Kybernetik zur Steuerung ökonomischer Prozesse: Grundlagen und Anwendungen [Reprint 2021 ed.] 9783112546345, 9783112546338


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German Pages 238 [241] Year 1978

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Kybernetik zur Steuerung ökonomischer Prozesse: Grundlagen und Anwendungen [Reprint 2021 ed.]
 9783112546345, 9783112546338

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D. I. G O L E N K O • H.-O. L A U E N R O T H , H. S C H U L T Z E und G. S C H U L Z E

K Y B E R N E T I K ZUR S T E U E R U N G ÖKONOMISCHER G R U N D L A G E N UND A N W E N D U N G E N

PROZESSE

ELEKTRONISCHES RECHNEN UND Herausgegeben

REGELN

von

Prof. Dr. HANS FRÜHAUF • Prof. Dr. WILHELM KÄMMERER Prof. Dr. KURT SCHRÖDER • Prof. Dr. HELMUT T H I E L E Prof. Dr. HORST VÖLZ

Band 12

K Y B E R N E T I K ZUR S T E U E R U N G ÖKONOMISCHER PROZESSE Grundlagen und Anwendungen von

Prof. Dr. D. I. GOLENKO

• Prof. Dr. H.-G. LAUENROTH

Dr. H. SCHULTZE und Prof. Dr. G. SCHULZE

A K A D E M I E - V E R L A G • B E R L I N 19 7 7

KYBERNETIK ZUR STEUERUNG ÖKONOMISCHER PROZESSE Grundlagen und Anwendungen Prof. Dr. D. I. G O L E N K O , Moskau, Prof. Dr. H.-G. L A U E N R O T H , Halle, Dr. H. S C H U L T Z E , Berlin, Prof. Dr. G. S C H U L Z E , Rostock

Mit 89 Abbildungen

und 40

AKADEMIE-VERLAG 19 7 7

Tabellen



BERLIN

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1977 Lizenznummer: 202 • 100/410/77 Gesamtherstellung: V E B Druckerei „ T h o m a s Müntzer", 582 Bad Langensalza Bestellnummer: 7620899 (6253) • LSV 0395 Printed in G D R DDR 35,- M

VORWORT

Die Rationalisierung der Leitung und Organisation ökonomischer Prozesse im betrieblichen, zweiglichen und volkswirtschaftlichen Maßstab ist untrennbar mit der Nutzung von Modellen und Methoden der ökonomischen Kybernetik, der Operationsforschung und der elektronischen Datenverarbeitung verbunden. In den vergangenen Jahren hat sich durch die immer enger und fruchtbarer werdenden TheoriePraxis-Relationen auf dem Gebiet der kybernetischen Modellierung eine Reihe verallgemeinerungsfähiger Erfahrungen und Erkenntnisse ergeben, die sich sowohl auf die Herausbildung und Festigung theoretischer und methodologischer Grundlagen als auch auf die Lösung relevanter Problemstellungen der Steuerung realer Prozesse in der sozialistischen Ökonomie beziehen. Diese Entwicklung vollzog sich insbesondere in der UdSSR durch die umfassende Konzipierung und Realisierung Automatisierter Leitungssysteme ASU (ACY: ABTOM a T H 3 l i p O B a H H a f l CHCTeMa Y n p a B J i e H H H ) in schnellem Tempo. Die bisher vorliegenden Resultate der praktischen Arbeiten einiger tausend Automatisierter Leitungssysteme in sowjetischen Betrieben, Kombinaten und Industriezweigen haben zu einer beträchtlichen Steigerung der Produktion und der Arbeitsproduktivität, zu einer Verringerung der Materialbestände und des Umfangs der unvollendeten Produktion sowie zur Verkürzung des Produktionszyklus und damit insgesamt zu einer Erhöhung der Effektivität der wirtschaftlichen Tätigkeit geführt. Aus diesem Grunde sind das Studium und die Nutzung dieser Erfahrungen für die weitere Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR von immer größerem Interesse. Die vorliegende Publikation stellt das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit von Autoren des Ökonomisch-Statistischen Instituts Moskau, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Humboldt-Universität zu Berlin und der WilhelmPieck-Universität Rostock dar. Sie geht zunächst von einer kurzgefaßten Übersichtsdarstellung von Zielstellung und Grundbegriffen kybernetischer Modelle in der Ökonomie einschließlich der Methodik der kybernetischen Analyse und Synthese aus und behandelt auf dieser Basis die wesentlichen Merkmale Großer Systeme als Modelle ökonomischer Prozesse. Daran schließen sich die Untersuchung und die Modellierung von Steuersystemen und die Simulation von Steuerprozessen im Maschinenbau, in der Grundstoffindustrie und in der Hafenwirtschaft an. Ausgangspunkt dieser anwendungsorientierten Arbeiten ist dabei die Lösung der ökonomischen Aufgabenstellungen — die Erhöhung der Stabilität, der Zuverlässigkeit und der Effektivität ökonomischer Prozesse durch die Modellierung und Simulation ihrer Struktur, ihrer gegenwärtigen und möglichen künftigen Funktions- und Verhaltensweisen. Dabei wird deutlich, daß die Komplexität und Kompliziertheit

VI

Vorwort

realer Prozesse eine zunehmende Integration von ökonomischer Kybernetik, Operationsforschung und elektronischer Datenverarbeitung einerseits untereinander und andererseits in ihrer Gesamtheit in die ökonomischen Fachdisziplinen erfordert, um die zu erreichenden Zielfunktionen und die zu steuernden Parameter exakt und in den entsprechenden Zusammenhängen qualitativ erfassen, quantitativ bewerten und berechenbar gestalten zu können. Daraus wiederum ergibt sich eine Reihe neuer Aufgabenstellungen für die kybernetische Forschung, die sich auf solche Probleme wie die Hierarchie der Steuerung, die Entwicklung optimierender, adaptiver Steueralgorithmen, die weitere Herausbildung der ökonomischen Semiotik oder die Schaffung eines in sich abgestimmten, numerisch erfaßbaren Systems von Kenngrößen zur Messung und Bewertung des Wirkungsgrades der Steuerung ökonomischer Prozesse bezieht. Neben der Behandlung und Darstellung der Nutzung kybernetischer Methoden und Modelle für die Rationalisierung der Steuerung ökonomischer Prozesse sind daher auch weiterführende Anregungen aufgenommen worden, die der Diskussion über die Entwicklung der kybernetischen Grundlagen dienen sollen. Es ist den Verfassern ein Bedürfnis, ihren Kollegen und Mitarbeitern, insbesondere S. S. KESLER,

S . E . LIFSCHIZ,

1 . 1 . SCHUSCHTAKASCHWILI,

B. B E R T E N und S . fördernde Diskussionen herzlich zu danken.

H . G E R N E R T , W . KÖLZOW,

JOSEPH

T H . LANGE,

A . SCHMIDT,

für die aktive Mitarbeit und für

Moskau—Halle—Berlin—Rostock, Dezember 1975 D . I . GOLENKO H . - G . LAUENROTH H . SCHULTZE G . SCHULZE

INHALTSVERZEICHNIS

1.

Inhalt und Methodik der kybernetischen Analyse und Synthese ökonomischer Prozesse

1

1.1.

Zielstellung kybernetischer Modelle

1

1.2. 1.2.1. 1.2.1.1. 1.2.1.2. 1.2.1.3. 1.2.2. 1.2.2.1. 1.2.2.2. 1.2.2.3. 1.2.3. 1.2.3.1. 1.2.3.2. 1.2.3.3. 1.2.4. 1.2.4.1. 1.2.4.2. 1.2.4.3.

Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik Das kybernetische System Die Klasse der kybernetischen Systeme Beschreibung kybernetischer Systeme Eigenschaften kybernetischer Systeme Informationsprozesse Gesellschaft und Information Der Informationsbegriff Informationsbewertung Steuerung ökonomischer Prozesse Steuerprozeß und Steuersystem Hierarchie der Steuerung Entwicklungsstufen der Steuerung Algorithmierung ökonomischer Steuerprozesse Kennzeichen und Modellierung von Steueralgorithmen Verallgemeinerter Algorithmus zur Steuerung ökonomischer Prozesse Klassifizierung ökonomischer Steueralgorithmen

5 5 5 6 15 17 17 20 23 28 28 31 33 37 37 41 44

1.3. 1.3.1. 1.3.2.

Methodik kybernetischer Analyse und Synthese Zielstellung und Voraussetzungen Makro-Mikro-Methode

46 46 47

2.

Große Systeme als Modelle ökonomischer Prozesse

57

2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.1.3. 2.1.4. 2.1.5. 2.1.6.

Charakteristik Großer Systeme Menschliche Tätigkeit im modellierten Bereich der Wirklichkeit Transformation von Stoff, Energie und Information Komplexität und Kompliziertheit Prozeßstochastik Störungsüberwindung durch MultiStabilität Systementwicklung einschließlich der Fähigkeit adaptiven Verhaltens

57 57 60 63 68 74 76

2.2.

Mathematische Methoden bei der Analyse und Synthese Großer Systeme

80

3.

Modelle zur Steuerung ökonomischer Prozesse

82

3.1. 3.1.1. 3.1.2. 3.1.3.

Steuerung von Montageprozessen im Fahrzeugbau Aufgabenstellung der algorithmischen Modellierung von Steuerprozessen Analyse des gesteuerten Produktionsprozesses Algorithmierung der Steuerprozesse

82 82 86 93

VIII

Inhaltsverzeichnis

3.1.3.1. Makro-Algorithmus 93 3.1.3.2. Mikro-Algorithmus 101 3.1.4. Ausbau des Algorithmensystems im Zusammenhang mit der Entwicklung automatisierter Leitungssysteme (ASU) 111 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.2.1. 3.2.2.2. 3.2.2.3.

Steuerung von Produktionsprozessen in der Grundstoffindustrie 116 Aufgaben der Steuerung von diskret-kontinuierlichen Produktionsprozessen . . . . 1 1 6 Zur Modellierung des Komplexes Martinofen-Walzstraße 118 Der Komplex Martinofen-Walzstraße 118 Forderungen an Algorithmen f ü r Bedienungssysteme 119 Die S t r u k t u r des Bedienungsmodells f ü r das Steuersystem des Komplexes Martinofen-Walzstraße 126

3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.3.2.1. 3.3.2.2. 3.3.3.

Steuerung hafenbetrieblicher Prozesse Notwendigkeit der quantitativen Beschreibung des Hafenbetriebes Modellierung hafenbetrieblicher Prozesse Einige typische Charakteristika des Seehafenumschlages Hafenumschlagsplätze als zweiphasige Bedienungssysteme Operative Steuerung hafenbetrieblicher Prozesse

127 127 129 129 137 149

4.

Prozeß-Simulation für Steueraufgaben

157

4.1. 4.1.1. 4.1.2. 4.1.3.

Simulation der Steuerung von Produktions- u n d Lagerkapazitäten im Kraftfahrzeugbau 157 Steuerung mit experimenteller Prozeßsimulation 157 Charakteristik des Simulationsverfahrens 162 Aufbau und Ergebnisse des Simulationsmodells 167

4.2. 4.2.1. 4.2.2. 4.2.2.1. 4.2.2.2. 4.2.2.3. 4.2.3.

Ein betriebliches Simulationsmodell f ü r das Entscheidungstraining Aufgaben u n d Bedeutung betrieblicher Simulationsmodelle Das betriebliche Simulationsmodell B E S 1 Ablauf der Simulation Simulationsanleitung u n d Systemzustand Entscheidungsliste und Entscheidungsfindung A u f b a u u n d rechentechnische Realisierung des betrieblichen Simulationsmodells.

4.3.

Entwicklung von stochastischen Netzmodellen zur Steuerung und Optimierung von Prozessen Übersicht über vorhandene stochastische Netzmodelle Grundbegriffe und Verfahren zur Lösuug von Entscheidungsaufgaben durch stochastische Netze Planung und Steuerung mit alternativen Netzmodellen

4.3.1. 4.3.2. 4.3.3.

Sachwortverzeichnis

177 177 179 179 180 186 . 191 193 193 209 214 223

1. I N H A L T U N D M E T H O D I K DER KYBERNETISCHEN ANALYSE UND SYNTHESE ÖKONOMISCHER PROZESSE

1.1. Zielstellung kybernetischer Modelle Zum Zwecke der Befriedigung ihrer Bedürfnisse führt die menschliche Gesellschaft eine ständige Auseinandersetzung mit der Natur. In diesem Rahmen wirkt der Mensch mit Hilfe von Arbeitsmitteln auf einen Arbeitsgegenstand ein, verändert diesen, schafft dadurch ein neues Produkt und entwickelt sich in diesem Arbeitsprozeß selbst. Die zur Erkenntnisgewinnung notwendige modellhafte Darstellung eines beliebigen ökonomischen Prozesses, sei es in der Form des Arbeitsprozesses oder des zugehörenden Wertbildungsprozesses, schließt demnach immer die Tätigkeit des Menschen oder ihre Ergebnisse ein. Der Bereich der gesellschaftlichen Produktion einschließlich der Verteilung der materiellen Güter auf den verschiedenen Stufen der menschlichen Gesellschaft wird von den ökonomischen Wissenschaften analysiert und erforscht. Es werden Gesetze und Gesetzmäßigkeiten als Anleitung zum Handeln formuliert. Dabei bedienen sich die ökonomischen Wissenschaften der Methoden, Verfahren und Denkweisen von Disziplinen abstrakteren Charakters, zu denen die Kybernetik gehört. Kybernetische Modelle bilden in der sozialistischen Ökonomie Instrumente zur wissenschaftlichen Durchdringung und Rationalisierung von Prozessen der Leitung und Planung in Betrieben, Kombinaten, Industrie- und Volkswirtschaftszweigen. In Verbindung mit Optimierungsverfahren der Operationsforschung und der Technik der elektronischen Datenverarbeitung stellen die Ausarbeitung und Realisierung von Methoden und Modellen der ökonomischen Kybernetik wesentliche Voraussetzungen für die weitere Erhöhung der Effektivität der Volkswirtschaft dar. Dies wird im Zusammenhang mit der langfristig orientierten Konzipierung und Einführung automatisierter Leitungssysteme in der UdSSR besonders deutlich. Im Mittelpunkt der kybernetischen Analyse und Synthese ökonomischer Prozesse steht die Aufdeckung der Gesetzmäßigkeiten ihrer Steuerung als der zielgerichteten Beeinflussung zur Erfüllung einer definierten Aufgabenstellung und damit zur Sicherung ihrer Stabilität. Bei den notwendigen Untersuchungen entstehen Modelle spezifischen Inhalts und spezifischer Form als Abbildung realer oder möglicher ökonomischer Erscheinungen. Dies wiederum setzt einen spezifischen Abstraktionsproz;eß voraus — eine Betrachtungsweise, die bereits von K . MARX mit der Bemerkung charakterisiert wurde, wonach bei der Analyse der ökonomischen Formen weder das Mikroskop noch chemische Reagentien dienen können und die Abstraktionskraft beide ersetzen müsse [1.1]. Kennzeichnend für den Abstraktionsprozeß der Kybernetik ist die Betrachtung von Steuerprozessen als Prozesse der Gewinnung, Verarbeitung, Speicherung und Übertragung (Transport) von Information. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, Prozesse

2

1. Inhalt und Methodik

der Steuerung in Objekten unterschiedlichster Beschaffenheit — biologischer, technischer, soziologischer und auch ökonomischer Natur — nach gleichen oder ähnlichen allgemeinen Prinzipien und Methoden zu untersuchen und anhand der Auswertung der gewonnenen Resultate zielgerichtet zu beeinflussen. Das Abbilden eines Objektes in einem Modell, welches durch den Menschen vorgenommen wird, bezeichnet man als Modellierung, die dazu verwendete Methode als Modellmethode. Damit wird der Modellierungsprozeß durch die dreistellige Relation B={S1>Bt,Ba)

(1.1)

mit -^i = {-fyx, o)> -fyo.x)} > (l- 2 ) -^2 = {-ß(N,M). > (1-3) -^3 = {-ß(0,M)> -R(JI, O)} (1-4) beschreibbar. Ausgangspunkt ist ein abzubildendes Objekt — ein Original 0 . Für Untersuchungen in der Wirtschaft ist es ein definierter ökonomischer Bereich, z. B. ein betrieblicher Produktionsprozeß, dessen Gesetzmäßigkeiten der Steuerung durch ein Subjekt N, einen Menschen oder eine Gruppe von Menschen analysiert und in einem Modell M fixiert werden sollen. Daraus ergeben sich die in Abb. 1.1 dargestellten

Die Relation R 0 ) beinhaltet den Prozeß der Beobachtung und Untersuchung des betrieblichen Produktionsbereiches in seiner Komplexität. Das bedeutet, daß seine Stellung im Rahmen des Betriebes als Teil des gesamten Reproduktionsprozesses durch Ermittlung der relevanten externen Beziehungen (Beziehungen zur Umwelt) sowie der internen Beziehungen analysiert und dargestellt wird. Daraus ergibt sich die Relation J?(0j die die Gewinnung qualitativer und quantitativer Aussagen durch entsprechende Daten über die untersuchten ökonomischen Entscheidungen beinhaltet. Ist ein Minimum derartiger verwendbarer Daten vorhanden, erfolgt durch -R^m) die Entwicklung des Modells. Die Modellentwicklung ist aus drei Gründen ein stufenweise ablaufender Prozeß: Zunächst wird die Modellierung durch ständige weitere Analyse und Datengewinnung schrittweise von der Seite des Modellaufbaus vervollkommnet. Dazu gehört beispielsweise der Übergang von einer Erfassung der Prozeßergebnisse in Form einer Größe,

1.1. Zielstellung kybernetischer Modelle

3

etwa der Höhe des gesamten Produktionsausstoßes, zur Spezifizierung des Sortiments, der Kosten und der Qualität der Produktion oder die tiefgehende Ermittlung von Zustandsparametern des Produktionsprozesses als technisch-ökonomische Kennziffer der Kapazitätsauslastung, des Verschleißgrades der Maschinen und Anlagen, der Materialökonomie und der Verwendung des Arbeitszeitfonds. Weiterhin ergibt sich aus der Logik des Modellaufbaus durch die Relation i? (M X ) eine Reihe von Fragestellungen, die durch zusätzliche Daten beantwortet werden müssen und damit die Relationen _R(X 0 ) und erneut auslösen. In einer folgenden Etappe der Modellentwicklung werden darüber hinaus durch R ^ M) bereits erste neue Erkenntnisse über O an N übermittelt, die in dieser Form aus O direkt nicht ableitbar sind. Schließlich aber — und damit wird der Inhalt der Relation iZ3 deutlich — ist die Analogie (Ähnlichkeit) M ~ 0 (1.5) ebenfalls nur stufenweise realisierbar. Da der Grad der Analogie von Modell und realem Objekt sowohl von dem Umfang und der Tiefe der zu gewinnenden Erkenntnisse, d. h. der Zielstellung der Modellierung, als auch vom Aufwand für die Erfassung der Daten und ihrer Verknüpfung abhängt, ist in den meisten Fällen ein schrittweises Vorgehen angebracht. Infolge der Komplexität und der Kompliziertheit ökonomischer Prozesse werden die erarbeiteten Modelle ihrer Steuerung im Grundsatz vereinfachten Charakter tragen. Das bedeutet, daß hinsichtlich definierter Zeitpunkte t keine eindeutig umkehrbare Zuordnung zwischen den Parametern des Produktionsprozesses als Objekt 0 und dem Modell M besteht. Daraus folgt, daß in den Modellen zumeist mehrere Komponenten des Originals zu einer Komponente des Modells zusammengefaßt und somit bestimmte Beziehungen und Parameter in zulässiger Weise vernachlässigt werden. Die für die Aussagekraft des jeweiligen Modells wesentliche Entscheidung, welche Komponenten für die zu erreichende Zielstellung als bedeutungsvoll und notwendig einzuschätzen sind, welche mit anderen zu Gruppen zusammengefaßt werden und welche unberücksichtigt bleiben können, ist daher nicht selten im Laufe der Ausarbeitung eines Modells zu korrigieren. So wird es sich beispielsweise bei der Untersuchung von Kooperationsbeziehungen im Fahrzeugbau zunächst als sinnvoll erweisen, die Gesamtanzahl von 400 bis über 1000 Kooperationspartnern eines Finalproduzenten zu erfassen, sie nach Kooperationsteil- und Materialgruppen zu klassifizieren und aus diesen Gruppen die Teile und die Zulieferer gesondert auszuweisen, die infolge besonderer Bedeutung für das Finalprodukt im Detail zu analysieren sind. Zusammengefaßt kann als Zielstellung und Inhalt der kybernetischen Modellierung ökonomischer Bereiche und Prozesse die Analyse und Synthese — ihres externen Verhaltens gegenüber ihrer gesellschaftlichen Umwelt, — ihrer internen Funktion als Darstellung der in ihnen ablaufenden Prozesse, — ihrer internen Struktur als Ausdruck ihres Aufbaus und ihrer Kommunikationsbeziehungen im Hinblick auf ihre Steuerung mittels Information formuliert werden.

