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Pages [296] Year 1986
HYPOMNEMATA 84
V&R
HYPOMNEMATA UNTERSUCHUNGEN ZUR ANTIKE UND ZU IHREM NACHLEBEN
Herausgegeben von Albrecht Dihle/Hartmut Erbse/Christian Habicht Hugh Lloyd-Jones/Günther Patzig/Bruno Snell
HEFT 84
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
WOLFRAM ΑΧ
Laut, Stimme und Sprache Studien zu drei Grundbegriffen der antiken Sprachtheorie
Mit 2 Farbtafeln
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
.Αχ, Wolfram: Laut, Stimme und Sprache: Studien zu 3 Grundbegriffen d. antiken Sprachtheorie / Wolfram Ax. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1986 (Hypomnemata; H. 84| ISBN 3-525-25181-5 NE: GT
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Historisch-Philologische Wissenschaften der Universität Göttingen gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Η7 © Vandenhoeck &. Ruprecht in Göttingen 1986 - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Satz: Dörlemann-Satz GmbH & Co. KG, Lemförde. Druck: Hubert Co., Göttingen
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fnon umY.iíío wl · ¡[»«'JM ύπό της 11 φωνής κινηθήι, ήχεΐν έντός. ώσπερ γ α ρ είναι κώδωνα των ίσων [?] ήχων τήν 12 άκοήν, ήν προσαγορεύει σάρκινον όζον [Β 99-, vgl. Α 93]· κινοΰμενον δέ παίειν 13 τόν άέρα προς τά στερεά καί ποιεΐν ήχον. ΙΟεοωθεν Karsten nach 1 3 0 4 , 3 6 : εξωθεν Hss. Kranz nach Diels, der es statt γ α ρ las 11 κινηθεν ήχεΐ F: κινηθεν ήχή Ρ: verb. Wimmer,· Diels las κινηθείς ήχήι κώδωνα] nicht Trompete wie [Ar.] Probi. 3 3 , 1 4 p. 9 6 3 a 1, sondern Glocke wie Philop. de anima 3 5 5 , 1 7 ; 3 1 A 93. ϊσων vgl. Millerd On the interpr. of Emp. p. 86, Bignone, der übersetzt: c o m e un sonaglio che riproduce all'unisono (sic) suoni [esterni], doch ist der Ausdr. unscharf: είσιόντων Diels: εσω Schneider 12 όζον] vgl. Bignone z. St. ; Kafka Philol. 72 (1913) 6 5 f f κινουμένην Hss.: verb. Diels.
Trotz der schwierigen textlichen und demzufolge auch inhaltlichen Details, die mit dem Verweis auf die eben genannte Literatur übergangen werden müssen22, läßt sich die generelle Aussage dieses Passus durchaus verstehen : Ein in seiner genauen Wirkungsweise nicht klar beschriebener Hörapparat wird durch von außen kommende Geräusche affiziert und verwandelt diese in entsprechende innere Geräusche, die den eigentlichen Wahrnehmungsinhalt ausmachen23. Diese Interpretation empfiehlt sich auch, wenn man die Kritik Theophrasts (§ 21 = VS I 304, 36-39) hinzuzieht, der von eben dieser Annahme einer Umwandlung äußerer in innere Geräusche ausgeht und deren Konsequenzen bedenkt: Man habe, so bemerkt Theophrast mit Recht, mit dieser Erklärung das Problem nur verschoben, denn nun müsse wiederum die Wahrnehmung der inneren Geräusche erläutert werden. Während so die Gliederung akustischer Sinnesobjekte in äußere und ihnen adäquate innere Laute in der Tat fragwürdig wird, so unterliegt doch wenigstens die der Stelle zugrundeliegende generelle Zuordnung von Gehör und Geräusch keinem Zweifel. Und doch bleibt auch hier wieder ein terminologisches Problem, das nach Parmenides und Piaton nun schon bei dem dritten Autor ,Empedokles' greifbar wird: die Unklarheit in der Bedeutung von φωνή. Als akustische αισθητά erscheinen in § 9 die Begriffe ψόφος, ήχος und φωνή. Von diesen dreien bleiben ψόφος und ήχος als Ausdrücke unspezifischer Geräusche in einem Text, der vom allgemeinen Vorgang des Hörens spricht, unverdächtig. Das zeigt sich nicht zuletzt auch daran, daß Theophrast im Kritikteil von § 2 1 wie 2 2 Ich würde (z.T. mit Longrigg) die Konjektur Z . 1 0 ό άήρ streichen und Z. 10 mit den Handschriften έξωθεν und Z . 1 2 κινουμένην lesen und τήν άκοήν als durchgängiges Subjekt verstehen: „Das Hören entstehe durch Geräusche von außen. D e n n wenn es (das Gehör] von der Stimme in Bewegung gesetzt werde, schalle es (das Gehör] innen. W i e eine Glocke (?] gleicher Geräusche nämlich sei das Gehör, das er einen „fleischigen Sproß" nennt. In Bewegung gesetzt, schlage es die Luft an das Dichte und verursache ein Geräusch." Ein solches Textverständnis ist natürlich nur möglich, wenn die Polysemie des griechischen Wortes άκοή = „Hören" und „Gehör" angemessen berücksichtigt wird. 2 3 Die Version Aetius, Piatita IV 16 (= Diels Doxographie Graeci 4 0 6 , 1 6 - 2 0 ) wird später berücksichtigt (s. S. 80f.).
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übrigens schon in § 19 (VS1304,21-23), wo noch ήχος hinzutritt, konsequent nur ψόφος verwendet. Wenn man jedoch φωνή mit den Übersetzern und Kommentatoren als „Stimme" versteht24, ergibt sich eine ähnliche Härte, wie sie schon Stratton an eben genannter Stelle zu Piatons φωνή-Definition bemerkt hatte: In einer allgemein formulierten akustischen Relation von Sinn und Objekt wirkt die Wahl eines speziellen Lautes, z.B. der Stimme auf der Objektseite befremdend. Zur Glättung dieser Unebenheit bleiben zwei Möglichkeiten: Das Wort φωνή behält entweder die Spezies-Bedeutung „Stimme" und illustriert dann nur beispielhaft die generelle akustische Beziehung, oder es wird zum gleichrangigen Synonym der Gattungsbezeichnungen ψόφος und ήχος angehoben. Eben diese zweite Möglichkeit ist der Ausweg, den Stratton in seiner Deutung des Piatonreferats von § 6 beschritten hat25 Welcher Weg bei dem Empedokles betreffenden Bericht der richtige ist, läßt sich angesichts des defekten Zustandes von Inhalt und Wortlaut der Stelle kaum unterscheiden. Auf den ersten Blick scheint alles für eine Synonymie von φωνή mit ψόφος und ήχος und nichts für eine exemplarische Funktion zu sprechen. Vielleicht kann hier die spätere Synopse aller voraristotelischen Belege präzisierend wirken. Die Reihe der όμοίω-Gegner beginnt mit Alkmaion (§25f=VS24A5). Seine Theorien werden äußerst knapp und ohne Kritik skizziert, und so finden sich auch zu seiner Akustik (§25) nur wenige Worte, deren Sinn ihrer Kargheit wegen alles andere als gesichert ist: άκούειν μεν ούν φησι τοις ώσίν, διότι κενόν έν αύτοΐς ενυπάρχει τούτο γαρ ήχεΐν. φθέγγεσθαι δε τω κοίλω, τον άέρα δ' άντηχείν26 Immerhin läßt auch dieser Text bei aller Unklarheit des akustischen Prozesses aus der darin verwendeten Terminologie eine αϊσθησιςαίσθητόν-Relation erkennen: Dem άκούειν auf der Seite des wahrnehmenden Subjektes entsprechen auf der Objektseite das ήχεΐν bzw. άντηχείν und φθέγγεσθαι2' - eine verbale Formulierung, die sich zu der an sich unproblematischen nominalen Beziehung άκοή-ήχος umformen läßt.
24 Vgl. Beare 96 „set in motion by the voice" (so auch Stratton], Bollack, Vol. II, 138: „par la voix", Gallavotti 113 „agitato dalla voce" 25 Spätestens hier wird sich der aufmerksame Leser an den ähnlich gelagerten vox-sonusKonflikt erinnert fühlen, in den die römischen Grammatiker geraten waren. Wir kommen später darauf zurück. 26 Text nach Diels, Dox. Gr. 506,23-25. Anders interpungieren Diels-Kranz VS 1211,38ff: ήχεΐν (φθέγγεσθαι δέ τω κοίλω], τον άέρα . Zu Wortlaut und Inhalt der Stelle vgl. Beare 93f, Stratton Anm. 76 und 77 und J. Barnes, The Presocratic Philosophers, 2 Vol., London 1979, Vol. 2, 176. Zu vergleichen ist Aetius IV 16, 2ff (= Dox.Gr. 406, 21ff.j (s. S. 80). Z u Alkmaion allgemein vgl. J. Mansfeld, Alcmaeon: ,Physikos' or Physician?, in: Kephalaion ed. by J. Mansfeld and L. M. de Rijk, Assen 1975, 26-38. 27 φθέγγεσθαι m u ß hier nicht unbedingt (wie in der bisher üblichen Interpretation) das ήχεΐν wiederaufnehmen, sondern es könnte auch entsprechend seiner Grundbedeutung „utter
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Anaxagoias wird im Bericht seiner α'ίσθησις-Theorie (§§ 27-37=VS 59 A 92) als der erste erklärte Anhänger des έναντίω-Prinzips eingeführt28. Dieses Prinzip wird im Referat (§§ 27-30) an allen fünf Sinnen, vornehmlich aber am Gesichts-, Tast- und Geschmackssinn erläutert (§§ 27-28). Geruch und Gehör werden dagegen in § 28 nur gestreift (VS II 28,4-6): ώσαύτως δε καί όσφραίνεσθαι καί άκούειν το μεν αμα τη αναπνοή, το δέ τω διικνεΐσθαι τον ψόφον άχρι του εγκεφάλου, τό γαρ περιέχον όστοϋν είναι κοίλον, εις ο έμπίπτειν τον ψόφον. Weitere akustische Kurznotizen dieser Art werden außerdem in die Thesen vom Schmerz der Sinneswahrnehmung (§ 29) und von dem Einfluß der Größe der Sinnesorgane eingearbeitet (§§ 29-30)29 Der gesamte Kritikteil (§§ 31—37)30 nimmt akustische Fragen nicht wieder auf. Von den drei άκοή-Stellen des Referatteils bietet nur die erste Verständnisschwierigkeiten, insofern unklar bleibt, wie das nach dem Anschluß ώσαύτως offensichtlich auch beim Riechen und Hören vorauszusetzende έναντίω-Prinzip bei diesen Sinnen wirken soll31 Einwandfrei und insbesondere unbehelligt von den semantischen Problemen, die sich aus der Verwendung von φωνή ergaben, bleibt dagegen die aus dem Anaxagorasbericht ablesbare Sinn-Objekt-Relation: άκούειν, bzw. άκοή entspricht als Objekt ψόφος32 Von Diogenes v. Apollonia33 war schon in unserer die Authentizität des Wortlautes betreffenden skeptischen Vorbemerkung die Rede (s.S. 62). Theophrast widmet ihm neun Paragraphen, von denen sechs dem Referat (§§ 39-45) und nur drei (§§ 46-48) einer nicht gerade zartfühlenden Kritik dienen34. Akustisches erscheint nur im Berichtteil - allgemein in § 40 a sound or voice" (Liddell and Scott s. v.) als Bezeichnung der (meist stimmlichen) La Istproduktion mit der anfangs genannten Lautrezeption (άκούειν) kontrastieren. Darauf verweist auch das korrespondierende μεν und δέ. Zu φθόγγος und φθέγγεσθαι vgl. die für unseren Zusammenhang wichtige Untersuchung von H. Fournier, Les verbes „dire" en grec ancien, Paris 1946, 231. 28 Vgl. außer Strattone Kommentar z.St. Beare, 103f und D. Lanza, Anassagora, Testimonianze e frammenti, Firenze 1966, 154-164, bes. 156ff (mit Kommentar). 19 VS II 28,9: καί τους υπερβάλλοντας ψόφους λύπην έμποιεΐν und VS II 28, 13-15: ομοίως δε καί έπί της άκοής. τά μεν γαρ μεγάλα των μεγάλων καί των πόρρωθεν άκούειν, τά δέ έλάττω λανθάνειν, τά δέ μικρά των μικρών καί των έγγΰς. 30 Der Kritikteil überwiegt auch hier (4 gegen 7 §§), aber nicht in dem Maße wie beim Empedokles-Referat. 31 Dies bemerken bereits Beare 103, Anm. 2 und Lanza 156. 32 Beim dritten Beleg (s.S. 68, Anm. 29) liegen mit των μεγάλων etc. wohl eher Neutra vor, als daß ψόφων zu ergänzen wäre. Ob diese Terminologie von Anaxagoras oder von Theophrast stammt, bleibt unklar. Zur Vorsicht mahnt schon VS 59 A 106 (= Aetius IV 19), w o das akustische Objekt mit φωνή bezeichnet wird (s. S. 82). 33 Der Kleidemos betreffende § 3 8 (VS 62 A 2) ist für unseren speziellen Aspekt kaum ergiebig. Als Objekt des Hörens wird έμπίπτων ό άήρ genannt. Zur (spärlichen) Diogenesliteratur vgl. Barnes, Vol 2, Kap. XI, zur Akustik, Beare 105f. 34 VS 64 A 19. Zu vgl. ist Aetius IV 16 (VS 64 A 21). s.S. 80.
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und unter dem speziellen Aspekt der Abhängigkeit der Hörschärfe von der Beschaffenheit des Hörorgans in § 41. Hier ergibt die erste Stelle ( VS II 55,13f) als Objekt der άκοή lediglich den άήρ κινηθείς, die zweite, oben zitierte Stelle (VS 1155,24-28) die Relation άκοή-ήχος/ψόφος άναρθρος mit allen bereits erläuterten Vorbehalten. Der αΐσθησις-Teil des Berichts endet mit den Theorien Demokrits (§§49-58 = VS 68 A 135), der nach der allgemeinen Vorbemerkung Theophrasts (§49) nicht mit Sicherheit der έναντίω- oder όμοίω-Partei zuzuordnen ist35 Der Abschnitt widmet sich hauptsächlich Demokrits optischer Theorie (§§ 50-54), an deren Referat (§ 50) sich anders als zuvor der entsprechende Kritikteil gleich anschließt. So ist es auch in der auf die Optik folgenden Akustik (§§ 55-56 Referat, § 57 Kritik), die allerdings weil kaum originell - weniger Beachtung findet. Dies gilt vollends von der Behandlung der restlichen Einzelsinne, zu der Theophrast lakonisch anmerkt: τάς δε άλλας αισθήσεις σχεδόν ομοίως ποιεί τοις πλείστοις. § 58 gilt abschließend dem φρονεΐν. In den akustischen Paragraphen ist zunächst von der άκοή allgemein die Rede (§ 55 = VS II 116,9ff). Sie wird von Demokritin ihrer grundsätzlichen Kausalität kaum anders verstanden als in den sonstigen von Theophrast referierten Theorien: εις γαρ το κενόν εμπίπτοντα τον άέρα κίνησιν εμποιεΐν36 Neu ist nur Demokrits These von der akustischen Aufnahmebereitschaft des gesamten Körpers - mag für ihn auch aus weiteren Erwägungen heraus das Ohr letztlich die entscheidende Wahrnehmungsinstanz bleiben (VS II 116, 10-13). Für unsere Frage nach der Sinn-Objekt-Relation werden erst die darauf folgenden Zeilen (VS II 116,13-15) interessant, in denen das Objekt der άκοή näher bestimmt wird: Die ins Ohr eingedrungene und dort fixierte Luft erfährt der Schnelligkeit ihres Auftreffens wegen eine das eigentliche Hören offensichtlich auslösende Streuung: όταν δέ έντός γένηται (sc. ό άήρ), σκίδνασθαι δια το τάχος.
3 5 Demokrits Wahrnehmungs- und Erkenntnistheorie, besonders aber die Optik haben in letzter Zeit wieder Aufmerksamkeit gefunden. Vgl. allgemein R. W Baldes, Theophrastus' witness to Democritus on perception, Apeiron 10,1 (1976) 4 2 - 4 8 (kritisch gegen McDiarmid, s. S. 60, Anm. 5| und M. M. Sassi, Le teorie della percezione in Democriteo, Firenze 1978. Speziell zur Theorie des Sehens vgl. R. W. Baldes, Democritus on visual perception: two theories or one?, Phronesis 20 (1975) 9 3 - 1 0 5 und W. Burkert, Air-imprints or eidola: Democritus' aetiology of vision, Illinois Classical Studies 2 (1977) 9 7 - 1 0 9 (jeweils mit der wichtigsten älteren Literatur). Zur Akustik vgl. neben Strattone Kommentar Beare, 9 9 - 1 0 2 und R. E. English, Democritus' theorie of sense perception, TAPhA 46 (1915) 2 1 7 - 2 2 7 , 221f. 3 6 Beare 99 (the vacuum of the ear) und Stratton 115 (the aural cavity) beziehen das κενόν einseitig auf das Ohr. Dies scheint mir nicht zwingend, denn die bewegte Luft dringt ja nach der im Anschluß referierten Meinung Demokrits nicht nur in die Ohren, sondern in den gesamten Körper ein. Das κενόν bezeichnet also zunächst einmal das Leere im Körper überhaupt.
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Das τάχος der Luft wird so (neben ihrer erst im nächsten Satz erwähnten Dichtigkeit) zur entscheidenden Voraussetzung des Hörvorgangs, denn die Luft wird nicht in einem beliebigen, sondern nur im Zustand hoher Bewegungsintensität und Dichte zum akustischen Wahrnehmungsobjekt, das übrigens erst jetzt auch terminologisch fixiert wird: την γαρ φωνήν είναι πυκνουμένου του άέρος και μετά βίας είσίοντος. An diesem Satz überrascht nur die Wahl des Wortes φωνή zur Bezeichnung des akustischen αίσθητόν, denn der Kontext legt es nahe, daß hier nicht proprie von der Stimme, sondern von jeder Art Schall die Rede sein soll. Daß dabei keine stellengebundene Ungenauigkeit in der Wortwahl, sondern eine unverkennbare terminologische Konsequenz vorliegt, zeigt schon der nächste Paragraph |§ 56), in dem es um die Hörschärfe geht. Scharfes Hören setzt bestimmte anatomische und physiologische Qualitäten voraus (z.B. großes Vakuum, Trockenheit etc.), denn nur so kann sich die eindringende Luft, um als akustisches αίσθητόν wirksam zu werden, fixieren, verdichten und streuen. Dies heißt im Griechischen VS II 116, 18-20: άθρόον γαρ αν ούτως είσιέναι την φωνήν άτε δια πολλού κενοΰ και άνίκμου καί εύτρήτου είσιοϋσαν και ταχύ σκίδνασθαι και όμαλώς κατά το σώμα καί ού διεκπίπτειν εξω. Wieder ist statt eines allgemeineren Ausdrucks φωνή gewählt. Kein Zweifel: auch für den Demokrit-Bericht gilt die Relation άκοή-φωνή. Daß ein solcher Sprachgebrauch die Übersetzer und Kommentatoren irritiert hat, ist nach unserem Verweis auf ähnliche Probleme in den Parmenides-, Piaton- und Empedokles-Referaten kaum verwunderlich. Schon Theophrast hat anscheinend, wie anfangs (S. 62) bemerkt, mit dem im Kritikteil (§57) statt φωνή gewählten ψόφος eine - allerdings recht unauffällige - terminologische Korrektur anbringen wollen". Deutlicher wird die Irritation bei Beare und Stratton. Beare erklärt nach seinem Referat der Theorie Demokrits, in dem er φωνή durchgängig mit „vocal sound" wiedergibt: „In the above extracts from Theophrastus the particular object of hearing is referred to as φωνή - voice or vocal sound. This word is not of course equivalent to sound in general, but it is taken, as often, for the leading type of sound. It is chosen simply because speech is one of the most interesting and important kinds of sound" (Beare 101). Dagegen meint Stratton, der φωνή mit „sound" übersetzt, Theophrast müsse zwar im Anschluß an Aristoteles ψόφος und φωνή grundsätzlich unterschieden haben, verwende aber hier, wie auch in § 6 und 21, beide Wörter synonym, und zwar bald als „general", bald als „specific term" (Anm. 138)38 37
Theophrast verfährt hier nach dem Vorbild des Aristoteles, der in einer vergleichbaren doxographischen Partie (VS 58 Β 35) ebenso konsequent im eigenständigen Referat ψόφος verwendet und nur bei Anlehnung an den Originalwortlaut (VS 1461, 4ff) φωνή zuläßt. 38 Dieselbe Unsicherheit begegnet auch bei einem von Diogenes Laertius überlieferten Werktitel Demokrits Αίτίαι περί φωνών (VS II 91, 14), den z.B. O. Apelt in seiner Diogenes-
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Die beiden inzwischen bereits bekannten Auswege aus dem semantischen Dilemma haben also bei Demokrit jeweils ihre Vertreter gefunden: Beare plädiert für die Beibehaltung der proprie-Bedeutung von φωνή und demzufolge für deren bloß exemplarische Verwendung auf der αίσθητόνSeite. Stratton ist dagegen für die (nicht selbstverständliche) Anhebung von φωνή zum Synonym von ψόφος. Im Fall Demokrits gibt es übrigens zwei Belege, die die Auffassung Beares begünstigen, aber von ihm nicht berücksichtigt worden sind: Daß Demokrit unter φωνή nämlich auch proprie „Stimme" versteht, zeigt schon Theophrasts Bericht selbst - nur nicht in seinem akustischen Teil. Im Verlauf der optischen Partie zieht Theophrast (§53) die jeder Erfahrung widersprechende Konsequenz, daß es unter den von Demokrit gesetzten Prämissen eine Art visuelles Echo, ein Sich-Selber-Sehen geben müsse - ähnlich dem akustischen Echo, dem Sich-Selber-Hören, das ja auch Demokrit selbst bekannt sei, denn: άνακλδσθαι γάρ φησι καί προς αύτόν τον φθεγξάμενον την φωνήν (VS II 115, 20). Daß φωνή hier nur Stimme bedeuten kann, unterliegt angesichts der dazu genannten stimmerzeugenden Person keinem Zweifel. In dieselbe Richtung deutet eine andere Stelle: VS 68 A 126a, ein Zitat aus Porphyrios' Ptolemaioskommentar: Hier wird die aktive ορασις mit der bloß passiven άκοή verglichen, von der es - offensichtlich mit Verwendung von Worten Demokrits - heißt: ού καθάπερ ή ορασις ούτω που καί ή άκοή, αλλ', ώς φησιν Δ., έκδοχεΐον μύθων ούσα μένει την φωνήν αγγείου δίκην ι (VS II 112, 36ff). Hier weist das μύθων auf sprachliche Äußerung und kennzeichnet somit auch das folgende φωνή als stimmliche, ja sprachliche Lautäußerung im eigentlichen Sinne, die der άκοή als Objekt gegenübergestellt wird39 Demokrit könnte es also, wenn er άκοή und φωνή aufeinander bezieht, tatsächlich im Sinne Beares nicht direkt auf die generelle akustische Relation „Gehör-Geräusch", sondern vielmehr auf die spezielle Relation des Sprechaktes, der sprachlichen Kommunikation „HörenSprechen" abgesehen haben. Wir kommen auch darauf später zurück. Auf den αίσθησις-Teil folgt der zweite und letzte, den αισθητά gewidmete Hauptteil (§§ 59-91). Hier konzentriert sich Theophrast nach einer zusammenfassenden Vorbemerkung (§ 59), in der nur Anaxagoras und Empedokles namentlich erwähnt werden, auf Demokrit (§ 60-82) und
Übersetzung, Hamburg, 2. Aufl. 1967, 183 mit „Ursachen in betreff des Schalls" übersetzt. So auch M. Gigante in seiner Übersetzung Diogene Laerzio, Rom-Bari 2. Aufl. 1 9 / 6 , 2 Vol., Vol. II 371 (cause relative al suono). 39 In die Reihe dieser Belege gehören auch Demokrits αγάλματα φωνήεντα von VS 68 Β 142: die Götternamen als sprechende Bilder. Vgl. dazu M. Hirschle, Sprachphilosophie und Namensmagie im Neuplatonismus, Beiträge zur Klassischen Philologie, Meisenheim am Glan 1979, 63-65.
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Platon (§§ 89-91), denn nur sie haben sich laut Theophrastim Bereich der αισθητά um Vollständigkeit bemüht. Leider stehen Objekte des Hörens, wie schon S. 61 bemerkt, in diesem Teil des Berichtes nicht im Mittelpunkt. In der Vorbemerkung werden sie als theoretischer Gemeinplatz erwähnt40, im Demokrit-Referat gänzlich außer acht gelassen, dafür aber im Piatonpassus gleich zweimal, im Referat von § 85, besonders aber in der Kritik von § 91 in einer Weise berührt, die für den gesamten akustischen Teil des Theophrastberichtes wichtig ist. Um das Bild seiner Argumentation abzurunden, müssen also diese beiden Platonbelege schon jetzt behandelt werden - allerdings noch nicht mit dem späteren Ziel der Erhellung platonischer Ansätze, sondern allein mit dem Blick auf Theophrasts kritische Perspektive. Von Piatons άκοή-Theorie war schon in § 6 die Rede, wo die Timaiosdefinition von 67a7-b5 mit dem Zusatz άκοήν δέ δια της φωνής ορίζεται verkürzt, aber annähernd wörtlich zitiert wurde41 Von dieser zweiteiligen Definition - der erste Teil bestimmt die φωνή, der zweite die άκοή wird in § 85 nur der φωνή-Teil wiederholt, weil es jetzt ausschließlich um das αίσθητόν und nicht mehr um die αισθησις gehen soll. Dafür wird als weitere Kennzeichnung des akustischen Objekts der sich im Timaios 67b6ff unmittelbar anschließende Hinweis auf Tondifferenzen - ebenfalls verkürzt - angeschlossen und um ein paraphrasierendes Exzerpt aus der φθόγγοι-Passage von Timaios 80a3ff erweitert42. Es wird nicht verwundern, daß auch an dieser Stelle das Problem wieder darin liegt, daß das Pendant der άκοή mit φωνή bezeichnet wird. Die Geister scheiden sich in der vor allem am Beispiel Demokrits erläuterten Weise, indem z.B. Stratton aus den auf S. 65 zitierten Gründen bei der Übersetzung „sound" bleibt, während Beare die Stelle ebenso konsequent mit „vocal sound" wiedergibt43 Insbesondere aus der Demokritpassage hatte sich aber die Vermutung ergeben, daß bereits Theophrast Vorbehalte gegen die terminologische Zuordnung άκοή-φωνή empfunden haben könnte44 Durch Theophrasts Kritik an Piatons Bestimmung des akustischen Objektes von §91 wird diese Annahme entschieden bestärkt (Dox.Gr. 527, 3-6): ένδεεστέρως και ό της φωνής εΐρηται λόγος · ούτε γαρ κοινός απασι τοις ζωοις έστίν ούτε τήν αίτίαν λέγει τής αίσθήσεως βουλόμενος. ετι δε ού τον ψόφον και τήν φωνήν, άλλα τήν ήμετεραν α'ίσθησιν εοικεν άφορίζειν. In diesen Zeilen werden drei schwerwiegende Einwände formuliert dies allerdings in einer die Hierarchie der Argumente umkehrenden Reihenfolge. Das erste und wichtigste Argument wird zuletzt genannt: 40 41 42 43 44
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§ 59, DoxGr 516, 8f: καί προς τούτους περί τε φωνής, οτι κίνησις του άέρος. Vgl. Dox.Gr. 500, 14-16 und oben S. 65. Vgl. Dox.Gr. 525, 17-19 und die Textsynopse bei Stratton Anm. 19 und 224. Vgl. Stratton, Anm. 222 und Beare, 108. S.S.61Í und 70.
Piatons φωνή-Definition trifft nicht das akustische αίσθητόν; sondern nur die αίσθησις. Statt auf der Objektseite der akustischen Sinnrelation άκοή -φωνή Klarheit zu schaffen, etwa durch eine differenzierende Beschreibung von ψόφος und φωνή45, wird die fehlende Objektdefinition durch die Beschreibung des sensuellen Prozesses auf der Subjektseite ersetzt46 Im Fall Piatons scheint Theophrast mit seinem bereits zitierten Zusatz άκοήν δε δια της φωνής ορίζεται sogar eine methodische Fehlerdopplung anzunehmen. In der erklärten Absicht, eine Sinneswahrnehmung bestimmen zu wollen (Timaios 67a7ff), wählt Piaton zunächst den Umweg über die Objektdefinition der φωνή, die sich aber ihrerseits nach Kritik von § 91 als eine αίσθησις-Definition herausstellt. Piaton erklärt also eine αϊσθησις durch ein αϊσθητόν und dieses αίσθητόν wiederum durch eine αΐσθησις, aus der Sicht Theophrasts ein doppelter methodischer Irrtum. Das diesem Einwand nächst untergeordnete Argument steht auch im Text an zweiter Stelle: Selbst wenn hier eine αΐσθησις-Definition angebracht gewesen wäre, so bliebe sie doch in sich mangelhaft, weil ihr das eigentliche Definiens, die αιτία, die Wahrnehmungsursache fehle. Und eben die habe Piaton seinen eigenen Worten nach47 - daher Theophrasts βουλόμενος - angeben wollen. Schließlich das dritte, aber erstgenannte Argument: Ein so definiertes αίσθητόν wäre nicht allen Lebewesen, sondern nur solchen zugänglich, die in der von Piatons Definition angedeuteten Weise physisch organisiert sind, also Ohren, Kopf, Blut, eine Leber etc. haben. Zusammenfassend lautet also Theophrasts Kritik: 1. Piatons φωνή-Definition ist keine Objekt-, sondern eine Sinndefinition. Ihr fehlt daher die Bestimmung und Gliederung akustischer Objekte (ψόφος-φωνή). 2. Selbst wenn man sie als Sinndefinition gelten ließe, so fehlt ihr doch als wesentliches Merkmal die Wahrnehmungsursache. 3. Selbst wenn man sie nicht als Sinn-, sondern sogar als Objektdefinition gelten ließe, so wäre ihr Anwendungsbereich durch die Angabe zu spezieller physischer Wahrnehmungsbedingungen auf der Seite der wahrnehmenden Subjekte beschränkt48 45 Selbst Stratton muß Anm. 238 zugeben, daß ψόφος und φωνή hier nicht synonym sein können. Er übersetzt mit „whether inarticulate or vocal (sc. sound|" 46 Darin liegt, wie Theophrast § 6 0 vorausschickt, ein allgemeiner Verfahrensfehler, ja sogar ein Widerspruch zu eigenen Voraussetzungen, der übrigens nicht nur Piaton, sondern auch Demokrit anzulasten ist. Während Piaton die αισθητά für objektiv halte, sie aber überwiegend aus ihrer subjektiven Wahrnehmung bestimme, beschreibe sie Demokrit als Objekt, ohne an der reinen Subjektivität ihrer Existenz zu zweifeln. 47 Timaios 67blf: την άκοήν, δι'άς αιτίας τα περί αύτό συμβαίνει παθήματα, λεκτεον. 48 Wie sehr diese Kritik im Bewußtsein der späteren aristotelischen Lehre geschrieben ist, zeigt die Tatsache, daß sich Aristoteles um eben diese drei Aspekte intensiv bemüht hat (s.S. 62, Anm. 9 und S. 119).
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Mit dieser Kritik, besonders aber mit ihrem ersten Punkt läßt sich abschließend in Verbindung mit anderen zuvor erläuterten Aspekten, Theophrasts bisher strittige Reaktion auf die von ihm vorgefundenen Unklarheiten in der terminologischen Zuordnung des akustischen Objekts zur άκοή präziser fassen: Wenn man bedenkt, daß Theophrast 1. Piaton das Fehlen einer Objektdefinition und einer terminologischen Differenzierung (ψόφος-φωνή) auf der Objektseite vorwirft, 2. einer unklaren (Empedokles ψόφος-ήχος-φωνή) oder einer überraschenden (Demokritipoovp) Terminologie mit der konsequenten Wiederaufnahme durch ψόφος begegnet49 und 3. die aristotelische Scheidung von ψόφος-Schall und φωνή-Stimme kennt, so ergibt sich : Nicht Theophrast zeigt, wie Stratton meint50, Unklarheiten im Gebrauch von φωνή, sondern er ist bereits selbst im Bewußtsein der aristotelischen Lehre von einer Terminologie irritiert, die auf der Objektseite einer allgemein verstandenen Sinnrelation φωνή statt des zu erwartenden ψόφος zuläßt. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte Theophrast selbst die Relation άκοή-ψόφος gesetzt und φωνή als Schallspezies verstanden haben51
Zusammenfassung
Zur besseren Übersicht und Greifbarkeit des Materials werden die akustischen Belege von „de sensibus" in zwei Tabellen zusammengestellt. Die erste nennt in der Reihenfolge des Berichts die jeweils zur Bezeichnung der akustischen Sinn-Objekt-Relation verwendete Terminologie und vermerkt, sofern vorhanden, Theophrasts kritische Reaktion. Aus dieser Übersicht ergibt sich die zweite Tabelle, die die Autoren dem Hauptproblem der akustischen Partien entsprechend nach der Art ihrer Objektterminologie gruppiert. Aus der Einzelinterpretation und der tabellarischen Synopse läßt sich zusammenfassend schließen: 1. Eine Reihe von Philosophen vor Aristoteles hat aus überwiegend 49
50 S.S. 62, S. 66f und 70. S. Stratton Anm. 18, 138, 222 und 238. Diese Vermutung ließe sich durch eine detaillierte Analyse der akustischen Terminologie in dem von Porphyrios (Ptolemaioskommentar 61,22ff Düring, s.S. 90, Anm. 94) überlieferten Auszug aus Theophrasts περί μουσικής absichern. Obwohl dies hier nicht geleistet werden kann, sei doch wenigstens kurz vermerkt, daß der hier vorliegende Sprachgebrauch unsere Behauptung zu bestätigen scheint: φωνή ist in erster Linie proprie „die Stimme" (63, Iff), Instrumentallaute heißen ήχος (bei Saiteninstrumenten 63,13), Musiklaute allgemein φθόγγοι (passim), aber auch φωναί (z.B. 62, 25). Zur Entstehung dieser Bedeutung von φωναί vgl. die Besprechung des Archytasfragmentes S. 89f. 51
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A u t o r (§§)
Sinn
Objekt
Kritik (§§)
1. P a r m e n i d e s (4)
αϊσθάνεσθαι
φωνή-σιωπή
—
2. Piaton (6,85]
άκοή
φωνή
άκοή d u r c h ψόφος b e s t i m m t . (6) ψόφος-φωνήDefinition fehlt. (91)
3. E m p e d o k l e s (9)
άκοή
ψόφος, φωνή, ήχος
Wiederaufnahme durch ψόφος (19,21)
4. A l k m a i o n (25)
άκούειν
ήχεΐν, φθέγγεσθαι
5. A n a x a g o r a s ( 2 8 - 3 0 )
άκούειν
ψόφος
—
6. K l e i d e m o s (38)
αί άκοαί
εμπίπτων ό άήρ
—
7 Diogenes
(40,41)
άκόη, άκούειν
ήχος, ψόφος άναρθρος
8. D e m o k r i t
(55,56)
άκοή
φωνή
9. οί μεν άλλοι (59)
II. άκοή-φωνή
άκοή-ψόφος
Parmenides Piaton Alkmaion Anaxagoras
Demokrit
Diogenes
—
Wiederaufnahme durch ψόφος. (57)
φωνή-κίνησις του άέρος
-
—
-
unklar
Kritik erhalten
Empedokles
Platon Empedokles
Kleidemos
οί μεν άλλοι"
Demokrit
wahrnehmungs- und erkenntniskritischem Interesse53 mit der Sinneswahrnehmung zugleich auch deren Objekte, darunter natürlich auch 5 2 Die οί μεν άλλοι von § 59 zähle ich zur unklaren Gruppe, weil aus Theophrasts Referat nicht ersichtlich ist, aus welchem Kontext ihre φωνή-Definition stammt. Sie könnte aber nur bei einer klaren Zuordnung zur άκοή den Rang eines allgemeinen Sinnkorrelats erhalten. 5 3 Dies beweisen z.B. Belege außerhalb von „de sensibus" wie Parmenides 28 Β 7, 4ff, Empedokles 31 Β 2, Β 39ff, Anaxagoras 59 Β 21 oder Demokrit 68 Β 9. Man sollte nicht vergessen, daß Theophrast meist keine Auskunft über den Kontext seiner Exzerpte gibt und daß seine Auswahl- und Anordnungsprinzipien nicht seinen Quellen, sondern der aristotelischen Psychologie verpflichtet sind.
75
akustische Objekte zu bestimmen versucht und in einer Sinn-ObjektRelation aufeinander bezogen. 2. Von einer klaren Definition und Dihärese auf der Objektseite kann dagegen noch keine Rede sein. Es scheint sich vielmehr nur um die Formulierung einer generellen Sinn-Objekt-Relation zu handeln, zunächst ohne die gesuchte Tendenz, in einem dihäretischen Dreischritt auf die Sprache zu führen. 3. Die Terminologie der Objektseite zeigt jedoch bereits Theophrast und später auch moderne Interpreten irritierende Differenzen, weil sie auf der Objektseite der akustischen Relation neben einwandfreien oder unklaren Begriffen auch einen Terminus zuläßt, der zunächst an stimmliche, vielleicht sogar an sprachliche Äußerung denken läßt: φωνή. Hier kommt es zu einer semantischen Kollision mit adäquateren, weil allgemeineren Termini, wie z.B. ψόφος und ήχος, die überraschenderweise an den voxsonus-Konflikt der römischen Grammatiker erinnert. Als Lösungsalternative bietet sich an: 1. die Annahme einer Synonymität von ψόφος und φωνή (Stratton) oder 2. die Beibehaltung der proprie-Bedeutung von φωνή und die Annahme ihrer exemplarischen Verwendung in der akustischen SinnObjekt-Relation (Beare). Unsere Interpretation der φωνή-Belege ergab keine sichere Entscheidung. Die folgende Zusammenstellung zeigt aber, daß man in keinem Fall mit zweifelsfreier Eindeutigkeit von der Genus-Bedeutung „Schall" ausgehen kann: Parmenid.es: menschl. Stimme (S. 64). Platon: unklar, aber kritische Reaktion Theophrasts, Definition zeigt Bindung an bestimmte ζώα. (S. 65, 72ff). Empedokles: unklar, weil Text völlig ungesichert (S. 66 ff ), die Übersetzer wählen durchweg „Stimme" Demokrit: unklar, könnte auch menschl. Stimme, ja Sprache gemeint haben (S. 71f). oi μεν άλλοι: unklar, weil Kontextmarkierung fehlt (s. S. 75, Anm. 52). 4. Unter diesem Aspekt gliedern sich die Autoren in die drei genannten Gruppen, wobei sich insbesondere Demokrit und Piaton als eindeutige Vertreter der άκοή-φωνή-Gruppe herausheben 54 Gerade sie sind es auch, von denen sich Theophrast außer von dem in diesem Punkt unklaren Empedokles durch unauffällige, nur im Fall Piatons merklichere Kritik distanziert. 54 Parmenides dürfte wegen der besonderen Umstände seines Belegs (s. S. 63 £), die die Bedeutung φωνή = Stimme nahelegen, von vornherein für diese Gruppe ausfallen.
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2 Der Bericht des Aerius Nach Theophrasts „de sensibus" ist als nächste Quelle für die voraristotelische Akustik eine doxographische Schrift zu nennen, die Diels vor allem aus dem Konsensus einer unter Plutarchs Namen überlieferten Epitome mit Stobaios-Exzerpten gewinnen konnte: die „Piatita" des Aerius (1. Jhdt. v. Chr.)" In diesem als philosophiegeschichtliche Quelle ebenso bedeutsamen wie unerschlossenen Werk „war die gesamte Naturphilosophie von Thaies und Pythagoras an bis in die Zeit des Poseidonios nach Problemen verzettelt dargestellt"56 Die thematisch bestimmten Einzelabschnitte bilden den jeweiligen Rahmen für die doxographische Belegreihe, die keinem erkennbaren Ordnungsprinzip, etwa einer Autorenchronologie gehorcht. Die Kapitel schließen sich aber ihrerseits, wenn man das den beiden von Diels dem Text vorgeschalteten „indices capitum" entnehmen darf", zu größeren inhaltlichen Blöcken zusammenS8 Für die hier in Frage kommenden akustischen Belege ist der psychologische Kontext gesichert, denn sie erscheinen bei Pseudo-Plutarch wie auch bei Stobaios in einer kontinuierlichen περί-ψυχής-Reihe, die deutlich an die thematischen Zusammenhänge des Theophrast-Berichtes erinnert. Im allgemein psychologischen Rahmen (IV 2 - 7 und 21-23) werden die Sinne und ihre Objekte zunächst allgemein (IV 8-12), dann auch einzeln, aber unvollständig behandelt (IV 9-20) 5 9 Neben dem Gesichtssinn (IV 13), dem Riechen (IV 17) und dem Schmecken (IV 18) erscheint so die für uns wesentliche άκοή (IV 16) - und wie ihre Position in der αΐσθησις-Reihe zeigt, als deren Sinnesobjekt die φωνή allgemein (IV 19) und unter dem inzwischen bekannten Spezialaspekt εί ασώματος ή φωνή καν πώς ήχώ γίνεται (IV 20) 60 . Schon die bloße Disposition der Abschnitte scheint also für den gesamten Aetius-Bericht die Sinn-Objekt-Relation άκοή-φωνή nahezulegen. Vor solch voreiliger Auswertung dieser philosophiegeschichtlichen 5 5 Vgl. Diels, Dox.Gr. Prolegomena 45ff und Text 2 6 7 - 4 4 4 . Außer bei Pseudo-Plutarch und Stobaios ist Aetius auch in Pseudo-Galens Historia philosopha (Dox.Gr. 5 9 5 - 6 4 8 ) verwertet. Diels' Pseudo-Plutarch-Text ist j etzt mit J. Maus Edition zu vergleichen. Vgl. Plutarchi Moralia V 2,1 ed. J. Mau, Leipzig 1971. Vgl. jetzt auch Aetius Arabus, von Hans Daiter, Wiesbaden 1980. 5 6 Vgl. O. Gigon, Lexikon der Alten Welt s.v. Aetios. 5 7 Vgl. Dox.Gr. 2 6 8 - 2 7 2 . Im folgenden wird die auch für Diels verbindliche Gliederung Pseudo-Plutarchs zugrundegelegt, von der die des Stobaios stellenweise abweicht. 5 8 Wie z.B. Physik (I), Kosmologie (II], Meteorologie (III), Psychologie |IV) und Biologie (V). 5 9 Bei Pseudo-Plutarch fehlt der Tastsinn, der für Stobaios (I 56) bezeugt ist, Sinnesobjekte werden nicht systematisch aufgelistet. Wie zufällig eingestreut erscheinen zwei optische (IV 14 und 15) und zwei akustische Objektkapitel (IV 19 und 20). 6 0 Zu den akustischen Partien IV 16, 19 und 20 sind die entsprechenden Kapitel bei Pseudo-Galen 97 (637,12ff), 100 (638,4f) und 101 (638,14ff) zu vergleichen, die im Wortlaut häufig abweichen.
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Quelle muß jedoch dringend gewarnt werden. Mehr noch als beim Bericht des Theophrast zwingt ein Blick auf die kompilierende Verarbeitung der philosophischen Tradition durch Aetius zu größter Skepsis61 Dafür zwei Beispiele: Das Kapitel IV 19 περί φωνής beginnt mit Piatons φωνή-Theorie. Der Kurzbericht (Dox.Gr. 407ab 22-408a 8) enthält zwei mit και verbundene Definitionen und eine kritische Anmerkung, die, wie schon Diels im Apparat z.St. anmerkt, „non iam ad Platonem pertinent"62 Es ist also zunächst festzuhalten, daß das Referat nur in seinem ersten Teil aus verarbeiteten Originalbelegen besteht. Die beiden nachweislich auf Piatontexten fußenden Belege zeigen alle Kennzeichen einer erheblichen Umarbeitung: Schon die zweite Definition (408ab 1-3), die als Zitation der φωνή-Definition von Timaios 67b 2-4 gedacht ist63, formuliert den Originaltext sinnändernd um, insofern als das schwierige εγκεφάλου καν α'ίματος von 67b 3 dem δι' ώτων zugeschlagen wird. Die erste Definition lautet (407ab 22-408a 1 ) : Πλάτων την φωνήν ορίζεται πνεύμα δια στόματος από διανοίας ήγμενον. Es ist nicht sonderlich schwer herauszufinden, auf welche Piatontexte sich diese Stelle stützt. Heranzuziehen ist wohl vor allem die Partie Theaitetos 206d 1-5, in der Sokrates und Theaitetos dem Begriff λόγος drei Bedeutungen zuzuweisen suchen, deren erste als „Sprache = lautlicher Ausdruck des gedanklichen Inneren" in dem genannten Text fixiert wird: d
ΣΩ. T ò μεν πρώτον εϊη âv tò την αύτοΰ διάνοιαν εμφανή ποιεΐν δια φωνής μετά ρημάτων τε και ονομάτων, ώσπερ εις κάτοπτρον ή ϋδωρ την δόξαν έκτυπούμενον εις την δια του στόματος ροήν. ή ού δοκει σοι το τοιούτον λόγος είναι ; "
Erst der Vergleich mit dieser Stelle macht die Ratio der Verarbeitung durch Aetius deutlich: Zwar sind einige Beziehungen des Originalbelegs zwischen φωνή, στόμα und διάνοια noch ansatzweise erkennbar, aber sie sind gegenüber der Vorlage stark simplifizierend verkürzt65 Besonders gravierend wirkt aber ein Verarbeitungsfehler, den man „Umlemmatisierung des Originalbelegs" nennen könnte. Die Platonstelle gilt ja nicht der 61 Vgl. schon O. Gigon LAW s.v. Aetios: „Es wimmelt freilich von Verkürzungen und Einschiiben verschiedenster Provenienz." 62 Die Kritik lautet: λεγεται δε και καταχρηστικώς έπϊ των άλογων ζώων φωνή καί των άψυχων ώς χρεμετισμοί καί ψόφοι · κυρίως δε φωνή ή έναρθρος έστιν ώς φωτίζουσα το νοοΰμενον. (Dox.Gr. 408ab 3-81. Das Scholion soll offensichtlich mit Hilfe der Etymologie die in beiden Platonbelegen erkennbare Fixierung der φωνή auf den menschlichen Bereich sanktionieren. Interessant ist, daß ψόφος hier klar von φωνή geschieden wird, φωνή aber auf die Bedeutung „artikulierte, menschliche Sprache" reduziert und den Tieren abgesprochen wird. 63 Aetius läßt damit wie schon Theophrast § 85 den zweiten Teil von Timaios 67b 4 - 5 weg. 64 Dies wird Theaitetos 208c 4f mit den Worten το μεν γαρ ην διανοίας έν φωνή ώσπερ είδωλον wieder aufgenommen. Pate hat sicherlich auch Sophistes 263e 7f gestanden. (Zu den weiteren Stellen s.S. 105, Anm. 144). 65 Der Logosrahmen fehlt, das Abbildverhältnis von διάνοια und φωνή, die ονόματα und ρήματα.
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φωνή, sondern dem λόγος, der als ein zweigliedriges Zeichen, nämlich als ein sich in den Luftstrom der Stimme abbildender gedanklicher Inhalt, vorgestellt wird. Die φωνή (= του στόματος ροή) repräsentiert somit im Platonbeleg nur die eine Komponente des Sprachzeichens, den Ausdrucksträger, das Medium, das Significans, das erst zusammen mit dem Significatum (διάνοια, δόξα) die Einheit des λόγος ausmacht. Im AetiusBeleg ist diese Relation verloren, φωνή rückt an die Stelle des Definiendum λόγος und nimmt so dessen gesamten Inhalt in sich auf66 Allein der Piatonbericht zeigt also schon eine beträchtliche Verfremdungspalette: spätere Zusätze, aber auch simplifizierende Verkürzung, z.T. sinnentstellende Umformulierung, Quellenkontamination und Umlemmatisierung. Das nächste Beispiel, das Referat der φωνή-Theorie Epikurs (Dox.Gr. 408a 9-20) soll, um diese Vorbemerkung kurzzuhalten, nur unter dem Aspekt der Umlemmatisierung betrachtet werden. Zum Glück läßt sich Aetius auch hier mit Hilfe des Originals, einer Stelle im Herodotbrief Epikurs (Diog. Laert. X 52f) kontrollieren. Wir lesen bei Aetius (408a 9-11): 'Επίκουρος την φωνήν είναι ρεύμα έκπεμπόμενον άπό των φωνουντων ή ήχούντων ή ψοφουντων. Diese Formulierung irritiert nicht unerheblich, denn wenn schon die Gleichung φωνή = ρεΰμα φωνουντων zwar noch akzeptabel, aber doch unangenehm tautologisch wirkt, so bleibt die Bestimmung der φωνή als ρεΰμα ήχούντων oder ψοφουντων vollends unverständlich. Das Rätsel löst sich schnell, wenn man die Vorlage vergleicht. Hier heißt es (Diog. Laert. X 52): 'Αλλά μην και το άκούειν γίνεται ρεύματος τίνος φερομένου άπό του φωνοΰντος ή ήχοΰντος ή ψοφοΰντος ή οπωσδήποτε άκουστικόν πάθος παρασκευάζοντος. Man sieht, daß im Aetius-Text das Lemma von der hier allein passenden άκοή in Verwirrung stiftender Weise auf die φωνή verschoben ist. Epikur geht es primär um das άκούειν, also um die Bestimmung einer Sinneswahrnehmung. Die Objektseite wird zwar an dieser Stelle und auch im weiteren Textverlauf immer wieder erwähnt, sie soll aber in diesem Zusammenhang unbestimmt bleiben, denn sie ist nicht das Telos dieses Abschnittes. Darauf deutet schon Epikurs οπωσδήποτε άκουστικόν πάθος παρασκευάζοντος67 66
Denkbar ist aber (nach einem Hinweis K. Nickaus) auch, daß bereits Aetius' Quelle den Fehler der Umlemmatisierung enthielt. Darauf deutet die Definition der pseudoplatonischen "Οροι 414 dl: φωνή ρεΰμα δια στόματος άπό διανοίας die wegen des ρεΰμα statt πνεΰμα sicherlich Piaton näher steht und ebenfalls die platonische λόγος-Definition (Vgl. hier vor allem Sophistes 263e 7f) auf φωνή umlemmatisiert. Die Skepsis gegenüber Aetius wird deshalb um nichts geringer. 67 Solche Objektdifferenz wäre ja auch nur aus der Betrachtung der jeweils unterschiedlichen Lautproduktion zu gewinnen, um die es hier mit dem Blick auf die Lautrezeption nicht geht. Immerhin werden Unterschiede zwischen ψόφος, ήχος und φωνή spürbar. Im weiteren Text (§53) wird φωνή verwendet, aber ausschließlich in der Bedeutung „menschliche Stimme",
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Eine Umlemmatisierung vom Sinn zum Objekt, wie sie Aetius vornimmt, verkennt also die eigentliche Tendenz des zu verarbeitenden Originalbelegs und verrät damit die Sorglosigkeit einer Verarbeitungsweise, die sich von der bloßen Nennung gesuchter Definienda zu einer sinnentstellenden Umwidmung ihrer Vorlage veranlaßt fühlt. Man wird nach diesen Einwänden verstehen, daß solche Belege in den Placita des Aetius kaum geeignet sind, Vertrauen in ihre Authentizität zu erwecken. Unsicher bleiben nicht nur Wortlaut und Quelle, sondern sogar die Zuweisung zu den jeweils gewählten Lemmata. Unsicher muß dann im Fall von περί φωνής auch die hier suggerierte Sinn-ObjektRelation von άκοή und φωνή bleiben. Wir sind trotzdem gezwungen, die Belege des Aetius nicht zu vernachlässigen, weil sie für manche Theorien ganzer Philosophieschulen, z.B. der Stoiker, zu den wenigen greifbaren Zeugnissen zählen. Bei ihrer Auswertung verfahren wir in der bei Theophrast gewählten Weise68 Im Kapitel περί άκοής (IV16 = Dox.Gr. 406ab 15-31) sind die Ansichten von Empedokles, Alkmaion, Diogenes und Piaton gesammelt. Sie sind sämtlich auch von Theophrast berücksichtigt, weshalb sich hier willkommene Vergleichsmöglichkeiten anbieten 6 '. Im Empedoklesbeieg (406,16-20=VS 31A 93), der sich eher in der Formulierung als im Inhalt vom entsprechenden Theophrastbeleg (s. S. 65 f ) unterscheidet, ist nur von der άκοή die Rede. Das bei Theophrast terminologisch unklar gefaßte Objekt erhält hier überhaupt keinen Terminus, sondern wird mit πρόσπτωσις πνεύματος umschrieben. Der Alkmaionpassus (406, 21-24 = VS 24 A 6) entspricht im ganzen dem Theophrastbeleg (s.S. 67), insofern auch hier dem subjektiven άκούειν auf ήχος deutende Verben der Objektseite gegenüberstehen (διηχοΰν, ήχεΐ). Den ersten wesentlichen Unterschied zur parallelen Theophrastversion (s.S. 62 und 68 f) zeigt der Diogenes-Abschnitt (406, 25-27 = VS 64 A 21). Hier heißt es bei Aetius: Διογένης (sc. την άκοήν γίνεσθαι) του έν τή κεφαλή άερος ύπό τής φωνής τυπτομένου και κινουμένου70. Die von Theophrast hergeleitete Zuweisung des Diogenes zur άκοή-ψόφος-Gruppe wird dadurch verunsichert, obwohl mir die Formulierung des Aetius größere Skepsis zu verdienen scheint als die Theophrasts" Die Belegreihe wird von Piaton und seiner Schule (406, die als Beispiel für die Bestimmung des Hörvorgangs dient. Diese Verwendung von φωνή hat wahrscheinlich Aetius zu seiner Umlemmatisierung veranlaßt. 68 Die nacharistotelischen Belege werden nicht eingehend interpretiert, aber bereits hier mit verbucht, um sie später zur Verfügung zu haben. Zudem wird durch die vollständige Berücksichtigung der Belege die Art der Quellenvermittlung deutlicher. 69 Zum detaillierten Vergleich beider Versionen ist die jeweils im Theophrastabschnitt genannte Literatur zu Rate zu ziehen, insb. die entsprechenden Abschnitte bei Beare. Vgl. auch Diels, DoxGr. Prolegomena 222ff. 70 Entgegen seiner sonstigen Konsequenz übersetzt Beare 105 hier φωνή mit „sound" 71 Daß es dem Diogenesbeleg an Präzision mangelt, macht die nicht viel längere, aber wesentlich genauere Theophrastversion von § 40 (= VS II 55, 13f| wahrscheinlich, die Diels
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28-31 ) beendet, dessen άκοή-Definition im Timaios (67b 4f ) nicht zitiert, sondern vage und dazu mit fremder Begrifflichkeit72 angedeutet wird. Ein akustisches Objekt erscheint nicht. Für das Kapitel IV 16 ergibt sich also unter Verwendung der Tabelle von S. 75: Autor Empedokles Alkmaion Diogenes Piaton
Sinn
Objekt
άκοή άκουειν (sc. άκοή) άκοή
ήχεΤν φωνή
Kritik
Das Kapitel περί φωνής (407ab 21-409a 22) umfaßt die Autoren, bzw. Autorengruppen Piaton, Epikur, Demokrit, die Stoiker und Anaxagoras73 Den Piaton beleg (407,22-408,8) haben wir bereits auf S. 78 f ausführlich erörtert und tragen nur nach, daß der Aetiustext explizit keine Beziehung zur άκοή erkennen läßt. Es sollte außerdem noch einmal betont werden, daß mit φωνή hier laut Beleg und kritischem Zusatz ganz offensichtlich die menschliche Stimme gemeint ist. Der Epikurtext (408a 9-20) ergibt die hier nicht zu prüfende Relation άκοαί-φωνή, wobei die Bearbeitung durch Aetius verdeckt, daß φωνή in der Vorlage (Diog. Laert X 53f ) nicht „Geräusch", sondern „Stimme" bedeutet und die akustische Relation nur exemplarisch vertritt (s. S. 79 Anm. 67). Der auf Epikur folgende DemoAritbeleg (408a 21-409,7=VS 68 A128) kann nicht mehr an seiner Vorlage gemessen werden. Es ließe sich vielleicht vermuten, daß in Demokrits Original ähnliche Zusammenhänge vorlagen wie bei Epikur, für den er wohl auch in diesem Punkt Vorbild war74 Wie Epikur könnte Demokrit also nicht die φωνή, sondern das άκουειν durch einen von der Schallquelle verursachten Fluß gleichförmiger Partikel erläutert und dabei die menschliche Stimme als Beispiel verwendet haben. Tatsächlich dient ja der Aetius-Beleg hauptsächlich der Erklärung und Illustration der Gleichförmigkeit strömender Partikel. Möglich und für Aetius bezeichnend wäre es aber auch, daß der hier s. ν. φωνή verbuchte Beleg ursprünglich überhaupt nicht in einem akustischen Kontext stand. Diese Vermutung ergibt sich aus den §§ 50, 51 des Demokritberichtes bei Theophrast, in denen derselbe Originalwortlaut wie bei Aetius durchschimmert - nur mit dem gravierenden Unterschied, (Prolegomena 223] sogar für die direkte Vorlage der Aetiusstelle hält: την δ' άκοήν, όταν ό έν τοις ώσίν άήρ κινηθείς ύπό του έξω διαδω προς τον έγκεφαλον. Aetius' φωνή könnte hier also den Ausdruck άήρ κινηθείς ersetzen wollen. 72 Vgl. z.B. das stoische τά ήγεμονικά. 7 3 Pseudo-Galen hat im Kapitel 100 nur Piaton, die Stoiker und statt Anaxagoras bei sonst gleichem Text Anaximander. 7 4 Vgl. Gellius V 15.
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daß er bei Theophrast eindeutig der optischen Theorie zugewiesen wird75 Für das Motivgefüge seiner Vorlage läßt der Aetius-Text also keine sicheren Schlüsse zu. Den akustischen Zusammenhang vorausgesetzt, kann die Subjektseite (άκοή) nur implizit aus Epikurs Vorgang und der Gesamtdisposition des Kapitels ergänzt werden, die Objektseite vertritt in beiläufiger Erwähnung φωνή (408a 22f ). Daß Demokrit dabei jedenfalls nach Meinung des Kompilators an die menschliche Sprache gedacht hat, zeigt der kritische Zusatz von 409a 5-7: εχοι δ' αν τις προς τούτους ειπείν· πώς όλίγα θραύσματα πνεύματος μυρίανδρον έκπληροΐ θέατρον; Wenn dieser Demokritbeleg wirklich auf die φωνή gezielt haben sollte, so zeigt er keinerlei Ähnlichkeit mit Demokrits φωνή-Bestimmung bei Theophrast (§ 55, s.S. 69), wo sie als „dicht und schnell in das Gehör eindringende Luft" definiert wurde. Der Stoikerbeleg (409a 8-16), von dem später zu sprechen sein wird, enthält für sich genommen keine expliziten Verweise auf einen akustischen Kontext, denn die hier beschriebene kugelförmige Ausbreitung des Luftschlages wird nirgendwo explizit als Objekt des Hörens gekennzeichnet. Der letzte Beleg des Kapitels (409, 17-22 = VS 59 A 106) ist schon von seiner Namenszuweisung her unsicher, denn die hier vermerkte φωνήDefinition soll nach Pseudo-Galen (cap. 100, DoxGr 638, 11) nicht Anaxagoras, sondern Anaximander geäußert haben. Der Text selbst, mit dessen Hilfe die ihm zugrunde liegende akustische Theorie eher zu erahnen als zu erkennen ist76, formuliert immerhin eine klar erkennbare Sinn-Objekt-Relation, nämlich φωνή auf der Objekt- und αί άκοαί auf der Subjektseite. Ob φωνή hier als Gattungsbegriff oder als Lautspezies fungiert, läßt sich von diesem Text aus nicht unterscheiden77 Wenn der Beleg wirklich Anaxagoras gehören sollte, so steht seine Terminologie im Gegensatz zu dem S. 68 erwähnten Zeugnis Theophrasts, das eine klare Zuweisung des Anaxagoras zur άκοή-ψόφος-Gruppe zur Folge hatte78 75
Vgl. Aerius 408a 22 όμοιοσχήμονα θρΰπτεσθαι mit Theophrast (VS II 115,2) όμοσχημονεΐν (unsicher) und θρΰπτεσθαι (VS II 115, 4). Eine sichere Entscheidung ist hier wohl nicht möglich, obwohl mir eine derartige Kontextverschiebung für Theophrast kaum denkbar zu sein scheint. 76 Vgl. Beare 104, Anm. 4, der den Problemen der Stelle aus dem Weg geht, wenig zufriedenstellend auch Lanza, Anassagora 177 77 Vgl. dazu Beares Verlegenheitslösung 104: „The object of hearing as already observed, is often referred to under the special name of φωνή - vocal sound." Die Übersetzer scheinen sonst eher zur proprie-Bedeutung zu neigen, so konsequent Zeller, Philosophie der Griechen 1/2,1249 Anm. 3: „Nach Plac. IV, 19,6 glaubte Anax., die Stimme entstehe dadurch, daß sich der vom Redenden ausgehende Luftstrom an verdichteter Luft stoße und zu den Ohren zurückkehre; " Zeller unterlegt hier den Kontext der Sprechsituation. Lanza übersetzt Anassagora 177 mit„la voce" 78 Die aus dem Theophrastbeleg gewonnene Zuordnung des Anaxagoras zur άκοή-ψόφοςGruppe wird bestärkt durch VS 59 A 74 (= II 24, 7-15). Hier wird im Zusammenhang mit der
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D a s Kapitel IV 19 ergibt also f o l g e n d e Übersicht: Sinn
Autor Piaton Epikur
od άκοαί
Objekt
Kritik
φωνή
Lt. Z u s a t z = artikul. menschl. Stimme
φωνή φωνή
Demokrit
Lt. Z u s a t z = menschl. Stimme
Stoiker A n a x a g o r a s (?)
