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German Pages 797 [808] Year 2005
Rausch · Kultfigur und Nation
deutsches historisches
institut
historique allemand paris
Pariser Historische Studien herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut Paris
Band 70
R. Oldenbourg Verlag München 2006
Kultfigur und Nation Öffentliche Denkmäler in Paris, Berlin und London 1848-1914
von Heike Rausch
R. Oldenbourg Verlag München 2006
Pariser Historische Studien Herausgeber: Prof. Dr. Werner Redaktion: Veronika Institutslogo: Heinrich
PARAVICINI,
PARAVICINI
VOLLMER
unter Verwendung eines Motivs am Hôtel Duret de Chevry
Anschrift: Deutsches Historisches Institut (Institut historique allemand) Hôtel Duret de Chevry, 8, rue du Parc-Royal, F-75003 Paris
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INHALT
Vorwort
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Einleitung I. Forschungszusammenhang und analytischer Ansatz 1. Verortungen 1.1. Nationalismustheorien und Nationalsymbolik 1.2. Nationale Denkmalkultur als Gegenstand einer kulturgeschichtlichen Nationalismusforschung 1.3. Denkmal, Fest und Nation. Historische Denkmal- und Festforschung in drei Historiographien 1.3.1. Zum Forschungsstand in Deutschland, 24. - 1.32. Zum Forschungsstand in Frankreich, 36. - 1.3.3. Zum Forschungsstand in England, 44. 2. Zum transnationalen Denkmalvergleich 2.1. Vergleich 2.2. Eingrenzungen 22.1. Länderauswahl und Hauptstädte, 54. 222. Chronologische und thematische Präzisierung, 61. 2.3. Analytisches Raster 2.4. Quellen 2.5. Themenachsen und Darstellung
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II. Strukturelle Kontexte: Konturen städtischer Erinnerungsräume und Profile öffentlicher Denkmalstifter 1. Kompetenzarrangements und Verfahrensmuster 1.1. Paris 1.2. Berlin 1.3. London 2. Konturen von Stifterprofilen 2.1. Paris 2.2. Berlin 2.3. London 3. Vergleich
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Inhalt
Erster Teil Nationaler Diskurs und Nationskonzepte im Spiegel monumentaler Kultfiguren um 1848 bis Anfang der 1870er Jahre
I. Nation und Revolution von 1848 1. Paris: Gescheiterte Versuche einer (ikonographischen) Fixierung der post-revolutionären Nation 2. Berlin: Revolution ohne Denkmal - Nation ohne Revolution? 3. London: Umstrittene Konturen der Nation ohne Umbruch: Wirtschafts- und sozialpolitische Differenzbestimmungen 4. Vergleich
II. Nation und monarchische Staatsordnung 1. Paris: Das Zweite Empire zwischen monarchischer Tradition und republikanischer Opposition 1.1. Nation und dynastische Kontinuität: Anläufe zur Traditionsbildung 1.2. Reaktivierung einer autoritären Legende: Der NapoleonMythos zwischen offiziösem Bild und populärem Kult 1.3. Raum und Grenzen des republikanisch-oppositionellen Gegenkults 2. Berlin: Konterrevolutionäre Kontinuitätsgarantien der preußischen Dynasten 3. London: Kompensierter Monarchiekult um den Prince Consort: Fortschrittsoptimismus und konzeptionelle Diskussion 4. Vergleich
III. Nation und Militär 1. Paris (1851-1870): Nation und die Niederlage von 1815: Anläufe zur Rehabilitierung der »gloire militaire« 2. Berlin: Zwischen reaktionärem Militarismus und historischer Reminiszenz 2.1. Das antirevolutionäre Bekenntnis als Programm 2.2. Arrondierungen 3. London: Militärische Selbstbilder der Seemacht 3.1. Schlaglichter auf eine Kultmisere 3.1.1. Nelson, oder: Mythosverschleiß und dynamische Verfremdung, 208. - 3.1.2. Wellington, oder: Zur Halbwertszeit von Siegermythen, 217.
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Inhalt
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3.2. Die Nation als legitime Kolonialmacht 3.3. Prestigeeinbußen: Umwertungseffekte nach dem Krimkrieg . . 4. Vergleich
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IV. Nation und Fortschritt 1. Paris: (Niederlagen-)Kompensation und politische Überformung . . 2. Berlin: Inklusive Inszenierungen von agrarischem und gewerblichem Fortschritt 3. London: Adaptionsprozesse eines neuen Deutungsmusters 4. Vergleich
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Zweiter Teil Nationaler Diskurs und Nationskonzepte in den öffentlichen Denkmälern bis 1914
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I. Nation, Revolution und Umbruch 1. Paris: Zusammenbrüche und Revolutionen 1.1. Die memoriale Verhandlung von Zusammenbruchsgeschichten . 1.1.1. Nation und die Commune von 1871, 262. - Ikonoklasmus der Kommunarden und napoleonischer Antimythos, 262. - Die kommunardische Opposition als Denkmalstifter: Symbolkonkurrenz und Gegenkult um die Kommunarden, 272. - 1.1.2. Die Erinnerung des Zusammenbruchs von 1851/52: Baudin als Märtyrer der republikanischen Nation, 281. 1.2. Die memoriale Bewältigung der Revolutionen 1.2.1. Nation und Revolution 1789: »Révolution en bloc« oder sezierte Revolutionserinnerung - umstrittene Vorläufer und Protagonisten, 285. - 1.2.2. Nation und Revolution 1848: Innerrepublikanischer Dissens, 295. 2. Berlin: Nation und Revolution: Kontinuität statt Umbruch als Legitimationskonzept 3. London: Die Englische Revolution als umstrittener historischer Gründungsmythos 3.1. Cromwell: Vom »regicide« zum »national hero of the British people« 3.2. Facetten eines royalistischen Gegenkults 4. Vergleich
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Inhalt
II. Nation und Staat: Zur Verkörperung nationaler Ordnungstraditionen .. 1. Paris: Republikanische Elite und die République-Allegorien 1.1. Denkmalphalanx fur die Gründerväter der Dritten Republik . . . 1.1.1. Gambetta als Archetyp des republikanischen Gründers, 342. - 1.12. Erosionsstufen republikanisch-liberaler Deutungshoheiten nach der Jahrhundertwende, 347 1.2. Die République als allegorische Verbürgung republikanischer Staatstradition 2. Berlin: Nation und preußisch-kleindeutsche Monarchie nach 1871 . 2.1. Kultmatrix und Deutungsschablonen 2.2. Gigantomanie und programmatischer Stillstand 2.3. Kultvarianten 2.4. Neue Akzente des Bismarck-Mythos: Der volksnahe Reichsgründer 3. London: Victoria-Kult zwischen Affekt und Empire 3.1. Einübung der öffentlichen Kultgeste: Emotionale und metropolitane Akzente 3.2. Posthumer Kult 4. Vergleich
341 341 341
405 411 425
ΙΠ. Nation und Krieg 1. Paris: Zwischen Niederlagentrauma und neuer Traditionsbildung . . 1.1. Die Memorialisierung der Niederlage von 1870/71 1.2. Neubestimmungen der »gloire militaire« 2. Berlin: Stagnation und Absorption 3. London: Machtpolitische Konturen der Empire-Nation 4. Vergleich
439 439 439 447 452 457 468
IV. Nation und politische Deutungsmuster 1. Paris: Toleranzfanale und rechte Randbereiche 2. Berlin: Denkmäler der Opposition oder symbolische Grabenkämpfe 2.1. Relikte und Transformationen einer partizipatorischen Nationsidee 2.2. Die preußischen Reformen als Bezugspunkt liberaler Traditionsbildungsversuche 2.3. Das Ringen um liberale Symbolmacht 3. London: Zwischen liberaler Konsensformel und konservativen Übergriffen 3.1. Monumentale Voten des politischen Liberalismus
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356 371 371 379 391 397 405
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Inhalt
3.2. Plädoyers für die sozialmoralische Reform 3.3. Zur konservativen Aneignimg des Nations-Begriffs 4. Vergleich
V. Nation und Religion 1. Paris: Zum monumentalen Disput um die (areligiose Affinität der französischen Nation 1.1. Konvulsion, Dissoziierung und Kollision nationaler SelbstbildEntwürfe im Spiegel der Jeanne d'Arc-Denkmäler 1.2. Voltaire zwischen laizistischem Messianismus und katholischer Apostasie 1.3. Symbolduelle und -repliken: Katholizismus, Laizismus, Protestantismus und Nation 2. Berlin: Konturen des Nationalprotestantismus 3. London: Zwischen konfessionellen Pluralismen und anglikanischem Deutungsprimat 4. Vergleich
VI. Nation und Fortschritt 1. Paris: Zwischen humanitärem Konsens und politisch-religiöser Kritik 2. Berlin: Transnationale Weitung, kompetitive Verengung und Loyalitätskonkurrenz 3. London: Zur Marginalität eines Deutungsmusters 4. Vergleich
VII. Nation und Kultur 1. Paris: Zwischen universaler Inklusion und politischem Bekenntnis 2. Berlin: »Dichter und Denker« zwischen Emanzipation und saturiertem Machtstaat 2.1. Ambivalenz, Redundanz und Exklusion: Umbrucheffekte im Schiller-, Goethe- und Lessing-Kult nach 1871 2.2. Deutungsspielräume 3. London: Nation und dissoziierte »Kultur« 4. Vergleich
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Inhalt
VIII. Nation und Geschlecht 1. Paris: Gescheiterte Projekte 2. Berlin: Dynastische Repräsentationsgrenzen 3. London: Ableger des Monarchinnenkults 4. Vergleich
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IX. Ausblick: Konturen des monumentalen Nationsdiskurses im Krieg bis 1918 1. Paris: Neue Hermetik und Inklusion 2. Berlin: Heroenkult und Demoralisierung 3. London: Inklusion und Behauptung 4. Vergleich
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Schlußbetrachtung 1. Kultmuster und Inszenierungstraditionen: Öffentliche Denkmalerrichtungen im Vergleich 2. Kultfiguren und Projektionen: »Nations«-Deutungen im Vergleich
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Anhang Verzeichnis der Denkmäler Abbildungsnachweis Abkürzungen
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Quellen und Literatur Quellen 1. Hilfsmittel 2. Französische Quellen 2.1. Archivalien, 716. - 2.2. Gedruckte Quellen, 719. 2.3. Periodika, 727. 3. Deutsche Quellen 3.1. Archivalien, 727. - 3.2. Gedruckte Quellen, 731. 3.3. Periodika, 735. 4. Englische Quellen 4.1. Archivalien, 736. - 4.2. Gedruckte Quellen, 738. 4.3. Periodika, 746. Literatur
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Personen- und Ortsregister
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VORWORT
Bevor die vorliegende Studie im Sommersemester 2002 von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg unter dem Titel »Kultfigur und Nation. Stiftung und Rezeption nationaler Deutungsmuster im öffentlichen Denkmal in Paris, Berlin und London, 18481914« als Dissertation angenommen wurde, hat sie erst mit vielfacher institutioneller und persönlicher Unterstützung entstehen können. Zuerst hat mir mein Doktorvater Professor Dr. Dr. Volker Sellin geduldig eine einigermaßen langwierige Phase der Themensuche zugebilligt, erste Konkretisierungen ermutigend kommentiert und schließlich den mitunter zähen Prozeß von Recherche und Konzeption aufmerksam begleitet und gefördert. Entscheidende Anregungen, die in der ganz frühen Phase dem erst vagen Projekt Richtung gaben, sowie zusätzliche gutachterliche Unterstützung habe ich durch Professor Dr. Dieter Langewiesche erfahren. Professor Dr. Eike Wolgast hat dankenswerter Weise das Zweitgutachten übernommen. Weil vergleichende Untersuchungen ebenso zeitintensiv wie kostenträchtig sind, hätte diese Studie ohne erhebliche finanzielle Unterstützung nicht Zustandekommen können. Zunächst habe ich von einem Forschungsstipendium in London profitiert, mit dem mir der Deutsche Akademische Austauschdienst erneut zur Seite stand. Dann hat die Gerda Henkel-Stiftung in Düsseldorf das Projekt einschließlich weiterer Aufenthalte in Paris, London und Berlin mit einem Promotionsstipendium großzügig weitergefördert. Ganz besonders bin ich dem Direktor des Deutschen Historischen Instituts Paris, Professor Dr. Werner Paravicini, für die Gewährung eines Stipendiums zu Dank verpflichtet, das es mir ermöglichte, in einer frühen Arbeitsphase erste Schneisen in die Quellenmassen zu schlagen. Auch war das Arbeiten vom Hôtel Duret de Chevry aus ein besonderes Privileg. Für die Aufnahme der Studie in die Reihe der Pariser Historischen Studien bin ich auch aus diesen Gründen sehr dankbar. Stellvertretend für manche Recherchehilfen und die Kulanz vieler Mitarbeiter in den benutzten Archiven und Bibliotheken danke ich Pamela Clark in den Royal Archives, Windsor Castle, Berkshire, Daniel Imbert im Bureau des Monuments der Direction des affaires culturelles, Philippe Grand von den Archives de Paris, dem Personal der grundsätzlich überfüllten Bibliothèque SainteGeneviève sowie des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Dahlem und der Staatsbibliothek zu Berlin. Die Zeit der Quellenrecherche in Paris, London und Berlin hat auch der guten Begleitung und Anlaufstationen wegen entschieden mehr bereichert als entkräftet. Arbeitspflicht und soziale Neigung waren unter anderem in Paris mit Maja Peers, in Paris und London mit Ralph Kingston und dort wie in Ber-
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Vorwort
lin mit Markus Meumann gut auszutarieren. Der »moonwalk on Parliament Hill« steht für alles Ungewöhnliche, was Marta und Sadie Galindez mir auf ihrer Ruheinsel in Hampstead gewährt haben, die ich dank Heidi EberhardtBate, Jörn Leonhard und Alan Gundle gelegentlich gegen Cambridge, Oxford und Leicester eintauschen konnte. David Urrys freier Geist bleibt untrennbar mit den Monaten in Willesden Green verbunden. Schließlich haben mir neben anderen Hanne Stinshoff zu einem leichten Einstieg in Berlin-Mitte und Anne Zimmermann zu einer entspannten Zeit in Schöneberg verholfen. Zumal in der Endphase der Niederschrift habe ich von längst jenseits dieser Arbeit angelegten Freundschaftsreserven gezehrt. Christof Strauß (Karlsruhe) hat absolut verläßlich und stoisch den gesamten Text kritisch durchgesehen. Jörn Leonhard (Oxford) hat weite Auszüge des Manuskripts beharrlich und profund kommentiert. Von allem, wofür ich beiden sehr verbunden bin, ist das aber nur der geringste Teil. Für Korrekturen einzelner Textpassagen standen spontan und loyal auch Sandra Schiller und Rafael A. Zagovec (Heidelberg) sowie Hildegard Rausch (Frankenthal) zur Verfügung. Später hat am Zentrum fur Höhere Studien der Universität Leipzig Privatdozent Dr. Matthias Middell allen Freiraum zur Vorbereitung des Manuskripts für die Drucklegung gelassen. Veronika Vollmer vom Deutschen Historischen Institut Paris und Cordula Hubert vom Oldenbourg Verlag danke ich fur ihr Engagement in der Endphase des Publikationsverfahrens. Meinen Eltern, die mich immer schon und in jeder Hinsicht vorbehaltlos unterstützt und begleitet haben, denen ich Rückhalt, Vertrauen und überhaupt das meiste verdanke, was bisher hat gelingen können, ist dieses Buch dankbar und erleichtert gewidmet.
