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German Pages 802 [854] Year 1922
KURZE
VERGLEICHENDE GRAMMATIK DER
INDOGERMANISCHEN
SPRACHEN
Auf G r u n d des fünfbändigen ' G r u n d r i s s e s d e r v e r g l e i c h e n d e n G r a m m a t i k d e r indogermanischen Sprachen von K. B r u g m a n n und ß . D e l b r ü c k ' verfaßt
von
KARL BRUGMANN
ANASTATISCHER
NEUDRUCK
BERLIN U N t ) LEIPZIG 1922
VEREINIGUNG
WISSENSCHAFTLICHER
VERLEGER
WALTER DE G R U Y T E R & CO. V O R M A L S G..J. C Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D I . U N G / J . G U T T E N T A G , V E R L A G S B U C H H A N D L U N G / G E O R G R E I M E R / KARL J . T R Ü B N E R / V E I T & C O M P ,
Vorwort. Als iin Frühjahr 1880 zwischen Herrn Dr. T r ü b n e r und mir die Herausgabe eines von mir zu verfassenden ' G r u n d r i s s e s d e r v e r g l e i c h e n d e n G r a m m a t i k der i n d o g e r m a n i s c h e n S p r a c h e n 1 verabredet wurde, rnassen wir dem Buche den Umfang v o n Schleicher's Competidium zu, u n d in drei J a h r e n sollte das Manuskript fertig sein. Wohlgemut ging ich ans Werk. Aber nicht viele Spatenstiche waren in der Bearbeitung- des ersten Hauptteils, der Lautlehre, gethan, als mir klar wurde, dass ich mich einer A u f g a b e unterzogen hatte, die befriedigend zu lösen nicht nur sehr schwierig, sondern unmöglißh war. Die. indogermanische Sprachwissenschaft war damals in den Fragen der Laut- u n d der Formenlehre in einer fast völligen Umbildung begriffen, und nun sollte einer der in dieser B e w e g u n g drin stehenden Forscher den augenblicklichen Stand der Wissenschuft, die sicheren oder doch wahrscheinlichen Forschungsergebnisse in knappen und knappsten Sätzen liicht n u r für den Eingeweihten, sondern auch und vornehmlich für den erst in die Indogermanistik Einzuführenden darstellen. Da zu irgend eingehenderen B e g r ü n d u n g e n kein Platz war, hätte das Buch, wohl auch bei nooh so sorgfältiger und gewissenhafter Fassung, allzusehr den Charakter des nur Subjektiven und des nur Provisorischen bekommen. Daher wurde unser Plan abgeändert, es wurde eine wesentlich eingehendere, vor allem reichlicheresThatsachenmaterial g e b e n d e Darstellung und iemgemäss zugleich eine wesentlich längere Frist ins A u g e gefasst. Der hiernach zur Ausführung gelangte 'Grundriss' 1 ) zeigt, so w?it er vou mir verfasst ist, das Zweiundeinhalb1) Die Erweiterung des Planes schien mir damals keine Abänderung des Titels des Buches zu erfordern, und auch noch heute halte ich diesen wenigstens für die zwei ersten Bände für völlig zutreffend. Bei der ungeheuren Masse des zu verarbeitenden Stoffes müsste ein Werk, das sich schlechthin "Vergleichende Laut- und Formenlehre der indogermanischen Sprachen' nannte, in den meisten Kapiteln sehr viel mehr bieten als der Grundriss enthält.
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Vorwort.
fache, mit Hinzurechnung von Delbrück'» Vergleichender Syntax das Vierundeinhalbfache des Umfanges von Schleicher's Compendium, u n d die Laut-, Stammbildungs- und Flexionslehre ist (in der 1. Auflage) erst im J. 1892, die Syntax im J. 1900 zum Abschluss gekommen. Mit der vorliegenden ' K u r z e n v e r g l e i c h e n d e n G r a m m a t i k ' ist jetzt das ausgeführt, was im J. 1880 geplant worden war, n u r dass ich damals noch nicht hoffen durfte auch die Syntax einbeziehen zu können. Eine solche ganz kurze Darstellung der wichtigsten Forschungsresultate war seit der definitiven Veraltung des Schleicher'schen Buches immer ein Bedürfniss, da an der indogermanischen Sprachwissenschaft und ihren Fortschritten j a von jeher in grosser Zahl auch solche ein Interesse nehmen, denen nicht z u g e m u t e t werden kann, dass sie Werke von dem Umfang des 'Grundrisses' durcharbeiten oder gar sich anschaffen. Und heute u n d schon seit mehreren Jahren liegen für die Abfassung eines derartigen Extrakts die Verhältnisse in der indogermanischen Sprachwissenschaft beträchtlich günstiger als in den achtziger Jahren. Denn einesteils ist in den allermeisten von den Fragen, die damals im Vordergrund« standen und in Büchern und Aufsätzen aufs lebhafteste erörtert wurden, allmählich eine gewisse Ruhe — immerhin glücklicherweise kein Stillstand — eingetreten, so dass bezüglich ihrer getrost von einer communis opinio gesprochen werden darf. Und andernteil« ist wenigstens das eine von den beiden Problemen, welche in den letzt vergangenen Jahren am meisten in der Behandlung der indogermanischen Grammatik hervorgetreten und heute noch mitten im Flusse der Diskussion sind, das» Problem der Entstehungsweise des urindogermanischen Ablauts, so geartet, dasa ein Buch, das sich möglichst auf das sicher Erkennbare, und Beweisbare zu beschränken hat, nicht nur heute, sondern vielleicht immer darauf angewiesen ist, es in aller Kürze abzuthun. Bei der Einhelligkeit, die zur Zeit in den meisten wichtigeren Fragen der vergleichenden Grammatik erreicht ist, hoffe ich denn auch noch zuversichtlicher als ich es in den Jahren der Abfassung des 'Grundrisses' inbezug auf diesen hoffen durfte, man werde von meiner Darstellung nicht sagen, sie sei einseitig, sie bringe nur die Ansichten eines Teiles der massgebenden Forscher zum Ausdruck. Als Leser denke und wünsche ich mir vor allem Studenten, die dem wissenschaftlichen Sprachstudium schon etwas näher getreten sind, indem sie bereits etwa eine Vorlesung über griechische,
Vorwort.
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lateinische oder germanische Grammatik gehört h a b e n , u n d Gymnasiallehrer, die als klassische Philologien oder als G e r m a n i s t e n das Bedürfniss empfinden, ihr sprachg-eschichtlic.hes Wissen zu vertiefen. Vielleicht erweist sich das Buch auch brauchbar, V o r l e s u n g e n als L e i t f a d e n zu G r u n d e gelegt zu werden. Da öfters ü b e r die vielen Abweichungen der linguistischen Terminologie von der altgewohnten Sprache der G r a m m a t i k , die das Verständniss der neueren W e r k e erschwerten, K l a g e g e f ü h r t worden ist, besonders von Seiten der klassischen Philologen, so sei bemerkt, dass ich es mir habe angelegen sein lassen, technische Bezeichnungen, so weit es wünschenswert schien u n d nicht zu viel Raum d a d u r c h beansprucht wurde, zu erläutern. Solche A u s d r ü c k e sind a u c h in grosser Anzahl in das Sachregister a u f g e n o m m e n : es ist hier jedesmal zu dem Wort diejenige Stelle zitiert, die g e e i g n e t ist seine B e d e u t u n g dem A n f ä n g e r zugänglich zu machen, oder diej e n i g e n Stellen, die zusammengenommen diesen Dienst leisten k ö n n e n . Dass ü b r i g e n s j e n e r Vorwurf, die moderne Sprachwissenschaft geb e r d e sich zu esoterisch, hauptsächlich darauf z u r ü c k z u f ü h r e n ist, dass viele Philologen bisher den G r u n d f r a g e n der S p r a c h g e s c h i c h t e zu wenig Aufmerksamkeit z u g e w a n d t haben, g l a u b e ich S. 30 f. nicht mit Unrecht behauptet zu haben, u n d ich e r l a u b e mir hierzu noch eine Ä u s s e r u n g T h u m b ' s im heurigen J a h r g a n g des L i t e r a t u r blatts f ü r germanische und romanische Philologie Sp. 146 anz u f ü h r e n : „So wenig irg'end ein medizinisches oder n a t u r w i s s e n schaftliches Compendium f ü r solche geschrieben wird, die sich niemals mit dem betreffenden Fach beschäftigt haben, e b e n s o w e n i g ist ein sprachwissenschaftliches Lehrbuch f ü r Leute bestimmt, die sich niemals um grammatische [spraehgeschichtliehc] Ding-e g e k ü m m e r t haben . . . Man lnuss sie [die indogermanische S p r a c h f o r s c h u n g ] n u r verstehen wollen und sich diejenigen speziellen G r u n d b e g r i f f e aneignen, deren Verständniss jede Wissenschaft — a u c h z. B. die klassische Philologie — bei ihren J ü n g e r n voraussetzt." Vielleicht freilich sind d e r a r t i g e Mahnungen heute nicht, mehr so am P l a t z e als vor zehn oder fünfzehn J a h r e n . Schon im J. 1900 hat ein angesehener klassischer Philologe in den Neuen J a h r b ü c h e r n f ü r d a s klassische Altertum (S. 383) von dem „ g o t t l o b j e t z t w i e d e r i m R ü c k g ä n g e b e f i n d l i c h e n Zug der neueren Linguistik zu einem schwer zugänglichen u n d esoterischen Wesen" gesprochen. Solche Worte hört m a n im Interesse der Sache, gern. Nur möchte ich die Philologen, die diesen Eindruck einer W e u d u n g zum Besseren
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Vorwort.
