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German Pages 266 Year 2019
Elke Zobl, Elisabeth Klaus, Anita Moser, Persson Perry Baumgartinger Kultur produzieren
Edition Kulturwissenschaft | Band 200
Elke Zobl (Dr. phil.) ist assoz. Professorin am Fachbereich Kommunikationswissenschaft und Leiterin des Programmbereichs für Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst an der Paris Lodron Universität Salzburg und der Universität Mozarteum Salzburg. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte umfassen partizipative Kulturproduktion, Cultural Studies und Gender Studies. Elisabeth Klaus (Dr. phil.) ist Professorin für Kommunikationswissenschaft und Co-Leiterin des Programmbereichs Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst an der Paris Lodron Universität Salzburg und der Universität Mozarteum Salzburg. Ihre Forschung konzentriert sich auf Öffentlichkeitstheorien, feministische Medienwissenschaft und Populärkultur. Anita Moser (Dr. phil.) ist Senior Scientist am Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst an der Paris Lodron Universität Salzburg und der Universität Mozarteum Salzburg. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte umfassen Gegenwartskunst in der Migrationsgesellschaft, Kulturmanagement, Freie Kulturarbeit und Gender Studies. Persson Perry Baumgartinger (Dr. phil.) ist Wissenschaftler, Lektor, Trainer und Coach. Seine Forschungsschwerpunkte sind Trans-Arts and Cultural Production, Diversity in Kunst und Kultur, Kommunikation im Kulturmanagement, Kritische Diskurs- und Dispositivanalyse.
Elke Zobl, Elisabeth Klaus, Anita Moser, Persson Perry Baumgartinger
Kultur produzieren Künstlerische Praktiken und kritische kulturelle Produktion Mit Beiträgen von Marcel Bleuler, Ricarda Drüeke, Vlatka Frketić und Elke Smodics
Die Publikation wurde gefördert durch die Paris Lodron Universität Salzburg, die Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Universität Salzburg, den Kooperationsschwerpunkt Wissenschaft und Kunst (Paris Lodron Universität Salzburg und Universität Mozarteum Salzburg) sowie vom Land Salzburg, Abteilung Kultur, Bildung und Gesellschaft (im Kontext des Projektes »Kulturelle Teilhabe in Salzburg«).
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Lektorat und Korrektorat: Roswitha Gabriel unter Mitarbeit von Claudia Simair, Salzburg Satz: Brigitte Geiger, Wien Collagen: Timna Pachner, Salzburg Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4737-2 PDF-ISBN 978-3-8394-4737-6 https://doi.org/10.14361/9783839447376 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt
Vorwort | 7 Kultur produzieren: Zugänge, Öffentlichkeiten, Praxisfelder
Elke Zobl, Elisabeth Klaus, Anita Moser, Persson Perry Baumgartinger | 9
ZUGÄNGE Kritische kulturelle Produktion im Kontext von Cultural Studies und Cultural Citizenship
Elisabeth Klaus, Elke Zobl | 19 Theoretische Grundlagen kritischer kultureller Produktion
Ricarda Drüeke, Elisabeth Klaus | 33 Kritische kulturelle Teilhabe: Theoretische Ansätze und aktuelle Fragen
Elke Zobl | 47 Partizipation in der zeitgenössischen Kunst: Von der postmodernen Condition d’Être hin zu einer Destabilisierung der Kunstwelt
Marcel Bleuler | 61 Partizipative Kulturen im Kontext von DIY und als informelle Lernorte
Elke Zobl | 77
ÖFFENTLICHKEITEN Die Bedeutung von Kunst und Kultur in Gegenöffentlichkeiten: Das Drei-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit und die Gezi-Park-Proteste als ,testing ground‘
Elisabeth Klaus | 97
Kulturarbeit in der ,Migrationsgesellschaft‘: Ungleichheiten im Kulturbetrieb und Ansatzpunkte für eine kritische Neuausrichtung
Anita Moser | 117 Zur Konstruktion von Identitätsräumen: Flucht in medialen und künstlerischen Bildproduktionen
Ricarda Drüeke, Elisabeth Klaus, Anita Moser | 135
PRAXISFELDER Künstlerische Interventionen als emanzipatorische Praktiken: Über Verschränkungen von Kunst, sozialen Bewegungen und Bildungsprozessen
Elke Smodics, Elke Zobl | 161 Kulturvermittlung als kritische Praxis: Prozesse des Queerings und des Empowerments in der Arbeit mit Jugendlichen
Elke Zobl, Ricarda Drüeke | 177 Kritisches Diversity und Kulturarbeit: Wenn Aktivismus und Erfahrungswissen in den Mittelpunkt gerückt werden
Persson Perry Baumgartinger, Vlatka Frketić | 195 Bibliografie | 217 Websites | 257 Angaben zu den Autor_innen | 261
Vorwort
Vorwort
Viele Menschen waren an der vorliegenden Publikation beteiligt, die die Arbeit des Programmbereichs Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion am Koope rationsschwerpunkt Wissenschaft und Kunst (Paris Lodron Universität Salzburg und Mozarteum Salzburg) reflektiert. Erste Ideen und Vorversionen wurden gemeinsam mit Siglinde Lang und Laila Huber entwickelt, die damit zur Konzeption und Verwirklichung des Bandes we sentlich beigetragen haben. Ein großer Dank geht auch an die Mitautor_innen Marcel Bleuler, Ricarda Drüeke, Vlatka Frketić und Elke Smodics für ihre Tex te und für spannende Diskussionen. Siglinde Lang, Marcel Bleuler und Ricarda Drüeke danken wir außerdem für ihre klugen und konstruktiven Kommentare zu den Buchbeiträgen, Roswitha Gabriel für das genaue Lektorat, Gitti Geiger für den Satz, Claudia Simair für die Recherchen und die Kontrolle der Bibliogra fie, Timna Pachner für die grafische Gestaltung der Zwischenseiten sowie Anne Sauerland vom Verlag transcript für die Betreuung des Buchprojektes. Mit ihrem Engagement haben die aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter_in nen und Projektbeteiligten des Programmbereichs Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion zur Entwicklung unserer Ideen wichtige Impulse geliefert. Ger bert Schwaighofer und Ute Brandhuber-Schmelzinger haben uns von Seiten des Schwerpunktes Wissenschaft und Kunst großzügig unterstützt. Einzelne Texte entstanden im Rahmen des Projektes Kulturelle Teilhabe in Salz burg. Grundlagen, Möglichkeiten, Herausforderungen und Strategien, das vom Land Salzburg gefördert wird. Ohne die finanzielle Unterstützung auch der Paris Lodron Universität Salzburg, der Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Uni versität Salzburg sowie des Kooperationsschwerpunkts Wissenschaft und Kunst hätte dieses Buch nicht in Druck gehen können. Viele Künstler_innen, Kulturarbeitende, Kooperationspartner_innen, Work shopleiter_innen und Vortragende haben in den vergangenen Jahren ihre Erfah rungen und ihr Wissen mit uns geteilt und uns dazu motiviert, weiter und quer zu denken. Das Interesse und das engagierte Mittun und Mitdenken der Studieren
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den, an Projekten beteiligten Schüler_innen und anderer Teilnehmer_innen an den Angeboten des Programmbereichs ist eine Quelle der Inspiration und Motivation. Ihnen und euch allen herzlichen Dank für die Inputs, Beiträge, Reflexionen und Expertise. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit! Salzburg, im Februar 2019 Elke Zobl, Elisabeth Klaus, Anita Moser und Persson Perry Baumgartinger
Kultur produzieren: Zugänge, Öffentlichkeiten, Praxisfelder
Kultur produzieren: Zugänge, Öffentlichkeiten, Praxisfelder Elke Zobl, Elisabeth Klaus, Anita Moser, Persson Perry Baumgartinger
Was bedeutet Kultur produzieren? Inwiefern spielen künstlerische Praktiken in der kulturellen Bedeutungsproduktion eine Rolle? Wie gestalten verschiedene Teilöffentlichkeiten Prozesse kultureller Produktion aktiv mit? Wie können kul turelle Veränderungen ermöglicht werden, in denen gesellschaftliche Mitbestim mung eine zentrale Rolle einnimmt? Welche künstlerischen und kulturellen Inter ventionen, Strategien und Taktiken werden eingesetzt? Diese Fragen stehen im Zentrum des seit Frühjahr 2010 bestehenden Pro grammbereichs Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion des Kooperations schwerpunkts Wissenschaft und Kunst der Paris Lodron Universität Salzburg und der Universität Mozarteum Salzburg, in dessen Rahmen dieses Buch entstanden ist. Wir stellen darin die theoretischen Grundlagen unserer Arbeit vor, zeigen bei spielhaft, mit welchen Ansätzen wir arbeiten, und reflektieren das Verhältnis von Theorie und Praxis, von Wollen und Wirken. Kernaufgabe des Programmbereichs ist die interdisziplinäre Auseinanderset zung mit aktuellen künstlerischen und kulturellen Praktiken, die an politische und soziale Themen anknüpfen und verschiedenen Teilöffentlichkeiten Möglichkei ten der Partizipation und der Intervention eröffnen. Der Ausgangspunkt unserer Arbeit liegt in einem offenen Kulturverständnis, das sich im Sinne der Cultural Studies der Hochkultur/Subkultur-Unterscheidung entzieht und Kultur als verhan delbaren, offenen und widersprüchlichen Prozess ansieht. Von diesem Verständnis ausgehend stellt der Programmbereich die grundsätz liche Frage nach den Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen, gesellschaft liche Teilhabe einzufordern und mittels kultureller Produktion und künstlerischer Strategien Veränderungsprozesse mitzugestalten. Diese Frage mündet in einer kritischen Aufmerksamkeit für Konstellationen von Privilegierung und Ausgren zung, von Intersektionalität und sozialen Ungleichheiten. Damit rücken Praktiken einer kritischen Kunst- und Kulturvermittlung sowie Kulturarbeit in unseren Fokus, die die Schaffung von demokratischen Öffentlich
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keiten allgemein und von ,anderen‘, neuen Möglichkeitsräumen insbesondere mit Fokus auf zivilgesellschaftliche Teilhabe anstreben. Der Blick wird dabei auf Ver bindungslinien und Überschneidungen zwischen kritischen intervenierenden kul turellen und künstlerischen Praktiken und der Lebenswelt der Menschen gerich tet – und hier vor allem auf die freien Szenen, auf Projekte mit soziokulturellem Engagement und auf künstlerisch-kulturelle Projektentwicklung im Kontext von Organisations- und Vermittlungsprozessen. In der ersten Phase des Programmbereichs (2010–2014) standen künstlerische und kulturelle Praktiken und ihre öffentliche Wirkung in Bezug auf Transferleis tungen, Fragen der Partizipation und des kulturellen Wandels im Fokus; diese wurden in unterschiedlichen Forschungsprojekten1 analysiert. Ziel der zweiten Phase (2014–2019) war, in Forschungsteilbereichen und -projekten2 zentrale Kon zepte und Begriffe kultureller Bedeutungsproduktion in ihrer Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit zu bestimmen und im Spannungsfeld künstlerischer und wissenschaftlicher Annäherungen zu fassen: Öffentlichkeit, Raum, Kollaboration, Edukation, Partizipation, Intervention – und gegen Ende der zweiten Programm bereichsperiode neu dazu gekommen – Migrationsgesellschaft und Diversity so wie Trans—ing. Die Arbeitsweise am Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturpro duktion zeichnet sich durch eine Verbindung von Theorie mit dezidierter Praxis orientierung aus, die unter anderem mit und von Studierenden umgesetzte Erpro bungen interventionistischer Strategien im öffentlichen Raum beinhaltet. Darüber hinaus ist die Verschränkung von Forschung, Lehre und Vermittlung (in Ausstel lungen, Workshops, Gesprächsreihen etc.) wesentlich. Die vorliegende Publikation stellt eine Zusammenschau der am Programmbereich erarbeiteten theoretischen Überlegungen sowie konkreter künstlerisch-kultureller Umsetzungen und Analysen dar. Die Verbindung dieser beiden Ebenen spiegelt sich in der grafischen Gestaltung des Buches wider: Neben den Texten finden sich in Projekten entwickelte Materialien, Bilder aus Workshops und Veranstaltungen sowie Zitate, die unser Herangehen zeigen. Die Autor_innen sind – in unterschied lichen Funktionen und mit unterschiedlicher Dauer – am Programmbereich tätig, was sich in den verschiedenen Herangehensweisen der Beiträge zeigt. Insgesamt verdeutlicht die Publikation, dass am Programmbereich grundlegende Fragestel lungen zu kultureller Produktion und gesellschaftlicher Teilhabe unter ähnlichen
1 Eine Übersicht über die durchgeführten Drittmittelprojekte findet sich hier: https:// www.w-k.sbg.ac.at/de/zeitgenoessische-kunst-und-kulturproduktion/forschung/dritt mittelprojekte.html (1. 2. 2019). 2 Vgl. https://www.w-k.sbg.ac.at/de/zeitgenoessische-kunst-und-kulturproduktion/forschung/ forschungssaeulen.html (1. 2. 2019).
Kultur produzieren: Zugänge, Öffentlichkeiten, Praxisfelder
theoretischen Bezugnahmen, jedoch aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven bearbeitet werden. Dadurch ergeben sich Schnittmengen und manchmal auch Wiederholungen in den Texten. Wir haben das in Kauf genommen, damit einzelne Beiträge, welche die Leser_innen besonders interessieren, auch verständlich sind, ohne den Gesamtkontext des Buches zu kennen. Im ersten Teil Zugänge werden wesentliche Bezugsrahmen und theoretische Grundlagen des Themas diskutiert. Zunächst stellen Elisabeth Klaus und Elke Zobl in dem Beitrag Kritische kulturelle Produktion im Kontext von Cultural Stu dies und Cultural Citizenship die theoretischen Ausgangspunkte der Arbeit am Programmbereich vor. Auf der Grundlage eines offenen Kulturverständnisses der Cultural Studies rücken darin vor allem Fragen zum Alltagshandeln von Men schen als kulturproduzierender und konflikthafter Prozess in den Vordergrund, der Möglichkeiten der Ermächtigung, der Aneignung und der Kritik beinhaltet, aber auch der Reproduktion von Ausschlüssen, Machtmechanismen und Ungleichhei ten. Die Autorinnen erläutern drei Schlüsselkonzepte, die die Grundlagen für die Auseinandersetzung mit kritischen kulturellen und künstlerischen Praktiken lie fern: Kultur als ,a whole way of life‘, der Kreislauf kultureller Bedeutungspro duktion und Cultural Citizenship. Zum Abschluss fragen sie, welche Perspektive diese Konzepte für eine kritische kulturelle Produktion eröffnen, die auf Teilhabe der Menschen und Veränderung von Machtverhältnissen zielt. Wie wir das in der Arbeit am Programmbereich vielfach verwendete Adjektiv ,kritisch‘ verstehen, ist Thema des Beitrags Theoretische Grundlagen kritischer kultureller Produktion von Ricarda Drüeke und Elisabeth Klaus. Die Autor_innen zeigen die Traditionslinien und theoretischen Bezugspunkte dieses Kritikprojektes auf. In einer wissenschaftshistorischen Annäherung diskutieren sie als Ausgangs punkt die Kritische Theorie und hier insbesondere die Kulturindustrieanalyse von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer. Im Weiteren werden davon ausgehend neuere Ansätze vorgestellt, die einem normativen Wissenschaftsverständnis fol gen, das die Selbstdarstellungen, hegemonialen Bedeutungen und Wissensregime der Gesellschaft hinterfragt und nach Möglichkeiten der Gesellschaftsverände rung sucht. Neben partizipativen Öffentlichkeitstheorien sind das Arbeiten zur Bedeutung kultureller Distinktion für die Herstellung von Ungleichheit, post strukturalistische Ansätze, die Cultural Studies sowie die Gender, Postcolonial und Queer Studies. Anhand dieser kritischen Theorien bzw. Theorieprojekte fragt der Beitrag danach, was Kritik heute bedeuten kann, und geht exemplarisch der Frage nach, welchen Stellenwert Kunst und Kultur in den jeweiligen Konzeptio nierungen erhalten. Kunst und Kultur sind keine neutralen, sondern umkämpfte Begriffe. Sie sind in historische Entwicklungen mit unterschiedlichen Vorstellungen eingebettet, je nachdem welche Rolle sie in der Gesellschaft spielen können und sollen. Der
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Artikel Kritische kulturelle Teilhabe: Theoretische Ansätze und aktuelle Fragen von Elke Zobl fokussiert kritische Ansätze zu kultureller Teilhabe. Auf der Basis einer selbstreflexiven und institutionskritischen Haltung werden die gesellschaft lichen Machtverhältnisse in der theoretischen sowie in der praktischen Arbeit in den Blick genommen – mit dem Ziel, die bestehenden Verhältnisse und Institu tionen zu transformieren. Dabei wird die Konzeption einer kritischen kulturel len Teilhabe mit jener der kritischen kulturellen Produktion, wie wir sie am Pro grammbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion ausgearbeitet haben, verbunden. In dem Beitrag zeichnet Zobl zu Beginn kurz die Verschränkungen von Kultur und Bildung nach, um anschließend auf den kulturpolitischen Slogan „Kultur für alle!“ einzugehen, der eng mit dem Ziel einer Demokratisierung der Gesellschaft verbunden ist. In dem Bestreben, Ausschlüssen entgegenzuwirken, thematisiert sie darauffolgend Fragen und Handlungsfelder von Teilhabe in der kritischen Kulturvermittlung und der transkulturellen Kulturarbeit. Marcel Bleuler geht in seinem Beitrag Partizipation in der zeitgenössischen Kunst: Von der postmodernen Condition d’Être hin zu einer Destabilisierung der Kunstwelt von der Beobachtung aus, dass der Begriff der Partizipation im Kunst diskurs Ende des 20. Jahrhunderts in erster Linie für eine Neukonzeption der Po sition von Betrachter_innen steht. Kunstbetrachtung wurde im Kontext postmo derner Konzepte zunehmend als pluraler und kontingenter Vorgang verstanden. Künstler_innen forcierten dieses Verständnis durch die Schaffung von offenen Anlagen und von Spielräumen in Ausstellungen, die das subjektive und ,entfessel te‘ Erlebnis akzentuieren. Der Verfasser erläutert die Debatten, die im Zusammen hang mit einer derart ausgerichteten Kunstproduktion Anfang des 21. Jahrhun derts vermehrt stattfanden. Sie führten zu einem Diskurs, der die Möglichkeiten einer Ermächtigung und Emanzipation von Kunstbetrachter_innen gegenüber der künstlerischen Intentionalität fokussiert, und in letzter Konsequenz – so die These des Textes – die Kunstwelt als ein abgegrenztes, privilegiertes Feld in Frage stellt. Ziel des Beitrags Partizipative Kulturen im Kontext von DIY und als infor melle Lernorte von Elke Zobl ist es, einen kursorischen Überblick über das Kon zept der partizipativen Kulturen im Kontext von Do-It-Yourself (DIY) zu geben und sie als informelle Lernorte, an denen Wissen und Erfahrung Peer-to-Peer weitergegeben und ausgetauscht werden, zu fassen. Der Text geht davon aus, dass partizipative Kulturen in einem engen Zusammenhang mit der Geschichte und Entwicklung von DIY-Kulturen stehen. Beide sind in vielschichtige geschicht liche Entwicklungen eingebettet und außerordentlich heterogen sowohl in Be zug auf ihre Ausprägungen, Inhalte, Formen und Kontexte als auch in Hinblick auf die hier produzierenden Menschen und ihre Motivationen, Ziele und künst lerischen, kulturellen und medialen Strategien. Zwischen DIY-Kulturen und so zialen, künstlerischen und politischen Bewegungen gibt es vielfältige Bezüge. Zobl verweist auf Theorien zu partizipativen Kulturen, die interdisziplinär in den
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Cultural Studies, den Medienwissenschaften, der Medienpädagogik, den Gender Studies, der Politikwissenschaft, der Kunstgeschichte und der Sozialen Bewe gungsforschung ausgearbeitet wurden. Im Beitrag finden sich vielfältige Bezüge auf queer-feministische Zusammenhänge als Beispiele für diese kritischen kultu rellen Praktiken. Der zweite Teil des Bandes Öffentlichkei ten nimmt konkrete gesellschaftliche Veränderungen der letzten Jahre und damit in Verbindung stehende öffentliche Aushandlungs- und Selbstverständigungsprozesse in Kunst und Kultur in den Blick. Öffentlichkeit ist ein Schlüsselbegriff für kritische Kunst- und Kulturver mittlung sowie Kulturarbeit. Diese will in öffentliche Prozesse eingreifen, sich Gehör verschaffen und Teilhabemöglichkeiten für marginalisierte Gruppen er schließen. Der erste Beitrag von Elisabeth Klaus Die Bedeutung von Kunst und Kultur in Gegenöffentlichkeiten: Das Drei-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit und die Gezi-Park-Proteste als ,testing ground‘ behandelt diese Fragen. Klaus stellt zunächst das Drei-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit vor, das neben den politi schen Institutionen auch die Rolle von Gegen- und Protestöffentlichkeiten sowie Alltagsöffentlichkeiten berücksichtigt. Anhand des vorgestellten Modells disku tiert sie das Potenzial von Kunst und Kulturproduktionen, in öffentliche Diskurse intervenierend einzugreifen und diese zu verändern. Im Folgenden werden die Gezi-Park-Proteste als ,testing ground‘ für die theoretische Annäherung unter sucht. Die Proteste in der Türkei 2013 verdeutlichen, welche große Bedeutung Künstler_innen, künstlerische Strategien und kulturelle Produktionen für die Wirkmächtigkeit von Protestbewegungen haben können. Anita Moser setzt sich im folgenden Beitrag Kulturarbeit in der ,Migrations gesellschaft‘: Ungleichheiten im Kulturbetrieb und Ansatzpunkte für eine kriti sche Neuausrichtung mit Ausschlüssen im öffentlichen Kulturbetrieb des deutsch sprachigen Raums auseinander. Migration prägt unsere Gesellschaft seit langem entscheidend mit, was sich jedoch im Feld von Kunst und Kultur kaum wider spiegelt. Die Autorin geht der Frage nach, welche grundlegenden strukturellen Veränderungen es bräuchte, damit die ,Normalität‘ migrationsgesellschaftlicher Vielheit darin zum Ausdruck kommen könnte. Moser führt in das im erziehungs wissenschaftlichen Kontext vorgeschlagene Konzept der ,Migrationsgesellschaft‘ ein und macht es in Hinblick auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kul turbetrieb stark. Die Perspektive der ,Migrationsgesellschaft‘ blickt auf die Ge sellschaft als Ganzes – nicht auf imaginierte Gruppen oder einzelne Migrant_in nen – und richtet einen intersektionalen Fokus auf gesellschaftliche Ordnungen und Prozesse, die asymmetrische (Nicht-)Zugehörigkeiten herstellen und struktu rieren, sowie auf Kulturalisierungen und mehrheitsgesellschaftliche Privilegien. Ausgehend davon plädiert die Verfasserin für eine diskriminierungssensible Per spektive auf Personal, Programm und Publikum in etablierten Institutionen, in der
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freien Szene sowie in der Kulturpolitik und arbeitet konkrete Ansatzpunkte und Maßnahmen für eine migrationsgesellschaftliche Neujustierung heraus. In ihrem Beitrag Zur Konstruktion von Identitätsräumen: Flucht in medialen und künstlerischen Bildproduktionen gehen Ricarda Drüeke, Elisabeth Klaus und Anita Moser der Frage nach, wie in visuellen Repräsentationen von Menschen in Migrations- und Fluchtkontexten Identitäten hergestellt werden und inwieweit dabei hegemoniale Bedeutungsproduktionen bestätigt oder umgedeutet werden können. Theoretisch beziehen sie sich dabei auf das Konzept medialer Identitäts räume, das im Kontext der Cultural Studies entwickelt wurde. Methodisch werden in dem Beitrag einerseits die Ergebnisse einer Analyse von Pressefotografien, die 2015 in der Berichterstattung über Flucht und Geflüchtete publiziert wurden, vor gestellt. Diese wird andererseits in Bezug zu künstlerischen Produktionen gesetzt, die im zeitlichen Umfeld des ,Sommers der Migration‘ in Österreich rezipierbar waren und dadurch das öffentliche Bildrepertoire über Flucht erweiterten. Disku tiert werden Chancen und Grenzen von Mainstreammedien und Gegenwartskunst als unterschiedliche Räume für Identitätskonstruktionen. Dabei zeigt sich insbe sondere das Potenzial von kritischen künstlerischen Produktionen, dominante Per spektiven des öffentlichen Diskurses herauszufordern und zu irritieren. Im dritten und letzten Teil des Bandes Praxisfelder richtet sich der Fokus auf emanzipatorische Praktiken im Kontext von sozialen Bewegungen, aktivistischer, selbstbestimmter Kunst- und Kulturkritik, Bildungsprozessen und Jugendarbeit. Ausgangspunkt des Beitrags von Elke Smodics und Elke Zobl Künstleri sche Interventionen als emanzipatorische Praktiken: Über Verschränkungen von Kunst, sozialen Bewegungen und Bildungsprozessen ist die Feststellung, dass die Kunstgeschichte bis heute den Verbindungen zu sozialen Bewegungen nur selten nachgeht. Die Verfasserinnen richten daher den Blick beispielhaft auf kollektive, künstlerisch-interventionistische Praktiken, die sich nicht selbstreferenziell auf das Kunstfeld beziehen, sondern dieses mit sozialen Bewegungen zusammenfüh ren. Zwischen den antidiskriminierenden Forderungen von sozialen Bewegungen und den Intentionen von künstlerischen Interventionen lässt sich seit den 1970er Jahren ein emanzipatorisches, solidarisches Handeln als gemeinsame Basis be schreiben. Ausgehend von dieser Beobachtung beschäftigen sich die Verfasserin nen vor allem mit feministischen und antirassistischen Projekten und Perspekti ven. Sie verstehen künstlerische Interventionen als emanzipatorische Praktiken, insofern als sie neue, auch konflikthafte und widersprüchliche Handlungsräume an den Schnittstellen von künstlerischer Arbeit, sozialen Bewegungen und Bil dungsprozessen eröffnen können. In dem Beitrag Kulturvermittlung als kritische Praxis: Prozesse des Quee rings und des Empowerments in der Arbeit mit Jugendlichen argumentieren Elke Zobl und Ricarda Drüeke, dass für die kulturelle und politische Jugendarbeit die
Kultur produzieren: Zugänge, Öffentlichkeiten, Praxisfelder
Verknüpfung einer kritischen gesellschaftlichen Perspektive mit einem Konzept, das zu eigenen kulturellen Produktionen anregt, ein großes Potenzial besitzt. Die Perspektive des Queerings wird mit Ansätzen der kritischen Kunst- und Kultur vermittlung verbunden, denn sowohl queere Ansätze als auch künstlerische und kulturelle Produktionen eignen sich dazu, als ,natürlich‘ angesehene Wissensbe stände zu hinterfragen und Irritationen auszulösen. Die Autorinnen zeigen anhand einer Beschreibung von Workshops mit Jugendlichen auf, wie ein Handlungsraum eröffnet wird, in dem eine Diskussion und Reflexion von hegemonialen Deutungs mustern – beispielsweise von Geschlecht, Sexualität und Körper – möglich wird und hegemoniale Zuschreibungs- und Bildpolitiken durch (kritische) kulturelle Produktionen transformiert werden können. Abschließend diskutieren sie anhand von (Bild-)Materialien, wie ein Queering des dominanten Blicks und somit eine Dekonstruktion von (scheinbaren) Normalitäten aussehen könnte. Persson Perry Baumgartinger und Vlatka Frketić arbeiten in ihrem den Band abschließenden Beitrag Kritisches Diversity und Kulturarbeit: Wenn Aktivismus und Erfahrungswissen in den Mittelpunkt gerückt werden ausgewählte Aspekte des Kritischen Diversity heraus, die für eine transformatorische Kulturarbeit wichtig sind. Dabei wird eine in anderen Diversity-Ansätzen wenig beachtete Perspektive eingenommen: die des aktivistischen bzw. auf Aktivismus sowie auf Erfahrungswissen aufbauenden Standpunkts. Die Autor_innen diskutieren als vier zentrale Prinzipien des Kritischen Diversity Kritik, Langsamkeit, Respekt und Verantwortung. Weiters betonen sie die Notwendigkeit, den Fokus von Individua lismus hin zu Strukturen und Normen zu verändern sowie Diversity als stets un abgeschlossenen Prozess zu verstehen. Kritisches Diversity bezieht sich einerseits auf Theorien – insbesondere der Wiener Kritischen Diskursanalyse, der Queer und der Trans Studies – und andererseits auf Erfahrungen in der Erwachsenenbildung und der künstlerisch-politischen Arbeit der Autor_innen. Zusätzlich werden Stra tegien aktivistischer antirassistischer, migrantischer, queerer und trans* Kultur produktion aufgezeigt, um darzustellen, wie in Kooperationen in der Kulturarbeit und in künstlerisch-forscherischen Kontexten mit ungleichen Machtverhältnissen umgegangen werden kann. Abschließend geht der Beitrag der Frage nach, inwie fern eine (kritische) Zusammenführung von kritischen Diversity-Ansätzen und kritischer Kulturarbeit sinnvoll sein kann. Kurz vor Drucklegung des Bandes wurde der Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion erneut bewilligt. In der im Oktober 2019 beginnen den, nunmehr dritten Programmbereichsperiode soll folgende Frage im Mittel punkt stehen: Wie können künstlerisch-forschende und transdisziplinäre Experi mentierräume entstehen, in denen brisante gesellschaftliche Themen der Zeit und Dynamiken des Wandels an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst bearbei tet werden? Der in diesem Band vorgestellte Zugang zu Fragen von kritischer
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Elke Zobl, Elisabeth Klaus, Anita Moser, Persson Perry Baumgartinger
künstlerischer und kultureller Produktion führt zu einer Überprüfung des Status der wissenschaftlichen Forschung im Vergleich zu ,anderen‘ Formen der Wissens produktion und -vermittlung. Im Kontext von partizipativer künstlerischer Praxis, selbstorganisierter Kulturarbeit sowie kritischer Kunstvermittlung haben sich in formelle, soziale Experimentier- und Wissensräume etabliert, die eine Trennung von Theorie und Praxis aufheben und Rollenverteilungen zwischen Künstler_in nen, Kulturproduzent_innen, ,Citizens‘ und Öffentlichkeiten neu verhandeln. Es haben sich hier Modelle von ,anderen‘ Wissensräumen entwickelt, denen in den nächsten Jahren mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Der Programm bereich wird deshalb als Labor – verstanden als Experimentier- und Verhand lungsraum an den Schnittstellen von Wissenschaft und Kunst sowie von Kunst, Kultur und Gesellschaft – geführt, in dem die Mitglieder des Teams gemeinsam mit Studierenden und Kooperationspartner_innen arbeiten. Es soll ein Raum für Forschung entstehen, der zu einem (selbst-)kritischen Reflektieren und Handeln anregt und Ansätze erprobt, die in den herkömmlichen Strukturen des Hochschul betriebs eine marginale Rolle spielen. Wir hoffen, dass dieses Buch Anregungen für kritische Kunst- und Kulturpro jekte bereithält, zu Nachfragen und Debatten führt und so zur Weiterentwicklung unserer Arbeit beitragen kann.
Zugänge
„Ein breites Verständnis der Förderung von Vielfalt zielt auf die umfassende Inklusion von Menschen ab, die aufgrund unterschiedlicher Ausschlüsse nicht zur Mehrheitsgesellschaft gezählt werden und/oder nicht an öffentlich geförderter Kultur teilhaben. Dazu gehören bspw. Menschen mit Rassismuserfahrung, mit Behinderung, mit nicht heteronormativer sexueller Orientierung und/oder Geschlechteridentität sowie Menschen aus beim Bildungszugang und/oder ökonomisch benachteiligten Familien.“ (Joshua Kwesi Aikins/Daniel Gyamerah 2016: 5)
Kritische kulturelle Produktion im Kontext
Kritische kulturelle Produktion im Kontext von Cultural Studies und Cultural Citizenship Elisabeth Klaus, Elke Zobl
Kultur ist eine dynamische und konflikthafte Praxis. Sie wird kontinuierlich gesellschaftlich produziert und ist geprägt von Normen, hegemonialen Bedeu tungszuschreibungen und Ausschlüssen. Das traditionelle westliche, bürgerli che Verständnis von Kultur ist geprägt durch Abgrenzung und Hierarchisierung zwischen gesellschaftlichen Schichten und zwischen vermeintlich ,Eigenem‘ und ,Fremden‘ (vgl. Mörsch 2016). Bestimmte Artefakte oder Praktiken wer den demnach als ,Kultur‘ oder ,Kunst‘ ausgewiesen, während andere diese Be zeichnung nicht zu verdienen scheinen. In solch ein elitäres, von der Idee einer Hochkultur geprägtes Verständnis intervenieren die Cultural Studies.1 Sie neh men die Analyse von Macht und Ungleichheiten, von Ausschlüssen, aber auch von Selbstrepräsentation und Ermächtigung, Solidarität und gesellschaftlicher Verantwortung in den Fokus. Entscheidend ist dabei, dass sie die Gleichsetzung von ,Kultur‘ mit ,Hochkultur‘ dezidiert ablehnen. Stattdessen verstehen die Cul tural Studies Kultur als umfassende Praxis, als „doing culture“, die alltagskul turell reproduziert wird und eng mit dem Sozialen verbunden ist (vgl. Hörning/ Reuter 2004). Indem damit eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Praktiken in den Blick rückt, wird ein Zugang eröffnet, der künstlerische Ausdrucksformen und alltagskulturelle, mediale Produktionen auf eine Ebene stellt und auch ihre Überschneidungen und Brüche umfasst.
1 Mörsch weist darauf hin, dass verschiedene Bewegungen an der Erweiterung des Kul turbegriff beteiligt waren, wie „die europäischen Bewegungen der Arbeiterbildung, […], die sich gegen die ,musische Bildung‘ abgrenzende ,kulturelle Bildung‘ in der BRD, die lateinamerikanische Befreiungspädagogik oder die Widerstandsbewegungen der Dekolonisierung und der Indigenen“ (Mörsch 2016: o. S.).
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Z u gänge am P ro gra mm b e reich Z eit ge nös si sche K unst und K ultur pr o duk ti on Unsere Auseinandersetzung am Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion mit künstlerischen und kulturellen Praktiken der letzten 30 bis 40 Jahre richtet sich vor allem auf prozessorientierte, selbstorganisierte For men an der Schnittstelle zur Zivilgesellschaft, die mit Ansätzen der Partizipation, Kollaboration, Kontext- und Lokalspezifität arbeiten. Dass diese Ansätze jedoch fortlaufend im Hinblick auf neue Ausschlüsse reflektiert werden müssen, zeigt sich u. a. im Kontext partizipativer künstlerischer Praktiken. Mit partizipativen Kunstprojekten kann – trotz gegenteiliger Absichten der Künstler_innen – eine Verfestigung ungleicher Machtstrukturen oder eine Instrumentalisierung der ein bezogenen Gruppen einhergehen, wenn diese nur in Teilen in vorstrukturierte Pro jekte einbezogen werden und deren Verlauf und Verwertung nicht mitbestimmen können (vgl. Milevska 2016). Bezugspunkte unserer Arbeit bilden insbesondere künstlerische und kulturelle Interventionen, sozial engagierte Kunst sowie soziokulturelle Initiativen an der Schnittstelle zu Alltags- und/oder Jugendkulturen. Entscheidend ist, dass sie eine gesellschaftliche Reflexion, die Artikulation neuer Sicht- und Wahrnehmungswei sen sowie das Eingreifen in Öffentlichkeiten ermöglichen. Aus dieser Perspektive spielt die Frage, „Ist das Kunst und jenes nicht?“ eine untergeordnete Rolle, weil sie lediglich im Kontext spezifischer Artikulationen, bestimmter Praktiken und ihrer öffentlichen Resonanz beantwortet werden kann. Öffentlichkeit verstehen wir als einen gesellschaftlichen Selbstverständigungs prozess. Auf den Ebenen der politischen Insitutionenen, von zivilgesellschaftliche Gruppen und nicht-organisierten Akteur_innen werden Wirklichkeitskonstruktionen verhandelt. Dabei handelt es sich um einen konflikthaften Prozess, in dem Machtver teilungen, Normen und Werte einer Gesellschaft bestätigt, ausgehandelt oder auch hinterfragt werden (vgl. Klaus 1998). Daher sprechen wir von Öffentlichkeiten im Plural. Partizipation bedeutet in diesem Kontext die Eröffnung von Möglichkeiten, an verschiedenen Öffentlichkeiten teilzuhaben und diese selbstbestimmt mitzugestalten. Mit dem Bezug auf die Cultural Studies in unserer Arbeit – die wir in die sem Band in der Dialektik von Theorie und Praxis reflektieren – rücken Fragen zum Alltagshandeln von Menschen als kulturproduzierender und konflikthafter Prozess in den Vordergrund. Dieser beinhaltet Möglichkeiten der Ermächtigung, der Aneignung und der Kritik ebenso wie die Reproduktion von Ausschlüssen, Machtmechanismen und Ungleichheiten. Dabei spielt die Erkenntnis eine grund legende Rolle, dass Menschen in die kulturelle Bedeutungsproduktion und die damit verbundenen Machverhältnisse eingreifen können, indem sie selbst zu Kul turproduzent_innen werden – wie dies sehr schön in der Zeichnung der Zine- und Comic-Macherin Melanie Maddison zum Ausdruck kommt:
Kritische kulturelle Produktion im Kontext
Abbildung 1: Melanie Maddison (Großbritannien) (Abdruck mit Genehmigung)
Quelle / © Melanie Maddison
Im Folgenden erläutern wir drei im Kontext der Cultural Studies entwickelte Schlüsselkonzepte, die die Grundlagen für unsere Auseinandersetzung mit kriti schen kulturellen und künstlerischen Praktiken liefern: Kultur als „a whole way of life“, der Kreislauf kultureller Bedeutungsproduktion und Cultural Citizenship. Zum Abschluss fragen wWir, welche Perspektive diese Konzepte für eine kri tische kulturelle Produktion eröffnen, die auf Teilhabe und Empowerment von Menschen und die Veränderung von Machtverhältnissen abzielt2.
2 Dieser Beitrag fußt auf verschiedenen am Programmbereich geleisteten Vorarbeiten und Publikationen. Neben den im Text zitierten, sind das u. a. Lang 2015a; Lang/Zobl 2015; Lang/Klaus/Zobl 2015; Zobl/Lang 2012.
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Elisabeth Klaus, Elke Zobl
Cultural Studies: Kultur als „a whole
way of life “
Der englische Kulturwissenschaftler Raymond Williams hat 1958 Kultur als „a whole way of life“ beschrieben, womit er den Grundstein für die Cultural Stu dies legte. Diese Definition wird deshalb so oft zitiert, weil sie einen Paradigmen wechsel kennzeichnet, indem sie sich bewusst gegen die damalige und bis heute wirkende Gleichsetzung von Kultur mit Hochkultur wandte. Stattdessen betont Williams in seiner Definition, dass Kultur als ,ganze Lebensweise‘ in alltäglichen Gewohnheiten, Handlungen und Gegenständen ihren Ausdruck findet. Williams’ Definition beinhaltet damit in zweierlei Hinsicht eine Neuverortung. Während der Begriff der Hochkultur mit Produkten und Artefakten wie literarische Texte, musikalische Kompositionen oder Werke der bildenden Kunst stark verbunden ist, fokussiert Williams demgegenüber vor allem auf jene Praktiken und Prozes se, die zur Entstehung bestimmter Werke und Produkte und ihrer Bewertung als Kunst führen. Weiter wird Kultur damit auch aus der Bindung an eine privile gierte Schicht/Klasse befreit, die kulturelle Artefakte in Auftrag gibt und für sich reklamiert. Mit dieser Verschiebung hin zu einem weiten Kulturbegriff öffnete Williams das Feld für die Cultural Studies, die nun auf Alltags- und Populärkul tur fokussierten und Arbeiter-, Jugend-, Mädchen- und Subkulturen untersuch ten. Wichtig war dabei auch ein Blickwechsel von der (bis dato dominierenden) Erforschung des Konsumverhaltens hin zu Menschen als ,Cultural Producers‘, die Kultur herstellen und dabei ihre Identitäten entwerfen. So hat etwa hat An gela McRobbie (McRobbie/Garber 2006 [1975]; McRobbie 1991, 2010) weibli che Subkulturen und kulturelle Praktiken von Mädchen und jungen Frauen*, zum Beispiel in Bezug auf Musik und Tanz oder die Produktion von Magazinen, unter sucht und diese damit als eigene Kultur überhaupt erst sichtbar gemacht. Kultur wird in den Cultural Studies als Teil des Alltags verstanden und findet in der gelebten Alltagspraxis verschiedener Gruppen und Klassen ihren Ausdruck. Mit dem Verständnis von Kultur als ,ganzer Lebensweise‘ eröffnen sich andere Fragen als die, die im Hinblick auf künstlerische und kulturelle Prozesse zuvor gestellt wurden: Welche Rolle spielt (Populär-)Kultur im Selbstverständnis von Gesellschaften und Gruppen? Wie wird durch Kultur Macht ausgeübt und Un gleichheit hergestellt? Wie wird im Alltag Kultur angeeignet und produziert? Wel che Partizipationsmöglichkeiten können sich dadurch eröffnen? Wie geschehen kulturelle Ausschlüsse und kulturelle Interventionen? Diese Fragen lassen sich auf ein weitgefächertes Spektrum an Praktiken an wenden, die der Kulturbegriff der Cultural Studies umfasst: „In cultural studies traditions, then culture is understood both a way of life – encompassing ideas, attitudes, languages, practices, institutions, and structures of power – and a whole
Kritische kulturelle Produktion im Kontext range of cultural practices: artistic forms, texts, canons, architecture, mass-produced com modities, and so forth.“ (Grossberg/Neslon/Treichler 1992: 4)
Dieser Kulturbegriff ist eingebettet in ein übergreifendes politisches Ziel, Gesell schaftveränderung im Sinne von Demokratie, Inklusion und Emanzipation aller Menschen zu erreichen. Kerstin Goldbeck (2004) charakterisiert die Cultural Stu dies wie folgt: „Bei den Cultural Studies handelt es sich um ein intellektuelles Projekt, das sich alltäglichen kulturellen Praktiken widmet und sie in ihrer kontextuellen Einbettung mit besonderem Blick auf die kontextspezifischen Machtverhältnisse analysiert. Cultural Studies arbeiten interdisziplinär und wollen politisch Möglichkeiten bereitstellen, die eigenen gesellschaft lichen Kontexte zu verändern.“ (Ebd.: 28)
Wenn Kultur in diesem Sinne als gelebte Alltagspraxis verstanden wird, dann rü cken auch die sozialen, politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen, technischen so wie medialen Kontexte kultureller Produktion in den Blick. Kultur ist geprägt von konfliktären Interessen und unterschiedlichen Ansprüchen und bringt die beste henden gesellschaftlichen Machtverhältnisse zum Ausdruck. Diese werden durch Kultur (re-)produziert, in Anpassung an sich wandelnde gesellschaftliche Bedin gungen aber auch modifziert und durch Eingriffe von Gegenöffentlichkeiten ver ändert. Dasselbe gilt für die kulturellen, sozialen und politischen Identitäten, die in alltäglichen Praktiken und Einstellungen ihren Ausdruck finden. Beide, Kultur und Identität, werden damit als dynamische, konflikthafte Praktiken sichtbar. Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Macht, Identität und Kultur wurde auch als ,magisches Dreieck‘ bezeichnet (Marchart 2003; vgl. auch Hepp/ Winter 1999), das zugleich Angelpunkt des Selbstverständnisses und Handlungs feld der Cultural Studies ist. Kultur ist eben auch als gesellschaftspolitisches und machtgeprägtes, die gesellschaftlichen Verhältnisse und Hierarchien reproduzie rendes Bedeutungsfeld aufzufassen. Eine solche Konzeptualisierung hat tiefgreifende Konsequenzen für die Kunstund Kulturvermittlung ebenso wie für die edukative Praxis. So fragt der kanadische Erziehungswissenschafter Rubén Gaztambide-Fernández (2014) danach, was das Etikett ,Kunst‘ und welche Konsequenzen die inhaltliche Rahmung mit ,Kunst‘ im Bildungskontext (der Schule) bedeuten. Er argumentiert für einen Ansatz der kulturellen Produktion und einen Fokus auf das Tun der beteiligten Akteur_innen (vgl. ebd.). Er kritisiert, dass vielen Diskursen über die Künste und ihre Wirkungen ein elitäres Verständnis zugrunde liegt und plädiert für eine Umorientierung hin zu „Kultur als eine Praxis“ (vgl. ebd.: 70) im Sinne der Cultural Studies. Denn in diesem Kulturverständnis ist „symbolische Kreativität“ nicht das Privileg der Künste, son dern sie ist Teil des alltäglichen Handelns aller Menschen. Gaztambide-Fernández argumentiert, dass es sich beim Begriff der Künste um ein „diskursives Konstrukt“ handelt und dass „das Sprechen über die Künste zu bestimmten Zwecken eingesetzt
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wird“ (ebd.: 55). Aufgrund der elitären und eurozentrischen Aufladung des Begriffs schlägt Gaztambide-Fernández vor, im Bildungskontext nicht mehr primär von den Künsten zu sprechen, sondern von „symbolischer und kultureller Arbeit“ bzw. „sym bolischer Kreativität“ als kultureller Produktion (vgl. ebd.: 56). Dieser Vorschlag, den Kunstbegriff in der Schule zugunsten eines Verständnisses von „Kultur als Praxis“ zu ersetzen, erscheint auf den ersten Blick radikal, kann aber eine Verschiebung des Blickes bedeuten und einen ermächtigenden Handlungsraum für die Schüler_innen in Bezug auf ihre eigenen kulturellen Praktiken eröffnen. Auch der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat sich mit dem Konstrukt und dem gesellschaftlichen Status von Kunst und Kultur beschäftigt. Er geht dabei jedoch stärker von einer an den gesellschaftlichen Strukturen orientierten Perspektive aus. In seinen Arbeiten hat er das Aufeinanderbezogensein von Kultur als Lebensweise sozialer Klassen und als Ordnungssystem zur Sicherung gesellschaftlicher Hierar chien empirisch untersucht und theoretisch gefasst. Für den Soziologen sind soziale Position, Habitus und Lebensstil zentrale Konzepte, um zu erklären, wie Die feinen Unterschiede (1978) in den Äußerungsformen der Menschen – ihrer Kleidung, ihrer Einrichtung, ihren Hör- und Sehvorlieben etc. – zu den gesellschaftlichen Hierar chien und Machtverhältnissen beitragen und diese im Alltagshandeln reproduzieren. Kunst und Kultur haben demnach eine Distinktionsfunktion, die zur Reproduktion von sozialen Ungleichheitsverhältnissen wesentlich beiträgt, weil sie Menschen auf ihre Plätze in der Gesellschaft verweist. Bourdieu betont also vor allem die Funk tion von Kunst und Kultur im Rahmen der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Hierarchien. Damit tritt er den manchmal mit den Cultural Studies verbundenen allzu optimistischen Vorstellungen entgegen, Gesellschaftsveränderung allein durch par tizipative kulturelle Praktiken bewirken zu können. Zugleich ist Bourdieus Konzep tualisierung der Lebensweise, also der kulturellen Ausdrucksformen der Menschen, als unmittelbare Folge ihrer sozialen Positionierung in der Tendenz deterministisch. Seine Theorie unterschätzt damit die Möglichkeiten der Menschen, sich eigene, in Teilen selbstbestimmte und ermächtigende kulturelle Ausdrucksformen zu schaffen. Im Rahmen der Cultural Studies wurde die Frage, wie Kulturproduktion einerseits die bestehenden Hierarchien legitimiert, aber andererseits eben auch partiell ver ändern und Grenzen von Ein- und Ausschlüssen verschieben kann, im Kontext des Kreislaufs kultureller Bedeutungsproduktion intensiv diskutiert.
D er K reis lauf kultu rel ler B e deu tung pr o duk ti on Stuart Hall – einer der führenden Intellektuellen der ,neuen Linken‘ in Großbri tannien und langjähriger Direktor des Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) an der Universität Birmingham – hat sich in seinen Forschungsfragen in
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tensiv mit dem Verhältnis von Kultur, Identität und Macht beschäftigt. Dabei ver wendet er für die materiellen Produkte kommunikativer Prozesse den Begriff des ,Textes‘, der sowohl sprachliche Äußerungen als auch mediale Artefakte umfasst. Halls Encoding-decoding Modell (vgl. Hall 1973; Krotz 2009) verdeutlicht, dass ,Texte‘ sowohl von denjenigen, die sie produzieren als auch von denjenigen, die sie rezipieren, mit Bedeutungen versehen werden. Die Bedeutungen, die Produ zent_innen mit ihren Texten transportieren wollen, müssen dabei keineswegs mit jenen Bedeutungen übereinstimmen, welche die Rezipient_innen daraus ablesen. Das liegt daran, dass Texte – der Semiotik und neueren Linguistik folgend – stets polysem, d. h. vieldeutig sind. Ein kommunikativer Austausch ist demzufolge ein Prozess, in dem die Bedeutung eines Textes nicht durch dessen Codierung auf Seiten der Produzent_innen festgelegt ist, sondern im Prozess der Interpretation, Aneignung und Verhandlung durch die Rezipierenden mit verschiedenen Bedeu tungen belegt werden kann. An die Überlegungen Halls anknüpfend hat Richard Johnson (1985) erst mals von einem „circuit of culture“, einem „Kreislauf der Kultur“ gesprochen, in den a) der Text, b) seine Produktion, c) seine Rezeption bzw. Konsumption und schließlich d) die sozialen und kulturellen Kontexte zum Zeitpunkt der Textzirku lation eingebunden sind (vgl. Hepp 2010: 159 ff.; Göttlich 2015). Erst im Zusam menwirken dieser vier Elemente wird kulturelle Bedeutung generiert. Abbildung 2: Kreislaufmodell der Kultur nach du Gay et al. (1997: 3)
Quelle: Eigene Darstellung (in Anlehnung an Hepp 2009: 254)
Paul du Gay et al. (1997) haben Johnsons Modell modifiziert und weiterentwi ckelt. Ihre Überlegungen kreisen dabei um den von Foucault stammenden Begriff der Artikulation, der es erlaubt, kulturelle Phänomene nicht nur kontextuell, son
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dern auch diskursiv zu erfassen: „Artikulation meint […] vereinfacht formuliert, dass einzelne Elemente durch ein diskursives In-Beziehung-Setzen ihre Bedeu tung verändern, wodurch sie zu Momenten von etwas ,Größerem‘ werden, näm lich der diskursiven Formation“ (Hepp 2009: 253). Das Modell von Paul du Gay et al. beschreibt fünf Artikulationsebenen, die in einer komplexen Beziehung zu einander stehen. Die drei Ebenen Repräsentation, Produktion und Konsum(tion) sind bereits in den früheren Modellen vorhanden, wenn sie dort auch andere Be zeichnungen tragen: Repräsentation – bei Hall als „Text“ bezeichnet – umfasst alle kulturellen Produkte/Güter, die immateriell und/oder materiell rezipiert bzw. konsumiert werden können. Hall (1997) hat die Bedeutung von Repräsentationen herausgestrichen, denn sie rahmen unsere Vorstellungswelt und entscheiden dar über mit, was sagbar und was unsagbar ist, was sichtbar wird und was unsichtbar bleibt. Er schreibt: „It is by our use of things, and what we say, think and feel about them – how we represent them – that we give them a meaning. In part, we give objects, people and events meaning by the frameworks of interpretation which we bring to them. In part, we give things meaning by how we use them, or integrate them into our everyday practices.“ (Ebd.: 3)
Produktion meint die technischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen, unter denen das kulturelle Gut von seinen Produzent_innen geschaffen wird und in den Kreislauf einfließt. Konsum beschreibt den sozialen und kulturellen Kon text, in dem ein Produkt angeeignet und wie es genutzt wird, also in den Alltag der Konsument_innen und Rezipient_innen einfließt. Im Vergleich zu den Vorgängermodellen finden sich im Kreislauf der Kultur bei du Gay et al. zwei neue Ebenen: Identität verweist auf die Art und Weise, wie die Güter zur Formung von Subjektivitäten bzw. Perspektiven und Sichtwei sen beitragen. Regulation umfasst alle Grenzsetzungen, die den Prozess der Be deutungsproduktion regulieren, damit steuern und rahmen. Das umfasst u. a. die rechtlichen, technischen, politischen und ökonomischen Bedingungen inklusive der damit verbundenen Regulationsmechanismen, die mitbestimmen, welches Gut überhaupt wie produziert wird, welche Repräsentationen demzufolge zirku lieren und welche Aneignungspraktiken möglich sind. Diese fünf Elemente bilden in ihrer vielfältigen Vernetzung eine Art Kreislauf, innerhalb dessen kulturelle Be deutungen entstehen und immer wieder neu verhandelt werden (vgl. Hepp 2010: 161; Göttlich 2015). In unserer Arbeit spielt der Kreislauf der Kultur eine wichtige Rolle, weil er verdeutlicht, dass und wie Menschen darin eingreifen könnnen, indem sie selber Kultur produzieren. Als Kulturproduzent_innen können sie neue, andere Reprä sentationen entwickeln, die in der Folge in der Gesellschaft zirkulieren. Ein Bei spiel dafür liefern die unter dem Begriff der Identitätspolitik zusammengefass
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ten Aktivitäten von Mitgliedern marginalisierter Gruppen, die eine anerkennende Sichtbarkeit erreichen wollen. Die feministischen Bewegungen der 1970er Jahre wie auch die LGBTQI-Bewegungen zeigen, dass Gegenöffentlichkeiten unter bestimmten Bedingungen erfolgreich neue Repräsentationen verankern und da durch soziale und kulturelle Ausschlussmechanismen in Bewegung geraten kön nen. Wie solche Erfolge möglich sind, wird in der sozialen Bewegungsforschung intensiv diskutiert. Sie fragt danach, wie es möglich wird, dass marginalisierte Gruppen in der Öffentlichkeit Gehör finden und hegemoniale Meinungen, Hal tungen und Handlungen in ihrem Sinne verändern können.3 Wir knüpfen an dieses Forschungsfeld an, indem wir partizipative Öffentlichkeitstheorien unserer Arbeit zugrunde legen. Cultural Citizenship Das Kreislaufmodell der Kultur greifen die Kommunikationswissenschaftlerin nen Elisabeth Klaus und Margreth Lünenborg auf, um Citizenship (,Staatsbürger schaft‘) und zivilgesellschaftliche Teilhabe in heutigen Medien- und Migrations gesellschaften zu diskutieren. Sie fragen danach, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen wem das Recht zugestanden wird, in den Kreislauf der kul turellen Bedeutungsproduktion einzugreifen, also an der gesellschaftlichen Be deutungsproduktion teilzuhaben, und greifen dazu das Konzept einer Cultural Citizenship auf (vgl. Klaus/Lünenborg 2004a, 2004b, 2012; vgl. auch Stevenson 2001). Das aus dem angloamerikanischen Raum stammende Konzept der Cultural Ci tizenship betont zivilgesellschaftliche Ansprüche auf eine Mitgestaltung kulturel ler Bedeutungsproduktion. Mit der Betonung kultureller Citizenship erweitert es den Fokus der traditionellen Öffentlichkeits- und Demokratieforschung, die sich zum einen auf die Thematisierung politischer Beteiligungsrechte von Bürger_in nen und zum anderen auf die Bedeutung des Nationalstaats dafür beschränkt hat. Der von Thomas M. Marshall 1949 ausgearbeitete Begriff von Citizenship geht darüber hinaus, indem er zivile/individuelle, soziale und politische Rechte als die drei zentralen Dimensionen von Citizenship beinhaltet (vgl. Marshall 1992).4 In seinem Beitrag Postmodern Culture/Modern Citizens erweitert Bryan S. Turner 3 Der Begriff der Hegemonie wird in den Cultural Studies von Gramsci übernommen. Er findet heute auch von rechtsextremen Gruppen, wie etwa den Identitären und bei der AFD Verwendung. Hier zeigt sich, dass die Bewegungsforschung solche antiemanzipa torischen Bewegungen zu wenig berücksichtigt hat, denn diese haben eine ebenso lange Tradition wie die Freiheits-, Emanzipations- und Demokratiebewegungen. 4 Dies ist der Grund, warum wir den Begriff Citizenship verwenden und nicht den deut schen Begriff Staatsbürgerschaft, der weiterhin an den Nationalstaat und politische Be teiligungsrechte gebunden ist.
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(1994) Marshalls Typologie um die vierte Dimension einer Cultural Citizenship. Dabei definiert er Citizenship „as a set of practices which constitute individuals as competent members of society“ (Turner 1994: 159). Turner hebt mit dieser Definition hervor, dass Citizens als Mitglieder einer Gemeinschaft durch die ver schiedenen sozialen, rechtlichen, politischen und eben auch kulturellen Praktiken konstituiert werden bzw. sich selber konstituieren. Öffentliche Teilhabe basiert damit (auch) auf der „Möglichkeit einer umfassenden Aneignung der Kulturpro duktion einer Gesellschaft“ (vgl. Klaus/Lünenborg 2004b: 108). Die Formulierung „Aneignung von gesellschaftlicher Kulturproduktion“ setzt keine einheitliche Kultur voraus, sondern berücksichtigt die Vielfalt von kulturellen Ausdrucksformen und erlangt in Migrationsgesellschaften zusätzliche Bedeutung. In der amerikanischen Migrationsforschung wurde das Konzept etwa von Renato Rosaldo (1994) aufgegriffen. Für ihn besteht gerade in der Anerkennung von Dif ferenz die Essenz des Konzeptes von Cultural Citizenship. Entsprechend definiert er diese als „the right to be different (in terms of race, ethnicity, or native language) without compromising one’s right to belong, in the sense of participating in the na tion-state’s democratic processes“ (Rosaldo 1994: 57). Als vordergründig universelles Prinzip setzt Citizenship ein weißes, männliches, heterosexuelles Subjekt voraus und negiert die Marginalisierung und den Ausschluss anderer Gruppen (vgl. Fraser/ Gordon 1994). Nach Rosaldo bedeutet Cultural Citizenship deshalb Anerkennung jener kulturell vermittelten Annahmen und Praktiken, die Ungleichheit gerade auf Basis einer Gleichheitsrhetorik begründen und verfestigen. Cultural Citizenship liefert damit auch Ausdrucksmöglichkeiten für die Forderungen marginalisierter Gruppen nach gesellschaftlicher Anerkennung: „Bridging the discourses of the state and everyday life, of citizenship and culture, the demand for respecto5 is a defining demand of Cultural Citizenship.“ (Rosaldo 1999: 260) Kultur wird in dem durch Cultural Citizenship erweiterten Modell als „his torisch und sozial gebundener Vorrat an symbolischen Deutungs- und Interpreta tionsmöglichkeiten“ (Klaus/Lünenborg 2004a: 197) verstanden, um zu betonen, dass neben den individuellen, sozialen, rechtlichen und politischen Handlungs räumen kulturelle Praktiken Citizenship als Teilhabe an der Gesellschaft konsti tuieren. Gleichzeitig wird mit dieser vierten Dimension Citizenship aus ihrer na tionalen Bezogenheit gelöst, die Marshall voraussetzt und die einen wesentlichen Kritikpunkt an seinem Modell darstellt. Das Konzept der Cultural Citizenship umfasst demzufolge „all jene kulturellen Praktiken, die sich vor dem Hintergrund ungleicher Machtverhältnisse entfalten und die kompetente Teilhabe an den sym bolischen Ressourcen der Gesellschaft ermöglichen“ (Klaus/Lünenborg 2004b: 103). Die heute auch diskutierten Formen von artistic citzenship (vgl. Elliot/Sil 5 Vgl. zu dem Konzept auch und ausführlicher Richard Sennetts Respekt im Zeitalter der Ungleichheit (2007).
Kritische kulturelle Produktion im Kontext
verman/Bowman 2016) oder DIY citzenship (vgl. Hartley 1999: 154 f.; Ratto/Bo ler 2014; Reitsamer/Zobl 2014) sehen wir als Teil von Cultural Citzenship an, da deren Fokus auf einen weiten, prozesshaften Kulturbegriff die beiden anderen Formen mit einschließt. Cultural Citizenship verweist auf die machtvolle Rolle von Kultur für ge sellschaftliche Teilhabe und spricht damit neue Aspekte von Zugehörigkeit und Ausgeschlossen-Bleiben, von Inklusion und Exklusion in der Gesellschaft an, die heute noch deutlicher über kulturelle Markierungen – etwa Sprache, Kleidung oder Religion – erfolgen. Für Graham Murdock (1999: 11 f.; zuerst 1994: 158 f.) beinhaltet Cultural Citizenship deshalb die Möglichkeit, eigene kulturelle Iden titäten zu entwerfen. Der englische Kultur- und Wirtschaftswissenschaftler fragt danach, wie die aus einer Cultural Citizenship resultierenden Rechte auf „kompe tente Teilhabe an den kulturellen Ressourcen einer Gesellschaft“ (Klaus/Lünen borg 2004b: 103) eingefordert werden können. Ihm zufolge ergeben sich daraus vier Ansprüche, auf:
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Informationen, um Grundlagen für politische und soziale Entscheidungen zu besitzen. Erfahrungen, damit die Vielfalt möglicher Lebensweisen zum Ausdruck ge bracht werden kann, die somit Ideen für eigene Identitätskonzepte liefern kön nen. Wissen, als die Möglichkeit Informationen und Erfahrungen sinnvoll zu inter pretieren und zu verknüpfen. Das erfordert Zugang zu Erklärungsansätzen, die das Allgemeine mit dem Besonderen, das Aktuelle mit dem historisch Ge wachsenen, die Mikroebene mit der Makroebene verbinden. Teilhabe, die den Individuen und Gruppen eine Stimme verleihen und ihren aktiven Anteil am Ringen um Bedeutungen zum Ausdruck bringen. (vgl. Klaus/Lünenborg 2004a: 202; Klaus/Lünenborg 2012)
Das Konzept der Cultural Citizenship bildet die Ausgangsbasis für Mitsprache, Mitbestimmung und Mitgestaltung an gesellschaftlichen und kulturellen Entwick lungen und Prozessen. Folgt man Murdock, so ist die Voraussetzung für Gestal tungsmöglichkeiten unterschiedlicher Menschen, dass ihnen Informationen zur Verfügung stehen, auf deren Basis Erfahrungen verallgemeinert werden können. Indem „Bezüge zur eigenen Lebenswirklichkeit sichtbar werden“ (Klaus/Lünen borg 2004a: 200), kann auch neues Wissen über die gesellschaftlichen Verhält nisse gewonnen werden. In unserer Lesart umfassen Information und Wissen nicht nur kognitive Prozesse, sondern schließen Möglichkeiten eines Wissenerwerbs durch z. B. neue ästhetische Erfahrungen ein. Denn diese haben für die Verän derung der durch Macht geprägten Wahrnehmungs- und Wissensordnungen der Gesellschaft einen wichtigen Stellenwert.
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Die Produktion von kulturellen Bedeutungen umfasst daher sowohl Deutungsund Interpretationsprozesse, die sich auf die individuellen Identitäten beziehen, als auch solche, die Gruppenzugehörigkeiten oder die gesamte Gesellschaft betreffen. Cultural Citizenship bedeutet, jene kulturellen Ressourcen zu mobilisieren bzw. mobilisieren zu können, die es erlauben, in den Kreislauf der Bedeutungsproduk tion einzugreifen, über kulturelle und gesellschaftliche Themen mitzuentscheiden sowie mitzubestimmen, welche Bedeutungen in der Gesellschaft zirkulieren, dort verhandelt, bewertet, reproduziert oder auch verändert werden. Eine derart inter venierende Teilhabe umfasst ein aktives Moment der Mitbestimmung und Mit gestaltung kultureller Bedeutungsproduktion durch verschiedene Individuen bzw. Gruppen. An den symbolischen Ressourcen der Gesellschaft gleichberechtigt teil zuhaben, setzt die Möglichkeit voraus, kritische Fragen aufzuwerfen und kultu relle und gesellschaftliche Teilhabe einzufordern. Hier geht es um Ermächtigung zu persönlichem Ausdruck, Wissenserwerb und die Entwicklung von kritischer Reflexionsfähigkeit, die Mitgestaltung und aktive Teilnahme an einer größeren Gemeinschaft – virtuell, kulturell, politisch – im Sinne eines Cultural Citizen ship ermöglichen.
K ri ti sche
kultu relle
P ro duk ti on
Wie oben dargelegt, verstehen wir kulturelle Bedeutungsproduktion als zirkulären und konfliktreichen Aushandlungs- und Selbstverständigungsprozess. In diesem werden Sichtweisen und Einstellungen erzeugt, aufgenommen und in einem öf fentlichen Zirkulationsvorgang distribuiert, dabei oft reproduziert, aber manch mal eben auch neu verhandelt. Im Kreislauf der Kultur wird offensichtlich, dass Gesellschaften, Gruppen und Einzelpersonen kontinuierlich an diesen Vorgängen beteiligt sind. Wird Kulturproduktion als ein Prozess verstanden, der sich vor al lem im Alltag und in den Lebensweisen der Menschen artikuliert, dann rücken die zivilgesellschaftliche Mitbestimmung, die Dynamiken öffentlicher Verhand lung sowie die (Re-)Produktion von Ungleichheiten und Ausschlüssen in den Mit telpunkt des Interesses. Einer der Beweggründe für künstlerische und kulturelle Interventionen ist die starke Regulierung der kulturellen Bedeutungsproduktion, die von gesellschaftlichen, politischen sowie ökonomischen Machtansprüchen und von Konflikten und widersprüchlichen Interessen geprägt ist. Kritische kulturelle Produktion setzt an dem Willen an, „nicht dermaßen re giert zu werden“ (Foucault 1992: 8) und versucht, neue Erfahrungen zu ermögli chen und damit andere Wahrnehmungsweisen zu eröffnen und Wissensregime zu irritieren. Wir verstehen kritische kulturelle Produktion als engagiertes und pro duktives Mitgestalten der eigenen Lebenswelt, die in kulturelle und öffentliche Prozesse der Bedeutungsproduktion eingreift und auf zivilgesellschaftlicher Teil
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habe und Kollaboration beruht. Dabei greifen wir auf den Begriff des ,Cultural Producers‘ bzw. der Kulturproduzent_innen zurück, um sichtbar zu machen, dass Menschen die kulturelle Bedeutungsproduktion einer Gesellschaft in einem kol laborativen Prozess stets mitbestimmen und mitgestalten. Die Frage ist allerdings, wie bewusst dies jeweils geschieht und welche praktisch-handwerklichen wie ge danklich-reflektierenden Möglichkeiten und ermächtigenden Handlungsräume Menschen dafür zur Verfügung stehen. Denn diese gehören zu den Voraussetzun gen, um Kritik zu äußern, neue Erfahrungen zu machen, die gesellschaftlichen Rahmungen zu irritieren und damit Wissensordnungen zu stören. Die Schaffung von demokratischen Öffentlichkeiten und von Räumen, die zivilgesellschaftliche und kulturelle Teilhabe ermöglichen, sind für dieses Verständnis von kritischer kultureller Produktion zentral. Ihre wichtigsten Reflexionsmomente sind Partizi pation und Kollaboration, Privilegierung und Ausschlüsse, intersektionale Ver schränkungen, soziale Ungleichheit und kulturelle Abwertung. In den Beiträgen in diesem Buch finden sich unterschiedliche Beispiele dazu. Künstlerische und kulturelle Praktiken, die aktiv Mitsprache an kulturellen Produktionsprozessen einfordern und Aushandlungsprozesse anstoßen, setzen sich mit unseren alltäglichen Bedeutungsrastern und mit aktuellen gesellschaft lichen Phänomenen kritisch auseinander, indem sie Vertrautes, Gewohntes, Gän giges hinterfragen und vielfältige Wahrnehmungsperspektiven entwerfen. Sie intervenieren – oft explizit, zuweilen nur implizit – in das, was aktuell als Kultur verstanden und gelebt wird: „Works of art, DIY cultural forms, etc. […] irri tate and challenge the way we ,normally, see and do things. Today a host of contemporary art productions exist that aim to reflect on and interpret our cul tural contexts and the underpinnings of our daily routines.“ (Zobl/Klaus 2012: o. S.) Künstlerische und kulturelle Praktiken – vor allem an der Schnittstelle zum sozialen/politischen Engagement – haben grundsätzlich das Potenzial, ge sellschaftliche Entwicklungen zu reflektieren, neue (oder andere) Sichtweisen zu artikulieren, Erfahrungsräume zu öffnen und kritisches Denken und Handeln an zustoßen. Voraussetzung dafür ist ein kritischer Blick auf (eigene) Privilegien, auf gesellschaftliche Ausschlüsse und Ungleichheiten und die Bereitschaft, soli darische Allianzen und Kooperationen einzugehen. Zentral bleibt, über den „Hia tus zwischen Wirklichkeit und Möglichem“ (Hark 2009: 31) und auch über die Differenz von Wollen und Bewirken nachzudenken. Eine solche kritische Praxis ermöglicht, tradierte Bedeutungen nicht in erster Linie zu reproduzieren, sondern diese offen zu legen, damit der Kritik zugänglich zu machen und zu verändern. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, Fragen zu stellen, Kritik – auch im Sinne einer Selbstreflexion – zu formulieren und auszusprechen, um gesellschaftliche Prozesse mitzugestalten, denn: „Kritisches Denken gibt uns die Mittel, die Welt so zu denken, wie sie ist und wie sie sein könnte.“ (Wacquant 2006: 669 zitiert nach Hark 2009, Herv. i. O.)