Leipzig, im Sommer 2005 Heike Rausch
En effet, l'érection des statues et d'édifices mortuaires par voie de souscription publique a toujours été un des moyens employés par les partis (...). Provisoirement, chaque parti honore ses morts, non comme ils le méritent, mais comme il l'entend. (...) [Ils disent] d'une voix haute et ferme que la France veut être libre d'exprimer ses opinions et ses sentiments. L'Avenir National, 1868
Das Denkmalsetzen ist die höchste Blüte der Oeffentlichkeit, aber (...) es fehlt nichts weniger als alles, daß das moderne Denkmal vorgeben duerfe, die Ehren der Nation auszuteilen: es fehlt, daß die Nation ihr eigener Herr sei und ihre Ehren mit einer freien Hand austeile. Es kann die ehrenvollste Nationalsache sein, im Kampf für Recht und Freiheit, aber der Herr der Nation kann ihn zum Verbrechen stempeln. Er setzt hierauf s e i n e n Getreuen Denkmäler. Ferdinand Kümberger, 1873
The want of a personal representative is urgently felt by the nation at large. (...) [That] the inhabitants of one country [need to] have recourse to imagery is testified by the habit (...) of symbolizing the nation (...) under some ideal form, either that of a conventional figure (...) or of some living notability, as the ruler of the particular State which they wish to personify. Letter to the Queen, on her retirement from public life, by one of Her Majesty's Most Loyal Subjects, 1875
EINLEITUNG
I. Forschungszusammenhang und analytischer Ansatz
Im »Akkulturations«-Sog der Französischen Revolution1 begann der symbolische Siegeszug des öffentlichen Personendenkmals in Frankreich und von da aus bald in ganz Europa. Das plastische erhielt nicht nur neben dem architektonischen Denkmal einen eigenständigen Status im öffentlichen Stadtareal, es egalisierte zugleich die Berechtigung zum öffentlichen Monument zugunsten nicht-fürstlicher und nicht-dynastischer Figuren und lud deren Exponierung kultisch auf. Der Kult des großen Individuums, des Helden und grand homme, bezog sich zunehmend auf die Nation und das »Volk« als ihren neuen Souverän. Denkmalsturz und politisch-kultisches Fest mit neuen, eigenen Monumenten waren die destruktiven und innovativ-konstruktiven Kollektivakte, die die Thematisierung der Nation im öffentlichen Personendenkmal vorbereiteten2. Doch vorerst erlahmte der emanzipatorische Eifer rasch wieder. Die meisten der in der revolutionären Epoche projektierten Denkmäler fur die grands hommes de la Nation blieben auch in Paris im Planungsstadium stecken. Zur revolutionären Symbolpolitik suchte Napoleon I. Distanz und ließ die Idee nationalen Ruhms bevorzugt im Selbstbild propagieren. Auf der Place Vendôme (Place des Piques) veranlaßte er die Errichtung einer mit seinem Standbild gekrönten Säule. Nicht nur hier, sondern auch mit weiteren Denkmälern für verdiente Militärs3 erschien der nationale Held nun als erfolgreicher Feldherr, der, gelegentlich auf hohem Sockel entrückt, die kriegsbewährte Nation personifizierte4. Die 1814/15 restaurierte Bourbonenmonarchie trat an, den revolutionären Ikonoklasmus zu kompensieren. In dieser Absicht piazierte sie erneut die Reiterdenkmäler für Louis XIII. auf der Place Royale (heute Place des Vos-
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Rolf REICHARDT, Für eine integrierte soziale Kulturgeschichte der Französischen Revolution durch Kommunikationssoziologie und historische Anthropologie, in: Reinhart KOSELLECK, OERS. (Hg.), Die Franzosische Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewußtseins, München 1988 (Ancien Régime. Aufklärung und Revolution, 15), S. 673684, hier S. 674. Vgl. Annie JOURDAN, Les Monuments de la Révolution 1770-1804: une histoire de représentation, Paris 1997. Vgl. [An.,] Description de la Colonne de la Grande Armée et de la statue du Général Desaix, o. 0 . o. J. [1810], Vgl. Maurice AGULHON, La »statuomanie« et l'histoire, in: Ethnologie française 8 (1978) S. 145-172, hier S. 147.
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Einleitung
ges)5, Louis XIV. auf der Place des Victoires6, und die Reiterstatue von Henri IV. auf dem Pont Neuf 7 . Während der Julimonarchie und der Zweiten Republik schließlich begann die Zahl öffentlicher, nun längst auch zivilen Personen gewidmeter Denkmäler, stetig zu steigen, bevor sie während der Dritten Republik nach 1871 zum ebenso ubiquitären wie vielbeklagten Ausdruck demokratisierter Nationalsymbolik avancierte. In Deutschland offenbarten nach ersten Individualdenkmälem im Rahmen einer patriotischen Gartenkunst8 die öffentlichen Standbilder und Denkmalprojekte für Luther9 nach der Jahrhundertwende eine »Nazionaldenkmal«Ambition für nichtfürstliches Personendenkmal. Städtische Personendenkmäler häuften sich ab Ende der 1830er Jahre in den verschiedenen deutschen Einzelstaaten und beförderten die Verbürgerlichung bzw. Popularisierung des genialen Menschen10 als Inbegriff eines kulturzentrierten nationalen Selbstbildentwurfs. In Berlin vollzog sich anders als in Paris eine erste Demokratisierung der öffentlichen Denkmalidee nicht als revolutionärer Akt, sie wurde vielmehr als Versatzstück eines aufgeklärten Absolutismus monarchisch initiiert und gestiftet: Eine ganze Standbildgruppe von Generalen des Siebenjährigen Krieges auf dem Berliner Wilhelmplatz unterlief als nicht-fürstliches Denkmalensemble noch vor der Wende zum 19. Jahrhundert im städtischen Zentrum
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Vgl. Anatole DE MONTAGLION, Notice sur l'ancienne statue équestre. Ouvrage de D. Ricciarelli et de Biard le Fils, élevée à Louis XIII en 1639 au milieu de la Place Royale à Paris, Paris 1874. Vgl. N.-L. MOREL, Description des nouvelle et ancienne statues de Louis XIV, inaugurée l'une le 28 mars 1686, et l'autre le 25 août 1822, Place des Victoires, o. 0 . o. J. [Paris 1822]; [An.,] Notice sur la Nouvelle statue équestre de Louis XIV, fondue d'après le modèle de M. Bosio, Paris 1822; Paul MARMOTTAN, Les statues de Paris, Paris o. J. [1886], S. 76-82. Vgl. Ph. CHÉRY, Notes analytiques sur la statue équestre de Henri IV, érigée en bronze, sur la terre du Pont-Neuf, à Paris, Paris 1819; [An.,] Description de la nouvelle statue de Henri IV avec un fac-similé de l'écriture de ce bon roi, Paris 1819; [An.,] La statue de Henri IV. Nouveau Pont-Neuf. Sur le rétablissement et l'inauguration de la statue de Henri IV chanté et distribué le 15 août 1818 en l'honneur de la fête de S.M. Louis XVIII, o. O. o. J. Vgl. dazu Gert MATTENKLOTT, »Denk ich an Deutschland ...Golden Age< and national renewal, in: Geoffrey HOSKING, George SCHÖPFLIN (Hg ), Myths and Nationhood, London 1997, S. 36-59. Vgl. Wolf WOLFING, Karin BRUNS, Rolf PARR, Historische Mythologie der Deutschen: 1789-1918, München 1991, hier S. 1-17. Vgl. Wolfgang KASCHUBA, Volk und Nation: Ethnozentrismus in Geschichte und Gegenwart, in: WINKLER, KAELBLE (Hg.), Nationalismus, S. 56-81, hier besonders S. 59f.
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Einleitung
In der Hälfte der Fälle stimmen die skizzierten Themenachsen direkt mit den Unterkapiteln überein, weil sich eine entsprechende Prominenz der Themen unmittelbar auch im Denkmalpersonal niedergeschlagen hat. Dazu kommen weiter die Themenkomplexe erstens Nation und Revolution und zweitens Nation und Staatsordnung, die mit einem in beiden Fällen immensen monumentalen Personalaufwand am unmittelbarsten dem Umstand Rechnung tragen, daß revolutionäre Umbrüche oder danach jeweils wieder etablierte politische Ordnungen in einem höchst unterschiedlichen Maße die nationale Selbstbildprägung beeinflussen konnten. Daß die in je diffizilen Gemengelagen von Sieges- oder Niederlagenerfahrungen geprägten Zäsuren 1814/15, 1830, 1848, 1851/52 und 1871 in der französischen Umbruchsgeschichte die Revolutionsthematik in ungleich höherem Maße prominent machten als in England und Preußen-Deutschland, zeichnet sich hier überdeutlich ab. Zu sehen ist aber auch auf die unterschiedlichen Konditionen nationaler Identifikationsmuster unter den Bedingungen monarchischer oder republikanischer Ordnungen. In einem weiteren zusätzlichen Themenkomplex Nation und Kultur spiegelt sich unterdessen der Umstand wider, daß die Situierung der Nation im Kulturellen kein Spezifikum deutscher Denkmalsetzungen blieb, sondern auch in Paris und London zu einem zentralen Thema nationaler Identifikation aufrückte, während unter der letzten zusätzlichen Themengruppe Nation und Fortschritt die Nation gleichermaßen als Phänomen und Etikett der Moderne in den Blick gerät. Die Darstellung entlang der Themenachsen schematisiert also den Vergleich. Allerdings müssen innerhalb der beiden Hauptphasen die Chronologien gelegentlich aufgebrochen werden. Die Reihenfolge, in der die Sachgesichtspunkte zur Sprache kommen, kann nicht immer fur alle drei Fälle gleichermaßen genau den Prioritäten entsprechen, die sich chronologisch nachweisbar in den jeweiligen Denkmallandschaften ergaben. Umgekehrt sollte davon abgesehen werden, die Chronologie einer der drei Städte als Richtwert zu veranschlagen und die übrigen Denkmallandschaften an ihr zu orientieren, weil so unfreiwillig eine Art Matrix-Konstruktion entstünde, an der die beiden übrigen Vergleichsfälle ohne guten Grund gemessen würden. Das analytische Vergleichsverfahren in einer systematisch-themenspezifisch gegliederten Kapitelfolge hat schließlich dazu gezwungen, über eine verbindliche Zuordnimg von Denkmalpersonal zu einem der Themenkomplexe zu entscheiden, die gelegentlich auch anders hätte ausfallen können. In solchen Fällen sind für die vorgenommene Einordnung die jeweils dominanten zeitgenössischen Sinnzuschreibungen ausschlaggebend.
Π. Strukturelle Kontexte: Konturen städtischer Erinnerungsräume und Profile öffentlicher Denkmalstifter
1. Kompetenzarrangements und Verfahrensmuster So wenig Deutungshoheiten und die Verteilung von Symbolmacht in administrativen Reglements aufgehen, so sehr stellen letztere doch Bedingungsrahmen für die Praxis öffentlicher Denkmalerrichtung dar, die im Vergleich unterschieden werden müssen. Denkmäler wurden in den Kapitalen sowohl vom Staat als auch von den Städten selbst oder privaten Trägern errichtet. Bevor der Ursprung jeweiliger Initiativen geklärt wird, sind Kompetenzarrangements vergleichend zu betrachten, die das Prozedere organisatorisch und verwaltungsrechtlich kanalisierten. Strukturelle Kontexte interessieren dabei hinsichtlich der Frage, inwiefern die Kompetenzverteilung unter den beteiligten Instanzen und Personen zwischen den Kapitalen differierte und in welchem Maße folglich an dieser Stelle bereits Deutungsmonopole gesichert oder umkämpft erscheinen. Die Vorgehensweisen der Denkmalstifter werden also zunächst überblicksartig und auf der Suche nach Verfahrensmustern und deren Varianten dargestellt, ohne daß alle Monumente zur Sprache kommen könnten, die später für die Analyse wichtig werden. 1.1. Paris Während des Zweiten Empire konnten Denkmalerrichtungen in Paris nur mit dem Plazet des Empereur aufgestellt werden1. Seit Etablierung der Dritten Republik war eine Autorisierung durch den Staatspräsidenten erforderlich, der von Denkmalkomitees über den Préfet de la Seine und den Ministre de l'Intérieur angegangen werden mußte. Über die Frage des Standortes entschied zunächst der Besitzer des für die Denkmalerrichtung von den Initiatoren vorgesehenen und erbetenen Areals, in dessen Obhut das Monument nach der Einweihung häufig überging. Darüber hinaus blieb aber das präfektoriale Dekret unerläßlich. Da ein Großteil des städtischen Bodens in Paris der Stadt gehörte, spielte sie in Gestalt ihres Repräsentativorgans, des Conseil Municipal de la Ville de Paris, zumindest bei der Frage der Zuerkennung von Standorten eine zentrale Rolle. Hiervon ausgenommen waren grundsätzlich Monumente, die im Jardin du Luxembourg und im Jardin des Tuileries errichtet werden sollen, weil hier der Staat die Bodenrechte hielt2.
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Erkennbar wurde das Verfahren z.B. anläßlich der Plazierung des Denkmals für General Ney 1853, vgl. dazu weiter unten. Vgl. HARGROVE, Les statues de Paris, S. 280, Anm. 21.
