Kurzes Lehrbuch der Physik. 3540435476, 9783540435471


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Kurzes Lehrbuch der Physik.
 3540435476, 9783540435471

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springer-Lehrbuch

Herbert A. Stuart

Gerhard Klages

Kurzes Lehrbuch der Physik Achtzehnte, aktualisierte Auflage mit 375 Abbildungen und 22 Tabellen, 235 Aufgaben und ausfiihrlichen Losungen

^ S p r imger

Professor Dr. Gerhard Klages Institut fiir Physik Johannes Gutenberg-Universitat Staudingerweg 7 55128 Mainz

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.

ISBN-10 ISBN-13

3-540-23146-3 18. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York 978-3-540-23146-2 18. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York

ISBN 3-540-43547-6 17. Auflage Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begrundeten Rechte, insbesondere die der Cbersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1942, 1949, 1954, 1961, 1966, 1970, 1977, 1979, 1984, 1988, 1990, 1992, 1994, 1997, 2000, 2003, 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Satz: K4-V Fotosatz GmbH, Beerfelden Einbandgestaltung: design & production GmbH, Heidelberg Druck: Strauss Offsetdruck, Morlenbach Verarbeitung, Schaffer, Griinstadt Gedriickt auf saurefreiem Paoier 56/3141/YL - 5 4 3 2 1 0

Vorwort

Als vor iiber 60 Jahren Herbert A. Stuart das Manuskript zum Kurzen Lehrbuch der Physik schrieb, da legte er besonderen Wert auf eine anschauliche, geschlossene Darstellung, damit die einzelnen Abschnitte fliissig zu lesen waren. Es sollte ein Lehrbuch zum Verstehen der Zusammenhange und kein Paukbuch sein, wie er auch spater immer wieder betonte. Diesen Charakter hat das Buch in alien Neuauflagen behalten, trotz der sehr zahlreichen Umarbeitungen, die durch die Weiterentwicklung der Wissenschaft in Stoffauswahl, Nomenklatur und auch Darstellungsweise notwendig waren. Es will dem Naturwissenschaftler im weitesten Sinne, der sich an der Hochschule im Nebenfach Physik Grundkenntnisse zu erwerben hat, klar iiberschaubar physikalische Methoden, Begriffsbildung und GesetzmaBigkeiten vermitteln. Die Verbindung zu anderen Naturwissenschaften, Medizin und Technik stellen eingefiigte Beispiele in Kleindruck her, der auch Ableitungen, Erweiterungen und Ausblicke auf neuere Ergebnisse enthalt. Viele Hinweise und Querverbindungen sollen das Arbeiten „mit dem Buch" erleichtem, sei es beim Rekapitulieren einzelner Teilgebiete, sei es beim gezielten Nachschlagen und Klaren spezieller Fragen. Bei der Neuauflage habe ich weniger die Moglichkeit von Erganzungen gepriift, schon damit das „Kurze Lehrbuch" seinen Namen weiter zu Recht tragt. Nur war vor langerer Zeit die Darstellung der Gravitation starker gekiirzt worden. Jetzt aber, im Einstein-Jahr, sollte die Newtonsche Theorie etwas ausfiihrlicher behandelt werden und z.B. der Begriff des Feldes hier nicht fehlen. Diskussionen mit jungeren Semestem, die das Buch zur Vorbereitung von Praktika, Klausuren und Zwischenpriifungen benutzten, haben mir sehr eindringlich gezeigt, welch hohen Stellenwert Uberschaubarkeit, klare Gliederung und anschauliche Verkniipfung der Zusammenhange haben, will man damit ,/ichtig lemen". SchlieBlich geht es weniger um ein Training zum Losen mathematisch-physikalischer Rechenaufgaben, als vielmehr um ein grundlegendes Verstandnis der Physik. Dazu soil das Buch ein steigendes Interesse, ja Neugier, und am Ende Vertrautheit mit physikalischem Denken vermitteln. Unter diesem Aspekt habe ich den ganzen Text noch einmal kritisch durchstudiert und ihn dort verbessert, wo Formulierung oder Gliederung dem Leser Schwierigkeiten machen konnten. Mainz, August 2005

Gerhard Klages

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1.1 Abgrenzung und Aufgaben der Physik 1.2 Die Methodik der Physik 1.3 Bedeutung des Messens in der Physik 1.4 Fehlerangaben, Fehlerrechnung Aufgaben 2. Allgemeine Mechanik 2.1 Messen und MaBeinheiten 2.1.1 BasisgroBen 2.1.2 Langen- und Winkelmessung 2.1.3 Basiseinheit von Zeit und Masse Aufgaben 2.2 Bewegungslehre (Kinematik) 2.2.1 Geschwindigkeit 2.2.2 Beschleunigung Aufgaben 2.3 Bewegung unter dem EinfluB von Kraften (Dynamik) 2.3.1 Trage Masse und Kraft 2.3.2 Schwere Masse und Gewicht 2.3.3 Wechselwirkungssatz, Impuls 2.3.4 Tragheitskrafte 2.3.5 Arbeit und Leistung 2.3.6 Mechanische Energie Aufgaben 2.4 Einige besondere Bewegungsformen 2.4.1 Wurfbewegung 2.4.2 Gleichformige Bewegung auf der Kreisbahn 2.4.3 StoBvorgange Aufgaben 2.5 Krafte am starren Korper (Statik) 2.5.1 Zusammensetzung und Zerlegung von Kraften 2.5.2 Hebel, Drehmoment 2.5.3 Parallele Krafte, Kraftepaar 2.5.4 Schwerpunkt 2.5.5 Gleichgewichtslagen 2.5.6 Die Waage Aufgaben 2.6 Drehbewegung eines starren K5rpers 2.6.1 Winkelbeschleunigung, Tragheitsmoment 2.6.2 Dynamisches Grundgesetz der Drehbewegung 2.6.3 Satz von der Erhaltung des Drehimpulses 2.6.4 Freie Drehachsen

1 1 1 2 3 4 5 5 5 5 7 7 7 8 9 11 11 12 12 13 15 16 17 18 19 19 19 21 22 23 23 23 24 25 25 26 26 27 27 28 29 29

VIII

Inhaltsverzeichnis

2.6.5 Der Kreisel Aufgaben 2.7 Allgemeine Gravitation 2.7.1 Gravitationsgesetz 2.7.2 Planetenbewegung Aufgabe 3. Die mechanischen Eigenschaften der Stoffe und ihre molekulare Struktur 3.1 Der molekulare Aufbau der Stoffe und die molekularen Krafte .. 3.1.1 Vorbemerkung 3.1.2 AUgemeines tiber Molekule, Stoffmengen 3.1.3 GroBe, Form und Kerngertist der Molektile 3.1.4 Einiges iiber die zwischenmolekularen Krafte 3.1.5 Volumenbezogene Materiemengen Aufgaben 3.2 Festkorper 3.2.1 Molekularer Bau, Kristallgitter 3.2.2 Elastische und plastische Korper 3.2.3 Hookesches Gesetz 3.2.4 Uberelastische Beanspruchung Aufgaben 3.3 Ruhende Flussigkeiten (Hydrostatik) 3.3.1 AUgemeines, Ordnungszustand der Molekule in Flussigkeiten 3.3.2 Einstellung der Fliissigkeitsoberflache 3.3.3 Der Druck in Flussigkeiten 3.3.4 Auftrieb, Schwimmen 3.3.5 Oberflachenspannung 3.3.6 Benetzung, Kapillaritat Aufgaben 3.4 Ruhende Gase 3.4.1 Dichte, Druck und Volumen 3.4.2 Die Lufthiille der Erde und der Luftdruck Aufgaben 3.5 Bewegungen in Flussigkeiten und Gasen (Hydro- und Aerodynamik) 3.5.1 Stromfaden, laminare Stromung 3.5.2 Zahe FlUssigkeit, innere Reibung 3.5.3 Stromung \pn zahen Flussigkeiten durch Rohre, Kugelfall .. 3.5.4 Geschwindigkeit und Druck in idealen Flussigkeiten 3.5.5 Reale Flussigkeiten, turbulente Stromung Aufgaben 4. Schwingungs- und Wellenlehre, Akustik 4.1 Mechanische Schwingungen 4.1.1 Freie harmonische Schwingung, Pendel 4.1.2 Uberlagerung von Schwingungen 4.1.3 Erzwungene Schwingungen, Resonanz Aufgaben 4.2 Mechanische Wellen

30 31 31 31 32 33 35 35 35 35 36 38 38 40 40 40 41 41 43 44 44 44 45 45 47 49 50 51 52 52 53 54 55 55 56 57 59 61 62 63 63 63 65 67 68 68

Inhaltsverzeichnis

4.2.1 Fortschreitende Wellen 4.2.2 Interferenz von Wellen 4.2.3 Stehende Wellen, Eigenschwingungen von Seilen und Luftsaulen 4.2.4 Interferenz und Beugung von Oberflachenwellen 4.2.5 Kugelwellen im Raum Aufgaben 4.3 Akustik 4.3.1 Schallstarke, Schalldruck 4.3.2 Gehorempfindungen 4.3.3 Ausbreitung von Schallwellen 4.3.4 Ultraschall Aufgaben 5. Warmelehre 5.1 Thermometrie, Warmeausdehnung, ideales Gas 5.1.1 Temperaturskala 5.1.2 Praktische Temperaturmessung 5.1.3 Warmeausdehnung 5.1.4 Thermische Zustandsgleichung des idealen Gases Aufgaben 5.2 Warme und Arbeit 5.2.1 Warmemenge, erster Hauptsatz der Warmelehre 5.2.2 Warmekapazitat, Kalorimetrie 5.2.3 Spezifische Warmekapazitaten und Energieinhalt von Gasen 5.2.4 Isotherme und adiabatische Kompression von Gasen 5.2.5 Carnotscher KreisprozeB 5.2.6 Zweiter Hauptsatz der Warmelehre, Entropie Aufgaben 5.3 Warme als ungeordnete Molekularbewegung 5.3.1 Ideale Gase, Druckformel, Boltzmann-Beziehung 5.3.2 Kinetische Warmetheorie 5.3.3 Brownsche Bewegung 5.3.4 Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung 5.3.5 Diffusion 5.3.6 Osmotischer Druck Aufgaben 5.4 Anderungen des Aggregatzustandes 5.4.1 Schmelzen, Schmelzpunkt, Schmelzwarme 5.4.2 Fliissige Mischungen und Losungen 5.4.3 Verdampfung, Sattigungsdruck, Sieden 5.4.4 Sublimation, Tripelpunkt 5.4.5 Feuchtigkeit der Luft, Absorption von Luft in Wasser 5.4.6 Isotherme Verfliissigung von realen Gasen 5.4.7 Tiefe Temperaturen Aufgaben 5.5 Warmeubertragung 5.5.1 Warmeleitung 5.5.2 Konvektion

IX

68 70 71 73 76 76 76 77 78 79 82 82 83 83 83 84 85 86 87 88 88 89 91 91 92 94 95 95 95 96 98 99 100 101 102 102 102 104 105 107 108 108 110 Ill 112 112 113

X

Inhaltsverzeichnis

5.5.3 Warmestrahlung Aufgaben 6. Elektrizitatslehre 6.1 Elektrische Gleichstrome 6.1.1 Elektrische Spannung und Stromstarke 6.1.2 Ohmsches Gesetz 6.1.3 Stromverzweigung 6.1.4 Schaltungen und MeBmethoden Aufgaben 6.2 Das elektrische Feld 6.2.1 Elektrometer 6.2.2 Ladung und Spannung, Influenz 6.2.3 Elektrische Feldstarke 6.2.4 Elektrische Verschiebung 6.2.5 Kapazitat eines Kondensators 6.2.6 Kugelkondensator, Coulombsches Gesetz 6.2.7 Elektrische Ladungen in der Materie 6.2.8 Materie im elektrischen Felde, dielektrische Eigenschaften der Molektile Aufgaben 6.3 Elektrische Leitungsvorgange in Fliissigkeiten und Festkdrpern . . . 6.3.1 Elektrische Energie und Stromwarme 6.3.2 Elektrolytische Dissoziation, lonenleitung 6.3.3 Faradaysche Gesetze der Elektrolyse 6.3.4 lonenwanderung und Ohmsches Gesetz 6.3.5 Elektronenleitung der Metalle 6.3.6 Halbleiter 6.3.7 Transistor Aufgaben 6.4 Herstellung elektrischer Spannungen durch Ladungstrennung . . . . 6.4.1 Prinzipielles 6.4.2 Losungsdruck, Galvanische Elemente 6.4.3 Elektrolytische Polarisation, Akkumulator 6.4.4 Diffusions- und Membranspannungen 6.4.5 Kontaktspannungen 6.4.6 Elektrokinetische Vorgange 6.4.7 Thermospannungen Aufgaben 6.5 Elektrizitatsleitung in Gasen und im Vakuum 6.5.1 Unselbstandige Leitung 6.5.2 Elektronenaustritt aus Metallen 6.5.3 Triode 6.5.4 Elektronenstrahlen, Braunsche Rohre, Oszillograph 6.5.5 Glimmentladung 6.5.6 Elektrizitatsleitung bei hoheren Driicken Aufgaben 6.6 Das magnetische Feld 6.6.1 Magnetische Grundeigenschaften 6.6.2 Magnetfeld eines Stromes 6.6.3 Kraftwirkungen auf Strome im Magnetfeld

113 114 115 115 115 117 118 119 121 121 121 122 124 126 127 129 130 131 133 134 134 135 136 137 138 139 140 141 142 142 142 144 145 146 147 147 148 149 149 150 150 152 154 156 157 157 157 159 161

Inhaltsverzeichnis

XI

6.6.4 Anwendung der magnetischen Kraft bei MeUinstrumenten . 163 6.6.5 Grundtatsachen der elektromagnetischen Induktion 164 6.6.6 Das Induktionsgesetz 165 6.6.7 Induktionsstrome, Wirbelstrome 167 6.6.8 Gegenseitige Induktion und Selbstinduktion 168 6.6.9 Magnetische Eigenschaften der Stoffe 169 Aufgaben 172 6.7 Wechselspannungen und Wechselstrome 172 6.7.1 Wechselstromkreis mit ohmschem Widerstand 172 6.7.2 Induktiver und kapazitiver Widerstand 174 6.7.3 Transformator 176 6.7.4 Starkstrommaschinen 177 6.7.5 Elektroakustische Cerate 179 Aufgaben 180 6.8 Hochfrequente Schwingungen und Wellen 181 6.8.1 Elektrischer Schwingkreis 181 6.8.2 Erzeugung von hochfrequenten Schwingungen 182 6.8.3 Wellen auf Leitungen 183 6.8.4 Elektromagnetische Wellen im freien Raum 184 6.8.5 Elektrischer Strahlungsdipol 186 6.8.6 Anwendung elektromagnetischer Schwingungen und Wellen 187 Aufgaben 188 7. Optik und allgemeine Strahlungslehre 7.1 Die Natur des Lichtes und die Grundgesetze der Lichtausbreitung 7.1.1 Die Natur des Lichtes 7.1.2 Grundlagen der geometrischen Optik 7.1.3 Lichtgeschwindigkeit 7.1.4 Reflexion des Lichtes 7.1.5 Brechung des Lichtes 7.1.6 Totalreflexion 7.1.7 Dispersion 7.1.8 Farben Aufgaben 7.2 Optische Abbildungen 7.2.1 Spharische Spiegel 7.2.2 Abbildung durch diinne Linsen 7.2.3 Brechkraft von Linsen und Linsensystemen 7.2.4 Dicke Linsen 7.2.5 Abbildung durch eine einzige Kugelflache 7.2.6 Abbildungsfehler Aufgaben 7.3 Optische Instrumente 7.3.1 Vorbemerkung liber den EinfluB der Beugung und liber die Bundelbegrenzung durch Blenden 7.3.2 Photoapparat 7.3.3 Projektor 7.3.4 Das Auge als optisches System 7.3.5 Die Lupe 7.3.6 Das Mikroskop

191 191 191 191 193 194 195 196 197 198 199 199 199 201 204 205 206 207 208 209 209 210 211 211 213 214

XII

Inhaltsverzeichnis

7.3.7 Das Fernrohr 7.3.8 Spektrometer Aufgaben 7.4 Wellenoptik 7.4.1 Interferenzversuche mit koharentem Licht 7.4.2 Farben dunner Blattchen, Newtonsche Ringe 7.4.3 Beugung am Gitter 7.4.4 Beugung an kleinen Offnungen und Hindernissen 7.4.5 Linear polarisiertes Licht 7.4.6 Polarisation durch Reflexion und Streuung 7.4.7 Doppelbrechung 7.4.8 Drehung der Polarisationsebene, optische Aktivitat 7.4.9 Elliptisch polarisiertes Licht Aufgaben 7.5 Elektromagnetisches Spektrum 7.5.1 Ubersicht uber das gesamte Spektrum 7.5.2 Infrarotes Licht (IR) 7.5.3 Gesetze der Temperaturstrahlung 7.5.4 Strahlungsleistung, Photometric 7.5.5 Fluoreszenz und Phosphoreszenz 7.5.6 Ultraviolettes Licht (UV) 7.5.7 Rontgenstrahlung 7.5.8 Rontgeninterferenzen an Kristallen Aufgaben 7.6 Korpuskulareigenschaften des Lichtes 7.6.1 Der Uchtelektrische Effekt, Photoeffekt 7.6.2 Das Photon 7.6.3 lonisation durch Rontgenstrahlen, Strahlungsdosis 7.6.4 Laser 7.6.5 DuaUsmus von Korpuskel und Welle Aufgaben

218 219 220 220 220 221 222 225 228 230 231 233 234 235 235 235 236 237 239 241 242 242 245 247 248 248 249 250 252 253 255

8. Grundziige der Atom- und Molekiilphysik 8.1 Die Spektren und die Elektronenhiille der Atome 8.1.1 Emissions- und Absorptionsspektren 8.1.2 Linienspektren der Atome 8.1.3 Atombau und periodisches System der Elemente 8.1.4 Rontgenspektren 8.1.5 Das Atom in wellenmechanischer Darstellung Aufgaben 8.2 Molektilspektren 8.2.1 Rotationsspektren 8.2.2 Molekiilschwingungen 8.2.3 Rotationsschwingungsspektren 8.2.4 Elektroneniibergange, Bandenspektren 8.2.5 Raman-Streuung Aufgaben 8.3 Der Atomkern und seine Umwandlungen 8.3.1 Aufbau der Atomkerne 8.3.2 NatUrliche Radioaktivitat, Nebelkammer, Zahlrohr 8.3.3 Der radioaktive Zerfall

257 257 257 258 260 261 263 264 264 265 267 270 271 272 274 274 274 275 278

Inhaltsverzeichnis

8.3.4 Paarbildung, Massendefekt der Kerne 8.3.5 Kernreaktionen und kiinstliche Radioaktivitat 8.3.6 Kernspaltung, Transurane 8.3.7 Kernreaktor, Neutronen 8.3.8 Teilchenbeschleuniger 8.3.9 Elementarteilchen Aufgaben 8.4 Einiges zur Relativitatstheorie 8.4.1 Das Relativitatsprinzip 8.4.2 Raum und Zeit 8.4.3 Masse und Energie 8.4.4 Photon im homogenen Schwerefeld 8.4.5 Zur allgemeinen Relativitatstheorie Aufgaben

XIII

281 282 285 286 288 289 292 293 293 294 297 298 299 301

Anhang Wichtige Konstanten der Physik BasisgroBen und -einheiten des Internationalen Einheitensystems (SI: Systeme international d'unites) Erganzende SI-Einheiten Abgeleitete SI-Einheiten, ftir die besondere Bezeichnungen eingefuhrt worden sind Periodisches System der Elemente Losungen der Aufgaben

303 303

304 305 306

Sachverzeichnis

315

304 304

1. Einleitung

1.1 Abgrenzung und Aufgaben der Physik Das Wort Physik bedeutete urspriinglich Lehre von der Natur. Einzelne Zweige der allgemeinen Naturlehre haben sich aber im Laufe der Zeit zu besonderen selbst^ndigen Wissenschaften entwickelt, so z. B. die Biologie, die sich mit der belebten Natur befaBt, die Astronomie, welche die physikalischen Vorgange im Kosmos untersucht, und die Chemie, welche die stofflichen Veranderungen der Korper, d.h. die Reaktionen der Atome und Molekiile betrachtet ^ Sondern wir diese verschiedenen Teilgebiete aus, so bleibt ftir die Physik im heutigen, engeren Sinne als Aufgabe, die Grundgesetze der unbelebten Welt, insbesondere die hier wirksamen Krafte, Bewegungsvorgange und Energiebeziehungen aufzudecken. Es ist dann Sache der anderen Wissenschaften, wie der Biologic, Medizin, Chemie oder Pharmazie, sich die Erkenntnisse der Physik in geeigneter Weise zunutze zu machen. Die zielbewuBte praktische Anwendung physikalischer Erkenntnisse im groBen hat unter anderem die moderne Technik hervorgebracht. Jede neue physikalische Entdeckung kann friiher oder spater zu neuen technischen Moglichkeiten fuhren. Als Beispiel nennen wir nur die Entwicklung von der durch Faraday entdeckten elektromagnetischen Induktion bis zur heutigen Wechselstromtechnik. So ist die Physik Quelle neuer Entwicklungen und Untersuchungsmethoden ftir alle Naturwissenschaften einschlieBUch der Technik.

Die Methoden, deren sich die Chemie dabei bedient, sind in immer steigendem MaBe rein physikalische.

1.2 Die Methodik der Physik Die Physik ist beziiglich ihrer Ergebnisse fiir alle Naturwissenschaften eine Grundwissenschaft. Sie hat dariiber hinaus als ausgezeichnete Vertreterin der exakten Naturwissenschaften deren Methoden zu weitgehender VoUendung entwickelt. Ihre Arbeitsweise woUen wir daher etwas naher betrachten. Das Ziel jeder Naturforschung ist es, nicht nur die Vorgange in der Natur zu beschreiben, sondern sie auch logisch und kausal miteinander zu verkniipfen. Die meisten unmittelbaren Naturerscheinungen sind aber recht verwickelt, weil an ihnen mehrere, verschiedenartige Einflusse beteihgt sind. Um diese einzeln zu erkennen und um die GesetzmaBigkeit beim Ablauf des betreffenden Vorganges herauszufinden, bedient man sich des Experiments, Dabei schafft man kunstlich vereinfachte, sog. „reine" Bedingungen und verandert diese so lange, bis man die Wirkungen einer bestimmten Ursache hinreichend genau ubersieht. So untersucht man z. B., um die Wirkung der Gravitation allein, also ohne Storung durch Reibung, feststellen zu kdnnen, den freien Fall im luftleeren Raum. Das Experiment ist eine Frage an die Natur, Die Beobachtungen des Physikers miissen quantitativ, d.h. in MaB und Zahl angebbar sein. Denn nur dann sind sie jederzeit nachprufbar und als gesicherte Grundlage fiir weitere Forschungen oder ftir die praktische Anwendung geeignet. Alle Beobachtungen mtissen also auf Messungen beruhen (Abschn. 1.3). Da aber unsere Sinnesorgane ftir einen zahlenmaBigen Vergleich meist vdllig unzureichend sind, muB der Physiker MeBinstrumente benutzen. Diese sind sein Handwerkszeug. Andererseits kann die Physik nur mit Begriffen oder Gr5Ben arbeiten, die sich nach Messungen durch eine Zahl angeben lassen, deren Definition sozusagen in einer MeBvorschrift besteht. Jede

1. Einleitung

weitergehende Bewertung von MeBergebnissen Oder die Verwendung von Begriffen, die nicht vollig wertefrei sind, iiberschreitet die Grenzen, die sich eine exakte Naturwissenschaft mit ihrer Arbeitsmethode selbst setzt. Die Physik hat im Laufe der Zeit ein sehr umfangreiches Beobachtungsmaterial erarbeitet, das eine ziemlich wertlose Summe von Einzeltatsachen ware, wenn es nicht gehngen wiirde, die Zusammenhange zwischen Ursache und Wirkung, die Grundgesetze und weitergehenden Verknupfungen herauszuschalen. Das geschieht in der Sprache der Mathematik, und die Verwendung der so aufgestellten Gleichungen erlaubt nicht nur die Losung von speziellen Problemen in der Anwendung, sondern kann auch zur Erkenntnis Oder Vorhersage bisher nicht bekannter Vorgange fuhren. Als Beispiel sei auf die elektromagnetischen Wellen hingewiesen, die auf Grund der Voraussage ihrer Existenz durch die Meixwellsche Theorie des Elektromagnetismus systematisch gesucht, von H, Hertz gefunden und dann schUeBUch in bekannter Weise technisch verwertet wurden. Physikalische Erkenntnisse stutzen sich also auf Beobachtungen und auf logisches Denken. Die sog. klassische Physik benutzt dabei gewisse Grundelemente unserer Anschauung, wie etwa die Begriffe Raum und Zeit. Sie mtissen aber spater etwas modifiziert werden, z.B. um bestimmte MeGergebnisse mit Hilfe der Relativitatstheorie deuten zu konnen. Die Physik ist sich heute dartiber klar, daB sie nur mit Modellen, anschauHchen Oder mathematischen, arbeiten kann. Die alte Frage nach dem Wesen der Dinge, etwa dem Wesen der Gravitation oder des elektromagnetischen Feldes, wird in der Physik nicht gestellt.

1.3 Bedeutung des Messens in der Physik Eines der wichtigsten Kriterien einer physikaUschen Aussage ist ihre Reproduzierbarkeit. Dies bedeutet: Es muB prinzipiell moglich sein, an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten gewonnene Aussagen mit-

einander zu vergleichen. Das ist naturgemaB nur mogUch, wenn die Aussage quantitativ gemacht wird, d.h. auf einer Messung beruht. Messen bedeutet stets vergleichen, und zwar zahlenmdfiig mit einer bestimmten VergleichsgroBe, auf die man sich willkiirUch als Mafieinheit oder kurz Einheit geeinigt hat. Ein MeBergebnis enthalt also stets zwei Angaben, die Majieinheit und den Zahlenwert, auch Majizahl genannt, d.h. die Zahl der Einheiten, die in der gemessenen GroBe enthalten ist. So streicht der Physiker eine ganze Reihe von Formulierungen des Alltagslebens aus seinem Wortschatz. Aussagen wie „komme gleich wieder" oder „dahin ist es gar nicht weit" gibt es in der Physik nicht. Sie enthalten weder die Angabe einer Vergleichseinheit noch die einer MaBzahl. Weiterhin gehort zu einer physikaUschen Aussage immer die Angabe, wie genau sie ist. Es gibt keinen MeBprozeB, der ein fehlerloses, „absolut genaues" Ergebnis liefert, vergleichbar etwa einer Zahl, die sich durch eine mathematische Operation ergibt. Stets ist das MeBergebnis mit einer Unsicherheit, einem Fehler behaftet, uber den man sich immer Rechenschaft ablegen muB. Ist der Fehler durch das MeBgerat selbst verursacht, z. B. durch falsche Eichung, oder durch eine dauernd vorhandene Storung wie eine Reibungskraft, so sprechen wir von einem systematischen Fehler und unterscheiden ihn scharf vom etwa beim Justieren, Einstellen und Ablesen gemachten Fehler, dem zufdlligen Fehler. Letzterer macht sich dadurch bemerkbar, daB beim Wiederholen der Messung die Einzelergebnisse je nach der Empfindlichkeit des Gerates, der Ubung des Beobachters oder des Einflusses unvermeidHcher, regelloser Storungen mehr oder weniger stark voneinander abweichen. Sie schwanken statistisch um einen Mittelwert, der den wahrscheinlichsten Wert darstellt. Systematische Fehler dagegen verschieben, oft in schwer iibersehbarer Weise, diesen wahrscheinhchsten Wert; man kann sie nicht durch eine verbesserte statistische Fehlerrechnung, sondern nur durch eine sorgfaltige Untersuchung der Fehlerquellen beseitigen. Jeder, der sich mit Messungen befaBt, sollte sich so friih wie moglich daran gewohnen.

1.4 Fehlerangaben, Fehlerrechnung

die Genauigkeit der Mefigerate nicht zu iiberschatzen und den EinfluB von moglichen Storungen und Schwankungen auf die Meligrofle quantitativ abzuschatzen.

1.4 Fehlerangaben, Fehlerrechnung Eine physikalische GroBe ist also stets ein MeBwert, der mit einer Unsicherheit behaftet ist. Der Mathematiker wiirde sagen, daB ihr Zahlenwert auf der Zahlengeraden ein Interval! ausfiillt, z.B. die Zeitspanne (2,04 ± 0,04) s, im Gegensatz zum exakten Punkt etwa ftir die Zahl n, 0,04 s ist dabei der absolute Fehler. Dagegen betragt der prozentuale Oder relative Fehler in diesem Falle 2%; er ist es, der im allgemeinen die Prazision einer Messung charakterisiert. Diese Fehlerangaben beruhen sehr haufig auf Schatzungen unter Berticksichtigung der Eigenschaften der Apparatur, wobei moglichst die Streuung mehrerer nacheinander gewonnener MeBergebnisse beriicksichtigt wird, und sie werden daher stets gerundet. Wichtig ist die sog. Fehlerfortpflanzung, wenn man das gewiinschte Endresultat aus mehreren unmittelbar erhaltenen MeBdaten berechnet. Dabei geniigt es in der Praxis, folgende Faustregeln zu benutzen: Bei Addition und Subtraktion addieren sich die absoluten Fehler der EinzelgroBen. Bei Multiplikation und Division addieren sich ihre relativen Fehler. Miissen speziell zwei nahezu gleich groBe GroBen subtrahiert werden, so erhalt die Differenz einen groBen relativen Fehler. Man sollte dann versuchen, den MeBvorgang anders zu gestalten, indem man z. B. versucht, die Differenz unmittelbar zu messen. Bei der Quadrierung verdoppelt sich der relative Fehler, fiir die Quadratwurzel halbiert er sich. Wir kommen nun zur mathematischen Statistik, um damit MeBreihen und ihre Streuung etwas fundierter auswerten zu konnen. Grundsatzlich gilt: Eine MeBgroBe ist nur dann naturgegebenen, rein statistischen Schwankungen unterworfen, wenn sie durch Einzelvorgange zustande kommt, die vollig unabhangig voneinander ablaufen. Das liegt z.B. vor beim Zerfall von radioaktiven Atomkemen unter gleichzeiti-

ger Emission eines a- oder )ff-Teilchens. Hat ein radioaktives Praparat ein yff-Teilchen emittiert, so wird dadurch die Emission des nachsten zeitlich iiberhaupt nicht determiniert. Experimentell beobachtet man an einem Zahlrohr die Ausl5sungen oder ZahlstoBe, von je einem einzigen )ff-Teilchen verursacht, und man bestimmt die sog. Zahlrate, das ist die Zahl der Auslosungen pro Zeiteinheit, etwa in der Minute. Wird diese GroBe unter denselben Bedingungen wiederholt gemessen, so ergeben sich statistische Schwankungen. Die mathematische Statistik fiihrt dabei zu exakten, quantitativen Aussagen nur in dem Grenzfall, daB die Zahlrate beliebig oft unendUch oft - gemessen wurde. Sie erlaubt dann zu berechnen, wie oft die Zahl N als Zahlrate prozentual vorgekommen ist. Das ist also der Grenzwert des Quotienten Zahl der Beobachtungen der Zahlrate N dividiert durch Gesamtzahl der Messungen, wenn letztere gegen unendlich geht. Wir wollen ihn mit z{N) bezeichnen. Fiir ihn gilt

z{N) =

1 exp \^2nN

-

(N-NY IN

, (1.1)

wobei N der Mittelwert der Zahlrate ist, also die Summe aller gemessenen Zahlraten dividiert durch die Anzahl der Messungen. Dieser muB nicht ganzzahlig sein. Man bezeichnet die entsprechende Kurve auch als Gaufische Fehlerkurve, vgl. Abb. 1.1; physikalische Bedeutung haben davon natiirlich nur die Werte fur ganzzahliges N, z(N) bezeichnet man auch als Wahrscheinlichkeit, daB der Wert A'^ gemessen wird, oder auch als relative Hdufigkeit, Nach „unendUch" vielen Messungen ist der gesuchte MeBwert, die Zahlrate, hypothetisch als N „exakt" bekannt. Fiihrt man aber nur eine einzige Messung durch, so kann dabei irgendein Wert A^ herauskommen. Eine in der Nahe des Maximums der GauBkurve von Abb. 1.1 gelegene Zahl ist wahrscheinlicher als ein Wert weit entfernt davon. Die Wahrscheinlichkeit, eine Zahl im Interval! zwischen Nx und Ai zu treffen, ist gleich der Flache unter der GauBkurve iiber

Abb. 1.1. GauBsche Fehlerkurve

1. Einleitung

diesem Intervall. Es errechnet sich nun, daB mit einer Wahrscheinlichkeit von 68^% die eine Messung in den Bereich N± yN fallt, der zwischen den gestrichelten Vertikalen in Abb. 1.1 liegt. Man vermutet daher, daB normalerweise der bei einer Messung wirklich erhaltene Mefiwert N darin liegen wird, und sagt dann umgekehrt, der Mefiwert betragt N±YN ,

(1.2)

und bezeichnet s^ = \/N als Standardabweichung dieses einen Mefiwertes. Man wird dann vielleicht n Einzelmessungen durchfuhren und daraus den Mittelwert - Summe der Mefiwerte/Zahl der Mefidaten

£ {(Pi-(P?

51 =

/=i

n-\

(1.3)

die man also auf diese Weise experimentell bestimmt. Die Aussage iiber ^i wird mit steigender Anzahl der Messungen n sicherer; der Wert von ^i muB dabei aber nicht immer kleiner werden. Er schwankt fur n>\Q meist nur um einen Endwert. Die Standardabweichung 5„ des Mittelwertes (f) dagegen sinkt wie bei der Zahkate mit der Anzahl n der Messungen, weil wieder gilt ^1

Sn

=

v^

(1.4)

Das MeBergebnis lautet also (^ ± 5„. Wir diirfen aber nie vergessen, daB wir den gesamten MeBfehler durch Steigerung der _ n - bilden, also N= Y. Ni/n. Wie grofi ist nun Anzahl der Messungen hier nicht behebig /=i herabsetzen konnen. Systematische Fehler die Standardabweichung dieses Mittelwer- im weitesten Sinne sind keine regellosen tesl Sie ist selbstverstandlich kleiner als MeBfehler, fiir sie ist diese ganze statistische die eines Einzelwertes und betragt nur Rechnung vollig unwirksam, weil sie deren Sfj = \/N/n. So ist sie bei 10 Messungen nur Voraussetzungen nicht erfuUen. Sobald der 31,6^0 der Standardabweichung der Einzel- zufallige Fehler die GrdBenordnung der symessung. stematischen erreicht oder gar unterschritten hat, ist mit einer vorgegebenen Apparatur Beweis: Fiir die Summe der n Einzelmessungen - sodie Genauigkeit nicht mehr durch die mathezusagen als einzelner MeBwert nN - betragt dje Stanmatische Statistik zu verbessern. dardabweichung \/nN. Wenn dann nN± \/^nN durch n dividiert wird, folgt unmittelbar die gesuchte Zahlrate N mit obiger Standardabweichung s„.

Wirklich regellose, zufallige Fehler lassen sich auch bei anderen MefigroBen durch wiederholtes Messen verkleinem. Nehmen wir als Beispiel die Winkeleinstellung (p eines Analysators fur polarisiertes Licht auf das Minimum der Helligkeit (Abschn. 7.4.5). Aus einem einzigen Zahlenwert fur den gesuchten Winkel cp kann man jetzt allerdings keine Standardabweichung angeben, etwa wie bei der Zahh-ate N ± \/N. SelbstverstandUch gilt nicht (p±y/^. Hier muB man aus einer MeBreihe von n nacheinander durchgefiihrten Einstellungen den Mittelwert ^ bilden und die sog. quadratische Abweichung der Einzelwerte vom Mittelwert {(pf — Ip) ausrechnen. Unter Zugrundelegung einer GauBkurve liefert dann die Wahrscheinlichkeitsrechnung als Standardabweichung fiir den einzelnen MeBwert:

Aufgaben 1.1 Von einer Kugel werden gemessen der Radius r = 4,32 ± 0,02 cm und die Masse m = 835 ± 5 g. Wie grofi ist die Dichte ihres homogenen Materials Q- m/V (K Volumen, vgl. Abschn. 3.1.5) und der absolute Fehler, mit dem sie durch diese Messungen bestimmt wird? (Sinnvoll gerundet!). 1.2 Die Zahlrate pro Minute wird an einem radioaktiven Praparat gemessen. Es ergibt sich bei a) einer Messung TV = 817, b) 10 Messungen N = 790,4, c) 60 Messungen (1 Stunde) TV =796,8, d) 1440 Messungen (1 Tag) N - 797,2. Man gebe die Standardabweichung des jeweiligen Ergebnisses an. 1.3 Bei der wiederholten Einstellung desselben Helligkeitsminimums ergeben sich folgende Winkelablesungen am Analysator: 9,0°; 9,5°; 10,0°; 10,0°; 11,0°; 11,0°; 11,5°; 12,0°; 12,5°; 13,5°. a) Wie grofi sind Mittelwert und Standardabweichung ftir die Einzelmessung s^ sowie fur den Mittelwert S^QI b) Ist es sinnvoll, hier den relativen Fehler als Mafi fUr die Prazision der Messungen heranzuziehen?

2. AUgemeine Mechanik

2.1 Messen und MaOeinheiten 2.1.1 BasisgroQen. Jeder Zweig der Physik schafft sich seine speziellen MaBeinheiten, die den jeweiligen Problemen angepaBt sind. Eine Aufgabe der Mechanik ist es, die Lage und Lageveranderung von K5rpern im Raume zu beschreiben. Um die Lage eines Punktes im Raume festzustellen, muB man diese in bezug auf ein Koordinatensystem angeben konnen. Wir benotigen daher als erstes ein LangenmaB. Verandert der Punkt seinen Ort, d. h. bewegt er sich, so geschieht dies innerhalb einer gewissen Zeit. Als zweites brauchen wir daher ein ZeitmaB. SchlieBlich muB noch der Korper selbst charakterisiert werden, etwa durch die Menge des in ihm vereinigten Stoffes, seine Masse. Fiir diese benotigen wir ebenfalls eine MaBeinheit (Abschn. 2.3.1). Die drei GrdBen, Lange, Masse und Zeit, sind die Basisgrdfien der Mechanik. Ihre MaBeinheiten nennt man Basiseinheiten, Diese und alle aus ihnen aufgebaute, sog. abgeleitete Einheiten fiir andere physikalische GroBen werden als Sl-Einheiten bezeichnet (Syst^me international d'unit6s). Wenn nicht ausdrticklich anders vermerkt, sind bei der Anwendung physikalischer Gleichungen alle GroBen immer in SI-Einheiten einzusetzen. Uberlegungen zum „Wesen" von Lange, Zeit und Masse haben in der Physik keinen Platz. Diese BasisgroBen sind allein durch die MeBvorschriften definiert, nach denen sie durch den Vergleich mit Basiseinheiten gemessen werden. In welcher Weise dieser MeBvorgang experimentell realisiert wird, um eine moglichst hohe Genauigkeit zu erreichen, ist eine Frage fur sich. 2.1.2 Langen- und Winkelmessung. Als Basiseinheit fiir Langen hat man sich international auf das Meter geeinigt. Als Lange von 1 Meter (m) wurde urspriinglich der Abstand

zweier Marken auf dem Meterprototyp festgelegt, einem in Paris aufbewahrten MaBstab aus Platin-Iridium. Um den steigenden Anforderungen an Reproduzierbarkeit und Genauigkeit zu genugen, hat man bestimmt, wie viele Wellenlangen der orangeroten Spektrallinie von Krypton (Isotop 86) auf einen Meter entfallen. FuBend auf diesen MeBergebnissen gait seit 1960 international die Festlegung, daU das Meter das 1 650 763,73fache der Wellenlange dieser Spektrallinie im Vakuum ist. Die Zahl der angegebenen Ziffern m6ge ein Hinweis auf die heute erreichbare Genauigkeit von Langenmessungen sein. Zur Ausmessung einer Strecke in Wellenlangen dient der Interferenz-Komparator (Abschn. 7.4.1). Noch genauer reproduzierbar ist die neue Festlegung des Meters von 1983. Danach ist 1 Meter die Lange der Strecke, die Licht im Vakuum wahrend der Zeitspanne von 1 299 792 458 durchlauft, Sekunde (s) vgl. Abschn. 2.1.3. Der Betrag der Lange 1 m bleibt gegenuber der alten Festlegung praktisch ungeandert, vgl. auch Lichtgeschwindigkeit (Abschn. 7.1.3).

Je nach der GrdBenordnung der Lange, die man miBt und in der Einheit Meter angibt, entstehen sehr kleine oder sehr groBe Zahlenwerte. Da das fiir die Praxis unbequem ist, schuf man Untereinheiten, die sich jeweils um den Faktor 1000 = 10^ unterscheiden und mit einem Sl-Vorsatz gesondert benannt werden. Die in der folgenden Tab. 2.1 Tabelle 2.1. Bruchteile und Vielfache von Einheiten (SIVorsatze) Faktor

Name

Vorsatzzeichen

Weitere Beispiele

10-18 10-15 10-12 10-^ 10-^ 10-3 10° 10^ 10^ 10^

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

a f P n H m

-

1012 1015 1018

1 Tera 1 Peta 1 Exa

Atto Femto Pico Nano Mikro Milli Kilo Mega Giga

- ^ meter k M G T P E ^

1 pF (Picofarad) 1 ns (Nanosekunde) 1 ^lA (Mikroampere) 1 mA (Milliampere) 1 kV (Kilovolt) 1 MW (Megawatt) 1 GeV (Gigaelektronvolt) 1 TQ (Teraohm)

-

2. Allgemeine Mechanik

verzeichneten Langeneinheiten passen sich atomaren bis astronomischen Abmessungen an. Die Skala der Vielfachen von Atto (10-^^) bis Exa (10^^) wird ganz allgemein bei den verschiedensten GrolJen gebraucht, s. die Beispiele der letzten Spalte. Als Langeneinheiten sind zusatzlich noch gebrauchlich: 1 Dezimeter (dm) 1 Zentimeter (cm) 1 Zoil (inch) 1 Seemeile (sm)

= = = =

10-'m 10-2m 25,4 mm 1852 m .

Seit 1978 nicht mehr verwendet werden soHten 1 Angstrom-Einheit (A) 1 Fermi-Einheit (Fe)

: 10-^01 = 10-^51

In der Astrophysik sind folgende Einheiten ublich: 1 Lichtjahr (die vom Licht in einem Jahre zuriickgelegte Strecke) = 9,46 • 10*^ ^^ 1 Astronomische Einheit (A.U.), Lange der groBen Halbachse der Erdbahn um die Sonne = 1,496 • 10* km. 1 Parsec (pc), Entfernung, aus der die groBe Halbachse der Erdbahn unter dem Winkel von 1 Bogensekunde erscheint = 30,857 • 10^^ km.

5 I I I

w I

15

I M M 1.1 .' '.'.I 11111 n n

H

Abb. 2.1. Nonius

^ * -

1

Abb. 2.2. Parallaxenfehler

Abb. 2.3. Zum BogenmaB des ebenen Winkels

Zur praktischen Ausftihrung von Langenmessungen dienen neben MetallmaBstaben aller Art fiir kleinere Strecken Schieblehren, Schraubenmikrometer und MeBuhren. Um Bruchteile von Skalenteilen abzulesen, z.B. die ZehntelmiUimeter einer MiUimetereinteilung auf der Schieblehre, bedient man sich des Nonius^ dessen Nullstrich abzulesen ist. 10 Teile der Skala des Nonius entsprechen 9 Teilen der Hauptskala. In der Abb. 2.1 deckt sich der siebente Noniusstrich mit einem Strich der Hauptskala, es liegt also der Nullpunkt des Nonius um 7/10 rechts vom entsprechenden Hauptskalenstrich, also bei 10,7. Das ist der abzulesende MeBwert. Bei Mikrometerschrauben und Mefiuhren wird die Bewegung eines Ftihlers, der die zu messende Lange zuriicklegt und damit ausmifit, auf eine Kreisbewegung tibertragen. Bewegt sich der Fuhler um 0,01 mm, so kann sich eine Marke auf der Kreisscheibe z.B. um 1 mm verschieben, was auf einer Skala ohne Lupe gut abzulesen ist. Bei alien Skalenablesungen ist es sehr wichtig, den Parallaxenfehler zu vermeiden, der immer dann auftreten kann, wenn MaBstab und zu messender Gegenstand nicht in derselben Ebene liegen. Lesen wir z. B. ein Barometer ab, so erkennt man an Hand der Abb. 2.2, daB man nur dann den richtigen Wert erhalt, wenn man senkrecht auf das Barometer blickt. Beim schragen Visieren tritt eine scheinbare Verschiebung des Fadens gegen den MaBstab ein (Paraiiaxe)^ und man liest zu hoch Oder zu tief ab. Diesen Fehler vermeidet man z. B. bei

elektrischen MeBinstrumenten dadurch, daB man hinter der Skala und dem Zeiger einen Spiegel anbringt. Man liest dann ab, wenn der Zeiger und sein Spiegelbild sich decken, was nur bei senkrechter Blickrichtung der Fall ist.

Die Fldchenmessung wird auf Langenmessungen zuruckgefuhrt, wenn die Begrenzung der Flachen geometrisch einfach ist, wie beim Rechteck, Dreieck, Kreis, Ellipse u. dgl. Als Flacheneinheit benutzt man 1 m^ die Flache des Quadrates mit der Langeneinheit als Seite. Die Flacheneinheit ist eine abgeleitete Einheit, im Gegensatz zur Langeneinheit, die eine Basiseinheit ist. Bekannte Flacheneinheiten sind: lAr(a) 1 Hektar (ha)

= 10^ m^ .

Die Raumeinheit wird durch einen Wtirfel dargestellt, dessen Kantenlange die Langeneinheit ist. SI-Einheit ist 1 Kubikmeter (m^), gebrauchlich ist auch das Liter (1) ll=10-^m^=ldml Fur die Messung eines ebenen Winkels benutzt man im taglichen Leben die Teilung des Kreisumfanges in 360°, wobei 1 Winkelgrad = 60 Minuten (1° = 60') und 1 Minute = 60 Sekunden ( r = 60'') ist. Das WinkelmaB der Mathematik (SI) ist das von r unabhangige Verhaltnis (p des Bogens b zum Radius r, s. Abb. 2.3 und Gl. (2.1). Nimmt man als Radius 1 m, so ist die in m gemessene Lange des Bogens zugleich ein MaB des Winkels, das sog. Bogenmafi oder radiant (rad). Als das Verhaltnis zweier Langen kann man es als eine reine Zahl, also dimensionslos, ansehen (Abschn. 2.2.1b). Es ist aber auch iibUch, das Einheitszeichen rad dafur einzusetzen; dieses wird aber fiir GroBen, die vom Winkel abgeleitet sind, nie verwendet, vgl. Winkelgeschwindigkeit Abschn. 2.2.2 und Winkelbeschleunigung Abschn. 2.6.1. Ein bestimmter Winkel im GradmaB (p° verhalt sich zum voUen Kreisumfang, also zu 360°, wie die durch seine Schenkel ausgeschnittene Bogenlange b zum voUen Kreisumfang Irn, Es ist also

r

360°

2rn

In

Oder

2.2 Bewegungslehre (Kinematik)

den Hochststanden der Sonne verstreicht, (2.1) den sog. mittleren Sonnentag (d). Er wird in r 180° 24 Stunden (h) oder in 1440 Minuten (min) Die Winkeleinheit im BogenmaB, also ^ = 1 Oder in 86400 Sekunden (s) eingeteilt. Die rad macht dann in Winkelgrad 360°/27r aus Sekunde ist die zweite SI-Basiseinheit, (1 rad ^ 57,295° = 57°17'45")- Ferner entUm von Anderungen und Schwankungen spricht dem Bogen n/2 auf dem Einheits- in der Erdrotation frei zu werden, wird seit kreis 90° (90° ^ n/l rad).^ 1967 diese Basiseinheit definiert durch ein Vielfaches der Periodendauer einer monoFur genauere Winkelmessungen wird der Theodoiit chromatischen elektromagnetischen Welle. gebraucht, im wesentlichen ein Fernrohr mit FadenGewahlt wurde dazu das Nuklid ^^^Cs mit kreuz, das um eine Vertikalachse uber einem horizontalen Teilkreis drehbar ist. Damit kann man den Winkel einer Ubergangsfrequenz bei Mikrowellen, bestimmen, unter dem zwei entfernte Punkte vom Auge von der 9192 631770 Schwingungen oder Pedes Beobachters aus gesehen werden. Haufig ist der riodendauern 1 Sekunde ausmachen. - Die Theodoiit auch zur Messung von Hdhenwinkeln eingepraktische Reproduzierbarkeit der Zeiteinrichtet. heit mit einer Atomuhr ist etwa 10"^^. Der rdumliche Winkel Q ist das Verhaltnis AUe unsere Zeitmesser, Uhren genannt, der Flachen von Kugelkappe zum Quadrat enthalten ein Element, in welchem ein periodes Kugelradius. Der voile Raumwinkel be- discher Vorgang ablauft und dessen Peritragt danach 47r. Die abgeleitete SI-Einheit oden gezahlt werden. Dies kann z.B. ein des raumlichen Winkels ist der Steradiant Pendel sein, eine Spiralfeder (Unruhe), (sr), s. auch Abschn. 7.5.4. ein schwingender Kristall (Quarzuhr) oder ein in bestimmter Weise angeregter Schwin2.1.3 Basiseinheit von Zeit und Masse. gungsvorgang von Atomen oder Molektilen Der konventionelle Zeitbegriff kommt aus (Atomuhr). der Erfahrung. Wenn ein BewegungsvorDie Masse ist ein MaB flir den Materieingang, z.B. der Ablauf einer Sanduhr oder das Hin- und Herschwingen eines Pendels halt eines Korpers (Abschn. 2.3.1 und 2.3.2). unter gleichen Bedingungen wiederholt ab- Ihre Basiseinheit ist das Kilogramm (kg), lauft, so postuliert man, daB er zu seinem Ab- das ist die Masse des Internationalen lauf gleiche Zeit braucht. Um ein ZeitmaB zu Kilogrammprototyps, eines in Paris aufbegewinnen, miissen wir also einen moglichst wahrten Korpers aus Platin-Iridium. Sie ungestorten, inmier wiederkehrenden sog. soUte moglichst genau gleich der Masse von periodischen Vorgang heranziehen. Als sol- 1000 cm^ Wasser bei 4 °C sein (iiber diese Bedier diente urspriinglich die Drehung der Er- zugstemperatur vgl. Abschn. 5.1.3). Eine Tonne (11) sind 1000 kg oder 1 Mg de um ihre Achse. Diese Drehung erkennen (Megagramm). Keine SI-Einheiten sind 1 wir am scheinbaren Lauf der Fixsteme. In der Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgen- Zentner= 100 Pftind ( S ) = 50 kg. den Hochststanden oder Meridiandurchgangen des gleichen Fixstemes hat sich die Erde Aufgaben gerade einmal um ihre Achse gedreht. Diese 2.1.1 Bei der Hohenmessung in Abb. 2.2 ist das Auge Zeitspanne nennen wir Stemtag. Im taglichen 33 cm von der Skala entfernt, wahrend die FliissigkeitsLeben richten wir uns nun nicht nach dem saule 3 cm vor ihr steht. Wie groB ist der MeBfehler Ah, Lauf der Sterne, sondem nach dem der wenn das Auge 2 cm zu tief steht? Sonne. Infolge des Umlaufs der Erde um 2.1.2 Wieviel m^ sind 2 mm^ ? die Sonne stimmt der Sonnentag aber nicht 2.1.3 Man gebe den Winkel 5 n/6 rad in Grad an. mit dem Stemtag iiberein. So wahlte man als praktische Zeiteinheit die Zeit, die im Jahresmittel zwischen zwei aufeinanderfolgen-

1.2 Bewegungslehre (Kinematik)

Das Dachzeichen ^ ist dabei als ,entspricht" zu lesen.

Nachdem wir in Abschn. 2.1 mit der Festlegung der Einheiten ftir die BasisgroBen Lan-

2. Allgemeine Mechanik

ge und Zeit die Voraussetzung geschaffen haben, Bewegungen von KOrpern zu beschreiben, woUen wir solche naher untersuchen. Ausdrucklich klammern wir zunachst die Frage nach der Ursache einer Bewegung aus. Diese Frage werden wir in Abschn. 2.3 behandeln. Ferner beschranken wir uns auf Kdrper, deren Abmessungen gegenuber den von ihnen zurtickgelegten Wegstrecken sehr klein sind. Wir sprechen dabei von einem Massenpunkty uber die genaue Definition vgl. auch Abschn. 2.5.4. Zunachst geht es darum, die zur Beschreibung der Bewegung eines Massenpunktes geeigneten physikaUschen GroBen festzulegen, ihre Eigenschaften zu erlautern und mit ihnen die Gesetze fUr einfache Bewegungsformen aufzustellen.

