Belegstelle f ü r . d i e n o r m a t i v e j ü d i sche Position", d a ß V e r h e i ß u n g u n d Gesetz z u s a m m e n g e h ö r e n (so a b e r Betz, G a l a terbrief 286 A n m . 83; vgl. auch Liebers, Gesetz 231 und zuletzt w i e d e r D u n n , R o m a n s 212). Die J u d e n in Ä g y p t e n w e r d e n zwar in V16 a u f g e f o r d e r t , das Fest der R e i n i g u n g zu b e g e h e n , aber V 1 7 wird ja g e r a d e - u n a b h ä n g i g d a v o n - auf das E i n t r e f f e n von Verheißung zurückgeblickt. " So H a b i c h t , 2 . M a k k a b ä e r b u c h 207; ä h n l i c h K a m p h a u s e n , in: K a u t z s c h , A p o k r y p h e n I 89, sowie die E i n h e i t s ü b e r s e t z u n g . " So z.B. auch H a b i c h t , 2 . M a k k a b ä e r b u c h 207 A n m . 17c. A n d e r s , e n t s p r e c h e n d

80

III.A. S e p t u a g i n t a und P s e u d e p i g r a p h e n

auf die Zeit vor dem Exil, dann bleibt schwierig, daß der Aorist gewöhnlich ein bis in die Gegenwart wirkendes Geschehen bezeichnet. Das würde implizieren, das Exil letztlich kein entscheidender Einschnitt war. Nun fällt auf, daß sich die drei Begriffe βασιλείον/ ίεράτευμα/ άγιασμόν gut aus Ex 19,6 herleiten lassen, κληρονομιά dagegen nicht in diesen unmittelbaren Kontext gehört. Die ungewöhnliche Stellung des πάσιν zwischen κληρονομιά und den drei folgenden Begriffen verstärkt diese Beobachtung noch. Goldstein hat deshalb vorgeschlagen, zwischen πάσιν und καί ein άποδώσει zu ergänzen''^. Das paßt sowohl vom Satzaufbau als auch von der Sache her gut. Die Aussage von 2Makk 2,17f ist dann: daß Gott das ganze Volk gerettet hat (aus dem Exil?) und ihm das Erbland gegeben hat (durch die Rückkehr der Exilierten), ist der Grand für die Hoffnung, daß er auch weiterhin zu seinem Wort - konkret zu der Verheißung von Ex 19,6 - steht. Ja, ihre Erfüllung steht unmittelbar bevor (ταχύς) und wird einhergehen mit der Rückkehr aller Juden an den heiligen Ort. Eine endgültige Entscheidung ist m.E. hier nicht möglich. Zwar ist Goldsteins Vorschlag sachlich gut vorstellbar, aber er bleibt doch mit der Unsicherheit der nötigen Konjektur behaftet. Charakteristisch für diesen Text ist, daß das Verheißungsgut nicht in eschatologischen oder zumindest .eschatologisierten' Begriffen beschrieben wird und der Gerichtsgedanke, trotz des Rückbezugs auf Gottes Erbarmen, fehlt. Statt dessen werden hier konkrete religiöse (an Jerasalem und den Tempel gebundene) und auch politische Erfahrangen und Hoffnungen für die Zukunft formuliert. b. PsSal - Gottes zukünftiges Erbarmen bringt Leben und HeiP"* ( 1) PsSal 7,10: PsSal 7 steht in der Tradition der kollektiven Klagepsalmen. Es ist ein »Gebet um Hilfe in großer Not"·''^, vermutlich angesichts äußerer Feinde. Der Schlußvers formuliert als Gewißheit:

ihrer f r ü h e r e n D a t i e r u n g , interpretiert Taatz, B r i e f e 41f d i e Stelle: , D i e V e r h e i s s u n g v o n E x 19,5f ... s a h e n die B r i e f s c h r e i b e r mit der W i e d e r i n b e s i t z n a h m e J e r u s a l e m s und d e m V o l l z u g der T e m p e l r e i n i g u n g o f f e n s i c h t l i c h als e r f ü l l t an ... A u f g r u n d d i e ser H e i l s t a t G o t t e s h o f f t e n sie, so V . 18 w e i t e r , auf die b a l d i g e S a m m l u n g der D i a spora zur h e i l i g e n Stätte J e r u s a l e m . D a m i t e r s c h e i n t z u m dritten M a l e im Brief d i e e s c h a t o l o g i s c h e H o f f n u n g (1,29; 2,7.18). In d i e s e r H ä u f u n g wird e r s i c h t l i c h , w i e i n t e n s i v die E r w a r t u n g der V e r f a s s e r war. Der Brief ist d u r c h g e h e n d g e p r ä g t v o n e i n e r F r ö m m i g k e i t aus D a n k b a r k e i t u n d H o f f n u n g auf das b a l d i g e E n d e der D i a s p o r a s i tuation, d i e der d a m a l i g e n L a g e in J e r u s a l e m entsprach". "

G o l d s t e i n , II M a c c a b e e s 187. A u f g r u n d v o n PsSal 2.8.17, die w o h l die E r o b e r u n g J e r u s a l e m s durch P o m p e i u s 63 v.Chr. v o r a u s s e t z e n , wird die E n t s t e h u n g s z e i t der S c h r i f t für M i t t e d e s l . J h v.Chr. a n g e n o m m e n (vgl. H o l m - N i e l s e n , P s a l m e n S a l o m o s 58; E i ß f e l d t , E i n l e i t u n g 830; J o n g e , O u t s i d e 161). E n t s t e h u n g s o r t ist v e r m u t l i c h Israel. U . a . die h ä u f i g e S e l b s t b e z e i c h n u n g als οσνον und d i e A b g r e n z u n g v o n d e n S ü n d e r n m a c h e n es w a h r s c h e i n l i c h , d a ß PsSal der p h a r i s ä i s c h e n G e i s t e s h a l t u n g n a h e s t e h e n (vgl. H o l m - N i e l sen, P s a l m e n S a l o m o s 51; S c h ü p p h a u s , P s a l m e n S a l o m o s 131f). Kritisch zu d i e s e r H e r l e i t u n g ä u ß e r n sich j e d o c h W r i g h t , P s a l m s u n d Sanders, P a u l u s 365. S a n d e r s w e i s t auf das sehr g e r i n g e h a l a c h i s c h e I n t e r e s s e der PsSal hin, das s i e v o n der r a b b i n i s c h e n Literatur, aber e t w a a u c h v o n Jub u n t e r s c h e i d e . » Kittel in K a u t z s c h , A p o k r y p h e n II 137.

Die verheißene Z u k u n f t - PsSal „Du wirst uns leiten zur Zeit deiner Hilfe, an dem Tag, den du ihnen

daß du dich des Hauses Jakobs

81 erbarmst

verheißen"^^.

Von Gottes Barmherzigkeit ist in diesem Psalm allein 4x die Rede^^, wie überhaupt dieser Gedanke in PsSal zum zentralen theologischen Begriff wird^^. Der Tag, den Gott verheißen hat, könnte angesichts der im Psalm angesprochenen äußeren Feinde der Tag sein, an dem die Feinde besiegt sein werden und Israel wieder Herr im eigenen Land sein wird. Man kann aber auch von 15,12f her an den eschatologischen Gerichtstag denken. Und auch in 18,5 ist der Tag der Barmherzigkeit zugleich der Tag der Auswahl, an dem der Gesalbte des Herrn seine Herrschaft antritt, um so dem kommenden Geschlecht Heil zu schaffen (vgl. auch PsSal 17,44). (2) PsSal 12,6: Der Psalm, der Form nach ein individueller Klagepsalm, schließt mit dem Wunsch, daß die Frommen die Verheißungen des Herrn erben mögen''. "Οσιοι wird in den Schlußversen der PsSal parallel gebraucht zu φοβούμενοι und άγαπώντες, aber auch zu 'Ισραήλ insgesamt. Im Gegensatz zu diesen Frommen stehen die άρματωλοί®®. So können sowohl Angehörige des eigenen Volkes als auch äußere Feinde gekennzeichnet werden·"'. Durch diesen Gegensatz όσιοι - αμαρτωλοί ist auch der Inhalt des Erbes näher bestimmt. Während den Sündern stereotyp das Verderben angesagt wird (άπώλειαν κληρονομεϊν)·'^, ist den Frommen das Erbe des Lebens (ί^ωή) verheißen®l Betrachtet man die Schlußverse der Psalmen insgesamt, so umschreiben hier ελεος, 5;ωή, σωτηρία und έ π α γ γ ε λ ί α weitgehend parallel die gleiche erwartete heil-

Übersetzung, auch im f o l g e n d e n , nach H o l m - N i e l s e n , Psalmen Salomos. Die syrische Übersetzung liest ,the day, which is prepared for them" ( T r a f t o n , Syriac Version 85). T r a f t o n hält diese Übersetzung f ü r .smoother, although there is no obvious explanation for the d i f f e r e n c e s " (ebd. 87). " 7,5.6.8.10. " Er begegnet 32x substantivisch (ελεος, ελεημοσύνη, χρηστότης), 13χ verbal (έλεείν, οίκτείρειν, χρηστεύειν) und 9χ adjektivisch (έλεήμων, χρηστός), vgl. Braun, E r b a r m e n 11. Die Barmherzigkeit ist f ü r PsSal die wichtigste E i g e n s c h a f t Gottes. Sie begegnet allein in 11 von 18 Psalmen im b e k r ä f t i g e n d e n Schlußsatz (so auch in 7,10; 12,6).

Die Schlußverse der PsSal können sowohl als Wunsch (wie hier: κληρονομήσαισαν; vgl. auch PsSal 4,23; 7,10) als auch als Aussagesatz (vgl. 14,10: κληρονομήσουσιν) formuliert werden. " Ό σ ι ο ι : 2,36; 8,34; (9,3); 10,6; 12,6; 13,12; 14,3.10; φοβούμενοι: 3,12; 4,23; 5,18; 13,12; 15,13; άγαπώντες: 4,25; 6,6; (14,1); Ισραήλ: 7,10 ( Ιακώβ); 8,34; 9,11; 10,8; 11,9; 12,6; 17,45; αμαρτωλοί: 2,34; 3,12; 4,23; 12,6; 13,11; 14,6; 15,13 и.о. " In diesem Z u s a m m e n h a n g ist es a u f f a l l e n d , daß von Ισραήλ an den Anm.60 g e n a n n t e n Stellen fast ausschließlich die R e d e ist im Z u s a m m e n h a n g mit ä u ß e r e n Feinden. N u r hier, in 12,6 begegnet es parallel zum Gegensatz όσιοι - άμαρτολοι. ® 3 , l l f (μέρνς f ü r κληρονομιά) ; 14,9 (^δης και σκότος και απώλεια); 15,10 (απώλεια και σκότος). O h n e den Z u s a m m e n h a n g mit κληρονομιά ist vom V e r d e r b e n der Sünder noch sehr viel h ä u f i g e r die Rede. " 14,10 (vgl. auch 3,12; 9,5; 15,13). Gedacht ist dabei wohl in erster Linie an ein ewiges Leben nach dem T o d e (3,12: άναστήσονται εις ξ^ωήν αίωνιον).

82

ΠΙ.Α. S e p t u a g i n t a und P s e u d e p i g r a p h e n

volle Zukunft^. Man kann fragen, ob in den PsSal insgesamt stärker der G e danke der Barmherzigkeit oder der der Vergeltung®^ bzw. Gerechtigkeit im Vordergrand steht. Bereits die Häufigkeit der Lexeme für Gottes Erbarmen und ihr sachliches Gewicht in den Schlußversen sprechen m.E. eindeutig für das Erstere*^. Eine weitere Frage ist wiederam die nach dem Verhältnis von Gottes Gnadenhandeln imd dem Verhalten der Menschen. PsSal geben an, wem die Barmherzigkeit gilt: die Frommen (όσιοι 12,6; 14,10) sind die, die erben werden. Doch auch diese sind offensichtlich durch Gottes Gnadenwahl Ausgewählte (vgl. εκλογή 18,5), und die Barmherzigkeit ist dem ausgewählten Israel durch den Bund (9,10; 10,4) verbürgt. Von daher trifft es den Kern dieses Verhältnisses nicht, wenn man «zwischen der grandlosen und der vom Frommen erwirkten Barmherzigkeit Gottes" unterscheidet, um dann hinter diesem „Fendelschlag .... ein deutliches Symptom für die letzte Heilsunsicherheit, die hinter aller vordergründigen Gewißheit steckt" zu sehen®''. (3) PsSal 17,4f: V4 erinnert zunächst Gott an die Zusage von 2Sam 7, daß das Königtum Davids ewig bleiben solle, um dann in V5 zu konstatieren: wegen der Sünde des Volkes ist diese Verheißung in der Gegenwart nicht wirksam. Denn daß Fremde die Königsherrschaft über Israel ausüben, entspricht nicht der Verheißung®". Die Zielrichtung des Verses ist also deutlich, auch wenn der grammatische Bezug des οίς ούκ έπηγγείλω nicht eindeutig zu klären ist. Vier Möglichkeiten der Zuordnung gibt es: man kann es als Subjekt oder Objekt zu έπέθεντο oder zu άφείλαντο ziehen. Wegen des Parallelismus und des Metrams ist die Verbindung mit dem nachfolgenden άφείλαντο (gegen die Hss.) « 12,6; vgl. 10,8. Ä h n l i c h wie in 12,6 heißt es auch in 11,8: der H e r r tue, was er ü b e r Israel u n d J e r u s a l e m g e r e d e t h a t - n ä m l i c h G u t e s (vgl. V7: άγαθά). A u c h diese Stelle, wo von G o t t e s λ α λ ε ϊ ν die R e d e ist, ist sachlich der V e r h e i ß u n g s v o r s t e l l u n g der PsSal z u z u o r d n e n . " Die B a r m h e r z i g k e i t sieht B r a u n , E r b a r m e n im V o r d e r g r u n d , den V e r g e l t u n g s g e d a n k e n Sjöberg, G o t t 207. " Z w a r k o n s t a t i e r t auch Sjöberg, d a ß der V o r r a n g des V e r g e l t u n g s g e d a n k e n s . n i c h t auf p r i n z i p i e l l e n E r w ä g u n g e n , s o n d e r n lediglich d a r a u f " b e r u h e , , d a ß der G e g e n s a t z der F r o m m e n zu den S ü n d e r n so scharf g e w o r d e n ist, d a ß sie f ü r ihre G e g n e r mit k e i n e r a n d e r e n Möglichkeit als mit der B e s t r a f u n g r e c h n e n k ö n n e n u n d wollen* (Sjöberg, G o t t 207). A b e r er stellt z.B. zu wenig in R e c h n u n g , d a ß die von ihm g e n a n n t e n Belegstellen PsSal 2,8 und 17,9 z u r ü c k b l i c k e n auf ein k o n k r e t e s , b e reits v e r g a n g e n e s G e r i c h t an den F e i n d e n , die o h n e V e r h e i ß u n g Davids T h r o n u s u r piert h a b e n (s.u. zu 17,4f) u n d keine a l l g e m e i n e n A u s s a g e n ü b e r ein z u k ü n f t i g e s Gericht machen. " B r a u n , E r b a r m e n 47 (vgl. zur Kritik an B r a u n a u c h S a n d e r s , P a u l u s 370). " T r o t z d e m k a n n PsSal 8 die E i n n a h m e J e r u s a l e m s 63 v.Chr d u r c h P o m p e i u s als g e r e c h t e s G e r i c h t ü b e r die F ü h r e r des L a n d e s g e f e i e r t w e r d e n . In PsSal 17 wird m a n die f r e m d e n H e r r s c h e r von d a h e r wohl nicht auf dieses E r e i g n i s b e z i e h e n d ü r f e n (gegen H o l m - N i e l s e n , P s a l m e n Salomos 58, der diese M ö g l i c h k e i t a n s c h e i n e n d f a v o risiert), s o n d e r n auf das h a s m o n ä i s c h e K ö n i g t u m (vgl. S c h ü p p h a u s , P s a l m e n Salomos 65f). D a f ü r spricht nicht n u r , d a ß a n d e r n f a l l s PsSal 8 und 17 das gleiche E r e i g n i s g e n a u e n t g e g e n g e s e t z t b e u r t e i l e n w ü r d e n , s o n d e r n vor allem, d a ß nur J u d e n Davids T h r o n u s u r p i e r t h a b e n . »Andere Könige auf D a v i d s T h r o n g a b es nicht" (Kittel, in: K a u t z s c h , A p o k r y p h e n II 145 A n m . a ) .

Die verheißene Zukunft - PsSal

83

wahrscheinlicher®®. Weiter liegt es vom Kontext her - wo es primär um die Verheißung an David und seine Nachkommen und weniger um den Inhalt (die Königsherrschaft) geht - nahe, die Worte als betont vorangestelltes Subjekt zu verstehen™ und zu übersetzen: .denen du nicht verheißen hattest, die rissen an sich'. Möglich wäre auch die Beziehung auf den Verheißungsinhalt ( ,was du nicht verheißen hattest, das rissen sie an sich'^'). Gemeint ist dann: die Königsherrschaft war den Fremden nicht verheißen. Auch wenn der sachliche Unterschied letztlich nicht gravierend ist, kann man hier allerdings fragen: gab es irgendetwas anderes, das den Fremden verheißen gewesen wäre? Nach dem Verständnis der PsSal wohl kaum. Der Gegensatz ist hier also: Verheißung an die Davididen, nicht an die Fremden (und nicht: den Fremden Verheißenes und ihnen nicht Verheißenes). In der Situation der Unterdrückung durch Fremde wird die Herrschaft des Messias aus dem Geschlecht Davids erhofft und erwartet (V21f). Hier bleibt, wie in 7,10, in der Schwebe, inwieweit mit dieser Herrschaft eine innergeschichtliche Wende des Schicksals Israels und inwieweit mit ihr das eschatologische Ende der Welt verbunden wdrd^^. c. Sib 3,767f - Gottes

Verheißungen für die Frommen''^

Sib 3,767f kündigt ein ewiges Königreich Gottes an und beschreibt sodann die erwartete Zukunft mit verschiedenen Bildern, die sich vor allem anlehnen an Verheißungen aus dem Buch Jesaja^"*. Eingeflochten in diese Prophezeiungen ist in 3,768f ein Rückblick auf das, was dieser Gott den Frommen (εύσεβέσιν) gegeben hat - nämlich das Gesetz - und was er ihnen allen verheißen hat (ύπέσχετο): das Land (γαίαν)''' zu erschließen und die Welt, sowie die Tore der Seligen und alle Freuden; dazu einen unsterblichen, ewigen Geist, der zusammen mit den übrigen Verheißungen die „unumschränkte Gesetzeserfüllung der Frommen"''® ermöglicht, sowie Heiterkeit des Herzens. Das Verheißungsgut ist also hier bestimmt von

" Vgl. H o l m - N i e l s e n , Psalmen Salomos 98 Anm. 5c. ™ Mit der syrischen Übersetzung, vgl. H o l m - N i e l s e n , Psalmen Salemos 98; so versteht es auch Wright (in: Charlesworth, Pseudepigrapha 2 667). " H o l m - N i e l s e n , Psalmen Salomos 98. Vgl. V21f und V35. '' Die Verse gehören zum - vermutlich ältesten - dritten Buch der Gracula Sibyllina, dessen Entstehung zumeist im 2.Jh v.Chr im alexandrinischen Judentum angenommen wird. Es diente der jüdischen Propaganda (vgl. Blaß, in: Kautzsch, Apokryphen II 180; Eißfeldt, Einleitung 835 und zuletzt Treu, in: Schneemelcher, Apokryphen II 592). Sib 3,772f -> vgl. Jes 2,2-4 и.о.; 3,777f -> vgl. Jes 42,10ff и.о.; 3,785f -> vgl. Jes 40,9; 54,1; 60,1; 3,788f -> vgl. Jes l l , 6 f f . " Die ganze Reihe scheint eine Steigerung des Verheißungsgutes zu bieten. D e s halb, und wegen des direkt folgenden κόσμον ist γ α ί α ν hier wohl auf das Israel von Gott verheißene Land zu beziehen. Anders Blaß, in: Kautzsch, Apokryphen II 200 (er übersetzt .die ganze Erde* und verweist dafür auf eine Konjektur von Gfrörer, der πάσιν zu γ α ί α ν ziehe, ebd. Anm. b); zuletzt auch Reinmuth, Geist 80. Sicher richtig ist, daß die ganze Reihe eine universalistische Tendenz hat. Reinmuth, Geist 90.

84

III.A. Septuaginta und Pseudepigraphen

apokalyptischer Zukunftserwartung, und auch die Landverheißung gehört in diesen eschatologischen Horizont hinein'^''. D a s Verhältnis von Gesetz und V e r heißung ist offensichtUch wechselseitig. A u c h die G a b e (εδωκεν) des Gesetzes an die Frommen könnte man bereits als .eschatologisches Gut', als eine Art V o r schuß auf die weiteren verheißenen Güter verstehen,''® auch wenn in der (nicht nur in der apokalyptischen Literatur üblichen) Scheidung der Frommen von den elenden Sterblichen gewiß impliziert ist, daß diese eben nach dem Willen Gottes leben''^. Solches Leben - im Kontext des 3.Buches ist darunter vor allem A c h tung vor d e m jüdischen T e m p e l und Meidung von Götzendienst und sexueller Ausschweifung anvisiert - ist zugleich notwendige Vorbedingung für das ideale Königtum^".

" Vgl. die Kennzeichnung von Vielhauer/Strecker, daß die Sibyllistik die „Apokalyptik des hellenistischen Diasporajudentums* repräsentiere (Schneemelcher, Apokryphen II 508). Zur Verheißung der Welt vgl. syrBar 14,13; 51,3. Die Parallelen zur Apokalyptik (vgl. auch Eißfeldt, Einleitung 834) sind auch im Kontext unserer Stelle unübersehbar (3,796: .Ich werde dir aber ein deutliches Zeichen sagen, daß du erkennen kannst, wann das Ende aller Dinge auf Erden kommt"; Übersetzung - auch im folgenden - nach Blaß, in Kautzsch, Apokryphen II). ™ Denn zwar begründet das Nicht-befolgen des Gesetzes auch das Gericht (Sib 3,686; 3,387 - das Gericht gegen die feindlichen Heiden!), und die Söhne Gottes sollen das Gesetz bedenken (3,719). Aber das Gesetz ist vor allem erwartete eschatologische Gabe (3,373f: „denn alle Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit wird vom gestirnten Himmel zu den Menschen kommen"; 3,580: ,In Gerechtigkeit, indem sie das Gesetz des Höchsten erlangt haben, werden sie glückselig die Städte und die fetten Fluren bewohnen"; 3,757f: „ein gemeinsames Gesetz auf der ganzen Erde wird der Unsterbliche im gestirnten Himmel den Menschen vollenden'). ™ Vgl. auch Arist 212: „Denn auch Gott verheißt [προστιμαίνειΙ in allem den Gerechten die größten Güter [άγαθά μέγιστα/" (Übersetzung nach Wendland, in Kautzsch, Apokryphen II 22). Die von einem alexandrinischen Juden verfaßte Schrift ist im 2.Jh. v.Chr. entstanden (vgl. Eißfeldt, Einleitung 211f) und will die Überlegenheit der jüdischen Religion über die griechische Bildung aufzeigen. Der Vers enthält die Antwort eines Juden im Tischgespräch mit dem König von Alexandria. Die U n terscheidung zwischen Gerechten und Sündern hat nicht nur ihre Parallelen im übrigen jüdischen Schrifttum, sondern auch später in den neutestamentlichen Tugendund Lasterkatalogen. Darüber hinaus läßt sich vermuten, daß «die jüdische Scheidung zwischen Gerechten und Ungerechten ... die griechische Scheidung zwischen Anhängern der wahren Philosophie und den Toren und törichten Reichen radikalisiert" hat (Berger, Formgeschichte 151). Der Gerechte ist in diesen Kontexten also wohl nicht nur vom jüdischen Hintergrund, sondern auch von der hellenistischen Tugendlehre her zu verstehen. So wird auch verständlich, wie sie in hellenistisch-jüdischer Literatur als Mittel jüdischer Propaganda benutzt werden konnte (vgl. auch Nickelsburg in: Stone, Writings 77, zu den Antworten im Tischgespräch des Aristeasbriefes: .There is little, that is particulary Jewish in these answers"). »0 Vgl. Collins, in: Stone, Writings 368. Nach Collins, Athens 151 behandelt die 3. Sibylle das Gesetz praktisch als Naturgesetz. Zumindest verweist sie nirgends auf die Bestandteile des Gesetzes, die Juden und Heiden trennen. Das Gesetz dient vielmehr der Erfüllung der menschlichen Natur überhaupt.

Die v e r h e i ß e n e Z u k u n f t - T e s t j u d 22

d. TestJud 22 - Frieden und Ruhe im verheißenen

ewigen

85

Königreich^'

TestJud 2 2 greift auf d i e Z u s a g e G o t t e s (όρκος) a n J u d a zurück, d a ß die H e r r s c h a f t J u d a s a n d a u e r n wird^^. D i e s e wird hier als e w i g e s K ö n i g r e i c h interpretiert (vgl. Sib 3,767f), d a s J a k o b u n d allen H e i d e n F r i e d e n u n d R u h e bringen wird. D i e P a s s a g e k o n n t e , w i e w e i t e r e vergleichbare auch^^, v o n d e n ersten Christen als H i n w e i s auf das K o m m e n Jesu Christi v e r s t a n d e n werden®'*.

e. 4Makk 15,2 - Rettung und ewiges Lehen für die Frömmigkeit^^ 4 M a k k 1 5 2 steht i m K o n t e x t des Berichts v o m M a r t y r i u m der Mutter. Ihre F r ö m migkeit, d i e a u c h vor d e m T o d nicht zurückschreckt, wird gepriesen. A u c h w e n n dabei nicht ausdrücklich v o n G o t t e s V e r h e i ß u n g die R e d e ist, s o z e i g e n d o c h die parallele Konstruktion u n d d a s W o r t f e l d deutlich: V e r s p r e c h e n , d i e M e n s c h e n m a c h e n k ö n n e n , d i e gar ein T y r a n n gibt, k ö n n e n letztlich h ö c h s t e n s d a s irdische L e b e n betreffen'^. Sie m ü s s e n d e s h a l b deutlich unterschieden w e r d e n v o n d e n Z u s a g e n , d i e G o t t der F r ö m m i g k e i t m a c h t : R e t t u n g u n d e w i g e s L e b e n . D a ist es letztlich k e i n e F r a g e mehr, w e l c h e Z u s a g e n m a n m e h r zu l i e b e n hat®^.

" Z u den TestXII insgesamt s.o. Anm.41. " Vgl. Gen 49,10: ούκ ε κ λ ε ί ψ ε ι άρχων έξ Ιούδα κοά ηγούμενος έκ των μηρών αύτού, εως αν ελθη τά άποκείμενα αύτω και αυτός προσδοκία έθνών. " Vgl. z.B. T e s t N a p h 8. " Vgl. J o n g e , F u t u r e 207. Im f r ü h e n C h r i s t e n t u m w e r d e n diese Z u s a g e n d a n n z.T. a u s d r ü c k l i c h als e r f ü l l t a n g e s e h e n ; vgl. K e r y g m a t a P e t r o u (H III 49,2): . W e r nun sieht, d a ß die F ü h r e r aus J u d a v e r g a n g e n sind und ein H e r r s c h e r und ein Fürst a u f g e t r e t e n ist und von den H e i d e n e r w a r t e t wird, der v e r m a g a u f g r u n d der E r f ü l l u n g zu e r k e n n e n , d a ß die S c h r i f t s t e l l e w a h r und der V e r h e i ß e n e e r s c h i e n e n ist. U n d w e n n er dessen L e h r e a n n i m m t , so wird er e r f a h r e n , w e l c h e Teile der Schrift der W a h r h e i t e n t s p r e c h e n und was g e f ä l s c h t ist* ( Ü b e r s e t z u n g nach Strecker bei S c h n e e m e l c h e r , A p o k r y p h e n II 482). " Die griechisch g e s c h r i e b e n e j ü d i s c h e S c h r i f t , ein p h i l o s o p h i s c h e r T r a k t a t nach A r t d e r D i a t r i b e (vgl. D e i ß m a n n , in: K a u t z s c h , A p o k r y p h e n II 151), will z u r . W a h r u n g des j ü d i s c h e n Gesetzes" anleiten ( E i ß f e l d t , E i n l e i t u n g 832; vgl. auch G i l bert, in: Stone, W r i t i n g s 318: . T h e basic s t a t e m e n t of t h e work is t h a t total fidelity to t h e Lord a n d his Law, even to d e a t h , is s o m e t h i n g possible a n d b e n e f i c a i " ) . Sie b e dient sich dabei der Eulogie der M ä r t y r e r aber auch u.a. m a n c h e r E l e m e n t e der stoischen Philosophie. D a t i e r u n g und Ort sind u n s i c h e r . Z u m e i s t nimmt an eine E n t s t e h u n g zwischen der Mitte des l . J h . v.Chr. und 100 n.Chr. in A l e x a n d r i e n oder auch A n t i o c h i a an (vgl. E i ß f e l d t , E i n l e i t u n g 833 und zuletzt auch Gilbert, in: Stone, W r i tings 318). N e b e n e i n a n d e r g e s t e l l t w e r d e n κατά τήν τού τυράννου ύπόσχεσιν und κατά θεόν. Vgl. auch Philo, A b r . 262-275 u.ö. (s.u. S . 1 0 9 f i

86

III.A. Septuaginta und P s e u d e p i g r a p h e n

4. Der barmherzige Gott Schon in den Psahnen Salomos®® begegnete uns Gottes Barmherzigkeit als zentraler theologischer Begriff. Und auch in 2Makk 2,17f begründete sie die Hoffnung auf Gottes Verheißungen®'. Sie dient aber nicht nur als Begründung für die Verheißungshoffnung. Mitunter karm sie auch selbst zum ausdrücklichen Inhalt der Verheißung werden. a. Weish - Gott erbarmt sich wegen der Verheißungen an die

Väter

Aufgrund des Charakters dieser Weisheitsschrift bleibt eine genauere historische Lokalisierung schwierig'°. Dies gilt in besonderem Maß für ll^Od-12^2, ein Abschnitt, der wohl „ein ursprünglich selbständiger, missionarisch motivierter Hymnus auf Gottes Güte" ist'4 Die Verwurzelung des Verfassers im hellenistischen Judentum ist allerdings deutlich®^. Ob die Leser Juden gewesen sind, oder ob Weish sich (auch) an nichtjüdische Leser wendet, ist umstritten'^. (1) Weish 12,21: Die den Vätern gegebenen ,Eide und Zusagen guter Verheißungen' begründen für den Verfasser die Zuversicht, daß Gott sich auch in Zukunft über sein Volk erbarmen (V21) und Umkehr gewähren wird (V19).

«» s.o. s.sof. " E b e n s o wird auch in TestXII (s.o. S.78) und in LibAnt (s.u. S.95f) die E r w a r tung, daß Gott sein Volk schließlich doch wieder b e f r e i e n und sammeln wird, mit seiner Barmherzigkeit b e g r ü n d e t . Georgi, Weisheit 392 spricht von einem .Schulprodukt". Gilbert (in: Stone, Writings 312) hält sie f ü r eine Schrift aus dem ausgehenden l . J h . v. Chr., der Zeit des Augustus. U n b e s t i m m t e r bleiben Siegfried in Kautzsch, A p o k r y p h e n I 479; E i ß f e l d t , Einleitung 815; Reese, I n f l u e n c e 151: aus dem A l e x a n d r i e n des l . J h v.Chr.; Georgi, Weisheit 395f vermutet eine E n t s t e h u n g eher in Syrien, im 2.Jh v.Chr. " Georgi, Weisheit 441. Vgl. auch B r a n d e n b u r g e r , Pistis, der als Beleg f ü r das universale .missionarische' Bewußtsein dieser Tradition auf «die H ä u f u n g u n i v e r saler A u s s a g e n in l l , 2 0 d - 1 2 , l ; 12,13-17, d a r u n t e r allein zehn Kávxa-Bildungen" v e r weist (182 A n m . 70). A n d e r s Gilbert (in: Stone, Writings 301ff): er hält 11,15-12,27 f ü r einen ersten E i n s c h u b in den dritten Teil (Kap. 11-19) des einheitlichen E n k o mions Weish, einen Einschub, der auf die F r a g e antwortet, w a r u m Gott so m e r k w ü r dige Mittel der B e s t r a f u n g f ü r die Ägypter wählt (ebd. 304). Darauf weist zum einen das V o k a b u l a r und auch die A n g e w o h n h e i t , mitunter parallel zu biblischer Terminologie (hier: διαθήκη u n d όρκος) A u s d r ü c k e zu g e b r a u chen, die sich sonst im Alten T e s t a m e n t nicht f i n d e n (hier: ύπόσχεσνς; vgl. Reese, I n f l u e n c e 5). " Für E i ß f e l d t , Einleitung 816 ist die Absicht »deutlich die, den jüdischen G o t tesglauben mit den Mitteln der hellenistischen Bildung zu verteidigen, und zwar nach zwei Seiten hin: gegen abtrünnig gewordene Volksgenossen und gegen seine h e i d n i sche Umgebung." A u c h nach Georgi, Weisheit 391 hat m a n sich die A d r e s s a t e n nicht notwendig als J u d e n vorzustellen: .Die Verweise auf die an die V ä t e r ergangenen E i d s c h w ü r e ... und auf Bundesschlüsse ... setzen zwar f ü r den K e n n e r biblische T r a dition voraus, aber sie sind f ü r hellenistische Ohren dennoch genügend allgemein und verständlich." Reese, I n f l u e n c e 151f dagegen sieht in Weish ein L e h r b u c h f ü r jüdische Studenten in A l e x a n d r i a ; ebenso Gilbert (in: Stone, Writings 312).

Der b a r m h e r z i g e Gott - Weish

87

Συνθήκη ist hier weitgehend bedeutungsgleich mit ορκος'·*. Als gen.obj. erläutert υποσχέσεων beide Begriffe inhaltlich näher'^. Immer geht es um „eine Willenskundgebung Gottes, die .Verheißung u Selbstverpflichtung zugleich in sich'" beschließt'^. Aus Gottes Erbarmen folgt für den Gerechten, daß auch er φιλάνθρωπον sein soll (12,19)'^. (2) Weish 18,6 und 18,22 führen aus, daß Gottes Erbarmen durch die Erinnerung an die Eide und Bundesschlüsse geweckt werden kann. Die Verse gehören zum großen Gebet Salomos über das Walten der Weisheit in der Geschichte (8,19-19,22), genauer zum 6. von 7 Vergleichen zwischen dem Handeln Gottes an seinem Volk und an seinen Feinden. Verglichen wird hier der Tod der Erstgeborenen mit dem Tod in der Wüste. Gott hat die Feinde, als Strafe für das Töten der Erstgeburt, in gewaltiger Wasserflut vernichtet und seinem Volk dies vorher angekündigt (προεγνώσι?η), damit sie zuversichtlich wissen, welchen Eiden sie vertrauen können (οις έπίστευσαν ορκοις 18,6). Auch die Gerechten lernen zwar mitunter Gottes Zorn kennen, so berni Tod in der Wüste. Aber sie können, wie Weish 18,21f schildert, den Strafenden im Gebet an die όρκους πατέρων και διαιίήκας erinnern und so seinen Zorn beenden'®. b. ЗМакк 2,10 - Gott hat verheißen, das Gebet zu erhören'^ ЗМакк 2,10 ist Teil eines Gebets des Hohenpriesters Simon um Beistand gegen den tyrannischen Ptolemäus, der in das Allerheiligste des Jerusalemer Tempels

Συνθήκη ( . [ a g r e e m e n t , pact, entente], t h a t is any m u t u a l a g r e e m e n t or e n g a g e ment in a c o m m o n cause or action", Paul, A n t i q u i t i e s 474), das z u s a m m e n mit V e r h e i ß u n g nur an dieser Stelle begegnet, ist hier b e d e u t u n g s g l e i c h mit dem sonst ü b l i chen διαθήκη. D a s zeigt die p a r a l l e l e Stelle Weish 18,22 (hier steht διαθήκη n e b e n πατέρας und όρκος). D a ß in 12,21 die einseitige Z u s a g e und nicht ein V e r t r a g g e m e i n t ist, zeigt a u c h die u n g e w ö h n l i c h e V e r b f o r m έδώκας statt des ü b l i c h e r e n συνθήκη π ο ι ε ϊ ν ( Z i e n e r , B e g r i f f s s p r a c h e 78). Vgl. auch Kutsch, T R E 7 404 (Kutsch weist dort auch d a r a u f hin, d a ß A q u i l a und S y m m a c h u s Π '•na zumeist mit συνθήκη w i e d e r g e b e n ; in der L X X b e g e g n e t συνθήκη f ü r л " 1 3 nur in 2 K ö n 17,15 A). " E i n e p a r a l l e l e K o n s t r u k t i o n bietet E p h 2,12: διαθήκων της ε π α γ γ ε λ ί α ς . A u c h hier b e s t i m m t der G e n e t i v den M o d u s der Bundesschlüsse n ä h e r . S c h n e i d e r , T h W N T V 462 mit V e r w e i s auf Behm. " G i l b e r t (in: Stone, Writings 312): Der A u t o r der Weish . a d o p t s t h e H e l l e n i s t i c d o c t r i n e of .philanthropia'. This virtue, composed of goodness, k i n d n e s s and mercy, is f o u n d , h e says, in God (12:8) and in W i s d o m (1:6; 7:23). A n d Israel should i m i t a t e its god by practizing it t o w a r d s its e n e m i e s (12:19). T h e universalism of the a u t h o r of W i s d o m goes beyond t h a t of his p r e d e c e s s o r s in the Bible*. " Dies wird b e i s p i e l h a f t an A a r o n s H a n d e l n in der W ü s t e deutlich, der mit dem 18,21 g e n a n n t e n M a n n gemeint ist. " З М а к к , e i n e .geschichtlich motivierte F e s t l e g e n d e " (Rost, E i n l e i t u n g 78) eines griechisch s p r e c h e n d e n J u d e n aus A e g y p t e n ist v e r m u t l i c h gegen E n d e des l . J h . v.Chr. e n t s t a n d e n . N i c k e l s b u r g (in: Stone, W r i t i n g s 83) denkt an die Zeit um 20-15 v.Chr, im Z u s a m m e n h a n g mit dem Z e n s u s u n t e r A u g u s t u s (eine ä h n l i c h e Zeit n e n nen auch K a u t z s c h in: K a u t z s c h , A p o k r y p h e n I 121 und E i ß f e l d t , E i n l e i t u n g 789). Die S c h r i f t setzt sich aus zwei T e i l e n z u s a m m e n : Kap. 1 - 2 , die von P t o l e m ä u s IV., und Kap. 3-7, die von P t o l e m ä u s VII. h a n d e l n (vgl. N i c k e l s b u r g , in Stone, W r i t i n g s 80f).

88

III.A. Septuaginta und Pseudepigraphen

eindringen wollte. Nachdem Simon Gottes große Taten von Urzeit an bis hin zur Erwählung Jerusalems angeführt hat, erinnert er Gott unter Verweis auf den Beistand, den er schon den Vätern geleistet hat (VlOf): Und aus Liebe zum Hause Israel verhießest du ja, daß, wenn wir abtrünnig würden, und uns Not überfiele, und wir [dann] an diese Stätte kommen und beten würden, du unser Gebet erhören wollest. Und du bist ja treu und wahrhaftigf"

Ähnlich wie in 2Makk 2,17; OrMan 6f ; Weish 18,622 u.ö. wird die Erinnerung an bereits geschehene Hilfe Gottes verbunden mit der Zuversicht, daß er auch weiterhin seine Verheißung erfüllen wird. Der Verfasser versteht dabei offensichtlich die in IKön 833f von Salomo vorgetragene Bitte um (an den Tempel gebundene) Gebetserhörang als Verheißung Gottes^"^. c. OrMan 6f - Erbarmen,

das Umkehr und Vergebung

erwirkt'"^

Der Verfasser spricht in diesem individuellen Klagelied Gott an als den Gott der Väter (VI), den Schöpfer der Erde (V2), dessen Zorn (V4f) das unermeßliche und unfaßbare Erbarmen seiner Verheißung (V6) gegenübersteht. In V7b wird der Verheißungsinhalt, das Erbarmen, näher erläutert:^" sein Erbarmen ist es, daß er denen, die gesündigt haben, μετάνοιας αφεσιν verheißt. Diese Genitivkonstruktion ist auffälligi°''. Gemeint könnte sein, daß durch Umkehr die Ver-

·«> Übersetzung nach Kautzsch, in: Kautzsch, A p o k r y p h e n I. Vgl. Kautzsch, in: Kautzsch, A p o k r y p h e n I 124 Anm.:e. Zuerst bezeugt ist das Gebet in der syrischen Didaskalia (Di), griechisch in den Apostolischen Constitutionen (ConstAp 11,22,12-14); die Entstehungszeit ist unsicher, jüdische V e r f a s s e r s c h a f t aber wahrscheinlich (vgl. Oswald, Gebet 19; E i ß feldt, Einleitung 797). Dieser Versteil fehlt in A, Τ und der äthiopischen Ü b e r l i e f e r u n g (nur der letzte Halbvers fehlt im K o m m e n t a r des Bischofs V e r e c u n d u s sowie in der C o m p l u tensischen Polyglotte), ist aber überliefert in der syrischen Didaskalie, den apostolischen Konstitutionen, der syrischen Ü b e r l i e f e r u n g und der Minuskel .55 (vgl. Oswald, Gebet 24). Er ist also gut bezeugt, ist aber auch f ü r den Z u s a m m e n h a n g nötig (vgl. ebd. sowie Ryssel, in: Kautzsch, A p o k r y p h e n I 169). ™ Vor allem die Wortstellung ist schwierig. Das hat auch zu zwei textkritischen V a r i a n t e n g e f ü h r t : die syrische Ü b e r l i e f e r u n g erläutert den A u s d r u c k , indem sie bietet .denen, die von ihren Sünden u m k e h r e n ' (vgl. Oswald, Gebet 24). In Teilen der Apostolischen Constitutionen wird ein καν eingefügt, so daß es heißt: U m k e h r und V e r g e b u n g . Besonders diese letzte V a r i a n t e macht a u f m e r k s a m auf Mk l,4par: βάπτισμα μετανοίας είς αφεσιν αμαρτιών. In der Apostelgeschichte findet sich die V e r b i n d u n g e b e n f a l l s mehrmals, u.a. 5,31: μετάνοιαν ... και αφεσιν. Und Lk 24,47 bietet f ü r μ. είς ά. auch die Lesart μ. καί ά.. Dies läßt einen christlichen E i n f l u ß auf die Textgeschichte von O r M a n 7 an dieser Stelle vermuten, ändert aber nichts an der insgesamt gut jüdischen Konzeption des Gebets und auch dieses Verses, wie die V e r bindung von ελεος und αφεσις in Weish 12 und PsSal und die V e r b i n d u n g von μετάνοια und αφεσις ebenfalls in Weish 12 zeigen (vgl. auch die zentrale Stellung des U m k e h r g e d a n k e n s in den TestXII). Nach Charlesworth, Pseudepigrapha 47 ist das Bekenntnis zur nötigen V e r g e b u n g .probably typical of an introspective devotee of the Torah" und findet seinen Niederschlag quer durch die Pseudepigraphen. Er v e r weist d a r ü b e r hinaus u.a. auch auf die 6. Bitte des 18-Bitten-Gebets.

Der b a r m h e r z i g e Gott - O r M a n 6f

89

gebung erlangt Gegenüber falschen Alternativen bei der Zuordnung beider ist aber daran festzuhalten, daß beide letztlich - nicht nur grammatisch von der Verheißung und damit auch von dem Erbarmen Gottes abhängen'"^. Denn: letztlich ist „auch Buße eine Gabe Gottes", und „Buße und Sündenvergebung" bedeuten „wesentlich das Gleiche; es läßt sich ja auch der G e danke einer gottgeschaffenen Umkehr kaum anders denken, als daß Gott... von allen Sünden befreit und ... (das) Leben in eine neue Richtung auf Gott w e n Die Väter allerdings brauchten nach V8f keine Umkehr, weil sie G e rechte waren.

Exkurs: Zu Ϋ 55,9 und A m 9,6 Von den bisherigen Ergebnissen her fällt auch Licht auf zwei bisher zurückgestellte Stellen aus der LXX, die deutlich den Einfluß der Übersetzer zeigen^"®. Eine genauere Datierung der Übersetzungen fällt aufgrund der komplizierten und noch nicht befriedigend geklärten Textgeschichte der L X X schwer. (1) Ψ 55,9: Im Kontext dieses Klage psalms geht es um den Beistand Gottes gegen die Feinde. V9 bildet als Bitte um Erhörung den Übergang zwischen Klage und Vertrauensäußerung (VIO: Futur). An dieser Stelle hat der Übersetzer vermutlich den Gedanken der Verheißung Gottes in den ursprünglichen Text eingetrageni"'. Der hebräische Text gibt ein Wortspiel wieder und scheint nicht ganz sicher überliefert zu sein^^". Der Übersetzer der LXX macht daraus:

""

Vgl. Ryssel, in; K a u t z s c h , A p o k r y p h e n I 169. G e g e n Behm, T h W N T IV 988, der zwischen dem .echt religiösen Umlcehrg e d a n k e n der P r o p h e t e n " und dessen d u r c h . M o r a l i s i e r u n g der jüd F r ö m m i g k e i t mit ihrer V e r b i e g u n g in Gesetzlichkeit" b e d i n g t e n W a n d e l zur .Buße, B u ß ü b u n g " u n t e r scheidet, die als . h e i l s n o t w e n d i g e ä u ß e r l i c h e Leistung des M e n s c h e n " zur . V o r a u s s e t z u n g der R e t t u n g " wird. Z u dieser K a t e g o r i e der B u ß ü b u n g g e h ö r t f ü r ihn auch unser Text O r M a n 9f. G a n z a n d e r s Sjöberg, Gott 219f: .Im Geb. M a n . ... f e h l t der L e i s t u n g s c h a r a k t e r ganz und gar. Der Beter r u f t nur die göttliche B a r m h e r z i g k e i t an". L o h m e y e r , M a r k u s 14f, zu Mk 1,4. D a ß dies nicht erst f ü r das N e u e T e s t a ment, s o n d e r n auch f ü r die f r ü h j ü d i s c h e n S c h r i f t e n so gesagt w e r d e n muß, zeigt z.B. Weish 12,19: δίδοις έ π ί άμαρτήμασιν μετάνοιαν. Z u m engen Z u s a m m e n h a n g von E r b a r m e n Gottes, U m k e h r und .Sündenvergebung in den f r ü h j ü d i s c h e n S c h r i f t e n vgl. auch D o b b e l e r , G e r i c h t 184-191. 55,9 und A m 9,6 sind neben Spr 13,12 und Est 4,7 die einzigen Stellen, an denen die L X X έ π α γ γ ε λ ί α / έ π α γ γ έ λ λ ε σ θ α ι ü b e r h a u p t in Büchern des m a s o r e t i s c h e n K a n o n s v e r w e n d e t . In Spr 13,12 liegt allgemein die B e d e u t u n g . V e r s p r e c h e n ' vor, in Est 4,7 ist das G e l d v e r s p r e c h e n g e m e i n t (hier wird mit έ π α γ γ ε λ ί α ν έ π α γ γ έ λ λ ε σ θ α ι das h e b r ä i s c h e ΊΌΗ w i e d e r g e g e b e n ) . Z u m E i n f l u ß der Ü b e r s e t z e r vgl. E i ß f e l d t , E i n leitung 9.^6: .wie ü b e r h a u p t G weithin eher ein D e n k m a l der v i e l f a c h ägyptische V e r h ä l t n i s s e w i d e r s p i e g e l n d e n und g r i e c h i s c h e n Geist a t m e n d e n A u s l e g u n g des h e b r ä i s c h e n Textes als eine Bezeugung dieses Textes selbst darstellt." "" A u c h in Spr 13,12 und Est 4,7, den beiden Stellen, an denen έ π α γ γ ε λ ί α / έ π α γ γ έ λ λ ε σ θ α ι in p r o f a n e r B e d e u t u n g v o r k o m m e n , e n t f e r n t sich die LXX mehr oder m i n d e r weit vom h e b r ä i s c h e n W o r t l a u t . Vgl. BH und Weiser, P s a l m e n 274 sowie die u n t e r s c h i e d l i c h e n d e u t s c h e n Übersetzungen.

90

III.A. Septuaginta und Pseudepigraphen

.Mein Leben ist dir verkündigt,

stelle meine Tränen vor dich, wie es auch in

deiner

Verheißung (ist)'P^ Man wird dies sinngemäß wie folgt zusammenfassen können: du hast meine Юage gehört; erhöre sie jetzt auch, so wie du es verheißen hastily

(2) Am 9,6: Hier gibt der Übersetzer mit έπαγγελία das seltene und nicht leicht zu übersetzende п п л ч ' " wieder: ,Denn Herr ist Gott der Herr, der Allmächtige

... der seinen Aufstieg

in den Himmel

baut und seine Verheißung

über der

Erde gründef^'''. Es muß offenbleiben, ob Verheißung hier - wie es vom Kontext (vgl. όμνΰω in 4,2; 6,8; 8,7) und vom masoretischen Text her naheliegend ist wirklich als Gerichtsandrohung zu verstehen ist, oder ob man, von Texten wie Hag 2,621 her, mit der Ankündigung der Erschütterung der Erde auch Heilserwartungen verbinden darf^^^. Auf jeden Fall ist es naheliegender, wie bei Ϋ 55,9 von einer bevraßt interpretierenden Übertragung auszugehen, als ein Mißverständnis des Übersetzers anzunehmen"®.

" · Ü b e r s e t z u n g G.S.. Ζωή steht hier f ü r Ί η = .unstetes Leben, Elend'; εξήγγειλα σον f ü r nnw n m s ü 2.Sing. qal .aufzählen/erzählen'; ενώπιον σου f ü r i n w j a = ,in deinen Schlauch'; 6ς κοίί f ü r !ч'7Л; έν τή έπαγγελιςί σοϋ f ü r ч г п э н з = ,in deiner Z ä h l u n g / i n deinem Buch'. Vermutlich wählt der Verfasser hier έ π α γ γ ε λ ί α u.a. auch, um die im Hebräischen gleiche Wurzel ( n r n s i i - 1ГПЭЬ!з) im Griechischen zumindest mit dem gleichen Wortstamm (έξήγγειλα - έπαγγελία) wiederzugeben. Vgl. ЗМакк 2,10 (Verheißung der Gebetserhörung). Auch PsSal 7,10; 12,6 sowie OrMan 6f begegnet das Vertrauen auf Gottes Verheißung im Kontext von Klagepsalmen. Eine andere Deutung von Ps 55,9 findet sich in bShab 105b. .Gewölbe, Himmelswölbung'; vgl. Gesenius, Handwörterbuch 8. Übersetzung G.S.. Auch an anderen Stellen gehört der Verweis auf Gottes Macht über die Schöpfung zum Kontext der Verheißung (ЗМакк 2,10; OrMan; Weish 11.20d-12,22). In Hebr 12,26 wird die Erschütterung der Erde (την γήν έσάλευσεν, vgl. Am 9,5: ό έφατυτόμενος της γης και σαλεΰων αυτήν) als verheißen erwartet und Hag 2,6.21 zitiert, wo diese Erschütterung der Erde und der Völker einhergeht mit der Erneuerung der Herrlichkeit des Tempels. So wohl Schniewind/Friedrich, T h W N T II 575 Anm. 24. Auch Wolff, BK X I V / 2 387 denkt an ein Mißverständnis, und zwar von 13 J hi. her. Er weist darauf hin, daß diese Wurzel an anderen Stellen der LXX mit α π α γ γ έ λ λ ω übersetzt werde. Zwar ist ein Wechsel von α π α γ γ έ λ λ ω (alle von Wolff angeführten Belege sind V e r b formen!) zu έ π α γ γ ε λ ί α (eine entsprechende Substantivform α π α γ γ ε λ ί α ist nicht belegt) angesichts der sich z.T. überschneidenden Wortbedeutung nicht auszuschließen. Im Kontext des Verses macht aber die Bedeutung .Verheißung' mehr Sinn als das schwächere .Nachricht'/.Ankündigung'. Diese Bedeutung ist jedoch f ü r α π α γ γ έ λ λ ω fast nie belegt (vgl. lediglich 2Sam 7,11; JosAnt 1,191 - dazu aber unten S.123). Z u dem: Ginge es dem Übersetzer hier vorrangig um das Verstehen oder Mißverstehen von n n j N , so hätte schon der Parallelismus membrorum ihm einen zu im'7S)n (oder in"·?«, s.BH.) analogen Begriff nahelegen können. Die Schwierigkeit der Interpretation hängt nicht zuletzt zusammen mit dem οικοδομών εις τάν ούρανόν άνάβασιν αύτου. In welchem Verhältnis steht dies zu dem άναβαίνειν είς τον ούρανόν der Menschen, von dem in 9,2 die Rede ist, und das dort eben nicht vor Gottes Gericht schützt?

L i b A n t - Gott v e r l ä ß t nicht f ü r i m m e r , d e n n er ist b a r m h e r z i g

91

5. LibAnt - Gott verläßt nicht für immer, denn er ist barmherzig Die Schrift: Der ims überlieferten lateinischen Fassung des Liber Antiquitatum Biblicarum hegt eine ältere griechische Übersetzung einer ursprünglich hebräisch verfaßten Schrift zugrunde, die vermutlich in Palästina abgefaßt wurde'". Die Datierung, für die nur interne, inhaltliche Kriterien herangezogen werden können, ist umstritten"®. Nahm man früher zumeist an, LibAnt sei, wie 4Esr und syrBar auch, nach der Zerstörung des Tempels und Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. entstanden^^^, so scheint es in der neueren Forschung Konsens geworden zu sein, daß LibAnt „jedenfalls vor 70 n.Chr." verfaßt wurde'^". Man hat LibAnt in seiner heutigen Form für ein Fragment gehalten, weil man annahm, daß er die erste und zweite Tempelzerstörung parallelisieren wolle, der Bericht jedoch schon mit der Geschichte Sauls schließt, ohne seinen Tod noch zu erzählen'^'. Aber der Erzählzusammenhang von Adam bis Saul begegnet auch sonst, und es sind sachliche Gründe denkbar, ein Buch nicht mit dem Bericht vom Tod einer Hauptfigur zu schließen'^^. Eine Parallelisierung von 587 v.Chr. und 70 n.Chr. ist deshalb vermuthch nicht gegeben. Dennoch ist es richtig, daß es LibAnt darum geht, vergangene Ereignisse als sachliche Analogien (zur Mahnung und Verheißung) für die Gegenwart bedeutsam werden zu lassen'^. Die Schrift tut dies in der Form der Nacherzählung (relecture) der »Geschichte des Bundes Gottes für ein breites P u b l i k u m " D i e gewählte Form hat Vorbilder und Parallelen in den Büchern der Chronik, dem Richterbuch, den Antiquitates des Josephus und den Targunüm'^. Im BUck auf den Stil ist aller-

Vgl. D i e t z f e l b i n g e r , P s e u d o - P h i l o 92f.95f . Z u r hinter der l a t e i n i s c h e n F a s s u n g e r k e n n b a r e n g r i e c h i s c h e n F a s s u n g vgl. auch Delling, Z e i t . Die S c h r i f t wird auch A n t i q u i t a t e s Biblicae g e n a n n t , oder auch P s e u d o - P h i l o (da man sie f r ü h e r fälschlich auf Philo z u r ü c k g e f ü h r t hat). Z i t a t e im f o l g e n d e n nach der n e u e s t e n kritischen E d i t i o n , Harrington, Pseudo-Philon; Übersetzung: Dietzfelbinger, Pseudo-Philo. Vgl. Bogaert, in: H a r r i n g t o n , P s e u d o - P h i l o n II 66; hier ist vor allem die F r a g e der D a r s t e l l u n g und B e u r t e i l u n g von T e m p e l u n d T e m p e l k u l t e n t s c h e i d e n d . Z u e r s t b e g r ü n d e t von C o h n , A p o c r y p h a l W o r k (1897/98). U n t e r s c h i e d l i c h w u r d e lediglich b e u r t e i l t , wie l a n g e n a c h 70 die S c h r i f t v e r f a ß t w o r d e n sei. D a c h t e Cohn e h e r an die Zeit kurz nach der Z e r s t ö r u n g , so p l ä d i e r t e J a m e s f ü r das E n d e des l . J h . (vgl. Kisch, P s e u d o - P h i l o 17.). N a c h fast einhelliger M e i n u n g ist j e d o c h t e r m i n u s a n t e q u e m das J a h r 132 n.Chr. (Vgl. D i e t z f e l b i n g e r , P s e u d o - P h i l o 95). Delling, R e z e n s i o n 817 in seiner R e z e n s i o n zu H a r r i n g t o n , P s e u d o - P h i l o n ; dort in E i n f ü h r u n g und K o m m e n t a r in Bd. 2 geben Bogaert (67-70) u n d P e r r o t eine a u s f ü h r l i c h e i n h a l t l i c h e B e g r ü n d u n g der f r ü h e r e n D a t i e r u n g ; vgl. a u c h H a r r i n g t o n , in: J o n g e , O u t s i d e 8. R e i n m u t h , B e o b a c h t u n g e n 151f läßt die F r a g e o f f e n . So zuletzt D i e t z f e l b i n g e r , P s e u d o - P h i l o 91.96. Vgl. P e r r o t , in: H a r r i n g t o n , P s e u d o - P h i l o n II 22. Vgl. Delling, Zeit 315. Delling, R e z e n s i o n 818. Vgl. P e r r o t , in: H a r r i n g t o n , P s e u d o - P h i l o n Π 31: . E l l e n o u s livre les idees et les t h è m e s les plus vulgarisés du J u d a ï s m e c o u r a n t du l " s i è c l e de n o t r e ère". , U n e histoire d e l'Alliance" (43). Z u r G a t t u n g der .relecture' bzw. der .rewritten b i b l e ' vgl. auch unten Kap.III.F Anm.23. Auf die B ü c h e r der C h r o n i k verweisen J a m e s , A n t i q u i t i e s 33 und Kisch,

92

ΙΠ.Α. Septuaginta und Pseudepigraphen

dings die Verwandschaft mit den Midraschim größer^^®. D a n e b e n begegnen auch eine ganze Reihe apokalyptischer Motive (neben Elementen einer allgem e i n e n eschatologischen Zukunftserwartung)"''. Aber das apokalyptische G e dankengut ist nicht bestimmend, und zu den Apokalypsen überwiegen die U n t e r schiede bei weitem. O b LibAnt das Werk eines einzelnen Theologen oder eher das Sammelwerk einer Gruppe ist, muß o f f e n bleiben (auch w e n n das zweite, auch angesichts der formalen Parallelen zu den Midraschim, wahrscheinlicher erscheint)^^. M a n wird den oder die Verfasser a m ehesten im synagogalen Milieu innerhalb der pharisäischen Bewegung ansiedeln k ö n n e n " ' . Insgesamt läßt sich die Schrift „nicht ohne weiteres in das gängige Schema der literarischen Gattungen des Judentums einordnen""". Vor allem aus thematischen Gründen, aufgrund der starken Betonung der Barmherzigkeit Gottes und des vorherrschenden dtr. Geschichtsbildes, wird sie an dieser Stelle behandelt, quasi als selbständiger A n h a n g zum Kapitel Septuaginta und Pseudepigraphen. D i e Situation des Lebens unter römischer Besatzung deutet LibAnt mit Hilfe des dtr. Geschichtsbildes als Gericht Gottes (das veranlaßt ist durch die Untreue, den Ungehorsam und die Sünde seines Volkes), nicht aber als endgültige V e r w e r f u n g " ' . Gott, der in der Geschichte so oft seine Verheißungen erfüllt hat, wird

Pseudo-Philo 17. Zum Richterbuch vgl. Nickelsburg, in: Stone, Writing.s 107f; in dessen Handlungsrahmen vor allem hat er größere Stücke eingefügt (allein 23 von insgesamt 65 erhaltenen Kapiteln behandeln die Richterzeit), und mit ihm verbindet LibAnt die Wertschätzung guter Führer (vgl. Nickelsburg, in: Stone, Writings 109; Sayler, Promises 122). Es fällt auf, daß im Gegensatz zu dieser breiten Schilderung der Richterzeit die Zeit der Patriarchen in nur einem Kapitel (Kap.8) abgehandelt wird. Zu JosAnt und den Targumim vgl. Feldman, in; James, Antiquities XXXII. Im Unterschied zu den Antiquitates ist LibAnt allerdings .essentiellement une histoire sainte' (Perrot, in: Harrington, Pseudo-Philon II 23). „Pseudo-Philo's version of Jewish history has many roots in the ancient J e wish traditions and legends upon which the Haggadah and the Midrash are founded* (Kisch, Pseudo-Philo 17); vgl. auch Feldman, in: James, Antiquities LXVII. Allerdings gilt diese Parallele ,ηοη sous la forme du texte explique, mais du texte continue" (Bogaert, in: Harrington, Pseudo-Philon II 71); vgl. auch Feldman, ebd. LXX: »LAB ... is not merely an example of midrashic and targumic writing'. Z.B. die Wendung in novissimis diehus, 13,10; 27,7; 28,1; vgl. auch 23,13: compleatur tempus secull·, 3,10. Mit einem einzelnen Theologen rechnet offensichtlich Dietzfelbinger, Pseudo-Philo 97f; vgl. auch Feldman, in: James, Antiquities LXX: .much more individual in nature than has hitherto been recognized". Steck, Israel 176 hält LibAnt f ü r das Werk einer Gruppe. Vgl. Perrot, in: Harrington, Pseudo-Philon II 39, auch 32. Diese pharisäische Bewegung ist allerdings nicht gleichzusetzen mit rabbinischen Gesetzeslehrern. Zwar gibt es in der Lehre wenig, was in direktem Konflikt mit dem rabbinischen Judentum steht, aber LibAnt fehlt, im Gegensatz z.B. zum Jub, das Interesse an der Halacha (Vgl. Nickelsburg, in: Stone, Writings 109). Delling, Rezension 818. Vgl. Steck, Israel 174f; vorsichtiger urteilt Feldman, in: James, Antiquities XXXIV. Elemente des dtr. Geschichtsbildes (zur inhaltlichen Beschreibung und zur Verbreitung dieses Bildes sowie zum Terminus selbst vgl. Steck, Israel sowie Maier, Zwischen 260-262) finden sich in verschiedenen Zusammenhängen und A u s f o r m u n -

L i b A n t - Gott v e r l ä ß t nicht f ü r i m m e r , d e n n er ist b a r m h e r z i g

93

vielmehr seinem Volk und seinem Bund auch weiterhin treu sein. Diese Gewißheit will der Verfasser weitergeben. Vor ihrem Hintergrund ruft er das Volk zur Umkehr'·^^ und zum Gesetzesgehorsam auf. Lexikalischer Befund: Promissio und promittere, die etwa in der Vulgata zumeist für ε π α γ γ ε λ ί α κτλ. stehen, begegnen in LibAnt zwar mehrfach, aber nur selten für Gottes Zusagen. Häufiger gebraucht er dagegen hierfür sponsiones^^^. Es kann aber auch mit gleichem Wortfeld und ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied von testamenta die Rede sein. Darüber hinaus gehören auch die Lexeme ¡acutus und dispositio in unseren Zusammenhang'·^''. Man kann vermuten, daß sponsiones Äquivalent für έ π α γ γ ε λ ί α ist, so wie testamentum für διαθήκη"'. Beide können, wie auch Bund und Gesetz (s.u. S.98), in LibAnt fast zu Synonymen werden. Demnach ist alles bestimmender Hintergrund der Rede von der Verheißung in LibAnt schon nach dem sprachlichen Befund seine Bundestheologie. a. Der Widerspruch:

Verheißungen

und

Wirklichkeit

Über den Widersprach zwischen Gottes Verheißungen und den Nöten der erfahrenen Wirklichkeit wurde bereits im AT geklagt, wohl ausgelöst durch die Erfahrangen der ersten Tempelzerstörang (587 v.Chr.) und des Exils'·^*'. In den Erzählungen des LibAnt findet sich mehrfach die Klage darüber, daß Gottes Verheißungen offensichtlich nicht eingetroffen sind. So wird die Frage aus Ri 6,13 im Munde Gideons jetzt zur Feststellung: „er hat die Versprechungen vergessen, die er unseren

Vätern

gesagt

hat'

(35,2). U n d Israel klagt: „wo ist der Ort

unserer

Erholung und Ruhe?" (49,6)'^^. Die sachliche Analogie zur Situation der römi-

gen in vielen f r ü h j ü d i s c h e n vSchriften. So wird man die G e b e t e Bar 2,34, ЗМакк 2,10 und O r M a n 6f h i e r z u z ä h l e n k ö n n e n . U n d auch TestXII bieten e i n e e s c h a t o l o g i s c h e V a r i a n t e dieser Sicht von G e s c h i c h t e (s.o. S.78). In L i b A n t b e s t i m m e n sie den A u f b a u der g a n z e n S c h r i f t . Vgl. 33,2 (nach dem Tod gibt es keine B u ß e mehr!); 52,4. L i b A n t r u f t seine Z e i t g e n o s s e n ,à la conversion du cœur, d a n s u n e i n t é r i o r i s a t i o n de la religion de l ' A l l i a n c e " ( P e r r o t , in: H a r r i n g t o n , P s e u d o - P h i l o n II 49) Vgl. oben Kap.II Anm.120; promittere mit p r o f a n e r B e d e u t u n g f i n d e t sich noch in L i b A n t 40,5; 44,6; 56,7. Testamenta·. 9,3; 13,10; 19,2; 23,11; 30,7 и.о.; locutus: 12,9; 14,2; 21,9 и.о.; dispositio: 10,2; 49,6. Die Z u g e h ö r i g k e i t von locutus u n d dispositio zum W o r t f e l d belegen u.a. auch die in A n m . 1 3 7 a u f g e f ü h r t e n V e r n e i n u n g e n . Dies entspricht den a l t l a t e i n i s c h e n Ü b e r s e t z u n g e n . A n d e r s die V u l g a t a , die f ü r Л-ПЗ 135x foedus und 96x pactum g e b r a u c h t (vgl. Kutsch, T H A T I 352). Für έ π α γ γ ε λ ί α steht in der V u l g a t a zumeist promissio·, in L i b A n t f i n d e t sich lediglich Ix (51,2) promissum. ™ So heißt es in Ri 6,13 ( v e r m u t l i c h dtr.): και πού ε σ τ ί ν πάντα τά θαυμάσια αύτοϋ, α διηγήσαντο ή μ ί ν οί πατέρες ήμών; 88,50: πού ε ί σ ι ν τά έ λ έ η σου τά άρχαϊα, κύριε, α ώμοσας τω Δαυίδ; vgl. auch J e s 63,15: πού έ σ τ ι ν το πλήι?ος τού έλέους σου και τών ο ί κ τιρμών σου, ότι άνέσχου ήμών. Ü b e r s e t z u n g hier und im f o l g e n d e n nach D i e t z f e l b i n g e r , P s e u d o - P h i l o . I n d i -

94

III.A. Septuaginta und Pseudepigraphen

sehen Besatzung i m I J h . n.Chr mit d e n damit v e r b u n d e n e n Bedrückungen u n d d e m Verlust a n Freiheit u n d Souveränität über das verheißene L a n d sind dabei offensichtlich"®. N a c h der 2. T e m p e l z e r s t ö r a n g (70 n.Chr.) verschärfte sich d i e se K l a g e in der A p o k a l y p t i k n o c h " ' .

b. Der Grund für den Widerspruch D a s V o l k hat d e n B u n d u n d die W e g e Gottes übertreten. D e s h a l b überläßt G o t t es d e m Gericht der Feinde. In seiner A n t w o r t auf G i d e o n s K l a g e m a c h t der E n gel G o t t e s deutlich, daß nicht G o t t es g e w e s e n ist, der seine V e r h e i ß u n g e n v e r g e s sen hat, sondern daß umgekehrt das V o l k es war, das die Verheißungen verlassen hat, schon v o n A n f a n g an: Nicht für nichts seid ihr übergeben worden, sondern eure Einfalle haben euch das getan; denn wie ihr die Versprechungen verlassen habt, die ihr vom Herrn empfangen habt, so sind euch diese Übel zuteil geworden (3S,3)"°. I m m e r w i e d e r durch die Geschichte hindurch wird deshalb das V o l k d e m Gericht der F e i n d e übergeben. L i b A n t ü b e r n i m m t u.a. das dtr. S c h e m a des R i c h terbuches, n a c h d e m das V o l k i m m e r wieder abfällt (vgl. 3 0 , l f ) und i h m deshalb Ü b e l widerfährt. Schon zuvor kündigt Gott M o s e s an, daß er sein V o l k verlassen w e r d e u n d daß der T e m p e l zerstört w e r d e n wird^"*^.

rekt spiegelt sich die Klage auch in ihrer h ä u f i g e n V e r n e i n u n g : .sein Bund wird nicht a u f g e h o b e n werden" (4,11); .nicht hat er f ü r nichts den Bund mit unseren V ä tern geschlossen' (9,4); .ich w e r d e sie in ihrem L a n d zuverlässig ansiedeln ..., weil kein Wort (von den Worten), über die ich mit ihren V ä t e r n gesprochen habe, g e m i n dert werden wird" (14,2); .damit ich nicht meinen Bund verdürbe" (23,10); .geht und verkündet den V ä t e r n in den K a m m e r n ihrer Seelen und sagt: ,Der A l l m ä c h t i g e hat nicht die V e r s p r e c h u n g e n vergessen, die er euch gegeben hat'" (32,13). Vgl. das m e h r f a c h e V o r k o m m e n des Lexems liberare-, z.B. 9,16; 32,12; 35,3. Vgl. unten S.145f und A p k E s r 3,10: καν πού έστιν ή ε π α γ γ ε λ ί α σού. Vgl. weiter auch die Klage der Israeliten in der Wüste in J o s A n t 3,306 (s.u. Kap.IILC Anm.60). V o r einem anderen H i n t e r g r u n d , der ausbleibenden Parusie, f i n d e t sich die Klage auch in 2Petr 3,4: που έστιν ή ε π α γ γ ε λ ί α της παρουσίας αύτοϋ. 1« Vgl. 13,10: ,Gewiß aber weiß ich, daß sie ... die Bundesschlüsse vergessen werden'·, 30,1: .sie vergaßen das Versprechen und übertraten die Wege'. 12,4 (.11 s'agit de la destruction de l'on 587; l'auteur ne parle pas de la r e c o n struction ou de la destruction du second Temple", Perrot, in: H a r r i n g t o n , P s e u d o - P h i l o n II 115); vgl. 19,2: .Goff wird zornig werden gegen euch, und er wird euch verlassen und wird aus eurem Land weichen'·, 49,6: .Herr, Gott Israels, warum hast du dein Volk zum Sieg der Feinde verlassen und in der Zeit der Angst dein Erbe übersehen?".

LibAnt - Die Gewißheit für die Z u k u n f t С. Die

Gewißheit

für die

95

Zukunft

(1) Gott verläßt nicht für immer, denn er ist barmherzig. Sein Erbarm e n hat die Erde erfüllt und bleibt immer bestehen"^. Deshalb verläßt er sein Volk nicht für immer"'. Auch in AssMos 12,И^"·^ wird betont, daß Gott, trotz des Mangels an verheißenen Gütern'"·^ und der Plagen, mit denen die Sünder jetzt bestraft werden, sein Volk sicher nicht ganz ausrotte und verlasse. Denn: .Goti wird hervortreten, der alles bis in Ewigkeit vorhergesehen hat, und dessen Bund festgegründet ist und durch einen Eid, den...'^*^. D i e s e Gewißheit der Bundestreue und Barmherzigkeit ist ein Grundanliegen des LibAnt"^. Sie allein ist es, durch die „das ungehorsame jüdische Volk zu existieren verman'^··® und mit der LibAnt begründet, daß das Gericht, das Israel erfahren hat, nicht endgültig sein, Gott sein Volk nicht gänzlich verwerfen wird"'. Mit der zentralen Bedeutung der Barmherzigkeit hängt vermutlich auch zusammen, daß in LibAnt der sonst in frühjüdischen Schriften häufiger b e gegnende Gegensatz zwischen Gerechten und Sündern kaum in Erscheinung tritt''". D a s Vergeltungsprinzip (Talioprinzip) in Form der Goldenen Regel b e stimmt für LibAnt zwar das Verhältnis zwischen den Menschen positiv"', aber

39,6; vgl. 35,3: .Aber er ist barmherzig, wie niemand sich erbarmt des Geschlechtes Israel, wenn auch nicht wegen euch, vielmehr um derer willen, die entschlafen sind'·, 28,5. 9,4: .Gott wird nämlich nicht bleiben in seinem Zorn und nicht immer wird er sein Volk vergessen'; 13,10: .Wenn sie in meinen Wegen wandeln, werde ich sie nicht verlassen, sondern mich ihrer immer erbarmen'; vgl. auch oben Anm.137. Die nur lateinisch erhaltene Schrift, eine in Kap.1.11.12 durch einen Dialog zwischen Moses und Josua gerahmte Apokalypse, ist vermutlich im ersten Viertel des l.Jh. n.Chr. in Palästina entstanden (vgl. Tromp, Assumption 116f). "" Statt carere bonam „lesen die meisten Herausgeber carent oder carebunt bona" (Clemen, in: Kautzsch, Apokryphen II 331 Anm.a^ "" Hier bricht die Schrift ab; Übersetzung nach Clemen, in Kautzsch, Apokryphen II 331. "" Vgl. 13,10; 19,2; 30,7. Der Begriff des Bundes dominiert die ganze Schrift LibAnt (vgl. Perrot, in: Harrington, Pseudo-Philon II 43) und ,in dem ständigen Hinweis auf die von Gott gewährte Bundestreue ... wird ein besonderes Anliegen des Verfassers sichtbar" (Delling, Mori ja 14f). Vom Bund ist insgesamt weit mehr als 40x die Rede. Aber auch die Barmherzigkeit Gottes (vgl. 30,7: inviscerabitur) gehört zusammen mit der Bundestreue zur zentralen Gewißheit des LibAnt; vgl. neben den Anm.142 genannten Stellen noch 3,4; 11,6; 12,10; 15,7; 19,8.11.14; 21,4; 24,3. Delling, Zeit 312; um Barmherzigkeit f ü r sein Volk bittet deshalb auch Moses (19,8); ohne sie kann kein Mensch vor Gott bestehen (19,9; auch 15,7); vgl. auch Reinmuth, Beobachtungen 162: .Die menschliche Sündhaftigkeit gegenüber dem Gesetz ist nur durch die Barmherzigkeit Gottes überwindbar". Vgl. neben den Anm.143 genannten Stellen noch 30,7 und Delling, Zeit 312 mit Anm.2. Von den Gerechten allein ist u.a. in 23,6; 26,13 die Rede. Vgl. 11,6-13; »Die Gebote der zweiten Tafel werden der Sache nach durch die Goldene Regel begründet" (Reinmuth, Beobachtungen 160f).

96

III.A. S e p t u a g i n t a und P s e u d e p i g r a p h e n

„die auf das Verhältnis zu Gott gerichtete Weisung gründet in der auf das Vergeltungsprinzip verzichtenden Barmherzigkeit Gottes"^^^. (2) Er erfüllt seine Zusagen. Als Antwort auf den lautwerdenden Zweifel an Gottes Treue und um die Verläßlichkeit der Verheißungen Gottes auch für die Zukunft zu betonen^^^, stellt LibAnt oftmals fest, daß Gott seine Zusagen an die Väter erfüUt hat (complevitY^". An einer einzigen Stelle wird diese Erfüllung auch an menschliches Tun gebunden, genauer: an das Abhalten des Fastens der Barmherzigkeit"^. Trotzdem bleibt die Erfüllung der Verheißungen aufs Ganze gesehen doch allein in Gottes Barmherzigkeit begründet^^®. Erfüllt werden können für LibAnt aber nicht nur der Bund und die Väterverheißungen, sondern auch einzelne Schriftworte^^^. Dahinter steht eine Vorstellung, die einzelne Schriftworte als prophetische Weissagungen versteht'^®, bei denen es viel mehr um das gewisse Eintreffen bestimmter Ereignisse als um Heilszusagen an Menschen geht (vgl. die Reflexionszitate bei Mt^^'). Empfänger der Zusagen Gottes sind, wie schon bemerkt, fast immer zuerst die Väter. Durch die Väter gelten aber die Zusagen auch ihrer Nachkommenschaft und damit Israel, Gottes Volk, insgesamt. Dementsprechend werden häufig zugleich mit ihnen auch die Nachkommenschaft oder das Volk oder auch alle drei Größen im gleichen Zusammenhang genannt. An dieser Stellung der Väter als pars pro toto für Israel und an der Betonung der Bundestreue Gottes wird deutlich, wie sehr LibAnt die bleibende Erwählung Israels betont. In 51^ sind es die Stämme, für die - so antwortet Eli der Hannah nach ihrem

R e i n m u t h , B e o b a c h t u n g e n 163.169. V g l . L i m b e c k , O r d n u n g 92. "" V g l . 9,3; 21,9; 23,11; vgl. a u c h Bergers U r t e i l über die G e s c h i c h t s t h e o l o g i e des L i b A n t , . d i e in alle P e r i o d e n der H e i l s g e s c h i c h t e die F r a g e n a c h der E r f ü l l u n g der V e r h e i ß u n g e n e i n t r ä g t ' ( G e s e t z e s a u s l e g u n g 265). Israel soll d i e s e s F a s t e n a b h a l t e n , „damit die Gelöbnisse an eure Väter erfüllt werden' (13,6). G e m e i n t ist v e r m u t l i c h der g r o ß e V e r s ö h n u n g s t a g , vgl. D i e t z f e l b i n g e r , P s e u d o - P h i l o 138 A n m . 6 f . In A p k E l 22,5 - einer S c h r i f t aus d e m 3 . - 4 . Jh. n.Chr. - f i n d e t sich ( e b e n f a l l s im Blick auf d i e F a s t e n f r a g e ) die u m g e k e h r t e F o r m u l i e r u n g : w e i l e i n i g e d a s F a s t e n als n i c h t v o n Gott k o m m e n d a b l e h n e n und so nicht treu sind g e g e n ü b e r den A n o r d n u n g e n G o t t e s , e n t f r e m d e n sie s i c h d e m Bund und b e r a u b e n sich der h e r r l i c h e n V e r h e i ß u n g . D a m i t sind v e r m u t l i c h d i e e s c h a t o l o g i s c h e n V e r h e i ß u n g e n g e m e i n t , vgl. S c h r ä g e , E l i a - A p o k a l y p s e 235 A n m . e . 12,3: .damit erfüllt würde das Wort ..." ( g e m e i n t ist G e n 11,6); in 23,13 b e g e g n e t e i n m a l a u c h der a p o k a l y p t i s c h e G e d a n k e der e r f ü l l t e n Z e i t , o f f e n s i c h t l i c h als Bild für das l e t z t e Gericht, bis zu d e m Gott die S e e l e n der V e r s t o r b e n e n in F r i e d e n a u f b e w a h r e n wird. S o l c h e s W e i s s a g e n kann auch als K e n n z e i c h e n G o t t e s g e l t e n (53,13: ,der Heilige, der weissagen wird"), g e s c h i e h t aber w o h l z u m e i s t durch M e n s c h e n (51,6: ,hat Asaph in der Wüste geweissagt ... Siehe, vollendet ist das Wort und eingetroffen ist die Weissagung"·, vgl. a u c h 28,6). V g l . Steck, Israel 174 A n m . 3 : . H i n g e w i e s e n sei a u c h auf die für d i e T r a d i t i o n der matth. R e f l e x i o n s z i t a t e b e d e u t s a m e Stelle 12,".

LibAnt - Die Gewißheit für die Zukunft

97

Dankgebet - mit Samuels Geburt eine Verheißung in Erfüllung gegangen ist'^. Nicht nur durch das Lexem tribubus, das hier parallel zu populus steht, sondern auch durch das Lexem promissum - das in LibAnt nur hier begegnet - unterscheidet sich dieser Vers deutlich von der sonstigen, relativ einheitlichen Rede des LibAnt von der Verheißung. Was der Inhalt dieser Verheißung für die Stämme gewesen ist, wird nicht gesagt. Vom Anliegen und Kontext der ganzen Schrift her wird man allgemein an die Verheißung eines guten Führers denken. Der Zusammenhang, das Gebet der Hannah und die extra erwähnten Gebete des Volkes, machen erneut deutlich, daß Gott seine Verheißungen erfüllt, wenn man ihn darum bittet. (3) Er hat befreit und Wunder getan - und tut es auch in Zukunft. Ist der Inhalt der Verheißungen Gottes an die Väter zunächst die Landverheißung gewesen, so verbindet sich damit sehr bald zugleich sein Rettungshandeln. So hat Gott seine Zusage an Amram (den Vater des Moses) wahrgemacht und durch Moses die Kinder Israels befreit (9,16). Ebenso hat er durch Gideon sein Volk aus der Hand der Midianiter befreit (353). Zuvor schon, zur Zeit Deborahs, hat er Israel seine Befreiung angekündigt und sie auch wahrgemacht (32,12). Deborah erwächst daraus die Gewißheit, daß Gott selbst dann, wenn der Mensch stirbt, das tut, was er gesagt hat. Ebenso wird er sich auch in Zukunft der vergangenen Befreiung erinnern und seinen Bund erneut befreien (32,13f), wenn er vom bedrängten Volk angerufen wird^*"'. Neben solchem Befreiungshandeln kann sich Israel von Gott auch Versöhnung (12,4), Segen (13,10) und Herrlichkeit (93f) erhoffen sowie seine Gegenwart bei seinem Volk, wenn er unter ihnen Wohnung nimmt LibAnt faßt die Verheißungsinhalte häufig in dem allgemeinen Begriff Wunder zusammen'®. Wunder sind zunächst meist die innergeschichtlichen Heilstaten. Wunder erwartet LibAnt aber ebenso in den letzten Tagen*'^, so

" " Vgl. auch 53,12: .Siehe, Gott hat, bevor du geboren wurdest, Israel versprochen, daß er dich ihnen schicke und du weissagest'. Auch wenn Perrot meint, daß LibAnt in politischen Dingen keine Position b e ziehe (in: Harrington, Pseudo-Philon II 46), es ihm vielmehr um eine V e r i n n e r l i chung der Religion gehe (ebd. 45: , L e Pseudo-Philon est l'apôtre d'une religion intérieure"; ebd. 49: ,une intériorisation de la religion de l'Alliance") wird man doch annehmen können, daß sich in dieser Betonung des Befreiungshandelns und auch in der großen Rolle, die die Führer Israels in der Schrift spielen, auch konkrete politische Hoffnungen spiegeln - ohne daß diese deutlicher beschrieben werden könnten. 21,9f; obwohl das verheißene Land erwartungsgemäß mehrmals als den V ä tern Gegebenes genannt wird (9,3f; 12,4; 21,9; 23,10f), knüpft sich an das Land selbst anscheinend keine konkrete Zukunftshoffnung mehr. 9,3; 30,7; 32,12f; vgl. auch die Klage Gideons in 35,2: .wo sind die Wunder, welche uns unsere Väter erzählten, indem sie sagten: ,Der Herr hat Israel auserwählt gesondert vor allen Völkern der Erde'?". 27,7: .Herr, Gott unserer Väter, du hast deinem Knecht die Wunder gezeigt, die du in den letzten Tagen an deinem Bund zu tun vorbereitet hasf; vgl. auch 28,1. Beide Stellen stehen im Kontext einer apokalyptischen Offenbarung des Kenas.

98

III.A. S e p t u a g i n t a u n d P s e u d e p i g r a p h e n

die Rettung der Seelen, Auferstehung, ewiges Leben, eine andere Erde, einen anderen Himmel und eine ewige Wohnung^®^. In A p k M o s r u f t G o t t den g e s t o r b e n e n A d a m - n a c h d e m die E n g e l w e l t f ü r ihn um V e r z e i h u n g und B a r m h e r z i g k e i t g e b e t e n und ihn a n s c h l i e ß e n d auf G o t t e s G e h e i ß hin im P a r a d i e s ins G r a b gelegt hat - u n d v e r h e i ß t ihm, z u s a m m e n mit allen M e n s c h e n , die A u f e r s t e h u n g in den letzten T a g e n

(4) Mahnung: Bund und Gesetz bleiben der einzige Weg zum Heil. Nicht nur Bund und Verheißung sondern auch Bund und Gesetz gehen in LibAnt in bemerkenswerter Weise ineinander über und können fast völlig in eins fallen^''*. Die Erfüllung der Väterverheißungen bestätigt, daß Gott alle Worte seines Gesetzes vom Sinai festgesetzt hat'®'. Ebenso werden andere Lexeme je nach Kontext sowohl für die Heilssetzungen Gottes, als auch für die den Menschen gegebenen und von ihnen übertretenen Gebote gebraucht (z.B. via und mandatum)™. Das eine und ganze Gesetz „begründet und bestimmt zugleich

R e t t u n g der Seelen: 13,10; die Seelen seines V o l k e s will G o t t in F r i e d e n a u f b e w a h r e n bis zum E n d e der T a g e (23,13); A u f e r s t e h u n g : 3,10; ewiges L e b e n : 23,10f; e i n e a n d e r e E r d e , ein a n d e r e r H i m m e l und eine ewige W o h n u n g : 3,10. Die e s c h a t o l o gischen M o t i v e implizieren a u c h ,ζ.Τ. eine N a h e r w a r t u n g , auf die der V e r f a s s e r gleichwohl kein s p ü r b a r e s G e w i c h t legt* ( R e i n m u t h , B e o b a c h t u n g e n 167). Die j ü d i s c h e Quelle dieser griechisch ü b e r l i e f e r t e n S c h r i f t (die in V i t A d eine über weite Strecken a u c h im W o r t l a u t parallel l a u f e n d e V a r i a n t e h a t ) reicht v e r m u t lich z u r ü c k bis in die Z e i t vor dem Fall des T e m p e l s (vgl. E i ß f e l d t , E i n l e i t u n g 864). T i s c h e n d o r f , A p o c a l y p s i s z.St.: π ά λ ν ν τήν ά ν ά σ τ α σ ι ν έ π α γ γ ε λ λ ο μ α ί σοι, αναστήσω σέ έν τή εσχάτη ήμέρο: έν τή άναστάσει μετά παντός άνθρώπον έκ τοϋ σπέρματος σου; im p a r a l l e l e n l a t e i n i s c h e n V i t A d f e h l t dieser Teil der E r z ä h l u n g . Es k a n n von testamentum legis (23,2) u n d u m g e k e h r t von legem testamenti (11,5) die R e d e sein; vgl. D i e t z f e l b i n g e r , P s e u d o - P h i l o 130 A n m . 5 c zu 11,5 u n d R e i n m u t h , B e o b a c h t u n g e n 154, der ebd. A n m . l 4 auch verweist auf PsSal 10,5: νόμος διαθήκης αιωνίου. "" 21,9 ( R e d e J o s u a s ) : ,Siebe, der Herr hat alles getan, was er zu uns gesprochen hat, und jetzt wissen wir wahrhaftig, daß Gott festgesetzt hat jedes Wort seines Gesetzes, das er zu uns am Horeb gesprochen hat.' A l s H e i l s s e t z u n g e n G o t t e s z.B. via: 9,7; 13,10; mandata: 49,6. A l s G e b o t e f ü r die M e n s c h e n z.B. via: 12,4; 21,9f; 30,1; mandata: 35,3 ( a u c h praeceptum wird in L i b A n t o h n e U n t e r s c h i e d zu mandatum g e b r a u c h t , vgl. Delling, Zeit 312 Anm.6). Vgl. a u c h die Stellen, wo vom V e r g e s s e n u n d V e r l a s s e n der sponsiones d u r c h das Volk die R e d e ist. W i e eng L i b A n t Gesetz, Bund u n d Volk in e i n e m Z u s a m m e n h a n g sieht, zeigt s p r a c h l i c h auch die T a t s a c h e , d a ß testamentum a u c h das Bundesvolk b e z e i c h n e n k a n n (so in 27,7; 32,4; 38,4; auch 22,7; vgl. D i e t z f e l b i n g e r , P s e u d o - P h i l o 162 A n m . 7 e ) . A u s den u n t e r s c h i e d l i c h e n B e z e i c h n u n g e n f ü r e i n e Sache u n d den u n t e r s c h i e d l i c h e n B e d e u t u n g e n , die sie in L i b A n t a n n e h m e n k ö n n e n , „wird m a n auf kein b e s o n d e r e s G e s e t z e s v e r s t ä n d n i s des V e r f a s s e r s schließen können". V i e l m e h r lag es, da es ihm ,auf die (ganz a l l g e m e i n e ) B e s i n n u n g auf das ,Buch des G e s e t z e s ' (25,13) a n k a m , ... n a h e , in solch u n d i f f e r e n z i e r t e r W e i s e v o m G e s e t z zu s p r e c h e n . " (Limbeck, O r d n u n g 96; er m ö c h t e dort A n m . 12 . ü b e r h a u p t die S c h ä r f e des t h e o l o gischen D e n k e n s sowie die K r a f t zur Systematik ... k a u m sehr hoch einschätzen", w a s nicht u n b e d i n g t den oben g e m a c h t e n B e o b a c h t u n g e n e n t s p r i c h t ) . Vgl. a u c h R e i n m u t h , B e o b a c h t u n g e n 165: . O f f e n s i c h t l i c h liegt P s e u d o - P h i l o an der E i n h e i t u n d G a n z h e i t des G e s e t z e s , das d a n n f r e i l i c h in A n l e h n u n g an biblischen S p r a c h g e b r a u c h mit w e c h s e l n d e n B e z e i c h n u n g e n v e r s e h e n wird."

Zusammenfassung Kap.III.A

99

den Bund Gottes mit seinem Volk""i. Seine Grundbestimmung ist „offenbar das im ersten Gebot gipfelnde Verhältnis zu Gott"^^^. Es ist ewig und den Menschen als Licht gegeben^''^. Es verkörpert in alledem die Verbindung mit Gott, und das Befolgen des Gesetzes ist somit die logische Konsequenz der Gewißheit der Bundestreue Gottes. Denn andershemm: wer nicht im Gesetz lebt, der ist offensichtUch auch aus dem Bund herausgefallen und hat die Hoffnung auf die Verheißungen verloren. Das macht nicht zuletzt die bemerkenswert enge sprachliche (und damit zugleich auch inhaltliche) Verknüpfung der drei Größen deutlich.

6. Zusammenfassung Die folgende Zusammenfassung kann - angesichts der Vielfalt an Texten verschiedener Autoren aus verschiedenen Zeiten - nur holzschnittartig einige häufiger zu findende Themen und Tendenzen nachzeichnen. Ausgehend von den Überlegungen zum methodischen Vorgehen (s.o. S.41) wird sie dabei (wie auch die folgenden Zusammenfassungen in diesem Kapitel) ihr Augenmerk richten auf Gott als den Geber der Verheißungen, auf Empfänger und Inhalte der Verheißungen und schließlich auf mögliche Bedingungen und Folgen aus den Verheißungen. a. Gottes Bund und

Barmherzigkeit

Gottes Verheißen und Zusichern steht in den behandelten Texten der LXX imd der Pseudepigraphen vielfach in engem Zusammenhang mit seinem Bund™. Eng mit der Bundesvorstellung verbunden und ihr zudem nicht nur zahlenmäßig, sondern auch sachlich noch vorgeordnet ist die Vorstellung der Barmherzigkeit Gottes^'''. Seine Barmherzigkeit ist es, die in den Pseudepigraphen den verheißenden Gott vor allem anderen charakterisiert. Auch hier folgen diese Schriften alttestamentlichen - und hier insbesondere deuteronomistischen - Traditionen^^^. Kennzeichnend ist hierfür zum einen eben die Verbindung von Barm-

Reinmuth, Beobachtungen 169. Ebd. 166. Zum ewigen Gesetz vgl. 9,8; 11,2; ein seinen sempiternum ist auch die N a c h kommenschaft Abrahams, das Gottesvolk (8,3); vgl. auch Delling, Zeit 312. Zum Bild der Leuchte des Gesetzes vgl. 9,8; 15,6; 19,4 und schon ψ 118,105; vgl. auch syrBar 17,4; 59,2. Angesichts der vielgestaltigen Bedeutung der Lichtmetapher scheint es fraglich, ob damit gesagt sein soll, daß das Gesetz ,am Wesen Gottes partizipiert* (gegen Reinmuth, Beobachtungen 153; auch die Kennzeichnung als ewig zielt wohl eher auf die .ewige Geltung', denn auf eine Wesensaussage). "•· Vgl. Sir 44,19f; Bar 2,34f; Weish 12,19f; A s s M o s 12,11; PsSal; LibAnt; vgl. auch den Exkurs unten S.219f. Vgl. 2Makk 2,17f; PsSal 7,10; 17,5f; Weish 12,19f; OrMan 6f; LibAnt 13,6.10; 30,7; 35,3; vgl. auch TestXII. Zum Motiv der Barmherzigkeit Gottes im Alten Testament s.u. S.217f.

100

III.A. Septuaginta und Pseudepigraphen

Herzigkeit und Bund, die sich z.B. in Weish 12,19f und in LibAnt findet^". Aber auch dort, wo statt vom Bund oder vom Eid nun von der Verheißung Gottes gesprochen wird, bleibt die Verbindung zur Barmherzigkeit grundlegend wichtig^™. Bereits nach Dtn 7,9 gilt die Barmherzigkeit denen, die Gott lieben und seine Gebote halten. Dementsprechend gilt etwa in den PsSal die Barmherzigkeit den Frommen, die Gott fürchten und lieben oder auch Israel, nicht aber den Sündern, denen das Verderben droht. Aber mehrfach wird auch gerade angesichts der eigenen Sünde Gott um Vergebung gebeten, und diese wird dann aufgrund seiner Barmherzigkeit gewährt^'''. Barmherzigkeit wird so, etwa im Kontext von Weish 12,21f (vgl. auch PsSal 9; OrMan) als „eschatologischer Terminus"'^" zum Grand der Hoffnung, daß Gott im Gericht die Seinen trotz ihrer Sünden mit Nachsicht strafen und letztlich an Erwählung, Bund und Verheißungen festhalten wird. Damit zusammen hängt schließUch das Motiv der Umkehr, das ebenfalls bereits im dtr. Geschichtsbild angelegt ist. Dabei ist die Umkehr nicht als eigene Leistung zu verstehen, sondern ermöglicht Vergebung allein aufgrund der Barmherzigkeit Gottes'^'. b. Verheißungen für Gegenwart

und Zukunft

Empfänger der Verheißung sind, das ergibt sich aus den bisherigen Ausführungen, neben und mit Abraham und den Vätern'®^ Israel und (zunächst demgegenüber wohl vor allem einschränkend gemeint) die Frommen'®^. Darüber hinaus wird in einigen in der Diaspora entstandenen Schriften des hellenistischen Judentums'®'' durch die Übernahme hellenistischer Begriffe (ευσέβεια, φιλανθρωπία) der Kreis derer, denen die Verheißungen gelten, zumindest potentiell ausgeweitet auf alle frommen und gottesfürchtigen Menschen. Im Blick auf die Inhalte der Verheißung lassen sich zwei Schwerpunkte unterscheiden. Einerseits geht es um die bis in die Gegenwart hinein andauernde Gültigkeit der alten Verheißungen, sei es nun die Zusage des Landes'®^ oder auch

Zur Barmherzigkeit Gottes in Weish vgl. noch Weish 11,23; 15,If. u.ö. Nach 9,1 ist der Gott der Väter zugleich der Herr der Barmherzigkeit. Aber auch dort, wo statt vom Bund von Gottes Eid oder Verheißung die Rede ist, bleibt die grundlegende Verbindung zur Barmherzigkeit bestehen. Vgl. PsSal 17,3f (όρκος) sowie PsSal 7,10; OrMan 6f; 2Makk 2,17 (επαγγελία). ™ Nach Sjöberg, Gott 200 war es im A T .selbstverständlich, daß Gottes Barmherzigkeit und Güte gegen die Gerechten größer ist als gegen die Sünder', in den apokryphen und pseudepigraphen Schritten des Frühjudentums dagegen «wird die Barmherzigkeit fast nur für die Gerechten aufgespart". "0 Bultmann, T h W N T Π 478. Er verweist Anm. 61 u.a. noch auf Weish 6,6; 11,9; 2Makk 6,16; PsSal 18,3. Vgl. PsSal 9,7f; Bar 2,27; OrMan 6f sowie Sjöberg, Gott 215 und oben S.88f. Vgl. Sir 44,20f; Jub 19,9; T e s t j o s 20; Bar 2,34f; Weish 12,19; 18,6.22; OrMan 6f. Vgl. 2Makk 2,17f; PsSal 7,10; 12,6; 17,3f. Vgl. Sib 3; 4Makk; Weish. 2Makk 2,17; Bar 2,34f; Verheißungsinhalt ist das Land auch in Jub 19,9; TestAbr 8,5; 20,11.

Z u s a m m e n f a s s u n g Kap.III.A - V e r h e i ß u n g e n für G e g e n w a r t und Z u k u n f t

101

des Königtums^®®. Andererseits werden diese Verheißungen offensiciitlich immer mehr ausgeweitet, so daß sie eigentlich zu neuen, erst in eschatologischer Zeit in Erfüllung gehenden Verheißungen werden. So wird aus der Landverheißung die Hoffnung auf eine letzte Sammlung und Rückführung Israels in die Verheißung ihrer Väter'®^. Aus der Zusage andauernden Königtums wird die Hoffnung auf den Anbrach der ewigen Herrschaft eines neuen davidischen K ö nigs oder auch allgemeiner eines ewigen Königreichs, das allen Menschen Frieden und Ruhe bringen wird^®®. Daneben finden sich weitere, gegenüber den Väterverheißungen neue, zumeist allgemeinere Verheißungsinhalte: Frieden, Ruhe, Befreiung, Heil, (ewiges) Leben, ewiger Geist^®'. Bemerkenswert ist aber, daß von den Väterverheißungen in diesen Texten fast nur die Landverheißung sowie der Bund eine Rolle spielen^'". Offenkundig werden über sie hinaus nach und nach immer weitere Teile der alttestamentlichen Botschaft von Gottes Verheißen her verstanden. Die Grenzen zwischen gegenwärtiger Geltung von Verheißungen und eschatologischer Hoffnung auf ihre Verwirklichung bleiben jedoch fließend''^

c. Gebet und Gebot Seit der Zeit des babylonischen Exils ist das Gebet immer mehr in den Mittelpunkt israelitischer Frömmigkeit gerückt. Die Möglichkeit, sich im Gebet vor Gott auf seine Verheißungen zu berufen und ihn an sie zu erinnern, ist offenbar eine wichtige Folgerang aus dem Ergehen der Verheißung. So sind es nicht von ungefähr vor allem gebetsähnliche Formen im weiteren Sinn, innerhalb derer sich in den Pseudepigraphen die Rede von der Verheißung findet: hymnische Schilderangen, kollektive und individuelle Klagen, Büß- und Bittgebete'®^. Daß Gott solche Gebete erhören will, hat er nach ЗМакк 2,10 selbst verheißen''^. Und Weish 18^2 berichtet davon, daß solches Gebet Gott abbringt von seinem Zorn. Eine weitere, im Zusammenhang der deuteronomisch-deuteronomistischen 2Makk 2,17f; PsSal 17,3f. V g l . T e s t j o s 20. '»« V g l . Sib 3,767f ( z u v o r z.B. s c h o n Obd 21); für d e n d a v i d i s c h e n K ö n i g PsSal 17; T e s t j u d 2 2 g r e i f t zurück auf G o t t e s S c h w u r an J u d a und stellt i n s o f e r n e i n e A r t M i s c h f o r m oder B i n d e g l i e d z w i s c h e n d e n b e i d e n V o r s t e l l u n g e n dar. F r i e d e n : L i b A n t 23,10f; R u h e : L i b A n t 49,6; B e f r e i u n g : L i b A n t 32,12; 35,3; H e i l : L i b A n t 13,10; L e b e n : 4Makk 15,2; L i b A n t 23,10; e w i g e r Geist: Sib 3,767. "" N a c h W e s t e r m a n n , V e r h e i ß u n g e n 1 1 8 - 1 4 9 u m f a s s e n die V ä t e r v e r h e i ß u n g e n im B u c h G e n e s i s d i e V e r h e i ß u n g des S o h n e s , n e u e n L e b e n s r a u m e s , B e i s t a n d e s , K u l t u r l a n d b e s i t z e s , der M e h r u n g , d e s S e g e n s und des B u n d e s . D a s m a c h t nicht z u l e t z t die T a t s a c h e d e u t l i c h , d a ß bei e i n e r R e i h e v o n S t e l l e n e i n e e i n d e u t i g e E n t s c h e i d u n g darüber s c h w e r f ä l l t , w a s g e n a u mit d e m V e r h e i ß u n g s inhalt b e z e i c h n e t wird, s o etwa bei Bar 2,34f; T e s t j o s 20; PsSal 17. H y m n i s c h e S c h i l d e r u n g e n (vgl. s c h o n Ψ 88,4; 104,9): Sir 4 4 , 1 9 - 2 1 ; W e i s h 12,19f; 18,6.20; PsSal 17,4f ( G e r i c h t s s c h i l d e r u n g ) ; k o l l e k t i v e K l a g e : PsSal 7,10; i n d i v i d u e l l e K l a g e : PsSal 12,6; O r M a n 6f; B u ß g e b e t : Bar 2,34; Bittgebet: ψ 55,9; ЗМакк 2,10. V g l . a u c h T e s t A b r 3,6, w o G e w ä h r u n g der V e r h e i ß u n g und G e b e t s e r h ö r u n g parallel g e n a n n t w e r d e n .

102

ΙΠ.Α. Septuaginta und Pseudepigraphen

Tradition weitgehend selbstverständliche Folgerang ist das HaUen der Gebote. So ist Abraham das Vorbild des Gerechten, und nach PsSal und auch nach Sib 3,767 und Arist 212 gelten die Verheißungen den Gerechten und Frommen. Wer auf Gottes Verheißungen vertraut, wird seinen Wegen folgen, imd auch Versuchungen oder Leiden können ihn nicht davon abbringen""·. Solches gerechte Verhalten bewirkt, daß der Mensch im Bereich der Bundeszusagen Gottes bleibt. Vor diesem Hintergrand wird häufig deutìich der Gegensatz zwischen Frommen und Sündern eingeschärft. Aber auch hier wird noch am Vorrang der Barmherzigkeit Gottes festgehalten, die dem Sünder die Möglichkeit zu Umkehr und Vergebung eröffnet. Er kann zu Gott beten und wird auf diese Weise doch noch (oder wieder) innerhalb des Bundes gehahen. So wird nicht nur die Erwählung, sondern auch die „letztliche Errettung nicht als menschliches Werk, sondern als Tat(en) der Barmherzigkeit Gottes verstanden"^^^. Das gilt auch dann noch, wenn in verschiedenen Schriften (je nach Abzweckung aufgrand der aktuellen Situation und mit unterschiedlicher Deutlichkeit) das Halten der Gebote als der Weg Gottes und damit zugleich der Weg mit Gott zum Heil eingeschärft wird. Selbst dort werden die Verheißungen nicht grandsätzlich an die Erfüllung des Gesetzes gebunden.

Vgl. Jub 19,9; 4Makk 15,2. Sanders, Paulus 400; vgl. auch die ironische Schilderung des gerechten A b r a ham und den langen Weg, den er bis in den Himmel zurücklegen muß, um Gottes Barmherzigkeit zu verstehen und zu lernen.

в. Philo von Alexandrien Person und Schriften: Philo, der „gelehrteste und produktivste Schriftsteller des hellenistischen Judentums'^, wurde ca. 20 v.Chr. geboren und lebte als Mitglied einer angesehenen hellenisierten jüdischen Familie in Alexandrien. Er war v e r traut sowohl mit antiker Philosophie als auch mit hellenistisch-jüdischer Schriftauslegung und Apologetik. Sein umfangreiches Schrifttum läßt sich in etwa in vier Gruppen einteilen: A . Nicht-biblische apologetische Schriften; B. A p o l o getische Bibelkommentare (Exposition)^; C. Allegorischer Kommentar zur G e nesis (Allegorie)*; D. Philosophische Abhandlungen. Bei der Erklärung der einzelnen Schriftworte karm m a n bei Philo deutlich zwischen zwei methodischen Ebenen unterscheiden: der wörtlichen (Uterarischen) und der allegorischen Auslegung. D i e Methode der Allegorie·* ermöghcht es Philo, einem Text neben d e m wörtlichen einen weiteren, speziellen Sinn zu geben, der a m Text nicht von vornherein wahrnehmbar ist. Er gebraucht diese Methode nicht (wie etwa Josephus oder die Rabbinen) sporadisch für einzelne Stoffe, s o n dern als einheitliche Methode innerhalb eines weitgehend geschlossenen G e d a n kengebäudes. Auf diese Weise kann er die Aussagen der Schrift verwandehi in Aussagen über die Natur und Erfahrung jedes Menschen, so daß sie zu jedem

' Köster, Einführung 284. Vgl. zum folgenden Sandmel, Philo; ders., Introduction; Köster, Einführung 284-293. Als Quelle f ü r den griechischen Text und die deutschen Übersetzungen liegt der folgenden Untersuchung zugrunde: Cohn/Wendland, Opera; dies., Philo. ^ Dieses Werk richtet sich an gebildete hellenistische Leser, ist .aber zugleich eine groß angelegte Neufassung des Pentateuch für das hellenistische Judentum, die nicht zufällig dem alttestamentlichen Bundesformular folgt" (Köster, E i n f ü h r u n g 287). Sie beginnt mit Büchern über die Schöpfung, Abraham (Schriften zu Isaak und Jakob sind nicht erhalten, aber gehörten wahrscheinlich dazu), Joseph und Moses. Daran schließt sich das Buch über den Dekalog an, sowie Bücher über die Einzelgesetze. Den Schluß bilden die Bücher über die Tugend sowie über Lohn und Strafe. Inhalt und A u f b a u der einzelnen Schriften sind jeweils bestimmt von den thematischen Überschriften der Schrift. Lexeme für Gottes Verheißen begegnen in De Abraham о und De Vita Mosis. ' Von diesem Hauptwerk sind 21 Bücher erhalten, mindestens 9 weitere sind verloren. Inhalt und A u f b a u dieser Schriften folgen den biblischen Versen, die jeweils zu Beginn a u f g e f ü h r t werden. Lexeme f ü r Gottes Verheißen finden sich (in Klammern jeweils die Bibelverse, die die Schrift auslegt) in Legum Allegoriae 3 (Gen 3,8-19); De Sacrificiis Abelis et Caini (Gen 4,2-4); Quod Deterius Poteriori Insidian (Gen 4,8-15); De Ebreitate (Gen 9,21); De Migratione Abrahami (Gen 12,1-4.6); Quis Rerum Divinarum Heres Sit (Gen 15,2-18); De Congressu Eruditionis Gratia (Gen 16,l-6a); De Fuga et Inventione (Gen 16,6b-9); De Mutatione Nominum (Gen 17,1-6.15-22); De Somniis 1 (Gen 28,10-22; 31,10-13). Ein weiteres, eigenständiges Werk sind die Quaestiones in Genesin und in Exodum, die jedoch nur noch in einer armenischen Übersetzung überliefert sind (griechisch sind nur noch einige Fragmente erhalten). •· Die Wertung dieser Methode und ihrer Leistung fällt in der Forschung recht verschieden aus. Für Amir, Gestalt 117 stammt sie .aus einer intellektuellen Entfremdung von der unmittelbar gegebenen Wirklichkeit des Gotteswortes". Sandmel, Philo 24 stellt fest, daß damit die Geschichte, von der die Schrift erzählt, aufgelöst werde. Zur Schriftauslegung Philos vgl. auch Amir, Authority.

104

Ш . В . Philo von A l e x a n d r i e n

Menschen seiner Zeit sprechen können. Dabei verbindet er sie u.a. mit platonischem und stoischem Denken. Während die wörtliche Auslegung in den Schriften der Exposition weithin dominiert, ist die allegorische Auslegung im Kommentar zur Genesis bestimmend. Beide können aber auch miteinander kombiniert werden. Die allegorische Deutung setzt dabei die literarische Deutung nicht etwa außer Kraft, so daß die allegorische Deutung des Gesetzes auch nicht von der Befolgung des Gesetzes dispensiert. Umstritten ist, ob Philos Denken letztlich von jüdischen oder von griechischen Voraussetzungen bestimmt ist^. Die Meinungen hierzu hängen auch ab von der Frage, wie das Verhältnis zwischen palästinischem und hellenistischem Judentum beurteilt wird^. Weiter läßt sich angesichts der Vielfalt und auch Verschiedenartigkeit seiner Schriften fragen, ob Philo eher als Philosoph oder als Exeget zu verstehen ist^. Zumindest wo die jüdische Tradition von Gottes Verheißen Thema ist, geht es in Philos Schriften im Kontext immer um Schriftauslegung. Von daher wird er in dieser Arbeit vorrangig als jüdischer Exeget in den Blick kommen, dem es mit seinen Schriften darum geht, dem jüdischen Glauben, wie er ihn versteht, in der hellenistischen Kultur Geltung zu verschaffen. Dabei wird er mit der Exposition eher heidnische und mit der Allegorie eher jüdische Leser angesprochen haben, auch wenn zu Anlaß, konkretem Hintergrund und Adressaten der meisten Schriften Genaueres nicht mit der nötigen Gewißheit gesagt werden kann®.

' N a c h G o o d e n o u g h t r a n s f o r m i e r t Philo das J u d e n t u m in eine M y s t e r i e n r e l i g i o n ; W o l f f s o n sieht d a g e g e n n u r eine H e l l e n i s i e r u n g der Sprache, nicht a b e r der r e l i g i ö sen Ü b e r z e u g u n g e n des J u d e n t u m s (vgl. Borgen, Philo 141; S a n d m e l , Philo 142ff). N a c h S a n d m e l , Philo 28 sind die »intuitions, assumptions, a n d loyalties in P h i l o ... J e w i s h , but t h e basic c o n t e n t of Philo's t h o u g h t is G r e c i a n . A l l e g o r y b i n d s these t o gether". V e r m u t l i c h ging es ihm nicht v o r r a n g i g um eine Synthese von J u d e n t u m u n d H e l l e n i s m u s , s o n d e r n er wollte den j ü d i s c h e n U r s p r u n g a u c h der p h i l o s o p h i s c h e n Ideen a u f w e i s e n . J e d o c h stand er d a m i t u.U. in der G e f a h r , in den Bann eben dieser Ideen zu g e r a t e n und in einem U n i v e r s a l i s m u s zu e n d e n , in dem die B e s o n d e r h e i t des J u d e n t u m s v e r l o r e n g e h e n k o n n t e (vgl. Borgen, P h i l o 151.154). ® W ä h r e n d A m i r und U r b a c h noch die D i f f e r e n z e n zwischen Philo u n d den R a b binen b e t o n e n , hat sich m i t t l e r w e i l e eine M e h r h e i t der F o r s c h e r d a f ü r a u s g e s p r o chen, k e i n e zu s c h a r f e T r e n n u n g s l i n i e zwischen b e i d e n zu ziehen (vgl. Borgen, P h i l o 124ff). M e t h o d i s c h k o m m t es w e n i g e r d a r a u f an, n a c h A b h ä n g i g k e i t zwischen p a l ä s t i n i s c h - j ü d i s c h e n und h e l l e n i s t i s c h - j ü d i s c h e n T r a d i t i o n e n zu f r a g e n , als T r a d i t i o n e n a u f z u s p ü r e n , die insgesamt im J u d e n t u m der Z e i t wirksam w a r e n , und , t h e v a r i o u s usages, e m p h a s e s a n d a p p l i c a t i o n s within t h e c o m m o n context" zu e r f o r s c h e n ( B o r gen, P h i l o 124). ' W i r d er zumeist in den E i n l e i t u n g e n zu seinem W e r k als Philosoph b e z e i c h n e t , so v e r t r e t e n eine R e i h e von F o r s c h e r n n e u e r d i n g s mit N a c h d r u c k die T h e s e , d a ß Philos W e r k e „nicht eigentlich als t h e o l o g i s c h e oder p h i l o s o p h i s c h e T r a k t a t e , s o n d e r n h a u p t s ä c h l i c h als exegetische S c h r i f t e n a n z u s e h e n " sind ( M a c k , W e i s h e i t 24; vgl. auch ders., Philo; auch n a c h S a n d m e l , P h i l o 123 k o n t r o l l i e r t die S c h r i f t a u s l e g u n g die P h i l o s o p h i e und nicht u m g e k e h r t ; zugespitzter noch Borgen, Philo 150: „Philo was not a s y s t e m - b u i l d i n g p h i l o s o p h e r , but he was one exegete a m o n g t h e other e x e getes in t h e synagogues"). ' S a n d m e l , Philo 14: , W e must b a l a n c e t h e c i r c u m s t a n c e t h a t h e w a s not a w r i t e r f o r t h e masses with the f a c t that a g r e a t a b u n d a n c e of w h a t he w r o t e was copied a n d p r e s e r v e d ... by Christians". Z u r Exposition vgl. oben A n m . 2 . A l s k o n k r e t e n H i n t e r g r u n d der allegorischen G e n e s i s k o m m e n t a r e v e r m u t e n einige P r e d i g t e n bzw. V o r -

G r u n d z ü g e seiner G e d a n k e n w e l t

105

Grundzüge seiner Gedankenwelf: In seinen verschiedenen Schriften geht es Philo letztlich immer um die Beziehung des Menschen zum wahren Gott^". Bestimmung und Ziel des Menschen ist die eschatologische Schau Gottes, und den Weg der Seele zu solcher Schau beschreibt Philo. Auch wenn so der Einzelne sehr stark in den Vordergrund tritt, teilt Philo doch die allgemeine jüdische Sicht, daß das Judentum das von Gott auserwählte Volk ist, das das Gesetz erhalten hat^^ und „dem eine wesentliche Aufgabe für die ganze Menschheit aufgetragen" ist^^, nämlich der Menschheit diesen Gott und sein Gesetz zu verkünden. Gott ist für Philo transzendent, der Seiende, Ursprung und Quelle aller Dinge, Vater und Schöpfer des Alls". Sein Wesen kann letztlich nicht erkannt werden, aber seine Taten in Vergangenheit und Gegenwart sind bekannt und in der Schrift bezeugt. Aus ihnen kann seine Existenz erschlossen werden. Ihre allegorische Deutung ermöglicht dem Menschen die Erkenntnis seiner selbst und eröffnet ihm den Weg zu Gott. Der Mensch ist bestimmt durch Verstand (allegorisch: Adam) und Sinnlichkeit (Eva). Weil er mit dem Paradies die ursprüngliche Tugend verioren hat, könnte er verzweifeln. Jedoch beschreibt die Schrift, allegorisch gedeutet, bereits in der Urgeschichte drei Faktoren, die als Vorstufen dem Menschen den Weg zu Gott bahnen helfen: die Hoffnung (Enos), die Buße (Enoch) und die Ruhe (Noah). Wichtiger ist jedoch die zweite Stufe auf dem Weg aus der vergänglichen Welt der Sinne in die immaterielle Welt des Logos'''. Für sie stehen die drei Patriarchen als Verkörperungen der vollkommenen Weisheit'^, die einhergeht mit

träge Philos in der hellenistischen Synagoge. Z w a r ist ein solches P r e d i g t a m t Philos nicht a u s z u s c h l i e ß e n , zumal er in der jüdischen G e m e i n d e A l e x a n d r i e n s a n d e r e h o h e ö f f e n t l i c h e Ä m t e r i n n e h a t t e , a b e r Form und Stil der allegorischen S c h r i f t e n weisen nicht u n b e d i n g t auf ö f f e n t l i c h e V o r t r ä g e (vgl. die Kritik von S a n d m e l , Philo 13: . h e must h a v e severly tried the p a t i e n c e of his audience"; Sandmel selbst (ebd. 14) e r wägt d a g e g e n , d a ß möglicherweise von der griechischen K u l t u r a n g e z o g e n e j ü d i s c h e A p o s t a t e n zu den A d r e s s a t e n g e h ö r t e n ) . ' Vgl. zum f o l g e n d e n Colpe, RGG^ 5 341-346; C o h n / W e n d l a n d , Philo 1 - 2 2 und vor allem S a n d m e l , Philo. «> Vgl. zum f o l g e n d e n Sandmel, Philo 91ff. " Vgl. Borgen, Philo 150. " Möller, T r a d i t i o n 78. Dabei spielt die Beziehung zur L a n d v e r h e i ß u n g k a u m eine Rolle, und die D i a s p o r a s i t u a t i o n wird k a u m als S t r a f e v e r s t a n d e n , s o n d e r n vielm e h r als F o l g e d e r g r o ß e n Z a h l des V o l k e s ( e b d . 109). M a n w i r d a u c h d i e . E r w a r t u n g des Siegs ü b e r die F e i n d e und der H e r r s c h a f t des j ü d i s c h e n V o l k e s und seines G e s e t z e s ... als w e s e n t l i c h e Bestandteile des philonischen Systems* b e t r a c h t e n müssen (ebd. 114). " Mit dieser p l a t o n i s c h e n B e z e i c h n u n g c h a r a k t e r i s i e r t Philo g e r n e . G o t t e s H a u p t e i g e n s c h a f t e n G ü t e und M a c h t " ( C o h n / W e n d l a n d , Philo B d . l 15). Diese o r d n e t er den b e i d e n biblischen G o t t e s n a m e n θεός und κύριος zu, ähnlich wie r a b b i n i s c h e Ü b e r l i e f e r u n g e n , j e d o c h in der Z u o r d n u n g g e r a d e u m g e k e h r t ( C o h n / W e n d l a n d , Philo B d . l 19). " Diese U n t e r s c h e i d u n g zwischen κόσμος αισθητικός und κόσμος νοητός f i n d e t sich bereits bei Plato und auch bei den Stoikern (vgl. S a n d m e l , Philo 25). " Dabei ist die G a b e der Weisheit unterteilt in Weisheit d u r c h L e r n e n ( A b r a -

106

III.B. Philo von A l e x a n d r i e n

wahrer Tugendi^. Aufgrund der Gabe der Weisheit haben die Patriarchen, insbesondere Abraham, das Gesetz der Natur gehalten, noch bevor das Gesetz durch Moses aufgeschrieben war". Die Schrift verheißt nun jedem Menschen, der sich wie die Patriarchen auf den Weg wahrer Philosophie und Tugend begibt, Weisheit und Glückseligkeit und als höchste religiöse Erfahrung Gemeinschaft mit ihm selbst in der Schau Gottes. Dazu bedarf es jedoch der Gaben Gottes, die die Patriarchen repräsentieren. Allerdings können auch die Menschen, die diese großen Gnadengaben nicht haben, den Weg in die höhere Welt und zu Gott finden - durch die Befolgung der Gesetze des Moses. Diese sind die bestmögliche Gestalt des Gesetzes der Natur in der sichtbaren Welt. Sie stimmen mit der Natur überein und dienen zur Begründung einer zukünftigen Gesellschaft^®. Wer sie beobachtet, der lebt wie Abraham, Isaak und Jakob, selbst wenn er sich dessen nicht bewußt ist''. Lexikalischer Befund: Philo gebraucht vor allen Dingen ύττόσχεσνς κτλ., wenn er von Gottes Verheißen spricht. Dabei verwendet er Verb und Substantiv fast gleich häufig, und zwar jeweils sowohl profan, als auch mit der Bedeutung Verheißung. 'Επαγγελία findet sich bei ihm nur ein einziges Mal, hier aber mit der Bedeutung Verheißung. Umgekehrt gebraucht er έπαγγέλλομαι nur mit profaner Bedeutung (15x). Im Kontext der Auslegung einzelner atl. Bibelstellen ist bei ihm auch mehrmals von Gottes Schwören die Rede^°. SchUeßlich kann manchmal όμολογέω parallel zu ύπισχνέομαι oder auch allein für ein Verheißen Gottes stehen^'.

ham), W e i s h e i t d u r c h I n t u i t i o n (Isaak) und Weisheit d u r c h Ü b u n g ( J a k o b ) . A l l e drei P a t r i a r c h e n sind jeweils V e r k ö r p e r u n g e n aller drei G a b e n , wobei jeweils die dem E i n z e l n e n z u g e s c h r i e b e n e G a b e ihn in b e s o n d e r e r W e i s e k e n n z e i c h n e t . " O f t sind Weisheit u n d w a h r e T u g e n d synonym (vgl. S a n d m e l , P h i l o 114). So v e r k ö r p e r t Sara einerseits die T u g e n d im G e g e n s a t z zur Sinnlichkeit ( E v a ) . Sie k a n n a b e r a u c h als V e r k ö r p e r u n g der Weisheit gelten g e g e n ü b e r H a g a r , die hier f ü r die e n z y k l o p ä d i s c h e n Studien als V o r s t u f e der W e i s h e i t steht. Dies Beispiel zeigt a u c h , d a ß es wohl in Philos allegorischem System f e s t e Z u o r d n u n g e n gibt, e i n z e l n e G e s t a l ten j e d o c h nicht ausschließlich auf eine D e u t u n g festgelegt w e r d e n k ö n n e n . Ä h n l i ches gilt z.B. auch f ü r Isaak (Weisheit d u r c h I n t u i t i o n ; L a c h e n der F r e u d e ) . " D e n n o c h sind sie damit nicht sündlos; die L e i d e n s c h a f t e n sind noch nicht ü b e r w u n d e n , das v e r g ä n g l i c h e nicht u n v e r g ä n g l i c h g e w o r d e n . So bleibt die D i f f e r e n z zwischen M e n s c h und Gott b e s t e h e n : ihr W e g zu Gott m a c h t sie zu h i m m l i s c h e n M e n s c h e n , aber nicht zu Gott (vgl. Colpe, RGG» 5 344). " Vgl. S a n d m e l , Philo 103. " Vgl. e b d . 26. ^ Z u V o r k o m m e n , A n z a h l u n d B e d e u t u n g der einzelnen L e x e m e vgl. die Ü b e r sicht S.69f. V o n den insgesamt 181 V o r k o m m e n der v e r s c h i e d e n e n g e n a n n t e n L e x e m e h a b e n 42 (=23%) die B e d e u t u n g . V e r h e i ß u n g ' . » Mos. l,71f; 1,86; A b r . 275; Det. 60; M u t . 51; Somn. 1,174; E b r . 39 (όμολογίαις; vgl. auch oben Kap.II Anm.46). Προευαγγελί^ομαι, das 3x v o r k o m m t (Op. 34; M u t . 158; A b r . 153) steht d a g e g e n nie f ü r ein A n k ü n d i g e n G o t t e s selbst; das G l e i c h e gilt f ü r ε ύ α γ γ έ λ λ ο μ α ι , e i n e f r o h e N a c h r i c h t b r i n g e n ; a n d e r s als F r i e d r i c h , T h W N T II 711 meint, steht es nie f ü r ein V e r h e i ß e n Gottes.