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Theoretische Grundlagen kritischer kultureller Produktion
Theoretische Grundlagen kritischer kultureller Produktion Kritik in der zeitgenössischen Kunst- und Kulturproduktion Ricarda Drüeke, Elisabeth Klaus
„Die Kunst nicht dermaßen regiert zu werden …“ – mit dieser Aussage verweist Michel Foucault auf Kritik als eine bestimmte Haltung, die u. a. ein kritisches „Verhältnis zur Kultur“ einbezieht (Foucault 1992: 8). Gleichzeitig betont er mit dem Begriff des „Regierens“ die Bedeutung von Macht und Herrschaft und deren zentrale Rolle in Subjektivierungsprozessen. Eine Ausstellung im Württembergi schen Kunstverein in Stuttgart – u. a. kuratiert von Yvonne P. Doderer – griff im Jahr 2010 dieses Zitat anlässlich der Debatte um das Bauprojekt Stuttgart 21 auf und präsentierte eine künstlerische Gesamtinstallation, die den Spuren des Wi derstands folgte und nach den Transformationen des Öffentlichen fragte. Kunst und Kritik stehen nicht nur in diesem Beispiel in einem engen Zusammenhang. Vielmehr werden die Möglichkeiten und Grenzen von künstlerischen und kul turellen Produktionen, in gesellschaftliche Verhältnisse zu intervenieren, politi sche Definitionsmacht zu erschüttern und neue Bedeutungen zu eröffnen, heute gleichermaßen im zeitgenössischen Kunstdiskurs wie in Öffentlichkeitstheorien umfassend diskutiert. Auch der Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion – Teil des interuniversitären Kooperationsschwerpunkts Wissenschaft und Kunst (Mozarteum und Universität Salzburg) – geht den Möglichkeiten und Grenzen einer an Emanzipation und sozialer Gerechtigkeit orientierten künstlerischen und kulturellen Bedeutungsproduktion nach. Das Nachdenken über Fragen danach, ob und wie Intervention, Partizipation und Ermächtigung mittels künstlerischer Stra tegien und kultureller Produktionen gelingen kann, hat sich sowohl in einer Reihe theoretischer Arbeiten niedergeschlagen als auch zur praktischen Erprobung von Umsetzungsmöglichkeiten geführt. Einen Beitrag zur kritischen Wissensproduk tion und zu kritischen Kultur- und Gesellschaftsanalysen zu leisten, ist Fundament und Ankerpunkt der Arbeit des Programmbereichs, denn das Zusammenspiel von Theorie und Praxis, von der Analyse des Gegebenen und dem Eruieren des Mög
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lichen ist ein zentrales Merkmal kritischer Theorieprojekte (vgl. Hark 2009: 31). Die Arbeit am Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion durchzieht die Reflexion am „Hiatus zwischen Wirklichkeit und Möglichem“, wie es Sabine Hark (ebd.) formuliert hat, und er versteht die Suche nach Emanzipation und Gerechtigkeit als „Utopie in Realisierung“ (Castro Varela 2018: 13). Dieser Beitrag dient dazu, die Traditionslinien und theoretischen Bezugspunkte unseres Kritikprojektes offen zu legen. Dafür wählen wir einen wissenschaftshis torischen Zugang, dessen Ausgangspunkt die Kritische Theorie1, genauer gesagt die Kulturindustrieanalyse von Adorno und Horkheimer bildet. Unter kritischen Gesellschafts- und Kulturtheorien verstehen wir des Weiteren in diesem Beitrag nicht nur solche Ansätze, die sich explizit auf den Marxismus und die Kritische Theorie und ihre Hauptvertreter_innen beziehen, sondern ebenso jene normativen Entwürfe, die eine gerechtere, demokratischere Gesellschaft zum Ziel haben und die sozialen und kulturellen Mechanismen der Herstellung gesellschaftlicher Un gleichheit untersuchen. Wichtiger als ein expliziter Bezug auf Marx oder Adorno erscheint vielmehr die bei aller Unterschiedlichkeit geteilte Einsicht jener Ansät ze, „dass Dinge nicht notwendig das sind, was sie scheinen“ (Rogoff 2003: o. S.). Dementsprechend werden daran anknüpfend neuere Ansätze vorgestellt und ihre Parallelen, Weiterentwicklungen und auch Abweichungen und Dissensen zur Kritischen Theorie diskutiert. Dabei interessieren uns vor allem jene Vorschlä ge, die die Interventionsmöglichkeiten von Kunst- und Kulturproduktionen in ge sellschaftliche Verhältnisse betonen, Vorschläge zur Ausweitung der Grenzen des Möglichen beinhalten und dazu herausfordern, Prozesse der „Entunterwerfung“ (Foucault zit. nach Hark 2009: 31) zu denken. Dazu gehören partizipative Öffent lichkeitstheorien, Arbeiten zur Bedeutung kultureller Distinktion für die Herstel lung von Ungleichheit, poststrukturalistische Ansätze, die Cultural Studies sowie die Gender Studies ebenso wie neuere theoretische Ansätze, wie etwa die Post colonial Studies oder die Queer Studies. Anhand dieser kritischen Theorien bzw. Theorieprojekte diskutieren wir die Frage, was Kritik heute bedeuten kann, und gehen exemplarisch der Frage nach, welche Bedeutung Kunst und Kultur in den jeweiligen Konzeptionierungen erhalten.
1 Wenn wir im Folgenden die Großschreibung, also „Kritische Theorie“, verwenden, dann ist damit der sich um die Frankfurter Schule gruppierende Forschungs- und Wis senschaftszusammenhang gemeint. Sprechen wir hingegen von „kritische(n) Theo rie(n)“ in der Kleinschreibung und auch im Plural, dann meinen wir das viel breitere Spektrum gesellschaftskritischer Positionierungen.
Theoretische Grundlagen kritischer kultureller Produktion
D ie K ritische T heorie als G rund lage kri ti scher K ultur - und G e sell schafts w is sen schaf ten Zentral für die Analyse und Einschätzung von Kultur bei Adorno und Horkheimer sind ihre Überlegungen zur Kulturindustrie, die sie vor allem in der Dialektik der Aufklärung (1988) dargelegt haben. Die Aufklärung, so Adorno und Horkheimer, ist durch das Aufkommen der Kulturindustrie und der industriellen Reproduktion sowie durch die Vermarktung kultureller Güter existenziell bedroht. Mit dem Be griff der Kulturindustrie bringen Adorno und Horkheimer zum Ausdruck, dass die Sphäre der Kultur ihre Eigenständigkeit verloren hat und Kulturgüter nunmehr als Massenware produziert und an Zielgruppen von Konsument_innen marktförmig verteilt werden. Populärkulturelle Inhalte tragen demnach dazu bei, dass die Ge sellschaft entpolitisiert und gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse legitimiert werden. Adorno und Horkheimer gehen davon aus, dass die Menschen durch die Verbreitung der Unterhaltungskultur getäuscht werden, da diese das Vergnügen von Rezipient_innen standardisiert und sie von einer Einsicht in ihre Situation abhält. Die Kulturindustrie gaukelt zwar vor, dass die Konsument_innen zwi schen verschiedenen Produkten und Angeboten frei wählen können, faktisch wird jedoch das „Immergleiche“ angeboten und werden triviale Inhalte im Interesse der Mächtigen und zum Erhalt des Status quo produziert. Die Einzelnen wer den zum Teil einer entindividualisierten „Masse“, die ihre wirklichen Bedürfnisse nicht mehr kennt, sondern im immer neuen Amüsement Befriedigung sucht (vgl. Horkheimer/Adorno 1988: 208). Müller-Doohm (vgl. 2000: 79) identifiziert ent sprechend drei Tendenzen, die die Wirkungen der Kulturindustrie kennzeichnen: Konformismus, Trivialisierung und Standardisierung. Dieser Kulturbegriff weicht von demjenigen, den wir der Arbeit in unserem Programmbereich zugrunde legen, stark ab, da wir Kultur mit Raymond Williams (1989 [1958]) als „ganze Lebensweise“ auffassen, die den Menschen nicht nur aufgezwungen wird, sondern die sie mit- und reproduzieren, und deren Bedeu tung sie deshalb partiell auch verändern können. In der Kulturindustrie hingegen erscheinen die Menschen als bloße Konsument_innen. Solchermaßen entmündigt verlieren sie die Möglichkeit, als Staatsbürger_innen die Gesellschaft mitzuge stalten. Die gezielte Vermittlung kultureller Inhalte – das, was Adorno mit „Auf klärung als Massenbetrug“ bezeichnet – ist für den kapitalistischen Staat funk tional: Im Gewande der Aufklärung bzw. Informationsvermittlung werden die Massen getäuscht, indem hegemoniale Realitätsdeutungen beispielsweise durch Zeitungen, Film, Rundfunk und Fernsehen produziert, verbreitet und legitimiert werden. Als Folge davon wird die bestehende Ordnung affirmativ bestätigt und die Bildung einer kritischen Öffentlichkeit nachhaltig verhindert. Adorno trennt strikt zwischen Hochkultur und Populär-/Unterhaltungskultur, zwischen dem authentischen Kunstwerk und seiner bloßen Reproduktion. Damit
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schreibt er jedoch zugleich eine Eliteorientierung fest und negiert Möglichkei ten der Aufklärung und Emanzipation der Menschen. Jedoch sind im Kontext der Frankfurter Schule nicht nur kulturpessimistische Perspektiven auf die kulturelle und mediale Entwicklung gerichtet worden. So sah vor allem Walter Benjamin (1963) die Reproduzierbarkeit von Kunstwerken als Chance für eine Demokra tisierung der Gesellschaft an. Benjamin spricht sich insbesondere für einen po litischen Medien- und Kunstgebrauch aus (vgl. 1963: 119 ff.) und sieht in der Veränderung der Bedeutung der Kunst die Möglichkeit, den „Klassencharakter der Produktionsweise“ zu durchbrechen (ebd.: 127).
P ar ti zi pati ve Ö f fent lich kei ten und G egen öf fent lich kei ten In direkter Traditionslinie zu Adorno und Horkheimer steht das Werk Jürgen Habermas’, dessen Arbeiten jedoch weniger ideologiekritische Impulse als viel mehr demokratiekritische zugrunde liegen. Habermas interessieren die Grund lagen und Bedingungen für eine deliberative Demokratie, in der Bürger_innen mitreden und mitbestimmen können (vgl. dazu auch Müller-Doohm 2008: 56). Seine beiden Hauptwerke Strukturwandel der Öffentlichkeit (1993 [1962]) und Theorie des Kommunikativen Handelns (1981a, 1981b) beschäftigen sich zentral mit der Frage, wie eine demokratische Öffentlichkeit hergestellt werden kann, welche Gefahren ihr derzeit drohen und an welchen kritisch-normativen Maß stäben sich der politische Diskurs messen lassen muss. Politische Öffentlichkeit ist für Habermas ein zentraler Sektor der Lebenswelt, das herrschaftsfreie Fun dament der Demokratie, da sie „keine Arena marktförmiger, sondern diskursi ver Beziehungen“ darstellt (Fraser 2001: 109). Habermas’ Öffentlichkeitsmo dell, seine spezifischen Konzepte von deliberativer Demokratie und von einer politischen Öffentlichkeit entwerfen einen normativen Idealtypus und haben zu einer Reihe kritischer Auseinandersetzungen und auch zu Vorschlägen für ihre Weiterentwicklung geführt. Nancy Fraser (vgl. 2001: 107–109) hat ausgearbeitet, dass die bestehenden Ungleichheitsverhältnisse die Existenz verschiedener, von ihr „subaltern“ ge nannter Gegenöffentlichkeiten bedingen und diese eine wichtige demokratische Funktion erfüllen. In dezidierter Abgrenzung zu Habermas’ auf Konsens beruhen der deliberativer Öffentlichkeitsvorstellung hat Chantal Mouffe (vgl. u. a. 2014) ihr Modell einer agonistischen Öffentlichkeit vorgestellt. Da die Gesellschaft stets von Antagonismen, also nicht auflösbaren Widersprüchen durchzogen sei, sei es die Aufgabe von Demokratie und Öffentlichkeit, diese nicht zu leugnen, sondern offenzulegen. Ihre Verwandlung in agonistische Widersprüche führe dazu, dass sich zwar eine Interessensgruppe mit ihrer Position durchsetzen könne, dem ent
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gegenstehende Positionierungen diese Entscheidungen aber akzeptierten. Mouffe hat der aktivistischen Kunst in ihren neueren Publikationen eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung einer agonistischen Öffentlichkeit eingeräumt. In Agonis tik. Die Welt politisch denken (2014) argumentiert sie, dass die Kunst dominante Hegemonien unterlaufen und Räume für gegenhegemoniale Interventionen be reitstellen könne: „Ich bin überzeugt, dass künstlerische und kulturelle Praktiken Räume des Widerstands schaffen können, die das gesellschaftliche Imaginäre untergraben, das für die Reproduktion des Kapitalismus notwendig ist. Ich bin jedoch der Auffassung: Wenn wir ihr politisches Potenzial verstehen wollen, sollten wir Formen des künstlerischen Widerstands als agonis tische Interventionen im Kontext des gegenhegemonialen Kampfes betrachten.“ (Mouffe 2014: 136)
Die Bedeutung einer politisch-aktivistischen Kunst für Gegenöffentlichkeiten und Protestbewegungen beruht Mouffe zufolge auf der Möglichkeit, allgemeingültige Normen und unhinterfragt geltende Normalitäten in Frage zu stellen, über Affekte und emotionale Reaktionen (vgl. ebd.: 148) „neue Praktiken und Subjektivitäten“ auszubilden und „die bestehende Machtkonfiguration“ zu unterminieren (ebd.: 158).
D is tink ti on und kultu relle U r spr ünge von U n gleich hei ten Pierre Bourdieu hat die Rolle kultureller Artefakte – wie Kunstwerke, Medien oder Modestile – und den damit verbundenen, scheinbar individuellen Geschmack im Zusammenhang mit Strukturen der Ungleichheit und Machtverhältnissen unter sucht. In seinem Hauptwerk Die feinen Unterschiede (1987 [1979]) zeigt er em pirisch, wie soziale Ungleichheiten in der französischen Gesellschaft fortlaufend hergestellt werden, und begründet damit eine Kultur- und Gesellschaftstheorie, die auf der Unterscheidung verschiedener Klassen und der Herausbildung eines jeweils klassenspezifischen Geschmacks fußt. Klassen unterscheiden sich nach Bourdieu durch symbolische Differenzierungen und ungleiche soziale Positionie rungen, die sich im Habitus manifestieren und in spezifischen Geschmackskultu ren sichtbar Ausdruck finden. Den Habitus beschreibt Bourdieu als ein „System dauerhafter und übertragbarer Dispositionen, die als Erzeugungs- und Ordnungs grundlage für Praktiken und Vorstellungen dienen“ (Bourdieu 1987 [1979]: 90 f.) und die so die Zugehörigkeit eines Individuums zu einer bestimmten Klasse ver deutlichen. Die Position, also die soziale Stellung eines Individuums in einer Ge sellschaft ist des Weiteren abhängig von dem jeweiligen – sozialen, ökonomischen und kulturellen – Kapital, über das ein Individuum verfügt. Das Kapital kommt
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auf den verschiedenen Feldern, die die Gesellschaft strukturieren, zum Einsatz und bestimmt wesentlich die Position der sozialen Akteur_innen darin. Bourdieu überwindet mit dieser Konzeptionierung den Dualismus von Subjekt und Objekt, von Individuum und Struktur, da Subjekte mit ihrem Habitus essenzieller Teil des jeweiligen Feldes sind, in dem sie agieren, und zugleich ihre Handlungen von den Strukturen des Feldes bestimmt werden. Positionen in den verschiede nen gesellschaftlichen Feldern – egal ob Kunst, Mode, Medien, Politik oder Wis senschaft – werden durch zwei interagierende Faktoren bestimmt: einerseits vom jeweiligen Habitus und den individuell zur Verfügung stehenden Kapitalsorten, und andererseits von den im Feld wirkenden Strukturen und Machtverhältnissen. Gesellschaftliche und kulturelle Phänomene sind damit durch einen strukturellen Determinismus geprägt, der die Handlungsmöglichkeiten der sozialen Subjekte beschneidet. Bourdieu und Adorno teilen die Sichtweise, dass materielle Ungleichheiten in einem engen Zusammenhang mit kulturellen Prozessen stehen, wobei bei Bour dieu vor allem auch die gelebte Alltagskultur in den Blick rückt. Beide kritisie ren die herrschende Kultur, in der sie ein Mittel sehen, um Unterdrückung und Ungleichheit zugleich zu legitimieren und zu (re-)produzieren. Bourdieus (1987 [1979]: 36) Konzept eines „legitimen gesellschaftlichen Geschmacks“ weist eine Affinität zu Adornos Begriff der Hochkultur auf, da sich beide auf den Musikund Kunstgeschmack der Elite beziehen, der höher als andere Stile bewertet wird. Dennoch sind bei Bourdieu die Unterschiede zwischen verschiedenen kulturel len Gruppen weniger durch den Gegensatz von Hoch- und Populärkultur gekenn zeichnet als vielmehr durch soziale Gegensätze, die durch den Habitus reprodu ziert werden und in der Alltagskultur ihren Ausdruck finden. Bourdieus Ansatz ist unter anderem im Rahmen der künstlerischen Institutionenkritik rezipiert worden (vgl. Alberro 2005). Dieser Bezug liegt deshalb nahe, weil er sich selber mit dem Kunstfeld beschäftigt und dessen Bindung an die privilegierte Klasse und den legitimen Geschmack herausgearbeitet hat (vgl. Bourdieu 1999; Bourdieu 1993; Bourdieu/Darbel/Schnapper 1991). Bourdieus Studien sowie sein damit verbundenes Habituskonzept sind jedoch von Jacques Rancière vor allem aufgrund ihrer empirischen Anlage scharf kriti siert worden (vgl. Sonderegger 2010a, 2010b; ausführlich Sonderegger/Kastner 2014). Für Rancière ist die Anwendung sozialwissenschaftlicher Empirie – ge rade auch in der Bestimmung des Habitus – problematisch, weil diese letztlich auf klassenspezifischen Durchschnittsdaten und wie auch immer definierten re präsentativen Ergebnissen beruht, die den gesellschaftlichen Status quo als kaum veränderbar zeigen. Stattdessen sucht Rancière nach einzelnen Beispielen für die Selbst-Befreiung und Emanzipation von Menschen und findet diese vor allem in deren Hinwendung zur Kunst und in ihren Herrschaftsverhältnissen entgegenlau fenden ästhetischen Erfahrungen. Sonderegger (2010a: 32) spricht von Rancières
Theoretische Grundlagen kritischer kultureller Produktion
„subversivem Optimismus“. Sein „Projekt einer affirmativen Kritik“ bestehe da rin „an widerspenstige und unwahrscheinliche Praktiken des Streits zu erinnern, aus denen man nicht viel Allgemeines ableiten kann“ (ebd.).
P ost struk tu ra lis m us : A rchäo l o gie und die M acht der D is kurse
des
W is sens
Den poststrukturalistischen Ansätzen im Allgemeinen und Michel Foucault im Besonderen geht es um eine Historisierung und Kontextualisierung von Begrif fen und Theorien. Im Zentrum von Foucaults Arbeiten steht die Frage danach, wie Wahrheit und Wissen in der Gesellschaft entstehen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass eine Gesellschaft durch Machtverhältnisse strukturiert ist, die dem Subjekt nicht nur äußerlich entgegentreten, sondern von diesem auch verin nerlicht sind. Das Subjekt ist also immer in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Strukturen zu sehen, die durch Macht, Herrschaft und hegemoniales Wissen abgesichert sind (vgl. Foucault 1993). Foucaults Interesse liegt dabei insbeson dere auf der Entstehungsgeschichte dieser Strukturen und den darauf aufbau enden Naturalisierungen von Wissen und Wahrheit. Um diese zu ergründen, beschreibt Foucault seine Vorgehensweise mit den Begriffen der „Archäologie“ und der „Genealogie“. Unter Archäologie versteht er die historische Spurensuche nach der Entstehung von Diskursen. Mit Hilfe der Genealogie nimmt Foucault die mit der Durchsetzung bestimmter Diskurse verwobenen Machtverhältnisse und Normalisierungsstrategien in den Blick, um deutlich zu machen, dass es auch alternative Möglichkeiten der Entwicklung geben kann (vgl. Foucault 1981 [1969]). Benjamins Essay (2007 [1932]) Ausgraben und Erinnern, das die His torisierung von Diskursen anmahnt, um Machtbeziehungen zu analysieren, zeigt beispielhaft, dass die Methode der Genealogie in der Tradition einer kritischen Erkenntnistheorie steht. Diskurse, die bei Foucault sowohl sprachliche als auch nicht-sprachliche Ob jekte wie Institutionen, Gesetze etc. umfassen, bilden ein Dispositiv, also eine he terogene Gesamtheit, das eine strategische Funktion hat und in Machtverhältnisse eingebunden ist (vgl. Agamben 2008). Die Genealogie deckt dabei die verbor genen Mechanismen auf, die den sozialen Praktiken und damit den Diskursver läufen zugrunde liegen, so dass diese der Reflexion zugänglich werden, in Frage gestellt und die Grenzen des Sag- und Denkbaren verschoben werden können (vgl. Hoy 1998). Indem Foucault aufzeigt, dass die spezifische Verbindung von Macht, Herrschaft und Wissen(-schaft) stets raum-zeitlich produziert ist, also an eine bestimmte Gesellschaft, Kultur und Zeit gebunden ist, können diese Struk turierungen hinterfragt und verändert werden. Jedoch sind für Foucault die Sub jekte immer in die Machtstrukturen so verstrickt, dass eine Befreiung daraus kaum
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möglich erscheint. Das Subjekt ist in dieser Sichtweise also nicht Ursprung des Wissens, der Freiheit, der Sprache und der Geschichte, sondern es wird von den gesellschaftlichen Diskursen und Machtbeziehungen überhaupt erst erzeugt und kann damit nicht unabhängig von diesen gedacht werden. Die Allgegenwart von Macht und Herrschaft – also deren „Gesamtheit, gebildet aus den Institutionen, den Verfahren, Analysen und Reflexionen, den Berechnungen und den Taktiken“ – fasst Foucault unter den Begriff der „Gouvernementalität“ (Foucault 2005: 171; vgl. Foucault 2006). Durch ein Aufzeigen des engen und unentwirrbaren Zusam menhangs zwischen den Macht- und Herrschaftsverhältnissen und der Konstitu ierung von Subjekten eröffnet Foucault eine neue Perspektive auf Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten (vgl. Moss 1998: 6 ff.). Foucaults Bemühen, allgegenwärtige Macht- und Herrschaftsverhältnisse auf zudecken, steht in der Tradition der Machtkritik der Kritischen Theorie. Trotz des unterschiedlichen Subjektbegriffs sind sich die poststrukturalistischen Ansätze sowie die Kritische Theorie darin einig, dass für das Individuum kaum Möglich keiten eines eigenständigen oder widerständigen Handelns bestehen. Foucault argumentiert dabei auf der Mikroebene der Ausübung gesellschaftlicher Gewalt, während die Kritische Theorie den Fokus auf die Makroebene und damit vor al lem auf die ökonomischen Machtverhältnisse legt. Jedoch stellt Foucaults kriti sche Sichtweise auf das Subjekt einen fundamentalen Unterschied zur Kritischen Theorie dar, da er die Möglichkeit eines universalistischen Denkens negiert, in dem er – hier folgt ihm Judith Butler (1995) – die Essenz von Kategorien in Frage stellt und nach Grenzverschiebungen sucht. Foucaults Überlegungen sind eine der theoretischen Grundlagen der Postco lonial Studies, die die Wirkungen und Rückwirkungen des Kolonialismus sowie kolonialer Diskurse und kolonialer Wissensregimes untersuchen (vgl. Conrad 2012; vgl. auch Castro Varela/Dhawan 2005). Angesichts der kolonialen Gewalt geschichte(-n) geraten zentrale Annahmen eines eurozentrischen Weltbildes ins Wanken, weil diese im „Menschrechtsnarrativ“ kaum eine Rolle spielen (Cas tro Varela 2018: 22). Die Differenzen und Widersprüche zwischen den Werten der Aufklärung und den tatsächlichen Verbrechen gegen die Menschheit lassen sich nicht mit einer Ausgrenzung Letzterer weginterpretieren, sondern erfordern „die Auseinandersetzung mit der Aufklärung, so wie sie etwa die Postkoloniale Theorie – aber auch die Kritische Theorie – in Angriff genommen hat“ (Castro Varela 2018: Manuskriptseite 20). Dabei rücken Kultur und Identitätspolitiken ins Zentrum.
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C ultu ral S tu dies : H e ge m o nien und kultu relle B e deu tungs pr o duk ti on Eine konzise Definition der Cultural Studies hat Kerstin Goldbeck (2004) vorge legt. Demnach handelt es sich bei den Cultural Studies „um ein intellektuelles Projekt, das sich alltäglichen kulturellen Praktiken widmet und sie in ihrer kontextuellen Einbettung mit besonderem Blick auf die kontextspezifischen Macht verhältnisse analysiert. Cultural Studies arbeiten interdisziplinär und wollen politisch Mög lichkeiten bereitstellen, die eigenen gesellschaftlichen Kontexte zu verändern.“ (Goldbeck 2004: 28)
Die Charakterisierung der Cultural Studies – wie auch der Postcolonial, Gender oder Queer Studies – als Projekt verdeutlicht, dass es sich nicht um einen homo genen theoretischen Ansatz mit einheitlichen Begrifflichkeiten und kanonisierten Denktraditionen handelt (vgl. Hepp/Krotz/Thomas 2009). Projekte sind offen und selbst-reflexiv und greifen auf eine Vielzahl bestehender Denktraditionen zurück, um ihre Fragestellungen zu bearbeiten. Für die Cultural Studies gilt, dass das große Spektrum an theoretischen Bezügen sowie die Vielfalt inter- und transdiszi plinärer Verortungen durch ein spezifisches Interesse an den alltagskulturellen Ef fekten gesellschaftlicher Machtverhältnisse sowie durch ein interventionistisches Wissenschaftsverständnis gebändigt wird. Sie bestechen zugleich durch die enge Verzahnung von theoretischen Ausführungen und empirischer – vor allem ethno grafisch ausgerichteter – Forschungstätigkeit (vgl. ebd.). Der weite Kulturbegriff der Cultural Studies – „culture as a whole way of life“ (Raymond Williams 1989 [1958]) – unterscheidet sich stark von dem Ador nos. Der von Adorno geprägte Dualismus von Hochkultur, die den authentischen Ausdruck erlaubt, und den Produkten der Kultur- und Unterhaltungsindustrie, die die Menschen verblenden, wird in den Cultural Studies aufgehoben. Kultur wird als die Sphäre verstanden, in der im Alltag das Ringen um Macht und Bedeutung stattfindet. „Apokalyptiker“ hat Umberto Eco (1994 [1964]) mit direktem Bezug auf Adorno und Horkheimer die Konstrukteure eines passiven Publikumsbildes genannt. Masse und Kulturindustrie seien „Begriffsfetische“, die der kritischen Elite suspekt blieben (Eco 1994 [1964]: 38–39). Führt man Ecos Argumentation weiter, dann liegt der entscheidende Fehler solcher Positionierungen darin, die ei genen Vorurteile gegen populärkulturelle Ausdrucksformen zum Ausgangspunkt ihrer Kultur- und Gesellschaftstheorie zu machen. Ecos Differenzierung zwischen „geschlossenen“ und „offenen“ Texten ist deshalb auch in die Vorstellungen der Cultural Studies eingeflossen. Zwischen Cultural Studies und Kritischer Theorie gibt es – bei allen Unterschieden im Kultur- und Ideologiebegriff wie auch in Bezug auf die Rolle von Rezipient_innen im Medienprozess – aber auch wich tige Gemeinsamkeiten wie den Bezug auf die Marx’sche Gesellschaftstheorie, die
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Ablehnung der Zentralität ökonomischer Macht- und Produktionsverhältnisse im Marxismus bei gleichzeitiger Hinwendung zu Kultur und Medien als zentralen Vermittlungsinstanzen und Ideologieproduzent_innen. Im Rückgriff auf Althusser wird Ideologie den Menschen nicht in erster Linie von außen aufoktroyiert, sondern vielmehr von diesen selbsttätig angeeignet und reproduziert, ist im Alltag gelebte und entwickelte Kultur und kann gerade des halb auch modifiziert werden. Ideologie wird in den Cultural Studies zu der sozia len Sphäre, in der Macht und Bedeutung zusammentreffen. Die Bedeutungs- und Sinnproduktion der Menschen erfolgt selbsttätig, allerdings nicht frei und selbst bestimmt, weil die bestehenden Machtkonstellationen und Dominanzverhältnisse vorgeben, dass manche Bedeutungen vor anderen favorisiert werden, manche Sinnproduktionen wahrscheinlicher sind als andere, manche Gesellschaftskon struktionen verbindlicher als ihre Alternativen. Anknüpfend an Gramsci (vgl. u. a. 1987) wird Hegemonie als die Macht der gesellschaftlichen Eliten definiert, ihre Partikularinteressen als Allgemeininteressen zu setzen und damit konsensfähige dominante Bedeutungen vorzugeben. Hegemoniale Bedeutungen können aber – insbesondere im Kontext der gering geachteten und deshalb weniger kanonisier ten und reglementierten Populär- und Massenkultur – auch durchbrochen werden, weil diese keine allumfassenden Festlegungen und exklusiven Beschreibungen liefern. 1973 hat Stuart Hall sein Encoding/Decoding-Modell vorgelegt, das die Frage nach der Produktion von Bedeutungen in der Gesellschaft neu stellt. Hall greift darin auf die neuere Linguistik zurück, die die Arbitrarität von Zeichen und die Polysemie von Texten nachgewiesen hat. Davon ausgehend wird in den Cultural Studies ein weiter Medien- und Textbegriff verwendet, der nicht nur klassische ,Massenmedien‘ oder verbale Äußerungsformen umfasst, sondern alle Träger von Bedeutung, also insbesondere auch Kunstwerke miteinschließt. Von der Polysemie der Zeichen ausgehend, wird die Rezeption in diesem Modell – und in dezidierter Abgrenzung von klassischen Wirkungsmodellen – zu einem eigenständigen Mo ment im Kommunikationsprozess. Neben der Kodierung von Medientexten im Produktionsprozess ist auch eine eigenständige Dekodierung notwendig, die zwar häufig, aber längst nicht immer mit den im Ursprungstext nahegelegten Bedeu tungen übereinstimmt: Entschlüsselung muss nicht gleich Verschlüsselung sein! Kulturelle und soziale Kontexte wirken in Produktions- wie Rezeptionsprozessen und führen zu vielfältigen Bedeutungszuschreibungen an kulturelle Produktionen. Das Encoding/Decoding-Modell ist in den Kreislaufmodellen von Johnson (1985) und du Gay et al. (1997) weiterentwickelt worden, in denen die Vermittlung zwi schen Mikro- und Makroebene, die Regulation des Kommunikationsprozesses so wie auch seine identitätsstiftenden Aspekte stärkere Beachtung gefunden haben.
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G en der und Q ueer S tu dies : S o ziale D if fe ren zie run gen und die K ri tik an K ate g o rien Wie bei den Cultural Studies handelt es sich auch bei den Gender Studies um ein Theorieprojekt, das sich aus zahlreichen Traditionen und theoretischen Strömun gen speist und einen interventionistischen Anspruch vertritt. Zu einer disziplin übergreifenden Diskussion trugen feministische Wissenschaftler_innen Überle gungen aus der Philosophie und Erkenntnistheorie, der Wissenschaftsgeschichte, der Geschichte, der Soziologie und anderen Sozial- und Kulturwissenschaften bei. Die Bewegung von der frühen Frauenforschung hin zu den heutigen Gender Stu dies ist von einem Ringen um ein angemessenes Verständnis der Kategorie Gen der begleitet. Gender wurde als vieldimensionale soziale Kategorie sichtbar, die zugleich ein Klassifikationssystem liefert, eine zentrale gesellschaftliche Struktur kategorie darstellt und als Ideologie ein Genderregime begründet (vgl. Robinson 1992: 135; Klaus 2005). Gender als Klassifikationssystem zeigt die Zuweisung von hierarchisierenden Positionen in den verschiedenen sozialen Feldern. Gen der als Strukturkategorie verweist darauf, dass der binäre Geschlechtercode – die Entgegensetzung von männlich und weiblich – jenseits des Wollens und oft sogar des Bewusstseins der gesellschaftlichen Subjekte wirksam ist. Als Ideologie liegt der Genderkategorie eine Naturalisierung von Unterscheidungen zugrunde, die Unterschiede überhaupt erst ,machen‘ bzw. hervorbringen. In den Gender Stu dies wird deshalb der Verwobenheit des Genderdualismus mit anderen Diskursen, etwa dem Kunst- und Kulturdiskurs, Aufmerksamkeit geschenkt. Im Forschungs feld der Intersektionalität werden heute Verschränkungen von Gender mit ande ren, Ungleichheit generierenden Kategorien bzw. Diskursen wie Race, Ethnie, Klasse etc. erforscht (vgl. Drüeke/Klaus/Thiele 2014). Die Bezüge zur Kritischen Theorie, aber auch deren Weiterentwicklung durch die Gender Studies sind vielfältig. So wird die Herrschafts- und Wissenschafts kritik aufgenommen, das Konzept von Öffentlichkeit weiterentwickelt sowie vor allem in den Cultural Gender Studies die Rolle des Publikums neu bestimmt. Im Spannungsfeld von Feminismus, Kritischer Theorie und postmoderner Theorie ergeben sich nach Knapp (vgl. 1999: 14) wichtige Anknüpfungspunkte für die Reformulierung und Ausdifferenzierung feministischer Herrschaftskritik (vgl. auch Becker-Schmidt 1999: 122 ff.). Feministische kritische Theorie, so Corne lia Klinger (1999: 254 f.), ist überwiegend als eine „Denkform“ zu verstehen, die sich zentral auf das normative Konzept von Gerechtigkeit bezieht. Insbesondere Donna Haraway (1995a) hat sich kritisch mit den Wissensbeständen einer Gesell schaft auseinandergesetzt und mit dem Begriff des „situierten Wissens“ betont, dass wissenschaftliche Objektivität und Grenzziehungen radikal in Frage zu stel len sind. Da immer nur von einem bestimmten Standpunkt aus gesprochen werden
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kann, stellt sich die Frage nach den Bedeutungen von grundlegenden Konzepten wie Vernunft, Universalität, Objektivität, Gerechtigkeit oder Wahrheit. Insbesondere die Arbeiten von Judith Butler haben die Gender Studies tief greifend verändert und wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Queer Stu dies genommen, weil Butler (1995) die lange Zeit in der Geschlechterforschung geläufige Trennung von Gender und Sex hinterfragt hat. Jene Trennung, so Butler, habe letztlich die Vorstellung bestätigt, dass es eine biologische Essenz gibt, die das heteronormative Geschlechterverhältnis begründet. Nach Butler ist aber auch Sex als eine normative Kategorie nicht vom Genderdiskurs zu trennen. Butler stellt heraus, dass Sex eben nicht als „vordiskursiv“ angesehen werden kann, da es einem Subjekt nicht möglich ist, sein Geschlecht durch Handeln hervorzubrin gen, da es kein „Ich“ außerhalb der Konstruktion von Sex/Gender gibt (vgl. Butler 1997: 28). In dieser Konstruktion werden kulturelle und gesellschaftliche Hege monien und Privilegien fortgeschrieben und dominante, als ,normal‘ angesehene Subjektivitäten erzeugt. Mit Verweis auf die Sprechakttheorie führt Butler den Begriff der Performativität von Geschlecht ein, so dass die vermeintliche Binari tät des Geschlechterkörpers grundlegend in Frage gestellt wird. Performativität ist „die [sich] ständig wiederholende Praxis, durch die der Diskurs die Wirkung erzeugt, die er benennt“ (Butler 1997: 22). Ebenso wie in den poststrukturalisti schen Ansätzen werden in den Queer Studies die Möglichkeiten eines intentional handelnden Subjekts kritisch gesehen. Den Gender und Queer Studies liegen kon struktivistische Perspektiven zugrunde, denen trotz vieler Unterschiede die Kritik an Essenzialismen, die Radikalisierung von Subjektkritik und die damit einherge hende Neukonzeptionierung von Subjekt und Subjektivität sowie eine selbstrefle xive erkenntnistheoretische Positionierung gemeinsam sind (vgl. Pühl et al. 2004). So schlagen die Queer Studies vor, queer nicht als Identität, sondern als Identi tätskritik zu konzeptionieren. Damit wird nicht nur die Geschlechterdifferenz in den Blick genommen, sondern es werden vor allem Kategorisierungen kritisiert und ein Denken jenseits von Dichotomien angeregt: „Queer ist immer eine Iden titätsbaustelle, ein Ort beständigen Werdens.“ (Jagose 2001: 165) Normen und kulturelle Vorstellungen werden so auf ihre Inklusions- und Exklusionsmecha nismen hinterfragt. Die „VerUneindeutigung von Geschlecht und Sexualität“, die Antke Engel (2007) entlang einer ausführlichen Analyse queerer Theorien kon zipiert hat, ist als Teil queerer Politik zu verstehen. Die Bedeutung von queer ist damit in permanenter Aushandlung begriffen (vgl. Englert et al. 2009: 12 f.) und Queering lässt sich als ein politisches Projekt verstehen, das einerseits auf einer theoretischen Weiterentwicklung beruht, aber andererseits auch explizit eine prak tische Ebene mit einbezieht. Denn die politische, kulturelle und künstlerische Pra xis inspiriert queere Theoriebildungen und liefert dafür den Kontext (vgl. Engel/ Schulz/Wedl 2005). Queere Repräsentationen und kulturelle Praktiken können dann, so Engel (2007: 296 f.), als „produktive Irritationen“ dienen, um die Bedeu
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tungen von Geschlecht und Sexualität und die damit verbundenen Hierarchien zu durchbrechen. Damit lassen sich „verschiedene soziale Fragen aus minorisierten Perspektiven“ in den Blick nehmen, die gleichzeitig mit künstlerischen Mitteln bearbeitet werden (vgl. Lüth/Mörsch 2015: 188). Politische, kulturelle und künst lerische Praktiken und queere Theoriebildungen stehen sich also nicht dichotom gegenüber, sondern bedingen und inspirieren sich gegenseitig.
Z um S tel len w ert von K ri tik in der zeit ge nös schen K unst - und si K ultur o duk pr on . E in kur zes F a zit ti Neben zentralen, sie verbindenden Elementen nehmen die verschiedenen Ansätze kritischer Kultur- und Gesellschaftstheorie in Bezug auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen unterschiedliche Positionen ein. Dadurch wird die Kritische Theorie durch ihre je spezifische Herangehensweise modifiziert und weiterent wickelt. So sind einige der Ansätze stärker in der Mikroebene gesellschaftlichen und kulturellen Handelns verankert, während andere, wie die Kritische Theorie selbst, die Makroebene betonen. Die Möglichkeiten einer Veränderung der beste henden Verhältnisse werden dabei sehr unterschiedlich beurteilt: Betonen etwa die Cultural Studies und die Gender Studies Möglichkeiten der Partizipation und Emanzipation, fokussieren beispielsweise Bourdieu und Foucault stärker die Me chanismen der Täuschung, Verblendung und Manipulation, die gesellschaftliche Veränderung auch verhindern können. Kontrovers wird auch diskutiert, was jeweils unter ,Kritik‘ zu verstehen ist. So nehmen etwa im Gegensatz zu Habermas und seinem Bestreben, normative Kriterien für eine demokratische Öffentlichkeit und Politik zu entwickeln, vor allem poststrukturalistische Theoretiker_innen einen anderen Standpunkt ein. Denn damit werde ein verallgemeinerndes ,Wir‘ konstruiert, dass es so nicht ge ben könne, eine Vorstellung von Gerechtigkeit etabliert und in der Folge Werte festgelegt, die zu neuen Exklusionen führten (vgl. u. a. Butler 2001). Stattdessen geht es Foucault nicht um die Aufstellung neuer Normen und Werte, sondern dar um, „nach der verschließenden Konstitution des Feldes der Kategorien selbst“ zu fragen (ebd.). Kritik beinhaltet dann vor allem die Hinterfragung von vermeint lich natürlichen Wissensbeständen und legt dessen Grenzen und Ausschlüsse of fen. Letztlich schließen sich beide Arten der Kritik nicht unbedingt aus. In der konkreten künstlerisch-kulturellen Produktion und einer engagierten, kritischen (Aktions-)Forschung wird es notwendig sein, auf bereits bestehende Werte und Normen als Maßstab für Kritik und Veränderung zurückzugreifen. Zugleich muss damit aber stets auch ein kritisch-dekonstruktivistisches und ein selbstkritisches Überdenken und Überarbeiten eben dieser Normen und Maßstäbe verbunden sein,
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wie etwa die konfliktreiche Debatte um ,partizipative Kunst‘ zeigt (vgl. Rancière 2015; Milevska 2016). Zeitgenössische kritische Kunst- und Kulturproduktion knüpft dabei an eine große Bandbreite an Theorien sowie an Theorietraditionen an. Dabei kann heute weniger denn je von einer kritischen Theorie in der Einzahl als vielmehr von ei nem Zusammenhang ausgegangen werden, in dem in der künstlerisch-kulturellen Auseinandersetzung mit der Gegenwart und ihren Problemen auf eine Vielzahl von Konzepten und Vorstellungen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen zurück gegriffen wird, deren Gemeinsamkeit eben vor allem darin besteht, „dass Dinge nicht notwendig das sind, was sie scheinen“ (Rogoff 2003: o. S.).
Kritische kulturelle Teilhabe: Theoretische Ansätze und aktuelle Fragen
Kritische kulturelle Teilhabe: Theoretische Ansätze und aktuelle Fragen1 Elke Zobl
D ie
de m o kratie p o li ti sche
F unk ti on
von
K ultur
Wie kann eine demokratiepolitische Vorstellung von Kunst und Kultur umgesetzt werden? Wie können viele – oder gar „alle“2 – die Möglichkeit haben, an Kultur teilzuhaben? Wie können sich die Kunst- und Kulturinstitutionen dahingehend öffnen und transformieren? Und welche Rolle spielt dabei die Bildung? Dies sind grundlegende Fragen in einer demokratischen Gesellschaft. Dahinter steht, dass Kunst und Kultur keine neutralen, sondern umkämpfte Begriffe sind. Sie sind in historische Entwicklungen mit unterschiedlichen Vorstellungen eingebettet, je nachdem welche Rolle sie in der Gesellschaft spielen können und sollen. Der Zugang zu Kunst und Kultur sowie die Ermöglichung der Produktion von Kunst und Kultur stellen Grundrechte demokratischer Gesellschaften dar. Daher ist es im Sinne einer Teilhabe- und Verteilungsgerechtigkeit eine grundlegende Aufgabe der öffentlichen Hand, ein möglichst breites und vielfältiges kulturelles Angebot für das Gemeinwohl bereitzustellen und zu unterstützen.
1 Dieser Beitrag basiert auf meinem im eJournal p/art/icipate erschienenen Artikel Per spektivwechsel gefragt: Hin zu einer selbstreflexiven und kritischen kulturellen Teilhabe (Zobl 2018). Er entstand im Nachfeld der Gesprächsreihe Kultur für alle – Kultur mit allen? Positionen,Reflexionen, Handlungsfelder kultureller Teilhabe am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst im Wintersemester 2017/18. Ich danke allen Gesprächspart ner_innen ganz herzlich, Laila Huber und Elke Smodics für ihre wichtigen Inputs und die Zusammenarbeit und Marcel Bleuler, Persson Perry Baumgartinger sowie Siglinde Lang für das Feedback zur Überarbeitung dieses Textes! Nähere Infos zur Gesprächs reihe unter: http://www.w-k.sbg.ac.at/de/zeitgenoessische-kunst-und-kulturproduktion/ vermittlung/gespraechsreihen/kultur-fuer-alle-kultur-mit-allen.html (7. 11. 2018). 2 Vgl. dazu den Diskurs zu „Kultur für alle“ (Hoffmann (1981 [1979]); Benzer 2016; Fuchs 2016a und 2016b; sowie die Ausgabe unseres eJournals p/art/icipate 2018 unter dem Titel Open Up!).
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Die Kulturwissenschaftlerin Wanda Wieczorek (2018) hat Teilhabe3 folgen dermaßen definiert: „Teilhabe ist ein umfassender Begriff, der Möglichkeiten des Individuums bezeichnet, sich als Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu begreifen und gestaltend darauf Einfluss zu nehmen. Kulturelle Teilhabe ist ein Element dieser allgemeinen sozialen Teilhabe. Sie umfasst sowohl die Teilnahme an Kultur als auch die eigene kulturelle Produktion und er fordert den souveränen Umgang mit unterschiedlichen kulturellen Ausdrucksformen und Codes, aus dem Optionen der Mitwirkung und Mitgestaltung erwachsen […].“ (Wieczorek 2018: 5)
Diesen Ansprüchen steht eine Realität gegenüber, in der die Mehrheit der Kultur institutionen keine offenen Orte für ,jedermensch‘ sind, sondern Orte der Selbst vergewisserung der mittleren und höheren Gesellschaftsschichten, die (großteils) unter sich bleiben (vgl. Mandel 2016a): „Der öffentliche Auftrag an die Kultur institutionen verkehrt sich so ins Gegenteil: Anstatt allen Personen gleicherma ßen Zugang zum kulturellen Angebot und zur eigenen Produktion zu verschaffen, stellen sie selbst die Barriere dar, die den Weg zur Kultur erschwert.“ (Ebd.: 7) Teilhaben (können), oder nicht, ist daher die Frage. In diesem Beitrag geht es mir darum, im Feld der kulturellen Teilhabe, in dem sich Praxis und theoretische Debatten in Wechselwirkung voranbringen, Posi tion zu beziehen. Ich argumentiere hier für einen Ansatz einer kritischen kultu rellen Teilhabe, der auf einer selbstreflexiven und institutionskritischen Haltung beruht, in Theorie und Praxis gesellschaftliche Machtverhältnisse in den Blick nimmt und eine Transformation der bestehenden Verhältnisse und Institutionen zum Ziel hat.4 Auf einer theoretischen Ebene geht es mir darum, diesen Ansatz einer kritischen kulturellen Teilhabe mit jenem der kritischen kulturellen Produk tion, wie wir ihn am Programmbereich Zeitgenössische Kunst & Kulturproduk tion am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ausgearbeitet haben, zu verbinden (vgl. Lang/Klaus/Zobl 2015). Kritische kulturelle Produktion verstehen wir im Sinne der Cultural Studies als engagiertes und produktives Mitgestalten der eige nen Lebenswelt und damit verbundener kultureller und öffentlicher Prozesse der
In einer transdisziplinären Arbeitsgruppe in dem Projekt Kulturelle Teilhabe in Salz burg (2017–2020) erforschen wir Grundlagen, Möglichkeiten, Herausforderungen und Strategien kultureller Teilhabe allgemein und in Stadt und Land Salzburg im Besonde ren. Dabei interessiert uns, welche Ausschlüsse im Kulturbereich stattfinden, wir eruie ren, wo Handlungsbedarf besteht, und geben Impulse für Veränderungen (vgl. Website). 4 Die Arbeiten des Institute of Art Education (IAE) an der Zürcher Hochschule der Künste unter der Leitung von Carmen Mörsch waren und sind für mich in der Entwick lung dieses Ansatzes zentral. Mörsch vertritt einen Ansatz der Kulturvermittlung als kritische und selbstreflexive Praxis, von dem ich sehr viel gelernt habe und auf den ich mich in dem Beitrag beziehe (vgl. Website IAE).
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Kritische kulturelle Teilhabe: Theoretische Ansätze und aktuelle Fragen
Bedeutungskonstituierung: Kultur wird als ein partizipativer und kollaborativer Prozess gelebt, in dem Sichtweisen und Einstellungen erzeugt, aufgenommen und in einem öffentlichen Zirkulationsprozess distribuiert werden. Zentral ist dabei die Verhandlung von demokratischen Öffentlichkeiten und Räumen, aber auch von Konflikten, Macht, sozialen Ungleichheiten und Ausschlussmechanismen. In dem Beitrag zeichne ich zu Beginn kurz die Verschränkung von Kultur und Bildung nach, um anschließend auf den kulturpolitischen Slogan „Kultur für alle!“ als eng verbunden mit dem Ziel einer Demokratisierung der Gesellschaft einzugehen. In dem Bestreben, Ausschlüssen entgegenzuwirken, thematisiere ich darauffolgend Fragen der Teilhabe in der kritischen Kulturvermittlung und der transkulturellen Kulturarbeit. Ich schließe mit Überlegungen zu verschiedenen Handlungsfeldern.
D as Z u sa m m en w ir ken
von
K ultur
und
B il dung
Seit jeher sind Kultur und Bildung eng verschränkt, wobei seit Ende des 18. Jahr hunderts eine ,Verbürgerlichung‘ der Bildung und Künste zu verfolgen ist: So entstand etwa vor allem im Zuge der französischen Revolution und der Industria lisierung die Idee, Bildung und Künste zu demokratisieren, sodass alle (bürger lichen) Gesellschaftsmitglieder einen Anspruch darauf haben (vgl. Sturm 2002 in IAE 2013: 22).5 Weiters entwickelte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Vorstellung, das Museum für das ,breite‘ Publikum zu öffnen und zugänglich zu machen. Jedoch, wie der Kulturwissenschaftler Tony Bennett argumentiert, funk tionierte das Museum hier als Disziplinierung der Gesellschaft mittels Instruktion (vgl. Sternfeld 2015 [2005]). In dieser Zeit öffneten sich auch die Universitäten und es entstanden Volkshochschulen, die jedoch, anstatt Lernende zu ermächti gen, bürgerliche Werte und Normen mittels Disziplinierung weitergaben (vgl. ebd.). Zudem begannen sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts volksbildnerische Ansätze und eine Museumspädagogik zu entwickeln. Diese Ansätze gingen von einem natürlich begabten Individuum aus, das so gebildet werden sollte, dass es in der Gesellschaft funktionieren könnte (Sternfeld spricht von der „Taxifahrer methode“, vgl. 2015 [2005]). Diesen Ansätzen gegenüber steht ab Mitte des 20. Jahrhunderts eine Ent wicklungslinie, die als Bildungsziel Selbstrepräsentation und Selbstermächtigung formuliert und Pädagogik in den Kontext gesellschaftlicher Machtverhältnisse setzt. Im Zusammenhang kritischer und radikaler Pädagogik, wie sie u. a. Paulo Freire (1978 [1970]) und bell hooks (1994b) prägten, wird Bildung als Prozess 5 Dies ist natürlich eine sehr verkürzte und kondensierte Darstellung, für eine weiterge hende Diskussion vgl. auch Fuchs 2018.
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der Politisierung verstanden6. Gleichfalls arbeiten die Cultural Studies vor dem Hintergrund ihrer starken Verankerung in der Erwachsenenbildung und im Sinne einer „critical pedagogy“ mit einem erweiterten Kulturbegriff (vgl. Giroux 1994; Mecheril/Witsch 2006). Dieser zielt auf eine Auflösung der Grenzen zwischen Kunst, Kultur und Alltag sowie auf einen offenen Zugang zu Kunst und Kultur und beinhaltet ein Verständnis von Bildung, das Mittel zur Selbstermächtigung mit dem Ziel einer langfristigen sozialen und politischen Veränderung zur Ver fügung stellen will. Dementsprechend ist es Auftrag und Ziel von Bildung, dazu beizutragen, dass die Menschen jene Machtmechanismen erkennen lernen, die ihr Leben prägen. Denn diese Reflexion ist Voraussetzung, um darauf aufbauend (selbstermächtigende) Veränderungen initiieren zu können. Bildung wird in dieser Perspektive als gegenseitiger Lernprozess und kollaborative Wissensproduktion aufgefasst. Bildung als kritische Praxis bedeutet dabei, Theorie, Reflexion und das Erproben von Handlungsstrategien als zusammengehörig zu verstehen (vgl. Zobl/Huber 2015). Zentral in der Debatte um gesellschaftliche Ausschlüsse sind die Arbeiten des Soziologen Pierre Bourdieu. Ende der 1970er Jahre stellte Bourdieu in seiner ein flussreichen Studie Die feinen Unterschiede (1979) fest, dass Kunstinstitutionen der sozialen Distinktion des Bürgertums dienen. Damit einher geht die Feststel lung, dass eine Vielzahl von (steuerzahlenden) Menschen nicht von öffentlich ge förderten kulturellen Angeboten erreicht wird und ökonomische und bildungspo litische Ausschlüsse und Barrieren in Kunst und Kultur wirkmächtig sind. Weiters kritisiert er die Idee, dass Bildungsinstitutionen allen offen stünden. Im Gegen teil müsse offengelegt werden, dass es keine „natürliche Begabung“ gebe, und Letztere als ein bürgerliches Konstrukt zu verstehen sei, das klassenspezifische Unterschiede verstärke. Aktuelle Studien wie Art.School.Differences (Schweiz, vgl. Website und Mörsch 2018) zu Ein- und Ausschlussmechanismen an Kunst hochschulen zeigen: „Kein anderes gesellschaftliches Spielfeld ist so exklusiv wie die Künste.“ (Mörsch 2016: o. S.) Gerade die Institution Schule spielt in der Reproduktion von sozialen Un gleichheitsverhältnissen eine zentrale Rolle, kann aber gleichzeitig auch als zen traler Ort für Transformationen eben dieser verstanden werden. bell hooks sieht den Klassenraum − und/oder jeden anderen Raum der Vermittlung − als einen Raum, in dem Veränderung möglich ist (vgl. 1994b: 110, zitiert in KazeemKaminski 2016). Der kanadische Erziehungswissenschaftler Rubén GaztambideFernandez sieht Bildung als kulturellen Prozess und Schule als einen „Ort für eine engagierte und dauerhafte kulturelle Praxis“ (2014: 7). Er schlägt – ziemlich radikal – vor, den Kunstbegriff im Bildungskontext außen vor zu lassen. Dieser sei mit einer Wirkungsrhetorik und einem eurozentrischen und elitären Kunst- und 6 Zum Verhältnis von Demokratie und Erziehung vgl. zentral John Dewey (1964).
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Kulturverständnis verknüpft. Ausschlüsse würden im Sinne sozialer Distinktion (re-)produziert. Er plädiert daher im Sinne der Cultural Studies für ein Verständ nis von „Kultur als Praxis“ und dafür, den Fokus auf das Tun der beteiligten Ak teur_innen zu richten. Gaztambide-Fernandez argumentiert, anstatt von den Küns ten von „symbolischer und kultureller Arbeit“ bzw. „symbolischer Kreativität“ als kultureller Produktion zu sprechen (ebd.: 56). In Bildungskontexten, wie z. B. in der Schule, kann so ein Ansatz produktiv sein, wie ich selbst im Kontext der Pro jekte Making Art, Making Media, Making Change! und Making Art, Taking Part! (s. Bildteil) beobachten konnte: Wenn wir in der Arbeit mit Schüler_innen von künstlerischen Workshops sprachen, drängten sich ihre jeweiligen intrinsischen Vorstellungen, Erwartungen und natürlich auch Vorurteile vom Gefüge ,Kunst‘ in den Vordergrund – Kunst war großteils etwas, das nichts mit ihnen zu tun hatte. Wenn wir uns stattdessen auf kulturellen Strategien (wie DIY) bezogen, beob achteten wir eine grundlegendere Offenheit, ohne den Ballast des Systems Kunst mitzutransportieren. Der Erziehungs- und Kulturwissenschaftler Max Fuchs fordert eine kritische Kulturpädagogik (2017). Ausgehend von einer historischen Verankerung des Be griffs „kritisch“, u. a. in der „Kritischen Theorie“ der Frankfurter Schule, müsse eine kritische Pädagogik ihren Blick auf gesellschaftliche Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten und die wachsende neoliberale, ökonomische Denkweise, die sich durch einen positivistischen Kompetenzbegriff und Humankapital auszeich net und sich auf die innere Formung des Subjekts auswirke, richten (vgl. ebd.). Er sieht daher die zentrale Aufgabe einer kritischen Kulturpädagogik darin, die Auswirkungen des Prozesses der Neoliberalisierung auf die Persönlichkeit zu analysieren und Widerständigkeiten vor allem mittels künstlerischer bzw. kreati ver Praktiken zu mobilisieren. Abschließend fordert er die in Theorie und Praxis bestehenden „Denkanstrengungen zu bündeln“ (ebd.: o. S.) und spricht sich für eine entsprechende kritische kulturelle Bildungspolitik aus. Der Verweis auf die neoliberale Umstrukturierung unserer Gesellschaft, den Fuchs hier argumentiert, ist für ein kritisches Verständnis kultureller Teilhabe zentral, da sie Individuen wie Strukturen gleichermaßen betrifft.
K ultu relle T eil ha b e : D ie F or de rung „K ultur
für alle !“
Bereits 1948 formulierten die Vereinten Nationen das Recht „am kulturellen Le ben der Gemeinschaft frei teilzunehmen“ als ein Menschenrecht (Artikel 27, Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen). Auf der UNESCO-Weltkonferenz über Kulturpolitik in Mexiko-Stadt wurde im Jahr 1982 weiters eine Demokrati sierung der Kultur gefordert. In der kulturpolitischen Forderung der 1970er/80er
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Jahre „Kultur für alle!“ wird die Vision einer kulturellen Teilhabe „aller“ in einer heterogenen Gesellschaft lebenden Menschen eingefordert (vgl. Hoffmann 1981 [1979]; zur historischen Dimension vgl. Fuchs 2018) – ein „Bürgerrecht Kultur“ (vgl. Glaser/Stahl 1983). „Kultur für alle!“ bestand in der Forderung einer Demo kratisierung von Kultur in der Verbindung von Teilhabegerechtigkeit und Abbau von Barrieren mit einer Wertschätzung alternativer kultureller Praktiken und kul tureller Bildung (vgl. Bockhorst/Reinwand/Zacharias 2012; Fuchs 2016a). Im Zuge einer Kritik am elitären Kulturbegriff und an paternalistischen Vor stellungen einer „Kultur für alle!“ wurde aus dem zunehmend bedeutungsleeren Slogan zunächst eine „Kultur von allen für alle!“ und in der Folge eine „Kultur mit allen!“ (vgl. Benzer/IG Kultur Vorarlberg 2016). Zentral waren und sind dabei De batten um kulturelle Diversität, Cultural Citizenship, critical dis_ability, eine DoIt-Yourself-Kultur und eine kritische Kunst- und Kulturvermittlung. So forderte die behindert und verrückt feiern Pride Parade am 15. Juli 2017 in Berlin: „ganz haben statt teilhaben!“7 In einem Interview erklären die Pride-Organisator_innen: „Mit ,Ganzhabe‘ meinen wir die vollständige und umfassende Teilhabe für behinderte und verrückte Menschen. Mit dem 2016 erlassenen Bundesteilhabegesetz (BTHG) sollte bei spielsweise die Teilhabe behinderter Menschen vergrößert werden. Tatsächlich gibt es klei nere Verbesserungen, aber die sind sehr überschaubar. Dafür enthält das Gesetz weitere Einschränkungen der Selbstbestimmung behinderter Menschen. ,Ganzhaben statt teilhaben‘ heißt: wir wollen die ganze Bäckerei statt nur Krümel. Wir wollen eine Gesellschaft, in der kein Mensch ausgegrenzt wird.“ (O. V. 2017: o. S.)
Die Idee der „Ganzhabe“ stellt die selbstbestimmte und ermächtigende Teilhabe aller Menschen an allen Bereichen der Gesellschaft in den Mittelpunkt (vgl. Magdlener 2018). Zwar haben sich vor dem Hintergrund dieser Forderungen und Entwicklun gen die Vielfalt des Kulturangebots und die Voraussetzungen für kulturelle Parti zipation verbessert, allerdings ist kulturelle Teilhabe weiterhin eng mit „vererb tem“ Bildungsstand, Einkommensverhältnis, sozialer Herkunft und Sozialisation verbunden (vgl. Scheytt/Sievers 2010; vgl. zu kulturellen Ungleichheiten Fuchs 2016b; Pilić/Wiederhold 2015; Mandel 2017 [2016]). Mit Forderungen nach glei chen Bildungs- und Teilhabechancen sind zum einen Kulturinstitutionen aufge fordert, institutionskritisch ihre eigenen Ausschlussmechanismen, Privilegien und Hierarchien zu reflektieren und vermittlerische Bildungsarbeit mit einem mög lichst gleichwertigen Austausch von Erfahrungen von Menschen aus unterschied lichen Gesellschaftsbereichen (vgl. Stöger 2002) einzusetzen. Zum anderen ist die Kulturpolitik dazu aufgefordert, das kulturelle Leben zu öffnen und Teilhabege rechtigkeit ausdifferenziert umzusetzen. 7 Vgl. Website und Facebook-Auftritt.
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T heo re ti sche A n sätze und ak tu elle F ragen der T eil ha be in der kri ti schen K ulturv er m itt lung Ein Ziel von Kulturvermittlung ist es, soziale Ausschlüsse im kulturellen Feld zu bekämpfen (vgl. IAE 2013: 34). Kulturvermittlung stellt eine sehr heterogene Pra xis mit unterschiedlichen Positionierungen dar. Unter dem Begriff der Kulturver mittlung, der ein unscharfer und weit gefasster Sammelbegriff ist, wird ein diver ses Feld der kulturellen Bildung in Kunst- und Kulturinstitutionen, in der Schule und in außerschulischen Einrichtungen und Projekten subsumiert. Generell wird er „für Situationen angewendet, bei denen Menschen über die Künste (oder auch wissenschaftliche und gesellschaftliche Phänomene und Erkenntnisse) informiert werden, über sie in Austausch treten und auf sie reagieren – sei es sprechend oder mit anderen Ausdrucksformen“ (ebd.: 15). Im Feld der Kulturvermittlung lassen sich in den letzten Jahren eine Aufwer tung und ein regelrechter Boom beobachten. Dahinter steht u. a. die Notwen digkeit, sich als öffentlich subventionierte Institutionen zu legitimieren und die demokratiepolitische Forderung nach Teilhabemöglichkeiten der Bevölkerung (vermehrt) einzulösen (vgl. ebd.). Aufbauend auf einem emanzipatorischen Pädagogikverständnis begreift sich die kritische Kunst- und Kulturvermittlung (vgl. Jaschke/Sternfeld 2012; Mörsch 2009 und 2012a; Settele/Mörsch 2012; Sternfeld 2015 [2005]) als eine hegemo niekritische Praxis (vgl. IAE 2013). Carmen Mörsch beobachtet dabei die Bildung von neuen Allianzen zwischen kritischen Kurator_innen, Künstler_innen und Ver mittler_innen im Versuch, die Institutionen von innen zu verändern und durch kri tische Bildungsansätze Handlungsspielräume zu erweitern (vgl. 2012a: 69; 2011). Diese Veränderung der Institution Museum – aber auch der Institutionen Schule und Universität – von innen könnte demnach zur Schaffung einer „kritischen Insti tution“ führen (vgl. Fraser 2005: 278; Mörsch 2012a). Dies erfordert auch, die ver steckten Normen und Werte in der Kulturvermittlung selbst zu hinterfragen, sowie den Willen der involvierten Institutionen und Personen, sich zu verändern sowie sich selbst zu widersprechen (vgl. IAE 2013: 39, in Referenz zu Frigga Haugg). Welche Möglichkeiten und Formen der Teilhabe gibt es in der Kulturvermitt lung? Mörsch skizziert fünf Beteiligungsgrade: rezeptiv (Aufnehmen und Inter pretieren von Information z. B. in Form von Führungen, Lesungen oder schriftli chen Informationen), interaktiv (Dialog, Nachfragen, Diskussionsmöglichkeiten), partizipativ (Teilnehmende haben Möglichkeiten der eigenständigen Gestaltung), kollaborativ (Rahmen, Thematik und Methoden werden gemeinsam entwickelt) und reklamierend (eine Interessensgruppe von außen tritt an eine Kulturinstitution heran) (vgl. IAE 2013: 86 ff.). Die Kulturvermittlung nimmt dabei eine affirma tive, reproduktive, dekonstruktive, reformative und/oder transformative Funktion ein (vgl. ebd.: 113 ff.; Mörsch 2009).
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In der Kulturvermittlung werden wichtige Fragen zum Lernen als Ergebnis hegemonialer Verhältnisse sowie zum Durchbrechen von angelernter Praxis und gängigem Wissen diskutiert. Prozesse des Lernens und Verlernens von Denk- und Handlungsmustern, so Nora Sternfeld (2014), sind entscheidend, um Kritik zu äußern und gesellschaftliche Transformationen anzustoßen. In der Vermittlungs arbeit geht es demnach vor allem darum, Räume zu öffnen, in denen neue Fragen, Handlungsmöglichkeiten und Öffentlichkeiten entstehen können. Im Zentrum steht dabei die Frage, wer Sprechraum in den Institutionen Kunst- und Kultur er hält – oder sich diesen aneignet – und wie die Machtverhältnisse zu Gunsten der Veränderung von Sprechpositionen genutzt werden können (vgl. Jaschke/Stern feld 2012: 18 f.). Die kritische Kulturvermittlung macht deutlich, dass es auf verschiedenen Ebenen Interventionen geben kann (vgl. Lüth/Mörsch 2015): So sollen zum ei nen die bisherigen Vorstellungen über kulturelle Bildung reflektiert und eine Dis kussion darüber angestoßen werden, welcher Kunst- und Kulturbegriff solchen Setzungen zugrunde liegt. Zum anderen ist es wichtig, vielfältige Informationsund Unterrichtsmaterialien zu entwickeln, die gesellschaftskritische Momente aus einer antirassistischen und queer-feministischen Perspektive mitdenken bzw. als Ausgangspunkt nehmen, wie etwa FLIC FLAC* Feministische Materialien für den Kunstunterricht von Büro trafo.K (2011), die Toolbox Verletzende Sprache angehen (Huber 2014), der Rassismuskritische Leitfaden (Projekt Lern- und Erin nerungsort Afrikanisches Viertel 2015) sowie das RCG – Magazin zu Intersektio nalität (AG Postkoloniale Migration(en) und Anti-Rassismus 2014) und die von uns entwickelte Toolbox Do-It-Yourself, Do-It-Together! Materialien für eine kri tische und feministische Vermittlungspraxis8. Diese Entwicklung von Lehrmaterialien geschieht aktuell auch in transna tionalen Arbeitsgruppen der Another Roadmap School9, die im Projekt Another Roadmap for Arts Education mitarbeiten. Das Projekt bezieht sich auf die Ver öffentlichung der Roadmap for Arts Education (2006) und der darauf folgenden Seoul Agenda durch die UNESCO und die darin hergestellte Sichtbarkeit von kul tureller Bildung als global bedeutendes Thema10. Die Projektverantwortlichen se hen daher die Notwendigkeit, sich international zu vernetzen und Akteur_innen aus Museen, Universitäten, Schulen und aus der freien Kultur- und Bildungsarbeit zusammenzubringen, um „die kulturelle Bildung als engagierte Praxis für sozia 8 Vgl. Website des Projektes Making Art, Making Media, Making Change. Für eine Zu sammenstellung solcher Materialien siehe das Archiv für emanzipatorische Praxen, das im Projekt Strategien für Zwischenräume. Neue Formate des Ver_Lernens in der Mi grationsgesellschaft von Büro trafo.K entwickelt wurde (vgl. Website), sowie die Ma terialiensammlung auf der Website des Projektes Making Art, Taking Part. 9 Vgl. Website 10 Vgl. Website Another Roadmap to Education
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len Wandel“ (vgl. Website Another Roadmap to Education) zu betreiben. Projekte wie diese legen nicht nur verschiedenste (eurozentristische, elitäre) Grundannah men über die Funktion und das Verständnis von Bildung und Kultur offen, son dern entwickeln auch neuartige, impulsgebende Formate für kulturelle Bildung mit einer postkolonialen Perspektive, um soziale Ausschlüsse in Kunst, Kultur und Gesellschaft zu bekämpfen. Wieczorek vertritt zum anderen die Forderung nach einer selbstreflexiven „ra tionalen Kulturvermittlung“ (2018). Ziel davon wäre, dass Kultureinrichtungen nicht nur bestimmte, klar definierte – mit kulturellem Kapital ausgestattete – Per sonen („Insider“) erreichen, sondern allen Personen gleichermaßen Zugang zum kulturellen Angebot und zu eigener Produktion geben könnten. Sie argumentiert: „Es geht also darum, die Fertigkeiten des kulturellen Kanons durchlässig und auf nahmefähig zu machen für die darin fehlenden Gesellschaftsschichten und so die Möglichkeit für Mitgestaltung – oder den begründeten Verzicht darauf – zu schaf fen.“ (Wieczorek 2018: 11) Eine „rationale Kulturvermittlung“ – und hier nimmt sie Bezug auf Bourdieu, der für das Bildungssystem eine „rationale Pädagogik“ (ebd.: 12) gefordert hat – stehe nahe an der Praxis, sei frei von Idealisierungen und habe einen offenen und selbstreflexiven Blick für die Möglichkeiten und Grenzen. Sie folgert: „Wenn wir rationale Kulturvermittlung in die Tat umsetzen wollen, dann bedeutet das eine Umkehrung der Blickrichtung. Weg von den vermeintlichen Defiziten der Nicht-Anwesen den und hin zum eigenen Anteil an deren Abwesenheit: Wodurch werden sie abgehalten? Was tun wir – als Institutionen und als Individuen –, um Barrieren zu errichten oder auf recht zu halten? Wie verhindern unsere Arbeitsweise und unsere Institutionsstruktur die Anwesenheit bestimmter Personen und Gruppen? Wie müssen wir uns selbst verändern, um Zugang zu ermöglichen? Und worauf müssen wir verzichten, um Teilhabe gerechter zu gestalten?“ (Ebd.: 12)
Wieczorek verweist neben dem gut ausgearbeiteten Fachwissen auf das bereits be stehende Material aus der Praxis und auf unser implizites Erfahrungswissen, aber auch auf die Notwendigkeit neuer Methoden, um auf dieses Wissen und Material zurückgreifen zu können. Obwohl der Terminus „rationale Kulturvermittlung“ et was gewöhnungsbedürftig ist (wie sie selbst zugibt), finde ich ihren Ansatz sehr produktiv, um genau auf die eigene Motivation, die verinnerlichten Annahmen und Erwartungen zu schauen und die Perspektive auf die eigene Involviertheit – als Person, als Institution – in die Abwesenheit von Personen und Gruppen zu richten.