αί άκοαί
φωνή
Der dritte und letzte Abschnitt (IV 20, 409a 23-410, 21) widmet sich der Streitfrage um die Materialität der φωνή, deren Besprechung noch bis zum Stoikerkapitel aufgeschoben werden soll. Hier finden sich Pythagoras, Platon und Aristoteles zu einer άσώματος-Gruppe (409a 25-410, 4) vereint, gegen die als Vertreter der σώμα-These die Stoiker gesetzt werden (410,5-21 ). Im ersten Beleg wird für die Immaterialität der φωνή plädiert, ohne daß sie zur άκοή in Beziehung gesetzt oder inhaltlich näher bestimmt würde. Dagegen ist die Subjektseite des άκούειν im Stoikerbeleg deutlich vertreten, φωνή also explizit als akustisches αίσθητόν markiert (410, 7, 9). Unklar bleibt indessen, ob φωνή hier Gattungsrang aufweist, also allgemein „Schall" bedeutet oder ob die proprie-Bedeutung vorliegt.79 IV 20 ergibt also: Autor
Sinn
Kritik
φωνή
Pythagoras, Platon, Aristoteles Stoiker
Objekt
άκοΰειν, άκοή
φωνή
In der folgenden tabellarischen Synopse ordnen wir zunächst sämtliche von Aetius in den Kapiteln IV16,19 und 20 gesammelten Belege nach Frage: „Warum hört man nachts besser?" das dem Hörvorgang hinderliche Rauschen der tagsüber erwärmten Luft mit ψόφος, ψοφεΐν und ήχος bezeichnet. Allerdings gibt es VS II 24,14 ein unklares φωνάς, das „Stimmen" und „Töne" bedeuten kann. Die Variante „Stimmen, Stimmlaute" wird durch einen Platonbeleg gestützt. S. unten S. 111. 79 Das κινεί δέ ήμδς ή εύμουσία von Ζ. 12 weist auf Musiklaute (Vokal- bzw. Instrumentalmusik!. Allerdings lautet diese Stelle bei Pseudo-Galen 638,20: κηλεϊ δε ήμάς εϋμουσος φωνή, was doch wohl eher die Bedeutung „Stimme" vermuten läßt.
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der Vorlage von S. 75 und weisen dann zum Vergleich mit Theophrast in einer zweiten Tabelle nur die voraristotelischen Belege des Aetius in die bei Theophrast S. 75 gewonnene Übersicht ein. Die Rubrik „unklar" wird dabei in „άκοή-allein" und „φωνή-allein" getrennt, weil die Belege bei Aetius lemmatisch entsprechend getrennt sind: I. άκοή-φωνή
άκοή-ψόφος
u.a.
άκοή
allein
φωνή
allein
Kritik erhalten
Empedokles Alkmaion Diogenes (implizit) Piaton
Piaton (zustimmend)
Demokrit
Demokrit (zweifelnd)
Piaton Epikur Anaxagoras?
Pythagoras, Aristoteles Stoiker II. Τ = Theophrast άκοή-φωνή
A = Aetius άκοή-ψόφος u.ä.
Parmenides Τ Platon Τ Anaxagoras ?A
unklar
Kritik erhalten
Platon A Empedokles Τ A
Platon Τ A Empedokles Τ
Alkmaion Τ A Anaxagoras Τ Kleidemos Τ
Diogenes A Demokrit Τ
Diogenes Τ Demokrit A οί μεν άλλοι Τ Pythagoras Α
Demokrit Τ A
Überschauen wir mit Hilfe des Belegdurchgangs und der beiden Tabellen den Aetiusbericht: Zunächst Tabelle I: 1. Der psychologische, an Theophrast erinnernde Rahmen (αίσθησιςαίσθητόν) ist durch die Kapiteldisposition und durch eine Reihe von Einzelbelegen gesichert (Alkmaion, Diogenes, Epikur, Anaxagoras?, Stoiker). Bei einigen Belegen ist die Sinn-Objekt-Relation entweder überhaupt vernachlässigt (Stoiker in περί φωνής) oder durch Trennung oder Einzelnennung verwischt (Empedokles, Piaton, Demokrit, Pythagoras/ Aristoteles). 2. Ein klares Bild von den Bemühungen um die Objektseite wird nicht 84
vermittelt. Sie wird einmal überhaupt nicht genannt (Stoiker in περί φωνής), z.T. kaum verständlich formuliert (Epikur, Anaxagoras?) und bisweilen sogar ihrer Vorlage durch Umlemmatisierung aufgedrängt (λόγος-φωνή/Platon, άκουειν-φωνή/Epikur, Kontextverschiebung/Demokrit). Ansätze zu einer terminologischen Differenzierung werden nur in dem kritischen Piatonzusatz spürbar. 3. Wenn man von dem kritischen Piatonzusatz absieht, zeigt der Bericht keine direkten Anzeichen einer terminologischen Irritation durch den in seinen Vorlagen vorgefundenen Sprachgebrauch. Die Verwendung von φωνή zeigt jedoch die schon für den Theophrastbericht charakteristischen Unscharfen in dem von „Schall" und „Sprache" begrenzten akustischen Bedeutungsfeld. Noch mehr als bei Theophrast wirkt sich dabei das durch die Art seiner Exzerption bedingte Fehlen von Kontextmarkierungen verunsichernd aus. Stellen wir zur besseren Illustration die φωνή-Belege ihrer Bedeutung nach zusammen: Diogenes:
Platon: Epikur: Demokiit: Anaxagoras}:
Pythagoras/Aristoteles : Stoiker:
unklar, sekundäre Umformulierung durch Aetius möglich (s. S. 80f, Anm. 71) menschliche Stimme, Sprache (s. S. 78, Anm. 62) unklar, aber in der Vorlage menschl. Stimme (s. S. 79, Anm. 67) unklar, aber lt. Zusatz menschl. Stimme, Sprache (s. S. 82) unklar, weil Name, Inhalt, Kontext ungesichert, Übersetzer tendieren zu „Stimme, Sprache" (s. S. 82, Anm. 77) unklar, weil Kontext ungesichert (S. 83) unklar, aber vielleicht menschliche Stimme (S. 83, Anm. 79)
Von diesen sieben Belegen lassen sich immerhin vier, einer mit Sicherheit (Piaton) und drei mit einiger Zurückhaltung (Epikur, Demokrit, Stoiker) der Bedeutung „menschliche Stimme", wenn nicht sogar „Sprache" zuordnen. Die restlichen drei sind in Wortlaut, Inhalt und Kontext so ungesichert, daß ihnen nicht bedenkenlos die Bedeutung „Schall" unterstellt werden kann. Mit anderen Worten: Es gibt bei Aetius keinen φωνή-Beleg, der zweifelsfrei „Schall" bedeutet und der nicht ebensogut mit der Bedeutung „Stimme", wenn nicht sogar „Sprache" interpretiert werden könnte. Die Gruppierung ergibt dem gewählten Lemma entsprechend ein klares Übergewicht der φωνή-Partei (Diogenes, Epikur, Anaxagoras?, Stoiker). Die ψόφος-Partei wird nur durch Alkmaion vertreten. Durch die Tren85
nung der Sinn-Objekt-Relation werden in einigen Fällen klare Zuordnungen verhindert (Empedokles, Piaton, Demokrit, Pythagoras, Aristoteles). Daß wie bei Theophrast gerade Piaton und Demokrit mit Kritik versehen werden, könnte auf Zufall beruhen. Die zweite Tabelle ermöglicht den Vergleich mit Theophrast - jetzt unter Ausschluß der nacharistotelischen Belege: Das von Aetius vermittelte Gruppierungsbild scheint sich auf den ersten Blick deutlich von dem Theophrasts abzuheben. Immerhin mußten vier Autoren anderen Rubriken zugeordnet werden, nämlich Piaton und Demokrit der Gruppe „unklar" und Anaxagoras? und Diogenes sogar der Gegengruppe. Wirkliche Übereinstimmung liegt nur bei Alkmaion und infolge gemeinsamer Unklarheit bei Empedokles vor. Indessen verlieren sich diese Gegensätze bei genauerem Hinsehen zugunsten Theophrasts. Die Neuzugänge zur φωνή-Gruppe Anaxagoras? und Diogenes sind, wie bereits erläutert, zu ungesichert, um den Theophrast-Belegen standzuhalten. Ebenso ist der Verweis von Piaton und Demokrit aus der άκοή-φωνή-Gruppe bei Aetius sicher nur die Folge der getrennten Lemmata. Somit wird das bei Theophrast gewonnene Ergebnis eher bestätigt als in Frage gestellt. Parallelen zeigen sich auch in den terminologischen Unschärfen auf der Objektseite, insbesondere in Bezug auf φωνή (s. S. 76). Hier trägt der Aetius-Bericht mit seiner Tendenz zur proprie-Bedeutung von φωνή allerdings entschieden dazu bei, auch bei der Deutung der Theophrastbelege gegenüber einer voreiligen Anhebung von φωνή auf den Rang von ψόφος Zurückhaltung zu üben. Zur weiteren Klärung dieser Frage brauchen wir noch die restlichen voraristotelischen Ansätze. 1.2 Beieich: Musiktheorie
(Archytas)
Die nicht unerhebliche Anzahl der im letzten Abschnitt gesammelten voraristotelischen Belege zeigt, daß der eigentliche Ursprungsbereich der akustischen Objektbeschreibung vor Aristoteles in der Wahrnehmungslehre zu lokalisieren ist. Was die Belegzahl angeht, sind die noch anzuschließenden Bereiche nur spärlich vertreten. Sie verlieren aber deshalb keineswegs an Wichtigkeit, denn wie man sehen wird, differenzieren sie das bisher gewonnene Bild einer inhaltlich und terminologisch formulierten Objektseite in der von uns gesuchten Richtung. Ein solcher Bereich ist die Musiktheorie, die allerdings in der fraglichen Zeit vor Aristoteles nur einen einzigen hier zuständigen Beleg aufweist: das Proömium einer musiktheoretischen Schrift des Archytas80 8 0 Text: VS 47 Β 1 (I 431, 3 6 - 4 3 5 , 14), womit Dürings Text (Porphyrios' Kommentar zur Harmonielehre des Ptolemaios, Göteborg 1932, 56,5ff ) zu vergleichen ist. Text und Kommentar auch von M. T. Cardini, Pitagorici, 3 Vol., Florenz 1958-64, Vol 2, 1962,359ff. Die Schrift
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Der uns erhaltene Textausschnitt gilt dem Phänomen der Tondifferenzen81 Vor deren eigentlicher Behandlung (VS I 433, 13-435, 14) wird jedoch einleitend versucht, das Beschreibungsobjekt „Tondifferenz" aus seinen Prinzipien herzuleiten, d.h. ihm seinen Platz im System der Wissenschaften und im Gattungsgefiige der akustischen Realität anzuweisen. Dies geschieht durch einen kurzen wissenschaftsgeschichtlichen Rückblick und durch ein in indirekter Rede gehaltenes Resümee früherer akustischer Grundlagenforschung (431,36-433,13). Solcher Zielsetzung entsprechend hat sich die Perspektive gegenüber den zuvor behandelten Texten aus der Wahrnehmungslehre verschoben: Die beständige Polarität von Sinn und Objekt ist einer starken Konzentration auf den Objektbereich gewichen, obwohl die Subjektseite deshalb nicht außer acht gerät82 Der Text gliedert sich, wie folgt, mit Berücksichtigung der Objektterminologie: 1. Einleitung: Prinzipielle Zuordnung des Objektes 1. Lob früherer Wissenschaftler, ihrer Allgemeinund Detailkenntnisse auch in der Musik 2. Ihre Schalltheorie in indirekter Rede 1. Allgemeine Schalldefinition (Kollision) - ψόφος 2. Akustische Vernehmbarkeitsgrenzen - άκοή-ψόφος 2. Thema: Tondifferenzen 1. These: Im Bereich wahrnehmbaren Schalls gilt allgemein: Starke Bewegungsintensität und -geschwindigkeit verursachen hohe/laute und schwache tiefe/leise Geräusche - Neutra
431,36-33,13 431,36-32,9 432,9-33,13 432,9-33,6 433,6-33,13 433,13-35,14
433,13-33,16
gehört trotz Unsicherheiten in der Titulatur (vgl. VS 1431,25ff und 435,17 περί μαθηματικής, άρμόνικος, περί μουσικής und Cardini II 271) mit großer Wahrscheinlichkeit in die Musiktheorie (so im Text selbst VS I 432, 7). Gute Information für den größeren thematischen Rahmen bietet insbesondere das Kapitel V ,Pythagoreische Musiktheorie' in W Burkerts „Weisheit und Wissenschaft" Nürnberg 1962,348ff. Hier hat Burkert Zweifel an der Echtheit des Fragments geäußert (S. 358, Anm. 53 und 205, Anm. 14), so unverändert auch in der englischen Neuauflage seines Buches „Lore and science in ancient Pythagorism", Cambridge (Mass.) 1972, S. 397, Anm. 46 und S. 220, Anm. 114. Obwohl zeitlich jünger als die folgenden Belege - Archytas ist ein Zeitgenosse Piatons - behandeln wir das Fragment schon j etzt, weil es unmittelbar in den Problemkreis ψόφος-φωνή gehört. 81 Das Textverstandnis wird hier durch eine für das gesamte Fragment charakteristische unklare Vermengung von Tonintensität (laut-leise) und Tonhöhe (hoch-tief) entscheidend erschwert. Jedoch muß dieser Punkt, weil für uns sekundär, mit dem Verweis auf Cardinis Kommentar übergangen werden. 82 Vgl. vor allem den Abschnitt 433,6-11.
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1. Beispiel: Gerte-ψόφος 433,16-34,2 2. Beispiel: Reden/Singenφθέγγεσθαι 434,2-34,5 Lücke?83 3. Beispiel: Geschosse 434,5-34,8 2. These: Dasselbe gilt für den Bereich der Musiktöne - φωναί84 434,9-34,11 1. Beispiel: Menschl. Stimme -φθέγγεσθαι-άκούειν 434,11-34,14 2. Beispiel: αύλοί-ήχος 434,14-35,1 3. Zwischenergebnis: Schnelle Bewegung erzeugt hohe, langsame tiefe Töne - ήχος 435, If 1. Beispiel: ρόμβοι-ήχος 435,2-35,5 2. Beispiel: κάλαμος, φωνή, φθέγγεσθαι 435,5-35,10 Überleitung durch Porphyrios zum 435,1 lf 4. Endergebnis: wie Nr. 3 - φθόγγοι 435,13f An dieser Dispositionsanalyse kann sich der folgende Textdurchgang orientieren, bei dem uns in gewohnterWeise die akustische Objektterminologie als Leitfaden dient. Sie ist, wie man sehen wird, in diesem Fall sogar ein strukturbildender Faktor des Textes. Die Objektbeschreibung beginnt mit dem Abschnitt 1.2, dem Referat früherer Schalltheorien. Die hier verwendete Terminologie ist überraschend ungetrübt insofern, als im gesamten, die akustischen Grundlagen betreffenden Teil allein ψόφος Verwendung findet85 Von dem Aspekt der akustischen Vernehmbarkeitsgrenzen zum eigentlichen Thema überleitend wird die in 2.1 formulierte erste These - jetzt in neutraler Ausdrucksweise - vorgetragen86. Daß wir uns in dieser Phase noch immer im Bereich undifferenzierter, allgemeiner Geräusche befinden, ergibt sich aus der recht heterogenen Beispielreihe, die dieser These zugeordnet ist: die Gerte, die menschliche Stimme und Geschosse (2.1.1-3)87 In terminologischer Konsequenz erhält daher das von der Gerte erzeugte Geräusch die Bezeichnung ψόφος (434,1). Es stört dabei nicht, daß das zweite Beispiel in den Bereich der menschlichen Stimme, ja sogar Sprache 83
Nach 434,5 φθεγγόμενοι vermuten Diels-Kranz eine Lücke, weil der vorausgehende Gedankengang unvollständig und das folgende Beispiel nur auf einen Aspekt, die Lautstärke zielt. Düring (Porphyrios 57, 6ff) glaubt dagegen an einen fortlaufenden Text. 84 Näheres dazu in der folgenden Auswertung des Schemas. 85 Vgl. 432,10; 433,6,7; 433,11: ού γαρ παραδΰεσθαι ές τάν άκοάν άμΐν τώς μεγάλως των ψόφων. 86 Vgl. 433,14f: ά μεν ταχύ παραγίνεται όξέα φαίνεται. 87 Das Geschoßbeispiel (2.1.3| kann dabei vernachlässigt werden, weil es nichts eigentlich Akustisches, sondern nur die von der jeweiligen Schußkraft abhängige Reichweite demonstriert.
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fällt (Reden/Singen). Natürlich ist auch die Stimme ein ψόφος und ihre Verwendung an dieser Stelle beweist nur ihre Attraktivität und exemplarische Kraft, wenn es darum geht, gemeinakustische Phänomene zu veranschaulichen88 φωνή erscheint hier übrigens nicht direkt, sie läßt sich nur aus den im Text verwendeten Partizipien λέγοντες άείδοντες, weniger aus dem unbestimmten φθέγγεσθαι (434,3f und 4f ) erschließen. Der Terminus φωνή selbst wird erst im nächsten Abschnitt der zweiten These (2.2), und zwar im Plural verwendet (434,9). Sicherlich ist hier mit φωναί zunächst die menschliche Stimme proprie gemeint. Dies wird aus der Art ihrer an das Beispiel 2.1.2 (Reden/Singen) erinnernden Hervorbringungsart durch ein πνεύμα89, aber auch aus dem direkt folgenden Beispiel von der Reichweite der menschlichen Stimme (2.2.1) deutlich, das zudem noch als das beweiskräftigste bezeichnet wird' 0 . Zur Vorsicht mahnt allerdings der weitere Textverlauf, denn nicht nur die genuin stimmliche Verlautbarung, sondern auch der Ton des κάλαμος wird mit φωνή bezeichnet (2.3.2, 435,7). Jedoch besteht hier kaum ein Anlaß zur Besorgnis, denn dies ist genau der Sprachgebrauch, von dem Aristoteles später sagen wird: των γαρ άψυχων ούθέν φωνεϊ, άλλα καθ' ομοιότητα λέγεται φωνεΐν οίον αύλός και λύρα." Wenn Archytas also den Ton eines άψυχον wie den des κάλαμος ebenfalls φωνή nennt, so geschieht dies nur translate und gefährdet die grundsätzlich für den Text geltende proprie-Bedeutung „Stimme = Laut eines Lebewesens" keineswegs. Daß dabei im fraglichen Abschnitt der φωναί (434,9ff) dreimal ήχος, davon zweimal bei Musikinstrumenten, den αυλοί und ρόμβοι (434,17 und 435,4) und einmal im Zwischenergebnis verwendet wird, bestätigt nur den translate-Charakter einer Verwendung von φωνή im instrumentalen Bereich, zu dem proprie ein in bezug auf die Schallquelle unbestimmtes ήχος besser paßt" Aus der Synthese beider Verwendungsweisen ergibt sich aber die Möglichkeit, vokale und instrumentale Töne zur terminologischen Einheit der φωναί zusammenzuschließen, und eben dies ist im Archytasfragment geschehen. Daß mit diesen φωναί letztlich Musiklaute gemeint sind, also ab 434,9ff ein neuer Abschnitt spezieller Laute beginnt, ergibt 88
So Archytas selbst 434,12. Vgl. 434,9f mit 434,4f. Kranz übersetzt durchgängig mit „Atemstoß" 90 Auch hier erscheint lediglich φθέγγεσθαι, aber die Zugehörigkeit zum φωνή-Bereich ergibt sich inhaltlich aus dem Beispiel selbst und terminologisch aus seiner Zuordnung zu den φωναί des vorigen Abschnittes (2.2|. 91 Vgl. de anima 420 b 6f und S. 124. Die Übertragung bietet sich zunächst für Blasinstrumente an, hat sich dann aber, wie Aristoteles' Beispiel zeigt, auch auf andere Instrumente erweitert. 92 ψόφος erscheint übrigens nach dem Gertenbeispiel nicht mehr. Die φθόγγοι von 435,13 dürften dagegen nur eine problemlose Variante der φωναί (im Sinne von Musiktönen) sein. Dies zeigt der Sprachgebrauch späterer musiktheoretischer Traktate, die beides unterschiedslos verwenden (vgl. z.B. S. 74, Anm. 51). 89
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sich nicht nur aus der terminologischen Verklammerung von Stimme und Kalamos, sondern auch aus der gesamten Anlage der zweiten und dritten Beispielreihe (2.2.1.-2 und 2.3.1.-2), die sich alle als Beispiele musikalischer Lauterzeugung verstehen lassen" So markiert schon der terminologische Wechsel zu den φωναί ab 434,9ff mit seiner Synthese von proprie- und translate-Bereich einen wichtigen Gliederungspunkt: den Einstieg in das eigentliche Thema der Tondifferenzen. Rückwirkend wird der deduktive Zug des gesamten Textes deutlich. Von der Schalldefinition wird über die Schalldifferenzen zu den eigentlichen Tondifferenzen übergeleitet. Die Analyse der auf den ersten Blick recht bunt wirkenden Objektterminologie ergibt also: 1. Im allgemein akustischen Bereich gilt die Sinn-Objekt-Relation άκοή-ψόφος. 2. Diese Relation kann durch stimmliche Verlautbarungen (Reden/Singen) exemplifiziert werden. 3. φωνή ist proprie die menschliche Stimme, kann aber auch translate den instrumentalen Laut bezeichnen. Aus der Vereinigung beider Verwendungsweisen resultiert φωναί zur kollektiven Bezeichnung vokaler und instrumentaler Musiktöne. 4. ψόφος ist demnach der φωνή übergeordnete Gattungsbegriff. Unserem kontextorientierten Interpretationsprinzip entsprechend (Zuordnung der Belege zu einem Sachbereich, Nachweis ihrer vermittlungsbedingten Eigenarten) muß abschließend noch ein Blick auf die Herkunft des Archytasfragments geworfen werden. Der Textauszug ist in seiner vollen Länge in Porphyrios' Kommentar zur Harmonielehre des Ptolemaios ausgeschrieben94 und steht dort am Beginn einer als Eigenbeitrag zum Thema „Tondifferenzen" gekennzeichneten Reihe wertvoller schallund musiktheoretischer Zeugnisse95 Das Archytaszitat dient dabei, wie aus der Umrahmung des Textes durch Porphyrios hervorgeht, dem Nach93
Für Aulos und Kalamos steht dies außer Zweifel. Das erste Beispiel, die Reichweite menschlicher Stimme, bleibt in dieser Hinsicht unbestimmt, aber immerhin ist die musikalische Funktion der Stimme nach dem Vorgang von 434,3f (άείδοντες) auch hier nicht ausgeschlossen. Bei den ρόμβοι irritiert Kranz' Übersetzung „Waldteufel". Es handelt sich allerdings um kultische Geräte, mit ziemlicher Sicherheit aber zugleich auch um Musik-, Zumindestens Lärminstrumente (Schellen, Klappern). Vgl. Daremberg-Saglio s.v. rhombus, besonders Abbildung 5942. 94 Für Text und Inhalt grundlegend ist die Ptolemaios-Trilogie von I. Düring: 1. Die Harmonielehre des Klaudios Ptolemaios. 2. Porphyrios' Kommentar zur Harmonielehre des Ptolemaios und 3. Ptolemaios und Porphyrios über die Musik, Göteborgs Högskolas Arsskrift 36 (1930), 38 (1932) und 40 (1934). 95 Vgl. Porphyrios 55,27-32 Düring. Dazu gehören neben dem Archytasfragment (56,5ff) so bekannte Stücke wie der Auszug aus Theophrasts περί μουσικής (61,22ff, s. S. 74, Anm. 51) oder das pseudo-aristotelische Fragment de audibilibus (67,24ff). Natürlich sind auch schon in die vorausgehenden Partien des Kommentars wörtliche Zitate eingestreut.
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weis, daß Ptolemaios mit seiner Lehre von den akustischen Grundlagen und den Tondifferenzen (Kap. 3 und 4) in der pythagoreischen Tradition steht96 Aber auch in anderen Punkten - über das von Archytas belegte Vorbild hinaus - soll sich nach Porphyrios pythagoreischer Einfluß geltend gemacht haben, insbesondere in dem Rekurs auf die Lehre vom ψόφος zu Beginn des musiktheoretischen Traktats" Tatsächlich geht Ptolemaios gleich zu Beginn seines Werkes vom ψόφος aus, indem er die Harmonielehre als Kenntnis der Schallunterschiede (διαφοραί έν τοις ψόφοις) definiert und dabei dem Begriff ψόφος ausdrücklich den obersten Gattungsgrad im Schallbereich zuweist: το πρώτον καί γενικώτατον των ακουστών (3,2f Düring). Eben diese pythagoreisch-ptolemäische Auffassung vom ψόφος veranlaßt Porphyrios zu einigen hochinteressanten Hinweisen, die das Verhältnis von ψόφος und φωνή explizit betreffen (7,8ff) : Porphyrios verteidigt den Beginn mit dem ψόφος mit der Begründung, daß nur dieser Begriff und kein anderer wie etwa φωνή ausreichende Kapazität besitze, um die für die Musik verbindliche Gemeinsamkeit vokaler und instrumentaler Töne abzudecken. Das ψόφος untergeordnete, speziellere φωνή sei dafür zu eng, denn dieser Begriff bezeichne nur Verlautbarungen lebender Wesen, während der Instrumentallaut in den Bereich des ψόφος gehöre und nur translate mit φωνή bezeichnet werden könne98 Daß sich Porphyrios hier der Autorität des Aristoteles bedient, liegt auf der Hand und wird zudem von Porphyrios ausdrücklich zugegeben (7.10). Bemerkenswerterweise führt er diese Ansicht aber nicht nur auf Aristoteles, sondern zugleich auch unbestimmt auf einige Pythagoreer zurück (7,8-12): τον ψόφον γαρ εϊληφεν (ό Πτολεμαίος), ού την φωνήν, εις τον δρον δτι γενικώτερον μεν ψόφος φωνής, το δε μέλος ούκ έν φωνή μόνον συνίσταται, ή κατ' Άριστοτελην καί τινας των Πυθαγορείων κυρίως ζφου τε ήν καί καθ' όρμήν, άλλα καί έν άψΰχοις όργάνοις, ά ψόφου μεν κοινωνεΐν, φωνής δ' ούκ αν λέγοιτο κυρίως."
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Vgl. Porphyrios 55,32-56,2 und 58,1 unmittelbar nach dem Archytaszitat. In der Tat ist die Ähnlichkeit des gedanklichen Duktus bei Archytas und in den ersten Kapiteln bei Ptolemaios unverkennbar (Thema „Tondifferenzen", zuvor jedoch Rekurs auf die akustischen Grundlagen, Deduktion vom Schall zum Musikton]. Burkert will (360f| solchen Zeugnissen des Porphyrios die Glaubwürdigkeit absprechen und stellt Archytas, von seinen grundsätzlichen Bedenken an der Echtheit von Β 1 einmal abgesehen (s. S. 86, Anm. 80], in die Tradition „ionischer φυσιολογία" (361). 97 Vgl. Porphyr ό s 7,22-24 und 9,1-3: Οί μέντοι Πυθαγόρειοι, οίςεπεταιέν τοις πλείστοις ό Πτολεμαίος, άπό τής ούσίας των ψόφων καί τής φωνής ήρχοντο τής θεωρίας δι' αίτίαν τηνδε. Porphyrios berichtet auch von einer Kritik an einer derart weitausgreifenden Eingangsdiskussion, z.B. von Aristoxenos (8,18ff). Wir kommen in anderem Zusammenhang darauf zurück. 98 In anderem Zusammenhang wird später (8,16) noch die Sprache miteinbezogen, so daß bei Porphyrios sogar der hier gesuchte Dreischritt „Laut, Stimme, Sprache" vorliegt: είδος γαρ ψόφου ή φωνή καί ταύτης έστίν είδικώτερον ό λόγος. 99 Es folgt 7,12ff ein Referat von Aristoteles, de anima 420 b 6ff.
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Wäre dieser Hinweis des Porphyrios als seriöses Zeugnis zu werten, so würde dies keinen anderen Schluß zulassen, als daß schon Aristoteles mit seiner Differenzierung von ψόφος als Gattungs- und φωνή als subordiniertem Speziesbegriff in der pythagoreischen Tradition steht. Man kann verstehen, daß angesichts solcher Konsequenzen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Porphyrios laut geworden sind, und man wie Burkert zur Annahme einer späten Fiktion neigt100 Indessen scheint mir nach unserer Archytasinterpretation das Zeugnis des Porphyrios an Gewicht zu gewinnen, denn, wie ein aufmerksamer Leser vielleicht schon bemerkt haben wird, lesen sich diese unbestreitbar Aristoteles nachempfundenen Zeilen wie ein Resümee unserer Terminologieanalyse des Archytastextes. Erinnern wir uns, daß wir für Archytas den übergeordneten Gattungsgrad von ψόφος gegenüber φωνή, ihre proprie-Bedeutung als Lautspezies belebter Schallerzeuger und ihre translate-Verwendung im unbelebten Instrumentalbereich (der seinerseits in der Mehrzahl der Fälle durch ein passenderes ήχος vertreten wurde) ermittelt haben. Dies stimmt in einer Weise zu Aristoteles, daß der aus Porphyrios zu erschließende pythagoreische Einfluß auf Aristoteles weit weniger unwahrscheinlich ist, als dies Burkert glauben machen möchte, ja mir scheint sogar eine direkte Einwirkung des Archytas auf Aristoteles denkbar, von dem man weiß, wie intensiv er sich mit dem Pythagoreer beschäftigt hat101 Erst die Berücksichtigung des Zitatumfeldes ergibt also die wichtige Zusatzinformation über den philosophiegeschichtlichen Wert des Archytasfragmentes als Vorbild späterer aristotelischer Ansätze. Im Vergleich zu der von Theophrast und Aetius vermittelten Tradition führt das Archytasfragment auf unserem Weg zu Aristoteles ein erhebliches Stück weiter: 1. An die Stelle der bei Theophrast und Aetius in Bezug auf ψόφος und φωνή unscharf formulierten Obj ektseite tritt hier erstmals eine klarere Differenzierung im Sinne einer Unterordnung von φωνή unter ψόφος. 2. Das Archytasfragment ist zugleich der erste eindeutige Nachweis einer bei Theophrast und Aetius bloß vermuteten Exemplifikation der generellen Sinn-Objekt-Relation durch die menschliche φωνή. 3. Im Gegensatz zu der durch Exzerption verwischten Kontextbindung bei Theophrast und Aetius ergibt sich für Archytas eine klarere Bereichszuordnung, ja sogar ein dispositioneller Wert der Objektdifferenzierung. Sie hat Exordialfunktion in einer identifizierbaren literarischen Gattung, dem musiktheoretischen Traktat. 100 Vgl. Burkert 360 zum Adrast-Zitat von 7,24ff. ιοί vgl. VS1425,15-25, z.B. den für Aristoteles bezeugten Titel περί της Άρχύτου φιλοσοφίας y.
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4. Anders als bei Theophrast und Aetius läßt die Einbettung des Exzerpts Schlüsse auf die philosophiegeschichtliche Wirksamkeit zu.
1.3 Beieich: Spiachkritik
(Gorgias)
In der Wahrnehmungslehre und der Musiktheorie ging es vornehmlich um die Begriffe ψόφος und φωνή. Die wenigen Spuren sophistischer Provenienz führen erstmals deutlich über diesen Bereich hinaus auf unseren eigentlichen Zielpunkt: die Sprache. Dorthin läßt sich am besten mit Gorgias überleiten, denn in seinen Zeugnissen finden sich klare Spuren einer Wirksamkeit der zuvor behandelten αΐσθησις-Theorien. Es ist dies u. a. die bekannte Passage in Piatons Menon, in der die Begriffe σχήμα und χρώμα - die Bestimmung der άρετή vorbereitend - beispielhaft definiert werden. Die Frage nach dem Wesen der Farbe beantwortet Sokrates seinem Gesprächspartner entgegenkommend im Stil des Gorgias, aber im Sinn der empedokleischen Abfluß- und Porentheorie, die jedoch, wie das Gespräch ergibt, für Gorgias und seine Schüler verbindlich war. So läßt sich der gesamte Passus nicht nur stilistisch, sondern auch seinem Inhalt nach für Gorgias beanspruchen102 Die Definition der Farbe im Menon 76d 4 läßt denn auch den Einfluß naturphilosophischer Theorien, insbesondere den bekannten αΐσθησιςαίσθητόν-Rahmen erkennen, indem sie als Partikelfluß und als Objekt des Gesichtssinnes bestimmt wird. Als αίσθητόν ist die Farbe noch zusätzlich dadurch gesichert, daß sie im folgenden in eine Reihe mit anderen, auf ähnliche Weise zu bestimmenden Sinnesobjekten gestellt wird, von denen zwei, όσμή und φωνή exempli causa, aber ohne Definition genannt werden103 Wirksam ist dieser ältere psychologische Sinn-Objekt-Rahmen aber auch noch in einem anderen Zeugnis des Gorgias, das uns in zwei Referaten, nicht im direkten Wortlaut überliefert ist: in der Schrift „Über das Nichtseiende"104 Für unsere speziellen Zwecke ist dabei, wie man sehen wird, das peripatetische Referat wichtiger als der Bericht des Skep-
102 vgl. Menon 76c 8ff (=VS 82 Β 4) und den bekannten Sitzungsbericht von Diels, Gorgias und Empedokles (1884) jetzt in Sophistik, WdF 187 hrsg. v. C. J. Classen, Darmstadt 1976. Dort zahlreiche weitere Literaturverweise zur Sophistik 641 ff, speziell zu Gorgias 683ff. 103 wäre dies Gorgias' eigene Terminologie, so hätten wir ihn der άκοή-φωνή-Gruppe zuzuordnen. 104 Statt einer hier unangebrachten Diskussion der äußerst schwierigen textlichen und inhaltlichen Probleme sei auf die Literatur bei Classen und auf H. J. Newigers Untersuchungen zu Gorgias' Schrift über das Nichtseiende, Berlin-New York 1973 verwiesen. Zu den Quellen, Pseudo-Aristoteles 979a lOff und Sextus Empiricus adv. math. VII 65-87 vgl. Newiger Iff.
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tikers, zumal das pseudoaristotelische Referat nach Newiger dem Bericht des Sextus als Vorlage gedient zu haben scheint 105 In dem bekannten argumentatorischen Dreischritt: „1. Es existiert nichts. 2. Wenn etwas existiert, so ist es nicht erkennbar und 3. Wenn es erkennbar ist, so ist es nicht mitteilbar" will Gorgias im letzten Schritt die Unmöglichkeit sprachlicher Vermittlung von Erkenntnisobjekten nachweisen (980a 19ff = Newiger 152 106 ): TEXT: εί δε καί γνωστά, πώς αν τις, φησί, δηλώσειεν άλλω; ö γάρ είδε, πώς αν τις, φησί, τοϋτο εϊποι λόγο),· ή πώς αν εκείνο δήλον άκούσαντι γίγνοιτο, μή ίδόντί; ώσπερ γάρ ούδε ή οψις τους φθόγγους γιγνώσκει, οϋτως ούδέ ή άκοή τά χρώματα ακούει, άλλα φθόγγους, καί λέγει ό λέγων, άλλ' ού χρώμα ούδε πράγμα. / / ô ούν τις μή εννοεί, πώς αύτό παρ" άλλου λόγω ή σημείω τινί έτέρω του πράγματος εννοήσει, άλλ' ή έάν μεν χρώμα, ίδών, έάν δε (ψόφος, άκο>ύσας; άρχήν γάρ ού λέγει γων ούδε χρώμα, άλλα λόγον ώστ' ούδε διανοεΐσθαι χρώμα εστίν, άλλ' όράν, ούδε ψόφον, άλλ' άκοΰειν. a 19 καί om. R ; φασί L R, corr. Bekker. a 20 εϊποι R, εϊπη L. a 21 έκείνω R. b 1 ούδε κ' όψις L, οιδεν ή δψις R. b 4 αύτό Apelt, αιτεί L R ; έτέρω του Apelt, ετέρου του L. ετέρου R. b 5 εννοήσει Diels cl. b 9, έννοήσειεν L R; ψόφος άκουσας Cook Wilson, lac. V litt, υμος L., υμος sine lac. R. b 6 suppl. Cook Wilson, ου lac. III litt, λεγε lac. IV litt, γοειδε χρώμα R, ού λεγει δε χρώμα L. b 7 άλλ' R., ούδ' L, άλλ' όρδν et άλλ' άκοΰειν del. Cook Wilson (1893, 38).
Zur Illustration der dritten These werden im Text beispielhaft zwei klar als αισθητά markierte Objekte, nämlich Farbe und Geräusch 106 auf ihrem (für Gorgias vermeintlichen) Transport vom Sprecher zum Hörer verfolgt. Dabei ist natürlich entsprechend der unter 3. wieder konzedierten Erkennbarkeit der Realität die Wahrnehmungsfähigkeit beider an der sprachlichen Kommunikation beteiligter Subjekte erneut vorauszusetzen. Dem Text liegt also folgende Relation zugrunde: Objekte
Sinne
Das erste Argument (Z. 1 - 4 Newiger) zielt darauf, daß die sprachliche Vermittlung von αισθητά schon deshalb nicht möglich ist, weil alle vom ios Vgl. dazu Newiger 161ff. Wir folgen dem Text Newigers in seinen Anmerkungen ab S. 152. Zu beachten sind dabei auch die Nachträge von S. 198ff. 106 Als αισθητά werden sie durch ihre Zuordnung zur jeweils zuständigen αϊσθησις (χρώμα6ψις; ψόφος-άκοή) ausgewiesen. Zu den terminologischen Unterschieden im akustischen Bereich s.S. 95f.
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Sprecher aus verschiedenen Sinneskanälen aufgenommenen Objekte wenn überhaupt - immer nur in ein akustisches Objekt, den λόγος107 umgesetzt werden können108. Für alle nichtakustischen Objekte, wie z.B. die Farbe ist damit die Eingabe in den für sie zuständigen Sinneskanal beim Hörer - und nur dies garantiert die Wahrnehmungsidentität zweier Subjekte - nicht mehr gewährleistet. Der Hörer kann die Farbe wie der Sprecher wahrzunehmen nur dann sicher sein, wenn er ebenfalls die hier allein effektive optische αΐσθησις aktiviert, sie also selber sieht. In Z. 4 Newiger wird deshalb die Unverrückbarkeit der Sinn-Objekt-Relation im optischen (χρώμα-δψις) und im akustischen Bereich (φθόγγος-άκοή) unterstrichen109 Wer das von Gorgias zugrundegelegte Kommunikationsmodell aufmerksam überdenkt, bemerkt schnell, daß das Argument der im Vermittlungsprozeß verfehlten αΐσθησις-Zuordnung nicht ausreicht. Es schließt akustische Objekte aus, denn sie würden auch nach ihrer Umformung zum λόγος den für sie zuständigen Sinneskanal treffen, also die in Frage gestellte Wahrnehmungsidentität durchaus erzeugen können. Wenn Gorgias also die von ihm als Vermittlungshindernis postulierte Andersartigkeit von Objekt und Sprache auch bei gleicher αΐσθησις erhalten will, so muß er zu einem umfassenderen Argument greifen, zu einem Argument, das alle Sinnesobjekte im kommunikativen Prozeß erfaßt, zugleich aber auch den im Fall eines akustischen Objekts besonders zu begründenden Unterschied von Objekt und Sprache sicherstellt. Ein solches Argument folgt denn auch unmittelbar (Z. 4 und Z. 6f): Zwischen Hörer und Objekt steht generell die vermittelnde, die Außenwelt sprachlich umsetzende Instanz des Sprechers, die den direkten Weg der Sinnesobjekte zur Hörer-οασθηοις verstellt und so dem Hörer nur Informationen zweiter Hand zuspielt. Die Andersartigkeit von λόγος und πράγμα ergibt sich also nicht nur aus der αΐσθησις-Vertauschung, sondern auch aus dem bloß indirekt vermittelnden oder negativ: den direkten Wahrnehmungstransport verstellenden Verweis-Charakter der Sprache110. Im akustischen Bereich wirkt nur das zweite Argument, denn 107 λόγος wird hier auf die gesprochene Sprache reduziert, denn seine Rezeption erscheint eindeutig als akustischer Vorgang (vgl. Z. 2 und 3 Newiger). 108 Die Möglichkeit der Umsetzung wird jedoch gleich zu Beginn schon für die Sprecherseite bezweifelt (vgl. Z. lf). 109 Hier stehen die φθόγγοι, natürlich für den beim Hörer eintreffenden λόγος. Implizit wird λόγος so als akustisches αίσθητόν bestimmt. Den eigentlichen Gattungsrang als das dem Gehör generell zugeordnete Objekt hat aber auch in diesem Text ψόφος (vgl. dessen Verwendung Z. 6ff und Newiger 153f). 110 Der Text will nämlich, wie ich glaube, nicht die sprachliche Vermitdung überhaupt (im Sinne eines Bedeutungstransports] destruieren - dies würde ja Gorgias' eigenen Text ad absurdum führen. Vielmehr geht es nur um die Unmöglichkeit direkter Vermittlung von Wahrnehmungsinhalten durch Sprache, die in der Tat allein die Wahmehmungsidentität von Sprecher und Hörer sichern würde.
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allein die auf Außersprachliches verweisende, indirekt vermittelnde semantische Funktion des λόγος unterscheidet ihn von anderen akustischen, aber kommunikativ neutralen, unsprachlichen Objekten der erkennbaren Umwelt, die ab Z. 6 ψόφος genannt werden" 1 Gorgias' Text112 kann durchaus als eine weiterführende Wiederaufnahme des bei Theophrast und Aetius Gesammelten in Anspruch genommen werden als eine Wiederaufnahme, - weil von der früheren αίσθησις-Forschung und hier speziell von einer festen, einwertigen Sinn-Objekt-Relation ausgegangen wird und - weil diese Relation im akustischen Bereich als άκοή-ψόφος formuliert wird, als eine Weiterfiihrung, - weil erstmals die akustische Sinn-Objekt-Relation klar auf den sprachlichen Vermittlungsvorgang bezogen wird und - weil so auf der Objektseite zwischen semantisch neutralen (ψόφος) und semantisch wirksamen Lauten (λόγος) unterschieden wird, was einer impliziten Ausgliederung der Sprache aus den akustischen Objekten - allerdings unter Aussparung des Mittelgliedes φωνή - gleichkommt.
1.4 Beieich: Kultuientstehungslehre
(Protagoras, Demokritf)
Mit dem Bereich der Kulturentstehungslehre verlassen wir erstmals den bisher für alle Belege wirksamen αΐσθησις-αίσθητόν-Rahmen. Zielpunkt der folgenden voraristotelischen Zeugnisse ist zwar wie bei Gorgias die Sprache, aber sie wird nicht mehr systematisch auf der sensuellen Ob j ektseite angesiedelt, sondern in eine genetische Folge gestellt - und zwar dadurch, daß die Sprache als eine der bedeutsamsten kulturellen Errungenschaften des Menschen in die bekannte evolutionäre Motivreihe der Kosmogonie, Zoogonie und Kulturentstehungslehre eingegliedert wird" 3 Eine solche Motivreihe begegnet zunächst in einem Zeugnis, das Vgl. aber die textkritischen Schwierigkeiten Newiger 152 9 und Nachträge 200. Das Referat des Sextus adv. math. VII 8 3 - 8 6 ist in diesem speziellen Punkt unergiebig und kann deshalb, wie angekündigt, unberücksichtigt bleiben. 1 1 3 Der äußerst material- und problemreiche Themenkreis der Kultur- und insbesondere der Sprachgenese kann hier nur gestreift werden. Statt dessen sei verwiesen auf W. Spoerri, Späthellenistische Berichte über Welt, Kultur und Götter, Schweizerische Beiträge zur Altertumswissenschaft 9, Basel 1959, passim und besonders zur Sprachentstehung 134ff (s, auch Spoerris Nachtrag Museum Helveticum 18 (1961) 63-82). Die Belege sind ebenfalls gesammelt bei D. Fehling, Zwei Untersuchungen zur griechischen Sprachphilosophie, Rheinisches Museum 108 (1965) II φΰσις und θεσις, 2 1 8 - 2 2 9 . 111
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isoliert betrachtet - eher in den Bereich der Theophrast- und Aetiusbelege zu gehören scheint. Von Archelaos, dem nach Diog. Laert. (II 16f = VS 60 A 1) letzten Naturphilosophen und Lehrer des Sokrates heißt es (VS II 45, 12f): πρώτος δε είπε φωνής γενεσιν την του άέρος πλήξιν. In dieser Definition steckt das später geläufige physikalische Kriterium des Luftschlags" 4 , und man ist daher geneigt, dahinter gemeinakustische Gedankengänge zu vermuten" 5 . Aber hier warnt wieder der Kontext vor voreiligen Schlüssen: Wenn sich auch die Wiedergabe der naturphilosophischen Theorien des Archelaos bei Diogenes II 16f im ganzen recht konfus ausnimmt, so zeigen sich doch klar erkennbar ab § 17 (VS II 45,8 ff) aus der evolutionären Motivreihe die Kosmogonie (8-11) und Zoogonie einschließlich der Entstehung des Menschen (11-12)"' Der unmittelbare Anschluß der φωνή-Passage (12f) läßt immerhin die Vermutung zu, daß hier ein Reflex aus der sich traditionell mit der Anthropogenese verbindenden Kultur- und insbesondere Sprachentstehungslehre vorliegt117 Der so systematisch anmutende φωνή-Beleg erscheint hier also anders als zuvor in einer Entwicklungsreihe, die aufgrund ihrer auch sonst zu beobachtenden Kopplung des Sprachentstehungsmotivs mit der Anthropogenese zumindestens die Übersetzung „Stimme" denkbar macht. Deutlichere Konturen zeigt allerdings erst eine Stelle aus dem bekannten Protagorasmythos im gleichnamigen Piatondialog (Piaton, Protagoras 320cff = VS 80 C 1). In der mythischen Genesis des platonischen Protagoras118 fehlt die Kosmogonie, die Darstellung nimmt vielmehr gleich von der Zoogonie ihren Ausgang, die ihrerseits die Anthropogenese bereits miteinschließt. Eine Sonderstellung unter den ζώα erhält der Mensch nur durch die unerlaubte Verleihung der göttlichen εντεχνος σοφία und des Feuers durch Prometheus (321dff ), die ihn befähigen, seine kulturelle Entwicklung selbständig voranzutreiben (322aff). Unter den dabei entstehenden kulturellen Errungenschaften nimmt nach der Reli114 Dies ist schon aus der mehrfach erwähnten (s.S. 72.ff) Definition in Piatons Timaios ersichtlich. Unsere Beleglage gestattet es wohl kaum, das Urheberrecht dieser Definition zu überprüfen. Nach Theophrast (s.S. 72, Anm. 40 und 75| war φωνή = κίνησις του άέρος ein common sense. 115 Vgl. z.B. die bereits erwähnte Diogenes-Übersetzung von O. Apelt, der φωνή mit „Schall" wiedergibt. 116 Die Motivfolge wird wesentlich deutlicher aus dem Zeugnis VS 60 A 4, das auch im Anschluß an die Entstehung des Menschen Bemerkungen zur Kulturentstehungslehre anschließt. 117 Diese Verbindung zeigen schon, wie man gleich sehen wird, die beiden folgenden Belege, bei denen sich unmittelbar an die Anthropogenese jeweils eine Sprachentstehungslehre (unter Verwendung von φωνή) anschließt. 118 Vgl. dazu die Angaben bei Spoerri, Berichte 15 5 20, P. M. Gentinetta, Zur Sprachbetrachtung bei den Sophisten und in der stoisch-hellenistischen Zeit, Winterthur 1961, 25f und die Literatur bei C. J. Classen, Sophistik, 706f.
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gion die Sprache als erstes Glied einer Reihe von elementaren Mitteln zur Lebensbewältigung (Wohnung, Kleidung, Nahrung) den zweiten und damit sicher einen gewichtigen Rang ein. Dies heißt 322a (VS II 270,4) : επειτα (nach der Errichtung von Altären und Götterbildern) φωνήν καί ονόματα ταχύ διηρθρώσατο (ό άνθρωπος) τή τέχνη und bedeutet in paraphrasierender Interpretation: Der Mensch gewinnt das Verständigungsmittel „Sprache" (φωνήν καί ονόματα) durch einen artifiziellen Verarbeitungsprozeß (τή τέχνη), nämlich durch die Gliederung, Artikulation (διηρθρώσατο)"9 Da dieser Verarbeitungsprozeß nur die Stimme zum Obj ekt haben kann, läßt sich die hier angedeutete Sprachgenese nur als die Abfolge eines unartikulierten (= rohen) und eines artikulierten (= kultivierten) Stimmzustandes begreifen. Systematisch gesehen ergibt dies die uns wohlbekannte Sonderung von Stimme und Sprache mit der primären Differenz der Artikulation, wobei implizit - die artikulierten Laute heißen ονόματα - auch auf die Semantizität der Sprachzeichen verwiesen wird. Die klar erkennbare Einbindung der φωνή in die Kulturentstehungslehre beweist, daß wir uns mit diesem Beleg nicht mehr im generell akustischen Bereich wie noch bei Archytas und Gorgias, sondern von vornherein im Bereich der menschlichen Stimme bewegen. Im einzelnen tritt anders als bei Archytas die Stimme nicht exempli causa als Lautspezies in den gesamtakustischen Rahmen (ψόφος-φωνή), und anders als bei Gorgias, der semantisch differenzierend den kommunikativen Sprachlaut dem sinnlosen Geräusch unter Vernachlässigung des Mittelgliedes φωνή opponiert (ψόφος-λόγος), wird hier erstmals vom Mittelglied selbst ausgegangen und mit einer neuen Differenz, der phonetischen Artikulation auf die Sprache geführt120 Wer die spätere Entwicklung kennt, wird gemerkt haben, daß wir damit auf eine weitere wichtige Spur gestoßen 119 διαρθρόω gehört, wie noch der Gebrauch bei Piaton und Aristoteles zeigt, proprie in den biologisch-anatomischen Bereich, „mit Gliedern, Gelenken versehen" (vgl. die Belege bei Brandwood und Bonitz s.v.) Es ist daher nicht einzusehen, warum Piaton an oben genannter Stelle das Gefühl für den ursprünglichen Herkunftsbereich und damit für den metaphorischen Charakter seiner Fügung verloren haben sollte, wie das etwa die farblose Wiedergabe „gestalten" voraussetzt. Ich würde durchaus mit „gliedern, artikulieren" übersetzen, was auch von der späteren Verwendungsgeschichte des Wortes gestützt wird: Es entwickelt sich zum terminus technicus für die phonetische Artikulation (bei Aristoteles nur in substantivischer Ableitung, später verbal, z.B. Pseudo-Aristoteles περί ακουστών 801b 3,14 und Problemata 875b 22 u.a., weitere Belege vgl. Liddell-Scott-Jones s.v.). φωνή dürfte hier wohl eher - wie häufig bei Piaton (s.S. 108) - „Sprache", nicht „Stimme" bedeuten, denn die syntaktische Verbindung mit ονόματα als gemeinsamen Objekten zu διηρθρώσατο würde, die Bedeutung „Stimme" unterstellt, die harte Fügung eines affizierten (φωνήν) und eines effizierten Objekts (ονόματα) ergeben. Der Satz lautet also m.E.: „Sprache und Namen artikulierte er sich schnell durch Kunstfertigkeit". Allerdings ist auch eine zeugmatische Verbindung nicht auszuschließen. 120 Natürlich ist - dies sei nochmals betont - auch der Kommunikationsaspekt, aber nicht als primäres Unterscheidungsmerkmal mit den ονόματα gegenwärtig.
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sind, die zu Aristoteles führt: Auch Aristoteles gewinnt die Lautspezies Sprache primär mit der Differenz der stimmlichen Artikulation, die er im Ausdruck verwandt - διάρθρωσις της φωνής nennt121 Zum Protagorasmythos gehört ein weiterer Beleg, dessen Aufnahme unter die Vorsokratikerfragmente bis heute umstritten ist. Es handelt sich um die kosmologische Einleitung in Diodors Geschichtswerk (I 7,8), die nach einer bekannten These Karl Reinhardts durch Vermittlung des Hekataios v. Abdera auf Demokrits μικρός διάκοσμος zurückgehen soll. Dies führte, wie man weiß, zu einer Aufnahme des Textes in die Β Fragmente Demokrits122 Die Frage, ob ein Demokritfragment und damit ein voraristotelisches Zeugnis vorliegt oder nicht, muß hier aus verständlichen Gründen offen bleiben. Um so bedeutsamer wird - trotz seiner ungesicherten Herkunft der Diodortext um seiner selbst willen, denn hier wird im Vergleich zur Protagorasstelle der von uns gesuchte Komplex terminologisch und inhaltlich in einer Weise differenziert, daß seine Betrachtung für den weiteren Verlauf unserer Überlegungen unerläßlich ist. In bekannter Motivfolge gibt Diodor zunächst eine Kosmogonie und Zoogonie (17), der eine die Anthropogenese kurz erwähnende Kulturentstehungslehre folgt (18). Die Sprachgenese findet sich dabei in charakteristischer Verbindung zur Anthropogenese als erstes Kulturgut nach dem Zusammenschluß der Menschen zu ersten Lebensgemeinschaften schon vom bloßen Motiwerlauf her also dem Protagorasmythos ähnlich123 VS II 135, 38ff (= Diodor I 8,3-4) heißt es:
121 S.S. 127 In diesem Zusammenhang m u ß ein Beleg erwähnt werden, der nicht direkt in den Kontext der Kulturentstehungslehre gehört, aber ihm doch wenigstens verwandt ist. In Xenophons Memorabilien I 4,11 ff geht es Sokrates u m die göttliche Fürsorge für den Menschen, die sich in einer im Vergleich zum Tierreich besseren körperlichen Ausstattung des Menschen zeigt. 14,12 heißt es : καί μην γλώττάν γε πάντων των ζώων εχόντων, μόνη ν την των άνθρώπων εποίησαν οϊαν άλλοτε άλλαχή ψαΰουσαν του στόματος άρθροϋν τε την φωνήν καί σημαίνειν πάντα άλλήλοις, α βουλόμεθα. Auch hier dient also im Sinne des Aristoteles das physiologische Kriterium der stimmlichen Artikulation primär zur Ausgliederung der Sprache. Die Stelle beweist übrigens auch für das Simplex άρθρόω die Möglichkeit der Übertragung in den phonetischen Bereich schon z. Zt. Piatons und Xenophons (s.S. 98, Anm. 119). Mem. 14,6 liefert außerdem einen unzweifelhaften Beleg für die Genusbedeutung von φωνή in der Sinn-Objekt-Relation: το δέ την άκοήν δεχεσθαι μεν πάσας φωνάς (= Laute, Töne). Näheres zur Polysemie von φωνή im Platonkapitel (S. 102ff). 122 Vgl. Demokrit 68 Β 5 (= Diodor I 7,8). Zur komplexen Quellenfrage vgl. Spoerri, Späthellenistische Berichte 3ff, der von Reinhardts These abrückt (s. dazu die Rez. v. O. Gigon, G n o m o n 33,1961, 77 Iff ). Gegen Spoerri und wieder in Richtung auf Reinhardt zielt Th. Cole, Democritus and the sources of Greek anthropology, Western Research University 1967 (s. dazu die Rez. v. A. Graeser, G n o m o n 41, 1969, 9ff). Vgl. auch A. Burton, Diodorus Siculus, Book I, A commentary, Leiden 1972, 47ff. 123 o i e Parallelen zum Protagorasmythos gehen bis in die Formulierung. Vgl. VS II 135,38f : κατ' ολίγον διαρθροΰν τάς λέξεις (τους άνθρώπους) mit Protagoras 322a ονόματα ταχύ
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(3) της φωνής δ' άσημου και συγκεχυμένης ούσης έκτου κατ' Ιόλίγον διαρθροΰντάς λέξεις, και προς αλλήλους τιθέντας σύμβολα περί έκαστου Ιτών ύποκειμένων γνώριμον σφίσιν αύτοΐς ποιήσαι την περί απάντων έρμηνείαν. I (4) τοιούτων δε συστημάτων γινομένων καθ' άπασαν την οίκουμένην, ούχ όμόφωνον πάντας εχειν τήν διάλεκτον, εκάστων ώς έτυχε συνταξάντων τάς λέξεις Ίδιο καί παντοίους τε ύπάρξαι χαρακτήρας διαλέκτων . .1
Die Ausgliederung von Sprache wird in diesem Text explizit als eine genetische Folge zweier Stimmzustände vorgeführt, und anders als Protagoras sind hier von vornherein die beiden Stimme und Sprache scheidenden Merkmale gleichberechtigt wirksam: Artikulation und Semantizität. Die Stimme ist im natürlichen Rohzustand bedeutungslos (άσημος) und konfus (συγκεχυμένη)'24 Zum Zwecke der Verständigung (ερμηνεία) muß sie verarbeitet, d.h. in klar identifizierbare Lauteinheiten gegliedert werden (διαρθρουν τάς λέξεις). Diese sind ihrerseits als unter den Kommunikationspartnern gültige Zeichen (σύμβολα) den sprachlich zu vermittelnden Dingen (υποκείμενα) zuzuordnen. Erst diese Gemeinschaft von Artikulation und Semantizität garantiert den Verständigungserfolg125 Aber der Text enthält noch weit mehr, denn wir erfahren zusätzlich, daß die so artikulierten und mit Bedeutung versehenen Lautzeichen konventionellen, willkürlichen Ursprungs sind (ώς έτυχε), was zu regionalen Sprachunterschieden führt126 Von der genetischen in die systematische Perspektive umgesetzt unterscheidet der Text also - unartikulierte, bedeutungslose (φωνή) von - artikulierten, bedeutsamen stimmlichen Verlautbarungen (λέξεις, σύμβολα, ερμηνεία, διάλεκτος), die - konventionell und infolgedessen - regional verschieden sind. Wie bei den Grammatikerbelegen des ersten Teils macht auch hier ein dihäretisches Schema die Gruppierung deutlicher, die übrigens insbesondere an Priscians Dihärese, allerdings nur an deren Außenglieder erinnert127 Neu ist dagegen die Differenz + konventionell:
διηρθρώσατο (ό άνθρωπος), obwohl natürlich beide Darstellungen grundsätzlich zu einem anderen Erklärungstyp gehören (mythisch-rational). Aber auch Diodor kennt wenig später die mythische Sprachgenese (116,1 - Hermes als Erfinder der Sprache). 124 Hier findet sich eine erste Spur der späteren vox confusa der römischen Grammatiker. 125 Denn eine artikulierte Lautäußerung ist, wie später besonders die Stoiker herausstellen werden (Diog. Laert. VII 57), nicht notwendigerweise auch bedeutsam. 126 Es ist zu beachten, daß διάλεκτος hier noch ganz im aristotelischen Sinn des Wortes „Sprache" und noch nicht „Dialekt" bedeutet. Die letzte Bedeutung scheint erst unter den Stoikern aufgekommen zu sein (Diog. Laert. VII 56). S. S. 201. 127 S.S. 27.
100
Stimme ± artikuliert + sinnvoll Sprache
( - sinnvoll)
(+ sinnvoll)
- sinnvoll ± sinnvoll, (konfuse Laute) konventionell
Es leuchtet unmittelbar ein, daß dieser Text bei grundsätzlich gleicher Motivfolge und Aussage die Protagorasnotiz wesentlich verfeinert. Mit erheblich differenzierterer Terminologie werden die Sprachkriterien Artikulation und Semantizität explizit geschieden, die semantische Funktion des Sprachzeichens beschrieben und semiotisch als konventionell qualifiziert. Dazu kommt das Novum des regionalsprachlichen Aspekts. Einen derartigen Fortschritt im Formulierungs- und Reflexionsniveau von Protagoras zu Demokrit anzunehmen, scheint kaum denkbar, und so läßt sich der Versuchung späterer Datierung dieses Belegs schwer widerstehen. In diese Richtung führt vor allem die hier verwendete Terminologie, deren aristotelische Herkunft unverkennbar ist128 Wie der entsprechende Abschnitt zeigen wird, sind in der Tat Begriffe wie ερμηνεία, σύμβολα, διάλεκτος das gerade für diesen Zusammenhang typische Vokabular des Aristoteles12' Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn es wäre voreilig anzunehmen, bei Diodors Bericht handele es sich nur um eine evolutionäre Umsetzung aristotelischer Unterscheidungen. Im Gegensatz zu Diodor läßt Aristoteles, wie später zu klären sein wird, zwar unartikulierte130, aber grundsätzlich keine sinnlosen stimmlichen Äußerungen zu. Dies deutet sogar auf eine Weiterentwicklung des Komplexes über Aristoteles hinaus, und so scheint Diodors Bericht tatsächlich, mag hier Demokrit in manchem Pate gestanden haben oder nicht, in diesem Punkt eher aristotelisches, ja hellenistisches als vorsokratisches Gut verarbeitet zu haben131 Die drei Texte aus dem Bereich der Kulturentstehungslehre vermitteln deutlich im zweiten Beleg (Protagoras) und mit den genannten Vorbehalten im letzten Beleg (Demokrit?) einen voraristotelischen Reflex der Unterscheidung von Stimme und Sprache mit der primären Differenz der Artikulation, allerdings nicht systematisch, sondern in genetischer Folge. Damit ist in der gesuchten Gattungshierarchie „Laut-Stimme-Sprache" 128
Dies vermutet schon Spoerri, Berichte 138. S.S. 119ff. Dies betrifft vor allem die Unterscheidung von φωνή und διάλεκτος. Auf Aristoteles deutet natürlich auch die Konventionalitätsthese. 130 Aristoteles ist allerdings Diodors Terminus φωνή συγκεχυμένη fremd. 131 Natürlich ist dabei das unverkennbare Vorbild des Protagorasmythos als voraristotelischer Einfluß in Rechnung zu stellen. 129
101
neben der Relation „Laut-Stimme" (Archytas) auch die Relation „StimmeSprache" im aristotelischen Sinne abgesichert.