Gottes Schwur - Bekräftigung seiner Verheißung

107

1. Gottes Schwur - Bekräftigung seiner Verheißung Philo beschäftigt sich mehrmals (insbesondere bei der Auslegung von G e n 22,16^^) mit dem Problem, daß es von Gott auch heißt er schwöre. Einige seiner Zeitgenossen fragen offensichtHch, ob das denn überhaupt mit Gottes W e s e n vereinbar sei. Anders als sie findet Philo es jedoch nicht widersinnig, daß es in der Schrift heißt, Gott schwöre bei sich selbst und zeuge somit für sich selbst. Er warnt hier vielmehr vor zu sophistischer Ausdeutung. Denn: .Wer könnte sonst geeignet sein, für ihn Zeugnis abzulegen? ... Nur er allein kann über sieb selbst sichere Behauptungen aufstellen' und ist allein .der stärkste Bürge, zunächst für sich selbst und dann auch für seine Werke"". Andererseits teilt er z.T. auch Voraussetzungen mit denen, die meinen, es sei unangemessen, daß Gott als schwörend vorgestellt wird. A u c h er ist der A u f f a s sung, daß Gott allein glaubwürdig ist^·* und er deshalb des Schwörens eigentlich nicht bedürfe, da bereits seine Worte Eide sind und genauso zuverlässig wie d i e se^. Keineswegs liegt der Grund dafür, daß Gott schwört, darin, daß an seiner Zuverlässigkeit emsthafter Zweifel bestehen könnte. Zweifel an Gottes Z u v e r lässigkeit sind auch deshalb ausgeschlossen, weil sicher geschieht, was Gott sagt. D e n n er bekräftigt seine Worte und Eide mit der Erfüllung durch Taten^·^. Vielmehr dient die R e d e v o m Schwören Gottes nach Philo, wie andere A n thropomorphismen auch, allein zur Unterstützung unseres menschlichen U n v e r mögens. Solche Unterstützung kann dazu verhelfen, daß, w e n n die Verheißung

Vgl. Abr. 273; Leg.All. 3,203; Sacr. 89ff (hier im Zusammenhang der Auslegung von Ex 13,11-13). " Leg.All. 3,205f. Philo schließt aus diesem Gedankengang, daß niemand bei Gott schwören kann, da niemand sein Wesen kennen könne. Zu dieser kritischen Einstellung gegenüber dem Schwur bei Gott vgl. auch Spec.Leg. 2,lf; damit wendet er sich zugleich implizit gegen die zuvor bereits zitierte (Leg.All. 3,205) und auch in seinen anderen Schriften mehrfach angeführte (Spec.Leg. 2,10; Sacr. 91; Plant. 82; Decal. 86) stoische Definition, daß der Eid .eine A n r u f u n g Gottes als Zeugen in einer strittigen Sache" sei. " Leg.All. 3,204.207 (πιστός δέ μόνος ó θεός; βεβαιωτής ουν ισχυρότατος εαυτού το πρώτον); vgl. Her. 93 (μόνω πιστω). " Leg.All. 3,204; Abr. 273; Sacr. 93. Dieser Grundsatz gilt in der stoischen Tradition auch vom Schwören des Weisen (s.u. S.184). Zum Wechsel der Position zwischen Leg.All. 3,203ff und Sacr. 91ff und ihrem theologischen Hintergrund vgl. Moxnes, Theology 141-146; vgl. auch die verwandte Tradition in Hebr 6,16.19 und dazu Köster, Auslegung. ^ Leg.All. 3,204 (όρκοι βεβαιούμενοι έργων άποτελέσμασι); Somn. 1,181 (διά λόγων υποσχέσεις αλήθειας εργοις βεβαιωθήναι); vgl. auch Her. 96, wo das Herausführen aus dem Land der Chaldäer als die Erfüllung einer früheren Verheißung bezeichnet wird (πάλαιας υποσχέσεως βεβαίωσιν; daß die A u f f o r d e r u n g zum Auszug als Verheißung verstanden wird, ist singular). Nach Mos. 1,283 sind Wort und Tat bei Gott eins (λόγος έργον έστιν αύτω) und nach Somn 1,181 ist ihm .überhaupt eigen, nur das auszusprechen, was auf alle Fälle geschehen wird'. Βεβαιόω kann also bei Philo sowohl die Erfüllung einer Verheißung bezeichnen (Her. 96; Somn. 1,181), als auch die Bestätigung und Bekräftigung (Abr. 273; Leg.All. 3,203) oder adjektivisch bzw. substantivisch einfach die Zuverlässigkeit (Her. 101; Migr. 44; Sacr. 93).

108

III.B. Philo von Alexandrien

durch einen Eid bekräftigt wird^^, ,die Seele unerschütterlich und fest, noch mehr als früher

vertraut'

(Ahr.

273).

2. Abrahams Glauben - Vorbild für alle Menschen Abraham nimmt i m Werk Philos einen zentralen Platz ein, und zwar sowohl in der Exposition als auch in den allegorischen Schriftauslegungen zum Buch G e n e sis^^. Entsprechend seiner doppelten Auslegungsmethodik interpretiert er A b r a ham sowohl als .historische' Gestalt, wie sie in der Schrift geschildert wird, als auch als allegorische Figur^'. D e n n o c h ist seine Konzeption Abrahams w e i t g e hend einheitlich^": er ist der wahre Weise, der den W e g von der chaldäischen Kosmosvergöttlichung hin zur Verehrung des wahren Gottes gegangen ist, und ist darin Vorbild für alle Menschen^i. Im Zusammenhang mit Gottes Verheißungen ist bei Philo von Abraham mit Abstand a m häufigsten die Rede^^. Dabei nimmt sein Glauben, sein Vertrauen zu Gott, eine zentrale Stellung ein^^, häufig vor d e m Hintergrund von G e n 15,6^''.

" Leg.All. 3,203 (τό όρκώ βεβαιώσαι την ύπόσχεσνν); Abr. 273 (την δι' ορκου βεβαίωσιν ώνύπέσχετο δωρεών). ^ Aus der Exposition ist die Schrift De Abrahamo zu nennen, die zusammen mit De loseph zu den .historischen' Büchern innerhalb der Exposition gezählt werden kann und als eine Art Brücke zwischen den Schriften De Creatione und De Specjalibus Legibus dient. Die Form dieser Schrift ist hellenistisch (vgl. Sandmel, Place 106 Anm.l3). Aus der allegorischen Schriftauslegung wichtig für unsere Themenstellung sind, neben dem Legum Allegoriae 3, vor allem De Migratione Abrahami (zu Gen 12,1-4), Quis Rerum Divinarum Heres Sit (zu Gen 15,2-18) und De Mutatione Nominum (zu Gen 17,1-5.15-22). Sandmel, Place 96f unterscheidet zwischen .literal' und .allegorical' A b r a ham und ordnet den ersteren dem Leib, den letzteren der Seele zu. Vgl. auch ebd. 141: ,The literal Abraham is depicted as perfected. In the allegorical Abraham we shall see how this perfection was achieved'". ™ Sandmel, Place 189: .The difference ... between the literal Abraham and the allegorical is one of method and not content. The literary form of De Abrahamo has led Philo to follow an arrangement which differs only in form from the congruent conceptions expressed in other forms in the Allegory'. '' Nach Völker, Abrahambild 200f hat vor allem das Idealbild des stoischen Weisen, .der dem όρθάς λόγος folgt und der Glückseligkeit zustrebt' auf das philonische Abrahambild eingewirkt. An 17 von 27 Stellen (desweiteren: 2x Sara, 2x Jakob, 2x Väter, 4x Mose). Nicht nur von daher gehört Abraham auch sachlich zu den zentralen Gestalten in Philos Gedankenwelt. Dies gilt insbesondere für den allegorischen Kommentar zum Buch Genesis. In der Exposition sind dagegen neben De Abrahamo vor allem auch die zwei Bücher Vita Mosis von Gewicht (für Köster, Einführung 288 bilden sie den .Höhepunkt dieser biographischen Werke'). " Vgl. Lührmann, Pistis 29. Vgl. Abr. 262; Her. 90-94; Migr. 44; Leg.All. 3,228; Gen 15,6 spielt dagegen sonst im Judentum keine allzu große Rolle (vgl. Wieser, Abrahamvorstellungen 162); vgl. aber die unten S.229f angeführten rabbinischen Traditionen.

A b r a h a m s G l a u b e n - V o r b i l d für a l l e M e n s c h e n ( A b r . 112)

109

a. Alles ist möglich bei Gott (Abr. 112) Dieser Grandsatz, den Sara bekennt (und damit ihr Wachsen in der Gotteserkenntnis zeigt), steht bei Philo im Zentram der Nacherzählung von Gen 18. Daß Gott hier Wunder tut und gegen alle Hoffnung hilft, dient ihm als Garantie dafür, daß Gott auch zukünftig denen, die an ihn glauben, beistehen wird^'. h. Den Verheißungen

ist fest zu vertrauen (Abr.

262-275^^

So lautet die Schlußfolgerang des letzten Abschnittes von De Abrahamo und damit die Quintessenz der ganzen Schrift^^. Der Abschnitt beginnt in Abr. 262 mit dem Lob Abrahams, der Gott vertraut (Gen 15,6). Dies Lob wird sodann begründet, und die Folgen des Vertrauens, wie sie die Bibel bezeugt, werden näher ausgeführt: Macht, Ruhm, Reichtum, Abstammung, Gesundheit und anderem kann man nicht vertrauen (263-267). Allein das Vertrauen auf Gott, den Urheber aller Dinge, ist ein untrügliches und sicheres Gut^® und beinhaltet u.a. die Erfüllung guter Hoffnungen, eine Fülle des Guten, die Veredlung der Seele (268). Es ist die Königin der Tugenden (270). Wer den körperlichen und äußerlichen Dingen vertraut, mißtraut damit letztlich Gott, wer ihnen mißtraut, vertraut auf Gott (269). Abraham nun liebt Einsicht und Weisheit und Gottvertrauen (271). ,Und da Gott an dem Manne das Vertrauen zu ihm bewunderte, gab er ihm Vertrauen zurück durch die eidliche Bekräftigung der Gnadenbeweise, die er verheissen hatte, indem er, nicht nur wie sonst mit einem Menschen, sondern ein Freund mit dem Freunde sich mit ihm unterhielt; denn er sagt: "bei mir ich geschworen" (1 Mos. 22,16); bei Gott ist zwar das Wort ein Eid, (aber schwor,) damit die Seele unerschütterlich und fest, noch mehr als früher, traue' (273).

das ihm wie habe er ver-

Abrahams πίστις gründet sich auf Gott den Schöpfer und auf seine Verheißungen. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch den Abschnitt. Mit ihm wird eine Art Abfolge von Gottes vorlaufendem Tun (etwa als Schöpfer), menschlichem Vertrauen, erneutem Verheißen und gestärktem Vertrauen beschrieben. Wie Abraham sollen alle Menschen den Verheißungen vertrauen. Dabei sind hier offensichtlich keine bestimmten Verheißungsinhalte im Blick^^. Ebenso wenig

" Vgl. Moxnes, Theology 148-154. " Abr. 275: Περί δέ ών ò θεός ο μ ο λ ο γ ε ί , τι προσήκεν ανθρώπους ή βεβοίΐότοίτα π ι σ τ ε ύ ε ι ν . Z u όμολογέω mit der B e d e u t u n g . v e r h e i ß e n ' s.o. Kap.II A n m . 46. " A u c h in d e n übrigen S c h r i f t e n der E x p o s i t i o n ist es vor a l l e m P h i l o s Z i e l , d a ß s e i n e L e s e r d i e s e s V e r t r a u e n in d e n Gott, bei d e m alle D i n g e m ö g l i c h sind, a k z e p t i e ren ( v g l . M o x n e s , T h e o l o g y 152). » V g l . a u c h 4 M a k k 15,2, s.o. S.85. " A n d e r s ist d i e s e t w a in L e g . A l l . 3,218, w o Sara e b e n f a l l s den G r u n d s a t z f o r muliert, d a ß man der V e r h e i ß u n g des Herrn v e r t r a u e n muß. H i e r wird a l l e g o r i s c h A b r a h a m als der W e i s e , Sara als die T u g e n d und der v e r h e i ß e n e Isaak als d i e G l ü c k -

110

III.B. Philo von A l e x a n d r i e n

wird genauer ausgeführt, auf welche Weise sich das Vertrauen äußert. Das ist umso bemerkenswerter, als Philo hier ja Gen 22,16 anführt und in der jüdischen Tradition das Bestehen in der Versuchung nach Gen 22 häufig als Beleg für Abrahams Vertrauen angeführt wird'"'. Auch die Gesetzeserfüllung Abrahams wird hier nicht angeführt werden können. Denn zwar bezeichnet es Philo (275) als krönendes Lob, daß Abraham das Gesetz und alle Gebote gehalten habe, und zwar unbelehrt von der Schrift, aber dies wirkt an dieser Stelle wie ein Einschub'*^ und steht auch grammatisch in keiner kausalen Verbindung zu den vorherigen und folgenden Ausführungen zu Verheißung und Vertrauen. c. Nichts ist so gerecht, wie das Vertrauen auf Gott (Her.

90-95)

Die allegorische Auslegung von Gen 15,6 in Quis Rerum Divinarum Heres Sit ist sachlich dem eben referierten Abschnitt aus der Exposition sehr ähnhch. Lediglich einige Akzente werden neu gesetzt. So wird das Lob des Vertrauenden mit dem Einwand konfrontiert, ob nicht auch der Gottloseste Gott glauben würde, .wenn

dieser zu ihm spricht

und ihm Verheißungen

macht'

(90).

Philo wendet ein, daß wir Menschen wegen unserer Beziehung zum Vergänglichen immer wieder auf andere Dinge vertrauen (91-92) und mißtrauisch sind (95). Von daher sei auf Gott allein zu vertrauen ,das Werk einer großen, erhabenen

Gesinnung,

die sich nicht mehr durch etwas Irdisches

betören

läßf

(93).

Seligkeit identifiziert (s.u. S.116). A u f f ä l l i g ist in diesem Z u s a m m e n h a n g allerdings die Z i t i e r u n g von Gen 18,12 im M u n d e Saras. Im Bibeltext ist mit dem κύριος ja A b r a h a m gemeint. V o n einer V e r h e i ß u n g A b r a h a m s an Sara, die im Übrigen völlig singular wäre, ist im Kontext von Leg.All. 3,218 allerdings nicht die Rede. Philo v e r steht hier offensichtlich (beeinflußt vielleicht von Gen 18,14) κύριος als Bezeichnung Gottes, was er auch deutlich macht durch den e r l ä u t e r n d e n Z u s a t z „die göttliche Vernunft". Vgl. nur Sir 44,19-21 (έν πειροισμφ ευρέθη πιστός). Bei Philo wird an dieser Stelle gerade nicht ausdrücklich auf die V e r s u c h u n g A b r a h a m s rekurriert (gegen L ü h r m a n n , Pistis 30, der meint, hier werde der Glauben A b r a h a m s von Gen 22 her bestimmt. N u r in Imm. 4 findet sich bei Philo die sonst g e l ä u f i g e Kombination von Gen 15,6 und der E r z ä h l u n g Gen 22, und zwar innerhalb einer offensichtlich t r a d i tionellen Beispielreihe und ohne d a ß an dieser Stelle Philo ein besonderes Interesse an dieser Kombination zeigte). Der V e r s u c h u n g A b r a h a m s schenkt er nirgendwo größeres Interesse. Er kennt bzw. verwendet auch nicht die Tradition der 10 V e r s u chungen A b r a h a m s , wie sie in J u b und der rabbinischen L i t e r a t u r überliefert ist (s.o. Kap.III.A Anm.23; vgl. Sandmel, Place 201). In Leg.All. 3,203 zitiert Philo zwar Gen 22,16f vollständig; aber auch hier liegt im Weiteren der A k z e n t nicht auf A b r a h a m s V e r h a l t e n , sondern auf Gottes Schwören (s.o. S.107). Dies mag damit z u s a m m e n h ä n gen, daß es Philo im Z u s a m m e n h a n g mit dem Glauben weniger um einen individuellen A k t als um eine generelle Einstellung des Menschen zu seinem Gott geht (vgl. Urbach, Sages 32, der f o r t f ä h r t : ,this trust is the result of speculative thought and bears an intellectual c h a r a c t e r ' ) . Nach Borgen, Philo 126 zeigt die Stelle, daß Philo das rabbinische A b r a h a m bild kennt und hier ausdrücklich darauf verweist (als H i n t e r g r u n d f ü r seine eigene Interpretation). Damit ist nicht bestritten, daß in Philo's System die Tatsache eine große Rolle spielt, daß A b r a h a m das N a t u r g e s e t z gehalten hat.

Abrahams Glauben - Vorbild für alle Menschen (Her. 90-95)

III

Mehr noch: es ist .das Werk der Gerechtigkeit" (95), .denn nichts ist so gerecht, wie das reine, ungetrübte Vertrauen auf Gott allein', waS G e n 15,6b belegt (94)*^.

d. Der Weise vertraut Gott, mißtraut dem Vergänglichen

(Mut. 201)

Auch in De Mutatione Nominum 201 ist Abraham das Beispiel einer solchen Gesinnung, die nicht Gott mißtraut. Seine offensichtlichen Zweifel in Gen 17,17f erklärt Philo an dieser Stelle so, daß er den Gegensatz zwischen πίστις und απιστία Abrahams verteilt auf Gott und das Vergängliche: nachdem Abraham Gottes Verheißung des Sohnes verstanden hat (εγνω την έπαγγελναν, Mut. 201), empfindet er eben beides: Vertrauen (πίστις) gegenüber Gott und Mißtrauen (απιστία) gegenüber dem Gewordenen"^. e. Auch der Glaube bleibt nie ganz frei von

Zweifeln

Mehrmals betont Philo, daß Abraham nicht an der Verläßlichkeit der Verheißungen zweifelt, sondern auf ihre Erfüllung hofft und fest vertraut. Er eliminiert jedoch den Zweifel, wie er sich etwa in Abrahams und Saras Lachen äußert (Gen 17,17 und Gen 18,12), nicht überall. In Abr. llOf (wo - wie zumeist in der Exposition - eine allegorische Deutung fehlt) übersteigt die Verheißung, die Abraham und Sara Gen 18 von den drei Besuchern erhalten, ihre Hoffnung, und sie halten sie nicht für sicher^". Sara lacht, weil sie zweifelt. Allerdings leugnet sie dies sogleich beschämt, als die Besucher fragen, ob denn bei Gott irgend etwas unmöglich sei. Denn daß bei Gott alles möglich ist, weiß sie seit Kindertagen. AhnHch heißt es in LegAll. 3,85-87 zunächst noch von Abraham, daß er .nicht hofft, eines solchen

Sprösslings

Vater zu werden,

sondern

sogar lacht bei der

Verheissung".

" Nach Wieser, Abrahamvorstellungen 163 ist der Glaube hier eine Leistung, da er »Kraft- und Willenseinsatz fordert". Anders Brandenburger, Pistis, der zu Recht nach der Intention des Philo fragt und feststellt, daß ihm einerseits daran liege, ,den GlaubenssianJ zu beschreiben und reflektierend einzuschärfen"; andererseits zeige er, ,wie solchem Glaubensstand die Lebenskehre zum Glauben vorausgegangen ist" (ebd. 178, mit Verweis auf Her. 96-98 und Abr. 68-88). Diese Wende im Leben des Menschen werde von Philo letztlich ,in hellenistischer Sprachgestalt auf Gottes Menschenliebe zurückgeführt" (ebd. 179). Abraham, der Stammvater sei also f ü r Philo .Prototyp, ja die gottgesetze Ordnung (νόμος θεσμός) der πίστις als Existenzorientierung (Abr. 270-276)" (ebd. 178). Brandenburger rechnet die Philostellen zu einem .Verwendungstyp Bekehrung" des πгστις-Motivs, der sich im hellenistischen Diasporajudentum (ausgehend von Jona 3,5; vgl. auch Jdt 14,10; Weish 12,2) entwikkelte, nur auf Heiden angewandt wurde und gekennzeichnet war durch die .Korrespondenz von Z u m - G l a u b e n - K o m m e n und Lebenskehre" (ebd. 185). Diese Unterscheidung begegnet auch in Abr. 262-275, s.o. S.109f. " Abr. llOf; παρέχουσιν άθλον ελπίδος μείζον αύτω ... Αλλά γαρ ούδ' ύπισχνουμένοις ενεκα τού περί τό πράγμα άπιστου βεβαίως προσειχον Im Kontext von De Abrahamo geht es jedoch an dieser Stelle nicht vorrangig um diese Verheißung und Abrahams Reaktion, sondern der Stammvater wird als Beispiel und Vorbild der T u genden Menschenfreundlichkeit (φιλανθρωπία) und Gastfreundschaft (Abr. 107-113) geschildert; diese wiederum sind als Beiwerk der größeren Tugend Gottesfurcht (θεοσέβεια) vorgestellt (Abr. 114). In beidem bildet er den Kontrast zu den nicht gastfreundlichen Ägyptern (vgl. Abr. 89-106; zur Stelle auch Moxnes, Theology 146-149).

112

III.в. Philo von A l e x a n d r i e n

Gott aber bestätigt seine Verheißung. Philo schließt hieran einige Erwägungen an über Güter, bei denen bereits ihre Ankündigung nützt. Ausgangspunkt ist dabei die Frage, warum Gott den Isaak bereits vor der Geburt mit einem großen Namen und einer Verheißung bedenkt. Aufgrund der Deutung seines Namens {.denn Lachen der Seele, Freude und Heiterkeit bedeutet er") beschreibt Philo den Charakter der Freude. Sie erfrischt die Seele bereits, wenn sie erhofft wird, so daß auch Isaak zu Recht bereits zuvor mit großem Namen und einer Verheißung bedacht wird. Die Deutung des Namens Isaak als Lachen der Freude findet sich auch im Zusammenhang einer Auslegungstradition, die Abrahams Lachen ausdrücklich nicht mehr als Äußerung seines Zweifels, sondern als Zeichen freudiger Zustimmung verstehf*^. Zweifel hegt Abraham demnach nicht gegenüber Gott und seiner Verheißung, sondern nur gegenüber dem Gewordenen, Vergänglichen"®. So heißt es in Mut. 1 5 4 - 1 5 6 : ,Auf solche Versprechungen hin war es gegeben, daß sein Geist sich aufblähte und hocherhaben fühlte. Er aber ... .fällt hin und lacht alsogleich' ein Seelenlachen ... Beides tritt zu gleicher Zeit beim Weisen ein, der über die Hoffnung großes Gut ererbt, Lachen sowohl wie Niederfallen, das eine zum Zeugnis, daß er sich, wegen der geringen Meinung von der sterblichen Nichtigkeit, nicht überhebt, das andere zur Bekräftigung seiner Frömmigkeit, insofern er nur Gott als den Urheber der Gnade und des Guten kennt. So soll die Kreatur finster blicken - naturgemäß, denn sie ist von sich aus haltlos und leidvoll -, sie soll aber aufgerichtet werden von Gott und lachen; denn Stützpunkt und Freude ist einzig dieser' (Mut. 154-156)".

Mit einer anderen Unterscheidung erklärt Philo in Her. lOOf, warum es nicht Abrahams Vertrauen zu dem Verheißenden widerspricht, wenn er in Gen 15,8 nachfragt nach der Verheißung. Er fragt nämlich, weil es ihm als Freund der Weisheit nicht genügt .auf Grund der göttlichen Worte Köstliches zu erhoffen", er möchte wissen, ,auf welche Art und Weise' er zum ЕгЬеп der Weisheit werden könnte; dagegen hat er es .auf Grund der göttlichen Verheißung als durchaus sicher angenommen' .daß er es werden würde''^^. Es hängt sicher Z.T. VOm Kontext der jeweiligen Schrift ab, daß Philo Abrahams Zweifel nicht überall umdeutet. Zugleich ist es aber auch Signal dafür, daß für ihn Abraham noch immer dem menschlichen Körper anhaften bleibf®. Er zweifelt, so könnte man auch

« "

Vgl. auch Quaest.Gen. 3,55. Z u d i e s e m G e g e n s a t z vgl. schon oben S . l l l zu Mut. 201. Im f o l g e n d e n A b s c h n i t t verhandelt Philo die Frage, w i e s o A b r a h a m lachen konnte, w e n n das Lachen (Isaak) doch n o c h nicht g e b o r e n war. Ä h n l i c h w i e in Leg.AlI. 3,85-87 ergibt sich die Antwort bereits aus der B e o b a c h t u n g , daß v i e l e s Z u k ü n f t i g e sich bereits in der Natur (etwa bei Tieren und P f l a n z e n ) durch Z e i c h e n ankündigt. E b e n s o freut sich die Seele, die das Gute e r h o f f t , im voraus. In der rabbinischen Literatur wird G e n 15,8 zumeist als Ausdruck des Z w e i f e l s interpretiert; in G e n R 44 allerdings wird ausgeführt, A b r a h a m f r a g e .durch w e l c h e n Verdienst?' (vgl. Sandmel, P l a c e 170 Anm.323). V g l . z.B. Mut. 50, w o Philo betont, daß für M e n s c h e n der v o l l s t ä n d i g e Besitz

A b r a h a m s G l a u b e n - V o r b i l d f ü r alle M e n s c h e n ( A b r a h a m s Z w e i f e l )

113

sagen, an sich selbst, weil er noch immer ein Mensch ist, auch wenn er schon Mensch Gottes ist^°. Bezeichnender für seine Position sind jedoch gewiß die Auslegungen, die die entsprechenden Schriftworte allegorisch deuten mit Hilfe der Unterscheidung zwischen dem Vertrauen zu Gott und dem Mißtrauen gegenüber dem Vergänglichen. f . Glaube

sieht als gegenwärtig,

was noch nicht ist (Migr.

43f)

Bereits für das Lachen Abrahams vor Isaaks Geburt gilt: es ist noch nicht die Glückseligkeit selbst, allenfalls ein Vorschein auf sie, Freude auf Freude hin'^. Ausdrücklich betont Philo diese Zukunftsbestimmtheit des Glaubens bei der Auslegung von Gen 12,1 in De Migratione Abrahami 43. Hier legt er großes G e wicht darauf, daß Gottes Versprechen an Abraham futurisch formuliert ist. Solchem Versprechen entspricht auf Seiten Abrahams, daß der treue Glauben sich von der Hoffnung abhängig weiß und .auch das für unzweifelhaft gegenwärtig betrachtet,

was noch nicht da isf^^. Als Beleg für Abrahams Glauben dient w i e -

derum Gen 15,6.

der T u g e n d nicht möglich ist. I n s o f e r n t r i f f t es nicht ganz zu, wenn m a n sagt, d a ß er , d e n Z w e i f e l A b r a h a m s , soweit es möglich war, beseitigt" (Schlatter, G l a u b e 71). A u c h ist A b r a h a m letztlich nicht völlig p e r f e k t (gegen S a n d m e l , P l a c e 141). Vgl. A r n a l d e z , M u t a t i o n e 23; vgl. auch S a n d m e l , Place 170, nach dem sich so der G l a u b e des M e n s c h e n von G o t t e s G l a u b e n u n t e r s c h e i d e t . " P r a e m . 161: .Freude vor der Freude'. Vgl. auch A r n a l d e z , M u t a t i o n e 105 A n m . 2 . Die V e r h e i ß u n g , auf die sich A b r a h a m d a b e i f r e u t , ist f ü r P h i l o die G e m e i n s c h a f t des G l a u b e n d e n mit Gott und damit sozusagen eine N e u s c h ö p f u n g (vgl. M o x nes, Theology, 156: ,in a real sense a creatio ex nihilo"). " Migr. 44: Άρτηθείσα γαρ και έκκρεμασθείσα ελπίδος χρηστής και ανενδοίαστα νομίσασα ήδη π α ρ ε ϊ ν α ι τα μή παρόντα δια τήν του ύποσχομένου βεβαιότητα π ί σ τ ι ν , αγαθόν τέλειον, άθλον ευρηται' Der g r a m m a t i s c h e Bezug der π ί σ τ ι ς ist hier am Schluß nicht ganz e i n d e u t i g . W ä h r e n d C o h n / W e n d l a n d , Philo Bd.II 164 das V e r b εΰρηται auf π ί σ τ ι ν b e z i e h e n und f o r m u l i e r e n , d a ß die Seele , d e n G l a u b e n , das v o l l k o m m e n e G u t , als K a m p f p r e i s erlangt", zieht C a z e a u x , M i g r a t i o n e 121f π ί σ τ ι ν zur v o r h e r g e h e n d e n B e g r ü n d u n g u n d versteht die letzten vier W o r t e als eigenen Satz: , p a r la foi p o u r v u q u ' e l l e soit assurée en Celui qui a d o n n é la P r o m e s s e . Elle r e n c o n t r e alors le Dieu p a r f a i t , récompense." Die Schwierigkeit h a t auch zu T e x t ä n d e r u n g e n g e f ü h r t ; so lesen einige H a n d s c h r i f t e n βεβαιοτάτην. Z u άθλος vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g auch A b r . 110 (s.o. Anm.44) u n d vor allem A b r . 127-130. Dort u n t e r s c h e i d e t Philo z w i schen dem ersten u n d e i n e m zweiten Preis (vgl. auch die zwei S t u f e n in Mut. 59, s.u. Anm.73). Den ersten Preis, der dem entspricht, was F r e u n d e n z u k o m m t , e r h a l t e n die, die Gott um seiner selbst willen d i e n e n . U n d der zweite Preis ist f ü r die, die ihm um ihretwillen d i e n e n , in der H o f f n u n g auf Lohn oder aus A n g s t vor S t r a f e . Denn auch sie will er nicht als F r e m d e b e t r a c h t e n , weil sie auf diesem W e g e doch auch besser w e r d e n u n d das gleiche Ziel im A u g e h a b e n , n ä m l i c h Gott zu d i e n e n .

114

III.B. Philo von Alexandrien

Exkurs: Moses - Bote Gottes und Führer des Volkes In den zwei Büchern der Schrift De Vita Mosis, die zur Exposition gehört und als eine Art philosophischer Roman sich vermutlich vor allem an gebildete Hellenen richtet, wird ein idealisiertes Bild des Moses als Führer (Buch 1) sowie als Gesetzgeber, oberster Priester und Prophet (Buch 2) gezeichnet^^. Anders als Abraham ist er für Philo offensichtlich nicht ein wichtiger Empfänger von Verheißungen. Nur einmal überhaupt in den Schriften Philos wird er hier (Mos. 1,71-84) ausdrücklich als solcher geschildert. Und auch dabei dient diese Verheißung letztlich lediglich als Mittel der größeren Verheißung an das Volk. Im Kontext geht es um Moses Berufung. Gott offenbart ihm, er werde Führer seines Volkes und Schöpfer seiner Freiheit sein, und er verspricht ihm Beistand in allem^·*. Denn er, Gott, erbarme sich über sein Volk und wisse, daß sie beten und auf seine Hilfe hoffen. Nach anfänglicher Weigerung begibt sich Moses nach Ägypten und verkündet zusammen mit Aaron seinem Volk, daß Gott Erbarmen mit ihnen habe und ihnen .Freiheit und Verpflanzung ... in ein besseres Land ... verheisse

und selbst ihr Führer auf diesem

Wege zu sein

verspreche'^^.

3. Allegorische Deutung der Verheißung Nicht nur die Gestalten der Väter, sondern auch die Inhalte der Verheißungen Gottes erhalten in Philos allegorischer Systematik jeweils neben ihrer literarischen eine - zumeist stereotyp festUegende - allegorische Bedeutung^®. Diese wird man im Sinne Philos freilich nicht als die .eigentìiche' Bedeutung ansehen dürfen. Vielmehr steht je nach Kontext und Aussageabsicht jeweils die eine oder die andere im Zentrum, oder beide werden miteinander verzahnt gebraucht^'. Zudem bleibt zB. die Land- (Mos. 1,86; Congr. 119; Fug. 175; Sacr. ST^) und

Vgl. Cohn/Wendland, Philo Bd.I 217f. " Mos. 1,71: όμολογών έν δπασι συλλήψεσθαι. Zur Verheißung des Beistandes für Moses vgl. auch JosAnt (s.u. S.128f). " Mos. 1,86: ό ιΐεός έλευιίερνοίν και τήν ένι5ένδε μετανάστασνν εις άμείνω χώραν όμολογών ούτος εσεσύοίν της όδου ήγεμών ύ π ι σ χ ν ε ΐ τ α ι . '' S.o. A n m . l 6 ; Philo kann dabei auch verschiedene, vermutlich zumindest z.T. aus der Tradition übernommene, Deutungen nebeneinanderstellen (vgl. unten S.115 zu Somn. 1,174-181). '' Vgl. z.B. Det. 60 zu Isaak. " Mos. 1,86 ist eine freie Wiedergabe von Ex 4,29ff; Congr. 119 greift auf Gen 15,18-20 zurück als Beispiel der Bedeutung der Zahl 10. In Fug. 175 dient das Zitat aus Dtn 6,10f als Beispiel für ein Finden ohne Suchen. In Sacr. 57 soll das Zitat aus Dtn 9,5 darüber belehren, daß niemand aus sich selbst ,des Besitzes und Genusses von Gütern ... würdig" ist. Schaller, Philon hat darüber hinaus auf einige Stellen in den Spätschriften Philos aufmerksam gemacht, die sich ebenfalls nicht in den Befund einer allgemeinen Allegorisierung, Individualisierung und Psychologisierung der Landverheißungsaussagen einfügen lassen. In ihnen kommt vielmehr .das .Land' als eschatologisches Ziel des Gottesvolkes für Philon in den Blick' (ebd. 179), und

Allegorische Deutung der Verheißungen

115

die Sohnesverheißung (Abr. llOf.1325') in Philos Schriften ohne eine allegorische Deutung. a. Das

verheißene

Land

- Ort des

Wissens

und Erbe

der

Weisheit

In Her. 96-99 (im Kontext der Interpretation von G e n 15,7) bezeichnet Philo das Herausführen aus d e m Land der Chaldäer als eine frühere, nun erfüllte V e r h e i ßung®, zu der hinzu als neue Verheißung das Land tritt, das Abraham erben soll. Dabei wird die frühere Verheißung allegorisch als „Auszug' aus der c h a l däischen Himmelskunde" gedeutet, zu der hinzu die neue Verheißung tritt, die Weisheit zu ererben®^. G a n z ähnlich redet Moses in Ebr. 39 dem Jithro zu. Er (bei Philo der Typus des Scheinweisen, der mit Vergänglichem reichlich U m g a n g hat) solle doch auch dem W e g der Wahrheit folgen. D e n n nun, nachdem „wir aufgebrochen sind^^· und den eitlen Dünkel der Seele abgehauen haben, übersiedeln wir an den Ort des Wissens, den wir nach den Aussprüchen und Zusagen Gottes einnehmen'^^. Einen etwas anderen Akzent setzt Philo in Somn. l,174f. Im Kontext der Deutung des Traumes Jakobs ( G e n 28,12ff) erscheint das Land als .die an Ertrag reichste und fruchtbarste Tugend, auf dem der Tugendkämpfer schläft ... und sich

sie lassen ihn .als Apologeten des gesamten Judenturas und als Advokaten der biblischen Landtheologie" erscheinen. Er will diesen Befund deuten mit der These einer Entwicklung im Denken Philos aufgrund konkreter geschichtlicher Erfahrungen, die aus dem theologischen und philosophischen Theoretiker auch einen politischen Praktiker werden lassen. Seine Äußerungen zum Land machen für Schaller deutlich, ,daß die biblischen Landverheißungen und Landerwartungen für die Judenheit in der hellenistischen Diaspora leicht unter dem Drang und der Nötigung der Assimilation zu Symbolen individueller Frömmigkeit verblassen konnten. Sie zeigen aber ebenso eindrücklich, daß die biblischen Landverheißungen und Landerwartungen wieder lebendig werden konnten und lebendig wurden, wenn geschichtliche Verhältnisse jüdische Lebenswirklichkeit und -möglichkeit in der Diaspora in Frage stellten" (ebd. 182). " Das Interesse Philos liegt hier bei der Darstellung der Gastfreundschaft A b r a hams, s.o. Anm.44. " Her. 96: Τοϋτ' ούχ ύπόσχεσνν μόνον, ά λ λ α και παλαιάς ύποσχέσεως βεβαίωσιν έμφαίνεν. " Nach Leg.All. 3,84f (zu Gen 12,1) sucht der Geist, der .die Seele ... wie ein Vater leitet" und .gänzlich von dem Niedrigen und zur Erde Herabziehenden befreit ... hinaufschreitend die Gottheit und ihr Wesen in ungestilltem Wissensdurst erforscht ... eine bessere Heimat" (vgl. Mos. 1,86: .besseres Land'). Und Migr. If kennzeichnet den Auszug in Gen 12,1-3 als Loslösung von Körper, Sinneswahrnehmung und Rede. Nach Her. 289f verspricht Gott dem Abraham, der durch solche .Auswanderung von dem chaldäischen Glauben zu dem Gott Hebenden ... Seelenruhe und Festigkeif und Frieden erlangt hat, .ein schönes Greisenalter, nicht etwa ein zeitlich langes, sondern ein einsichtsvolles Leben'. Philo folgt hier der stoischen Ansicht, daß nicht die Länge des Lebens entscheidend ist (vgl. Harl, Heres 43). Philo zitiert hier Num 10,29, wo Moses - allerdings gegenüber seinen Schwager Hobab - auf die Landverheißung verweist; dabei spielt er »mit dem Doppelsinn des Zeitwortes έξαίρειν. An der Bibelstelle ... heißt es 'aufbrechen'; er greift aber auch auf die §14 und 28 behandelte Bedeutung 'entfernen, wegschaffen' zurück« ( C o h n / Wendland, Philo Bd.V 21 Anm.3). " Ebr.39: εις τον επιστήμης τόπον, 6ν χρησμοϊς και όμολογίαις θείαις λαμβόνομεν.

116

III.в. Philo von Alexandrien

ausruht,

dadurch

daß er im Leben

der Sinnlichkeit

schläft,

in dem der Seele

aber

Die Mehrungsverheißung wird offenbar diesem Ertrag zugeordnet: das Geschlecht der Weisheit wächst zu einer unbeschreibUchen Menge an (wie der Sand der Erde); und die auf Bildung beruhende Vernunft „breitet sich, den göttwacht".

lichen ihren

Verheißungen Träger

entsprechend,

bis zu den Grenzen

des Weltalls

als den, der die Teile der Welt als sein Erbteil

aus und

erklärt

da er

überall

erloste,

(Gen 28,14). Daß es im Schriftwort danach heißt „Ich will dich in dies Land" (Gen 28,15), weist nach Philo auf die Rückkehr der Vernunft von der Sinnlichkeit zu sich selbst (Somn. 1,180). Als weitere Deutung erwägt er, hier werde hin vordringt" wieder

herbringen

,die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele angedeutet. Denn als sie den himmlischen Ort verließ ... kam sie in den Körper wie in ein fremdes Land. Es sagt nun der Schöpfervater, er werde sie nicht auf immer eingeschlossen in ihrem Gewahrsam unbeachtet lassen, sondern ... sie in Freiheit bis zu ihrer Mutterstadt sicher zurückgeleiten, und nicht eher ruhen, bis die in Worten gegebenen Verheißungen durch Taten der Wahrheit bekräftigt wurden"^.

b. Isaak - Lachen der Seele und

Glückseligkeit

Die Deutung Isaaks von seinem Namen her als Lachen der Seele und Freude, von der bereits oben im Zusammenhang mit Abrahams Zweifeln die Rede war®-"', steht auch im Hintergrund der allegorischen Auslegung von Gen 3,16 in LegAll. 3^16-219. Philo kontrastiert hier die Sinnlichkeit, die nur mit Schmerzen gebären kann, mit der Tugend (Sara), dem Weisen (Abraham) und ihrem Sohn, an denen offenbar wird, .dass die Tugend mit überschwänglicher Freude schwanger

geht, dass der Weise unter Lachen

Sprössling

beider

das Lachen

beide, Abraham und Sara, den Isaak, zu

selbst

,froh

ist'

und in Heiterkeit

zeugt,

und dass

der

(LegAll. 3,217)®®. Deshalb auch lachen

und heiter

in der Erwartung,

die

Glückseligkeit,

erzeugen"^^.

Auch in der Schrift Quod Deterius Potiori insidian soleat findet sich diese allegorische Deutung der Isaakverheißung. Philo handelt hier bei der Auslegung von Gen 4,9 allgemein über die Fragen, die Gott an den Menschen richtet, damit dieser sich durch seine Antwort über sein Handeln klar wird. Als Beispiel dient u.a. Gottes Frage an Abraham Gen 18,9. Abraham erkennt, daß der Gebrauch der Tugend in einem vollkommenen Leben Glückseligkeit bedeutet. Doch er weiß auch, daß so wie Sara (die Tugend) den Isaak (die Glückseligkeit) nur " Somn. 1,181; vgl. zur Deutung des Landes auf die himmlische Gottesstadt auch Hebr 11,10 und Moxnes, Theology 181f. « S.o. S . l l l zu Leg.All. 3,85-87. ^ Vgl. auch Leg.All. 3,219: ,So mag denn die Sinnlichkeit stets voll Schmerzen, die Tugend stets voll Freude sein.' " Leg.All. 3,218; in diesem Zusammenhang findet sich auch der Grundsatz, daß man der Verheißung vertrauen muß, s.o. Anm.39.

Allegorische Deutung der Verheißungen - Isaak (Lachen, Glückseligkeit)

117

gebären konnte, weil Gott zuvor den Samen gesandt und sie fruchtbar gemacht hatte, auch er die Tugend nicht allein aus sich heraus gebrauchen kann, ohne ein vorgängiges Wirken Gottes. U n d weil er dies erkennt, verspricht Gott, ihm seine Bitte zur rechten Zeit zu erfüllen^®. c. Gottes

Bund

- Sinnbild

der

Gnade

Die Vorstellung des Bundes spielt bei Philo, zumindest soweit es den Begriff διαθήκη betrifft und soweit uns seine Schriften erhalten sind, nur eine untergeordnete Rolle''. Philos Deutung des Begriffs findet sich in erster Linie im Kontext der Auslegung von G e n Y7^-4 in Mut. 51-58™: Gott verspricht dem, der bereit ist, ohne Tadel zu leben, durch Testamente ein Erbe, .dessen Schenkung für Gott, dessen Annahme für den Weisen passend ist. Der sagt nämlich: ,Ich werde mein Testament zwischen mir und dir errichten' (1 Mos. 17,2). Testamente werden zum Nutzen derjenigen, die der Vergabung wert sind, aufgesetzt, so daß das Testament Sinnbild der Gnade ist, die Gott mitten zwischen sich und dem Menschen ... hingestellt haf". D i e Testamente erscheinen hier quasi als Mittel, derer sich Gottes Verheißen bedient. Abraham verhelfen die göttlichen Versprechen zur Selbsterkenntnis und zur Erkenntnis der Nichtigkeit der Menschen'^. D e n n in den Versprechen und Testamenten bekommt er es letztlich mit Gott selbst zu tun, wie Philo gegen E n d e dieses Abschnitts erläutert:

® Det. 60: ομολογεί τελεσφορήσειν καιρίως а ήτήσατο. Das Versprechen ist o f f e n sichtlich Gottes Antwort in Gen 18,10, auch wenn in diesem Zusammenhang (wie auch in Gen 15 und 17) nicht von einer Bitte Abrahams die Rede ist. " Auffälligerweise geht die Auslegung von Gen 15,18 in Her. 313-316 auf das verheißene Land lediglich knapp und auf den Bund überhaupt nicht ein. Kritisch zu der Schlußfolgerung, daß .Philo die Bundesvorstellung unbekannt gewesen sei", Sanders, Paulus 642 Anm.5. Nach ihm sind hierzu neben διαθήκη andere Begriffe mit einzubeziehen, z.B. πολιτεία. In Mut. 53 verweist Philo selbst auf eine Gesamttheorie über die Testamente, die er in zwei - uns nicht überlieferten - Büchern dargelegt habe. ™ Eine etwas andere Deutung von Gen 17,2 findet sich in der lateinischen Fassung von Quaest.Gen. 3,40. Danach wird Abraham hier eine zweifache Gnade versprochen: er soll Wächter der göttlichen Bundesschlüsse sein und dann will Gott seine Zahl vermehren: DupUcem itaque gratiam pollicetur donare ei, qui ab omni vituperio decUnabit: primum, custodem depositi divinorum testamentorum ait ipsum constituere; et deinde in multitudinem termini nesciam crescere facere. Vom Wächter (φύλαξ) des Bundes ist noch einmal in Det. 68 die Rede. Hier kommt das Stichwort aus dem Zusammenhang der Auslegung von Gen 4,9, die Philo ausweitet zu Überlegungen über das Wächteramt des Guten über den Schlechten. '' Mut. 51f; auch in Sacr. 57 (zu Dtn 9,5) wird der Bund als Gnadengaben verstanden; vgl. auch Somn. 2,223: τήν πλήρη χαρίτων διαθήκην. Mut. 54 (zu Gen 17,3): àp' ούκ εμελλεν ύποσχέσεσι θείαις γνώναί τε εαυτόν και τήν τοϋ θνητού γένους. Vgl. Arnaldez, Mutatione 16: .Abraham découvre que tout vient de Dieu, que lui-même n'est rien sans Dieu, que l'alliance ne peut être autre chose que Dieu."

118

III.B. Philo von Alexandrien

„Und ich, siehe mein Testament mit dir' (1 Mos. 17,4). ... die oberste Gattung der Testamente ... aller Gnaden Anfang und Quelle, bin ich selbsf".

...

SacMich wird man hier kaum 2Avischen όμολογίαι, διαθήκαι und υποσχέσεις unterscheiden können. So ist die Deutung des Bundes bei Philo eingebettet in eine Gesamtkonzeption des verheißenden Gottes, in der einzelne Lexeme des Versprechens weitgehend austauschbar sind.

4. Zusammenfassung a. Gottes Zuverlässigkeit

und Treue

Philo betont im Zusammenhang mit Gottes Verheißungen vor allem immer wieder ihre Zuverlässigkeit. In keiner anderen frühjüdischen Schriftengrappe findet sich der Wortstamm βεβαι- in diesem Zusammenhang so häufig wie bei ihm^·*. Gott tut, was er sagt. Das ist der zentrale theologische Gmndsatz Philos. Wenn er seine Verheißungen zusätzlich noch mit einem Eid bekräftigt, dann nur, um das Vertrauen des Menschen zu ihm noch fester zu machen. Denn der Mensch sieht sich hineingestellt in die vergängliche und trügerische irdische Welt und vertraut deshalb häufig noch auf andere Dinge und ist gegen Gott mißtrauisch. Doch die Treue des verheißenden Gottes kann dem menschhchen Vertrauen zur Festigkeit verhelfen, so daß beides einander entspricht^^. Die Betonung der Zuverlässigkeit Gottes wurzelt bei Philo also nicht (wie etwa in LibAnt, s.o. S.93f), in der Erfahrang des konkreten Widersprachs zwischen geschichtlicher und politischer Wirklichkeit und Gottes Verheißungen. Er wurzelt vielmehr in dem allgemeinen und immerwährenden Gegensatz zwischen der trügerischen und vergänglichen Welt der Sinne und der höheren Welt der Vernunft, der Welt des Gottes, der allein dem Menschen festen Halt bieten kann. b. Verheißungen für den Weg zu Gott Weil Gott gnädig ist (der Ursprang und die Quelle aller Dinge, auch aller Gnade), gibt er durch seine Verheißungen und Gaben dem Menschen die Möglichkeit, sich auf den Weg zu ihm zu machen, um vollkommene Freude und ewige Glückseligkeit in der Schau Gottes zu erfahren. Bei Philo werden von daher aus konkreten Verheißungen wie Land und " Mut. 57f. Gott erklärt sich nach Philo selbst zum Erbe für die Empfänger. In diesem Zusammenhang findet sich eine ähnliche Stufung der Wohltaten Gottes wie in Abr. 127-130 (s.o. Anm.52). Läßt er sie den einen durch natürliche Kräfte zukommen, so den anderen allein durch sich selbst. An 12 von 27 Stellen; zu den verschiedenen Bedeutungen von βεβαι- s.o. Anm.26. " Vgl. die Korrespondenz der πίστις Abrahams und Gottes in Abr. 273; nach Hegermann, Philon 364 lebt der Glaube bei Philo dementsprechend davon, ,daß Gott, und zwar Gott allein, fest und verläßlich ist'.

Z u s a m m e n f a s s u n g Kap.HI.B - V e r h e i ß u n g e n für d e n W e g zu Gott

119

Nachkommenschaft durch allegorische Deutung Verheißungen für den Menschen, der sich von aller Vergänglichkeit und Sinnlichkeit abwendet. Die Verheißungsinhalte (Weisheit, Tugend, Freude, Glückseligkeit, häufig auch allgemein Güter^^) können dabei sowohl Mittel zum Ziel (der Schau Gottes) als auch das verheißene Ziel und seine Wirkungen selbst bezeichnen. Neben der allegorischen Deutung bleibt aber auch die wörtliche Bedeutung der Verheißungen bestehen. Die Landverheißung spielt bei Philo zwar keine große Rolle^^. Doch er erhofft und erwartet offensichthch für die Zukunft die Durchdringung der Welt durch das jüdische Volk und sein Gesetz. Solche Hoffnung gründet sich u.a. auf die Verheißung der großen Nachkommenschaft, die zugleich für ihn der Grund für die Existenz des Volkes in der Diaspora ist^®. c. Glaube als Hinwendung

und Vertrauen zu Gott

Die Antwort des Menschen auf die Verheißungen Gottes ist der Glaube. Er ist vor allem Hinwendung zu dem Gott, der Urheber aller Dinge ist und der spricht und verheißt^'. Er hat seine Grundlage im Vertrauen auf die Zuverlässigkeit des verheißenden Gottes (πίστις und βεβαιότης können von daher zu Synonymen werden""). Er gründet sich in der Hoffnung, die für gegenwärtig hält, was noch nicht ist. Insofern geht die Hoffnung dem Glauben voraus, und er ist von ihr abhängig®^ Wahrer Glaube vertraut auf den verheißenden Gott allein. Jedes andere Objekt ist ausgeschlossen. Er steht im Kontrast zum Vertrauen des Menschen auf die Welt des Geschaffenen (der irdischen Dinge und falschen Meinungen), das Unglaube gegenüber Gott ist. Glaube ist damit - wie Philo am Beispiel Abrahams zeigt - «Abkehr von der Welt" und „Bekehrung zum Judentum als der wahren Gottesverehrung"®^. Der Wechsel des Namens Abrahams ist für ihn Symbol für den radikalen Wechsel im Leben des Menschen durch solche Bekehrung®'.

" A l s (ϊγαθά w e r d e n die V e r h e i ß u n g s g ü t e r in Her. 96, L e g . A l l . 3,85; Migr. 44; Mut. 155 b e z e i c h n e t . V g l . a u c h H e r . 69: των θείων άγαθών κληρονομήσαι. " V g l . aber o b e n A n m . 5 8 . " V g l . M ö l l e r , T r a d i t i o n 109.114. ™ V g l . C a z e a u x , F r a m e 244. N a c h U r b a c h , S a g e s 33 m e i n t G l a u b e n in P h i l o s K o n z e p t f r e i l i c h e t w a s a n d e r e s als V e r t r a u e n in G o t t e s Wort. E s k e n n z e i c h n e t das V e r h ä l t n i s des M e n s c h e n zu s e i n e m Gott als e i n e s , das nicht jeder M e n s c h e r r e i c h e n kann. D i e e n g e V e r b i n d u n g des G l a u b e n s mit der H o f f n u n g läßt m . E . j e d o c h e r k e n nen, d a ß hier kein g r o ß e r G e g e n s a t z a u f g e b a u t w e r d e n darf u n d in P h i l o s G l a u b e n s v e r s t ä n d n i s sehr w o h l d a s V e r t r a u e n in G o t t e s Z u s a g e n e i n e n z e n t r a l e n Platz e i n nimmt. Gräßer, G l a u b e 144 w e i s t darauf hin, d a ß F e s t i g k e i t b e r e i t s als ein E l e m e n t z u m atl. G l a u b e n s b e g r i f f g e h ö r t e , j e d o c h . n i e m a n d ... sie mit s o l c h e r Intensität z u m e i g e n t l i c h e n W e s e n s m e r k m a l der Pistis erklärt w i e Philo*. " V g l . E n o s , der d i e H o f f n u n g als erste V o r s t u f e auf d e m W e g zu Gott v e r k ö r pert; vgl. a u c h o b e n S.113f zu Migr. 4 3 f . D i e H o f f n u n g zielt auf den v o l l k o m m e n e n G l a u b e n . a l s Z i e l der auf Gott g e r i c h t e t e n L e b e n s b e w e g u n g · ( S c h l a t t e r , G l a u b e 67). " L ü h r m a n n , Pistis 3 0 f . " V g l . A r n a l d e z , M u t a t i o n e 11; vgl. a u c h W i n d i s c h , F r ö m m i g k e i t 25: . D e r F r o m -

120

III.B. Philo von A l e x a n d r i e n

Daß trotz des Glaubens auch der Zweifel nicht ganz aufhört, hat seinen Grund darin, daß der Mensch immer noch auch dem Bereich der geschaffenen Welt angehört und so von Gott unterschieden bleibt. Es ist nach Philo ein Zweifel nicht an der Zuverlässigkeit Gottes, sondern an den Möglichkeiten des Menschen, der eben auch nur wie ein Mensch glauben kann®·*. In mancherlei Hinsicht bedient sich Philos Glaubensbegriff auch stoischer Traditionen. So zählt er den Glauben zu den vier Kardinaltugenden. Er ist die königliche Tugend und als solche ein Werk des gerechten Menschen®^. Dennoch beruht der Glaube nicht einfach „auf Einsicht in das Wesen der Welt", sondern erfordert „eine völlige Verwandlung des Glaubenden"®® und bleibt letztlich immer Gabe des gnädigen Gottes, der auch den Vätern allererst die Gabe der Weisheit und der Tugend hat zuteil werden lassen®^. Dies entspricht dem, was sich auch sonst zeigen läßt, daß nämlich Philo auch die übernommenen stoischen Traditionen vom biblischen Glauben an den einen Gott her interpretiert®®.

m e sieht in dem G l ä u b i g w e r d e n den Sprung vom U n g e w i s s e n ins Gewisse" (zitiert bei G r ä ß e r , G l a u b e 145). I n s o f e r n k e n n t Philo sehr wohl e i n e . d u r c h V e r m i t t l u n g der π ί σ τ ι ς e i n t r e t e n d e i n n e r l i c h e U m w a n d l u n g des M e n s c h e n aus der K r a f t der g ö t t l i chen G n a d e " (gegen S i e g f r i e d , P h i l o 307 A n m . l ) . Vgl. M u t . 186. Vgl. H e r . 91 (τελειότατη άpετώv).94f.; auch V i r t . 216 (βεβαιότατη των αρετών); A b r . 270 ( β α σ ι λ ί ς των αρετών). L ü h r m a n n , Pistis 32. " Vgl. auch H e g e r m a n n , Philon 364 u n d Moxnes, Theology 155-163. " Z u R e c h t weist L ü h r m a n n , Pistis 32 allgemein d a r a u f hin, d a ß eine t h e o l o g i sche B e u r t e i l u n g Philos nicht allein die D i f f e r e n z zu den von ihm ausgelegten biblischen T e x t e n k o n s t a t i e r e n d a r f , s o n d e r n zugleich die t h e o l o g i s c h e Leistung in R e c h n u n g stellen sollte, die die I n d i e n s t s t e l l u n g der griechischen T r a d i t i o n e n f ü r die G e l t e n d m a c h u n g der biblischen Ü b e r l i e f e r u n g e n b e d e u t e t (vgl. ä h n l i c h auch Z e l l e r zu Philos C h a r i s - V e r s t ä n d n i s : „eine f r a p p i e r e n d e U m w e r t u n g des a n t i k e n T u g e n d b e griffs"; Philo „versucht ... die a l l g e m e i n e hellenistische W e r t s c h ä t z u n g von T u g e n d auf die M ü h l e n b i b l i s c h - j ü d i s c h e r F r ö m m i g k e i t zu lenken", C h a r i s 128). L ü h r m a n n w e n d e t sich damit a u s d r ü c k l i c h gegen B u l t m a n n , T h W N T V I 203, f ü r den P h i l o l e t z t lich mit seinem G l a u b e n s b e g r i f f der späten Stoa folgt, i n s o f e r n π ί σ τ ι ς f ü r ihn ,in W a h r h e i t gar nicht ein V e r h ä l t n i s des M e n s c h e n zu Gott, s o n d e r n wie in der Stoa ein V e r h ä l t n i s des M e n s c h e n zu sich selbst" b e z e i c h n e . Z u m u m s t r i t t e n e n V e r s t ä n d n i s des G l a u b e n s bei Philo vgl. auch u n t e n K a p . U L F Anm.36.

с . Josephus Antiquitates Judaicae Person und Schriften: Flavius Josephus, der aus dem priesterlichen Hochadel Jerusalems stammte und der pharisäischen Richtung im Judentum nahestand, war während des jüdischen Aufstandes gegen die Römer einer der Generäle des jüdischen Heeres. Von den Römern gefangengenommen und schließlich wieder freigelassen (weil er dem Vespasian dessen späteres Kaisertum prophezeit hatte), lebte er für lange Zeit in Rom und betätigte sich dort u.a. als Schriftsteller. Sein erstes großes Werk, De bello Judaico, veröffentlichte er schon bald nach dem Aufstand, um 79 n.Chr. Die Antiquitates Judaicae (Αρχαιολογία), das zweite große Werk, erschien um 93/94 n.Chr.i. Die Schrift ist eine Nacherzählung der Geschichte des jüdischen Volkes in 20 Büchern. Buch 1,1-11303 folgen weitgehend den Büchern des Alten Testaments^. Sie enthalten daneben aber auch eine ganze Reihe über den Text des Alten Testaments hinausgehende Details und auch größere Abschnitten haggadischer Art. Josephus hat diese offensichtlich aus anderen jüdischen Quellen^ oder auch aus mündlicher Tradition übernommen. In den Büchern 12-20 treten dagegen die jüdischen Quellen zurück und vor allem hier hat Josephus auch eine ganze Reihe von hellenistischen Schriftstellern benutzt''. In erster Linie geht es ihm mit den Antiquitates darum, bei seinen heidnischen Lesern das rechte Verständnis für sein Volk, das Judentum, zu wecken und ihnen damit die rechte Verehrung Gottes und alle übrigen Tugenden (JosAnt 1,6) nahezubringen. Daneben ist es ihm aber offensichtlich auch darum zu tun, die Lage seines Volkes nach dem Fall des Tempels, in der Situation des Hellenismus und der Diaspora, für die Juden und sich selbst zu interpretieren^. Der Abzweckung der Schrift entsprechend zeigt sich Josephus hier ganz als hellenistischer Schriftsteller, was sich in Aufbau und Struktur der Schrift, im Vokabular und auch in

' V g l . Foerster, R G G ' 3 868; A t t r i d g e , in: S t o n e , W r i t i n g s 210; B i l d e , J o s e p h u s 104. T i t e l , E i n t e i l u n g und P r o g r a m m der Antiquitates sind o f f e n s i c h t l i c h a n g e l e h n t an die ' Α ρ χ α ι ο λ ο γ ί α 'Ρωμαϊκή des D i o n y s i o s von H a l i k a r n a s s o s (vgl. Mayer, T R E 18 262). N a c h den Antiquitates e r s c h i e n e n s c h l i e ß l i c h n o c h die k l e i n e r e n S c h r i f t e n Vita und Contra Apionem. A l s T e x t a u s g a b e liegt der f o l g e n d e n U n t e r s u c h u n g z u g r u n d e : T h a c k e r a y , J o s e p h u s . D i e t J b e r s e t z u n g e n f o l g e n C l e m e n t z , J ü d i s c h e A l t e r t ü m e r . Da d i e s e r A u s g a b e n o c h nicht die h e u t e ü b l i c h e 'Verszählung z u g r u n d e liegt, w e r d e n bei Ü b e r s e t z u n g e n j e w e i l s die S e i t e n z a h l e n bei C l e m e n t z mit a n g e g e b e n . ^ D a b e i stützt J o s e p h u s sich v e r m u t l i c h auf e i n e L X X - R e z e n s i o n (vgl. M a y e r , J o s e p h u s 261). ' Z u d e n k e n ist d a b e i etwa an ä h n l i c h e . R e l e c t u r e s ' der Bibel a u s der Z e i t d e s Z w e i t e n T e m p e l s (z.B. J u b und L i b A n t , s.u. S.128). " Mayer, T R E 18 262 zählt d a z u P h i l o , den A r i s t e a s b r i e f , A r t a p a n o s , D e m e t r i o s , E u p o l e m o s , K l e o d e m o s M a l c h a s u.a. ' »Towards R o m e he u s e s his w o r k s as an attempt to a l l e v i a t e the c i r c u m s t a n c e s of his p e o p l e , w h e r e a s t o w a r d s his o w n c o u n t r y m e n he p r o p h e s i e d an i n t e r p r e t a t i o n of the crisis and thus a w a y out of it" ( B i l d e , J o s e p h u s 191); vgl. a u c h A m a r u , L a n d 229 U.Ö, die a l l e r d i n g s d i e m i s s i o n a r i s c h e A b s i c h t des W e r k e s i n s g e s a m t recht g e r i n g veranschlagt.

122

т . е . Josephus' Antiquitates Judaicae

der Charakterisierung der gescЫlderten Personen niederschlägt®. Auch wenn er sich über weite Strecken in den Inhalten an seine Vorlagen hält, so lassen doch die Paraphrasen, die Ausarbeitung der Hauptlinien und die Zusammenfassungen deutlich seine eigenen Interessen erkennen. Im folgenden sollen die Zusammenhänge nachgezeichnet werden, in denen Josephus von Gottes Verheißungen spricht. Dabei wird ein besonderes Augenmerk liegen auf der Interpretation und der Veränderung der verarbeiteten biblischen Traditionen und den daraus erkennbaren Intentionen. Lexikalischer Befund: Die Lexeme ύπόσχεσις κτλ. und έπαγγελία κτλ, die in den Schriften des Josephus insgesamt häufig begegnen, stehen nur in JosAnt 1-10 (bei der Schilderung bis zur Zeit nach der ersten Tempelzerstörung) mitunter für ein Verheißen Gottes"'. Das gleiche Bild ergibt sich bei verschiedenen Derivaten: κατεπαγγέλλομαι (1 von 4 Belegen hat die Bedeutung Verheißung), κοίθυπισχνέομαι (1 von 1), προϋπισχνέομαι (1 von 4), προκαταγγέλλομοίΐ (2 von 6). Bereits weiter oben wurde festgestellt, daß Josephus όμνύω κτλ. nie für Gottes Schwören gebraucht (obwohl seine Darstellung in vielen Punkten von der dtr. Gedankenwelt geprägt ist)®. Josephus' Gottesbild wird wesentlich bestimmt durch die hellenistisch geprägte Vorstellung der Vorsehung Gottes. Schon bei den Griechen fließen, wo der Begriff πρόνοια auf die Götter bezogen wird, „die verschiedenen Bedeutungen des Wortes ... Vorherwissen, Vorherbestimmen, Vorsorge, Fürsorge" zusammen'. Auch bei Josephus umfaßt er sowohl Gottes Vorherwissen von Geschichts-

« Z u r S t r u k t u r d e r S c h r i f t : M a y e r , T R E 18 262: , D e n Stoff o r d n e t er so, d a ß j e d e s d e r 20 B ü c h e r m ö g l i c h s t mit d e m A b g a n g e i n e s G r o ß e n v o n d e r W e l t b ü h n e e n d e t . " A t t r i d g e , in: S t o n e , W r i t i n g s 212: . J o s e p h u s e n d e a v o u r s to m a k e b i b l i c a l h i s t o r y m o r e c o m p r e h e n s i b l e t o t h e H e l l e n i s t i c w o r l d g e n e r a l l y by h e l l e n i z i n g . b a r b a r i c ' n a m e s a n d by u s i n g c o m m o n l i t e r a r y a n d p h i l o s o p h i c a l themes*. Z u m V o k a b u l a r : M a y e r , T R E 18 262: „ E r s a t z o b s o l e t e r B e g r i f f e d u r c h a k t u e l l e " ; F e l d m a n , J o s e p h u s R e v i s t e d 793: . p r e s e n t his n a r r a t i v e in t e r m s f a m i l i a r to his G r e e k audience". Z u r C h a r a k t e r i s i e r u n g d e r P e r s o n e n : F e l d m a n , e b d . 798: . c o l o r i n g of t h e n a r r a t i v e in o r d e r to a p p e a l to his H e l l e n i z e d r e a d e r s " . Die M e i n u n g e n darüber, inwieweit Josephus, über seine apologetische Absicht h i n a u s , bei s e i n e n h e i d n i s c h e n L e s e r n a u c h b e w u ß t G l a u b e n w e c k e n w o l l t e , g e h e n a l l e r d i n g s a u s e i n a n d e r . F e l d m a n , J o s h u a 376 s p r i c h t v o n . J o s e p h u s ' s a t t e m p t to p r e s e n t a k i n d of s e c o n d e d i t i o n of t h e Bible, o n e t h a t is stylistically m o r e p l e a s i n g t h a n its p r e d e c e s s o r , t h e S e p t u a g i n t , a n d o n e t h a t is s e n s i t i v e to t h e f e e l i n g s a n d p r e d i l e c t i o n s of his n o n - J e w i s h l i t e r a t e a u d i e n c e . " Z u d e n v e r s c h i e d e n e n L e s e r n u n d v e r s c h i e d e n e n Z i e l e n vgl. a u c h F e l d m a n , U s e ; er n e n n t als H a u p t z i e l e A p o l o g i e u n d Theologisieren, ebd. 481-507. ' Z u V o r k o m m e n u n d A n z a h l d e r L e x e m e vgl. o b e n S.69f. V o n d e n i n s g e s a m t 421 V o r k o m m e n d e r v e r s c h i e d e n e n L e x e m e h a b e n b e i J o s e p h u s 42 (=10%) d i e Bedeutung .Verheißung'. ' S.o. S.63. Ό μ ν ύ ω κ τ λ . b e g e g n e n 166x in J o s A n t , a b e r . D a ß a u c h G o t t s c h w ö r e , w a r f ü r J . n i c h t g l a u b l i c h ; es gibt bei i h m k e i n e n E i d G o t t e s " ( S c h l a t t e r , T h e o l o g i e 120). ' B e h m , T h W N T I V 1006.

Lexikalischer Befund

123

ablauf und Einzelereignissen, als auch seine gnädige Führung und Hilfe'°. A u f grund dieses Zusammenhangs nähern sich in den Antiquitates die Bedeutungen .verheißen' und .ankündigen, vorhersagen' relativ stark aneinander an. Man könnte von daher erwägen, z.B. auch α π α γ γ έ λ λ ω in 1,191 mit zu den Belegen für die Verheißung zu rechnen^^. Eher wird man es allerdings in einer Linie mit προλέγω zu sehen haben, das ebenfalls vorrangig in JosAnt 1-10 zu finden ist'^. Der vorhersehende Gott bedient sich häufig eines Mittlers, der den Menschen Gottes Handeln voraussagt. Solche Mittler können Engel oder der Hohepriester, vor allem aber Propheten sein". Und so ist in diesem Zusammenhang auch noch προφητεύειν zu berücksichtigen^·*. Bei allen diesen Verben geht es sachUch in erster Linie um den Nachweis der Zuverlässigkeit der Vorsehung Gottes. Von επαγγέλλομαι und ύπισχνέομαι sind sie jedoch zu unterscheiden. Das zeigt zum einen die Streuung innerhalb der Kapitel^^, daneben aber auch die inhaltliche Akzentsetzung. Subjekt von προλ έ γ ω und προφητεύω sind immer Menschen, und der Inhah der Vorhersagen und Prophezeiungen bezieht sich fast ausschheßlich auf Einzelereignisse'^. D a gegen ist Subjelct von ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι / ύπισχνέομαι zumeist Gott^' und die Verheißungen sind vor allem mit allgemeineren, großen Heilsgütem wie dem Land, der Vermehrung des Volkes, der Königsherrschaft, dem Glück und dem Beistand Gottes verbunden^®. D u r c h P r o p h e t e n sagt er seinem Volk v o r h e r , was g e s c h e h e n wird (s.u. zu προλ έ γ ω ) ; m a n k a n n r e g e l r e c h t von e i n e m . p a t t e r n of p r e d i c t i o n " s p r e c h e n (s.u. Anm.33). Z u r g n ä d i g e n F ü h r u n g siehe z.B. unten Anm.37. " ' Α π α γ γ έ λ λ ω f i n d e t sich in J o s A n t insgesamt 59x. Es steht in der ü b e r w i e g e n den Z a h l der F ä l l e f ü r das »melden, mitteilen ... erzählen* ( R e n g s t o r f , C o n c o r d a n c e 156) von M e n s c h e n . E i n e N ä h e zur V e r h e i ß u n g f i n d e t sich noch in 4,122, wo der h e i d n i s c h e Seher B a l a a m von der ά π α γ γ ε λ ί α spricht, die Gott ihm a u f g e t r a g e n h a b e (zu B a l a a m vgl. u n t e n S.139). Z u α π α γ γ έ λ λ ω und α ν α γ γ έ λ λ ω im Sinne der o f f e n b a r e n d e n A n k ü n d i g u n g des v o r h e r s e h e n d e n G o t t e s in der L X X s.o. Kap.II Anm.65. ' ' V o n 37 Belegen bei J o s e p h u s insgesamt f i n d e n sich 36 in J o s A n t , davon w i e d e r u m 30 in J o s A n t 1-10. " Vgl. 1,333; 7,72. P r o p h e t e n : 4,125 (Balaam); 6,330 (der von der H e x e in E n d o r g e r u f e n e Samuel); 8,319 u.ö. (Elia). Eines Mittlers b e d i e n t sich Gott a u c h d a n n , w e n n er selbst (wie es 9x der Fall ist) im K o n t e x t von προλέγω a u s d r ü c k l i c h g e n a n n t wird. " Προφητεύειν f i n d e t sich 55x in J o s A n t , προφητεία 34x und προφήτης 279x. " Έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι / ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι κτλ. wird f a s t ausschließlich im Teil von N o a h bis Salomo v e r w e n d e t ( J o s A n t 1-8,211; d a n a c h n u r noch 2x), προλέγω d a g e g e n vor allem f ü r die Z e i t n a c h Salomo bis zum Exil (8x in J o s A n t 1 - 7 ; 22x in 8-10; 6x in 11-19); προφητεύω κτλ. f i n d e n sich f a s t ausschließlich in J o s A n t 5-13, also von der Zeit S a m u e l s an. " Vgl. A m a r u , L a n d 221: J o s e p h u s applies the Biblical p r o p h e c i e s to p a r t i c u l a r h a p p e n i n g s a n d events in J e w i s h history ... he m a k e s history out of theology". J o s e p h u s I n t e r e s s e an der P r o p h e t i e richtet sich auch in den A n t i q u i t a t e s v o r r a n g i g auf bereits g e s c h e h e n e G e s c h i c h t e - die p r o p h e t i s c h e n A n s a g e n der E r l ö s u n g und d e r R ü c k k e h r in ein h e r r l i c h e s L a n d f e h l e n d e m g e g e n ü b e r völlig (vgl. A m a r u , L a n d 224; eine A u s n a h m e bildet allerdings die R e d e des Sehers Balaam in 4,114-116, s.u. S.139). " 24x v e r h e i ß t Gott direkt ( d a v o n 2x im T r a u m ) , 2x d u r c h E n g e l , 4x d u r c h Moses, 4x d u r c h a n d e r e P r o p h e t e n . 5x sprechen M e n s c h e n Gott im G e b e t auf seine V e r h e i ß u n g e n hin an. " W i e προλέγω und προφητεύω, so u n t e r s c h e i d e n sich auch die v e r s c h i e d e n e n a n -

124

т . е . Josephus' Antiquitates Judaicae

Eine scharfe Abgrenzung der Bedeutung der einzelnen Lexeme voneinander ist dennoch nicht immer möglich. Es kommt z.T. auch zu Überschneidungen. So werden auch Verheißungen durch Mittler weitergegeben. Umgekehrt kann Gottes Wort als προφητεία gelten". Ebenso gibt es (als Konkretisierung allgemeiner Beistandsverheißungen^°) die Verheißung einzelner Wunder. Und schheßlich werden επαγγέλλομαι und προλέγω vereinzelt auch parallel gebraucht^^.

1. Noah - die Verheißung, nie mehr so hart zu strafen Schon das erste Vorkommen von ύπισχνέομαι läßt bestimmte Regeln erkennen, die Josephus offensichtlich bei der Gestaltung seiner Paraphrasen der biblischen Geschichte leiten. An die Notiz vom Opfer Noahs in Gen 8Д0 schUeßt er hier ein Gebet Noahs an. Auf dieses Gebet antwortet Gott. Zunächst zerstreut er den Verdacht, er könne mit der Sintflut willkürlich gehandelt haben. Sodann gibt er die Zusage, daß in Zukunft die Frevler nicht nochmals so schwer gezüchtigt werden sollen^^. Und schließlich befiehlt er, die sogenannten noachitischen Gebote von nun an zu beachten und benennt seinen Regenbogen als Zeichen der Ruhe und Erlösung^'. Auf diese Weise gestaltet Josephus den Schluß der Noahgeschichte in Gen 8,20-9,17 um und bezeichnet schließlich in einer von ihm selbst formulierten abschließenden Zusammenfassung die von Gott gegebenen Zusagen ausdrücklich als Verheißung^'*. Nach Josephus gibt Gott also seine erste Verheißung (die Zusage, nicht mehr so hart zu strafen) gegenüber Noah. Ihn liebt er um seiner Gerechtigkeit willen und erhört sein Gebet. Doch die Verheißung betrifft

deren ά γ γ ε λ - W ö r t e r von έπαγγέλλομαν/ ύπισχνέομαι deutlich (anders Schniewind, ThWNT I 69, der καταγγέλλω und Friedrich, ThWNT II 711, der εύαγγελί^ω darüber hinaus ebenfalls an einigen Stellen mit .verheißen' übersetzen will). Eine Ausnahme bildet lediglich προκαταγγέλλω (insgesamt 6 Belege), das in 1,219 aufgrund des allgemeinen Verheißungsinhalts (άγοίθά) und in 2,218f aufgrund der Parallelität zu έ π α γ γ ε λ ι α ν τού θεοϋ mit Verheißung zu übersetzen ist (s.u. Anm.38.46; im Sinne von Vorhersage, parallel zu προειπείν in 3,38f; von der Schrift auch 10,243. Im NT steht es 2x (Apg 3,23; 7,52) für prophetische Weissagungen über den Messias). " Als Mittler von Verheißungen Gottes finden sich Engel (1,219; 5,214), Propheten (7,93; 8,197.373; 9,10) und auch Moses. Umgekehrt wird Gottes Verheißen in 8,110 in einem Atemzug mit seiner προφητεία genannt (und z.B. auch in 5,159 das προφητεύω Gott selbst zugeschrieben (vgl. Schlatter, Schriften 129). ™ S.u. S.129f; Gottes προνοέω ist in 7,337 selbst Verheißungsinhalt. Vgl. 5,16.18. " Vgl. die der Struktur nach ähnliche Zusage an David in 7,93: Salomo wird, wenn er sündigt, nurmehr mit Krankheit und Unfruchtbarkeit des Bodens gestraft. " Diese Zusage von Ruhe und Erlösung (Παϋλαν έσομένην, vgl. Rengstorf, Concordance III 342) ersetzt hier offensichtlich die ausführliche Zusage des .Bundes', die Gen 9,9-17 bieten. Neben dieser Zusage fehlen auch die A u f f o r d e r u n g e n zu Fruchtbarkeit und Mehrung (Gen 9,1.7), was mit der hervorgehobenen Bedeutung der Mehrungsverheißung an die Väter und Israel insgesamt zusammenhängen könnte (s.u. S.139). ^ 1,103 (Clementz 30): ^Nachdem Gott dies verheissen und verkündet [ειπών και υποσχόμενος], verliess er den Noe' (in Jes 54,9 heißt es: Jahwe schwor Noah).

Noah - die Verheißung, nie mehr so hart zu strafen

125

Gottes Handeln gegenüber der ganzen Welt. Sie gilt allen Menschen, Guten wie Bösen und nicht nur dem gerechten Noah. Auch der zweite Beleg für Gottes Verheißen in JosAnt bestätigt, daß nicht allein Israel und seine Führer^^ bei Josephus Empfänger von Verheißungen sind. Noch bevor ausdrücklich von einer Verheißung an Abraham die Rede ist, verheißt Gott dem fremden König Abimelech, ihm gnädig zu sein, wenn er A b rahams Frau nicht anrührt^^.

2. Abraham, Isaak und Jakob - Verheißung reicher Nachkommenschaft^^ Abraham ist für Josephus vor allem der vorbildhaft Gerechte und Weise. D e m entsprechend eliminiert Josephus solche Teile seiner Vorlagen, die ihn auch als Zweifler oder gar Sünder beschreiben^^. Er zeichnet von ihm das hellenistisch geprägte Bild eines Weisen und Philosophen, dessen Kunde selbst bis zu nichtjüdischen Schriftsteilem vorgedrungen ist^'. Insofern wird man nicht sagen können, daß Abraham bei Josephus einfach einer von vielen biblischen Charakteren sei^, auch wenn er gewiß nicht mehr der herausgehobene Träger der Verheißung Gottes ist wie im Buch Genesis und dann in vielen frühjüdischen Schriften. Deutlich ist andererseits, daß es für Josephus nicht ausreicht, sich darauf zu berufen, daß man vom Stamme Abrahams ist (vgl. JosAnt 4,5). Dieser veränderten Rolle Abrahams und auch der übrigen Väter entspricht es, daß Josephus nicht mehr vom Gott der Väter spricht, sondern von dem Gott, den sein Volk schon seit jeher verehrt^ Als Abraham neunundneunzig Jahre alt geworden ist, wird ihm die Geburt

" N e b e n den großen Gestalten Abraham, Isaak und Jakob, Moses und Josua, David und Salomo sind auch Amaram, Gideon, Ahab und Josaphat bei Josephus Empfänger von Verheißungen. ^ 1,208 (Clementz 47): ,es sei ihm verheissen worden [έποτγγέλλεταίΙ, er werde in Gottes Huld stehen [τε παρέξειν αύτόν εύμενήΙ, wenn er jenen von der Sorge um sein Weib befreie'. In Gen 20,7 sagt Gott ihm zu, daß er am Leben bleiben wird. Daß Gott ευμενής ist, wird im Zusammenhang mit seiner Verheißung auch in JosAnt 1,272; 3,77 gesagt. " Vgl. 1,236.272; 2,170.175. ^ Vgl. Z.B. die Antwort Abrahams an Abimelech 1,211 (vgl. auch Schlatter, Theologie 70). Das Gleiche gilt ebenso für die Darstellung der übrigen wichtigen G e stalten der biblischen Geschichten: für die Bearbeitung der Geschichten von der List der Gewinnung des Erstgeburtssegens durch Jakob (1,267-275); für das Vertrauen des Moses in Gottes Verheißungen (2,275); für die Verwandlung der Klage des Josua in ein Vertrauensgebet (5,39) und auch für die Charakterisierung von David und Salomo als gottesfürchtig (s.u. Anm.86.90). Vgl. Bilde, Josephus 101; Feldman, Josephus Revisted 796. In JosAnt 1,158-160 zählt Josephus nacheinander Berosus, Hekataeus, Nikolaus von Damaskus auf. ® So aber Sandmel, Place 76, der Josephus' Abrahamsdarstellung mißt an Jub und der rabbinischen Tradition. " Ό πάτριος oder ό πατρώος θεός anstelle von ò θεός των πατέρων (vgl. Schlatter, Theologie 51, der noch darauf hinweist, daß auch ό θεός ήμών und ó θεός έμοϋ fehlen).

126

III.с. Josephus' Antiquitates Judaicae

des Isaak angekündigt^^. Von ihm sollen große Völker und Könige abstammen, die ganz Kanaan erobern werden. Die ausführliche Schilderung eines Bundesschlusses (Gen 17) wird hier wiederum - wie schon in der Noahgeschichte - von Josephus sehr knapp zusammengefaßt. Der Bund selbst und auch das Bundeszeichen, die Beschneidung, werden nicht erwähnt. Aus der in den Abrahamgeschichten häufig begegnenden ausdrücklichen Landverheißung (die ja einen dauerhaften Anspruch auf dieses Land implizieren würde) wird die Vorhersage, daß Nachkommen das Land Kanaan erobern werden. Schon zuvor (in l,183f) wurde auf ganz ähnliche Weise inhaltlich aus einer im Buch Genesis überlieferten Verheißung Gottes bei Josephus eine Vorhersage^^. Im Zusammenhang der Geschichte von Isaaks Opferung wird diese Vorhersage einer reichen Nachkommenschaft, die das Land erobern wird, dann erstmals ausdrücklich als Verheißung bezeichnet^. Man kann dahinter, daß mit Blick auf die Väter (erst) hier von έ π α γ γ ε λ ί α ι die Rede ist, einen Reflex auf Gen 22,16 vermuten, der ersten Stelle in der LXX, die ausdrücklich von Gottes Schwören spricht^^. Inhaltlich gipfelt die Zusammenfassung in der allgemeinen Zusage von Glück^®, entsprechend Josephus' Grundtendenz, Gottes Verheißungen allgemein als Ankündigung seines vorhersehenden Beistandes zu interpretieren^^. Ganz in dieser Linie wird zuvor bereits Hagar vom Engel Gottes Glück und Wohlergehen zugesagt, als sie mit Ismael zusammen aus Abrahams Haus getrieben in der Wüste umherirrt. Dadurch faßt sie wieder Mut'®. Bemerkenswert ist, daß bei Josephus hier aus der Verheißung für Ismael, Gott werde ihn zum großen

" 1,191 (Clementz 45): „Gott ... verhiess ihm einen Sohn' (άπήγγειλεν; zu ά π ή γ γ ε ι λ ε ν vgl. oben S.123); vgl. schon 1,183. " Amaru, Land 207 stellt fest .reaffirmation of divine promise in Genesis b e c o mes simply divine prediction in Josephus" und spricht im folgenden von einem .pattern of prediction'. '' Die Zusagen, die in der Bibel in direkter Rede gegeben werden (auch Jub 18,15f zitiert die Zusagen aus Gen 22,16f in direkter Rede und inhaltlich weitgehend identisch), referiert Josephus auch hier wieder in einem zusammenfassenden Bericht (zu seiner Abneigung gegenüber direkter R e d e vgl. Franxman, Genesis 20.288). Daß das Land Kanaan erobert werden wird, gehört für ihn dabei offensichtlich zum Schema der Zusagen an die Väter. Aus Gen 22 kann es allenfalls indirekt aus der allgemeinen Zusage des Sieges (22,17d) erschlossen werden. Zu Unterschieden der Interpretation von Gen 22 vgl. Feldman, U s e 504. '' Gen 22,16: Κατ' έμαυτοΰ ώμοσα (vgl. auch Kap.II Anm.38). Philo Abr. 273 spricht hier von δί' ορκον βεβαίωσιν ών ύπέσχετο (vgl. auch Leg.All. 3,203). Daß die Zusage Gottes in Gen 22,16 durch einen Schwur verstärkt und zudem mit Abrahams Handeln begründet wird, weist auf ein spätes Stadium im Verheißungsverständnis, auf die dtr. Theologie (vgl. Westermann, Genesis 12-36 445). ^ 1,236 (Clementz 52): , / e n e aber, die sich wider Erwarten [παρ' έλπίδας] einander wiedergegeben sahen und der Verheissung so grossen Glückes [τοιούτων αγαθών έπαγγελίας] teilhaftig geworden waren, umarmten sich gegenseitig ... Und sie lebten glücklich /¿ιηγον εύόαιμόνως] da Gott ihnen in allen ihren Unternehmungen gnädig half (zu ευδαιμονία in JosAnt vgl. auch unten S.137). " Amaru, Land 208: .predictions of providential assistance"; vgl. auch Bilde, J o sephus 186: .providence and guidance". Ausdrücklich als πρόνοια/προνοείν wird der Verheißungsinhalt in 3,23; 7,93.95.337 bestimmt (vgl. auch 2,174). " 1,219: ή δ' έθάρσησε τοις προκατηγγελμένοις.

A b r a h a m , Isaak u n d J a k o b - V e r h e i ß u n g e i n e r r e i c h e n N a c h k o m m e n s c h a f t 1 2 7

Volk machen (Gen 21,18), eine Verheißung für Hagar wird. Dies hängt vielleicht damit zusammen, daß er die Mehrungsverheißung als den für ihn zentralen Inhalt der Väterverheißungen auf die Väter selbst beschränken will. Auch Isaak erinnert Gott an seine Zusage, als er um Segen für seinen Sohn Jakob (den er für Esaù hält) bittet und darum, daß Gott diese Verheißungen von Gutem und Beistand und Glück auch für die Zukunft bestätigen möge^'. Der Bericht von Jakobs Opfer und Traumoffenbarung in Beersheba (dies ist der dritte und letzte Zusammenhang innerhalb der Vätergeschichten, in dem Josephus ausdrücklich von Verheißung spricht) fällt z.T. etwas aus dem Rahmen des bisher Festgestellten. Josephus ergänzt hier zunächst Jakobs Motivation für das in Gen 46,1 berichtete Opfer^°. Dann baut er auch die Offenbarung, die Gott Jakob im Traum zuteil werden läßt (Gen 46^-4), zu einer längeren Rede aus. Sie beginnt mit einen Rückblick auf Gottes Schutz und Vorsehung, die Jakob auf seinem bisherigen Weg erfahren hat. Sodann übernimmt Josephus die Mehrungsverheißung, und schließlich bezieht er die Zusage der Rückkehr, die Gott in der LXX Jakob selbst gibt, ausdrücklich auf das Volk und interpretiert sie mit Hilfe der dtn./dtr. Formel vom verheißenen Land''^. Dies ist insofern bemerkenswert, als Josephus bisher eine solche Verheißung ausdrücklich nicht genannt, sondern sich umgekehrt darum bemüht hat, die zukünftige Größe des Volkes gegenüber der Landverheißung zu betonen bzw. sogar diese Verheißung des Landes als eines göttlichen Geschenkes durch allgemeinere Zusagen zu ersetzen'·^.

1,272 ( C l e m e n t z 59): , 0 Herr ... du hast meinem Vater eine Menge Glücksgüter verheissen [μεγάλην ίσχύν προύθηκας άγαθών] ... Meinen Nachkommen hast du versprochen, dass du ihnen Beschützer und Spender alles Guten sein wollest ίνηΐέσχσυ βαήβός ευμενής και δοτήρ άεί των κρειττόνων εσεσθαι]; das wollest du feierlich bestätigen [βεβαιώσαν)'; J o s e p h u s w a n d e l t den direkt f o r m u l i e r t e n S e g e n in G e n 2 7 , 2 7 - 2 9 hier um in ein G e b e t um S e g e n . V o r a l l e m f ü r c h t e t J a k o b d e m n a c h , daß s e i n e N a c h k o m m e n a u f g r u n d der F r u c h t b a r k e i t des L a n d e s Ä g y p t e n nicht mehr v o n dort z u r ü c k k e h r e n w o l l e n n a c h K a n a a n , d a s L a n d , d e s s e n B e s i t z G o t t i h n e n d o c h v e r h e i ß e n hat (ό θεάς ή ν ύπεσχημένος, 2,170). " 2,175 ( C l e m e n t z 103): .Und nun komme ich und will dein Führer auf diesem deinem Wege sein, und ich verkündige dir [καταγγέλλων] ... dass dein Geschlecht viele Jahrhunderte hindurch gross und berühmt sein wird, und dass ich es in das Land zurückführen werde, welches ich ihm verheissen habe [τήν γήν, ήν ύπέσχημοη^. D i e Interpretation des J o s e p h u s entspricht a l l e r d i n g s der T e n d e n z n a c h d e m , w a s s c h o n in G e n 4 6 , l - 5 a a n g e l e g t ist. D e n n a u c h in 46,4 w a n d e l t s i c h das Objekt: . b e i m . H i n a b z i e h e n mit dir' ist J a k o b der V a t e r mit s e i n e r F a m i l i e , b e i m . H e r a u f b r i n g e n ' ist J a k o b ' d a s nun aus der F a m i l i e e n t s t a n d e n e V o l k bzw. die G r u p p e , a u s der d a n n das V o l k Israel entsteht* ( W e s t e r m a n n , G e n e s i s 3 7 - 5 0 172). D i e E p i s o d e i n s g e s a m t ist e i n e s p ä t e E r w e i t e r u n g , der es darum g e h t , V ä t e r g e s c h i c h t e und E x o d u s m i t e i n ander zu v e r b i n d e n (vgl. W e s t e r m a n n , ebd.). V g l . A m a r u , Land 208; zu J o s e p h u s ' V e r s t ä n d n i s des L a n d e s s. w e i t e r S.138.

128

III.C. Josephus' Antiquitates Judaicae

3. Moses, Josua und das Volk - Verheißung von Beistand und Hilfe für die, die auf Gottes Verheißungen vertrauen Moses ist in den Antiquitates zum einen der große Gesetzgeber, der alle Menschen rechte Gotteserkenntnis und Tugend lehrt (und damit im Gegensatz steht zu anderen Gesetzgebern"^), zum anderen aber auch der sagenhafte Anführer, der - im Vertrauen auf Gott, mit ihm als Verbündetem und Helfer - das Schicksal seines Volkes leitef'·. Von Verheißung spricht Josephus vor allem im Zusammenhang dieses zweiten Aspektes des Mosesbildes, insgesamt sogar häufiger als bei jeder anderen Gestalt der BibeF. Schon die Geburt des Moses und zugleich damit seine Aufgabe, das Volk der Hebräer aus der Knechtschaft Ägyptens zu befreien, wird seinem Vater Amaram vorher verkündigt. Auch wenn die Leichtigkeit der Geburt ihnen als eine Bestätigung der Verheißungen Gottes erscheint, fürchten Amaram und seine Frau schließlich doch, daß der Pharao das Kind finden und töten und so die Verheißung Gottes zunichte machen könnte''^. Deshalb setzen sie das Kind in einem Körbchen im Nil aus, um ihn so ganz der Obhut Gottes anzuvertrauen. Die Erzählung entstammt nicht der LXX, sondern geht zurück auf haggadische Tradition, die z.B. auch in LibAnt 9 ihren Niederschlag gefunden haf^. Die allgemeine Verheißung seines Beistandes (2,272) ist die erste Verheißung, die Gott dem Moses gibt. Sie hat zugleich programmatischen Charakter. Josephus faßt hier die Zusagen von Ex 3,12; 4,12.15 zusammen und erweitert sie ausdrücklich um die Zusage von Kraft für Taten"^.

" Εύσέβειαν και τήν α λ λ η ν ασκησνν άρετής (JosAnt 1,6); vgl. auch das Vorwort 1,1-26 insgesamt. Josephus zieht hier Moses als einzige biblische Figur heran, um Veranlassung und Ziel seines Werkes in einer Art Vorwort zu begründen (vgl. Bilde, Josephus 101). Zum Gegensatz zu anderen Gesetzgebern vgl. l,20f und auch Attridge, in: Stone, Writings 217. "" Vgl. Amaru, Land 215; darin wird er zugleich zum „model of the virtues of the ideal Hellenistic and Roman sage" (Feldman, Josephus Revisted 798). « Vgl. 2,272.275; 3,7.23-25.35.77.306.312; 4,5.168; 5,16.39f.65.93. ^ 2,218f (Clementz 110): ^Einen Beweis für die Wahrheit der Prophezeiung [τοις μεντοι προκαττίγγελμένοις υπό τον ύεού πίστιν] bot aber schon die Niederkunft der Frau ... Dann aber fürchtete Amaram doch, die Sache könne entdeckt werden ... und es möchte so die Verheissung Gottes [τού ύεού τήν έποίγγελιαν] zu nichte werden'. " Auch dort ist in diesem Zusammenhang von Verheißung die Rede. Eventuell steht eine weitere gemeinsame Tradition hinter der Erzählung der Siegesverheißung an Gideon (JosAnt 5,214; LibAnt 35,2). Während allerdings LibAnt die Klage G i d e ons in Ri 6,13 noch verstärkt, schwächt Josephus sie ab. Ex 3,12: Έσομαν μετά σου; 4,12.15: έγώ άνοίξω τό στόμα σου; JosAnt 2,272: à δε θεός .. ύπισχνούμενος αυτός παρέσεσθαι καν ου μεν αν δέη λόγων, πενθώ παρέξενν, ου δ' αν έργων, νσχύν χορηγήσενν. Das Thema des Beistandes und der H i l f e begegnet bei J o s e phus häufiger im Kontext der Verheißung (vgl. 3,306-314; 4,168; 5,39f.94.115; vgl. auch Amaru, Land 216 Anm.33). Im Zusammenhang der Gestalt des Moses begegnet es auch bei Philo (Mos. l,71f.86).

Moses, Josua und das Volk - Verheißung von Beistand und Hilfe

129

Damit nimmt Josephus ein im Alten Testament, vor allem in den Geschichtsbüchern, verbreitetes Motiv auf. Fast 100 Belege finden sich dort für Jahwes Mitsein, 27 davon als direkte Zusagen Gottes, und zwar .nicht nur als Beistandsformel in Berufungsgeschichten", als .Zusage vor oder bei einer Wanderung" und auch .mehrmals konkret als Zusage von Kriegshandlungen oder von Beistand in Kämpfen"·", sondern auch als .allgemeine Zusage des Beistandes"^". Man hat vermutet, daß sich in dieser Formel .eine typisch israelitische nomadische Grundstruktur des Glaubens und Denkens zeigt. Auch offenbart sie etwas von der personalen Struktur israelitischen Glaubens. ... Später wird aus der konkreten Geleitzusage eine mehr allgemeine Beistandsformel"5l, Überblic kt man die wichtigsten Empfänger solcher Beistandszusagen im AT - Isaak, Jakob, Moses, Josua, Gideon, Jeremia, Israel - und daneben die Auswahl der Führer Israels, bei denen Josephus von Gottes Verheißen spricht, so erscheint es gut möglich, daß auch diese Beistandsformel seine Darstellung geleitet hat^^. Gott befiehlt Moses, damit er die Zuverlässigkeit der Verheißung auch erkennt, seinen Stab im Vertrauen auf sie auf die Erde zu werfen (2Д72). So wird die Schilderung der drei in Ex 4 erzählten Verwandlungswunder eingeleitet. Bei Josephus dienen sie nicht mehr allein der Überzeugung des Volkes, sondern b e wirken, daß zuallererst Moses selbst nicht weiter an der Verheißung zweifelt'^. Sein von nun an unumstößliches Vertrauen in Gott zeigt sich im folgenden z.B. in der Rede, die er dem Volk hält. Denn dieses - als es auf der Flucht aus Ägypten zwischen dem Heer der Verfolger und dem Meer eingezwängt wird - beginnt zu klagen und sich gegen Moses aufzulehnen^'·. Er dagegen ruft die Hebräer auf, auf die Hilfe Gottes zu hoffen und auf diesen Helfer zu vertrauen, da es töricht wäre, an Gottes Vorsehung zu zweifeln, der doch bisher alles gewährt habe, was er durch Moses zum Heil und zur Befreiung aus der Knechtschaft versprochen habe=5.

Preuß, ....ich will mit dir sein!" 140.144. » Ebd. 145. " Ebd. 157. " Dem widerspricht es nicht, daß er sie nur bei Moses ausdrücklich als Verheißung bezeichnet und im Übrigen auch häufiger umschreibt, erläutert und konkretisiert (vgl. van Unnik, Dominus 280f). " 2,275 (Clementz 120): ,Moyses aber zweifelte nicht weiter an Gottes Verheissungen [οίς έπηγγελλετο τά θείον], da er Augen- und Ohrenzeuge so vieler Wunder [τοιούτων βεβαιωμάτων και ακροατής] geworden war". So fällt hier der auch nach den Wundern noch vorgebrachte Einwand des Moses weg. Das entspricht dem Anliegen, die Gestalten der Bibel als möglichst tugendhaft in positivem Licht zu zeigen. ^ Josephus verstärkt hier die Unbotmäßigkeit der Israeliten, indem er ergänzt, daß sie den Propheten steinigen wollen. Dann baut er Ex 14,13 zu einer längeren Rede des Moses aus. ' ' 2,331; Philo Mos. l,82f betont dagegen zwar ausdrücklich, daß Moses Gott glaubt, berichtet dann aber, daß er trotz seines Glaubens Gottes Wahl ablehnt.

130

т . е . Josephus' Antiquitates Judaicae

Im Fortgang der Erzählung wird dann das allgemeine Motiv des Beistandes Gottes an drei Wundem konkretisiert. Alle drei folgen einem recht festen Schema: In Anbetracht von Not, in die das Volk in der Wüste geraten ist, betet Moses zu Gott. Sein Gebet wird erhört und ein wunderbares Geschehen, das die Not beheben wird, wird üim von Gott vorhergesagt und verheißen'^. Die abschließende Schilderung des zuvor verheißenen Geschehens versieht Josephus jeweils mit rationalen Erläuterungen. So wird die Verwandlung des Bitterwassers mit der Reinigung des Wassers durch das Abschöpfen und die so entstehende starke Bewegung erklärt und die Speisung mit Wachteln mit der Müdigkeit und den Fluggewohnheiten der Wachteln^''. Eine gewisse Ausnahme bildet das dritte Wunder. Hier wird die Verwunderung der Juden über das aus dem Felsen geschlagene Wasser und die Neuheit dieser Erscheinung ausdrücklich hervorgehoben und als Erklärung lediglich zum Schluß angeführt, daß die Schrift überliefert, Gott habe dem Moses diese Weise der Wasserfindung vorherverkündet (ЗЗ8: προενπεΐν). Dies zeigt (wie auch die fehlenden Erläuterungen bei den drei Wundern, mit denen Gott Moses die Zuverlässigkeit seiner Verheißung demonstriert hatte), daß es Josephus bei seinen Erläuterungen nicht allein um einen rationalen Anstoß ging, den er an den Wundern genommen hatte. Auch sie dienen vielmehr dem Ziel, den Gedanken der Vorsehung Gottes und seiner Zuverlässigkeit zu unterstreichen^®. So wie Moses zunächst allgemein Beistand verheißen wird, so richten sich die Hoffnungen des Volkes am Sinai - während es auf Moses wartet - ganz allgemein auf Verheißungen von Gütern und gutem Leben^'. Die Konkretisierung dieser Verheißungen ist dann (entsprechend dem biblischen Bericht) vor allem mit der Landnahme verbunden. Als die Hebräer jedoch zum ersten Mal an den Grenzen Kanaans angelangt sind und die Kundschafter berichten, was sie im Land Kanaan gesehen haben, fehlt ihnen wieder einmal das Vertrauen in Gottes Zusage, und sie klagen, als ob Gott seinen Verheißungen keine Taten folgen

3,7: Verwandlung des Bitterwassers (vgl. Ex 15,22ff); 3,23-25: Speisung mit Wachteln ( v ^ . Ex 16,13ff); 3,35: Wasser aus dem Felsen (vgl. Ex 1 7 , l f f ) . Später werden auch bei der Inbesitznahme des Landes Wunderzeichen als Konkretisierung der Zusagen berichtet. So heißt es ausdrücklich, daß Gott dem Josua den Durchzug durch den Jordan verheißt (5,16). " In 5,16 rationalisiert Josephus den Durchzug durch den Jordan, indem er einflicht, daß das Wasser nicht tief gewesen sei und der Fluß langsam flöß, solange, bis alle Hebräer das andere U f e r erreicht hatten. Vgl. auch 1,219, wo Josephus g e g e n über seiner Vorlage ergänzt, daß Hagar sogleich nach der Verheißung des Engels auf Hirten trifft, die sie aus ihrem Elend retten. Zur Behandlung der Wunder bei J o s e phus vgl. auch: Delling, Josephus; MacRae, Miracle. Gegen Schlatter (Theologie, 69: „Ein rationaler A n s t o ß entstand für J. ... am Wunder"). Zur engen terminologischen Verbindung von Vorsehung Gottes und Beistand bei Josephus siehe schon oben Anm.37. Vgl. auch die zusammenfassende B e zeichnung dieser Wunder als τεκμήρια in 5,39 (= schlagkräftiger Beweis, vgl. Bauer, Wörterbuch 1611; in Apg 1,3 steht das Wort für Geschehnisse bei den Erscheinungen des Auferstandenen). " 3,77f: της ε π α γ γ ε λ ί α ς των αγαθών.

Moses, Josua und das Volk - V e r h e i ß u n g von Beistand und H i l f e

131

liesse und sie nur Worte ЬНсЬеп·^. Schon die indirekte Formulierang, aber auch die Betonung von Beistand und Hilfe als zentrale Verheißungsinhalte in den A n tiquitates und die Wunder als Berichte von bereits erfolgter Hilfe zeigen, daß Josephus selbst solche Zweifel an Gottes Verheißung für unbegründet und offensichtlich falsch hält®!, p^g Volk, daß sich gegen Moses auflehnt und sich schon in der Wüste immer wieder undankbar gegenüber Gott und seinen Wohltaten verhäh, wird, weil es den Kundschaftern mehr glaubt als seinen Verheißungen (3312), von Gott bestraft. Auch das kündigt er Moses an. Als dieser es den Hebräern mitteilt, wollen sie dennoch (auch ohne ihn und seine Zustimmung) gegen die Kanaanäer ziehen. Bemerkenswert sind die Begründungen, die sie hierfür geben und die Josephus gegenüber seiner Vorlage ergänzt®^. So verweisen sie auf die gemeinsame Abstammung von Abraham, die ihnen die gleiche Erkenntnis der zukünftigen Absichten Gottes ermögliche wie Moses und ihnen auch erlaube, sich in dieser Situation gegen ihn zu stellen. Deshalb wollen sie nun doch auf Gott vertrauen und das verheißene Land in Besitz nehmen (4,5), indem sie sich an Moses vorbei unter Gottes Führang und Schutz stellen. Sie müssen jedoch nach verlorener Schlacht einsehen, daß sie ohne Moses kein Glück haben, und so stellen sie sich wieder willig unter seine Führung (4,10). Die Ergänzungen gegenüber dem Buch Numeri implizieren an dieser Stelle offensichtlich eine Kritik des Josephus, zum einen an einer falschen Berafung auf den Stammvater Abraham®, zum anderen aber auch an einer falschen Berufung auf die Landverheißung®''. Diese Kritik gründet im dtr. geprägten Geschichtsbild des Josephus, das Niederlagen als bewußte Strafe Gottes für die Verfehlungen seines Volkes versteht. Dies darf jedoch nicht zur Anfechtung werden und dazu führen, an der Zuveriässigkeit Gottes und seiner Verheißungen zu zweifeln. Die Kritik richtet sich vermutlich gegen jüdische (zelotische) Grappen, die auch zur Zeit des Jose-

" 3,306: oi ... όλοφυρόμενοι διήγον, ώς ούδέν εργω του θεοϋ βοηθοϋντος λ ό γ ω δέ μ ό ν ο ν ύπισχνουμένου. D i e I n t e r p r e t a t i o n d e s W e i n e n s durch d e n ώ ς - S a t z ist v o n J o s e p h u s g e g e n ü b e r N u m 14,1 ( ε κ λ α ι ε ν ό λ α ό ς δ λ η ν τήν νύκτα έ κ ε ί ν η ν ) e r g ä n z t . Sie erinnert an ä h n l i c h e K l a g e n u n d an Z w e i f e l an der Z u v e r l ä s s i g k e i t G o t t e s , w i e s i e sich e t w a a u c h im L i b A n t und 4Esr n i e d e r g e s c h l a g e n h a b e n (s.o. S,93). Z u m M o t i v , d a ß Gott mit der H a n d a u c h tut, w a s er mit d e m M u n d redet, vgl. s c h o n I K ö n 8,24; 2Chr 6,15f. A u c h P h i l o Somn. 1,181 und M o s . 1,283 b e l e g e n indirekt, d a ß m i t u n t e r e i n e S p a n n u n g z w i s c h e n in W o r t e n g e g e b e n e n V e r h e i ß u n g e n und d e n f o l g e n d e n T a t e n g e s e h e n wird (s.o. Kap.III.B Anra.26). " P o s i t i v wird e t w a in 5,40; 8,110 b e t o n t , d a ß Gott a u c h g e t a n hat, w a s er sagt. " In N u m 14,40 wird a l l e i n der E n t s c h l u ß berichtet: άναβησόμεθα ε ι ς τον τόπον, ôv ε ί π ε ν κύριος. " D i e s e m B e f u n d entspricht a u c h die S t e l l u n g , die A b r a h a m i n s g e s a m t in d e n A n t i q u i t a t e s z u k o m m t . Er ist nicht m e h r der V e r h e i ß u n g s t r ä g e r par e x c e l l e n c e u n d auch der Inhalt der V e r h e i ß u n g e n an ihn ist charakteristisch v e r ä n d e r t (s.o. S . 1 2 5 f ) . I n s g e s a m t steht er d e u t l i c h an B e d e u t u n g h i n l e r M o s e s zurück. E i n e n o c h a u s d r ü c k l i c h e r e Kritik an e i n e r f a l s c h e n B e r u f u n g auf A b r a h a m und der d a r a u s r e s u l t i e r e n den S e l b s t s i c h e r h e i t f i n d e t sich m e h r m a l s im N e u e n T e s t a m e n t (vgl. Mt 3,9; J o h 8,33). " S o l c h e Kritik d e u t e t sich b e r e i t s in d e n V ä t e r g e s c h i c h t e n an, w o d i e L a n d v e r h e i ß u n g v o n der B u n d e s t h e o l o g i e g e t r e n n t wird u n d der A k z e n t vor a l l e m auf der M e h r u n g s v e r h e i ß u n g liegt.

132

т . е . Josephus' Antiquitates Judaicae

phus noch weiter auf (für Josephus' Verständnis eigenmächtige) militärische A k tionen gegen die Römer setzen®^. Josua, den Nachfolger Moses, macht Josephus zum Gegenbild des zweifelnden und murrenden Volkes®®. Er ist ein positives Beispiel für den U m g a n g mit der Anfechtung, die in der Diskrepanz zwischen der Zusage des Landbesitzes und den offensichtlichen Schwierigkeiten bei ihrer Verwirklichung liegt. N a c h der Niederlage (bei d e m Versuch, die Stadt A i zu erobern) ist Josua in einer ähnlichen Situation wie das Volk nach d e m Bericht der Kundschafter. D i e Inbesitzn a h m e des Landes scheint gefährdet, w e n n nicht unmöglich. Während die L X X an dieser Stelle (Jos 7,7-9) eine Klage im Munde Josuas berichtet, die in vielem der Klage des Volkes in N u m 14,1-3 gleicht, macht Josephus daraus ein v e r trauensvolles Bittgebet. Josua erinnert darin Gott zunächst an die vielen Zeichen, durch die er d e m Moses verheißen habe, er wolle ihnen zuteil werden lassen®^ das Land zu besitzen und die Feinde zu besiegen®^. Josua bestätigt sodann, daß manches auch wirklich bereits gemäß der Verheißungen geschehen sei und bittet Gott, weil durch die Niederlage die Zusagen nicht mehr sicher erscheinen, schließlich u m Hilfe und Verleihung des Sieges®'. D a die Strafe nur vorübergehend ist und trotz der Strafe das Land auch weiterhin von Gott verheißen bleibt'"', wird im Fortgang auch Josua der Sieg verheißen. So wird er ermutigt, gegen die Feinde zu ziehen, um das Land in Besitz zu nehmen^^. Ausdrücklich

" Vgl. Amaru, Land 229: J o s e p h u s feared and despised the messianism of the Zealots". " Insgesamt zeichnet Josephus von Josua, ähnlich wie von anderen biblischen Heroen, vor allen Dingen das Bild eines guten Staatsmannes und Führers (vgl. Feldman, Joshua 351). " Παρέχειν = ,(dar)bieten, gewähren, verschaffen, liefern, zur Verfügung stellen, zukommen lassen, zuteil werden lassen, geben' (Rengstorf, Concordance Vol. III 319) kommt bei Josephus sehr häufig im Kontext von Verheißungen vor (15x), was wohl ebenfalls im Zusammenhang mit seinem Verständnis der Verheißung als vorsehendem Beistand gesehen werden muß. Man kann fragen, ob er bewußt einen Begriff mit solcher Bedeutungsbreite wählt, um dadurch die Art und Weise der Verheißungserfüllung und den Anteil menschlichen Handelns an ihr offen zu lassen. " 5,39 (Clementz 258): .Nicht aus Verwegenheit und Tollkühnheit haben wir uns zur Eroberung dieses Landes mit Waffengewalt angeschickt, sondern dein Diener Moyses hat uns dazu ermuntert, da du unter Wunderzeichen verheissen hattest [ôtà πολλών τεκμηρίων έποίγγέλλονί, du würdest uns den Besitz dieses Landes verschaffen und unser Heer stets die Feinde besiegen lassen". ^ 5,40 (Clementz 258): .Einiges ist ja auch nach deiner Verheissung [κατά τάς ύποσχέσειςΐ bereits eingetroffen. Nun aber erleiden wir unerwartet eine Niederlage ... weshalb wir an deinen Verheissungen und den Versprechungen des Moyses fast verzweifeln [ώς ού βέβαιων των πα:ρά σου και ώνπροείπε Μωυσής άχθόμεθα, wörtlich: als ob die von dir her und was Moses vorhergesagt hat nicht sicher seien]". Auffällig ist, wie hier (wie schon in 3,306) der von Josua berichtete Zweifel an der Zuverlässigkeit Gottes durch den ώς-Satz sofort selbst in Frage gestellt wird. In 8,110 verweist Salomo gegenüber dem Volk auf die bereits erfüllten Verheißungen. ™ 4,168: γήν ήν ... ό θεός παραδώσενν ύπεσχηται (Num 32,9: γήν, ήν εδωκεν; 32,11:... ήν ώμοσα). 5,37: πιστεύοντες γαρ ήδη της γης εγκρατείς είναι και σώον εξειν έν ταϊς μάχαις τον στρατόν, οΰτως του θεοϋ προϋπεσχημένου, τεθαρρηκότας παραδόξως έώρων τούς

Moses, Josua und das Volk - Verheißung von Beistand und H i l f e

133

heißt es sogar (als das Land erobert ist und er die zweieinhalb 1/2 Stämme in das Ostjordanland entläßt), daß Gott seinem Volk die Gabe dieses Besitzes für alle Zukunft bewahren wilF^.

4. David und Salomo - Verheißung von Herrschaft und Glück für die, die gerecht und tugendhaft leben^^ David gehört fraglos zu den wichtigen Figuren in den Antiquitates. Das zeigt bereits der große Umfang, den die Schilderungen von ihm einnehmen''''. Inhaltlich hat Josephus allerdings gerade im Bezug auf seine Gestalt größere Umgestaltungen vorgenommen, sehr viel mehr als bei Salomo^^. Beide werden einerseits entsprechend den hellenistischen Idealen der Leser des Josephus gezeichnet, D a vid in erster Linie als großer Held und König der Krieger, Salomo als Philosoph, Mann des Friedens und gerechter Führer''®. Andererseits bestimmt die dtr. G e schichtssicht des Josephus die Darstellung hier besonders deutlich mit''''. Basis für die an David ergehenden Verheißungen ist bei Josephus die sogenannte Nathansverheißung, an der er aber aufschlußreiche Änderungen vornimmt. So streicht er alle direkten, unkonditionierten Zusagen an David und auch an das Volk™. Weiter fügt er eine Begründung ein dafür, daß David der Tempelbau nicht gestattet wird. Er habe viele Kriege geführt und seine Hände mit Blut befleckt. Und schließlich wird Salomo von Josephus ausdrücklich mit Namen als der Sohn benannt, der nach David regieren und den Tempel erbauen soll. Ihm, so kündigt Gott dem David an, wird er wie ein Vater dem Sohn beistehen und für ihn sorgen und die Herrschaft seinen Nachkommen erhalten^'.

πολεμίους; 5,65: του θεοϋ ... ύποσχομένου τε νικήσειν τούς εχθρούς ... θαρσαλέος πράς τάς υποσχέσεις τού θεοϋ γενόμενος έξώρμησεν έπί τούς πολεμίους. Zur Verheißung des Sieges siehe auch unten S.140. Diese Verheißung ist wiederum eine Ergänzung gegenüber dem LXX-Text: JosAnt 5,93: ò θεάς ... γήν τε κτήσασθαι ταύτην εδωκε καΐ κτηθεΐσαν είς άπαν ήμετέραν φυλάξειν ύπέσχηται. In Jos 22,4 heißt es dagegen lediglich: νυν δέ κατέπαυσεν κύριος ό θεός ήμών τούς αδελφούς ήμών, öv τρόπον εϊπεν αύτοΐς. " Vgl. 7,93.153.295.337.373; 8,24.110.197. Insgesamt mehr als 30% von JosAnt 1-8,211 (dem Tod Salomos) berichten von David. Von daher gehört er neben Moses und Herodes zu den zentralen Charakteren (vgl. Bilde, Josephus 82). " Vgl. Feldman, Apologist 70. ™ Vgl. Bilde, Josephus 83.101. " Ihr entspricht es etwa, daß selbst Salomo, obwohl er der berühmteste und Gott wohlgefälligste König der Hebräer geworden war (vgl. 8,190), doch auch schließlich abfällt und sündigt, angestiftet von seinen heidnischen Frauen (s.u. S.135 zu 8,197). ™ 2Βασ 7,10: και θήσομαι τόπον τω λαω μου τω Ισραήλ και καταφυτεύσω αύτόν, και κατασκηνώσει καθ' εαυτόν και ού μεριμνήσει ούκέτι, και ού προσθήσει υιός αδικίας του ταπεινώσαι αύτόν. Vgl. Amaru, Land 227 Anm. 54. In 2Sam 7,8-16 sagt Gott dem David u.a. zu, ihm einen großen N a m e n zu machen, ihm Ruhe vor seinen Feinden zu geben, ihm ein Haus zu bauen, einen Nachkommen zu erwecken und sein Haus und Königtum ewig zu sichern. " 7,93: Σολομώνος, ού προστήσεσθαι και προνοήσειν ώς πατήρ υίοϋ κατεπηγγέλλετο.