4

1. Inhalt und Methodik

F ü r die p r a k t i s c h e Modellierung w e r d e n Modelle unterschiedlichen I n h a l t s u n d verschiedener D a r s t e l l u n g s f o r m e n v e r w e n d e t . U n t e r d e n vielfältigen Klassifizierungsmöglichkeiten ist insbesondere die E i n t e i l u n g n a c h d e r Analogie, dein Verwendungszweck u n d der A r t der Darstellung b e d e u t u n g s v o l l (Tab. 1.1). Tabelle 1.1. Modellklassifizierung Lfd. Nr.

Klassifizierungsmerkmal

Modellart

1

Analogie

Strukturmodell Funktionsmodell Verhaltensmodell

2

Verwendungszweck

Demonstrationsmodell Experimentalmodell

3

Darstellungsart

verbales Modell graphisches Modell mathematisches Modell physikalisches Modell

Die e r s t e Gliederung u m f a ß t S t r u k t u r - , F u n k t i o n s - u n d .Verhaltensmodelle. Zu S t r u k t u r m o d e l l e n zählen u. a. Modelle v o n P l a n u n g s - , P r o d u k t i o n s - u n d A b r e c h n u n g s a b t e i l u n g e n hinsichtlich ihres A u f b a u s , S t r u k t u r p l ä n e d e r H i e r a r c h i e d e r Leit u n g in B e t r i e b e n , K o m b i n a t e n u n d I n d u s t r i e z w e i g e n u n d Modelle v o n I n f o r m a t i o n s beziehungen. I n F u n k t i o n s m o d e l l e n w e r d e n beispielsweise A b l ä u f e des R e p r o d u k tionsprozesses u n d seiner Teilprozesse, von P r o d u k t i o n s - u n d Leistungsprozessen sowie von Steuerprozessen abgebildet. Verhaltensmodelle e n t h a l t e n S t r a t e g i e n ökonomischer O b j e k t e zur s t a b i l i t ä t s s i c h e r n d e n R e a k t i o n auf Umwelteinflüsse u n d zur E i n w i r k u n g auf die U m w e l t m i t d e m Ziel der E n t w i c k l u n g stabiler i n t e r n e r E i n f l u ß f a k t o r e n . I n bezug auf d e n V e r w e n d u n g s z w e c k d i e n e n D e m o n s t r a t i o n s m o d e l l e d e r Aufd e c k u n g u n d V e r d e u t l i c h u n g von s t r u k t u r e l l e n , f u n k t i o n e l l e n u n d V e r h a l t e n s z u s a m m e n h ä n g e n , die im wesentlichen einem v e r t i e f t e n V e r s t ä n d n i s dieser E r s c h e i n u n g e n dienen. I h r e B e d e u t u n g liegt demzufolge insbesondere auf der a n a l y t i s c h e n Seite, w ä h r e n d E x p e r i m e n t a l m o d e l l e Möglichkeiten d e r Simulation ökonomischer Prozesse eröffnen, die es g e s t a t t e n , ihr V e r h a l t e n u n t e r verschiedenen B e d i n g u n g e n u n d u n t e r der E i n w i r k u n g unterschiedlicher E i n f l u ß f a k t o r e n darzustellen u n d V a r i a n t e n a b z u leiten. D e r E i n s a t z analoger u n d digitaler R e c h e n a n l a g e n f ü r diese Zwecke ist d a h e r von s t ä n d i g w a c h s e n d e r B e d e u t u n g . U n t e r d e n D a r s t e l l u n g s f o r m e n spielen formalisierte Modelle die H a u p t r o l l e , d a sie die D u r c h f ü h r u n g von R e c h e n o p e r a t i o n e n u n d d a m i t die A n w e n d u n g m a t h e m a t i s c h e r O p t i m i e r u n g s v e r f a h r e n ermöglichen. Aus diesem G r u n d e f i n d e n m a t h e m a t i s c h e S y m bole u n d V e r f a h r e n z u n e h m e n d e A n w e n d u n g . Verbale Modelle beschreiben ökonomische E r s c h e i n u n g e n d u r c h T e x t e u n d T a b e l l e n ; sie dienen d a m i t in der a n a l y t i s c h e n P h a s e als V o r s t u f e u n d zur K l ä r u n g prinzipieller P r o b l e m e . Blockschaltbilder, N e t z p l ä n e , D i a g r a m m e u n d G r a p h e n sind h ä u f i g b e n u t z t e D a r s t e l l u n g s f o r m e n f ü r S t r u k t u r - , F u n k t i o n s - u n d V e r h a l t e n s m o d e l l e ; zu i h n e n gehören S t r u k t u r d a r s t e l l u n g e n von Leitungsbereichen und Informationsbeziehungen, Programmablaufschemata techno-

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

5

logischer, Planungs-, Produktions- und Abrechnungsprozesse sowie Diagramme der Entwicklung technisch-ökonomischer Kennziffern. Physikalische Modelle sind zwar im ökonomischen Bereich gegenwärtig relativ selten anzutreffen, sind aber von hoher Anschaulichkeit. Sie finden u. a. als problem- und aufgabenorientierte Netzplansimulatoren, die aus mechanischen und elektronischen Bauelementen aufgebaut werden, Verwendung.

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik 1.2.1. Das kybernetische System 1.2.1.1. Die Klasse der kybernetischen Systeme Die Kybernetik untersucht eine bestimmte Klasse von Systemen, die kybernetischen Systeme, die durch folgende Merkmale charakterisiert werden [1.2], [1.3], [1.4]: — Zweckbestimmte Ganzheit Zur Analyse u n d Erkenntnisgewinnung k a n n m a n ein beliebiges Untersuchungsobjekt (beispielsweise einen ökonomischen Prozeß) als einen abgegrenzten Bereich auffassen, der eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat. Diese modellhafte Vorstellung läßt den Untersuchungsgegenstand als System erscheinen und ermöglicht unter einer vorgegebenen Zielrichtung seine umfassende Betrachtung im Hinblick auf S t r u k t u r , F u n k t i o n und Verhalten. Der abstrakte Untersuchungsgegenstand „ S y s t e m " wird in einzelne Funktionsblöcke gegliedert, die Elemente genannt und als nicht weiter zerlegbar angesehen werden. Die Elemente sind untereinander so verbunden, daß das System als Ganzes in der Lage ist, seine Aufgabe zu erfüllen. Der als System abgebildete Teil der Wirklichkeit unterscheidet sich durch bestimmte Eigenschaften von anderen realen Objekten. Diese Unterscheidbarkeit ermöglicht es, ihn als relativ isolierten Komplex aufzufassen. D a s Herausgreifen des Untersuchungsgegenstandes als abgegrenzten Bereich bedeutet nicht Verzicht auf die Betrachtung seiner Beziehungen zur Umwelt, mit der er in ständiger Wechselwirkung steht. — Dynamik So wie die Wirklichkeit in ständiger Bewegung, Veränderung und Entwicklung begriffen ist, so k a n n auch bei der Modellierung von ausgewählten Bereichen deren Dynamik nicht unberücksichtigt bleiben. Deshalb werden alle Aussagen über Systeme, ihre S t r u k t u r , ihre F u n k t i o n und ihre Verhaltensweise zeitabhängig zu betrachten sein. Das Untersuchungsobjekt wird zum dynamischen System. — Steuerung durch Information Unter den Einwirkungen der Umwelt ist ein Bereich der Wirklichkeit gewöhnlich bestrebt, sich selbst zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zu diesem Zweck erfolgt durch ein Steuerorgan, welches Bestandteil des betrachteten Bereiches ist, eine Überwachung und Beeinflussung des ablaufenden Prozesses. I n die ökonomische Realität übertragen, bedeutet eine solche Betrachtungsweise, daß durch die schöpferische Eigeninitiative der Werktätigen vorgegebene Plankennziffern überboten und daß trotz vielfältiger Wirkungen auf den durchzuführenden Prozeß minde-

6

1. Inhalt und Methodik

stens geplante Ergebnisse ohne die I n a n s p r u c h n a h m e übergeordneter Organe erreicht werden. Zu diesem Zweck arbeitet der als System b e t r a c h t e t e Bereich M a ß n a h m e n aus, setzt sie durch u n d kontrolliert sie. D a s System beeinflußt sich selbst durch Gewinnung, Verarbeitung, Speicherung u n d Ü b e r t r a g u n g von Information. Aus diesem Grunde umfassen kybernetische Untersuchungen immer die informationellen Beziehungen innerhalb des Systems u n d zu seiner Umgebung.

Das kybernetische System — der Untersuchungsgegenstand der K y b e r n e t i k — k a n n damit zusammenfassend als das zum Zwecke der Steuerung I n f o r m a t i o n nutzende dynamische System charakterisiert werden (s. Abb. 1.2). E s besitzt — eine S t r u k t u r , die den A u f b a u als Steuersystem mit den in Wechselwirkung stehenden G r u n d b a u steinen — gesteuerter Prozeß P und Steuerorgan St — beinhaltet, — eine F u n k t i o n , deren Vollzug durch einen Steuerprozeß mit Maßnahmen zur Prozeßbeeinflussung gewährleistet wird, — ein Verhalten, das durch Auswahl geeigneter Strategien die Erfüllung der Zweckbestimmung des Systems als Ganzes sichert. 1.2.1.2. Beschreibung kybernetischer Systeme Zum Zwecke seiner Untersuchung k a n n als kybernetisches System ein ökonomischer Bereich auf der Basis verschiedener mathematischer Theorien beschrieben werden. Besonders eignen sich hierzu Verfahren der Mengenlehre, der Graphen- u n d Automatentheorie u n d der Matrizenrechnung.

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik Mengentheoretische

7

Beschreibung

Zwischen den Begriffen System und Menge gibt es eine Gemeinsamkeit. Beide sind Ganzheiten, die aus Elementen bestehen und die durch ihre Elemente definiert werden. Aus diesem Grund ist es auch sinnvoll, Ergebnisse der Mengenlehre bei der systemtheoretischen Beschreibung von Ganzheiten anzuwenden [1.5]. Ein System kann allgemein durch die Elementmenge E und die Menge R der über E erklärten zweistelligen Relationen beschrieben werden. Die Elementmenge E kann durch Anwendung des Mengenbildungsaxioms bestimmt werden. Danach besteht eine Menge M genau aus den Elementen x, für die die Aussage H(x) wahr ist. Zum Beispiel sei H die Aussage: x ist Betrieb. Dann kann man, indem man sukzessive alle Institutionen x in der Gesellschaft bezüglich dieser Aussage überprüft, die Menge M der Betriebe bilden. Betrachtet man dann die Elemente der so gewonnenen Menge M bezüglich der Aussage Hx: x ist metallverarbeitender Betrieb, so erhält man eine echte Teilmenge N von M, in Zeichen N c M, wo N die Menge der metallverarbeitenden Betriebe ist. Wenn das Zusammenwirken dieser Betriebe interessiert und untersucht werden soll, so ist es notwendig, die Menge R der zweistelligen Relationen aufzustellen. R besteht aus den Elementen (xit x}) mit xt e N und Xj e N, für die die Aussage gilt: Von xt gibt es eine wesentliche Beziehung zu xf. So erhält man die Elemente der Menge R der zweistelligen Relationen, die dann im Weiteren, nämlich bezüglich der Art und Weise und des Zwecks der Beziehung zwischen den Elementen xt und xf, näher untersucht werden müssen. Damit ist also erst einmal ein System mengentheoretisch, d. h. durch zwei Mengen, die Elementmenge und die Relationsmenge, exakt beschreibbar. Ä, = [E, R]

(1.6)

ist eine mengentheoretische Beschreibung eines isolierten Systesm genau dann, wenn E die Menge der Elemente Elt ... , En des Systems und R die Menge der über E erklärten zweistelligen Relationen Rlt ... , R„ ist. ST = [E, R']

(1.7)

ist eine mengentheoretische Beschreibung eines relativ isolierten Systems genau dann, wenn E die Menge der Elemente des Systems und R' die Menge der über E u {U} erklärten zweistelligen Relationen ist. Die Einermenge {U} verkörpert die Umwelt, und somit beinhaltet R' auch die Relationen zwischen Umwelt und System. Mit Hilfe der Relationsmenge R bzw. R' wird dabei sowohl eine Aussage über die Struktur als auch über Funktion und Verhalten gemacht. Werden alle Elemente, in denen Leistungsprozesse ablaufen, zum Element P und alle Elemente, die Steuerprozesse beinhalten, zum Element St zusammengefaßt, so kann ein kybernetisches System wie folgt beschrieben werden: 5kyb = [ { P , 5 i } , Ä ] ist eine mengentheoretische Beschreibung eines kybernetischen wenn

(1.8) Systems genau dann,

1. P das Systemelement ist, in dem die Leistungsprozesse des Systems ablaufen,

8

1. Inhalt und Methodik

2. St das Systemelement ist, in dem die informationstransformierenden Steuerprozesse des Systems ablaufen und 3. die Menge R der Relationen genau aus den Relationen i? U P , R U t s t , st, i2 s t P , -RpiXj und i ? s t > u besteht (Abb. 1.3).

Abb. 1.3. Grundstruktur des elementaren Steuersystems

Häufig gibt es Schwierigkeiten bei der Systemabgrenzung. Durch Anwendung den Mengenbildungsaxioms, d. h. durch Festlegung einer bestimmten charakteristisches Aussage, ist die Bildung von Systemen objektivierbar. Auch die Anwendung der Mengenoperationen, wie der Vereinigungs- oder Durchschnittsbildung, läßt sich bei der Analyse und Synthese realer Systeme nutzbringend anwenden. So kann man aus zwei Systemen 8J = [2^, i?i] und S* = [E2, R'2] ein neues System SY = [E, R'} formal durch Anwendung der Vereinigungsoperation bilden. Sy = [E, R']

(1.9)

ist die mengentheoretische Beschreibung der Vereinigung der Systeme S] = /tj] und = [E2, R',2} genau dann, wenn E = E1 u E2 und R' = R[ u R'2 sind. E s ist offensichtlich, daß die Vereinigung zweier kybernetischer Systeme wieder ein kybernetisches System ist. Damit ist die Mengenlehre sowohl für eine erste Beschreibung als auch für die Konstruktion von Systemen äußerst nützlich. Graphentheoretische

Beschreibung

Mengenlehre, Graphentheorie und Systembeschreibung sind eng miteinander verbunden. Im vorhergehenden wurde gezeigt, daß ein System mengentheoretisch durch die Element- und Relationsmenge beschrieben werden kann. Da ein Graph aus einer Menge von Knoten und einer Menge von Kanten (auch Bögen genannt) besteht, und die Menge der Kanten gleich der Menge der Relationen sein kann (beide Mengen sind als zweistellige Relationen über eine Menge E erklärt), läßt sich ein Übergang von der mengentheoretischen Systembeschreibung zur Beschreibung durch einen Graphen herstellen. G = [K, P] (1.10) heißt gerichteter Graph genau dann, wenn K die Menge der Knoten und P die Menge der durch die Eigenschaft N erklärten Kanten (aj{, Xj) mit x{. e K und X] 6 K ist. Dabei ist das geordnete Paar (xi, x}) =j= (x(, xt).

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

9

Der Übergang von der mengentheoretischen zur graphentheoretischen Systembeschreibung besteht nun im folgenden: G = [ K , P ] heißt graphentheoretische Beschreibung des Systems S = [E, R] genau dann, wenn 1. eine eineindeutige Abbildung von K auf E existiert und 2. zu jedem (xi, Xj) e P ein (Ei, E}) e R derart existiert, daß xt auf Et und x] auf Ej abgebildet werden. Analog kann man eine graphentheoretische Beschreibung für den Systemtyp 8I = [E, R'] erklären. Zu jedem kybernetischen System $ k y b = [{P, St}, II] gibt es, wie man leicht sieht, genau einen Graphen; er ist vollständig, d. h., von jedem beliebigen Knoten gibt es eine Kante zu jedem beliebigen Knoten. Damit kann man also jedem mengentheoretisch beschriebenen System eineindeutig einen Graphen zuordnen. Systeme mit einer großen Anzahl von Systemelementen und einem hohen Vermaschungsgrad sind einer manuellen Analyse der Beziehungen und möglichen Wege schwer zugänglich. In der Graphentheorie wurden zur Untersuchung und zum Auffinden von Wegen, zur Suche kürzester Wege, zur Erreichbarkeit von Knoten ausgehend von bestimmten Knoten usw. Algorithmen und Rechnerprogramme entwickelt. Damit ist es heute möglich, mit Hilfe von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen (EDVA) große Systeme zu analysieren. Diese Möglichkeit wird bisher nur selten genutzt, aber die Größe der Systeme macht die Nutzung dieser Möglichkeit künftig unumgänglich. Neben dieser Anwendungsmöglichkeit findet die Graphentheorie Anwendung in der Netzplantechnik [1.6], bei dem Aufbau von Entscheidungsnetzplänen u. a. Die Graphentheorie ist auf Grund ihres hohen Abstraktionsgrades, ähnlich wie die Mengenlehre, besonders für erste Untersuchungen von Systemen geeignet. Auf ihrer Basis lassen sich dann eine Vielzahl anderer Methoden anwenden, wie zum Beispiel die Theorie der MAKKOWschen Prozesse, aber auch die der Matrizenrechnung. Automatentheoretische

Beschreibung

Die Automatentheorie entstand als Theorie zur Beschreibung von Systemen. Ihre mathematische Grundlage bildet die Mengenlehre. A = (X,Y,Z,f,g)

(1.11)

heißt endlicher abstrakter Automat genau dann, wenn 1. 2. 3. 4.