haben, f r a g e n , ob nicht das, was ihnen ein W a n d e l auf Seiten der L i n g u i s t e n dünkt, in Wirklichkeit vielmehr ein W a n d e l im eignen L a g e r ist. Man wird sich nämlich hier im Lauf der J a h r e mehr u n d mehr um Bücher wie H. Paul's Prinzipien der Sprachgeschichte, P h . W e g e n e r ' s G r u n d f r a g e n des S p r a c h l e b e n s u n d E. S i e v e r s ' G r u n d z ü g e der Phonetik zu b e k ü m m e r n g e l e r n t h a b e n u n d sieht infolge d a v o n u n s e r e auf die Geschichte der einzelnen S p r a c h e n g e h e n d e n Arbeiten, mit a n d e r n Augen an als v o r h e r . Diese Grammatik durfte nicht lediglich ein A u s z u g a u s dem 'Grundriss 1 werden. Es mussten ihr die m a n n i g f a c h e n Fortschritte, welche die Wissenschaft auch in den J a h r e n seit dem Erscheinen des g r ö s s e r e n W e r k e s wieder g e m a c h t hat, nach Möglichkeit zu G u t e k o m m e n ; die tiefstgehende N e u b e a r b e i t u n g h a t die Formenlehre erfahren, da der entsprechende G r u n d r i s s b a n d schon in den Jahre.n 1889 — 1892 erschienen ist. Aber auch m a n c h e A b w e i c h u n g in der G r u p p i e r u n g u n d sonstigen B e h a n d l u n g s w e i s e des Stoffes schien n o t w e n d i g oder doch wünschenswert. Von k l e i n e r e n Änd e r u n g e n , wie der Vorausnahme des Kapitels ü b e r die B e t o n u n g in d e r L a u t l e h r e oder der Darstellung der nominalen Starnmbildung auf G r u n d von Bedeutung-sklassen statt von F o r m k a t e g o r i e n , abgesehen, sind diejenigen Teile der S y n t a x , die Delbrück in den beiden ersten der drei von ihm b e a r b e i t e t e n B ä n d e dargestellt hat, mit der F o r m e n l e h r e zu dem zweiten Hauptteil der g a n z e n Grammatik vereinigt, den ich als L e h r e von d e n W o r t f o r n i e n u n d ihrem G e b r a u c h bezeichnet hftbe: Zu dieser N e u e r u n g b e s t i m m t e n mich w e n i g e r theoretische B e t r a c h t u n g e n d a r ü b e r , was S y n t a x ist, als rein praktische, E r w ä g u n g e n . Von der F r a g e , was s y n t a k t i s c h e Ers c h e i n u n g e n in der Sprache sind, muss g e t r e n n t w e r d e n die F r a g e , wie m a n j e d e s m a l am zweckmässigsten im R a h m e n einer Gesamtg r a m m a t i k das Syntaktische, der Sprache darstellt, ob es sich empfiehlt, es u n t e r einer Kapitelüberschrift z u s a m m e n z u f a s s e n u n d n u r u n t e r dieser darzustellen, oder seine B e h a n d l u n g auf verschiedene H a u p t a b s c h n i t t e zu verteilen. So g u t z. B. das, was m a n als Untero r d n u n g eines Satzglieds unter ein a n d e r e s , oder das, was m a n als Assimilation zwischen verschiedenen Satzbestandteilen bezeichnet, k e i n e geschlossenen Kapitel innerhalb der D a r s t e l l u n g der S y n t a x a u s z u m a c h e n b r a u c h e n und auszumachen pflegen, so ist auch keine innere Notwendigkeit vorhanden, in e i n e r g a n z e n G r a m m a t i k die E r s c h e i n u n g e n der B e d e u t u n g s b e z i e h u n g zwischen den Satzbestandteilen als solchen jedesmal alle im Z u s a m m e n h a n g in einem Ab-
Vorwort.
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schnitt und nur in diesem abzunandeln. Da die Fragen der Bildungder Formen und die der Verwendung1 der Formen im Satz, z. B. die Fragen der Kasusbildung und diejenigen des Kasusgebrauchs, nicht nur bei einander liegen, sondern auch enge innerlich zusammenhängen, so ist es durchaus natürlich, sie auch zusammen darzustellen Diese Form der Darstellung- habe ich aber für dieses Buch 1) Gegen die bekannte Ries'sche Systematik haben gleichzeitig Delbrück Grundr. 5, 1 ff. und ich Griech. Grammatik 3 363 ff. Bedenken geltend gemacht. Ausser den dort formulierten Einwänden ist noch einer zu erheben, der vielleicht am schwersten wiegt. Ries' Einteilung der Grammatik, die streng wissenschaftlich sein will, ist auf dem Gegensatz von Einzelwort und WortgefUge aufgebaut. Aber die Zerlegung des Satzes in W ö r t e r ist — wie in den letzten Jahren von verschiedenen Seiten hervorgehoben worden ist — häufig willkürlich und etwas n u r Konventionelles (vgl. S. 281 f. 623); deswegen ist sie ungeeignet, f ü r eine in der N a t u r des Objektes selbst begründete Einteilung das F u n d a m e n t abzugeben. Dem Wortsinn nach ist unter dem Syntaktischen einer Sprache das zu verstehen und auch in der Regel verstanden worden, was ich oben die Bedeutungsbeziehungen zwischen den Satzbestandteilen als solchen g e n a n n t habe, und hierfür ist der Ausdruck jedenfalls untadelig. Im L a u f der Zeiten ist aber, nachdem Syntax Überschrift eines H a u p t t e i l s der Grammatik geworden war, noch mancherlei hinzugezogen worden, auf das d e r Name nicht recht oder gar nicht passt, wie z. B. die gesamte L e h r e vom Gebrauch der Numeri, die Lehre von der Satzbetonung als Mittel d e r Unterscheidung der verschiedenen Satzarten oder die L e h r e von der Wortstellung und der Satzstellung. Nun kann man, wenn man will, 1) alles das, was sich unter der Marke Syntax bis heute zusammengefunden hat, auch fernerhin im Zusammenhang unter ihr behandeln. Nehmen wir doch auch ss. B. an den Termini Dativ, Optativ, Präposition keinen Anstoss, obschon sie ihrer eigentlichen Bedeutung nach keineswegs f ü r alle Erscheinungen angemessen sind, auf die sie erstreckt werden. N u r empfiehlt es sich dann, um Begriffsvermengungen zu vormeiden, das W o r t syntaktisch in jenem seinem ursprünglichen und eigentlichen Sinne fallen zu lassen und sich hierfür nach einer neueil Bezeichnung umzusehen. Man k a n n aber auch 2) Syntax als Kapitelüberschrift im Gegensatz zu L a u t - und Formenlehre aufgeben. Man sagt f ü r Syntax seit langem auch Satzlehre. Dieser Name ist zwar, sofern er einen bestimmten einzelnen Teil d e r Grammatik bezeichnen soll, ebenfalls keineswegs einwandfrei. Dehn alles und jedes normale Sprechen geht j a in Sätzen vor sich, und darum ist die ganze Grammatik im Grunde Satzlehre. E r hat jedoch wenigstens den Vorzug, dass er auf alles das passt, was man unter ihn zu stellen beliebt. Auch kann man dann das Wort syntaktisch in seinem eigentlichen Verstand weiter benutzen. Und es gibt 3) noch ein Auskunftsmittel: man teilt die Grammatik nicht bloss in drei Abschnitte ein, sondern in mehr.. In welche,
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Vorwort.
besonders aus dem Grunde für zweckmässig1 gehalten, weil ich uach Möglichkeit der lieben, manchem nur allzulieben Gewohnheit entgegenarbeiten möchte, hei Fragen der Stammbildung und Flexion sich auf einem ganz andern Boden zu fühlen als bei'syntaktischen' Problemen. Diese Gewohnheit ist vom Übel, und an ihr ist gewiss zu einem nicht geringen Teil eben der alte Schematismus in der Darstellung der Sprachen schuld. Schon bei der Behandlung der Formen sollte, in den Grammatiken jedesmal auch das Syntaktische so viel als möglich iintcv die Augen gerückt werden. Hierdurch würde vielleicht zugleich eine regere Beteiligung der angehenden Sprachforscher an den syntaktischen Untersuchungen erzielt werden, die sehr wünschenswert ist. Denn kein Teil der vergleichenden Grammatik ist gegenwärtig des weiteren Ausbaus so bedürftig als der syntaktische, und hier winken dem genügend Vorgebildeten' und Empfänglichen, der aktiv an der Forschung teilnehmen will, zur Zeit noch überall nicht allzuschwer erreichbare Früchte. Was im besonderen das Verhältniss der syntaktischen Bestandteile dieser Kurzen Grammatik zu den drei Bänden meines Grundrisspartners betrifft, so war ich vor die Frage gestellt, wie weit ich in der Vornahme von Änderungen der Delbrück'schen Darstellung zu gehen habe. Gewisse Abänderungen waren unter allen Umständen geboten, weil die neueste syntaktische Literatur möglichst ausgenutzt werden musste. Aber sollte ich nun in allen gegenwärtig noch strittigen Punkten, über die sich Delbrück seit dem Abschluss seiner Vergleichenden Syntax nicht geäussert hat, seine das brauche ich glücklicherweise hier nicht zu bestimmen. Kar muss zu diesem Modus hier noch Folgendes bemerkt werden. Weil das Objekt der Grammatik, die Sprache, eine sehr komplizierte menschliche Thätigkeit ist, bei der die verschiedenartigsten Faktoren in gegenseitiger Abhängigkeit »um Ganzen zusammenwirken, bei der im Grunde alles durch alles bedingt ist, ist auf diesem dritten Wege zu einem der Natur des Gegenstands annähernd gerecht werdenden System und einem System mit schärferen Grenzen - zwischen den einzelnen Teilen nur dadurch zu gelangen, dass man gleich eine beträchtlich lauge Beihe von Hauptabschnitten nebeneinander ansetzt. Dies würde aber augenscheinlich den Stoff zu sehr zersplittern. Ich denke, bei dieser Sachlage wird dem das praktische Interesse in den Vordergrund stellenden Verfahren, das ich in diesem Buche ein" geschlagen habe, wenigstens grundsätzlich kein Tadel zu teil werden. Vielleicht findet es aber nicht nur der Praktiker angemessener als die im Grundrlss befolgte Disposition, sondern auch der Systematiker. Dann um so besser.
Vorwort.
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Ansicht einholen, ihn auch befragen, wo hierüber hinaus er etwa seither zu anderen, neuen Anschauungen gelangt sei? Das war schon aus äusseren Gründen nicht angängig. Noch weniger aber war möglich, das» Delbrück unmittelbar Mitarbeiter an diesem Buche wurde. Da Form und Gebrauch, Äusseres und Inneres in der Sprache allerwege engstens zusammenhängen und knappste Darstellung ein Haupterforderniss war, so konnten wir uns nicht an zahllosen Stellen dicht nebeneinander äussern. Wir kamen also überein, dass ich mich im Syntaktischen nach eigenem Gutdünken bewege. Zur Orientierung des I^esers und eventuell zugleich zu seiner Beruhigung sei nun Folgendes bemerkt Meine ^Darstellung weicht allerdings in einer Reihe von Einzelheiten von Delbrück ab, indem ich teils gewisse Änderungen in der Anordnung innerhalb der Kapitel vorgenommen, teils auch meine Auffassung einer Erscheinung an die Stelle der Delbrück'schen gesetzt, überdies ia der Satzlehre ein paar kleine Abschnitte neu hinzugefügt habe. Aber weil ich in Syntacticis, gleich allen Indogermanisten, mich als Schüler unseres Begründers und Meisters der vergleichenden Syntax fühle, dessen Lehren sich bis jetzt in allem Wesentlichen bewährt haben, so brauchte ich mich, was dieses Forschungsgebiet betrifft, eben nur in Einzelheiten untergeordneterer Art von der Darstellung des grösseren Werkes zu entfernen. Immerhin muss ich, da meine Abweichungen nur ganz selten als solche ausdrücklich bezeichnet sind, solche Leser, welche D e l b r ü c k ' s Ansicht über eine Spracherscheinung zu erfahren und dabei sicher zu gehen wünschen, ersuchen, sich j e d e s m a l a n d e n G r u n d r i s s s e l b s t zu wenden. Die Meinungen darüber, wie weit ein Buch von der Art des vorliegenden Literaturangaben zu inachen hat, gehen bekanntlich weit auseinander. Zur Begründung des in dieser Grammatik eingeschlagenen Verfahrens diene Folgendes. Vollständige Verzeichnisse waren von vorn herein wegen des Raumes ausgeschlossen. Auf die sogenannte wichtigste Literatur beschränkte Angaben hätten wohl Nutzen stiften können, aber, wie ich meine, keinen sehr erheblichen. Das Buch will in erster Linie der nächsten Orientierung im Gesamtgebiet der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen dienen, und nur aitf diejenigen Leser, die es zu diesem Zweck in die Hand nehmen, war mit den Zitaten Rücksicht zu nehmen. Nun sind in § 8 bis 10 die zusammenfassenden Werkeüber die einzelnen Sprachen aufgeführt (man wolle nicht übersahen, was in d«m Verzeichnis» von Nachträgen S. 776 noch hinzugefügt ist!), und
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Vorwort.
der A n f ä n g e r , der über eine Einzelfrage genauere Belehrung wünscht als sie im vorliegenden Buche geboten ist, wird, denke ich, in der Regel seinen Zweck erreichen, wenn er sich zunächst an diese Bücher, daneben auch an den 'Grundriss' wendet. In diesen Werken findet er dann auch andere Literatur angegeben, die ihn weiterbringt. Und hier mögen nun noch besonders, f ü r die in der vorliegenden Kurzen Grammatik in den Vordergrund gestellten Sprachen, diejenigen Bücher hervorgehoben werden, die besonders reiche Liter a t u r a n g o b e n enthalten, und die man demnach am besten zu Rate zieht, wenn man zu wissen wünscht, wo über eine einzelne F r a g e bis jetzt, namentlich in letzterer Zeit, gehandelt ist: es sind dies Wackernagel's Altindische Grammatik (§ 3, A), G. Meyer's u n d meine Griechische Grammatiken (§ 5), Stolz' und Schmalz' Lateinische Grammatik (§ 7, A) nebst Landgraf's Historischer Grammatik der lateinischen Sprache III 1 (in den Nachträgen genannt) l ), Paul's Grundriss, Streitberg's Urgermanische Grammatik und Noreens Abriss (§ 9). Leipzig, 27. Oktober 1903. K. B r u g m a n n . 1) Leider konnte ich dieses Buch f ü r diese Grammatik nicht mehr verwerten.