134

III.с. Josephus' Antiquitates Judaicae

Daraufhin dankt David Gott i m Gebet für das, w a s er a n ihm getan und für das, was er im Bhck auf seine N a c h k o m m e n verheißen hat®". Zweimal verweist David selbst seinem Sohn und Nachfolger Salomo g e g e n über im Weiteren auf diese Verheißung - einmal, als er ihm den Auftrag zum Tempelbau gibt und dann auch, als er ihn gegenüber den Würdenträgern und Führern des Volkes zu seinem Nachfolger bestimmt®'. A u c h Gott selbst e r n e u ert und konkretisiert schließlich die Verheißung gegenüber Salomo. Indem er wie ein Vater für ihn sorgen wird, so der K e m aller vier Stellen, wird er Salomo selbst Reichtum, R u h m und Sieg in seinen Kriegen gewähren und ihm und seinen N a c h k o m m e n das Königtum für eine sehr lange Zeit bewahren®^. Darüber h i n aus wird solche bewahrte Herrschaft d e m Volk Glück, Gutes und Frieden bringen. Diese Verheißungen werden nun (darin folgt Josephus seiner Vorlage in der L X X ) ausdrücklich mit der Aufforderung verbunden, f r o m m und gerecht zu leben und die Gebote zu halten. Mehr noch: ihre Erfüllung kann a n die B e f o l gung der Weisungen gebunden werden®^. Dahinter steht ein theologisches K o n zept, das darauf abzielt, nicht a n Gottes Zuverlässigkeit zu zweifeln, w e n n die erfahrene WirkUchkeit den Verheißungen widerspricht, sondern sie als Strafe für gottloses Verhalten zu verstehen und anzunehmen. D i e Strafe hat dabei nie e n d gültigen Charakter®". Durch Sühne oder auch allein durch Gebet und B e k e n n t nis der Sünde vor Gott ist es möglich, daß neue Verheißungen gegeben bzw. die Verheißungen n e u wirksam werden. So bittet David, als sein Volk von einer

^ 7,95: ήρξατο ... εύχαρνατεϊν ... ώντε τοις έγγόνοις αύτοΰ καθυπέσχετο. " 7,337: οδ προνοήσειν μεν αύτός ώς πατήρ έπηγγέλλετο, την δ' 'Εβραίων χώραν εύδανμόνα καταστήσειν ... και ... ειρήνη; 7,373: εΰχομαν δή τάς ύποσχέσενς τού θεού παρελθείν είς τέλος καί τήν εύδαιμονίαν ταύτην ... ην αυτός έπηγγείλλατο παρέξειν επί Σολομώνος βασιλέως. Josephus folgt dabei, in umgekehrter Reihenfolge, der Ü b e r lieferung von IChr 28,1-10.11-21, so wie er auch sonst systematisch die Darstellungen von lSam-2Kön und l / 2 C h r kombiniert (vgl. Bilde, Josephus 82f). 8,24 (Clementz 471): .Über diese Bitte freute sich Gott so sehr, dass er ihm auch alles übrige, was er sich nicht gewünscht, verhiess [δώσειν έπηγγείλοηο], Reichtum, Ruhm, Sieg über die Feinde und vor allem Weisheit und Erfahrung ... Auch versprach er ihm [ύπισχνείτο], er werde seinen Nachkommen die Königsherrschaft erhalten, wenn er in Gerechtigkeit und Gehorsam verharre'. Gegenüber IKön 3,12 (2Chr l , l l f ) ergänzt Josephus nicht nur den Sieg, sondern auch die Bewahrung des Königtums f ü r eine sehr lange Zeit (vgl. Amaru, Land 228 Anm. 54). Bemerkenswert ist, daß er die Zusage der ewigen Bewahrung (εως αιώνος , vgl. 2Sam 7,13 u.ö) damit abschwächt, anders als bei der Landverheißung, von der es - bei aller Modifikation zweimal ausdrücklich heißt, sie gelte für immer (4,115: αίεί; 5,93: είς απαν ήμετέραν; dahinter steht o f f e n b a r eine Weiterbildung der Landverheißung, wie sie z.B. schon in Jes 60,21 ihren Niederschlag gefunden hat; s. weiter S.138). Das Weiterbestehen der davidischen Dynastie auch nach Salomo wird an zwei Stellen ebenfalls ausdrücklich mit der Nathansverheißung begründet, hier mit dem für die Verheißung nur selten gebrauchten Ausdruck ομολογία (8,207: τήν προς Δαυίδην γεγενημένην άμολογίαν; vgl. 9,96; zu ομολογία im Sinne von Verheißung s.o. Kap.II Апт.4б). " 7,338: ευσεβής ών καί δίκαιος καί ανδρείος, καί τάς έντολάς αύτοΰ καί τούς νόμους ... φύλαττε; 7,374: αν ευσεβή καί δίκαιον σαυτόν καί φύλακα των πατρίων παρέχης νόμων; 8,24: αν δίκαιός τε ών διαμένη καί πειθόμενος αύτώ καί ... άριστος; Vgl. auch 6,21, s.u.S.140. " Vgl. auch 7,93: wenn David sündigt, soll das nur durch Krankheit oder U n fruchtbarkeit des Bodens geahndet werden.

David und Salomo - Verheißung von Herrschaft und Glück

135

Hungersnot heimgesucht wird, Gott darum, ihm den Grund für die Strafe und die Mittel zu ihrer Behebung zu zeigen. Daraufhin verheißt Gott, sich mit dem Volk zu versöhnen und es von den Übeln zu befreien®^, wenn die durch Saul gegen Recht und Gerechtigkeit getöteten Gibeoniter gerächt würden. Und als Gott durch den Propheten Nathan David selbst schwere Strafen ankündigt (weil er die Frau Urias geheiratet hat und den Uria hinterlistig hat töten lassen), bekennt der unter Wehklagen seine Sünde, und Gott erbarmt sich und verheißt, ihm Leben und Herrschaft zu bewahren®®. Die Zuverlässigkeit der Verheißungen wird vor allem jedoch positiv betont. Bei der Einweihung des Tempels fordert Salomo das Volk auf (wie schon Moses und Josua®''), nicht an dem zu zweifeln, was Gott ihnen zu ihrem Glück verheißen habe, da doch vieles von dem, was er dem David vorhergesagt habe, bereits geschehen sei®. Die ergangene Verheißung selbst bewirkt sogar, daß eine Strafe nicht voll wirksam wird, zB. wenn aufgrund der Verheißung an David Salomos Leben und seine Herrschaft noch bewahrt werden®', obwohl er, den Josephus ausdrücklich als den berühmtesten und Gott wohlgefälligsten König der Hebräer bezeichnet'", schHeßlich auch von Gott abfällt^^.

"

7,295: διαλλαγήσεσθαι καΙ τον οχλον ά π α λ λ ά ξ ε ι ν των κακών έπηγγέλλετο. 7,153: ωκτειρεν à θεός και διαλλάττεται, φυλάξειν αύτω κοί τήν ^ωήν και την β α σ ι λ ε ί α ν έπαγγειλάμενος. Ausdrücklich betont Josephus, daß dies die einzige Sünde gewesen sei, die David in seinem ansonsten frommen Leben begangen habe (vgl. 7,153). ·' Vgl. 2,331 (s.o. Anm.55); 5,40 (s.o. Anm.69). " 8,109f: άποβέβηκεν ήδη τά π ο λ λ ά ... καν περί μηδενός άπογινώσκειν ώνύπέσχηται προς εύδαψονίαν. Bemerkenswert ist, daß es IKön 8,15 heißt ός έ λ ά λ η σ ε ν έν τφ στόματι αυτού ... και έν ταίς χερσίν αύτοΰ έπλήρωσεν (vgl. auch 8,24; 2Chr 6,4.15; πληρούν von Gottes Wort darüber hinaus nur noch in IKön 2,27; 2Chr 36,21.22), Josephus j e doch πληρούν hier vermeidet. " 8,197 (Clementz 503): .Es erschien auch ein von Gott gesandter Seher, der ihm verkündigte, dass ... er sich seiner Thaten nicht lange mehr erfreuen werde. Zwar solle ihm die Herrschaft nicht bei Lebzeiten entrissen werden, da Gott seinem Vater David verheissen habe [ύπέσχετοί ihn zu seinem Nachfolger zu machen'. Erst sein Sohn wird König nur noch über zwei der zwölf Stämme sein. 8,190: γενόμενος δέ πάντων βασιλέων ένδοξότατος και θεοφιλέστατος. " J o s e p h u s ' Solomon ... is the typical righteous ruler who in the end changed into a tyrannos under the permicious influence of his foreign wives" (Feldman, J o s e phus Revisted 802).

136

т . е . Josephus' Antiquitates Judaicae

5. Zusammenfassung Josephus bedient sich der Rede vom verheißenden Gottes vor allem in Zusammenfassungen seiner Vorlage, Ergänzungen und von ihm gestalteten Reden. Er tut dies in einer inhaltlichen Breite (von Noah bis Josaphat) und Häufigkeit, die sonst in keiner frühjüdischen Schrift begegnet. Offenbar kannte er recht breitgestreute Traditionen innerhalb des Judentums, auf die er zurückgreifen konnte. Diese hat er aufgenommen und weiterentwickelt, in sein theologisches Konzept des vorsehenden Gottes integriert und so dem Anliegen seiner Schrift dienstbar gemacht. Dabei bleibt sein Sprachgebrauch relativ offen und flexibeF. a. Gottes

Vorsehung und Fürsorge

Immer wieder hat sich bisher bestätigt, daß der Gedanke der Vorsehung Gottes für Josephus das zentrale theologische Deutungsmuster der Geschichte ist, nicht nur der Geschichte seines Volkes, sondern der Geschichte insgesamt®^. Πρόνονο:, wie auch das Verb προνοέω, begegnen sehr häufig in seinen Schriften, auch in De bello ludaico, der Vita und der Apologie^'*. Josephus übernimmt den Begriff aus der stoischen Philosophie. Er gebraucht ihn jedoch, wie das hellenistische Judentum insgesamt, f ü r den »terminologisch nicht fest umrissenen jüd Gedankenkreis''^ der Vorsehung Gottes. Die Bedeutung ist also stark biblisch und jüdisch beeinflußt'®. Gerade im Blick auf diesen zweiten Aspekt ist sein Verständnis des Begriffs offensichtlich nicht allein von der hellenistischen Vorstellung, sondern daneben ebenso von dem biblischen Motiv des ,Mit-Seins" Gottes bestimmt'^. Als theologischer Leitgedanke beeinflußt dieses Motiv auch das Verständnis der Verheißungen.

Der Gedanke der Vorsehung verbindet das Vorherwissen (und Vorhersagen) Gottes mit seiner beistehenden Fürsorge und zwar sowohl für den Einzelnen'^ als auch für das Volk insgesamt. Die Fürsorge giU den Frommen und Gerechten, während die, die die Gebote und damit den Weg der Tugend verlassen, bestraft Vgl. nur den synonymen Gebrauch von επαγγέλλομαι κτλ. und ύπνσχνέομαι κτλ. im Vergleich zu Philo, der fast nur ύπισχνέομαι κτλ. und dem Neuen Testament, das ausschließlich ε π α γ γ ε λ ί α κτλ. verwendet. Weiter auch die z.T. sonst f ü r Verheißung nicht belegten Derivate κατεπαγγέλλω, καθυπισχνέομαι und προϋπισχνέομαι. " Attridge (in: Stone, Writings 218) spricht vom „fundamental theological theme* und .dominant interpretative motif, replacing such important themes in Josephus' sources as election and covenant"; vgl. auch Bilde, Josephus 186: .According to Josephus, the first and most important point in the Jewish concept of the Divine is faith in God's providence and guidance'. JosBel: προνοέω 9x; πρόνοια 24x; JosAnt: προνοέω 69x; πρόνοια 121x; JosVita προνοέω 6x; πρόνοια 12x; JosAp: προνοέω 5x; πρόνοια 3x. « Behm, T h W N T IV 1009. « Vgl. Bilde, Josephus 186; vgl. auch oben S.123f. " Zu diesem Motiv s.o. S.129. " Vgl. z.B. Abimelech und Hagar.

G o t t e s V o r s e h u n g und F ü r s o r g e

137

werden. Hieran zeigt sich, daß Josephus in der deuteronomistischen und chronistischen Tradition wurzelt'', deren Geschichtstheologie er allerdings durch die Aufnahme des griechischen Begriffs πρόνοια auf spezifische Weise verändert. Durch die Verbindung beider (des griechischen Begriffs und der biblischen T r a dition) ist es ihm möglich, die jüngste Krise seines Volkes, die Niederlage im Krieg gegen die Römer und die Tempelzerstörung, zu bewältigen, indem er sie (wie andere frühjüdische Schriften der Zeit es ähnlich tun) als Strafe für den A b fall von Gott deutet^"". Gleichzeitig gelingt es ihm damit, seinen heidnischen Lesern verständlich zu machen: die Geschichte des jüdischen Volkes steht unter der gnädigen Führung des Göttlichen (des alles vorhersehenden Gottes der Welt'"') und wird deshalb auch eine gute Zukunft haben. Daneben will die so erzählte Geschichte auch als „Paradigmensammlung"!"^ zur Tugend anleiten. Denn für Josephus ist Gottes Gesetz und Gerechtigkeit nicht etwas allein für sein Volk Spezifisches, sondern universal gültig. Deshalb geht es ihm für seine heidnischen Leser nicht nur um Apologie, sondern zugleich auch um den universalen Anspruch seines Gottes, der als Gott Israels zugleich Herr der Geschichte ist. b. Verheißungen

für Gottes

Volk und für alle

Menschen

Der vorhersehende Gott ist für Josephus kein gleichgültiger Gott oder ein Schicksalsgott, sondern er ist wesensmäßig ein verheißender Gott^°^. Umgekehrt folgt aus dem universalen Anspruch und dem Verständnis des verheißenden als des vorsehenden Gottes, daß Josephus den Inhalt der Verheißungen an entscheidenden Stellen der Erzählung bewußt ganz allgemein faßt. Abraham und Isaak werden Güter und glückliches Leben zugesagt, ebenso erhofft sich das Volk am Sinai von Gottes Verheißungen Güter und gutes Leben. Und als Folge der Nathansverheißung erwartet es Glück und Gutes und Frieden. Die Benennung der Heilsgüter als ευδαιμονία und ειρήνη entspricht dabei dem, was dem hellenistischen Leser von Thukydides, Xenophon und Lysias her und auch aus der stoischen Philosophie geläufig war^^^. V g l . A t t r i d g e , in: Stone, W r i t i n g s 218: . T h e f u n d a m e n t a l t h e o l o g i c a l t h e m e of the A n t i q u i t i e s , that history is a record of d i v i n e p r o v i d e n c e at work r e w a r d i n g the g o o d and p u n i s h i n g the w i c k e d , i n d i c a t e s the roots of J o s e p h u s in the biblical h i s t o riography of the D e u t e r o n o m i s t and the Chronicler, but it is w o r k e d out in a d i s t i n c i tive way". J o s e p h u s f o u n d the most d e e p l y rooted r e a s o n s f o r the War and the fall of J e r u s a l e m in the d i s s e n s i o n w i t h i n the J e w i s h p e o p l e . H e attributes this d i s s e n s i o n to the sin and the t r a n s g r e s s i o n of the law" ( B i l d e , J o s e p h u s 182); vgl. a u c h Schlatter, T h e o l o g i e 33. "" D a s a l l g e m e i n e τό θείον ersetzt bei J o s e p h u s h ä u f i g e r ó θεός, . o h n e d a ß er d a durch d i e p e r s ö n l i c h e F o r m u n g des G o t t e s g e d a n k e n s v e r n e i n e n wollte" (Schlatter, T h e o l o g i e 24). Mayer, T R E 18 262. 10' V g l . d i e h ä u f i g e n p a r t i z i p i a l e n B e s t i m m u n g e n : Θεός ύ π ι σ χ ν ο ύ μ ε ν ο ς (1,103; 2,170.272; 3,306; 5,37.65; 7,153 [ έ π α γ γ ε ι λ ά μ ε ν ο ς ] ) ; θεάς προνοούμενος (2,280; 4,194; 7,65; 10,242; 14,327; V i t a 301). Ευδαιμονία:

1,236; 2,275; 7 , 3 3 7 . 3 7 3 ; 8 , 1 1 0 ( . I m B l i c k

auf

das Ziel

des

138

ΠΙ.с. Josephus' Antiquitates Judaicae

Ähnliches gñt auch für das allgemeine άγαθά^"'. Die Wahl dieser allgemeinen Begriffe entspricht der Geltung der Verheißungen für jedes gute (dJh. fromme und gerechte) Leben^·'®. Die universale Geltung der Verheißungen wird durch die programmatische Zusage an Noah, nicht mehr so hart zu strafen und auch durch die Verheißungen an Abimelech und Hagar bestätigt^''^. Sozusagen als Kehrseite gehört es zu der Universalisierung vieler Verheißungen, daß Josephus den Begriff des .Bundes' nirgends benutzt und auch die entsprechenden Überlieferungen verändert bzw. ganz ausläßt^"®. „Aber alles, was der Bund für den bedeutet, der ihn stiftet, das ... βοηθείν, προιστάσθαι ... sagt J. reichlich von Gott aus"^°'. Ein ähnlicher, wenn auch nicht so eindeutiger, Befund ergibt sich im Blick auf die in der dtr. Tradition ebenfalls zentrale und z.T. mit dem Bundesgedanken verbundene Landverheißung. Einerseits wird aus der ausdrücklichen Landverheißung - die ja einen dauerhaften Anspruch auf dieses Land implizieren würde zumeist eine Vorhersage der Eroberung und Inbesitznahmeii". Andererseits übernimmt Josephus die Formel vom verheißenen Land doch auch mehrfach^4. Er ergänzt sogar zweimal die Verheißung des Landbesitzes gegenüber der biblischen Tradition und zweimal weitet er sie aus, indem er vom Besitz des Landes für immer spricht^^^. Doch gerade in diesem Zusammenhang wird deutUch, daß Josephus letztlich auch das Motiv des Landes universalisiert. Hier g ö t t l i c h e n W i r k e n s k a n n t e J . kein S c h w a n k e n : Gott b e r e i t e t dem M e n s c h e n das G l ü c k · , Schlatter, T h e o l o g i e 28); ειρήνη: 7,337; vgl. F e l d m a n , A p o l o g i s t 89. «" Vgl. 1,236.272; 3,77. "" 6,21: αγαθούς ε ί ν α ι και δικαίους (vgl. auch 7,389; 9,133). Diese zwei G e s t a l t e n w e r d e n sonst nicht a u s d r ü c k l i c h als V e r h e i ß u n g s e m p fänger genannt. Der Begriff διαθήκη, der bei J o s e p h u s insgesamt 32x v o r k o m m t , b e d e u t e t ,wohl weil er f ü r N i c h t j u d e n , f ü r R ö m e r und v o r n e h m l i c h f ü r G r i e c h e n , schrieb" an allen Stellen e n t s p r e c h e n d dem g e m e i n g r i e c h i s c h e n S p r a c h g e b r a u c h . T e s t a m e n t ' (Kutsch, T R E 7 404). Z u r A u s l a s s u n g der e n t s p r e c h e n d e n Ü b e r l i e f e r u n g e n vgl. A m a ru. L a n d 205; zu N o a h (1.103) s.o. Anm.23; zu A b r a h a m (1.191) s.o. S.126; e b e n s o wird vom B u n d e s s c h l u ß am Sinai nichts b e r i c h t e t und bleibt die B u n d e s l a d e beim D u r c h zug d u r c h den J o r d a n ausgelassen (5,16). . J o s e p h u s ' aim is to t r a n s p o s e or even to e v a c u a t e completely t h e biblical d o c t r i n e of t h e c o v e n a n t " (Paul, A n t i q u i t i e s 474). Schlatter, T h e o l o g i e 50. So bittet Isaak Gott, seine V e r h e i ß u n g g n ä d i g e n Schutzes zu b e k r ä f t i g e n ; Moses am b r e n n e n d e n D o r n b u s c h wird G o t t e s Beistand v e r h e i ß e n , und er e r m a h n t das V o l k , auf G o t t e s H i l f e und U n t e r s t ü t z u n g zu h o f f e n (2,331); βοηθεϊν im K o n t e x t von V e r h e i ß u n g auch in 1,272; 3,306. . U n t e r d e n W o r t e n , die G o t t e s W o h l t u n b e z e i c h n e n , ist βοηθεϊν. βοήθεια, βοηθός die h ä u f i g s t e G r u p p e " (Schlatter. S c h r i f t e n 126). 1.191; 1.236; F r a n x m a n . G e n e s i s 127: ,a g e n e r a l t e n d e n c y ... to c h a n g e t h e divine gift of t h e promised l a n d into a divine prediction of its f u t u r e conquest". Z u r F o r m e l τήν γήν, ην ώμοσα, die stereotyp vor allem im d t n . / d t r . S c h r i f t t u m b e g e g n e t , s.o. Kap.II Anm.39; bei J o s A n t f i n d e t sich την γήν, ην ύ π έ σ χ η μ α ι in 2,175 (s.o. Anm.41); 4,5.168 (s.o. Anm.70); vgl. a u c h 5,39.93. E r g ä n z t wird die L a n d v e r h e i ß u n g in 1,236 (s.o. A n m . 3 4 ) u n d 2,170.175 (s.o. Anm.40.41); a u s g e w e i t e t wird sie in 5,93 ( ά π α ν ήμετέραν, s.o. A n m . 7 2 ) u n d 4,115 ( γ ή ν τε ούν έφ' ην ύμάς αύτός ε σ τ ε ι λ ε καθέξετε δουλεύσουσαν α ί ε ί π α ι σ ί ν ύμετέροις). D a b e i ist das .für i m m e r ' hier (vgl. Sf· 36,18.29; J e s 60,21) zu s e h e n vor dem H i n t e r g r u n d der i m m e r w ä h r e n d e n F ü r s o r g e des v o r s e h e n d e n G o t t e s (vgl. A m a r u . L a n d 217).

V e r h e i ß u n g e n für G o t t e s Volk u n d für alle M e n s c h e n

139

wird nämlich die Zusage des Landbesitzes ausgeweitet: den Nachkommen werden alle Länder als Wohnsitz dienen, da ihre Zahl so groß werden wird, daß sie überall wohneni". Die Verheißung der großen Nachkommenschaft, die Josephus an dieser Stelle aus Num 23,10 übernimmt, ist in den Antiquitates bereits in den Vätergeschichten wichtiger als das Thema des Landes""*. Hier wirkt sich offenbar die Erfahrung der Diaspora aus, aus der und für die Josephus in Rom schreibt. Die Rede des heidnischen Sehers Balaam (4,114^,130), die Josephus sorgfältig und mit großer Freiheit gegenüber der biblischen Vorlage gestahet, gehört offensichtlich zu den für das Verständnis der Antiquitates zentralen Stücken'^'. In Balaams Ankündigung"® über das Ergehen der Hebräer finden sich dann auch fast alle wichtigen Heilsgüter, die Gott Israel nach Josephus im Laufe der Zeit verheißt: Reichtum, die Hilfe Gottes in allem, das Bewohnen des Landes, eine reiche Nachkommenschaft, alle Güter im Frieden und im Krieg der Sieg (4,116). Dies vielschichtige Bild zeigt: die Eliminierung des Bundesgedankens und die Verminderung des Gewichts der Landverheißung zugunsten der Mehrungsverheißung bedeuten nicht, daß Josephus unpatriotisch oder antinationalistisch wäre. Er fügt ja an einer Reihe von Stellen das Thema des Landbesitzes in seine Vorlage ein, offenkundig ohne Rücksicht darauf, daß dies manche heidnischen Leser irritieren könnte"^. Doch umgekehrt bedeutet die Tatsache, daß er vom immer andauernden Landbesitz spricht, nicht, daß das Land für ihn Herzstück des jüdi-

4,115: εκάστη γ ή των άφ' υμετέρου γένους οΙκήτορας (vgl. auch Philo Flac. 45f). Das d r e h t die A u s s a g e von N u m 23,9 g e r a d e z u um, wo es a u s d r ü c k l i c h heißt: ίδού λαάς μόνος κοίτοικήσει και έν εθνεσιν ού σ υ λ λ ο γ ι σ θ ή σ ε τ α ι . Der U n i v e r s a l i s i e r u n g bei J o s e p h u s e n t s p r i c h t der auch hier f e s t z u s t e l l e n d e W o r t g e b r a u c h , der γ ή d u r c h g e h e n d b e n u t z t , sowohl speziell f ü r K a n a a n als auch allgemein f ü r L ä n d e r oder die E r d e insgesamt (vgl. A m a r u , L a n d 212). Schon Philo e r k l ä r t die D i a s p o r a s i t u a t i o n als Folge der g r o ß e n Z a h l des V o l k e s Israel (vgl. Möller, T r a d i t i o n 109), u n d bei ihm spielt das L a n d noch w e n i g e r eine w e s e n t l i c h e Rolle (s.o. S . l l S f ) . Vgl. A m a r u , L a n d 211. J o s e p h u s g e b r a u c h t B a l a a m (wie auch den P r o p h e t e n D a n i e l ) ,as the c e n t r a l spokesmen f o r his own eschatology" ( A m a r u , L a n d 224). E r legt in dieser R e d e g r o ßen W e r t d a r a u f , d a ß B a l a a m s P r o p h e z e i u n g e n bis in seine T a g e e i n g e t r o f f e n sind, was den S c h l u ß zulasse, d a ß sich seine W e i s s a g u n g e n auch k ü n f t i g e r f ü l l e n w e r d e n (vgl. 4,125); J o n g e , J o s e p h u s 208 stellt fest: . D a ß ein p r o p h e t i s c h b e g a b t e r M e n s c h a u f g r u n d dessen, d a ß seine W o r t e schon einmal e i n g e t r o f f e n sind, v e r t r a u e n s w ü r d i g erscheint, wird in den A n t i q u i t a t e s h ä u f i g betont* (vgl. auch A m a r u , L a n d 225). In einem p a r a l l e l e n G e d a n k e n g a n g schließen Moses, J o s u a und Salomo aus bisher schon e r f ü l l t e n V e r h e i ß u n g e n auf die Z u v e r l ä s s i g k e i t G o t t e s und die E r f ü l l u n g noch a u s s t e h e n d e r V e r h e i ß u n g e n (s.o. S.135). Der G e d a n k e e n t s p r i c h t d e m , w a s J o s e p h u s .in Dtn 18,22, in der d e u t e r o n o m i s t i s c h e n G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g und in den K ö n i g s b ü chern las" ( J o n g e , J o s e p h u s 207f). Es wird kein Z u f a l l sein, d a ß J o s e p h u s bei den W o r t e n des h e i d n i s c h e n Sehers nicht von V e r h e i ß u n g , s o n d e r n von άποιγγελία (4,122) spricht. Vgl. A m a r u , L a n d 213.229; man wird von d a h e r k a u m von e i n e r F u r c h t des J o s e p h u s s p r e c h e n k ö n n e n , d u r c h die E r w ä h n u n g eines i m m e r w ä h r e n d e n A n s p r u c h s auf das L a n d , das die R ö m e r besetzt h a l t e n , seine Leser zu v e r ä r g e r n (gegen F r a n x m a n , G e n e s i s 288, der hier, weil er nur die A u f n a h m e der G e n e s i s t r a d i t i o n b e a r b e i t e t , zu kurz g r e i f t ) .

140

т . е . Josephus' Antiquitates Judaicae

sehen Lebens wäre. Die Landverheißung wird vielmehr universalisiert und eingebettet in die Erwartung zukünftiger Größe und Zahl seines Volkes'^®. Ein Volk, das ein Mutterland hat, dessen Zahl aber unter Gottes Beistand und Führung so groß werden wird, daß es alle Länder bewohnt - das ist die Hoffnung, die Josephus den Lesern der Antiquitates nahebringen will. Er konstruiert bzw. rekonstruiert damit aus den biblischen Traditionen einen Bezugsrahmen für das jüdische Leben in der Diaspora der hellenistischen Welt^''. Das Bild wird bestätigt durch einen abschließenden Blick auf die vielfache Verheißung des Sieges^^°. Es gehört zur Hoffnung des Josephus, daß Gott auch in Zukunft sein Volk nicht im Stich lassen und es zu neuer Größe führen wird ohne daß er daraus konkrete politische Folgerungen für seine Zeit ziehen würde. An diesem Punkt steht er im Gegensatz zu anderen Gruppen seines Volkes, etwa den Zeloten. Ihnen gegenüber betont er, daß es nicht zum Erfolg führt, wenn man (wie einst Israel in der Wüste) auf eigene Faust in den Krieg zieht'^i. Man kann die Erfüllung der Verheißungen, auch der des Sieges, nur von Gott erhoffen, sich seiner gnädigen Fürsorge anvertrauen und ihr entsprechend leben. Programmatisch läßt Josephus dies Samuel sagen, in einer Rede an das ganze Volk^^^: die Befreiung aus der Knechtschaft und der Sieg über die Feinde wird nicht mit Waffengewalt und Stärke gelingen, sondern Gott hat sie allein den Guten und Gerechten verheißen (6,21). Josephus läßt Samuel dafür bürgen, daß diese Verheißungen in nicht zu ferner Zukunft in Erfüllung gehen werden^^. Er möchte das feste Vertrauen darauf auch in seiner Zeit stärken'^'^.

"" ,J. verband Gott nicht mit dem Land, sondern mit dem Volk, und sah nicht im Boden, sondern in den Menschen Gottes Eigentum' (Schlatter, Theologie 46); vgl. auch Amaru, Land 208. Es ist auch bezeichnend, daß er eben solche Landverheißung nicht mit der Bundestheologie und auch nicht mit der Gesetzgebung verknüpft, sondern sie mit Balaam jemandem in den Mund legt, der gekommen ist um das Volk zu verfluchen (vgl. Amaru, Land 227). Vgl. Amaru, Land 228f; ,For Josephus the problem is not covenant per se but a covenanted people limited to a covenanted land. ... his commitment is to a diaspora coexisting with a homeland. H e builds this idea into his history of the patriarchs by strengthening the promises to great peoplehood and weakening the covenanted land promise" (ebd. 211). ™ Der Sieg über die Feinde im Krieg ist, zumindest zahlenmäßig, bei Josephus ein zentraler Verheißungsinhalt. Nicht nur Josua wird er mehrmals verheißen, sondern in der Richterzeit ebenso dem Volk insgesamt und Gideon und später den Königen Salomo, Ahab und Josaphat; Josua: 5,37.65 (s.o. Anm.71).; dem Volk: 5,159; Gideon: 5,214; Salomo: 8,24 (s.o. Anm.82); Ahab: 8,373; Josaphat: 9,10. Vgl. oben S.131f. Josephus macht hier aus dem Ruf Samuels zur Bekehrung von den fremden Göttern (ISam 7,3) eine Rede über die Freiheit, die durch das Tun von Gerechtigkeit erlangt wird. 6,21: έγγυήτης δέ αύτοϋ των υποσχέσεων έγώ γίνομαι. "" Vgl. Bilde, Josephus 227: „The fulfilment of the prophecies would not occur in the present, but at a time in the not-too-distant future.'

V e r t r a u e n auf Gott und f r o m m e s und g e r e c h t e s L e b e n

c. Vertrauen auf Gott und frommes und gerechtes

141

Leben

„Zweierlei fordert Gott vom Menschen, für sich seine Ehrung und für den M e n schen die Gerechtigkeit, ευσέβεια und δικαιοσύνη ... Damit hat J. den pharisäischen Standpunkt energisch vertreten" Zur Ehrung Gottes und darüber hinaus auch allgemein zu einem vernünftigen Verhalten gehört es für Josephus, an der Zuverlässigkeit der Verheißungen nicht zu zweifeln, sondern fest auf Gott zu vertrauen. Zumindest an zwei Stellen formuliert er Zweifel, von denen seine Vorlage berichtet, so um, daß bereits dadurch deutlich wird: er hält es für töricht, an Gottes Zuveriässigkeit zu zweifeln'^'". Dem festen Vertrauen entspricht das Gebet. Wie schon in den bisher behandelten frühjüdischen Schriften gibt es auch bei Josephus einen engen Zusammenhang zwischen Gebet und Verheißung. Er übernimmt Gebete aus der biblischen Tradition, gestaltet sie zum Teil zu längeren Reden aus oder fügt sie ganz neu ein'^'. Dabei wird Gott an seine Verheißungen erinnert und darum gebeten, sie zu bestätigen und zu erneuern, häufiger noch wird das Gebet erhört, indem Gott eine neue Verheißung gibt, die Not behebt, die Strafe einschränkt. Die Erfüllung der Verheißungen an Salomo wird ausdrücklich an die Bedingung eines frommen, guten und gerechten Lebens und an die Befolgung des G e setzes geknüpft!^. Dies entspricht der dtr. Tradition, in der seine Theologie z.T. wurzelt. Es entspricht auch der in seiner Zeit weit verbreiteten pharisäischen Tradition. Man kann fragen, warum diese Verknüpfung nicht häufiger und f r ü her, z.B. bereits in den Patriarchengeschichten, begegnet. Dabei drängt sich der Eindruck auf, daß es Josephus hier vor allem darum geht verständlich zu machen, warum die Salomo gegebenen Verheißungen - Herrschaft für seine Nachkommen und Reichtum für das Volk - zu seiner Zeit so offensichtlich weit weg von jeder Verwirklichung sind. Wo er zuvor von Verheißung spricht, will er dagegen vor allem das Vertrauen in Gottes Zuverlässigkeit einschärfen und die Hoffnung auf die Zukunft seines Volkes stärken.

Schlatter, T h e o l o g i e 37; er w e i s t in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g auf d i e P a r a l l e l e zum d o p p e l t e n L i e b e s g e b o t im N T hin. V g l . die ώ ς - S ä t z e in 3,306 (s.o. A n m . 6 0 ) u n d 5,40 (s.o. A n m . 6 9 ) . A u s d r ü c k l i c h sagt M o s e s in e i n e r R e d e an das V o l k , d a ß es töricht w ä r e , an G o t t e s V o r s e h u n g zu z w e i f e l n (2,331, s.o. A n m . 5 5 ) . Z u m Z w e i f e l an Gott bei P h i l o s.o. S.107 u.ö. So hält N o a h Fürbitte für die M e n s c h e n , Isaaks S e g e n für J a k o b erhält d i e Form d e s G e b e t e s , M o s e s bittet in der W ü s t e um H i l f e für s e i n b e d r ä n g t e s V o l k , e b e n s o J o s u a bei der L a n d n a h m e . D a v i d betet, als das V o l k u n d auch, als er selbst g e s ü n d i g t hat und sie unter der S t r a f e l e i d e n . S o w o h l in 7,373 als auch in 8,24 f o l g t auf die V e r h e i ß u n g e n ein B e d i n g u n g s satz mit üv.

D. Apokalyptische Schriften: 4Esr imd syrBar Zur Apokalyptik: Welches Phänomen mit dem Kunstwort Apokalyptik beschrieben werden soll, ist bis heute umstritten. Einige Definitionsversuche konzentrieren sich auf formgeschichtliche Aspekte, während andere inhaltUche Fragen zum Ausgangspunkt wählen^. Insgesamt wird man allerdings bei der Erklärung des Phänomens Apokalyptik Form und Inhalt nicht auseinanderreißen dürfen. Sinnvoll erscheint es, grob zwischen „apocalypticism"/„apocalyptic" als „a pattern of thought, primarily eschatological in character" und „apocalypse" als „а literary genre with certain distinctive characteristics" zu unterscheiden^. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß bestimmte .apokalyptische' Motive auch unabhängig von der literarischen Gattung Apokalypse begegnen^ (und dementsprechend z.T. in den bereits behandelten Schriften zu finden sind") und umgekehrt die Apokalypsen häufiger auch nichtapokalyptisches Material umfassen. In diesem Kapitel werden die zur literarischen Gattung Apokalypse zählenden Schriften 4Esr und syrBar untersucht. Dabei werden einige weitere Apokalypsen, in denen Verheißung jeweils nur an einer Stelle begegnet (ApkEsr 3,10; ApkSedr 16,4; Aseles 8,22; äthHen 25,7), nicht einzeln behandelt, sondern als sachliche Parallelen jeweils der Darstellung zugeordnet'.

' F o r m g e s c h i c h t l i c h e A s p e k t e stehen z.B. bei V i e l h a u e r , G e s c h i c h t e 486ff, sowie d e r s . / S t r e c k e r , in: S c h n e e m e l c h e r , A p o k r y p h e n II 491-497 im V o r d e r g r u n d . I n h a l t l i che M o m e n t e b e t o n t etwa Schmithals, E s c h a t o l o g i e 65 ( ä h n l i c h V o l l e n w e i d e r , Z e i t 100). Sanders, G e n r e 456 sieht das h e r a u s r a g e n d e K e n n z e i c h e n der A p o k a l y p s e n des p a l ä s t i n i s c h e n J u d e n t u m s in einer . c o m b i n a t i o n of r e v e l a t i o n with t h e p r o m i s e of the v i n d i c a t i o n or r e d e m p t i o n of a g r o u p ' . F ü r M a i e r , Z w i s c h e n 125 ist „ A p o k a l y p t i k ' ... das l i t e r a r i s c h e Symptom einer Krise des auf d e u t e r o n o m i s c h e r Basis und in W e i terführung prophetischer Weissagungsdeutung gewachsenen, eschatologischen Geschichtsbildes* (vgl. weiter zur A p o k a l y p t i k ebd. 263-266). ^ Stone, in: Stone, Writings 392-394. E i n e etwas w e i t e r g e h e n d e U n t e r s c h e i d u n g zwischen Motiven, G a t t u n g e n u n d soziologischen B e w e g u n g e n schlägt Beker, Sieg 36 vor (vgl. auch die E i n t e i l u n g bei H e l l h o l m , A p o c a l y p t i c i s m ) . Die g e n a u e r e E r f a s s u n g b e s t i m m t e r soziologischer B e w e g u n g e n ist zwar im K o n t e x t des w e i t v e r b r e i t e t e n P h ä n o m e n s A p o k a l y p t i k mit vielen U n s i c h e r h e i t e n belastet. D e n n o c h e r s c h e i n t es a u c h nicht als sinnvolle Lösung, angesichts der Schwierigkeiten bei der N ä h e r b e s t i m m u n g ü b e r h a u p t auf den Begriff der A p o k a l y p t i k zu v e r z i c h t e n (Steck, Israel 193). ' A l s solche Motive des .apocalypticism" k ö n n e n b e s c h r i e b e n w e r d e n : , t h e a c u te e x p e c t a t i o n of the f u l f i l l m e n t of divine promises; cosmic c a t a s t r o p h e ; a r e l a t o n s h i p b e t w e e n t h e t i m e of the end a n d p r e c e d i n g h u m a n and cosmic history; angelology a n d d e m o n o l o g y ; salvation beyond c a t a s t r o p h e ; salvation p r o c e e d i n g f r o m G o d ; a f u t u r e saviour f i g u r e with royal c h a r a c t e r i s t i c s ; a f u t u r e state c h a r a c t e r i z e d by the c a t c h w o r d .Glory'. A l l these f e a t u r e s b e a r u p o n eschatology" (Stone, in: Stone, W r i t i n g s 393). " Vgl. Test XII; T e s t A b r ; J u b ; Sib. ' Bereits bei der D a r s t e l l u n g des L i b A n t w u r d e n A s s M o s 12,3 (s.o. S.95); A p k E l 22,5 (s.o. K a p . I I L A Anm.156) u n d A p k M o s 41 (s.o. S.98) a n g e f ü h r t .

Die S c h r i f t e n

143

Die Schriften: 4Esr ist vermutlich um 100 n.Chr. entstanden®. Die Schrift ist im wesentlichen als einheitlicher theologischer Entwurf anzusehen^, der in 7 Visionen die Überwindung einer Position der Skepsis durch eine «deuteronomistisch interpretierte Äonenlehre"® vorführt. Wichtig ist es zu sehen, daß die Position des Verfassers der Schrift zunächst nicht identisch ist mit den Klagen und Äußerungen Esras. In visio 1-3 entsprechen vielmehr Esras Klagen und Fragen den Anfragen der Skepsis und die Position des Verfassers stellt sich in den Antworten des Engels dar. Diese übernimmt Esra dann ab visio 4 und gibt sie schUeßlich dem Volk weiter. Im Aufbau' und in einer Reihe von Grundaussagen ähnlich, erzählt auch syrBar als Reaktion auf die Tempelzerstörang eine Geschichte der Bewegung von der Trauer zum Trost^". Das Verhältnis zu 4Esr und demzufolge auch die D a tierung von syrBar sind bisher nicht sicher geklärt. Nimmt man literarische Abhängigkeit von 4Esr an, ergibt sich ein Zeitraum zwischen 100 und 130 n.Chr. für die Abfassung von syrBar^'. Sieht man dagegen im Hintergrund beider allgemeiner eine gemeinsame Traditionsschicht, ergibt sich das Ende des 1 Jh. als Entstehungszeit Immer wieder wird auf traditionsgeschichtliche Parallelen der beiden Schriften zum LibAnt hingewiesen. Es gibt eine relativ große Zahl verwandter Motive, aber keine direkt nachweisbaren Abhängigkeiten, weshalb eine direkte Abhängigkeit des 4Esr wie des syrBar" von LibAnt heute kaum noch vertreten wird. ' Vgl. S c h r e i n e r , 4.Esra 301; eine D a t i e r u n g vor 70 n.Chr erwägt a l l e r d i n g s n e u erdings H a r n i s c h , P r o p h e t . ' Vgl. H a r n i s c h , V e r h ä n g n i s und B r a n d e n b u r g e r , V e r b o r g e n h e i t ; a n d e r s Sanders, P a u l u s 394, der es f ü r w a h r s c h e i n l i c h e r hält, , d a ß die Schlußvision ( u n d K a p . 14) einen . e r l ö s e n d e n ' A n h a n g bilden, um I V Esr f ü r jüd. Kreise a n n e h m b a r zu m a chen". ' B r a n d e n b u r g e r , V e r b o r g e n h e i t 188. ' A u c h syrBar läßt sich in 7 A b s c h n i t t e teilen. Die A b g r e n z u n g der einzelnen Teile wird a l l e r d i n g s recht u n t e r s c h i e d l i c h v o r g e n o m m e n (vgl. die Ü b e r s i c h t bei M u r p h y , S t r u c t u r e 12). U m s t r i t t e n ist e b e n f a l l s , ob syrBar 78-87, der Brief B a r u c h s an die n e u n e i n h a l b S t ä m m e , bereits u r s p r ü n g l i c h zur S c h r i f t h i n z u g e h ö r t e (bestritten von Sayler, P r o m i s e s 98f; auch Steck, Israel 183 A n m . l erwägt, ob der Brief nicht u r s p r ü n g l i c h als s e l b s t ä n d i g e s S u m m a r i u m von Kap. 1 - 7 7 f ü r den D i a s p o r a g o t t e s dienst ü b e r l i e f e r t w o r d e n ist). F ü r u n s e r e U n t e r s u c h u n g hat diese F r a g e a l l e r d i n g s keine e n t s c h e i d e n d e n i n h a l t l i c h e n K o n s e q u e n z e n . Sayler, Promises 12.38: ,a story in which B a r u c h and then his c o m m u n i t y move f r o m grief to consolation*. Vgl. aber die Kritik von Sanders, P a u l u s 388f an e i n e r solchen E i n s c h ä t z u n g von 4Esr. Seiner A n s i c h t nach wird der Pessimismus des Sehers letztlich bestätigt d u r c h die A n t w o r t e n des E n g e l s und diese .pessimistische E i n s c h ä t z u n g der m e n s c h l i c h e n Situation u n t e r s c h e i d e t den V e r f a s s e r vom ü b r i g e n J u d e n t u m , so wie es sich in der uns e r h a l t e n e n L i t e r a t u r d o k u m e n t i e r t " ( e b d . 395). " E i ß f e l d t , E i n l e i t u n g 853 n i m m t l i t e r a r i s c h e A b h ä n g i g k e i t des syrBar von 4Esr a u f g r u n d des .viel u n s e l b s t ä n d i g e r e n E i n d r u c k ( s ) " an; Klijn, B a r u c h - A p o k a l y p s e 114 hält sie e b e n f a l l s f ü r möglich; a l l e r d i n g s zeigt syrBar f ü r ihn die .weit f o r t g e s c h r i t t e n e r e t h e o l o g i s c h e Reflexion". Vgl. Sayler, P r o m i s e s 107.118; M u r p h y , S t r u c t u r e 140. E i n e F r ü h d a t i e r u n g der S c h r i f t , noch vor 4Esr und kurz nach 70 n.Chr, wie sie Ryssel (in: K a u t z s c h II 407) v e r t r e t e n hat, wird d a g e g e n wohl zu R e c h t nicht m e h r a n g e n o m m e n . " F ü r 4Esr w u r d e solcher E i n f l u ß a n g e n o m m e n von Violet im A n s c h l u ß an

144

III.D. Apokalyptische Schriften: 4Esr und syrBar

Auch die nicht unbedeutenden inhaltlichen Unterschiede zwischen LibAnt einerseits und 4Esr und syrBar andererseits sprechen nicht für eine gemeinsame Datierung nach 70 n.Chr. Im LibAnt fehlen Pseudepigraphie, apokalyptisches Weltbild und Pessimismus. Andererseits steht die Erwählung Israels viel weniger in Frage, die bisher geschehenen Erfüllungen der Verheißungen werden immer wieder betont und eine Wiederholung solchen Geschehens, eine zukünftige Befreiung des Volkes durch gute Führer etwa, wird offenbar für möglich gehalten. Allenfalls könnte man für LibAnt, 4Esr und syrBar eine gemeinsame Schule annehmen". Doch auch dies erscheint nur dann plausibel, wenn man eine Spätdatierung des LibAnt voraussetzt, so daß alle drei Schriften in der Zeit nach 70 n.Chr. anzusetzen wären und alle auf eine ähnliche Problemlage reagieren mußten>^. Da jedoch vieles für eine frühere Datierung des LibAnt spricht^®, wird man als gemeinsamen Traditionshintergrund letztlich lediglich das allgemein im Frühjudentum weitverbreitete deuteronomistische Geschichtsbild mit seiner Betonung des Gesetzesgehorsams benennen körmen. Aufgrund des in 4Esr und syrBar ähnlichen apokalyptischen Weltbildes und spezifischen Verheißungsverständnisses bietet es sich an, sie im folgenden in einer an den inhaltìichen Strukturen ihrer Konzeption orientierten Darstellung gemeinsam zu behandeln. Dabei sollen wichtige Unterschiede jedoch nicht übersehen werden: Die Sünde wird in syrBar nicht als aus Adams Fall resultierendes Verhängnis interpretiert. Diese Weltzeit wird insgesamt nicht so pessimistisch gesehen" und die Reden an das Volk spielen eine größere Rolle^^. Lexikalischer Befund: Beide Schriften sind Übersetzungen aus dem Griechischen, wobei bei beiden hinter der (nicht erhaltenen) griechischen Fassung noch einmal eine hebräische Urfassung vermutet wird^'. SyrBar ist vollständig

James (vgl. Schreiner, 4.Esra 300, der selbst die vorhandenen Berührungspunkte nicht auf Abhängigkeit, sondern auf die Abfassung in „der gleichen Zeit und dem nämlichen geistigen Milieu" zurückführt). Für syrBar erwägen ihn James, Antiquities 58; Eißfeldt, Einleitung 853: .Beide haben wohl aus LibAnt mancherlei übernommen"; dagegen Klijn, Baruch-Apokalypse 113: die Parallelen zwischen syrBar und LibAnt »sind bemerkenswert. Es handelt sich jedoch nur um vereinzelte apokalyptische A u s drücke, die schwerlich eine Abhängigkeit beweisen können." " Vgl. James, Antiquities 54.58; auch Steck, Israel 173. " Vgl. die allgemein gehaltene Formulierung bei Nickelsburg, in: Stone, Writings 190: „it presents another facet of the problem raised by 2 Baruch and 4 Ezra' und das Zitat von Schreiner in A n m . l 3 . '' S.o. S.91f. " Vgl. etwa das Versprechen, daß das Volk auch weiterhin Führer/ G e s e t z e s lehrer haben soll. " Nicht teilen kann ich allerdings die Schlußfolgerung von Sanders, Paulus 406, der meint syrBar benutze „einen Großteil von IV Esr, dreht aber dessen generellen Standpunkt um". Denn entscheidend scheint mir trotz aller Unterschiede zu sein, daß es auch für syrBar Lohn erst nach dem Gericht in der verheißenen neuen Weltzeit geben kann und im Gericht nur die Gerechten, die das Gesetz gehalten haben, bestehen werden, da es Barmherzigkeit für die Sünder dann nicht mehr gibt. " Vgl. Schreiner, 4.Esra 294; Klijn, Baruch-Apokalypse 110.

Die fraglich gewordene Gültigkeit der Verheißung

145

lediglich in syrischer Sprache überliefert (daneben gibt es griechische Fragmente). Hier wird έ π α γ γ ε λ ία überwiegend mit mwlkn ' bzw. mit dem Verb ml к wiedergegeben^". 4Esr ist dagegen nicht nur in einer lateinischen und einer syrischen, sondern noch in einer Reihe weiterer Übersetzungen erhalten^^. Neben den Belegen mit promittere (4Esr 5,40; 7,119) und repromittere (4Esr 4,27; 7,60.66) sind hier auch inhaltlich parallele Stellen mit dicere (4Esr 3,15) bzw. praedicere (4Esr 8,59) sowie mit sponsio (4Esr zu berücksichtigen.

1. Die fraglich gewordene Gültigkeit der Verheißung a. Jerusalem

nach 70 n.Chr.

In beiden Schriften spielt die Tempelzerstörung (bzw. die Zerstörung Jerusalems) 70 n.Chr. eine zentrale Rolle^^. Durch sie ist der schon in der Vergangenheit immer wieder thematisierte Widerspruch zwischen Gottes Verheißungen und der Wirklichkeit^'· zur „Aporie der Verheißung"^^ geworden, zum vor allem von Esra immer wieder neu vorgebrachten zentralen Problem^^. Angesichts der o f fensichtìich ausbleibenden Erfüllung der Verheißung sehen sich beide Schriften gezwungen, die Verläßlichkeit der Verheißungen und die Treue Gottes zu seinem Wort gegenüber einer sich breit machenden Skepsis zu verteidigen, so daß man sie als „theologische Apologie der Verheißung"^'' bezeichnen kann.

® Vgl. Berger, Abraham 53 Anm.9; über die dort genannten Stellen syrBar 14,13; 21,25; 51,3; 57,2; 59,2 hinaus vgl. auch 44,13; 48,34; 83,5. In der syrischen Überlieferung des 4Esr findet sich diese Vokabel auch in 4,27; 7,60; 7,119. Lediglich in syrBar 46,6 (56/-'= H o f f n u n g ) und 78,7 werden andere Lexeme benutzt. Vgl. Schreiner, 4.Esra 292. S.o. S.67 mit Anm.120. " In 4Esr handelt die zentrale 4.Vision hiervon (9,38-10,28), in syrBar bestimmt dieses Ereignis die ersten 12 Kapitel; zur Rede von der Verheißung in beiden Schriften vgl. auch Moxnes, Theology 164-166. S.o. S.93. " Harnisch, Verhängnis 58; zum Widerspruch zwischen Gottes Verheißungen und der Weltwirklichkeit vgl. schon oben S.93. ^ Harnisch, ebd. 19 bezeichnet sie sogar als ,Grundproblem der Apokalyptik" überhaupt. Einschränkend im Blick auf 4Esr Brandenburger, Verborgenheit 167f A.67: f ü r ihn wird die Verheißungstreue Gottes streng genommen nur in visio 2 eingeklagt, auch wenn visio 1 (Thema; ,die Wahrung des Rechts durch den Richter") und visio 3 (Thema: .die Schöpfermacht Gottes") ebenfalls Verheißungsmomente enthalten. Die Bedeutung, die die Diskussion um die Verheißung in visio 1 - 3 spielt, wird auf jeden Fall schon daran deutlich, daß alle Stellen, an denen in 4Esr explizit von Verheißung die Rede ist, sich hier finden, sowohl im Munde Esras (3,15 dixeristl·, 5,29 sponsionibus; 7,66 repromissam] 7,119 promissum) als auch im Munde des Engels (4,27 repromissa-, 5,40 promisi; 7,60 repromissa\ 7,90 sermo\ 8,59 praedicta). Harnisch, Verhängnis 326. Limbeck, Ordnung 103 betont, daß in keinem A u genblick , f ü r den Verfasser von syrBar Gottes Güte fraglich" war.

146

III.D. Apokalyptische Schriften: 4Esr und syrBar

b. Skepsis Besonders 4Esr gibt deutlich Zeugnis von der sich aus diesen Fragen speisenden tiefen Skepsis bei vielen seiner Zeitgenossen. Ihre Positionen werden vor allem im ersten Teil im Munde Esras formuliert^®: Gott hat sein Volk, obwohl er es doch erwählt hat, ausgehefert an die, die seinen Verheißungen widersprachen^'. Er hat zwar das Gesetz gegeben und auf dem liegt auch unbestritten eine Verheißung. Aber Gott hat nicht verhindert, daß die Wurzel des Bösen sich in den Herzen Israels als dauernde Krankheit einrichten konnte (4Esr 3,19ff). Und weil die Menschen nur sterbliche Werke tun und das Gesetz letztlich, wegen der Sündenverfallenheit, nicht halten können, ist die Verheißung schließlich für niemanden bzw. kaum jemanden zu erreichen (vgl. 4Esr 932ff). Für Esra werden damit Gottes Verheißungen, die auf dem Gesetz liegen, für die Menschen nutzlos und sinnlos'". Es wäre deshalb sogar besser für die Menschen, so wie die Tiere nichts von dem verheißenen Heil nach dem Tode und von den dennoch unentrinnbaren Qualen zu wissen (4Esr 7,66). SyrBar setzt von Anbeginn an andere Akzente. Er gibt solcher skeptischen Grandhaltung, die vom Verhängnischarakter der Sünde ausgeht, in seiner Darstellung keinen Raum. Er betont vielmehr ihr gegenüber die Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen, der sehr wohl wissentUch das Gesetz übertritt (syrBar 15,6) und sich selbst durch seine Taten die zukünftige Strafe bereitet (syrBar 54,15, ähnlich 54,19). „Die Barach-Apokalypse steht damit der späteren rabbinischen Überlieferang nahe, die insgesamt die Selbstverantwortlichkeit jedes einzelnen

® Vgl. die Diskussion zwischen Esra und dem Engel in visio 1-3; in allen drei Visionen folgen jeweils Hymnus, Klage und Dialog aufeinander und die Hymnen bieten .Material bzw. Argumente der Anklage" (Harnisch, Verhängnis 23). Auch im rabbinischen Schrifttum hat sich z.T. ein ähnlicher Skeptizismus niedergeschlagen (vgl. Moxnes, Theology 164f.) " 5,29: contradicebant sponsionibus tuis. Der Sinn von sponsionibus an dieser Stelle ist nicht sicher. Harnisch, Verhängnis 30f A n m . l möchte es (wie auch in 7,24 und analog zu seinem Verständnis des parallelen testamentis) auf die .gebietenden Worte und Weisungen" Gottes beziehen. Der syrische Text liest .deinen Geboten", eine arabische Übersetzung .deinem Bund und deinen Geboten" (Schreiner, 4.Esra 327 Anm.29a). Dem entspricht die Bedeutung von sponsio in 7,46. In LibAnt bezeichnet sponsio allerdings an allen sechs Stellen eindeutig die Verheißung. M.E. ist dies auch an unserer Stelle denkbar, zumal .testamentis credebanf eher auf die Bedeutung Bund deutet (den 'Geboten vertrauen/glauben' wäre eine eher ungewöhnliche Kombination). Wie man sich auch entscheidet - angesichts der engen Bindung der Verheißung an das Gesetz bei 4Esr ist der Unterschied nicht allzu groß. Schon in PsSal 17,5 wird der Widerspruch zwischen Gottes Verheißungen und dem Triumphieren fremder Herrschaft über Israel beklagt (s.o. S.82). Ähnlich wie dieser Psalmbeter kennt auch 4Esr die H o f f n u n g auf einen davidischen Messias, der Israel befreien soll (12,33ff.), auch wenn seine eigentliche Lösung im Endgericht liegt, das den kommenden Äon h e r a u f f ü h r e n wird. Diese radikale Lösung entspricht dabei seiner radikalisierten Klage, die über die aus der atl. Tradition bekannte Klage des Frommen über sein Geschick und über das Wohlergehen des Gottlosen hinausgeht. "

7,119: quid .. prodesV, vgl. Brandenburger, Verborgenheit 44f.l81.

Die fraglich gewordene Gültigkeit der Verheißung

147

lehrte."^^ Daß syrBar in der »Tonart viel weniger pessimistisch"^^ ist, erhellt auch aus der anderen Funktion der Gebete. In ihren Formulierungen ist die Skepsis bereits der klagenden Bitte gewichen, die schon um die Gewißheit der Erfüllung weiß. Im Gebet Kap. 21 wird das deutlich. So heißt es in syrBar 21,13 im Konjunktiv (!): ,gäbe es nur dies Leben, das jedermann hier hat - nichts könnte bitterer sein"^. Und Statt der Frage „Warum" (vgl. 4Esr 6,59), heißt es .Wie lange noch" (syrBar 21,19), und diese Frage führt zu der Bitte: .Alsbald zeige deine Herrlichkeit

und schiebe

nicht hinaus,

was du verbeißen

hast* (syrBar

21,25).

2. Die Zukünftigkeit der Verheißung a. Die

Zwei-Äonen-Lehre

Gemeinsam ist beiden Schriften das dualistische Weltbild als entscheidender Zug ihrer theologischen Lösung. In 4Esr bereitet sich in den Antworten des Engels bereits in visio 1-3 die neue, radikale Antwort des Verfassers im Blick auf die „Aporie der Verheißung"'" vor. Im Vordergrund steht dabei der strikte Gegensatz zwischen der gegenwärtigen und der kommenden Weltzeit. Dieser führt auch zu deutlichen neuen Akzenten im Verständnis der Verheißung. Eine Erfüllung von Verheißungen kann es in der gegenwärtigen Weltzeit nicht geben. Weil sie voll von Übeln ist, kann sie nicht bringen, was den Gerechten verheißen ist: .Die Weltzeit geht schnell vorüber. Sie vermag nicht zu bringen, was den rechten zu ihrer Zeit verheißen wurde; denn diese Welt ist voll Trauer Übeln"'.

Geund

Deshalb werden die Verheißungen auch erst in der Zukunft, im neuen Aon und nach dem notwendigen Gericht, in Erfüllung gehen. b. Die alles entscheidende

Stellung zum

Gesetz

Über das Schicksal, das der Mensch nach dem Gericht haben wird, entscheidet allein die Stellung, die er jetzt dem Gesetz gegenüber einnimmt^. Denn das Gesetz ist das Einzige im gegenwärtigen Aon, das nicht unter negativem Vorzeichen steht und mit dem Gericht vergehen wird. Es bleibt in Ewigkeit (4Esr 937). Es ist der einzige von Gott gewiesene Weg für die Menschen, um die Verheißun-

"

Wilckens, Römer 1 312 Anm.1029. Eißfeldt, Einleitung 852. " Übersetzung, auch im folgenden, nach Klijn, Baruch-Apokalypse. " Harnisch (s.o. Anm.25). Diese Antwort tritt mit dem Wendepunkt in visio 4 klar hervor und wird in den folgenden Visionen nurmehr entfaltet (vgl. Brandenburger, Verborgenheit). " 4Esr 4,26f; Übersetzung, auch im folgenden, nach Schreiner, 4.Esra. « Vgl. Harnisch, Verhängnis 246.

148

III.D. Apokalyptische Schriften: 4Esr und syrBar

gen ZU erlangen". Offen steht diese Möglichkeit allen Menschen, da das Gesetz ihnen vorgegeben ist (4Esr 7;20.72). Es ist bereits Adam gegeben (4Esr 3,7; 7,11) und wird von allen als gut anerkannt (4Esr 5,24). Hier wirkt sich die Tendenz der Apokalyptik zum „Universalismus und Individualismus"^^ aus.

3. Verheißungsinhalte a. Gericht und Lohn Die Tatsache, daß ohne das Gericht das Heil für die Gerechten nicht Wirkhchkeit werden kann (vgl. 4Esr 7,113), führt dazu, daß es mit Blick auf sie einmal sogar als verheißenes Gericht bezeichnet wird (4Esr 7,60)". Das Gericht als Verheißenes zu bezeichnen ist ungewöhnlich, da der Verheißungsinhalt sonst im Frühjudentum fast immer ein Gut und nicht ein Übel ist^". Dem 4Esr vergleichbar preist jedoch auch Henoch in äthHen 25,7 Gott wegen dem, was er den Gerechten nach dem Gericht zu geben verheißen''^ hat: nämlich ein Leben ohne Leid und Plage, vermittelt durch die Früchte des Lebensbaumes, der den Gerechten übergeben wird. Auch in Hebr 12,26 wird in vergleichbarer Weise von der Verheißung einer großen Erschütterung gesprochen, die den gegenwärtigen Äon zerstören wird, da „das Heil .. außerhalb der Schöpfung' im neuen Äon geschieht·*^.

Nach dem Gericht werden die Gerechten den Lohn (syrBar 59,2) für ihre Gesetzestreue erhalten. Die konkrete Gestalt dieses zukünftigen Lohnes wird dabei nur sehr allgemein und mit weitgehend austauschbaren Begriffen umschrieben. b. Welt, Zeit, Ruhe, Heil,

Leben

Mehrfach ist es die unsterbliche Welt (syrBar 14,13; 513) bzw. Zeit (4Esr 7,119; vgl. syrBar 44,13), die verheißen wird, in 4Esr aber auch die Ruhe, in die die Gerechten durch sieben Stufen hindurch gelangen (4Esr 7,90ff; vgl. 8,5259)*^ Die Vorstellung der Ruhe hat in der LXX ihre Vorgeschichte. Sie ist dort „lokal dies-

' ' Dabei muß Weg nicht im Sinne von Mittel verstanden werden: .auch in 4 Esr erscheint das Gesetz weit weniger als ein Mittel, durch das der Mensch sich selbst das Heil erwerben könnte, denn vielmehr als notwendige Voraussetzung, um Gottes bezweifelte Liebe verteidigen zu können" (Limbeck, Ordnung 101; zur 'Weg'-Vorstellung vgl. ebd. 130 Anm.48). Vgl. Vielhauer, Geschichte 491. Die syrische t}berlieferung liest hier Gericht, die lateinische dagegen creatura. Hier liegt vermutlich eine Verwechslung von κρίσχς und κτίσνς zugrunde (vgl. Schreiner, 4.Esra 349 Апт.бОа). " Lediglich das Lexem όμνύω wird in der LXX von Amos und Jeremia auch f ü r die Ankündigung von Gottes Gerichtshandeln gebraucht (s.o. S.55). Äthiopisch SPOP-, in grHen steht an dieser Stelle είπεν. Braun, Hebräer 443; vgl. zuletzt zur Stelle: Rose, Verheißung 185. ·" Auch LibAnt 28,10; ähnlich 23,10f {reponam in pacem).

Verheißungsinhalte

149

seitig und innerzeitlich"''''. Im apokalyptischen und rabbinischen Judentum wandelt sich dieses Motiv zu einem schließlich rein eschatologischen Verständnis - ein der Umbildung von κληρονομιά analoger Vorgang''^. Darf man vermuten, daß die Unruhe der politischen und auch religiösen Situation 4Esr dazu gebracht hat, gerade die Vorstellung der Ruhe zu dem zentralen Heilsgut zu machen?'^ Auch wenn vom verheißenen Heil nach dem Tode (4Esr 7,66 ) bzw. vom Leben, das danach kommt (syrBar 57,2), gesprochen wird, ist inhaltlich nichts grundsätzlich anderes gemeint als bei der Verheißung von Welt, Zeit und Ruhe"'. Die weitgehende Austauschbarkeit der Begriffe wird bestätigt dadurch, daß häufig einfach allgemein von dem Verheißenen die Rede ist (4Esr 8,59; syrBar 21^5; 46,6; 83,5). c. Fehlende

Verbeißungsinbalte

Der so betonten Zukünftigkeit und Allgemeinheit der Verheißung entspricht, daß andere, traditionelle Verheißungsinhalte fehlen. Die Landverheißung wird nicht genaunt"^, und die Nachkommenschaftsverheißung begegnet nur am Rande (syrBar 78,7). Vor allem aber liegt offensichtlich auf dem geschichtlichen Tempel keine Verheißung. Insbesondere syrBar bemüht sich so, indem er Land und Tempel mit Hilfe der Zwei-Äonen-Lehre ganz dem gegenwärtigen Aon zurechnet, die Katastrophe von 70 n.Chr. in ihrer Bedeutung zu relativieren und das Judentum von seinem Zentrum her auszurichten auf das eigentliche, himmlische Ziel ein Ziel, das allein mit Hilfe des Gesetzes bzw. der Bundestreue des Einzelnen erreicht werden kann"'. Dementsprechend wird auch Baruch belehrt, daß von der himmlischen Zukunft her sich zeigen wird, daß einige Verheißungen .eitel sind,

"

die andern

aber gehen

in Erfüllung'

(syrBar

48,34).

Braun, Hebräer 90. S.u. S.205; vom Erben in solch a l l g e m e i n - e s c h a t o l o g i s c h e m Sinn ist in syrBar 44,13 die R e d e . E i n e Parallele hat d i e s e K e n n z e i c h n u n g des V e r h e i ß u n g s g u t e s als R u h e im Hebr (3,11.18; 4 , l f f ) . Sie f i n d e t sich darüber hinaus auch - w o h l aufgrund der E i n wirkung j ü d i s c h - a p o k a l y p t i s c h e r G e d a n k e n - in Barn 15,7, 2K1 5,5, C o n s t A p VI,30,7. G n o s t i s c h e T e x t e kennen e b e n f a l l s eine v e r h e i ß e n e R u h e (Tractatus Tripartitus, N H S I 92,7; 102,22). " In A s c j e s 8,22 (einer f r ü h e s t e n s im 2.Jh. n.Chr. e n t s t a n d e n e n und in der j e t z i gen Form christlichen Schrift, vgl. zuletzt Müller, in: S c h n e e m e l c h e r , A p o k r y p h e n II 548) ist das Licht, w e l c h e s der Apokalyptiker im sechsten H i m m e l sieht, dasjenige, was d e n e n g e s c h e n k t ist, .die s e i n e V e r h e i ß u n g erwarten" (ebd. 557). Z u m g a n z auf den z u k ü n f t i g e n A o n b e z o g e n e n Motiv der R u h e s.o. und Anm.45. Das betont vor allem Murphy, Structure 28.72.114.

150

III.D. Apokalyptische Schriften: 4Esr und syrBar

4. Wem gelten die Verheißungen? a. Den Gerechten

- nicht den Sündern

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich beinahe von selbst, daß die Verheißungen allein den Gerechten gelten, denen also, die das Gesetz gehalten und gelehrt haben^°. Die Sünder dagegen erwarten vielfältige Qualen (4Esr 7,66; 8,59) und Pein (4Esr 7,79ff), so daß sie übel zuschanden werden (4Esr 7,119). Die schroffe Gegenüberstellung und die Ausmalung des Schicksals der Sünder in 4Esr^i beinhaltet eine Radikalisierung der traditionellen Versicherangen, daß die Gerechten bzw. Frommen die Verheißungen erlangen werden^^. Diese Radikalisierang wird auch gegen Einwände verteidigt. So will sich Esra im Dialog mit dem Geschick der Sünder nicht abfinden. Er fragt, ob nicht Fürbitte der Gerechten für die Sünder im Gericht möglich wäre (4Esr 7,102), so wie schon seit Abraham unmer wieder Gerechte für Sünder gebetet hätten (4Esr 7,106f). Das wird aber verneint^^. Danach erinnert Esra an Gottes Erbarmen, das die Welt zum Leben bringt und erhält und auch den Sündern aus dem Gericht hilft (4Esr 7,132ff). Schließlich führt er sogar an, daß doch letztlich Gottes Gerechtigkeit selbst dadurch offenbar wird, daß er sich erbarmt über die, die keine guten Werke vorweisen können (4Esr 836)^·*. Doch auch das wird zurückgewiesen. Denn wenn Gott zum Gericht erscheint, dann wird das Erbarmen vergehen und die Langmut verschwinden (4Esr 7ß3.115)^^. Erbarmen gibt es nur in dieser Welt, bzw. im Gericht allein für die, die jetzt das Gesetz haken (4Esr 14^4).

™ Vgl. 4Esr 4,27; 7,90; 8,59; syrBar 14,13; 44,13; 46,6. " 4Esr betont u.a. auch, daß es nur wenige sein werden, die gerettet werden (7,60). Schäfer, Lehre 284 betont sogar, in 4Esr sei .die Verdammnis die Regel ... und die Teilnahme an der zukünftigen Welt die Ausnahme". Damit stehe 4Esr im Gegensatz zur tannaitischen Literatur, wo umgekehrt der Anteil an der zukünftigen Welt .die Regel und die Aberkennung der zukünftigen Welt ... die entsprechend den historischen Umständen definierte und jeweils auch diskutierte (also keineswegs u n umstrittene) A u s n a h m e ' sei (ebd. 281). Von daher kommt er zu dem Schluß, es sei »wenig wahrscheinlich, daß der Verfasser des 4. Esra ein legitimer Sohn des rabbinischen Judentums ist". Ebenso urteilt auch Sanders, Paulus 405f, f ü r den sich deshalb 4Esr auch nicht als Repräsentant des Judentums vor 70 n.Chr. eignet, sondern vielmehr ein Minderheitenvotum innerhalb der jüdischen Religion darstellt (vgl. auch Luz, Gesetz 56f). " Auch in LibAnt 33,4-5 und in der rabbinischen Literatur wird die Möglichkeit diskutiert und verneint, daß der Verdienst oder auch die Fürbitte der Väter den Kindern angerechnet werden könnte (vgl. Urbach, Sages 500.258). Eine abgemilderte Position findet sich in ApkSedr 16,4. Dort verhandelt Sedrach mit Gott (ähnlich wie Abraham in Gen 18,16ff). Gott verkürzt die Bußzeit f ü r die Sünder (aus ewigen Q u a len sind also schon zeitliche geworden) daraufhin zunächst auf 40 Tage, und schließlich verspricht er, Mitleid zu haben (υπόσχομαι συμπαι>ήσαν) und verkürzt sie nochmals, auf 20 Tage. " Vgl. LibAnt 12,9: .Wenn da dich also nicht deines Weinstockes erbarmen wirst, ist alles, о Herr, zu nichts geworden, und nicht wirst du (jemanden) haben, der dich verherrUchf (Übersetzung nach Dietzfelbinger, Pseudo-Philo); vgl, auch LibAnt 13,7. " Vgl. auch syrBar 44,12f; 85,1.

W e m gelten die V e r h e i ß u n g e n ?

151

SyrBar ist demgegenüber nicht sonderlich am Geschick der Sünder interessiert. Sein Hauptaugenmerk liegt in erster Linie an dem Geschick der Gerechten. E r r ä t : .Wir lieber

daran

wollen denken,

nicht

schauen

auf

was uns für jenes

die Freuden Ende

verheißen

heutiger isf

Völker;

(syrBar

wir

wollen

83,5)^.

b. Erwählung? In einer gewissen Spannung zu dieser einzig und allein auf die Gesetzestreue jedes Einzelnen zielenden Position steht die Rolle, die die Envählung Israels in 4Esr einnimmt (vgl. 4Esr 5^3f). Esra erinnert in visio 1-3 immer wieder an sie'''. Er betont eigens, daß es ihm nicht um die Welt, sondern um Israel zu tun ist, daß er um Gottes Volk trauert (4Esr 8,15f). Zwar gehen die Antworten des Engels zumeist nicht direkt darauf ein, so daß man zunächst den Eindruck gewinnen kann, die Erwählung Israels spiele für den Verfasser keine Rolle mehr. An anderen Stellen werden die Aussagen Esras jedoch (korrigierend) aufgenommen: Gott hat die Welt um Israels willen erschaffen (4Esr 7,11), aber nicht - wie Esra meint - die gegenwärtige, sondern die kommende'®. Gott hat seinem Volk Liebe verheißen, aber Esra kann ihr Ziel nicht ergründen (4Esr 5,40). Vollends in visio 4-7 vrárd deutlich, daß Gott durch Esra - durch diese Offenbarungen - an Israel handeln will. Israel ist Esra anvertraut (schon 4Esr 5,16); er soll ihm Mut machen (4Esr 12,46), es trösten (4Esr 14,13) und belehren (4Esr 14,28). Eine ganz ähnliche Funktion hat Barach in syrBar als Erneuerer des Werkes Moses''. Auch hier sind die Reden Baruchs an die Ältesten (syrBar 31,1-333; 44,1-46,7; 77^-17; vgl. auch den Brief an die Diaspora 78-87) ein wichtiges Stmkturelement des Werkes. Die Erinnerang an bzw. Berafung auf konkrete, in der Geschichte ergangene Verheißungen tritt demgegenüber allerdings in beiden Schriften auffallend zurück. In 4Esr wird lediglich in visio 1 Gottes Heilshandehi von Adam her bis David aufgezählt. Aber auch hier ist die Darstellung allein ausgerichtet auf das Gesetz als die von Anbeginn an gegebene Grandlage der Weltordnung^, gegen die alle Menschen seit Adam (oder zumindest so gut wie alle, vgl. 4Esr 336) immer wieder gesündigt haben. Nur in diesem Zusammenhang wird auch kurz die Zusage Gottes an Abraham erwähnt, seine Nachkommen nie zu verlassen {dixeristi 4Esr 3,15). Ansonsten spielt die Väterüberlieferang - anders als in LibAnt und syrBar - keine Rolle.

" Ihm liegt auch nicht viel an der Schilderung der Pein der Sünder in der k ü n f t i ge W e l t z e i t (vgl. Murphy, Structure 60). " Israel ist das V o l k , das Gott geliebt hat (4,23); es hat die G e b o t e e m p f a n g e n (3,19). D i e Welt ist um s e i n e t w i l l e n e r s c h a f f e n - warum ist sie dann nicht sein Erbe (6,59)? " V g l . 7,50: zwei W e l t e n sind e r s c h a f f e n ; 8,1: d i e s e um der v i e l e n , j e n e um der w e n i g e n willen. " V g l . Murphy, Structure 132 und auch Sayler, Promises 9 5 - 9 8 . ^ V g l . Brandenburger, V e r b o r g e n h e i t 167 Anm.67.

152

III.D. Apokalyptische Schriften: 4Esr und syrBar

Doch auch in syrBar, wo im Zusammenhang der Deutung der Wolkenvision, die der Engel Baruch zuteil werden läßt, in 57,1-3 ausführlicher auf Abraham und in 59,1-2 auf Moses und Josua verwiesen wird, sind die Gestalten der Heilsgeschichte allein als Prototypen des Gesetzesgehorsams von Interesse, nicht als Beispiele des Erwählungshandelns Gottes^^. So wird ausdrücklich betont, daß ihnen das Gesetz bekannt war - zu Abrahams Zeit noch ungeschrieben (syrBar 57,2) -, daß die Gebote gehalten wurden (syrBar 57Д) und daß das Gesetz von Anbeginn an .den Gläubigen ... die Verheißung ihres Lohnes' ankündigte (syrBar 59,2). Ganz ähnlich werden im Brief an die Diaspora in syrBar 78,7 die Väter als Vorbilder eingeführt {.die trefflicher waren als wir') und die Erfüllung der ihnen .für uns" (!) gegebenen Verheißung an den Gesetzesgehorsam gebunden.

5. Zusammenfassung a. Gottes Gericht und die zukünftige

Weltzeit

Die Zerstörung der Gottesstadt Jerusalems und des Tempels im Jahre 70 n.Chr. verstärkte offensichtlich zumindest in Teilen des Judentums die schon zuvor unter der römischen Besatzung stark erfahrene Spannung zwischen Gottes Verheißungen und der Weltwirklichkeit nochmals erheblich, auf die manche mit Hilfe einer Position radikaler Skepsis gegenüber Gottes Zusagen reagierten. 4Esr und syrBar antworten in dieser Situation auf die .Aporie der Verheißung' und solche Positionen der Skepsis theologisch mit einer „deuteronomistisch interpretierten Aonenlehre"^^. Sie sehen von ihr her den gegenwärtigen Aon fast ausschließlich unter negativem Vorzeichen (4Esr noch deutlicher als syrBar). Er kann allenfalls als Zeit der Entscheidung gesehen werden, die Gott gewährt, um umzukehren und dem Gesetz zu folgen^'. Mit solcher theologischen Antwort weisen sie zugleich andere (traditionelle) theologische Lösungsmodelle ab, die ohne eine rein negative Sicht dieses Äons auskommen zu können meinen oder die Notwendigkeit und Strenge des Gerichts anzweifeln. Weder ein Verweis auf Gottes Schöpferhandeln noch eine Berufung auf sein Erbarmen wird von ihnen als ein Ausweg aus der .Aporie der Verheißung' akzeptiert^". " Anders z.B. in ApkEsr 3,10: Hier wird die Klage (ποϋ εστίν ή ε π α γ γ ε λ ί α σου, s.o. Kap.III.A Anm.139) ausdrücklich begründet mit den Zusagen an Abraham („Du hast zu Abraham, unserem Vater, gesagt"). Brandenburger, Verborgenheit 188. ® Harnisch spricht deshalb auch von einer dialektischen Geschichtsauffassung (Harnisch, Verhängnis 241); ,die These von der radikalen Diskontinuität der beiden Ä o n e n ' wird „durch die Behauptung der Kontinuität des Gesetzes zumindest eingeschränkt' (ebd. 145) und die relative Bedeutung dieses bösen Äons besteht zumindest darin ,daß er den Gerechten Gelegenheit gibt, sich im Kampf mit dem Bösen zu bewähren und sich dadurch für den künftigen Äon zu qualifizieren' (ebd. 178). Daß damit die Position des 4Esr angemessen beschrieben ist, bezweifelt Schäfer, Lehre 284 Anm. 112. Ihm erscheint hier „der scharfe Gegensatz zwischen Gerechten und Sündern" (ebd. 112) als zu sehr relativiert (vgl. ebenso Sanders, Paulus 388ff). " Vgl. Müller, Geschichte 91f: .Weder der Autor der syrischen Baruchapoka-

V e r h e i ß u n g e n nur für die z u k ü n f t i g e W e l t

b. Verheißungen nur für die zukünftige

153

Weltzeit

Das Heil, der Lohn für gerechtes Leben und die Erfüllung der Verheißungen können überhaupt erst nach dem notwendigen Gericht Gottes im kommenden Äon erlangt werden. Sie sind rein zukünftig. Auf dem Land und vor allem auf dem geschichtlichen Tempel liegt dagegen - das ist die Antwort auf die Krise keinerlei Verheißung. Eher schon kann das Gericht selbst (als notwendiger Durchgang zur zukünftigen Welt) für die Gerechten eine Art Verheißung sein, insofern es diesen bösen Äon beendet. Vor allem aber ist die zukünftige Weltzeit selbst als solche Verheißungsinhalt, da sie die Ruhe, das Heil und das Leben mit sich bringen wird.

c. Gesetz als einziger Weg zum Heil der zukünftigen

Weltzeit

Zwar hat Gott Israel erwählt und seinem Volk Liebe verheißen, aber damit beides richtig verstanden werden kann und sich keine falschen Hoffnungen und Erwartungen auf den gegenwärtigen Äon richten, bedarf es der Offenbarung an Esra bzw. Baruch. Sie sollen dem Volk den rechten Weg weisen (wie einst M o ses). Dieser Weg ist allein das Gesetz, da es die von Anbeginn an gegebene Grundlage der Weltordnung ist und allein eine Verbindung schaffen kann zur zukünftigen Weltzeit. So sind in diesen Schriften letztlich allein die Gerechten, die das Gesetz erfüllen, erwähltes Volk und Verheißungsträger. Nur wegen ihnen hat Gott die zukünftige Weltzeit erschaffen. Das Schicksal der Sünder, ihr Verderben, soll und braucht dagegen nicht zu interessieren. »Wir haben es hier mit der stärksten Annäherang an gesetzliche Werkgerechtigkeit zu tun, die sich in der jüd. Literatur jener Epoche finden läßt"^^.

lypse n o c h der V e r f a s s e r des vierten E s r a b u c h e s d e n k t h e i l s g e s c h i c h t l i c h . Der in ihrer G e g e n w a r t nicht e r k e n n b a r e H e i l s w i l l e G o t t e s läßt b e i d e d a s V e r t r a u e n auf die ü b e r l i e f e r t e n H e i l s t a t e n in der V e r g a n g e n h e i t Israels durch d e n G l a u b e n an d e n e w i g e n R a t s c h l u ß G o t t e s e r s e t z e n , e i n e n n e u e n Ä o n h e r a u f z u f ü h r e n . U n g e a c h t e t der b e a c h t l i c h e n U n t e r s c h i e d e ihrer K o n z e p t i o n t e i l e n b e i d e die Ü b e r z e u g u n g , d a ß sich die E r w ä h l u n g Israels nicht auf die G e s c h i c h t e , s o n d e r n auf d e s s e n e s c h a t o l o g i s c h e s H e i l bezog." " Sanders, P a u l u s 395.

E. Rabbinische Literatur Zur Methodik der Untersuchung rabbinischer Literatur': In größerem Maß noch als bei den übrigen behandelten Schriften handelt es sich bei der rabbinischen Literatur um Traditionsliteratur, zugespitzter noch um Zitatliteratur^. Das bringt es mit sich, daß dieselbe Tradition in verschiedenen Parallelüberlieferungen und unterschiedlichen Zusammenhängen begegnen kann, was eine Bestimmung des Alters einer Tradition und auch des jeweiligen inhaltlichen Skopus schwierig macht. Wo es gelingt, den Zeitpunkt der Endredaktion einer Schrift zu bestimmen, sagt dies über das Alter des .Zitats' selbst wenig aus^. Sein Verständnis innerhalb der jeweiligen Endredaktion wird vorrangig bestimmt durch die Anordnung der .Zitate', was methodisch eine sorgfältige literarische Analyse der jeweiligen größeren Perikope nötig macht, sowie den ausführlichen synoptischen Vergleich der jeweiligen Parallelfassungen''. Die Datierung der einzelnen Schriftkomplexe der rabbinischen Literatur, vor allem die Beurteilung der Midraschim, ist in der Judaistik umstritten. Während Neusner der Mischna methodisch den absoluten Vorrang einräumt', sind nach einer ganzen Reihe anderer Forscher gerade auch die frühen, tannaitischen Midraschim noch in tannaitischer Zeit redigiert worden und enthalten erkennbar

' Z u r m e t h o d o l o g i s c h e n Diskussion vgl. n e b e n S t r a c k / Stemberger, E i n l e i t u n g 55-64 auch S c h ä f e r , Studien 1-12; ders., R e s e a r c h ; G r ü n w a l d , M e t h o d e n f r a g e . Z u r j ü d i s c h e n L i t e r a t u r in g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e r Zeit allgemein V e r m e s , M e t h o d o l o g y und ders,, L i t e r a t u r e . Der Begriff .rabbinische L i t e r a t u r ' steht hier, wie auch i m m e r sein U m f a n g n ä h e r d e f i n i e r t wird, f ü r eine f i k t i v e G r ö ß e , die nie so als G a n z e s e x i stiert hat (vgl. S c h ä f e r , R e s e a r c h 141). V e r g l e i c h b a r e s gilt f ü r den Begriff . r a b b i n i sche T h e o l o g i e ' . Ob es eine solche - im Sinne eines in sich geschlossenen u n d b e s c h r e i b b a r e n t h e o l o g i s c h e n E n t w u r f e s - ü b e r h a u p t gibt, ist in der F o r s c h u n g u m s t r i t ten (zur P r o b l e m a t i k vgl. z.B. n u r das R e f e r a t bei Davies, Gospel 390-396). W o der Begriff im f o l g e n d e n g e b r a u c h t wird, b e z e i c h n e t er als S a m m e l b e g r i f f I n h a l t e und K o n z e p t e r a b b i n i s c h e n L e r n e n s und L e h r e n s von G o t t . ^ Vgl. S t r a c k / Stemberger, E i n l e i t u n g 63 mit V e r w e i s auf G o l d b e r g . Da es bei den P a r a l l e l ü b e r l i e f e r u n g e n j e d o c h o f f e n s i c h t l i c h h ä u f i g nicht auf die w ö r t l i c h e Ü b e r l i e f e r u n g eines Z i t a t e s a n k o m m t , s o n d e r n a u f g r u n d des L e r n p r o z e s s e s , d e n die Ü b e r l i e f e r u n g e n d o k u m e n t i e r e n , T r a d i t i o n e n i m m e r auch n e u i n t e r p r e t i e r t w e r d e n , wird man nur in A n f ü h r u n g s z e i c h e n von . Z i t a t e n ' s p r e c h e n k ö n n e n . ' Z u den Schwierigkeiten schon der D a t i e r u n g der E n d r e d a k t i o n e n vgl. S t r a c k / Stemberger, E i n l e i t u n g 56-58. S c h ä f e r , Studien 2 f o r d e r t vor diesem H i n t e r g r u n d , j e weils zwischen p r i m ä r e r u n d s e k u n d ä r e r A u s s a g e sowie zwischen p r i m ä r e r und s e k u n d ä r e r F u n k t i o n eines D i c t u m s zu u n t e r s c h e i d e n (ebd. 7). ·' Für einen solchen V e r g l e i c h f e h l e n noch w e i t g e h e n d die nötigen H i l f s m i t t e l , vgl. S t r a c k / Stemberger, E i n l e i t u n g 62. Doch schon die s o r g f ä l t i g e A n a l y s e der e i n zelnen P e r i k o p e n in ihrem K o n t e x t (wie sie etwa S c h ä f e r , Studien 7f u n d G r ü n w a l d , M e t h o d e n f r a g e 213 f o r d e r n ) wird im Z u s a m m e n h a n g dieser A r b e i t den R a h m e n unserer Untersuchung häufig sprengen. ' Vgl. auch seine B e s c h r e i b u n g der M i d r a s c h i m in N e u s n e r , M i d r a s h . Z u r Kritik an N e u s n e r s einseitiger B e s c h r ä n k u n g auf die d u r c h die M i s c h n a r e p r ä s e n t i e r t e H a l a k h a vgl. S c h ä f e r , Studien lOf.

Z u r M e t h o d i k der U n t e r s u c h u n g r a b b i n i s c h e r Literatur

155

viele alte Traditionen®. Der spracliliche Befund zu unserem Thema bestätigt sehr viel eher diese Ansicht, so daß ich sie im folgenden als Grundlage voraussetze. Als mögliche Hilfe bei der Datierung von Einzeltexten oder einzelnen Aussprüchen in allen Schriftkomplexen werden häufiger die Namen der erwähnten Rabbinen genannt. Sie lassen zumindest in tannaitischer Zeit eine relativ zuverlässige Zuordnung zu der mit dem jeweiligen Namen verbundenen geschichtlichen Periode zu, auch wenn insgesamt dieser methodische Schritt in der Forschung z.T. skeptischer beurteilt wird, mit vielen Problemen verbunden ist und von daher nur ein Notbehelf sein kann"'. Doch selbst wenn man hier relativ optimistisch ist, gelangt man auch damit in den allermeisten Fällen lediglich in die nachpaulinische Zeit zurück. Von dort her ist es nur schwer möglich, die Art der (vermuteten) traditionsgeschichtUchen Zusammenhänge mit den jüdischen und neutestamentlichen Schriften der Zeit des 1. und 2Jh n.Chr. genauer zu bestimmen. Prinzipiell denkbar ist hier vieles. So gibt es in den rabbinischen Texten aufbewahrte alte Traditionen, die Einfluß z.B. auf die paulinische Gedankenbildung genommen haben®. Umgekehrt ist es aber ebenso möglich, daß die Theologie des Paulus bzw. des nachpaulinischen Christentums auf die sich entwickelnde rabbinische Theologie Einfluß genommen hat'. Weiter ist mit Wirkungen der Schriften des Philo, des Josephus und der pseudepigraphen Literatur und vor allem auch der Apokalyptik zu rechnen'". Schließlich könnte man auch feststellbare Übereinstimmungen für zufällig halten". Aufgrund der Art der in diesem Abschnitt behandelten Literatur, der geschilderten methodischen Probleme und des Forschungsstandes der Judaistik überhaupt weicht das Vorgehen in diesem Kapitel z.T. ab von der bisherigen Form der Analyse. Die nicht unbeträchtliche Zahl von Stellen, an denen die rabbinische Literatur ausdrücklich von Gottes Verheißen spricht, wird jeweils mit

' So z.B. s t r a c k / S t e m b e r g e r , E i n l e i t u n g ; Sanders, P a u l u s . D i e e t w a s e r s t a u n l i c h e P a r a l l e l i s i e r u n g von B i l l e r b e c k und S a n d e r s bei M c G o n i c a l , A b r a h a m 223f (er w i r f t b e i d e n g l e i c h e r m a ß e n vor, sie s t e l l t e n die E n t w i c k l u n g der r a b b i n i s c h e n L e h r e n z w i s c h e n 200 und 500 n.Chr. nicht g e n ü g e n d in R e c h n u n g und n ä h m e n j e w e i l s nur ihren partikularen G e s i c h t s p u n k t w a h r ) hat ihren G r u n d o f f e n s i c h t l i c h a u c h in d i e s e r g e g e n s ä t z l i c h e n m e t h o d i s c h e n E i n s c h ä t z u n g der v e r s c h i e d e n e n r a b b i n i s c h e n S c h r i f t e n k o m p l e x e . D e n n M c G o n i g a l räumt, im A n s c h l u ß an N e u s n e r , der M i s c h n a m e t h o d i s c h e Priorität ein ( u n d v e r n a c h l ä s s i g t in s e i n e r D a r s t e l l u n g d i e t a n n a i t i s c h e n M i d r a s c h i m ganz!). ' V g l . S t r a c k / S t e m b e r g e r , E i n l e i t u n g 66f; S c h ä f e r , S t u d i e n 4 spricht von N o t b e helf; n o c h sehr viel kritischer ( a u c h zu M ö g l i c h k e i t e n der D a t i e r u n g i n s g e s a m t ) z u letzt M ü l l e r , D a t i e r u n g . ' P o s i t i v gilt das e t w a für I K o r 10. Z u m i n d e s t implizit wird es a u c h v o n all d e n e n v o r a u s g e s e t z t , die die r a b b i n i s c h e T h e o l o g i e als N e g a t i v f o l i e h e r a n z i e h e n , um v o n ihr her d i e p a u l i n i s c h e G e s e t z e s t h e o l o g i e p l a u s i b e l zu m a c h e n . ' U r b a c h r e c h n e t h ä u f i g e r , z.B. a u c h b e i m G l a u b e n s v e r s t ä n d n i s ( S a g e s 35), a l l g e m e i n mit s o l c h e n E i n f l ü s s e n . . D i e s e i n n e r j ü d i s c h e n Z u s a m m e n h ä n g e sind n o c h w e i t g e h e n d u n b e r ü c k sichtigt* ( S t r a c k / S t e m b e r g e r , E i n l e i t u n g 59). " V g l . d i e vier M o d e l l e m ö g l i c h e r t r a d i t i o n s g e s c h i c h t l i c h e r B e z i e h u n g e n bei Vermes, Literature 372f.

156

III.E. Rabbinische Literatur

ihren Parallelversionen analysiert, wodurch sich der Schwerpunkt von einer stärker synchronen zu einer stärker diachronen Sicht auf die Texte verschiebt. D i e Grenze solchen Vorgehens ist, daß die jeweilige historische Verankerung nur sehr begrenzt in die Untersuchungen einbezogen werden kann. Dies liegt aber eben daran, daß diese historischen Fragen im Blick auf die rabbinische Literatur allgem e i n schwierig bzw. z.T. wohl fast unlösbar sind. D i e Reihenfolge der Darstellung wird sich zweckmäßiger Weise an den i n hahlichen Hauptaspekten des Gegenstandes orientieren, w i e sie sich aus d e m Wortfeld zur Verheißung ergeben^^. O b es in den zusammenfassenden Teilen jeweils gelingt, eine den verschiedenen Versionen einer Tradition zugrunde l i e gende gemeinsame Aussageabsicht zu eruieren, oder ob lediglich die Beschreibung einer disparaten Venvendungsgeschichte der Tradition möglich erscheint, hängt stark von den Texten selbst ab. D i e verwandten Textausgaben und Übersetzungen für die einzelnen rabbinischen Schriften sind ausführlich im Literaturverzeichnis aufgeführt". D a die

Dies entspricht dem bei Schäfer, Research 140f beschriebenen dritten, thematisch orientierten methodischen Zugang zu den rabbinischen Texten. Von Judaisten wird u.U. bemängelt werden, daß die Identität des untersuchten Themas nicht den rabbinischen Quellen entnommen ist, sondern an sie herangetragen wird (vgl. Schäfer, Research 141). Dies hat seinen Grund in der methodischen Zielsetzung und Begrenzung thematisch orientierter begriffsgeschichtlicher bzw. traditionsgeschichtlicher Untersuchungen überhaupt. Als diachrone Eruierung wichtiger theologischer Inhalte haben solche ihren guten, wenn auch begrenzten Sinn. Sicherlich wäre die synchrone Analyse der einzelnen rabbinischen Schriften ein notwendiges Korrektiv gegenüber möglichen Fehldeutungen und Überinterpretationen. Beim jetzigen Stand der Judaistik kann der Neutestamentier als judaistischer Laie jedoch leider noch kaum auf solche Einzeluntersuchungen zurückgreifen, weniger auf jeden Fall als zu den bisher behandelten frühjüdischen Schriften (vgl. zum Verhältnis von neutestamentlicher Wissenschaft und Judaistik auch Alexander, Judaism). " Da die verschiedenen Textausgaben und Übersetzungen z.T. recht unterschiedliche Zählungen verwenden, erscheint es sinnvoll, an dieser Stelle zusammengefaßt nachzuweisen, welche Textausgaben (abgekürzt T.) der Untersuchung zugrunde liegen und nach welcher Übersetzung (Ü.) im folgenden jeweils (soweit nichts anderes angegeben ist) zitiert wird. Häufig werden in den Übersetzungen Schriftzitate gesondert gekennzeichnet. Um den Auslegungscharakter der rabbinische Literatur möglichst deutlich zu machen, werden Schriftzitate hier im folgenden einheitlich mit Kapitälchen gekennzeichnet. Die Abkürzungen der einzelnen Schriften folgen, wie in der Judaistik üblich geworden, den Frankfurter Judaistischen Beiträgen 2, 1974 (vgl. jetzt auch die zweite Auflage des Abkürzungsverzeichnisses der TRE, Schwertner, l A T G 4992). Tannaitische Midraschim: Mekhilta de R. Jischmael {MekhY; T.: Horovitz/ Rabin, Mechilta; Ü.: Winter/ Wünsche, Mechiltha; englisch: Lauterbach, Mekilta); Sifra (Sifra; T.: Weiss, Sifra; Ü.: Winter, Sifra); Sifre zu Numeri {SifBam; T.: Horovitz, Siphre; Ü.: Kuhn, Midrasch Sifre); Sifre zu Deuteronomium {SifDev, T.: Finkelstein, Siphre; Ü.: Bietenhard, Midrasch Sifre); Amoräische Midraschim·. Bereschit Rabba (BerR; T.: Theodor/ Albeck, Midrash Bereshit Rabba; Ü.: Neusner, Genesis Rabbah); Schemot Rabba (ShemR·, T.: Mirkin, Midrasch Rabba, Bde V - V I ; Ü.: Wünsche, Schemot Rabba); Wajikra Rabba (WaR-, T.: Mirkin, Midrasch Rabba, Bde VII-VIII; Ü.: Wünsche, Wajikra Rabba); Pesiqta Rabbati (PesR; T.: Friedman, Pesikta Rabbati; Ü.: Braude, Pesikta Rabbati); Tanchuma Buber (TanB; T.: Buber, Tanchuma; Ü.: Bietenhard, Tanhuma B); Weitere Schriften·. Bamidbar Rabba (BamR-, T.: Mirkin, Midrasch Rabba, Bde IX-X;

Z u r M e t h o d i k der U n t e r s u c h u n g r a b b i n i s c h e r L i t e r a t u r

157

einzelnen Texte häufig nicht sonderlich gut zu erreichen sind und da gerade rabbinische Texte durch zusammenfassende Darstellung aus christlicher Sicht besonders leicht schief interpretiert werden, werden in diesem Kapitel die Texte stärker als in den übrigen Kapiteln auch selbst zu Wort kommen. Lexikalischer Befund: Der Untersuchung zugrundegelegt werden die Lexeme ΠΠΒ3Π, п^изп und пизш sowie einige Belege mit der Wurzel узш'''. Die tannaitischen Midraschim (Texte also, deren Entstehung bis zum 3Jh. n.Chr. weitgehend abgeschlossen war) sind für unser Thema der wichtigste Textkomplex, nicht nur aufgrund ihres Alters, sondern auch wegen ihres literarischen Charakters'^. Die Midraschim der darauf folgenden Amoräer (bis etwa 500 n.Chr.) und Saboräer (bis zum 7Jh. n.Chr.) sind, da hier noch Konkordanzen fehlen, einer Untersuchung nicht in gleichem Umfang zugänglich'*'. Die Mischna und die Talmudim bieten einen von den Midraschim deutlich unterschiedenen Befund'^. Während die Mischna lediglich einen Beleg enthält und sich im Jerusalemer Talmud letztlich nur drei Traditionen finden, begegnen im babylonischen Talmud eine ganze Reihe von Belegen^®. Allerdings fehlt in diesem ganzen halakhisch

Ü.: W ü n s c h e , B e m i d b a r R a b b a ) ; E s t h e r R a b b a {EstR-, T, Ü b l i c h e A u s g a b e n des M i drasch R a b b a : ; Ü.: Simon, M i d r a s h R a b b a Esther); Seder E l i j a h u Z u t a {SEZ-, T.: F r i e d m a n , Seder); T a r g u m R u t h (TargRuth T.: Sperber, Bible in A r a m a i c ; ί).; G r o s s feld, Targum); Mischna und Talmudim: M i s c h n a : M a a s e r Scheni (mMSh; T. und Ü.: Bunte, M a a s e r o t / M a a s e r Scheni [ G i e ß e n e r Mischna]); J e r u s a l e m e r T a l m u d (T.: K r o t o s c h i n ) ; b a bylonischer T a l m u d (T. und Ü.: G o l d s c h m i d t , T a l m u d ) ; T r a k t a t e (Sof; Kalla; DER; T.: Higger, Masseket S o f e r i m ; ders., M a s s e k t o t K a l l a h ; ders., Derek E r e z ; Ü.: C o h e n , Minor T r a c t a t e s ) ; H e k h a l o t h - L i t e r a t u r {SHL; T.: S c h ä f e r , Synopse; Ü.; S c h ä f e r , Ü b e r s e t z u n g ; Z i t i e r u n g nach P a r a g r a p h e n in der Synopse von S c h ä f e r ) . S.o. S.64f, " Insgesamt f i n d e n sich hier 13 Belege: M e k h Y п'7ШЗ 1 (76; W: 74; L: 1,172; zu 13,17); M e k h Y п^ШЗ 3 (98f; W: 93f; L: 1,217; zu 14,15); M e k h Y n V r á 10 (149; W: 143; L: 11.77: zu 15,17f); M e k h Y 2 (185; W: 176f· L: 11,157· zu 17,14); S i f r a ' π ι ρ ι π η 8,2 ( i l i , 2 ) ; SifBam §68.84; SifDev §11.303.305.:^09.323.32^. Da die E i n t e i l u n g bei M e k h Y in den einzelnen A u s g a b e n stark d i f f e r i e r t ( u n d die Z ä h l u n g i n n e r h a l b des T r a k t a k t s п'РШЗ m e h r m a l s neu bei 1 einsetzt), sind an dieser Stelle in K l a m m e r n z u sätzlich - in dieser R e i h e n f o l g e - die S e i t e n z a h l e n der T e x t a u s g a b e von H o r o v i t z / Rabin sowie der Ü b e r s e t z u n g e n von W i n t e r / W ü n s c h e und (mit B a n d ) der v e r b r e i t e ten englischen Ü b e r s e t z u n g von L a u t e r b a c h und schließlich die im Z u s a m m e n h a n g a u s g e l e g t e Bibelstelle g e n a n n t (im W e i t e r e n wird jeweils nur noch die Seitenzahl bei Horovitz angegeben). " S.o. S.65. In den a m o r ä i s c h e n M i d r a s c h i m w e r d e n insgesamt 11 Belege b e r ü c k sichtigt: BerR 41,2; 52,13; 76,1.2; ShemR 19,4; 38,6; 44,6; W a R 16,9; PesR 1,2; 42,5; T a n B "l·? η·? 17; in den s a b o r ä i s c h e n M i d r a s c h i m sind es, z u s a m m e n mit w e i t e r e n S c h r i f t e n , 4 Belege: B a m R 2,12; EstR 8,6; S E Z 2; T a r g R u t h 2,13. A n d e r e S c h r i f t e n , wie etwa die g r o ß e n s p ä t e r e n S a m m e l w e r k e , k o n n t e n hier nicht b e r ü c k s i c h t i g t w e r den. Die Z a h l der hier g e n a n n t e n Belege ist g e r i n g e r als die in der Ü b e r s i c h t S.69f g e n a n n t e n Z a h l e n f ü r das V o r k o m m e n der Lexeme, da in einigen Belegen die L e x e me m e h r m a l s v o r k o m m e n . " Das V e r h ä l t n i s von M i s c h n a - und M i d r a s c h f o r m in der r a b b i n i s c h e n Ü b e r l i e f e r u n g ist in der F o r s c h u n g noch ein ungelöstes P r o b l e m (vgl. S c h ä f e r , Studien 6). " Z u s a m m e n 22 Belege, die a l l e r d i n g s - zieht man die P a r a l l e l v e r s i o n e n z u s a m men lediglich 10 v e r s c h i e d e n e T r a d i t i o n e n u m f a s s e n : mMSh 5,13 [vgl. bSot 39bl;

158

III.E. Rabbinische Literatur

bestimmten Schriftkomplex лпазл mit der Bedeutung Verheißung; π ^ аз л findet sich gegenüber der übrigen Literatur sehener, die Form namn dagegen häufiger.

1. Die Väterverheißungen und Israel a. Mehrungsverheißung

- erfüllt im Volk, das aus Ägypten

auszieht

AuffäUig ist, daß bei den Rabbinen die Väterverheißungen häufig im Kontext der Exodustradition angeführt werden. Mehrfach wird konstatiert, daß diese Verheißungen mit dem Auszug aus Ägypten an Israel in Erfüllung gegangen sind. Denn Israel ist so zum großen Volk geworden. (1) In MekhY Π·7Φ3 3 (98f) heißt es etwa (bei der Auslegung von Ex 14,15)i': .UND DEN

ES SPRACH

KINDERN

DER EWIGE

ISRAEL,

UND

SIE

ZU

MOSE:

SOLLEN

WAS

SCHREIST

AUFBRECHEN.

DU ZU

MIR?

REDE

ZU

...

Eine andere Erklärung: Wegen der Zusicherung, die ich euerm Vater Jakob zugesichert habe АоЭ'ЗК ηρΰ-'? 'ЛПИЗЛС» лпазлу werde ich euch das Meer zerreißen, wie es heißt (Gen. 28,14): ,UND DEIN SAME WIRD SEIN WIE DER STAUB

DER

ERDE,

UND

DU

WIRST

DURCHBRECHEN

ЛП-

(MEERWÄRTS)

·, d.i.

er

deutete ihm an: Durchbrich das Meer. R. Jehuda ben Bathyra sagt: Der Heilige, geb. s. er! sprach zu ihm: Bereits habe ich die Zusicherung getan (erfüllt), welche ich eurem Vater Abraham zugesichert habe, denn es heißt (Ex. 14,21 ): .UND ER MACHTE DAS MEER ZUR DÜRRE ', und ferner DER

(das. MITTE

15,19): DES

,UND

MEERES.

DIE

KINDER

ISRAEL

GINGEN

AUF

DEM

TROCKENEN

IN

"

(2) In ShemR 38,6 wird mit der Erfüllung der Abrahamsverheißung von Gen η,Ιί im Exodusgeschehen Ps 119,89 illustriert: „AUF

EWIG,

EWIGER,

STEHT

FEST

DEIN

WORT

IM

HIMMEL.

'...

R. Chiskia bar Chija sagte: Weil Gott im Himmel das Wort versichert hatte /П'ОЗЛШУ, und nach 210 Jahren diese Versicherung Л П И З Л / welche Gott dem Gerechten gegeben, zur Wahrheit geworden ist. Wie so? Als Gott zu Abraham sprach Gen. 12,1.2 ...'.

yShab 1,4 (3c); yShab 7,2 (10c) [vgl. yShab 7,4 (lOd); 12,1 (13c); 15,1 i l 5 a ) ; yEr 5,1 (22c)]; yPes 3,1 (30b) [vgl. bEr 43b; bPes 13a]; bBer 4b [vgl. bBer 57a (2x); b Y o m 88a]; bMeg 28b [vgl. bNid 73a]; bKet l i l a ; bSan 98a; bShevu 35b [vgl. Sof 4,7]; Kalla 5,2. " Z u n ä c h s t werden in der Auslegung der MekhY zu diesem Vers Stimmen genannt, die sich mit der Art und Weise des Gebets Moses' beschäftigen. Es folgen eine ganze Reihe Begründungen f ü r Gottes r e t t e n d e s H a n d e l n . Das beginnt mit einem R e k u r s auf die Schöpfungsgeschichte und darauf einem Hinweis auf J e r u s a l e m . Im A n s c h l u ß d a r a n f i n d e n sich die zwei im folgenden zitierten E r k l ä r u n g e n . B e m e r kenswert ist auch die Diskussion, die sich im Weiteren fortsetzt (s.u. S.229f). ™ Lauterbach, Mekilta I 217 liest mit einer anderen H a n d s c h r i f t hier »euren Vätern" statt »eurem V a t e r J a k o b ' ; ebenso in der folgenden Tradition statt . e u r e m Vater Abraham".

Gottes Verheißungen für die Väter und f ü r Israel

159

Auch die Verheißungen an Jakob, die dann angeführt werden, zielen wiederum auf die überaus zahlreiche Nachkommenschaft und den Auszug aus Ägypten: ,So findest und

zu

STAUB

du auch bei Jacob, dass Gott ihm die Verheißung

ihm DER

sprach

s.das.

28,14:

.UND

ERDE; ' desgleichen

HINABZIEHEN

UND

ICH

das.

WILL

WIRD

46,4:

DICH

hat ihm auch diese Verheissung

ES

,lcH

AUCH

DEIN WILL

WIEDER

SAME MIT

gab

WERDEN

/тп'азл«)/ WIE

DIR NACH

DER

AEGYPTEN

HERAUFFÜHREN,

' und

Gott

erfüllt".

(3) Das gleiche Motiv findet sich, eingebettet in einen ausführlicheren Auslegungszusammenhang, auch in BamR 2,12. Ausgangspunkt ist hier die Auslegung von Num 232. Hinzugezogen wird zur Interpretation Hos Die weitere Gültigkeit dieser Zusage wird schließlich wiederum durch Ps 119,89 bekräftigt und mit der erfüllten Abrahamsverheißung begründet: „FÜR

EWIG,

EWIGER,

STEHT

DEIN

WORT

FEST

IM

HIMMEL

', deshalb,

weil

Gott dem Abraham eine Verheissung gegeben hatte /ппизп п ' и з п ш / und die, als die Kinder Israels aus Aegypten zogen, in Erfüllung ging. Wann gab ihm Gott diese Verheissung / ш ' В З П / ? A/s er ihm befahl, aus dem Hause seines Vaters zu gehen,

wie

es heisst

DICH ZU EINEM

Gen.

12,1:

GROSSEN

,GEH

AUS

DEINEM

LANDE

VOLKE MACHEN. ' Da sprach

der Welten! von allem, was du mir verheissen habe ich davon, da ich keine Kinder habe.'.

U.S.W.

UND

Abraham

ICH

vor Gott:

hast /ЛПИЗПШУ, welchen

WILL

Herr

Vorteil

Im Fortgang wird dann weiter u.a. Gen 15,5; 22,17; 28,4 angeführt und interpretiert und schließlich die Erfüllung des .Segens Abrahams'^^ in den Tagen des Moses ausdrücklich mit der Anführung von Dtn 1,10 belegt. b. Andauernde

Segensverheißung

( 1) Dieser Segen für Abraham wird aber zugleich offensichtlich auch als weiter wirksam angesehen. Ein schönes Beispiel dafür ist die Auslegung von Dtn 1,11 in SifDev §11: ,J',

DER

GOTT

EURER

VÄTER,

MÖGE

ZU

EURER

GEGENWARTIGEN

ZAHL

DAS

TAUSENDFACHE HINZUFÜGEN. Sie sagten zu ihm: Unser Meister Mose, es ist uns nicht lieb, dass du uns segnest'^. Gott versicherte [va'^nj dem Abraham, unserem CHEN

Vater:

.DENN

DEINEN

ICH

SAMEN

WILL WIE

DICH DIE

REICHUCH

STERNE

DES

SEGNEN

UND

HIMMELS

UND

ZAHLREICH WIE

DEN

MASAND '

Num 2,32: .Das sind also die gemusterten Israeliten, geordnet nach Großfamilien'·, Hos 2,1: .Einst werden die Söhne Israels so zahlreich sein, wie der Sand am Meer* (Einheitsübersetzung). ^ Bereits innerhalb der Väterverheißungen der Genesis wird die Segensverheißung zumeist »durch die Mehrungsverheißung expliziert oder in ihr weitergeführt* (Westermann, Verheißungen 144). ^ .Nämlich: In dieser bestimmt abgegrenzten Weise" (Bietenhard, Midrasch Sifre 27 Anm.l).

160

III.E. Rabbinische Literatur

(Gen 22,17) - und du willst eine Grenze setzen für unseren Segen!... Israeli

ten

Mose:

J', DER

GOTT

EURER

VÄTER,

MÖGE

sagte zu den

HINZUFÜGEN

ZU

EURER

GEGENWÄRTIGEN ZAHL DAS TAUSENDFACHE: Dies ist von meinem Eigenen; aber was euch gehört: Er möge euch segnen, wie er euch gesagt hat: wie den Sand der Meere und wie die Pflanzen der Erde und wie die Fische des Meeres und wie die Sterne des Himmels an Menge'".

(2) Auf die Segensverheißung von Gen 12^ nimmt eine Auslegung zu Gen 14,1722 Bezug, die in TanB -["? -["? 17 überliefert wird. Erklärt werden soll, warum Abraham „nicht einen Faden" von Melchisedek annehmen will, der ihm aus Salem entgegenzieht. Wie in SifDev §11 liegt auch hier der Grund darin, daß Gottes Verheißung viel größer ist als das, was Menschen vermögen: ,Weil mir der Heilige, g.s.er! verheissen wie

es heisst:

.UND

ICH

(da) sollte ich nehmen, den.'

c.

WILL

DEINEN

was dir gehört,

hat, dass er mich reich machen

NAMEN

GROSS MACHEN

' (Gen

werde,

12,2).

Und

dass du sagst: Ich lasse dich reich

wer-

Landverheißung

Bemerkenswert ist, daß auf die Landverheißung bei den Rabbinen im Zusammenhang mit den Vätererzählungen kaum je Bezug genommen wird, trotz der dtn./ dtr. Tradition von dem Land, das Jahwe den Vätern zugeschworen hat^'. Andere Traditionen zeigen allerdings, daß das Volk Israel und sein Land bei den Rabbinen nicht zu trennen sind und das Land sogar als eine Art Fundament für das Volk gelten kann^^. (1) In SifDev §309 heißt es (als Auslegung zu Dtn 32,6): .ER HAT DICH GEMACHT

UND BEREITET.

... R. Schim'on

Hess dich sitzen auf deiner Basis, er Hess dich verschlucken

b. Jehuda

sagt:

die Beute von

Er

sieben

Die gleiche Tradition findet sich auch in SifBam §84, als Auslegung zu Num 10,36. Die Verbindung zu Dtn 1,11 schafft hier die Zahl Tausend. Wiederum nehmen die Israeliten an dem Segen des Moses in Dtn 1,11 Anstoß: .Mose, unser Lehrer! Siehe, uns sind Segnungen in Fülle verheißen - denn so hat (Gott) uns verheißen: ,Wie die Sterne des Himmels und wie der Sand am Meer" (Gen. 22,17) und wie die Gewächse des Feldes - und du gibst für unsere Segnungen ein bestimmtes Maß an?"; auch die Antwort des Moses entspricht SifDev §11. ^ Zwar ist auch in den Vätergeschichten in Gen 12-50 die Mehrungsverheißung die häufigste, die Landverheißung ist allerdings nicht viel seltener (vgl. Westermann, Verheißungen 120). ^ Es ist deutlich, daß die wenigen Belege, die aufgrund des begriffsgeschichtlichen Ansatzes in dieser Untersuchung herangezogen werden, kein erschöpfendes Bild bieten können. Es erscheint jedoch möglich, anhand solcher ausgewählter Belege bestimmte Tendenzen herauszufinden, die sich abzeichnen. Eine allgemeinere, umfassendere Darstellung von Themen und Motiven (ohne Interesse an genauerer historischer Verortung) sowie einen Überblick über die bisherige Forschung bietet Wolff, Land.

Gottes V e r h e i ß u n g e n f ü r die V ä t e r und f ü r Israel Völkern und gab dir, was er dir zugeschworen was er dir zugesagt /ηπ'ИЗПш/Aaííe."

/unwJtó/Aaíte,

161

und Hess dich

erben,

(2) Eng verbunden sind Land und Volk auch im Bild der Pflanzung. So heißt es in einer Auslegung zu Ex 15,17 in MekhY nVain 10 (149): ,DU

BRINGST

SIE UND

DU PFLANZEST

SIE ... AUF

DEM

BERGE

DEINES

ERBES.

Auf dem Berge, für welchen du uns Zusicherung gegeben hast Л ^ЛПИЗПШ ппз/ wie es heißt (Ezech. 20,40): ,AUF MEINEM HEIUGEN BERGE, AUF DEM BERGE DER HÖHE ISRAELS '. Vier (Dinge) werden Erbe genannt. Das Heiligtum ... das Land Israel ... die Thora ... Israel ... Es sprach der Heilige, geb. s. er!: Kommen mögen die Israeliten, welche Erbe genannt werden, nach dem Lande, welches Erbe genannt wird, und bauen das Heiligtum, welches Erbe genannt wird, im Verdienste der Thora, welche Erbe genannt wird. Darum heißt es: ,AUF DEM BERGE

DEINES

ERBES

An beiden Stellen ist die Landverheißung im Zusammenhang der Argumentation nicht lediglich eine früher einmal erfüllte, sondern sie wird offensichtlich als auch gegenwärtig noch gültig betrachtet und genau wie die Mehrungs- und Segensverheißungen kaum bloß als vergangene und abgeschlossene Wirklichkeiten verstanden werden können. Von daher ist Rösslers These zu widersprechen, daß die V ä t e r v e r h e i ß u n g e n bei den R a b b i n e n als endgültig e r f ü l l t e verstanden werden, die »eben nicht .geschichtliche', in der Geschichte geltende, noch o f f e n e , auf ihre geschichtliche oder k ü n f t i g e E r f ü l l u n g hin angelegte sind"^^. Vor allem der Begriff des Erbes in den zwei v o r angegangenen Belegen läßt erkennen, daß auch dann, wenn im Kontext der A u s l e gung in der V e r g a n g e n h e i t formuliert wird (wie in SifDev §309), dennoch die Erben es noch immer mit dem E r e r b t e n zu tun h a b e n ^ . Ausdrücklich wird sogar in ShemR 44,6 und bBer 32a betont, daß Gottes Schwur in alle Ewigkeit bestehen bleibt, so daß Moses (aber nicht nur er) sich auf ihn b e r u f e n kann^®, und in PesR 1,2 heißt es, d a ß Gott zu seinem Wort und also auch zu seinen V e r h e i ß u n g e n steht^®.

(3) Als Inbegriff alles Guten erscheint das Land in MekhY π^ώη 1 (76), in einer Auslegung zu Ex 13,17. Hier ist die Frage, warum Gott das Volk beim Auszug nicht durch das Land der Philister (und damit bereits in das gelobte Land) führte, sondern durch die Wüste. Nach einer Reihe von Erläuterungen der bibU-

^ Rössler, Gesetz 28. Z u r notwendigen Kritik an Rössler, der f ü r sein weitreichendes Urteil lediglich auf eine A u s w a h l von 9 der immerhin 24 bei Billerbeck verzeichneten Belege z u r ü c k g r e i f t und an dieser Stelle jede eigene Q u e l l e n k e n n t n i s d a r ü b e r hinaus vermissen läßt, vgl. auch Sanders, Paulus 96: »Rösslers magere und o b e r f l ä c h l i c h e Darstellung verdient an sich keine a u s f ü h r l i c h e Widerlegung. Sie besteht in der simplen Beobachtung, daß einige der bibl. V e r h e i ß u n g e n Gottes bereits innerhalb der bibl. Geschichte erfüllt wurden und folglich nicht o f f e n f ü r die Z u k u n f t sind". ^ Vgl. zu SifDev §309 auch Sanders, Paulus 98. ^ Z u r Parallelität von Schwur und V e r h e i ß u n g auch bei den R a b b i n e n s.u. S.165. » S.u. Anm.109.

162

III.E. Rabbinische Literatur

sehen Erklärung jìenn nahe war ' (u.a. Abrahams Schwur an Abimelech, E r wägungen über mangelnde Treue Israels zur Tora im Land) heißt es: „Denn nahe war ', d.i. nicht brachte Gott sie auf ihrem geraden Wege, sondern als die Kena aniter hörten, daß die Israeliten einziehen, standen sie auf und verbrannten alle Saaten und fällten alle Bäume und zerstörten die Bauten und verstopften die Quellen. Da sprach der Heilige, geb.s.er!: Ich habe ihnen, indem ich zu ihren Vätern sprach, nicht zugesichert, daß ich sie in ein zerstörtes Land einführen werde, sondern in eines, das voll ist alles Guten ... Allein siehe, ich führe sie einen Umweg durch die Wüste 40 Jahre, bis die Kena 'aniter aufstehen und wieder herstellen, was sie verdorben haben.'