1.5
Piaton
Mit Piatons Dialogen verlassen wir erstmals den Bereich überwiegend indirekter Vermittlung132 Dies gibt uns Gelegenheit, unsere Bemerkungen zur philosophischen Genese des de-voce-Komplexes zumindestens in ihrem terminologiegeschichtlichen Aspekt auf eine gesichertere Basis zu stellen, indem wir rückblickend die von Theophrast und Aerius indirekt vermittelten terminologischen Unsicherheiten, insbesondere beim Gebrauch des Wortes φωνή, am authentischen Sprachgebrauch Piatons messen. Daß eine solche, aus einem größeren Korpus originaler Texte gewonnene semantische Analyse des akustischen Vokabulars, allen voran des Wortes φωνή nicht nur für einen Rückblick, sondern auch für einen Ausblick unerläßlich ist, zeigt die weitere Entwicklung des de-voceKomplexes, dessen eigentliche Problematik auch später - von Aristoteles bis zu den römischen Grammatikern - in der Bedeutung des Wortes φωνή, bzw. vox liegt. Man wird, so hoffe ich, sehen, daß gerade die Terminologie Piatons hier die beste Orientierungshilfe leisten kann. Weniger wichtig ist Piaton, obwohl für uns erstmals bei ihm alle Glieder der akustischen Hierarchie „Laut-Stimme-Sprache" vertreten sind, für den ideengeschichtlichen Verlauf des Komplexes, weil es Piaton mit Ausnahme der zitierten φωνή-Definition im Timaios nirgendwo auf explizite begriffliche Abgrenzungen oder gar auf dihäretische Ausgliederungen ankommt133 Hier wird erst Aristoteles einen Anfang machen. Wer die platonische Terminologie der Schallerscheinungen verstehen will, wird zunächst von zwei Stellen ausgehen, die akustische Phänomene exemplarisch reihen, dabei aber implizit begriffliche Sonderungen vornehmen. Die erste Stelle findet man in den Gesetzen 669c8ff, wo ab 668a6ff im Zuge musikpädagogischer Erwägungen von der rechten Mimesis in der Kunst gesprochen wird. Sie scheint nach dem Urteil des Atheners den zeitgenössischen Poeten (im Gegensatz zu den Musen) nur allzu oft abzugehen. So würden sich die Musen z.B. vor folgendem Fehler hüten: ετι δε θηρίων φωνάς καί ανθρώπων και οργάνων καν πάντας ψόφους εις ταύτόν ούκ αν ποτε συνθεΐεν ώς εν τι μιμούμεναι. Was immer damit gemeint sein mag, - die Stelle gibt einen ersten 132
Dabei muß Unechtes unberücksichtigt bleiben, wie z.B. die thematisch hierher gehörigen Definitionen der pseudoplatonischen öpoi 414dlff (s. S. 79, Anm. 66), sowie die pseudoaristotelischen Divisiones in der Platonvita des Diogenes Laertius III 80ff, III 107 133 Aus diesem Grund ist wohl auch nur diese Timaiosstelle im Theophrast-Bericht exzerpiert.
102
wertvollen Hinweis auf die lexikalische Relation von ψόφος und φωνή und auf den Geltungsbereich von φωνή. Das hier freilich noch unbestimmte ψόφος scheint Geräusche allgemeiner Art zu umfassen, hätte also Gattungsrang gegenüber den spezifizierten φωναί. Der Geltungsbereich von φωνή selbst wird dagegen durch die Angabe der Schallproduzenten „Tier, Mensch, Musikinstrumente" genauer umrissen. Dieser Befund wird von einer zweiten, ähnlich angelegten Passage, nämlich von den Zeilen 397a4-7 in Piatons Staat bestätigt und erweitert, aber auch leicht modifiziert. Wieder geht es um die rechte μίμησις, diesmal beim sprachlichen Vortrag (λέξις). Ein Zuviel an μίμησις bedeutet hier z.B. nachzuahmen: βροντάς τε καί ψόφους άνεμων τε και χαλαζών και αξόνων τε καί τροχιλιών, καί σαλπίγγων καί αύλών καί συριγγών και πάντων οργάνων φωνάς, καί έτι κυνών καί προβάτων καί όρνεων φθόγγους134 Die in der ersten Stelle nur angedeutete lexikalische Relation wird hier durch Exemplifikationen besonders für ψόφος verfestigt, denn die Beispielreihe natürlicher (Wind, Hagel, zuvor Fluß) und artifizieller Schallproduzenten (Achsen, Flaschenzug) beweist den Gattungsrang von ψόφος zur Bezeichnung unspezifischer Geräusche gegenüber den folgenden φωναί und φθόγγοι. Im Gegensatz zur ersten Stelle sind hier aber, was den Geltungsbereich von φωνή angeht, die φωναί auf den musikinstrumentalen Bereich verengt (bezeichnenderweise auf Blasinstrumente) und von den eigens als φθόγγοι bezeichneten Tierlauten abgesetzt. Aus diesen Belegen könnte also für Piaton erschlossen werden: ψόφος φωνή
= generell: Laut, Geräusch (Naturphänomene, Artefakte) = speziell: Stimme (Mensch, Tier, Musikinstrumente)135
Für das von Piaton selten gebrauchte ψόφος (6x ψόφος, dazu 2χ ψοφεΐν) läßt sich dieses vorläufige Ergebnis schnell absichern. In der Tat ist ψόφος bei Piaton ein unspezifischer, genereller und damit für heterogenste Schallphänomene verwendbarer Begriff: für das Niesen (Symposion 189a4), Türklopfen (ebenda 212c7), für Wind, Hagel, Achsen- und Flaschenzuggeräusche (Staat 397a5), für den stimmlosen Geräuschlaut s (Theaitetos 203b3,5) und unbestimmt (Staat 413d9 und Gesetze 669dl). Verbal erscheint es zur Bezeichnung des Flußrauschens ( Staat 396b6 ) und einer sinnlosen Sprachäußerung (Kratylos 430a4)136 134 Verfehlungen akustischer Mimesis waren schon 396b5ff, z.B. das ποταμούς ψοφοΟντας μιμεΐσθαι erwähnt worden. 135 Daß beim instrumentalen Musiklaut eine translate-Verwendung vorliegt, bleibt vorerst unberücksichtigt. 136 Bemerkenswert ist dabei besonders der Theaitet- und der Kratylosbeleg. Beim Geräuschlaut „ s " steht ψόφος in Opposition zu den mit φ ω ν ή versehenen Lauten ( stimmlos/stimmhaft). Die Kratylosstelle deutet auf eine semantische Differenz wie zuvor bei Gorgias. Dem sinnvollen Sprechen wird das sinnlose ψοφεΐν opponiert (sinnlos/sinnvoll).
103
Ungleich größere Schwierigkeiten - und dies war nach dem früheren Belegbild kaum anders zu erwarten - bereitet auch bei Piaton das Wort φωνή. Im Gegensatz zu ψόφος reich belegt, ist es vor allem durch seine expansive Kraft im akustischen Wortfeld gekennzeichnet. Schon die lateinische Paraphrase von Ast: „sonus, vox; lingua, sermo; etiam dialectos"137 erweist die Tendenz von φωνή, den gesamten Schallbereich vom Geräusch bis zur Sprache abzudecken. Überprüfen wir dies in gebotener Kürze an den Belegen selbst138 Zunächst ist festzuhalten, daß φωνή von Piaton mit beträchtlicher Belegzahl in der uns geläufigen proprie-Bedeutung „mit bestimmten Organen erzeugter Laut eines Lebewesens" verwendet wird - mag dies auch nicht wie später bei Aristoteles eigens durch eine Definition abgesichert sein139. Es fällt dabei auf, daß innerhalb der ζωα der Schwerpunkt in einer Weise zugunsten des menschlichen Bereichs verschoben ist, daß die wenigen Belege für tierische Stimmäußerungen140 für das Bedeutungsgefüge von φωνή insgesamt unerheblich sind. Dagegen ist der proprie-Bereich „φωνή = menschliche Stimme"141 außerordentlich reich entwickelt, wobei für diese Beleggruppe charakteristisch ist, daß hier das menschliche Organ φωνή, soweit ich sehe, nie isoliert genannt, sondern stets durch den Kontext in seinen Funktionsbereichen, nämlich als Instrument des Sprechens und Singens gekennzeichnet wird. In diesem Sinne ist z.B. von der βαρυτης της φωνής des sprechenden Prodikos (Protagoras 316al) oder vom Gesang des Hippothales auf den Geliebten (Lysis 204d6 άδει εις τα παιδικά φωνή θαυμασία ) die Rede142 Die Doppelfunktion der φωνή für Sprache und Gesang und ihre sich daraus ergebende Rolle als Basisbegriff musik- und sprachtheoretischer Gedankengänge wird sogar ausdrücklich thematisiert - so in der bekannten Philebos-Passage 17b2ff, in der φωνή als sprachliches und musikali137 Vgl. Ast, Lexikon Platonicum, Lipsiae 1835 s.v. φωνή. Grundlage der folgenden Ausführungen ist aber L. Brandwood, A word index to Plato, Leeds 1976. 138 Wenig hilfreich sind hier - bis auf die Stellensammlung - die unangemessene Kategorien (Saussures langue/parole| zugrundelegenden Ausführungen von M. Leroy, Sur u n emploi de φωνή chez Platon, Revue des études Greques 80 (1967) 2 3 4 - 2 4 1 . 139 D i e Timaios-Definition bestimmt ja die φωνή nicht v o m physiologisch-produktiven (von Lebewesen stimmlich erzeugter Laut), sondern v o m rezeptiven Vorgang her (beim Gehör eintreffender Laut), was, wie erwähnt, schon Theophrast zur methodischen Kritik veranlaßt hatte (s. S. 72ff) (Es wird nicht das αίσθητόν „φωνή", sondern die αϊσθησις ,,άκοή" definiert). 140 Ich zähle vier: Gesetze 669c8, d6f, im Vergleich Staat 493b3 und w o h l i m Sinne von Sprache Briefe 5, 321d5. 141 D a z u zählt natürlich auch die göttliche φωνή, wie z.B. die der M u s e n (Phaidros 259d7), der Sirenen (Staat 617b6), des D a i m o n i o n (Apologie 31d3 und öfter) und anderer Götter. 142 Einige weitere Belege in Auswahl: Sprechen: Laches 192a6, b2, Gorgias 516d7, Symposion 212d3, Protagoras 310b2, 315a8 u.a., Singen: Gesetze 653d8, e3, 654c6,8, 6 6 5 a l , 666d3, 672e6,9, Hippias minor 374c2 u.a.
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sches Konstituens eingeführt wird, um an ihr das dialektische Gliederungsverfahren in der Sprach- und Musiktheorie zu veranschaulichen (Gliederung der Sprechstimme in Lautgruppen, der Singstimme in Tonsysteme, Intervalle etc.)143 Bei den aus dieser funktionsbedingten Verzweigung im proprie-Bereich von φωνή entstandenen Großgruppen „Sprechen/Singen" ist die eiste, die Sprachgruppe bedeutend reicher entwickelt. Neben die erwähnten „Normalbelege", die ohne besonderen Nebensinn auf die Stimme als Sprechorgan verweisen, tritt z.B. eine Stellengruppe, in der φωνή weniger in sprechphysiologische als vielmehr in semiotische Zusammenhänge tritt. In diesen Passagen wird φωνή als die Lautsubstanz eingeführt, in die sich die διάνοια, bzw. δόξα zum Zwecke zwischenmenschlicher Kommunikation einprägt. So entstehen zwei Zeichenkomponenten, die sich zur Einheit des akustisch wahrnehmbaren λόγος zusammenschließen144. Der proprie-Charakter dieser Belege bleibt dabei von der perspektivischen Verschiebung in das Semiotische unberührt. Eine weitere, recht zahlreich vertretene Beleggruppe im Sprachbereich bildet die metonymisch gewonnene Bezeichnung individueller Sprachen durch φωνή (synchron: Nationalsprachen, Dialekte, diachron: Sprachepochen)'45 In diesem Sinne bezeichnet φωνή z.B. die Sprache der Griechen (Kratylos 409e4,410a3, Kritias 113b 1, Epist. VIII 353e3), der Barbaren (Theaitetos 163b3), der Ägypter (Kritias 113a6), der Mytilenäer (Protagoras 346d8), der Athener (Gesetze 642c5), das Altattische (Kratylos 398d3), usw.. In der zweiten, im Gegensatz zur Sprachgruppe weit weniger entwikkelten musikalischen Großgruppe sind die an und für sich unproblematischen Belege für Vokalmusik bereits berührt worden (S. 104, A. 142). Zu dieser Gruppe zählen auch, wie ebenfalls erwähnt, die Passagen, in denen die Basisrolle der menschlichen Stimme für die Musik erläutert wird (S. 105, Anm. 143). Ein repräsentatives Beispiel für einen proprie143 Ähnliche Passagen sind Kratylos 423b3ff, wo es von Musik und Sprache heißt, daß sie bei gleichem Nachahmungsmittel (φωνή) verschiedene Nachahmungsziele (Laute/Musik, Wesen der Dinge/Sprache) verfolgen, und Timaios 47c4ff, wo im Rahmen einer Funktionsbeschreibung des menschlichen Kopfes vom Nutzen des Gehörs und der Stimme für Sprache und Musik gesprochen wird. In all diesen Belegen wird φωνή durchaus proprie verwendet. 144 vgl. die schon genannte (s. S. 78) λόγος-Definition von Theaitetos 206dlff Weitere Belege: Theaitetos 189e6ff, Philebos 38elff, Sophistes 263e3ff.. Es ist zu beachten, daß die Funktion der φωνή als Konstituens des sprachlichen Zeichens nur für den hörbaren λόγος gilt. Denn Sprache ist, wie man den eben genannten Stellen entnehmen kann, für Piaton von einer Verlautlichung unabhängig. Schon die bloße διάνοια ohne Stimme gilt ihm als Sprechen im Sinne eines stillen Selbstgesprächs, dem sich der λόγος als „lautes Denken" an die Seite stellt. Hierher gehören auch die bekannten σημεία της φωνής Soph. 262a7, d9. 145 Hier liegt ähnlich wie beim lateinischen „lingua" eine Werkzeug-Produkt-Metonymie vor. Soweit ich sehe, fehlt Platon j edoch die später geläufige Metonymie „Stimme-Wort", es sei denn, man interpretiert Gesetze 938a7 φωνή νόμου als „Wortlaut des Gesetzes".
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Gebrauch von φωνή in einem solchen musiktheoretischen Passus ist Gesetze 664e3ff, in dem die τάξις της κινήσεως(ρυθμός) die τάξις της φωνής (αρμονία) und damit die Kunst der χορεία als spezifisch menschliche Fähigkeiten bestimmt werden146 Zu diesen proprie-Belegen tritt eine Gruppe von drei translate-Verwendungen, deren erste und zweite bei uns bereits zu Beginn dieses Abschnitts begegnet waren (s. S. 103): Hier werden instrumentale Musiklaute, insbesondere von Blasinstrumenten wie Trompete, Auloi und Syrinx φωναί genannt. Daß dabei metaphorischer Gebrauch vorliegt, wird von Piaton nicht - wie später von Aristoteles - explizit formuliert, aber es gibt doch einen Passus - unseren dritten Beleg -, der den Übertragungscharakter dieses φωνή-Gebrauches implizit deutlich macht: Protagoras 347c3ff. Hier vergleicht Sokrates das Gespräch über Dichtung mit dem Gelage Ungebildeter, die sich zur Unterhaltung lieber einer fremden, nämlich der „Stimme" der Auloi als ihrer eigenen bedienen: καί γαρ δοκεΐ μοι το περί ποιήσεως διαλεγεσθαι όμοιότατον είναι τοις συμποσίοις τοις των φαύλων καί αγοραίων ανθρώπων, καί γαρ ούτοι, διά το μή δΰνασθαι άλλήλοις δι' εαυτών συνειναι έν τω πότω μηδε διά της έαυτών φωνής καί των λόγων των έαυτών ύπό άπαιδευσίας, τιμίας ποιοΰοι τάς αύλητρίδας, πολλού μισθούμενοι άλλοτρίαν φωνήν την τών αύλών, καί διά της εκείνων φωνής άλλήλοις σύνεισιν •
Diese bewußt mit den metaphorischen Möglichkeiten des Wortes spielende Verbindung der menschlichen mit der instrumentalen φωνή beweist den ursprünglichen Übertragungsweg und verrät, daß sich Piaton das Gefühl für den translate-Charakter dieses φωνή-Gebrauchs durchaus bewahrt hat. Es wäre schließlich verwunderlich, wenn bei Piaton nicht auch die schon bei Archytas beobachtete (s.S. 89f) Möglichkeit nachzuweisen wäre, unter Vernachlässigung der Schallquelle (Stimme/Instrument) die vokale proprie- und die instrumentale translate-Verwendung von φωνή zu der genuin fachsprachlichen Bedeutung „Musiklaut, -ton überhaupt" zu verschmelzen. Überraschenderweise sind jedoch Verwendungen dieser Art sehr selten. Ich zähle nur zwei eindeutige Belege, von denen Gorgias 474e4 der überzeugendste ist'47: 474d2ff lehrt Sokrates, daß ein 146 Man wird überhaupt in antiken musiktheoretischen Passagen mit einem erheblichen Anteil an proprie-Verwendungen von φωνή rechnen müssen, was sich natürlich aus dem bekannten Primat der Vokalmusik in der griechischen Antike erklären läßt ( vgl. E. Frank, Plato 4f, A. Neubecker, Altgriechische Musik, Darmstadt 1977, 42). Dies läßt sich z.B. bei Aristoxenos gut beobachten, der einleitend musiktheoretische Grundbegriffe aus den Unterschieden der menschlichen Sprech- und Singstimme entwickelt (vgl. Aristoxenos, Harmonika 3,5ff Meibom und Neubecker 98ff) ; s. auch S. 74, Anm. 51. Zu Piatons Musiktheorie vgl. L. Richter, Zur Wissenschaftslehre der Musik bei Piaton und Aristoteles, Berlin 1961, speziell zur φωνή 89ff. 147 Der zweite ist Staat 53 la6, wo für φωνή und ήχή durch den musiktheoretischen Kontext (Ablehnung der empirischen Methode) die Bedeutung „Musikton" gesichert ist. Zur musikalischen Interpretation neige ich auch im Fall von Staat 476b5,480a2.
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Ding nicht absolut, sondern stets mit dem Blick auf dessen χρεία oder ήδονή schön genannt werde. Für diese These steht die Beispielreihe d 3f : σώματα, χρώματα, σχήματα, φωναί und επιτηδεύματα. Daß die isoliert genannten φωναί hier nur „Musiklaute" im oben beschriebenen Sinne bedeuten können, beweist erst die Kontextmarkierung von 474e4: ού καί τάς φωνάς καί τά κατά την μουσικήν πάντα ώσαύτως; Bis hierher ließ sich die Bedeutungsstruktur des Wortes φωνή zwanglos als das Ergebnis von Verzweigung und Übertragung aus der proprieBedeutung „Stimme" entwickeln. Ein weiterer nicht unbeträchtlicher Stellenblock wurde bisher ausgespart, weil seine Eingliederung in diese Struktur zunächst auf Schwierigkeiten stößt. Es sind dies eine Reihe von Stellen, deren Kontext keine andere Deutung als „Geräusch, Laut allgemein" zuzulassen und bei denen demzufolge φωνή in synonymische Konkurrenz zu ψόφος zu treten scheint. Der Zusammenschluß dieser Belege zu einer Gruppe wird hier zusätzlich dadurch gerechtfertigt, daß sie alle neben ihrer Bedeutungsgleichheit noch eine gemeinsame, uns inzwischen wohlbekannte Kontextbindung, nämlich die Sinn-ObjektBeziehung aus der Wahrnehmungslehre aufweisen: φωνή wird durchweg - und dies sogar überwiegend explizit durch Nennung der zuständigen αΐσθησις - als das generell dem Gehör zukommende Objekt eingeführt und in geradezu stereotyper Weise mit anderen Sinnesobjekten, meist mit χρώμα verbunden. Wir haben eine solche Stelle, nämlich Menon 76d4, bereits erwähnt (s.S. 93), wo nach dem Vorbild der Farbdefinition als visuellen Objektes ähnliche Bestimmungen für die Objekte όσμή und φωνή erwartet werden. Deutlichere Belege dieser Art finden sich im Charmides mit seiner άκοή άκοής statt der sonst üblichen ακοή φωνής, im Timaios mit dem nach Geschmack und Geruch dritten ίδιον πάθημα, der άκοή und ihrem Objekt φωνή, im Theaitetos (wie auch im Staat) mit der Aufzählung und Zuordnung der Sinne und ihrer Objekte (im akustischen Bereich der άκοή und φωνή) und schließlich im Protagoras mit der Abhängigkeit der Lautstärke der φωναί von der Hördistanz"" Zitieren wir zur besseren Einsicht in diesen Sprachgebrauch die Charmidesstellen 167d4 und 168d3f: 167d4: τί δέ άκοήν, ή φωνής μεν ουδεμιάς άκούει, .,· 168d3f : οίον ή άκοή, φαμέν, ούκ άλλου τινός ην άκοή ή φωνής · Kein Zweifel, φωνή wird hier in einer derart prinzipiellen, von einer kontextuellen Sonderung unabhängigen Weise der άκοή zugeordnet, daß es in Belegen dieser Art nur als Synonym von ψόφος im Sinne eines „sonus generalis" interpretiert werden kann. Für die Bedeutung von φωνή bei Piaton hätte dies, weil auf den ersten Blick eine Brücke zu den bisher 148 Vgl. Charmides 167d4, 168d4,6 ; Timaios 67b2, Theaitetos 156c2, 185a8, Staat 507cl0 und Protagoras 356c7. Zu Phaidon 98d7 s. unten S. 111.
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entwickelten Bedeutungsgruppen zu fehlen scheint, zur Folge, daß wir der ersten Grundbedeutung „Stimme" eine zweite gleichberechtigte, aber im Gattungsgrad höher stehende Bedeutung „Laut, Ton" an die Seite zu stellen hätten - eine nicht ungefährliche Polysemie, die im Verständnis des Lesers solcher φωνή-Stellen die zunächst spontan realisierte, weil gewöhnliche Spezies, mit der vom Kontext geforderten Genusbedeutung kollidieren lassen könnte149 Trotzdem macht Piaton ungeniert Gebrauch von dieser Polysemie - sogar auf engstem Raum, wie eine Stelle im Kratylos zeigt: Heißt es hier zunächst, daß wir auch in der Musik wie in der Sprache φωνή (mit der Stimme) nachahmen (423d2), so wird im unmittelbaren Anschluß behauptet, jedes Ding habe σχήμα und φωνή (also Ton, Laut), viele χρώμα (423d4f) und diese selbst, nämlich χρώμα, φωνή u.a. hätten ihre ούσία (423e3). Es ist kein Wunder, daß solch unvermitteltes Nebeneinander beider Bedeutungen von φωνή zu Übersetzungskonflikten führt150, wie wir sie schon von den vorplatonischen Belegen her kennen. Wie ist dieses merkwürdige Ergebnis zu erklären, und welchen Beitrag kann es zur Klärung früherer und vielleicht auch künftiger φωνήProbleme leisten? Vor einer Antwort auf diese Fragen fassen wir zur besseren Übersicht die für Piaton ermittelte Bedeutungsstruktur von φωνή tabellarisch zusammen: φωνή
bei Piaton:
1. Stimme 1. menschlich: 1.1 beim Sprechen: proprie: metonymice: 1.2 beim Singen: proprie: metaphorice:
2. animalisch: 2. Laut, Ton allgemein (8 x )
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(reich entwickelt) (häufig) 1. physiologisch: Sprechorgan 2. semiotisch: Lautseite des λόγος Nationalsprache, Dialekt, Sprachepoche (weniger häufig) physiologisch: Singorgan (selten) 1. Instrumentaler Musikton 2. Musikton überhaupt (selten) als akustisches Sinnesobjekt im Kontext der Wahrnehmungslehre
Daß dies tatsächlich geschieht, zeigen die immer wieder zu beobachtenden Unsicherheiten der Platonübersetzer an den φωνή-Stellen (Stimme, Klang, Ton, sound, vocal sound, voice etc.). Ein Beispiel wird in der folgenden Anmerkung gegeben. 150 vgl. z.B. die Kratylos-Übersetzung Deuschles (Platon, Berlin o.J., 3 Bde., Bd. 1,594): „Es hat doch jedes Ding eine Stimme (Klang) .."
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Die Bedeutungsskizze läßt eher noch als der diskursive Belegdurchgang hoffen, daß der zunächst so seltsam anmutende Befund vielleicht doch erklärbar sein könnte. Wie der musikalischen Beleggruppe zu entnehmen war ; zeigt φωνή die bereits erläuterte Tendenz, das für die proprie-Bedeutung (Stimme] unerläßliche Merkmal „+ belebt" durch Übertragung auf nichtbelebte Tonquellen (Instrumente) abzuschwächen und sich schließlich ganz vom Kriterium der Tonerzeugungsart (vokal/ instrumental) zu lösen. So kommt es im musikalischen Bereich zu einer semantischen Entwicklungsreihe, an der sich die Entstehungsgeschichte des fachsprachlichen Terminus φωνή aus gemeinsprachlichen Ursprüngen als eine Folge fortschreitender Merkmalschwächung ablesen läßt: Stimme - vokaler Musikton (-Sprechen) - instrumentaler Musikton (-belebt) - Musikton (-Produktionsweise) überhaupt. Schon ein kurzer Blick auf unsere Übersicht von S. 108 legt die Vermutung nahe, daß diese Schwächungstendenz auch hier noch kein Ende gefunden, sondern weiter, und zwar über den Wegfall des Produktionskriteriums hinaus zu einer Lösung aus der fachsprachlichen Bindung überhaupt geführt haben könnte. Es läßt sich nämlich angesichts der hier ermittelten Bedeutungsstruktur annehmen, daß unsere zweite Grundbedeutung „Laut, Ton allgemein" vielleicht doch nicht, wie zuvor angenommen, beziehungslos im Raum steht, sondern die im musikalischen Bedeutungsbereich beobachtete Entwicklung insofern fortsetzt, als der Terminus „Musikton" seine fachsprachliche Bindung aufgibt und so als gemeinakustischer Begriff auch für andere Rontexte verfügbar wird. Daß dies bei Piaton mit großer Wahrscheinlichkeit zutrifft, daß also die mit „Ton" zu übersetzende φωνή des αϊσθησις-Bereichs auf fachsprachliche Verwendungen des Wortes zurückgeht, läßt sich zum Glück noch erkennen: Schon die bereits S. 106 f zitierte Gorgiasstelle 474e4 zeigt eine allerdings kaum merkliche Verknüpfung des musikalischen mit dem αίσθησιςKontext, insofern, als die hier klar für den Musikbereich ausgewiesenen φωναί zugleich in einer für die αισθητά typischen Beispielreihe, nämlich zusammen mit σχήμα und χρώμα erscheinen (474e2-4). Wesentlich deutlicher wird die musiktheoretische Herkunft der mit ψόφος konkurrierenden Genusbedeutung von φωνή im αίσθησις-Kontext aus der berühmten und mehrfach zitierten Timaiospassage 67a7ff, deren sprachliche und inhaltliche Detailprobleme wir leider mit dem Hinweis auf Α. E. Taylors Kommentar beiseite lassen müssen 151 Daß φωνή hier nur „Laut, Ton allgemein" und nicht „Stimme" bedeuten kann, ergibt sich aus der Einbettung dieser Stelle in den Gesamtzusammenhang: Die sich aus der Elementenlehre entwickelnde Theorie der κοινά (mit dem ganzen Körper, ab 61c3ff) und der Ιδια παθήματα (mit einzelnen Sinnesorganen, ab 151
Vgl. Α. E. Taylor, A commentary on Plato's T i m a e u s , Oxford 1928,476ff
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65b4ff) führt schließlich über Geschmack und Geruch zur dritten, der akustischen Wahrnehmung und ihren Ursachen. Die Aitiologie des Gehörs soll allem Anschein nach zunächst durch eine allgemeine Objektund Sinndefinition (67b2-5) und dann durch eine speziell die Wahrnehmungsunterschiede, also die Tondiffeienzen betreffende Notiz geleistet werden (67b6-cl). Ein Text, der in derart prinzipieller Weise auf die Erhellung der akustischen Sinn-Objekt-Relation aus ist, läßt für die Objektseite wohl kaum eine andere Interpretation zu als „Laut, Ton allgemein"152 Daß aber Piaton schon in der allgemeinen Objektdefinition φωνή und nicht ψόφος gewählt hat, ist sicher auf den fachsprachlichen Einfluß zurückzuführen, den der eigentliche Zielpunkt seiner Argumentation, das Phänomen der Tondifferenzen (67b6ff) von Haus aus mit sich bringt: die Musiktheorie. Wir haben die Abhandlung der Tondifferenzen unter dem Lemma φωναί im Rahmen der Musiktheorie schon bei Archytas beobachtet153 und können die fachliche Kontextbindung noch dadurch erhärten, daß Piaton selbst die Passage der Tondifferenzen mit der erst 80a3ff gegebenen, eindeutig musiktheoretischen συμφωνία/ άρμονία-Passage verbindet (67c2f)154 Dies alles stützt unsere Annahme, daß die bei Piaton auch in nichtmusiktheoretischen Kontexten anzutreffende Genusbedeutung „Ton" letztlich auf einer Verschiebung des ursprünglich fachsprachlich an die Musiktheorie gebundenen Terminus beruht. Die nicht unerheblichen Folgen dieses Prozesses für das akustische Wortfeld haben wir schon am Beispiel des Übersetzerkonfliktes deutlich gemacht. Neben die gemeinsprachliche Speziesbedeutung „Stimme" tritt die aus fachsprachlicher Einwirkung entstandene Genusbedeutung „Ton", die, weil so ein und dasselbe Wort Gattung und Art zugleich vertritt, zu einer verwirrungstiftenden Polysemie führen. Wir werden sehen, daß sich Aristoteles redlich bemüht, diese Polysemie rückgängig zu machen155 Wenn also die Entstehung der Genusbedeutung von φωνή und damit Piatons φωνή-Gebrauch überhaupt geklärt zu sein scheint, so bleibt die Frage nach der terminologiegeschichtlichen Herkunft und Wirkung des platonischen φωνή-Befundes offen156 Was die spätere Entwicklung an1 5 2 Daß dies nicht grundsätzlich für eine Verbindung von άκοή und φωνή bei Piaton gilt, zeigt Timaios 47c4, in der nur die proprie-Bedeutung „Stimme" in Frage kommt (s.S. 105, Anm. 2). !53 s.S. 143. 1 5 4 Diese Verbindung sieht dann auch Theophrast (s. S. 72). 155 S.S. 119ff. 1 5 6 Es ist klar, daß diese Frage letztlich nur durch eine umfassende Analyse sämtlicher φωνή-Belege vor Piaton beantwortet werden kann. Darauf muß in dieser Arbeit, um sich auf keinem, wenn auch noch so verlockenden Nebengleis zu verlieren, mit dem Hinweis auf einen bedauerlichen Mangel an Vorarbeiten verzichtet werden, den schon L. Richter, Wissenschaftslehre 6, Anm. 3 beklagt. Nützliche Anmerkungen zur Geschichte von φωνή gibt W. Richter, Συμφωνία, in: Convivium Musicorum, Festschrift für W. Boetticher, hrsg. v. H. Hüschen und D. R. Moser, Berlin 1 9 7 4 , 2 6 4 - 2 9 0 , 267ff, der die Entstehung des fachsprachlichen Terminus
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geht, so wird sich zeigen, daß auch weiterhin - trotz Aristoteles - mit einer Polysemie von φωνή gerechnet werden muß. Ausführlicher ist hier auf den Wert der Ergebnisse dieses Abschnitts für eine Klärung früherer Unsicherheiten einzugehen. Es muß zunächst vorausgeschickt werden, daß wir aus einer Rückprojektion des platonischen φωνή-Gebrauchs keine Sicherheit für den vorplatonischen Einzelbeleg gewinnen und umgekehrt den platonischen Befund selb st nicht zufriedenstellend aus den früheren Belegen (etwa im Sinne einer Ermittlung direkter Vorläufer Piatons) erklären können. Daß sich hier unzweifelhafte Ergebnisse nicht einstellen wollen, hat seinen Grund vor allem darin, daß bei den vorplatonischen Exzerpten die für die jeweilige Bedeutungsabsicherung von φωνή unbedingt nötigen Kontexte fehlen. Die Analyse des Wortgebrauchs bei Piaton selbst hat diese Kontextabhängigkeit hinreichend demonstriert - z.B. dadurch, daß die Beziehung άκοή-φωνή im αϊσθησις-Bereich mit wechselndem Kontext einmal mit „Gehör-Stimme" (Timaios 47c 4-Beschreibung des Kopfes) und einmal mit„Gehör-Ton" (Timaios 67b 2-Beschreibung individueller Sinneseindrücke) wiederzugeben war. Nach unseren früheren Ausführungen darf dies sicher auch schon für das vorplatonische Material behauptet werden, ja es läßt sich sogar noch zusätzlich durch ein bisher zurückgehaltenes Piatonzitat erhärten: Im Phaidon 98b7ff berichtet Sokrates von seiner Enttäuschung bei der Anaxagoraslektüre. Insbesondere karikiert er dessen naturphilosophische Aitiologie, die das Wesentliche verfehlt, weil sie z.B. eine konkrete Dialogsituation (Sitzen, Sprechen) aus ihren biologischen und physikalischen Prinzipien herzuleiten sucht. So würde Anaxagoras z.B. zu den Ursachen des Sprechens bemerken (98d6ff): καί αύ περί του διαλέγεσθαι ύμΐν έτέρας τοιαύτας αιτίας λέγοι, φωνάς τε και αέρας καί άκοάς καί άλλα μυρία τοναϋτα αίτιώμενος. Wüßte man nicht, daß der φωνάς-Satz von 98d7f der Erklärung des διαλέγεσθαι gilt - man wäre sicher versucht, den stimmlich-sprachlichen Bereich von vornherein auszuschließen und in den φωναί nur das generelle Schallobjekt der άκοαί zu sehen157 Trotz alldem ist die Frage nach der Bedeutsamkeit des platonischen Befundes für die Vorgeschichte von φωνή alles andere als sinnlos. Wenn auch nicht für den Einzelfall, so lassen sich doch für die vorplatonischen „φωνή = Musikton" aus Übertragungen herleitet. Wenig hilfreich sind in diesem Punkt H. Fournier, Les verbes „dire" en grec ancien, Paris 1946, 230 und (mit neuester Literaturl M. Kaimio, Characterization of sound in early Greek literature, Commentationes h u m a n a r u m litterarum 53, Helsinki 1977, 82. Hervorzuheben ist fur den homerischen Gebrauch H. J. Krapp, Die akustischen Phänomene in der Ilias, Diss, (masch.) München 1964,16ff. Soweit ich sehe, setzen alle Interpreten (s. dazu auch die Belege bei Liddell-Scott-Jones) die Ausgangsbedeutung „Menschliche Stimme" 157 Vgl. aber oben S. 82, Anm. 78.
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Belege insgesamt die Möglichkeiten semantischei Gruppierung von φωνή aus dem platonischen Sprachgebrauch rückwirkend klarer erschließen, als dies aus der isolierten Einzelinterpretation früherer Abschnitte möglich war. Schließlich ist Piatons φωνή-Gebrauch trotz möglicher Eigenarten im ganzen sicher nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern das Ergebnis einer bedeutungsgeschichtlichen Kontinuität. Wir dürfen deshalb mit einiger Zuversicht wenigstens generell auch für die vorplatonischen Belege folgende Bedeutungsgruppen vermuten: 1. 2. 3. 4.
Stimme Sprache Musikton Geräusch, Ton überhaupt
Daß mit größter Wahrscheinlichkeit auch im vorplatonischen Bereich Belege für die erste und zweite Gruppe vorhanden sind, hat sich schon im Verlauf unserer Einzelinterpretation immer wieder ergeben158 Gravierende Probleme stellen sich erst bei den beiden letzten Gruppen, weil hier die Beleglage eine wesentlich geringere Evidenz besitzt als bei den Bedeutungsgruppen „Stimme, Sprache" Wir werden uns z.B. hüten, den bei Piaton beobachteten fachsprachlichen Gebrauch von φωνή = „Musikton" mit seiner Tendenz zur Lösung aus dem musiktheoretischen Kontext schon für Demokrit anzusetzen, von dem wir schließlich in puncto „Musiktheorie" kaum mehr als Werktitel besitzen159 Ähnlich steht es mit der vierten Gruppe. Die bei Piaton bemerkenswert konsequente Bindung der Genusbedeutung von φωνή an den αΐσθησιςKontext läßt natürlich eher auf den Einfluß einer terminologiegeschichtlichen Tradition als auf eine Eigenart Piatons schließen. Aber hier warnt unsere Analyse der übrigen voraristotelischen Belege vor voreiligen Schlüssen: Es hat sich insgesamt alles andere als ein einheitliches Bild ergeben, auf das sich der Sprachgebrauch Piatons mit Sicherheit zurückführen ließe. Ebenso zweifelhaft muß auch der Versuch bleiben, individuelle Vorläufer zu ermitteln, etwa Archytas oder vor allem Demokrit, der sich nach den Verhältnissen im Theophrastbericht ( s. S. 69 ff ) natürlich in besonderem Maß anbietet. Entgegen der Ansicht Franks dürfte Archytas mit seiner in diesem Punkt eher an Aristoteles als an Piaton 158
S.S. 76 und S. 85. VS A 33 Χ,ΧΙ und auch die bereits genannte Schrift αίτίαι περί φωνών (VS II 91,14). Vgl. dagegen Franks umstrittenen Versuch (Plato 167ff) aus überaus spärlichen Zeugnissen eine Musiktheorie Demokrits zu rekonstruieren. Immerhin zeigt das πυκνώματα von Staat 531a4 (Verspottung musiktheoretischer Empiriker] in Verbindung mit φωνή = Ton (531a7) eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu Demokrits φωνή-Definition in Theophrasts § 55 (s. S. 70). Zum Verhältnis Piatons zu den Pythagoreem vgl. L. Richter, Wissenschaftslehre 9ff, Burkert, Weisheit 74,348ff und Neubecker, Musik 16ff. Insgesamt läßt unser Material wohl kaum gesicherte Aussagen zu. Vgl. aber die schon bei Archytas belegte Bedeutung φωναί = Musikton. 159
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erinnernden Terminologie (άκοή-ψόφος im generellen αίσθησις-Bereich) als Vorläufer ausscheiden160 Wir haben andererseits die terminologische Konsequenz Demokrits, die ihn laut Theophrast als einzigen Vorsokratiker mit Piaton zu der befremdlichen άκοή-φωνή-Gruppe vereinigt hatte, schon selbst durch andere Belege in Frage gestellt, denen auch im αίσθησις-Bereich die proprie-Bedeutung, vielleicht sogar im Rahmen der Sprechsituation zugrunde liegen könnte (s. S. 71). Auch Demokrit kann daher nicht vorbehaltlos als Vorläufer Piatons in Anspruch genommen werden. Wir haben trotzdem durch Piaton die für das Verständnis des gesamten de-voce-Komplexes unerläßliche Einsicht gewonnen, daß vor ihm und sicher auch nach ihm mit mindestens drei kontextabhängigen Grundbedeutungen von φωνή zu rechnen ist, nämlich „Stimme", „Sprache" und „Ton" So hätten beide, Beare und Stratton recht - der eine mit der Annahme einer in der άκοή-Relation exemplarisch verwendeten φωνή mit proprie-Bedeutung und der andere mit der Annahme einer gelegentlichen Synonymität von ψόφος und φωνή, und es sind nur die fehlenden Kontexte, die uns im Einzelfall die Entscheidung für die eine oder andere Möglichkeit entzogen haben'61 Vermerken wir zum Schluß, daß die bei Piaton reich vertretene Sprachterminologie (ονόματα, λόγος, λέγειν, διαλέγεσθαι etc.) hier deshalb vernachlässigt werden kann, weil es ihm nirgendwo (wie später Aristoteles) darauf ankommt, das Sprachphänomen aus den Schallerscheinungen auszugliedern. Für den terminologiegeschichtlichen Faden sei nur vermerkt, daß das für Aristoteles später wichtige διάλεκτος bei Piaton selten und dann in der Bedeutung „Gespräch, Redensart, Redeweise" verwendet wird162
Zusammenfassung
Nach unseren bisherigen Ausführungen zeigt sich vor Aristoteles folgendes Entwicklungsbild: 1. Keimzelle der akustischen Objektbeschreibung ist die Wahrnehmungslehre, in der eine Reihe von Naturphilosophen vor Aristoteles (Alkmaion,
Anaxagoias,
Empedokles,
Demokrit,
Diogenes,
Kleidemos
u.a.) in nicht klar erkennbaren dispositionellen Zusammenhängen eine 160 S.S. 86ff und Frank, Plato 175, Anm. 1 : „Es wird darum niemand zweifeln, daß auch die platonische Theorie des Hörens von Archytas stammt, zumal sie bis auf die Terminologie mit der als archyteisch überlieferten übereinstimmt. " Übereinstimmend ist allerdings die eben genannte Verwendung von φωναί in der Bedeutung „Musikton" S.S. 76. 162 Vgl. Symposion 203a 3, Theaitetos 146b 3, 183b 6, Staat 454a 8.
113
Sinn-Objekt-Relation zu erstellen suchen. Unserer Überlieferungslage zufolge ist jedoch die uneinheitlich formulierte, besonders bei Verwendung von φωνή konfliktgeladene Objektseite wegen Kontextmangels nicht im Einzelfall terminologisch abzusichern. Die Rückprojektion des platonischen φωνή-Gebrauchs vermittelt aber die Einsicht, daß sowohl mit exemplarischer Verwendung der Spezies als auch mit höchstwahrscheinlich fachsprachlich entstandener Synonymie von ψόφος/ήχος und φωνή zu rechnen ist163 Ein Bemühen u m dihäretische Differenzierung der Objektseite ist nicht erkennbar: άκοή
o-·
ψόφος, ήχος, φωνή
-o
unspezifisch
2. Die wenigen Spuren sophistischer Provenienz (Goigias, Protagoras) ergeben eine deutliche Zuwendung zur Sprache. Sie führt bei Gorgias durch eine kritische Prüfung der Sinn-Objekt-Relation im Rahmen der Sprechsituation zur Ausgliederung der Sprache als eines bedeutsamen (λόγος) im Unterschied zum bedeutungslosen Hörobjekt (ψόφος): ακοή
ψόφος
o •«— ο λόγος
+ bedeutsam
Von Protagoras wird die Sprache erstmals nicht mehr aus der allgemeinen Sinn-Objekt-Relation, sondern im kulturgenetischen Zusammenhang aus dem Bereich der menschlichen Stimme mit der Differenz der Artikulation gewonnen (und implizit auch der Semantizität) : o ^menschlich. Stimme
- artikuliert (- bedeutsam)
S) φωνή, ονόματα
+ artikuliert (+ bedeutsam)
3. Im Archytasfragment wird wieder von der Sinn-Objekt-Relation ausgegangen, aber die Objektseite tritt in den Vordergrund. Zugleich wird der dispositionelle Wert der Objektdifferenzierung, nämlich ihre Einlei163 Neben meine These von der fachsprachlich entstandenen Synonymie von ψόφος und φωνή möchte ich einen Hinweis G. Patzigs stellen: ψόφος könnte, obwohl als Gattungsbegriff eigentlich neutral, so sehr mit dem Merkmal „nicht-menschlich" aufgeladen sein, daß es in bestimmten Kontexten mit φωνή in Konflikt geraten kann, eine semantische Spannung, wie sie etwa bei „animal" im Kontext „man and other animals", nicht aber bei ζωον oder „Lebewesen" auftritt, φωνή könnte aufgrund dieser bedeutungsgeschichtlichen Entwicklung ψόφος den Gattungsrang streitig gemacht haben.
114
tungsfunktion in den musiktheoretischen Traktat deutlich. Die hier erstmals klar belegte Exemplifikation der Sinn-Objekt-Relation durch die menschliche φωνή führt zu einer Unterordnung der φωνή unter den Gattungsbegriff ψόφος, φωνή wird außerdem als vokale und instrumentale Musikverlautbarung zum Fachterminus „Musikton" verbunden: ψόφος
ακοή
o -—
- n φωνή
+ menschlich (+ instrumental)
4. Der platonische Sprachgebrauch läßt überwiegend eine Subordination von φωνή unter ψόφος mit dem semantischen Schwerpunkt „menschliche Stimme, Sprache" erkennen. Eine fachsprachlich (φωνή = Musikton) entstandene und an den αΐσθησνς-Kontext gebundene Genusbedeutung von φωνή führt zu einer Kollision mit der gemeinsprachlichen Speziesbedeutung. Außerdem vertritt φωνή metonymisch den Sprachbereich, so daß mit diesem Terminus der gesamte Bereich „Laut, Stimme, Sprache" abgedeckt werden kann: . φωνή (ψόφος)
ακοή -
φωνή (Stimme) φωνή (Sprache) Insgesamt: Laut
άκοή
o-·—
ψόφος, ήχος, φωνή
•Ο
Stimme
unspezifisch proprie: + menschlich (anim.) translate + instrumental metonymice unspezifisch
proprie:
+ menschlich (animalisch) translate:
+ instrumental Sprache
1= 2= 3= 4=
Ο
ο
λόγος
φωνή, ονόματα
+ artikuliert + bedeutsam
Naturphilosophen, Gorgias, Archytas, Piaton Archytas, Piaton Gorgias Protagoras, Platon 115
Exkurs: Pseudo-Hippokrates
περί σαρκών, Kap. 18
Bevor wir uns Aristoteles zuwenden, muß noch ein Beleg behandelt werden, der aus der medizinischen Fachliteratur stammt: das achtzehnte Kapitel der pseudohippokratischen Schrift περί σαρκών1 Die Herkunft dieses Textes aus der Fachliteratur, die seine Eingliederung in den zweiten Teil der Arbeit nur sehr bedingt zuläßt, ist einer der Gründe, warum dieser Abschnitt „Exkurs" genannt wird. Der andere Grund liegt darin, daß die Datierung dieser Schrift bis heute zweifelhaft ist, wir also gar nicht sicher sein können, hier wirklich ein voraristotelisches Zeugnis vor uns zu haben2 Dennoch darf dieser Text nicht übergangen werden, weil sich immerhin nicht ausschließen läßt, daß er tatsächlich „die einzige zusammenhängende Darstellung eines Systems der Sprachphysiologie" darstellt, „das uns aus der Zeit vor Aristoteles von einem Autor selbst, also nicht in Form eines Referats durch einen dritten, etwa eines Doxographen erhalten ist"3 Im Verlauf der Entstehungsgeschichte und Funktionsbeschreibung des menschlichen Körpers in περί σαρκών werden nach der Behandlung der Glieder, Nägel, Zähne und Haare (c. 10-14) zunächst die Sinne „Hören" (c. 15), „Riechen" (c. 16) und „Sehen" (c. 17) besprochen. Es folgte. 18 mit dem Thema διαλεγεσθαι, womit der Komplex „Sinne" offensichtlich abgeschlossen ist4 Wir geben zunächst Jolys Text: 199 200
XVIII. 1 Διαλέγεται δε |διά] το πνεύμα ελκών I έσω ές πάν το σώμα, το πλείστον δε ές τα κοίλα αύ Ιτός έωυτοϋαύτό δέ θύραζε ώθεόμενον δια το κενεόν Ιψόφον ποιεί - ή κεφαλή γαρ έπηχεΐ. Ή δε γλώσσα Ιάρθροι προσβάλλουσα "έν τω φάρυγγι άποφράσσουσα I καί προσβάλλουσα προς την ύπερφην και προς τους I οδόντας ποιεί σαφηνίζειν ήν δε μή ή γλώσσα άρθροΐίπροσζάλλουσα έκάστοτε, ούκ άν σαφέως διαλέγοιτο I άλλ' ή έκαστα φύσει τα μονόφωνα. Τεκμήριον δέ έστι I τούτω, οί κωφοί οί έκ γενεής ούκ έπίστανται διαλέ Ιγεσθαι, άλλα τά μονόφωνα μοΰνον φωνέουσιν ούδ' εϊ Ιτις το πνεύμα έκπνευσας πειρωτο διαλέγεσθαι. 2 Δήλον I δε τώδε · οί άνθρωποι οπόταν βούλωνται μέγα φωνήσαι, I ελκοντες το πνεύμα το εξω ώθέουσι θύραζε καί φθέγγον-1 ται μέγα, εως άν άντέχη το πνεύμα, έπειτα δε κατα I μαραίνεται το φθέγμα · καί οί κιθαρωδοί, οπόταν δέη Ιαύτοΐσι μακροφωνεΐν, έπ' άκρον έλκύσαντες το πνεύμα I εσω
1 Ich folge dem Text von R. Joly, Hippocrate, Tome XIII (Budé] Paris 1978, p. 199f, ohne dabei die grundlegende Ausgabe von K. Deichgräber, Hippokrates, Über Entstehung und Aufbau des menschlichen Körpers, Leipzig-Berlin 1935 zu vernachlässigen. 2 Nach früheren Datierungen in die nacharistotelische Zeit (vgl. Deichgräber 27, Anm. 4) plädiert Deichgräber (ibidem) im Anschluß an Wilderling (1914) für das ausgehende 5. Jahrhundert - eine Datierung, die Joly 182f übernimmt. In seiner Rezension der Ausgabe von Joly stellt A. Anastassiou (Gnomon 5 2 , 1 9 8 0 , 3 0 4 - 3 1 6 , 3 1 0 ) diesen Ansatz wieder in Zweifel und erwägt sprachliche Argumente für eine nacharistotelische Datierung. 3 Deichgräber 51 f. Zu Aristoteles' Beziehung zum Corpus Hippocraticum vgl. S. Byl, Les grands traités biologiques d'Aristote et la Collection hippocratique, in: Corpus Hippocraticum, Actes du colloque Hippocratique de Möns, Hrsg. ν. R. Joly, Möns 1977, 3 1 3 - 3 2 6 . 4 Es fehlen also Schmecken und Fühlen. Nach Deichgräbers Vermutung (51) rechnet der Autor auch das Sprechen zu den αισθήσεις.
116
πολύ έκτείνουσι την έκφορήν καί φωνέουσι καί I φθεγγονται μέγα, έως αν άντέχωσι τω πνεΰματι, έπήν I δε το πνεύμα έπιλίπη, καταπαύονται · τούτοισι δήλον I ότι το πνεΰμά έστι το φθεγγόμενον. 3 Εΐδον δέ ήδη I οι σφάξαντες έωυτούς άπεταμον τον φάρυγγα παντά Ιπασιν - ούτοι (ώσι μεν, φθεγγονται δε ούδέν, εί μη τις Ισυλλάβη τον φάρυγγα· ούτω δέ φθεγγονται· δήλον I δέκαί τούτω, οτι το πνεύμα ού δύναται, διατετμημέ Ινου τού φάρυγγος, έλκειν έσω ές τα κοίλα, άλλα κατά Ιτό διατετμημένον έκπνεΐ. Ούτως έχει περί φωνής ϊσως I καί διαλέξιος. 1124 δια del. D. (Διαλέγεται διάτόδε ·τό πν. έλκει. . forsitan scribenduml 1125 έσω ές Li.: εϊσω V1126 έωυτοϋ C o r n : -το V -τω V1 ΙΙώθεόμενον Com.: το θεώμενον V ΙΙτό edd.: τον VII κενόν V 2 προσβάλλουσα Com.: προβ- V113 ήν δε μή ή V2 : ή δέ μίη V ΙΙγλώσση V115 αλλ ή Joly : αλλ' ή D. άλλ' ή V (ή V 1 ) άλλ' ή Li. 116 ούκ: ούγάρ Erm. 1111 et 15 έως αν Erm.: ώς VII18 φάρυγγα edd.: λ-V 1120 ούτω Calvus (-ως): ούτοι V1122 φάρυγγος Erm.: λ- V
Das Kapitel 18 ist ganz dem sprachphysiologischen Prozeß gewidmet. Erste Voraussetzung des διαλέγεσθαι ist das Einatmen und das eigentlich geräuscherzeugende Ausatmen. (199, 24-27 Joly). Es folgt die artikulierende Zunge, die dem Luftstrom in dem φάρυγξ den Weg versperrt und durch Schläge an Gaumen und Zähne das σαφέως διαλέγεσθαι ermöglicht. Beweis dieser Funktion ist die Artikulationsunfähigkeit der von Geburt an Stummen (200, 1-7). Mit 200,7 Joly kehrt der Autor zum Eingangsgedanken zurück: Zur Funktion der Atmung beim Sprechen. Sprechen ist unmöglich nach dem Ausatmen. Dies zeigt sich am Beispiel laut rufender Menschen (Tonintensität) und der Kitharöden, die bisweilen die Stimme lang aushalten müssen (Tondauer) (200,7-16 Joly). Das Fazit dieser Beobachtungen ist (200,17): το πνεΰμά έστι το φθεγγόμενον, was noch einmal an einem Beispiel, dem Selbstmörder mit durchschnittener Kehle, illustriert wird (200,17-23). Soviel zum Thema περί φωνής καί διαλέξιος (200, 23f). Es dürfte, wenn man der frühen Datierung folgen will, kaum zweifelhaft sein, daß dieses Kapitel einige Partien in den biologischen und psychologischen Schriften des Aristoteles beeinflußt haben könnte. Ohne dem Aristoteleskapitel von S. 119ff allzu sehr vorzugreifen, sei schon jetzt auf Parallelen hingewiesen. In der Sache erinnert - trotz vieler Unterschiede im Detail - die Beschreibung des stimmbildenden Atmungsapparates, die Nennung des φάρυγξ und vor allem die Akzentuierung des Artikulationsorgans „Zunge" - und damit die physiologisch orientierte Bestimmung der Sprache als „vox articulata" überhaupt an entsprechende Passagen bei Aristoteles, von denen im nächsten Kapitel die Rede sein wird, z.B. de anima II 8, Hist. an. IV 9 und part. an. II 17 Dazu lassen sich terminologische Ähnlichkeiten feststellen. Die wichtigste Parallele ist hier die Verwendung von διαλέγεσθαι und διάλεξις im physiologischen Kontext zur Bezeichnung der artikulierten Sprache. Wir werden sehen, daß Aristoteles gerade in solchen Kontexten die Position 117
von „vox arti culata" konsequent mit διάλεκτος besetzt5. Daneben gibt es übereinstimmende Einzelformulierungen, die allerdings nicht so beschaffen sind, daß sie direkte Abhängigkeiten nachweisen könnten6 Im Fall der Annahme eines frühen Datierungsansatzes hätten wir also aus der medizinischen Fachliteratur eine Quelle der aristotelischen Phonetik gewonnen, der er, wenn auch gewiß nicht sklavisch und in allen Einzelheiten, so doch prinzipiell in ihrer inhaltlichen und terminologischen Tendenz folgt. Doch sollte auch jetzt schon herausgestellt werden, was beide sprachphysiologische Systeme unterscheidet. Im Gegensatz zur Ansicht Deichgräbers scheint mir Aristoteles im Vergleich zu περί σαρκών doch ein erhebliches Stück weitergekommen zu sein7. Der Autor von περί σαρκών bemüht sich um eine genaue physiologische Beschreibung des Sprechaktes, läßt aber keine Tendenz erkennen, die dabei von ihm verwendete akustische Begrifflichkeit selbst zu problematisieren, zu differenzieren und seinen Text danach zu gestalten8. Hier liegt der entscheidende Gegensatz zu Aristoteles. Wie man sehen wird, ist Aristoteles explizit um eine klare und differenzierte akustische Begrifflichkeit bemüht, verwendet sie konsequent und nutzt sie sogar als Ordnungsprinzip, etwa zur Gattungsbildung im Tierreich (Hist. an. IV 9). Doch dazu mehr im folgenden Kapitel.
5 S.S. 120Í.. 6 Vgl. z.B. Hist. an. 535b3f mit 199,24-27 Joly, part. an. 660a6 (Zungenlaute = προσβολαί] mit 200,1 Joly. Die von Schwyzer bei Deichgräber 96f herangezogene Stelle Hist. an. 633al2 kann nicht für den aristotelischen Sprachgebrauch stehen, weil sie aus dem unechten neunten Buch stammt und dazu dem Kuckucksruf gilt. 7 Vgl. Deichgräber 52. Daß Aristoteles' Lehre dabei auch Defekte gegenüber περί σαρκών aufweist, sei Deichgräber gern zugegeben. 8 Der Text ist unter dem Aspekt der akustischen Begrifflichkeit unklar strukturiert, denn die Atmung ist φωνή und διάλεξις gemeinsam, nur die Artikulation ist spezifisch sprachlich. 200,8-24 steht also eigendich unter dem Lemma φωνή (wie im Schlußsatz vom Autor selbst empfunden) und erklärt das διαλέγεσθαι selbst nicht. Eine Ausnahme ist vielleicht die Konsequenz, mit der er alle Detailaspekte unter das Lemma διαλέγεσθαι stellt. Ansonsten herrscht terminologische Vielfalt. So erscheint φωνή überhaupt nur am Ende des Abschnitts (200,23). Am Anfang heißt derselbe Laut ψόφος ( 199,27) und wird im übrigen Text verbal mit φωνεΐν, bzw. φθέγγεσθαι und deren Derivaten wiedergegeben.
118
2. Aristoteles 2.1
Vorbemerkung
Schon zu Beginn des philosophiegeschichtlichen Abrisses (s. S. 59) wurde vorausgeschickt, daß sich - jedenfalls nach unserer Beleglage - erstmals Aristoteles explizit zu der gesuchten Begriffstrias „Laut, Stimme, Sprache" äußert. Der Leitfaden impliziter Unterscheidungen aus dem jeweiligen Sprachgebrauch verliert daher im folgenden an Gewicht. Trotzdem soll ein kurzer Blick auf die entsprechende aristotelische Terminologie geworfen werden, aus der allein sich schon der Nachweis eines bedeutsamen Klärungs- und Differenzierungsprozesses gewinnen läßt. 2.2 Die impliziten
Zeugnisse
Wie man aus der Beleglage bei Aristoteles ersieht, ist bei ihm der höchste Gattungsgrad im akustischen Bereich mit großer Konsequenz durch ψόφος vertreten1 Dies zeigt sich neben der explizit genannten Eigenschaft eines genuinen Sinnesobjektes der άκοή, von der wir noch hören werden, auch daran, daß ψόφος wie bei Piaton Geräusche verschiedenster Art bezeichnen kann, wie z.B. das Geräusch des Ruderns, der Netze, des Donners, der Flamme etc. φωνή bezeichnet in gleicher Entsprechung von expliziter Bestimmung und implizitem Gebrauch wie bei ψόφος die akustische Spezies „Stimme" im eigentlichen Sinn einer an bestimmte Organe gebundenen Verlautbarung eines Lebewesens3. Dabei wird aus den Belegen bei Bonitz unmittelbar evident, daß die platonische Akzentuierung des menschlichen zugunsten einer weitaus stärkeren Frequenz von φωνή im animalischen Bereich aufgegeben ist4 Indessen hat auch Aristoteles trotz aller Mühe die zuvor beschriebene semantische Konfusion des Problemworts φωνή mit ψόφος nicht ganz vermeiden können5, und wie kaum anders zu erwarten, geschieht dies durchweg in musiktheoretischen oder zumindestens entsprechend beeinflußten Kontexten: In de caelo 290b 12ff, dem 1 Vgl. die Belege bei H. Bonitz, Index Aristotelicus, Berlin 1 9 5 5 (= Berlin 1870) s.v. ψόφος 863a31ff.
Vgl. Bonitz 863a41ff. Vgl. Bonitz 8 4 2 a 17ff. 4 Vgl. Bonitz 842a38ff. 5 So widerspricht z.B. schon die Bezeichnung des Bienenlauts mit φωνή (Hist. an. IX 40, 6 2 5 b 9 ] nicht der oben angegebenen proprie-Bedeutung, weil den Bienen als Insekten der eigentliche Stimmapparat fehlt. Dies trägt Aristoteles den Tadel des sorgfältigen Bonitz ein (842a47ff) „sed minus accurate φωνή usurpatur (Es folgt die Stelle]" M a n sollte aber bedenken, daß das neunte Buch der Hist. an. heute als unecht gilt (vgl. I. Düring, Aristoteles, RE Supp. XI (1968) 1 5 9 - 3 3 6 , 313f). 2
3
119
Bericht pythagoreischer Theorien zur Sphärenharmonie (= VSI 58 Β 35), erklärt sich die Aristoteles sonst fremde Synonymie von ψόφος und φωνή noch aus der referierenden Wiedergabe fremder Terminologie bei sonst konsequenter Verwendung von ψόφος im Kritikteil - hier Theophrast vorausgehend6 Schwieriger wird es bei einer anderen Stelle, die die Bedeutung „φωνή = Ton" - sogar in Beziehung auf άκοή - nahelegt7. Aufs Ganze gesehen stellen aber diese wenigen und zudem meist zweifelhaften Belege nur einen unbedeutenden Reflex der bei Piaton gravierenden Polysemie dar. Weit weniger sensibel als bei Piaton bleibt φωνή bei Aristoteles für Verzweigung und Übertragung8 Die physiologische Bedeutung „Stimmorgan" bleibt dominant, wenngleich eine leichte Tendenz zu metonymischer Übertragung (Organ-Produkt) besonders in sprachtheoretischen Passagen nicht zu verkennen ist9 Im auffälligen Gegensatz zu Piaton fehlt Aristoteles aber die bei Piaton reich vertretene Gruppe „φωνή = Sprache, Dialekt etc.", die ja ebenfalls das Ergebnis einer Organ-Produkt-Metonymie ist10 Die Terminologie der dritten Stufe „Sprache" ist, wie man noch klarer sehen wird", von Aristoteles insofern vereinheitlicht, als bei sonst differenzierter Begrifflichkeit (λόγος, έρμηνεία u.a.) im Fall expliziter Ausgliederung der Sprache im Schallbereich διάλεκτος, und zwar in der Bedeutung „Artikulierte Sprache" bevorzugt wird12 Jedoch ist διάλεκτος im ganzen bei Aristoteles polysem, denn neben der an die akustische Dihärese gebundenen physiologischen Bedeutung heißt διάλεκτος in anderen Kontexten (Rhetorik, Poetik) auch „Sprachverwendung, Sprachusus"13 « S.S. 70, Anm. 37 7 Vgl. de anima III 2, 426a27ff und den Kommentar von D. Ross, Aristotle, de anima, Oxford 1961, 277ff. Ein weiteres Beispiel für „Ton" ist vielleicht Topik 107al3ff, aber hier ist auch „Stimme" vertretbar. Unproblematisch ist dagegen de anima II 11,422b27ff, denn φωνή kann hier trotz musiktheoretischer Färbung die proprie-Bedeutung haben. (Daß sie jedenfalls ψόφος keine Konkurrenz macht, zeigt die Z. 422b33, wo wieder ψόφος das eigentliche Objekt der άκοή vertritt.). Ebenso gen. an. 781a24ff, wo sich die άκοή- φωνή-Relation klar auf den Sprech-Hör-Vorgang bezieht und Physik 204a4, 12, 17, wo „Stimme" durch die Nähe von διάλεκτος (204al6) gesichert ist. (Vgl. auch Metaphysik 1066a36, blOf). 8 Die seltenen Fälle metaphorischen Gebrauchs (Bonitz843al8-24) sind deutlich als solche markiert (420b7, dazu unmarkiert 501a 32), spiegeln eine fremde Terminologie |290b 23f) oder sind unecht. 9 So die Bedeutung „φωνή = Stimmi. Lautäußerung" in den bekannten sprachtheoretischen Passagen de interpretatione 1 - 4 und Poetik 20, die im Rahmen der Sprachteildefinitionen der Genuszuweisung von Laut, Silbe, Wortart, Satz dient, z.B. die Definition des όνομα als φωνή σημαντική 16al9. Ein Einzelfall ist φωνή = vocabulum" 314a 13. Hierher gehören auch die φωναί = Sprachlaute, z.B. int. 16a5. 10 S.S. 105 und S. 105, Anm. 145. " S.S. 127ff. 12 Das zeigen die Belege bei Bonitz s.v. διάλεκτος 183bl2-29. Hier liegt die eigentliche Brücke zu περί σαρκών s. S. 117f.. 13 S. Bonitz 183b 29ff.