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A us schl üs sen ent gegen w ir ken : T rans kultu relle K ultur ar beit in
der
P ra xis
In dem Diskurs rund um emanzipatorische Praktiken und Transformationen der Institutionen nehmen seit Anfang der 1990er Jahre transkulturelle Kunst- und Kulturinitiativen eine wichtige Rolle ein, indem sie mit einer breiten, migrations gesellschaftlich geprägten Bevölkerung arbeiten. In diesem Kontext sind trans kulturelle Konzepte wichtig, „die das Engagement für eine gleichberechtigte und soziokulturell diversifizierte Gesellschaft aufbringen und Barrieren für eine unter repräsentierte und marginalisierte Gruppe abbauen“ (KunstSozialRaum Brun nenpassage 2015: 21). Transkulturelle Kulturarbeit zielt auf eine Ermöglichung von Vielheit (vgl. Terkessidis 2010) ab, ohne Differenzen eines „Wir“ – „Ihr“ festzuschreiben, sondern mit der Intention, mit Differenzen im Rahmen eines gemeinsamen, transformativen Prozesses umzugehen. Damit müssen kulturpoli tische Maßnahmen einhergehen: „Eine ,Kultur für alle‘ bedarf jener Räume, in denen ein ,Willkommen-Sein‘ möglich wird, das gerade Migrant_innen nicht als das ,andere‘ setzt, sondern ein egalitäres Miteinander zulässt.“ (KunstSozialRaum Brunnenpassage 2015: 24) Verschiedene, in den letzten Jahren mit Bezügen zu Kunst und Kultur ent wickelte antirassistische, intersektionale und postkoloniale Ansätze (vgl. Castro Varela/Dhawan 2009; Kazeem 2015, Kazeem/Schaffer 2012; Salgado 2012; Schnittpunkt 2009) sowie die Perspektive der Migrationspädagogik11 im Kontext von ästhetischer Bildung (vgl. Mecheril 2012a, 2012b) setzen ebenso hier an, in dem sie anstatt mit Konzepten der Multi- und Interkulturalität mit Ansätzen der „Transkulturalität“ arbeiten. Die Tagung und Publikation Kunstvermittlung in der Migrationsgesellschaft (ifa et al. 2012) sowie zwei Ausgaben von Art Education Research (Landkammer/Mörsch 2012, 2014) zeigen beispielsweise Denk- und Handlungsperspektiven für das Feld auf. Kritisiert wird, dass sich die Institutio nen im Zuge des Diskurses über die Schaffung von Zugängen für Migrant_innen selbst legitimieren und zeitgemäßer erscheinen wollen, aber das Paradox über sehen werde, „dass eine Anerkennung von Benachteiligungen und Ausgeschlos sensein immer auch deren Wiederholung bedeutet“ (Mörsch 2012b: 12; vgl. Me cheril 2012b). Ziel ist es, den Diskurs weg von „Migrationsanderen“, hin zu einer Reflexion über die Rolle der von der Kunstvermittlung gestalteten Räume in der Migrationsgesellschaft zu verschieben (Mörsch 2012b: 15). Denn:
11 Bei der Migrationspädagogik „richtet sich der Blick auf Zugehörigkeitsordnungen in der Migrationsgesellschaft, auf die Macht der Unterscheidung, die sie bewirken und die Bildungsprozesse, die in diesen machtvollen Ordnungen ermöglicht und verhindert sind“ (Mecheril 2015: 207).
Kritische kulturelle Teilhabe: Theoretische Ansätze und aktuelle Fragen „Wenn Rassismus und Ausgrenzung strukturell gesehen werden, kann die Vision einer Kunstvermittlung, die Ausschlussmechanismen entgegenwirkt und Kunsträume als Lernund Handlungsorte gerade für minoritäre Positionen nutzbar macht, das Selbstverständnis von Kulturinstitutionen und Kunstvermittlung nicht unberührt lassen. Kunstvermittlung soll damit – in Anlehnung an Spivaks Konzept des Verlernens von Privilegien – als Dynamik von Lernen und Verlernen konzipiert werden.“ (Mörsch 2012b: 16)
Hier werden (wie weiter oben bereits dargestellt) ganz klar eine kritische Selbst reflexion und das Hinterfragen von Machtverhältnissen sowie ein Verlernen von Privilegien eingefordert. In diesen Prozessen hat die Herstellung von Bedingungen für kollektive und kollaborative Wissensproduktion eine zentrale Bedeutung. Dabei geht es um das Anerkennen einer Gleichwertigkeit unterschiedlicher Wissensformen, wie jener des Erfahrungswissens und des akademischen Wissens, sowie um die Themati sierung von und einen bewussten Umgang mit ungleichen strukturellen Macht verhältnissen zwischen den beteiligten Akteur_innen (vgl. Landkammer 2012). In diesem Kontext wurden Ansätze der partizipativen Forschung im Feld der Kunst- und Kulturvermittlung aufgegriffen (vgl. Mörsch 2008, 2012a; Landkam mer 2012; Settele 2012; Wöhrer et al. 2017). Partizipative Forschung ist dabei nicht nur Werkzeug zur Weiterentwicklung der kritischen Kunst- und Kulturver mittlung, sondern konstitutiver Bestandteil eines Methodensets zur gesellschafts kritischen und transkulturellen Bildungs- und Kulturarbeit. Die Kunstwissenschaftlerin Rachel Mader hat mit Bezug auf partizipative Kunst und die Herstellung von Öffentlichkeit argumentiert, dass künstlerische Praktiken differenzierter und vielschichtiger als theoretische Positionen mit diver sen Öffentlichkeiten interagieren und Auseinandersetzungen anregen. Würde man all die Theorien – wie das Konzept zu Öffentlichkeiten (im Plural), die durch viel schichtige Aushandlungsprozesse hergestellt werden – ernst nehmen, erfordere dies umfassende theoretische Analysearbeit. Diese kann aber kaum alle Momente von Öffentlichkeit und unkontrollierbaren Widersprüchlichkeiten, die durch diese Kunstpraktiken hergestellt werden, fassen. Stattdessen stellt sie immer nur Frag mente dar und ist damit in „eindimensionalen Urteilen“ verfangen (Mader 2014: 109). Sie argumentiert: „Diese Vielschichtigkeiten genauso zu benennen und interpretative Offenheit und Unsicherheiten auszuhalten, das erscheint mir eine Kompetenz, die die Kunst gegenwärtig besser beherrscht als die Wissenschaft.“ (Ebd.: 110) Diese Praxis ist so vielschichtig, komplex, widersprüchlich und pro zesshaft, dass wir sie auf theoretischer Ebene nur in Teilen mit ganz konkreten Fragen und abseits von disziplinären Grenzen fassen können. Dies ist ein wichtiger Punkt, umgelegt auf teilhabeorientierte kulturelle Praxis. Gefragt sind daher inter- und transdiziplinäre Ansätze sowie teambasierte und par tizipative Forschung, die diese wichtigen Fragen aus verschiedenen Perspektiven kontextualisieren und diskutieren können.
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K ein F a zit : H and lungs fel der kri ti scher kultu rel ler T eil ha be Die bisher diskutierten Aspekte werfen zentrale Fragen auf: Wie lassen sich die Forderungen nach Teilhabe und der Öffnung von Institutionen tatsächlich einlö sen? Wie sieht eine transformative, emanzipatorische und solidarische Arbeit in Kunst und Kultur aus, die neue und andere Denk- und Erfahrungsräume kulturel ler Teilhabe erschließt? Dies sind komplexe, vielschichtige Fragen, die jeweils und konkret in den verschiedenen Kontexten wiederum neue, unabschließbare Fragen, Herausforderungen und Widersprüchlichkeiten aufwerfen. Folgende Aspekte erscheinen mir besonders wichtig, um hin zu einer kriti schen kulturellen Teilhabe (auch neue) Zugänge zu ermöglichen, Ausschlüssen entgegenzuwirken und neue Perspektiven einzunehmen: Aus den erläuterten Posi tionen und Handlungsfeldern wird klar, dass es einerseits notwendig ist, Machtver hältnisse zu thematisieren, kritisch zu beleuchten und offen zu legen. Damit ein her geht ein bewusster Umgang mit ungleichen strukturellen Machtverhältnissen der beteiligten Akteur_innen und ein Infragestellen von Sprechpositionen. Dazu gehört auch die Selbstreflexion, das Hinterfragen von (z. B. eurozentristischen) Grundannahmen und das Abgeben von Privilegien auf individueller Ebene sowie die grundlegende Transformation von Institutionen (im Rahmen von angebotenen Programmen, Publikum und Personal). Andererseits steht die Entwicklung und Umsetzung von ermächtigenden und solidarischen Möglichkeiten der Teilhabe und der Selbstrepräsentation von und mit den Beteiligten im Rahmen von diskri minierungssensiblen Kooperationen und Allianzen im Zentrum der Bestrebungen einer kritischen Praxis von kultureller Teilhabe. Um solche Prozesse anzustoßen (oder überhaupt umzusetzen), erfordert es ein permanentes Lernen und Verlernen, eine selbstreflexive Haltung und ein offenes Einlassen auf widersprüchliche und schwierige Prozesse, die viel Zeit und Raum benötigen. Wichtig ist dabei, die eigene Positionierung und das jeweilige Verständnis von Kunst, Kultur und Bildung offenzulegen und zu begründen12. Schließlich geht es vor allem darum, einen selbstreflexiven und kritischen Perspektivenwechsel vor zunehmen und aus einem anderen – transdisziplinären, offenen, diskriminierungs sensiblen – Blickwinkel auf Zugänglichkeiten, Barrieren und kulturelle Produk tion zu schauen, bisher unbekannte kulturelle Praktiken wahrzunehmen und auf dieser Grundlage sich selbst sowie institutionelle Zielsetzungen, interne Struktu ren und Programmpolitik zu verändern. Grundlage für ein Verständnis einer kritischen kulturellen Teilhabe sind ein erweiterter und reflektierter Kulturbegriff, der in die Praktiken und Diskurse eines 12 Mörsch (o. J.) fordert dies eingehend in ihrem Beitrag Watch this space!: Position be ziehen in der Kulturvermittlung.
Kritische kulturelle Teilhabe: Theoretische Ansätze und aktuelle Fragen
westlichen, bürgerlichen und elitären Verständnisses von Kultur interveniert und Kultur als verhandelbare, konflikthafte und reflexive Praxis versteht. Diese Pra xis bezeichnen wir am Programmbereich als kritische kulturelle Produktion. Ich würde also argumentieren, um kulturelle Teilhabe zu erforschen, zu unterstützen und umzusetzen, ist es notwendig, auf ein Verständnis von kritischer kultureller Produktion zurückzugreifen. Es gilt in Theorie und Praxis Machtverhältnisse und Ermächtigungsprozesse kritisch und selbstreflexiv zu bearbeiten, um Möglichkei ten einer gesellschaftlichen Teilhabe und Mitgestaltung zu eröffnen. Dies bein haltet auch, Widerständigkeiten gegen neoliberale Dominanzverhältnisse und das Experimentieren mit und in Freiräumen zu ermöglichen. Nun, was konkret tun? Wir können voneinander lernen. Bücher und Materia lien, die Theorie und Praxis zusammenbringen, geben zentrale Impulse für die Umsetzung einer kritischen kulturellen Teilhabe: Genannt seien hier beispiels weise Geflüchtete und Kulturelle Bildung (Ziese/Gritschke 2016) oder Kunst praxis in der Migrationsgesellschaft – Transkulturelle Handlungsstrategien am Beispiel der Brunnenpassage (Pilić/Wiederhold 2015) und die Berichte und Ma terialien von Selbstorganisationen wie die der Bündnisse kritischer Kulturprak tiker_innen mit MIND THE TRAP! (Berlin, 2016)13 und Vernetzt euch! (Berlin, 2015), MAIZ (Linz), Iconoclasistas (Buenos Aires), LesMigraS (Berlin, 2009), RISE (Australien, Canas 2015) und die Precarious Workers Brigade (London)14. Carmen Mörsch hat den Versuch unternommen, aus diesem Wissen der Prakti ken um Selbstermächtigung und Selbstbeschreibungen minorisierter Positionen vier Kriterien für Projekte kultureller Bildung und Kunstvermittlung zu formulie ren, „welche die Gesellschaft und insbesondere das kulturelle Feld öffnen helfen“ (Mörsch 2016: o. S.): „1. ,Nothing about us without us‘: in den Projekten sind die im kulturellen Feld nicht Vor gesehenen die Akteure. Sie kontrollieren die Inhalte, Formen, Ressourcen und Repräsenta tionen. Das heisst, sie entscheiden auch selbst, ob, wie und von wem sie dargestellt werden. 2. Beteiligte Mehrheitsangehörige arbeiten in den Projekten nachweislich an einer aktiven Umverteilung von Mehrwert und Privilegien. 3. Wissenschaftliche Begleitung oder formative Evaluation unterstützt die Herstellung von Zeit und Raum für eine kritische Reflexion und Bearbeitung der jedes Projekt durchziehen
13 Das Bündnis kritischer Kulturpraktiker*innen intervenierte mit Mind the Trap in die 2014 am Deutschen Theater Berlin stattfindende Tagung Mind the Gap (Mandel/Renz 2014), um auf Problematiken des Tagungskonzepts und Ausschlüsse hinzuweisen, vgl. dazu Website Mind the Trap; Sharifi/Sharifi 2014. 14 Vgl. Website zu Vernetzt euch! Strategien und Visionen für eine diskriminierungs kritische Kunst- und Kulturszene, dazu das Plakat „Strategien für eine kritische Kul turarbeit“: http://www.vernetzt-euch.org/wp-content/uploads/2016/02/Vernetzt-euch_ doku_bildschirm.pdf; Websites MAIZ, Precarious Workers Brigade, Iconoclasistas.
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Elke Zobl den Machtverhältnisse. Wobei diese kritische Reflexion nicht in Lähmung resultiert und dadurch selbst zum Alibi für den Erhalt von Privilegien führt. 4. Findet das Projekt in einer Kulturinstitution statt, so trägt es dazu bei (zum Beispiel, in dem es dies zur Bedingung macht), dass sich Diversifizierung von Strukturen wie zum Bei spiel Personalzusammensetzung, Programmierung oder Curricula ereignet, nicht nur von Sichtbarkeiten im Werbematerial.“ (Mörsch 2016, o. S.)
Konkret bräuchte es, wie vielfach bereits gefordert wurde, für gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten diskriminierungskritische, offene Angebote kultu reller Bildung, nachhaltige Unterstützung von Initiativen der freien Szene und der kritischen Kulturvermittlung, die Schaffung von Freiräumen, eine stärkere In tegration von Kunst und Kultur in Zusammenarbeit mit Künstler_innen in das Bildungssystem und die Unterstützung dezentraler und transdisziplinärer Kultur initiativen, Einbezug der Perspektive der Menschen, um die es geht, in kulturelle Bildungsprojekte, um nur einige Aspekte zu nennen.15 Durch diese – und viele weitere Maßnahmen – könnten die emanzipatorischen Forderungen für eine so lidarische und offene Gesellschaft, basierend auf einer diskriminierungssensiblen Zusammenarbeit und auf mehrdimensionalen Perspektiven, umgesetzt werden.
15 Der Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg geht einen wesentlichen Schritt in diese Richtung, offen bleibt derzeit noch dessen Umsetzung, siehe Website.
Partizipation in der zeitgenössischen Kunst
Partizipation in der zeitgenössischen Kunst: Von der postmodernen Condition d’Être hin zu einer Destabilisierung der Kunstwelt Marcel Bleuler
Partizipation ist ein zentrales Stichwort im westlichen Kunstdiskurs um die Jahr hundertwende und zugleich ein unscharf definiertes. Wer sich einen Überblick zu verschaffen versucht, erhält schnell den Eindruck, dass ab Ende der 1990er Jahre verschiedenste Kunstprojekte unter dem Begriff subsumiert wurden, die ihr Publi kum auf die eine oder andere Weise einbezogen. Meist handelte es sich dabei um verspielte und interaktive Projekte, die Kunstinstitutionen zu sozialen Räumen, zu ,Laboratories‘ oder Lounges umfunktionierten. Oder um solche, die außerhalb von herkömmlichen Ausstellungshäusern stattfanden und spezifische, meist mar ginalisierte soziale Milieus adressierten. Trotz der mangelnden Konturierung von Partizipation in der Kunst kamen mit dem Begriff deutlich politisch konnotierte Versprechen in den Diskurs: Künstler_innen und Kurator_innen sprachen zuse hends von einer Demokratisierung und Öffnung des Kunstbetriebs oder gar einer Emanzipierung der Betrachter_innen. Auch hier erscheint jedoch unklar, wie ge nau es mit diesen Bezeichnungen genommen wurde. Im Rückblick auf die typischen Praktiken um 2000 herum spricht der Kunst historiker Grant Kester von einer lediglich „symbolischen“ Partizipation: Die Betrachter_innen hätten die Ideen der Künstler_innen ausgeführt und sich dabei in eng vorgegebenen Handlungsspektren bewegt (vgl. Krenn/Kester 2013: 3). Sein Verdikt ist symptomatisch für den Diskurs, der sich im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts entspann. Im Zusammenhang mit Partizipation befassten sich Kritiker_innen vermehrt damit, Vorgänge der Instrumentalisierung oder Ausbeu tung von sozialen Gruppen offen zu legen (vgl. Bishop 2006). Einladungen zur Teilhabe wurden als inszenierte Geste entlarvt, hinter denen sich die unangefoch tene Autoritätsposition von Kunstschaffenden verbarg. Diese, so der Grundtenor, würden auch in der Zusammenarbeit mit marginalisierten sozialen Gruppen den Eigenprofit nicht aus den Augen verlieren oder seien schlicht zu naiv, um zu er kennen, dass ihre Projekte trotz bester Absichten in Machtpraktiken mündeten.
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Parallel zu dieser Kritik zeichnete sich ein ungebrochener Erfolgszug von Par tizipation in der Welt von Galerien, Biennalen und Museen ab. Hier spielten die sozial-interaktiven Kunstprojekte der fortschreitenden Eventisierung von Aus stellungshäusern und der – nicht zuletzt wirtschaftlich motivierten – Forderung nach Besucher_innen-Programmen in die Hände. Partizipative Kunst, so scheint es, ließ sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts ebenso gut vermarkten wie die Kritik an ihr. Entsprechend dieser kurz skizzierten Eindrücke drängt sich eine polemische Haltung auf. Partizipation scheint eine hohe Anziehungskraft auf die Kunstwelt ausgeübt zu haben. Die Herausforderungen aber, tatsächlich eine gleichberech tigte Mitbestimmung an Entscheidungs- und Handlungsprozessen zu erreichen und damit auch die zentrale Stellung von Künstler_innen-Persönlichkeiten zu re lativieren, scheinen kaum je konsequent umgesetzt worden zu sein. Nichtsdesto trotz geriet etwas in Bewegung. Mit dem Hype ging eine Verhandlung des post modernen Individuums, seiner Verfasstheit in einer zusehends medial vermittelten Welt, sowie der gesellschaftlichen Rolle von Kunst einher. Im Erstarken von Par tizipation in der bildenden Kunst kommen ideengeschichtliche Aspekte zusam men, die für das Verständnis von zeitgenössischer Kunst und die Diskussion ihres gesellschaftlichen Potenzials entscheidend sind. Aus dieser Beobachtung ergibt sich das Vorhaben des vorliegenden Textes. Mein Anliegen besteht darin, kunsthistorische und ideengeschichtliche Eckpfeiler herauszuarbeiten, die Partizipation zu einem Paradigma der westlichen Kunstpro duktion um die Jahrhundertwende beförderten. Dabei lenke ich den Fokus auf die diskursiven Zusammenhänge und ihre Implikationen. Diese Auseinandersetzung führt bis in die Gegenwart hinein, in der sich, so meine Behauptung, eine Ab kühlung und zugleich eine Neuperspektivierung von Partizipation in der Kunst abzeichnen. Zwei Dinge sind der Auseinandersetzung vorwegzunehmen. Erstens liefert der Text keine Definition davon, was partizipative Kunst ist oder wie Ansätze der Partizipation in der Kunst idealerweise funktionieren. Ähnlich wie dies im Zusammenhang mit Performancekunst beschrieben wurde (vgl. Phelan 1993), er scheint mir ein solcher essenzialistischer Zugang verfehlt. Wie ich deutlich ma chen werde, handelt es sich bei Partizipation um eine Denkfigur, die davon lebt, dass sie zu verhandeln ist. Eine Festschreibung würde das kritische Potenzial, das ich ihr letztlich zuschreibe, untergraben. Zweitens ist vorauszuschicken, dass sich die Annäherung aus meiner Perspektive als westlicher Kunstwissenschaftler voll zieht und dass dabei insbesondere englischsprachige Autor_innen ins Zentrum ge stellt werden. Der Text beabsichtigt nicht, diese Perspektive aufzubrechen. Viel mehr soll sie strukturiert dargelegt und damit auch angreifbar gemacht werden, im Wissen darum, dass sie weder vollständig noch universell sein kann.
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R e l at io n al A est h e t ics und der K unst b e trach tung
die
E nt fes se lung
Die oben zitierte Kritik von Grant Kester bezieht sich auf künstlerische Arbeiten, wie sie Nicolas Bourriaud Mitte der 1990er Jahre heranzog, um eine „neue Ten denz“ der Gegenwartskunst zu beschreiben. Diese Tendenz diskutierte der inter national rezipierte Kurator unter dem Begriff Esthétique relationelle (deutsch: relationale Ästhetik), zu dem er 1998 eine gleichnamige Publikation herausgab. Worum es sich dabei handelt, lässt sich anhand einer Arbeit von Pierre Huyghe ver anschaulichen. Im Februar 1995 realisierte der französische Künstler in Mailand die Arbeit Casting, die er selbst als „Ausstellung“ (Lavigne 2013: 37) bezeichnet. Zu der Ausstellung hatte er im Vorfeld zwei verschiedene Einladungen kursieren lassen. Die eine richtete sich an Kunstinteressierte, die zu einer Galerie-Eröff nung geladen wurden, die zweite wurde außerhalb der Kunstwelt verbreitet und adressierte nicht-professionelle Schauspieler_innen. Sie wurden aufgerufen, frei gewählte Textpassagen aus Pier Paolo Pasolinis Film Uccellacci e Uccelini zu re zitieren und sich so für einen Part in einer neuen Arbeit des Künstlers zu bewerben. Da sich Huyghe damals mit seinen künstlerisch-cineastischen Arbeiten inter national einen Namen gemacht hatte, ist anzunehmen, dass aus beiden Gruppen – den Kunstleuten wie den Laiendarsteller_innen – viele dem Aufruf gefolgt sind. Der Raum, in dem Casting stattfand, war bis auf einige Sitzgelegenheiten sowie eine fest installierte Kamera für die Aufzeichnung der Vorsprechen leer. Die Aus stellung bestand nicht aus einer materiellen Installation, sondern in der sozialen Konstellation, die durch die zweigleisige Einladung entstand. Kunstpublikum und Schauspieler_innen kamen mit ganz verschiedenen Beweggründen und Erwartun gen an, wurden jedoch nicht über die Doppelbödigkeit in Kenntnis gesetzt. Die sich mischenden anwesenden Menschen gerieten automatisch in ein Dispositiv mehrdeutiger Rollenzuschreibungen und Wahrnehmungen. Es entstand, wie Huy ghe beschreibt, ein Prozess voller „Zögerlichkeiten und Zufällen“ (Lavigne 2013: 37). Besucher_innen und Schauspieler_innen wurden Teil einer Realität, die sie durch ihre Anwesenheit generierten und zugleich nicht durchschauten. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als die Situation zu beobachten und mit anderen ins Ge spräch zu kommen, um sich zu orientieren. Aufgrund von Arbeiten wie Casting zählte Huyghe zu den Künstler_innen, anhand derer Bourriaud seinen Begriff einer relationalen Ästhetik entwickelte. Bourriaud lenkte dabei den Fokus auf die Eigenschaften und die Funktionsweisen der zwischenmenschlichen Beziehungen, die ein Kunstwerk entwirft respektive hervorruft (vgl. Bourriaud 2002: 109). Angewendet wurde dieser Fokus insbeson dere auf Arbeiten, die im Zusammenkommen von Menschen bestanden. Neben Casting gehörte dazu etwa Rirkrit Tiravanijas Untitled (Free/Still) von 1992, für das der thailändisch-argentinische Künstler in New York einen Galerieraum leer
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räumte, um darin eine Küche und einen Essraum einzurichten. Die Besucher_in nen von Untitled (Free/Still) fanden Tiravanija beim Kochen und Servieren von Curryreis vor. Die Galerie wurde zu einem sozialen Verhandlungsraum, in dem die Besucher_innen durch die Art, wie sie die Anlage nutzten – zum Beispiel als Gratis-Imbiss, als sozialen Begegnungsraum oder als ästhetischen Raum –, die Bedeutung von Untitled (Free/Still) produzierten. Bourriauds Begriff – der bald nur noch in der englischen Übersetzung „Re lational Aesthetics“ kursierte – ist aus dem Diskurs und der jüngeren Geschichte partizipativer Kunst nicht wegzudenken. Den hinzugezogenen Künstler_innen ging es jedoch nicht um das Erreichen einer gleichberechtigten Teilhabe an künst lerischen Entscheidungs- und Handlungsprozessen. Im Gegenteil: Etwa in Huyg hes Ausstellung Casting wurden die Besucher_innen vom Künstler ja hinters Licht geführt. Damit strich die Arbeit vielmehr die Autorität des Künstlers und seine Vormachtstellung hervor. Huyghes Vorgehensweise lässt sich mit künstlerischen Interessen der Happe ning- und Konzeptkunst in Verbindung setzen, eine Referenz, die auch Bourriaud in seinem Buch aufgreift. Insbesondere im US-amerikanischen Kontext erprobten Kunstschaffende in den 1960er und 70er Jahren eine Neukonzeption von Kunst betrachtung. Etwa in den Arbeiten von Allan Kaprow fanden eine Aktivierung und Einbindung der Betrachter_innen statt, die sie zu Teilnehmenden am Kunst geschehen werden ließen. Folgerichtig sprach Kaprow damals auch nicht mehr von „beholders“, also Betrachter_innen, sondern verwendete bereits in den späten 50 Jahren den Begriff „participants“ (vgl. Ursprung 2003: 96). Dabei ging es ihm jedoch ebenso wenig wie Huyghe um den Entwurf einer demokratischen Teilha be. Im Zentrum des Interesses stand die Formung eines subjektiven ästhetischen Erlebnisses, in das sich Zufälle und zwischenmenschliche Dynamiken mischten. Ein Erlebnis, das der Künstler nicht ganz in der Hand hat, obschon er aufs Ganze gesehen die Fäden zieht. Dieser Ansatz unterscheidet sich diametral vom Kunsterlebnis, wie es bei spielsweise den abstrakten Expressionist_innen gut zehn Jahre früher vorschwebte (vgl. Schneemann 2003). Nicht selten gaben diese einen idealen Betrachter_in nen-Standpunkt vor, um eine eindeutige Wirkung und möglichst direkte Übertra gung ihrer künstlerischen Intention sicherzustellen. Im Gegensatz zu dieser eng geführten Betrachtung entfesselte Kaprow das Kunsterlebnis. So konnten etwa die Besucher_innen seiner 18 Happenings in 6 Parts (1959) keine Idealperspek tive einnehmen, sondern wurden durch die räumliche Anordnung und die zeitli che Überlagerung von Ereignissen in eine zwingend fragmentarische, subjektive Erlebnisperspektive versetzt. Sie begannen mit der künstlerischen Vorgabe und letztlich auch untereinander zu interagieren. Das Interesse an einer solchen Entfesselung der Betrachtung setzte Bourriaud in den 1990er Jahren in den Zusammenhang neuer kultureller Rahmenbedingun
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gen. In seiner Publikation argumentiert er anhand von Überlegungen und mit tels eines Vokabulars, die eng an die damals fortschreitende Digitalisierung, die Dienstleistungsgesellschaft und die zugleich erstarkte Do-It-Yourself-Bewegung gebunden waren. Obwohl ihm Claire Bishop, die den Diskurs über partizipative Kunst in den 2000er Jahren maßgeblich prägte, später vorhielt, nur das Vokabu lar ausgetauscht zu haben, eigentlich aber eine Sache zu beschreiben, die bereits in den 60er Jahren aktuell war, (vgl. Bishop 2004: 53) traf Bourriaud mit seinen Relational Aesthetics den Puls der Zeit.
S o c iété A us w eg
du S pec tacle – aus der post m o der nen
L äh m ung ?
Die Modalitäten und die Politik von Kunstbetrachtung wurden gegen Ende des 20. Jahrhunderts heiß debattiert. Wie Wolfgang Kemp 1996 feststellte, erstarkte eine autoritätskritische Perspektive, aus der die Spielräume der Betrachter_in nen und ihre Möglichkeiten diskutiert wurden, eine subjektive, unvorhergesehene Sicht einzunehmen. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Perspektive dem Kunst historiker nicht behagte. Kemp hatte sich mit seinem Konzept der Rezeptionsäs thetik einen Namen gemacht, die von der Annahme ausgeht, dass der Vorgang der Kunstbetrachtung in einem Werk veranlagt und mehr oder minder deutlich vorgeschrieben ist. Basierend auf dieser Annahme analysierte Kemp die Rezep tion ausgehend vom formal-ästhetischen, konzeptionellen und narrativen Aufbau eines Kunstwerks (vgl. Kemp 1996). Gegen Ende des 20. Jahrhunderts zeichnete sich diesbezüglich eine Umkehrung ab. Anstatt die Rezeption vom Kunstwerk her zu denken, wurde vielmehr das Kunstwerk von der Rezeption her analysiert – ein Ansatz, der Kemps Arbeit grundsätzlich in Frage stellte. Angesichts der zunehmenden Zahl an Autor_innen, die sich für die Spiel räume der Betrachtung und für eine Kunst interessierten, die unvorhergesehene Reaktionen förderte, sprach Kemp despektierlich von einer „Viewer Liberation Front“ (1996: 13). Die Bezeichnung erscheint nicht nur zynisch, sondern auch fragwürdig, da es sich bei den „Viewer Liberation“-Diskursen keineswegs um eine einheitliche „Front“ handelte. Es fanden sich mindestens drei Diskurssträn ge, die vor jeweils spezifischen Hintergründen die Neukonzeption der Beziehung von Kunst und Rezeption entwarfen. Einer der Stränge etablierte sich vor dem Hintergrund einer kritischen, feministisch und postkolonial geprägten Theorie bildung in der Auseinandersetzung mit Performancekunst (Peggy Phelan, Amelia Jones). Ein weiterer Strang, der sich in der Auseinandersetzung mit ortspezifischer Kunst („site specificity“) und Kunst im öffentlichen Raum entspann, argumen tierte im engeren Sinne mit sozial- und raumtheoretischen Konzepten (Rosalyn Deutsche, Miwon Kwon). Ein dritter Diskursstrang stand unter starkem Einfluss
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der poststrukturalistischen, vor allem französischsprachigen Philosophie. Er war nicht zwingend am Kunstgeschehen, sondern viel mehr an der Position des Indi viduums in einer zusehends medial vermittelten Welt interessiert. Dennoch wirkte er auf den Kunstdiskurs ein, was sich im zunehmenden Rekurrieren auf Roland Barthes und Gilles Deleuze manifestierte (Giuliana Bruno, Benjamin Buchloh). Aus kunsthistorischer Sicht ist auffällig, dass alle drei Diskursstränge mit Ent wicklungen und Paradigmen der 1960er Jahre in Verbindung stehen, als Kunst zusehends ephemer wurde, außerhalb von institutionalisierten Räumen stattfand und als Roland Barthes den „Tod des Autors“ und damit die Geburt der Leser_in nen – respektive der Betrachter_innen – verkündete. Die Stränge in den 1990er Jahren verkörpern somit Facetten einer postmodernen Geisteshaltung, die sich im 20. Jahrhundert insbesondere unter Einfluss des Marxismus, der Psychoanalyse und des Strukturalismus gefestigt hatte. Die Auswirkungen dieser Geisteshaltung zeigen sich sehr deutlich im Zusam menhang mit der Kunst von Pierre Huyghe. Seine Arbeiten aus den 1990er Jahren standen deutlich unter dem Eindruck der postmodernen Dekonstruktion. Wie in der Ausstellung Casting angedeutet, drehten sie sich um die Mehrdeutigkeit von Realität. Huyghe orientierte sich dabei an Debatten um die Verfasstheit des post modernen Individuums in einer medial vermittelten Welt. Unter den Stichworten des „Simulacrum“ und der „Simulation“ war gegen Ende des 20. Jahrhunderts das Wissen darum verbreitet worden, dass die Gesellschaft einem unaufhaltbaren Pro zess der Vorspiegelung und des unentscheidbaren Realitätsbezuges ausgeliefert ist. Ein Prozess, der jedes Gefühl von Gewissheit, Verbindlichkeit oder eindeu tiger Orientierung abhanden geraten lässt. Das postmoderne Individuum befand sich demnach in einer Position, die kein Gefühl von Wahrheit und Verbindlichkeit kennt und es unmöglich macht, eine künstlerische Arbeit – geschweige denn die Lebenswelt – als Ganzes zu erfassen. Diese postmoderne Condition d’être wurde insbesondere in der Medientheorie – unter sprechenden Titeln wie Blurred Boundaries (Nichols 1994) oder Rette wer kann ( ) (Paech 1990) – diskutiert. Dem Individuum wurde eine unlösbare „postmo derne Skepsis“ (Carroll 1998: 36) attestiert, ein Misstrauen gegenüber der vermittelten Welt und zugleich eine fehlende Handlungsstrategie, um dagegen vorzugehen. Es sei parallelisiert und letztlich auch isoliert, da es vom permanenten Zweifel heimgesucht wird, überhaupt Zugriff auf eine intersubjektive Wirklichkeit zu haben. Diese Skepsis ging einher mit einer Geringschätzung der Position der Zu schauer_innen gegenüber,1 die sich auf Guy Debords Schrift Société du Spectacle 1 Die für das ausgehende 20. Jahrhundert typische, pejorative Sicht auf die Figur der Zuschauer_in fasst der Philosoph Jacques Rancière 2007 rückblickend so zusammen: „Being a spectator means looking at a spectacle. And looking is a bad thing, for two reasons. First, looking is deemed the opposite of knowing. It means standing before an
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(1967) zurückführen lässt. Der paradigmatische Text stellt eine ideengeschicht liche Referenz dar, die Bourriaud – und später seine Antagonistin Claire Bishop (vgl. Bishop 2011) – im Zusammenhang mit relationaler oder „partizipativer“ Kunst stark akzentuierte. Société du Spectacle wurde im Umfeld der marxistisch geprägten Situationistischen Internationale in Paris verfasst. Es handelt sich um eine Kapitalismus-Kritik, die das Subjekt und seine sozialen Beziehungen ins Vi sier nimmt, die die Konsumgesellschaft des 20. Jahrhunderts hervorbringt. Eine Gesellschaft, die kaum mehr von konkreten Bezügen zur materiellen Welt und un mittelbaren Beziehungen ausgehe, sondern von dazwischen geschichteten Ideen und vermittelnden Interfaces gesteuert sei. Debord hebt hervor, dass diese Ideen und Interfaces ideologisch geprägt sind und das Individuum seiner selbstbestimm ten Beziehung zur Welt berauben. In Debords Text erkennt Bishop Anfang des 21. Jahrhunderts die Kernreferenz für das Aufkommen partizipativer Ansätze in der Kunst.2 Eine Kunst, die ihre Adres sat_innen aktiviert und von ihnen abverlangt, zu „participants“ zu werden, sei als Ausweg aus einer isolierten und manipulierbaren Subjektivität aufgefasst worden (vgl. Bishop 2004). Anhand von Huyghes Arbeit Casting lässt sich diese Verquickung deutlich machen. Eine Instanz oder ein Interface, die über die Situation aufklären würden, fehlten in der Ausstellung. Die Besucher_innen konnten sich nicht an einer vor die unmittelbare Erfahrung geschichteten Vermittlung orientieren. Der Gedan kenschluss liegt nahe, dass diese Leerstelle die Betrachter_innen aktiviert. Sie sehen sich gezwungen, aus ihrer herkömmlichen Empfänger_innen-Rolle herauszutreten und selbst, respektive in der Begegnung mit Anderen, Bedeutung zu generieren. In sofern werden sie, gerade weil sie von einer abwesenden Künstler_innen-Autorität hinters Licht geführt werden, aktiviert oder gar ermächtigt. Diese Überlegung ist für den Diskurs zentral. Künstlerische Arbeiten, die eine Teilhabe der Betrachter_innen einfordern, werden um die Jahrhundertwende stark mit dem Anliegen einer Ermächtigung und Emanzipation verbunden (vgl. Bishop 2004: 61). Die Dreiecksbeziehung von Künstler_in, Kunstwerk und Betrachter_in wird als Modell-Situation aufgefasst, in der sich das gesellschaftliche Dasein im Spannungsfeld von ideologischem Überbau, Interface und Individuum spiegelt.
appearance of the reality that lies behind it. Second, looking is deemed the opposite of acting. He who looks at the spectacle remains motionless in his seat, lacking any power of intervention. Being a spectator is separated from the capacity of knowing just as he is separated from the possibility of acting.“ (Rancière 2007: 272) 2 Ähnlich wie Rancière distanziert sich Bishop selbst von der viel zitierten Referenz auf Debord: „For many artists and curators, Guy Debord’s indictment of the alienating and divisive effects of capitalism in the Société du Spectacle (1967) strikes to the heart of why participation is important as a project: It rehumanizes – or at least de-alienates – a society rendered numb and fragmented by the repressive instrumentality of capitalism.“ (Bishop 2004: 179 f.)
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Die einsetzende Selbstermächtigung in einer Arbeit wie Casting wird dementspre chend als Modell – oder als Utopie – einer Emanzipation gegenüber dem ideologi schen Überbau mitsamt seinen manipulativen Kräften gelesen.
T he eman c i pat ed spec tator und A ntago n is m us – K on tr ov er sen um den E f fekt der E man zi pati on und D e m o kra sie rung ti Gerade wenn partizipative Kunst als Modell für Selbstermächtigung aufgefasst wird, stellt sich eine kontrovers diskutierte Problemstellung: Wird die Ermäch tigung nicht zugleich untergraben, wenn sie von einer Autorität angewiesen ist und die Adressat_innen dem Ruf nach Emanzipation folgen? Diese Frage steht im Zentrum des viel beachteten Aufsatzes The emanicipated spectator (2007) des Philosophen Jacques Rancière. Darin bezeichnet es Rancière als Missverständnis, dass die Betrachter_innen zu Aktivität und kritischer Response veranlasst oder gar gezwungen werden müssen, um einen emanzipatorischen Effekt zu erleben (2007: 279).3 Er argumentiert, dass solche Ansätze bei genauer Betrachtung ein Macht gefälle zwischen Künstler_innen und Publikum perpetuieren. Er bezeichnete es als zutiefst paternalistische Haltung, den Zuschauer_innen zuerst eine unkritische Passivität zuzusprechen und sie dann aus dieser Position herausführen zu wollen. Damit fasste er in Worte, woran sich vorher schon Andere gestoßen hatten: Eine künstlerische Arbeit, die ihre Adressat_innen anweist, aktiv und kritisch zu wer den, spricht ihnen das Vermögen ab, von sich aus aktiv und kritisch zu sein. Mit seiner ebenso präzisen wie zugänglichen Abhandlung gab Rancière jenen ein Instrumentarium an die Hand, die sich an der erstarkenden Tendenz hin zu di daktischen künstlerischen Arbeiten störten. Zu diesem Lager zählte insbesondere Bishop. Bereits drei Jahre vor Erscheinen von Rancières Aufsatz kritisierte sie, dass die unter den Relational Aesthetics aufgeführten Kunstprojekte kaum je den Anspruch einlösten, emanzipatorische oder demokratisierende Effekte zu haben. In ihrem Aufsatz Antagonism and Relational Aesthetics (2004) arbeitet Bishop die Mängel an Bourriauds Demokratiebegriff heraus. Er habe schlicht behauptet, dass alle künstlerischen Ansätze, die ihre Betrachter_innen einbeziehen und Dialog ermöglichen, demokratisch und letztlich politisch seien (vgl. Bishop 2004: 65). Seinem vage konzeptionalisierten Demokratiebegriff hält Bishop eine Referenz entgegen, die sie aus Rosalyn Deutsches Monografie Evictions: Art and Spacial Politics (1996) übernimmt: Das Konzept der „radikalen Demokratie“ von Laclau/ 3 Rancière illustriert solche Versuche mit den paradigmatischen Ansätzen von Bertold Brechts epischem Theater (das die Zuschauer_innen mittels Unterbrechungen der Nar ration immer wieder aus der vorgespiegelten Realität herausriss), und von Antonin Artauds Theater der Grausamkeit (das das Publikum so weit konfrontierte und unter Druck setzte, bis es selbst unterbrechend reagierte).
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Mouffe (1991 [1985]), dem sie insbesondere den Begriff des Antagonismus abge winnt, mittels dessen sie die Versprechen von partizipativer Kunst, demokratische Ermächtigung zu erzielen, reflektiert. Die von Bourriaud hervorgehobene Kunst kritisiert sie dabei insofern, als dass diese viel zu reibungslos aufgehe. So beschreibt sie etwa in Bezug auf Tirava nijas Untitled (Free/Still), dass hier keine demokratische Verhandlung, sondern vielmehr eine normative „togetherness“ stattfinde. Die Menschen, die zusammen kommen, würden größtenteils aus derselben Kunstszene stammen, sich bereits kennen und sich für dieselben Dinge interessieren. Sie bilden eine Gemeinschaft, die destabilisierende Aspekte reguliert (oder sie durch Ein- und Ausschlüsse be reits reguliert hat). Wie Bishop vor dem Hintergrund von Laclau/Mouffe argu mentiert, widerspreche ein solcher regulierter sozialer Raum demokratischen Ver hältnissen: „[…] a democratic society is one in which relations of conflict are sustained, not erased. Without antagonism there is only the imposed consensus of authorian order – a total suppression of debate and discussion.“ (Bishop 2004: 66) Auf dieser Basis nimmt sie eine allgemeine Kritik an den Relational Aesthe tics vor. Bishop spricht von einer „Feel-Good“-Kunst (ebd.: 79), die „together ness“ und allenfalls kollektive Kreativität pflege, wobei von einem Effekt der De mokratisierung nicht die Rede sein könne, wenn man diese als antagonistische Dynamik versteht. Eine solche Dynamik würde vielleicht dann einsetzen, wenn zum Beispiel betrunkene Passant_innen in Tiravanijas Ausstellung reinkommen und zu randalieren beginnen. Dann könnte eine allgemeine Destabilisierung ent stehen und man hätte sich mit den antagonistischen Kräften, die im Sinne Bishops eine Demokratie ausmachen, zu befassen. Bishop prägte damit eine wichtige Diskursfigur. Zusehends wurde von Kunst gesprochen, die beabsichtige, antagonistische Dynamiken auszulösen. Natür lich stellt sich hier – ähnlich wie in Bezug auf das Paradox einer Anregung zur Emanzipation – die Frage, inwiefern eine ,antagonistische‘ Gemeinschaftsstruktur tatsächlich antagonistisch sein und den Effekt einer Demokratisierung erreichen kann, wenn sie von Küstler_innen erwünscht oder gar veranlasst wird. Bishop selbst geht nicht auf diese Frage ein. Stattdessen kritisiert sie, dass der Hype um partizipative Kunst zu einem „ethical turn“ (2006: 178) geführt habe. Kritiker_innen würden sich nicht mehr auf ästhetische, sondern lediglich auf ethi sche Fragen konzentrieren. Jeder Hinweis auf Ausbeutung würde sofort ins Visier genommen und alles, was nicht durch Konsens-basierte Prozesse hervorgebracht wird, als künstlerischer Egozentrismus und Machtausübung angeklagt (vgl. ebd.: 180). Bishop prangert an, dass diese ethische Empfindlichkeit zu einer überbeton ten Didaktik und letztlich einer künstlerischen Belanglosigkeit führe. In Abgrenzung dazu hält sie Arbeiten von Künstler_innen hoch, die soziale Trennungen und die Unausgewogenheit von Machtverhältnissen tatsächlich auf klaffen lassen. Zwei dieser Künstler sind Thomas Hirschhorn und Santiago Sierra,
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die generell hoch kritisch diskutiert wurden. Hirschhorn und Sierra arbeiten meist mit sozial und wirtschaftlich schwach gestellten Menschen. Anstatt dabei die Il lusion zu erwecken, dass die „participants“ durch die Kunstprojekte eine Hand lungsmacht und Mitsprache erhalten, exponieren die Künstler auf jeweils andere Weise die Schwierigkeiten eines gesellschaftlichen Zusammenkommens. Bishop: „[…] their work acknowledges the impossibility of a ,microtopia‘ and instead su tains a tension among viewers, participants, and context.“ (2006: 70) In dieser konfrontativen und schwer ertragbaren Spannung sieht Bishop den wirkungsvollen Gegenpool zum naiven Versprechen der Relational Aesthetics, ei nen Raum zu schaffen, in dem das Individuum zu Handlungsmacht kommt. Bi shops Kritik lässt sich dahingehend auf den Punkt bringen, dass die unter den Relational Aesthetics geführten Kunstprojekte mit ihren regulierten Spielräumen und der Zelebrierung von „togetherness“ jene Machtverhältnisse und Unterdrü ckungsmechanismen reproduzieren, die sie zu überwinden vorgeben.
D ia l o g i c al A est h e t ics – D e sta b i li sie rung der K unst w elt Wie sich in Bishops Kritik andeutet, mündete der durch Nicolas Bourriauds an gestoßene Hype um Partizipation in leicht konsumierbaren Projekten. Möglicher weise ließe sich das Selbe auch über Arbeiten der Happening- und Konzeptkünst ler_innen der 1960er und 1970er Jahre sagen. Auffällig ist aber, dass sich nach der Jahrhundertwende die großen Ausstellungsinstitutionen für eine Kunst interessie ren, die in der Einbindung von Menschen besteht. Während etwa die Happenings von Allan Kaprow nach ihrem Stattfinden fast in Vergessenheit geraten wären, kaufte zum Beispiel das Museum of Modern Art New York in den 2000er Jahren Tiravanijas Untitled (Free/Still) für seine Sammlung an. Der Gewinn aus dieser Aufmerksamkeit fällt jedoch weniger dem Publikum, sondern den Künstler_innen und Institutionen zu, die es als Attraktion präsen tieren, wenn man irgendwo anstehen muss, um teilzunehmen. Wie etwa bei der Marina Abramović-Performance The Artist is Present (2010), die ebenfalls im MoMA stattfand und den Besucher_innen ermöglichte, sich der Künstlerin, die hier täglich für sieben Stunden auf einem Stuhl saß, für eine frei gewählte Zeit gegenüber zu setzen. Die Aussicht, an einer Performance von Abramović ,teilzu nehmen‘,4 zog ein Millionenpublikum an. Dutzende von Besucher_innen waren sogar bereit, schon am Vorabend beim Museum anzustehen, um am nächsten Tag 4 Die Teilnahme beschränkte sich auf ein stark eingegrenztes Handlungsspektrum. Die Besucher_innen konnten sich hinsetzen, der Künstlerin in die Augen sehen und wieder aufstehen. Zeigten sie individuelle, unerwartete Reaktion, wurden sie vom Sicherheits personal sofort abgeführt (vgl. Aker 2012).
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sicher an die Reihe zu kommen. Das Straßenbild, das sich dabei ergab, unter schied sich kaum von den Warteschlagen vor einem Apple-Store, bevor ein neues iPhone herausgegeben wird. In Anbetracht dieser Auswüchse stellten sich die Versprechen einer Eman zipation – und nicht zu vergessen: der anti-kapitalistische Hintergrund, der mit der Referenz auf Société du Spectacle betont worden war – zusehends als uner füllt heraus. Gegen Ende der 2000er-Jahre fand eine Abkühlung der Debatten um Partizipation in der Kunst statt. Als Bishop 2012 die Monografie Artificial Hell. Participatory Art and the Politics of Spectatorship herausgab, kam dies einem Endpunkt gleich: Partizipative Kunst erschien als abgeschlossene Episode der jüngsten Kunstgeschichte. Zugleich haben sich jedoch bestimmte Praktiken hartnäckig am Leben erhal ten, die Bishop nicht in den Diskurs einbezogen hatte. In einem Aufsatz von 2006 hatte sie despektierlich von Projekten gesprochen, die sich aufgrund mangeln der „ästhetischer Qualitäten“ nicht mehr von Sozial- oder Community-Projekten unterschieden. Sie illustrierte diesen Bereich anhand des türkischen Künstler_in nen-Kollektivs Oda Projesi, die explizit keine ästhetischen Interessen verfolgten und auch kein scharfe Abgrenzung gegenüber sozialer Arbeit vornahmen (vgl. Bishop 2006: 180). Bishop sah in dieser Absage und fehlenden Abgrenzung das Problem. Damit ginge die (ästhetische) Autonomie von Kunst verloren und einer Instrumentalisierung würde Tür und Tor geöffnet. Dass die Sache damit nicht erledigt ist, macht Grant Kester in einem Inter view von 2013 deutlich, in dem er sich gegen die Position von Bishop richtet, deren Haltung er bereits in seinem Buch The One and The Many kritisierte (vgl. 2011: 59). Er weist darauf hin, dass künstlerische Arbeiten, die sich in die von ihr angeprangerte Unschärfe vorwagen, an den Grundfesten genau jenes ideolo gischen Überbaus kratzen, den Autor_innen wie Bishop implizit stützten5 – näm lich der „Kunstwelt“ als einem durch Ein- und Ausschlussmechanismen sowie bestimmtem Habitus und Bezugssystem ausgezeichnetem Bereich (vgl. Krenn/ Kester 2013). Kester ist neben Bishop eine der Diskurs-führenden Figuren in Bezug auf Par tizipation in der Kunst, obwohl er eher den Begriff der Kollaboration verwendet hat. Seit Ende der 1990er Jahre untersucht er Projekte, die in zwischenmenschli chen Dynamiken bestehen (vgl. Kester 2004, 2011, 2015). Im Unterschied zu Bi 5 „So much of the art world, especially the art world that is concerned with contemporary art, is sustained by the buying and selling of art. And there is, not surprisingly, a very strong desire among the curators, historians and critics whose professional identities are largely dependent on this world, to believe that the work they discuss retains some sub versive, critical or antagonistic charge, while any work that seeks to operate outside of, or challenge, the ideological and institutional protocols of this world is naïve, politically misguided or sentimental.“ (Krenn/Kester 2013: 11)
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shop interessiert ihn dabei gerade die zunehmende Bereitschaft von Künstler_in nen, sich mit anderen kulturellen und intellektuellen Feldern in Dialog zu setzen, indem sie etwa Methoden der sozialen oder politischen Arbeit übernehmen und sich zuweilen kaum mehr von aktivistischen Initiativen unterscheiden. Die von Bishop verfochtene Abgrenzung von Kunst beschreibt er als eine in die Jahre gekommene, modernistische Denkfigur. Demgegenüber seien zeitgenös sische Künstler_innen offen, die Autonomie von Kunst und ihre gesellschaftliche Distinktion aufzubrechen (vgl. Krenn/Kester 2013: 4) Die Offenheit gegenüber anderen kulturellen Feldern und der sozialen, politischen Lebenswelt gilt Kester als zentrales Merkmal einer „dialogischen Ästhetik“, ein Konzept, das er seit der Jahrhundertwende entwickelte. Von einer dialogischen Ästhetik kann demnach dann die Rede sein, wenn Kunst auf einer strukturellen Ebene einen Austausch eingeht. Wenn also Methoden und auch Anliegen in die Kunstproduktion einrü cken, die gerade nicht zu ihrer Domäne gehören. Innerhalb der westlichen Debatten ist Kester der Einzige, der die Auflösung der Konturen von künstlerischer Arbeit im Zusammenhang mit Partizipation als springenden Punkt und Potenzial darstellt. Dies ist deshalb bemerkenswert, da auch prominente Arbeiten wie Tiravanijas Untitled (Free/Still) zumindest vor dergründig die Grenzen der Kunst durchaus herausfordern. Interessanterweise kritisiert aber beispielweise Bishop an Untitled (Free/Still) nicht die mangelnde Distinktion gegenüber anderen Praktiken – obwohl die Arbeit auch einfach als Pop-Up-Imbiss betrachtet werden könnte –, sondern lediglich den zu wenig kom plexen Demokratieentwurf, den Tiravanija zum Ausdruck bringe. Dass die Arbeit zum Kunstfeld gehört, scheint für sie im Unterschied zu dem Negativ-Beispiel Oda Projesi außer Frage zu stehen. Vergleicht man ihren Umgang mit den beiden Fällen, dann wird deutlich, dass Bishop nicht klärt, warum die eine Arbeit zum Kunstfeld gehört und die andere nicht. Vielmehr reproduziert und erhärtet sie eine bereits getroffene Kanonisie rung. Während Untitled (Free/Still) einen unbestrittenen und viel zitierten ,Lieb ling‘ der Kunstwelt darstellt (was etwa im Ankauf durch das Museum of Modern Art zum Ausdruck kommt), stoßen Arbeiten wie jene von Oda Projesi höchstens in Nischen der Kunstwelt auf Interesse und Rückhalt. Von solchen Nischen grenzt sich Bishop deutlich ab. Sie argumentiert, dass hier die ästhetischen Kategorien nicht zu greifen vermögen, die sich in der Kunst geschichte gefestigt haben (vgl. Bishop 2006: 181 ff.). Dabei rekurriert sie auf Avantgarde-Praktiken sowie auf althergebrachte Kriterien und Überlegungen, die auf Friedrich Schiller und die deutsche Romantik zurückgehen (ebd.: 183). Mit diesem Rekurs demonstriert sie ein intellektuelles Wissen und einen darauf basie renden Anspruch, die wenig mit ihrem Gegenstand – der Arbeit von Oda Proiesi an der Schnittstelle zur sozialen Arbeit – zu tun haben, sondern vielmehr vom Ha bitus und den Distinktionsmerkmalen der westlichen Kunstwelt zeugen.
Partizipation in der zeitgenössischen Kunst
Obwohl Bishop eine betont kritische Theoriebildung aus der Soziologie hin zuzieht und damit den Kunstdiskurs erweitert, reproduziert sie letztlich die Einund Ausschlussmechanismen, mittels derer sich die Kunstwelt als ein exklusives und privilegiertes Feld absetzt. Sie verlangt zwar nach einem kritischen, destabi lisierenden Gesellschaftsbild, stellt aber die Grundfesten der Kunstwelt, in der ein solches Bild entworfen und rezipiert wird, nicht zur Diskussion. Kesters dialogische Ästhetik hingegen sieht es gerade auf diese Grundfesten ab. Bei ihm ist es nicht die Gesellschaft, sondern der Kunstbetrieb, der destabili siert wird. Seine dialogische Ästhetik impliziert, dass Partizipation nicht lediglich eine zwischenmenschliche, sondern eine im weiteren Sinne gesellschaftliche Sa che ist, die diskriminierende Strukturen verhandelt. Diesen Eindruck erhärtet er, indem er künstlerische Projekte wie jene von Oda Projesi hervorhebt. In seiner Untersuchung The One and The Many diskutiert er beispielsweise ein Projekt in Nalpar (Indien), in dem sich die Arbeit einer NGO mit künstlerischer Arbeit ver bindet (vgl. Kester 2011: 76–83). Das Anliegen des Projekts bestand darin, eine neue Form von Trinkwasserbrunnen zu errichten, die lokalen Identitätsentwürfen entspricht, ein Vorhaben, das kaum von Entwicklungszusammenarbeit unterschie den werden kann. Ein solches Projekt würde Bishop disqualifizieren. In ihrer Logik instrumen talisiert es Kunst für soziale Zwecke und zeugt dabei mehr von einer „Christian ,good soul‘“ (Bishop 2006: 183), anstatt von einer durch die westliche Ästhetik gefestigten, distinguierenden Geisteshaltung. Genau diesen Zugang zu Kunst for dert Kester heraus. Seine Untersuchung stellt damit die Abgrenzung respektive die Abgrenzbarkeit von Kunst von anderen Disziplinen und gesellschaftlichen Fel dern grundlegend in Frage und verlangt nach der Formulierung neuer Kriterien. Das Anliegen von Neuformierungen („reconfiguration“) durchzieht sein Konzept der dialogischen Ästhetik auf mehreren Ebenen. So streicht Kester auch deutlich her vor, dass Dialog und Partizipation nur dann bestehen, wenn sowohl eine Projektanlage als auch die involvierten Personen eine grundlegende Veränderung durchlaufen: „We don’t simply enter into dialogue with the intention of defending an a priori belief, but in order to experience an opening out to the other that has the potential to reconfigure our subjectivity in a profound manner.“ (Krenn/Kester 2013: 10) Dieser Anspruch ist entscheidend, um Kesters Position gegenüber jener von Bishop weiter abzusetzen. Die von ihr hochgehaltenen Positiv-Beispiele Thomas Hirschhorn und Santiago Sierra zeichnen sich dadurch aus, dass die Künstler ihre Vision nicht aus der Hand geben. Ungeachtet dessen, wen Hirschhorn oder Sierra in ihre Projekte einbeziehen, entstehen eine jeweils typische Ästhetik und eine auf ähnliche Weise erschütternde Wirkung. Diese Kohärenz wäre kaum möglich, wenn sich die Künstler auf einen Austausch mit den sozialen Milieus und ein „opening out to the other“ (ebd.: 10) einlassen würden. Im Unterschied dazu er hebt Kester den Anspruch, dass gerade das künstlerische Subjekt, seine Methodik
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und Vision in einem Projektverlauf neu formiert werden. Wenn dieser Anspruch eingelöst wird, wenn kunstferne soziale Milieus über einen Projektverlauf ebenso mitbestimmen wie Künstler_innen, dann entstehen Produktionen, die eine eigene Logik entwickeln. Es resultiert dabei zwingend eine Unschärfe bezüglich der ge sellschaftlichen und kulturellen Verortung solcher Projekte.
U n schärfe als neue P er spek ti ve von P ar ti zi pati on Meines Erachtens steht Kester für eine sich aktuell vollziehende Neuperspektivie rung von Partizipation in der bildenden Kunst. Die eben beschriebene Unschärfe stellt dabei ein zentrales Element dar. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es sich dabei um eine anders gelagerte Unschärfe handelt als jene, die ich einleitend in Bezug auf den Kunstdiskurs um die Jahrhundertwende angesprochen habe. Um dies deutlich zu machen, will ich die diskursiven Eckpfeiler, innerhalb derer ich Partizipation in der jüngsten Kunstgeschichte verortet habe, rekapitulieren und zusammenführen. Die Ausgangsbeobachtung des vorliegenden Textes besteht darin, dass dem von Künstler_innen und Kurator_innen in den 1990er Jahren angestoßenen Dis kurs kein rigoroser Begriff von Partizipation zugrunde lag. Wie ich argumentiert habe, ging es damals primär um Bestrebungen, den Vorgang der Kunstbetrachtung zu entfesseln und zu subjektivieren. Den Betrachter_innen wurden Spielräume und kontingente, interaktive Erlebnisperspektiven eröffnet. Die Bestimmung über das Gesamtsetting der Arbeiten blieb jedoch den Künstler_innen vorbehalten, die kaum aus ihrer Autoritätsposition heraustraten. Insofern markiert das Stichwort Partizipation hier primär das Bestreben, das Publikum aus seiner herkömmlich zugedachten Position herauszuführen, die sich auf eine innerliche Kontemplation beschränkt und einem Nachvollziehen der künstlerischen Intention verbunden ist. Unter dem Stichwort der Partizipation werden die Betrachter_innen durch spezifi sche Projektanlagen zu handelnden Figuren der Kunst. Der Begriff steht damit für eine neue, postmoderne Konzeption von Kunstbetrachtung. Das Fundament dieser Neukonzeption bildet unter anderem die anti-kapita listische Kritik, verkörpert von Guy Debords Publikation Société du Spectacle (1967), die von der Kunstwelt geradezu gierig aufgenommen wurde.6 Vor dem 6 Diese ,Gier‘ der Kunstwelt, die mit Debords Société du Spectacle verbundene, anti-ka pitalistische Kritik aufzunehmen, beschreibt Claire Bishop im Manuskript einer Vor lesung von 2011, die online zugänglich ist (vgl. Bishop 2011). Sie wird zudem von Rancières polemischer Beschreibung illustriert, wonach sich unter dem Stichwort „Spectacle“ ein kritisches Bewusstsein im Kunstdiskurs markieren lässt (vgl. Rancière 2007: 272). Zudem fällt sie auch im Zusammenhang mit Pierre Huyghes Werk auf, das oftmals unter dem Begriff diskutiert und vermittelt wird.
Partizipation in der zeitgenössischen Kunst
Hintergrund von Debords Kritik ließ sich eine Kunst, die unmittelbare Interaktion fördert, als politisch betrachten. Sie ließ sich als kritische Reaktion auf die post moderne Condition d’Être anpreisen, die mit dem Unbehagen assoziiert war, in ei ner zusehends medial vermittelten Welt manipulativen Kräften und unmarkierten Ideologien ausgeliefert zu sein. Partizipation wurde mit dem Versprechen verbun den, den „participants“ die Erfahrung von Unmittelbarkeit zurückzubringen und ein Eingreifen zu ermöglichen. In diesem Kontext setzte sich der Anspruch fest, dass es im Zusammenhang mit Partizipation um eine Selbstermächtigung und Demokratisierung geht. Wie Bishop und Rancière kritisch anmerkten, löste sich dieser politische Anspruch keineswegs automatisch ein. Er führte jedoch zu einer deutlichen Erweiterung des Kunstdiskurses um gesellschaftliche und politische Fragen (respektive Be hauptungen). In dieser Erweiterung liegt ein bis heute wirksamer Gewinn für die Kunstwelt, da Kunst eine erhöhte gesellschaftliche Relevanz zugeschrieben wird. Bei genauer Betrachtung erscheint es jedoch höchst zweifelhaft, ob mit ihm auch positive gesellschaftliche Effekte stattgefunden haben. An diesem Punkt kommt nun Grant Kester ins Spiel. Während seine Antago nistin Claire Bishop kritisch diskutierte, inwiefern künstlerische Projekte demo kratische Strukturen erzeugen, zieht er zumindest implizit in Frage, inwiefern Kunst überhaupt ein demokratischer gesellschaftlicher Bereich sein kann. Unter seinem Begriff der dialogischen Ästhetik macht Kester deutlich, dass Partizipation nur dann möglich ist, wenn die Privilegiertheit und die Abgrenzung der Kunstwelt zur Disposition gestellt werden. Nur wenn Kunst aus ihrem Bereich heraustritt, wenn sie sich mit Praktiken und Anliegen aus anderen kulturellen, gesellschaft lichen Bereichen verbindet und damit auch ihre Erkennbarkeit ,als Kunst‘ aufs Spiel setzt, kann Partizipation im Sinne von Öffnung, Dialog und gleichberechtig ter Teilhabe stattfinden. Die Brisanz von Kesters Position wird indirekt deutlich, wenn man beobach tet, wie prägende Autor_innen wie Claire Bishop oder auch Mainstream-Künst ler_innen wie Marina Abramović die herkömmliche Abgrenzung verteidigen. Während Bishop das Einhalten der ästhetischen Kategorien der Kunstwelt für zwingend hält, und Abramović ihre stark von Meditationstechniken und Askese geprägten Performances durch ästhetische Rahmungen von ebendiesen Bezügen abhebt, plädiert Kester gerade für die Unschärfe, gegen die sie sich stellen. Seine Perspektive drängt die Frage auf, ob ein rigoros umgesetzter Begriff von Partizipation unweigerlich zu einer Auflösung der Kunstwelt als einem ab gegrenzten und privilegierten Bereich führt. In dieser Frage liegt natürlich eine Bedrohung für all jene, die von der Abgrenzung der Kunstwelt profitieren, da sie ihre Expertise oder ihre Aussicht auf wirtschaftlichen Ertrag in Frage gestellt se hen. Andererseits birgt sie ein Potenzial für jene Praktiken und Personen, die von der Kunstwelt bis anhin diskriminiert werden.
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Kesters ent-grenzender Haltung erscheint mir gerade mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen in den definitionsmächtigen Metropolen der westlichen Kunstwelt produktiv. Durch die jüngsten Migrationsbewegungen tref fen hier Menschen mit verschieden ausgeprägten Fähigkeiten und Interessen zu sammen. Es liegt auf der Hand, dass dabei die stärker gestellte Partei bestehende Ein- und Ausschlüsse sowie Übereinkünfte darüber erhärten kann, was Kunst ist und wo ihre Grenzen etwa zu Handwerk, Popkultur oder Soziokultur liegen. Wenn der Situation aber mit der bei Kester angelegten Offenheit begegnet wird, dann birgt das Zusammenkommen das Potenzial einer Neuformierung. Wenn eine un scharfe Konturiertheit künstlerischer Arbeit und eine Offenheit gegenüber ande ren kulturellen Praktiken zugelassen werden, wenn undeutlich sein darf, ob etwas ein Community- oder ein Kunst-Projekt, Tradition oder Performance, Kalligrafie oder Malerei ist, dann wird nicht nur der Kunstbegriff neu verhandelt, sondern auch eine inklusive Haltung gestärkt. Hält man sich die von Migration geprägten Lebenswelten vor Augen, dann tritt nicht die von Bishop beschworene Destabilisierung von Gemeinschaft, son dern im Gegenteil: das Ringen um ein In-Beziehung-Treten in einer ohnehin in stabilen, von Ungleichheit und Segregation geprägten Welt in den Vordergrund. Bishops Zugang zu Partizipation, der auf der Logik von Abgrenzung und Distink tion basiert, ist für diese Situation nicht operationalisierbar. Kester hingegen zeigt hier eine Perspektive auf. Er macht deutlich, dass es nicht auf eine (soziale oder ästhetische) Distinktion, sondern auf ein dialogisches Handeln ankommt, das von der Bereitschaft getragen ist, herkömmlich Zu- und Einordnungen zu überwinden und eine Veränderung zuzulassen.
Partizipative Kulturen im Kontext von DIY und als informelle Lernorte
Partizipative Kulturen im Kontext von DIY und als informelle Lernorte1 Elke Zobl
Partizipation ist einer der zentralen Schlüsselbegriffe in zeitgenössischer Kunst und Kulturproduktion und umfasst eine Vielzahl an Konzepten wie Teilhabe, Teil nahme, Mitbestimmung oder Mitwirkung. Eine Möglichkeit des gesellschaftli chen Eingreifens, Mitredens und Mitgestaltens sowie der Kritik bieten dabei intervenierende künstlerische Praktiken und partizipative Kulturen. Partizipative Kulturen stehen in einem engen Zusammenhang mit der Geschichte und Ent wicklung von Do-It-Yourself-(DIY-)Kulturen, die mit vielfältigen künstlerischen, kulturellen und medialen Strategien arbeiten. Theorien zu partizipativen Kultu ren wurden interdisziplinär in den Cultural Studies, den Medienwissenschaften, der Medienpädagogik, den Gender Studies, der Politikwissenschaft, der Kunst geschichte und der Sozialen Bewegungsforschung ausgearbeitet. Ein besonderer Schwerpunkt wurde dabei auf Fan-Kultur (engl. ,fandom‘), Populärkultur, alter native Medienproduktion, Online-Medien und -Communities sowie pädagogische Implikationen gelegt. Abgeleitet aus der englischen Bezeichnung ,participatory culture‘ bezeichnet der Begriff eine aktive Beteiligung von Menschen an kultureller und medialer Pro duktion, die sie selbstbestimmt gestalten, veröffentlichen und verbreiten. Zugleich zeigen die Beteiligten zivilgesellschaftliches Engagement, werden aktiver Teil von Netzwerken und Communities und geben über informelles Mentoring Wissen weiter (vgl. Jenkins et al. 2009). Der Begriff der partizipativen Kultur ist eng mit dem amerikanischen Medienwissenschaftler Henry Jenkins verbunden. Jenkins und seine Arbeitsgruppe argumentieren, dass durch die Verbreitung des Internets, neuer Medientechnologie, interaktiver Plattformen und nutzer_innengenerierter Netzwerke Demokratie und Partizipation gestärkt werden: Es sei jetzt – in der Ver 1 Dieser Beitrag baut auf Artikel, die in Zusammenarbeit mit Rosa Reitsamer und Ri carda Drüeke entstanden sind, auf (vgl. Reitsamer/Zobl 2010, 2011, 2014; Zobl/Drüeke 2012; Zobl/Drüeke 2019 (im Erscheinen); Zobl 2012). Ich danke herzlich für die Zu sammenarbeit!
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bindung von ,alten‘ und ,neuen‘ Medien – für das durchschnittliche, allgemeine Pu blikum (oder Konsument_innen) möglich, aktiv an (Medien-)Kulturen teilzuhaben (vgl. Jenkins 2006a und 2006b). Dies löste vielfältige Diskussionen rund um ein aktives Publikum, Peer-to-Peer-Produktion, Co-Creation, ,prosumers‘, ,produsa ge‘ und ,prosumption‘ aus. Manchmal wird der Begriff der partizipativen Kultur in Verbindung mit den Begriffen „kulturelle Partizipation“ („cultural participation“) und „Kulturen der Partizipation“ („cultures of participation“) verwendet (vgl. della Porta/Mattoni 2013). Der Begriff des DIY wurde in Zeiten des Neoliberalismus und Kapitalismus – und insbesondere seit Beginn des 21. Jahrhunderts – stark von der Werbung vereinnahmt und kommerzialisiert. Oftmals findet eine Aneignung kultureller emanzipatorischer Praktiken statt, wobei DIY-Praktiken verwendet, diese jedoch komplett dekontextualisiert und entpolitisiert werden. Ziel dieses Beitrags ist es, einen kursorischen Überblick über das Konzept der partizipativen Kulturen im Kontext von DIY zu geben und sie als informelle Lernorte, an denen Wissen und Erfahrung Peer-to-Peer weitergegeben und ausge tauscht werden, zu fassen. Ich stelle zu Beginn den Kontext der DIY-Kulturen und die geschichtliche und theoretische Entwicklung sowie Kritik am Konzept vor, an schließend erläutere ich Konzepte des informellen Lernens. Ein Fokus liegt dabei auf queer-feministischen kulturellen und medialen – weniger jedoch auf künstleri schen – Beispielen als kritische Praktiken. Herausstreichen möchte ich, dass par tizipative und DIY-Kulturen in vielschichtige geschichtliche Entwicklungen ein gebettet sind und in ihren Ausprägungen, Inhalten, Formen und Kontexten sowie in Hinblick auf die produzierenden Menschen und deren Motivationen und Ziele außerordentlich heterogen sind. Sie stehen in vielen Bezügen zu sozialen, künstle rischen und politischen Bewegungen. Aufgrund dieser vielfältigen Ausprägungen spreche ich von ,partizipativen Kulturen‘ und ,DIY-Kulturen‘ im Plural.