Inhalt. Einleitung'. Der indogermanische Sprachstainm im allgemeinen und seine Gliederung (§ 1.—13) . . . Die Aufgabe der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen (§ 14 — 15)
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Lautlehre. Gegenstand der Lautlehre im allgemeinen (§ IG) Phonetische (lautphysiologische) Vorbemerkungen (§ 17—19) . Die schriftliche Darstellung der Laute bei den einzelnen idg. Völkern (§ 20—36) Der Lautbestand der idg. ITrspraChe (§37) Betonung (§ 3 8 - 6 5 ) Die uridg. einfachen silbischen (sonantischen) Vokale und die uridg. Diphthonge. Übersicht über die gewöhnliche Entwicklung in den idg. Sprachen ( § 6 6 ) A. Die einfachen silbischen Vokale. Uridg. i (§ 67 — 72) Uridg. i (§ 7 3 - 7 8 ) Uridg. u (§ 79—84) Uridg. ü '(§ 8 5 - 9 0 ) Uridg. e (§ 9 1 - 9 6 ) Uridg, e (§ 97 — 102) Uridg. o ,(§ 103—108) Uridg. ö '(§ 1 0 9 - 1 1 4 ) Uridg. a !§ 1 1 5 - 1 2 0 ) Uridg. ä (§ 121—126) . LTri-dg. 9 (§ 127—133) B. Die i- und w-Diphthonge. I. Die/ Kurzdiphthonge. a. Die ¿-Diphthonge (§ 134—139) b.. Die u-Diphthonge (§ 140 -145) ¡1. Die Langdiphthonge (§ J4fi--147)
32 33 42 61 62
66 67 68 69 70 71 72 74 76 77 78 80
82 8ft 88
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Inhalt. Seite
Die uridg. unsilbischen (konsonantischen) Vokale i und u. Allgemeines (§ 148) Uridg. % (§ 149-154) Uridg. u (§ 155-160) Die Nasale u n d die Liquidae. A. Die Nasale und die Liquidae in unsilbischer (konsonantischer) Funktion. I. Die Nasale (§ 161-172) II. Die Liquidae (§ 173—183) B. Die Nasale und die Liquidae in silbischer (sonantischer) Funktion. Vorbemerkungen (§ 184-185) I. Die Nasale (§ 186-197) II. Die Liquidae (§ 198-209) A b l a u t (§ 210-216) . Die Verschlussiaute. A. Die Verschlusslaute nach ihrer Artikulationsstelle. I. Die labialen Verschlusslaute (§ 217—222) . . . . . II. Die dentalen Verschlusslaute (§ 223—232) III. Die palatalen Verschlussiaute (§ 233-243) . . . . IV. Die reinvelaren Verschlusslaute (§ 244 - 253). . . . V. Die labiovelaren Verschlusslaute (§ 254—260) . . . B. Die Verschlusslaute nach ihrer Artikulationsart. Indogermanische Urzeit (§ 261) Altindisch (§ 262) Griechisch (§ 263—266) Lateinisch (§ 2 6 7 - 2 7 0 ) Germanisch (§ 270»—273) Slavisch (§.274- 275) Die Reibelaute. A. Die s-LauteIndogermanische Urzeit (§ 276) Altindisch (§ 277—283) Griechisch (§ 284—287) Lateinisch (§ 288—291) Germanisch (§ 292—294) Slavisch (§ 295—?P00) B. Die > L a u t e (§ 301) . . C. Die Spirans j (§ 302) Zum bedingten Lautwandel. Vorbemerkung (§ 303) K o n t a k t w i r k u n g in Sonantengruppen. A, Einwirkung' auf die Qualität eines Sonanten (§ 304) . B. Quantitative Änderung (S 305)
90 91 98
109 116
121 124 131 138
150 152 157 163 168 178 180 182 185 188 193
194 195 197 201 204 205 207 208 208 209 209
Inhalt.
XIII Seite
C. K o n t r a k t i o n (§ 306) D. Entstehung' steigender Diphthonge aus z w e i s o n a n t i s e h e r V e r b i n d u n g (§ 307) W i r k u n g von Konsonanten auf Sonanten in K o n t a k t s t e l l u n g . A. W i r k u n g von i, u auf die Qualität des S o n a n t e n (§ 308) B. W i r k u n g eines a n d e r n Konsonanten als u auf die Qualität des S o n a n t e n (§ 309) C. M i n d e r u n g der Quantität des Sonanten (§ 310) . . . D. Steigerung' der Quantität des Sonanten (§311) . . .
210 212 213 215 217 218
S o n a n t i e r u n g von Koneonanten u n d Vokalanaptyxis. A. SoDantierung ohne Silbenzuwachs (§ 312) B . S o n a n t i e r u n g mit Silbenzuwachs (§ 313) Koneonantengemination. A. Zwischen S o n a n t e n (§ 314) B. Vor u n d hinter Konsonanz (§ 315) P a l a t a l i s i e r u n g (Mouillierung) u n d Labialisierung ( R u n d u n g ) von Konsonanten u n d Epenthese. A. P a l a t a l i s i e r u n g (§ 316) B. L a b i a l i s i e r u n g (§ 317) C. E p e n t h e s e (§ 318) Assimilation von K o n s o n a n t e n an Konsonanten in K o n t a k t stellung. V o r b e m e r k u n g (§ 319) A. Regressive Assimilation (§ 320) B. P r o g r e s s i v e Assimilation (§ 321) E i n s c h i e b u n g von Konsonanten (§ 322) V e r e i n f a c h u n g geininierter Konsonanten. A. Vor Konsonanz (§ 323) B. H i n t e r Konsonanz (§ 324) C. H i n t e r Vokallänge und Diphthong (§ 325) D. In P a u s a (§ 326) E. Im A n l a u t (§ 327) F. Intersonantisch u n a b h ä n g i g von der Quantität des vora u s g e h e n d e n S o n a n t e n ($ 328)
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Assimilation von Vokalen a n Vokale in Fernstellung. V o r b e m e r k u n g (§ 329) A. Regressive B e w e g u n g (§ 330) B. P r o g r e s s i v e B e w e g u n g (§ 331)
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Assimilation von Konsonanten an Konsonanten in F e r n s t e l l u n g . A R e g r e s s i v e B e w e g u n g (§ 332) B. P r o g r e s s i v e B e w e g u n g (§ 333) Dissimilatorische Ä n d e r u n g u n d B e w a h r u n g von K o n s o n a n t e n durch Konsonanten in Fern Stellung. II
219 220 221 222
223 224 224
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238 23^
XIV
Inhalt. Seite
A. Ä n d e r u n g (§ 334) B. B e w a h r u n g (§ 335) Dissimilatorische Verdrängung- von Konsonanten d u r c h Kons o n a n t e n in F e r n s t e l l u n g (§ 336) Haplologisehe Silbenellipse (§ 337 - 339) L a u t v e r s e t z u n g (Metathesis). V o r b e m e r k u n g (§ 340) A. K o n t a k t v e r s e t z u n g (§ 341) B. F e r n Versetzung (g 342) W i r k u n g e n des Aceentaitzes. Allgemeines (§ 343) Lateinisch (§ 344—348) Germanisch (§ 349-350) Satzphonetik. Allgemeines (§ 351) Idg. Urzeit (§ 3 5 2 - 3 5 3 ) AKindisch ( § 3 5 4 - 355) Griechisch (§ 356-357) . . Lateinisch (§ 358-359) Germanisch (§ 360-361) Slavisch (§ 3 6 2 - 3 6 3 ) Lehre von den Wortformen und ihrem
239 241
242 244 245 246 248 249 250 255 259 262 263 267 271 276 279
Gebrauch.
Vorbemerkungen. Satz u n d Wort (§ 364) Die S t r u k t u r der idg. W o r t f o r m e n (§ 365) Motive u n d Arten der W o r t b i l d u n g s v o r g ä n g e in den idg'. S p r a c h e n (§ 366) Wurzeln, Wurzeldeterminative (§ 367) Zusammensetzung. V o r b e m e r k u n g (§ 368) E i n t e i l u n g e n der Komposita (§ 369) Sprachgeschichtliche E r l ä u t e r u n g e n (§ 370—380) Nominalstämme. Nomina o h n e stammbildeude Formantien (Wurzelnomina) (§ 381) Nomina mit stammbildeDden Formantien. Allgemeines (§ 382—386) Übersicht auf G r u n d der Bedeutung. Partizipia u n d V e r b a l a d j e k t i v a (§ 387—388) . . . . K o m p a r a t i v e u n d Superlative (§ 389—391) Denominative und sonstige s e k u n d ä r e A d j e k t i v a (392-402)
281 282 286 296 297 297 304
311 312 315 320 324
Inhalt.