120
Schon aus dem bloßen Sprachgebrauch des Aristoteles wird also klar, wie sehr er u m eine Klärung und Fixierung der lexikalischen Relationen im akustischen Bereich bemüht ist, indem er mit großer Konsequenz - ψόφος im obersten Gattungsgrad verwendet, - φωνή als animalischen Speziallaut ψόφος unterordnend Kollisionen mit der ersten Stufe (Laut-Stimme) möglichst meidet oder einen solchen Gebrauch zumindestens als Metapher markiert, φωνή aber auch nicht auf metonymischem Wege in den Bereich der dritten Stufe (Stimme-Sprache) eindringen läßt und - in der dritten Stufe (Sprache) zwar terminologische Vielfalt duldet, aber im Bereich akustischer Dihärese bevorzugt das an sich polyseme διάλεκτος in bestimmter Bedeutung verwendet. Wieviel damit gegenüber Piaton erreicht ist, versteht sich von selbst angesichts der durch Expansion von φωνή auf den gesamten akustischen Begriffsbereich entstandenen semantischen Konflikte, die wir im Piatonabschnitt beschrieben haben 14 •Λ
2.3 Die expliziten
Zeugnisse
Ein Befund wie dieser ist natürlich k a u m denkbar ohne eine gründliche Neubesinnung auf die Begrifflichkeit und die von ihr bezeichnete Realität im akustischen Feld, und so ist es nur konsequent, daß sich bei Aristoteles einige Passagen finden, in denen das Verhältnis von Laut, Stimme und Sprache explizit erörtert wird. Dieser Stellenkomplex ist zugleich einer der drei Bereiche' ! im Werk des Aristoteles, in denen sich die von ihm nie zum eigentlichen Beschreibungsziel deklarierte Sprachreflexion auf ein deutlich spürbares Maß verdichtet, während sie insgesamt weniger konzentriert, aber in überaus beachtenswerten Einzelnotizen über das Gesamtwerk verstreut ist" Diese drei Bereiche sind bekanntlich die Behandlung der λέξνς als Teil der Dichtung in der Poetik cap. 19-22, die das Thema λόγος άποφαντικός 14
S.S. 115. Punkt 4 der Zusammenfassung. Dazu sollte eigentlich noch die in dieser Hinsicht zu wenig beachtete Schrift σοφιστικοί ελεγχοι 164a20ff gezählt werden. 16 Eine neue Aufarbeitung dieses Materials wäre ein dringendes Desiderat, das auch durch die sonst verdienstvolle Arbeit von G. Mopurgo-Tagliabue, Linguistica e stilistica di Aristotele, Rom 1967, noch viel weniger aber durch die Arbeit von M. Th. Larkin, Language in the philosophy of Aristotle, The Hague-Paris 1971 erfüllt ist. Unentbehrlich ist immer noch die Darstellung von H. Steinthal, Sprachwissenschaft 1183ff. Weitere Versuche einer Gesamtdarstellung sind McKeon, R., Aristotle's conception of language, in: Critics and Criticism, ed. R. S. Crane, Chicago-London 5. Aufl. 1968 |1. 1952), 176-231 und E. Coseriu, Geschichte der Sprachphilosophie Tübingen, 2. Aufl. 1975, 2 Bde., 168ff. Weitere Literatur in meinem in der nächsten Anmerkung genannten Aufsatz, Anm. 6, 14-16, 19, 26 und 28. 15
121
vorbereitende Klärung des λόγος und seiner Teile in de interpretatione cap. 1 - 4 und der im folgenden zu behandelnde, naturwissenschaftlich orientierte Stellenkomplex, in dem es bei durchaus disparaten zoologischen und psychologischen Beschreibungszielen im Beiprodukt zu einem relativ geschlossenen sprachreflektorischen Ansatz kommt 17 Betrachten wir zunächst die wichtigsten expliziten Verweise zur gesuchten Begriffstrias, nämlich de anima II 8 und Historia animalium II (488a31ff) und IV 9 (535a26ff). Beginnen wir dabei mit dem psychologischen Passus, weil er sich wegen seines direkten Anschlusses an den früher behandelten Ursprungsbereich des de-voce-Komplexes, der Wahrnehmungslehre, am besten zur Überleitung eignet. 1 de anima II 8 Das achte Kapitel des zweiten Buches der Schrift „de anima" 18 steht, wie schon S. 60 kurz skizziert, in dem der αϊσθησις gewidmeten Abschnitt II 5 - III 2. Kernstück ist hier die Behandlung der fünf Sinne II 7 - II 11 (Sehen 7, Hören 8, Riechen 9, Schmecken 10, Tasten 11). Ihm sind zwei wichtige Kapitel vorgeschaltet, in denen αΐσθησις (II 5) und αισθητά (II 6) - die Behandlung der fünf Einzelsinne vorbereitend - allgemein bestimmt werden. Das Kapitel der αισθητά liefert dabei die für die Folgepartie wesentliche Gruppierung der Sinnesobjekte nach der Art ihrer Sinnzuordnung. Sie lautet 418a7ff: 17 Zu diesem Stellenkomplex vgl. meinen Aufsatz, ψόφος, φωνή und διάλεκτος als Grundbegriffe aristotelischer Sprachreflexion, Glotta 56 (1978) 2 4 5 - 2 7 1 . Dort finden sich Detailinterpretationen und ausführliche Literaturangaben, auf die zur Entlastung dieser Arbeit im folgenden verwiesen wird. Der in Glotta Anm. 19 genannten Literatur sind hinzuzufügen: die Aufsätze von N. Kretzmann, Aristotle on spoken sound significant by convention und R. Zirin, Inarticulate noises, beide in: J. Corcoran (ed.). Ancient logic and its modern interpretation, Dordrecht 1 9 7 4 , 3 - 2 1 und 2 3 - 2 5 . Es ist außerdem nachzutragen, daß der größte Teil der hier in Frage kommenden Stellen bereits von C. Ian, Musici Scriptores Graeci, Hildesheim 1962 (= Leipzig 1895|, 3ff gesammelt ist. Einen gesonderten Nachtrag verdient der Aufsatz von R. Zirin, Aristotle's biology of language, TAPhA 110 (1980) 3 2 5 - 3 4 7 Zirin zieht dasselbe Stellenmaterial heran und kommt in fast allen Punkten zu den gleichen Ergebnissen wie mein zwei Jahre früher erschienener Aufsatz, ohne allerdings meinen Aufsatz zu erwähnen. Dies mag seinen Grund in dem verschiedenen Publikationstempo der Fachzeitschriften haben. Die nahezu gleichzeitige Behandlung unterstreicht jedenfalls die Aktualität und Bedeutung des bisher übersehenen sprachtheoretischen Ansatzes bei Aristoteles. In meinen Detailergebnissen fühle ich mich in einer sehr willkommenen Weise von Zirin bestätigt. Leider zu spät ist mir die Arbeit von Urs Dierauer bekannt geworden, die sich ebenfalls mit dem fraglichen Stellenkomplex beschäftigt: Vgl. Dierauer, U., Tier und Mensch im Denken der Antike, Studien zur antiken Philosophie Bd. 6, Amsterdam 1977, 125-128. Auch Dierauer kommt - allerdings eher in Form einer knappen Skizze - zu den gleichen Ergebnissen wie Zirin und ich. 18 Wir folgen dem Text und Kommentar von D. Ross in der bereits genannten Ausgabe von 1961. Nicht zu vernachlässigen ist außerdem die ebenfalls kommentierte Ausgabe von R. D. Hicks, Aristotle, de anima, Cambridge 1907 Vgl. sonst Ax, Glotta 253.
122
αισθήσεις Sinne
• αισθητά Objekte καθ' αύτα eigentliche
κατά συμβεβηκός akzidentelle Objekte
ίδια αισθητά
κοινά αισθητά'.19
individuelle
generelle Objekte
z.B. όψις - χρώμα άκοή - ψόφος γεΰσις - χυμός
z.B. κίνησις αριθμός σχήμα
Die Dichotomie der ersten Stufe zielt auf den Unterschied des eigentlich und akzidentell Wahrnehmbaren. Beim Sehen ist z.B. für den Eindruck „rot" die Form des Gegenstandes, der diese Farbe aussendet, etwa eine Blume, ein Kleid etc. vollkommen irrelevant, obwohl sie natürlich „nebenbei" mit registriert wird20 Der Farbeindruck wird von der Form nicht affiziert und umgekehrt, woraus sich ergibt, daß beide in einem akzidentellen Verhältnis zueinander stehen. Die eigentlichen Sinnesobjekte teilen sich dagegen in solche, die ausschließlich von einem Sinn (ίδια αισθητά) und solche, die von mehreren Sinnen gemeinsam rezipiert werden können (κοινά αισθητά). So ist z.B. für die Farbe ausschließlich das Sehen, für den Schall das Hören zuständig21, während andere Objekte wie die Bewegung z.B. gemeinsam von Tast- und Gesichtssinn erfaßt werden können22 Die ίδια αισθητά gelten dabei Aristoteles als die primären Sinnesobjekte, weil sie das Kriterium des Einzelsinns darstellen23 Erst aus dieser kontextuellen Einbettung von II 8 ergibt sich der Sinn einer zunächst vielleicht befremdlichen Behandlung akustischer Phänomene in einer psychologischen Schrift: Unter den die Einzelsinne wesentlich bestimmenden individuellen Sinnesobjekten ist im Fall des akustischen Sinnes άκοή auch dessen genuines Objekt ψόφος zu behandeln, ohne dessen Wesenserfassung das für ihn zuständige Rezeptionsorgan
19 Natürlich wirkt hier das platonische Vorbild von Theaitetos 184b4-186al (s. Ross 34), aber auch Timaios 61c3ff und 65b4ff nach (s. S. 109f). 20 Aristoteles wählt das Beispiel „Weiß-Sohn des Diares" 418a21. 21 Vgl. 418a 11 ff : λέγω δ' ίδιον μεν ô μή ενδέχεται ετέρα αίσθήσει αίσθάνεσθαι, οίον όψις χρώματος και άκοή ψόφου 22 Vgl. 418al9f. 23 Vgl. 418a24f. Dies gilt nicht für den Tastsinn, für den Aristoteles II 11, 422b32ff kein individuelles Sinnobjekt (wie eben für άκοή ψόφος, 422b33) auszumachen weiß.
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nicht begriffen werden kann. Im ersten aus der Sinn-Objekt-Relation gewonnenen Merkmal ist also ψόφος: το ίδιον αίσθητόν της άκοής24. Das Kapitel II 8 selbst dient der weiteren Bestimmung von ψόφος, der wir uns nicht in allen Einzelheiten zuwenden können. Halten wir im groben fest, daß ψόφος mit II 8 nicht nur aus der Rezeptions-, sondern auch aus der Produktionsperspektive erfaßt wird. So ist die conditio sine qua non des Schalls die Kollision zweier Körper in einem Medium (419b9f): γίνεται δ' ό ψόφος άεί τίνος πρός τι και εν τινι· πληγή γάρ έστιν ή ποιούσα. Jedoch gilt dies nicht von allen Körpern, sondern nur von solchen, die aufgrund ihrer Festigkeit und Glätte (wie z.B. Erz 419b7) das Medium (Luft, Wasser) in Bewegung versetzen können, ohne dessen zur „Leitfähigkeit" wichtige Kontinuität von Schallquelle zum Gehör zu unterbrechen (419bl3ff, b 2Iff, b34ff, 420a3f). Körper, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, sind nicht schallfähig (wie z.B. Wolle und Schwamm 419b6). Schall ist also aus der Produktionsperspektive gesehen eine στερεών πληγή προς άλληλα και προς τον άέρα (419b20). Damit ist Schall (ψόφος) - produktiv als Kollision (πληγή) und - rezeptiv als individuelles Sinnesobjekt des Gehörs (ίδιον αίσθητόν της άκοής) bestimmt" Der Rest des Kapitels (420b5-421a6) widmet sich der Schallspezies φωνή - vielleicht, wenn II 8 wirklich der genannten Timaiospassage verpflichtet ist, zur impliziten Korrektur der platonischen φωνή - Definition, von deren kritischer Aufnahme im Peripatos wir immerhin ein ausdrückliches Zeugnis Theophrasts besitzen26 Bei Aristoteles ist φωνή nicht wie bei Piaton generelles Objekt der άκοή, sondern eine Lautspezies, die primär die Lebendigkeit des Schallproduzenten zur Voraussetzung hat: ή δε φωνή ψόφος τίς έστιν έμψυχου (420b5f). Alles andere ist metaphorischer Gebrauch wie insbesondere ein φωνεΐν von Musikinstrumenten (420b6f): των γάρ άψυχων ούθεν φωνεϊ, άλλα καθ' ομοιότητα λέγεται φωνειν οίον αυλός και λύρα. Daß das Kriterium des εμψυχον zur φωνή-Dihärese nicht ausreicht, 24 So wird ψόφος neben II 6, 418al3 auch durch seinen Gebrauch in II 8, an der schon genannten Stelle II 11, 422b33 und explizit περί ενυπνίων 458b4ff charakterisiert: κοινά δ' έστί τ ω ν α ι σ θ ή σ ε ω ν οίον σχήμα. ϊδια δ' οίον χρώμα, ψ ό φ ο ς χυμός. 25 I I 8 ähnelt damit in seiner grundsätzlichen Anlage der S. 109 f. beschriebenen Timaiospassage, die ebenfalls über die ϊδια παθήματα zur akustischen Objektdefinition als πληγή und dann (wie Aristoteles 420a3ff) zur Sinndefinition übergeht. " S.S. 72 ff.. 27 Daß Aristoteles im Interesse einer eindeutigen Begrifflichkeit zu einer Reduzierung des metaphorischen Gebrauchs neigt, zeigt auch das Beispiel συμφωνία als musikalische Metapher im ethischen Bereich, s. W . Richter, Σ υ μ φ ω ν ί α a.a.O.272.
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wird schnell kar ; wenn man sich die Vielfalt möglicher Lautäußerungen von Lebewesen vor Augen führt: z.B. Flügelzirpen, Huf schlag, Händeklatschen etc., die sämtlich φωνή zu nennen wären. Es fehlt noch das zweite Merkmal des speziellen Hervorbringungsorgans, im Fall der Stimme, des Atmungsappaiates, φάρυγξ, πνεύμων, αρτηρία (420b9-16 und 420b22ff), denn (bl3f): φωνή δ' έστί ζφου ψόφος, και ού τω τυχόντι μορίω. Damit fallen auf anderem Wege produzierte Tierlaute aus dem Bereich der φωνή und erhalten höchstens metaphorisch dieses Prädikat, wie z.B. die der Fische (420bl2): oi (ίχθύες) λεγόμενοι φωνειν .., ψοφοΰσι τοις βραγχίοις ή τινι έτερω τοιούτω. Der zweistufigen Stimmdihärese mit den Differenzen „+ belebt" und „+ bestimmtes Produktionsorgan" folgt der Versuch ihrer Funktionsbeschreibung (420b 16ff). Hier dient die auch sonst bei Aristoteles übliche Funktionsdoppelung der Organe in eine lebensnotwendige (άναγκαΐον) und in eine Luxusfunktion (εΰ) als Leitfaden28 Wie bei der Zunge, die dem Geschmack und der artikulierten Sprache (διάλεκτος, έρμηνεία) dient, hat auch die Atmung neben ihrer lebensnotwendigen Aufgabe der Wärmebeschaffung zugleich auch noch eine zusätzliche, dem Wohlleben dienende Funktion, nämlich die Stimmbildung (420b20ff). Was diesen, dem Atmungsapparat zusätzlich abgewonnenen Luxus ausmacht, erfahren wir jedoch erst später im Anschluß an die Stimmdefinition, auf die der φωνή-Abschnitt eigentlich zielt" Es heißt 420b29ff: ού γαρ πας ζώου ψόφος φωνή, καθάπερ εΐπομεν· εστι γαρ και τή γλώττη ψοφειν και ώς oi βήττοντες - άλλα δει εμψυχόν τε είναι το τύπτον και μετά φαντασίας τινός· σημαντικός γαρ δή τις ψόφος έστίν ή φωνή. Das Luxusprodukt der Atmungsorgane, die Stimme, dient also dem lautlichen Ausdruck mentaler Inhalte (φαντασία)30, sie ist ein von der Instanz ψυχή veranlaßter Bezeichnungs- und Mitteilungslaut, der von solchen Lauten getrennt werden muß, die psychisch unmotiviert wie etwa Zungenschnalzen oder Husten geäußert werden, φωνή ist also für Aristoteles an das Merkmal der Semantizität geknüpft 31 De anima II 8 erbringt also aus der Sicht der akustischen-Sinn-ObjektRelation eine Bestimmung des gemeinakustischen Objekts und einer seiner Spezies, und zwar bestimmt es - ψόφος- (1)- als Kollision fester Körper und (2) als individuelles Hörobjekt und - φωνή- (l)-als animalisches, (2) mit dem Atmungsapparat und (3) einer Ausdrucksabsicht produziertes Geräusch. 18
Vgl. dazu Hicks zu 420bl9 (388). 420b 27-29: ώστε ή πληγή του άναπνεομένου άερος ύπό της έν τούτοις τοις μορίοις ψυχής προς την καλουμένην άρτηρίαν φωνή έστιν. 30 Zum Begriff φαντασία vgl. Hicks und Ross z.St. 31 So interpretieren auch Hicks 389 und Ross 252. 29
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Deutlicher werden die Relationen in einem dihäretischen Schema (0 = anonyme oder durch das Gattungswort vertretene Position) : Differenzen I ± Schall (Kollision fester Körper)
Gattungen 0 Wolle, Sch\
o ψόφος
II ± belebt (Eisen, Lyra) met. φωνή
III a ± Atmungsapparat b ± bedeutsam
o (Fische) met. φωνή
φωνή
Die Gattung „Sprache" wird in II 8 nicht dihäretisch ausgegliedert, aber doch bereits in zwei wesentlichen Komponenten miterfaßt: Es ist das Moment der lautlichen Artikulation (διάλεκτος), das 420b8 als Eigenschaft der φωνή und 420b 18 als εΰ-Funktion der Zunge zum Zwecke sprachlicher Verständigung (ερμηνεία 420b 19f) erscheint, und das Moment der Semantizität, das, wie besprochen, schon der φωνή zuerkannt wird. Klarer gef aßt und mit dihäretischem Wert versehen wird das Genus „Sprache" erst in den beiden anderen, bereits genannten Systemstellen Hist. an. I 1 (488a31ff) und Hist. an. IV 9 (535a26ff), die aufgrund ihrer Konzentration auf animalische Laute die gemeinakustischen Reflexionen von de anima II 8 in Richtung „Stimme, Sprache" ergänzen. 2 Hist. an. 11 und IV 9 Beide Stellen dienen dem Versuch, die Lautäußerungen der Tiere zur zoologischen Gattungsbildung zu nutzen. Hist. an. I 1 ist dabei nur eine skizzenhafte Vorwegnahme von IV 9, die hier zitiert und sonst mit dem Verweis auf Glotta 248f vernachlässigt werden kann (488a31ff): Και τα μεν ψοφητικά, τα δ' άφωνα, τα δε φωνήεντα, καί τούτων τα μεν διάλεκτον εχει, τα δ' αγράμματα, .. Dagegen führt Hist. an. IV 9, ein Abschnitt aus dem sog. Physiologieteil der Schrift32, die akustische Artenbildung in einer für den gesamten Gedankengang der Arbeit so grundlegenden Weise durch, daß sie hier erörtert werden muß" 31
IV 8-11 (Sinnesorgane 8, Lautäußerungen 9, Schlaf 10, Geschlecht 11). Vgl. I. Düring, Aristoteles, Heidelberg 1966, 507 Wir folgen dem Text von P. Louis, Aristote, Histoire des 33 animaux, Tome I (Budé) Paris 1964. Vgl. sonst Ax, Glotta 249ff.
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Mit der kurzen Bestimmung von ψόφος, φωνή und διάλεκτος zu Beginn des Kapitels ist ein System von Lautäußerungen gewonnen, dem sich die Tierarten, insofern sie überhaupt ψοφητικά sind, zuordnen lassen. Die Stelle lautet: (535a27ff): Φωνή καί ψόφος έτερον έστι, καί τρίτον διάλεκτος. Φωνεϊ μεν οδν ούδενί των άλλων μορίων ούδέν πλην τω φάρυγγι· διό όσα μή έχει πλευμονα, ούδέ φθέγγεται διάλεκτος δ' ή της φωνής έστι τή γλώττη διάρθρωσις. Τ ά μεν ούν φωνήεντα ή φωνή καί ό λάρυγξ άφίησιν, τά δ' άφωνα ή [535 b] γλώττα καί τά χείλη- έξ ων ή διάλεκτος έστιν. Διό όσα γλώτταν μή έχει ή μή άπολελυμένην, ού διαλέγεται. Ψοφεΐν δ' έστι καί άλλοις μορίοις.
Der hier gezogene Trennstrich zwischen ψόφος und φωνή entspricht de anima II 8, denn Lautäußerungen der Klasse φωνή sind hier wie dort an einen bestimmten physiologischen Apparat, die Atmungsorgane πλευμονες, φάρυγξ, αρτηρία (535b 15) gebunden34 Tiere, die nicht über diesen Apparat verfügen, fallen damit von vornherein aus dem Bereich der φωνή. Neu ist dagegen die Ausgliederung der Sprache (διάλεκτος35) als είδος φωνής mit der Differenz der Artikulation (διάρθρωσις36). Denn, um zur διάλεκτος zu werden, muß die Stimme mit Hilfe von entsprechend beweglichen Artikulationsorganen, vor allem der Zunge37, in sprachliche Elementarkonstituenten, die Sprachlaute38 zergliedert werden. Zur διάλεκτος-Produktion ist also außer dem physiologischen Apparat der φωνή (Lungen, Luftröhre, Kehlkopf) noch ein zweiter Organkomplex, die Artikulationsorgane (Zunge, Zähne, Lippen) nötig, was zu einem Ausschluß von Tierarten führt, die solche Organe nicht vorweisen können. Den so gewonnenen akustischen Leitbegriffen werden ab 535b3ff einzelne Tiergenera mit großer terminologischer Sorgfalt zugeordnet39 So gehören die lautproduzierenden Insekten (535b3ff) und Fische (535b 14ff)
34
Die Differenz „+ belebt" m u ß hier nicht erarbeitet werden, weil es sich ausschließlich um animalische Laute handelt. 35 Wenn διάλεκτος hier mit Sprache wiedergegeben wird, so sei, wie schon in Glotta Anm. 34 und S. 120 daran erinnert, daß dieser Begriff - jedenfalls in den hier interessierenden physiologischen Kontexten - stark auf das Moment der Artikulation verengt ist, obwohl διάλεκτος als Verbalabstraktum von διαλέγεσθαι eigentlich den kommunikativen Aspekt betont. 36 Zur Geschichte des Wortes vgl. S. 98, Anm. 119 und Glotta, Anm. 27 Weitere Belege part, an. 660a22, 32f. 37 Zur Zunge (s.bes.part. an. II 17,660al4ff) kommen noch die Lippen (Hist. an. 535bl und part. an. II 16, 659b27ff| und die Zähne (part. an. III 1, 661bl3ff). 38 Im Vergleich zu Poetik 20 sind hier nur die φωνήεντα und άφωνα vertreten. Es fehlen die ήμίφωνα. Terminologisch interessant ist außerdem, daß Aristoteles im physiologischen Stellenkomplex γράμματα, in der Poetik aber στοιχεία verwendet. Vgl. part. an. 660a3, 22, 27, 661 b 15 u.a. und die in Glotta Anm. 28 angegebenen Aufsätze von Burkert und Balázs. 39 Daß es daneben auch gänzlich lautlose Tiere gibt, z.B. die Weichtiere, wird nicht vergessen und 535b 12ff in die Beispielreihe eingeschoben.
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in den Bereich des außerstimmlichen (und damit außersprachlichen) ψόφος, weil ihnen die Atmung fehlt40. Die Verwendung von φωνή ist hier eine terminologische Nachlässigkeit (535b25f): άλλα ταϋτα φωνεΐν μεν οϋκ όρθώς εχει φάναι, ψοφεΐν δε41. φωνή haben aufgrund ihrer physiologischen Ausstattung erst die eierlegenden Vierfüßler, z.B. Frösche (536a4ff), die Vögel (536a20ff) und die lebendgebärenden Vierfüßler, die Säugetiere (536a32ff). Den beiden letzten Tiergruppen steht auch - bei ausreichend entwikkeltem Artikulationsapparat - die Möglichkeit der Stimmspezies διάλεκτος42 offen, vielen Vogelarten (536a20ff und b 1 Iff)43, unter den Säugetieren allerdings nur dem Menschen (536bl)44 Stimmbegabte Tiere mit weniger ausgeprägtem Apparat verbleiben im vorsprachlichen Bereich, wie etwa der Delphin, dem die Beweglichkeit der Zunge und Lippen fehlen, ώστε άρθρον τι της φωνής ποιεΐν (536a3f). Das Kapitel schließt mit einigen Bemerkungen zu den diatopischen Unterschieden der φωναί und διάλεκτοι (536b8ff)45
2.4 Die aristotelische Dihärese im Überblick Hist. an. IV 9 liefert also zusätzlich zu de anima II 8 eine differenziertere und durch ein Mehr an Beispielen besser abgesicherte physiologische Unterscheidung von ψόφος und φωνή und ein neues, wiederum physiologisch gewonnenes Lautgenus διάλεκτος, die artikulierte Sprache. Die Verbindung beider Stellen ergibt folgendes Schema, das den zur Ausgliederung des Sprachgenus führenden dihäretischen Weg veranschaulichen soll:
40
Eine Ausnahme ist der atmungsfähige Delphin 535b32ff. Vgl. dazu noch 535b 16ff ψόφους δε τινας άφιάσι (οι ίχθύες) οΰς λέγουσι φωνεΐν und 535b21 την δοκοΰσαν φωνήν άφιάσι (οι ίχθύες). 42 Als solche wird διάλεκτος in IV 9 mehrfach explizit bestimmt - unter systematischem 536b2 όσα μεν γαρ διάλεκτον εχει, καί φωνήν εχει, όσα δε φωνήν, ού πάντα διάλεκτον, genetischem 536b4f φωνήν μεν οΰν άφιάσι, διάλεκτον δ' ούδεμίαν (Fehlen der zweiten Entwicklungsstufe „Sprache" bei Kindern und bei Taubstummen aufgrund eines körperlichen Defektes) und diatopischem Aspekt 536b 19: οί άνθρωποι φωνήν μεν την αύτήν άφιάσι, διάλεκτον δε ού την αύτήν (Variierende διάλεκτος bei gleicher φωνή). 43 Dies wird besonders klar Hist. an. II 12, 504blff behauptet: μάλιστα δε των ζώων μετά τον άνθρωπον γράμματα φθεγγεται ενια των ορνίθων γένη· τοιαύτα δ' εστι τά πλατύγλωττα αύτών μάλιστα. Vgl. auch part. an. 660a29f. 44 Dagegen wird den Säugetieren part. an. 660a31 wenigstens eine βραχεία διάρθρωσις zugestanden. 45 In dieser Passage kündigt sich bereits die spätere Bedeutungsentwicklung διάλεκτος = Dialekt an. 41
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Spezifische Differenzen
I
II
±
Schall
ού ψοφητικά (Wolle, Schwamm, Weichtiere)
belebt
άψυχα ψοφητικά (Eisen, Flöte, Lyra) (ψόφος)
έμψυχα (ίωα)
ζώα άφωνα (Insekten, Fische) (ψόφος)
ζω α φωνήεντα (φωνή)
ζώα αγράμματα (Delphin, Vierfüßler) (φωνή)
διάλεκτον έχοντα (Vögel, Mensch)
III 1 ±
Physiologischer Apparat der φωνή πλεύμονες, φάρυγξ, αρτηρία
III 2 ±
Bedeutung φαντασία, σημαντικός ψόφος
IV
Gattungen
Physiologischer Apparat der διάλεκτος διάρθρωσις της φωνής: γλώττα, χείλη, οδόντες
(ψόφος)
ψοφητικά (ψόφος)
(διάλεκτος)
Durch fortlaufende vierstufige Dihärese ist so die Position der διάλεκτος als είδος im akustischen Genusgefiige bestimmt und durch spezifische Differenzen von φωνή und ψόφος abgegrenzt. Wir können demnach wie folgt definieren: διάλεκτος ist die mit bestimmten Organen erzielte Artikulation (IV) eines mit bestimmten anderen Organen erzeugten und zum psychischen Ausdruck bestimmten Lautes (III) einer belebten (II) schallproduzierenden (I) Existenz. Wir haben die mit dieser Dihärese verbundenen Probleme im GlottaAufsatz 252ff eingehend und insbesondere mit dem Blick auf die dabei verwendeten Differenzen Artikulation (IV) und Semantizität (III 2), sowie deren Konsequenzen für die zoologische Genusbildung überprüft. Es dürfte daher hier genügen, die dort ausführlich begründeten Ergebnisse zusammenzufassen: Primär ist die aristotelische Dihärese dadurch gekennzeichnet, daß das Kriterium der Semantizität animalischer Laute nicht als unterscheidender Zug zwischen Sprache und Stimme wirkt, διάλεκτος und φωνή sind in diesem Punkt nicht differenzierbar, denn wie einige Belege zeigen, sind schon die bloß mit φωνή und noch nicht mit διάλεκτος begabten ζω a αγράμματα durchaus in der Lage, sich psychischen Ausdruck und wech129
selseitige Kommunikation zu verschaffen46, eine Fähigkeit, die jedenfalls nicht nur dem Menschen zukommt. Im kommunikativen Sinn ist für Aristoteles vielmehr schon φωνή und nicht erst διάλεκτος „Sprache". Zur Ausgliederung der διάλεκτος verbleibt demnach nur die Differenz der sprachlauterzeugenden Artikulation47, die nun ihrerseits ebenfalls nicht nur dem Menschen, sondern auch anderen Tierarten offensteht. Es ist also festzuhalten, daß die unter semantischen und physiologischen Aspekten gewonnenen Grenzen im Tierreich bei Aristoteles eher fließend sind und jedenfalls nicht mit den Grenzen Mensch/Tier zusammenfallen. Wenn nämlich auch Tiere via φωνή kommunizieren und sogar, wie die Vögel, artikulieren können, so spricht dies, wenn überhaupt, höchstens für einen graduellen, nicht für einen prinzipiellen Unterschied zwischen tierischer und menschlicher Sprachfähigkeit. Daß aber Aristoteles hier weitergedacht hat und letztlich doch Tierund Menschensprache in wichtigen Aspekten voneinander zu trennen scheint, läßt sich aus weiteren Äußerungen erschließen, die aber z.T. nicht mehr dem psychologisch-zoologischen Kontextbereich im engeren Sinne (wie etwa de anima, Hist, an., part. an. etc.) angehören. Wir kommen darauf gleich zurück. Zunächst ergibt sich schon aus dem naturwissenschaftlichen Stellenkomplex selbst ein Merkmal prinzipieller Unterscheidung, nämlich die dortige Verwendung des Begriffs λόγος. Nach unseren Überlegungen (Glotta 258ff) zeigt nämlich die Kontextbindung von λόγος an die menschliche Sprachfähigkeit (part. an. 659b30ff und 660al7ff) und explizit die Stelle gen. an. V 7, 786b 17ff, daß für Aristoteles nur der Mensch im Besitz der Lautspezies λόγος ist. Was diesen im Unterschied zu φωνή ausmacht, ergibt sich allerdings erst aus der Verbindung dieser Stellen mit Politik 1253a7ff, in der dem menschlichen λόγος bestimmte ethischrationale Vermittlungsinhalte (z.B. das Gute, Gerechte) im Vergleich zu den bloß affektischen des Tieres (Lust und Schmerz) zugeschrieben werden. λόγος und φωνή sind also, wie auch schon διάλεκτος, keine unterschiedlichen modi significandi, sie sind vielmehr sämtlich und unterschiedslos kommunikative Verknüpfungen von significans (Laut) und significatum (Vorstellung, Inhalt, Sinn etc.) - im Fall von διάλεκτος mit der Differenz der Artikulation, im Fall von λόγος mit der semantischen Differenz bestimmter Inhalte, die die menschliche Sprache zu einem bedeutenden sozialen Instrument machen. Weitere prinzipielle Kriterien lassen sich erst aus einer Verknüpfung des besprochenen Stellenkomplexes mit den beiden anderen, bereits 46
Vgl. Glotta 256, Anm. 38. Die Stellen: Hist. an. 536al3ff, part. an. 660a35ff, Politik 1253al0ff, int. 16a28ff, unecht: Hist. an. 608al7ff, Problemata 895al3. 47 Zur Problematik dieser Differenz im Hinblick auf die Zuweisung der Sprachlaute zur φωνή s. Glotta 254. Dem wäre hinzuzufügen, daß schon Aristoxenos alle Konsonanten ψόφοι und nur die Vokale φωναί nennt (s. Dionys v. Halikarnass, de comp, verborum, cap. XIV).
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anfangs genannten Sprachreflexionsbereichen (s. S. 121 f.) im Werk des Aristoteles gewinnen. Obwohl sich nämlich die psychologisch-biologischen wie auch die logisch-poetischen Sprachreflexionen grundsätzlich auf ihre vom Kontext her gegebenen Grenzen beschränken, so sind sie doch in einer höchst unauffälligen, dafür aber umso aufschlußreicheren Weise miteinander verbunden: Wie mit zwei dünnen Fäden verknüpft, erscheint die Tierlautsystematik zoologischer Herkunft im zweiten Kapitel von de interpretatione und im zwanzigsten Kapitel der Poetik wieder, und sie wird hier zur Abgrenzung von Lautphänomenen genutzt, die allem Anschein nach der menschlichen Sprache angehören (s. Glotta 257, 262ff). Zur genauen Fixierung dieser Verknüpfungspunkte fassen wir kurz die Reflexionsbereiche de interpretatione 1-4 und Poetik 19-22 zusammen48 In den ersten vier Kapiteln von de interpretatione geht es um die das Thema λόγος άποφαντικός vorbereitende Definition des λόγος und seiner Teile. Zu diesem Zweck werden nach allgemeinen semiotischen Vorbemerkungen (c.l) das όνομα (c.2), das ρήμα (c.3) und schließlich der λόγος (c.4) bestimmt. Das in den Definitionen verwendete Genus und die spezifischen Differenzen sind vorwiegend semantischer Natur insofern, als alle Definienda der Gattung φωνή σημαντική angehören49, sich aber wieder durch ein weiteres semantisches Merkmal, die Teilbedeutsamkeit unterscheiden. So ist - λόγος eine bedeutsame Verlautbarung, deren isolierte Teile etwas bedeuten (z.B. die Satzglieder) (16b26ff) und das - όνομα (bzw. ρήμα) ein ebenfalls bedeutsamer Laut, dessen isolierte Teile jedoch nichts bedeuten (16al9ff), z.B. μυς = μ/υς (16b31)so Dazu treten weitere Differenzen, die den λόγος generell (und damit auch seine Konstituenten) und speziell den Unterschied zwischen όνομα und ρήμα betreffen. Die letzte Differenz ist wiederum semantisch, denn sie trennt das Zeitwort ρήμα vom zeitlosen όνομα ( 16b6ff). Viel wichtiger ist hier die erstgenannte Differenz, mit der die Sprachphänomene όνομα (16al9) und λόγος (17alf) als φωνή σημαντική κατά συνθήκην (Nennen wir sie noch ungeprüft konventionelle Lautzeichen) von uns inzwischen wohlbekannten (hier φύσει genannten) Lauten abgegrenzt werden, nämlich den αγράμματοι ψόφοι οίον θηρίων (16a27, 28f)sl Damit haben wir 48 Vgl. dazu vor allem A. v. Fragstein, Die Diairesis bei Aristoteles, Amsterdam 1967,13ff, mit dem ich in vielen Punkten nicht übereinstimme, ohne dies hier klären zu können. 49 Nach dem Zeichenmodell von 16a3ff entspricht dies der prinzipiellen Referenz-Natur sprachlicher Lautäußerungen, die über psychische παθήματα auf πράγματα verweisen. 50 Vgl. dazu meinen Aufsatz, Zum isolierten ρήμα in Aristoteles' de interpretatione 16b 19-25, Archiv für Geschichte der Philosophie 61 (1979) 271-279. 51 Es sei ausdrücklich zugegeben, daß Aristoteles hier nicht explizit von menschlicher Sprache redet und die αγράμματοι ψόφοι nur exemplarisch als Tierlaute in Erscheinung
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eben jenen ersten Verknüpfungspunkt lokalisiert, von dem wir zuvor gesprochen haben. Er befindet sich im όνομα-Kapitel (c.2) und lautet wörtlich ( 16a26ff ) : το δε (όνομα) κατά συνθήκην, ότι φύσει των ονομάτων ούδεν έστιν, άλλ'όταν γένηται σύμβολον· έπεί δηλουσί γέ τι καί οί αγράμματοι ψόφοι οίον θηρίων, ων ούδέν έστιν όνομα. Noch undiskutiert und vorerst nur in ein Schaubild der λόγος-Dihärese von de interpretatione 1-4 eingetragen, ergibt dies (Pfeil=Verknüpfungspunkt): Differenzen
Gattungen φωνή σημαντική
± konventionell
φύσει —" " (unartikulierte, z.B. Tierlaute)
κατά συνθήκην (konventionelle Laute)
± teilbedeutsam
Λ ± Zeit
ονομα (Nomen, Subjekt)
\ ρημα (Verb, Prädikat)
λόγος (Sprachliche Ausdrucksforrn, Befehl, Bitte, A u s s a g e )
Die Kapitel 19-22 der Poetik dienen der Beschreibung eines der sechs Tragödienelemente52, nämlich ihrer sprachlichen Formulierung (λέξις). Nach der (hier uninteressanten) Vorbemerkung von c. 19 erfolgt in c. 20 das berühmte Verzeichnis der μέρη της λέξεως in Form einer Sprachkonstituentenanalyse in aufsteigender Linie vom kleinsten (στοιχείον) zum größten μέρος, dem λόγος. Ihm schließt sich mit c. 21 ein lexikalischer Abschnitt, die είδη ονόματος, an, in dem der Wortschatz nach morphologischen (Komposita, Erweiterungen etc.) und stilistischen Kriterien (Normalwörter, Glossen, Metaphern etc.) gruppiert wird. Der λέξις-Teil endet mit Bemerkungen zur άρετή της λέξεως (c. 22), d.h. zur Klarheit (σαφές) und Angemessenheit (πρέπον) der poetischen Diktion"
treten. Vgl. Glotta 264f. Es könnten auch unartikulierte menschliche Laute sein, die Aristoteles mehrfach erwähnt. S. Glotta 265, Anm. 58. 52 Vgl. c. 6, 1450a7ff: μΰθος, ήθη, λέξις, διάνοια, όψις, μελοποιία. 53 Wenn man den λέξις-Abschnitt der Poetik im Ganzen überblickt, so ergibt sich, was die von uns schon zu Beginn der Arbeit s. S. 16 berührte Struktur der späteren ars grammatica betrifft, ein für den gesamten ideen- und formgeschichtlichen Ablauf der antiken Grammatik
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Der zweite Verknüpfungspunkt des biologischen mit dem logischpoetischen Komplex befindet sich im 20. Kapitel, das die μέρη λέξεως in einer an de interpretatione 1-4 erinnernden, aber doch erheblich differenzierteren Weise vom Sprachlaut bis zum Text gruppiert. Für alle Definienda gilt wiederum die Genuszuweisung φωνή. Sie verzweigt sich in folgende Sprachkonstituentengruppen: 1. 2. 3. 4.
nicht mehr segmentierbare Laute = στοιχεία segmentierbare und bedeutungslose54 Laute = συλλαβή, σύνδεσμος segmentierbare und bedeutsame Laute: όνομα, ρήμα, λόγος bedeutsame, aber nicht teilbedeutsame Laute: όνομα, ρήμα 4.1 zeitlose Wörter = ονόματα 4.2. Zeitwörter = ρήματα 5. bedeutsamer und teilbedeutsamer Laut = λόγος 5.1. isolierter λόγος = λόγος i(Satz) 5.2. verbundener λόγος = λόγος 2(Text) z.B. die Ilias
Der gesuchte Verknüpfungspunkt betrifft die erste Gruppe und zwar insofern, als unter den nicht mehr weiter aufteilbaren Stimmlauten für den Bau der λέξις nur bestimmte Laute mit einer Eigenschaft in Frage kommen, die den ebenfalls unteilbaren Tierlauten verschlossen bleibt: die im folgenden näher zu erläuternde Eigenschaft der Zusammensetzbarkeit. Die Stelle lautet ( 1456b22ff ) : στοιχεΐον μεν ούν έστιν φωνή αδιαίρετος, ού πδσα δέ, άλλ' έξ ής πέφυκε συνθέτη55 γίγνεσθαι φωνή- και γαρ των θηρίων56 είσίν αδιαίρετοι φωναί, ων ούδεμίαν λέγω στοιχεΐον. Unter Einbezug dieser Differenz ergibt sich daraus die folgende Dihärese:
(und damit auch für den de-voce-Komplex) wichtiges Ergebnis: Die drei Hauptteile der ars: 1. das Kompendium „littera-oratio", 2. die partes orationis und 3. die virtutes et vitia orationis sind in ihren Grundzügen bereits ganz mit Poetik 20 (= 1. und 2.) und 22 (= 3.) abgedeckt, so daß wir den Prototyp der späteren ars - nach Inhalt und Disposition - nicht erst bei den Stoikern, wie meist üblich, sondern - jedenfalls soweit wir sehen können - schon in der aristotelischen Poetik anzusiedeln haben. (Dies ist auch der Grand für die Ausführlichkeit, mit der wir uns auch mit diesen Bereichen der aristotelischen Sprachreflexion beschäftigen.) Natürlich ist aber auch der λέξις-Abschnitt der Poetik schon Vorbildern verpflichtet wie z.B. Piatons Kratylos 424c5ff: στοιχεία, συλλαβή, ονόματα, ρήματα, λόγος. Doch verlieren sich die Anfänge dieser Art τέχνη für uns im Dunkeln. 54 Bedeutungslos im Sinne eines Wortsegments (etwa der Silbe) oder im Sinne einer Spracheinheit ohne Referenz mit bloß satzinterner Bedeutung (wie die Konjunktion). Vgl. 1456b34 und 38ff. 55 Text nach R. Kassel, Aristotelis de arte poetica liber (OCT) Oxonii 1965 u.ö. Zur m.E.n. hier einzig möglichen Lesart συνθετή vgl. die Glotta 257, Anm. 41 genannte Literatur und unten S. 136, Anm. 70. 56 Vergleichspartner sind hier also ausschließlich Tierlaute, woraus sich die menschliche Natur der λεξις-Phänomene erschließen läßt.
133
Differenzen
Gattungen (μερη λεξεως) φωνή
± teilbar ± z u s a m m e n s e t z b a r - Η •φωναί των θηρίων (Tierlaute) ± bedeutsam
στοιχεία (Phoneme) φωνή άσημος
σημαντική
± teilbedeutsam ± Zeit / ± verbunden
όνομα (Nomen, Subjekt)
ρημα |Verb, Prädikat)
Aoyoçj (Satz)
λόγος 2 (Text)
Aus der so fixierten dihäretischen Position wird deutlich, daß an beiden (übrigens überraschend ähnlich formulierten) Verknüpfungsstellen die λόγος, bzw. λέξις - Phänomene in zwei prinzipiellen Aspekten von anderen, im ersten Fall exemplarisch, im zweiten Fall ausschließlich animalischen Lauten abgesetzt werden sollen57 Beide Vergleichspartner, die Sprachphänomene ονομα und στοιχεΐον und die Tierlaute, haben zwar auch Gemeinsamkeiten, nämlich Semantizitätund Unteilbarkeitss, aber es geht doch primär um die wesentlichen Unterschiede, die sich aus ihrem Vergleich ergeben. Im Fall des ονομα = φωνή σημαντική κατά συνθήκην von 16a26ff" sind dies die Eigenschaften der Artikulation und Konventionalität, denn das ονομα repräsentiert im Vergleich mit den αγράμματοι ψόφοι zugleich auch eine artikulierte Lautäußerung. Wir können also gemäß 16a26ff definieren: Die αγράμματοι ψόφοι sind nicht artikulierte und φύσειbedeutsame Laute60, also keine σύμβολα, das όνομα ist dagegen ein artikulierter und gemäß Vereinbarung bedeutsamer Laut, also ein σύμβολον. In dieser mit dem Begriff des σύμβολον erfaßten Eigenschaft des sprachlichen Zeichens61 liegt die eigentliche, wir nennen sie die semiotische Differenz, auf die es Aristoteles hier ankommt62 Sie läßt sich mit Hilfe Wir haben darüber bei Glotta 262ff ausführlich berichtet. 16a28f: δηλοϋσί γε τι και oi αγράμματοι ψόφοι 1456b23f: και γαρ των θηρίων είσϊν αδιαίρετοι φωναί. 5 9 Vgl. Glotta 262-267 Zum Streitfall des κατά συνθήκην = konventionell vgl. Glotta 246, Anm. 6 und 270, Anm. 68 6 0 Leider gibt es für den φΰσει-Charakter der Tierlaute außer 16a27 keinen weiteren Beleg. 61 Wir dürfen so allgemein formulieren, denn 16b33ff heißt es: εστι δε λόγος άπας μεν σημαντικός, ούχ ώς όργανον δέ, άλλ', ώσπερ εϊρηται, κατά συνθήκην. 6 1 Die Differenz der Artikulation ist in diesem Zusammenhang nur von nebensächlicher Bedeutung. 57
58
134
dreier Stützstellen präzisieren63, in denen der Schlüsselbegriff σύμβολον klarere Konturen gewinnt. Danach steckt im σύμβολον über die semiotische Grundfunktion des „aliquid stat pro aliquo" hinaus noch ein zusätzliches Merkmal: die prinzipielle Beliebigkeit und die sich daraus notwendig ergebende Konventionalität der Beziehung zwischen Laut und Sinn64 Ob damit allerdings wirklich eine prinzipielle Grenze zwischen Mensch- und Tiersprache gezogen ist, läßt sich allein von 16a26ff aus nicht mit Sicherheit behaupten, weil der Vergleichspartner Mensch nur indirekt erschlossen werden kann und die Tierlaute, wie bereits bemerkt (98, Anm. 119), nur exemplarisch in Erscheinung treten. Weitere Beobachtungen zum unterschiedlichen Gebrauch von σημεΐον und σύμβολον (Glotta 265) legen aber den Schluß nahe, daß Aristoteles mit dem Merkmal der Konventionalität des Lautzeichens sehr wahrscheinlich doch Tier- und Menschensprache grundsätzlich voneinander trennt. Die σημεία der Tiere wären demnach zwar auch Zeichen, aber eher Anzeichen im Sinne einer unmittelbaren, im Laut selbst liegenden Ablesbarkeit des vermittelten Inhaltes, wie z.B. Schmerzlaute. Diese Beziehung ist gewissermaßen φύσει, nicht aber κατά συνθήκην wie das όνομα, dessen an den Laut geknüpfte Bedeutung nicht schon im Laut selbst liegt, sondern auf willkürlicher Zuordnung beruht65 Die menschlichen Sprachlaute lassen sich also nach aristotelischer Auffassung im Gegensatz zu den Tierlauten als σύμβολα interpretieren, als Zeichen also, deren Konstituenten (significans und significatum) durch eine κατά συνθήκην-Relation verknüpft sind. Ausschließlich mit Tierlauten wird an bereits zitierter Stelle (Poetik 20, 1456b22ff) das στοιχεΐον menschlicher λέξις verglichen66 Beide erhalten das Prädikat άδιαίρετος-unteilbar67, aber sie unterscheiden sich doch in einem prinzipiellen Zug, denn στοιχεΐον darf nur ein Laut heißen (1456b23): έξ ής πέφυκε συνθέτη γίγνεσθαι φωνή. Die Tierlaute unterscheiden sich also von den menschlichen Sprachlauten nur durch ihre Unfähigkeit, zusammengesetzte φωναί zu bilden68 Leider fehlen für dieses Spezifikum der menschlichen Sprachlaute weitere Stützbelege, aber die Tendenz dieser prinzipiellen Unterscheidung ist wohl schon aus der Poetikstelle selbst erschließbar. Wir folgen
63
Vgl. de interpretatione 16a3ff, Sophistici elenchi 165a6ff, de sensu 437a3ff und Glotta
263f. 64 W i r haben schon Glotta 264, A n m . 56 darauf verwiesen, daß sich die Konventionalität auch aus 16a5ff ergibt, wonach Laute und Buchstaben bei identischen psychischen Eindrukken und Objekten der Realität variieren. Hierher gehören auch die diatopischen Sprachunterschiede bei gleichem Produktionsorgan (Stimme) des Menschen (Hist. an. 536bl9). 65 66 67 68
Vgl. aber die mit Hist. an. 536b 14ff verbundenen Einschränkungen von Glotta 265f. Vgl. Glotta 267-269 und S. 133. Vgl. dazu im einzelnen Glotta 267 So interpretiert schon Steinthal I 253.
135
Glotta 268f : Die aristotelischen Definitionen der μέρη της λέξεως zeigen, daß er sie als Resultat einer Kombination von Einzelelementen auffaßt. So heißt die Silbe in der Poetik (1456b34f): φωνή άσημος συνθέτη έξ άφώνου και φωνήν έχοντος, das όνομα ( 1457alOf), das ρήμα (1457a 14) und schließlich auch der λόγος (1457a23f) φωνή συνθέτη σημαντική6' Die kleinsten kombinatorischen Elemente, aus denen sich größere Spracheinheiten zusammensetzen, können natürlich nur die στοιχεία sein70, und sie erhalten damit einen bestimmten semiotischen Stellenwert: Nur Laute, die sich zu komplexeren Einheiten zusammenschließen können, sind Sprachelemente, und so erhält das lautliche Einzelelement semiotisch gesehen einen Systemwert, insofern es durch seine Kombinationsfähigkeit Teil eines größeren Ganzen wird. Den Tierlauten, so müssen wir schließen, fehlt dieser Wert, sie stehen für sich und sind gewissermaßen systemfrei, was natürlich nicht bedeutet, daß sie asemantisch sind. Ein solcher semiotisch gesehen systemfreier Laut kann schon per se etwas bedeuten, während für das στοιχειον gilt, daß es an und für sich bedeutungslos ist7 ', und erst sekundär zur Schaffung höherer bedeutungsvoller Einheiten, z.B. des όνομα beiträgt. Der semiotische Wert des στοιχειον ist also nicht Semantizität, sondern seine Elementfunktion, seine Eigenschaft als Baustein einer übergeordneten semantischen Einheit. Mit dieser von Aristoteles allerdings eher angedeuteten als explizit formulierten Differenz ist ein weiteres prinzipielles Merkmal der menschlichen Sprache gewonnen: di e phonematische Struktur des sprachlichen Zeichens, denn die bedeutungstragenden Einheiten entstehen erst aus einer Kombination nicht mehr segmentierbarer und nicht selbst bedeutsamer Laute, die wir Phoneme nennen72 Unter semiotischem Aspekt ergeben sich also zwei sprachliche Spezifika: die Konventionalität und die phonematische Struktur des sprachlichen Zeichens, eine zweiteilige semiotische Differenz, mit der Aristoteles aller Wahrscheinlichkeit nach Tier- und Menschensprache voneinander trennt.
6 9 Damit sind nicht etwa Komposita gemeint, die Aristoteles zumindestens als όνομα διπλούν, wenn nicht τριπλούν etc. oder gar πολλαπλοΰν bezeichnet. Vgl. Poetik 1457a32ff. 7 0 Deshalb empfiehlt sich für 1456b23 ausschließlich die Lesart συνθέτη, wie sie auch von Kassel (OCT) gewählt wird. 7 1 Bedeutungslos ist es, weil noch die nächsthöhere Einheit, die Silbe, die ihrerseits schon aus στοιχεία besteht, eine φωνή άσημος ist. 7 2 Daß darin natürlich auch der eigentliche Sinn der Artikulation liegt, bleibt von Aristoteles unberücksichtigt. Merkwürdigerweise erhält gerade dieser ihm so bewußte physiologische Vorgang, soweit ich sehe, auch sonst keine semiotische Funktionsbeschreibung.
136
2.5
Zusammenfassung
Fassen wir die Bedeutung des aristotelischen Ansatzes unter terminologiegeschichtlichem, inhaltlichem und dispositionellem Aspekt zusammen: 1. Die bei Piaton und seinen Vorgängern erkennbare terminologische Diffusion im akustischen Wortfeld, die auf Übertragungsvorgängen beruht, weicht einer klärenden Reduktion der Begriffe auf ihren proprieBereich, die sich auf eine eingehende Neubesinnung auf die akustische Begrifflichkeit und Realität stützt. Wieviel Aristoteles dabei bestimmten Autoren wie Protagoras, Archytas und dem Autor von περί σαρκών im einzelnen verdankt, ist nicht mit letzter Sicherheit auszumachen. Dennoch muß allgemein mit Anregung und Einfluß aus der Zeit vor Aristoteles gerechnet werden. 2. Inhaltlich wird der Komplex περί φωνής erstmals in allen drei Gliedern „Laut, Stimme, Sprache" explizit fixiert. Im einzelnen zeigt sich dabei folgendes Bild: Aufgrund wahrnehmungstheoretischer und zoologischer Überlegungen bestimmt Aristoteles: - den ψόφος als Luftkollision und individuelles Hörobjekt - die φωνή als kommunikativen, mit dem Atmungsapparat erzeugten Laut eines Lebewesens und die - διάλεκτος als eine artikulierte φωνή. Mit dieser semantischen und zweistufigen physiologischen Differenz ist allerdings keine Grenze zwischen Mensch- und Tiersprache gezogen. Die Trennung des menschlichen λόγος von der auch Tieren zugänglichen φωνή und διάλεκτος leistet erst die Verknüpfung des psychologischzoologischen mit anderen Bereichen der Sprachreflexion. Sie ergibt die Bestimmung des λόγος als eines artikulierten Stimmlautes, der - semantisch: besondere Inhalte ausdrückt - semiotisch: 1. konventionell bedeutsam und 2. phonematisch strukturiert ist. Für den Bereich bedeutsamer Lautzeichen gilt also: - φωνή - διάλεκτος λόγος
= bedeutsam, bedeutsam, artikuliert bedeutsam, artikuliert, menschlich: 1. mit bestimmten Inhalten, 2. konventionell, 3. phonematisch.
Aristoteles gelangt also nicht physiologisch, wohl aber semantisch und insbesondere semiotisch zu einer wenigstens in ihren Grundzügen erkennbaren Abgrenzung der menschlichen Sprache. 3. Was den dispositionellen Wert des aristotelischen Beitrags betrifft, 137
so ergibt sich aus unseren Beobachtungen, daß schon bei ihm alle Dispositionsglieder der späteren ars grammatica, die Ausgliederung der vox articulata (im psychologisch-zoologischen Stellenkomplex), die Beschreibung der partes orationis (in de interpretatione und der Poetik) und der virtus elocutionis (in der Poetik) vertreten sind. Trotz ihrer punktuellen Verknüpfung bleiben diese Dispositionsteile jedoch ihren jeweils unterschiedlichen Zielen dienenden Kontexten verhaftet und werden noch nicht zu einer sprachbezogenen Beschreibungseinheit verbunden. Dies scheint erst eine Leistung der stoischen Philosophie, mit der wir uns im folgenden zu beschäftigen haben.
3. Stoa 3.1 Vorbemerkung Wenn wir uns jetzt ausschließlich den Fragmenten der Stoiker zuwenden, so soll dies nicht den Eindruck erwecken, als wäre der zur Diskussion stehende Problemkreis nur von den Stoikern aufgenommen, weiterentwickelt und tradiert worden. Die philosophische Literatur nach Aristoteles zeigt vielmehr eine Fülle durchaus beachtenswerter Ansätze, die von der Intensität und Lebenskraft der zuvor geschilderten Gedankengänge zeugen und daher auch einer eigenen Darstellung wert wären. Dies gilt schon für den Peripatos, etwa mit dem elften Buch der pseudoaristotelischen Problemata περί φωνής und dem von Porphyrios bewahrten, ebenfalls pseudoaristotelischen Fragment de audibilibus1, vor allem aber mit dem reichen Material der Aristoteleskommentare, insofern sie sich von aristotelischen Lemmata, z.B. von der φωνή σημαντική in de interpretatione, zu entsprechenden Reflexionen anregen lassen2 Neben der Stoa gibt es aber auch in anderen hellenistischen Schulen vor allem bei Epikur Ansätze zu einer Adaption von περί φωνής' Dies 1 Dazu vgl. man am besten H. Flashar, Aristoteles, Problemata Physica (Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 19), Darmstadt 2. Aufl. 1975, U. Klein, Aristoteles, de audibilibus (Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 18, Opuscula III) Darmstadt 1972 und Η. B. Gottschalk, The de audibilibus and peripatetic acoustics, Hermes 96 (1968) 435-460. 2 Die wichtigsten Belege sind Ammonios, in Porphyrii Isagogen ( C A G I V 3) 58,19ff Busse, derselbe in 1. de interpretatione (CAG IV 5), 24,24ff Busse, ebenda 30,7ff, 31,3ff, Simplikios, in 1. de anima II 8 (CAG XI) 148,9 ff Hayduck und Philoponos, in de anima II 8 (CAG XV) 375,9ff Hayduck (=Suda IV 755,1 Iff s.v. φωνή). 3 Zu denEpikurbelegenbei Aetius s.o. S. 79,81,83,84, vgl. daneben besonders Diog. LaertX 52 und 75. Ansonsten sei verwiesen auf die Aufsätze von Ph. De Lacy, The epicurean analysis of language, American Journal of Philology 60 (1939) 85-92, C. W. Chilton, The epicurean theory of the origins of language, ebenda 83 (1962) 159-167, A. A. Long, Aisthesis, Prolepsis and linguistic theory in Epicurus, Bulletin of the Institute of Classical Studies 18 (1971)
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alles kann und soll, so interessant es auch sein mag, hier nicht im einzelnen behandelt werden, denn wir zielen auf den Weg des de-voce-Komplexes in die grammatische Fachliteratur, für die, wie man seit langem weiß4, die Sprachtheorie der Stoa maßgebend war s . Soweit die genannten Belege jedoch für diesen Weg wichtig sind, dürfen sie natürlich nicht vernachlässigt werden. Ein ausführlicher Literaturbericht zu dem in jüngster Zeit wieder äußerst regen Interesse an der stoischen Sprachtheorie erübrigt sich nach der jetzt vorliegenden kommentierten Bibliographie von Urs Egli6 Statt dessen soll hier nur kurz auf die wichtigsten Arbeiten und Forschungstendenzen verwiesen werden: Nach der bis heute unentbehrlichen Darstellung und bisher einzigen Belegsammlung Schmidts von 1839 7 wurde die stoische Sprachtheorie von philologischer Seite - sieht man von der recht abschätzigen, aber doch auch gründlichen Darstellung bei Steinthal (I 2 7 1 - 3 7 4 ) ab - erst wieder 1939 von Pohlenz behandelt 8 . Schon kurz darauf erschien die viel zu wenig beachtete (weil ungedruckte) Dissertation H. E. Müllers9 Er-
1 1 4 - 1 3 3 und D. K. Glidden, Epicurus on self-perception, American Philosophical Quarterly 16 (19791, 2 9 7 - 3 0 6 . Direkt zum Thema gehörig ist Philodem, de rhetorica, Vol. I 150,Iff Sudhaus. Ob diese Stelle aber Epikur zuzuweisen ist, scheint mir bisher ungeklärt. 4 Vgl. schon R. T. Schmidt, Stoicorum Grammatica, Halle 1839 (Reprint Amsterdam 1967), Iff, Barwick, Remmius Palaemon 229ff und vor allem M. Pohlenz, Die Begründung der abendländischen Sprachlehre durch die Stoa, Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Bd. III Nr. 6, Göttingen 1 9 3 9 , 1 5 1 - 1 5 8 , 1 5 7 , 1 9 0 (wieder abgedruckt in den Kleinen Schriften, hrsg. v. H. Dörrie, Hildesheim 1 9 6 5 , 2 Bde., Vol. 1 3 9 - 8 6 ) und derselbe, Die Stoa, Göttingen 5. Aufl. 1978, 2 Bde., Vol.I, 3 7 - 4 7 , 38, 47 5 Dabei sollte der peripatetische, der Rhetorik und Poetik zugehörige Anteil nicht unterschätzt werden. Neben der bereits S. 132 erwähnten aristotelischen Poetik (und Rhetorik) verweise ich auf Theophrasts Schrift περί λέξεως, in der nach dem Referat des Simplikios, in Cat. 10,23ff auch die μέρη της λέξεως abgehandelt wurden. Vgl. dazu Theophrast RE Suppl. 7 (1940) 1354-1562, 1527ff (O. Regenbogen). 6 Sie befindet sich im Anhang der von K. Hülser übersetzten „Stoicorum Grammatica" von R. T. Schmidt. Vgl. R. T. Schmidt, Die Grammatik der Stoiker, übers, v. K. Hülser, Schriften zur Linguistik 12, Braunschweig-Wiesbaden 1979, 182-216. Nachzutragende wichtige Arbeiten nenne ich unten S. 140, Anm. 18. 7 S. S. 139, Anm. 4. Die „Stoicorum veterum fragmenta" von Arnims lassen bekanntlich die „grammatischen" Fragmente der Stoiker weitgehend unberücksichtigt. Eine neue zweisprachige Sammlung der logischen Fragmente ist inzwischen im Rahmen des von U. Egli geleiteten Stoaprojekts des Konstanzer SFB 99 „Linguistik" durch K. Hülser fertiggestellt und vor der in Kürze geplanten Drucklegung in den Arbeitspapieren des SFB vorab veröffentlicht: Karlheinz Hülser, Die Fragmente zur Dialektik der Stoiker, Arbeitspapiere des Konstanzer SFB 99 „Linguistik" Nr. 57, 58, 61 und 63, Konstanz 1982. 8 S. S. 139, Anm. 4. Die Ausführungen Stoa 1 3 7 - 4 7 fassen die Ergebnisse des Aufsatzes von 1939 zusammen. 9 Vgl. Η. E. Müller, Die Prinzipien der stoischen Grammatik, Diss, (masch.) Rostock 1943.