(4) Einmal dient schließlich die Landverheißung auch als Argument innerhalb einer halachischen Disicussion. Die Mischna behandelt im Kontext des Themas der am Sabbat verbotenen Arbeiten auch das Verbot .einen Knoten zu knüpfen, einen Knoten zu lösen, zu bauen und niederreißen'. Dabei taucht die Frage auf, ob das Bauen der Stiftshütte und das Knüpfen der Seile für sie zu diesen verbotenen Arbeiten gehört habe oder nicht. Entscheidendes Kriterium hierfür ist, ob die Arbeit auf Dauer angelegt ist. R. Yose vertritt mm im Jerusalemer Talmud die Ansicht, daß die Arbeiten an der Stiftshütte nicht auf Dauer, sondern nur auf eine kurze Frist hin angelegt, mithin also nicht verboten waren; denn Gott habe ihnen ja verheißen, sie in das Land zu führen, so daß sie woißten, daß sie an dem jeweiligen Ort in der Wüste nicht bleiben würden^ К (5) Insgesamt ist der Befund zum Thema Landverheißung bei den Rabbinen also recht vielschichtig (zumindest soweit sie im Kontext von nnann etc. thematisiert wird). Wie zentral die Landverheißung der Vätergeschichten zur Zeit der Rabbinen noch war und inwieweit sich an sie noch konkrete Hoffnungen und Erwartungen knüpften''^, ist - aufgrund der Art und Anzahl der hier angeführten Quellen - nicht leicht zu sagen^^. Die deutliche Betonung der Nachkommenschaftsverheißung bei gleichzeitigem Zurücktreten der Landverheißung, wie sie sich vor allem in der Abrahamstradition findet, läßt erkennen, daß sie zumin-

" γηκ·? ID'JDD Ν1Π4) π"ρπ 1П'ИЗЛШ. Die Diskussion zum .Knüpfen' findet sich in yShab 7,2 (lOc); diejenige zum .Bauen' in yShab 7,4 (lOd). Parallelversionen sind yShab 12,1 (13c); yShab 15,1 (15a); yEr 5,1 (22c). Für Hilfe und Erläuterungen beim Übersetzen dieser Belege danke ich herzlich Herrn Dr. H.J. Becker, Berlin. Zu den Grundintentionen von Sifre gehört es nach Hammer, Sifre 19 etwa, ,to reaffirm the Biblical promises and the centrality of the Land to Judaism". Allerdings bleibt auch hier letztlich offen, welche konkreten Erwartungen und Aussichten wohl damit verbunden waren für ein Volk, das unter Zerstörung, ökonomischen Problemen und fremder Unterdrückung zu leiden hatte (ebd.). " .Sicher haben auch die Rabbinen keine einheitliche Stellung zum Land bezogen; v.a. sind Unterschiede zwischen den Rabbinen Babyloniens und jenen Palästinas zu erwarten" (Stemberger, Bedeutung 176; er fordert vor diesem Hintergrund .palästinische und babylonische Texte ... streng zu trennen" (ebd.); ohne diese methodische Differenzierung haben zuvor bereits Thoma, Land und auch - stark aus der Sicht heutigen Judentums - Gradwohl, Land das Thema behandelt.

G o t t e s V e r h e i ß u n g e n für d i e V ä t e r u n d für Israel

163

dest in diesen Zusammenhängen keine zentrale Rolle mehr spielt^. So wird die gegenwärtige Bedeutung des Landes von den Rabbinen weniger mit der Landverheißung begründet, als mit der „Heiligkeit des Landes mit ihren Konsequenzen"^^. Sie wird auch im Hintergrund eines Wortes des R. Meir stehen: .Wer stets im Lande Welt versichert haken"

Israel lebt (yShab 1,4

... der (ЗсУ'.

darf

sich

des Lebens

der

zukünftigen

Dabei sehen es die palästinischen Rabbinen offensichtlich als ihre Aufgabe an dafür zu sorgen, daß Juden im Land Israel wohnen bleiben, weil „dort allein ... sich die Herrschaft Gottes und sein Reich voll verwirklichen"''' kann. Nur dort ist auch für sie ein Leben in Reinheit und im Gehorsam gegenüber dem Gesetz möglich'®, so daß Gesetz und Land für sie aufs engste verbunden sind". Deshalb bemühen sie sich durch Bestimmungen der Halakha „die Bewohnung des Landes selbst zu erleichtern" und betreiben „Propaganda für das Land IsraеГ"·®. Die babylonischen Rabbinen dagegen übernehmen, wie beispielhaft etwa bKet 110b-112b zeigen, keineswegs uneingeschränkt das Lob des Landes: „Völlig uneingeschränkt überliefert der babylonische Talmud nur die Endzeitaussagen zum Lobe Israels; für die gegenwärtige Praxis sind diese jedoch ohne Bedeutung: In dieser Welt bleibt man besser in Babylonien."''^ Dem entspricht es, daß das Land zum messianischen Gut werden kann und die Landverheißung auf unterschiedliche Weise in eschatologische Vorstellungen eingeht, u.a. auch in die Formel ,sich versichert halten, ein Sohn der zukünftigen Welt zu werden'"^. Z u sammenfassend könnte man die Stellung der Rabbinen zum Land beschreiben D a b e i m ö g e n z.T. ä h n l i c h e M o t i v e w i r k s a m g e w e s e n s e i n , w i e sie e t w a bei J o s e p h u s e r k e n n b a r w a r e n . Er hat ja aus der E r f a h r u n g der D i a s p o r a und der R ö m e r h e r r s c h a f t h e r a u s a u c h die N a c h k o r a m e n s c h a f t s v e r h e i ß u n g b e t o n t und die L a n d v e r h e i ß u n g s o w o h l a b g e s c h w ä c h t als a u c h u n i v e r s a l i s i e r t (s.o. S.138). " S t e m b e r g e r , B e d e u t u n g 178. " КЗП D ^ i y n - ' π η К1ПШ l·? п а з ш ( Ü b e r s e t z u n g nach: W ü n s c h e , J e r u s a l e m i s c h e T a l m u d 93f; z u m v o l l e n W o r t l a u t der S t e l l e vgl, u n t e n S.168). D i e B e d e u t u n g d e s L a n d e s wird aber a u c h an Stellen w i e b K e t l i l a d e u t l i c h , w o es heißt: .Selbst eine Sklavin im Jisraélland ist dessen sicher, dass sie der zukünftigen Welt teilhaftig wird' (Ν3Π D'piyn ПЗ -ПШ π·? n o n i o ) ; und: .Wer vier Ellen im Jisraélland wandelt, ist dessen sicher, dass er der zukünftigen Welt teilhaftig wird'. In b K e t 110b b e z i e h t sich s o l c h e A u s s a g e auf G o t t e s G e g e n w a r t : n a c h ihr g l e i c h t der, der im Land w o h n t , d e m , der Gott hat, und wer nicht im L a n d w o h n t , d e m ist als hätte er Gott nicht. " S t e m b e r g e r , B e d e u t u n g 197. » V g l . Safrai, Land 212. " V g l . D a v i e s , G o s p e l 5 6 f , der u.a. darauf h i n w e i s t , d a ß ein Drittel der M i s c h n a v e r b u n d e n ist mit d e m Land. « S t e m b e r g e r , B e d e u t u n g 185.190. « E b d . 196. « V g l . B e h m , T h W N T III 779f; Berger, A b r a h a m 54 A n m . 9 . D a r a u f w e i s t u.a. a u c h die p a r a l l e l e F o r m u l i e r u n g v o m E r b e n der z u k ü n f t i g e n W e l t (vgl. B e h m , T h W N T III 780 mit A n m . 2 3 ) . Z u r F o r m e l ,sich v e r s i c h e r t h a l t e n , ein Sohn der z u k ü n f t i g e n W e l t zu w e r d e n ' und d e n v e r s c h i e d e n e n K o n z e p t e n , die sich mit d i e s e r V o r s t e l l u n g der z u k ü n f t i g e n W e l t e t w a bei d e n R a b b i n e n und in der A p o k a l y p t i k v e r b i n d e n , s.u. S.167f.

164

ULE. Rabbinische Literatur

als „Dialektik von traditioneller Landgebundenheit und Diasporabejahung'"·^. Es ist nicht mehr „absolutes, aber immerhin ... notwendiges Gut des Judentums" und kann zwar „teilweise ersetzt, aber nicht ganz weggenommen werden""'·. d. Geltung der Väterverheißungen

auch für Proselyten 7

Die Geltung der Väterverheißungen bleibt auch bei den Rabbinen nicht nur auf die Juden beschränkt. Das zeigt etwa eine ausführlichere Diskussion über die Geltung der Verheißungen für Proselyten in ShemR 19,4·'*^: ,So fragte auch der Proselyt Aqilas unsere Rabbinen; er sprach zu ihnen: Was beisst das, was geschrieben steht Deut. 10,18: ,ER (GOTT) UEBT DEN FREMDUNG,

IHM BROT UND GEWAND

ZU GEBEN? ' Sind

das alle

Verheissungen,

wel-

che dem Fremdling (Proselyten, Tin ЛК П'ИЗПШ т п и з п '7^) geworden, ihm Brot und Kleider zu geben? Sie antworteten ihm: Jacob, dessen Name auch Israel ist, hat von Gott nichts anderes verlangt, wie es heisst Gen. 28,20: ,UND ER (GOTT) GIEBT

MIR

BROT

ZU

ESSEN

UND

KLEIDER

ANZUZIEHEN,

' und

du,

der

du

erst

zu uns gekommen bist (dich erst zu uns gesellt hast), dir ist es nicht genug, dass du einer der unsrigen bist? Du kannst schon damit zufrieden sein, dass du soviel gilst, wie Jacob der Erstgeborne Gottes.'

Die Einstellung der verschiedenen Rabbinen gegenüber den Proselyten ist allerdings vielschichtig. Eine unzulässige Simplifizierang wäre es, würde man einfach zwischen Rabbinen mit liberal-universalistischer und solchen mit partikularistisch-exklusiver Lehrmeinung im Blick auf Proselyten unterscheiden"®. e. Einzelne

weitere

Zusagen

(1) In Sifra 'П1 Pinn 8,2 (112,2) wird mit Bezug auf Dtn 24,16 gegen Lev 26^9 eingewandt: ,Es hat doch aber Gott den Israeliten bereits zugesichert [π 'изп/, daß er nicht die Väter wegen der Kinder richten wird und nicht die Kinder wegen der Väter"".

Stemberger, Bedeutung 176. « Thoma, Land 51. " Ebenfalls um die Geltung der Verheißungen f ü r Proselyten geht es in dem (vermutlich späten) Targum Ruth. Dort antwortet in 2,13 Ruth dem Boas, der ihr zuvor, weil sie (so interpretiert der Targum) Proselytin geworden ist, zugesagt hat, sie werde ihren Teil mit Sara und Rebekka haben: „Lei те find grace in thy sight, my lord, ... for thou hast given me the hope of inheriting the world to come [TINT ΗΤΫ?^ ΙΟΠ'Π'? ' jnnQ3ì4"l], according to righteousness, and I, I have no righteousness so as to possess a portion in the world to come"; die Formulierung ist aramäisch (vgl. auch bSan 98a, s.u. Anm.79). « Vgl. Urbach, Sages 549. Der Einwand wird beantwortet mit dem Hinweis, daß sie allein dann gerichtet werden „wenn sie festhalten die Handlungsweise ihrer Väter".

Gottes V e r h e i ß u n g e n für die V ä t e r und für Israel

165

(2) In SifDev §329 wird Dtn 32^9 („Ich töte und mache lebendig") verstanden als eine von vier Zusagen [тпизп], die auf die Auferstehung hinweisen (neben Num 23,10; Dtn 33,6; Hos 6,2)^8. /. Gottes Schwören bei den

Rabbinen

Die bereits in anderem Zusammenhang angeführte Stelle SifDev §309^' belegt, daß auch innerhalb der rabbinischen Schriften die alttestamentliche Rede vom Schwören Gottes durch die Rede vom Verheißen erläutert werden kann'". Zwar existieren auch bei den Rabbinen eine Reihe von Belegen, in denen aufgrund des vorgegebenen und auszulegenden Schriftwortes von Gottes Schwören die Rede ist. Aber dies scheint - anders als etwa bei Philo - kein eigenständiges Thema theologischer Überiegungen mehr gewesen zu sein''. An allen mir bekannten Stellen wird Gen 22,16 („Ich habe bei mir selbst geschworen") ausgelegt, wenn auch im Zusammenhang unterschiedlicher Bibelstellen und z.T. in verschiedene Richtungen. (1) BerR 56,11 fragt nach der Veranlassung dieses Eides Gottes. Sein Grund, so wird festgestellt, sei eine Bitte Abrahams, daß Gott ihn nicht mehr versuchen möge'^. Dies wird mit einer Lehre des R.Levi noch präzisiert: weil Abraham bereits das zehnte Mal versucht worden ist, bittet er Gott um diesen Schwur^'. Etwas variiert ist die Zielrichtung in WaR 29,9. Ausgangspunkt der Auslegung ist hier Lev 23^4: „Im siebenten Monat". Diesen nannte R. Berachja den Monat des Schwures, weil Gott eben in ihm dem Abraham geschworen habe. Wiederum folgt die Frage, wozu dies nötig war. Hier nun bittet Abraham Gott nicht für sich, sondern für seine Nachkommen: ,Wenn sei ihnen

nun Jizchaks Kinder in Uebertretungen und böse Werke verfallen, so der Opferwilligkeit Jizchaks, ihres Vaters, eingedenk und erhebe dich

D i e A u f e r s t e h u n g als V e r h e i ß u n g s i n h a l t f i n d e t sich noch in S i f D e v §305 (s.u. S.170; vgl. auch A p k M o s 41, s.o. S.98). S.o. S.160. " Ein weiterer B e l e g ist ShemR 44,6, s.u. S.167. " V g l . allerdings die Lehren Chiskia bar Rabbis in ShemR 44,6 (s.u. S.166). Z u Philo s.o. S.107f. In den A r t i k e l n von Schneider zu όμνύω und όρκος im T h e o l o g i s c h e n Wörterbuch ( T h W N T V , 177f.458f) s o w i e im Artikel ,Eid' in der T R E (Oswald, Art.: Eid III, T R E 9 377-379) wird dies T h e m a für die rabbinische Literatur überhaupt nicht behandelt. Billerbeck 2 I I I (zu Lk 1,73) nennt e i n i g e Stellen ( L e v R 127c = W a R 29,9; GnR 56 = BerR 56,11; Berakh 32a = bBer 32a; des weiteren zwei Parallelen aus Pesiqta und Pesiqta Rabbati). Z u s ä t z l i c h n e n n e ich n o c h ShemR 44,6 und BamR 17,2. Das S c h w e i g e n der Lexika und die recht knappe B e h a n d l u n g bei Billerbeck lassen die V e r m u t u n g zu, daß eine größere Z a h l weiterer relevanter B e l e g e hier nicht zu erwarten ist. " W e i t g e h e n d d i e s e l b e Tradition f i n d e t sich in BamR 17,2. " Zur jüdischen Tradition der 10 V e r s u c h u n g e n A b r a h a m s vgl. auch Kap.III.A A n m . 2 3 zu Jub 19,9.

166

III.E. Rabbinische Literatur

dann vom Thron der Gerechtigkeit auf den Thron der Barmherzigkeit mit Erbarmen über sie erfüllt ... Wann? ,IM SIEBENTEN MONAT

und

werde

(2) Ein weiterer Ausgangspunkt ist Ex 32,13, eine Stelle die selbst wiederum u.a. auf Gen 22,16 zurückverweist^"'. In ShemR 44,6, einer langen Auslegung zu „Gedenke an Abraham", wird R. Jizchak die folgende Lehre zugeschrieben: Moses, indem er für das halsstarrige Volk Fürbitte leistet, fragt Gott nach der Gültigkeit seiner Schwüre für die Väter und für das Volk: .Herr der Welt! wenn du das, was du dreien zugeschworen, nicht halten, sondern aufheben willst, wie willst du das, was du einem zugeschworen hast, halten! ... sowie du den Vätern zugeschworen und einen Bund mit ihnen errichtet hast ... so hast du auch den Stämmen zugeschworen und einen Bund mit ihnen errichtet. Woher lässt sich beweisen, dass Gott den Stämmen zugeschworen hat? Aus Hab. 3,9:, UM DER SCHWÜRE

DER STÄMME

WILLEN

'".

(3) Daran schließt sich in ShemR 44,6 eine Lehre des Chiskia bar Rabbi, die wiederum zurücklenkt auf Gen 22,16. In Frage steht nun, aus welchem Grund Gott bei sich selbst geschworen hat^^ und die Antwort wird gefunden, indem erwogen wird, was die Wirkung eines anderen Schwures gewesen wäre: .Wenn du ihren Vätern bei dem Himmel und bei der Erde zugeschworen hättest, so würdest du wohl thun, ihre Kinder zu vertilgen. Warum? Denn sowie Himmel und Erde vergänglich sind, so geht auch der bei ihnen gethane Schwur vorüber.'

Indem Gott bei sich selbst geschworen hat, besteht sein Schwur für alle Ewigkeit. Deshalb kann Moses ihn auch daran erinnern und ihn auffordern, um seines Namens willen zu tun, was er zugeschworen hat (nämlich, die Kinder Israels nicht zu vertilgen)'®.

" Ex 32,13: .Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen /ПУЗШJ ] und verheißen 1 ] hast ..'. " Vgl. die ähnlichen Fragestellungen bei Philo, Abr. 273; Leg.All. 3,203f (s.o. S.107f). Weitgehend die gleiche Tradition wird in bBer 32a R. Eliazar zugeschrieben: .Hättest du ihnen bei Himmel und Erde geschworen, so könnte ich sagen: wie Himmel und Erde einst aufhören werden, so kann auch dein Schwur aufhören; du hast nun aber bei deinem grossen Namen geschworen: wie dein grosser Name in alle Ewigkeiten lebt und besteht, so besteht auch dein Schwur in alle Ewigkeiten'. Zum Motiv der unumstößlich festen Zusagen Gottes bei den Rabbinen vgl. auch Hofius, Unabänderlichkeit 142f. Er führt dort noch die inhaltlich ähnliche Stelle TanchNum, blq §13 an: ,Gott ist nicht wie ein Mensch, der Freunde gewinnt, dann aber andere findet, die ihm besser gefallen, und die früheren verleugnet. ,Ihm ist es unmöglich, bei dem Schwur zu lügen, den er den Altvätern geleistet hat'" (ebd. 142) und nennt als weitere Parallelen: TanchB Num, blq §21 (72b); BamR 20,, zu 23„; Jalqut Schim'oni § 768 zu Num 2З19 (ebd. Anm.33). Hofius kommt ebenfalls zu dem Ergebnis: ,Wenn der Midrasch den Schwur Gottes erwähnt, so denkt er fraglos an den Eid von Gen 22i«., der bereits Ex 32и und Dtn 7, als ,den Vätern geschworen' bezeichnet wird" (ebd.; vgl. auch Moxnes, Theology 167-169).

Gewißheit für die zukünftige Welt

167

(4) Bereits vor der eben angeführten Auslegung findet sich in ShemR 44,6 eine Lehre R. Levis zu »Gedenke an Abraham", in der der Schwur Gen 22,16 ausdrücklich als Verheißung bezeichnet wird^^. Im übrigen bestätigen sämtliche an dieser Stelle zum Schwören Gottes genannten Belege das bereits oben gewonnene Ergebnis: die Abrahams- und Väterverheißung kommt (entsprechend dem Inhalt von Gen 22,16) immer als Mehrungsverheißung in den Blick. Das Land, das Jahwe den Vätern zugeschworen hat, spielt keine wesentliche Rolle.

2. Gewißheit für die zukünftige Welt Während die Auslegung der Väterverheißungen weitestgehend auf die Midraschim beschränkt bleibt, findet sich im babylonischen Talmud häufig die Formel: ,Sich versichert halten, Sohn der zukünftigen Welt zu sein''®. Um die Bedeutung des Partizip Passiv (поз in) in diesem Zusammenhang hinlänglich zu verstehen, ist es nötig in einem ersten Schritt zunächst nach den Vorstellungen zu fragen, die sich in der rabbinischen Literatur allgemein mit dem Terminus .zukünftige Welt' verbinden. Als Bestandteil der Vorstellung von den zwei Welten ist die Wendung san d·? i un so etwas wie „Gemeingut der jüdischen Eschatologie" und ein „zentraler Topos der rabbinischen Erlösungslehre"''. In der tannaitischen Literatur kann sowohl die messianische Zeit als auch die zukünftige Welt so bezeichnet werden. Dabei kann häufig nicht genau unterschieden werden, was von beidem an einer bestimmten Stelle gemeint ist. „Der Schwerpunkt liegt in allen Texten aber eindeutig in der zukünftigen Welt (freiUch ohne genauere Bestimmung)". Offensichtlich ist das Unterscheiden zwischen beidem für die Rabbinen „ein Scheinproblem", an dem sie kein Interesse hatten^. Häufig fehlt in den Texten auch eine inhaltliche Qualifizierung zwischen dieser und der zukünftigen Welt. Sie steht jedenfalls nie im Vordergrund des Interesses^'. Zwischen beiden herrscht also kein gegensätzlich-dualistisches Verständnis, wie es etwa im 4Esr zu finden ist, eher schon ein „Verhältnis ... von Vorbereitung und Vollendung"". Anteil bekommen an der zukünftigen Welt kann für die Rabbinen zunächst grundsätzlich jeder Jude". Lediglich bestimmte Frevler, Häretiker und politische Gegner werden davon ausgenommen®^. Auch " Dazu ausführlicher unten S.179. " ХЗП D'piyn 13 КТПШ l·? п а з in. Zu den Stellen s.o. Kap.IIAnra.98. Im f o l g e n den wird nur dort, wo diese stereotype Formel variiert wird, neben der deutschen Übersetzung auch der hebräische Wortlaut mitgenannt. " Schäfer, Lehre 244. " Ebd. 253.256. " Vgl. ebd. 264.271. « Ebd. 271. " Aber auch Nichtjuden, die sich in den Bereich Gottes begeben, etwa in das Land oder unter den Einfluß des Gesetzes, sind bei den Rabbinen hier mit eingeschlossen (s.o. S.163). « Vgl. Schäfer, Lehre 280f.

168

ULE. Rabbinische Literatur

dies zeigt, daß ihr Anliegen hier letztlich „homiletisch-ethisch"®^ ist und dahin geht, die „Voraussetzungen aufzuzeigen, die es dem Menschen ermöghchen, ,ein Kind' dieser zukünftigen Welt zu werden"^®. Dieses Urteil bestätigt sich, wenn wir in einem zweiten Schritt nun die inhaltlichen Näherbestimmungen solcher Voraussetzungen beleuchten, wie sie sich auch in Verbindung mit der Formel ,sich versichert halten, Sohn der zukünftigen Welt zu werden' finden. (1) Zu den Voraussetzungen gehört das Lernen und Lehren, eine Feststellung, die sich in diesem Zusammenhang mehrfach findet. In einer verbreiteten Tradition aus der Schule R. Eliahus heißt es: ,Wer Halakha studirt, der kann sicher sein, dass er der zukünftigen Weit teilhaftig ist, denn es heisst: PFADE [HAUKOTH] DER WELT (Hab 3,6); lies nicht: HAUKOTH,

sondern

HALAKHOTH

Das 5. Kapitel des kleinen .außerkanonischen' Traktats Kalla Rabbati überliefert Baraitot zum Thema Lehren und Lernen und schließt mit der Feststellung: .Happy is the man who met [Elijah] being a son of the World to come".

and sat with him, for he is assured

of

Offensichtlich bedarf es, so zeigt diese Bemerkung, bei allem Lernen doch auch der Unterweisung durch den Propheten Elia®®. (2) Eine ausführlichere und fast schon erschöpfende Aufzählung von Voraussetzungen durch R. Mei'r findet sich in yShab 1,4 (3c)®': ,Wer stets im Lande Israel lebt, Ungeweihtes in Reinheit geniesst, die heilige Sprache spricht und täglich früh und abends das Sch'ma liest, der darf sich des Lebens der zukünftigen Welt versichert halten'.

In der späteren Hekhaloth-Literatur ist es zumeist der Myste (der einen bestimmten Vorgang, Namen oder ein Geheimnis kennt bzw. eine Handlung vollzieht) von dem diese Wendung gebraucht wird™.

« Ebd. 291. « Ebd. 274. ' ' Weitgehend wörtlich übereinstimmend begegnet die Tradition in bMeg 28b und bNid 73a; S E Z 2 kennt den Grundsatz, jedoch ohne Verweis auf R. Eliahu und a n s c h l i e ß e n d e n Schriftnachweis. Z u den Sätzen, die ein bestimmtes H a n d e l n in Beziehung setzen zur Teilhabe an der z u k ü n f t i g e n Welt, gehört auch bBer 4b: Eleazar sagte im Namen des R. Abina: Jeder der dreimal täglich [den Psalm] .Loblied Davids' liest, sei dessen sicher, dass er ein Kind der zukünftigen Welt ist". ^ Vgl. auch bSan 98a, wo Rabbi J e h o s c h u a von Elia belehrt wird (s.u. S.171f). ® S.o. Anm.36. ™ Vgl. SHL §482.484.547.710.953.

G e w i ß h e i t für die z u k ü n f t i g e Welt

169

(3) Drei weitere, für unsere Ohren zunächst wohl eher skurile (und bisher in diesem Zusammenhang [deshalb?] noch nie angeführte) Stellen im babylonischen Talmud beschäftigen sich damit, was Dinge, die dem Menschen von außen widerfahren (z.B. im Traum), aussagen bzw. für einen Einfluß haben auf seine Zukunft und Zukunftshoffnung. So wird im Traktat Yoma, der die Bestimmungen zum Versöhnungstag enthält, zum Schluß auch die Frage behandelt, was sei, wenn jemand am Versöhnungstag Samenerguß bekomme. Dazu werden nacheinander mehrere Lehrmeinungen aufgezählt, fast ganz zum Schluß auch eine Lehre aus der Schule R. Jischmaels (bYom 88a): ,Wenn jemand am Versöhnungstag Samenerguss bekommt, so sei er das Jahr hindurch besorgt, wenn er aber das Jahr überlebt, so kann er versichert dass er der zukünftigen Welt teilhaftig ist.'

ganze sein,

In bBer 57a wird die Bedeutung einer Vielzahl von Traumbildern erwogen. Zwischen einer ganzen Reihe von Tieren (die, mit Ausnahme von Elefant und Affe, alle gutbedeutend sind) und der Aufzählung verschiedener Pflanzen findet sich in einem eigenen kleineren Abschnitt mit eher religiösem Inhalt (Trauerfeier, Gebet, Tephillin u.a.) auch der Satz: .Wer Besitzer

.Dessen grosser der zukünftigen

Name sei gebenedeiet' Welt i s f .

antwortet,

der ist sicher,

dass

er

Dem folgen Erwägungen über Träume, in denen jemand mit einer verlobten Jungfrau, seiner Schwester bzw. einer verehelichten Frau Geschlechtsverkehr hat. Zu letzterer heißt es: .Wer eine verehelichte Frau im Traum beschläft, ist sicher, dass er Teilhaber der zukünftigen Welt ist; aber nur, wenn er sie nicht kennt und abends an sie nicht gedacht haf.

Hier wird offensichtlich so etwas wie eine Entsprechung zwischen dem geträumten Bild und der erwarteten zukünftigen Welt gesehen. Solch em Satz mußte, wie die zwei angehängten Bedingungen erkennen lassen, vor moralischen Mißverständnissen geschützt werden. Wer solche sozusagen typologische Entsprechung zur zukünftigen Welt schon jetzt erlebt (im Traum oder durch Wohnen im Lande) bzw. wer selbst in Entsprechung zu Gottes zukünftiger Welt lebt (im Lernen, Lehren und Wandeln), der kann fest darauf vertrauen, daß er nicht aus Gottes Heilsbereich herausfallen wird. Mehr noch: die zukünftige Welt ist für ihn bereits angebrochen"'!.

D i e z e i t l i c h e D i m e n s i o n ist hier nicht f e s t z u l e g e n (vgl. die Ü b e r s e t z u n g e n ) .

170

III.E. Rabbinische Literatur

(4) Diesen Grundsinn bestätigt auch einer der ältesten Belege, Siffiev §305. Dort wird berichtet, daß Gott Josua, der um den verstorbenen Moses trauert, tröstet mit der Zusicherung: ^Allein, wie

vertraue

es heisst:

VÄTERN

UND

für ihn (darauf),

,UND

J' SPRACH

STEHST

ZU

AUF ' (Deut

dass er ein Sohn der zukünftigen MOSE:

SIEHE,

DU LEGST

DICH

Welt

ZU

ist,

DEINEN

31,16)"^.

(5) Ein Vergleich zwischen yPes 3,1 (30b) und bPes 13a zeigt, daß die vertrauende Gewißheit und die vorlaufende Zusage, auf die sie sich gründet, nicht zu weit voneinander getrennt werden dürfen, sondern in der Form пизш miteinander verschränkt sind. Dort heißt es innerhalb der gleichen Tradition im ersten Beleg: wir sind sicher [l JN 1 'namn] und im zweiten: es ist ...Israel zugesichert worden b^nto'·? in·? пизшГ^. An einigen Stellen fällt eine Entscheidung zwischen beiden Möglichkeiten jedoch schon bei der Übersetzung schwer. In einer Bemerkung in SifBam §68, in deren Kontext es um die Auslegung eines Wortes Moses' in Num 9,8 geht: .WARTET, ICH WILL HÖREN liest die deutsche Xjbersetzung: „Heil dem Weibgeborenen, dem solche Zusicherung [пизш] gegeben war, daß er jederzeit, wenn er wollte, mit ihm redete"'''^. Die englische Übersetzung dagegen bietet: „Happy is one bom of woman who had such trust, that whenever he wanted,

he could speak

with God"^^.

Umstritten ist auch das Verständnis einer Auslegung zu Jes 32,9 in bBer 17a. Goldschmidt übersetzt: „Grösser ist die Versicherung, die der Heilige, gebenedeiet sei er, den Frauen gegeben, heisst:

STEHET

AUF,

als die, welche

SORGLOSE

FRAUEN,

er den Männern

HÖRET

AUF

MEINE

gegeben STIMME;

hat. Denn IHR

es

ZUVER-

TÖCHTER, HORCHET AUF MEINE REDE. " Bei Billerbeck dagegen heißt es: „Größer ist das Vertrauen ЛПИЗЛ, mit welchem Gott die Frauen vertrauen läßt 1п^изп als die Männer"^^. Kontext und Grammatik sprechen an dieser Stelle wohl dafür, daß es hier, anders als Billerbeck versteht, um eine Zusicherung für die zukünftige Welt geht'^.

SICHTUCHEN

Sanders, Paulus 213 bezieht die Stelle fälschlich auf Moses selbst und wertet sie als Beispiel seines Vertrauens zu Gott. Zur gnädigen A n n a h m e des Moses nach seinem Tode vgl. auch LibAnt 19,16: et mortuus est in gloria secundum os Domini et sepelivit eum iuxta quod promiserat ei. S.u. S.171. "" Kuhn, Midrasch Sifre 177; dabei erscheint es ihm fraglich, ob hier gemeint sei .Mose mit Gott. Oder: Gott mit Mose?" (ebd. Anm.32). " Vgl. Neusner, Sifré 28f, der dieses Stück im Übrigen für »miscellaneous* hält. Eine Zusage der Gebetserhörung begegnet ausdrücklich in WaR 16,9: ,R. Josua ben Levi sagte: Wenn die Lippen der Menschen im Gebet sich regen, so darf er versichert sein (ΠΒ3ΐπλ dass sein Gebet Gehör findef (vgl. auch ЭМакк 2,10; TestAbr 3,6; JosAnt 1,272; Philo Mut. 201; LibAnt 51,2 u.ö.). ™ Billerbeck 3 208. Die Kombination П''ИЛП«) ЛПОЗП meint sonst immer eine Verheißung, vgl. MekhY n'prá 3 (98f); ShemR 19,4; 38,6; 44,6; BamR 2,12; EstR 8,6. Im vorigen und folgenden Abschnitt geht es um die zukünftige Welt. A u c h die in unserem Abschnitt

Gewißheit f ü r die zukünftige Welt

171

(6) Ausdrücklich als Inhalt einer Verheißung genannt wird die zukünftige Welt im Zusammenhang unserer Formel lediglich an zwei Stellen. In bSan 98a wird von einem Gespräch zwischen Elia und R. Jehoshua berichtet, in dem es um das Kommen des Messias und um das Hinemkommen in die zukünftige Weh geht''®. Elia weist dem Rabbi den Weg zum Messias, den er als einen mit Krankheiten behafteten Armen vor dem Tor Roms finde. R. Jehoshua trifft ihn dort auch wirkUch, und der Messias antwortet auf seine Frage, wann er komme: .Heute. Darauf kehrte er zu Elijabu zurück, welcher ihn fragte: Was sagte er dir? Dieser erwiderte: Friede mit dir Sohn Levis! Jener sprach: Er hat dir und deinem Vater die zukünftige Welt verheissen^. Dieser entgegnete: Er hat mich belegen, denn er sagte mir, er werde heute kommen, und er kam nicht. Jener erwiderte: HÖREN

Er hat WERDET

es wie (Ps

folgt

gemeint:

WENN

IHR

HEUTE

AUF

SEINE

STIMME

95,7)".

Das Kommen des Messias und damit verbunden eben auch das Kommen der zukünftigen Welt ist an dieser Stelle also gebunden daran, daß R. Jehoshua auf Gottes Stimme, auf seine Gebote hört®". Die Gewißheit, daß das Kommen der zukünftigen Welt nicht in eine Konkurrenz zum Befolgen der Gebote treten wird, spricht aus einer Tradition über das Kommen des Elia, die sich im Kontext der Sabbathalakha zu Pesach findet: ,Es ist bereits Jisraél zugesichert worden, dass Elijahu weder an einem abend des Sabbaths noch an einem Vorabend des Festes kommen werde"'.

Vor-

(7) Zusammenfassend läßt sich sagen: die Passivform паз in steht in der Mehrzahl der Belege der Grandbedeutung der Wurzel пиа näher als der Bedeutung .verheißen'®^. In ihrem Kontext finden sich die Stmkturen der Verheißungsrede seltener als bei den Bildungen лпизп und п-азп. Auch wenn man bei der Passivform поз m zunächst an ein passivum divinum denken könnte, drückt sich in dieser Formel meist stärker die menschliche Gewißheit als Antwort auf Gottes Zusage aus, so daß sie parallel zu anderen Ausdrücken des Vertrauens steht®^. Auch wenn die Formel .sich versichert halten, Sohn der zukünftigen folgende Frage nach dem Verdienst der Frauen - sie erwerben ihn dadurch, daß sie Kindern und Männern das Studium der Tora ermöglichen - paßt besser, wenn es zuvor um eine Zusage geht. ™ Der Erzähler dieser Geschichte, die nicht humorvoller und ironischer U n t e r töne entbehrt, gehörte vermutlich zu den rabbinischen Kreisen, die die messianischen Visionen aus der apokalyptischen Tradition bewahrten und integrierten (vgl. Urbach, Sages 683). ™ Die Formulierung ist aramäisch: 'ΠΚΊ HD'PU'? птзк·?! -]'? ηπ0314 Π'·? ΊΠΝ. "" Zur Antwort des Menschen auf Gottes Verheißen vgl. weiter Kapitel III.E.3. " Nach bPes 13a; in yPes 3,1 (30b) heißt es: .Wir sind sicher'·, ein weiterer Beleg der Tradition findet sich auch in bEr 43b, wo es innerhalb einer Diskussion um die Gültigkeit des Naziratsgelübdes ebenfalls um das Kommen des Messias geht. S.o. S.64. " Bei einigen Belegen für ПВЗШ ist dies allerdings anders (s.o. S.65).

172

ULE.

Rabbinische Literatur

Welt ZU sein' - anders als manche Auslegungen in den Midraschim - eine genuin rabbinische Bildung ist, wird man den auffälligen Befund, daß sie in den tannaitischen Midraschim nur an einer Stelle, im babylonischen Talmud dagegen 8x begegnet (sowie Ix im Jerusalemer Talmud und Ix in Kalla), nicht traditionsgeschichtlich erklären, etwa in dem Sinne, daß die Formel erst spät entstanden sei^''. Vielmehr wird der Grund für diesen Befund in der jeweils unterschiedlichen Form und Funktion von Midraschim und Talmudim zu suchen sein. Geht es hier in erster Linie um die Auslegung (und Aktualisierung) der Väterverheißungen, so geht es dort vorrangig um konkrete Einzelfragen und um homiletisch-ethische Vergewisserung. Als Parallelstellen für die neutestamentlichen Verheißungsvorstellungen sind von daher in erster Linie die Midraschimtexte relevant, die sich mehrheithch auf die Väterverheißungen beziehen.

3. Antworten des Menschen auf Gottes Verheißen a. Tun der Gebote

und Erfüllung

der

Verheißung

Bereits im vorangegangen Kapitel zeigte sich mehrmals implizit der Zusammenhang zwischen einem Tun auf Seiten des Menschen und einer Erfüllung von Verheißung auf Seiten Gottes. An einigen Stellen in den Midraschim findet sich dieser Zusammenhang auch ganz ausdrücklich. Das Vertrauen in die eigene Gebotserfüllung, das sich in diesen Stellen ausdrückt, wurde häufig als Beleg für eine postulierte Position jüdischer Werkgerechtigkeit gewertet. Zum Zehntbekenntnis Dtn 26,13ff, speziell zum Vers .BÜCKE HERAB VON DEINER HEJUGEN WOHNUNG " (Dtn 26,15), gibt CS eine Auslegungstradition, die sich in SifDev und auch in der Mischna und im babylonischen Talmud findet. So heißt es mMSh 5,13: „BUCKE haben

HERAB

getan,

ßen hast!'

VON

DEINER

HEJUGEN

was du uns zu tun bestimmt

WOHNUNG,

hast; so tue auch

VOM

HIMMEL

du, wie du uns

' -

wir

verhei-

('i о п п а з п ш π η пшу ΠΠΝ η κ / ' .

Inhalt der Verheißung, so geht aus dem Kontext des Deuteronomiumzitats

N e b e n s p ä t e r e n R a b b i n e n w e r d e n in i h r e m K o n t e x t mit d e n S c h u l e n R . M e ï r s f y S h a b 1,4 ( 3 c ) ) und R . J i s c h m a e l s ( b Y o m 8 8 a ) und auch d e m B e t h H i l l e l ( y P e s 3,1 ( 3 0 b ) ) o f f e n s i c h t l i c h in d i e t a n n a i t i s c h e Z e i t r e i c h e n d e T r a d i t i o n s t r ä g e r g e n a n n t . " U m g e k e h r t stellt G o t t selbst nach S i f D e v §323 auch d i e F r a g e : Jf you do not observe My Torah, how can I keep the promise which you requested ..T (о'ШрЗП • э л п а з п ЛШТИ ' J H Η Π Τ Ί M I N R I ПН o r f i y u ν·? Dìs). B i e t e n h a r d ü b e r s e t z t hier ( o f f e n s i c h t l i c h w e g e n des S u f f i x e s D O - ) ,wie soll ich (dann) euer Vertrauen erfüllen". S a c h l i c h h i e r h e r g e h ö r t auch S i f D e v §41, w o d e r s e l b e Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n m e n s c h l i c h e m und g ö t t l i c h e m T u n h e r g e s t e l l t w i r d , w e n n auch o h n e a u s d r ü c k l i c h e n B e z u g auf d i e V e r h e i ß u n g : ,Da du gehört hast: Tun, ja tun sollt ihr was euch obliegt, (dann) tue auch ich, was ich tun kann und gebe eurem Lande Regen zu seiner Zeit (Deut 11,14)".

A n t w o r t e n des M e n s c h e n auf G o t t e s V e r h e i ß e n

173

und seiner Auslegung hier hervor, ist der Segen, den Gott dem Volk Israel und dem Land verheißen hat®^. Ganz ähnlich heißt es in SifDev §303: .Ich

habe

erwählte mich

auf das Wort

Haus

gefreut,

gebracht. und ich

J's, meines

habe (Deut

mich

mit

HEIUGEN

WOHNUNG

mache

uns, was du uns erhoffen

mit

Gottes

Ich habe genau 26,15).

gehört.

getan,

ihm

Und ich habe

wie du mir geboten

gefreut.

BUCKE

HERAB

uns, was du über

Tue

ihn in das

aus-

hast. Ich

habe

VON

DEINER

uns beschlossen

hast,

liessest"'.

In bSot 39b findet sich weitgehend wörtlich die gleiche Tradition im Kontext von Erwägungen darüber, was der Priester bei seinem Dienst sprechen soll: »Was

spricht

er sein

umher

und trug

R.

getan,

was du

uns

befohlen

HERAB

VON

DEINER

BUCKE

b.

Uqaba

er, wenn

führte

Gesicht ihm

hast,

von

vor: [Er übe

HEILIGEN

an

der

Gemeinde

spreche:] uns,

was

Herr du

abwendet?

R.

Hisda

der Welt,

wir

haben

uns

versprochen

hast.

WOHNUNG

Vertrauen

Als ein zweites, bemerkenswert gegenläufiges Kennzeichen solcher postulierten Position jüdischer Werkgerechtigkeit wurde häufig (neben dem Vertrauen in die eigenen Werke) eine jüdische Heilsunsicherheit behauptet®^. Als Beleg dafür wurden zumeist zwei Belege angeführt, die bereits Billerbeck nennt: BerR 76Д und bBer 4a®'. ( 1 ) BerR 76^ gehört in den Zusammenhang der Auslegung von Gen 32,8: „Da fürchtete sich Jakob sehr und ihm wurde bange". Ein Wort von R. Phinehas eröffnet in 76,1 die Reihe der Auslegungen. Er zitiert Spr 3,5: .TRUST IN THE LORD WITH ALL YOUR HEART " und stellt dann fest: .To •ΊΗ

two men 'Jn

patriarchs

did the Holy and

both

and the select

of

One, them

among

blessed

be he, give

nonetheless the prophets'

were

assurances

afraid,

(gemeint

/π,ηρπ

the select

sind Jakob

1п'!азп

among

und

the

Moses).

A u c h d i e F o r t s e t z u n g v o n Dtn 26,15 w i r d hier z i t i e r t : l j ' т з н ^ ЛУЗШ: "llüN ... 1 :'? п л п : ПШН π ο ι κ π ΠΗΙ. H i e r w i r d e r n e u t d e u t l i c h , d a ß auch bei d e n R a b b i n e n d i e R e d e v o n G o t t e s V e r h e i ß e n d i e atl. R e d e v o n s e i n e m S c h w ö r e n i n t e r p r e t i e r t und z . T . ersetzt. " 1 : л п ы з п ш KD 1 Jny ПШУ. W a s B i e t e n h a r d in s e i n e r Ü b e r s e t z u n g mit . e r h o f f e n l i e ß e s t " ü b e r s e t z t ( v g l . das ä h n l i c h e ,thou hast g i v e n me the h o p e * in d e r Ü b e r s e t z u n g v o n T a r g u m R u t h 2,13 s.o. A n m . 4 5 ) , b e z e i c h n e t hier G o t t e s V e r h e i ß e n ( v g l . auch d i e e n g l i s c h e Ü b e r s e t z u n g v o n H a m m e r , S i f r e 293: , w h a t thou hast p r o m i s e d US').

"

V g l . dazu o b e n S.30f.

" V g l . B i l l e r b e c k 3 208; S c h n i e w i n d / F r i e d r i c h , T h W N T I I 576 und später e b e n s o R ö s s l e r , G e s e t z 27 f ü h r e n als B e l e g e f ü r i h r e A u s f ü h r u n g e n zur H e i l s u n s i c h e r h e i t im J u d e n t u m a l l e i n d i e s e b e i d e n S t e l l e n an. Z u r K r i t i k an ihrer A u s l e g u n g der b e i d e n S t e l l e n v g l . auch Sanders, P a u l u s 213.

174

III.E. Rabbinische Literatur

Im folgenden wird zunächst Israels Geschichte mit dieser Haltung Jakobs verbunden. Sodann wird in 76^ Jakobs Angst in zwei Gedankengängen vom Kontext von Gen 32 her erläutert. Den Abschluß bilden Aussagen, die aus der Furcht des Jakob und dem Geschick (!) des Moses allgemeinere Schlüsse ziehen: ,A. Said R. Yudan, .RETURN yet:

,ΤΗΕΝ

JACOB

WAS GREATLY

TO THE

LAND

AFRAID

AND

OF YOUR DISTRESSED.

FATHERS

B. On the basis of these verses, we learn that there is no true rigtheous person in this world. C: R. Huna in the name of R. Aha: .BEHOLD, I AM WITH YOU And yet Jacob said, ,IF GOD WILL BE WITH ME ' (Gen. 28:20). D. On the basis of these verses, we learn that there is no true righteous person in this world. E. R. Huna in the name of R. Aha, .And he said, CERTAINLY I YOU ' (Ex. 3:12), so nothing bad will happen to you. Yet: ,AND IT ON THE

WAY

AT

TO KILL HIM ' (Ex.

THE LODGING

PLACE,

THAT

THE

LORD

' (Gen.

31:3),

security

for a

' (Gen.

28:15).

'

MET

security

for a

WILL BE WITH CAME

HIM AND

TO PASS SOUGHT

4:24).

F. On the basis of these verses, we learn that there is no true security righteous person in this world' (ПТЛ D'plun ρ'Ίϋ·? ППИЗП 1 -YiV)).

for a

In MekhY n'prá 2 (185) findet sich folgende weitere Auslegung zu Gen 32,8 (die zeigt, daß es den Rabbinen zuerst darum ging, das Schriftwort zu erklären): ,Ein Mensch, dem der Heilige, geb. s. er! Zusicherung gab, fürchtete war ängstlich? Allein unser Vater Jakob sprach: Wehe mir, vielleicht die Sünde'".

sich und verursacht

Für ein angemessenes Verständnis dieses Textes ist es notwendig, zunächst einige grundlegende Beobachtungen festzuhalten. So will beachtet sein, daß es in erster Linie immer um die Auslegung und das Verständnis des vorgegebenen Schriftwortes geht. Dabei wird auch der Kontext zu Gen 32,8 herangezogen, der sowohl Gottes Zusagen, als auch das Handeln und den Hintergrand der Furcht Jakobs konkret benennt. Deshalb erscheint es fraglich, ob hier allgemeingültige Aussagen, sozusagen eine .Theologie' über Gnade und Heil intendiert sind'^. Etwas anders liegt die Sache bei der sehr wohl allgemein formulierten, letzten, dreigliedrigen Aussagenkette in BerR 76,2. Bemerkenswert ist hier vor allem das 3. Glied. Die wörtlich übereinstimmende Schlußfolgerung in allen drei Ghedem legt es im übrigen nahe, hier den Endpunkt einer Steigemng zu sehen. Wiederum wird nach Jakob auf Moses rekurriert. Jedoch sind dessen Furcht bzw. Gewißheit nicht mehr im Blick. Fraglich erscheint es auch, ein etwaiges sündiges Verhalten, von dem keine Rede ist, hier einzutragen. Hier wird nurmehr allein Gottes Wort

Wünsche, Mechilta 177 Anm. 1 interpretiert: J a k o b nachdem er die Zusicherung erhalten, gesündigt haben und Gnade verlustig geworden sein' und verweist dazu auf bBer Tradition begegnet. Zur Furcht vor der Sünde vgl. auch bSan " So auch Sanders, Paulus 213.

fürchtete, er könnte, deshalb der göttlichen 4a, wo ebenfalls diese 98b.

A n t w o r t e n des M e n s c h e n auf G o t t e s V e r h e i ß e n

175

mit seinem in diesem Fall ganz anderen Tun konfrontiert: Er will Moses, dem er doch zuvor eine Verheißung gegeben hat, töten. Jede Nachfrage nach einem Grund oder auch nach der Berechtigung und Berechenbarkeit solchen Handelns geht m £ . am Text vorbei. A u c h Ex 4,24 selbst, das hier zitiert wird, steht isoliert in seinem K o n t e x t und sein Sinn bleibt w e i t g e h e n d d u n k e l . ,In der Tat d ü r f t e es unter den a l t t e s t a m e n t l i c h e n P r o s a t e x t e n k a u m drei V e r s e geben, die der A u s l e g u n g solche Schwierigkeiten b e r e i ten"®^. U n d V e r s u c h e h e u t i g e r christlicher A u s l e g e r , Ex 4,24-27 g e r e c h t zu w e r d e n , u n t e r s c h e i d e n sich m.E. von d e m j e n i g e n der R a b b i n e n in BerR 76,2 gar nicht so sehr. ,Im v o r l i e g e n d e n T e x t z u s a m m e n h a n g gewinnt die E r z ä h l u n g eher noch v e r s c h ä r f t e n Sinn: Der soeben B e r u f e n e wird b e d r o h t - vom A u f t r a g g e b e r selbst; der G o t t , der die B e f r e i u n g des V o l k e s verheißt, fällt seinen Boten an. Ein G r u n d ... wird nicht a n g e geben". U n d weiter: . K a n n der M e n s c h nicht g r u n d - l o s schwere, e r s c h r e c k e n d e E r f a h r u n g e n machen?*'·'. Der christliche Dichter M. H a u s m a n n f o r m u l i e r t in e i n e m G e d i c h t sogar f a k t i s c h die gleiche A u s s a g e wie die R a b b i n e n : . N i c h t einer k a n n von den E r s c h a f f e n e n allen, nicht einer G o t t e s je versichert sein".

Wichtig für das Verständnis von BerR 76,2 ist es aber vor allem, die Angabe „in dieser Welt" richtig zu bewerten. Es geht auch hier nicht allgemein um die Gewißheit des Heils oder der Gnade. Wohl war es offensichtlich die Überzeugung der Rabbinen (und das ist das Gemeinsame von bSan 98b, MekhY n·?«)^ 2 (85) und BerR 76,If), daß auch die Gerechten in dieser Welt noch unter dem Einfluß der Sünde stehen und daß in ihr noch „much can go wrong"'''. Aber eben in dieser Welt! »Kein Rabbi hätte gesagt ,in dieser Welt', wenn ,für die zukünftige Welt gemeint gewesen wäre'"®^ und damit Gottes Verheißung der zukünftigen Welt für die Gerechten. In der Situation in dieser Welt aber ist Furcht, wie sie auch von Jakob und Moses berichtet wird, gerade menschlich'®. Und die Funktion solcher Auslegung für die Zeitgenossen ist offensichtlich vor allem Trost: „Wenn wir uns in dieser Welt (nicht, was die kommende Welt angeht) unsicher fühlen, dürfen wir uns an der Tatsache trösten, daß selbst Jakob Furcht empfand"'^. Man kann auch erwägen, ob in BerR 76,2 ппозл überhaupt mit .Vertrauen', „security" übersetzt werden darf und nicht vielmehr, wie in allen übrigen 11 Belegen der tannaitischen und amoräischen Midraschim (und Schmidt, E x o d u s 218. E b d . 232.233; das f o l g e n d e Z i t a t von M. H a u s m a n n bietet er als A b s c h l u ß s e i ner A u s l e g u n g , ebd. 234 (aus: M. H a u s m a n n , . V e r z w e i f e l t u n d getrost': J a h r e des Lebens, 1974, 152). « N e u s n e r , G e n e s i s R a b b a h 109. " S a n d e r s , P a u l u s 213. ^ Vgl. N e u s n e r , G e n e s i s R a b b a h 108; vgl. auch die A u s f ü h r u n g e n Philos zu A b r a h a m s Z w e i f e l ( M u t . 181). Philos A r g u m e n t hier ist es, d a ß es B l a s p h e m i e sei zu g l a u b e n , A b r a h a m k ö n n e gänzlich o h n e Z w e i f e l sein, da ihn dies doch gottgleich m a c h e n u n d die U n t e r s c h e i d u n g G o t t - M e n s c h i g n o r i e r e n w ü r d e (vgl. Moxnes, T h e o logy 134.156-163). S a n d e r s , P a u l u s 214; vgl. a u c h N e u s n e r , G e n e s i s R a b b a h 108: . T h e message to c o n t e m p o r a r y Israel is to h a v e faith".

176

IIl.E. Rabbinische Literatur

direkt zuvor auch in BerR 76,1) mit .Verheißung''®. Denn auch dann ergibt der Text einen guten Sinn, zumindest wenn man eine Stelle mit gewichtigen Gemeinsamkeiten aus dem 4Esr als Verstehenshintergrund hinzuziehen darf, nämlich 4Esr 4,27®'. Darm ist hier zugespitzt zu umschreiben: in dieser Welt ist man wie Jakob und Moses auch - von Furcht nicht frei, weil in dieser Weltzeit die Verheißungen sowieso nicht in Erfüllung gehen können. So verstanden wäre BerR 76,2 erst recht kein Beleg für jüdische Heilsunsicherheit. (2) Eher läßt sich für eine etwaige jüdische Heilsunsicherheit schon der andere Hauptbeleg anführen, der an dieser Stelle genannt wird, bBer 4a: ,Und WENN

David, ICH

wieso kann er sich .Frommer'

NICHT

GLAUBTE,

IM

LANDE

DES

genannt LEBENS

haben, DIE

es heisst

GÜTE

DES

ja: HERRN

ZU

SCHAUEN. Und warum, wird im Namen des R. Jose gelehrt, stehen Punkte auf dem Worte .wenn nicht'? - es sprach David vor dem Heiligen, gebenedeiet sei er: Herr der Welt, ich vertraue auf dich ['· пиаш/, dass du in der Zukunft den Gerechten eine gute Belohnung geben wirst; ich weiss aber nicht, ob ich unter ihnen einen Anteil habe oder nicht? - Vielleicht wird dies die Sünde verursachen."

Hier wird ausdrücklich betont, daß David unsicher ist. Direkt darauf folgt allerdings ebenfalls die bereits behandelte Auslegungstradition zu Jakobs Furcht im Anschluß an Gen 32,8. Doch auch hier wird nicht von der zukünftigen Welt, sondern allgemein von Zukunft geredet. Offensichtlich wird damit rekurriert auf den vom AT her geläufigen Tun-Ergehens-Zusammenhang. Es gibt keine wirklichen Anzeichen dafür, daß etwa Rabbi Jose oder ein anderer der Rabbinen auf dem Hintergrund einer solchen Schriftinterpretation daran gezweifelt hätten, daß David Anteil an der zukünftigen Welt bekommen wird^°o. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß die verschiedenen Aussagen in ihrem Zusammenhang z.T. erkennbar unterschiedliche Funktionen haben. Sie sind häufig primär exegetischer Natur^°l Sie haben darüber hinaus die Funktion, mit dem

Im Übrigen findet sich der Verweis auf die Verheißung Gen 28,14 auch in Zusammenhängen, die die Zuverlässigkeit der Verheißung begründen, ohne jede Erinnerung an die Angst Jakobs. So heißt es in ShemR 19,4 (vgl. auch BamR 2,12, s.o. S.159): ,er sprach: Gott hat mir die Versicherung gegeben, mit mir zu sein und er will von mir die Welt errichten (Ь'71УП nw ' J n n Т-ПУЧ ЧПУ Sin 1 П З ШПрП - а п ' и з п а р у in), wenn weiss ich, dass er mit mir ist und mich behütet? Wenn er von mir Kinder erstehen lässt, welche als Priester vom Schaubrote essen und Priestergewänder tragen'·, (zu ShemR 19,4 vgl. auch oben S.164). " „Sie [die Weltzeit] vermag nicht zu bringen, was den Gerechten zu ihrer Zeit verheißen wurde; denn diese Welt ist voll Trauer und Übeln' (s.o. S.147). Zwar fehlt häufig in der rabbinischen Literatur eine solche, für 4Esr typische, qualitative D i f f e renzierung zwischen der gegenwärtigen und der zukünftigen Welt (s.o. S.167), jedoch fällt ja auch die dreigliedrige Gedankenkette in BerR 76,2 nicht nur formal, sondern auch inhaltlich aus dem Kontext heraus. Gleiches gilt für Jakob und Moses, vgl. Sanders, Paulus 213. ,Es ist ein exegetisches Unding, diese Art von Midrasch-Kommentaren in

A n t w o r t e n des M e n s c h e n auf G o t t e s V e r h e i ß e n

177

Beispiel der Väter zu trösten. Inhaltlich schlägt sich zweifellos mehrmals so etwas wie eine Warnung zur Vorsicht gegenüber der Realität der Sünde nieder. Um diese theologisch im richtigen Rahmen wahrzunehmen (und eben nicht lediglich als Folie für die angebliche jüdische Heilsunsicherheit), wird man sie jedoch nur im Zusammenhang mit den für rabbinisches Denken zentralen Themen Buße und Vergebung verstehen dürfen'"^. (3) Eine weitere Tradition, in der die Frage des Vertrauens in die Verheißung Gottes in einer schweren Situation thematisiert wird, findet sich in BerR 41Д und BerR 52,13. Es geht um die Auslegung von Gen 12,17, um Gottes Einschreiten gegen den Pharao, der Sara zu sich nimmt, ,ИМ SAPAS WILLEN Zunächst wird hierzu Ps 92,13 herangezogen und ausführlich ausgelegt. Dabei wird erwogen, warum der Lohn des Gerechten so entfernt ist und was er braucht um Frucht bringen zu können. Auch wird Israel verglichen mit der Palme und Zeder und hervorgehoben, daß alle, die sich gegen Israel wenden, enden werden wie Pharao in Gen 12. Daran schließen sich Überlegungen an zu Pharaos und Saras Schicksal. So wird berichtet, daß Sara die ganze Nacht auf ihrem Gesicht liegt und zu Gott schreit: .Sovereign of the Universe! Abraham went forth [from his land] on Thine assurance /ппазпз/, and I went forth with faith; Abraham is without this prison while J am withinf". Said to her the Holy One, blessed be he, .Whatever I do, 1 do for thy sake and all will

say:

IT IS BECAUSE

OF

SARAI,

ABRAHAM'S

WIFE

"'

Sara klagt offenbar, weil sie im Vertrauen auf Gottes Verheißung an Abraham (die ja - als Nachkommenschaftsverheißung - auch sie betrifft!) mit ihm ausgezogen ist und nun ihr Schicksal die Erfüllung der Verheißung fraglich werden läßt. Und doch geschieht alles, so wird das Schriftwort ausgelegt, ihretwegen. An dieser Stelle geht die Frage des Vertrauens der Menschen über in die Frage der Treue Gottes zu seinen Verheißungen.

s y s t e m a t i s c h e T h e o l o g i e v e r w a n d e l n zu wollen" (Sanders, Paulus 214). V g l . Sanders, Paulus 166: . D a s T h e m a von Buße und V e r g e b u n g hat s e i n e Funktion innerhalb einer u m f a s s e n d e n Struktur, die auf der Einsicht gründet, d a ß .alle Israeliten A n t e i l an der z u k ü n f t i g e n Welt haben'. D i e s e A u f f a s s u n g beruht selbstverständlich auf einer bestimmten Einsicht in die G n a d e Gottes". ™ So übersetzt Freedman, G e n e s i s ; N e u s n e r , G e n e s i s Rabbah gibt hier л п а з п mit ,trust" w i e d e r und versteht es o f f e n s i c h t l i c h parallel zu n:DH - .faith". Dadurch wird zwar m.E. V e r h e i ß u n g und G l a u b e n hier unzulässig parallelisiert. A n d e r e r s e i t s wird man hier auch nicht auf einen G e g e n s a t z z w i s c h e n b e i d e n a b h e b e n dürfen, w i e Billerbeck es tut ( i n d e m er v e r s c h ä r f e n d ergänzt: . A b r a h a m ist a u s g e z o g e n ... mit einer V e r h e i ß u n g ..., u. ich bin a u s g e z o g e n [ohne e i n e s o l c h e ] im Glauben", ebd. 3 207).

178

Ш.Е. Rabbinische Literatur

4. Gottes Treue zu seinen Verheißungen Bereits die Bildung ппазл aus der Wurzel ппз weist darauf hin, daß ein wesentliches Kennzeichen der Verheißungen Gottes für die Rabbinen ihre unbedingte Zuverlässigkeit ist^"^. Auch sonst zweifelten sie nicht an Gottes Treue. ( 1) Ganz fraglos ist diese Treue, wo die Erfüllung einer Verheißung konstatiert werden kann. So heißt es in PesR 42,5 (in einer Auslegung zu Gen 21,1) fast lapidar: .Another AND

THE

comment: LORD

REMEMBERED

SARAH.

...

The

words

THE LORD express Abraham's rejoicing: ... He promised promised me, He did at once [пш ТП 'ЛТазПШ ...

YET

WILL

I REJOICE

IN

me a son, and what He

Ebenso wird konstatiert (bei der Auslegung von Ps 119,89), daß die Mehrungsverheißung an Abraham und die Verheißungen an Jakob mit dem Exodus erfüUt worden sind^°^, des weiteren auch eine Verheißung an Moses^''®. (2) Gott tut, was er sagt^"' - selbst da, wo das wirkliche Geschehen auf den ersten Blick eine andere Meinung nahelegen könnte. Das zeigt die Auslegung von Ri 20,28 wie sie bShevu 35b im Kontext einer Diskussion um die Heiligkeit der Gottesnamen bietet. Offensichtlich steht im Hintergrund der Vorwurf, hier habe Gott Israel in den Kampf gegen die Benjaminiter geschickt und sie hätten trotzdem zweimal verloren. Eliêzer sprach zu ihm: Würde er denn etwas versprochen /п'вап/ und nicht gehalten haben!? R. Jehosuâ erwiderte ihm: Was er versprochen [u^isauvi] hatte, hielt er auch, nur prüften sie nicht, ob besiegt zu werden oder zu siegen; zuletzt aber, als sie dies prüften, stimmte es auch'"".

(3) Auch wenn die, die die Verheißungen früher einmal übermittelt haben, schon lange gestorben sind - so wie die Propheten -, so ist doch Gott lebendig, der die Verheißungen gegeben hat^"'. Deshalb, so wird man hier folgern dürfen, sind auch seine Verheißungen verläßlich. •«

Vgl. Billerbeck 3 207. ShemR 38,6 und BamR 2,12, s.o.S. 158f. ShemR 38,6: ,So findest du auch ... dass Gott dem Mose versicherte [тп'ыапш] ... und Gott hat es ihm auch erfüllt [ ' i n .. D ' p l ] ' . Vgl. auch z.B. Philo Mos. 1,283; JosAnt 5,40; 8,110; Rom 4,21. Parallele in Sof 4,7: Eliezer said to him, ,Is it possible that the Omnipresent would promise ^n-QlD/... (Ri 20,18.23) and not fulfil?' R. Joshua replied ,The Omnipresent promises /п-'азп/ and fulfils". PesR 1,2: .Another comment: FOR GOD, FOR THE LIVING GOD (PS. 43:3) ... the God who is alive and stands by His word. As R. Phinehas the Priest ben Hama explained: Even though those who conveyed the promises [ 1 Tl 'ИЗИп/ - the Prophets - are dead, yet God who made the promises /п'азлш//5 living and enduring".

Gottes T r e u e zu seinen V e r h e i ß u n g e n

179

(4) Auf die Treue zu seinen Verheißungen können Menschen Gott auch ansprechen. In ShemR 44,6 wird zu Ex 32,13 („GEDENKE AN DEINE KNECHTE ABRAHAM, ISAAK UND ISRAEL ...·) eine Lehre R. Levis angeführt, nach der Moses Gott regelrecht bei seiner Verheißung behaftet, als dieser das halsstarrige Israel nach der Anbetung des Kalbes vertilgen will .Mose sprach: Herr der Welti leben die Todten? Gott antwortete: Mose, du bist ein Ketzer ('l'O Sectirer) geworden. Mose entgegnete: Wenn die Todten einst nicht aufleben, so thust du ihnen alles recht, wai du willst; wenn die Todten aber leben, was wirst du dann einst den Altvätern sagen, wenn sie auferstehen und von dir die Verheissung fordern, die du ihnen gegeben /Ьппилгиг) лпазп/; was willst du ihnen antworten? Hast du ihnen nicht also verheissen /оппиап/, dass du ihre Kinder so viel werden lassen wollest, wie die Sterne am Himmel und jetzt willst du sie vernichten? Das ist der Sinn der Worte: .GEDENKE AN ABRAHAM ".

In EstR 8,6 wird ein Gebet Mardochais überliefert, in dem er Gott darum bittet, Haman das Los zukommen zu lassen, das er verdient und seiner Verheißung von Lev 26,44 zu gedenken, daß er seinen Bund nicht brechen werde: .and let this sinner know that Thou hast not forgotten hast

made

to us

:ППИаПШ ППИЗПП/, ,ΥΕΤ

THE

LAND

OF THEIR

ENEMIES,

HOR THEM,

TO DESTROY

THEM;

I AM

FOR

THE

THEM

I WILL NOT UTTERLY,

LORD THEIR

GOD'

the promise

FOR ALL

THAT,

WHEN

REJECT

THEM,

NEITHER

AND

(Lev.

TO BREAK

MY

which THEY

WILL

COVENANT

Thou

ARE

IN

I ABWITH

XXVI,44)^.

Hierher gehört schließlich auch ein - zeitlich schwer bestimmbares - Gebet aus der Hekhaloth-Literatur (SHL §326): .siehe, es ist die Zeit, die dir ziemt, um zu retten, in der bekannt werden soll die Kraft deines Erbarmens. So möge es dein Wille sein, Herr, Gott Israels, daß du die Worte deiner Tröstungen an uns erfüllst, die du uns durch deine Propheten bestimmt, in einer Vision zu deinen Frommen gesprochen und im Geheimnis deiner Tora deinen Knechten enthüllt hast. Die Zusagen [mnBUTt] deiner Wohltaten und deiner Heilserweise sollen sich an uns und an ganz Israel, deinem Volk, als wahr erweisen.'

Vgl. auch die Lehren von R. Jizchak und Chiskia bar Rabbi, die in ShemR 44,6 noch folgen, s.o. S.166f.

180

ULE. Rabbinische Literatur

5. Zusammenfassung In der rabbinischen Literatur finden sich - vor allem in den Midraschim viele der Motive der Rede von Gottes Verheißen wieder, die schon in den bereits behandelten friihjüdischen Schriften begegneten. Auch hier tritt neben den alttestamentliche Begriff des Schwörens Gottes der Begriff der Verheißung und ersetzt ihn schließlich weitgehend. Dazu bilden die Rabbinen von der Wurzel пиа her die Formen пп!эзл und п'изп. Hinzu kommt, vor allem in der talmudischen Literatur, die Passivform паз in. Diese Neubildungen zeigen, daß Gottes Verheißen für die Rabbinen fraglos wichtig war als aus der Schrift übernommene, selbstverständliche Voraussetzung^^^ Zeitlich verteilen sich die Belege offenbar über alle Phasen. Sie reichen zurück bis in die tannaitische Zeit, wobei man vermuten kann, daß die ältesten Traditionen bereits aus einer Periode noch vor der Zeitenwende stammen. Inhaltlich finden sich viele unterschiedliche Traditionen. a. Gottes Treue und Segen Wo Gottes Handeln in den Blick kommt, ist es vor allem seine unverbrüchliche Treue und die unumstößliche Verläßlichkeit seiner Zusagen, die im Zusammenhang mit den Verheißungstraditionen betont werden"^. Nicht überbewerten dürfen wird man, daß die Barmherzigkeit Gottes nicht (wie in der LXX und den Pseudepigraphen) zum näheren Kontext der Stellen gehört^". Der Grund ist kaum in einer geänderten Sicht des Wesens Gottes und seiner Beziehung zu den Menschen zu suchen^!'*, sondern ist vor allem in der unterschiedlichen Form und Intention dieser Schriften begründet. An Verheißung, Bund und Barmherzigkeit wird Gott häufig in Gebeten erinnert. Für die rabbinische Literatur, der Form nach in den behandelten Schriften vor allen Dingen Schriftauslegung und Halakha, ist das Hauptproblem demgegenüber nicht die

Angesichts der im Blick auf den U m f a n g der rabbinischen Literatur doch recht begrenzten Zahl von Belegen gehört .Verheißung' allerdings sicher nicht zu den Hauptthemen rabbinischer Theologie. So wird mehrfach das Exodusgeschehen verstanden als Erfüllung und als Erweis der Treue Gottes zu den Väterverheißungen. Und daß Gott nach Gen 22,16 bei sich selbst schwört, wird als Zeichen verstanden dafür, daß seine Zusage unvergänglich ist. A u c h in anderen Zusammenhängen wird Gottes Verläßlichkeit und unverbrüchliche Treue in der rabbinischen Literatur «stets vorausgesetzt und oftmals ausdrücklich festgestellt" (Sanders, Paulus 100). Vgl. aber SHL §326. A u c h vom Bund ist in diesem Zusammenhang nur einmal die Rede, in EstR 8,6. "" Ähnlich dem LibAnt verstehen die Rabbinen häufig als Gebot, aber (im Zusammenhang mit dem Eid) ebenso auch als Zusicherung (vgl. Kutsch, T R E 7 405), so daß der Bund „sowohl Segnung als auch Gebote einschließt' (Sanders, Paulus 98). Die rabbinische Literatur teilt auch mit der weiten Mehrheit der übrigen frühjüdischen Literatur die Überzeugung, daß die Barmherzigkeit Gottes seine Gerechtigkeit überwiegt (vgl. Sanders, Paulus 116f).

V e r h e i ß u n g e n f ü r d i e V ä t e r und Israel und P r o s e l y t e n

181

unbezweifelte Treue und Barmherzigkeit Gottes, sondern die Frage „wie der Mensch in bestmöglicher Weise treu sein könne"^^^. Inhaltlich lassen sich Gottes Zusagen, wie sie bei den Rabbinen in den Blick kommen, vorrangig als Segenszusagen im weitesten Sinn kermzeichnen^^^. Im übrigen folgen die Verheißungsinhalte weitgehend aus der Auslegung der betreffenden Schriftstellen des Pentateuch, vor allem der Vätergeschichten. Auffällig ist hierbei lediglich, daß die Landverheißung, anders als etwa im Dtn aber auch in Gen, jeweils in direktem Zusammenhang mit dem Volk steht und nicht auf die Väterverheißungen zurückgeführt wird. Zukünftige Verheißungsinhalte finden sich (außer einmal die Auferstehung^") nicht, und auch die Gewißheit der zukünftigen Welt, die häufig und formelhaft in der talmudischen Literatur begegnet, wird fast nie auf Verheißungen zurückgeführt*^®. b. Verheißungen

für die Väter und Israel und

Proselyten

Die Midraschim nehmen in erster Linie Bezug auf die Väter- und hier, wie schon ausgeführt, vorrangig auf die Mehrungs- und Segensverheißung. Die bereits geschehene Erfüllung dieser Verheißungen hat Israel allererst begründet, es aus Ägypten in das verheißene Land gebracht und zu einem großen Volk gemacht. Israel, das erwählte Volk, wird auch selbst ausdrücklich zum Empfänger eigener Verheißungen (des Segens, des gerechten Gerichts, der Zukunft). Über Israel hinaus kommen als Empfänger von Verheißungen nur noch Proselyten in den Blick - Menschen, die sich unter den Bund gestellt und so in das Volk Israel eingeghedert haben und deshalb (zumindest nach bestimmten Traditionen) nun ebensoviel gelten wie Jakob selbst.

Sanders, P a u l u s 167. M e h r m a l s ist der S e g e n selbst V e r h e i ß u n g s i n h a l t (vgl. S i f D e v §11; S i f B a m §84; m M S h 5,13; bSot 39b). A u c h die N a c h k o m m e n s c h a f t s - und M e h r u n g s z u s a g e n , die aus Israel ein g r o ß e s V o l k w e r d e n l a s s e n und auf d i e h ä u f i g e r z u r ü c k g e g r i f f e n wird ( S h e m R 38,6; 44,6; B a m R 2,12), w e r d e n z.T. a u s d r ü c k l i c h als W i r k u n g des S e g e n s G o t t e s v e r s t a n d e n . E b e n s o l a s s e n sich R e i c h t u m ( T a n B η·? l·? 17) und a u c h t ä g l i c h e D i n g e w i e Brot u n d G e w a n d ( S h e m R 19,4) in d i e s e n Z u s a m m e n h a n g s t e l l e n . S i f D e v §329; vgl. a u c h S i f D e v §305. E i n e A u s n a h m e ist l e d i g l i c h bSan 98a. W i e d e r u m s o l l t e d i e s e r B e f u n d j e d o c h nicht ü b e r b e w e r t e t w e r d e n . S e l b s t v e r s t ä n d l i c h b e h a n d e l n die R a b b i n e n a u c h e s c h a t o l o g i s c h e Z u s a g e n G o t t e s , nur e b e n nicht im Z u s a m m e n h a n g der hier u n t e r s u c h t e n B e g r i f f l i c h k e i t . So f i n d e t sich a u c h v e r e i n z e l t (aber n i c h t s d e s t o t r o t z h ä u f i g e r als in der M a s s e der bisher b e h a n d e l t e n S c h r i f t e n ) ein Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n V e r h e i ß u n g e n G o t t e s und P r o p h e t i e . N i c h t nur wird m e h r f a c h auf E l i a und s e i n K o m m e n in der E n d z e i t B e z u g g e n o m m e n , s o n d e r n es wird a u c h a u s d r ü c k l i c h ein S c h r i f t w o r t a u s den P r o p h e t e n als V e r h e i ß u n g b e z e i c h n e t und die P r o p h e t e n als die Ü b e r b r i n g e r der V e r h e i ß u n g e n G o t t e s g e n a n n t (vgl. M e k h Y П'ршз 10 (149); a u c h S i f D e v §329; ЬВег 17a; B a m R 2,12; P r o p h e t e n als Ü b e r b r i n g e r der V e r h e i ß u n g e n in P e s R 1,2).

182

III.E. Rabbinische Literatur

С. Zuversicht für die zukünftige Welt und Tun der Gebote Vor allem im babylonischen Talmud spielt die Frage nach dem der Verheißung entsprechenden Tun und Ergehen des Menschen eine dominierende Rolle. In der Formel ,sich versichert halten, Sohn der zukünftigen Weh zu sein' verbindet sich dabei beides: Vertrauen in Gottes eschatologisches Rettungshandeln und das diesem Vertrauen und diesem Handeln Gottes entsprechende Verhalten"®. Dieses wird man nicht als Heilsbedingung im Sinne einer falsch verstandenen jüdischen Werkgerechtigkeit mißverstehen dürfen^^^. Zwar wird an einigen Stellen die Erfüllung der Verheißung ausdrücklich eingefordert mit dem Hinweis auf die eigene Gebotserfüllung. Aber das ist m.E. eher im Kontext der atl. Tun-Ergehens-Vorstellung zu verstehen, ist doch in diesen Zusammenhängen Verheißungsinhalt immer der Segen für Land und Volk, der von Israels Seite erhofft und bei dem Gott behaftet wird, so wie umgekehrt auch das Ausbleiben des Segens mit der Untreue des Volkes begründet werden kann. Nirgends aber geht es dabei um Gottes gerechtes Urteil und rettendes Handeln, um Auferstehung und zukünftige Weh und entsprechend darum, daß der Mensch durch seine Werke gerettet werden könntei^K Wie in diesen Zusammenhängen also der Begriff Werkgerechtigkeit kein angemessenes Deutungsmuster rabbinischer Theologie ist, so läßt sich auch aus den (nicht häufigen) Stellen, an denen von der Furcht imd Angst biblischer Gestalten gehandelt wird, keine allgemeine Heilsunsicherheit des Judentums begründen. Sie sind vielmehr nur angemessen zu verstehen vor dem Hintergrund der allgemeinen Gewißheit der Rabbinen, daß alle Israehten (mit Hilfe von Buße und Vergebung der Sünde und aufgrund der Erwählung und der Gnade Gottes) Anteil an der zukünftigen Welt haben werden^^^.

Dazu geliört das Lernen und Lehren der Tora und der Halakha (bMeg 28b; bNid 73a; SEZ 2), das Lobgebet (bBer 4b), das Leben im Land (yShab 1,4 [3c]). Die Traumbilder, in deren Zusammenhang die Formel ebenfalls begegnet (bBer 57a), machen allerdings deutlich, daß solches Verhalten (bzw. Ergehen) eher als Zeichen der Entsprechung denn als anzurechnende Leistung zu verstehen ist. ™ Zur Kritik an solcher seit Weber über Billerbeck und andere immer wieder erneuerten Theorie vgl. Sanders, Paulus 48. Vgl. SifDev §303 (Parallelen in mMSh 5,13; bSot 39b); SivDev §323 (s.o. S.172f). Vgl. auch Hammer, Sifre 20, der in seiner Zusammenfassung homiletischer Basisthemen in SifDev betont, daß zwar die Existenz menschlicher Verdienste in dieser Schrift nicht geleugnet wird, aber ,we are taught that merit is never used in a plea to Got, but only His graciousness, which is given binnam, .unearned', to man." Vgl. Sanders, Paulus 166; auch Schäfer, Lehre 284 (s.o. Kap.IILD Anm.52). In solch weiterem Rahmen wird auch die Funktion dieser klassischen Belegstellen jüdischer Heilsunsicherheit (BerR 76,2; bBer 4a) deutlicher: sie dienen als Trost mit dem Beispiel Jakobs, Moses und Davids (deren Leben in der zukünftigen Welt gewiß nicht bezweifelt wird!) und als Warnung vor der Realität der Sünde in dieser Welt.

F. Zusammenfassung 1. Zur Traditionsgeschichte der Rede vom verheißenden Gott a. Zur atl. Vorgeschichte:

Vom Schwören Gottes zur

Verheißung

Die Überzeugung, daß Gott seinem Volk Verheißungen gegeben hat und weiter gibt, und daß diese sein Handeln bestimmen, gehört quer durch die einzelnen Schriften zum Grundbestand alttestamentlicher Theologien. Daneben entwickelt sich (beginnend schon mit Gerichtsankündigungen bei Amos) die feste Redeweise vom Schwören Gottes^. Sie verfestigt sich im Dtn und in den Bearbeitungen der dtr. Schule zu der auch zahlenmäßig dominierenden Formel: ,das Land, das er den Vätern zugeschworen hat'^. Nicht ganz so häufig, doch sachlich auch zentral, sind im Zusammenhang mit Gottes Schwören die Themen Bund, Erbarmen Gottes und Königtum (Davids), die sich in verschiedenen Schriften finden. Von daher wird man sagen können, daß von Gottes Verheißen im AT nicht nur der Sache nach, sondern bereits terminologisch verfestigt die Rede ist. Es gibt also sehr wohl so etwas wie eine alttestamentliche Vorgeschichte auch des Lexems έπαγγελία - zumindest dann, wenn man auch seine Synonyme berücksichtigt^. In den verschiedenen frühjüdischen Schriften finden sich dann statt des Lexems όμνύω sehr viel häufiger Lexeme des Versprechens für Gottes Zusagen (έπαγγέλλομοίΐ κτλ./ ύπισχνέομαι κτλ.). Vom Schwören Gottes ist dagegen fast nur noch im Zusammenhang atl. Zitate die Rede. Es wird offensichtlich nach und nach abgelöst durch die anderen Lexeme'·, wobei es jedoch sachlich (in Fortführung vor allem deuteronomistischer und chronistischer, mitunter aber auch anderer Traditionen) aufgenommen und z.T. weiterentwickelt wird. Auch in der rabbinischen Literatur hat das atl. Motiv des Schwörens Gottes offensichtlich

• s.o. s.55f. ^ s.o. Kap.II Anm.39; .der deuteronomisch-deuteronomistische Topos von dem den Vätern zugeschworenen Land ... faßt die unverbrüchliche ... Erwählung und ihr Ziel angesichts der Bedrohung mit Untergang seit 722 v.Chr. neu als Eid Jahwes, der vor der Volkwerdung und Landnahme erging" (Seebaß, TRE 9 377). ' Gegen Schniewind/ Friedrich, ThWNT II 575 (s.o. S.28). Bereits Cerfaux, Théologie 30 und Moxnes, Theology 118 haben angedeutet, daß die Wurzel U3«) zur alttestamentlichen Vorgeschichte von έπαγγελία gehört (s.o. Kap.I.B Anm.92). Da sie jedoch keine nähere Untersuchung des Motivs vom Schwören Gottes vornehmen, entgeht ihnen, wie eng die Verbindung zur späteren Rede von Gottes Verheißen tatsächlich ist. •· Deutliche Belege dafür sind paralleler und synonymer Gebrauch von .verheißen' und .schwören' in Weish 12,21; PsSal 17,3f und später auch noch bei Philo (Abr. 273f; Leg.All. 3,203ff) und in den rabbinischen Schriften (SifDev §309; vgl. auch AssMos 12,11; für profane Belege des synonymen Gebrauchs von .schwören' und .verheißen' s.o. Kap.II Anm.31.). Sodann wird etwa aus der Formel vom Land, das Gott den Vätern zugeschworen hat (s.o. Kap.II Anm.39) das Land, das Gott verheißen hat (TestAbr 8,5; 20,11; JosAnt 2,175; 4,5; vgl. auch 4,168; 5,39.93). Ebenso wird aus dem Schwur Gottes in Gen 22,16 eine Verheißung (Philo Abr. 273; Leg.All. 3,203; JosAnt 1,236; ShemR 44,6); vgl. auch den Schwur Gottes an Noah nach Jes 54,9 und JosAnt 1,103.

184

III.F. Z u s a m m e n f a s s u n g

keine große Rolle mehr gespielt^, auch wenn es noch mehrmals behandelt wird®. Insgesamt zeigt sich auch hier die Tendenz, statt vom Schwören Gottes von der Verheißung zu reden (vgl. die Neubildung ппвзп). F r a g t man n a c h den G r ü n d e n f ü r diesen Prozeß, so lassen sich eine g a n z e R e i h e von A n t w o r t e n d e n k e n . Letztlich bleibt man hier aber auf V e r m u t u n g e n a n g e w i e s e n . Im g r i e c h i s c h e n K u l t u r k r e i s w u r d e das Schwören als ein Mittel v e r s t a n d e n , etwas a n s o n s t e n U n g e w i s s e s v e r b i n d l i c h zu m a c h e n . D e n n o c h , o d e r a u c h g e r a d e d e s w e g e n , b e h i e l t es a n s c h e i n e n d i m m e r a u c h ein M o m e n t der U n s i c h e r h e i t (z.B. die G e f a h r des Meineids), wie E r ö r t e r u n g e n über das Schwören deutlich zeigen^. Die stoische P h i losophie k e n n t „die V o r a u s s e t z u n g , dass der W e i s e ü b e r h a u p t nicht s c h w ö r e n solle, da seine W o r t e die K r a f t von E i d e n haben".^ D a r ü b e r h i n a u s hat es in i h r e m K o n text o f f e n s i c h t l i c h Diskussionen gegeben, ob es dem W e s e n eines G o t t e s e n t s p r e c h e n k a n n , d a ß er s c h w ö r t ' . Solches Schwören erschien hier o f f e n b a r als e i n e u n a n g e m e s sene A r t der F e s t l e g u n g f ü r den in seinem H a n d e l n f r e i e n Gott^"'. F ü r das N T , wo f ü r G o t t e s V e r h e i ß e n f a s t ausschließlich ε π α γ γ ε λ ί α κτλ. g e b r a u c h t wird, k o m m e n eventuell w e i t e r e G r ü n d e hinzu, so das V e r b o t J e s u , ü b e r h a u p t zu s c h w ö r e n (Mt 5,33-37; vgl. J a k 5,12). Im N T k o m m t όμνύω κτλ. n u r m e h r in Z i t a t e n vor, u n d das bei J o s e p h u s h ä u f i g e r u n d bei Philo f a s t ausschließlich g e b r a u c h t e ύπόσχεσις κτλ. f e h l t ganz. D a s k ö n n t e d a r a n liegen, d a ß dies Lexem g e g e n ü b e r ε π α γ γ ε λ ί α κτλ. noch i m mer einen s t ä r k e r s e l b s t v e r p f l i c h t e n d e n u n d damit vielleicht u n a n g e m e s s e n f e s t l e g e n d e n K l a n g h a t t e l l . E i n e etymologische E r w ä g u n g weist e b e n f a l l s in diese R i c h tung: ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι als K o m p o s i t u m von εχω ( h a b e n , h a l t e n ) legt den A k z e n t m e h r auf das H a b e n , den I n h a l t und die Sicherheit des V e r s p r e c h e n s u n d damit auf die Seite des E m p f ä n g e r s . Mit ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι dagegen (als K o m p o s i t u m von ά γ γ ε λ - ) legt m a n den A k z e n t s t ä r k e r auf den G e b e r der V e r h e i ß u n g . N i c h t a u s z u s c h l i e ß e n ist aber auch, d a ß e i n f a c h g e o g r a p h i s c h g e b u n d e n e s p r a c h l i c h e V o r l i e b e n das u n t e r s c h i e d l i che V o r k o m m e n von ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι κτλ. n e b e n ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι κτλ. e r k l ä r e n könneπ^^.

' Z u m Schwören Gottes bei d e n R a b b i n e n vgl. oben S.165f. Z u m T h e m a vgl. a u c h Billerbeck 2 I I I ; ders., 3 691f. ® E r ö r t e r u n g e n f i n d e n sich vor allem im A n s c h l u ß an G e n 22,16 (BerR 46,11; S h e m R 44,6; W a R 29,9; B a m R 17,2) u n d Ex 32,13 (ShemR 44,6; vgl. auch bBer 32a). ' Vgl. Sir 23,9.12; Philo Spec.Leg. 2 , l f f ; Decal. 82ff; JosBell 2,135. ' C o h n / W e n d l a n d , Philo B d . l 151 A n m . l . Philo dagegen hält nicht . j e d e n Eid f ü r v e r w e r f l i c h , s o n d e r n nur den Eid bei G o t t ' (ebd. 152 A n m . l ; im r ö m i s c h e n K a i s e r r e i c h war es ü b l i c h e Sitte, bei den G ö t t e r n u n d bei den K a i s e r n zu s c h w ö r e n , vgl. S c h n e i d e r , T h W N T V 177). ^ Vgl. Philo Leg.All. 3,203ff; Sacr. 91ff. u n d die A n m e r k u n g e n bei C o h n / W e n d land (ebd.). S c h n e i d e r , T h W N T V 183 meint, d a ß die A n s c h a u u n g , d a ß Gott schwört „vom n t . - l i e h e n G o t t e s b e g r i f f aus eigentlich u n m ö g l i c h ist'. , E s ist ja b e z e i c h n e n d , d a ß sich, a b g e s e h e n von Hb, im N T die A n s c h a u u n g , d a ß Gott schwört, nicht f i n d e t ' (ebd. A n m . 7 l ) . " Z u m s t ä r k e r v e r p f l i c h t e n d e n C h a r a k t e r von ύπόσχεσις κτλ. s.o. S.51. Die Belege f ü r ύπόσχεσις κτλ. weisen f a s t alle ins a l e x a n d r i n i s c h e J u d e n t u m (Philo, Weish, Sib, 4Makk; einzige, aber gewichtige A u s n a h m e ist J o s e p h u s ) . Bei ε π α γ γ ε λ ί α κτλ. ist der B e f u n d j e d o c h nicht so eindeutig, a u c h w e n n f r ü h e Belege n a c h P a l ä s t i n a weisen (PsSal, 2 M a k k 2,17). Der B e f u n d bei P a u l u s u n d im ü b r i g e n N T wird sich z u d e m k a u m allein von solch g e o g r a p h i s c h e n G e s i c h t s p u n k t e n her e r k l ä r e n lassen.

Z u r atl. V o r g e s c h i c h t e : V o m Schwören G o t t e s zur V e r h e i ß u n g

185

Die Realisierung der Verheißungen kann auf unterschiedlichen Ebenen erhofft werden: als konkrete Lebenshilfe für den Einzelnen oder das Volk, aber auch streng jenseitig im Eschaton. In allen Fällen kann der Verweis auf ein vergangenes Handeln Gottes und auf ergangene Verheißungen das Vertrauen in Gottes Zusagen und die Hoffnung auf sein zukünftiges Erbarmen begründen. Mehrfach ist auch deutlich, daß das Vertrauen in Gottes Gerechtigkeit erschüttert ist und die Frage der Theodizee gestellt wird. Die Antworten auf solche Krise können durchaus unterschiedlich ausfallen, häufig abhängig davon, wie Gottes Erbarmen verstanden wird. Neben der Verschiebung von όμνύω κτλ. zu έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι κτλ. zeigt sich im Lauf der Traditionsgeschichte weiter eine Tendenz von der Verb- hin zur nominalen Form. Eine signifikante Bedeutungsverschiebung geht damit allerdings nicht einher. Die LXX g e b r a u c h t όμνύω m e h r als 8x h ä u f i g e r f ü r G o t t e s V e r h e i ß e n als ορκος'^. In den f r ü h j ü d i s c h e n S c h r i f t e n f i n d e n sich dagegen lediglich bei J o s e p h u s V e r b f o r m e n noch 3x häufiger^·*. In den p s e u d e p i g r a p h e n S c h r i f t e n und ebenso bei Philo ist das V e r h ä l t n i s von N o m i n a l - u n d V e r b f o r m e n bereits in etwa a u s g e g l i c h e n . Im N e u e n T e s t a m e n t schließlich tritt die n o m i n a l e F o r m ε π α γ γ ε λ ί α ganz in den V o r d e r g r u n d , und zwar sehr viel h ä u f i g e r im Singular als im P l u r a l * ' . Es ist hier e n d gültig zum t h e o l o g i s c h e n F a c h b e g r i f f g e w o r d e n , was auch d a d u r c h belegt wird, d a ß ein p r o f a n e r G e b r a u c h der L e x e m e f a s t völlig f e h l t . Diese g a n z e E n t w i c k l u n g f i n d e t im w e i t e r e n f r ü h c h r i s t l i c h e n S c h r i f t t u m ihre B e s t ä t i g u n g und Fortsetzung*®.

" Schon im m a s o r e t i s c h e n Text sind die n o m i n a l e n F o r m u l i e r u n g e n . s p ä t e r als die v e r b a l e mit n i ä b a ' " ( L o h f i n k , L a n d v e r h e i ß u n g 19). Der G r u n d d a f ü r ist, d a ß er (bedingt d u r c h seinen E r z ä h l s t i l ) a u c h insgesamt eine g r o ß e V o r l i e b e f ü r die V e r b f o r m e n hat. ' Ε π α γ γ έ λ λ ο μ α ι ist bei ihm insgesamt 7x h ä u f i g e r als ε π α γ γ ε λ ί α , ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι 4x h ä u f i g e r als ύπόσχεσις. Lediglich όρκος ist l,4x h ä u f i g e r als όμνύω, bei beiden ist a b e r nie Gott S u b j e k t . " 40x Sing.; 12x Flur.; bei Philo und J o s e p h u s ist das V e r h ä l t n i s u m g e k e h r t . J o sephus: ε π α γ γ ε λ ί α Ix Sing.; 3x Plur.; ύπόσχεσις Ix Sing.; 5x Plur.; Philo: ε π α γ γ ε λ ί α Ix Sing.; ύπόσχεσις 3x Sing.; 6x Plur. E i n e T e n d e n z zum Singular zeichnet sich a l l e r d i n g s in den übrigen j ü d i s c h e n S c h r i f t e n schon ab, vgl. A m 9,6; Ψ 55,9; O r M a n 6; T e s t A b r ; T e s t j o s 20; A p k E s r 3,10. Im übrigen e n t s p r i c h t dieser s i n g u l a r e G e b r a u c h d e m j e n i g e n von όρκος, vor allem a b e r von διαθήκη (und schon Γ Γ Ί η ) als e i n e m t h e o l o g i s c h e n Schlüsselbegriff im A l t e n T e s t a m e n t . Von d a h e r wird man e r w ä g e n müssen, ob der s i n g u l a r i s c h e und a b s o l u t e G e b r a u c h von ε π α γ γ ε λ ί α d u r c h P a u l u s n u r . s e i n e m r e l a tiven D e s i n t e r e s s e an k o n k r e t e n V e r h e i ß u n g s i n h a l t e n entspricht* (Luz, T h e o l o g i e 132), oder ob hier nicht im H i n t e r g r u n d auch eine b e w u ß t e A n a l o g i e b i l d u n g zu s e h e n ist. " Vgl. K r a f t , Clavis: ε π α γ γ ε λ ί α 19x (18x . V e r h e i ß u n g ' , n u r I g n E p h 14,3 f i n d e t sich die B e d e u t u n g .Bekenntnis'; l l x Sing.. 8x Plural); έ π α γ γ έ λ λ ο μ α ι 13x ( l l x .verheißen', nur H e r m 10,3 (Vis 111,2); 39,10 ( M a n d IX,10) .versprechen'); ύπόσχεσις f e h l t , ύ π ι σ χ ν έ ο μ α ι Ix (Polyk 5,2); όρκος 2x (IKI 8,2 von Gott: Barn 2,8 p r o f a n e r Eid); όμνύω 4x (Barn 6,8 = L X X - Z i t a t ; Barn 14,1; in H e r m 6,5.8 (Vis 11,2) b e z e i c h n e t das W o r t zweimal G o t t e s G e r i c h t s a n k ü n d i g u n g ) .

186

III.F. Zusammenfassung

b. Zeitliche Erstreckung und geographische

Verteilung der Belege

Der beschriebene Traditionsprozeß vom Schwören Gottes zur Verheißung nimmt vermutlich seinen Anfang in der Zeit des stärker werdenden Einflusses griechischer Sprache und hellenistischer Kultur seit dem 3Jh. v.Chr. Die ersten (noch nicht sehr zahlreichen) schriftlichen Quellen, die belegen, daß es im griechischsprachigen Judentum übHch geworden ist von den έπαγγελίαι bzw. synonym dazu von den υποσχέσεις Gottes zu reden, reichen zurück bis zur Mitte des 2Jh. v.Chr., zumindest aber bis zum IJh. v.Chr.i^. Zur Zeit der Entstehung des Neuen Testaments haben diese Lexeme die Rede vom Schwören Gottes (außer in Zitaten) offenbar weitgehend verdrängt'®. Damit ist der Traditionsprozeß, gerade auch hinsichtlich vielgestaltiger inhaltlicher Verschiebungen, allerdings noch längst nicht abgeschlossen. Das zeigen u.a. die umfangreichen Schriften des Philo und des Josephus sowie die späten Apokalypsen 4Esr und syrBar. Alle diese Schriften bedienen sich (in unterschiedlichem Umfang) auch älterer Traditionen. Man wird sie verstehen können als Beiträge zu einem intensiven Diskussionsprozeß um den Weg Gottes mit seinem Volk in einer zumeist feindlichen und sich rasch wandelnden Welt. An diesem Diskussionprozeß nehmen auch die Schriften des Neuen Testaments teil. Wo die einzehien Schriften bei der Rede von der Verheißung auf schrifthche oder mündliche Traditionen zurückgreifen (so daß auch jüngere Schriften als traditionsgeschichtliches Belegmaterial für das NT herangezogen werden dürfen) und wo solche Rede vorrangig zum Bestandteil neuer theologischer Entwürfe wird, ist nicht einfach und von vornherein zu sagen. Hier bedarf es in jedem Einzelfall der sorgfältigen Prüfung konkreter Motive. Die weite Verbreitung der Rede von der Verheißung in fast allen relevanten frühjüdischen Schriftgruppen bestätigt auch ein Blick auf ihre geographische Verteilung. Schon die ältesten Quellen stammen, soweit man erkennen karm, sowohl aus dem palästinischen Raum als auch aus Ägypten, sowohl aus dem pharisäischen Milieu als auch aus hellenistisch geprägter Umgebung. Die Rede vom verheißenden Gott gehört also, unabhängig von der jeweiligen inhaltlichen Ausgestaltung, zum Allgemeingut frühjüdischer Theologien.

" Vgl. Sib 3,767; T e s t j o s 20; Weish 12,21; 2Makk 2,17; ЗМакк 2,10; PsSal (vgl. auch die interpretierenden Übertragungen in Ψ 55,9 und A m 9,6). Man kann also nicht sagen, daß ε π α γ γ ε λ ί α in der LXX .noch keinerlei theologische Funktion hat" (so aber Wilckens, Römer 1 269). " Inwieweit dies auch für das hebräisch sprechende Judentum gilt, ist schwer zu sagen. Die meisten der für frühjüdische Schriften vermuteten hebräischen Originale sind ja nicht mehr erhalten. A u c h die Schriften von Qumran, wo nicht von V e r h e i ßung, aber auch kaum noch vom Schwören Gottes die Rede ist (sondern primär vom Bund), lassen hier kein genaueres Urteil zu. Die spätere Entwicklung in der rabbinischen Literatur könnte sehr wohl auch auf die wechselseitige Beeinflussung mit dem griechischsprachigen Judentum zurückzuführen sein.

Formgeschichtliche Beobachtungen

С. Formgeschichtliche

187

Beobachtungen

(1) Gebete und gebetsähnliche Formen bilden den Kontext für eine große Zahl der Belege. So begegnet in den pseudepigraphen Schriften Gottes Verheißen in hymnischen Schilderungen, in kollektiven und individuellen Klagen und in Büß- und Bittgebeten!'. Josephus gebraucht hier mehrfach das dtr. Schema von Abfall, Not, Gebet in der Not und Rettungshandeln Gottes, und auch im syrBar haben die Klagen und Bitten um Erfüllung der Verheißung eine wichtige Funktion^". Diesem formgeschichtlichen Befund entspricht der motivgeschichtliche, daß häufig die Erhörung von Gebeten ausdrücklich verheißen wird^'. (2) Geschichtsschilderungen und Geschichtsdeutungen sind ein zweiter wichtiger formgeschichtlicher Zusammenhang, in dem die Rede von der Verheißung verankert ist^^. So sind Jub, LibAnt und JosAnt bewußte Nacherzählungen (.relectures') der Geschichte Gottes mit seinem Volk, die zugleich ihre eigene Situation im Lichte dieser Geschichte beleuchten wollen^'. (3) Eschatologische Erwartungen bestimmen in den apokalyptischen Schriften 4Esr und syrBar die Rede von der Verheißung. Auch ihnen geht es dabei zwar um die Deutung ihrer geschichtlichen Situation (nach der Tempelzerstörung). Jedoch hilft der Rückblick auf die erlebte Geschichte nicht mehr bei dieser Deutung^·*. Das allein von eschatologischer Erwartung geprägte Wortfeld zur Verheißung, daß hier deshalb begegnet, findet sich in Teilen bereits in Sib 3,767 und auch in einer ganzen Reihe weiterer apokalyptischer Schriften". Bemerkenswert ist, daß auf prophetische Heilszusagen, die man in der Forschungsgeschichte der Sache nach häufig als atl. Verheißungen par excellence angesehen

" ^

s . o . Kap.III.A Anm.192. Vgl. J o s A n t 3,7.23ff; 5,159; 7,153.373; 8,24; 9,10; syrBar 21,25. In T e s t A b r 3,6 w e r d e n G e w ä h r u n g der V e r h e i ß u n g und G e b e t s e r h ö r u n g p a r allel g e n a n n t : χ α ρ ί σ ε τ α ι σοΙ .. τήν έ π α γ γ ε λ ί α ν . Χαρίσεται σοι και τήν τ ι μ ί α ν εύχήν. Vgl. a u c h J o s A n t (1,103); 1,272; 3,7.25; 5,38f; 7,153.295; 9,10; Philo M u t . 201; L i b A n t 51,2; S i f B a m §68; W a R 16,9; ( V e r h e i ß u n g f ü r den Beter in bBer 4b); A p k S e d r 16,4; später auch Herrn 9,2 (Vis 111,1). ^ A u c h die Kap.II Anm.192 g e n a n n t e n hymnischen S c h i l d e r u n g e n k ö n n e n in g e wisser W e i s e hierzu gezählt w e r d e n . ^ .Die L e g i t i m i e r u n g der v e r s c h i e d e n e n S t a n d p u n k t e d u r c h G e s c h i c h t s k o n s t r u k t i o n e n und B e r u f u n g auf alte Ü b e r l i e f e r u n g e n war ... nicht neu, kam aber im F r ü h j u d e n t u m noch mehr zum T r a g e n " ( M a i e r , K o n t i n u i t ä t 11). M a i e r ä u ß e r t sich kritisch g e g e n ü b e r der B e z e i c h n u n g .rewritten bible', da sie ,zu sehr eine T e x t v e r a r b e i t u n g suggeriert, wo es noch weithin um S t o f f v e r a r b e i t u n g geht* ( Z w i s c h e n 127). A l l e r d i n g s g r e i f e n L i b A n t und i n s b e s o n d e r e J o s A n t e r k e n n b a r auch auf Texte z u rück. " Schon zuvor kam es in f r ü h j ü d i s c h e n A p o k a l y p s e n zu e i n e r v e h e m e n t e n . E s c h a t o l o g i s i e r u n g des V e r s t ä n d n i s s e s der eigenen G e s c h i c h t e .... die ... dazu f ü h r e n k o n n t e , d a ß man das h e r k ö m m l i c h e V e r t r a u e n in e i n e h e i l s r e l e v a n t e V e r g a n g e n h e i t Israels a u f g a b und sich anschickte, das von Gott dem V o l k e z u g e w a n d t e Heil schließlich nur noch vom A n b r u c h einer d e f i n i t i v e n Z u k u n f t in e i n e m n e u e n A o n zu e r w a r t e n " ( M ü l l e r , A n s ä t z e 32). " Vgl. A p k E s r 3,10; A p k S e d r 16,4; A s c j e s 8,22; ä t h H e n 25,7; A p k E l 22,5; A p k M o s 41; A s s M o s 12,3; auch T e s t j u d 22; T e s t j o s 20.

188

III.F. Zusammenfassung

hat, auch in diesen eschatologischen Zusammenhängen kaum je ausdrücklich Bezug genommen wird^®. (4) Schlußverse. Auffällig ist, daß es häufig Schlußverse eines Abschnittes oder auch einer ganzen Schrift sind, in denen auf die Verheißung verwiesen wird". Dies weist auf eine offenbar wichtige inhaltliche Funktion der Rede von der Verheißung: die Stärkung des Vertrauens in Gott und seine Verheißungen. Dem entspricht, daß sie formal auch sonst häufig in epideiktisch bestimmten Zusammenhängen zu finden ist. d. Traditionsgeschichtliche

Verbindungen

und

Entwicklungen

Wie schon die Beobachtungen zur zeitgeschichüichen Einordnung, so macht auch die Verbreitung der Rede von der Verheißung innerhalb unterschiedhchster Formen deutlich: bei ihrer Entstehung und Entwicklung muß mit einem vielschichtigen, z.T. auch parallel in verschiedenen Gruppen sich vollziehenden Traditionsprozeß gerechnet werden. Gewiß haben dabei einzelne theologische Strömungen stärker mitgewirkt als andere, aber keine war allein prägend. So stellten herausragende Theologen wie etwa Paulus, aber auch Philo und Josephus oder die unbekannten Verfasser von 4Esr und syrBar jeweils verschiedene Traditionen in den Dienst ihrer je eigenen Theologie. Keinem von ihnen wird man jedoch aufgrund der Ergebnisse dieses Überblicks so etwas wie ein theologisches Urheberrecht an der Rede von Gottes Verheißen zuschreiben können. Das gilt auch für Paulus, dem solches Urheberrecht von manchen zuerkannt wird (wenn sie nicht sogar eine Vorgeschichte des Begriffs επαγγελία vor Paulus ganz ausschließen)^^. Die folgenden Erwägungen beschränken sich weitgehend auf offensichtliche Verbindungen zwischen größeren frühjüdischen Textgruppen und Paulus sowie

® Eine Ausnahme ist Sib 3,767f, ein Abschnitt der stark auf Zusagen Deuterojesajas zurückgreift. Eine weitere ist SifDev §329, wo im Kontext dreier Stellen aus dem Pentateuch auch Hos 6,2 als Hinweis auf die Verheißung der Auferstehung von den Toten gedeutet wird. Josephus, bei dem sehr wohl einzelne Propheten zu Übermittlern von Verheißungen werden können (vgl. auch PesR 12, s.o. Kap.III.E Anm.109) und προφητεύω und επαγγέλλομαι sich mitunter einander recht weit annähern, spricht dagegen nach dem Tod Salomes kaum noch und das letzte Mal in 9,10 im Zusammenhang der Kämpfe zwischen Judas König Josaphat und Ahab von der Übermittlung einer Verheißung durch einen Propheten. Die Heilszusagen der Schriftpropheten in und nach der Exilszeit finden dagegen bei ihm keinerlei Niederschlag im Kontext der Rede von der Verheißung. Anders ist dies erst im Neuen Testament und insbesondere bei Paulus (s.u. S.351ff). " Vgl. schon Mi 7,20 (ώμοσας τοις πάτρασιν; sachlich sind z.B. auch Joel 4,18-21; Am 9,11-15; Zef 3,14-20 hier zu nennen) und Weish 12,19f; 2Makk 2,17f; PsSal 7,10; 12,6; Testjos 20; auch Philo Abr. 273f; in JosAnt sind es mehrmals zusammenfassende oder programmatisch wichtige Abschnitte, so z.B. in 1,103; in AssMos 12,11 bricht die Schrift heute an dieser Stelle ab. ^ S.o. S.37. Bereits im ersten Kapitel wurde aber auch betont, daß mit einem solchen, traditionsgeschichtlich gewonnenen Ergebnis die Frage nach einer theologischen Wertung der einzelnen Entwürfe nicht suspendiert, sondern allererst gestellt ist.

T r a d i t i o n s g e s c h i c h t l i c h e V e r b i n d u n g e n und E n t w i c k l u n g e n

189

dem übrigen Neuen Testament. Sie dienen damit als Vorarbeit für die Bewertung möglicher traditionsgeschichtlicher Parallelen der paulinischen Texte. Eine umfassende Geschichte der Entwicklung der Rede von der Verheißung soll und kann hier dagegen nicht beschrieben werden. Zu vielfältig (und in vielem noch nicht weiter erforscht) sind die gegenseitigen Verbindungen und Abgrenzungen schon in der Septuaginta selbst und mindestens ebenso in den verschiedenen frühjüdischen Schriftgruppen. ( 1) Die Psalmen Salamos - .pharisäische Erbschaft' 7 Erstaunlich viele der thematischen Zusammenhänge, die sich in den PsSal mit έ π α γ γ ε λ ί α verbinden, begegnen im Römerbrief ebenfalls im Kontext von Verheißung. In beiden findet die Erwartung eines Messias aus der Nachkommenschaft Davids ihren Niederschlagt'. Beide sprechen von Israel als Empfänger der Verheißung^ und vom Erbe als Inhalt der Verheißung^^. Vor allem gründet für beide Gottes Verheißung letzüich allein in seinem Erbarmen^^. Möglich ist, daß diese Traditionen, die sich sowohl in PsSal wie in Röm finden, zur .pharisäischen Erbschaft' des Paulus gehören^^. (2) Philo - jüdisch-hellenistischer Zeitgenosse. Auch die Werke Philos bieten z.T. aufschlußreiche Parallelen zur Rede des Paulus von der Verheißung^. Zu Röm 4 finden sich sogar die meisten Parallelen bei diesem bedeutenden jüdisch-hellenistischen Schriftsteller^': Vgl. PsSal 17 und R ö m 1,3. Diese m e s s i a n i s c h e H o f f n u n g , die P a u l u s o f f e n sichtlich aus G e m e i n d e t r a d i t i o n ü b e r n i m m t , b e g e g n e t zwar bei ihm a u s d r ü c k l i c h n u r hier (in 2Kor 6,16 wird, wie in J u b 1,24, die V e r h e i ß u n g von 2Sam 7,14 auf das g a n z e Volk b e z o g e n ) ; implizit ist sie aber etwa auch an einer Stelle wie Röm 15,12 g r e i f b a r . Diese H o f f n u n g u n d R ö m l,2f w e r d e n später auch a u f g e n o m m e n in C o n s t A p VII 37,If (Bousset, G e b e t s s a m m l u n g 242 A n m . l hält es f ü r möglich, d a ß u.a. an dieser Stelle der christliche V e r f a s s e r der S c h r i f t auf G e b e t e des hellenistischen J u d e n t u m s z u r ü c k g r e i f t ; z u m i n d e s t im Prinzip d a r i n gefolgt ist ihm G o o d e n o u g h , Light 306-358). E i n e wesentlich g r ö ß e r e Rolle spielt sie allerdings im l u k a n i s c h e n W e r k . Dort heißt es in A p g 13,23ff.32ff a u s d r ü c k l i c h , d a ß die D a v i d v e r h e i ß u n g in C h r i s t u s e r f ü l l t sei (vgl. aber bereits Lk 1,32.69; 2 , l f f und z.B. A p g 2,30). Z u m Motiv vgl. auch den Titel .Davidssohn' in den E v a n g e l i e n , vor allem bei Mt. J o s e p h u s d a g e g e n sieht S a l o m o als den T r ä g e r der V e r h e i ß u n g von 2Sam 7,14 (s.o. S.133). Vgl. PsSal 7,10; 12,6; 17,4; Röm 9,4f. " Vgl. PsSal 12,6; R ö m 4,14. " Vgl. PsSal 7,10; 17,3f; Röm 9,6-18; 11,28-32; 15,7f. " Solche V e r b i n d u n g v e r m u t e n , mit Blick auch auf a n d e r e T r a d i t i o n e n , ähnlich Lane, Legacy und zuletzt L ü h r m a n n , P a u l . A u c h zu a n d e r e n T e x t e n aus LXX und P s e u d e p i g r a p h e n lassen sich bei einer R e i h e von M o t i v e n G e m e i n s a m k e i t e n mit der p a u l i n i s c h e n R e d e von der V e r h e i ß u n g feststellen. G i l b e r t (in Stone, W r i t i n g s 312 u. 313 Anm.lOO) sieht »similarities" zwischen R ö m 9 und Weish 11-12. D e u t l i c h e r e P a r a l l e l e n zu Weish 12,19-22 f i n d e n sich allerdings noch in Lk 1,72-75 (ελεος διαθήκη - πατέρας - όρκος). " M e h r f a c h w u r d e n solche P a r a l l e l e n a u f g e l i s t e t . Knox, P a u l 131f n e n n t u.a.: Gal 4,22 ( M u t . 25); R ö m 9,7 (Mut. 26): 9,10 (Leg.All. 3,29); weiter läßt sich auf G a l 3,16 ( M u t . 145; vgl. Michel, P a u l u s 108) sowie auf Gal 3,15 (Mut. 51f.58) verweisen. " Vgl. zum f o l g e n d e n auch Moxnes, Theology 197-200, der jeweils noch H e b r 11 heranzieht.

190

ULF. Zusammenfassung

a) Bei Paulus wie bei Philo ist Abraham die zentrale Figur, an der das rechte Verhältnis des Menschen zu Gott verdeutUcht wird, b) Sein Glauben, um den es in Rom 4 zentral geht, ist auch in Philos Schriften durchgehend der wichtigste Aspekt im Zusammenhang mit der Verheißung Gottes an ihn^®. Er ist für Philo das einzige feste (Abr. 268) und das vollkommene (Migr. 43f) Gut. c) Auch Philo greift in diesem Zusammenhang vor allem zurück auf Gen 15,6'''. d) Vom Zweifel Abrahams (im Anschluß an Gen 17,17, vgl. Rom 4,19; Mut. 201) und seiner Hoffnung (Rom 4,18; Migr. 43f) sowie vom Gegensatz Glaube-Unglaube (Rom 4,20; Abr. 262-275; Her. 90-95) ist ebenfalls bei beiden im Kontext der Verheißung die Rede, e) Ähnhch wie Paulus in Rom 4,2 auf Abrahams Ruhm (καύχημα) verweist, geht Philo in Abr. 262ff auf sein Lob ein (έπαινος - vgl. Rom Er fragt auch nach dem Lohn Abrahams (Rom 4,4: μισθός; Abr. 110 άθλον^'; zum Werk Abrahams vgl. Rom 4,4; Her. 95) und spricht von seiner Gerechtigkeit (Her. 94f). f) Beide betonen, daß Gott der Schöpfer ist (Rom 4,17; Abr. 268), der das Nichtseiende ins Sein ruft (Rom 4,18; Migr. 44/° und tut, was er sagt (Rom 4,21; LegAll. 3,204; Somn. 1,181). Seine Verheißungen sind zuverlässig (Rom 4,16; Abr. 273; Migr. 44) - denn er kann auch tun, was er verheißen hat (Rom 4,17; Abr. 112; Quaest.Gen. Ш,56)''1. Diese zahkeichen Parallelen fin-

A n g e s i c h t s des recht g e r i n g e n V o r k o m m e n s von . G l a u b e n ' im A k e n T e s t a ment k a n n m a n v e r m u t e n , d a ß sich die bei P h i l o u n d P a u l u s so z e n t r a l e B e d e u t u n g des G l a u b e n s bereits in Z w i s c h e n s t u f e n seit der Ü b e r s e t z u n g der L X X entwickelt hat (vgl. L ü h r m a n n , Pistis 33). N a c h Schlatter, G l a u b e 76 (vgl. auch 79) ist »Philos G l a u be ... die G e r e c h t i g k e i t des G e r e c h t e n , der des P a u l u s die G e r e c h t i g k e i t des G o t t l o sen, R o m 4,5. Das ist u n g e s c h w ä c h t , u n v e r m i t t e l t der U n t e r s c h i e d zwischen J u d e n t u m u n d C h r i s t e n t u m " (vgl. auch V ö l k e r , A b r a h a m b i l d 202f, der meint, Philo b e z i e h e den G l a u b e n synergistisch auf das W e r k des M e n s c h e n ) . Dagegen ist j e d o c h f e s t z u h a l t e n , d a ß P h i l o den G l a u b e n trotz seines aktiven C h a r a k t e r s als G e s c h e n k G o t t e s a u f f a ß t (vgl. Thyen, P r o b l e m e 238-242; Moxnes, Theology 164; zu π ί σ τ ι ς bei Philo vgl. auch u n t e n S.228). " Insgesamt b e z i e h t P h i l o sich 9x auf diesen Text: in A b r . 262ff ( G l a u b e als V e r t r a u e n zu Gott); V i r t . 216 ( G l a u b e als T u g e n d ) ; P r a e m . 28 ( G e g e n s a t z G l a u b e n U n g l a u b e n ) ; Mut. 177.186 ( Z w e i f e l A b r a h a m s ) und Migr. 44 ( A b r a h a m e r l a n g t G l a u ben als K a m p f p r e i s f ü r die H o f f n u n g auf die V e r l ä ß l i c h k e i t des V e r h e i ß e n d e n ) . Die im J u d e n t u m im Z u s a m m e n h a n g mit A b r a h a m s G l a u b e n sonst h ä u f i g e r e K o m b i n a t i on mit G e n 22 f i n d e t sich bei ihm d a g e g e n n u r in Imm. 4 ( A b r a h a m ist hier Teil einer Beispielreihe) und in Leg.All. 3,203f ( G e n 22,16 wird hier j e d o c h , wie a u c h in A b r . 273, allein mit Blick auf G o t t e s H a n d e l n i n t e r p r e t i e r t ) . Dieser B e f u n d w u r d e bisher nicht g e n ü g e n d zur K e n n t n i s g e n o m m e n (selbst H a h n , G e n e s i s 96 A n m . 2 6 verweist n u r p a u s c h a l auf Schlatter, G l a u b e 60ff; a u c h M c G o n i c a l , A b r a h a m 179-186 geht nicht n ä h e r auf alle Belege ein). ^ A u c h f ü r Philo k a n n im ü b r i g e n A b r a h a m zur A b w e h r m e n s c h l i c h e r καύχησις d i e n e n (vgl. C o n g r . 107 und Z e l l e r , C h a r i s 167: »Gott wird d e n e n gnädig, ,die sich h e r a b s e t z e n u n d e r n i e d r i g e n u n d nicht in R u h m (καύχησις) u n d D ü n k e l a u f b l ä h e n ' " ) . N e u bei P a u l u s ist, d a ß der R u h m d u r c h G o t t e s S e l b s t o f f e n b a r u n g in C h r i s t u s von v o r n h e r e i n a u s g e s c h a l t e t ist (vgl. ebd. 168). ' ' Z e l l e r , C h a r i s 107: . Z u n ä c h s t einmal bleibt auch der L o h n eine G a b e Gottes, was schon d a r a u s h e r v o r g e h t , d a ß die g e n a n n t e n B e g r i f f e mit δωρεά und χ ά ρ ι ς w e c h seln k ö n n e n " (vgl. auch ebd. 128; a n d e r s V ö l k e r , A b r a h a m b i l d 203). * Das T h e m a der A u f e r w e c k u n g von den T o t e n f e h l t d a g e g e n bei Philon. « Vgl. a u c h P h i l o A b r . 175.268; Jos. 244; Mos. 1,174; Spec.Leg. 4,127; V i r t . 26 sowie Moxnes, T h e o l o g y 146-155 u n d oben K a p . 1П.В.2.а.

A b r a h a m bei P h i l o u n d in R o m 4

191

den sich bei Philo verteilt über viele Schriften und in unterschiedlichen Zusammenhängen. Ein Schwerpunict liegt jedoch in der Schrift De Abrahamo. Eine direkte Abhängigkeit des Paulus von Philo erscheint wenig wahrscheinlich''^. Aber es besteht aufs ganze gesehen eine so große Übereinstimmung bei den Motiven, die sich mit Abraham und der Rede von der Verheißung verbinden, daß man von einem gemeinsamen Traditionshintergrund im hellenistischen Judentum wird ausgehen müssen, auf den sowohl Philo als auch unabhängig von ihm Paulus zurückgreifen''^. Rom 4 zeigt damit deutlich, daß Paulus bei seiner Rede von der Verheißung nicht allein auf Traditionen seines pharisäischen Erbes zurückgreift. Auch der Einfluß der häufig vorrangig angeführten Parallelen aus der apokalyptischen Literatur^" ist in diesem Kapitel sicherlich geringer als derjenige des aufgezeigten jüdisch-hellenistischen Hintergrundes'*^. (3) JosAnt - Reaktion auf christliche Herausforderungen? Zeitlich gehören die Antiquitates des Josephus bereits in den möglichen Bereich der Wirkungsgeschichte der paulinischen Briefe. Dennoch stammen viele der Traditionen von Gottes Verheißen, die in diese Schrift Eingang gefunden haben, aus gemeinsamem jüdischen Erbe. Ob für die eigenständigen Weiterentwicklungen dieses Erbes durch Josephus allein die Situation des Diasporajuden in Rom nach dem Untergang Jerusalems ausschlaggebend war, oder ob auch, zumindest an einigen Stellen, eine Reaktion auf die sich nicht zuletzt in Rom verbreitende christliche Rede von Gottes Verheißen zu erkennen ist, ist nicht eindeutig zu beantworten. Denkbar wäre es jedoch, und es gibt zumindest einige Indizien dafür. Manche vermuten als Grund für das Fehlen des Bundesgedankens eine solche Reaktion auf christliche Herausforderungen"®. Andere sehen in der Verminderung der Bedeutung Davids eine Folge der Berufung der Christen auf den davidischen Messias'·^. Allerdings kann sie wohl mindestens ebenso gut der antizelotischen

V g l . K n o x , Paul 135; M i c h e l , P a u l u s 111; C h a d w i c k , Paul 290. Bligh, G a l a t i a n s ii kann a l l e r d i n g s nur s c h w e r g l a u b e n , d a ß ein g e l e h r t e r M a n n w i e P a u l u s k e i n e d i rekte B e k a n n t s c h a f t mit s o l c h e i n e m w i c h t i g e n Werk g e h a b t h a b e n s o l l t e und v e r mutet, er h a b e z u m i n d e s t in s e i n e m L e b e n e i n i g e der W e r k e P h i l o s g e l e s e n ( a u c h w e n n a u c h er n a t ü r l i c h sieht, d a ß e i n e s t i l i s t i s c h e A b h ä n g i g k e i t nicht g e g e b e n ist). " V g l . G o o d e n o u g h / K r a a b e l , Paul 48: , h i s i n t e r p r e t a t i o n is philonic"; ebd. 49 A n m . 1: . T h e heart of P h i l o ' s m e s s a g e is e x a c t l y e x p r e s s e d in R o m . 4:13"; ebd. 50: , T h e p r e s e n c e of Christ h a s m a d e a great c h a n g e in Paul's t h e o l o g y , but clear traces of the h e l l e n i s t i c J u d a i s m w e k n o w f r o m P h i l o are e v e r y w h e r e to be seen". " V g l . z.B. W i l c k e n s , R ö m e r 1 269f; s o l c h e r E i n f l u ß klingt a l l e n f a l l s in d e m aber a u c h darüber h i n a u s v e r b r e i t e t e n M o t i v des κληρόνομον κόσμου ( R o m 4,13) an und steht z.T. im H i n t e r g r u n d der A r g u m e n t a t i o n v o n 4,15. V g l . a u c h M o x n e s , T h e o l o g y 196.205, der i n s b e s o n d e r e hinter R o m 4 , 1 3 - 2 2 T r a d i t i o n e n e i n e r Interpretation der A b r a h a m s g e s c h i c h t e im g r i e c h i s c h - s p r e c h e n d e n J u d e n t u m sieht. So Paul, A n t i q u i t i e s mit Blick auf J o s A n t 1,103 (vgl. F e l d m a n , B i b l i o g r a p h y 360). " V g l . F e l d m a n , B i b l i o g r a p h y 360.