XV" Seite 329 329
F a r b e b e z e i c h n e n d e A d j e k t i v a (§ 403) S o n s t i g e ( p r i m ä r e ) A d j e k t i v a (§ 404) Substanzbezeichnende Substantiva (Konkreta). I. Die b e i d e n a n i m a l i s c h e n G e s c h l e c h t e r (§ 405) . . II. V e r w a n d t s c h a f t s n a m e n (§ 406) III. T i e r n a m e n (§ 407) I \ . K ö r p e r t e i l n a m e n (§ 408) V. N o m i n a a g e n l i s (§ 409—410) VI. N o m i n a i n s t r u m e n t a (§411—412) VII. N o m i n a loci ( § 4 1 3 - 4 1 4 ) . . . VIII. N o m i n a t e m p o r i s (§ 415) IX. K o l l e k t i v a (S 416) X . D e m i n u t i v a , D e t e r i o r a t i v a , K o s e n a m e n ( § 417—418) XI. S u b s t a n t i v i e r t e . A d j e k t i v a (§ 419; Substantiva mit Abstraktbedeutung-. A l l g e m e i n e s (§ 420) N o m i n a mit A b s t r a k t - u n d A d j e l t i v b e d e u t u n g zug l e i c h (§ '21—423) A n d e r e N o m i n a mit A b s t r a k t o e d e u t u n g (§ 424—430) N o m e n a c t i o n i s u n d I n f i n i t i v ( S u p i n u m ) (§ 431—432) Ü b e r s i c h t auf G r u n d d e r F o r m ('s 433) D i e drei N o m i n a l g e n e r a ( M a s k u l i n u m , F e m i n i n u m , N e u t r u m ) (§ 4 3 4 - 4 3 9 ) Zahlwörter. A l l g e m e i n e s (§ 440) K a r d i n a l i a ( Z a h l a d j e k t i v a u n d Z a h l s u b s t a n t i v a ) (§ 441—446) O r d i n a l i a ;§ 447—449) M u l t i p l i k a t i v a , D i s t r i b u t i v a (§ 450—451)
329 330 331 332 332 334 335 336 337 339 340 341 347 351 353 3E4
362 363 370 372
KASUS- u n d N u m e r u s b i l d u n g d e r N o m i n a . V o r b e m e r k u n g e n (§ 452—452 a)
373
I. D i e K a s u s d e s S i n g u l a r i s . 1. N o m i n a t i v u s M. F. (§ 453—454) 2. V o k a t i v u s M. F . (§ 455—456) 3. A k k u s a t i v u s M. F. (§ 457—458)
375 377 378
4. 5. 6. 7. 8. 9.
Nominativus-'-Akkusativus N. (§ 459 - 4 6 0 ) G e n i t i v u s (§ 461—462) A b l a t i v u s (§ 463) D a t i v u s (§ 464—465) L o k a t i v u s (§ 466—467) I n s t r u m e n t a l i s (§ 468 - 4 7 1 ) . .
I I . Die K a s u s des Dualis. V o r b e m e r k u n g (§ 472) 1. N o m i n a t i v u s - A k k u s a t i v u s M. F. (g 473)
379 380 382 383 384 386 . . .
387 388
XVI
Inhalt. Seit«
2. Nominativus-Akkusativus N. (§ 474) 388 3. Dativus-Ablativus-Instrumentalis (§ 475) 889 4. Genitivus und Lokativus (§ 476—478) 389 III. Die Kasus des Pluralis. 1. Nominativus M. F. (§ 479) 390 2. Akkusativus M. F. (§ 480) 391 3. Nominativus-Akkusativus N. (§ 481—485) 393 4. Genitivus (§ 486—487) 394 6. Lokativus (§ 488—489) 395 6. Dativus-Ablativus (§ 490—491) 396 7. Instrumentalis (§ 492-493) 397 Pronomiualstämme und Kasus- und Numerusbildung der Pronomina. Vorbemerkungen (§ 494) 399 I. Demonstrativa, Relativa, lnteirogativa, Indefinita. Stammbildung- und Bedeutung (§ 495—497) 399 Kasus- und Numerusbildung. 1. Die Kasus des Singularis (§ 498—503) 402 2. Die Kasus des Dualis (§ 504) 405 3. Die Kasu« des Pluralis (§ 505—511) 405 II. Personalia und Possessiva. Stammbildung und Bedeutung (§ 512-516) 407 Die Kasus- lind Numerusbildung der Personalia und die Bildung der Possessiva. 1. Vorbemerkung (§ 517) 410 2. Die nicht-dualischen Formen (§ 518—524) . . . . 410 8. Die dualiHeheii Formen (§ 525) 413 Bedeutung der Numeri beim Nomen und Pronomen (§526 —528) 413 Bedeutung der Kasus. Vorbemerkungen (§ 529—531) .417 Ablativus (§ 532-535) 422 Lokativus (§ 536—539) 424 Instrumentalis (§ 540—551) 426 Dativus (552-555) 431 Genitivus (§ 556—559) 434 Akkusativus (§ 560-563) 441 Nominativus (§ 564—565) 444 Vokativus (§ 566—568) 444 Berührungen zwischen den einzelnen Kasus (§ 569) . . . 445 Adverbia nach Form und Bedeutung, Allgemeines (§ 570—571) 446 Adverbia aus Kasus (§ 572—579) 448 Adverbia mit nicht kasuellen Formantien (§ 580—585) . . 454
XVII
Inhalt. P r ä p o s i t i o n e n nach Form u n d Bedeutung. Allgemeines (§ 5 8 6 - 5 8 9 ) D i e einzelnen Präpositionen (§ 590—620) V e r b u m finitum. V o r b e m e r k u n g e n (§ 621) Reduplizierte Verbalbildungen (§ 6 2 2 - 6 2 5 ) A u g m e n t (§ 626-628) Die T e m p o r a nach ihrer Bildung. Allgemeines. Einteilung der T e m p u s b i l d u n g e n (§ 629) Die verschiedenen Arten der Verbal- u n d T e m p u s stämme in formaler Beziehung (§ 630—634) . . . V o r b e m e r k u n g e n ü b e r die B e d e u t u n g der Verbal- u n d T e m p u s s t ä m m e (§ 635-636) Die P r ä s e n s s t ä m m e ( I m p e r f e k t p r ä s e n t i a u. Aoristpräsentia). A, Unthematischer Stamm bestehend aus einer leichten oder einer einsilbigen schweren Ablautbasiö. I. Unredupliziert: T y p u s ai. ds-ti, d-dhä-t (§ 637—638) II. Eedupliziert: T y p e n a. a\.bi-bhar-ti gr.Ti-0»i-ai, b. ai. bä-bhas-ti
dd-dhä-ti,
c. ai. jdrs-ghan-ti,
d. ai.
ti-Stha-ti,
b. ai. d-pa-pta-t
da-dha-ti,
3. ai. taru-te
480 481 484
486 487 491
494
495
497
c. ai.
äm-ama-i (§ 648—652) 0 . Unthematischer Stamm bestehend aus einer zweisilbigen Ablautbasis mit langem Vokal oder mit Diphthong in zweiter Silbe. V o r b e m e r k u n g (§ 653) I. Die zweite Silbe der Ablautbasis ist r e d u z i e r t . a. Unredupliziert: T y p u s 1. ai. vämi-ti, 2. ai. bravl-ti,
457 46Ü
ghdnl-
ghan-ti (§ 639—645) B. Der Stamm gleich der Wurzel mit thematisohemVokal. I. Unredupliziert: T y p e n ai. bhdra-ti u n d sphurd-ti (§ 646 - 647) II. Redupliziert: T y p e n a. ai. ä-dl-dhara-t u n d jighra-ti
Seite
(§ 6 5 4 - 656)
b. Redupliziert: T y p u s ai. nä-navi-ti (§ 657) . . II. Die erste Silbe der Ablautbasis ist r e d u z i e r t . a. Unredupliziert: T y p u s ai. trä-ti (§ 658—660) , b. Redupliziert: T y p e n 1. ai. ji-gä-ti, 2. ai. daridrä-ti (§ 661—662) Die Aktionsarten der G r u p p e n A, B, C (§ 663—6G4). . D. Nasalstämme. V o r b e m e r k u n g e n {§ 665) I. T y p e n a. ai. mjnA-ti, b. ai. mrnd-ti (§ 666—669) II. T y p e n a. ai. yundk-ti, b. ai. yvnja-ti (§ 670—672)
499
500
501
503 504 506 506 509 511 514
XVIII
Inhalt. Seite
III. Typen a. ai. rqo-ti, b. ai. rnvd-ti (§ 673—676) . Die Aktionsart der Nasalstämme (§ 676a) . . . . E. Stämme mit Geräuschlautformantien. I. s- und so-Stämme. Vorbemerkungen (§ 677) a. Unredupliziert : Typen 1. ai. dvéS-ti, 2. ai. tqsa-ti (§ 678—679) ' '. b. Redupliziert: Typus ai. di-dfkSa-tè (§680) . II. sfco-Stämme. a. Unredupliziert: Typus ai. gàccha-ti (§ 681—682) b. Redupliziert: Typus gr. bt-òd0KU) (§ 683) . . . Aktionsart (§ 684) III. ¿o-Stttmme: Typus ai. dyéta-tè (§ 685) IV. dho- und do-Stämme : Typen 1. ai. d-rädha-t, 2. ai. vi-mrada-ti (§ 686—689) F. Stämme mit dem Formans -io-. Die echten ¿o-Präsentia und die i- : j'o-Präsentia: Typen aksl. borjq -jeSi und mbnjq -iii (§ 690—691) -io- als sekundäre Erweiterung von Präsentien: Typen ai. jcmghanya-tè, snàya-tè, ìéanyà-ti (Fut.) däsyä-ti (§ 692) Die Verba denominativa: Typus ai. dèvayà ti (g 693 -696) G. Stämme mit dem Formans -éio-: Typus ai. oèddya-ti (§ 697-700) H. Stämme mit dem Formans -y.o-\ Typus ai. lurva-ti (§701) Die Stammbildung der s-Aoriste (§ 702—706) Die Stammbildung des Perfekts und seines Augmenttempus (§ 707-712) Zusammengesetzte (periphrastische) Bildungen 713—716) Die Modi nach ihrer Bildung. Injunktiv (§ 716) Konjunktiv (§ 717-724) Optativ (§ 725-728) Imperativ (§ 729-733) Der Gebrauch der von den Tempusstäninien gebildeten Formen. Der Gebrauch mit Bezug auf die Aktionsarten (§ 734—739) Der Gebrauch mit Bezug auf die Zeitstufen (§ 740- 741) Die Indikative (§ 742- 747) Die Modi. Aligemeines (§ 748) Injunktiv und Imperativ (§ 749—750)
516 517 518 518 519 519 520 520 521 521 523 528 530 535 537 537 541 548 551 551 554 557 559 568 571 578 578
Inhalt. Konjunktiv (§ 751-757) Optativ (§ 758-763) Neuerungen der Einzelsprachen: Optativus Prät., Irrealis, modale Indikative (§ 764—769) Die Personalendungen. Allgemeines (§ 770) Die Aktivendungen (§ 771—784) Di« Medialendungen (§ 785—795) Die r-Endungen des Ar. und Italokelt. (§ 7 9 6 — 7 9 8 ) . . . Die Genera verbi (Diathesen) und die Verba reflexiva. Aktivutn und Medium (§ 799—801) Passivum (§ 802—803) . . • Reflexivuni (§ 804) Verbum infinitum. Gebrauch der Infinitive und Supina (§ 805—811) . . . . Gebrauch der Partizipia und Verbaladjektiva (§ 812—8Í6) . Partikeln. Allgemeines (§ 817) Die negierenden Partikeln (§ 818—821) Die übrigen Partikeln (§ 822—855) L e h r e von den S a t z g e b i l d e n . Vorbemerkungen (§ 856—857) Eingliedrige Sätze (§ 858) Subjekt und Prädikat (§ 859—864) Subjektlose Sätze durch Beziehungsverschiebung (§ 865) . . Gruppen im Satze. Allgemeines (§ 866—870) I. Bestimmungsgruppen (§ 871—875) II. Erweiterungsgruppen (§ 876—877) Kongruenz (§ 878—882) Die drei Hauptarten des Satzes nach der psychischen Grundfunktion (§ 883 -886) Zusammengesetzte Sätze. Allgemeines (§ 887) Verknüpfung von Hauptsätzen (§ 888-894) Abhängige Sätze (Hypotaxis). Allgemeines (§ 895) Hypotaxis ohne nachweisbare grammatische Kennzeichnung in uridg. Zeit (§ 896—897) Kennzeichnung des abhängigen Satzes durch das flektierte ßelativum (§ 898- 905) Kennzeichnung des abhängigen Satzes durch Konjunk-
XIX Seite 579 583 586 688 -889 594 596 598 601 602 603 606 610 612 614
623 624 626 629 630 634 688 641 647 650 651 656 657 659
XX
Inhalt.