Abb. 2.4. Weg-Zeit-Gesetz fur gleichmaBige {a) und ungleichmaBige (b) Bewegung. (c) GeschwindigkeitsZeit-Gesetz zu Kurve (b)

Zeitspanne At ist die Steigung der Sekanten durch die zugehorigen beiden DiagrammPunkte Pi und P2 (s. Abb. 2.4b). Als Momentgeschmndigkeit bezeichnen wir die Steigung der Tangenten im ausgewahlten Kurvenpunkt (Zeitpunkt). Das bedeutet, mathematisch formuliert, die Ableitung des Weges nach der Zeit oder den Differentialquotienten

,. As ds (2.2 c) V = hm = — ^t^o A t dt Die Momentangeschwindigkeit hangt bei Abb. 2.4b von der Zeit ab, das zugehorige Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm zeigt Abb. 2.4 c. Unsere Festlegungen bei konstanter Geschwindigkeit sind selbstverstsindlich in der allgemeinen FormuUerung als Spezialfall 2.2.1 Geschwindigkeit. Wir nehmen zuenthalten. nachst an, daB der Kdrper auf einer geraden Der Begriff der Geschwindigkeit gibt uns Bahn sich gleichfdrmig bewegt, d.h. zum Gelegenheit, einige grundlegende EigenZurticklegen gleicher Strecken immer die schaften physikalischer Begriffe zu erlaugleiche Zeit braucht. Das Verhaltnis des zutern: rtickgelegten Weges s zu der dazu benotigten Zeit t nennen wir die Geschwindigkeit v des a) Die Definition mulJ stets die MeBvorKorpers (velocitas) schrift enthalten. Dies ist bei der Geschwindigkeit der Fall, v = As/At bedeutet in Wors (2.2 a) ten: Man messe Weg und Zeitspanne und bilV = . de das Verhaltnis. Man mache sich diese Grundforderung an eine physikalische DefiStatt des ganzen Weges, vom Anfang der Benition stets klar. An einer Definition ist zwar wegung gemessen, konnen wir auch jedes benichts zu „verstehen", dennoch ist es wichliebige Teilsttick des Weges Si-s^ = As und tig, ihre ZweckmaBigkeit zu priifen. - V6ldie dazu benCtigte Zeitspanne t2-ti = At lig unabhangig davon ist die Frage, wie eine verwenden. Bei einer gleichformigen BeweGroBe im Experiment oder in der Praxis mit gung ergibt sich stets derselbe Wert fur die der notwendigen Genauigkeit zweckmaBig Geschwindigkeit bestimmt wird. Das geschieht gerade bei der Geschwindigkeit meist auf andere Weise, As V = (2.2b) z. B. mit Hilfe eines Tachometers im Auto, At das primar die momentane Drehzahl eines Rades miBt. Um das zu veranschauUchen, zeichnen wir b) Wahrend das Meter und die Sekunde das sog. Weg-Zeit'Diagramm, Bei einer gleichformigen Bewegung ergibt sich einfach Basiseinheiten darstellen, begegnen wir hier die Gerade s = vt, Ihre Steigung As/At ist bei der Geschwindigkeit, wie schon bei der iiberall gleich und gibt die gleichbleibende Flache, einer abgeleiteten Einheit. Zu jeder Geschwindigkeit an (s. Abb. 2.4a). FUr ge- Definitions- oder GroBengleichung gehort radlinig ungleichfdrmige Bewegungen dage- eine Einheitengleichung. Fiir „Einheit der gen wird das Weg-Zeit-Diagramm eine ge- Geschwindigkeit" z. B. woUen wir [v] schreikrtimmte Kurve, und die mittlere Geschwin- ben, und damit ergibt sich die zugehorige digkeit As/At wahrend einer ausgewahlten Einheitengleichung:

2.2 Bewegungslehre (Kinematik)

[t]

s

(2.2 d)

Die Geschwindigkeit wird also in der Einheit m/s angegeben. Man sagt auch, daB eine physikalische GrolJe stets das Produkt von MaBzahl und Einheit ist. In der Praxis verwendet man auch andere Einheiten, wie km/h (nicht Stundenkilometer!).

Gleichung dieselbe Richtung haben und wenn es nur um ihre Betrage geht, werden wir der Einfachheit halber auf den Fettdruck verzichten, z.B. (2.2b). Der Endpunkt ist unabhangig davon, ob das Boot die Bewegungen in beUebiger Reihenfolge einzeln nacheinander oder gieichzeitig ausfUhrt. Immer gelangt es von 1 nach 5. Ganz allgemein gilt: Gleichzeitig verlaufende Bewegungen stdren sich gegenseitig nicht und addieren sich geometrisch (sog. ungestorte Uberlagerung oder Superposition von Bewegungen). In derselben Weise kdnnen wir auch Beschleunigungen, Krafte usw. zusammensetzen(Abschn. 2.2.2ff.).

c) Die Geschwindigkeit ist eine GroBe, die zu ihrer voUstandigen Bestimmung auBer der MaBzahl und der Einheit noch einer weiteren Angabe bedarf, namlich der ihrer Richtung im Raum. Solche GroBen, zu deren Festlegung noch die Richtung angegeben werden muB, heiBen gerichtete Grofien oder Vektoren; Beispiele dafUr sind Krafte, Weg- 2.2.2 Beschleunigung. Bei jeder ungleichforstrecken, Geschwindigkeiten und Beschleu- migen Bewegung hat die MeBgroBe v = As/ nigungen. Im Gegensatz dazu bezeichnet At nur die Bedeutung einer mittleren Geman GroBen ohne Richtung als Skalare; zu schwindigkeit iiber die Wegstrecke As oder ihnen gehoren z.B. Masse, Warmemenge, wahrend der Zeitspanne At, Die momentane Energie usw. Vektoren lassen sich durch ge- Geschwindigkeit andert sich langs der Bahn. radUnige Pfeile darstellen, deren Ldnge den Wir sprechen auch von einer beschleunigten Betrag (Zahlenwert) und deren Richtung die- Bewegung und nennen den Quotienten aus jenige des Vektors angibt (vgl. das Beispiel Geschwindigkeitsanderung und der dafur beder Geschwindigkeiten in Abb. 2.5). n5tigten Zeit Beschleunigung a (acceleratio) VektorgroBen kann man nicht, wie z.B. Massen, algebraisch addieren, sondern nur ,. Av dv (2.3) geometrisch. Wir betrachten als Beispiel ein a = lim = Boot, das mit der Geschwindigkeit V\ schrag ^t^o At dt iiber einen FluB mit der StromungsgeschwinDie Einheit von a i§t m/s^. Sie ist ebenso wie digkeit Vi fahrt, s. Abb. 2.5. Ohne die Strodie Geschwindigkeit ein Vektor, der die mung wtirde das Boot in einer Sekunde von / Richtung der Geschwindigkeitsanderung nach 2 kommen. Infolge der Strdmung wird hat. es um das Stiick 2->5 abgetrieben, gelangt alBei einer krummlinigen Bahn andern sich so in Wirklichkeit in einer Sekunde nach 5. im allgemeinen sowohl der Betrag der GeSeine wirkUche oder resultierende Geschwinschwindigkeit, die Bahngeschwindigkeit v, digkeit ist dabei durch die Diagonale v eines als auch die Richtung der Geschwindigkeit. Parallelogramms bestimmt, dessen Seiten Die gesamte Geschwindigkeitsanderung Av von den Teilgeschwindigkeiten oder Kompokonnen wir in zwei Anteile (Komponenten) nenten t?i und i;2gcbildct werden. (Parallelozerlegen: Av^ andert nur den Betrag der Gegrammsatz). Diese Art von Addition heiBt schwindigkeit, AVr nur deren Richtung, s. geometrisch, Abb. 2.6. Um sie von der algebraischen klar zu unIm folgenden betrachten wir die Wirkung terscheiden, benutzen wir gegebenenfalls fiir dieser beiden Komponenten getrennt als zwei VektorgroBen fette Buchstaben oder setzen Grenzfalle. einen Pfeil dazu, vgl. Abb. 2.5, und stellen die obige geometrische Addition der Ge1. Verlauft die Bewegung geradlinigy so schwindigkeiten durch die Vektorgleichung bleibt die Richtung der Geschwindigkeit erV = Vx + V2 dar. Wenn alle Vektoren in einer halten, es andert sich nur die Bahngeschwin-

Abb. 2.5. Geometrische Addition von Geschwindigkeiten (Vektoraddition i;i4-t;2 = v)

Abb. 2.6. Zerlegung der Geschwindigkeitsanderung auf einer krummlinigen Bahn

10 Av

V2

^2

Abb. 2.7. (a) Reine Bahnbeschleunigung; (b) Reine Radialbeschleunigung

2. AUgemeine Mechanik

digkeit v. Abb. 2.7a. Die Beschleunigung hat stets die Richtung der Geschwindigkeit. Beim Abbremsen muB sie ihr entgegen gerichtet sein, Bremsung ist negative Beschleunigung. Bei fester Bahnrichtung kOnnen wir uns darauf beschranken, allein die Betrage von Geschwindigkeit und Beschleunigung zu betrachten. Dann ist die Beschleunigung, mathematisch formuliert, die erste Ableitung der Geschwindigkeit nach der Zeit und diese wiederum die erste Ableitung des Weges nach der Zeit, also

schleunigung der freie Fall, der schon von Galilei' untersucht wurde. AUe Korper, schwere oder leichte, fallen im luftleeren Raum nahe der Erdoberflache gleich schnell. In Luft kann die Reibung die Fallbewegung von leichten Korpern erheblich hemmen. Die Beschleunigung beim freien Fall oder die Erdbeschleunigung g betragt in unseren Breiten fast 10m/s^(9,81 m/s^). Fiir den freien Fall formulieren wir nach den allgemeineren Ableitungen oben das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz v = gt

dv a= dt

V

ds = ~dt

(2.4)

mithin a=

fli

a=g=const.

dt

\dt

d^ dt'

(2.5)

Dieser Zusammenhang gibt uns die M6glichkeit, bei bekannter Beschleunigung den zeitlichen Verlauf der Bewegung eines Kdrpers auf einer Geraden durch Integration zu berechnen. Speziell fur den Fall einer konstanten Beschleunigung erhalten wir •.\adt-. 0

flrr+const.

(2.6)

Die bei der Integration auftretende Konstante ermittelt man aus den sog. Anfangsbedingungen. Zur Zeit / = 0, wenn die Beschleunigung beginnt, habe der K6rper bereits die Geschwindigkeit VQ, SO daB const = ^o gilt. Wir erhalten also fur den zeitHchen Verlauf der Geschwindigkeit V == VQ +

at.

vot+j-at^.

(2.10)

Weiter errechnet sich aus beiden v = \/2gs. Dabei ist zu beachten, daB in diesen Gleichungen die Zeit t vom Beginn des Fallens aus der Ruhe zahlt. - Das Weg-Zeit-Gesetz laUt sich auch graphisch ableiten. Dem Vorgang bei der Integration entsprechend, ist der Weg s^ in der Zeit /j gleich der schraffierten Flache unter der Geschwindigkeit-ZeitKurve (Abb. 2.8b) Sx = (gti)t^/2. Dieses Verfahren bleibt auch anwendbar bei Bewegungen mit nicht konstanter Bahnbeschleunigung, d.h. gekrummtem GeschwindigkeitZeit-Diagramm. Eine konstante Beschleunigung a bestimmt man praktisch, indem Gesamtweg s und Zeit t gemessen und a-ls/t' berechnet wird. Die Definitionsgleichung selbst a - dv/dt ist fiir genaue Messungen ungeeignet.

(2.7)

Das gleiche Verfahren kOnnen wir noch einmal auf unsere Gleichung fiir die Geschwindigkeit anwenden, um den seit Beginn der Bewegung zuriickgelegten Weg zu berechnen:

Abb. 2.8a - c. Verlauf von a, v und s als Funktion von t fur die geradlinige Bewegung mit konstanter Beschleunigung, 1^0 = ^

und das Weg-Zeit-Gesetz

s^igr ds^

(2.9)

(2.8)

2. Andert sich dagegen nur die Richtung der Geschwindigkeit, so steht die Geschwindigkeit sanderung zu jedem Zeitpunkt senkrecht zur Bahngeschwindigkeit (Av Lv). Wir sprechen von einer reinen Radialbeschleunigung, s. Abb. 2.7b. Dieser wichtige Sonderfall liegt vor, wenn eine Kreisbahn

Dies ist die voUstandige Beschreibung der Bewegung eines punktfGrmigen KOrpers auf einer Geraden unter dem EinfluB einer konstanten Beschleunigung.

In der Natur ist ein wichtiges Beispiel fiir die geradlinige Bewegung mit konstanter Be-

^ Galilei, Galileo, 1564-1642, der Begriinder der Bewegungslehre, ist der erste Naturforscher, der seine Beobachtungen mathematisch formuHerte.

2.3 Bewegung unter dem EinfluB von Kraften (Dynamik)

11

mit konstanter Bahngeschwindigkeit durchlaufen wird, s. Abb. 2.9. Die momentane Bewegung des Massepunktes konnen wir entweder durch seine Bahngeschwindigkeit v (Abschn. 2.2.1) oder durch seine Winkelgeschwindigkeit co = d(p/dt (griechischer Buchstabe Omega) beschreiben. Dreht sich der Fahrstrahl vom Kreismittelpunkt zum Massenpunkt um den Winkel Acp, s. Abb. 2.9, so verschiebt sich der Bahnpunkt um das Bogenstiick rA(p, so daB wir fur die Bahngeschwindigkeit

bzw. um die Zusatzgeschwindigkeit Av. Es gilt, s. Abb. 2.9:

A(p V = r—^ = ro) At

Oder

co = — r

(2.11)

Av = V Amx ergibt sich dann Die drei Vektoren bilden in diesem Fall ein rechtwinkliges Dreieck (Satz von Pythagoras), fiir das Abb. 2.21c v[ = -Vu d.h. die stoBende Kugel andert ein Beispiel gibt. Darin liegt die Spitze des Vektors i/j nur die Richtung ihrer urspriinglichen Ge- immer auf dem Halbkreis uber v\ als Durchmesser (Satz schwindigkeit, sie wird reflektiert. Zwar von Thales), denn die Bahnen der Teilchen bilden nach ubertragt sie dabei den Impuls 2mxVy = dem StoB den Winkel 90°. Das Neutron (1) wird in m2V2 auf die Wand, aber trotzdem bleibt de- Abb. 2.21c um den Winkel 'di abgelenkt. Auf das Proton wird der Bruchteil sin^??i der kinetischen Energie ren Geschwindigkeit v^, unmerkbar klein, des Neutrons ubertragen. weil ihre Masse ^2 ungeheuer groB ist, vgl. auch StoB der Gasmolekule gegen die GefaBAufgaben wand, Abschn. 5.3.1. Nach dem unelastischen StoB bewegen 2.4.1 Von einem Tisch der Hdhe /i = 1,4 m fliegt ein sich beide Kugeln mit gleicher Geschwindig- Tennisball mit der Geschwindigkeit VQ = 3 m/s horizonkeit v\ s. Abb. 2.21b. Hier fordert der Im- tal weg. In welcher Entfernung s schlagt er auf den FuBboden auf (Ort von der Projektion der Tischkante aus pulssatz miTi = (mi + m2)t;', so daB gilt gemessen)? (Ohne Luftreibung.) rriA V'

=

mx + m2

(2.33)

Nach dem ZusammenstoB eines Elektrons oder Atoms mit Atomen kOnnen die Atome sich in einem angeregten Zustand befinden (Abschn. 8.1.2).

2.5 Krafte am starren Korper (Statik)

23

nem starren Korper zwei entgegengesetzt gleiche Krafte an, so halten sie sich nur dann das Gleichgewicht, wenn die Verbindungsgerade der Angriffspunkte A und B in die 2.4.3 Wie verschiebt sich die Schwingungsebene eines Richtung der Krafte faUt, s. Abb. 2.22. Das Fadenpendels am Aquator? Gleichgewicht bleibt erhalten, wenn wir die 2.4.4 Zwei He-Atome haben dem Betrag nach die glei- Angriffspunkte der in A und B angreifenden che Geschwindigkeit VQ . Ihre Flugbahnen stehen senkrecht aufeinander, Atom 2 fliegt horizontal, Atom 1 Krafte innerhalb des starren Korpers langs vertikal nach oben. Atom 1 trifft Atom 2 zentral von der Wirkungslinie verschieben, etwa von B unten, d.h. beim ZusammenstoB liegen die Atommittel- nach C. Unter der WirkungsUnie einer Kraft punkte senkrecht ubereinander. Wie bewegen sich die verstehen wir die in der Kraftrichtung durch beiden Atome nach dem StoB? (Die Schwerkraft kann den Angriffspunkt gezogene Gerade. Dagevernachlassigt werden.) gen wird das Gleichgewicht gestort, sobald 2.4.5 Eine vGlHg unelastische Kugel trifft zentral auf der Angriffspunkt der in B angreifenden eine ebensolche gleicher Masse, die ihr mit der gleichen Kraft in einer anderen Richtung, z. B. nach Geschwindigkeit entgegenkommt. In einem zweiten Ver- D, verschoben wird. Unter dem EinfluB der such stdBt sie mit derselben Geschwindigkeit gegen eine in A und D einwirkenden Krafte tritt eine nihende starre Wand mit sehr viel groBerer (unendlich groBer) Masse. Wie groB ist in beiden Fallen die Endge- Drehung des Korpers ein. schwindigkeit der stoBenden Kugel, in welchem Fall Wirken in demselben Angriffspunkt mehwird an ihr eine grdBere Verformungsarbeit geleistet? rere Krafte, so lassen sich diese wie beim Massenpunkt als Vektoren nach dem Parallelogrammsatz zu einer resultierenden Kraft zusammensetzen (Vektoraddition), s. Abb. 2.5 Krafte am starren Korper 2.23. - Da wir Krafte langs ihrer Wirkungshnie verschieben konnen, ohne ihre Wirkung (Statik) zu andern, gilt dasselbe fur alle Krafte, deren Jeder feste Korper ist aus vielen Atomen Wirkungslinien sich in einem Punkte schneibzw. Molekiilen zusammengesetzt und wird den. Im Beispiel von Abb. 2.24 greifen drei unter dem EinfluB von aufieren Kraften de- Krafte 'mA,B und C an, die Wirkungslinien formiert, Solange wir diese Formanderungen schneiden sich in 0, und es gilt F^-^-Fi = bei genugend kleinen Kraften vernachlassi- Fi = - F i . Alle drei Krafte halten sich das gen konnen, sprechen wir von einem nicht Gleichgewicht. deformierbaren, starren Korper. In der StaAls Beispiel zur Zerlegung einer Kraft betrachten wir tik behandeln wir die Frage, wann ein ausge- die Belastung eines Tragers, der aus den Staben a und b dehnter, starrer Korper sich unter dem Ein- besteht und in A und B befestigt ist, s. Abb. 2.25. In C flufi von Kraften im Gleichgewicht befindet, greife eine Kraft F an. Zerlegen wir F in die Komponenin Richtung von a und b, so gibt F^ die Zugkraft, F^ d. h. in Ruhe bleibt. Bei einem Massenpunkt, ten die Druckkraft, mit denen die Stabe beansprucht werden wir bisher behandelt haben, muB nach den. dem dynamischen Grundgesetz (Abschn. 2.3.1) die Gesamtkraft als vektorielle Summe 2.5.2 Hebel, Drehmoment. Ganz allgemein aller Einzelkrafte gleich Null sein. Auch versteht man unter einem Hebel einen starbeim Massenpunkt spricht man davon, daB ren Korper, der um eine Achse frei drehbar diese Einzelkrafte sich das Gleichgewicht ist. Die Drehachse selbst moge auBen fest gelagert sein (feste Drehachse). In Abb. 2.26 halten. steht sie in D senkrecht zur Zeichenebene. 2.5.1 Zusammensetzung und Zerlegung von Auf den Hebel wirken mAx und A 2 zwei in Kraften. Schon die alltagliche Erfahrung der Zeichenebene liegende Krafte F\ und F2. lehrt, daB man zur volligen Bestimmung der Wir fallen von D aus die Lote /i und I2 auf Wirkung einer Kraft auf einen ausgedehnten die WirkungsHnien der beiden Krafte. Die Korper drei Dinge kennen muB: Grofie, Lote werden als Hebelarme bezeichnet. Wie Richtung und Angriffspunkt, Greifen an ei- die Erfahrung lehrt, ist Gleichgewicht vor2.4.2 Um wieviel wird die Erdbeschleunigung am Aquator durch die Zentrifugalbeschleunigung herabgesetzt?

Abb. 2.22. Parallele und entgegengesetzt gerichtete Krafte am starren Kfirper

Abb. 2.23. Zusammensetzung von Kraften

Abb. 2.24. Gleichgewicht mehrerer Krafte

Abb. 2.25. Belastung eines Tragers 5

A,A^ D />

Abb. 2.26. Gleichgewicht am Hebel

24

Abb. 2.27. Zur Arbeit am Hebel

2. AUgemeine Mechanik

handen, wenn die beiden Krafte den Hebel im entgegengesetzten Sinne zu drehen versuchen und wenn die Produkte aus den Kraften und den zugehdrigen Hebelarmen gleich sind, also wenn die Gleichung gilt Fxh = F2h.

(2.35)

Das ist das Hebelgesetz. Das Produkt aus der angreifenden Kraft und dem zugehdrigen Hebelarm wird als ihr Drehmoment in bezug auf die Achse durch D bezeichnet. Man kann das Drehmoment Meiner Kraft auch berechnen, indem man die Entfernung ihres wirklichen Angriffspunktes von der Drehachse verwendet, r^ bzw. ri in Abb. 2.26. Dann darf man aber nur die Kraftkomponente F^ senkrecht zu r nehmen. Allgemein gilt also fur das Drehmoment jeder Kraft - der Index ist weggelassen - :

.JL.

~V2 F = Fi^F2

Abb. 2.28. Zusammensetzung paralleler Krafte

als Hebel. Ein Hebel mit unterschiedlich Iangen Hebelarmen ist eine mechanische Maschine. Um z. B. eine Last F\ am kurzen Hebelarm Tj zu heben, mussen wir eine kleinere Kraft Fi aufbringen. Das Hebelgesetz verlangt r^Fx = riFi- - Selbstverst^ndlich muB die Arbeit W = F^s^ = F2S2 auf beiden Seiten gleich sein, was sich hier nach dem Strahlensatz s^/si = r^/ri ergibt, vgl. Abb. 2.27. Die Gultigkeit des Hebelgesetzes konnen wir auf folgende Weise einsehen. Wir verlegen die Angriffspunkte der Krafte Fj und F2 von Abb. 2.26 in den gemeinsamen Schnittpunkt S ihrer Wirkungslinien und konstruieren die Resultierende F. Dann geht deren Wirkungslinie durch den Drehpunkt D, sie kann also den Korper nicht drehen.

2.5.3 Parallele Krafte, Kraftepaar. Auch die Resultierende von zwei parallelen Kraften laBt sich mit Hilfe des Hebelgesetzes bestimM = Fl = F^r. (2.36) men. Wir suchen zunachst ihren Angriffspunkt, bzw. ihre WirkungsUnie, s. Abb. 2.28. Sie lauft natiirUch den WirkungsUnien Die Vektorrechnung stellt das Drehmoment durch das der beiden Krafte F^ und F2 parallel und VektorproduktM=rxFdar, worder Abstanddes Anschneidet die Verbindungsstrecke A i>l2 ihrer griffspunktes von der Drehachse ist. Der Betrag von M Angriffspunkte in D derart, daB Fj/j = F2I2 isi F' r- s\na = F-1, mit dem Winkel a zwischen der angreifenden Kraft F und r. Die Richtung von M als ist. Die beiden Krafte drehen dann nach dem Vektorprodukt steht senkrecht auf F und r; seine Orien- Hebelgesetz den Korper nicht, wenn nur ein tierung gibt den Drehsinn: Schaut man in Richtung des Punkt auf der Wirkungslinie der ResultierenVektors A/, so verlauft die verursachte Drehung im Uhrzeigersinn. In Abb. 2.26 zeigt also A/j aus der Zeichen- den raumfest ist. Der Betrag der Resultierenebene nach vorn heraus, M2 nach hinten hinein. - Bei den ist F = F^+F2^ Durch die entgegengeeiner festen Drehachse kommen nur die Komponenten setzt gerichtete Kraft F'= -(F^+F2) wird von Drehmomenten zur Wirkung, die parallel zur Dreh- beiden das Gleichgewicht gehalten, also der achse sind. Diese Komponenten haben wir bisher auch Punkt D und damit der ganze Korper endnur betrachtet. Die zur Drehachse senkrecht stehenden werden durch Gegendrehmomente in den festen Lagern gultig festgehalten. Das besorgt die feste Drehachse vom Hebel in Abschn. 2.5.2 kompensiert. zwangs weise. Umgekehrt kdnnen wir auch eine gegebene Am Hebel herrscht also Gleichgewicht, Kraft in parallele Komponenten zerlegen. wenn die Drehmomente, die in den beiden Belastet man z. B. eine an den Enden untermogUchen Drehrichtungen wirken, gerade stiitzte Briicke, so kann man die Krafte auf gleich grofi sind. Ihre Vektoren addieren sich jeden der beiden Unterstiitzungspunkte andann zu Null. Die Anwendungen des Rebels geben. Das Verhaltnis der beiden Krafte sind sehr mannigfach; wir nennen nur die hangt von der Position der Last auf der Brechstange, die Schere, die Schubkarre, die Brucke ab. Lenkstange und Pedale von Fahrradern. Die einzelnen eben eingefuhrten Krafte Auch die Gliedmafien des Tierskeletts wirken von Abb. 2.28 lassen sich auch in anderer

2.5 Krafte am starren Korper (Statik)

25

:te^?

Wirken auf einen starren KOrper Krafte beliebiger Weise zusammenfassen, namlich Fi in ^41 mit Gr6l3e und Richtung, in beliebiger Zahl und in beliebi- F^ in D, sowie F2 in v4 2 mit - F2 in D, Jede gen Angriffspunkten ein, so lassen sie sich immer zu Kombination bildet ein sog. Kraftepaar, einer resultierenden Einzelkraft im Schwerpunkt und zwei entgegengesetzt gerichtete, gleich groBe einem Kraftepaar zusammensetzen. Erstere wird auf die Krafte, deren Wirkungslinien parallel sind, Gesamtmasse im Schwerpunkt ausgeiibt, der entspreaber einen Abstand / senkrecht voneinander chend dem dynamischen Grundgesetz beschleunigt Das Kraftepaar aber ist ohne EinfluB auf die Behaben. Ein Kraftepaar erzeugt immer ein wird. ^F wegung des Schwerpunktes. Drehmoment von der GroBe F/, gleichgiiltig, Bei einer homogenen Kugel oder einem Ring ist der wo die feste Drehachse sich befindet. So ist Mittelpunkt der Schwerpunkt. Der Schwerpunkt S einer Abb. 2.29 a, b. Drehmoment eines in Abb. 2.29 a das gesamte Drehmoment im Hantel, die wir als gewichtslose Stange mit den Massen Kraftepaars mj und 1712 ^^ ^^^ Enden betrachten woUen, bestimmt Sinne des Uhrzeigers Fl^ + Fli = F/. In Abb. sich als der Angriffspunkt zweier paralleler Krafte durch 2.29b wirkt das Drehmoment wieder im die rrtg Gleichung »t S Uhrzeigersinn und hat den gleichen Betrag M = F/i-F/2 = F/.

A'

^H

s. Abb. 2.30

Abb. 2.30. Schwerpunkt einer Hantel oder

mj /i - m2 /2 = 0 .

(2.37)

2.5.4 Schwerpunkt. Jeder kleinste Teil oder Massenpunkt eines starren Korpers unterBei raumlicher, dreidimensionaler Anordnung der liegt der Schwerkraft, die senkrecht nach un- Masseteile erhalt man mit der Bedingung ten, d.h. in Richtung zum Erdmittelpunkt, £m/(x/-jc^) = 0 nur eine Flache x = x, senkrecht zur wirkt. AUe so im starren Korper entstehen^-Achse, auf der sich der Schwerpunkt S befindet. Daden parallelen Einzelkrafte setzen sich zu her sind 3 derartige Gleichungen fiir die drei kartesieiner resultierenden Kraft zusammen, die schen Achsenrichtungen aufzustellen; sie ergeben drei gleich der Summe der Einzelkrafte ist (Ge- Ebenen, die sich im Schwerpunkt schneiden. Er kann samtgewicht = Summe der Gewichte aller auch aulJerhalb der Materie des KOrpers liegen. Teile). Ihren Angriffspunkt nennt man den Praktisch wird man den Schwerpunkt eiSchwerpunkt oder Massenmittelpunkt des nes unregelmslBigen K5rpers stets experimenstarren Korpers. Mangels antiparalleler tell bestimmen (Abschn. 2.5.5). Krafte kann die Schwerkraft allein kein Kraftepaar oder Drehmoment hervorrufen. Der starre Korper verhalt sich also unter 2.5.5 Gleichgewichtslagen. Ein Kdrper kann dem EinfluB der Schwerkraft so, als ob das sich unter dem EinfluB der Schwere nur dann Gesamtgewicht in seinem Schwerpunkt ver- in Bewegung setzen, wenn sein Schwerpunkt einigt ware. Dasselbe gilt fiir seine Masse, so als der Angriffspunkt der resultierenden daB damit der Begriff des Massenpunktes, Kraft sich dabei nach unten verlagert. Ander bisher bei der Kinematik und Dynamik dernfalls mufl Hubarbeit aufgewandt werder Translationsbewegung benutzt wurde, den. Wir unterscheiden dabei verschiedene exakt festgelegt ist. Es ist stets der Schwer- Arten der Gleichgewichtslage, s. Abb. 2.31. punkt der verwendeten, ausgedehnten Kor1. Stabiles Gleichgewicht, wenn der per gemeint. Insbesondere berechnet sich die Schwerpunkt die tiefstmdgliche Lage hat Hubarbeit mgh aus dem Anheben des und sich daher bei jeder Bewegung des K5rSchwerpunktes um die Hohe h (Abschn. pers nur aufwarts bewegen kann. 2.3.6). 2. Indifferentes Gleichgewicht, wenn der Weiter muB der Schwerpunkt eines starren Schwerpunkt sich bei Verschiebung des K5rKorpers, ja noch allgemeiner der Schwerpers stets horizontal bewegt. punkt eines abgeschlossenen Systems, in dem 3. Labiles Gleichgewicht, wenn der nur innere Krafte wirken, ruhen oder konSchwerpunkt bei jeder Verschiebung des stante Geschwindigkeit haben. Dieser sog. K5rpers sinkt. Satz von der Erhaltung des Schwerpunktes Ein hangender Kdrper befindet sich dann Abb. 2.31. Stabiles, indifferentes ist mit dem Wechselwirkungssatz gleichwerim stabilen Gleichgewicht, wenn sein und labiles Gleichgewicht tig (Abschn. 2.3.3). I

26

Schwerpunkt senkrecht unter dem Aufhangepunkt liegt. Bei irgendeiner Verschiebung wird der Schwerpunkt gehoben und fallt anschlieBend wieder in die stabile Gleichgewichtslage zurtick. Durch ein Senklot laBt sich daher die Schwerpunktslage eines starren Korpers experimentell bestimmen; man muB ihn dazu nacheinander an mindestens zwei Punkten stabil aufhangen und den Schnittpunkt der Lotlinien bestimmen. Im stabilen Gleichgewicht besitzt der Korper ein Minimum an potentieller Energie. Dieser Satz gilt ganz allgemein, unabhangig von der Art der einwirkenden Krafte. Im labilen Gleichgewicht ist ein K6rper aufgehangt, wenn sich sein Schwerpunkt senkrecht tiber dem Unterstutzungspunkt befindet. Er hat dann ein Maximum an potentieller Energie, jeder AnstoB befdrdert ihn aus dieser Lage heraus in eine stabile Gleichgewichtslage. - Ist der Kdrper im Schwerpunkt aufgehangt, so ist seine Gleichgewichtslage indifferent, er kann in jede beliebige Lage gedreht werden und bleibt in ihr stehen. Ruht ein Korper mit einer Flache oder mehreren Unterstiizungspunkten auf einer horizontalen Unterlage, so ist er im stabilen Gleichgewicht, solange das vom Schwerpunkt S nach unten gefallte Lot durch die Unterstiitzungsflache geht. Dreht man den Quader der Abb. 2.32 um die Kante K, so wird der Schwerpunkt zunachst gehoben. Beim Drehwinkel a entsteht ein labiles Gleichgewicht, und beim geringsten Weiterdrehen kippt der Korper um. Die Standfestigkeit eines Korpers ist durch die Arbeit bestimmt, die zum Umkippen notig ist, sie ist um so groBer, je tiefer sein Schwerpunkt liegt und je groBer die Unterstutzungsflache ist.

s r \ Abb. 2.32. Standfestigkeit

Amg

Abb. 2.33. Zur Empfindlichkeit der Waage

2.5.6 Die Waage. Bei gleicharmigen Hebelwaagen ( / = / ' ) halten zwei Korper der Masse m und m' sich das Gleichgewicht. Nach dem Hebelgesetz ist mgl^m'gV, Die vom Ort abhangige Erdbeschleunigung g fallt heraus, und es gilt iiberall m = m\ Mit einer Hebelwaage bestimmen wir also unmittelbar die Masse. Das Gewicht erhalten wir erst, wenn wir die Erdbeschleunigung kennen.

2. Allgemeine Mechanik Die gewGhnlichen Hebelwaagen bestehen im wesentlichen aus dem um eine horizontale Achse drehbaren Waagebalken und den an seinen Enden aufgehangten Waagschalen. Bei prazisen Waagen ruht der Waagebalken auf einer Schneide. Seine Arme und ebenso die Schalen sind mdglichst gleich. Die Waage ist im stabilen Gleichgewicht, d. h. der Schwerpunkt des Waagebalkens Uegt bei horizontaler Lage desselben unterhalb der Schneide. Durch ein kleines Obergewicht Am-g sti der um O drehbare Waagebalken um den Winkel a aus der urspriinglichen horizontalen Gleichgewichtslage herausgedreht. S sei der Schwerpunkt des Waagebalkens, G sein Gewicht und s sein Abstand von O, s. Abb. 2.33. Es entsteht nun ein neues Gleichgewicht, denn das Gewicht des Waagebalkens in dessen Schwerpunkt iibt ein Gegendrehmoment aus. Der Hebelarm OD ist 5-sina «5a. Das Gegendrehmoment Gsa muB zahlenmaBig gleich dem des Obergewichtes Am-gl sein. (Exakt ist dessen Hebelarm /-cosa*/). Der entstehende Ausschlag a ist dem Obergewicht proportional. ql

a = ^—Am = e^Am . Gs

(2.38)

Die Empfindlichkeit der Waage e^ = a/Am ist also um so grOBer, d. h. eine um so kleinere Massendifferenz gibt noch einen beobachtbaren Ausschlag, je naher der Schwerpunkt am Drehpunkt liegt. Dem steht aber entgegen, daB dann die Schwingungsdauer der Waage (s. die Ausftihrungen beim Pendel Abschn. 4.1.1) immer gr5Ber wird. Die Wagung dauert zu lange, und die Stabilitat gegen Erschutterungen wird immer geringer. Um die Schwingungsdauer abzukurzen, baut man moderne Waagen mit kurzem Waagebalken. Da mit der Lange auch das Gewicht abnimmt, verliert die Waage dadurch nicht an Empfindlichkeit.

Aufgaben 2.5.1 Eine Kraft, die senkrecht auf einen Hebel wirkt, erzeugt das Drehmoment 4 Nm. Wie groB ist das Drehmoment, wenn mit dem gleichen Hebelarm ihre Wirkungsgerade den Winkel 30° bildet? 2.5.2 Ein Kreiszyhnder (Gewicht 20 N, Radius 4 cm, Hdhe 10 cm) steht auf einer seiner ebenen Endflachen. Welche Arbeit muB man mindestens leisten, um ihn umzuwerfen? 2.5.3 Man lOse Aufgabe 2.5.2 fiir einen Zylinder aus demselben Material mit dem gleichen Durchmesser, aber 1 m H5he, der also ein Gewicht von 200 N hat. 2.5.4 Ein Mann (75 kg) bewegt sich in einem frei schwimmenden, in Ruhe liegenden Boot (300 kg) horizontal um 2 m. Um wieviel verschiebt sich das Boot auf dem Wasser?

2.6 Drehbewegung eines starren Korpers

2.6 Drehbewegung eines starren Korpers 2.6.1 Winkelbeschleunigung, Tragheitsmoment. Am einfachen Fall einer starren, um eine feste Achse drehbaren Scheibe woUen wir die wichtigsten Begriffe fur Drehbewegungen kennenlernen. Dreht sie sich, so haben die verschiedenen Punkte der Scheibe zwar dieselbe Winkelgeschwindigkeit co (Abschn. 2.2.2), aber verschiedene Bahngeschwindigkeiten Vi=(orj, wenn r/ der Abstand des betreffenden Punktes von der Drehachse ist. Auch die Winkelgeschwindigkeit ist ein Vektor, ein sog. achsialer Vektor, der in der Drehachse Uegt, die Richtung des Pfeiles gibt den Drehsinn in Form einer Rechtsschraube an, s. Abb. 2.34. Wird die Scheibe aus der Ruhe in Drehung versetzt, so andert sich ihre Winkelgeschwindigkeit. Wir ftihren daher den Begriff der Winkelbeschleunigung a ein und verstehen darunter die Anderung der Winkelgeschwindigkeit Ao) dividiert durch den dazu benotigten Zeitabschnitt At, also A(o _ doj _ d^cp a= lim (2.39a) ^/-o At dt dt^ ' Ihre Einheit ist s~^. Bei konstanter Winkelbeschleunigung a ist der aus der Ruhe heraus in der Zeitspanne t iiberstrichene Winkel (p = \at'^ , (2.39b) und die Winkelgeschwindigkeit betragt danach: a; = a^ , (2.39c) vgl. Abschn. 2.2.2 Fallgesetze. Nach dem Winkel-Zeit-Gesetz kann man auch praktisch die Winkelbeschleunigung bestimmen. - Jeder Massepunkt auf der Scheibe erleidet eine Beschleunigung t// = r^a in tangentialer Richtung, nicht zu verwechseln mit der Zentripetalbeschleunigung co^r/ in radialer Richtung, die auBerdem auftritt. Nach dieser Kinematik der Drehbewegung fragen wir danach, wie eine Winkelbeschleunigung verursacht werden kann. Im Experiment verwenden wir dazu am einfachsten einen Schnurzug, der iiber eine RoUe lauft und an dem ein Gewichtsstiick hangt, s. Abb. 2.34. Es kommt namUch nicht auf die einwir-

27

kende Kraft F allein an - eine z. B. im Drehpunkt O angreifende Kraft ware unwirksam -, sondem auf ihr „Drehmoment'' M=rF in bezug auf die Drehachse AA. Die Drehung verlauft von unten gesehen im Uhrzeigersinne. Wie schon in Abschn. 2.5.2 ausgefiihrt, beschreiben wir das Drehmoment durch einen Vektor Af, der auf der Ebene rF senkrecht steht; fUr seine Orientierung gilt dasselbe wie fur den Vektor der Winkelgeschwindigkeit 0), Quantitative Experimente beweisen, dalJ die aus dem Winkel-Zeit-Gesetz bestimmte Winkelbeschleunigung eines drehbaren Korpers nur vom wirkenden Drehmoment M^ rF abhangt, gleichgtiltig wie groB F und r im einzelnen sind. AuBerdem ergibt sich, daB die Winkelbeschleunigung a dem Drehmoment proportional, aber natiirlich von Korper zu Korper verschieden ist, vgl. die geradlinige Beschleunigung durch Krafte (Abschn. 2.3.1). Die Winkelbeschleunigung durch ein bestimmtes Drehmoment hangt nicht nur von der Masse des Drehkdrpers sondern auch von deren Verteilung in bezug auf die Drehachse ab. Je weiter auBen ein herausgegriffenes Massestuck m auf der Scheibe liegt, um so grdBer ist bei konstanter Winkelgeschwindigkeit seine Bahngeschwindigkeit und damit auch seine kinetische Energie (Rotationsenergie) (m/2)vj= (m/2)(o^rj. Die zum Erreichen einer bestimmten Winkelgeschwindigkeit erforderliche Beschleunigungsarbeit w^chst also nicht mit m, sondern mit mrf, Wir nennen das Produkt aus der Masse und dem Quadrat ihres Abstandes von der Drehachse das Tragheitsmoment I der Masse m in bezug auf die betreffende Achse. Ist ein Kdrper aus vielen Massen zusammengesetzt, so ist das Gesamttragheitsmoment gleich der Summe der Tragheitsmomente der einzelnen Massen, oder /=mir?-hm2r2+...= Iw//*?. (2.40) Das Tragheitsmoment eines Korpers andert sich mit der Lage der Achse im Kdrper. Betrachten wir nur die durch den Schwerpunkt gehenden Achsen, so gibt es eine bestimmte Achse A, s. Abb. 2.35, fur die das Tragheitsmoment am groBten ist und dazu senkrecht eine weitere Achse C, fiir die es am

Abb. 2.34. Drehsinn und Vektoren von Drehmoment, Winkelgeschwindigkeit und Drehimpuls bei einer rotierenden Scheibe. Die Drehachse steht auf der durch die Kraft und den Fahrstrahl r definierten Ebene senkrecht

-£^ Abb. 2.35. Haupttragheitsachsen einer Kiste

2. AUgemeine Mechanik

28

kleinsten wird. In bezug auf die zu diesen ersetzen, vgl. die folgende Gegeniiberstelbeiden Achsen senkrechte Achse B hat das lung: Tragheitsmoment einen mittleren Wert. Diese drei Achsen nennen wir die Haupttrag- Einander entsprechende Grdfien und Gleichungen fiir Drehbewegung heitsachsen des Korpers, die dazugehorigen Translationsbewegung Momente seine Haupttragheitsmomente, Weg 5 Winkel cp Eine dunne kreisfdrmige Scheibe hat den Schwerpunkt im Kreismittelpunkt. Fur eine Drehachse senkrecht zur Kreisflache durch den Schwerpunkt ist das Tragheitsmoment mR^/2, fur eine parallel zur Kreisflache m/?^/4 (m Gesamtmasse der Scheibe, R ihr Radius). Fiir eine Kugel gilt / = 2mR^/5. Das Tragheitsmoment / bei Rotation um eine beliebige Achse ist gleich dem Tragheitsmoment um die parallel verschobene Achse durch den Schwerpunkt vermehrt um m/^, wobei m die Masse des KOrpers und / der Abstand zwischen Schwerpunkt und Drehachse ist (Steinerscher Satz).

Geschwindigkeit v Beschleunigung a Masse w

Winkelgeschwindigkeit o) Winkelbeschleunigung a Tragheitsmoment /

Kraft F = ma = — {mv) dt

Drehmoment ^^ do M = Ia = I. dt

Richtgr6Be^2£)^__ X

Schwingungsdauer ^^

/f

dL dt

Richtmoment^^ D* = — (p Schwingungsdauer ^ ^

r=2H/-

--l/^

Kinetische Energie

Rotationsenergie

2.6.2 Dynamisches Gnindgesetz der Dreh•-kin • 2 bewegung. Alle Beobachtungen an sich dreDrehimpuls^^L = ICD henden K5rpern lassen sich durch das Impulsp = mv Grundgesetz fiir Drehbewegungen beschreiben. Wirkt ein Drehmoment M auf einen In der folgenden schematischen Ubersicht drehbaren Korper, so erteilt es ihm eine Win- verfolgen wir die Analogic zwischen Translakelbeschleunigung, die sich aus der Glei- tions- und Drehbewegung weiter. Man findet chung dort dargestellt, wie die Bewegungsanderung eines Kdrpers unter dem EinfluB einer Kraft M = Ia = I (2.41) F bzw. eines Drehmomentes M von der WirIT ]f.\xngsrichtung beider abhangt. bestimmt, wobei / das Tragheitsmoment in bezug auf die Drehachse ist. Dieses Gesetz laBt sich aus dem dynamischen Grundgesetz F = ma ableiten, stellt also keine neue, unabhangige Erfahrung dar. Wir betrachten dazu einen Massepunkt in der Entfernung r von der Drehachse, der durch die Kraft F die Beschleunigung a erfahrt. Nun gilt F = M/r und a = ar, in das dynamische Grundgesetz der Kraft eingesetzt (Abschn. 2.3.1) und umgeformt folgt daraus A/= mr^a.

Richtung Wirkung von Kraft bzw. Drehmoment F\\v

M\\m F±v

Zwischen der fortschreitenden oder Translationsbewegung und der Drehbewegung besteht auBerdem eine weitgehende formale Analogic. Die fUr die Translationsbewegung bekannten Beziehungen lassen sich ohne weiteres auf die Drehbewegung ubertragen, wenn wir nur die Gr56en Weg, Kraft, Masse usw. durch die entsprechenden Gr5Ben Winkel, Drehmoment, Tragheitsmoment usw.

M±(o

ErhOhung der Bahngeschwindigkeit (Bahnbeschleunigung) ErhOhung der Winkelgeschwindigkeit

Beispiel

Freier Fall

Scheibe in Abb. 2.34

Richtungsanderung der Kreisbahn Geschwindigkeit (konstante Radialbeschleunigung) Richtungsanderung der Kreisel in Winkelgeschwindigkeit, also Abb. 2.37 der Drehachse, falls diese frei ist (Abschn. 2.6.4, 2.6.5)

^2 Abschn. 2.6.3. ^^ Abschn. 4.1.1.

2.6 Drehbewegung eines starren Korpers

29

2.6.3 Satz von der Erhaltung des Drehimpulses. Bei der fortschreitenden Bewegung haben wir den Satz von der Erhaltung des Impulses mv kennengelernt. Ihm entspricht bei der Drehbewegung der Satz von der Erhaltung des Drehimpulses, wobei wir unter dem Drehimpuls L das Produkt aus Tragheitsmoment und Winkelgeschwindigkeit verstehen, also L = lo), Der Drehimpuls ist eine VektorgroBe. Seine Richtung, aus der wir den Drehsinn ersehen, ist dieselbe wie die des Vektors der Winkelgeschwindigkeit, vgl. Abb. 2.34. Wirkt ein auBeres Drehmoment M wahrend der Zeit At ein, so ergibt dieser DrehstoB nach der Grundgleichung der Drehbewegung M= Ia = IA(o/At eine Anderung des Drehimpulses von der GroBe

AL^IAco^MAt.

(2.42)

Daraus folgt der Erhaltungssatz: In einem System, in dem nur innere Krafte wirksam sind, also ein auBeres Drehmoment fehlt, bleibt der Drehimpuls konstant. Befindet man sich auf einer Drehscheibe und lauft man an ihrem Rande in einer Richtung, so gerat die Scheibe im entgegengesetzten Umlaufsinn in Drehung. Man sieht an diesem Fall, daB auch der Satz von der Erhaltung des Drehimpulses eine Folge des Prinzips von Kraft und Gegenkraft ist. - Bekanntlich fallt die Katze, wie man sie auch fallen laBt, immer wieder auf die Beine. Das ist nur dadurch moglich, daB der Schwanz eine der gewiinschten Korperdrehung gegenlaufige Drehbewegung macht. Anders als beim Impuls, wo die Masse eine Konstante ist, kann man durch innere Krafte aber das Tragheitsmoment andern, so daB der Drehimpuls zwar konstant bleibt, die Winkelgeschwindigkeit sich aber andert. Ein Drehschemel z.B. rotiert langsamer, wenn die darauf sitzende Versuchsperson in beiden Handen schwere Hanteln halt und die Arme plotzUch nach auBen streckt (groBeres Tragheitsmoment). Zieht sie die Arme wieder an, so stellt sich die ursprtinghche Winkelgeschwindigkeit ein. - Ebenso kann die Eiskunstlauferin bei der Pirouette durch In-dieKnie-Gehen oder seitliches Ausstrecken der

Arme ihre Drehgeschwindigkeit herabsetzen und sie durch Hochziehen des Korpers in die Nahe der Drehachse wieder steigern. 2.6.4 Freie Drehachsen. Bei unseren bisherigen Betrachtungen war die Drehachse des Korpers festgelegt. Diese Beschrankung lassen wir jetzt fallen und fragen, welche Drehachsen ein Korper, durch einen DrehstoB in Rotation versetzt, stabil beibehalt. Von vornherein werden wir sagen, daB sie durch seinen Schwerpunkt gehen mtissen. Bei einem sich selbst iiberlassenen Korper kann der Schwerpunkt zwar eine unbeschleunigte, geradUnige Bewegung ausfuhren, aber keine Kreisbewegung. Die dazu notwendigen Zentripetalkrafte konnen nicht von einer freien Drehachse ausgetibt werden. Aber nicht um jede Achse durch seinen Schwerpunkt rotiert ein Korper frei und stabil. Die bei der Drehung auftretenden Zentrifugalkrafte ergeben namlich im allgemeinen ein Drehmoment, das den Korper zu kippen versucht, so daB die Drehachse im Korper ihre Richtung andert. Bringen wir z. B. einen am Ende aufgehangten zylindrischen Stab mit Hilfe eines Motors um eine vertikale Achse in Drehung, so halten sich die Zentrifugalkrafte im Gleichgewicht, s. Abb. 2.36a. Bei der geringsten Abweichung von der vertikalen Lage uben jedoch die beiden resultierenden Zentrifugalkrafte F ein Drehmoment aus, das den Stab in die horizontale Lage zu drehen sucht, s. Abb. 2.36b. Man kann auch sagen, die Zentrifugalkrafte treiben die Massen moglichst weit von der Drehachse weg. Es wird also als Drehachse diejenige Achse angestrebt, ftir die das Tragheitsmoment am groBten ist, s. Abb. 2.36c. Um die Achse des grqfiten Tr^gheitsmomentes vermag ein Korper ohne Lager stabil zu rotieren, da bei jeder Storung sofort ein riicktreibendes Drehmoment auftritt. Wir bezeichnen daher diese Haupttragheitsachse als dnt freie Drehachse des Korpers. Die Achse des kleinsten Tragheitsmomentes kann ebenfalls eine freie Achse sein. Die Achse des mittleren Haupttragheitsmomentes ist dagegen labil, die kleinste StCrung verursacht Drehmomente, Abb. 2.36a-c. Zentrifugalkrafte die die Drehachse verschieben. Versetzt man und freie Achsen bei einem rotiereneinen Kdrper um diese Achse in Drehung, den KOrper

30

2. Allgemeine Mechanik

z.B. die in Abb. 2.35 gezeichnete Kiste um die Achse B, so gerat sie ins Torkeln, wahrend sie um die Achse A und bei einiger Vorsicht auch um C weiterrotiert.

erfahrt daher im absteigenden Ast der Bahn wie eine Tragflache mit dem Anstellwinkel a einen Auftrieb und erreicht daher eine groBere Flugweite. Beim Kinderkreisel befindet sich der 2.6.5 Der Kreisel. Jeder freie oder hdchstens Schwerpunkt oberhalb des Unterstiitzungsin einem Punkte festgehaltene rotierende punktes. Sobald die Figurenachse des KreiKorper wird als Kreisel bezeichnet. Die cha- sels in Abb. 2.37 nicht genau senkrecht steht, rakteristischen Erscheinungen zeigt schon Ubt die Schwerkraft ein Drehmoment aus, der rotationssymmetrische Kreisel, der uns das den ruhenden Kreisel umkippen wiirde. als Kinderkreisel bekannt ist. Seine Symme- Der rotierende Kreisel fallt jedoch nicht um, trieachse, auch Figurenachse genannt, ent- sondern weicht senkrecht zur einwirkenden halt den Schwerpunkt und ist die Achse des Kraft aus und beschreibt eine sog. PrdzesgroBten Tragheitsmomentes, sie ist also eine sionsbewegung, Seine Figurenachse lauft auf stabile freie Drehachse, s. Abb. 2.37. einem Kegelmantel mit A A als Achse und mit O als Spitze um. Diese iiberraschende Erscheinung erklart sich folgendermaBen: Das Prdzessionskegeli im Schwerpunkt 5 des Kreisels angreifende Gewicht G erzeugt ein Drehmoment M um die horizontale, zur Zeichenebene senkrechte Achseaa. Dieses wahrend der kurzenZeit At wirksame Moment gibt ihm einen zusatzlichen Drehimpuls AL, Dieser ist dem Drehmoment gleichgerichtet, also horizontal, und addiert sich geometrisch zum urspriinglichen Drehimpuls L des Kreisels, so daB nach der AL ± Zeichenebene nach hinten gerichtet Zeit At der neue Drehimpuls L' =L-\-AL ist. Die Figurenachse folgt dem Drehimpuls und nimmt jetzt die neue Richtung L' ein, sie Abb. 2.37. Prazession eines Kreisels. Er rotiert um seine hat sich also etwas nach hinten gedreht. Figurenachse, Drehimpulsachse L. Diese lauft auf einem raumfesten Kegelmantel mit A A als Achse {M±(o) Wirkt die Kraft G dauernd ein, so weicht die Kreiselachse ihr immer weiter stets senkrecht aus und beschreibt die PrazessionsbeweUnterstiitzen wir einen Kreisel im Schwergung. Die Kreiselbewegung setzt sich hier aus punkt, so ist er den auBeren Schwerkraften zwei Drehungen zusammen, der Drehung um entzogen und behalt, wenn er einmal um seidie Figurenachse und der Drehung der Figune Figurenachse in Drehung versetzt worden renachse um die Prazessionsachse A A, ist und sich dann selbst uberlassen bleibt, die Die Prazession ist um so langsamer, je Drehachse raumfest bei. In ihr liegt der VekgrdBer der Drehimpuls des Kreisels ist. Der tor des Drehimpulses, der nach Gr5fle und Kreisel reagiert um so weniger auf auBere Richtung ohne auBere Kraftwirkung erhalten Krafte, je schneller er rotiert. Die Kreiselachbleibt (Satz von der Erhaltung des Drehimse wird durch den Drehimpuls also im Raum pulses). So bleibt bei der in Drehung versetzbesser stabilisiert. Das ist die Folge der mit ten abgeschleuderten Diskusscheibe die Figuder Drehgeschwindigkeit ansteigenden Tragrenachse raumfest, s. Abb. 2.38. Der Diskus heitswirkung.