P ar ti zi pati ve K ultu ren und ihre V er an ke rung in DIY-K on tex ten Partizipative Kulturen müssen in der geschichtlichen Entwicklung und im Kontext der DIY-Kulturen betrachtet werden. Diese ermutigen Individuen, ihre eigenen Medien, Projekte und Artefakte zu produzieren, anstatt von der Kulturindustrie massenproduzierte Ware zu konsumieren (vgl. Calmbach 2007; Langreiter/Löff ler 2017; Marcus 1989; McKay 1998). DIY-Kulturen charakterisieren sich durch Selbstorganisation, durch das Aufbrechen der Grenzen zwischen Konsumieren den und Produzierenden und durch nicht-formalisierte Lernpraktiken. DIY-Ak teur_innen zeigen ein dezidiertes Interesse an der Verwendung neuer Technolo gien (Computer, Video, Internet etc.), richten sich gegen hegemoniale Ideologien (u. a. über alternative und offene Kunst- und Musikproduktion) und versuchen,
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ihre kulturellen Produktionen ideologisch und materiell möglichst unabhängig von kommerziellen Strukturen und einer kapitalistischen Waren- und Kulturin dustrie herzustellen und zu verbreiten (vgl. Calmbach 2007; Kearney 1998; Spen cer 2005; McKay 2010; Reitsamer 2013). Neben einer Kritik an der Konsumkul tur sieht Stephen Duncombe einen anderen Aspekt als noch wichtiger an, nämlich „the active creation of an alternative culture“ (1997: 117). Denn: „DIY is not just complaining about what is, but actually doing something different.“ (Ebd.) Kritische kulturelle Produktion und alternative Medien spielen seit jeher eine wichtige Rolle in sozialen Bewegungen, die sich für progressiven, demokratischen Wandel einsetzen, denn viele – vor allem junge – Menschen sahen und sehen auch heute noch sich und ihre Interessen in der Gesellschaft und in den Massenmedien nicht oder missrepräsentiert. Seit dem Beginn der Frauenbewegungen haben Feminist_in nen ihre Anliegen unter anderem in selbstpublizierten Zeitschriften, Pamphleten und Flyern kundgetan. Alternative Medien, Radio oder künstlerisch-aktivistische Projekte bieten die Möglichkeit der demokratischen Kommunikation, der Vernetzung, der Selbstermächtigung und der Teilhabe. In diesen Medien können die Produzierenden und Lesenden eine Alltagsmedienökonomie des Schenkens und Tauschens herstellen und Prozessen der Institutionalisierung, Professionalisierung und Kapitalisierung widerstehen (vgl. Atton 2002: 64). Die dabei entstehenden DIY-Netzwerke legen Wert auf veränderte, prozesshafte soziale Beziehungen und Kommunikationspro zesse in Bezug auf etablierte Standards der Professionalisierung, der Kompetenz aneignung und des intellektuellen Eigentums („anti-copyright“) (vgl. ebd.: 27 ff.). Das Grundprinzip dieser DIY-Praktiken liegt in der Partizipation, indem die Grenze zwischen Konsumierenden und Produzierenden (,prosumer‘) aufgeweicht wird. Im Mittelpunkt steht weniger der Erfolg in Hinblick auf die Anzahl der Leser_innen oder des Publikums als vielmehr die Artikulation von heterogenen Sichtweisen und Perspektiven in unterschiedlichen Formaten. Die Ausgangspunkte der DIY-Kulturen als bewusst alternative, subkulturelle und antikommerzielle Philosophie und als Kritik an der Trennung von Kunst und Alltag gehen bis zu den Dadaist_innen in den 1920er, den linken und Avantgar de-Kunst-Bewegungen in den 1950er und 1960er Jahren (u. a. Situationist_innen, Happenings von Allan Kaprow) und den damals aufkommenden sozialen Bewe gungen zurück (vgl. Kearney 1997; Marcus 1989). Der Slogan des DIY und die damit verbundene gegenkulturelle, antiautoritäre Selbstermächtigung war neben der Hippie-Bewegung vor allem in der Punkrock-Szene zentral (vgl. Duncombe 1997). Zum Teil entstand DIY aus einer Notwendigkeit zur Selbstorganisation und dem Aufbau eigener Strukturen innerhalb dieser Bewegung, da die Musik-In dustrie wenig Interesse an Punkrock zeigte (vgl. ebd.). Jedoch wird die Punk-Be wegung oftmals fälschlicherweise als Ursprung der DIY-Philosophie dargestellt. Solche unkritische Zugänge verzerren die lange Geschichte des DIY (vgl. Kear ney 1997: 215).
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In den 1990er Jahren formierten sich vermehrt gegenkulturelle DIY-Szenen im anglo-amerikanischen und europäischen Raum. Riot Grrrls forderten in der al ternativen Musikszene in Nordamerika ihren Raum. Hunderte von jungen Frauen begannen Zines mit explizit feministischen Themen zu produzieren (vgl. Baldauf/ Weingartner 1998; Green/Taormino 1997; Schilt 2003; Zobl 2009). Unter dem Motto ,female self-empowerment‘ und DIY wurden Festivals, Konzerte, Ausstel lungen und Workshops organisiert sowie Fanzines gegründet, um der permanen ten Unterrepräsentation von Musikerinnen und Künstlerinnen die eigene Krea tivität entgegenzusetzen und dem Ärger über die bestehenden Verhältnisse Luft zu machen. Der politische Anspruch umfasste dabei nicht nur ein feministisches Anliegen, sondern (weitgehend) auch eine Abgrenzung gegen Rassismus und Dis kriminierung im Allgemeinen. In der Weiterentwicklung und internationalen Verbreitung der Riot-Grrrl-Be wegung entstand eine Vielzahl an verschiedenen kulturell-künstlerischen und aktivistischen DIY-Projekten, wie beispielsweise Ladyfeste (vgl. Ommert 2017; Zobl 2011b), aktivistische und Musik-Netzwerke (vgl. Hvala 2012; Reitsamer 2013) sowie queer-feministische Blogs und Community Medien (vgl. Gunnars son-Payne 2009, 2012; Chidgey 2009). Amy Spencer sieht feministisches Craf ting (vgl. Critical Crafting Circle 2011; Müller 2007) als eine weitere Phase der DIY-Kulturen, in der neue Communities gebildet werden (vgl. Spencer 2005: 67)2. ,Critical Crafting‘ oder ,Craftivism‘ zielt auf die Etablierung von Unabhän gigkeit und einer alternativen Ökonomie im Sinne eines Do-It-Together. Für die Münchner Künstlerin Stephanie Müller (rag*treasure) wird DIY erst dann interes sant, „wenn es zu einem Do-it-Together wird und sich nicht auf den eigenen Mi krokosmos beschränkt. Wenn man beispielsweise gemeinsame Aktionen mit an deren KünstlerInnen durchführt, Netzwerke weiterstrickt, die Grenzen zwischen ProduzentIn und KonsumentIn aufbricht und bei einer Modeperformance oder Nähaktion auch das Publikum miteinbindet“ (Müller 2010: 18 f.). Für Müller geht es darum, Projekte ohne die Voraussetzung einer professionellen Ausbildung „zu einem offenen Experimentierfeld“ für sich und das Publikum zu machen (ebd.: 19). Die kollaborative Arbeitsweise ist in Müllers DIY-Zugang also zentral. Diese Geschichtsschreibung ist freilich aus einer westlichen Perspektive ver fasst, die globale und transnationale Entwicklungslinien – mit ihren je spezifischen Ausprägungen – außer Acht lässt, wie beispielsweise die samizdat-Publikationen in der ehemaligen Sowjetunion3 oder die handgeschriebenen politischen Wandzei 2
Auch wenn es global bereits ähnliche Anstrengungen gibt, ist das feministisch geprägte Crafting nach wie vor ein westliches Wohlstandsphänomen, das vor allem von weißen, gebildeten, jungen Frauen der Mittelklasse ausgeübt wird (vgl. Critical Crafting Circle 2011). 3 Vgl. dazu die Soviet Samizdat Periodicals Datenbank, mit Publikationen von 1956 bis 1986.
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tungen, genannt dazibaos, während der kulturellen Revolution (1966–79) in Chi na. Clemencia Rodríguez hat in ihren Studien und Büchern zu „citizens’ media“ (vgl. 2001) vor allem von Frauen selbst produzierte Medien und Netzwerke (z. B. Community Radios) in Nicaragua, Kolumbien, Spanien und Chile sowie in latein amerikanischen Communities in den USA in den Blick genommen. Wie ich in meinen Vorarbeiten zu feministischen, queeren und trans Zines und ihren vielschichtigen transnationalen Netzwerken (vgl. Zobl 2009) versucht habe herauszuarbeiten, wissen wir am meisten über Zines in englischsprachigen, westlichen Ländern4. Selbstpublizierte Magazine werden aber, wenn auch unter unterschiedlichen Namen und Labels, in vielen verschiedenen Ländern und Spra chen produziert und verteilt – was auch eine Herausforderung in Bezug auf die wissenschaftliche Recherche und Dokumentation ist (vgl. Grrrl Zine Network; Grassroots Feminism; Zobl 2009). Ein Grundtenor ist, dass sie offene, partizipa tive, nicht-hierarchische und informelle Experimentierräume schaffen wollen, die durch niedere Zugangsschranken, billige und einfache Technologien und alterna tive Distributionswege den Zugang zur Medienproduktion erleichtern sollen. Viele Zinemacher_innen haben den inhaltlichen Anspruch, feministisch, anti rassistisch, antikapitalistisch und solidarisch mit Frauen* und marginalisierten Gruppen zu sein. Obwohl sich viele der Machtdynamiken bewusst sind, geht ihr kritischer Anspruch oftmals nicht über eine leere Rhetorik der Inklusion hinaus. Durch die Verwendung spezifischer kultureller Codes, Symbole, Sprachen und Ästhetiken adressieren die Produzent_innen ihre Peers. Die mit queer-feministi schen Zines assoziierte demografische Gruppe ist vorwiegend weiß, aus der Mit telklasse, jung und bildungsbevorzugt (vgl. Schilt 2005; Kearney 2006). Viele Zineproduzent_innen lassen eine kritische Reflexion ihrer Privilegien, die sie durch ihre gesellschaftliche Position als weiße Mehrheitsangehörige haben, ver missen und setzen hegemoniale Narrative fort. Einen der wichtigsten Beiträge zur Analyse von race in der Zine-Community und zu einer Kritik an ihren Limitatio nen liefert Mimi Nguyen (vgl. u. a. 2012), Herausgeberin der Kompilations-Zines Evolution of a Race Riot (1997) und Race Riot (2000). Bezugnehmend auf Punk als Subkultur, die männlich dominiert und von Dissens geprägt ist, argumentiert sie, dass eine selbstreflexive Betrachtung von Privilegien und ihren historischen 4 Nachdem ich vor zwanzig Jahren feststellen konnte, dass einerseits die Forschung sich auf Zines im anglo-amerikanischen Raum fokussierte und andererseits eine zentrale, virtuelle Ressourcenseite fehlte, gründete ich 2001 das Online-Archiv Grrrl Zine Net work, um aufzeigen, dass Zines in vielen verschiedenen Ländern produziert werden. Ich konnte dabei mehr als 1.100 Zines aus 43 verschiedenen Ländern in 15 Sprachen dokumentieren und 120 Zine-Produzentinnen interviewen. Die meisten Zines, die ich im Rahmen meiner Forschung sammeln konnte, stammen aus Nordamerika, Europa und Australien. Das Folgeprojekt Grassroots Feminism hat einen breiteren Fokus auf verschiedene DIY-Praktiken.
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und politischen Kontexten notwendig sei (vgl. Nguyen 1997). Dies erfordert auch eine andere Geschichtsschreibung, die ebenso die Strategien der Selbstpublikatio nen von „Chicana, Latina, Black, Indigenous and APA [Asian Pacific American] artists, poets and writers during the ’60s and ’70s“ (Piepzna-Samarasinha 2004: 26) in den Blick nimmt. Um solche Ausschlussmechanismen zu untersuchen, erscheint mir der Zugang der Critical Whiteness Studies aus den USA fruchtbar, der unhinterfragtes Weiß sein als System von Privilegierung und Dominanz sichtbar macht. Folglich ist hier die Forderung nach Selbstreflexion (etwa unter Hinweis auf die Homogenität der Zine-Community) und einer Beschäftigung mit den Intersektionen von Gen der, race, Klasse und Macht zu erheben, die letztlich zu einer ,neuen‘ kritischen und selbstreflexiven Geschichte der feministischen Alternativmedien und der DIY-Kulturen führen könnte, die einen anti-kolonialistischen Standpunkt bein haltet. Bei MigraZine beispielsweise, dem „mehrsprachigen Online-Magazin von Migrantinnen für alle“ (vgl. Website), herausgegeben vom autonomen selbstor ganisierten Migrantinnen-Verein maiz in Linz, Österreich, sind Migrantinnen am gesamten Entstehungsprozess des Mediums beteiligt. Die Kategorie ,Migrantin‘ wird als politische Identität verstanden, d. h. als „Bezeichnung eines oppositio nellen Standorts“ und im Sinne einer „feministischen und antirassistischen Par teilichkeit (FeMigra)“ (vgl. Website). Als Plattform für unterrepräsentierte Stim men kann MigraZine als gelungenes Beispiel für „selbstorganisierte Partizipation an der Medienlandschaft“ (vgl. Website) von intersektionalen Identitäten gelesen werden. Kulturelle und mediale Praktiken in partizipativen Kulturen können so trotz vieler Herausforderungen neue Artikulationsformen und neue Sichtbarkeiten für queer-feministische Bewegungen und Akteur_innen formieren.
T heo re ti sche E nt w ick lun gen und Z u gänge zu par ti zi pati v en K ultu ren Das theoretische Konzept der ,participatory culture‘ stellt eine Weiterentwicklung der Ansätze der Arbeiten am Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) der Universität von Birmingham (England) dar. Das CCCS wurde 1964 gegrün det und produzierte viele bedeutsame Analysen von gegenwärtigen Alltagsprakti ken, in denen Jugendkulturen, Populärkultur und Macht im Zentrum standen. Es wurde der Versuch unternommen, Wissenschaft für diese – bis dato als unwissen schaftlich betrachteten – Themen zu öffnen. Als Vertreter ist hier der langjähriger CCCS-Direktor Stuart Hall besonders zu erwähnen, der das einflussreiche Enco ding/Decoding-Modell entwickelte und Fragen von race und Geschlecht zentral in seinen kulturellen Studien verhandelte. In den USA entstehen in der Folge verschiedene Studien, denen der offene Kulturbegriff der Cultural Studies als umfassende Lebensweise, gelebte Erfah
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rung und integraler Teil des Alltages sowie als Konfliktfeld, in dem Bedeutungs zuschreibungen und gesellschaftliche Hegemonien verhandelt werden, zugrunde liegt. Hier sind beispielsweise die Arbeiten von Constance Penley (1997), Camille Bacon-Smith (1991), Henry Jenkins (1992) und Lisa A Lewis (1992) mit zu nen nen. Ihre Analysen verschiedener kultureller Praktiken der Fankultur entstanden mit dem Anliegen, Medienkonsument_innen als aktiv, kritisch engagiert sowie kreativ und Medienaneignung im Kontext der Alltagswelt zu fassen. Sie bauen dabei auf den Shift der Cultural Studies hin zu Publikumsethnografien auf und beziehen sich auf Autor_innen wie David Morley (1980), John Tulloch (1983), Janice Radway (1984), Ien Ang (1985) und John Fiske (1987), die das Publikum in einer aktiven Rolle mit ethnografischen Methoden – jedoch aus einer Outsi der-Perspektive – in den Blick nahmen (vgl. Jenkins 2006b). Bacon-Smith und Jenkins sind bekennende Fans der Praktiken, die sie analysieren, und verbinden dabei die Perspektiven der Akademiker_innen mit den Sichtweisen der als sub jektiv angesehenen Fans in Form der „Aca/Fen“ (,Fen‘ als Plural von ,Fan‘), ein Begriff, den Jenkins geprägt hat. Mit diesem subjektiven Zugang, persönliches und situatives Wissen sowie gelebte Erfahrung in die sogenannte ,objektive‘ For schung einzubringen, stießen sie jedoch auf Widerstand innerhalb der akademi schen Community. Umgekehrt kritisierte diese jüngere Generation von Wissen schafter_innen die vorhergehenden Autor_innen für ihre de-personalisierten und affektlosen Perspektiven (vgl. ebd.). Eine Skizzierung theoretischer Entwicklungslinien partizipativer Kulturen im Kontext digitaler Entwicklungen erfolgte 2013 in The Participatory Cultu res Handbook. Die Herausgeber_innen Aaron Delwiche und Jennifer J. Hender son arbeiten dabei mit einem Schwerpunkt auf den Medienwissenschaften und auf Cultural Studies vier Phasen heraus: Zu Beginn steht die „Phase der Entste hung“ (1985–1993) (vgl. Delwiche/Henderson 2013: 4 f.), in der sich die globale Kommunikationslandschaft vor allem durch die weite Verbreitung der Compu ter veränderte. In dieser Phase hinterfragten eine wachsende Zahl an Studien die Konzeptionen eines passiven Publikums. John Fiske war hier mit seinem Buch Television Culture (1987) und dem Begriff der „semiotic democracy“ prägend. Mit der fortlaufenden Weiterentwicklung des Computers prägte Howard Rhein gold schließlich 1993 den Begriff „virtual community“. In der zweiten Phase (1994–1998) der Theoretisierungen stehen die Transforma tionen im Internet im Vordergrund (vgl. Delwiche/Henderson 2013: 5 f.). Der Sozio loge Manuel Castells analysierte die Entwicklungen einer „Netzwerkgesellschaft“ (vgl. 1996) mit der zentralen Aussage, dass dezentralisierte, partizipative Netzwerke unsere Art und Weise zu arbeiten, zu lernen und zu spielen transformieren. Studien zu aktivistischen Zine-Kulturen (vgl. Duncombe 1997) sowie zu Computerspielen (vgl. Turkle 1995) analysierten bislang als belanglos eingeschätzte kulturelle Aus drucksformen und betrachteten sie als wichtig und interessant. Aber auch in anderen
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Feldern wurden partizipative Kulturen analysiert, beispielsweise in der Philosophie. Hier wurde argumentiert, dass Theorieproduktion an vielen Orten – nicht nur in der Akademia – passiert, so auch in Fan-Communities (vgl. McLaughlin 1996). In der dritten Phase des „Push-button Publishing“ (1999–2004) entwickelten sich benutzerfreundliche Systeme für Veröffentlichungen im Web (z. B. LiveJour nal, Napster, MySpace, Flickr, Facebook) (vgl. Delwiche/Henderson 2013: 6). Partizipative Kultur wurde dabei in zwei Strängen wissenschaftlich untersucht: In Form von hauptsächlich qualitativen Fallstudien zu Online-Communities von Fans (z. B. zu Buffy the Vampire Slayer, Hello Kitty oder Pokémon) und in Form von Analysen zu Mustern, Verbindungen und technologischen Unterfangen von partizipativer Kultur. In den Erziehungswissenschaften wurden weiters das Ler nen in digitalen Kontexten und Online-Communities als Orte informellen Lernens untersucht (vgl. Buckingham 2003; Gee 2004). Die vierte Phase der „allgegenwärtigen Verbindungen“ (2005–2011) wird mit der Entstehung von YouTube und den mobilen Telefonen als Mini-Computer und damit der Möglichkeit von neuen Formen von Citizen-Journalismus, performati ven Kunstprojekten, mash-up-Musikvideos und Transmedia-Veröffentlichungen festgelegt (vgl. Delwiche/Henderson 2013: 6 f.). Das Phänomen YouTube wur de untersucht (vgl. Burgess/Green 2009) und Henry Jenkins beschäftigte sich in verschiedenen Büchern mit Blogging, Gaming, Konvergenzkultur, Transmedia Storytelling, Spreadable Media und politischem Aktivismus Jugendlicher (vgl. 2006a, 2006b, 2013, 2016). Um die hybride Rolle von Nutzer_innen von Onli ne-Communities, Open Source Software-Entwicklung oder usergenerierten Pro jekten (wie Wikipedia) zu fassen, schlug Axel Bruns (vgl. 2008) den Begriff des „produser“ vor. Damit wird auch der Übergang von ,production‘ (Produktion) zu ,prosumption‘ (Produktion und Konsum) zu ,produsage‘ (Produktion und Nut zung) benannt. Die Bedeutung von ,produsage‘ weist inhaltliche Schnittstellen zu kollaborativem Lernen und Wissensproduktion auf sowie zur ,Medienkonver genz‘ – dem Annähern und Zusammenwachsen der Medien v. a. durch technische Entwicklungen und eine cross-mediale Produktion und Rezeption.5 Nach der ers 5 Für Jenkins geht Medienkonvergenz über die technische Dimension hinaus und ver weist auf kulturelle Veränderungen, in denen User_innen Rollen von Medienkonsum und -produktion flexibel einnehmen können (vgl. Jenkins 2006b). In dem Buch Con vergence Culture (2006b) diskutiert er die Schnittpunkte von Medienkonvergenz, par tizipativer Kultur (v. a. im Hinblick auf Fantum) und kollektiver Intelligenz. An dem Konvergenz-Konzept von Jenkins wurde vor allem die übermäßige Betonung des partizipativen Potenzials der User_innen, eine unterbeleuchtete Sichtweise der unter nehmerischen Logik von Konvergenz, ein unzulänglicher Einbezug der größeren Medienlandschaft und ihrer Machtverhältnisse sowie eine zu optimistische Sicht der demokratischen Verbreitung von Konvergenz kritisiert (vgl. Hay/Couldry 2011: 4 f.). Jenkins nimmt zu den Kritikpunkten Stellung (vgl. 2014) und erkennt die Ausschluss mechanismen und unternehmerischen Aneignungen und Vermarktungen an.
Partizipative Kulturen im Kontext von DIY und als informelle Lernorte
ten Euphorie schwächte sich unter den akademischen Analysen die Hoffnung auf die Potenziale partizipativer Kulturen ab und die Aufmerksamkeit wurde auf die vielen Herausforderungen der vernetzen Welt gelenkt. Argumentiert wurde, dass die allgegenwärtige Technologie jeden Aspekt unseres Lebens durchdringt und uns entfremdet und abgestumpft hinterlässt (vgl. Turkle 2011). Diese Skizzierung der theoretischen Entwicklungslinien von Delwiche and Henderson macht die einzelnen Phasen deutlich, die jedoch neuere Studien ab 2011 noch nicht fassen (wie beispielsweise Jenkins/Ito/boyd 2016). Weiters sind Leerstellen in dem Fokus auf eine US- anglo-australo-amerikanische Perspektive zu sehen. In den letzten Jahren sind auch im deutschsprachigen Raum verschie dene Studien in diesem Kontext entstanden, etwa im Bereich der digitalen Medien der Sammelband Partizipative Medienkulturen (vgl. Biermann/Fromme/Verstän dig 2014) und Rainer Winters Widerstand im Netz (vgl. 2010), in Hinblick auf partizipative Räume im Kunst- und kulturmanagerialen Kontext Siglinde Langs Untersuchungen (vgl. 2015a, 2015b) und in Bezug auf DIY-Karrieren von DJs in Wien Rosa Reitsamers Studie (vgl. 2013). Die Ausstellung Do It Yourself. Die Mit mach-Revolution zeigte 2011 in Frankfurt historische und gegenwärtige Entwick lungslinien (vgl. Hornung/Nowak/Kuni 2011). Viele Fallstudien widmen sich der Analyse queer-feministischer Ausdrucksformen und partizipativer Kulturen, bei spielsweise in Bezug auf feministische Medienproduktion und antirassistischen, feministischen und LGBTIQ*-Aktivismus und -Netzwerken. Intersektionale Iden titäten und ,white privilege‘ in Grrrl Zines haben beispielsweise Alison Piepmeier (vgl. 2009) und Kristen Schilt (vgl. 2005) beleuchtet, während Melanie Ramdar shan Bold Zines erörtert, die von People of Color produziert werden (vgl. 2017).
I n f or m elle L ern o rte
und
DIY C i ti zens hip
Das Konzept der partizipativen Kulturen hat vor allem in der Medienpädagogik mit einem Fokus auf den Erwerb von Medienkompetenzen und in interdisziplinä ren Studien zu DIY-Kultur im Hinblick auf die Schaffung von Peer-to-Peer-Lern umgebungen mit informellem Lernen Anklang gefunden. Aufbauend auf seinen Vorarbeiten leitete Jenkins das Projekt New Media Literacies (2006–2011) als Teil einer großen Forschungsinitiative zu digitalem Lernen der MacArthur Founda tion (USA). In dem Projekt entstand das viel zitierte, aber auch kritisierte White Paper Confronting the Challenges of Participatory Culture: Media Education for the 21st Century (vgl. Jenkins et al. 2009). Viele junge Menschen würden sich im Sinne einer Partizipation bereits vielschichtig an der gegenwärtigen Kultur beteiligen, beispielsweise indem sie formal oder informell Mitglieder in OnlineCommunities mit verschiedenen Medienformen (Facebook, Messageboards u. a.) seien, neue kreative Formen wie Zines oder Digital Sampling produzierten, ge meinsam in formalen oder informellen Teams an Aufgaben oder der Produktion
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von neuem Wissen arbeiteten (z. B. Wikipedia) und den Fluss der Medien („cir culations“) – etwa bei Podcasting oder Blogging – formten (vgl. ebd.: 3). Die Autor_innen verweisen auf Studien, die die potenziellen Vorteile partizipativer Kulturen wie Peer-to-Peer-Lernen, die Vervielfältigung kultureller Ausdrucksfor men oder auch eine ermächtigendere Konzeption von Citizenship anführen. Sie weisen aber auch auf Ausschlüsse hin, indem Zugänge zu partizipativen Kulturen wie eine neue Form eines „hidden curriculum“ funktionierten und so bestimmt werde, welche Jugendliche in der Schule oder am Arbeitsplatz erfolgreich seien oder hinterherhinkten (vgl. ebd.: 3). Die Studienautor_innen detektieren demzufolge drei Kernprobleme: eine Kluft in den Möglichkeiten der Partizipation durch ungleichen Zugang zu Res sourcen, ein Problem in der Transparenz, sodass junge Menschen nicht erken nen können, wie Medien die Wahrnehmung der Welt formen, sowie eine ethische Herausforderung, indem junge Menschen immer mehr öffentliche Rollen als Me dienproduzierende und Teilnehmende in Communities einnehmen (vgl. ebd.: 3). Im Kontext einer Medienpädagogik sehen sie als zentrale Aufgabe der Schulen, kulturelle Kompetenzen und soziale Fähigkeiten in Hinblick auf neue Medien und die Teilnahme an digitalen Communities zu vermitteln. Die dafür erforderlichen ,new skills‘ benennen sie etwa mit spielerischem Problemlösungsverhalten, der Annahme verschiedener Identitäten zum Zweck der Improvisation und Entde ckung, Multitasking, kollektive Intelligenz, Beurteilung von Information, Trans media-Navigation und Vernetzung (vgl. ebd.: 4). Im Kontext des Lernens in partizipativen Kulturen betrifft eine wichtige Ar gumentationslinie die Schaffung von Peer-to-Peer-Lernumgebungen außerhalb traditioneller Bildungsinstitutionen, an denen (vorwiegend) junge Menschen auf verschiedenste Weise mit ästhetischen Innovationen informell experimentieren: Paul Gee spricht hier von „affinity spaces“ (vgl. 2004) als (reale oder virtuelle) Räume, in denen (junge) Menschen über gemeinsame Interessen und Ziele zusam mengebracht werden und durch informelles Lernen und Vernetzungsaktivitäten daran teilhaben. Durch die gemeinsame Motivation können laut Gee gewisse Bar rieren (wie Alter, sozio-ökonomischer Status, Bildung) überwunden werden und es kann ein Aufbrechen des Expert_innenwissens stattfinden, so dass es zu einer Demokratisierung unterschiedlicher Wissensformen kommen kann. Dabei entste hen nicht nur lokale, transnationale und virtuelle Netzwerke (vgl. Zobl 2011b), sondern auch kollaborative und nicht-kommerzielle Räume, die geprägt sind von einem informellen Lernen, prozessorientierten und nicht-hierarchischen Arbeits methoden, Aktivismus, zivilgesellschaftlichem Engagement und „DIY Citizen ship“ (vgl. Reitsamer/Zobl 2010). So werden beispielsweise in DIY-Workshops – wie bei queer-feministischen Festivals und Camps (z. B. Ladyfest, Grrrls Rock Camp) üblich – durch ,learning by doing‘ und ,skill sharing‘ technische, künstlerische und handwerkliche Kom
Partizipative Kulturen im Kontext von DIY und als informelle Lernorte
petenzen mit dem Ziel vermittelt, eigene kulturelle Produktionen herzustellen, diese über nicht-kommerzielle Netzwerke zu verbreiten und dadurch etablierte Maßstäbe für ,perfekte‘, kommerziell ausgerichtete kulturelle Produktionen zu subvertieren. Gerade die Workshops spielen eine zentrale Rolle in der Schaffung von informellen Lernorten, in denen junge Menschen ihre Ideen, Erfahrungen, ihr Wissen und ihre Meinungen kommunizieren und austauschen können. Außerhalb formaler (Aus-)Bildungseinrichtungen wird Wissen untereinander vermittelt (vgl. Reitsamer/Zobl 2010) und ein „kulturell produktiver, politisierter gegen-öffent liche[r] Raum“ (Nguyen 2000: o. S.) geschaffen. Mimi Nguyen bezeichnet dies im Kontext der Riot-Grrrl-Bewegung als „ein informelles pädagogisches Projekt, eine Art punk rock ,teaching machine‘“ (ebd.). Die Verhandlung solcher parti zipativen Räume – mit einer Betonung auf prozess-orientierten, nicht-hierarchi schen und kollaborativen Arbeitsmethoden, bewusster Reflexion, Verhandlung und Reklamation von Raum und dem Zulassen von möglichen Konflikten sowie kritischer Selbstreflexion – erfordern aber auch einen Lernprozess, der von allen Beteiligten gewollt werden muss.
K ri tik
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K on zept
der par ti zi pati v en
K ultu ren
Der Architekt und Autor Markus Miessen hat (wie viele andere) grundlegend auf die Problematik des Begriffs ,Partizipation‘ hingewiesen (vgl. Miessen 2007, 2012). Er plädiert für einen Begriff von „konflikthafter Partizipation“ als eine Art „unerwünschte Irritation“ (2007: 2). Nico Carpentier hat vorgeschlagen, den Be griff ,Partizipation‘ nur für jene Fälle zu benutzen, in denen alle Akteur_innen von der gleichen Machtposition und dem gleichen Status aus mitwirken können – et was, das in der Praxis selten erreicht wird, aber ein Ziel, auf das wir hinarbeiten sollten (vgl. Carpentier 2011). Christian Fuchs argumentiert, dass das Konzept der Partizipation aus der Politikwissenschaft stammt und eng mit der Theorie einer partizipativen Demokratie und seinen politischen, politisch-ökonomischen und kulturellen Dimensionen verbunden sei (vgl. 2011). Eine zentrale Kritik am Konzept der partizipativen Kulturen bezieht sich vor allem auf eine (zu) positive, unhinterfragte und vereinfachte Verwendung des Be griffs der Partizipation zum einen, im Sinne einer medialen Reduktion „als Schaf fung von nutzergenerierten Inhalten und Publikumsbeteiligung“ (Fuchs 2015: 1). Zum anderen zielt die Kritik auf die optimistische (und glorifizierende) Grundan nahme in westlichen Gesellschaften, dass Partizipation intrinsisch demokratisch sei (vgl. The Janissary Collective 2013: 258). The Janissary Collective argumen tiert, dass partizipative Kulturen sowohl Menschen ermächtigen als auch neue Barrieren für Community-Teilhabe errichten würden und Ausdruck dessen seien, was Partizipation ganz konkret jeweils bedeute (vgl. ebd.: 257). Sie stehen op timistischen Annahmen von partizipativen Kulturen äußerst kritisch gegenüber,
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insbesondere was die freie Entscheidung an der Teilnahme an digitalen partizipa tiven Kulturen betrifft: „We argue that contemporary participatory culture is a form of power that aligns closely with existing values and norms, and that members in participatory culture are not so much free to contribute, but rather can be seen as compelled to contribute in a way that aligns with dominant norms and already established power structures. Specifically, we question wheth er feeling free to contribute really means that members actually are free in how, when, and why they contribute to participatory cultures.“ (Ebd.: 258)
Anstatt Ermächtigung und Freiheit zu erlangen, würden die Teilnehmenden die Normen und Werte der herrschenden Top-down-Machtstrukturen reproduzieren und sich gegenseitig kontrollieren (vgl. ebd.: 260). Insofern werde partizipative Kultur zu einer Norm, so das Kollektiv, und es kommt zu dem Schluss: „Awareness of participatory culture as distinct from participation, as a derivative of it, re quires a free choice to participate according to one’s own strategies. […] Participatory cul ture can never provide the basis for the good life – in fact, in can be its worst enemy.“ (Ebd.: 264)
Ähnliche Kritik am Konzept der partizipativen Kulturen, wie von Henry Jenkins et al. (v. a. 2009 in dem bereits erwähnten White Paper) skizziert, formuliert auch Christian Fuchs in Hinblick auf die Verwobenheit mit der Kommodifizierung von digitalen Räumen (vgl. Fuchs 2011, 2015; zu den Kritikpunkten vgl. weiters De terding 2009). Fuchs weist darauf hin, dass soziale Medien (wie YouTube, Face book, Twitter) „keine Formen einer partizipativen, sondern einer stratifizierten Kultur [sind], in der sich gesellschaftliche Machtasymmetrien manifestieren“ (2015: 2). Er kritisiert Jenkins für ein kulturalistisches Verständnis von Partizipa tion, das die Verwobenheit mit Kapitalansammlung außen vor lässt, und folgert, dass die Ausdrucksformen eines Internets, das von Unternehmen dominiert wird, nie partizipativ sein könnten (vgl. Fuchs 2011: o. S.). Fuchs sieht die einzigen Orte eines partizipativen Internets, die unternehmerischer Vorherrschaft widerste hen, in nicht-kommerziellen Projekten. Er plädiert für eine Politik der Gemein güter und des Gemeineigentums.
K ri ti sche kultu relle P ro duk ti on und par ti zi pati ve K ultu ren – ein R e s ü m ee Partizipative Kulturen veranschaulichen die Idee einer kritischen kulturellen Pro duktion, wie wir sie hier in diesem Band vertreten, als engagiertes, kritisches und auch produktives Mitgestalten der eigenen Lebenswelt und damit verbundener kultureller und öffentlicher Prozesse der Bedeutungskonstituierung: Kultur wird als ein partizipativer und kollaborativer Prozess gelebt, in dem Sichtweisen und
Partizipative Kulturen im Kontext von DIY und als informelle Lernorte
Einstellungen erzeugt, aufgenommen und in einem öffentlichen Zirkulationspro zess distribuiert werden. Communities und Einzelpersonen sind kontinuierlich an diesen Prozessen beteiligt und bestimmen das kulturelle Gefüge einer jeweiligen Gesellschaft mit. Zentral sind dabei die Verhandlung von demokratischen Öffent lichkeiten und Räumen, aber auch von Konflikten, Macht, sozialen Ungleichhei ten und Ausschlussmechanismen. Partizipative Kulturen können auch widersprüchliche Räume darstellen, durchzogen von strukturellen und diskursiven Ungleichheiten, Brüchen und Aus schlüssen. Bedeutsame strukturelle Ungleichheitsdimensionen ergeben sich im Umgang mit Medien und Technologien: Beispielsweise wird eine gewisse Me dienversiertheit vorausgesetzt, um überhaupt Zugang zu bestimmten alternativen Medien oder DIY-Praktiken zu finden, zudem stellt eine weitere Schwelle die Fähigkeit zur medialen und kulturellen Produktion und zur Teilnahme an Me dien-Netzwerken (on- und offline) dar. Den Produzent_innen müssen dafür unter schiedliche soziale, kulturelle und bildungsbezogene materielle Ressourcen zur Verfügung stehen, v. a. Zeit (Freizeit) und der Zugang zu Medientechnologie. Es gibt viele Schlagworte, die die Möglichkeiten der Beteiligung von Men schen in künstlerischen, kulturellen und medialen Projekten benennen, und auch verschiedene Auslegungen davon. Partizipation ist ein ambivalenter, vielschich tiger und nicht abschließbarer Prozess, geprägt von Machtverhältnissen und kon flikthaften Ausverhandlungen. Diesen theoretisch zu fassen, ist mit Herausforde rungen verbunden. Wir haben im Kontext eines künstlerisch-edukativen Projektes vorgeschlagen, von „Partizipation als kritischer Praxis“ zu sprechen (Huber/Zobl o. J.: o. S.). Wenn aus der Perspektive der kritischen Kunstvermittlung von Parti zipation die Rede ist, wird Partizipation als Ausverhandlung der Spielregeln und nicht als bloßes ,Mitmachen‘ gefasst, also als eine Form der Teilhabe und Teilnah me, die die Bedingungen des Teilnehmens selbst ins Spiel bringt (vgl. Sternfeld 2012: 121). Viele Fragen werden dabei virulent (vgl. Aqra et al. 2016): Was be deutet es konkret von der Praxis ausgehend, wenn sich unterschiedliche Menschen – Schüler_innen, Forscher_innen, Vermittler_innen, Künstler_innen, Kulturarbei ter_innen – an künstlerisch-kulturellen oder medialen Projekten in einem offenen Prozess beteiligen? Wie erfolgt die Teilhabe und wie wird ein Handlungsraum von wem bestimmt? Wie sieht die gemeinsame Wissensproduktion aus, lassen sich alle darauf ein? Ist es gelungen, alternative Räume, die aber auch von Normen und von Habitus durchdrungen sind, zu imaginieren? Welches minoritäre Wissen kommt nicht vor und fließt nicht in das kollektive Wissen ein? Welches Wissen ist privilegiert und welches marginalisiert? Wenn wir über einen medienwissen schaftlich geprägten Diskurs hinausgehen und Partizipation und die Schaffung partizipativer Kulturen als kritische Praxis fassen, kommen unerwartete, neue und konflikthafte Perspektiven sowie unsere eigenen (akademischen) Machtpositio nen, Privilegien und hegemoniale Wissensproduktion in den Blick.
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„In part, we give objects, people and events meaning by the frameworks of interpretation which we bring to them. In part, we give things meaning by how we use them, or integrate them into our everyday practices. In part, we give things meaning by how we represent them – the words we use about them, the stories we tell about them, the images of them we produce, the emotions we associate with them, the ways we classify and conceptualize them, the values we place on them.“
I am a Cultural Producer! Postkarten, die 2012 von Studierenden in der projektorientierten Lehrveranstaltung I am a Cultural Producer! unter der Leitung von Siglinde Lang und Elke Zobl entworfen wurden. Roundtable am 2. Juni 2012 im Rahmen der 50 JahrFeierlichkeiten der Uni Salzburg. Fotos: Timna Pachner, Pia Streicher
(Stuart Hall 1997: 3)
Abbil ild il ldu dung 2: 2 Colllllla lage aus Fo F tos von kü k nstltltle leriris isch-eduka k tit ven ka M teririria Ma ialilie ien de d r To T olb l ox lb ox: x: „Do-It-Yo Y urs Yo r elflflf, rs f, Do-it-To T geth To t er! th r “ de r! d s Pr Pro roj oje jekt k es „Ma M ki Ma kin ing Art rt, rt t, Ma M ki kin ing Medi dia di ia, Ma M ki kin ing Change!“ (Fo (F Fotos: VO V RNA N ME NA M NA N CHN HNA HN NAME ME; E; Colllllla lage: Tim Ti imna Pa P chner) r r)
Kunst – Aktivismus – Alltag
Die ComicFiguren wurden von Studierenden 2013 in einem Workshop mit Ka Schmitz entwickelt. Fotos: Pia Streicher
„We encounter overlaps between art practice and activism, environmental science, participatory urban planning, social work, ethnography, and so on. In all of these moments a kind of a transversal dialogue is taking place between artistic production and people working in other adjacent domains.“ (Grant Kester im Gespräch mit Martin Krenn, 10.12.2013)
Eine Ausstellung zum Thema Partizipation, umgesetzt von Studierenden und Elke Zobl im KunstQuartier Salzburg 2017. Fotos: Ute Brandhuber Schmelzinger
pARTicipate! Kunst und Kultur in Salzburg „Kulturelle Teilhabe ist ein Element [der] allgemeinen sozialen Teilhabe. Sie umfasst sowohl die Teilnahme an Kultur als auch die eigene kulturelle Produktion und erfordert den souveränen Umgang mit unterschiedlichen kulturellen Ausdrucksformen und Codes, aus dem Optionen der Mitwirkung und Mitgestaltung erwachsen.“ (Wanda Wieczorek 2018: 5)
In un-/ sichtbare Ordnungen eingreifen „Kritisches Denken gibt uns die Mittel, die Welt so zu denken, wie sie ist und wie sie sein könnte.“ (Loïc Wacquant 2006: 669)
Romana Hagyo und Silke MaierGamauf arbeiteten mit Studierenden in dem Workshop Fotografische Inszenierung als Intervention im Salzburger Stadtraum 2018. Fotos: Fabian Schober, Romana Hagyo und Silke MaierGamauf
Fotos von der Ausstellung der Forschungsabteilung 2017, Ausstellungseröffnung Taking Part Fotos: Pia Streicher
Öffentlichkeiten
„Ich bin überzeugt, dass künstlerische und kulturelle Praktiken Räume des Widerstands schaffen können, die das gesellschaftliche Imaginäre untergraben, das für die Reproduktion des Kapitalismus notwendig ist. Ich bin jedoch der Auffassung: Wenn wir ihr politisches Potenzial verstehen wollen, sollten wir Formen des künstlerischen Widerstands als agonistische Interventionen im Kontext des gegenhegemonialen Kampfes betrachten.“ (Chantal Mouffe 2014: 136)
Die Bedeutung von Kunst und Kultur in Gegenöffentlichkeiten
Die Bedeutung von Kunst und Kultur in Gegenöffentlichkeiten: Das Drei-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit und die Gezi-Park-Proteste als ,testing ground‘ Elisabeth Klaus Performativität des Widerstands lautete der Titel von Film- und Videotagen, die im September 2014 in der Wiener Galerie Lisabird stattfanden. Die Initiatorinnen, Talina Bauer und Sandra Voser, wiesen in einem mit art and signature geführten Interview auf die intensive Beschäftigung von Künstler_innen mit dem Thema Widerstand hin, wobei deren Auseinandersetzung mit Politik und Gesellschaft wiederum zur Öffnung von künstlerischen Diskursen beitrage. Neue soziale Be wegungen bedienten sich „oftmals künstlerischer Strategien für die Äußerung von Widerstand“ (Möller 2015: o. S.). Ein besonders augenfälliges Beispiel für die große Bedeutung von künstlerischen und kulturellen Produktionen für die For mierung politischen Widerstandes und ihrer öffentlichen Resonanz liefern die Gezi-Park-Proteste in der Türkei 2013, die im letzten Teil dieses Artikels disku tiert werden. Das Drei-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit dient dabei als analytisches In strument, um über das Potenzial von Kunst und Kulturproduktionen nachzuden ken, in öffentliche Diskurse intervenierend einzugreifen und diese zu verändern. Das Drei-Ebenen-Modell thematisiert die Rolle von Gegenöffentlichkeiten und Protestbewegungen im Rahmen öffentlicher Aushandlungsprozesse und basiert auf feministischen Öffentlichkeitstheorien, deren Ausgangspunkt die Kritik an der binären Unterscheidung von Privatheit und Öffentlichkeit bildet. Dementspre chend ist dieses Modell vor allem in Bezug auf Frauenbewegungen und queerfeministische Bewegungen diskutiert und empirisch angewendet worden. Es ver deutlicht, wie es sozialen Bewegungen gelingen kann und gelungen ist, in die gesellschaftliche Bedeutungsproduktion einzugreifen und politisch wie kulturell nachhaltige Veränderungen durchzusetzen. In der Arbeit am Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion fand es Eingang, um edukative Pro zesse der Selbstermächtigung in Gang zu setzen und zu reflektieren. So hat Elke
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Zobl (2017) untersucht, wie künstlerisch-edukative Projekte mit Jugendlichen im Kontext des Drei-Ebenen-Modells von Öffentlichkeit produktiv gedacht werden können, und hat damit auch auf die Rolle von Kunst und Kultur in öffentlichen Selbstverständigungsprozessen hingewiesen. Im Beitrag skizziere ich zunächst die feministische Kritik am Dualismus von Öffentlichkeit und Privatheit und stelle dann das Drei-Ebenen-Modell von Öffent lichkeit vor. Daran anknüpfend diskutiere ich die Rolle von künstlerischen und kulturellen Produktionen für und in Gegenöffentlichkeiten. Schließlich dienen die Gezi-Park-Proteste als ,testing ground‘ für die theoretischen Ausführungen. Gezi-Park hat überaus deutlich gezeigt, welche große Bedeutung Künstler_innen, künstlerische Strategien und kulturelle Produktionen für die Wirkmächtigkeit von Protestbewegungen haben.
K ri tik am D ua lis m us von P ri vat heit und Ö f fent lich keit als A us gangs punkt fe m i nis ti scher Ö f fent lich keits the o rien 1 Wie Öffentlichkeit definiert und gestaltet werden kann, wurde zu einer Schlüs selfrage der Emanzipationsbewegungen von Frauen und hat feministische Wis senschaftler_innen in vielen Disziplinen beschäftigt. Öffentlichkeit wurde so zu einem zentralen Forschungsfeld der Geschlechterforschung (vgl. u. a. Elshtain 1981; Pateman 1988; Hausen 1992; Schachtner/Winker 2005; Thiele et al. 2012; Riegraf et al. 2013; Klaus/Drüeke 2017). Ein Grundpfeiler feministischer Öffent lichkeitstheorie ist die Infragestellung des Dualismus von Öffentlichkeit und Pri vatheit. Die tradierte gesellschaftliche Zuordnung von Frauen zu einem privaten (häuslichen) Bereich und von Männern zu einem öffentlichen (politischen) Be reich schafft und reproduziert Ungleichheiten in vielerlei Hinsicht. Was als privat oder öffentlich gilt, ist mit der traditionellen Arbeitsteilung der Geschlechter ver bunden und weist den als Männern oder Frauen markierten Subjekten jeweils un terschiedliche Handlungs- und Erfahrungsräume zu (vgl. Beck-Gernsheim 1980). Die Trennung zwischen privat und öffentlich ist ein „political act in and of it self“, formuliert Nira Yuval-Davis (1997: 80). Dem Staat kommt dabei die Macht zu, zu definieren, was als privat, was als öffentlich verhandelbar gilt. Dementspre chend können staatliche Behörden gleichermaßen Interventionen in die Privat
1 In diesem Abschnitt greife ich zurück auf den mit Ricarda Drüeke verfassten Beitrag: Drüeke, Ricarda/Klaus, Elisabeth (2018): Feministische Öffentlichkeiten: Formen von Aktivismus als politische Intervention. In: Kortendiek, Beate/Riegraf, Birgit/Sabisch, Katja (Hg.) (2018): Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Geschlecht und Gesellschaft. Wiesbaden: Springer VS.
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sphäre vornehmen als auch Nicht-Interventionen legitimieren, ein Desinteresse für den Privatraum zeigen oder diesen im Gegenteil engmaschig kontrollieren. Dass demzufolge Privatheit auch ein Gut ist, das es gegen Eingriffe staatlicher Gewalt und die Überwachung politischer Institutionen zu verteidigen gilt, haben zuerst Schwarze Frauen und Migrantinnen in die feministische Debatte eingebracht (vgl. Bobo/Seiter 1991). Sie kritisierten, dass der Slogan „Das Private ist politisch“ vor allem die Perspektiven und Interessen von Frauen aus der weißen Mittelschicht zum Ausdruck bringe. Die Kontrolle über den Privatbereich ist an Fragen von Macht und Einfluss gebunden. Die Philosophin Beate Rössler hat dargelegt, dass der Schutz der Privatsphäre in den letzten Jahrzehnten eine neue Dringlichkeit erfahren hat, denn diese diene als Ort der Bewahrung „privater Räume und pri vater Lebensdimensionen, um den Sinn individueller Freiheit zu gewährleisten“ (Rössler 2001: 54). Dass diese bedroht ist, zeigt die – mit staatlich-politischen oder ökonomischen Interessen verbundene – engmaschige Überwachung von Ak tivitäten im Internet. Darüberhinausgehend sind mit der Entgegensetzung von privat und öffentlich und ihrer Zuweisung an Frauen und Männer historisch weitere Dualismen ver bunden, jene von Emotion und Verstand, Natur und Kultur, Fiktion und Fakt, Un terhaltung und Information, ,weicher‘ und ,harter‘ Wissenschaft, schließlich auch Populär- bzw. Alltagskultur und Hochkultur. Diese Dualismen führen sowohl im Hinblick auf Kunst und Wissenschaft als auch in Bezug auf Öffentlichkeit zu ein flussreichen Unterscheidungen. So sind Kunst und Kultur als ,das Schöne‘ als sinnlich, subjektiv und emotional definiert, wohingegen die Wissenschaft rein ra tional und objektiv sein soll, unter Negierung aller subjektiver und emotionaler Aspekte wissenschaftlicher Tätigkeit. Der Einsatz des Verstandes zu Lasten der Emotionen zeichnet das Menschenbild in den Aufklärungsdiskursen aus. Ratio und Emotio fundieren als wichtige Differenz deshalb auch normative Öffent lichkeitsvorstellungen, etwa wenn in Habermas’ Demokratiemodell der rationale Diskurs der Bürger zur Voraussetzung einer deliberativen Demokratie wird. Die Kritik am Dualismus von Öffentlichkeit und Privatheit und damit verbundener weiterer Differenzierungen ermöglicht einen anderen Blick auf Öffentlichkeit und wurde zu einem Ausgangspunkt partizipativer Öffentlichkeitsmodelle.
D as D rei -Eb e nen -M o dell
von
Ö f fent lich keit
Als eine weitere Prämisse der dominanten Öffentlichkeitstheorien wird in der so zialen Bewegungsforschung die Existenz einer einzigen, großen Öffentlichkeit hinterfragt. Negt und Kluge (2001 [1972]) definieren Öffentlichkeit als eine Or ganisationsform sozialer Erfahrung. Sie begründen, warum sich neben der bür gerlichen Öffentlichkeit eine proletarische Gegenöffentlichkeit mit eigenen Inter
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aktionsformen und Räumen formierte. Wenn man dieses Argumentationsmuster verallgemeinert und auf weitere soziale Konstellationen und Interessengruppen bezieht, dann wird eine Vielfalt von Öffentlichkeiten sichtbar. Gerade feministi sche Theoretiker_innen wiesen auf die Möglichkeiten dezentrierter Öffentlichkei ten hin, etablierte Strukturen in Frage zu stellen und vielfältigen gesellschaftlichen Gruppen eine Stimme zu verleihen. Spivak (1988) schreibt in ihrem Artikel Can the Subaltern Speak?, dass Angehörige von subkulturellen oder marginalisierten Gruppen nicht sprechen können, solange sie nicht selber gehört und stattdessen von westlichen Intellektuellen interpretiert werden, die ihre Deutungen dem Spre chen der Subalternen einschreiben. Fraser (1992) greift diesen Begriff auf und argumentiert, dass solche subalternen Öffentlichkeiten zum Funktionieren der von Habermas entworfenen rationalen Diskurssphäre notwendig sind, indem sie als Modernisierungsressource und als Korrektiv gegen Ausgrenzungen fungieren. Öf fentlichkeit ist danach ein diskursives Forum zur Inszenierung von Konflikten, das aus starken und schwachen Öffentlichkeiten besteht (vgl. Fraser 2001: 107 ff.). An die Ausführungen von Fraser habe ich mit dem Drei-Ebenen-Modell von Öf fentlichkeit theoretisch angeknüpft (vgl. Klaus 1998, 2001; Klaus/Drüeke 2017). Das Drei-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit ist durch vier miteinander ver zahnte Komponenten gekennzeichnet (vgl. Klaus 2017). Erstens ist darin Öf fentlichkeit als Selbstverständigungsprozess – und damit auch als Bedeutung generierender Prozess – innerhalb einer Gesellschaft definiert, in dem durch The matisierung, Verallgemeinerung und Bewertung von Erfahrungen gesellschaftli che Wirklichkeitskonstruktionen verhandelt, gefestigt, ent- oder verworfen wer den. Das ist verbunden mit der Festlegung, Bestätigung oder auch Modifizierung konsensualer sozialer Werte. Im Selbstverständigungsprozess Öffentlichkeit wer den kulturelle Ziele überprüft und kulturelle Identitäten geschaffen, Normen und Werte ausgehandelt, Regeln für das gesellschaftliche Zusammenleben festgelegt sowie Identitäten entworfen. Kulturelle Produktionen sind damit ein wesentlicher Teil von öffentlichen Aushandlungsprozessen. So gesehen wird auch in der häuslichen Sphäre und im Alltag Öffentliches verhandelt und Öffentlichkeit hergestellt. Statt des Gegensatzes von Privatheit und Öffentlichkeit können dann zweitens – als Kern des Modells – drei Ebenen von Öffentlichkeit unterschieden werden, auf denen sich öffentliche Selbstver ständigungsprozesse mit ihren je eigenen Kommunikationsformen und -foren ent falten (vgl. Abb. 1). Die Bezeichnung der drei Ebenen – einfache, mittlere und komplexe Öffentlichkeiten – richtet sich danach, wie schwierig bzw. vorausset zungsvoll der Zugang zu diesen Öffentlichkeiten jeweils ist, wie leicht oder wie kompliziert es ist, darin eine Sprecher_innenrolle einzunehmen. Die Ebene der einfachen Öffentlichkeit, deren Prototyp Alltagskommunikationen bilden, stellt sich durch spontane Begegnungen her und zeichnet sich durch direkte Kommu nikationsformen aus. Der Zugang dazu ist einfach, da hier interpersonelle Kom
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munikationsvorgänge – den Idealtypus stellen also Gespräche dar – im Mittel punkt stehen. Auf der mittleren Ebene, deren Prototyp Bürger_inneninitiativen und Vereine sind, findet eine erste Rollendifferenzierung in Sprecher_innen und Mitglieder statt. Der Zugang ist dabei häufig an Mitgliedschaften, die Sprecher_ innenrolle an Wahlen geknüpft. Versammlungen und Publikationen dienen dem Zusammenhalt der durch ein gemeinsames Interesse verbundenen Mitglieder. Diese Öffentlichkeiten sind in der Mitte zwischen den einfachen und komplexen Öffentlichkeiten angesiedelt. Auf der komplexen Ebene von Öffentlichkeit, deren Prototyp die Massenmedien und die Parlamente sind, wird die Kommunikation weitergehend professionalisiert und die Rollen zwischen Kommunikator_innen und Publikum, zwischen Medien und Teilöffentlichkeiten sind nicht umkehrbar festgelegt. Auch wenn das Publikum größer wird, so ist der Zugang und sind die Modalitäten der Mitgliedschaft, etwa in Redaktionen oder Nationalräten, durch die komplexen Strukturen ausgesprochen voraussetzungsvoll. Abbildung 1: Hierarchie der drei Ebenen von Öffentlichkeit
Quelle: Eigene Darstellung
Für die drei Ebenen der Öffentlichkeit gilt deshalb: Je komplexer die Kommu nikationsstruktur, umso kleiner die Zahl der kommunikativen Foren, denn Men schen sind ständig in Alltagskommunikationen involviert, gehören einer Reihe von Parteien, Verbänden oder Interessensgruppen an, nur relativ wenige sind aber aktive Sprecher_innen in komplexen Öffentlichkeiten. Des Weiteren gilt: Je kom plexer die Ebene der Öffentlichkeit, umso größer ist ihr gesellschaftlicher Ein fluss. Damit lassen sich Öffentlichkeiten als hierarchisch gegliederte Pyramide visualisieren (vgl. Abb. 1). Als dritte Komponente sind mit dem Drei-Ebenen-Modell Teilöffentlichkeiten impliziert, die sich auf der Basis gemeinsamer sozialer Erfahrungen, sich über schneidender Handlungsräume oder geteilter Interessen konstituieren. Solche Teilöffentlichkeiten sind dann u. a. schicht-, generationen-, geschlechts- und kul
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turgebunden, zeichnen sich also durch eine Überschneidung und Überkreuzung verschiedener Differenzkategorien aus. Sie bilden jeweils spezifische Diskussi onsweisen und Kommunikationsformen aus. Besonders interessant sind im Kon text von Gesellschaftskritik und Veränderungsmöglichkeiten Bewegungs- und Protestöffentlichkeiten, die in Bezug auf ein bestimmtes Anliegen gesellschaftli chen Wandel herbeiführen wollen. In der sozialen Bewegungsforschung sind da bei lange Zeit lediglich solche Gegenöffentlichkeiten fokussiert worden, die kul turelle und/oder politische Veränderungen anstreben, um zur Verwirklichung der Menschenrechte, von Demokratie und Gleichberechtigung beizutragen. Erst mit den deutlichen Erfolgen rechter bzw. rechtsextremer Parteien werden nun zuneh mend auch solche Protestbewegungen in den Blick genommen, die rechtsradika les, militaristisches, sexistisches oder rassistisches Gedankengut verbreiten, also eine antidemokratische, ausschließende und menschenfeindliche Politik verfolgen (vgl. den Überblick von Roth/Rucht 2008). Damit ist die vierte Komponente des Drei-Ebenen-Modells angesprochen, nämlich die gesellschafts- und machttheoretische Bestimmung von öffentlichen Debatten, wobei insbesondere Umbruchphasen eine wichtige Rolle erhalten. Öf fentlichkeiten auf den unterschiedlichen Ebenen haben unterschiedliche Interven tions- und Partizipationsmöglichkeiten, d. h. je komplexer die Öffentlichkeitsebe ne, umso stärker sind die Entscheidungsbefugnisse und umso eher können eigene Positionen durchgesetzt werden, aber umso geringer sind zugleich die Partizipa tionsmöglichkeiten. In Umbruchphasen öffnet sich das massenmediale System für alternative Entwürfe und Gesellschaftsbilder, das heißt kleine und mittlere Öffentlichkeiten können größere Definitionsmacht erhalten (vgl. Klaus 1995). Umbruchphasen sind Zeiten verdichteter Kommunikation – der gesellschaftliche Verständigungsprozess verläuft vielstimmiger, vielfältiger und kontroverser – und können damit als gesellschaftliche Dynamisierungsschübe für Öffentlichkeit verstanden werden. Ob wir derzeit in einer Umbruchphase leben, ist umstritten, klar ist aber, dass in vielen Gesellschaften „epochale Transformationen“ (Sassen 2007) stattfinden, also tiefgreifende mediale, politische, ökologische und kultu relle Wandlungsprozesse, in denen sich eine Vielzahl unterschiedlicher Stimmen auf verschiedenen Ebenen von Öffentlichkeit artikuliert2.
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Dass das Modell, welches vor der Einführung digitaler Medien entwickelt wurde, auch in den aktuellen Debatten relevant bleibt, hat Ricarda Drüeke (2013) gezeigt. Allerdings weist ihre Studie darauf hin, dass die verschiedenen Öffentlichkeitseben sich heute viel stärker durchmischen und die drei Ebenen sich ausdifferenzieren. Das Modell hat in ganz unterschiedlichen Forschungsprojekten zu Fragen von Partizipation, Intervention und Veränderung Anwendung gefunden, etwa in Bezug auf queer-feministische Bewe gungen oder partizipative Online-Öffentlichkeiten (vgl. die Beiträge in Klaus/Drüeke 2017).
Die Bedeutung von Kunst und Kultur in Gegenöffentlichkeiten
K ünst le ri sche und kultu relle P ro duk ti o nen als in te g ra ler T eil von eman zi pato ri schen Bew e gungs fent öf lich kei ten In den zeitgenössischen bildenden Künsten findet seit geraumer Zeit eine inten sive Beschäftigung mit den Verbindungen und Verschränkungen zwischen Kunst und Öffentlichkeit, den Beziehungen zwischen Ästhetik und gesellschaftlicher In tervention statt. In aktuellen Publikationen finden sich Rückgriffe u. a. auf Theo dor W. Adorno, Umberto Eco, Jacques Rancière, Jürgen Habermas, Michel Fou cault oder Pierre Bourdieu, die die Schnittstellen zwischen kunsthistorischen und gesellschaftswissenschaftlichen Diskursen andeuten (vgl. etwa Danko/Moeschler/ Schumacher 2015; Common – Journal für Kunst & Öffentlichkeit ab 2012; Mar chart o. J.; Rebentisch 2013). Demgegenüber wird in der sozial- und kommuni kationswissenschaftlichen Öffentlichkeitsforschung kaum eine Verbindung von Öffentlichkeiten mit künstlerischen und kulturellen Produktionen hergestellt. Ein Grund dafür ist die Fokussierung auf Habermas’ (1993 [1962]) Entwurf einer poli tischen Öffentlichkeit, die vor allem politische Institutionen und Verfahrensweisen in den Blick nimmt. Interessant ist aber, dass Habermas zufolge die bürgerliche Öffentlichkeit in den Lesegesellschaften und literarischen Zirkeln des 19. Jahr hunderts – also im kulturellen Leben – ihren Ausgang nimmt. Auch gehört der metaphorische Verweis auf die bildenden und darstellenden Künste von Anfang an zum Nachdenken über Öffentlichkeit und den Bedingungen ihrer Veränderung. Hannah Arendt und viele andere haben politische Öffentlichkeit als Drama, Bühne oder Performance gefasst (vgl. Rivera 2015). Öffentlichkeit wird häufig als thea trale Inszenierung gedacht, in der sich eine Weltdeutung, und damit ein Eingriff in die Welt, vor Publikum dialogisch, in verteilten Rollen und prozesshaft entfaltet. Kunst und Kultur sind aber nicht nur als Ausgangspunkt und im metaphorischen Sinne in öffentliche Selbstverständigungs- und Veränderungsprozesse involviert, sondern stellen einen integralen Bestandteil von Protestbewegungen und deren Erfolgen dar. Die große Bedeutung von künstlerischen und kulturellen Produktionen3 hat bisher nur in wenigen Öffentlichkeitstheorien Beachtung gefunden haben. Jens Kastner (2011) spricht von einem „vernachlässigten Zusammenhang zwischen Kunst und sozialen Bewegungen“ und arbeitet dessen Schnittstellen heraus. Vor allem Chantal Mouffe (2002, 2007, 2008, 2014) hat der aktivistischen Kunst in ihren neueren Publikationen eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung einer agonistischen Demokratie eingeräumt. Agonistische Politik und künstlerische 3
Unter kulturellen Produktionen verstehe ich hier Ausdrucksformen und Artefakte, die im Rahmen von Protestbewegungen entstehen, etwa Bewegungsmedien, Buttons, Lie der etc.
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Praktiken lautet ein Kapitel in ihrer 2014 auf Deutsch erschienenen Publikation Agonistik. Die Welt politisch denken. Sie argumentiert darin, dass die Kunst eine bedeutende Rolle im Unterlaufen dominanter Hegemonien und im Bereitstellen von Räumen für gegenhegemoniale Interventionen spielen kann: „Ich bin überzeugt, dass künstlerische und kulturelle Praktiken Räume des Widerstands schaffen können, die das gesellschaftliche Imaginäre untergraben, das für die Reproduktion des Kapitalismus notwendig ist. Ich bin jedoch der Auffassung: Wenn wir ihr politisches Potenzial verstehen wollen, sollten wir Formen des künstlerischen Widerstands als agonis tische Interventionen im Kontext des gegenhegemonialen Kampfes betrachten.“ (Mouffe 2014: 136)
Die Öffentlichkeitstheoretikerin beschränkt sich weitgehend auf künstlerischen Aktivismus, bezieht aber darüber hinaus auch kritische Kunst in ihre Überlegun gen ein, und sie wendet sich gegen die Trennung des Kunst- und des Wissen schaftsfeldes, indem sie festhält, dass Politik immer eine ästhetische Dimension und Kunst immer eine politische Dimension habe (ebd.: 140). Mouffes Texte ent halten wichtige Argumente für die Rolle und Bedeutung, die Kunst und Kultur für Gegenöffentlichkeiten und in Protestbewegungen einnehmen können, weil kriti sche künstlerische und kulturelle Produktionen scheinbar allgemeingültige Nor men und unhinterfragt geltende Normalitäten in Frage stellen können sowie über Affekte und emotionale Reaktionen (vgl. ebd.: 148) „neue Praktiken und Subjek tivitäten“ ermöglichen und damit „die bestehende Machtkonfiguration“ untermi nieren können (ebd.: 158). Genau darin liegen aber auch die Herausforderungen für Protestbewegungen und Gegenöffentlichkeiten, die Öffentlichkeit für ihre An liegen schaffen und diese gesellschaftlich durchsetzen wollen. Nicht direkt, aber indirekt ist in der historischen Frauenbewegungsforschung die Herausbildung neuer Praktiken und Subjektivitäten mittels kultureller und künstlerischer Produktionen bereits thematisiert worden. Ein Beispiel dafür liefert die Studie von Ulla Wischermann (2003), auf die hier etwas ausführlicher ein gegangen werden soll. Die Frankfurter Medienhistorikerin ist den Bedingungen des außerordentlichen Erfolges zweier Frauenbewegungen um 1900, der Bewe gungen für eine Reform des Sexualstrafrechts und jener für die gesetzliche Ver ankerung des Wahlrechts für Frauen, nachgegangen. Sie unterscheidet dabei mit Verweis auf Negt/Kluge (2001 [1972]), Fraser (2001) und Klaus (2001) zwischen drei Ebenen des öffentlichen Wirkens dieser Bewegungen, die in ihrem Zusam menspiel zu ihren Erfolgen beigetragen haben: der Ebene der Frauenbewegungs kultur, der Bewegungsöffentlichkeiten und der Adressierung der komplexen Öf fentlichkeit, der öffentlichen Meinung (vgl. Abb. 2). Die jeweilige soziale Funktion dieser drei Ebenen bei der Formierung von Frauenbewegungen charakterisiert Wischermann anhand der 1992 von Jean L. Cohen und Andrew Arato eingeführten Differenzierung zwischen einer „politics
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of identity“, einer „politics of influence“ und einer „politics of political inclu sion“ (Cohen/Arato 1992: 556). Bei der „politics of identity“ geht es im direkten und relativ egalitären Austausch der Akteur_innen um „the redefining of cultu ral norms, individual and collective identities, appropriate social roles, modes of interpretation, and the form and content of discourses“ (Cohen/Arato 1992: 492–563). Die „politics of influence“ „targets the public sphere for the purpose of gaining recognition as a collective actor“ (ebd.: 526), zielt also auf Anerkennung und Einfluss innerhalb des Politischen (vgl. ebd.: 508) ab. Auf der komplexen Ebene schließlich fordert die „politics of inclusion“ politische Teilhabe und poli tische Reformen ein. Abbildung 2: Die Adressierung der drei Ebenen von Öffentlichkeit in sozialen Bewegungen
Quelle: Eigene Darstellung (unter Einbezug von Cohen/Arato 1992 und Wischermann 2017)
Wischermanns Typologie der auf den verschiedenen Ebenen der Frauenbewe gungsöffentlichkeit verwendeten Kommunikations- und Interaktionsformen ver deutlicht die Bedeutung von Medien und kulturellen Produktionen (vgl. Wischer mann 2017). Auf der Ebene der Frauenbewegungskultur werden die persönlichen Beziehungen zwischen den Akteur_innen zur internen Mobilisierung genutzt. Es geht um eine „politics of identity“, die über gemeinsame Veranstaltungen wie Rei sen, Ausflüge oder Zusammenwohnen vermittelt wird und auf persönliche Medien wie Tagebuch und Briefe zurückgreift. Auf der Ebene der Frauenbewegungsöf fentlichkeiten geht es um die interne und externe Mobilisierung für die Ziele der Bewegungen und ein Verständnis für die Anliegen ihrer Akteur_innen. Dabei fin det diese „politics of influence“ nicht nur in der Vereins- und Bewegungspresse, in Flugblättern oder Plakaten ihren Ausdruck, sondern entfaltet sich auch durch die Aneignung eigener Räume, durch die Schaffung gemeinsamer Rituale und Symbole, durch Gemeinschaft und Solidarität vermittelnde Lieder und Gedich
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te. Schließlich geht es auf der Ebene von Öffentlichkeit/öffentlicher Meinung um eine „politics of inclusion“, die eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an der politischen Öffentlichkeit einfordert. Das setzt die Durchsetzung neuer Deutungs muster voraus, die durch intensive Medien- und PR-Arbeit, durch öffentliche Pro testversammlungen, Demonstrationen und Aktionen des zivilen Ungehorsams er reicht wird (vgl. auch Kinnebrock 2005). Häufig wird dabei auf Illustrationen und Fotos zurückgegriffen, wie u. a. das Beispiel der englischen Suffragetten zeigt, die gezielt Bilder nutzten, um die Massenmedien zu erreichen und auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen (vgl. Gerhard 2017). In Wischermanns Analysen (2003, 2017) finden sich also zahlreiche Hinweise auf die Bedeutung kultureller, teilweise künstlerischer Produktionen für die Hin terfragung der herrschenden Normen und Werte, der hierarchischen Geschlech terverhältnisse und einer die Frauen vom politischen Prozess ausschließenden Normalität. Die vermeintliche Natürlichkeit diskriminierender Weiblichkeitsde finitionen und ihrer gesellschaftlichen Folgen zu irritieren, ist ein erster Schritt zu deren Überwindung. Das erfordert das Aufbrechen, die Unterwanderung her kömmlicher Bedeutungen und überkommener Deutungsmuster. Nicht zuletzt des halb waren einflussreiche soziale und politische Bewegungen stets von künstleri schen und kulturellen Interventionen begleitet (vgl. auch Kastner 2011; Kastner/ Spörr 2008). Kritische Kunst- und Kulturproduktionen können irritieren und in Selbstver ständigungsprozesse der Gesellschaft intervenieren, indem sie hegemoniale Be deutungen unterlaufen. Künstlerische und kulturelle Interventionen4 zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Potenzial haben, neue Sichtweisen und andere Perspekti ven auf Altbekanntes zu eröffnen, Menschen mit Ungewohntem und Ungewöhn lichem zu konfrontieren und zu irritieren. Scheinbar selbstverständliches, unhin terfragbares Wissen kann durch die Ermöglichung neuer ästhetischer Erfahrungen hinterfragbar werden. Künstlerische Produktionen und Strategien erleichtern dies durch ihre strategischen Möglichkeiten, die dem ,rationalen politischen Diskurs‘ so nicht zur Verfügung stehen: etwa durch Bricolage, als Arbeit mit unterschied lichen Materialien und Formen, durch die Collage, als Zusammenschnitt des Ver schiedenen, oder die Verfremdung, wie etwa im Culture Jamming „as an antiinstituionalist and anti-consumerist practice taking place in the political public sphere“ (McGuigan 2005: 428). Die unmittelbare, emotionale Ansprache kann die Beschränkungen hegemonialer Wissensbestände durch das Einbringen affek 4
Zur Problematik des Interventionsbegriffs vergleiche die von Laila Huber und Elke Zobl 2015 herausgegebene Ausgabe INTERVENE! Künstlerische Interventionen II: Bildung als kritische Praxis. p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten, 5. Ausgabe. Online unter https://www.p-art-icipate.net/intervene-kunstlerische-interventionen-ii-bildungals-kritische-praxis/ (24. 1. 2019); darin insbesondere den Beitrag von Janna Graham und Nicolas Vass.