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gebnis weiteren philologischen Bemühens waren die Arbeiten von Berwick und Gentinetta10. Von philosophischer Seite aus war mit dem wiedererwachenden Interesse an der hellenistischen Philosophie auch ein kräftiger Impuls zur Erforschung der stoischen Logik und Sprachtheorie gegeben. Davon zeugen, nachdem schon B. Mates in seiner „Stoic logic" von stoischer Sprachzeichentheorie ausgegangen war1 vor allem die Aufsätze von Lloyd und Long in den 1971 publizierten „Problems in Stoicism"12 Vom Neuverständnis der stoischen Logik sind auch die jüngsten Beiträge von M. Frede zur stoischen Sprachtheorie veranlaßt13 Im Rahmen der Sprachwissenschaftsgeschichte wird die stoische Theorie vor allem von der schon S. 139, Anm. 7 genannten Konstanzer Arbeitsgruppe um U. Egli betreut. Von Egli selbst liegen dazu bisher seine (philologisch akzentuierte) Dissertation und einige kleinere Arbeiten vor14. Projekte des Arbeitskreises sind neben der genannten Übersetzung Schmidts durch K. Hülser1 s die ebenfalls bereits erwähnte zweisprachige Quellensammlung16 Zum linguistischen Interessenbereich gehören außerdem die Darstellung der stoischen Theorie durch Pinborg17 und die von Egli nicht erwähnten Aufsätze von Melazzo und Telegdi18.
1 0 Vgl. K. Barwick, Probleme der stoischen Sprachlehre und Rhetorik, Berlin 1957 und P. M. Gentinetta, Zur Sprachbetrachtung bei den Sophisten und in der stoisch-hellenistischen Zeit, Diss. (Zürich) Winterthur 1961. 1 1 Vgl. B. Mates, Stoic logic, Berkeley-Los Angeles 1961, llff. 1 2 Vgl. A. C. Lloyd, Grammar and metaphysics in the Stoa, und A. A. Long, Language and thought in stoicism, in: Problems in Stoicism, hrsg. von A. A. Long, London 1971,58ff und 75ff. Vgl. auch A. A. Long, Hellenistic philosophy, London 1974, 13 Iff. 13 Vgl. M. Frede, The origins of traditional grammar, in: Historical and philosophical dimensions of logic, methodology and philosophy of science, hrsg. von R. E. Butts und J. Hintikka, Dordrecht-Boston 1977, 51-79 und derselbe, Principles of stoic grammar, in: The Stoics, hrsg. von J. M. Rist, Berkeley-Los Angeles 1978, 27-75. 14 Vgl. U. Egli, Zur stoischen Dialektik, Diss. Basel 1967 (Lt. briefl. Mitteilung ist eine Neubearbeitung vorgesehen). Unveröffentlicht blieben bisher „Zwei Aufsätze zum Vergleich der stoischen Sprachtheorie mit modernen Theorien" (Arbeitspapier 2 des Instituts für Sprachwissenschaft der Universität Bern) 1970. Weitere kleinere Arbeiten findet man in Eglis Bibliographie (s. S. 139, Anm. 6). In den Arbeitspapieren des Konstanzer SFB Nr. 55 (1981) hat Egli inzwischen das Dioklesfragment bei Diogenes Laertios neu ediert (s. S. 152, Anm. 65). 15 S. S. 139 Anm. 6. 16 S. S. 139 Anm. 7 17 Vgl. J. Pinborg, Classical Antiquity: Greece, in: Th. A. Sebeok (Hrsg.), Current trends in linguistics Bd. 13: Historiography of linguistics, Den Haag-Paris 1975, 69-126, 77-103. 18 Vgl. L. Melazzo, La teoria del segno linguistico negli Stoici, Lingua e Stile 10 (1975) 199-230 und Ζ. Telegdi, Zur Herausbildung des Begriffs „Sprachliches Zeichen" und zur stoischen Sprachlehre, Acta Linguistica Acad. Scient. Hungaricae 26 (1976) 267-305. Nachzutragen ist außerdem noch: G. Cortassa, Pensiero e Linguaggio nella teoria stoica de λεκτόν, Rivista di filologia e di istruizione classica 106 (1978) 385-394.
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Der Forschungsschwerpunkt liegt in letzter Zeit also eher im Bereich der Philosophie und Linguistik19 Fast alle hier genannten Arbeiten enthalten wichtige Informationen zum de-voce-Komplex!0, beschränken sich aber meist nur auf kurze Stellenangaben oder inhaltliche Notizen. 3.2 Belege außerhalb der stoischen Dialektik Erst bei den Stoikern wird für uns der bis Piaton meist implizit und erst seit Aristoteles explizit faßbare Begriffsbereich „Laut, Stimme, Sprache" auch zum Glied einer dispositionell und inhaltlich klar fixierbaren literarischen Einheit, wie wir sie zu Beginn der Arbeit mit dem de-voce-Kapitel der römischen Grammatik vorgestellt haben. Es handelt sich um drei Paragraphen der Zenon-Vita des Diogenes Laertios (VII 55-57), von denen im folgenden vor allem zu sprechen sein wird. Unsere Ergebnisse wurden aber schon bei Aristoteles zusätzlich noch dadurch abgesichert, daß auch andere, nicht direkt der vox-Dihärese gewidmete Belege überprüft und den expliziten Zeugnissen zur Kontrolle beigegeben wurden. So soll auch jetzt verfahren werden. Nur ist in diesem Kapitel wieder zu bedenken, daß uns die stoischen Texte nur fragmentarisch und selten wörtlich übermittelt sind. In diesem Fall hat es die Überlieferung - uns zur Plage - sogar so gefügt, daß ausgerechnet die impliziten Nebenzeugen zum guten Teil im direkten Wortlaut, der oben genannte Hauptbeleg (Diog.Laert. VII 55-57) jedoch nur im Auszug des hellenistischen Doxographen Diokles (1. Jhdt. v. Chr.) erhalten sind, so daß wir gerade bei dem wichtigeren expliziten Zeugnis wieder mit den von Theophrast und Aetius bekannten Übeln indirekter Vermittlung zu rechnen haben. Jedoch ist auch in der Gruppe der impliziten Zeugnisse immer wieder Vorsicht geboten - so gleich bei den folgenden beiden Stoikerbelegen, von denen wir deshalb ausgehen wollen, weil wir sie schon im Rahmen
19 Davon zeugen vor allem die sich in letzter Zeit mehrenden Aufsatzbände (meist Konferenzberichte). Ich nenne beispielshalber außer dem bereits in S. 140, Anm. 13 zitierten Band von Rist die von J. Brunschwig herausgegebenen Sammlung „Les Stoiciens et leur logiques" Paris 1978. 20 Vgl. besonders Schmidt 1839, 16ff, Steinthal I 290ff, Pohlenz, Begründung 158ff, 193ff, S toa 139ff, Müller 1943,6ff, Gentinetta 1961,94ff, Egli 1967,15ff, 26ff, Melazzo 1975,216 ff, Telegdi 1976, 274ff. Zusätzlich zu erwähnen sind L. Stein, Die Psychologie der Stoa, Berlin 1886, derselbe, Die Erkenntnislehre der Stoa, Berlin 1888, Psychologie: 130, Anm. 247,248, 136f und Erkenntislehre: 276ff, 284 und E. Zeller, Die Philosophie der Griechen, Leipzig 5. Aufl. 1923, Vol. III 1 S. 70, Anm. 4, und G. Watson, The stoic theory of knowledge, Belfast o.J. 43ff.
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des Aetius-Berichtes zu vermerken hatten21 : Bei dem Beleg Aetius IV 20.2, der dem erst später (im Zusammenhang mit Diog. Laert. VII 55) zu besprechenden physikalischen Problem der Materialität der Stimme gewidmet ist, soll hier zunächst der bloße Riickverweis auf S. 83 genügen, wo wir schon auf die ungesicherte Bedeutung des άκοή-Objektes φωνή (Stimme oder Schall?) aufmerksam gemacht haben. Dagegen kann Aetius IV 19.4 sofort behandelt werden, denn dieser Beleg gehört in einen Kontext, aus dem die Mehrzahl unserer impliziten Zeugnisse stammt, nämlich in die stoische Psychologie: Οί δε Στωικοί φασι τον άέρα μη συγκεΐσθαι έκ θραυσμάτων, άλλα συνεχή (είναι) δι' όλου, μηδέν κενόν έχοντα· έπειδάν δε πληγή πνεΰματι, κυματοϋται κατά κύκλους ορθούς εις άπειρον, εως πληρώση τον περικείμενον άέρα, ώς έπί τής κολυμβήθγας της πληγείσης λίθφ. καί αυτή μεν κυκλικώς κινείται, ό δ'άήρ σφαιρικώς.
Wenn man die Stelle isoliert betrachtet, ist von einem psychologischen Zusammenhang kaum etwas zu spüren, vielmehr trägt auch dieser Passus wieder deutliche Spuren einer Defektivität, wie wir sie schon zuvor an einem Epikurbeleg demonstriert haben23: Obwohl dem Kapitel περί φωνής eingeordnet, fehlt das akustische Lemma φωνή, das offensichtlich im Gegensatz zum Partikelstrom Demokrits und Epikurs als kontinuierliches Medium bestimmt und in seiner kugelförmigen Ausbreitung den sich flächig verbreitenden Wasserwellen nach einem Steinwurf verglichen werden soll23 Daß darüber hinaus die gesamte Partie eigentlich in die Psychologie und nicht dem Lemma φωνή gehört, sondern in gleicher sinnentstellender Umlemmatisierung wie bei dem genannten Epikurbeleg dem Lemma άκούειν entfremdet worden ist, zeigt erst der Vergleich mit Diogenes Laertios VII 158 (=SVF II 872). Dort ist ebenfalls von der sphärischen Verbreitung der Luftwellen im Vergleich zu den horizontalen der Wasserwellen die Rede, aber dies dient der Erklärung des Gehörssinnes, der seinerseits als ein μέρος τής ψυχής (ab VII 156ff ) unter anderen eingeführt wird. Aus beiden Belegen könnte sich immerhin ergeben, daß wir für die akustische Terminologie der Stoa die bekannte Relation άκοή-φωνή (im Sinne von Schall) anzusetzen haben24 21
S. S. 82, Aetius IV 19.4 (=S (toicorum) V (eterum] F (ragmental II 425] und S. 83, IV 20.2 (= SVF II 387). 22 S. S. 79. 23 Vgl. oben S. 82. Die Kontinuitätsthese verbindet die Stoiker mit Aristoteles (Vgl. de anima II 8,419b35 und oben S. 124.). Das Problem wird ausführlich diskutiert bei Plutarch, Quaest. conviv. VIII721 Dff. Vgl. auch den bereits S. 18, Anm. 14 genannten Aufsatz von Thielscher (zu Vitruv 5,3,6). 24 Bei Aetius ist άκοή-φωνή nur zu erschließen, bei Diogenes heißt es dagegen VII 158 deutlich: μεταξύ του τε φωνοΰντος καί του άκοΰοντος άέρος. Jedoch ließ sich schon mit Hilfe des Epikurbeleges nachweisen, daß bei solchem Sprachgebrauch auch die Relation „SprechenHören" gemeint sein kann (s. S. 81). So versteht z.B. Pohlenz die Diogenesstelle (Stoa und Stoiker 2/1964,78), während Hicks von „sonant body" spricht (Vgl. seine Diogenesüberset-
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Weitere Belege aus der Psychologie lassen klarere Deutungen insbesondere zum stimmlich-sprachlichen Bereich zu, weil sich darunter auch wörtliche Exzerpte befinden, namentlich die von Galen bewahrten Partien aus Chrysipps περί ψυχής25 All diese Fragmente verbindet ein gemeinsamer Kontext, nämlich die Frage nach dem Wesen der Seele allgemein, insbesondere aber die Frage nach ihrer Struktur, d.h. nach ihrer Aufteilbarkeit in Einzelbereiche und -funktionen. Unter diesem übergreifenden Aspekt macht sich der stimmlich-sprachliche Bereich gleich doppelt geltend, indem 1. die Fähigkeit zur stimmlichen Äußerung von den Stoikern als ein selbständiges μέρος της ψυχής gewertet und 2. dieser Fähigkeit eine wichtige Rolle in dem vieldiskutierten stoischen Beweis für den Sitz des seelischen Leitprinzips, des ήγεμονικόν μέρος im Herzen zugewiesen wird. Betrachten wir beide Beleggruppen im einzelnen26: Daß die Stoiker acht Seelenteile unterschieden, das leitende Hegemonikon und sieben weitere von ihr regierte Unterinstanzen, ist gut bezeugte Lehrtradition27 Bekannt sind dabei auch die Sinnbilder vom achtarmigen Polypen (SVF II 827) und von der die Fäden im Netzinnern mit den acht Beinen kontrollierenden Spinne (II 8 79 ). Bemerkenswert ist nun, wie schon erwähnt, für uns daran, daß zu den vom Leitprinzip abhängigen Seelenteilen außer den fünf Sinnen und dem Zeugungsvermögen auch die Fähigkeit zur stimmlichen Verlautbarung gezählt wird. Unglücklicherweise wird dieser Seelenteil meist kommentarlos als das φωνητικόν μέρος (oder μόριον) τής ψυχής eingeführt28, und nur an drei Stellen finden sich weiterführende Hinweise: SVF II 836, (=1 150), 879 und 885. Der wichtigste, weil von Galen im Wortlaut exzerpierte Beleg stammt aus Chrysipps „περί ψυχής" - ein Passus, mit dem er sein Plädoyer für den Sitz des Hegemonikon im Herzen beginnt29 Es heißt zunächst (170, 9f de zung London (Loeb) 2 vol., 1925 u.ö., Vol. II, 261). Für die exemplarische Sprecher-HörerRelation spricht z.B. SVF II 56, wo Chrysipp in Abänderung der These Zenons von der φαντασία als τΰπωσις έν ψυχή in έτεροίωσις ψυχής das Beispiel der Luftschläge beim gleichzeitigen Sprechen vieler Leute anführt jp. 23,9: ώσπερ γαρ ό άήρ, όταν άμα πολλοί φωνώσιν). φωνή = Schall bleibt also für die Stoiker zunächst noch ungesichert. 25 Vgl. SVF II 879-911, fast alle aus Galens Schrift „De placitis Hippocratis et Piatonis" Wir folgen dem neuen Text von Ph. de Lacy, Corpus Medicorum Graecorum V 4,1,2, Berlin Vol. I 1978, Vol. II 1980. 26 Vgl. zu beiden Punkten Pohlenz Stoa I 87ff. 27 Vgl. SVF II 823-833 und Stein, Psychologie 119ff. 18 So SVF 1143, II 827,828,830. Nur Aerius berichtet IV 21 (= SVF 1150, p. 41,5f ), daß Zenon diesen Seelenteil φωναεν (μέρος) nannte, während er sonst einfach φωνή hieß. Varrò nennt ihn ling.Lat. 9,30: „(pars), qua voces mittimus" 29 Vgl. Galen, plac. Hipp. III 1, Vol. 1 170,9-27 de Lacy (= SVF II 885). Nach Galens Zeugnis 170,6f und 170,28ff handelt es sich um eine Stelle aus dem Beginn der zweiten Hälfte des ersten Buches von περί ψυχής.
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Lacy) : ή ψυχή πνευμά έστι συμφυτον ήμΐν συνεχές παντί τώ σώματι διήκον εστ' αν ή της ζωής ευπνοια παρή έν τφ σώματι. Die Seele durchdringt also in Form eines (materiell gedachten}30 πνεύμα kontinuierlich den gesamten Körper, läuft aber in bestimmten Körperregionen in Einzelfunktionen aus, die ab 170,1 Off in der Reihenfolge : Stimme, fünf Sinne, Zeugung und Leitprinzip aufgezählt werden. Zum Stimmteil sagt Chrysipp lakonisch ( 170,1 lf ) : το διήκον αύτών (των μέρων) εις την τραχεΐαν άρτηρίαν φωνήν είναι.. Die Erwähnung der Luftröhre ist ein wichtiger Hinweis darauf, daß bei diesem Seelenteil in erster Linie an den physiologischen Akt der Stimmbildung ganz im aristotelischen Sinne31 und noch nicht an spezifisch sprachliche Vorgänge gedacht ist, obwohl man, wie es nach den beiden anderen Zeugnissen den Anschein hat, auch schon im Kontext des φωνητικόν μέρος letztlich auf laut- und damit auch auf sprachphysiologische Überlegungen zielte32 Trotzdem muß man sich davor hüten, schon deshalb für die Stoiker die bei Piaton vermerkte Polysemie „φωνή = Stimme und Sprache" anzunehmen, denn drei Belege des zweiten Kontextbereiches „Sitz des Hegemonikon im Herzen" zeigen, daß die Stoiker zur Gewinnung der Spezies „Sprache" weitere sachliche und in ihrer Folge auch terminologische Differenzierungen vorgenommen haben. Hier ist es ein außerordentlicher Glücksfall, daß sich Galen bei seinem Referat der stoischen Argumentation für das Herz in plac. Hipp. II 5 veranlaßt sah, nicht nur den berühmten Beweis, sondern auch den inhaltlich gleichen, aber anders formulierten Argumentationsgang zuerst des Diogenes v. Babylon und dann des Chrysipp wörtlich auszuschreiben33 Es wird so bei der sonst meist en bloc und indirekt überlieferten Lehrmeinung der Stoa ein besonders wertvoller Einblick in einen ca. hundertjährigen terminologischen Entwicklungsprozeß gegeben, der zudem noch ins Zentrum unserer Über-
30 Vgl. S VF II 7 9 0 - 8 0 0 . Auch für Aristoteles war j a die physiologisch definierte Stimme ein Akt der ψυχή (Vgl. de anima II 8 und oben S. 125). Unterschiedlich ist nur der Stellenwert im psychologischen System. Für Aristoteles war sie eine der Verständigung dienende Luxusfunktion der Atmung, bei den Stoikern avanciert sie zu einem selbständigen Seelenteil. Zur Rolle der Sprache in der stoischen Psychologie vgl. Stein, Erkenntnislehre 284. 3 2 Vgl. die Nennung der φάρυγξ und des Artikulationsorgans „Zunge" bei Aerius (SVF II 836, p. 227,36ff) und die Notiz zur stoischen vox-Lehre bei Chalcidius (II 879, p.236,17ff|. Weitere Belege vor allem in der Etymologie von έγώ (SVF II 884,895] und Gentinetta 95f. Insbesondere sei verwiesen auf Cicero, de natura deorum II 149. 3 3 Zu Galens Anlaß vgl. 132,5ff de Lacy. Die Texte: Galen, plac. Hipp. II 5, Zenon: 130,2-5 de Lacy (= SVF I 148], Diogenes: 130, 7 - 1 9 de Lacy (= SVF III Diog.29) und Chrysipp: 130,24-132,2 de Lacy (=SVF II 894], Vgl. auch SVF II 903, p. 250, 32 ff. 31
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legungen zielt34 Wir geben de Lacy s Text, aber gegen Galen in chronologischer Autorenfolge35: 1. Zenon (130,2-5 de Lacy): Φωνή διά φάρυγγος χωρεί. I εί δε ην άπό του εγκεφάλου χωρούσα, ούκ άν διά φάρυγγος έχώρει. I όθεν δε λόγος καί φωνή εκείθεν χωρεί, λόγος δέ άπό διανοίας χωρεί, ώστ' I ούκ έν τω έγκεφάλω έστίν ή διάνοια.
2. Chrysipp (130,24-132,2 de Lacy): Εύλογον δε εις δ γίγνονται αί έν τούτω σημασίαι I καί έξ ού λόγος, εκείνο είναι το I κυριεϋον της ψυχής μέρος, ού γαρ I άλλη μεν ή πηγή λόγου έστίν άλλη δέ διανοίας, ούδέ άλλη μεν φωνής I πηγή άλλη δέ λόγου, ούδέ το δλον άπλώς άλλη φωνής πηγή έστιν I άλλο δέ το κυριεϋον τής ψυχής μέρος " - τοιοΰτοις δέ / καί τήν διάνοιαν I συμφώνως άφοριζόμενοι λέγουσιν αύτήν πηγήν είναι λόγου. - "το γαρ I όλον όθεν ó λόγος έκπέμπεται έκεϊσε δει καί τον διαλογισμόν γίγνεσθαι I καί τάς διανοήσεις καί τάς μελετάς των ρήσεων, καθάπερ έφην. ταϋτα I δέ έκφανώς περί την καρδίαν γίγνεται, έκ τής καρδίας διά φάρυγγος καί I τής φωνής καί του λόγου έκπεμπομενων. πιθανόν δέ καί άλλως, εις δ ένσημαίνεται τα λεγόμενα, καί σημαίνεσθαι έκεΐθεν καί τάς φωνάς άπ' I εκείνου γίγνεσθαι κατά τον προειρημενον τρόπον.
3. Diogenes: (130,7-19 de Lacy): "Οθεν έκπέμπεται ή φωνή, καί ή έναρθρος, ούκοΰν καί Ιή σημαίνουσα έναρθρος φωνή έκεΐθεν, τοϋτο δέ λόγος, καί λόγος άρα I εκείθεν I έκπέμπεται όθεν καί ή φωνή. ή δέ φωνή ούκ έκ των κατά τήν κεφα I λήν τόπων έκπέμπεται άλλα φανερώς έκ των κάτωθεν μάλλον, έκφανής Ιγοϋν έστι διά της αρτηρίας διεξιοϋσα. καί ό λόγος άρα ούκ έκ τής Ικεφαλής έκπέμπεται, άλλα κάτωθεν μάλλον, άλλα μην γε κάκεΐνο άληθές, Ιτό τον λόγον έκ τής διανοίας έκπέμπεσθαι. ένιοι γοΰν καί οριζόμενοι I αύτόν φασιν είναι φωνήν σημαίνουσαν άπό διανοίας έκπεμπομένην. καί I άλλως δέ πιθανόν ύπό των εννοιών ένσεσημασμένον των έν τή / διανοία I καί οίον έκτετυπωμένον έκπέμπεσθαι τον λόγον καί παρεκτείνεσθαι τω I χρόνω κατά τε το διανενοήσθαι καί τήν κατά τό λέγειν ένέργειαν. καί ή I διάνοια άρα ούκ έστιν έν τη κεφαλή, άλλ' έν τοις κατωτέρω τόποις, I μάλιστά πως περί τήν καρδίαν.
Galen hat bereits selbst bei der Zitation des Diogenesbelegs darauf hingewiesen, daß die Texte Zenons und des Diogenes bei verschiedener Formulierung (λέξις) einen im Prinzip gleichen Beweisgang (λόγος) enthalten36 Ermitteln wir diesen Beweisgang, den wir im folgenden als Interpretationsgrundlage brauchen, aus der frühesten und zugleich kürzesten Formulierung Zenons31 Zenons Schluß lautet geringfügig vereinfacht und geordnet:
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Zenon ~ 333-264, Chrysipp ~ 281-208, Diog. Bab. ~ 230-150 v. Chr. Wir können die folgenden Texte nur in dem hier gegebenen Rahmen auswerten. Es sollte aber darauf hingewiesen werden, daß sie in die Diskussion der stoischen Semiotik einbezogen werden müßten, die, soweit ich sehe, immer nur von Sext. Emp. math. VIII1 Iff (= SVF II 166) ausgeht. 36 Vgl. 130,6ff de Lacy. Daß dies natürlich auch für das Chrysippzitat gilt, versteht sich von selbst. 37 Zenon gilt nach Galen 132,18f de Lacy als der Erfinder dieses Beweises. 35
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1. Die φωνή kommt aus der Luftröhre (also nicht vom Gehirn). 2. Woher die φωνή kommt, kommt auch der λόγος38 3. Der λόγος kommt von der διάνοια. Ergo: Die διάνοια sitzt nicht im Gehirn. Wir wollen nicht wie Galen auf das hier verwendete Schlußverfahren eingehen39, sondern wir überprüfen den Text nur auf seine Relevanz im stimmlich-sprachlichen Bereich. Wer die bisherige Entwicklung dieses Bereichs aufmerksam verfolgt hat, wird sich bei dem Zenonzitat sofort an Aristoteles und Piaton erinnert fühlen: φωνή ist hier in Z. 2 wie soeben schon bei der Seelenteilung Chrysipps durch die Angabe des Organs φάρυγξ im aristotelischen Sinne physiologisch bestimmt und bedeutet also proprie „Stimme" und noch nicht „Sprache"40. An Piaton erinnert die ganze hier verwendete Begriffstrias, denn wir haben bei der Analyse des platonischen φωνή-Gebrauchs gesehen, daß an mehreren Stellen φωνή, λόγος und διάνοια eine ähnliche Konstellation eingehen41. Dort war der λόγος die sich zum Zweck der Verständigung in den Strom der φωνή wie in einen Spiegel oder in Wasser abbildende42 διάνοια, φωνή und διάνοια schließen sich also als Ausdrucksträger und Ausdrucksinhalt zur Einheit des akustisch wahrnehmbaren λόγος zusammen. Mit dieser eher semiotisch gefärbten Vorstellung verbindet sich - kaum trennbar - die räumliche Vorstellung von der den Lautstrom des λόγος hervorbringenden Instanz διάνοια, denn es heißt z.B. im Sophistes 263e7f: το δέ άπ' έκείνης (της διανοίας) ρεϋμα δια του στόματος ιόν μετά φθόγγου κέκληται λόγος. Man sieht sofort, daß bei Zenon nur diese letzte, die räumliche und nicht die semiotische Verknüpfung der Begriffe bewahrt ist, denn das Verhältnis von λόγος und φωνή bleibt bis auf die Feststellung ihrer gemeinsamen Herkunft, der φάρυγξ, unbestimmt. Nur dies allein läßt überhaupt vermuten, daß wir auch bei Zenon λόγος nicht als ratio, sondern als akustisch wahrnehmbare oratio, also als „Sprache" zu deuten haben. Für das Zenonzitat gilt also die nur indirekt erschließbare und letztlich unbestimmte lexikalische Relation φωνή = propr. „Stimme" / λόγος = „Sprache" Daß hier das Kriterium der Bedeutsamkeit des λόγος eine Rolle spielen könnte, läßt sich aufgrund der Herkunft des λόγος aus der διάνοια nur erahnen. Die Deutungsvoraussetzungen für den Chrysipptext sind denkbar un3 8 Daß diese Reihenfolge von φωνή und λόγος eigentlich richtiger wäre, zeigt schon deren Umkehrung bei Diogenes Z. 8f. 3 9 Vgl. die streckenweise höchst vergnüglich zu lesende Widerlegung durch Galen 132,20ff de Lacy, besonders das Urinbeispiel von 134,10ff de Lacy. 4 0 De Lacys durchgängige Übersetzung von φωνή mit „speech" und von λόγος mit „discourse" scheint mir daher nicht zutreffend. 4 1 S. S. 105 und S. 105, Anm. 144, vor allem Theaitetos 206d Iff. 4 2 Piaton verwendet hier έκτυποΰσθαι (Theaitetos 206d 3), bei dem natürlich auch die Vorstellung des Einprägens mitwirkt.
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günstig, denn, wie die Rückverweise von Z. 31 und Z. 2 zeigen, ist hier nur das Endresultat seiner Überlegungen exzerpiert, so daß wesentliche dem Textausschnitt vorangehende Verständnishilfen für uns verloren sind. Zudem hat Chrysipp die bei Zenon klar erkennbare Prämissenfolge in einer kaum entwirrbaren Weise vermengt43 - und das in einer Sprache, die schon bei Galen ein solches Mißfallen erregte, daß er sich veranlaßt sah, Chrysipp einen Solözismus vorzuwerfen und eine seiner Prämissen sogar ins Griechische zu „übersetzen"44 Indessen enthält das Chrysippzitat auch sachlich Neues, denn es wird erstens über Zenon hinaus der Schluß gezogen, daß auch die φωνή der διάνοια, also dem κυριεϋον μέρος entstammt (Ζ. 27f). Zweitens wird dieser Herkunftsort nicht negativ wie noch bei Zenon, sondern positiv bestimmt: Es ist der Bereich des Herzens (Z. 32f). Schließlich wird drittens - dies allerdings wieder in der charakteristischen Unschärfe eines Fragments - der sprachliche Bezeichnungsvorgang nicht nur als Zeichen emission, sondern doppelt bestimmt45 Die Terminologie des Textes ist auf der διάνοια-Seite, also gewissermaßen auf der Sprachinhaltsseite gegenüber Zenon reich differenziert. Neben διάνοια (Ζ. 26) tritt κυριεϋον μέρος (Ζ. 25, 28), und die sich darin abspielenden Vorgänge werden sogar noch mit διαλογισμός, διανοήσεις und μελέται των ρήσεων (Ζ. 30f) spezifiziert. Dagegen verbleibt die akustisch wahrnehmbare Ausdrucksseite in ganz derselben Weise wie bei Zenon unbestimmt, insofern die Gleichung λόγος = oratio und sein Verhältnis zur φωνή wieder nur aus der Nennung der φάρυγξ (Ζ. 32) erschlossen werden kann, φωνή scheint allerdings bei Chrysipp außer « Z. 24f = ZenonsPrämisse3 ; 2 5 f = 3 ; 2 6 f = 2 ; 29-31 = 3 ; 31f = Schluß; 32f = 1 und2,1 f = 3. 44 Vgl. Galens Reaktion auf das έκεΐσε von Z. 30 138,30ff und 140,4f de Lacy. 45 Wenn man gegen Galen das έκεΐσε von Z. 30 und damit auch das korrespondierende εις ô von Ζ. 24 und 33 für möglich hält, könnte man im Rahmen des sprachlichen Verständigungsvorganges die διάνοια als den Ort der Zeichenrezeption (εις δ γίγνονται σημασίαι . Ζ. 24, εις δ ένσημαίνεται τά λεγόμενα Ζ. 33f), und zugleich als den Ort der Zeichenproduktion |έξ ού λόγος (γίγνεται) Ζ. 25, σημαίνεσθαι εκείθεν Ζ. 1| auffassen, denn die Sprachzeichen sind zugleich auch akustische Sinnesobjekte, die sich in das Rezeptionsorgan διάνοια einprägen. (So versteht de Lacy die Stelle, vgl. seine Übersetzung 131,20ff|. Dagegen sprechen allerdings die Zeilen 15f des Diogeneszitats, die sich ganz offensichtlich auf Chrysipps Formulierung beziehen. Hier wird das ένσημαίνεσθαι ganz in dem oben beschriebenen platonischen Sinne (das έκτετυπωμενον von Z. 16 ist eine Reminiszenz an Theaitetos 206d3) als die Einprägung der διάνοια in den Lautstrom des λόγος verstanden. Das εις δ ένσημαίνεται τά λεγόμενα des Chrysipp von Ζ. 33f würde dann nur auf die Bedeutungseinprägung des λόγος im Hegemonikon verweisen, die einsichtigerweise genau an der Stelle stattfinden müßte, wo die vom λόγος vermittelten seelischen „Eindrücke" bereitliegen: in der διάνοια. Im übrigen erinnert das Verb ένσημαίνεσθαι natürlich sofort an das von Piaton im Theaitetos 191cff referierte Bild vom Wachsblock der Seele, in den sich die Wahrnehmungen und Vorstellungen „einzeichnen" und dort bleibende Zeichen τύποι (192a4) oder σημεία (192b3) hinterlassen. Der Stoa war diese Lehre willkommen |s. Pohlenz I 55), sie jedoch im Anschluß an diese Stelle für Chrysipp anzunehmen, dürfte deshalb schwierig sein, weil gerade Chrysipp nach dem Zeugnis von SVF II 56 ein Gegner der Vorstellung vom Wachsabdruck war.
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seiner proprie-Bedeutung noch die Bedeutung „Wort" zu haben 46 . Daß λόγος jedenfalls hier auch Bedeutungsträger ist, wird durch das semiotische Vokabular entschieden klarer als bei Zenon. Die Fassung des Diogenes zeichnet sich gegenüber beiden Vorläufern durch stärkere Explizität und gegenüber Chrysipp durch dispositionelle Klarheit aus. Anders als bei Chrysipp ist nämlich die Prämissenfolge Zenons, wenn auch in leicht veränderter Folge treu bewahrt 47 , dafür aber mit Zusätzen versehen, die keineswegs so überflüssig sind, wie Galen meint 48 , sondern die Unbestimmtheiten Zenons zu beseitigen suchen. So wurde die korrigierende Umkehrung von φωνή und λόγος in Z. 8f schon S. 146, Anm. 38 erwähnt. Dazu treten weitere Präzisierungen wie die für uns natürlich besonders attraktiven Bemerkungen zum Verhältnis von λόγος und φωνή (Ζ. 7-9), die Formulierung eines bei Zenon nur implizit mitgedachten Zwischenschlusses (Ζ. 1 lf ) und die im Anschluß an Chrysipp, aber sehr viel klarer als bei ihm formulierte semantische Einprägung des λόγος in der διάνοια (Ζ. 14-16) 4 ' Aus diesen präzisierenden Zusätzen ergeben sich zudem zwei λόγος-Definitionen: 1. λόγος = έναρθρος σημαίνουσα φωνή (Ζ. 2) und 2. λόγος = φωνή σημαίνουσα από διανοίας έκπεμπομενη (Ζ. 14), deren zweite als übernommen eingeführt wird50 Die Genauigkeit in der Angabe des Herkunftsortes (Herz) bei Chrysipp ist allerdings bei Diogenes zugunsten eines Ausgleichs zwischen beiden früheren Versionen aufgegeben (Z. 16f)51 Dem Leser des Diogenesexzerptes wird nicht entgangen sein, welches Gewicht die ersten, immerhin den Originalwortlaut enthaltenden Zeilen für den Fortgang unserer Überlegungen haben: Von der Unbestimmtheit der Zenonversion veranlaßt, versucht Diogenes die These von der gemeinsamen Herkunft von φωνή und λόγος dadurch zu präzisieren, daß er das Verhältnis beider Begriffe als ein Genus-Spezies-Verhältnis neu bestimmt, denn, was für das Genus φωνή gilt, die Herkunft aus der Luftröhre, muß auch für deren Spezies, also hier für den λόγος gelten. Für 46 Vgl. τάς φωνάς von Ζ. 1. De Lacys Übersetzung „words" scheint mir hier möglich, weil bereits mit Sinn versehene (σημαίνεσθαι Ζ. 1) Laute gemeint sind. Zudem ist die Bedeutung „Wort" für Chrysipp in der έγώ-Etymologie belegt (Vgl. SVF II 895, p. 245,18: της έγώ φωνής.]. 47 ζ 7 - 9 = Zenons Prämisse 1¡ 9 - 1 1 = 1¡ 11-12 = neu (Schluß aus Zenon 1 und 2); 12-17 = 3¡ 17-19 = Schluß. 48 Vgl. Galen 130, 20ff de Lacy, der Diogenes ein unnötiges πλεονάζειν vorwirft. 49 Bei Diogenes sind also im Vergleich zu Zenon wieder beide platonische Aspekte, der semiotische und räumliche Aspekt vertreten. 50 Sie ergibt sich in ihrem letzten Teil schon aus Zenons 3. Prämisse. Der andere Teil (σημαίνουσα) entspricht der Bedeutungseinprägung des λόγος in Z. 15f. Beide Definitionen bestimmen den λόγος genauer als eine Spezies der φωνή. 51 Sachlich neu ist das Argument der Zeitverschiebung zwischen Denken und Sprechen als Beweis für die Entsendung des λόγος aus der διάνοια |Z. 16f).
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uns ist dabei wichtig, daß Diogenes hier zu dem aus dem Aristoteleskapitel wohlbekannten dihäretischen Verfahren greift, so daß wir hier den bei Aristoteles verlassenen Faden der φωνή-Dihärese wiederaufnehmen können. Diogenes unterscheidet Z. 7f die später (Z. 9-11) deutlich physiologisch (z.B. durch Nennung der αρτηρία von Z. 11) bestimmte φωνή überhaupt, die έναρθρος φωνή und schließlich die σημαίνουσα έναρθρος φωνή, den λόγος. Hinter dieser Unterscheidung verbirgt sich natürlich eine Dihärese, in der zwei Differenzen, die Artikulation und Semantizität, j eweils unabhängig voneinander auf verschiedenen Stufen artbildend wirken, wobei hier die Artikulation der Semantizität übergeordnet ist. Es müßten so eigentlich, wenn man die kontradiktorisch zu gewinnenden Spezies miteinbringt, in einer zweistufigen Dihärese vier Lautspezies erzeugt werden, von denen aber hier dem besonderen Ziel des Textes entsprechend nur der Zweig „+ artikuliert" in Richtung auf den λόγος verfolgt wird: Differenzen
Gattungen
+ physiologisch ± artikuliert ± sinnvoll
φωνη έναρθρος φωνή σημαίνόυσαΤναρθρος φωνή (λόγος)
0
Wenn man diese Dihärese mit der aristotelischen vergleicht, wie wir sie aus de anima II 8 und Hist. an. IV 9 (s. S. 129) entwickelt haben, so fällt sofort auf, daß hier Aristotelisches wiederaufgenommen, aber auch nach Inhalt und Terminologie nicht unwesentlich verändert wird. An Aristoteles erinnert in der Sache die dihäretische Ausgliederung einer φωνήSpezies mit Hilfe des Merkmals „Artikulation", die allerdings bei ihm nicht έναρθρος φωνή, sondern διάλεκτος hieß. Dagegen haben die Differenzen ihren Rang vertauscht, denn bei Aristoteles waren schon ψόφος und φωνή nicht nur physiologisch (z.B. Fisch- gegen Froschlaute), sondern bereits auch semantisch (z.B. Husten-Stimme) getrennt, so daß die Artikulation erst eine Stufe tiefer wirksam werden konnte (Stimme-artikulierte Stimme-Sprache). Für Aristoteles ist daher jeder Stimmlaut, sei er nun artikuliert oder nicht, immer auch ein sinnvoller Laut" Durch die Umkehrung der Differenzen eröffnet Diogenes dagegen den Weg für die neue und Aristoteles noch fremde Einsicht, daß die Artikulation von Stimmlauten nicht zugleich auch deren Bedeutsamkeit miteinschließt,
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Vgl. de interpretatione 16a29: έπεϊ δηλοϋσί γε τι καί οί άγράμματοι ψόφοι.
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denn der sinnvollen, artikulierten Stimme (λόγος) ist notwendigerweise auch ein artikulierter, aber sinnloser Stimmlaut an die Seite zu stellen" Die terminologische Neuerung liegt im Adj ektiv έναρθρος, das hier, an dieser Diogenesstelle, erstmals belegt ist54 Es ist überhaupt das erste Adjektiv zur positiven Bezeichnung der Artikulation, denn zuvor gab es nur das negative αγράμματος des Aristoteles und άναρθρος, dessen terminologische Verfestigung wir in die Zeit des Theophrast verlegt haben55 Zur positiven Bezeichnung stand bisher, soweit ich sehe, nur das substantivische διάρθρωσις des Aristoteles zur Verfügung 56 , έναρθρος ist also ganz offensichtlich eine hellenistische Neuprägung 57 Schon aus dem Vergleich dreier Originaltexte aus der stoischen Psychologie wird also klar, daß es in der Zeit zwischen Chrysipp und Diogenes (also 250-200) zur Adaption, zugleich aber auch zu einer nicht unerheblichen Neufassung der aristotelischen vox-Dihärese gekommen sein muß 58 . Daß vielleicht sogar Diogenes selbst, der für uns der früheste Autor einer τέχνη περί φωνής ist und dessen φωνή-Definition berühmt und weit verbreitet war59, dafür in Anspruch genommen werden darf, ist nicht auszuschließen, entzieht sich aber unserer Kenntnis. Die Betrachtung der impliziten Belege hat bisher - vielleicht nach Aristoteles wenig überraschend - für die Stoa eine recht stabile physiologische proprie-Bedeutung von φωνή ergeben60 Wir sollten diesen Abschnitt jedoch nicht verlassen, ohne einzugestehen, daß trotzdem Spuren der voraristotelischen φωνή-Diffusion auch bei den Stoikern zu finden sind. Die Möglichkeit metonymischer Übertragung in den sprachlichen Bereich ist, wenn auch äußerst spärlich, für die Bedeutung „Wort" mit dem bereits genannten της έγώ φωνής Chrysipps, aber auch für die Bedeutung „Sprache" zu belegen61. Ebenso wurde die Übertragung in den übergeordneten Genusbereich „Schall" schon früher nicht ausgeschlos53 Er wird allerdings hier noch nicht erwähnt. Wir werden aber später sehen, daß Diogenes diese Stimmspezies tatsächlich kennt und auch ein Beispiel dafür bringt: βλίτυρι |s. S. 195 ff). 54 In den SVF ist es sonst noch indirekt von Sext. Emp. vermittelt (vgl. SVF II 135, p. 43,20). 55 S. S. 62, Anm. 10 und 11. 56 S.S. 98, Anm. 119. 57 Wahrscheinlich nach dem Vorbild des peripatetischen άναρθρος. Ob sie wirklich stoischen Ursprungs ist, läßt sich natürlich nicht mit Sicherheit sagen. Die Bezeichnung der zweiten semantischen Differenz σημαίνουσα ist dagegen nur eine unwesentliche Variante des häufig bei Aristoteles belegten φωνή σημαντική. 58 Zwar deutet schon bei Zenon und Chrysipp die Nennung des φάρυγξ auf Aristoteles und sind bereits Spuren des Merkmals „Artikulation" vorhanden (s. S. 144, Anm. 32), aber erst Diogenes verrät mit der bei ihm erstmals nachweisbaren dihäretischen Verwendung dieses Merkmals unverkennbar den Einfluß der aristotelischen vox-Dihärese. Auf den fraglichen Zeitraum verweist auch der Erstbeleg von έναρθρος bei Diokles. 59 Vgl. Diog. Laert. VII 55 und S. 166ff. 60 Im außerpsychologischen Bereich ist sie z.B. mit der rhetorischen τάσις της φωνής vertreten. Vgl. SVF II 297, p. 96,17 « S. S. 148, Anm. 46 und SVF I 82, p. 23,21.
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sen" Es gibt dazu auch einen Beleg für die translate-Verwendung bei Musikinstrumenten" Es ergibt sich also trotz grundsätzlich dominanter proprie-Bedeutung für den stoischen φωνή-Gebrauch eine an Piaton erinnernde Bedeutungsstruktur: 1. Stimme,· 1.1. meton.: Sprache, Wort; 1.2. metaph.: Ton ; 2. Schall (?). Zusammenfassend läßt sich für die Auswertung der fast ausschließlich psychologischen Belege der Stoa festhalten: 1. Im spärlich belegten Bereich „Schall" ist die voraristotelische άκοήφωνή-Relation nicht sicher deutbar. 2. Den Bereich „Stimme" vertritt unter aristotelischem Einfluß φωνή in seiner physiologischen proprie-Bedeutung - trotz Spuren uneigentlicher Verwendung, die auf den Gebrauch vor Aristoteles zurückweisen. 3. Im Bereich „Sprache" bleibt der hier allein gebräuchliche Terminus λόγος insbesondere in seinem Verhältnis zur φωνή zunächst unbestimmt. Präzisierend wirkt hier jedoch der z.T. schon bei Zenon spürbare platonische Einfluß einer semiotischen und räumlichen Verknüpfung von φωνή, λόγος und διάνοια. Ihr Endergebnis ist die Definition: λόγος = φωνή σημαίνουσα από διανοίας εκπεμπόμενη. Der aristotelische Einfluß zeigt sich hier erst in der bei Diogenes faßbaren, das Verhältnis zur φωνή präzisierenden Ausgliederung des λόγος als Stimmspezies mit den Differenzen „Artikulation" und „Bedeutung". Dies geschieht allerdings in z.T. neuer Terminologie und in umgekehrter, neue Lautspezies eröffnender Differenzenfolge, so daß mit einer nicht unerheblichen Überarbeitung der aristotelischen Reflexionen in der Stoa (~ 250-200) möglicherweise durch Diogenes selbst zu rechnen ist. Ihr Ergebnis ist die Definition: λόγος = σημαίνουσα έναρθρος φωνή.
3.3 Diogenes Laertios VII 55-57 1 Vorbemerkung Nach der Auswertung der indirekten Zeugnisse kommen wir jetzt zu dem stoischen Text, in dem der Bereich „Laut, Stimme und Sprache" direkt thematisiert wird - und zwar, wie man später noch genauer sehen wird, in Form einer Ausgliederung der Sprache mit Hilfe der Begriffsreihe φωνή, λέξις und λόγος. Es handelt sich um die §§ 55-57 der Zenonvita des
62 S. S. 142, Anm. 24. Soweit ich sehe, ist ψόφος für die Stoiker überhaupt nicht, und ήχος nur einmal, Diog. Laert. VII 57, belegt. 63 Vgl. SVP I 299, p. 67, 21, φωνή als Ton der Kithara.
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Diogenes Laertios64, die, wie schon auf S. 141 gesagt, in den vom hellenistischen Doxographen Diokles im Wortlaut übernommenen Abriß der stoischen Logik gehören (§§ 49-82). Aus dieser rein sekundären Vermittlung ergeben sich bestimmte Deutungsvorbehalte, die zuvor beachtet werden müssen": Das Referat des Diokles ist sicher eine Exzerptenliste, die nicht nur indirekt vermittelt, sondern stellenweise auch den Originalwortlaut bewahrt - dies besonders dann, wenn Diokles, wie vor ihm Theophrast, ein ώς φησι hinzufügt 66 Ebenso sicher dürfte Diokles aufs Ganze gesehen auch seinen Stoff so disponiert haben, wie er ihn in seinen Quellen vorfand 67 Trotzdem bleibt sein Referat eine aus vielen, oft auch anonymen Einzelbelegen zusammengearbeitete Synthese der „stoischen" Lehre, die alle Spuren einer künstlichen und dazu nicht immer zufriedenstellend harmonisierenden Verarbeitung trägt. Die Authentizität sowie die individuelle und zeitliche Differenzierung der stoischen Theorie sind daher im einzelnen durch das Dioklesreferat nicht gesichert. Dies gilt es zu bedenken, wenn wir den Bericht des Diokles im folgenden als Beleg für Wortlaut und Disposition der stoischen περί-φωνής-Theorie in Anspruch nehmen wollen. 2 Zur Disposition Ein erster Zugang zu den genannten §§ 55-57 ergibt sich aus ihrem dispositionellen Ort im Gesamtgefüge des auf die eigentliche Zenonvita folgenden Lehrberichts (§§ 38-160). Wir geben daher zunächst eine Disposition dieses Lehrberichts: = SVF III Diogenes 17,18,20. Nachteilig wirkt sich außerdem der gerade in diesem Teil besonders ungesicherte Diogenestext aus, auf den wir, soweit es die §§ 55-57 betrifft, später eingehen werden. Zum Problem des Diogenestextes vgl. Eglis Dissertation, Zur stoischen Dialektik 7ff, 25ff (mit älterer Literatur). S. 4f findet sich auch eine Liste der oben angesprochenen Deutungsvorbehalte bei indirekter Vermittlung. Inzwischen hat Egli das Dioklesfragment neu herausgegeben: U. Egli, Das Dioklesfragment bei Diogenes Laertios, Arbeitspapiere des Konstanzer SFB 99 „Linguistik" Nr. 55, Konstanz 1981. 66 Vgl. Diogenes' Bemerkung VII 48: καί αύτά έπί λέξεως τίθησι Διοκλής. Denkbar ist aber auch, daß sich dieses έπί λεξεως nur auf die Wörtlichkeit bezieht, mit der Diogenes den Diokles zitiert (vgl. dazu Egli 12f, der diese zweite Deutung ausschließt). Daß es sich z.B. bei der φωνή-Definition von VII 55 um den Wortlaut der Vorlage handelt, zeigt deren Zitation bei anderen Autoren (s. S. 166ff). 67 Wenn man die unklare Angabe von Diog. Laert. VII 48 im Sinne Eglis verstehen will, folgt Diokles έπί λέξεως stoischen Einführungen in die Dialektik. Egli denkt an die Dialektik des Diogenes von Babylon (VII 71) - Die τέχνη περί φωνής von VII 55 wäre dann nur ein Teil seiner Dialektik -, an die Dialektik des Krinis (VII 71) und an zwei Traktate des Poseidonios (περί κριτηρίου und περί λέξεως εισαγωγή VII 54 und 60). 68 Das Schema ist natürlich ein einleitender Gemeinplatz in jeder sekundären Darstellung der stoischen Dialektik, der schon in der Antike (Seneca epist. 89,17) und in der Neuzeit seit Schmidt (Stoicorum grammatica 9) immer wieder begegnet. Es sollte jedoch nicht übersehen werden, daß hier eine in Wirklichkeit divergierende Terminologie und Disposition stark 65
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Vorbemerkung, Teilung der Philosophie 38-41 1. Logik 42-83 1. Rhetorik 42-43 2. Dialektik 43-82 1. Im Überblick (Diogenes) 43-48 1. περί σημαινόμενων 43-44 2. περί φωνής 44 3. συλλογισμός 45 4. φαντασία 46 5. Dialektik als άρετή 47/8 2. Im Detail (Diokles) 49-82 1. Erkenntnistheorie (φαντασία, αίσθησις, κριτήριον) 49-51 2. περί φωνής 55-62 1. φωνή, λέξις, λόγος 55-57 2. στοιχεία λέξεως, μέρη λόγου 57-58 3. άρεταί λόγου 59 4. Weitere dialektische Begriffe 60-62 3. περί σημαινομένων 63-82 1. λεκτόν 63 2. Unvollständiges λεκτόν (κατηγόρημα) 64 3. Vollständiges λεκτόν (z.B. αξίωμα) 65 1. Andere λεκτά (Befehl, Schwur etc.) 66-68 2. Einfache und zusammenges. Axiome 68-76 3. Schlußlehre 76-82 Schlußbemerkungen 83 2. Ethik 84-131 3. Physik 132-160 Die diesem Lehrbericht zugrundeliegende Gliederung zeigt sich noch deutlicher in dem folgenden Stemma: Ethik
Dialektik Bedeutendes (φωνή)
Physik • Bedeutetes (λεκτόν)"
vereinfacht wird. Ein Beispiel ist schon die Position der Erkenntnistheorie im dialektischen System, die bei Diogenes in den Bedeutungsteil eingegliedert (VII 43) und bei Diokles als selbständiger Teil dem dialektischen Diptychon vorausgeschickt wird (VII 49-51). Gute Informationen zu den erwähnten Divergenzen bietet K. Hülser, Expression and content in Stoic linguistic theory, in: R. Bäuerle, U. Egli, A. v. Stechow (Hrsg.), Semantics from different points of view, Berlin-Heidelberg-New York 1979, 284-303, 284ff. Zur Gleichsetzung von φωνή und σημαίνον und von λεκτόν und σημαινόμενον s. unten S. 155, Anm. 74.
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Auf die z.T. erhebliche Problematik der ersten beiden Gliederungsstufen kann nicht ausführlich eingegangen werden, denn sie sollen hier nur zur dispositionellen Orientierung von VII 55-57 eingebracht werden. Halten wir also zunächst nur fest, daß die fraglichen Paragraphen im Rahmen der ersten beiden Gliederungsstufen69 in die zweite logische Disziplin „Dialektik" gehören. Dagegen verdient die Dichotomie der dritten Stufe größere Aufmerksamkeit, denn sie ist zum Verständnis der stoischen Sprachreflexion, also auch ihrer περί-φωνής-Theorie, von grundlegender Bedeutung'0: Die Teilung der Dialektik in σημαίνοντα und σημαινόμενα ist allem Anschein nach eine stoische Innovation" Sie verdankt ihre Existenz dem in hellenistischer Zeit offenbar nicht seltenen Versuch einer Sprachzeichenanalyse, die nicht Selbstzweck, sondern aus der logischen Diskussion um den Sitz des Wahren und Falschen erwachsen ist72 Im Hauptbeleg, dem Bericht des Sextus (adv. math. Vili 1 Iff), werden zu diesem Zweck für die Stoiker drei Zeichenkomponenten unterschieden: das σημαινόμενον, das σημαίνον und das τυγχάνον. Schon aus den von Sextus beigegebenen Erläuterungen wird dabei klar, daß die erste Komponente das den Lauten anhaftende Signifikatum (πράγμα, bzw. λεκτόν)73, die zweite das lautliche Signifikans selbst (φωνή) und die dritte das außerhalb des Sprachzei-
6 9 Vgl. zu der wohl von Xenokrates erstmals fixierten Dreiteilung der Philosophie SVF II 38 (= Sext. Emp. adv. math. VII 16). Völlig gesichert ist diese Zuweisung nicht, denn es heißt bei Sextus nur: oi περί Ξενοκράτην και oi άπό του Περιπάτου (SVF II p. 15, I l i ) . Zur zweiten Stufe vgl. SVF II 48 (= Diog. Laert. VII 41f| mit der Trennung der Rhetorik als Lehre des kontinuierlichen und der Dialektik als Lehre des in Frage und Antwort gebrochenen Sprechens. 7 0 Vgl. zum Stellenmaterial vor allem die Aufsätze von Melazzo und Telegdi. 71 Vgl. Telegdi 273, wonach sich das Begriffspaar σημαΐνον/σημαινόμενον zwar schon bei Aristoteles findet, aber erst durch die Stoiker Systemwert erhält. Indessen ist die stoische Terminologie auch hier uneinheitlich. Das obengenannte Begriffspaar stammt von Chrysipp (Diog. Laert. VII 62 = SVF II 122]. Daneben gibt es φωνή/σημαινόμενον (VII 43), aber auch andere Termini wie z.B. Antipaters περί λέξεως καί λεγόμενων (SVF III Antipater 22) oder Chrysipps περί των στοιχείων τοΰ λόγου καί των λεγόμενων (SVF II 14, ρ. 6, 17). λεγόμενα ergab sich für die Sprachinhaltsseite bei Chrysipp schon aus dem psychologischen Beleg von S. 145. Auch die Reihenfolge beider Teile ist nicht völlig gesichert. Trotz Diokles (VII 55 ) : της δε διαλεκτικής θεωρίας συμφώνως δοκεΐ τοις πλείστοις άπό του περί φωνής ένάρχεσθαι τόπου berichtet Diogenes (VII 43) in umgekehrter Reihenfolge. 7 2 Vgl. den Bericht des Sextus adv. math. Vili, 1 If (SVF II166). Hier werden die Stoiker mit Epikur und Strato verglichen (s. dazu auch Plutarch, adv. Coloten 1119Fff). Wichtige Ergänzungen und Parallelen bei Ammonios SVF II 168 und Seneca, epist. 117,13. 73 Also das, was wir im Rahmen sprachlicher Kommunikation gewöhnlich „Bedeutung" nennen, wie die Verwendung des Ausländerbeispiels zeigt (vgl. neben adv. math. Vili 12 noch Ι 155 und VIH 134). Sprecher und Hörer verstehen sich nur, wenn sie den Lauten gleiche Informationsgehalte zuordnen können. Es bleibt sonst bei der bloßen Lautrezeption wie im Fall eines der jeweiligen Sprache unkundigen Ausländers. Vorbild ist hier Piaton, der das Beispiel im Theaitetos 163b3ff verwendet, um den Unterschied zwischen Wahrnehmung (Hören) und Erkenntnis (Verstehen) zu erläutern.
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chens befindliche, aber von ihm betroffene Objekt (τυγχάνον) darstellt74 Laut Sextus wird also bei den Stoikern in einem dreigliedrigen Modell ein zweiseitiges in Laut und Bedeutung gegliedertes Sprachzeichen (λόγος)7ΐ einem außersprachlichen Zeichenobjekt zugeordnet: λόγος σημαίνον (φωνή)
σημαινόμενον (λεκτόν)
Im Referat des Sextus fehlt eine wesentliche Zeichenkomponente. Das lehrt schon ein Blick auf den Beginn von Aristoteles' de interpretatione ( 16a3ff ) mit seiner primären Zuordnung der Sprachlaute zu den παθήματα της ψυχής, die den Stoikern gewiß nicht entgangen sein dürfte. In der Tat läßt sich nachweisen, daß die Stoiker wie Aristoteles die Sprachlaute nicht direkt auf die Dinge der Außenwelt, sondern primär auf mentale Inhalte verweisen lassen. Schon in der Definition des λεκτόν bei Diokles und Sextus: το κατά λογικήν φαντασίαν ύφιστάμενον (Diog. Laert. VII 63, Sext. Emp. adv. math. VIII 70) erscheint die psychische Sphäre, genauer die aussprechbare, formulierbare Vorstellung (φαντασία λογική) als maßgebliche, allerdings ihrerseits noch außersprachliche Bezeichnungsinstanz76, von der Sextus erläuternd sagt: λογικήν δε είναι φαντασίαν, καθ' ήν το φαντασθέν εστι λόγω παραστήσαι.77 Das von Sextus vermittelte dreigliedrige Modell muß also um die psychische Komponente erweitert werden, wobei zuvor noch Wichtiges nachzutragen ist: Die drei semiotischen Komponenten erhalten VIII 12 jeweils das Prädikat „körperlich/unkörperlich", nämlich „körperlich"
7 4 Die schon aus Sextus, adv. Math. VIII1 l f erschließbaren Gleichungen σημαίνον = φωνή, σημαινόμενον = λεκτόν lassen sich auch sonst belegen. Die erste Gleichung ergibt sich z.B. aus dem S. 154, Anm. 71 erwähnten Titelwechsel des ersten Dialektikteils. Die zweite gilt j edenfalls für Sextus, der σημαινόμενον und λεκτόν synonym verwendet (Vgl. außer VIII 1 l f noch VIII 75, Pyrr. Hyp. II 84 und besonders deutlich adv. math. Vili 264: σημαίνουσι μεν αϊ φωναί, σημαίνεται δε τα λεκτά.). Allerdings könnte die Verwendung des σημαινόμενον bei Diogenes VII 43 und 63 ebensogut auf einen übergeordneten Gattungsbegriff schließen lassen, dem sich das λεκτόν als Spezies unterordnet. Statt σημαΐνον/σημαινόμενον scheint sich später das Paar φωνή/λεκτόν durchgesetzt zu haben. Adv. Math. 1155 erscheint es z.B. in der Definition des λόγος als Gegenstand der Grammatik: λόγος = σωματική φωνή ή άσώματον λεκτόν. 7 5 Dieses zweigliedrige Sprachzeichen der Stoiker heißt natürlich λόγος, wie schon den psychologischen Belegen von S. 145 zu entnehmen war. Vgl. auch Müller, Prinzipien 10. 7 6 Die noch von Steinthal bezweifelte Trennung des λεκτόν als eigenständiger innersprachlicher Zeichenkomponente von psychischer Vorstellung und Objekt im außersprachlichen Bereich verdanken wir vor allem Müller, Prinzipien 4ff, 11 ff, 17ff. 7 7 Die primäre Zuordnung des λόγος zur psychischen Sphäre bezeugen außerdem noch Diog. Laert VII 43, 4 9 und die oben S. 145 behandelten psychologischen Belege.