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Einleitung
Mit dem Préfet de la Seine, der seit der napoleonischen Verwaltungsreform zu Beginn des Jahrhunderts zugleich in der Funktion des Pariser Bürgermeisters einer hierarchischen Verwaltungsstruktur in der Kapitale vorstand, nahm ein direkt dem Ministre de l'Intérieur unterstellter, staatsnaher Funktionsträger3 an der Spitze der in Divisionen untergliederten Préfecture eine wichtige Position im Verfahren ein. Selten involviert wurde sein Gegenpart in der doppelköpfig angeordneten Verwaltungsstruktur, der ebenfalls dem Innenministerium zugeordnete und für Fragen der öffentlichen Sicherheit zuständige Préfet de Police. Die verwaltungstechnische Reduktion des Conseil Municipal nach 1848 zu einem vom Empereur bestellten Organ minimierte zugleich die Rolle des Gremiums für die Denkmalerrichtungen während des Zweiten Empire4. Zwischen Kriegsniederlage und der Commune 1871 verstärkten sich Forderungen nach der Zulassung gewählter Körperschaften und setzten schließlich das Gouvernement de la Défense Nationale unter Handlungsdruck5. Unter Beibehaltung der staatlichen Anbindung und der erheblichen Kompetenzreichweite der beiden Präfekten, die an den Sitzungen des Conseil Municipal teilnahmen und stimmberechtigt waren, entsandten ab April 1871 die 20 Arrondissements je vier Conseillers auf drei Jahre nach absolutem Mehrheitswahlrecht in den nun 80-köpfigen Conseil Municipal, der seit 1886 öffentlich tagte6. Daß im Conseil Municipal wie dem Conseil général de la Seine, in dem auch Vertreter der beiden Arrondissements und suburbanen Kantone SaintDenis und Sceaux vertreten waren7, in der Regel die republikanische Linke dominierte, machte sich in Initiativen und Kritik aus den Reihen vor allem des ersten Gremiums im Zuge der öffentlichen Denkmalpolitik wiederholt bemerkbar. Faktisch blieb die öffentliche Representations- und Denkmalpolitik während des Zweiten Empire eine Art Reservatrecht des Empereur. So war die Initiative zu dem 1853 errichteten Denkmal für Marschall Ney zwar ursprünglich vom Gouvernement Provisoire von 1848 ausgegangen8; noch vor dem Staatsstreich 3 4
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Vgl. WILLMS, Paris, S. 161. Napoleon III. ernannte alle 5 Jahre die 36, ab 1860 nach Aufstockung der Zahl Pariser Arrondissements von 12 auf 20 insgesamt 60 Conseil-Mitglieder. Vgl. Alfred FIERRO, Histoire et dictionnaire de Paris, Paris 1996, S. 325-326; Maurice FÉLIX, Le régime administratif et financier de la Ville de Paris et du Département de la Seine, Bd. 1, Paris o. J., S. 107-110; DERS., Le régime, Bd. 3, Paris o. J., S. 4f., 9f.; Bernard ROULEAU, Paris: Histoire d'un espace, Paris 1997, S. 358; WILLMS, Paris, S. 369. Vgl. WILLMS, Paris, S. 429. Vgl. FIERRO, Histoire, S. 331; FÉLIX, Le régime, Bd. 1, S. 142f.; DERS., Le régime, Bd. 3, S. 96-106. Vgl. FÉLIX, Le régime, Bd. 1, S. 142f. Erst 1893 fand eine Aufstockung auf 12 Vertreter für Saint-Denis und 9 fur Sceaux statt, der Conseil général de la Seine umfasste entsprechend seitdem 101, ab 1908 dann 102 Mitglieder. Vgl. undatierter Rapport au Prince Président de la République aus dem Innenministerium, AN F 2 ' 583 Dossier II: Monument du Maréchal Ney, 1850-1854, place de
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hatte Napoleon das Projekt aber aufgegriffen9 und blieb zusammen mit dem Innenminister die zentrale Instanz des Verfahrens10. Da sich der anvisierte Standort am Observatoire in städtischem Besitz befand, mußte dennoch formal der Pariser Stadtrat ersucht werden, das Terrain bereitzustellen11. Anders als in Berlin oder London wirkte sich die Zäsur von 1871 in Paris auf das Verfahren öffentlicher Denkmalerrichtungen am stärksten aus. An die Stelle des Empereur trat nun als Letztinstanz im Genehmigungsverfahren der französische Staatspräsident. Der übliche Verfahrensweg, der dann in dieser Phase von den Initiatorengruppen zu beschreiten war, zeichnete sich u.a. im Falle des Denkmals für den Revolutionär Ledru-Rollin Anfang der 1880er Jahre ab. Das Komitee beantragte demzufolge in der Regel vom Innenminister die Genehmigung des Projekts, der sich seinerseits an den Seinepräfekten wandte, um mit Angaben zur Besetzung des Komitees und zum Stand bisheriger Vorbereitungen diejenigen Informationen in Erfahrung zu bringen, die die ministerielle Entscheidungsgrundlage bilden mußten12. Der Préfet lieferte nicht nur die gewünschten Daten, sondern formulierte auch ein Votum und machte darauf aufmerksam, daß das Komitee auf das ministerielle Plazet angewiesen war, um einen Wettbewerb für das Denkmal ausschreiben zu können13. Nach Fürsprache auch des Innenministers gegenüber dem Staatspräsidenten lag das Dekret zur Bewilligung der Denkmalerrichtung schließlich vor14 und wurde vom Innenminister dem Präfekten zurückgemeldet15. Der Conseil Municipal war immer automatisch am Verfahren beteiligt, wenn Denkmalsetzungen auf städtischem Grund anvisiert waren; die präsidiale Autorisierungspflicht galt dann aber weiter16. Zum Testfall fur die Austarierung
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rObservatoire/Construction de la statue et de son piédestal [up] und Le Siècle, 9. Dezember 1853, S. 1. Rapport au Président de la République des Innenministers Barrot vom 5. März 1850, AN F 2 ' 583 Dossier II: Monument du Maréchal Ney/Construction [up], Rapport à Monsieur le Ministre Sécretaire d'État au département de l'Intérieur vom Directeur des Beaux-Arts am 27. Mai 1852, AN F21 583 Dossier II: Monument du Maréchal Ney/Construction. Ein ähnliches Verfahren lag der Errichtung des Eugène de BeauhamaisDenkmals von 1863 zugrunde, vgl. Schreiben des Innenministers Billault an Napoleon III. und Dekret des Empereur vom 16. November 1857, AN F lc I 168 [up], Vgl. Nachricht des Innenministers an den Préfet de la Seine vom 1. Oktober 1852, AN F 2 ' 583 Dossier II: Monument du Maréchal Ney/Construction. Vgl. Brief des Innenministers an den Préfet de la Seine vom März 1882, DAC Dossier Ledru-Rollin [up]. Vgl. Schreiben des Préfet de la Seine an den Innenminister vom 22. Mai 1882, AN F k I 168 Dossier: mars 1882-février 1884, érection d'une statue à Ledru-Rollin, place Voltaire [up]. Vgl. Décret du 9 juin 1882, AN F lc 1168 Dossier, ibid. Vgl. Schreiben des Innenministers an den Préfet de la Seine vom 12. Juni 1882, AN F lc I 168 Dossier, ibid. Vgl. so z.B. beim Denkmal fur den Quarantehuitard Louis Blanc; vgl. Extrait du registre des Procès-Verbaux du Conseil Municipal vom 24. Juni 1885 und Dekret des Ministre de
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Einleitung
von Kompetenzen zwischen staatlichen Entscheidungsträgern und Conseil Municipal gerieten die Planungen fur ein Voltaire-Denkmal. Im Zuge der Vorbereitungen einer Feier des hundertjährigen Todestages von Voltaire am 30. Mai 1878 war der Plan von einem Comité central du centenaire de Voltaire aufgebracht worden, das die Feierlichkeiten organisierte. Vom Conseil erbat es die Zuerkennung eines Standortes fur ein Denkmal in der Hauptstadt, das man bereits in Auftrag gegeben hatte17. Daß der Conseil sich mehrheitlich gewogen zeigte und bereits in Frage kommende Standorte erörterte18, trug ihm eine Rüge Innenministers De Marcère ein. Bemängelt wurde, daß sich der Conseil Kompetenzen weit über das ihm zustehende Maß hinaus aneigne, indem er öffentliche Denkmäler ohne Rücksprache mit der Regierung zu dekretieren versuche und über die Gestaltung eines öffentlichen Platzes entscheide. Fragen der »fêtes nationales politiques« reklamierte der Innenminister demgegenüber energisch als Reservatrecht der »autorité centrale«. Aus diesen Gründen war der Préfet de la Seine gehalten, die Beschlußvorlage des Conseil nicht passieren zu lassen und dem Denkmalvorhaben nicht stattzugeben19. Die Unterstützung des Conseil für die Denkmalinitiative war damit allerdings nur vorübergehend abgeblockt. Statt dessen unternahm er nun seinerseits Anstrengungen, in Eigenregie zu einem Voltairemonument zu gelangen20. Erst Jahre später wurde der Plan realisiert21, weil der Conseil bei allem programmatischen Bekenntnis zur Voltaire-Statue von verhandlungsbedingten Ermüdungserscheinungen nicht frei war. Wettbewerbsausschreibungen gingen, unabhängig von staatlichen oder städtischen Initiatoren, nicht selten mit festen ikonographischen Programmvorgaben einher. So waren im Wettbewerbsprogramm des Conseil général de la Seine für die Allegorie der Défense de Paris zur Erinnerung an die Belagerung von Paris 1871 neben Angaben zu Standort und exakter Höhe des Monuments22 auch bereits die programmatische Festlegung enthalten, daß ein Enl'intérieur vom 28. Oktober 1886, AN F le I 169 Dossier: 24 juin 1885-27 octobre 1886, Erection d'une statue à Louis Blanc (place Mongue). 17 Vgl. Lettre d'invitation, séance du 11 mai, in: Conseil Municipal de la Ville de Paris, Procès-Verbaux [künftig: CMPV], Année 1878, S. 332. " Vgl. Proposition, séance du 11 mai, in: ibid. S. 332. " Vgl. Lettre de M. le Ministre de l'Intérieur, séance du 11 mai, in: ibid. S. 396f. Vgl. dazu sehr viel ausfuhrlicher Kapitel V im zweiten Teil dieser Arbeit. 20 Vgl. Programmes des concours, in: Conseil Municipal de la Ville de Paris, Rapports et Documents [künftig: CMRD], Année 1879, Imp. N°90, Paris 1879, S. 13. 21 Vgl. Érection de la statue de Voltaire, Quai Malaquais, séance du 28 mars 1884, in: CMPV, Année 1884, 1er sem., S. 676-682, hier S. 681f. 22 Vgl. Préfecture du Département de la Seine. Concours pour l'érection au rond-point de Courbevoie d'un Monument allégorique de la Défense de Paris en 1870, AP VR 161 Dossier: Concours pour l'érection au rond-point de Courbevoie d'un monument. Vgl. zum Wettbewerb auch Denise LAVALLE, Le monument de La Défense et la statuaire du XIXe siècle, in: WEILL, La perspective, S. 132-154.
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semble von zwei Figuren gezeigt werden sollte. Über die Auswahl von Entwürfen entschied eine Jury aus dem Préfet de la Seine als Präsident und acht Mitgliedern, davon drei Vertreter des Conseil général, zwei Delegierte der Administration und drei von den am Wettbewerb teilnehmenden Künstlern gewählte Kandidaten23. Das Gremium war am Ende des Verfahrens zur schriftlichen Niederlegung der Gründe für seine Wahl verpflichtet24, um so das Entscheidungsverfahren transparent zu gestalten. Auf einen Preisträger legte man sich wie in zahlreichen anderen Verfahren im Rahmen eines zweistufigen Auswahlprozederes fest, indem man zunächst unter 100 eingesandten 11 Modelle zur weiteren Ausarbeitung bestimmte und nach geraumer Zeit unter diesen das Siegermodell prämierte25. Auch an der Programmplanung für die Einweihungsfeier des Denkmals 1883 war eine von den Initiatoren bereitgestellte Kommission federführend beteiligt26. 1.2. Berlin öffentliche Denkmalerrichtungen in Berlin unterstanden grundsätzlich der Kontrolle des Monarchen, der zwar nicht in jedem Falle, aber durchaus intensiv von dieser Option Gebrauch machte. Der symbolpolitische entsprach dabei durchaus dem ebenfalls rigiden administrativen Zugriff seitens der Monarchie auf die Metropole: Seit 1828 oblag die Kommunalaufsicht über Berlin einschließlich der Kontrolle des Gemeindeetats, der Kontrolle über die Veräußerung von Grundstücken sowie baupolizeilicher Befugnisse dem Regierungspräsidenten in Potsdam und die Oberaufsicht damit zugleich dem preußischen Innenministerium. Zwar wurde Berlin 1875 aus der Verwaltung der Provinz Brandenburg herausgelöst und schließlich 1880/81 als eigener Verwaltungsbezirk etabliert, aber der Oberpräsident der brandenburgischen Provinz blieb in
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Vgl. Concours pour le monument de Courbevoie, éléction de 3 Jurés pour les artistes, AP VR 161 Dossier: Concours pour l'érection au rond-point. Vgl. ibid. Vgl. Département de la Seine. Concours (...). Rapport présenté au nom du jury chargé du classement des esquisses, Paris 1879, ibid.; Concours (...) Rapport présenté au nom du Jury, Paris 1880, S. 4 ibid.; Mémoire du Conseil Général an den Préfet de la Seine vom 26. Februar 1881, AP VR 161 Dossier: Monument de la Défense, Concours. Vgl. dazu und zum Folgenden Inauguration du monument allégorique de la Défense de Paris, Réunion préparatoire tenue le 16 Juillet, AP VR 161 Dossier: Inauguration du monument de Courbevoie; Commission chargée d'organiser l'inauguration (...), ProcèsVerbal, séance du 18 Juillet 1883, ibid. Bildprogrammatische Festlegungen und ein gestuftes Wettbewerbsverfahren prägten auch das Prozedere um die Républiquefigur, die auf Initiative des Conseil 1883 eingeweiht werden konnte. Vgl. Proposition, séance du 11 avril 1878, in: CMPV, Année 1878, S. 260-265; Rapport (...) sur le programme du concours, in: CMRD, Année 1879, Imp. N° 17.
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Personalunion Oberpräsident von Berlin und hatte hier die staatliche Aufsicht über Gemeindeangelegenheiten inne27. Die institutionellen Voraussetzungen für eine eigenständige städtische Symbolpolitik waren auch in anderer Hinsicht ungünstig. Im Gefolge der Revolution verkleinerten sich nämlich die Handlungsspielräume der Stadtverordnetenversammlung28, die nach dem Dreiklassenwahlrecht abhängig von der Höhe entrichteter direkter Staats- und Gemeindesteuern gebildet wurde und vor allem von Vertretern des Handels- und Wirtschafts- wie des Bildungsbürgertums und leitenden Beamten geprägt war29: Zum einen war ihr der in der Regel von nationalliberalen und konservativen Kräften dominierte Magistrat überlegen, dessen Mitglieder wiederum von der Bestätigung durch die preußische Regierung abhingen30. Zum anderen standen ähnlich wie in Paris auch übergeordneten staatlichen Autoritäten Interventionsrechte in die hauptstädtischen Belange zu, indem etwa der Berliner Bürgermeister vom preußischen König im Amt bestätigt werden mußte. Daß die Stadt über einen großen Teil der Straßen und öffentlichen Plätze verfügte31, war unter diesen Bedingungen keine Garantie für eine selbstbewußte Symbolpolitik32. Umgekehrt lag im rigiden staatlichen Zugriff auf die kommunalen Belange Berlins nicht schon die komplette Instrumentalisierung der städtischen Organe beschlossen. Das zeigten schlaglichtartig die zahlreichen Konfliktkonstellationen, die sich zwischen den steuerungsbeflissenen staatlichen Institutionen und der durchaus eigenwilligen Stadtverordnetenversammlung ergaben. Die Entgegensetzung von Reichsspitze und Berliner Stadtregierung wurde deutlich, als der Kaiser wiederholt liberalen Oberbürgermeistern im Anschluß an ihre Wahl 27
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An die Stelle des Regierungspräsidenten trat in Berlin der Polizeipräsident, der seinerseits direkt dem preußischen Ministerium des Innern unterstand und also neben der Polizeigewalt zugleich auch die Befugnisse eines Regierungspräsidenten innehatte. Vgl. HEFFTER, Selbstverwaltung, S. 621; DIETRICH, Verfassung, S. 217. Die Stadtverordnetenversammlung tagte ab 1822 im Cöllnischen Rathaus an der Breiten Straße/Gertraudenstraße, ab 1870 im Roten Rathaus an der damaligen Königstraße; ab 1847 waren die Sitzungen öffentlich. In Berlin wählten 2% der Wahlberechtigten in der ersten, 10% in der zweiten und alle übrigen in der dritten Klasse. Vgl. Hans J. REICHHARDT, Die Entstehung der Verfassung von Berlin. Eine Dokumentation, Bd. 1, Berlin 1990, S. 6; HEFFTER, Selbstverwaltung, S. 615; Gerhard KUTZSCH, Der Staat und die Stadt Berlin, in: Der Bär von Berlin 17 (1968) S. 7-21, hier S. 17f. Vgl. HARDTWIG, Bürgertum, S. 273. Vgl. DIETRICH, Verfassung, S. 235; REICHHARDT, Entstehung, S. 9. Die Stadtverordneten wurden ihrer Kompetenz nach strikt auf den Bereich der »Gemeinde-Angelegenheiten« festgelegt, sie mußten den Magistrat für alle Beschlüsse und die Bildung von Deputationen um Zustimmung ersuchen und konnten per königlicher Verordnung als Versammlung aufgelöst werden.