Die Bedeutung von Kunst und Kultur in Gegenöffentlichkeiten
tiver, körperlicher Erfahrungen umgehen. In den Worten der sozialen Bewegungs forschung: Künstlerische und kulturelle Produktionen können ermöglichen und erleichtern, gleichzeitig eine „politics of identity“ zu leben, eine „politics of influ ence“ zu gestalten und auf dieser Basis eine „politics of inclusion“ einzufordern. Kastner (2011: 7) warnt aber zugleich vor einer allzu optimistischen Perspektive und „plädiert für eine Lesweise des Zusammenhangs von Kunstproduktion und sozialen Bewegungen, der dessen Effekte nicht als unmöglich, aber auch nicht als selbstverständlich begreift“.
D ie G e zi -P ark -P roteste 2013
in der
T ür kei
Die Bedeutung von Kunst und Kultur in alternativen Bewegungen soll abschlie ßend anhand der Gezi-Park-Protestbewegung in der Türkei 2013 aufgezeigt wer den. Diese nahm im Mai 2013 in Istanbul mit Protesten gegen ein Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks ihren Ausgangspunkt. Dass im Gezi-Park Bäume gefällt werden sollten, um hier ein privates Shopping Center zu errichten, wurde zum Anlass der Proteste, war aber nicht ihr einziger Grund. Weitergehend for mierte sich damit ein Widerstand gegen die Politik der AKP und die autoritäre Regierungsführung von Recep Tayyip Erdogan, die einerseits die Neoliberalisie rung des Landes durchsetzen, andererseits eine Re-Islamisierung der Türkei vo rantreiben, die Menschenrechte mittels Zensur und Verboten einschränken und durch Festnahmen und Haftstrafen jedwede Opposition dagegen unterdrücken. Zum großen Ausmaß der Aktionen trugen weiter auch die harten und gewalttä tigen Reaktionen von Polizei und Regierung auf die Demonstrant_innen bei, die sich per digitaler Medien rasch verbreiteten. Der relativ unspektakuläre Park – der jedoch eine lange Geschichte hat – wurde zum Ort eines Widerstands, an dem sich ganz unterschiedliche Bewegungen kreuzten und sich die Gezi-Park-Proteste entfalteten. In der gesamten Türkei kam es im Sommer 2013 zu einer Protestbe wegung mit über 5.000 Aktionen, an denen weit mehr als 3,5 Millionen Menschen teilnahmen5. Inzwischen liegen zahlreiche Analysen und auch mehrere Buchpub likationen vor, die sich mit den Protesten, ihrem Verlauf, ihren Ursachen und Fol gen beschäftigen (vgl. David/Toktamış 2015; Göksu/Olgun 2014; Guttstadt 2014; Ataç/Fanizadeh/VIDC 2016; Karakayalí/Yaka 2014; Özkırımlı 2014). Hier soll vor allem der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Gezi-ParkProteste den Zusammenhang zwischen sozialen Bewegungen und künstlerischen und kulturellen Produktionen verdeutlichen. Im Unterschied zur historischen Frauenbewegung um die Wende zum 20. Jahrhundert, von der Wischermann zwei Stränge analysiert hat, kann in Bezug auf die Gezi-Park-Proteste nicht von einer 5 Vgl. dazu den ausführlichen Wikipedia-Artikel Proteste in der Türkei 2013.
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einheitlichen sozialen Bewegung gesprochen werden. Die Proteste im Gezi-Park bestanden aus einer ,Assemblage‘ unterschiedlicher Gruppierungen und Men schen mit ihren je eigenen Anliegen und Interessen. Vertreten waren etwa Grup pen aus der Ökologiebewegung, Aktivist_innen aus LGBTQI-Kontexten, antika pitalistische Gruppen und Globalisierungsgegner_innen, die gegen neoliberale Politiken und die Gentrifizierung der Städte aufbegehrten, auch kurdische Orga nisationen waren darunter, die eine Ende der Diskriminierung von Kurd_innen forderten. Viele Protestierende bekannten sich zur kemalistischen Tradition einer säkularisierten Türkei und wandten sich gegen Alkoholverbote und die Propagie rung der Drei-Kind-Familie sowie des Kopftuchs als ,angemessene‘ Kleidung für Frauen durch die AKP-Regierung. Weiter beteiligten sich auch Fußballfans und Gruppen ohne ein direktes politisches oder religiöses Anliegen an den Aktionen (Toktamış 2015) (vgl. Abb. 3). Abbildung 3: Die verschiedenen Gruppen im Gezi-Park-Areal
© Anonymous/Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:2013_ Taksim_Gezi_Park_protests#/media/File:Gezi-park-encampment-map.jpg
Die Bedeutung von Kunst und Kultur in Gegenöffentlichkeiten
Die Formen des kommunikativen Handelns, die Wischermann in Bezug auf die Frauenbewegungen beschreibt, sind hilfreich, um wichtige Aspekte der GeziPark-Proteste herauszuarbeiten, auch wenn durch Social Media und andere digi tale Kommunikationsmöglichkeiten ganz neue Formen hinzugetreten sind. Wenn die Proteste im Gezi-Park auf der mittleren Ebene von Öffentlichkeit verortet wer den – die heute deutlich stärker auf öffentliche Areale bezogen sind, als das für die früheren sozialen Bewegungen gilt –, dann ergeben sich einige wichtige Beo bachtungen. Pinar Gümüs und Volkan Yilmaz (2015) haben darauf hingewiesen, dass die Proteste nicht das Resultat völlig spontaner Aktivitäten waren, wie es oft, vor allem in den Massenmedien dargestellt wurde. Vielmehr wurden diese durch Aktivist_innen initiiert, die verschiedenen Bewegungen mit einer bewährten Or ganisationsstruktur angehörten. Deshalb gelang es ihnen „members of other po litical groups, which would normally not come together easily“ (Gümüş/Yılmaz 2015: 187) zu vernetzen. „In other words, discursive and practical strategies they employed long before the Gezi protests contributed to the consolidation of a social movement community.“ (Ebd.) Die verschiedenen Gegenöffentlichkeiten versammelten sich im Park und es gelang, eine vorher nie dagewesene Zahl von Menschen aus einfachen Öffent lichkeiten zu mobilisieren, die sich den ersten Aktivist_innen anschlossen. In der Folge entfalteten sich eine „politics of identity“ und eine „politics of inclusion“, die zu einer geradezu explosionsartigen Ausbreitung spontaner und kreativer Pro testformen führten. Diese, aber auch das äußerst brutale Vorgehen der Polizei führten dazu, dass internationale Medien auf die Gezi-Park-Proteste aufmerksam wurden und darü ber intensiv berichteten (vgl. dazu Sarisakaloglu 2019). Viele Beobachter_innen der Ereignisse in Istanbul hoben neben der erstaunlichen Breite der Proteste einen weiteren Aspekt hervor: die ungeheuerliche Vielfalt der künstlerischen und kultu rellen Produktionen, die ein integraler Teil der Proteste und ihrer Anziehungskraft war und diese stärkte. Bildende Künstler_innen, Schauspieler_innen, Musiker_in nen, Street Artists, Filmemacher_innen schlossen sich den Protesten an, gehör ten mit ihren kreativen Ideen und Arbeiten zur Bewegung und trugen zum „Gezi Spirit“ entscheidend bei – dem Gefühl der Solidarität und des Zusammenhalts, der Freude und Spontaneität am Gestalten des politischen Prozesses (vgl. u. a. Bianchi 2018: 216, 226). Jeremy F. Walton (2015) argumentiert, dass im Gezi-Park während der ge samten Dauer der Besetzung eine karnevaleske Atmosphäre im Sinne Bachtins herrschte. Theaterproduktionen und Performances waren allgegenwärtig und sowohl Poesie (vgl. Aytekin 2017) als auch Musik (vgl. Bianchi 2018) spielten eine wichtige Rolle für die Formierung der Protestbewegung und trugen zu einem „sense of belonging to the collective identity of the Gezi Park movement“ (ebd.: 212) entscheidend bei (vgl. Abb. 4).
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Abbildung 4: Tanz des Der wischs mit Gas mas ke. Graffi tis während der GeziParkProteste
© Jordi Boixareu/Quelle: The Passenger/Alamy Stock Foto
Abbildung 5: Gewaltfreier Protest: Erdem Gündüz Standing Man
© Nevit Dilmen/Quelle: https://commons.wikimedia.org/ wiki/File:Duranadam_standing_man_Taksim.svg
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Einige Performances wurden sehr populär, wie etwa der Standing Man des Künst lers, Tänzers und Choreografen Erdem Gündüz6. Acht Stunden stand er still und blickte auf das Porträt des Begründers einer laizistischen, an Europa orientier ten Türkei, Mustafa Kemal Atatürk. Die menschliche Statue erinnerte damit zu gleich an die Gründungsprinzipien des türkischen Staates und wies in der stillen und friedlichen Bewegungslosigkeit zugleich die Behauptungen der Regierung zurück, bei den Aktivist_innen der Bewegung handle es sich um gefährliche Ter rorist_innen. Diese Performance fand zahlreiche Nachahmungen sowohl in der Türkei als auch im Ausland, wie etwa in Hamburg (vgl. Abb. 5). Street Art und Graffiti waren in den Protesten wichtige Medien, die auf dem Gezi-Park-Gelände selber, aber auch in der angrenzenden Istanbuler Innenstadt allgegenwärtig waren (vgl. Yanik 2015; Tas, T./Tas, O. 2014). Mit den Bildern und Texten antworteten Künstler_innen oft schnell und spontan auf Erdogans Re pressalien und setzten ihnen eigene Forderungen und Deutungen entgegen. Der öffentliche Raum war stark umkämpft, denn die Staatsmacht antwortete darauf wiederum mit dem regelmäßigen Übermalen von Graffiti, „anti-graffiti actions that resulted in a patchy assemblage of institutional beiges, greys, and other non- descript colours“ (Evered 2018: 1). Als die Massenmedien zunächst die Proteste und die gewalttätigen Reaktionen der Regierung darauf ignorierten und CNNTürkei stattdessen eine Dokumentation über Pinguine sendete, wurde der als Mas ke getragene oder mit Schablone an die Wand gemalte, aufgesprayte oder gebas telte Pinguin zum machtvollen Symbol der Kritik an den türkischen Medien und der Staatsmacht (vgl. Abb. 6). Abbildung 6: Diren Taksim! (Leiste Widerstand Taksim!)
© Burak Su/Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Gezi_park%C4%B1_2013-06-08_(52).jpg
6 Vgl. Wikipedia-Eintrag zu Erdem Gündüz.
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Nicht selten trug der Pinguin eine Gasmaske, um so auf das brutale Vorgehen der Polizei gegen die antiautoritäre, vielstimmige Bewegung hinzuweisen und gegen den Einsatz von Knüppeln und Tränengas zu protestieren (vgl. Öztürkmen 2014). Die Gasmaske war überall präsent – getragen zum Schutz vor Polizeiangriffen und zugleich symbolisch auf Fotos, in Graffitis oder Logos für Hashtags abgebil det, mit dem zum Widerstand aufgerufen wurde (vgl. Abb. 7). Sie wurde auch Teil von Performances, die die Gewalt des Staates demaskierten, beispielsweise indem der Bräutigam bei einer vermeintlichen Hochzeit mit Gasmaske auftrat. Ikonogra fischen Status erlangte das dokumentarische Foto der „Woman in Red“, einer Frau im roten Kleid, die von der Polizei mit Tränengas attackiert wurde. Abbildung 7: Occupy Gezi
© Burak Su/Quelle: https://commons.wikimedia.org/ wiki/File:OccupyGezi.jpg
Humor, das Sich-lustig-Machen über die staatlichen Medien und die Regierung, war ein wichtiges, visuelles und verbales Werkzeug der Gezi-Park-Bewegung (vgl. Görkem 2015). Oft antworteten die Aktivist_innen direkt auf die Übergriffe der Polizei und die Drohungen des Präsidenten Erdogan. Als dieser die Demonst rant_innen als „çapulcu“, als Plünderer und Schurken, bezeichnete, eigneten sich diese den Begriff an: „Everyday I’m çapuling“ war auf Grafitti, Postern und T-Shirts zu lesen. Akivist_innen, online oder offline, identifizierten sich mit den „Çapulcus“ als sozialer Gruppe (vgl. Odag/Ulug/Solak 2016) (vgl. Abb. 8). Humor funktionierte auch als emotionale Stütze gegen die sehr realistische Angst, in den Polizeieinsätzen verletzt zu werden oder ums Leben zu kommen (vgl. Yanık 2015). Insgesamt starben in der Türkei bei den Protesten zwölf Men schen, 8.000 wurden verletzt (vgl. Gökkaya 2018). Judith Butler hat in ihrer Pub likation Notes Toward a Performative Theory of Assembly (2015), in der sie u. a.
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Abbildung 8: „Everyday I am Çapuling“
© VikiPicture/Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2013_Taksim_ Gezi_Park_protests,_a_Chapulling_grafitti_at_%C4%B0n%C3%B6n%C3%BC_ Street,_G%C3%BCm%C3%BC%C5%9Fsuyu,_Taksim_1.JPG
Abbildung 9: „KOMM, WENN DU DICH TRAUST! #leistewiderstandmeinherz ICH TEILE DICH!“
Quelle: Titelblatt des Ausstellungskatalogs: Sıkıyorsa Gel!, #direnkalbim, Seni Paylaşıyorum!
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auch auf die Gezi-Park-Proteste Bezug nimmt, die Verletzlichkeit „öffentlicher Versammlungen“ thematisiert. Sie stellt dabei den Körper in den Mittelpunkt und betont, dass Politik eben nicht nur auf sprachlicher Ebene, sondern auch auf körperlicher stattfindet. In einer solchen Perspektive wird u. a. die Bedeutung von Affekten und des Affektpotenzials von kreativen, künstlerisch-kulturellen Ausdrucksformen, wie sie im Gezi-Park überaus präsent waren, deutlich. Eine Ausstellung zum Jahrestag der Proteste, die in zwei bekannten Galerien in Istan bul gezeigt wurde und zu der auch ein Ausstellungskatalog vorliegt, bringt die Vielfalt künstlerischer Aktivitäten und ihre unmittelbare politische Bedeutung eindrucksvoll zum Ausdruck. Die Kurator_innen Bedri Baykam und Deniz Özer verbanden darin die Arbeiten von 52 Künstler_innen zu Gezi mit Fotografien, die die friedliche und solidarische Atmosphäre im Gezi-Park ebenso wie die Brutalität der Polizeieinsätze zeigen7. Der Titel der Ausstellung, SIKIYORSA GEL! #direnkalbim SENİ PAYLAŞIYORUM! bedeutet in wörtlicher Überset zung: „KOMM, WENN DU DICH TRAUST! #leistewiderstandmeinherz ICH TEILE DICH!“ (vgl. Abb. 9).
E in
kur zes
F a zit
Die zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu den Gezi-Park-Protes ten zeigen, dass aktivistische, engagierte, interventionistische und auf Teilhabe setzende Kunst- und Kulturproduktionen entscheidend zum Zusammenhalt der Aktivist_innen beigetragen haben, einen großen Anteil an der Formierung ihres politischen Einflusses und am solidarischen ,Gezi Spirit‘ hatten sowie auch die internationale Sichtbarkeit der Proteste forcierten. Altbekanntes neu zu empfinden, zu denken und auszusprechen, erfordert neue ästhetische Formen, neue Repräsentationsweisen und neue Strategien. Des halb sind künstlerische und kulturelle Praktiken und Produktionen eine wichtige Ressource für Interventionen in komplexe Öffentlichkeiten. Sie sind integraler Bestandteil von sozialen Bewegungen und Gegenöffentlichkeiten. Um diese Er kenntnisse in der Öffentlichkeitsforschung produktiv – im Sinne der die Eröff nung von Veränderungsmöglichkeiten – zu nutzen, ist ein Zusammendenken von künstlerisch-kulturellen und wissenschaftlichen Ansätzen notwendig. In den künstlerischen Produktionen, die die Gezi-Park-Proteste überdauert ha ben, auch in den Publikationen dazu, drückt sich eine heiter-gelassene Aufbruch stimmung und eine solidarische Protestidentität aus, die im scharfen Kontrast zu den immer stärkeren Repressionen und den Menschenrechtsverletzungen der AKP-Regierung steht. Es gibt Medien, künstlerische Projekte und aktivistische 7 Eine englische Kurzbeschreibung findet sich auf der Website Kolaj Art.
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Gruppen, die trotzdem und unter großen Gefahren weiterarbeiten und die Erinne rung an Gezi wachhalten, wie etwa Mor Çatı (vgl. Website), die sich für Frauen rechte einsetzt und jene unterstützt, die Opfer von Gewalt wurden. Die politischen Entwicklungen in der Türkei zeigen jedoch deutlich, wie wichtig es ist, bei der Analyse von Gegenöffentlichkeiten und Protestbewegungen, ebenso wie für die Frage nach der Wirkmächtigkeit von künstlerischen und kulturellen Produktionen die gesellschaftlichen Hierarchien und Machtverhältnisse stets mit zu bedenken.
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Kulturarbeit in der ,Migrationsgesellschaft‘
Kulturarbeit in der ,Migrationsgesellschaft‘: Ungleichheiten im Kulturbetrieb und Ansatzpunkte für eine kritische Neuausrichtung Anita Moser
Migration beeinflusst unsere Gesellschaft grundlegend auf unterschiedlichen Ebenen. Sie ist ein Phänomen, das dazu beiträgt, bestehende Verhältnisse, Gren zen und Ordnungen in Bewegung zu versetzen, indem sie diese problematisiert, irritiert und Veränderungen einfordert (vgl. Mecheril 2016b). Dies lässt sich auch in Bezug auf den Kulturbetrieb des deutschsprachigen Raums feststellen. Glo bale Migrationen – insbesondere Bewegungen wie der ,Sommer der Migration‘ 2015 – machen wie durch eine Linse Rassismen und asymmetrische Macht-, Teilhabe- und Repräsentationsverhältnisse sichtbar, die dieses Feld kennzeich nen: Zum einen fehlende Diversität und eine weiße1 Dominanz auf allen Ebenen – also auf jener des Managements, der inhaltlichen Ausrichtungen und Pro duktionen, des Publikums sowie der kulturpolitischen Entscheidungsträger_in nen –, die mit dem Ausschluss Nicht-Weißer als Subjekte mit eigenen Stimmen, Perspektiven und Handlungsweisen einhergeht. Zum anderen die Adressierung nicht-weißer Kunst- und Kulturproduzent_innen sowie -rezipient_innen in tem porären Sonderprogrammen, oft in Zusammenhang mit deren Reduktion auf be stimmte Themen (wie Migration, Heimat oder Kultur) und einer Festschreibung als ,Andere‘. Obwohl Migration eine universelle menschliche Praxis darstellt, die unsere Gesellschaft seit langem entscheidend prägt, erweist sich das Feld von Kunst und Kultur als überaus resistent gegenüber Veränderungen und (re-)produziert hege moniale Ungleichheitsverhältnisse kontinuierlich mit. So steht dieser im deutsch sprachigen Raum maßgeblich über öffentliche Gelder finanzierte und politisch
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Der Begriff weiß, klein und kursiv geschrieben, ist – wie er im vorliegenden Text ver wendet wird – ein von Schwarzen Theoretiker_innen entwickelter analytischer Begriff, um strukturell verankerte weiße Dominanz- und Machtverhältnisse und damit verbun dene Privilegien und Rassismen zu bezeichnen (vgl. Kuria 2015).
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gesteuerte Bereich auch im Widerspruch zu einer demokratischen Kulturpolitik (vgl. Mokre 2005), deren Aufgabe es ist, Kunst und Kultur dergestalt zu fokus sieren und zu fördern, dass die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit und Diversität darin repräsentiert und handlungsfähig ist. Dies müsste gerade auch die umfassen de, nicht zuletzt finanzielle Förderung minorisierter und von (bildungsbezogenen, sozialen, ökonomischen etc.) Ausschlüssen betroffener Personen, künstlerischer Perspektiven und Praktiken zur Folge haben, was in weiterer Konsequenz größere Verteilungsgerechtigkeit und Heterogenität im künstlerisch-kulturellen Feld be deuten würde. Ein solchermaßen (neu) ausgerichteter Kulturbetrieb könnte wich tige Impulse für andere gesellschaftliche Felder setzen. Wo muss angesetzt werden, damit sich die ,Normalität‘ migrationsgesell schaftlicher Vielheit2 im Kunst- und Kulturbetrieb durchsetzt? Und zwar in dem Sinn, dass sie nicht nur thematisch, temporär und oberflächlich ,integriert‘ wird, sondern als Transformation3 in Gestalt einer tiefer gehenden strukturellen Ver änderung auf unterschiedlichen Ebenen stattfindet? Dieser Frage geht der vor liegende Beitrag nach. Dazu werde ich eingangs das Feld des Kulturbetriebs im deutschsprachigen Raum kurz umreißen und die wichtigsten Aspekte in Bezug auf Ausschlüsse im Kontext migrationsgesellschaftlicher Entwicklungen darstellen. Anschließend wird das Konzept der ,Migrationsgesellschaft‘ und dessen Potenzial in Hinblick auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kulturbetrieb disku tiert, um im letzten Abschnitt konkrete Ansatzpunkte für dessen migrationsgesell schaftliche Neuausrichtung herauszuarbeiten.
2 Mark Terkessidis (2017) spricht allgemein in Bezug auf Institutionen und Einrichtun gen in der „Einwanderungsgesellschaft“ von „Vielheitsplänen“ (ebd.: 42 ff.), die in un serer Gesellschaft der Vielheit zu entwickeln seien, um einen Perspektivenwechsel und eine Neujustierung der Organisationen zu bewerkstelligen. Migration sieht er dabei als „eine Art Passepartout“ (ebd.: 9), um zahlreiche grundsätzliche Aspekte des Wandels zu diskutieren. 3 Der Begriff der Transformation taucht seit einigen Jahren verstärkt im Zusammenhang mit Kunst und Kultur auf und wird aus unterschiedlichen Perspektiven im Kontext von demografischem Wandel, Digitalisierung etc. thematisiert, unter anderem in Be zug auf Kulturmangement und -politik (vgl. Knoblich 2018; Kolland 2016; Sievers/ Föhl/Knoblich 2016; Föhl/Wolfram/Peper 2016; Föhl/Sievers 2015), Museologie (vgl. CARMAH 2018), kritische Kunstvermittlung (vgl. Mörsch 2009; Settele/Mörsch 2012) oder im Zusammenhang mit Neoliberalismus, Kulturindustrie und künstlerischer Kritik (vgl. Raunig/Wuggenig 2016 [2007]).
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T rends im K ultur b e trie b : M i g rati on als T he m en lie fe ran tin und M i g rant _ in nen als , target group ‘ Der Kulturbetrieb des deutschsprachigen Raums ist ein komplexes Feld aus ein zelnen Kultureinrichtungen und -projekten, deren Akteur_innen (wie Künstler_ innen, Kulturmanager_innen, Kurator_innen etc.), Vermittlungsinstanzen sowie kulturpolitischen Rahmenbedingungen (vgl. Zembylas 2004; Heinrichs 2006). In Bezug auf die Träger_innenschaft kann zwischen öffentlich-rechtlichen bzw. staatlichen Institutionen, im Profit-Bereich anzusiedelnden privatrechtlich-kom merziellen Einrichtungen sowie dem privatrechtlich-gemeinnützigen Sektor un terschieden werden. Letzterer gehört zum Non-Profit-Bereich und wird häufig unter dem Begriff der freien Szene/n subsumiert (vgl. Moser 2015). Mischfor men sowie vielfältige Überschneidungen und gegenseitige Beeinflussungen kenn zeichnen die drei Bereiche. Die wesentlichsten Unterschiede lassen sich in Bezug auf deren kulturpolitische Absicherung und Finanzierung ausmachen, wobei eta blierte staatliche Einrichtungen in einer deutlich privilegierteren Situation als die chronisch unterfinanzierten frei produzierenden Künstler_innen, Kollektive und Initiativen sind. Charakteristisch für die freie Kulturarbeit – entstanden in den 1970er Jahren aus dem Bedürfnis nach Selbstorganisation, inhaltlicher Unabhän gigkeit und der Entwicklung einer eigenen Soziokultur – sind ein gesellschafts kritisches Selbstverständnis und oft auch unkonventionellere Zugänge (vgl. ebd.; Moser 2016). Seit einigen Jahren finden im Kulturbetrieb – und verstärkt im Kontext der Fluchtbewegungen von 2015 – Auseinandersetzungen mit Fragen der ,Integrati on‘ und zur ,interkulturellen Öffnung‘ von Einrichtungen statt. Dabei sind zwei Phänomene vorherrschend: Zum einen die Fokussierung auf Migrant_innen4 als potenzielles Publikum samt Umsetzung entsprechender Audience-DevelopmentStrategien, zum andern der zunehmende Einbezug von (globaler) Migration und damit in Verbindung stehender Inhalte als Thema in Kulturinstitutionen und Aus stellungsprojekten. So werden seit den 1990er Jahren in Europa zunehmend Ausstellungen durchgeführt, die auf die Überwindung eurozentristischer Perspektiven in der westlichen Kunst abzielen, in Österreich etwa die im Rahmen des steirischen herbst 96 entwickelte Ausstellung Inklusion : Exklusion. Kunst im Zeitalter von 4 Auf die Problematik dieses Begriffs gehe ich an späterer Stelle ein. Im vorliegenden Text wird bewusst auf eine Unterscheidung zwischen Migrant_innen und Geflüchteten verzichtet, da diese Kategorien einen Diskurs der Unterscheidung zwischen berechtig ter und nicht berechtigter Migration, notwendiger Flucht (von ,Kriegsflüchtlingen‘) und weniger zwingender Flucht (von ,Wirtschaftsflüchtlingen‘) stützen.
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Postkolonialismus und globaler Migration, die den „Versuch einer neuen kultu rellen Kartografie“ (Weibel 1997: Klappentext) unternahm. Auch die Biennale der zeitgenössischen Kunst in Lyon (2000) oder die in Köln 1999/2000 gezeigte Großausstellung Kunstwelten im Dialog – Von Gauguin zur globalen Gegenwart wollten nicht-westliche Kunst in den Fokus rücken. Dabei wurde das ,Andere‘ angeeignet, präsentiert und am Kunstmarkt positioniert, ohne die eigenen Institu tionen und deren Verstrickung in (post-)kolonialistische Machtbeziehungen kri tisch zu hinterfragen, nicht-weiße Künstler_innen und Kulturschaffende als Ex pert_innen und Entscheidungsträger_innen einzubeziehen oder ihnen überhaupt das Feld zu überlassen. Bei allem Engagement zementieren derartige Projekte die weiße Vorherrschaft und Perspektive im westlichen Kunstbetrieb (vgl. MicosséAikins 2011). Seit rund fünfzehn Jahren werden im deutschsprachigen Raum die rassisti schen Ausschlüsse von Institutionen und deren Rolle als „Konserven des Koloni alismus“ (Kravagna 2009) kritisch durchleuchtet (vgl. für Österreich u. a. Mutten thaler/Wonisch 2006; Kazeem/Martinz-Turek/Sternfeld 2009). Inhaltlich werden diese Diskussionen ansatzweise in Sammlungstätigkeiten von (ethnologischen) Museen, Ausstellungstheorien und -praktiken aufgenommen, weniger jedoch in Hinblick auf die Organisationsstrukturen der Kulturbetriebe. Umso wichtiger sind daher Ausnahmeereignisse wie 2002 die documenta 11, die mit dem in Nigeria geborenen Kurator Okwui Enwezor erstmals von einem Nichteuropäer geleitet wurde. Enwezor vollzog einen Perspektivenwechsel innerhalb der renommierten Großausstellung, indem er fünf Plattformen in verschiedenen Erdteilen installierte – Kassel war eine davon –, dabei Kunst mit anderen Wissenssystemen verband und so Hierarchien und Ausschlüsse der westlichen eurozentristischen Sicht auf Kunst hinterfragte und dekonstruierte. Seit den 2000er Jahren findet Migration – insbesondere die Geschichte der Ar beitsmigration – als alltagskulturelles Thema vermehrt Eingang in Institutionen. Expert_innen stellen einen Boom von Migrationsausstellungen (vgl. Wonisch 2012: 14) fest, der durchaus kritisch zu sehen ist. Häufig werden die Ausstellun gen ohne oder mit lediglich marginaler Einbindung von Migrant_innen konzipiert und umgesetzt und ein enger Fokus auf ,die‘ Kultur ,der‘ Migrant_innen oder die Präsentation entkontextualisierter, klischeehafter Objekte gelegt. Eine viel beachtete Ausnahme ist die von dem ehemaligen ,Gastarbeiter‘ Cemalettin Efe initiierte und 2004 von der Initiative Minderheiten in Kooperation mit dem Wien Museum realisierte Ausstellung Gastarbajteri – 40 Jahre Arbeitsmigration (vgl. Gürses/Kogoj/Mattl 2004). Die im interdisziplinären Team, dem unter anderen Arbeitsmigrant_innen und Antirassismus-Aktivist_innen angehörten, umgesetzte Ausstellung erzählte Arbeitsmigrationsgeschichten selbstbestimmt aus der Per spektive von Migrant_innen und mit Fokus auf soziale und politische Fragen. Erstmals fand das Thema damit in Österreich Eingang in eine Kulturinstitution.
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Die spezifischen Entstehungs- und Umsetzungsbedingungen der als „Gegener zählung“ zum österreichischen Migrationsdiskurs konzipierten Ausstellung (vgl. Böse 2005) hatten zur Folge, dass sie auch von (ehemaligen) Arbeitsmigrant_in nen stark besucht wurde. Die im Kontext des Projekts in Bezug auf inhaltliche und organisatorische Fragen entwickelte breite Expertise wurde und wird im Kul turbetrieb jedoch kaum aufgenommen. Auch Migration als Querschnittsmaterie in den Dauerausstellungen der Museen und als selbstverständlicher Teil öster reichischer Erinnerungskultur ist nach wie vor selten sichtbar (vgl. Hintermann 2012: 137). Ähnlich wie in Bezug auf ,Migrationsausstellungen‘ lässt sich ein Anstieg von Initiativen und theoretischen Auseinandersetzungen zur Schaffung von Zu gängen ,für Migrant_innen‘ beobachten. Eine stetig wachsende Zahl an Audien ce-Development-Studien beschäftigt sich mit der Frage nach Migrant_innen als (fehlendes) Publikum im Kulturbetrieb (vgl. u. a. Allmanritter 2017, 2016, 2009; Allmanritter/Siebenhaar 2010; Hausmann/Körner 2009; Mandel 2017 [2016], 2016a, 2016b, 2013). Dabei bilden mitunter wirtschaftliche Fragestellungen den Ausgangspunkt und es wird primär aus einer ökonomisch gut situierten, bildungs bürgerlichen weißen Perspektive der Mehrheitsgesellschaft sowie aus der Logik des Kulturbetriebs heraus argumentiert. Indem Migrant_innen als (meist homo gene, mitunter defizitäre) ,target group‘ konstruiert werden, wird zusätzlich zur Reproduktion diskriminierender Festschreibungen ein hierarchisches Verhältnis zwischen der sich vermeintlich öffnenden Einrichtung und den erwarteten Besu cher_innen hergestellt. Ausgangspunkt von Audience-Development-Zugängen und Praxisleitfäden zur Öffnung von Kultureinrichtungen bilden häufig Konzepte von ,Integration‘, ,Interkulturalität‘ und des ,interkulturellen Dialogs‘. Es handelt sich dabei um Ansätze, die María do Mar Castro Varela (2002) als hierarchische, Macht erhal tende und ausgrenzende Diskurse bezeichnet, die hauptsächlich von Mehrheits angehörigen konzipiert und geleitet werden, kulturalisierend auf kulturspezifi sche Patentrezepte zurückgreifen und interkulturelle Kompetenz „vor allem als Konfliktvermeidungs- oder -bewältigungskonzept“ verstehen (ebd.: 38).5 Neuere
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Kritikpunkte dieser Art formulierte beispielsweise auch das Bündnis kritischer Kultur praktiker*innen bezüglich der Tagung Mind the Gap! – Zugangsbarrieren zu kulturel len Angeboten und Konzeptionen niedrigschwelliger Kulturvermittlung (9.–10. Januar 2014, Deutsches Theater Berlin), wo es mit der Aktion Mind the Trap! intervenierte. Kein_e einzige_r selbst von Ausschlüssen betroffene_r Wissenschaftler_in, Kulturprak tiker_in oder Expert_in sei zur Tagung eingeladen gewesen, um sich mit Ausschlüs sen und Marginalisierungen aus eben dieser Perspektive kritisch auseinanderzusetzen. „Letztlich ging es, zugespitzt formuliert, um die Vergewisserung der eigenen Position, die so lange gegeben ist, wie die eigenen Parameter nicht infrage gestellt werden.“ (Sharifi/Sharifi 2014: o. S.)
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Studien (vgl. u. a. Dätsch 2018) nehmen verstärkt den Begriff der Transkultur alität zum Ausgangspunkt. Dieser wurde im deutschsprachigen Raum wesentlich von Wolfgang Welsch (1995) geprägt und setzt der Idee von geschlossenen und einheitlichen Nationalkulturen die Vorstellung von durch plurale Identitäten und Vermischung gekennzeichneten Kulturen gegenüber. Das Verhältnis der Kulturen sei daher nicht von Isolierung und Konflikt bestimmt, sondern von Verflechtung und Durchmischung (vgl. ebd.). Doch die Vorstellung verflochtener hybrider Kul turen, die immer auch im Kontext von Machtfragen theoretisiert werden müssen (vgl. Mecheril/Seukwa 2006: 10), setzt wiederum (mindestens zwei) Einzelkultu ren voraus. Die Kritik am statischen und vereinheitlichenden Kulturbegriff führt im Transkulturalitätsbegriff daher „nicht zu einer Überwindung, sondern zur ,Ver vielfachung‘ der statischen Kultur“ (ebd.: 9). Wie bei interkulturellen Zugängen wird auch im Kontext von Transkulturalität einer kulturalistischen Reduktion so zialer und politischer Verhältnisse Vorschub geleistet, „denn: (Trans-)Kulturalisie rung bleibt Kulturalisierung“ (ebd.). Es ist grundsätzlich wichtig und positiv, dass im Kulturbereich seit einigen Jahren ein intensives Nachdenken über die Reduktion von Barrieren und das Schaffen von Zugängen stattfindet. Jedoch zeigt sich, dass dieses Nachdenken oftmals in einzelnen künstlerischen Genres (wie der bildenden Kunst bzw. Kunst vermittlung) und Fachrichtungen (wie Audience Development) stehenbleibt oder auch zu wenig radikal – im eigentlichen Wortsinn von ,an die Wurzeln gehend‘ – ist. „Audience Development im engeren Sinne kann Kulturinstitutionen zwar attraktiver und relevanter für ein breiteres Publikum machen“, so ein Fazit von Birgit Mandel (2017 [2016]: o. S.), „jedoch nur geringfügig zur Verringerung so zialer Selektivität der Partizipation am öffentlich geförderten Kulturangebot bei tragen“. Obwohl Migration sämtliche Bereiche des eingangs skizzierten Kulturbe triebs tangiert, werden Fragen zu dessen entsprechender Adaptierung primär in Bezug auf Kulturveranstalter_innen – und nicht etwa auf kulturpolitische Behör den und ihre Akteur_innen – abgehandelt. Der Fokus der dominierenden Phäno mene ,Migration als Thema‘ und ,Migrant_innen als ,target group‘‘ richtet sich auf Programme und Publika von Kulturbetrieben. Die Ebene des Personals – neben Programm und Publikum ein dritter zentraler Bereich in Organisationen, in dem Vielheit umzusetzen ist (vgl. u. a. Mandel 2016b; Schauws 2016; Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg 2015) – wird marginal thematisiert und damit ebenso wenig die Fragen der Definitions- und Entschei dungsmacht in einem Kulturbetrieb. Die Defizite und Potenziale der freien Szenen sowie Wechselwirkungen zwischen diesen und etablierten Institutionen bleiben ebenfalls häufig unberücksichtigt. Analysen, die die Institutionenlandschaft und ihre Ausgrenzungsdynamiken ganzheitlich kritisch betrachten und darauf basie rende umfassende Maßnahmen, die bis dato unterrepräsentierte Personen und
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Gruppen als Akteur_innen des Kulturbetriebs und selbstorganisierter Einrichtun gen fördern, sind nach wie vor eher selten zu finden. Staatliche Einrichtungen wie die im April 2017 vom Berliner Senat gegründete Konzeptions- und Beratungs stelle für Diversitätsentwicklung im Kulturbetrieb, Diversity Arts Culture6, sind im deutschsprachigen Raum die Ausnahme und fehlen in Österreich gänzlich.
D as K on zept der ,M i g rati o ns ge sell schaft ‘ als kri ti sche P er s pek ti ve auf U n gleich hei ten In den letzten Jahren bildeten sich kontinuierlich Perspektiven heraus, die Mi grationsforschung als „offenes Projekt der Kritik“ (Mecheril et al. 2013: 41) verstehen (vgl. u. a. Website Forschungsgruppe [KriMi]; Website Kritnet). Einen kritischen Ansatz vertritt etwa die maßgeblich im Kulturbereich – und zwar vor allem in dem transdisziplinären Projekt Migration7 – entwickelte ,Perspektive der Migration‘. Darunter ist nicht (primär) die Sichtweise einzelner Migrant_in nen zu verstehen, sondern vielmehr eine (Forschungs-)Haltung, die mit gängigen Diskursen und Bebilderungen von Migration bricht und „Migration als conditio humana, als eine totale soziale Tatsache und als gesellschaftsverändernde Kraft epistemologisch und methodologisch aufgreift“ (Hess 2013: 118, Herv. i. O.). Migration wird dabei als Bewegung verstanden, die nationalstaatlich fundierte Konzeptionen (wie Staatsbürgerschaft) herausfordert, sowie als eine widerstän dige, bis zu einem gewissen Grad autonome Praxis, die von selbstbestimmt handelnden Subjekten getragen und nur begrenzt steuer- und regierbar ist (vgl. Mezzadra 2005; Bojadžijev/Karakayali 2007). Unter dieser Perspektive wird bei spielsweise das Potenzial des ,Sommers der Migration‘ als fundamentale Kritik an Grenzregimen und als ein temporäres Aussetzen und Überwinden dieser ana lysiert (vgl. Hess et al. 2016). Die gesellschaftsbildende und -verändernde Kraft von Migration steht auch im Zentrum des Konzepts der ,Migrationsgesellschaft‘, wie es insbesondere im erzie hungswissenschaftlichen Kontext geprägt und vom Bildungs- und Migrationsfor 6 Erklärtes Ziel dieser – u. a. aus aktivistischen und anderen Initiativen verschiedener Akteur_innen des Berliner Kulturbetriebs hervorgegangenen – Einrichtung ist das In itiieren eines diversitätsorientieren Strukturwandels. Die Arbeit umfasst die Beratung von Kulturinstitutionen, Qualifizierungsangebote für Kulturschaffende, die Stärkung unterrepräsentierter Künstler_innen und Kulturschaffender durch Empowermentstrate gien, die Unterstützung der Kulturverwaltung in ihrer diversitätsorientierten Ausrich tung sowie die Erhebung von Gleichstellungsdaten für den Berliner Kulturbetrieb (vgl. Website Berliner Projektbüro für Diversitätsentwicklung Diversity Arts Culture). 7 Das Projekt wurde von 2002 bis 2006 im Kölnischen Kunstverein durchgeführt. Der dabei entstandene Katalog beinhaltet neben der umfangreichen Dokumentation grund legende theoretische Texte dazu (vgl. Kölnischer Kunstverein et al. 2005).
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scher Paul Mecheril in Hinblick auf die Rolle von Bildungsprozessen und -insti tutionen grundlegend theoretisiert wurde. Migration präge unsere soziale Realität auf spezifische Art und in einem derart entscheidenden Ausmaß – so die Grundan nahme –, dass der Begriff der „Migrationsgesellschaft“ die adäquate Bezeichnung für die gegenwärtige Gesellschaft sei (vgl. Broden/Mecheril 2007: 7). Der davon abzugrenzende häufig verwendete Begriff „Einwanderungsgesellschaft“ greife in sofern zu kurz, als er auf den Nationalstaat als Container sowie damit zusammen hängende Einwanderungsphänomene referenziert und dabei eine Reihe zentraler Aspekte von Migration (wie etwa Mehrfach-Zugehörigkeiten, transnationale Le benswelten etc.) ausgeblendet bleiben (vgl. ebd.). Die Perspektive der ,Migrationsgesellschaft‘ blickt auf die Gesellschaft als Ganzes – und nicht auf imaginierte Gruppen oder einzelne Migrant_innen – und auf ein breites Spektrum von Wanderungsphänomenen sowie migrationsgesell schaftlichen Veränderungen. Dazu zählen beispielsweise neue (Selbst-)Verortun gen und Handlungsformen, hybride transnationale Identitäten und Räume, Kons truktionen von Fremdheit, rassistische Prozesse und Strukturen, soziale Ein- und Ausgrenzung sowie realpolitische wie symbolische Grenzziehungen und -über schreitungen. Zentraler Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Erfahrungen in der Migrationsgesellschaft in einer bedeutsamen Weise von Zugehörigkeitsordnun gen strukturiert werden, wobei „Zugehörigkeit“ eine Relation zwischen einem In dividuum und einem sozialen Kontext kennzeichnet, in welchem Praktiken und Konzepte der Unterscheidung von „zugehörig“ und „nicht-zugehörig“ konstitutiv sind (vgl. Mecheril 2012b: 26). Es gilt offenzulegen, dass migrationsgesellschaft liche Zugehörigkeit entlang verschiedener Kategorien wie Ethnizität, Nationalität, Religion etc. und durch die binäre Unterscheidung zwischen Gruppen von (einem als Normalität gesetzten weißen) ,Wir‘ und (einem häufig abgewerteten ,ande ren‘) ,Nicht-Wir‘ hergestellt wird. Diese Herrschaftspraxis des insbesondere in den Cultural und Postcolonial Studies theoretisierten ,Othering‘ (vgl. Said 1978; Spivak 1985; Hall 1997) ist eng mit Repräsentationen verknüpft. Eine Vielzahl von Beschreibungen, Symbolen und Darstellungen gibt über (natio-ethno-kultu relle) Identität und Differenz Auskunft und (re-)produziert diese auch beständig (vgl. Broden/Mecheril 2007: 9). Die Migrationsgesellschaft ist in allen ihren re levanten Bereichen – von der Kunst über Medien bis zum Alltagsgeschehen, der Wissenschaft oder der Politik – „von einem Kampf um Repräsentationen charak terisiert“ (ebd.: 14). (Ethnisierte) Kultur als wesentlicher und bestimmender Fokus auf Wanderbe wegungen, (individuelle) Handlungen, Einstellungen oder Konflikte wird als zu einengend und unangemessen kritisiert, da dadurch nicht nur stereotype Zu- und Festschreibungen von Menschen auf ihre angeblich ,fremde‘ Kultur reproduziert werden, sondern soziale, politische und strukturelle Ungleichheitsverhältnisse oft als kulturelle Fragen bzw. Unterschiede thematisiert werden. Auch die Kategorien
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,Migrant_in‘ oder ,Migrationshintergrund‘ werden als zu problematisierende Zu schreibungen aufgefasst, da sie enorm verkürzend sind und vielfältige, komplexe Facetten von Identität ausblenden. Untersuchungen zeigen andererseits, dass ,Mi grationshintergrund‘ eine wichtige statistische Größe im Zusammenhang mit Be nachteiligung bei Bildungsabschlüssen, Zugängen zu oberen Segmenten des Ar beitsmarktes etc. ist, die bei Nichtberücksichtigung spezifische – etwa rassistische – Diskriminierungserfahrungen unsichtbar werden lässt (vgl. Ahyoud et al. 2018; Terkessidis 2017: 45 ff.). Wichtig ist daher zum einen, sich des reduktionistischen und reproduzierenden Potenzials von Kategorien und Identitätszuschreibungen sowie der „Unmöglichkeit der Anerkennung“ (Mecheril 2012b) bewusst zu sein. Umfassende Anerkennung ist grundsätzlich unmöglich, denn „[d]er Andere ist nicht anerkennbar, da der Andere nicht erkennbar ist“ (ebd.: 31). Anerkennung setzt voraus, sich (u. a. visuell) in den hegemonialen Diskurs einzuschreiben und dessen diskriminierende Strukturen ein Stück weit zu reproduzieren (vgl. Schaf fer 2008). Mecheril betont die Notwendigkeit einer Reflexion der Unmöglichkeit bzw. die Anerkennung der Nicht-Erkennbarkeit oder Unbestimmtheit des Ande ren. Dieses „paradoxe Moment“ müsste immer auch ein Moment allgemeiner Bil dung und Reflexion sein (vgl. Mecheril 2012b: 31). Wesentlich ist zum anderen auch eine intersektionale Perspektive auf Un gleichheiten, die reflektiert, dass Diskriminierungen nicht isoliert vorkommen, sondern in ihrer Verwobenheit und Gleichzeitigkeit mit anderen Diskriminie rungsformen (aufgrund von vermutetem Geschlecht, sexueller Orientierung, Klasse, nationaler oder kultureller Zugehörigkeit etc.) zu analysieren sind. Gen der und Queer Studies, die Heteronormativität als diskriminierendes gesellschaft liches Strukturprinzip erforschen, sowie Intersektionalitätsstudien bilden daher zentrale Anknüpfungspunkte kritischer Migrationsforschung, ebenso die Cultural Studies sowie Postcolonial und Critical Whiteness Studies, die die historischen Kontinuitäten weißer Vorherrschaft in (welt-)politischen, sozialen und Wissens zusammenhängen untersuchen. Das Konzept der ,Migrationsgesellschaft‘ betont auch die politische oder his torische Dimension von hergestellter (Nicht-)Zugehörigkeit, Anerkennung und Repräsentation mit ihren nicht voneinander zu trennenden Bedeutungen (politi sche) Vertretung und (symbolische) Darstellung. So werden etwa die diskursiven und kulturellen Konsequenzen der auf Abwehr abzielenden Politik des 20. Jahr hunderts als Bestandteil heute noch bedeutsamer kultureller Praktiken der Konst ruktion und Behandlung von „,Ausländer/innen‘, ,Migrant/innen‘, ,Menschen mit Migrationshintergrund‘ als Fremde und ,eigentlich nicht Zugehörige‘“ (Mecheril 2016a: 10) erachtet. Migration, verstanden als Phänomen der Beunruhigung (vgl. Mecheril 2016b), stellt das politische ,Wir‘ zur Diskussion, und zwar in Hinblick auf die Frage, wen dieses ,Wir‘ politisch repräsentiert, wer sich als politisches Subjekt artikulieren kann und wer nicht. Auch die Routinen öffentlicher Institu
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tionen – etwa bezüglich ihrer Sprache – werden durch Migration herausgefordert, und nicht zuletzt wird die Legitimität individueller Privilegien in Frage gestellt. Was lässt sich daraus nun in Bezug auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kulturbetrieb in der ,Migrationsgesellschaft‘ ableiten?
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der , in ter -/ trans kultu rel len Ö ff nung ‘ zu ei ner kri ti schen N euaus rich tung des K ultur b e trie bs Bezugnehmend auf das Konzept der ,Migrationsgesellschaft‘ stellt bei der Ana lyse des Kunst- und Kulturfeldes – und zwar auf sämtlichen Ebenen – die Fokus sierung auf machtvolle ,Othering‘-Prozesse und Ordnungen, die asymmetrische Zugehörigkeiten herstellen und strukturieren, einen wichtigen Ausgangspunkt dar. Einhergehend damit gilt es, Kulturalisierungen aufzudecken, Kategorien und Ad ressierungen (wie ,Migrant_innen‘) kritisch zu reflektieren und Diskriminierungen intersektional zu analysieren. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist, mitzudenken, dass die Herstellung und Reproduktion von Zugehörigkeit(-en) und Ungleich heiten nicht unabhängig von (Kultur-)Politik und entsprechender Maßnahmen zu sehen ist, da diese einerseits Ausgrenzungen systematisch und strukturell sank tionieren, andererseits aber auch Steuerungsinstrumente für Veränderungen sein können. Nicht zuletzt sind die Privilegien der Mehrheitsgesellschaft zu themati sieren und zu destabilisieren sowie kritische Fragen dahingehend zu stellen, wer wann von welchen – in Initiativen, Projekten, Konzepten oder Maßnahmen fest geschriebenen – Ordnungen profitiert. Analog zu in der Migrationspädagogik for mulierten Zielen (vgl. u. a. Mecheril 2016b: 106) muss es auch im Kulturbetrieb darum gehen, „im Anschluss an die Analyse der durch Migrationsbewegungen deutlich werdenden sozialen Ordnungen und hegemonialen Verhältnisse darüber nachzudenken, wie [P]erspektiven und [Kultur]räume für alle geschaffen werden können. Für alle!“ (ebd.).8 Das Konzept der ,Migrationsgesellschaft‘ wurde im Kunstkontext bisher pri mär im Feld der kritischen Kunstvermittlung rezipiert, die sich mit Kunst und Kultur(-institutionen) als Orte von Bildung und Fragen kritischer Ermächtigung auseinandersetzt und auf deren Veränderung abzielt (vgl. Mörsch/Schade/Vögele 2018; ifa et al. 2012; Mörsch 2009). Ausgehend von Rassismus und Ausgrenzung als strukturelle Phänomene könne die „Vision einer Kunstvermittlung, die Aus schlussmechanismen entgegenwirkt und Kunsträume als Lern- und Handlungs orte gerade für minoritäre Positionen nutzbar macht, das Selbstverständnis von Kulturinstitutionen und Kunstvermittlung nicht unberührt lassen“ (Mörsch 2012b: 8 Paul Mecheril (2016b: 106) spricht konkret von der Schaffung von „Bildungsperspek tiven“ und „Bildungsräumen“.
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15). Die Transformation von Kulturinstitutionen wie Museen weg von bürger lich elitären Einrichtungen hin zu Akteurinnen der politischen Domäne ist eine erklärte Forderung kritischer Kunstvermittlung. In Hinblick auf „das Agieren ei ner Kunstvermittlung in der Migrationsgesellschaft“ gehe es dabei einerseits um die individuelle Verantwortung der Vermittler_innen, darüber hinaus aber auch um ein kollektiv zu erarbeitendes „institutionelles Bewusstsein für die Geschichte dieser besonderen Institution“ und die Frage des Produktivmachens der histori schen Verantwortung für die Gegenwart (ebd.: 17 f.). Für eine kritische Analyse und migrationsgesellschaftliche Ausrichtung des Kulturbetriebs gilt es, Überlegungen der kritischen Kunstvermittlung zu berück sichtigen, diese aber auch weiterzudenken, insbesondere in zwei Richtungen: Erstens sind Konzepte und Maßnahmen in Bezug auf Kultureinrichtungen nicht auf etablierte Institutionen zu beschränken, sondern es sollten auch die frei en Szenen adressiert und einbezogen werden sowie Wechselwirkungen zwischen den Feldern untersucht werden. Denn der gemeinnützige dritte Sektor ist genauso wie die großen Institutionen von Rassismen und Ungleichheiten durchzogen, die es aufzuzeigen gilt. Gleichzeitig gibt es jedoch gerade in der freien Kulturar beit zahlreiche Einrichtungen und Projekte, die über viel Expertise in Bezug auf Diversität, die Benennung und Reduktion von Diskriminierungen, die (Selbst-) Organisation und Politisierung von Ausschlüssen betroffener Personen etc. ver fügen. Beispielsweise arbeitet die autonomen Migrant_innenselbstorganisation maiz (vgl. Website) seit ihrer Gründung in Linz 1994 an den Schnittstellen von politi scher Kultur- und Bildungsarbeit. Bereits Anfang der 2000er Jahre formulierte die Selbstorganisation Fragen nach strukturierenden Konfliktlinien sowie Kriterien und Forderungen in Bezug auf Zusammenarbeiten zwischen Migrant_innen und Künstler_innen der Mehrheitsgesellschaft (vgl. Salgado 2015 [2004]), die heute noch und insbesondere auch in Bezug auf Kulturinstitutionen relevant sind. So werden unter anderem Konzepte von Partizipation kritisiert, die nicht auf eine egalitäre Form der Zusammenarbeit abzielen, sondern lediglich die Involvierung von Migrant_innen meinen (vgl. ebd.). Ein Grundsatz von maiz ist daher, keine Kooperation mit Künstler_innen einzugehen, „die mit bereits fertigen Konzep ten zu uns mit der Einladung zur Mitwirkung kommen“ (ebd.: 41). Parallelen zu diesen und weiteren Überlegungen9 von maiz sind in dem über zehn Jahre später 9
Ein weiterer von maiz benannter Grundsatz ist, Entscheidungen bezüglich Kooperati onen auf Basis bestimmter Kriterien zu treffen, etwa der Bereitschaft und dem Inter esse der Künstler_innen an einem „dialogischen Prozess, der sich außerhalb der Logik der Opferrolle und einer eurozentristischen Perspektive entfalten soll“ (Salgado 2015 [2004]: 42). Auch Einklang in Bezug auf die Zielsetzung des Projektes muss vorhanden sein, wobei maiz ein explizit gesellschaftskritisches Interesse und die Vermittlung ge genhegemonialer Positionen formuliert. Sämtliche Phasen und Ebenen von Projekten
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entstandenen Zehn-Punkte-Programm von RISE 10 things you need to consider if you are an artist – not of the refugee and asylum seeker community – looking to work with our community (vgl. Canas 2015) zu finden, etwa unter Punkt 4 „Participation is not always progressive or empowering“ (ebd.: o. S.). Seit 2007 ist der ArtSocialSpace Brunnenpassage (vgl. Website) als Labor und Praxisort transkultureller und partizipativer Kunst in der ehemaligen Markthalle am Wiener Brunnenmarkt tätig. Ein kostenlos zugängliches, mehrsprachiges, interdisziplinä res Programm sowie mehrjährige Kooperationen mit etablierten Kulturinstitutio nen wie dem Wiener Konzerthaus, dem Burgtheater und dem Weltmuseum Wien sind Teil des Kernkonzeptes (vgl. Pilić/Wiederhold 2015). Das seit 2012 jährlich im September zu verschiedenen Ausschreibungsthemen stattfindende Kulturfes tival WIENWOCHE (vgl. Website) versteht Kulturarbeit als ein Einmischen in gesellschaftliche, politische und kulturelle Debatten. Künstlerische und kulturelle Praktiken sollen dabei erweitert und für alle in der Stadt lebenden sozialen Grup pen zugänglich gemacht werden. Die WIENWOCHE bietet umfassende Unter stützung bei der Konzeption und Umsetzung von Projekten und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu Professionalisierung von Kulturarbeiter_innen. Das in diesen exemplarisch erwähnten Einrichtungen und Projekten ent wickelte und erprobte Wissen fehlt vielfach in Institutionen (vgl. Moser/Gülcü 2018), weshalb nicht nur gezielte Maßnahmen zu setzen sind, damit es darin Ein gang findet und umgesetzt wird, sondern auch budgetäre Umverteilungen zur um fassenden Stärkung des Feldes freier Kulturarbeit zu empfehlen sind. Zweitens ist eine breite Umsetzung der Forderungen nach einem Wandel des Kulturbetriebs über den Bereich einzelner Kulturbetriebe hinaus zu denken, in dem die Kulturpolitik10 und -verwaltung in Bezug auf konkrete (kultur-)politische Maßnahmen adressiert wird (vgl. u. a. Kolland 2016; Mandel 2016b). Die kultur politische Dimension ist wesentlich, da – wie auch Mark Terkessidis in Bezug auf Organisationen allgemein betont – Wandel oftmals einen Anstoß im Sinne politi scher Beeinflussung benötigt (vgl. 2017: 43 f.). Die „Förderung von Diversität“ ist laut der Expertise Handlungsoptionen zur Diversifizierung des Berliner Kultur sektors von Joshua Kwesi Aikins und Daniel Gyamerah (2016) als „zielführende Interaktion zwischen Politik, Verwaltung und Kultureinrichtungen“ zu sehen und kann nur gelingen, „wenn sie vom Parlament sowie der Spitze der Kulturverwal tung als prioritäre und permanente politische Aufgabe verstanden und kommuni ziert wird“ (ebd.: 16).
sollen zudem von kritischer Reflexion (in Bezug auf Rassismen und Sexismen inner halb des Projekts) durchzogen sein. 10 Konkret sind damit die unterschiedlichen Ebenen von Kulturpolitik – also die struktu relle, formelle und institutionelle Polity-Dimension, die inhaltliche Ebene der Policy und die Aushandlungsprozesse der Politics – und deren Ineinanderwirken gemeint.
Kulturarbeit in der ,Migrationsgesellschaft‘
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es bei der migrationsgesellschaft lichen Ausrichtung des Kulturbetriebs nicht um eine (,interkulturelle‘ bzw. ,trans kulturelle‘) Öffnung einzelner Kultureinrichtungen, die thematische Verhandlung von Migration oder eine Veränderung von etablierten Institutionen hin zu offenen, kritischen Lernorten geht, sondern um einen umfassenden Wandel und eine syste matische diskriminierungssensible Neujustierung des Kulturbetriebs (vgl. Baum gartinger/Moser 2018).11
D is kri m i nie rungs sen si b le P er s pek ti ve auf P er s o nal , P ro gra mm und P u b li ku m in eta b lier ten I n sti tu ti o nen , freier S zene und K ultur p o li tik Eine Neujustierung des Kulturbetriebs setzt voraus, die oben genannten ,drei P‘ Personal, Programm und Publikum in institutionalisierten und freien Kulturein richtungen ebenso wie in Organisationen von Kulturpolitik und -verwaltung – wo die drei Ebenen mit den Begriffen Akteur_innen, Angebote, Adressat_innen ge fasst werden können – differenziert zu beleuchten. Dabei ist eine intersektionale, diskriminierungskritische Perspektive einzunehmen und der Fokus auf hergestellte (Nicht-)Zugehörigkeiten, Kulturalisierungen und mehrheitsgesellschaftliche Pri vilegien zu richten. Die Frage nach (fehlenden) Zugängen ist – wie Aikins und Gyamerah mit ihrer die ,drei P‘ ergänzenden Säule ,Z‘ für Zugang (2016: 14) ver deutlichen – ebenfalls zentral. Diese ist grundlegend als Querschnittsaspekt von Personal, Programm und Publikum zu thematisieren.12 Strukturierte und professi onell begleitete Prozesse der kritischen Selbstreflexion, Bestandsaufnahme, Eva luation, Bedarfsermittlung, Erarbeitung von Handlungsfeldern und Zielen sind weitere wesentliche Grundlagen einer Neuausrichtung. Entsprechende Grundsatz beschlüsse, Leitbilder sowie Einplanung und Zurverfügungstellung ausreichender finanzieller Mittel für die Prozesse sind ebenfalls zentral (vgl. Abb. 1). 11 Nach Fertigstellung meines Textes und kurz vor Drucklegung bin ich auf ein Gespräch von Lena Prabha Nising und Carmen Mörsch aufmerksam geworden, in dem ähnli che Überlegungen wie in meinem Text angestellt werden. Sie plädieren dafür, wie der Titel ihres Beitrags verdeutlicht, „[s]tatt ,Transkulturalität‘ und ,Diversität‘: Diskri minierungskritik und Bekämpfung von strukturellem Rassismus“ zu fokussieren (in: Blumenreich, Ulrike/Dengel, Sabine/Hippe, Wolfgang/Sievers, Norbert (Hg.) (2018): Welt.Kultur.Politik. Kulturpolitik in Zeiten der Globalisierung. Jahrbuch für Kulturpo litik 2017/18, Band 16. Bielefeld: transcript, S. 139–149). 12 Aikins und Gyamerah (2016: 14) betonen jedoch die Relevanz der Säule ,Z‘ für Zugang primär in Bezug auf zwei Akteure: die Kulturverwaltung (die u. a. durch eine spezifi sche Zielgruppenansprache den Zugang zu Förderinstrumenten sicherstellen sollte) und Kulturinstitutionen (die u. a. durch bezahlte Praktika für die Zielgruppe den Zugang in das professionelle Kulturgeschäft ermöglichen sollten).
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Abbildung 1: Ansatzpunkte für eine migrationsgesellschaftliche Neuausrichtung des Kulturbetriebs GRUNDLAGEN Intersektionale diskriminierungskritische Perspektive auf • hergestellte (Nicht-)Zugehörigkeiten • Kulturalisierungen • mehrheitsgesellschaftliche Privilegien • (fehlende) Zugänge Strukturierte und professionell begleitete Prozesse • der kritischen Selbstreflexion • Bestandsaufnahme und Evaluation • Bedarfsermittlung • Erarbeitung von Handlungsfeldern und Zielen • in solidarischer Zusammenarbeit zwischen Institutionen und (zivilgesellschaftlichen) Initiativen
Grundsatzbeschlüsse, Leitbilder, ausreichende finanzielle Mittel
Kulturpolitik und -verwaltung
Kulturinstitutionen und freie Szene/n
Personal (Akteur_ innen)
• Diversifizierung von Leitung und Mitarbeiter_innen samt umfassender betrieblicher Begleitmaßnahmen • Diversifizierung von Auswahlgremien, Jurys, Beiräten etc.
• Diversifizierung von Leitung und Mitarbeiter_innen samt umfassender betrieblicher Begleitmaßnahmen
Programm (Angebote)
• Reflexion von Kunst- und Kulturbegriffen • Eruierung und Vermeidung diskriminierender und rassistischer Inhalte • Diversifizierung von Antragsteller_innen • Adaption von Fördergesetzen und Subventionsrichtlinien • Adaption von Förderkriterien und -programmen • Barrierereduzierte Vermittlung • Kostenlose Qualifizierungsangebote für Kulturschaffende • Stärkung der freien Szene/n
• Reflexion von Kunst- und Kulturbegriffen • Eruierung und Vermeidung diskriminierender und rassistischer Inhalte • Barrierereduzierte Vermittlung • Diversifizierung mitwirkender Künstler_innen und Kulturschaffender • Selbstorganisierte Programme ‚von Communities‘ statt ‚Sonderprogramme für‘ diese • Einbezug der Expertise der freien Szene/n in etablierten Kulturinstitutionen
Publikum (Adressat_ innen)
• Reduktion räumlicher, ökonomischer, sozialer etc. Barrieren • Barrierereduzierte Kommunikation • Erweiterung der Kommunikationskanäle • Kontinuierliche Kooperation mit ‚Communities‘
• Reduktion räumlicher, ökonomischer, sozialer etc. Barrieren • Barrierereduzierte Kommunikation • Erweiterung der Kommunikationskanäle • Kontinuierliche Kooperation mit ‚Communities‘ • Einbezug der Expertise der freien Szene/n in etablierten Kulturinstitutionen
Quelle: Eigene Darstellung
Kulturarbeit in der ,Migrationsgesellschaft‘
In Kulturbetrieben sind selbstkritische Fragen zur Zusammensetzung des Perso nals aller Hierarchiestufen künstlerischer und administrativer Bereiche zu stel len, sowohl bezüglich fest angestellter wie auch freier Dienstnehmer_ innen. Die Personalzusammensetzung ist auch in Kulturpolitik und -verwaltung hoch rele vant, nicht nur bei Beamt_innen und Angestellten, sondern insbesondere auch in Entscheidungsgremien, Beiräten und Jurys. Die Berufung der Leitung von Kul tureinrichtungen spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie „die effektivste Steue rungsmaßnahme zur Förderung von Diversität“ (Aikins/Gyamerah 2016: 28) zu sein scheint. Dies unter anderem deshalb, weil „Hausleitungen ihre eigenen Pro grammmacher_innen, Netzwerke und diversitätsrelevante Konzepte mitbringen“ (ebd.). Insbesondere bei der Neubesetzung von Führungskräften sei zu berück sichtigen, dass sich diese umfassend zur Förderung von Diversität verpflichten. Einhergehend mit der Diversifizierung von Personal und anderen Akteur_innen des Kulturbetriebs braucht es weitere umfassende Maßnahmen, die die Umset zung der Neuausrichtung begleiten und gute Arbeitsbedingungen ermöglichen. Etwa ist zu reflektieren, wie neue Mitarbeiter_innen gesehen und behandelt wer den, wie „für ihr Fortkommen gesorgt“ wird (vgl. Terkessidis 2017: 51). Dabei gilt es, auch die in institutionelle Handlungsweisen eingeschriebenen rassistischen Wissensbestände zu thematisieren (vgl. ebd.: 53 f.). Die Personalebene spielt in Hinblick auf Veränderungen bei Programm und Angeboten sowie Publikum bzw. Adressat_innen eine wesentliche Rolle. Beim Programm von Organisationen und Projekten des Kunst- und Kulturbe reiches ist einerseits auf der inhaltlich-repräsentativen Angebotsebene nach der Verbreitung von diskriminierendem und rassistischem Wissen und der Produk tion von Stereotypien und Ausschlüssen zu fragen. Diese kontinuierliche kritische Selbstreflexion und Evaluation sollte selbstverständlicher Teil jeder Kulturarbeit sein. Andererseits geht es aber auch um eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit einem voraussetzungsvollen, bildungsbürgerlichen weißen Kunst- und Kultur begriff (vgl. Micossé-Aikins 2011), darauf basierenden Programmen und dadurch geschaffenen Barrieren, die oft mit einem weitgehend fehlenden Interesse an der Kulturproduktion migrantischer Communities einhergehen (vgl. u. a. ebd.; Moser/ Gülcü 2018). Auch die Veranstaltung von Sonderprogrammen für die Zielgruppe ,Migrant_innen‘ ist kritisch zu hinterfragen, da diese reduktionistische, stereotype Festschreibungen befördern und mitunter über „Tokenism“ im Sinne einer „kurz fristigen, feigenblattartigen Einbeziehung diverser Akteure auf untersten Hierar chieebenen“ (Aikins/Gyamerah 2016: 11) nicht hinausgehen. Die Programmebene von Kulturverwaltung und -politik umfasst deren Angebote, Inhalte und Förderstrukturen. Auch hier ist eine grundlegende Hinter fragung der Kunst- und Kulturbegriffe erforderlich, die den Förderungen impli zit und explizit zugrunde liegen und Ausschlüsse produzieren. Wo stellen Politik und Verwaltung zudem durch Formalitäten (Nicht-)Zugehörigkeit her, indem die
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Vergabe von Förderungen an die Staatsbürgerschaft gebunden ist oder Gesetze, Formulare und Förderprozeduren unverständlich sind? Auf Ebene der Kulturver waltung sind ähnlich wie bei Kulturveranstalter_innen die Art der Adressierung durch barrierebewusste Ansprache13 sowie die Wahl der Netzwerke und Kommu nikationskanäle14 von zentraler Bedeutung für das Gelingen oder Nicht-Gelingen von Kommunikation. Im Anschluss an eine kritische Bestandsaufnahme sowie inhaltliche und sprachliche Adaptierungen sollten für von Ausschlüssen betrof fene Personen spezifische Qualifizierungsangebote – beispielsweise in Bezug auf „Antragsfitness“ (vgl. Aikins/Gyamerah 2016: 11) – und die Sicherung von Zu gängen zu Förderprogrammen gewährleistet werden. Zudem ist eine budgetäre Umverteilung mit Fokus auf die langfristige Förderung von Selbstorganisationen und freien Kulturinitiativen zu empfehlen, die in Bezug auf Organisationsstruktu ren und darin verhandelte kritische Inhalte wichtige Impulse für eine Neuausrich tung des Kulturbetriebs geben können.