Zum Relativum *{- gehörige Konjunktionen (§ 906—910) K o n j u n k t i o n e n , die nicht zum Relativum gehören (§ 911-914) P e r s o n e n v e r s c h i e b u n g (§ 915) Modusverschiebung (§ 916—919) Verschmelzung u n d Verschlingung von Haupt- u n d Nebensatz (§ 920-921) " . . . Stellung und B e t o n u n g der Glieder des einfachen u n d des zusammengesetzten Satzes. Allgemeines (§ 922—923) D e r einfache Satz. Wortstellung u n d B e t o n u n g im Hinblick auf den Unterschied von Aussage-, Ausrufungs- u n d F r a g e s ä t z e n (§ 924-925) Stellung u n d B e t o n u n g der einzelnen Satzteile (§ 926—933) Stellung u n d B e t o n u n g der Teile des zusammengesetzten Satzes (§ 934—935) Ellipse von Satzteilen u n d Sätzen (§ 936—943) Assimilation von Satzteilen im einfachen u n d im zusammengesetzten Satze (§ 944 —946) Vermischung zweier Konstruktionen (Kontamination) (§947—949) Sachverzeichniss Wörterverze'ichniss Nachträge und Berichtigungen
Tabellen. Übersichtstabelle zur nominalen Kasusbildung . . . Uberaichtstabelle zur Kasushildung der geschlechtigen Pronomina Ubersichtstabelle zur Kasusbildung der Personalpronomina und des Reflexivums Übersichtstabelle z u r Aktiv- u n d Medialflexion . . .
Seite
664
668 670 672 675
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Abkürzungen. I. A b k ü r z u n g e n in den L i t e r a t u r v e r w e i s u n g e n 1 ) . A. J. of PI). = The American Journal of Philology, edited by B. L . Gildersleeve. Baltimore. 0. ='A0r|vct. IirfTpa^M" irepiof>iKÖv'TriqVp (§ 332); 2) Erweiterung der ¿¿-Stämme durch ein n-Sufflx, wie lat. meniio — air. er-mitiu; 3) Supprlativbildung aut' is-r.mo , z.B. .at. pulcerrimus aus *pulei isemo(§ 290, 4), galt. OöEioänn (Stadtname, 'die höchste"); 4) Gen. Sg. der o-Stämme auf -i, lat. equi, ir. Ogominschr. maqi 'des Sohnes'; 5) Entwicklung der Deponential- und Passivformen auf r, lat. sequitur, ir. -sechedar 'er folgt'.
•§ 11.]
Der idg. Sprachstamm u. seine Gliederung.
21
nebst Phryg.-Thrak., vgl. ibid.) beruht. Hiermit ist z. B. zu vergleichen, dass auf griechischem Boden zu einer Zeit, als schon reiche dialektische Gliederung bestand, im Ion.-At,t., Nordwestgr, und in einetn Teil des Dor. e eine stark geschlossne Aussprache bekam, die sich vom Iou.-Att. her über die genannten Naohbargebiete verbreitete (§ 93), oder dass im Westgermanischen auf deutschem Boden im 7 Jahrh. über eine Reihe von Dialekten hin urgerm. Geräuschlaute verschoben wurden (sogenannte hd. Lautverschiebung, § 273). Prinzipiell ist ferner möglich, dass gewisse spezielle Übereinstimmungen zwischen zwei Sprachzweigen, die in der historischen Zeit geographisch weit auseinander liegen, auf einer gleichartigen Neuerung der idg. Urzeit beruhen. Denn es können damals Wanderungen stattgefunden haben, durch welche Stämme oder Stainmesteile für eine Zeit lang in Bertlhrung kamen, die sich später weit von einander entfernten. Indessen bleibt das immer nur eine sehr entfernte Möglichkeit, und sofern es Spracherscheinungen sind, die wirklieb hierher fallen und nicht etwa nur darauf beruhen, dass zwei Htämme etwas von den Zwischenstämmen Verlorenes bewahrt haben, ist jedesmal auch die Annahme erlaubt, dass die beiden Sprachgeuossenschaften unabhängig von einander auf dieselbe Neuerung gekommen sind. Der Deutung der besonderen Berührungen zwischen irgend welchen von den acht Hauptidiomen stellt sich aber noch eins Schwierigkeit entgegen, die schon in § 2 S. 3 f. erwähnt ist, und die in erster Linie die Gemeinsamkeiten im Wortschatz betrifft. Wir können nicht wissen, wie viel in jenen vorgeschichtlichen Zeit ein Idiom dem andern nur entlehnt hat in der Art, wie z. B. lat. poena griechisches Lehnwort (uoivri) war; nur bis zu einem gewissen Grad haben wir hier, z. B. au den Lautverhältnissen, einen Anhalt zur Beurteilung. Auf Entlehnung beruhende Ubereinstimmungen aber dürfen für die Bestimmung der Verwandtschaft, dieses Wort in seiner üblichen Bedeutung genommen, nicht in Rechnung gestellt werden. Im ganzen ist also nur wenig, was aus den spezielleren Übereinstimmungen zwischen einzelnen von den acht Hauptgruppen für die Beziehungen der Völker zu einander in sogen.
22
Der idg. Sprachstamm u. seine Gliederung.
f§ 12.
voreinzelsprachlicher Zeit mit grösserer Wahrscheinlichkeit entnommen werden kann. Und jedenfalls treten, so viel wir heute wissen, nirgends speziellere Gemeinsamkeiten, die als gemeinsame Neuerungen erscheinen, in so g r o s s e r A n z a h l entgegen, dass man auf Grund derselben die betreffenden Sprachzweige in derselben Art zu Einheiten zusammenschliessen dürfte, wie man z. B. das Indische mit dem Iranischen, das Baltische mit dem Slavischen zu vereinigen pflegt. Dies gilt selbst f ü r den Fall, dass man keine von diesen Übereinstimmungen als nur zufällig und keine als auf Entlehnung beruhend betrachten wollte. Man mag also immerhin konstatieren, welche und wie viele besondere Übereinstimmungen jedesmal zwischen zwei Nachbargebieten vorhanden sind — die meisten und signifikantesten gibt es zwischen Italisch und Keltisch —, aber da uns eine nähere Einsicht in die Art und Weise, wie sie zustande gekommen sind, abgeht, so spreche man hier nicht von näherer oder fernerer 'Verwandtschaft', z. B. nicht von einer näheren Verwandtschaft des Italischen mit dem Keltischen als mit dem Griechischen, weil das Wort Verwandtschaft hier allzu leicht ungerechtfertigte Vorstellungen erweckt. 12. U n t e r ' u r i n d o g e i m a n i s c h e n Spracherscheinungen verstehen wir nach dem, was in § 11 erörtert ist, solche, die nicht erst einer einzelsprächlicben Entwieklungsperiode, wie der ar., armen., griech. usw., angehören. Der Begriff Urindogermanisch bedarf aber noch einer anderweitigen Erläuterung. Die Ausdehnung, in der die idg. Volkerfamilie im Beginn der geschichtlichen Zeit auftritt, kann nicht, ursprünglich sein. Wir müssen ein Urvolk annehmen, das sich von einem im Verhältuiss zu dieser Ausdehnung kleinen Terrain ausgebreitet hat. Den Sitz dieses Urvolks, die idg-. Urheimat, suchte man früher gewöhnlich in Asien, jetzt häufiger und mit mehr Recht in Europa oder auf der Grenze zwischen Südwestasien und Europa. Sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit diese Urheimat bestimmen zu können wird man vielleicht niemals -in die Lage kommen. Nur so viel ist heute klar, dass sie n i c h t in der vorderindischen, der apenninischen und der pyrenäischen Halbinsel zu suchen ist, dass die Indogermanen hierhin erst später
§12.1
Der idg. Sprachstamm u. seine Gliederung 1 .
23
gekommeD sind, und wahrscheinlich ist überdies, dass auch die Balkaiihalbinsel und die nördlichsten Teile von Europa erst später von ihnen besiedelt worden sind. Die für uns nächsterreichbaren Ursitze sind hiernach ein langgestreckter Länderstreifen, der von Frankreich durch Mitteleuropa bis nach Iran reicht, den wir uns jedoch keineswegs überall gleichmässig von Indogermanen besetzt und nur von Indogermanen bewohnt zu denken genötigt sind. Über diese Gebietsbestimmung kommen wir vorläufig nicht hinaus 1 ). In der früheren, engeren Urheimat mögen die Indogermanen eine Sprache geredet haben, die noch etwa in dem Sinne einheitlich war, in dem wir heute eine deutsche Mundart wie etwa die bairisehe als eine Einheit bezeichnen. Das Terrain der späteren, weiteren ist dagegen ein so grosses, dass wir schon eben dieser Ausdehnung w e g e n anzunehmen gezwungen sind, dass sich die Unterschiedlichkeit innerhalb jener Urmundart in ihm schon beträchtlich vergrössert hatte. Die damals vorhandene dialektische Variation der idg. Ursprache haben wir uns in allem Wesentlichen ebenso entstanden zu denken, wie wir in jüngeren, 1 im Lichte der geschichtlichen Überlieferung stehenden Zeiten die Sprachdifferenzierung sich Vollziehen sehen. Zunächst entstehen dialektische Unterschiede dadurch, dass irgendwo innerhalb eines in sich zusammenhängenden Sprachgebiets spontan, d. h. ohne Einwirkung von nachbarlich wohnenden Völkerschaften, sprachliche Neuerungen aufkommen. Solche Neuerungen breiten sich über einen irgöndwiegrossen Teil des Gesamtgebiets aus, wodurch eine sprachliche Spaltung dieses Gebietes bewirkt wird. Jede Neuerung dieser Art kann neue Grenzen schaffen; die Grenzen, bis zu denen die einzelnen Neuerungen vordringen, schneiden sich dann mannigfach. Diese Art der Ausbildung dialektischer Erscheinungen kann man als die regelmässige bezeichnen, da sie die ist, welche überall unter den gewöhnlichen Verhältnissen des Verkehrs von Haus zu Haus und von Dorf zu .Dorf geschieht. Dazu kommen noch solche variationschaffende Faktoren, die sich aus besondern Fri.ignissen der Verkehrsgeschichte der Völker ergeben. Einerseits ist Lockerung- oder gänzliche A u f h e b u n g des Verkehrs innerhalb einer Sprachgenossensch.aft wirksam. Wenn ein Teil eines sprachlich einheitlichen Volkes sich durch W a n d e r u n g 1) Ygl. Schräder Rcallex. der idg. Altertumskunde 878 ff., wo auch die ältere einschlägige Literatur grösstenteils verzeichnet ist.
24
Der idg. Sprachstamm u. seine Gliederung'.