'//V^/Z////C^// und wir kommen durch Einset- Blast man zwischen zwei schwenkbare Blechkappen, so ist man erstaunt, daB sie statt auseinanderzuschwingen zen zur Gleichung von Bernoulli:

zusammenklappen, s. Abb. 3.60. Der statische Druck der innen strdmenden Luft ist eben niedriger als der P\ + TQ^ 1 = P2+ \QV 2 = const.^ (3.33 a) Druck in der auBen ruhenden. - Ein Ball bleibt stabil in einem Wasser- oder Luftstrahl, auch noch wenn dieser Das bedeutet, daB in einer stromenden idea- nicht senkrecht im Raum verlauft, d. h. er fallt nicht zu len Flussigkeit an jeder Stelle die Summe aus Boden, s. Abb. 3.61. Der Strahl umschlieBt den Ball nicht symmetrisch, vielmehr liegt er so, daB die Strokinetischer und Druckenergie konstant ist. mung an seiner Unterseite langsamer ist als oben. Von Der Druck ist dort besonders niedrig, wo die unten driickt also eine grOBere Druckkraft und kompensiert das Gewicht des Balles. Bei geringen AbweichunStromungsgeschwindigkeit hoch ist. Durch einen Schauversuch laBt sich dieses gen treten Krafte auf, die den Ball wieder in diese stabile Gleichgewichtslage zuriickfuhren. sog. hydrodynamische Paradoxon leicht beLassen wir einen Luftstrahl aus einer engen Offnung statigen, s. Abb. 3.59. Im mittleren engen ausstrOmen, so verbreitet er sich beim Eindringen in die auBere Atmosphare und nimmt schlieBlich Atmospharendruck an. An der Stelle des engsten Querschnitts, d.h. grdBter Geschwindigkeit, tritt daher im Luftstrom \mit ein Unterdruck und damit eine Saugwirkung auf. Auf \H&bunq diesem Prinzip beruhen Zerstduber, s. Abb. 3.62, Inhalationsapparate, manche Automobilvergaser, der Bunsenbrenner, Dampfstrahlpumpen usw. Die Wasserstrahlpumpe, s. Abb. 3.63, arbeitet nach > "v^ 1 ^x^ / demselben Prinzip. Aus einem seitlich angeschlossenen t} .^^^ ^"^ GefaB wird die Luft angesaugt und mit dem WasserAbb. 3.59. Zum hydrodynamischen Paradoxon, stati- strahl mitgerissen. Durch geeignete Wahl der Stromungsgeschwindigkeit und der Abmessungen der Duse scher Druck kann man es erreichen, daB die Saugwirkung bis zum Sattigungsdruck des Wasserdampfs bei Zimmertempe^ Die zunachst besprochene, spezielle Gleichung folgt ratur, d. h. bis zu 20 bis 30 mbar, heruntergeht (Abschn. 5.4.3). daraus mit Uj = 0 und P\-P2= P-

3.5 Bewegungen in Flussigkeiten und Gasen (Hydro- und Aerodynamik)

61

Die Bernoullische Gleichung konnen wir auch schreiben:

pierblatter wegblast und eine Kerze ausloscht. Eine Vorstellung von der Energie, die in einem Wirbel gespeichert sein kann, geben p + iQv^ = Po, (3.33 b) die Verwiistungen durch Windhosen oder Taifune. Der sog. Gesamtdruck PQ setzt sich aus zwei Immer wenn in der Stromung GrenzfldAnteilen zusammen, dem statischen Druck chen gegen ruhende Flussigkeit, sog. Tot/?, vgl. Abb. 3.59, und dem sog. Staudruck wasser, vorUegen, bilden sich auch im kontiPQ-P = Qv^/2, Letzterer laflt sich auf fol- nuierlichen Strome Wirbel oder Turbulengende Weise bestimmen: zen. Sie sind dann allerdings nicht so regelBringen wir in die Strdmung ein Hindernis, so staut maBig wie die Rauchringe. Diese Art Turbusich die Flussigkeit an diesem, teilt sich und flieBt seit- lenz entsteht vornehmlich an Hindernissen lich vorbei. Unmittelbar vor dem Hindernis, in der Mit- mit scharfen Kanten, z. B. an einem Gebirgste seiner Stirnseite, s. Abb. 3.64a, ist i? = 0. Hier wird kamm, s. Abb. 3.66. Ebenso bildet sich im also der statische Druck gleich dem Gesamtdruck PQ . Wir messen ihn durch ein gebogenes, in die StrOmung Stromungskanal hinter einer Platte, deren hereingebrachtes Staurohr, s. Abb. 3.64b. Den Stau- Flache senkrecht zur Stromrichtung steht, druck Qv^/2 erhalten wir als Differenz von PQ und /?, und auch hinter einer Kugel ein ausgedehnwobei p als statischer Druck mittels eines seitlich ange- tes, verwirbeltes Gebiet von Totwasser. Um brachten Manometers gemessen wird. So erhalt man aus zwei Druckmessungen die StrGmungsgeschwindigkeit v. Verwirbelung zu vermeiden, muB man durch geeignete Formgebung die stromende Flus3.5.5 Reale Flussigkeiten, turbulente Stro- sigkeit daran hindern, sich hinten vom Hinmung. Wenn in der realen Flussigkeit Rei- dernis abzulosen und dadurch einen Totwasbungs- und Tragheitskrafte zusammenwir- serraum frei zu lassen. Das erreicht man mit ken, kann es zu turbulenter Strdmung mit der sog. Tropfen- oder Stromlinienform, bei Wirbelbildung kommen. Es ist also nicht so, der sozusagen das sonst vorhandene TotwasdaB wir die Eigenschaften und GesetzmalJig- sergebiet mit dem langsam spitz auslaufenkeiten von zahen und idealen Flussigkeiten den Heck ausgefiillt ist. einfach addieren konnen, um immer zu deAn sehr schmalen Hindernissen entsteht h&ufig eine nen der realen Flussigkeiten zu gelangen. sog. WirbelstraBe, indem sich abwechselnd Wirbel mit Um zuerst Ausbildung und Eigenschaften entgegengesetztem Drehsinn abldsen. So kommt es zum von stabilen Wirbeln zu verfolgen, nehmen Flattern von Flaggen im Winde, s. Abb. 3.67. wir eine Trommel mit einer Kreisoffnung, die mit Ranch gefiillt und hinten mit einer Gummihaut verschlossen ist, s. Abb. 3.65. Bei einem Schlag auf die Gummihaut entsteht vor der Offnung ein Ranch- oder Wirbelring, das ist gerade in der Grenzzone zwischen dem Luftzylinder hoher Geschwindigkeit und der ruhenden AuBenluft. Die bekannten Rauchringe aus Tabakdampf entsteAbb. 3.67. WirbelstraBe hen auf ganz analoge Weise. Die Luft im Wirbelring bleibt stabil zusammen, und der ganze Wirbelring fliegt mit einer GeschwinJede stromende Flussigkeit iibt auf einen digkeit von einigen m/s in Richtung des erruhenden Korper als Hindernis eine Kraft zeugenden Schlages fort. Er besitzt eine solaus, und seine Halterung muB die Gegenche Steifigkeit, daB er beim Auftreffen Pakraft liefern, soil er nicht wegschwimmen. Weil es nur auf die Relativbewegung zwiPQ ist nur konstant, wenn die StrOmung auf konstan- schen KGrper und Fliissigkeit ankommt, ter H6he h uber dem Erdboden bleibt. Allgemein ist muB dieselbe Kraft F den Kdrper dauernd Po + Q9h eine Konstante. antreiben, wenn er sich mit konstanter Ge-

/v-r |7^' p

H—L

Abb. 3.64 a, b. Zur Messung der Geschwindigkeit in einer StrGmung

f

L.

Abb. 3.65. Zur Bildung von Rauchringen

Abb. 3.66. Wirbelbildung an einer Kante

62

3. Die mechanischen Eigenschaften der Stoffe und ihre molekulare Struktur

schwindigkeit durch die ruhende Flussigkeit bewegen soil. Bei Turbulenz geht die dabei auf der Wegstrecke s geleistete Arbeit W = Fs nur zu einem kleinen Teil, wie in laminarer StrOmung, unmittelbar in Reibungswarme iiber. Den gr5Beren Anteil findet man in der Rotationsenergie der Flussigkeitswirbel wieder; erst weit hinter dem bewegten Korper geht natiirlich auch diese Bewegungsenergie durch Reibung in Warme uber. Bei turbulenter Stromung muB daher die Antriebsmaschine eine graBere Arbeit ^Tleisten als bei laminarer; eine Kugel ben6tigt groBere Antriebskrafte als ein Stromlinienprofil mit gleicher Stirnflache. Das trifft aber nur bei hoher Geschwindigkeit zu, bei sehr niedriger dagegen bleibt die Stromung laminar, und fur die Kugel gilt das Stokessche Gesetz (Abschn. 3.5.3). Wie eben schon bei der umstromten Kugel angedeutet, schlagt in realen Flussigkeiten bei steigender StrOmungsgeschmndigkeit generell die laminare in die turbulente Stromung um. So darf im Kugelfall-Viskosimeter z.B. die Fallgeschwindigkeit eine kritische Grenze nicht uberschreiten, will man Fehlmessungen durch Turbulenz vermeiden. Die Gefahr dazu besteht bei Flussigkeiten, die eine sehr kleine Viskositat haben. Man muB dann eine gr5Bere Kugel mit engerem Spalt zur Wand wahlen, die bei hochviskosen Flussigkeiten viel zu lange Fallzeiten hatte, vgl. Abb. 3.56. Auch im glatten Rohr wird die Strdmung oberhalb einer kritischen Geschwindigkeit turbulent. Das Gesetz von Hagen-Poiseuille verUert dann seine Giiltigkeit. Die kritische Geschwindigkeit ist physikahsch dadurch begriindet, daB dann die Tragheitskrafte verglichen mit den Reibungskraften eine charakteristische Grenze Uberschreiten. Die Tragheitskrafte sind proportional QV^ und die Reibungskrafte, z. B. in der Schubspannung, gehen mit rjv/d. Das Verhaltnis beider Krafte gibt die dimensionslose, sog. ReynoldsZahl: Tragheitskraft gvd (3.34) Re = Reibungskraft Dabei ist d eine charakteristische Lange der Anordnung, z. B. der Rohrradius. tJbersteigt

Re einen Grenzwert, in runden Rohren z.B. 1100, so wird die Strdmung turbulent. GrdBere stabile Wirbel wie in Abb. 3.67 entstehen nur, wenn die Geschwindigkeit zwar die Grenze der laminaren Strdmungtiberschrittenhat, aber noch nicht zu hoch ist. Mit weiter steigender Geschwindigkeit andert sich das Strombild, manchmal noch mehrmals, und nimmt schlieflUch eine in kleinsten Bereichen unregelmafiig verwirbelte, sog. chaotische Gestalt an.

Aufgaben 3.5.1 Ein Rotationsviskosimeter nach Abb. 3.51 hat folgende Daten: Innenzylinder-Radius 6 cm, Eintauchtiefe in die Fliissigkeit 30 cm; Spaltbreite cf = 3 mm; Richtmoment der Feder 6 • 10"^ Nm/rad. Der Antriebsmotor lauft mit 200 Umdrehungen in der Minute, und der auBere Zylinder wird dadurch um 0,2 rad ausgelenkt. Man berechne die Schubspannung x und das Geschwindigkeitsgefalle v/d in der Fliissigkeit sowie ihre dynamische Viskositat rj. 3.5.2 Wenn im Rotationsviskosimeter die Spiralfeder entferat worden ist, rotiert auch der auBere Zylinder, aber mit kleinerer Winkelgeschwindigkeit als der innere. Begrtindung? 3.5.3 Eine Kugel (r = 1,5 mm, ^ = 1,7 g/cxr?) fallt in einem sehr grofien Behalter mit Ol {Q = 0,8 g/cm^, fl = 25 mPas). Wie groB ist ihre konstante Endgeschwindigkeit? 3.5.4 Eine zdhe Flussigkeit durchstrOmt 2 ineinander iibergehende, gleich lange Rohrstucke mit kreisfdrmigen, aber unterschiedUchen Querschnitten. (Innenradius des ersten 8 cm, des zweiten 5 cm.) Am EinfluB betragt der Druck 3 bar, am AusfluB aus dem zweiten Rohrstiick 1,2 bar. Welcher Druck herrscht an der Obergangsstelle der beiden Rohrstucke? 3.5.5 Durch die Leitung von Aufgabe 3.5.4 flieBt eine ideale Flussigkeit der Dichte 1500 kg/m^, und dieselben beiden Driicke werden gemessen (hier in SI-Einheit umrechnen!). Jetzt laBt sich mit der BernouUischen Gleichung die Strdmungsgeschwindigkeit, z.B. im ersten Rohrstiick v^, berechnen. 3.5.6 Im Versuch zu Abb. 3.59 wird der VolumenfluB (Stromstarke) verdoppelt. In welchem Verhaltnis andert sich die Druckdifferenzpy^-zTg? 3.5.7 Ein Flugzeug fliegt in 5 500 m Hdhe mit einer Geschwindigkeit von 350 m/s. (Dichte der Luft nach barometrischer HOhenformel, s. Abschn. 3.4.2). Wie groB ist der Staudruck? 3.5.8 Wasser (;/ = 1 mPas) strdmt durch ein Rohr mit Kreisquerschnitt (r = 2 mm). Bei welcher Geschwindigkeit wird /?e = 1100, so daB Turbulenz einsetzt?

4. Schwingungs- und Wellenlehre, Akustik

4.1 Mechanische Schwingungen 4.1.1 Freie harmonische Schwingung, Pendel. Jeden periodisch wiederkehrenden Vorgang bezeichnen wir als Schwingung, Wir beginnen mit der - wie wir in Abschn. 4.1.2 einsehen werden - einfachsten Schwingungsform, der sog. harmonischen oder reinen Sinus-Schwingung. Zunachst stellen wir eine einfache Beziehung zwischen ihr und der mit konstanter Bahngeschwindigkeit durchlaufenen Kreisbahn her, um eine anschauUche Methode kennenzulernen, z.B. Probleme der Uberlagerung mehrerer Schwingungen zu behandeln. Wir projizieren dazu die Bewegung eines Massenpunktes P, vgl. Abb. 4.1, der auf einem Kreis mit dem Radius XQ um M mit konstanter Winkelgeschwindigkeit a> umlauft, auf einen Schirm S (Abschn. 2.4.2). Dabei entsteht der Bildpunkt P'. Seine Hohe uber dem Bildpunkt M' von M ist die neue Koordinate jc. Ist cp der Winkel, den MP momentan mit der Projektionsrichtung bildet, so ergibt sich fiir den Abstand M' P' x = XQ%m(p.

(4.1a)

Die Projektion des Punktes P auf der Kreisbahn beschreibt also eine sinusformige Schwingung. x nennen wir die Elongation, Die maximale Elongation XQ ist die Amplitude der Schwingung, s. Abb. 4.1. Die Schwingungsperiode T = 1/v = 2n/(o ist naturhch gleich der Umlaufzeit des Punktes P auf dem Kreise. Den momentanen Winkel cp nennen wir die Phase von P'. Mit dem Begriff „Phase" charakterisieren wir also die momentane Lage eines harmonisch schwingenden Korpers. Nun stellt sich die Frage, welche dufieren Krdfte auf einen Korper einwirken miissen, damit er eine harmonische Schwingung ausfiihrt. Es ergibt sich, da6 sie proportional mit der Entfemung jc von der Ruhelage (jc=0) steigen und auf diese zu gerichtet sein miissen. Ableitung. Zur Bestimmung der Beschleunigung differenzieren wir (4.1b) nach t und erhalten = -cj^x^sinajt

~ -co^x .

Hat der schwingende Kdrper die Masse m, so muB also die gesuchte Kraft die Bedingung erfUllen

(4.2) F= -mco X 1st zur Zeit / = 0 auch ^ = 0, so gilt ferner (p= ojt Oder Als einfachstes Beispiel dafiir betrachten . . -271, wir das sog. Federpendel, einen Korper, der A: = A:oSina)/= jcosm — ^ = XoSin27rv/ , an einer Schraubenfeder aufgehangt ist, s. ^ (4.1b) Abb. 4.2. Deren Rtickstellkraft F gehorcht vgl. (2.12) und (2.13).

t'(p/a/

Abb. 4.1. Zusammenhang zwischen Kreisbewegung und Sinusschwingung

Abb. 4.2. Federpendel

4. Schwingungs- und Wellenlehre, Akustik

64

bei nicht zu groBer Elongation x dem Hooke'schen Gesetz (Abschn. 3.2.3), so daB wir fur sie setzen konnen

Abb. 4.3 a, b. Ungedampfte (a) und gedampfte (b) Schwingung

schen potentieller und kinetischer Energieform hin und her. Letztere verschwindet in den Umkehrpunkten und nimmt beim Durchgang durch die Gleichgewichtslage eiF = -Dx (4.3) nen Maximalwert an. Die potentielle Energie verhalt sich gerade umgekehrt. Die Summe D wird als Federkonstante oder RichtgroBe aus potentieller und kinetischer Energie bezeichnet. bleibt zeitlich konstant, wenn keine auBeren Damit erfiillt das Federpendel die Bedin- Krafte wirken (Energiesatz, Abschn. 2.3.6). gungen fiir eine Sinus-Schwingung. Aus der Also sind auch die aufeinander folgenden Ruhelage um die Strecke XQ entfernt und Ausschlage (Amplituden) konstant. Wir hadann sich selbst liberlassen, fuhrt es eine ben eine ungeddmpfte Schwingung, s. Abb. sog. freie, harmonische Schwingung aus. 4.3a. T=2n/(o ist die Zeitspanne fur eine PeriIn der Natur wird aber durch Reibungsode, die Schwingungsdauer. Wenn die bei- krafte ein Teil der kinetischen Energie eines den Krafte in (4.2) und (4.3) gleichgesetzt Korpers beim Schwingen in der Luft laufend werden, errechnet sich co = In/T^ und dar- in Warme umgewandelt (Abschn. 3.5.3). Sie aus die Schwingungsdauer T geht damit als Schwingenergie verloren. Die Amplitude sinkt daher im Laufe der Zeit, (4.4) und wir haben eine gedampfte Schwingung, T=2n]/m/D s. Abb. 4.3 b. Ihr Weg-Zeit-Gesetz lautet: Sie ist nicht von der Amplitude der Schwin- x = A:oexp(~JOsinco^ wobei d der sog. gung abhtagig. Wir erkennen ferner, daB Abklingkoeffizient ist^ Die Schwingenergie das Federpendel um so langsamer schwingt, nimmt entsprechend W= W^ox^^-ldt) je groBer die angehangte Masse und je klei- mit der Zeit ab. ner die Federkonstante sind, d.h. je weicher Um einen Karper ungedampft schwingen zu lassen, die Feder ist. l / r = V o nennt man die Eigenfrequenz milssen wir ihm standig die durch Reibung verlorene wieder zufuhren. Die dafur ndtigen des Federpendels. Sie ist durch Korpermasse Schwingenergie „St6Be zur richtigen Zeit** kann er durch sog. RUckm und Federkonstante D festgelegt kopplung selbst steuern. Beispiele sind die Pendeluhr (4.5)

In einem Schauversuch laBt sich unmittelbar zeigen, dafi das gleiche Weg-Zeit-Gesetz vorliegt, gleichgiiltig ob man einen KGrper an eine Feder hangt und schwingen laBt oder ob man ihn an einem gleichfOrmig rotierenden Rad befestigt und entsprechend Abb. 4.1 projiziert. Beide Bewegungen werden dazu von zwei KOrpern gleichzeitig, synchron und phasengleich ausgefuhrt d.h. sie erreichen ihr Maximum zu gleicher Zeit - , und man beobachtet sie nebeneinander im SchattenriB. Dabei sieht man v6lligen Gleichlauf.

Abb. 4.4. Mathematisches Pendel

Beim Auslenken des Federpendels aus der Ruhe- Oder Gleichgewichtslage wird eine Arbeit W=DJ^2 geleistet (Abschn. 2.3.6), die in ihm danach als Schwingenergie gespeichert ist. Sie ist stets dem Quadrat der Amplitude proportional. Diese Gesamtenergie „pendelt" im Verlauf der Schwingung zwi-

mit Steigrad und Anker oder ein elektrischer Schwingkreis mit Triode oder Transistor (Abschn. 6.8.2). Die Energie Uefert ein gehobenes Gewicht oder eine gespannte Feder, bzw. eine elektrische Spannungsquelle.

Als weiteres Beispiel behandeln wir das mathematische Pendel, d.h. einen kleinen Korper (Massenpunkt), der an einem masselos gedachten Faden hangt, s. Abb. 4.4. Wir lenken es aus seiner Ruhelage seitlich aus und lassen es frei. Die Schwerkraft zerlegen wir in zwei Komponenten, eine in Richtung des Fadens und die andere senkrecht dazu. Die erste Komponente, Gcos^, spannt nur den Faden. Die zweite, Gsin^, treibt den

• Fur zwei aufeinanderfolgende Ausschlage x, und Xj nach derselben Seite gilt Xnix^/x-^ = TS.

4.1 Mechanische Schwingungen

65

Massenpunkt auf seine Ruhelage zu. Beschranken wir uns auf kleine Auslenkungen Xy so gilt die Naherung sin^ = x//, so daii wir fur die riicktreibende Kraft F= -mgsimp = -mgx/l erhalten. Die RichtgroBe des Pendels ist also D = mg/L Damit gilt fur die Schwingungsdauer des mathematischen Pendels

Schwingungen aus, so erhalt man die resultierende Schwingung mit Hilfe des Parallelogrammsatzes, d.h. durch geometrische Addition der Wege, s. das in Abschn. 2.2.1 besprochene Prinzip der Superposition von Bewegungen. Wir besprechen nun verschiedene Falle:

7. Uberlagerung von gleichgerichteten har- Abb. 4.5. Physikalisches Pendel (4.6) monischen Schwingungen gleicher Frequenz. • = 2nVJ7g T==2n Die resultierende Schwingung ergibt sich hier einfach durch die algebraische Addition der beiden jeweiligen Auslenkungen. Das ErgebDie Schwingungsdauer ist also von der Masnis hangt aber nicht nur von den Amplituse unabhangig, im Gegensatz zum Federpenden, sondern entscheidend von der Phasendel. Der Grund ist, dafi hier D proportional differenz der beiden Schwingungen ab. m ist. Ftir groBere Amplituden, ftir die der Wenn die AmpUtuden beider Schwingungen Sinus nicht mehr dem Winkel im BogenmaB gleich sind, fiihrt die Oberlagerung bei gleigleich gesetzt werden kann, nimmt die cher Phase zu einer Verdoppelung der AmSchwingungsdauer etwas zu. plitude, s. Abb. 4.6a. Ist der PhasenunterWir betrachten noch das DrehpendeL Ein schied n oder 180°, so heben sich beide beliebiger starrer Korper mit fester Drehach- Schwingungen standig auf, s. Abb. 4.6b. se'kann urn seine stabile Gleichgewichtslage Im allgemeinen Fall greift man am besten Drehschwingungen ausfuhren, wenn auf ihn auf die projizierte Kreisbewegung von Abb. das riicktreibende Drehmoment z.B. einer 4.1 zuriick. Die beiden sich uberlagernden Spiralfeder wirkt. Dieses ist bei kleinen Am- Schwingungen werden darin als zwei Pfeile plituden (p dem Ausschlagwinkel proportio- dargestellt, s. Abb. 4.7, an denen man die nal, also M= -D*(p (Abschn. 3.2.3). Fur AmpHtuden JCQI und XQI sowie die Phasendifdie Schwingungsdauer des Drehpendels gilt ferenz (p^i ablesen kann. Die Vektoraddition in Analogic zum linearen Pendel (vgl. ergibt die resultierende Schwingung nach Translation - Rotation, Abschn. 2.6.2) Amplitude ATQ und Phase ^o- E)ic zunachst besprochenen Sonderfalle XQX = A:O2 und ^12 = 0 bzw. n sind nattirlich auch so zu behandeln.

T=2n

(4.7)

Physikalisches Pendel. Diese Beziehung fur das Drehpendel bleibt auch giiltig, wenn das riicktreibende Drehmoment nicht von einer Spiralfeder, sondern durch die Schwerkraft verursacht wird (Schwerependei). Wir haben dann in Verallgemeinerung des mathematischen Pendels das physikalische Pendel, vgl. Abb. 4.5. Das Drehmoment in bezug auf die Achse durch den Aufhangepunkt 0 ist M = mgh sing), wobei h der Abstand des Schwerpunktes S von 0 ist. Fur kleine Winkel wird M=mgh(p oder D* = mgh, so daB fur die Schwingungsdauer T= 27t\/I/mgh gilt. Fur das mathematische Pendel gelten I=ml^ und /z = /, woraus unmittelbar r = 2711/77^ foigt.

4.1.2 Uberlagerung von Schwingungen. Fiihrt ein K5rper gleichzeitig mehrere

Ze/7

b

2. Anharmonische Schwingungen, Die Ober- Abb. 4.6a, b. Uberlagerung von zwei gleicher Richtung, lagerung von Schwingungen gleicher Rich- Schwingungen Frequenz und Amplitude, (a) Phasentung aber verschiedener Frequenz ergibt meist differenz 0; (b) Phasendifferenz n recht verwickelte Schwingungsbilder, die nur dann wenigstens noch periodisch sind, wenn die Frequenzen sich wie ganze Zahlen verhalten, s. Abb. 4.8 (Frequenzverhaltnis 1:2). Die Uberlagerungsschwingung ist aber nicht mehr harmonisch, sondern anharmonisch, Durch Hinzunahme weiterer Sinusschwingungen kann man beliebige Schwingungsformen erzeugen. Umgekehrt laBt sich jeder noch so verwickelte periodische Schwingungsvorgang Abb. 4.7. Oberlagerung zweier als Uberlagerung einer Reihe von Sinus- Schwingungen in der zugehdrigen schwingungen darstellen (sog. harmonische Kreisbewegung (Zeigerdiagramm)

4. Schwingungs- und Wellenlehre, Akustik

66

Abb. 4.8. iJberlagerung zweier Schwingungen mit sehr verschiedenen Frequenzen und Amplituden

rj 2rj 3vj 4vj 5vj Abb. 4.9. Anharmonische Schwingung, Amplitude x von Grund- und Oberschwingungen (Frequenzspektrum)

Analyse oder Fourier-Reihe), Als Grundfrequenz Vi bezeichnet man den Kehrwert der Periodendauer, er gehort zur Grundschwingung. Die Frequenzen aller ubrigen Teilschwingungen oder Oberschwingungen sind ganzzahlige Vielfache der Grundfreguenz. Man spricht vom Freguenz-Spektrum, wenn die Amplituden der harmonischen Teilschwingungen in Abhangigkeit von der Frequenz dargestellt sind, s. Abb. 4.9. Einige der Oberschwingungen, ja auch die Grundschwingung, konnen die Amplitude Null haben. In dem besonderen Falle, daB zwei gleichgerichtete Schwingungen gleicher Amplitude nur wenig verschiedene Frequenzen besitzen, kommt es zu einer langsam wachsenden Phasendifferenz. Man erhalt daher als Resultierende eine Schwingungskurve mit regelmaUig schwankender Amplitude, eine sog. Schwebungskurve, s. Abb. 4.10. Die Frequenz der Amplitudenschwankung oder die Schwebungsfreguenz ist gleich der Differenz der Frequenzen der Teilschwingungen. Ist die Differenz 2 Hz, so heben sich zweimal in der

Sekunde die Amplituden der Einzelschwingungen gegenseitig auf. Man denke an das periodische An- und Abschwellen des Tones zweier gegeneinander schwach verstimmter Stimmgabeln. Die gedQmpfte Schwingung ist strenggenommen weder harmonisch noch periodisch. Zu ihr gehOrt daher auch nicht eine einzige Frequenz, sondern ein kontinuierliches Frequenzband, Seine Breite steigt mit dem Abklingungskoeffizienten S an. Nach ganz allgemeinen physikalischen Prinzipien ist das Frequenzspektrum der freien Schwingung eines KOrpers von der gleichen Gestalt wie seine Resonanzkurve bei erzwungener Schwingung, vgl. Abschn. 4.1.3, Abb. 4.13.

i. Zusammensetzung zweier aufeinander senkrechter Schwingungen, Wir konnen z. B. ein mathematisches oder Fadenpendel in zwei zueinander senkrechten Richtungen nacheinander oder auch gleichzeitig schwingen lassen. Es fuhrt dann zwei Schwingungen mit derselben Frequenz aus. Ftir die Form der resultierenden Bewegung oder Schwingung ist ihre Phasendifferenz cp maBgebend. Abbildung 4.11 zeigt drei charakte-

-32Hz

0.5

OSek

Abb. 4.10. Schwebungen

Abb. 4.11a-c. Oberlagerung zweier senkrecht aufeinander stehender Schwingungen I und II von gleicher Frequenz und Amplitude bei verschiedener Phasendifferenz. (a) ^ = 0; (b) (p = n/2; (c) (p = nM

4.1 Mechanische Schwingungen

ristische Schwingungsformen fur den Fall, dal3 die beiden erzeugenden linearen Schwingungen gleiche Amplituden haben: a) fiir ^ = 0 eine lineare Schwingung ^ b) fur (p = n/1 eine zirkulare oder Kreisschwingung, c) fur beliebige Phasendifferenzen eine Ellipse mit schief liegender Achse, d.h. eine elliptische Schwingung.

67

tungen als sinusformig anhehmen, und er ftihrt nach einer gewissen Anlauf- oder Einschwingzeit harmonische Schwingungen konstanter Amplitude mit der ihm aufgezwungenen Frequenz der.auBeren Kraft aus. Die Amplitude dieser Schwingungen hangt nun wesentlich von der Frequenz der erregenden Kraft ab, auch wenn deren Amplitude konstant gehalten wird. Ist die Anregungsfrequenz sehr viel kleiner als die EigenGehen die beiden Schwingungen / und // der Abb. frequenz des Pendels, so folgt dieses ohne 4.11 a gleichzeitig durch die Gleichgewichtslage 0, so ge- Verzogerung der Wechselkraft mit bei steilangen sie y Periode spater zu den Bahnpunkten 1 und nach insgesamt |- Perioden zu den Umkehrpunkten 2, gender Frequenz zunachst gleichbleibender Die resultierende Bewegung geht durch die Punkte AmpUtude. Je mehr sich die Anregungsfre0', 7 ' , 2 ' , . . . , ist also eine geradlinige Schwingung. quenz aber dann der Eigenfrequenz nahert, 1st die Phasendifferenz 7r/2, s. Abb. 4.11b, so geht um so groUer wird die AmpHtude des Penz.B. die Schwingung / durch ihren rechten Umkehr- dels. Bei kleiner Dampfung geniigen schon punkt 0, wahrend //gerade erst durch die ebenfalls mit 0 bezeichnete Gleichgewichtslage geht. y Periode spater verhaltnismaBig geringe Krafte, um grofle sind / und / / in 1 und y Periode danach in den Punkten Amplituden zu erreichen. Daher kann ein 2, der fur //der obere Umkehrpunkt, fiir /die Gleichge- Kind eine schwere Schaukel zu groBen wichtslage ist. Die Zusammensetzung ergibt eine zirku- Schwingungen bringen, wenn es nur die lare Oder Kreisschwingung. Rechnerisch erhalt man aus Schaukel im richtigen Takt anstoBt. Xj = XQ cos cot und Xf^ = AfQsin cot: xj + xjj = xl. Die Erscheinung, daB bei Gleichheit von Umgekehrt kann man jede dieser Schwingungen ruckwarts in zwei aufeinander senkrechte Hneare Schwingun- Anregungs- und Eigenfrequenz die Amplitugen zerlegen, deren Richtungen im Ubrigen beliebig ge- de sehr stark ansteigt, heiBt Resonanz. Sie wahlt werden kdnnen. Die Ellipse von Abb. 4.11c laBt spielt in der Physik und Technik eine groBe sich z.B. auch in zwei Schwingungen entlang den Hauptachsen, aber mit verschiedenen Amplituden und RoUe. Sehr haufig ist sie unerwtinscht. Beim Betrieb von Maschinen und Motoren mufl mit der Phasendifferenz n/2 zerlegen. man kritische Drehzahlen, die in das Gebiet Bei der Uberlagerung von Schwingungen der Eigenfrequenzen der Maschine oder des verschiedener Frequenzen senkrecht zuein- Gebaudes fallen, vermeiden. Resonanzander entstehen komplizierte Bewegungen. erscheinungen bei Briicken oder den Federn Nur wenn die Frequenzen in einem rationa- von Fahrzeugen bedeuten stets eine erhohte len Zahlenverhaltnis zueinander stehen, er- Bruchgefahr. halt man geschlossene Schwingungsformen, sog. Lissajous-¥'\g\xxQii. Um die Gesetze der erzwungenen Schwingung quantitativ zu verfolgen, nehmen wir 4.1.3 Erzwungene Schwingungen, Resonanz. die sog. Resonanzkurve auf. Wir benutzen Bei einer freien Schwingung wird der K6r- dazu z.B. ein Drehpendel mit Drillachse, s. per, z, B. ein Pendel, angestofien und dann Abb. 4.12. Auf diese wirkt laufend perisich selbst iiberlassen. Es schwingt bei gerin- odisch ein auBeres Drehmoment, das von ger Dampfung praktisch mit seiner Eigenfre- einem Motor erzeugt wird, indem er das Enquenz. Dem steht gegeniiber die erzwungene de P der Spiralfeder, das nicht am DrehpenSchwingung, bei der laufend eine auBere del befestigt ist, uber einen Exzenter hin und Kraft auf den Korper einwirkt, und zwar her bewegt. Der Hub bleibt konstant, die periodisch. Er folgt dieser Kraft, deren zeit- Periodendauer wird variiert. lichen Verlauf wir fiir die weiteren BetrachDamit bestimmen wir nun die Schwingungsamplitude in Abhangigkeit von der er^ (p = 0 bedeutet, dafi beide Schwingungen gleichzeitig regenden Frequenz v, s. Abb. 4.13. Die so aus der Ruhelage zu positiven Werten der Koordinaten gehen. Fiir (p= n entsteht eine um 90° gedrehte erhaltene Resonanzkurve ist bei nur schwach Abb. 4.12. Erzwungene Schwingungen gedampften Drehpendeln oder Resonatoren eines Drehpendels lineare Schwingung.

68

Abb. 4.13. Resonanzkurven in Abhangigkeit von der Frequenz bei verschiedener Dampfung

Abb. 4.14. Phasenverschiebung des Drehmoments in Abhangigkeit von der Frequenz bei verschiedener Dampfung, vgl. Abb. 4.13

besonders charakteristisch: Sie hat die Gestalt einer nahezu symmetrischen Glockenkurve und nimmt ihr Maximum praktisch bei der Eigenfrequenz VQ, also bei der Resonanz V = voan. Fur Kurve a in Abb. 4.13 trifft das zu; sie gehdrt zu einem Drehpendel, bei dem die Amplituden der freien Schwingung im Verhaltnis 1:0,73 durch Dampfung abnehmen. Das entsprechende Verhaltnis ist fiir Kurve b 1:0,53 und fur c 1:0,14. Je hdher also die Dampfung des Resonators ist, desto niedriger ist das Maximum der Resonanzkurve. Ihre sog. Halbwertsbreite nimmt entsprechend zu. AulJerdem verschiebt sich mit zunehmender Dampfung das Maximum gegentiber der Eigenfrequenz des Resonators nach niedrigeren Frequenzen. Das ist aber kaum von praktischer Bedeutung, da dann die Resonanzkurve ohnehin sehr flach ist. Ubersteigt die Dampfung einen Grenzwert, so gibt es sogar iiberhaupt kein Maximum mehr. Zwischen dem erregenden Drehmoment und der erzwungenen Schwingung besteht femer eine Phasenverschiebung, s. Abb. 4.14. Bei niedrigen Anregungsfrequenzen sind beide praktisch gleichphasig, d.h. die Auslenkung der Schwingung geht gleichzeitig mit dem Drehmoment durch das Maximum. Bei Annaherung an den Resonanzfall bleibt die Schwingung mehr und mehr zuriick, im Resonanzfall gerade um 90°, und zwar unabhangig von der Dampfung. Wird v/vo immer groBer, so verlaufen die Schwingungen von Federpendel und erregender Kraft immer mehr gegenlaufig, im Grenzfall schlieBlich um genau 180° phasenverschoben. Die Energiebilanz bei erzwungenen Schwingungen ist folgendermaBen: Beim Anschwingen wird die vom Motor geleistete Arbeit aufsununiert, so da6 die Schwingamplitude wachst. Dabei steigen auch die Geschwindigkeit der Bewegung und der Reibungsverlust, bis schlieBlich zugefuhrte und abgegebene Leistung gleich sind. Der Resonator schwingt dann bei jeder Frequenz mit konstanter, aber nicht gleicher, d.h. von V unabhangiger Amplitude; er behalt konstante Schwingenergie. Aufgaben

4. Schwingungs- und Wellenlehre, Akustik mj /m2 miissen ihre Massen stehen, damit die Eigenfrequenz V2 des zweiten Pendels doppelt so groB ist wie Vj des ersten Pendels? 4.1.2 In welchem Verhaltnis stehen die Geschwindigkeiten, mit denen die beiden Federpendel von Aufgabe 4.1.1 bei gleicher Amplitude durch die Ruhelage schwingen? 4.1.3 Die homogene Kugel von Aufgabe 2.6.2 (r = 20 cm, m = 200 kg) ist in einem Punkte ihrer Oberflache aufgehangt. Wie groB ist ihre Eigenfrequenz als physikalisches Pendel mit kleiner Amplitude? (^ = 9,81m/s2). 4.1.4 Die Schwingungen mit den Amplituden XQI = 2 mm und XQI = 4 mm haben gleiche Schwingrichtung und Frequenz. Die Phasendifferenz ist (p^2 = 60°, vgl. Abb. 4.7. Wie groB ist die Amplitude XQ bei Oberlagerung? 4.1.5 Im Frequenzspektrum einer anharmonischen Schwingung werden beobachtet: 350,700, 875,1050 Hz. Man gebe Grundfrequenz Vj und Periodendauer T^ an. 4.1.6 Zwei senkrecht aufeinander stehende Schwingungen haben die Amplituden 2 cm (I) und 3 cm (II), vgl. Abb. 4.11. Man gebe quantitativ Lage und Form der Schwingfiguren an bei a) ^ = 0 und b) ^ = n/2.

4.2 Mechanische Wellen

4.2.1 Fortschreitende Wellen. Um das Entstehen einer Welle auf einem gespannten Seil verstandlich zu machen, ersetzen wir es zunachst modellmaJJig durch eine Kugelkette. Die einzelnen Kugeln sind miteinander durch Federn verbunden und bilden so eine horizontale Reihe. Geben wir der ersten Kugel einen StoB nach oben, so kehrt sie nach der Auslenkung wieder in die Gleichgewichtslage zuriick, aber diese Storung lauft als eine Art Beule mit einer endlichen Geschwindigkeit auf der Kette weiter. Dazu sind zwei hier erfullte Voraussetzungen notwendig: Einmal besteht durch die elastischen Federkrafte eine Kopplung zwischen benachbarten Kugeln, so dafl die Stdrung sich iiberhaupt durch Kraftwirkung auf den Nachbar iibertragen kann. Weiter besitzen die Kugeln trage Masse, weshalb Zeit verstreicht, bis der Nachbar beschleunigt worden ist, d.h. die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Stdrung 4.1.1 Die Fedem von zwei Federpendeln haben beide die gleiche Kraftkonstante D. In welchem Verhaltnis kann nicht unendlich groB sein.

69

4,2 Mechanische Wellen

Im nachsten Schritt lassen wir durch eine auBere periodische Kraft die erste Kugel, wieder senkrecht zur Kette, harmonisch schwingen, Jetzt wandert jeder Zustand, d. h. jeder Auslenkungswert, als Storung mit dieser Ausbreitungsgeschwindigkeit von Kugel zu Kugel die Kette entlang. In Abb. 4.15

Ortskoordinate z auftragen, s. Abb. 4.16. Die gestrichelte Kurve zeigt das Bild der fortschreitenden Welle eine kurze Zeitspanne spater. Den Abstand von zwei benachbarten Wellenbergen auf dem Seil bezeichnen wir als Wellenlange A. Zwei Seilpunkte, die diese Entfernung haben, schwingen gleichphasig, Oder exakter ausgedruckt haben sie eine Phasendifferenz von In. In der Zeit, wahrend welcher der Wellenberg / bis zur Stelle / / wandert, also den Weg A zurucklegt, fiihrt das Seil an der Stelle /, bzw. an jeder Stelle, gerade eine ganze Schwingung aus, es verstreicht die Zeit der Schwingungsdauer T. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c der Welle ist also das Verhaltnis von Weg und Zeit: c = — = Av. T

Ausbreitungsrichtung



(4.8)

Abb. 4.15. Entstehung einer Transversalwelle, schematisch. Die in den Reihen I, I I . . . XV durch die momentanen Elongationen der Punkte 1, 2, 3 , . . . gezogenen Kurven beziehen sich auf Zeiten, die jeweils um eine 1/12 Periode aufeinander folgen

Diese Gleichung ist eine fiir Wellen aller Art grundlegende Beziehung. Man spricht auch von der Phasengeschwindigkeit c, weil ein Zustand der Schwingung, durch die Phase gegeben, wie wir in Abschn. 4.1.1 schon sagten, sich mit dieser Geschwindigkeit bewegt.

sind Momentanbilder der Kette - uber die ersten 1 ^ Schwingungsdauern verteilt - dargestellt. Wir sprechen von einer sich nach rechts ausbreitenden Welle mit Wellenbergen und -tdlern. Die einzelne Kugel fiihrt darin eine harmonische Schwingung in senkrechter Richtung durch, jede mit der gleichen Amplitude. Nur beginnt jede folgende mit der Schwingung spater, die Schwingungen sind gegeneinander phasenverschoben. Langs der Kette wird keine Materie transportiert, wohl aber Schwingungsenergie.

Die Phasendifferenz cp der Schwingungen an zwei Punkten, die um A voneinander entfernt sind, betragt lUy weil der zweite um eine ganze Schwingung nachhinkt. Bei einem Abstand von A/2 gilt (p^n, die Schwingungen sind gegenphasig. AUgemein gilt zwischen dem Abstand Az und der Phasendifferenz (p die Proportion Pi^i> so nimmt die tisch reine ^He-Phase. Hieraus diffundieren, analog wie Temperatur zusatzlich ab. Ist hingegen beim Verdampfen, ^He-Atome in die darunterliegende P2^ ^as nach der van der Waals- "^He-reiche Phase. Die Losungswarme ist negativ, vgl. Abschn. 5.4.2, so daB die Riissigkeit im Kryostaten sich schen Gleichung durchaus moglich ist, so abkuhlt. kann es sogar im ganzen zu einer TemperaIndem man den Mischkryostaten als Vorkiihlstufe beturerhohung kommen (Einflufl des Eigenvo- nutzt und anschlieBend das Verfahren der adiabatischen lumens, Konstante b). So gibt es fiir jedes Kementmagnetisierung anwendet, ist es gelungen, Festbis ca. 2 ^K abzukiihlen. Beim Entmagnetisieren, Gas eine Inversionstemperatur, Unterhalb korper d.h. beim Absenken des Magnetfeldes, drehen sich maderselben tritt Abkiihlung ein, oberhalb Er- gnetische Dipole sukzessive aus der Feldrichmng herwarmung. aus, vgl. Abschn. 6.6.9; die dafiir erforderliche Arbeit Bei Luft, Wasserstoff und Helium liegt die muB die thermische (innere) Energie liefem. Mit diesen sog. kryogenen Methoden durch „Kaltekritische Temperatur weit unter Zimmertem- maschinen" gelingt es nicht, sehr verdiinnte Gase auf peratur, so daB man diese Gase zur Verflus- extrem tiefe Temperaturen zu bringen. Bei ihnen fiihrt in sigung entsprechend abkuhlen muB. Das von den Bereich unter 1 |iK die Kuhlung mit Laserstrahlen, Linde begriindete Verfahren beruht auf dem vgl. Abschn. 7.6.4. Man benutzt dabei den bremsenden Joule-Thomson-Effekt bei gedrosselter Ent- Impulsiibertrag eines Photons, vgl. Abschn. 7.6.1 und 3, bei der Absorption in einem entgegenkommenden Atom spannung. Dazu kommt noch das Gegen- auf dieses. Diese Verfahren ermoglichten die Erzeugung stromprinzip. In der Lindemaschine zur Ver- von kalten atomaren Quantengasen in Arbeiten, die mit flussigung, s. Abb. 5.18, wird die Luft zuerst dem Nobelpreis 2001 ausgezeichnet wurden, vgl. Abauf etwa 200 bar komprimiert und ihr dann schn. 7.6.5. die Kompressionswarme im Kuhler L entzogen. Dann wird sie durch das Ventil V entspannt, wobei sie sich abkuhlt. Diese kalte Aufgaben Luft stromt nun durch den Gegenstromap- 5.4.1 Ein Regler halt die Temperatur eines Kiihlbades parat in den Kompressor K zuriick. Dabei auf 10 °C, wobei Eis die vom warmeren AuBenraum ein- ^ kiihlt sie die neu zum Ventil V hinstromende strOmende Warme aufnimmt. Welche Warmemenge Luft vor, so daB diese nach dem Entspannen kdnnen dabei 5 kg Eis von 0°C im ganzen aufnehmen? eine tiefere Temperatur als die erstmalig ent- 5.4.2 In 50 cm^ Wasser werden 9 g eines Stoffes geldst. •e-^ spannte Luft besitzt. So wird die zur Ent- Der Gefrierpunkt wird als - 2 , 0 5 ° C bestinunt. Welche spannung gelangende Luft standig weiter ab- molare Masse hat der Stoff? gekuhlt, bis sie schlieBHch beim Ausstromen flUssig wird und in das VorratsgefaB G ab- 5.4.3 Bei Nachtfrostgefahr werden Weinberge in der Abb. 5.18. Schema Bliitezeit mit Wasser bespriiht. Wie werden auf diese tropft. gung nach Linde Weise die Weinbluten geschutzt?

J\

der Luftverflussi-

112 5.4.4 Bei der sehr exakten Messung des Dampfdruckes, s. Abb. 5.14, muB man den hydrostatischen Druck der Flussigkeitssaule F auf der linken Seite berucksichtigen. Welcher Fehler entsteht in folgendem Beispiel, HOhe der Flussigkeitssaule 4 mm, Dichte 0,8 g/cm^, wenn man das unterlaBt? 5.4.5 Man zeichne die Dampfdruckkurve {p^,T) von Wasser nach Tab. 5.5. Wie ist sie geknimmt? Abb. 5.19. Zur Bestimmung der Warmeleitfahigkeit

5.4.6 Man trage \np^ gegen \/T fur Wasser nach Tab. 5.5 auf. Wie groB ist die Steigung der Geraden und welche physikalische Bedeutung hat sie? Man berechne daraus Werte fur die molare und die spezifische Verdampfungs warme. 5.4.7 Bei 40 °C Lufttemperatur liegt der Taupunkt bei 20 °C (WustenkHma). Wie groB ist die relative Feuchtigkeit? (s. Tab. 5.5). 5.4.8 Aus den kritischen Daten, s. Tab. 5.7, berechne man ftir Helium das Kovolumen nach van der Waais. Der wievielte Teil des Molvolumens unter Normalbedingungen ist das? Welches gaskinetische Eigenvolumen berechnet sich daraus ftir das Heliumatom? 5.4.9 AnschlieBend an Aufgabe 5.4.8 berechne man die van der Waalssche Konstante a fur Helium. Wie groB ist der Kohasionsdruck unter Normalbedingungen?

5.5 Warmeiibertragung Die Natur ist immer bestrebt, Temperaturunterschiede auszugleichen. Wir haben also stets einen Transport von Warme oder einen Wdrmestrom von Stellen hOherer Temperatur zu solchen niedrigerer Temperatur, ftir dessen Grojie wir uns jetzt interessieren. Diese Warmetibertragung kann auf drei Arten vor sich gehen, durch Leitung, Konvektion und Strahlung, 5.5.1 Warmeleitung. Halten wir einen Metallstab in siedendes Wasser, so ftihlen wir, wie das andere Ende auch heiJJ wird. Es ist also Warme durch den Stab nach dem kalten Ende tibertragen worden. Diesen Ubergang konnen wir uns bei Nichtmetallen etwa so vorstellen, daB die an dem heilJen Ende mit grofierer Energie schwingenden Molektile ihre Nachbarn unmittelbar beeinflussen und ihnen weitere Schwingungsenergie tibertragen. Man kann auch an regellos laufende.

5. Warmelehre

elastische Wellen denken, die den Leistungstransport besorgen. Diesen Vorgang, bei dem mit dem Wdrmestrom nur Energie, also nicht Materie, transportiert wird, bezeichen wir als {innere) Wdrmeleitung, Wiederholen wir obigen Versuch mit Staben aus verschiedenem Material, so wird z. B. ein Silber- oder Kupferstab am anderen Ende auBerordentlich schnell, ein Zinnstab nur allmahlich und ein Holzstab tiberhaupt nicht heifl. Die Fahigkeit, Warme zu leiten, das sog. Wdrmeleitvermogen, ist also von Stoff zu Stoff verschieden. Metalle, wie Silber und Kupfer, sind sehr gute, Holz ist ein sehr schlechter Warmeleiter. Um die Warmeleitfahigkeit quantitativ zu untersuchen, bringen wir einen Stab des betreffenden Materials am unteren Ende in kaltes, am oberen Ende in siedendes Wasser. Im tibrigen ist der Stab thermisch moglichst gut isoliert, s. Abb. 5.19. Mit der Zeit stellt sich ein stationarer Zustand ein, bei dem jede Stelle des Stabes eine bestimmte Temperatur angenommen hat. Durch jeden Querschnitt A des Stabes flieBt dann von oben nach unten ein konstanter Warmestrom, den wir durch die Leistung P = AQ/At, das Verhaltnis von transportierter Warmemenge zu der daftir bendtigten Zeit, beschreiben. Es zeigt sich, daB er proportional dem Querschnitt A und dem Temperaturgefdlle, d. h. der Temperaturdifferenz T^-Ti dividiert durch die Lange /, ist, also (5.32) P = ^ = AM^'-^^ I At A ist eine Stoffkonstante, die Warmeleitfahigkeit, auch Warmeleitzahl genannt, s. Tab. 5.8. Die Warmeleitfahigkeit der Metalle ist ihrer elektrischen Leitfahigkeit annahernd proportional (Wiedemann-Franzsches Gesetz). Dort erfolgt sie also vornehmlich durch Leitungselektronen (Abschn. 6.3.5). Tabelle 5.8. Warmeleitfahigkeit einiger Stoffe in W/(cm K) Aluminium Eisen Kupfer Silber Porzellan

2,01 0,71 3,94 4,23 0,01

Holz Glas Wasser Luft Wasserstoff

0,001-0.004 0,006-0,01 0,0059 0,00023 0,00155

113

5.5 Warmeiibertragung

Gase sind besonders schlechte W^rmeleiter. Unter ihnen leitet Wasserstoff wegen der groBen thermischen Geschwindigkeit seiner Molekiile noch verhaltnismaBig gut. Auf der geringen Warmeleitung der Gase beniht das Leidenfrostsche Phanomen. Ein Flussigkeitstropfen, auf eine Unterlage von viel hdherer Temperatur gebracht, verdampft nicht sofort, sondern schwirrt ISngere Zeit uber ihr bin und her. Die sich momentan an seiner Oberflache ausbildende Dampfwolke schutzt nSmlich den Tropfen vor der unmittelbaren Benihning mit der heiflen Unterlage. Fur Tropfen von flussiger Luft auf der flachen Hand gilt entsprechendes.

Die geringe Warmeleitung des Wassers zeigt folgender Versuch. Bringen wir ein beschwertes Stuckchen Eis unten in ein Reagenzglas und erwarmen oben das dariiberstehende Wasser, so k5nnen wir das Wasser zum Sieden bringen, ohne daB das Eis schmilzt. Machen wir den Versuch umgekehrt, indem wir die Eisstiickchen oben schwimmen lassen und das Wasser unten erwarmen, so wird das Wasser oben sofort warm und das Eis schmilzt. Jetzt wird namUch der Temperaturausgleich durch das Aufsteigen des leichteren heiBen Wassers sehr stark gef5rdert. Damit kommen wir zur zweiten Art des Warmetransports, der Konvektion.