A b schlie ssende B e m er kun gen Wenn im Kulturbetrieb des deutschsprachigen Raums über Good-Practice-Bei spiele in Bezug auf Diversität gesprochen wird, wird immer auch auf das seit 2013 von Shermin Langhoff und Jens Hillje geleitete Maxim Gorki Theater Berlin (vgl. Website) verwiesen – und dies zu Recht. Das 2016 mit dem Theaterpreis Berlin ausgezeichnete sowie 2014 und 2016 in der Kritiker_innenbefragung von theater heute zum Theater des Jahres gewählte Staatstheater zeigt anschaulich, wie ein der Migrationsgesellschaft entsprechender diskriminierungssensibler Kulturbe trieb aussehen kann. Gesellschaftliche Vielheit spiegelt sich darin strukturell auf sämtlichen Ebenen wider. Das Personal ist in den unterschiedlichen Hierarchie stufen divers, die Projekte und Aufführungen sind (auch visuell) mehrsprachig und das Publikum ist überaus heterogen. Das Programm beinhaltet Stücke aus un terschiedlichen Kulturen und sozialen Zusammenhängen, nicht-kanonisierte und kanonisierte Texte, wobei zum Beispiel der deutsche Kanon kontinuierlich dekon struiert und aus neuen, nicht-weißen Perspektiven angeeignet wird. Im Sinne einer in vorliegendem Beitrag argumentierten kritischen Neuausrichtung des Kulturbe 13 Teil der barrierebewussten Ansprache des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung ist beispielsweise die Bereitstellung von Informationen über Förderprogramme des Fonds in den Sprachen Deutsch, Türkisch, Arabisch, Farsi, Englisch, Französisch und Hebrä isch (vgl. Aikins/Gyamerah 2016: 11). 14 Dies zeigte sich etwa bei dem Projekt Türkisch – Oper kann das an der Komischen Oper in Berlin. Erstaunt darüber, dass im Kinderchor keine Kinder türkischer Herkunft waren, lancierte Intendant Mustafa Akca einen Aufruf im größten Sender türkischer Sprache in Berlin, worauf sich rund 200 Familien meldeten (vgl. Terkessidis 2017: 50).
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triebs verfolgt das Gorki Theater also nicht nur auf der organisatorischen, sondern auch auf der inhaltlichen Ebene einen kritischen und politischen Anspruch, indem es auf der Bühne brisante Fragen verhandelt: „Wie können wir zivilisiert leben in einer heterogenen Gesellschaft? Zugespitzt: Welche neue Gesellschaft brauchen wir?“ (Langhoff 2015: o. S.) Noch sind Beispiele wie das Gorki Theater eher selten – und in dem berech tigten Lob von Einrichtungen wie dieser kann auch eine Gefahr liegen, so Ai kins und Gyamerah (2016: 9): „Diese Häuser sollten nicht als erfreuliche Nischen dargestellt werden, deren Existenz den […] Status Quo rechtfertigt.“ Für einen breiten Wandel in Form einer tiefergehenden strukturellen Veränderung auf un terschiedlichen Ebenen des deutschsprachigen Kulturbetriebs braucht es, wie in vorliegendem Artikel dargestellt, umfassende diskriminierungssensible Analysen und Maßnahmen, die etablierte Institutionen, freie Szene und Kulturpolitik betref fen. Das Konzept der ,Migrationsgesellschaft‘ mit dem intersektionalen Fokus auf Ordnungen und Prozessen, die asymmetrische (Nicht-)Zugehörigkeiten herstellen und strukturieren, bietet dabei wichtige theoretische Bezugspunkte. Insgesamt mag eine grundlegende kritische Reflexion des Kulturbetriebs und eine darauf aufbauende breite, systematische Organisationsentwicklung als gro ßes, schwer steuerbares und kaum durchführbares Vorhaben erscheinen, dem der privilegierten Mehrheitsgesellschaft angehörende Kulturschaffende, Kulturbe amt_innen und -politiker_innen eine Reihe von Gegenargumenten entgegensetzen könnten. Wandel „als kreative Herausforderung verstanden“ (Terkessidis 2017: 71) braucht daher nicht nur Optimismus und Ausdauer, sondern auch eine gewisse „Bereitschaft zum Streit“, denn „[n]iemand hat gesagt, die Gesellschaft der Viel heit sei eine gemütliche Angelegenheit“ (ebd.).
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Zur Konstruktion von Identitätsräumen
Zur Konstruktion von Identitätsräumen: Flucht in medialen und künstlerischen Bildproduktionen1 Ricarda Drüeke, Elisabeth Klaus, Anita Moser
E in lei tung Bilder von Geflüchteten in Lagern2 an der ungarischen oder slowenischen Grenze, auf österreichischen Bahnhöfen, in ,Zeltstädten‘ oder unterwegs auf Autobahnen begleiteten in Österreich 2015 die öffentlichen Debatten über Flucht und Migra tion. Ziel des Beitrags ist es, anhand der medialen Berichterstattung sowie künst lerischer Produktionen zum Thema Flucht aufzuzeigen, wie in diesen Diskursen Identitäten konstruiert und reproduziert werden, aber auch modifiziert oder ver worfen werden können. Medien können Identitätsräume entwerfen, die das ,Eige ne‘, das kulturell Inkludierte, und das ,Fremde‘, das Ausgeschlossene, markieren. Bilder sind in diesem Kontext bedeutend, da sie einen wichtigen Platz in Print medien einnehmen und visuelle Darstellungen eine große Suggestivkraft entfalten können. Theoretisch bezieht sich der Beitrag auf das unter Bezugnahme auf die Cultu ral Studies entwickelte Konzept medialer Identitätsräume (vgl. Hipfl 2004; Klaus/ Drüeke/Kirchhoff 2012). Methodisch stellen wir einerseits die Ergebnisse einer Analyse von Pressefotografien im Zeitraum Juli bis Oktober 2015 vor, die in der Berichterstattung über Flucht und Geflüchtete publiziert wurden. Durch die hohe Frequentierung der sogenannten ,Balkanroute‘ war das Thema Flucht in diesem Zeitraum in den österreichischen Printmedien sehr präsent. Diese Berichterstat 1 Dieser Beitrag ist die überarbeitete Fassung des Textes Drüeke, Ricarda/Klaus, Elisa beth/Moser, Anita (2017): Mediale und künstlerische Diskurse zu Flucht und Migra tion. In: Oberlechner, Manfred/Trültzsch-Wijnen, Christine W./Duval, Patrick (Hg.): Migration bildet. Migration Educates. Baden-Baden: Nomos Verlag, S. 315–335. 2 Den Begriff ,Lager‘ verwenden wir im Beitrag im Sinne von Notunterkunft, Baracken, Nachtlager.
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tung setzen wir andererseits in Bezug zu künstlerischen Produktionen zu diesem Thema, die im zeitlichen Umfeld des ,Sommers der Migration‘ in Österreich rezi pierbar waren und dadurch das öffentliche Bildrepertoire über Flucht erweiterten. Ziel des Beitrags ist, kritisch zu diskutieren, wie in visuellen Repräsentationen von Geflüchteten und Migration, die als Teil sozialer und kultureller Praktiken zu verstehen sind, Identitätsräume hergestellt und verfestigt werden bzw. auch um gedeutet werden können. In unserem Beitrag machen wir zunächst theoretische Anmerkungen zum ,spatial turn‘ in der Kommunikationswissenschaft und der Konzeption von Kom munikations- und Medienräumen. Anschließend stellen wir die Stichprobe und ausgewählte Daten unserer Erhebung der Bildberichterstattung über Flucht und Migration in vier österreichischen Tagesszeitungen vor. Weitergehend fragen wir auf der Basis einer Unterscheidung von drei Typen medialer Identitätsräume nach den darin evozierten bzw. ausgeschlossenen Identitäten. Insbesondere künstleri sche Produktionen haben das Potenzial, die im öffentlichen Diskurs dominanten Perspektiven zu erweitern, zu verändern oder gar zu konterkarieren. Sie eröffnen damit weitere Sichtweisen, die wir diskutieren, bevor ein kurzes Fazit den Beitrag abschließt.
K om m u ni kati o ns - und M e di en räu m e : D as K on zept me di a ler I den ti täts räu me Anknüpfend an die ,social geography‘ hat in den Kultur- und Sozialwissenschaf ten ein ,spatial turn‘ stattgefunden. Dieser hat seit Mitte der 1990er Jahre auch die Kommunikationswissenschaft erreicht. Räume haben eine Funktion für die Ermöglichung von Kommunikation und sind in der Kommunikationswissenschaft kein völlig neuer Topos. Schon 1951 forderte der Medienwissenschaftler Harold Innis dazu auf, sich mit den Machtstrukturen in jenen historisch-spezifischen Räu men zu beschäftigen, in denen Medien produziert und konsumiert werden. Sein Ziel war es, aus den Ergebnissen Möglichkeiten abzuleiten, um neben bzw. aus den dominanten Medien- und Kommunikationsformen und -räumen neue und an dere Räume zu entwickeln (vgl. Innis 1986 [1951]). Das Buch Spaces of Identity von David Morley und Kevin Robins (1995) gilt als ein Standardwerk des ,spatial turn‘ in der Kommunikationswissenschaft: Morley und Robins gehen davon aus, dass es heute weniger physische, sondern vor allem symbolische Begrenzungen sind, die als Rahmen für kulturelle Gemeinschaften fungieren. Eines ihrer Un tersuchungsobjekte ist die Imagination eines europäischen Raums. Darin werde durch die Medien vor allem eine ethnisch weiße Identität angeboten, so dass an dere soziale Gruppen (Migrant_innen, diasporische Gemeinschaften) keinen Platz erhielten (vgl. Morley/Robins 1995).
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An diese Arbeiten und die der Sozialgeografin Doreen Massey (1994) hat die Kommunikationswissenschaftlerin Brigitte Hipfl (2004) angeknüpft und Medien als soziale Räume definiert, die Identitätsbildung ermöglichen. Daran lehnt sich unsere Unterscheidung von drei Typen medialer Identitätsräume an: 1.) Medien konstruieren Räume, in denen Territorien begrenzt, Nationen verortet sowie Landschaften identifiziert werden und in denen spezifische Identitäten ihren Platz finden.3 Im Folgenden sprechen wir in Anlehnung an die Critical Geopolitics in Bezug auf diese Räume von ,geopolitischen Räumen‘. 2.) Die Medieninhalte stellen ,identitätspolitische Räume‘ bereit, in denen sich Menschen als Europäer_in, Frau/Mann, Österreicher_in oder Katholik_in ver orten können und verorten lassen. 3.) Schließlich entstehen im Kreislauf medialer und kultureller Bedeutungspro duktion – insbesondere in der Aneignung von Medien durch ihre Rezipient_ innen – ,Zwischenräume‘4, die hegemonialen Identitätsdiskursen zuwiderlau fen können.
M e th o di scher Z u gang Studien zur Bildberichterstattung über Geflüchtete und Migrant_innen zeigen, dass in den Medien bestimmte Bildtypen vorherrschend sind. Geflüchtete wer den vor allem als Menschenmenge gezeigt und durch diese Inszenierung als eine Gefahr für ,unsere‘ Sicherheit dargestellt (vgl. Chouliaraki/Stolic 2017). Die Ge flüchteten selbst bleiben so gesichtslos und werden als ,fremd‘ markiert (vgl. Banks 2012). Mit dem medial weit verbreiteten Bild des toten syrischen Jungens Alan Kurdi wurde eine Diskussion angestoßen, wie über Tod und Elend von Flucht visuell berichtet werden kann und darf (vgl. Papailias 2018). So wird zwar einerseits in den Medien auf ähnliche Bilder zurückgegriffen; gleichzeitig zeigen die öffentlichen Aushandlungsprozesse über die medialen Darstellungen hinaus, wie einzelne Bilder herausgegriffen und Teil öffentlicher Verhandlungen werden. Ersichtlich wird so, wie verschiedene Bilder Teil des Diskurses über Geflüchtete und Migrant_innen sind und konstituierend für Prozesse gesellschaftlicher Bedeutungsproduktion sind. Aktuelle Studien zu visuellen künstlerischen Auseinandersetzungen mit Mig ration, Flucht und Refugees (vgl. Demos 2013; Dogramaci 2013; Tello 2016; Ring 3 Hipfl spricht von „politisch-geografischen Räumen“. Mit der leichten Modifikation ver weisen wir auf die Verbindung dieser Konzeption zu den „Critical Geopolitics“ (vgl. etwa Lossau 2001). 4 Bei Hipfl: „Zwischen-Räume“.
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Petersen 2017) machen deutlich, dass – bei aller Unterschiedlichkeit in Bezug auf die untersuchten Kunstpraktiken und Argumentationen – die Frage danach zent ral ist, welche Perspektiven mit welchen Ästhetiken wortwörtlich ins Bild gesetzt werden und inwieweit Ambivalenzen und Unschärfen entstehen. Im Wissen um den konstituierenden Beitrag von Bildern im Zusammenhang mit der Konstruk tion von Migration und Migrationsregimen sind die Sujets, insbesondere aber die Effekte dieser Bilder, respektive deren Adressierung und ,politische Kraft‘ von zentralem Interesse. Damit bilden sowohl die Medienbilder als auch die künstle rischen Produktionen die visuelle Rahmung für Auseinandersetzungen mit gegen wärtigen Migrationsbewegungen und sind als soziale und kulturelle Praktiken Teil der kulturellen Bedeutungsproduktion. Ausgehend von dieser Annahme wurden für die Analyse der Printberichterstat tung über Flucht und Geflüchtete die Zeitungen Salzburger Nachrichten, Standard, Kronen Zeitung und Die Presse ausgewählt und im Zeitraum vom 1. 8. 2015 bis zum 30. 10. 2015 ausgewertet. Aufgrund der großen Anzahl an Artikeln haben wir eine Einschränkung des Materialkorpus vorgenommen und zwei künstliche Wochen gebildet.5 Insgesamt besteht unsere Stichprobe damit aus 1.328 Artikeln. In einem weiteren Schritt wurden davon jene Artikel ausgewählt, die mit einem Bild oder meh reren Bildern illustriert waren. Wie unsere Auswertung zeigt, spielen Abbildungen in der Printberichterstattung zum Thema Flucht und Geflüchtete eine große Rolle, denn 62,4 Prozent aller Beiträge enthielten mindestens ein Bild. Unsere Stichprobe für die visuelle Analyse bildete somit ein Korpus von 829 Bildern. Diese Bilder haben wir sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgewertet. Mit Hilfe einer quantitativen Analyse lassen sich zentrale Muster und Strukturen der Bilder herausarbeiten und damit einer visuellen Kontextanalyse unterziehen (vgl. Müller 2011: 47). Auch bei der Analyse der künstlerischen Bilder – verstanden als Elemente einer spezifischen Sichtbarkeitsordnung (vgl. Rancière 2002), in der die Anwe senheit ebenso wie die Abwesenheit von Informationen über ihre Bedeutung entscheidet – beziehen wir uns auf die visuelle Kontextanalyse, indem die bild lichen Repräsentationen mit Denkfiguren und sozialen sowie politischen Zusam menhängen in Verbindung gesetzt werden. Dabei gehen wir von drei Beispielen der bildenden Kunst aus, die – im Gegensatz etwa zu Ai Weiweis Nachstellung des ikonischen Bildes des auf der Flucht umgekommenen syrischen Kindes Alan Kurdi – nicht unmittelbar infolge der Fluchtbewegungen von 2015 entstanden sind. Vielmehr wählten wir Positionen, die bereits 2014 umgesetzt wurden, jedoch
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Die Auswahl der Untersuchungseinheiten erfolgt bei einer künstlichen Woche so, dass aus der ersten Woche der Montag, aus der folgenden der Dienstag etc. in die Stichprobe einfließt. Der Vorteil davon ist, dass die Medienberichterstattung über einen längeren Zeitraum betrachtet werden kann, aber zugleich die von Tag zu Tag wechselnden Be richterstattungsmuster der Medien berücksichtig werden.
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zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 in Österreich sehr präsent waren und da durch hierorts das öffentliche Bildrepertoire über Flucht maßgeblich erweiterten. Sie wurden großflächig im Stadtraum von Salzburg plakatiert (Escaping Cactus von Nilbar Güres), in öffentlichen Veranstaltungen präsentiert und diskutiert (The Untitled Images von Khaled Barakeh) und in Ausstellungsräumen sowie über Ankündigungen in den Tageszeitungen zugänglich gemacht (The Unknown von Nicole Weniger). Die künstlerischen Repräsentationen unterscheiden sich zwar in Hinblick auf ihren Verbreitungsgrad und Rezeptionskontext von Bildern in Mas senmedien, stellen jedoch wie diese Bausteine der kulturellen Wissensordnungen bzw. des „visuellen Wissens“ (Prinz/Reckwitz 2012: 194) über Flucht dar und werden als solche analysiert und interpretiert. Damit orientieren wir uns an reprä sentationskritischen Perspektiven der Visual Studies, die visuelle Erzeugnisse – als geprägt von Hierarchisierungen und asymmetrischen Verhältnissen – in einem System sozialer, kultureller und visueller Ordnungen verorten.
R äum li che A na l o gien
in
B il dern G e fl o he ner
Im Folgenden analysieren wir mediale und künstlerische Repräsentationen von Flucht und Geflüchteten. Dabei nutzen wir die Konzeption medialer Identitäts räume, um Medienbilder und künstlerische Repräsentationen dahingehend zu un tersuchen, wo geflüchtete Menschen verortet werden, welcher Platz ihnen damit in welchen Gemeinschaften eingeräumt wird und welche Grenzziehungen und -öffnungen dies beinhaltet. Geopolitische Räume Medien stellen durch die Art und Weise, wie sie über Vorgänge in der Welt berich ten, politisch-geografische bzw. geopolitische Räume bereit. Dies beinhaltet, Men schen in Verbindung mit kulturellen Praktiken und in einen Vergleich zu anderen Territorien bzw. Orten oder Räumen zu setzen. Es entsteht eine imaginäre Geogra fie mit Bildern von Landschaften und Menschen, die diese bevölkern. Bestimmte Menschen werden also an bestimmten Orten und in bestimmten Regionen verortet. Weitergehend erlaubt dies die Bewertung der eigenen sozio-kulturellen Identität und stützt nationale Identitätskonstruktionen. Dafür finden wir in unserer Stich probe vor allem das Motiv der materiellen und symbolischen Grenzsetzungen. Materielle Grenzsetzungen Ein Medienrezipient_innen inzwischen vertrauter Bildertypus zeigt das Mittel meer. Bevor die Grenzen im Jahr 2016 geschlossen wurden, war das Meer zwi schen der Türkei und Griechenland das zentrale Hindernis, das syrische Geflüch
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tete überqueren mussten, um nach Europa zu gelangen. Europa wird in diesen Visualisierungen als ein Sehnsuchts und Glücksort dargestellt. Jenseits davon liegen die gefährlichen Orte und Länder der Welt. Abbildung 1: Die Presse, 10. August 2015, S. 1
Wie auf Abbildung 1 erkennbar, spielen Boote und Rettungswesten eine große Rolle. So ist ein Mann mit Rettungsweste vor einem Schlauchboot zu sehen, der ein kleines Kind im Arm hält, das er küsst. Die dem Bild seitlich hinzugefügte Überschrift „Glücklich nach gefährlicher Überfahrt“ legt eine bestimmte Inter pretation nahe: Die Menschen, die aus einer Kriegs und Krisenregion über das gefährliche Meer geflüchtet sind, sind nun gerettet. Sie sind in Europa angelangt und damit in einer Region, die ihnen Sicherheit und eine Zukunft verspricht. Abbildung 2: Die Presse, 10. August 2015, S. 2
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Ein weiterer Bildertypus zeigt Gruppen von Flüchtenden in dem Moment, als sie die europäische Küste erreichen (vgl. Abb. 2). Im Einzelnen sind die Menschen in der Gruppe nicht zu erkennen. Ihre Gestalten heben sich dunkel vom rot gefärbten Abendhimmel ab. Besser zu identifizieren sind die erhobenen Hände und Finger, die teilweise das VictoryZeichen formen. Eine Person hält eine Stange empor. Die Bildunterzeile verrät, dass es sich um Geflüchtete aus Syrien handelt, die in Griechenland angekommen sind und ein Selfie machen. Dass sie „lebend“ ange kommen sind, unterstreicht die Gefahren, die mit der Überfahrt verbunden sind. Das Glück der gelungenen Überquerung des Meeres wird damit bildlich verdop pelt, da nicht nur das Pressefoto, sondern auch die Refugees auf dem Foto diese dokumentieren. Die Grenze zwischen Unfreiheit, Krieg und Unterdrückung wird bei diesem Bildertypus durch das Meer markiert, dessen Überfahrt gefährlich ist und damit gleichermaßen auf die Verzweiflung wie den Mut der Geflüchteten verweist. Mit aller Macht wollen sie Europa erreichen, das sich so als geopolitische Region konstruiert, in der die Menschenrechte geachtet und jedem Einzelnen Sicherheit und Zukunft versprochen werden. Die positiven Assoziationen im Hinblick auf die Geflüchteten, die dabei hervorgerufen werden, gelten aber vor allem dieser Konstruktion Europas. Da Österreich keine Grenze zum Meer hat, bleiben die Geflüchteten insofern abstrakt, als sie im eigenen Land keine physische Präsenz beanspruchen. Innerhalb Österreichs werden in den Bildern dann andere Grenzen markiert, die explizit oder implizit die Geflüchteten von der einheimischen Bevölkerung trennen (vgl. Abb. 3 und 4). Abbildung 3: Kronen Zeitung, 15. November 2015, S. 16
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Abbildung 4: Kronen Zeitung, 9. August 2015, S. 18
Auf Abbildung 3 sind hinter einem Zaun mehrere Zelte zu sehen, undeutlich sind auch einige Menschen am Bildrand zu erkennen. Als Beobachtende werden die Leser_innen der Zeitung diesseits des Zaunes positioniert. Sie sehen ein einge zäuntes Areal, in dem Menschen von ihnen abgegrenzt campieren. Solche hohen Zäune lösen unweigerlich die Assoziation von Gefängnissen oder Lagern aus. Das unsichtbare ,Wir‘ bleibt darin von ,den Anderen‘ nicht nur getrennt, sondern zu gleich auch geschützt. Abbildung 4, die keine Menschen zeigt, teilt die Landschaft in zwei Be reiche auf: Im Vordergrund ist eine ,Zeltstadt‘ abgebildet, die die Flüchtigkeit des Verweilens vieler nichtsesshafter Menschen symbolisiert, im Hintergrund zeichnet sich am Hügel die Silhouette eines Kirchturms und von Dächern ab, die das vertraute Bild einer schon lange existierenden, sich nicht wandeln den Stadt zeigt. Dazwischen liegt ein Waldgebiet, das als vermeintlich na türliche Grenze zwischen den Geflüchteten und der Bevölkerung fungiert. In beiden Bildern werden zwei Territorien deutlich voneinander abgegrenzt: das von der unsichtbar bleibenden Bevölkerung bewohnte Territorium auf der einen Seite und das den – nur manchmal schemenhaft erkennbaren – Geflüchteten zuge wiesene Areal auf der anderen. Symbolische Grenzsetzungen Symbolische Grenzen evozieren jene Bilder, auf denen Geflüchtete und Polizei oder Bundesheer zu sehen sind. Damit werden Ersteren bestimmte physische Räume zugeordnet – die von anderen Orten, an denen die ,Einheimischen‘ leben, deutlich abgegrenzt sind (vgl. Abb. 5 und 6). Abbildung 5 zeigt im Vordergrund einen Mann, der den Betrachter_innen den Rücken zuwendet. Groß ist das Wort „Polizia“ auf dem Shirt zu sehen, es han delt sich also um einen italienischen Polizisten. Er beobachtet eine Gruppe von ca. 20 Personen, die im Hintergrund warten. Zu sehen sind die Lokomotiven zweier
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Züge, wobei rechts ein Zug der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zu erken nen ist. Der Untertitel besagt, dass „Tausende Illegale“ von Italien nach Österreich wollen, jedoch am Brenner angehalten werden. Ob dieses Bild am Brenner foto grafiert wurde, ist aber nicht zu erkennen. Wie bei den physischen Zäunen markiert der Polizist eine Körpergrenze, so dass die sichtbaren Geflüchteten nicht auf das Territorium der unsichtbar bleibenden Bevölkerung überwechseln können. Wie hier zeigt sich auf weiteren Bildern auch eine deutliche räumliche Distanz zwi schen der Polizei, die das Areal bewacht, und den Geflüchteten selbst (vgl. Abb. 6). Abbildung 5: Kronen Zeitung, 10. August 2016, S. 16
Abbildung 6: Kronen Zeitung, 16. November 2015, S. 17
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Schon in den frühen Pressefotografien zur Flucht werden damit häufig klare Gren zen zwischen dem ,Wir‘ der Bevölkerung und den ,Anderen‘, die als Geflüchtete nach Europa oder Österreich kommen, abgesteckt. Stets werden die Refugees in den ,anderen‘ Territorien und an ,anderen‘ Orten platziert als die meist unsichtbar bleibenden Beobachter_innen und Zeitungsleser_innen. Identitätspolitische Räume Medieninhalte konstruieren auch identitätspolitische Räume, in denen Identitäten etabliert und verhandelt werden (vgl. Hipfl 2004). Die Konzeption von medialen Identitätsräumen führt zu einer Beschäftigung mit den in den Medien vorkom menden sozialen Identitäten und Körpern. Welche Identitäten sind an welchen Orten, in welchen Kontexten überhaupt denkbar und vorstellbar? Weitergehend erlaubt diese Konzeption danach zu fragen, wie die Zugehörigkeit zu imaginären Gemeinschaften bestimmt wird und welche Differenzierungen, Grenzziehungen und Formen des Ausschlusses dabei vorgenommen werden. Die Bildberichterstat tung über Geflüchtete liefert ein Beispiel für Inszenierungsstrategien von Fremd heit und Ausschluss, die Debatte über ,unsere‘ Werte ein anderes. Eine anonyme Menge Bilder, die identitätspolitische Verortungen hervorrufen, werden in unserer Stich probe durch eine bestimmte Inszenierung von Gruppen von Geflüchteten aufge rufen. Abbildung 7: Der Standard, 26. August 2015, S. 24
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Abbildung 7 zeigt eine Menschengruppe, in der die einzelnen Personen eng bei einander sitzen. Im Bildmittelpunkt wird das Gesicht eines Mannes von seinem Handy beleuchtet. Der Kontext des Bildes und die Bildunterzeile machen unmiss verständlich deutlich, dass es sich um Geflüchtete handelt, die auf die Fähre von Kos nach Piräus warten. Die Dunkelheit verhindert, dass einzelne Menschen auf dem Bild zu erkennen sind. Außer einem links stehenden Kind sieht man auf dem Bild nur Männer. Die Darstellung einer dunklen Menschenmenge wird oft mit einer Bedro hung für das Individuum assoziiert. Das gehäufte Auftreten dieses Bildertypus legt damit schon jene Metaphern nahe, die dann immer stärker die Diskussion um Fluchtmigration in Europa bestimmt haben, dass nämlich die ,Flut‘, der ,an schwellende Strom‘ oder die ,gigantische Welle‘ ,uns‘ zu überschwemmen drohe. Das mit Abbildung 7 exemplarisch vorgestellte Bildmotiv unterstützt darüber hi naus einen Diskurs, der in der Mediendiskussion eine große Rolle spielte, dass nämlich überwiegend Männer nach Europa geflüchtet seien. Die Wertedebatte Identitätspolitische Setzungen sind besonders deutlich und direkt in der sogenannten Wertedebatte formuliert worden, in der ,europäische‘ oder auch ,christliche‘, neuerdings ,christlichjüdische‘ Werte beschworen werden. Nun sind Werte schwierig fotografisch zu zeigen, deshalb greifen die Medien in solchen Debatten häufiger auf Zeichnungen, Symbole oder Comics zurück, die sich in un serem Sample zahlreich finden. Abbildung 8: Salzburger Nachrichten, 7. November 2015, S. 1
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Zu diesem Bildertypus gehört Abbildung 8, eine Zeichnung des bekannten Salz burger Karikaturisten Wizany, die auf den ersten Blick die Wertedebatte unter dem Titel „Anpassungsdruck“ kritisch kommentiert. Eine beleibte Person, die mit Le derhose, kariertem Hemd und Jagdhut als ,Einheimischer‘ und mit Arztmantel und Stethoskop als Arzt gekennzeichnet ist, konfrontiert einen schmächtigen Mann mit einem rot-weiß markierten, also österreichischen Wertekatalog. Der Mann ist durch die fehlenden Schuhe, seinen Bart, die abgerissene Kleidung und den Ruck sack mit dem syrischen Landeswappen als Geflüchteter markiert. Der Werteka talog karikiert Anforderungen an die idealen österreichischen Körpermaße und -werte. Diese Karikatur des vermeintlichen Wertekanons und der Verpflichtung von Geflüchteten, diesen anzunehmen, wird aber durch die unmittelbar darunter ge setzte Artikelüberschrift „Die Zuwanderer müssen unsere Werte annehmen“ kon terkariert. Die kritische Migrationsforschung hat bereits vor Jahren analysiert, dass Integration immer stärker von einer Aufgabe der Gesellschaft zu einer der Migrant_innen geworden ist.6 Sie hat deshalb dafür plädiert, den Begriff der Integ ration durch das Begriffspaar Inklusion/Exklusion zu ersetzen. Seit 2015 ist diese Verschiebung der Integrationsleistung von einer, die die Gesellschaft ermöglichen muss, zu einer, die vor allem in der Verantwortung von Geflüchteten liegt, immer deutlicher hervorgetreten. Damit verbunden ist ein weiteres Problem, denn wenn von Wertegemeinschaften gesprochen wird, egal ob im Kontext einer länder- oder kontinentspezifischen Verortung oder im Zusammenhang mit religiösen Gemein schaften, dann wird stets eine homogene Gesellschaft vorausgesetzt. Werte, die sich als anzustrebendes Ideal entwickelt haben, wie etwa die Menschenrechte, werden damit als Realität gesetzt. Die diskursive Verortung jener Werte in West europa, in Österreich oder im Christentum führt dann zwangsläufig zu einer Aus grenzung anderer und zu deren Ausschluss aus der solchermaßen konstruierten Wertegemeinschaft – und sie liefert identitätspolitische Setzungen, die eine Inte gration, im Sinne der Verhinderung von Exklusionen, nicht nur erschweren, son dern per definitionem ausschließen. Zusammengefasst finden sich auf der Ebene der medialen Bilderproduktion zum Thema Flucht in den untersuchten österreichischen Zeitungen nur ausnahms weise Darstellungen, die eine hegemoniale Bedeutungsproduktion in Frage stel len, auch wenn in der Medienaneignung die Annahme vielfältiger Positionen eine Möglichkeit bleibt. Für die Eröffnung von Zwischenräumen bereits auf der mani festen (Bild-)Ebene finden sich demgegenüber zahlreiche Beispiele in künstleri schen und kulturellen Produktionen.
6 Vgl. etwa https://www.univie.ac.at/kritische-migrationsforschung/php/wir.php (6. 11. 2018); dort z. B. Gouma, Neuhold, Scheibelhofer, Valchars 2010.
Zur Konstruktion von Identitätsräumen
Zwischenräume: Künstlerische Repräsentationen Arbeiten der Visual Arts, die Migration, Flucht und Geflohene in den Blick neh men, werden insbesondere in Bezug auf ihr Potenzial, Ambivalenzen, vieldeu tige Bilder und komplexe Narrationen zu erzeugen, interpretiert (vgl. Moser 2011; Tello 2016; Ring Petersen 2017) oder an der Schnittstelle zum Aktivismus verortet (vgl. Heidenreich 2015). Vielfach zielen die Kunstprojekte auf die Dekonstruktion stereotyper Repräsentationen, die Produktion gegenhegemonialer Bilder und Sichtweisen auf Migration und Migrant_innen und damit auf die Schaffung von Zwischenräumen ab, die ambivalente Rezeptionsweisen ermöglichen und Mehr deutigkeiten jenseits binärer Oppositionen verhandeln. Kunst liefert wie Medien Material für die Entstehung von Zwischenräumen, die sich im Moment der Rezeption eröffnen. Darüber hinaus sind künstlerische Artikula tionen vielfach auf der Ebene der Produktion Orte der Entfaltung von Zwischenräu men (vgl. Klaus/Drüeke/Kirchhoff 2012). Die Eröffnung von Zwischenräumen im Kontext künstlerischer Produktionen wurde in den letzten Jahren verstärkt diskutiert, insbesondere auch in postkolonialen und performancetheoretischen Zusammen hängen. Zwischenräume können als postkoloniale dritte Räume im Sinne Homi K. Bhabhas (2000) verstanden werden, die hybride Kultur- und Identitätskonstrukti onen ermöglichen. Die Ästhetik der Performativität geht unter Bezugnahme auf Ritualtheorien davon aus, dass im Moment der Rezeption von Kunst die ästhetische Erfahrung als Schwellenerfahrung mit transformativer Kraft erlebt werden kann, da gewohnte Alltagsregeln vorübergehend ihre Gültigkeit verlieren und Normen, Rollen und Symbole neu zur Disposition gestellt werden (vgl. Bachmann-Medick 2006: 104–143; Fischer-Lichte 2004). In solchen Zwischenräumen werden vertraute Wahr nehmungsmuster bewusst mittels ästhetischer Inszenierungsstrategien ins Wanken gebracht und eine Wirklichkeit konstruiert, „in der das eine zugleich als das andere erscheinen kann, eine Wirklichkeit der Instabilität, der Unschärfen, Vieldeutigkeiten, Übergänge, Entgrenzungen“ (Fischer-Lichte 2004: 304). Ästhetische Erfahrung hat Juliane Rebentisch zufolge ethisch-politisches Potenzial, insofern als sie ein unmit telbares Verstehen sowie tatsächliches Handeln unterbricht, und zwar „zugunsten einer reflexiven Vergegenwärtigung der kulturellen und sozialen Horizonte, in die unser Verstehen und unser Handeln normalerweise eingelassen sind“ (Laleg 2012). Im Folgenden werden drei Beispiele der Gegenwartskunst diskutiert, die sich auf Migration und Flucht beziehen und auf unterschiedliche Art Zwischenräume eröffnen. Ambivalente Verhüllungen Von Nicole Weniger, einer in Tirol geborenen und in Wien lebenden Künstlerin, stammt die 2014 entstandene erste Arbeit ihrer Fotoserie The Unknown (Abb. 9). Die Fotografie zeigt Personen, die in golden schimmernde Tücher gehüllt sind.
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Ort der Inszenierung ist eine karge, unwirtliche Landschaft am nebeligen Meer, die keine Rückschlüsse auf einen konkreten politisch-geografischen Raum zu lässt. Auf dem Bild sind keinerlei Hinweise dazu zu finden, was die Gruppe in der Gegend macht und wie sie dahin gekommen ist. Unklar ist auch, ob sie sich auf das Wasser zu bewegt oder von dort kommt. Durch diese nicht bestimmbare Bewegung der Gruppe erscheint das Wasser bzw. Meer – im Gegensatz zu zahl reichen Medienbilder – nicht als zu überwindende Grenze. Abbildung 9: Nicole Weniger The Unknown, 2014, C-Print, 100 × 70 cm
Courtesy/© Nicole Weniger
In einem starken Kontrast zur Landschaft steht der goldene Glanz der Tücher, die sich als Rettungsdecken entpuppen und im Kontext von Flucht – sowohl in den Medien als auch im künstlerischen Diskurs7 – laufend vorkommen. Sie sind primär Symbol für Not und Katastrophen, können durch das goldene Glitzern aber auch Assoziationen zu Reichtum oder Überfluss entstehen lassen und inso fern sehr ambivalent erscheinen. In Wenigers Arbeit wird die Rettungsfolie zur Verhüllung menschlicher Körper verwendet, wobei sie durch die Drapierung des Stoffes zu einer Art Kleidung wird. Mit der gängigen Verwendung und Bedeutung des Materials wird also gebrochen. Die Rettungsfolien können als Burkas gelesen werden. Diese Lesart bleibt jedoch hochgradig vage, da sich aus dem Bild nicht erschließt, wer die Menschen sind – ob Frauen oder Männer – und welcher sym 7 Ein prominentes Beispiel stammt von Ai Weiwei, der im Frühjahr 2016 seine Skulptu rengruppe Circle of Animals/Zodiac Heads in Prag mit Rettungsfolien umhüllte (vgl. http://orf.at/stories/2322903/ (6. 11. 2018)).
Zur Konstruktion von Identitätsräumen
bolischen Gemeinschaft sie angehören könnten. Es wird eine Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit ins Bild gerückt, die in medialen Bildern oft fehlt: Dort steht die Burka meist für Rückständigkeit und hat eine wichtige Funktion für die Grenzzie hung zwischen einem Inner- und Außerhalb der Gesellschaft (vgl. Klaus/Drüeke/ Kirchhoff 2012). Ein weiterer Unterschied zu den analysierten Medienbildern er gibt sich daraus, dass die Gruppe nicht mit Bedrohung (vgl. Haehnel 2015; Falk 2010) assoziiert wird, wenngleich sie distanziert und unnahbar wirkt. Der Titel verweist auf ,das Unbekannte‘, wodurch eine Positionierung von Subjekten und eine Grenzziehung – zwischen ,uns‘ Betrachter_innen und den ,fremden‘ Abgebil deten – vorgenommen wird, und einhergehend damit wiederum ganz ähnlich wie in den Medienbildern eine Ausgrenzung der ,Anderen‘ stattfindet. Nicole Weniger geht es in der Arbeit darum, Orientierungslosigkeit zu the matisieren – eine Verlorenheit zwischen dem irgendwo Ankommen und dem sich Verorten, „eine Ankunft in der Schwebe zwischen Unsicherheit und Suche“, wie sie in unserem im Frühjahr 2016 geführten Gespräch betont (Moser 2016: o. S.). Assoziationen zu Flucht tun sich auf, wobei die Künstlerin diese Bezüge nicht bewusst intendiert. Sie sieht Orientierungslosigkeit als globales Zeichen der Menschheit, unabhängig von Kultur oder Geschlecht. Die 2014 entstandene Foto grafie erhält – wie andere Arbeiten Wenigers – im Kontext der vielen Medienbil der, die seit Herbst 2015 zu Flucht erschienen sind, neue Bezüge und Bedeutun gen. „Die Frage nach der Zugehörigkeit, danach, wo ich bin, wo ich mich verorte oder wo ich hinmöchte, beschäftigt mich schon seit Jahren – auf einer abstrakten Ebene“, sagt die Künstlerin. „Aber jetzt ist das Thema gerade auf sehr traurige Art in der Realität stark sichtbar.“ (Ebd.) Zeigen durch Nicht-Zeigen The Untitled Images (Abb. 10) ist eine Arbeit des syrischen Künstlers Khaled Barakeh, der seit einigen Jahren in Berlin lebt und arbeitet. Die 2014 entstan dene Installation aus fünf Bildern zeigt Straßenszenen mit Menschen, die andere – schwer verletzte oder getötete – Menschen halten. Als geopolitischer Raum wird der Nahe oder Mittlere Osten evoziert, zum Teil durch Kleidung oder arabi sche Schriftzeichen. Die Fotoserie weist in Ansätzen dokumentarischen Charakter auf, indem sie reale Kriegsschauplätze – laut Barakeh in Syrien (vgl. Website des Künstlers) – abbildet. Der dokumentarische Eindruck wird durch künstlerische Eingriffe jedoch radikal gebrochen: Die Opfer sind aus den Fotografien heraus geschnitten bzw. wurde die Fotofolie abgezogen, sodass die Körper nur als weiße Silhouetten erkennbar sind. Dieser gewalttätige, nahezu chirurgische künstleri sche Akt lässt ein Kontinuum aus etwas Hinter-sich-Lassen und Mitnehmen ent stehen, das konstitutiv für jede Migrations- und Fluchtsituation ist. Barakeh reflektiert das ,Dilemma der Repräsentation‘ – die Wirklichkeit nicht nur abbildet, sondern immer auch mitkonstruiert –, indem er Repräsentation als
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intentionales Sichtbar- und Unsichtbar-Machen zum zentralen Thema der Arbeit macht und zwischen der Darstellung von Menschen und deren Nicht-Darstellung changiert. Die Opfer bzw. die Leerstellen werden über ihre Kontexte akzentu iert: Die Menschen, die die Opfer tragen – Angehörige oder Freunde? –, sind mit dem Ausdruck von Verzweiflung, Angst und Trauer erkennbar. Darüber las sen sich Rückschlüsse auf die lebensbedrohlichen Umstände, das Ausmaß alltäg licher Gräuel in Konfliktgebieten und die damit verbundene radikale Zerstörung menschlicher Bindungen ziehen. Es werden in der Installation also Ursachen von Flucht als alltägliche und intime Dramen ins Bild gerückt, die im medialen Dis kurs weitgehend ausgeblendet bleiben. Dadurch, dass die Opfer als Leerstellen inszeniert werden, treten Fragen nach religiöser, kultureller oder geschlechtlicher Identität in den Hintergrund und sie können zu anonymen Platzhaltern für unterschiedliche Menschen – auch der Be trachter_innen – werden. Abbildung 10: Khaled Barakeh: Teil der Fotoserie The Untitled Images, 2014, C-Digital print, fünf Fotos je 21 × 30 cm
Courtesy/© Khaled Barakeh
Textile Verweise Die Installation Escaping Cactus der in Wien und Istanbul lebenden und arbeitenden Künstlerin Nilbar Güres entstand ebenfalls – wie die beiden vorher analysierten Ar beiten – im Jahr 2014. Sie wurde von April bis Oktober 2016 im Rahmen der Aus stellung Poesie der Veränderung im Museum der Moderne Salzburg präsentiert und war darüber hinaus auch als Fotografie auf dem großformatigen Ankündigungspla
Zur Konstruktion von Identitätsräumen
kat der Ausstellung über mehrere Monate im gesamten Stadtraum präsent. Dadurch war es möglich, die künstlerische Arbeit in einem traditionellen Kunstraum, aber auch ,niederschwellig‘ im öffentlichen Raum Salzburgs zu rezipieren. Um die Re-Inszenierung von diskriminierenden Stereotypisierungen zu um gehen, kann eine Strategie sein, Körperbilder in den Repräsentationen stark zu reduzieren oder ganz auf sie zu verzichten und dadurch Raum für komplexe Ima ginations- und Reflexionsprozesse zu schaffen (vgl. Haehnel 2013: 127). Güres meidet in ihrer Auseinandersetzung mit Flucht eine Bezugnahme auf Repräsenta tionen menschlicher Körper. Sie verwendet Textilien, die in ihrer Arbeit generell eine wichtige Rolle als künstlerische Medien spielen (vgl. Achola et al. 2010: 105–152), und verlagert das Thema ins Pflanzenreich: Ihre installative Arbeit Escaping Cactus zeigt einen Stoffkaktus, der sich aus dem Blumentopf befreit hat und wegläuft (vgl. Abb. 11). Die Befreiung bzw. Flucht kann dabei als Akt einer individuellen Emanzipation gelesen werden und bezieht sich nicht explizit auf Fluchtbewegungen aus Krisengebieten. Abbildung 11: Nilbar Güres, Escaping Cactus, 2014, Metallkonstruktion, Fäden, Textil, Blumentopf, Erde, gehäkelte Textilobjekte
Museum der Moderne Salzburg, Foto: Rainer Iglar
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Güres problematisiert Grenzen und Grenzüberschreitungen, indem sie die Logik der Biologie außer Kraft setzt. Pflanzen, die im Gegensatz zu anderen Lebewesen meistens fest im Boden verwurzelt und unmobil sind, mit der Fähigkeit sich zu entwurzeln auszustatten, birgt ein frech-witziges Paradox in sich. Der selbstbe stimmte Befreiungsakt des Kaktus löst Fragen nach möglichen Gründen aus: Wie hoch muss der Leidensdruck sein, dass man ein Leben – möglicherweise ohne Erde, Wurzeln und Wasser – oder gar ein Nicht-Überleben in Kauf nimmt oder in Kauf nehmen muss? Was wissen wir überhaupt über Fluchtursachen? Diese und ähnliche Fragen eröffnet die Installation, losgelöst von kulturellen oder ge schlechtlichen Identitätszuschreibungen. Die Arbeit kann als Plädoyer für Bewegungsfreiheit und persönliche Freiheit als universelles Recht für alle – und als Bestärkung, sich dieses Recht herauszu nehmen – interpretiert werden. Sie betont zudem die – bei allem Leid – immer vielfältigen Facetten der Identität Geflüchteter, vor allem auch Selbstbestimmtheit und Stärke. Damit entwirft Güres eine Perspektive, die dem vielfach kritisierten (vgl. Hess 2015; Haehnel 2013; Bischoff/Falk/Kafehsy 2010) medialen Viktimi sierungs- und Katastrophendiskurs rund um Migration und Flucht entgegensteht. Indem Nilbar Güres die stachelige, zähe und unter widrigsten Bedingungen über lebensfähige, geschlechtslose Pflanze als Folie ihrer Projektion von Stärke und Selbstbestimmtheit in den Fokus rückt, können diese Merkmale als geschlechtsund kulturunabhängige, menschliche Eigenschaften interpretiert werden.
F a zit Unsere Analyse von Pressefotografien hat gezeigt, dass in den Tageszeitungen politisch-geografische Räume vor allem durch Grenzsetzungen markiert werden und spezifische Identitätsräume für Geflüchtete entstehen. Durch die Bilder von Geflüchteten entstehen imaginäre und imaginierte Gemeinschaften, die Geflüch tete vor allem außerhalb der ,eigenen Räume‘ verorten. Allerdings geschieht dies aufgrund der Polysemie von Medieninhalten nie in einer eindeutigen, uniformen Weise. Interpretationsweisen und Positionierungen im identitätspolitischen Raum, sind vielmehr abhängig von den sozialen Kontexten der Rezeption, durch die Zwi schenräume entstehen können. Während im Prozess der Medienaneignung die Annahme vielfältiger Positio nen möglich ist, finden sich jedoch auf der Ebene der medialen Bilderproduktion in unserer Stichprobe nur ausgesprochen selten Darstellungen, die eine hegemo niale Bedeutungsproduktion in Frage stellen. Wir können und wollen dabei keine Intentionalität unterstellen. Die Leitlinien und Routinen des Bildjournalismus sind eingebunden in die Selektionsregeln und die Arbeitsroutinen der Medienproduk tion. Hier wird visuelles Material vor allem genutzt, um aktuelle Nachrichten zu
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bebildern, was oft unter Zeitdruck geschieht. Im Moment ihrer Verwendung wer den deshalb die gesellschaftlichen Diskurstraditionen, in die sie eingebettet sind, meist nicht diskutiert. Eine Ausnahme bilden viele ikonografische Bilder, wie etwa das von Alan Kurdi, dem dreijährigen syrischen Kind, das auf der Flucht ertrank und dessen Körper im September 2015 an Land gespült wurde (vgl. Mortensen/Allan/Peters 2017). Beim Versuch zu verstehen, welche Bilder solche starken Reaktionen aus lösen, werden neben den eher medientypischen Eigenschaften Prominenz, Häufig keit des Abdrucks (auch in digitalen Medien) und Unmittelbarkeit der Darstellung eines Ereignisses weitere genannt. Interessant ist, dass die im Weiteren genannten Merkmale auch in den von uns analysierten künstlerischen Arbeiten zu finden sind: die Verbreitung in un terschiedlichen Medien und damit die partielle Loslösung vom ursprünglichen Kontext; die Metonymie, mittels derer ein Bild dann ein allgemeineres kulturelles Phänomen beschreibt bzw. eine gesellschaftlich allgemeinere Bedeutung erhält; eine kulturelle Resonanz als Verweis auf Archetypen und tieferliegende menschli che Gefühle; schließlich eine eindringliche Komposition, die mit wenigen Mitteln Überraschungen, Gegensätze und Spannungen zum Ausdruck bringt (vgl. Perl mutter, zit. in Mortensen/Allan/Peters 2017: 73). Auf die von uns ausgewählten Bilder der Gegenwartskunst treffen diese Merk male insofern zu, als sie bereits auf der manifesten Ebene ambivalente und irri tierende Bedeutungen tragen. Die Arbeiten von Weniger und Güres haben erst im Zuge der kontroversen Debatten im Sommer 2015 ihre konkrete Bedeutung im Diskurs um Flucht erhalten. Wie ikonografische Fotos kann Kunst Inhalte ,ein schleusen‘ bzw. betonen, die in der alltäglichen visuellen Bildproduktion der Me dien ausgeblendet bleiben, etwa indem Fluchtursachen, vielfältige Facetten von Identitäten, die Betonung von Flucht als selbstbestimmter Akt oder Bewegungs freiheit für alle thematisiert werden. Im Moment der Rezeption können solche Produktionen Zwischenräume eröffnen und produktive Verunsicherungen aus lösen, die – im besten Fall – differenzierte Reflexionsprozesse über Identitäten und deren Konstruktionen in Gang setzen und Raumpolitiken verändern. Anders formuliert: Sie können „resources for thought and feeling“ bereitstellen, „that are necessary for constituting people as citizens“ (Hariman/Lucaites 2007: 13).
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Making Art, Making Media, Making Change! In gesellschaftliche Verhältnisse intervenieren
„Selbst ein Magazin gestalten, „Wir müssen stattdessen sagen, was wichtig ist, sich die öffentliche Sphäre Gehör verschaffen. Selbst als zu fragmentiert als Stift und Papier denken, greifen, eigene Comic-Welten etwas, daserschaffen, aus einersich das auch zutrauen und Vielzahl von Räumen behaupten Ich kann das. und/oder Formationen Ausrangierte Materialien ungewöhnlich und für besteht, dierecyceln sich bald eigene Ideen und Botschaften miteinander verbinden, nutzen. Do-It-Yo Y urself nicht nur Yo voneinander alsbald Aufruf zum Kreativsein abschotten, und diealsin verstehen, sondern Möglichkeit, die Welt konflikthaften undmit kritischen Augen zu betrachten widersprüchlichen und gemeinsam an Beziehungen Veränderungenzueinander zu arbeiten. Making stehen.“ Art, Making Media,
Making Change! ermutigt junge (Simon Sheikh 2004: 2) Menschen, selbst in der kulturellen und medialen Produktion aktiv zu werden und T il dieser partizipativen Kultur Te zu sein. Das Projekt umfasst ein Workshop-Programm, eine T olbox zur Unterstützung der To Vermittlungsarbeit und ein wanderndes Archiv.“ (www.makingart.at)
SAUBERKEITS≠ORDNUNG MONSTER WORKSHOP! mit Tomash Schoiswohl im Rahmen des Symposiums In sichtbare und unsichtbare Ordnungen eingreifen 2018. Fotos: Tomash Schoiswohl, Fabian Schober
Abbil ild il ldu dung 1: Colllllla lage aus Fo F tos vom Zin Zi ine-Wo W rk Wo rks kshop im i Ra R hmen d s „Wo de W men’s Wo ’ Sp ’s S ace“ von T re Te r sa Lugstein i , von de in d r Cra r ft ra ftitivi vis ism-We W rk We rks ksta t tt mit Step e hanie ep i Mülllllle ie ler sowi wie wi ie von d r Ausstellllllu de lung „Ma M ki Ma kin ing Art rt, rt t, M ki Ma kin ing Medi dia di ia, Ma M ki kin ing Change!“ mit T ililn Te lnehmeriririn innen de d s Grr rrr rr rrlrls ls Camp und Ka K Schmitz t tz (Fo (F Fotos: VO V RNA N ME NA M N CHN NA HNA HN NAME ME; E; Colllllla lage: Tim Ti imna Pa P chner) r r)
Wem gehört die Stadt?
2014 organisierte Teresa Lugstein die internationale Jugendbegegnung Women's Space, an der Frauen aus verschiedenen Ländern teilnahmen. Gemeinsam mit Studierenden entwickelten sie einen künstlerischen Stadtspaziergang im Stadtraum Salzburg mit den Slogans „We live to change!“ und „Dream big!“. Fotos: Pia Streicher
Abbil ild il ldu dung 2: 2 Colllllla lage aus Fo F tos von kü k nstltltle leriris isch-eduka k tit ven ka M teririria Ma ialilie ien de d r To T olb l ox lb ox: x: „Do-It-Yo Y urs Yo r elflflf, rs f, Do-it-To T geth To t er! th r “ de r! d s Pr Pro roj oje jekt k es „Ma M ki Ma kin ing Art rt, rt t, Ma M ki kin ing Medi dia di ia, Ma M ki kin ing Change!“ (Fo (F Fotos: VO V RNA N ME NA M NA N CHN HNA HN NAME ME; E; Colllllla lage: Tim Ti imna Pa P chner) r r)
„From the point of view of the theory of hegemony, artistic practices play a role in the constitution and maintenance of a given symbolic order or in its challenging and this is why they necessarily have a political dimension.“ (Chantal Mouffe 2008: 11)
stlerischer Künstlerischer Aktivismus Aktivismus in in Migrationskontexten Migrationskontexten
W&KForum Digital Spring. KunstAktivismus in Migrationskontexten am 11.3.2016 in der ARGEkultur Salzburg mit André Leipold (Zentrum für Politische Schönheit, Berlin), Sonja Prlić (gold extra, Salzburg) und Khaled Barakeh (Damaskus/Berlin, Abbildung oben rechts: The Shake Materialising Distance, 2013, oben links: The Shake FRENEMY, 2013), Moderation: Sabine Bruckner (Salzburg). Fotos: ARGEkultur Salzburg
„Ich verstehe Migration im Wesentlichen als Phänomen, das dazu beiträgt, dass Gegebenes und die Ordnungen des Gegebenen irritiert, aufgewühlt, beunruhigt, provoziert und herausgefordert werden. […] Vieles, was im öffentlichen Raum, aber auch im Klassenzimmer oder im Lehrer_innenzimmer passiert, kann interpretiert werden als ein Kampf um Ordnungen.“ (Paul Mecheril 2016b: 102)
„Mit ‚Ganzhabe‘ meinen wir die vollständige und umfassende Teilhabe für behinderte und verrückte Menschen. [...] ‚Ganzhaben statt teilhaben‘ heißt: wir wollen die ganze Bäckerei statt nur Krümel. Wir wollen eine Gesellschaft, in der kein Mensch ausgegrenzt wird.“ (Siegessäule.de 2017: o.S.)
Diversity in Kunst und Kultur
Ein DiversityModell für Kunst und Kulturinstitutionen, entwickelt von den Studierenden Alexandra Bründl, Sebastian Jacobs, Raphaela Schatz und Claudia Simair in einer Lehrveranstaltung von Persson Perry Baumgartinger 2018. Fotos: Alexandra Bründl, Sebastian Jacobs, Raphaela Schatz und Claudia Simair
Praxisfelder
„Die temporäre Intervention schafft einen Zwischenraum, in dem Platz für das Hinterfragen des Gewohnten und für das Denken von Möglichkeiten ist.“ (Laila Huber in Aqra/Huber/Smodics/Zobl 2016)
Künstlerische Interventionen als emanzipatorische Praktiken
Künstlerische Interventionen als emanzipatorische Praktiken: Über Verschränkungen von Kunst, sozialen Bewegungen und Bildungsprozessen1 Elke Smodics, Elke Zobl „Von welcher politischen Perspektive aus träu men wir, sehen wir, sind wir schöpferisch tätig und bringen etwas in Gang? […] Es geht dar um, die Bilder umzuwandeln, Alternativen zu schaffen.“ (hooks 1994a: 13)
Die Kunstgeschichte hält sich bis heute im Wesentlichen an kunstinterne Lesarten künstlerischer Arbeiten und geht den Verbindungen zu sozialen Bewegungen nur selten nach (vgl. Kastner 2011: 11). Wir gehen dem gegenüber in diesem Beitrag von der Beobachtung aus, dass sich zwischen den antidiskriminierenden Forde rungen von sozialen Bewegungen und den Intentionen von künstlerischen Inter ventionen eine Schnittstelle beschreiben lässt, die sich seit den 1970er Jahren auf ein emanzipatorisches, solidarisches Handeln richtet. Unser Interesse am Inter ventionsbegriff bezieht sich dabei auf drei Aspekte: Auf das Verhältnis von Kunst, Politik und Gesellschaft, auf das aktive und kritische Eingreifen in gesellschaft liche Verhältnisse und Ordnungen sowie auf das Sichtbarmachen widerstreiten der und widerständiger Positionen. Intention dieses Beitrags ist es, den Blick auf kollektive interventionistische Praktiken zu richten, die nicht selbstreferenziell auf das Kunstfeld bezogen sind, sondern dieses mit sozialen Bewegungen zusam 1 Der Text baut auf den Artikeln von Zobl/Reitsamer 2014 und Huber/Zobl 2014 auf und entwickelt diese weiter. Zwei Ausgaben unseres eJournals p/art/icipate (4 und 5, 2014) widmeten sich ebenfalls der Thematik. Wir danken Rosa Reitsamer und Laila Huber herzlich für die produktive Zusammenarbeit in diesen Beiträgen, sowie für das Feed back zu dem Text Marcel Bleuler, Ines Garnitschnig, Renate Höllwart, Persson Perry Baumgartinger und Siglinde Lang. Einschränkend müssen wir festhalten, dass wir uns dem Feld aus unserer in Österreich verankerten Perspektive vorwiegend mit Bezug auf deutschsprachige Literatur und Beispiele annähern.
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menführen. Dadurch eröffnen sie emanzipatorische Handlungsräume für das Den ken von Möglichkeiten und stellen herrschaftskritische Gegenöffentlichkeiten her. Im Fokus stehen daher die Schnittstellen, Verknüpfungen und Verschränkungen von künstlerischen Interventionen, sozialen Bewegungen und Bildungsprozessen. Diese Perspektive ist unserer Verankerung in einer kritischen Kunst- und Kultur vermittlung und einem Verständnis von Bildung als emanzipatorischem Handeln geschuldet.
E in lei tung : E in
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Ein zentrales demokratiepolitisches Anliegen hinter der Verschränkung von Kunst, sozialen Bewegungen und Bildung ist die Forderung nach einem „guten Leben für alle“. Das Interesse gilt dabei künstlerischen Eingriffen, die durch ihre (Bild-)Sprache nicht implizit das wiederholen, was sie kritisieren wollen, sondern vielmehr der Entwicklung von Gegenbildern und Gegengeschichten, die ihre Forderungen bereits als strukturelles Element enthalten. So forderte die Künstlerin Banu Cennetoǧlu mit ihrer künstlerischen Intervention bei der do cumenta 14 (2017) einen öffentlichen Dialog zum politischen Geschehen ein: Mit dem Einzeiler Beingsafeisscary auf der Fassade des Kasseler Friedericia nums richtet sich die Künstlerin gegen machtpolitische Systeme und Strukturen. Abbildung 1: Banu Cennetoǧlu, Beingsafeisscary, documenta 14 in Kassel, 2017
© Elke Zobl
Künstlerische Interventionen als emanzipatorische Praktiken
Sie fragt danach, welche gesellschaftlichen Transformationsprozesse angestoßen werden, wenn eine bestimmte Interpretation in Bezug auf menschliche Grund rechte (wie z. B. Schutz, Freiheit, Arbeit, Wohnen) dominant wird und die demo kratischen Werte Freiheit, Gleichheit und Solidarität zu Gunsten restriktiver Ord nungssysteme und -regeln abgebaut werden. Des Weiteren bringt Cennetoǧlu ihr Unbehagen gegenüber dem allgemeinen Rückzug in die Komfortzone der west lichen Welt auf Kosten von gesellschaftlichen Errungenschaften in folgenden Fragen zum Ausdruck: „Welchen Preis zahlen wir letztlich für unsere Sicherheit? Welche Manipulationen nehmen wir dafür in Kauf?“ (Cennetoǧlu 2017: o. S.) Die Forderung „Buen vivir“ – also nach einem „guten Leben für alle“ – wur de vor allem in Bolivien und Ecuador im Kontext einer Kapitalismus- und Kon sumkritik und der Idee eines gemeinschaftlichen, ökologischen und nachhaltigen Zusammenlebens aufgestellt und in den neuen sozialen Bewegungen in Europa aufgenommen.2 Queer-feministische und antirassistische Kämpfe fordern die Be reitschaft aller, einen solidarischen Umgang miteinander zu pflegen, gesellschaft liche Ausschlüsse zu bekämpfen und das Gemeinsame vor das Trennende zu stel len. In einer Rede, die Rubia Salgado auf der Aktionskonferenz der linken Initiative „Aufbruch“ 2016 in Wien zum Thema „Es gibt kein gutes Leben im Ausschluss!“ gehalten hat, argumentiert sie (u. a. gegen Ausschlüsse, die während der Aktions konferenz stattfanden): „Aber es gibt kein gutes Leben, solange Menschen im Mittelmeer sterben. Es gibt kein gutes Leben, solange muslimische Frauen auf der Straße angespuckt werden. Es gibt kein gutes Leben, wenn queere Menschen irgendwo nicht zugelassen werden, sei es auf Toilet ten oder wo auch immer. Es gibt kein gutes Leben im Ausschluss!“ (Salgado 2016: o. S.)
In diesem Sinne versteht sich das Intervenieren in mächtige Definitionen als Schritt zu einer verändernden Praxis oder, wie Mark Terkessidis einfordert: „Es wird Zeit, sich von alten Ideen wie Norm und Abweichung, Identität und Diffe renz, von Deutschsein und Fremdheit zu trennen und einen neuen Ansatzpunkt zu finden.“ (Terkessidis 2010: 125) Die Vorstellung von einer freien, gleichen und inklusiven Gesellschaftsord nung, wie sie in dem Zitat von Salgado thematisiert wird, ist kein Wohlfühlkon zept, sondern die Auseinandersetzung mit Widersprüchen und Konflikten und die stete Neuverhandlung von demokratischen Werten. In Zeiten von gesellschaftli chen Umbrüchen wird das Nachdenken über demokratische Mitbestimmung und soziale Gerechtigkeit in Theorie und Praxis virulent, die Frage nach passenden Konzepten für ein gutes Zusammenleben steht im Zentrum. Dabei werden alterna 2 Zur internationalen Kontextualisierung des Slogans, vor allem in den Andenländern, vgl. das Themenheft von PERIPHERIE. Politik, Ökonomie, Kultur zu „Buen vivir – gut leben, aber wie“ (Heft 38, 2018).
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tive soziale Ordnungen im Spannungsverhältnis mit dem hegemonialen Charakter der Gesellschaft entworfen und es wird ausgehandelt, wie viel Dissens das Demo kratiekonzept zulässt. In der Ausverhandlung von Konsens und Dissens spielt der öffentliche Raum eine zentrale Rolle. Dieser ist nach Chantal Mouffe (2014) ein „Kampfplatz“ der Repräsentation. Darin prallen klassische Ausschlüsse entlang der Kategorien Ge schlecht, Klasse, sexuelle Orientierung oder Herkunft mit dem Wollen der sozi alen Bewegung und den Gegenbildern künstlerischer Eingriffe aufeinander. Im öffentlichen Raum werden widerstreitende Positionen sichtbar bzw. hörbar (vgl. Mouffe 2014). „Critical art“, so Mouffe, kann in diesen Kampfplatz durch Kritik und die Visualisierung von Ungleichheiten, Ausschlüssen und Unterdrückungen intervenieren und Räume des Widerstands schaffen (vgl. ebd.: 136). Ziel ist nach Mouffe nicht die Herstellung von Konsens, sondern ein produktiver Umgang mit dem Dissens. Durch die politische Setzung und die Nähe zum Aktivismus transformiert sich der herkömmliche Kunstbegriff (als einer von vielen). Künstlerische Inter ventionen, die in kollektiven und kollaborativen Zusammenhängen in öffentliche Räume, Diskurse, Strukturen und Wissensformen eingreifen, haben den Werkbe griff der Kunst radikal verändert. Die in intervenierenden künstlerischen Prakti ken angestoßenen dialogischen Aushandlungsprozesse können wir als Orte des Politischen (vgl. Mouffe 2014)3 verstehen, an denen dominante Erzählungen und ihnen innewohnende Gewaltverhältnisse offengelegt werden und unsichtbares Wissen sichtbar wird: Künstlerische Interventionen widersetzen sich den macht funktionalen Diskursen und eröffnen durch ihr emanzipatorisches Handeln neue Räume. Diesen Aspekt des öffentlichen Raums als Aushandlungsort der Repräsenta tion, mit der Aufforderung an das – sich im Kunstfeld bewegende – Publikum, emanzipatorisch zu handeln, können wir exemplarisch am Beispiel der documenta 14 sehen. Das Kurator_innen-Team, angeleitet von Adam Szymczyk, stellt die emanzipatorische Perspektive „voneinander lernen“ ins Zentrum. Es erhebt damit den Anspruch, festgefahrene Leserichtungen und normative Repräsentationslogi ken des Ausstellens zeitgenössischer Kunst mit der documenta 14 zu verschieben, denn „ihre Teilhaber_innen sind ihre Besucher_innen und Künstler_innen, ihre Leser_innen und Autor_innen sowie all jene, durch deren Arbeit sie verwirklicht wird“ (Szymcyk 2017: 37). Das Ausstellungskonzept der documenta 14 ist der Versuch sowohl einer Entkoppelung vom kapitalisierenden und identitätsbilden 3 Chantal Mouffe unterscheidet zwischen Politik und dem Politischen. „Politik“ bezeich net bei Mouffe die institutionellen politischen Strukturen, wohingegen das „Politische“ im Moment der Ausverhandlung und des Dissens entsteht (2014). Nach Nora Sternfeld könnte man auch von „Kontaktzonen“ sprechen (2013).
Künstlerische Interventionen als emanzipatorische Praktiken
den Kunstspektakel als auch des Aufgreifens von Transformationspotenzialen der gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen sozialer Bewegungen: „Ich möchte behaupten, dass die documenta nicht nur ein Mittel der deutschen Kulturpolitik ist […], sondern als ein autonomes, gemeinsam besessenes, transnationales und in klusives, selbstorganisiertes künstlerisches Unterfangen verstanden werden muss […]“ (Szymczyk 2017: 41). Mit dieser Position stoßen Szymczyk und sein Ku rator_innenteam auf Widerstand. Dies ist nicht zuletzt an der Diskussion über die Zukunft des documenta-Kunstwerks, des Obelisken Ich war ein Fremder und du hast mich aufgenommen von Olu Oguibe, abzulesen.4 Zusätzlich ist zu fragen und bleibt offen, ob das Ausstellungskonzept der documenta 14 auch tatsächlich ein gelöst werden konnte und ob die Rhetorik sozialer Bewegungen nur übernommen (oder sogar instrumentalisiert?) wurde. Im Zentrum unseres Beitrags steht, wie anfangs erwähnt, die Verschränkung von Konzepten zu Antidiskriminierung, die aus den politischen Eingriffen so zialer Bewegungen seit den 1970er Jahren hervorgehen, und künstlerischen In terventionen mit ihren Forderungen nach emanzipatorischen Handlungen und solidarischen Verbindungen. Dabei geht es gleichzeitig um die Spannweite zwi schen der Sichtbarmachung existierender Einflüsse sozialer Bewegungen auf die künstlerische Arbeit und umgekehrt sowie um das Aufzeigen einer Alternative zur selbstreferenziellen Lektüre von Kunst. Um dabei einige Kernaspekte heraus zuarbeiten, versuchen wir im Folgenden, den Diskurs über künstlerische Inter ventionen auszugsweise darzustellen. Anschließend zeichnen wir Entwicklungsli nien künstlerischer Interventionen als emanzipatorische Praktiken seit den 1970er Jahren bis heute exemplarisch nach und konzentrieren uns dabei auf drei Blick winkel, die wir jeweils mit Beispielen erläutern: die Verschränkung von Kunst und Aktivismus im öffentlichen Raum anhand einer Performance von Erika Mis (1972), künstlerisches Handeln als emanzipatorische Strategie anhand der öster reichischen Kollektive Wochenklausur (1990er bis 2000er Jahre), VolxTheater Karawane (2001–2011) und Klub Zwei (ab 2006) sowie das Verschwimmen der Grenzen zwischen Kunstfeld, sozialen Bewegungen und Bildung und das Vonei nander-Lernen anhand des aktuellen Beispiels Die ganze Welt in Zürich. Unser Argument zu den Schnittstellen von Kunst und sozialen Bewegungen greifen wir zum Schluss noch einmal auf.
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Die mit dem Arnold-Bode-Preis ausgezeichnete Arbeit ist ein Aufruf zu solidarischem Handeln mit flüchtenden Menschen. Auch der gewählte Standort am Königsplatz und die Adressierung der Mehrheitsgesellschaft sind von zentraler Bedeutung. Nun hat die Kassler Stadtverwaltung den Obelisken versetzt, er wurde an die Peripherie verdrängt – trotz Protestmärschen, Demonstrationen und Petitionen, in denen sich die Zivilgesell schaft für den Erhalt des Monuments ausspricht und sich gegen die Instrumentalisie rung rechter Parteipolitiken wehrt.
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K ünst le ri sche I n terv en ti o nen : B e griffs v er o r tung und A m b i va len zen Die Begriffe ,Intervention‘ und ,künstlerische Intervention‘ sind offen, hetero gen und lassen viele Möglichkeiten zu, das Verhältnis von Kunst, Politik und Ge sellschaft zu denken. Zusätzlich wählen Künstler_innen, Kulturproduzent_innen und Kunstvermittler_innen – gemeinsam mit ihren Kollaborateur_innen – unter schiedliche Strategien und Methoden der Umsetzung. Der Interventionsbegriff dient in der bildenden Kunst in den letzten zwan zig Jahren zur Beschreibung von kulturellem Aktivismus, Kunst im öffentlichen Raum und informellen und subversiven künstlerischen Strategien (vgl. von Bor ries et al. 2012: 126).5 Dem Glossar der Online-Publikation Zeit für Vermittlung folgend, meint Interventionskunst jene künstlerischen Praktiken, die den der Kunst zugemessenen Raum überschreiten und Auseinandersetzungen mit dem „Außen“, also dem lokalen Kontext, suchen und sich im Bereich der sozialen Be wegungen verorten (vgl. IAE 2013: o. S.). In Opposition zur bürgerlichen Vorstellung der Autonomie der Kunst als ,l’art pour l’art‘ stehend, geht es in interventionistischen künstlerischen Kontexten grundlegend darum, auf bestehende, als überholt angesehene und von Macht ge prägte Strukturen aufmerksam zu machen und diese umzugestalten (vgl. Wege 2001). Künstler_innen fordern mit ihren in der Regel zeitlich begrenzten, impuls gebenden, störenden und irritierenden Eingriffen in den gesellschaftlichen Status Quo verstärkt die soziale und politische Verantwortung der Kunst ein. Zentrale Begriffe sind Prozesshaftigkeit, Dialog, Kommunikation, Partizipation, Koope ration, Recherche, Analyse, Kontext und Ortsbezug (vgl. Wege 2001: 23 f.). Wir schließen uns in diesem Beitrag der Definition von Büro trafo.K an: „Unter Intervention versteht man eine aktive, kritische Handlung. Es ist eine Form des Protests, die Machtverhältnisse und soziale Ungleichheiten reflektiert. Aktivist_innen und Künstler_innen setzen die Intervention in ihrer Arbeit ein, um in diskriminierende und un terdrückende Strukturen einzugreifen und fordern damit eine gesellschaftliche und politi sche Veränderung. Interventionen sind sehr vielfältig, aber alle verfolgen das Ziel politische Prozesse in Gang zu setzen und neue Perspektiven für gesellschaftliches Handeln zu eröff nen.“ (Büro trafo.K 2014: o. S.)