192

III.F. Zusammenfassung

Tendenz des Josephus zugeschrieben werden"·®. Eher noch wird man bei der bewußten Abschwächung der Sohnestitulatur innerhalb der Verheißungen an David und Salomo an eine bewußt vor dem Hintergrund christUchen Sprachgebrauchs vorgenommene Änderung denken·". Doch selbst wenn sich noch weitere Indizien solcher Art finden lassen'", wäre es doch übertrieben, in den JosAnt ein .antichristliches Manifest' zu sehen'^. Auffällig sind eine Reihe von Parallelen zwischen JosAnt und der Apg. Es gibt Gemeinsamkeiten in der Gesamtanlage (auf bestimmte Hauptpersonen konzentrierte Geschichtserzählungen) und bei verwendeten Gattungen (z.B. Reden) sowie zwei auffällige sprachliche Parallelen'^. Um entscheiden zu können, ob hinter diesem Befund der gemeinsame sprachliche Hintergrund der hellenistischen Kultur, oder gemeinsame Traditionen, oder eventuell sogar Kenntnis des einen durch den anderen steht, ist die Grundlage jedoch zu schmal.

(4) 4Esr und syrBar - Gegenposition paulinischer Polemik? Nimmt man ernst, daß 4Esr und syrBar mehr als alle anderen behandelten Schriften durch die Situation nach dem Fall Jerusalems bestimmt sind, so ergibt sich, daß ihre „deuteronomistisch interpretierte Äonenlehre"'^ mit der radikalen Zukünftigkeit der Verheißungen, der Notwendigkeit eines Gerichts (in dem es keine Barmherzigkeit mehr gibt) und der darum allein über das zukünftige Heil entscheidenden Stellung zum Gesetz nicht als repräsentativ für das Judentum zur Zeit des Paulus gelten kann (wie es immer wieder in der Forschung vorausgesetzt wird'··). Aber auch die Position der Mehrheit des Judentums nach 70 n.Chr. werden diese Schriften kaum wiedergeben, wie ein Vergleich mit der rabbinischen Literatur zeigt. In beiden Apokalypsen zeigt sich sehr viel eher, z.T. in bereits abgeschwächter Form, ein Minderheitenstandpunkt, der „vor der Zerstörung Jerusalems überhaupt nicht existiert zu haben scheint"''. Damit ist zwar nicht gesagt, daß beide nicht anknüpfen konnten an Traditionen des Judentums, in denen das Gesetz fraglos eine positive, notwendige und sogar herausragende Rolle im Verhältnis der Menschen zu Gott spielte (von PsSal über LibAnt bis zu Phüo «

Vgl. Amaru, Land 229 (s.o. Kap.III.C Anm.65). In 7,93.337 wird das έγώ εσομαι αύτφ είς πατέρα, και αύτός εσται μοι είς υίόν aus 2Sam 7,14 zu προνοήσειν ώς πατήρ υίοΰ. Und in 7,373 läßt Josephus die Sohnesverheißung seiner Vorlage IChr 28,6 ganz aus. Anlaß könnten christliche Traditionen wie das έκ σπέρματος Δαυίδ in Rom 1,3 (vgl. auch 2Tim 2,8; IgnEph 18,2; IgnRöm 7,3) sein. Man kann etwa fragen, ob nicht die zentrale Stellung, die Moses als Verheißungsträger einnimmt und die Abschwächung der Bedeutung Abrahams als solches Indiz gelten kann. " Vgl. aber Paul, Antiquities. Bei beiden begegnen die ansonsten seltenen Lexeme προκαταγγέλλω (JosAnt 1,219; 2,218; 10,243; Apg 3,18; 7,52; vgl. auch Philo, Leg.All. 3,204) und τεκμήρια (JosAnt 5,39; Apg 1,3). " S.o. Kap.III.D Anm.62. Vgl. z.B. zuletzt wieder Wilckens, Römer 1 269f. " Sanders, Paulus 406.

Z u m W o r t f e l d der R e d e v o m v e r h e i ß e n d e n Gott

193

und Josephus). Doch wird man von 4Esr und syrBar nicht ungebrochen auf solche jüdischen Positionen zurückschließen dürfen, gegen die Paulus sich mit seiner Polemik richtet^^. (5) Entwicklungen in der rabbinischen Literatur. Mehr noch als schon JosAnt, 4Esr und syrBar ist (nicht nur zeitlich) die rabbinische Literatur Beleg für eine andauernde jüdische Traditionsgeschichte der Rede von der Verheißung. Wann und warum es dabei zur sprachlichen Neubildung der Lexeme лпозп etc. kam, läßt sich kaum mehr sicher erschließen, da von den vermuteten hebräischen bzw. aramäischen Originalen vieler frühjüdischer Schriften, die von Gottes Verheißen sprechen, keine mehr erhalten sind. Weil auch in den rabbinischen Schriften die Verschiebung vom Schwören zum Verheißen Gottes ihren deutlichen Niederschlag gefunden hat, wird man diesen Vorgang jedoch nicht erst im 2Jh. n.Chr. ansetzen. Bei der inhaltlichen Entwicklung ergibt sich kein einheitliches Bild. Eine ganze Reihe verschiedener frühjüdischer Traditionen wird aufgenommen (so z.B. die Mehrangs-, Segens- und Landverheißung). Daneben bilden sich offensichtlich aufgrund einzelner Schriftworte eigene Auslegungstraditionen (etwa zu Gen 28,14; Dtn 1,11; 26,13ff) und mit der Formel ,sich versichert halten, Sohn der zukünftigen Welt zu sein' auch ein eigener geprägter Sprachgebrauch. Im Blick auf das Neue Testament und Paulus sind im Kontext der Rede von Verheißung in erster Linie zwei Stellen von Bedeutung, in denen Gottes Rettungshandeln eng an den Glauben Abrahams und Gen 15,6 gebunden wird^^. Im Übrigen wird man an einigen Stellen eher von einem traditionsgeschichtlichen Einfluß der ntl. Schriften auf die rabbinische Literatur auszugehen haben als umgekehrt, auch wenn die Untersuchung dieser Literatur unter einer solchen umgekehrten Fragestellung noch weitgehend in den Kinderschuhen steckt^''.

2. Zum Wortfeld der Rede vom verheißenden Gott In Kap.II sind die wesentlichen Synonyme für έπαγγελία κτλ. in den Blick genommen worden''. Nach der Behandlung der einzelnen Schriften in ihrem Kontext soll nun der Versuch unternommen werden, die wichtigsten Metonyme (die zu einem relativ festen semantischen Feld verbundenen Lexeme und Motive im Kontext der Rede von Gottes Verheißen) im Zusammenhang und (zumindest in Ansätzen) in ihren Beziehungen zueinander darzustellen.

U m g e k e h r t gibt es an m a n c h e n P u n k t e n g e r a d e b e m e r k e n s w e r t e V e r w a n d s c h a f t z w i s c h e n d i e s e n S c h r i f t e n und p a u l i n i s c h e n P o s i t i o n e n , s o etwa im Blick auf das S ü n d e n v e r s t ä n d n i s (vgl. H e n g e l , P a u l u s 251; Luz, G e s e t z 57). " Z u d e n b e t r e f f e n d e n Stellen aus M e k h Y vgl. u n t e n S.229f. " V g l . S e g a l , Paul xv. " S.o. S.50f.

194

III.F. Zusammenfassung

Man könnte in einem engeren Sinn auch von mehreren Wortfeldern sprechen, zumindest dann, wenn man für ein Wortfeld jeweils eine .typische Situation" und ,auch die Gleichartigkeit ihrer Beantwortung (mittels gemeinsamer Tradition)" voraussetzt^. Da jedoch nie alle Elemente eines Wortfeldes in allen Belegen vorkommen und zudem einzelne Elemente im Kontext von Verheißung in sehr unterschiedlichen Situationen verwandt werden, wird hier in einem weiteren Sinn allgemein und im Singular von dem Wortfeld gesprochen, daß sich mit der Rede von Gottes V e r heißen verbindet.

Antonyme, die per se mit Versprechen/Verheißung verbunden und für ihr rechtes Verständnis unverzichtbar wären, fanden sich in der Analyse nicht. Zwar kann über die Bestimmung des Inhahes der Zu-sage ein Antonym benannt werden: während die Verheißung immer ein Gut (etwas Positives) ansagt, sagt die Drohung immer etwas Negatives an. Jedoch findet sich zumindest im Kontext der untersuchten Texte eine entsprechende Entgegensetzung nirgends. Offenbar konnte die Alternative zur Rede vom verheißenden Gott für die betreffenden Schriften nicht der drohende Gott sein. Die Problematik liegt vielmehr an einer anderen Stelle: eine Zusage kaim gebrochen und ein Versprechen nicht erfüllt werden^i. Dieses spielt im Wortfeld zur Verheißung dort eine Rolle, wo das Ausbleiben der Verheißung beklagt wird und indirekt auch dort, wo die Zuverlässigkeit der Verheißung gerade ausdrücklich betont werden muß'^. Die Gliederung der folgenden Darstellung orientiert sich an der Grammatik der Verheißungsaussagen und behandelt dementsprechend nacheinander Verheißungsempfänger, Verheißungsinhalte und Geltungsbedingungen der Verheißung^'. Zu ihnen gehören einerseits Aussagen zu den Folgen und Folgerungen aus den Verheißungen für das Leben der Verheißungsempfänger und andererseits auch die Betonung der Zuverlässigkeit des Verheißungsgebers. Auf diese Weise kann ein thematisch orientierter Querschnitt und so zugleich ein inhaltlicher Überblick entstehen, der das Reden von der Verheißung in seinen potentiellen sachlichen Zusammenhängen beschreibt. Das Bild, das bei solcher Beschreibung des Wortfeldes entsteht, bleibt notwendig sehr grob gezeichnet. Es dient in erster Linie als eine systematisch und nach Themen geordnete Zusammenfassung der behandelten Stellen, an den in frühjüdischen Schriften ausdrückUch von Verheißung gesprochen wird. Ihnen wird häufig - zur besseren traditionsgeschichtlichen Einordnung - ein Abschnitt mit Hinweisen ziu· Geschichte der betreffenden Motive im Alten Testament (und z.T. in

® Berger, Exegese 142f (vgl. auch ebd. 137-159). Zum methodischen Vorgehen an dieser Stelle vgl. oben Kap.I.C.2. " Wonneberger/ Hecht, Verheißung 16f untersuchen dementsprechend .Woran Versprechen scheitern können". « Vgl. PsSal 17,5; LibAnt 35,2; ApkEsr 3,10; 2Petr 3,4 u.ö. Die Kehrseite des Problems benennt Dahl, Promise 121: ,The person who breaks a promise is either untrustworthy or powerless". « Vgl. oben S.41f.

Z u m W o r t f e l d der R e d e vom v e r h e i ß e n d e n Gott

195

weiteren frühjüdischen Schriften) vorangestellt'''. Das so entstehende Bild bleibt zudem notwendig ein theoretisches Konstrukt. Es ermöglicht jedoch vielleicht dem heutigen Leser einen ersten gedrängten Überblick über Themen, Motive und Zusammenhänge. Damit kann es den Horizont abstecken für die Frage, wie die einzelnen frühjüdischen Schriften und die ntl. Autoren verschiedene Traditionen aus der Breite der überlieferten Rede vom verheißenden Gott rezipiert, selektiert und neu interpretiert haben. a.

Verheißungsempfänger

(1) Abraham und die Väter. Abraham, aber auch allgemein die Väter werden in der LXX und in den frühjüdischen Schriften besonders häufig als Empfänger der Verheißung genannt®^. Dabei zeigen sich schon im Buch Genesis unterschiedliche Schwerpunkte innerhalb der verschiedenen Bearbeitungen der Abrahamstraditionen. Der Jahwist nimmt insbesondere das Thema der Zusagen Gottes auf, der Elohist macht Abraham „zum Urbild des Glaubens" und die Priesterschrift betont „die Gewißheit, die die Nachkommen des Patriarchen in ihrem Ahnherrn" haben können^. Er wird, zusammen mit den übrigen Vätern, zum „Garanten der göttlichen Bundesgnade"'^. Ρ verlegt dabei den Sinaibund in den Abrahambund^. Die vorexilischen Propheten erwähnen Abraham nicht. Als jedoch Israel nicht mehr im eigenen Land wohnt und in Gefahr steht, nicht weiter als Volk zu existieren, erinnern die Propheten an die Land- und Nachkommenschaftsverheißung, die Abraham gegeben wurden (vgl. Mi 7,20^'; Jes 29Д2

" F ü r solche w e i t g e s p a n n t e n Ü b e r b l i c k e bleibt der N e u t e s t a m e n t i e r meist auf d i e j e n i g e n E r k e n n t n i s s e der F o r s c h u n g a n g e w i e s e n , die ihren W e g b e r e i t s in e x e g e t i sche L e x i k o n a r t i k e l g e f u n d e n h a b e n . In Kauf g e n o m m e n w e r d e n m u ß dabei, d a ß die A u s f ü h r u n g e n an m a n c h e n Stellen v e r m u t l i c h dem a k t u e l l e n a l t t e s t a m e n t l i c h e n F o r s c h u n g s s t a n d nicht gerecht w e r d e n . Das gilt etwa f ü r die n e u e r e P e n t a t e u c h f o r schung. H i e r ü b e r n i m m t die A r b e i t aus der ä l t e r e n F o r s c h u n g die nicht m e h r u n u m strittene Existenz von J , E und P. Das I n - K a u f - N e h m e n von U n s i c h e r h e i t e n an d i e sem P u n k t scheint j e d o c h v e r t r e t b a r , da es im K o n t e x t dieser Z u s a m m e n f a s s u n g ja p r i m ä r um die D a r s t e l l u n g der V o r a u s s e t z u n g e n der R e d e von G o t t e s V e r h e i ß u n g e n im F r ü h j u d e n t u m geht und in dieser Zeit die v e r s c h i e d e n e n T r a d i t i o n s s c h i c h t e n bereits w e i t e s t g e h e n d in der jetzigen E n d g e s t a l t der biblischen B ü c h e r m i t e i n a n d e r v e r b u n d e n v o r l a g e n . A n einigen P u n k t e n bleiben die H i n w e i s e in diesem Kapitel auch wegen der K o m p l e x i t ä t und V e r b r e i t u n g der Motive und dem e n o r m e n U m f a n g der S e k u n d ä r l i t e r a t u r z w a n g s l ä u f i g sehr f r a g m e n t a r i s c h . Das gilt vor allem f ü r die in Kap.III.E.2.c b e h a n d e l t e n Motive Gesetz, G l a u b e und H o f f n u n g . " L X X (48x); T e s t A b r (4x); T e s t j o s 20; J u b 19,9; L i b A n t (6x); 4Esr 4,27; syrBar 57,2; Philo (14x); J o s e p h u s (5x); r a b b i n i s c h e L i t e r a t u r (12x). Z u m T h e m a . A b r a h a m im F r ü h j u d e n t u m ' vgl.: H a n s e n , A b r a h a m 175-199; Wieser, A b r a h a m v o r s t e l l u n g e n 153-179; Betz, G a l a t e r b r i e f 253-255; M c G o n i c a l , A b r a h a m ; S a n d m e l , Place; M a y e r , A s p e k t e ; Moxnes, Theology 125-179; Rüssel, P s e u d e p i g r a p h a 70-79. « A c h a r d , T R E 1 396. " Schrenk, T h W N T V 976. " Vgl. Z i m m e r l i , Sinaibund; m o d i f i z i e r t G r ü n w a l d t , Exil 21f. ® A u c h Mi 7,20 wird zumeist f ü r e x i l i s c h - n a c h e x i l i s c h g e h a l t e n . E i ß f e l d t , E i n leitung 556 erwägt a l l e r d i n g s a u f g r u n d von 7,14, ob der V e r s nicht zu e i n e m G e b e t der n a c h dem U n t e r g a n g des N o r d r e i c h e s 722 v.Chr. im G e b i e t der assyrischen P r o -

196

III.F. Z u s a m m e n f a s s u n g

(MT)™; Jes 41,8; 51,2; Ez 33,24; Neh 9,7f.36; ^ 46,10; 104,6.9.42)^1. Im Frühjudentum und im Christentum ist Abraham in verschiedener Hinsicht bedeutsam geworden. Häufig diente er als Paradigma im theologischen Streit. Neue theologische Konzeptionen haben sich durch die Interpretation der Abrahamstraditionen auszuweisen versucht. Zum einen wird Abraham dargestellt als Vorbild des Glaubenden und des Gerechten, aber auch als Beispiel des Versuchten. Dabei steht sein „Glaube ... nach jüdischer Theologie in keiner Weise im G e gensatz zu seinem Tun; es sind vielmehr sein unerschütterliches Vertrauen auf Gottes Verheißung und seine Standhaftigkeit in allen Versuchungen, die seine Werke ausmachen und ihn so der Gerechtigkeit als Lohn wóirdig werden lassen"'^. Zum anderen hat Abraham, als Paradigma des Erwählten, auch soteriologische Funktion: Gott wirkt wegen seiner Zusagen an ihn und die übrigen V ä ter Heil für die Abrahamskinder. Dabei können die Verheißungen bereits als erfüllt angesehen werden^^ oder noch ausstehen^"·. In diesem Fall hilft die Berufung auf sie bzw. auf den .Bund' mit den Erzvätern den Nachkommen, sich des zukünftigen Heils zu versichern. Gott kann in der Klage an sie erinnert werden''^ und begründet auch selbst mitunter sein Handeln mit den gegebenen Verheißungen. Es wird aber auch, vor allem in der Apokalyptik, bestritten, daß

vinz l e b e n d e n I s r a e l i t e n g e h ö r t . Doch auch d a n n w ü r d e gelten, d a ß die E r i n n e r u n g an A b r a h a m u n d die i h m g e g e b e n e n V e r h e i ß u n g e n d a n n einsetzt, w e n n die W i r k l i c h keit im e k l a t a n t e n G e g e n s a t z zu diesen V e r h e i ß u n g e n steht. ™ Der m a s o r e t i s c h e Text leitet ein H e i l s w o r t an das H a u s J a k o b ein mit den W o r t e n : ,So spricht J a h w e , der A b r a h a m erlöst (ΠΊΠ) h a t ' (hier ist nicht e r k e n n b a r , an welches G e s c h e h e n dabei g e d a c h t wird; ein Bezug auf die V e r h e i ß u n g e n bleibt also u n s i c h e r ) . Die L X X w a n d e l t die W e n d u n g in eine N ä h e r b e s t i m m u n g des H a u s e s J a k o b um, das Gott .ausgesondert hat aus A b r a h a m ' (άφώρισεν έξ Αβρααμ). " Ob auch G e n 15,1-6.7-21 ,in e i n e m späten Stadium der G e s c h i c h t e der V ä t e r v e r h e i ß u n g e n " e n t s t a n d e n ist, .als der Besitz des L a n d e s (V.7-21) u n d das W e i t e r b e s t e h e n des V o l k e s (V.1-6) g e f ä h r d e t war und die alten V ä t e r v e r h e i ß u n g e n neu e r weckt w u r d e n , um in der Zeit der G e f ä h r d u n g Israel der Z u s a g e G o t t e s gewiß zu m a c h e n ' ( W e s t e r m a n n , G e n e s i s 12-36 256), ist a l l e r d i n g s u m s t r i t t e n . A n den v e r b l e i b e n d e n zwei Stellen, an d e n e n A b r a h a m bei den P r o p h e t e n g e n a n n t wird, g e s c h i e h t dies nicht a u s d r ü c k l i c h als E r i n n e r u n g an die V e r h e i ß u n g e n , s o n d e r n in e i n e m a n d e ren Z u s a m m e n h a n g . J e s 63,16 b e t o n t , d a ß G o t t der V a t e r seines V o l k e s ist, d e n n A b r a h a m weiß nichts von den B e t e n d e n . J e r 33,26 spricht von H e r r s c h e r n aus dem H a u s e Davids ü b e r die N a c h k o m m e n A b r a h a m s , Isaaks u n d J a k o b s , legt den A k z e n t also auf die D a v i d s v e r h e i ß u n g . " Betz, G a l a t e r b r i e f 254. Vgl. N e h 9,8; Sir 44,19-21; I M a k k 2,52; J u b 18,15f; 19,9; P h i l o A b r . 273 u.ö.; J o s A n t 1,192.236.272; M e k h Y n ' p r á 3. A u c h n a c h M c G o n i c a l , A b r a h a m 226f gilt: ,It is not simply a m a t t e r of saying that A b r a h a m was right b e f o r e G o d simply b e c a u s e of God's g r a c i o u s election, or that A b r a h a m was right b e f o r e God b e c a u s e of his m e r i t o r i o u s d e e d s . T h e solution is not a m a t t e r of either g r a c e / or works. R a t h e r t h e r e is e v i d e n c e that both .doctrines' w e r e e x t a n t d u r i n g t h e period of t h e writing of t h e NT". " In der L a n d n a h m e (vgl. schon J o s 21,43), im W e r d e n eines g r o ß e n V o l k e s (vgl. S h e m R 38,6; B a m R 2,12) oder a u c h im D u r c h z u g d u r c h s S c h i l f m e e r (vgl. M e k h Y n·?«)! 3) k ö n n e n die V e r h e i ß u n g e n als e r f ü l l t a n g e s e h e n w e r d e n . Vgl. S i f D e v §11 und die u n t e n A n m . 7 5 g e n a n n t e n Stellen; n a c h syrBar 57,2 w u r d e zur Z e i t A b r a h a m s die V e r h e i ß u n g eines L e b e n s g e p f l a n z t , das e i n m a l k o m men wird. ' ' Vgl. L i b A n t 10,2 (vgl. auch 32,12f; 35,2); 4Esr 3,15; A p k E s r 3,10.

V e r h e i ß u n g s e r a p f ä n g e r : A b r a h a m und d i e V ä t e r

197

die Abrahamskindschaft allein Heil bewirkt - etwa bei offensichtlicher Schuld und Abfall der Nachkommen. Dagegen wird dann betont, daß das den Vätern zugesagte Heil nur denen gilt, die wie die Väter auch Gerechte sind und nicht Sünder, denen, die im .Bund' bleiben und sich ihm entsprechend verhalten. Es gibt demnach auch eine falsche Berufung auf die Abrahamskindschaft'®. Wiederum andere Akzente finden sich in der hellenistisch-jüdischen Literatur. Ihr bot sich die Abrahamsgestalt geradezu an als zentrale Figur der Mission, da sich an ihr gut demonstrieren ließ, „daß die Zugehörigkeit zum Bundesvolk Gottes nicht an die Abstammung geknüpft ist, sondern durch die freie Wahl Gottes bedingt wird"'^. Er wird hier als Kulturbringer, Philosoph, stoischer Weiser oder auch idealer Herrscher beschrieben und den Lesern auch darin zumindest z.T. als Vorbild präsentiert. Vor allem in Philos Schriften wird er dabei zur zentralen Figur, zu dem Weisen, der sich abkehrt von der Welt mit ihrem f a l schen Schein, hin zu dem einen Gott. Auf seinem Weg zur wahren Philosophie und Tugend hält er das Gesetz der Natur. Jeder Mensch, dem wie den Vätern die Gabe der Weisheit geschenkt ist, kann ihrem Beispiel folgen und so zu Weisheit und Glückseligkeit gelangen. Damit werden letztlich die Grenzen des Bundesvolkes überschritten, ohne daß für Philo Israel und sein Gesetz aufhören würden, eine zentrale Rolle in der Welt zu spielen. Es gibt aber auch Schriften, in denen Abraham nicht in gleicher Weise im Vordergrund steht. Im Kontext der Apologie des Judentums gegenüber seiner Umwelt etwa findet sich das Bemühen, „Abraham so darzustellen ..., daß er der Kritik keinen Ansatzpunkt bot"™. Hierher gehört das Bemühen des Josephus, alle Elemente des Zweifels und der Sünde aus seinem Abrahambild zu eliminieren und die Wertschätzung des Patriarchen bei griechischen Schriftsteilem hervorzuheben. Letztlich wird bei ihm dabei, wie auch in anderen Schriften, Abraham zu einer geschichtlichen Gestalt neben anderen, ohne daß eine herausragende Bedeutung oder eine bestimmte Charakterisierung erkennbar würden'^. Insgesamt ist es sicher richtig, daß „das Abrahamthema im atl.-jüdischen Raum im Spannungsfeld zwischen Erwählung und Bewährung"^" steht. Häufig

™ V g l . 4Esr 7,106f; J o s A n t 4 , l f und im N e u e n T e s t a m e n t Mt 3,9; J o h 8 , 3 3 f f . D i e se B e s t r e i t u n g der „ G a r a n t i e ' , die die V ä t e r für das H e i l ihrer K i n d e r darstellen" ist d a b e i k a u m a l l e i n g a t t u n g s b e d i n g t und auf p a r ä n e t i s c h e G a t t u n g e n b e s c h r ä n k t ( g e g e n B e r g e r , T R E 1 377; vgl. a u c h W i e s e r , A b r a h a m v o r s t e l l u n g e n 160). " M a y e r , A s p e k t e 119 (zur m i s s i o n a r i s c h e n u n d a p o l o g e t i s c h e n V e r w e n d u n g der A b r a h a m s g e s t a l t in j ü d i s c h - h e l l e n i s t i s c h e n S c h r i f t e n vgl. a u c h K n o x , A b r a h a m ; G e o r g i , O p p o n e n t s 4 9 - 6 0 ) . W o h l mit a u s d i e s e m G r u n d ist A b r a h a m a u c h im N e u e n T e s t a m e n t mit A b s t a n d der am h ä u f i g s t e n g e n a n n t e V e r h e i ß u n g s e m p f ä n g e r ( R o m 4; 9,6f; G a l 3; 4; A p g 7; H e b r 11). M a y e r , A s p e k t e 120. " In Sir 4 4 - 5 0 w e r d e n die Erzväter e i n g e r e i h t in d i e R e i h e der . f r o m m e n M ä n ner, u n s e r e V ä t e r in ihren G e n e r a t i o n e n " (Sir 44,1) und i h n e n z u s a m m e n w e r d e n l e d i g l i c h f ü n f V e r s e i n n e r h a l b der s e c h s K a p i t e l g e w i d m e t (vgl. a u c h L i b A n t ) . "" W i e s e r , A b r a h a m v o r s t e l l u n g e n 154 (vgl. a u c h 160: . s p a n n u n g s v o l l e E i n h e i t von E r w ä h l u n g und V e r h e i s s u n g " ) . Z u s c h e m a t i s c h , überspitzt und in den F o r m u l i e r u n g e n a b w e r t e n d ist d a g e g e n die Z u s a m m e n f a s s u n g bei S c h m i t z , A b r a h a m 115.

198

III.F. Z u s a m m e n f a s s u n g

ist die „Liebe Gottes zu den Vätern ... durchaus eine Liebe zu den G e rechten"®!. Letztlich wird man aber in den weitaus meisten Traditionsschichten von der Vorordnung des Erwählungshandelns Gottes und der Verheißungen vor jedes menschliche Tun auszugehen haben^^. V e r h e i ß u n g e n an die b e i d e n a n d e r e n E r z v ä t e r (Isaak u n d J a k o b ) w e r d e n zwar a u c h m e h r m a l s g e n a n n t , w i e d e r h o l e n aber zumeist, wie schon im Buch Genesis, s a c h lich n u r die A b r a h a m s v e r h e i ß u n g e n und b e g e g n e n eigentlich n u r im K o n t e x t f o r t l a u f e n d e r G e s c h i c h t s e r z ä h l u n g e n o d e r bei d e r A u s l e g u n g e i n z e l n e r Bibelstellen®^.

(2) Führer Israels. Zur zweiten Gruppe der Verheißungsempfänger, den Führern Israels, zählt in erster Linie Moses. Er wird jedoch (im Verhältnis zur Bedeutung, die er für eigentlich alle jüdischen Strömungen hatte) erstaunUch selten im Kontext der Rede von Gottes Verheißen genaimt. Zudem ist er auch dort, wo er genaimt wird, zumeist nicht selbst der wirkliche Empfänger der Verheißung. Seine Geburt wird seinen Eltern verheißen und damit zugleich auch dem Volk Israel, das er befreien soU®". Ihm selbst wird für seine Aufgabe - als FühN a c h ihm erscheint die . T e n d e n z zur V e r h e r r l i c h u n g des P a t r i a r c h e n ... im p a l ä s t i n i schen S p ä t j u d e n t u m m e h r in p a r t i k u l a r i s t i s c h - n o m i s t i s c h e r F ä r b u n g ' , w o h i n g e g e n das »hellenistische J u d e n t u m ... sie auf G r u n d seiner a p o l o g e t i s c h e n E i n s t e l l u n g m e h r in m o r a l i s c h - m y s t i s c h e r B e l e u c h t u n g ' sieht. Auf diese W e i s e ist etwa Philos Position nicht a n g e m e s s e n zu e r f a s s e n . " Sjöberg, G o t t 49; vgl. z.B. S h e m R 38,6. " Schon im A l t e n T e s t a m e n t ist solche V o r o r d n u n g der V e r h e i ß u n g bei den u n t e r s c h i e d l i c h e n Z u o r d n u n g e n von A b r a h a m b u n d und S i n a i b u n d b e s t i m m e n d , w e n n auch .gesetzliche R e d e von ,Bund' in G e s t a l t der S i n a i - b e r i i ... g e w a h r t ' wird (Schmidt, V o r s t e l l u n g e n 167). N a c h H a n s e n , A b r a h a m 199 wird A b r a h a m in der j ü d i s c h e n L i t e r a t u r insgesamt im K o n t e x t der S t r u k t u r des B u n d e s n o m i s m u s (vgl. S a n d e r s ) p o r t r ä t i e r t . J e d o c h sei zu b e a c h t e n , d a ß diese S t r u k t u r sehr u n t e r s c h i e d l i c h a k z e n t u i e r t w e r d e n k o n n t e u n d die S p a n n b r e i t e der K o n z e p t e von der B e t o n u n g des V e r h e i ß u n g s g l a u b e n s bis zur E i n s c h ä r f u n g des G e s e t z e s g e h o r s a m s r e i c h t e . " V e r h e i ß u n g e n an J a k o b f i n d e n sich in J o s A n t 2,275; P h i l o Somn. 1,175.181; M e k h Y n'Pitía 2; B e r R 76,1.2 ( h i e r wird er i m m e r h i n als der A u s e r w ä h l t e u n t e r den P a t r i a r c h e n b e z e i c h n e t ) ; ShemR 19,4; 38,6. D a s h ä u f i g e r e V o r k o m m e n J a k o b s g e r a d e in der r a b b i n i s c h e n L i t e r a t u r ist sicherlich kein Z u f a l l . D e n n f ü r J a k o b gibt es nicht die v i e l f ä l t i g e n j ü d i s c h - h e l l e n i s t i s c h e n D e u t u n g e n , die der A b r a h a m s g e s t a l t zuteil w u r d e n . Schon im J u b i l ä e n b u c h ist es vor allem die G e s t a l t J a k o b s , die Israels Z u gehörigkeit zu Gott v e r b ü r g t . M a n k a n n a u c h e r w ä g e n , ob nicht m a n c h e T r a d i t i o n e n , die die B e d e u t u n g J a k o b s b e w u ß t g e g e n ü b e r der A b r a h a m s h e r v o r h e b e n oder gar A b r a h a m a b w e r t e n , eine R e a k t i o n auf die B e n u t z u n g der G e s t a l t A b r a h a m s in christlichen K r e i s e n ist. Vgl. zu solchen T r a d i t i o n e n O d e b e r g , T h W N T III 192 A n m . 4; O d e b e r g verweist dort u.a. auf bBer 64a, w o n a c h ..Gott J a k o b s ' ... der wichtigste ' von den drei A u s d r ü c k e n ,Gott A b r a h a m s , G o t t Isaaks u n d Gott J a k o b s ' ist'. N a c h BerR 63 (zu G e n 25,19) w u r d e A b r a h a m n u r vom T o d b e w a h r t , .weil v o r h e r g e s e h e n w u r d e , d a ß J a k o b ( u n d Israel) aus A b r a h a m e r s t e h e n w ü r d e " (ebd.). D e u t l i c h e r noch ist b S h a b 146a: .Drei G e n e r a t i o n e n h i n d u r c h s c h w a n d die U n r e i n h e i t nicht von u n s e ren V ä t e r n : A b r a h a m zeugte Ismael, Isaak z e u g t e E s a ù , erst J a k o b z e u g t e die zwölf S t ä m m e , an d e n e n kein Makel w a r ' (ebd.; vgl. a u c h W a R 36; PesR 56a; in Billerbeck III 266). Isaak k o m m t allein im Z u s a m m e n h a n g von V e r h e i ß u n g e n an A b r a h a m in den Blick, vgl. T e s t A b r 3,6; J o s A n t 1,272. Die V ä t e r a l l g e m e i n sind V e r h e i ß u n g s e m p f ä n g e r in Bar 2,34, W e i s h 12,21; 18,22; L i b A n t . »" J o s A n t 2,218f; vgl. L i b A n t 9.

Verheißungsempfänger: Führer Israels

199

rer Israels das Volk zu befreien - Gottes Hilfe und Beistand zugesagt®'. In all dem ist er letztlich eigentlich bloß Mittler der Verheißungen für sein Volk, und was ihm auf seine Gebete hin zugesagt wird, kommt Israel zugute. Ähnliches gilt auch für die übrigen Führer Israels, im Zusammenhang mit denen im übrigen (mit einer Ausnahme) allein Josephus von Verheißungen spricht®®. (3) David und Salomo. Eine eigene Gruppe von Verheißungen gilt David und Salomo. Bezuggenommen wird dabei immer auf die Zusagen von Beistand und ewigem Königtum für David und sein Haus in 2Sam 7,7-16, die sogenannte Nathansweissagung. Sie „ist ... in höchstem Maße traditionsschöpferisch geworden' und ,in der Folgezeit immer neu interpretiert und aktualisiert worden®'. So könnte man bereits für die deuteronomistische Geschichtstheologie von einer »messianischen Thematik" sprechen. David ist hier zum vollkommenen Gesalbten geworden, zugleich „Maßstab und Typos" des „deuteronomischen Menschenbildes nämlich von dem Menschen, dessen Herz ganz mit Jahwe ist und der von ganzem Herzen die Satzungen und Gebote Jahwes hält"®®. In der Darstellung des ChrG wird dann die Nathansweissagung in ihrer Reichweite erweitert und „bis in die nachexilische Zeit hinein ausgezogen"®'. Die Erwartung richtet sich auf einen König, der königUches und priesterliches Amt in sich vereint. In PsSal 17,4f wird darüber geklagt, daß diese Verheißung wegen der Sünde des Volkes in der Gegenwart unwirksam ist. Vor dem Hintergrand dieser Юage folgt in 17,2Ш die Bitte um das Kommen des Davidsohnes®®. Josephus verbindet in seiner Schilderang ein im Bezug auf den Zusammenhang von Sünde und Verheißung ähnUches, deuteronomistisch bestimmtes Denken mit dem hellenistischen Motiv des idealen Herrschers (als welchen er vor allem Salomo zeichnet). Von daher bindet er die Verheißungen von Glück, Gutem und Frieden für König und Volk an ein frommes und gerechtes Leben'^. Andererseits ist er aber auch bemüht (durch Abschwächung der Sohnestitulatur, Benennung des Salomo als

Philo Mos. l,71f.86; JosAnt 2,272.275.331; 3,23ff.35.77.306.312; SifBam §68. Hinzu kommen zwei Belege in der rabbinischen Tradition: in BerR 76,If heißt es, daß Moses wie auch Jakob eine Verheißung von Gott erhielt und dennoch Angst hatte (s.o. S.173); in SifDev §305 wird Dtn 31,16 als Zusage Gottes gedeutet, daß Moses Sohn der zukünftigen Welt ist. » Josua: JosAnt 5,16.37ff.65.93; Pinehas: JosAnt 5,159; Gideon: JosAnt 5,214 (sowie schon LibAnt 35,3); Samuel: JosAnt 7,295; Ahab: JosAnt 8,373; Jaziel: JosAnt 9,10. " Rad, Theologie I 323. Diese Aussage ist allerdings wohl nur für die Endgestalt der atl. Überlieferung aufrecht zu erhalten. Die überlieferungsgeschichtlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Herrscherverheißungen sind dagegen umstritten (vgl. Waschke, Verhältnis; Seebaß, Herrscherverheißungen 15 Anm.58.) » Ebd. 356.357. " Ebd. 362; vgl. IChr 17,11. Burger, Jesus 17: ,In diesem Textstück begegnet zum ersten Mal im Z u s a m menhang der endzeitlichen H o f f n u n g des Judentums der Ausdruck ,Sohn Davids", was hier wohl noch rein als Herkunftsangabe zu verstehen ist. " Vgl. JosAnt 7,93ff.153.337.373; 8,24.110.197.

200

III.F. Zusammenfassung

Davids Sohn, Änderung der .ewigen Bewahrung' in eine ,lang andauernde'), messianische Hoffnungen zurückzudrängen. Insgesamt sind es also, vor allem im Vergleich mit dem Neuen Testament'^, nur wenige Belege, in denen frühjüdische Schriften ausdrücklich von Verheißungen an David und seine Nachkommen sprechen. Das liegt vermutlich u.a. daran, daß gerade auf 2Sam 7 bereits im Alten Testament mit einer ganzen Reihe verschiedener Begriffe Bezug genommen wird und es hier nicht zu einer so festen Wortverbindung gekommen ist wie bei den Verheißungen an die Väter'^. Zudem ist die Aufnahme und Aktualisierung der biblischen Davids-Gestalt im Frühjudentum recht vielgestaltig und in keiner Weise auf die Nathansweissagung beschränkt. So konnte er „zur dynastischen Urfigur für Herrscher ... und Hierarchen ..., zur Motivgestalt für endzeitlich orientierte Enthusiasten und Revolutionäre ... und zur religiösen Leitfigur von Gruppen, denen an Aufbau und Konsolidierung eines traditionskonformen Gemeindelebens gelegen war", werden'"·. Schließlich beschränkt sich die Aufnahme des Davidbundes weitgehend auf das palästinische Judentum. Philo und offenbar weitgehend auch das alexandrinische Judentum insgesamt nehmen diese Tradition nicht a u f . (4) Israel. Israel, das von Gott geliebte und erwählte Volk, ist sicherlich der wichtigste Verheißungsempfänger. Das theologische Konzept von Israel als Gottesvolk reicht vermutlich in die vorstaaüiche Zeit zurück. Besonders die Propheten betonen dann das enge personale Verhältnis von Gott und Israel. Schließlich formulieren „in Anknüpfung an Hosea ... die Trägerkreise des Dtn ... zum ersten Mal eine konsistente Theologie des Volkes Gottes" aus'^. Ρ und auch andere exUische und nachexilische Theologen stellen heraus, „daß Israel seine Stellung als Gottesvolk trotz aller Verfehlungen nicht verloren hat bzw. neu und dann auf Dauer erhaben wird"'^. In frühjüdischer Zeit tragen diese Einsicht vor allem deuteronomistische Kreise weiter'®. Mit der Hasmonäerzeit stellt sich auf neue Weise die Frage, ob Israel allein kultische und eschatologische Heilsgemeinde ist, oder ob es sich als jüdischer Staat verstehen sollte". Im Frühjudentum zielen zum einen die meisten Verheißungen an Einzelne (wie Abraham und die Erzväter oder die Führer des Volkes) letzthch auf Israel s.o. Anm.29. " So werden die Zusagen auch als Schwur bezeichnet (Ч' 88,4.36.50; 132,11; vgl. auch 2Sam 3,9), oder als ewiger ,Bund' (2Sam 23,5; Ψ 88,4.29), oder - in Verbindung damit - einfach als Gnade (if· 88,25.29.34; Jes 55,3). Zu sprachlichen Berührungen zwischen Ψ 88,4-5.10-46 und anderen Texten vgl. Veijola, Verheißung 48-118. « Thoma, T R E 8 384 (kursiv im Zitat). " Vgl. Jaubert, Notion 382f, die vermutet: „La figure de David était sans doute trop liée à l'idée de conquête guerrière" (383). « Albertz, T R E 16 377. " Ebd. 378. " Zu verschiedenen .Strömungen auf der Basis des eschatologisierten deuteronomistischen Geschichtsbildes' vgl. Maier, Zwischen 260-289. « Vgl, Thoma, T R E 16 379-383.

V e r h e i ß u n g s e m p f ä n g e r : Israel

201

und gelten weiter für Israel. Zum anderen wird Israel sehr häufig auch direkt als Empfänger genannt oder doch zumindest vorausgesetzt^"". Bei Josephus b e schränkt sich das allerdings weitgehend auf die Schilderung der Zeit des Exodus und der Landnahme^"^ Bei Philo tritt Israel als Verheißungsempfänger ganz in den Hintergrund. Offenbar liegt der Grund dafür darin, daß für ihn das wesentliche Ziel, die Gottesschau, über den Rahmen des jüdischen Volkes hinaus jedem Menschen möglich und verheißen ist, der der Vernunft und Weisheit folgt'"^. Eine ähnliche Ausweitung des Empfängerkreises ist auch impliziert, wenn es in Arist 212 heißt, daß Gott den Gerechten die höchsten Güter verheißt^^^ Auf der anderen Seite gibt es aber auch (mit ähnlichen Begriffen) vor dem Hintergrand der Erfahrang, daß Israel oder Einzelne in ihm an der Erwählung schuldig werden, eine Einschränkung des Empfängerkreises (die typischerweise einhergeht mit einer Schilderang des Schicksals der Sünder). In PsSal sind es die Frommen (die, die Gott fürchten und lieben und ihren Bundesverpflichtungen nachkommen), welche die Verheißungen егЬеп^""*. In den apokalyptischen Schriften sind es (z.T. noch zugespitzter) allein die Gerechten, die die Verheißungen erlangen werden und zumindest nach 4Esr werden dies nur wenige sein.'"^. Gegenüber einer zu starken Scheidung von Gerechten und Sündern kann allerdings an anderen Stellen auch Gottes Barmherzigkeit betont werden, die letztlich auch den Sündern Vergebung verheißt. Solche können danach wohl geplagt werden und der verheißenen Güter zeitweise ermangeln, aber sie werden nicht gänzlich ausgerottet und verlassen werden'"®. Im Neuen Testament fragt nur Paulus ausdrücklich danach, inwieweit die Verheißungen an Israel weiter gelten (in Rom 9-11). Dabei findet sich sowohl die selbstverständliche Nennung von Israel als Verheißungsempfänger (9,4), als auch eine Einschränkung des Kreises, der zu

V g l . 2Makk 2,17; ЗМакк 2,10; PsSal 7,10; 12,6; 17,3ff (vgl. a u c h PsSal l l , 7 f ) ; W e i s h 12,21; 18,6.22; T e s t j o s 20; Bar 2,34; L i b A n t ; 4Esr 5,29.40; M e k h 1.3; S i f Bam §84; S i f D e v §11.303.309.323; S h e m R 19,4; B a m R 2,12; E s t R 4,15; m M S h 5,13; yShab 7,2 ( 1 0 c ) u.ö.; bEr 43b; bPes 13a; bKet l i l a ; bSot 39b. "" »Von A n t 12 ab k o m m t der N a m e ü b e r h a u p t nicht m e h r v o r ' ( G u t b r o d , T h W N T III 373). "" N a c h P h i l o ist Israels V o r z u g darin b e g r ü n d e t , d a ß es . ( a l s I s - r a - e l ) Gott s c h a u t ... d e n n der S c h a u e n d e hat am G e s c h a u t e n A n t e i l ... D a r u m ist es aber a n d e rerseits n a h e daran, d a ß der B e g r i f f Ισραήλ d e n R a h m e n d e s j ü d i s c h e n V o l k e s sprengt ... D i e s e L o s l ö s u n g ist zwar n i r g e n d s direkt a u s g e s p r o c h e n , aber d o c h m i n d e stens stark a n g e b a h n t * ( G u t b r o d , ebd. 373). D e n n o c h bleibt Israel für P h i l o d a s von Gott a u s e r w ä h l t e V o l k , das das G e s e t z e r h a l t e n hat und , e i n e e n t s c h e i d e n d e A u f g a b e i n n e r h a l b der V ö l k e r w e l t " hat ( M ö l l e r , T r a d i t i o n 78). V g l . a u c h Sib 3,767 und 4Makk 15,2, w o j e w e i l s d e n F r o m m e n (εύσέ(3εσιν) d i e V e r h e i ß u n g e n g e l t e n ( d i e F r o m m e n b z w . G e r e c h t e n und G u t e n als E m p f ä n g e r der V e r h e i ß u n g n o c h in P h i l o Mut. 154; J o s A n t 6,21; 7,373; 8,24; I T i m 4,8). S.o. S.81 mit A n m . 6 0 . D i e B i n d u n g an die ά γ α π ώ ν τ ε ς θεόν f i n d e t sich im N e u e n T e s t a m e n t a u c h in Jak 1,12; 2,5. «» G e r e c h t e : 4 E s r 4,27 ( a u c h 7,60.90); syrBar 14,13; 44,13; ä t h H e n 25,7. N a c h syrBar 59,2 sind es d i e G l ä u b i g e n ( d i e im V e r s t ä n d n i s d i e s e r S c h r i f t s i c h e r l i c h i d e n tisch sind mit den G e r e c h t e n ) ; vgl. a u c h A s c j e s 8,22 ( . d e n e n , die s e i n e V e r h e i ß u n g erwarten'). V g l . O r M a n 6f; A s s M o s 12,11.

202

III.F. Zusammenfassung

Israel gezählt werden darf (9,6f) und schließlich die Offenbarung der letztendUchen Rettung ganz Israels (11^5-32). b.

Verheißungsinhalte

( 1) Land, Erbe und Ruhe. Das Land ist im Alten Testament wohl der wichtigste und häufigste Inhalt von Verheißungen^"^, auch wenn nicht übersehen werden darf, daß etwa im Buch Genesis die Verheißungen von Nachkommenschaft und Mehrung noch zahlreicher sind und es daneben hier und in den übrigen Schriften des AT zudem eine ganze Reihe anderer Verheißungsinhalte gibt. In welchen geschichtlichen Zusammenhängen die Texte, die von der Landverheißung handeln, verankert sind, ist in der Forschung umstritten. Man wird vermuten dürfen, daß bereits in der Zeit nomadischer Lebensweise, dann auch beim Vorgang der Landnahme und vor allem in der Zeit des Königtums über das Verhältnis von Gott, Land und Volk nachgedacht wurde. Die Texte, die ausdrücklich von der Zusage des Landes sprechen, gehen jedoch wohl zum großen Teil nicht bis in diese Zeiten zurück^"®. Die Mehrzahl von ihnen gewann erst im Zusammenhang der Entstehung des Deuteronomiums und des dtr. Geschichtswerkes, das die Zeit von der Landnahme bis zum Landverlust umfaßt, ihre jetzige Form und Funktion'"'. Das Deuteronomium verstand die Landnahme als Verwirklichung der Zusagen an die Väter"". In der dtn. Predigt ist das Land „der Ort des Segens" und „sowohl das Land als auch das Gebot, das das Leben in diesem Lande regelt und schützt" sind Gottes gute Gabe. Bei den Deu-

"" Vgl. hierzu zuletzt Preuß, Theologie 1 132-145 (dort 132 A n m . 562 weitere Literatur). »Mag auch die Vorstellung von einer V e r h e i ß u n g und Ü b e r e i g n u n g des L a n des an Israel durch J a h w e - in einer begrenzteren Form - schon in die Frühzeit zurückreichen ..., so wird sie erst breit entfaltet, als der Verlust des Landbesitzes b e d r ä n g e n d e Realität wurde. A u s der Zeit nach 722 stammt wahrscheinlich die älteste Bearbeitungsstufe der E r z v ä t e r ü b e r l i e f e r u n g mit H i l f e von L a n d v e r h e i ß u n g e n (Gen 13,14-16; 28,13f ...)" (Albertz, T R E 16 372). Vgl. zur Ü b e r l i e f e r u n g s g e s c h i c h t e des Motivs von der L a n d v e r h e i ß u n g , die als e i n f a c h e Zusage, als Eid oder als Bund e r g e hen kann (die allerdings auch - wie die F e n t a t e u c h e x e g e s e ü b e r h a u p t - umstritten ist), zuletzt Scharbert, L a n d v e r h e i ß u n g . N a c h Ferlitt, Motive 46 w u r d e im D e u t e r o n o m i s m u s ,die alttestamentliche Theologie des L a n d e s entwickelt" und er ist nicht zu »verstehen ohne dieses Kreisen um die Gottesgabe pLand". J e d o c h gibt es auch hier nicht die eine Theologie des Landes, sondern in einem W a c h s t u m s p r o z e ß über J a h r h u n d e r t e wurden Traditionen addiert und redigiert, bewahrt und in neue Z u s a m m e n h ä n g e verwoben (ebd. 47; vgl. auch Preuß, D e u t e r o n o m i u m 191). Ahnliches gilt auch f ü r das .hexateuchische G e b ä u d e von der Landverleihung", in das »vielerlei historische und theologische T r a ditionen eingemauert" sind, »die auch aus sehr verschiedenen Zeiten und R ä u m e n stammen" ( R a d , Theologie I 309). Vgl. schon Gen 50,24, das die Funktion hat, die Geschichte der V ä t e r mit der Geschichte des Volkes zu v e r k n ü p f e n . »Ohne L a n d v e r h e i ß u n g und L a n d h o f f n u n g wäre das einzigartige biblisch-heilsgeschichtliche Denken nicht so zur E n t f a l t u n g gekommen ... Im Hinblick auf das konkrete Land und Volk wird man von einem Eschaton in der Dimension des R a u m e s und der Geschichte sprechen müssen" (Springer, L a n d v e r h e i ß u n g 64).

Verheißungsinhalte: Land, Erbe und Ruhe

203

teronomisten wird es dann zu allererst zum „Geltungsraum des Gesetzes", und ,das Gesetz ist die Lebensform im Lande"^". So kommt es z.T. auch zur kausalen Bindung des Landbesitzes an die Gesetzesbefolgung"^. Die Entwicklung zeigt, daß es auch und gerade nach dem Verlust des Landes nicht zu einem Ende der Landtheologie gekommen ist, sondern umgekehrt sogar zu einer neuen Welle der Reflexionen über das Verhältnis Israels zu seinem Land'". Die exilischen Propheten, vor allem Deuterojesaja und Hesekiel, überliefern die Hoffnung auf eine erneute Landnahme. Nach dem Exil erscheint das Land zum einen als wiedergeschenktes Land und frühnachexilische Prophetie verbindet z.T. mit dieser Erfahrung die Hoffnung auf eine völlige geschichtliche Wiederherstellung der Verhältnisse (ähnlich wie manche Schriften im Gefolge des dtr. Geschichtswerkes''"). Daneben, bzw. zeitlich z.T. wohl eher nach solchen restaurativen Vorstellungen, kommt es in der spätnachexilischen Prophetie zu einer UniversaUsierung und Eschatologisierung der Vorstellungen, γικ kann nun sowohl für das Land Israel als auch für die Welt stehen. Dahinter zeigt sich zunächst ein Konzept von dem „weltweit wirkenden Gott Israels"''^, wie es erst geprägt von den Lebenserfahrungen der Diaspora''® und unter hellenistischem Einfluß entstehen konnte. Vor allem im Zusammenhang der entstehenden Apokalyptik weitet sich die Hoffnung noch weiter aus: in ihrer eschatologischen Schau sehen die Propheten „das erlöste Land als Symbol der erlösten Erde"''' und verkünden das Kommen eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Gibt es bereits innerhalb des Alten Testaments eine größere Zahl unterschiedlicher .Landtheologien' und spielt das Land auch längst nicht in allen Schriften und Schichten eine wesentliche Rolle, so setzt sich dieser vielschichtige Befund auch in frühjüdischer Zeit fort. In einer Reihe von Schriften findet sich die Erinnerung daran, daß Gott Abraham und den Vätern das Land zugeschworen bzw. verheißen hat. Mitunter dient sie als Beleg für Gottes Macht und Verläßlichkeit, häufig liegt auf ihr aber kein besonderes Gewicht und keine Erwartung für die Zukunft"®. Selten ist die Landverheißung im Kontext von Restitu-

Perlitt, M o t i v e 49.57. V g l . z.B. G e n 26,4. Es z e i g t sich, d a ß ,in f a k t i s c h a l l e n H e i l s h o f f n u n g e n und E n t w ü r f e n der e x i l i s c h e n und f r ü h n a c h e x i l i s c h e n Z e i t - trotz v i e l e r D i f f e r e n z e n im e i n z e l n e n - der B e z u g Israels auf s e i n L a n d nicht a u f g e g e b e n wurde" ( A l b e r t z , T R E 16 373). N a c h S t e g e m a n n , L a n d gehört e t w a die T e m p e l r o l l e zu den V e r t r e t e r n e i n e r s o l c h e n R e s t i t u t i o n s v o r s t e l l u n g , die z u g l e i c h die „ V o l l e n d u n g ' d e s s e n * impliziert, . w a s Gott s c h o n i m m e r mit der E r w ä h l u n g d i e s e s s e i n e s . V o l k e s ' b e z w e c k t hatte" ( e b d . 155). V g l . ebd. 166. . D a s L e b e n in der D i a s p o r a , f e r n v o m Land der V ä t e r , trägt in d i e s e r Sicht k e i n e n M a k e l , es wird nicht, w i e es gut biblisch w ä r e , als F o l g e der Ü b e r t r e t u n g e n des G o t t e s w i l l e n s erkannt, ja es b e d e u t e t nicht e i n m a l ein L e b e n in der F r e m d e ... d i e g r u n d l e g e n d e B i n d u n g d e s G o t t e s v o l k e s an das v e r h e i ß e n e L a n d ist w e i t g e h e n d g e lockert, w e n n nicht gar a u f g e h o b e n " (Schaller, P h i l o n 175). H a n h a r t , L a n d 128. "· V g l . J u b 19,9; Bar 2,34; T e s t A b r 8,5; 20,11; L i b A n t 9,3; 10,2; 12,4; 14,2; 21,9;

204

ΠΙ.F. Z u s a m m e n f a s s u n g

tionshoffnungen^i', eher wird sie universalisiert^^" oder zum Bestandteil der eschatologischen Hoffnung, in deren Rahmen sie allerdings neben Auferstehung, ewigem Leben u.a. meist zum letztlich austauschbaren Hoffnungsgut wird^^^. Sie kann aber auch, unter dem Assimilationsdmck in der hellenistischen Diaspora, allegorisiert, individualisiert und psychologisiert werden. So wird bei Philo das Land zum Symbol für den Ort des Wissens und das Erbe der Weisheit^^^. In der rabbinischen Tradition spielt zwar die Landverheißung im Zusammenhang der Vätertraditionen kaum mehr eine große Rolle^^^. Nichtsdestotrotz sind Land und Volk für sie kaum zu trennen. Die Bedeutung des Landes wird vor allem mit seiner Heiligkeit begründet. Allerdmgs gibt es offensichtlich auch hier unterschiedliche Auffassungen zwischen palästinischen und babylonischen Rabbinen. Palästinische Rabbinen betonen, daß nur im Land ein Leben gemäß dem Gesetz in Reinheit und Gehorsam möglich ist und werben für das Leben im Land. Die Mischna beschäftigt sich zu mehr als einem Drittel mit Dingen des Landes und viele Bestimmungen der Halacha bemühen sich, das Leben im Land zu ermögUchen und zu erleichtem. Babylonische Rabbinen dagegen übernehmen das Lob des Landes kaum je uneingeschränkt. Häufig wird es zum messianischen Gut und fließt ein in weitere eschatologische Vorstellungen, wie etwa die Formel ,sich versichert halten, ein Sohn der zukünftigen Welt zu werden'^^''. In den Zusammenhang der ausdrücklichen Rede vom verheißenen Land gehören noch einige weitere Motive, die sich bereits im Alten Testament und dann auch in der frühjüdischen Tradition z.T. mit ihr überschneiden. (a) Das Erben und das Erbe (κληρονομιά; hebr.: n^n:) ist im Alten Testament häufig eng mit der Vorstellung vom Land verbunden, das Jahwe seinem

23,10f; J o s A n t 2,170.175.272; Philo Mos. 1,86; C o n g r . 119; F u g . 175. J o s A n t 3,36.312; 4,5.168; 5,39.40.93 h a n d e l n von den V e r h e i ß u n g e n der L a n d n a h m e an Moses u n d J o sua. Die W e n d u n g γ ή της ε π α γ γ ε λ ί α ς , die der vor allem im Dtn s t e r e o t y p e n F o r m e l την γήν, ήν ώμοσα entspricht, begegnet d a b e i nur in T e s t A b r (vgl. J o s A n t 2,175; 4,5.168; 5,39.93: γήν, ήν ύπεσχήται sowie später H e b r 11,9; J u s t i n Dial. 106,3: τί^ν έ π η γ γ ε λ μ έ ν η ν γήν). A u c h dies k ö n n t e zeigen, d a ß die B e d e u t u n g der L a n d v e r h e i ß u n g s v o r s t e l l u n g e n deutlich a b g e n o m m e n hat. Vgl. 2Makk 2,17. J o s e p h u s , der in seinen A n t i q u i t a t e s zumeist a u s d r ü c k l i c h e L a n d v e r h e i ß u n g e n in den biblischen Ü b e r l i e f e r u n g e n zu einer V o r h e r s a g e der E r o b e r u n g u n d I n b e s i t z n a h m e a b s c h w ä c h t , weitet sie a n d e r e r s e i t s m i t u n t e r d a h i n g e h e n d aus, d a ß den N a c h k o m m e n nicht n u r das L a n d , s o n d e r n alle L ä n d e r der W e l t als W o h n s i t z d i e n e n w e r d e n , weil ihre Z a h l so g r o ß wird, d a ß sie ü b e r a l l w o h n e n - eine originelle A n w e n d u n g der D i a s p o r a s i t u a t i o n auf die L a n d v e r h e i ß u n g e n . Vgl. Sib 3,767; T e s t j o s 20; vgl. auch syrBar 14,13; 51,3, wo nicht m e h r das L a n d , s o n d e r n die Welt (mundus) zum e s c h a t o l o g i s c h e n V e r h e i ß u n g s g u t n e b e n a n d e r n wird. Z u m e s c h a t o l o g i s c h e n H o f f n u n g s g u t des E r b e s und der R u h e s. S.204f. Vgl. Philo H e r . 96; Somn. l,174f. A n einigen Stellen in den S p ä t s c h r i f t e n P h i los k o m m t das .heilige L a n d ' allerdings auch ,als eschatologisches Z i e l des G o t t e s v o l k e s ' in den Blick (Schaller, Philon 179; vgl. auch oben Kap.III.B Anm.58), so d a ß sich a u c h hier ein vielschichtigerer B e f u n d ergibt. '2·' Sie b e g e g n e t a u s d r ü c k l i c h in M e k h Y π'ρΐίη 1; M e k h Y П'РШП 10; SifDev §309.(323); ( S E Z 2); mMSh 5,13; yShab 1,4 (3c) par; bKet l i l a ; (bSot 39b). '2-· S.o. S.163.

V e r h e i ß u n g s i n h a l t e : L a n d , E r b e und R u h e

205

Volk zugeschworen und gegeben hat. Es hat in diesem Zusammenhang theologische Bedeutung vor allem in der priesterschriftlichen und deuteronomischen Theologie gewonnen^^. Im Jeremiabuch findet sich daneben die Aussage, daß Israel n'pnj Jahwes sei'^®. Im Frühjudentum wird der Begriff häufig in eschatologischen Zusammenhängen gebraucht, ohne daß aber die anderen Bedeutungen dadurch ganz verdrängt würden'^^. So kann die mit der Ausweitung der Landverheißung einhergehende Zusage ,Erbe der Welt' zu werden sowohl auf diese Erde bezogen bleiben, als auch parallel stehen zum .Erben der kommenden Welt', des kommenden Aeons, der Herrlichkeit Gottes, des ewigen Lebens etc.^^*. Bei all dem verwundert es nicht, daß in diesen Zusammenhängen im frühjüdischen Schrifttum mehrfach Verheißung und Erbe in engem Zusammenhang genannt werden, wobei sowohl der Verheißungsinhalt als das Erbe als auch der Verheißungsempfänger als der Erbe im Blick sein können^^'. (b) In den Zusammenhang der Landtheologie gehört auch das Motiv der Ruhe {άναπαύσις, hebr.: nm jn). „Gemeint ist damit ein gesichertes und friedliches Leben im Land der Verheißung''^^®. Es zählt in der exilisch-nachexilischen Zeit zur Erwartung des dtr. Geschichtswerks, daß Jahwe die Ruhe im Land, die Israel noch nicht voll erlangt hat, erst noch geben will. Damit ist „nicht nur ein politisch-äußerlicher, sondern ein vollständiger, das ganze Leben umfassender Heilszustand gemeint""^ Auch das wird im Frühjudentum eschatologisch ausgewei-

Vgl. zum f o l g e n d e n W a n k e , T H A T II 55-59; P r e u ß , T h e o l o g i e 1 140. Vgl. auch PsSal 14,5. K u h n , E n d e r w a r t u n g 72-75 u n t e r s c h e i d e t drei B e d e u t u n g s g r u p p e n : 1. r ä u m l i cher A s p e k t steht im V o r d e r g r u n d ; 2. B e z e i c h n u n g z u k ü n f t i g e n Heils; 3. B e z e i c h n u n g f ü r das s u b j e k t i v e E r g e h e n des e i n z e l n e n F r o m m e n ; bei einzelnen Stellen bleibe jedoch eine e i n d e u t i g e Z u o r d n u n g schwierig. Vgl. auch H a m m e r , C o m p a r i s o n 267: .Israel's theological r e f l e c t i o n gave to the i n h e r i t a n c e concept such varied c o n t e n t s as the people of Israel, Y a h w e h , the law, wisdom, the life beyond history, and (in the case of Philo) a mystical oneness with God. Basically, a teleological u n d e r s t a n d i n g of history is i n h e r e n t in t h e theological usage of the term" ( ä h n l i c h Byrne, Sons 68-70; H e s t e r , Concept). Vgl. F o e r s t e r , T h W N T III 779f; zur E n t w i c k l u n g der V o r s t e l l u n g vom . W e l t e r b e n ' vgl. auch K ä s e m a n n , R ö m e r 113, sowie die A u s l e g u n g zu Rom 4,13 ( u n t e n S.389f). Berger, A b r a h a m 55 folgert d a r a u s , d a ß ,κληρονομίο; ... dem Sinne nach ein K o r r e l a t b e g r i f f zu ε π α γ γ ε λ ί α " sei. Der Z u s a m m e n h a n g zwischen b e i d e n f i n d e t sich PsSal 12,6; 2Makk 2,17 (hier bezieht sich E r b e gut a l t t e s t a m e n t l i c h k o n k r e t auf das L a n d ) ; syrBar 44,13; Philo Sacr. 57; H e r . 96.101 (Philo e r ö r t e r t in dieser S c h r i f t a u s d r ü c k l i c h , wer E r b e der göttlichen Dinge - der V e r h e i ß u n g e n - ist); M u t . 154; Somn. 1,175; M e k h п'7ШП 10 (149; hier w e r d e n in einer a u s f ü h r l i c h e r e n A u s l e g u n g zu Ex 15,17 vier Dinge als E r b e b e n a n n t , s.o. S.161). Diese K o r r e s p o n d e n z von V e r h e i ß u n g und E r b e f i n d e t sich auch im N e u e n T e s t a m e n t , etwa in Gal 3; Rom 4; E p h 3,6; H e b r 6,12; 9,15; 11,9. R a d , T h e o l o g i e I 237 Anm.81. Stolz, T H A T II 46; vgl. auch P r e u ß , D e u t e r o n o m i u m 194. Bei der wichtigen Stelle У 94,11b (die H e b r 3,11 a u f g e n o m m e n wird) wird d a r u m g e s t r i t t e n , ob über die lokale D e u t u n g auf das L a n d h i n a u s auch eine s t ä r k e r p e r s o n a l e D e u t u n g - im Sinne eines R u h e n s in Gott selbst - nötig ist. Braulik, R u h e 41 bestreitet f ü r У 94,11 u n d a u c h Dtn 12,9 die D e u t u n g auf das L a n d ü b e r h a u p t . G e m e i n t sei .mit der ПП1 JD J a h w e s ' sein . T e m p e l mit allem was er gewährt". Denn Israel h a b e . n a c h dem d e u t e r o -

206

III.F. Zusammenfassung

tet, SO daß Ruhe, vor allem in apokalyptischen Kontexten, zu einem endzeitlichen Verheißungsgut wird^^^. (c) Hingewiesen sei schließlich noch darauf, daß an die Stelle des Landbegriffes im nachdavidischen, vor allem aber im nachexilischen Sprachgebrauch z.T. Jerusalem, Zion oder der Tempel tritt"'. Hier gibt es allerdings nur sehr wenig Verbindungen mit dem Wortfeld Verheißung. Lediglich in ЗМакк 2,10 wird Gott an seine Verheißung (nach IKön 833f) erinnert, die Gebete im Tempel zu erhören und in 2Makk 2,17f steht die Hoffnung auf einen wiederhergestellten Tempeldienst zumindest im Hintergrund""*. Gegenläufig ist dagegen die Tendenz in den Apokalypsen nach der Katastrophe von 70 n.Chr. 4Esr und syrBar geht es darum, auch nach dem Fall des Tempels die Treue Gottes zu seinen Verheißungen festzuhalten. Hier kann dann auf Tempel und Stadt keine konkrete Verheißung mehr liegen. Statt dessen werden die nun häufig sehr allgemein gehaltenen Verheißungsinhalte universalisiert und ganz auf den kommenden Äon bezogen. Sicherlich gehört die Landverheißung zu den wichtigsten Verheißungsgütem in alttestamentlicher und jüdischer Tradition. Das trifft allerdings - wie bereits der knappe ÜberbUck gezeigt hat - zu keiner Zeit für alle Überlieferungsstränge zu. Schon von daher wird man Bergers pauschalem Urteil, daß „Ausgangspunkt ... für alle ε π α γ γ ε λ ί α .. die Landverheißung""^ sei, nicht ganz zustimmen können. Zwar wird, wie vor allem die traditionsgeschichtUche Entwicklung der mit der Landverheißung verbundenen Motive des Erbes und der Ruhe zeigt, der Inhalt der Landverheißung immer häufiger eschatologisiert"®. Aber die frühjüdischen Schriften kennen neben der Landverheißung noch viele weitere Verheißungsinhalte, die häufig in keinem direktem Zusammenhang mit der Landverheißung stehen und die z.T. auch im Laufe der Zeit immer mehr eschatologisiert wurden. Deshalb erscheint es nicht sinnvoll, den Textbefund in eine konstruierte Entwicklungslinie zu pressen. Vielmehr sollte man von Anfang an mit einer Mehrzahl von nebeneinander gebrauchten Verheißungsinhalten rechnen. Sonst nomistischen Geschichtswerk erst mit der ΠΠΙ Jn, dem Jahwetempel von Jerusalem, das Ziel seiner Geschichte erreicht, die mit dem Exodus und der Wüstenwanderung begonnen hatte'. .Verheißungsland und Zentralheiligtum zusammen" .begründen ... jenen Heilszustand, in dem Israel ein Leben gehorsamer Treue zu Jahwe führen kann" (ebd. 42). Vgl. 4Esr 7,90; ApkSedr 16,4; LibAnt 49,6 (ubi est locus pausationis et requetionis nostris-, vgl. auch 21,9: habitaculum Dei). Im N e u e n Testament spricht Hebr 4,1 von der noch ausstehenden Verheißung der Ruhe (vgl. auch 2K1 5,5). Werblowsky, Land 5: .Der Landbegriff wird im sich entwickelnden nachdavidischen Sprachgebrauch terminologisch teilweise durch den Stadtbegriff ersetzt, so daß Geographie und Geschichte (Land-Stadt-Volk) in einer großartigen Symbolverschränkung (Zion-Jerusalem) eins werden"; vgl. auch Davies, Gospel 54. 13·· Vgl. auch die Verbindung von Israel, Land, Tempel und Gesetz in MekhY n'pto 10 (149; s.o. S.161). Berger, Abraham 54 Anm.9; vgl. auch ebd. 80 Anm. 77, wonach έ π α γ γ ε λ ί α im Frühjudentum .einen festen Bezug zur Landverheißung hat". '315 Berger, ebd. bezeichnet sie als .vergeistigte Stufe der Landverheißung", die eben das Verheißungsgut in die kommende Welt verlagert; vgl. auch Hester, Concept 33f.

Verheißungsinhalte: Land, Erbe und Ruhe

207

besteht die Gefahr, daß die ntl. Verheißungsvorstellungen in falschen Alternativen zu den frühjüdischen gesehen werden""'. (2) Nachkommenschaft und Mehrung. In Zusammenhängen, die an der Darstellung Abrahams interessiert sind, wird mehrmals Isaak als sein Nachkomme verheißen"®. Eine ungleich größere Rolle spielt jedoch die Mehrungsverheißung, die bereits im Buch Genesis die häufigste Zusage ist"^. Sie wird offenbar vor allem dann betont, wenn sich bei der Aktualisierung der Zusagen Gottes für sein Volk ein Rückgriff auf die Landverheißung weithin verbietet. So erhält sie nach der Niederlage gegen die Römer sowohl bei Josephus als auch in rabbinischen Überlieferungen einiges Gewicht^'**'. Josephus hilft die Mehrungsverheißung darüber hinaus, die Situation der Diaspora als Zeichen des Segens Gottes zu interpretieren^'".

(3) Segnendes Handeln Gottes. Um die weitere Darstellung etwas zu strukturieren, wird für die folgenden beiden Abschnitte zwischen einem segnenden und einem rettenden Handeki Gottes unterschieden'"*^. Eine eindeutige Zuordnung allgemeiner Bezeichnungen des Verheißungsinhaltes (wie Beistand oder Gutes) ist allerdings nur bedingt möglich. Sie werden hier zum segnenden Handeln gerechnet, da sie häufig mehr auf einen andauernden Zustand abzielen. Je nach Kontext können sie aber auch als Zusammenfassung für rettendes Handeln Gottes dienen. (a) Segen''*^: Eine Gewißheit, die sich durch das ganze Alte Testament zieht, ist, daß Gott Segen schenkt. Schwerpunkte finden sich in den Geschichten von den Väterverheißungen im Buch Genesis (nach J und P, zumeist in engem Zusammenhang mit der Mehrungsverheißung)!''"' m^j ¡ ^ Deuteronomium. Im

Vgl. Berger, Abraham 54 Anm.9, der im Zusammenhang seiner These fortfährt: .Die paulinischen und lukanischen Konzeptionen gehören zu denen, die sich am weitesten von dieser Grundvorstellung entfernt haben" (ähnlich ebd., 80 Anm. 77: .von Paulus sehr weit uminterpretiert*). Von dieser Grundvorstellung, der Landverheißung, haben sie sich wirklich entfernt; das gilt aber nicht nur für sie, sondern ebenso auch für eine ganze Reihe weiterer, vor allem jüdisch-hellenistischer Schriften. Vgl. TestAbr 6,5; Philo Abr. llOf.132; Leg.All 3,85; Det. 60; PesR 42,5. Vgl. die Belege bei Preuß, Theologie 2 12 Anm.81. '« JosAnt 2,175 u.ö. (s.o. S.125ff); SifBam §84; SifDev §11; ShemR 38,6; 44,6; BamR 2,12. In LibAnt 9,3 findet sich die Zusage, daß das Volk nicht abnehmen wird. "" Vgl. 4,115: die Landzusage wird ausgeweitet auf alle Länder, da die Zahl der Nachkommen so groß werden wird (s.o. S.138). Diese (systematisierende) Unterscheidung folgt einem Vorschlag von Westermann (vgl. z.B. ders. Segen 38). '·" Zum folgenden vgl. Beyer, T h W N T II 751-763; Keller/ Wehmeier, T H A T I 353-376; Westermann, Segen 31-66; ders., Theologie 91-99. Vgl. zur Sache auch die Beschreibung des weiteren Wortfelds des Segens bei Westermann, ebd. 97-99. Dabei kommt es beim Jahwisten zu einer .Wendung des Segens ins G e schichtliche", insofern der mit dem Auftrag an Abraham zum Auszug verknüpfte Segen in Gen 12,1-3 ihm .erst in Aussicht gestellt" wird, .so daß sich erst in der mit

208

III.F. Zusammenfassung

Deuteronomium bezieht sich der Segen überwiegend auf das Gedeihen des Lebens im Kulturland. Charakteristisch ist zudem die „Verschmelzung des Segens mit dem Bund", die den ursprünglich unbedingten Segen „an den Gehorsam des Volkes" bindet und damit zugleich auch den „Fluch als Möglichkeit unmittelbar neben dem Segen" etabliert^'''. Bei den nachexilischen Heilspropheten dagegen bezeichnet Segen ein zukünftiges, kontinuierliches Heilshandeln Gottes, das häufig durch naturhafte Prozesse beschrieben wird"®. Für die Apokalyptik schließlich tritt an die Stelle des „Miteinander und Ineinander" von rettendem und segnendem Handehi „eine absolute Scheidung". Vor dem Endzustand ist kein segnendes Handeln Gottes denkbar, dagegen gehören zur Ausmalung der Endzeit „Schilderungen des endgültigen, nicht mehr wandelbaren Gesegnetseins""''. In den frühjüdischen Texten wird Gottes Segen ausdrücklich nur in der rabbinischen Literatur zum Verheißungsinhalt. Offenbar lagen in diesen Zusammenhängen die schon im Alten Testament sachlich eng mit dem Segen Gottes verbundenen Begriffe wie Frieden, Glück, Beistand dem Sprachgebrauch insbesondere der jüdisch-hellenistischen Schriftsteller näher. Bei den Rabbinen wird vor allem die Abraham in Gen 22,17 zugesagte Mehrung als Segen bezeichnet"®, der sich durch den Auszug aus Ägypten verwirklicht habe^"'. Neben dem Bezug auf die Mehrung findet sich auch, ganz im Sinne der dtr. Predigt, ein Verständnis des Segens, das ganz auf die Versorgung des Landes mit Regen und auf die Fruchtbarkeit des Viehs abzielfi'". Der Abrahamssegen von Gen 12,1-3, der auch das Geschick der Völker mit einschließt, hat im Alten Testament (z.T. schon an den übrigen Stellen im Buch Genesis, die ihn aufnehmen) eine Auslegungsgeschichte, an der sich das „nicht endende Ringen des alttestamentlichen Israel um sein Selbstverständnis ... im Spannungsfeld Exklusivität - Universalismus besonders deutlich erkennen"

Abraham anhebenden Geschichte, nicht nur zu Lebzeiten Abrahams, sondern auch noch nach seinem Tode, dieser Segen auswirkt' (Westermann, Segen 55). So wird der Segen zur Verheißung gewandelt. "" Westermann, Segen 51. Insofern der Fluch identisch ist mit Gottes Gericht, aus dem man nur gerettet werden kann, kommt es so zu einer „Verbindung zwischen der Segens- und der Rettungstheologie' (ebd.). Der vom Propheten dem Volk im Exil angekündigte Segen Gottes in Jes 44,3 meint die „von Jahwe geschenkte wunderbare Lebenskraft", schließt dabei neben der Natur aber insbesondere auch das Volk ein, das „durch den Segen seines Gottes zu neuem, gedeihlichem Wachstum erblühen wird' (Elliger, Deuterojesaja 390). In ähnlicher Weise wird eschatologisches Heil dem Volk als dem Samen der Gesegneten des Herrn in Jes 65,24 verheißen. Westermann, Segen 42; vgl. auch ebd. 65f. Vgl. SifBam §84 (zu Num 10,36); SifDev §11 (zu Dtn 1,11). Vgl. ShemR 38,6 (im Anschluß an Gen 12,1 und ψ 118,89; vgl. auch BamR 2,12, wo die Erfüllung des Segens Abrahams mit Dtn 1,10 begründet wird). Im apokalyptischen Kontext ist allerdings für ApkEsr 3,10 wiederum die tatsächliche E r f ü l lung bzw. weitere Geltung dieser Mehrungszusage (nach Gen 22,17) fraglich geworden. Vgl. mMSh 5,13 (und Dtn 26,13ff); das Motiv des Segens als Fruchtbarkeit des Landes wird auch LibAnt 13,10 aufgenommen.

Verheißungsinhalte: Segnendes Handeln Gottes

209

läßt^-·". W o im Frühjudentum überhaupt auf G e n 123b eingegangen wird, wird kaum je reflektiert, was diese Stelle für die Völker und ihr Verhältnis zu Gott bedeutet^^^. D a s Interesse richtet sich vielmehr auf andere Punkte. Eine D e u tung begründet den Segen für die Völker im Verhalten Abrahams - in seiner Fürbitte oder in seiner Gerechtigkeit'^^. Eine andere Deutung bezieht den S e gen zurück auf Israel selbst'^·*. Dies geschieht etwa dadurch, daß der Segen in enge Verbindung gebracht wird mit der Mehrangsverheißung'^^. D a s Geschick der Völker wird an diesen Stellen quasi aufgehoben im Geschick der N a c h k o m men Abrahams, die entweder die Völker unterwerfen'^® oder bis zu den G r e n zen der Erde vordringen und so die Völkenvelt durchdringen'^'. Nach einer

Zenger, Jahwe 40; zur alttestamentlichen Wirkungsgeschichte vgl. ebd. 54-62. Doch schon die Textgeschichte des Abschnitts selbst (vgl. ebd. 46-53) und auch die neuere exegetische Diskussion zum Verständnis von Gen 12,1-3 (vgl. ebd. 41-46) spiegelt etwas von diesem Spannungsfeld. Ein Blick auf die Auslegung von Gen 22,17f in Philo Leg.All. 3,203f; JosAnt 1,236 bestätigt diesen allgemeinen Eindruck. Das Gleiche gilt für die Auslegung von Gen 28,14 in MekhY п'7ШЗ 2 (185; II 157) und MekhY П'РШП 3 (98f; I 218ff) sowie ShemR 38,6; 44,6; BamR 2,12. Vgl. auch Barrett, Adam 34: .U seems that the universalist promise, ,in thee shall all the families of the earth be blessed' was scarcely ever taken up. The commentaries do not develop it; or else it undergoes this significant transformation - all the blessings that God bestows upon the earth, the rain, and even creation itself, were given for Abraham's sake". Diese Deutung des ,in dir' nimmt ihren A n f a n g bei der wohl dtr. Gestaltung der Fürbitt-Szene in Gen 18,17f, die Bezug nimmt auf Gen 12,3 (vgl. Zenger, Jahwe 57). An sie (und Stellen wie Gen 26,4) knüpft z.B. das Jubiläenbuch in seiner A b r a hamdeutung an. So heißt es in Jub 18,16 (im Zusammenhang von Gen 22,18): .Und in deinem Namen sollen alle Völker der Erde dafür gesegnet werden, daß du lauf] mein Wort gehört hasf. In erweiterter Fassung heißt es in 24,11 (im Zusammenhang der Auslegung von Gen 26,4): .Und in deinem Samen sollen alle Völker der Erde gesegnet werden dafür, daß dein Vater [auf] mein Wort gehört und meine Weisung und meine Gebote und meine Gesetze und meine Ordnungen und meinen Bund beobachtet hat". In Jer 4,2 hängt Segen f ü r die Völker von der Bekehrung Israels ab. Aber auch Philo legt Gen 12,3 von Gen 18 her aus. In Migr 121f. heißt es: .der Gerechte ist eine wahrhafte Stütze des Menschengeschlechts, und alles, was er selbst besitzt, stellt er zur Verfügung und reicht es allen, die es benötigen, in neidloser Fülle dar; was er aber bei sich nicht findet, das erbittet er von dem sehr reichen Gott; dieser aber eröffnet den himmlischen Schatz und läßt alles Gute in Fülle wie Regen und Schnee herabströmen, so daß alle irdischen Rinnsale es aufnehmen und davon überfließen. Solches pflegt Gott, weil er sich von dem ihn anflehenden Logos nicht abwendet, zu schenken' (mit Verweis auf Num 14,20 und Gen 18,24ff). "" Schon durch Stellen wie Gen 30,27; 39,1-5 wird der Abrahamssegen faktisch zum Israelsegen, an dem die Heiden Anteil bekommen können (vgl. Zenger, Jahwe 55f). Vgl. schon Jes 51,2: .Schaut Abraham an ... als einen einzelnen berief ich ihn, um ihn zu segnen und zu mehren'. Solche Deutung findet sich bereits in Gen 17,16. Von dem verheißenen Sohn Isaak heißt es dort: ευλογήσω αυτόν, και εσται εις εθνη, και βασιλείς εθνών έξ αύτοϋ έσονται. Die gleiche Entwicklung belegt auch das Buch Deuteronomium und das dtr. Geschichtswerk (vgl. Schreiner, Segen 17). Eine ähnliche Tendenz schließlich zeigt sich in •ψ 46. Dort wird in V4f die Herrschaft Israels über die Völker ausgesagt, die begründet ist darin, daß Israels Gott König über die ganze Erde ist. In VIO heißt es dann, o f f e n b a r im Rückbezug auf Gen 12,3: .Die Fürsten der Völker sind versammelt als Volk des Gottes Abrahams'. Vgl. etwa die Interpretation von Gen 22,17 in Sir 44,21 (s.o. S.74); später wird

210

ULF. Zusammenfassung

anderen Deutung besteht der Segen in d e m Rat, den sich die Völker, w e n n sie in Schwierigkeiten geraten, bei Israel holen können und holen^^®. Im hellenistischen Judentum wurde mitunter ebenfalls der Inhalt des Segens diskutiert, der in der „Schöpfung der Welt imd ihre(r) Erhaltung trotz der Sündhaftigkeit der Menschheit" oder auch in „Gnade, Monotheismus, Buße, Proselytentum, W i s s e n schaft, Kultur usw."^^' bestehen koimte. Schließlich konnte die W e n d u n g auch reflexiv verstanden werden „als Modell ... der Heilskraft", bei d e m m a n sich S e gen wünscht^^". G a n z ohne Blick auf Israel wird sie in Ϋ 71,17 a u f g e n o m men^®!. Sie wird dort übertragen auf den erwarteten Friedenskönig, in d e m sie wahr werden wird: „Und durch ihn sollen gesegnet sein alle Völker, und sie werden ihn preisen"^^^. Erwägen kann man, ob nicht die konsequent passivische Wiedergabe der Segensverheißung für die Völker in der L X X bereits ihren Grund in einem messianischen Verständnis solcher Stellen hatte^".

auch in JosAnt l,235f die Verheißung von Gen 12,2f dahingehend interpretiert, daß Abrahams Geschlecht sich zu vielen und großen Völkerschaften ausbilden werde. In einem anderen geistigen Zusammenhang steht die allegorische Auslegung von Gen 28,14 in Philo Somn. 1,175. Danach breitet die V e r n u n f t sich entsprechend der göttlichen Verheißungen aus ,bis zu den Grenzen des Weltalls' und erklärt ,ihren Träger als den, der die Teile der Welt als sein Erbteil erloste' (s.o. S.115). Letztlich ist auch f ü r Philo Abraham Vorbild des sich zum Judentum bekehrenden Heiden. Vgl. BerR 39,12. Betz, Galaterbrief 259 (im Anschluß an Billerbeck 3 539-541). Hansen, A b r a ham 197 verweist noch auf die bereits genannte Tradition aus BerR 39,12. Keller/ Wehmeier, T H A T I 364 (vgl. auch Zenger, Jahwe 58f). Die LXX hat die Niphal-Form IDHDJ durchweg passivisch verstanden. Ob dies auch f ü r den hebräischen Text von Gen 12,3 die angemessene Interpretation ist, ist umstritten. Die Diskussion schwankt dabei immer wieder zwischen reflexiver (die Geschlechter segnen sich in Abraham, d.h. indem sie seinen Namen nennen) und passiver Bedeutung. Nach Westermann, Genesis 12-36 176 ist sprachlich die reflexive Deutung vorzuziehen; jedoch bestehe letztlich .kein inhaltlicher Gegensatz" zwischen beiden Möglichkeiten. Die einzige weitere Stelle, die von einem Segen f ü r andere Völker als Israel handelt, ist Jes 19,24. Dort heißt es von Israel, daß es gemeinsam mit Ägypten und Assur ein Segen sein wird auf Erden. .Bemerkenswert ist die Tatsache, daß die Abrahamverheißung Gn 12 auf den König bezogen wird. Er ist der universale Segensträger Gottes" (Kraus, Psalmen 661). Zum Hoffnungsträger auch für die Heiden wird der aus dem Hause Davids erwartete König z.B. auch nach Jes 11,10; 49,6. So Schreiner, Segen 31f (vgl. auch Zenger, Jahwe 59: .singularisch-messianische Deutung"). Nach Schreiner ist die Vorstellung vom Heil f ü r die Völker häufig an die Heilige Stadt gebunden und dies gelte in gewissem Sinne auch f ü r die Segensverheißung an Abraham. Diese vermutlich älteste Tradition vom Heil der Völker habe J (in der Zeit des Großreiches Davids) möglicherweise aufgrund eines Rückgriffs auf die Theologie des Heiligtums gebildet oder sogar »direkt ein dort f o r m u liertes Kultwort" verwendet (ebd. 30). Zwar werde diese Tradition im Weiteren kaum je übernommen; doch bleibe seine Auffassung vom Heil der Völker, die ja an die .Heilige Stadt' geknüpft sei, erhalten und werde in der exilischen und nachexilischen Prophetie in anderen Formulierungen wieder lebendig (ebd. 31). Die Annahme einer solchen oder ähnlichen traditionsgeschichtlichen Entwicklung bleibt zwar hypothetisch. Doch daß eine Verbindung zwischen Gen 12,3 und den an Zion und an die Königsvorstellung gebundenen Traditionen vom Heil f ü r die Völker gesehen werden konnte, zeigt ^ 71,17 deutlich genug.

Verheißungsinhalte: Segnendes Handeln Gottes

211

(b) Beistand und Hilfe: Auch die Zusage von Beistand und Hilfe (insisesondere in Form der sogenannten Beistandsformel) findet sich im Alten Testament in vielen Zusammenhängen. Dabei kann ihre nähere inhaltliche Füllung recht verschieden sein. In den Väterverheißungen, wo sie „für den Jakob-EsauKreis charakteristisch" ist^^", ist sie mehrfach verbunden mit der Zusage von Segen. Als Bestandteil von Berafungsberichten kann sie dagegen in der Nähe von Zusagen der Rettung stehen'®^. Sie findet sich darüber hinaus aber auch in verschiedenen anderen Zusammenhängen, so im prophetischen Heilsorakel und in der Zionstheologie'®®. In den frühjüdischen Texten wird diese Zusage von Beistand und Hilfe bei der Schilderung der alttestamentìichen Überlieferung mehrfach ausdrücklich als Verheißung bezeichnet. So berichtet Philo, daß Gott Moses Beistand in allen Dingen verheißt und daß Moses selbst v^ederum dem Volk meldet, Gott verheiße ihnen, Führer auf dem Weg in ein besseres Land zu sein'®^. Josephus berichtet davon, daß die Israeliten auf ihrem Weg durch die Wüste an Gottes Beistand zweifeln ,als ob Gott nicht mit Werken, sondern allein mit Worten Hilfe verspreche'. Er nimmt aber auch die Beistandsverheißung der Vätererzählungen auf, indem er Isaak im Gebet Gott daran erinnern läßt, daß er seinen Nachkommen gnädigen Beistand verheißen habe^^. In MekhY п'рша 2 (185) wird gefragt nach dem Verhältnis der Beistandsverheißung in Gen 28,15 und der Feststellung in Gen 32,8, daß Jakob sich fürchtete^^'. (c) Gutes und Güter'^": Der Anwendungsbereich der Wortgruppe ,gut' (ma) mit ihren Derivaten ist im Alten Testament - wie wohl in vielen Sprachen - sehr weit^^'. Vor allem in jüngeren Texten und hier ,in der Einleitungsformel des liturgischen Lobpreises" wird Gott selbst З1и genannt. Als der Gute wendet er sich den Menschen zu, um ihnen gut zu sein. Das Gute, das er veranlaßt, hat häufig die Bedeutung .Segen' oder .Heil'i''^. Es ist begründet in seiner ,Güte', wie nicht zuletzt der wiederholte Zusammenhang der Begriffe 31B und поп zeigt. Jahwe kann aber auch zum Unheil statt zum Guten handeln.

Westermann, Genesis 12-36 555; vgl. Gen 26,3.24 (in Verbindung mit der Z u sage von Segen); 28,15; 31,3; 46,3f. "" Vgl. Ex 3,12; Jos 1,9; Ri 6,16 (als Zusage des Sieges gegen die Midianiter; vgl. auch Dtn 20,1); Jer 1,8 (zusammen mit der Zusage der Rettung). Von Rettung in G e fahr handelt auch die Gewißheit der Begleitung auf dem Weg in 22,4. Vgl. Jes 41,10; Ϋ 47,8.12. ·2. Die hier vorfindliche absolute Form ist dabei ungevvobnlich·*". Beides führt dazu, daß auch bei diesem Begriff mehrere Deutungen möglich erscheinen. Aufgrund des näheren Kontextes (8,17f21; 9,23; vgl. auch 2,7.10) könnte man δόξα hier als (eschatologische) Heilsgabe verstehen''^''. Jedoch bleibt dann zu fragen, inwiefern Israel diese Gabe bereits hat, bzw. warm und wo sie ihr zugesagt ist''^·''. Antwortet man darauf, die Menschen würden verherriicht durch die Teilhabe an der Herrlichkeit des unter ihnen anwesenden Gottes'*'®, so ergibt sich schon von dort her fast zwangsläufig der Übergang zu einer weiteren, im Kontext der Kette auch näherliegenden Deutung. Gottes δόξα ist seine sich offenbarende Erscheinung unter den Menschen „als Anweisung und Zuspruch zugleich, immer freilich erst als Verheißung""'^. Aufgrund des Zusammenhangs mit der Sohnschaft (und damit dem Exodus) liegt es dabei nahe, zunächst an Gottes leitende Gegenwart in Wolke und Feuersäule zu denken'"^. Nach Rom 8,14f hat bei den Christen der Geist (der wohl nicht zufällig häufig mit ähnlichen Naturphänomenen in Verbindung gebracht wird) eine vergleichbare Funktion·*". Zeigt dies eine Art zugrunde liegenden typologischen Rückbezug auf das Exodusgeschehen an, so findet solche Deutung eine zumindest ungefähre Parallele in 2Kor 3. Dort stehen sich die δόξα, die vergeht und die δόξα, die bleibt, weil sie die Herrlichkeit des Herrn widerspiegelt, antitypisch gegenüber. Dabei wird nicht bestritten, daß von Moses δόξα ausging - nur eben: sie hatte keinen Bestand. Über die Exoduserzählung hinaus wird die δόξα Gottes in der Schrift insbesondere als seine Gegenwart im Tempel verstanden. Auch das mag an dieser Stelle mitspielen''^", insbesondere wenn man das die Aussage regierende Präsens ernst nimmt, und wenn man das korrespondierende Glied λατρεία auch auf den Tempelgottesdienst bezieht (was naheliegt). Dies würde eine bemerkenswerte Einschätzung des Tempels und seines Kultes beinhalten. Es ist zumindest nicht auszuschließen, daß Paulus den Tempel in

V g l . s c h o n Schlier, D o x a und z u l e t z t a u s f ü h r l i c h N e w m a n , G l o r y - C h r i s t o l o g y 228f. ""

V g l . N e w m a n , G l o r y - C h r i s t o l o g y 193. V g l . Piper, J u s t i f i c a t i o n 18f. "" Piper, J u s t i f i c a t i o n 18 sagt d a z u nur a l l g e m e i n , d a ß δόξα ( w i e a u c h υιοθεσία) . l o o k to the f u t u r e with roots in the past". "" V g l . 2Kor 3,18. "" Schlier, D o x a 311; vgl. a u c h N e w m a n , G l o r y - C h r i s t o l o g y 193 ( . P a u l is here g e n e r i c a l l y r e f e r r i n g to any t h e o p h a n y of G o d as a r e v e l a t i o n of 5όξα"; er v e r w e i s t auf A p g 7,2 als B e l e g d a f ü r , d a ß die C h r i s t e n h e i t j e d e T h e o p h a n i e G o t t e s als E r s c h e i n u n g s e i n e r δόξα b e z e i c h n e n k o n n t e ) und s c h o n W e i s s , R ö m e r 395 ( . d i e s y m b o l i s c h s i c h t b a r e G e g e n w a r t Gottes"). V g l . Berger, A b r a h a m 78; L ü b k i n g , P a u l u s 54 und d i e m e i s t e n K o m m e n t a r e . S.o. S.421; O s t e n - S a c k e n , G r u n d z ü g e 6 0 v e r w e i s t in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g a l l g e m e i n auf die N ä h e der B e g r i f f e δόξα und πνεύμα. V g l . Berger, A b r a h a m 78.

424

IV.C. Römerbrief

selbstverständlicher Weise als etwas Positives sehen konnte'*^^. Die metaphorische Deutung des Tempels in anderen Briefen des Apostels (die in sich durchaus nicht einheitlich ist, vgl. IKor 3,16ff; 6,19; 2Kor 6,16) muß dem nicht unbedingt widersprechen. An diesen Stellen könnte wiederum eine überbietende Typologie zugrunde liegen (vgl. schon δόξα in 2Kor 3), ist es doch dort jeweils der Geist, in dem Gott selbst gegenwärtig ist und der so die, unter denen er wohnt, zum Tempel Gottes macht. Λατρεία bezeichnet in der LXX die „kultische Verehrang'"'^^ Sie kann über den engeren Bereich des Opferkultes hinaus auch ganz allgemein „ein Ausdruck der inneren Haltung, der treuen Ergebenheit gegen Jahwe,... der Lebensführung'"*^ sein (vgl. Dtn 10,12ff). Im NT setzt sich dieser allgemeine Sinn fort „wonach es alles einbegreift, worin die Verehrung Gottes sich betätigt'"'^'· (vgl. auch Rom 12,1). Von daher wird man auch in Rom 9,4 nicht allein an den Opferkult im engeren Sinne, sondern darüber hinaus auch an den nicht-kultischen .Gottes-dienst' etwa der Synagoge oder auch des Einzelnen im Gebet denken können. In jedem Fall handelt es sich um das auf Gottes Gabe und Gegenwart antwortende, angemessene Verhalten des Menschen. Die kunstvolle Gliederung der Kette bringt es mit sich, daß man über die Beziehungen der drei Paare zueinander jeweils auch Beziehungen zwischen den Gliedern einer Ebene (Gottes Gabe bzw. Antwort des Menschen) herstellen kann. So entspricht die Abfolge νομοθεσία - λατρεία (wie schon auf der anderen Ebene die Abfolge υιοθεσία - δόξα) in auffallender Weise der Abfolge der Erzählung im Buch Exodus. Dort folgen auf die Gabe der 10 Gebote (Ex 20,1-21) das Altargesetz (Ex 20Д2-26) und ebenso dann auf die gesetzlichen Bestimmungen im Bundesbuch (Ex 21-23) die kultischen Bestimmungen im sogenannten Heiligkeitsgesetz (Ex 25-31). So läßt sich die Kette zumindest in ihren ersten zwei Paaren gut auf das für Israel zentrale Exodusgeschehen deuten, auch wenn die allgemeinen Formulierungen es mit sich bringen, daß die Deutung sicherlich nicht darauf beschränkt bleiben muß. Dies bestätigt das folgende dritte Paar, das schon durch seine Pluralform einen summarischen Charakter hat.

™ D i e B e r i c h t e der A p g w e i s e n z.T. in d i e s e R i c h t u n g . M a n kann a u c h f r a g e n , ob d i e B e d e u t u n g der J e r u s a l e m e r U r g e m e i n d e für P a u l u s e b e n a u c h mit d e m Ort, an d e m s i e lebt u n d a l s o mit d e m Z i o n u n d dem T e m p e l zu tun hat (vgl. O s t e n - S a c k e n , G r u n d z ü g e 58). D i e im G e f o l g e der Z e r s t ö r u n g d e s ersten T e m p e l s e n t s t a n d e n e p r o p h e t i s c h e Ü b e r z e u g u n g , d a ß Gott im T e m p e l nicht m e h r präsent ist (vgl. z.B. E z 12,22 u n d O s t e n - S a c k e n , G r u n d z ü g e 50), kann an d i e s e r S t e l l e kein d u r c h s c h l a g e n d e s G e g e n a r g u m e n t sein. L e t z t l i c h w i s s e n wir j e d o c h k a u m e t w a s über die t a t s ä c h l i c h e E i n s t e l l u n g d e s P a u l u s z u m T e m p e l k u l t . E i n w e s e n t l i c h e s Indiz für e i n e g r u n d s ä t z l i c h positiv g e b l i e b e n e E i n s t e l l u n g bleibt d a s V o r k o m m e n v o n λ α τ ρ ε ί α in d i e s e r A u f z ä h l u n g von Israel g e g e b e n e n G ü t e r n . Strathmann, T h W N T IV 61. E b d . 60. "" Ebd. 63.

R o m 9,4 - V e r f ü g u n g e n und V e r h e i ß u n g e n

425

(3) Verfügungen und Verheißungen Διαθηκαν. die Tatsache, daß die Pluralform textkritisch umstritten isf*^, zeigt eine sachliche Schwierigkeit bei der Deutung an, die offenbar schon sehr früh gesehen wurde. Für Gottes Bund mit Israel wird sowohl in der hebräischen Bibel als auch in der LXX und in den übrigen frühjüdischen Schriften fast ausschließlich die Singularform verwandt. Die Pluralform dagegen hat ein etwas weiteres Bedeutungsspektrum'*^®. Häufig bezeichnet sie Verfügungen und A n ordnungen Gottes. Sie gehört damit in das semantische Umfeld z.B. von εντολή und weiteren verwandten Begriffen. Sie kann aber auch parallel zu όρκος (bzw. ε π α γ γ ε λ ί α ) Gottes einseitige Zusage bezeichnen. Deshalb wäre es „falsch, ,diathekai' hier nur auf Noah-, Abrahams-, Sinai- und Davidbund zu beziehen, wie das in der Literatur häufig geschieht"'*^^. Eine wichtige Rolle spielt an dieser Stelle aber auch der paulinische Gebrauch. Paulus spricht auch in Gal 4 und 2Kor 3 im Plural von διαθήκαι. Dort stehen sich aber jeweils der alte und der eschatologische neue Bund gegenüber. Zudem war in Gal 3,16ff deutlich erkennbar, daß Paulus διαθήκη möglichst durch έ π α γ γ ε λ ί α ersetzf^. Immer wieder wird auch zu Recht auf das Vorkommen von διαθήκη im Schriftwort Röm 11,27 hingewiesen''^'. An dieser Stelle ist ebenfalls in gewisser Weise von einem eschatologischen Bund die Rede. Schon im Alten Testament wurde solcher eschatologische Bund jedoch letztlich nicht als Setzung eines völlig neuen Bundes, sondern als Zusage der Erneuerung des einen Bundes Gottes verstanden''·^''. All dies spricht nicht dafür, daß Paulus in Röm 9,4 - entgegen der Traditionsge-

"" Die P l u r a l f o r m ist o f f e n s i c h t l i c h parallel zu έ π α γ γ ε λ ί α ι gebildet, aber als lectio difficilior sicherlich v o r z u z i e h e n . Z u r Textkritik vgl. z.B. R o e t z e l , Διαθήκαι 387; Wilckens, R ö m e r 2 188 A n m . 827. Dieser von Roetzel, Διαθήκαι in einer a u s f ü h r l i c h e n und d i f f e r e n z i e r t e n A n a lyse der T r a d i t i o n s g e s c h i c h t e ü b e r z e u g e n d a u f g e w i e s e n e U n t e r s c h i e d zwischen Sing u l a r - und P l u r a l f o r m wird von vielen A u s l e g e r n v e r n a c h l ä s s i g t . "" Rese, V o r z ü g e 216 mit V e r w e i s auf Roetzel, Διαθήκαι. V e r t r e t e r einer solchen Z u o r d n u n g ist z.B. Berger, A b r a h a m 78, der mit V e r w e i s auf Sir 44,12.18; 2Makk 8,15; Weish 18,22 hier die Bundesschlüsse mit den E r z v ä t e r n z u s a m m e n g e f a ß t sieht (zur I d e n t i f i z i e r u n g der V ä t e r an diesen Stellen vgl. a b e r oben Anm.372). N a c h Barrett, A d a m 23 weist der A u s d r u c k auf die drei F o r m e n des B u n d e s s c h l u ß e s mit Moses: am H o r e b , in der E b e n e M o a b und bei den Bergen G a r i z i m und Ebal (vgl. die e n t s p r e c h e n d e - bei Billerbeck 3 263 r e f e r i e r t e - T r a d i t i o n aus M e k h Y ; sie wird auch a n g e f ü h r t von Bartsch, R o m . 9,5 404 A n m . 4). Er erwägt d a n e b e n aber auch einen Bezug zum Bund mit N o a h (vgl. Sir 44,18; Kutsch, T R E 7 408 schließt solchen Bezug auf N o a h aus). C r a n f i e l d , R o m a n s 2 461 denkt d a r ü b e r h i n a u s auch an eine E i n b e z i e h u n g des B u n d e s Gottes mit David und Ponsot, I n t r o d u c t i o n 150 zieht diese Linie noch weiter aus zur „l'alliance en Christ". ™ Das belegt auch das insgesamt ü b e r r a s c h e n d seltene V o r k o m m e n von διαθήκη bei P a u l u s g e g e n ü b e r dem recht h ä u f i g e n έ π α γ γ ε λ ί α κτλ; vgl. z u d e m die E r s e t z u n g von διαθήκη d u r c h δικαιοσύνη τής πίστεως in der W e n d u n g Röm 4,11 (s.o. S.385). Vgl. H o f i u s , E v a n g e l i u m 306 A n m . 34; Piper, J u s t i f i c a t i o n 20 (.it would be wholly a r b i t r a r y to e x c l u d e f r o m Paul's m e a n i n g the only other c o v e n a n t m e n t i o n e d in R o m a n s , namely, Rom ll:26f"). ™ Z u r B e d e u t u n g dieses a l t t e s t a m e n t l i c h e n B e f u n d e s (vgl. dazu z.B. Levin, V e r h e i ß u n g Kapitel VI.3 ,Der n e u e als der e r n e u e r t e Bund') f ü r das V e r s t ä n d n i s von Röm 11,27 vgl. M u ß n e r , G e s c h l e c h t 39-49.

426

IV.C. Römerbrief

schichte und entgegen seinem sonstigen Gebrauch - διαθήκαι als Bezeichnung einer Abfolge mehrerer Bundesschlüsse in der Schrift verwendet''-^^ Es bleiben zwei Deutungsmöglichkeiten für den Plural. Man kann ihn (als drittes Glied der Reihe) sachlich der Ebene der von Gott aufgewiesenen menschlichen Antwort zuweisen und ganz allgemein auf Anordnungen und Gebote beziehen''^^. Dann fände auch sachlich die formale Gliederung in 2x3 Glieder ihre Entsprechung^'^. Man kann den Plural aber auch als mit dem korrespondierenden έπαγγελίαι synonymen Ausdruck für Gottes Zusagen und Verheißungen verstehen''^''. Es ist an dieser Stelle wohl nicht möglich, über das Urteil hinauszukommen, daß Paulus hier allgemein „Bundeszusagen und Bundesverfügungen im umfassenden Sinn"'''^ meint. Damit wird allerdings eine Entscheidung darüber, ob der Begriff hier mit νομοθεσία und λατρεία oder eher mit υιοθεσία, δόξα und έπαγγελίαι auf eine Ebene gehört, letztlich offengelassen. Έπαγγελίαι: Auch bei der Pluralform .Verheißungen' ist nicht mit letzter Sicherheit zu sagen, woran im Einzelnen gedacht werden darf. In der Liste bildet sie mit deutlichem Achtergewicht das letzte Glied und hat damit wohl zugleich einen zusammenfassenden Charakter''^®. Dennoch erscheint eine genauere

Man könnte sogar erwägen, ob Paulus nicht διαθήκη in Rom 11,27, das ja Bestandteil des Schriftwortes ist, in einer eigenen Formulierung eher mit έπαγγελία wiedergegeben hätte (vgl. das allgemeine χαρίσματα in 11,29). Solches Verständnis entspricht auch dem Gebrauch in einer Reihe von rabbinischen Belegen (vgl. Billerbeck 3 262). Zudem würde sich so hier in der sachlichen Vorordnung der έ π α γ γ ε λ ί α ι (als der wesentlichen Heilsgaben Gottes) vor den διαθήκαι (als solcher Gaben, die den Menschen eine angemessene Antwort auf die έ π α γ γ ε λ ί α ι ermöglichen) die Ersetzung einer .Bundestheologie' durch eine .Verheißungstheologie' fortsetzen, wie sie schon in Gal 3 (und Rom 4.9-12) zu beobachten war. Will man die oben begonnene Deutung vor dem Hintergrund der Abfolge der Gesetzeskorpora in Ex weiter ausziehen, dann könnten mit διαθήκαι ganz allgemein alle auf Bundesbuch und Heiligkeitsgesetz noch folgenden Anordnungen in Lev und darüber hinaus gemeint sein. Eine deutliche formale und sachliche Analogie hat der so verstandene Dreiklang in einem Spruch des Rabbis Schimon des Gerechten (Aboth 1.2. zitiert nach Billerbeck 3 262): ,Scbim^on der Gerechte ... pflegte zu sagen: Auf drei Dingen steht die Welt: auf der Tora, auf dem Tempeldienst... u. auf der Erweisung von Liebestaten." Hier entsprechen die ersten beiden Glieder der νομοθεσία und der λατρεία bei Paulus und das dritte Glied läßt zumindest an Lev 19.18 denken. """ Dies entspricht etwa dem durch den Genitiv υποσχέσεων näher bestimmten Plural συνθήκας in Weish 12.21 (vgl. auch die ähnliche Konstruktion in Eph 2.12). Mußner. Traktat 46; vgl. auch Rese, Vorzüge 216 Anm. 32 (mit Verweis auf Roetzel, Διαθήκαι); Lübking, Paulus 54. Piper, J u s t i f i c a t i o n 19: „Paul's term .covenants' in Rom 9:4b is open-ended. It does not limit itself to any group of covenants". Ein Ausdruck dieser Offenheit - und Verlegenheit - der Auslegung ist auch die Feststellung von Osten-Sacken, Grundzüge 51, daß „vielleicht mehr als alle anderen Begriffe ... der der Bundesschlüsse in den übrigen der Reihe Röm 9,4f· mitschwingt. Von daher werden die έ π α γ γ ε λ ί α ι hier nicht ganz zu unrecht in eine Linie mit den λόγια θεοϋ von 3.2 gestellt (vgl. z.B. Berger. Abraham 78 Anm.75; Rese, Vorzüge 217). Allerdings spricht manches dafür, daß das λόγια dort der allgemeinere und übergeordnete Begriff ist, der beide in Röm 9,4 entfalteten Ebenen (Verheißung und Geheiß) in sich schließt (vgl. schon oben Anm.66).

R o m 9,4 - V e r f ü g u n g e n und V e r h e i ß u n g e n

427

Entfaltung vom Kontext her nicht unmöglich''^''. Ins Auge fällt sicherlich die Aufnahme des Begriffs in 9,8f. Zunächst sollte jedoch der direkt folgende V5 ausgewertet werden. Dort sind mit den Vätern und dem Christus ja Menschen genannt, mit denen und durch die Gott gehandelt hat mit Blick auf Israel. Die Väter sind Empfänger der Verheißungen. Damit sind unter die έ π α γ γ ε λ ί α ι auf jeden Fall die Zusagen an die Erzväter zu rechnen (vgl. Rom 4; ^Sf)"'®. Da jedoch nicht genau festgelegt werden kann, ob mit πατέρες allein die Erzväter im Blick des Paulus sind"*^', sind auch weitere Zusagen nicht von vornherein auszuschließen. Zudem kann sich der Leser bei der Nennung des Christus an die grundsätzliche Aussage des Paulus in Rom 1Д erinnern, wo Paulus feststellt, sein Evangelium von Jesus Christus sei durch die Propheten vorheTverheißen. Von daher liegt es nahe, unter die έ π α γ γ ε λ ί α ι auch solche prophetischen Heilsansagen zu zählen, die Paulus im weiteren Veriauf von Rom 9-11 anführt (vgl. insbesondere Man sollte dann allerdings nicht zu allgemein nur auf .messianische Verheißungen' verweisen·*^', weil dies eine christologische K o n zentration der Verheißungen bedeutet, die dem paulinischen Argumentationsgang nicht entspricht. Mehr Gewicht als auf christologische Schriftnachweise legt der Apostel im Römerbrief ja darauf, daß gerade auch sein Evangelium für die Heiden bereits vorherverheißen ist'^'*^. Zum Abschluß ist nach dem Gesamtcharakter der Liste zu fragen. Solche Rückfrage verbindet sich mitunter mit der Suche nach den Kriterien, nach denen hier einzelne Elemente aufgenommen wurden und andere nicht. Insbesondere das Fehlen der Land-'·^^ und Nachkommenschaftsverheißung und auch des Tempels wird herausgestellt"^. Diese Auswahl und mehr noch die damit verbundene Betonung, daß Paulus keine partikularen, sondern nur universale Heilsgüter nenne, trägt allerdings einen Gegensatz an die Liste heran, der "" G e g e n Piper, J u s t i f i c a t i o n 24, der e i n e g e n a u e r e S p e z i f i z i e r u n g a b l e h n t . "" A u f d i e s e D e u t u n g b e s c h r ä n k e n sich die m e i s t e n A u s l e g e r ( v g l . C e r f a u x , Priv i l è g e 352; D r e y f u s , P a s s é 138; L ü b k i n g , P a u l u s 55; Bartsch, R o m . 9,5 404, v e r w e i s t a l l g e m e i n auf R o m 4 zurück; W i l l i a m s , R i g h t e o u s n e s s 286 will die D e u t u n g sogar a l l e i n auf A b r a h a m b e s c h r ä n k e n ; ihm f o l g t Z i e s l e r , R o m a n s 238). S.o. S.415. A u c h Piper, J u s t i f i c a t i o n 2 4 betont, daß p r o p h e t i s c h e V e r h e i ß u n g e n hier mit e i n g e s c h l o s s e n s e i n k ö n n e n (u.a. mit V e r w e i s auf 2Kor 1,20; 7,1; vgl. a u c h C r a n f i e l d , R o m a n s 464). ·"' So e t w a W e i s s , R ö m e r 395; K ä s e m a n n , R ö m e r 249. V g l . s c h o n 3,29; 4 , 9 - 1 2 . 1 3 - 2 2 und dann e b e n s o 9,25f; 10,19f; 15,9-12. Es wird sich z e i g e n , d a ß a u c h in R o m 15,8 der Plural έ π α γ γ ε λ ί α ι . nicht nur auf die E r z v ä t e r v e r h e i ß u n g e n zu b e s c h r ä n k e n ist, s o n d e r n auch d i e H e i l s w o r t e mit u m s c h l i e ß t , die die H e i d e n b e t r e f f e n (s.u. S.472). Wirth, B e d e u t u n g 316 b e h a u p t e t a l l e r d i n g s ( o h n e g e n a u e r e B e g r ü n d u n g ) , d a ß in R o m 9,4 . d i e V e r h e i ß u n g des L a n d e s und die G a b e des L a n d e s e i n g e s c h l o s s e n * s e i e n . N a c h O s t e n - S a c k e n , G r u n d z ü g e 58 d ü r f t e sie ,in den B e g r i f f e n dialbëkai oder epangeliai mit e n t h a l t e n s e i n ' ( H e r v o r h e b u n g e n im Zitat); ä h n l i c h Byrne, Sons 84 A n m . 18. V g l . Siegert, A r g u m e n t a t i o n 122; S c h m i t h a l s , R ö m e r b r i e f 334.

428

IV.C. Römerbrief

der Argumentation in ihrem Kontext und ihrer Abzweckung nicht gerecht wird. Zum einen klingt aus Rom 4 noch die paulinische Aufnahme von L a n d - und Nachkommenschaftsverheißung in den έ π α γ γ ε λ ί α ι deutlich mit an. Zum anderen ist nirgends erkennbar, daß in der Auseinandersetzung zwischen Paulus und seinen Opponenten diese sogenannten partikularen Heilsgüter je umstritten w a ren. Warum sollte er sie also bewußt w e g l a s s e n M a n wird zwar nicht grundsätzlich bestreiten, daß traditionsbewußte Juden'*'·® noch andere Heilsgüter genannt hätten. Als mögliches Beispiel kann die viergliedrige Wendung 2Makk 2,17 dienen, die offensichtlich im Anschluß an Ex 19,6 gebildet isf"''. Doch diese Stelle bleibt m.W. das einzige Beispiel einer vergleichbaren .traditionsbewußten' Auflistung'*'*®. Andere Stellen haben dagegen eher einen vergleichbaren .universalen' Charakter"*"'. So wäre erst noch zu präzisieren, welche Kreise, die in irgendeiner Weise die Mission des Paulus tangieren konnten, als solche ,traditionsbewußten' (und damit ist dann ja gemeint: partikular und exklusiv-nationalistisch ausgerichteten) Juden anzusprechen wären. Auch andere Elemente wurden in der Liste vermißt. Während das Fehlen der Schrift*^" kaum verwunderlich erscheint, weil es auf eine andere Ebene gehört (für die genannten Elemente lassen sich eben Stellen aus der Schrift anführen), ist das Fehlen der Erwählung'*·''^ im Blick auf 9,6-13 schon bemerkenswert (auch wenn eine solche Liste nicht alles enthalten kann). Man könnte sagen, daß sie in Elementen wie υιοθεσία und δόξα sachlich enthalten ist. Ein Grand für ihr Fehlen könnte sein, daß έ κ - λ ο γ ή als ein Herausrafen aus einer größeren Menge (und also hier die Unterscheidung zwischen Juden und Heiden) an dieser Stelle in den Augen des Paulus einen falschen Akzent gesetzt hätte. Nicht möglich ist es dagegen, die Rede von der Erwählung bei Paulus (mit Verweis auf IKor l,27f; Rom 8,33) nur auf die Christen oder (mit Verweis auf 11,7) auf die Judenchristen zu beschränken'*^^. Denn nach 11,28 ist ganz Israel erwählt und geliebt um der

Siegert, A r g u m e n t a t i o n 244 spricht v o n „verengender A u s w a h l " . Der A u s d r u c k stammt v o n S c h m i t h a l s , R ö m e r b r i e f 333. *''' Z u r A u s l e g u n g s.o. S.79[. A u c h hier d e c k e n im ü b r i g e n die G l i e d e r L a n d , K ö n i g s h e r r s c h a f t , P r i e s t e r s c h a f t u n d H e i l i g u n g die E b e n e n v o n G o t t e s G a b e u n d m e n s c h l i c h e r A n t w o r t ab. D i e e i n z e l n e n G l i e d e r s t e h e n a l l e r d i n g s nicht in s o e n g e r w e c h s e l s e i t i g e r B e z i e h u n g w i e in R o m 9,4. C e r f a u x , T h é o l o g i e 15 A n m . 2 zählt z w a r i n s g e s a m t über 20 S t e l l e n aus d e m A l t e n T e s t a m e n t und d e n f r ü h j ü d i s c h e n S c h r i f t e n a u f . D i e s e sind aber w e d e r f o r m a l n o c h i n h a l t l i c h an d i e s e m Punkt w e i t e r f ü h r e n d . «« V g l . z.B. A b o t h 1,2 (s.o. A n m . 4 3 3 ) und A b o t h 3,4 (s.o. S.418). H ü b n e r , Ich 19 hält d i e s e s F e h l e n für „bezeichnend". V g l . H ü b n e r , Ich 20 A n m . 24. A u c h n a c h A l e t t i , D i e u 177f wird d i e E r w ä h l u n g in 9,4 nicht e i n f a c h d e s h a l b nicht e r w ä h n t , w e i l die Israeliten nicht m e h r e r w ä h l t sind u n d a u c h ' n i c h t , w e i l sie nie a l l e (mit A u s n a h m e e i n e s R e s t e s ) e r w ä h l t w a r e n . V i e l m e h r w e r d e E r w ä h l u n g im w e i t e r e n A r g u m e n t a t i o n s g a n g für d i e T o t a l i t ä t d e s H e i l s w i l l e n s G o t t e s g e b r a u c h t . A l l e r d i n g s darf man m.E. d i e s e E r w ä g u n g nicht ü b e r s t r a p a z i e r e n , da die V e r h e i ß u n g , d i e ja unter den H e i l s g a b e n Israels e r s c h e i n t , in 9 , 6 - 1 3 in einer g a n z ä h n l i c h e n F u n k tion w i e E r w ä h l u n g g e b r a u c h t wird.