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Vgl. DIETRICH, Verfassung, S. 254.
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Das seit der Verfassungsrevision 1854 bestehende preußische Herrenhaus als vom Monarchen bestimmte Versammlung und das Abgeordnetenhaus hatten keine Kompetenzen beim Denkmalerrichtungs verfahren.
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die Bestätigung im Amt versagte33. Ungeachtet derartiger Eklats und wiederholter Klagen Bismarcks über den mißliebigen »Fortschrittring« in Berlin, die Berliner Liberalen und Sozialdemokraten im Reichstag, hat sich die Kapitale zu einem zentralen Rückhalt bürgerlicher-liberale Kräfte zu entwickeln vermocht34 und ist in politischer Hinsicht durchaus als »Metropole der Opposition«35 in Erscheinung getreten36. Der zentralen Rolle des Monarchen im Entscheidungsverfahren tat in Berlin auch ein privater Entstehungskontext von Denkmälern keinen Abbrach. Bereits der Umstand, daß ein städtisches Komitee Friedrich Wilhelm IV. direkt seine Konstitutierung und sein Vorhaben mitteilte, eine Statue für König Friedrich Wilhelm III. im Tiergarten zu errichten37, ließ keinen Zweifel an der vollständigen obrigkeitlichen Kontrolle des gesamten Verfahrens. In der Tat setzten die Stifter den Monarchen eigens von der Neukonzeption des Bildprogramms in Kenntnis38 und ließen sich den bereits zugesagten Aufstellungsort39 und die Inschrift noch einmal bestätigen40. Von massiver monarchischer Dominanz zeugte einmal mehr die langwierige Genese des schließlich 1851 Unter den Linden eingeweihten Friedrich II.-Denkmals41. Als sich 1829 die kurmärkische Ständeversammlung mit der Bitte an Friedrich Wilhelm III. wandte, Friedrich dem Großen ein Denkmal errichten und hierfür Sammlungen durchführen zu dürfen42, wurde sie mit dem Hinweis auf eine bereits laufende Stiftungsinitiative des Monarchen abgewiesen43. Erst unter dem Eindruck des formellen Antrags und in dem Bestreben, sich gerade im Blick auf die Stiftung
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Vgl. SCHREIBER, Das Berlinische Rathaus, S. 91-95. Vgl. Wolfgang J. MOMMSEN, Kaisermacht und Bürgerstolz. Berlin als Hauptstadt des Kaiserreiches, in: Uwe SCHULTZ (Hg ), Die Hauptstädte der Deutschen: von der Kaiserpfalz in Aachen zum Regierungssitz Berlin, München 1993, S. 181-193, hier S. 190-192; Vgl. Hans J. REICHHARDT, Wahlen in Berlin 1809-1967. Ein Rückblick auf 160 Jahre Kommunalpolitik, Berlin 1970 (Berliner Forum, 7/70), hier S. 8-15 und SEIER, Berlin, S. 43. Michael ERBE, Berlin als Brennpunkt der Politik, in: Wolfgang RIBBE (Hg ), Geschichte Berlins Bd. 2: Von der Märzrevolution bis zur Gegenwart, München 1987, S. 755-777, hierS. 755. Vgl. GALL, Berlin als Zentrum, S. 236. Vgl. Schreiben des Komitees an den König vom 8. August 1841, GStA I. HA Rep. 89 Nr. 20914, Bd. 1, Bl. 24; Plazet des Königs am 28. August 1841 an das Komitee, ibid. Bl. 27. Vgl. Schreiben des Komitees an den König vom 15. Juli 1845, GStA PK ibid. Bl. 55f. Vgl. Schreiben des Komitees an den König vom 19. Juni 1849, ibid. Bl. 69. Vgl. Schreiben des Komitees an den König am 7. August 1849, ibid. Bl. 77. Zur langen Vorgeschichte des Monuments vgl. Jutta VON SlMSON, Geschichte des Denkmals. Die plastischen Entwürfe, in: DIES., Das Berliner Denkmal für Friedrich den Großen. Die Entwürfe als Spiegelung des preußischen Selbstverständnisses, Berlin 1976, S. 7-26. Vgl. Abschrift der Immediatvorstellung der Deputation des Provincial-Landtages der Mark Brandenburg und des Markgrafthums Niederlausitz vom 24. Januar 1829, GStA PK I. HA Rep. 93 Β Nr. 2355, Bl. 3. Vgl. Zum Landtagsbescheid für die Brandenburgischen Stände, ibid. Bl. 17.
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Einleitung
öffentlicher Monarchendenkmäler nicht des dynastischen Handlungsmonopols zu begeben, intensivierte der König sein Engagement. Er ließ eine Sachverständigenkommission bilden, deren Modellentwürfen er freilich ebensooft widersprach, wie dies zuvor bereits gegenüber einzelnen Künstlern geschehen war. Sein Beharren auf eigenen Formmodellen, seine permanente Kritik und vielfachen Änderungswünsche an vorgelegten Entwürfen trugen erheblich zur Langwierigkeit des Verfahrens bei. Erst um 1839 sorgte sein Plazet zur Denkmalform der Reiterstatue für eine Beschleunigung, die nach seinem Tod 1840 und nach der Weiterführung des Projekts unter Friedrich Wilhelm IV. anhielt. Das gesamte Denkmalunterfangen unterlag der monarchischen Direktive und blieb organisatorisch immer ein staatliches Projekt44. Über die Zäsur von 1871 hinaus blieb die monarchische Dominanz in den Denkmalerrichtungsverfahren ungebrochen. Dies galt zunächst für alle Monarchendenkmäler. So ging die Initiative zur Errichtung eines Denkmals für Friedrich Wilhelm ΙΠ. zunächst von Friedrich Wilhelm IV. aus und griff 1858 der Prinzregent und spätere Kaiser Wilhelm I. den Plan wieder auf45. Auf seine Anregung hin trat eine Beratungskommission zusammen, der u.a. der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten von BethmannHollweg und der »Historiograph des Deutschen Staates« Leopold von Ranke angehörten46. Der Monarch genehmigte die Personal-47 und Standortvorschläge48 und entschied 1861 über das auszuführende Modell49, das er mit Modifikationen bewilligt hatte50. Per Erlaß wurde die Grundsteinlegung auf den 17. März 1863 gelegt, an dem sich Friedrich Wilhelms III. »Aufruf an mein 44
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Vgl. unter zahlreichen Quellen hier nur Kurt MERCKLE, Das Denkmal König Friedrichs des Großen in Berlin. Aktenmäßige Geschichte und Beschreibung des Monuments, Berlin 1891; Andreas SOMMER, Gedenkbuch, enthaltend: die Geschichte und Beschreibimg des Friedrich-Denkmals in Berlin, so wie die Darstellung der Grundsteinlegung am 1. Juni 1840 und der Enthüllung desselben am 31. Mai 1851, Berlin 1852; August KOPISCH, Beschreibung und Erklärung des Denkmales Friedrichs des Zweiten in Berlin, Berlin 1851; [An.,] Die Friedrichsfeier in Berlin am 31. Mai 1851. Ein Gedenkbuch für alle Preußen, Berlin 1851, S. 27-38; F. KOHLHEIM, Das Denkmal Friedrichs des Großen in Berlin. Beschrieben und mit Gedichten aus älterer und neuerer Zeit versehen, Berlin 1851, S. 2-12; Berlinische Nachrichten, 31. Mai 1851, S. 1-3. Vgl. Fürst Hohenzollern-Sigmaringen und Bethmann-Hollweg an den Prinzregenten am 17. Januar 1859, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20916, Bl. 16-17. In diesem Stadium war noch an die Verbindung mit einem Denkmal fur den preußischen Reformer Freiherrn vom Stein gedacht. Vgl. ibid. Bl. 17; Memorandum vom 23. April 1863, GStA PK ibid. Bl. 120-123, hier Bl. 120. Vgl. der Regent an von Hohenzollern-Sigmaringen, 26. Januar 1859, ibid. Bl. 18. Vgl. Mitteilung des Prinzregenten an dens., 18. Februar 1860, GStA PK I. HA Rep. 151 I C Nr. 8321, Bl. 9. Vgl. Wilhelm I. an dens. am 29. April 1861, GStA PK Rep. 89 Nr. 20916, Bl. 14. Vgl. Wilhelm I. an Staatsminister von Auerswald, 8. Februar 1862, GStA PK I. HA Rep. 151 I C Nr. 8321, Bl. 10.
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Volk« zum fünfzigsten Mal jährte, und der konservative Minister der geistlichen Angelegenheiten Heinrich von Mühler beauftragt, das Zeremoniell zusammen mit dem preußischen Ministerpräsidenten vorzubereiten51. Ebenso unterlag das Einweihungsfest ganz den Anweisungen Wilhelms I.52. Zu den wohl rigidesten Fällen monarchischer Intervention gehörte aber die Einmischung Wilhelms II. in ein von Reichstagsmitgliedern auf den Weg gebrachtes Projekt zugunsten eines Monuments für Wilhelm I., das später 1897 auf der Schloßfreiheit eingeweiht werden sollte. Über Standorte53 und Wettbewerbsverfahren54 hatte man sich längst verständigt55 und die 148 eingereichten Entwürfe waren längst öffentlich ausgestellt56, als der Kaiser den Wettbewerb präjudizierte, indem er am Votum der Jury vorbei den Entwurf des Bildhauers Begas demonstrativ belobigte und die Schloßfreiheit offen als Standort favorisierte57, obgleich das Preisgericht sich mit seinen Prämierungen auf ein für den Königsplatz vorgesehenes architektonisches Projekt festgelegt hatte58. Auch deutliches Befremden in der Presse59 konnte die Monopolisierung des Entscheidungsablaufs durch Wilhelm II. nicht verhindern60. Mit der mehrheitlich
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Vgl. von Mühler an Finanzminister von Bodelschwingh, 19. Februar 1863, GStA PK I. HA Rep. 1511 C Nr. 8321, Bl. 40. Gedacht war zunächst an den 3. August 1870 als 500. Jubiläum des Geburtstags Friedrichs. Vgl. Wilhlem I. an von Mühler vom 20. Mai 1869, GStA PK, ibid. Bl. 95. Unter dem Eindruck des Krieges fand die Einweihung - freilich emeut nach monarchischer Regieanweisung - erst 1871 statt. Vgl. Sitzung des Reichstags am 11. Dezember 1888, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages [SBVRT], VII. Legislaturperiode, IV. Session 1888/89, Bd. 1, Berlin 1889, S. 233-234, hier S. 233; Sitzung des Reichstages vom 14. Dezember 1888, in: Ibid. S. 302. Vgl. Bedingungen der Preisbewerbung, ibid. S. 4f.; von Boetticher an den Präsidenten des Reichstages von Levetzow am 30. Januar 1889, ibid. N° 90 [up]. Vgl. Sitzung des Reichstags am 30. März 1889, in: SBVRT, 7. Legislaturperiode, 4. Session 1888/89, S. 1155. Vgl. Bericht des Direktors des Reichsamts des Inneren an von Lucanus am 4. September 1889, GStA PK, I. HA Rep. 89 Nr. 20933, Bl. 47. Vgl. v.a. Vossische Zeitung, 14. Oktober 1889, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1627, Bl. 60 und 61. Vgl. Deutscher Reichsanzeiger, 4. Oktober 1889, LAB ibid. BL. 57. Zum Wettbwerb vgl. H. BLANKENSTEIN, Über die Ergebnisse der Wettbewerbung zum National-Denkmal für Kaiser Wilhelm. Vortrag gehalten im Architektenverein zu Berlin am 14. Oktober 1889, Berlin 1889; HOSSFELD, Die Preisbewerbung um das National-Denkmal für Kaiser Wilhelm I. in Berlin, Berlin 1889; Georg Voss, Die Entscheidung über die Entwürfe zum Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm. Dem Deutschen Reichstage als Denkschrift überreicht, Berlin 2 1889; BECHDOLT, Zur Kaiser-Denkmalfrage in Berlin, o. O. o. J. [gedruckt in: GStA PK I. HA Rep. 77 Tit. 151 Nr. 106 Adh. 1], Vgl. Berliner Tageblatt, 14. Februar 1890, LAB ibid. Bl. 85. Vgl. Drucksache des Bundesraths N° 61, Session von 1890. Antrag, in: Drucksachen zu den Verhandlungen des Bunderaths des Deutschen Reichs, Jahrgang 1890, Bd. 1, Berlin 1890, S. 2-6, hier S. 3 und Reichstag. Aktenstück Nr. 54 (Nationaldenkmal für Kaiser
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Einleitung
erteilten Zustimmung zur Kompetenzübertragung an Wilhelm II. begab sich der Reichstag schließlich definitiv jeder gestalterischen Rolle. Standortwahl, Wettbewerbsverfahren und schließlich die Auswahl des Entwurfs blieben ganz dem Monarchen überlassen61. Darüber hinaus verteidigten die preußischen Regenten wiederholt ihr monarchisches Darstellungs- und Deutungsmonopol für Monarchendenkmäler gegenüber bürgerlichen Organisatorengruppen. So wurde der Plan einer Gruppe von Stadtverordneten, ein Friedrich III.-Monument auf städtische Kosten zu errichten62, sofort vom Monarchen kassiert63. Ebenso machte Wilhelm I. gegenüber bürgerlichen Vereinen, die eine Denkmalehrung für die preußische Königin Luise planten64, geltend, daß »die Institution zu einem öffentlichen Denkmal, welches in der Hauptstadt des Landes einem Mitgliede der Königlichen Familie gewidmet werden soll, nur allein von der Allerhöchsten Person ausgehen« dürfe65. Daß der symbolische Gestaltungswille sich unterdessen durchaus auch auf anderes, bevorzugt militärisches Personal erstreckte, dokumentierte etwa die 1880 von Wilhelm I. abgeschlossene Initiative zur Errichtung einer Statue fur Generalfeldmarschall Friedrich von Wrangel66. Um ihr Handlungsmonopol zu wahren, schalteten sich die Monarchen auch in bereits laufende Verfahren ein. Als man Friedrich Wilhelm IV. um Genehmigung der Statue für den preußischen Reformer Freiherr vom Stein ersuchte, konnte er sich eine Denkmalerrichtung nicht anders als auf Staatskosten vorstellen67. Die vom Zentralverein zur Errichtung des Stein-Denkmals bereits
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Wilhelm I.), in: SBVRT, 8. Legislaturperiode, 1. Session 1890/91, 1. Anlageband, Berlin 1890, S. 543-545. Vgl. Bericht von Boettichers an den Kaiser, 2. Juli 1890, GStA PK ibid. Bl. 60-65, hier Bl. 60, 63 und 65. Vgl. Auszug aus dem SBSV am 27. September 1888, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1627, Bl. 7-8 und Forckenbeck am 8. Mai 1889 an den Kaiser, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20939, Bl. 3. Vgl. Wilhelm II. an den Magistrat von Berlin, 26. Mai 1890, GStA PK ibid. Bl. 6. Vgl. Statuten des Vereins, 26. November 1875, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20903, Bl. 123. Schreiben Wilhelms I. an den Minister der geistlichen Angelegenheiten, November 1875, GStA PK ibid. Bl. 117. Schließlich lag im März 1876 aber doch seine ausdrückliche Bewilligung des Denkmals vor. Vgl. Wilhelm I. an Finanzminister Camphausen, 16. März 1878, GStA PK ibid. Bl. 147. Vgl. ähnlich auch die Involvierung Wilhelms II. 1895 in die Denkmalinitiaitive zugunsten der Kaiserin Augusta; dazu z.B. der Brief von Lucanus an den Vorsitzenden des Denkmalkomitees Stryck vom 13. Oktober 1895, LAB A Rep. 00002-01 Nr. 2381 [up], Vgl. Abschrift der Kabinettsordre vom 15. August 1876, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20836, Bl. 28; Schreiben Wilhelms I. an den Finanz- und den Kultusminister, 23. Januar 1878, GStA PK ibid. Bl. 30 und Anordnung Wilhelms I. vom 19. Mai 1880, GStA PK ibid. Bl. 61. Vgl. Prinz von Preußen an den Ministerpräsidenten, 18. August 1858, GStA PK I. HA Rep. 151 I C Nr. 8321, Bl. 2. Vgl. zur Initiative ausfuhrlicher Teil 2, Kapitel IV.2.2.