Ein grobes Raster für eine Einteilung von künstlerischen Interventionen legen Christian Höller (1995) und Astrid Wege (2001) vor. Sie unterscheiden dabei zwei 5 DuMonts Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst (2006) verweist im Zusammen hang mit Interventionismus auf aktionistische Praktiken und listet unter anderem die Plakate und Aktionen der Guerilla Girls auf, die gegen institutionalisierten Sexismus und Rassismus in der Kunstwelt ironisch und medienwirksam protestierten, oder die Arbeiten der Kollektive ACT UP, Gran Fury und General Idea, die in der AIDS-Krise die LGBTI-Communities in den USA mobilisierten (vgl. Geene 2006: 140).
Künstlerische Interventionen als emanzipatorische Praktiken
Arten der künstlerischen Intervention, die einander ergänzen können: Die erste konzentriert sich auf die Störung spätkapitalistischer Machtstrukturen im Bereich der Kultur- und Medienindustrie, indem Gegeninformationen und -bilder einge schleust und die geregelten Abläufe durch gezielte interventionistische Aktionen infrage gestellt werden. Hierzu können etwa die institutionskritischen Interventio nen des feministischen Kollektivs Guerrilla Girls genannt werden. Mit Darstellun gen statistischer Erhebungen, den sogenannten Weenie Counts, veröffentlichen sie in nächtlichen Plakataktionen die Beteiligungszahlen von Frauen und Männern in großen Kunstinstitutionen. Mit dieser Strategie der Offenlegung prangern sie den Sexismus und die Dominanz weißer Männer in der Kunstwelt an. Für die zweite Art der künstlerischen Interventionen ist charakteristisch, dass sie eher sozial motivierte Ansätze verfolgen, mit dem Ziel, gesellschaftlich marginali sierte Gruppen zu unterstützen, indem für deren Belange eine Öffentlichkeit geschaf fen und konkret zu einem Wissen über ihre Situation beigetragen wird. Hier sind die Aktionen der österreichischen Gruppe Wochenklausur bespielhaft (auf die wir später noch eingehen) oder das Hamburger Projekt Park Fiction mit dem Entwurf eines öffentlichen, selbstverwalteten Parks. Das gemeinsame Ziel dieser Vorgehensweisen ist die Herstellung einer „Gegenöffentlichkeit“, die Handlungs- und Kritikfähigkeit (vgl. Wege 2001: 25) sowie Dialog und Perspektivenvielfalt ermöglicht. Der inflationäre Gebrauch der Begriffe „Intervention“ und „künstlerische In tervention“ im Kunstfeld und im Aktivismus (vgl. von Borries/Wegner/Wenzel 2012: 95) wird kritisiert, weil die Geschichte und Idee der Intervention absorbiert und neutralisiert werde (vgl. Graham/Vass 2014; Graham/Vass/Krauss 2014). Künstlerische Interventionen sind vielfältig, stoßen Veränderungen an und können auch ambivalent und widersprüchlich eingesetzt werden: Das Forschungsteam des Projektes Urbane Interventionen (HFBK Hamburg) stellt eine Erweiterung und Verschiebung in der Verwendung des Begriffs „Intervention“ seit der Jahr tausendwende in zweierlei Hinsicht fest: Zum einen thematisieren künstlerische Interventionen zunehmend den urbanen, öffentlichen Raum und greifen durch vi suelle, performative und architektonische Aktionen in die Wahrnehmung gesell schaftlicher Akteur_innen ein. Zum anderen werden künstlerische Interventionen immer häufiger als Marketingstrategien für Produktplatzierung eingesetzt und er fahren eine Institutionalisierung (vgl. von Borries/Wegner/Wenzel 2012: 100 ff.). Janna Graham und Nicolas Vass (2014) kritisieren die kapitalistische Verein nahmung durch Marketingstrategien und damit eine zunehmende Neutralisierung des Interventionsbegriffs, der sein herrschaftskritisches Potenzial einbüßt. Dies ist der Fall, wenn die eigene Verwicklung und Beteiligung an der Reproduktion der zu kritisierenden Umstände ausgeblendet wird. Oder auch wenn Interventionen zu Themen entwickelt und umgesetzt werden, an denen die beteiligten Personen und/oder Organisationen kein langfristiges Interesse haben. Graham und Vass kri tisieren zudem, dass die Bezeichnung einer Intervention als „künstlerisch“ oft den
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kollektiven Enstehungsprozess einer Intervention negiert, da in vielen Fällen (ins besondere an der Schnittstelle zum Aktivismus und sozialen Bewegungen), wie beispielsweise bei Interventionen der Precarious Workers‘ Brigade (vgl. Website) nicht nur Künstler_innen involviert sind. Folglich tendieren sie dazu, Interventi onen nicht explizit als künstlerisch zu bezeichnen, um keine Hierarchisierung der Beteiligten vorzunehmen. Sie plädieren für eine solidarische Arbeit mit Akteur_ innen in anderen Feldern; dies umfasst Unterstützung durch Zuhören, Reflexion und Sich-Öffnen, um Neues zu lernen und auf andere Arten politischen Agierens aufmerksam zu werden (vgl. Graham/Vass 2014). Interventionen eröffnen in dem Sinn einen Zwischenraum an den Schnittstel len von Kunst und sozialen Bewegungen, sodass bestehende Ordnungen kritisch hinterfragt und anders perspektiviert werden können. Insofern tragen sie das Po tenzial in sich, außerhalb des Kunstfeldes wie auch im Kunstfeld kulturelle und soziale Veränderungen anzustoßen.
D ie V er schrän kung von künst le ri schen I n terv en ti o nen und A k ti v is m us in neuen so zi a len B e w e gun gen : Z ur P o li ti sie rung des öf fent li chen R aums in den 1970 er J ah ren Seit der Entstehung des modernen Künstlerbildes, das ,den Künstler‘ als autono mes Subjekt setzt, sind Selbstorganisation, Gruppenbildung, Kollaboration und Projektarbeit wesentliche Strategien, um „avantgardistisch verstandenen Zielset zungen durch die Bündelung [Anm. d. Verf.: von Personen und Interessen] zum Durchbruch zu verhelfen“ (von Bismarck 2006: 280). Mit den Bewegungen der historischen künstlerischen Avantgarden – Dadaismus, russischer Konstruktivis mus, Surrealismus, Situationismus – werden kollektive Arbeitsweisen als politi sche und intervenierende Strategien verstanden. Das kritische Potenzial der Selbstorganisation ,von unten‘ entfaltet sich jedoch breitenwirksam erst mit den neuen sozialen Bewegungen in den späten 1960er bzw. frühen 1970er Jahre. Der öffentliche Raum wird in der Nachwirkung der 68er-Be wegung und der Antikriegsproteste das Zentrum für die Aushandlung von sozi al- und kulturpolitischen Themen. Er wird zum Ort, an dem gegen institutionelle Barrieren mit Strategien des politischen Aktionismus gekämpft wird, um emanzi patorisches Handeln, Selbstermächtigung und -bestimmung möglich zu machen. Unter der Prämisse „Das Private ist politisch und das Politische ist privat“ setzt sich die feministische Bewegung mit vielfältigen Benachteiligungen und Diskriminierungen auseinander und geht über den erfolgreichen Kampf um die Abschaffung des Paragrafen 144 in Österreich, des so genannten ,Abtreibungspa ragrafen‘, hinaus. Sie thematisiert Gewalt gegen Frauen bis hin zu den rechtlichen
Künstlerische Interventionen als emanzipatorische Praktiken
Ausschlüssen politischer Repräsentation. An der Politisierung des Privaten betei ligt sich das Kunstfeld mit Strategien der Aktionskunst und der Performance (vgl. Papenbrock 2012). Nach dem Motto „Raus auf die Straße“ steht der Körper im Zentrum der Protestartikulation und wird somit als Medium und Informationsträ ger für die Dekonstruktion von Machtverhältnissen und Ausdruck von Widerstand eingesetzt. Neue Protestformen gegen das Establishment sind Straßentheater, Blo ckaden, Sit-ins und Besetzungen. Die Gleichstellungsforderungen werden mit ei ner neuen Direktheit vermittelt und erfahrbar gemacht. Abbildung 2: Erika Mis, Demonstration des Aktionskomitees zur Abschaffung des § 144 („Abtreibungsparagraf“) und der Aktion unabhängiger Frauen (AUF) mit der Aktionskünstlerin Erika Mis in Wien, 1972
© Walter Henisch
Diese Nutzung des öffentlichen Raums und die unmittelbare Adressierung von gesellschaftspolitischen Themen durch die feministische Bewegung zeigen ne ben den bekannten Arbeiten von VALIE EXPORT exemplarisch die Dokumen tationsfotos der Aktionskünstlerin Erika Mis aus dem Jahr 1972 in Wien. Die Performance Selbst ist die Frau ist in Form eines Straßentheaters inszeniert, das im Rahmen der Demonstration gegen den Paragrafen 144 auf der Mariahil fer Straße in Wien stattfindet. Die Forderung nach seiner Abschaffung steht im Kontext eines westeuropäischen Kampfes, da dieser Frauen – in Österreich bis 1975 – kriminalisiert und fremdbestimmt in gesellschaftlich normierte Vorstel lungen von Weiblichkeit treibt, vor allem in die Geschlechterrolle der entrech teten Ehefrau und Mutter. In einem Käfig auf einem Leiterwagen lässt sich die Künstlerin Erika Mis in Häftlingskleidung mit der Nummer § 144 von einem
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sinnbildlichen Dreiergespann durch die Straße ziehen. Die Verkleidungen der den Wagen ziehenden Männer repräsentieren die patriarchale Macht: das Gesetz, die Medizin und die Kirche. Der Schlussakt der Performance – die Zerstörung des Käfigs – ist eine Setzung gegen patriarchale Machtverhältnisse und hetero normative Rechtsprechung. Die Performance von Mis ist ganz klar in der feministischen Widerstandsund Befreiungsbewegung, einer wesentlichen Akteurin der neuen sozialen Bewe gungen, verankert. Neue soziale Bewegungen – im Unterschied zu vorhergehen den sozialen Bewegungen wie etwa der Arbeiter_innenbewegung – diskutieren verstärkt Fragen zu kulturellen und symbolischen Werten und Repräsentationen (anstatt ökonomischer Anliegen), die sie verändern wollen. Die Akteur_innen setzen auf dezentrale, zum Teil klassenübergreifende Selbstorganisation ,von un ten‘ und auf Kollaborationen, bei denen es über den sozialen Zusammenschluss hinaus zu gemeinsamen Produktionsprozessen kommt (vgl. Lievrouw 2011). Die New Social Movement Theory argumentiert, dass sich kollektive Aktionen, die sich beispielsweise für Feminismus, Umwelt und alternative Energien, Lesben-, Schwulen- und Trans-Rechte6 und gegen Krieg und Unterdrückung einsetzen, in neuartigen, unkonventionellen und kulturellen Formen von sozialem Aktivismus – aktivistischen künstlerischen, kulturellen und medialen Praktiken – engagieren. Sie unterscheiden sich von vorhergehenden Bewegungen hinsichtlich ihrer Ak teur_innen (z. B. vorwiegend mit Bildung ausgestattete ,knowledge workers‘) und der Art und Weise ihrer Aktionen (z. B. dezentrale, anti-hierarchische Netzwerke, Nutzung neuer Medien und des öffentlichen Raums). Wenn Kunst im Stadtraum agiert, verbindet sie damit den Anspruch des „Rechts auf Stadt“, also den Anspruch auf Aneignung und Mitbestimmung von öffentlichem Raum. Jedoch sind die Grenzen zwischen künstlerischen Interventi onen und politischem Aktivismus fließend (vgl. Felshin 1995)7 und Schnittstellen ergeben sich auf verschiedenen Ebenen (vgl. Hermann/Diaz 2013). Künstlerische Interventionen wie politischer Aktivismus setzen auf öffentliche Inszenierung und die Präsenz der Körper im öffentlichen Raum, schaffen ein Bewusstsein über poli tische und soziale Missstände und setzen mit aktionistischen, künstlerischen Ein griffen Prozesse der Politisierung in Gang, die über Protest hinausgehen. Gleich zeitig geht die Entwicklung politischer Kunstpraktiken mit einer Abwendung vom werkorientierten Kunstbegriff einher (vgl. Grothe 2005: 88). Anders als Kunst, die in ihrem Objektcharakter verharrt, eröffnet die Aushandlung über die Körper ein
6 TransPersonen sind spätestens seit den 1980er Jahren aktiver Teil der feministischen und schwul-lesbischen Kämpfe (vgl. Verein][diskursiv 2011; Baumgartinger 2017). 7 Vgl. zu dem Thema und einer internationalen Auseinandersetzung auch die Hefte von PERIPHERIE. Politik, Ökonomie, Kultur, Nr. 144 (2016): Politik mit Kunst und Nr. 145 (2017) Widerstand mit Kunst.
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Spektrum von betont politischen Kunstpraktiken und beinhaltet vielfältige und zirkulierende Kommunikationsprozesse, wie am Beispiel der Frauenbewegung klar ersichtlich wird.
K ol lek ti v es künst le ri sches H an deln als eman zi pa t o ri sche und so li da ri sche S trate gie : D ie 1990 er bis 2000 er J ahre Im Zuge der ökologischen Bewegung und der Globalisierungskritik der 1990er Jahre diversifiziert sich die intervenierende Kunstpraxis noch einmal wesentlich. Sie folgt einem erweiterten Kunstbegriff und bewegt sich in Cross-over-Berei chen. Dabei sind Theorie, Vermittlung und Kritik integraler Bestandteil der neuen Kunstproduktion. Stella Rollig hält fest: „Der enge Rahmen des Kunstkontexts wird zugunsten interdisziplinärer Forschung verlassen, die Auseinandersetzung mit Soziologie, Geschichtsforschung, Biotechnologie oder Genderstudies ge sucht.“ (Rollig 1998: 10) Zunehmend wird auch in Kollektiven und kollaborativ an den Schnittstellen von Kunst und Aktivismus gearbeitet (vgl. dazu beispiels weise Hermann/Diaz 2013 am Beispiel von Organ Kritischer Kunst). Die politischen Kunstpraktiken der 1990er bis in die 2000er Jahre bilden den Rahmen für drei Beispiele aus dem österreichischen Kontext, nämlich die WochenKlausur, die VolxTheaterKarawane und Klub Zwei, die als künstlerische Kollektive ihre Interventionskunst als Realpolitik (vgl. Kube Ventura 2001) mit antidiskriminierenden Praktiken in Beziehung setzen. In Österreich ist der Begriff der Interventionskunst vor allem mit der Gruppe WochenKlausur verbunden, die seit den 1990er Jahren zahlreiche „soziale Inter ventionen“ realisiert hat. Die Interventionen der Gruppe umfassen u. a. die Ver handlung und Einrichtung einer fahrenden, kostenlosen Ambulanz für Obdachlose in Wien (1993), den Aufbau einer Pension für drogennutzende Frauen in Zürich (1994) oder die Eröffnung einer Koordinationsstelle zur sozialen und rechtlichen Betreuung von Schubhaftinsass_innen im Polizeigefangenenhaus Salzburg (1996) (vgl. Zinggl 2001, 2005), aber auch aktuelle Projekte etwa in Köln, Eindhoven oder Glasgow (vgl. Website WochenKlausur). Die Vorgehensweise der WochenKlausur wird als prozessorientierte und parti zipatorische Strategie mit offenem Ausgang verstanden. Mit einer konkreten Be auftragung vor Ort und mit dem Einsetzen von institutionellen Ressourcen haben sie das Ziel, in Form von Klausuren in Dialog zu treten, Verhältnisse – zumindest temporär – umzugestalten, Reflexion und Diskurs anzuregen und die Öffentlich keit außerhalb des Kunstfeldes aktiv zu beteiligen (vgl. Zinggl 1999). Manche Aktionen und Einrichtungen werden im Zuge von Kooperationen so verankert, dass sie jahrelang bestehen bleiben, andere funktionieren impulsartig und kurz
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fristig. Insofern werden durch die Interventionen der Wochenklausur Anstöße und Impulse für nachhaltige Prozesse gesetzt. Neue, kunst-externe Räume werden ge schaffen. Die Nutzung alternativer, autonomer Orte oder die Inbesitznahme öf fentlicher und gesellschaftlicher Räume außerhalb des Kunstbetriebs stellen neue Formen der Partizipation und der Kommunikation dar. Die Folge davon ist eine Begriffstransformation des Politischen in der Kunst in eine positive Besetzung. Aber das Bewegen außerhalb von kunstspezifischen Räumen und der Einsatz von raumgreifenden Strategien heißt nicht nur, eine Sichtbarkeit von minorisier ten Positionen herzustellen, sondern bedeutet auch zivilen Ungehorsam mit straf rechtlichen Folgen. Das österreichische Künstler_innen-Kollektiv VolxTheater Karawane etwa, ein gesellschaftskritisches postdramatisches Kunstprojekt, wird in Folge seiner aktivistischen Interventionen am G8-Gipfel 2001 in Genua von der italienischen Polizei für vier Wochen inhaftiert. Als Instrument der Widerrede bietet die Straßentheateraktion die Möglichkeit einer partizipativen Mobilisierung gegen rassistische Grenzregime. In orangen Overalls und Helmen treten die Akti vist_innen als Sinking Ship-Skulptur auf und ziehen eine mit Noborder NonationPlakaten beklebten Badewanne mit den Forderungen: „das Recht auf Freiheit von Bewegung, die Abschaffung der Schubhaft und den Stop von Deportation“. Abbildung 3: publiXtheatrecaravan.mov, Filmkollektiv VTK, 2002. Verleih: http://sixpackfilm.at/
Das lose basisdemokratisch organisierte Kollektiv bestand bis 2011 und wurde von Aktivist_innen des Volxtheater Favoriten (Wien) und der Plattform für eine Welt ohne Rassismus initiiert. Im Zentrum ihrer Projekte, wie der erwähnten No border, Nonation Karawane (2001), dem Ausstellungs- und Medienbus Nobord
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erZone in Graz (2002) und dem NoborderLAB (2003) im Rahmen des Austrian Social Forums in Hallein, steht die Auseinandersetzung mit Grenzen, Migration und Globalisierung. Der Künstler Gin Müller, vormals Mitglied der Volxtheaterkarawane, beschäf tigt sich mit Interventionen im öffentlichen Raum aus der Perspektive des Raums als von Macht durchsetzt: „Wichtig ist für mich vor allem, das Konzept Raum als Politisches zu verstehen. Politik [wird] hier verstanden als Verräumlichung, als Verteilung und Anordnung, oder, wie es Jac ques Rancière im Anschluss an Foucault formuliert, Politik als polizeilicher Raum, in dem gouvernementale Praktiken ausgeführt werden. Am Raum interessiert mich natürlich die Frage, inwiefern er ein Konfliktraum ist und wie darin bzw. daraus Wahrnehmungspolitiken und Möglichkeiten performativer Praktiken entstehen können […].“ (IG Bildende Kunst 2005: o. S.)
Wie die anfangs erwähnte Mouffe versteht Müller Raum als Möglichkeit der Aus verhandlung und des Dissens. Die VolxTheaterKarawane begibt sich direkt an die Orte brisanter aktueller politischer Auseinandersetzungen – also an die „Kampf plätze“ der Repräsentation (vgl. Mouffe 2014) – und macht mit ihren Interven tionen widerstreitende Positionen sowie gesellschaftliche Ungleichheiten, Aus schlüsse und Unterdrückungen sichtbar. Als Beispiel für kollektives Handeln als emanzipatorische Strategie seien weiters die Plakataktionen von Klub Zwei (bestehend aus Simone Bader und Jo Schmeiser) genannt. Die Plakate werden in partizipativen Prozessen mit Beteilig ten aus unterschiedlichen Bereichen konzipiert und in den öffentlichen Raum ein geschrieben. Mit dem Titel Für eine Stadt ohne Rassismus aus dem Jahr 2006, den Klub Zwei von der Plattform für eine Welt ohne Rassismus ableiten, entwickelt das Künstlerinnenkollektiv gemeinsam mit Schüler_innen der Elly-Heuss-Real schule in München-Giesing Interventionen, die auf Diskussionen über Begriffe, Bilder und Strukturen in Zusammenhang mit Rassismus, Sexismus und anderen Formen der Diskriminierung basieren. Die dialogorientierte Ausgangsfrage, die der von Klub Zwei eingeladene Sozi alwissenschafter Anil K. Jain an die Klasse und sich selbst richtet, lautet: „Warum glaubst du ein Rassist, eine Rassistin zu sein?“ Aus der Zusammenarbeit mit den Schüler_innen zu dieser Frage ergeben sich weitere Fragen wie: „Ist Nationali tät angeboren?“, „Ist Zukunft angeboren?“ oder „Ist München angeboren?“. Die se werden auf einer Postkartenserie sowie im öffentlichen Raum Münchens auf Großflächenplakaten, Transparenten und auf einem Stadtbus affichiert. Klub Zwei geht es um Veränderungen gesellschaftlicher Verhältnisse: „,Arbeiten an der Öffentlichkeit‘, das bedeutet also eine dominante Öffentlichkeit zu kri tisieren und zu bearbeiten, um sie schließlich zu verändern. Andererseits verweist der Ti tel unserer immer noch andauernden Projektreihe Arbeiten an der Öffentlichkeit aber auch
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Die genannten Interventionen sprechen unterschiedliche Öffentlichkeiten abseits des Kunstkontextes an, wobei Künstler_innen sich in Kollektiven zusammen schließen und häufig mit Teilen sozialer Bewegungen außerhalb des Kunstfel des zusammenarbeiten, um unterschiedliche Erfahrungshorizonte, Wissensbe stände und Sichtweisen auf die Gesellschaft zu fusionieren und Gegenmodelle zur neoliberalen Umstrukturierung des öffentlichen Raums, wie etwa zu der voranschreitenden Gentrifizierung von Stadtteilen oder der zunehmenden Über wachung des öffentlichen Raums, zu entwickeln. Sie gehen solidarische Verbin dungen ein und lassen die Grenzen von Kunst, sozialer Arbeit, Aktivismus und Politik verschwimmen.
M ög lich kei ten der T eil ha b e : A k tu elle A k ti o nen und D e bat ten Als wegweisend in Bezug auf die Ausverhandlung von Möglichkeiten der Teil habe und des Voneinander-Lernens begreifen wir das dialogische Kunstprojekt Die ganze Welt in Zürich – konkrete Intervention in die Schweizer Migrations politik (Morawek 2016, 2017). Dieses bezieht sich direkt auf das Projekt 8 der Wochenklausur 1994 in der Shedhalle, das in die Drogenpolitik in Zürich mittels Bootsfahrten mit Expert_innen und Entscheidungsträger_innen intervenierte. Vor dem Hintergrund von Hanna Arendts Diktum „das Recht, Rechte zu haben“ ha ben die künstlerische Leiterin der Shedhalle in Zürich, Katharina Morawek, und der Künstler Martin Krenn gemeinsam mit einer transdisziplinären Arbeitsgruppe konkrete Vorschläge einer Stadtbürger_innenschaft – einer „Urban Citizenship“ – für Zürich entwickelt. Ein Viertel aller Bewohner_innen der Schweiz sind weitge hend von rechtlicher, sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Teilhabe an (städti scher) Gesellschaft ausgeschlossen, weil sie keine Schweizer Staatsbürger_innen sind. Das Projektteam verfolgte den Anspruch, mit der Shedhalle einen Ort zu schaffen, an dem über Sachzwänge hinaus gemeinsam über soziale Utopien nach gedacht, verhandelt und politisch agiert werden konnte. Sie verfolgten das Bild, Zürich solle zum „sicheren Hafen“ werden: für alle, die in dieser Stadt leben und für alle, die noch dorthin kommen. Die Arbeitsgruppe erarbeitete in nicht-öffent lichen Gesprächen mit Entscheidungsträger_innen und anderen Involvierten kon krete Projekte zu drei Aspekten städtischer Citizenship: Aufenthaltsfreiheit, Dis kriminierungsfreiheit und Gestaltungsfreiheit. Im Rahmen von drei öffentlichen Hafen-Foren diskutierten lokale und internationale Akteur_innen das Potenzial einer Bürger_innenschaft für die Stadt Zürich.
Künstlerische Interventionen als emanzipatorische Praktiken
Abbildung 4: Die ganze Welt in Zürich. Diskussion, Erstes Hafenforum, Shedhalle Zürich, Samstag, 24. Oktober 2015
Foto: Martin Krenn, 2015
Die ganze Welt in Zürich ist ein gegenwärtiges Beispiel für einen Paradigmen wechsel in institutionellen Aufgabenfeldern mit Forschungs- und Bildungsauf trag, insofern als Kunst- und Bildungsinstitutionen als Handlungsräume begriffen werden, in denen ungewöhnliche Begegnungen und Diskurse – durchaus auch „im Sinne einer sozialen Utopie“ (Morawek 2017: 99) – möglich werden und ein kon kreter politischer Aushandlungsraum eröffnet wird. Insofern ist das Projekt auch ein Beispiel für die enge Verwobenheit von aktivistischen Kunstpraktiken mit par tizipativen Prozessen und das Verschwimmen von aktivistischen Initiativen und dem Kunstfeld, wie sie Grant Kester mit der „dialogischen Ästhetik“ beschrieben hat (vgl. dazu den Beitrag von Bleuler in diesem Band). Morawek stellt folgende wirksame Veränderungen fest, die durch das Projekt geschehen sind: „Eine an gesellschaftlicher Transformation orientierte Interpretation von Urban Citizenship braucht einerseits Strategien zur Stärkung der zivilen Rechte von Bürger*innen und Nochnicht-Bürger*innen. So geht es eben nicht darum, mit geringen Mitteln (weil aus einem Kunstprojekt entstanden) ein neues, schickes (weil partizipationsverwandtes) Tool für In tegrations- oder Bevölkerungsmanagement zu entwickeln, sondern es geht in erster Linie darum, Politik selbst in die Hand zu nehmen, so wie soziale Bewegungen das schon immer tun […].“ (Morawek 2017: 113)
Künstlerische Interventionen wie Die ganze Welt in Zürich greifen in politische Diskurse und Verhältnisse ein und erarbeiten – ähnlich der Wochenklausur – kon krete und praxisorientierte, aber auch utopische Gegenentwürfe zu aktuellen po
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litischen Situationen. Dabei werden im Sinne von Urban Citizenship und einem solidarischen Handeln die sozialen Kämpfe ,von unten‘ stets mitgedacht und der Demokratiebegriff durch die bislang ausgeschlossenen Bürger_innen überarbei tet. Damit solch eine transformative Praxis zum Greifen kommt, braucht es nicht nur ein Heraustreten aus dem abgegrenzten Feld der Kunst und ein Eingehen von (tatsächlichen) Kooperationen mit Initiativen aus unterschiedlichen Kontexten, sondern auch ein Einander-Zuhören, ein Voneinander-Lernen und eine Offenheit für komplexe, auch widerspenstige und schwierige Prozesse an den Schnittstellen von Kunstpraxis, sozialen Bewegungen und Bildungsprozessen.
F a zit
und
A us b lick
In diesem Beitrag haben wir einen wenig beachteten, aber wichtigen Diskurs im Kunstfeld in den Blick genommen und sind den Verschränkungen von Kunstprak tiken, sozialen Bewegungen und Bildungsprozessen nachgegangen. Wir haben uns vor allem auf feministische und antirassistische Perspektiven bezogen, die grund legend darauf abzielen, bestehende Machtverhältnisse auf ihre je spezifische Weise und unter Einsatz heterogener Strategien herrschaftskritisch herauszufordern. In Interventionen werden (Gegen-)Bilder und Narrative erarbeitet, die impulsgebend Dialog und ein Voneinander-Lernen, auch im Sinne von Vermittlungsprozessen, initiieren. Wir verstehen solche künstlerischen Interventionen als emanzipato rische Praktiken, insofern als sie neue, auch konflikthafte und widersprüchliche Handlungsräume an den Schnittstellen von künstlerischer Arbeit, sozialen Bewe gungen und Bildungsprozessen eröffnen. Wir möchten mit dieser Lesart der Ver schränkungen eine Alternative zur selbst-referenziellen Lektüre im Kunstfeld an bieten und eine Öffnung für Praktiken an den Schnittstellen forcieren. Die erwähnten Beispiele intervenierender Kunstpraxis machen Themen sicht bar, die öffentlich nicht oder kaum verhandelt werden (u. a. weil das staatliche Interesse fehlt), und entwickeln Gegenbilder und Handlungsoptionen. Gerade die ses Sichtbarmachen und das Zeigen von Brüchen in Gegenbildern und Gegenge schichten, aus denen sich andere Perspektiven eröffnen und Denkprozesse ausge löst werden, sind für die antirassistische Bildungsarbeit wichtig. Daraus kann sich auch ein emanzipatorisches Tun entwickeln, das die Öffentlichkeit im Sinne der Forderung nach einem „guten Leben für alle“ aufrüttelt und zu eigenem – indivi duellen wie auch auf Institutionen und Strukturen bezogenen – Handeln anstößt. In dieser Möglichkeit, an den sich auflösenden Grenzen von Kunst, Aktivismus und Bildung bestehende Bilder gemeinsam zu verändern und neue Handlungs räume für ein „gutes Leben für alle“ zu eröffnen und zu schaffen, sehen wir – und hoffen in gegenwärtigen Zeiten der Umbrüche auf – das emanzipatorische und transformative Potenzial künstlerischer Interventionen.
Kulturvermittlung als kritische Praxis
Kulturvermittlung als kritische Praxis: Prozesse des Queerings und des Empowerments in der Arbeit mit Jugendlichen1 Elke Zobl, Ricarda Drüeke
E in lei tung Für die kulturelle und politische Jugendarbeit bietet die Verknüpfung einer kriti schen gesellschaftlichen Perspektive, die herrschende soziale und kulturelle Ord nungen hinterfragt, mit einem Konzept, das zu eigenen kulturellen Produktionen anregt, eine große Chance – und stellt gleichzeitig eine vielfältige Herausforde rung dar. Das an der Universität Salzburg durchgeführte Wissenschaftskommuni kationsprojekt Making Art, Making Media, Making Chance! – ein partizipatives Kultur- und Medienprojekt – zeigt Möglichkeiten der Verbindung eines solchen Anspruchs mit der Entwicklung von feministischen und antirassistischen Materia lien für die Arbeit mit Jugendlichen sowie mit der Durchführung von Workshops für Jugendliche und Multiplikator_innen auf. Theoretisch leitend ist dabei die Per spektive eines Queerings, die sich in unserem Verständnis nicht nur auf sexuelle Politiken bezieht, sondern vielfältige und komplexe Macht- und Herrschaftsver hältnisse in den Blick nimmt und reflektiert sowie scheinbare Normalitäten de konstruieren kann. Mit dieser zugrunde gelegten Perspektive werden in der kon kreten Zusammenarbeit mit Jugendlichen deren individuelle und kollektive Aus schlüsse reflektiert, gesellschaftliche Machtverhältnisse thematisiert und darauf aufbauend Teilhabemöglichkeiten für Jugendliche erarbeitet. Im Mittelpunkt steht demnach die Frage, wie mit diesem Ansatz des Queerings in hegemoniale Zu schreibungen eingegriffen und bei Jugendlichen gängiges Wissen hinterfragt wer den kann. Dies ist Voraussetzung, um Möglichkeiten der Kritik, aber gleichzeitig 1 Dieser Beitrag erschien erstmals unter dem Titel Making Art, Making Media, Making Change!? Prozesse des Queerings und des Empowerments in der Arbeit mit Jugend lichen in GENDER. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, Heft 2, 2016. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.
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auch des Empowerments aufzuzeigen. Den Begriff ,Empowerment‘ verwenden wir im Sinne von bell hooks, die Empowerment als einen Prozess beschreibt, der einsetzt, „wenn wir beginnen zu verstehen, auf welche Weise Herrschaftsstruk turen das eigene Leben bestimmen, wenn wir ein kritisches Bewusstsein und die Fähigkeit zum kritischen Denken entwickeln, wenn wir neue alternative Lebens gewohnheiten ersinnen und aufgrund dieses marginalen Raums von Differenz in uns Widerstand leisten“ (hooks 1990: 55). In dem Beitrag gehen wir wie folgt vor: Zunächst stellen wir den Kontext des Projektes vor. Den theoretischen Rahmen bildet eine Verbindung aus queer theoretischen Ansätzen mit Ansätzen der kritischen Kunst- und Kulturvermitt lung. Künstlerische und kulturelle Produktionen eignen sich besonders, um als ,natürlich‘ angesehene Wissensbestände zu hinterfragen und Irritationen auszulö sen. Deren kritisches Potenzial und die Ausgangspunkte des Projektes, die in ei nem Verständnis von Kultur als partizipativer und Do-It-Yourself-Kultur sowie in queer-feministischen Kontexten liegen, stellen wir im Folgenden mit Hilfe der im Projekt entwickelten Materialien dar. Wir zeigen anhand einer Beschreibung von Workshops mit Jugendlichen auf, wie ein Handlungsraum eröffnet wird, in dem eine Diskussion und Reflexion von hegemonialen Deutungsmustern – beispiels weise von Geschlecht, Sexualität und Körper – sowie die Transformation von Zu schreibungs- und Bildpolitiken durch (kritische) kulturelle Produktionen möglich wird. Wie ein Queering des dominanten Blicks und somit eine Dekonstruktion von (scheinbaren) Normalitäten aussehen kann, diskutieren wir anschließend an hand von (Bild-)Materialien, die wir in der Arbeit mit Jugendlichen einsetzen.
K on text : D as P rojekt M aking A rt , M aking M e dia , M aking C hange ! Making Art, Making Media, Making Change! ist ein transdisziplinäres Wissen schaftskommunikationsprojekt an der Schnittstelle von Universität – Jugend arbeit – Kunstvermittlung, das am interuniversitären Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst verankert ist, einer Kooperation zwischen der Paris Lodron Universität Salzburg und der Universität Mozarteum Salzburg. Neben dem wissenschaftlichen Team wurde das Projekt vor allem in Kooperation mit Künstler_innen und Medien produzent_innen, Vertreter_innen der feministischen Mädchenarbeit sowie Expert_ innen der kritischen Kunst- und Kulturvermittlung entwickelt.2 Das Projekt baut auf 2
Das Projekt wurde vom österreichischen Wissenschaftsfond (FWF, WKP 10) als Wis senschaftskommunikationsprojekt vom 1.3.2014 bis 30.9.2015 gefördert. Teammitglie der: Elke Zobl, Ricarda Drüeke, Stefanie Grünangerl. Kooperationspartner_innen: Co mic-Künstlerin Ka Schmitz, Textil-Künstlerin Stephanie Müller, Carmen Mörsch vom
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zwei von Elke Zobl geleiteten Forschungsprojekten auf, die auf alternative feminis tische Medienproduktion und junge Frauen als aktive kulturelle Produzent_innen im Kontext der Ladyfeste fokussierten (vgl. Zobl/Drüeke 2012; Zobl/Reitsamer 2012).3 Diese Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass gerade durch selbst gemachte kulturelle Produktionen, Medien und Netzwerke mit queer-feministischem Fokus neue Räume – und damit Handlungsmöglichkeiten – für Jugendliche und junge Erwachsene eröffnet werden. Sie sind durch eine partizipative Kultur, selbst organi siertes, kollaboratives Lernen in informellen Kontexten, lokale, transnationale und virtuelle Kommunikation und Vernetzung, Aktivismus und zivilgesellschaftliches Engagement gekennzeichnet (vgl. Reitsamer/Zobl 2010; Zobl 2009; Zobl 2011a). Ausgehend von diesen Ergebnissen wurden im Projekt Making Art, Making Media, Making Change! verschiedene Workshops mit Jugendlichen als kulturelle und me diale Produzent_innen konzipiert und durchgeführt. Diese Workshops wurden fort laufend von den Projektmitarbeiterinnen evaluiert und werden nach Projektende weiterentwickelt. Zentral in der Anlage des Projekts ist, dass der Prozess und nicht das Produkt entscheidend ist sowie ,learning by doing‘ und die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen im Vordergrund stehen. In Zusammenarbeit mit den Künstler_innen und Kooperationspartner_innen4 konzipierten wir eine Experimentier-Werkstatt zum Phänomen Craftivism5 sowie Comic- und Zine6-Workshops. Daraus ergaben sich österreichweite mobile Work shops mit geschlechtergemischten und mädchenspezifischen Gruppen – Schul klassen sowie Jugend- und Mädchengruppen im Alter von zwölf bis 26 Jahren. Von März 2014 bis Mai 2015 führten wir 27 Workshops an 14 Institutionen mit 350 Teilnehmer_innen durch. Der überwiegende Teil der Workshops war mäd chen- bzw. frauenspezifisch. Wichtig war uns bei den Workshops, den Konstruk Institute for Art Education der Zürcher Hochschule der Künste (Schweiz), Büro trafo.K (Wien), make it – Büro für Mädchenförderung des Landes Salzburg, Mona-Net: Mäd chen Online Netzwerk Austria, Frauenbüro Stadt Salzburg, verschiedene Kultur- und Medienproduzent_innen. Vgl. Website des Projektes. 3 Vgl. Websites zu den FWF-geförderten Forschungsprojekten Feministische Medien produktion in Europa und Junge Frauen als Produzent_innen von neuen kulturellen Räumen. 4 Für die Ausarbeitung dieser Perspektive war es für das Projekt von großer Bedeutung, mit Expert_innen der kritischen Kunst- und Kulturvermittlung zu kollaborieren: Car men Mörsch, Institute for Art Education, Züricher Hochschule der Künste, und Elke Smodics von trafo.K, einem Kunstvermittlungsbüro in Wien. 5 Das englische Wort ,Craftivism‘ – oder alternativ die Begriffe ,Radical Crafting‘ und ,Critical Crafting‘ – bezieht sich auf die Verbindung von Handarbeit mit Aktivismus und einen kritisch-experimentellen Do-It-Yourself-Zugang dazu (vgl. Eismann et al. 2011). 6 Zines sind nicht-kommerzielle, nicht-professionelle Magazine in geringer Zirkulation, die in freiwilliger, unbezahlter Arbeit produziert, veröffentlicht und verbreitet werden (vgl. Duncombe 1997; Zobl 2009).
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tionscharakter insbesondere von Geschlecht zu verhandeln und die Strategie des Queerings insofern zu integrieren, als wir uns gemeinsam mit den Jugendlichen mit scheinbaren Normalitäten wie Rollenbildern und Stereotypen auseinander setzten, um diese zu hinterfragen. Als Ausgangspunkt für die Zusammenstellung von Materialien, die in den Workshops mit den Jugendlichen verwendet werden, stellten wir uns folgende Fragen:
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Welche Materialien können im Sinne eines Queerings vermeintliche Normali täten, Herrschaftsstrukturen und Machtverhältnisse hinterfragen und beinhal ten bereits ein kritisches Moment, indem sie die gesellschaftliche Ordnung nicht reproduzieren, sondern durchbrechen und dekonstruieren? Welche Materialien können ein Empowerment im Sinne des Eröffnens von kritischen Handlungsräumen unterstützen und zu eigener kultureller Produk tion anregen?
Nur jene Materialien, die diese Aspekte – der Dekonstruktion von Machtverhält nissen, im Spezifischen von Heteronormativität, und des Empowerments – aus drücken können, wurden ausgewählt. Für den Einsatz in diesen Workshops entwickelten wir für Lehrer_innen und Multiplikator_innen eine künstlerisch-edukative Do-It-Yourself, Do-It-Together! Toolbox. Ausschlaggebend und für die Entwicklung entscheidend waren dabei ähnliche Projekte, etwa FLIC FLAC* Feministische Materialien für den Kunst unterricht von trafo.K (2011). Auch die Toolbox Verletzende Sprache angehen (Huber 2014), der rassismuskritische Leitfaden (Projekt Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel 2015) sowie das RCG – Magazin zu Intersektionalität (AG Postkoloniale Migration(en) und Anti-Rassismus 2014) stellten wichtige Refe renzpunkte dar. Die Toolbox enthält Materialien für eine kritische und feministi sche Vermittlungspraxis. Sie umfasst Module und Handlungsanregungen für die drei beschriebenen Werkstätten bzw. Workshops.7 Darüber hinaus befindet sich in der Toolbox Anschauungsmaterial, d. h. Primärmaterialien wie Zines, Comics und Beispiele von Craftivism-Projekten. Zur weiteren Illustration der DIY-Pro duktionskontexte sind Sprechblasen enthalten, auf denen Zitate von Kultur- und Medienproduzent_innen abgedruckt sind. Schließlich umfasst die Toolbox Bild karten mit verschiedenen Zeichnungen, Collagen und Fotografien aus queer-femi nistischen künstlerischen und medialen Arbeiten.
7 Die Toolbox kann am Kooperationsschwerpunkt Wissenschaft und Kunst, Paris Lodron Universität Salzburg und Universität Mozarteum (Kontakt: Elke Zobl) kostenlos entlie hen werden.
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T heo re ti scher R ah m en : Q uee ring in der kri ti schen K ulturv er m itt lung Für die Entwicklung der konkreten Materialien in der Arbeit mit Jugendlichen, die wir in den Abschnitten 4 und 5 genauer vorstellen, bildet eine gesellschaftskriti sche und queer-feministische Perspektive die Grundlage (vgl. Butler 1995; Engel 2007; Jagose 2001; Mouffe 2008). In der pädagogischen Praxis finden sich kri tische Perspektiven auf gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse vor allem in der Bildungs- und Mädchenarbeit (vgl. Walgenbach 2014). Häufiger Aus gangspunkt ist dabei die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und darauf aufbauend die Reflexion von Diskriminierungsformen. So greift beispielsweise das Jugendbildungsprojekt respect jugendliche Selbststilisierungen als ,Gangsta‘ etc. auf, um damit Prozesse der Selbst- und Fremdethnisierung zu reflektieren sowie deren gesellschaftliche Herstellungsprozesse in den Blick zu nehmen (vgl. Walgenbach 2014; Akka/Pohlkamp 2010). Aufbauend auf einem emanzipatorischen Pädagogikverständnis (vgl. Freire 1978), das Bildung als Prozess der Politisierung sieht, in dem Menschen jene Machtmechanismen erkennen lernen, die ihr Leben prägen, versteht sich die kri tische Kunst- und Kulturvermittlung (vgl. Mörsch 2012a; Settele/Mörsch 2012; Rollig/Sturm 2002; Schnittpunkt 2013) selbst als eine hegemoniekritische Pra xis, die eine „bewusst betriebene Unterbrechung und Gegenkanonisierung“ (IAE 2013: 38) darstellt. Dabei werden sowohl Kulturinstitutionen und künstlerische Produktionen als auch der pädagogische Bereich „zu den zentralen Orten, an de nen die hegemoniale Ordnung ausgehandelt wird“ (IAE 2013: 38). In dem Feld werden wichtige Fragen zum Lernen als Ergebnis hegemonialer Verhältnisse so wie zum Durchbrechen von angelernter Praxis und gängigem Wissen diskutiert, um Räume für Dissens zu öffnen und Möglichkeiten des Unerwarteten zu schaf fen (vgl. Sternfeld 2014). Prozesse des Lernens und Verlernens von Denk- und Handlungsmustern, so Nora Sternfeld (vgl. 2014), sind entscheidend, um Kritik zu äußern und gesellschaftliche Transformationen anzustoßen. Grundsätzlich wird Bildung in der Perspektive der kritischen Kunst- und Kulturvermittlung als gegenseitiger Lernprozess und kollaborative Wissensproduktion aufgefasst. Kriti sche Praxis bedeutet dabei, Theorie und Reflexion sowie das Erproben von Hand lungsstrategien als zusammengehörig zu verstehen. Um queertheoretische und queere künstlerische Ansätze mit einer solchen kritischen pädagogischen Praxis zu verbinden, haben Nanna Lüth und Carmen Mörsch (2015) den Begriff „Queere Kunst Pädagogik“ vorgeschlagen. Zentral ist dabei der gemeinsame Bezug von künstlerischen und pädagogischen Verfahren zu einer antirassistischen und antisexistischen Herangehensweise (vgl. Lüth/Mörsch 2015: 188). Dadurch entsteht eine Form von Kunst/Pädagogik, die sich als „,queer‘ und nicht (nur) ,kritisch‘“ bezeichnet, denn „Affekte, Begehren, Verletzlichkeit,
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Uneindeutigkeit und Widersprüche“ sind „bei der Entwicklung und Realisierung ihres emanzipatorischen künstlerischen und pädagogischen Anliegens“ (Lüth/ Mörsch 2015: 188) zentraler Ausgangs- und Angelpunkt. Damit wird nicht nur die Geschlechterdifferenz in den Blick genommen, sondern es werden vor allem Kategorisierungen kritisiert und ein Denken jenseits von Dichotomien angeregt: „Queer ist immer eine Identitätsbaustelle, ein Ort beständigen Werdens.“ (Jagose 2001: 165) Dieser Zugang ermöglicht es, „verschiedene soziale Fragen aus mi norisierten Perspektiven“ zu fokussieren und gleichzeitig mit künstlerisch-edu kativen Mitteln zu bearbeiten (vgl. Lüth/Mörsch 2015: 188). Demzufolge stehen sich politische, kulturelle und künstlerische Praktiken und queere Theoriebildun gen nicht dichotom gegenüber, sondern bedingen und befruchten sich gegensei tig. Formen kritischer künstlerischer Praktiken (,critical art‘) können dominante Hegemonien hinterfragen und destabilisieren, indem sie visualisieren, was unter drückt bzw. vereinnahmt wird, und Alternativen bereitstellen (vgl. Mouffe 2008: 6 ff.). Kennzeichen solcher künstlerischer Praktiken sind nach Chantal Mouffe (2014: 135) die „Produktion neuer Subjektivitäten und die Ausarbeitung neuer Welten“, um den „Common Sense“ durch gegenhegemoniale Interventionen zu verändern (Mouffe 2014: 139). Damit können queere Repräsentationen und so ziale Praktiken entwickelt werden, die Bedeutungen nicht als etwas Fixes betrach ten und gleichzeitig auf die Norm verweisen, die sie veruneindeutigen bzw. die den „Prozess der Infragestellung oder Verschiebung materialisieren“ (Engel 2007: 296). Nicht nur Identitäten sind deshalb zu politisieren, sondern auch gesellschaft liche Praktiken und Rahmenbedingungen, in denen diese entstehen und stabilisiert werden (vgl. Butler 2004: 48 ff.). Queere Repräsentationen und Praktiken kön nen dementsprechend, so Antke Engel (2007: 296 f.), als „produktive Irritatio nen“ dienen, um Geschlecht und Sexualität nicht nur auf hierarchische Geschlech terdifferenzen und Heteronormativität zu beziehen. Gerade queere künstlerische Praktiken an den Schnittstellen von Theorie, Kunst und Aktivismus – dies zeigen beispielsweise die Beiträge in den aktuellen Sammelbänden von Käthe von Bose et al. (2015) und Christiane Erharter et al. (2015) – thematisieren die vielfältigen Interventionsmöglichkeiten in die visuellen und performativen Repräsentations formen von Gender, Sexualität, Affekt und Politik. Die kritische Kunst- und Kulturvermittlung – im Sinne einer in Entwicklung befindlichen Queeren Kunst Pädagogik – macht also deutlich, dass es auf ver schiedenen Ebenen Interventionen geben kann (vgl. Lüth/Mörsch 2015): So sol len zum einen die bisherigen Vorstellungen über kulturelle Bildung reflektiert und damit auch eine Diskussion darüber angestoßen werden, welcher Kunst- und Kul turbegriff solchen Setzungen zugrunde liegt. Zum anderen ist es wichtig, vielfäl tige Informations- und Unterrichtsmaterialien zu entwickeln, die gesellschaftskri tische Momente aus einer antirassistischen und queer-feministischen Perspektive mitdenken bzw. als Ausgangspunkt nehmen (vgl. trafo.K 2011). In Verbindung
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mit einem Queering als Strategie zeigt sich das Potenzial der kritischen Kunstund Kulturvermittlung. Momente der Irritation vor allem einer – aber nicht nur – hegemonialen Zweigeschlechtlichkeit und der damit verbundenen Ein- und Ausschlüsse können so in der Vermittlungspraxis thematisiert werden. Wenn ge sellschaftliche Praktiken und Festschreibungen kritisch in den Blick genommen werden und nach den Bedingungen der Konstruktion von Sex und Gender gefragt wird, kann dies zu einer Vervielfältigung der Sichtweisen beitragen.
I n -F rage -S tel len von N or m a li tät (- en ): zur E nt w ick lung von A n ge b oten und M ate ria lien für eine kri ti sche und fe m i nis ti sche V er m itt lungs pra xis Im Folgenden zeigen wir anhand der durchgeführten Workshops mit Jugendlichen die Entwicklung und Einsatzmöglichkeiten der Materialien und Angebote für eine kritische und queer-feministische Vermittlungspraxis auf. Daran anschließend stellen wir als Teil der visuellen Materialien die Bildkarten vor und diskutieren an diesem Beispiel die Möglichkeiten eines Queerings und Empowerments. Kritische kulturelle Produktionen in Workshops Ziel der im Rahmen des Wissenschaftskommunikationsprojekts entwickelten Craftivism-Werkstätten sowie Comic- und Zine-Workshops ist die Eröffnung ei nes gemeinsamen machtkritischen und ermächtigenden Sprach- und Handlungs raums. Sie sind in drei Phasen strukturiert: Zunächst erfolgt ein Kennenlernen über Bildmaterialien – wie Zines, Comics oder Bildkarten –, die wir miteinan der diskutieren. In einem zweiten Schritt folgt die Produktion von Comics, Zines oder Craftivism-Objekten, die ihren inhaltlichen Ausgangspunkt bei den Themen der Jugendlichen nehmen und eine Brücke zu den Materialien bilden, die wir in die Workshops tragen. Als Abschluss werden in der letzten Phase die Ergebnisse gegenseitig vorgestellt und reflektiert. Der konkrete Ablauf sieht dabei exemplarisch wie folgt aus: Bei einem dreistün digen Zine-Workshop – beispielsweise in einem Mädchenzentrum in Klagenfurt oder an einer weiterführenden Schule in Mittersill im ländlichen Raum Salzburgs – bauen wir zunächst bei unserer Ankunft die mobile Leselounge8 auf, die eine Vielzahl an 8 Die Zines entstammen dem Grrrl Zines-Archiv im gendup, dem Zentrum für Gender Studies und Frauenforschung an der Universität Salzburg. Dieses Archiv umfasst eine Sammlung von 2.300 queer-feministischen Zines, die Elke Zobl seit 1999 gesammelt hat (s. Website Zines-Archiv).
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queer-feministischen und frauenpolitischen Zines und Comics enthält. Nach einer Begrüßung, in der wir auch kurz die Regeln eines respektvollen Umgangs miteinander ansprechen9, suchen sich alle Teilnehmer_innen – auch die Workshopleiter_innen – ein Zine oder Comic aus, das sie anspricht. Zuerst zögernd, dann mit immer mehr Interesse sehen sich die Jugendlichen die Hefte an und es beginnen Gespräche darüber, was ihnen daran gefällt, welche Themen spannend sind und inwieweit diese Materialien andere Themen oder visuelle Repräsentationen enthalten als Massenmedien. In den Zines ist beispielsweise eine Frau mit Kopftuch abgebildet, die als DJane arbeitet und über ihre feministischen Überzeugungen spricht. Wir sehen Frauen, die nicht den Model-Maßen entsprechen, mit ihrem Körper zufrieden sind und Fotoserien darüber machen. Es sind Frauen abgebildet, die in den Stadtraum gehen und mit Fä den einen Börsenplatz überspannen, um zur Finanzkrise Stellung zu beziehen. Nach einem Austausch über Form und Charakteristika von Zines gehen wir dazu über, gemeinsam ein Zine zu produzieren, in dem jede_r Teilnehmer_in mindestens eine Seite gestaltet. Dazu überlegen wir gemeinsam, welche Themen die Jugendlichen beschäftigen, um daraus Schwerpunkte für das Heft zu entwickeln. Wir fragen: „Was betrifft euch im Alltag, und was würdet ihr gerne daran ändern?“, „Welche Ungleich heiten und Ungerechtigkeiten gibt es?“ und „Gibt es eine ,eigene‘ Geschichte, die ihr erzählen könnt?“. Es kommt eine Diskussion in Gang und die Jugendlichen beginnen sinngemäß Fragen zu stellen wie „Warum verdienen Frauen weniger als Männer?“, „Warum werden Gruppen und Einzelpersonen, die von der Norm abweichen, ausge grenzt?“ und „Warum werden Stereotype über Männer und Frauen als normal erlebt?“. Ausgehend von solchen Fragen lassen sich anschließend scheinbare Normalitäten und gesellschaftliche Machtverhältnisse thematisieren. Weitergehend fragen wir: „Warum ist das so?“ und „Was hat das alles mit mir zu tun?“. Unter Rückgriff auf diese Fragestellungen gestalten die Jugendlichen und die Workshopleiter_innen in einem nächsten Schritt Collagen für das Zine. Beim Collagieren greifen die Work shopleiter_innen vorwiegend auf Magazine und Zeitungen aus feministischen und frauenpolitischen Kontexten zurück, um den Mehrheitsdiskurs nicht von vornher ein zu reproduzieren. In dem Klagenfurter Workshop trug das Zine schließlich den Titel Alles basta? Nö! und enthielt Beiträge, in denen Rollenbilder und dominante gesellschaftliche Verhältnisse aufgezeigt, aber gleichzeitig auch Kritik daran geübt wurde. Abbildung 1 zeigt einen Auszug aus einem Zine, das im Rahmen eines sol chen Workshops mit Schüler_innen und jungen Frauen an der Schule in Mittersill gestaltet wurde. Die Teilnehmer_innen der Workshops reflektierten ihre Situation und Position in der Gesellschaft und nahmen zum Teil einen kritischen Standpunkt in Bezug auf die Wirkung von Herrschaftsstrukturen ein. 9 In den Workshops kann auch verletzende und diskriminierende Sprache vorkommen. Wir benennen diese (ohne die Sprecher_innen zu verurteilen) und verweisen auf eine respektvolle Sprache (vgl. Huber 2014).
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Abbildung 1: Auszug aus einem gemeinsam von Schüler_innen des BORG Mittersill und jungen Frauen gestalteten Zine
In einem Großteil der in den Workshops produzierten Zines bringen die Jugendli chen macht- und herrschaftskritische Themen zur Sprache, insbesondere verschie dene Formen von Diskriminierung (u. a. Sexismus, aber auch z. B. Cyber-Mob bing), Ausschlüsse und Gewalt gegen Frauen. Sie üben Kritik an Rollen-, Kör per- und Schönheitsbildern und Normen und formulieren Forderungen für Frau enrechte und Gleichberechtigung, Respekt, Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das eigene Aussehen. Darüber hinaus thematisieren die Jugendlichen allgemeine gesellschaftspolitische Themen wie den Gegensatz zwischen Arm und Reich. Ein zweiter großer Themenbereich betrifft Beiträge zu Empowerment und der Ermunterung, aktiv zu sein oder zu werden, beispielsweise im Bereich der Musik. Weiterhin bringen viele – in einem dritten Themenkomplex – den Druck in Bezug auf Leistung sowie Schul-, Berufs- und Zukunftsaussichten in einem neoliberalen System10 zur Sprache. Auch Alltagsthemen wie Mode, Schminken, Internet, Filme, Freundschaft, Liebe, Religion und Tierschutz sind Teil der pro duzierten Zines. Über den Einstieg durch die Primärmaterialien der Zines und Comics ist es möglich, direkt vielfältige und machtkritische Themen anzusprechen und so einen Handlungsraum zu öffnen, der von den Workshop-Teilnehmer_innen mitbestimmt 10 Die Jugendlichen bezeichnen das System nicht mit dem Begriff ,neoliberal‘, aber sie beschreiben in ihren eigenen Worten, wie sie das gesellschaftliche Zusammenleben er fahren und benennen dabei Charakteristika des Neoliberalismus.
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wird, indem sie ihre Meinungen und Lebenswirklichkeiten einbringen und diese – teilweise kritisch – in Bezug zu gesellschaftlichen Verhältnissen setzen. In diesem Raum können grundsätzliche Denk- und Reflexionsprozesse initiiert werden, um gesellschaftliche Machtverhältnisse und Ausschlüsse zu hinterfragen. Vor allem Jugendliche, die sich marginalisiert fühlen, sich im Prozess des Outings befin den oder Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, empfinden es als positiv, dass diese Erfahrungen zur Sprache gebracht werden. Gleichzeitig wäre eine län gerfristige Zusammenarbeit mit den Jugendlichen notwendig, um tiefergehende Reflexionsprozesse anzustoßen und heteronormative Ordnungen nachhaltiger in Frage zu stellen. Visuelle Blickregime transformieren: Bildkarten in der Vermittlungspraxis In diesem Abschnitt zeigen wir die Entwicklung und den Einsatz der im Projekt erarbeiteten Bildkarten auf, die in den Workshops als Einstieg zum Kennenler nen oder im zweiten Schritt für die tiefergehende Diskussion im Hinblick auf ein Queering und Empowerment verwendet werden können. Aus dem vorhandenen Material der Forschungsprojekte wurden zunächst 140 Auszüge und Titelbilder von queer-feministischen Comics und Zines bzw. Fotos von Craftivism-Projekten ausgewählt, die in einem mehrstufigen und gemein schaftlichen Prozess mit den Kooperationspartner_innen diskutiert wurden. Dies führte letztendlich zu einer Auswahl von 25 Bildkarten für die Verwendung in den Workshops. Auf den Bildkarten werden einerseits die Positionen der queerfeministischen Kulturschaffenden deutlich, vor allem wird aber der Konstruk tionscharakter von gesellschaftlichen Kategorien, insbesondere von Geschlecht, hervorgehoben. Die Bildkarten kamen sowohl in Workshops mit Schüler_innen und Studierenden als auch mit Lehrer_innen der Kunstpädagogik sowie Kommu nikationswissenschaftler_innen zum Einsatz. In den Workshops gehen wir so vor, dass sich alle Teilnehmenden (auch die Multiplikator_innen bzw. Lehrer_innen) eine Karte auswählen. In einer Runde werden die Bilder auf den Karten genau beschrieben und die Gründe der Aus wahl genannt, um die jeweiligen Bildpolitiken und Zuschreibungen, die damit einhergehen (z. B. in Bezug auf Köpernormen, Geschlechterrollen), zu benennen und zu hinterfragen. Gemeinsam werden die Antworten in einer zweiten Runde besprochen. Verschiedene Fragen können dabei leitend sein: Inwiefern wird das, was von der Gesellschaft als ,normal‘ und ,schön‘ angesehen wird, in den Bildern hinterfragt und umgedeutet? Wie wird Kritik an scheinbarer Normalität geäußert? Wie wird Kritik an Diskriminierungen, z. B. aufgrund von Geschlecht, Ethnizi tät, Religion, Klasse, geübt? Welche anderen und neuen Bilder werden gängigen Normen entgegengesetzt? Aber auch: Wie wird Selbermachen und Selbst-Aktiv-
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Werden zum Ausdruck von Kritik verwendet? Das Anliegen ist, eine Auseinan dersetzung mit Macht- und Diskriminierungsformen sowie die Dekonstruktion stereotyper Bilder anzuregen. Die Jugendlichen nahmen die Bildkarten überwie gend mit Interesse und Neugier auf. Die Lehrenden empfanden die Bildkarten als produktives Vermittlungsmaterial für eine macht- und heteronormativitätskri tische Arbeit. Die Bildkarten werden nun laufend in einem partizipativen Prozess mit verschiedenen Gruppen weiterentwickelt und erweitert. Im Folgenden greifen wir vier Bildkarten heraus und diskutieren, wie diese im Sinne eines Queerings Machtverhältnisse dekonstruieren und Heteronorma tivitäten in Frage stellen sowie als Form des Empowerments Handlungsräume eröffnen. Abbildung 2: queeristics/Chris Campe, 2006
Quelle: Plotki Femzine #1, Deutschland. www.queeristics.de. Abdruck mit Genehmigung.
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Das im Plotki Femzine publizierte Bild mit dem Titel Ácesoir (Abb. 2) stammt von der Zeichnerin Chris Campe (queeristics.de). Es zeigt in mehreren Schritten den Tagesbeginn von zwei Personen. Deutlich wird, dass mit Geschlechtszuschrei bungen visuell spielerisch umgegangen wird, da der Geschlechterkörper als etwas Äußeres und damit Wandelbares dargestellt wird. Auf einer Sequenz steht bei spielsweise eine Person vor einem Kleiderschrank, in dem mehrere ,Geschlechter hüllen‘ zur Auswahl stehen. Indem sie sich einen Geschlechterkörper – über meh rere Sequenzen hinweg – performativ aneignet, verschieben sich heteronormative Zuschreibungen. Zwar lassen sich diese scheinbaren Wahlmöglichkeiten von Ge schlecht, die diese Sequenzen ausdrücken, durchaus kritisch diskutieren, dennoch zeigt diese Zusammenstellung, dass Gender und Sex in der sozialen Praxis hervor gebracht werden und nicht notwendigerweise als etwas vorab natürlich Gegebenes betrachtet werden müssen. Sowohl Sex als auch Gender sind in dem Sinne perfor mativ, als sie das Subjekt, das diese nur auszudrücken scheint, als seinen Effekt konstruieren (vgl. Butler 1995). Die Geschlechterkörper weisen darüber hinaus verschiedene Kombinationen männlicher und weiblicher Attribute auf. In einem Interview betont Chris Campe, dass es ihr wichtig ist, in Zeichnungen verschie dene Codes, die eher männliche oder eher weibliche Zuschreibungen auslösen, zu kombinieren und so die Wahrnehmung von Geschlechtern offen zu halten (vgl. Reitsamer 2010). Mit diesem Bild werden also eindeutige Erkennbarkeiten eines weiblichen oder männlichen Körpers in Frage gestellt und es wird angeregt, dar über nachzudenken, welche Geschlechterkörper als ,normal‘ gelten und warum dies so ist. Der Fokus wird dabei auf die Prozesse des Handelns (des ,doing gen der‘) gelegt, in denen Bedeutungszuweisungen konstruiert und kulturelle Überein künfte erzielt werden. In den Workshops kann diskutiert werden, wie diese Bedeu tungen in einem ständigen Prozess des Aushandelns und Bestätigens entstehen, der in Macht- und Hierarchieverhältnisse eingebunden ist. Mit Hilfe des Bildes – der Titel Ácesoir stellt ein Sprachspiel zwischen dem Wort ,Accessoire‘ (dt. ,Beiwerk, Zubehör‘) und ,à ce soir‘ (dt. ,bis heute Abend‘) bei der Verabschiedung der beiden Figuren dar – können diese Zuschreibungen hinterfragt und umgedeutet werden. Abbildung 3 stammt aus dem girls will be boys will be girls will be … Colo ring Book (Queerbook Committee) von Jacinta Bunnell und Irit Reinheimer, das als selbst publiziertes Zine zunächst im Jahr 2001 erschien und im Jahr 2004 in leicht überarbeiteter Form als Buch bei einem unabhängigen Verlag in den USA veröffentlicht wurde. Bunnell und Reinheimer verwenden Illustrationen aus Mal büchern für Kinder oder kreieren Zeichnungen selbst, oft auch mit WorkshopTeilnehmer_innen. Diese Bilder kommentieren sie kritisch mit Slogans und Sprü chen. Dabei dekonstruieren die Produzent_innen traditionelle und tief verankerte Geschlechterrollen und -bilder auf ironische, subversive und spielerische Weise. Auch diese Abbildung, auf der zwei Menschen zu sehen sind, die bestehende Ge schlechterpronomen diskutieren und in diesem Prozess ein neues, geschlechts
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Abbildung 3: Sometimes the Spoon Runs Away with Another Spoon Coloring Book von Jacinta Bunnell, USA 2010. Illustration von Nathaniel Kusinitz
© Jacinta Bunnell and PM Press. http://queerbookcommittee.com
neutrales Pronomen – „Ze“ – (er-)finden, wird kommentiert mit dem Spruch „The new pronoun they invented suited just everyone fine“. Hier wird auf die Möglich keit verwiesen, Bestehendes, als ,normal‘ Angesehenes und im Alltag performativ immer wieder Hergestelltes (in dem Fall Zweigeschlechtlichkeit) zu hinterfragen und in einem Diskussionsprozess mit verschiedenen – auch minorisierten – Men schen einen Raum für Neues zu öffnen. Dieser Raum ist ein Möglichkeitsraum auf visueller und sprachlicher Ebene und ermuntert – im Sinne des Empowerments – que(-e-)r zu denken und Visionen der Selbstrepräsentation zu entwickeln. Die DIY-Produzent_innen dieser Coloring Books, die sie auch als „anti-bias books“ bezeichnen, zielen auf eine Kritik an Medien für Kinder ab und darauf, wie die
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se Geschlechterrollen und -bilder darstellen; eine Kritik, die damit arbeitet, dass Menschen über sich und ihre tief verankerten Erwartungen über Geschlecht und Sexualität lachen. Abbildung 4: Reclaim your body! Stoffaufnäher, Kollektiv Lookism.info, Deutschland 2007
Quelle: www.lookism.info. Abdruck mit Genehmigung
Die Abbildung 4 Reclaim your body ist ein Stoffaufnäher des Kollektivs Lookism. info. Das Kollektiv veröffentlicht auf seiner Webseite Texte zum Thema Lookism und setzt sich damit kritisch mit gängigen Schönheitsnormen auseinander. Die Abbildung mit dem Untertitel Kick the norm zeigt eine Frau, die eine zersplit terte Waage in der Hand hält. Deutlich zu sehen ist, dass sie unrasierte Beine hat – eine Anspielung auf Werbebilder und gesellschaftliche Normen, die einen ra sierten (Frauen-)Körper favorisieren. Durch dieses Bild werden andere Bilder von
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Frauen vermittelt, die sich selbstbewusst Normen widersetzen und für eine Rück eroberung der Deutungshoheit über den eigenen Körper plädieren. Damit werden gängige Kategorisierungen kritisiert und ein Denken jenseits von bestimmten Zu schreibungen angeregt. Mit Jugendlichen werden auf der Basis dieser Abbildung vorherrschende Bilder von Frauenkörpern diskutiert, auch Kritik an stereotypen Darstellungen von Weiblichkeit in der Werbung wird geäußert. Dadurch werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Jugendliche sich gängige Bilder aneignen können, sie umdeuten und diesen neue Bilder hinzufügen können. Abbildung 5: Zeichnung aus dem Zine Same Heartbeats #4 von Nina Nijsten, Belgien 2010
Quelle: drawingsbynina.wordpress.com, echopublishing.wordpress.com. Abdruck mit Genehmigung
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Die Zeichnung in Abbildung 5 stammt aus der vierten Ausgabe des Zines Same Heartbeats (2010) der belgischen Zine-Macherin Nina Nijsten, die neben Zines vielfältige Projekte im Sinne eines aktivistisch orientierten „DIY Feminism“ (vgl. Chidgey 2009) initiiert hat, wie beispielsweise das transnationale Feminist Pos ter Project (vgl. Website), das Selbstpublikationsprojekt ECHO (vgl. Website), das Zine Fest Gent oder das Riot Grrrl Collectief. Die Abbildung mit dem auf die Straße aufgemalten Aufruf „Reclaim the Streets“ ermuntert dazu, (Stadt-)Raum einzunehmen und für sich zu beanspruchen. Zwei der abgebildeten Personen be setzen die Straße aktiv, indem sie mitten auf dieser sitzen. Damit einher geht ein Aufruf zu einem Do-It-Yourself und zu einem gemeinsamen und aktivistischen Handeln im Sinne des Do-It-Together. Dieses Bild von Nijsten veranschaulicht die Freiheit des Kombinierens unterschiedlicher Ausdrucksmöglichkeiten (der Zeichnung, Sprache, Fotografie, Collage) und öffnet die Frage ,Wem gehört der öffentliche Raum?‘. Es eignet sich besonders dazu, widerständige Handlungs möglichkeiten aufzuzeigen und – auch durch die ,niedrigschwellige‘ Form der Zeichnung und Collage – zu eigener kultureller Produktion anzuregen. Bei den ausgewählten Bildern geht es nicht um eindeutige Antworten, sondern vielmehr um Brüche, um viele verschiedene Fragen und Antworten und damit um eine Vielstimmigkeit für Lern- und Bildprozesse. Deutlich werden die Möglich keiten eines Queerings im Sinne eines Durchbrechens und einer Dekonstruktion bzw. eines Veruneindeutigens von vorherrschenden Konstruktionen, insbesondere von Geschlecht, Sprache, Körper und Zugehörigkeit und damit einhergehenden Zuschreibungen und Stereotypisierungen. Damit verbunden ist ein Nachdenken darüber, welche Macht jene Bilder haben, die im Fernsehen, in Computerspie len, Musikvideos etc. hinsichtlich eines binären Geschlechterregimes reproduziert werden, und welche Bildpolitiken durch das Durchbrechen von klischeehaften Darstellungsweisen und Stereotypen in mediale Stereotypisierungen intervenieren können. Wichtig in der Diskussion der Bildkarten ist ebenfalls, ein Augenmerk darauf zu legen, welche Möglichkeiten des Empowerments und der politischen Aktivierung es geben kann. Somit eröffnet das Arbeiten mit diesen Bildkarten ein gemeinsames spielerisches Dekonstruieren und Durchbrechen von Geschlechter rollen auf der Bild- und Sprachebene und eine Aufforderung zum Handeln im Sinne eines Do-It-Yourself! und eines Do-It-Together!.