X die endliche Menge der Eingangssignale (Eingangsalphabet), Y die endliche Menge der Ausgangssignale (Ausgangsalphabet), Z die endliche Menge der Zustände, / die Ergebnisfunktion, die jedem (z, x) ein y e Y (z e Z, x € X) zuordnet und 5. g die Überführungsfunktion ist, die jedem (z, x) ein z' e Z (z € Z, x 6 X) zuordnet.

Eine automatentheoretische Beschreibung eines Systems S = [E, i i ] besteht dann, wenn zu dem vorgegebenen System die Mengen X, Y, Z sowie die Funktionen / und g bestimmt werden [1.7]. 2

Golenko

10

1. Inhalt und Methodik

Eine automatentheoretische Beschreibung besitzt als Modellierungsverfahren einige Vorteile. So müssen die Mengen X, Y, Z nicht aus Zahlen bestehen, sondern können auch qualitative Aussagen enthalten. Bei einer solchen Modellierung wird durch die Zustandsmenge berücksichtigt, daß jedes Eingangssignal nicht nur zu einem Ergebnis führt, sondern sich auch der Zustand des Systems ändert. Hieraus folgt auch, daß bei gleichen Entscheidungen nicht gleiche Ergebnisse entstehen müssen. Diesen Fall trifft man in der Praxis häufig an, z. B . führt eine Entscheidung zur Bindung einer bestimmten Kapazität, damit ändert sich der Zustand, d. h. ändern sich künftig die kapazitiven Möglichkeiten. Gerade in ökonomischen Systemen ist eine solche Betrachtung wesentlich, weil in diesen Systemen der Zustand sich stets ändert und im allgemeinen nicht wieder erreicht wird. Neben diesen Vorteilen soll noch erwähnt werden, daß es einen Algorithmus zur Zustandsminimierung gibt, so daß die aufgestellte Zustandsmenge minimiert werden kann, ohne daß sich das Verhalten des Systems ändert. E s existieren weiterhin enge Beziehungen zur Theorie der dynamischen Optimierung und zur Theorie lernender Systeme. Auch läßt sich das Verhalten abstrakter Automaten mit Hilfe von Graphen anschaulich darstellen. Beschreibung

durch

Matrizen

Die auf ein Element Eg ausgeübten Wirkungen werden durch Eingänge erfaßt. Sie bilden die Prozeß Voraussetzungen. Ist n die Anzahl der Eingänge eines Elements Et, dann geben die Zahlen xW (j = 1, 2, ... , n) jeweils die Größe dieser Eingänge an. Durch die Zusammenfassung der Zahlen atp in einem Vektor wird der Eingangsvektor x (g) gebildet: (1.12)

Über Ausgänge wirkt das Element auf seine Umgebung. Diese Wirkungen stellen Prozeßergebnisse dar. Ihre zahlenmäßige Erfassung durch tff (i = 1, 2, ... , m) führt zum Ausgangsvektor (1.13)

Alle zwischen Eq und seiner Umgebung bestehenden, nicht vernachlässigbaren Wechselwirkungen werden durch die Eingänge und Ausgänge, d. h. durch ihre quantitative

E,

Abb. 1.4. Element Eq mit Eingängen z

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

11

Form, den Eingangs- und Ausgangsvektor, erfaßt. Andere Wirkungsbeziehungen existieren nicht (s. Abb. 1.4). Durch die vorhandenen Wechselwirkungen treten Elemente miteinander so in Beziehung, daß die Prozeßergebnisse y

eines Elements Ep zu Prozeßvoraussetzungen eines anderen Elements Eg werden. Falls eine Kopplungsgleichung yf

= xf

(1.14)

für mindestens ein Wertepaar (i, j) erfüllt ist, beeinflußt das Element Ep das Element Eg. Für die Darstellung der Kopplungsbeziehungen zwischen zwei Elementen verwendet man die Kopplungsmatrix CV1 von der Dimension (n, tri). Eine Komponente dieser Matrix an der Stelle i, j besitzt dann den Wert 1, wenn die Gleichsetzung existiert und damit (1.14) gilt, anderenfalls erhält sie den Wert 0. Damit lassen sich die Kopplungsgleichungen für die Kopplungsbeziehungen zwischen zwei Elementen als Vektorgleichung zusammenfassen (s. Abb. 1.5): CptyW = ¿ i ) .

y2W.

X 3

(1.15)

!9}

Cpql (P)

7>9 Abb. 1.5. Kopplungsgleichung

Mit Cvq =(= O-Matrix wird eine Wirkungsbeziehung zwischen beiden Elementen Ep und Eg beschrieben. Ist p q, dann tritt die Beeinflussung von Eq durch Ev als Reihenkopplung auf. Für den Fall p > q wirkt ein Element Ev auf ein in der Kopplungskette vor ihm liegendes Element Eq in Form einer Rückkopplung zurück. In der Regel wird p = q, da das einer Selbstbeeinflussung entspräche, ausgeschlossen. In einem System können somit maximal £ m a x = N(N — 1) Kombinationen mit Cpq =(= 0 auftreten. £ m a x wird als Kopplungskapazität bezeichnet. Das Minimum der Anzahl von Kopplungen im System ist fcmin = N — 1, d. h., alle Elemente müssen mindestens Glied einer Reihenkopplung sein, um dem System anzugehören. Bildet man mit der Anzahl k der vorhandenen Kopplungen den Quotienten "•max

(1.16)

dann gibt y den Kopplungs- oder Vermaschungsgrad des Systems an. Die Zusammenfassung der Kopplungsbeziehungen führt zur Struktur des Systems, die in ihrer quanti2*

12

1. Inhalt und Methodik

tativen Form durch eine Strukturmatrix R dargestellt werden kann:

R

0

Cr,

ClX

C21

Ca'

C, 2N

(1.17)

=

C

c ,

C fro

s

A'-l

.

1, N 0

Systeme wirken auf ihre Umgebung, indem Ausgänge ihrer Elemente zu Systemausgängen und damit mit Eingängen von Elementen anderer Systeme gleichgesetzt werden. Umgekehrt kann die Umgebung ein gegebenes System nur beeinflussen, wenn Eingänge von Elementen dieses Systems zugleich Systemeingänge bilden, d. h. mit Ausgängen von Elementen anderer Systeme gleichgesetzt sind (s. Abb. 1.6).

Abb. 1.6. System und Umgebung

Für jedes Element läßt sich eine Beziehung angeben, die das Verhältnis zwischen Ein- und Ausgängen und damit die Funktion, die es zu erfüllen hat, charakterisiert. Werden durch den Eingangsvektor x!>'p) die Prozeßvoraussetzungen und durch den Ausgangsvektor y ^ die Prozeßergebnisse erfaßt, dann wird durch die Transformations— gleichung = T p xW (1.18) die Funktionsweise des Elements beschrieben. Das Symbol Tp, der Transformationsoperator, gibt die Regel für den Übergang von xW in y ^ an. Ausgehend von bekannten Prozeß Voraussetzungen x(:P> werden durch (1.18) die Prozeßergebnisse y ^ ermittelt. Bei der Modellierung von Produktionsprozessen ist diese Vorgehensweise sinnvoll. Für die Darstellung von Planungsprozessen macht sich oft der umgekehrte Schluß erforderlich: = r-y?» .

(1.19)

Zu einem vorgegebenen Prozeßergebnis y ^ werden durch das Produkt T ^ y ^ die notwendigen Prozeß Voraussetzungen gesucht. Die Komponenten der Transformationsmatrix Tp entstehen folgendermaßen: Die Änderung einer beliebigen Eingangsgröße xj um Axi und Konstanthaltung aller xu

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

mit

(i

=j=

j)

führt zu Ausgangsänderungen bei Axj

-

y

um A y t j für

t

i

=

13

1, 2, ... ,

A y „ .

m :

(1.20)

Die Änderung aller Eingänge bringt entsprechend folgende Ausgangsänderungen:

A x

=

A y

(1.21)

=

Demzufolge erhält man A y a l s Produkt

A y W

=

¿ V n

Ä V l 2

A x

A x

x

A y a

^3/22

A x

AX2

A y A x

x

m

i

A y

A y i n A x

2

m

A x «

=

A x „

2

^ V m n

AX2

x

Axr

n

A x

A x

T

p

A x ^ .

(1.22)

n

n

Als Zlt/« = T A x ^ ist damit die Differenzenform der Transformationsgleichung entstanden. Bilden die Komponenten von T p nun eine Funktion von Axj und sind gleichzeitig nicht ebenfalls von x t abhängig, dann läßt sich für T v auch die Integralform der Transformationsgleichung aufstellen, mit der man unmittelbar von auf y {p) schließen kann (j>) _ rp (p) _ (1.23) V p

p >

x

r

Für die Betrachtung der Funktion eines Systems und damit für die Formulierung der Transformationsgleichung des Systems muß neben der Funktion der Elemente auch die Struktur des Systems (die Kopplungsbeziehungen zwischen den Elementen) berücksichtigt werden. Ein System bestehe aus den Elementen E p und E q . Die Funktionen der beiden Elemente werden durch die Transformationsgleichungen y

(p) =

T

p

und

{ x •(p)

V


pU_

JH-D.r

Xp

l

pn

,(P) X

(p)

Abb. 1.7. Die Transformation eines Elements Ep im System

15

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

(q = 1, 2, ... , N; q p) und die Umgebung auf das Element Ep ausüben. Aus der Multiplikation eines Zeilenvektors, der als Komponenten das Matrizenprodukt (CpqTp) T enthält, mit diesem Vektor entsteht der Ausgangsvektor y{p}, der der Zusammenfassung aller Wirkungen entspricht, die Ep auf alle übrigen Elemente des Systems und die Umgebung ausübt (zur Erklärung siehe Abb. 1.7). Läßt man nun den Index p ebenfalls von 1 bis N mit p =(= q laufen, dann erhält man bei bekannten Eingangsvektoren für alle Elemente auch ihre Ausgangsvektoren. Da ein Eingangsvektor a/^ auch die Wirkungen aus der Systemumgebung umfaßt und y(p) Wirkungen auf die Umgebung des Systems enthalten kann, ist durch CpV die Kopplung des Elements Ep mit der Umgebung zu formulieren. Nunmehr erhält man für die Transformationen im System yir

Ciu^i

('21

C31T3 •

y i 2) CO

tN\

= (CpiTp)

Tx =

^23^2 ClK^i y =

C2NT2

C3VT3 •

Ts



• GNn T N

x™



G

n z

T

n

x™



G

n v

T

n

x^

(1.31)

Tx.

Im Unterschied zu (1.27) setzen sich hier x und y aus Komponenten zusammen, die alle Ein- und Ausgänge der Elemente eines Systems umfassen. Durch und ys hingegen werden nur die Ein- und Ausgänge des Systems dargestellt. 1.2.1.3. Eigenschaften kybernetischer Systeme Wesentliche Eigenschaften von Systemen werden durch die Begriffe „Zuverlässigkeit", „Stabilität" und „Wirkungsgrad" charakterisiert. Äußere oder innere Einwirkungen auf Prozesse, die entweder unvorhersehbar sind oder aus Gründen der außerordentlich geringen Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens nicht im Prozeßmodell des Steuerorgans berücksichtigt wurden, werden als Störungen bezeichnet. Bekanntlich ist das Prozeßergebnis eines Systems abhängig von der Funktion seiner Elemente, seiner Struktur und seinen Prozeßvoraussetzungen. Wirkungsmöglichkeiten für Störungen und damit auch die Ansatzpunkte zu ihrer Kompensierung sind somit gegeben bei den Transformationsoperatoren Tp, den Kopplungsmatrizen Cpq und den Systemeingängen x^K Meßbar werden die durch Störungen verursachten Auswirkungen auf ein System durch die Systemzuverlässigkeit. Unter Zuverlässigkeit soll eine Angabe darüber verstanden werden, daß der als System betrachtete Teil der Wirklichkeit seine Aufgabe im Betrachtungszeitraum hinreichend erfüllt, d. h., daß das Prozeßergebnis mit einer gegebenen Zielstellung in Übereinstimmung gebracht wurde. In quantitativer Form ist die Zuverlässigkeit ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Prozeßergebnis eingehalten wird. Abb. 1.8 veranschaulicht den Begriff „Zuverlässigkeit". Die Menge der möglichen Werte eines zeitabhängigen Prozeßergebnisses y w wird durch den Quadranten zwischen ^/-Ordinate und ¿-Abszisse erfaßt. Ein Teil des Quadranten stellt das Gebiet A des durch das Pro-

16

1. Inhalt und Methodik

Abb. 1.8. Zuverlässigkeit

zeßergebnis meßbaren Funktionierens des Systems dar. Liegt zu einem Zeitpunkt tn das Prozeßergebnis yln im Bereich A, es gilt also ytn 6 A, dann arbeitet das System zuverlässig. Entsprechend gilt für die UnZuverlässigkeit und damit für das Komplement der Zuverlässigkeit: y,n 3 A. Als Kenngrößen für die Zuverlässigkeit können verwendet werden — die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein System in einem vorgegebenen Zeitabschnitt AT = Tn— T0 seine projektierte Funktionsfähigkeit, gemessen an der Ergebniserfüllung, besitzt. Betrachtet wird hier die erfolgreiche Tätigkeit in einem vorgegebenen Zeitabschnitt; — die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein System für eine gewisse Zeit ta ohne Ausfall, d. h. ohne Überschreitung der Toleranzgrenzen, arbeitet. Betrachtet wird hier die erfolgreiche Tätigkeit zwischen zwei Ausfällen. Einwirkungen auf dynamische Systeme müssen nicht zu bleibenden negativen Planabweichungen führen. Positive Planabweichungen im Sinne einer Planübererfüllung sind in ökonomischen Bereichen erwünscht. Der Zuverlässigkeitsbereich ist — das ist typisch für die Modellierung ökonomischer Prozesse — einseitig begrenzt. Bei Kennziffern, wie beispielsweise Gewinn, Arbeitsproduktivität, Einnahmen, existiert nur eine untere Grenze. Bei Kosten dagegen wird eine obere Schranke vorgegeben. Gelingt es einem System, nach erfolgter Störungsauswirkung stets in den Bereich der Zuverlässigkeit zurückzukehren und positive Prozeßentwicklungen noch zu verstärken, so ist es stabil. Der Begriff „Stabilität" bezeichnet somit die Fähigkeit eines Systems, durch zielgerichtete Einflußnahme des Steuerorgans auf den Leistungsprozeß eine sich vom Ziel entfernende (negative) Prozeßentwicklung in eine positive umzukehren und eine positive nicht nur beizubehalten, sondern zu beschleunigen. Nutzt das Steuerorgan hierzu im wesentlichen Möglichkeiten der Funktionsänderung seiner

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

17

Prozeßelemente, dann wird das System als ultrastabil bezeichnet. E i n multistabiles System hingegen realisiert Stabilität durch Strukturänderungen, indem die Strukturmatrix bewußt in der Zeit verändert wird. I m allgemeinen versteht man unter einem Wirkungsgrad rj ein auf seine ProzeßVoraussetzungen x bezogenes Prozeßergebnis y (1.32) Eine solche Betrachtungsweise auf ein ökonomisches System angewandt, bedeutet, daß rj wächst — bei gleichen Prozeßvoraussetzungen und steigendem Prozeßergebnis (Rationalisierungs- und Intensivierungsmaßnahmen), — bei sinkenden Prozeßvoraussetzungen und gleichem Prozeßergebnis (Sparsamkeitsprinzip), — bei sinkenden Prozeßvoraussetzungen und steigendem Prozeßergebnis (Verwirklichung des Sparsamkeitsprinzips als auch von Rationalisierungs- und Intensivier ungsm a ßnahm en), — bei steigenden Prozeßvoraussetzungen und schneller steigendem Prozeßergebnis (extensive Erweiterung der Produktion bei gleichzeitiger Verwirklichung des Sparsamkeitsprinzips und von Rationalisierungs- und Intensivierungsmaßnahmen). 1.2.2. Informationsprozesse 1.2.2.1. Gesellschaft und Information E s ist eine Folge der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung, daß sich die gesellschaftliche Arbeitsteilung bis hin zu ihrer internationalen Form ständig erweitert und daß Qualität und Quantität der zur Befriedigung der Bedürfnisse der sozialistischen Gesellschaft und jedes ihrer Mitglieder hergestellten Erzeugnisse unaufhaltsam wachsen. Unmittelbar verbunden mit den hierzu notwendigen, das Entwicklungstempo der Produktivkräfte charakterisierenden Veränderungen in den Leistungsprozessen steigen die Anforderungen an die Leitung dieser Prozesse. Hierbei kann ein quantitatives Anwachsen der umlaufenden Belege und der in ihnen enthaltenen Kennziffern beobachtet werden. Eine solche Entwicklung zwingt zu qualitativen Veränderungen mit dem Ziel, durch rechtzeitige Bereitstellung und Verarbeitung von Prozeßdaten eine zielgerichtete Beeinflussung der Leistungsprozesse zu erreichen. Informationsprozesse zur Leitung in Gesellschaft und Wirtschaft sind natürlich keine neuen Erscheinungen. Der Mensch nutzt die Information, seit er zum Menschen wurde. Neu ist jedoch, daß es erstmalig mit der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft möglich wird, die Informationsprozesse planmäßig zur Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung eines ganzen Landes und der sozialistischen Staatengemeinschaft einzusetzen. Daraus entsteht einerseits eine Verpflichtung zur Nutzung der durch Information gegebenen gesellschaftsgestaltenden Möglichkeiten und andererseits eine Verantwortung für ihren effektiven Einsatz.