5.5.2 Konvektion. Beim Warmetransport durch Konvektion bewegt sich die Materie selbst von Stellen hoherer Temperatur, wo sie Warme aufgenommen hat, zu solchen tieferer Temperatur. Im obigen Beispiel wird die Warme mit dem aufsteigenden heiBen Wasser von unten nach oben befordert. Die Konvektion, die also mit QintrnMassentransport verbunden ist, stellt einen sehr wirksamen Warmetransport dar. Man unterscheidet einerseits/re/e Konvektion, bei der es der Auftrieb ist, der heiBes Gas Oder heiBe Fltissigkeit nach dem Archh medischen Prinzip (Abschn. 3.3.4) nach oben steigen laBt. Erzwungene Konvektion andererseits wird durch auBere Krafte, z. B. von Ventilatoren verursacht. Im schwerelosen Zustand in einem Raumschiff kann keine freie Konvektion auftreten. - Die Passatwinde entstehen primar durch freie

Konvektion von Luftmassen, die in tropischen Regionen stark erhitzt worden sind. Die von einem heiBen Korper durch Konvektion an seine Umgebung abgefuhrte Warmemenge hangt vom WdrmeUbergang an seiner Oberflache, bzw. in der Grenzzone der Luft, ab. Ein heiBes Rohr in str6mender Luft gibt um so mehr Warme ab, je groBer die Oberflache A, je groBer der Unterschied der Temperaturen 7i und Ti des Korpers und der ankommenden Luft ist und je rascher die Luft am Korper vorbeistreicht. AUgemein ist die Warmemenge, die in der Zeit At durch warmeleitung und Konvektion Ubergeht:

AQ=aAiTi-T2)At.

(5.33)

a bezeichnet man als WdrmeiibergangszahL Diese Beziehung gilt stets ftir den Warmeubergang zwischen einem FestkOrper einerseits und einer Flussigkeit oder einem Gase andererseits. Die Warmeiibergangszahl a hangt dabei nicht nur von den geometrischen Abmessungen, den Stoffen und deren Oberflachenbeschaffenheit ab, sondern ist naturlich auch fur freie und erzwungene Konvektion verschieden. Bei letzterer steigt sie mit der aufieren StrOmungsgeschwindigkeit. Laminare und turbulente Str5mung fOhren zu unterschiedlichen Werten, die experimentell zu bestimmen sind.

Der Wdrmeschutz unserer Kleidung oder von Warme-IsoHerstoffen beruht darauf, daB ein Gewebe oder ein Schaumstoff ein System von luftgeftillten Zellen darstellt, die so klein sind, daB die Konvektion praktisch unterdriickt wird. Die Isolation besorgen die Luftzellen, nicht das Material selbst, das viel besser als Luft die Warme leitet. DaB auch die dem K5rper unmittelbar anliegende Luftschicht eine wesentliche RoUe spielt, erkennen wir daraus, daB ein zu fest sitzender Handschuh nicht warmt. Die Warmeisolation unbewegter Luftschichten benutzt man bei Doppelfenstern, Kiihlschranken und auch im Kalorimeter, vgl. Abschn. 5.2.1. 5.5.3 Warmestrahlung. Die Erde empfangt dauernd von der Sonne Warmeenergie. Da der Raum dazwischen praktisch leer von Materie ist, kann die Warme weder durch Leitung noch durch Konvektion ubertragen werden. Es ist die Energie der von der heiBen Sonne ausgestrahlten elektromagnetischen Wellen, d.h. Strahlungsenergie (Abschn. 7.5.3), die beim Auftreffen auf die Erde absorbiert und in Warme umgewandelt wird.

5. Warmelehre

114

Aber nicht nur die Sonne ist eine Quelle von Warmestrahlung, vielmehr strahlen sich alle Korper dauernd gegenseitig Energie zu. Die Strahlungsleistung, die ein Kdrper abgibt, wachst mit der 4, Potenz der absoluten Temperatur, Die Warmemenge, die einem Korper der Temperatur 7^ sekundlich durch Strahlung verlorengeht, ist proportional T\- Ti, wenn die Umgebung die Temperatur Ti hat. Bei Ti > Tx wird er daher erwarmt, bei T2 < Tx kuhlt er sich ab. So empfinden wir Kalte, wenn wir mit dem Rucken vor einer kalten Wand sitzen, weil uns diese zu wenig Warme zustrahlt. Die Warmeabgabe durch Strahlung wird leicht unterschatzt. So verliert ein Erwachsener bei normaler Umgebungstemperatur je nach der Farbe und Oberflachenbeschaffenheit der Kleidung (Abschn. 7.5.3) 5000 bis 7500 kJ am Tage, das sind 25 bis 50% der Energie aus den taglich zugefuhrten Lebensmitteln. Als wirksamsten Schutz gegen jede Art der Warmeiibertragung benutzt man doppelwandige GefaBe, deren Zwischenraum evakuiert ist, sog. Vakuummantelgefdjie, Bei-

spiele aus dem taglichen Leben sind Thermosflaschen, deren Mantel innen mit einem Silber- oder Kupferspiegel versehen ist. Durch den Vakuummantel sind Konvektion und Leitung ausgeschaltet, und die Strahlung wird durch die spiegelnden Flachen zurtickgeworfen. In solchen Gefalien laBt sich fliissige Luft tagelang aufbewahren.

Aufgaben 5.5.1 Ein KOrper kann ausschliefilich uber einen Kupferstab von 5 cm Lange und 1 cm^ Querschnitt mit einem Temperaturbad von 20 °C Warme austauschen, vgl. Abb. 5.19. Welche Temperatur nimmt er an, wenn ihm auf anderem Wege laufend eine Leistung von 40 W als warme zugefuhrt wird? (s. Tab. 5.8). 5.5.2 Ein Draht wird in einer Umgebung von 20 °C auf einer Temperatur von 40 °C gehalten (Versuch I). Von der ihm zugefuhrten Leistung 20 W gibt er 95 Ci), indem wir einen Filterpapierstreifen zwischen die beiden GefaBe hangen, so daB beide LCsungen in ihm hochsteigen, s. Abb. 6.46. Nachdem sich auf diese Weise beide Losungen beruhrt haben, flieBt der Diffusionstrom der lonen von hoherer zu

Un = u^-u.

zF

Cx

(6.31)

wenn Kation und Anion, wie bei CUSO4, dieselbe Wertigkeit z haben. Den BeweglichkeiplLCdSO, ten u + und u _ der beiden lonensorten (Abschn. 6.3.4) sind bei gleicher Feldstarke die Wanderungsgeschwindigkeiten proportio- casor^ HggSO*nal. Man verifiziert die Polung der Span- Kristalle nung im eingangs anschaulich diskutierten Mg+Cd T _ Beispiel (Ci > C2, w + > t/ _), bei dem (7D negaAbb.6.45. Cadmium-Normalelement tiv, d. h. Ldsung I der Minuspol ist. Wir kOnnen auch verschiedene Salze in die GefaBe von Abb. 6.46 fullen und dann sogar die Molkonzentrationen gleich wahlen. Dann wird z.B. bei HCl gegen NaCl ebenfalls eine Diffusionsspannung auftreten mit dem Pluspol in der NaCl-Ldsung, weil H"^-lonen viel beweglicher sind als Na"*^-lonen. Die oben angegebene Beziehung ist dann aber nicht anwendbar, weil sie gleiche Substanzen auf beiden Seiten voraussetzt.

Sind beide lonenbeweglichkeiten gleich, also M+=M_, so entsteht keine Diffusionsspannung. Das ist annahemd bei K- und Cllonen in waBriger Losung der Fall. Die

Jr

H

pfN

H J- c", - H - - ^^--|JE I Abb. 6.46. Diffusionsspannung zwischen zwei Ldsungen mit Kalomel-Elektroden

t/n

6. Elektrizitatslehre

146

Diffusionsspannung in der Anordnung von Abb. 6v46 wird also praktisch Null fiir zwei KCl-Lokungen beliebiger Konzentration. Niin.fragen wir, welche Spannung mit der Kompensationsmethode von Abb. 6.13 - also stromlos - zwischen den beiden dikken, auBeren Elektroden von Abb. 6.46 wirklich gemessen wird. Untersuchen wir speziell CuS04-Losungen mit Cu-Elektroden. An letzteren entstehen dann im Kontakt mit unterschiedlich konzentrierten Losungen Nemst-Spannungen, deren Differenz nach (6.30) betragt: AUE\ =

-{RT/2F)lnc2/ci.

(6.32 a)

Die gemessene Gesamtspannung betragt also f/o+Af/Ei. Zwei Grenzfalle sind moglich: 1. Bei UD = 0 wird AUE\ allein gemessen. Dazu tranken wir den Streifen Filtrierpapier zwischen den beiden GefaBen mit konzentrierter KCl-Losung, ein sog. KClHeber. Unmittelbar durch K"^- und CP-Ionen kann wegen gleicher Beweglichkeit keine Diffusionsspannung entstehen. Eine solche durch Diffusion der angeschlossenen Losungen wird praktisch kurzgeschlossen. 2. Bei A{/EI=0 wird f/o allein gemessen. Das gelingt mit vollig unpolarisierbaren Elektroden, sog. Kalomel-Elektroden. Diese haben die gleiche Nemst-Spannung gegen jede Losung, unabhangig von deren Konzentration, so daB sich hier beide Spannungen (A[/EI) aufheben. Die Kalomelelektrode hat 2 Kontakte herzustellen, einen zur Untersuchungslosung und einen zum Metalldraht der Kompensationsschaltung. Den ersten besorgt ein KCl-Heber, den anderen eine gesattigte Losung des sehr schlecht losUchen Kalomel Hg2Cl2 in Hg. Trennt eine durchlassige Membran zwei Losungen, so entsteht an ihr eine sog. Membranspannung. Dire GroBe hangt nicht nur von der Konzentration der lonen auf beiden Seiten ab, sondem noch von der Permeabilitdt P der Membran fur die einzelnen lonensorten.

An biologischen Membranen, wie sie z.B. die Nervenfasem umgeben, kann die Permeabilitat P durch einen elektrischen Reiz verandert werden. Fur die Membranspannung bestimmende sind im wesentlichen K-Ionen die im Innern (i) der Faser hdhere Konzentration haben, und Na-Ionen mit hGherer Konzentration auflen (a). Lafit man fiir eine erste Naherung die Anionen aufier acht, so gilt hier fiir die Membranspannung die Goldman-Gleichung:

n

3Ly^Plh^±P2^

(6.32b)

P\Cii+P2C2i

Dabei gehOrt Index 1 zu K und 2 zu Na, und es gilt stets, wie oben gesagt, c^i>Ci^ und C2i < C2a • In Ruhe betragt P, etwa das Hundertfache von P2» so daB eine negative Membranspannung C/ja » - 80 mV sich ausbildet. Ein Reiz erniedrigt primar diesen Betrag von t/ja. Dadurch steigt aber ^2* so daB in wechselseitiger Verstarkung von JC/j^ und P2 die Membranspannung sich kurzzeitig auf Werte von etwa + 30 mV umpolt.

6.4.5 Kontaktspannungen. Die Trennung von elektrischen Ladungen und die dadurch hervorgerufene Ausbildung einer elektrischen Doppelschicht ist nun keineswegs auf die Grenzflachen von Metallen mit Wasser beschrankt. Vielmehr spielen sich solche Vorgange ganz allgemein bei der Beriihrung zweier beliebiger Festkorper von unterschiedlichem chemischen Aufbau oder eines Festkorpers mit einer Flussigkeit ab. Tauchen wir z.B. eine Paraffinkugel in staubfreies Wasser und Ziehen sie anschlieBend wieder heraus, so erweist sich die Paraffinkugel als negativ, das Wasser als positiv geladen. Allgemein ladt sich der Korper mit der grofleren Dielektrizitatszahl positiv auf. Die Ursache dieser Aufladung ist nach Lenard in den zwischen den Atomen wirkenden elektrischen Kraften zu suchen, welche Elektronen des einen Kdrpers zum anderen hiniiberziehen. Da diese interatomaren Krafte nur eine sehr kurze Reichweite haben, sich namlich nur auf Bereiche von den Abmessungen der Molekule, d.h. auf einige 10"^ cm erstrecken, machen sie sich besonders bemerkbar, wenn moglichst viele Atome oder Molekule des einen Korpers an solche des anderen unmittelbar angrenzen. Eine wirksame innige molekulare Beriihrung kann man durch Reibung erzwingen.

6.4 Herstellung elektrischer Spannungen durch Ladungstrennung

Die zwischen den beiden Schichten auftretende Spannung, die sog. Kontaktspannung Oder Beriihrungsspannung, ist von der GroBenordnung 1 mV bis 1 V. Die elektrischen Feldlinien zwischen den Ladungen sind aber zunachst nur so lang wie die Molekiilabstande. Trennen wir die Korper, so werden die Feldlinien auseinandergezogen, s. Abschn. 6.2.5. Die Spannung steigt mit dem Abstand auf Tausende von Volt. Dabei kann sogar Entladung durch Funkchen einsetzen. Bekannt sind die beim Fahren eines Autos zwischen seinen Gummireifen und der Fahrbahn auftretenden Spannungen; entsprechende Spannungen konnen sich auch zwischen dem menschlichen Korper und der Erde beim Laufen mit Kreppsohlen, besonders auf Kunstfaserboden, ausbilden. Die Hohe der Spannung, die sich bei der Fortdauer derartiger reibender Bewegungen schlieBlich einstellt, nimmt mit zunehmender Leitfahigkeit der beteiligten Stoffe ab. Dadurch ist den Herstellerfirmen der Materialien die Moglichkeit gegeben, diese storenden, leider im einzelnen sehr unubersichtUchen Erscheinungen heute in ihrem AusmaB weitgehend herabzusetzen. Auch bei der Beriihrung zweier Metalle tritt eine Beruhrungsspannung auf. Beim Auseinanderziehen der Metalle kann man jedoch praktisch keine hoheren Spannungen erreichen. Das liegt daran, dal3 unmittelbar vor dem Abheben die vergroUerten Spannungen wegen der metallischen Leitung iiber die letzten Beriihrungsstellen noch ausgeglichen werden, so daB schUeBlich nur die geringe urspriingUche Kontaktspannung iibrigbleibt. Trennt man eine Fliissigkeit von einem Gas, so findet man keine Aufladung. Zerreifit man jedoch die Wasseroberflache, indem man etwa das Wasser durch einen heftigen Luftstrom zerstaubt, so erweisen sich die/emsten Wasserstaubchen als negativ und das zuruckbleibende Wasser als positiv geladen. Dasselbe beobachtet man bei Wasserfallen. Die Erscheinung zeigt, daB in der Wasseroberflache selbst eine elektrische Doppelschicht sitzt, und zwar bei Wasser mit der negativen Seite nach auBen. Da die Wasserstaubchen aus der Oberflache gerissen werden, erhalten sie eine negative UberschuBladung. Starke aufsteigende Luftstrdme vermGgen auch groBe Regentropfen zu zerblasen, wobei der aus der Oberflache stammende sehr feine, negativ geladene Wasserstaub nach oben mitgenommen wird, wShrend die

147

schweren positiven Tropfen nach unten sinken. So kOnnen zwischen verschiedenen Wolkenschichten Spannungen von Millionen Volt entstehen. Solche Vorgange spielen bei der Entstehung eines Gewitters eine wesentliche RoUe.

6.4.6 Elektrokinetische Vorgange. Elektrische Doppelschichten bilden auch die Ursache fur viele elektrokinetische Erscheinungen, Sie treten vor allem bei KoUoidteilchen auf und sind eine wesentliche Vorbedingung fiir die Stabilitat einer koUoidalen Losung. Fiillt man eine Suspension von feinem Tonpulver in destilliertem Wasser in ein URohr und legt ein Feld an, vgl. Abb. 6.47, so sieht man, wie die Tonteilchen zur Anode wandern, also negativ geladen sind. Diesen Vorgang nennt man Elektrophorese, Bei kolloidalen Teilchen kann man auf diese Weise das Vorzeichen ihrer Ladung bestimmen, und man spricht sinngemaB von Kathaphorese und Anaphorese, KoUoide mit verschiedener Wanderungsgeschwindigkeit lassen sich durch Elektrophorese trennen. Ein Sonderfall der Elektrokinetik liegt vor, wenn der feste Korper festgehalten wird und nur die Fliissigkeit wandern kann. Bringt man z. B. in den Unken U-Rohrschenkel von Abb. 6.47 ein sehr feines, poroses Material, das den ganzen Rohrquerschnitt ausftillt, so wandern die geladenen Schichten des Wassers zur Kathode, so daB Unks die Wasseroberflache ansteigt. Wegen der aufieren Ahnlichkeit mit den Wirkungen des osmotischen Drucks in der Pfefferschen Zelle, vgl. Abb. 5.12, bezeichnet man diesen Vorgang als Elektroosmose, Dieses Verfahren wird technisch zum Trocknen, z. B. von Torf Oder Kaolin, benutzt. In der Natur, vor allem bei Vorgangen im lebenden Organismus, spielen solche auf einer Aufladung beruhenden elektrokinetischen Erscheinungen eine groBe Rolle. 6.4.7 Thermospannungen. SchHeBen wir Drahte aus zwei verschiedenen Metallen zusammen (s. Abb. 6.48), so treten an den Beruhrungsflachen B^ und Bi durch den ungleichen Austausch von Elektronen Beriihrungsspannungen auf, s. auch Abschn. 6.4.5. Beide Spannungen sind entgegenge-

'I'Hh

Abb. 6.47. Elektrophorese

Abb. 6.48. Thermoelement

148

6. Elektrizitatslehre

setzt gepolt und so lange gleich groB, wie die beiden „L6tstellen" auf gleicher Temperatur sind, so daB zwischen den Enden A^ und A2 keine Spannung entsteht. Da aber die Beriihrungsspannungen eine merkliche Temperaturabhangigkeit besitzen, tritt beim Erwarmen der einen Lotstelle z.B. B^ in Abb. 6.48 - zwischen den Enden A^ und A 2 eine Spannung auf, die Thermospannung Uj^, Sie wird nicht geandert, wenn wir noch beliebige andere Metalldrahte mit einschalten, solange nur die neuen zusatzlichen Ldtstellen die gleiche Temperatur besitzen. Ein solches Metallpaar wird auch als Thermoelement bezeichnet. Seine Spannung wachst mit der Temperaturdifferenz zwischen den beiden Lotstellen, und zwar in kleinen Bereichen haufig proportional. Das Verhaltnis von Thermospannung und Temperaturdifferenz nennt man auch Thermokraft AT

(6.33)

Das System Wismut - Antimon hat mit 100 iiV/K schon eine besonders groBe Thermokraft, es tritt dabei mit 100 K Temperaturdifferenz eine Thermospannung von 10 mV auf. Das System Kupfer - Konstantan hat nur 42 M-V/K.

Bei leitender Verbindung der beiden Enden des Thermoelementes flieBt ein ThermoStrom von der Stromstarke / = Uj^/R, wobei R der gesamte Widerstand des Stromkreises ist. Thermoelemente werden vielfach zu Temperaturmessungen benutzt. Man kann mit ihrer Hilfe auch an schwer zugangUchen Stellen die Temperatur messen und ferner wegen ihrer geringen Warmekapazitat ohne Storung auch kleine Objekte ausmessen (physiologische Untersuchungen). AuBerdem laBt sich auf elektrischem Wege ein sehr groBer Temperaturbereich erfassen. So eignet sich die Kombination von Platin mit einer PlatinRhodium-Legierung fiir Messungen bis zu 1600°C. Weitere Anwendungen findet man in Abschn. 7.5.2. Schicken wir durch den aus zwei verschiedenen Metallen gebildeten Leiterkreis von Abb. 6.48, dessen L5tstellen die gleiche

Temperatur besitzen, mit Hilfe einer in A1 und A 2 von auBen angelegten Spannung einen Strom, so beobachten wir an der einen Ldtstelle eine Erwarmung, an der anderen eine Abkiihlung. Diese Erscheinung stellt die Umkehrung des Thermoeffektes dar und wird als Peltier-Effekt bezeichnet. Infolge des Peltier-Effektes beeinfluBt jeder Thermostrom die urspriingiich ihn verursachende Temperaturdifferenz, und zwar veriSuft die Temperaturveranderung durch den Thermostrom so, daB sie die urspriingliche Temperaturdifferenz zu verkleinern sucht. (Prinzip des kleinsten Zwanges, s. Abschn. 5.4.1.) Ware das umgekehrt, so wiirde jede zufallig entstehende Temperaturdifferenz infolge des Thermostromes vergrOBert werden und hierdurch wieder einen starkeren Thermostrom erzeugen, so daB sich Strom und Temperaturdifferenz gegenseitig aufschaukeln wtirden. So wiirde von selbt eine inrnier grdBere Temperaturdifferenz auftreten, was ein Widerspruch zum zweiten Hauptsatz der Warmelehre ware (Abschn. 5.2.6). Bringen wir die L5tstelien B^ und Bi in zwei Warmespeicher der festen Temperaturen Tj bzw. TJ (7J > TJ) und schlieBen den Stromkreis, indem zwischen A^ und Ai ein Verbraucher, z. B. ein Elektromotor, geschaltet wird, so entsteht eine unbegrenzt laufende Warmekraftmaschine (Abschn. 5.2.5). Der Thermostrom sorgt namHch durch den Peltier-Effekt dafiir, daB der warmere Speicher T^ die Warmemenge Qj verHert, weil er die dortige abgekiihlte LOtstelle auf konstanter Temperatur halten muB. Andererseits nimmt der kaltere Speicher 7^ der in ihn eintauchenden, erwarmten LOtstelle die Warmemenge Q2 ^^- Q\~ Qi wird als elektrische Energie dem Motor zugeflihrt. Nach dem I. und II. Hauptsatz der Warmelehre ist daher das Auftreten des PeltierEffekts vorauszusehen.

Aufgaben 6.4.1 Eine einzige Zelle aus einer Taschenlampenbatterie hat die Leerlaufspannung C/g = 1,5 V und den Innenwiderstand R^ = 0,2 Q. In der Batterie sind 3 Zellen parallel geschaltet. Wie andert sich die MeBkurve Klemmenspannung gegen entnommenen Strom, vgl. Abb. 6.12, far die Batterie gegenUber der ftir eine Zelle? Wie groB sind Leerlaufspannung und KurzschluBstrom der Batterie? 6.4.2 Bei der Wasserzersetzung, vgl. Abb. 6.37, wird zwischen A und K noch ein Voltmeter geschaltet. Nachdem der Strom einige Zeit geflossen ist, ersetzt man zum Nachweis der elektrolytischen Polarisation (H2, O2) die auBere Spannungsquelle durch einen KurzschluB. In welcher Richtung schlagen jetzt Volt- und Amperemeter aus? 6.4.3 Man stelle die Reaktionsgleichungen beim Laden und Entladen des Bleiakkumulators an Anode und Kathode auf. 6.4.4 Bei 20 °C wird die Diffusionsspannung zwischen der NaCl-LOsung I (q = 3 mol/1) und der NaCl-L6sung

6.5 Elektrizitatsleitung in Gasen und im Vakuum

149

Zur Temperaturionisation kommt es, II (C2 = 0,1 mol/1) mit Kalomel-Elektroden gemessen, vgl. Abb. 6.46. Die lonenbeweglichkeiten sind fur Na"^ wenn bei hohen Temperaturen die kinetische 0,45 • 10-"^ mVVs und fur CI" 0,68 • 10"'' mVVs. Wie Energie der Molekiile so groB wird, daB beim groB ist die Diffusionsspannung? Wo liegt der + Pol? 6.4.5 Um wieviel mV andert sich bei 20 °C die Elektrodenspannung des Daniell-Elementes, vgl. Abb. 6.42, wenn die Konzentration der CuS04-L6sung verdoppelt wird? 6.4.6 Die eine LOtstelle eines Thermoelementes, das die Thermokraft 0,57 ^lV/K hat, befindet sich in Eiswasser, die andere in einem Heizbad. Wie groB ist dessen Temperatur, wenn man eine Thermospannung von 81nVmil3t?

6.5 Elektrizitatsleitung in Gasen und im Vakuum 6.5.1 Unselbstandige Leitung. Die Versuche mit Metallen und Elektrolyten haben gezeigt, daB ein Strom in Festkorpern und Fliissigkeiten nur flieBen kann, wenn darin frei bewegliche elektrische Ladungstrager vorhanden sind. Daher ist das Hochvakuum ein idealer Isolator, Aber auch atmospharische Luft isoliert sehr gut. Legen wir an zwei in Luft befindliche Elektroden eine nicht zu hohe Spannung an, so beobachten wir keinen Strom. Erst wenn wir durch einen weiteren Vorgang Ladungstrager in das Gas hereinbringen, setzt ein Strom ein. Diesen Fall der Elektrizitatsleitung bezeichnet man als eine unselbstandige Leitung. Im Gegensatz dazu sprechen wir von einer selbstdndigen Leitung, wenn der Strom durch das Anlegen der Spannung von selbst zustande kommt (Abschn. 6.5.5). Um in einem Case eine unselbstandige Leitung herbeizuftihren, mtissen wir daher Ladungstrager, lonen oder freie Elektronen, erzeugen. Das kann z.B. durch Erhitzen des Gases oder durch Bestrahlen mit Rontgenoder radioaktiver Strahlung geschehen (Abschn. 8.3.2).

ZusammenstoB Elektronen abgerissen oder mehratomige Molekiile in lonen gespalten werden konnen. Infolgedessen sind Flammen leitend, Halten wir zwischen die Flatten eines vorher aufgeladenen Kondensators ein brennendes Streichholz, so beobachten wir ein sofortiges Absinken der Spannung. Dasselbe ist der Fall, wenn wir ein radioaktives Praparat in die Nahe bringen oder R5ntgenstrahlen durch den Kondensator hindurchschicken. Erzeugen wir in einem Gase, etwa durch dauernde, konstante Bestrahlung, lonen und legen zunachst kein Feld an, so werden infolge der Temperaturbewegung positive und negative Ladungstrager sich treffen und paarweise wieder vereinigen. Diese Rekombination der lonen zu neutralen Molekiilen fiihrt dazu, daB die Zahl der durch lonisation gebildeten lonenpaare nicht behebig ansteigt, sondern daB sich ein Gleichgewicht einstellt, bei dem in der Zeiteinheit genauso viele lonenpaare neu erzeugt werden, wie durch Rekombination verschwinden. Wir messen nun den Strom bei der unselbstandigen Leitung in Abhangigkeit von der Spannung mit Hilfe der in Abb. 6.49 gezeichneten Anordnung. P sei ein radioaktives Praparat, welches die Luft zwischen den Kondensatorplatten ionisiert. Legen wir eine allmahUch steigende Spannung an, so beobachten wir den in Abb. 6.50 wiedergegebenen Stromverlauf. Zuerst steigt der Strom proportional mit der Spannung, dann aber langsamer an, um schlieBHch einen konstanten Wert anzunehmen, den sog. Sattigungsstrom, Diese Strom-Spannungs-Kennlinie erklart sich folgendermaBen: Die Tatsache, daB zunachst das Ohmsche Gesetz erfiillt ist, bedeutet nach den Uberlegungen in Abschn. 6.3.4, daB die Wanderungsgeschwindigkeit der lonen mit der Ladung e proportional der treibenden Kraft eE wachst. Die lonen wandern mit Reibung durch das Gewimmel der umgebenden Luftmolekule hindurch, und die Zahl der Ladungstrager im cm^ wird durch die Abwanderung der lonen bei kleinen Spannungen noch nicht merkUch ver-

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Abb. 6.49. Messung des lonisationsstromes in Abhangigkeit von der Spannung

Spannung

Abb. 6.50. lonisationsstrom mit Sattigung

150

A{T\

Abb. 6.51. Gluhkathodenrbhre, Diode

kleinert. Der Sattigungswert des Stromes kommt dadurch zustande, dalJ bei geniigend starken Feldern alle gebildeten lonen an die Elektroden gelangen, bevor es zu einer Rekombination kommt. Der Sattigungsstrom gibt uns also die Gesamtladung der pro Sekunde gebildeten lonen eines Vorzeichens an. Diese ist proportional zur „Intensitat" der Fremdstrahlung, die sich auf diese Weise aus dem Sattigungsstrom in einer sog. lonisationskammer messen laBt. Wie wir in Abschn. 6.5.5 sehen werden, steigt bei weiterer Erhohung der Spannung der Strom durch StoBionisation erneut an. An Stelle von lonen konnen auch groBere geladene Partikelchen, wie Staubteilchen, die Luft leitend machen. Davon macht die Technik bei der elektrischen Staubreinigung Gebrauch. Staubhaltige Abgase werden durch eine Koronaentladung (Abschn. 6.5.6) aufgeladen und dann durch groBe, auf hoher Spannung befindHche Kondensatoren geschickt, wobei die Partikelchen sich an den Flatten niederschlagen.

f *L

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^H»^

Abb. 6.52. Triode

6.5.2 Elektronenaustritt aus Metallen. Hochvakuum mit Gasdrticken unter 10"^ mbar isoliert zwei raumlich getrennte Metallplatten Oder Elektroden vorziiglich. Es flieBt kein Strom, wenn eine Spannung von einigen Hundert Volt zwischen ihnen liegt. Erst wenn wir kunstlich Ladungstrager in das Hochvakuum hereinbringen, konnen wir einen Strom beobachten. Das kann auf verschiedene Weise geschehen. 1. Durch Bestrahlung der Kathode mit ultraviolettem Licht, das aus dem Metall Elektronen, sog. Photoelektronen, auslost (Abschn. 7.6.1). 2. Durch GlUhen der Kathode, wobei Elektronen, sog. Gliihelektronen, austreten. Innerhalb eines Metalles sind die Valenzelektronen, ahnlich wie die Molekiile eines Gases, zwai frei beweglich (Abschn. 6.3.5). Das Metall konnen sie aber nicht ohne weiteres verlassen, da sie an der Oberflache durch rucktreibende Krafte der positiven Metallionen festgehalten werden. Zur Abl5sung eines Elektrons ist eine gewisse Austrittsarbeit aufzuwenden. Bringen wir das Metall zum Gliihen, so wachst die kinetische Energie der Temperaturbewegung der Elektronen so an.

6. Elektrizitatslehre

daB mehr und mehr Elektronen aus dem Metall entweichen konnen. Dieser Vorgang entspricht ganz dem Verdampfen von Molektilen an der Flussigkeitsoberflache mit zunehmender Temperatur. Uberzieht man das Metall mit einer diinnen Schicht eines Erdalkalioxids, sog. Oxidkathode, so treten Elektronen schon bei wesentlich tieferen Temperaturen (600 °C) als bei reinen Metallen aus, da die Austrittsarbeit jetzt kleiner ist. Bringen wir in einem hochevakuierten Rohr die Kathode, meist einen Wolframdraht, mit Hilfe eines Heizstromes zum Gliihen, s. Abb. 6.51, so werden die austretenden Elektronen zur Anode A gezogen, und ein eingeschalteter Strommesser zeigt einen Strom von einigen MiUiampere an. Machen wir den Gliihdraht zur Anode, so flieBt kein Strom. Wir erkennen daraus, daB aus dem Gliihdraht nur Elektronen, aber nicht etwa positive lonen, frei werden. Eine solche GluhkathodenrOhre laBt also den Strom nur in einer Richtung durch, wirkt deshalb bei Wechselspannung als Gleichrichter. Mit wachsender Anodenspannung steigt bei reiner Wolframkathode die Stromstarke in dieser sog. Hochvakuumdiode bis zu einem Sattigungswert an, der von der Kathodentemperatur abhangt. Er ist nach der Richardson-Gleichung proportional T^exp{-W^/kT), wobei W^a di^ Austrittsarbeit ist. Wie in der lonisationskammer (Abschn. 6.5.1) wandem bei genugend hoher Anodenspannung alle erzeugten Ladungstrager, das sind hier die von der Kathode austretenden Elektronen, zur entgegengesetzt geladenen Elektrode. Ist die Anodenspannung aber niedriger, bremsen die unmittelbar vor der Kathode noch sehr langsamen Elektronen durch elektrische Krafte den Austritt der folgenden, so daB die Stromstarke kleiner wird. Man spricht von Raumladungen, die den Strom begrenzen. In diesem Teil der StromSpannungs-KennHnie einer Hochvakuumdiode gilt nicht das Ohmsche Gesetz wie in der lonisationskammer, sondern / ist proportional U^^^. Bei der Halbleiterdiode ist zwar die Strom-Spannungs-Kennlinie auch keine Gerade, folgt aber einem Exponentialgesetz (Abschn. 6.3.6).

6.5.3 Triode. Eine Anwendung findet die Gluhkathodenrohre bei der Steuerung von Stromen. Legen wir an die zusatzliche mittlere Elektrode, das Gitter G einer sog. Dreielektrodenrohre oder Triode, s. Abb. 6.52, gegen die Kathode eine hohe negative Spannung, so werden die von der Kathode austretenden Elektronen daran gehindert, die Off-

6.5 Elektrizitatsleitung in Gasen und im Vakuum

nungen des Gitters zu passieren; es flieUt uberhaupt kein Strom. Wenn wir diese negative Gitterspannung verringem - gemeint ist damit, wie bei alien Spannungsangaben in einer Elektronenrohre, die Spannung zwischen dem genannten Punkt und der Kathode - , beginnt ein Strom zu flieJien, da jetzt elektrische Feldlinien von der Anode bis zur Kathode durchgreifen und dadurch Elektronen von dort bis zur Anode gelangen. Bei genugend hohen positiven Gitterspannungen werden uberhaupt keine Elektronen mehr vor dem Gitter umkehren, der Strom erreicht einen Hochstwert. Man bezeichnet diese fur die betreffende Elektronenrohre charakteristische Strom-Spannungskurve als die Gitterspannungskennlinie, s. Abb. 6.53. Sie gilt fiir eine bestimmte Anodenspannung und verschiebt sich, wenn diese hoher eingestellt wird, nach links. Wichtig ist, dali bei negativer Gitterspannung kein Gitterstrom flielJt. Man benutzt daher die Triode als Rohrenvoltmeter, das einer zwischen Gitter und Kathode angeschalteten unbekannten Spannungsquelle keinen Strom entnimmt, d. h. als Voltmeter mit unendlich hohem Innenwiderstand arbeitet (Abschn. 6.1.4). Als MeBgroBe fiir die gesuchte Spannung wird die Anderung des Anodenstromes entsprechend der Gitterspannungs-Kennlinie benutzt und angezeigt.

151 lichst groBe Spannungsanderung auf der Anodenseite zur Folge haben. Dies laBt sich in der Schaltung der Abb. 6.52 nicht erreichen, da sich dort nur der Anodenstrom mit der Gitterspannung andert. Man legt deshalb bei einem Spannungsverstarker einen hohen Widerstand Rfi^ zwischen die Anodenspannungsquelle und die Anode der ROhre, an dem der durch UQ gesteuerte Anodenstrom einen Spannungsabfall erzeugt, s. Abb. 6.54. Diese Spannung kann man wieder an das Gitter einer zweiten RChre legen, die sie in der gleichen Weise verstarkt usw. (mehrstufige Verstarker).

-6-4-20246 Gitterspannung

8V

Abb. 6.53 Gitterkennlinie einer Triode

Abb. 6.54, Zweistufiger Spannungsverstarker mit TriodenrOhren

Die Kondensatoren Q , Ci und C3 sind fur Gleichstrom undurchlassig und erlauben nur die Obertragung von Wechselspannungen (Abschn. 6.7.2). Auf diese Weise wird z. B. die Anoden^/e/c^spannung der Rdhre / vom Gitter der ROhre II ferngehalten, wahrend die Anderungen von C/^ uber C2 als Gitterspannungsanderungen der ROhre // wirksam und weiterverstarkt werden. Der Arbeitspunkt der Rdhren auf der Gitterkennlinie, Abb. 6.53, wird durch die „Kathodenwiderstande" /?K Die meisten ROhren sind mit indirekter Heizung aus- eingestellt, an denen der Anodenstrom einen Spangertistet (bessere Elektronenausbeute, Aquipotentialka- nungsabfall erzeugt. Die gesamte Gitterspannung UQ thode); der Heizstrom durchfliefit einen besonderen setzt sich also zusanunen aus der Gitter^/e/c/i spannung, Heizfaden, der die eigentliche Kathode, einen auBen mit die an 7?^ liegt, und der von auBen am Widerstand RQ Erdalkalioxid uberzogenen Metallzylinder, von innen so zugefiihrten Gitterwec/tse/spannung. Die Heizkreise der weit erwarmt, daB Elektronen austreten (Abschn. ROhren sind der Einfachheit halber nicht mitgezeichnet. Fur die Leistungsverstarkung geniigt durchweg eine 6.5.2). Bei einer solchen RShre erreicht der Anodenstrom auch bei hoheren positiven Gitterspannungen Stufe. Der Leistungsverbraucher (Lautsprecher, MeBinpraktisch keinen Sattigungswert, da der Elektronen- strument usw.) liegt dann als AuBenwiderstand im Anstrom durch die Erdalkalioxidschicht flieBen muB und odenkreis der RGhre. Die beste Leistungsausbeute hat man, wenn der Verbraucherwiderstand gleich dem innesie zusatzlich erwarmt. Die Gitterspannung steuert den Anodenstrom, und ren Widerstand (Anodenspannungsanderung/Anodenzwar mit einer auBerordentlich kleinen Zeitkonstanten. stromanderung) der ROhre im Arbeitspunkt ist (AnpasDie Triode dient daher allgemein zur Verstarkung von sung). Wir betrachten fur den zweistufigen SpannungsverSignalen, die eine Gitterspannungs^/icferww^ verursachen. Durch die elektronische Steuerung fuhrt diese zu starker von Abb. 6.54 noch die aquivalente Schaltung einer Anderung des Anodenstromes, die durch einen mit Transistoren. Die Polaritat der Speisespannung in Anodenwiderstand in eine verstarkte Spannungsande- Abb. 6.55 gilt fur Transistoren vom pnp-Typ (Abschn. ning umgesetzt wird. Wir woUen Verstarkerschaltungen 6.3.7). Im Gegensatz zur Rdhrenschaltung wird hier der Kollektorstrom IQ auf einen geeigneten Wert als Armit Trioden und Transistoren nebeneinanderstellen. Dabei miissen wir zwischen Spannungs- und Lei- beitspunkt eingestellt, indem die Basis-Emitter-Span5/tt/i^5verstarkern unterscheiden. Im ersten Fall soil eine nung (/pE durch die Spannungsteiler /?i/?2. bzw. R2R4 bestimmte Anderung der Gitterspannung UQ eine mdg- ohne Signal entsprechend festgelegt wird. Man wahlt

6. Elektrizitatslehre

152

tron Oder ein ein-wertiges Ion beim freien Durchlaufen einer Spannung von 1 Volt erhalt. Die Elektronenladung ist als Elementarladung nach der Oltropfchen-Methode (Abschn. 6.2.7) oder aus Faradayscher und Avogadroscher Konstante (Abschn. 6.3.3) bekannt. Daher ist 19

leV = l,602.10-^^J Abb. 6.55. Zweistufiger Spannungsverstarker mit Transistoren

dazu einen Punkt auf dem nahezu geraden Teil der Obertragungskennlinie, vgl. Abb. 6.41. Die Signalspannung dUg steuert die Basis-Emitter-Spannung ebenso wie bei der R6hre die Gitter-Kathoden-Spannung, auch die verstarkte Spannung dUg wird hier in derselben Weise abgenommen.

6.5.4 Elektronenstrahlen, Braunsche Rohre, Oszillograph. Ist das Rohr einer Diode geniigend evakuiert, so stoBen die Elektronen auf ihrem Weg zur Anode nicht mit den restlichen Luftmolekiilen zusammen. Sie bewegen sich daher nicht wie lonen in Luft infolge der Reibung mit konstanter Geschwindigkeit (Abschn. 6.5.1), sondern sie laufen unter dem Einflufl der konstanten Kraft F^Ee mit konstanter Beschleunigung durch das elektrische Feld E = U/d. Hierbei ist U die Spannung zwischen den Elektroden, d deren Abstand (Abschn. 6.2.3). Ihre Bewegung entspricht also dem freien Fall. Auf dem Wege von der Kathode zur Anode wird der Energiebetrag eU (Abschn. 6.3.1) restlos in kinetische Energie umgewandelt. Durchfliegt also ein Elektron aus der Ruhe heraus in einer Bahn die Spannung U, so ergibt sich seine Endgeschwindigkeit v aus der grundlegenden Beziehung — r = eU, 2

(6.34a)

Treffen die Elektronen auf die Anode, so werden sie dort abgebremst, und ihre kinetische Energie wandelt sich in Warme um. In der Atomphysik benutzt man allgemein als Energiemafi das Elektronvolt (eV) und versteht darunter die Energie, die ein Elek-

(6.34b)

Die sog. spezifische Ladung e/m des Elektrons bestimmt man durch Ablenkung des Elektronenstrahles im Magnetfeld (Abschn. 6.6.3.2). Es ergibt sich e/m = 1,759 • 10^^ C/kg. Damit laBt sich die Geschwindigkeit der Elektronen nach Gleichung (6.34a) direkt aus der angelegten Spannung U mittels der Beziehung V = ^leU/m berechnen. Fiir Spannungen von 100 bzw. 1000 V findet man Geschwindigkeiten von fast 6000 bzw. 19000 km/s. Das sind I^Q bzw. 6 1. Jedoch ist diese Ausrichtung bei weiper herriihrenden Beitrag / zur magnetischen tem nicht voUstandig, weil die thermische FluBdichte B, Es ist also B = Bo-\-J, wobei Molekulbewegung standig versucht, wieder ^0 = I^QH das erregende urspriingHche Feld Gleichverteilung, d.h. ideale Unordnung in Luft ist. In den meisten Stoffen wachst die herzustellen. So entsteht ein dynamisches Polarisation / proportional mit der magnetiGleichgewicht; in ihm ist die Magnetisierung chen Feldstarke H an und verschwindet wieA/gegeben durch die Vektorsumme aller atoder, wenn das erregende Magnetfeld abgemaren Momente in der Volumeneinheit. Dieschaltet wird. Es gilt also J =^ ^QXH. Die se ist der richtenden magnetischen Feldstarke Stoffkonstante x wird als Suszeptibilitdt beproportional, woraus sich als Proportionalizeichnet. Damit wird also tatsfaktor die Suszeptibilitat ableitet. Sie (6.48) sinkt nach dem Curieschen Gesetz mit steiB = fioi^ + x)H = juojLiH. gender Temperatur, vgl. die Orientierungsju = 1 + x nennt man die Permeabilitdt des polarisation der Dielektrika (Abschn. 6.2.8). betreffenden Stoffes. - Als Magnetisierung Auch ein paramagnetischer Korper besitzt bezeichnet man die GxibRt M = J/JJLQ, Sie ist infolge der stets auftretenden Induktionsanschaulich das magnetische Moment (vgl. strdme Diamagnetismus, doch wird dieser im auch Abschn. 6.6.3) der Volumeneinheit im allgemeinen vom Paramagnetismus iiberMaterial und entspricht damit der elektri- deckt. schen Polarisation (Abschn. 6.2.8). Paramagnetische Korper werden von eiNach ihrem magnetischen Verhalten kon- nem Magnetpol angezogen, wahrend dianen wir alle Stoffe in drei Gruppen einteilen: magnetische abgestojien werden (Abschn. Diamagnetische Stoffe zeigen ganz geringe 6.6.3.3). Schwdchung der urspriinglichen magnetiFerromagnetismus zeigen auBer Eisen einischen FluBdichte; ^ < 1; ge seiner Verbindungen, Ferrite, die ihm cheParamagnetische Stoffe zeigen ganz gerin- misch verwandten Metalle Kobalt und Nickel ge Verstdrkung der urspriinglichen magneti- sowie viele Legierungen. Ferromagnetische schen FluBdichte; /i > 1; Stoffe sind vor allem dadurch ausgezeichnet, Ferromagnetische Stoffe verstarken das daB sie eine permanente Magnetisierung beurspriingliche Feld sehr erheblich und bilden sitzen konnen, die zur Aufrechterhaltung Dauermagnete. Diamagnetische Molekule haben kein perDiese InduktionsstrOme fliefien ungeschwacht weiter, manentes magnetisches Moment, well sich da die Elektronen innerhalb der Atome in widerstandslosen Bahnen umlaufen. ihre Elektronen so bewegen, daB alle dabei

6.6 Das magnetische Feld

kein auBeres Magnetfeld benotigt. Im Gegensatz zum Para- und Diamagnetismus ist der Ferromagnetismus keine Eigenschaft des einzelnen Atoms. Wir fmden ihn nur in festen, aus mikrokristallinen Blocken bestehenden Korpem, also nicht in Flussigkeiten Oder Gasen. Zu einem ersten Uberblick unterwerfen wir ein Eisenstiick einer zyklischen MagnetiSiemng. Dazu bringen wir ein urspriinglich unmagnetisches Eisenstiick in ein allmahlich wachsendes magnetisches Feld //, indem wir es in eine Spule stecken und einen stetig wachsenden Strom durch sie flie6en lassen. Dabei steigt die magnetische FluBdichte B in der sog. Neukurve nicht beliebig weit an, sondem erreicht praktisch einen Sattigungswert, s. Abb. 6.78. Diese magnetische Sdttigung ist dann erreicht, wenn alle atomaren Magnete sich im auBeren Felde ausgerichtet haben. Eine weitere Magnetisierung des Eisens ist unmoglich, und die vom noch weiterwachsenden auBeren Felde verursachte VergroBerung von B ist so geringfugig, daB sie im MaBstab von Abb. 6.78 gar nicht zum Ausdruck kommt. Vermindem wir nun die auBere Feldstarke H bis auf Null, so verschwindet B nicht, sondem es verbleibt ein Rest permanenter magnetischer Polarisation oder Remanenz R iibrig. Erst wenn wir die Stromrichtung und damit auch die von H umkehren, verschwindet die magnetische HuBdichte bei H=K, der sog. Koerzitivkraft, AnschHeBend steigem wir das Feld -H, bis -B gesattigt ist, also voile permanente Polarisation in entgegengesetzter Richtung vorliegt. SchlieBlich kehren wir zur Sattigung in der urspriinglichen Richtung zuriick und haben damit fiir die B-Werte eine geschlossene Schleife durchlaufen, die sog. Hysteresekurve.

171 sche FluBdichte B sich aus Anteilen /^//, von makroskopischen StrOmen herrUhrend, und der magnetischen Polarisation / von atomaren Magneten zusammengesetzt, vgl. Dielektrikum Gl. (6.22). Aber die Polarisation im ferromagnetischen Stoff ist der Feldstarke nicht proportional, weshalb B und H sogar verschiedene Richtungen haben konnen. - Fur technische Zwecke gibt man, um die „Weichheit" einer Eisensorte zahlenmaBig zu beschreiben, einen Wert AB/A^QH an, den man effektive Permeabilitat nennen konnte. Er kann Werte von 5000 annehmen und hangt u. a. vom magnetischen Zustand des Stoffes ab, unter dem die Messung vorgenommen wird.

Den Ferromagnetismus kann man folgendermaBen deuten. Die einzelnen mikrokristallinen Blocke bestehen aus Elementargebieten oder sog. PFe/j8schen Bezirken, in denen die atomaren Magnete parallel ausgerichtet sind und sich gegenseitig in dieser Lage festhalten. Die WeiBschen Bezirke sind spontan magnetisiert oder polarisiert. Im unmagnetisierten Zustand des ganzen Korpers sind die magnetischen Achsen dieser Gebiete aber statistisch verteilt, d. h. regellos gerichtet. Schalten wir ein auBeres Feld ein, so suchen sich die Gesamtmomente der einzelnen WeiBschen Bezirke in die Feldrichtung einzustellen. Dem wirken die inneren Krafte des Kristallgitters und Spannungen des Materials entgegen. Erst wenn die Feldstarke einen gewissen Betrag ubersteigt, klappen die Magnete von ganzen Bezirken ruckartig um ^. Je geringer die Koerzitivkraft ist, um so magnetisch weicher ist das Eisen. Schalten wir das auBere Feld ab, so behalten die Magnete ihre Orientierung teilweise bei, das Eisen zeigt Remanenz, weiches nur eine sehr kleine. Die Schleifenform der Hysteresiskurve beruht darauf, dafi bei der Ummagnetisierung innere Spannungen (Gitterkrafte) uberwunden werden mussen. Daher folgen die Elementarmagnete dem auBeren richtenden Praktisch wird ein Eisenstiick entmagnetisiert, indem Feld bei seiner Anderung in einem Zyklus

man es in ein magnetisches Wechselfeld bringt und dann langsam in feldfreies Gebiet herauszieht. Dabei nimmt der Hochstwert von H kontinuierlich ab, und die durchlaufenen Hysterese-Kurven schrumpfen in ihrem Flacheninhalt bis auf Null.

Wegen ihrer permanenten magnetischen Polarisation laiJt sich fiir ferromagnetische Stoffe physikalisch keine Permeabilitat in definieren. Die Grundbeziehung B = fiQH-{-J gilt zwar auch hier, wonach die magneti-

^ Dabei klappen sie zunSchst in bestimmte Vorzugsrichtungen des Kristalls, nSmlich in die davon gtinstigsten Richtungen zum SuBeren Feld. Erst bei grOBeren Feldstarken kommt es zu einer weiteren Eindrehung in die Feldrichtung.

Abb. 6.78. Hysterese-Kurve

172

nur mit Verzdgerung. Die zur Uberwindung der hemmenden Krafte erforderliche Arbeit wandelt sich in Warme um. Man muB daher bei elektrischen Maschinen, z.B. Transformatoren, diese Verluste, die mit der Frequenz der zyklischen Ummagnetisiening ansteigen, moglichst klein halten. Ein MaB fiir sie ist die von der Hysteresekurve umschlossene Flache. Sie ist bei weichem Eisen klein. Oberhalb einer bestimmten Temperatur, dem sog. Curie-Punkt, losen sich alle Weiflschen Bezirke im Kristall auf, d. h. sie verlieren ihre spontane Magnetisierung, und der Korper zeigt nur noch Paramagnetismus. Der Vorgang ist zu vergleichen mit dem plotzlichen Ordnungsverlust eines Kristalles beim Schmelzen. Die Curie-Temperatur des reinen Eisens liegt bei 769 °C. Das auBere Magnetfeld einer stromdurchflossenen Spule wird aufierordentlich verstarkt, wenn wir das Spuleninnere mit einem Eisenkern ausfUllen. Auf diese Weise erhalten wir einen sehr starken Elektromagneten. Man kann in kleinen Bereichen sehr hohe Feldstarken erzielen, wenn man aus einem Eisen hoher effektiver Permeabilitat einen mOgiichst geschlossenen Kreis bildet (hufeisenfdrmiger Elektromagnet mit engem Spalt). Die permanente Magnetisierung von mikroskopisch feinen, ferromagnetischen Nadeln, dispergiert in Lackschichten, hat ein sehr ausgedehntes Anwendungsgebiet im Magnetophon, Videorecorder und bei der Datenspeicherung in elektronischen Rechnern gefunden (Abschn. 6.7.5).

6. Elektrizitatslehre 6.6.4 Eine Magnetnadel mit dem Moment 8 • 10""* Am^ befmdet sich in der Mitte einer Spule von 1000 Windungen und 20 cm Lange, durch die ein Strom von 6 A flieBt. Welches Drehmoment wirkt auf sie, wenn sie senkrecht zur Spulenachse steht? 6.6.5 Die Magnetnadel von Aufgabe 6.6.4 hangt an einem Faden mit dem Richtmoment D* = 2,8-10~^ Nm/rad. Um welchen Winkel \9 dreht sie sich aus der Ruhelage senkrecht zur Achse heraus, wenn der Strom eingeschaltet wird? Wie groB ist das magnetische Drehmoment in der neuen Gleichgewichtslage? 6.6.6 Ein Elektron der kinetischen Energie 250 eV durchlauft in einem Magnetfeld einen Kreis von 15 cm Radius. Wie muB die Kreisebene Hegen? Wie groB ist die magnetische Feldstarke HI 6.6.7 In der Ringspule von Abb. 6.73 betragt bei einer Stromstarke /j = 4 A der magnetische FluB 4> = 3,8-10"^ Wb. Die Priifspule 5 hat 2 Windungen und ist mit dem Widerstand 4Q abgeschlossen, gegen den ihr Eigenwiderstand zu vernachlassigen ist. Wie groB sind Induktionsspannung und -strom in S, wenn der Strom in 0,8 ms auf /2 = 1 A absinkt? 6.6.8 Um einen geraden Draht ist konzentrisch in 2 mm Abstand eine Priifspule mit 10 Windungen gewickelt. Der Draht verlauft also in der Achse der Priifspule. Welchen SpannungsstoB beobachtet man an ihren Enden, wenn ein Strom von 10 A, der durch den geraden Draht flieBt, abgeschaltet wird?