R o m 9,4 - V e r f ü g u n g e n und V e r h e i ß u n g e n

429

Väter willen. Von dieser Stelle (und von 9,12a, das an Gottes schöpferischen Ruf in 4,17 erinnert) her zeigt sich, daß die Kategorie der Erwählung in Rom 9,6-13 zur Begründung für die Gaben dient, also auf einer anderen theologischen Reflexionsstufe steht und deshalb nicht in die Liste 9,4 hineinpaßt. Das zeigt sich auch schon sprachlich daran, daß Erwählung inhaltlich nicht für sich stehen kann, sondern einen dazugehörigen Inhalt bzw. die Angabe eines Ziels braucht. Im Blick auf den näheren Kontext (in Kap. 8) und auch auf die paulinische Theologie bemerkenswerter erscheint dagegen schon, daß das πνεύμα hier nicht unter den Israel von Gott verliehenen Gaben erscheint. Aufgrund von Gal 3,14 wird man es unter den Verheißungen subsumiert denken können. Aber für Paulus ist der Geist offenbar in erster Linie Gabe und Kennzeichen der eschatologischen Zeit, von der die Israeliten zumindest in ihrer Mehrzahl (noch) getrennt sind''-''·^. Die so sorgfältig gestaltete Liste wurde wiederholt für eine von Paulus aus dem hellenistischen Judentum übernommene Tradition gehalten"·'"'. Die Auslegung hat jedoch (wie schon bei Rom 1Д) ergeben, daß eine ganze Reihe sprachlicher, sachlicher, kontextueller und traditionsgeschichtlicher Gründe es fast sicher erscheinen läßt, daß es sich um eine genuin paulinische Bildung handelt'*·'''. So findet sich υιοθεσία nicht in der LXX und im Neuen Testament nur bei Paulus. Ebenso hat das letzte Glied der Kette auch sonst im Römerbrief (sowie schon im Gal) bei Paulus eine wesentliche Funktion. Hinzu kommt, daß die dargelegte Struktur der Liste formale Parallelen im Römerbrief hat und zugleich den Fortgang der Argumentation in Rom 9-10 in wichtigen Momenten widerspiegelt. Zu diesen positiven Argumenten für eine paulinische Bildung kommt als Argument gegen die Vermutung der Übernahme einer Tradition, daß uns im jüdischen Schrifttum keine wirklich vergleichbare Liste überliefert ist.Wiederum ist damit nicht aus- sondern eingeschlossen, daß die Inhalte, die Paulus mit dieser Liste a n spricht, insofern .traditionell' sind, als sie Grundüberzeugungen ansprechen, die Paulus mit anderen frühjüdischen und frühchristlichen Grupjjen teilt.

A u c h die z u s a m m e n f a s s e n d e B e z e i c h n u n g χ α ρ ί σ μ α τ α in 11,29 wird man nicht als e i n e n A n h a l t s p u n k t für die . G e g e n w a r t des G e i s t e s im j ü d i s c h e n Volk" ( O s t e n S a c k e n , G r u n d z ü g e 60) d e u t e n k ö n n e n . C h a r i s m e n sind dem W o r t s i n n n a c h ja g a n z a l l g e m e i n a l l e i n in G o t t e s G n a d e b e g r ü n d e t e G a b e n . Es gibt nun aber k e i n e n A n h a l t s p u n k t d a f ü r , d a ß P a u l u s d i e s e auch im j ü d i s c h e n V o l k als W i r k u n g e n des G e i stes versteht. Der g a n z a n d e r e Charakter der G a b e n in R o m 9,4 und in I K o r 12 spricht e h e r g e g e n e i n e s o l c h e A n n a h m e . Schon bei den έ π α γ γ ε λ ί α ι kann e i g e n t l i c h nur Gott selbst und direkt als Subjekt und also als G e b e r g e d a c h t w e r d e n . W e n n P a u l u s d e n n o c h a u c h von e i n e m W i r k e n des G e i s t e s s c h o n in Israel reden kann (vgl. I K o r 10 und Gal 4,29), dann ist zu b e a c h t e n , d a ß d i e s an b e i d e n S t e l l e n a l l e i n in p a r ä n e t i s c h e n Z u s a m m e n h ä n g e n und im K o n t e x t von t y p o l o g i s c h e n A u s l e g u n g e n g e s c h i e h t , die v o n der H e i l s g e g e n w a r t her e n t w o r f e n sind. "" V g l . M i c h e l , R ö m e r 296; Byrne, Sons 83; Bartsch, R o m . 9,5 404; Z e l l e r , J u d e n 85; B i n d e m a n n , T h e o l o g i e 223. A n d e r s als bei R ö m 1,2 ist das auch m i t t l e r w e i l e von v i e l e n A u s l e g e r n b e t o n t w o r d e n ; vgl. Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 270 A n m . 13; Piper, J u s t i f i c a t i o n 7; L ü b k i n g , P a u l u s 182f A n m . 287; Scott, A d o p t i o n 148 A n m . 96; R ä i s ä n e n , R ö m e r 9 - 1 1 2896; Z e l l e r , R ö m e r 173.

430

IV.C. Römerbrief

Exkurs: Vorzüge Israels? Die zur Erläuterung von Ίσραηλίται in 9,4 aufgezählten Kennzeichen werden meist .Vorzüge', .Privilegien' oder .Heilsprärogativen' Israels genannt. Damit wird sachlich das περισσόν von 3,lf aufgenommen. Das steht dort parallel zu der Frage nach dem .Nutzen' der Beschneidung. Die Doppelfrage nimmt Bezug auf die von Paulus bereits in 2,17ff25ff kritisierte Selbsteinschätzung des (im Stil der Diatribe angesprochenen) jüdischen Gesprächspartners. Ihre erneute Aufnahme und entgegengesetzte Beantwortung in 3,9 (wie auch der kategorische Ausschluß jeden Ruhms in 3,27) bestätigt, daß bei dem περισσόν ein kritischer (oder sogar ironischer) Unterton mitschwingt. Vor diesem Hintergrand ist es wohl kaum zufällig, daß in 9,4f die Kategorie .Vorzug' gerade nicht mehr vorkommt. Dazu paßt auch der Wechsel der Kennzeichnung der .Brüder nach dem Fleisch'. Sie werden in Rom 9-11 eben nicht mehr Juden, sondern Israeliten genannt, Angehörige des von Gott erwählten Volkes. Von Gott her kommen ihnen die aufgezählten Gaben zu. Doch das begründet an dieser Stelle (anders als in 3,1) keinen .Vorzug' mehr gegenüber den Heiden (und wem gegenüber sonst sollte Israel einen .Vorzug' haben?). Vielmehr ist ernstzunehmen, daß Paulus zumindest manche der aufgezählten Gaben bereits zuvor auch für die Heiden reklamiert haf^^ und es ihm im Römerbrief gerade darum geht aufzuzeigen, daß bereits die Israel anvertrauten Worte Gottes (das Gesetz und die Propheten) auf das ihm aufgetragene Evangelium vom Heil für alle (auch für die Heiden) zielt. Unterschieden von anderen ist Israel allein dadurch, daß es Israel ist. Dies als .Vorzug' zu bezeichnen, wird jedoch auch der besonderen Stellung Israels, wie Paulus sie in Kap. 11 im Ölbaumgleichnis entfahet, nicht gerecht. Allenfalls in dem in 1,16 betonten (und in 2,29 wiederholten) zeitHchen πρώτον der Juden kann ein ,Vor-zug' gesehen werden. Aber auch hier darf die sich durch den Brief ziehende dialektische Umkehrung dieser zeitlichen Abfolge nicht aus dem Blick geraten. Von daher trifft m.E. die Bezeichnung von 9,4f als Aufzählung der .Vorzüge' Israels den sachlichen Zusammenhang an dieser Stelle nicht (oder ist doch zumindest mißverständlich)^^''. Angemessener erscheint es, sich bei der Suche nach einem zusammenfassenden Begriff für 9,4f an ihrer Aufnahme durch Paulus selbst in 11^8 zu orientieren und an dieser Stelle einfach von .Heilsgaben' (χοίρίσματα) zu sprechen. Das entspricht auch besser der eben nicht ekklesiologischen, sondern theologischen Ziehichtung von Rom 9,1-29 insgesamf*^^.

Zum Gesetz vgl. 2,15; zu den Vätern und der Verheißung vgl. 4,12.16; zur Sohnschaft vgl. 8,15.23; zum Christus vgl. 15,12. Zu Recht bemerkt Osten-Sacken zur Rede von den Privilegien Israels, daß niemand auf die Idee komme, die den Christen gegebenen Charismen als Privilegien zu bezeichnen. ,Es könnte lohnen, nach den Gründen zu fragen* (Antijudaismus 244 Anm. 7). Vgl. schon 3,1-4, wo Paulus bereits erkennen läßt, daß der .Vorzug' des Juden ,in Wirklichkeit nicht sein eigener .Vorzug', sondern der .Vorzug' seines

R o m 9,4 - Z u s a m m e n f a s s u n g

С.

431

Zusammenfassung

Es wurde bereits festgestellt, daß die Stellung des Abschnittes 9,1-5 es nahelegt, ihn als Exordium für Kap. 9-11 insgesamt zu verstehen. Zunächst offengeblieben war jedoch, welches Sachproblem - oder auch welche Sachprobleme - in diesem Exordium angesprochen werden. Das hängt, wie die Auslegung ergeben hat, mit der bewußt indirekten Konstruktion dieses Exordiums zusammen'*^'. Sie ist gekennzeichnet durch mehrere Gedankenabbrüche und bildet doch eine in sich sorgfältig durchstrukturierte Einheit. Der deutlich erkennbare Gestaltungswillen, der diesen Abschnitt nicht nur in sich prägt sondern auch in mehrfacher Weise mit dem Kontext verzahnt, ist bereits genug Hinweis, das sachliche Gewicht dieser einleitenden Verse nicht zu unterschätzen. Sie sollten auch nicht einseitig im Blick auf die Gefühle und Psyche des jüdischen Heidenapostels hin gedeutet werden, sondern in ihrer Funktion als genau reflektierte „Vorbereitung der folgenden Argumentationsgänge"''®°. Auf der pragmatischen Ebene will Paulus seine Leser damit offensichdich auf ein sorgfältiges Mitdenken bei seiner Beantwortung der komplexen Fragen aus den verschiedenen (sich bereits hier andeutenden) Perspektiven einstimmen''^^. Solches Mitdenken ist für ihn auch deshalb entscheidend wichtig, weil sich in seiner Situation (zwischen Jerusalem und Spanien) die brennende Frage stellt, ,ob der umstrittene und verdächtige Apostel mit seinem Evangelium von der Gottesgerechtigkeit aus Glauben und darum ohne das Gesetz in der römischen Christengemeinde verstanden, anerkannt und mitgetragen wird und ob er in diesem Sinne dort eine Basis für sein weiteres Missionswerk erhält"·*®^. An die einleitende Beteuerung der Trauer wird in V3 mit emem begründenden γαρ ein Gebetswunsch des Paulus angefügt, ohne daß damit der Grund der Trauer direkt genannt wäre. Ebensowenig wird der Grund für den Gebetswunsch ausdrücklich expliziert. Statt dessen schließt sich in V4-5a relativisch eine Näherbeschreibung derer an, denen dieser Wunsch zugute kommen soll. Wiederum wird der Gedanke nicht ausgezogen. Der gesamte Abschnitt schließt statt dessen mit einer Doxologie Gottes. Man kommt nicht umhin, durch Einfügung der bewußt ausgelassenen Zwischengedanken der Sache auf den Grund zu gehen. Dies

G o t t e s ' ist, . d e s s e n W e s e n Treue heißt* ( T h e o b a l d , R ö m e r b r i e f 84, H e r v o r h e b u n g e n im Z i t a t ) . V o m K o n t e x t in R o m 9 her Itönnte man a u c h mit W o l t e r , E v a n g e l i u m 189 v o n ,notae electionis' sprechen. R e s e , Israel 212 sieht d e m e n t s p r e c h e n d in 9 , 1 - 5 . e i n e i n d i r e k t e H i n f ü h r u n g z u m T h e m a * von R o m 9 - 1 1 i n s g e s a m t , w o b e i er d i e s e s T h e m a b e s t i m m t mit: . d e r U n g l a u b e Israels und d i e G ü l t i g k e i t d e s W o r t e s Gottes" (ebd.). S c h m i t h a l s , R ö m e r b r i e f 335; vgl. Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 270; L ü b k i n g , P a u l u s 57; vor e i n e r U n t e r s c h ä t z u n g d e s G e w i c h t s warnt a u c h R e s e , V o r z ü g e 245. N a c h W i n k e l , A r g u m e n t a t i o n s a n a l y s e 66f wird der A p o s t e l . d u r c h die D i c h t e d i e s e r E i n l e i t u n g k l a r m a c h e n w o l l e n , d a ß die f o l g e n d e , v o n i h m e n t f a l t e t e P r o b l e m a tik v o n M i ß v e r s t ä n d n i s s e n , V o r - und F e h l u r t e i l e n im V e r h ä l t n i s v o n Christen und J u d e n n i c h t frei ist*. B r a n d e n b u r g e r , S c h r i f t a u s l e g u n g 8.

432

IV.C. Römerbrief

führt einen jedoch notwendig zu mehreren Ebenen und mehreren Antworten. Zunächst ist nach dem Grund der Trauer zu fragen. Aus V3 ergibt sich, daß er im momentanen Geschick der jüdischen Brüder des Paulus liegt: sie sind seiner Ansicht nach offensichtlich verflucht und (bzw. weil) von Christus getrennt. Ein zweiter Schritt ist es, nach dem Grund für dieses Urteil zu fragen"·®^. Er wird an dieser Stelle durch nichts angedeutet, kann aber doch erschlossen werden, da er im weiteren Kontext in 930-10,21 näher entfaltet wird: Israel ist am Stein des Anstoßes zu Fall gekommen. Es hat nicht erkannt, daß Gerechtigkeit allein aus Glauben und nicht aus Werken erlangt werden kann. Es hat trotz der Predigt des Wortes Christi nicht geglaubt. Das wirft im Rückblick auf 9,4f die Frage auf: Wenn Israel alles zum Leben vor Gott Nötige als Gaben erhalten hat - warum kommt es zu Fall? Schließlich ist nun aber auch noch auf einer dritten Ebene nach dem Grund zu fragen, aus dem Paulus auf das Problem (bzw. die Probleme) überhaupt eingeht. Dafür geben die einleitende Betonung der Wahrhaftigkeit des Apostels und der abschließende Lobpreis des Gottes, der über allem ist, Hinweise. OffensichtUch ergeben sich durch das Evangelium für die Heiden, das auszurichten Paulus sich von Gott berufen weiß, und durch die Reaktion der Mehrheit der Israeliten (also der Mitglieder des von Gott erwählten Volkes) auf dieses Evangelium Spannungen und Fragen, auf die Paulus nicht allein aus apologetischen, sondern auch aus sachlichen Gründen eine Antwort finden muß. Letztlich geht es dabei um Gottes Treue'*®''. Doch sind damit zugleich auch andere Fragen angeschnitten, etwa die nach der paulinischen Botschaft vom Heil für alle (Juden und Heiden) und nach der angemessenen Antwort der Hörer auf diese Botschaft (Glauben oder Unglauben)"®'. Denn wenn Israel als der Prototypus der von Gott erwählten Gemeinschaft kein Heil erlangt, wie kann dann für den Antitypus, die Gemeinschaft der an Christus Glaubenden, das Heil gewiß sein?·®®

Auf die notwendige Unterscheidung zwischen diesen zwei Ebenen macht zu Recht Klumbies, Vorzüge 139 aufmerksam. Wenn er allerdings bei diesen Ebenen bleibt und von seiner Exegese von 9,6-13 (und von Phil 3) her hier radikale Kritik an Israel impliziert findet (ebd. 140), so geht er am Sinn der Perikope doch deutlich vorbei. Nach Räisänen, Römer 9-11 2893 „herrscht heute große Einmütigkeit darüber, daß die Behandlung des Problems der Treue Gottes in bezug auf seine V e r h e i ßungen an Israel das eigentliche Anliegen des Apostels ist' (Hervorhebung im Z i tat). Vgl. z.B. Longenecker, Answers 112: ,the problem itself straddles both Paul's ecclesiastical vision ... and his theological conviction'. Zum Thema „Heil für A l l e ' als Grundgedanken des Römerbriefs vgl. Mußner, Geschlecht 29-38. Nach Käsemann, Römer 252 .durchdringen und überschneiden sich im folgenden drei Fragen unlöslich: die nach dem Sinn der Geschichte Israels, die zweite nach der Gültigkeit der Verheißung und die dritte nach der Treue und Wahrheit Gottes'. Diese vor allem aus der Perspektive des Handelns Gottes gewonnene A u f z ä h l u n g ist jedoch noch nicht vollständig. Von Kap. 10 her ist sie um die Fragen nach Glauben, Verstockung und Unglauben zu ergänzen. Vgl. die ähnlichen Erwägungen in LibAnt 12,9f im Munde des Moses: .Denn wenn du auch einen anderen Weinstock gepflanzt haben wirst, wird dieser dir nicht vertrauen darum, weil du den früheren vernichtet hasf.

R o m 9,4 - Z u s a m m e n f a s s u n g

433

In dieser Verflechtung zu unterscheidender, aber nicht zu trennender Fragen wird man auch einen Grund für die indirekte Form des Exordiums vermuten können. Will es angemessen in die folgenden drei Kapitel einführen, so ist es eben mit der Benennung eines Themas oder einer These nicht getan. Vielmehr mußte es von der Sache her an dieser Stelle Aufgabe eines Exordiums sein, die zu verhandelnden Perspektiven in ihrem Beziehungsgeflecht wie in einer Ouvertüre anzudeuten. Gottes Handeln in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und die menschliche Antwort in Glauben und Unglauben - Gottes Verheißungen und das Evangelium von Christus - die Kirche aus Juden und Heiden, das Geschick Israels und die Rolle des Gesetzes: das sind Fragen, in die Paulus die Leser im folgenden verwickeln wird und die nicht nacheinander, sondern nur miteinander ihre Antwort finden können. Aufgrund dieser Verflechtung von Frageperspektiven kommt es auch dazu, daß 9,4f in zumindest zweifacher Hinsicht den Fortgang der Argumentation bereits andeuten. Die Doppelung der Glieder der Kette weist auf den Zusammenhang von göttlichem Handeln und menschlichem Verhalten. Darin sind zugleich Schwerpunkte der Erörterung von 9,6-29 imd 930-10Д1 wiederzuerkennen. Die Abfolge von Vätern und Christus ist in anderer Perspektive ebenfalls eine Vorwegnahme der Schwerpunkte dieser beiden Teile. In beiden Fällen ist jedoch die Weiterführang in einem dritten Argumentationsgang zumindest formal noch nicht zu erkennen. Zugleich deutet sich jedoch mit der Abfolge Väter - Christus auch eine Zeitperspektive an, die über diese beiden Kapitel hinausweisf·^^.

D i e s e r P e r s p e k t i v e f o l g t der V e r s u c h , die drei A r g u m e n t a t i o n s g ä n g e in R o m 9 - 1 1 v e r e i n f a c h t der V e r g a n g e n h e i t , G e g e n w a r t und Z u k u n f t z u z u o r d n e n (vgl. T h e o bald, K i r c h e 11; ders., R ö m e r b r i e f 256.308). Er enthält zwar u n b e s t r e i t b a r ein W a h r h e i t s m o m e n t . J e d o c h ist in R o m 9 , 2 4 - 2 9 b e r e i t s die G e g e n w a r t der K i r c h e a u s J u d e n und H e i d e n im Blick u n d auf die E r l ä u t e r u n g d e s g e g e n w ä r t i g e n Z u s t a n d s Israels in 1 1 , 1 - 1 0 f o l g t in 1 1 , 1 1 - 2 4 e i n e D e u t u n g d e s E r w ä h l u n g s h a n d e l n s G o t t e s , die w i e d e r u m auch d i e V e r g a n g e n h e i t u m f a ß t und erst mit 1 1 , 2 5 - 3 2 k o m m t es g a n z zum Blick auf die Z u k u n f t . So sind a u c h in d i e s e r H i n s i c h t d i e drei A b s c h n i t t e v i e l f ä l t i g e r m i t e i n ander v e r z a h n t u n d e i n e P e r s p e k t i v e a l l e i n reicht nicht zur E r k l ä r u n g . H i n z u k o m m t , d a ß d i e B e h a u p t u n g e i n e r A b f o l g e V e r g a n g e n h e i t - G e g e n w a r t - Z u k u n f t zu stark ein D e n k e n in e i n e r Z e i t l i n i e suggeriert, d a s der t a t s ä c h l i c h e n A r g u m e n t a t i o n nicht g e recht wird. V i e l m e h r g r e i f t die E r ö r t e r u n g in R o m 9 zurück bis ,in die G e h e i m n i s s e der P r o t o l o g i e ' u n d R ö m 1 1 , 1 1 - 3 2 g r e i f t vor ,bis z u m E n d g e s c h e h e n * . B e i d e s hat, a u c h in s e i n e r Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t , s e i n e E n t s p r e c h u n g in e i n e m w e i s h e i t l i c h e n O r d n u n g s d e n k e n , das . d u r c h die R e f l e x i o n a p o k a l y p t i s c h e r T h e o l o g i e h i n d u r c h g e gangen" ist und „erwächst in e i n e r als a b g r ü n d i g e r f a h r e n e n W e l t u n d a u c h im d a b e i g e f ü h r t e n Streit u m die Wahrheit" ( B r a n d e n b u r g e r , S c h r i f t a u s l e g u n g 45.39). D i e g e g e n w ä r t i g e E r f a h r u n g , die A n l a ß z u m Streit um die W a h r h e i t ist, wird dabei im M i t t e l t e i l erörtert, v o r b e r e i t e t s c h o n in 9 , 2 4 - 2 9 .

434

IV.C, R ö m e r b r i e f

4. Römer 9,6-13: Gottes Verheißung, seine erwählende Liebe und sein Erbarmen a. Zum

Kontext

Rom 9,6-13 ist nur zu verstehen im Zusammenhang von 9,6-29 insgesamt, dem ersten Hauptteil von Rom 9-11. Er umfaßt vier Argumentationsschritte (V6-13.14-18.19-2324-29). Ausgangsbeobachtung für diese Möglichkeit der Gliederung ist, daß nicht nur die negativ formulierte These in 9,6 die Frage von 33 der Sache nach wieder aufnimmt, sondern auch die Einwände in 9,14 und 9,19 denjenigen von 3,5 und 3,7 entsprechen"''®. Es zeigt sich also, daß die in 3,1-8 zunächst nur abgewiesenen Fragen alle in 9,6-29 erneut und nun ausführlicher verhandelt werden"*®. Eine zweite Beobachtung stützt die Annahme, daß diese Fragen (bzw. die These in 9,6a) jeweils der Beginn eines neuen Abschnittes sind: Jeder der sich so ergebenen Abschnitte gipfelt in einer doppelten Aussage über Gottes Handeln. Dadurch ergeben sich zugleich auf der semantischen Ebene durchgehende (und auch sachlich aufeinander zu beziehende) Aussagereihen"™:

Gott ( b e r u f e n , zum Samen r e c h n e n ) lieben

9,(14-)18 9,(l9-)22f

9,(6-)i3

Menschen

hassen

( K i n d e r der Verheißung) Jakob

( K i n d e r des Fleisches) Esaù

erbarmen

verhärten

Mose

Pharao

b e r e i t e n zur Herrlichkeit

bewahren zum V e r d e r ben

G e f ä ß e des Erbarmens

G e f ä ß e des Zorns

E b e n s o zeigen die F o r t s e t z u n g e n der A r g u m e n t a t i o n d e u t l i c h e P a r a l l e l e n : j e weils wird eine J u d e n u n d H e i d e n z u s a m m e n s c h l i e ß e n d e A u s s a g e a u s f ü h r l i c h aus der S c h r i f t b e g r ü n d e t (in 3,9-18 das Sein u n t e r der Sünde, in 9,24-29 die B e r u f u n g ) . In Teilen w u r d e diese P a r a l l e l i t ä t schon m e h r f a c h k o n s t a t i e r t (vgl. Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 28 A n m . 51, der j e d o c h die E n t s p r e c h u n g von 3,7 und 9,19 u n d den gleichen stilistischen - d i a t r i b i s c h e n - H i n t e r g r u n d nicht b e n e n n t ; S t u h l m a c h e r , R ö m e r 135 v e r n a c h l ä s s i g t d a g e g e n die Ü b e r e i n s t i m m u n g von 3,3 u n d 9,6). Z u den drei F r a g e n in 3,1-8 s.o. S.371f. In R o m 3 stehen der U n g l a u b e , die U n g e r e c h t i g k e i t und die L ü g e des M e n s c h e n ganz im V o r d e r g r u n d (vgl. die R a h m u n g der drei P a a r e d u r c h U n g l a u b e und L ü g e [s.o. S.419] u n d die Z i e l r i c h t u n g der u m f a n g r e i c h e n Z i t a t k o m b i n a t i o n 3,12-18). In Rom 9,6-29 geht es n u n o f f e n b a r um eine B e g r ü n d u n g der in 3,1-8 noch thetisch g e b l i e b e n e n A u s s a g e n ü b e r G o t t e s H a n d e l n . ™ Die mit 9,13 und 9,18 k o r r e s p o n d i e r e n d e F u n k t i o n von 9,22f spricht d a f ü r , den d r i t t e n A b s c h n i t t von V19 bis V23 reichen zu lassen. Das A u f b r e c h e n e i n e s k l a r e n S a t z b a u s an dieser Stelle und auch der enge relativische A n s c h l u ß von V24 m a c h e n j e d o c h deutlich, d a ß wir es hier mit einem f l i e ß e n d e n Ü b e r g a n g zu tun h a b e n .

R o m 9,6-13 - G o t t e s V e r h e i ß u n g , e r w ä h l e n d e Liebe und E r b a r m e n

435

In ähnlicher W e i s e bilden d i e antithetisch f o r m u l i e r t e n V l l b f . l 6 , die d i e B e i s p i e l e auf e i n e n a l l g e m e i n e r e n G r u n d s a t z hin auslegen, e i n e e i g e n e Aussagereihe''''':

Nicht ( M e n s c h ) 9,llbf

9,16

G u t e s oder Böses T u n

Sondern ( G o t t )

Werke

V o r h e r b e s t i m m u n g und freie Wahl Gottes B e r u f e n d e r Gott

Wollen und L a u f e n

Erbarmender Gott

Für d i e G l i e d e r u n g v o n 9 , 6 - 2 9 u n d für die A u s l e g u n g v o n V 6 - 1 3 sind j e d o c h nicht allein d i e a u f g e z e i g t e n e n g e n s e m a n t i s c h e n V e r b i n d u n g e n der drei ersten A b s c h n i t t e v o n B e d e u t u n g . M i n d e s t e n s e b e n s o wichtig sind die s e m a n t i s c h e n V e r b m d u n g e n zu V 2 4 - 2 9 . D i e prophetischen Schriftworte in V 2 5 - 2 9 sind durch Schlüsselworte mit d e n Schriftworten a u s der T o r a in V 6 - 1 3 verbunden""^. S o ist Jes 1,9 in V 2 9 mit G e n 21,13 in V 7 durch d a s Stichwort σ π έ ρ μ α v e r k n ü p f t , H o s 2 ^ 5 in V 2 5 mit Mal 1,2 in V 1 3 durch ά γ α π ά ω s o w i e H o s 2,1 in V 2 6 durch κ λ η θ ή σ ο ν τ α ι mit G e n 21,13 in V 7 . W e i t e r gibt es a u c h V e r b i n d u n g e n z w i s c h e n d e n Schriftworten u n d interpretierenden A u s s a g e n d e s Paulus. Τ έ κ ν α τού θ ε ο ύ in V 8 kehrt w i e d e r als υ ί ο ί θεού in V 2 6 u n d das bereits i m κ λ η θ ή σ ο ν τ α ι

mit-

s c h w i n g e n d e κ α λ έ ω f i n d e t sich in 9 , 1 2 2 4 2 5 . Schließlich korrespondiert das ο ύ χ ... έ κ π έ π τ ω κ ε ν ό λ ό γ ο ς a u s 9,6 mit λ ό γ ο ς ... π ο ι ή σ ε ι in 928""'^· 9,6-13 bereitet d e m n a c h o f f e n s i c h t l i c h inhaltlich die B e s c h r e i b u n g der g e g e n w ä r tigen L a g e in 9 2 4 - 2 9 bereits vor, s o d a ß m a n u m g e k e h r t 9 2 4 - 2 9 als w i c h t i g e n I n terpretationsschlüssel für 9,6-13 a n s e h e n muß''^''. Mit 9 2 4 k n ü p f t P a u l u s a n a n

"" Vgl. auch V 8 mit dem b e t o n t e n τούτ' εστίν, wo jedoch b e i d e Seiten der A n t i these M e n s c h e n b e t r e f f e n und G o t t e s H a n d e l n n u r i n d i r e k t (in dem Genitiv έ π α γ γ ε λ ί α ς ) e n t h a l t e n ist. Der A b s c h n i t t V 1 9 - 2 3 e n t h ä l t keinen a u s d r ü c k l i c h i n t e r p r e t i e r e n d e n Satz m e h r . A n seiner Stelle steht die F r a g e V21, mit der die Ü b e r l e i t u n g zur D e u t u n g der Schrift im Blick auf die g e g e n w ä r t i g e Situation der B e r u f u n g aus J u d e n und H e i d e n beginnt. ™ Stegner, R o m a n s 9.6-29, nach dessen T h e s e der g e s a m t e erste H a u p t t e i l n a c h F o r m u n d I n h a l t ein M i d r a s c h ist, ü b e r z i e h t allerdings in einigen F ä l l e n den N a c h weis solcher Schlüsselworte (vgl. ebd. 41 zu Rom 9,12.17; die dort p r a k t i z i e r t e H e r a n z i e h u n g auch des K o n t e x t e s der S c h r i f t w o r t e über z.T. m e h r als 5 V e r s e hinweg sprengt sicherlich den r a b b i n i s c h e n S c h l u ß gezerah shawa. Z u d e m zieht Stegner κ α λ ε ϊ ν κτλ. in Mal 1,4 und Ex 33,19 zu u n r e c h t h e r a n , da es dort jeweils einen völlig a n d e r e n Sinn hat (vgl. dazu die b e r e c h t i g t e Kritik von A l e t t i , L ' A r g u m e n t a t i o n 45 A n m . 14). Als Midrasch b e z e i c h n e n den A b s c h n i t t auch Ellis, P r o p h e c y 155 und H ü b n e r , Ich 36. ™ Vgl. auch G u e u r e t , E p i t r e 19: .9,28-29 r e p r e n d les mêmes t h è m e s q u e 9,6-7, celui de la p a r o l e et celui de la descendance". Vgl. a u c h T h e o b a l d , R ö m e r b r i e f 263, nach dem , R ö m 9 von h i n t e n her zu lesen* ist. Schmithals, R ö m e r b r i e f 342 b e r ü c k s i c h t i g t dagegen die V e r b i n d u n g e n z w i schen 9,6b-9 und 9,10-13 sowie zwischen 9,12b.13 und 9,25 zu wenig, wenn er l e d i g lich 9,6-9.24-29 als . e i n e n u n m i t t e l b a r e n sachlichen und h e r m e n e u t i s c h e n Z u s a m -

436

IV.С. Römerbrief

die bereits in l,16f und 3^9ΐ angesprochene thematische Ebene des Wirkens Gottes an Juden und Heiden'''^. Für das Verständnis von 9,6-13 wichtig ist die Feststellung, daß die prophetischen Schriftworte in 9,25-29 zwei verschiedene Punkte betreffen und belegen: Die Erwählung auch der Heiden zum geliebten Volk Gottes (V25f) und die Scheidung innerhalb Israels zwischen der großen Zahl und dem geretteten Rest. Die Verteilung der wesentlichen semantischen Verbindungen zu 9,6-13 weist nun darauf hin, daß beide Aspekte (Scheidung innerhalb Israels und Erwählung auch der Heiden) bereits in 9,6-13 enthahen sind. Dabei zeigt sich ein chiastischer Bezug und eine konzentrische Struktur von 9,6-29 insgesamt: 9,25-26 nimmt 9,10-13 (καλέω, άγαπάω) und 9^7-29 nimmt 9,6b-9 ('Ισραήλ, σπέρμα) auf. Der erste und letzte Argumentationsschritt in Rom 9,6-29 besteht also jeweils aus zwei Unterabschnitten. Man kann bei der Gliederung des ersten Hauptteils - orientiert man sie an den Verbindungen zwischen 9,6-13 und 9^4-29 (und nicht an denen zu 9,14-23) - auch von sechs Argumentationsschritten ausgehen, die chiastisch angeordnet sind.

А

(V6-9)

Samen ( ε π α γ γ ε λ ί α ) A l l e Kinder (σάρξ)

В (VlO-13) Jakob Esau

С (V14-18) Moses Pharao

λόγος Ισραήλ τέκνα της σαρκός σπέρμα

καλέω άγαπάω

έλεέω ένδείκνυμι δν .. Sv δέ θέλων

'Ισραήλ υιών 'Ισραήλ λόγος σπέρμα

καλέω άγαπάω

θέλων ό μεν .. ό δέ ένδείκνυμν έλεέω

Kinder Israels Rest / Samen A' ( V 2 7 - 2 9 )

erst N i c h t - V o l k (Heiden) jetzt Volk (Heiden) B' (V24-26)

G e f ä ß e des Zorns G e f ä ß e des Erbarmens С (V19-23)

menhang' (und 9,10-23 als Einschub, vgl. auch unten Anm.476) begreift. Bereits zu 9,1-5 wurde festgestellt, daß Paulus faktisch nochmals auf der Argumentationsebene von l,16f einsetzt. Die von daher begründete Erwartung, daß der Apostel nun die Grundlagen des Handelns Gottes zuerst an den Juden und auch an den Heiden eingehender entfaltet wird, bestätigt die Themenbestimmung in 9,6a sowie die eindeutige theologische Konzentration von 9,6-29 insgesamt. In den zentralen Begründungssätzen in 9,llf.l6.18.23f steht Gottes Handeln und seine Begründung im Mittelpunkt und auch in den Schriftworten redet immer Gott selbst (vgl. die ausführliche Herausarbeitung dieses Punktes bei Hübner, Ich).

R o m 9,6-13 - Exkurs: Z u m Stilmittel des C h i a s m u s bei P a u l u s

437

Diese chiastische Struktur regiert die Argumentation"''^. Das hat Konsequenzen für die Auslegung, schließt jedoch nicht aus, daß es weitere (untergeordnete) Beziehungen zwischen den einzelnen Abschnitten gibt. So sind auch, wie es häufig bei Paulus anzutreffen ist, die jeweils benachbarten Abschnitte miteinander verknüpft''^^. Zudem verbinden die Stichworte καλέω und τέκνα/ υιοί θεοί3 die Teile A В В' A' über die chiastische Struktur hinweg untereinander (sowie mit 9,4 und 8,14-1728-30). Diese Verbindung über die verschiedenen Teile hinweg hat ihren Grund in der Selbigkeit Gottes in seinem Handeln an Juden wie Heiden und hebt sie zugleich hervor.

Exkurs: Zum Stilmittel des Chiasmus bei Paulus Im Rückblick auf die bisher ausgelegten Texte wird erkennbar, daß Paulus sich verschiedener Figuren und Formen der Argumentation mehrfach bedient. Ihre Aufdeckung hatte in nicht wenigen Fällen auch wesentlichen Einfluß auf das Verständnis der Texte selbst. Auf diesem im weiteren Sinne formgeschichtlichen Feld gibt es allerdings zu den Paulusbriefen noch wenig grundlegende Forschungsarbeiten. Schon immer aufgefallen ist die Stichwortverknüpfung aufeinanderfolgender Abschnitte'·''^. Mehrfach findet sich auch eine Reihe von drei zusammengehörigen Oppositionspaaren, deren letztes Glied jeweils umgedreht ist"^'. Bemerkenswert ist aber vor allem der Gebrauch der Figur des Chiasmus, die sich nicht nur in einzelnen Sätzen findet"'®'^, sondern auch bei der Entfaltung einzelner Oppositionen"®' und auch bei der Gliederung ganzer Abschnit-

Vgl. auch A l e t t i , L ' A r g u m e n t a t i o n 42f, der j e d o c h V24 zu С zieht, sowie Dunn, R o m a n s 537, der V26 zu A ' zieht. D a n e b e n gibt es in der F o r s c h u n g eine V i e l zahl w e i t e r e r G l i e d e r u n g s v o r s c h l ä g e . Dem hier ( a u f b a u e n d auf A l e t t i und D u n n ) vorgestellten noch am n ä c h s t e n k o m m t K ä s e m a n n . E r f a ß t 9,14-23 zu e i n e m A r g u m e n t a t i o n s s c h r i t t z u s a m m e n ( R ö m e r 257; vgl. auch D u n n , R o m a n s 550), w o d u r c h dem chiastischen P a r a l l e l i s m u s R e c h n u n g g e t r a g e n wird, d u r c h den P a u l u s V 1 4 - 1 8 und V 1 9 - 2 3 m i t e i n a n d e r v e r k n ü p f t : nach den F r a g e n in V14 bzw. V19f b e z i e h t sich V23 zurück auf V15f (ελεος), V22 auf V17 (ένδείκνυμι) und V21 auf V18 (ό μεν ... ό δε bzw. öv ... öv δέ; vgl. A l e t t i , L ' A r g u m e n t a t i o n 46). A l l e r d i n g s k o m m e n so die E n t s p r e c h u n g e n zwischen 9,6b-9 und 9,27-29 sowie zwischen 9,10-13 u n d 9,24-26 nicht in den Blick, w a s auch die A u s l e g u n g K ä s e m a n n s erweist. E i n e a n d e r e D r e i t e i l u n g schlägt Weiss vor: 9,6-13.14-21.22-29 ( R ö m e r 398.410.421). Schmithals, R ö m e r b r i e f 341 versteht 10-21(23) als einen z u s a m m e n h ä n g e n d e n Mittelteil, der lediglich den N e b e n g e d a n k e n der P r ä d e s t i n a t i o n v e r f o l g e , w o h i n g e g e n erst 9,24-29 auf die aus 9,6-9 noch nicht zu k l ä r e n d e F r a g e a n t w o r t e , wer mit den K i n d e r n d e r V e r h e i ß u n g gemeint sei. Michel, R ö m e r 304 b e h a n d e l t 9,6-13 und 9,14-29 jeweils als z u s a m m e n h ä n g e n d e n A b s c h n i t t (vgl. auch S t u h l m a c h e r , R ö m e r 135; T h e o b a l d , R ö m e r b r i e f 263.268; Wilckens, R ö m e r 2 191.197). M o n t a g n i n i , E l e z i o n e t r e n n t d a g e g e n in 9,6-18 und 9,19-29 ( z u s t i m m e n d H ü b n e r , Ich 44). Vgl. die Ü b e r g ä n g e zwischen V9.10 ( S a r a - R e b e k k a ) , V13.14 und V18.19 (der A b s c h l u ß provoziert jeweils die f o l g e n d e F r a g e ) sowie V23.24 (relativischer A n schluß). •"· Vgl. z.B. Gal 3,14/15f ( ε π α γ γ ε λ ί α ) ; 3,29/4,1 (κληρονομιά); 4,31/5,1 (ελευθερία). "" Vgl. R o m 3,3.5.7; 9,13.18.22f (vermutlich auch 9,4); vgl. (etwas a n d e r s ) a u c h I K o r 1,26-29. Vgl. z.B. R o m 4,13; 9 , l f ; 9,6bf. Vgl. die E n t f a l t u n g der Opposition in Gal 3,5 ( W e r k e des G e s e t z e s - G l a u b e n )

438

IV.C. R ö m e r b r i e f

te''®^. Die Bedeutung der Figur des Chiasmus für die Analyse des paulinischen Stils ist bereits mehrfach gesehen worden'^®^. Unklar geblieben ist jedoch bisher, aufgrund welcher Merkmale und Kriterien ein Chiasmus aufgezeigt werden kann. Auch deshalb stehen einzelne Versuche ihrer Rekonstruktion immer wieder in der Gefahr, den Textbefund zu pressen oder zu sehr zu strapazieren. Bei den Auslegungen dieser Arbeit hat sich immer wieder gezeigt, daß es die Frage nach den leitenden Begriffen und Oppositionen auf der semantischen Ebene war, die das Vorliegen eines Chiasmus nahelegen konnte. In keinem Fall jedoch durften auf der semantischen Ebene ermittelte Ergebnisse einfach über den Fortgang der Argumentation hinweggehen, wie er sich auf der syntaktischen Ebene ergab. Daraus folgt, daß die unterschiedlichen Beobachtungen auf den verschiedenen Ebenen der Textanalyse möglichst weitgehend miteinander in Einklang gebracht werden sollten, wenn man einen Chiasmus auf der Stufe der Gliederung der Argumentation wahrscheinlich machen will. b. Das Thema von 9,6-29 und Themen der

Auslegungsgeschichte

(1) Gottes Wort und Tun Die Themenangabe in V6a (vgl. auch V28), die Fragen V14.19, die interpretierenden Sätze Vllf.l6 und die jeweils abschließenden Sätze V13.18.22f. sowie auch die Rolle des ,Ichs' Gottes in den Schriftworten belegen, daß der Gedankengang in diesem ersten Hauptteil von Rom 9-11 konzentriert ist auf .theologische' Aussagen im engerem Sinne. Paulus denkt hier „theozentrisch und vom Alten Testament her der Gottheit Gottes nach'"'®'', um die Treue Gottes zu seinem Wort zu erweisen. Seinen Anlaß hat dieses .Nachdenken' in der Auseinandersetzung um die Konsequenzen des Evangeliums des jüdischen Heidenapostels in u m g e k e h r t e r R e i h e n f o l g e in 3,6-9.10-13 u n d die E n t f a l t u n g der Opposition in Rom 9,24 ( J u d e n - H e i d e n ) in u m g e k e h r t e r R e i h e n f o l g e in 9,25f.27-29 (vgl. auch J e r e m i a s , C h i a s m u s 283). Vgl. G a l 3,1-4,11; 4,21-31; R o m 9,6-29. Dobschütz, W o r t s c h a t z 60 zählt z.B. 21 Fälle, an d e n e n im R ö m e r b r i e f C h i a s mus vorliege. E r b e s c h r ä n k t sich d a b e i jedoch w e i t e s t g e h e n d auf die S a t z e b e n e . Die B e d e u t u n g des C h i a s m u s f ü r , d i e G e d a n k e n f ü h r u n g g a n z e r A b s c h n i t t e " h a t J e r e m i as, C h i a s m u s an einigen Beispielen a u f z u z e i g e n v e r s u c h t . E i n e S t i l u n t e r s u c h u n g aller p a u l i n i s c h e n B r i e f e mit Blick auf den C h i a s m u s h a t t e zuvor schon L u n d , C h i a s m u s vorgelegt. Er geht d a b e i j e d o c h , wie J e r e m i a s (ebd. 277) zu R e c h t kritisiert, zu s c h e matisch und g e w a l t s a m vor. Das G l e i c h e gilt f ü r den V e r s u c h von Bligh, G a l a t i a n s , f ü r den G a l a t e r b r i e f insgesamt eine d u r c h g e h e n d e und m e h r s t u f i g e c h i a s t i s c h e S t r u k t u r zu e r w e i s e n . Bligh r e k o n s t r u i e r t eine ü b e r g r e i f e n d e chiastische S t r u k t u r des B r i e f e s mit 4,1-10 als z e n t r a l e m C h i a s m u s , wobei die Teile A B C (1,1-3,4) D E D ' (3,5-4,31) C ' B ' A ' (5,1-6,18) g e m e i n s a m jeweils n o c h m a l s einen in sich chiastisch a u f g e b a u t e n H a u p t t e i l bilden u n d z u d e m selbst n o c h m a l s in drei - chiastisch a u f g e b a u t e - Sektionen gegliedert sind. A b e r der G a l a t e r b r i e f ist keine B a c h f u g e (vgl. das e n t s p r e c h e n d e Bild von Bligh, ebd. 42), s o n d e r n ein K a m p f - u n d V e r t e i d i g u n g s b r i e f mit b e s t i m m t e n I n t e n t i o n e n (zur Kritik an Bligh insgesamt vgl. auch L o n g e n e c k e r , G a l a t i a n s cxiv; zu e i n z e l n e n R e k o n s t r u k t i o n e n s.o. K a p . I V . B Anm.16.238). E i n e U n t e r s u c h u n g der B e d e u t u n g des C h i a s m u s f ü r die A r g u m e n t a t i o n von R o m 3 - 8 bietet Myers, Inversion. Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 401.

R o m 9,6-13 - E x k u r s : Das T h e m a von 9,6-29 u n d T h e m e n der A u s l e g u n g

439

Paulus und damit in einer Problemlage, deren bedrängendste Elemente Paulus selbst in Rom 9,1-5 indirekt entfaltet hat. Es ist u m s t r i t t e n , ob es sich in Rom 9,6-29 um die A b w e h r k o n k r e t e r V o r h a l t u n gen h a n d e l t (sei es in Rom oder - was w a h r s c h e i n l i c h e r erscheint - in v e r g a n g e n e n , aber noch v i r u l e n t e n Diskussionen mit j u d e n c h r i s t l i c h e n Opponenten"*^') oder um eine a l l g e m e i n e „theologische R e f l e x i o n , die im Stil der D i a t r i b e d u r c h f i k t i v e E i n w ä n d e u n d deren B e a n t w o r t u n g a u f g e l o c k e r t wird"*®®. Wie schon bei den E r w ä g u n g e n zum H i n t e r g r u n d der d i a t r i b i s c h e n Stilelemente in 3,1-8.27-31'*^^, so sollte man auch hier m.E. k e i n e f a l s c h e n A l t e r n a t i v e n s c h a f f e n . W e d e r h a n d e l t es sich der F o r m n a c h um eine A r g u m e n t a t i o n gegen k o n k r e t e O p p o n e n t e n , die i n n e r h a l b der r ö m i s c h e n G e m e i n d e zu suchen w ä r e n ( z u m i n d e s t gibt der Brief keine H i n w e i s e auf solche), noch sind die a b g e w i e s e n e n E i n w ä n d e rein t h e o r e t i s c h e r N a t u r oder allein aus der t h e o l o g i s c h e n R e f l e x i o n des P a u l u s e r w a c h s e n . Beides f l i e ß t ineinander"*^.

Damit die Problemlage nicht verengt gesehen wird und man aufgrund von Rom 9,1-5 hier allein das Thema .Israel' verhandelt sieht, müssen auch die sachlichen Verbindungen dieses Abschnittes zu Rom 8 im Blick behalten werden. Was Israel als aus den Völkern auserwähltes Volk Gottes ist, kann ja letztlich nicht ohne Verweis auf die Nicht-Völker, die Heiden, gesagt werden. Zur .Problemlage', die die Frage nach der Treue Gottes zu seinem Wort auslöst, gehört deshalb nicht allein der Unglaube so vieler aus Israel, sondern auch - wie 9^4ff bestätigen - die Berufung der .gott-losen' Heiden zu Kindern des lebendigen Gottes"*^'. Paulus Überzeugung, die er durch Rom 9-11 hindurch aus der Schrift

So B r a n d e n b u r g e r , S c h r i f t a u s l e g u n g 18 (vgl. auch oben Anm.462), d e r den distributiven C h a r a k t e r von Rom 9,6-29 b e t o n t . Rese, Israel 214 A n m . 9 dagegen k r i tisiert solche B e s t i m m u n g vor ,dem H i n t e r g r u n d der Diskussionen über den A b f a s sungszweck des R ö m e r b r i e f s " als »eine b e m e r k e n s w e r t e a r g u m e n t a t i o ab i n c e r t o ad ignotum". Z u m i n d e s t w i d e r s p r i c h t B r a n d e n b u r g e r s A n n a h m e j e d o c h nicht dem, w a s aus dem B r i e f r a h m e n erschlossen w e r d e n k a n n . U n d u m g e k e h r t wird man nicht a l lein wegen der T a t s a c h e , d a ß P a u l u s in 9,6-29 (wie schon in 4,1-22) nur aus der Schrift u n d . o h n e j e d e n expliziten christologischen Bezug a r g u m e n t i e r t " ( S c h m i t hals, R ö m e r b r i e f 339), die A u s f ü h r u n g e n f ü r einen a l l g e m e i n e n Dialog mit e i n e m jüdischen Partner halten dürfen. K ä s e m a n n , R ö m e r 2.51; vgl. auch Schlier, R ö m e r b r i e f 289 der von . d i d a k t i scher D a r l e g u n g " spricht, die einen . r h e t o r i s c h - d i a l o g i s c h e n C h a r a k t e r a l l g e m e i n e r Art" habe. S.o. S.371. "" Dieser T a t b e s t a n d spiegelt sich auch d a r i n wieder, d a ß P a u l u s v e r s c h i e d e n e A r g u m e n t a t i o n s - und Stilelemente n e b e n e i n a n d e r h e r a n z i e h t und sie zu einem g a n z eigenen A r g u m e n t a t i o n s s t i l verschmilzt (vgl. auch Aletti, Dieu 158: .trois types de s t r u c t u r e - m i d r a s h i c q u e , r h é t o r i q u e et c o n c e n t r i q u e - s'y c o m b i n e n t h a r m o n i e u s e ment"). So k a n n 9,6-29 w e d e r als rein d i a t r i b i s c h e D a r l e g u n g ( d a g e g e n w e n d e t sich zu R e c h t Stegner, R o m a n s 9.6-29 37), noch wirklich als M i d r a s c h b e z e i c h n e t w e r d e n (gegen Stegner, s.o. Anm.472). V i e l m e h r d u r c h d r i n g e n sich S t i l e l e m e n t e b e i d e r A r g u m e n t a t i o n s a r t e n , z u s a m m e n mit noch weiteren E l e m e n t e n . Die E r l ä u t e r u n g d e r S c h r i f t w o r t e ( i n s b e s o n d e r e in 9,9) e r i n n e r t an die P e s c h e r m e t h o d e (s.u. S.450) und die A r g u m e n t a t i o n in 9,19-21 lehnt sich an weisheitliche G e d a n k e n g ä n g e an. Beides sollte nicht a l t e r n a t i v g e g e n e i n a n d e r ausgespielt w e r d e n . So a b e r z.B. Schmithals, R ö m e r b r i e f 338: , d a ß der U n g l a u b e Israels in P a u l u s Z w e i f e l an der Gültigkeit des W o r t e s G o t t e s erweckt h a b e n sollte, ... ist ganz ausgeschlossen".

440

IV.C. Röraerbrief

belegt, ist: es entspricht Gottes Wort und widerspricht nicht seinem erwählenden Handeln an Israel, daß er an Juden und Heiden in gleicher Weise gehandelt hat und handelt - in Erbarmen und Verstockung, Verhärtung und Erbarmen. Alle Fragen, die darüber hinaus auch an den Text gestellt werden können, müssen der so beschriebenen, eindeutig .theologischen' Abzweckung des ersten Hauptteils untergeordnet bleiben. Auf sie gibt der Text wenn, dann nur in zweiter Linie eine Antwort. Weil sie jedoch aufgrund ihrer z.T. dominierenden Bedeutung in der Auslegungsgeschichte jede Einzelauslegung notgedrungen beeinflußen, seien drei weitere Hauptfragerichtungen im folgenden kurz genannt. (2) Israel und Kirche Lange Zeit hindurch wurde 9,6-13 vorwiegend ekklesiologisch gedeutet. Meist diente zur Sicherung dieser Deutung die als analog verstandene Argumentation des Paulus in Gal 4^1-31'*^''. Der nähere Kontext, insbesondere 9,24-29, wurden demgegenüber wenig berücksichtigt. Eine andere Spielart war die Auslegung vor dem Hintergrund der soteriologischen und ekklesiologischen Aussagen in Rom Hier sollten jedoch die vorhandenen semantischen Verbindungen'"^ nicht den Blick für die deuüichen Unterschiede verstellen. Zwar war schon in Rom 4 festzustellen, daß .theologische' Aussagen die Argumentation durchziehen und mit den soteriologischen und ekklesiologischen Ausführungen eng verwoben sind. Doch Schwerpunkt der Argumentation dort ist eindeutig die Beantwortung der Fragen, wie Abraham gerechtfertigt wurde und für wen das bedeutsam ist, wer alles sich also zu Recht auf Abraham als seinen Vater berufen kann. Im Zusammenhang von Rom 9-11 wird dies zwar vorausgesetzt, Paulus handelt jedoch erst im zweiten Hauptteil vom Glauben und Unglauben. Im ersten Hauptteil dagegen geht es um den „Aufweis der Gültigkeit des Wortes Gottes", um „das .objektive Prinzip' gottìichen Handelns in der Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart'"·'·^. Zu Recht werden solche Weisen ekklesiologischer Ausdeutung in den letzten Jahren skeptisch beurteilf®". Noch nicht ent-

"" Zu den Unterschieden, die eine Interpretation des Abschnitts Rom 9,6ff von Gal 4,21-31 her unsachgemäß erscheinen lassen, vgl. z.B. Schmitt, Gottesgerechtigkeit 82f (vgl. auch Lübking, Paulus 70). "" Vgl. z.B. Berger, Abraham 82, nach dem es hier darum geht „wem die Abrahamsverheißungen gelten". Er fährt fort: „Das Darinbleiben in der Linie der V e r h e i ßung, in der man seit Jakob war, ist jetzt abhängig gemacht von der Bedingung des Glaubens an Jesus Christus' (ebd. 83). Insgesamt 9 Lexeme, die für die Argumentation von Bedeutung sind, finden sich schon in Rom 4; σάρξ (4,1; 9,8); έργον (4,2.6; 9,12); λογίξΌμοίΐ (4,3 и.о.; 9,8), πάντες (4,11.16; 9,6.7); 'Αβραάμ (4,1 и.о.; 9,7); Sara (4,19; 9,9); σπέρμα (4,13.16.18; 9,7.8); ε π α γ γ ε λ ί α (4,13 и.о.; 9,8.9); καλέω (4,17; 9,12). "" Schmitt, Gottesgerechtigkeit 68.69. Vgl. auch die Warnung von Theobald, Gnade 132 Anm. 11: „Rom 9 - 1 1 lassen sich nur verstehen, wenn man nicht den .Glauben' ... sondern die theologische Größe der .Gnade' in den Mittelpunkt des pln. Denkens rückt". Vgl. z.B. Lübking, Paulus 66: „Die für die ekklesiologische Deutung von V. 6ff vorgebrachten Argumente können nicht wirklich überzeugen" (vgl. auch Schmitt,

R o m 9 , 6 - 1 3 - Exkurs: D a s T h e m a von 9 , 6 - 2 9 und T h e m e n der A u s l e g u n g

441

schieden ist damit die in der Forschung noch immer umstrittene Frage, ob ein Bruch besteht zwischen der Lösung, die Paulus im Blick auf Gottes Handeln an Israel in 9,6-29 vorträgt, und derjenigen in 11,11-36''^-''. (3) Heilsgeschichte Die Reihenfolge der von Paulus angeführten biblischen Beispiele ist sicherlich nicht zufällig. Sie führt zu der Frage, ob es dem Apostel mit ihr zugleich um den Aufweis einer Art .heilsgeschichtlicher Linie' im Handeln Gottes geht oder nicht'"''. Von einer „Aussparung der gesamten Geschichte des Volkes Israel" wird man nicht sprechen können''®''. Denn mit der Verheißung Abrahams, der Erwählung Jakobs und der Herausführung des Volkes aus Ägypten sind ja gerade die entscheidenden Grunddaten der Geschichte genannt, von der her Israel sich versteht. Deutlich ist jedoch, daß der Hauptakzent der Argumentation sicherlich nicht auf einer verbindenden Linie zwischen Vergangenheit und Gegenwart auf der geschichtlichen Ebene liegt. Vielmehr geht es zentral um die »Selbigkeit des Handelns Gottes" in Vergangenheit und Gegenwart"®^. Das Argument des Paulus lautet: die Erwählung der Heiden in der Gegenwart und auch die Scheidung innerhalb Israels bestätigt gerade, daß Gott sich selbst treu bleibt und sein Wort nicht hinfällt. Denn sie erfolgt nach genau den gleichen Grundsätzen, wie schon die Erwählung Israels in Isaak und Jakob: nicht aufgrund von Werken oder Geburt, nicht aufgrund von Wollen oder Laufen auf Seiten des Menschen, sondern allein aufgrund des Erbarmens und der Liebe Gottes. (4) Prädestination Während eine Lektüre des Textes, die insbesondere an der Frage nach der G e schichte interessiert ist, die Gestalten der Schrift zumeist in erster Linie als R e präsentanten ganzer Gruppen bzw. Völker verstanden hat, gibt es auch (seit der Alten Kirche) eine Auslegungstradition, die den Schwerpunkt auf die Erwählung des Einzelnen zu ewigem Heil oder Unheil legt und Rom 9 auf eine Lehre der doppelten Prädestination hin auslegt'·^^.

G o t t e s g e r e c h t i g k e i t 68f; B r a n d e n b u r g e r , S c h r i f t a u s l e g u n g 14 sieht e i n e .streng theologische(n) A r g u m e n t a t i o n " , H e r v o r h e b u n g im Z i t a t ) . R e s e , Israel 212 resümiert mit Blick auf die F r a g e n a c h Israel und Kirche: . Ü b e r Israel sagt P a u l u s in R o m 9 viel, über die K i r c h e , g e n a u e r die Christen, relativ w e n i g , über das V e r h ä l t n i s b e i d e r z u e i n a n d e r nichts". "" B r a n d e n b u r g e r , S c h r i f t a u s l e g u n g 44 z.B. b e s t r e i t e t mit g u t e n G r ü n d e n e i n e n s o l c h e n Bruch ( g e g e n L ü d e m a n n u.a.). E i n i g e E r w ä g u n g e n z u m Z u s a m m e n h a n g der A r g u m e n t a t i o n w e r d e n am E n d e der A u s l e g u n g a n z u s t e l l e n sein (s.u. S.461 mit A η m.602). •·« V g l . M i c h e l , R ö m e r 299. G e g e n K o c h , S c h r i f t 304. Z u r F r a g e n a c h der H e i l s g e s c h i c h t e im K o n t e x t von R o m 9 , 6 - 1 3 vgl. Schmitt, G o t t e s g e r e c h t i g k e i t 117f. K o c h , Schrift 305; vgl. auch Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 71. Z u l e t z t hat Piper, J u s t i f i c a t i o n d a s R e c h t e i n e r s o l c h e n A u s l e g u n g verteidigt und u m g e k e h r t s e i n e E r g e b n i s s e resümiert: , T h e interpretation w h i c h tries to restrict

442

С. Zum Gang der

IV.C. R ö m e r b r i e f

Argumentation

Zur Struktur des Abschnittes:^^ V6a formuliert thetisch die Abwehr eines Einwandes, der sich aufgrund von Vl-5 ergeben konnte, der der Sache nach jedoch bereits mit ЗЗ gegeben war^^^ Die These dient zunächst als Beweisziel für 9,6-13, ist darüber hinaus aber zugleich auf 9,6-29^"^ und schließlich auch auf Rom 9-11 insgesamt^°^ zu beziehen. V6b begründet die These von Der Vers kann deshalb nicht anstelle von V6a als Leitthese des ganzen Abschnitts verstanden werden. Übergeordnetes Thema des Abschnitts ist, wie bei der Analyse des Kontextes insgesamt deutlich wurde, Gottes Wort und nicht der Israelbegriff Das zeigt auch das begründende γάρ in V6b, die Fortführung des ersten Beispiels in V7-9·''®'' und die theologische Spitze des zweiten Beispiels νΐΟ-Β'"^. Beide Beispiele bestehen aus einer zweifachen ούκ-άλλά-

this p r e d e s t i n a t i o n or u n c o n d i t i o n a l election to n a t i o n s r a t h e r t h a n i n d i v i d u a l s or to historical tasks r a t h e r than e t e r n a l destinies must i g n o r e or distort the p r o b l e m posed in R o m 9:1-5, t h e i n d i v i d u a l i s m of 9:6b, t h e v o c a b u l a r y and logical s t r u c t u r e of 9:6b-8, t h e closely a n a l o g o u s texts e l s e w h e r e in Paul, and t h e implications of 9:14-23. T h e position is exegetically untenable* (ebd. 54). Ein Beispiel f ü r den E i n f l u ß der F r a g e n a c h der P r ä d e s t i n a t i o n auf die E x e g e s e ist auch der G l i e d e r u n g s v o r s c h l a g zu 9,6-29 von S c h m i t h a l s (s.o. Anm.476). "" Z u r S t r u k t u r vgl. auch Piper, J u s t i f i c a t i o n 49; W i n k e l , A r g u m e n t a t i o n s a n a l y s e 69 (jeweils mit z.T. a n d e r e n E r g e b n i s s e n ) . ™ A u s s c h l a g g e b e n d ist, d a ß sich die A b w e h r eines f a l s c h e n V e r d a c h t e s in 9,6a auf etwas z u r ü c k b e z i e h e n m u ß , was diesen V e r d a c h t e r w e c k e n k o n n t e (vgl. auch L ü b k i n g , P a u l u s 61). "" Vgl. die A u f n a h m e von λόγος in 9,28. N a c h T h e o b a l d , R ö m e r b r i e f 262f n i m m t das .Leitmotiv" des W o r t e s G o t t e s 9,4 a u f , r a h m t den A b s c h n i t t und d u r c h z i e h t z u gleich die S c h r i f t w o r t e , in d e n e n .Gottes I c h ' spricht. ™ Vgl. G ü t t g e m a n n s , H e i l s g e s c h i c h t e 39; K ä s e m a n n , R ö m e r 251; Lübking, P a u lus 62; Schmitt, G o t t e s g e r e c h t i g k e i t 68; Rese, Israel 212; D u n n , R o m a n s 539; d a g e g e n B r a n d e n b u r g e r , S c h r i f t a u s l e g u n g 10. 11,25-32 n i m m t Motive aus 9,1-5.6-29 w i e d e r a u f , u n d auch 9,30-10,21 k a n n mit seinen a u s f ü h r l i c h e n S c h r i f t z i t a t e n und - a u s l e g u n gen als Beleg f ü r 9,6a v e r s t a n d e n w e r d e n . A u c h sachlich löst sich die S p a n n u n g , die etwa zwischen 9,4 und 9,8 e n t s t e h t , erst mit 11,25-32 w i e d e r auf (s.u. Anm.532). N i m m t m a n 9,4 ernst, so k a n n 9,8 f ü r sich allein nicht als Beleg f ü r die T h e s e 9,6a dienen! Vgl. L ü b k i n g , P a u l u s 62; Rese, Israel 209. "" So zu R e c h t G a s t o n , E n e m i e s 413 (gegen die A u s l e g u n g von G. Klein; vgl. auch Getty, Paul 464f); e b e n s o Byrne, Sons 129; D a b e i s t e i n , B e u r t e i l u n g 104; H ü b n e r , Ich 16. J e d o c h geht es damit nicht ,um weit m e h r als um das Schicksal des u n g l ä u b i gen I s r a e l ' (ebd.), s o n d e r n um eine a n d e r e E b e n e ! ™ V6b u n d V7a bilden als zwei p a r a l l e l e (chiastisch k o n s t r u i e r t e , s.u. S.445f) G l i e d e r den Einstieg in das erste Beispiel; vgl. a u c h Schmitt, G o t t e s g e r e c h t i g k e i t 77; W i n k e l , A r g u m e n t a t i o n s a n a l y s e 68. Luz f r a g t n a c h der A u s l e g u n g s a r t u n d stellt fest: „Eine B e i s p i e l a u f f ü h r u n g im e i g e n t l i c h e n Sinn liegt ... nicht vor" ( G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 69), e b e n s o w e n i g j e d o c h a u c h eine A l l e g o r e s e oder Typologie. E r k o m m t zum E r g e b n i s , d a ß die . h e r k ö m m l i chen h e r m e n e u t i s c h e n V e r g e g e n w ä r t i g u n g s k a t e g o r i e n von G e s c h i c h t e ... nicht zu passen" s c h e i n e n ( e b d . 69f). Da j e d o c h der F o r t g a n g zeigt, d a ß die S c h r i f t s t e l l e n in 9,6-29 letztlich d a z u d i e n e n , das in allem G e s c h e h e n sich treu b l e i b e n d e H a n d e l n G o t t e s zu b e l e g e n , kann man m.E. doch von Beispielen r e d e n , a u c h w e n n ihre A u s w a h l sicherlich nicht beliebig ist, s o n d e r n die f ü r Israel g r u n d - l e g e n d e n T r a d i t i o n e n aufgreift.

R o m 9 , 6 - 1 3 - G o t t e s W o r t ist nicht h i n g e f a l l e n

443

Struktur (deren zweite jeweils den konkreten Fall verallgemeinert) und einem abschließenden Schriftbeweis, kombinieren diese Elemente jedoch verschieden. Im zweiten Beispiel folgen die Schriftworte nicht direkt auf die ούκ-άλλά- (bzw. μή-'ίνα-) Aussage, sondern stehen gemeinsam am Schluß. Dadurch wird (wie in 9Д5-29 und 10,18-21) das Gewicht der Schriftaussagen im Kontext der Argumentation erhöht. Darüber hinaus kommt so die Zusammengehörigkeit und zentrale Bedeutung der Antithesen in Vll-12a zur Geltung. Diese Umstellungen führen jedoch dazu, daß der syntaktische Zusammenhang in VIO-13 sich kompliziert^"®. Die Unterscheidung zwischen der Seite Gottes und der Seite des Menschen, die sich bei der Auslegung der Kette von 9,4 nahegelegt hat, kann auch hier helfen, die Struktur noch weiter zu erhellen. Es zeigt sich nämUch, daß die veraeinten Aussagen (ού bzw. μή) jeweils auf die Seite des Menschen, die positiven Aussagen (άλλά bzw. ίνα) jeweils auf die Seite Gottes gehören. Die Schriftworte belegen dann Gottes Handeln an den Menschen.

(1) Gottes Wort ist nicht hingefallen (V6a - These) Weder das paulinische Evangelium von der Rechtfertigung der Juden und Heiden allein durch den Glauben an den Christus aus dem Haus Davids, noch der Unglaube vieler Israeliten ihm gegenüber impliziert, daß Gottes (früheres) Wort nun hingefallen ist^*". Mit λόγος του θεοϋ ist hier also (anders als an anderen Stellen bei Paulus) nicht das Evangelium gemeint^'". Zu seiner Näherbestimmung werden meist die έ π α γ γ ε λ ί α ι von 9,4 herangezogen. Zugleich wird häufig zurückverwiesen auf die λόγοι in Doch welchen Grund hat die Wahl des inhaltlich neutralen λόγος an dieser Stelle? So wie in ЗД die Wahl vielleicht durch die enge Verbindung mit dem Gesetz beeinflußt wurde^^^, so wird an dieser Stelle der Grund in dem Nebeneinander von Liebe und Haß, Zorn und E s ist in der F o r s c h u n g umstritten, ob der in V l l - 1 2 a nicht w e i t e r g e f ü h r t e Satz v o n VIO mit V 1 2 b w i e d e r a u f g e n o m m e n wird und a l s o V l l - 1 2 a als P a r e n t h e s e zu v e r s t e h e n ist (so u.a. Schlier, R ö m e r b r i e f 292; Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 70; K ä s e m a n n , R ö m e r 254; W i l c k e n s , R ö m e r 2 194; H ü b n e r , Ich 26). G e g e n s o l c h e B e s t i m m u n g w e n d e t C r a n f i e l d , R o m a n s 477 A n m . 3 ein, d a ß V l l - 1 2 a in sich k e i n e b e f r i e d i g e n d e P a r e n t h e s e b i l d e t e n . D a n n b l i e b e als L ö s u n g , V l l - 1 3 als z u s a m m e n h ä n g e n d e P e r i o d e zu v e r s t e h e n ( s o R e s e , Israel 216 A n m . 31; für ihn steckt der H a u p t s a t z , i n dem W o r t έρρέθη. D i e s e m H a u p t s a t z ist der sich an den G e n i t i v a b s o l u t u s a n s c h l i e ß e n d e F i n a l s a t z mit ί ν α vorgeordnet"; vgl. auch Piper, J u s t i f i c a t i o n 34). B e d e n k e n s wert e r s c h e i n t mir der V o r s c h l a g , V 1 2 b s y n t a k t i s c h als V e r v o l l s t ä n d i g u n g s o w o h l von VIO als a u c h von V l l - 1 2 a zu v e r s t e h e n (vgl. D u n n , R o m a n s 538). ™ V g l . Z e l l e r , R ö m e r 176: . n a c h der P e r f e k t f o r m d e s V e r b s g e h t es z u n ä c h s t um die B e w ä h r u n g des W o r t e s G o t t e s in der j ü n g s t e n V e r g a n g e n h e i t " . D i e V e r b i n d u n g des λ ό γ ο ς θεού mit der V e r n e i n u n g e i n e s π ί π τ ε ι ν ist j e d o c h s c h o n in der L X X g e l ä u f i g (vgl. d a z u z.B. Berger, A b r a h a m 77; L ü b k i n g , P a u l u s 62). S a c h l i c h k o r r e s p o n d i e r t d i e s e r A u s s a g e in V 6 a die b e t o n t e F e s t s t e l l u n g in V l l b , d a ß G o t t e s V o r s e h u n g bleibt. V g l . a u c h d i e W e n d u n g v o m T u n d e s W o r t e s in V 2 8 , d i e a l t t e s t a m e n t l i c h e T r a d i t i o n e n a n k l i n g e n läßt, n a c h d e n e n Gott s e i n Wort g e w i ß a u c h tut (s.o. Kap.III.F Anm.297). "" G e g e n G ü t t g e m a n n s , H e i l s g e s c h i c h t e ; K l u m b i e s , V o r z ü g e 142 u.a. V g l . z.B. L ü b k i n g , P a u l u s 62; Z e l l e r , R ö m e r 176. S.o. A n m . 6 6 . 4 3 6 .

444

IV.C. Römerbrief

Erbarmen Gottes zu suchen sein, das im folgenden entfaltet wird. V9, wo ein konkretes Schriftwort ausdrücklich als Verheißung bezeichnet wird, impliziert ja, daß es auch andere Worte Gottes gibt^". Das bestätigt im Kontext V28, wo das Wort, das Gott tut, zugleich ein Wort des Gerichts ist''^''. Schließlich belegt auch V l l f f dieses Verständnis von λόγος als eines Wortes, das Zorn und Erbarmen umschließt. Die positive Aussage dort, daß der Ratschluß Gottes bleibt, nimmt o f fensichtlich die negativ formulierte Aussage aus V6a wieder auf. Dieser R a t schluß jedoch betrifft, wie die anschließenden Schriftworte zeigen, sowohl Jakob als auch Esaù. Versteht man den λόγος θεού in V6a allein als Verheißung·''^^, dann unterschlägt man die entscheidende Rolle, die gerade das Eingehen auf die beiden Seiten des Handelns Gottes für die paulinische Argumentation hat^'®. Der Singular macht deutlich: es geht Paulus hier in grundsätzlicher Weise um den Zusammenhang von Wort und tatsächlichem Handeln Gottes-"*".

(2) Nicht alle aus Israel sind Israel (V6b-9 - Erster Beleg) Paulus begründet seine These in einem ersten Schritt, indem er den Begriff Israel genauer bestimmt. Dabei bleibt jedoch mit Israel das von Gott erwählte Volk gemeint, die Israeliten von 9,4. Es geht Paulus nicht darum, die Erwählung Israels zu bestreiten, sondern die Gültigkeit des Wortes Gottes zu erweisen. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, daß der Israelbegriff nun metaphorisch auf die Kirche aus Juden und Heiden angewandt würde. Vielmehr schließt Paulus sich in 9,10 erneut durch ein ,uns' mit seinem Volk zusammen. Vor allem aber wird in 9^7-29 Israel ausdrücklich als Adressat der zwei abschließenden Zitate genannt. Von dort her wird auch klar, wie die Unterscheidung innerhalb des Israelbegriffs in V6b zu verstehen ist: in ihr deutet sich der Restgedanke aus 927f bereits an. D a r -

D a s b e s t ä t i g t auch ein Blick auf die T r a d i t i o n v o m W o r t G o t t e s , d a s n i c h t fällt, in der L X X . D e n n a u c h in J o s 21,45 u n d 3 R e g 8,56 w e r d e n d i e W o r t e G o t t e s a u s d r ü c k l i c h n ä h e r b e s t i m m t als κ α λ ά bzw. άγαθά und in J o s 23,15 wird u n t e r s c h i e den z w i s c h e n ρήματα κ α λ ά und πονερά. D i e s e n B e f u n d gibt Berger, A b r a h a m 79 A n m . 77 nicht g e n a u g e n u g w i e d e r . D e s h a l b ist a u c h s e i n e S c h l u ß f o l g e r u n g dort, d a ß . j e w e i l s e i n e V e r h e i ß u n g über Z u k ü n f t i g e s " im Blick sei, n i c h t z u t r e f f e n d . "" D a s V e r s t ä n d n i s des V e r s e s und i n s b e s o n d e r e der W e n d u n g σ υ ν τ ε λ ώ ν καΐ σ υ ν τ έ μ ν ω ν ist umstritten (vgl. K ä s e m a n n , R ö m e r 265; H ü b n e r , Ich 58: . e i n e A u s l e g u n g , d i e sich a l l g e m e i n d u r c h g e s e t z t hätte, gibt es n i c h t ' ) . J e d o c h ist s o w o h l a u s d e m K o n t e x t R o m 9 , 2 7 - 2 9 als a u c h aus d e m K o n t e x t v o n J e s 10,22 der G e r i c h t s c h a rakter h i n r e i c h e n d d e u t l i c h . K ä s e m a n n , R ö m e r 252: „konkret g e w ä h r t e ( n ) Z u s a g e n " (vgl. a u c h W i l c k e n s , R ö m e r 2 192 A n m . 848; S t u h l m a c h e r , R ö m e r 133; Schmitt, G o t t e s g e r e c h t i g k e i t 202 A n m . 516; H ü b n e r , Ich 16). D a g e g e n b e t o n t M i c h e l , R ö m e r 299 zu R e c h t , d a ß λ ό γ ο ς του θεού , e i n w e i t e r e r Begriff" ist als ε π α γ γ ε λ ί α (vgl. a u c h Schlier, R ö m e r b r i e f 290; S c h m i t h a l s , R ö m e r b r i e f 338). Bereits in d e m auf die T h e m e n a n g a b e d e s B r i e f e s in l , 1 6 f f o l g e n d e n A r g u m e n t a t i o n s g a n g ist d i e s e s N e b e n e i n a n d e r und M i t e i n a n d e r von Z o r n und G n a d e G o t t e s c h a r a k t e r i s t i s c h , d a s im f o l g e n d e n in d e m N e b e n e i n a n d e r v o n Z o r n und E r b a r m e n w i e d e r a u f g e n o m m e n wird (vgl. V 2 2 f ) . W i e d e r u m bestätigt im f o l g e n d e n i n s b e s o n d e r e V l l f d e n g r u n d s ä t z l i c h e n Charakter (vgl. a u c h Lübking, P a u l u s 62).

R o m 9 , 6 - 1 3 - N i c h t a l l e aus Israel sind Israel

445

aus folgt, daß mit dem Israel innerhalb Israels die Judenchristen gemeint sind^^^. Durch das πάς in 1126 wird dann schließlich eschatologisch die in der Gegenwart (durch den Unglauben der einen) nötige Unterscheidung innerhalb Israels wieder aufgehoben·'*''. Die allgemeine Begründung in V6b belegt Paulus sogleich aus der Schrift, mit Abraham und mit seinen Kindern. Schon bei ihnen zeigt sich, daß nicht einfach leibliche Abstammung und also Zugehörigkeit zu einer Familie (oder eben einem Volk wie Israel) die Erwählung durch Gott impliziert. Denn Isaak ist derjenige, den Gott zum Samen Abrahams bestimmt und damit zum Träger der Abraham gegebenen Verheißungen gemacht hat. Das Verständnis dieses ersten Beispiels ist allerdings in der Mehrzahl der Auslegungen verbunden mit Problemen, die seine Aussage verwischen. Diese Probleme haben ihren Grund in grammatischen und sachUchen Schwierigkeiten in V7a, zugespitzter noch: im richtigen Verständnis des πάντες. Zumeist wird σπέρμα Αβραάμ als „der umfassende Begriff" und τέκνα als „eine Auswahl daraus"'^° aufgefaßt (auch in den Bibelübersetzungen), wohl vor allem aufgrund einer falschen Auflösung der Parallelität zu V6b. Dieses Verständnis bringt jedoch nicht nur die Schwierigkeit mit sich, daß man einen doppelten σ'л:έpμα-Begгiff postulieren muß, da in V7b.8 σπέρμα eindeutig die Auswahl bezeichnet^^'. Vielmehr bleibt auch, da τέκνα in V7a nicht näher qualifiziert ist, eine Unsicherheit darüber bestehen, ob damit Kinder Abrahams oder Kinder Gottes bezeichnet sind-''^^. Wenn man jedoch sieht, daß τέκνα in V7 zunächst ein allgemeiner, nicht näher bestimmter Begriff ist, der in V8 erst noch näher differenziert werden muß, kann man auch eine andere syntaktische Zuordnung der Satzteile vornehmen und paraphrasieren: Es ist doch nicht so, daß .Samen Ahrahams' alle sind, die Kinder (Abrahams) sincf^^.

V g l . D i n k i e r , P r ä d e s t i n a t i o n 267 (in Korrektur f r ü h e r e r P o s i t i o n ) ; L ü b k i n g , P a u l u s 68.78.201 A n m . 470; M u ß n e r , Israel 241f; H ü b n e r , Ich 17. I n s o f e r n die J u d e n christen erst v o m E n d e her a u s d r ü c k l i c h in den Blick k o m m e n und in A n b e t r a c h t des g r u n d s ä t z l i c h e n Charakters der b e i d e n f o l g e n d e n B e i s p i e l e kann man z u n ä c h s t die U n t e r s c h e i d u n g a l l e r d i n g s a u c h a l l g e m e i n e r f a s s e n , o h n e B e z u g zu k o n k r e t e n G r u p pen (vgl. C r a n f i e l d , R o m a n s 475: .Israel within Israel"; M i c h e l , R ö m e r 298: .Israel der V e r h e i ß u n g und ... Israel des F l e i s c h e s ' ; H o f i u s , E v a n g e l i u m 301: . V o l k " und .Heilsgemeinde"). ""

V g l . auch L o n g e n e c k e r , A n s w e r s 9 6 f . Berger, A b r a h a m 81. Berger, A b r a h a m 81 v e r s u c h t die S c h w i e r i g k e i t d a d u r c h zu l ö s e n , d a ß er die B e t o n u n g auf κληθήσεται legt: . W e i l er ein b e r u f e n e r S a m e n ist, ist Isaak b e s o n d e r e r Samen". H ü b n e r , Ich 19 A n m . 23 versteht τέκνα in V 7 als .Söhne A b r a h a m s ' . Byrne, Sons 131 d a g e g e n v e r s t e h t sie als S ö h n e G o t t e s (vgl. aber ebd. 133: .it may in f a c t be w r o n g to m a k e a rigid d i c h o t o m y b e t w e e n s o n s h i p of A b r a h a m and s o n s h i p of G o d ... T h e true o f f s p r i n g of A b r a h a m - that is, the o f f s p r i n g a c c o r d i n g to the p r o m i s e - are at o n e and the s a m e t i m e c h i l d r e n of A b r a h a m and c h i l d r e n of God"). Z u d i e s e m A r g u m e n t und zur g r a m m a t i s c h e n A u f l ö s u n g des S a t z e s vgl. R e s e , Israel 210. Bereits Barrett, R o m a n s 180f und a u c h G a s t o n , E n e m i e s 413 vertreten die hier v o r g e t r a g e n e D e u t u n g und e b e n s o s c h o n im v o r i g e n J a h r h u n d e r t B ö h m e r (vgl. d a z u W e i s s , R ö m e r 401, der d i e s e L ö s u n g mit V e r w e i s auf R o m 4,13.16 a b l e h n t , w o d o c h P a u l u s z u g e b e , . d a s s alle l e i b l i c h e N a c h k o m m e n A b r a h a m s σ π έ ρ μ α sind").

446

IV.C. R ö m e r b r i e f

Mindestens zwei weitere Beobachtungen legen ein solches Verständnis der Aussage nahe. In V6b steht das πάντες ja auf der Seite, die die umfassendere Menge beschreibt. Das Gleiche ist auch für V7a anzunehmen. Dann nimmt der Vers in chiastischer Reihenfolge die Elemente aus V6b auf (wie es bei Paulus häufig geschieht, vgl. im Kontext nur Hinzu kommt, daß es weder Rom 4 noch dem alttestamentlichen Befund entspricht, wenn σπέρμα in V7a eine allgemeine Größe bezeichnet. Vielmehr ist der Samen Abrahams immer Verheißungsträger (vgl. Gen 17,7-10; 22,17f; Rom 4,13р5. Dagegen kann auch nicht angeführt werden, daß doch im Kontext des von Paulus in V7b angeführten Zitates aus Gen 21,12 Ismael ebenfalls als Samen bezeichnet wird''^. Denn in Gen 21,13 dient die Kennzeichnung Ismaels als σπέρμα ja gerade zur Begründung dafür, daß auch er eine Verheißung erhält. Gott wird ihn zum großen Volk machen, weil er Samen Abrahams ist. Auch in diesem Fall bliebe also die allgemeine Aussage von V7a richtig. Es ist gerade charakteristisch für Rom 9,7-9, daß nicht das Gegenüber von Isaak und Ismael (der mit keiner Silbe erwähnt wird), sondern die Auswahl aus der Menge aller Kinder der Punkt ist, mit dem V6b belegt werden solP^''. Das Beispiel Abrahams und seines Samens belegt, auf welche Weise Gottes Wort bestehen bleibt. Gott selbst verwirklicht es durch sein andauerndes Berufen und Auswählen. Das macht die άλλά-Aussage deutlich, die, wie die drei folgenden auch (vgl. V8b.llb['iva].12a), Gottes Handeln beschreibt. Er verkündet dem Abraham, als der von ihm verheißene Isaak schon geboren ist, daß er diesen zu

W i l c k e n s ist hier w i d e r s p r ü c h l i c h : einerseits schließt er sich in seiner Ü b e r s e t z u n g der g ä n g i g e n D e u t u n g an, a n d e r e r s e i t s j e d o c h p a r a p h r a s i e r t er bei der A u s l e g u n g von V7: .nicht alle, die leiblich von A b r a h a m a b s t a m m e n , sind ,Samen A b r a h a m s ' im Sinne der V e r h e i ß u n g " ( R ö m e r 2 192). V6b:A (= alle I s r a e l i t e n ) В (= [erwähltes] Israel) V7a: B' (= S a m e n A b r a h a m s ) A ' (= alle K i n d e r [Abrahams]). E n t s c h e i d e n d f ü r das V e r s t ä n d n i s der P a r a l l e lität ist also das zweimalige πάντες (und nicht, wie o f f e n b a r zumeist unterstellt, die P a r a l l e l i t ä t der V e r n e i n u n g e n am S a t z a n f a n g ) . Dies gilt im übrigen a u c h f ü r die f r ü h j ü d i s c h e T r a d i t i o n , wo m e h r f a c h die F r a g e n a c h dem w a h r e n Samen A b r a h a m s gestellt und u n t e r s c h i e d l i c h b e a n t w o r t e t wird (vgl. z.B. das oben S.230 zitierte W o r t von R a b b i J u d a n b. Shilum aus B e r R 53,12; vgl. a u c h S a n d m e l , P l a c e 93f). 326 Ygi D u n n , R o m a n s 547: , t h e distinction b e t w e e n ,seed ... of A b r a h a m ' and .children (of A b r a h a m ) ' is at least potentially c o n f u s i n g since both I s h m a e l and I s a a c w e r e b o t h .seed' and .children'". M a n wird auch keinen u n l ö s b a r e n W i d e r s p r u c h zwischen 9,7a und der b e t o n ten ( u n d die g l ä u b i g e n H e i d e n e i n s c h l i e ß e n d e n ) A u s s a g e von R ö m 4,16 sehen d ü r f e n , wo es heißt, d a ß die V e r h e i ß u n g f ü r den g a n z e n Samen A b r a h a m s f e s t ist (so aber das A r g u m e n t von Weiss gegen Böhmer, s.o. Anm.523). Die a n d e r e Spitze m u ß hier b e a c h t e t w e r d e n . Die S p a n n u n g zwischen der u m f a s s e n d e n A u s s a g e von 4,16 u n d der den Samen als A u s w a h l b e s c h r e i b e n d e n A u s s a g e von 9,7a ist identisch mit der S p a n n u n g zwischen der e i n s c h r ä n k e n d e n A u s s a g e ü b e r Israel in 9,6b und der u m f a s s e n den H o f f n u n g von 11,26. Im ü b r i g e n e n t s p r e c h e n sich 4,13-16 und 9,7f in einem e n t s c h e i d e n d e n P u n k t : E r b e der V e r h e i ß u n g wird man nicht a u f g r u n d i r g e n d w e l c h e r U m s t ä n d e auf m e n s c h l i c h e r Seite (sei es n u n die physische A b s t a m m u n g oder sei es g u t e s oder böses T u n ) , s o n d e r n allein durch G o t t e s W o r t (vgl. D u n n , R o m a n s 540).

Rom 9,6-13 - N i c h t alle aus Israel sind Israel

447

dem Samen machen wird, dem die Abraham gemachten Verheißungen gelten-"'^. Das belegt die Schrift^^'. Aus dem Sachverhalt, den sie schildert, wird nun ein allgemeiner Grundsatz abgeleitet^^". Paulus folgert aus ihm, wodurch ein Mensch zum Kind Gottes wird. Er sieht offenbar an dieser Stelle das entscheidende Mißverständnis hinter dem Einwand gegen sein Evangelium, den er mit V6a abwehrt. Man kann nur meinen, Gottes Wort sei durch das paulinische Evangelium hingefallen, wenn man von falschen Voraussetzungen im Blick auf die Kindschaft Gottes ausgeht''·^'. Mit .Kinder Gottes' nimmt Paulus bezug auf die Gabe der .Sohnschaft', die nach 9,4 den Israeliten gegeben ist'·^^. Will man verstehen, was .Israel' ausmacht, dann muß man erkennen, wodurch das .Kind-Gottes-Sein' konstituiert wird·'^^. Für Paulus zeigt schon das Beispiel

™ Die P a s s i v f o r m κληθήσεται weist (ähnlich wie λ ο γ ί ζ ε τ α ι V8) auf ein H a n d e l n G o t t e s hin (vgl. Michel, R ö m e r 300 A n m . 8). Sie e r i n n e r t zugleich auch an das καλενν des S c h ö p f e r s in 4,17 (vgl. K ä s e m a n n , R ö m e r 253). Der E i n w a n d , d a ß .jener Spruch nach der G e b u r t Isaaks geschah" (Weiss, R ö m e r 401), t r i f f t nicht. Denn erst a u f g r u n d dieses W o r t e s , das n a c h seiner G e b u r t erging, wird Isaak etwas, was er zuvor o f f e n sichtlich nicht war; Samen und also V e r h e i ß u n g s t r ä g e r . Das S c h ö p f u n g s h a n d e l n G o t tes darf also nicht auf den A k t der G e b u r t b e s c h r ä n k t w e r d e n . P a u l u s schließt das Z i t a t aus G e n 21,12 zwar o h n e j e d e E i n l e i t u n g s f o r m e l direkt an das ά λ λ ά an. Doch das f o l g e n d e .midraschtypische' τοΰτ' ε σ τ ί ν (vgl. H ü b ner, Ich 20) zeigt an, d a ß e i n e Exegese folgt (vgl. Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 66). Vgl. Weiss, R ö m e r 402. Vgl. S c h n e i d e r , A n t i t h e s e lOOf: . P a u l u s b r a u c h t einen n e u e n B e g r i f f , der τέκνα τοΰ θεοϋ so eindeutig auslegt, d a ß sich seine G e g n e r nicht m e h r länger so n e n nen d ü r f e n . W a s V. 6b noch u n e n t s c h i e d e n bleibt ... das wird im f o l g e n d e n d u r c h die B e g r i f f e σάρξ und ε π α γ γ ε λ ί α eindeutig". .Es ist ein b e s o n d e r e r Z u g in der p a u l i n i schen T h e o l o g i e , d a ß ein P r o b l e m auf seine letzte A n t i t h e s e z u r ü c k g e f ü h r t wird, die nicht m e h r h i n t e r f r a g t w e r d e n kann und d e s h a l b zu einer E n t s c h e i d u n g nötigt" ( e b d . 102). Vgl. a u c h Byrne, Sons 131. Die B e g r i f f e τέκνα θεοί (9,8) und υιοί θεοϋ (9,26) b e z e i c h n e n hier - wie schon in R ö m 8,14.16 (und Gal 4,21-31) - den gleichen S a c h v e r h a l t u n d k ö n n e n wechselseitig g e b r a u c h t w e r d e n . U m s o m e h r bleibt die Frage, wie P a u l u s hier .Kinder G o t t e s ' im Blick auf V6a mit einer e i n s c h r ä n k e n d e n K o n n o t a tion g e b r a u c h e n kann (vgl. C r a n f i e l d , R o m a n s 475; a u f g r u n d der p a r a l l e l e n S t r u k t u r wird man oi έξ 'Ισραήλ aus V 6 a mit den τέκνα της σαρκός und οΰτοι 'Ισραήλ mit den τέκνα της έ π α γ γ ε λ ί α ς i d e n t i f i z i e r e n ) , w e n n die υιοθεσία in 9,4 doch o f f e n s i c h t l i c h allen I s r a e l i t e n nicht a b g e s p r o c h e n wird (s.o. S.420). E i n e a n g e m e s s e n e E r k l ä r u n g dieser S p a n n u n g ist nur möglich, wenn m a n den Bogen nicht aus den A u g e n verliert, den P a u l u s von der R e c h t f e r t i g u n g der g e g e n w ä r t i g e n Situation in 9,6-11,10 bis zur S c h i l d e r u n g der H o f f n u n g in 11,25-32 spannt (und also den bereits k o n s t a t i e r t e n Z u s a m m e n h a n g von 9,1-5 mit 11,25-32.33-36 e r n s t n i m m t , s.o. S.411f). A l s .Söhne G o t t e s ' w e r d e n die Israeliten a u c h in Dtn 14,1 b e z e i c h n e t . Die Diskussion, wer sich Kind G o t t e s n e n n e n d a r f , w u r d e im J u d e n t u m u.a. im A n s c h l u ß an diese Stelle g e f ü h r t , so in Qid 36a Bar: . K i n d e r seid ihr J a h v e e u r e m Gotte, Dt 14,1; wenn ihr euch nach A r t von K i n d e r n f ü h r t , heißt ihr K i n d e r ; wenn ihr euch a b e r nicht n a c h A r t von K i n d e r n f ü h r t , heißt ihr nicht K i n d e r . Das sind W o r t e des R . J e h u d a (um 150) ... R . M e i r sagte: Ob so oder so (ob ihr euch wie K i n d e r f ü h r t oder nicht), ihr heißt ( i m m e r ) K i n d e r , wie gesagt ist: E i n f ä l t i g e K i n d e r (aber doch K i n der!) sind sie J e r 4,22. F e r n e r : K i n d e r , auf die kein V e r l a ß ist. Dt 32,20; f e r n e r : Saat von M i s s e t ä t e r n , heillose Söhne, J e s 1,4; f e r n e r : Es wird g e s c h e h n , a n s t a t t d a ß man zu ihnen sagte: .Nicht mein Volk seid ihr', wird man sie h e i ß e n : .Söhne des l e b e n d i g e n G o t t e s ' H o s 2,1" (Billerbeck 3 263f A n m . a . d ; vgl. Wilckens, R ö m e r 2 193 A n m . 855; T h e o b a l d , R ö m e r b r i e f 266). Im Blick auf Röm 9,6-29 b e m e r k e n s w e r t erscheint u.a., d a ß die R e d e R. Meirs, die sich gegen die . W e r k g e r e c h t i g k e i t ' in den W o r t e n R.

448

IV.C. R ö m e r b r i e f

Isaaks, daß es sich nicht auf das Fleisch, sondern allein auf Gottes Verheißung und Tun gründet^^'*. Der Gegensatz von Fleisch und Verheißung darf an dieser Stelle nicht dualistisch verstanden werden als Abwandlung der „Antithese von Fleisch und Geist"^''^. Denn auch wenn in Gal 4,29 diese Antithese diejenige von Fleisch und Verheißung in Gal 4,23 ablöst, ist es nicht belanglos, daß im Kontext von Rom 9,6-29 gerade nicht vom Geist die Rede ist und der Dualismus von σάρξ und πνεΰμα in Rom 8,4ff hier keine Fortsetzung findet^^®. Hält man πνεϋμα und έ π α γ γ ε λ ί α an dieser Stelle einfach für austauschbar^^'', so verfehlt man die jeweilige spezifische Stoßrichtung der Antithesen. Vor einer solchen Identifizierung könnte schon die Tatsache warnen, daß πνεϋμα, wo es bei Paulus im Kontext von έ π α γ γ ε λ ί α gebraucht wird, den Inhalt der Verheißung bezeichnet, und zwar den im Leben der Gläubigen schon angeldhaft Wirklichkeit gewordenen Inhalt (vgl. 2Kor l,20ff; Gal 3,14). Auch der jeweilige Kontext der A n tithese in Rom 8 und Röm 9 macht den Unterschied deutlich^^®. Die Antithese Fleisch-Geist in Röm 8 ist eng mit der Frage des Wandels der Gläubigen verbunden und beschreibt offensichtlich zwei entgegengesetzte Bereiche. Sie beherrschen das Handeln des Menschen und ihre Wirkungen stehen einander diametral entgegen. Das Fleisch kann letztlich dem Menschen nur den Tod bringen, der Geist dagegen Leben und Frieden (vgl. 8,6). Die Antithese Fleisch-Verheißung steht im Zusammenhang von Röm 9,6-29 jedoch im Kontext eines ganz anderen Gegensatzes, nämlich desjenigen zwischen menschUchen Voraussetzungen und göttlicher Erwählung. Das macht spätestens Vll-12a zweifelsfrei deutUch"'.

J e h u d a s w e n d e t , abschließt mit dem V e r w e i s auf Hos 2,1, ein Wort, das P a u l u s in Röm 9,25 e b e n f a l l s a n f ü h r t . I n d e m er es jedoch dort auf die H e i d e n a n w e n d e t und so „das P r ä d i k a t ,Söhne G o t t e s " , das „schon im J u d e n t u m mit der V o r s t e l l u n g der E r w ä h l u n g v e r k n ü p f t ' war, ausweitet, gibt er der Diskussion ( u n d dem E r w ä h l u n g s g e d a n k e n ) . e i n e n e u e W e n d u n g " (Delling, Söhne 619). Die P a s s i v f o r m λ ο γ ί ζ ε τ α ι verweist (wie schon κληθήσεται in V7) auf ein T u n G o t t e s aus f r e i e r G n a d e (vgl. 4,6.8 und Schmitt, G o t t e s g e r e c h t i g k e i t 205 Anm.543; in 2,26 bezieht sich das V e r b auf die Heiden!). N a c h Wilckens, R ö m e r 2 192 geht es dabei um einen . R e c h t s a k t G o t t e s , in dem dieser dem M e n s c h e n eine h e i l s g e s c h i c h t liche . Q u a l i f i k a t i o n ' zuspricht, die er von sich aus nicht hat und h a b e n k a n n ' . G e g e n K ä s e m a n n , R ö m e r 253; vgl. B a u m b a c h , A b r a h a m 45. Vgl. Wilckens, R ö m e r 2 193 A n m . 854 (gegen K ä s e m a n n ) . Vgl. S c h n e i d e r , A n t i t h e s e 102. N o c h weiter geht D u n n , R o m a n s 541; f ü r ihn sind Fleisch und Gesetz sowie V e r h e i ß u n g und Geist . s u m m a r y expressions", die jeweils auch die a n d e r e n E l e m e n t e implizieren, selbst w e n n sie nicht g e n a n n t w e r d e n . 538 Vgl. auch Aletti, L ' A r g u m e n t a t i o n 54 A n m . 27 (sowie ders.. Dieu 175); n a c h ihm e r k l ä r t sich der Wechsel der A n t i t h e s e 1) d a r a u s , d a ß R ö m 9,6-29 z u n ä c h s t nicht an die C h r i s t e n gerichtet ist, die an i h r e n Status als G e i s t b e g a b t e e r i n n e r t w e r d e n sollen; 2) b e s t i m m e in Röm 9 allein Gottes W o r t alles. V12a u m f a ß t einen g a n z ä h n l i c h e n Wechsel der A n t i t h e s e : auch hier wird der von R ö m 4 her zu e r w a r t e n d e G e g e n b e g r i f f auf der Seite m e n s c h l i c h e n H a n d e l n s (•πίστις) ersetzt d u r c h einen B e g r i f f , der G o t t e s H a n d e l n allein h e r a u s s t e l l t (s.u. S.453f). Den a l l g e m e i n e n G e g e n s a t z M e n s c h - G o t t , der d u r c h diese A n t i t h e s e n b e t o n t wird, f ü h r t a u c h Philo m e h r f a c h im K o n t e x t der A u s l e g u n g der A b r a h a m s - und I s a a k ü b e r l i e f e r u n g ins Feld (s.o.S. 109f). So hebt er in Mut. 154-156 h e r v o r , d a ß allein Gott der U r h e b e r der G n a d e und des G u t e n ist. In M u t . 201 und A b r . 262-275 legt er dar, d a ß A b r a h a m Gott v e r t r a u t , dem G e w o r d e n e n (dem Bereich der σάρξ

R o m 9,6-13 - Nicht alle aus Israel sind Israel

449

Zwar beschreibt σάρξ nicht einfach einen neutralen Bereich. Ihre Beschreibung in Rom 8 als sündig und todbringend wird nicht ungültig'''"'. Doch ist damit nichts anderes gesagt, als was Paulus bereits in 2,1-3^0 aufgewiesen hat: die Juden sind, wie alle Menschen (und trotz ihrer .Vorzüge'), der Sünde unterworfen und aus sich heraus vor Gott in jeder Beziehung schuldig. Zu Israel zu gehören ändert an dieser Tatsache nichts, insofern es zunächst nicht mehr als eine dem Bereich des Fleisches zuzurechnende (durch Geburt oder Gesetzesbefolgung erlangte) B e stimmung ist. Τέκνα της σαρκός sind also alle Israeliten. Ihnen wird mit τέκνα της ε π α γ γ ε λ ί α ς nicht dualistisch eine völlig entgegengesetzte Gruppe gegenübergestellt, sondern das erste Glied der Antithese beschreibt die Gesamtmenge und das zweite Glied eine Teilmenge daraus''''^ Das bestätigt auch das voraufgehende zweimalige ού πάντες (V6b.7a). Alle Kinder sind Kinder des Fleisches. Doch nur die von Gott berufenen Kinder des Fleisches werden zu Kindern der Verheißung, zum Samen Abrahams, zu Trägern der Verheißung''·^. Von ε π α γ γ ε λ ί α ist in V8 also im Kontext der Gegenüberstellung von menschlichen Voraussetzungen und göttlichem Handeln die Rede. Daraus ergibt sich eine deutliche Schwerpunktverschiebung gegenüber Rom 4,13-22. Mit einer ganzen Reihe von Motiven knüpft Paulus in Rom 9,6-13 an Röm 4 an·"*^. Nicht nur der Verweis auf Abraham und seinen Samen und auf die Verheißung, sondern auch λ ο γ ί ζ ο μ α ι , έργον und καλέω lassen seine Argumentation dort nochmals anklingen. Ebenso kann man eine sachliche Entsprechung zwischen εκπίπτω in 9,6 und καταργέω in 4,14 sehen. Doch wiederum darf daraus nicht gefolgert werden, daß hier die Argumente aus Röm 4 einfach impliziert und also zu ergänzen wären'""'. Vielmehr muß es gerade darum gehen, die jeweilige spe-

a l s o ) j e d o c h m i ß t r a u t . A u c h f ü r P h i l o ist G e m e i n s c h a f t m i t G o t t ( u n d d a s G l e i c h e b e i n h a l t e t s a c h l i c h d e r B e g r i f f , K i n d G o t t e s ' ) ein A k t d e r N e u s c h ö p f u n g ( v g l . P r a e m . 161; s.o. K a p . I I I A n m . 5 1 ) . V o n d a h e r w i r d m a n k a u m s a g e n k ö n n e n , d a ß P a u l u s die.se O p p o s i t i o n v o n σάρξ u n d ε π α γ γ ε λ ί α , a m C h r i s t u s g e s c h e h e n e r s t e i g e n t l i c h " g e w o n n e n h a b e ( g e g e n L u z , G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 70). D e r r e i n i n n e r a l t t e s t a m e n t l i c h e K o n t e x t v o n R ö m 9 , 6 - 2 9 legt v i e l m e h r n a h e , d a ß er m i t d e r P l a u s i b i l i t ä t d i e s e r O p p o s i t i o n i n n e r h a l b d e s B e z u g s r a h m e n s j ü d i s c h e r T r a d i t i o n e n r e c h n e t . A n d e r s ist d i e s b e i d e r O p p o s i t i o n σ ά ρ ξ - π ν ε ύ μ α , d i e ja a b e r in R ö m 8 g e r a d e a u c h e n g m i t c h r i s t o l o g i s c h e n A u s s a g e n v e r k n ü p f t ist. D e r G e i s t als a n g e l d h a f t e V e r w i r k l i c h u n g d e r V e r h e i ß u n g e n k a n n e r s t im L i c h t d e s C h r i s t u s e r e i g n i s s e s e r f a h r e n w e r d e n . In i h m m a n i f e s t i e r t sich das N e u e : G o t t e s n e u e s S c h ö p f u n g s h a n d e l n an den M e n s c h e n , d i t a u s sich h e r a u s a l l e i n d e m F l e i s c h u n d d a m i t d e m T o d a n h e i m g e g e b e n e n s i n d . S e l b s t in R ö m 9,5 b r a u c h t d i e s e r n e g a t i v e A s p e k t n i c h t g e l e u g n e t zu w e r d e n , ist d o c h a u c h d e r m e n s c h g e w o r d e n e C h r i s t u s n i c h t d e m T o d e n t r o n n e n . D a s ist n o c h m a l s d e u t l i c h zu b e t o n e n g e g e n j e d e D e u t u n g v o r d e m H i n t e r grund der Frage nach Israel und Kirche sowie gegen jede Deutung, die hier den G e gensatz von Isaak und Ismael aus Gal 4,21-31 einträgt. V g l . a u c h L ü b k i n g , P a u l u s 64, n a c h d e m e b e n f a l l s . f ü r e i n e n T e i l I s r a e l s o f f e n b a r b e i d e s gilt: l e i b l i c h e A b k u n f t u n d V e r h e i ß u n g s k i n d s c h a f t ' . Vgl. schon oben Anm.492. G e g e n D u n n , R o m a n s 548: . A l t h o u g h h e h a s n o t m e n t i o n e d e i t h e r l a w or f a i t h P a u l ' s l i n e of a r g u m e n t is c l e a r : s c r i p t u r e c o n f i r m s P a u l ' s e a r l i e r e x e g e s i s " . Z u A u s l e g u n g e n , die die ekklesiologischen u n d soteriologischen A r g u m e n t a t i o n e n a u s R ö m 4 in R ö m 9 e i n l e s e n vgl. s c h o n o b e n S.440.

450

IV.C. Römerbrief

zifische Stoßrichtung der Aussagen herauszuarbeiten. Die Beobachtungen zur Antithese Fleisch-Verheißung haben bereits gezeigt, daß in Rom 9,6-13 „der Aspekt ganz auf die Freiheit des aktuellen Erwählungshandelns Gottes konzentriert ist"-·"*^. V12a bestätigt diese Verschiebung der Aussageabsicht gegenüber Rom 4. Auch bei der Verheißung selbst findet sie ihren Niederschlag. Weder der Inhalt der Verheißung, noch auch ihre Empfänger werden im Zusammenhang von Rom 9,6-9 genauer bestimmt. Dies geschah bereits in Rom 4 und ist für das Argumentationsziel in Rom 9 offensichtlich nicht von besonderem Interesse. Das bestätigt auch der folgende V9. Die dem Pescher-Stil Qumrans ähnliche Einleitung·''''® kennzeichnet das Schriftwort aus Gen 18,10.14 als einen Kommentar zur Deutung des vorangegangenen Schriftwortes. Es erweist die Berechtigung der Unterscheidung von Kindern der Verheißung und Kindern des Fleisches, die zur Deutung des ersten Schriftwortes eingeführt wurde. Paulus bleibt mit diesem Vers ganz auf der Ebene der Isaakgeschichte. Empfänger der Verheißung sind in V9 Sara und Abraham. Isaak ist der Inhalt der Verheißung an sie^"'''. Mit seiner Geburt hat sich diese Verheißung verwirklicht. Anders als in Rom 4 ist eine darüber hinausgehende (gar bis in die Gegenwart reichende) Wirkung dieser Verheißung nicht im Blick. Auch hier liegt der Schwerpunkt der Aussage offenbar ganz auf der Seite Gottes. Durch die Wahl des Schriftwortes mit seinem betonten ,ich werde kommen' wird bestätigt, was sich in den Passivformen κληθήσεται und λογίζεται bereits andeutet: Verheißung ist Zusage eines Handelns und Eingreifens Gottes-^''®. Von daher besteht also kein Anlaß, Isaak typologisch als Repräsentanten einer bestimmten soziologischen Gruppe (seien es Christen allgemein oder Judenchristen) zu deuten^"'. Allerdings darf über dieser Feststellung nicht übersehen werden, daß σπέρμα im ersten Schriftwort Gen 21,12 nicht Isaak meint, sondern auf die Nachkommen Isaaks abhebt, wie auch die Beschreibung des Samens als .Kinder der Verheißung' zeigt^^°.

"" Wilckens, Römer 2 196. ^ Vgl. Hays, Echoes 65; auch nach Ellis, Interpretation 696 ist das ούτος hier ,an equivalent of the Qumran pesher". Deshalb kann V9 auch nicht dazu dienen, den nach V 7 zum Samen Berufenen als Verheißungsträger zu erweisen (gegen Berger, Abraham 82). Zudem impliziert (wie wir sahen) bereits der Begriff σπέρμα, daß es um den Verheißungsträger geht, so daß dies nicht mehr erwiesen werden muß. Vgl. Piper, Justification 229 Anm.28: .emphasis on God's own powerful activity" (Hervorhebung im Zitat). Damit wird Verheißung deutlich abgegrenzt von jeder (bloßen) Vorhersage aufgrund von Vorherwissen, eine Vorstellung wie sie etwa bei Josephus (vor dem Hintergrund der hellenistischen Vorstellung von der V o r s e hung/πρόνοια Gottes) auch Einfluß auf die Rede von der Verheißung gewinnt (s.o. S.122.136). Statt dessen steht die Rede von der Verheißung im Kontext der Vorstellung vom engen Zusammenhang zwischen Gottes Reden und seinem Tun, wie er ausdrücklich in 9,28 anklingt. 5® Vgl. Luz, Geschichtsverständnis 69, nach dem „die soziologische Konkretion des Ausdrucks ... unverfügbar" bleibt (vgl. auch Schmitt, Gottesgerechtigkeit 78). Zur allgemeinen Frage, ob in Röm 9,6-13 nur Einzelpersonen oder Gruppen bzw. Völker im Blick sind, s.u. S.454.

R o m 9 , 6 - 1 3 - Gott hat Israel aus g r u n d l o s e r L i e b e e r w ä h l t

451

(3) Gott hat Israel aus grundloser Liebe erwählt (VlO-13 Zweiter Beleg) Der erste Beleg Schloß mit der Verheißung der Schwangerschaft für Sara in V9. Direkt daran an schließt sich der Verweis auf die Schwangerschaft Rebekkas, mit dem der zweite Beleg für die These in V6a einleitet wird. Der Grand für den Anschluß des Jakob-Esau-Beispiels ist umstritten. Hat es rein „additiven, parallelisierenden Charakter"^^^ oder enthält es eine notwendige Weiterführung und Steigerung der Argumentation? Häufig wird darauf verwiesen, daß Opponenten gegen das erste Beispiel ja einwenden könnten, Ismael sei Sohn einer Sklavin gewesen^^^ jsj^^ ^ίς}, ^war gezeigt, daß Ismael nicht ohne weiteres aus Gal 4,21-31 in das erste Beispiel eingetragen werden darf. Immerhin könnte die Betonung des έξ ένός κοίτην in VIO ein indirekter Hinweis darauf sein, daß die Kinder Abrahams nicht alle von der gleichen Frau stammen (womit insbesondere auch Hagar und Ismael in den Blick kommen)^^^. Wichtiger sind т Б . Fragen, die sich indirekt hinter beiden Beispielen in ähnlicher Weise zeigen. Wamm gibt Gott diesem eine Verheißung und jenem nicht? Wamm erwählt er diesen und jenen nicht? Gibt es einen Gmnd dafür auf Seiten der Menschen? Könnte nicht Isaaks Berufung zum Samen in Gen 21,12 ihren Gmnd haben in seiner Beschneidung (Gen 21,4), mit der Abraham an ihm das Gebot Gottes erfüllte? Oder auch in seiner Haltung bei der Opferang in Gen 22?554 дц£ solche Fragen im Hintergrund des ersten Beispiels gibt schon V9 eine Antwort. Bereits die Geburt dessen, der zum Verheißungsträger werden soll, war von Gott verheißen. In Isaak selbst kann der Grund für sie also nicht liegen. Die Frage könnte sich allerdings verschieben: gibt es einen Grund für die Verheißung der Geburt Isaaks auf Seiten Abrahams? Solche Erwägungen hat Paulus bereits mit seiner Auslegung von Gen 15,6 in Röm 4Д-8 abgewiesen. Der ,Lohn'

B r a n d e n b u r g e r , S c h r i f t a u s l e g u n g 22. V g l . z.B. C r a n f i e l d , R o m a n s 476; Z e l l e r , R ö m e r 177; H ü b n e r , Ich 24. D i e s gilt auch, w e n n man (mit H a n s o n , Birth 88) in d i e s e r W e n d u n g b e t o n t sieht, d a ß R e b e k k a J a k o b u n d E s a ù bei e i n e m ( e i n z i g e n ) B e i s c h l a f e m p f a n g e n hat. E i n a n d e r e r A k z e n t entsteht, w e n n m a n d i e W e n d u n g v o n e i n e r T r a d i t i o n w i e W e i s h 3,16 her liest, w o es heißt, d a ß der έκ παρανόμου κοίτης σπέρμα z u g r u n d e g e h e n und also die U n g e s e t z l i c h k e i t der Eltern über sein G e s c h i c k e n t s c h e i d e n wird. D a g e g e n i m p l i z i e r t die W e n d u n g in R ö m 9,10, d a ß der H a ß G o t t e s g e g e n ü b e r E s a ù e b e n s o w e nig w i e s e i n e L i e b e zu J a k o b ihren G r u n d in ihrem V e r h a l t e n oder in d e m ihrer E l tern hat (vgl. a u c h die zu W e i s h 3,16 in S p a n n u n g s t e h e n d e A u s s a g e in W e i s h 4,6, w o n a c h s o l c h e K i n d e r im G e r i c h t als Z e u g e n g e g e n d i e B o s h e i t ihrer Eltern a u f t r e ten w e r d e n ) . D i e M ö g l i c h k e i t e i n e s s o l c h e n w e i s h e i t l i c h e n H i n t e r g r u n d e s der A r g u m e n t a t i o n des A p o s t e l s liegt n a h e , w e i l sie a u c h a n d e r e n S t e l l e n in R ö m 9 - 1 1 d u r c h s c h e i n t (vgl. d a z u a u s f ü h r l i c h J o h n s o n , F u n c t i o n ) . V g l . d i e im TPsJ zu G e n 22,1 ü b e r l i e f e r t e D i s k u s s i o n z w i s c h e n Isaak u n d Ismael, in der Isaak sagt: , E s steht mir zu, d a ß ich m e i n e n V a t e r b e e r b e , w e i l ich der Sohn s e i n e r ( l e g i t i m e n ) Frau Sara bin, w ä h r e n d du der Sohn der H a g a r , der S k l a v i n m e i n e r Mutter, bist. I s m a e l antwortete: Ich bin g e r e c h t e r als du, w e i l ich mit 13 J a h ren b e s c h n i t t e n w u r d e und m i c h hätte w e i g e r n k ö n n e n , m i c h b e s c h n e i d e n zu l a s s e n ; aber du, du w u r d e s t b e s c h n i t t e n mit 8 Tagen" (zitiert n a c h M u ß n e r , G a l a t e r b r i e f 330). H i e r g e h t es l e t z t l i c h (mit ä h n l i c h e n M o t i v e n ) a u c h um d i e F r a g e : w a r u m Isaak und nicht I s m a e l ?

452

IV.C. R ö m e r b r i e f

der Sohnesverheißung wurde Abraham aus Gnade z u g e s p r o c h e n ' ^ ^ · \ γ ϋ ΐ paulus die in der Unterscheidung zwischen Israel und Israel in V6b beschlossene Begründung seiner Versicherang plausibel machen, dann reicht ein Verweis auf Abraham und seinen Samen aus zwei Gründen nicht aus. Zum einen kann aufgmnd der vielen Verbindungen zu Kap. 4 das Isaakbeispiel von jenen Ausführangen her gelesen und um die dortigen ekklesiologischen bzw. soteriologischen Aussagen ergänzt werden. Dann wird jedoch die eigentìiche, die .theologische' Pointe der Argumentation verfehlt (die allein wirklich die allgemeine These von V6a begründen kann). Zum anderen wird in einer ganzen Reihe von jüdischen Traditionen die Erwählung des Volkes Israel betont auf Jakob zurückgeführt (auch hier stellt sich die Frage: waram wurde Jakob erwählt?^'®), so daß eine theologische Beschäftigung mit Israel an ihm nicht vorbeigehen und sich nicht allein auf Abraham stützen kann. Das zweite Beispiel wird durch das ού μόνον δέ, ά λ λ ά also nicht lediglich dem ersten beigeordnet, sondern es führt die Argumentation weiter, und zwar mindestens in fünffacher Hinsicht'^'': (a) Nicht nur die Verheißung an Abraham und seinen Samen belegt: Gottes Wort ist nicht hingefallen. Auch die Erwählung Jakobs (=Israels) bestätigt das. Es wurde bereits festgestellt, daß Jakob in manchen frühjüdischen Traditionen gegenüber Abraham betont hervorgehoben wird als der, von dem nur Gerechte ausgegangen sind^^®. Paulus dagegen reklamiert zwar in diesem Zusammenhang auch die Erwählung Jakobs für seine eigene These, behandelt ihn aber dennoch nicht als für das Verständnis Israels entscheidend wichtigen Vater'''. Statt

s.o. S.381. Diese F r a g e w u r d e a u c h im J u d e n t u m i m m e r w i e d e r gestellt, z.B. in G e s t a l t der F r a g e , w a r u m Israel und nicht a n d e r e V ö l k e r das G e s e t z e r h a l t e n h a b e n . Vgl. a u c h schon Dtn 7,7: Israel w u r d e nicht erwählt, weil es g r ö ß e r war als die a n d e r e n V ö l k e r (im G e g e n t e i l , es w a r das kleinste gewesen), s o n d e r n weil Gott es geliebt h a t . Z u r p a r a l l e l e n F r a g e s t e l l u n g , w a r u m A b r a h a m e i n e V e r h e i ß u n g e r h a l t e n hat, s.o. Anm.208. Schwierig bleibt die g e n a u e B e s t i m m u n g des g r a m m a t i s c h e n Bezugs des ού μόνον δέ, ά λ λ ά . Rese, Israel 216 A n m . 30 will aus V 9 e r g ä n z e n : „Nicht allein dies ist das W o r t der V e r h e i ß u n g , s o n d e r n a u c h das, was ... gesagt wird". J e d o c h sind das S c h r i f t w o r t aus Mal 1,2 und d a m i t auch das zuvor a n g e f ü h r t e S c h r i f t w o r t aus G e n 25,23 (trotz des F u t u r s δουλεύσει) k a u m in gleicher W e i s e als V e r h e i ß u n g e n a n z u s e hen wie V9. Besser erscheint es, die W e n d u n g auf das erste Beispiel i n s g e s a m t zu b e z i e h e n , u n d d a b e i i n s b e s o n d e r e auf die B e g r ü n d u n g V 6 b . N i c h t allein das G e s c h e hen an A b r a h a m (vgl. V7) u n d Sara (vgl. V9) und i h r e m N a c h k o m m e n bestätigt die T h e s e , s o n d e r n auch das an R e b e k k a und Isaak (VIO) und d e r e n K i n d e r n . D e n n nicht allein die B e r u f u n g eines R e s t e s aus Israel, s o n d e r n auch G o t t e s H a n d e l n an Israel und den H e i d e n belegt, d a ß sein W o r t nicht h i n f ä l l t . Der Beleg d a f ü r wird j e d o c h erst mit V 2 4 - 2 9 a b s c h l i e ß e n d e r b r a c h t . S.o. K a p . I I I . F Anm.83. Diese B e s c h r e i b u n g steht a l l e r d i n g s in S p a n n u n g zur Kritik an J a k o b , der .schon im M u t t e r l e i b seinen B r u d e r b e t r o g e n ' hat ( H o s 12,4, vgl. a u c h G e n 27,36: , E r heißt mit R e c h t J a k o b , d e n n er h a t mich nun zweimal ü b e r listet"). Das ί ν α in V l l b hat einen f i n a l e n A k z e n t (vgl. C r a n f i e l d , R o m a n s 478). Gut d e n k b a r ist, d a ß es auch auf den Leser des B r i e f e s zielt. D a n n w ä r e in A n a l o g i e z.B. zu R ö m 15,4 b e t o n t , d a ß die S c h r i f t dieses G e s c h e h e n um u n s e r e t w i l l e n b e r i c h t e t , d a m i t j e d e m klar wird: G o t t e s W o r t fällt nicht hin, da sein R a t s c h l u ß fest bleibt (zum

Rom 9,6-13 - Gott hat Israel aus g r u n d l o s e r Liebe e r w ä h l t

453

dessen spricht er in diesem Zusammenhang auffällig betont (und wie in 93 als Israelit^^°) von .Isaak, unserem Vater' (vgl. auch 4,1) und unterstreicht so die Verbindung zum ersten BeispieP®^. (b) Gott verheißt nicht nur den Lebenden (Abraham und Isaak), sondern erwählt schon vor der Geburt und also vor jedem menschlichen Tun (Jakob). Das belegt, daß die in der Erwählung gründende Verheißung allein von Gott ausgeht und unabhängig ist von jeder Voraussetzung und Bedingung und jedem Verhalten auf menschlicher Seite. Vor allem V12a, mit dem die Gründe für den erwählenden Ratschluß Gottes nochmals präzisiert werden, markiert deutlich die Neuerung der Argumentation gegenüber Rom 4. Während der Leser von dort her als Opposition zu den εργα ein πίστις erwarten könnte, führt Paulus die Opposition nicht auf derselben Ebene zu Ende, sondern wechselt von der Seite des Menschen auf die Seite Gottes^^^. Diese Innovation gegenüber Kap. 4 zeigt, daß Gottes Erwählen und Verheißen tatsächlich allein in ihm selbst, seiner Liebe und seinem Erbarmen, gründet. Der Mensch hat hier in keinerlei Hinsicht etwas hinzuzutun. Und so gibt es auch keinen Grund für die Erwählung Israels außer Gottes Liebe, die im Weiteren näher entfaltet wird als sein Erbarmen^".