18

1. Inhalt und Methodik

Aus den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit lassen sich empirisch bereits einige allgemeine Erkenntnisse für die Gestaltung und den Aufbau informationeller Prozesse in der Wirtschaft und in der betrieblichen Praxis ableiten. — Informationsquantität Die offensichtliche Tendenz einer Vergrößerung der zur Leitung in einer Volkswirtschaft zirkulierenden Informationsträger darf man nicht mit einem Anwachsen der von einem Leiter zu bewältigenden Informationsmenge gleichsetzen. Auf einer vorgegebenen Leitungsebene wird vielmehr die zur Informationsgewinnung, -Verarbeitung, -speicherung und -Übertragung eingesetzte Technik den zur Beherrschung des gleichen Prozesses für den Leiter notwendigen Informationsumfang senken und damit die Voraussetzung für die Beherrschung eines größeren Komplexes durch einen Menschen schaffen. Die Möglichkeit der maschinellen Informationstransformation birgt jedoch auch die Gefahr eines erhöhten Informationsumlaufes im Leitungsbereich, der zur Lösung gestellter Aufgaben nicht erforderlich ist. Allgemein sollte deshalb dem Grundsatz Rechnung getragen werden: In einem Steuerprozeß ist niemals so viel wie möglich, sondern immer so viel wie notwendig an Information einzusetzen. — Informationsgenauigkeit Zwischen Genauigkeitsforderungen an informationelle Prozesse und dem hierzu notwendigen Aufwand besteht Proportionalität. Ergebnisse von Informationsprozessen können nicht genauer sein als die verwendeten Prozeßvoraussetzungen. Fehlerhafte Prozeßvoraussetzungen führen zu falschen Ergebnissen. Man muß sich zunächst immer darüber Klarheit verschaffen, welche Anforderungen an die Genauigkeit eines informationellen Prozeßergebnisses einerseits gestellt werden müssen (um ein gestelltes Ziel zu erreichen) und andererseits (aufgrund der Prozeßvoraussetzungen) gestellt werden dürfen. Im Grunde genommen besitzt jedes Prozeßergebnis stets nur einen ganz bestimmten Genauigkeitsgrad 1, dessen Komplement als Ungenauigkeit aufzufassen ist. Vielfach bestehen jedoch nur unzureichende Kenntnisse über die Toleranzen von informationellen Prozeßvoraussetzungen. Aber nur hieraus lassen sich Angaben über die Fehlergrenzen der Prozeßergebnisse ableiten oder auch Forderungen an die Prozeß Voraussetzungen stellen, die dann allerdings zu einem höheren Aufwand bei der Informationsgewinnung führen. Analoge Überlegungen gelten für den Einsatz spezieller Methoden und Verfahren für die Informationsverarbeitung. Beispielsweise erreicht man mit stochastischen Modellen eine recht gute Annäherung an die Wirklichkeit, wenn man den für diese Verfahren notwendigen Aufwand treibt. Sie sind dort notwendig, wo Mittelwerte allein zur Quantifizierung von Kennziffern nicht mehr genügen. Allgemein sollte der Grundsatz gelten: Ein System ist niemals so genau wie möglich, sondern immer so genau wie notwendig zu steuern. — Informationsaktualität Die Information dient als Entscheidungsgrundlage. Spiegelt sie einen Prozeßzustand unrichtig wider, werden die auf dieser Basis getroffenen Entscheidungen

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

19

fehlerhaft. Prozeßzustände aber sind zeitabhängig. Informationsprozesse laufen wiederum in der Zeit ab. D a r a u s ergibt sich ein Aktualitätsproblem. Alle E n t scheidungen können n u r auf Voraussetzungen basieren, die vor ihrem W i r k s a m werden gewonnen werden k o n n t e n . F ü r die rechtzeitige Bereitstellung von I n f o r m a t i o n ist hieraus eine Regel ableitbar: I n einem Steuersystem ist I n f o r m a t i o n nicht so f r ü h wie möglich, sondern immer so spät, wie vom Prozeß erlaubt, zu transformieren. — Einheitlichkeit in Begriffen, Methoden u n d technischer Realisierung Aus den durch I n f o r m a t i o n widergespiegelten objektiven Prozessen u n t e r sozialistischen Produktionsverhältnissen entsteht die Möglichkeit einer einheitlichen Verwendung von Kategorien u n d des Einsatzes einheitlicher Methoden zur Verarbeitung dieser Kategorien. Die Bezeichnung gleicher Sachverhalte durch gleiche Begriffe erlangt insbesondere d a n n eine wesentliche B e d e u t u n g , wenn bei der großen Vielfalt der konkreten Produktionsprozesse eine Steuerhierarchie widerspruchsfrei funktionieren soll. Hierzu sind noch umfangreiche semiotische F o r schungen, insbesondere auf dem Gebiete der Sigmatik — einem Teilgebiet der Semiotik — zum E r k e n n e n der allgemeingültigen Beziehungen zwischen darstellenden Zeichen u n d den abzubildenden Objekten notwendig. U n t e r s t ü t z t werden k a n n die geforderte Einheitlichkeit in Begriffen u n d Methoden durch Bereitstellung einer einheitlichen Basis f ü r die technische Realisierung, wie dies d u r c h die E S E R - A n l a g e n ( E S E R : Einheitliches System der elektronischen Rechentechnik) im R a h m e n des R G W zum Ausdruck k o m m t . Allgemein gilt : I n einem Steuersystem bildet die Verwirklichung der Einheitlichkeit von Methoden u n d technischen Mitteln eine wesentliche Möglichkeit zur E r höhung der E f f e k t i v i t ä t . Solche u n d ähnliche Grundsätze geben sicher wichtige Hinweise. Notwendig werden jedoch weitere Untersuchungen u n d Forderungen, die auf der Basis kybernetischer B e t r a c h t u n g e n geführt werden können. Das wird u m so dringender, weil eine erfolgreiche intensive Erweiterung der P r o d u k t i o n eine E r h ö h u n g der Leitungsqualität notwendig m a c h t , die sowohl einzelne Produktionsprozesse u n d Betriebe als a u c h ihre Koordinierung im Industriezweig sowie in u n d zwischen Volkswirtschaften betrifft. Der hohe Allgemeinheitsgrad der kybernetischen Begriffe u n d Methoden erlaubt es, hierbei Erkenntnisse auch durch Analogieschlüsse auf der Basis insbesondere von biologischen Erscheinungen u n d Vorgängen zu gewinnen. Gerade der Mensch u n d andere höhere Lebewesen bilden anschauliche Beispiele f ü r eine erfolgreiche Bewältigung informationeller Prozesse zum Zweck ihrer Funktionsfähigkeit u n d deren ständiger Vervollkommnung. L e t z t e n E n d e s lassen sich alle Vorgänge u n d Erscheinungen bei der Leitung gesellschaftlicher u n d ökonomischer Bereiche auf Informationsprozesse z u r ü c k f ü h r e n . Aus diesem Grunde wird es notwendig, sich mit dem Informationsbegriff zu befassen.

20

1. Inhalt und Methodik

1.2.2.2. Der Informationsbegriff Bereits bei den Betrachtungen zum kybernetischen System mußte der Begriff „Information" zu Hilfe genommen werden, wobei zunächst auf eine nähere Erläuterung verzichtet wurde. Das soll nunmehr nachgeholt werden. Als Beispiel eines einfachen Produktionsprozesses kann man sich die Bearbeitung eines Rohlings auf einer Werkbank durch einen Dreher vorstellen. Soll dieser Prozeß unter ökonomischem Aspekt untersucht werden, dann führt die notwendige Abstraktion zu einer Betrachtung der Grundelemente Arbeitskraft, Arbeitsgegenstand und Arbeitsmittel, aus deren Zusammenwirken ein Ergebnis in Natural- oder Wertform entsteht (s. Abb. 1.9). Ökonomie ArbeitskraftArbeitsgegenstand

Produkt Arbeitprozeß

Arbeitsmittel

Wert

Kybernetik Stoff'

Stoff Energie Information

Transformation

Energie ' Information

'

Abb. 1.9. Beispiel erkenntnisgewinnender Abstraktion durch Modellierung eines Produktionsprozesses

Zur Analyse der Prozeßbeeinflussung und darauf aufbauender Schlußfolgerungen eignet sich eine andere mögliche abstrahierende Betrachtungsweise, eine kybernetische. Sie geht davon aus, daß ein Werkstück in Form eines Rohlings als eine stoffliche Prozeßvoraussetzung und die zur Bearbeitung durch eine Maschine umgesetzte energetische Prozeßvoraussetzung zusammen genommen noch nicht ausreichen, um ein ganz bestimmtes Produktionsergebnis (z. B . eine Welle) zu erhalten. Es bedarf einer weiteren wesentlichen Prozeßvoraussetzung, einer informationellen Prozeßvoraussetzung, die das Ergebnis des Prozesses beschreibt (beispielsweise als Skizze oder Zeichnung) und den Weg zum Ergebnis (z. B . als Programm) aufzeigt. Schon bei der Erläuterung des grundlegenden kybernetischen Begriffs „System" wurde darauf hingewiesen, daß ein System nicht identisch ist mit einem konkreten real existierenden Gegenstand oder Prozeß, sondern daß es sich hierbei Um eine zur Erkenntnisgewinnung notwendige und nützliche Abstraktion handelt. Es können also alle realen Dinge (Menschen, Maschinen, Institutionen und ihre Entwicklung) als Systeme betrachtet werden. Modelliert man sie als kybernetische Systeme, dann umfassen sie neben Stoff- und Energie auch Informationsprozesse, mit deren

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

21

Hilfe überhaupt erst eine Erklärung und ein Verstehen des Funktionierens dieser Systeme möglich wird. Die Information dient in diesem kybernetischen Sinn der Beschreibung des Steuervorgangs und muß ebenso wie der Begriff System als Abstraktion, als Denkkategorie, aufgefaßt werden. E s hat eine ganze Reihe von Versuchen zur Definition des Begriffes „Information" gegeben. Sie zeigen mindestens eine Gemeinsamkeit. Der Begriff „Information" dient der Beschreibung eines aus realen Vorgängen gewonnenen Sachverhaltes, der infolge seines Neuigkeitswertes in Prozessen verwertet werden kann. Eine Information in diesem Sinne wird aus Zeichen gebildet. Die Gewinnung oder Erzeugung einer Information kann als Auswahlvorgang aus einem Zeichenvorrat aufgefaßt werden. Dabei bezeichnet dann ein Zeichen oder eine Zeichenkombination ein Objekt oder einen ganz bestimmten Sachverhalt. Die für eine bestimmte Informationsverbindung zur Verfügung stehende Gesamtheit von Zeichen bildet ein Alphabet . Dieses und die Regeln für eine Begriffsbildung mit Hilfe seiner Zeichen werden als Sprache für die Verständigung zwischen mindestens zwei oder mehreren Systemen eingesetzt. Erst informationelle Prozesse ermöglichen das Funktionieren eines kybernetischen Systems. Zur zielgerichteten Beeinflussung eines Prozesses wird es notwendig, daß das Steuerorgan Information aus der Umwelt und über den zu steuernden Prozeß erhält, auswertet und verarbeitet. Die aus einer Informationstransformation gewonnene Information wird dem zu beeinflussenden Prozeß zugeführt. Demzufolge existiert die Information z;ur Beschreibung eines ökonomischen Steuerprozesses in der Form der Planinformation (Information über die zu erreichenden Prozeßergebnisse), der Kontrollinformation (Ist-Werte der Prozeßergebnisse) und der 8 teuer information (Informationseinwirkung auf den Prozeß). Ausgehend vom Gegenstand der Kybernetik — der Steuerung von Prozessen mittels Information — werden Prozesse der Erfassung, Verarbeitung, Speicherung und Übertragung von Information zum wesentlichen Inhalt kybernetischer Untersuchungen. Eine Voraussetzung für das Zustandekommen einer Prozeßbeeinflussung im kybernetischen System ist das Vorhandensein einer informationellen Kopplung. Die Besonderheiten einer solchen informationellen Kopplung ergeben sich aus der Spezifik der Kategorie „Information". Zwischen den Elementen E1 und E2 (s. Abb. 1.10) bestehe eine Kopplung informationeller Art. Die dargestellte Wirkungsbeziehung drückt eine Beeinflussung von E2 durch E1 aus. Das Element E1 übernimmt die Rolle eines Senders, während E2 einen Empfänger verkörpert. Die informationelle Kopplung wird durch einen Übertragungskanal realisiert. Da die Denkkategorie „Information" und ihre Bestandteile — die Zeichen — nicht Objekt eines Übertragungsprozesses sein können, bedürfen sie eines materiellen Trägers. In materieller Form durchlaufen sie den Übertragungskanal. E s ist ein materieller Prozeß (z. B . optischer, akustischer, elektromagnetischer), der sich zum Zwecke der Informationsübertragung abspielt. Dieser materielle Prozeß wird als Signalprozeß bezeichnet. Die physikalischen Größen, die den Übertragungskanal durchlaufen, die den Informationsaustausch ermöglichen, sind Signale. Informationsprozesse können somit nicht unabhängig von materiellen Prozessen stattfinden. Sie sind an materielle Prozesse gebunden.

22

1. Inhalt und Methodik

Da die Signalform in einem Informationsprozeß gewöhnlich mehrfach verändert werden muß, sind Einrichtungen, sogenannte Köder notwendig, die die eine Signalform in eine andere übersetzen. Die vor sich gehende Umformung ist wiederum ein materieller Prozeß. Die Gewinnung von Information entspricht einer Auswahl aus einem Zeichen Vorrat. Das bedeutet, daß ein Zeichen jeweils eine elementare Information bildet, die einem Signal zugeordnet wird. Dabei kann ein Zeichen einer Sprache durch verschiedene materielle Prozesse oder deren Zustände, d. h. durch verschiedene Signale, verkörpert werden. Für das Stattfinden einer Informationsübertragung und damit für die Beein-

Zeichenwrrat Abb. 1.10. Informationsübertragung

flussung von E2 durch Ex wird nicht nur das Funktionieren der Signalverbindung erforderlich, sondern außerdem das Beherrschen einer gemeinsamen Sprache. Führen die bei E2 eingehenden Signale nicht zu den Zeichen bzw. Zeichenfolgen und damit zur Information, die als Widerspiegelung der objektiven Wirklichkeit bei E1 den abgehenden Signalen zugeordnet wurde, dann kommt es trotz bestehender Signalverbindung nicht zur erwarteten Informationsübertragung zwischen beiden Partnern. Allerdings ist es auch nicht notwendig, daß beide miteinander in Beziehung tretenden Elemente über den vollständig gleichen Zeichenvorrat verfügen. Es genügt, wenn ein gemeinsamer Zeichenvorrat vorhanden ist (s. Abb. 1.10) (1-33) Diese Betrachtungsmöglichkeit informationeller Kopplungen läßt sich nicht nur auf Personen anwenden, die miteinander in Informationsaustausch treten. Es kann auch ein informationeller Prozeß im Sinne einer Informationsaufnahme aus Natur oder Technik stattfinden. Jetzt wird ein objektiv realer Prozeß zur Informationsquelle. Jede Erkenntnis über Vorgänge in Natur und Technik entspringt einem Signalprozeß. Sie kann nur dann gewonnen werden, wenn die Signale gedeutet und bewertet werden können.

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

23

1.2.2.3. Informationsbewertung Wenn die Information ihren Zweck zur zielgerichteten Beeinflussung eines Prozesses erfüllen soll, muß sie von einem Steuerorgan zu einem zu beeinflussenden Prozeß gelangen. Daß dazu materielle Prozesse erforderlich werden, wurde bereits betrachtet. Ohne materiellen Träger kann es keine Informationsübertragung geben. Das Funktionieren des materiellen Prozesses hierfür, des Signalprozesses, ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Zustandekommen einer informationellen Verbindung. Unser spezielles Interesse gilt jedoch nicht den Informationsträgern, sondern der Information selbst. Will man zu ihrer Einschätzung oder Bewertung in exakten Analysen und Synthesen gelangen, wird eine Quantifizierung, die sich auf ihren Grundbestandteilen, den Zeichen, aufbauen läßt, unumgänglich. I n einem ersten Schritt zur Quantifizierung k a n n man zunächst davon absehen, daß Zeichen Bedeutungen besitzen und ihre Bewertung letzten Endes vom Zweck abhängt, den sie beim Informationsempfänger erfüllen. U n t e r dieser Vereinfachung reduziert sich die Beurteilung einer Information darauf, die Zeichen einer Sprache hinsichtlich ihres Auftretens für die Informationsdarstellung oder -Übertragung einzuschätzen. E s interessieren demnach n u r Zeichen einer Sprache in ihrem Verhältnis zueinander. Mit dieser Problematik beschäftigen sich Untersuchungen unter syntaktischem Informationsaspekt. Besteht das Alphabet einer Sprache aus Z verschiedenen Zeichen, dann lassen sich aus m aneinandergereihten Zeichen N = Zm verschiedene Zeichenfolgen oder Worte bilden. Um ein ganz bestimmtes Wort darzustellen, benötigt man umgekehrt m = z log N

(1.34)

aneinandergereihte Zeichen; m ist eine den möglichen Zeichenfolgen durch den Logarithmus mit der Basis Z proportionale Kenngröße. Sie wird maximaler Informationsgehalt / / m a x oder Entscheidungsgehalt genannt: Hm^ =

z

\ogN = m .

(1.35)

Als Einheit f ü r die Messung des Informationsgehaltes verwendet man den in einer Einerfolge (in einem einstelligen Wort) enthaltenen maximalen Informationsgehalt ( i f m u | Z = N), z. B. für Z = 2 (duales Zahlensystem) H m a x = 2log 2 = ld 2 = 1 [ b i t ] ,

(1.36)

für Z = 10 (dezimales Zahlensystem) #max =

10

log 10 = lg 10 = 1 [dit] .

(1.37)

Da für die technische Realisierung von Sprachen in der Regel ein Alphabet mit Z = 2 benutzt wird, ist die Verwendung des Logarithmus zur Basis 2 (ld) in der Beziehung (1.35) üblich. Der maximale Informationsgehalt Hmax wächst mit steigendem N, ld N < ld {N + 1) ,

(1.38)

und ist additiv, Hm,x(N,N2)

= ld N,N2 = ld N, + ld N2 = # m a x ( ^ i ) + Hm&x(N2) .

(1.39)

24

1. Inhalt und Methodik

/ / m a x gibt eine obere Grenze für eine in einer Zeichenfolge enthaltenen Information an, die nur dann erreicht werden kann, wenn eine Sprache ihre von der Zeichenanzahl gegebenen Möglichkeiten zur Informationsbildung bzw. -Übertragung voll nutzt und alle möglichen Zeichenfolgen mit gleicher Wahrscheinlichkeit verwendet werden. I n der Regel ist das jedoch nicht der Fall; der mittlere Informationsgehalt H wird abhängig von der Wahrscheinlichkeit p f des Auftretens eines Zeichens oder einer Zeichenfolge i (i = 1, 2, ... , N). Es gilt die Beziehung 0 ^ H ^ #max .