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gesammelten Gelder war er durchaus zu nutzen bereit, untersagte aber die Ausschreibung einer öffentlichen Konkurrenz68. Als der Zentralverein einen Subskriptionsaufruf lancierte69, kam ihm der Monarch zuvor, indem er nun seinerseits die Stein-Statue in Auftrag gab70. Zum Beharren auf monarchischen Kompetenzen zählte weiterhin, daß Wilhelm I. das Denkmalareal in der Nähe des monarchischen Repräsentationszentrums um das Schloß und am Ostende der Linden zunächst nur äußerst unwillig auch für nicht-dynastische Denkmalprojekte öffnete. Eine Anfrage des Komitees zur Errichtung der beiden Humboldt-Denkmäler vor der Universität71 wies der Monarch zunächst mit der Begründung zurück, man wolle die Stadtmitte und vor allem das unmittelbare Umfeld des Friedrich II.-Denkmals unter den Linden von weiteren Symbolfiguren freihalten72. Eine kaiserliche Genehmigung73 folgte später überhaupt nur einschließlich neuerlicher Detailanweisungen, wonach die neuen Figuren denjenigen der Generalstandbilder vor der Neuen Wache deutlich untergeordnet bleiben sollten74. Während die Anfänge der Initiative noch im engen intentionalen Zusammenhang mit einer Welle der Humboldtverehrung standen, die sich seit den 1860er Jahren im Kontext der Neuen Ära in der Bildung von Humboldtvereinen als den Institutionen popularisierter Wissenschaftsvermittlung Bahn brach75, unterlag das Projekt so im autoritären Kaiserreich dem monarchischen Zugriff76. 68
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Vgl. Wilhelm an Fürst zu Hohenzollern-Sigmaringen, 18. Februar 1860, GStA PK I. H A Rep. 151 I C Nr. 8321, Bl. 9. Vgl. Subskriptionsaufruf des Centrai-Vereins zur Errichtung eines Denkmals für den Minister Freiherrn vom Stein, 12. März 1860, BLHA Rep. 2A I Ρ Nr. 719 [up], Vgl. Erlaß des Königs vom 8. Februar 1862, GStA PK I. HA Rep. 151 I C Nr. 8321, Bl. 10. Vgl. auch das Schreiben des Centrai-Vereins an von Mühler, 28. März 1862, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20916, Bl. 63-64. Bis das Stein-Denkmal fertiggestellt war, hatte man den ursprünglichen Plan einer Statuengruppe im Lustgarten um das Denkmal Friedrich Wilhelms III., zu der auch die Stein-Statue zählen sollte, bereits wieder aufgegeben, so daß nun die Einzelaufstellung auf dem Dönhoffplatz anvisiert werden konnte. Vgl. National-Zeitung, 26. Oktober 1875 (M ), S. 2.
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Vgl. Emil DU BOIS-REYMOND, Die Humboldt-Denkmäler vor der Berliner Universität. Zur Feier des Geburtstages Friedrich Wilhelm's III. in der Aula der Königlichen FriedrichWilhelms-Universität zu Berlin am 3. August 1883 gehaltene Rede, in: DERS., Friedrich II. in englischen Urtheilen. Darwin und Kopernikus. Die Humboldt-Denkmäler vor der Berliner Universität. Drei Reden, Leipzig 1884, S. 59-120, hier S. 61.
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Vgl. Wilhelm I. an das Komitee, 27. August 1869, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20835, Bl. 196. Vgl. Erklärung Wilhelms I. vom 10. April 1875, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20836, Bl. 10. Vgl. Falk an den König, 25. November 1878, GStA PK ibid. Bl. 41. Vgl. Andreas W . DAUM, Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848-1914, München 1998, S. 138-167. Für die Programmatik des Denkmals sollte dieser Umstand erkennbare Folgen haben, indem die »liberale« Aneigung Humboldts durch die Initiatoren bis zum Zeitpunkt der Inau-
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Generell mußte der Monarch auch dann um Zustimmung ersucht werden, wenn das als Standort anvisierte Terrain in anderweitigem Besitz war. So mußte das Komitee zur Errichtung des Jahn-Denkmals nicht nur bereits für die Standortwahl in der Hasenheide die Zustimmimg des staatlichen Unterrichtsministeriums einholen, dem das Terrain hälftig gehörte77, sondern auch den monarchischen Konsens erbitten, der knapp ein halbes Jahr später unter dem Vorbehalt erteilt wurde, daß eine gesicherte Kostendeckung nachgewiesen würde78. Gelegentlich setzte der Monarch seine Entscheidungsvollmacht zur Obstruktion unerwünschter Projekte ein. Obwohl das Komitee, das den Linksliberalen Hermann Schulze-Delitzsch zu ehren gedachte und sich um eine Plazierung seiner Statue auf dem Alexanderplatz bewarb79, obrigkeitliche Kritik zu umgehen versuchte, indem es unterstrich, nur die »volkswirtschaftliche«, nicht aber die »politische« Rolle Schulze-Delitzschs erinnern zu wollen, genehmigte Wilhelm II. das Projekt zunächst nicht. Er ließ aber Konzessionsbereitschaft erkennen, sobald man sich seitens des Komitees zur Auswahl eines deutlich »bescheideneren Platz[es]« bereitfinden würde80. Wiederholte, aber gleichwohl devote Vorstöße des Komitees, die mit immer unscheinbareren Standortvorschlägen81 verbunden waren, mochten Wilhelm II. von der sekundären Qualität des inzwischen vorgeschlagenen Ortes überzeugt haben. Jedenfalls folgte nun nach zustimmenden Voten auch des Magistrats und des Polizeipräsidiums82 vergleichsweise prompt die Standortgenehmigung für einen Platz im Stadtteil Köpenick83. Daß die städtischen Behörden einschließlich des Magistrats das Denkmalprojekt über alle Phasen der Standortsuche unterstützten, während sich der Kaiser erst spät zur Billigung das Plans bereitfand, zeugte zugleich von der politischen Distanz der städtischen Entscheider zum Monarchen.
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guration 1883 nur noch abgeschwächt vertreten werden konnte; vgl. dazu Teil 2, Kapitel VI.2. Vgl. Carl EULER, Das Jahndenkmal in der Hasenhaide in Berlin. Eine ausfuhrliche Darstellung seiner Geschichte und Beschreibung der bei seiner Enthüllung am 10. und 11. August 1872 veranstalteten Feierlichkeiten, Beilage zur Deutschen Tumerzeitung 1873-1874, Leipzig 1874, S. 7. Vgl. die Antwort des Königs vom 18. April 1869, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20835, Bl. 182 und 184. Vgl. Innenminister Herrfurth an den Kaiser, 23. November 1891, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20837, Bl. 7; Schreiben des (freisinnigen) Bürgermeisters Forckenbeck und weiterer Komiteemitglieder an den Polizeipräsidenten vom 10. September 1891, GStA PK I. HA 93 Β Nr. 2365, Bl. 57. Vgl. Bericht an den Innenminister von 1891, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20837, Bl. 16. Vgl. Gesuch des Komitees an den Kaiser am 4. Dezember 1895, GStA PK ibid. Bl. 106. Vgl. Bescheid des Magistrats vom 19. März 1895, GStA PK I. HA Rep. 93 Β Nr. 2365, Bl. 104. Vgl. Anweisung vom 9. Dezember 1895, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20837, Bl. 108.
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Massive Obstruktion von monarchischer und ministerieller Seite prägte schließlich die Vorgänge um das verhinderte Denkmal für die Märzgefallenen. Im März 1895 veröffentlichte der Freisinnige Arbeiterverein Berlins (später Freisinniger Volksverein) eine die alten Pläne von 1848 wiederaufgreifende Resolution, derzufolge die »Kämpfer« von 1848 ein Denkmal erhalten sollten und forderte alle »Bürger« zur Subskription auf84. Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg Heinrich von Achenbach äußerte gegenüber dem preußischen Innenminister von der Recke massive Bedenken gegen eine Beteiligung des Magistrats85. Unterdessen votierten die Stadtverordneten jetzt für die Errichtung eines »Eingangsportals« oder eines Gedenksteins auf dem Friedhof als Monument-Ersatz86. Dennoch lehnte der Magistrat im Januar 1898 nach massiver Einflußnahme des Ministerrats auf Oberbürgermeister Zelle87, die Vorlage der Stadtverordneten ab88, deren Protest89 folgenlos verhallte. Als sie Klage gegen den Magistrat beim Oberverwaltungsgericht erhoben90, erhielt der Magistrat Recht91. Auch ein erneuter Vorstoß des Komitees der Märzgefallenen scheiterte92, so daß keines der Projekte zum Gedächtnis an die Revolutionsereignisse von 1848 zustandekam. Anders als in Paris, wo der Widerstand gegen das Denkmalprojekt für die Kommunardenopfer gebrochen werden konnte, setzte sich in Berlin die reaktionäre Obstruktion durch93. Konflikte zwischen Kaiser und Stadverordnetenversammlung traten am Ende im Zusammenhang mit dem Rudolf Virchow-Monument auf, das 1910 eingeweiht werden konnte. Aus ihrer relativ hohen finanziellen Beteiligung am Projekt leitete die Stadtverordnetenversammlung ein Mitspracherecht bei der Konzeptionierung des Monuments ab und legte Wert darauf, daß Virchow nicht nur als Pathologe und Anthropologe, sondern auch als »Kommu-
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Vgl. Heinz KRIEGER, Die Kämpfe um ein Märzdenkmal (1848-1898). Ein Beitrag zur Kulturgeschichte. Im Auftrag des Denkmal-Comités von 1896, Berlin 1899, S. 16. Vgl. Schreiben des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg an den Innenminister, 10. November 1897, GStA PK I. HA Rep. 77 Tit. 151 Nr. 109, Bl. 7. Vgl. SBSV am 29. Dezember 1897, LAB A Rep. 001-02 Nr. 269, Bl. 84-87, hier Bl. 87. Vgl. Geheime Abschrift des SitzungsprotokoUs des königlichen Staatsministeriums, 18. Dezember 1897, GStA PK I. HA Rep. 77 Tit. 151 Nr. 109, Bl. 27; Geheime Abschrift des Sitzungsprotokolls des Königlichen Staatsministeriums vom 30. Dezember 1897, GStA PK ibid. Bl. 40. Vgl. Vorlage Nr. 5 vom 25. Dezember 1898, LAB A Rep. 001-02 Nr. 269, Bl. 92.
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Vgl. S B S V a m 3. F e b r u a r 1898, L A B A Rep. 0 0 1 - 0 2 N r . 269, Bl. 1 1 2 - 1 1 3 .
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Vgl. Abschrift. Klage der Stadtverordnetenversammlung, GStA PK Rep. 77 ibid. Bl. 87-
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Vgl. KRIEGER, Kämpfe, S. 39. Schreiben des Schriftführers des Märzgefallenenkomitees Krieger an die Stadtverordnetenversammlung, 4. Februar 1900, LAB A Rep. 001-02 Nr. 269, Bl. 234. Ausführlich zum Vergleich der beiden Projekte, der noch einmal Verfahrensfragen berücksichtigt, Kapitel 1.1.1.1., 1.2 und 1.4 im zweiten Teil.
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nalpolitiker und Politiker« erkennbar sein müsse94. In der Tat war sie auch im Preisgericht vertreten, das über die im Rahmen eines Wettbewerbs eingereichten Entwürfe zu entscheiden hatte95. Der ausgewählte Entwurf96 zog aus ästhetischen Gründen massive Kritik bürgerlicher Vereine, der medizinischen Gesellschaft97 und des Vereins für innere Medizin98 auf sich, konnte aber durch Korrekturen des Künstlers aufgefangen werden99, bis sich der Kaiser entschloß, die Genehmigung für die Denkmalerrichtung im April 1908 zu verweigern100. Auf einer Photographie machte Wilhelm II. akribisch mit Rotstift kenntlich, welche Stellen am Denkmal er korrigiert zu sehen wünschte101 und erteilte sein Plazet erst102, nachdem seine Beanstandungen berücksichtigt worden waren. Nicht nur die linke Münchner Post interpretierte den Vorfall als eminent politischen Akt und gezielte Obstruktion des Monarchen gegen ein öffentliches Denkmal fur einen »Freisinnigen«103. Freilich gehörte das Blatt damit zu den wenigen Organen, die die Instrumentalisierung des ästhetischen Arguments durch den Monarchen ausdrücklich nahelegten. Dominante Initiativen, gelegentliche Interventionen und sporadische Obstruktion ließen die preußischen Monarchen damit als zentrale Entscheider im Verfahren öffentlicher Denkmalerrichtungen in Berlin erscheinen, ohne daß selbst mißliebige Symbolsetzungen immer verhindert worden wären104.