6.6.9 Die Windungsflache von 600 cm^ einer Spule mit 750 Windungen ist so orientiert, daB vom Erdfeld ein maximaler magnetischer FluB hindurchtritt. Die Windungsflache wird schnell um 180° gedreht, wobei ein Magnetische Schirmwirkung. Bringt man einen Ring ausSpannungsstoB von 3,3-10"^Vs gemessen wird. Wie weichem Eisen in ein Magnetfeld, so werden die Feld- groB ist die magnetische Feldstarke H am Beobachlinien in das Eisen hereingesaugt. Der Raum innerhalb tungsort? des Ringes bleibt feldfrei. So kann man Instrumente gegen magnetische StOrfelder durch Kapselung in Eisen 6.6.10 Die Spule eines Elektromagneten hat die Induktivitat L = 80 H und den ohmschen Innenwiderstand schiitzen. /? = 150Q. Durch sie flieBt ein Dauerstrom von 3 A. Wie groB sind magnetischer FluB 0, gespeicherte magnetische Energie W^und Verlustleistung P? Welche Zeit verstreicht nach dem Einschalten, bis der Strom 90f b^f 1. Der Mittelpunktstrahl tritt unabgelenkt 2) a = 2f b = 2f durch die Linse. 3) a=f b>f 2. Jeder achsenparallele Strahl {Parallel4) Liegt der Gegenstand innerhalb der strahl) geht durch den Brennpunkt auf der anderen Linsenseite. Er wird BrennstrahL Brennweite (a < / ) , so wird b fiir das virtuel3. Jeder Brennstrahl verlaBt die Linse als le Bild negativ, Parallelstrahl, 3. Zerstreuungslinse, Als Glaslinse in Luft ist Man darf aber nie vergessen, daB stets ein die Zerstreuungslinse konkav gekriinunt. Die Lichtbiindel, das die Linse durchsetzt, das Basis der Prismen, die ihre Form annahern, Bild vermittelt. Die drei genannten, ausge- muB nach auBen gerichtet sein, so daB jeder zeichneten Strahlen brauchen gar nicht vor- parallel zur Achse einfallende Strahl nach zukommen, etwa weil die Linse zu klein ist auBen gebrochen wird. Ein Parallelbtindel und ihre Mitte abgedeckt wird. An Gr5Be verlaBt die Linse also divergent, wobei die und Lage des Bildes andert das uberhaupt nickwartigen Verlangerungen der Strahlen sich in einem Punkt schneiden, s. Abb. nichts. Die Abbildungsgesetze der Linse lassen 7.24a, den wir als einen der beiden virtuellen sich unmittelbar aus Abb. 7.23 entnehmen. Brennpunkte der ZerstreuungsUnse bezeichWir bezeichnen den Abstand der Gegen- nen..Durch ihn geht senkrecht zur optischen standsebene von der Linse als Gegenstandsweite a, den der Bildebene als Bildweite b\ auBerdem sind G und B Gegenstands- und Bildgrqfie, d. h. einander entsprechende L^ngen in Gegenstand und Bild. Dann folgt aus der Ahnlichkeit der beiden schraffierten Dreiecke das 7. Abbildungsgesetz, das die BildgroBe angibt: B^ G

b_ a

(7.5)

B/G nennt man auch Seitenvergrofierung der Abbildung. Das 2. Abbildungsgesetz liefert eine Beziehung zwischen der Lage von Gegenstandsund Bildebene mit

1

1 2.

(7.6)

Abb. 7.24a, b. Parallelbtindel trifft auf Zerstreuungslinse (a) parallel, (b) schrSg zur optischen Achse

204

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre

Achse eine virtuelle Brennebene, Aus einem schrag einfallenden Parallelbiindel entsteht ebenfalls ein divergierendes Biindel, dessen Verlangerungsgeraden nach hinten sich aber nicht im Brennpunkt F, sondern im Punkt P' der Brennebene schneiden. Man findet P' auch hier als Schnittpunkt des unabgelenkten Mittelpunktstrahles mit der Brennebene, s. Abb. 7.24b. - Die Ausbreitungsrichtung der Lichtbtindel kann man auch hier umkehren, so daB z.B. ein konvergentes Biindel, das auf den Brennpunkt der anderen Linsenseite zulauft, diese als Parallelbiindel verlaflt. Wir schreiben, so wie wir bei der Sammellinse einem virtuellen Bilde eine negative Bildweite zugeordnet haben, einer Zerstreuungslinse eine negative Brennweite zu. Die 2. Abbildungsgleichung, die auch fiir Zerstreuungslinsen gilt, liefert damit stets eine negative Bildweite, gleichgiiltig, welchen positiven Wert die Gegenstandsweite a hat. Es gibt bei einer Zerstreuungslinse nur virtuelle Bilder, was anschaulich sofort verstandlich ist, denn zur Herstellung eines reellen Bildes muB die Linse aus einem divergenten ein konvergentes Lichtbiindel machen, was eine Zerstreuungslinse grundsatzlich nicht kann. 7.2.3 Brechkraft von Linsen und Linsensystemen. Eine Linse bricht die Strahlen um so starker, je kiirzer ihre Brennweite ist. Man mifit daher die Brechkraft D einer Linse in Luft durch den reziproken Wert ihrer Brennweite, also Z> = 1//, wobei / in Metern gemessen wird. Die Einheit der Brechkraft ist die Dioptrie (1 dpt = 1 m~^). Eine Linse von 25 cm Brennweite hat also eine Brechkraft von 4 dpt. Die Brechkraft einer Linse hangt natiirlich von ihren Kriimmungsradien r^ und r^ und von der Brechzahl rii des Linsenmaterials ab. Wir betten sie, um gleich den allgemeinen Fall zu behandeln, in einen Stoff der Brechzahl rix ein, s. Abb. 7.25. Dann hat sie die Brechkraft

Abb. 7.25. Zur Brechkraft einer SammeUinse (A22 > n^)

(7.7)

Speziell fur Luft als auBeren Stoff (/2i = 1) erhalten wir wieder die zuerst angegebene Beziehung Z) = IZ/j. Wir machen dazu folgende erg^nzende und erlauternde Bemerkungen: 1. Man bezeichnet \/r als Krummung der Flache. Eine Ebene hat 1/r = 0, sie ist nicht gekriimmt. Fiir konvexe Kriimmung ist 1/r positivy wie es bei beiden Flachen in Abb. 7.25 der Fall ist. Fiir konkave Flachen ist 1/r negativ. 2. Sammellinsen haben immer eine positive Brechkraft D, Falls die Linse aus dem optisch dichteren Material besteht {rii > /^i), ist die Brechkraft immer dann positiv, wenn die Summe der beiden Kriimmungen positiv ist. Die eine Flache darf dazu auch konkav sein, wenn nur die Kriimmung der anderen entsprechend gr5Ber und konvex ist, vgl. auch Abb. 7.29. 3. Zerstreuungslinsen haben inuner negative Brechkraft. 4. Besteht die Linse aus einem Material, das optisch dunner als das AuBenmedium ist (jiiKrix), z.B. eine Luftblase in Wasser, so haben wir bei konvexer Kriimmung eine ZerstreuungsUnse. Nur falls die Summe der Knimmungen negativ ist, d. h. der konkave Anteil iiberwiegt, Hegt dann eine Sammellinse vor. Die Gleichsetzung Konvexlinse mit SammeUinse ist also nur richtig, wenn das Linsenmaterial optisch dichter als das Medium ist, in dem sie sich befindet. 5. So wie sich die Brechkrafte der beiden Flachen mit den Radien r^ und r^ zur Gesamtbrechkraft der Einzellinse addieren, so gilt auch fiir ein zentriertes Linsensystem die Additivitat der Einzelbrechkrafte zur Gesamtbrechkraft: D = £>i + Z)2.

(7.8)

Bei ihm liegen alle Kriimmungsmittelpunkte auf einer Geraden, und der Abstand der Einzellinsen ist sehr klein gegen ihre Brennweiten. Sammel- und Zerstreuungslinse mit gleichem Betrag der Brechkraft haben, so zusammengesetzt, die Wirkung einer planparallelen Platte {D = 0). - Die Brechkraft von Zerstreuungslinsen bestimmt man durch Kombination mit einer SammeUinse, derart

7.2 Optische Abbildungen

205

daB die Brechkraft des Linsensystems positiv ist. Dazu muB man nur die aus Gegenstandsund Bildweite nach dem Abbildungsgesetz berechneten Brechkrafte von Linsensystem und Sammellinse subtrahieren. Die Zerstreuungslinse allein erzeugt nur virtuelle Bilder, die nicht zu lokalisieren sind, deren Bildweite also nicht unmittelbar zu messen ist. Betragt der Abstand zweier dunner Linsen voneinander dy so hat die Brechkraft des Linsensystems den Wert D = D^ +D2 - c^A^2 • Mit der sog. optischen Tubuslange / = c^-(/i +/2) ergibt sich daraus D= -tD^D^Abb. 7.26. Hauptpunkte und Hauptebenen einer dicken Linse

1.1 A Dicke Linsen. Bei einer Linse endlicher Dicke lassen sich die beiden Stellen, an denen ein durchgehender Strahl gebrochen wird, nicht zusammenlegen. Der Lichtweg im Innern des Linsenkorpers kann nicht mehr vernachlassigt werden. Trotzdem bleiben auch hier die Abbildungsgleichungen und die Beziehungen fiir die Brechkraft D giiltig, wenn man Brennweite sowie Gegenstands- und Bildweite nicht mehr vom Mittelpunkt der Linse, sondern von zwei ausgezeichneten Ebenen, den Hauptebenen h und h\ aus miBt. Die Schnittpunkte der Hauptebenen mit der optischen Achse heiBen die Hauptpunkte H und H',

Wir Ziehen durch die Krummungsmittelpunkte M' und M der LinsenflSchen zwei beliebige, aber einander parallele Geraden, welche die zugehOrigen Linsenflachen in E und E' treffen mdgen, s. Abb. 7.26. Die Tangentialebenen in E und E' laufen dann auch einander parallel. Daher verhalt sich die Linse fur einen Strahl, der im Innern den Weg EE' durchlauft, wie eine planparallele Platte, d.h., ein solcher Strahl geht durch die Linse parallel verschoben hindurch. Der eintretende Strahl LE und der austretende E'U sind also einander parallel. Verlangern wir beide bis zum Schnitt mit der Achse, so erhalten wir die Punkte//und //'. Man kann nun zeigen, da3 die beiden so bestimmten Punkte unabhangig von dem ursprtinglich gewahlten parallelen Ebenenpaar sind, also ausgezeichnete Punkte darstellen. Es sind die Hauptpunkte. Diese Konstruktion setzt aber voraus, dal3, wie in Abb. 7.26, das Medium vor und hinter der Linse dasselbe ist.

Die Hauptebenen h und K sind durch folgende Eigenschaften ausgezeichnet: Greifen wir auf den Hauptebenen zwei Punkte A und A' heraus, s. Abb. 7.26, die im gleichen Abstand von der Hauptachse MM' der Linse liegen, so verlauft jeder Strahl, der im Gegenstandsraum (Objektraum) nach A zielt, im

Bildraum so, als ob er von A' herkommen wurde; seine ruckwartige Verlangerung geht durch A\ Das gilt fur den Strahlengang auBerhalb der Linse. Im Innern verlauft er naturlich anders, er folgt dem ausgezogenen Strahl 5. Bei der Bildkonstruktion beschranken wir uns zunachst auf ein Linsensystem mit positiver Brechkraft, das in ein einheitliches Medium eingetaucht ist. Vom Gegenstandspunkt P ausgehend, lassen sich dabei folgende ausgezeichneten Strahlen zeichnen, s. Abb. 7.27. 1. Der Strahl, der den objektseitigen Hauptpunkt H trifft, lauft parallel verschoben vom bildseitigen Hauptpunkt H' weiter. Ihm entspricht bei dtinnen Linsen der Mittelpunktstrahl. 2. Der parallel zur optischen Achse einfallende Strahl lauft bis zur bildseitigen Hauptebene h\ um dort zum Brennpunkt F' abzuknicken (einfallender Parallelstrahl). 3. Der Strahl durch den Brennpunkt F knickt an der objektseitigen Hauptebene h ab und verlauft von dort parallel zur optischen Achse (einfallender Brennstrahl) ^. Mit diesen Strahlen ist sowohl die zeichnerische Bildkonstruktion mdglich als auch die Ableitung der Abbildungsgleichungen entsprechend dem Vorgehen bei dUnnen Linsen, s. Abb. 7.23. Die Gegenstandsweite a zahlt jetzt von der Hauptebene h, die Bildweite b von h\ wahrend die Brennweite auf jeder ^ In sehr dicken Linsen kOnnen objektseitige und bildseitige Hauptebene h bzw. h' ihre Positionen tauschen, d.h. naher am Objekt liegt h'. Die Regeln fur den Strahlenverlauf andern sich aber dadurch nicht.

Abb. 7.27. Bildkonstruktion mit Hilfe der Hauptebenen einer Sammellinse

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre

206

Seite an der zugehorigen Hauptebene be1 £) = (/l2-«i) (7.9) ginnt. Ein schrag auf eine Sammellinse fallendes Parallelbundel verlauft dahinter zu dem in mit dem Kriimmungsradius r der Flache. Die Brennweiten zahlen wir vom ScheitelAbb. 7.28a gezeichneten Bildpunkt auf der punkt H, der hier der Hauptpunkt ist; die Brennebene. Zur Veranschaulichung ist bei Ebene h senkrecht zur optischen Achse einem der Strahlen sein wirklicher Verlauf durch H ist die Hauptebene (Abschn. 7.2.4). innerhalb der dicken Linse punktiert gezeichHier sind aber die beiden Brennweiten/j und net. /2 nicht gleich lang. Das sieht man anschauBei einer Zerstreuungslinse entsteht aus lich ein, wenn man einen Parallelstrahl in dem Parallelbundel ein divergierendes, s. gleichem Abstand von der optischen Achse Abb. 7.28b. Seinen geometrischen Ausvon Hnks und von rechts auf die Grenzflache gangspunkt finden wir auch hier mit dem fallen lalJt. Beim Ubertritt vom dtinneren in Strahl durch //, der parallel verschoben das dichtere Medium wird er nach dem Bredurch H' weiterlauft. Auch fur Parallel- und chungsgesetz schwacher abgelenkt als bei Brennstrahl gilt sinngemaB eine Konstrukumgekehrtem Lauf, vgl. Aufgabe 7.2.5. Die tion wie bei der SammeUinse, vgl. den obernahere Untersuchung ergibt: sten ausgezogenen Strahl. Abb. 7.28 a, b. Parallelbundel schrag zur optischen Achse, (a) dicke Sammellinse, (b) dicke Zerstreuungslinse

Die Lage der Hauptebenen bei verschiedenen Linsenformen zeigt die Abb. 7.29. Bei einer Bikonvexlinse mit Az= 1,5 betrSgt der Abstand der beiden Hauptebenen ungefahr ein Drittel der Linsendicke. Je diinner die Linse wird, um so kleiner ist der Abstand der Hauptpunkte vom Mittelpunkt und um so eher kOnnen wir die einfache Bildkonstruktion anwenden.

N 14 Abb. 7.29a-f. Linsenformen mit eingezeichneten Hauptebenen

7.2.5 Abbildung durch eine einzige Kugelflache. Eine spharische Grenzflache zwischen zwei Stoffen mit den Brechzahlen nx und n2 hat bereits die Eigenschaften eines abbildenden optischen Systems. Der Stoff mit der Brechzahl ni sei der optisch dichtere, und seine Oberflache sei konvex gekriimmt, s. Abb. 7.30. Ein Lichtbiindel, das parallel zur optischen Achse einfallt, wird so gebrochen, daB es auf einen einzigen Punkt gelenkt wird, den i ^''\% einen Brennpunkt. Das gilt sowohl fiir Paral^—a—i^ lelbtindel, die von Unks einfallen, als auch ftir solche, die von rechts kommen. Die Abb. 7.30 a, b. Kugelflache /Zj > n^ (a), Brechkraft D betragt, analog zur Beziehung Abbildung mit Hauptpunkt H und bei Einzellinsen, Knotenpunkt K (b)

fc>^

ri7U

D=^

= ^ .

/i

(7.10)

fi

Die gleiche Beziehung gilt auch fiir Linsen und Linsensysteme, wenn die auf beiden Seiten angrenzenden Medien unterschiedliche Brechzahlen haben, sog. Immersionslinsen. Die Brennweite/2im optisch dichteren Medium ist also um den Faktor ni/n^ longer als die Brennweite/i im optisch dtinneren. Die Abbildungsgleichungen schreiben sich in diesem Fall: B G

b ILL a ni

HL + Hi = D. a b

(7.11a)

(7.11b)

An Stelle der Strecken a und b stehen stets die Verhaltnisse Strecke/Brechzahl, was auch ftir die Beziehung zwischen der Brechkraft D und den Brennweiten / i und fi zutrifft. Ableitung. Es gibt jetzt zwei Paare von ahnlichen Dreiecken, in Abb. 7.30b unterschiedlich schraffiert. Aus ihnen folgen die Beziehungen G/B -{a-f^)/f^ bzw. G/B-f2/{h-f{). Durch Gleichsetzen und Umformen erhalt man/i/a+/2/^ = 1, was unmittelbar zur 2. Abbildungsgleichung fiihrt. Andererseits folgt aus BjG = bjh - 1 = hDjni - 1 und Gleichung (7.11 b) die 1. Abbildungsgleichung.

7.2 Optische Abbildungen

207

Verbinden wir in der Bildkonstruktion von mungsradien und Abstande weitgehend beAbb. 7.30b zueinandergehorige Punkte von heben, wie die zu auBerordentUcher LeiObjekt und Bild, z. B. die Spitzen von G und stungsfahigkeit gesteigerten Linsen oder ObB durch eine Gerade, so geht diese nicht jektive ftir Photographic, Projektion und durch den Hauptpunkt H, Sie schneidet viel- Mikroskopie beweisen. mehr die optische Achse im Knotenpunkt K, Wir betrachten die wichtigsten AbbilDessen Entfernungen zu den Brennpunkten dungsfehler im einzelnen, und zwar zuerst sind KF^ = /2 und KF2 = / i . die beiden Fehler, die bereits bei der AbbilDas gilt auch fur Immersionslinsen. Diese dung eines achsennahen Punktes auftreten. haben zwei Hauptebenen (Abschn. 7.2.4), und aus den beiden Brennpunkten leiten sich 7. Sphdrische Aberration (Offnungsfehler), zwei Knotenpunkte ab mit K^Fx^fi und Lassen wir ein Parallelbiindel, das auch ^^2^2 = /!. Knotenpunkte und Hauptpunkte Strahlen in einem groBeren Abstand von der fallen nur zusammen f u r / i = / 2 , d.h. falls Achse enthalt, auf eine Linse auffallen und rix = A22ist. blenden einige Teilbundel aus, so zeigt sich, Brenn-, Haupt- und Knotenpunkte werden daB fur die auBeren der Brennpunkt naher auch als Kardinalpunkte eines optischen Sy- bei der Linse liegt als fiir die inneren. Die stems bezeichnet. Allgemein gilt fur die geo- einzelnen Linsenzonen haben unterschiedmetrische Bildkonstruktion, daB Parallel- liche Brennweiten, s. Abb. 7.31. Der Fehler und Brennstrahl an der Hauptebene abge- kann durch Kombination von verschiedenen knickt werden, die zum jeweils beteiUgten Linsen vermieden werden, sog. Aplanate. Brennpunkt gehort, wahrend der Strahl, der Das Ausblenden der auBeren Zonen durch auf den zugehorigen Knotenpunkt zielt, vom eine Iris dagegen ftihrt zwar zu scharfen, anderen parallel verschoben weiterlauft. aber viel zu dunklen Bildern, ist also keine technisch vertretbare Methode, den Off7.2.6 Abbildungsfehler. Mit einer einzigen nungsfehler zu beseitigen. Linse erhalten wir hinreichend scharfe Bilder nur fUr Gegenstandspunkte, die von der Lin- 2. Chromatische Aberration (Farbfehler), se gesehen unter einem kleinen Winkel zur Da die Brechzahl des Glases fUr violettes optischen Achse liegen. Als weitere Bedin- Licht groBer ist als fiir rotes, wird das weiBe gungen dafiir mtissen auBerdem alle abbilden- Licht zerlegt, wobei der Brennpunkt fiir Vioden Strahlen unter kleinen Winkeln zur opti- lett Fv naher an der Linse liegt als der fiir Rot schen Achse verlaufen und nicht sehr weit Ff, s. Abb. 7.32. Daher besitzt jedes von entfernt von ihr durch die Linse treten. Die einer einfachen Linse entworfene Bild farbipraktische Optik fordert aber ein groBes Ge- ge Rander. Dieser Fehler laBt sich durch sichtsfeld, d. h. die scharfe Abbildung auch Kombination einer konvexen Kronglaslinse von weit nach der Seite hin liegenden Objek- mit einer KonkavUnse aus FHntglas im sog. ten. AuBerdem wird groBe Lichtstarke ge- Achromaten beheben (vgl. auch den in Abb. wiinscht, und dazu benotigt man auf jeden 7.48 wiedergegebenen Apochromaten). DieFall groBflachige Linsen und muB mit weit ses Linsensystem wirkt nach demselben Pringeoffneten Bundeln abbilden, deren Strahlen zip wie das schon in Abschn. 7.1.7 besproalso bei nahe Uegenden Objekten auch groBe chene achromatische Prisma, das eine AbWinkel mit der optischen Achse einschlie- lenkung des Lichtes ohne Dispersion ergibt. Ben. Dabei tritt eine Reihe von Abbildungsfehlern auf, die von der endlichen Dicke der i. Astigmatismus, Von einem weit auBerhalb Linsen, ihrer spharischen Begrenzung und der optischen Achse Uegenden Punkt P trefder spektralen Zerlegung des Lichtes in seine fen die Strahlen schief auf die Linse auf, s. Farben herriihren. Diese Fehler lassen sich Abb. 7.33. Versuchen wir einen solchen Gedurch Kombination von mehreren Linsen genstandspunkt durch ein enges Strahlenaus Glasern mit verschiedener Brechzahl und biindel abzubilden, so zieht sich sogar dieses Dispersion und geeignete Wahl der Kriim- enge Biindel im Bildraum nirgends zu einem

Abb. 7.31. Offnungsfehler

Abb. 7.32. Farbfehler

208

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre

Ebene, gebildet aus der Biindelachse (Einfallsrichtung) und der optischen Achse der spharischen Linse. Linsensysteme, bei denen dieser Fehler korrigiert ist, nennt man Anastigmate. Streng davon zu unterscheiden ist aber der Astigmatismus bei senkrechtem Einfall, der auf wirklich bestehenden Unterschieden in der LinsenkrUmmung beruht, z.B. beim menschlichen Auge (Abschn. 7.3.4). Abb. 7.33. Astigmatismus schiefer Bundel mit Angabe der Querschnitte des abbildenden Bundels

Abb. 7.34. Zylinderlinse. Vereinigung eines Parallelbiindels in der Bremilinie

Punkt zusammen, gibt also kein punktf5rmiges Bild. Wir beobachten lediglich an zwei hintereinander liegenden Stellen P[ und P^ Einschniirungen zu je einem kurzen Strich, die beide aufeinander senkrecht stehen. Diesen Linsenfehler bezeichnen wir als Astigmatismus schiefer BundeL Man spricht auch von zylindrischem Linsenf ehler, was folgendermaflen zu verstehen ist: Die Oberflachen einer Zylinderlinse sind Ausschnitte aus Kreiszylindern, also nur in einer Richtung geknimmt. Ein senkrecht auffallendes Parallelbiindel wird hinter ihr nicht in einem Punkte, sondern in einer Strecke vereinigt, der sog. Brennlinie F, die parallel zur Zylinderachse verlauft, s. Abb. 7.34. In deren Richtung selbst fehlt wie bei einer planparallelen Platte jede Bundelung. Kombinieren wir zwei Zylinderlinsen unterschiedlicher Brennweite, deren ZyUnderachsen senkrecht aufeinander stehen, so entstehen aus einem auffallenden Parallelbiindel dahinter in verschiedenen Ebenen zwei Bildstrecken, die den Zylinderachsen entsprechend aufeinander senkrecht stehen. Dasselbe beobachten wir bei einem Linsensystem aus Zylinderlinse und spharischer Sammellinse Oder auch bei einer einzigen Linse, die in zwei zueinander senkrechten Ebenen unterschiedlich stark gekriimmt, also nicht spharisch ist. Fur jede Zyhnderachse hat sie eine andere Brechkraft. Der Astigmatismus schiefer Btindel jeder einfachen spharischen Linse besteht danach darin, daB sie sich fur solche Bundel optisch so verhalt, als ob eine Zylinderlinse davorgeschaltet ware. Die Zylinderachse liegt in der

Aufgaben 7.2.1 Ein ParallelbUndel trifft auf eine dunne Sammellinse mit 20 cm Brennweite in Luft unter dem Winkel von 10° gegen ihre optische Achse. Wie weit ist sein Vereinigungspunkt in der Brennebene von der Achse entfernt? 7.2.2 Ein leuchtender 3 cm hoher Gegenstand befmdet sich in 80 cm Entfernung von einer Leinwand, auf der er mit einer Linse von 8 dpt abgebildet werden soil. Bei welchen Gegenstandsweiten a ist das mdglich? Wie hoch ist jeweils das Bild (5)? Bis zu welcher Entfernung d darf man den Gegenstand an die Leinwand heranrticken, damit mit dieser Linse noch ein Bild auf ihr entsteht? 7.2.3 Eine symmetrische BikonvexHnse aus Glas, d. h. i^a = ff,, s. Abb. 7.25, hat in Luft die Brennweite 12 cm, in Wasser {n = 1,333) eingetaucht aber 40 cm. Welche Brechzahl n hat das Glas? Wie grofi ist der Kriimmungsradius? 7.2.4 Mit einer diinnen Sammellinse in Luft beobachtet man bei einer Gegenstandsweite von 25 cm ein reelles Bild in 10 cm Entfernung. Wird eine weitere dunne Linse unmittelbar auf die Sammellinse gesetzt und die Gegenstandsweite nicht verandert, so betragt die Bildweite 20 cm. Wie grofi sind die BrechkrSfte D^ der SammeUinse und Di der Zusatzlinse? 7.2.5 Auf die ebene Grenzflache zwischen Luft und Glas {n = 1,55) fallt ein Lichtstrahl unter dem Einfallswinkel 20°. Um welchen Winkel wird er abgelenkt, wenn er a) aus der Luft, b) aus dem Glas einfallt? (vgl. /i und/2 in Abschn. 7.2.5). 7.2.6 Die Linse von Aufgabe 7.2.3 wird auf einer Wasseroberflache schwimmend gehalten, so dafi gerade die eine Kugelflache benetzt wird. Wie grofi ist jetzt die Brechkraft £)? Wie grofi sind die Brennweiten/j in Luft und/2 i^ Wasser?

7.3 Optische Instrumente

7.3 Optische Instrumente 7.3.1 Vorbemerkung iiber den Einflul) der Beugung und iiber die Biindelbegrenzung durch Blenden. Will man die Wirkung eines optischen Instrumentes verstehen und vor allem seine Leistungsfahigkeit beurteilen, so ist eine alleinige Betrachtung der geometrischen Bildentstehung, wie wir sie in Abschn. 7.2. besprochen haben, nicht ausreichend. Vielmehr mussen zwei weitere Umstande beachtet werden, namlich die Beugung des Lichtes und die Begrenzung der abbildenden Bundel durch Linsenfassungen und Blenden sowie durch die Pupille des Auges bei Instrumenten zur visuellen Beobachtung. L Einflufi der Beugung. Infolge der Welleneigenschaften des Lichtes kommt es an alien Offnungen eines optischen Instruments, z. B. an den Linsenfassungen, zu einer Beugung des Lichtes (Abschn. 7.4.4). Fallt auf eine Linse oder einen Hohlspiegel ein Parallelbiindel, so entsteht in der Brennebene nicht ein scharfer Punkt, sondern ein kleines leuchtendes Scheibchen, ein sog. Beugungsscheibchen, Bilden wir also z.B. zwei benachbarte Fixsterne ab, so erhalten wir als Bild zwei kreisformige Flecke, s. Abb. 7.35. Falls ihre Mittelpunkte zu dicht zusammenliegen, flieBen die Scheibchen ineinander, so daB die Sternbilder nicht mehr getrennt, d. h. nicht aufgelost werden. Damit also dabei zwei Sterne getrennt wahrgenommen werden kdnnen, muB der Winkelabstand, unter dem sie von der Erde aus gesehen werden, einen bestimmten Mindestbetrag iiberschreiten; das ist namlich auch der Winkel, den die beiden von ihnen kommenden Lichtbundel vor und hinter der Linse miteinander bilden. Mit wachsendem Durchmesser der Linse werden die Beugungsscheibchen kleiner. Das Auflosungsvermdgen, das ist die Fahigkeit des Instrumentes, zwei Objektpunkte zu trennen, wird also damit groBer. 2. Biindelbegrenzung durch Blenden. Die Durchmesser der Linsenfassungen und Blenden bestimmen nicht nur durch Beugung das Aufl5sungsverm6gen. Vielmehr beeinflussen sie durch die Art, wie sie die abbildenden Btindel begrenzen, auch weitere Eigenschaften des Bildes, wie seine Helligkeity Schdrfe und Perspektive, sowie

209 das Gesichtsfeld. Da eine ausfiihrliche Betrachtung dieser Zusammenhange den Rahmen dieses Buches uberschreitet, besprechen wir nur den gnindlegenden EinfluB von Blenden auf die Helligkeit und das Gesichtsfeld, s. Abb. 7.36.

Abb. 7.36. Gesichtsfeldblende BQ und Aperturblende B^

Vom leuchtenden Punkt P tritt das eingezeichnete Bundel durch die Linse und erzeugt das Bild P'. Die Helligkeit des Bildes P' ist naturhch um so grOBer, je grdfier der Durchmesser der Linse, genauer, je grdfler der Offnungswinkel 2u oder die Apertur des abbildenden Biindels ist. Die Linsenfassung ist daher die fiir die Helligkeit maBgebende Blende, wir nennen sie die Aperturblende. Durch eine zusatzliche Iris B^, unmittelbar davor oder dahinter, kann sie noch eingeengt werden. Eine vOUig andere Wirkung hat die Blende BQ in der Bildebene. Fiir einen Beobachter, der das ganze Bild von weiter rechts betrachtet, begrenzt sie das Gesichtsfeld, wirkt also als Gesichtsfeldblende. Um zu erkennen, welcher Teil des Gegenstandes noch zu beobachten ist, bilden wir diese Blende BQ mit der Linse in die Gegenstandsebene als BQ ab. Nur von Punkten des Gegenstandes innerhalb dieser Iris Bf^ wird durch die Linse ein Bild in der Offnung BQ entworfen. Der Offnungswinkel 2 M und damit die Helligkeit des Bildes werden durch BQ nicht beeinfluBt. Eine Blende an anderen Stellen als den eingezeichneten wirkt sowohl als Helligkeits- als auch als Gesichtsfeldblende, dazu noch derart, daB die Helligkeit zum Rande des Gesichtsfeldes hin abfallt. Das Bild hat keinen scharfen Rand mehr. Eine solche Blende wird man daher niemals zusatzlich anbringen; falls sie in einem optischen Instrument von vornherein vorhanden ist, baut man haufig noch eine Gesichtsfeldblende ein, die einen scharfen Bildrand sicherstellt, s. z.B. Abb. 7.47. Die Gestalt der wirkhch vorhandenen und zur Bilderzeugung ausgenutzten LichtbUndel wird ganz allgemein fiir jedes optische Instrument durch die sog. Pupillen bestimmt. Darunter versteht man einen Querschnitt, in dem alle ausgenutzten Lichtbundel die gleiche Flache bedecken. Das ist bei der einen Linse in Abb. 7.36 die Blende 5^. Enthalt das Gerat aber mehrere Linsen und zus^tzliche Blenden, so konstruiert man von alien Blenden die reellen und auch virtuellen Bilder, die durch die einzelnen Linsen in beiden Richtungen der optischen Achse entworfen werden. Wie wir eben besprochen haben, sind kOrperhche Blenden und deren Bilder vOUig

Abb. 7.35. Beugungsscheibchen begrenzen das Aufl6sungsverm0gen eines Instruments

210 gleichwertig. Die Blende zwischen Gegenstand und erster Linse, die vom Objekt aus unter dem kleinsten Winkel erscheint, ist die Eintrittspupille, ihr vom optischen System hinten entworfenes Bild die Austrittspupille. Soweit wie mdglich bringt man bei subjektiver Beobachtung die Augenpupille an den Ort der Austrittspupille des Instrumentes, z.B. beim Mikroskop oder beim astronomischen Fernrohr.

7.3.2 Photoapparat. Eine Sammellinse, das sog. Objektiv, entwirft ein reelles, umgekehrtes, verkleinertes Bild, das auf einer Mattscheibe oder einem Film aufgefangen wird. Bei Fernaufnahmen, d.h., wenn die Gegenstandweite a sehr viel grdfler als die Brennweite / ist, entsteht das Bild in der Brennebene, so daB bei Scharfeinstellung der Brennpunkt auf dem Film liegen muli (Einstellung oo). Dagegen steigt die Bildweite b bei Nahaufnahmen, wenn also die Gegenstandsweite kleiner wird, nach dem Abbildungsgesetz mit b=fa/(q-f) an (Abschn. 7.2.2). Entsprechend ist das Objektiv nach vorn zu verschieben; der mechanische Balgauszug, bzw. der Schneckengang, begrenzt diese Einstellung und damit auch die fiir Nahaufnahmen ausnutzbare Entfernung. Da zu einer bestimmten Gegenstandsebene im Raum eine feste Bildebene gehort, kann immer nur eine einzige Ebene scharf abgebildet werden. Die im Raume weiter hinten Oder vorne liegenden Gegenstande erscheinen auf dem Film unscharf. Unser Auge vermag aber wegen seines begrenzten Auflosungsvermogens (Abschn. 7.3.4) eine gewisse Unscharfe in der Abbildung gar nicht zu erkennen, und auf dem Film ist die Auflosung ohnehin durch die KorngroBe begrenzt. So konnen wir in der Praxis auch von Objekten, deren Telle in verschiedenen Gegenstandsweiten liegen, fur das Auge noch gute Bilder in einer Ebene entwerfen. Je tiefer der raumUche Bereich ist, der gleichzeitig gentigend scharf abgebildet werden kann, um so groOer ist die sog. Tiefenschdrfe, richtiger Scharf entiefe, Diese hangt nicht von der Gtite des Objektivs, sondern nur von der relativen Offnung, d.h. dem Verhaltnis des abbildenden Durchmessers der Linse d zu ihrer Brennweite/ab.

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre Fur einen naher liegenden Gegenstandspunkt fallt das Bild hinter die Brennebene, z. B. in den Punkt P' im Abstande e hinter der Brennebene, s. Abb. 7.37a. Befindet

Abb. 7.37 a, b. EinfluB der relativen Offnung auf die Tiefenscharfe (a) und die Helligkeit (b)

sich bei einer Femaufhahme der Film in der Brennebene, so erhalten wir von einem Gegenstandspunkt im Vordergrund darauf keinen scharfen Bildpunkt, sondern einen Kreis vom Durchmesser d. Ist d der Durchmesser der Blende Bl, so gilt S/d=e/(e+f), bzw. solange e klein gegen die Brennweite ist, 6-ed/f. Der Kreis der Unscharfe wird um so kleiner, je enger wir die Blende wahlen und je langer die Brennweite ist. Man gibt daher die GroBe der „Offnung" eines Photoapparates stets als Quotient d^fan, z.B. 1:6,5. Eine groBe Scharfentiefe geht aber auf Kosten der Helligkeit des Bildes. Aus Abb. 7.37b erkennen wir sofort, daB die von der leuchtenden Flache 5 in das Objektiv fallende Lichtleistung um so grGBer ist, je grdBer der Winkel lu des abbildenden Biindels bzw. die Flache nd^/At der Blende ist. Die Helligkeit des Bildes ist auBerdem umgekehrt proportional zur BildflSche B^ = {G/afb^, wobei im Photoapparat b etwa gleich/ ist. So wachst die Bildhelligkeit als Lichtleistung pro Flacheneinheit des Bildes mit {d/ff, verhalt sich also umgekehrt wie die Schdrfentiefe. Durch geeignete Kombination mehrerer Linsen kann man gut zeichnende Objektive bis zu einer relativen Off-

7.3 Optische Instrumente nung d:f=\:l herstellen. Je gr6Ber d/fisi, um so sorgfaltiger muB man jedoch scharf einstellen. Das Photographieren mit billigen, lichtschwachen Apparaten bei ausreichender Beleuchtung ist daher viel einfacher.

7.3.3 Projektor. Der Bildwerfer oder Projektionsapparat soil von einem Dia ein stark vergroBertes, lichtstarkes und weithin sichtbares Bild (Horsaal, Kino) entwerfen. Dazu muB das Dia so intensiv wie moglich beleuchtet werden, und zwar so, daB die durchtretenden Lichtbundel auch zur Abbildung beitragen. Deshalb benutzt man zur Beleuchtung ein meist aus zwei Plankonvexlinsen bestehendes System, den sog. Kondensator K, s. Abb. 7.38. Selbstverstandlich soil vom

Abb. 7.38. Projektionsapparat

ganzen Dia G ein reelles Bild auf dem Projektionsschirm S erscheinen. Deshalb mussen auch die Lichtbundel durch die Randpartien des Dias das abbildende Objektiv erreichen und durfen nicht seitlich vorbeilaufen. Das erreicht man am besten, indem man durch den Kondensor die Lichtquelle L (Bogen- Oder Metallfadenlampe) auf das Objektiv O abbildet. Die leuchtende Flache L wirkt hier als Eintrittspupille. Gegenstande, die man nicht durchleuchten kann, lassen sich mittels eines Episkops vergrdBert abbilden. Man beleuchtet z. B. eine horizontal liegende Buchseite mit Hilfe von Hohlspiegeln so intensiv wie mdglich und bildet diese mittels eines Umlenkspiegels und eines Objektivs ab. Da das beleuchtende Licht vom Papier teils absorbiert, teils diffus zerstreut wird, kann nur ein geringer Teil der auffallenden Strahlung bei der Abbildung ausgenutzt werden. Daher ist die episkopische Projektion viel lichtschwacher als die diaskopische. Man umgeht sie daher heute meist, nachdem transparente Folien auch von Buchseiten leicht herzustellen sind, die der Vortragende selbst auf die von unten beleuchtete Glasplatte eines sog. „Over head" Projektors legen kann. Dieser verdrangt auch die Wandtafel, indem

211 auf horizontal liegenden, verschiebbaren FoHen geschrieben wird.

7.3.4 Das Auge als optisches System. Unser Auge ist ein zusammengesetztes optisches System, s. Abb. 7.39. Das eindringende Licht passiert zuerst eine spharisch gekriimmte durchsichtige Haut, die Hornhaut Hy deren Dicke wir vernachl^ssigen. Dahin- Abb. 7.39. Das Auge ter liegt die sog. vordere Kammer K, die mit dem Kammerwasser gefullt ist. Dann kommt die bikonvexe, durchsichtige Linse L aus elastischem Material. Der Rest des Augapfels ist mit einer durchsichtigen Gallerte, dem sog. Glaskorper G, ausgefullt. Vor der Linse befindet sich die Regenbogenhaut oder Iris J mit der Pupille P. Die GrolJe der Pupille wird durch einen Muskel reguliert und der jeweiligen Beleuchtung angepalit (Adaption); sie wirkt also als Helligkeitsblende. Die lichtempfindliche Flache ist die Netzhaut (Retina), die als innerste Schicht des Augapfels unmittelbar an den Glaskorper angrenzt und auf der das reelle Bild des betrachteten Gegenstandes liegen mufl. Sie tragt die lichtempfindlichen Zapfen und Stabchen. An der Eintrittstelle des Sehnervs ist die Netzhaut unempfindlich, sog. blinder Fleck bF, Im allgemeinen stort dieser vor allem deshalb nicht, well er fur beide Augen an verschiedenen Stellen des Gesichtsfeldes liegt. Die Mitte der Netzhaut gegeniiber der Pupille, der sog. gelbe Fleck, enthalt die meisten Zapfen. Das Auge hat drei brechende Flachen, namlich die Hornhaut (Cornea) zwischen Luft und Kammerwasser und Vorder- und Hinterflache der eigentlichen Linse. Die Brechzahlen vom Kammerwasser und Glaskorper sind etwa gleich (/Zi = 1,336), wahrend die des Linsenmaterials mit Ai2= 1,437 groBer ist. Die Brechkraft des entspannten Auges betr^gt etwa 59 dpt, so dafl die Brennweiten nach vorn in Luft 17,05 mm und nach hinten im Glaskorper 22,78 mm sind (Abschn. 7.2.5). Die Brennweiten rechnen von den beiden Hauptpunkteriy die sehr eng benachbart etwa 1,35 mm hinter dem Scheitel der Cornea Uegen. Sie verschieben sich nur unwesentlich, wenn die Brechkraft sich durch Kriimmung

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre

212 der Linse Sndert, vgl. Aufgabe 7.3.3. Als Linsensystem mit beidseitig verschiedenen optischen Medien, Luft bzw. GlaskGrper, fallen die Knotenpunkte nicht mit den Hauptpunkten zusammen, sondern liegen um etwa 5,7 mm nach innen verschoben (Abschn. 7.2.5).

a

kurzsichfiges Auge A

1. Akkommodation, Brillen. Das normale, entspannte Auge ist auf unendlich eingestellt. Der bildseitige Brennpunkt fallt in die Netzhaut, so daB feme Objekte auf der Netzhaut scharf abgebildet werden. Beim Naherriicken der Gegenstande wiirde also bei einem starren Auge das Bild hinter die Netzhaut fallen. Durch Anspannung des CyliarMuskels vermag das Auge seine Linse starker zu krummen, so daB die Brechkraft steigt, der innere Brennpunkt sich nach vorn verlagert und das Bild wieder auf die Netzhaut fallt. Diese Einstellfahigkeit des Auges bezeichnet man als Akkommodation, Sie ist begrenzt. Das normale Auge vermag bis auf etwa 15 cm Gegenstandsweite, dem sog. Nahepunkt, zu akkommodieren. Erfahrungsgemafl ist aber eine Akkommodation ohne Ermiidung fiir langere Zeit nur bis auf etwa 25 cm mdglich, sog. konventionelle deutliche Sehweite, Beim kurzsichtigen Auge liegt auch im entspannten Zustand der Brennpunkt vor der Netzhaut, well der Augapfel verlangert oder die Cornea zu stark gekriimmt ist. - Der am weitesten entfernte Punkt, der gerade noch scharf abgebildet wird, der sog. Fernpunkt Ay Uegt nicht mehr im Unendlichen, s. Abb. 7.40a. Damit das Auge parallele Lichtbiindel auf der Netzhaut vereinigen kann, muB als Korrekturbrille eine Zerstreuungslinse eingeschaltet werden. Das weitsichtige Auge hat die Fahigkeit zum Akkommodieren ganz oder teilweise verloren, so daB der Nahpunkt weiter als 25 cm entfernt ist. Der Fehler wird durch eine Sammellinse als Lesebrille ausgeglichen, vgl. Abb. 7.40d. Sie ist beim Blick in die Feme abzunehmen. Ein weiterer haufiger Augenfehler ist der Astigmatismus, der bei zylindrischer, nichtspharischer Kriimmung der brechenden Flachen des Auges auftritt. Durch entgegengesetzt zylindrisch geschliffene Brillen, die in zwei Richtungen senkrecht zueinander verschiedene Krtinmiungsradien haben, kann

b

weiisichfiges Auge

c

kurzsichfiges Auge mif Brille

A

d

weifsichfiges Auge mif Briile

Abb. 7.40a- d. Kurz- und weitsichtiges Auge, ohne und mit Brille

man diesen Fehler ausgleichen. Zusammen mit dem Auge ergibt sich damit ein spharisches optisches System (Abschn. 7.2.6). 2. AuflOsungsvermOgen, Das Auge vermag zwei Objektpunkte Pi und P2» e^wa zwei benachbarte Millimeterstriche eines MaBstabes, nur dann getrennt zu sehen, wenn ihre Netzhautbilder auf verschiedene Zapfen fallen. Fur den Abstand der beiden Bilder ist der sog. Sehmnkel maBgebend. Darunter verstehen wir den Winkel £, den die von Pi und P2 nach der Mitte der Augenpupille zielenden Strahlen miteinander einschlieBen, s. Abb. 7.41. Verschieben wir das Stiick P1P2 weiter weg, so wird der Sehwinkel kleiner und schlieBlich so klein, daB die Bilder von Pi und P2 nicht mehr auf verschiedene Zapfen (Empfanger) fallen. Wird nur noch ein einziger Zapfen erregt, so haben wir die Empfindung von nur einem leuchtenden Punkt. Je dichter die Zapfen liegen, um so grdBer ist die Sehschdrfe oder das Aufld-

Abb. 7.41. Sehwinkel

7.3 Optische Instrumente

sungsvermdgen des Auges. Der Zapfenabstand ist mit 0,004 mm^ in der Mitte der Retina am kleinsten. Zwei Millimeterstriche werden also nur getrennt, wenn das Bild mindestens diese GroBe hat. Das bedeutet, daB der betreffende mm-MaBstab hdchstens 3 m vom Auge entfernt ist oder daB der Sehwinkel von einer Bogenminute nicht unterschritten wird.

213

Abb. 7.42. Netzhautbilder einer vierseitigen Pyramide im linken und rechten Auge 4Wnm

Abb. 7.44. Spektrale Empfmdlichkeit der rot-, grunund blauempfmdHchen Zapfchen

3. Rdumliches Sehen. Fur sich allein erzeugt jedes Auge ein einziges ebenes Bild. Anders ist es beim Sehen mit zy^ei Augen, das uns einen raumlichen Eindruck ver- Organe gleich stark erregt, so entsteht die Empfindung schafft. Betrachten wir einen Gegenstand, z. B. eine auf „weifi". Diese kann auch bei Erregung durch zwei Komdem Tisch stehende vierseitige Pyramide, symmetrisch plementarfarben (Abschn. 7.1.8) hervorgerufen werden. von oben, so sind die Bilder in beiden Augen verschie- Rotblindheit liegt vor, wenn die Elementarempfmdung den, s. Abb. 7.42. Beide Augen zusammen vermitteln Rot (Kurve R der Abb. 7.44) fehlt. In diesem Falle wird uns jedoch einen einheitlichen und kOrperlichen Ein- der langwellige Teil des Spektrums nicht wahrgenomdruck. Durch Vergrdfiern des Augenabstandes, z.B. men, und es fehlt das UnterscheidungsvermOgen flir robeim Prismenglas oder Scherenfernrohry wird der raum-tes und griines Licht. liche Eindruck noch verstarkt. Um mit Hilfe von Abbildungen rSumliche Eindriicke zu vermitteln, benutzt man das Stereoskop, s. Abb. 7.3.5 Die Lupe. Wir beurteilen die GrdBe ei7.43. In dieses legt man zwei Aufnahmen L und R von nes betrachteten Gegenstandes nach der Grodemselben Objekt, die von zwei verschiedenen Standpunkten aus aufgenommen sind. Die Halblinsen P^ und Be B seines Bildes auf unserer Netzhaut, P2 vermitteln von L und R zwei sich in D deckende vir- denn das ist schlieBlich das einzige, was er tuelle Bilder. Das linke Auge beobachtet L', das rechte uns objektiv vermittelt. Das Netzhautbild ist /?', also ein und dasselbe Objekt, aber aus verschiedenen bei einem kleinen Objekt dem Sehwinkel e Richtungen gesehen. So entsteht wie beim unmittelbaren proportional, vgl. Abb. 7.41. Beobachten ein raumhcher Eindruck. Nach dem Abbildungsgesetz gilt B = {G/a){b/n), mit 4. Farbsehen. Auf der Netzhaut befinden sich zwei Ar- dem inneren Augenabstand b und der Brechzahl n des ten von lichtempfindlichen Organen. Die einen, die Glaskdrpers. Die GrdBe des Netzhautbildes ist also fUr Zapfen, sind farbenempfindlich und dienen zum Sehen jedes Auge proportional G/a - 2tane/2, bzw. fiir kleine Winkel e ergibt sich G/a « e. bei hellem Licht. Die anderen, die Stabchen, sind zwar viel empfindlicher und dienen daher zum Sehen im DunVon einem Gegenstand auf der Erde verkeln, vermOgen aber keine Farben zu unterscheiden. Im Tageslicht sind sie infolge Obererregung ausgeschaltet. groBern wir Sehwinkel und Netzhautbild, in-

dem wie naher herangehen. Das hat aber seine Grenze im Nahpunkt, weil das Auge in kiirzerer Entfernung nicht mehr akkommodieren kann (Abschn. 7.3.4). Andererseits verlangt das Aufl5sungsverm6gen des Auges, daB der Sehwinkel eine Bogenminute uberschreiten muB. In 25 cm Entfernung entEs gibt drei verschiedene Arten von farbempfindli- spricht dem ein Abstand zweier Punkte von chen Organen. Die rotempfindliche Zapfengruppe absorbiert am starksten bei etwa 580 nm, die griinempfmd- etwa 0,07 mm. Das ist also die kleinste liche vor allem bei 540 nm und die dritte, blauempfindli- Struktur, die wir mit bloBem Auge ohne Erche bei noch kurzwelligerem Lichte von etwa 440 nm miidung noch erkennen konnen. Vakuumwellenlange, vgl. Abb. 7.44. Werden alle drei Optische VergrdBerungsinstrumente haben die Aufgabe, den Sehwinkel zu vergro^ Eine grOBere Dichte der Zapfen wurde wirkungslos fiern, ohne daB das Netzhautbild unscharf sein, da dann die Beugung an der Pupille die Sehscharfe begrenzen wtirde. Diese Beugung begrenzt wird. Daher verstehen wir unter der Gerdtevergrdfierung das Verhaltnis der Sehwinkel praktisch das AuflOsungsvermdgen nur bei engster Pupille, also z.B. in grellem Sonnenlicht. mit und ohne Instrument.

Das Licht bewirkt in den Zapfen und Stabchen chemische Umwandlungen. Da diese zum Abklingen eine bestimmte Zeit benOtigen, zeigen Lichteindriicke eine gewisse Nachwirkung. Darauf beruht die Tatsache, dafi intermittierende Lichtreize, die schnell genug (15-25 mal in der Sekunde) aufeinanderfolgen, als kontinuierliches Licht empfunden werden (Fernsehen, Kino).

Abb. 7.43. Stereoskop

214

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre Abb. 7.45. Virtuelles Bild bei der Sammellinse

}

Abb. 7.46 a, b. Sehwinkel £25 mit unbewaffnetem A^ge (a) und e mit Lupe (b)

-'

r-

Als Lupe verwenden wir eine einfache halb der einfachen Brennweite der Lupe liegen, so daB Sammellinse in der Weise, daB vom betrach- ein virtuelles Bild in 25 cm Abstand vom Auge entsteht. Dann fuhrt eine entsprechende Uberlegung zu einer etteten Gegenstand ein virtuelles Bild entsteht, was anderen Vergr6Berung, namlich V=\-¥s/fy falls s. Abb. 7.45. Dessen absolute GroBe ist aber die Lupe unmittelbar vor dem Auge steht. Anderenfalls nicht entscheidend, sondern wieder der Seh- ist Kkleiner. Die VergrGBerung einer Lupe wachst mit ihrer Brechwinkel, unter dem das Auge es betrachten kann. Ein geubter Beobachter benutzt eine kraft 1//. Ihr ist praktisch jedoch dadurch eine Grenze daB die Linse schlieBlich zu stark gekrtimmt Lupe und ebenso ein Mikroskop mit mog- gesetzt, wird, vgl. Abschn. 7.2.3. Sie wird zu klein, und die Ablichst entspanntem, d. h. auf groBe Entfer- bildungsfehler machen sich zu stark bemerkbar. Fiir nung eingestelltem Auge. Deshalb bringen mehr als etwa 30fache VergroBerung benutzt man daher wir das Objekt G in die Brennebene der vor- ein zusanunengesetztes optisches System, das Mikrogesetzten Lupe. Das durch sie entstehende skop. aufrechte, virtuelle Bild fallt dann ins Unendliche. Die von den einzelnen Gegen- 7.3.6 Das Mikroskop. L Abbildungen im standspunkten ausgehenden Lichtbundel ge- Lichtmikroskop, Das Mikroskop besteht aus langen als Parallelbtindel ins Auge und wer- zwei abbildenden optischen Systemen, dem den von dem auf unendlich eingestellten Au- Objektiv und dem Okulan Sie befinden sich am unteren bzw. oberen Ende eines Rohres, ge auf der Netzhaut vereinigt. Der Sehwinkel mit Instrument betragt in des sog. Tubus, der zur Vermeidung von dieser Anordnung e, = G//, s. Abb. 7.46. Da- Lichtreflexen innen schwarz lackiert ist. Die fiir ist es gleichgiiltig, in welcher Entfernung einander zugewandten Brennpunkte beider sich das Auge innerhalb des ParallelbUndels Systeme haben einen Abstand t von etwa 20 hinter der Lupe (Leseglas) befindet. Wenn es cm, der als optische Tubusldnge bezeichnet allerdings dieses Bundel verlaBt, sieht es wird. D21S Objektiv entwirft von einem kurz aunicht mehr die Spitze des Objektes G, zu der das Bundel gehort; das Gesichtsfeld wird Berhalb der Brennebene liegenden Gegendurch den Lupenrand eingeengt. Als Sehwin- stand ein stark vergroBertes, reelles Bild, das kel ohne Instrument nimmt man hier den sog. Zwischenbild, Dieses wird vom Auge giinstigsten Fall, namlich £25 = G/s mit durch das Okular betrachtet, das als Lupe s = 25 cm. Die VergrOfierung V einer Lupe dient. Beobachten wir mit entspanntem Auge, so miissen wir das ganze Mikroskop in ist daher definiert als eine solche Entfernung vom Gegenstand stellen, daB das vom Objektiv entworfene reelle F= (7.12) Zwischenbild in die Brennebene des Okulars ^25 fallt. Natiirlich kann man auch mit auf deutliche Sehweite eingestelltem Auge beobachEine vorgegebene Linse mit der Brennweite/ ten. Dann muB das reelle Zwischenbild inhat dann als Lupe die VergrdBerung nerhalb der Brennweite des Okulars liegen, derart daB das zugeh6rige virtuelle Bild in K=^. (7.13) die deutliche Sehweite des Auges fallt, das / unmittelbar uber dem Okular sich befindet. Als Vergrqfierung V des Mikroskops beFiir ein nicht auf unendlich, sondern auf deutliche zeichnen wir wie bei der Lupe das Verhaltnis Sehweite akkommodiertes Auge muB das Objekt inner-

7.3 Optische Instrumente

215

der Sehwinkel V = e/eis (e mit Mikroskop und £25 "lit bloBem Auge in 5 = 25 cm Entfernung, vgl. Abschn. 7.3.5). Sie setzt sich hier zusammen aus der vom Objektiv Kj und der vom Okular V2 zu: F=FrF2= —. —. /i

(7.14)

fi

t ist die Tubuslange (s. o.), fi die Brennweite des Objektivs, /2 die vom Okular.