(1.40)

Der untere Grenzwert H = 0 entsteht dann, wenn ein Zeichen oder ein Wort k mit der Wahrscheinlichkeit pk = 1 auftritt und demzufolge pt — 0 (i =(= k). Sind alle Möglichkeiten in ihrem Auftreten gleichwahrscheinlich, erhält man pt = 1/N. Für die Berechnung von H läßt sich eine diese Grenzfälle erfassende und in der Physik als Entropie bekannte Größe verwenden: H = - Zpttepti=1

(1-41)

F ü r den Fall N = 2 läßt sich wegen p2 = 1 — px und damit H = -

Pl

ld P l - (1 -

Pl)

ld (1 -

Pl)

(1.42)

der Verlauf des mittleren Informationsgehaltes mit seinem Maximum H m a x anschaulich zeigen (s. Abb. 1.11). Der Informationsgehalt ist als allgemeine Maßgröße weit universeller verwendbar als nur zum Messen von syntaktischer Information. Setzt man für die möglichen Zeichenfolgen den allgemeinen Begriff „Ereignis", so wird pi die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses unter N möglichen Ereignissen. H steigt dabei mit der Größe der Ungewißheit über das Eintreten eines Ereignisses, die dann am größten wird, wenn das Eintreten aller Ereignisse gleichwahrscheinlich ist. Mit dem Eintreten eines bestimmten Ereignisses aus den möglichen wird diese Ungewißheit beseitigt. Es ist eine Information der Größe H erfolgt.

Abb. 1.11. Informationsgehalt H bei zwei möglichen Ereignissen

25

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

Sender i

_Empfänger

Empfangsentropie Hr

Synentropie AH

äue/lenentropie H;

i'

Abb. 1.12. Maßgrößen informationeller Verbindungen (BEKGERsches Diagramm) nach [1.15]

Bei der Informationsübertragung werden die informationellen Möglichkeiten der gekoppelten Elemente nur in dem Maße nutzbar, wie sie richtig vom Sender zum Empfänger gelangen. Die Unbestimmtheit am Eingang des Übertragungskanals ist dabei gleich der Entropie Hi (s. Abb. 1.12 mit weiteren gebräuchlichen Begriffen für das Messen von informationellen Verbindungen) H

t

= - Z Vi ld Vi • «=i

(1-43)

Das Zustandekommen der Informationsübertragung beruht nun darauf, daß eine empfangene Zeichenfolge i ' einer gesendeten Folge i entspricht. Das wäre nur dann der Fall, wenn eine ideale Informationsverbindung vorliegen würde. In Wirklichkeit muß mit einem Informationsverlust gerechnet werden. E r wird auf der Basis der bedingten Wahrscheinlichkeit p { j r bestimmt N'

Hiß'

=

-

2 i'=l

N

z P i ' P i l i ' ld i=l

Pili'



(

L 4 4

)

Das ist die bedingte Entropie der Zufallsgröße i bei gegebener Zufallsgröße i' oder hier die mittlere Unbestimmtheit der übertragenen Zeichenfolge i bei bekannter empfangener Zeichenfolge %'. Zur Beseitigung von Unbestimmtheit und somit als Information kann demnach nur die Synentropie AH (auch Transinformation genannt) wirksam werden: A H

i t i

. =

H
Ol < {e2(> 0„ < {e3(> 0„ < ie4,C> 08, < Z

1

E-i

(1.92)

0Z

03

Ez

Wf

Ol

02), Ov < 05)} , Of), e2(> 0„ < 06)} , 0?), i 3 (> 0„ < 08)} , Of), e4(> 08, < Of)} . 1

5 Z

05

3 4-

06

E3

co2

3

4

co3

0/

Abb. 1.21. Verallgemeinerter Algorithmus zur Steuerung ökonomischer Prozesse in Operator-Schreibweise

43

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik Tabelle 1.4. Varianten des Prozeßablaufes des verallgemeinerten Algorithmus zur Steuerung ökonomischer Prozesse Bewertung der logischen Entscheidungen

Lfd. Nr. der Prozeßyariante Vi

E1

E2

1 2 3 4

L L L L

L L L L

L L 0 0

L 0 L 0

o 0 o 1 o 2 o,oi OoOAO.0? (VW»«?*

5 6 7 8

L L L L

0 0 0 0

L L 0 0

L 0 L 0

O0O1O2O3O6O* O0O1OiOiO.O* 0,0^0,0,0,0? OAO g O,0,0,0*

9 10 11 12

0 0 0 0

L L L L

L L 0 0

L 0 L 0

0,0x0,0]... 0,0,0,5;...

13 14 15 16

0 0 0 0

0 0 0 0

L L 0 0

L 0 L 0

0,0,0,0,... 0,0,0,0,... 0,0,0,0,... 0 , 0 , 0 , 0 , ...

E,

Operationsfolge der Prozeßvariante

OßfißJO*

O0OAO,... 0,0,0,0,...

Daraus leiten sich Darstellungen des Algorithmus in Operator-Schreibweise nach Abb. 1.21 und als kantenorientierter algorithmischer Graph nach Abb. 1.22 ab. Tab. 1.4 enthält die sich nach (1.91) und aus (1.94) ergebenden 16 Ablaufvarianten; sie zeigt, daß eine Reihe von Varianten die gleiche Struktur aufweisen. Dies trifft zu für die Varianten Vj = v2 = v 3 = v 4 , i v5 = v 6 , l v9 = v 10 = v u = v12 = v13 = v14 = v 15 = v 16 J

(1.100)

und ist logisch dadurch begründet, daß — bei Bejahung von Entscheidungen, die zu einer Abschlußoperation 0 * e 0 führen, — bei Verneinung von Entscheidungen, die einen Zyklus nach sich ziehen, die nachfolgenden Entscheidungen zwangsläufig ohne Einfluß auf den jeweiligen Prozeßablauf sein müssen. Diese Entscheidungen sind für die betreffende Ablaufvariante somit redundant. Insgesamt ergibt sich, daß die fünf unterschiedlichen Varianten hinsichtlich des Charakters der steuernden Einflüsse vier prinzipiell verschiedene Abläufe umfassen. Der erste Ablauf [ O 0 a 01 A 0 2 A 03 A 0 * ] endet bei praktisch störungsfreiem Verlauf des Prozesses mit der Bejahung der Entscheidung E2 mit seiner Weiterführung in der bisherigen Weise (Of). 4»

44

1. Inhalt und Methodik

Der zweite Ablauf [(O0

A

Oi A 02

A

03

A

Oq

A

0*)

V

(O0

A

0X

A

02

A

C?3 A 0 6

A

09

A

0*)]

führt nach absehbar erfolgreicher Eliminierung aufgetretener Störeinflüsse — dargestellt durch die Erreichung oder Überbietung der geplanten Effektivität i/ !t) — zur Realisierung der optimierten Steuermaßnahmen u ( oder mit der daraus folgenden Effektivität i/Ui) oder rfu'j> mit dem funktionalen Operator 0*. Der dritte Ablauf [O0 A 01 A 0 2 A 0 3 A 0 6 A Og A 0*] beinhaltet — bezogen auf die Möglichkeiten dieses Algorithmus — die Auslösung von Steueralgorithmen hierarchisch übergeordneter Ebenen (0*) in den Fällen, in denen weder durch noch durch u'j die Stabilität des Prozesses gesichert werden konnte. Der vierte Ablauf [O0 A 0, A 0 5 A 05 ...] führt zu einem Zyklus, in dem — bei Verneinung der Entscheidung E t über die Aussagekraft und damit die Brauchbarkeit der Ist-Werte des Prozeßablaufes — die Operation Ob solange wiederholt wird, bis die Daten den definierten Anforderungen hinsichtlich Quantität, Qualität und Zeitbezogenheit entsprechen. Unter den Bedingungen unvollständiger Information und stochastischer Einflüsse auf den Steuerprozeß ergibt sich die Notwendigkeit, durch statistische Untersuchungen Übergangswahrscheinlichkeiten für Prozeßzustände und Wahrscheinlichkeitsverteilungen für Eingangsdaten, Operatoren und Ausgangsdaten zu ermitteln. 1.2.4.3. Klassifizierung ökonomischer Steueralgorithmen Für die Steuerung betrieblicher Prozesse ist es erforderlich, ein entsprechend den Anforderungen des Reproduktionsprozesses gegliedertes, organisch integriertes Algorithmensystem zu entwickeln, das prinzipiell Algorithmen folgender Klassen enthält: 1. Algorithmen des Ablaufs der Prognose und der langfristigen Planung. 2. Algorithmen der konstruktiven und technologischen Vorbereitung der Produktion. 3. Algorithmen des Ablaufs der mittel- und kurzfristigen Planung. 4. Algorithmen der organisatorischen Produktionsvorbereitung. 5. Algorithmen der operativen Lenkung und Kontrolle des Produktionsprozesses. 6. Algorithmen des Ablaufs der Absatztätigkeit. 7. Algorithmen zur Abrechnung und Analyse des Reproduktionsprozesses. Diese Klassifizierung läßt sich auf der Basis der realen Gegebenheiten verdichten oder weiter spezifizieren. Für die praktische Arbeit ist es wichtig, bei der Entwicklung derartiger Algorithmen ihre notwendigen externen Kopplungsbeziehungen herzustellen und damit zu einem in sich geschlossenen Algorithmensystem zu gelangen, das der Komplexität der Steuerung des Reproduktionsprozesses in seiner Gesamtheit Rechnung trägt. Hierbei ergibt sich zwingend die Frage nach den Gemeinsamkeiten und den Unterschieden der Steuerprozesse in den Betrieben eines Industrie- oder

1.2. Grundbegriffe der ökonomischen Kybernetik

45

Wirtschaftszweiges. Die B e a n t w o r t u n g dieser Frage, der in der U d S S R im Z u s a m m e n hang mit der Projektierung u n d Realisierung Automatisierter Leitungssysteme große Aufmerksamkeit gewidmet wird, f ü h r t demzufolge zum Problem der Typisierung von Steuerprozessen u n d der Schaffung von Typenalgorithmen. Typenalgorithmen stellen verallgemeinerte Bestlösungen von Algorithmen f ü r vergleichbare Prozesse dar, beispielsweise für die Planung, die P r o d u k t i o n s v o r b e r e i t u n g und Produktionssteuerung sowie die Analyse der W i r t s c h a f t s t ä t i g k e i t . Dabei gibt es zwei Kategorien von T y p e n a l g o r i t h m e n : 1. Standardlösungen, die alle a u f t r e t e n d e n Sonderfälle eines Prozesses enthalten u n d ohne Abweichungen universell a n w e n d b a r sind; 2. Prinziplösungen, die problemorientiert auf die Lösung einer b e s t i m m t e n Aufgabe gerichtet sind u n d Abweichungen zur Berücksichtigung v o n Sonderfällen zulassen. Standardlösungen eignen sich besonders f ü r relativ abgeschlossene Prozesse kleineren Umfangs oder weniger komplizierter S t r u k t u r . F ü r umfangreichere Abläufe werden Standardlösungen a u f g r u n d der Kompliziertheit u n d K o m p l e x i t ä t ökonomischer Steuerprozesse sehr schnell unübersichtlich u n d aufwendig. D a h e r gewinnen Algorithmen auf der Basis modifizierbarer Prinziplösungen zunehmend an B e d e u t u n g — insbesondere im Zusammenhang mit dem Übergang zu höheren F o r m e n A u t o m a t i sierter Leitungssysteme nach Abb. 1.23. Derartige Algorithmen e n t h a l t e n Optimierungsverfahren der Operationsforschung zur Ableitung optimaler S t e u e r m a ß n a h m e n .

Abb. 1.23. Entwicklungsstufen automatisierter Leitungssysteme in der UdSSR

46

1. Inhalt und Methodik

1.3. Methodik kybernetischer Analyse und Synthese 1.3.1. Zielstellung und Voraussetzungen Die kybernetische Modellierung stellt eine Einheit von Analyse — im Sinne eines Erkenntnisprozesses — und Synthese — im Sinne eines Veränderungsprozesses — dar. Daraus folgt, daß ihr Grundanliegen darauf gerichtet ist, — die Gesetzmäßigkeiten der Steuerung ökonomischer Prozesse aufzudecken und in Struktur-, Funktions- und Verhaltensmodellen formalisiert darzustellen; — durch rationelle Gestaltung und Optimierung von Struktur, Funktion und Verhalten zu einer größeren Leistungsfähigkeit und einer höheren Effektivität ökonomischer Prozesse zu gelangen; — zur Realisierung dieser Aufgabenstellungen geeignete Methoden und Modelle einzusetzen und eine problemorientierte, logische Reihenfolge des Herangehens zu gewährleisten. Als Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung einer komplexen kybernetischen Analyse und Synthese ökonomischer Systeme gilt eine Reihe prinzipieller Forderungen. Dazu gehört zunächst — neben einer exakten, detaillierten Formulierung der durch das Modell zü lösenden Probleme — die Festlegung der Zielstellung des zu untersuchenden ökonomischen Prozesses in Form einer Zielhierarchie. Dies ist deshalb unumgänglich notwendig, weil eine reale, prognostisch angelegte Zielbestimmung die Grundlage für die Ableitung entsprechender Entscheidungen, Algorithmen, Informationsstrukturen und Systeme bildet, die wiederum hierarchischen Charakter tragen: Zielhierarchie

Entscheidungshierarchie f I I Prozeßhierarchie

t

I_ Informationshierarchie t

Systemhierarchie Die hierarchische Struktur der Zielfunktion beginnt in der jeweils oberen Hierarchieebene mit wenigen synthetischen Kennziffern, die in der sozialistischen Ökonomie von der Bedürfnisbefriedigung ausgehen und durch entsprechende zeitbezogene Festlegungen über Umfang, Sortiment und Qualität der Produktion, über Produktivität, Kosten, Ergebnisse und Fonds spezifiziert werden. Die Anzahl der Kennziffern wächst mit abnehmender Hierarchieebene.

1.3. Methodik kybernetischer Analyse und Synthese

47

Die für die planmäßige Erfüllung derartiger Kennziffern benötigte Hierarchie der Entscheidungen, für die zur Wahrung ihrer Flexibilität ein Toleranzbereich festzulegen ist, leitet sich unmittelbar aus der Zielhierarchie ab. Für die Ermittlung und Bereitstellung optimierter Entscheidungen wiederum ist eine Prozeßhierarchie erforderlich, die die hierarchisch abgestuften Algorithmen zur Planung und Steuerung ökonomischer Systeme umfaßt. Aus dem Inhalt algorithmischer Prozesse als Prozesse der Erfassung, Verarbeitung, Speicherung und Weiterleitung von Information ergibt sich damit eine hierarchische Informationsstruktur, die zu einer durch rationelle Arbeitsteilung, Spezialisierung und Kooperation bedingten Systemhierarchie führt. Weiterhin ist die Wahrung der Komplexität der kybernetischen Modellierung zu fordern. Das bedeutet, daß beispielsweise Probleme der Rationalisierung der Funktion ökonomischer Prozesse gleichzeitig Strukturanalysen einschließen oder eine Strukturoptimierung in ihren Auswirkungen auf Funktion und Verhalten durchgeführt werden kann. Zur Komplexität gehört darüber hinaus die Berücksichtigung der Zusammenhänge von kybernetischen Modellen, von Verfahren der Operationsforschung und der Technik der elektronischen Datenverarbeitung. Dieser Zusammenhang wird in Anbetracht der Tendenzen zur Simulation und Optimierung der Steuerung ökonomischer Prozesse immer deutlicher sichtbar — insbesondere im Zusammenhang mit der Auswertung von Erfahrungen bei der Konzipierung und Realisierung Automatisierter Leitungssysteme in der UdSSR. Wesentlich ist schließlich die Forderung nach einer langfristig angelegten Aufgabenstellung für die Optimierung von Struktur, Funktion und Verhalten ökonomischer Systeme. Hieraus ergibt sich die Orientierung auf entwicklungsfähige, adaptive Systemcharakteristika mit hoher Elastizität und Variabilität gegenüber externen und internen Störeinflüssen und einer kurzen Reaktionszeit auf Umwelteinflüsse.

1.3.2. Makro-Mikro-Methode Den genannten Forderungen trägt die von A. A. L J A P U N O W und S. W. J A B L O N S K I erarbeitete Makro-Mikro-Methode der kybernetischen Analyse und Synthese Rechnung [1.16]. Sie ist nach Abb. 1.24 in zweifacher Hinsicht gegliedert: zum ersten methodisch in einen makroskopischen Teil, der das zu untersuchende ökonomische Objekt, beispielsweise einen Industriebetrieb, in seinen Relationen zur gesellschaftlichen Umwelt und seinem Verhalten als black-box betrachtet, und in einen mikroskopischen Teil, der die Untersuchung und Optimierung von Struktur und Funktion des Systems beinhaltet. Zum zweiten werden eine analytische und eine synthetische Phase unterschieden. Die analytische Phase umfaßt die Makro- und Mikro-Untersuchung des ökonomischen Objektes zur Gewinnung von Erkenntnissen über seine Umweltbeziehungen, seinen Aufbau und seine Prozeßabläufe, die synthetische Phase bezieht sich auf die Projektierung neuer oder geänderter ökonomischer Steuersysteme und ihre rationellste Gestaltung. Im einzelnen werden in den drei Etappen Makro-Systemanalyse, Mikro-Systemanalyse, Systemsynthese und Systembewertung folgende Aufgaben gelöst:

48

1. Inhalt und Methodik

Makro Methode

1

Analyse hungen

z

Semiotische Analyse der externen ökonomischen Information

externes Informa tionsmodell

3

Makro-Funktionsanalyse ökonomischen Systems

Transformationsoperator 7"is)

Ableitung Funktion

Mikro Methode

der S

InformationsbezieU

des

von Hypothesen über und Verhalten

externes Struktur modelt

Struktur, komplexes Modell

Zuordnung

Makro-

5"

Analyse von Umfang und der Systemelemente

6

Bestimmung von Umfang und Inhalt internen Informationsbeziehungen

7

Algorithmische Beschreibung der Steuerprozesse

Steueralgohthmen

8

Mikro-Funktionsanalyse Systemelemente

Transformationsopera toren T1r Tz ,.. ,,T¡

9

Synthese und ökonomischer

10

Äquivalente Umformung Mikro -Modells

11

Untersuchung der des ökonomischen

12

Ermittlung von Kennziffern der Leistungsfähigkeit und Effektivität

der

Projektierung Steuersysteme

des

Adaptionsfähigkeit Systems

internes modell

-

Analytische Phase

Struktur-

der internes Informationsmodell

tffSt)

Mikro-Modell Steuerung

der

ModellVarianten

Entwicklungsteilmodel!