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Vgl. Auszug aus dem SBSV vom 7. September 1905, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1636, BI. 55. Vgl. Gemeindeblatt vom 17. Dezember 1905, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1636, Bl. 57. Vgl. Gemeindeblatt, 13. Mai 1906, LAB ibid. Bl. 62. Zur medizinischen Gesellschaft vgl. Constantin GOSCHLER, Wissenschaftliche »Vereinsmenschen«. Wissenschaftliche Vereine in Berlin im Spannungsfeld von Wissenschaft und Öffentlichkeit, 1870-1900, in: DERS. (Hg ), Wissenschaft und Öffentlichkeit in Berlin, 1 8 7 0 - 1 9 3 0 , Stuttgart 2 0 0 0 , S . 3 1 - 6 3 .
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Vgl. stellvertretend für sie das ablehnende Gutachten eines Dr. D. Sarason, Zur Frage des Virchow-Denkmals, aus: Berliner Aerzte-Correspondenz 22 (1906), GStA PK I. HA Rep. 93 Β Nr. 2366, Bl. 90. Vgl. Frankfurter Zeitung, 14. April 1908, GStA PK ibid. Bl. 68; Kunstchronik 18 (1906/07) Sp. 392. Vgl. Vossische Zeitung, 14. April 1908, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1636, Bl. 25. Mitteilung an den Minister für öffentliche Arbeiten Breitenbach und Innenminister Moltke, 17. März 1908, GStA PK I. HA Rep. 93 Β Nr. 2366, Bl. 61. Vgl. der Vorsitzende des Virchow-Komitees an Innenminister von Moltke, 20. Januar 1909, GStA PK Rep. 77 Tit. 151 Nr. 15 Fasz. 51, Bl. 6. Vgl. Münchner Post, 16. April 1908, GStA PK Rep. 93 Β Nr. 2366, B l . 79. Vgl. dazu auch [An.,] Die Krone und die Reichshauptstadt. Allgemeinpolitische Betrachtungen und Erörterungen der Konflikte zwischen der Krone und der Stadt Berlin. Von einem Berliner, Berlin 1902; Paul SEIDEL, Der Kaiser und die Kunst, Berlin 1907.
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1.3. London Die Zuständigkeit lokaler oder staatlicher Gremien im Rahmen öffentlicher Denkmalpolitik ergab sich auch in London zunächst aus dem Grundstücksbesitz, der wiederum die komplexe, inkohärente Verwaltungsstruktur des metropolitanen Terrains widerspiegelte. Bodenrechte in Kronbesitz involvierten automatisch Her Majesty's Office of Works, städtische Aufstellungsorte konnten eine Zuständigkeit des 1855 gegründeten und bis zum Ende seines Bestehens etwa 25% des städtischen Bodens kontrollierenden105 Metropolitan Board of Works [MBW] und ab 1888 seines Nachfolgers, des London County Council [LCC], nach sich ziehen. Vor wie nach diesem Zeitpunkt waren aber auch die parallel weiter existierenden Parishes oder Vestries weisungsbefugt, darunter auch die City of London Corporation als historisch älteste und profilierteste administrative Einheit. In der überwiegenden Zahl der Fälle bedurften Denkmalerrichtungen in London der Zustimmung und Kontrolle durch das Office of Works, das seit dem frühen 19. Jahrhundert und mit nach der Jahrhundertmitte ausgedehnter Reichweite für den Bau und Erhalt öffentlicher Gebäude zuständig war, sofern sie entweder aus dem königlichen Haushalt oder aus parlamentarischen Geldern finanziert worden waren, daneben fur die Restauration königlicher Paläste und den Erhalt öffentlicher Plätze, Parks und Straßen106. Seit 1851 präsidierte dem Office ein königlich ernannter und im Kabinett vertretener First Commissioner of Works and Public Buildings107, dem der personelle Zuschnitt des Office auch hinsichtlich öffentlicher Denkmalbauten innerhalb des städtischen Kerngebiets (»within the metropolis«) eine zentrale Entscheidungsposition verlieh. Mit öffentlichen Denkmalerrichtungen auf städtischem Grund außerhalb des Metropolitan District war hingegen nach dem Office of Works am häufigsten der seit 1855 bestehende MBW befaßt, der sonst vor allem Aufsichts- und Koordinationsfunktionen hatte108. Fragen der Denkmalerrichtung kamen in den Plenumsversammlungen des MBW (Full Board) lediglich an untergeordneter Stelle zur Sprache und wurden selten von hier aus an Subkomittees zur Weiterbehandlung verwiesen109. Nach 1888 gingen alle Kompetenzen und Ver105 106
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Vgl. BRIGGS, Victorian Cities, S. 323. Vgl. PRO 116/1/2 Office of Works 1660 to 1832, in: Public Record Office [PRO] Guide, London 1997 [up]. Das Office of Works fusionierte 1832 vorübergehend mit dem Office of Woods, Forests and Land Revenues unter der Leitung von 3 Commissioners of Woods, Forests, Land Revenues, Works and Buildings, von denen einer zugleich Mitglied des House of Commons war. Vgl. PRO 116/1/4 Office of Works 1851 to 1940, in: PRO Guide [up], Vgl. MBW Index, London Metropolitan Archive [LMA, up]. Der MBW bestand aus 45, jedes Jahr zu einem Drittel durch indirekte Wahl bestimmten Mitgliedern. Vgl. DAVIS, Reforming London, S. 10-20. 3 der Mitglieder des MBW wurden dabei vom Mayor und der Corporation of the City of London bestellt, die übrigen von
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pflichtungen des Boards einschließlich seiner Zuständigkeit fur die Genehmigung öffentlicher Denkmalerrichtungen an den lange von einer progressiven Allianz aus Liberalen und Labour bestimmten LCC über, dessen 188 Mitglieder jetzt in Direktwahl durch die qua Mindeststeuersatz wahlberechtigte männliche Bevölkerung bestimmt wurden110. Einen erkennbaren Politisierungsschub hat dies allerdings im Blick auf die Denkmalsetzungen nicht gezeitigt. Daß städtische Aufstellungsorte für Denkmäler dennoch außerhalb der Zuständigkeit des MBW wie des LCC liegen konnten, resultierte aus dem Umstand, daß der parochiale Föderalismus111 und also die Weiterexistenz einer verwirrenden Vielzahl von »vestries«, »district boards« und anderer lokaler Institutionen einschließlich bestehender Sonderrechte an Bodenbesitz bestehen blieb. Denkmalpolitisch wirkte sich dies am ehesten so aus, daß zusätzlich zu den genannten Gremien auch die City und ihre Corporation als bodenbesitzende Autoritäten auftraten112. Auf Anregung des Office of Works und des MBW113 verfugte 1854 ein Gesetz, daß alle dort aufgelisteten »public statues« dem Office of Works unterstellt würden, sofern sie sich auf Straßen und Plätzen im bereits 1830 definierten »Metropolitan Police District« befanden114. Die Commissioners wurden darüber hinaus beauftragt, weitere öffentliche Denkmalerrichtungen innerhalb des Terrains zu kontrollieren und gegebenenfalls Restaurierungsarbeiten vornehmen zu lassen115. Für alle nicht im Gesetz erwähnten Denkmäler galt, daß ihre Initiatoren oder Besitzer deren Transfer in die Obhut der Commissioners schriftlich beantragen konnten116. Das Office of Works blieb dabei seinerden 39, später 41 Vestry und District Boards, darunter der Corporation of the City of London, in indirekter Wahl bestimmt. Metropolitan Board of Works, Index, LMA, und Francis SHEPPARD, The crisis of London's Government, in: David OWEN, The Government of Victorian London 1855-1889. The Metropolitan Board of Works, the Vestries and the City Corporation, hg. v. Roy MACLEOD, Cambridge, Mass. und London 1982, S. 23-46, hier S. 37; Stephen INWOOD, A history of London, Basingstoke und Oxford 2000, S. 432443. 110
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Vgl. BRIGGS, Victorian Cities, S. 325 und 331; DAVIS, Reforming, S. 20f.; LMA Information Leaflet n° 21 Electoral registers at LMA, S. 3. Vgl. P. J. WALLER, Town, city, and nation. England 1850-1914, Oxford 1983, 21991, S. 62f. Vgl. CLRO Information Sheet 8, The Court of Common Council und CLRO Information Sheet 17, Sources on Lord Mayors of London. Vgl. John GARDINER, London and Edinburgh. Public Statues, November 1853, PRO Work 20/233 [up],
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Vgl. Anno decimo séptimo & decimo octavo [17° & 18o] Victoriae Reginae Chapter 33. An act to place Public Statues within the Metropolitan Police District under the Control of the Commissioners of Her Majesty's Works and Public Buildings, 10. Juli 1954, PRO Work 20/56 [up], und die Definition des »Metropolitan Police District« in 10 George IV. c. 44, PRO Work 20/223 [up], Vgl. 17 & 18 Vic. c. 33. Vgl. ibid.
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seits an das Votum des Finanzministeriums (Treasury) gebunden, dessen Plazet zu Denkmalerrichtungen oder -transfers schriftlich vorliegen mußte117 Faktisch galt damit also auch eine Art nachholende Vetoposition des Office of Works fiir diejenigen Denkmäler, die noch ohne seine Mitsprache zustandegekommen waren. Nicht anders als in Paris und Berlin spielten sich für das Verfahren der Denkmalplazierungen gängige Muster ein. In der Regel gehörte es bereits zu den Planungen der Denkmalkomitees, einen Modellentwurf, einen ausfuhrenden Künstler sowie einen Standort zu wählen und diese Vorschläge den zuständigen Gremien, meist dem Office of Works, zur Genehmigung zu unterbreiten. Daß die Kooperation mit dem Office Reglementierungen nach sich zog, wurde u.a. im Zusammenhang mit dem Denkmal für den Militärarzt McGrigor deutlich, als das Office dem Wunsch des Komitees nach einer prominenten Plazierung der Statue auf dem Trafalgar Square118 nicht entsprach119 und statt dessen mehrere Alternativorte ins Gespräch brachte120, bis sich das Komitee den Vorgaben am Ende beugte. Generell selten blieben dabei Initiativen, die in administrativer Hinsicht unterhalb der City-Ebene zustandekamen, wie dies etwa für das aus den Reihen des Boroughs von St. Paneras heraus betriebenen Denkmal zugunsten des Mitbegründers der Anti Corn Law-League Richard Cobden galt121. Abweichungen von der Verfahrensnorm traten am ehesten in Verbindung mit Monumenten fiir besonders renommiertes Personal auf. Einen ungewöhnlichen Verlauf nahm das langwierige Verfahren zur Errichtung des NelsonDenkmals auf dem Trafalgar Square. Das im Rahmen eines öffentlichen Wett117
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Vgl. ibid. Bis zu diesem Zeitpunkt unterstanden dem Kontrollgesetz außer mehreren Monarchendenkmälern nur eine Statue für George Canning auf Parliament Square, die NelsonSäule auf Trafalgar Square, die Wellington Statuen an Hyde Park Corner und am Tower Green sowie ein Denkmal für den Duke of Kent am Portland Place. In den folgenden Jahren wurde der überwiegende Teil der öffentlichen Denkmäler nicht nur dem Gesetz gemäß mit dem Office of Works abgestimmt, sondern ihm nach der Errichtung auch übertragen. Vgl. u. a. Public Statues, & c. (London). Return to an order of the Honourable The House of Commons of the Public Statues or Public Monuments in London belonging to the Nation, in: HoC PP Session 1862, Paper N° 366, Bd. 30, S. 593; Public Statues. Return (...) of the Public Statues and Public Monuments in London, in: HoC PP Session 1867-8, Paper N° 480, Bd. 55, S. 357; Statues in charge of the Commissioners of Works under Act 17 and 18 Vic. c. 33 vom September 1911, PRO Work 20/21 [up], Vgl. Schreiben des Komitees an das Office of Works am 25. Januar 1861, PRO Work 20/29. Vgl. John Wyatt vom Komitee an Alfred Austin am 30. Januar 1861, PRO ibid. Vgl. Austin an Wyatt am 11. März 1861, PRO ibid. Vgl. The Daily Telegraph, 29. Juni 1868, S. 8. Sofern jeder Hinweis auf eine spezifische Bindung Cobdens an den Borough fehlt, wird in den Initiatoren eine kleine Gruppe privater und politischer Sympathisanten zu sehen sein. Vgl. auch Jean Scott ROGERS, How Cobden came to Camden Town, in: Camden History Review 9 (1981) S. 20-23. Vgl. The Daily Telegraph, 29. Juni 1868, S. 8.
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bewerbs122 ausgewählte Modell des Architekten William Railton für eine Säulenkonstruktion stieß hier ebenso auf heftige Kritik wie das Abstimmungsverfahren im Komitee123. Schließlich beschwichtigte erst ein paritätisch aus Whigs und Tories konstituiertes Select Committee die Diskussion124, indem es regelrechte Verhöre der Beteiligten durchführte125. Weniger politisch als vielmehr ästhetisch-formal und verfahrenstechnisch motivierte Einwände sorgten hier für erhebliche Irritationen und eine beträchtliche Verlängerung des Verfahrens. Ahnliche Argumente prägten die Initiative für das Wellington-Denkmal, das 1846 auf den Triumphbogen am Hyde Park Corner zu stehen kam. Auch hier waren Konzeption und Positionierung des Monuments umstritten. Das Komitee einigte sich zwar früh auf eine Reiterstatue und visierte den Triumphbogen als Standort an126, während zugleich Premier Lord William Melbourne127 rasch ein Plazet Queen Victorias erhielt128. Matthew C. Wyatts Reiterstandbild zog indessen massive öffentliche Kritik auf sich129. Der Regierungswechsel im Juni 1846 führte kurzzeitig eine regehechte Entscheidungskrise herbei, als sich der First Commissioner der neuen liberalen Regierung, Lord Morpeth, besorgt zeigte angesichts der desaströsen Resonanz, die das Denkmal ausgerechnet im Kreis der Subskribenten hervorgerufen hatte130. Dessenungeachtet wurde die Reiterstatue auf dem Triumphbogen an Hyde Park errichtet: zum einen, da die Monarchin sich durch ihr ursprüngliches Votum gebunden sah131, zum ande122
Vgl. Nelson Memorial Committee, Minute Book, 1838-1844, PRO Work 6/119, Meeting 11. April 1838. 123 Vgl. The Times, 18. Februar 1839, S. 5; 25. Februar 1839, S. 3; The Times, 11. März 1839, S. 3 und August B. GRANVILLE, A Letter to his Grace the Duke of Wellington on the Nelson Memorial and The Report of the Sub-Committee; with a double plate of Mr. Railton's and the Cast-Iron Corinthian Column, London 1839, S. 8; John GOLDICUTT, The Competition for the erection of the Nelson Monument critically examined, London 1841, S. 7; Thomas HOPPER, Design for the Nelson Testimonial with some observations, London 1839, S. 5; Report from the Select Committee on Trafalgar Square together with the Minutes of Evidence taken before them, and Appendix, 27. Juli 1840, HoC PP Session 1840, N°548, Bd. 12, N°548, hier S. IV; The Times, 24. Juni 1839, S. 5; ibid. 15. Juli 1839, S. 5. 124 Vgl. Report from the Select Committee, S. II. 125 Vgl. Report from the Select Committee, S. 23-29. 126 Vgl. Protokoll der Sitzung vom 28. Mai 1838, in: Wellington Statue, in: HoC PP, Paper N° 446, Bd. 43, S. 345ff, hier S. 6f. Vgl. zur Initiative MUNSELL, The Victorian Controversy. 127 Vgl. Melbourne an Rutland, 30. Mai 1838, in: ibid. S. 3. 128 Vgl. B.C. Stephenson vom Board of Commissioners of Woods an Forests an das Komitee, 14. Juni 1838, in: ibid. S. 4f. 129 Vgl. Petition an Rutland, 22. Juni 1838, in: Wellington Statue, in: HoC PP, Paper N° 553, Bd. 43, S. 7. Vgl. auch in PRO Work 20/4/2 [up], 130 Vgl. Brief des First Comissioners Morpeth an Rutland, 5. August 1846, in: Wellington Statue, in: HoC PP Paper N° 577, Bd. 57, S. 217 ff., hier S. 2f. 131 Vgl. ibid.