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φωνή und τυγχάνον, „unkörperlich" das λεκτόν78 Der entsprechende Status der psychischen Komponente fehlt natürlich bei Sextus19 Wir erhalten also als endgültiges Sprachzeichenmodell der Stoiker: λόγος σημαίνον
σημαινόμενον
(φωνή)
(λεκτόν)
σωμα
ασωματον
σωμα
Wenn derartige sprachsemiotische Überlegungen nicht nur für sich stehen, sondern zugleich auch eine sprachbeschreibende Disziplin disponieren sollen, so ergeben sich für die daraus entstehenden Beschreibungsteile bestimmte Konsequenzen: Man erwartet im σημαίνον-, bzw. φωνή78 Die konsequente Trennung des Sprachzeichens in ein σώμα (φωνή| und ein άσώματον (λεκτόν), insbesondere die Unkörperlichkeit des λεκτόν, die sogar die Aufnahme in die Reihe der stoischen ασώματα κενόν, τόπος, χρόνος geführt hat ( SVP II 331 ], scheint mir trotz Müller, Prinzipien Iff, 21ff, E. Brehier, La théorie des incorporels dans l'ancien Stoicisme, Paris 1960, 14ff, Long, Hellenistic Philosophy 182ff und anderen nicht zufriedenstellend geklärt (und ist vielleicht aus Quellenmangel auch nicht erklärbar]. Vgl. dazu Hülser, Expression 289. Ich vermute, daß die Stoiker im Anschluß an sophistische Überlegungen (s. S. 93 ff. zu Gorgias) der Ansicht waren, daß bei der sprachlichen Vermittlung außer den Lauten nichts Materielles, etwa die Vorstellung oder das Objekt selbst, transportiert wird. Die ohne Zweifel trotzdem vorhandene Bedeutung (s. das Barbarenbeispiel S. 154, Anm. 73) kann dann natürlich nur noch immateriell sein. 79 Die φαντασίαι sind generell körperlicher Natur (Vgl. SVF II 54-59 und Müller, Prinzipien 13 Anm. 50). Ob dies auch für die φαντασίαι λογικαί gilt, ist fraglich, denn es werden nicht nur zweifellos materielle Vorstellungen, die durch materielle Sinnesobjekte hervorgerufen werden, „versprachlicht", sondern auch solche, die bloße Produkte der διάνοια sind und keinem sprachexternen Objekt entsprechen müssen, z.B. ασώματα wie Kentauren (SVF II 332) oder eben das λεκτόν (vgl. Diog. Laert VII 51 SVF II 61 ). Dazu zählen auch die j a ebenfalls sprachlich vermittelbaren Begriffe (εννοιαι, έννοήματα etc.), deren Status nach SVF 165 nicht nur materiell, sondern sogar nur ώσανεί δέ τι = quasi-existent sind. Das σώμα muß also in der psychischen Komponente mit einem Fragezeichen versehen werden. 80 Das hier entwickelte stoische Sprachzeichenmodell reizt natürlich zu Vergleichen mit neueren sprachsemiotischen Ansätzen, insbesondere mit Gottlob Freges Begriffstrias „Zeichen, Sinn, Bedeutung" (Vgl. G. Frege, Über Sinn und Bedeutung, in: G. Frege, Funktion, Begriff, Bedeutung, hrsg. v. G. Patzig, Göttingen 4. Aufl. 1975,40-65). In dem hier gegebenen Rahmen und aus dem in der Einleitung S. 13 genannten Grund muß jedoch hier darauf verzichtet werden. Um platte, voreilige Gleichsetzungen zu vermeiden, müßten beide Theorien ausführlich dargestellt und sorgfältig verglichen werden, was nur in einer separaten Arbeit möglich wäre. Dennoch sei wenigstens angedeutet, daß Parallelen zwischen Frege und den Stoikern mit gebotener Vorsicht durchaus zu ziehen sind. Das stoische σημαίνον scheint mir Freges „Zeichen", λεκτόν dem „Sinn" und das τυγχάνον der „Bedeutung" zu entsprechen. Gemeinsam ist beiden Theorien auch, daß das λεκτόν (Sinn) nicht unbedingt auf ein τυγχάνον (Bedeutung) verweisen muß (s. für die Stoiker S. 156, Anm. 79). Doch sind die Perspektiven, unter denen die Stoiker und Frege die Beziehungen zwischen den Zeichenkomponenten setzen, im einzelnen zu komplex und unterschiedlich, um sie hier zufriedenstellend vergleichen zu können.
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Teil die Abhandlung des bloß Lautlichen, insbesondere also eine Stimmund Sprachlauttheorie 81 . Dies resultiert schon aus der bloßen Bedeutung, die dem Leitwort φωνή aufgrund der semiotischen Vorgaben im ersten Dialektikteil hier eigentlich nur zukommen kann, nämlich die physiologische proprie-Bedeutung „Stimme, Stimmlaut". Die Bedeutung „Schall" müßte entfallen, weil φωνή von vornherein nur als Sprachkonstituens eingeführt wird82, und ebenso entfällt die Bedeutung „Sprache", denn diese entsteht ja per definitionem erst aus der Verbindung einer an sich bedeutungslosen φωνή83 mit dem Signifikat λεκτόν. Entsprechend müßte der σημαινόμενον-Teil dann eine Bedeutungstheorie enthalten84 Werfen wir also einen kurzen Blick darauf, was sich tatsächlich unter dem ersten Teil des semiotischen Diptychons befindet: Man findet eine hinreichend detaillierte Liste zum Thema περί αύτής της φωνής85 bei Diogenes gleich zweimal, dicht gedrängt im Überblick (VII 44), ausführlicher im Diokleszitat (VII 55-61). Ein Vergleich ergibt sofort, daß sie bis auf unwesentliche Details86 im ganzen den gleichen viergliedrigen Aufbau zeigen: περί φωνής besteht 1. aus einem die Stimme selbst betreffenden Einleitungsteil, der aber schon zu den eigentlichen linguistischen Grundbegriffen λέξις (= φωνή εγγράμματος) und λόγος überleitet (er ist das Thema des nächsten Abschnitts), 2. aus dem Katalog der Wortarten, den μέρη λόγου, 3. aus dem „stilistischen" Abschnitt άρεταν λόγου und 4. aus dem dialektischen Glossar87 Wie längst be81 Dazu würden bestenfalls noch morphologische Aspekte wie eine Flexions-Derivationsund Kompositionstheorie passen. Allerdings läßt bekanntlich schon dieses linguistische Gebiet keinen Ausschluß der Semantik zu, denn morphologische Einheiten ergeben sich ja nur unter semantischem Aspekt, wie schon Aristoteles in seiner Analyse sprachlicher Einheiten erkennen ließ. 81 φωνή könnte allerdings auch - in Opposition zu λεκτόν geraten - die Genusbedeutung angenommen haben, unter Abschwächung des physiologischen Spezies-Merkmals, das in anderen Kontexten (z.B. in der Psychologie] stets mitgedacht wird. Dies entspräche unserem Begriffspaar „Laut-Bedeutung" in linguistischen Kontexten. Zu diesem Problem später mehr. 83 Vgl. z.B. Sextus' treffende Formulierung (adv. math. Vili 134): ούδεμία γαρ φωνή ώς φωνή σημαντική εστίν. 84 Es läßt sich als das Ergebnis bisheriger Forschung vorwegnehmen, daß die tatsächliche Ausführung der beiden Teile die von der semiotischen Dichotomie „Laut/Bedeutung" vorgegebene Ratio nur mit Mühe erkennen läßt, daß vielmehr semantische und morphologische Perspektiven sich in beiden Teilen mischen, z.B. die Behandlung der Kasus im zweiten Teil (Diog. Laert. VII 64f). Vgl. zum Problem bes. Frede, Principles 30ff, der schließlich 45 zum Ergebnis kommt: „the theory of what is signified or said tells us what it is that we should or could say; the theory of expressions tells us how it is to be said." (Unterstreichung von mir]. Vgl. außerdem Hülser, Expressions 287ff, der auch diese Frage weiterhin auf die Liste der ungelösten Probleme setzt. 85 Vgl. Diog. Laert. VII 44 = 316,18 Long. Die Diogenesbelege werden, wenn es auf den genauen Stellennachweis ankommt, im folgenden nach Seite und Zeile der Ausgabe von H. S. Long, Diogenis Laertii vitae philosophorum, Oxford (OCT) 1964, 2 Vol. zitiert. 86 Z.B. fehlt bei Diokles die Musik. 87 Vgl. dazu die Gliederung von S. 153, Nr. 2.1.2 und 2.2. 1-4.
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kannt88, handelt es sich bei dem zweiten und dritten Abschnitt um eine Wiederaufnahme und Weiterentwicklung der aristotelischen μέρη λέξεως und der bereits von ihm, besonders aber von Theophrast erarbeiteten άρεταί λέξεως89 Schematisch verdeutlicht ergibt sich also als Disposition von περί φωνής: 1. ιρωνή-λεξις-λόγος
μέρη λόγου
3. άρεταί λόγου
4. Glossar
Es läßt sich nach diesem Überblick nicht leugnen, daß dieser Dialektikteil wenigstens in seinem ersten Abschnitt durchaus die Erwartungen erfüllt, die sich aus dem übergeordneten semiotischen Dispositionsprinzip ergeben: Er enthält eine Stimm- und Sprachlauttheorie. Aber schon der zweite und dritte Teil lassen - ohne daß dies hier im einzelnen geklärt werden könnte - eine Abschwächung lautbezogener und eine Zunahme semantischer Kategorien erkennen, z.B. in der durchweg semantischen Bestimmung der Wortarten von VII 58. Vollends unklar ist die Verklammerung des Glossars mit der φωνή-Seite, denn hier werden Grundbegriffe logischen Operierens, wie z.B. die Dihärese (VII 61) oder eindeutig semantische Kategorien wie die Amphibolie (VII 62) behandelt90 Erst diese leider unvermeidbare Kurzanalyse des höchst komplexen Beziehungsgeflechts, in das die Stoiker die genannten §§ 55-57 verwoben haben, ermöglicht es, den dispositionellen Befund auszuwerten: Die §§ 55-57 bilden mit ihrer Klärung der Begriffe φωνή, λέξις und λόγος den ersten, die eigentlichen Hauptteile μέρη und άρεταί λόγου vorbereitenden Teil der τέχνη περί φωνής. So entsteht eine dispositionelle Einheit, die ihrerseits nur eine der beiden Seiten des dialektischen Diptychons aus88
Dazu zuletzt ausführlich, Frede, Principies 38 ff. S. S. 132f, Anm. 53 und S. 139, Anm. 5. 90 Vielleicht ist diese Diskrepanz nur das Ergebnis der späteren und möglicherweise unangemessenen Erweiterung des Eingangslemmas φωνή auf den gesamten Dialektikteil, das so das ursprüngliche σημαίνον verdrängte und in Opposition zum σημαινόμενον geriet. Das ursprüngliche Begriffspaar könnte nämlich auch auf einen anderen perspektivischen Wechsel in der Sprachbeschreibung deuten, kraft dessen entweder semasiologisch von der lautlich vorgegebenen Sprachstruktur (Was bedeuten die Wörter?) oder onomasiologisch von den nicht primär lautgebundenen Vorstellungen und Dingen (Wie heißen die Dinge?) ausgegangen werden kann. Aus diesem jeweils unterschiedlichen perspektivischen Ausgangspunkt läßt sich nämlich keinesfalls eine eindeutige Verteilung semantischer und morphologischer Aspekte ableiten, denn sie sind bei beiden Verfahrensweisen in gleicher Weise präsent (z.B. Was bedeutet die Silbe un-? oder: Welche morphologischen Entsprechungen hat das Prädikat?). Für die Stoa bleibt dies natürlich Spekulation, aber es könnte so das gleichzeitige Auftauchen semantischer Kategorien im σημαΐνον-Teil (z.B. im Wortartenteil 321,21ff Long) und lautbezogener im σημαινόμενον-Teil (z.B. εκφορά von VII 63 = 324, lOf Long) wenigstens vermutungsweise erklären helfen. 89
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macht, nämlich das σημαίνον, das sich mit dem σημαινόμενον zur Einheit der dialektischen Disziplin zusammenschließt. Dieses zweigliedrige Gebilde „Dialektik" mit dem Objekt „Dialogische Sprachform" vereinigt sich wiederum mit der Rhetorik zum λογικόν μέρος der Philosophie. Erst jetzt läßt sich ermessen, welche erhebliche Umorganisation des devoce-Komplexes dieser dispositionelle Befund im Vergleich zu Aristoteles bedeutet. Die noch bei Aristoteles dem naturwissenschaftlichen Kontext verhaftete akustische Ausgliederung der Sprache ist bei den Stoikern in die Dialektik transponiert, gerät hier unter den dispositionellen Druck des semiotischen Begriffspaars σημαϊνον/σημαινόμενον" und wird schließlich auf der σημαΐνον-Seite als festes dispositionelles Glied mit einleitender Funktion einem anderen peripatetischen Beschreibungskomplex, den μέρη und άρεταί λέξεως vorgeschaltet, der seinerseits ebenfalls ursprünglich nicht der Dialektik, sondern der der Poetik und Rhetorik angehört. Die so entstandene neue Beschreibungsform könnte also das Ergebnis einer doppelten Transposition aus ursprünglich anderen Kontexten in die stoische Dialektik sein. Es scheint sich jedenfalls die schon früher geäußerte Ansicht zu bestätigen, daß die Stoiker bereits von Aristoteles in ihren Grundzügen bereitgestellte „Fertigteile" zu einer neuen linguistischen Beschreibungseinheit verbunden haben", zu einer Einheit, die, wie schon aus dem einleitenden Kapitel der Arbeit ersichtlich, zum eigentlichen Vorbild der späteren grammatischen Tradition wurde. Wir haben uns aber zu fragen, ob die sich aus der bisherigen Beleglage ergebende Transposition und Verknüpfung heterogener älterer Ansätze zu einer neuen Beschreibungseinheit wirklich auf einer stoischen Eigenleistung beruht. Hier führt nämlich eine andere gattungsgeschichtliche Beobachtung zur Skepsis. Wenn man dem Hinweis des Diokles von VII 55 glauben will93, daß bei den Stoikern nicht nur der erste Dialektikteil, sondern mit ihm zugleich auch die gesamte Dialektik a voce eingeleitet wurde, so bedeutet dies, daß hier eine linguistische Spezialdisziplin94 ihren Gegenstand ab ovo entwickelt, indem sie ihn seiner lautlichen Natur entsprechend zu Beginn aus dem gesamten Gattungsgefüge der akustischen Realität herleitet. Sollte dies tatsächlich auf die stoische Dialektik zutreffen, so steht sie damit bereits in einer fachliterarischen Tradition. Erinnern wir uns z.B. an das Verfahren des Archytas, der sein 9 1 Wenn man sich allerdings den Anfang von de interpretatione vergegenwärtigt, so wird klar, daß die Vorschaltung einer semiotischen Theorie auch Aristoteles nicht fremd ist. Sie hat jedoch hier noch keine dispositionellen Folgen und berücksichtigt trotz punktueller Verknüpfung (s. S. 133] den naturwissenschaftlichen de voce-Komplex nicht. » S.S. 137f.. « S.S. 154, Anm. 71. 9 4 Laut VII 42 hat die Dialektik das klar spezifizierte Objekt „Rede in Frage und Antwort"; s. auch S. 154, Anm. 69.
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musikalisches Objekt „Tondifferenzen" ebenfalls aus seinen akustischen Grundlagen deduzierte" In der Dialektik selbst ist es wieder ein wertvolles Zeugnis des Porphyrios, das einen Einblick in die Vorgeschichte dieser Eingangstopik ermöglicht. Wir hören in seinem Ptolemaioskommentar, daß lt. Aristoxenos schon der Akademiker Xenokrates seine Dialektik a voce begann und dafür wie folgt getadelt wurde' 6 Άριστόξενος μεν ούν παρήγγελλε »καθόλου δεΐν έν τω άρχεσθαι Ιπαρατηρεΐν, όπως μήτ" εις την ύπερορίαν πίπτωμεν άπό τννος φωνής ή I κινήσεως άέρος αρχόμενοι, μήτ' αύ ένδοτέρω κάμπτοντες πολλά των I οικείων παραλιμπάνωμεν». Δια τοΰτο γαρ καϊ έπιτιμδν τινας εύλόγως Ξενοκράτει, ότι έγχει I ρήσας ύπέρ των διαλεκτικών πραγματεΰσασθαι άπό φωνής άρχεται, ούδεν I οίομενους είναι προς τα διαλεκτικά τον της φωνής άφορισμόν, ότι έστίν I άέρος κίνησις, ούδε τήν μετά ταϋτα διαίρεσιν, ότι έστί τής φωνής το I μεν τοιούτον, οίον έκ γραμμάτων συγκεϊσθαι, το δε τοιούτον, οίον έκ Iδιαστημάτων τε καί φθόγγων· πάντα γαρ είναι ταϋτα άλλότρια τής I διαλεκτικής· καί ούδεν άλλο πεπονθέναι τον οϋτως άπτόμενον τής σκέ Ιψεως, άλλ' ή προδιεξιεναι τινάς θεωρίας προ τής διαλεκτικής ούδεν προς I αύτήν συναπτούσας.
Wir müssen also nach dem Bericht des Porphyrios annehmen, daß die Stoiker wie schon bei anderen wichtigen Gliederungspunkten so auch in der dispositionellen Anlage ihrer Dialektik neben dem Peripatos auch akademischen Vorbildern, hier insbesondere Xenokrates gefolgt sind97 Schon Xenokrates schrieb demnach eine Dialektik άπό φωνής, die mit einer φωνή-Definition, gefolgt von einer φωνή-Dihärese, begann - ein Vorspann, der ihm die Kritik eines sachfremden und überflüssigen Beginns eintrug" Wie kaum ein anderes ist gerade dieses Zeugnis geeignet, das bisher gezeichnete Entwicklungsbild von Aristoteles als der Schaltstelle sachlicher und terminologischer Klärung und von den Stoikern als den dispositionellen Vorläufern der grammatischen Tradition ins Wanken zu bringen. Wenn nämlich schon Xenokrates seiner Dialektik eine Stimmdefinition vorgeschaltet und sie mit einer Dihärese verbunden hat, so könnte er in doppelter Hinsicht zum eigentlichen Stammvater des anfänglich beschriebenen de-voce-Kapitels der Grammatiker avancieren: Er könnte als älterer Zeitgenosse vielleicht schon vor Aristoteles den stimmlich-sprachlichen Bereich gegenüber Piaton sachlich präzisiert und sicher noch vor den Stoikern die für die spätere Lehrtradition verbindliche dispositionelle Beschreibungseinheit „de voce + partes orationis + virtutes etc." hergestellt haben. Verdankt also Aristoteles entsprechende Fortschritte dem 95
S.S. 86 ff.. Porphyrios 8, 18ff Düring = (ab 22ff) Xenokrates fragm. 10 Heinze. Diese Verbindung notiert schon Frede, Principles 50. 97 Zur Dreiteilung der Philosophie s. S. 154, Anm. 69. Daß in der Stoa ständig mit beiden Einflüssen zu rechnen ist, ist ein Gemeinplatz, der sich schon bei der Betrachtung der impliziten Zeugnisse im letzten Abschnitt bestätigte. 98 Merkwürdigerweise ist, wie wir oben S. 111 notiert haben, Anaxagoras von Sokrates mit etwa dem gleichen Tadel bedacht worden. 96
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älteren Xenokrates und sinken die Stoiker zu einer bloßen Vermittlungsinstanz xenokratischer Dispositionsweise herab? Beide Fragen lassen sich angesichts der Spärlichkeit unseres Zeugnisses nicht leicht beantworten, aber die Stelle enthält doch bei näherem Hinsehen durchaus weiterführende Indizien. Was die erste, Aristoteles betreffende Frage angeht, so kann auch nach der Lektüre des Porphyrioszitats Aristoteles weiterhin der Primat sachlicher Präzision zuerkannt werden. Die Definition „φωνή = άέρος κίνησις" ist nach unseren Vorergebnissen sicher voraristotelisch und erinnert eher an den Theophrastbericht und die platonische Timaiosdefinition" Ebenso ist die sich anschließende φωνή-Dihärese eindeutig platonisch orientiert, denn die Gliederung in Musik- und Sprechstimme mit ihren Elementen „Ton" und „Buchstabe" ist uns in der Analyse des platonischen φωνή-Gebrauchs mehrfach begegnet100 Xenokrates zeigt sich hier als der getreue Schüler Piatons, der jegliche weiterführende Präzision vermissen läßt. Schwieriger ist die Frage nach der dispositionsgeschichtlichen Rolle der Stoiker. Ob nämlich nicht erst die Stoiker, sondern bereits Xenokrates den einleitenden φωνή-Teil mit der eigentlichen Sprachbeschreibung, etwa in der Art einer Sprachkonstituentenreihe „littera-oratio" oder einer Dispositionsfolge μέρη und άρεταί λέξεως verbunden hat, muß ungeklärt bleiben, denn leider gibt der Porphyriosbericht keine Auskunft über die Beschreibung der aus Buchstaben bestehenden Sprechstimme, die doch zum eigentlichen Objekt der Dialektik führen muß. Immerhin läßt sich nicht leugnen, daß die stoische Dialektik mit dem Beginn a voce in der Folge der xenokratischen Dialektik steht. Damit ist zumindestens die Transposition naturwissenschaftlicher Gedankengänge in die Dialektik und ihre einleitende Funktion keine originelle Leistung der Stoiker. Man wird allerdings später sehen, daß diese Verwandtschaft - jedenfalls in dem von Diogenes von Babylon repräsentierten Stadium der stoischen Lehre - nur auf einer dispositionellen Ähnlichkeit beruht, der wichtige inhaltliche Modifikationen entgegenstehen101 Insgesamt muß jedoch das Ausmaß der dispositionellen Eigenleistung der Stoiker als ungeklärt bezeichnet werden. Fassen wir unsere Überlegungen zum dispositionellen Ort der §§ 55-57 kurz zusammen: 1. Das Eingangskapitel der stoischen Dialektik περί φωνής (§§ 55-57) schließt sich mit den μέρη und άρεταί λόγου zu einer linguistischen Beschreibungseinheit zusammen, die für die spätere Tradition der antiken ars grammatica verbindlich wird. Diese Beschreibungseinheit 9 9 S. S. 60ff. Sie zeigt die für den Theophrastbericht typische Genus-Spezies-Unschärfe (Schall oder Stimme?) und enthält keinerlei physiologische Differenzierung. 1 0 0 S. S. 1 0 4 f und S. 104, A n m . 142. 1 0 1 S.S. 193 ff..
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macht allerdings nur eine der beiden Seiten des dialektischen Diptychons aus, nämlich das σημαίνον, das sich aufgrund semiotischer Vorgaben mit dem σημαινόμενον zur Einheit der dialektischen Disziplin mit dem Objekt „Dialogische Sprachform" verbindet. Sie selbst vereinigt sich ihrerseits mit der Rhetorik als der Wissenschaft von der kontinuierlichen Rede zum λογικόν μέρος der Philosophie. 2. Den dispositionsgeschichtlichen Stellenwert der stoischen Einleitung άπό φωνής erhellt das für die Geschichte der dialektischen Eingangstopik höchst aufschlußreiche Xenokratesfragment 10 Heinze: 1. Der a-voce-Beginn der stoischen Dialektik ist nicht etwa von Aristoteles' naturwissenschaftlichen Schriften neu veranlaßt, sondern steht bereits in einer fachliterarischen Tradition. Schon Xenokrates schrieb im Bemühen, seinen Gegenstand ab ovo zu entwickeln, eine Dialektik άπό φωνής αρχόμενος. Daß er damit seinerseits schon einer älteren fachliterarischen Eingangstopik verpflichtet ist, zeigt das Verfahren des Pythagoreers Archytas. 2. Die mit diesem Anfang verbundene Übertragung physikalischer Reflexion in die Dialektik ist ebenfalls keine Eigenleistung der Stoa. Dies ergibt sich aus der φωνή-Definition des Xenokrates, die, wie wir aus Theophrasts Bericht de sensibus wissen, aus der voraristotelischen Akustik stammt. Wenn so das stoische Eingangskapitel für sich genommen nur die dialektische Eingangstopik der Akademie fortsetzt, so läßt sich seine für die Stoa belegte Verknüpfung mit den μέρη und άρεταί λόγου aus Überlieferungsmangel nicht auf Xenokrates zurückführen. Hier bleibt allerdings Raum für peripatetischen Einfluß, denn wir kennen eine derart verknüpfte Behandlung dieser Gegenstände vor der Stoa nur aus Aristoteles' Poetik und Rhetorik, später auch aus Theophrasts περί λέξεως. Weil dies jedoch auch bloßer Überlieferungszufall sein kann, muß der geschichtliche Stellenwert der stoischen Verknüpfung fraglich bleiben. 3 Zum Inhalt a) Vorbemerkung Der Analyse der §§ 55-57 schicken wir zunächst den Text voraus (320,13-321,15 Long): 55
Της δε διαλεκτικής θεωρίας συμφώνως δοκεΐ τοις πλείστοις I άπό του περί φωνής ένάρχεσθαι τόπου, εστι δε φωνή άήρ πεπλη I γμένος ή το ίδιον αίσθητόν άκοής, ώς φησι Διογένης ό Βαβυλώνιος I έν τή Περί φωνής τέχνη, ζώου μεν έστι φωνή άήρ ύπό όρμής Ιπεπληγμένος, άνθρωπου δ' εστίν έναρθρος και άπό διανοίας Ιέκπεμπομένη, ώς ό Διογένης φησίν, ήτις άπό δεκατεσσάρων έτών Ιτελειοϋται. και σώμα δ' έστίν ή φωνή κατά τους Στωικούς, ώς I φησιν Άρχέδημός τ' έν τή Περί φωνής καί Διογένης και 56 Άντί I πατρός καί Χρύσιππος έν τή δευτέρα των Φυσικών, πάν γαρ το I ποιούν σώμά έστν ποιεί δέ ή φωνή προσιοϋσα τοις άκοΰουσιν I άπό τών φωνούντων. λέξις δε έστιν 3 2 1 , 1 κατά τους Στωικούς, ώς φησι I Διογένης, φωνή έγγράμματος, οίον 'Ημέρα, λόγος δέ
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έστι φωνή Iσημαντική άπό διανοίας εκπεμπόμενη, διάΙλεκτος δε έστι λέξις κεχαραγμένη εθνικώς τε και Έλληνικώς, ή I λέξις ποταπή, τουτέστι ποια κατά διάλεκτον, οίον κατά μεν τήν I 'Ατθίδα Θάλαττα, κατά δε τήν Ίάδα Ήμερη. I Της δε λέξεως στοιχειά έστι τα είκοσιτέσσαρα γράμματα. I τριχώς δε λέγεται το γράμμα, νγος - less probably λάρ]υνγος - the grammarian may even have explained the ,element' of speech as the sound produced by air passing through the larynx"75 Tatsächlich wäre ein φάρυνγος in Ζ. 4 ein unmißverständlicher Hinweis auf die Verwendung physiologischer Merkmale im στοιχεΐονDefinitionsteil des Papyrus, die der von Aristoteles Hist. an. IV 9 ausgehenden Tradition mit ihrer Akzentuierung des φάρυγξ als eines der wichtigen stimm- und insbesondere vokalbildenden Organe verpflichtet sein könnte76 Die zweite Spur fällt in den besser erhaltenen Teil des Textes, und zwar in den Abschnitt 2.1. unserer Disposition. Ab Z. 15 wurde in dem Papyrus mit großer Wahrscheinlichkeit die u.a. auch aus der Techne bekannte Etymologie des στοιχεΐον abgehandelt, die sich auf die Ursprungswörter στοίχος, στοιχεϊν oder στείχειν mit dem primären Bedeutungsmerkmal „Reihenfolge, Ordnung, gr. τάξις" stützt77. Nach dieser Etymologie haben die στοιχεία die Eigenschaft, nicht jede beliebige, sondern nur bestimmte Lautverbindungen einzugehen, weshalb eine Lautfolge, wie z.B. πρός möglich, *ρπός aber unmöglich ist78. Dieses τάξις-Merkmal des στοιχεΐον
Vgl. Eitrem 20 und Wouters 141. Die Edition von Eitrem läßt sich vergleichen mit der Fotografie des Papyrus im Anhang zu fase. II (Plate II). 73 Vgl. Morelli (Wouters 141, A n m . 4| 117 und Wouters' Text. 71
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74 Vgl. Eitrem 20 und Wouters 142: „ T h e text was later corrected also with a finer pen (1.4, apparently added during correction .]" 75 Vgl. Eitrem 20. 76 Vgl. Eitrems Stellenangaben 21f und oben S. 124f, 127 und 146. 77 Vgl. Dionysios Thrax 9,Si Uhlig, Apoll. Dysk. synt. 2,3ff Uhlig, Schol. Dion. Thrax 35,24f, 186,5ff, 197,15ff Hilgard u.a.. Vgl. auch Eitrem 22 und Wouters 147f. 78 Vgl. Schol. Dion. Thrax 197,15ff.
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wird in dem Papyrus am Beispiel der Silben erläutert, die nicht aus ungeordneten Lautfolgen konstituiert werden können (Z. 25-31 Wouters). Als Begründung wird eine Wesensbestimmung der στοιχεία beigegeben: (Z. 32-37): δια το άρχάς [είναι] της ενγραμμ[άτου] φωνή[ς] (sc. τα στοιχεία) καί πδ(σαν) συλλαβήν έξ αυτών σ[υ!νεστάναι καί εις αύτά άναλυεσθαι.
Schon Wouters hat bemerkt, daß dieser Satz mit Formulierungen von Dionys v. Halikarnass zusammengeht, die wir bereits besprochen haben" Auch Dionys nannte die Sprachlaute άρχαί80 und kennzeichnete sie als Anfangs- und Endpunkt der Sprachkonstituentenreihe. Unterschiedlich ist allerdings die Bezeichnung der gattungsbildenden φωνήSpezies, die im Papyrus φωνή έγγράμματος81, bei Dionys dagegen φωνή άνθρωπίνη καί έναρθρος heißt - eine Differenz, die nach unseren Beobachtungen zur stoischen vox-Dihärese nicht unerheblich sein kann82. Wir erschließen so aus den Zeilen 32-37 überraschenderweise eine zweite στοιχεϊον-Definition, die nicht mehr wie die erste mit physiologischen Merkmalen, sondern mit dem inzwischen gut bekannten Merkmal der Segmentation sprachlicher Einheiten arbeitet. Sie muß also der Definition des Krates83 entsprochen haben, also etwa μέρος έλάχιστον της εγγραμμάτου φωνής gelautet haben. Dies ist schon Eitrems Aufmerksamkeit nicht entgangen, der sich von der Kratesparallele veranlaßt sah, in Z. 9f des Definitionsteils ein έλαχ]ίστην [μοΐραν?] zu ergänzen84 Der Definitionsteil hat also sehr wahrscheinlich zwei Bestimmungsversuche des στοιχεΐον enthalten. Es liegen jetzt alle Informationen vor, die zur Auswertung des Papyrus erforderlich sind. Im Prinzip zeigt die Papyrustechne den gleichen Bauplan wie die bereits behandelten Grammatiktexte: Sie beschreibt die bekannte Konstituentenreihe, die mit deren kleinstem Baustein, dem στοιχεΐον und seinen Unterarten begann. Es spricht einiges dafür, daß diese Reihe von einem de-voce-Kapitel eingeleitet worden sein könnte, in dem die Stimme definiert und wie üblich zur Schaffung eines Genusrahmens in Spezies gegliedert wurde. Platz für ein solches Kapitel bietet der vermutliche Textausfall vor der ersten Kolumne. Zwar fehlt jede Spur einer φωνή-Definition, aber die aus dem Text erschließbaren στοιχεΐονBestimmungen setzen eine Dihärese voraus. Allerdings läßt sich hier aus 79
S.S. 213ff. und Wouters 148f. Vgl. dazu Eitrem 23. 81 Wenn man Wouters' Ergänzung zum Pap. 8,1 Wouters akzeptiert, ist dieser Terminus im Zusammenhang mit der Lautlehre zweimal auf Papyrus belegt. Bedeutungswandel in Rechnung „sinnvoll" zeigt das Wort im Pap. 2,103 Wouters (p. 72). 82 S.S. 2 0 2 f f u n d 2 1 7 « S.S. 222. 84 Vgl. Eitrem 22. 80
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dem Papyrus kein eindeutiges Ergebnis erzielen. Man ist zunächst geneigt, die textlich und durch die Analogie zu den übrigen Grammatikzeugnissen gut abgesicherte Dihärese ± φωνή εγγράμματος anzusetzen. Die Lesung Eitrems von Z. 4 eröffnet aber zugleich auch die Möglichkeit, auf ein φωνή-Kapitel zu schließen, in dem das Lautgenus „Stimme" und deren Spezies mit physiologischen Merkmalen, z.B. mit dem Merkmal der Artikulation bestimmt worden sind. Dies wäre die Dihärese ± φωνή έναρθρος' 5 Man wird also die Dihärese der Papyrustechne nicht mit Sicherheit fixieren können. Halten wir also für den Papyrus fest: Definition: Dihärese: Dispositionswert:
3.4 Apollonios
Schreibbare (εγγράμματος) oder artikulierte (έναρθρος) Stimme Einleitender Gattungsbegriff der Lautlehre und zugleich der gesamten Konstituentenreihe.
Dyskolos
Apollonios Dyskolos ist der einzige griechische Grammatiker, von dem wir sicher wissen, daß er sich schriftlich περί φωνής verbreitet haben muß. So sehr diese überraschende Gewißheit freut, so schnell verflüchtigt sie sich wieder, wenn man die entsprechenden Zeugnisse näher betrachtet. Wichtigste Quelle ist hier das bereits erwähnte Scholion Dion. Thrax 4,20-24", in dem zum Vergleich mit Dionysios' Techne andere Techneanfänge aufgezählt und darunter Apollonios ein Beginn άπό φωνής zugewiesen wird (4,22f ) : oi δε άπό φωνής ώς καί 'Απολλώνιος ό Δύσκολος (sc. ήρξαντο). Dieser Hinweis findet darin eine Stütze, daß auch die Institutiones Priscians, deren durchgängige Nutzung der Schriften des Apollonios längst erwiesen ist8', mit einem de-voce-Kapitel beginnen". Nichts scheint also naheliegender als die Annahme, Apollonios habe wie Dionysios eine
85 Ähnliche Erwägungen haben Morelli 117 dazu bestimmt, Z. 1-14 zu einem φωνή εναρθρος-Teil zusammenzufassen. Vgl. aber Wouters 148, Anm. 14. 86 S. S. 213 und 225, Anm. 42. 87 Wichtig sind hier vor allem Th. Matthias, Zu alten Grammatikern, Jahrbücher für Class. Philologie Supp. 15,593-640 und A. Luscher, De Prisciani studiis Graecis, Vratislaviae 1912. Vgl. daneben auch O. Froehde, Die griechischen und römischen Quellen Priscians, Jahrbuch für Class. Philologie 41 (1895] 279-288. 88 S. S. 22 ff. und Priscians eigenen Hinweis II 3,5: „Primus liber continet de voce et eius speciebus, de litera etc."
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(freilich umfangreichere) Techne geschrieben und diese a voce eingeleitet. Nach den bisher zu dieser Frage vorliegenden Forschungsergebnissen ist jedoch eine solche Ansicht alles andere als gesichert89 Tatsächlich haben die oben genannten Belege, insbesondere aber die überall deutlich greifbare imitatio Apollonii Priscians schon früh zu der Vermutung geführt, die Schriften des Apollonios seien insgesamt als eine Techne konzipiert, in der sich die Einzelschriften nach der aus Priscian und den artes bekannten Konstituentenfolge (also φωνή, στοιχεϊον, συλλαβή etc.) zu einer Einheit zusammenschließen. Der Diskussionsverlauf dieser bereits 1857 von Dronke vertretenen These zeigt aber wachsende Unsicherheit, die sich in einer stufenweisen Rücknahme dieser ersten Position äußert. Hatte zunächst Dronke, der in Uhlig (1870) einen Anhänger, in Hiller und Skrzeczka (1871) aber Gegner fand, noch Apollonios selbst die Schriften zu einem Corpus vereinigen lassen, so hatte 1887 Matthias vorgeschlagen, den vermutlichen Zusammenschluß der Schriften einem späteren Redaktor zu übertragen. Dieser Vorschlag fand in den Prolegomena zur Syntaxausgabe Uhligs (1910) Zustimmung, wurde aber von Schneider in seiner im gleichen Jahr erschienenen Fragmentsammlung dahin modifiziert, daß man sich das umfangreiche Schrifttum des Apollonios kaum zu einem Corpus, wohl aber in einer Bibliothek vereinigt denken könne. Was immer auch im Austausch der Argumente an Zutreffendem gefunden sein mag - es wird doch aus dem gesamten Diskussionsergebnis hinreichend deutlich, daß wir nicht sicher wissen können, ob Apollonios eine Techne geschrieben hat oder nicht. Damit entfällt aber auch die Sicherheit der anfänglich zitierten περί-φωνής-Zeugnisse, denn wir müssen nun zweifeln, ob περί φωνής bei Apollonios im Anschluß an die Technethese der Status einer unselbständigen Teilschrift, vielleicht sogar nur eines Kapitels im Kontext der Konstituentenreihe oder im Sinne der Gegenthese der Status einer autarken Einzelschrift verliehen werden soll90 Die Überlieferungslage erlaubt es uns sicher nicht, hier eine klare Entscheidung zu treffen. Dennoch sind wir verpflichtet, den vorhandenen Spuren von περί φωνής bei Apollonios nachzugehen91 Die von Apollonios verwendete φωνή-Definition war mit ziemlicher 89
Die (durchweg ältere) Literatur hier im einzelnen vorzuführen, wäre wenig sinnvoll, weil bereits drei ausführliche Forschungsberichte vorliegen, denen die Einzelargumente und Literaturangaben bequem zu entnehmen sind: Vgl. Cohn, RE II 1 (1896) 136-139 s.v. Apollonios 81, Uhligs Prolegomena zur Syntaxausgabe, Gramm. Graec. II 2,X-XII und Schneiders Praefatio zur Fragmentsammlung Gramm. Graec. II 3,V-VII. 90 Schneider verbindet im Anschluß an Hiller und Skrzeczka (vgl. Schneiders praefatio VI und fragm. I p. 1 ) das Scholion 4,22f mit der Schrift εισαγωγή, in der man eine kurze Übersicht über den grammatischen Stoff vermutet, περί φωνής wäre dann lediglich ein knapper Einstieg in einen grammatischen Dispositionsüberblick. Doch bleibt auch dies bloße Spekulation. 91 Sie sind als fragm. nr. II von Schneider a.a.O. l,25ff gesammelt.
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Sicherheit die des Diogenes v. Babylon. Die Tatsache; daß Priscian sie zu Beginn seines Traktats zitiert (II 5 ; lf), wäre allerdings zum Beleg dieser Behauptung nicht ausreichend, aber zum Glück ist sie auch für Apollonios selbst, und zwar in der Schrift „de coniunctionibus" belegt92 Erinnern wir uns außerdem, daß wir die stoische φωνή-Definition - zumindest in ihrem ersten Teil - schon in den Homerscholien Apollonios zugeschrieben fanden93 Als Quelle zur Ermittlung der von Apollonios verwendeten Dihäiese steht neben seiner στοιχεΐον-Definition die Dihärese Priscians zur Verfügung94 Zunächst zur στοιχεΐον-Definition: Leider muß der Wortlaut der στοιχεΐον-Definition des Apollonios aus sekundären Quellen abgeleitet werden; denn von ihm selbst gibt es nur einen verkürzt formulierten Rückverweis zu Beginn der Syntax. Er lautet (2,3 Uhlig) : ή πρώτη ρηθείσα άμερής ϋλη των στοιχείων. Klareres Licht auf die ursprüngliche Version werfen erst die Zeugnisse der byzantinischen Grammatiker; denn die anonyme Standarddefinition der Dionysscholien ή πρώτη καί άμερής του ανθρώπου φωνή wird von Máximos Planudes und Theodoros Gazes explizit Apollonios zugewiesen95 Den vollständigen Text bietet aber erst Priscians Übersetzung, der III 108,11 Hertz zitiert: (literae), quae bene dicuntur ab Apollonio prima materies vocis esse humanae individua. Apollonios scheint also im Originalwortlaut 'στοιχεΐόν έστι ή πρώτη καί άμερής τής του άνθρώπου φωνής ϋλη definiert zu haben, während dem Rückverweis in der Syntax das της του άνθρώπου φωνής, der byzantinischen Version aber das ϋλη fehlt, was zur Umwandlung des φωνή-Genetivs in den Nominativ geführt zu haben scheint. Der so rekonstruierten στοιχεΐον-Definition kann das dihäretische Merkmal ± „menschlich" entnommen werden. 92 Apollonios zitiert sie im Zusammenhang mit seiner Besprechung der Konjunktion. Vgl. Schneider, a.a.O. frg. II, p. 2,3ff, Scripta minora, Gramm. Graec. II 1,1,220,2 und seinen Kommentar ibidem II 1,2,224. 93 S. S. 167, Anm. 116 und Schneider, a.a.O., frg. II, p. 2,6f. 94 Vgl. Priscian II 5,5-6,4 und oben S. 26 f. 95 Diesen Hinweis verdanke ich A. Buttmann, Des Apollonios Dyskolos vier Bücher über die Syntax, Berlin 1877, 1, Anm. 4. Vgl. Schol. Dion. Thr. 31,6f, 45,33f, 165,6, 181,lf, 482,4 Hilgard u.ö. und Bachmanns Anecdota Graeca II 105.
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Der Quellenwert der Dihäiese Priscians für Apollonios' περί φωνής ist fraglich, denn sie ist weder bei Priscian noch in den von Matthias und Luscher beigebrachten Parallelstellen aus den Dionysscholien für Apollonios ausgewiesen96. Die bloße Übereinstimmung zwischen Priscian und den Scholien, die besonders Matthias und in seiner Folge Schneider und Luscher mit allzu großer Zuversicht zum Rückschluß auf Apollonios verwendet haben'7, genügt nicht zur sicheren Identifikation, für die die namentliche Zuweisung bei wenigstens einem der beiden Vergleichspartner oder eine parallele Apolloniosstelle Voraussetzung ist. Dennoch soll kurz geprüft werden, ob eine Dihärese dieses Typs für Apollonios in Frage kommen könnte. Zunächst müssen sehr viel mehr Parallelstellen herangezogen werden, als Matthias, Schneider und Luscher vorgelegt haben, denn eine Dihärese vom Typ Priscians ist schon in den Scholien mehrfach, aber auch anderenorts, z.B. bei den Aristoteleskommentatoren belegt". Allen diesen Dihäresen ist gemeinsam, daß mit zwei Differenzen vier Stimmspezies erzeugt werden. Dabei lassen sich mit Hilfe der jeweils verwendeten Differenzen deutlich zwei Gruppen unterscheiden, deren erste mit den (als in etwa synonym empfundenen) Differenzen ± εγγράμματος, bzw. ± έναρθρος, und mit ± σημαντικός", deren zweite dagegen nur mit ± έγγράμματος und ± έναρθρος, jetzt mit der erheblichen Funktions- und Bedeutungsverschiebung von έναρθρος zu σημαντικός arbeitet. Zu diesem letzten Typ gehört die Dihärese Priscians100 Sämtliche Dihäresen können aus dem Bemühen verstanden werden, das System möglicher Stimmspezies zu vervollständigen, aber nur der erste Typ verrät dabei deutlich seinen Ansatzpunkt: die stoische voxDihärese'0 ' Wie man sich erinnern wird, wurden in der stoischen Dialektik zum Zwecke der Ausgliederung des Logos ebenfalls zwei Differenzen, nämlich έγγράμματος (bzw. έναρθρος) und σημαντικός verwendet, aber nicht alle möglichen Stimmspezies erzeugt:
Vgl. Matthias 595 und Luscher 3, die Schol. Dion. Thr. 181, lOff und 310,24ff vergleichen. Vgl. Matthias' nicht sonderlich klare methodische Vorbemerkung 594 und Luscher 3f. Daß Schneider von diesem Verfahren beeinflußt ist, zeigen zahlreiche Beispiele seiner Fragmentsammlung. 9 8 Die Stellen: (1| Schol. D. Th. 130,8-18 (= Ps.-Theod. Goettling 202, 14-203,6],· (2| 181,18-27; (3) 3 1 0 , 2 4 - 3 6 ; |4) 4 7 8 , 1 2 - 2 5 Hilgard; |5) Ammonios in int. |CAG IV 5), 3 1 , 3 - 1 8 Busse; |6) Davidis in Porphyr. Isag. (CAGXVIII2) 83,31-84,11 Busse; |7| Etym. Gudianum, ed. Sturz, Lipsiae 1818,670bl5-25. Weitere, hier unwichtige Belege können entfallen. 9 9 Dazu gehören die unter (1), (5), (6| und (7| S. 236, Anm. 98 genannten Stellen. 100 vgl. die Stellen |2), (3) und (4) von S. 236, Anm. 98 und oben S. 27. k» S.S. 202 ff.. 96
97
236
φωνη ± εγγραμματος / \ λόγος φ Φ "Φ βλίτυρι
± σημαντικός
Dieses System wird von den Autoren des ersten Typs übernommen und vollständig durchgeführt, z.B. von (1) Schol. D. Th. 130,8-18: φωνη
σημαντική
σκινδαψός
ύδωρ θάλασσα
σημαντική
ασήμαντος
κυνός ύλακή
ασήμαντος λίθων ήχος
Wie man sofort sieht, verrät sich der Anschluß an die Stoa in der Verwendung gleicher Differenzen und dem stoischen. Beispiel σκινδαψός103 Der zweite Typ erweist sich dagegen mit seiner Verschiebung des offenbar in seiner ursprünglichen Bedeutung nicht mehr geläufigen έναρθρος auf die Position von σημαντικός als zeitlich jünger, jedenfalls von der Stoa weiter entfernt'04 Als Beispiel soll (3) Schol. D. Th. 310,24-36 dienen: φωνή εγγράμματος έναρθρος
άναρθρος
Άρίσταρχος βιβλίον γράφει
βρεκεκεκεξ κοάξ φλαττόθρατ
αγραμματος έναρθρος συριγμοί ποππυσμοί
α\>αρθρος ψόφοι βόμβοι ήχοι άνεμων
Unter dem evolutionären Aspekt der vox-Dihärese ist also festzuhalten, daß die stoische Dihärese in der späteren Lehrtradition zunächst im direkten Anschluß vervollständigt und dann in deren weiterem Verlauf 102
Diese Position kann im ersten Typ auch εγγράμματος einnehmen, z.B. bei Ammonios
(5|. 103
Ammonios (5] verwendet βλίτυρι. Dafür spricht auch, daß die hier verwendeten Exempla unter der Position von βλίτυρι nicht nachweislich stoischer Herkunft sind, sondern meist von Aristophanes stammen, so im folgenden Beispiel. 104
237
zu dem wahrscheinlich jüngeren Typ der Dihärese Priscians umgebildet worden sein muß. Welche Rolle kann nun Apollonios in diesem Prozeß zugeschrieben werden? Vorab muß man zugeben, daß es keinen zweifelsfreien Nachweis dafür gibt, daß er die vox-Dihärese überhaupt verwendet und in der Art Priscians mit der φωνή-Definition zu einem vollständigen de-voceKapitel verbunden hat105. Nach den uns vorliegenden Indizien kann dies aber auch nicht ausgeschlossen werden. Vielmehr spricht das freilich spärliche Belegmaterial eher dafür, eine solche Dihärese und deren Verwendung in Apollonios' περί φωνής für möglich zu halten. Es ist zunächst kaum wahrscheinlich, daß Apollonios, wenn wir ihm mit den Dionysscholien wirklich einen Anfang άπό φωνής zubilligen wollen, diesen auf die bloße φωνή-Definition reduziert haben sollte. Hier zeigen die bisher besprochenen grammatischen Zeugnisse mit hinreichender Deutlichkeit, daß, wenn περί φωνής im Rahmen eines grammatischen Beschreibungsplans steht106, der Definition immer auch eine Dihärese folgt, die zu der Konstituentenreihe überleitet. Wir können außerdem zumindestens die Kenntnis der vox-Dihärese für Apollonios nachweisen. In seiner Syntax (424,Iff Uhlig) unterscheidet Apollonios drei Bedeutungen von άκούειν (hören, verstehen, gehorchen) und erläutert deren erste (2-4) als αύτήν την μετάληψιν τής άκοής, ώς εχει έπί των ήχων καί βόμβων καν βροντών, πασών τών ούκ εγγραμμάτων (φωνών). Die hier unzweifelhaft belegte Kenntnis der Dihärese spricht also ebenfalls für deren Verwendung in Apollonios' περί φωνής. Dagegen muß, wie ich fürchte, ungeklärt bleiben, welchen Typ von Dihärese Apollonios gewählt hat. Aus der Syntaxstelle läßt sich nur ersehen, daß er eine Dihärese, aber nicht, welche er vor Augen hatte. Apollonios nennt nur eine Spezies, die er mit nur einer Differenz έγγράμματος - kennzeichnet, läßt also offen, ob ihm dabei ein zwei- oder viergliedriger Typ vorschwebt. Sollte Apollonios aber, wie Priscians Dihärese suggeriert, wirklich eine viergliedrige Dihärese verwendet haben, so ist wiederum nicht entscheidbar, ob er die des ersten oder zweiten Typs verwendete. Seine klare Terminologie im semantischen Bereich verbietet eigentlich die Verwendung von έναρθρος im semantischen Sinn107 und spricht eher für den ersten Typ stoisch-philosophischer Färbung. Dagegen verweisen die Beispiele des zweiten Typs, die in der entsprechenden Spezies sogar mit der 105 Allerdings kann dies auch keine eigenständige Leistung Priscians sein, denn Schol. Dion. Thr. 181,1 ff zeigt eine ähnliche Verbindung von Defintion und Dihärese gleichen Typs, was auf eine gemeinsame Vorlage schließen läßt. 106 Welchen anderen Sinn könnte ein περί φωνής bei Apollonios sonst haben? 107 Vgl. Schneiders Index bes. s.v. σημαινόμενον. Leider ist έναρθρος für Apollonios nicht belegt.
238
Syntaxstelle übereinstimmen, auf die alexandrinisch-philologische Tradition, der Apollonios angehört108 Wir müssen also resümieren, daß wir den Archegeten der Vier-SpeziesDihärese nicht namentlich bestimmen, jedenfalls nicht sicher mit Apollonios identifizieren können. Die Verwendung einer vox-Dihärese bleibt dennoch für Apollonios im Zusammenhang von περί φωνής wahrscheinlich, wenn auch ihr Typ bis auf die Differenzen ± menschlich und ± schreibbar nicht gesichert werden kann. Als letzter Problempunkt bleibt der Kontext von περί φωνής, dessen Unsicherheit wir schon anfangs, im Bericht der Technefrage erwähnt haben. Aber auch hier gibt es Spuren, die Apollonios' περί φωνής mit dem bisher für die griechisch-grammatischen Zeugnisse verbindlichen Kontext, nämlich der Konstituentenreihe in Verbindung bringen können. Im zweiten Paragraphen seiner Syntax (2,3 ff Uhlig) versucht Apollonios seine These, daß dem Zusammenschluß der Wörter (λέξεις) zum Satz (λόγος) eine Gesetzmäßigkeit unterliege, aus den analogen Verhältnissen bei den Konstituenten στοιχεΐον und συλλαβή zu erklären, die er als bereits behandelt voraussetzt. Bei diesem exemplarischen Durchgang durch die Konstituentenreihe ergibt sich ein Bild, das vollständig mit den bisher betrachteten Grammatikerbelegen übereinstimmt: Die στοιχεία konstituieren die συλλαβαί, diese wiederum die λέξεις, deren νοητά dann analog dazu den λόγος bilden. Wie bei Dionysios Thrax109 schimmert aber auch hier noch das alte stoische System der doppelten Atomisierung der Sprache durch, denn 2,11 Uhlig wird das ,,έξ έκαστης λέξεως νοητόν" „στοιχεΐον του λόγου" genannt. Wenn Apollonios mit diesem Kontexttyp nicht nur vertraut ist, sondern ihn sogar, wie aus § 2 der Syntax klar hervorgeht, zum Dispositionsprinzip seiner Sprachbeschreibung macht, so hätte sein περί φωνής keinen sinnvolleren Platz als den am Anfang seiner Konstituentenreihe. Doch ist auch dies nicht sicher. Die Spuren von Apollonios' περί φωνής ergeben also: Definition: Dihärese: Dispositionswert:
Definition des Diogenes v. Babylon Zwei- oder viergliedriger Typ, sicher aber ± menschliche und + schreibbare Stimme (φωνή εγγράμματος) Einleitender Passus in die Konstituentenreihe (?)
108 Daß Apollonios wahrscheinlich der Syntaxstelle entsprechend die Differenz έγγράμματος verwendete, ist kein Indiz, weil dieser Terminus in beiden Typen vorkommt. "» S. S. 227f..
239
4. Zusammenfassung 4.1 περί φωνής im
Überblick
Es gilt jetzt, die vorausgehenden Einzelanalysen zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen. Wir müssen dazu außer den in diesem dritten Teil behandelten Zeugnissen aus der Fachliteratur der Griechen auch die römischen artes - einschließlich der Institutiones Priscians - heranziehen, und zwar insofern, als sie für eine nicht mehr erhaltene griechische Vorlage stehen können110 Die Beobachtungen zur φωνή-Degnition ergaben deutlich zwei Definitionstypen, die des Diogenes v. Babylon (D.Th. ?, A.D., Prise.) und die „römische" Version (Ps.Pl., artes), deren stoischen Ursprung wir gesichert haben111. Weit weniger gesicherte Einblicke eröffnen die Dihäresespuren. Fest steht zunächst, wenn wir den römischen artes in diesem Punkt ebenfalls eine griechische Vorlage unterstellen wollen, die Existenz einer ZweiSpezies-Dihäzese mit den Differenzen „articulata (έναρθρος)" und „confusa (συγκεχυμένη)"112. Die restlichen Spuren dieses Dihäresetyps erlauben nur vage Vermutungen über die Verwendung von εγγράμματος (S. E., Κ., Ρ. O., A. D.?) und έναρθρος (D.H, P.O.?). Dazu tritt als zweiter Dihäresetyp, auch im griechischen Sprachraum eindeutig nachweisbar, eine Vierspezies-Dihärese. Sie läßt sich ihrerseits in zwei zeitlich differenzierte Typen gliedern, in einen älteren stoisch-philosophischen (A.D. ?) und einen jüngeren alexandrinisch-philologischen Typ (A.D. ?, Prise., Schol. Dion. Thrax). Archegeten und grammatische Funktion beider Typen sind nicht eindeutig bestimmbar, jedoch kann ihr Anschluß an die φωνήDefinition, und zwar an die Version des Diogenes von Babylon nach dem Konsens von Priscian und dem Scholion 181,1 ff Hilgard als gesichert gelten. Die dem φωνή-Kapitel zugeordnete Konstituentenreihe erwies sich als ein im Prinzip einheitliches Gebilde, nämlich als eine Folge von Sprachsegmenten, deren Glieder das jeweils nächsthöhere Segment konstituieren (D.H., S.E., K., D.Th., P.O., artes, Prise.) Dennoch läßt sich auch hier noch differenzieren, denn die auf dem Konstitutionsprinzip beruhende Reihung ist in den römischen artes (daneben auch von S.E.) mit größerer 1 1 0 S. S. 213. Die einzelnen Quellen werden dabei, wie folgt, abgekürzt: Dionys v. Hai. (D.H.), Pseudo-Plutarch (Ps.P.), Sextus Empiricus (S.E.), Krates (K.|, Dionysios Thrax (D.Th.|, Papyrus Osloensis (P.O.], Apoll.Dysk. (A.D.), die römischen artes (artes] und Priscian (Prise.). 1 1 1 S.S. 18 und öfter. 1 1 2 Leider kann die Differenz ± έναρθρος sicher nur bei D.H., die Differenz ± συγκεχυμένη nur in Diodors Kulturentstehungslehre (s. S. 100] nachgewiesen werden. Jedoch ist die Abhängigkeit der römischen artes von einer griechischen Dihärese in Analogie zur φωνή-Definition mehr als wahrscheinlich.
240
Konsequenz durchgeführt worden als bei D. Th. und A. D." 3 Bei den beiden letztgenannten Autoren, denen sich in dieser Hinsicht auch Priscian anschließt, bleibt, wie erläutert, neben dem Konstitutionsprinzip noch ein älteres Prinzip, das stoische System der doppelten Artikulation in phonetische und semantische „Atome" wirksam - insofern, als die λέξις primär nicht als Silbenkompositum, sondern als Element des Logos eingeführt wird114 Nach diesem Überblick läßt sich eine Aufgliederung von περί φωνής in zwei nach Definition und Dihärese verschiedenen, im Kontext zumindestens verschieden akzentuierten Typen vornehmen: Typ I
Typ II
Def. φωνή -Def. d. Diog. Bab. (D.Th.? A.D., Prise.)
„Römische" Definition (artes, Ps.P.)
Diεγγραμματος αγραμματος (S.E.,K.,P.O.,A.D.?) hä-
έναρθρος συγκεχυμένη (articulata)
(confusa)
έναρθρος άναρθρος (D.H.) reΙ.σημ. ασημ. σημ. (A.D.?)
άσημ.
se 2. εναρθ. άναρθ.έναρθρ. άναρθ. (A.D.?, Prise.) Kon- στοιχειον—• pars minima ν Deis artìculatae-·—littera text
συλλαβή- — • comprehens io litterarum-« λέξις
λόγος-
pars minima orationis construetae (στοιχεία λόγουD.Th.,A.D., Prise.) — » composiüo
ex syllabis finita cum significatione certa locutio (artes)
dictionum -
syllaba dictio
-oratio
113 Dies läßt sich deutlich an den Definitionen der Konstituenten in den römischen artes ablesen, die bei Froehde, Anfangsgründe a.a.O. bequem aufzufinden sind. Dieser Sammlung entstammen auch die lateinischen Definitionen der folgenden Übersicht. 114 S.S. 227 {., S. 239 und Priscian II 53,8 und III 108,16. Spuren des stoischen Systems finden sich allerdings auch in den römischen dictio-Definitionen (Vgl. Froehde 130). Trotzdem ist die Akzentverschiebung zum konstitutiven Modell in der römischen ars unverkennbar.
241
4.2 περί φωνής und die Genese der griechischen Grammatik Lassen sich aus diesem Befund Schlüsse zur Entwicklungsgeschichte der griechischen Grammatik ziehen? Ich meine ja, denn schon ein kurzer Blick auf die eben gebotene Typengliederung legt auch eine fachliteraturgeschichtliche Gliederung nahe: Typ II wird fast ausschließlich von den römischen artes, Typ I dagegen überwiegend von den Vertretern der alexandrinischen Philologie repräsentiert. Gehen wir zur genauen Prüfung dieser Frage zunächst von dem zweiten Typ aus, der durch die relativ gute Überlieferung der artes abgesichert ist. Um seine Position in der Entwicklungsgeschichte der Grammatik zu bestimmen, soll er mit dem als philosophischem Vorläufer der Grammatik allgemein anerkannten Beschreibungstyp der stoischen Dialektik verglichen werden115 G r a m m . T y p II φωνή (vox) έναρθρος (articuiata) λόγος
χεϊον
συγκεχυμένη (confusa| (littera)
βλίτυρι συλλαβή
(syllaba)
λέξις
(dictio)
λόγος
(oratio)
μέρη λόγου
(partes orationis)
στοιχεία λέξεως στοιχεία λόγου
Aus der Synopse ist unschwer zu erkennen, daß dieser Typ grammatischer Techne keine einfache Weiterführung des stoischen Modells, sondern eine erhebliche Umarbeitung darstellt116. Außer in einer unterschiedlich formulierten Definition differieren beide Modelle im Dihäresetyp, denn das stoische Modell stellt eine unvollständig durchgeführte Vierspezies-Dihärese, das „römische" eine Zweispezies-Dihärese dar, deren Position „-artikuliert (confusa)" in der stoischen Dihärese nicht besetzt ist. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Darbietung der zu beschreibenden Spracheinheiten. Während sie im stoischen Modell in doppelter „Atomisierung" jeweils als Elemente zweier hierarchisch ge115
S. S. 202ff. Eine Umarbeitung, deren Dispositionsprinzipien sich allerdings schon bei Piaton und Aristoteles nachweisen lassen, also keine Neuerfindung darstellen, s. S. 132f, Anm. 53. 116
242
stufter φωνή-Spezies (λέξις u n d λόγος) eingeführt werden' 1 1 , erscheinen sie in der G r a m m a t i k als fortlaufende Konstituentenreihe. Welch erhebliche Umorganisation sich dahinter verbirgt, verrät ein Vergleich der Funktion e n v o n λεξις u n d λόγος. Im stoischen Modell ist λέξις Glied der Dihärese u n d zugleich das semantisch neutrale Lautgenus, d e m die semantische Spezies λόγος untergeordnet ist. Im g r a m m a t i s c h e n Modell ist λεξις Glied der aufsteigenden Konstituentenreihe, ist gerade nicht semantisch neutral, sondern per definitionem „semantisch" u n d dazu im Gegensatz zur stoischen λέξις Subspezies des Logos. D a s stoische System der doppelten Artikulation ist also in der ars grammatica d u r c h das Prinzip der fortlauf e n d e n Konstituentenreihe ersetzt - u n d eben diese Neuorganisation des Sprachmaterials hat, wie ich glaube, zur Reduzierung der Vier-Spezies-zu einer Zwei-Spezies-Dihärese geführt. Die Vier-Spezies-Dihärese widerstrebt d e m Reihungsprinzip, weil sie i m eigentlichen Sprachbeschreibungsteil unweigerlich den doppelten Ansatz eines sprachlichen A t o m s n a c h sich zieht, n ä m l i c h die Bestimmung des Sprachlautes als kleinsten Teil der artikulierten u n d des Wortes als kleinsten Teil der artikulierten, sinnvollen Stimme. Bei einer Konstituentenreihe ergeben sich aus der Vorgabe dieser Dihärese spätestens bei der Position „dictio" Schwierigkeiten, d e n n das Reihungsprinzip verlangt das M e r k m a l der Silbenkonstitution, die Dihärese das M e r k m a l des semantischen Atoms. Eine ZweiSpezies-Dihärese setzt diesen Widerstand einer Konstituentenreihe nicht entgegen, da deren Glieder bruchlos als sich jeweils in aufsteigender Linie k o n s t i t u i e r e n d e Spezies der vox articulata beschrieben w e r d e n können 1 1 8 Der Vergleich m i t d e m stoischen Typ erlaubt es aber, die entwicklungsgeschichtliche Position des zweiten g r a m m a t i s c h e n Typs n o c h konkreter zu bestimmen, wobei sich vor allem ein Vergleich der φωνή-Definitionen als hilfreich erweist. Wie m a n sich erinnern wird" 9 , h a b e n wir f ü r die Stoa etwa z.Zt. Chrysipps folgende U r f o r m der Definition erschlossen: * φωνή έστιν άήρ πεπληγμένος ή το αίσθητόν άκοής όσον έφ' έαυτω. Ihr folgt - leicht u m f o r m u l i e r t - die jüngere Definition des Diogenes v. Babylon: φωνή έστιν άήρ πεπληγμένος ή το ίδιον αίσθητόν άκοής. W i r h a b e n bereits G r ü n d e d a f ü r genannt, d a ß die stoisch-römische Version 117
Vielleicht fehlt aufgrund dieses Beschreibungsplans in der stoischen Dialektik die Silbe. 118 Wie wenig eine Vierspezies-Dihärese zur grammatischen Konstituentenreihe paßt, zeigt deutlich Priscians institutio, in deren littera- und dictio-Definitionen die eigentlich zu erwartenden Differenzen seiner vox-Dihärese nicht mehr erscheinen. Vgl. Prise. II 6, lOf und II 53,8, III 108,17ff. 119 S.S. 169ff,bes. 173.