[§ 12.
abtrennt und der geographische Zusammenhang auf länger« Zeit oder auf immer aufgehoben ist, oder wenn, ohne dass die Wohnsitze sich verschieben, politische oder religiöse Differenzen u. dgl. zwei Volksteile einander entfremden, da geht mit der Zeit auch die Sprache auseinander und bekommt in den verschiedenen Gegenden eigenartige Züge. Auf der andern Seite kommen die Verkehrsberiihrungen zwischen Stämmen mit erheblich verschiedener Sprache in Betracht, die Entlehnungen aus einer Sprache in die andere zur Folge haben.. Diese Herübemahmeu schaffen in der aufnehmenden Sprache jedesmal dialektische Gegensätze, wenn sie nicht in dem gesamten Sprachgebiet gleichmässig Platz greifen; man denke etwa an die Beeinflussung des Italienischen im Nordwesten durch das Provenzalischo oder an die des Deutschen im Osten und Süden durch slavische Sprachen. Diese Mischungsvorgänge können der Art und dem Grad nach sehr mannigfaltig sein. Hier ist auch die Überwindung und Absorption einer Sprache durch eine andere zu nennen, die dann geschieht, wenn ein Stamm mit einem eine fremde Sprache redenden Stamm, sei es auf friedlichem Wege, sei es infolge von Unterwerfung, ganz verschmilzf. Denn spurlos ausgerottet wird die unterliegende Sprache, wenn ihr Träger ein grösserer Stamm ist, wohl niemals. Gewisse Eigentümlichkeiten von ihr, in erster Linie solche der Lactbiklung, bleiben in der obsiegenden Sprache zurück, wie z. B. das Romanisch» in ehemals keltischen Gegenden die Lautung cht für lat. et wahrscheinlich von den Kelten bei ihrer Romauisierung übernommen hat. Jedenfalls hatte das Urindogermanische, wie es in der weiteren Urheimat gesprochen wurde, seine dialektische Variation nicht bloss auf ¿ine Weise gewonnen, sondern auf sehr verschiedenen Wegen. Vermutlich auf allen den Wegen, auf denen sprachliche Verschiedenheiten auch in historischer Zeit sich entwickelt haben, nur dass wir von denjenigen dialektwirkenden Faktoren abzusehen haben, die erst durch die fortgeschritteneren Kulturverhältnisse der jüngeren Zeiten .gegeben sind, wie Entstehung von Schriftsprachen u. dgl. Wenn nun alle Dialektbildung aufs engste mit den besonderen geschichtlichen Erlebnissen des Volkes zusammenhängt und erst von diesen aus im Einzelnen ihre Deutung finden kann, wir aber selbst in jüngeren und jüngsten Zeiten oft genug, bei mangelnder genauerer Kenntniss der geschichtlichen Ereignisse, über blosse Vermutungen nicht hinausgelangen, so ist leicht begreiflich, dass wir für jene Urzeit bei dem Allgemeinsten stehen zu bleiben gezwungen sind. Bezüglich der uridg. Dialektvariation ist aber noch Folgendes nicht zu übersehen. Bei-ihrer ersten Ausbreitung über Mittel- und Osteuropa und Vorderasien in uridg. Zeit können Dialekterscheinungen, wie sie durch den Verkehr von Indogermanen
§ 13.]
Der idg. Sprachstamm u. seine Gliederung.
25
mit Indogernianen bedingt waren, auch dadurch aufgekommen sein, dass unsere Vorfahren hie Uiid da auf eiae Urbevölkerung stiessen; durch den Verkehr mit dieser wird nicht nur dieses und jenes nichtidg. Wort ins Idg. eingedrungen, sondnrn bei Stainmesmischung und Übergang der~ idg. Sprache auf die Ureinwohner können auch Laute von deren Sprache auf die Iudogermanen übertragen worden sein. Dios gilt z. B. von dem Wandel der fr-Laute in Spiranten bei den saiam-Stämmen (vgl. § 11 S. 20).
Die von der Sprach Wissenschaft konstruierten uridg. oder voreihzelsprachlichen Erscheinungen ergeben, alle zusammen genommen, keine Sprache, die ein einzelner Indogermane irgendwo und irgendwann gesprochen haben kann. Denn erstlich war nur ein Teil von ihnen allgemein indogermanisch, die andern gehörten nur irgend einer Gegend innerhalb des Oesamtgebiets an. Und zweitens'handelt es sieh bei der idg. Ursprache um weit aneinanderliegende Zeiträume, und das, was man von den Einzelsprachen herkommend jedesmal als die jüngsten Thatsacbeu der idg. Urgemeinschaft erscbliesst, ergibt nicht eine Summe von wirklich gloichzeitigon Erscheinungen, Das Allgemeinindogermauische war in der Regel älter als daq nur Partiellurindogermanisc.be. Die ^ls nridg. rekonstruierten Sprachcrscheinungen lassen «ich in vielen Fällen mit Wahrscheinlichkeit auf noch ältere zurückführen. Einerseits kann solches, was sich für einen Teil der acht Sprachzweige als uridg. ergibt, die entwioklungsgeschichtliche Vorstufe für solches gewesen sein, was «in andrer Teil als uridg. voraussetzen lägst. Hierhin gehört 2. B. der Übergang der ¿-Laute in spirantische Laute (§ 11 S. 20). Anderseits sind oft auch für allgemeinuridg. Erscheinungen die Vorstufen erkennbar. Hierher fallen z. B. die Ablauterscheinungen, wie liorvidtgaug von s- aus es- in *s m4s Turnus', *8-iem csim' (§ 210). In allen diesen Fällen kann es sich aber immer nur um relative Sprachchronologie handeln, nicht um die absolute, wie sie sich für die Thatsachen der historischen Spracbperioden ermitteln lässt. 13. Wie von einer uridg. Periode, so spricht man auch von einer u r a r i s c h e n Periode, einer u r a r m e n i s e b e n , urg r i e e h i s e h e n usw. Es ist jedesmal die Periode, in der der
26
Der idg. Sprachstamm u. seine Gliederung. 1
i
[§ 13.
betreffende Sprachzweig seine ersten besonderen Züge gewannen bat, welcbe diesen Zweig gegenüber den andern charakterisieren, die Periode, in der Neuerungen aufkamen, die einerseits keinen Zusammenhang mehr hatten mit dem, was uns andere Sprachzweige als vorhistorisch erkennen lassen, und anderseits vor die Zeit fallen, fttr welcbe wir wiederum schärfer sich absondernde Dialekte oder Dialektverbände innerhalb des Ganzen des Sprachzweigs zu erkennen vermögen. Fttr die weiteren, diesseits des Urarischen, des Urgriechischen liegenden Spracheinheiten,. zu denen man nächstverwandte Sprache? und Mundarten vereinigt, und die ebenfalls noch in vorhistorische Zeit fallen, hat man dann wiederum entsprechende Bezeichnungen, z. B. U r i n d i s c b , U r i r a n i s c h , U r i o n i s c h , U r w e s t g e r manisch, Urbaltisch, Urslavisch. Wo eine der acht Hauptureinheiten sich weiterhin zunächst in drei Zweige spalt&, wird gewöhnlich wiederum, gleichwie inbczug auf die acht Hauptglicder, die Frage aufgeworfen, ob zwei'von ihnen gegenüber dem dritten näher unter sich 'verwandt' seien. Namentlich ist diese Frage oft erörtert worden hinsichtlich des Gotischen, Nordischen und Westgermanischen1), und man hat gewöhnlich die beiden ersten in engeren Zusammenhang unter einander gebracht. Hier gilt nun wiederum dasjenige, was oben von den spezielleren Berührungen zwischen den acht Hauptzweigen gesagt worden ist. Got. und Nord, haben nur eine Erscheinung gemeinsam, die ins Gewicht fällt, die gleichartige Behandlung von urgerm. •ii-, -uu- (§ 153. 159)3); diese kann sehr wohl in die Zeit eines engeren Verkehrs der beiden Stämme verlegt werden und in diesem begründet sein, niuss es aber nicht. Die der geschichtlichen Zeit näher liegenden Ursprachen waren natürlich ebenso dialektisch variiert wie die uridg. Sprache. Woraus folgt, dass irgend festere Grenzen zwischen je zwei aufeinander folgenden Ureinbeiten, z. B. ^wischen Uridg. und Urgerm., zwischen diesem und Urwestgerm., riyjht 1) Zuletzt von R. Loewe Die ethnische und sprachliche Gliederung der Germanen, Haile 1899. ä) Vgl. Ehrismann Lit. f. g. u. r. Ph, 1901 Sp. 97 ff.
§ 14.]
Aufgabe der vergleichenden Grammatik.
27
zu ziehen sind. Es bleiben diese sogen. Ursprachen immer schwankende, dehnbare Begriffe. Wie innerhalb des Uridg., so lassen sich oft auch innerhalb der jüngeren Urperioden mehrere Umwandlungen unterscheiden, welche eine Form nach einander erfahren hat. ' So bezeichnen wir z. B. als urgerm. nicht bloss * fdder (ahd. fater as. fader 'Vater') sondern auch seine Vorstufen *fad$r und *fapfr (§ 271, 1. 7). Anm. Zu § 12 und 13 vgl.: H. S c h u c h a r d t Über die Klassifikation der roman. Mundarten, Probevorlesung gehalten 30. Apr. 1870, Graz 1900. J. S c h m i d t Die Verwandtschaftsverhältnisse der idg. Sprachen, Weim. 1872. L e s k i e n Die Declin. iin Slav.-Lit. und Germ., Leipz. 1876 (Einleitung). D e l b r ü c k Einl.« 131 ff. Schräder Sprach vergl. und Urgesch. 2 S. 66 ff. B r u g m a n n Zur'Frage nach den Verwandtschaftsverhältn. der idg. Sprachen, 1Z. 1, 226 ff. v. B r a d k e Beitr zur Kenntniss der vorhist. Entwickelung unseres Sprachstammes, Giessen 1888, Einige Bemerkungen über die ar. Urzeit, Festgruss an Böhtl. S. 4 ff. Hirt Die Verwandtschaftsverh der Idg., IF. 4, 36 ff. K r e t s e h mer Einl. (dazxi Hirt IF. Anz. 8, 55ff., M e r i n g e r Anz. f. d. Alterth. 26, 194 ff.). [Oertel Lectures on the Study of Language, New York 1901, p. 87 sqq.]
Die Aufgabe der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. 1 4 . Die Sprachwissenschaft hat als historische Disziplin die Aufgabe, die gesamte Sprachentwicklung der idg. Völker zu erforschen. An dieser Aufgabe wurde in älteren Zeiten nur insoweit gearbeitet, als einzelne von den acht Hauptgruppen oder gewöhnlich mir einzelne Glieder von diesen, z. B. das Deutsche, das Attische, das Lateinische, für sich allein untersucht wurden. Die durch Franz Bopp ins Leben gerufene sogen, vergleichende Sprachwissenschaft wies aber den Weg zu der idg. Ursprache bin, aus der sich alles historisch Gegebene entwickelt hat, und sie gewährte und gewährt durch vergleichende Erforschung des ganzen für die Wiedergewinnung des Uridg. heranzuziehenden Sprachmaterials den einzelspraohlichen Forschern die wichtigsten Aufschlüsse Über den Entwicklungsgang der einzelnen Sprachen in vorhistorischer wie
§ 14.]
Aufgabe der vergleichenden Grammatik.