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ren, nachdem der Duke seine anfängliche Zurückhaltung132 aufgab und Mißfallen angesichts der öffentlichen Erwägungen äußerte, das Denkmal bald wieder abzubauen133. Die Monumentalisierung der Kultfigur noch zu deren Lebzeiten, wie sie sonst weder in Paris noch in Berlin zustande kam, folgte außergewöhnlichen Entscheidungsregeln, versah nämlich am Ende nicht macht-, sondern prestigepolitisch die Kultfigur selber an Monarchin und Regierung vorbei mit der Kompetenz der Letztinstanz. Freilich entfaltete sich diese Wirkmacht des »Helden« nur, indem die weitreichende Popularität gleichsam als Funktionserfordernis des Kults veranschlagt und so eingestanden wurde, daß die Denkmalstiftung nicht an der »public opinion«134 vorbei manipulativ verordnet werden konnte, sondern nicht zuletzt auch zu deren Bedingungen zu erfolgen hatte. Monarchische Überformungen bereits angelaufener Initiativen kamen in London nicht anders als in Berlin, dann aber vor allem dadurch zustande, daß die Denkmalstifter die Nähe und Involvierung der Krone regelrecht betrieben. So befürworteten Anfang der 1860er Jahre mehrere einflußreiche »gentlemen« der Kapitale um den Londoner Lord Mayor William Cubitt ein Prince Albert Memorial, das während der 1870er Jahre im Hyde Park aufgestellt wurde135. »Design« und »mode« des Monuments sollten ausdrücklich in Rücksprache mit der Monarchin bestimmt werden136. Victoria schlug daraufhin als künftigen Standort den Hyde Park vor137, und berief eine Kommission unter anderem mit Lord Mayor Cubitt, die das Projekt leiten sollte138. Mit dieser Personalauswahl verstand es die Königin, sich die metropolitane Initiative anzueignen, ohne sie zu brüskieren. Die städtischen Initiatoren sahen prompt von der Bildung des zunächst anvisierten Subkomitees ab und stellten den bis dahin zu-
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Vgl. Wellington an den Tory Croker, 19. Dezember 1846, in: The CROKER Papers 18081857, hg. v. Bernard POOL, London 1884, N D 1967, S. 212; Wellington an Croker, 18. Mai 1846, in: Louis J. JENNINGS (Hg.), The CROKER Papers. The Correspondence and Diaries of the late John Wilson CROKER (...) 1809 to 1830, Bd. 3, London 2 1885, S. 122. Vgl. auch Russells Votum in der Debatte des HoC am 1. Juli 1847, in: Hansard 3'd s. 93 (1847) Sp. 1079-1080. Vgl. dieselbe Parlamentsdebatte, ibid. Sp. 183 und The Times, 13. Juli 1847, S. 5. Russell am 1. Juli 1847 (s.o.), Hansard 3 rd s. 93 (1847) Sp. 1079. Vgl. The Times, 2. Januar 1862, S. 7. Vgl. auch DARBY, SMITH, The cult of the Prince Consort, S. 4 4 - 5 7 ; BAYLEY, The Albert Memorial; [An.,] Proposed National Memorial to His Royal Highness the Prince Consort, London o. J., S. If. Vgl. At a public meeting (...) on the 14th of January, 1862, in: [An.,] Proposed National Memorial, S. 3; The Times, 23. Januar 1862, S. 8; The Memorial, HoL, 7. Februar 1862, in: Hansard 3 rd s., S. 165 (1862) Sp. 88-89 und The Memorial, HoL, 10. Februar 1862, Hansard ibid. Sp. 118f. Vgl. Schreiben der Queen Victoria an den Lord Mayor als Komiteevorsitzenden vom 19. Februar 1862, in: The Times, 22. Februar 1862, S. 5 und [An.,] Proposed national memorial, S. 6f., hier S. 7. Vgl. The Times, 27. Februar 1862, S. 5.
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sammengetragenen Fonds der monarchisch bestellten Beraterkommission zur Verfugung139. Die Kommission zog später mehrere Architekten hinzu140 und legte der Queen erste Entwürfe vor141, nicht ohne klar das Modell George Gilbert Scotts von der Royal Academy zu favorisieren142 und dafür auch erfolgreich den Konsens der Monarchin einzuwerben143. Victoria behielt sich währenddessen das Recht vor, Künstler mit den übrigen zum Denkmalkonzept gehörenden Skulpturengruppen zu beauftragen144. Nachdem sich 1872 der städtische Fund aufgelöst hatte, verblieb die übrige Koordination der erst 1876 vollständig abgeschlossenen Arbeiten ganz beim königlichen Komitee145. Insgesamt hielt sich Queen Victoria aber bis auf dieses spezielle Interesse am Prince Albert-Denkmal anders als die interventionsfreudigen preußischen Regenten symbolpolitisch ungleich stärker zurück. In öffentliche Denkmalerrichtungsverfahren mischte sich eher ihr Sohn Edward VII. wieder ein, indem er etwa 1907 anläßlich der Aufstellung des Denkmals fur den Oberbefehlshaber der Armee, Duke of Cambridge, das exakte Inaugurationsdatum festlegte und über das Arrangement des Festplatzes entschied146. Singulär blieb demgegenüber das Ausmaß monarchischer Involvierung im Falle des großen Victoria Memorial, das nach etwa zehnjähriger Entstehungszeit 1911 vor Buckingham Palace eingeweiht werden konnte. Die monarchisch dominierte Initiative wurde noch im Jahr ihres Todes 1901 von einem Komitee auf den Weg gebracht, dessen Mitglieder Edward eigens nominiert hatte und dem unter dem Vorsitz des konservativen Premiers Salisbury neben dem amtierenden First Commis139
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Vgl. ibid. und Komiteebericht, 12. November 1863, RA Vic. Add. H. 5, Bl. 2-4, hier Bl. 2 sowie Extract from Deed signed by Her Majesty the Queen appointing the Executive Committee of the Prince Consort Memorial vom 21. September 1864, PRO Work 16/362 [up]· Vgl. Eastlake an Grey am 9. Mai 1862, RA Vic. Add. H. 1, Bl. 215b. Vgl. The Builder, 4. April 1863, S. 233. Vgl. Third Report of the Prince Consort Memorial Committee, London 25. März 1863, RA Vic. Add. H. 2, Bl. 435-437, hier Bl. 437. Vgl. Grey im Namen der Queen an Eastlake, 22. April 1863, RA Vic. Add. H. 2, Bl. 438. Bereits 1865 wurde aber die Idee der »Albert Hall« nach Plänen von Henry Cole wieder aufgenommen; die Grundsteinlegung erfolgte am 2. April 1867, die Fertigstellung und Eröffnung bis 1871, vgl. [An. (Hg.),] Fifty years of public work of Sir Henry Cole, K.C.B., accounted for in his deeds, speeches and writings, Bd. 1, London 1884, S. 357364. Deren Ausarbeitung machte Victoria aber vom Votum Scotts abhängig. Vgl. Grey namens der Queen an Eastlake, 15. März 1864, RA ibid. Bl. 785; G.G. SCOTT (Hg.), Personal and professional recollections by the late Sir George Gilbert Scott, London 1879, repr. New York 1977, S. 265. Vgl. James DAFFORNE, The Albert Memorial, Hyde Park: its history and description, London o. J. [1878], S. 42. Vgl. Bericht aus dem Office of Works an den Chief Commissioner of Police am 21. Mai 1907; Bericht an den Westminster City Council vom 23. Mai 1907, PRO Work 20/58 [up]·
II. Strukturelle Kontexte: Erinnerungsräume und Stifterprofile
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sioner Akers Douglas der frühere konservative Premier Arthur James Balfour (1902-1905), aber auch sein liberaler Nachfolger Sir Henry CampbellBannerman (1905-1908), Kolonialminister Joseph Chamberlain und der Liberale Earl of Rosebery angehörten147. Mit den Präsidenten der Royal Academy und des Royal Institute of British Architects zog er hochrangige Spezialisten hinzu148. Darüber hinaus bemühte man sich um eine dezidiert britische Repräsentativität, indem drei Architekten aus London und je einer aus Dublin und Edinburgh um Pläne fur die Umgestaltung der Mall ersucht wurden149. Dessen ungeachtet kritisierten zahlreiche Architekten und Bildhauer das Verfahren150, weil sie die solchermaßen betriebene Repräsentativität nurmehr für deklaratorisch erachteten, solange die Beteiligungschancen am Denkmal auf enger Selektion beruhten151. Daß auch die Kolonien und Dominions zur materiellen Beteiligung am Nationaldenkmal eindringlich aufgefordert worden waren, ohne daß sie entscheidungspolitisch einbezogen worden wären, entging dabei der öffentlichen Kritik. Unterdessen überwachte Edward VII. durch regelmäßige Besuche im Atelier des mit der Monarchinnenfigur beauftragten Künstlers Thomas Brock in einer dem Berliner Prozedere durchaus ähnlichen Weise die bildprogrammatische Umsetzung des Denkmalprojektes152. Abgesehen davon waren grundsätzlich Komitees, die Standorte in Kronbesitz anvisierten, auf das Plazet der Monarchin bzw. des Office of Works angewiesen, das auf diesem Wege zugleich Mitsprache erhielt. Der vom Komitee
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Vgl. Queen Victoria Memorial. Report 1901-1911, London 1911, S. 1. Vgl. Ibid. S. 2. Die Initiatoren arbeiteten erkennbar auf ein möglichst repräsentatives und inklusives Profil des Stifterkomitees hin und erhielten in der Tat Unterstützung von zahlreichen Parlamentariern und Lords beider großen Parteien, Mitgliedern des Londoner Council (Aldermen), dem Bishop of Hereford, einem Erzdiakon, dem Dean of Westminster und St. Paul's, dem »Chief Rabbi« der jüdischen Gemeinde, dem Leiter der Bank of England, dem Vorsitzenden des Stock Exchange und dem Präsident der Handelskammer. Vgl. The Times, 27. März 1901, S. 8. Insofern standen parteiübergreifender Konsens, hauptstädtisches Kapital und die Vertreter der großen Denominationen von Beginn an geschlossen hinter dem Projekt. Vgl. Queen Victoria Memorial. Report, S. 4. Thomas Brock von der Royal Academy fertigte die Entwürfe für das Denkmal. Vgl. The Times, 1. Mai 1901, S. 13; The Saturday Review, 6. Apnl 1901, S. 435-436; Philip A. ROBSON in einem Brief an das Royal Institute, in: Journal of the Royal Institute of British Architects 8(11. Mai 1911) S. 324-330. Vgl. Ibid. S. 326 und 328: »The Committee had invited the whole of the British Empire to contribute to the funds, therefore it was the duty of the trustees of the money to see that they got the very utmost and the very best possible that money could purchase or genius devise. To obtain that they must search the Empire through to find out where the best could be found. (...) Therefore let there be an open door in this matter, so that everyone throughout the Empire could enter and take part in this great national project which concerned them all.« Vgl. Queen Victoria Memorial. Report, S. 6; Viscount Esher als Präsident des Executive Committee am 22. Januar 1914, PRO Works 20/104 [up].
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für das Lord Derby-Denkmal erbetene Aufstellungsort vor dem Parlament153 wurde vom Commissioner of Works nur unter der Bedingung zugestanden, daß die Statue dann den Proportionen nach auf die anderen hier aufgestellten oder geplanten Statuen für Sir Robert Peel und Lord Palmerston abgestimmt zu werden hatte154. Dem Komitee blieb nur, sich etwas widerwillig auf diese Regelung einzulassen155. Neben Denkmälern wie der Derby-Statue nahm das Office auch Denkmäler nach ihrer Errichtung in seine Obhut, die nicht auf »crown land« plaziert waren und insofern zunächst nicht in seinen Kompetenzbereich fielen, dem Office aber von den Stiftern unterstellt und mit dieser Zuweisung einmal mehr als »national monuments« gehandelt wurden156. Die Kompetenz des Office reichte selbst bis zur Translozierung von bereits errichteten Monumenten157. Die Mitgliedschaft der First Commissioner im Kabinett zog allerdings nicht nachweislich eine drastische Politisierung des Entscheidungsverfahrens nach sich. Als das Komitee zur Errichtung einer Londoner Statue fur den Konservativen Robert Peel beim Department of Works eine Genehmigung zur Aufstellung auf dem Palace Yard in Westminster unmittelbar neben den Parlamentsgebäuden beantragte, der als Teil des Palace of Westminster zu den Besitzungen der Queen gehörte158, wurde es zwar zunächst abschlägig beschieden. Daß der dem Koalitionskabinett von Whigs und Peelites angehörende First Commissioner aus politischen Motiven heraus entschied, zeichnete sich dabei aber nicht ab159. Nach Standortkorrekturen war es später ohnedies der Commissioner einer Whig-Regierung, der die Aufstellung am Eingang von New Palace Yard gestattete160. Ebenso erging die Genehmigung von Denkmälern fur die beiden konservativen Premiers Lord Derby 1871161 und Benjamin Disraeli im 153 154
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Vgl. The Times, 21. Juli 1879, S. 10. Vgl. Department of Works an den Komiteevorsitzenden Pakington, 8. August 1871, PRO Work 20/42 [up], Vgl. The Times, 28. April 1873, S. 7. Vgl. so geschehen im Falle des Denkmals für den Militär Sir Hugh Rose, Baron Strathnairn von 1895; vgl. Mitteilung des Office of Works an die Treasury, 8. August 1895 PRO Work 20/76 [up], Vgl. so im Falle einer Statue für den Feldmarschall Robert C. Napier, das einem Edward VII.-Denkmal weichen mußte. Vgl. Brief aus dem Office of Works an Boehm vom 31. Juli 1890, PRO Work 20/63 [up], und Office of Works an den Lord Mayor von London, 30. April 1890, PRO ibid.; Sir F. Ponsonby an Sir Warren Fisher von der Treasury, 9. Februar 1921, PRO Work 29/135 [up], Vgl. Lord Cardwell an den First Commissioner William Molesworth, 22. März 1853, PRO Work 20/31 [up], Vgl. Schreiben des First Commissioner of Works und radikalen Reformpolitikers Molesworth an Cardwell, 22. März 1853, PRO ibid. Vgl. Mitteilung des Liberal-Conservative Lord Cardwell an Cowper, 26. März 1861, PRO ibid. Vgl. Department of Works an den Komiteevorsitzenden Pakington, 8. August 1871, PRO Work 20/42 [up].