Teilbiindel, die von B ausgehend gezeichnet sind, tauschen namlich zwischen den Linsen K und A ihre Position zur Linsenachse. Das Teilbundel, das K weiter entfernt von der Achse durchsetzt, lauft in A mehr innen und umgekehrt.

Die Augenlinse A erzeugt vom reellen Bildt B" C" ein virtuelles Bild, das bei der in Abb. 7.47 gezeichneten Einstellung im Unendlichen liegt. Von jedem seiner Punkte trifft ein Parallelbiindel auf das Auge des Beobachters. Am Ort des reellen Zwischenbildes B"C" kann man ftir Meflzwecke ein Fadenkreuz Oder eine durchsichtige Skala (Okularmikrometer) anbringen. Ferner befindet sich in dieser Ebene eine Blende, die sog. Gesichtsfeldblende G, die ein gleichmaflig helles und scharf begrenztes Gesichtsfeld liefert.

Beweis. Das Objektiv hat die LinearvergrSBerung B/G = b/a = {b -f^ )//i = t/f^, weil b=f^ + t ist. Das Zwischenbild betrachtet man mit entspanntem Auge durch das Okular unter dem Sehwinkel e = B/fjy wahrend der Gegenstand in der Entfernung s unter dem Winkel £25 = ^^^ erscheint. Daraus folgt e/e25 = {ts)/{fj2). Die Brennweiten der Objektive Hegen ftir gewohnlich zwischen 40 und 2 mm, d. h. V^ liegt bei einer Tubuslan- Wahrend das Okularsystem nur von engen Biindeln ge / = 20 cm zwischen 5 und 100, ftir die Okulare wird durchsetzt wird, gelangen in das Objektiv weit geOffnete Strahlenkegel. Um die Abbildungsfehler zu kompensieV2 zwischen 4 und 25 gewShlt. ren, muB man daher das Objektiv aus mehreren Linsen, Den Verlauf der LichtbUndel im Mikro- die aus verschiedenen Glassorten bestehen, zusammenskop zeigt die Abb. 7.47, die der Ubersicht- setzen, s. Abb. 7.48. Sie zeigt einen sog. Apochromaten, der aus 10 Einzellinsen besteht.

lichkeit wegen breiter als der Wirklichkeit entsprechend gehalten ist. Ftir den Objektpunkt B ist das ganze abbildende Strahlenbiindel, ftir den Objektpunkt C nur der Mittelpunktstrahl eingezeichnet. Das Objektiv O ist als einfache Linse dargestellt, obwohl es in Wirklichkeit aus mehreren Einzellinsen besteht. Als Okular dient meist das sog. Huygenssche Okular, das aus zwei Linsen, der Feldlinse (Kollektiv) K und der Augenlinse A besteht. Durch die Feldlinse wird vor allem das Gesichtsfeld des Mikroskops betrachtlich vergrofiert. Ohne Feldlinse K entwirft das Objektiv vom Gegenstand das Zwischenbild B'C. Das sehr enge Lichtbtindel durch B' gelangt jedoch nicht in die Augenpupille AP, vgl. Abb. 7.47. Selbst wenn die Augenlinse/1 groB genug ware, gelange dies nicht. Ftigt man aber noch vor der Ebene B'C die Feldlinse K ein, so wird das abbildende Lichtbiindel so geknickt, daB es durch die Augenlinse A in die Pupille AP gelangt. Die Augenlinse ist vor allem fur die VergroBerung des Okulars maBgebend. Die geringe Abnahme der GrdBe des jetzt erzeugten Bildes B"C" gegeniiber B' C ist unwesentlich und kann durch ein starker vergr6Berndes Objektiv leicht ausgeglichen werden. AuBerdem lassen sich durch diesen Aufbau die Abbildungsfehler von spharischer und chromatischer Aberration im Okular beheben (Abschn. 7.2.6). Die beiden

Abb. 7.47. LichtbundelimMikroskop bei Beobachtung mit entspanntem Auge

2. Aufldsungsvermdgen, Wir woUen hier nur zwei selbstleuchtende Punkte im Objekt betrachten, um Begriff und GroBe des Auflosungsvermogens eines Mikroskops zu verstehen. Das Ergebnis gilt auch fiir zwei Punkte im beleuchteten Praparat, nur sind dort die Einzelvorgange sehr viel verwickelter, vgl. Abschn. 7.4.4. Wir wissen bereits, dali von einem Objektpunkt durch Beugung des Lichtbtindels am Rand des Objektivs in der Bildebene ein Beugungsscheibchen entsteht (Abschn. 7.3.1). Der geringste Abstand, den zwei Punkte Abb. 7.48. Apochromat im Objekt haben durfen, damit ihre Beugungsscheibchen sich nicht zu einem einzigen, unstrukturierten Fleck uberdecken, betragt (7.15)

^min ~ •

nsinu n sinw nennt man auch numerische Apertur des Mikroskops. Dabei ist n die Brechzahl des Mediums zwischen Objekt und Objektiv und u der halbe Offnungswinkel des abbildenden Lichtbtindels, s. Abb. 7.49. - Da Abb. 7.49. Zur numerischen Apertur

216

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre

sinu hochstens 1 werden kann, ist der kleinste Abstand zweier Objektpunkte oder der Durchmesser des Teilchens, das im Mikroskop noch gesehen werden kann, ungefahr gleich der Wellenlange des Lichts. Mit Luft (n = 1) zwischen Objekt und Objektiv ist bei weiUem Licht also etwa 0,5 ^m. Der Kehrwert 1/rfmin gibt an, wieviel getrennte Strukturpunkte auf der Langeneinheit im betrachteten Gegenstand hochstens zu erkennen sind, und wird als Auflosungsvermogen des Mikroskops bezeichnet. Um eine optimale Auflosung zu realisieren, mussen aber die Lichtbundel, die das Praparat durchstrahlen, den Offnungswinkel 2u des Objektivs vol! ausfiillen. Dazu dient ein Beleuchtungsapparat oder Kondensator, s. Abb. 7.50. Er bildet die Lichtquelie

Endbild

Abb. 7.50. Schematische Gegentiberstellung von Elektronen- und Lichtmikroskop nach r. Ardenne

auf das Objekt ab und sorgt damit auch fiir ausreichende Bildhelligkeit. Zur Abschatzung des AuflGsungsvermOgens (7.15) woUen wir folgendes hinzufugen: Der Durchmesser S des Beugungsscheibchens steigt mit der Bildweite b

und mit dem Verhaltnis XQ/R (Wellenlange/Radius der Linsenoffiiung). Zu S gehort nach dem Abbildungsgesetz der geometrischen Optik (Abschn. 7.2.5) im Gegenstand mit der Gegenstandsweite a eine Strecke d = (S . a)/{n • b). Dann ist, die oben besprochene Abhangigkeit von 6 beriicksichtigt, d proportional (/o/n) • (a//?), und dasselbe gilt fiir Jmin- Die nahere wellenoptische Betrachtung liefert statt R/a den Wert sin u. Zur VergrGBerung der numerischen Apertur n • sinw dienen Immersions sysieme. In ihnen ftillt man den Raum zwischen der Frontlinse des Objektivs und dem Praparat, das gewOhnlich durch ein Deckglas geschutzt ist, mit einer Fliissigkeit von hoher Brechzahl n, z.B. Zimt5l oder Bromnaphthalin. Immersionsmikroskope haben numerische Aperturen bis etwa 1,4. Die fiir die GroBe des Beugungsscheibchens maBgebende Wellenlange betragt bei ihnen AQ/II (/Q Vakuumwellenlange). ^ Beim Mikroskop wird man die Vergrofierung zweckmaBigerweise nur so weit treiben, bis die vom Objektiv noch getrennten Objektpunkte dem Auge unter einem Sehwinkel erscheinen, unter dem es sie ohne Anstrengung trennen kann. Jede dariiber hinausgehende VergroBerung ist nutzlos oder „leer". Die Steigerung der VergroBerung ist zwar nicht grundsdtzlich begrenzt, sie fiihrt aber zu inuner lichtschwacheren Bildem, weil dieselbe Lichtieistung auf immer groBere Bildflachen verteilt wird. So ist ihr eine praktische Grenze gesetzt.

3. Elektronenmikroskop, Einen entscheidenden Fortschritt im Aufldsungsvermogen gegeniiber dem Lichtmikroskop bringt das Elektronenmikroskop. Wir haben schon in Abschn. 6.5.4 davon gesprochen, daB man ein von einem Punkt ausgehendes Elektronenstrahlbundel durch rotationssymmetrische elektrische oder magnetische Felder, die als Linsen wirken, wieder in einem Punkt vereinen kann. Dabei gelten Abbildungsgleichungen, die denen der geometrischen Optik weitgehend entsprechen. In Abb. 7.50 sehen wir den schematischen Aufbau eines Elektronenmikroskops mit magnetischen Linsen und zum Vergleich den des Lichtmikroskops. Das Elektronenmikroskop liefert ein reelles Endbild. (Deshalb wurde das analoge Modell mit Licht gegeniiber dem gebrauchlichen Lichtmikroskop in Abb. 7.50 abgeandert.)

Mit sichtbarem Licht und symmetrischer Beleuchtung kann man Strecken dj^^^ von etwa 320 nm aufldsen. Wird das Praparat schief beleuchtet, sinken die auflOsbaren Strecken, wie hier nicht nSher begriindet werden kann, auf 160 nm, mit UV-Licht bis etwa 100 nm. Ultramikroskop s. Abschn. 7.4.4.

7.3 Optische Instrumente

217 Abb. 7.51. Oxidabdruck von geatztem Aluminium; VergrOBerung 5000 nach Mahl 1 ^ = 1 ^im

Abb. 7.52. Stabchen des Tabakmosaikvirus; Vergrdfierung 80000 nach Schramm 1 n = 1 ^m

Die Ahnlichkeit zwischen der Licht- und Elektronenoptik geht aber noch weiter. Auch bei Elektronenstrahlen tritt Beugung auf, d. h. bewegte Elektronen zeigen bei geeigneter Beobachtungsweise auch Welleneigenschaften (Abschn. 7.6.5). Daher gelten unsere obigen Uberlegungen auch fiir das Aufldsungsvermdgen des Elektronenmikroskops. Die Wellenlange der einem Elektron zugeordneten Welle hangt nach der Bezie-

hung A = 1,23/l/f/ [nm] {U ist die beschleunigende Spannung in Volt) von seiner Geschwindigkeit ab und ist um viele Grdflenordnungen kleiner als die des sichtbaren Lichtes. Fiir eine Spannung von 75 kV wird X = 4,47 -10"^ nm. Da man bei ausreichender Apertur Strukturen von den Abmessungen der benutzten Wellenlange aufldsen kann, wtirde man zunachst erwarten, Atome sehen zu kdnnen. Dieses Aufldsungsvermd-

218

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre Abb. 7.53. Bundelverlauf im astronomischen Fernrohr

gen ist aber nicht zu erreichen, weil sich beim Elektronenmikroskop, vor allem infolge der Abbildungsfehler, nur ganz geringe Aperturen verwenden lassen. Immerhin erreicht man eine Auflosung bis zu etwa 0,5 nm, so daB man Kristallitgefuge, groBe Eiweifimolekiile, Viren u.dgl. sichtbar machen kann, vgl. Abb. 7.51 und 7.52.

d. h. gleich dem Verhaltnis der Brennweiten von Objektiv und Okular. Die Fernrohrlange / ist im wesentlichen gleich der Summe der Brennweiten/i-1-/2 von Objektiv und Okular. Die Helligkeit (Beleuchtungsstarke) des Netzhautbildes von fldchenhaften Gegenstanden ist mit und ohne Fernrohr dieselbe, da die Zunahme der ins Auge eintretenden 7.3.7 Das Fernrohr. Das Fernrohr hat die Lichtleistung durch die VergrdBerung des Aufgabe, von weit entfernten Gegenstanden, Netzhautbildes ausgeglichen wird. Es ist undie nicht nahergeruckt werden kdnnen, den moglich - dieser Satz gilt ganz allgemein - , Sehwinkel zu vergrdjiern. Ein Fernrohr be- die Helligkeit des Augenbildes eines ausgesteht wie das Mikroskop aus einem Objektiv dehnten Objektes durch Einschalten eines und einem Okular. Beim astronomischen optischen Instrumentes zu erhohen. UnabOder Keplerschen Fernrohr entwirft das Ob- hangig davon steigert ein Fernrohr in der jektiv (Achromat mit langer Brennweite) Dunkelheit das Unterscheidungsvermogen, vom Objekt ein reeiles umgekehrtes Bild, das was auf einen EinfluB der BildgroBe hinmit dem als Lupe wirkenden Okular betrach- weist. tet wird, s. Abb. 7.53. Das Objekt AB moge Wir diskutieren die Helligkeit eines Fernrohrbildes sehr weit entfernt liegen und unter dem Win- noch etwas ausfiihrlicher: Der Durchmesser eines von kel £o gesehen werden. Das vom Punkte A einem leuchtenden Flachenstiick ausgehenden Parallelkommende Parallelbiindel wird in der strahlenbundels, das durch die Objektivflache tritt, wird zwar durch das Fernrohr im Verhaltnis/2//i verkleiBrennebene des Objektivs zum Bilde A' ver- nert, s. Abb. 7.54. In die Augenpupille gelangt daher, einigt (von B ist nur der Hauptstrahl gezeich- wenn das Instrument vorgeschaltet ist, eine im Verhaltnet). Fallen die Brennebenen von Objektiv nis fx/fl erhOhte Lichtleistung. Da aber die Abmessunund Okular zusammen, so gelangen die ab- gen des Netzhautbildes proportional der VergrdBerung wachsen, ist die Helligkeit des Netzhautbildes, bildenden Bundel als Parallelbundel ins Au- /1//2 d. h. die Lichtleistung pro Flacheneinheit, mit und ohne ge, das also auf unendlich eingestellt sein Fernrohr gleich. Erst wenn das aus dem Okular austremuB. tende Bundel die Pupille des Auges nicht mehr ganz ausOhne Fernrohr wiirde das Auge das Ob- fuUt, weil die Flache des Objektivs zu klein ist, wird die vermindert. jekt, z.B. die Mondscheibe, unter dem Win- Helligkeit Bei punktfdrmigen Objekten ist die Situation anders. kel ^o sehen; mit Fernrohr gelangen die von Auch mit einem Fernrohr entsteht von einem Fixstern A und B herkommenden Strahlen unter dem kein Bild im Sinne der geometrischen Optik, sondern Winkel e, ins Auge. Die VergroBerung des nur ein Beugungsscheibchen. Es hat aber wegen des sehr kleinen Verhaltnisses Wellenlange/Objektivradius, vgl. Fernrohres ist^ —

r

^0

J

(7.16a)

fl

Die Strecke A'B' betragt sowohl /^EQ als auch /jC. Um letzteres einzusehen, ziehe man von A' und B' die Mittelpunktstrahlen durch das Okular. Sie schlieBen den Winkel e ein.

Abschn. 7.4.4.2, so winzige AusmaBe, daB es bei normaler OkularvergrdBerung kaum einen Zapfen der Retina vom Beobachter bedeckt. Dieser sehr groBe Reiz fiihrt dazu, daB man mit einem gentigend vergrbBernden Fernrohr am hellen Tage die Sterne sehen kann. Fernrohre groBer Lichtstarke und mit groBem AuflosungsvermGgen fur astronomische Zwecke werden heute nur noch als Spiegelteleskope gebaut, bei denen das reelle Bild mit Hilfe von Paraboloidspiegeln mit Durchmessern bis zu mehreren Metern erzeugt wird.

7.3 Optische Instrumente

219

Abb. 7.54. Zur Helligkeit eines Fernrohrbildes

Die Bildumkehr vermeidet das Galileische Oder hollandische Fernrohr, das als Opernglas bekannt ist. Ehe die von einem Objektpunkt kommenden Strahlen sich zu einem reellen Bild vereinigen, wird das konvergierende Lichtbundel beim Durchgang durch eine Zerstreuungslinse, deren hinterer virtueller Brennpunkt F mit dem des Objektivs zusammenfallt, zu einem Parallelbiindel, s. Abb. 7.55. Die VergrolJerung des Sehwinkels

£o

fi

(7.16b)

Abb. 7.55. Bundelverlauf im hoUandischen Fernrohr

ist wieder durch das Verhaltnis der beiden Brennweiten gegeben. Da die abbildenden Strahlenbiindel von derselben Seite ins Auge gelangen wie ohne eingeschaltetes Instrument, erscheint das Bild aufrecht. Ein weiterer Vorteil ist die Kurze des Fernrohres, die durch /i -/2 bestimmt ist. Da die Zahl der Glasflachen sehr klein ist, haben wir auch geringe Lichtverluste durch Reflexion. Als Nachtglas ist das hollandische Fernrohr auch

heute noch unubertroffen. - Dagegen ist sein Gesichtsfeld verhaltnismaBig klein, weil die Lichtbundel von Objektpunkten, die auBerhalb der optischen Achse liegen, nicht wie beim astronomischen Fernrohr zur Augenpupille hingelenkt, vgl. Abb. 7.53, sondern im Gegenteil nach auflen weggelenkt werden, s. Abb. 7.55. Das Prismen-Femrohr ist im Prinzip ein astronomisches Fernrohr. Aber zwischen Objektiv und Okular werden in jedem der beiden Rohre die Lichtbundel zweimal umgelenkt, indem sie an zwei rechtwinkligen Prismen innen totalreflektiert werden, in jedem zweimal, vgl. Abschn. 7.1.6. Da die brechenden Kanten der Umkehrprismen jedes Rohres senkrecht aufeinander stehen, ist fur den Beobachter das Bild aufrecht und seitengleich, s. Abb. 7.56. Die Lange des Fernrohres kann auf fast ein Drittel der Lange f\ +/2 des gewohnlichen astronomischen Fernrohres verkiirzt werden, wodurch das Prismen-Femglas besonders handlich wird. Wegen der seitiichen Verschiebung der Biindel durch die Prismen kann man die Objektive weiter auseinander anordnen als die Okulare, bzw. unsere beiden Augen, und damit das raumliche Sehen (Abschn. 7.3.4), d.h. die Plastik des Bildes, erheblich steigem.

7.3.8 Spektrometer. Zur Untersuchung der Spektren benutzt man Spektrometer mit Prismen oder Beugungsgittern (Abschn. 7.4.3). Ein solches besteht im Prinzip, s. Abb. 7.57, aus dem KoUimatorrohr K mit dem in der Brennebene der Linse L^ liegenden Spalt S, dem Prisma P und dem astronomischen Fernrohr F, Das durch den Spalt S einfallende Licht gelangt in Parallelbundeln ins Prisma. Das Objektiv Li des Fernrohrs entwirft vom Spalt ein scharfes Bild in seiner Brennebene. Das zu untersuchende Licht enthalt Wellen mehrerer Frequenzen, von

Abb. 7.57. PrismenSpektrometer

Abb. 7.56. Prismenfernrohr

220

denen jede, der Dispersion des Prismenmaterials entsprechend, unter einem anderen Winkel das Prisma als Parallelbiindel verlaBt. So entsteht in der Brennebene ftir jede Frequenz ein anderes scharfes Spaltbild, eine Spektrallinie. Wir erhalten eine aneinandergereihte Folge von Spaltbildern B, ein Spektrum. Dieses wird durch das Okular O beobachtet Oder auf einen in die Brennebene gebrachten Schirm projiziert. Aufgaben 7.3.1 Das Objektiv eines Photoapparates hat 5 cm Brennweite und laBt sich aus der oo-Einstellung um 1,5 cm nach vorn verschieben. Wie weit mufi das Objektiv mindestens von einem Gegenstand entfernt sein, damit noch ein scharfes Bild auf dem Film entsteht? 7.3.2 Von einem 2,4 cm hohen Dia entwirft ein Projektor ein 50 cm hohes Bild auf eine Leinwand, die 3 m vom Dia entfernt ist. a) Wie groB ist die Brechkraft D^ seiner Linse? Welche Gegenstandsweite a^ ist einzustellen? b) Das Bild soil auf dem Schirm in derselben Entfernung 1,2 m hoch sein. Welche Brechkraft Dj muB die Vorsatzlinse haben? Wie groB ist jetzt die Gegenstandsweite ^2? 7.3.3 Das entspannte Auge hat eine Brechkraft von 59 dpt. Um wieviel muB sie sich andern, wenn das Auge auf einen Gegenstand in 25 cm Entfernung akkommodiert? 7.3.4 Eine Lupe vergrOBert bei Benutzung mit entspanntem Auge 4fach. Welche Brechkraft D hat die Linse? Welche Gegenstandsweite a^ muB eingestellt werden? Welche Gegenstandweite ^2 ist bei Akkommodation des Auges auf 25 cm Entfernung einzustellen (Augenpupille 2 cm hinter der Lupe)? Welche VergrOBerung V = e/e25 ^^^ sie dann? 7.3.5 Bei einer Tubuslange von 20 cm hat ein Mikroskop ein Objektiv mit Kj = 40 und ein Okular mit Vi = 20. Wie groB ist die GesamtvergrOBerung K? Welche Brennweiten haben Objektiv (/J) und Okular (fi)'^ Wie groB ist die einzustellende Gegenstandsweite a fUr entspanntes Auge? 7.3.6 Mit dem Mikroskop von Aufgabe 7.3.5 betrachtet man einen Faden von 3 um Durchmesser. Welche Dicke hat sein reelles Zwischenbild? Unter welchem Sehwinkel beobachtet ihn das entspannte Auge durch das Mikroskop? 7.3.7 Ein hoUandisches Fernrohr, vgl. Abb. 7.55, ist 8 cm lang (Abstand der beiden Linsen) und hat eine VergrdBerung von 2,5. Wie groB sind die Brechkrafte von Objektiv D^ und Okular Di'^

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre

7.4 Wellenoptik 7.4.1 Interferenzversuche mit koharentem Licht. Wie wir an Wasserwellen in Abschn. 4.2.4 gesehen haben, k5nnen zwei sich durchdringende Wellenziige gleicher Wellenlange miteinander interferieren und sich in ihrer AmpHtude an manchen Stellen verstarken, an anderen abschwachen oder sogar ausl5schen. Sobald es nun gelingt, auch beim Licht Interferenz nachzuweisen, also etwa zu zeigen, dafl auf einer von zwei Lichtquellen beleuchteten Flache helle und dunkle Stellen entstehen, deren Helligkeitsunterschied beim Abschalten der einen Lichtquelle verschwindet, ist der unmittelbare Beweis fiir die Wellennatur des Lichtes erbracht. Es ist nun leicht, die von zwei Stimmgabeln derselben Eigenfrequenz ausgehenden Wellenziige zur Interferenz zu bringen und an den verschiedenen Stellen der bestrahlten Ebene, z.B. der Zimmerwand, die Verstarkung Oder Abschwachung des Schalles mit dem Mikrophon nachzuweisen. Mit zwei Lichtquellen geUngt der entsprechende Versuch nicht. Das liegt daran, daB jede natiirUche Lichtquelle aus unzahUg vielen einzelnen Sendern, den lichtausstrahlenden Atomen, besteht (Abschn. 8.L2). AUe schwingen nach Phase und Richtung verschieden und weitgehend unabhangig voneinander. Jede Lichtquelle ruft an einer Stelle des Beobachtungsschirmes eine Schwingung hervor, in der sich die Wellen aller zum betreffenden Zeitpunkt schwingenden Atome iiberlagern. Aber nach einer sehr kurzen Zeit - bei sichtbarem Licht 10"^s - leuchten andere Atome, und deren Schwingung hat auBer der Frequenzgleichheit keine Beziehung zu den eben abgeklungenen. Es entsteht dann wieder an der Beobachtungsstelle eine Schwingung von gleicher Frequenz, aber ihre Phase hat sich willkurlich geSndert, ebenso die Schwingungsrichtung. - Wenn nun zwei Lichtquellen dort je eine Schwingung erzeugen, so besitzen diese zwar fur 10"^s eine feste Phasendifferenz; es kann auch in dieser Zeitspanne z.B. Interferenzausloschung durch Gegenphasigkeit auftreten (Abschn. 4.1.2). Aber wahrend der folgenden 10"^s ist die Phasendifferenz regellos eine andere. Zwei

7.4 Wellenoptik

natiirliche Lichtquellen emittieren sog. inkohdrente Wellen. Wenn diese zu einem Beobachtungspunkt gelangen, haben sie iiber eine langere Zeitspanne dort keine feste Phasenbeziehung. Unser Auge summiert den Lichteindruck iiber etwa 10 ms, so daB es die 10^ unterschiedlichen Eindrticke in dieser Zeit 2ils „uberall gleiche Helligkeit" sieht. Um sog. kohdrentes, d. h. interferenzfahiges Licht zu erhalten, brauchen wir wie bei den Wasserwellen zwei Erregerzentren, die immer im Takt und in derselben Richtung schwingen. Diese Bedingung laBt sich beim Licht nur durch einen Kunstgriff verwirklichen, indem man als Lichtquellen z. B. zwei Spiegelbilder derselben Lichtquelle benutzt, vgl. Abb. 7.58. Von der Lichtquelle L, einer Quecksilberdampf-Lampe, erzeugen Vorderund Rtickseite einer Glimmerfolie die virtuellen Bilder Lj und L2. Beide wirken wie ein Aggregat von atomaren Sendern, die paarweise im Takt schwingen und daher koharentes Licht liefern. Die so geteilten Wellenziige gelangen zu jeder Stelle des weit entfernten ^^ Schirmes S. Weil die ganze Anordnung um das Einfallslot LLi rotationssymmetrisch ist, beobachtet man dort bei diesem sog. 2-Zentren-System mit monochromatischem Licht helle und dunkle konzentrische Kreise, bei Quecksilber-Licht sind sie farbig, vgl. Abschn. 7.4.2, Versuch von Young und Pohl. Bei groBer Entfernung des Schirms S sind die zu einem Punkt gelangenden Strahlen praktisch parallel. Ihre feste Phasendifferenz betragt And]/rp-- SIT?a/XQ, vermehrt um den Phasensprung n bei Reflexion am Glimmer als dichterem Medium. Dabei sind a der Einfallswinkel auf die Glimmerfolie und d ihre Dicke. Wenn wir - zunachst nur in Gedanken - den Abstand d zwischen den beiden Reflexionsebenen vergrdBern, so nehmen im Schirmbild auf 5 die Radien z. B. aller hellen Kreise kontinuierlich zu, und im Zentrum entstehen neue. Die Interferenzfigur hat wieder die urspriingliche Gestalt, und gerade ein heller Kreis ist neu entstanden, wenn d um kQ/2n gewachsen ist. - Praktisch wird dieses Prinzip im Interferenz-Komparator angewendet: Eine Spiegelebene wird gegenuber einer zweiten festen verschoben. Auf diese Weise laBt sich die Strecke zwischen zwei Strichmarken in Wellenlangen ausmessen, vgl. Meter-Definition, Abschn. 2.1.2. Der bekannte Fresnelsche Spiegelversuch hat gegeniiber dem Versuch von Young und Pohl den Nachteil, ' Abb. 7.58 ist nicht maBstabsgerecht.

221 daB die Wellenbiindel, die zu den beiden Spiegelbildem L\ und L2 am Winkelspiegel SxSj gehoren, sich nur in einem sehr engen Sektor iiberlagem, s. Abb. 7.59. Sein Offnungswinkel ist nur doppelt so groB wie der Neigungswinkel y des Winkelspiegels, d.h. dessen Abweichung von 180°. So erhalt man eine Interferenzfigur von sehr geringer Ausdehnung, bestehend aus hellen und dunklen Streifen. Ihr Abstand steigt etwas, wenn y kleiner wird, erreicht aber bald einen Grenzwert. - Als Lichtquelle muB man auBerdem einen sehr schmalen Spalt senkrecht zur Zeichenebene verwenden, was beim Versuchsaufbau von Pohl nicht erforderlich ist. Entsprechend der Spaltbreite bzw. der Breite seiner Bilder verschmieren sich hier die Interferenzstreifen, weil der Abstand L\ Li iiber diese Breite variiert.

7.4.2 Farben diinner Blattchen, Newtonsche Ringe. Diinne Schichten wie Ol auf Wasser, Seifenblasen, Oxidschichten auf Metallen zeigen, mit weifiem Licht beleuchtet und mit bloBem Auge betrachtet, bunte Farberscheinungen, die ebenfalls auf Interferenz beruhen. Fallt z.B. auf eine Seifenlamelle monochromatisches Licht von oben nahezu senkrecht ein, vgl. Abb. 7.60, so wird der einfallende Strahl 1 zum Teil an der Oberflache reflektiert, zum Teil gebrochen. Beim Auftreffen auf die untere Flache erfolgt wieder eine Teilung in einen nach oben reflektierten und einen gebrochenen Strahl usw. Wir betrachten zuerst die beiden durchgehenden Strahlen 4 und 5. Der Strahl 5 hat gegentiber 4 einen zusatzlichen Weg zurtickgelegt, der bei senkrechtem Einfall gleich der doppelten Dicke d des Blattchens ist. Daher betragt der Gangunterschied beider Strahlen As^ld, Ist das gerade ein ungeradzahliges Vielfaches der halben Wellenlange in der Seifenlosung ^ \ so schwachen sich die Strahlen 4 und 5 durch Interferenz besonders stark. Das beobachtende Auge sieht die Lamelle im durchfallenden, monochromatischen Licht, d.h. gegen eine entsprechend leuchtende Flache, dunkler. Fur andere Wellenlangen, fiir die zl5 = A,2A,... ist, erhalten wir bei derselben Lamelle voile Helligkeit. - In Reflexion ist das Ergebnis der Interferenz gerade entgegengesetzt, voUer Helligkeit im DurchlaB entspricht die geringste reflektierte Leistung. ^^ Wenn die SeifenlOsung die Brechzahl n hat, ist die Wellenlange in ihr A = ^ /n mit der VakuumwellenlangeAo (Abschn. 7.1.5).

Abb. 7.58. Interferenzversuch von Young und Pohl

t^

\s, Abb. 7.59. Fresnelscher Spiegelversuch

Abb. 7.60. Zur Entstehung der Farben diinner Blattchen

222

Abb. 7.61. Zur Entstehung der Newtonschen Ringe. (Der Deutlichkeit halber ist die Linse iibertrieben stark gekrummt gezeichnet)

Bei weiBem Licht kann, solange das Blattchen sehr dunri ist, in Reflexion nur fur eine bestimmte Wellenlange vollige Ausloschung stattfinden. Licht anderer Wellenlangen wird mehr oder weniger geschwacht reflektiert: Wir erhalten Mischfarben. Der Farbeindruck auf der Oberflache einer Seifenlamelle andert sich von Ort zu Ort, weil sie nicht uberall gleiche Dicke hat. Bei dicken Blattchen, durchstrahlt von weiBem Licht, beobachten wir aber niemals Farben, man denke an die Fensterscheibe Oder ein Praparate-Deckglas. Das Blattchen mdge nur so dick sein, dafi die PhasendiffextvizlnnAs/kQ\on Strahl4und5 fiir violettes Licht 40 TT betragt, dann ist sie fur rotes Licht mit etwa der doppelten Wellenlange nur 20 TT. Die Wellen von rotem und violettern Licht verstarken sich jede durch Interferenz. Im kontinuierhchen Spektrum des weiBen Lichtes gibt es aber, gleichmaBig verteilt, noch 9 weitere Wellenlangen, die sich verstarken und deren Farben daher im beobachteten Gemisch voU auftreten. Dazwischen liegen zehn stark abgeschwachte Farben. Eine derartige Farbmischung erscheint dem Auge nicht mehr als bunt. Nur bei Dicken bis etwa 1 ^im Luftschicht, wenn h5chstens zwei oder drei Wellenlangen ausgeloscht werden, lassen sich Farben erkennen. Umgekehrt ist das Auftreten von Farben - man sagt in nicht ganz richtiger Ubertragung „Newtonsche Ringe" - immer ein Anzeichen dafur, daB eine sehr diinne Schicht vorliegt, sei es zwischen Film und Deckglas beim gerahmten Dia, sei es zwischen Deckplatte und Rahmen der Blutkorperchen-Zahlkammer. Entsprechende Farben beobachten wir im reflektierten Licht, wenn z. B. die Strahlen 3 und 2 interferieren. Es zeigt sich, daB hier fur As = A/2, 3 A/2... nicht Dunkelheit, sondern Helligkeit auftritt. Das liegt daran, dafi bei der Reflexion am optisch dichteren Medium ein Phasensprung von n auftritt, aber nicht bei der Reflexion am optisch dunneren^ vgl. auch Abschn. 4.2.3. Wegen dieses Phasensprunges erscheint eine Lamelle, die fiir eine bestimmte Wellenlange, z.B. fur Gelb, im reflektierten Licht dunkel aussieht, im durchgelassenen, gelben Licht hell und umgekehrt. Das folgt schon aus dem Energieerhaltungssatz. Bei weifiem Licht sind die Farben der durchgehenden und reflektierten Strahlung einander komplementar.

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre Gleiche Farben beobachtet man auf der Seifenlamelle an Orten gleicher Dicke. Der Interferenzversuch von Young und Pohl dagegen liefert mit der exakt planparallelen GlimmerfoUe, die also uberall gleiche Dicke hat, unterschiedliche Farben fur verschiedene Einfallswinkel des Lichtbiindels. Die dort beobachteten Kreise sind sog. Interferenzkurven gleicher Neigung^ s. Abb. 7.58.

Die Interferenz an dunnen Schichten kann man besonders deutlich an der Luftschicht zwischen einer schwach gekriimmten Konvexlinse und einer ebenen Glasplatte beobachten, s. Abb. 7.61. Beleuchtet man von oben mit einfarbigem Licht, etwa mit NaLicht, so treten Interferenzkurven gleicher Dicke auf. Das sind hier konzentrische, abwechselnd helle und dunkle Ringe, sog. Newtonsche Ringe, Dunkelheit in Reflexion erhalt man uberall dort, wo die Dicke d der Luftschicht der Bedingung genugt Id = A, 2A... (Phasensprung!). Je langwelliger das Licht ist, um so groBer wird der Abstand der Ringe. Fur weiiJes Licht sind die inneren Ringe farbig, wahrend sie nach auBen schnell unkenntlich werden, weil der Abstand d zu groB wird. In der Mitte bleibt ein dunkler Fleck. Bei den dunklen Ringen im reflektierten monochromatischen Licht ist der Gangunterschied 2d= m^ (m = 0,1,2,...). Im Abstand r vom Scheitel der Linse betragt er auBerdem auf Grund ihrer Kugelform 2d = r^/Ry wenn R der Knimmungsradius der Linse ist. So gilt fiir die Radien r^ der dunklen Ringe ri = mRXo , (7.17) die Entfernung zwischen zwei benachbarten wird also nach auBen immer geringer. Eine wichtige Anwendung der Interferenz ist die Reflexionsminderung an Linsenoberflachen durch aufgedampfte, dunne A/4-Schichten. Die an den Grenzflachen Luft - Aufdampfschicht und AufdampfschichtGlas reflektierten Wellenziige heben sich durch Interferenz auf, wenn sie gleiche Amplitude haben und durch ihren Gangunterschied die Phasendifferenz n besitzen. Um ersteres exakt zu erfullen, miiBte die Aufdampfschicht die Brechzahl \fn haben, wenn n die des Linsenmaterials ist. Allerdings kann nur fur eine Wellenlange und nicht fur den ganzen sichtbaren Spektralbereich die Phasendifferenz der beiden Wellenzuge n betragen. Mit mehreren aufgedampften Schichten unterschiedlicher Brechzahl gelingt es aber, die reflektierte Leistung im Sichtbaren durchweg unter lNQ erfiillt ist. Sie wird durch fortdauerndes optisches Pumpen weiter aufrechterhalten. Um als Lichtquelle mit konstanter Leistung arbeiten zu konnen, besitzt das zyHndrische Rubin-Stabchen zwei parallele, plangeschliffene, versilberte Stirnflachen. Sie begrenzen einen auf die Betriebsfrequenz ^1 = (^1 - ^ ) / ^ abgestimmten Resonator, in dem sich eine stehende Welle ausbildet, vgl. Abschn. 4.2.3 u. 6.8.3. Das fuhrt zu einer „Ruckkopplung": Die darin hin- und herlaufenden Lichtwellen werden durch induzierte Emission verstarkt, bis sich ein stationarer Endzustand einstellt, in dem alle Verluste gerade gedeckt werden, einschlieBlich der entnommenen Lichtleistung, Da in der stehenden Welle nur Wellenziige existieren, die nahezu senkrecht zu den spiegelnden Endflachen sich ausbreiten, sendet der Laser durch eine kleine Offnung in einer der Stirnflachen extrem scharf gebtindelte, koharente Strahlung minimaler Frequenzbreite aus. Beim Gaslaser, z.B. einem Helium-NeonLaser, brennt im Resonator eine Glinmientladung, Abschn. 6.5.5, und produziert das induziert strahlende Material. Die Anregung von W2 geschieht darin viel wirksamer durch Elektronen- oder lonenstoB im Tragergas He. Die beiden Gase tauschen dann Anregungsenergie durch atomare StoBe aus, wodurch Ne in einen geeigneten Zustand W^ gebracht wird und dann z. B. auf seiner roten Spektrallinie als Sender arbeitet.

253

Die Anwendbarkeit des Lasers ist in Medizin und Technik sowie im Labor sehr haufig und vielfaltig. Insbesondere konnen auch sehr hohe Energiebetrage gezielt iibertragen und auf engstem Raum konzentriert werden. In der Physik ist die eingangs erwahnte Koharenz der Lichtwelle von besonderer Bedeutung. Inkoharentes, naturliches Licht besteht, wie in Abschn. 7.4.1 ausfiihrlich erlautert, aus einzelnen Wellenziigen von ca. 10"^ s Dauer mit regellosen Unterschieden in Phase und Polarisation. Gerade diese entsprechen natiirlich den voneinander unabhangigen Photonen, die beim Photoeffekt beobachtet werden. Im koharenten Laserlicht bilden die Photonen sozusagen ein KoUektiv, das durch eine einzige, makroskopische Welle zu beschreiben ist. In dieser Hinsicht besteht voile Ahnlichkeit mit der Strahlung eines Radiosenders, nur ist letztere nicht gebiindelt. Wenn allerdings Laserlicht Photoelektronen erzeugt, dann wird wieder das einzelne Photon wirksam. 7.6.5 Dualismus von Korpuskel und Welle. Das Licht verhalt sich bei der Ausbreitung wie ein Wellenvorgang; doch beim Energieumsatz im atomaren ProzeB haben wir es mit Photonen zu tun, die sich wie Korpuskeln oder Teilchen verhalten. Diese eigenttimliche Tatsache, daB wir einen Teil der optischen Vorgange nur mit einem Wellenbilde, andere wieder nur mit einem Teilchenbilde verstehen konnen, ist jedoch nicht auf die Optik beschrankt. Auch bewegte Elektronen und andere Elementarteilchen, deren Teilchennatur uns selbstverstandlich ist, liefem bei manchen Experimenten Ergebnisse, die nur mit der (Jberlagerung von Wellen zu deuten sind. LaBt man z.B. einen Elektronen- oder Neutronenstrahl auf einen Kristall fallen, so erhalt man bei der Reflexion die gleichen Interferenzerscheinungen wie bei Rontgenstrahlen. Bestimmt man die den bewegten Teilchen zugeordnete Wellenlange, die sog. de Broglie-Wellenldnge^^, in Abhangigkeit von ihrem Impuls p so ergibt sich die einfache Beziehung ^^ De Broglie ordnete 1923 zuerst bewegten, materiellen Teilchen eine Materiewelle zu.

254

7. Optik und allgemeine Strahlungslehre

p

(7.36)

Sie gilt auch beim Photon, fur das die ComptonStreuung den Impuls p=hv/c ergibt, vgl. Abschn. 7.6.3. Mit c/v=/ folgt daraus (7.36).

h ist wieder die Plancksche Konstante, die also auch hier eine wesentliche Rolle spielt. Mit zunehmender Geschwindigkeit des Teilchens sinkt die Wellenlange. Da die Geschwindigkeit eines Elektrons mit einer beschleunigenden Spannung U klassisch ^^ gemaB mv^/2 = e(/verkniipft ist und Ladung und Masse des Elektrons bekannt sind, konnen wir die Wellenlange in Abhangigkeit von der Spannung berechnen. Messen wir U in Volt, so gilt fiir die Wellenlange die Zahlenwertgleichung A = l,23/l/C/ nm. Fur Elektronen von 5 keV fuhrt das zur de BroglieWellenlange 0,0174 nm. Sie ist sehr viel kurzer als die von sichtbarem Licht, was fur die bessere Aufldsung des Elektronenmikroskops von Bedeutung ist (Abschn. 7.3.6). Besondere Bedeutung hat die Beugung der de Broglie-WeWen von Elektronen auch bei der Strukturbestimmung von nicht zu groBen Molekiilen. Dazu wird ein enges, moglichst paralleles Elektronenbiindel einheitlicher Geschwindigkeit senkrecht auf einen Molekiilstrahl geschossen, und man beobachtet dahinter in einer Ebene senkrecht zum primaren Elektronenstrahl die von den Molekiilen gestreuten oder gebeugten Elektronen. Ihre Stromdichte zeigt auf einigen konzentrischen Kreisen um das Primarbiindel Beugungsringe, die denen beim entsprechenden Experiment mit Rontgenstrahlung (Abschn. 7.5.8) voIHg analog sind. Aus den Offiiungswinkeln der Beugungskegel erhalt man die Abstande zwischen den Atomen im Molekiil, aus denen sich auch die Valenzwinkel berechnen lassen.

Die Tatsache, daB es nicht moglich ist, atomare Vorgange anschaulich von einem einheitHchen Standpunkt aus darzustellen, zwingt uns dazu, bei derartigen Uberlegungen nebeneinander zwei einander widersprechende Modellvorstellungen anzuwenden. Wir miissen diesen Dualismus von Welle und Korpuskel als gegeben hinnehmen. So ist auch die Frage, welches von beiden Bildem das richtige ist, vollig falsch gestellt. Das einzelne Photon oder Elektron wird ^^ Die damit abgeleitete Beziehung fur / gilt nur, wenn V klein gegen die Lichtgeschwindigkeit ist, vgl. relativistische Masse, Gl. (8.29).

nicht in verschiedene Beugungsringe oder -flecke aufgeteilt. Die elektrische Ladung eines Elektrons bleibt ungeteilt. Seine individuelle Bahn kann aber beim Beugungsexperiment nie verfolgt werden. Beobachtet wird stets eine sehr groBe Anzahl gestreuter oder gebeugter Korpuskeln, und dann liefert die Wellentheorie die Wahrscheinlichkeit, mit der die Korpuskeln sich auf die einzelnen Beugungsrichtungen verteilen. Das laBt sich experimentell beweisen, wenn die Beobachtungsebene fiir die Beugungsringe mit vielen sehr kleinen Elementen belegt ist, in denen ein einzelnes, auftreffendes Teilchen einen Zahlimpuls auslost, vgl. Zahlrohr (Abschn. 8.3.2.2). Der statistische Charakter des Einzelprozesses zeigt sich dann in der regellosen Impulsfolge an jeder Beobachtungsstelle, wobei die Impulszahl pro Zeiteinheit, die sog. Impulsrate, an Orten der Beugungsmaxima am groBten ist. So darf man die Materiewellen in ihrer objektiven physikalischen Bedeutung nicht mit der von Wasser-, Schall- und auch Radiowellen gleichsetzen. Fiir diese drei sind es meBbare physikalische GroBen, wie Schalldruck und elektrische Feldstarke, die Schwingungen ausfiihren. Materiewellen dagegen beziehen sich auf mathematische Symbole ohne physikalische Einheit, sind selbst nicht meBbar, sondem mit ihnen sind nur Wahrscheinlichkeitsaussagen iiber das Ergebnis von Experimenten im atomaren Bereich zu berechnen. Auf die gedankliche und mathematische Uberwindung des anschaulichen Gegensatzes zwischen Korpuskular- und Wellenmodell durch die Quantenmechanik konnen wir hier nicht naher eingehen. Die in der Physik makroskopischer Vorgange bewahrten mechanischen und elektrodynamischen, sog. klassischen Gesetze (Kap. 1 und 6) werden dadurch aber nicht beriihrt. Sie ergeben sich aus den quantenmechanischen Beziehungen als Grenzfalle, d.h. sie behalten praktisch ihre Gultigkeit. Die Eigengesetzlichkeit der atomaren Vorgange geht letztlich auf die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation zurtick Ax' A{mVj^) ^h .

(7.37)

7.6 Korpuskulareigenschaften des Lichtes Danach sind bei gleichzeitiger Messung die Ortskoordinate x und die zugehorige Impulskomponente mvx eines Teilchens in jedem Experiment grundsatzlich um Betrage Ax bzw. A{mVx) unbestimmt. Man sagt auch, da6 sie uber diesen Wertebereich „verschmiert" sind. Je kleiner Ax in der Anlage des Experiments ist, desto starker tritt der Teilchencharakter hervor. Je kleiner umgekehrt A{mVx) dabei ist, desto genauer ist die Wellenlange nach (7.36) bestimmt, und wir beobachten im Grenzfall die Eigenschaften einer unendlich ausgedehnten Welle. - Der kleine Betrag der Planckschen Konstanten h laBt im makroskopischen Bereich die Unbestimmtheiten Ax und A{rnVx) unter jede MeBgenauigkeit sinken, so da6 sie keine Rolle spielen.

255 ke der „kondensierten" Atome bezeichnet man als BoseEinstein-Kondensat (BEC). Zu seiner Realisierung bedarf es sehr tiefer Temperaturen und moglichst hoher Atomdichten, d.h. viele sehr kalte Atome auf engem Raum. Dazu wird zunachst der Atomstrahl mit einem Laser gekiihlt, vgl. Abschn. 5.4.7, und dann in eine Atomfalle uberftihrt, bestehend aus einem allseitig ansteigenden Magnetfeld B. Gefangen darin bleiben nur Atome, deren magnetisches Moment entgegengesetzt zu B orientiert ist. Sie erfahren namlich wie diamagnetische Korper Krafle in Richtung des schwacheren Feldes, vgl. Abschn. 6.6.9, also hier zum Zellenzentrum hin. In der Zelle ftihren sie radiale Schwingbewegungen aus, die energiereichsten mit der groBten Amplitude. Das nutzt die sog. Verdampfiingskuhlung aus, um gerade sie aus der Zelle zu entfemen, so daB die mittlere thermische Energie der eingeschlossenen Atome sinkt. Dazu wird ihr magnetisches Moment durch einen magnetischen HfImpuls umgeklappt, vgl. Abschn. 8.1.5. Die dafiir wirksame Frequenz ist proportional zur Feldstarke B am derzeitigen Aufenthaltsort des Atoms, so daB hohe Frequenzen am Rand der 2^11e die Atome mit hoher Energie sozusagen „abschalen". Das BEC entsteht als „Tropfen" im Zentrum der Falle. - Als erreichte Temperaturen werden Werte um 0,2 ^K angegeben.

Von grundsatzlicher physikalischer Bedeutung sind Experimente, in denen es gelungen ist, freie Atome bei sehr tiefen Temperaturen zu einem Kollektiv zu vereinigen, das mit einer makroskopischen Materiewelle zu beschreiben ist^\ Damit kann ein Strahl von kohdrenten Materiewellen, ein Atomlaser, realisiert werden, analog dem Lichtlaser, vgl. Abschn. 7.6.4. Anschaulich bedeutet das: Zu frei beweglichen Atomen mit extrem kleinem thermischem Impuls gehort nach (7.36) eine relativ lange de Broglie-Welle. Wenn auf eine Wellenlange dann im Mittel mehr als ein Atom fallt, dann ver- Aufgaben lieren die Atome ihre Identitat als KorpusWelche H5chstgeschwindigkeit haben Photokeln und sind makroskopisch nur als Welle 7.6.1 elektronen beim Verlassen einer Elektrode der Austrittszu beschreiben. Aber mikroskopisch wird, arbeit 2,5 eV, die von Licht der Hg-Linie A = 365 nm z.B. durch StoB eines fremden Teilchens, ausgeldst werden sind? wieder ein einzelnes Atom frei. Nur Atome mit einer geraden Anzahl von Elementarteilchen (Summe von Elektronen, Neutronen, Protonen), sog. Bosonen^^, konnen als freie Einzelpartikel „eng" genug zusammenriicken, da sie nicht wie einzelne Elektronen das Pauli-Prinzip erfiillen miissen. Abschn. 8.1.3 und 5. Schon 1925 hat Einstein rechnerisch mit der Quantenstatistik von Bose gezeigt, daB nach Unterschreiten einer kritischen Temperatur eine makroskopische Anzahl von derartigen Teilchen sukzessive in den Zustand geringster Energie iibergeht, sozusagen ,Jcondensiert". Dort haben sie nur noch den Impuls, den die Heisenberg-Relation (7.37) als Unscharfe verlangt, wenn sie sich in der Atomfalle mit der Abmessung Ax befmden. Diese Wol-

Wolfgang Ketterle erhielt zusammen mit E. Cornell und C. Wieman dafiir den Nobelpreis 2001. ^^ z. B. 11 Na, das Ketterle verwendete.

7.6.2 Welche Gegenspannung darf zwischen Auffanger und Photoelektrode liegen, damit die Photoelektronen von Aufgabe 7.6.1 gerade noch den Auf fanger erreichen? 7.6.3 Welche Energie in eV hat ein Photon der Mikrowellen mit der Vakuumwellenlange 3 cm? 7.6.4 Welche Anodenspannung muB an eine R6ntgenrOhre gelegt werden, wenn die kurzwellige Grenze des Bremsspektrums bei A = 0,05 nm liegen soil? 7.6.5 Ein Photon der Wellenlange 0,05 nm erfahrt eine Compton-Streuung um 90°. Welche Energie erhalt dabei das Compton-Elektron? (Einheit keV) 7.6.6 Ein 100 eV-Elektron hat die de Broglie-Wellenlange 0,123 nm. Wie groB ist sie ftir ein Proton gleicher kinetischer Energie?

8. Grundziige der Atom- und Molekiilphysik

8.1 Die Spektren und die Elektronenhiille der Atome

se, die ein wichtiges Hilfsmittel der chemischen, metallkundlichen und astrophysikaUschen Forschung ist. Die spektralanalyti8.1.1 Emissions- und Absorptionsspektren. schen Methoden sind auBerordentlich emp10 , fmdlich. So lassen sich z.B. noch 10-'^ g 1. Emissionsspektren. Jeder heiBe Stoff sen- Na spektralanalytisch nachweisen. det elektromagnetische Wellen aus, durch deren spektrale Zerlegung (Abschn. 7.3.8) 2. Absorptionsspektren. Geht weiBes Licht, man sein Emissionsspektrum erhalt. Dieses z.B. einer Bogenlampe (Abschn. 6.5.6), hat auBer im sichtbaren Bereich auch Bei- durch eine Schicht durchsichtiger Materie trage sowohl im IR- als auch im UV-Ge- und passiert anschheBend ein Spektrometer, biet. Gliihende feste und fliissige Korper so erhalt man ein Absorptionsspektrum des und ebenso sehr stark verdichtete heiBe betreffenden Stoffes. Dessen AbsorptionsGase senden ein sog. kontinuierliches Spek- koeffizient a, vgl. Abschn. 7.5.4, hangt namlich im allgemeinen von der Frequenz trum aus (Abschn. 7.5.3). In leuchtenden verdtinnten Gasen beob- ab. Fiir breitere oder auch engere Frequenzachtet man Linien- oder Bandenspektren, bereiche kann er so hoch sein, daB ein GroBd.h. diskrete Frequenzen. Dabei stammen teil des Lichtes daraus absorbiert wird, waherstere von leuchtenden Atomen, die Ban- rend er an anderen Stellen des Spektrums denspektren von Molekiilen (Abschn. 8.2). verschwindend klein ist. Beim einatomigen Atomspektren, die aus einzelnen scharfen Gas ist dieses Absorptionsspektrum ein LiLinien bestehen, beobachten wir daher nur nienspektrum. Feste und flussige Korper abdann, wenn die Molekiile eines Gases in Ato- sorbieren meist in breiten und verwaschenen me zerlegt sind, bei mehratomigen etwa Streifen. So absorbiert Jod in Schwefelkohdurch sehr intensive molekulare Warmebe- lenstoff gelost das Sichtbare, ist aber im Inwegung. Dabei senden die Atome ein fur frarot durchlassig. AUe Frequenzen eines das betreffende chemische Element charak- Absorptionsspektrums beobachten wir auch teristisches Spektrum aus. Natrium-Dampf im Emissionsspektrum desselben Stoffes z.B. emittiert im Sichtbaren die bekannten {Kirchhoffsches Gesetz, Abschn. 7.5.3 und beiden gelben Linien, die eng benachbarten 8.1.2). NaD-Linien. Allgemein kann man aus den Die Sonne sendet ein kontinuierhches in einem Spektrum auftretenden Linien ei- Spektrum aus, das von zahlreichen feinen nes Elements mit Sicherheit auf dessen Vor- schwarzen Linien, den sog. Fraunhoferschen handensein in dem leuchtenden Gas schlie- Linien, durchzogen ist, s. Abb. 8.1. Diese Ben. Darauf griindet sich die Spektralanaly- kommen dadurch zustande, daB die in der

K a He H ^

No

Hg Fe

H^g

E

F m

HyCQ

H(5

CQCQ

1 A 8 C D 759 589 rot gelb

grtin

6 HH' iSO 397 m blau vlolett

Abb. 8.1. Fraunhofersche Linien

258

8. Grundzuge der Atom- und Molekiilphysik violelt uttrom/eff 5 6 7 8 ^cB

rot

n

l/fc

r 15000

"'—r 20000

Abb. 8.2. Balmer-Serie des Wasserstoffatoms

\H5 I 25000

kalteren Sonnenatmosphare, der Chromosphdre, enthaltenen Elemente Na, H, He, O, Ca, Fe usw. aus dem kontinuierlichen Spektrum, das der heiflere Sonnenkern, die Photosphdre, aussendet, ihre charakteristischen Absorptionsfrequenzen herausfiltern.