Kennziffern system

Synthetische Phase

-

Abb. 1.24. Etappen, Inhalt und Ergebnisse der Makro-Mikro-Methode

1.3. Methodik kybernetischer Analyse und Synthese 1. Analyse der Informationsbeziehungen und seiner Umwelt

des ökonomischen

49

Systems

Das ökonomische Objekt S0 und die Umwelt U bilden entsprechend der allgemeinen Systembeschreibung nach (1.6) in Abschn. 1.2.1.2 ein isoliertes System, das MakroSystem Syi nach (1.101): «m = [{£0,

U}, {ESo_v,

ÄüiSo}]

(1.101)

mit U =

... , & P ) ,

(1.102)

das in bezug auf einen Industriebetrieb u. a. die eingangsseitigen Lieferbeziehungen von Material, Halb- und Fertigfabrikaten, Werkzeugen, Vorrichtungen, Maschinen, Anlagen, Energie, die Verbindungen zu übergeordneten Leitungsorganen, Betrieben und Forschungseinrichtungen und zu Institutionen des Territoriums sowie die Reaktionen der Abnehmer umfaßt. Die ausgangsseitigen Beziehungen setzen sich aus der Lieferung von Fertigerzeugnissen, Baugruppen oder Materialien an Handels- und Verbraucherorgane, der Gewinnabführung an den Staatshaushalt, der Berichterstattung im Rahmen der Rechnungsführung und Statistik, der Rückwirkung auf Kooperationspartner, dem Einfluß auf die Entwicklung des Territoriums und anderen Komponenten spezifischer Natur zusammen. Vielfach ist darüber hinaus erforderlich, wesentliche Beziehungen innerhalb der Umwelt in das Modell aufzunehmen. Zu den Darstellungsformen externer Strukturmodelle zählen neben der mengentheoretischen Formalisierung insbesondere graphische Abbildungen als Strukturgraphen oder Blockschaltbilder, Strukturtableaus, Kopplungsgleichungen in der allgemeinen Form nach (1.103) ,(S) (1.103) y und Strukturmatrizen Ii

B

(1.104)

=

als Matrizenmodelle des externen Kopplungsnetzes. Dabei werden alle Kopplungsmatrizen, die Beziehungen innerhalb der Umwelt U darstellen, als Nullmatrizen aufgefaßt. 2. Semiotische

Analyse

der externen

ökonomischen

Information

Die Relationen i? S o r und R v S o stellen Informationsbeziehungen dar; durch sie wird die Kommunikation von System und Umwelt vollzogen. Sie sind nunmehr detailliert nach den Grundsätzen der sich gegenwärtig in Entwicklung befindlichen ökonomischen Semiotik [1.10], [1.17] zu untersuchen, um ihren realen Einfluß auf S0 sichtbar und berechenbar werden zu lassen. Diese semiotische Analyse vollzieht sich demzufolge auf pragmatischer, semantischer, sigmatischer, syntaktischer Ebene unter Verwendung entsprechender Instrumentarien der Formalisierung unter besonderer

1. Inhalt und Methodik

50

Berücksichtigung quantitativer und zeitlicher Aspekte sowie der sich aus dem Prozeß der Steuerung ableitenden Klassifikation in Plan-, Kontroll- und Steuerinformation. Sie gibt demzufolge Auskunft über die inhaltliche und formale Struktur der ökonomischen Information sowie die Art der Abbildung realer ökonomischer Prozesse in entsprechenden Kenngrößen. Dies bildet die Basis für die Festlegung der Bedeutung und den Nutzen der Information für den Steuerprozeß. Das Ergebnis dieser Analyse mündet in entsprechende Informationskataloge, deren numerische Bestimmung die Basis für die sich daran anschließende black-box-Analyse bildet. 3. Makro-Funktionsanalyse

des ökonomischen

Systems

Die makroskopische Funktionsanalyse hat das Ziel, die Gesetzmäßigkeiten der Umwandlung der Eingangs- und Ausgangsgrößen eines Systems in Form des Transformationsoperators T nach der black-box-Methode zu ermitteln. Dadurch kann die für die Steuerung dieses Systems wesentliche voraussichtliche Entwicklung seines Verhaltens bei gegebenen bzw. angenommenen Eingangsgrößen entsprechend der Beziehung y = Tx

(1.105)

oder die Gestaltung der Prozeßeingangsgrößen bei definiertem Verhalten nach y = (1.106) berechnet oder verbal beschrieben werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind insbesondere dann bedeutungsvoll, wenn entweder die gestellte Aufgabe ein derartiges makroskopisches Vorgehen zuläßt oder eine Mikrofunktionsanalyse aus bestimmten Gründen nicht möglich oder nicht zweckmäßig ist. Dies trifft beispielsweise für die Untersuchung größerer Koop^rationssysteme zu. 4. Ableitung von Hypothesen über Struktur, des untersuchten Systems

Funktion

und

Verhalten

Die Auswertung der in den ersten drei Etappen gewonnenen Erkenntnisse läßt infolge der Kenntnis der Eingangsgrößen, des Transformationsoperators und der Ausgangsgrößen experimentelle Untersuchungen zu, die zu einer Simulation möglicher Verhaltensweisen in Form der Prozeßergebnisse oder möglicher Prozeßvoraussetzungen führen. Die Analyse dieser Ergebnisse wiederum kann in Verbindung mit dem Vergleich realer Werte hypothetische Aussagen über Struktur, Funktion und Verhalten liefern. Die damit vorliegenden Daten gestatten es bei geeigneten Problemstellungen prinzipiell, optimale Verhaltensstrategien auf der Basis spieltheoretischer Verfahren zu erarbeiten. Dazu bildet die Bestimmung der Komponenten eines strategischen Spiels r = { ( $ 1 ; S2, ... , S/c), (F l 3 F 2 , ... , F m ), (Hlt H2, ... , Hn)\ ,

(1.107)

d. h. der Anzahl der beteiligten Systeme S, ihrer Strategien V und der Gewinnfunktionen I I , die Grundvoraussetzung. Nach Abschluß der makroskopischen Analyse folgt nun der Übergang zur Mikro-Methode in ihrer analytischen Phase.

1.3. Methodik kybernetischer Analyse und Synthese 5. Analyse

von Umfang und Zuordnung

der

51

Systemelemente

Ausgangspunkt der mikroskopischen Strukturanalyse bildet die Aufgliederung des bisher als black-box betrachteten Systems in die beiden Grundelemente kybernetischer Systeme: den im Rahmen eines Industriebetriebes als gesteuerten Prozeß P erscheinenden betrieblichen Reproduktionsprozeß und das Steuerorgan St, die in elementarer Darstellung durch Rückkopplungsbeziehungen miteinander verbunden sind. Damit entsteht das in Abschn. 1.2 behandelte Steuersystem S ^ Ä = [{P,St};

E],

(1.108)

Seine Grundelemente P und St werden nunmehr systemtheoretisch untersucht. Dazu gehört zunächst ihre Zerlegung in die Elemente des Reproduktionsprozesses oder — bei Untersuchungen zur Steuerung von Produktionsprozessen — in die entsprechenden Grundoperationen. Sie umfassen beispielsweise in diskreten Prozessen des Fahrzeugbaus die spanlose und spanabhebende mechanische Fertigung der Bauteile und Aggregate, die Vormontage, die Oberflächenbehandlung und die Endmontage. Diese Teilprozesse bilden aufgrund der hierarchischen Struktur des Produktionssystems wiederum elementare Steuersysteme, bestehend aus den Grundelementen des gesteuerten Prozesses und des Steuerorgans. Demzufolge besitzt das Steuerorgan St eine hierarchische Struktur mit definierten Informationsbeziehungen vertikaler und horizontaler Natur, die in Abb. 1.15 für ein dreistufig hierarchisches (Dreiebenen-) Steuersystem abgebildet ist. In Automatisierten Leitungssystemen (ASU) bildet die Gesamtheit dieser Steuerorgane nach Abb. 1.16 das Automatisierte System der Organisationssteuerung (ASOU). I n die Darstellung des internen Strukturmodells, das als Ergebnis dieser Untersuchungen entsteht, werden schließlich auch die Sensoren als Meß- oder Kontrollorgan im Rahmen der Rückkopplung, der interne Informationsspeicher — zur Aufbewahrung von Soll-Daten als Planvorgaben laufender und künftiger Zeiträume, von IstDaten des Ablaufs des Reproduktionsprozesses vergangener Zeiträume mit daraus abgeleiteten synthetischen Kennziffern und Vorschau-Berechnungen sowie von getroffenen und möglichen optimierten Entscheidungen zur Steuerung der Planungs-, Produktions- und Absatztätigkeit — sowie die Effektoren als ausführende Organe aufgenommen. Das auf diese Weise gewonnene elementare Modell des Steuersystems wird nach den im Abschn. 1.2.3 genannten weiteren Formen der Steuerung untersucht und vervollkommnet.

6. Bestimmung

von Umfang und Inhalt der internen

Informationsbeziehungen

Der Katalog der internen Informationsbeziehungen leitet sich unmittelbar aus dem internen Steuermodell ab. Dies zu betonen ist deshalb von Bedeutung, weil die Erfassung von Informationsflüssen ,,an sich", also ohne Bezug auf den Steuerprozeß, wenig Aussagekraft besitzt. Die Prinzipien und Methoden der Informationsanalyse entsprechen denen für die Bestimmung der semiotischen Elemente der externen ökonomischen Information. Sie vollzieht sich jedoch unter Berücksichtigung der hierarchischen Informationsstruktur

52

1. Inhalt und Methodik

in den Zusammenhängen Planinformation — Zielhierarchie Kontrollinformation — System-/Prozeßhierarchie Steuerinformation — Entscheidungshierarchie und führt damit zu Hauptparametern, Parametern und Teilparametern der Steuerung ökonomischer Prozesse. Sie sind im Detail semiotisch zu definieren und meßbar zu gestalten. Dazu gehört auch die Bestimmung der Auftrittswahrscheinlichkeiten sowie ihrer statistischen Verteilung. Im internen Informationsmodell werden diese Aussagen zusammengefaßt. 7. Algorithmische

Beschreibung

der

Steuerprozesse

Nach der Untersuchung der Informationsbeziehungen, verbunden mit einer Identifizierung der Eingangs- und Ausgangsvektoren, kann jetzt der Steuerprozeß als Verarbeitungsprozeß von Information modelliert werden. Dazu dienen ökonomische Steueralgorithmen /7 ( S t ) IIW=[0,R,E,Z], (1.109) deren grundsätzlicher Aufbau in Abschn. 1.2.4 (S. 37f.) behandelt wurde. Ihre Ableitung erfordert eine exakte Analyse der Arbeitsoperationen oder Tätigkeiten der Steuerung und ihre Abbildung in den funktionalen Operatoren O t e 0 , die Fixierung ihres Zusammenwirkens und damit der Sequenz der Operatoren in der Relationsmenge R = {jRj, R2, ... , Rm}, die Aufdeckung und Formulierung der binären E n t scheidungen zu logischen Operatoren Et e E unter Verwendung von Toleranzfeldern sowie die Zuordnung dieser Operatoren zu den funktionalen und zu anderen logischen Operatoren. Wesentlich für die Aussagekraft von Steueralgorithmen ist ihre Einordnung in Kategorien der Algorithmen mit Verarbeitung vollständiger oder unvollständiger Information, in unterschiedliche Kompliziertheitsgrade unter besonderer Beachtung hierarchischer Steueralgorithmen I l f ^ nach (1.110) 77 = [ 7 7 f >, n f i n ^ i

(1.110)

sowie die Unterteilung nach der inhaltlichen Aufgabenstellung, die aus den Phasen des Reproduktionsprozesses und dem Grad ihrer Integration resultiert [1.14]. 8. Mikro-Funktionsanalyse

der

Systemelemente

Den Inhalt der mikroskopischen Funktionsanalyse bildet die Ermittlung der Transformationsoperatoren jedes Elementes im Steuersystem. Dabei ist es sinnvoll, den Transformationsoperator des Steuerorgans St als Algorithmus in der dargelegten Weise z:u ermitteln und die Bestimmung der Transformationsoperatoren in Form rechenbarer Größen auf Leistungsprozesse zu beziehen. Hierfür ist eine Vielzahl von Methoden anwendbar. I h r Spektrum reicht von der black-box-Analyse über Verfahren der Automatentheorie [1.18] bis zu der detaillierten Aufgliederung in elementare Bausteine und der Bestimmung ihres Verhaltens. Die Zusammenfassung der Transformationsoperatoren der Elemente zum Transformationsoperator des untersuchten ökonomischen Leistungsprozesses erfolgt über die Kombination der Grundschaltungen

1.3. Methodik kybernetischer Analyse und Synthese

53

Serien-, Parallel- und Rückkopplung; sie bildet eine Möglichkeit für die Simulation möglicher Verhaltensweisen entsprechend der Beziehung y = TRx . 9. Synthese

und Projektierung

ökonomischer

(1-111) Steuersysteme

Aufbauend auf den Resultaten der Makro- und der Mikroanalyse besteht die Hauptaufgabe der Synthese darin, das untersuchte oder ein neu zu schaffendes Steuersystem nach vorgegebenen Leistungs- und Aufwandsparametern so zu konzipieren, daß die vorgegebene Zielstellung mit höchster Effektivität realisiert wird. Dabei wird nun die Projektierung von Struktur, Funktion und Verhalten einer bestehenden Wirtschaftseinheit — eines Produktionsbereiches, Betriebes, Kombinates oder Industriezweiges — mit dem Ziel seiner Rationalisierung und Optimierung oder die Konzipierung einer neuen Wirtschaftseinheit, z. B . eines Kombinates, vorgenommen. In dieser Phase gelten die eingangs genannten Forderungen exakter Formulierung der Zielhierarchie, der Wahrung der Komplexität der Modellierung und der Orientierung auf entwicklungsfähige Systeme adaptiven Charakters in besonderem Maße. Weiterhin ist die Reihenfolge Ziele, Entscheidungen, Prozeßabläufe, Informationsgestaltung, Systemaufbau wesentlich, um die objektiven Gesetzmäßigkeiten der Steuerung zum Ausgangspunkt werden zu lassen. Hinsichtlich der Entscheidungs-, Informations- und Systemkonturen spielen subjektive Einflüsse zwar eine Rolle, können jedoch nicht als primäre Basis der Projektierung gelten. Das Ergebnis dieser Arbeiten bildet ein Mikro-Modell (Soll-Modell) der Steuerung als Einheit von gesteuertem Prozeß und hierarchischem Steuerorgan, das im Sinne eines Betriebsmodells nach N . P. F E D O E E N K O [ 1 . 1 9 ] auf optimale und rationelle Lösungen durch den Einsatz von Optimierungsmodellen der Operationsforschung und durch automatisierte Informationsverarbeitung gerichtet ist. 10. Äquivalente

Umformung

des

Mikro-Modells

Nach der Vorlage von Grob- und Feinprojekten wird sich im Ergebnis des Tests von Teilprojekten die Ableitung einer Reihe von Varianten und ihr Vergleich erforderlich machen. Dabei ist bedeutungsvoll, daß bei der sich daraus ergebenden Auswahl einer praktisch zulässigen Variante der Steuerung des betreffenden ökonomischen Prozesses nicht nur auf optimale Werte der Kennziffern für Struktur, Funktion und Verhalten, sondern auch und insbesondere auf ihre Stabilität, Zuverlässigkeit und Effektivität geachtet werden muß. Dies ist in vielen Fällen für die endgültige Bewertung der Qualität der System Variante entscheidend. Die Erarbeitung von Varianten betrifft Verhaltens-, Funktions- und Strukturmodelle unter Zugrundelegung ihrer Zusammenhänge und Wechselbeziehungen. Die Ermittlung und der Vergleich von Verhaltensmodellen gehen von der Zielstellung des Systems und seinen definierten Beziehungen zur ökonomischen und gesellschaftlichen Umwelt aus. Sie werden somit von externen Faktoren — dem Verhalten der Umwelt als Eingangsvektor des untersuchten ökonomischen Bereiches — und der Funktion seines Steuersystems bestimmt. Die Varianten finden ihren konkreten Ausdruck in einer endlichen Menge von Verhaltensstrategien, deren voraussichtliche Wirksamkeit an black-box-Modellen der Umwelt simuliert werden kann.