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zu ziehen sind. Es bleiben diese sogen. Ursprachen immer schwankende, dehnbare Begriffe. Wie innerhalb des Uridg., so lassen sich oft auch innerhalb der jüngeren Urperioden mehrere Umwandlungen unterscheiden, welche eine Form nach einander erfahren hat. ' So bezeichnen wir z. B. als urgerm. nicht bloss * fdder (ahd. fater as. fader 'Vater') sondern auch seine Vorstufen *fad$r und *fapfr (§ 271, 1. 7). Anm. Zu § 12 und 13 vgl.: H. S c h u c h a r d t Über die Klassifikation der roman. Mundarten, Probevorlesung gehalten 30. Apr. 1870, Graz 1900. J. S c h m i d t Die Verwandtschaftsverhältnisse der idg. Sprachen, Weim. 1872. L e s k i e n Die Declin. iin Slav.-Lit. und Germ., Leipz. 1876 (Einleitung). D e l b r ü c k Einl.« 131 ff. Schräder Sprach vergl. und Urgesch. 2 S. 66 ff. B r u g m a n n Zur'Frage nach den Verwandtschaftsverhältn. der idg. Sprachen, 1Z. 1, 226 ff. v. B r a d k e Beitr zur Kenntniss der vorhist. Entwickelung unseres Sprachstammes, Giessen 1888, Einige Bemerkungen über die ar. Urzeit, Festgruss an Böhtl. S. 4 ff. Hirt Die Verwandtschaftsverh der Idg., IF. 4, 36 ff. K r e t s e h mer Einl. (dazxi Hirt IF. Anz. 8, 55ff., M e r i n g e r Anz. f. d. Alterth. 26, 194 ff.). [Oertel Lectures on the Study of Language, New York 1901, p. 87 sqq.]
Die Aufgabe der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. 1 4 . Die Sprachwissenschaft hat als historische Disziplin die Aufgabe, die gesamte Sprachentwicklung der idg. Völker zu erforschen. An dieser Aufgabe wurde in älteren Zeiten nur insoweit gearbeitet, als einzelne von den acht Hauptgruppen oder gewöhnlich mir einzelne Glieder von diesen, z. B. das Deutsche, das Attische, das Lateinische, für sich allein untersucht wurden. Die durch Franz Bopp ins Leben gerufene sogen, vergleichende Sprachwissenschaft wies aber den Weg zu der idg. Ursprache bin, aus der sich alles historisch Gegebene entwickelt hat, und sie gewährte und gewährt durch vergleichende Erforschung des ganzen für die Wiedergewinnung des Uridg. heranzuziehenden Sprachmaterials den einzelspraohlichen Forschern die wichtigsten Aufschlüsse Über den Entwicklungsgang der einzelnen Sprachen in vorhistorischer wie
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A u f g a b e der vergleichenden Grammatiki
in historischer Zeit. So sticht man der gestellten Aufgahe von dieser wie von jener Seite her gerecht zu werden. Eine Sprache, deren Gang uns die Denkmäler durch viele Jahrhunderte hin vor Augen führen, wie das Germanische oder das Römische (Lateinisch-Romanische), erklärt sich, je mehr wir uns bei ihrer Betrachtung der Gegenwart nähern, um so leichter aus sich allein, aus der in der Überlieferung überschaubaren vergangenen Entwicklungsstrecke. Und je mehr wir umgekehrt auf den Anfangspunkt der historischen Periode zukommen, um so mehr bedarf es der Aufklärung durch die verwandten Sprachen. Es kann z. B. bei der Erforschung des Mhd. und Nhd. in höherem Masse als bei der Erforschung des Ahd. auf die vergleichende Heranziehung der andern westgermanischen Sprachen, weiter des Gotischen und Nordischen und noch weiter des Arischen, Armenischen usw. verzichtet werden, den Romanisten geht das Oskisch-Umbrisohe weniger an als den Latinisten, den Neogräzisten das Arisohc weniger als den Paläogräzisten usw. Der 'Sprachvergleicher' oder — wie man angemesseuer sagt — 'Indogermanist' hat es demnach in erster Linie mit den ältesten geschichtlichen Perioden der Einzelsprachen zu thun. In erster Linie, nicht ausschliesslich. Denn bei der trümmerhaften und die Sprache ihrer Lautung nach nur in rohen Umrissen zeichnenden schriftlichen Überlieferung alter Sprachen muss oft in später Zeit Auftretendes zur Erläuterung des zeitlich Zurückliegenden herangezogen weiden: romanische Erscheinungen z. B. dienen mit zur Aufhellung der Überlieferung des Lateinischen, neugriechische mit zur Aufhellung der Überlieferung des Altgriechischcu usw. Besonders häufig werden lautliche Verhältnisse in alten Sprachen durch Heranziehung der modernen Sprachen klarer. Diese Art der Arbeitsteilung, die Bevorzugung verschie dener Teile der ganzen Entwicklungsstrecke von sciten der verschiedenen Forscher, fällt natürlich weg, wo die Überlieferung uns eine Sprache überhaupt nur auf eine kurze Zeit hin vor Augen stellt. Dies ist z. B. der Fall beim OskischUmbrischen, beim Gotischen, bei den baltischen Sprachen.
§ 14.]
Aufgabe der vergloifthenden Grammatik.
2!)
Daraus, dass bei den vergleichenden Sprachforschern als solchen der Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Aufhellung des Einz.elspracbliclien durch Zurückgehen auf die näheron und ferneren vorhistorischen Ureinheite» hegt, erklärt sich aber nicht nur, dass sie fast überall die modernen Spraohphasen zu genauerer Bearbeitung Andern überlassen, sondern auch, dass sie gewisse Seiten des Sprachlebens in den älteren historischen Perioden nur nebensächlich behandeln. Hierher gehört namentlich zweierlei. E r s t l i c h das Zurücktretenlassen der Kulturseite der Sprache gegen ihre Natnrseite, d. b. der gewählteren, durch Willkilrhandlmigen geregelten Sprachform, der Norm- und Kunstsprachen gegen das naive und kunstlose, gewöhnlich nur in triebartigen Willenshandlungen beruhende Sprechen des gemeinen Mannes, die sogen. Volksmundart. Die vorhistorischen, näheren oder ferneren 'Ursprachen' haben als urwüchsige Volkssprachen zu gelten. Die Norm- und Kunstsprachen aber sind überall — von gewissen hier nicht ins Gewicht fallenden Elementen dichtcrischer Sprachgestaltung bei mehreren Völkern abgesehen — eine 'ein/.elsprachliche' verhältnismässig junge Absonderung vom Alltagsspreoben de» Volkes, das immer der breite Untergrund des Ganzen bleibt. So wirft denn das, was der vergleichende Indogermanist als solcher ermittelt, auf das, was gerade als die wesentlichen Elemente in den Kunstsprachen der einzelnen Völker erscheint, kaum erheblicheres Licht. Und wie diese Kunstsprachen zustande gekommen sind, worin und wie weit sie sich von der Umgangssprache unterscheiden, wie die einzelnen Schriftsteller für sich sie gehandhabt haben, und welche Wechselbeziehungen zwischen beiden Arten der Spracbgestalttuig stattgefunden haben, das des näheren zu untersuchen wird dem Spezialforscher und Philologen überlassen. Frcilich überhaupt absehen von der Kulturseite des Sprachlebens kann der Indogermanist ja schon darum nicht, weil uns durch die auf uns gekommenen Sprachdenkmäler fast überall viel mehr von den Kunstsprachen vor Augen gestellt wird als von der unkultivierten Rede und wir vielfach darauf angewiesen sind, uns erst mit Hilfe der Kunstsprache eine Vorstellung von der zu gründe liegenden angestammten
30
A u f g a b e der vergleichenden Grammatik.
Sprache des Volkes zu bildeD.
[§ 15.
Das a n d e r e ist, dass sich der
vergleichende Indogermanist gewöhnlich nicht systematisch mit den mannigfachen Entlehnungen
und überhaupt Wechselwir-
klingen befasst, welche erst nach der Entstehung der mit Beginn
der
geschichtlichen
Zeit uns entgegentretenden dialek-
tischen Gliederung der idg. Sprachen zwischen den einzelnen Sprachen und Mundarten stattgefunden haben, also z. B. nicht mit dem, was die Römer im Verlauf des 1. Jahrtausends v. Chr. von den Griechen,
oder mit dem,
was später die Albanesen
von den Romanen nsw. entlehnt haben. freilich, jedesmal
wenn
es auf
In besonderen Fällen
dunkle Punkte
in
der
Ge-
schichte des alten Erbguts Licht zu werfen vermag, inuss auch das Lehngut von ihm erforscht werden. Wichtig wird es' z. B. oft für die Chronologie von Lautänderungen; gr. IXat[F]ov zeigt,
wie olivom
=
dass die Lautgesetze § 309, b und 348,
1, 3, a jüifger waren als seine Entlehnung ins Lateinische. 15.
In dieser Weise besteht eine Arbeitsteilung in der
Erforschung der idg. Sprachen, die enge mit dem Gange zusammenhängt, den die Wissenschaft von alten Zeiten her genommen hat und nehmen musste. Mag sich dabei der Einzelne weiter ziehen, jedenfalls Gebiete
der
idg. Sprachen
Teile, dessen,
seine Grenzen enger oder
müssen sich alle Forscher immer
dass sie allesamt
auf dem
des Zusammenhangs
der
an der grossen Aufgabe der
Aufhellung der idg. Sprachgeschichte
arbeiten und nach den
verschiedensten Richtungen hin auf gegenseitige Hilfsleistung angewiesen auch
sind,
bewusst
sein.
dessen stets eingedenk
Zugleich
sein,
müssen
sie
aber
dass sie sich alle gleich-
massig von den feststehenden Ergebnissen der sprachgeschichtlichen Prinzipienwissenscbaft H. h. der Sprachpsychologie leiten zu lassen haben — sonst ist ein fruchtbringendes Zusammenwirken ausgeschlossen —
und, indem
sie
in dem Einzelnen
das Allgemeine suchen, diese Wissenschaft zu fördern haben. Anm. lologen,
D a s s in den letzten J a h r e n öfters von Seiten der Phi-
namentlich
r a k t e r der W e r k e d e n ist,
der
klassischen,
über
allzu
esoterischen
Cha-
d e r n e u e r e n I n d o g e r m a n i s t i k Klag-e g e f ü h r t wor-
k o m m t n a c h dem D a f ü r h a l t e n des V e r f a s s e r s viel
weniger
daher, dass die I n d o g e r m a n i s t e n allerlei n e u e T e r m i n i technici,
neue
§15-]
Aufgabe der vergleichenden Grammatik.