8.1.2 Linienspektren der Atome. Nach dem Rutherfordschen Atommodell ^ enthalt jedes Atom einen positiv geladenen Kern, in dem praktisch seine ganze Masse vereinigt ist. Die Zahl seiner positiven Elementarladungen (Abschn. 6.2.7) bezeichnet man als Kernladungszahl Z. Sie ist gleich der Ordnungszahl im periodischen System der Elemente. Der Kern, dessen Durchmesser von der GroBenordnung 10 "^"^m ist, wird von der Elektronenhtille umgeben. Da das normale Atom nach auBen elektrisch neutral ist, muB die Zahl ihrer Elektronen gleich der Kernladungszahl sein. Der Durchmesser der Elektronenhtille ist von der GroBenordnung 10 "^^m und entspricht der GroBe der Atome, wie sie sich aus ZusammenstoBen im Gas ableitet. Die Wirkung der elektrischen Krafte reicht nattirUch noch weiter.

Historisches zu den experimentellen Grundlagen. Aus der Tatsache, dal3 sehr schnelle Elektronen von den Atomen einer Metallfolie viel weniger absorbiert werden als langsame, folgerte Lenard (Abschn. 6.5.5), dafi der wirklich undurchdringliche „massive" Bereich der Atome nur einen winzigen Bruchteil der sonst beobachteten Raumerfiillung ausmacht. - Weitere Erkenntnisse brachten die Untersuchungen der Streuung von a-Teilchen aus der radioaktiven Strahlung (Abschn. 8.3.2) beim Durchgang durch Materie. Die Bahnen der a-Teilchen (He-Atomkerne) sind dabei fast geradlinig, s. Abb. 8.16. Nur dann, wenn sie dem massiven Teil der Atome

^ Lord Ernest Rutherford, 1871-1937, Professor in Cambridge, Nobelpreis fiir Chemie.

nahe kommen, erfahren sie betrachtHche Ablenkungen. Aus eingehenden Messungen der Winkelverteilung von a-Teilchen, die eine sehr diinne Materieschicht durchlaufen haben und von jeweils nur einem Atom abgelenkt worden sind, schloB Rutherford, daB jedes Atom ein einziges positives Ladungszentrum enthalt, in dessen starkem Coulomb-Felde (vgl. Abschn. 6.2.6) das positiv geladene a-Teilchen abgestoBen wird. Auch die groBte Annaherung der a-Teilchen an den Kern (obere Grenze fiir den Kernradius) und die Kernladungszahl lassen sich auf diese Weise in guter Naherung bestimmen.

AufschluB uber das Verhalten der Elektronen in der Atomhiille bringt als beobachtbare Grojie die von Atomen ausgesendete elektromagnetische Strahlung. Am einfachsten ist das Wasserstoffspektrum, weil das HiAtom nur ein Htillenelektron besitzt. Die Linien im Spektrum des leuchtenden, atomaren Wasserstoffs lassen sich nach einem einfachen Gesetz in Serien zusammenfassen, von denen die sog. Balmer-Serie in Abb. 8.2 wiedergegeben ist. Die ersten Linien der Serie sind die im sichtbaren Teil des Spektrums besonders auffallende rote, grtine und blaue Wasserstofflinie, als Ha, Up und Hy bezeichnet, die auch aus dem Sonnenspektrum als Fraunhofersche Linien bekannt sind. Zuerst wurde rein empirisch eine Formel fiir die Lage der Linien im Spektrum aufgestellt. Dabei verwendete man, mehr aus historischen Griinden, wie auch in Abb. 8.2, die Wellenzahl V* = v/c = l/X und schrieb: v*=R

1 m^

1 n^

(8.1)

WO m und n ganze Zahlen sind und R die sog. Rydberg-Konstante fiir das H-Atom {R = 109 737,30 cm" ^) ist. Setzen wir m = 2 und lassen n alle Werte 3, 4, 5 , . . . durchlaufen, so erhalten wir samtliche Linien der Balmer-Serie, z.B. fiir n = 3 H^ mit v* = 15 238 cm"^ oder A = 656,28 nm.

8.1 Die Spektren und die ElektronenhuUe der Atome

Das Wesentliche einer solchen Serienformel ist, daB die Wellenzahlen als Differenz zweier Glieder, der sog. Terme, von der Form R/n^ auftreten. Den ersten Term nennen wir den konstanten, den zweiten den Laufterm, Da mit wachsendem n der Laufterm kleiner wird, verschieben sich die Linien immer mehr nach kurzeren Wellen und haufen sich dabei gegen eine Grenze, die sog. Seriengrenze, deren Wellenzahl durch V* = R/m^ gegeben ist. Zur physikalischen Interpretation multiplizieren wir die Serienformel (8.1) links und rechts mit hc(h Plancksche Konstante und c Lichtgeschwindigkeit); so erhalten wir die Energie der emittierten Photonen (Abschn. 7.6.2)

259

eV 13,53,

cm 100000

10

80000 Ba/merserie

A

I

moo 20000

71^1

Lymanserie Abb. 8.3. Energieschema des Wasserstoff-Atoms

hv =

1

1

m

n

Rhc[-^-Ar

(8.2)

wird. Die Bindung ist um so fester, je naher das Elektron sich im Mittel am Kern aufhalt. Sie ergibt sich als Differenz von zwei EnerDie Energiestufen und die Entstehung der gien, die man auf der rechten Seite dieser Be- SpektraUinien konnen wir uns an Hand der ziehung findet. Das Bohrsche Atommodell Abb. 8.3 veranschauHchen: Den einzelnen deutet diesen Sachverhalt folgendermaBen: stationaren Energiezustanden ordnen wir die Jedes Atom kann, analog dem Oszillator Reihe der ganzen Zahlen zu, die sog. Haupt(Abschn. 7.5.3 und 8.2.2), nur in bestimm- quantenzahlen. Der energiedrmste Zustand ten Zustanden mit jeweils festem Energie- ist der sog. Grundzustand des Atoms mit inhalt existieren. Solange das Elektron des Az = 1. Zu den energiereicheren, den angeregWasserstoffatoms sich in einem solchen sta- ten Zustanden gehoren die Quantenzahlen tiondren Zustand befindet, der auch mit 2 , 3 , . . . Durch atomare StoBe oder AbsorpBahn oder Orbital bezeichnet wird, strahlt es tion eines Photons gelangt das Elektron vom keine Energie aus. Nur wenn es von einem Grundzustand in einen angeregten Zustand, solchen Zustand {n) zu einem mit geringerer z. B. mit Ai = 4. Von dort kann es unter EmisEnergie (m) ubergeht, wird Licht ausge- sion der entsprechenden Linien entweder in strahlt. Ist )¥„ die Energie des /i-ten Zustands den alten oder in einen dazwischenliegenden und Wm die des m-ten, Wn> W^, so ist die Zustand iibergehen. Die Ubergange auf den Frequenz des ausgestrahlten Photons stets Zustand mit der Quantenzahl 2 ergeben durch die Gleichung Linien der Balmer-Serie, Spriinge in den Grundzustand, A/ = 1, liefern viel hohere Photon-Energien und geben die im Ultravio(8.3 a) letten Hegenden Linien der sog. Lyman-Sehv=W„-}V^ rie, Bei Ubergangen in den Zustand /? = 3 fallen die Linien ins Infrarot (Paschen-Sebestimmt. Bei Wasserstoff ist die Energie im rie). Die Wellenzahlen aller auftretenden Lin-ien Zustand W„= -Rhc/n^, Sie ist ne- nien konnen wir aus dem Diagramm ablesen. gativ, also eine Bindungsenergie, denn die Heben wir das Elektron vom GrundzuEnergieskala ist so gewahlt, daB sie ftir stande aus immer hoher, so wird es schlieBAz = 00, d.h. fur das ionisierte Atom, Null lich aus dem Atomverbande gelost und frei:

260

Das Atom ist ionisiert. Die dazu erforderliche Energie ist die lonisierungsenergie. Diese sowie die Energiedifferenz A Wder einzelnen angeregten Zustande zum Grundzustand miBt man meist in Elektronvolt (Abschn. 6.5.4, leV = l,602.10-^^J). Die lonisierungsenergie stimmt mit der Photonenenergie iiberein, die zur Seriengrenze der LymanSerie gehCrt, und betragt 13,5 eV. Absorptionsspektren, Durch Absorption eines Photons wird ein Elektron der HuUe aus einem tieferen in einen h5heren Zustand gehoben. Das ist selbstverstandlich nur mdglich, wenn der absorbierende Stoff auch Atome in dem betreffenden tieferen Zustande besitzt. Im Grundzustande (/? = 1) werden sich immer Elektronen befinden. Absorptionslinien, die von ihm ausgehen, sog. Resonanzlinien, - dem entsprechen Emissionslinien, bei denen der Elektronenubergang auf dem Grundzustand endet - werden stets beobachtet. Aber die hdheren Zustande der Elektronenhiille sind z.B. im kalten Gas praktisch leer, weil ihre Anregungsenergie sehr viel grdiler als die thermische Energie / : r ist, vgl. Abschn. 5.3.4. So beobachtet man z.B. die Balmer-Serie beim kalten atomaren H-Gas nicht in Absorption, wohl aber wegen der hohen Temperatur in der Chromosphare der Sonne in den Fraunhofer-Linien, s. Abb. 8.1. Wenn das absorbierte Photon die Frequenz v-Rc hat, so wird das Elektron des H-Atoms gerade freigesetzt. Bei hoheren Frequenzen wird die UberschUssige Energie in kinetische Energie des freien Elektrons umgewandeh (Photoeffekt am freien Atom, Abschn. 7.6.1). Daher vermag das H-Atom oberhalb der Seriengrenze der Lyman-Linien alle Frequenzen zu absorbieren, allerdings sinkt die Wahrscheinlichkeit mit weiter steigender Frequenz. An die Grenze des Linienspektrums schlieflt sich ein kontinuierUches Spektrum an, das je nach den Anregungsbedingungen auch in Emission zu beobachten ist. Die spektroskopisch bestimmbaren Energiewerte der verschiedenen angeregten Atomzustande kann man auch direkt messen, und zwar, indem man die zur Anregung nbtige Energie durch stofiende Elektronen Ubertragt. Schickt man Elektronen einheitlicher Geschwindigkeit durch ein Gas, z. B. Hg-Dampf, so beobachtet man, dafi eine Linie der Frequenz v bei langsam gesteigerter Geschwindigkeit erst ausgestrahlt wird, wenn die stoBenden Elektronen eine Mindestenergie von der Gr6Be eC/ = /iv haben {Elektronenstofimethode von Franck und Hertz).

8. Grundziige der Atom- und Molekiilphysik Die Spektrallinien eines leuchtenden, atomaren Gases sind nun aber nicht „unendlich scharf", d.h. zu einem Elektronenubergang gehOrt nicht exakt eine einzige Frequenz. Vielmehr beobachten wir ein zwar sehr schmales, aber endliches Frequenzband; man spricht von einer endlichen Linienbreite. Zu jedem Zeitpunkt strahlen ja sehr viele Atome des Gases, die sich in ungeordneter thermischer Bewegung befinden. Wegen des DopplerEffektes hangt daher die gemessene Frequenz oder Wellenlange wie beim Schall (Abschn. 4.3.3.2) von der Geschwindigkeit ab, mit der jedes einzelne strahlende Atom sich zum Beobachter hin oder von ihm weg bewegt. Dazu kommt noch u.a. die sog. Druckverbreiterung: Je kOrzer die Zeitspanne zwischen zwei StdBen mit anderen Atomen ist, wahrend der das Atom sozusagen „frei" strahlen kann, desto breiter wird die beobachtete Spektrallinie. Mit steigendem Druck nimmt diese Zeit ab. So zeigen HOchstdruck-Lampen sehr breite Linien, und man erkennt qualitativ den Obergang zum kontinuierlichen Spektrum der heiBen Fliissigkeit.

8.1.3 Atombau und periodisches System der Elemente. Ordnet man die chemischen Elemente nach der relativen Atommasse (Abschn. 3.1.2), so zeigen ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften eine ganz ausgepragte Periodizitat. In dem von L, Meyer und Mendelejeff aufgestellten periodischen System kommen dabei die chemisch verwandten, also einander ahnlichen Elemente untereinander in eine Vertikalreihe (Spalte oder Gruppe). In der ersten Gruppe stehen Wasserstoff und die Alkalien, also einwertige Elemente, in der zweiten die zweiwertigen Erdalkalien usw. Am Ende der Perioden stehen die Edelgase, s. Anhang. Schreiben wir das System streng nach der Reihe der rel. Atommassen hin, so gibt es an mehreren Stellen Unstimmigkeiten. So muB z.B. das Edelgas Argon seinen Eigenschaften nach vor, also nicht, wie es der Atommasse entsprache, hinter dem Alkali Kalium stehen. Die rel. Atommasse kann also nicht die maBgebende GrdBe sein, aus der sich der richtige, d.h. mit den chemischen Eigenschaften ubereinstimmende, Platz eines Elements eindeutig ergibt. Wir numerieren die chemischen Elemente vom Wasserstoff angefangen fortlaufend und nennen die Nummer fiir die richtige Stelle eines Elements im periodischen System seine Ordnungszahl Z. Sie ist identisch mit der Kernladungszahl, wie die Streuung von aTeilchen beim Durchgang durch Materie,

8.1 Die Spektren und die Elektronenhiiile der Atome

vgl. Abschn. 8.1.2, sowie die Rontgenspektren ergeben (Abschn. 8.1.4). Die Ordnungszahl gibt also auch die Zahl der den Kern umgebenden Elektronen an. Nun bestimmt vor allem die Ladungsverteilung in der ElektronenhuUe das auBere elektrische Feld des Atoms und auch seine chemischen und diejenigen physikalischen Eigenschaften, die nicht von der Masse und der Ladung des Kernes abhangen. Die beobachtete Periodizitat dieser Eigenschaften verlangt also auch eine Periodizitat im Aufbau der ElektronenhuUe, die ja von Element zu Element ein Elektron mehr enthalt. Diese Periodizitat entsteht durch den Schalenbau der ElektronenhuUe, Beim Aufbau eines Atoms aus Kern und Hiillenelektronen wird ein Elektron nach dem anderen in stationaren Zustanden mit abnehmender Bindungsenergie angelagert. Nach dem Pauli-Prinzip kann dabei jeder Zustand, von denen allerdings mehrere die gleiche Energie haben konnen, nur von einem Elektron besetzt werden. Nach ihrer mittleren Entfernung vom Kern lassen sich diese „Elektronenplatze" in Schalen einteilen, die mit der Hauptquantenzahl n (Abschn. 8.1.2) gekennzeichnet werden, s. auch Abschn. 8.1.5. Die Elemente einer Vertikalreihe enthalten in der aufieren Schale dieselbe Zahl von Elektronen, z. B. die einwertigen AlkaUatome ein Elektron, die zweiwertigen Erdalkaliatome zwei Elektronen usw. Mit Ausnahme der innersten, sog. A'-Schale, die nur zwei Elektronen enthalt und beim Helium abgeschlossen ist, wird die aulJerste Schale mit dem Einbau des achten Elektrons zunachst abgeschlossen. Die abgeschlossenen auBersten Schalen der Edelgase sind, wie die Tragheit der chemischen Umsetzung lehrt, besonders stabil, d.h. sie haben relativ hohe lonisierungsenergien. Man findet sie auch bei heteropolarer Bindung in lonen bevorzugt. In den Kationen von Elementen aus den ersten drei Spalten des periodischen Systems haben die neutralen Atome gerade die in der auBeren Schale befindlichen Elektronen, die Valenzelektronen, verloren. Andererseits kdnnen die Elemente der letzten drei Spalten vor den Edelgasen (V, VI, VII) meist so viel Elektronen aufnehmen, d. h. Anionen bilden, daB

261

die auBere Schale mit acht Elektronen aufgefullt ist. Die heteropolare oder lonen-Bindung, wie im NaCl, basiert allein auf der elektrischen Anziehung der lonen, vgl. auch Abschn. 6.3.2. Das auBere Kraftfeld eines Atoms ruhrt vorwiegend von den Elektronen der auBeren Schale her. Daher bestimmen diese in erster Linie seine chemischen und die meisten physikalischen, z. B. die optischen und elektrischen Eigenschaften. Eine Schale der ElektronenhuUe mit der Hauptquantenzahl n enthalt 2n^ Platze. Sie teilt sich in Unterschalen mit den Platzzahlen 2, 6, 10, 14,... (allgemein 2[2/+l] fur /=0, 1, 2,...), auch als s-, p-, d-, f-,... Elektronen bezeichnet'^. Mit steigender Hauptquantenzahl kommt in dieser Reihenfolge jedesmal eine Untergruppe hinzu, d.h. die Schale mit der Hauptquantenzahl n hat die Untergruppen / = 0 , 1 , . . . , « - 1 . Die Bindungsenergie sinkt vornehmlich mit wachsendem n und dann noch mit steigendem /. Abgesehen von den drei innersten mit /? = 1,2 und 3 Uberschneiden sich dabei aber die einzelnen Schalen auf der Energieskala, so ist z. B. der Platz /i = 4, / = 0 fester gebunden als w = 3, / = 2. Je kleiner / ist, desto mehr kann sich das Elektron zeitweise dem Kern nahern, desto fester ist es gebunden. Es gelangt namlich in Gebiete, wo die Kernladung und ihre Anziehungskraft weniger durch innere Elektronen abgeschirmt ist. So erklart sich auch der vorlaufige AbschluB einer Schale mit 8 Elektronen (/ = 0 und 1). An manchen Stellen des periodischen Systems kommt es zu einem weiteren Ausbau von inneren Schalen. Dabei entsteht eine Folge benachbarter Elemente, die in der auBeren Schale dieselbe Elektronenzahl besiuen und sich daher chemisch und physikalisch besonders ahnlich sind. Beispiele sind Eisen, Kobalt, Nickel und in besonders ausgepragter Weise die Seltenen Erden.

8.1.4 Rontgenspektren. Uber das kontinuierliche Spektrum der Bremsstrahlung einer Rontgenr5hre lagert sich ein fiir die Elemente der benutzten Anode charakteristisches Linienspektrum, vgl. Abschn. 7.5.7. Die Linien lassen sich in einzelne, einander nicht iiberlagernde Serien zusammenfassen, die von der kurzwelligen Seite her als die A'-, L-, Af- und N'Serie bezeichnet werden. Die Serien und ihre einzelnen Linien treten immer erst von einer bestimmten Ordnungszahl ab auf. Wie Abb. 8.4 zeigt, verschieben sich die einzelnen Linien einer Serie in gesetzmaBiger Weise mit wachsender Ordnungszahl '* Zur physikalischen Begriindung dieser Zahlen vgl. Abschn. 8.1.5.

8. Grundzuge der Atom- und Molekulphysik

262

n\ n n 20 Z3 26 29 32 35 38 VI W H7 SO 53 56 59 62 65 68

II ..

II

1

J j i i 1

1

f

.III

M.l'

III

II

II

ijl 1 II L

III1

n n

77 80 S3

0

II /f

11

Z

II L M JIL 1^ 6

a

10

12 '10'''^m

^A Abb. 8.4. Rontgenspektren

zu hoheren Frequenzen. Von einander entsprechenden Linien steigt die Frequenz ungefahr linear mit dem Quadrate der Ordnungszahl an {Moseleysches Gesetz)* Die Rontgenspektren zeigen also im Gegensatz zu den optischen Spektren keinerlei Periodizitat, dafur aber eine einfache Abhangigkeit von der Ordnungszahl. So geben die Rontgenspektren die Moglichkeit, die Ordnungszahl eines Elements eindeutig festzulegen. Man konnte so friiher fur noch unbekannte Elemente mit Hilfe des Moseleyschen Gesetzes die Wellenlange ihrer Rontgenlinien berechnen und andererseits aus der Ordnungszahl ihre chemischen Eigenschaften abschatzen. Auf diese Weise ist es gelungen, einige der damals noch unbekannten Elemente, z.B. Hafnium, Z = 72, und Rhenium, Z = 75, zu entdecken, mit Hilfe der r6ntgenspektroskopischen KontroUe anzureichern und rein darzustellen. Auch Transurane (Abschn. 8.3.6) sind durch ihre Rontgenspektren identifiziert worden.

Mit dem Bohrschen Atommodell (Abschn. 8.1.2) wurden die Rontgenspektren zuerst von Kossel gedeutet: Die Elektronen eines Atoms sind auf bestimmte Schalen verteilt, die wir mit steigender Hauptquantenzahl n als die AT-, L-, M-, A/-,... Schale bezeichnen, vgl. Abb. 8.5. Dabei sind die inneren Schalen voll besetzt. Hat ein Elektron im Felde zwischen Kathode und Anode der Rontgenrohre eine ausreichende kinetische Energie aufge-

nommen, so vermag es beim Aufprallen auf die Anode ein Elektron aus der AT-Schale eines Atoms herauszuschlagen und ganz aus dem Atomverband zu entfernen. Der IJbergang eines Elektrons auf eine der Zwischenschalen, etwa die L-Schale, ist dagegen unmoghch, da diese ja voll besetzt sind. Das auf diese Weise angeregte Atom kann sich nun regenerieren, indem ein Elektron aus der L- Oder aus einer der hoheren Schalen auf den freien Platz der /T-Schale springt. Dabei wird ein Photon emittiert, dessen Energie hv gleich dem Energieunterschied des Elektrons in der oberen und der AT-Schale ist. So entstehen die Linien der A^-Serie. Die L-Serie erhalten wir, wenn ein Platz in der L-Schale frei gemacht worden ist und dieser durch ein Elektron aus einer hoheren Schale aufgefiillt wird. Wir sehen, dali die Rdntgenlinien ihren Ursprung den Elektronenlibergangen im Innern des Atoms verdanken. Hier ist fUr die Energie nahezu allein die Kernladung maBgebend, so daB die Frequenzen mit der Ordnungszahl wachsen und keine Periodizitat zeigen. Im Gegensatz dazu stehen die Linien der optischen Spektren im Gas, wenn ein Elektron der auBeren Schale, in Abb. 8.5 aus der 7V-Schale, als Leuchtelektron auf einen der m5glichen hoheren stationaren Zustande (gestrichelt gezeichnet) gehoben wird und dann wieder zurtickspringt. Das Leuchtelektron kann in jeden der moglichen hoheren Zustande gehen, da diese ja im Gegensatz zu den Schalen im Atominnern nicht besetzt sind. Es gibt aber in Atomen mit mehreren Valenzelektronen sehr viel mehr angeregte

^ Ablosuna eines ^Elektrons

]\ Spektren

if

//

Abb. 8.5. Entstehung der Rontgenlinien

8.1 Die Spektren und die Elektronenhiille der Atome

Zustande als im Wasserstoffatom, well die Energie des Leuchtelektrons durch unterschiedliche Wechselwirkungen mit den anderen Valenzelektronen beeinfluBt wird. Deshalb sind die optischen Atomspektren um so verwickelter aufgebaut, je weiter rechts das Element im periodischen System steht. Die Optik im Sichtbaren beruht also auf Vorgangen an der Oberflache des Atoms, die Rontgenoptik auf solchen in der inneren ElektronenhuUe. Im Festkdrper und in Flussigkeiten beruhren sich, grob vereinfacht dargestellt, die auBeren besetzten Schalen von Nachbaratomen. Dabei werden die angeregten, diskreten Elektronenzustande des freien Atoms, wie sie im Gas vorliegen, so stark gest5rt, dal3 sie praktisch ein Kontinuum ausfiillen. So sind optische Linienspektren, die von Elektronentibergangen in der aufieren Elektronenhiille herriihren, nur an leuchtenden Gasen zu beobachten. Rontgenlicht z.B. der eigenen if„-Linie, s. Abb. 8.5, kann ein Kdrper nicht ausgepragt stark absorbieren. Es gibt uberhaupt kein Linienspektrum der ROntgenabsorption, sondern nur Absorptionskanten. Sie liegen bei Frequenzen, wo die Photonenenergie gerade gleich der Bindungsenergie oder AblGsearbeit fiir ein Elektron in einer besetzten inneren Unterschale der Elektronenhiille ist. Der Absorptionskoeffizient a springt bei dieser Wellenlange; er ist fur kiirzere Wellen hdher, fiir langere niedriger. Bei Wellen, linger als z. B. die A'-Kante, tragen nur Photoeffekte an Elektronen der L- oder hoherer, besetzter Schalen zur Absorption bei, wahrend von kurzeren Wellen auch A'-Elektronen herausgeschlagen werden.

8.1.5 Das Atom in wellenmechanischer Darstellung. Wie beim Dualismus WelleKorpuskel naher besprochen, vgl. Abschn. 7.6.5, ist ein freies Elektron mit festem Impuls nur als Welle zu beschreiben. Zum Elektron, das im Wasserstoffatom gebunden ist, also konstante Energie hat, gehort dann die Eigenschwingung der Materiewelle in einem kugelformigen „Kafig" um den Atomkem, an dessen „Wanden" sie totalreflektiert wird. Das ist dort der Fall, wo die Radialgeschwindigkeit des Elektrons im Teilchenbilde wegen der elektrischen Anziehungskraft des Kerns Null wiirde, ahnlich wie beim Steinwurf im Schwerefeld der Erde. Als Vergleich - allerdings eindimensional - kann man an die Eigenschwingungen von Luftsaulen denken, vgl. Abschn. 4.2.3.

263

Fur Eigenfrequenzen v,, bzw. Energien /iv/, dieser stationaren Zustande des Atoms liefert die Schrodinger-Gleichung Werte, wie sie tatsachlich gemessen werden. Statt einzelner diskreter Bahnen laBt sich aber lediglich eine mittlere Ladungsverteilung der Elektronenwolke angeben. Dabei zeigt sich, daB die Ladungen in bestimmten Gebieten, die den K-, L- und M-Schalen der friiheren Bohrschen Bahnen entsprechen, sich besonders stark haufen. Ihre Schwingungen haben 0, 1, 2,... Knotenkugeln. Der einheitliche, allgemeinere Formalismus, das Operatorenkalkiil der Quantenmechanik, enthalt die Wellenmechanik des Ein-Elektronen-Systems als Spezialfall. Auch Mehrelektronen-Systeme lassen sich in der Quantenmechanik behandeln. Da in jedem stationaren Zustand die Ladungsverteilung zeitlich konstant ist, gibt es auch keine Ausstrahlung. Damit verschwindet die alte Schwierigkeit der Bohrschen Bahnen mit ihren beschleunigten Elektronen, vgl. Bremsstrahlung Abschn. 7.5.7. Nur wenn eine Ladungsverteilung in eine andere ubergeht, d. h. der Elektronenzustand sich andert, tritt im Atom ein schwingender elektrischer Dipol auf, dessen Frequenz die der ausgestrahlten Lichtwelle bestimmt. Sie ist mit dem Energieunterschied der beiden Zustande nach der quantenmechanischen Beziehung /zv = W^-W^ verkniipft. Zur Bewegung eines Elektrons in der Hiille gehfirt ein Bahndrehimpuls der GroBe

L = V/(/+l)— ,

(8.3b)

2n s. auch Abschn. 2.6.3. Dabei ist / die Quantenzahl, die in jeder Schale Werte zwischen Null und n-\ annehmen kann {n Hauptquantenzahl, Abschn. 8.1.2). AuBerdem hat der Bahndrehimpulsvektor 2/+1 Einstellmoglichkeiten zu einer Vorzugsrichtung, derart daB seine Komponente in ihr mih/ln {mi magnetische Quantenzahl) betragt. - Zum Bahndrehimpuls des Elektrons hinzu kommt noch der Drehimpuls um seine eigene innere Drehachse als Kreisel, vgl. Abschn. 2.6.5, der als Spin bezeichnet wird. Seine Komponente in der raumlichen Vorzugsrichtung betragt 1/2 oder -1/2 in der Einheit h/2n. Deshalb kann nach dem Pauli-Prinzip jede der oben aufgefiihrten Einstellungen {n, /, mi) als „Platz" mit zwei Elektronen besetzt werden. So enthalt die KSchale («=1) zwei Elektronen mit /=0, die L-Schale auch zwei mit /=0 und zusatzlich 6 mit /= 1 usw. In einer voUbesetzten Schale und auch Unterschale ist die Vektorsumme aller Bahndrehimpulse und aller Spins Null {abgeschlossene Schale). Mit jedem Drehimpuls eines elektrisch geladenen Elektrons ist ein ihm proportionales magnetisches Moment verkniipft (Abschn. 6.6.3), so daB abgeschlossene Schalen kein magnetisches Moment besitzen, also diamagnetisch sind. - Mit der Elektronenspinresonanz un-

264 tersucht man ungepaarte Elektronen in freien Radikalen und in lonen von Obergangsmetallen (Mn, Fe). Das magnetische Moment des Spins kann sich zu einem auBeren Magnetfeld parallel oder antiparallel einstellen, genauer gesagt, hat die Komponente in Feldrichtung diese Orientiening. Zum Umklappen wird Energie AW benotigt, die durch ein magnetisches Wechselfeld der Frequenz v = AW/h zugefiihrt wird (Resonanzabsorption). Der Quantenmechanik ist es auch gelungen, den Mechanismus der kovalenten chemischen Bindung physikalisch zu erfassen und z.B. die Bildung von H2 aus 2 HAtomen quantitativ richtig zu berechnen (Elektronenpaare mit 2 antiparallelen Spins).

Aufgaben 8.1.1 Von der Paschen-Serie des Wasserstoffs berechne man die Vakuumwellenlangen (a) fUr die erste Linie, (b) ftir die Seriengrenze. 8.1.2 Eine Resonanzlinie des Hg-Atoms liegt bei 254 nm Vakuumwellenl^nge. Welche Spannung muB ein Elektron mindestens durchlaufen haben, damit es durch StoB auf ein Hg-Atom, das sich im Grundzustand befindet, die Emission dieser Linie anregen kann? 8.1.3 Welche inneren Orbitale werden in der 4. und der 5. Periode des periodischen Systems der Elemente besetzt? 8.1.4 Die Frequenz der iT-Absorptionskante steigt nach dem Moseley-Gesetz in erster Naherung mit RciZ-Xf. (Die Kernladungszahl Z ist wegen der sog. Abschirmung durch das andere A'-Elektron um 1 zu vermindern.) Man schatze danach aus der Seriengrenze der Lyman-Serie von Wasserstoff die Welleniange fUr die KKanten ab von 26Fe, 56Ba und 92U. 8.1.5 Wie groB ist der Bahndrehimpuls der L-Schale (n = 2), wenn ein p-Elektron (/ = 1) darin fehlt?

8.2 Molekiilspektren Ein Zweig der Molekulphysik erarbeitet Aussagen iiber die Struktur des einzelnen, freien Molekiils. Dabei geht es zunachst um die Anordnung der Atome in ihm, quantitativ um die Kernabstdnde und die Winkel zwischen den Bindungen, die sog. Valenzv^inkeL Uber sie erhalt man u.a. aus der Rontgen- und Elektronenstreuung (Abschn. 7.5.8 u. 7.6.5) sehr prazise Daten. Das sog. gaskinetische Volumen der Molekule gewinnen wir durch Messung der thermodynamischen Zustandsgrofien im Zusammenhang mit der v.d.

8. Grundziige der Atom- und Molekulphysik

Waalsschen Gleichung (Abschn. 5.4.6) oder auch aus der Diffusion bzw. Viskositat in Gasen. Zusatzlich zu diesen statischen Daten interessieren die Kraftkonstanten beim Strecken oder Knicken einer Bindung und die damit zusammenhangenden Eigenfrequenzen der innermolekularen Schwingungen. Sie sind auch im Festkorper zu beobachten und erlauben die Identifizierung von chemischen Molekulgruppen fiir analytische Zwecke (Abschn. 8.2.2). - Neben diesen intramolekularen Kraften stehen die zy^ischenmolekularen Krafte in Festkorpern, Fliissigkeiten und auch realen Gasen (Abschn. 3.1.4). Die elektrischen Eigenschaften der Molekule leiten sich aus der Ladungsverteilung im Grundzustand ab. Ihre Unsymmetrie erfaBt das permanente elektrische Dipolmomerit (Abschn. 6.2.8). Bei bekannter Molekiilstruktur laBt es sich in erster Naherung durch vektorielle Addition von Bindungsmomenten berechnen. ZweckmaBig werden dazu die Partialmomente ganzer substituierter Gruppen vorher zusammengefaBt. - Weiter werden die Ladungen im Molektil durch ein auBeres elektrisches Feld verschoben, das Molektil wird elektrisch polarisiert. Die molekulare Polarisierbarkeit a ist von der Lage des Molekuls zur Feldrichtung abhangig, d. h. die meisten Molektile sind elektrisch anisotrop, Es gibt drei senkrecht aufeinander stehende Hauptpolarisierbarkeitsrichtungen, von denen beim symmetrischen Kreisel zwei gleichwertig sind. Infolge der elektrischen Anisotropic der Molekule ist das von ihnen um 90° gestreute Licht nicht voUstandig Unear polarisiert, s. Abschn. 7.4.6. Das schwingende Dipolmoment, das die Streustrahlung emittiert, ist namlich je nach Orientierung des Molekuls gegen die Feldrichtung der einfallenden Welle unterschiedlich verdreht. Umgekehrt Hefert der gemessene Depolarisationsgrad Daten zur Berechnung der molekularen elektrischen Anisotropic. Von besonderem Interesse sind auch die magnetischen Eigenschaften der Molekiile, vornehmlich von paramagnetischen Substanzen (Abschn. 6.6.9). Deren Molekule sind Trager eines permanenten magnetischen Mo-

265

8.2 Molekulspektren

ments, herriihrend von elektronischen Bahndrehimpulsen oder Spins, die sich nicht voUstandig kompensieren. Untersuchungen der Elektronenspinresonanz (Abschn. 8.1.5) fiihren auch zu Aussagen iiber rotatorische und translatorische Bewegungen der Molektile z. B. in der Flussigkeit. Dasselbe gilt fiir den Spin des Atomkerns, dessen magnetisches Moment allerdings nur etwa ein Tausendstel von dem des Elektronenspins ausmacht. Fiir analytische Zwecke wird ausgenutzt, daB die Resonanzfrequenz durch die magnetische Feldstarke am Ort des Kerns bestimmt wird. Diese aber hangt nicht nur vom auBeren Magneten, sondern auch noch von der Verteilung und Bewegung der Ladungen in der Kernumgebung, also letztUch von der chemischen Bindung ab. Die hochauflosende Kernspinresonanz (NMR) am H-Kern (Proton) kann so zwischen Wasserstoffatomen in den Bindungen CH, CH2, CH3 oder OH unterscheiden (chemical shift), Eine ausfuhrliche Behandlung aller dieser Untersuchungsmethoden und ihrer Ergebnisse im einzelnen wurde iiber das Ziel dieses Buches hinausgehen. Wir woUen uns daher, anschlieliend an die Atomspektren, nur in einem UberbUck mit der Wechselwirkung von elektromagnetischen Wellen mit Molekiilen, den sog. Molekulspektren beschaftigen. Die Streuung von Rontgenstrahlen wird dabei nicht behandelt. 8.2.1 Rotationsspektren. Mikrowellen und Wellen des fernen Infrarot-Gebietes erfahren beim Durchgang durch einen Dampf eine Leistungsabnahme bei Frequenzen, die fiir das freie Molekiil des Dampfes charakteristisch sind. Das Molekul absorbiert dabei ein Photon, und dessen Energie geht in zusatzliche Rotationsenergie des ganzen Molekuls iiber. Man spricht daher vom Rotationsspektrum, das aus diskreten Spektrallinien sich zusammensetzt. Beobachtet wird es stets in Absorption. Ein einfaches Mikrowellenspektrometer ist im Prinzip wie der Schauversuch mit elektromagnetischen Wellenbiindeln aufgebaut, vgl. Abb. 6.96. Nur befindet sich zwischen den Trichtern eine Zelle, gefiillt mit dem zu untersuchenden Gas unter vermindertem

Druck von etwa 1 bis 10"^ mbar. Im Gegensatz zum sichtbaren Licht einer Bogenlampe ist die Strahlung des Mikrowellensenders monochromatisch, er schwingt jeweils mit einer festen Frequenz. Man kann ihn aber verstimmen, indem man z. B. eine dafiir geeignete Betriebsspannung andert. So laBt man seine Frequenz langsam kontinuierlich den gewiinschten Frequenzbereich durchlaufen und registriert die Empfangsspannung nach ausreichender Verstarkung mit einem Schreiber, der dann unmittelbar das Absorptionsspektrum aufzeichnet. Frequenzmarken werden dabei auf dem Schreiberpapier zusatzlich eingetragen. Ein reines Rotationsspektrum beobachten wir nur hci polaren Molekiilen, die einen permanenten elektrischen Dipol besitzen. In der makroskopischen Physik stellt ein Dipol mit konstantem Dipolmoment, wenn er um eine Achse senkrecht zur Verbindungsgeraden von positiver und negativer Ladung rotiert (Abschn. 6.2.8 und 6.8.5), zwei Strahlungsdipole dar, die senkrecht zueinander orientiert sind und deren harmonische Schwingungen um 90° gegeneinander phasenverschoben sind, vgl. Abb. 4.11b. Beide Antennen wiirden elektromagnetische Wellen abstrahlen, die gedampft sind, weil ihre Schwingenergie dadurch abnimmt. - Im molekularen Bereich fuhrt aber die Quantenmechanik ebenso wie bei den Orbitalen der ElektronenhuUe zu anderen Gesetzm^Bigkeiten. Das Molekul kann nur diskrete stationare Rotationszustdnde annehmen, die strahlungslos sind. Zwischen ihnen sind, wenn das Molekiil elektrisch polar ist, Obergange unter Absorption oder Emission eines Photons mdgUch. Die Energie der Rotationszustande betragt fiir ein lineares Molekul, wie NO Oder HCN J(J+1). W,= Sn^I

(8.4)

J ist eine positive ganze Zahl, Null eingeschlossen, die Rotationsquantenzahl, h die Plancksche Konstante (Abschn. 7.6.2) und / das Tragheitsmoment des rotierenden Molekiils (Abschn. 2.6.1). Die Energiedifferenz zwi-

8. Grundzuge der Atom- und Molekulphysik

266

schen zwei benachbarten Zustanden ist um so kleiner, je groBer das Molekiil, exakter sein Tragheitsmoment ist.

in der Masse voneinander abweichen, ergeben z. B. die einzelnen Schwefelisotopen fiir OCS-Molekiile, in die sie eingebaut sind, unterschiedliche Tragheitsmomente und Frequenzen im Rotationsspektrum. In isotopen Molekulen sind die Atomabstande gleich, und zur BeWie in der Elektronenhiille nimmt der Drehimpuls des stimmung der beiden gesuchten Abstande im OCS geniiMolekuls nur die Werte L = \/J{J+\)h/27t an. Die Ro- gen schon die Rotationslinien mit zwei Isotopen. tationsenergie errechnet sich daraus als W^^^ = Io?/2 Die realen Molekiile sind aber nicht vdllig starr, viel= L^/2/, was zu der angegebenen Beziehung fiihrt. mehr verhalten sich die Valenzbindungen wie elastische Federn. Durch die Zentrifugalkraft nehmen daher die Bei einem sog. elektrischen Dipol-Uber- Kernabstande und damit das Tragheitsmoment mit steigang darf sich die Quantenzahl / nur um 1 gender Winkelgeschwindigkeit zu. Dadurch werden die andern, beim AbsorptionsprozeB also stei- Ubergangsfrequenzen bei hoheren Quantenzahlen J gen. Im Ubergang von J nach 7+1 wird ein niedriger, als man es bei konstantem Tragheitsmoment aus den ersten Linien der Serie erwartet. Die LinienabPhoton mit der Energie hv= Wj^^- Wjah- stande werden also mit steigendem /geringfiigig kleiner.

sorbiert, oder das Rotationsspektrum hat die Frequenzen v = 4n^I (^+1).

(8.5)

Fiir ein starves Uneares Molekiil ergibt das eine ^quidistante Folge, s. Abb. 8.6, aus der das molekulare Tragheitsmoment zu gewinnen ist. Bei Kenntnis der Atommassen ergeben sich daraus sehr exakte Daten fiir den Atomkernabstand in zweiatomigen Molekiilen. Bei drei- und mehratomigen Molekulen jedoch lassen sich aus nur einem Tragheitsmoment nicht mehrere Kernabstande berechnen. Man benutzt dann Molekiile mit verschiedenen Isotopen (Abschn. 6.5.5). Da letztere

Lineare Molekiile rotieren nur um eine Achse senkrecht zur Molekiilachse, in der stets das Dipolmoment liegt. Symmetrische KreiselmolekUle haben eine mindestens dreizahlige Figurenachse, d.h. sie gehen nach Drehung von hochstens 120° um diese wieder in sich selbst uber, z.B. NH3. Bei ihnen sind zusatzUch zur Rotation Nutationsbewegungen moglich (Abschn. 2.6.5). Der Drehimpuls steht dann schrag zur Figurenachse, d. h. er hat auch eine zu ihr parallele Komponente, und zwar vom Betrage Kh/2n, s. Abb. 8.7. K ist eine ganze Zahl zwischen - / und H-y. Die Rotationsenergie ergibt sich damit zu ^JK=-

J(J-^^)

^frl

1

Sn' (8.6)

Die Tragheitsmomente sind I^ fiir eine Drehachse senkrecht zur Figurenachse, wie beim Unearen Molekiil, und /bbei Rotation um die

V^i^

—k—i 1__L Abb. 8.6. Starres, Uneares Molekiil. Energien Wj der station^ren Rotationszustande; Frequenz v der Dipoliibergange (Rotationsspektrum)

Abb. 8.7. Symmetrischer Kreisel. Haupttragheitsmomente 4 und /^, Drehimpuls und Komponente in der Figurenachse/

8.2 Molekiilspektren

Figurenachse. Wenn I^ grdBer als /b ist, nennt man den Kreisel verlangert, im anderen Falle abgeplattet, Meist wird aus Symmetriegriinden der Dipol in der Figurenachse liegen. Dann steigt bei Absorption eines Photons wieder / u m 1, wahrend K konstant bleibt. Bin starres symmetrisches Kreiselmolektil hat dann ein Rotationsspektrum derselben Struktur wie ein lineares starres Molekiil. Die Zentrifugalverformungen, bzw. die Anderung von 4 und 4 , hangen bei vorgegebenen J noch von K ab. So dehnt sich bei A' = 0 das Molekiil in Richtung der Figurenachse. Es wird etwas vertogert, I^ steigt. Fiir A' = 7 dagegen wird es mehr abgeplattet. Als Folge davon spalten die Rotationslinien mit groBerem J in Trabanten auf, die zu den verschiedenen A'-Werten gehoren; +K und -K geben naturlich dieselbe Frequenz.

Die Strahlungsleistung der elektromagnetischen Wellen folgt bei Ausbreitung in einem mit Gas gefuUten Wellenleiter der Lange z der gleichen Beziehung P = PoCxp( - az) wie die Extinktion von Licht (Abschn. 7.5.4). Der Leistungsabsorptionskoeffizient a ist der Zahl der Molekiile in der Volumeneinheit proportional, die sich im Ausgangszustand fUr den betreffenden Ubergang befinden. Diese Besetzungszahl hangt von der Temperatur ab und durchlauft mit steigendem J ein Maximum. Das liegt u.a. daran, daB die thermische Energie pro Freiheitsgrad kT/2 (Abschn. 5.3.2) bei Zimmertemperatur sehr viel grdBer ist als die Energie der tieferen Rotationszustande. Bei Spektrallinien im Mikrowellengebiet, also von erheblich niedrigerer Frequenz als im Sichtbaren, spielt die Druckverbreiterung (Abschn. 8.1.2) eine sehr groBe RoUe. Die absolute Frequenzbreite Av einer Linie ist zwar immer der Zeit zwischen zwei StoBen des absorbierenden Molektils umgekehrt proportional, aber es kommt bei den Messungen auf die relative Frequenzbreite an, die bei niedrigen Frequenzen entsprechend groBer ist. Das ist auch der Grund, weshalb man eine Aufldsung der einzelnen Rotationslinien nur bei vermindertem Druck erreicht. Im Gegensatz dazu ist z.B. die NaDoppelUnie im Gelben bei Normaldruck in der Flamme aufgelost zu beobachten. Fiir jede einzelne Rotationslinie steigt die Hohe

267

des Absorptionsmaximums mit der Zahl der Molekule in der Volumeneinheit, also mit der Dichte oder dem Druck, nur in dem Druckbereich proportional an, in dem die Molekule praktisch allein mit der Zellenwand StoBen und nicht untereinander. Bei hoherem Druck ist letzteres dominierend. SchlieBlich ist a im Maximum der Linie druckunabhangig, aber die gesamte Linie wird mit zunehmendem Druck immer breiter, bis sie von den Nachbarlinien nicht mehr getrennt ist. Unsymmetrische Kreiselmolekule, wie Wasser, haben drei verschieden grofie Haupttragheitsmomente; ihre Rotationszustande mussen durch drei Quantenzahlen charakterisiert werden. Die Energieabstande und damit die Absorptionsfrequenzen folgen keinem einfachen Gesetz. Die erste, aber ziemlich schwache Rotationslinie von H2O im Dampf liegt bei 13,5 mm, die nachste starkere bei 1,63 mm Wellenlange. Nach kurzeren Wellen, bei Sub-mm-Wellen, folgen die Rotationslinien dann mit kleineren Abstanden. Zur Nachrichtentibertragung durch die AtmosphSre ist dieser Frequenzbereich daher ungeeignet. In unserer Betrachtung der Rotationsspektren und im folgenden kommt das sog. Bohrsche Korrespondenzprinzip zum Ausdruck. Eine Strahlung, die nach den Gesetzen der klassischen Physik entsteht (rotierender Oder schwingender Dipol), gibt es auch nach quantenmechanischen Gesetzen: Sie existiert also in der Natur. Man kann umgekehrt jeder wirklich beobachteten, emittierten Welle eine klassische Schwingung in Atomen Oder Molekiilen zuordnen, sie in Korrespondenz setzen. Die richtige Frequenz iSBt sich allerdings meist nicht auf klassischem Wege berechnen.

8.2.2 Molekiilschwingungen. In einem zwe/atomigen Molekiil wie NO schwingen der Nund der O-Kern gegeneinander. Der Molekiilschwerpunkt bleibt dabei in Ruhe. Die zugehorige Eigenfrequenz Vs folgt der Beziehung 27rVs=l/D7m fiir das Federpendel (Abschn. 4.1.1). D bezeichnet auch hier die Kraftkonstante der Bindung, wahrend m die sog. reduzierte Masse ist und sich aus den beiden Atommassen m^ und rriQ ergibt gemaU \/m = \/m^-\-\/mo, Beim Federpendel ist die eine Masse so groB, daB ihr Kehrwert praktisch verschwindet und nur die Masse des sich bewegenden Korpers die Eigenfrequenz bestimmt. Wahrend der Schwingung andert sich periodisch die Ladungsverteilung, und das schwingende Molekiil strahlt in klassischer Vorstellung wie ein schwingender elektri-

8. Grundzuge der Atom- und Molekulphysik

268

scher Dipol. ~ Quantenmechanisch hat ein sog. harmonischer OszUlator station^re, strahlungslose Zustande, zu denen die Energien gehoren: W,= {v + \)hv,

(8.7)

V ist ganzzahlig und wird als Schwingungsquantenzahl bezeichnet. Bei Absorption Oder Emission eines Photons andert sich die Quantenzahl i; um ± 1, so daB die Photonenenergie bei alien Dipolubergangen AW=hv^ ist (Abschn. 7.6.2). Anders als bei der Rotation ist, zumindest bei kleinen Molekiilen, die Anregungsenergie fiir den Schwingungszustand i; = 1 bei Zimmertemperatur grOBer als kT. Dann befinden sich die meisten dieser Molektile im Grundzustand mit t; = 0, und wir beobachten Absorptionsspektren, die im nahen IRGebiet liegen.

kKpot

sie durch ungestdrte Oberlagerung aus sog. Normalschmngungen darstellen, zu denen je eine Eigenfrequenz gehort. Davon konnen auch einige zusammenfallen. Ein Molekul aus N Atomen hat stets 3 N-6 Normalschwingungen. Bei linearen Molekiilen steigt die Zahlauf3N-5. Begrundung, Die Atome im Molekul haben 3 N Freiheitsgrade der Translation (Abschn. 5.3.2). Davon scheiden drei dadurch aus, daB der Schwerpunkt fest bleibt; drei weitere beziehen sich auf die Rotation des ganzen MolekUls. Beim linearen Molektil fallt aber die Rotation um die Figurenachse aus, so daB nur zwei Rotationsfreiheitsgrade des ganzen MolekUls zu beriicksichtigen sind. Die resthchen Freiheitsgrade bestimmen die Zahl der Normalschwingungen.

Wir betrachten einige einfache Beispiele: Das lineare COi-Molekiil hat drei Normalschwingungen mit unterschiedlichen Normalfrequenzen, s. Abb. 8.9a. Man bezeichnet sie als asymmetrische Valenzschmngung Va, symmetrische Valenz- oder Streckschmngung v^ und Deformations- oder Knickschwingung d. Zur Deformationseigenfrequenz S gehoren zwei Schwingungen, namUch eine parallel und eine senkrecht zur Zeichenebene von Abb. 8.9a, so daB ihre Gesamtzahl 3 x 3 - 5 = 4 betragt. Emission und Absorption elektromagnetischer Wellen ist auch hier nur moglich, wenn sich bei der Schwingung das Dipolmoment periodisch andert; wir nennen derartige Schwingungen infrarot-aktiv, Bei CO2 sind das Va und d, wahrend die symmetrische Schwingung Vs IR-inaktiv ist.

Genauere Frequenzmessungen deuten auf Abweichungen vom linearen Kraftgesetz hin. Das zweiatomige Molekul verhalt sich als anharmonischer OszUlator, Die rticktreibende Kraft steigt namlich bei Annaherung der Atome starker als linear, beim Auseinandergehen aber schwacher als linear mit der Verrtickung aus der Gleichgewichtslage. Die potentielle Energie nahert sich fur groBe Abstande einem Grenzwert, das ist die Dissoziationsenergie in zwei Atome Oder lonen, s. Abb. 8.8. Die Energieniveaus rticken bei diesem Potentialverlauf mit steigender Quantenzahl v naher zusammen. Die Obergangsfrequenzen nehmen bei Av - \ mit steigendem v inuner starker ab. - Gleichzeitig werden auch Obergange mit einer Anderung Av grOBer als 1 im Spektrum beobachtet. Ihre Intensitat nimmt mit steigendem Av ab. Das entspricht wieder im klassischen Bilde den Eigenschaften des anharmonischen Oszillators, der keine reinen Sinus-Schwingungen ausftihrt. In anharmonischen Schwingungen sind stets hdhere Harmonische enthalten (Abschn. 4.1.2.2). Fiir die Schwingungsspektren ohne Bedeutung ist die sog. Nullpunktenergie des Oszillators hv^/2. Ihre Exi9!?!^^!^i'S!^II!^^!SL^- stenz ist klassisch nicht verstandlich, laflt sich aber quantenmechanisch unmittelbar aus der Unbestimmtheitsrelation von Heisenberg ableiten (Abschn. 7.6.5): Bei Begrenzung des Ortes eines „Teilchens" in einer Koordinatenrichtung, hier auf eine Strecke innerhalb der Potentialmulde des Oszillators, vgl. Abb. 8.8, ist eine endliche Impulskomponente und damit auch eine Mindestenergie vorhanden. Ker nab stand

Abb. 8.8. Potentielle Energie des anharmonischen Oszillators. Gestrichelt: harmonischer Oszillator

In mehratomigen Molekiilen sind die Schwingungszustande wesentlich mannigfacher. Bei harmonischen Kraften kann man

CO2

o

c

H2O

o

-^.

X 1 1 1 .

X

A-..