R ü c k b e z u g auf die T h e s e 9,6a vgl. Luz, G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 71 A n m . 173; L ü b k i n g , P a u l u s 65; Rese, Israel 216 A n m . 33; vgl. auch das ε ί ς τά ε ί ν α ι βεβαίαν ή ε π α γ γ ε λ ί α in 4,16 und das ε ί ς τά βεβαιώσαι τάς ε π α γ γ ε λ ί α ς in 15,8). "" Vgl. das πατρός ήμών in VIO sowie dazu C r a n f i e l d , R o m a n s 477; Wilckens, R ö m e r 2 194; Rese, Israel 213.216 A n m . 32. Z u r g r u n d l e g e n d v e r s c h i e d e n e n N a c h g e s c h i c h t e der A b r a h a m - und J a k o b t r a dition vgl. auch W e s t e r m a n n , G e n e s i s 12-36 500. » A b r a h a m ist der V a t e r , von J a k o b wird nie als ,dem V a t e r ' g e s p r o c h e n . Dagegen /sí J a k o b Israel, A b r a h a m wird nie in gleicher W e i s e mit Israel gleichgesetzt, Israel ist .Samen A b r a h a m s ' , aber nicht A b r a h a m " ( H e r v o r h e b u n g im Z i t a t ) . N i c h t s d e s t o t r o t z t r a g e n viele A u s l e g e r den G e d a n k e n der π ί σ τ ι ς doch w i e d e r ein, o f f e n b a r o h n e zu b e m e r k e n , d a ß sie so nun auf a n d e r e W e i s e die Z u v e r l ä s s i g k e i t des W o r t e s G o t t e s an ein m e n s c h l i c h e s V e r h a l t e n b i n d e n . Vgl. z.B. B r a n d e n b u r g e r , S c h r i f t a u s l e g u n g 35, nach dem die A n t i t h e s e auch lauten k ö n n t e : .Die πρόθεσις G o t tes kommt b l e i b e n d zum Z u g e ούκ έξ έργων ά λ λ ' έκ πίστεως*. Doch das έκ τού καλούντος zielt in dieser A r g u m e n t a t i o n des P a u l u s g e r a d e nicht auf ein V e r h a l t e n des M e n s c h e n (gegen B r a n d e n b u r g e r , S c h r i f t a u s l e g u n g 37 A n m . 53), s o n d e r n betont ,die völlige U n b e d i n g t h e i t des . R u f e s ' Gottes* (Wilckens, R ö m e r 2 194; vgl. auch Piper, J u s t i f i c a t i o n 35: , T h e i n t e n d e d f o r c e of t h e p h r a s e .not f r o m works but f r o m the o n e w h o calls' is felt most strongly when one contrasts it with t h e similar P a u l i n e p h r a s e .not f r o m works but f r o m f a i t h " , H e r v o r h e b u n g im Z i t a t ) . Vgl. auch 11,5f: E r w ä h l u n g G o t t e s geschieht aus G n a d e und also nicht aus W e r k e n (auch nicht die E r w ä h l u n g des g e r e t t e t e n Restes)! Dieser G e d a n k e ist bereits mit den klassischen Stellen zur E r w ä h l u n g s v o r s t e l l u n g im D e u t e r o n o m i u m v e r b u n den. So wird in Dtn 7,7 mit . V e h e m e n z ... das M i ß v e r s t ä n d n i s , als b e r u h e die W a h l J a h w e s auf einer b e s o n d e r e n Q u a l i f i k a t i o n Israels, a b g e w e h r t " ( W i l d b e r g e r , T H A T 1 285f). Vgl. auch Dtn 9,5, wo es a u s d r ü c k l i c h u n d in der Sache mit Rom 9,12a v e r g l e i c h b a r heißt; ούχί διά τήν δικαιοσύνην σου ούδέ δια τήν όσιότητα της καρδίας σου. . E r w ä h l u n g ' sehen diese Stellen im D e u t e r o n o m i u m d e m n a c h als . a b s o l u t e n A k t der G n a d e , allein b e g r ü n d e t in der nicht weiter zu e r k l ä r e n d e n Liebe J a h w e s zu Israel" (ebd. 286). Diese Ü b e r z e u g u n g , an die P a u l u s hier a n k n ü p f t , ist auch in der Synagoge nicht v e r l o r e n g e g a n g e n (vgl. auch Schmithals, R ö m e r b r i e f 349).

454

IV.C. Römerbrief

(c) In dem gegensätzlichen Wort Gottes über Jakob und Esaù wird deutlich: nicht nur Verheißung und Erwählung ergeht durch Gottes Wort, sondern ebenso auch sein Gericht'®'*. Dieses Wirken des Wortes Gottes nach zwei Seiten, das sich bereits in 1,16-18 zeigte, wird in dem Gegenüber von Liebe und Haß angedeutet und in den beiden folgenden Abschnitten näher entfaltet als Gegenüber von Erbarmen und Verhärten bzw. Verwerfen. Dabei deutet sich allerdings bereits in dem in 9,15 angeführten Schriftwort sowie in der (schwierigen) Satzkonstruktion V22ff an, daß beide Seiten nicht einfach gleichgewichtig einander gegenüberstehen, sondern daß das Erbarmen das .eigentliche' Wirken Gottes ist'®-'*. Diese noch vage Andeutung bestätigt sich später in 1130-32. (d) In dem Gegenüber von Jakob und Esaù wird deutlich: nicht nur an Israel handelt Gott seh jeher, sondern auch an den Völkern. Die Frage, ob und in welcher Weise die einzelnen Gestalten in den Beispielen zugleich auf Völker bzw. Gruppen (auch der Gegenwart) zu deuten sind oder nicht, ist allerdings umstritten. Zwar ist allgemein anerkannt, daß die von Paulus angeführten biblischen Traditionen den Lesern auf jeden Fall in groben Zügen bekannt sein müssen, sollen sie die Argumentation des Paulus nachvollziehen können. Dennoch wird häufig behauptet, daß der Kontext der angeführten Schriftstellen keine Rolle spielt. Dementsprechend vertreten bei der Interpretation von 9,12f viele Ausleger die Ansicht, daß hier nur Einzelpersonen im Blick sind!'®® Eine Entscheidung an dieser Stelle hängt ab von der Bestimmung der Struktur von 9,6-29 insgesamt und insbesondere der Berücksichtigung der Verbindungen zu 9,24-29-''®^. Weiter ist jedoch auch die Aussage in V I I zu beachten und nach dem angemessenen Verständnis der Schriftworte zu fragen. Da die Auslegung von 9,10-13 (damit zugleich aber auch von 9,6-13 und von 9,6-29 insgesamt) häufig gerade von diesem Punkt abhängt, erscheint es lohnend, jenen beiden Aspekten hier ausführlicher nachzugehen als meist üblich. Auffällig ist schon die Verwendung von έκλογή zur Deutung der Geschichte von Jakob und Esaù. Denn von der Erwählung Jakobs (oder auch einer anderen

Der G e g e n s a t z hier ist also nicht e i n f a c h der von E r w ä h l u n g und N i c h t - E r wählung ( a n a l o g d e m j e n i g e n von V e r h e i ß u n g und N i c h t - V e r h e i ß u n g in V 6 b - 9 ; g e gen H ü b n e r , Ich 23), sondern der von E r b a r m e n und VerStockung b z w . Gericht, w i e die V e r b i n d u n g e n zu V18.22f z e i g e n ( v g l . auch W i l c k e n s , R ö m e r 2 195). D i e beiden A b s c h n i t t e 9,14-18.19-23 sind in ihrer inneren Struktur chiastisch a u f e i n a n d e r b e z o g e n ( E r b a r m e n / M o s e s - V e r h ä r t e n / P h a r a o - G e f ä ß e des Z o r n s G e f ä ß e des Erbarmens), w o b e i w i e d e r u m die beiden äußeren G l i e d e r den S c h w e r punkt der A u s s a g e b e z e i c h n e n . D i e g l e i c h e Beobachtung läßt sich f ü r 9,24-29 sowie f ü r 9,6-29 insgesamt e b e n f a l l s machen. H i e r sind es j e w e i l s die K i n d e r A b r a h a m s nach dem Fleisch bzw. die Söhne Israels, die a u f e i n a n d e r b e z o g e n e A u ß e n g l i e d e r bilden und bestätigen, daß sich in R o m 9 die F r a g e nach der T r e u e G o t t e s zu seinem W o r t insbesondere als F r a g e nach dem Geschick des von ihm erwählten V o l k e s Israel stellt. Käsemann, R ö m e r 255 behauptet: . D i e Z i t a t e sind aus ihrem K o n t e x t herausgerissen und mißachten dessen Sinn"; v g l . schon Weiss, R ö m e r 408 und auch W i l c k e n s , R ö m e r 2 195; Dunn, R o m a n s 544. Dazu s.o. S.435.

R o m 9 , 6 - 1 3 - Gott hat Israel aus L i e b e e r w ä h l t

455

Einzelperson) ist in der Genesiserzählung nirgends die Rede'®®. Dagegen spricht vor allem Deuterojesaja (dessen besondere Bedeutung für Paulus bereits an anderen Stellen offenkundig geworden ist) mehrmals von der Erwählung J a kobs, der dabei jedoch immer für das Volk Israel insgesamt steht^®®. Auch in den klassischen Texten zur Erwählung im Deuteronomium geht es immer um die Erwählung Israels aus den Völkern^™. Mit dem Verweis auf den rufenden Gott stellt Paulus eine Verbindung zum ersten Beispiel und damit zur Verheißung her. Darüber hinaus greift diese Bestimmung aber auch auf Rom 4,17 zurück und damit zugleich ganz allgemein auf Gottes Schöpfungshandeln, wie es schon in Gen 1 mit καλείν beschrieben wird'"''. Für die Verbindung von έ κ λ ο γ ή und κλήσις (die Paulus beide nochmals parallel in ll,28f a u f nimmt>'^''^ gibt es nun ein Vorbild, das auch in anderer Hinsicht bemerkenswert eng mit den in Rom 9,6-13 verhandelten Beispielen verknüpft ist. In Jes 41,8f, dem Beginn des ersten großen (direkt an Israel gerichteten) Heilswortes im Buch Deuterojesaja, heißt es: Σύ δέ, Ισραήλ, παις μου Ιακώβ, òv έξελεξάμην, σπέρμα Αβρααμ, öv ήγάπησα, οΰ ... έκάλεσά σε. Nicht allein die Verbindung von E r wählung und Berufung (die sich m.W. sonst nirgends in der LXX findet), sondern auch die Verbindung von Jakob/Israel und Samen Abrahams sowie das (auch sonst mit der Erwählung verbundene) Stichwort Liebe belegen eine erstaunlich große motivische Übereinstimmung zwischen diesen beiden Texten. Die Vermutung drängt sich von daher auf, daß Jes 41,8f im Hintergrund der paulinischen Argumentation steht. Dann jedoch zeigt auch das sachlich immer aus dem K o n text zu füllende καλείν'^^, daß es nicht allein um den Ruf (ins Leben) an Jakob geht, sondern daß die Berufung Israels zum geliebten und erwählten Volk zumindest mit im Blick ist. Bestätigt wird dies auch durch einen genaueren Blick auf die übrigen Stellen in Rom 9, an denen das καλείν Gottes aufgenommen V o n der E r w ä h l u n g e i n e s E r z v a t e r s ist a u c h sonst nur e i n m a l , in N e h 9,8 ( A b r a h a m ) , die R e d e . ^ J e s 41,8; 44,1; 45,4; vgl, d a n e b e n nur n o c h J e s 14,1; ^ 134,4. ™ D a b e i b e s t e h t hier h ä u f i g e i n e e n g e V e r b i n d u n g der E r w ä h l u n g s a u s s a g e mit der E r i n n e r u n g an d a s E x o d u s g e s c h e h e n (vgl. Dtn 4,37), z.T. mit a u f f ä l l i g e r B e t o n u n g der G e s t a l t d e s P h a r a o (vgl. D t n 7,7f und a u c h 134,4.9). D i e s stimmt b e m e r k e n s w e r t ü b e r e i n mit der F o r t s e t z u n g der A r g u m e n t a t i o n in R o m 9 , 1 4 - 1 8 . G o t t e s S c h ö p f e r h a n d e l n wird im K o n t e x t a u c h in R o m 9 , 1 9 - 2 3 g a n z a u s d r ü c k lich als A r g u m e n t h e r a n g e z o g e n . '''' V o n έ κ λ ο γ ή spricht er noch, w i e d e r u m auf Israel b e z o g e n , in 11,5 (vgl. a u c h 11,7, dort mit der B e d e u t u n g εκλεκτοί; mit Blick auf d i e Christen spricht er in 8,33 von εκλεκτοί). W i e G o t t e s E r w ä h l e n , s o ist a u c h G o t t e s R u f e n ein M o t i v , d a s i n s b e s o n d e r e bei D t j e s zu f i n d e n ist. A u c h dort a l l e r d i n g s kann es sich auf v e r s c h i e d e n e S a c h v e r h a l t e b e z i e h e n : G o t t e s S c h ö p f u n g s h a n d e l n an a l l e n G e s c h l e c h t e r n u n d an H i m m e l und E r d e ( J e s 41,4; 48,13; vgl. a u c h W e i s h 11,25); den R u f an A b r a h a m ( n e b e n J e s 41,9 n o c h J e s 51,2 - mit der Z i e l a n g a b e : um ihn zu mehren!); die B e r u f u n g d e s K n e c h t e s , der zu Israels H e i l w i r k e n soll ( J e s 42,6; 49,1; vgl. a u c h 46,11); das H e r b e i r u f e n des V o l k e s in die G e m e i n s c h a f t mit Gott ( J e s 54,6; vgl. H o s 11,1.2). Bei d e n a n d e r e n P r o p h e t e n b e z i e h t sich der R u f G o t t e s d a g e g e n z u m e i s t auf ein G e r i c h t s h a n d e l n : er ruft das S c h w e r t , e i n e Dürre oder H u n g e r s n o t , das F e u e r oder das W a s s e r herbei ( 2 K ö n 8,1; Jer 25,29; E z 38,21; A m 5,8; 7,4; 9,6; H a g 1,11).

456

IV.C. Römerbrief

wird. So wird in 9^526 ausdrücklich das Volk gerufen. Und auch in 9,7 wird nicht Isaak berufen. Vielmehr wird in ihm dem Abraham Nachkommenschaft berufen. Deshalb deuten έκλογή und καλέω bereits in 9,11 darauf hin, daß mit dem Stammvater Jakob zugleich auch das erwählte Volk Israel - und dementsprechend mit Esaù ein nichterwähltes Volk (oder Völker) - im Blick ist. Hinter Gen 2523, das Paulus in V12b als ersten Schriftbeleg anführt, steht eine Deutung der Jakob-Esau-Geschichte auf Völker (nämlich auf Israel und auf Edom als dem Hauptfeind Israels und Repräsentanten der Heidenvölker), die sich ebenfalls bei den Propheten findet^''''. Will man, entgegen dem Kontext des Zitates und entgegen dem Zusammenhang der Erwählungsvorstellung, die Aussage allein auf die Einzelpersonen Jakob und Esaù beziehen, dann stellt sich die Frage, wozu Paulus dieses Zitat ausgewählt hat. Zugespitzt: dann muß der Hintergrund und die Funktion des δουλεύω erklärt werden. In der Genesiserzählung wird von einem tatsächlichen Dienen Esaus gegenüber Jakob nichts berichtet'^^. Im Gegenteil: der vor seinem älteren Bruder geflohene Verheißungsträger spricht bei seiner Rückkehr den Bruder als seinen Herren an und bittet als sein Knecht darum, Gnade in seinen Augen zu finden (vgl. Gen 32f). Was also soll das Zitat besagen? Den Beleg, daß auch Jakob Verheißungsträger ist, hätte Paulus sehr viel besser mit anderen Schriftworten erbringen können'"'^. Die Frage einfach zu übergehen kann an dieser Stelle ebensowenig befriedigen wie der Versuch, das δουλεύω von Gal 4,24f her zu deuten'^^. Sieht man jedoch, wie es der Kontext der Stelle auch nahelegt, mit der ICnechtschaft das Verhältnis zwischen zwei Völkern beschrieben, so entspricht das zum einen dem Vorkommen des Motivs in der legendarischen Weiterbildung der Jakob-Esau-

™ Vgl. neben Mal 1,2 noch Obd 8-10. Schon nach Gen 36,8 ist Esaù = Edom, das auf dem Gebirge Seïr wohnt. A n den wenigen Stellen außerhalb der Genesiserzählung, an denen von Esaù die Rede ist, ist dies ebenfalls immer der Fall. E s a u / E d o m wird dabei zur ,typische(n) Bezeichnung für das gegen Israel feindliche Volk" (Munck, Christus 36). Auch die einzige Stelle, wo im Kontext nicht ausdrücklich von Völkern die Rede ist (Gen 27,40), ist deshalb nur vor diesem Hintergrund zu verstehen. ™ Vgl. z.B. die in der frühjüdischen Tradition häufig a u f g e g r i f f e n e Verheißung Gen 28,14. Im Kontext von Rom 9 mindestens ebenso interessant ist jedoch Gen 32,13. Denn dort erinnert Jakob Gott im Gebet (vor seiner Begegnung mit Esaù) an die Mehrungsverheißung, die er Abraham und Isaak in Gen 22,17 gemacht hat. Diese A u f n a h m e des Bildes von der Zahl der Nachkommen wie Sand am Meer findet sich nur noch (mit jeweils unterschiedlichen Interpretationen!) in Jes 10,22 und Hos 2,1 (den zwei Texten, die Paulus dann in Röm 9,26f zitiert) sowie in Jes 48,18f (Gott spricht zu Jakob/Israel, daß seine Kinder zahlreich wären wie Sand, wenn es auf die Gebote geachtet hätte) und Jer 33,22 (Gott will das Geschlecht Davids mehren wie Sand am Meer). Käsemann, Römer 255 nennt weder einen Grund für die Auswahl des Zitates noch gibt er eine Deutung seiner Aussage. Wilckens, Römer 2 195 vermutet lediglich: „Daß der Größere ... dem Kleineren ... dienen soll, versteht Paulus vielleicht im Sinne von Gal 4,24f'. Doch was kann damit gemeint sein? Die Knechtschaft dort wird im Kontext der Geschichte gerade nicht als ein Dienen gegenüber dem Freien beschrieben. Vielmehr ist sie offenbar parallelisiert mit der Knechtschaft unter den Mächten der Welt (Gal 4,4).

Rom 9,6-13 - Gott hat Israel aus g r u n d l o s e r Liebe e r w ä h l t

457

Erzählung^''^, zum anderen auch dem Kontext der Erwählungsvorstellung'^'. Diese Erwählung des kleinen Israel vor den großen Völkern hat ihren Grund allein in Gottes Liebe, wie Paulus abschließend begründet mit dem betont als Schriftwort eingeführten Zitat aus Mal Damit erreicht der Abschnitt „seine genau berechnete Spitze"^^i. Erst hier werden die beiden, um die es seit VIO geht, ausdrücklich genannt. Dabei steht Mal 1,2 am Beginn eines Strangs der Auslegungsgeschichte der Jakob-Esau-Tradition, dem es offenbar allgemein um die Frage der Erwählung Israels geht^^^. Zugleich gehört es aber auch zu einem weiteren Strang, der die Tradition konkreter auf das Verhältnis Israels zu seinem Nachbarn Edom bezieht, an dem Gottes Liebe zu Israel sichtbar wird'®'. Schließlich findet sich noch ein dritter Strang, dem die Jakob-Esau-Tradition zur Einschärfung der Gesetzesbefolgung dient und der deshalb das Geschick Esaus aus seinem Handeln zu erklären sucht^^''. Paulus deutet, wie wir sahen, mit dem Stichwort έκλογή in V i l bereits an, wie er die Jakob-Esau-Geschichte verstehen will. Zugleich grenzt er sich durch das μηδέ πραξάντων τι άγαθόν ή φαΰλον ab von dem dritten Strang der Interpretation'®'.

Vgl. J u b 38,10-14, w o n a c h die Söhne J a k o b s die Söhne E s a u s zu K n e c h t e n m a c h e n ,bis auf diesen Tag'; die gleiche T r a d i t i o n f i n d e t sich auch in T e s t j u d 9. Vgl. J e s 14,1, w o n a c h der H e r r sich J a k o b s e r b a r m e n und Israel e r w ä h l e n wird u n d die V ö l k e r ihm als K n e c h t e und M ä g d e dienen w e r d e n . Schon a u f g r u n d dieses M o t i v z u s a m m e n h a n g s des δουλεύω läßt sich k a u m die T a t s a c h e , d a ß P a u l u s den K o n t e x t von G e n 25,23 nicht eigens mitzitiert, als Beleg d a f ü r w e r t e n , d a ß P a u l u s in 9,6-13 z u n ä c h s t nur I n d i v i d u e n im Blick h a b e (gegen Aletti, L ' A r g u m e n t a t i o n 44 A n m . 12). A u c h das n ä c h s t e Paar, Moses und P h a r a o , erweist, d a ß mit einer D e u t u n g auf E i n z e l p e r s o n e n k a u m d u r c h z u k o m m e n ist. Ihre G e g e n ü b e r s t e l l u n g legt v i e l m e h r nahe, d a ß es hier um das E x o d u s g e s c h e h e n insgesamt geht. A u c h die W e s e n s b e s t i m m u n g G o t t e s , die in der zitierten K u n d g a b e seines N a m e n s g e g e n ü b e r Moses e n t h a l ten ist (Ex 33,19 in R o m 9,15), impliziert n a t ü r l i c h nicht lediglich ein E r b a r m e n g e g e n ü b e r Moses, s o n d e r n g e g e n ü b e r dem Volk, f ü r das Moses hier eintritt (vgl. 33,16). A u c h das Stichwort .Liebe' v e r b i n d e t das Z i t a t mit der E r w ä h l u n g s t r a d i t i o n (vgl. Dtn 4,37; 7,7f; J e s 41,8). Dabei f i n d e t sich in Dtn 7,7f sogar der Sache nach s o wohl der Z u s a m m e n h a n g von g r o ß und klein, als auch die a u s d r ü c k l i c h e B e g r ü n d u n g mit der Liebe Gottes. T h e o b a l d , R ö m e r b r i e f 267. Vgl. J u b 15,30 u n d 4Esr 3,16; 6,8-10. In den r a b b i n i s c h e n S c h r i f t e n wird Mal 1,2 zumeist allein mit seinem ersten Glied a n g e f ü h r t , als Beleg f ü r G o t t e s Liebe zu Israel u n d also Israels E r w ä h l u n g (so in 9 von 12 im Register des M i d r a s c h R a b b a g e n a n n t e n Stellen). Vgl. dazu oben A n m . 574.578. Dieser zweite Strang hat j e d o c h nicht nur V e r b i n d u n g e n zum ersten, s o n d e r n auch zum d r i t t e n . So wird z.B. in v e r s c h i e d e n e n T r a ditionen die u n b e d i n g t e Z u s a g e Gen 25,23 an die B e d i n g u n g der G e s e t z e s b e f o l g u n g d u r c h den K l e i n e n (also J a k o b ) g e b u n d e n . U n d u m g e k e h r t kann Esaù d u r c h seine A n s t r e n g u n g das J o c h der K n e c h t s c h a f t z e r b r e c h e n , wie es - w i e d e r u m o h n e e i n e B e d i n g u n g - schon in Gen 27,40 heißt (vgl. Billerbeck 3 267). Vgl. z.B. L i b A n t 32,5; Philo Leg.All. 3,88, w o n a c h Gott E s a ù wegen seiner W e r k e h a ß t e . Esaù w u r d e in dieser A u s l e g u n g s t r a d i t i o n zum H u r e r und G o t t l o s e n s c h l e c h t h i n (vgl. H e b r 12,16 und zur dort a u f g e n o m m e n e n f r ü h j ü d i s c h e n A u s l e g u n g s t r a d i t i o n B r a u n , H e b r ä e r 426). "" M a n kann die W e n d u n g j e d o c h auch vor dem H i n t e r g r u n d der Kritik an J a kobs Ü b e r l i s t e n ( G e n 27,36; H o s 12,3f) auf ihn b e z i e h e n : obwohl J a k o b Esaù b e t r ü g t , ist er der von Gott E r w ä h l t e und B e r u f e n e . V I I gilt letztlich f ü r b e i d e Brüder!

458

IV.C. Römerbrief

(e) Nicht nur die AuswaM eines Samens aus der Menge aller Israeliten aufgrund der Verheißung Gottes, sondern auch die Auswahl Israels aus den Völkern allein aufgrund der grandlosen Liebe Gottes entspricht seinem Wort. Das belegen, wie wir gesehen haben, die Schriftworte in 9Д7-29 und 9,25-26. Allerdings liegt die Verbindung zu den korrespondierenden Schriftworten nicht jeweils auf der gleichen Ebene. In 9,6b-9 und 9,27-29 ist der entscheidende Punkt das gleiche Handeln Gottes an Israel von Anbeginn an: wie schon die Verheißung im Blick auf Isaak die Auswahl aus der größeren Zahl der Kinder Abrahams impliziert, so ist auch Israel durch Jesaja gesagt, daß nicht die ganze Zahl der Kinder Israels Samen und damit Verheißungsträger sein wird. Auch 9,10-13 und 9^5-26 sind verbunden durch das im Gmndsatz gleiche Handeln Gottes: seine grandlose Liebe und sein Haß, sein Erbarmen und Verstocken. Jedoch sind nun die, an denen er so handelt, vertauscht. Nicht allein Juden, sondern auch Heiden werden jetzt zu Geliebten, zu berafenen Söhnen Gottes. Umgekehrt wird Paulus in Röm ll,7f auch von der Verstockung auf Seiten Israels sprechen. Diese .Vertauschung', die aus der Anwendung des Schriftwortes Hos 2Д5.1 in 9,25 indirekt klar hervorgeht, hat ihren sachlichen Grand in der Jetzt' offenbar gewordenen Gerechtigkeit Gottes (vgl. 3,21)586 Fassen wir die verschiedenen Beobachtungen zusammen, so ergibt sich: Sowohl die Motive der Erwählung und des Bemfens als auch die Kontexte der Zitate müssen es jedem Leser nahelegen, in Jakob und Esaù jeweils auch die von ihnen abstammenden Völker m i t z u s e h e n ^ ^ ? y ^ ^ j jaher erscheint es kaum möglich, daß Paulus hier allein die Einzelpersonen im Blick hat''®®. Zudem ergaben sich keine Hinweise darauf, daß Paulus hier gegen die prophetische Auslegungstradition, der er sich anschließt, andere Gemeinschaften typologisch mit den beiden Gestalten identifizieren will, etwa mit Jakob die Christen (oder Judenchristen) und mit Esaù die ungläubigen Israeliten. Exkurs: Zu Problemen einer .israelkritischen' Auslegung von 9,6-13 Um zur noch weitverbreiteten .israelkritischen' Auslegung des Abschnittes zu gelangen, bedarf es, wie deutlich wurde, einer ganzen Reihe wenig plausibler exegetischer Einzelentscheidungen. Die Verkennung der chiastischen Straktur von 9,6-29 insgesamt (und einhergehend damit der Beziehungen zwischen 9,6b-9 und 9,27-29 sowie 9,10-13 und 9,25-26) führt dazu, daß die beiden Beispiele parallel und einheitlich verstanden werden, wobei das erste Beispiel letztiich die gesamte Im jetzigen Zusammenhang des Zitates impliziert der Wechsel zwischen der Bezeichnung als .Nicht-Volk' und dann der Berufung zu Söhnen dieses νυν. 387 Vgl. ähnlich z.B. Schmithals, Römerbrief 346. 3«8 Gegen die oben Anm.566 genannten Ausleger. Richtig dagegen Beasley-Murray. Righteousness 442: ,the corporate implications of the statement suit his purpose admirably". In gewissem Sinn kann man tatsächlich hier von einer .typologischen' Deutung sprechen, da es sehr wohl durch die A u f n a h m e der jeweils entscheidenden Motive in den Schriftworten in 9,25-26.27-29 zu „einer Gegenüberstellung" kommt (gegen Luz, Geschichtsverständnis 71).

R o m 9,6-13 - Gott hat Israel aus Liebe e r w ä h l t

459

Auslegung regiert. Aufgrund der Verbindung von 9,6f mit 9^8f wird dann 9,6-13 insgesamt als Beleg für die Scheidung innerhalb Israels verstanden. Dann wird Esaù zum Prototyp des nicht geretteten Israel^®®, wobei meist auf die polemische Verbindung Ismaels mit dem Sinai und jetzigen Jerusalem in Gal 4^1-31 hingewiesen und eine solche auch hier für Esaù in einer ,semi-allegorischen' Interpretation eingelesen wird^®". Diese Linie wird z.T. noch weiter ausgezogen und dann auch Pharao^'^ und die Gefäße des Zorns auf das gegenüber dem Evangelium ungehorsame Israel gedeutet^'^. Damit übergeht man jedoch die sicherlich gewollte Verbindung von 9,13 mit 9^5, durch die der nicht geliebte Esaù zum Vorläufer der zunächst nicht geliebten Heiden wird. Im Gegenschlag gegen die skizzierte .israelkritische' Auslegung haben deshalb andere (mit der jüdischen Tradition) auch Ismael als Repräsentanten der heidnischen Völker verstanden und also 9,7-9 von 9,10-13 her interpretiert^'^. Jedoch wird auch diese Deutung der chiastischen Struktur des ersten Hauptteils und den beiden Themen in 9^4-29 nicht voll gerecht. Sie steht noch im Bann der von ihr bekämpften .israelkritischen' Interpretation, insofern sie ebenfalls Ismael in das erste Beispiel einträgt und so den Unterschied zwischen der Gegenüberstellung einer Gesamtmenge Israel und einer Auswahl von Verheißungsträgem daraus sowie der derjenigen eines Geliebten und eines Gehaßten nivelliert^®"'. So z.B. C r a n f i e l d , R o m a n s 481, aber auch schon die a l t k i r c h l i c h e A u s l e g u n g seit I r e n a u s (vgl. dazu G a s t o n , E n e m i e s 412). "" Ein Beispiel f ü r die K o n s e q u e n z e n solcher A u s l e g u n g ist H ü b n e r s Sicht der Dinge. E r hält es f ü r zwingend, d a ß . P a u l u s dieses g e g e n w ä r t i g e m p i r i s c h - v ö l k i s c h e Israel mit dem n i c h t b e r u f e n e n N i c h t i s r a e l i t e n Ismael" vergleicht, was ein J u d e . n u r als f a t a l e und b e l e i d i g e n d e V e r d r e h u n g der T a t s a c h e n b e u r t e i l e n " k ö n n e (Ich 20). U n d er f ä h r t f o r t : «Wer als J u d e über d e r a r t i g e A u s s a g e n nicht aus g a n z e m H e r z e n e m p ö r t ist, ist kein J u d e m e h r " (Ich 21). Dagegen ist (ganz a b g e s e h e n von der F r a g e , ob wir als Christen b e s t i m m e n sollten, w a n n ein J u d e noch J u d e ist) zu f r a g e n , a u f g r u n d w e l c h e r A r g u m e n t e eigentlich an dieser Stelle der V e r w e i s auf Ismael z w i n gend ist. H ü b n e r n e n n t keine. Z u d e m ist zu f r a g e n , ob nicht g e r a d e die A r g u m e n t a tion des P a u l u s mit der S c h r i f t in Rom 4,1-22 und 9,6-29 (die auf j e d e christologische V e r a n k e r u n g verzichtet!) d a r a u f angelegt ist, in den j ü d i s c h e n T r a d i t i o n e n v e r a n k e r te G e s p r ä c h s p a r t n e r zu ü b e r z e u g e n und nicht, sie vor den Kopf zu s t o ß e n . Vgl. H ü b n e r , Ich 53f. In a n d e r e r W e i s e ergänzt M u n c k diese D e u t u n g noch. Für ihn ist nicht n u r E s a ù . d a s f l e i s c h l i c h e Israel, das in der kurzen Zeit des N e u e n B u n d e s den W i d e r stand gegen Gott und seinen Heilsplan f ü h r t " ( C h r i s t u s 36), s o n d e r n er sieht auch von d a h e r - und o f f e n s i c h t l i c h von Gal 4,29 her - das Motiv der V e r f o l g u n g des V e r h e i ß u n g s e r b e n d u r c h Ismael (der aber, wie er selbst feststellt, g a r n i c h t g e n a n n t wird!) . u n a u s g e s p r o c h e n in Rom 9,7-9 vorausgesetzt" (ebd. 33). I n s b e s o n d e r e G a s t o n , E n e m i e s vertritt eine solche A u s l e g u n g . F ü r ihn ist Rom 9 allein an H e i d e n c h r i s t e n gerichtet und das T h e m a des Kapitels allein G o t t e s G n a de. In diesem K o n t e x t hält er es f ü r .absolutely impossible" (ebd. 416), d a ß F i g u r e n wie Ismael, E s a u , P h a r a o f ü r i r g e n d e t w a s a n d e r e s stehen k ö n n t e n als f ü r N i c h t - I s r a el, die N i c h t - E r w ä h l t e n , die H e i d e n (vgl. auch Getty, Paul 465 A n m . 24, die z u d e m noch die G e f ä ß e des Z o r n s und Sodom und G o m o r r a h in diese R e i h e stellt). G a s t o n verweist zu R e c h t d a r a u f , d a ß Ismael und Esaù in j ü d i s c h e n T r a d i t i o n e n zur R e f l e xion über G o t t e s V e r h ä l t n i s zu Israel und den V ö l k e r n d i e n t e n ( e b d . 405f mit V e r weis auf M e k h Y «iinn 5, L a u t e r b a c h II, 234f; J u b 15,28-32; BerR 55,4; vgl. schon T P s J zu Gen 22,1). Die H e r a n z i e h u n g Ismaels hat ihren G r u n d zum einen in einer u n k r i t i s c h e n

460

d.

IV.C. R ö m e r b r i e f

Zusammenfassung

Rom 9,6-13 ist im Kontext von Rom 9,6-29 insgesamt auszulegen. Die Themenangabe in V6a, die Fragen in V14.19, die interpretierenden Sätze in Vllf.l6, die jeweils abschließenden Sätze V13.1822f und die Rolle des ,Ichs' Gottes in den Schriftworten belegen: Paulus geht es in diesem ersten Hauptteil von Rom 9-11 um die theologischen Grundfragen der Treue, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit Gottes in seinem Wort und Handeln^®·''. Angesichts der Erwählung auch der Heiden (vgl. die Anwendung der Motive Sohnschaft, Berufung und Erwählung auf die Glaubenden in Rom 8) und des Unglaubens Israels (vgl. Rom 9,1-5) drängt sich die Frage nach der Verläßlichkeit des Wortes Gottes auf und bedarf einer Antwort. Die Frage nach dem Geschick Israels und auch die nach dem Handeln Gottes an den Heiden sind in Rom 9,6-29 dieser Frage untergeordnet. Rom 9,6-29 läßt, wie vielfältige semantische Verbindungen erweisen, eine chiastische Struktur erkennen. Die Argumentation von 9,6-9 hat von daher ihre Entsprechung in 9,26-29 und zielt auf die Frage einer Auswahl innerhalb Israels. Der Abschnitt 9,10-13 hat seine Entsprechung in 9,24-25 und zielt auf Gottes Handeln an Juden und Heiden. 9,6-9 und 9,10-13 dürfen also nicht parallel (und auch nicht primär .israelkritisch') interpretiert werden. Sondern gemeinsam erweisen beide Beispiele (mit ihren Gegenstücken 9,24-25.26-29): Schon Israel ist allein durch Gottes Rufen, Auswählen, Liebe und Erbarmen konstituiert. Besinnt man sich darauf, hat man weder wegen der Auswahl eines Restes innerhalb Israels, noch wegen des Erbarmen Gottes über die Heiden (bei dem Gott ja den gleichen Grandsätzen folgt wie bei Israel) einen Gmnd daran zu zweifeln, daß Gott auch in seinem Heilshandeln in Jesus Christus (mit den Auswirkungen, die es auf Israel und die Heiden hat) an seinem Wort festhält. Gott erbarmt und verhärtet, schafft die Gefäße des Erbarmens, aber auch die Gefäße des Zornes•'^®. Er macht Heiden zu seinen Kindern und läßt aus Israel einen Rest übrig. Menschliches Verhalten ist nicht Bedingung für dieses Handeln und kann es nicht hindern. So kann es auch letztlich nie dazu führen, daß Gottes Wort zu Fall kommt.

H e r a n z i e h u n g v o n G a l 4 , 2 1 - 3 1 , z u m a n d e r e n aber w o h l a u c h in einer durch d a s G e g e n ü b e r v o n J a k o b und E s a ù ( u n d durch den K o n t e x t d e s Z i t a t e s V 7 b ) a n g e s t o ß e n e n f a l s c h e n P a r a l l e l i s i e r u n g v o n V 6 b - 9 und V l O - 1 3 . In d i e s e m Z u s a m m e n h a n g ist n o c h e i n e M e r k w ü r d i g k e i t der A u s l e g u n g s g e s c h i c h t e e r w ä h n e n s w e r t : bei der E x e g e s e v o n G a l 4 , 2 1 - 3 1 ( w o es t a t s ä c h l i c h um das a n t i t h e t i s c h e G e g e n ü b e r v o n Isaak u n d I s m a e l g e h t ) wird h ä u f i g auf die S ö h n e A b r a h a m s v o n Ketura ( G e n 25,1) v e r w i e s e n und a n g e m e r k t , d a ß P a u l u s in s e i n e m B e i s p i e l über sie h i n w e g g e h e . In R o m 9,7 j e d o c h , w o a u s d r ü c k l i c h von allen K i n d e r n die R e d e ist, wird in der M e h r z a h l der F ä l l e v o n d e n A u s l e g e r n a l l e i n auf Ismael v e r w i e s e n . D i e s e F r a g e n w e r d e n b e r e i t s mit 3 , 1 - 8 a u f g e w o r f e n , dort aber z u n ä c h s t nur v o r l ä u f i g a b g e w i e s e n und erst in 9 , 6 - 2 9 b e g r ü n d e t b e a n t w o r t e t . ™ In W e i s h 12,19ff f i n d e t sich e i n e g a n z ä h n l i c h e M o t i v k o m b i n a t i o n w i e in R ö m 9 , 6 - 2 9 . A u c h hier g e h t es um G o t t e s H a n d e l n an s e i n e m V o l k und an d e n H e i d e n und f i n d e t sich das N e b e n e i n a n d e r v o n Strafe und E r b a r m e n . D a s A r g u m e n t aus der S c h r i f t in R ö m 9,28 gründet e b e n f a l l s in e i n e m w e i s h e i t l i c h e n A r g u m e n t , d a s G o t t e s U n t e i l b a r k e i t durch den A u f w e i s d e m o n s t r i e r t , d a ß er an a l l e n in g l e i c h e r W e i s e e r w ä h l e n d h a n d e l t (vgl. J o h n s o n , F u n c t i o n 150).

Rom 9,6-13 - Z u s a m m e n f a s s u n g

461

D a r a u s darf man a l l e r d i n g s nicht u m g e k e h r t eine E n t s c h u l d i g u n g f ü r den M e n schen m a c h e n . Denn mit dem Begriff des Z o r n s verweist die A r g u m e n t a t i o n zurück auf die B e s c h r e i b u n g der Situation des M e n s c h e n in 1,18-3,20. D e r e n E r g e b n i s war: Kein M e n s c h ist vor Gott g e r e c h t . J e d e r hat seinen Z o r n v e r d i e n t . Z u g l e i c h verweist der Begriff des E r b a r m e n s voraus auf die Beschreibung des Z i e l e s der W e g e G o t t e s in 11,30-32, d u r c h das das N e b e n e i n a n d e r von G e f ä ß e n des Z o r n s und des E r b a r mens a u f g e l ö s t wird: Gott wird sich aller e r b a r m e n . Doch das ist erst im Rückblick zu e r k e n n e n . Im K o n t e x t von Rom 9,6-29 ergibt sich aus dem V e r w e i s auf G o t t e s e r w ä h l e n d e s und v e r w e r f e n d e s H a n d e l n die Frage: W a s folgt d a r a u s f ü r Israel? H a t Gott es v e r w o r f e n ? Auf diese F r a g e l ä u f t V29 heraus'·'^. Das προ-είρηκεν''®^ in diesem V e r s betont a u s d r ü c k l i c h , d a ß das f o l g e n d e S c h r i f t w o r t nicht allein als W o r t des J e s a j a über seine Zeit a u f g e f a ß t w e r d e n d a r f . Es soll auch auf die G e g e n w a r t a n g e w a n d t w e r d e n ' ' ' ' . Dann jedoch kann das ή μ ί ν k a u m a n d e r s v e r s t a n d e n w e r d e n , denn als ein Z u s a m m e n s c h l u ß des P a u l u s mit allen seinen B r ü d e r n n a c h dem Fleisch (vgl. 9,3.10). D a ß Gott aus ihnen einen Rest - die J u d e n c h r i s t e n - übriggelassen hat, hat nach diesem S c h r i f t w o r t auch K o n s e q u e n z e n f ü r Israel insgesamt. Es ist aus d i e sem G r u n d noch nicht zu Sodom und G o m o r r a geworden''®'. Damit bleibt aber zum A b s c h l u ß dieses ersten (auf die t h e o l o g i s c h e E b e n e k o n z e n t r i e r t e n ) A r g u m e n t a t i o n s gangs die F r a g e letztlich o f f e n , was mit dem u n g l ä u b i g e n Israel w e r d e n wird*^". Dem Leser d e u t e t sich damit an, d a ß es »irgendwie noch w e i t e r g e h e n " muß®®^.

Gott bleibt in seinem Handeln derselbe: Er ruft ins Sein, erwählt, verheißt. Verheißung (in 9,6-9) und Erwählung (in 9,10-13) beschreiben z.T. den gleichen Sachverhalt und können an dieser Stelle nicht eindeutig voneinander abgegrenzt werden. Beide gründen in Gottes Ratschluß®'-^, der regiert wird von seiner Liebe und seinem Erbarmen'"'"'.

Das bestätigt sich spätestens in 11,Iff, wo über 9,30-10,21 hinweg der G e d a n k e des R e s t e s e r n e u t a u f g e g r i f f e n u n d diese F o l g e r u n g a u s d r ü c k l i c h v e r n e i n t wird. Die Ttpo-Form an dieser Stelle bestätigt der Sache nach das π ρ ο ε π η γ γ ε ί λ λ α τ ο in 1,2. Da das f o l g e n d e S c h r i f t w o r t nicht eine wirkliche V e r h e i ß u n g , s o n d e r n einen Z u s a m m e n h a n g von Heil und U n h e i l beschreibt, spricht P a u l u s hier jedoch nicht vom . v o r h e r - v e r h e i ß e n ' , s o n d e r n a l l g e m e i n e r vom , v o r h e r - s a g e n ' . Vgl. Aletti, L ' A r g u m e n t a t i o n 53: , P a u l ... fait ... u n e p r o p h é t i e de la situation des j u d é o c h r é t i e n s ' . ^ H ü b n e r , Ich 58 v e r k e n n t diese inklusive B e d e u t u n g des ή μ ί ν und trägt d e s h a l b in das S c h r i f t w o r t ein, d a ß „die K a t a s t r o p h e ... sonst Israel ganz ereilt" h ä t t e und . b e i n a h e alle ... im G o t t e s g e r i c h t u m g e k o m m e n " w ä r e n ( H e r v o r h e b u n g e n G.S.). Es scheint fast, als h a b e sich nach ihm bereits eine K a t a s t r o p h e wie die von Sodom und G o m o r r a ereignet und als sei die g r o ß e M e h r h e i t der Israeliten schon im G o t t e s g e richt u m g e k o m m e n - doch ist das die A n s i c h t des Paulus? Vgl. AleUi, L ' A r g u m e n t a t i o n 52. H o f i u s , E v a n g e l i u m 305: .Der , R e s t ' - G e d a n k e v e r m a g dem A p o s t e l zwar die vor A u g e n liegende g e g e n w ä r t i g e Situation Israels zu e r k l ä r e n , nicht a b e r das ihn b e d r ä n g e n d e I s r a e l - P r o b l e m ü b e r h a u p t und g r u n d s ä t z l i c h zu lösen ... weil sich das ... e r w ä h l e n d e und v e r w e r f e n d e ... H a n d e l n Gottes an dem Volk vollzieht, dem doch nach dem Z e u g n i s der Schrift als ganzem die E r w ä h l u n g zuteil g e w o r d e n und als ganzem die V e r h e i ß u n g des Heils z u g e s p r o chen w o r d e n ist" ( H e r v o r h e b u n g im Z i t a t ) . G e g e n H ü b n e r , Ich 59. . A u c h der λόγος der ε π α γ γ ε λ ί α f ü r A b r a h a m ist damit n a c h t r ä g l i c h als e i n e solche πρόθεσις G o t t e s a n z u s e h e n " (Schlier, R ö m e r b r i e f 293). ^ Damit gehört P a u l u s an dieser Stelle in den K o n t e x t d e r j e n i g e n f r ü h j ü d i s c h e n

462

IV.C. R ö m e r b r i e f

5. Römer 15,7-13: Christi Werk setzt die Verheißungen für Juden und Heiden in Kraft®"^ a. Zum

Kontext

(1) V7 schließt zunächst mit διό deutlich an 15,1-6 an und auch V13 nimmt sachlich z.T. V6 wieder auf. Vor allem das Motiv des gemeinsamen Gotteslobes zieht sich durch beide Abschnitte durch®°®. Zugleich nimmt V7 auch mit προσλαμβάνεσθε zum Abschluß die Mahnung wieder auf, die bereits in 14,13 den Abschnitt zu den Starken und Schwachen eingeleitet hatte''°''. So dient 15,7-13 sicher als Zusammenfassung dieses paränetischen Teils®"®. Auffällig ist der im wesentlichen parallele Aufbau von 15,1-6.7-13. Auf eine Mahnung folgt beide Male eine christologische Begründung, die ihrerseits wieder mit einem (bzw. mehreren) Schriftwort(en) belegt wird. Den Abschluß bildet jeweils ein Gebetswunsch'®. Gemeinsam bilden sie also eine Art doppelten Schluß. Es stellt sich die Frage, wozu es eines zweiten Schlusses für den Abschnitt 14,1-15,6 bedarf"'". Als Antwort legt sich nahe, daß der zweite Schluß noch über Rom 14 hinaus zurückgreift. Zunächst wird man an die Ausführungen seit Beginn der Paränese

T r a d i t i o n e n , die G o t t e s V e r h e i ß e n eng mit seinem E r b a r m e n v e r b i n d e n (vgl. dazu Kap.ni.E.2.b.(6)). ^ E i n e e i g e n e a u s f ü h r l i c h e r e U n t e r s u c h u n g ist diesem A b s c h n i t t n u r selten zuteil g e w o r d e n ; vgl. aber jüngst Keck, Christology. Saß, R ö m e r 15,7-13 bietet eine ü b e r a r b e i t e t e F a s s u n g des f o l g e n d e n Kapitels. «« Δοξάζω: 15,6.[7].9; vgl. a u c h έ λ π ί ς : 15,4.5.[12]. 13. E i n e s a c h l i c h e P a r a l l e l e bildet a u c h das τό αύτό φρονείν έν ά λ λ ή λ ο ι ς in 15,5. "" Ob, wie aus der A u f n a h m e des προσλαμβάνεσθε u n d dem Wechsel von S c h w a chen und S t a r k e n zu J u d e n u n d H e i d e n g e f o l g e r t wird, die S t a r k e n als H e i d e n - und die S c h w a c h e n als J u d e n c h r i s t e n zu i d e n t i f i z i e r e n sind, ist in der F o r s c h u n g u m s t r i t ten. Kritisch g e g e n ü b e r einer I d e n t i f i z i e r u n g sind T h ü s i n g , Per C h r i s t u m 44 A n m . 132; Z e l l e r , J u d e n 219 (der auf die Schwierigkeit verweist, d a ß sich der J u d e n c h r i s t P a u l u s in 15,1 mit den Starken z u s a m m e n s c h l i e ß t ) und Karris, R o m a n s 14:1-15:13 81 (nach ihm b e s t e h t die V e r b i n d u n g zwischen 15,1-6.7-13 ,via the love t h a t should not please itself ( R o m . 15:1-3), a love that goes out to save all'). F ü r eine I d e n t i f i z i e r u n g t r e t e n z.B. W a t s o n , C o n g r e g a t i o n s (nach dem die Starken und S c h w a c h e n sogar zwei G e m e i n s c h a f t e n o h n e g e m e i n s a m e n G o t t e s d i e n s t b i l d e n ) u n d S c h n e i d e r , .Schwachen', ein. K ä s e m a n n , R ö m e r 371; Wilckens, R ö m e r 3 114 u n d Koch, S c h r i f t 283 v e r t r e t e n eine Z w i s c h e n p o s i t i o n , die m.E. auch von der f o l g e n d e n B e s c h r e i b u n g der K o n t e x t s t e l l u n g des A b s c h n i t t e s eher gestützt wird. Auf j e d e n Fall sind mit dem προσλαμβάνεσθε sowie dem ύμάς k a u m nur H e i d e n ( - c h r i s t e n ) a n g e s p r o c h e n (so aber Z e l l e r , J u d e n 219, f ü r den der g a n z e Brief n u r an H e i d e n c h r i s t e n g e s c h r i e b e n ist; j e d o c h m a c h t d a n n die a u s d r ü c k l i c h e E i n s c h r ä n k u n g des ύμείς auf die H e i d e n in 11,13 keinen Sinn). ™ Vgl. auch die A u f s t e l l u n g bei Keck, Christology 86. «0 Vgl. auch Koch, S c h r i f t 281, f ü r den mit 15,6 die E r ö r t e r u n g seit 14,1 . k o m p o s i t o r i s c h bereits ihren S c h l u ß p u n k t e r r e i c h t hat". E r k a n n d a n n a l l e r d i n g s Rom 15,7-12 lediglich als „einen A n h a n g bzw. N a c h t r a g ' (ebd.) v e r s t e h e n , in dem »ein f ü r P a u l u s wichtiger S a c h g e s i c h t s p u n k t e r g ä n z t " wird, „der aus i n h a l t l i c h e n G r ü n d e n e i n e b r e i t e H e r a n z i e h u n g der S c h r i f t e r f o r d e r l i c h m a c h t " (ebd. 284). In einer solchen C h a r a k t e r i s i e r u n g deutet sich schon an, d a ß die F i x i e r u n g auf den n ä h e r e n K o n t e x t (von 14,lff a n ) e i n e a n g e m e s s e n e E r k l ä r u n g des A b s c h n i t t e s b l o k kieren kann.

Rom 15,7-13 - Zum Kontext

463

insgesamt (in 12,1) denken und von einem Abschluß der ganzen paränetischen Ausführungen sprechen®". Immerhin nimmt ύπέρ ελεος in 15,8 das δια των οίκτιρμών aus 12,1 wieder auf, und auch die Mahnung in 12,12 klingt sachlich in den Gebetswünschen 15,5.13 an. Jedoch sind das die einzigen Verbindungen zu Kap. 12-13. Zudem enthalten V8-12 eine ganze Reihe von Motiven, deren Funktion und Bedeutung sich erst erhellt, wenn man noch weiter zurückschaut. (2) Bei einem solchen Rückblick wird deutlich, daß diese Begriffe und Motive wichtige Grundthemen des Briefes aufnehmen und - wie in einer Art Schlußakkord - nochmals zusammenklingen lassen. Das Gegenüber von περιτομή und εθνη war für Paulus zentrales Thema von Anfang an. Zu den Heiden ist der Apostel gesandt (1,5). Sie sind - wie auch die Juden - aus sich vor Gott nicht gerecht. Aber der eine Gott wird sie beide - Juden und Heiden - durch den G l a u ben gerecht machen (3^0), der sie beide auch zu Kindern Abrahams macht (4,16)''^^. Weil aber so viele der Israeliten, der Geschwister des Paulus nach dem Fleisch und Angehörigen des von Gott erwählten Volkes, nicht an das Evangelium von seinem Sohn glauben, stellt sich für Paulus sehr bald und dringlich auch die Frage nach der Wahrhaftigkeit Gottes und der Zuverlässigkeit seiner Zusagen. In 3,1-8 nur erst ausgesprochen, beschäftigt sie ihn dann in 9-11 (und dort insbesondere in 9,6-29) intensiv. In dem ύπέρ αληθείας (15,8; vgl. 3,4.7) und dem εις τό βεβαιώσαν τάς ε π α γ γ ε λ ί α ς (15,8; vgl. 4,16) klingt die Antwort mit an, die er auf diese Fragen gegeben hat. Kern der Antwort ist, daß Gott sich über alle®^^ erbarmt®^''. Dies geschieht durch die Eriösung in Christus Jesus, dem Sohn Gottes, dem Messias aus Israel, aus dem Hause Davids, den Gott zum ίλασθήριον für Juden und Heiden gesetzt, von den Toten auferweckt und zum Herrn eingesetzt hat®'^. Das ganze Geschehen aber zielt im letzten auf die Herrlichkeit Gottes selbst®!®. Damit geht der Abschnitt sachlich deutlich über das hinaus, was für einen Abschluß der konkreten Paränese nahegelegen hätte. Indem er zentrale Themen des gesamten Briefes nochmals aufnimmt und bewußt

So e t w a Frid, J e s a j a 241; Z i e s l e r , R o m a n s 336f. Z u περιτομή vgl. 2 , 2 5 - 2 9 ; 3,1.30; 4 , 9 - 1 2 . S a c h l i c h hierher g e h ö r t a u c h das G e g e n ü b e r v o n Ίουδαίω τε πρώτον και " Ε λ λ η ν ι (1,16; 2,9.10) und d a s v o n Israel und d e n H e i d e n ( 9 - 1 1 ) . In u n s e r e m A b s c h n i t t wird es in VIO mit d e m Zitat aus Dtn 32,43 nochmals ausdrücklich aufgenommen. V g l . d a s πάντα τά εθνη ... π ά ν τ ε ς ot λ α ο ί . D a ß G o t t e s H e i l s h a n d e l n a l l e n gilt (vgl. auch 3,30; 10,12f), entspricht d e m m e h r f a c h b e t o n t e n B e f u n d , d a ß a l l e g e s ü n d i g t h a b e n (3,12.23; 5,12). V g l . d a s ύπέρ ελέους. V o n G o t t e s E r b a r m e n hat P a u l u s z u v o r a u s f ü h r l i c h in R o m 9 und 11 g e h a n d e l t . E r w ä g e n kann man darüber h i n a u s , ob hier nicht a b s c h l i e ß e n d n o c h m a l s s a c h l i c h B e z u g g e n o m m e n wird auf d i e δικαιοσύνη θεοΰ v o n 1,17 (vgl. den t r a d i t i o n e l l e n Z u s a m m e n h a n g v o n πρΊΗ und ΊΟπ). V g l . l , 2 f ; 9,5 / 3,25; (15,3) / 4,25. A u c h έ λ π ί ς (vgl. 4,18; 5,2.4.5; 8,20.24; 12,12; 15,4), ειρήνη (1,7; 2,10; 3,17; 5,1; 8,6; 14,17.19) und π ν ε ύ μ α (1,4; 2,29; 5,5; 7,6; 8 , 2 . 4 - 6 . 9 - 1 1 . 1 3 - 1 6 . 2 3 . 2 6 . 2 7 ; 12,11; 14,17) n e h m e n w i c h t i g e M o t i v l i n i e n des B r i e f e s nochmals auf. Z u G o t t e s δόξα vgl. 9,7; 11,36 ( 2 K o r 1,20); vgl. a u c h s c h o n 1,23 ( u n d das u n t e r l a s s e n e δ ο ξ ά ί ε ι ν der H e i d e n in 1,21).

464

IV.C. Römerbrief

miteinander verbindet, verbindet er zugleich den paränetischen Teil Kap. 12-15,13 mit der Entfaltung dieser Themen von 1,16 an und gestaltet so (nicht nur formal, sondern auch inhalüich) den Abschluß und eine Art Summe des gemeinhin als Briefkorpus beschriebenen Teils 1,16-15,13''". (3) Doch auch damit sind die Verbindungen und Entsprechungen des Abschnitts zum übrigen Brief noch nicht vollständig erfaßt. Denn zwischen 15,13 und 15,14 besteht keinesfalls ein solcher Brach, wie es eine Unterscheidung zwischen Briefkorpus und Briefrahmen (als den man 1,1-15 sowie 15,14-16,23 verstehen kann®!®) suggerieren könnte. Vielmehr dient 15,7-13 mit der betonten Herausstellung des Lobpreises der Heiden Paulus auch als Übergang zwischen beidem, als argumentative Vorbereitung für die Rechtfertigung seiner Heidenmission und die Ausführungen über seine Absichten in Rom sowie die geplante Spanienmission und die Jerasalemreise. Diese Themen, die er z.T. bereits in 1,8-15 angesprochen hatte, nimmt er nun wieder auf und bringt sie zum Abschluß®!®. (4) Schließlich bestehen auch enge Verbindungen zwischen 15,7-13 und dem ersten Teil des Briefrahmens (1,1-7.8-15). Mit dem kunstvoll aufgebauten ersten Satz seines Briefes (1,1-7) gibt Paulus ja nicht nur eine erste Begründung seines Apostolats als Heidenmissionar, sondern auch eine knappe Zusammenfassung der christologischen Gmndlegung des Evangeliums. Gerade auch zwischen 15,7-13 und diesem ersten Satz lassen sich eine ganze Reihe von Verbindunglinien entdecken®2°. Beide enthalten zweiteilige christologische Bekenntnissätze, die in ihrem ersten Teil auf die Herkunft des Christus aus und seine Bindung an Israel abheben®^! und in ihrem zweiten Teil (überbietend) die Herrschaft des Christus als Herr über die Heidenwelt hervorheben. Beide betonen die Übereinstimmung dieses christologischen Bekenntnisses (in seinen zwei Teilen!) mit den Verheißungen Gottes (vgl. auch 4,16; 9,4f.6-13). Noch vor der Entfaltung des V g l . a u c h D u n n , R o m a n s 847 . f i n a l .summary w h i c h r o u n d s o f f the b o d y of the letter'; ders., C o h e r e n c e 250; W i l l i a m s , R i g h t e o u s n e s s 285 ( , k i n d of summary"); K e c k , C h r i s t o l o g y 85 ( . c a p s t o n e of the a r g u m e n t / p a r a e n e s i s ' ; 93: „climax")· T h e o bald, V e r a n t w o r t u n g 16 ( . K u r z f o r m e l " des V e r k ü n d i g u n g s i n h a l t s ) ; ä h n l i c h (in F r a g e f o r m ) Karris, R o m a n s 14:1-15:13 80 A n m . 77. 61« V g l . D u n n , C o h e r e n c e 245; die - u m s t r i t t e n e - F r a g e der Z u g e h ö r i g k e i t v o n Kap. 16 spielt in u n s e r e m Z u s a m m e n h a n g a l l e r d i n g s k e i n e e n t s c h e i d e n d e R o l l e . V g l . den e r n e u t e n S e g e n s w u n s c h 15,33, der den G e b e t s w u n s c h v o n 15,13 w i e der a u f n i m m t . A u c h Hays, E c h o e s 70 b e s t i m m t den A b s c h n i t t als S u m m e der T h e m e n d e s B r i e f e s . W e n n er dies als ,Peroratio' b e z e i c h n e t , s o entspricht d a s z w a r nicht d e m S p r a c h g e b r a u c h r h e t o r i s c h e r A n a l y s e n der A r g u m e n t a t i o n des R ö m e r b r i e f e s , d i e als Perorado d e n z u m B r i e f r a h m e n g e h ö r e n d e n S c h l u ß 1 5 , 1 4 - 1 6 , 2 3 ( b z w . 16,27) b e z e i c h n e n (vgl. W u e l l n e r , R h e t o r i c 136; J e w e t t , A r g u m e n t 274). J e d o c h ist es m . E . a n d e r e r s e i t s d e n zur F o r m a l i s i e r u n g t e n d i e r e n d e n r h e t o r i s c h e n A n a l y s e n bisher nicht g e n ü g e n d g e l u n g e n , den V e r s c h r ä n k u n g e n z w i s c h e n B r i e f r a h m e n und B r i e f k o r p u s und den d e u t l i c h e n i n h a l t l i c h e n P a r a l l e l e n z w i s c h e n 1 , 1 - 7 . 8 - 1 5 und 1 5 , 7 - 1 3 . 1 4 - 3 3 h i n r e i c h e n d g e r e c h t zu w e r d e n . V g l . O l s s o n , R o m l:3f 2 6 2 - 2 6 4 (s.o. A n m . 2 3 ) ; a u c h T h e o b a l d , J u d e n 389. D a s έκ σπέρματος Δαυίδ aus 1,3 klingt in 1 5 , 7 - 1 3 nicht nur in 15,12 w i e d e r an, s o n d e r n a u c h in d e m Zitat v o n Ψ 17,50 in 15,9, und z w a r dann, w e n n m a n d i e B e g r ü n d u n g , die im K o n t e x t in Ψ 17,51 für das G o t t e s l o b g e g e b e n wird, mithört (s.u. A n m . 6 6 9 ; vgl. a u c h H a y s , E c h o e s 72).

R o m 15,7-13 - Z u m G a n g der A r g u m e n t a t i o n (V7)

465

Evangeliums Gottes schiebt Paulus in die Beteuerang ein, daß es von Gott vorherverheißen ist durch die Propheten®^. Und in 15,7-13 schließt er das (mit betontem ,ich aber sage' eingeführte) christologische .Bekenntnis' ab mit einer sorgfältigen Auswahl von vier Zitaten, wobei das letzte ausdrücklich dem Propheten Jesaja zugeschrieben wird®^^ b. Zum Gang der

Argumentation

(1) Die Aufforderung, einander anzunehmen (V7) Paulus faßt mit V7 noch einmal alles zuvor (in 15,1-6) Gesagte in einem Satz zusammen: Untereinander sollen die Glieder der Gemeinde in allem so miteinander umgehen, daß niemand ausgeschlossen wird. Nur so entspricht ihr Verhalten dem des Christus und damit auch dem Ziel alles Handelns Gottes - seiner δόξα, die sich in seiner Gemeinde widerspiegeln will. Zugleich sind damit in den drei Satzteilen die drei zentralen Themen genannt, die im folgenden (in V8-12) nochmals abschließend entfaltet und zugleich verflochten werden: 1) Gottes Werk, das er durch Christus an den Menschen, Juden und Heiden, getan hat. 2) die Wirkung bei den Menschen, Heiden und Juden, die in ihrem Tun auf dieses Werk antworten. 3) Die Gottheit Gottes, die sich in seiner Treue zu seinem Werk und in dem Lob der Menschen erweist. Das εις δόξαν bezieht sich hier also wohl auf das προσλαμβάνεσθε der Gläubigen (vgl. 15,6.9), nicht auf das Werk des Christus®^"·. Man braucht allerdings an dieser Stelle auch keine falsche sachliche Alternative aufzubauen. Denn die Bindung an das vorgängige Werk des Christus ist hier ja ein entscheidendes Moment und das Handeln der Gläubigen ohne dieses Werk nicht denkbar (wie an anderen Stellen auch, vgl. Phil 2,11^^; 2Kor

Z u r B e d e u t u n g dieser p r o g r a m m a t i s c h e n A u s s a g e in 1,2 f ü r das V e r s t e h e n von S c h r i f t g e b r a u c h und S c h r i f t d e u t u n g im R ö m e r b r i e f vgl. oben S.351ff. »Das A l t e T e s t a m e n t hat diese V e r k ü n d i g u n g v o r g e z e i c h n e t . Die E m p f ä n g e r des B r i e f e s müssen solche Ü b e r e i n s t i m m u n g mit der Schrift a n e r k e n n e n . E i n e A p o logie k ö n n t e nicht g r o ß a r t i g e r e n d e n " ( K ä s e m a n n , R ö m e r 374); vgl. auch Hays, E c h o e s 71. Damit ist aber noch nicht gesagt, d a ß der R a h m e n , den 1,1-7 und 15,7-13 so bilden, nach dem Schema V e r h e i ß u n g - E r f ü l l u n g zu v e r s t e h e n ist (vgl. auch M o x nes, Theology 216.219). Ob (und w e n n in welcher Weise) dieses S c h e m a hier s a c h g e m ä ß zur B e s c h r e i b u n g des p a u l i n i s c h e n G e d a n k e n g a n g s a n g e w e n d e t w e r d e n k a n n , wird erst die E i n z e l e x e g e s e zeigen k ö n n e n . "" Z u m i n d e s t spricht P a u l u s an keiner a n d e r e n Stelle a u s d r ü c k l i c h davon, d a ß das Heilswerk Christi zur V e r h e r r l i c h u n g Gottes g e s c h e h e und ε ι ς δόξον θεού bezieht sich sonst meist im w e i t e r e n Sinne auf ein H a n d e l n der Christen, (vgl. I K o r 10,31; Phil 1,11; 2,11· 2Kor 1,20 [προς δόξαν]; in Rom 3,7 b e d i n g t a l l e r d i n g s die αλήθεια G o t tes seine δόξα). E i n e n Bezug des ε ί ς δόξαν auf das προσλαμβάνεσθε sieht Wilckens, R ö m e r 3 105 A n m . 500 ( u n d die dort g e n a n n t e n A u t o r e n ; vgl. auch K e c k , Christology 89). F ü r den Bezug auf das direkt v o r a n g e h e n d e προσελάβετο ύμάς e n t s c h e i d e n sich u.a. Weiss, R ö m e r 573; T h ü s i n g , Per C h r i s t u m 39.42; Schlier, Doxa 315 (der im ü b r i gen aber auch auf den sachlichen Z u s a m m e n h a n g zwischen G l a u b e n s e r f a h r u n g , B e k e n n t n i s und V e r h a l t e n a u f m e r k s a m m a c h t , s.u. Anm.627). Der g a n z e A b s c h n i t t Phil 2,5-11 h a t sachlich u n d in seiner F u n k t i o n d e u t l i c h e V e r w a n d s c h a f t mit Rom 15,1-6.7; vgl. die A u f f o r d e r u n g , gesinnt zu sein wie J e s u s Christus, die B e s c h r e i b u n g seines T u n s u n d den A b s c h l u ß mit dem B e k e n n t n i s zum H e r r n J e s u s Christus (bzw. dem V a t e r des H e r r n J e s u s C h r i s t u s ) zur E h r e Gottes.

466

IV.C. R ö m e r b r i e f

Insofern entspricht sogar der sprachliche Tatbestand einer doppehen Auslegungsmöglichkeit der sachlichen Verknüpfung der Inhalte®^^. (2) Die bekenntnisartige Zusammenfassung des Werkes Gottes in Christus und seiner Wirkung bei den Menschen (V8.9a) Die Mahnung, einander anzunehmen, war der letzte Anklang an die in 14,1-15,6 behandelten Auseinandersetzungen und Spannungen in der Gemeinde. Im folgenden weitet sich der Horizont und diese Spannungen klingen allenfalls noch einmal in dem Stichwort .Frieden' in V13 an. Als Begründung seiner Mahnung entfaltet Paulus mit einer eigenen, fast bekenntnishaften Formulierung das Werk Christi und seine Wirkung (vgl. das betonte λέγω)®^'. Bevor man sie allerdings inhaltlich näher erfassen kann, muß man sich zunächst über die sehr kunstvolle und deshalb nicht ganz einfach zu entschlüsselnde formale Struktur des Satzes klar werden. Insbesondere ist zu klären, wie sich V8.9a zueinander verhalten. Zur Struktur von V8f: Die Parallelität der Aussagen in V8a.9a fällt im griechischen Text sofort ins Auge. Beide Aussagen hängen ab von dem einleitenden λέγω γάρ. Sie bestehen jeweils aus einem Akkusativ mit Infinitiv und einer ergänzenden ύπέρ-Formulieшng. In zweifacher Hinsicht bleibt die Parallelität zwar unvollkommen, doch dafür lassen sich Gründe benennen. In V9a steht der Infinitiv (,loben') nicht mehr beim Subjekt, sondern betont am Ende, weil die nachfolgenden Zitate insbesondere auf diesen Punkt eingehen: (auch) die Heiden loben Gott^^'. Die zweite Unregelmäßigkeit ergibt sich aus dem Subjektwechsel, der zugleich einen Tempuswechsel der Verben mit sich bringt. Christus ist Diener der Beschneidung geworden (V8a) - die Heiden sollen Gott loben (V9a). Wegen s.o. S.247. .Der Z u s a m m e n h a n g zwischen δόξα του θεού, δοξά^ειν, δόξαν τω θεώ διδόναι, ε ι ς δόξαν θεού π ο ι ε ί ν ist f ü r P a u l u s nicht n u r ein W o r t z u s a m m e n h a n g , s o n d e r n g r ü n d e t in der Sache"; so gibt , d i e G l a u b e n s e x i s t e n z , die in der E r f a h r u n g der δόξα G o t t e s u n d in der E n t s c h e i d u n g f ü r sie i h r e W u r z e l hat, diese w i e d e r " (Schlier, Doxa 315). E i n e A r t d o p p e l t e r B e z i e h u n g des ε ί ς δόξαν s e h e n o f f e n b a r a u c h Z e l l e r , J u d e n 218; M i c h e l , R ö m e r 447 und A n m . 20. Z u δόξα κτλ. bei P a u l u s vgl. auch die jüngst e r s c h i e n e n e U n t e r s u c h u n g von N e w m a n , G l o r y - C h r i s t o l o g y , die a u s f ü h r l i c h den v i e l f ä l t i g e n p a u l i n i s c h e n S p r a c h g e b r a u c h u n t e r s u c h t , m.E. a b e r zu stark von der C h r i s t o p h a n i e des P a u l u s her d e u t e t (,Glory in n a r r a t i v e h o r i z o n of the H e b r e w Bible, as m e d i a t e d by m y s t i c a l - a p o c a l y p t i c J u d a i s m , w h e n r e f r a c t e d t h r o u g h t h e prism of C h r i s t o p h a n y , suggested to P a u l his g r a m m a t i c a l use of Glory", ebd. 229). 62J Vgl. K ä s e m a n n , R ö m e r 372: ,Das λ έ γ ω γ ά ρ ... r e s ü m i e r t ... p a u l i n i s c h e V e r k ü n d i g u n g in einer f e i e r l i c h e n E r k l ä r u n g ... u n d s t r e i f t b e i n a h e die B e d e u t u n g von .bekennen'". Michel, R ö m e r 448 spricht von e i n e m .Lehrsatz". D a m i t ergibt sich eine w e i t e r e b e m e r k e n s w e r t e K o r r e s p o n d e n z zu 1,1-7. W ä h r e n d P a u l u s dort (in l , 2 f f ) am A n f a n g seines B r i e f e s das E v a n g e l i u m mit H i l f e eines o f f e n b a r t r a d i t i o n e l l e n B e k e n n t n i s s e s ( d a s die P e r s o n des Christus zum I n h a l t h a t ) e n t f a l t e t , g r e i f t er nun am E n d e des B r i e f e s zu eigenen W o r t e n und f o r m u l i e r t eine S u m m e seines E v a n g e l i u m s (die W e r k u n d W i r k u n g des C h r i s t u s zum I n h a l t hat), die d e u t l i c h a u c h der k o n k r e ten Situation R e c h n u n g trägt. D u r c h e i n f a c h e U m s t e l l u n g e r g ä b e sich als p a r a l l e l e A b f o l g e der Sätze: λ έ γ ω γάρ Χριστόν δνάκονον γ ε γ ε ν ή σ θ α ι περιτομής υπέρ α λ η θ ε ί α ς θεοϋ τα δέ εθνη δοξάσαι τον θεόν ύπέρ ελέους.

Rom 15,7-13 - Bekenntnisartige Zusammenfassung (V8.9a)

467

dieses Wechsels von Subjekt und Tempus vor allem scheinen die formal parallelen Sätze inhaltlich doch nicht in Verbindung zu stehen. Doch wenn man den Unterschied zwischen beiden genauer analysiert, so ergibt sich: der erste Satz beschreibt (wie V7b) ein Werk Christi, der zweite Satz dagegen zielt (wie V7a) auf ein Handeln, man könnte auch sagen: auf eine Wirkung aus dem Werk. Paulus begründet also mit V8-9a nicht nur die Aussage V7b, sondern in gewisser Weise ebenso - mit V9a - die Aufforderung V7a (vgl. auch das ,zur Ehre Gottes' in V7c). Noch präziser: V8a beschreibt ein Werk Christi an den Juden, ohne eine Wirkung des Werkes zu nennen. V9a beschreibt eine Wirkung an den Heiden, ohne deutlich zu sagen, woraus diese Wirkung erwächst''-''^. So entfalten V8a.9a den V7ab in einer Art chiastischem Rückbezug®^^. Der kunstvolle Aufbau überläßt es jedoch dem Leser, zu den beiden Sätzen jeweils den zweiten Teil (Wirkung bzw. Werk) zu ergänzen, um so die Parallelität der Aussagen, die auf der syntaktischen Ebene besteht, auch sachlich zu füllen®^. Die Verteilung von Werk Gottes in Christus und Wirkung bei Juden und Heiden auf die beiden Aussagen ist dabei nicht zufällig oder umkehrbar, sondern entspricht der von Paulus zuvor im Römerbrief geschilderten doppelten Dialektik des Heilsgeschehens. Zuerst wird das Werk an den Juden geschildert. Das entspricht dem πρώτον Ιουδαίων der göttlichen Erwählung. Auf Seiten der Heiden wird hingegen das Gotteslob betont als die Wirkung auf die Annahme. Das entspricht zum einen der tatsächhchen Entwicklung der paulinischen Gemeinden (in denen Heiden dem Evangelium glauben, während Juden es nicht annehmen). Zum anderen entspricht es auch der Reihenfolge des Erbarmens Gottes (vgl. die Stellen Rom 11,12-1525-32, auf die die Stichworte εθνη und ελεος zurückverweisen). Wie paßt sich nun aber der VSb, den wir bis hierhin bewußt noch ausgespart haben, in diese Analyse ein? Zunächst ist wieder bei der syntaktischen Ebene zu beginnen. Hier bieten sich im wesentlichen drei Möglichkeiten an. Man kann εις τό βεβαιωσαι τάς επαγγελίας als Angabe des Zieles dem VSa zuordnen: Christus ist Diener der Beschnittenen geworden, damit die Verheißungen an S c h o n h ä u f i g e r w u r d e betont, d a ß V 9 a ein H a n d e l n an den H e i d e n v o r a u s setzt, es aber nicht n e n n t (vgl. W i l c k e n s , R ö m e r 3 106). U n t e r den T i s c h f ä l l t d a g e g e n z u m e i s t , d a ß V 8 k e i n e A n t w o r t der J u d e n b e n e n n t , VIO d a g e g e n e i n e s o l c h e ( e b e n das L o b g e m e i n s a m mit d e n H e i d e n ) v o r a u s s e t z t . N a c h t r ä g l i c h bin ich a l l e r d i n g s durch C r a n f i e l d , R o m a n s 743f darauf a u f m e r k s a m g e w o r d e n , d a ß b e r e i t s C o r n e l y , C o m m e n t a r i u s 738 in g a n z ä h n l i c h e r W e i s e den e l l i p t i s c h e n Charakter der A r g u m e n tation d e s A p o s t e l s an d i e s e r Stelle h e r a u s g e a r b e i t e t und b e t o n t hat, s e i n e E r g e b n i s s e j e d o c h v o n n e u e r e n K o m m e n t a t o r e n ü b e r s e h e n oder ignoriert w o r d e n sind. D a s γ ά ρ b e g r ü n d e t a l s o nicht a l l e i n (mit V 8 a ) das προσελάβετο ( V 7 b ) , s o n d e r n e b e n s o (mit V 9 a ) das προσλαμβάνεσθε ... ε ί ς δόξαν τοϋ θεού ( V 7 a ) . H i e r gilt es, d e n B o g e n v o m προσλαμβάνεσθε über das γάρ bis z u m καθώς zu b e a c h t e n : d e n n die H e i d e n s o l l e n Gott loben, w i e es s c h o n g e s c h r i e b e n steht. In der Tat läßt P a u l u s also ,a very large g a p for his r e a d e r s to fill" ( s o der E i n w a n d v o n W i l l i a m s , R i g h t e o u s n e s s 285), aber s e i n e H i n w e i s e auf der s y n t a k t i s c h e n E b e n e sind d e u t l i c h g e n u g , den L e s e r d a z u a u c h in die L a g e zu s e t z e n . Im übrigen f i n d e n sich ä h n l i c h e P h ä n o m e n e a u c h s o n s t in d e n p a u l i n i s c h e n B r i e f e n (vgl. nur die nicht v o l l s t ä n d i g d u r c h g e f ü h r t e - und darum v o m L e s e r zu e r g ä n z e n d e A l l e g o r i e in G a l 4 , 2 4 - 2 7 ) .

468

IV.C. Römerbrief

Israel von Gott^^^ bestätigt werden (das ist die gängige Auslegungs- und Übersetzungspraxis). Man könnte aber auch V8b zur folgenden zweiten Aussage ziehen und paraphrasieren: Denn ich sage ... damit die Verbeißungen an die Väter bestätigt werden, sollen die Heiden um der Barmherzigkeit willen Gott loben, wie geschrieben stehl^^'*. Auf der semantischen Ebene lassen sich Argumente für die erste wie für die zweite Möglichkeit geltend machen. Die in V8a betonte Wahrhaftigkeit Gottes wird aufgenommen in dem Motiv der Bestätigung der Verheißungen und auch die Väter als Empfänger der Verheißungen gehören unzweifelhaft zunächst einmal auf die Seite der Juden (vgl. Rom 9,5). Bezieht man jedoch auch den Fortgang der Argumentation mit ein, so zeigt sich: Schon in 1,2 hatte Paulus ja betont, daß sein Evangelium für die Heiden in den Schriften vorherverheißen ist. Die Schriftworte, die Paulus in V9b-12 abschließend anführt, sind vom Kontext her sicherUch ebenfalls nichts anderes als Verheißungen an die Väter. Sie handeln aber alle von der Wirkung des Handelns Gottes auf die Heiden (und - VIO - auf sein Volk!) und nehmen also Bezug auf V9a. Keine der beiden bisher vorgestellten Möglichkeiten wird diesen sachlichen Beziehungen von V8b sowohl nach vorne als auch nach hinten (sowie der aufgezeigten Parallelität von VSa und V9a) gerecht. Deshalb bietet sich eine dritte Möglichkeit an. Man kann die Zielangabe in V8b (.sodaß die den Vätern gegebenen Verheißungen bestätigt werden') auch als eine Art Scharnier sehen, das die beiden in einer .offenen Parallelität' formulierten Aussagen in V8a und V9a verbindet und deshalb auch auf beide gleichermaßen zu beziehen ist®^. Dieses Verständnis wird sowohl dem syntaktischen als auch dem semantisch/sachlichen Befund am besten gerecht. Die elliptische Form der ganzen Formulierung (in der Werk Christi und Wirkung auf alle Menschen, Juden wie Heiden, miteinander verschränkt sowie die Übereinstimmung aller dieser Elemente mit den Verheißungen an die Väter betont sind) läßt eine genaue deutsche

Subjekt des βεβοιώσαι als einer rechtskräftigen Bestätigung der Verheißungen kann nur der Geber der Verheißung selbst, also Gott sein. Vgl. Schräge, Ja 145. In Ansätzen findet sich solches Verständnis der schwierigen Konstruktion schon bei Dobschütz, Wortschatz 66. Er stellt fest, daß V8b .eigentlich als Parenthese" gedacht und der V9a lediglich formal angegliedert sei, obwohl dieser Versteil logisch V8a gleichstehe. Diese stilistische Beobachtung fand jedoch kaum Beachtung. Offenbar unabhängig von ihr kommt immerhin Wilckens, Römer 3 106f zumindest der Sache nach zu einem vergleichbaren Verständnis, auch wenn er die formale A n a lyse des Satzes nicht so weit auszieht. Ähnlich auch Keck, Christology 90f, der trotz anderer formaler Bestimmung - nach ihm erläutern βεβαιώσαν und δοξάσαι das regierende γεγενήσθαι - betont, daß die βεβαίωσις nicht auf die Juden beschränkt werden darf, ebd. Anm. 29. Dunn, Romans 848 spricht von Doppeldeutigkeit. Nach dem εις δόξαν und dem γάρ, findet sich hier also der dritte Fall, an dem Paulus bewußt (und wie wir noch sehen werden, dem sachlichen Zusammenhang der einzelnen Aussagen entsprechend) Beziehungen einzelner Aussagen zueinander doppeldeutig beläßt (zur Möglichkeit einer doppelten Beziehung des έκ πίστεως aus Hab 2,4 in Röm 1,17 s.o. S.359f). Die Aussage ist von daher, auch wenn sie zwischen den parallelen Sätzen steht, mehr als eine Parenthese (gegen Keck, Christology 89; vgl. auch Käsemann, Römer 372).

Rom 15,7-13 - B e k e n n t n i s a r t i g e Z u s a m m e n f a s s u n g (V8.9a)

469

Übersetzung kaum zu. Sachgemäß einfangen läßt sich die doppehe Beziehung des V8b in einer Paraphrase, die seine Aussage zweimal wiedergibt: Ich sage: Christus ist Diener der Beschnittenen geworden um der Wahrhaftigiceit Gottes willen, damit die Verheißungen an die Väter bestätigt werden. Und ich sage (auch): damit die Verheißungen an die Väter bestätigt werden, sollen die Heiden um der Barmherzigkeit willen Gott loben, wie geschrieben steht (...). V8-9a sind demnach sehr bewußt parallel konzipiert und nicht ungenau oder assymetrisch formuliert®^''. Die Verse sind zugleich sorgfältig eingebunden in den gesamten, überlegt aufgebauten Kontext von 15,7-13. Das läßt eigentlich auch schon seine Funktion als eine Art Summe des Briefes erwarten, war doch schon der erste Satz des Briefes sorgfältig und kunstvoll über sieben Verse konstruiert. Das vorgeschlagene Verständnis (das V8a und V9a in der beschriebenen Weise als parallele Aussagen versteht, die V8b miteinander verbindet) muß allerdings auch noch auf der semantischen und sachlichen Ebene plausibel gemacht werden. Dabei sind insbesondere 5 Punkte näher zu prüfen: das Verhältnis von Beschnittenen (Juden) und Heiden, die Kennzeichnung Christi als Diener der Beschnittenen, der Verweis auf die Verheißungen an die Väter, das Verhältnis von Gottes Wahrhaftigkeit und Barmherzigkeit und die Frage, was Bestätigung der Verheißungen bedeutet. (a) Das Verhältnis von Beschnittenen und Heiden. Einige Ausleger sehen in dem Subjektwechsel zwischen V8a und V9a einen Hinweis auf eine sachliche Spannung zwischen dem noch ungläubigen IsraeP' und den gläubigen Heidenchristen in den paulinischen Gemeinden. Sie verstehen dementsprechend das δέ in V9a adversativ (zur Betonung eines Gegensatzes)®·^®. Aber δέ

G e g e n Michel, R ö m e r 448 (.stilistisch und inhaltlich nicht ganz a u s g e g l i chen"). D a ß P a u l u s hier περιτομή als abstractum pro concreto a n s t e l l e von Ιουδαίοι g e b r a u c h t (vgl. auch 3,30; 4,12, dort aber jeweils als G e g e n ü b e r zu άκροβυστίο), e r klärt sich v e r m u t l i c h von d a h e r , d a ß er hier n o c h m a l s Bezug nimmt auf 3,1-8. Das legt die V e r b i n d u n g mit G o t t e s αλήθεια an beiden Stellen n a h e (zur V e r m u t u n g , d a ß Paulus hier eine t r a d i t i o n e l l e F o r m u l i e r u n g ü b e r n i m m t , s.u. Anm.642). Williams, R i g h t e o u s n e s s 286 m ö c h t e περιτομής als einen Genitiv der H e r k u n f t und von d a h e r Christus nicht als Diener an, s o n d e r n aus den J u d e n v e r s t e h e n . Das ist jedoch schon sprachlich u n w a h r s c h e i n l i c h . Z u e r w a r t e n w ä r e d a n n ein έκ (wie in Rom 4,12. G a l 2,12; vgl. auch Rom 9,5). A l s sachliche P a r a l l e l e bietet sich z u d e m Gal 2,7f an: a u c h der απόστολος της περιτομής ist dort e i n d e u t i g der A p o s t e l an, nicht aus den J u d e n . Die e n g e V e r b i n d u n g von J u d e n und H e i d e n d u r c h den g a n z e n Brief h i n d u r c h und die i m m e r w i e d e r h o l t e Feststellung, d a ß Gott an b e i d e n in gleicher Weise h a n d e l t (sowie auch die V e r b i n d u n g beider im Gotteslob, vgl. 15,10) zeigen d a r ü b e r h i n a u s , d a ß sowohl der e n g e r e als auch der w e i t e r e Kontext des Briefes gegen ein solches, s p r a c h l i c h u n g e w ö h n l i c h e s , V e r s t ä n d n i s von περιτομής s p r e c h e n . Vgl. Z e l l e r , J u d e n 219; auch Wilckens, R ö m e r 3 107, der damit die E r w ä g u n g v e r b i n d e t , Paulus g r e i f e in V8 eine j u d e n c h r i s t l i c h e T r a d i t i o n auf und e r g ä n z e sie kritisch mit V9a. Doch P a u l u s hebt g e r a d e nicht V9a d u r c h λ έ γ ω δέ als seine E r g ä n zung h e r v o r , s o n d e r n f ü h r t den g a n z e n Z u s a m m e n h a n g , und damit eben auch eine etwaige t r a d i t i o n e l l e A u s s a g e in V8a, betont mit λ έ γ ω γάρ als seine F o r m u l i e r u n g ein.

470

IV.C. Römerbrief

kann einfach kopulativ zwei Gedanken v e r b i n d e n ® ' und eine Entscheidung ist deshalb nur vom Kontext her m fällen. Nun betont aber Paulus im Römerbrief ja gerade immer wieder das Nebeneinander von Juden und Heiden. Beiden gilt das Evangelium (den Juden zuerst und auch den Heiden). Beide können nicht aus sich gerecht sein, sondern leben durch Gottes Erbarmen. Beide haben Abraham zum Vater usw. Diese durchgehende Linie bestätigt auch der engere Kontext, insbesondere das Zitat aus Dtn 32,43 in 15,10: Beide gemeinsam loben Gott'^". Und das - das ist ja die Spitze der Schriftzitate - war schon von Anfang an Gottes Plan. Auf der Ebene der Verheißungen Gottes und des Werkes Christi besteht also kein Unterschied zwischen Juden und Heiden. Das Nebeneinander von Juden und Heiden in V8a.9a spricht deshalb eher für als gegen die vorgestellte .offen parallele' Struktur des .Bekenntnisses'. (b) Christus - Diener der Beschnittenen. Eine sachliche Spannung zwischen V8a und V9a wird auch aus der Wendung .Diener der Beschnittenen' abgeleitet. Diese bei Paulus für Christus nicht geläufige Aussage^^ wird dann allein auf das irdische Wirken Jesu bezogen, offenbar vor dem Hintergrand der Beschreibung des Christus als Israelii .nach dem Fleisch' (Rom 9,5)''''^. Eine überzeugende Begründung für die Beschränkung des Dienstes auf den Irdischen wird allerdings nicht gegeben®'^^. Vom Kontext her liegt es am nächsten, die

Vgl. B l - D e b r - R e h k o p f §447,1 (erwogen auch von Williams, Righteousness 287). Es vermischt sich in der Ü b e r l i e f e r u n g zudem vielfach mit τε (ebd. §443i). Mit welcher a n d e r e n K o n j u n k t i o n hätte Paulus - a u f g r u n d des Subjektwechsels - die beiden parallelen Sätze verbinden können? Zu diesem V e r s t ä n d n i s des Zitates s.u. S.479. Daß Paulus die U n t e r s c h e i d u n g des Zitats zwischen λαός und εθνη sachlich in seiner E n t f a l t u n g des προσλαμβάνειν Christi im Blick auf περιτομή und έθνη übernimmt, entspricht seinen A u s f ü h r u n g e n von A n b e g i n n des Briefes an. Obwohl er auch von allen Menschen insgesamt sprechen kann (vgl. άνθρωπος 3,28 und π ά ς / π ά ν τ ε ς 11,32 и.о.), kann er doch a u f g r u n d der bleibenden E r w ä h l u n g des ungläubigen Israel nicht beide Gruppen e i n f a c h in eine allgemeine Kategorie des .homo universalis' z u s a m m e n f a s s e n (Beker, F a i t h f u l n e s s 329; Beker geht m.E. angesichts von Gal 3,28 allerdings zu weit, wenn er dies auch ausdehnt auf das ,in-Christus-Sein'). Vgl. aber Gal 2,17: Christus ist nicht Diener der Sünde. Denkbar wäre, daß Paulus sich hier mit διάκονος περιτομής w i e d e r u m eine traditionelle W e n d u n g zu eigen macht (vgl. Wilckens, R ö m e r 3 107, der eine j u d e n christliche Tradition vermutet). Doch sollte man f ü r eine solche A n n a h m e auch v e r gleichbare T r a d i t i o n e n angeben können, die ebenfalls das ungewöhnliche διάκονος sowie περιτομή als A u s d r u c k f ü r J u d e n gebraucht. Die einzige direkt vergleichbare A u s s a g e (Mk 10,45) benennt ja g e r a d e nicht einen exklusiven Kreis, dem das Dienen gelte. Vgl. z.B. Thüsing, Per Christum 43f, der die K o n s e q u e n z zieht, daß V8a nicht das προσλαμβάνεσθε Christi beschreibe. K ä s e m a n n , Römer 372 verweist auf den K o n text und die Tradition J o h 13. Er f ü h r t aber nicht aus, inwiefern der Kontext eigentlich eine Deutung allein auf den Irdischen nahelegt. Und in Joh 13 geht es zum einen um ein beispielhaftes H a n d e l n Jesu an den J ü n g e r n , nicht an den J u d e n , zum a n d e ren ist dort nicht vom διάκονος (bzw. διακονείν), sondern vom δούλος die R e d e (oder denkt K ä s e m a n n an Joh 12,26, was seine A n n a h m e aber auch nicht besser belegen würde?). K ä s e m a n n muß f ü r diese Deutung auch das P e r f e k t γεγενέσθαι »natürlich nicht auf die F o r t d a u e r , sondern auf das Ergebnis des Geschehens" beziehen (ebd.)

R o m 15,7-13 - Christus - Diener der B e s c h n i t t e n e n

471

Bezeichnung Jesu als Diener als eine Erläuterang seines Annehmens (V7b) zu verstehen und beides auf das gleiche Geschehen zu beziehen. Ein Blick auf die Traditionsgeschichte von προσλαμβάνω und διάκονος kann das erhärten. Im Psalter beschreibt das in der L X X sonst seltene προσλαμβάνω ein Handeln Gottes, nämlich die Aufnahme in die enge Gemeinschaft mit ihm'^''. Auch Paulus selbst hat bereits in 143 die Aufforderang zu gegenseitiger Annahme mit dem schon durch Gott erfolgten Annehmen begründet, das die Sinnlosigkeit eines gegenseitigen Richtens erkennen läßt - doch wohl offenbar, weil Gott bereits gerecht gesprochen hat. Wenn es in 15,7 dann heißt, daß Christus Juden- wie Heidenchristen schon angenommen hat, dann tut er das offensichtlich als Beauftragter an Gottes Stelle. Genau dies betont die Bezeichnung διάκονος*^^. Mit dem Dienst ist also, wie mit dem Annehmen in V7c, potentiell das ganze Heilswerk Gottes in Christus angesprochen. Erklärungsbedürftig in diesem Zusammenhang ist jedoch auch der Tempuswechsel vom Aorist in V7 zum Perfekt in V8. Diejenigen, die V8a allein auf den irdischen Jesus beziehen wollen, deuten das mit γεγενήσθαι bezeichnete Geschehen folgerichtig als abgeschlossen und seine Folgen als andauernd^®. Doch bleibt dann die Frage, was als das Ergebnis des Dienstes Jesu an den Juden eigentlich zu denken ist. Zudem ist der T e m puswechsel so nicht zu erklären*'"''. Denn schon im Kontext des Aorists in V7 benennt Paulus ein Ergebnis des (abgeschlossenen) Geschehens der Annahme: das Lob Gottes. Sinn macht der Tempuswechsel dagegen, wenn man sich erinnert, daß bereits Rom 11 ausgeführt wurde, daß die endgültige Annahme Israels (11,15: πρόσλημψις!) erst noch aussteht. Die Annahme der Juden- und Heidenchristen ist bereits vollzogen (Aorist in V7). Christus bleibt jedoch - solange bis

- aber was ist dann das E r g e b n i s des G e s c h e h e n s und inwiefern begründet es das προσεΧάβετο von V 7 ? . Z e l l e r , J u d e n 220 sieht eine b e s c h r ä n k t e W i r k s a m k e i t Christi in V 8 , ohne sie näher zu b e s c h r e i b e n . A b e r worin liegt die B e s c h r ä n k u n g ? Daß sie für die Heiden nicht genannt wird? Sie sind doch schon im προσελάβετο in V 7 mit e i n g e schlossen. So erinnert Williams, Righteousness 287 zu R e c h t daran, daß Paulus auch sonst an keiner Stelle von einem Werk des Irdischen spricht: J e s u W i r k e n ist für ihn immer das des Gekreuzigten und A u f e r s t a n d e n e n . W i l c k e n s , R ö m e r 3 105 konstatiert, daß nicht deutlich werde, woran Paulus denkt und hier allein ,das D a ß der h e i l s g e schichtlichen Sendung Christi an Israel" im Blick sei. V g l . ψ 17,17; 26,10; 64,5; 72,24 und Delling, T h W N T I V 16 (in der L X X für Gottes Handeln nur noch ΙΒασ 12,10; im N T für Gottes Handeln nur bei Paulus, R o m 14,3; vgl. auch 11,15). Sachlich zum V e r g l e i c h heranzuziehen ist hier vor allem 2 K o r 5,18. Paulus spricht dort von seiner διακονία καταλλαγής (vgl. auch 2 K o r 6,4), die darin besteht, Gottes V e r s ö h n u n g s h a n d e l n , das δια Χριστού geschieht, zu verkünden (zum kyn i s c h - s t o i s c h e n Hintergrund der V o r s t e l l u n g vom διάκονος als G o t t e s B e a u f t r a g t e m vgl. G e o r g i , Opponents 28f). O f f e n s i c h t l i c h schwingen für Paulus bei dem B e g r i f f διάκονος gerade nicht in erster L i n i e die M e r k m a l e von Niedrigkeit und Leiden mit, wie sie sich etwa z.T. mit dem B e g r i f f δούλος = ПЗУ verbinden (so aber M i c h e l , R ö m e r 448). Damit läßt sich aber vom B e g r i f f διάκονος her eine Deutung allein auf das Werk des Irdischen nicht begründen. So z.B. M i c h e l , R ö m e r 448 A n m . 2 3 ; K ä s e m a n n , R ö m e r 372; vgl. auch W i l l i ams, R i g h t e o u s n e s s 287. V g l . zu einem analogen Tempuswechsel 2 K o r l , 1 8 f .

472

IV.C. Römerbrief

Israel vom Unglauben zum Glauben kommt und so die Annahme ganz Israels Wirklichkeit wird, auf die die Treue Gottes zielt - weiterhin und andauernd der Beauftragte Gottes ύπέρ αλήθειας θεού (eben weil sein Auftrag gegenüber Israel durch Israels Unglauben noch nicht zu seinem Ende kommen konnte). Doch auch im Blick auf die Völker dauert sein Dienst noch an und kommt nicht zu Ende bis alle Völker (VII) einstimmen in das Lob Gottes. (c) Die Verheißungen an die Väter. Ein dritter Einwand gegen den Vorschlag, V8b nicht nur auf V8a, sondern zugleich auch auf V9a und die anschließende Zitatenreihe zu beziehen, könnte lauten: die Verheißungen an die Väter stehen allein auf Seiten der Beschnittenen. Zwischen dem Lob der Heiden und diesen Verheißungen besteht keine Verbindung. Aber mit ,Väter' kann schon im Judentum ein verschieden großer Kreis bezeichnet werden: die Vorfahren allgemein oder die Exodus- und Wüstengeneration als durch das grundlegende Heilshandeln herausgehobene Generation (so auch IKor 10,1) oder hervorragende Gestalten der Geschichte Israels überhaupt (vgl. Sir 44-50) oder schließlich speziell die Erzväter^'*®. Welche Bedeutung an unserer Stelle vorliegt, kann wiederum nur aus dem Kontext erschlossen werden. Dazu ist zu fragen, was der Inhalt der Verheißungen sein kann, die durch Christi Werk bestätigt werden'''*®. Dabei ergibt sich: Paulus hat bereits in l,2f betont, daß Gott die Herkunft des Christus aus dem Samen Davids schon durch die Propheten vorherverheißen hat. Dies bestätigt er in 15,12 durch das Zitat aus Jes 11,10 nochmals. Wenn man von daher die Verheißungen vor allem auf den Christus selbst bezieht, dann umfaßt ,Väter' mehr als die Erzväter, nämlich die Vorfahren, denen dies Wort des Propheten galt, das Paulus zitiert. Aber auch wenn man unter den επαγγελίας των πατέρων insbesondere die Verheißungen an die Erzväter versteht, wird der Leser des Römerbriefs sich daran erinnern, daß Paulus schon die Verheißungen Gottes an Abraham auch als Verheißungen für die Heiden versteht®·''®. Auch von hier aus ergibt sich also eine deutliche inhaltliche Verbindung von V8b zu V9a und zu der Reihe von Schriftworten: gerade auch die Heiden haben allen Grund, Gott zu

"» V g l . Schrenk, T h W N T V 9 7 5 f . ^ E i n R ü c k b e z u g auf R o m 9,5 und 11,28, d e n b e i d e n ü b r i g e n S t e l l e n , an d e n e n P a u l u s im R ö m e r b r i e f n o c h v o n den V ä t e r n spricht (πατέρες mit B e z u g auf Israels V o r v ä t e r f i n d e t sich bei P a u l u s sonst nur n o c h I K o r 10,1, w o d i e W ü s t e n g e n e r a t i o n g e m e i n t ist), ergibt d a g e g e n k e i n e u n m i ß v e r s t ä n d l i c h e n H i n w e i s e . D e n n a u c h an d i e s e n b e i d e n S t e l l e n kann die mit πατέρες g e m e i n t e G r u p p e nicht e i n d e u t i g b e s c h r i e b e n w e r d e n . Z w a r g e h ö r e n a u f g r u n d des K o n t e x t e s R ö m 9 , 6 - 1 3 ( v g l . a u c h R o m 4) A b r a h a m , Isaak und J a k o b s i c h e r l i c h mit zu ihr, aber d.h. n o c h nicht, d a ß sie a l l e i n d i e s e G r u p p e b e z e i c h n e n . V i e l m e h r b e z e i c h n e t das κατ' έ κ λ ο γ ή ν in 11,28 w i e s c h o n in 9,11 d a s .Prinzip' d e s H a n d e l n s G o t t e s , für d a s J a k o b l e d i g l i c h als ( e i n ) B e i s p i e l a n g e f ü h r t wird. U n d es ist nicht l e i c h t vorstellbar, d a ß P a u l u s b e s t r e i t e n w ü r d e , d a ß d i e s e s P r i n z i p in der E r w ä h l u n g e t w a e i n e s M o s e s oder vor a l l e m a u c h e i n e s D a v i d in g l e i c h e r W e i s e w i r k s a m war. ™ V g l . R ö m 4,13.17; d a s G l e i c h e gilt für G a l 3, vgl. G a l 3,8.14; vgl. a u c h T h ü sing. Per C h r i s t u m 44.

R o m 15,7-13 - Gottes Wahrhaftigkeit und Barmherzigkeit

473

loben, wenn seine Verheißungen an Abraham in Kraft gesetzt werden"^. Paulus bestimmt zwar im Kontext den Inhalt der .Verheißungen der Väter' nicht ausdrücklich genauer. Es entspricht aber dem Argumentationsgang des Römerbriefes insgesamt, wenn darin sowohl das Werk des Christus als auch die Wirkung eingeschlossen sind. Die Propheten haben nicht nur vorherverheißen, daß der Christus aus dem Samen Davids kommt (13) und der Erlöser Israels werden wird (11,26). Auch das Evangelium für die Heiden (und Juden) von der Rechtfertigung allein aus Glauben entspricht dem Zeugnis des Gesetzes und der Propheten, wie Paulus durch den Brief hindurch nicht müde wird aufzuweisen. Der Begriff .Verheißungen der Väter' umschließt also an dieser Stelle am ehesten (wie in einer Art Summe) die Inhalte, die sich zuvor im Brief mit der ε π α γ γ ε λ ί α jeweils verbunden haben: sowohl die Verheißungen im Bezug auf den Christus (1Д) als auch die Verheißungen in Abraham für die Juden und Heiden (Rom 4) als auch die Verheißungen, die Israel noch immer gelten (Rom 9,4). (d) Gottes Wahrhaftigkeit und Barmherzigkeit. Die Parallelität der Aussagen V8a und V9a wird weiterhin auch dadurch bestritten, daß man in der Wahrhaftigkeit und in dem Erbarmen Gottes zwei sachlich unterschiedliche Begründungen sieht. Das εις το βεβαιώσαι wird dann allein als Erweiterung und Betonung der αλήθεια gesehen^^^. Doch sowohl die Vorkommen von άλήθενα und ελεος im Römerbrief, als auch die Traditionsgeschichte beider Begriffe in der LXX belegen gerade keine Unterscheidung zwischen dem Handeln Gottes an Juden und Heiden. Mit den Stellen 3,4.7; 9,15ff und 11^1 hat Paulus vielmehr gerade betont, daß jeder Mensch sich vor dem wahrhaftigen Gott als Lügner und Sünder erweist und das, damit sich Gott über alle erbarme. Die Wahl der beiden Begriffe in 15,8f geht vermutlich zudem auch auf eine Einwirkung des Kontextes der im Zusammenhang angeführten Zitate zurück. Vor allem ist hier Ϋ 116,1 in

D a h l , P r o m i s e 123 meint, P a u l u s s a g e nicht, d a ß Gott s e i n e W a h r h a f t i g k e i t a u c h g e g e n ü b e r d e n H e i d e n e r w e i s e , i n d e m er e i n e vorher g e m a c h t e V e r h e i ß u n g b e s t ä t i g e . D e n n a u c h w e n n d i e S c h r i f t d a s L o b der H e i d e n v o r h e r s a g e , s o h a b e d o c h Gott nicht den H e i d e n direkt s o l c h e V e r h e i ß u n g g e g e b e n . Er schränkt d i e s a l l e r d i n g s selbst durch die Ü b e r l e g u n g ein, d a ß man bei P a u l u s nicht i m m e r e i n e s c h a r f e U n t e r s c h e i d u n g z w i s c h e n der B e s t ä t i g u n g einer V e r h e i ß u n g und der a l l g e m e i n e r e n I d e e , d a ß d i e D i n g e e n t s p r e c h e n d d e m Z e u g n i s der S c h r i f t g e s c h e h e n , v o r a u s s e t z e n d ü r f e . W e i t e r e Ü b e r l e g u n g e n l a s s e n s e i n e n E i n w a n d e b e n f a l l s als nicht z w i n g e n d e r s c h e i nen. P a u l u s n e n n t nicht i m m e r die E m p f ä n g e r der V e r h e i ß u n g , und es liegt a u c h nicht n a h e , j e w e i l s nur Israel zu e r g ä n z e n (vgl. z.B. 2Kor 1,20). Er w e n d e t S c h r i f t w o r t e a u c h als V e r h e i ß u n g s w o r t e direkt auf die G e m e i n d e an ( 2 K o r 7,1). Er d e u t e t die S c h r i f t im R ü c k b l i c k , v o m C h r i s t u s e r e i g n i s her, neu, w a s a u c h A u s w i r k u n g e n auf s e i n e B e s t i m m u n g des V e r h e i ß u n g s i n h a l t e s , etwa der V e r h e i ß u n g an A b r a h a m , hat (vgl. Gal 3 , 8 - 1 4 ) . S p ä t e s t e n s in d i e s e m R ü c k b l i c k aber k ö n n e n a u c h die H e i d e n die W o r t e der S c h r i f t als V e r h e i ß u n g e n für sich e r k e n n e n . D i e s ist die u.a. v o n K ä s e m a n n , R ö m e r 372 b e v o r z u g t e s y n t a k t i s c h e Z u o r d nung. B e m e r k e n s w e r t e r s c h e i n t M i c h e l , R ö m e r 448, der ihr aus i n h a l t l i c h e n G r ü n d e n e b e n f a l l s d e n V o r z u g gibt ( o h n e sie a u s d r ü c k l i c h zu n e n n e n ) , o b w o h l er konstatiert, daß e i n e p a r a l l e l e A b h ä n g i g k e i t der V e r b e n v o n λ έ γ ω γάρ stilistisch . m a n c h e n V o r zug' habe.

474

IV .с. Römerbrief

V i l ZU nennen, aber auch schon ^ 68,10 (in 153). An beiden Stellen ist jeweils die Verbindung von Gnade und Wahrheit (ελεος και αλήθεια bzw. πηκι поп), die insbesondere die Sprache des Psalters prägt®^^, sachlich eng mit dem Zitat selbst verknüpft®^"·. Diese Verbindung beschreibt Gottes Handeln zum einen nach der Seite der aktuellen Gnadenerweise, zum anderen nach der Seite der andauernden Zuverlässigkeit. Sie dient damit gerade nicht dazu, Handlungen Gottes an verschiedenen Gruppen qualitativ zu unterscheiden, sondern dazu, Gottes Handeln dadurch umfassend zu beschreiben, daß seine Selbigkeit durch die Zeit hindurch betont wird. Es spricht viel dafür, daß Paulus schon hier bewußt die Begriffe gebraucht, die im Zitat, daß er wenig später selbst (als Begründung) anführt, zur Begründung des Gotteslobes dienen®·''^. Es müßte erst durch deutliche Hinweise im Kontext erwiesen werden, daß er sie dabei anders versteht als die LXX, die er selbst hier heranzieht, etwa im Sinne einer Steigerung oder Überbietung im Handeln Gottes®^®. Solche Hinweise sind jedoch nicht zu erkennen. Das parallele Nebeneinander von Juden und Heiden allein spricht, wie sich gezeigt hat, keinesfalls dafür. Eine weitere Überlegung kann das vorgetragene Verständnis weiter erhärten: nach 1,17 ist das Thema des Briefes die in Jesus Christus offenbar gewordene Gerechtigkeit Gottes. Dieser Begriff nun wird in Kap. 12-15 überhaupt nicht mehr aufgenommen. Im Laufe der Argumentation von Rom 9-11 tritt vielmehr offensichüich die Rede von Gottes Erbarmen, daß seinem Plan und Wort von Anfang añ entspricht, an seinen Platz. Es liegt deshalb im Duktus der Argumentation des Briefes, wenn man in άλήθεια und ελεος θεοί in

Zu n n m ΊΟΠ vgl. Hos 4Д; Mi 7,20; Ps 25,10; 40,12; 57,4; 61,8; 85,11; 88,12; 89,15; 138,2; Gen 24,27; Ex 34,6; 2Sam 2,6; 15,20 sowie oben Kap.III.F Anm. 299. Nach Wildberger, T H A T I 205 modifiziert in dieser Kombination HDN das ΊΟΠ „Huld, Güte, Liebe, Gemeinschaftswille' nach der Seite der Zuverlässigkeit hin". "" In 116,2 heißt es als Begründung für die A u f f o r d e r u n g zum Lob (und zugleich als zweiter Teil des nur aus einem Satz bestehenden Psalms!): otv έκραταιώθη τό ελεος αύτοϋ έφ' ήμάς, καΐ ή άλήθεια του κυρίου μένει εις τον αιώνα. Auf die Klage in Ϋ 68,10 folgt in V14 die Bitte um Erhörung und Hilfe: καιρός ευδοκίας, ó θεός, έν τω πλήθει του ελέους σου' έπάκουσόν μου έν άληθείρί της σωτηρίας σου. Vgl. auch schon den Kontext des Zitates Ψ 142,2 in 3,20. Dort appelliert der Beter an die αλήθεια und δικαιοσύνη ( V i ) und später nochmals an ελεος und δικαιοσύνη Gottes ( V 8 . l l ; zum Einfluß des Zitats auf die Logik der Argumentation von Kap. 3 und auf das Verständnis des Begriffs δικαιοσύνη θεού bei Paulus vgl. oben S.361). Allein das ist ein starkes Argument gegen die Annahme, hier liege eine traditionelle Zitatenkette vor, ,deren Skopos nicht völlig mit dem der Doppelthese von VV8-9a übereinstimmt' (Wilckens, Römer 3 108, Hervorhebung im Zitat). Hinzu kommt die bereits konstatierte Korrespondenz von 15,12 mit 1,3, die ebenfalls kaum zufällig sein dürfte. Auch spricht der Stichwortanschluß mit έ λ π ί ς in 15,13 gerade nicht f ü r eine traditionelle Zitatenliste, sondern f ü r bewußte paulinische Komposition (gegen Wilckens, ebd. Anm. 519). Hinzu kommt, daß die Zitate mit dem G e d a n kengang von V8ff eng verbunden sind und allesamt aus den Schriften stammen, die Paulus auch sonst am häufigsten anführt (Jesaja, Psalmen, Deuteronomium). Vgl. Käsemann, Römer 373: ,Es liegt Überbietung vor: Die Bundestreue wird kosmisch ausgeweitet'; richtig dagegen Michel, Römer 448: „beide Begriffe bilden ein unlösliches Ganzes"; sie „ergeben die Fülle der Gottesoffenbarung sowohl nach jüdischer als auch nach christlicher Gottesanschauung" (ebd. Anm. 25).

R o m 15,7-13 - G o t t e s W a h r h a f t i g k e i t und B a r m h e r z i g k e i t

475

15,8a.9a eine Entsprechung zur δικαιοσύνη θεού von 1,17 sieht^^"'. Beschreiben άλήθεια und ελεος letztlich ein und dasselbe Handeln Gottes, dann folgt daraus theologisch: für Paulus ist Gottes Bundestreue gegenüber Israel sachlich letztlich nicht anders begründet als sein Erbarmen gegenüber den Heiden^'®. Beides war schon immer Bestandteil seines Planes und widerspricht dem Zeugnis der Schrift nicht. Vielmehr bestätigt gerade die Schrift auch die Wahrhaftigkeit Gottes im Blick auf sein Handehi mit den Heiden. Die Schriftstellen, die das unzweifelhaft bestätigen und belegen, hat er sich bis zum Schluß seiner Argumentation - sozusagen als abschließenden Höhepunkt - aufgehoben®^'. Nun sollen und können die Leser selbst urteilen, ob das Evangelium, das Paulus unter den Heiden verkündigt, das von Gott vorherverheißene Evangelium ist und semer Wahrhaftigkeit und Treue zu Israel entspricht®®. Die p a u l i n i s c h e F o r m u l i e r u n g in 15,8-9a, die G o t t e s H e i l s h a n d e l n z u s a m m e n f a s sen will, h a t b e m e r k e n s w e r t e A n k l ä n g e an Mi 7,20. Z w a r f e h l e n a u s d r ü c k l i c h e Z i t a t e aus diesem P r o p h e t e n bei Paulus, u n d es ist d e s h a l b k a u m sicher zu sagen, ob dieses W o r t am E n d e des Buches Micha tatsächlich mit h i n t e r den F o r m u l i e r u n g e n des P a u l u s s t e h t ^ l . A b e r die Ü b e r e i n s t i m m u n g e n sind doch b e m e r k e n s w e r t : άλήθεια und ελεος G o t t e s w e r d e n in Mi 7,20 f ü r J a k o b und A b r a h a m e r w a r t e t . Diese E r w a r tung wird b e g r ü n d e t mit der V e r h e i ß u n g an die V ä t e r (ώμοσοίς τοις πατράσιν). Bereits 7,18f b e t o n e n , d a ß sich das E r b a r m e n Gottes vor allem in der V e r g e b u n g der S ü n d e n erweisen u n d G o t t e s Z o r n nicht ewig w ä h r e n wird. Das e r i n n e r t deutlich an R o m 4,5-8^^. Z i e h t man die V e r b i n d u n g zu Rom 4 noch weiter aus, d a n n läßt sich sogar eine P a r a l l e l e f ü r die Z u o r d n u n g der αλήθεια zu den J u d e n und des ελεος zu den

' ' ' Dies e n t s p r i c h t der sachlichen V e r b i n d u n g von δικαιοσύνη, άλήθεια und ελεος θεοϋ (das sachlich mit χ ά ρ ι ς eng v e r b u n d e n ist) im Psalter und bei D e u t e r o j e s a j a (vgl. oben S.218 sowie Beker, F a i t h f u l n e s s 331; Williams, R i g h t e o u s n e s s 261-264). Bestätigt wird es auch d u r c h R o m 3,1-8, wo P a u l u s bereits G o t t e s G e r e c h t i g k e i t und seine W a h r h a f t i g k e i t eng m i t e i n a n d e r v e r k n ü p f t . Von R o m 9 - 1 1 an löst z u d e m im R ö m e r brief die R e d e von G o t t e s ελεος d i e j e n i g e von seiner δικαιοσύνη ab. All das stellt K ä s e m a n n , R ö m e r 373 nicht g e n ü g e n d in R e c h n u n g , wenn er einen P a r a l l e l i s m u s von άλήθεια u n d ελεος hier a b l e h n t (vgl. auch Lübking, P a u l u s 241f A n m . 786). Auf den Z u s a m m e n h a n g zwischen δικαιοσύνη und άλήθεια weist schon B u l t m a n n , T h W N T I 243 hin. F ü r Williams, R i g h t e o u s n e s s liegt in den v i e l f ä l t i g e n V e r b i n d u n g e n zu A u s d r ü c k e n der W a h r h a f t i g k e i t und T r e u e Gottes zu seinen V e r h e i ß u n g e n d e r e n t s c h e i d e n d e S a c h b e z u g f ü r das - u m s t r i t t e n e - V e r s t ä n d n i s von δικαιοσύνη θεού im R ö m e r brief. ™ Gegen Z e l l e r , J u d e n 219f. Vgl. die A r g u m e n t a t i o n des P a u l u s in R o m 3,29f. Vgl. Hays, E c h o e s 71: , h e has saved his clinchers f o r t h e end ... finally d r a w s back t h e c u r t a i n and reveals a collection of passages that explicitly embody his vision f o r a c h u r c h composed of J e w s and G e n t i l e s g l o r i f y i n g G o d together*. ^ Es ist kein W i d e r s p r u c h zu dem G e s a g t e n , d a ß die a n g e f ü h r t e n S c h r i f t w o r t e ( f a s t ) ganz auf das G o t t e s l o b der H e i d e n zielen. Denn f ü r P a u l u s , der mit seinem Brief sein E v a n g e l i u m f ü r die H e i d e n verteidigen will (vgl. 1,5; 15,14-21), m u ß t e es ja eben d a r u m g e h e n a u f z u z e i g e n , d a ß G o t t e s H a n d e l n mit den H e i d e n schon i m m e r B e s t a n d t e i l seines P l a n e s w a r und nicht seine W a h r h a f t i g k e i t in F r a g e stellt. N e s t l e / A l a n d ^ notiert nur noch zu Rom 2,17 e i n e A n s p i e l u n g auf Mi 3,11 ( L X X ) . Z u den K r i t e r i e n , die eine A n s p i e l u n g bzw. ein E c h o w a h r s c h e i n l i c h m a c h e n k ö n n e n , s.o. S.48. Vgl. die Stichworte άσέβεια und άμαρτια dort ( u n d auch das G e g e n s t ü c k in R ö m 1,18: όργή ... έ π ί πάσαν άσέβειαν και άδικίαν).

476

IV.C. R ö m e r b r i e f

H e i d e n a u f z e i g e n . J a k o b wird t r a d i t i o n e l l als R e p r ä s e n t a n t f ü r Israel bzw. die J u d e n v e r s t a n d e n u n d A b r a h a m k o n n t e im F r ü h j u d e n t u m i n s b e s o n d e r e als R e p r ä s e n t a n t der Proselyten gelten. V o r dem H i n t e r g r u n d seiner A u s f ü h r u n g e n in R o m 4 k ö n n t e P a u l u s ihn in Mi 7,20 als V a t e r i n s b e s o n d e r e der H e i d e n v e r s t a n d e n und sich so in der S t r u k t u r seiner A u s s a g e an dieses P r o p h e t e n w o r t a n g e l e h n t h a b e n . Z u b e a c h t e n b l e i b e n a b e r a u c h die w e s e n t l i c h e n V e r s c h i e b u n g e n in seiner I n t e r p r e t a t i o n . W e n n aus J a k o b u n d A b r a h a m nun J u d e n und H e i d e n w e r d e n , d a n n wird d e r K o n t e x t von Mi 7,8-20 in gewisser W e i s e in sein G e g e n t e i l v e r k e h r t , d a n u n auch den H e i d e n die V e r g e b u n g d e r S ü n d e n gilt. Z u d e m wird sie nicht m e h r erst f ü r die Z u k u n f t e r w a r t e t , s o n d e r n ist b e r e i t s in J e s u s Christus W i r k l i c h k e i t g e w o r d e n .

(e) Die Bekräftigung der Verheißungen. Abschließend ist nun noch zu fragen, wie das βεβαιώσαι in V8b angemessen verstanden werden kann. Wir haben bereits gesehen, daß vom Kontext her die Verheißungen offenbar sowohl das Werk des Christus als auch seine Wirkungen umschließen. Daraus folgt: schon jetzt ist der Christus aus dem Samen Davids erschienen und hat die Gerechtigkeit Gottes offenbar gemacht und Juden und Heiden angenommen. Schon jetzt loben Heidenchristen Gott zusammen mit Judenchristen, wie es die Schrift zuvor geschrieben hat. Von daher könnte man von einer Erfüllung dieser Verheißungen in Christus sprechen^''. Aber noch ist nicht ganz Israel zum Glauben gekommen. Und auch alle Völker haben noch nicht eingestimmt in das Lob Gottes - deshalb ja wirbt Paulus um die Unterstützung der römischen Gemeinde für seine Spanienmission. Schließlich begründet der Glaube an Christus zwar schon Rettung, aber noch auf Hoffnung hin®'". Noch sind die Kinder Gottes nicht offenbar geworden. Von daher sind die Verheißungen in Christus wohl schon bestätigt (es gibt keinen anderen Weg zu ihrer Erfüllung als ihn), aber noch nicht erfüllt®'^.