243
φωνή έστιν άήρ πεπληγμένος αισθητός άκοη, όσον έφ' έαυτώ έστιν jünger als die des Diogenes ist, zugleich aber mit dem οσον-Zusatz auf eine ältere, von der Version des Diogenes verschiedene Vorstufe verweist. Wenn man diesem Definitionsbefund die Unterschiede in den Dihäresen und in der gesamten Anlage des Beschreibungstyps zurechnet, so scheint mir der Schluß unausweichlich, daß der zweite, durch die römischen artes repräsentierte Typ nichts anderes als eine von Diogenes v. Babylon unabhängige, selbständige Bearbeitung einer stoischen Vorlage sein kann. Wir wären glücklich, wenn wir den ersten „alexandrinischen" Typ mit der gleichen Sicherheit in den Entwicklungsgang der Grammatik einordnen, d.h. sein Verhältnis zur stoischen Vorlage und zu Typ II bestimmen könnten. Was sein Verhältnis zum Typ II angeht, so zeigt Typ I ebenso deutliche Parallelen wie Unterschiede. Im eigentlichen Sprachbeschreibungsteil verbindet beide Typen die Wahl des fortlaufenden Reihungsprinzips - wenn auch mit der erwähnten Akzentverschiebung. Dagegen unterscheiden sie sich klar in der φωνή-Definition, die in der Fassung des Diogenes für den alexandrinischen Typ, in der artes-Version für den stoisch-römischen Typ charakteristisch ist. Unklar bleiben auf alexandrinischer Seite die Dihäreseverhältnisse, denn wir wissen nicht, ob hier (z.B. schon von Dionysios Thrax) die stoische Dihärese übernommen oder wie im Typ II auf eine Zwei-Spezies-Dihärese reduziert wurde. Trotzdem scheint es vertretbar, für den alexandrinischen Typ eine stärkere Bindung an das stoische Vorbild anzunehmen; denn es ist immerhin gesichert, daß die stoische Vier-Spezies-Dihärese in der alexandrinischen Tradition weiterlebte und nach dem Zeugnis Priscians irgendwann einmal mit der Definition des Diogenes zu einem de-voce-Kapitel verbunden worden sein muß. Es läßt sich also, wie ich glaube, die Ansicht vertreten, daß der alexandrinische Typ als eine stärker in der Tradition des Diogenes v. Babylon stehende Grammatik gegen den zweiten Typ abgesetzt werden kann. Es ergibt sich also zunächst folgendes Entwicklungsbild12 0 : Stoische Urform Diogenes v. BabyíorT'
Dionysios Thrax I Apoll. Dysk.
Vorläufer der römischen artes | artes
Prise. 120
In diesem Schema sind grob vereinfacht nur die Hauptlinien der Entwicklung angedeutet. Querverbindungen wie etwa ein Einfluß der τέχνη des Dionysios Thrax auf die römischen artes (der für Varrò bezeugt ist, s. S. 228) sind deshalb nicht ausgeschlossen. Dazu später mehr. 244
Welchen Rückhalt kann dieses Ergebnis aus dem bisherigen Forschungsstand beziehen? Das immer noch differenzierteste und aus mühevoller Quellenanalyse gewonnene Entwicklungsbild ist in K. Barwicks „Remmius Palaemon" entworfen. Es dient laut Barwick zur Überwindung der früheren communis opinio, wonach die römische ars grammatica, als deren Archeget Remmius Palaemon ( 1. Jhdt. v. Chr. ) galt, von der Techne des Dionysios Thrax abhängt - eine These, die die unverkennbaren Übereinstimmungen zwischen Techne und artes tatsächlich nahelegen könnten (2,89f). Barwick versucht, diese Entwicklungsthese in einem ersten Durchgang (89-111) mit dem Ziel zu entkräften, die Gemeinsamkeiten zwischen Techne und artes nicht aus „gegenseitiger Abhängigkeit", sondern aus „Quellengemeinschaft" zu erklären (106f). Beide Techne (92ff) und artes (94ff) - erweisen sich ihm nämlich bei näherem Hinsehen als jeweils eigenständige Bearbeitungen der περί φωνής τέχνη des Diogenes ν. Babylon, die frappante Parallelen, aber eben auch Unterschiede aufzuweisen haben. So zeigt lt. Barwick das bei Dionysios fehlende de-voce-Kapitel der artes engste Berührung mit Diog. Laert. VII 55 (94f ), und so ist der ebenfalls bei Dionysios nicht vorhandene Katalog der vitia et virtutes orationis wie vieles andere ebenfalls stoischen Ursprungs (95ff). Ja es scheint, als wären die artes gerade in den von der Techne abweichenden Partien dem stoischen Vorbild näher, also nicht von der Techne abhängig (106). Allerdings glaubt Barwick nicht an eine direkte Bearbeitung der stoischen περί φωνής τέχνη auf römischer Seite. Plausibler scheint ihm die Annahme einer griechischen Zwischenstufe, einer stoisch-pergamenischen Techne, die - unabhängig von der alexandrinischen Techne entstanden und von initiierender Wirkung auf die römische ars - später gegenüber dem immer stärker werdenden alexandrinischen Einfluß (z.B. auf Varrò und Remmius Palaemon) an Boden verlor (108f). Sie läßt sich sogar zeitlich näher eingrenzen, denn sie muß wegen ihrer Erwähnung beim Auetor ad Herennium IV 12,17 jedenfalls schon zu Beginn des ersten vorchristlichen Jahrhunderts geläufig, nach dem Zeugnis des Lucilius (9. Satirenbuch) sogar schon um etwa 130 vorhanden gewesen sein (109ff) m Der zweite Durchgang (256-265) skizziert noch einmal das zuvor gewonnene Entwicklungsbild, vertieft und verändert es aber auch in einigen Details. So wird zunächst das Fehlen der virtutes et vitia orationis bei Dionysios Thrax aus dessen alexandrinischer HellenismosKonzeption erklärt (256-260). Dann wird die erste römische ars grammatica personell und zeitlich noch genauer fixiert, denn sie wird jetzt als eine „Bearbeitung der pergamenischen τέχνη" bezeichnet, die „vielleicht
121
Zur Luciliusthese vgl. auch Barwick, Rem. Pal. 260f.
245
von einem Mitglied des Scipio-Kreises veranlaßt worden ist" (260). Aber der ursprüngliche Primat stoisch-pergamenischer Sprachbetrachtungsweise wird bald von dem sich verstärkenden alexandrinischen Einfluß verdrängt, wie schon die ersten römischen Philologen erkennen lassen (216f). Schließlich wird das zeitliche Verhältnis der beiden konkurrierenden Technai näher bestimmt. Eine gleichzeitige, voneinander unabhängige Entstehung ist kaum anzunehmen122. Es drängt sich eher die Vermutung auf, daß die alexandrinische Techne der den stoischen Ursprüngen näherstehenden pergamenischen Techne zeitlich folgt, also nicht direkt, sondern indirekt durch Vermittlung der pergamenischen Techne von der τέχνη περί φωνής des Diogenes ν. Babylon abhängt. Von der pergamenischen Techne übernimmt sie also den gesamten Beschreibungsplan mit Ausnahme der virtutes et vitia (262f). Barwicks Entwicklungsthese läßt sich also, wie folgt, schematisieren: Techne des Diogenes v. Babylon Stoisch-Pergamenische Techne
Der Entwurf Barwicks blieb, soweit ich sehe, lange Zeit unbeachtet123, und wurde erst 1962 durch Calboli einer ersten Revision unterzogen jedenfalls, insofern sich Barwicks Argumente auf das erwähnte Grammatikzitat beim Auetor ad Herennium stützen124 Nach Calboli ist Barwicks Postulat einer stoisch-pergamenischen Techne als Vorläufer der römischen ars grammatica verfehlt, denn alle von Barwick aus dem 122 Dies widerspricht eigentlich der These von einer unabhängigen Quellengemeinschaft Rem. Pal. 107 oben. 123 Eine Ausnahme ist der Aufsatz von A. Mazzarino, Sull'introduzione della grammatica in Roma, Messana 2 ( 1952) 115-122, der Barwicks stoisch-pergamenische Techne mit präziseren termini ante quos (Lucilius, Aurelius Opillus) zu stützen versucht. 124 Vgl. G. Calboli. La tendenza grammaticale dell' Auctor ad Herennium, in: Studi Grammaticali, Bologna 1962, 139-242, s. oben S. 245.
246
Auctor-Zitat abgeleiteten Eigenarten der römischen ars, die Berücksichtigung der virtutes et vitia orationis, die vier Änderungskategorien (adiectio, detractio, transmutatio, immutatio) ; der Titel „ars" und die Verknüpfung grammatischer und rhetorischer Interessen seien kein stoisch-pergamenisches Charakteristikum, sondern ebensogut, wenn nicht eher peripatetisch-alexandrinischer Herkunft 125 . Die Argumente Calbolis würden also eher für einen einheitlichen, ungespaltenen Entwicklungsgang der Grammatik sprechen, der auf direktem Wege von der alexandrinischen zur römischen ars führt. Weitere Kritik erfährt Barwicks These erst wieder 1975 durch J. Pinborg126 Gestützt auf die provozierenden Arbeiten von di Benedetto (= Die Techne des Dionysios Thrax ist unecht) und Fehling (= Der AnalogieAnomalie-Streit ist eine Erfindung Varros) 127 plädiert Pinborg ebenfalls gegen Barwicks Spaltungsthese und für eine einheitliche alexandrinische Tradition. Nach den Ergebnissen von di Benedetto und Fehling müsse ein einheitlicher Prototyp angesetzt, die Annahme zweier konkurrierender Grammatiktypen also aufgegeben werden 128 : „We do not find different versions of Greek grammar: e.g., a Stoic-Pergamenic one which is at the base of Roman . grammar, and an Alexandrinian one, ., but we find one single grammatical science with uniform methods and a uniform approach to language, which is basically different from philosophical grammar" 12 '. Für Barwicks Postulat einer stoisch-pergamenischen Techne sieht Pinborg auch in den Quellen keinen Anlaß: „They (the school of Pergamon) did not formulate a rival grammar. The Pergamenic Techne grammatike in which Barwick has so much trust seems to be a construction without sufficient support in the sources'" 30 . Dem Entwicklungsbild, das Barwick von der römischen ars grammatica sonst entwirft, stimmt Pinborg im allgemeinen zu - allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die stoisch-pergamenische Techne daraus entfernt wird: „We only have to rej ect the Pergamenic techne und substitute the work of Tyrannion and his contemporaries'" 31 Vgl. Calboli, 156f, 162, 167f und 1 6 9 - 1 7 1 . Vgl. Pinborg, Current trends 1 0 3 - 1 1 4 . 1 2 7 Vgl. Pinborgs Referat der oben S. 2 2 4 , A n m . 4 0 genannten Aufsätze von di Benedetto und der Dissertation D. Fehlings, Varrò und die grammatische Lehre von der Analogie und der Flexion, Glotta 35 (1956) 2 1 4 - 2 7 0 und 3 6 (1957) 4 8 - 1 0 0 , 1 0 6 - 1 1 0 . Calbolis oben genannte Arbeit wird Pinborg, 112 und 114 erwähnt. 125
126
1 2 8 Fraglich ist nur die Entstehungszeit dieses Prototyps, den Fehling in die Zeit der frühen Alexandriner, di Benedetto in das erste vorchristl. Jahrhundert (Tyrannion, Tryphon) verlegt hatte. Pinborg schließt sich 1 1 0 di Benedettos Datierung an. Fehling hat inzwischen G n o m o n 51 (1979), 4 8 8 - 4 9 0 seine frühere Position im Sinne di Benedettos revidiert. Z u m frühalexandrinischen Anteil an der Entwicklung der T e c h n e s. oben S. 2 2 9 , A n m . 66. 1 2 9 Vgl. Pinborg 110. 1 3 0 Vgl. Pinborg 112. 1 3 1 Vgl. Pinborg 114.
247
Ausschließlich di Benedettos Athetese der Techne, nicht die Ergebnisse Fehlings, denen er ablehnend gegenübersteht, führen auch Siebenborn zur Annahme einer einsträngigen Entwicklung, ohne daß er sich explizit mit Barwicks Spaltungsthese auseinandergesetzt hätte132. Wie di Benedetto hält auch Siebenborn die Techne des Dionysios Thrax für unecht und läßt die Grammatik daher - wieder in der Folge di Benedettos - erst in der zweiten Schülergeneration nach Aristarch (ab Asklepiades v. Myrlea) als das Ergebnis einer stoisch-alexandrinischen Methodensynthese entstehen. Siebenborn setzt also ebenfalls einen einheitlichen Prototyp an den Beginn der Grammatikgeschichte. Wenn sich so in der neueren Literatur zur Genese der Grammatik gegen Barwick ein Konsens zugunsten eines einheitlichen alexandrinischen Prototyps abzuzeichnen scheint, so ist die Position Barwicks dennoch auch weiterhin nicht ganz verschwunden. So hat z.B. Frede 1977 den von der Techne des Diogenes v. Babylon ausgehenden Entwicklungsgang der Grammatik ganz im Sinne Barwicks in einen pergamenischen und in einen alexandrinischen Traditionsstrang (Krates, Römische artes), (Apollodor, Dionysios Thrax) geteilt'" 134 Unser eigenes, aus den Belegen selbst erschlossenes vorläufiges Entwicklungsbild erfährt aus diesem Forschungsstand Bestätigung und Widerspruch zugleich. Bestätigung, weil es in seiner grundsätzlichen Anlage mit Barwicks Spaltungsthese zusammengeht, Widerspruch, weil es dem neuen Konsensus eines einheitlichen Entwicklungsganges entgegensteht. Prüfen wir also, wie sich unser Ergebnis mit beiden kontroversen Forschungsmeinungen verträgt. Zunächst zur Einheitsthese. Grob vereinfacht liegt ihr folgendes Entwicklungsbild zugrunde: Diogenes v. Babylon Alexandrinische Techne (Dionysios Thrax, bzw. Asklepiades, Tyrannion, Tryphon)
t Römische Artes
Die Argumente, die von den Vertretern dieses Entwicklungstyps vorgetragen werden, sind von unterschiedlicher Qualität. So sind Calbolis Einwände schwerwiegend, weil sie aus sorgfältiger Quellenkenntnis geschöpft sind. Aber sie beweisen nur die Unzulänglichkeit der Hilfsmittel, 132
Vgl. Siebenborn, Sprachrichtigkeit 138f und 162f. Vgl. Frede, Origins 76-79. 134 Die Ausführungen in der Einleitung von L. Holtz, Donat et la tradition de l'enseignement grammatical, Paris 1981,77ff, sind hier irrelevant, denn Holtz stellt nicht Barwicks These der Zweisträngigkeit in Frage, sondern versucht, dessen These von der Priorität eines Lehrbuchs in Kurzform zu entkräften. 133
248
deren sich Barwick beim Vergleich der alexandrinischen mit seiner pergamenischen Techne bedient hat (z.B. isolierendes Herausgreifen der Techne des Dionysios Thrax, vermeintliches Fehlen von „de voce" und der „virtù tes et vitia orationis" etc. ), nicht aber die Existenz eines einheitlichen Prototyps. Unsere Strukturanalyse der ars grammatica hat aber ergeben, daß sich auch ohne Barwicks Argumente aus den Belegen selbst eine Zweigliedrigkeit erschließen läßt. Pinboigs Argumentation ist dagegen weit weniger überzeugend, denn sie basiert nicht auf eigener Quellenanalyse, sondern sie ist nachträgliche Zutat zu den Resultaten von Fehling und di Benedetto. Wenn man nämlich die wesentlichen Positionen Fehlings, die „erstarrte", „sterile" Einheitlichkeit und Entwicklungslosigkeit der antiken grammatischen Literatur und die Nivellierung des pergamenisch-alexandrinischen Anomalie-Analogie-Streites135 übernimmt und zugleich mit di Benedetto die Entstehung der Techne in das erste Jhdt. v.Chr., also erhebliche Zeit nach Krates und Aristarch, verlegt, bleibt tatsächlich kein Platz mehr für eine konkurrierende stoisch-pergamenische Techne. Es läßt sich aber dagegenhalten, daß weder Fehling noch di Benedetto sich direkt mit Barwicks Entwicklungsthese auseinandergesetzt haben, und daß fast alle der von Pinborg den beiden Autoren entlehnten Positionen fragwürdig und meist auch in der neueren Forschung bestritten worden sind: So ist Fehlings These von einer in steriler Entwicklungslosigkeit erstarrten Grammatik in ihrer Pauschalität bis heute bloße Behauptung und seine Streichung des Analogie-Anomaliestreites durch Siebenborns Arbeit erheblich in Zweifel gezogen worden. Auch di Benedettos Athetese der Techne des Dionysios Thrax ist in der neueren Literatur (z.B. bei Pfeiffer und Erbse) z.T. auf vehementen Widerspruch gestoßen'36 Die Ergebnisse unserer περί-φωνής-Analyse sprechen jedenfalls eher gegen die Einheitsthese. Geht man nämlich von einem alexandrinischen Archegeten aus, so müßte Dionysios Thrax, bzw. dessen anonymes Pendant das von Diogenes v. Babylon ererbte stoische Modell in der oben beschriebenen Weise umgeprägt, also die φωνή-Definition umformuliert und mit dem neuen οσον-Zusatz versehen, die Dihärese auf zwei Spezies mit neuen Differenzen reduziert und das Prinzip der doppelten „Atomisierung" durch das der fortlaufenden Konstituentenreihe ersetzt haben. Dagegen spricht die auf alexandrinischer Seite unverkennbare Nachwirkung der Techne des Diogenes, die Übernahme seiner φωνή-Definition, das Weiterleben der Vier-Spezies-Dihärese und die deutlichen Spuren des stoischen Doppelsystems der Sprachelemente. Wenn das zutrifft, muß der alexandrinische Typ als direkter Vorläufer Vgl. Fehling 1214 und 264ff. s. oben S. 224, Anm. 40.
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der artes ausscheiden und an seine Stelle ein eigenes, davon unabhängiges Vorbild gesetzt werden. So erhält die zweigliedrige Entwicklungsthese Barwicks durch eine von ihm selbst übersehene Differenz im devoce-Kapitel der ars grammatica unerwartete Stütze137. Dies gilt aber nur für Barwicks generellen Ansatz, nicht für alle Details seines Entwicklungsganges, der sich - wiederum mit Hilfe des de-voce-Kapitels - noch präzisieren läßt. Zunächst hat schon Barwick in seinem zweiten Durchgang indirekt zugegeben, daß die zuvor geäußerte These von einer unabhängigen Quellengemeinschaft der alexandrinischen und pergamenischen Techne unhaltbar ist138, also die Entwicklungsfigur Diog.Bab. Alexandr. Techne Pergamenische Techne artes.
Dies würde nämlich bedeuten, daß der erhebliche Umprägungsvorgang von Diogenes zu den Technai, vor allem die Einführung der Konstituentenreihe zweimal unabhängig voneinander stattgefunden hätte. Aus der Ablehnung dieser Figur ergibt sich aber das Postulat gegenseitiger Abhängigkeit der Technai, und wir wissen, daß Barwick die sich daraus ergebende Prioritätsfrage zugunsten seiner stoisch-pergamenischen Techne gelöst hat, also Diog.Bab. Techne Alex. Techne.
Aber hier zeigt unser Leitfaden περί φωνής, daß auch diese Figur Schwächen, und zwar in beiden Beziehungspfeilen, aufweist. Was den ersten Pfeil zwischen Diogenes und der pergamenischen Techne angeht, so haben wir bereits mehrfach ausführlich Gründe dafür genannt, daß die „römische" de-voce-Version zwar jünger als die des Diogenes sein muß, aber nicht direkt von ihm, sondern von einer älteren stoischen Vorlage abstammen muß139 Es sollte also eher die Figur gelten: 137 Barwick hat zwar den Indiziencharakter des de-voce-Kapitels für die Geschichte der Grammatik durchaus gesehen, aber doppelt falsch ausgewertet, indem er einerseits die Existenz eines de-voce-Kapitels zum unterscheidenden Merkmal zwischen „römischer" und alexandrinischer ars macht und andererseits den Unterschied von „de voce" und des aus ihm erwachsenen Beschreibungsplans bei Diogenes v. Babylon und in den römischen artes übersieht. Vgl. Barwick, Rem. Pal. 94. 138 Vgl. Barwick, Rem. Pal. 262. 139 S. S. 169f.. Die Existenz einer älteren stoischen Vorlage hatte sich übrigens schon aus der Analyse von περί φωνής bei Diogenes v. Bab. ergeben, s. S. 202 ff..
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Ältere Vorlage DiogTBab
.Römische" Techne
Aber auch der zweite Beziehungspfeil, die von Barwick vermutete Abhängigkeit der alexandrinischen von der stoisch-pergamenischen Techne, verdient angesichts der περϊ-φωνής-Ergebnisse Skepsis, denn in diesem Fall wären unbedingt Nachwirkungen der „römischen" Fassung auf alexandrinischer Seite zu erwarten gewesen. Statt dessen hat hier allein die de-voce-Version des Diogenes ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Folge dieser Skepsis wäre also eher die Figur: Ältere Vorlage Diog.Bab. Alex.Techne
.Römische" Techne artes
Gegen diese aus den Unterschieden im de-voce-Bereich gewonnene Figur spricht aber die unverkennbare Gemeinsamkeit der alexandrinischen und der „römischen" Techne in der Anlage ihres Beschreibungsobjektes, der Konstituentenreihe'40, von der wir im Falle der letzten Figur wieder annehmen müßten, daß mit ihr zweimal unabhängig voneinander das stoische Doppelsystem ersetzt worden wäre. Die gemeinsame Konstituentenreihe rät also im Gegensatz zu dem de-voce-Befund doch zu Barwicks Annahme der gegenseitigen Beeinflussung beider Technetypen. Wir werden bei dieser Überlieferungslage keine wirklich gesicherte Prioritätsentscheidung treffen können, vor allem nicht mit dem Mittel des einfachen Beziehungspfeils, der die in Wirklichkeit sicher komplexen, in konkreten Technai und nicht nur in Typen, in längeren Zeiträumen und nicht punktuell sich vollziehenden Entwicklungsprozesse stark vereinfacht. Aber es spricht nach unseren Vorüberlegungen trotzdem sehr viel für die Priorität des „römischen" Typs141, der nun allerdings nicht, wie Barwick glaubte, ausschließlich, sondern zusammen mit der Techne des Diogenes auf den alexandrinischen Typ gewirkt haben muß. Daß nämlich der alexandrinische Typ unter einem doppelten, wahrscheinlich zeitlich versetzten Einfluß gestanden haben muß, ging schon aus unserer Beleganalyse hervor, in der für den alexandrinischen Typ Gemeinsamkeiten mit Diogenes v. Babylon (im de-voce-Bereich und in den Spuren des älteren Doppelelementsystems) und mit der „römischen" 1 4 0 Ich unterlasse es bewußt, von einer „Erfindung" der Konstituentenreihe zu sprechen, denn das Prinzip selbst ist, wie schon S. 242, Anm. 116 angedeutet, längst vorher bekannt. Entscheidend ist hier nur der Umprägungsvorgang, nicht die Sache selbst. 141 Sie ergibt sich schon allein daraus, daß wir das Gegenteil auf S. 248 bereits ausgeschlossen haben.
251
Techne (in der Konstituentenreihe) nachgewiesen werden konnten. Es empfiehlt sich also folgende Figur:
Diese Figur steht nun endlich mit keinem unserer bisherigen Deutungsergebnisse im Widerspruch. Sie spiegelt vielmehr genau die stärkere Autonomie des „römischen" Typs und die beiderseitige Bindung des alexandrinischen Typs an Diogenes und die „römische" Techne. Mir scheint also im Einklang mit Barwick der Ansatz zweier artes-Typen am Beginn der Grammatikgeschichte durchaus vertretbar. Die ältere „römische" Variante142 ist dabei als das Ergebnis einer gravierenden Umprägung des stoischen Doppelelementensystems in die Konstituentenreihe aus einer von Diogenes v. Babylon unabhängigen älteren stoischen Vorlage entwickelt. Der jüngere alexandrinische Technetyp muß dagegen zunächst unter dem Einfluß des Diogenes gestanden haben, bleibt weiterhin unter seiner Wirkung, gerät aber zunehmend unter den Einfluß des „römischen" Typs, der allerdings später seinerseits von alexandrinischer Seite beeinflußt worden sein muß. So erweist sich περί φωνής und das mit ihm verknüpfte Sprachbeschreibungsmodell als „Leitfossil", das dazu beiträgt, die Kenntnis der Entstehungsgeschichte der antiken ars grammatica weiter zu fördern.
142
Es wird bewußt auf die Bezeichnung Barwicks „Stoisch-pergamenische Techne" verzichtet, weil es dazu in der Überlieferung keine ausreichenden Identifikationshilfen gibt. Auch die S. 218 ff. eruierte στοιχεΐον-Definition des Krates reicht dazu nicht aus.
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Vierter Teil: Zurück zu den römischen artes 1. Vorbemerkung Der vierte und letzte Teil unseres Weges führt von den griechischen Technai zurück zu den römischen artes, mit denen wir begonnen haben. Wir betreten ihn mit derselben praeteritio wie den dritten Teil, denn aus den dort genannten Gründen müssen wir uns auch hier auf das de-voceKapitel als Dispositionsglied der ars grammatica beschränken, also auf ein Teilgebiet der grammatischen Literatur, und berücksichtigen Belege aus der übrigen grammatischen und der nichtgrammatischen Literatur nur, insofern sie auf „de voce" verweisen' Es muß deshalb eine Reihe an sich durchaus beachtenswerter Passagen, z.B. aus der philosophischen, rhetorischen und naturwissenschaftlichen Literatur entfallen, die in keinem direkten Zusammenhang mit dem grammatischen „de-voce-Kapitel" stehen und daher isoliert betrachtet werden müßten. Ich denke z.B. an manchen interessanten Passus bei Cicero2, an die Rezeption der aristotelischen Lehre von Hist. an. IV 9 beim älteren Plinius3 oder an den in der Tradition der Aristoteleskommentatoren stehenden de-interpretatione-Kommentar des Boethius, den ich bereits zum Vergleich mit dem de-voce-Kapitel der ars herangezogen habe4 Im übrigen wird genau so wie im dritten Teil der Arbeit verfahren.
2. „de voce" vor den römischen artes 2.1 Spuren von „de voce" in dei nichtgrammatischen
Literatur
1 Lukrez, de rerum natura IV 524-614 Im vierten Buch seines Lehrgedichts wendet sich Lukrez nach einer umfänglichen Behandlung des optischen Sinnes (216-378) und der damit 1
S. S. 212. Vgl. Ciceros Darstellung der Stimmphysiologie und -artikulation im Zusammenhang mit dem Lob der vis eloquendi, de natura deorum II 149 (mit dem ausführlichen Kommentar von Pease Vol. II 936ff], der körperlichen Vorzüge von Stimme und Zunge, Académica I 19, der Stimmarten der actio in de oratore III 216 u.a. 3 Vgl. Plinius maior, nat. hist. XI266ff. Nur am Rande erwähnt sei Seneca, nat. quaest. II 6,3 und de ira 13,7 4 Vgl. Boethius, Commentarli in librum Aristotelis περί ερμηνείας, Secunda editio, ree. C. Meiser, Leipzig 1877, 2 Vol., Vol. II p. 4, 15ff und oben S. 49ff.. 2
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verbundenen Erkenntnisprobleme (379-521) den übrigen Sinnen zu, zunächst dem Gehör (524-614) 5 Wir sehen uns damit in die Reihe der Texte zurückversetzt, die im Rahmen der Wahrnehmungslehre und der für sie verbindlichen Sinn-Objekt-Relation auf der Objektseite sachliche und terminologische Differenzierungen vornehmen 6 Die Partie bei Lukrez bietet indessen aus unserer Sicht keine bloße Reproduktion ihrer griechischen Quellen 7 Sie kann vielmehr zur Klärung der, wie wir gesehen haben, oft schwer durchschaubaren griechischen Belege aus der Wahrnehmungslehre beitragen, weil sie im Gegensatz etwa zu den Zeugnissen bei Theophrast und Aetius eine überraschend einwandfreie Terminologie im akustischen Bereich verwendet und vor allem, weil sie, was bei Demokrit und Epikur mit ihrer polysemen φωνή noch zu bezweifeln war 8 , die Sinn-Objekt-Relation nahezu ausschließlich mit Hilfe der menschlichen Stimme und Sprache exemplifiziert. Doch zuvor ein kurzer Durchgang durch den Textabschnitt: Wie schon aus griechischen Quellen bekannt, versucht auch Lukrez, den Hörvorgang aus den Eigenschaften des ihm zugeordneten Sinnesobjektes zu erhellen: Die akustische Wahrnehmung ergibt sich aus der Materialität von Schall und Stimme (524-27), die sich an physischen Auswirkungen beim Sprechen (Heiserkeit, 528-34, und Ermüdung durch langes und lautes Sprechen, 535-541) und an den akustischen Wahrnehmungsunterschieden nachweisen läßt, die von den unterschiedlichen Schall- und Stimmpartikeln hervorgerufen werden ( 542-48 ). Die Stimmlaute werden durch Zunge und Lippen zur Sprache artikuliert (549-552), bleiben aber nur aus angemessener Distanz verständlich (553-562). Die Stimme kann sich zersplittern und wird deshalb für mehrere Personen gleichzeitig vernehmbar (563-567). So entsteht auch das Echo (568-571), wie man bei einer Gebirgswanderung erleben kann (572-579) - ein Beispiel, dem sich ein bukolischer Exkurs anschließt (580-594). Schließlich liegt ein Unterschied zwischen Hören und Sehen darin, daß die Schallpartikel auch gewundene, die Sehpartikel aber nur gerade foramina rerum durchlaufen können, weshalb Gespräche, nicht aber Blicke durch die Wand möglich sind (595-614). Die Ungetrübtheit der akustischen Terminologie dieses Passus liegt auf der Hand: sonus, bzw. sonitus stehen für das Schallgenus (524, 527, 584)', vox, bzw. voces stets für die Spezies „Stimme" und deren Produkte 5 In der Zählung, im Text und in der Gliederung folge ich der A u s g a b e von C. Bailey, T. Lucreti Cari de rerum natura libri sex, Oxford 1947, 3 Vol., Vol. I 3 8 8 - 3 9 4 und Vol. III 1242-1253. 6 S. S. 60ff. 7 Vgl. dazu den Quellennachweis bei Bailey Vol. III 1242f. 8 S. S. 71, S. 79, A n m . 67, und S. 81, 82 und öfter. 9 560 und 614 steht sonitus für den bloßen unverstandlichen Stimmlaut in Opposition zu den sinnvollen verba.
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(524, 526, 528, 531, 533, 540, 548, 549, 554, 559 u.ö.). Von vox ist wiederum der sprachliche Bereich klar geschieden, der durch verba (533, 551, 558, 561, 563, 567, 571, 574, 579, 614), durch sermo (537) loquens (541) und colloquium (598) repräsentiert wird. Noch auffallender ist die Intensität, mit der Lukrez die menschliche Stimme und Sprache auf der Sinn- und Objektseite als Beispiel verwendet. So dient die physiologische Wirkung der Stimme und Sprache zum Nachweis der Materialität des Sinnesobjektes (528ff), die artikulierte Stimme und der sprachliche Kommunikationsvorgang zum Nachweis der Abhängigkeit akustischer Wahrnehmung von der Distanz der Schallquelle (54-9 ff), der Heroldsruf zum Nachweis der Schallsplitterung (563 ff), Suchrufe zur Illustration des Echos (572ff) und Gespräche durch die Wand zur Differenzierung von Hören und Sehen (595ff). Dieser Befund bei Lukrez läßt uns also mit größerer Zuversicht auch für die Akustik Demokrits und Epikurs klarere terminologische Verhältnisse, zumindestens aber die exemplarische Verwendung von Stimme und Sprache vermuten. Was unsere Lukrezpassage aber zu der hier eigentlich gesuchten Spur von „de voce" macht, ist vor allem die Terminologie des Abschnittes, in dem es um die Hörbarkeitsgrenze am Beispiel der artikulierten Sprache geht (549-562): Die Zunge - so lehrt Lukrez - „gliedert", artikuliert die Stimmlaute zur Sprache: „Hasce . voces mobilis aiticulat verborum daedala lingua." (549-551). Die Produkte dieses physiologischen Vorgangs, die Wörter, sind, wenn die Sprechdistanz angemessen bleibt, deutlich und in gegliederter, d.h. lautlich distinkter Gestalt zu vernehmen: „necessest verba quoque ipsa plane exaudiri discernique articulatim" (554f). Bei zu großer Distanz dagegen geraten die Stimm- und Sprachlaute derart in Verwirrung (confundí verba, conturban vocem, 558f ), daß der Hörer nur bedeutungslose Laute empfangen kann (560-62): ergo fit, sonitum ut possis sentire ñeque illam internoscere, verborum sententia quae sit: usque adeo confusa venit vox inque pedita.
Dazu ist auch der Abschnitt über die partikelbedingten Unterschiede von Sehen und Hören zu stellen (595-614), in dem in fast gleicher Formulierung noch eines weiteren Kommunikationshindernisses gedacht wird: Man kann zwar bei geschlossenen Türen einer Unterhaltung folgen (598), auch durch Mauern Stimmen vernehmen (611), aber (612-14): et tarnen ipsa quoque haec, dum transit clausa domorum, vox obtunditur atque auris confusa pénétrât et sonitum potius quam verba audire videmur.
Wer - wie wir - das de-voce-Kapitel der römischen ars grammatica kennt, fühlt sich von der hier verwendeten Begrifflichkeit unmittelbar an das Differenzenpaar des „römischen" Typs erinnert: vox articulata und 255
vox confusa10. Dazu führt nicht nur die unverkennbare terminologische Festigkeit, mit der Lukrez den wirren, unartikulierten, sinnlosen Stimmlaut an prononcierter Stelle mit vox confusa bezeichnet. Es fehlt auch deren Partner aus der ars grammatica, die vox articulata nicht, wenn sie bei Lukrez auch nur in andeutender Umschreibung erscheint (articulat, articulatim). Es liegt nun der Gedanke nahe, daß Lukrez in dieser Passage - sicher ohne programmatische Absicht und eher als einen Reflex seiner Schulbildung - terminologisches Gut der ihm geläufigen ars grammatica verarbeitet haben könnte. Wir hätten damit eine bisher unbekannte Spur des de-voce-Kapitels „römischer" Prägung entdeckt und zugleich auch einen neuen Terminus ante quem für die Existenz der römischen ars gewonnen: die Lebenszeit des Lukrez (97-55 v.Chr.). Ein solcher Ansatz würde zusätzlich dadurch gestützt, daß schon Barwick ungefähr den gleichen Zeitraum aus dem Zitat beim Auetor ad Herennium ermittelt hatte11. Es wäre also nicht erst in der Zeit der spätantiken artes, sondern schon zwischen 100 und 50 v.Chr. mit einer ars zu rechnen, die ein de-voceKapitel mit einer Zweispezies-Dihärese articulata-confusa enthielt12 Doch gilt es, bevor wir uns zu diesem Resultat bekennen, philologische Bedenken auszuräumen, die sich aus der Beleglage der von Lukrez verwendeten Wörter „articulare" und „articulatim" ergeben. Während das articulatim von V 555 vor Lukrez, z.B. schon für Plautus belegt ist", ist der Vers 551 Bailey (sonst 549) unser Erstbeleg für das Verbum „articulo"14, weshalb es Bailey, wie ich vermute, für eine lukrezische Neuprägung nach dem Muster von άρθρόω hielt" Diese würde unsere Schlußfolgerung zur Geschichte der römischen Grammatik in der Tat gefährden, denn in diesem Fall wäre ein von „articulo" gebildetes „vox articulata" erst nach Lukrez denkbar. In dieselbe Richtung weist eine andere Eigenart unserer Beleglage von „articulatim" und „articulo": Zwar muß man „articulatim" in die Zeit vor Lukrez verlegen, aber beide Wörter sind in ihrer stimmphysiologischen Spezialbedeutung „artikuliert" zweifellos erstmals bei Lukrez belegt. Dies
10
S. S. 240. Vor - 80 vor Chr., s. S. 245. 12 Eine weitere, freilich unauffälligere Spur findet sich bei Cicero, de re publica III 3, wo wie bei Diodor (s. S. 100] im Rahmen der Sprachgenese von einem Vorstadium konfuser Stimmlaute die Rede ist: „homines inconditis voeibus inchoatum quiddam et confusum sonantes" Dieser Terminus fehlt übrigens in ähnlichen Passagen bei Lukrez IV 1027ff und Vitruv, architettura 2,1,1. 13 Vgl. Thes.ling.Lat. Vol. II 690,4f s.v. articulatim. Das Adverb ist doch wohl eher ein Denominativum, also articulus-articulatim wie membrum-membratim (beides schon für Plautus belegt]. Vgl. Leumann, Lat.Laut.- und Formenlehre, HbAW 2,2,1, p. 501. 14 Vgl. Thes.ling.Lat. Vol. II 690,49f und 66f s.v. articulo. 's Vgl. Bailey ζ. St. Vol. III 1248. 11
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könnte zumindestens für eine „semantische" Neuprägung, für einen erstmals durch Lukrez auf den Stimmbereich übertragenen Gebrauch sprechen, was erneut zum Ansatz der „römischen" vox-Dihärese nach Lukrez führen müßte. Unsere Beleglage erlaubt hier sicher keine klare Entscheidung, aber sie scheint mir doch eher das Zufallsergebnis unserer Überlieferung als ein Spiegel der tatsächlichen Bedeutungsgeschichte von „articulo" und „articulatim" zu sein. Denn, wäre Lukrez - jedenfalls im Fall von „articulo" nicht nur der erste Zeuge, sondern sogar der Archeget der physiologischen Sonderbedeutung, so wäre er in diesem Punkt die terminologische Quelle der späteren artes grammaticae, was wenig wahrscheinlich ist. Plausibler scheint mir hier - auch in Anbetracht des von Barwick ermittelten Terminus ante quem - die umgekehrte Annahme einer (vielleicht unbewußten) Beeinflussung der lukrezischen Passage durch die ihm aus seinem eigenen Bildungsgang vertraute römische ars grammatica. Wenn dies zutrifft, so erweist sich „de voce" von neuem als wirkungsvoller Ariadnefaden aus dem Labyrinth der Grammatikgeschichte. Für seine Struktur in der römischen ars grammatica des 1. Jhdt. v.Chr. ergibt sich jedenfalls aus Lukrez IV 524-614: Definition: Dihärese: Kontext:
vox articulata/confusa
2 Vitruv, de architectura 5,3,6 Eine weitere Spur des de-voce-Kapitels „römischer" Prägung verbirgt sich in Vitruvs „de architectura". Im dritten Kapitel des fünftes Buches geht es Vitruv um die Wahl des richtigen Platzes für ein Theater. Er muß gesund, also nicht der Zugluft oder Hitze zu sehr ausgesetzt sein (5,3,1-2), und er muß akustisch geeignet sein, d.h. es ist darauf zu achten, „ne sit locus surdus, sed ut in eo vox quam clarissime vagari possit" (5,3,5)" Auf diesen Rat folgt ein Abschnitt, der sofort an bereits Bekanntes erinnert (5,3,6-7). Eingeleitet von einer vox-Definition, wird die sphärenförmige Ausbreitung der Schallwellen in genau der Weise am Beispiel des Steinwurfs ins Wasser demonstriert, wie wir es bereits von den Stoikern her kennen17 Von Interesse ist hier nur die vox-Definition von 5,3,6, denn sie allein 16 Ich folge dem Text von C. Fensterbusch, Vitruvii de architectura libri decern, Darmstadt 1976, mit den von Krohn übernommenen Textumstellungen. Vgl. Fensterbusch Anm. 264 |S. 550). 17 S. S. 142. Vgl. auch den bereitsS. 18, Anm. 14 erwähnten Aufsatz von P. Thielscher, Vitruv und die Lehre von der Ausbreitung des Schalls, Das Altertum 4 (1958) 222-228 mit den wichtigsten Parallelstellen.
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kann in eine Beziehung zum de-voce-Kapitel der ars grammatica gesetzt werden18 Aber, wie schon so oft in unserer Belegreihe, ist der Wortlaut des Belegs gerade an der für uns wichtigsten Stelle nicht zweifelsfrei. So auch bei der vox-Definition von Vitruv 5,3,6. Sie lautet in der Ausgabe von V Rose und Müller-Strübing und in der von Rose allein besorgten zweiten Auflage": vox autem est spiritus fluens aeris, tactu sensibilis auditu. Dagegen schreiben Krohn20 und mit ihm der bereits zitierte Fensterbusch in inhaltlich kaum gravierender Abweichung: vox autem est spiritus fluens aeris e tactu sensibilis auditu. Diese Varianten sind das Ergebnis des Konsensus der Haupthandschriften (x)2', die an fraglicher Stelle „&actu", aufgelöst "etactu" bieten. Man wertet also entweder das Et-Zeichen & als ein bloßes t (wie in der ersten Auflage von Rose-Müller-Strübing im Apparat zur Stelle) oder trennt in „e tactu" wie Krohn und Fensterbusch. Ein Kenner der Parallelstellen in der Grammatik wird trotzdem Skepsis gegen diese Lesungen empfinden, besonders dann, wenn er die im Wortlaut frappierend ähnliche Definition des Diomedes (1420,9f) vergleicht. vox est, ut Stoicis videtur, spiritus tenuis auditu sensibilis, quantum in ipso est. fit autem vel exilis aurae pulsu vel verberati aeris ictu. Wenn Vitruv und Diomedes hier mit dem singulären „spiritus" und dem „sensibilis auditu" zusammengehen, so liegt der Gedanke nahe, sich von Diomedes Hilfe zur Beseitigung des befremdenden „&.actu" zu versprechen. Hier bietet sich natürlich sofort das „aeris ictu" an, von dem man außerdem weiß, daß es für den ersten Teil der stoischen voxDefinition überhaupt typisch ist. Man könnte also das „&actu" für eine Verschreibung halten, mit aeris verbinden und in ein „aeris ictu" oder „aeris ex ictu" umwandeln. Wie man aus Rose/Müller-Strübings Apparat (109,20) sieht, ist diese Idee alles andere als neu. Vielmehr vermutet schon ein Schreiber des Leidensis 88 an unserer Stelle ein ex ictu, so daß die Originaldefinition Vitruvs gelautet haben könnte: *vox autem est spiritus fluens aeris (ex) ictu sensibilis auditu. So überzeugend diese Lesung zunächst auch wirkt - sie verliert erheblich an Wahrscheinlichkeit, wenn man Vitruvs sonstigen Sprachgebrauch 18
Dies hat schon Thielschers Stellenvergleich von 224f ergeben. Vitruvii de architectura libri decern, ed. Rose et H. Müller-Strübing, Lipsiae 1867 und V. Rose 1899. Der Apparat der ersten Auflage zu unserer Stelle ist immer noch am hilfreichsten. 20 Vitruvii de architectura libri decern ed. F. Krohn, Leipzig 1912 und Fensterbusch 212. 21 Vgl. das Stemma bei Rose/Müller-Strübing IX, Rose IX und die Angabe von Fensterbusch 15. 19
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in ähnlichen Kontexten einbezieht. Von hier aus spricht vielmehr alles für das (e)tactu der Herausgeber. Vitruv verwendet häufig im Kontext von „vox" das Wort „tactus" So überwiegend bei der verstärkenden Resonanz, die die Stimme im Theater durch das Aufschlagen auf Schallgefäße erfährt. Es heißt z.B. 1,1,9: „uti vox scaenici sonitus tactu cum offenderit, clarior ad spectatorum perveniat aures"22 Überzeugender wirken allerdings erst zwei weitere Stellen, bei denen „tactus" eindeutig als schallerzeugende Instanz erscheint: 6,1,8 wird behauptet, daß die unterschiedlichen Lebensregionen der Menschen Differenzen in der Stimmlage verursachen, und es heißt von den Bewohnern des Südens: „alia (sci. hominum corpora) propter regionis ardorem acutum spiritum aeris exprimunt tactu" - ein Beleg, der zudem noch die Junktur „spiritus fluens aeris" von 5,3,6 stützt23 Dazu tritt 9,8,4, wo Ktesibios als Erfinder hydraulischer Maschinen erscheint und nebenbei erkennt: „ex tactu caeli et expressionibus spiritus vocesque nasci"24. So wird es also bei der Lesung der Herausgeber bleiben müssen. Als Spur von „de voce" bleibt die vox-Definition des Vitruv deshalb um nichts weniger wichtig. Sie zeigt - jedenfalls im ersten Definitionsteil eine neue Variante der stoischen Tradition, verrät sich aber in ihrem zweiten Teil, dem sensibilis auditu, als Vertreter des „römischen" Typs, den wir aus der ars grammatica kennen. Dies ermöglicht immerhin, den Terminus ante quem der „römischen" vox-Definition in lateinischer Fassung in die augusteische Zeit zu verlegen. Def.: Dihärese: Kontext:
vox autem est spiritus fluens aeris (e) tactu sensibilis auditu.
2.2 Spuren von „de voce" in der grammatischen
Fachliteratur
1 Varrò Obwohl gesichert ist, daß Varrò ein umfangreiches grammatisches Schrifttum hinterlassen hat25, bleiben die meisten Schriften - mit AusDazu gehören 5,5,1; 5,5,3 und ähnlich 5,8,2 und 9,8,3. Allerdings scheint Fensterbusch (S. 267) aeris mit der Variante „actu" von S zu verbinden. 2 4 Das von χ überlieferte „extractu" wird allgemein verworfen. 2 5 Einen Überblick bieten H. Dahlmann, RE Suppl. VI (1935) 1172-1277 s. ν. M. Terentius Varrò 1 2 0 2 - 1 2 2 0 und J. Collart, L'oeuvre grammaticale de Varron, in: J. Collart (al ), Varron, grammaire antique et stylistique latine, Paris 1978, 3 - 2 1 , 6 - 1 0 . Dort auch die einschlägige Literatur mit den älteren Forschungsberichten, 20f. Umfassend informiert neuerdings die Arbeit von F. Cavazza, Studio su Varrone etimologo e grammatico, Università di Bologna, Pubblicazioni della facoltà di Magistero, Nuova Serie 7, Firenze 1981. 22 23
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nähme der wenigstens teilweise erhaltenen Abhandlung „de lingua Latina" - trotz insgesamt zahlreicher Fragmente in Thema und Gesamtanlage für uns nur ein Schemen26 Dies zeigt sich z.B. deutlich im Fall der ersten lateinischen Grammatik, von deren Existenz wir sichere Kenntnis haben, der varronischen Schrift „de grammatica", die mit größter Wahrscheinlichkeit das erste Buch der „Disciplinarum libri" ausmachte27. Nur ein Fragment steht namentlich und dem Titel nach fest28, alle anderen Fragmente, die von ihrem Inhalt her für diese Schrift in Frage kommen könnten, sind schon ihren Sammlern oft zweifelhaft29 So ist es um die Basis für die Suche nach einem de-voce-Kapitel bei Varrò, das nach unseren bisherigen Ergebnissen vorzugsweise in seiner ars grammatica vermutet werden darf, denkbar schlecht bestellt. Daß wir Varrò im Zusammenhang mit „de voce" trotzdem erwähnen müssen, liegt daran, daß Wilmanns und in seiner Folge auch Funaioli und Goetz-Schoell das de-voce-Kapitel des Diomedes (1420,8ff)30 komplett in die Varro-Fragmente aufgenommen haben31. Doch war schon Wilmanns und waren erst recht seine Nachfolger, was die Autorschaft Varros angeht, vorsichtig, und vollends kontrovers blieb die Einweisung des Fragments in das Werk Varros32 Wir müssen also zweifeln, ob Varrò überhaupt ein de-voce-Kapitel schrieb, wenn ja, in welcher grammatischen Schrift und, wenn in „de grammatica", wo genau sich das Kapitel befand33 Was wir sicher über die Rolle der vox in Varros grammatischem Schrift-
2 6 Ich zitiere nach der Sammlung von H. Funaioli, Grammatícae Romanae fragmenta, Leipzig 1907, pp. 183ff. Daneben sind zu vergi, die Sammlungen von A. Wilmanns, de M. T. Varronis libris grammaticis, Berlin 1864 und von Goetz-Schoell im Anhang zu ihrer Ausgabe: M. T. Varronis de lingua latina quae supersunt, Leipzig 1910, pp. 199ff. 2 7 Vgl. Barwicks Rekonstruktionsversuch Rem. Pal. 230ff und Dahlmann RE 1255ff. 2 8 Vgl. Funaioli p. 205 f und fragm. 49. 2 9 Vgl. die von Wilmanns s.v. „de grammatica" (p. 208ff) gesammelten Fragmente und deren Verweis in die „Incertae sedis fragmenta" bei Funaioli (p. 264ff, ab Nr. 233ff ) und deren Wiederaufnahme in den Disciplinarum liber I bei Goetz-Schoell (Nr. 107ff, p. 227ff] - hier allerdings häufig mit Doppelstern (= nach Werk und Autor unsicher). 30 s. S. 17ff.. 3 1 Vgl. fragm. 42 Wilmanns, 238 Funaioli und 111 Goetz-Schoell. 3 2 Vgl. Wilmanns p. 82: „recepi autem Diomedis verba inter relliquias (fr. 42), non quo eum doctam Varronis disputationem integram reddidisse crediderim, sed quia multa vestigia horum librorum apud eum invenimus. " Funaioli und Goetz-Schoell versehen das Fragment mit Stern, bzw. Doppelstern, dem Dubium-Zeichen. Wilmanns lokalisiert es in „de sermone Latino I" (p. 81), Funaioli ordnet es den „Incertae sedis fragmenta" ein, schreibt es aber im Vorwort (p. 200) dem ersten Buch der Disciplinae zu. Goetz-Schoell stellen es ohne erkennbaren Skrupel unter den Disc. lib. I (p. 228). 3 3 Die Ausführungen von J. Collart, Varron, Grammairien latin, Paris 1954, 5 7 - 6 3 (wiederholt in Kurzform in dem S. 259, Anm. 25 genannten Aufsatz, 11) sind also schon deshalb verfehlt, weil sie das Diomedeskapitel als sicher varronisch ausgeben (57f). Zudem wird es in unhaltbarer Weise mit griechischen Akustiktheorien verknüpft, wobei zusätzlich noch der Sinn des „quantum in ipso est" unerkannt bleibt (59, Anm. 2 und 62, Anm. 2).
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tum wissen, stammt aus Fragm. 282 Funaioli. Hier wird Varros Beschäftigung mit der vox als Gegenstand der Akzentlehre im Anschluß an Tyrannion bezeugt und im Referat seiner Argumente für eine „prosodia media" auch die bekannte These „omnem vocem corpus esse" zitiert34. Aber aus diesem Fragment ergibt sich kein zweifelsfreier Hinweis auf ein de-voceKapitel nach dem Muster der römischen artes. Wir können also nur Vermutungen anstellen. Daß für ein de-voce-Kapitel, wenn man es für Varrò annehmen will, vor allem dessen ars grammatica, das erste Disziplinenbuch also in Frage kommt, bedarf hier keiner weiteren Begründung. Welchen dispositionellen Ort es aber darin eingenommen haben mag, muß Spekulation bleiben, wenn sich auch nach dem Beispiel der artes wohl nur ein Platz am Anfang der Konstituentenreihe, wahrscheinlich nach dem Komplex „Grammatik und ihre Aufgaben" denken läßt35 Leider kann hier auch das Fragm. 237 Funaioli, in dem die Konstituenten und damit auch die Disposition der ars vorgeführt werden, keine Hilfestellung leisten, weil es nicht sicher varronisch ist. Hinweise zur vox-Definition gibt es, soweit ich sehe, für Varrò sonst nicht, zur Dihärese nur solche zweifelhafter Herkunft, denn die „vox scriptilis" von fragm. 281 (p. 300 Funaioli) und die „vox articulata, quae litteris comprehendi potest" aus Augustinus' „de dialéctica" entsprechen sicher der artes-Terminologie, sind aber ebenfalls nicht zweifelsfrei als varronisch auszumachen36 All diesen berechtigten Bedenken zum Trotz scheint mir die Vermutung, Varros „de grammatica" habe auch ein de-voce-Kapitel, und zwar eines „römischer" Prägung enthalten, durchaus vertretbar. Wir haben immerhin im letzten Abschnitt den Terminus ante quem des Differenzenpaares „articulata-confusa" auf die Lebenszeit des Lukrez verschieben können und darin einen Einfluß des grammatischen Bildungsgutes seiner Zeit gesehen. Wenn Varros „Disciplinae" wirklich ein Spätwerk sein sollte37, so ist es mehr als wahrscheinlich, daß auch Varrò sich in diese Tradition gestellt hat.
34 Vgl. fragm. 282, p. 302, 36 Funaioli. Die derselben Quelle entnommenen Prosodiefragmente 278 und 281 sind dagegen trotz Wilmanns (p. 50-52) nicht zweifelsfrei varronisch. Vgl. Goetz-Schoell fragm. 76 und 83. 35 So verfahren Funaioli und Goetz-Schoell, die die Fragmente nach dem Reihungsprinzip der ars grammatica anordnen. Vgl. Funaioli frg. 233-237 „Grammatik", 238 vox, 239-242 littera, 243 syllaba etc., Goetz-Schoell 107-110 „Grammatik", 111 vox, 112 litterae usw. 36 Vgl. fragm. 265, p. 280, 77f Funaioli und dazu B. D. Jackson, Augustine, de dialéctica, Dordrecht-Boston 1975, 122 η. 3 (Quellenfrage) und 125 η. 4 (de-voce-Stellen). 37 Vgl. Dahlmann RE 1255ff.
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2 Pap. LitLond. 184 Zwischen Varrò und den artes steht noch ein wichtiger Beleg, den es zum Schluß dieses Kapitels zu besprechen gilt. Es ist der Papyrus LitLond. 184, der gemeinsam mit dem Pap.Mich.7 429 Fragmente einer lateinischen ars grammatica bewahrt. Sein letzter Herausgeber, Wouters, hat die anfallenden Sachprobleme und den Forschungsverlauf in seiner Sammlung der grammatischen Papyri so gründlich dargestellt, daß wir uns hier darauf beschränken können, den Papyrus für unsere begrenzten Zwecke auszuwerten38 Die Reste der auf den beiden Papyri erhaltenen ars grammatica betreffen einen Teilaspekt aus der Silbenlehre, den Zusammenschluß von Vokalen und Diphthongen (Pap.Mich.) und einen Auszug aus dem Komplex „partes orationis", der von der Definition der dictio über die der oratio bis zum Katalog der partes orationis reicht, von deren Ausarbeitung im Detail allerdings nur wenige Zeilen zum Nomen erhalten sind (Pap.Lond.)39 Der Passus, der hier von Interesse ist, umfaßt die Zeilen 1 -17 der ersten Kolumne des Londoner Papyrus40. Hier wird, wie schon Wouters bemerkt hat 4 ', zur Einleitung in den Katalog der partes orationis eine Ausgliederung der oratio aus den ihr übergeordneten Lautgenera versucht. Von diesen Genera ist nur „dictio" erhalten (Col. I, Zeile 5-10 Wouters). Da diese aber ihrerseits, wenn die Ergänzungen der Herausgeber zutreffen, I 5f und 8 vox genannt wird, könnte der verlorene Teil des Papyrus vor der ersten Kolumne auch eine vox-Definition enthalten haben42 Wir haben also mit größter Wahrscheinlichkeit die Reste einer grammatischen voxDihärese vor uns, die den Katalog der partes orationis mit der Begriffsreihe vox-dictio-oratio einleitet. Schon die bloße terminologische Besetzung dieser Dihärese erinnert sofort an die Reihe φωνή, λεξις und λόγος am Beginn der stoischen Dialektik43 Daß sie aber dem stoischen Vorbild auch in der Sache entspricht, wird zur Gewißheit, wenn man die Bestimmungen von dictio und oratio näher betrachtet: dictio ist„o[ris] vox figurarti habens [signjificantium voçum ; [na]m [e]iusmodi vox potest [dijci, intellegi non potest." (Col.I 6-10). Dagegen ist oratio „ea dictio quae [ha]bet significationem [in]tellectumque" (I 10-12). Kein Zweifel - dictio behauptet hier - durchaus im Gegensatz zu ihrer 38 Vgl. Ausgabe und Kommentar der oben S. 230, Anm. 67 erwähnten Sammlung von Wouters, 92-108. 39 Zur Reihenfolge der Papyrusfragmente vgl. Wouters 94f. 40 Vgl. Wouters' Text von 97f. 41 Vgl. Wouters' Kommentar 101. 42 Vgl. Wouters ebenda. 43 S. S. 202ff..
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sonstigen Rolle in den artes grammaticae -44 die Position der stoischen λέξις, der semantisch neutralen φωνή έναρθρος, die neben sinnvollen auch solche Lautäußerungen enthält, die wie Wörter aussehen, sich aussprechen und schreiben lassen, aber nichts bedeuten45 Sie steht zudem wie schon die stoische λέξις als Mittelglied der Dihärese unter der vox und über der oratio. Die oratio entspricht dagegen dem stoischen λόγος, der stets φωνή έναρθρος (= λέξις) σημαντική ist, lateinisch „dictio, quae habet significationem" (Z. lOf ). So ergibt sich für den Papyrus das eindeutig stoisch geprägte Modell:46 vox + sprechbar, ± sinnvoll + sprechbar, + sinnvoll
dictio
/
oratio partes orationis
Das Weiterleben der stoischen Dihärese in einer lateinischen ars steht in überraschendem Gegensatz zu unserer Behauptung, die tiefgreifende Umprägung des stoischen Typs in der antiken Grammatik sei besonders für die römische ars charakteristisch47 Sollte sich also neben dem neuen Modell der Zwei-Spezies-Dihärese mit aufsteigender Konstituentenreihe auf römischer Seite auch das alte stoische Modell vielleicht sogar als eigenständiger Beschreibungstyp erhalten haben? Auf der Suche nach Stützstellen bei den römischen Grammatikern findet man nur einen Beleg, der ebenfalls einen Reflex des stoischen Modells enthält. Marius Victorinus definiert in seinem de-voce-Kapitel48 auch die Begriffe elementum, dictio und oratio und verfährt dabei in ganz ähnlicher Weise wie der Papyrus (Mar.Vict. VI 5,2f Keil): „dictio est figura significantium vocum. oratio est dictio significans vel compositio dictionum" Aber diese Notiz bei Marius ist wirklich nur ein Reflex, denn wir wissen aus Überlieferungsmangel nicht, ob und welche Wirkungen diese Definition auf die spätere Anlage seiner ars hatte49 44
Vgl. Froehdes dictio-Definitionen 130-2 und oben S. 243. Genau genommen gehört also dictio nach der im Papyrus gegebenen Definition an die Stelle von βλίτυρι. Doch zeigt die Bestimmung der oratio als „dictio, quae habet significationem", daß dictio als der übergeordnete Gattungsbegriff verstanden werden soll. Die Unstimmigkeit spürt schon Wouters 101. 46 Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied. Im stoischen Modell folgt auf die Dihärese im doppelten Rekurs die Lautlehre und die Wortartenlehre. Im Papyrus ging die Laudehre der Dihärese offensichtlich voraus, und es folgte nur die Wortartenlehre. 47 S. S. 242. 48 S. S. 30ff.. 49 S. S . 3 0 , A n m . 4 1 . 45
263
Die Lebenszeichen des stoischen Modells sind also im lateinischen Sprachraum bei weitem zu spärlich, um sie gegen den gut bezeugten und wohl auch verbreiteteren und bevorzugten Typ der Konstituentenreihe als separaten Traditionszweig abzusetzen. Wir können nur konstatieren, daß es Spuren seines Weiterlebens gibt, und im übrigen auf römischer Seite dem Beschreibungstyp seine Präferenz lassen, den wir S. 242 ff. ausführlich beschrieben haben.
2.3
Zusammenfassung
Auf römischer Seite sind die Spuren von „de voce" vor den spätantiken artes grammaticae äußerst spärlich. Aber sie sind deshalb nicht bedeutungslos,· denn sie führen zu nicht unerheblichen Schlußfolgerungen für die Geschichte der römischen ars: - Das Zeugnis Vitruvs belegt, wenn auch in einer nur von Diomedes gestützten Variante und im physikalischen Kontext, die Kenntnis von der Rezeption der stoischen φωνή-Definition römischen Typs mindestens seit augusteischer Zeit. - Das Zeugnis des Lukrez belegt die Kenntnis von der „römischen" vox-Dihärese „vox articulata/confusa" und damit einen neuen Terminus ante quem für die römische ars grammatica: die Lebenszeit des Lukrez. Dieses Ergebnis paßt zu dem aus dem Auetor ad Herennium gewonnenen Terminus ante quem Barwicks. Varros Buch I der „Disciplinae" ist zwar die erste lateinische ars, von deren Existenz wir sicher wissen. Ob sie aber ein de-voce-Kapitel enthielt, muß aus Überlieferungsmangel ungeklärt bleiben. Dennoch spricht sehr viel für ein de-voce-Kapitel des „römischen" Typs in Varros ars nach der Sinnreihe „Grammatik und ihre Aufgaben" und vor der Konstituentenreihe. - Es gibt Indizien für ein Weiterleben des stoischen Typs von „de-voce" in der lateinischen ars grammatica. Jedoch reichen diese Zeugnisse nicht aus, um ihnen den Rang eines eigenständigen Traditionszweiges neben dem gut belegten Konstituententyp einzuräumen.