31
Lautbezeic.hnungen u. dgl. anzuwenden sich veranlasst sahen, als daher, dass die Philologen den Grundfragen der Sprachwissenschaft noch zu wenig Aufmerksamkeit zugewendet haben. Auf diese Grundfragen, mit denen man sich wenigstens bis zu einem gewissen Grade vertraut gemacht haben muss, ehe man an die Einzelheiten der Sprachgeschichte herantritt, kann in diesem Buch nicht näher eingegangen werden. Ich verweise den Leser auf W h i t n e y ' s Blicher Die Sprachwissenschaft, f ü r das deutsche Publikum bearbeitet von Jolly, München 1874,. Leben und Wachsthum der Sprache, übersetzt von Leskien, Leipzig 187(J, P a u l ' s Prinzipien der Sprachgeschichte 3 , Halle 1898, und W u n d t ' s Völkerpsychologie, 1 Bd., Die Sprache, in 2 Teilen, Leipzig 1900l). [Hierzu jetzt Oertel's S. 27 genanntes Buch.] Hiernach bietet das vorliegende Buch, wie es sich auf die Darstellung einiger wichtigerer idg. Sprachen beschränkt, auch keine Gesamtdarstellung für diese, welche die Entwicklung überall bis auf unsere T a g e herab verfolgte und dabei der Kulturseite der Sprache ebenso gerecht würde wie ihrer Naturseite. In dieser Beziehung zieht es sich ebenso engere Schranken w i e B o p p ' s Vergleichende Grammatik (3 Bde., 3. Aufl., Berl. 1 8 6 8 — 7 1 ) , S c h l e i c h e r ' s Compendium der vergleichenden Grammatik (4. Aufl., Weim. 1876), und B r u g m a n n - D e l b r ü c k ' s Grundriss der vergleichenden Grammatik (5 Bde., Strassb. 1 8 8 6 — 1 9 0 0 , 1. Bd. 2. Aufl. 1897), und es hat, wie diese, vorzugsweise als eine für die entwicklungsgeschichtliche Betrachtung grundlegende Einleitung in die einzelsprachlichcn Grammatiken zu gelten: 1) Ergänzungen zu diesem Werke Wundt's bilden: D e l b r ü c k G r u n d f r a g e n der Sprachforschung, mit Rücksicht auf W. Wundt's Sprachpsychologie erörtert, Strassburg 1901, und W u n d t Sprachgeschichte und Sprachpsychologie, mit Rücksicht auf B. Delbrücks " G r u n d f r a g e n der Sprachforschung", Leipzig 1901.
39
Gegenstand der Lautlehre.
Lautlehre. Gegenstand der Lautlehre im allgemeinen. 16. Es handelt sieb in diesem eisten Hauptkapitel um die Geschichte des Lautlichen der Sprache. Hierzu gehört nicht nnr die Lautbildung im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern auch die Betonung d. h. die Abstufung der Glieder des Satzes nach Stärke des Exspirationsdrucks, Tonhöhe und Silbendauer. Lautungswandel, der nicht zugleich Änderung der Bedeutung ist, vollzieht sich überall in doppelter Weise, entweder als- in t e r n e r oder als von a u s s e n a b h ä n g i g e r oder a n a l o g i s c h e r Wandel. Bein) ersteren sind keine andern lautlichen Elemente beteiligt als diejenigen, welche grade für den augenblicklichen Vorstellungsinhalt in Betracht kommen. Es sind das die Änderungen, die man gewöhnlich als die lantgesetzlichen bezeichnet, z. B. wenn die Deutschen von (ahd.) neman zu (mhd.) nemen und weiter zu (nhd.) nemn (nehmen) übergegangen sind. Bei dem von aussen abhängigen Wandel dagegen machen sieh neben den zum augenblicklichen Vorstellungsinhalt gehörigen reproduktiven Lautelementen noch ausserhalb stehende Lautungen geltend und mischen sich mit jenen, so dass eine kompliziertere Assoziationswirkung stattfindet. So z. B. bei nhd. wir sangen aus wir sungen nach dem 8g. ich sang, des hahns aus des höhnen nach des schwans usw., heut morgend aus heut morgen nach heut abend. Die letztere Art der Lautungsveränderung ist überall mit den Wortbildungsprozessen, d. h. mit denjenigen 'Neuerungen der Lautung, die eine neue Bedeutuug zum Ausdruck bringen, in engstem Zusammenhang und wird daher mit diesen zusammen in der Formenlehre behandelt. Für die Lautlehre
Phonetische Vorbemerkungen.
33
bleibt also nur der interne Lautwandel, und man versteht unter den Lautveränderungeu einer Sprache gewöhnlich nur diesen. Wir schliessen uns io diesem Buche diesem Wortgebrauch an.
Phonetische (lantphysiologische) Vorbemerkungen. 17. Wir beschränken uns hier auf das für den Anfänger Notwendigste. Gründlichere und systematische Belehrung' bietet S i e v e r s Grundzüge der Phonetik, zur Einführung in das Studium der Lautlehre der idg Sprachen, 4. Aufl. 1893*). 1) Mijn teilt die Laute der idg. Sprachen ein in Vokale, z. B. i, a, N a s a l e , z. B. n, m, L i q u i d a e : r, l, V e r s c h l u s s l a u t e (Exp l o s i v a e ) , z. B. p, b, R e i b e l a u t e ( S p i r a n t e n ) , z. B. s, z. Die drei ersten Klassen heissen zusammen S o n o r l a u t e , die beiden letzten G e r ä u s c h l a u t e . 2) Nach der Kehlkopfartikulation zerfallen die Laute in stimmh a f t e ( t ö n e n d e ) und s t i m m l o s e (tonlose). Erstere sind solche Laute, bei deren Hervorbringung die Stimmbänder im Kuhlkopf in (rhythmische) Schwingungen versetzt sind, so dasa ein musikalischer Klang, der sogen. Stimmton oder schlechthin Ton, entsteht. AlleLaute, denen der Stimmton fehlt, heisseu stimmlos oder tonlos. Z. B. waren im Uridg. stimmhaft die Vokale, Nasale und Liquidae, von den Verschlusslauten die Media» und Mediae aspiratae und von den Spiranten z, d, j, stimmlos die. Te.nues, Tenues aspiratae und die Spiranten s, p Stimmlose Vokale sind die h-Laute. Auch gibt es stimmlose Nasale und Liquidae (z. B. gr. f> § 286, 1, b). Anm. 1. M u r m e l v o k a l e (nach Sievers'Bezeichnung) s i r l solche Vokale, bei deren Hervorbringung die Stimmbänder so weit auseinander stehen und der Exspirationsdruck so schwach ist, dass sich dem Stimmton Flüster- und Hauchgeräusche beimischen. Bei ihnen fällt der Klangunterschied wenig ins Ohr, und meist wird auch die spezifische Artikulation weniger korrekt ausgeführt als bei Vollstimme. Im Nhd. wird e oft als Murmelvakal gesprochen, z. B. in name, yethan. Von den uridg. Vokalen scheint 9 hierher zu gehören (§ 37. 127 ff.). Statt Murmelvokal sag't man auch S c h w a . 3) Nach den Stärkeunterschieden der Exspiration gerfallen die Laute in P o r t e s und L e n e s . In der Regel steht der stimm1) Kurze Darstellung der wichtigeren Punkte der Phonetik bieten auch: Sie v e r s Gr. d. g e r n . Ph. I 2 283 ff.,s B r u g m a n n Gr. I 2 41 ff., G i l e s Vergl. Gramm, d. class. Sprachen 57 ff., S t r e i t b e r g Urgerm. Gr 18 ff., W e o h s s l e r Giebt es Lautgesetze? (Halle 1900). Bruffinann, Rune \ Grammatik. 3
Phonetische Vorbemerkungen.
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bleibt also nur der interne Lautwandel, und man versteht unter den Lautveränderungeu einer Sprache gewöhnlich nur diesen. Wir schliessen uns io diesem Buche diesem Wortgebrauch an.
Phonetische (lantphysiologische) Vorbemerkungen. 17. Wir beschränken uns hier auf das für den Anfänger Notwendigste. Gründlichere und systematische Belehrung' bietet S i e v e r s Grundzüge der Phonetik, zur Einführung in das Studium der Lautlehre der idg Sprachen, 4. Aufl. 1893*). 1) Mijn teilt die Laute der idg. Sprachen ein in Vokale, z. B. i, a, N a s a l e , z. B. n, m, L i q u i d a e : r, l, V e r s c h l u s s l a u t e (Exp l o s i v a e ) , z. B. p, b, R e i b e l a u t e ( S p i r a n t e n ) , z. B. s, z. Die drei ersten Klassen heissen zusammen S o n o r l a u t e , die beiden letzten G e r ä u s c h l a u t e . 2) Nach der Kehlkopfartikulation zerfallen die Laute in stimmh a f t e ( t ö n e n d e ) und s t i m m l o s e (tonlose). Erstere sind solche Laute, bei deren Hervorbringung die Stimmbänder im Kuhlkopf in (rhythmische) Schwingungen versetzt sind, so dasa ein musikalischer Klang, der sogen. Stimmton oder schlechthin Ton, entsteht. AlleLaute, denen der Stimmton fehlt, heisseu stimmlos oder tonlos. Z. B. waren im Uridg. stimmhaft die Vokale, Nasale und Liquidae, von den Verschlusslauten die Media» und Mediae aspiratae und von den Spiranten z, d, j, stimmlos die. Te.nues, Tenues aspiratae und die Spiranten s, p Stimmlose Vokale sind die h-Laute. Auch gibt es stimmlose Nasale und Liquidae (z. B. gr. f> § 286, 1, b). Anm. 1. M u r m e l v o k a l e (nach Sievers'Bezeichnung) s i r l solche Vokale, bei deren Hervorbringung die Stimmbänder so weit auseinander stehen und der Exspirationsdruck so schwach ist, dass sich dem Stimmton Flüster- und Hauchgeräusche beimischen. Bei ihnen fällt der Klangunterschied wenig ins Ohr, und meist wird auch die spezifische Artikulation weniger korrekt ausgeführt als bei Vollstimme. Im Nhd. wird e oft als Murmelvakal gesprochen, z. B. in name, yethan. Von den uridg. Vokalen scheint 9 hierher zu gehören (§ 37. 127 ff.). Statt Murmelvokal sag't man auch S c h w a . 3) Nach den Stärkeunterschieden der Exspiration gerfallen die Laute in P o r t e s und L e n e s . In der Regel steht der stimm1) Kurze Darstellung der wichtigeren Punkte der Phonetik bieten auch: Sie v e r s Gr. d. g e r n . Ph. I 2 283 ff.,s B r u g m a n n Gr. I 2 41 ff., G i l e s Vergl. Gramm, d. class. Sprachen 57 ff., S t r e i t b e r g Urgerm. Gr 18 ff., W e o h s s l e r Giebt es Lautgesetze? (Halle 1900). Bruffinann, Rune \ Grammatik. 3
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Phonetische Vorbemerkungen.
lose Geräuschlaut zu dem entsprechenden stimmhaften, z. B. t zu d, s zu. z, im Verhältniss der Fortis zur Lenis. 4) Nach der A r t i k u l a t i o n s s t e l l e im Ansatzrohr unterscheidet man: a) L a b i a l e , a) B i l a b i a l e : Verschluss oder Enge zwischen Ober- und Unterlippe, z. B. p, m, oft u>. ß) L a b i o d e n t a l e : Artikulation der Unterlippe gegen die Oberzähne, z.B. nhd. f . b) D e n t a l e , a) I n t e r d e n t a l e : Artikulation des vorderen Znngensaums gegen den Spalt zwischen den beiden Zahureihen, z. B. zuweilen nhd. t, d. ß) P o s t d e n t a l e : gegen die hintere Fläche der Oberzähne, z.. B. oft engl. th. Y) A l v e o l a r e : gegen die Alveolen .der Oberzähne, z. B. meist nhd. t, d, n. In den älteren Sprachen ist die genauere Bestimmung der dentalen Laute (geschrieben t, d usw.) nach diesen drei Unterabteilungen meist sehr schwierig. — Von den Dentalen im engeren Sinne unterscheiden sich die/>-Laute (stimmlos p, stimmhaft