T a t s ä c h l i c h k a n n der Stamm βεβαι- auch, wenn auch selten, die E r f ü l l u n g e i ner V e r h e i ß u n g a u s d r ü c k e n , vgl. Philo H e r . 96; Somn. 1,181; J o s A n t 8,109 (άποβέβηκεν); syrBar 48,34 {confirmabuntur). A u c h in p r o f a n e n Z u s a m m e n h ä n g e n b e z e i c h n e t es (selten) die E r f ü l l u n g eines V e r s p r e c h e n s . Vgl. 8,21.24 u n d i n s b e s o n d e r e auch 15,12.13. Es k e n n z e i c h n e t den G l a u b e n des P a u l u s , d a ß dieser A b s c h n i t t - diese S u m m e seines E v a n g e l i u m s - mit einer B e t o n u n g seines H o f f n u n g s c h a r a k t e r s e n d e t ! Dies e n t s p r i c h t der ü b l i c h e n ( h ä u f i g juridisch g e f ä r b t e n ) B e d e u t u n g von βέβαιος κτλ. im Sinne von . g a r a n t i e r e n ' , ,in G e l t u n g setzen'. Es stimmt z u d e m gut mit dem v o r a n g e h e n d e n P e r f e k t γεγενέσθαι ü b e r e i n , das P a u l u s v e r m u t l i c h gewählt h a t um das w e i t e r e A n d a u e r n der διακονία Christi a n z u z e i g e n (s.o.). V e r m u t l i c h wegen dieser S p a n n u n g zwischen S c h o n - J e t z t u n d N o c h - N i c h t (die der d i a l e k t i s c h e n S p a n n u n g zwischen H e i l s g e g e n w a r t und H e i l s z u k u n f t e n t s p r i c h t , die auch sonst die p a u l i n i s c h e E s c h a t o l o g i e k e n n z e i c h n e t ) hat P a u l u s hier βεβαιώσαι gewählt ( u n d eben nicht πληρόω = e r f ü l l e n ) .

R o m 1 5 , 7 - 1 3 - S c h r i f t w o r t e als B e z e u g u n g des E v a n g e l i u m s

477

(3) Schriftworte als Bezeugung des pauliniscben Evangeliums (V9b-12) Als abschließenden Höhepunkt seiner Argumentation in diesem Abschnitt (und zugleich als Abschluß des ganzen Briefkorpus) führt Paulus eine sorgfältig ausgewählte und zusammengestellte Abfolge von Schriftworten an. Mit ihnen belegt er, daß sein Evangelium von Werk und Wirkung Jesu Christi, wie er es eben nochmals mit eigenen Worten zusammengefaßt hat, ganz dem entspricht, was die Schrift schon immer bezeugt. Diese Abfolge ist (wie bereits der .Bekenntnissatz' V8.9a) sorgfältig und kunstvoll konzipiert''''''. Zunächst sind wiederum formale Beobachtungen festzuhalten. Von den vier Zitaten sind die zwei mittleren Imperativisch formuliert, die zwei rahmenden dagegen beschreibend'"®''. Das erste Zitat gibt eine Schlußfolgerung (Διά τούτο). Es wird zu fragen sein, worauf sie sich genau bezieht. Die Imperative des zweiten Zitats werden im dritten Zitat weitergeführt, wobei nicht nur das Objekt des Lobens nun ausdrücklich genannt wird, sondern anscheinend durch das wiederholte πάντα eine Steigerung impliziert ist'^'*. Das letzte Zitat verweist indirekt (aber deutlich) auf den Christus aus V8 zurück. Es heißt hier, daß er aufsteht, um über die Heiden zu herrschen. Das kann auf den Grund für das Lob der Heiden hinweisen, der ja in V9 noch nicht genannt war. Auch darin findet also der .offen parallele' Aufbau von V8a.9a seine Bestätigung. Voll durchgeführt wäre diese Parallelität, wenn sich zeigen würde, daß das erste Zitat (das mit dem letzten gemeinsam die Imperative rahmt) etwas zu tun hat mit der zuvor ebenfalls nicht genannten Wirkung auf die Juden. (a) Ψ 17,50: Um die Funktion von Ψ 17,50 in 15,7-13 insgesamt richtig zu bestimmen, ist die Frage nach dem Subjekt der Aussage entscheidend wichtig. Darüber hinaus muß auch der Bezug des einleitenden .darum' geklärt werden, wobei sowohl der jetzige als auch der ursprüngliche Kontext des Schriftwortes zu berücksichtigen ist. Mit Ψ 17,50 beginnt der Abschluß eines Dankpsalms Davids nach seiner Errettung vor den Feinden. An die von Paulus zitierten Sätze schließt sich direkt (als letzter Satz des Psalms) eine Beschreibung Gottes an. Sie begründet, warum er unter den Heiden gelobt wird: „Er verlieh seinem König große

A u c h K o c h , Schrift 282f konstatiert a u s d r ü c k l i c h den s o r g f ä l t i g e n A u f b a u . In S p a n n u n g zu d i e s e r F e s t s t e l l u n g s t e h e n j e d o c h s e i n e Z w e i f e l daran, d a ß P a u l u s e t w a Ψ 17,50 . m i t e i n e r derart präzisen Interpretation v e r b u n d e n hat" ( e b d . A n m . 24) und s e i n e E i n s c h ä t z u n g , d a ß der „Sinn von Dtn 32,43c ( V 10) i n n e r h a l b von 1 5 , 9 - 1 2 ... nicht ü b e r z u s t r a p a z i e r e n * sei (ebd. A n m . 26). M.E. u n t e r s c h ä t z t er damit den A p o s t e l und s e i n e b e w u ß t e A u s w a h l und Interpretation der S c h r i f t w o r t e d o c h e r h e b l i c h . Sie s t a m m e n aus den P s a l m e n , Dtn 32 und Jesaja, den T e i l e n der Schrift also, die bei P a u l u s am h ä u f i g s t e n zitiert w e r d e n . Z u r Z a h l der Z i t i e r u n g e n vgl. K o c h , Schrift 2 1 - 2 3 . Zur Z u s a m m e n s e t z u n g der Z i t a t e n k o m b i n a t i o n e n im R ö m e r b r i e f s.o. K a p . I V . C . l A n m . 7 4 , Z u r B e d e u t u n g J e s a j a s für d i e T h e o l o g i e d e s A p o s t e l s s.o. S.363. V g l . ( a l l g e m e i n z u m A u f b a u des S c h r i f t z e u g n i s s e s ) auch M i c h e l , R ö m e r 449. K ä s e m a n n , R ö m e r 373 m e i n t e b e n f a l l s , d a ß die Z i t a t e n k e t t e . g e w o l l t i m m e r w e i t e r e Kreise z i e h t ' .

478

IV.C. R ö m e r b r i e f

Hilfe und erwies Huld seinem Gesalbten: David und seinem Samen für imjjjgj"669 Qgj jüdische Beter, der in Davids Psalm einstimmt, lobt also Gott, weil er in seinem Gesalbten Heil wirkt für Israel bis in Ewigkeit. Auch vom Kontext des Psalmes her bestätigt sich damit die auf der formalen Ebene bereits festgestellte Verbindung zwischen dem ersten und dem vierten Schriftwort. Doch auf wen ist das ,Ich' des Beters in seinem jetzigen Kontext zu beziehen?^™ Viel spricht dafür, daß Paulus mit den Worten des Psalmes eine Aussage über sich selbst und sein Tun macht. Die Abfolge .Denn ich sage, daß ... wie auch geschrieben steht: Darum bekenne ich' paßt sich problemlos in den Gedankengang ein®^^ Das .darum' bezieht sich dann auf den gesamten vorhergehenden .Bekenntnissatz': weil der Christus der Diener der Beschneidung geworden ist und weil auch die Heiden entsprechend der in ihm bestätigten Verheißimgen Gott loben sollen, deshalb preist der Jude Paulus Gott unter den Heiden. Das korrespondiert nicht zuletzt gut mit dem, was Paulus im folgenden von sich selbst sagt, nämlich daß er als Apostel der Heiden ein λειτουργός (also ein kultisch Handelnder) Christi unter den Heiden sei, der als Priester das Evangelium unter ihnen ausrichtet (Ιερουγοϋντα, vgl. 15,16). Paulus sieht seine Aufgabe als Apostel der Heiden also in diesem Schriftwort vorherverheißen®^^. Damit wird mit diesem ersten Schriftwort also wirklich eine Wirkung des Werks Jesu unter den Ju-

Ü b e r s e t z u n g nach K r a u s , P s a l m e n 282. Die L X X liest 17,51): μ ε γ α λ ύ ν ω ν τάς σωτηρίας του βασιλέως αύτοΰ και ποιών ελεος τω χ ρ ι σ τ φ αυτού, τω Δαυίδ και τφ σπέρματι αύτοΰ εως αιώνος. A n den ü b r i g e n Stellen in den P a u l u s b r i e f e n ist das ,Ich' in den S c h r i f t w o r ten jeweils e i n d e u t i g Gott selbst (vgl. I K o r 1,19; 2Kor 6,16.18; R o m 9,15.25.33; 10,19.20.21; 11,27; 12,19; 14,11; vgl. zum ,Ich' G o t t e s in R o m 9 - 1 1 auch H ü b n e r , Ich). Da Gott in Ψ 17,50 j e d o c h O b j e k t des L o b e n s ist, scheidet diese M ö g l i c h k e i t an u n s e rer Stelle aus. A u s diesem G r u n d sieht auch K ä s e m a n n , R ö m e r 373 P a u l u s hier als R e d e n den. Koch, S c h r i f t 282 A n m . 24 hält dies i m m e r h i n f ü r die w a h r s c h e i n l i c h s t e Lösung, wenn man ü b e r h a u p t eine g e n a u e r e B e z i e h u n g herstellen k ö n n e . Vgl. K ä s e m a n n , R ö m e r 373. Bestätigung f i n d e t diese D e u t u n g a u c h in dem Z i t a t aus J e s 52,15, das P a u l u s in 15,21 als B e s c h r e i b u n g der W i r k u n g seines A p o stolats a n f ü h r t . A u c h die V e r b i n d u n g von Röm 10,19 und 11,14, d u r c h die P a u l u s sich selbst mit dem ,Ich' des S c h r i f t w o r t s in e i n e L i n i e stellt, spricht f ü r die D e u t u n g . A l l e n f a l l s noch möglich erscheint eine D e u t u n g der l.Pers.Sing., die an David als den t r a d i t i o n e l l e n S p r e c h e r des Psalms denkt ( vgl. D u n n , R o m a n s 849; M i c h e l , R ö m e r 449 b e n e n n t die M ö g l i c h k e i t , o h n e sich klar zu e n t s c h e i d e n ) . N i c h t z w i n g e n d ist der E i n w a n d , d a ß er d a n n als V e r f a s s e r g e n a n n t w e r d e n m ü ß t e (so aber K ä s e m a n n , R ö mer 373; Koch, S c h r i f t 282 A n m . 24). Denn auch an a n d e r e n Stellen, an d e n e n P a u l u s David nicht a u s d r ü c k l i c h n e n n t , ist es w a h r s c h e i n l i c h , d a ß die V e r b i n d u n g des Z i t a t s mit seiner Gestalt und G e s c h i c h t e von B e d e u t u n g f ü r seine A r g u m e n t a t i o n ist (vgl. das Z i t a t aus ^ 50,6 in R ö m 3,4 und dazu oben Kap.IV.C.2 Anm.214). D a g e g e n ist es k a u m w a h r s c h e i n l i c h , d a ß in dem Beter Christus zu sehen ist. Z w a r ist er a u c h in 15,3 Subjekt in e i n e m Z i t a t aus e i n e m D a v i d p s a l m . A b e r dort ist die V e r b i n d u n g zum K o n t e x t e i n d e u t i g . Z u d e m w ä r e es singular, , d a ß der E r h ö h t e sich in das G o t t e s l o b der G e m e i n d e ... einreiht" (Koch, Schrift 282 A n m . 24). Z u g e g e b e n w e r d e n m u ß , d a ß eine völlige G e w i ß h e i t in dieser F r a g e k a u m e r r e i c h b a r ist. P a u l u s läßt dem Leser hier (wie an a n d e r e n Stellen a u c h ) einen I n t e r p r e t a t i o n s s p i e l r a u m . Es sollte j e d o c h das V e r s t ä n d n i s den V o r z u g e r h a l t e n , das sich am weitesten in den G e s a m t k o n t e x t e i n b i n d e n läßt, in diesem Fall also die D e u t u n g auf P a u l u s .

Rom 15,7-13 - S c h r i f t w o r t e als B e z e u g u n g des E v a n g e l i u m s

479

den genannt. Der Jude Paulus wird zum Heidenmissionar^^^. Zugleich wird damit deutlich: die Juden sind durch das Werk Christi auch an die Heiden gewiesen. Umgekehrt weist der Grund für ihr Gotteslob die Heiden zurück an die Juden. Denn der, auf den sie hoffen, ist ja der Diener Israels, die Wurzel Jesses (vgl. das Zitat in V12). (b) Dtn 32,43: Der Imperativ des zweiten Schriftwortes nimmt die Gewiesenheit der Juden und Heiden aneinander auf®^''. Dabei wird (der .Heilsordnung' von Rom 11 entsprechend) in der Nennung der Völker vor dem Volk zumindest äußerlich die Folge des ,die Juden zuerst und auch die Heiden' (vgl. 1,16; 2,9) umgedreht^'''. Das gemeinsame Lob ist das Ziel®"''', das aber nur in Einmütigkeit erreicht werden kann, einer Einmütigkeit, die dem erfahrenen Heilsgeschehen in Jesus Christus entspricht (vgl. 15,5.7) und die deshalb immer wieder anzumahnen ist. (c) Ps 117,1: Die Aufforderungen im dritten Zitat steigern das Gotteslob in eschatologische Dimensionen: alle Heiden und alle Völker sollen Gott loben®^^. Das erinnert daran, daß ganz Israel (πάς Ισραήλ) nach Rom 11,25-32 erst dann gerettet werden wird, wenn tatsächlich die Fülle der Völker (πλήρωμα των έθνών) hinzugekommen sein wird''^®. Von daher erscheint im Rückblick auch VIO zugleich als eschatologische Hoffnung. Befolgt wird die Aufforderung zum gemeinsamen Gotteslob zwar (u.U.) schon in den paulinischen Gemeinden, aber eben noch längst nicht von der Fülle der Heidenvölker und ganz Israel insgesamt.

Sachlich e n t s p r i c h t dem auch die B e t o n u n g seines J u d e - S e i n s in 11,2. Vgl. auch das Urteil von Betz: „Als H e i d e n a p o s t e l wollte er m.E. ein V o r l ä u f e r des a n g e n o m m e n e n , r e s t a u r i e r t e n , Gottesvolkes, ein V o r b i l d f ü r dessen Dienst an der V e r s ö h n u n g der Welt sein" (Rolle, P o s t s c r i p t u m 336). Ist es f ü r P a u l u s Z u f a l l , d a ß dies ein W o r t des Moses am E n d e seiner letzten R e d e an Israel ist? Z u r B e d e u t u n g des Moses als a u s d r ü c k l i c h e m Z e u g e n f ü r P a u l u s E v a n g e l i u m vgl. auch Rom 9,15 (Ex 33,19); 10,5 (Lev 18,5) und 10,19 (Dtn 32,21). E i n e sachlich ä h n l i c h e A u s s a g e f i n d e t sich auch in Ψ 46, wo die V ö l k e r und G o t t e s Volk zum Lob G o t t e s a u f g e f o r d e r t w e r d e n und es am E n d e (VIO) heißt: άρχοντες λ α ώ ν συνήχθησαν μετά τού θεού Αβρααμ. A u c h wenn P a u l u s in Rom 9,25f ,die έξ έθνών B e r u f e n e n - wie die έξ Ιουδαίων - g l e i c h e r m a ß e n als λαός G o t t e s b e z e i c h n e t " (Koch, S c h r i f t 282f A n m . 26), ist an dieser Stelle (nach V S f ) doch deutlich das G e g e n ü b e r von H e i d e n und Israel im Blick (vgl. Rom l l , l l f f ; gegen Koch, ebd). Die H o f f n u n g auf das g e m e i n s a m e G o t t e s l o b von J u d e n und H e i d e n , das die P r o p h e t e n a n g e k ü n d i g t h a b e n , ist im hellenistischen D i a s p o r a j u d e n t u m lebendig geblieben, wie z.B. T o b 14,4-7 (s.o. K a p . I V . C . l Anm.53) zeigt. Vgl. K ä s e m a n n , R ö m e r 374; nach ihm tritt die Steigerung g e g e n ü b e r dem vorigen Z i t a t d a d u r c h h e r a u s , d a ß ,εθνη noch die H e i d e n c h r i s t e n , λ α ο ί aber schon die V ö l k e r w e l t meint". ™ Vgl. auch den g a n z e n Samen A b r a h a m s ( π ά ν τό σπέρμα), f ü r den die V e r h e i ß u n g e n nach 4,16 fest (βεβαίαν) bleiben. Z u m Z u s a m m e n h a n g u n d zum V e r s t ä n d n i s von πάντα τά εθνη und πλήρωμα τών έθνών vgl. S t u h l m a n n , M a ß 173-178.

480

IV.C. R ö m e r b r i e f

(d) Jes 11,10: Das letzte Schriftwort bestätigt, daß die vorangehenden Schriftworte auch auf ihr ,Noch-Nicht' hin ausgelegt werden müssen. Denn es beschreibt nicht nur das Werk des Christus an den Heiden, sondern mündet zugleich in eine Beschreibung ihrer Hoffnung®'''. Dieser krönende Abschluß der Schriftbelege dient dabei nicht allein als Gegenstück zur christologischen Aussage in V8a, sondern er weist den Leser zurück bis zum christologischen Bekenntnis in I3-4680.

Es hat sich gezeigt, daß die Zitatenkette als Abschluß der gesamten Aussage V8-9a konzipiert ist. Sieht man den Aufbau mit zwei beschreibenden Worten als Rahmung für zwei Imperativische Schriftworte sowie die aufgezeigten vielfältigen Beziehungen der einzelnen Schriftworte zum näheren und weiteren Kontext, dann erscheint es als eine Verkürzung, in dem Gotteslob der Heiden das alleinige oder doch zumindest das Haupt-Thema der Zitatenkette zu sehen, wie es häufig geschieht'^^^. Ebenso läßt der überlegte Aufbau es unwahrscheinlich erscheinen, daß Paulus hier einfach eine traditionelle Zitatenkombination eingefügt hat, die er etwa aus einem Florilegium übernommen haben könnte''®^. Zwar ist es richtig, daß - offenbar vor allem durch die Fortsetzung in 15,14-33 und damit durch die missionarischen und apologetischen Ziele des Briefes - die Heiden ins Zentrum rücken. Aber Thema des Schriftzeugnisses ist letztlich das gesamte in V8-9a geschilderte bzw. angedeutete Heilsgeschehen. Mit ihm erweist Paulus am Ende nochmals programmatisch die Übereinstimmung seines Evangeliums für die HeiZ w a r ist das Z i t a t in seinem ersten Teil auf die G e g e n w a r t bezogen: d u r c h die A u s l a s s u n g des έν ήμέρ^ εκείνη aus der L X X - V o r l a g e zeigt P a u l u s an, d a ß der v e r h e i ß e n e D a v i d i d e e r s c h i e n e n ist. J e d o c h ist im K o n t e x t der Z i t a t k e t t e i n s b e s o n d e r e auch die S c h l u ß a u s s a g e von Interesse, wie nicht zuletzt die zweimalige V e r w e n d u n g von έ λ π ί ς in V 1 3 zeigt. U n d hier b e l ä ß t P a u l u s das F u t u r . D a m i t ist o f f e n b a r der zweite Teil eine A u s s a g e , die zugleich auch auf ein noch k ü n f t i g e s G e s c h e h e n v e r weist (vgl. Michel, R ö m e r 450 A n m . 28, der eine V e r b i n d u n g zum Z i t a t J e s 59,20f in R o m l l , 2 6 f zieht; a n d e r s Koch, Schrift 315, nach dem das S c h r i f t w o r t hier auf die G e g e n w a r t b e z o g e n ist, wie J e s 28,16 in Rom 9,33 - a b e r dort f e h l t eben e i n e a u s d r ü c k l i c h e f u t u r i s c h e A u s s a g e im Z i t a t u n d der v o r a u s g e h e n d e A o r i s t προσέκοψαν sichert den G e g e n w a r t s b e z u g ; J e w e t t , Law 356 sieht in R o m 15,7-13 insgesamt . h o p e of t h e U n i f i c a t i o n of t h e World"). U n v e r s t ä n d l i c h ist, wieso Betz, R o l l e 12 meint, die A u s s a g e im zweiten Satzteil g r ü n d e auf dem J u d a - S e g e n G e n 49,10. T a t s ä c h l i c h ist die A u s s a g e dort d e r j e n i g e n in J e s 11,10 v e r w a n d t , aber in G e n 49,10 f e h l t g e r a d e das Stichwort έ λ π ί ς , auf das es P a u l u s f ü r den Ü b e r g a n g zu V13 doch a n k o m m t . Dem Titel κύριος f ü r Christus in 1,4 e n t s p r i c h t das ά ρ χ ε ί ν des W u r z e l s p r o s s e s Isais. N a h e l i e g e n d ist es auch, d a ß P a u l u s e b e n s o wie seine Leser in dem άννστάμενος t a t s ä c h l i c h „den A u f e r w e c k t e n und E r h ö h t e n " gesehen h a b e n ( K ä s e m a n n , R ö m e r 374; auch n a c h Koch, B e o b a c h t u n g e n 185 A n m . 46 „liegt f ü r den christlichen Leser bzw. H ö r e r die A s s o z i a t i o n ... u n m i t t e l b a r nahe"). Duling, P r o m i s e s 73 v e r m u t e t , d a ß die D l ρ / ά v í σ τ η μ ι - T e r m i n o l o g i e der W e g war, über den die T r a d i t i o n von der D a v i d s v e r h e i ß u n g in die f r ü h c h r i s t l i c h e L i t e r a t u r kam (vgl. auch Wilcox, P r o m i s e 16). Gegen L i n d a r s , A p o l o g e t i c 202. ^^ Keck, Christology 91f n i m m t an, P a u l u s v e r w e n d e zwei T r a d i t i o n e n ( V 8 a b . l 2 ; V 9 b - l l ) und b i n d e sie d u r c h die P h r a s e n ύπέρ αληθείας θεοϋ, τά δέ εθνη ύπέρ ελέους δοξάσαι τόν θεόν und και π ά λ ι ν Ησαΐας λ έ γ ε ι in seine A r g u m e n t a t i o n ein. Doch das ignoriert die sichtbar g e w o r d e n e n Z u s a m m e n h ä n g e zu sehr und bleibt völlig h y p o thetisch.

R o m 1 5 , 7 - 1 3 - S c h r i f t w o r t e als B e z e u g u n g d e s E v a n g e l i u m s

481

den mit dem Zeugnis der durch die .Brille' der Propheten gelesenen Schrift (vgl. 1Д), die er immer wieder durch den Brief hindurch und insbesondere in Rom 4 und 9-11 aufzuzeigen bemüht war.

(4) Das Gebet um Freude, Frieden, Glauben und Hoffnung

(V13)

Am Schluß des ganzen Abschnittes wird die Aufforderung von V7 in einen G e betswunsch überführt. Ohne daß der Gott der Hoffnung durch die Kraft seines Geistes Freude und Frieden unter denen schafft, die glauben, wird auch jede gegenseitige Annahme nach dem Beispiel Christi nicht wirklich gelingen. Wo sie aber gelingt, da wird zugleich auch die Hoffnung erneut vermehrt. Läßt doch die gegenseitige Annahme den Frieden schon real erfahrbar werden, der Gottes endgültige Herrschaft auszeichnet (vgl. 5,1; 14,17). Paulus tut also beides: er fordert die Gemeinde auf und er erbittet zugleich von Gott, was er für die Gemeinde wünscht. So kann man die Zielangabe hier (εις το ...) zugleich als das verstehen, was der Apostel mit seinem Brief kraft der Gnade Gottes (auch) zu erreichen hofff^®^: die Adressaten sollen in der Kraft des heiligen Geistes in der H o f f nung immer reicher werden. In diesem abschließenden Nebeneinander von H o f f nung und Geist klingt bis zuletzt das Nebeneinander von ,Noch-Nicht' und ,Schon-Jetzt' durch, das das ganze Evangelium des Paulus durchzieht. Es gehört dabei zum Kern des Glaubens und der Theologie des jüdischen Volkerajxisteis, daß in allem die Wirklichkeit der Kraft des Geistes das letzte Wort behält®**'' und deshalb die christliche Hoffnung nie ,bloße Hoffnung' ist, sondern immer neu gespeist wird von der Erfahrung der Treue und Barmherzigkeit Gottes, in der die Freiheit der Kinder Gottes bereits im Glauben anbricht.

Direkt b e n e n n t er s e i n e A b s i c h t mit dem Brief in 15,15 a l l e r d i n g s v o r s i c h t i g e r als ein .erinnern'. O f f e n s i c h t l i c h erwartet er sich v o n s e i n e r p e r s ö n l i c h e n G e g e n wart hier m e h r (vgl. 1,11; 15,29). V g l . a u c h die g r u n d l e g e n d b e s t ä t i g e n d e F u n k t i o n des G e i s t e s z.B. in G a l 3 , 1 - 5 ; 2Kor 1,22.

482

С.

IV.C. Römerbrief

Zusammenfassung

In 15,7-13 findet sich das letzte Vorkommen von επαγγελία im Römerbrief. Dieser Abschnitt schließt nicht allein die Mahnungen 14,1-15,6 und die Paränese seit 12,1, sondern darüber hinaus auch den gesamten Briefkorpus 1,16-15,13 ab und nimmt zudem Motive aus dem Präskript 1,1-7 wieder auf. Zugleich verknüpft er in doppelter Hinsicht - nämlich mit Blick auf die christologische Begründung und mit BUck auf die konkreten missionarischen und apologetischen Anliegen des Briefes - den Briefkorpus mit dem Briefrahmen. Man wird diesem Befund am ehesten gerecht, wenn man versucht, 15,7-13 als eine Art Summe des ganzen Briefes zu lesen - eine Zusammenfassung des Evangeliums, die zugleich mit Blick auf die praktischen Zielsetzungen des Briefes formuliert ist®^. Die Beachtung dieser Funktion im Kontext sowie auch der zahlreichen motivischen Verbindungen zum übrigen Brief ermöglicht es auch, die nicht ganz leicht zu durchschauende Konstruktion der zentralen V8-9a sowie der damit eng verknüpften Zitatenkette plausibel zu machen. Vom Christusereignis her hat sich Paulus offenbart: Gottes Evangelium, das den Vätern durch die Propheten schon vorherverheißen war, umfaßt von Anfang an nicht allein den Christus für Israel, sondern mit ihm zugleich auch das Heil und die Hoffnung für die Heiden. Dieses Heil kann sich, wie das Heil der Juden, allein dem erschließen, der an Jesus Christus als den für unsere Sünden dahingegebenen und von Gott auferweckten Herrn glaubt. Doch widerspricht auch der offensichtliche Unglaube der Mehrzahl der Juden nicht der Wahrhaftigkeit und Treue Gottes. Vielmehr kommt es durch die Vorherbestimmung und freie Gnadenwahl Gottes zu einer dialektischen Umkehrang der Reihenfolge. Der Judenchrist Paulus preist Gottes Namen unter den Heiden, so daß sie nun ihrerseits durch den heiligen Geist zum Lob Gottes gebracht und zu einem Gott wohlgefälligen Opfer werden. So stimmen noch vor den Juden, aus denen der Christus stammt, die Heiden ein in das eschatologische Lob Gottes - bis schließUch alle gemeinsam und einmütig Gott loben werden.

Vgl. auch Dunn, Romans 844f. Die enge Verschränkung des paulinischen Evangeliums (das offenbar nicht unumstritten ist und dessen Übereinstimmung mit der Schrift und dem offenbaren Willen Gottes Paulus darum häufig ausdrücklich verteidigt) und seiner theologischen Entfaltung mit dem Amt des Apostels und seinen praktischen Problemen, die sich im Römerbrief u.a. in der abschließenden W i e deraufnahme der A b f o l g e von 1,1-7.8-15 in 15,7-13.14-33 widerspiegelt, findet sich auch in anderen Briefen des Paulus (vgl. nur die Verschränkung von A p o l o g i e der eigenen Missionstätigkeit und Betonung der Treue Gottes in 2Kor 1,18-22 und auch Moxnes, Theology, 217ff). Sie ist ein typisches Merkmal der Briefe des Apostels der Heiden (zumindest des 2Kor, Gal und Rom).

R ö m e r b r i e f - Zusammenfassung ( A n w e l c h e V e r h e i ß u n g e n denkt Paulus?) 483

6. Verheißung im Römerbrief: Gottes Heüshandeln in Christus als durch die Propheten vorherverheißenes EvangeUum für Juden und Heiden Bereits die Stellung der einzelnen Abschnitte, die von der Verheißung handebi, im Argumentationsgang des Briefes ließ vermuten, daß έπαγγελία Paulus im Römerbrief als eine wesentliche theologische Kategorie dient. Diese Vermutung hat sich bestätigt. a. An welche Verheißungen

denkt Paulus

(Inhalt)?

In 1,2 machen der konkrete grammatische Bezug und auch der weitere Kontext deutlich, daß Inhalt der Vorherverheißung in erster Linie die christologischen Aussagen in den folgenden V3-4 sind, mit denen Paulus ja den Inhalt des Evangeliums näher beschreibt: Jesus Christus als der Sohn Gottes aus dem Hause Davids, der auferstanden ist und nun Herr ist. Das ist insofern auffällig, als sonst (nicht nur in den frühjüdischen Schriften, sondern im allgemeinen auch bei Paulus) der Inhalt von Verheißungen .Heilsgüter' im eigentUchen Sinn sind und umgekehrt Ankündigungen einer messianischen Gestalt in frühjüdischen Schriften nirgends ausdrücklich als Verheißungsinhah genannt werden. Allerdings zeigte sich schon bei 2Kor 1,20, (vgl. auch Gal 3,14.16 und Röm 15,8-12), daß Verheißung des Christus und Verheißung konkreter Heilsgüter für Paulus offensichthch nicht zu trennen sind. Als Verheißungsinhalt erscheint Christus deshalb und insofern, als durch ihn und in ihm diejenigen, die dem Evangelium glauben, die verheißenen Heilsgüter erlangen (vgl. neben 2Kor 1,20 auch Gal 3^9). Man wird deshalb (auch aufgrund der programmatischen Stellung der Aussage von am Anfang und ihrer Verbindung zu Röm 15,8-12) die Feststellung von nicht auf den unmittelbaren Kontext beschränken dürfen. Auch die Heilsgüter für die Gläubigen, die später im Brief als Verheißungsinhalte genannt werden, gehören zu dem, was nach Paulus vorherverheißen ist. Das wird bestätigt durch die Erwägungen zu Funktion und Stellenwert der prophetischen Botschaft für die Argumentation des Römerbriefes insgesamt. In 4,13-22 werden traditionelle Verheißungsinhalte - nämlich Motive der Land-, Nachkommenschafts- und Mehrungsverheißung - aufgenommen, kombiniert und aktualisiert. Dabei werden sie (zumindest z.T.) in einen eschatologischen Horizont gestellt. Daneben findet sich auch ein absoluter Gebrauch, bei dem der Inhalt nicht genau aus dem Kontext zu bestimmen ist. Offenbar tritt er zurück .hinter dem Faktum der έπαγγελία an Abraham"^. Aus beidem ergibt sich, daß Paulus den Inhalt der Verheißungen letztlich allgemein als eschatologisches Heilsgut auffaßt, das er je nach Kontext mit unterschiedlichen Motiven füllen und erläutern kann. Dafür sprechen auch die verschiedenen Bestimmun-

D i e t z f e l b i n g e r , Paulus 7; zustimmend Schlier, R ö m e r 129 A n m . 28.

484

IV.C. R ö m e r b r i e f

gen des Verheißungsinhalts (wie Gottessohnschaft, Segen, Leben etc.) im 2Kor und Gal. Nicht in Widersprach dazu steht, daß der Inhalt im Kontext konkreter Schriftworte und zugleich damit im Blick auf bestimmte Verheißungsempfänger auch genauer benannt werden kann. So ist der Inhalt von επαγγελία in 4,20 sicherlich das Schriftwort aus Gen 17,5 sowie das von ihm her interpretierte Schriftwort aus Gen 15,5: Abraham wird Vater vieler Völker sein. Paulus kann verheißenes Heil demnach auch an konkreten Stellen als verwirklicht und erfahrbar benennen, in der Überlieferang der biblischen Geschichte^®'', aber auch in der Gegenwart. Doch wird offenbar die Verheißung selbst für ihn durch solche einzelnen, benennbaren Erfüllungen nicht zu einer .erfüllten' im Sinne von .abgeschlossenen' Verheißung. In 9,4 lassen sowohl der durch die Stellung am Ende der Aufzählung bedingte summarische Charakter der Pluralform, als auch der engere Kontext mit der Nennung der Väter und des Christus eine umfassende Aufzählung möglicher Verheißungsinhalte kaum zu. Das bestätigt auch die zusammenfassende Aufnahme von 9,4 mit dem Begriff χαρίσματα in 11,28®''®. Man kann lediglich aus den übrigen Stellen im Römerbrief und darüber hinaus auch in den vorangegangenen Briefen erschließen, was Paulus als .Verheißung' bezeichnen kann und was also in dem Plural mit eingeschlossen sein könnte^®®. Eine Deutung allein auf die Erzväterverheißungen (von 9,6-13 her) würde auf jeden Fall zu kurz greifen. In 9,6-13 wird zwar die Verheißung eines Nachkommen an Abraham ausdrücklich zitiert und vorausgesetzt, daß Gott diesen Nachkommen auch geschenkt hat. Doch die Mehrangsverheißung, die mit der Abraham verheißenen Nachkommenschaft verbunden ist, wird durch das Prophetenwort aus Hos 2,1 (in 9,27) ausdrücklich relativiert. Der Funktion des Abschnittes in der Argumentation entsprechend tritt zudem insgesamt der Inhalt der Verheißung zurück hinter den Geber der Verheißung selbst und sein heilvolles Handeln: sein Erbarmen, Berafen, Lieben und Retten sind das, was er durch die Worte seiner Propheten zusagt. Auch in 75,5 bestimmt Paulus (wie schon in 9,4) im Kontext die έπαγγεΧίαι nicht ausdrücklich genauer. Allerdings deutet sich aus der .offen parallelen' Beziehung der beiden Aussagen VV8a.9a an, daß Paulus in ihnen sowohl das Werk des Christus als auch seine Wirkung eingeschlossen sieht. Das stimmt überein mit den Beobachtungen zu 1,2 und entspricht auch dem Argumentationsgang des Römerbriefes insgesamt. Der Plural .Verheißungen der Väter' umfaßt dann an V g l . a u c h R o m 9,9 ( d i e A n s a g e der Geburt des Isaak wird als V e r h e i ß u n g v e r s t a n d e n , die sich b e r e i t s e r f ü l l t hat). O f f e n b l e i b e n m u ß hier, ob 11,29 mit s e i n e m z u s a m m e n f a s s e n d e n R ü c k g r i f f auf 9,4f t a t s ä c h l i c h für Israel „noch e i n e n a n d e r e n H e i l s g r u n d als die r e c h t f e r t i g e n d e G n a d e in Christus" ( Z e l l e r , Charis 176) e r k e n n e n läßt, oder ob u m g e k e h r t gilt: . A l l e Israel a n v e r t r a u t e n G a b e n z i e l e n d a r a u f , d a ß sie durch den G l a u b e n an J e s u s C h r i stus e s c h a t o l o g i s c h w i r k s a m w e r d e n " ( S c h m i t h a l s , R ö m e r b r i e f 335). Für e i n e v e r a n t w o r t l i c h e K l ä r u n g b e d ü r f t e es einer a u s f ü h r l i c h e n A n a l y s e v o n 11,25-32. Z u d e m s o l l t e man m.E., w e n n man v e r s u c h t an d i e s e m Punkt zu A n t w o r t e n zu k o m m e n , die F r a g e v o n 11,34 a u c h als A n f r a g e an s e i n e e i g e n e A n t w o r t h ö r e n . V g l . s c h o n zu 2Kor 1,20 (s.o. S.243f).

R ö m e r b r i e f - Z u s a m m e n f a s s u n g ( W e m g e l t e n die V e r h e i ß u n g e n ? )

485

dieser Stelle wie in einer Art Summe die Inhalte, die sich schon zuvor im Brief mit ε π α γ γ ε λ ί α verbinden konnten: sowohl die Verheißungen in Bezug auf den Christus (1Д) als auch die Verheißungen in Abraham für die Juden und Heiden (Rom 4) als auch die Verheißungen, die Israel noch immer gelten (Rom 9,4 είσιν!). Wiederum ist also offenbar der Numerus nicht beliebig, sondern der Plural entspricht dem bewußt allgemeinen Charakter der Aussage''". Damit paßt die Beobachtung zusammen, daß Paulus im Römerbrief insgesamt recht zurückhaltend mit der Nennung konkreter Verheißungsgüter ist''^. b. Wem gelten die Verheißungen

(Empfänger)?

In 1,2 zielen die Verheißungen ausdrücklich auf Jesus Christus. Ihm war schon vorher verheißen, daß er Sohn sein, auferstehen und Herr sein wird. Da das jedoch, mit all den Wirkungen, die daraus erwachsen, zugleich der Inhalt des Evangeliums ist, wird man sagen können, daß die Verheißungen zugleich denen gelten, denen das Evangelium verkündigt wird, nach 1,16 also zuerst den Juden und auch den Heiden, letztlich mithin allen Menschen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das dialektische Verhältnis von Juden und Heiden durch den Brief hindurch. Einerseits heißt es pointiert: Ίουδαίω τε πρώτον (1,16; 2,9.10). Andererseits nennt Paulus in seinem Brief die Heiden zuerst als Hörer des Evangeliums (1,5) und zuletzt als die, die Gott loben (15,9ff). Auch in Kap. 11 kommt es zu dieser Umkehrung bei der Reihenfolge der Erlösung. Nach 4,16 sind Abraham und sein ganzer Samen Empfänger der Verheißung - Juden und gläubige Heiden. Ziel des Paulus ist es hier insbesondere nachzuweisen, daß auch den Heidenchristen die Verheißungen gelten. Erwägungen, inwiefern sie denen aus dem Gesetz ebenfalls noch immer gelten (den Juden, die noch - nicht an den Gott glauben, der Jesus von den Toten auf erweckt hat), stellt er dagegen hier nicht an. Diese Frage kommt erst mit Rom 9-11 in den Blick. Dabei betont Paulus in 9,4 zunächst ganz allgemein: Israel als von Gott erwähltes Volk gelten die Verheißungen. In 9,6-13 wird zwar unterschieden zwischen Israel und Israel und n ä her bestimmt, daß zu Israel nur Kinder der Verheißung zählen. Damit wird jedoch die grundsätzliche Aussage von 9,4 nicht wieder aufgehoben. An einer genauen Identifizierung der Verheißungsempfänger liegt Paulus zudem weniger als am Verstehen der Wege des Verheißungsgebers. Er hat schon immer geliebt, erwählt und berufen. Er hat den Heiden durch die Propheten verheißen, sie zum Volk zu machen. Er hat Israel zugesagt, daß ein Rest gerettet werden wird.

V g l . s c h o n 2Kor 1,20; 7,1; Gal 3,16.21 und R o m 9,4. "" L e t z t l i c h läßt sich hier a l l e i n 4,13 a n f ü h r e n : κληρονόμον ε ί ν α ι κόσμου. 4,20f und 9,8f b l e i b e n g a n z auf der E b e n e der A b r a h a m s g e s c h i c h t e u n d z i e l e n auf d i e Geburt Isaaks. 9,4 und 15,8 n e n n e n j e w e i l s l e d i g l i c h a l l g e m e i n im Plural die V e r h e i ßungen.

486

IV.C. Römerbrief

Die Frage, inwiefern denn dann noch ganz Israel die Verheißungen gelten können, beantwortet Paulus erst zwei Kapitel später. Rom 15,8f faßt, nachdem Rom 4 vorrangig auf die Geltung der Verheißungen (auch) für die Heiden zielte (ohne die unter dem Gesetz ganz aus den Augen zu verHeren) und Rom 9 auf die Geltung der Verheißungen für Israel (ohne die Heiden aus dem Blick zu verlieren), beide Perspektiven abschließend nochmals zusammen. Zunächst einmal gelten die Verheißungen den Vätem. Aus der aufgezeigten Schamierfunktion von V8c folgt darüber hinaus ein doppelter Bezug auch im Hinbhck auf die Empfänger der Verheißung. Christus ist Diener der Beschneidung geworden, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Juden gelten. Aber auch die Heiden loben Gott eben deshalb, weil sie erfahren haben, daß ihnen ebenfalls die Verheißungen gelten. Das entspricht genau dem, was Paulus von Anbeginn über die Geltung des Evangehums ausgeführt (vgl. 1,17) und dann durch den Brief hindurch entfaltet hat. c. Gibt es Bedingungen für die Geltung der

Verheißungen?

1,2: Es war allein von Gottes Willen abhängig, daß imd wann er seinen Sohn gesandt und zum Herrn eingesetzt hat. Daraus folgt, daß für die Verheißungen, die auf Jesus Christus zielen, Geltungsbedingungen außerhalb des Willens Gottes nicht gegeben sind. Mit BUck auf die Hörer des Evangeliums ist allerdings festzuhalten, daß die Verkündigung des Apostels auf Glaubensgehorsam zielt (1,5). Von daher kann man schließen, daß die Verheißungen dort, wo dem Evangelium nicht geglaubt wird, nicht wirksam sein können. In Rom 4 wird dieser Zusammenhang von Glauben und Verheißung ausdrücklich zum Thema. Zwar wird auch dort die Erfüllung der Verheißung allein von Gott her erwartet und in seiner Macht begründet (vgl. die abschließende Gottesprädikation in V21). Andererseits jedoch gibt Paulus durch die Formulierungen διά δικαιοσύνης πίστεως (V13) und έκ πίστεως (V16) „Ort und Grenzen der Heilswirkhchkeit" an und macht so deutlich, daß „Gott... nicht über den Menschen hinweg" geht®'^. Zwischen der Gabe der Verheißung und dem Glauben besteht also ein dialektisches Wechselverhältrüs®'^. Ohne Glauben kann die Verheißung demnach dem Menschen nicht zuverlässig und fest sein®'·*. ^

Käsemann, Römer 118. Vgl. Käsemann, Römer 118; Berger, Abraham 73 findet dieses Nebeneinander in der A b f o l g e in Gen 15,5ff, die sich in der D i f f e r e n z zwischen V13 und V20 widerspiegele: .Nach V. 13 wird Abraham die Verheißung auf Grund des Glaubens verliehen, nach V. 20 aber ausdrücklich vorher.... Es sind ... ständig nebeneinandergelagert einerseits die Verheißung vor dem Glauben von Gen 15,5 ... andererseits die V e r h e i ßung vieler Völker wegen des Glaubens Abrahams, die Ursache seiner Vaterschaft über uns". Wilckens, Römer 1 273f Anm. 882 (der im übrigen hier Berger falsch versteht und wiedergibt) sieht in V13ff die .Begründung der Verheißung in der E r ö f f nung der Glaubensgerechtigkeit', versteht also offensichtlich δικαιοσύνη πίστεως als Verweis auf ein Handeln Gottes. In Spannung zu solcher Deutung steht jedoch das έκ πίστεως in V16. Gefragt werden kann, ob die häufig zu lesende Behauptung, der Glaube A b -

R ö m e r b r i e f - Z u s a m m e n f a s s u n g ( G i b t es B e d i n g u n g e n f ü r die G e l t u n g ? )

487

Im Kontext der Liste von 9,4 weisen manche der Gaben auf ein dem Wirken Gottes korrespondierendes Leben, das Israel vor seinem Gott führen soll. Doch bereits in 2,1-3,20 hat Paulus herausgestellt, daß auch die Juden im Blick auf solches Leben keinen Grund zum Ruhm haben, sondern als Sünder vor Gott stehen. Mehr noch: die als Begründung dienende Fürbitte in 93 weist voraus auf 9Д)-10,21 und macht deutlich, daß gerade Israel durch seinen Unglauben nicht dem Wirken Gottes entsprechend lebt. Doch damit werden die Verheißungen nicht ungültig. Das macht 9,6-13 deutlich. Hier stellt sich die Frage nach Geltungsbedingungen überhaupt nicht, bzw. sie verschiebt sich hin zu der Frage nach der Begründung der Verheißung. Darauf gibt Paulus die Antwort: die Verheißung gründet formal allein in der Envählung und sachlich in der Liebe Gottes, die sich dem .miserablen' Menschen gegenüber zeigt in der Gestalt seines Erbarmens. Damit wird gerade am Beispiel Israels deuthch, was nach Rom 4 u.U. noch fraglich erscheinen konnte: Auf Seiten des Menschen gibt es zwar den Glauben als das dem Heilshandeln Gottes entsprechende .Handeln' des Menschen. Aber auch der Glaube kann nie den Charakter einer Bedingung haben. Die Geltung der Verheißung ist bedingt allein durch Gott. Und sie ist gewiß, weil er sich treu ist imd Gnade und Erbarmen bei ihm das letzte Wort behalten. Es gibt jedoch sehr wohl ein dieser Verheißung entsprechendes Leben. Wieder nehmen 15,7-13 zum Abschluß viele der zuvor beobachteten Merkmale nochmals auf. Werk Gottes und daraus folgendes Wirken der Menschen (im Lob Gottes und in gegenseitiger Aimahme, in Freude und Frieden) sind eng verwoben. Eindringlich betont Paulus, daß Gott - der wahrhaftig und barmherzig ist - seine Verheißungen verwirklicht. Sein Handeln steht dabei sachlich so im Vordergrund, daß selbst der Glaube mit seinen Folgen (Freude und Frieden) ganz eingeschlossen ist in den Bereich des Wirkens Gottes selbst. Für Paulus ist die Frage nach Bedingungen der Geltung der Verheißungen letztlich aufgehoben in der eschatologischen Gewißheit: Gott selbst tut und wird weiter tun, was er verheißen hat, bis schließlich alle Völker mit seinem Volk ihn loben werden.

r a h a m s sei im J u d e n t u m , nicht aber für P a u l u s ein Werk, d e m d i a l e k t i s c h e n V e r h ä l t nis v o n G l a u b e u n d V e r h e i ß u n g in R o m 4 ( w a s b e - w i r k t der G l a u b e n a c h Paulus?), aber a u c h d e m B e f u n d der j ü d i s c h e n T e x t e g e r e c h t wird - und ob b e i d e d a b e i mit d e m g l e i c h e n M a ß s t a b g e m e s s e n w e r d e n (vgl. d a z u a u c h o b e n den Exkurs ,Der G l a u b e A b r a h a m s bei P a u l u s und im F r ü h j u d e n t u m ' , S . 4 0 3 f f ) . B e r e i t s in der S c h r i f t f i n d e t sich z u d e m d i e Ü b e r z e u g u n g , d a ß auch n o c h g e g e n ü b e r d e m U n g l a u b e n Gott selbst als der G e b e r der V e r h e i ß u n g s o u v e r ä n in s e i n e m H a n d e l n bleibt und treu zu s e i n e m Wort steht. Im D e u t e r o n o m i u m e t w a wird a u s d r ü c k l i c h b e t o n t , d a ß Gott s e i n e V e r h e i ß u n g g e r a d e nicht w e g e n der G e r e c h t i g k e i t , s o n d e r n w e g e n der den V ä t e r n g e g e b e n e n V e r h e i ß u n g u n d t r o t z der H a l s s t a r r i g k e i t d e s V o l k e s e r f ü l l t ( v g l . Dtn 9 , 4 - 6 ; a u f g e n o m m e n z.B. in C D 8 , 1 4 - 1 6 ; 19,26 s o w i e bei P h i l o Sacr. 5 7 - 5 9 ) . E n t s p r e c h e n d z e i g t sich a u c h in R o m 11 P a u l u s ü b e r z e u g t , d a ß der U n g l a u b e n g e g e n ü b e r G o t t e s H e i l s w i l l e n nicht d a s letzte Wort b e h a l t e n wird.

488

IV.C. Römerbrief

d. Sind in Christus die Verheißungen

erfüllt?

Die Beantwortung dieser Frage ist immer auch abhängig von der Bestimmung des Verheißungsinhahs. Die zum Abschluß des vorigen Abschnitts hervorgehobene eschatologische Gewißheit des Paulus ist bereits ein Hinweis darauf, daß ein einfaches ,Ja' oder .Nein' an dieser Stelle dem differenzierten Befund in den Texten und den mit der Frage verbundenen Sachproblemen nicht gerecht wird. Für i,2 wird man, insofern die Inhalte der Verheißung vor allem auf Christus selbst zielen, mit dem meisten Recht sagen können: ja, die Verheißungen sind erfüllt. Jesus Christus ist der Sohn, er ist auferstanden und er ist Herr. Doch schon die korrespondierende Beschreibung des Evangeliums in 1,16 macht deutlich, daß damit ein dynamischer Vorgang und nicht ein abgeschlossenes Geschehen in den Blick genommen ist. Die Bindung des Evangeliums an Gott selbst (die dort ebenso wie in 1,1 betont wird) zeigt zudem, daß man Paulus nicht gerecht werden kann, wenn man das Verhältnis von Verheißung und Erfüllung bei ihm allein christozentrisch bestimmt. Der weitere Brief macht deutlich genug, daß sich mit Blick auf Gottes Heilshandeln und die Durchsetzung seiner Herrschaft in der ganzen Welt die Frage nach Verheißung und Erfüllung auf ganz verschiedenen Ebenen stellt«®^. So fehlen schon in 4,13-22 christologische Aussagen ganz. Die für eine Beantwortung der Frage nach der Erfüllung der Verheißung notwendige Bestimmung des Verheißungsinhalts fällt in diesem Kapitel nicht leicht. Zunächst einmal ist ganz vordergründig die Verheißung Gen 15,5 mit der Geburt Isaaks (auch ohne Christus) erfüllt. Und doch gilt sie für Paulus zugleich über diese Erfüllung hinaus weiter, nämlich zusammen mit Gen 17,5 als Verheißung an Abraham, zum ,Vater vieler Völker' gesetzt zu sein. Durch die Verkündigung des Evangeliums von Christus und seine gläubige Annahme unter den Heiden hat sich auch diese jetzt erfüllt. Denn im Glauben werden auch die Heidenchristen zum Samen Abrahams. Damit gilt auch für sie nun die andere Verheißung an Abraham, nämlich Erben der Welt zu sein. Diese Verheißung ist zwar für alle, die glauben, schon zuverlässig und fest. Doch offenbar ist sie noch nicht endgültig erfüllt^'®.

Vgl. die Einwände von Beker, Sieg 104: .Die paulinische Theologie ist besonders gekennzeichnet durch ihren theozentrischen Charakter. Im Gegensatz zu unserer bisher geläufigen Vorstellung eines christozentrischen Schemas von Verheißung und Erfüllung weigert sich Paulus, die alttestamentliche Verheißung zu vergeistigen". ,Alttestamentliche Verheißungen sind somit im Evangelium Christi nicht .erfüllt' und können von daher auch nicht spiritualisiert werden. Sie sind vielmehr im E v a n gelium aufgenommen, um eine neue Erwartung und H o f f n u n g auf die endgültige .Erfüllung' im Königreich Gottes hervorzurufen" (ebd. 29). Vgl. auch Haacker, Jesus 456: „Bestätigen' heißt nicht .erfüllen'! A l s o bleiben für Paulus auch die Verheißungen als in Christus bestätigt in Kraft, die sich noch nicht in der Geschichte Israels erfüllt haben" (Hervorhebungen im Zitat). Haacker verweist auch auf die sachlich verwandte Formulierung in der Verteidigungsrede des Paulus vor Agrippa und Festus (Apg 26,6): έπ' έλπίδι της είς τούς πατέρος ήμών έ π α γ γ ε λ ί α ς . Gegen Wilckens, Römer 1 278, nach dem ,die Verheißung an Abraham in Christus erfüllt (15,8; 2Kor 1,20; Gal 3,14.22.29; 4,28)" ist und Paulus überhaupt

R ö m e r b r i e f - Z u s a m m e n f a s s u n g (Sind in Christus V e r h e i ß u n g e n e r f ü l l t ? )

489

Zumindest spricht dafür sowoM 4^5 (wo Sündenvergebung und Rechtfertigung als bereits geschehen genannt werden, beides nicht zuvor genarmte Verheißungsinhalte), als auch 5Д (wo neben der bereits eriangten Gnade - also Sündenvergebung und Rechtfertigung - auch die Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit genannt wird). 9,4'· Eindeutig nicht erfüllt sind die Verheißungen in Christus sicherlich für Israel, insoweit es an diesem Christus zu Fall gekommen ist. Gerade deshalb stellt sich für Paulus ja die Frage, inwiefern sie denn dann überhaupt noch gewiß sein können. Doch läßt er keinen Zweifel daran, daß sie - von Gott her - noch immer gelten (wie die übrigen Gaben auch). Das macht das die gesamte Kette regierende Fräsens von Anfang an klar^'^. Es handelt sich hier also nicht lediglich um „Fakten der Vergangenheit", deren „Bedeutungslosigkeit für das Heil" Paulus konstatiert^'®, bzw. die Israel „in der Fortsetzung gleich wieder abgesprochen' werden®''. Solche Auslegung ist nur möglich, wenn die Funktion von 9,1-5 als Exordium für die gesamten drei Kapitel vernachlässigt, die von Paulus nicht in Frage gestellte Geltung der Gaben durch eine faktische Überordnung von 9,6-13 bestritten und schließlich in 9,6-13 der Gedanke des Glaubens bzw. Unglaubens und auch die prinzipielle Gleichheit von Juden und Heiden eingetragen (und so die theologische Spitze des Abschnittes soteriologisch umgebogen) wird^"". 15,7-13: Nicht nur die Bezeichnung des verheißenen Geistes als .Angeld' weiteren Heils (2Kor 1,22; vgl. auch Gal 3,14) und die Kennzeichnung des Verheißungsinhaltes mit bewußt umfassenden Begriffen wie ,Erbe der Welt' machen deutlich, daß die Rede von einer vollständigen Erfüllung aller Verheißungen in Christus zu kurz greift. Auch die bloße Existenz des ungläubigen Israels, dem doch die Verheißungen weiter gelten, verweist auf ein noch zukünftiges Geschehen. Dieses Geschehen ist aber aufgrund des Wortes Gottes und aufgrund seines diesem Wort entsprechenden Handelns in Christus doch ein gewisses Geschehen. Denn schon jetzt ist der Christus aus dem Samen Davids erschienen und hat die Gerechtigkeit Gottes offenbar gemacht und Juden und Heiden angenommen. Schon jetzt loben Heidenchristen Gott zusammen mit Judenchristen, wie es

ε π α γ γ ε λ ί α .nur als erfüllte V e r h e i ß u n g " k e n n e . S e i n e U n t e r s c h e i d u n g der . Z e i t D i f f e r e n z der Z i e l r i c h t u n g ' des G l a u b e n s A b r a h a m s und der C h r i s t e n und der d a v o n a b g e l e i t e t e n B e s t i m m u n g . d e s G l a u b e n s A b r a h a m s als reine έΧπίς" ( e b d . ) f u ß t auf einer Ü b e r i n t e r p r e t a t i o n der z e i t l i c h o f f e n e n G o t t e s p r ä d i k a t i o n in V 1 7 b . V g l . M u ß n e r , Traktat 46, u.a. G e g e n K l u m b i e s , V o r z ü g e 154.139. G e g e n R ä i s ä n e n , R ö m e r 9 - 1 1 2896 ( H e r v o r h e b u n g im Z i t a t ) . N a c h ihm wird den .Kindern des F l e i s c h e s ' ( V . 8) die S o h n s c h a f t in 9 , 6 - 1 3 u n d die . H e r r l i c h k e i t ' in 9,22f. a b g e s p r o c h e n . ™ V g l . K l u m b i e s , V o r z ü g e 154, n a c h dem . e s stets auf den G l a u b e n g e g e n ü b e r d e m W o r t G o t t e s a n k o m m t und, w i e der Blick in die V e r g a n g e n h e i t zeigt, a n g e k o m m e n ist ( 9 , 6 - 1 3 ) ' . A u c h ist er der A n s i c h t , daß .in j e d e m Fall ... im V e r l a u f von V . 6bff d i e H e i d e n c h r i s t e n mit in das B l i c k f e l d " treten ( e b d . 143). B e i d e s ist j e d o c h E i s e g e s e , w i e die A u s l e g u n g von 9 , 6 - 1 3 g e z e i g t hat. O f f e n s i c h t l i c h regiert bei K l u m b i e s w i e a u c h bei R ä i s ä n e n ein aus a n d e r e n T e x t e n ( w i e G a l 4 , 2 1 - 3 1 und Phil 3 , 4 - 8 ) g e w o n n e n e s V o r v e r s t ä n d n i s die E x e g e s e .

490

IV.C. Römerbrief

die Schrift bereits zuvor geschrieben hat. Von daher kann man von einer Erfüllung dieser Verheißungen in Christus sprechen. Aber noch nicht ist ganz Israel zum Glauben gekommen. Und auch alle Völker haben noch nicht eingestimmt in das Gotteslob. Deshalb will Paulus ja die Unterstützung der römischen Gemeinde für seine Spanienmission gewinnen ,bis die Fülle der Heiden eingehe' (11^5). SchließUch begründet der Glaube an Christus zwar schon Rettung, aber auf Hoffnung hin (vgl. 8^124 und insbesondere auch 15,12.B). Es kennzeichnet die pauhnische Sicht der Dinge, daß 15,7-13, diese .Summe des Evangeliums', mit einer Betonung seines Hoffnungscharakters endet! Noch ist die kommende Herrlichkeit der Söhne Gottes nicht offenbar geworden (8,18ff). Von daher sind die Verheißungen in Christus schon bestätigt aber noch nicht vollständig erfüUt. Die Spannung, die sich hier immer wieder zeigt, entspricht der dialektischen Spannung zwischen Schon-Jetzt und Noch-Nicht, die die paulinische Eschatologie auch sonst kennzeichnet. Vermutlich hat Paulus auch wegen dieser Spannung im Kontext von έ π α γ γ ε λ ί α bewußt den Stamm βεβαί- gewählt, der beide Bedeutungen annehmen kann. Sicherlich ist es jedenfalls nicht zufällig, daß πληρόω bei ihm in Verbindung mit έ π α γ γ ε λ ί α nirgends zu finden ist™^. Das Schwanken in der Bedeutung von βεβαιόω führt bei Auslegern häufig zu allgemeineren offenen Umschreibungen. Zumeist wird dabei nicht die Frage gestellt, was denn nun erfüllt, bzw. was bestätigt wird durch Christus™^. Spricht man jedoch allgemein von der Erfüllung aller Verheißungen in ihm, geht man nicht nur über den paulinischen Sprachgebrauch hinaus, sondern steht in der Gefahr, mit solcher Aussage (wenn man sie nicht präzise erläutert und begrenzt) die Zielrichtung paulinischer Soteriologie und Eschatologie, den Kern des Glaubens und Hoffens des jüdischen Völkerapostels, zu verzeichnen und sogar zu verfehlen™^.

Die einzige sachlich verwandte Stelle, IKor 15,54 (τότε γενήσεται ό λόγος ó γεγραμμένος), zielt erst noch in die Zukunft. ™ Vgl. z.B. Schlier, T h W N T I 602: .Die Wahrheit Gottes tritt in der .Erfüllung' zutage, dh in dem jetzt durch Christi Dienst geschehenden .Festmachen' (= Wahrmachen) der Verheißungen der Väter"; vgl. auch Michel, Römer 448. ™ Zur Kritik am Schema Verheißung-Erfüllung vgl. auch unten S.508.

D. Verheißung bei Paulus - Zusammenfassung und Ausblick Wie bereits zum Abschluß der methodischen Erwägungen in Kap.I.C erkennbar wurde, wäre es nicht sachgemäß, am Ende einer solchen Arbeit aus ihren einzelnen Ergebnissen so etwas wie eine zusammenfassende Bestimmung eines .Begriffs' von Verheißung zu versuchen. Die theologischen Konzepte, die sich in der Schrift mit der Rede von der Verheißung verbinden, können angemessen nur im Zusammenhang ihrer jeweiUgen (literarischen und historischen) Kontexte wahrgenommen werden. In erster Linie galt es, diese Kontexte herauszuarbeiten. Die wesentlichen Ergebnisse dazu wurden jeweils am Ende der einzelnen Untersuchungen zusammengefaßt und brauchen deshalb hier nicht nochmals wiederholt werden. Was in diesem abschließenden Teil noch zu leisten bleibt ist, den traditionsgeschichtlichen und sachlichen Ort der in Kap.IVA-C gewonnenen Ergebnisse zur Rede von der Verheißung bei Paulus in den größeren Zusammenhang der Verkündigung und des Schriftverständnisses des jüdischen Völkerapostels einzuzeichnen. Dabei wird zugleich an einigen Stellen in Ansätzen in den Blick kommen, welche Anfragen und Anregungen von der paulinischen Rede von der Verheißung ausgehen können für eine theologisch verantwortete Rede über das Leben aus den Verheißungen Gottes in unserer Zeit. Dazu werden auch einige der in Kap.I A und I.B aufgezeigten Fragestellungen nochmals zu bedenken sein. 1. Traditionsgeschichtliche Wurzeln der Rede von der Verheißung a. Die Verheißung

des Erbarmens

Gottes und der

Glaube

Berücksichtigt man neben ε π α γ γ ε λ ί α κτλ. auch seine Synonyme ύπόσχεσις κτλ. und όρκος κτλ. als Lexeme für Gottes Verheißen, so wird man weder sagen können, daß es keine alttestamentliche Vorgeschichte der Rede von Gottes Verheißen gebe, noch, daß diese Rede vor Paulus keine wesentliche theologische Bedeutung gehabt habe!. Vielmehr konnte Paulus an einen spätestens seit dem 2Jh. v.Chr. sich in verschiedenen Strömungen des Judentums parallel entwickelnden und in verschiedenen Zusammenhängen theologisch reflektierten Sprachgebrauch anknüpfen (vgl. Kap.III). Dabei greift er je nach sachlichem Kontext eklektisch auf unterschiedliche frühjüdische Traditionslinien zurück. So findet sich zB. die Betonung der grundlegenden Bedeutung der Barmherzigkeit Gottes (vgl. Röm 9-11) im Kontext der Rede von der Verheißung in ähnlicher Weise schon in den Psalmen Salomos^. Dagegen ergeben sich dort, wo Paulus in Röm 4 die Gültigkeit der Verheißungen Gottes allein aus Glauben für Juden und Heiden aufweist, besonders enge Parallelen zu Argumentationsgängen des hellenisti-

' So lautet a l l e r d i n g s ein in der n e u t e s t a m e n t l i c h e n E x e g e s e v e r b r e i t e t e s t h e o l o g i s c h e s Werturteil, s.o. S.37. 2 S.o. S.80.189.217f.

492

IV.D. Verheißung bei Paulus - Zusammenfassung und Ausblick

sehen Juden Philo^. Paulus benutzt also ε π α γ γ ε λ ί α κτλ. nicht, um eine bis dahin unbenannte .Sache' erst ,auf den Begriff zu bringen'. Fragen könnte man allenfalls, ob man bei ihm darum von einem besonderen theologischen Gewicht der Rede von der Verheißung sprechen kann, weil sich bei ihm der theologische Gebrauch des Lexems fast ausschließlich durchgesetzt hat"*. Aber auch bei den frühjüdischen Schriften findet sich z.B. in PsSal und TestAbr kein profaner Gebrauch, und auch in den tannaitischen Midraschim werden ппизп und п-азп nur für Gottes Verheißen gebraucht. Zudem könnte der Befund bei Paulus auch darauf zurückzuführen sein, daß er in seinen Briefen nur eine begrenzte Zahl von Themen verhandelt, zu denen die Schilderung menschlicher Versprechen eben nicht häufiger gehört. Der lexikalische Befund belegt also keinen gegenüber den frühjüdischen Schriften grundsätzlich anderen Sprachgebrauch des Paulus. Das wirklich Neue seiner Rede von Verheißung erschließt sich nicht auf dieser Ebene. b. Jesus Christus und die Verheißungen

Gottes

In 2Kor 1,20 taucht die Rede von Gottes Verheißungen recht unvermittelt auf, zumindest ohne deutliche Vorbereitung im Kontext. Paulus kann offenbar voraussetzen, daß den Korinthern das damit Gemeinte bekannt ist'. Der apologetische Kontext des Abschnittes 2Kor 1,18-22 (in dem Paulus auch sein Evangelium zu verteidigen sucht) läßt es als denkbar erscheinen, daß es Widersacher des Paulus waren, die nach dem Verhältnis seines Evangeliums zu den Verheißungen Gottes fragten und damit die Korinther unsicher machten. Dann hätte der Apostel sich erst durch sie gezwungen gesehen, seine Verkündigung in dieser Hinsicht zu präzisieren. Es kann aber ebenso gut sein, daß Paulus mit V19f den λόγος ήμών von V18, seine Anfangsverkündigung in Korinth also, wiederholt und seine Rede von den έ π α γ γ ε λ ί α ι der Gemeinde schon von dort her bekannt ist®. Dafür würde sprechen, daß er auch an anderen Stellen in grandlegenden Ausführangen zum Evangelium (Rom l^ff; 15,8), aber auch in ethischen Kontexten (2Kor 7,1; Rom 15,7f) von Gottes Verheißen handelt. In 2Kor 1^0 und Röm 1,2; 15,8 sind die Verheißungen ausdrücklich eng mit dem Christusgeschehen verknüpft. Möglich ist, daß Paulus sich an diesen Stellen zurückbezieht auf einen schon traditionellen judenchristlichen Sprachgebrauch^. Indem er sich diesen zu eigen macht, bindet er ihn zugleich ein in seine Verkündigung. Deshalb ist der

' Weitere Parallelen in den frühjüdischen Schriften finden sich etwa bei der auf eschatologisches Heil zielenden Bestimmung des Verheißungsinhaltes als κληρονομιά, bei der Deutung der Davidsverheißung aus 2Sam 7 auf eine von Gott her erwartete Rettergestalt, sowie bei der Betonung der Zuverlässigkeit Gottes und seiner Treue zu seinen Verheißungen. ·" V o n 24 Belegen findet sich bei Paulus nur einer mit der Bedeutung .menschliches Versprechen'. ' Vgl. Dugandzic, Ja 39. ' So etwa Dahl, Promise 126. ' Vgl. Moxnes, Theology 207 (mit Verweis auf Röm 1,2 und 15,8) und Koch, Schrift 329.

Der B u n d G o t t e s mit Israel und die V e r h e i ß u n g e n

493

Plural bei Paulus an diesen Stellen nicht allein „auf die messianischen Verheißungen zu beziehen", und sie weisen auch kein „anderes Verständnis als das des Paulus" auf®. c. Der Buncf Gottes mit Israel und die

Verheißungen

Die Rede von der Verheißung bei Paulus nimmt solche möglicherweise judenchristlichen und ebenso auch (s.o.) andere frühjüdische Traditionen der Rede von Gottes Verheißungen positiv auf. Dies wird leicht übersehen, wenn man den Ausgangspunkt für das Verständnis von επαγγελία bei Paulus allein bei der radikalen Antithetik von Verheißung und Gesetz in Gal 3 und Rom 4 wählt. Tatsächlich findet sich eine ausdrückliche Verbindung dieser beiden Größen in den frühjüdischen Texten nur sehr selteni°. Man wird zwar sagen können, daß der Begriff επαγγελία im Galaterbrief „in der Polemik gegen die Gegner des Paulus wichtig" ist^\ aber eben in der Weise, daß damit grundlegende Aussagen verbunden sind, die auch von den Gegnern akzeptiert werden müßten. Die Tatsache der Verheißungen Gottes selbst war zwischen Paulus und seinen Gegnern offenbar nicht umstritten. Jedenfalls wendet sich Paulus in Gal 3 nicht so sehr gegen ein anderes Verständnis von Verheißung. Vielmehr dient ihm die Kategorie der Verheißung dazu, andere zentrale theologische Kategorien der Gegner zu kritisieren. Deutlich erkennbar ist insbesondere, daß die επαγγελία an einigen Stellen die Rede vom Bund ersetzt^^, die sich in der Traditionsgeschichte z.T. mit der Rede von der Verheißung überschneidet". Dafür lassen sich verschiedene Gründe vermuten. Die Rede von der Verheißung verschiebt die Gewichte der im Bundesbegriff enthaltenen spannungsvollen Einheit von göttlicher Gnadenzusage (= Verheißung) und menschlichem Handeln (= Gesetz) radikal hin zur Souveränität des erwählenden, sich erbarmenden Gottes. Ihm gegenüber kann der Mensch (= der Sünder) nichts vorweisen, so daß er sein Vertrauen allein auf Gottes lebenschenkende Gnade setzen kann. Die Antithetik von Gesetz und Verheißung bei Paulus ist also von diesem Zusammenhang her zu verstehen. Die Rede von der Verheißung ermöglicht es besser als die an Israel geknüpfte Rede vom

' '

G e g e n D u g a n d z i c , Ja 43. Z u r V e r w e n d u n g des B e g r i f f s ,Bund' vgl. o b e n Kap.II A n m . 4 9 . I n s b e s o n d e r e die A u s l e g u n g v o n 2Makk 2,17 und Sir 44,20 hat g e z e i g t , d a ß d i e s e T e x t e hier h ä u f i g zu v o r s c h n e l l als K o n t r a s t f o l i e a n g e f ü h r t w e r d e n . Z u r P r o blematik der W a h l d e s A u s g a n g s p u n k t s der D a r s t e l l u n g bei den A n t i t h e s e n s.u. S.512. " Betz, G a l a t e r b r i e f 282 A n m . 2 7 . " V g l . d a z u s c h o n o b e n Kap.I A n m . 1 5 1 . S o l c h e E r s e t z u n g f i n d e t sich in Gal 3,18. A b e r a u c h d a s F e h l e n des auf die Seite Saras und des o b e r e n J e r u s a l e m g e h ö r e n d e n B u n d e s in G a l 4 , 2 1 - 3 1 und die K e n n z e i c h n u n g der B e s c h n e i d u n g nicht als S i e g e l d e s B u n d e s , s o n d e r n als S i e g e l der G l a u b e n s g e r e c h t i g k e i t in R o m 4,11 b e l e g e n d i e s e T e n denz. " Z u m . B u n d e s s c h w e i g e n ' a u c h b e i P h i l o u n d J o s e p h u s v g l . o b e n Kap.II A n m . 5 5 . Für die Ü b e r s c h n e i d u n g im G e b r a u c h b e i d e r L e x e m e ist n e b e n Sir 44,19f und W e i s h 12,21 i n s b e s o n d e r e der S p r a c h g e b r a u c h in L i b A n t ein s p r e c h e n d e r B e l e g (s.o. S.93; vgl. zum Bund a u c h o b e n S.56 und S,219f).

494

IV.D. Verheißung bei Paulus - Zusammenfassung und Ausbliclc

Bund, die Gemeinschaft der Gläubigen aus Juden und Heiden aus Gottes erwählendem Willen zu begründen. Die Rede von der Verheißung entspricht auch besser der eschatologischen Spannung zwischen dem .schon' erhaltenen und wirksamen .Angeld des Geistes' und dem .noch nicht' angetretenen .Erbe der Welt' (in die sich Paulus durch das Evangelium gestellt sieht) als der auf ein vergangenes Heilsgeschehen gegründete und tendenziell einen gegenwärtigen Heilszustand beschreibende Bundesbegriff. Bei der Auslegung von Gal 3 und 4 zeigte sich, daß Paulus für solches Verständnis des Bundeshandelns Gottes allein von der Verheißung her an einige Linien alttestamentlicher Auslegung des Bundesgeschehens anknüpfen konnte (so an die Betonung des Abrahambundes in der Priesterschrift und insbesondere an die prophetische Ansage eines ewigen Bundes). Umstritten war offensichtlich in den paulinischen Gemeinden, wem die Verheißungen gelten. Hier vor allem kommt Paulus vor dem Hintergrund des Christusgeschehens und der Geisterfahrang zu Innovationen bei der Rede von Gottes Verheißungen, mit denen er sich deutlich von frühjüdischen Auslegungstraditionen absetzt. Dazu zählt etwa die Verbindung der Verheißung des Segens für die Völker aus Gen 123 mit der prophetischen Zusage des Geistes (Gal 3,8.14), die Deutung des Samens Abrahams auf Christus und die Christen (Gal 3,1629), die Deutung der εθνη in Gen 17,5 auf die Heiden (Rom 4,17) und der Einschluß der Schriftworte, die vom Gotteslob der Heiden sprechen, unter die Verheißungen der Väter (Rom 15,8-12). d. Das Evangelium

und die

Verheißung

Zu den bisher genannten traditionsgeschichtlichen Wurzeln der paulinischen Rede von Gottes Verheißen kommt eine weitere. Paulus zieht bei seiner Argumentation mit der Schrift immer wieder die Botschaft der Propheten und hier insbesondere Deuterojesaja heran. Von dort her hegt es nahe, daß auch das deuterojesajanische α ν α γ γ έ λ λ ω " und εύαγγελλίζΌμαι auf sein Verständnis der έ π α γ γ ε λ ί α Gottes eingewirkt haben. Tatsächlich verbindet Paulus in Gal 3,8.14 ausdrücklich das προευαγγέλλειν der Schrift mit der έπαγγελία, und in Rom 12 wird vom εύαγγέλιον ausdrücklich gesagt: προεπηγγείλατο. Allerdings werden damit Evangelium und Verheißung bei Paulus nicht einfach identifiziert'^. Vielmehr bleibt die Verheißung immer ein Wort, das Gott selbst spricht, während Subjekt des εύαγγελλί^ομαι, immer Paulus bzw. ein anderer menschlicher Verkündiger ist'®. Weiter ist der Inhalt des Evangeliums ein ganz bestimmtes G e schehen (nämlich das Heilshandeln Gottes in seinem Sohn Jesus Christus), während die Inhalte der Verheißungen Gottes einen größeren, bei Paulus nicht ganz

" Zu den Stellen vgl. oben Kap.II Anm.65. '' Gegen Longenecker, Galatians cxvii. '' Das Evangelium ist die A u f g a b e des Paulus (Rom 1,1.16; 15,16), weshalb er auch vom εύαγγέλιόν μου sprechen kann (Rom 2,16; 16,26; vgl. auch IThess 1,5); zu anderen Verkündigern vgl. Gal 1,8; IKor 9,18.

Gibt es e i n e E n t w i c k l u n g der p a u l i n i s c h e n R e d e v o n V e r h e i ß u n g ?

495

fest umgrenzten Bereich umfassen (vgl. das bewußt unbestimmte οσαι in 2Kor 1^0). Diese Unterschiede gilt es zu beachten, wenn man versucht, über die implizite Verbindung beider Größen bei Paulus hinaus das Verhältnis von Verheißung und Evangelium theologisch genauer zu bestimmen^''. Orientierungspunkt dabei kann das ,Ja' aus 2Kor 1,20 sein. Dieses macht deutlich, daß Gottes Heilshandeln in Jesus Christus in keiner Weise seinem Verheißen widerspricht, daß aber seine Verheißungen mit diesem nicht einfach abgeschlossen und beendet sind. Insofern bleibt Verheißung in bestimmter Hinsicht gegenüber dem Evangelium der umfassendere Begriff. Er kann dazu dienen, das Evangelium nicht allein als Verkündigung des geschehenen und die Gegenwart bestimmenden Heils zu verstehen, sondern festzuhalten, daß es zugleich immer auch Ansage eines noch zukünftigen Heilshandelns Gottes - und damit selbst Verheißung - bleibt^®. e. Gibt es eine Entwicklung der paulinischen Rede von

Verheißung?

In Rom 1Д benennt Paulus programmatisch am Anfang des Briefes den Zusammenhang von Gottes Verheißungen und der Botschaft der Propheten. Doch schon im 2Kor und im Gal ist die Rede von der Verheißung an zentralen Stellen bewußt allgemein gehalten und schließt (was sich in der Traditionsgeschichte bis zu Paulus nicht in gleicher Weise feststellen ließ) die prophetische Botschaft mit ein. Das zeigt sich auch in diesen Briefen deutlich am Zusammenspiel der Rede von der Verheißung mit dem Gebrauch der Schrift. So werden in 2Kor 2-7 in der großen Mehrzahl Prophetenworte zitiert, und auch die Auslegung des Bundesgeschehens am Sinai in 2Kor 3 ist bestimmt von Worten aus Jeremia und Ezechiel. Ebenso ergaben sich bei der Exegese von Gal 3 und 4 Hinweise darauf, daß die Argumentation des Paulus an einer ganzen Reihe von Stellen durch Prophetenworte beeinflußt ist^'. Eine Entwicklung der pauHnischen Rede von der Verheißung ist an diesem Punkt im Grundsatz nicht zu erkennen, auch wenn die Ausarbeitungen im Römerbrief ausführlicher und umfassender sind®. Auch Unterschiede zwischen Gal 3 und Röm 4 oder Gal 4Д1-31 und Röm 9,6-13 sind " V g l . zu s o l c h e n B e s t i m m u n g e n o b e n Kap.I.B A n m . 1 5 3 und darüber h i n a u s z.B. K ä s e m a n n , R ö m e r 119: »Wo V e r h e i ß u n g u n d E v a n g e l i u m k o m p l e m e n t ä r z u e i n a n d e r g e h ö r e n und durch d i e s e S t i c h w o r t e die K o n t i n u i t ä t z w i s c h e n A l t e m und N e u e m T e s t a m e n t a n g e z e i g t wird, rückt die S c h r i f t n o t w e n d i g als s o l c h e in e s c h a t o l o g i s c h e n H o r i z o n t , hat d e s h a l b a u c h d a s in ihr A u f g e z e i c h n e t e e s c h a t o l o g i s c h e Bedeutung". " Z u m V e r s t ä n d n i s der A u f e r w e c k u n g J e s u als V e r h e i ß u n g s.u. S.509. " V g l . die A u s l e g u n g e n zu G a l 3,14; 4 , l f . 2 7 . D i e s e r Z u s a m m e n h a n g wird v e r m u t l i c h d e s h a l b h ä u f i g nicht g e n ü g e n d w a h r g e n o m m e n , w e i l d i e B e h a n d l u n g d e s T h e m a s V e r h e i ß u n g b e i P a u l u s fast i m m e r a u s g e h t v o n d e m B e f u n d , d a ß a u c h b e i ihm ( w i e s c h o n in der T r a d i t i o n s g e s c h i c h t e ) z a h l e n m ä ß i g die m e i s t e n S t e l l e n im K o n t e x t der B e h a n d l u n g der V ä t e r g e s c h i c h t e n zu f i n d e n sind. ^ G e g e n D u g a n d z i c , Ja 153, n a c h d e m , 2 Kor 1,20 das ä l t e s t e Z e u g n i s der p a u l i n i s c h e n K o n z e p t i o n * ist, . d i e e b e n f a l l s e i n e E n t w i c k l u n g d u r c h g e m a c h t und v e r s c h i e d e n e A s p e k t e a n g e n o m m e n hat". S c h o n die F r a g e , ob 2Kor oder Gal in der C h r o n o l o g i e der P a u l u s b r i e f e f r ü h e r a n z u s e t z e n ist, ist n o c h i m m e r u m s t r i t t e n und a u f g r u n d f e h l e n d e r A n g a b e n in d e n B r i e f e n v e r m u t l i c h a u c h k a u m je mit letzter S i c h e r h e i t zu e n t s c h e i d e n ( s o a u c h Betz, G a l a t e r b r i e f 55).

496

I V . D . V e r h e i ß u n g bei P a u l u s - Z u s a m m e n f a s s u n g u n d A u s b l i c k

weniger auf eine Entwicklung als vielmehr auf unterschiedliche Argumentationszusammenhänge und -ziele zurückzuführen. Andererseits läßt sich nicht über die Tatsache hinwegsehen, daß von Verheißung nur in drei Briefen des Paulus die Rede ist. Warum der Begriff in IThess, Phil, IKor und Phlm nicht begegnet, läßt sich nur vermuten. Der Befund ist weitgehend parallel zu dem, der sich beim Blick auf die Verwendung von Schriftworten insgesamt ergibt^^. Offenbar ergab sich in den jungen Gemeinden des Paulus nach und nach die Notwendigkeit, das Verhältnis des Evangeliums zum bisherigen Heilshandeln Gottes und zu seinen Verheißungen genauer zu bestimmen und die Kontinuität zwischen beidem aufzuweisen. Das findet seinen Niederschlag auch im sich verändernden Charakter der Briefe^^. Dabei verändern sich die grundsätzlichen Einsichten des Paulus im Blick auf das Verhältnis von Evangelium und Verheißungen Gottes (soweit wir sie aus seinen Briefen erschließen können) nicht. Erkennbar ist lediglich zwischen 2Kor und Rom eine Entfaltung der Fragestellung und z.T. eine gründlichere theologische Durchdringung. Diese wurde begleitet von einer bewußten Arbeit des Paulus am rechten Verständnis der Schrift und von der Auslegung einzelner Schriftstellen (und durch diese ermöglicht)^. Es ist jedoch nicht genau zu erkennen, in welcher Weise bei diesem Prozeß die pharisäische Ausbildung des Paulus, seine Verarbeitung der hermeneutischen Konsequenzen seiner Bekehrung und die Herausforderungen durch theologische Auseinandersetzungen in den Gemeinden zusammengewirkt haben.

Der I K o r ist der e i n z i g e B r i e f , an d e m z w a r auf S c h r i f t w o r t e z u r ü c k g e g r i f f e n wird, j e d o c h nicht a u s d r ü c k l i c h v o n der V e r h e i ß u n g die R e d e ist. D i e s l i e g t o f f e n b a r an d e n in d i e s e m Brief v e r h a n d e l t e n T h e m e n . ^^ V g l . K o c h , Schrift 257, für d e n ein „ W e c h s e l v e r h ä l t n i s z w i s c h e n der Intensität der t h e o l o g i s c h e n R e f l e x i o n , der l i t e r a r i s c h e n D u r c h g e s t a l t u n g der B r i e f e und der H ä u f i g k e i t der S c h r i f t z i t a t e ' b e s t e h t . " K o c h , S c h r i f t 2 5 7 g e h t d a v o n aus, , d a ß der ü b e r w i e g e n d e n Z a h l d e r S c h r i f t a n f ü h r u n g e n V o r a r b e i t e n v o r a u s g e g a n g e n sind, die d a s A u f f i n d e n , A u s w ä h l e n u n d E x z e r p i e r e n g e e i g n e t e r S c h r i f t a u s s a g e n b e t r a f e n ' und , d a ß es sich bei d e m v o n P a u l u s aus der S c h r i f t e n t n o m m e n e n A r g u m e n t a t i o n s m a t e r i a l z u m ü b e r w i e g e n d e n Teil um M a t e r i a l i e n h a n d e l t , d i e er selbst in e i g e n s t ä n d i g e r B e s c h ä f t i g u n g mit der S c h r i f t für sich e n t d e c k t bzw. n e u g e w o n n e n h a t ' ( F u n k t i o n 177). Er v e r m u t e t w e i t e r , , d a ß Pis ζ . Z t . der A b f a s s u n g d e s R o m in g a n z a n d e r e r W e i s e in der L a g e war, auf d i e S c h r i f t z u r ü c k z u g r e i f e n , als z.Zt. des IThess" ( S c h r i f t 300 A n m . 1).

V e r h e i ß u n g , S c h r i f t v e r s t ä n d n i s und S c h r i f t g e b r a u c h

497

2. Zum Zusammenhang von Verheißung, Schriftverständnis und Schriftgebrauch^'' Dort, wo Paulus im Römerbrief von Verheißung redet, geht es im Zusammenhang immer um die Auslegung der Schrift^. Durch ihre hervorgehobene Stellung am Anfang und am Schluß erhalten dabei Rom 1,2 und 15,8 (ähnlich wie 2Kor 1,20) programmatische Bedeutung und zeigen an, daß έ π α γ γ ε λ ί α nicht nur an den Stellen eine Schlüsselstellung für das Schriftverständnis des Paulus hat, an denen das Lexem ausdrücklich begegnet. Mit der Bekehrung des Paulus vor Damaskus haben sich auch die Rahmenbedingungen grundsätzlich verändert, unter denen der Apostel die Schrift versteht und auslegt^''. Man kann von einem hermeneutischen „Paradigmenwechsel"^^, von einer Art .hermeneutischer Bekehrung'^ oder sogar von einem „fundamentalen Bruch"^' im Schriftverständnis des Paulus sprechen. Wesentliche hermeneutische Voraussetzungen (die er mit den anderen ersten Christen teilt) ist nun, daß Gott, der sich an Israel und in den Schriften offenbart hat, sich jetzt in grundsätzlicher Weise im Heilshandeln in Jesus Christus offenbart hat·^''. Paulus ist nun offensichtlich der Ansicht, daß ein rechtes Verstehen des Christusgeschehens eng mit dem rechten Verstehen der Schrift verknüpft ist. Er beginnt bei seinen exegetischen Argumentationen gewöhnlich mit dem Wort der Schrift und gelangt von dort her zu Christus^Nicht selten argumentiert er auch ganz ohne ausdrückliche Nennung des Christus allein aus der Schrift. Häufig und zu Recht ist festgestellt worden, daß die christologischen Voraussetzungen zwischen ihm und seinen Gemeinden offenbar nicht umstritten waren und sich u.a. auch deshalb bei Paulus so etwas wie ein christologischer Schriftbeweis kaum findet^^. Dagegen war erkennbar umstritten, welche ekklesiologischen und soteriologischen Konsequenzen aus dem Evangelium zu ziehen sind, und in Verbindung damit, wie Gottes Heilshandeln an Juden und Heiden mit seinen in der Schrift bezeugten Verheißungen in Einklang zu bringen ist. Insbesondere in diesen Zusammen-

^ Zum Stand der D i s k u s s i o n um die F r a g e n a c h d e m S c h r i f t v e r s t ä n d n i s und der S c h r i f t i n t e r p r e t a t i o n des P a u l u s vgl. d e n Ü b e r b l i c k bei H a y s , E c h o e s 7 f f . " A u c h R o m 9,4 b i l d e t an d i e s e m Punkt nur auf den ersten Blick e i n e A u s n a h me. D e n n im K o n t e x t der E i n l e i t u n g zu R o m 9 - 1 1 i n s g e s a m t steht der Plural έ π α γ γ ε λ ί α ι hier in loser V e r b i n d u n g zu den z a h l r e i c h e n S c h r i f t w o r t e n in den f o l g e n d e n drei K a p i t e l n . ^ V g l . D i e t z f e l b i n g e r , P a u l u s 36. " W o l t e r , E v a n g e l i u m 187 и.о.. ^^ V g l . P e n n a , A t t e g g i a m e n t i 182. ^^ K o c h , Schrift 353. V g l . L o n g e n e c k e r , E x e g e s i s 104. " V g l . L o n g e n e c k e r , ebd. 105, der bei P a u l u s .a p l a c i n g of Scripture as central w i t h i n a larger c o n t e x t of C h r i s t o l o g i c a l a w a r e n e s s * konstatiert. V g l . s c h o n D o d d , Scriptures 23: . P a u l in the main tries to start f r o m an u n d e r s t a n d i n g of the b i b l i c a l text just as it stands in its c o n t e x t ' . V g l . V i e l h a u e r , P a u l u s 42.

498

IV.D. V e r h e i ß u n g bei P a u l u s - Z u s a m m e n f a s s u n g u n d Ausblick

hängen zieht Paulus die Schrift heran, um sein Evangelium mit ihrem Zeugnis zu belegen^^. Von daher kann man an vielen Stellen bei ihm von einer Art ekklesiozentrischer Hermeneutik sprechen^'', insofern nämlich der Kontext dieser Streitfragen und seine Antworten auf sie zu den grundsätzlichen Voraussetzungen seiner Exegese zählen. Bei seinen Schriftauslegungen bedient Paulus sich keiner neuen oder besonderen exegetischen Methoden, sondern er gebraucht verschiedene zu seiner Zeit gebräuchliche Auslegungsverfahren'^. Selbst die Freiheit, mit der er einzelne Schriftworte verändern kann, ist nicht ohne Analogien, auch wenn er dies „in höherem Masse, als es im Judentum üblich war", tut^®. Eine wichtige (und häufig zu wenig beachtete) Frage an den Stellen, an denen Paulus sich souverän über den .ursprünglichen' Sinn eines Schriftwortes hinwegsetzen konnte, ist: Liest er an diesen Stellen wirklich den ,Sinn' des Schriftwortes vom Christusgeschehen her ein, oder wußte er sich mit seiner Deutung zumindest in wesentlichen Teilen in Übereinstimmung mit der schon in der Schrift bezeugten Verkündigung der Propheten? Für die zweite Annahme sprechen eine ganze Reihe von Beobachtungen, die sich bei der Auslegung etwa von Gal 3 und 4,21-31 sowie von Rom 1,2; 9,6-13 und 15,7-13 ergeben haben. Dabei ist auch zu beachten, daß schon die Propheten selbst (wie die Redaktoren der verschiedenen anderen Textkorpora und die Übersetzer der LXX) von den Erfahrungen ihrer Zeit her Traditionen in neue Zusammenhänge gestellt und neu interpretiert haben^''. D.h. die Entstehung der Schrift und ihre Auslegung waren schon vor Paulus immer begleitet vom Streit um die rechte Interpretation. Manches spricht dafür, daß die hermeneutische Bekehrung des Paulus auch eine Wendung war vom nomologischen Zugang des jüdischen Schriftgelehrten (der die ganze Schrift

" V i e l h a u e r , P a u l u s 43 verweist zu R e c h t auf die G o t t e s g e r e c h t i g k e i t als z e n t r a l e s T h e m a der S c h r i f t b e w e i s e , o r d n e t diese j e d o c h allein der Soteriologia zu, w o d u r c h die ekklesiologischen u n d t h e o - l o g i s c h e n I m p l i k a t i o n e n der δικαιοσύνη θεού nicht g e n ü g e n d in den Blick k o m m e n . ^ Vgl. Hays, E c h o e s 120 и.о.. Z u r Kritik an dieser B e s t i m m u n g vgl. die A n f r a g e n von J . A . S a n d e r s und J.C. Beker u n d die E r w i d e r u n g von H a y s in E v a n s / Sanders, Paul. " Das h a b e n die U n t e r s u c h u n g e n von Michel, P a u l u s u n d Koch, S c h r i f t d e u t l i c h g e n u g e r g e b e n . A u f die s a c h l i c h e B e d e u t u n g dieses T a t b e s t a n d e s verweist zu R e c h t Luz, T h e o l o g i e 124: .Die S c h r i f t spricht o f f e n und u n v e r h ü l l t , sodass P a u l u s die H o f f n u n g nicht a u f z u g e b e n b r a u c h t , mit ihr Israel zu ü b e r z e u g e n " (vgl. schon ders. G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s 134: . F ü r P a u l u s ist das A l t e T e s t a m e n t nicht in erster Linie ein zu V e r s t e h e n d e s , s o n d e r n es selbst s c h a f f t V e r s t e h e n " ; vgl. a u c h J o h n s o n , F u n c t i o n 205: . F r o m Paul's perspective, J u d a i s m ' s d i s p u t e with t h e c h u r c h is f u n d a mentally an exegetical one"). Dies ist etwa gegen Schmithals, R ö m e r b r i e f 344 f e s t z u h a l t e n , n a c h dem «die p a u l i n i s c h e H e r m e n e u t i k ... dem A l t e n T e s t a m e n t f a k tisch die S u f f i z i e n z zum V e r s t ä n d n i s seiner selbst" bestreite. ' ' Luz, T h e o l o g i e 131; vgl. schon V i e l h a u e r , P a u l u s 51: . P a u l u s n i m m t mit seinen T e x t e i n g r i f f e n eine S o n d e r s t e l l u n g ein". " Vgl. a u c h D i e t z f e l b i n g e r , P a u l u s 40f. N a c h Hays, E c h o e s 164 setzt P a u l u s e i n e bereits in D e u t e r o j e s a j a und Dtn 32 v o r l i e g e n d e typologische D e u t u n g der G e s c h i c h t e Israels f o r t . Auf einer t i e f e r e n E b e n e zeige sich, d a ß er nicht e i n f a c h eigene K o n z e p t i o n e n in f r ü h e r e T r a d i t i o n e n einliest, s o n d e r n f u n d a m e n t a l e T h e m e n der b i b l i schen G e s c h i c h t e a u s w ä h l t als h e r m e n e u t i s c h e Schlüssel f ü r die B e d e u t u n g der T r a dition (vgl. ebd. 157).

Verheißung, Schriftverständnis und Schriftgebrauch

499

als Gesetz versteht)^® hin zum inspiratorischen Zugang des von Gott beauftragten Apostels (der die ganze Schrift als inspirierte Prophetic ansieht), den in verschiedener Weise auch andere frühjüdische Gruppen bevorzugten^'. Vor diesem Hintergrund erscheint die Frage nach dem Verhältnis von Diskontinuität und Kontinuität im Schriftgebrauch des Paulus als komplexer und dialektischer Zusammenhang. Antworten auf diese Frage können ausgezogen werden auf die systematische Frage nach dem Verhältnis der reformatorischen Bestimmungen solus Christus und sola scriptura^°. Schließlich gehört auch die Frage nach dem .Verhältnis von ,alt' und ,neu'" in den gleichen Problemhorizonf^ Eine Durchsicht der exegetischen Diskussion hierzu in den letzten Jahren zeigt, daß es kaum einhellig akzeptierte Antworten gibt. Eine Reihe von Beobachtungen, die in dieser Arbeit gemacht werden konnten, bestätigt die Schwierigkeiten an dieser Stelle. Die wesentliche Rolle, die der Begriff der Verheißung Gottes für das Schriftverständnis des Paulus spielt, belegt, daß die Kontinuität seines Evangeliums zum Zeugnis der Schrift für ihn entscheidend wichtig ¡з!"·^. Andererseits zeigen die Vermeidung des Bundesbegriffs und die Scheidung von Verheißung und Gesetz deutlich die Elemente der Diskontinuität. Es hat sich aber bei den Exegesen gezeigt, daß sich bei dem Verständnis der Texte häufig Mißverständnisse einschleichen, wenn man allgemein von dem Alten Testament oder auch von dem Gesetz bei Paulus spricht. Je nach Argumentationszusam-

" Insofern ist für Paulus selbst tatsächlich der neue hermeneutische Ansatz für das Verstehen der Schrift .die Erkenntnis der iustificatio impii' (Vielhauer, Paulus 54, Hervorhebung im Zitat). Das heißt jedoch nicht automatisch, daß er deshalb .die .Sache' immer schon vorher weiß und nicht aus dem Alten Testament gewinnt" (gegen Vielhauer, ebd. 51; vgl. Vielhauer selbst, ebd. 54 .Es ist f ü r Paulus undiskutierte Voraussetzung, daß dieser .Kanon' nicht von außen herangetragen, sondern in der Schrift schon vorhanden ist [Abraham], aber nicht dominiert [Mose]"; vgl. auch unten Anm.47). ® Vgl. zur idealtypischen Unterscheidung zwischen einem nomologischen und einem inspiratorischen Zugang zu den Texten oben Kap.IV.С Anm.54. Phil 3,1-11 kann als Beleg für einen ursprünglich nomologischen Zugang des Paulus zur Schrift und zugleich als Zeugnis der beschriebenen hermeneutische Bekehrung gelesen werden. Rom 1,2 kann umgekehrt als programmatische Nennung des neuen hermeneutischen Zugangs verstanden werden (zur radikalen Neuorientierung des Pharisäers Paulus vgl. auch oben S.301). Auch Blank, Erwägungen 53 stellt fest, daß .im Blick auf das Evangelium ... das prophetisch-beilsgeschichüiche Gesamtverständnis der Schrift den Vorrang vor dem Tora-bestimmten Schriftverständnis" gewinnt (Hervorhebung im Zitat). Er bestimmt jedoch zu einlinig (wie dies auch sonst häufig geschieht) das Tora-bestimmte Schriftverständnis als das im Judentum herrschende (ebd. 48f). ·" Vgl. dazu u.a. Koch, Rezeptionsgeschichte; Koch, Funktion; Wolter, Evangelium. Vgl. die Absicht der rheinischen Landessynode in ihrem Votum von 1980 ,Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden': .Wir wollen ... den unlösbaren Zusammenhang des Neuen Testaments mit dem Alten Testament neu sehen und das Verhältnis von .alt' und .neu' von der Verheißung her verstehen lernen: als Ergehen der Verheißung, Erfüllen der Verheißung und Bekräftigung der Verheißung" (Rheinische Landessynode, Erneuerung 11). Für Dautzenberg, Paulus 24 ist .Verheißung für Paulus der zentrale Gesichtspunkt, unter dem er die Schrift betrachtet".

500

IV.D. Verheißung bei Paulus - Zusammenfassung und Ausblick

menhang können beide Lexeme mit unterschiedlichen Bedeutungen und Wertungen verbunden sein''^. Sinnvoll erscheint es deshalb, auch bei der Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis von Diskontinuität und Kontinuität (bzw. von solus Christus und sola scriptura oder von ,ah' und ,neu') möglichst genau zu benennen, in welchem Argumentationszusammenhang man diese Frage verhandelt"". Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob man seinen Ausgangspunkt nimmt bei der Frage nach dem einen Gott"' oder bei der Frage nach der Bedeutung und dem Verständnis des Kreuzes"® oder bei der Frage nach der Rechtfertigung von Juden und Heiden allein aus Glauben"^ oder bei der Frage nach der Erwählung Israels und ihrem Verhältnis zur neuen Gemeinschaft der Glaubenden"® oder bei der Frage nach dem Verhältnis der beiden Literatursammlungen .Altes' und .Neues' Testament"^. Entscheidendes Kriterium für jede Antwort wird sein, ob es gelingt, das Heilsgeschehen in Kreuz und Auferstehung als Handeln des einen Gottes Israels zu verstehen und zu verkündigen. Als geschichtliche Feststellung ist es unzweifelhaftrichtig,„daß die neutestamentlichen Zeugen allein von Jesus Christus her das Alte Testament lasen"·™. Von ihm konnten sie nicht absehen, und das veränderte ihren gesamten Verste-

Zum Alten Testament unterscheidet Penna, Attegiamenti 181-186 zwischen vier verschiedenen, dialektisch aufeinander bezogenen Dimensionen: das AT als Gesetz; das AT als Verheißung; das AT als Schrift; das AT als konzeptueller und lexikalischer Sprachhintergrund. Auch bei dem Wunsch der Rheinischen Landessynode, „das Verhältnis von ,alt' und ,neu' von der Verheißung her verstehen" zu lernen (Rheinische Landessynode, Erneuerung 11), bleibt dieser Punkt schwierig. Denn einerseits wird ,neu' faktisch ,nur noch im Sinn von .erneuert' und .bestätigt' verstanden ... nicht aber im Sinn des fundamentalen Gegensatzes zu .alt'", der bei Pis an anderen Stellen begegnet (Schmitt, Gottesgerechtigkeit 163). Andererseits wird nicht genügend deutlich, ob solches Verständnis von ,neu' gleichermaßen auf alle im Kontext angesprochenen Zusammenhänge angewendet werden soll: auf das Verhältnis von Altem und Neuem Testament in gleicher Weise wie auf das Verhältnis von Israel und christlicher Gemeinde oder auf das Verständnis des Heilshandelns Gottes in Bund und Verheißung. ..Die Verheißungstreue Gottes, dessen Wort nicht hinfällt und dessen Promissio allein das Kontinuum bildet, das ist der rote Faden der Argumentation' (Schräge, Ja 150). Mir erscheint es zumindest fraglich, ob man tatsächlich ganz allgemein sagen kann, daß ,das Kreuz ... alle traditionellen Verheißungskategorien und Erwartungshorizonte, auch die der atl.-jüdischen Tradition' zerbricht (so Schräge, Ja 140). Zu Recht stellt Hofius, Rechtfertigung 104 fest: „Das Neue liegt weder in dem Gedanken einer iustificatio impii als solchem noch auch in der Aussage, daß diese iustificatio in universaler Weite Israel und den Heidenvölkern zuteil wird. Es liegt vielmehr darin, daß Paulus die in der .Schrift' verheißene und bezeugte .Rechtfertigung des Gottlosen' im Sühne- und Versöhnungsgeschehen des Todes und der Auferstehung Jesu Christi vollzogen sieht' (Hervorhebungen im Zitat). Vgl. den berechtigten Hinweis von Schräge, Ja 151 auf das zeitlich begrenzte Nein zur Erwählung Israels. ® Vgl. Blank, Erwägungen 42: .Unter eschatologischem Aspekt ... ist ein .Neues Testament' als heilige Schrift ein echtes Problem'. Traub, Nein 182 (Hervorhebung im Zitat). Solch ein Satz benennt letztlich jedoch lediglich eine Selbstverständlichkeit, die auch zur Tautologie werden kann (vgl. schon Barr, Alt 135).

V e r h e i ß u n g , S c h r i f t v e r s t ä n d n i s und S c h r i f t g e b r a u c h

501

hensrahmen^^. Trotzdem ist mit dieser Aussage noch nicht darüber entschieden, was beim Lesen der Schrift das zu Verstehende und was das schon Verstandene war und ist. Man darf die Frage nicht unterschlagen, ob Paulus das Heilsgeschehen in Jesus Christus letztlich auch ohne die Schrift hätte hinreichend verstehen können (unbeschadet dessen, daß er auch ohne direkten Verweis auf die Schrift predigen und Briefe schreiben konnte)'^. Ist für Paulus ein Christuszeugnis denkbar, das zentral der Schrift widerspricht? Ich denke, wer den Römerbrief liest, kann diese Frage nur mit Nein beantworten^^. Zwischen solus Christus und sola scriptura besteht von daher eine „unaufbare sachhche Konvergenz"^'·. Es kann nicht ohne Folgen für die Theologie (für das Gottesverständnis im engeren Sinne) und für den Glauben sein, wenn man versucht, diese Konvergenz nach einer Seite hin aufzulösen und damit möglicherweise in Kauf nehmen muß, beide Seiten gegeneinander auszuspielen. Mein Eindruck ist, daß wir in einer theologischen Tradition stehen, in der eine nachhaltige Betonung des solus Chrístus^^ z.T. einhergeht mit einem Nachlassen des Hörens auf die Schrift des Paulus, die wir Altes Testament nennen. Dort wo das solus Christus tatsächlich in einseitiger Weise gegenüber dem Alten Testament betont wird, ist an zwei Punkte zu erinnern. Zum ersten ist gewissenhaft zu fragen, ob (und woher) wir tatsächlich schon so genau verstanden haben, „was der Christus ist" und sein Werk für uns bedeutet, daß uns unser Verstehen des Christus nun wirklich als der Schlüssel zum Verstehen des Alten Testaments dienen könnte^®. Zum

" Das Bewußtsein der eschatologischen W e n d e , das sich d a m i t v e r b a n d , f i n d e t bei P a u l u s seinen N i e d e r s c h l a g h ä u f i g in einer V e r ä n d e r u n g der Z e i t f o r m e n der V e r b e n von S c h r i f t w o r t e n (vgl. Hays, E c h o e s 169f). " Dieser A n s i c h t ist Schmithals, R ö m e r b r i e f 343 tatsächlich: ,1m C h r i s t u s e r e i g nis ist sein E v a n g e l i u m a u t h e n t i s c h b e g r ü n d e t , nicht in der S c h r i f t . Auf diese k ö n n t e er prinzipiell verzichten". " Mit W i l c k e n s ist d e s h a l b f e s t z u h a l t e n , d a ß P a u l u s zwar »durchweg das C h r i s t u s g e s c h e h e n zum SacAkriterium seiner A u s l e g u n g des A T m a c h t . A b e r i n d e m er dieses als H e i l s h a n d e l n Gottes e r k e n n t , ist ihm h e r m e n e u t i s c h zugleich evident, d a ß dieses H e i l s h a n d e l n G o t t e s in Christus in K o n t i n u i t ä t zu allem v o r a u s g e h e n d e n H e i l s h a n d e l n G o t t e s steht" ( R ö m e r 1 284, H e r v o r h e b u n g e n im Z i t a t ) . " Wolter, E v a n g e l i u m 193. " Vgl. Schräge, J a 147, der zugibt: . G e w i ß besteht hier ein Z i r k e l bzw. eine . D o p p e l b e w e g u n g ' vom A T zum N T und vom N T zum AT", aber im gleichen A t e m zug d a r a n f e s t h ä l t , d a ß es »ebenso ein klares h e r m e n e u t i s c h e s u n d sachliches Prius" gibt. Vgl. Barr, Alt 134, der bestreitet, d a ß C h r i s t u s f ü r P a u l u s . d e r .Schlüssel' zum A l t e n T e s t a m e n t " sei, ,so d a ß ... das A l t e T e s t a m e n t nur .im Lichte C h r i s t i ' ... v e r s t a n d e n w e r d e n könne". E h e r , so Barr, lag bei ihm die .Sache a n d e r s h e r u m : Das P r o b l e m b e s t a n d nicht darin, das A l t e T e s t a m e n t zu v e r s t e h e n , s o n d e r n den C h r i s t u s zu b e g r e i f e n " . D a r a u s f o l g e r t er weiter: .Die Kirche sollte es sich nicht a n g e w ö h n e n , Christus als gegeben h i n z u n e h m e n und von ihm aus auf die A u t o r i t ä t und den Sinn des A l t e n T e s t a m e n t s zu schließen. Die kirchliche Strategie sollte u m g e k e h r t das A l t e T e s t a m e n t als das n e h m e n , was wir in der Kirche haben, sie sollte f r a g e n , in welcher W e i s e die vom A l t e n T e s t a m e n t g e b o t e n e E r l e u c h t u n g uns hilft, den C h r i s t u s besser zu v e r s t e h e n und zu e r k e n n e n und ihm w a h r h a f t i g e r zu g e h o r c h e n " (ebd. 135). . C h r i s t l i c h - t h e o l o g i s c h e . A u s g a n g s b a s e n ' kann man n u r e r r e i c h e n , nachdem man das A l t e T e s t a m e n t in Betracht gezogen hat" (ebd. 163, H e r v o r h e b u n g e n im Z i t a t ) .

502

IV.D. Verheißung bei Paulus - Zusammenfassung und Ausblick

zweiten ist von der Kategorie der Verheißung her mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß die Frage des Verhältnisses von Kontinuität und Diskontinuität sich bei Paulus nicht allein durch das Gegenüber von Christus imd Schrift beantworten läßt. Die Frage nach der Treue Gottes zu seinen in der Schrift überiieferten Verheißungen und damit zugleich die Selbigkeit, Verläßhchkeit und Wahrhaftigkeit des Vaters Jesu Christi gehören bei Paulus zu diesem Punkt zentral dazu^'. Die Bedeutung, die die Kategorie der Verheißung in den Briefen des Völkerapostels gewinnt, zeigt u.a., daß die Kontinuität im Handeln Gottes für ihn entscheidend wichtig war, eine Kontinuität, von der er überzeugt war, daß er sie auch mit exegetischen Mitteln aus der Schrift belegen konnte^^. Das gih es deutlicher emstzunehmen, als das in der exegetischen Diskussion bisher mitunter der Fall ist. Als ein möglicher und sinnvoller Weg zu solchem Ernstnehmen hat sich bei der Auslegung der Texte erwiesen, über die Fragen nach der Art der Zitierung und der verwendeten exegetischen Methoden hinaus immer auch den jeweiligen Kontext der Schriftworte (die Paulus anführt oder ausdrücklich anklingen läßt) und ihre inneralttestamentUche (prophetische) und vorpaulinische Auslegungsgeschichte im Blick zu behalten. Denn um die Botschaft des Paulus in ihrer Tiefe zu verstehen, ist es auch nötig, mit der gleichen Intensität auf das Zeugnis der .heiligen Schriften' (Röm 1,2) zu hören, mit der er selbst dies getan hat.

" Vgl. auch das Ergebnis der Erwägungen von Vielhauer, Paulus 61, nach dem der hermeneutische Ansatz des Paulus zentral von ,der Identität des Deus qui iustificat impium' ausgeht. S.o. Anm.35. Das stellt Koch, Funktion 179 nicht genügend in Rechnung, wenn er meint, für Paulus ergebe sich ,die das Verstehen der γραφή erschließende Kraft nicht aus dieser selbst, sondern aus dem εύαγγελιον, durch das aus der π α λ α ι ά διαθήκη überhaupt erst γραφή wird".

Zum Ort der Rede von der Verheißung innerhalb der pln. Theologie

503

3. Zum Ort der Rede von der Verheißung innerhalb der paulinischen Theologie Zum Schluß soll versucht werden, an einigen Punkten nachzuzeichnen, in welchen theologischen Zusammenhängen die Rede von Gottes Verheißung bei Paulus zentral verankert ist und welche Funktion und welchen Stellenwert sie dort hat^' Die Darstellung orientiert sich dabei (lediglich) heuristisch an den Kategorisierangen theologischer Fragestellungen, wie sie sich in der systematisch-theologischen Unterscheidung von Gotteslehre, Christologie, Ekklesiologie, Soteriologie etc. herausgebildet haben. Das bedeutet nicht, daß aus den Aussagen der paulinischen Briefe eine .Theologie' im scholastischen Sinn (als systematische Anordnung der christlichen Lehre als ganzer) erschlossen werden sollte oder könnte. Paulus ist .Theologe' im Sinne eines allgemeineren, offeneren Verständnisses von Theologie, das sie als kritische Untersuchung und Befragung des christlichen Glaubens auffaßt®". Es kann von daher auch nicht darum gehen, die verschiedenen Elemente zu einem dahinter angenommenen (vollständigen) systematischtheologischen Gebäude zusammenzufügen. Vielmehr muß auch hier jeweils im Blick bleiben, auf welchen konkreten Problemzusammenhang die Aussagen des Paulus zielen. Zugleich gilt es zu beachten, daß in den theologischen Argumentationen des Paulus die verschiedenen Elemente zwar zumeist unterscheidbar bleiben, aber nie isoliert begegnen, sondern immer eng miteinander verzahnt sind. Diese enge Verzahnung zu erkennen und zu beschreiben gehörte jeweils zu den wichtigen Aufgaben der Auslegung der behandelten Texte®^. a. Der harmherzige und treue Gott - Geber der (Theologie)

Verheißungen

Gott ist der Geber der Verheißungen. Seine Treue zu seinen Verheißungen ist eine selbstverständlich vorausgesetzte, aber zugleich immer auch neu bekräftigte und aufgewiesene Grundlage der Verkündigung des Paulus. Dieser im engeren Sinne theo-logische Horizont zeigt sich immer wieder in den behandelten Texten. In 2Kor 1,18-22 geht es zentral um die Treue Gottes. Röm 1,2 betont, daß Gottes Evangelium vorherverheißen ist in den Schriften. Röm 9,6ff wehrt den Vorwurf " Vgl. analog zur thematischen Zuordnung der Schriftzitate bei Paulus Koch, Schrift 285-303. Koch unterscheidet für die Schriftzitate drei große Bereiche: Christologie; Δικαιοσύνη θεοϋ und Gesetz - die Berufung der Gemeinde aus Juden und Heiden und die Erwählung Israels; Paränese. " Vgl. hierzu Furnish, Paul 25ff. " Besonders deutlich ist solche Verzahnung in Gal 3 und Röm 4, aber auch 2Kor 1,18-22 und Röm 15,7-13. Jede Beschreibung paulinischer Theologie wird von daher nicht einen einzelnen Punkt als das Zentrum bestimmen können, sondern wird immer die übrigen Elemente mit einschließen und den gesamten Argumentationszusammenhang beachten müssen (vgl. dazu Plevnik, Center 477f; vgl. auch analog zur V e r a n k e rung der Rechtfertigung Käsemann, Römer 117 und zu den .thematischen V e r f l e c h tungen" der verschiedenen Sachbereiche Koch, Schrift 287).

504

IV.D. Verheißung bei Paulus - Zusammenfassung und Ausblick

ab, daß Gottes Wort hingefallen ist. R o m 4,16 und 15,8 heben hervor, daß seine Verheißung bekräftigt worden ist. A u c h in fast allen übrigen Texten spielt diese theologische E b e n e eine wesentliche Rolle®^. So sind in 2Kor 6,14-7,1 die V e r heißungen ausdrücklich als Worte Gottes gefaßt. Gal 3,20 betont, daß Gott einer ist. Dieses M o m e n t wird in R o m 3,29 a u f g e n o m m e n und ausgeweitet: Der eine Gott der Juden und Heiden ist der Gott, der den Gottlosen rechtfertigt (4,5) und das Nichtseiende ins Sein ruft (4,17). Sein Handeln war und ist letztlich bestimmt von seinem Erbarmen ( R o m 9,6-29; 1130-32; 15,8f), und alles Geschehen findet sein Ziel in seiner Herrlichkeit (2Kor 1^0; R o m 9,5; l l ß 3 - 3 6 ; 15,9-12). D a s alles zeigt, daß έ π α γ γ ε λ ί α für Paulus tatsächlich „zentrale theologische B e d e u tung"® hat und umgekehrt dieser theologische Horizont grundlegend für das Verständnis der Texte ist, in denen Paulus von der έ π α γ γ ε λ ί α spricht®^. Nicht selten wird dieser Horizont jedoch ganz d e m neuen, eschatologischen H e i l s h a n deln Gottes in Jesus Christus untergeordnet, mit der Folge, daß sein sachliches Eigengewicht nicht mehr genügend wahrgenommen wird®^. Gottes Identität ist bei Paulus nicht allein „in seinem Handeln in Christus verankert"®^ sondern seine Selbigkeit offenbart sich bereits in seinem Handeln und seiner Verheißung an Abraham und wird bezeugt durch Gesetz und Propheten®^.

Die einzige Ausnahme ist Gal 4,21-31, wo von Gott selbst nicht ausdrücklich gehandelt wird. ® Käsemann, Römer 112. " Vgl. Moxnes, Theology 207.222. Vgl. auch Luz, Geschichtsverständnis 68: J m Zusammenhang mit der .epaggelia' denkt Paulus theozentrisch"; Koch, Schrift 311: .Der Begriff έπαγγελίοί dient ... dazu, Gottes gegenwärtiges Handeln ... mit seinem früheren, in der Schrift bezeugten Tun in Beziehung zu setzen, und zwar so, daß die Übereinstimmung im Handeln Gottes aufgewiesen wird'. " Es ist in diesem Zusammenhang vermutlich kein Zufall, daß der Frage der paulinischen Auffassung von Gott in der Forschung bisher relativ wenig nachgegangen worden ist (vgl. Koch, Schrift 348 Anm.26, der dort die wichtigsten der insgesamt relativ wenigen Arbeiten nennt; mit Klumbies, Rede ist erst im letzten Jahr die erste Monographie zum Thema erschienen). Eine Ausnahme bildet jedoch Moxnes, Theology, der f ü r den Römerbrief zu Recht darauf hinweist, daß Paulus seine aktuellen Auseinandersetzungen im Römerbrief in die Form einer Kontroverse über das Gottesverständnis faßt (ebd. 9; vgl. auch Williams, Righteousness 289: „the argument of this letter ... is thoroughly theocentric", Hervorhebung im Zitat). Von diesem Ansatz her kommt in der Untersuchung von Moxnes dann auch Paulus' Rede von der V e r heißung in besonderer Weise in den Blick und erhält den Stellenwert, der ihr schon von ihrer Verankerung in zentralen Abschnitten des Briefes her zukommt. « Gegen Koch, Schrift 349. " Man wird auch von Rom 9,6-29 her nicht sagen können, daß Paulus „ein rettendes und erwählendes Handeln Gottes zwischen Abraham und den Vätern einerseits und der Gegenwart andererseits nicht aufzeigen kann" (gegen Koch, ebd. 348). Die Wahl und Anordnung der Schriftworte (das prophetische Wort in 9,13 begründet das Torawort in 9,12, und die prophetischen Worte in 9,25-29 interpretieren insgesamt 9,6-13) und auch die engen Verbindungen der zentralen theologischen Kategorien Erwählung und Berufung mit Jes 41,8 bestätigen vielmehr ein weiteres Mal, was Paulus selbst programmatisch in Rom 1,2 angekündigt hat: Er interpretiert die gegenwärtige Situation mit Hilfe der prophetischen Botschaft, und er liest auch die Traditionen der Tora vornehmlich im Anschluß an deren prophetische Interpretationen.

Jesus Christus - Gottes Ja zu seinen Verheißungen (Christologie)

h. Jesus Christus - Gottes Ja zu seinen (Christologie)

505

Verheißungen

Zentraler Inhalt des vorherverheißenen Evangeliums (Rom i;2) und Bestätigung aller Verheißungen Gottes (2Kor 1^0; vgl. auch Rom 15,8) ist das eschatologische Heilsgeschehen in Jesus Christus. Offenbar mit Hilfe einer schon im Judentum angelegten messianischen Deutung des Samens Davids kann Paulus in diesem Jesus Christus auch bereits den Abraham verheißenen Samen entdecken, dem die Verheißungen gelten (Gal 3,16.19). Aufs ganze gesehen stehen die christologischen Aussagen jedoch nicht im Zentrum der paulinischen Rede von der Verheißung. Dies hat seinen Grund darin, daß die christologischen Grundüberzeugungen zwischen Paulus und seinen Gemeinden nicht umstritten waren®**. Strittig waren vielmehr die Folgerungen, die aus ihnen für das Verständnis der Gerechtigkeit Gottes, der Berufung auch der Heiden, der Beurteilung des Gesetzes, der Eschatologie usw. gezogen werden können®^. Im Kontext der Rede von der Verheißung in Gal 3, Rom 1Д und 15,8 sind die christologischen Aussagen entsprechend besonders verbunden mit dem Aufweis des Heilshandelns Gottes auch an den Heiden, also mit den ekklesiologischen Konsequenzen des Evangeliums™. c. Juden und Heiden (Ekklesiologie)

- gemeinsam

Kinder der

Verheißung

Im Leben der Christen ist Gottes Ja zu seinen Verheißungen Wirklichkeit geworden. Er selbst hat sie gesalbt, versiegelt und ihnen das Angeld des Geistes in die Herzen gegeben (2Kor 1,20). Sie sind damit bereits zum Tempel Gottes geworden, zum verheißenen Ort seiner Einwohnung in der Welt (2Kor 6,16). Das Wirken des Geistes unter ihnen belegt, daß nicht allein die Juden, sondern eben auch die Heiden unter den Christen Empfänger der Verheißung und also Kinder Abrahams sind (Gal 3). Zugleich sind sie damit die dem oberen Jerusalem verheißenen Kinder (Gal 4,27f). Im Römerbrief schließlich liegt der Akzent ganz darauf, daß durch und in Christus Juden und Heiden gemeinsam Empfänger der Verheißung Gottes sind und also die Gemeinschaft von Juden und Heiden in der Gemeinde im Wirken Gottes begründet ist. Das erweist Paulus immer wieder aus