264
3. Das de-voce-Kapitel der römischen artes im Lichte der Lehrtradition Wieder bei den römischen artes angelangt, sind wir vor einer Zusammenfassung des Gesamtergebnisses noch Antwort auf die Fragen schuldig, die offengeblieben sind und nur mit dem Blick auf die jetzt ermittelte Lehrtradition beantwortet werden können50 Die de-voce-Kapitel der römischen artes grammaticae können über nicht erhaltene, aber aus Spuren rekonstruierbare Zwischenstufen der griechischen Technai auf die Lehrtradition der stoischen Dialektik zurückgeführt werden. Sie lassen sich in zwei Typen untergliedern, die wir den Donat- und den Prisciantyp genannt haben51. Diese Zweigliedrigkeit ist das Ergebnis einer zweisträngigen Entwicklungsgeschichte der frühen griechischen Grammatik52. Der Donattyp steht in der Tradition der von Diogenes von Babylon unabhängigen Techne des „römischen" Typs, die mit ihrer eigenständigen φωνή-Definition, der reduzierten Zwei-Spezies-Dihärese und der konsequenten Konstituentenreihung den stoischen Prototyp erheblich umprägte. Der Prisciantyp steht in der Tradition der alexandrinischen Techne, die zumindestens im περί-φωνής-Bereich Diogenes v. Babylon stärker verpflichtet blieb, seine Definition wörtlich und seine Dihärese im Prinzip beibehielt, diese allerdings' zu einer VierspeziesDihärese vervollständigte. Priscian repräsentiert dabei den zweiten und letzten Typ der alexandrinischen Vierspezies-Dihärese53 Innerhalb des de-voce-Kapitels selbst gibt es noch offene Fragen im Bereich der Definition und der Dihärese. Zunächst zur Definition: - Der semantische Konflikt beim lateinischen Definiendum „vox" ist das Ergebnis einer unreflektierten Gleichsetzung der an sich konfliktfreien lateinischen Speziesbezeichnung „vox" mit dem konfliktgeladenen polysemen Wort φωνή, das die frühe Stoa trotz Aristoteles und wahrscheinlich im Anschluß an Piaton und Xenokrates in der Schalldefinition wieder als Definiendum zuließ54 - Der Zusatz „quantum in ipso est" ist im Laufe der Lehrtradition bald nicht mehr verstanden und infolgedessen fehlgedeutet worden. Er bezieht sich ausschließlich auf den zweiten Definitionsteil und ist das stoische Pendant zum aristotelischen ίδιον in der Verbindung mit
50 51 52 53 54
Vgl. S. S. S. S. S.S.
dazu die Zusammenfassung von S. 5 I f f . . 53, 55 und 57 2 4 8 ff. 236ff.
S. S. 4 5 ff und S. 1 7 6 f.
265
αίσθητόν. In der stoischen φωνή/νοχ-Definition will es also nichts anderes besagen, als daß der Schall zu den spezifischen Sinnesobjekten zählt55 Zur Dihärese: - Die bei Velius Longus ermittelte Vierspezies-Dihärese gehört zum ersten, dem stoischen Muster näheren Typ56. Für die artes-Tradition ist sie jedoch nicht signifikant, weil sie einem anderen Genus grammatischer Literatur, der Orthographie entstammt und daher eigenen Quellen verpflichtet ist.
55 S.S. 41 f u n d S . 175. S. S. 42ff und S. 237.
266
Fünfter Teil: Ergebnisse Περί φωνής, de voce, die Ausgliederung der Sprache aus dem Schallbereich, erscheint in der antiken Literatur zunächst als begrifflicher Komplex mit variabler Kontextbindung ohne den Status einer eindeutig abgrenzbaren Sprachbeschreibungseinheit mit festem dispositionellem Wert. In dieser Erscheinungsform konnte περί φωνής von den vorsokratischen Anfängen bis auf Aristoteles verfolgt werden. Erst von der Stoa an wird περί φωνής zum klar identifizierbaren Glied der Sprachbeschreibung mit bestimmten Folgen für den gesamten Beschreibungsplan: zum Eingangskapitel der stoischen Dialektik. In dieser Erscheinungsform wurde die Geschichte von περί φωνής von der Stoa über die griechische bis zur spätantiken römischen Grammatik nachgezeichnet. Auf diesem Weg ließ sich im einzelnen folgendes ermitteln1 : Der fragliche akustische Bereich erscheint zuerst in der voisokiatischen Wahmehmungslehre. Hier wird in größtenteils für uns unklarem dispositionellem Zusammenhang eine akustische Sinn-Objekt-Relation erstellt, die auf der Objektseite zu terminologisch (für uns) diffusen Bestimmungsversuchen führt. Dies betrifft vor allem das konfliktgeladene Wort φωνή, das das generelle Hörobjekt und exemplarisch die Schallspezies „Stimme" vertreten kann. Von diesem φωνή-Gebrauch zeigt sich aber bereits Theophrast verunsichert. Im Rahmen der Sinn-Objekt-Relation aus der Wahrnehmungslehre sind die ersten Differenzierungen bei Gorgias und Archytas erkennbar. Gorgias unterscheidet durch eine kritische Betrachtung der SprecherHörer-Relation den semantisch neutralen ψόφος von dem semantischen λόγος. Archytas differenziert auf der sich im musiktheoretischen Traktat verselbständigenden Objektseite das akustische Objekt ψόφος von der Spezies φωνή, die exemplarisch im eigentlichen Sinn verwendet wird, aber aufgrund übertragenen Gebrauchs bei Musikinstrumenten auch die Bedeutung „Musikton" erhalten kann. Archytas ist für uns außerdem der erste Vorläufer der späteren dispositionellen Funktion von περί φωνής in der Sprachbeschreibung - allerdings noch in einer anderen Gattung der Fachliteratur: περί φωνής hat Exordialfunktion und dient zur Ausgliederung des akustischen Beschreibungsobjektes im musiktheoretischen Traktat: der Tondifferenzen.
1
Vgl. dazu die Zusammenfassungen v. S. 51 ff, 74 ff, 85 ff, 113 ff, 137 f, 2 lOff, 240 ff und 264.
267
Die Brücke von der Stimme zur Sprache schlägt Protagoras, der im kulturgenetischen Zusammenhang die Sprache mit der Differenz der Artikulation ausgliedert. Die akustische Terminologie Piatons, der sich selbst mit Ausnahme der berühmten φωνή-Definition im Timaios nicht explizit um den akustischen Bereich bemüht, ist ein wichtiger Schlüssel zu früheren und folgenden Problemen des περί-φωνής-Komplexes, die sich aus der konfliktschaffenden Bedeutungsstruktur seines Zentralbegriffs ergeben. Das Wort φωνή ist polysem. Es kann Genus und Spezies zugleich vertreten das Ergebnis von Übertragungsvorgängen aus dem physiologischen proprie-Bereich über die musiktheoretische Fachsprache in die SinnObjekt-Relation der Wahrnehmungslehre. Wenn die voraristotelische Datierung der pseudo-hippokratischen Schrift περί σαρκών zutrifft, gibt es vor Aristoteles - wiederum im Kontext der Wahrnehmungslehre, aber in der medizinischen Fachliteratur eine physiologische Ausgliederung der Stimme (Atemapparat) und Sprache (Artikulation). Dazu kommt eine terminologische Vorprägung, die Bezeichnung der artikulierten Sprache als διάλεξις/διαλέγεσθαι. Aristoteles bemüht sich erstmals explizit um eine Klärung der akustischen Begriffstrias. Der so bereinigte begriffliche Komplex verbleibt aber im naturwissenschaftlichen Kontext und wird nur punktuell mit anderen sprachbeschreibenden Bereichen verbunden. In der Stoa bleibt die terminologische Klärung durch Aristoteles grundsätzlich erhalten, aber der alte semantische Konflikt in der Bedeutungsstruktur des Zentralbegriffs φωνή wird durch den Anschluß an die platonisch-xenokratische Tradition in der Eingangsdefinition der Dialektik wiederhergestellt - mit weitreichenden Folgen für die von der Stoa abhängige Lehrtradition, namentlich für die Grammatik. Die aristotelische Begriffsreinigung wird in der Stoa erst wieder bei Diogenes v. Babylon stärker spürbar. Die bei Aristoteles dem biologischen und psychologischen Kontext verhaftete Schalldihärese erscheint - inhaltlich modifiziert - als eindeutig abgrenzbares Glied der Sprachbeschreibung erstmals zu Beginn der stoischen Dialektik. Hier wird sie im Rahmen des significans-Teiles der Dialektik mit den partes und virtutes et vitia orationis zu einer linguistischen Beschreibungseinheit verbunden, die in dieser Folge für die spätere grammatische Tradition verbindlich wurde. Der a-voce-Beginn und die damit verbundene Übertragung physikalischer und biologischer Theorien in die Dialektik steht aber bereits in der Tradition der xenokratischen Dialektik. Die stoische φωνή-Dihärese selbst dient mit der Begriffsreihe φωνήλεξις-λόγος der Beschreibung der Sprache als eines Doppelelementsystems von Lauten und Wörtern. Sie zeigt im Vergleich zur aristotelischen Dihärese Neuansätze und ist aus einem doppelten aus Aristoteles' Sprach268
theorie erschließbaren Motiv veranlaßt: aus dem Wunsch nach der Eingliederung des noch dihäretisch freien λόγος in die einleitende Begriffsreihe der Dialektik und aus dem Wunsch nach konsequenter Durchführung der bei Aristoteles erst im Keim angelegten Beschreibung der Sprache als eines semantischen und asemantischen Doppelelementsystems. Aus dem Dioklesfragment läßt sich dabei eine ältere, platonischxenokratische und eine jüngere, aristotelisch beeinflußte Begriffsreihe erschließen. Beide wurden wahrscheinlich von Diogenes v. Babylon am Beginn seiner περί φωνής τέχνη kontrastierend eingeführt. In der griechischen τέχνη γραμματική steht das Weiterleben des περί φωνής-Kapitels außer Zweifel, seine individuelle Gestaltung ist aber aus Überlieferungsmangel nur aus Spuren in der griechischen Fachliteratur und aus seiner Nachwirkung bei den römischen artes erschließbar. Es ergeben sich zwei Varianten, die in Verbindung mit einem im Prinzip gleichen, aber verschieden akzentuierten Sprachbeschreibungsplan, der Konstituentenreihe, auf zwei τέχνη-Typen zu Beginn der Grammatikgeschichte schließen lassen. Der erste alexandrinische Typ steht stärker in der Tradition des Diogenes v. Babylon, verwendet dessen φωνή-Definition und verbindet sie im Verlauf seiner Geschichte mit einer das stoische Vorbild vervollständigenden Vier-Spezies-Dihärese. In der Konstituentenreihe bleibt dieser Typ vom stoischen Doppelelementsystem beeinflußt. Der zweite „römische" Typ steht Diogenes v. Babylon erheblich ferner. Es wird eine andere, von Diogenes unabhängige Definition verwendet, die Vier-Spezies-Dihärese auf eine Zweigliederung reduziert und das stoische Doppelelementsystem konsequent in die Konstituentenreihe umgeformt. Dieser Typ ist also als Ganzes eine gravierende Umprägung des stoischen Modells, die aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Bearbeitung einer von Diogenes unabhängigen stoischen Vorlage resultiert. Ein Vergleich spricht für die Priorität des „römischen" vor dem alexandrinischen Typ. In der römischen ars grammatica ließen sich die Spuren des de-voceKapitels „römischer" Prägung bis in die Zeit des Lukrez zurückverfolgen. In seinem späteren, durch Überlieferungsmangel für uns undurchschaubaren Verlauf blieb der „römische" Typ verbindlich und führte schließlich zu den erhaltenen de-voce-Kapiteln der Donattradition, bis Priscian der lateinischen Grammatik aus seiner Rezeption griechischer Quellen auch den alexandrinischenTyp eingliederte. So sind die beiden Versionen von „de-voce" in der römischen ars grammatica die Folge einer zweisträngigen Entwicklung der frühen griechischen Grammatik. Wenn wir unseren Weg hier abbrechen, so bedeutet dies keinesfalls, daß wir damit auch das Ende der Geschichte des de-voce-Kapitels erreicht haben. Natürlich setzt sich die Lehrtradition fort, so, um wahllos 269
nur einige Beispiele herauszugreifen, bei Laktanz, Cassiodor und Isidor 2 , in karolingischer Zeit in der Grammatik des Clemens 3 und schließlich in einem Dialektiktraktat des zwölften Jahrhunderts, wo die alten stoischen Exempla wie durch den Nebel der Jahrhunderte verwischt erscheinen: vox sic dividitur: vox alia significativa alia non. vox significativa que profertur cum intentione significandi, ut nomen vel verbum ; non significativa que non, ut blictiri et sindalsus, littere omnes et sillabe 4
2 Vgl. Lactanz, de opificio Dei X 13ff, XI lOff, XV, Cassiodor, Institutiones II 2, Isidor, Origines III 20 (s. oben S. 47ff.). 3 Vgl. Clementis ars grammatica, primum ed. I. Tolkiehn, Philologus Supp. Vol. XX, Fase. III, Leipzig 1928, cap. XXII. 4 Vgl. G. Vescovo di Lucca, Summa dialectice artis, a cura di L. Pozzi, Padova 1975, Tractatus secundus 2.02. Über das weitere Schicksal der stoischen Exempla berichtet ein Aufsatz von M. L. Altieri Biagi, „Blittri" nel settecento, Lingua nostra 25 ( 1964) 37-41. „Blittri" ist demnach sogar in die italienische Umgangssprache mit der Bedeutung „Nichtigkeit" eingedrungen (37f).
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272
Stellenverzeichnis Die Abkürzungen entsprechen den Siglen des Lexikons der Alten Welt Aerius plac. 156: 77 IV 2 - 7 : 77 IV 8-12: 77 IV 9 - 2 0 : 77 IV 16: 6 6 , 6 8 , 8 0 IV 16,2ff.: 67 IV 19: 68 IV 19,4: 142,169 IV 20: 83 IV 20,1: 179,180 IV 20,2: 142, 169, 178, 179, 180 IV 21: 143 IV 21-23: 77 plac. (in DoxGr) 267-444: 77 406ab 15-31: 80 406,16-20: 66 406,21 ff.: 67 406,28-31: 80 f. 407ab 21-409a 22: 81 407ab 22-408a 1: 78 407ab 22-408a 8: 78,81 408ab 1-3: 78 408ab 3 - 8 : 78 408a 9-20: 79,81 409a 8-16: 82 409a 23-410,21: 83 409a 25-410,4: 83 409,25f.: 179 409,26 ff.: 180 410,5-21: 83 410,7,9: 83 bei Ps.-Galen, Historia Philosopha, in DoxGr 595-648: 77 SVF 1150: 143 II 387: 142, 178 II 425: 142 II 827: 143 II 836: 143 I 150, p. 41,5f.: 143 II 387, p. 128,3 ff.: 180 II 387, p. 128,6 ff.: 180
II 387, p. 128,8ff.: 180 II 836, p. 227,36ff.: 144 VS 59 A 106: 68 64 A 21: 68 Alexandras in de sensu (CAG III 1) 84,18: 168 126,19ff.: 179 in top. (CAG II 2) 45,3 ff.: 168 156,9 f.: 168 300,32 ff.: 178, 180 Alkmaion bei Aetius (in DoxGr) 406,21-24: 80 506,23-25: 67 bei Theophrast § 25 f. : 67 VS 24 A 5: 67 VS 24 A 6: 80 VS I 211,38f.: 67 Ammonios in an. pr. (CAG IV 6) 1,7 ff.: 197 3,20 ff.: 196 in de int. (CAG IV 5) 24,24ff.: 138 25.6 ff.: 188 30.7 ff.: 138, 168 30,12: 188 31,3 ff.: 138 31,3-18: 236 in Porph. eisag. (CAG IV 3) 58,19ff.: 138, 197 59,1: 195 SVF II 168: 154 Anaxagoras bei Aetius IV 19: 68 bei Aetius (DoxGr) 409,17-22: bei Theophrast § § 2 7 - 3 7 : 68 § 2 8 : 68
vs
433,6-11: 87 433,6,7: 88 433,11: 88 433,14f.: 88 434,3 f.: 90 434,4f.: 89 434,5: 88 434,9 f.: 89 434,12: 89 435,13: 89 435,17: 87
59 A 74: 82 59 A 92: 68 59 A 106: 6 8 , 8 2 59 A 21: 75 VS II 24,7-15: 82 II 24,14: 83 1128,4-6: 68 1128,9: 68 1128,13-15: 68 Anecdota Graeca II105 Bachmann:
235
Antipater SVF III Antipater 22:
154
Apollonios Dyskolos coni. (Gramm. Graec. II 1,1) 220,2 Schneider: 235 220,3ff. Schneider: 166 pron. 5,18f. Schneider: 227 synt. § 2 (Gramm. Graec. II 2): 239 2,3 Uhlig: 235 2,3 ff. Uhlig: 231,239 2,11 Uhlig: 239 34,9 Uhlig: 171 34,16ff. Uhlig: 171 35,2 ff. Uhlig: 171 273,9 ff. Uhlig: 171 274,7ff. Uhlig: 171 347,10ff. Uhlig: 171 424,Iff.Uhlig: 238 424,2-4 Uhlig: 238 fragm. I p. 1 Schneider: 234 fragm. II p. 1,25 ff. Schneider: 234 Archelaos VS 60 A 1: 97 VS 60 A 4: 97 VS II 45,8ff.: 97 VS II 45,12f.: 97 Archytas bei Porphyrios 56,5 ff. Düring: VS 47 Β 1: 86 VSI 425,15-25: 92 431,25 ff.: 87 431,36-435,14: 87 432,7: 87 432,10: 88
274
91
Aristoteles de an. II 2ff.: 60 II 5—III 2: 60, 122 II 6: 124, 167 II 6ff.: 60 II 6-8: 167 117-11: 122 II 8: 60, 117, 122, 127, 128, 142, 144, 149, 167, 176, 179, 181, 182, 184, 186,188, 204,211 U l i : 120,123,124 III 2: 120 de an. 418a 7ff.: 122 418a l l f f . : 123 418a 13: 124 418a 19 f.: 123 418a 21: 123 418a 24f.: 123 419b 6: 124 419b 7: 124 419b 9f.: 124 419b 10: 179 419b 13 ff.: 124 419b 20: 124 419b 2Iff.: 124 419b 34ff.: 124 419b 35: 142 420a 3f.: 124 420b 5f.: 124 420b 5-421a 6: 124 420b 6f.: 8 9 , 9 1 , 1 2 4 420b 7: 120 420b 8: 126 420b 9ff.: 182 420b 9-16: 125 420b 12: 125 420b 13f.: 125 420b 16 ff.: 125 420b 18: 126
4 2 0 b 19: 125 420b 19f.: 126 420b 20 ff.: 125 420b 22ff.: 125 420b 27ff.: 181 420b 2 7 - 2 9 : 125 420b 29ff.: 125, 182 420b 31ff.: 186 422b 27ff.: 120 422b 32ff.: 123 422b 33: 1 2 0 , 1 2 3 , 124 426a 27ff.: 120 cael. 290b 12ff.: 119 290b 23 ff.: 120 gen. an. V 7: 130 776b 17 ff - : 184 781a 24ff.: 120 786b 17ff.: 130 gen. corr. 314a 13: 120 hist. an. I 1: 122, 126 II 12: 128 IV 8 - 1 1 : 126 IV 9: 11, 117, 118, 122, 126, 128, 149, 204, 231, 253 1 X 4 0 : 119 488a 31 ff.: 1 2 2 , 1 2 6 501a 32: 120 504b I f f . : 128 535a 26ff.: 122, 126 535a 27ff.: 127 535a 2 7 - b 2: 11 535b 1: 127 535b 3ff.: 1 1 8 , 1 2 7 535b 12 ff. : 127 535b 14ff.: 127 535b 15: 127 535b 16 f f. : 128 535b 21: 128 535b 25f.: 128 535b 32 ff.: 128 536a 3f.: 128 536a 4ff.: 128 536a 13 ff.: 130 536a 20ff.: 128 536a 32ff.: 128 536b 1: 128 536b 2: 128 536b 4f.: 128 536b 8ff.: 128 536b l l f f . : 128 536b 14 ff.: 135
536b 19: 128, 135 544b 23ff.: 184 581b 6: 184 608a 17 ff.: 130 625b 9: 119 633a 12: 118 insomn. 4 5 8 b 4ff.: 124 de int 1 - 4 : 120, 122, 131, 132 16a 3ff.: 1 3 1 , 1 3 5 , 1 5 5 16a 3 - 8 : 11 16a 5: 120 16a 5 f f 1 3 5 16a 19: 120 16a 19 ff. : 131 16a 26ff.: 132, 134, 135 16a 27: 134 16a 27,28f.: 131 16a 28f.: 192 16a 28ff.: 1 3 0 , 1 3 4 , 2 0 5 16a 29: 149 16b 6 ff.: 131 16b 19-25: 131 16b 26ff.: 131 16b 31: 131 16b 33 ff.: 134 17a I f . : 131 metaph. 1066a 36: 120 1066b 10f.: 120 part. an. II 16: 127 II 17: 117, 127 III 1: 127 659b 27ff.: 127 659b 30ff.: 130 660a 3: 127 660a 6: 118 660a 14ff.: 127 660a 17ff.: 130 660a 22: 127 660a 27: 127 660a 29f.: 128 660a 31: 128 660a 32f.: 127 660a 35ff.: 130 661b 13ff.: 127 661b 15: 127 phys. 204a 4 , 1 2 , 17: 120 204a 16: 120 poet. 6: 132 19-22: 121, 131, 132 20: 120, 127, 135, 214, 219
275
20,22: 133 1450a 7ff.: 132 1456b 22 ff.: 133,135 1456b 23: 136 1456b 23 f.: 134 1456b 34: 133 1456b 34f.: 136 1456b 38 ff.: 133 1457a 10f.: 136 1457a 14: 136 1457a 23f.: 136 1457a 32ff.: 136 pol. 1253a 7ff.: 130,189 1253a lOff.: 130 probi. 875b 22: 98 895a 13: 130 sens. 437a 3 ff.: 135 SE 164a 20ff.: 121 165a 6ff.: 135 top. 107a 13 ff.: 120 fragm. 171 Rose: 209 bei Porphyrios 7,12 ff. Düring: 91 67,24ff. Düring: 90 VS 58 Β 35: 70,119 VS1461,4ff.: 70 Ps.-Aristoteles 801b 3,14: 98 979a lOff.: 93 980a 19ff.: 94 Aristoxenos Harmonika 3,5 Meibom: 106 fragm. 97 Wehrli: 198 bei Athenaios IV 80,182 F: 198 Ars Laureshamensis CChrL XL A 147,6 f.: 25 147,8ff.: 42 147,24ff.: 44 148,9ff.: 39 149,15ff.: 39 Artemidor IV 2 Reiff:
197
Asclepius in met. (CAG V I 2 ) 252,28: 196
276
Auctor ad Herennium IV 12,17: 245 Audax in GrLat VII 321,9ff.: 36,37 VII 3 2 1 , l l f . : 37 VII 321,16ff.: 38 VII 323,5-16: 32 VII 323,12: 169, 178 VII 323,13: 179 VII 323,14f.: 179 bei Gellius V 15,6: 178 V 15,7: 179 V 15,8: 179 Augustin de dialéctica, Kap. VI: 48 Enarratio in Psalmum CXXXIX (Migne Voi. 37, p. 1809): 49 serm. 238,3: 20 289,3: 20 S VF II 106: 178 Boethius Commentarli in librum Aristotelis de interpreta rione Vol. II p. 4,15ff. Meiser: 253 4,18ff. Meiser: 49 53,15-21 Meiser: 49 53,2Iff. Meiser: 50 de musica 13 (bei Wille, Musica Romana, Kap. XII (524ff.): 49 Cassiodor inGrLat VII 215,4f.: 40 inst. div. II 2: 270 SVFII 879, p. 236,17ff.: 144 Charisius (ed. Barwick, Leipzig 2 1964,4) :
16
Chrysipp Zweites Buch der Physika : 181 bei Diog. Laert. VII 62: 154 VII 65: 170 bei Gal. plac. Hipp. (CMG V 4,1,2) de Lacy: 143 130,24-132,2 de Lacy: 144, 145 170,9 f. de Lacy: 143 170,9-27 de Lacy: 143
170,10ff. de Lacy: 144 170,11 f. de Lacy: 144 S VF II 14: 154 56: 143 122: 154 193: 170 879: 143 879-911: 143 885: 143 894: 144 895: 144,148 903: 144 p. 6,17: 154,207 p. 6,20: 207 p. 23,9: 143 p. 45,10f.: 207 p. 245,18: 148 p. 250,32ff.: 144 Cicero ac. I 19: 253 fin. 3,21: 24 nat. deor. II 149: 144, 253 De orat. III 216: 253 rep. III 3: 256 top. 7,31: 24 Tuse. 1,57: 24 SVF190: 179 Cledonius in GrLatV 26,30-32:
42
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196
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219,6ff.: 41 219,13ff.: 25,41 219,14: 25 220,4 f.: 47 220,29 ff.: 42 220,37ff.: 42 220,39-221,2: 44 221,11 f.: 38 234,32ff.: 40 Cyrenaicorum Fragmenta Fragment 219 Mannebach:
178,180
Davidis in Porph. eisag. |CAG XVIII2] 83,31-84,11: 236 Demokrit bei Aetius (DoxGr| 408a 21-409,7: 81 408a 22: 82 408a 22f.: 82 409a 5-7: 82 bei Diodor 17: 99 18: 99 18,3-4: 99 bei Theophrast §§49-58: 69 § § 5 0 , 5 1 : 81 § 5 5 : 69,112 § 5 7 : 69 VS 68 A 33 ; X,XI: 112 A 126a: 71 A 127: 179 A 128: 81 A 135: 69 Β 5 : 99 Β 9: 75 Β 142: 71 VSII 91,14: 70, 112 112,36 ff.: 71 115,2: 82 115,4: 82 115,20: 71 116,9 ff.: 69 116,10-13: 69 116,13-15: 69 116,18-20: 70 116,26f.: 69 135,38ff.: 99
277
Diodor 17,8: 99 I 16,1: 100 Fragment 113 Döring:
197
Diogenes v. Apollonia bei Aerius IV 16: 68 bei Aerius (DoxGr) 406,25-27: 80 bei Theophrast§§ 39-45: VS 64 A 19: 68 64 A 21: 68,80 VS II 55,13f.: 69,80 55,24-28: 69
68
Diogenes Laertios II 16 f.: 97 III 80ff.: 102 III 107: 102 VII 38-160: 152 VII 41 f.: 154 VII 42: 159 VII 43: 153, 154, 155 VII 44: 157,192 VII 48: 152 VII 49: 156,189 VII 49-51: 153 VII 49-82: 152 VII 51: 155,183 VII 54: 152 VII 55: 53, 142, 150, 152, 154, 180, 181, 190, 245 VII 55-57: 141, 151, 152, 153, 154, 158, 161,162,163,210 VII 56: 100, 214, 222 VII 57: 100, 151 VII 60: 152 VII 61: 158 VII 62: 158 VII 63: 155,158 VII 64f.: 157 VII 71: 152 VII 84ff.: 186 VII 85: 186 VII 156 ff.: 142 VII 158: 142 X 52f.: 79,138 X 53f.: 79,81 X 75: 138 bei Gal. plac. Hipp. (CMG V 4,1,2) de Lacy 130,7-19: 144,145 130,8: 199 130,14: 199
278
316,18 Long: 157 318,13-15 Long: 187 320,2 ff.: 191 320,10ff.: 205 320.13-321,15: 162 320.14-16: 166 320,14-23: 166 320,16-19: 181 320,18f.: 183 320,19-23: 177 320,21: 178 321,1: 165 321,2: 184 321,2-5: 163 321,10-15: 163 321,11: 165 321,14: 206 321,16ff.: 163 321,21 ff.: 158 324,10f.: 158 SVF II48: 154 II140: 178 II741: 178 II828: 143 II867: 178 II872: 142 III 178: 185 III 178, p. 43,2: 186 III Diogenes 17: 152 18: 152 20: 152 29: 144 VS 60 A 1: 97 Diokles bei Diog. Laert. VII 49-51: 153 VII 51: 156 VII 55: 159, 178 VII 55-61: 157 VII 57-58: 200 VII 58: 158 VII 61: 158 VII 62: 158 bei Diog. Laert. 320,13f. Long: 193 320,14-321,9 Long: 204 320,17ff.: 176,199 320,23 ff.: 191,201,202,203 320,23-321,9: 192 320,23-321,15: 190,191 321,1 f.: 193,199,202
321,2 ff.: 193,200 321,2-5: 201 321,3: 191 321,5: 202 321,6ff.: 192, 193 321,7: 191 321.7-8: 192 321,8f.: 192,193 321,9: 192 321,10ff.: 190, 191, 201, 202 321,10-13: 193,200 321.10-15: 192,204 321,11 ff.: 193,199,203 321.11-13: 195, 199 321,12: 195 321,13-15: 200
SVF II 61: II 140:
156 178
Diomedes in GrLat I 297 ff.: 17 299.2 ff.: 17 300.3 ff.: 22,36 300,6-15: 19 300,6 ff.: 21 300,7ff.: 41 300,8: 22 300,16 ff.: 17 420,2 ff.: 17 420,8 ff.: 260 420.8-23: 18 420,9f.: 23,258 420.9-15: 21 420,2 Iff.: 22 426,32 ff.: 38 473,2 ff.: 17 473,5: 17 Dionys v. Halikarnass comp. II: 214 X-XIII: 214 XIV: 130, 213, 214, 222 XIV-XVI: 214 XV: 215 comp. p. 136,22ff. Rhys Roberts: 214 138,3f. Rhys Roberts: 215 150,15f. Rhys Roberts: 215
Dionysios Thrax in GrGraec I 1 § 1: 228 §§ 1-20: 224 § 2 : 226 § § 2 - 4 : 225 § 3 : 228 § 5 : 225 § 6 : 225,226,230 §§6-20: 224 in GrGraec 11 9,Iff. Uhlig: 214 9,5 f. Uhlig: 225,231 16,7 Uhlig: 228 22.4 Uhlig: 228 22.5 Uhlig: 200,228 46,4 Uhlig: 228 51,4f. Uhlig: 228 Donatus in GrLat IV 367,4-7: 29 367.4-372,23: 30 367.5-7: 15 367,9: 16,38 372,24-392,3: 30 392,4-402,34: 30 Dositheus in GrLat VII 376,5ff.: 35 377,Iff.: 35,38 377,3f.: 35 381,1-4: 15,34 Elias in Porph. eisag. (CAG XVIII 1) 35,18 ff.: 197 Empedokles bei Aetius 406, 16-20 Diels: bei Theophrast § § 7 - 2 4 : 65 § 9 : 65 § 1 9 : 67 § 2 1 : 66 VS 31 A 86: 65 A 93: 80 Β 2: 75 Β 39ff.: 75 VSI 302,10ff.: 65
80
279
304,21-23 : 67 304,36-39: 66 Epikur bei Aerius |DoxGr) 408a 9-20: 79, 81 bei Diog. Laert. X 52f.: 79,138 Etymologicum Gudianum ed. Sturz 670b 15-25: 236 Etymologicum Magnum S. 201,43: 198 Eustathios in Horn. II. Β 490 1398,12ff. Van der Valk: 180 398,15f. Van der Valk: 179,180 398,16 Van der Valk: 178 398,17f. Van der Valk: 180 398,18f. Van der Valk: 180 398,19 f. Van der Valk: 180 in Horn. Ii. Σ 506 (SVFI 74): 167 in Horn. Od. 1456 ( 1639,5 ff. ] : 208 in Horn. Od. μ 198 (II 7,36 f. Stallbaum): 166 1711,1 ff.: 208 Eustratios in de an. (CAG XXI 1| 96,23 ff.: 196 Explanationes in Donatum in GrLat IV 475,6ff.: 38f. 486,5 ff. 37 487,2 ff. 16,38 487,2-10: 37 487,3f.: 40 487,4-8: 42 487,9ff.: 37,38 519,14: 45 519,14-18: 42 519,19ff.: 39 525,24 ff.: 34 Festus s.v. tittibilicum:
196
Fragmenta Bobiensia in GrLat VII 538,6f.: 42 Fulgentius myth. 1,15 Helm:
280
40
Galen diff. puls. III 4 Kühn: 197 VII 348 Kühn: 197 VIII622 Kühn: 197 plac. Hipp. II 5 de Lacy: 144 III 1 de Lacy: 143 Plac. Hipp. (CMGV 4,1,2) 130,6 ff. de Lacy: 145 130,8 de Lacy: 193 130,20 ff. de Lacy: 148 132.5 ff.: 144 132,18f.: 145 132,20 ff.: 146 134,10 ff.: 146 138,30 ff.: 147 140,4f.: 147 170.6 f.: 143 170,28 ff.: 143 SVF II 144: 207,209 149: 197 384: 178 879-911: 143 884: 144 SVF II p. 44,14ff.: 207 44,19f.: 208 44,20: 208 44,24ff.: 207 Ps.-Galen Historia Philosopha Cap. 97: 77 100: 77,81,82 101: 77 Historia Philosopha, in DoxGr 595-648: 77 637,12ff.: 77 638,4f.: 77 638,11: 82 638,14ff.: 77 638,20: 83 Gellius Noct. Att. V 15: 33,81,178 V 15,3 179 V 15,6 169, 178 V 15,7 179 V 15,8 179 V 15,9 34
XVI8: 170 bei Audax (GrLat) VII 323,12: 178 323,13: 179 323,14 f.: 179 SVF II 141: 178 II 194: 170
11120,1: 48 11120,2: 47,48 XIII2: 38 Kleidemos bei Theophrast § 38: 68 V S 6 2 A 2 : 68
Glossarium Ansileubi Gloss. Lat. Vol. I VONr. 25: 49 VO Nr. 172: 49
Krates fragm. 52 Mette: 192, 222 fragm. 52a Mette: 218 fragm. 52b Mette: 218
Gorgias bei Piaton, Menon 76c 8 ff. : 93 V S 8 2 B 4 : 93 (Ps.-) Hippokrates περί σαρκών (in R. Joly, Hippocrate, Tome XIII) cap. 10-14: 116 cap. 15: 116 cap. 16: 116 cap.17: 116 cap. 18: 116,117,212 περί σαρκών p. 199 f. Joly: 116 199,24-27: 117,118 199,27: 118 200,1: 118 200,1-7: 117 200.7-16: 117 200.8-24: 118 200,17: 117 200,17-23: 117 200,23: 118 200,23 f.: 117
Lactanz opif. X 13 ff.: 270 XllOff.: 270 XV: 48
Hesych s.v. βλίτυρι (p. 1332 Latte):
198
Homer II. Β 489f.: 48 Β 490: 180 Σ 219: 48 Τ 407: 207 Od. ε 334: 209 κ 136: 209 λ 8: 209 μ 449: 209 Isidor diff. lib. I 594 (Migne 83): 49 orig. Ill 19: 47 III 20: 270
Lucilius Saturae, lib. 9: 245 Lukrez IV 216-378 Bailey: 253 379-521 Bailey: 254 524: 254 524-614: 254,257 525 ff.: 179 526: 255 527: 254 528: 255 531: 255 533: 255 537: 255 540: 255 541: 255 548: 255 549: 255 549-551: 255 549-562: 255 551: 255 551 (Bailey, sonst 549): 256 554f.: 255 555: 256 558 f.: 255 559: 255 560: 254 560-562: 255 561: 255 563: 255 567: 255 571: 255 572ff.: 255 574: 255
579: 255 584: 254 595 ff.: 255 595-614: 255 598: 255 611: 255 612-614: 255 614: 255 1027 ff.: 256
Col. I, Zeile 25-31: 232 Col.1, Zeile 32-37: 232 Pap. 2,103 Wouters: 229, 232 Pap. 8,1 Wouters: 232
Matron bei Athenaios IV 81,183 A:
198
Murethach CChrL XL 4,5 Iff.: 37 5,7 ff.: 42 5,11 f.: 41 5,19ff.: 25 6,3 Iff.: 44 7,9 ff.: 39 7,14ff.: 38 7,20ff.: 39
198
Philo SVF II 458: 185,186 II 844: 185 SVF II, p. 149,39ff.: 185 149,43 ff.: 186 229,16: 185 Philodem de rhetorica, Vol. 1150,lff. Sudhaus: 139
Origines Origines de principiis III, p. 108 Delarue = SVF II 988, p. 288,1 f.: 185
40,42
Papyri Pap. Lit. Lond. 184: 262 Col. I, Zeile 1-17 Wouters: 262 Col. I, Zeile 5 f. Wouters : 262 Col. I, Zeile 5-10 Wouters: 262 Col. I, Zeile 6-10 Wouters: 262 Col. I, Zeile 8 Wouters: 262 Col. I, Zeile lOf. Wouters: 263 Col. I, Zeile 10-12 Wouters: 262 Pap. Mich. 7.429: 262 Papyrus Osloensis II 13 Eitrem: 229 bei Wouters Col. I: 231 Col. I, Zeile 1-14: 233 Col. I, Zeile 4: 231,233 Col. I, Zeile 9f.: 232 Col. I, Zeile 15ff.: 231
282
63
Paroemiographi Graeci 1387,17ff. Leutsch-Schneidewin:
Olympiodor in cat. (CAG XII1] prol. 20,13ff.: 197 53,16 ff.: 197
Papias in GrLat VIII,CLXXXI:
Parmenides bei Theophrast §§ 3-4: VS 28 A 46: 63 Β 7,4: 63 Β 7,4 ff.: 75 Β 16: 63 VS 1226,13ff.: 63 234,4: 63
Philoponos in de an. II 8 |CAG XV) 375,9ff.: 138 = Suda IV 755,11 ff.: 138 in de an. II 8 (CAG XV) 379,9f.: 188 Piaton apol. 31d 3: 104 Charm. 167d 4: 107 168d 3f.: 107 168d 4: 107 168d 6: 107 epist. 321d 5: 104 353e 3: 105 Gorg. 474d 2ff.: 106 474d 3 f.: 107 474e 2-4: 109 474e 4: 106, 107, 109 516d 7: 104 Hipp. min. 374c 2: 104 Krat. 398d 3: 105 404c 2ff.: 209
409e 4: 105 410a 3: 105 423b 3 ff.: 105 423d 2: 108 423d 4 f.: 108 423e 3: 108 424c 5 ff.: 133 430a 4: 103 Kjitías 113a 6: 105 113b 1: 105 Lach. 192a 6: 104 192b 2: 104 leg. 642c 5: 105 653d 8: 104 653e 3: 104 654c 6: 104 654c 8: 104 664e 3ff.: 106 665a 1: 104 666d 3: 104 668a 6ff.: 102 669c 8: 104 669c 8ff.: 102 669d 1: 103 669d 6f.: 104 672e 6: 104 672e 9: 104 938a 7: 105 Lys. 204d 6: 104 Men. 76c 8ff.: 93 76d 4: 93,107 Phaid. 98b 7ff.: 111 98d 6ff.: 111 98d 7f.: 107,111 Phaidr. 259d 7: 104 Phil. 17b 2ff.: 104 18b 6 - c 6: 214 38e Iff.: 105 Prot. 310b 2: 104 315a 8: 104 316a 1: 104 320cff. (= VS 80 C 1): 97 321dff.: 97 322aff.: 97 322a (=VS II 270,4): 98,99 346d 8: 105
347c 3ff.: 106 356c 7: 107 rep. 396b 5ff.: 103 396b 6: 103 397a 4 - 7 : 103 397a 5: 103 413d 9: 103 454a 8: 103 476b 5: 106 480a 2: 106 493b 3: 104 507c 10: 107 531a 4: 112 531a 6: 106 531a 7: 112 617b 6 : 104 soph. 262a 7: 105 262d 9: 105 263e 3ff.: 105 263e 7f.: 78,146,203 Symp. 189a 4: 103 203a 3: 113 212d 3: 104 212c 7: 103 Theait. 146b 3: 113 156c 2: 107 163b 3: 105 163b 3 ff.: 154 183b 6: 113 184b 4-186a 1: 123 185a 8: 107 189e 6ff.: 105 191cff.: 147 192a 4: 147 192b 3: 147 203b 3,5: 103 206d Iff.: 105,146,203 206d 1 - 5 : 78 206d 3: 146, 147 208c 4f.: 78 Tim. 47c 4: 110,111 47c 4 ff.: 105 61c 3ff.: 109,123 62a, b: 61 65b 4ff.: 110,123 65b 6: 167 67a 7ff.: 73,109 67a 7 - b 5: 72
67b: 61,65 67b If.: 73 67b 2: 107,111 67b 2-4: 78 67b 2-5: 110 67b 3: 78,179 67b At.·. 81 67b 4-5: 78 67b 6ff.: 72,110 67b 6 - c 1: 110 67c 2f.: 110 75a: 62 80a 3 ff.: 72,110 Ps.-Platon 414d Iff.: 102
55,32-56,2: 91 56,5 ff.: 86,90 58,1: 91 Quaestiones Homericae 56,12 ff. Schräder: 208 in Cat. ( C A G I V 1)60,20: 168 bei Simplicius in Cat. (CAG VIII) 213,1 ff.: 24 213,14ff.: 168 bei Stobaios SVFII 830: 143
Plinius maior nat. hist. XI 266ff.: 253 X I 2 7 0 : 184 Plutarch mor. (Quaest. conv. VIII) 721 Dff.: (adv. Coloten) 1119 Fff.: 154 V 2,1 ed. J. Mau: 77 mus. 1131 D: 169,170,216 Pollux IV 58 ff.:
198
Pompeius in GrLat V 95,3 ff.: 36,37 96,6ff.: 37,38 9 6 , l l f . : 37 96,12ff.: 37 96,15ff.: 37 99,9 ff.: 45 99,11-18: 42 99,20ff.: 39 99,21: 39 Porphyrios abst. Ill 2: 183 Kommentar zu Ptolemaios 7,8ff. Düring: 91 7,8-12 Düring: 91 7,10: 91 7,12ff.: 91 7,22-24: 91 7,24ff.: 92 8,16: 91 8,18 ff.: 91,160 9,1-3: 91 55,27-32: 90
284
142
Priscian in GrLat II 3,5: 233 5,1: 25,235 5,1-6,5: 23 5,2: 25 5,2,2-5: 25 5,4: 25, 26, 172 5,5ff.: 26,40 5,5-6,4: 235 5,9 f f.: 26 5,15: 27 6,2ff.: 26 6,7: 22 6,10f.: 243 6,14ff.: 38 6,17ff.: 34 6,23: 38 53,8: 241,243 55,18: 25 56,28 ff.: 25 83,17ff.: 25 in GrLat III 108,11: 235 108,16: 241 108,17 ff.: 243 519,6ff.: 34 Probus in GrLat IV 47,2-14:
27,28
Proclus in Catylum 94,13 ff. Pasquali : Ptolemaios harm. 3,2f. Düring: Quintilian inst. VIII 6,35:
209
91
49
Remigius v. Auxerre in GrLat Supp. VIII,CXI,16ff.:
38
Rhetores Graeci II 683,2 f. Walz: 196 VII 1126,11 f. Walz: 196 Scholia in Aristophanem IV 3,1064,11 ff. ed. Koster: 198 Scholia in Dionysium Thracem in GrGraec 13 4,20-24: 225,233 4,20-29: 224 4,22f.: 213,225, 233,234 4,23: 225 4,24-29: 225 30,26-31,2: 225 31,6f.: 235 35,24f.: 231 45,33 f.: 235 124.7-14: 227 130.8-18: 236,237 130,15 ff.: 196, 197 160,24-161,8: 227 165,2-7: 225 165.2-15: 224 165,4: 225 165,6: 235 165,8-11: 225 165.11-15: 225 181.1 ff.: 235,238,240 181,1-3: 224,225 181.2 f.: 225 181,3: 225 181,4ff.: 177, 178 181,6: 180 181,9ff.: 180 181, lOff.: 236 181,18-27: 236 181,28-32: 48 186,5 ff.: 231 197,15ff.: 231 299,38-300,4: 225 310,24 ff.: 236 310,24-36: 236,237 316,24f.: 222 316,24-26: 220 316,24-27: 218,222 316,24-317,2: 218 316,29f.: 222 316,30f.: 223 316,31-317,2: 223 478.12-25: 236 482.3 f.: 225 482.3-5: 224,225
482,4: 235 482.4 ff.: 53 482.5 ff.: 166 482,7: 179 482,10ff.: 180 482,13: 178 482,14ff.: 180 482,18 ff.: 180 482,20ff.: 180 482,22 f.: 180 482,28 ff.: 180 483,1-4: 48 483,15 f.: 223 483,15-19: 219 483,17f.: 218 483,18: 222 Scholia in Iliadem IV 538,66ff. Erbse: 167 647,91 ff. Erbse: 208,209 647,94 Erbse: 167 Sedulius Scottus in Donatum (CChrL XL B) 3,19ff.: 39 3,22: 41 4,43ff.: 42 4,56: 40 5,82-95: 42 6,17ff.: 39 in Priscianum (CChrL XL C) 67,31 ff.: 41 67,54ff.: 41 68,78 ff.: 42 68,92 ff.: 41 69,25 ff.: 39 70,50: 39 Seneca epist. 89,17: 152 117,13: 154 de ira 13,7: 253 nat. II 6,3: 253 SVF II 332: 156 Servius in GrLat IV 405,4 ff.: 36 405,5ff.: 36 405,6ff.: 36 405-472: 47
285
in Aen. III 669: 4 6 , 4 7 VII 519: 47 S VF II 142: 178 Sextus Empiricus adv. math. 157: 228 191 ff.: 213 197ff.: 192 I 99 f.: 192,217,222 I 100: 193 1120: 217 1123: 217 1131: 217 1 155: 154, 155 1248f.: 229 1250: 228 1252f.: 229 VI39: 167,177 VI 53 ff.: 178 VI54: 178,179 VII 12: 154 VII 16: 154 VII 65-87: 93 VII 83-86: 96 VIII U f f . : 145,154,155,181 Vili 12: 155 Vili 70: 155 Vili 75: 155 Vili 80: 200 Vili 133: 196 Vili 134: 154, 157 Vili 264: 155 Vili 275: 183 Pyrrh. Hyp. II 84: 155 II104: 170 Cyrenaicorum fragm. 219 Mannebach: 178 SVFII 38, p. 15,21 f.: 154 56: 147 135, p. 43,20: 150,183 166: 145, 154 167: 200 223: 183 331: 156 Simplicius in de an. (CAG XI] 148,9ff.: 138 150,2: 188 in Cat. (CAG Vili) 10,20ff.: 207
286
10,23 ff.: 139 10,24: 207 12,31: 196 27,15ff.: 197 213,1 ff.: 24 213,20ff.: 178 in Phys. (CAG IX) 425,34 ff.: 166,168 ' 6 , l f . : 166 42t-,2ff.: 178, 180 Diodi >r frg. 113 Döring: 197 SVP III Diogenes 19: 166 Sta tius Theb.6, 801:
46
Stobaios eel. 156: 77 S VF III 169, p. 40,6: 40,9 ff.: 187
185
Stoicorum Veterum Fragmenta SVF 165: 156 174: 179 I 82, p. 23,21: 150 1143: 143 1149: 183 II54-59: 156 II 83: 24 II106: 24 II 138: 167 II139: 167 II 297, p. 96,17: 150 II790-800: 144 II823-833: 143 II827: 143 II828: 143 II830: 143 III 169ff.: 185 Straton frg. 114 Wehrli = Alexandros in de sensu (CAG III 1) 126,19ff.: 179 Suidas s.v. βλίτυρι: 198 s.v. λόγος: 195 s.v. σκινδαψός: 196, 198 s.v. φωνή (IV 755,llff.): 138
Syrianos in metaph. (CAG VI 1) 84,16: Terentianus Maurus in GrLat V I 3 6 4 , 1 3 0 0 ff.:
Varrò ling. Lat. VI 56: 182 IX 30: 143 Grammaticae Romanae Fragmenta pp. 183ff. Funaioli: 2 6 0 p. 205 f. Funaioli: 260 p. 264ff.: 260 p. 280,77f.: 261 p. 300: 261 p. 302,36: 261 Grammaticae Romanae Fragmenta Nr. 4 9 Funaioli: 260 233 ff. Funaioli: 260 2 3 3 - 2 3 7 : 261 234: 228 237: 261 238: 2 6 0 , 2 6 1 2 3 9 - 2 4 2 : 261 243: 261 265: 261 278: 261 281: 261 282: 2 2 8 , 2 6 1 Frg. Nr.
195
47
Ps.-Theodosius Alexandrinus 2,27 f. Goettling: 221 2 , 2 7 - 3 1 Goettling: 218 2 , 2 7 - 3 2 Goettling: 219, 222 202,14-203,6 Goettling: 236 Theophrast sens. § § 1 - 9 1 : 60 § 6 : 70 § 2 1 : 70 § 25f.: 67 § § 4 6 - 4 8 : 68 § 5 7 : 62 § 5 9 : 71 § § 5 9 - 9 1 : 71 § 6 0 : 73 § 85: 78 § 9 1 : 72 in DoxGr 497 ff.: 60 5 0 0 , 1 4 - 1 6 : 72 5 1 1 , 7 - 8 : 62 5 1 5 , 1 6 Í : 62 516,8f.: 72 5 2 5 , 1 7 - 1 9 : 72 5 2 7 , 3 - 6 : 72 bei Porphyrios
76 Goetz-Schoell: 261 83 Goetz-Schoell: 261 107ff. (p. 2.27ff.): 260 1 0 7 - 1 1 0 : 261 111: 2 6 0 , 2 6 1 112: 261 Frg. Nr. 42 Wilmanns: 260 p. 208 ff. Wilmanns: 260
61.22 ff. Düring: 7 4 , 9 0 62,25: 74 63, Iff.: 74 63,13: 74 bei Simplicius in Cat. (CAG 10.23 ff.: 139 Theopomp bei Athenaios IV 81,183 Β:
198
Timon bei Diog. Laert. VII 15: 196 = S VF I 22: 196 = Poet. Philos. Frag. Timon 38 Diels: 196 Tyrannion frg. 5 6 - 5 8 Haas:
229
VIII)
Velius Longus in GrLat VII 46, Iff.: 43 4 6 , 3 - 6 : 43 46,8-10: 43,57 46,10f.: 43 46, l l f f . : 43 4 6 . 1 4 - 4 7 : 43 4 7 . 1 5 - 1 7 : 43
Vergil Aen. III 556: 22, 45, 47, 48 III 6 6 6 - 6 8 : 45 III 669: 46 VII 519: 47 IX 503: 48 bei Isidor, orig. III 20,2: 48
287
Vescovo di Lucca Summa dialectice artis, a cura di L. Pozzi, Tractatus Secundus 2.02: 270 Marius Victorinus in GrLat VI 3,6 ff.: 30,36 4,12-5,3: 30 5,2 f.: 263 7,35ff.: 30 32,21-23: 45 de definitìonibus 12ff. Stangl: 24 24,12ff. Stangl: 24 33,9 ff.: 24 33,18ff.: 24 34,7f.: 24 Maximus Victorinus in GrLat VI 188,3ff.: 36,37 189,9-15: 32 = Audax (in GrLat) VII 321,9ff.: 36 Vitniv 1,1,9: 259
288
2,1,1: 256 5,3,1-2: 257 5,3,5: 257 5,3,6: 142,257,258,259 5,3,6-7: 257 5.5.1 259 5,5,3 259 5.8.2 259 6,1,8 259 9.8.3 259 9.8.4 259 Xenokrates Frg. 10 Heinze: 162, 203 Xenophon mem. 14,6: 99 14,llff.: 99 14,12: 99 Zenon bei Galen plac. Hipp. (CMG V 4,1,2) 130,2-5 de Lacy: 144, 145 SVFI148: 144 1299, p. 67,21: 151
Verzeichnis griechischer und römischer Begriffe άήρ 24,30,31,53,62,66,67,68,69,70,72,75, Χίνησις 60, 69, 72, 75, 97, 106, 123, 160, 161, 80,81,97, 111, 124,125,142,143,160,161, 176 162,163,166,167,169,170,172,173,176, λεχτόν 153,154,155,156,157,162f., 174,178, 177,179,180,186,204,205,209,211,216, 200 227, 243, 244 λεξις 34,99,100,103,121,132,133,134,136, αώθησις 60, 61, 63, 67, 69, 71, 72, 73, 77, 84, 139, 145, 151 f., 152, 153, 154, 157Í, 158, 159,161,162,163,164,165,166,174,190, 93, 94, 95, 96, 104, 107, 109, 111, 112f., 191,192,193,194,195,196,199,200,201, 115, 116, 123,124,153, 185 αισθητά 60,61,64,67,70,71,72,73,83,84,93, 202.203.204.205.206.207.208.210.211, 94, 96,104,109, 123, 124, 162f., 166, 167, 212,214,217,219,221,222,223,224,228, 168,169,170,173,174,175,177,180,181, 237, 239, 241, 242, 243, 263, 268 205, 207, 208, 216, 227, 243, 265 λόγος 34, 72, 78, 79, 85, 91, 95, 96, 98, 105, άχοή 24,30 f., 53,62,63,65,66,67,68,69, 70, 108,113,114,115,120,121,130,131,132, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 79, 80, 81, 82, 83, 133,134,136,137,145,146,147,148,149, 84, 86, 87, 88, 90, 93, 94, 96, 99, 104, 107, 150, 151, 153, 154, 155, 157f., 158, 161, 110, 111, 112,113,114,115,119,120,123, 162,163,164,165,166,171,172,174,177, 124, 142, 151, 162f., 166, 167, 168, 169, 178,182,183,184,186,187,188,189,190, 170,173,174,175,177,181,205,207,208, 191,193,194,195,196,198,199,200,201, 216, 227, 238, 243 f. 202.203.204.205.206.207.210.211.212, άναρθρος 35, 62,69, 75, 150, 237, 241 217,219,221,223,224,228,229,237,239, αύδή 207, 208, 209 241, 242, 243, 263, 267, 268 f. βλίτυρι 150,162f. 165,194,195,196,197,198, όνομα 98,99,113,114,115,120,131,132,133, 134, 135, 136, 162f., 171, 197, 198, 200, 199, 205, 206,237, 242,263, 270 207,227 γλωττα 99, 116f., 125, 127, 129 όρμή 162 f., 176,178,184,185, 186, 187,188, γράμμα 38,127,128,162f. 164,192,193,203, 189, 190 214,215, 225, 230 όσον έφ'έαυτψ έστιν 30, 31, 53, 169, 170, 171, διάλεχτος 12, 59,100,101,113,118,120,121, 122,125,126,127,128,129,130,137,149, 172,173, 174, 175, 216, 243 163, 164, 190, 191 f., 193, 194, 201, 202, πνεύμα 82, 89, 116 f., 117, 142, 144 207,208,210,211,212 ρήμα 131, 132, 133, 134, 136, 171, 172, 200, διάλεξις 116, 117, 118,268 207, 227 διάνοια 145, 146, 147, 148, 151, 156, 162f., σκινδαψός 195, 196, 197, 198, 199, 204, 237, 176,178,184,185,186,187,188,189,190, 270 199, 202, 203,204, 211 στοιχεϊον 34, 38, 127, 132, 133, 134,135, 136, διάρθρωσις 62,98,99,100,127,128,129,150 153,154,162,163,164,177,192,193,200, εγγράμματος 162f., 165, 191, 192, 193, 194, 206, 207, 214f., 215, 217, 218, 219, 220, 202,203,204,211,217,219,221,222,223, 221,222,223,224,225,226,227,228,230, 232, 233, 236, 237, 238, 239, 240, 241 231, 232, 234, 235, 239, 241, 242, 252 έναρθρος 30f., 32, 55, 78, 145, 148, 149, 150, συλλαβή 34,133,217,219,221,222,223,224, 151, 162f., 165, 183, 184, 190, 191, 192, 227 f., 232, 234, 239, 241, 242 193,194,197,199,202,203,205,211,215, σύμβολα 100, 101, 132, 134, 135 217, 232, 233, 236, 237, 238f., 240, 241, σώμα 83,107,116f., 144,155,156, 162f., 177, 242,263 178, 179, 180, 181 ερμηνεία 100, 101, 120,125, 126 τέχνη 34,35,98,133,150,152,158,162f., 164, ήχος 60,62,66,67,69, 74, 75,76, 79,80f., 83, 166,170,176,177,181,188,190,192,194, 88, 89, 92, 106, 114, 115, 151, 162f., 190, 199,201,202,203,212,213,223,224,225, 191, 205, 237, 238 226,227,228,229,230,231,232,233,234,
289
239,242,244,245,246,247,248,249,250, 251, 252, 253, 265, 269 φαντασία 183, 185,186, 187, 188, 189 φθόγγος 67 f., 72,74,75,88,89,95,103,116f., 117, 118, 127,128, 146, 160,219 φωνή 12,14,24,30,48,53,59 f., 62-68,70-93, 96-115, 117-122, 124-138, 142-158, 160-246, 249, 250, 252, 254, 262f., 264-269 ψόφος 12, 59, 60, 62, 63, 66-76, 78, 79, 80, 82 f., 84, 85 f., 86-96, 98, 102 f., 103 f., 107, 109, 113, 114, 115, 116f., 118, 119-132, 134,137,149,151,167,168,176,180,181f., 188, 205, 208, 214, 237, 267 ψυχή 77, 125, 142, 143, 144, 145, 155, 178, 182,185, 186,189 aer 15,18,21,23,24,26,28,30,33,40,41,45, 48,49, 52, 53, 258, 259 ars 11,13,14-17,22,27,30,32,34-37,40,43, 44, 45, 48-51, 53, 57f., 59, 132, 138, 161, 213, 217, 218, 219, 222, 223f., 224, 226, 229, 240-253, 255-266, 269 auditus 15,18,22,23,24,25 f., 28,30f., 33,40, 41,42, 52, 53, 258, 259 aura 18, 258 crepitus 23, 26 f., 57 definitio 17, 23, 24, 25, 30, 36, 37,39, 41 dictio 16,17,30 f., 32,34,38,39,40,241,242, 243, 262, 263 distinctio 18, 19, 34, 35 elementum 30f., 32, 36,37, 38, 263 eloquium 18, 19, 20, 21 hinnitus 18, 19, 28, 29, 30,31, 32,33 lectio 16, 34, 35 lingua 104 littera 15-18, 22, 23, 27f., 30, 31, 32, 34, 36, 37,38,39,40,43,47,51,52,132,161,241, 242, 243, 261, 270 mugitus 18, 19, 23, 27, 28, 29,33, 42, 45 notio 23, 24
290
officia vocis 18-22, 29, 32 oratio 16, 17, 19, 22, 30f., 32, 34, 36, 38-40, 51, 132, 146, 147, 161,184, 186, 241, 242, 262, 263 partes orationis 16,17, 22, 27, 30,31,34,36, 37,38,43,132,138,160,206,210,242,262, 263, 268 quantum in ipso est 15,18,23,24,25,26,28, 30,31,33,40,42,52,53,170,172,258,265 sensus 23, 25, 40,42, 60, 61, 74, 75, 77 sermo 104, 255 sibilus 23, 26 f., 28, 30,32 sonitus 46, 47,48, 255, 259 sonus 18, 20, 21, 22, 27, 28, 29, 30, 33, 41, 43-52, 54, 59, 67, 76,104, 255 spiritus 18, 21 f., 48, 52, 258, 259 strepitus 28,45,49 substantia 23, 24, 25, 41 syllaba 16,17,27,30,34,38,39,40,241,242, 270 tinnitus 18,19, 20, 21, 28, 29 verbum 20,30f., 31, 39,40, 48, 255,270 virtutes et vitia orationis 16, 30, 35, 38, 132, 160,210,224,226,245,246,247,249,268 vox 12-59, 67, 76, 102, 104, 122, 132, 139, 141,143,144,150,159-162,164-166,169, 184,194-197,201,202,204,205,209,210, 212-214,223-228,232,233,235-237,239, 242, 244, 245, 249, 250, 251, 253-270 vox articulata 15, 16, 18-20, 22, 23, 26-29, 30-33,38-40,42,44,50,51,55,57,59,117, 118, 138, 189, 194, 195, 201, 202, 210, 240-243, 255, 256, 261, 264 vox confusa 15,16,18-20,28, 29, 30-33,35, 40,42,44,45,50,55,57,100,240-242,255, 256, 261, 264 vox ¡Iliterata 23, 26, 27, 44, 57 vox inarticulata 23, 26, 27,44, 57 vox literata 23, 26, 27,38,44, 57,194, 202 vox modulata 18, 19, 20, 21, 29
Albrecht Dihle Die Vorstellung vom Willen in der Antike (Sammlung Vandenhoeck). 1985. 178 Seiten, Paperback Anders als alle modernen europäischen Sprachen hat das Altgriechische nicht die Möglichkeit, den Willen des Menschen unabhängig von seiner Entstehung in rationalen oder irrationalen Schichten der Seele auszudrücken. Dieses Buch versucht zunächst zu zeigen, wie die Vorstellungen vom Handeln des Menschen aussehen, die diesem Sprachgebrauch entsprachen, und wie diese Vorstellungen in der griechischen Philosophie auf den Begriff gebracht wurden. Sodann geht es um die Frage, wie der neuere Willensbegriff in der frühchristlichen Theologie gebildet werden konnte.
Thrasybulos G.Georgiades Nennen und Erklingen Die Zeit als Logos. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Irmgard Bengen. Mit einem Geleitwort von Hans-Georg Gadamer. (Sammlung Vandenhoeck). 1985. 303 Seiten, Paperback Denkerisch, doch immer von der Anschauung her, erarbeitet der Autor im Nennakt den Wort-Logos, im Tonphänomen den Zahlen-Logos als Zeit-Phänomene entgegengesetzter Art. Die besonders am griechischen Nomos-Begriff aufgezeigte Eigenart der Musik, anders als die anderen Künste nur als Tun existent zu sein, wird zum methodischen Vorbild für eine heute mögliche Form schöpferischen Tätigseins, das sich den - nicht nur musikalischen Werken der Geschichte stellt. Von der altgriechischen Musikë wird ein Bogen gespannt bis zu der die deutsche Sprache seit Luther und H.Schütz voraussetzenden Nennakt-Struktur der Wiener klassischen Musik.
Vandenhoeck & Ruprecht • Göttingen und Zürich
Bruno Snell Die Entdeckung des Geistes Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen. 5., durchgesehene Auflage 1980. 334 Seiten, kartoniert
Bruno Snell Gesammelte Schriften 1966. 230 Seiten, kartoniert
Bruno Snell Der Weg zum Denken und zur Wahrheit Studien zur frühgriechischen Sprache. (Hypomnemata, Heft 57). 1978. 127 Seiten, kartoniert
Karl Reinhardt Vermächtnis der Antike Gesammelte Essays zur Philosophie und Geschichtsschreibung. Herausgegeben von Carl Becker. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage 1966. 479 Seiten, 1 Seite Kunstdruck, Leinen
Jürgen Sprute Die Enthymemtheorie der aristotelischen Rhetorik (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-Hist. Kl. III/124). 1982. 209 Seiten, kartoniert
Thorleif Boman Das hebräische Denken im Vergleich mit dem griechischen 7. Auflage 1983. IV, 240 Seiten, kartoniert
Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen und Zürich