A us b lick : Q uee ring im K on text kri ti scher kultu rel ler P ro duk ti on und V er m itt lung Was können die beschriebenen Materialien im Sinne eines Queerings leisten? Eine Qualität der Workshops besteht darin, dass wir einerseits durch die archi varischen Materialien aus queer-feministischen Bewegungen (wie die Zines oder
Kulturvermittlung als kritische Praxis
die Bildkarten) und andererseits durch das Einbringen der eigenen Themen der jugendlichen Teilnehmer_innen schnell in einen machtkritischen Diskurs einstei gen können und so hören, was die Jugendlichen bewegt, interessiert und woran sie Kritik üben. Dadurch eröffnet sich ein Handlungsraum, in den verschiedene Per spektiven und ihre Lebenswirklichkeiten einfließen und in dem wir über gesell schaftliche Machtverhältnisse, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten sprechen können. Dazu gehört auch, sich eine Sprache anzueignen, um Stellung beziehen zu können und eine eigene Position hinsichtlich gesellschaftlicher (Macht-)Ver hältnisse zu formulieren – allesamt Prozesse, die nicht einfach sind. Wichtig ist auch der Aspekt des (Selbst-)Produzierens, den jeder Workshop enthält und der den Teilnehmer_innen großen Spaß macht. Mit den Bildkarten und in den Workshops versuchen wir, die ständigen Aus handlungsprozesse von Geschlecht und ihre Einbettung in sowie Verschränkung mit Macht- und Hierarchieverhältnisse(-n) zu thematisieren und zu dekonstruie ren, um gesellschaftliche Dichotomien zu reflektieren und ein In-Frage-Stellen – ein Veruneindeutigen, ein Queering – von Geschlechternormen anzuregen. So ermöglichen die queer-feministischen Repräsentationen auf den Bildkarten „pro duktive Irritationen“ (Engel 2007: 296 f.) und damit eine Verschiebung dessen, was als ,normal‘ angesehen wird. Wenn wir Bildungsprozesse so gestalten, dass Machtverhältnisse bewusst „ver-lernt“ und die strukturelle Dimension von Aus schlussmechanismen erkannt werden (vgl. Sternfeld 2014: 16–20), dann können offene Räume für alternative Wissensproduktionen, für Empowerment und für Dissens geschaffen werden, die eine Aneignung und dadurch eine Neuinterpreta tion und Transformation von Bedeutungen und Zuschreibungen ermöglichen. Die Erfahrungen aus den Workshops zeigen, dass Jugendliche sich mit den externen Workshopleiter_innen zumeist schnell und unvoreingenommen auf das Material – seien es die Bildkarten oder die Zines – einlassen und eigene Anknüpfungs punkte finden. Wenn manche Bilder und Wörter fremd oder unbekannt erscheinen oder Abwehr bei den Jugendlichen hervorrufen, sprechen wir über die Herkunft und Bedeutung der Begriffe oder Bilder und benennen, was diesen Widerstand auslöst. Da es sich um komplexe und vielschichtige Begrifflichkeiten handelt, ist diese Auseinandersetzung nicht einfach und als Anstoß für einen längerfristigen Prozess der Auseinandersetzung und der Hinterfragung von Machtverhältnissen und Normativitäten zu sehen. Mit den Workshops können wir nur Impulse geben, wünschenswert ist eine kontinuierliche Reflexion im Umfeld und in der Alltags welt der Jugendlichen. Die Weiterentwicklung der Vielfalt der Bildrepräsentationen auf den Bildkar ten (u. a. im Hinblick auf racism, lookism, ableism) steht in direktem Bezug zur Notwendigkeit einer intersektionalen Mehrebenenperspektive in der Jugendarbeit (vgl. Groß 2014). Das erfordert nicht nur die laufende Rückbindung an die Pra xis und die Zusammenarbeit mit Multiplikator_innen, Jugendarbeiter_innen, Leh
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rer_innen und Schüler_innen bzw. Jugendlichen, sondern auch die Kooperation und Kollaboration mit queer-feministischen Kultur- und Medienproduzent_innen, Vermittler_innen und Forscher_innen. Mit der Bildung neuer Allianzen geht auch der Versuch einher, die Institutionen – wie Universität oder Schule – von innen zu verändern und durch kritische Bildungsansätze zu erweitern (vgl. Mörsch 2012a: 69). Teil davon ist, wie Melanie Groß (vgl. 2014: 22 f.) argumentiert, die Refle xion der eigenen Vorurteile und Normativitätsvorstellungen sowie ein Wahrneh men und Ernstnehmen der Ausgrenzungsprozesse der Jugendlichen untereinander, sodass auf Diskriminierungen kritisch und deutlich reagiert wird. Diese vielfälti gen Herausforderungen und die Reflexion der eigenen (universitär verankerten) Rolle und Position an der Schnittstelle zur Schule und Jugend- bzw. Mädchen arbeit sowie der Kunst- und Kulturvermittlung stehen im Zentrum der Weiterent wicklung der Materialien, etwa durch zeitlich länger angelegte Workshops sowie Peer-to-Peer- und Train-the-Trainer-Workshops. In diesem Sinne streben wir ein Making Art, Making Media, Making Change! an.
Kritisches Diversity und Kulturarbeit
Kritisches Diversity und Kulturarbeit: Wenn Aktivismus und Erfahrungswissen in den Mittelpunkt gerückt werden Persson Perry Baumgartinger, Vlatka Frketić
Dieser Text arbeitet ausgewählte Aspekte von Kritischem Diversity1 heraus, die für eine transformatorische Kulturarbeit wichtig sind. Dabei wird ein bisher in an deren Ansätzen des Diversity wenig beachteter Blickwinkel eingenommen: jener des aktivistischen bzw. auf Aktivismus sowie auf Erfahrungswissen2 aufbauen den Standpunkts3. Zentral sind darin vier Prinzipien: Kritik, Langsamkeit, Re spekt und Verantwortung. Dazu kommt ein Fokuswechsel vom Individualismus hin zu Strukturen und Normen sowie ein grundlegendes Verständnis von Diversity als unabgeschlossenem Prozess. Unter Rückbezug auf Theorien der Wiener Kriti schen Diskursanalyse, der Queer und der Trans Studies wird der Ansatz des Kri tischen Diversity vorgestellt. Weiters werden Strategien von aktivistischer anti rassistischer, migrantischer, queerer und trans Kulturproduktion aufgenommen, wie in Kooperationen in künstlerisch-forscherischen Kontexten mit ungleichen 1 Während in diesem Beitrag ,Diversity‘ als allgemeiner Oberbegriff für alle bestehenden Diversity-Ansätze verwendet wird und der Ausdruck ,kritisches Diversity‘ verschie dene Ansätze innerhalb von Diversity meint, die einen kritisch(-er-)en Ansatz verfol gen, bezieht sich der Begriff ,Kritisches Diversity‘ auf einen spezifischen Ansatz des Wiener Vereins ][diskursiv, der Ausgangspunkt dieses Textes ist. Er speist sich vor al lem aus Erfahrungswissen und basiert auf aktivistischen Wissensständen und Praktiken. 2 Unter Erfahrungswissen wird mit Comunidad de Productores en Artes (COMPA) eine „alltägliche (empirische) Erfahrung […] die zum Konzept – einer gewissen Sys tematisierung – führt[e]“ (COMPA 2019: 54) verstanden. Sie vergleichen ihre Her angehensweise mit jener der Grounded Theory, in der eine Theorie in empirischer Beobachtung entsteht: „Aus dieser Perspektive kann man die Prinzipien der Methodo logie von COMPA als eine in der Erfahrung gegründeten Methodologie bezeichnen.“ (Ebd.) 3 Mit dem Begriff ,Standpunkt‘ beziehen wir uns auf Donna Haraway (1995), die damit nicht eine bestimmte Theorie oder Identität meint, sondern eine Verortung in einer Welt, die von Macht, Privilegierung und Unterdrückung gekennzeichnet ist (vgl. auch Baum gartinger 2017).
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Machtverhältnissen umgegangen werden kann. Abschließend geht der Beitrag der Frage nach, inwiefern eine (kritische) Zusammenführung von Diversity und Kul turarbeit sinnvoll sein kann.
D i v er sit y – V on ei ner P ro fito ri en tie rung hin zu ge sell schaft li che m W an del Diversity bzw. Diversität sind viel verwendete Begriffe, die als Konzepte jedoch häufig inhaltsleer sind – sie bedeuten vor allem Papierarbeit (vgl. Ahmed 2011; 2012), werden zur Image-Steigerung in Organisationen verwendet (vgl. Schöne feld 2017) und bergen die Gefahr der Entpolitisierung und Beliebigkeit antidis kriminatorischer Ansätze (vgl. Eggers 2011). Als Konzept ist ,Diversity‘ kurz ge sagt ein Instrument der Profit- wie Nonprofit-Sektoren, wobei es allgemein darum geht, dass sich die real existierende, gesellschaftliche Vielfalt auch in ökonomi schen, staatlichen sowie zivilgesellschaftlichen Einrichtungen abbildet. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich verschiedene Diversity-Ansätze herausgebildet, wie etwa Diversity Management, Managing Diversity sowie kriti sche und Social-Justice-Ansätze (vgl. u. a. Schönefeld 2017; Abdul-Hussain/Baig 2009; Adams/Bell 2016; Adams et al. 2018; Engel 2013). Die Umsetzungsziele von Diversity reichen damit von Profitmaximierung über Imagepflege bis hin zu einer gesellschaftlichen Umverteilung und Gleichstellung, die eine ökonomische bzw. gesellschaftliche Transformation zu einer sozial gerecht(er)en Wirtschaft und Gesellschaft erfordern. Diversity findet sowohl in der Organisationsentwick lung wie auch im Rahmen der Erwachsenenbildung (z. B. in Form von Trainings) Anwendung, die kritischeren Ansätze können etwa zur Reflexion, zur Analyse, zur Intervention und schlussendlich zur Transformation eigener Ausschluss mechanismen genutzt werden (vgl. u. v. a. Castro Varela/Dhawan 2011; Bargehr 2009; Pauser 2009; Malhotra 2011). Die verschiedenen Diversity-Ansätze zeigen Überschneidungen und Wider sprüche: bei Diversity Management und Managing Diversity etwa geht es vor allem um Profitmaximierung, also darum, mehr Konsument_innen4 für das eigene Unternehmen zu gewinnen, indem ,Minderheiten‘ in der Werbung repräsentiert 4 Wir nutzen in diesem Buch prinzipiell den sogenannten ,Gap‘, um mehr als die zwei Ge schlechter Mann oder Frau sichtbar zu machen und der real existierenden Geschlechter vielfalt einen eigenen Platz – symbolisiert durch den Unterstrich – zu geben (zur Stra tegie des Unterstrichs vgl. s_he 2003). In diesem Beitrag verwenden wir zusätzlich den sogenannten ,Stern‘ (Baumgartinger 2008). Wenn uns bekannt ist, dass Personen eindeutig eine bestimmte (grammatische) Geschlechtermarkierung nutzen, dann wird dieser verwendet. (Vgl. für einen Überblick zu alternativen Geschlechtermarkierungen im Deutschen u. a. Baumgartinger 2008 sowie AG Feministisch Sprachhandeln 2015).
Kritisches Diversity und Kulturarbeit
oder als Mitarbeiter_innen sichtbar werden. Die kritischen und politischen Di versity-Ansätze dagegen sehen sich als antidiskriminatorisch, bei ihnen steht ge sellschaftlicher Wandel hin zu sozialer Gerechtigkeit im Mittelpunkt (vgl. u. a. Adams/Bell 2016; Adams et al. 2018; Weinbach 2006; Eggers 2011; Rosenstreich 2011; Castro Varela/Dhawan 2011). Diversity-Ansätze beziehen sich u. a. auf ge setzliche Regelungen wie etwa das Gleichbehandlungsgesetz, das über die Eu ropäische Union (EU) auch in Österreich implementiert wurde (s. Website der Gleichbehandlungsanwaltschaft). Maureen Maisha Eggers (2011) sieht in Diversity-Ansätzen die Gefahr der Entpolitisierung der Antidiskriminierungspolitik, insbesondere bei Diversitykon zepten mit einer stark individualisierten Konzeption. Auch Robin Diangelo warnt vor einer Individualisierung im Kontext von Diskriminierung: „Individualism claims that there are no intrinsic barriers to individual success and that failure is not a consequence of social structures but comes from individual character. Accor ding to the ideology of individualism, race is irrelevant.“ (Diangelo 2018: 10) Diversity würde man damit „als eine Politik des ,Sich-Gut-Fühlens‘ beschreiben, die es Menschen erlaubt, sich zu entspannen und sich weniger bedroht zu fühlen, so als ob wir es schon ,gelöst hätten‘ und es nichts mehr zu tun gäbe“ (Ahmed 2011: 134). Weiters weist Eggers auf die Gefahr der Beliebigkeit hin und meint damit eine undifferenzierte Aneinanderreihung von Diskriminierungsfeldern wie etwa Rassismus, Klassismus, Sexismus, Homophobie etc.: „Wenn über alle Formen von Diskriminierung gleichzeitig gesprochen wird, kann es schnell passieren, dass sich alle Sprechenden als Diskriminierte positionieren und eigene Dominanzposi tionen mit Blick auf andere Strukturkategorien verleugnen.“ (Eggers 2011: 259 f.) So kann der Zugang ,Wir müssen immer alle und alles mitdenken‘ einzelne kon krete Diskriminierungen verschleiern und unbesprechbar machen. Um sich von jenen Diversity-Ansätzen zu distanzieren, die auf Profitmaximie rung fokussieren bzw. als reine Imagepflege nach außen hin verwendet werden, aber keine Transformation zur Folge haben, sind nach und nach diskriminierungs kritische(re) Diversity-Ansätze entstanden (vgl. u. a. Eggers 2011; Rosenstreich 2011; Engel 2013; Castro Varela/Dhawan 2011; Adams/Bell 2016) sowie Diver sity-Modelle, für den Kunst- und Kulturbereich etwa das Modell Diversity Bal loons (Bründl et al. 2018). Ziel der kritischen Diversity-Ansätze ist es, über die kapitalistische Logik hinaus einen diskriminierungskritischen Standpunkt einzu nehmen. Das bedeutet zum Beispiel, dass sich die gesellschaftliche Vielfalt auf der Personalebene wiederfindet, indem etwa von strukturellen Diskriminierungen betroffene Personen bevorzugt eingestellt werden.
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K ri ti sches D i v er sit y Der vorliegende Text geht vom Kritischen Diversity des Vereins ][diskursiv5 aus. Grundlegend für diesen Diversity-Ansatz ist die Bezugnahme auf eine gesell schaftliche Wirklichkeit, in der nicht allen Menschen die gleichen Möglichkeiten und die gleichberechtigte Partizipation an gesellschaftlichen, d. h. sozialen, mate riellen, politischen und kulturellen Ressourcen zukommen. Im Laufe der Jahrhun derte haben sich Gesellschaftssysteme verfestigt, die auf Ausbeutung, Ausschluss und Ungleichheiten aufbauen: auf Kolonialismus, Rassismus, Klassismus, Natio nalstaatlichkeit, Gesundheitsnormen, Zweigeschlechternormen etc. Neben gesell schaftlichen Institutionen wie etwa Kirche und Universitäten sind auch Kunstund Kultureinrichtungen Teil dieser gesellschaftlichen Ungleichheitsstrukturen und reproduzieren sie. In diesen Strukturen sind Lebensrealitäten verortet und haben je nach Position mehr oder weniger Möglichkeiten, sich zu verwirklichen bzw. sind von gesellschaftlicher und daher auch kultureller Teilhabe ein- oder aus geschlossen. Das Kritische Diversity baut auf theoretischer, pädagogisch-didaktischer, ak tivistischer und praktischer Auseinandersetzung mit Diversity, Antidiskriminie rung, Rassismuskritik, TransInterQueer und Sprache bzw. Kommunikation auf (vgl. u. a. Website des Vereins ][diskursiv). Dieser Diversity-Ansatz verbindet die Praxis in der Erwachsenenbildung, die Arbeit für NGOs und Universitäten sowie aktivistische Hintergründe mit theoretischen und empirischen Forschungs erkenntnissen der Sprachwissenschaft, der Trans, Queer und Postcolonial Studies sowie der Kritischen Migrationsforschung. Kritisches Diversity bedeutet eine differenzierte und intersektionale Herangehensweise, welche die unterschiedli chen Diskriminierungsmechanismen nicht nur als einzelne Phänomene getrennt voneinander behandelt, sondern sie vielmehr als ein wirkmächtiges System in einander verschränkter Mechanismen versteht. Der Ankerpunkt ist eine kritische Haltung, wobei Sprache und sprachliches Handeln sowie Diskriminierung im Mittelpunkt stehen. Diversity ist in diesem Verständnis ein Prozess, eine stän dige Weiterentwicklung und Veränderung, kein statisches Produkt, keine ober flächliche Imagepflege, sondern eine intensive Auseinandersetzung mit gesell schaftlichen Strukturen. Es bedeutet, Minderheiten und ihre Forderungen in den 5
Der Verein ][diskursiv – Verein zur Verqueerung gesellschaftlicher Zusammenhänge hat in Wien seine Basis. Hauptbereiche sind TransInterQueer, Antirassismus, Queer Migration und die jeweiligen möglichen Verbindungen, wobei die Verbindung von Sprache, Macht und Diskurs wichtige Eckpfeiler darstellen (vgl. Website). Der Verein forscht, publiziert und bietet Trainings und Workshops an, die wiederum ein wichtiger Bestandteil der (Weiter-)Entwicklung seiner Arbeit darstellen. Der Ansatz des Kriti schen Diversity wird von Vlatka Frketić, inzwischen gemeinsam mit Persson Perry Baumgartinger, entwickelt (vgl. u. a. Frketić 2014; Verein ][diskursiv 2014).
Kritisches Diversity und Kulturarbeit
Mittelpunkt zu rücken, (aktivistisches) Erfahrungswissen ernst zu nehmen und dabei Machtpositionen und herrschende Privilegien ins Zentrum der Analysen der Prozesse und Inhalte in Kultureinrichtungen zu stellen (vgl. Bargehr 2009). Ziel sind Teilnahme und Teilhabemöglichkeiten für alle, die in dem Moment Teil der Gesellschaft sind. Grundlegend für das Kritische Diversity sind
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die vier Prinzipien Langsamkeit, Kritik, Respekt und Verantwortung, diverse Diskriminierungsfelder (etwa Antisemitismus, Transfeindlichkeit, Ho mophobie, Ableismus u. v. m.), normative Strukturen (z. B. Heteronormativität; Kolonialismus sowie Natio nalsozialismus und ihre Nachwirkungen bis heute) und deren Dimensionen (sprachliche, diskursive, historische, emotionale, in tersektionale) (vgl. Abb. 1) Abbildung 1: Mehrebenenmodell des Kritischen Diversity (Verein ][diskursiv)
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Quelle: Eigene Darstellung
Wenn Diskriminierung als systematische Unterdrückung und Ausdruck einer ge sellschaftlichen Ungleichheitsstruktur verstanden wird, genügt die individuelle Ebene nicht für eine Analyse der Ein und Ausschlussmechanismen. Neben der
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individuellen Ebene beschäftigt sich das Kritische Diversity daher in Anlehnung an Norman Fairclough auch mit der sozialen Ebene sowie der institutionellen (vgl. Frketić 2014: 31 ff.). Ähnlich spricht der Social-Justice-Diversity-Ansatz von der individuellen, institutionellen und sozialen/kulturellen Ebene, die sie wiederum zusammengefasst als Struktur sozialer Ungleichheit verstehen (Adams/Zúniga 2016: 97 ff.; vgl. auch Hardiman/Jackson 2007: 39 ff.).
D ie vier P rin zi pien K ri tik , L ang sa m keit , R e spekt und V er ant w or tung Ausgangspunkt des Kritischen Diversity ist der Kritikbegriff der Wiener Kriti schen Diskursanalyse. Denn wenn Kulturarbeit zu einem gesellschaftlichen Wan del beitragen soll, so ist eine kritische Haltung, die alles durchzieht, grundlegend: Handlungen, Herangehensweisen, Gedanken, aber auch die sozialen Gefüge, in denen mensch sich ver_ortet oder ver_ortet wird, sowie die Institutionen, in denen Ein- und Ausschlüsse wirksam sind. Für Kultureinrichtungen betrifft das die Ebe nen des Publikums, des Programms, des Personals sowie des Zugangs6. In einem Interview konkretisiert Ruth Wodak, eine der BegründerInnen der Wiener Kriti schen Diskursanalyse, Kritik folgendermaßen: „,Critical‘ means not taking things for granted, opening up complexity, challenging reduc tionism, dogmatism and dichotomies, being self-reflective in my research, and through these processes, making opaque structures of power relations and ideologies manifest. ,Critical‘, thus, does not imply the common sense meaning of ,being negative‘ – rather ,skeptical‘. Pro posing alternatives is also part of being ,critical‘.“ (Wodak in Kendall 2007: Absatz 17; vgl. auch Reisigl/Wodak 2001)
Diese Haltung tatsächlich umzusetzen bedeutet, dass im Kulturbetrieb etablierte Personen ihre Privilegien und Positionen sowie die Struktur, die ihre Privilegie rung ermöglicht, radikal hinterfragen. Denn eine kritische Haltung setzt voraus, den Fokus auf den sozialen und politischen Status von diskriminierten Menschen zu verschieben sowie auf die Strukturen, die auf Ausschlüssen aufbauen, und sie fragt, in welchen institutionalisierten Formaten sich diese widerspiegeln. Durch den expliziten Einbezug von Alternativvorschlägen ins Konzept der Kritik geht diese Haltung über eine ,theoretische‘ Reflexion hinaus und bindet eine praktische Umsetzung der Erkenntnisse aus dem Reflexionsprozess ein. Dieser Aspekt ist be
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Aikins/Gyamerah erweitern die drei klassischen Säulen Programm, Publikum und Per sonal mit der vierten Säule „Zugang“ (2016: 14), um etwa im Bereich Förderung die strukturellen Zugangsbarrieren explizit zu machen (vgl. ebd.: 20).
Kritisches Diversity und Kulturarbeit
sonders wichtig: Für eine Transformation genügt die alleinige (Selbst-)Reflexion nicht, denn ohne Umsetzung findet kein Wandel statt. Das Prinzip der Langsamkeit steht für Entschleunigung in einer schnelllebigen, kapitalistisch-neoliberalen Zeit. Langsamkeit meint jedoch kein (strategisches) Verschleppen von Inhalten. Dieses Prinzip eröffnet vielmehr einen zeitlichen Mo dus, um die Umwelt differenzierter wahrnehmen zu können, um Neues zu erken nen und Altes neu zu denken.7 Respekt und Verantwortung sind zwei weitere Prinzipien des Kritischen Diversity. Damit ist eine Haltung gemeint, durch die die eigene Person und die Umgebung über die eigenen Interessen hinaus mit Respekt behandelt werden und die Bereitschaft besteht, die Verantwortung für die eigenen Handlungen sowie deren Effekte und Konsequenzen (selber) zu tragen. Diese vier Prinzipien können wichtige Denk- und Handlungsräume eröffnen, die auch zu Transformationen in Kultureinrichtungen beitragen können, etwa dann, wenn sie in Organisationsentwicklungsprozessen berücksichtigt werden.
F o kus ver än dern : hin zu struk tu rel ler D is kri m i nie rung und ge sell schaft li chen N or m en Will sich Kulturarbeit kritisch gegenüber diskriminierenden Strukturen verhalten, so ist es notwendig, den Fokus auf die Rahmenbedingungen zu legen, die soziale Ungleichheit ermöglichen – also gesellschaftliche Normen und Werte, Diskrimi nierungsstrukturen etc. zu reflektieren. Um diesen Fokuswechsel zu verdeutli chen, greifen wir auf ein Beispiel von Judith Butler, ein* Sprachphilosophin* und Queer-Theoretikerin* aus den USA, zurück (vgl. Abb. 2): Butler erzählt darin die Geschichte einer Person, die von Gleichaltrigen getö tet wird, weil sie*er sich auf eine Art und Weise bewegt, die nicht der heteronor mativen Ordnung entspricht. Diese Geschichte und vor allem die Rückschlüsse von Butler verdeutlichen sehr gut, wie ein Fokuswechsel zu verstehen ist: Sie 7
Zu Zeit, Langsamkeit und Entschleunigung gibt es noch wenig Auseinandersetzung sowohl im Bereich der (universitären) Bildung wie auch der Kulturarbeit. Wir arbei ten das Prinzip seit einigen Jahren nach und nach in unsere Diversity-Trainings wie auch Workshops und in die Hochschullehre ein, vertiefen unsere Beschäftigung da mit und erweitern unser Erfahrungswissen, das wiederum in die nächsten Trainings, Workshops und Lehrveranstaltungen sowie langsam in auf Erfahrungswissen basierte Theoretisierungen einfließt. Insbesondere beschäftigen sich kritische, aktivistische For schungsrichtungen wie Postcolonial, Queer und Trans Studies mit dem Thema. Bisher zeigt unsere theoretische sowie praktische Auseinandersetzung, und auch das Feedback der Trainings-/Workshop-/Lehrveranstaltungsteilnehmenden, dass Zeit ein machtvol les, disziplinierendes, koloniales, westlich-bürgerliches, heteronormatives Konstrukt ist (vgl. Wiemann 2011; Garde 2018).
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weist in dem Interview weder der getöteten Person noch den Täter_innen eine Identität oder eine Gruppenzugehörigkeit zu. Sie fragt vielmehr nach einer alltäg lichen Handlung: der Art zu gehen. Und sie fragt weiter nach dem Warum: Warum wird jemensch aufgrund der Art zu gehen getötet? Weiters fragt sie vor allem nach der dahinterliegenden Norm: Was macht den Gang so schlimm für die anderen Personen, dass sie das Gefühl haben, diese Person töten zu müssen? Abbildung 2: Ausschnitt aus arte-Dokumentation über Judith Butler, 2006 There´s a story that came out around 8 years ago of a young man who lived in Maine and he walked down the street of his small town where he had lived his entire life. And he walks with what we call a “swish,” his hips move back and forth, in a “feminine” way. And as he grew older – 14, 15, 16 – that swish, that walk, became more pronounced, and it was more dramatically feminine, and he started to be harassed by the boys in the town and soon two or three boys stopped his walk. And they fought with him and they ended up throwing him over a bridge and they killed him. So then we have to ask: why would someone be killed for the way they walk? Why would that walk be so upsetting to those other boys that they would feel that they must negate this person? They must expunge the trace of this person. They must stop that walk no matter what. They must eradicate the possibility of that person ever walking again. It seems to me that we´re talking about an extremely deep panic or fear, an anxiety that pertains to gender norms, and if someone says “you must comply with the norm of masculinity, otherwise you will die,” or “I kill you now, because you do not comply,” then we have to start to question what the relation is between complying with gender and coercion. (Judith Butler in arte-Doku, 2006)
Quelle: Eigene Darstellung
Damit verschiebt Butler den Fokus weg von (von außen getätigten) Identitätszu schreibungen einzelner Personen hin zu gesellschaftlichen Normen und Werten (Heteronormativität …), also weg von der individuellen Ebene hin zur sozialen Ebene. Butler geht damit auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen ein, die eine solche Tat überhaupt erst denkbar und möglich machen. Wenn sich die Kulturarbeit tatsächlich ändern will in Richtung Öffnung, Anti diskriminierung und kulturelle Teil- bzw. Ganzhabe8, dann ist ein solcher Fokus wechsel notwendig: darauf, welche gesellschaftlichen Werte und Normen in einer Kunst- und Kultureinrichtung auf wen wie mit welchen Konsequenzen wirken. Dann ist v. a. eine Analyse notwendig, die nicht nur die ,Anderen‘/die Diskrimi nierten in den Fokus nimmt, sondern jene Strukturen in Frage stellt, die einen systematischen Ausschluss möglich machen. Weiters ist es wichtig, ernsthaft zu reflektieren, wer von den Diskriminierungen und dem systematischen Ausschluss profitiert – sowohl auf der individuellen, der sozialen wie auch der institutionel len Ebene. Dies kann etwa geschehen, wenn „die weiße Mehrheitsgesellschaft an 8 Der Begriff Ganzhabe ist dem Slogan „Ganzhabe statt Teilhabe“ der „Behindert und verrückt feiern Pride Parade“ in Berlin 2017 entliehen (vgl. Website und FacebookAuftritt Behindert und verrückt feiern Pride Parade).
Kritisches Diversity und Kulturarbeit
die Peripherie [gerückt] und eine queer_feministische und dekoloniale Perspek tive [zentriert]“ (Aigner/Kuming 2018: 9) wird, wie es Tanja Araujo und Marissa Lobo vom Linzer Verein maiz9 betonen. Oder anders ausgedrückt: „maiz ist nicht hergekommen, um über die Migrant_innen zu reden – maiz ist hergekommen, um über euch zu reden!“ (Araujo/Lobo 2018: 36), wie der Titel einer ihrer Vorträge lautet. Aus einer solchen Analyse heraus können Alternativen mit Transformationspo tenzial herausgearbeitet und im Sinne einer Organisationsentwicklung Schritt für Schritt umgesetzt werden. Denn die Diskriminierungsstrukturen und gesellschaft lichen Normen sind – wie weiter oben bereits skizziert – das Passepartout, das Ein zelpersonen diskriminierende Handlungen ermöglicht, erleichtert oder erschwert.
D i v er sit y als T rans – ing
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P ro zess :
Eine andere Art und Weise der Fokusverschiebung ist es, Diversity als stän digen, unabgeschlossenen Prozess zu verstehen und nicht davon auszugehen, Diversity sei nach einer bestimmten Zeit ,erledigt‘, weil beispielsweise ein* Diversitybeauftragt* bestimmt wurde. Diversity ist vielmehr als ein Prozess zu verstehen, der kein Ende nimmt, sondern ständig stattfindet. So wie es keine Sprache vor dem Sprechen oder Gebärden gibt, gibt es kein Diversity vor dem Tun. Um dieses Grundverständnis klarzumachen, greift das Kritische Diversity auf die Trans Studies zurück: In den Trans Studies wird die Dichotomie, es gäbe etwas Fixes und alles andere wäre etwas Überschreitendes, kritisiert. Im Fokus liegen dabei das Infragestellen und Auflösen der gesellschaftlich konstru ierten Unterscheidung von „fixity“ und „crossers“ (Stryker/Currah/Moore 2008; vgl. Baumgartinger 2017). Es geht darum, gerade keine (neue) Kategorie oder Gruppe von Menschen, Dingen oder Phänomenen festzuschreiben, die zum Be sipiel als ,trans‘ und damit als Überschreiter_innen („crossers“) etwas Fixem („fixity“) gegenübergestellt und durch Grenzziehungen positioniert werden. Viel mehr ist ein neuer Standpunkt einzunehmen. Susan Stryker, Paisley Currah und Lisa Jean Moore (2008) schlagen vor, diesen Prozess transing oder auf Deutsch Vertransen zu nennen, ähnlich zum Begriff des Verqueerens in den Queer Stu dies (vgl. Baumgartinger 2017). Die Autor_innen versinnbildlichen dies mit dem Bindestrich: Trans–. Es geht also darum, mit den Trans Studies die Vorstellung 9 maiz ist ein autonomes Zentrum von und für Migrantinnen in Linz mit dem Ziel, „Inte ressen von Migrantinnen zu fördern und Forderungen nach außen zu tragen“ (Website: o. S.). Die Tätigkeiten von maiz umfassen Beratung, Bildung, Forschung sowie Kunstund Kulturarbeit (vgl. Website).
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davon zu verlieren, dass es etwas Fixes gäbe demgegenüber dann alles andere als ,Überschreitendes‘ erschiene. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Sprache, Gesellschaftsstrukturen, (Kultur-)Politik, Kunst- und Kulturbereich etwas sich ständig Veränderndes, Fluides sind. Das ist insofern für den vorliegenden Beitrag interessant, als sowohl bei kri tischen Diversity-Ansätzen als auch bei kritischer Kulturarbeit gesellschaftlicher Wandel und Transformation eine wichtige Rolle spielen. Denn als Ziel kritischer Diversity-Ansätze wird immer wieder gesellschaftlicher Wandel hin zu einer so zial gerechteren Gesellschaft formuliert, insbesondere im Social-Justice-Ansatz, einem politischen Diversity-Ansatz, der Theorien und Praktiken des Social Jus tice10 in den Mittelpunkt rückt (vgl. Adams/Bell 2016; Adams et al. 2018) und sich als politisches Projekt versteht (vgl. Weinbach 2006). Auch in der kritischen Kulturarbeit spielen gesellschaftlicher Wandel und Transformation hin zu offene ren Kunst- und Kulturszenen sowie prinzipiell zu einer sozial gerechteren Gesell schaft eine wichtige Rolle (vgl. u. a. Mörsch 2009; Terkessidis 2008; Baumgar tinger/Moser 2018). Denn wenn es das Fixe und das Überschreitende nicht gibt, sind auch (gesellschaftliche und Diversity-)Transformationen unabgeschlossene Prozesse. Für den Bereich der Kulturarbeit bedeutet das konkret: sich selbst als Kulturarbeiter_in, das Programm, das erreichte Publikum, die Personalaufteilung und deren Status und Bezahlung sowie den Zugang zu den Veranstaltungen immer wieder zu hinterfragen, immer wieder eine neue Perspektive einzunehmen.
K ultur ar b eit
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Der 2012 amtierende Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten der Berliner Staatskanzlei, André Schmitz, stellte die Frage, warum so wenige Menschen mit Migrationserfahrung hoch subventionierte Museen, Theater und Opern besuchen. „Die Antwort ist einfach: Diese Menschen werden erst dann auch in diese Häuser strömen, wenn dort in irgendeiner Weise ihre Geschichten, Erfahrungen und Erlebnisse bearbeitet werden. Wenn sie sich selbst auf den Bühnen der Stadt als handelnde Figuren wiederfinden und nicht als Fremde oder Exoten, Karikaturen oder Stereotypen, an denen die ,echten‘ deutschen (Helden-)Figuren sich abarbeiten. Oder wenn sie ihre Migrationsgeschichte als selbstverständlichen Teil deutscher Geschichte in deutschen Museen entdecken.“ (Schmitz 2012: o. S.)
10 Der englische Begriff ,Social Justice‘ ist nicht direkt zu übertragen in den deutschen Begriff ,soziale Gerechtigkeit‘, da Ersterer mehrfache Bedeutung trägt: ,social‘ steht sowohl für gesellschaftlich wie auch für sozial und ,justice‘ steht sowohl für Recht wie für Gerechtigkeit (vgl. Weinbach 2006: 38 ff.), weshalb in diesem Beitrag der englische Begriff verwendet wird.
Kritisches Diversity und Kulturarbeit
Die Übersetzung auf österreichische Verhältnisse liegt auf der Hand. Als ,Frem de‘, ,Exoten‘, ,Karikaturen‘ oder Stereotypen bzw. als Ignorierte finden sich neben Menschen mit Migrationserfahrung auch als behindert bezeichnete Menschen, trans Personen bzw. allgemein Menschen, deren Körper nicht der Norm entspre chen, im allgemeinen Kunstbetrieb so gut wie nirgendwo positiv, selbstbestimmt und mitbestimmend wieder. Beim Kritischen Diversity geht es daher um weit mehr als um Repräsentationen von gesellschaftlich systematisch Diskriminierten. Es geht um Prozesse der Einverleibung von antidiskriminatorischem Wissen in künstlerische und vermittlerische Kollaborationen, wie beispielsweise die Aus stellung Versuchsanordnung widerspenstigen Handelns. Kollektive Formen des Austauschs über emanzipatorische Strategien und solidarische Verbindungen in der Galerie der IG Bildende Kunst in Wien 2017 zeigt.11 Im Sinne des Artikels 2 „Von kultureller Vielfalt zu kulturellem Pluralismus“ der Allgemeinen Erklärung zu kultureller Vielfalt der UNESCO (2001) geht es um eine Politik der „Einbeziehung und Mitwirkung aller Bürger“. Nur so könnten der soziale Zusammenhalt, die Vitalität der Zivilgesellschaft und der Frieden gesi chert werden. „Ein so definierter kultureller Pluralismus ist die politische Antwort auf die Realität kultureller Vielfalt“ (ebd.). Dies ist ein wichtiger Ansatz, denn „[e]in breites Verständnis der Förderung von Vielfalt zielt auf die umfassende Inklusion von Menschen ab, die aufgrund unterschiedlicher Ausschlüsse nicht zur Mehrheitsgesellschaft gezählt werden und/oder nicht an öffentlich geförderter Kultur teilhaben. Dazu gehören bspw. Menschen mit Rassismuserfahrung, mit Behinderung, mit nicht heteronormativer se xueller Orientierung und/oder Geschlechteridentität sowie Menschen aus beim Bildungszu gang und/oder ökonomisch benachteiligten Familien.“ (Aikins/Gyamerah 2016: 5)
Selbst wenn Institutionen wie Museen, aber auch (öffentlich finanzierte) Projekte freier Kulturszenen sich real existierender gesellschaftlicher Vielfalt und Kom plexität zu öffnen versuchen, führt das oftmals zu einer Verfestigung der Mehr heits- und Ungleichheitsstrukturen. Dies liegt u. a. daran, dass von ,den Neuen‘ erwartet wird, sich den bestehenden Strukturen und Regeln unterzuordnen, anstatt die Regeln und Strukturen der Institution zu ändern, die die Ein- und Ausschlüsse erst produzieren und Zugänge erschweren. Diversity wie Kulturarbeit sind keine ,Allheilmittel‘, die eine Gesellschaft sozial gerechter machen. Aber sie bieten Möglichkeiten, kulturelle Teilhabe im Sinne einer gesellschaftlichen Ganzhabe zu denken und in kleinen Schritten Veränderungen herbeizuführen. Gesellschaft licher Wandel ist – wie Diversity und kulturelle Teilhabe – ein ständiger Prozess, der nie aufhört und immer wieder justiert werden muss. 11 Die Ausstellung fand von 24. März bis 12. Mai 2017 in der Galerie der IG Bildende Kunst in Wien statt. Sie wurde von Elke Smodics konzeptualisiert und unter Mitar beit von Carla Bobadilla, Vlatka Frketić und Belinda Kazeem-Kamiński realisiert (vgl. Website der Ausstellung).
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Viele Kunst- und Kulturprojekte entstehen aus der Initiative von Einzelnen oder Gruppen heraus, die nicht Teil des etablierten Kulturbetriebs waren oder sind. Dazu gehört die mittlerweile 15 Jahre zurückliegende Ausstellung Gastarbajteri 40 Jahre Arbeitsmigration im Wien Museum 2004, bei der das Vermittlungspro gramm die Ausstellung als Gegenerzählung zu den vorherrschenden öffentlichen Darstellungsformen und Geschichtsbildern thematisierte (vgl. Website) sowie das Ausstellungsprojekt Verborgene Geschichte/n – remapping Mozart das im Wie ner Mozartjahr 2006 „vier Konfigurationen“ (Ausstellungen) realisierte, die einem (Kunst-)Geschichtskanon über Mozart und seine Zeit verschiedene diskriminie rungskritische Geschichten entgegensetzten, die üblicherweise – insbesondere in Jubliäen – verborgen bleiben (vgl. Bratić et al. 2006). Zu nennen sind hier weiters die Ausstellung 1-0-1 [one ‘o one] intersex, die 2005 in der neuen Gesellschaft für bildende Kunst NGBK in Berlin erstmals „[D]as Zwei-Geschlechter-System als Menschenrechtsverletzung“ thematisierte (vgl. Website; NGBK 2005) sowie die in Wien realisierte Ausstellung geheimsache:leben, die sich mit Schwulen und Lesben – sowie vereinzelt trans Personen – in Wien im 20. Jahrhundert be schäftigte, ohne die Verfolgung von Homosexuellen in der NS-Zeit auszublenden (vgl. Brunner et al. 2005). Aktuelle Projekte sind die queere Kunstvermittlung der Drag Figur Tiefe Kümmernis im Kunsthistorischen Museum Wien, durch die der vorherrschende heteronormative Blick in der Kunstgeschichte kritisch betrachtet wird (vgl. Website Die Tiefe Kümmernis), sowie die Ausstellung Ob_Scenery der Künstlerin Ashley Hans Scheirl im Salzburger Kunstverein, die Geschlechterbina ritäten, ökonomische Verhältnisse und den Kunstbetrieb in Frage stellt (vgl. Web site des Salzburger Kunstvereins). Diese Ausstellungsprojekte bzw. Vermittlungsformate sind noch immer eine Ausnahme. Im Folgenden werden – anhand konkreter Beispiele der aktivistischen Kunst- und Kulturproduktion – drei zentrale Aspekte dargestellt, die in der eta blierten Kulturarbeit bisher wenig bis keine Umsetzung gefunden haben, aber wichtig für eine Transformation des Kulturbetriebes sind. Im Vordergrund steht dabei die Position, aus der aktivistischen bzw. auf Aktivismus basierenden Kultur arbeit sowie aus dem Erfahrungswissen heraus zu denken und zu handeln.
A k ti v is ti sche K ri tik
am
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Aus der (institutionalisierten) Kulturarbeit teilweise oder vollständig ausgeschlos sene Kulturarbeiter_innen reagieren auf strukturelle Diskriminierungen und Aus schlussmechanismen seit vielen Jahren mit Forderungen und Hinweisen, werden aber selten gehört. Vor kurzem veröffentlichten migrantische, Schwarze, indigene, lesbische, queere, trans Künstler*innen of Color auf dem Blog We-are-sick-of-it ihr Statement „Es kotzt uns an!“ und beziehen sich direkt auf Kulturinstitutionen (s. Abb. 3; vgl. Website):
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Abbildung 3: Statement „Es kotzt uns an!“, 2018 Institutionen eignen sich „kritisches” Wissen an, ohne Verantwortung zu übernehmen und reproduzieren somit Formen von Diskriminierungen! ES KOTZT UNS AN, DASS √ ein Kunstkontext, der sich auf der einen Seite „kritisch“ mit Migration, Rassismus, Klassismus und Kolonialismus auseinandersetzt, gleichzeitig Diskriminierungen reproduziert. √ mit uns gesprochen wird, aber unsere Perspektiven und Stimmen unsichtbar gemacht werden. Dass wir eingeladen werden, aber nur interessant sind, solange unsere Kritik nicht die alltägliche Praxis der Institution/Person kritisiert, sondern ihr bei einer Imageverbesserung hilft. √ sich Institutionen kritische künstlerisch-politische Positionen nur temporär von außen holen und uns Streitlust oder mangelnde Kooperation vorwerfen, sobald wir uns kritisch gegenüber Rassismus äußern. √ sich die großen Kunst- und Kulturinstitutionen kritisch mit Rassismus, Migration, Kolonialismus auseinander setzen wollen, dann aber nur weiße Personen die gut bezahlten und nicht prekären Jobs bekommen. √ dieselben Personen und Institutionen allzu oft zu Diskriminierung(en) schweigen und immer noch auf diese hingewiesen werden müssen. √ sich Personen und Institutionen zwar mit „Offenheit”, kritischem Bewusstsein und Diskursen schmücken, sich gleichzeitig jedoch Entscheidungen und Handlungen nicht verändern. (Vgl. Website „We are sick of it“)
Quelle: Eigene Darstellung
Es geht also nicht darum, einzelne Künstler_innen nur einzuladen und zu glau ben, damit wären Teilhabeforderungen erfüllt. Es geht vielmehr darum, Diskrimi nierungsstrukturen aufzudecken, Ressourcen umzuverteilen und vieles mehr, wie etwa Vlatka Frketić bereits 2006 formuliert: „Eine der möglichen Aufgaben im (migrantisch-)antirassistischen Zugang zu bereits be stehenden Kulturarbeiten ist es, nicht offensichtliche, visuelle und für Rassismen konstitu tive Beziehungen aufzuzeigen und ihnen im Sinne einer Selbstermächtigung entgegenzu wirken.“ (Frketić 2006: o. S.)
Zwei Jahre davor beschreibt Rubia Salgado bereits Erfahrungen des Linzer Ver eins maiz mit Kooperationen mit Mehrheitsösterreicher_innen in der Kunst- und Kulturarbeit als „Vereinnahmungsversuch […] Betrug und Raubversuch“ (Sal gado 2015 [2004]: 39). Dabei stellt sie zentrale Fragen nach der Motivation und Zielsetzung der Akteur_innen im Rahmen solcher Kooperationen im Kunst- und Kulturbereich, die bis heute relevant sind: „Warum und wozu werden die Projekte realisiert? Warum beteiligt man sich daran? In welcher Relation stehen das Streben nach Symmetrie und die Reflexion über egalitäre Formen der Zusammenarbeit zwischen Migrant_innen und Künstler_innen, die Angehö rige der Mehrheitsgesellschaft sind, zu dem Ziel, durch künstlerische Arbeit gegenhege moniale Diskurse und Formen der Repräsentation migrantischer Anliegen herzustellen?“ (Ebd.: 40 f.)
Aus dieser Erfahrung heraus geht der Verein maiz, der u. a. künstlerisch-politische Projekte umsetzt, keine Kooperationen mit Künstler_innen ein, die mit „fertigen Konzepten und der Einladung zur Mitwirkung zu uns kommen“ (ebd.: 41).
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Diese für den Bereich des Antirassismus formulierten Aufgaben können auf antidiskriminerende Zugänge umgelegt werden und gelten dementsprechend auch in Bezug auf Ableismus, Adultismus, Klassismus, Lookismus oder Inter*feind lichkeit, um nur einige zu nennen.
A k ti v is ti sches W is sen
in den
M it tel punkt
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Auch wenn für Kunst- und Kultureinrichtungen Themen wie Flucht, Trans, Inter geschlechtlichkeit, Migration, BeHinderung etc. neu sein sollten, so gibt es be reits sehr viel Wissen und Können, viele Ideen und Umsetzungen dazu. Denn aktivistische Kulturarbeiter_innen aus sogenannten Minderheiten beschäftigen sich bereits seit langem mit Ausschlüssen und Diskriminierungsmechanismen im Kulturbetrieb. Sie haben eine langjährige individuelle wie kollektive Erfahrung und Expertise und arbeiten als Gruppe/n in unterschiedlicher Besetzung und in verschiedenen Bereichen dafür, dass die oben genannten Themen überhaupt in den Kunst- und Kulturdiskurs eingehen. In diesem Sinn ist auch die Forderung „Nothing about us without us“, die ursprünglich aus der Enthinderungsbewegung kommt (vgl. Charlton 1998; vgl. auch Baumgartinger/Moser 2018), zu verstehen: Die Künstler_innen und Aktivist_innen wissen am besten über ,ihre‘ Themen Be scheid, also fordern sie, von Anfang an mit einbezogen zu werden – und zwar ab der ersten Konzeptualisierung, wie die oben erwähnte Herangehensweise des Vereins maiz zeigt. Eine solche Vorgehensweise kann etwa institutionalisiert werden, indem ein offener Raum geschaffen wird (architektonisch, zeitlich, finanziell, administrativ), aus dem heraus nach und nach von den aktivistischen Kulturarbeiter_innen selbst Projekte eingebracht, aber auch Personal, Programm und Publikum mitbestimmt werden. In diesem Raum werden Erfahrungswissen, aktivistische und NGO-Wis sensproduktion in den Mittelpunkt gestellt. Ein solcher Prozess erfordert Zeit (Langsamkeit), eine kritische Haltung, Respekt sowie Verantwortung.
P artizipation ja , aber richtig !: „N oth ing about us with o ut us !“ Partizipation von diskriminierten Gruppen im Kulturbereich ist eine zentrale Di mension von Diversity. Sie steht immer in Relation zu Machtbeziehungen, Kon flikt, Konsens und Dissens und ist damit auch politisch. Dabei geht es vor al lem um die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten, um Möglichkeiten der Konsensfindung sowie um das Schaffen von Räumen, um kontroverse Debatten zu führen. Der partizipatorische Schwerpunkt kann hierbei nicht ausschließlich
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in der Beteiligung von diskriminierten Gruppen an bestehenden Strukturen oder konkreten Projekten liegen. Genauso wichtig sind selbstorganisiert geschaffene Räumen, welche mehr oder weniger institutionalisiert sein und länger oder kürzer bestehen können, sowie Ideen und Konzepte, die aus den Lebensrealitäten ge nannter Gruppen heraus gedacht und entwickelt werden. Hier stellt sich u. a. die Frage, welche Schwerpunkte zu partizipatorischen Überlegungen im Kontext von Diversity gelegt werden. Aus der Perspektive des Kritischen Diversity können di versitygeleitete oder partizipatorische Maßnahmen nicht ausschließlich nach den Vorstellungen einer Institution vermittelt oder umgesetzt werden (vgl. Miessen 2012). Institutionen können bei partizipatorischen Projekten jedoch eine wichtige Rolle spielen, indem sie Ressourcen zur Verfügung stellen, Vorschläge machen oder aber von Beginn an thematisieren, bei wem das soziale Kapital der kulturel len Produktion verbleibt. Bezüglich Kooperationspartner_innenschaften hat maiz Kriterien für die Zu sammenarbeit entwickelt (vgl. Salgado 2015 [2004]: 41 f.). Unter anderem sind für maiz egalitäre Formen der Zusammenarbeit konstituierende Teile des Pro zesses: „Im Bewusstsein, dass alle gesellschaftlichen Beziehungen von Ungleichheiten bestimmt sind, und dass das Streben nach Symmetrie als ein politischer Prozess nicht an Bedeutung verliert (trotz des Wissens um ihre Unmöglichkeit), beschäftigen wir uns u. a. mit Fragen nach den Konfliktlinien, welche die Zusammenarbeit strukturieren (wie z. B. die Achsen minoritär/majoritär; eurozentristisches Wissen/,peripheres‘ Wissen; Kunstfeld/politisches Feld), nach Strategien, Vereinbarungen und Strukturen, um gegen Rassismus und Sexismus innerhalb der Kooperation vorgehen zu können.“ (Salgado 2015 [2004]: 42 f.)
Ein Schritt in Richtung egalitäre Formen der Zusammenarbeit als Teil des Kul turproduktionsprozesses war das vom Innovationstopf der Kulturplattform Ober österreich (KUPF) unterstützte Projekt Knowledging the Background12 (2006), welches emanzipatorisches Arbeiten von Migrantinnen initiierte und Wissensund Empowermentstrategien auf Video dokumentierte. Alle Aufnahmen, Dialoge sowie der Schnitt erfolgten in Zusammenarbeit aller Projektteilnehmer_innen. Der produzierte Film wurde allen Projektteilnehmer_innen zur freien Verwendung zur Verfügung gestellt (vgl. Website). 12 Ausgangspunkt, Notwendigkeit und Ziel des Projektes werden wie folgt argumentiert: „Projekte zu und über Migrantinnen werden vorwiegend von Mehrheitsangehörigen konzipiert, geleitet und natürlich verfügen die Letztgenannten auch über entsprechende Zugänge zu Ressourcen. Dieser Umstand wurde schon so oft beschrieben, kritisiert und angefochten, dass es fast banal klingt. Trotzdem: Die Situation hat sich nicht bedeutend geändert. Das bei der KUPF eingereichte Projekt ,Knowledging the Background‘ ist ein Versuch diese Sackgasse, abseits der vereinfachenden Gegenüberstellung von Mi grantinnen und Mehrheitsangehörigen, abseits des Entweder-Ihr-oder-Wir-Prinzips, zu hinterfragen und Gegenstrategien zu entwickeln und zu erproben.“ (Frketić 2005: o. S.)
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Ein weiteres Beispiel für kulturelle Partizipation ist das Kollektiv MigrafonA13, welches (ohne öffentliche Förderung) zwei Comichefte produzierte (2007 und 2011): „Die Arbeitsweise von MigrafonA experimentiert mit der kritischen Visualisierung und His torisierung aktueller politischer Debatten aus der Perspektive von MigrantInnen. In Form von Text- und Bilderproduktion (Illustrationen) bringt MigrafonA selbstproduzierte Comic hefte (in Printform) heraus, die eine breite Öffentlichkeit erreichen sollen.“ (Vgl. Website)
Abbildung 4: MigrafonA, auf „As Rights Go By“, freiraum Q21, Wien 2016
© MigrafonA/Petja Dimitrova, petjadimitrova.net
Im Comic The Glorious 7/Die glorreichen 7 (MigrafonA 2011; s. Abb. 4) soll durch die narrative verbale und visuelle Form des (Comic-)Heftes der Rassis mus in Österreich, welcher sich u. a. in den sogenannten Fremdengesetzen, einer hegemonialen Werte- und Wissensproduktion sowie in der Geschichtsschreibung manifestiert, aufgegriffen werden. Die erzählte Geschichte steht in Verbindung mit aktuellen Prozessen der Transformation von Lohnarbeit, Grenzen und Natio nalstaaten, Prekarisierung, Verarmung sowie Kontroll- und Disziplinierungsmaß nahmen, welche weite Teile der Bevölkerung betreffen (vgl. Website). 13 MigrafonA ist ein Kollektiv der Künstler_innen bzw. Kulturproduzent_innen und Ak tivist_innen Petja Dimitrova, Vlatka Frketić, Belinda Kazeem-Kamiński, Radostina Patulova und Vina Yun, welches im Feld des politischen Antirassismus, von Migrati onsgeschichte bzw. -politik und Selbstempowerment-Strategien von (in Österreich le benden) Migrant_innen arbeitet (vgl. Website).
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D i v er sit y in der K ultur ar b eit ? E in for dern der A us b lick Damit Kritisches Diversity im Kulturbereich wirksam werden kann, muss es auf theoretischer, pädagogisch-didaktischer, aktivistischer und praktischer Auseinan dersetzung mit gesellschaftlicher Vielfalt im weitesten Sinne aufbauen. Ein sol cher kritischer Diversity-Ansatz beruht auf folgenden grundlegenden Kriterien: einer kritischen Haltung, einem Fokuswechsel auf strukturelle Diskriminierung mit den dahinterliegenden individuellen Positionen, intersektionalen Herange hensweisen sowie einem kritischen Zugang zu Partizipation. Dabei sollte Kriti sches Diversity maßgeblich – also nicht nur punktuell bzw. in vereinzelten Pro jekten und Vorhaben – von bzw. mit Personen, die sogenannten Minderheiten zugeordnet werden, fokussiert und formuliert werden anstatt ausschließlich von privilegierten Positionen aus. Das Kritische Diversity fordert Veränderungen über (Selbst-)Reflexionen hinaus – konkrete Veränderungen im Sinne einer Teil- bzw. Ganzhabe in bzw. an der Kulturproduktion in all ihren Phasen. So ermöglicht das Konzept Trans–ing es, einen Standpunkt einzunehmen, welcher nicht annimmt, dass es etwas Statisches oder Überschreitendes gibt, sondern davon ausgeht, dass Gesellschaft etwas sich ständig Veränderndes ist – so auch Kulturpolitik sowie der Kunst- und Kulturbereich. In der Umsetzung gilt es zu verhandeln, wie bestimmte Sachen hinterfragt und verändert werden können: Welche Handlungsmöglichkei ten stehen der Kulturarbeit zur Verfügung? Welche Veränderungen müssen gesetzt werden, um von einer Transformation des Kulturbetriebes sprechen zu können? Einer Transformation, die strukturelle Diskriminierungen und Ausschluss-, aber auch Einschlussmechanismen sowie Privilegierungen gezielt mitdenkt. Kritisches Diversity alleine hat nicht die Kraft, gesellschaftliche Transforma tion zu einer sozial gerechten Welt zu bewirken. Weder mit Reflexion, Sensibilisie rung, Analyse oder Bildungsmaßnahmen. Das Potenzial des Kritischen Diversity liegt in der radikalen kritischen Hinterfragung gesellschaftlicher Wirklichkeiten, die von Ungleichheiten gekennzeichnet sind, der beständigen und bohrenden Läs tigkeit, Ungerechtigkeit, Machtverhältnisse und Privilegien aufzuzeigen sowie auf Machtverhältnisse in Diversityprozessen selbst hinzuweisen. Kritisches Diversity bezieht sich in diesen Prozessen auf konkrete gesellschaftliche Verhältnisse und bettet diese in einen globalen Kontext ein. Denn Ungleichheit, Ausschluss und Ausbeutung kennt keine (nationalen, geschlechtlichen, behindernden …) Gren zen. Auch nicht im Kulturbereich.
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Making Art, Making Media, MakingMaking Change! Art Making Media Making Change! „Selbst ein Magazin gestalten, sagen, was wichtig ist, sich Gehör verschaffen. Selbst zu Stift und Papier greifen, eigene ComicWelten erschaffen, sich das auch zutrauen und behaupten: ‚Ich kann das.‘ Ausrangierte Materialien ungewöhnlich recyceln und für eigene Ideen und Botschaften nutzen. Do-It-Yourself nicht nur als Aufruf zum Kreativsein verstehen, sondern als Möglichkeit, die Welt mit kritischen Augen zu betrachten und gemeinsam an Veränderungen zu arbeiten. Making Art, Making Media, Making Change! ermutigt junge Menschen, selbst in der kulturellen und medialen Produktion aktiv zu werden und Teil dieser partizipativen Kultur zu sein.“ (www.makingart.at)
„Selbst ein Magazin gestalten, sagen, was wichtig ist, sich Gehör verschaffen. Selbst zu Stift und Papier greifen, eigene Comic-Welten erschaffen, sich das auch zutrauen und behaupten Ich kann das. Ausrangierte Materialien ungewöhnlich recyceln und für eigene Ideen und Botschaften nutzen. Do-It-Yo Y urself nicht nur Yo als Aufruf zum Kreativsein verstehen, sondern als Möglichkeit, die Welt mit kritischen Augen zu betrachten und gemeinsam an Veränderungen zu arbeiten. Making Art, Making Media, Making Change! ermutigt junge Menschen, selbst in der kulturellen und medialen Produktion aktiv zu werden und T il dieser partizipativen Kultur Te zu sein. Das Projekt umfasst ein Workshop-Programm, eine T olbox zur Unterstützung der To Vermittlungsarbeit und ein wanderndes Archiv.“ (www.makingart.at)
CraftivismWorkshop mit Stephanie Müller, Ausstellung mit Wandgestaltung von Mädchen und Ka Schmitz, ZineWorkshop mit Elke Zobl 20142015. Fotos: Pia Streicher Abbil ild il ldu dung 1:
Colllllla lage aus Fo F tos vom Zin Zi ine-Wo W rk Wo rks kshop im i Ra R hmen d s „Wo de W men’s Wo ’ Sp ’s S ace“ von T re Te r sa Lugstein i , von de in d r Cra r ft ra ftitivi vis ism-We W rk We rks ksta t tt mit Step e hanie ep i Mülllllle ie ler sowi wie wi ie von d r Ausstellllllu de lung „Ma M ki Ma kin ing Art rt, rt t, M ki Ma kin ing Medi dia di ia, Ma M ki kin ing Change!“ mit T ililn Te lnehmeriririn innen de d s Grr rrr rr rrlrls ls Camp und Ka K Schmitz t tz (Fo (F Fotos: VO V RNA N ME NA M N CHN NA HNA HN NAME ME; E; Colllllla lage: Tim Ti imna Pa P chner) r r)
„Inwiefern kann das, was von der Gesellschaft als ‚normal‘ und ‚schön‘ gesehen wird, hinterfragt und umgedeutet werden? Welche anderen, neuen Bilder können dem entgegengesetzt werden? Und produzieren diese Bilder ihrerseits wieder Normen? Solche und ähnliche Fragen stehen im Zentrum der Toolbox DoItYourself, DoItTogether! Künstlerischedukative Materialien und Angebote für eine kritische Vermittlungspraxis. Sie wurde in Zusammenarbeit mit Künstler_innen, Medienproduzent_innen, Expert_innen der feministischen Mädchenarbeit sowie der kritischen Kunst- und Kulturvermittlung und mit den bei den DIY-Workshops teilnehmenden Jugendlichen entwickelt. “ (www.makingart.at)
Das WorkshopTeam in unserer mobilen Leselounge im Mädchenzentrum Klagenfurt und die Toolbox. Fotos: Jasmina DeljaninHudelist, Pia Streicher
Abbil ild il ldu dung 2: 2 Colllllla lage aus Fo F tos von kü k nstltltle leriris isch-eduka k tit ven ka M teririria Ma ialilie ien de d r To T olb l ox lb ox: x: „Do-It-Yo Y urs Yo r elflflf, rs f, Do-it-To T geth To t er! th r “ de r! d s Pr Pro roj oje jekt k es „Ma M ki Ma kin ing Art rt, rt t, Ma M ki kin ing Medi dia di ia, Ma M ki kin ing Change!“ (Fo (F Fotos: VO V RNA N ME NA M NA N CHN HNA HN NAME ME; E; Colllllla lage: Tim Ti imna Pa P chner) r r)
Making Art Taking Part! „Welche Fragen stellen sich Jugendliche heute? Wofür setzen sie sich ein? Und wie wollen Jugendliche Gesellschaft mitgestalten und verändern? Diesen Fragen ging das Projekt Making Art – Taking Part! nach. Dabei haben wir uns in zwei Schulen in Salzburg mit den Jugendlichen mit ihren aktuellen Fragestellungen auseinandergesetzt. Der Abschluss bestand aus einer Intervention im öffentlichen Raum in der Stadt Salzburg und in Mittersill, die von den Jugendlichen konzipiert und durchgeführt wurden. Für die Interventionen wurden ein mobiler Infowagen als ‚Tauschbörse‘, eine Würfelinstallation, ein fotografisches GestenABC, Buttons zum Selbermachen, eine Kontrasouvenirstation usw. produziert.“ (www.takingpart.at)
Die Abschlussveranstaltung der NMS Liefering (Salzburg) stand unter dem Motto „Zusammenleben“. Fotos: Pia Streicher
„Wir haben versucht einen Zwischenraum zu öffnen, in dem die Ambivalenzen und Fragen thematisiert wurden und zugleich die Selbstermächtigung der Jugendlichen im Zentrum unseres Vorhabens stand.“ (Elke Zobl in Aqra/Huber/Smodics/Zobl 2016)
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Angaben zu den Autor_innen
Angaben zu den Autor_innen
Persson Perry Baumgartinger (Dr. phil.) ist Senior Scientist am Programmbe reich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion (Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst, Universität Salzburg und Universität Mozarteum Salzburg). Er stu dierte Angewandte Sprachwissenschaft, Geschlechterforschung und Sozialge schichte in Wien. Persson Perry Baumgartinger war u. a. Gastwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Visiting Fellow der Universität Bern. Seine Forschung und Lehre bewegen sich im Bereich Trans—Arts, aktivistische Forschung, Kunst- und Kulturmanagement, Kritisches Diversity, Sprache/Kom munikation und Macht, Trans*Inter*Queer. Marcel Bleuler (Dr. phil.) ist Senior Scientist am Programmbereich Zeitge nössische Kunst und Kulturproduktion (Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst, Universität Salzburg und Universität Mozarteum Salzburg) sowie Co-Leiter des Postgraduierten-Programms Arts and International Cooperation an der Zürcher Hochschule der Künste. Er studierte bildende Kunst und Kunstgeschichte an den Universitäten Zürich, Bern und Harvard. Seit 2014 hat er sich auf Kunst projekte und künstlerische Zusammenarbeit in gesellschaftlichen Konfliktsitua tionen fokussiert. Er untersucht Projekte, die vor dem Hintergrund sozialer Un gleichheitsverhältnisse und Distinktionsmechanismen Austausch und Begegnung ermöglichen sowie Teilhabe in Gang setzen sollen, sowie konkrete Ansätzen einer dialogischen Ästhetik. Marcel Bleuler verfolgt einen praxis-basierten For schungsansatz und setzt sich mit den Möglichkeiten von künstlerischer Forschung auseinander. Ricarda Drüeke (Dr. phil.) ist Assistenzprofessorin am Fachbereich Kommuni kationswissenschaft der Universität Salzburg. Sie studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Kunstgeschichte in Marburg und Hamburg. Als wissenschaftli che Mitarbeiterin arbeitete sie in den Projekten E-Empowerment. Die Nutzung des Internets in frauenpolitischen Netzwerken an der TU Hamburg-Harburg sowie Mobile Internet Services and Privacy an der Europa-Universität Viadrina Frank furt/Oder. Sie forscht und lehrt zu Inklusions- und Exklusionsprozessen in und
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durch Medien, digitalen Öffentlichkeiten (insbesondere mit einem Schwerpunkt auf Protestartikulationen zivilgesellschaftlicher Akteur*innen sowie Dynamiken der Empörung am Beispiel von Hate Speech) sowie im Bereich Gender Media Studies. In ihrem Habilitationsprojekt beschäftigt sie sich mit (feministischem) Aktivismus mittels digitaler Medien Vlatka Frketić (Dipl. oec.in) ist als Erwachsenenbildnerin und Texterin tätig. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften in Zagreb und Sprach- und Kulturwissen schaften in Wien. Vlatka Frketić ist zertifizierte Social-Justice-Trainerin und ent wickelte gemeinsam mit Persson Perry Baumgartinger ein Fortbildungskonzept zu Kritischem Diversity. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen transkultu relle Kommunikation, (Queer-)Migration, Diversität und Geschlecht, Sprache und Macht, Rhetorik, Social Justice. Elisabeth Klaus (Dr. phil.) ist Professorin für Kommunikationswissenschaft und Co-Leiterin des Programmbereichs Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst. Von 2015 bis 2018 war sie Leiterin des interuniversitären Doktoratskollegs Die Künste und ihre öffentliche Wirkung (Universität Salzburg und Universität Mozarteum Salzburg). Sie studierte Ma thematik und Sozialwissenschaften in Münster, promovierte an der University of Notre Dame (IN/USA) in Soziologie und habilitierte sich am Institut für Journa listik der Universität Dortmund. Gast- und Vertretungsprofessuren bzw. längere Forschungsaufenthalte führten sie nach Wien, Hamburg, Klagenfurt, Dublin und Istanbul. Ihre Forschung konzentriert sich auf Öffentlichkeitstheorien, kommu nikationswissenschaftliche Ungleichheits- und Geschlechterforschung, Cultural Studies und Populärkultur. Anita Moser (Dr. phil.) ist Senior Scientist am Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion und wissenschaftliche Mitarbeiterin des interuniver sitären Doktoratskollegs Die Künste und ihre öffentliche Wirkung (Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst, Universität Salzburg und Universität Mozarteum Salz burg). Sie studierte Komparatistik und Spanische Philologie in Innsbruck und Bil bao, absolvierte einen Kulturmanagement-Lehrgang (Universität Innsbruck) und war anschließend u. a. als Kulturmanagerin beim Festival Neuer Musik Klang spuren Schwaz und als Geschäftsführerin der Interessenvertretung freier Tiro ler Kulturinitiativen TKI tätig. In Forschung und Lehre beschäftigt sie sich mit Gegenwartskunst und Kulturarbeit in der Migrationsgesellschaft, Kunst- und Kul turmanagement, Kulturpolitik, Freier Kulturarbeit und Gender Studies.
Angaben zu den Autor_innen
Elke Smodics ist Kommunikationskuratorin mit den Schwerpunkten zeitgenös sische Kunst, Feminismus und Partizipation in Kunst und Kulturvermittlung. Ein Fokus ist dabei die Entwicklung von Vermittlungstools und Arbeitsmaterialien für antidiskriminierende, emanzipatorische Bildungsprozesse. Sie ist Gründungs mitglied wie auch Teilhaberin von Büro trafo.K, das 2012 den österreichischen Kunstpreis erhalten hat. Sie kuratiert partizipative Ausstellungen sowie Projekte im öffentlichen Raum und ist Lehrbeauftragte zu queer-feministischen, transdiszi plinären Vermittlungsstrategien. Elke Zobl (Dr. phil.) ist Associate Professorin am Fachbereich Kommunika tionswissenschaft und Leiterin des Programmbereichs Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst (Paris Lodron Uni versität Salzburg und Universität Mozarteum Salzburg). Nach Studien der Bild nerischen Erziehung (im Fach Bildhauerei), Germanistik, den Gender Studies und Kunst- und Kulturwissenschaften an den Universitäten Salzburg und Wien, Mo zarteum Salzburg, Akademie der Bildenden Künste und Duke University (North Carolina) forschte sie mehrere Jahre an der Universität of California San Diego (USA) zu alternativen, feministischen Medien und transnationalen Netzwerken. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte umfassen partizipative Kulturproduk tion, künstlerische und kulturelle Interventionen, kritische Kulturvermittlung und Gender Studies.
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Kulturwissenschaft Johannes F.M. Schick, Mario Schmidt, Ulrich van Loyen, Martin Zillinger (Hg.)
Homo Faber Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 2/2018 2018, 224 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3917-9 E-Book: 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3917-3
Thomas Hecken, Moritz Baßler, Robin Curtis, Heinz Drügh, Mascha Jacobs, Nicolas Pethes, Katja Sabisch (Hg.)
POP Kultur + Kritik (Jg. 7, 2/2018) 2018, 176 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 16,80 € (DE), 978-3-8376-4455-5 E-Book: 16,80 € (DE), ISBN 978-3-8394-4455-9
María do Mar Castro Varela, Paul Mecheril (Hg.)
Die Dämonisierung der Anderen Rassismuskritik der Gegenwart 2016, 208 S., kart. 17,99 € (DE), 978-3-8376-3638-3 E-Book: 15,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3638-7 EPUB: 15,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3638-3
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Kulturwissenschaft Fatima El-Tayeb
Undeutsch Die Konstruktion des Anderen in der postmigrantischen Gesellschaft 2016, 256 S., kart. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3074-9 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3074-3
Rainer Guldin, Gustavo Bernardo
Vilém Flusser (1920–1991) Ein Leben in der Bodenlosigkeit. Biographie 2017, 424 S., kart., zahlr. Abb. 34,99 € (DE), 978-3-8376-4064-9 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4064-3
Stephan Günzel
Raum Eine kulturwissenschaftliche Einführung 2017, 158 S., kart., zahlr. Abb. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3972-8 E-Book: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3972-2
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