Abb. 8.9 a, b. Normalschwingungen von dreiatomigen Molekiilen. (a) linear, (b) gewinkelt

269

8.2 Molekiilspektren

Letzteres gilt nicht fiir unsymmetrische lineare Molekiile, z.B. HCN, die dieselben Normalschwingungen, aber bereits ein permanentes elektrisches Dipolmoment besitzen. Dort ist auch die symmetrische Valenzschwingung Vs IR-aktiv, weil sich das Dipolmoment bei ihr ebenso periodisch andert wie im schwingenden NO, das wir zuerst betrachtet haben. Ftir die spezielle Form der Schwingbewegungen ist im HCN der groBe Massenunterschied zwischen H- und NAtom von Bedeutung. Der Schwerpunkt liegt nicht im C-Kern, sondern in der CNBindung. So schwingen bei Vs praktisch die HC-Gruppe und das N-Atom gegeneinander, wahrend bei der asymmetrischen Schwingung Vadas H-Atom gegen die nahezu ruhende CN-Gruppe schwingt. Die Kraftkonstante der jeweiligen Bindung bestimmt ~ zusammen mit der reduzierten Masse - vornehmlich die Frequenz. Das nichtlineare H20-Molekul hat dieselben Typen von Normalschwingungen wie dreiatomige, lineare Molekule, s. Abb. 8.9b. Seine symmetrische Valenzschwingung ist wegen des permanenten Dipols in der Symmetrieebene des Molekiils IR-aktiv. Es gibt aber nur eine Deformationsschwingung, namlich in der Zeichenebene, da die entsprechende Bewegung senkrecht dazu eine Rotation und keine Schwingung ist. Stets haben die Valenzschwingungen h6here Frequenzen, d.h. kiirzere Vakuumwellenlangen, als die Deformationsschwingungen, vgl. Tab. 8.1. In schwerem Wasser D2O sind die Frequenzen niedriger als in normalem, was wieder den Eigenschaften des Federpendels entspricht, wenn bei konstanter Kraftkonstante die Masse des schwingenden

Tabelle 8.1. Normalschwingungen einiger dreiatomiger Molekule, vgl. Abb. 8.9. Vakuumwellenlangen der Absorption in \xm Normalschwingung

Va

CO2 HCN H2O D2O

4,26 3,02 2,66 3,59

Vs

(7,45) 4,77 2,73 3,74

d

15,0 14,0 6,27 8,49

Korpers erhoht wird. Allerdings steigt bei der Deuterierung, vgl. auch Abschn. 8.3.1, die Wellenlange weniger als um den Faktor |/2, weil auch das O-Atom mitschwingt und, wie oben besprochen, die reduzierte Masse maUgebend ist. Der VoUstandigkeit halber sei erwahnt, daB zu jeder der klassischen Schwingfrequenzen, die wir bisher allein besprochen haben, quantenmechanisch ebenso eine Reihe von station^ren Energiezustanden mit Dipoltibergangen gehort wie beim zweiatomigen Molekiil. Auch die Energiewerte folgen demselben Gesetz. Bei jeder Normalschwingung miissen wir eine besondere Schwingungsquantenzahl t;/(bei dreiatomigen Molektilen: / = 1,2,3) einfuhren, und bei einem Ubergang andert sich nur eine davon um 1. Die molekularen SchwingungszusUlnde lassen sich klassisch nur dann als eine einfache Summe von Normalschwingungen darstellen, wenn die Schwingungen harmonisch sind. Die stets vorhandene Anharmonizitdt fUhrt zu zwei Besonderheiten: Einmal sind die Normalschwingungen selbst nicht mehr sinusffirmig, und wir haben wie beim zweiatomigen Oszillator Oberschwingungen. Dann aber entsteht bei der Uberlagerung auch eine Verkopplung der Normalschwingungen zu sog. Kombinationsschwingungen mit Frequenzen, die Summe Oder Differenz von Normalfrequenzen, eventuell auch von Oberfrequenzen, sind. Die Quantenmechanik zeigt, daB es dann wieder Obergange mit Av gr6fier als 1 gibt. Die Frequenz fur den t?-Obergang von 0 nach 2 ist aber etwas weniger als doppelt so groB wie die ftir den Obergang von 0 nach 1, weil ja die Energieniveaus des anharmonischen Oszillators mit steigendem v enger zusammenliegen. - Dazu kommen gleichzeitige Obergange von zwei Oszillatoren desselben Molekiils, derart daB die gesamte Energieanderung gleich der des beteiligten Photons ist. Die starkste Absorptionslinie davon ist die mit Av^= Av2= + 1. Die Absorption der Differenzfrequenz verlangt die Obergange Av^^ + 1 , Av2= - 1 bei v,>V2. Sie kann daher nur im „heiBen" Stoff auftreten, in dem namlich der Zustand V2= \ im thermodynamischen Gleichgewicht ausreichend besetzt ist. - Auch IR-inaktive Schwingungen, wie Vj von CO2, kdnnen sich an IR-aktiven KombinationsUbergangen beteiligen, z.B. Va + Vj Oder ^He+}p+18,3 MeV.

Ihr Ablauf fUhrt also zum Aufbau von Helium aus den Wasserstoffisotopen JH und JH. Die Kernfusion findet nur statt, wenn die beiden Ausgangskerne mit gentigend hoher kinetischer Energie aufeinanderprallen. Nur dann nahern sie sich trotz der gleichnamigen Ladungen so weit, daB die star ken Kernkrafte kurzer Reichweite wirksam werden und zur Verschmelzung fiihren. Die {d^ri)- und (rf,/7)-Prozesse von Gl. (8.15) treten natiirlich ohne weiteres auf, wenn wir Deuteronen mit einem Teilchenbeschleuniger (Abschn. 8.3.8) eine entsprechend hohe kinetische Energie geben und auf einen Auffanger schieBen, ein sog. Target, dessen Materie die zweite NukHdsorte enthalt. Auch wird dann die angegebene Bindungsenergie frei und letztHch in Warme umgewandelt. Aber diese Nutzleistung ist wegen der wenigen eintretenden Fusionsprozesse verschwindend klein gegen die dafiir benotigte Betriebsleistung des Teilchenbeschleunigers, so daB mit dieser Maschine Kemenergie nicht nutzbar gemacht werden kann. Dazu muB man eine wagbare Menge von Wasserstoff auf eine so hohe Temperatur bringen, daB die untergeordnete, thermische Bewegungsenergie der Teilchen ausreicht

8.3 Der Atomkern und seine Umwandlungen

(Abschn. 5.3.2), eine makroskopische Zahl von Kemfusionsprozessen auszulosen. Eine Temperatur uber 10^ K ist zur Einleitung einer solchen thermonuklearen Reaktion erforderlich, die sich dann selbst aufrechterhalten kann. Sie herrscht im Inneren der Sonne. Die von der Sonne abgestrahlte, riesige Leistung wird durch die Bindungsenergie gedeckt, die beim Aufbau von Heliumkernen aus Wasserstoffkernen frei wird. Eine besonders groBe Energie, namlich etwa ISMeV, wird dabei bei der Bildung des a-Teilchens jHe frei, dessen gesamte Bindungsenergie etwa 28 MeV betragt, vgl. Abschn. 8.3.4. Die ersten Schritte im sog. Proton-Proton-Zyklus, bei denen zwei Protonen sich zum Deuteron zusammenlagern unter Emission eines Positrons und Neutrinos sowie der Einfang eines weiteren Protons durch das Deuteron unter Bildung von 2 He sind weniger energiereich. Sie gehdren aber ebenfalls zu den thermonuklearen Prozessen in Sonne und leuchtenden Fixsternen und erm5glichen die Ausnutzung der riesigen Mengen von JH als „Kernbrennstoff". Auf der Erde gelang die AuslGsung der thermonuklearen Reaktion zuerst in der Wasserstoffbombe, in der die hohe Temperatur durch eine Uran- oder Plutoniumbombe erzeugt wird (Abschn. 8.3.7). Zur kontrollierten Energiegewinnung mittels Kernfusion plant man, ]H und fH im hochionisierten Plasma-Zustand (Abschn. 6.5.5) durch eine Hochstromgasentladung zur thermonuklearen Reaktion zu bringen. Zusammendrangung der lonen durch geeignete Magnetfelder bewirkt eine zusatzUche Temperaturerh5hung und halt die schnellen lonen von den GefaBwanden fern, Umfangreiche Vorversuche, um die Ziindbedingungen fiir ein thermonuklear brennendes Plasma festzulegen, fiihrten inzwischen zu makroskopischer Erzeugung von Warme aus Fusionsenergie, aber nur fiir die Dauer von etwa 1 s. Stationares ,3rennen" lieB sich fur langere Zeitspannen noch nicht erreichen.

8.3.6 Kemspaltung, Transurane. Bei sehr hohen Ordnungszahlen steigt der Massendefekt etwas langsamer als linear mit der Massenzahl an, so daB die Masse eines schweren Kerns groBer ist als die Summe der Massen zweier mittelschwerer Nuklide, die zusammen dieselbe Massen- und Ordnungszahl besitzen. Bei der Spaltung wird also Energie frei. DaB diese schweren, gegen(iber ihren Spaltprodukten instabilen Kerne dennoch existenzfahig sind, liegt daran, daB man dem Kern vor der Spaltung erst Anregungsenergie zur Deformation zufiihren muB. Sie betragt bei schweren Kemen aber nur einige MeV.

285

Um diese Anregungsenergie zu liefern, eignet sich am besten ein auftreffendes Neutron, da es elektrisch nicht abgestoBen wird. Durch seine Anlagerung wird Bindungsenergie infolge der Kernkrafte frei (starke Wechselwirkung, Abschn. 8.3.1). Wir konnen uns im einfachsten Modell einen Atomkern von hoher Massenzahl als einen Fllissigkeitstropfen vorstellen, der bei Absorption eines Neutrons Energie aufnimmt. Er gerat dadurch in Schwingungen, die zu Einschniirungen fUhren konnen,^ so daB die elektrischen AbstoBungskrafte zwei Kernteile auseinandertreiben, also zur Spaltung fiihren. Experimentell entdeckten zuerst Hahn und Strassmann 1938, daB bei der Bestrahlung von Uran mit langsamen Neutronen mittelschwere radioaktive Nuklide, wie z.B. Barium und Krypton, entstehen. Spater zeigte sich, daB diese durch Spaltung des seltenen, leichteren Uranisotops ^92U (U235) entstehen. Dabei bildet sich durch Neutronenanlagerung zunachst als Zwischenkern U 236, der dann in zwei Kerne zerfallt. AuBerdem werden noch ein oder mehrere schnelle Neutronen frei. Die Summe der Ordnungszahlen der instabilen Spaltprodukte muB naturlich 92 betragen, die der Massenzahlen muB um die Zahl der direkt emittierten Neutronen kleiner als 236 sein. Entstehen beim Zerfall speziell Krypton und Barium, so ist die Reaktionsgleichung der Kernspaltung ^Mu + i n - ^ ^ ^ U - ! l K r + ^ ^ B a - f 3 i n . (8.16) Uran 236 besitzt mit 144 Neutronen und 92 Protonen einen relativ sehr viel groBeren NeutronenuberschuB als die Spaltprodukte in ihren stabilen Isobaren (Abschn. 8.3.1). Deren Neutronenzahl muB daher abnehmen, etwa indem sich wie beim natiirlichen radioaktiven Zerfall unter Aussendung von )8~-Teilchen so lange Neutronen in Protonen umwandeln, bis ein stabiles isobares Nuklid entsteht. Auch die direkte Neutronenemission wird beobachtet, sog. verzogerte Neutronen. Bei einem Versuch zur Kernspaltung tritt daher eine gr5Bere Zahl von meist kurzlebigen Radionukliden auf. Die Ord-

286

8. Grundzuge der Atom- und Molekiilphysik

nungszahl der Spaltprodukte schwankt in Analog wie Plutonium entstehen im Kemreaktor, weiten Grenzen, namlich zwischen 30 und vgl. Abschn. 8.3.7, noch hohere Transurane durch wie63, ebenso die Massen; dabei sind Spaltpro- derhohen Neutroneneinfang und y?~-Zerfall. Darunter gibt es langlebige Isotope bis zum Einsteinium (Z=99, dukte mit Massenzahlen um 95 und 140 am ca. 1 Jahr), von denen daher wagbare Mengen aus den haufigsten. Reaktor-Brennstaben zu extrahieren sind. Bis Z=104 Bei jeder Spaltung wird insgesamt der au- sinkt die Halbwertszeit aber in den Bereich von SekunIJerordentlich hohe Energiebetrag von etwa den, bei noch hoheren Ordnungszahlen von ms, so daB Aufsammeln wagbarer Mengen unmoglich ist. 192 MeV frei. Er rtihrt vornehmlich von den ein So bleibt nur die Synthese einzelner iiberschwerer NuAbstoBungskraften zwischen den stark posi- klide, indem zwei Kerne mit entsprechend hoher Zahl von tiv geladenen Spaltstucken her, die im ur- Protonen (Z) und Neutronen (N) zur Fusion gebracht werspriinglichen Kern gerade noch durch die den, analog den Kemreaktionen beim H-Brennen in der Kernkrafte kompensiert wurden. Aber auch Sonne, vgl. Abschn. 8.3.5. Das zentrale Gerat dazu ist Schwerionen-Beschleuniger (ca. 300 MeV), der seidie kinetische Energie der Neutronen und der ein nen lonenstrahl durch ein diinnes Target z.B. mit langleZerfallsprodukte von kiinstlich radioaktiven bigen Transuranen schieBt. Wahrend der tagelangen Folgekernen ist darin enthalten. „Strahlzeit" beobachtet man zwischen den sehr vielen Das Uran 235 besitzt bereits eine gewisse, schnellen, ungestort durchtretenden Nukliden ganz vereinzelt ein langsameres, das nach Fusion eines Projektils mit wenn auch auflerordentlich geringe Neigung einem Target-Kern aus dem Target herausgeschlagen ist. zur spontanen Kernspaltung (Halbwertszeit Als Beispiel sei betrachtet die Reaktion etwa lO^'^ Jahre). Dieser Selbstzerfall tritt Ca: :{^^Uuh + 4in. .Xmbei Kernen mit noch hoherer Ordnungszahl zunehmend schneller ein, wodurch zusam- Der lonenstrahl enthalt das sehr neutronenreiche Calcium men mit dem a-Zerfall der Abbruch des pe- 48, das auf den Target-Kern Curium 248 trifft. Bei sog. riodischen Systems der natiirlichen chemi- helper Fusion entsteht zunachst der hochangeregte Verschen Elemente bei Z = 92 erklariich wird. bundkem Z=116, Z + N = 296, der 4 Neutronen emittiert, DaB die radioaktiv zerfallenden Elemente um in den Grundzustand iiberzugehen. So bildet sich als „Endprodukt" das superschwere Nuklid mit Z=116, N = oberhalb von Blei uberhaupt noch heute in 176. Das zugehorige chemische Element wird, noch ungeder Natur existieren, liegt nur an der extrem tauft, vorerst mit Ununhexium Uuh bezeichnet. Dieses Nulangen Zerfallszeit von Uran, z.B. 4-10^ klid zerfallt mit 18 ms Halbwertszeit unter a-Emission. Rechnungen lassen erheblich langere Halbwertszeiten Jahre fiir Uran 238. bei Kernen mit der magischen Neutronenzahl 184 und Das wichtigste, auch groBtechnisch her- Z= 114 Oder 120 vermuten. In Zukunft soil versucht werstellbare Transuran ist das Plutoniumisotop den, diese „Inser' groBerer Stabilitat zu erreichen und ein^94 Pu mit der langsten Halbwertszeit von zelne 2^itkonstanten dort zu bestimmen. 24000 Jahren, das nach Anlagerung von langsamen Neutronen ebenso spaltbar ist 8.3.7 Kernreaktor, Neutronen. Die Energie wie das Uranisotop ^92 U. Es entsteht nach der y-Photonen, sowie der a- und )ff-Teilchen der Gleichung aus dem radioaktiven Zerfall ist zwar sehr hoch, aber die Feststellung, daB sie mehrere 238 9 2 ^ + 0 ^ > 9 2 U - >^9^^Np+e- ^^11 Pu+e- MeV betragen kann, darf nicht zu falschen (8.17) Vorstellungen tiber die einem radioaktiven Korper zu entnehmende Gesamtleistung fiihdurch Anlagerung eines Neutrons, und zwar ren. Es zerfalien namlich wegen der langen vornehmlich eines schnellen, an das Haupt- Halbwertszeit so wenig Urankeme in der isotop des Urans. Das zunachst erhaltene in- Zeiteinheit, da6 im MaUstab der Technik U stabile Isotop ^92 U wandelt sich unter Aus- eine solche Energiequelle uninteressant ist. M sendung von jeweils einem )ff~-Teilchen Bei der Kernspaltung wird erstens im Ein^ nacheinander in Neptunium und Plutonium zelprozeB mehr Energie frei (Abschn. 8.3.6), um mit Halbwertszeiten von 23 Minuten, und zweitens ist man an keine naturgegebene, L£ bzw. 2,35 Tagen. Das langlebige Plutonium- sehr lange Halbwertszeit gebunden, sondem V///////////////////////A isotop Pu239 geht unter a-Zerfall in ^92 U man kann die Zahl der sekundlichen Einzeliiber, den Ausgangskem der Uran-Actini- prozesse steuem, indem man den NeutronenAbb. 8.23. Schema eines Kernreaktors um-Zerfallsreihe ( A b s c h n . 8 . 3 . 3 ) . fluB reguliert:

8.3 Der Atomkem und seine Umwandlungen

Da die beim ersten Zerfall frei werdenden 2-3 Neutronen ihrerseits weitere 2-3 Kerne vom U 235 spalten konnten, haben wir die Moglichkeit einer Kettenreaktion. Die abgespalteten Neutronen haben eine breite Geschwindigkeitsverteilung mit der sehr hohen mittleren Energie von 1,9 MeV, und ftir schnelle Neutronen besteht keine groBe Wahrscheinlichkeit, da6 sie von U 235 eingefangen werden und ein weiteres Nuklid spalten. Zudem ist im natiirlichen Uran das spaltbare Isotop 235 nur zu 0,72% enthalten. So verlassen die meisten der schnellen Neutronen unmittelbar die Probe, und es kann sich keine Kettenreaktion ausbilden, wenn nicht besondere technische Vorkehrungen dafiir getroffen sind. Im Kemreaktor, vgl. Abb. 8.23, bremst man die bei der Spaltung entstehenden schnellen Neutronen ab, damit sie fur die Spaltung weiterer Kerne U 235 - oder auch Pu 239 sehr viel wirksamer sind. Als Bremssubstanz (Moderator) M wurden in den ersten Kemreaktoren Graphit oder schweres Wasser eingesetzt, die Neutronen nicht absorbieren. Heute ist der Leichtwasser-Reaktor (LWR) der gebrauchlichste Typ, mit gewohnlichem Wasser als Moderator. Er arbeitet meist mit auf 3% U 235 angereichertem Uran (Brennelement U) und kann in Kauf nehmen, da6 einige thermische, sehr langsame Neutronen auch von den Protonen in H2O unter Bildung von Deuterium eingefangen werden. Unter den herrschenden Betriebsbedingungen bricht die Kettenreaktion durch diese Neutronenverluste nicht ab. Damit die Zahl der Neutronen in der Volumeneinheit, die Neutronendichte, nicht lawinenartig ansteigt, mu6 sie vielmehr standig reguliert werden. Das geschieht durch verschiebbare Stabe aus Cadmium Cd, das Neutronen stark absorbiert. Als Strahlenschutz S dient im allgemeinen eine BetonhuUe. Die erzeugte Warme wird dem Reaktor durch ein Kiihlmittel K entnommen und kann zur technischen Verwertung der Kemenergie einer Warmekraftmaschine zugefiihrt werden. Der Kemreaktor muB so betrieben werden, daB die Neutronendichte in ihm gerade zeitlich konstant bleibt, dann bezeichnen wir seinen Zustand als kritisch. Um den kritischen Zustand regeltechnisch durch Verschiebung der CdStabe aufrechtzuerhalten, sind die verzogerten Neutronen von besonderer Bedeutung, die von den Spaltprodukten im

287 Mittel etwa 3 Sekunden nach der urspriinglichen Spaltung emittiert werden, vgl. Abschn. 8.3.6. Zwar machen sie noch nicht 1 % der Neutronendichte aus, tragen aber mit zur Neutronenbilanz des kritischen Reaktors bei. Mit ihrer verzogerten Emission verschaffen sie eine technisch notwendige Zeitspanne ftir das Anlaufen der mechanischen Regelvorgange, die vollautomatisch gesteuert werden. In den sog. Brennelementen des Leichtwasser-Reaktors werden neben den Spaltprodukten auch PlutoniumIsotope gebildet, die primar durch Neutronenanlagerung an U 238 entstehen. Die Isotopen "^^Pu und ^94 Pu sind sog. Reaktorgifte, weil sie Neutronen sehr stark absorbieren, ohne zu spalten. Daher miissen die Zellen nach einer bestimmten Brennzeit wiederaufbereitet werden. Gerade diese Entfemung des radioaktiven „Abfalls" und seine schadlose Lagerung setzt die sorgfaltige Losung einer groBen Reihe von technischen Problemen voraus.

Der geringe Anteil des spaltbaren Uran 235 in naturiichem Uran begrenzt die primar technisch ausnutzbare Kemenergie natiiriich betrachtlich. Das Hauptisotop Uran 238 spaltet nur bei BeschuB durch Neutronen mit einer Energie ab 10 MeV, was in der Energiebilanz des Leichtwasser-Reaktors keine Rolle spielt. Im Reaktor entsteht aber aus U 238 u.a. das leicht spaltbare Plutonium 239. Dieses Nuklid beteihgt sich daher an den Spaltprozessen im Leichtwasserreaktor, so daB auf diese Weise auch ein kleiner Teil des Urans 238 zur Gewinnung von Kemenergie ausgenutzt wird. Liegt eine so groBe Menge von reinem U 235 oder Pu 239 vor, daB nahezu jedes der erzeugten Neutronen innerhalb der Masse durch StoBe abgebremst und wieder von einem Kern eingefangen wird, so lost bereits das erste errgende Neutron die ungehemmte Kettenreaktion, also die Explosion aus. Da es uberall vagabundierende Neutronen gibt, sind groBere Mengen der reinen Isotope gar nicht existenzfahig. Die Selbstentzundung kann man nur dadurch verhindem, daB man den Stoff in Stiicken unterhalb einer kritischen GroBe lagert, so daB die entstehenden schnellen Neutronen weitgehend den Korper verlassen konnen. Bringt man, wie in der Bombe, geniigend derartige Stiicke plotzlich zusammen, so explodiert automatisch die gesamte Masse.

Nicht nur fiir die Energiegewinnung sind Reaktoren von Bedeutung, sondem auch zur Herstellung starker Neutronenstrome. Mit ihnen werden kiinstlich radioaktive Nukhde, z.B. zur Verwendung als Indikatoren (Abschn. 8.3.5), hergestellt und zahlreiche Untersuchungen an Materie mit NeutronenBestrahlung vorgenommen. Streuexperimente mit langsamen Neutronen an Festkorpem und Fliissigkeiten erlauben Aussagen (iber die Nahordnung der Molekiile darin.

288

Das Neutron, Da Neutronen keine Ladung besitzen, gehen sie glatt durch die Elektronenhiille der Atome hindurch, ohne diese zu ionisieren. Sie hinterlassen daher auch in der Nebelkammer keine Spur. Damit wird ihr groBes Durchdringungsvermogen verstandlich, das in atmospharischer Luft bei schnellen Neutronen einige km (!) erreicht, wahrend die a-Teilchen des Radiums nur einige cm Reichweite besitzen. Nur beim direkten ZusammenstoB mit einem Atomkem verlieren die Neutronen kinetische Energie. Aus den Gesetzen des elastischen StoBes (Abschn. 2.4.3) folgt, daB die Bremsung am starksten beim StoB auf Teilchen ahnlicher Masse ist, d. h. in stark wasserstoffhaltigen Stofifen wie Wasser oder ParafFmen. Aus diesen stoBen sie Protonen heraus, die als geladene Teilchen z.B. mit dem Zahlrohr nachzuweisen sind (Neutronen-Zdhler). Die Neutronen selbst verlieren durch viele derartige StoBe dabei den groBten Teil ihrer kinetischen Energie und werden zu langsamen oder thermischen Neutronen (mittlere Energie 0,03 eV). Neutronenstrahlen werden durch Paraffm viel starker geschwacht als durch Blei, gerade umgekehrt wie y-Strahlung. Zunachst werden sie durch StoBe verlangsamt. Zur endgiiltigen Absorption fuhrt der Einfang eines thermischen Neutrons durch ein Proton unter Bildung eines Deuterons ?H. Die Bindungsenergie wieder als y-Photon abgestrahlt. - Die Neutronen-Therapie basiert auf Stoffprozessen mit leichten Kemen und dem Protoneneinfang. Das freie Neutron ist instabil und wandelt sich unter )5"-Zerfall mit der Halbwertszeit von etwa 14,8 min in ein Proton um. Diese spontane Umwandlung auBerhalb eines Atomkems ist allerdings relativ selten, da die Mehrzahl der Neutronen beim Durchgang durch Materie vorher von einem Atomkem eingefangen wird. Der Zerfall ist energetisch moglich, weil das Neutron eine groBere Masse hat als das Proton. Nach Einstein entspricht der Massendifferenz ein Energieaquivalent von 1,29 MeV (Abschn. 8.3.4), das als Ruheenergie des Elektrons von 0,51 MeV und kinetische Energie von Elektron und Antineutrino freigesetzt wird. Ist das Neutron in einem stabilen Kern gebunden, so wird sein Zerfall aus energetischen Grunden verhindert. Der isobare Folgekem verlangt zur Bildung eine Energiezufuhr, die hoher ist als die beim Zerfall frei werdende von hochstens 1,29-0,51 =0,78 MeV.

8. Grundziige der Atom- und Molekiilphysik Beim ^•'^-Zerfall (Umwandlung Proton-•Neutron) muB zusatzlich noch die Energie von 1,29 MeV fiir die hohere Ruhmasse des Neutrons zur Verfugung gestellt werden.

8.3.8 Teilchenbeschleuniger. Fur viele kiinsdiche Kemumwandlungen und zur Erzeugung neuer, instabiler Elementarteilchen (Abschn. 8.3.9) - allgemein fiir Arbeiten auf dem Gebiet der Elementarteilchenphysik - braucht man geladene Teilchen von sehr hoher Energie und in moglichst groBer Anzahl. Um sie herzustellen, sind immer leistungsfahigere Maschinen entwickelt worden, von denen die groBten heute Kilometer-Abmessungen haben. Wir wollen hier nur einige Prinzipien erlautem. Zyklotron. Als charakteristisches Gerat besprechen wir zunachst das Zyklotron und seine Weiterentwicklungen, mit denen man lonen, vor allem Protonen und Deuteronen, durch eine wiederholte Beschleunigung auf Energien von einigen hundert MeV bringen kann. Dabei lassen sich Stromstarken von vielen |iA erreichen. Die in einer lonenquelle (Abschn. 6.5.5) erzeugten geladenen Teilchen gelangen in ein Magnetfeld und durchlaufen in diesem Kreisbahnen (Abschn. 6.6.3). Das VakuumgefaB, in dem die Teilchen umlaufen, sitzt zwischen den Polen eines Elektromagneten von groBen AusmaBen und enthalt eine in ihrer Mitte geteilte zylindrische Dose, deren Halften (Halbdosen) an einen Hochfrequenzgenerator von einigen 50 kV angeschlossen sind, vgl. Abb. 8.24. Passiert ein Teilchen auf seiner Kreisbahn den Schlitz zwischen den beiden Halbdosen, so wird es, falls die Wechselspannung zwischen beiden Halbdosen gerade das richtige Vorzeichen besitzt, beschleunigt und durchlauft dann mit groBerer Geschwindigkeit den nachsten Halbkreis. Wird die Frequenz des Generators so gewahlt, daB nach einem halben Umlauf des Teilchens die Spannung gerade ihr Vorzeichen wechselt, so wird das Teilchen beim erneuten Passieren des Schhtzes wieder beschleunigt u.s.f. Dabei wird der Radius der Kreisbahn immer groBer, so daB die in der Mitte eintretenden Teilchen auf einer Spiralbahn laufen und schlieBlich mit Hilfe eines ablenkenden elektrischen Feldes durch ein

8.3 Der Atomkem und seine Umwandlungen

seitliches Fenster aus der Beschleunigungskammer herausgezogen werden. Bei Teilchenenergien bis zu etwa 10 MeV steigen Geschwindigkeit und Bahnumfang in gleicher Weise an. Bei hoheren Energien bleiben aber die Teilchen wegen der relativistischen Massezunahme, vgl. Abschn. 8.4.3, hinter dem Phasenwechsel zuriick, kommen also auBer Tritt. Um sie dennoch im richtigen Moment zu beschleunigen, mu6 man die Frequenz der Wechselspannung wahrend eines vollstandigen lonendurchlaufes etwas verzogem, wie das im Synchro-Zyklotron geschieht. Im sog. Synchrotron erhalt man Protonen von iiber 20 GeV. Betatron. Elektronen von groBer Energie erzeugt man im Betatron (Elektronenschleuder), s. Abb. 8.25. Im Prinzip stellt dieses einen Transformator dar, nur ist dem Wechselfeld ein konstantes Magnetfeld N-S als Fiihrungsfeld iiberlagert, das die Elektronen e auf eine Kreisbahn zwingt. An Stelle der Sekundarwicklung enthalt das Gerat ein ringformiges VakuumgefaB R. SchieBt man in dieses Elektronen hinein, so werden sie, solange das magnetische Feld ansteigt, durch das zugehorige elektrische Wirbelfeld im gleichen Sinne beschleunigt, s. Abb. 6.76. Ehe dB/dt das Vorzeichen wechselt, miissen die Elektronen, die wahrend einer Halbperiode 100000 und mehr Umlaufe hinter sich haben, ausgestoBen werden. Fur sehr hohe Teilchenenergien synchronisiert man ahnlich wie beim Zyklotron.

289 Die modemen Linearbeschleuniger verwenden elektrische Felder von Frequenzen iiber 1 GHz, d. h. Mikrowellen, die sich im Inneren der geeignet gestalteten „Kafigreihe" als gefuhrte elektromagnetische Wellen ausbreiten.

8.3.9 Elementarteilchen. AuBer Elektron, Proton und Neutron als Atombausteine gibt es noch eine groBe Zahl von weiteren Elementarteilchen, s. Tab. 8.3. Diese entstehen aber nur bei Kemreaktionen oder bei StoBen von Teilchen mit hoher kinetischer Energie. Sie sind dann frei zu beobachten, verschwinden aber nach meist sehr kurzer Zeit wieder durch weitere spontane Umwandlung. Wir unterscheiden zunachst nach der Art ihrer Wechselwirkung und auch ihrer Masse zwei Gruppen von Elementarteilchen, Leptonen und Hadronen.

1. Leptonen, Zu diesen leichten Elementarteilchen gehort vor allem das Elektron. Sein Antiteilchen mit der Ladung e^ ist das Positron (Abschn. 8.3.4). Auch das elektrisch ungeladene Neutrino und sein Antiteilchen, beide mit sehr kleiner Ruhemasse, fiir deren Wert bisher nur eine obere Grenze anzugeben ist, haben wir schon besprochen, vgl. Abschn. 8.3.3 u. 8.3.5. Elektron e~ und jetzt exakter formuliert - elektronisches Antineutrino Ve sind die Endprodukte des ^~-Zerfalls, Positron e'^ oder e und elektronisches Neutrino v^ die von ;9'*"-Zerfall. Als charakterische GroBe fiihrt man die elektronische Leptonenzahl ein und setzt sie bei den Teilchen gleich 1, bei den Antiteilchen - 1 . Dann bleibt beim ^-Zerfall die elektronische LeptoLinearbeschleuniger. Hier wird die mehrfa- nenzahl konstant (Erhaltungssatz). che Beschleunigung der geladenen Teilchen Das gilt auch fur die Umwandlung des Strahls 5, lonen oder Elektronen, dadurch erreicht, s. Abb. 8.26, daB diese die (8.18) + /? -^ n-\-e'^, elektrischen Felder zwischen den feldfreien Kafigen 1 bis 6 phasengerecht durchlaufen. in der auf beiden Seiten die elektronische LepDa an diesen Zwischenraumen immer diesel- tonenzahl -1 ist, da Proton und Neutron keine be hochstfrequente Wechselspannung liegt, Leptonen sind, also die Leptonenzahl Null hamiissen die feldfreien Strecken innerhalb ben. Diese Umwandlung ist eine experimen- Abb. 8.25. Betatron der Kafige in der gleichen Zeit durchlaufen telle Nachweismoglichkeit des Antineutrinos. werden. Dies ist nur moglich, wenn diese Ein sehr starker Strom von Neutrinos Strecken der zunehmenden Teilchenge- kommt aus dem Innem der Sonne, wo beim Tnm ifTimr schwindigkeit entsprechend sukzessive gro- Zusammenprall jeweils zweier Protonen mit JL Ber bemessen werden, bis schlieBlich die hoher Energie je ein Deuteron, Positron und lUUL Teilchen praktisch mit Lichtgeschwindigkeit elektronisches Neutrino als Reaktionsprolaufen. dukte entstehen. Auf der Erde kann man Abb. 8.26. Linearbeschleuniger

cnmn^f^

8. Grundzuge der Atom- und Molekulphysik

290 Tabelle 8.3. Masse und Lebensdauer einiger Elementarteilchen Teilchen

Symbol

Ladung

Leptonen Elektron Neutrino Myon (|i-Meson)

e-.r

-e

1 0

V

Masse [m^/*]

-

Lebensdauer [s]

stabil stabil 2,2-10"^

^~

-e

206,8

n^

+e 0 +e 0

273,2 264,2 966,3 974,2

2,6-10-^ 0,8-10'^^ 1,2-10-^ 0,9-10-^®; 5,4-10'^

+e 0 0 -e 0 +e

1836,1 1838,6 2183,2 2342,6 2333,2 2327,6

stabil 887 2,6 10-^^ 1,5-10-^0 10-^^ 0,8-10-^^

Mesonen TT-Meson

7r« K-Meson

A:^ K^

Baryonen Proton Neutron /l-Hyperon Z-Hyperonen

P(JH) «(^n) I2^ Z^

' Wei = Masse des Elektrons (Abschn. 6.6.3.2) 9,109 5-10"^^ kg = 0,5487-10"^ w :£= 0,5110 MeV.

letztere z. B. uber die Reaktion 3JGa + v^ = 32Ge + ^" durch den radioaktiven Zerfall von Ge71 nachweisen. Neutrino und Antineutrino haben aber beide als ungeladene Leptonen nur eine extrem geringe Wechselwirkung mit der Materie, so daB ihre auBerst unwahrscheinlichen Kemprozesse praktisch nur mit sehr intensiven Neutrinostromen zu beobachten sind. Fiir Antineutrinos sind die Spaltprodukte im Kemreaktor (Abschn. 8.3.7) eine sehr ergiebige Quelle durch ihre )ff"-Zerfalle. Neben Elektron und elektronischem Neutrino gibt es noch schwerere, aber nicht stabile Leptonen. Davon wurde zuerst das juMeson oder Myon entdeckt, das in der Erdatmosphare von der kosmischen Strahlung durch Kernreaktionen erzeugt wird und wegen seiner relativ langen Lebensdauer und groBen Geschwindigkeit meist bis zur Erdoberflache gelangt (harte Komponente der Hohenstrahlung). Zu ihm gehort das myonische Neutrino, dessen Ungleichheit mit dem elektronischen experimentell bestatigt wurde. Das Myon zerfallt nach im Mittel 2,2 ^s in Elektron, myonisches Neutrino und elektronisches Antineutrino. Myon ju " und myonischem Neutrino v^ kommt die myonische

Leptonenzahl 1, ihren Antiteilchen -1 zu. So gilt getrennt ein Erhaltungssatz fur elektronische und myonische Leptonenzahl. Als dritte Leptonensorte oder -generation ist das T-Teilchen oder Tauon mit dem tauonischen Neutrino v^ bekannt. Es tragt ebenfalls eine negative Elementarladung, das Antitau eine positive, und es zerfallt direkt in Elektron oder in Myon sowie entsprechende Neutrinos, indem alle drei Leptonenzahlen erhalten bleiben. 2. Hadronen. Diese Elementarteilchen haben Starke Wechselwirkung. Man gliedert sie in schwere Teilchen, Baryonen, zu denen u.a. die beiden Nukleonen Proton und Neutron zahlen, und mittlere Teilchen, sog. Mesonen^, Das Meson mit der kleinsten Ruhemasse ist das Pion oder 7r-Meson. Pionen entstehen durch Starke Wechselwirkung bei entsprechend energiereichen StoBen von zwei Nukleonen oder bei der Vernichtung von Pro-

^ Das /i-Meson fuhrt nur aus historischen Griinden diesen Namen, mufl aber seiner Eigenschaften wegen zu den Leptonen gezahlt werden.

8.3 Der Atomkem und seine Umwandlungen

ton und Antiproton (Abschn. 8.3.4). n^ hat eine positive, sein Antiteilchen n ~ eine negative Elementarladung, und n^ ist ungeladen. Die geladenen Pionen zerfallen spontan in ein Leptonenpaar, z.B. n~-^iui~-\-v^, und das neutrale n^ „zerstrahlt" nach auBerst kurzer Lebensdauer in zwei y-Photonen. GroBere Massen haben K- und ^-Meson, unter deren Zerfallsprodukten man auBer Leptonen auch Pionen findet. Zur Familie der Baryonen gehoren sowohl Nukleonen als auch Hyperonen, Bei alien Umwandlungen von Hadronen giU der Erhaltungssatz fiir die sog. Baryonenzahl A, die der Kernmassenzahl entspricht, s. Abschn. 8.3.1. Sie ist fur alle Nukleonen und Hyperonen + 1 , fur deren Antiteilchen, z. B. Antiproton, - 1 , wahrend Mesonen die Baryonenzahl Null haben. So kann ein Nukleon nie ausschlieBlich in Leptonen und Mesonen zerfallen, wohl aber ein Nukleon und sein Antiteilchen bei der Vernichtung. Alle Hyperonen sind schwerer als das Neutron, unter ihnen sind yl-, I-, E- und D-Hyperon sog. „seltsame" Teilchen. Man teilt ihnen eine weitere Quantenzahl zu, mit Strangeness S bezeichnet, fiir die bei Prozessen der starken Wechselwirkung ein weiterer Erhaltungssatz gilt. Zerfalle, bei denen S nicht konstant bleibt, wie z.B. A^-*p+n~y konnen nur durch schwache Wechselwirkung erfolgen. Da ihre Zeitkonstante sehr viel groBer ist, macht sich dadurch die „Seltsamkeit" unmittelbar bemerkbar. Auch KMesonen sind „seltsame" Teilchen, K^ und K^ mit S= -^-1, K- und ^ mit S = - 1 , wahrend fiir alle anderen erwahnten Mesonen und Nukleonen S = 0 gilt. 5. Quarks. Zum Begriff „Elementarteilchen" sei daran erinnert, daB urspriinghch die Atome der chemischen Elemente als „unteilbare" Bausteine der Materie angesehen wurden. Diese ergaben sich als aufgebaut aus Protonen, Neutronen und Elektronen, womit sich die Zahl der „elementaren" Teilchen auf drei erniedrigte. Diese relative Einfachheit ging aber durch die Entdeckung der zahlreichen Leptonen, Mesonen und vor allem Hyperonen wieder verloren, und es bestanden berechtigte Zweifel, ob die Bezeichnung „ele-

291

mentar" fiir sie berechtigt ist. Hinzu kommt, daB die experimentellen Ergebnisse aus der Streuung von sehr energiereichen Elektronen an Protonen auf eine innere Struktur des Nukleons hinweisen. Elektronen vermogen in Protonen und auch Neutronen, die beide einen auBeren Radius von etwa 1,3 fm haben, einzudringen und liefern dann Aussagen uber die raumliche Verteilung der elektrischen Ladung im Innern. Nur sehr kleine Bereiche sind noch undurchdringbar, die bei den bisherigen Experimenten zusammen einem Radius der GroBenordnung 0,2 fm entsprechen. So entstand die Vorstellung, daB Hadronen zusammengesetzte Teilchen sind, und die Theorie der Elementarteilchen benutzt zu ihrer Beschreibung die sog. Quarks, s. Tab. 8.4. Davon existieren 6 Sorten, eingeteilt mit steigender Masse in 3 Generationen, also in einer gewissen formalen Ahnlichkeit mit den 3 Leptonen-Paaren. Die stabile Materie unserer Umwelt enthalt nur die Quarks der 1. Generation u und rf, die daher die Strangeness S = 0 haben. Der 2. Generation kommt S= - 1 zu. AuBerdem gibt es 6 Antiquarks w, rf,... mit entgegengesetzten Vorzeichen von Q, A und S. Baryonen enthalten drei Quarks, so die Nukleonen Proton (uud) und Neutron (udd). In den „seltsamen" Hyperonen tritt das 5-Quark auf, z.B. A^ (uds) oder 2"*^ {uus), - Mesonen bestehen aus einem Quark und einem Antiquark: n ^ (wd), n ~ (fid) und n^ idd). In jedem von ihnen existiert also Materie und Antimaterie nebeneinander, so daB sie nicht stabil sein kdnnen, besonders gilt das fiir TT^, das in kiirzester Zeit in y-Photonen zerstrahlt. Nur rein formal kann man n^ als „Antiteilchen** von

Tabelle 8.4. Quarks. Q elektrische Ladung {e Elementarladung), Baryonenzahl >1 = 1/3, Spinquantenzahl 1/2, vgl. Abschn. 8.1.5 Generation

e=+fe

Q=-\e

u (up) cf (down)

c (charme) 5 (strange)

/ (top) ^(bottom)

292

n~ bezeichnen, oder auch umgekehrt, weil ja beide je ein Antiteilchen enthalten. n^ ist sein eigenes Antiteilchen. Letzteres gilt aber nicht fur die elektrisch neutralen AT-Mesonen K^(ds) und K^{ds). Die Starke Wechselwirkung ist eine Eigenschaft der Quarks. Die Theorie, die Quantenchromodynamik (QCD), geht davon aus, dafi es von jeder Quarksorte 3 Arten gibt, die verschiedene sog. Farbladungen (rot, griin, blau) tragen. Sie iiben aufeinander anziehende Krafte aus durch den Austausch von Feldquanten, den sog. Gluonen, Nukleonen sind aus 3 Quarks unterschiedlicher Farbladung aufgebaut, so daU sie insgesamt „farbneutral" wirken. In ahnlichem Sinne sind Molekiile elektrisch neutral, aber zwischen ihnen herrschen die Molekularkrafte mit kurzer Reichweite (v.d. Waals Krafte, s. Abschn. 3.1.4), die elektrischer Natur sind. Analog stellen die starken Krafte zwischen den Nukleonen im Atomkern sozusagen „Restfarbkrafte" dar. Wegen der Wechselwirkung der Gluonen untereinander^ hat die starke Kraft, die Quarks aufeinander ausuben, eine sehr erstaunliche Besonderheit: Sie steigt mit wachsendem Abstand der Quarks voneinander. Deshalb konnte man bisher auch keine freien Quarks beobachten. Die Nukleonen sind besonders stabile Gebilde, in denen die Quarks standig eingeschlossen sind und die sich experimentell nicht mehr in ihre Einzelteile zerlegen lassen. Man spricht von Einsperrung (confinement). Beim ^"-Zerfall geht durch sog. schwache Wechselwirkung das rf-Quark eines Neutrons in ein u-Quark iiber, das eine kleinere Masse hat. Die Massendifferenz findet sich im Leptonenpaar e ~ und Vg wieder, sowie in dessen kinetischer Energie, entsprechend der MasseEnergie-Aquivalenz (Abschn. 8.3.4); aus dem Neutron wird dabei ein Proton. - Auch das 5-Quark in einem Hyperon wandelt sich spontan in ein M-Quark um, wodurch das Baryon eine positive elektrische Ladung gewinnt, z. B. A^-*p + n~; die Konstanz der gesamten elektrischen Ladung stellt das negative Pion wieder her. Als Feldquanten der schwachen Wechselwirkung wurden die intermediaren Vektorbosonen W^, W~ und W^ experimentell verifiziert, die sehr schnell in Mesonen oder Leptonen zerfalien. Beobachtet wurden sie bei ZusammenstOssen von Protonen und Antiprotonen unIm Gegensatz dazu beeinflussen sich Photonen gegenseitig Uberhaupt nicht.

8. Grundzuge der Atom- und Molekularphysik ter derzeit mit Teilchenbeschleunigem erreichbaren h6chsten Energien, bei denen Quark und Antiquark miteinander reagieren, z. B. u-\-B--*W^. - Bei der elektromagnetischen Wechselwirkung von elektrisch geladenen Partikeln sind die Photonen im Rahmen der Quantenfeldtheorie (QED) die Feldquanten.

Raumerfiillung und Unteilbarkeit als Eigenschaften fiir die elementalen Bausteine der Materie schlieUen sich rein anschaulich gedanklich eigentUch aus, sind nach Kant eine Antinomic. Die Elementarteilchenphysik erdffnet jetzt eine Mdglichkeit, diese Antinomie zu umgehen: Nukleonen sind zwar aus Quarks und Gluonen zusammengesetzt, aber nicht in ihre Bestandteile zerlegbar, sie haben Volumen und Struktur. AuBerdem ist die Bindungsenergie der Quarks im Nukleon so groB, dafl sie nach dem Masseaquivalent schon fast in die Gr56enordnung der Ruhemasse kommt. Damit geht ihnen die Individualitat nahezu verloren. Quarks kann man sich daher auch im Nukleon nicht mehr als starre Partikel im naiven Sinne vorstellen.

Aufgaben 8.3.1 In einem Erzstiick befmden sich heute 2g ^^\J (Halbwertszeit 4,5 • 10^ a), a) Welche Masse Uran ist in dem Stuck in den letzten 2000 Jahren zerfallen? b) Wie groB ist heute die Aktivitat? 8.3.2 Welche Masse Strontium 90 hat die Aktivitat 10^ Bq (Halbwertszeit 28 a)? Um wieviel sinkt die Aktivitat dieses PrSparates in einem Jahr? 8.3.3 Welche NukUde entstehen nach cr-Zerfall aus a) ^Rnundb)237Np?

8.3.4 Ein Parallelbundel von Neutronen wird an einem NaCl-Einkristall, Netzebenenabstand d = 2,8-10"^^m, unter dem Winkel ^ = 10° reflektiert. Wie groB sind de Broglie-Wellenlange, Geschwindigkeit und kinetische Energie (eV) der Neutronen? 8.3.5 Die Bindungsenergie des Deuterons betragt 2,22 MeV. Wie groB ist der Massendefekt gegeniiber dem freien Proton plus Neutron in Einheiten der Elektronenruhemasse m^ und der atomaren Masseneinheit u? 8.3.6 Das y-Photon aus dem 27Co-Praparat von 1,33 MeV erzeugt ein Elektronenpaar. Wie groB ist dessen kinetische Energie? 8.3.7 Aus Thorium ^^Th entsteht durch Neutroneneinfang und )ff-Zerfalle Uran 233. Welches ist die Folge der einzelnen Zwischennuklide?

8.4 Einiges zur Relativitatstheorie

8.4 Einiges zur Relativitatstheorie 8.4.1 Das Relativitatsprinzip. Bei dem mit konstanter Geschwindigkeit tiber den Erdboden roUenden Wagen in Abschn. 2.3.4 konnte nicht durch mechanische Experimente entscheiden werden, ob Wagen oder Erdboden sich „wirklich" bewegen. Zu messen war nur die Relativgeschwindigkeit zwischen beiden. Entsprechendes gilt fiir Spule und Stabmagnet bei Beobachtung der Induktionsspannung in Abschn. 6.6.6, die allein der Geschwindigkeit beider gegeneinander proportional ist, gleichgiiltig wie beide relativ zum Erdboden sich bewegen. Eine absolute Geschwindigkeit im freien Raum kann nicht bestimmt werden, sondem nur Relativgeschwindigkeiten zweier Korper gegeneinander. Schwierigkeiten bereitet aber in diesem Zusammenhang die Ausbreitung des Lichtes. Seine Geschwindigkeit kann auf der Erde und astronomisch bestimmt werden, vgl. Abschn. 7.1.3, und die elektromagnetische Theorie liefert den Wert c = l / } / i ^ , vgl. Abschn. 6.8.4, der mit den experimentellen Daten im Rahmen der MeBgenauigkeit tibereinstimmt. Da bleibt naturlich die Frage: In Bezug auf welches Welt-Koordinatensystem bewegen sich die Lichtwellen mit dieser Geschwindigkeit? Hypothetisch wurde dazu die Existenz des sog. „Lichtathers" angenommen, der das ganze Weltall ruhend erfiillt und alle Materie reibungslos durchdringt. In ihm sollten sich die elektromagnetischen Wellen ausbreiten, etwa analog zu Schallwellen in Luft. Wenn das richtig ware, muBte ein Beobachter aber doch seine Absolutgeschwindigkeit gegen den im Weltraum ruhenden Lichtather messen konnen, also das Relativitatsprinzip dtirfte nicht allgemein gtiltig sein. Um das naher zu verfolgen, fiihren wir, ahnUch wie in Abb. 2.13 zwei Beobachter A und B ein, auch als Bezugsysteme bezeichnet. A befindet sich relativ zum Lichtather in Ruhe, wahrend B sich relativ zu A - also auch zum Lichtather - in negativer A:-Richtung mit der Geschwindigkeit u bewegt, vgl. Abb. 8.27.

293

Eine Welle durchlaufe nun im Lichtather (System A) wahrend der Zeitspanne At, bei jc=0 beginnend, die Strecke Ax. In derselben Zeit verschiebt sich aber der MaBstab von B um die Strecke uAt nach links, so daB Beobachter B eine langere Laufstecke Ax' miBt, also eine hohere Lichtgeschwindigkeit als A fmdet. Etwas formaler sagen wir, daB zwischen den in beiden Systemen gemessenen Wegen und Zeitspannen die sog. Galilei-Transformation besteht Ax' = Ax+uAt At'

=At

(8.20)

Die anderen Raumkoordinaten Ay' = Ay und Az' = Az bleiben ungeandert. A miBt dann die Lichtgeschwindigkeit Ax/At = c, wahrend B den Wert Ax'/At' = c + u erhalt. Der Unterschied kann nur relativ gering sein, weil c stets sehr viel groBer als u ist. Um ihn zu bestimmen, verglichen Michelson und Morley interferometrisch die Lichtgeschwindigkeit an der Oberflache der rotierenden Erde in Richtung Ost-West mit der in NordSud. Erstere entspricht in (8.20) der jc'-Richtung, letztere z.B. der j'-Richtung. Noch schneller bewegt sich die Erde um die Sonne, so daB parallel und senkrecht zur Ekliptik noch groBere Effdcte zu erwarten sind. - Zur groBten LFberraschung aber war nicht die geringste Differenz zu finden. Wiederholungen dieser Prazisionsmessungen wahrend eines Jahres, also ah vielen Punkten der Erdbahn um die Sonne, bestatigten stets dieses negative Ergebnis. Demnach ist das Relativitatsprinzip doch allgemein gtiltig. Aber dann kann die Galilei-Transformation (8.20) nicht mehr immer richtig sein. Da sich keine Bewegung gegen einen „absolut ruhenden" Lichtather messen lieB, verwarf Einstein diese Modellvorstellung. Er postulierte als Naturgesetz, daB alle Beobachter im Vakuum stets die gleiche Lichtgeschwindigkeit messen, wie schnell sie sich auch gegeneinander bewegen. Oder allgemeiner formuliert: In alien Bezugsystemen mit konstanter Relativ-Geschwindigkeit, also ohne Gravitation und auBere Krafte, sog. Inertialsysteme (inertial=trage), gelten dieselben physikalischen Gesetze.

0 Ax Ax'

B

-^x -^x'

t'

Abb. 8.27. Zu den Tranformationen von Galilei (8.20) und Lorentz (8.21). Zwei gleichfdrmig gegeneinander bewegte Beobachter

8. Grundzuge der Atom- und Molekularphysik

294

Dann mu6 aber auf die Vorstellung ver- hend" ausgezeichnet sein kann. Es ergibt sich zichtet werden, da6 es eine absolute Welt- so aus (8.21) die sog. Lorentz-Transformauhr gibt, die alien Beobachtem denselben tion: verbindlichen Zeitablauf vermittelt, wie bisher stillschweigend und der taglichen ErfahAx+uAt (8.23 a) Ax' rung folgend vorausgesetzt. Fiir die Zeit gilt namlich At = Ax/c und, wenn Ax' von Ax sich unterscheidet, dann kann At' = Ax'/c At + uAx/c^ (8.23 b) At' = nicht mit At iibereinstimmen. Die mit dieser VI-MVC^ relativen Zeit entwickelte sog. spezielle Relativitdtstheorie bringt fur Korper, die sich Ableitung. Dieselben Transformationsgleichungen mit Geschwindigkeiten vergleichbar der des mussen gelten, wenn B ruht und A mit der GeschwindigLichtes bewegen, und nur fur diese, iiberra- keit -u sich bewegt. Aufl6sung von (8.21) nach Ax schende und anschaulich nur schwer ver- und A t ergibt: standliche GesetzmaBigkeiten, wovon wir 1 einige Grundzuge verfolgen woUen. Ax--{Ax'-uAt') a(l-MVc2)

8.4.2 Raum und Zeit. Naturlich muB die Galilei-Transformation (8.20) praktisch gultig bleiben, so lange u