54

1. Inhalt und Methodik

Funktionsvarianten umfassen die mögliche Gestaltung der Ablauforganisation im Leistungsprozeß und die unterschiedlichen Möglichkeiten der Steuerung dieses Prozesses durch Steueralgorithmen verschiedener Entwicklungsstufen. Die Problematik besteht hierbei in einer rationellen Synchronisation der Teilprozesse, der redundanzarmen und gleichzeitig zuverlässigen Fixierung der Informationsströme, ihres Umfangs, ihrer Qualität und des Zeitpunktes ihrer Erfassung, Verarbeitung, Speicherung und Weiterleitung. Auch hier ist die Bestimmung des Zentralisierungsgrades der Steuerung und die Organisation der Informations- und Algorithmierungshierarchie für die Effektivität des Steuerprozesses in seiner Gesamtheit ausschlaggebend. Hinsichtlich der Strukturgestaltung umfassen die Varianten die Differenzierung der Anzahl der Elemente und ihre Zusammenfassung zu Teilsystemen, den Grad und die Art ihrer Kopplung durch Einführung oder Verminderung von Parallel- und Rückkopplungen, ihre Paßfähigkeit und die Ebenen ihrer Hierarchie. Im Hinblick auf die Wechselwirkung zwischen diesen drei Modellkategorien werden die Varianten damit von den Grundsituationen — Verhaltensmodell-Varianten ohne und mit Berücksichtigung fixierter bzw. variierter Funktions- und Strukturvarianten; — Funktionsmodell-Varianten aufgrund festgelegter oder flexibler Verhaltens- und Strukturvarianten; — Strukturmodell-Varianten entsprechend den vorgegebenen oder modifizierten Verhaltens* und Funktionsmodellen einschließlich der Auswahl optimaler Varianten bestimmt. Die Komplexität der Synthese ökonomischer Prozesse wird daran besonders deutlich. 11. Untersuchung

der Adaptionsfähigkeit

des ökonomischen

Systems

Die Adaptionsfähigkeit bezieht sich speziell auf den Grad, den Zeitraum und die Effektivität der Reaktion eines Produktionssystems oder eines Industriebetriebes auf — gegenwärtig geänderte oder künftig zu realisierende Zielfunktionen, — mögliche externe und interne Störeinflüsse, — Anforderungen zur Weiterentwicklung der Leitung und Organisation unter dem Blickwinkel der Automatisierung. Infolge der direkten Wirkung des Systemverhaltens auf die Umwelt und die daraus resultierende vorrangige Orientierung auf die Erarbeitung eines breiten Spektrums von Varianten möglicher optimaler Verhaltensstrategien wird die Reaktionszeit te für Verhaltensänderungen y* generell kürzer anzusetzen sein als für Funktionsänderungen T* und für diese entsprechend (1.112) t'-f
< tiR">

(1-112)

wiederum kürzer als für Strukturänderungen B*. Als Reaktionszeit te wird dabei die Zeit angesehen, die vom Eingang einer Information über notwendige Änderungen bis zur Realisierung einer ausgewählten Änderungsvariante benötigt wird. Da Große Systeme (vgl. Abschn. 2.1) nach dem Prinzip der Ultrastabilität organisiert sind, verfügen sie über eine abrufbereit gespeicherte, endliche Menge möglicher Verhaltensstrategien, die über y* kurzfristig wirksam werden können. Rcichen die vorhandenen

1.3. Methodik kybernetischer Analyse und Synthese

55

Varianten nicht aus, um die Zielerreichung des Systems zu gewährleisten, so muß eine Änderung von T beziehungsweise von II und T vorgenommen werden. Die Änderung der internen Funktionsweise des Systems und seiner Elemente erfordert infolge der Modifizierung komplexer und einzelner Prozeßabläufe Transformationsoperatoren und Algorithmen sowie der Ermittlung ihrer Auswirkungen auf die Verhaltensweise. Das erfordert einen größeren Zeitaufwand. Noch umfassender sind schließlich die Arbeiten, die mit der Änderung der Struktur des Systems zusammenhängen, da sich diese unmittelbar auf die Funktion des Systems als Ganzes und demzufolge auch mittelbar auf seine Verhaltensweise auswirken. Die Konsequenzen von Strukturänderungen müssen daher über Funktions- und Verhaltensänderungen erfaßt und ausgewiesen werden. Insofern gilt die Aussage nach Beziehung (1.112) naturgemäß unter der Voraussetzung, daß die Ableitung geänderter Verhaltensstrategien auf der Basis ausreichender Variantenauswahlmöglichkeiten auch ohne Änderungen von T und R möglich ist. Die gezielte Weiterentwicklung ökonomischer Steuersysteme bildet einen integrierenden Bestandteil der kybernetischen Modellierungskonzeption; sie muß insbesondere den Inhalt der experimentellen Simulation bestimmen. I n diesem Zusammenhang ist offensichtlich, daß die erforderlichen Änderungen nicht einen nachvollziehend korrigierenden und damit passiven, sondern einen vorausschauenden, aktiv beeinflussenden Charakter tragen. Für die sich daraus in vielen Fällen ableitende Zieländerung wird der generierende Mensch/Maschine-Dialog [1.20] bei der Konzipierung und Realisierung automatisierter Leitungssysteme ständig bedeutungsvoller. 12. Ermittlung von Kennziffern der Leistungsfähigkeit ökonomischer Steuersysteme

und der

Effektivität

Die Entscheidung darüber, welche Variante eines projektierten Steuersystems für die industrielle Organisation am vorteilhaftesten und welche Richtung seiner weiteren Vervollkommnung zu wählen ist, muß anhand meß- und bewertbarer Kriterien gefällt werden. Für die Erarbeitung eines derartigen Kennziffernsystems gelten naturgemäß die gleichen Grundsätze wie für die Modellierung selbst. E s ist daher erforderlich, analytische Kennziffern für das externe Verhalten, die interne Funktion und die interne Struktur industrieller Steuersysteme sowie synthetische Kennziffern zu bilden, die zusammengefaßte Aussagen über den Effekt der Steuerung insgesamt — für das ganze System geltend — enthalten. Unter diesem Aspekt stehen die bereits behandelten Eigenschaften Stabilität, Wirkungsgrad, Zuverlässigkeit an erster Stelle. Stabilität ist letztlich das Ziel der Steuerung überhaupt, der Wirkungsgrad als Relation von Aufwand und Ergebnis bildet eine Aussage über den optimalen Weg der Stabilitätssicherüng, und die Zuverlässigkeit ist ein Ausdruck dafür, inwieweit die Steuerfunktion über längere Zeiträume planmäßig realisiert wird. Darüber hinaus lassen sich Verhaltensstrategien, Prozeßabläufe und Systemstrukturen durch spezielle Kennziffern bestimmen. Literatur Abschnitt 1 [1.1] [1.2]

MAEX, K . : Das Kapital, Bd. 1, Dietz-Verlag, Berlin 1957. W I E N E B , N.: Kybernetik, Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine, Econ-Verlag, Düsseldorf—Wien 1963.

1. I n h a l t u n d Methodik

56 [1.3] [1.4] [1.5] [1.0] [1.7] [1.8] [1.9] [1.10] [1.11] [1.12] [1.13] [1.14] [1.15] [1.16] [1.17]

LEBNEB, A. J . : Grundzüge der Kybernetik. Y E B Verlag Technik, Berlin 1970. K o ß p H H C K H H , H . E . OcHOBbI 3K0H0MHHeCK0Ë KHÔepHeTHKH, H3H. 3K0II0MHKa, MocKBa 1 9 6 9 . WINTGEN, G. : Zur mengentheoretischen Definition und Klassifikation kybernetischer Systeme, W Z der Humboldt-Universität, Naturwissenschaftliche Reihe H . 6, Berlin 1968. GÖTZKE, H . : Netzplantechnik, V E B Fachbuchverlag, Leipzig 1971. DUCK, M. u n d BLIEFEBNICH, M. : Operationsforschung, Bd. I, I I , I I I , Mathematische Grundlagen, Methoden u n d Modelle. V E B Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1972. KÄNEL, S. v . : Einführung in die Kybernetik f ü r Ökonomen. Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1971. CHABKEWITSCH, A. A. : Über den Wert einer Information, Probleme der Kybernetik, B d . 4, Berlin 1964, S. 50. CEENJAK, J . I . u. a.: Ökonomische Semiotik. Akademie-Verlag, Berlin 1972. LANGE, O.: E i n f ü h r u n g in die ökonomische Kybernetik. Akademie-Verlag, Berlin 1968. BAGBINOWSKI, K . A. : Modelle und Methoden der ökonomischen Kybernetik. Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1975. MAUX, K . : Grundrisse zur Kritik der politischen Ökonomie. Dietz-Verlag, Berlin 1953. LAUENBOTH, H.-G. : Grundlagen der Algorithmierung ökonomischer Steuerprozesse. Martin-Luther-Universität Halle, Sektion Wirtschaftswissenschaften, 1972. KÄMMEBEB, W. : Einführung in mathematische Grundlagen der Kybernetik. AkademieVerlag, Berlin 1973. LJAPUNOV, A. A. u n d JABLONSKI, S. W . : Theoretische Probleme der Kybernetik. I n : Probleme der Kybernetik, Bd. 6, Akademie-Verlag, Berlin 1966. MAIMINAS, E. S.: Planungsprozesse — Informationsaspekt. Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1972.

[1.18] SCHULTZE, H . : Eine Methodik zur kybernetischen Analyse und Synthese von ökonomischen Systemen (Dissertation), Humboldt-Universität Berlin, Wirtschaftswissenschaftliche F a k u l t ä t , 1969. [1.19] FEDOBENKO, N. P. : Ökonomisch-mathematische Modelle in der Volkswirtschaftsplanung der UdSSR. Wirtschaftswissenschaft 21 (1973) H . 1. [ 1 . 2 0 ] FTJCHS-KITTOWSKI, K . , TSCHIBSCHWITZ, R . u n d W E N Z L A F F , B . : Z u m G e g e n s t a n d d e r A u t o -

matisierung körperlicher und geistiger menschlicher Tätigkeiten, messen-steuern-regeln 17 ( 1 9 7 4 ) H . 8.

2. GROSSE SYSTEME ALS MODELLE ÖKONOMISCHER PROZESSE

2.1. Charakteristik Großer Systeme Zum Zwecke der Analyse und Erkenntnisgewinnung kann ein beliebiger Untersuchungsgegenstand (z. B. ein ökonomischer Prozeß) als ein zwar abgegrenzter, aber mit seiner Umgebung in ständiger Wechselwirkung stehender Bereich, der eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat, betrachtet werden. Umfaßt die Darstellung auch die Dynamik des beschriebenen Prozesses und die Probleme seiner Steuerung mittels Information, dann entsteht als Modell des zu betrachtenden Objektes ein kybernetisches System (s. Abschn. 1.2.1.1). Kybernetische Systeme sind demnach Modelle ausgewählter Bereiche der Wirklichkeit, die eine umfassende Betrachtung mit dem Ziel der Prozeßbeherrschung ermöglichen. Bei der Anwendung einer solchen kybernetischen Betrachtungsweise für Analysen in der gesellschaftlichen und ökonomischen Realität lassen sich einige typische Charakteristika erkennen. Als wesentliche können genannt werden: — Tätigkeit des Menschen sowohl im zu beeinflussenden Prozeß als auch zu dessen Steuerung, — notwendige Transformation von Stoff, Energie und Information im Sinne einer konjunktiven Verknüpfung zur Erzielung des Prozeßergebnisses, — Komplexität und Kompliziertheit (nicht nur große Anzahl von Elementen, sondern eine Vielzahl von Kopplungen und unterschiedliche Transformationsoperatoren), — Prozeßstochastik, die auf eine Vielzahl von äußeren und inneren Wirkfaktoren zurückzuführen ist, — Störungsüberwindung durch Multistabilität, — Systementwicklung einschließlich der Fähigkeit adaptiven Verhaltens. Diese Kennzeichen, die in ähnlicher Weise auch in [2.1], [2.2], [2.3], [2.4] und [2.5] genannt werden, reihen das Modell des Untersuchungsobjektes in die Kategorie der Großen Systeme ein. 2.1.1. Menschliche Tätigkeit im modellierten Bereich der Wirklichkeit Der Aufbau und die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, die von den Völkern der sozialistischen Länder unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei gegenwärtig verwirklicht wird, findet unter den Bedingungen einer den Stand der Produktivkräfte charakterisierenden wissenschaftlich-technischen Revolution statt. Eines der wesentlichen Kennzeichen dieses erreichten Niveaus in d e r E n t 5

Golenko

58

2. Große Systeme als Modelle ökonomischer Prozesse

wicklung der Produktivkräfte besteht darin, daß der Mensch nicht nur physische Tätigkeiten von Maschinen durchführen läßt, seine eigenen Möglichkeiten dadurch vervielfacht, sondern beginnt, geistige Aufgabenstellungen, die bisher allein ihm selbst vorbehalten waren, auf technische Anlagen zu übertragen. Das vom Menschen eingesetzte Arbeitsmittel wird komplizierter und gleichzeitig wertvoller. Das Grundprinzip des Arbeitsprozesses — Einwirken des Menschen mit Hilfe von Arbeitsmitteln auf einen Arbeitsgegenstand zur Herstellung eines neuen Gebrauchswert besitzenden Produktes, welches der Befriedigung seiner Bedürfnisse dient — hat sich jedoch nicht geändert. Dieser Tatbestand läßt sich über mehrere Stufen der Produktivkraftentwicklung nach Abb. 2.1 anschaulich verfolgen (s. auch [2.6]). Arbeitsprozeß Arbeitsgegenstand als

Arbeitsmittel

Stoff

Werkzeug

Stoff

Werkzeug

Stoff Operationsenergie Stoff Stoff Operationsenergie Stoff Operationsenergie Operationsinformat-

1Maschine Werkzeug 1

Maschine

1

Automat

ats

Arbeitskraft

als

Energie Information

JEnergie

Merkmal des Produktivkraftniveaus

handwerkliche Tätigkeit

/ industrielle \Revolution

\ /

\lnformation f Steuerenergie Xlnformation( Energie Xlnformation {Information Steuerenergie Steuerinformation

Mechanisierung /Wissenschaft k. technische

y

Automatisierung

Abb. 2.1. Arbeitsprozeß und Produktivkraft

Die Analyse und Darstellung des Produktionsprozesses bleiben unvollständig, wenn neben den Produktivkräften in der Relation Mensch-Technik nicht auch die Produktionsverhältnisse betrachtet werden. Erst aus der Einheit von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen resultiert gesellschaftlicher Fortschritt. Damit finden technische Veränderungen auch als Ergebnis einer wissenschaftlich-technischen Revolution Sinn und Gegenstand immer nur in bezug auf die Gesellschaft, die sie einsetzt und deren Bedürfnisse sie befriedigt. Technische Anlagen übernehmen bereits heute bestimmte, bisher dem Menschen vorbehaltene geistige Tätigkeiten und vervielfachen dadurch dessen Möglichkeiten. „Die Natur baut keine Maschinen, keine Lokomotiven, Eisenbahnen, elektric telegraphs, selfacting mules etc. Sie sind Produkte der menschlichen Industrie; natürliches Material, verwandelt in Organe des menschlichen Willens über die Natur oder seiner Betätigung in der Natur. Sie sind von der menschlichen Hand geschaffene Organe des menschlichen Hirns; vergegenständlichte Wissenskraft" [2.7]. Eine Maschine, ein Automat kann immer nur Werkzeug der Arbeit (mitunter natürlich ein recht kompliziertes) sein. Mit Hilfe dieser Arbeitsmittel wirkt der Mensch auf die Natur ein.

2.1. Charakteristik Großer Systeme

59

Er entwickelt sie seinen Zielen entsprechend weiter. Arbeit aber ist und bleibt die bewußte Tätigkeit des Menschen. Wenn die Ausrüstung mit Automaten einerseits zu einer vorteilhaften physischen Erleichterung führt, so steigen die psychischen Belastungen für den Menschen, der sich ihrer bedient, wesentlich an. Eine Nichtbeachtung dieses Wechselverhältnisses zwischen physischer und psychischer Tätigkeit und der Mensch-Maschine-Beziehungen in einem beliebigen Produktionsprozeß könnte die durch eine Automatisierung erwartete Erleichterung recht schnell in ihr Gegenteil umschlagen lassen. MenschMaschine-Systeme erreichen nur dann ihre volle Effektivität, wenn auf der Basis des erreichten Niveaus der Produktivkraftentwicklung für das Zusammenwirken von Mensch und Maschine optimale Bedingungen geschaffen werden. Die Möglichkeiten des Menschen in seiner zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung notwendigen Auseinandersetzung mit der Natur werden durch die Entwicklung neuer Werkzeuge, neuer Arbeitsmittel ständig erweitert. Gleichzeitig führt dieser Entwicklungsprozeß auch zur Veränderung der Rolle und der Stellung des Menschen im Produktionsprozeß. E s entstehen neue Formen der Wechselbeziehungen zwischen körperlicher und geistiger Arbeit. Diese Mensch-Maschine-Problematik trifft auf alle Entwicklungsstufen der Mechanisierung oder Automatisierung zu. Der Produktionsprozeß stellt immer ein Mensch-Maschine-System dar, welches aus dem zu steuernden Prozeß und dem Menschen, der es steuert, gebildet wird. Eine Mitwirkung des Menschen auch im zu beeinflussenden Prozeß ist dabei gegenwärtig die Regel. ,,Das Bewußtsein des Menschen widerspiegelt nicht nur die objektive Umwelt, sondern schafft sie auch" [2.8]. Der Mensch nutzt sein erworbenes Wissen bei seinen praktischen Handlungen. Er wendet die als Information gesammelte Gesamtheit seiner Kenntnisse im Arbeitsprozeß in seiner Auseinandersetzung mit der Natur an. Nun ist Arbeit und jede menschliche Tätigkeit jedoch nur unter konkreten sozialen Bedingungen möglich [2.9], in denen die Beziehungen der Menschen untereinander zum Ausdruck kommen. Eine Erforschung beliebiger Produktionsprozesse und ihrer Widerspiegelung kann deshalb keinesfalls an Tätigkeit und Mitwirkung des Menschen im Prozeß und an dessen Steuerung vorübergehen. Eine jede Modellierung muß, soll sie nicht zur unzulässigen Vereinfachung führen, diese Probleme einschließen, damit schließlich ihre Ergebnisse zur aktiven Gestaltung der Wirklichkeit beitragen können. Unter den genannten Gesichtspunkten ist die Steuerung eines als Großes System modellierten Bereiches der ökonomischen Wirklichkeit in erster Linie als ein Prozeß der Herausbildung gewünschter Verhaltensweisen beim Menschen aufzufassen, die das Ziel verfolgen, sozialistische Persönlichkeiten zu formen und ein geplantes Ergebnis im zu beeinflussenden Prozeß zu erreichen. Damit werden bei der Bildung und für die Wirksamkeit von Steuersystemen ökonomischer Bereiche im wesentlichen zwei Probleme zu lösen sein: — die Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten unter den im Produktionsprozeß und zu dessen Steuerung tätigen Kollektiven, — die Beherrschung der im Prozeß und zu dessen Steuerung eingesetzten Technik. Beide Problemstellungen umfassen der Form nach informationelle Prozesse, deren Erforschung — soweit es ihren semantischen und pragmatischen Aspekt betrifft — noch am Anfang der Entwicklung steht. 5«

60

2. Große Systeme als Modelle ökonomischer Prozesse

Fragestellungen zum zweiten Problemkreis (Mensch-Maschine-Relation) werden im wesentlichen von der Arbeitspsychologie behandelt [2.10], [2.11], [2.12], [2.13], [2.14]. Die gewonnenen Erkenntnisse spielen insbesondere bei der Arbeitsplatzgestaltung und beim Aufbau von Steuer- und Dispatcherzentralen eine Rolle. Ansätze in der Richtung des ersten Problemkreises führen zu Informationsmengenund Informationsflußanalysen in Leitungshierarchien.

2.1.2. Transformation von Stoff, Energie und Information Wenn ökonomische Bereiche mit Hilfe des kybernetischen Instrumentariums untersucht werden sollen, dann können die zu analysierenden Prozesse als Stoff-, Energieund/oder Informationstransformationen aufgefaßt werden. F ü r die Durchführung eines beliebigen Prozesses werden Stoff, Energie und Information eingesetzt [2.15], [2.16], Eine allgemeine Transformation eines Großen Systems stellt sich dar als Übergang stofflicher, energetischer und informationeller Eingänge in stoffliche, energetische und informationelle Ausgänge (s. Abb. 2.2). Der zeitabhängige Systemoperator beschreibt X S

£

I

T

y

£'

r

Y Abb. 2.2. Allgemeine Transformation

in Qualität, Zeit und Raum den Übergang der Eingänge in die Ausgänge (der Prozeßvoraussetzungen in das Prozeßergebnis) in Abhängigkeit von Elementfunktionen und Struktur. Zum Teil begnügt man sich manchmal mit nur qualitativen oder nur zeitlichen Aussagen, falls damit eine hinreichende Annäherung an die Wirklichkeit erzielt werden kann. Die Realität widerspiegelnde Erkenntnisse aus einer kybernetischen Betrachtungsweise für die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung lassen sich allerdings nur gewinnen, wenn der notwendige Abstraktionsprozeß nicht zur Vernachlässigung von gesellschaftlichen Bedingungen führt, denn eingebettet in die Entwicklung der Gesell-

61

2.1. Charakteristik Großer Systeme

Schaft vollzieht sich die Entwicklung des Menschen als Individuum in Wechselwirkung zur Gesellschaft innerhalb einer ganz bestimmten Gesellschaftsordnung und davon abgeleitet die Entwicklung der Technik, die sich die Gesellschaft und damit der Mensch nutzbar macht. Eine hohe Wirksamkeit der aus einer Modellierung beliebiger ökonomischer Prozesse gewonnenen Erkenntnisse kann deshalb nur erwartet und gesichert werden, wenn — der gesellschaftliche Reproduktionsprozeß (Produktion — Distribution — Zirkulation — Konsumtion) zum Ausgangspunkt einer jeden Untersuchung genommen wird, — die Probleme der Einflußnahme auf den materiellen Prozeß (Leitung und Planung) einbezogen werden. In einer zum Zwecke der Erkenntnisgewinnung vorgenommenen Betrachtung von ökonomischen Prozessen als kybernetische Systeme führt die Abstraktion — des Reproduktionsprozesses zu einer Darstellung als Gewinnung, Verarbeitung, Transport und Speicherung von Stoff, Energie und Information und — der Leitung und Planung zu einer Modellierung als Steuerung einschließlich der Analyse des Verhältnisses zwischen Stoff, Energie- und Informationstransformation. Tabelle 2.1. Transformation Prozeß

Speicherung

Gewinnung

Verarbeitung

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Information

X

X

X

X

Zeit

X X

Transport

X X

Stoff ! Energie

Raum Quantität/ Qualität

Prozeßgegenstand

Prozeßveränderliche

Die Transformation von Prozeßvoraussetzungen in Prozeßergebnisse beinhaltet die qualitative und quantitative Umwandlung (Veränderung) eines Transformationsobjektes, die in Raum und Zeit vor sich geht. Eine allgemeine Trasformation läßt sich in den Teilen Gewinnung, Verarbeitung, Transport und Speicherung betrachten (s. Tab. 2.1). Eine Transformation im Bereich der Ökonomie bildet Gebrauchswert oder ist zur Realisierung vom Gebrauchswert erforderlich. Gewinnung ist ein notwendiger Prozeß zur Vorbereitung eines materiellen Objektes auf eine Transformation. Der Prozeß der Gewinnung läßt sich relativ wiederum als allgemeine Transformation mit den Teilen Verarbeitung, Transport und Speicherung betrachten (Abb. 2.3).

62

2. Große Systeme als Modelle ökonomischer Prozesse

Verarbeitung umfaßt die qualitative und/oder quantitative Umwandlung eines Transformationsobjektes (Gebrauchswertbildung). Es erfolgt keine Raumänderung. Der Prozeß verläuft zeitabhängig. Transport verändert Raum- und Zeitkoordinate eines Transportobjektes. Qualitative und quantitative Veränderungen des Transportobjektes sind in der Regel unerwünschte Begleiterscheinungen. Speicherung ist die zeitliche Aufbewahrung von Objekten. Qualitative, quantitative und räumliche Veränderung sind nicht beabsichtigt. Die durch die gesellschaftliche Arbeitsteilung objektiv bedingte Notwendigkeit der Teilprozesse Verarbeitung, Transport und Speicherung einschließlich des vorbereitenden Gewinnungsprozesses läßt mitunter eine zeitliche Parallelität der Teilprozesse vorteilhaft erscheinen, deren Realisierung aber zu den Ausnahmen zählt (Beispiel: Verknüpfung von Gewinnung, Verarbeitung und Transport auf Fang- und Verarbeitungsschiffen).

Soll z. B . der Transport einer näheren Analyse unterzogen werden, dann ist ausgehend von der Relativität einer kybernetischen Betrachtungsweise der Stofftransport einerseits ein Teilprozeß innerhalb der Stofftransformation, andererseits setzt jeder Teilprozeß die Gewinnung, die Verarbeitung, den Transport und die Speicherung von Stoff, Energie und Information voraus. Diese Relativität der Betrachtungsweise läßt wertvolle Analogieschlüsse zwischen stoff-, energie- und informationstransformierenden Prozessen zu. Aus der kybernetischen Betrachtungsweise wird aber auch erkennbar, daß eine Aussage über eine beliebige Transformation ohne Berücksichtigung der stofflichen, energetischen und informationellen Prozeß Voraussetzungen unvollständig ist. Besonders die Analyse der Verhältnisse der quantifizierten Prozeßvoraussetzungen läßt Reserven zur Erhöhung der Effektivität von Prozessen erkennen. Informationelle Prozeßvoraussetzungen sind z. B . in der Lage, im bestimmten Maße stoffliche oder energetische Ressourcen zu ersetzen. Ebenso gilt das Gleiche umgekehrt für den Austausch informationeller Eingänge gegen stoffliche oder energetische. Beispiele hierfür liefern die bekannten Optimierungsverfahren [2.17], [2.18], [2.19], [2.20]. Allerdings

2.1. Charakteristik Großer Systeme

63

bedeutet eine solche Betrachtungsweise gleichzeitig, daß der Umfang der Prozeßvoraussetzungen untereinander unter dem Gesichtspunkt des zu erzielenden Prozeßergebnisses abstimmbar ist. Das wird unter Hinzuziehung von Wertkennziffern, beispielsweise Kosten, möglich.

2.1.3. Komplexität und Kompliziertheit Die beiden Begriffe „Komplexität" und „Kompliziertheit" drücken Eigenschaften der Vielfalt bei großen Systemen aus. Dabei bezieht sich der erste Begriff auf die Struktur (Relationen zwischen den Elementen) und der zweite auf die Funktion (Transformationen). Komplexität läßt sich durch Art und Zahl der bestehenden Verbindungen zwischen den Elementen eines Systems erfassen. Zu ihrer Beschreibung eignet sich die Graphentheorie [2.21]. Die Elemente eines Systems sollen als Knoten eines gerichteten Graphen aufgefaßt werden. Eingänge und Ausgänge entsprechen dann den ein- und austretenden Kanten. E s sei E die Menge der Knoten des Graphen. Ihre Anzahl sei N = \ E\. Dann gibt es eine Teilmenge Mp von Knoten, die von einem Knoten p e E direkt erreichbar sind. Mp entspricht der Menge der von einem vorgegebenen Element p beeinflußten Elemente. Ihre Anzahl ist cp

=

(2.1)

\Mp\.

Analog existiert eine Teilmenge M * von Knoten, die diejenigen Knoten umfaßt, von denen ein beliebiger Knoten p erreicht werden kann. M* entspricht der Menge der auf ein vorgegebenes Element p wirkenden Elemente eines Systems. Die Anzahl der in der Teilmenge M* enthaltenen Knoten sei c*

=

(2.2)

\M*\.

Die Größen cp und c* ergeben sich durch einfache Summation als N Cp =

P1

(2-3)

C

2= 1

mit Cva = =

und

2

{

1 für eine eir existierende K a n t e pq ,

0 sonst p = l , 2 , . . . , N .

Entsprechend erhält man für c*

mit

=

2

«=i

(2.4)

cgp

p = l , 2 , . . . , N

.

Die Werte cpg (p, q = 1, 2, ... , N) können als Komponenten einer Verknüpfungsmatrix K angesehen werden, die dann den Wert 1 zugeordnet erhalten, falls eine Kopplungsmatrix CPQ als Element einer Strukturmatrix verschieden von 0 ist. Eine Diskussion

64

2. Große Systeme als Modelle ökonomischer Prozesse

von cp und c* läßt folgende Möglichkeiten zu: 1 . cp

= 0, c* > 0 .

Der Knoten p ist Endknoten. Das Element p wird nur von anderen Elementen des Systems beeinflußt, wirkt selbst aber nicht auf andere Elemente des Systems. 2. cp > 0, c* = 0 . Der Knoten p ist Anfangsknoten. Das Element p unterliegt keinen Wirkungen anderer Elemente des Systems. Es beeinflußt nur ein oder mehrere andere Elemente. 3. cp > 0, c* > 0 . Der Knoten p besitzt sowohl eingehende als auch ausgehende Kanten. Hier ist für die Einschätzung des Knotens von Interesse, ob cp c * . I m ersten Fall ist die Zahl der eintretenden Kanten größer als die der austretenden. Der Knoten übt eine Sammelfunktion aus. Im letzten Fall tritt der Knoten als Verteiler auf. Der Fall cp = 0, c* = 0 ist undiskutabel, da hierdurch der Knoten p als isoliert charakterisiert wird. Er besitzt keine Verbindung zu den übrigen Knoten des Graphen. Besitzen alle Knoten die höchstmögliche Anzahl N — 1 eingehender und ausgehender Kanten, dann wird die Kopplungskapazität ausgenutzt. Es bestehen N(N — 1) gerichtete Kanten. Es ist also für diesen Fall 2 p

Cp = Z

c* = (N

1) N .

-

(2.5)

v

Bezieht man die Anzahl der gerichteten Kanten £ cP bzw. Z c* auf die Kopplungskapazität N(N — 1), so erhält man für das durch den Graphen beschriebene Kopplungsnetz ein einfaches Maß eines Grades y der Komplexität , welches dem Kopplungsgrad (siehe Abschn. 1.2.1.2) entspricht Z c y

N ( N

=

p

-

1)

S c * N ( N

-

1)

v

'

I m Maximum erreicht y den Wert 1. Die bisherige Darstellung berücksichtigte lediglich die Anzahl vorhandener gerichteter Kanten (vorhandener Kopplungen), nicht aber deren Bewertungen, die durch eine Messung der von p nach q fließenden Stoff-, Energie- und Informationsströme mittels einer Kennziffer xPi erreicht werden kann. Im allgemeinen Fall stellt xpq eine Wertkennziffer dar und macht damit alle Wirkungskomponenten vergleichbar. Die Werte x V i bilden eine Bewertungsmatrix X . Zur einfachen Verknüpfungsmatrix C bestehen folgende Beziehungen: 1. Cpq =

1, Xpq =

0.

Es besteht eine Verbindung von p nach q, d. h., es existiert eine Kante ( p , q). Jedoch wird diese Verbindung entsprechend der Bewertung nicht wirksam. 2.

Cpg

==

1, Xpq

0.

Die durch die Kante ( p , q) modellierte Verbindung besitzt eine Wirkung der Größe xVQ.

2.1. Charakteristik Großer Systeme

65

Die Bewertungsmatrix X kann in den Zeilen und Spalten summiert werden. Durch die Spaltensummen ** = 2

(P = 1, 2, ... , N)

3=1

(2.7)

wird der bewertete Eingang des Knotens p erfaßt. Hingegen stellt die Zeilensumme = Z 1=1

(P = 1. 2, ... , N)

(2.8)

den Wert der Wirkung des Knotens p auf alle übrigen Knoten des Graphen dar. Besteht Ungleichheit Xp Xp

,

dann wurde der Knoten p zum Speicher, oder er wirkt auf die Umgebung. Der Fall ^p drückt eine Abgabe gespeicherter Werte oder transformierter Wirkung von außerhalb aus. Bei xp — x* kommt es zu einer weiteren Erhöhung der Mehrdeutigkeit der Aussage. Es können sowohl — — — —

eine volle Transformation der Eingänge in die Ausgänge, eine Wirkung von außerhalb und Speicherung, Eine Wirkung auf außerhalb bei vorheriger Speicherung, eine Wirkung von und Wirkung auf außerhalb

stattgefunden haben als auch eine beliebige Kombination zwischen diesen Varianten vorliegen. Zur Messung der Komplexität bei bewerteten Ein- und Ausgängen läßt sich eine absolute obere Bezugsgröße nicht angeben. Eine Aussage wäre durch eine statistische, die Verteilung der xpt charakterisierende Kenngröße möglich, beispielsweise durch Mittelwert und Varianz bzw. Streuung. Auch die Entropie kann als Maß für die Gleichmäßigkeit einer Verteilung eingesetzt werden. Hierzu wird es notwendig, die Bewertungen xvq auf ihre Summe £ xvt zu beziehen und den erhaltenen Quotienten p,i x, — y1 (2-9) 2j XpQ v,t in die Entropiegleichung einzusetzen: H = - Z

W



(2-10)

Mit der relativen Entropie H h= —

(2.11)

max

erhält man dann ein allgemein vergleichbares Maß für die Gleichmäßigkeit der Verteilung der xP9, mit dem die Gesamtheit der auftretenden Kopplungsbeziehungen einschließlich ihrer Bewertung beurteilt werden kann. Es entspricht einem bewerteten Grad yB = h der Komplexität.

66

2. Große Systeme als Modelle ökonomischer Prozesse

Die quantitative Einschätzung der Kompliziertheit eines Systems, d. h. der Unterschiedlichkeit der Funktion von Elementen eines Systems, gestaltet sich wesentlich schwieriger. Sie wird möglich, wenn es gelingt, eine Bewertung der Transformation der Elemente zu erhalten. Durch eine Kennziffer tv sei die Transformation eines Elementes Ev bewertet. Die relative Redundanz r als Einerkomplement der auf ihren maximalen Wert bezogenen Entropie r = 1-

h,

= 1

H H max _ — Z tv ld tvp ld JV

2 v

12

'

mit ?t f i

p

_

tp

Stp liefert dann ein Maß der Differenziertheit der Elemente, welches als Kompliziertheitsgrad

4

Abb. 2.4. Kenngrößen von Systemstrukturen

Der Zentralitätsgrad ist für ungerades .ZV 3 konstant und wächst für gerades N 2 degressiv. Die vom Zentrum weit entfernt liegenden Elemente sind nur über eine große Anzahl von Kanten zu erreichen. Bei der hierarchischen Anordnung entsteht ein Zentrum, welches mit jedem peripheren Element über nur eine Kante unmittelbar verbunden ist. Periphere Elemente untereinander können jedoch nur über das Zentrum miteinander korrespondieren. Bei der Ringstruktur läßt sich ein Zentrum nicht feststellen. Die Anzahl der gerichteten Kanten ist um 2 größer als bei der Ketten2 und Hierarchiestruktur. Das bedeutet gleichzeitig einen um — größeren Komplexitätsgrad. ^ Die hierarchische Ringstruktur vereinigt die Grundstrukturen Kette, Hierarchie und Ring. Die Anzahl der gerichteten Kanten und damit auch der Komplexitäts-

68

2. Große Systeme als Modelle ökonomischer Prozesse

grad sind doppelt so groß wie bei K e t t e und Hierarchie. Der Zentralitätsgrad läßt sich f ü r N 4 mit N - 4 ¿Hing = 2 { N _ 2 ) (2.18) leicht angeben. Vergleicht m a n die verschiedenen Strukturen bei verschiedener Elementeanzahl (s. Abb. 2.4), so zeigt sich, daß d als Ausdruck des Effektivitätseinflusses der Struktur bei hierarchischer Anordnung höher liegt als bei K e t t e n s t r u k t u r . Die Ringhierarchie wird mit steigender Elementeanzahl günstig.

2.1.4. Prozeßstochastik Können bei einem Prozeß die Werte seiner Kenngrößen (Transformation, Prozeßvoraussetzung, Prozeßergebnis) nicht exakt vorausgesagt werden, so handelt es sich um einen stochastischen Prozeß. E r ist als ökonomischer stochastischer Prozeß im we sentlichen darauf zurückzuführen, daß — eine Transformation die Tätigkeit bewußt handelnder Menschen einschließt, — Prozeßvoraussetzungen in der Regel aus der Überlagerung mehrerer Prozeßergebnisse koppelnder Systeme entstehen. Die Kybernetik betrachtet dynamische Systeme, bei denen durch die Eigenschaft „ d y n a m i s c h " auf die Bewegung, Veränderung und Entwicklung der modellierten ökonomischen Wirklichkeit hingewiesen werden soll. Schlußfolgerungen und E r k e n n t nisse aus dieser Modellierung dienen der Voraussage künftiger Prozesse. Da zwischen Erkenntnisgewinn und Anwendung auf einen realen Prozeß stets ein mehr oder weniger langes Zeitintervall liegt, in welchem wiederum eine Prozeßentwicklung stattfindet, läßt sich keine determinierte Aussage für das Ergebnis eines ökonomischen Prozesses formulieren. Eine solche Angabe würde die Einflußnahme bewußt handelnder Menschen und Kollektive auf die zukünftige Gestaltung der Wirklichkeit ausschließen. E s werden jedoch durch einen vorhandenen Prozeßzustand immer Bedingungen festgelegt, unter denen sich künftige Prozesse entwickeln können. Damit liegen die Möglichkeiten für eine künftige Entwicklung fest, nicht aber ein eindeutiges Ergebnis, welches vom gegenwärtigen Standpunkt als zufallsbehaftet eingeschätzt werden muß. Durch die Einbeziehung des Zufalls als objektive Kategorie bei der Modellierung ökonomischer Probleme wird eine hinreichende Widerspiegelung der Wirklichkeit ermöglicht. Einzelerscheinungen werden durch statistische Beziehungen in ihrer Gesamtheit erfaßt und der Einzelfall mit der Wahrscheinlichkeit seines Auftretens beschrieben. Das bedeutet keine Unterordnung unter den Zufall, sondern f ü h r t im Gegenteil zu seiner Beherrschung. I n diesem Zusammenhang ist jedoch das Problem der Systemreserven zu lösen, über die im konkreten Einzelfall verfügt werden kann. Jeder reale ökonomische Prozeß verläuft letzten Endes unter Zufallsbedingungen. E r ist stochastischer Art. Inwieweit bei seiner Beschreibung von einer stochastischen Modellierung Gebrauch gemacht wird, muß vom Standpunkt der geforderten Genauigkeit für die zu erbringende Aussage entschieden werden. Man wird ein aufwendiges Verfahren (wie es beispielsweise eine stochastische Methode darstellt) für die Modellierung immer erst dann einsetzen, wenn ein relativ einfaches (z. B. eine Festwertrech-

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2.1. Charakteristik Großer Systeme

nung) zur unzulässigen Vereinfachung führt und somit keine hinreichende Übereinstimmung zur Wirklichkeit ergibt. Die Modellierung stochastischer Prozesse umfaßt damit die ganze Breite vom rein zufälligen (aleatorischen) bis zum determinierten Fall. Ein stochastischer Prozeß läßt sich, da seine zeitabhängigen Kenngrößen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsverteilungen vorausgesagt werden können, durch eine Zufallsfunktion y(t) mit der zeitabhängigen Verteilungsdichte