II. Strukturelle Kontexte: Erinnerungsräume und Stifterprofile
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Jahre 1883162 während liberaler Legislaturen163. Selbst im Falle des umstrittenen und nach langer Vorlaufphase erst 1899 realisierten Cromwell-Projekts zeichneten sich keine dezidiert parteipolitischen Entscheidungsmechanismen ab. Schon 1845 waren erste Pläne aufgetaucht164, erhitzte Diskussionen verzögerten aber eine Entscheidung165. Erst 1895 konnte die liberale Regierung unter Lord Rosebery die Bewilligung parlamentarischer Gelder für ein Cromwell-Denkmal durchfechten166, bevor heftige Opposition der irischen Abgeordneten den Plan kippte167. Wenig später erhielt der First Commissioner Herbert Gladstone die Einzelspende eines anonymen Gönners, die die Denkmalerrichtung nun auf privater Basis als Schenkung an den Staat ermöglichen sollte168. In der Presse hielt sich hartnäckig das Gerücht, daß es sich dabei um niemand anderen als Rosebery selbst handelte169, während eine entsprechende offizielle Bestätigung ausblieb170. Obgleich zu den Opponenten gegen das Denkmal zahlreiche Konservative einschließlich Balfours gehört hatten, unternahm das seit dem 25. Juni 1895 amtierende konservative Kabinett Salisbury keinerlei Anstrengungen, in das laufende Verfahren einzugreifen, so daß der Regierungs- und der damit verbundene Amtswechsel an der Spitze des Office of Works für den Gang der Initiative folgenlos blieben171. Eine Petition, mit
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Vgl. Schreiben des Denkmalkomiteevorsitzenden Sir Strafford Northcote an den First Comissioner Shaw Lefevre, 29. Juli 1881, PRO Work 20/48 [up], und The Times, 24. Mai 1882, S. 8. Vgl. Mitteilung aus dem Office of Works an Strafford am 2. August 1881, PRO ibid. Vgl. Supply. Statues, Sitzung des HoC vom 30. Juli 1845, in: Hansard 82 (1845) Sp. 1256. Vgl. dazu auch John BELL, Memoranda in letters to R.H. Soden Smith, relating to his statue of Oliver Cromwell, 1890 [MS, up]; The Times, 14. November 1862, S. 7; Parliament. Statue to Oliver Cromwell. Question, Sitzung des HoC vom 12. März 1868, in: Hansard 190 (1867-8) Sp. 1450-1451. Vgl. A statue of Oliver Cromwell, Sitzung des HoC, 11. Februar 1895, in: Hansard 4th s. 30 (1895) Sp. 452; The proposed statue, Sitzung des HoC vom 14. Februar 1895, in: Ibid. Sp. 744; The Saturday Review, 21. Oktober 1899, S. 510-511, hier S. 510. Vgl. The Evening Standard, 18. Juni 1895, S. 2; The Standard, 18. Juni 1895, S. 6. Vgl. The Daily Chronicle, 20. Juni 1895, S. 5; Memorandum des First Commissioner of Works Herbert Gladstone vom Juni 1895, PRO Work 20/100 [up], Vgl. The Manchester Guardian, 15. November 1899, S. 7; The Independent, 2. November 1899, S. 322; The Cromwell Statue, HoL am 21. Juni 1900, in: Hansard 4th s. 84 (1900) Sp. 588-598, hier S. 597. Über die Schenkung bestand noch 1937 Unklarheit, als eine Anfrage vom 24. November 1937, die eine Urheberschaft Rosberys nahelegte, vom Office of Works am 6. Dezember 1937 erneut mit der »anonymous donor«-Formel beantwortet wurde, vgl. PRO Work 20/115 [up], Vgl. Memorandum des First Commissioner of Works H. Gladstone vom Juni 1895, PRO Work 20/100 [up], Vgl. Akers Douglas an Gladstone, 8. Juli 1898, PRO Work [up]; Statue of Oliver Cromwell, Sitzung des HoC, 25. April 1899, in: Hansard 4th s. 70 (1899) Sp. 515; Hie Cromwell statue, Sitzung des HoC, 11. Mai 1899, in: Ibid. Sp. 956; The Cromwell Statue, Sit-
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der die Errichtung der Statue verhindert werden sollte172, versuchte der First Commissioner Akers Douglas für nichtig zu erklären, indem er klarstellte, daß die konservative Regierung für die Annahme geschenkter Statuen oder Büsten das Parlament nicht zu befragen habe 173 . Daß die Regierung bis zuletzt mit erheblichem Widerstand gegen das Denkmal rechnen mußte, bewog sie am Ende zu einer Strategie der Konfliktvermeidung, und so erging aus dem Office of Works die Weisung, daß die Cromwell-Statue 1899 »without any ceremony« aufzustellen sei174. Sobald städtische Aufstellungsorte im Zuständigkeitsbereich nicht der Krone, sondern des MBW von den Komitees anvisiert wurden, involvierte dies auch das städtische Gremium. Als etwa die Inititatoren des Mill-Denkmals das Board um Gewährung eines Standorts am Victoria Embankment angingen175, knüpfte dieses seine Zusage an die Bedingung, daß das »design of the pedestal and statue« dem Board zuvor bekannt gemacht und eigens genehmigt werden mußte176. Der Komiteeantrag wurde nach dem gängigen Verfahren zunächst an das Works and General Purposes Committee weitergeleitet, das als eines der Subkomitees unter der Kontrolle des Board arbeitete und den Vorschlag prüfen ließ177. Entsprechende Kompetenzen erhielt auch die City, sobald Denkmalstifter ihr gehörendes Areal als Standort auswählten178.
2. Konturen von Stifterprofilen Ebensowenig wie die Denkmalgenesen sind die Initiatorengruppen aller in der Folge analysierten Denkmalsetzungen im einzelnen auszubreiten. Statt dessen sollen kursorisch Konturen typischer Denkmalstifter in den Kapitalen dargestellt werden. Die Aussagen über die Sozialprofile der Denkmalstifter müssen ohnedies vorsichtig getroffen werden. Dies nicht nur, weil flächendeckende
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zung des HoL, 28. April 1899, in: Ibid. Sp. 809-812 (Anfrage des liberalen Lord Elcho, Earl of Wemyss). Vgl. Statue of Oliver Cromwell, Sitzung des HoC, 2. August 1899, in: Hansard 75 (1899) Sp. 1150. Vgl. Cromwell's statue, Sitzung des HoC, 3. August 1899, in: Ibid. Sp. 1296-1298. Vgl. Schreiben aus dem Office of Works vom 10. November 1899, PRO Work 20/100 [up] Vgl. Meeting of the MBW, 21. November 1873, in: Minutes of Proceedings of the MBW Juli-Dezember 1873, S. 502f. Vgl. Meeting of the MBW, 19. Dezember 1873, in: Ibid. S. 654f. Vgl. ibid. Auch die Modellskizze des Denkmals wurde vom Board eigens bewilligt. Vgl. Meeting of the MBW, 28. September 1877, in: Minutes of Proceeding of the MBW JuliDezember 1877, 304/59, und Meeting of the MBW, 19. Oktober 1877, in: Minutes of Proceeding of the MBW ibid. 402/9. Vgl. so im Falle eines Denkmals fur den Erfinder des »penny postage«-Systems Rowland Hill vor dem Royal Exchange; vgl. The Times, 22. Mai 1880, S. 2.
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bzw. auswertbare Dokumentationen häufig fehlen179, sondern mehr noch, weil mit den Stifter- nur zum Teil auch bereits Subskribentenprofile erfaßt sind, die aber erst eine aktive materielle Beteiligung am jeweiligen Denkmal erkennen lassen. Umgekehrt kamen allerdings zeitgenössische Subskribentenlisten auch nicht ausschließlich auf dem Hintergrund freiwilliger und spontaner Partizipationsakte, sondern im Kontext komplexer sozialer Vernetzungen und prestigepolitischer Signalhandlungen zustande180, so daß ihre Bedeutung nicht überschätzt werden darf. Es kann also nur darum gehen, Konturen von Stifterprofilen zumindest näherungsweise zu skizzieren. 2.1. Paris 1. In der Zeit des Zweiten Empire standen zunächst die wenigen Pariser Denkmäler, die außerhalb direkter Auftragsvergabe und Anweisimg Napoleons III. überhaupt zustande kamen, am ehesten militärischen Initiatorenzirkeln nahe. Zur Errichtung eines Denkmals für den Militär und Mediziner Dominique Larrey 1850 im Innenhof des ehemaligen Militärkrankenhauses Val-deGrâce bildete sich bereits 1842 wenige Monate nach Larreys Tod eine entsprechende Kommission unter Vorsitz des Kommandanten des Hôtel national des Invalides, Petit, dem Vertreter der Armee, der medizinischen Militärverwaltung und der medizinischen Wissenschaft angehörten181. Auch dem Subskriptionskomitee für das 1863 errichtete Denkmal des Adoptivsohns Napoleons I., Eugène de Beauharnais, gehörten u.a. 12 Generale, vier Obristen (Colonnels), ein Admiral und der Militärgouverneur des Palais du Luxembourg an, daneben aber auch vier Deputierte und ein Mitglied des Conseil Municipal182. Gänzlich zivile und spezifisch akademische Profile wiesen demgegenüber die Initiatorengruppen auf, die hinter den beiden während der 1860er Jahre entstandenen
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Die Auswertbarkeit von Subskriptions- oder Komiteemitgliederlisten in der Tagespresse oder Broschüren tendiert gegen Null, sobald Berufsbezeichnungen fehlen, die erst eine soziale Zuordnung ermöglichten. Faktisch trifft dies aber für die Mehrheit der verglichenen Fälle zu. Zum Quellenproblem der Subskriptionslisten bereits Kapitel 1.2.2. Vgl. so v.a. TACKE, Denkmal im sozialen Raum, S. 196-200. Vgl. Schreiben des Ministre de la Guerre an den Ministre de l'Intérieur vom 22. Mai 1846, AN F l c I 167 Dossier: Autorisation d'ériger une statue dans la cour du Val de Grâce, au Baron Larrey, 23 mai - 1 5 juillet 1846; Compte rendu des travaux de la commission de souscription pour le Monument de Larrey érigé au Val-de-Grâce le 8 août 1850, Paris 1850, S. 6. Der Kommission gehörten neben zwei Militärintendanten, drei Mitgliedern des Conseil de santé des armées und sechs officiers de santé principaux der Pariser Militärhospitäler aber auch ein Mitglied des Institut d'Egypte und der Académie des inscriptions et belles-lettres, je zwei Mitglieder der Académie des sciences und des Conseil de salubrité, vier Mitglieder der Académie nationale de médecine und Seinepräfekt Rambuteau an. Vgl. Souscription Nationale. Monument à élever à la mémoire du Prince Eugène Beauharnais, Paris 1854 [up].
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Statuen für den Agronomen Antoine Parmentier und den Chemiker Nicolas Vauquelin standen183. 2. Nach 1871 vervielfältigten sich die Entstehungskontexte von Denkmälern merklich. Häufiger trat jetzt der Conseil Municipal als städtischer Initiator auf - entweder in Verbindung mit dem departementalen Gremium des Conseil général de la Seine, wie im Falle der allegorischen Gruppe der »Défense de Paris en 1870«184, oder, indem einzelne seiner Mitglieder Projekte betrieben. So gründete eines der Conseil-Mitglieder ein aus namhaften Schriftstellern, Intellektuellen und Akademikern rekrutiertes Komitee zur Ehrung des Romanciers Alexandre Dumas185. Auch die Errichtung der République-Figuren von 1883186 und 1899 auf der Place de la Nation187 oder das Danton-Denkmal188 verdankten sich entsprechenden Initiativen seitens des Conseil. Zahlreich und dominant wurden jene Denkmalprojekte, die an der Verbindungsstelle zwischen Conseil municipal und Parlament entstanden. So ging die Initiative zur Errichtung des 1885 eingeweihten Denkmals für den Quarantehuitard Alexandre Ledru-Rollin von einem vor allem aus Senatoren, Deputierten und Mitgliedern des Conseil Général de la Seine wie des Conseil Municipal von Paris bestehenden Komitee aus, dem Victor Hugo als ehemaliger Senator, zahlreiche namhafte Vertreter der republikanischen Linken wie Louis Blanc, Charles Floquet und Eugène Spuller als Deputierte sowie Mitglieder beider Conseils angehörten189. Mit einem ähnlichen Stifterprofil glückte auch
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Vgl. die Mitteilung des Ministre de l'Intérieur an den Ministre de l'Agriculture et du Commerce vom 27. März 1860, AN F lc 168 Dossier: Projet des décrets (...) autorisant l'érection de statues à Parmentier et à Vauquelin. Comités crées pour l'érection de ces statues. Correspondance [up] Vgl. Préfecture du Département de la Seine. Concours pour l'érection, au rond-point de Courbevoie d'un Monument allégorique de la Défense de Paris en 1870, S. 2, AP VR 161 Dossier: Concours pour l'érection au rond-point de Courbevoie d'un monument. Vgl. [An.,] Le monument d'Alexandre Dumas, œuvre de Gustave Doré. Discours prononcé devant le monument le jour de l'inauguration. Poésies récités le même jour sur différents théâtres ou distribuées aux assistants avec une préface par M. Alexandre Dumas, fils, Paris 1883, S. Ilf. Vgl. Proposition pour la mise au concours d'une statue de la République, séance du 30 mars 1878, in: CMPV, Année 1878, S. 228f. Vgl. VAUDREMER, Concours pour l'érection, place de la République, d'une Statue monumentale de la République. Rapport présenté au nom du Jury chargé duclassement des esquisses, 3 novembre 1897, Paris 1879; Ulysse PARENT, Rapport, in: CMRD, Année 1880, Imp. N ° 8 5 . Vgl. Rapport par M.DELHOMME (...), demandant l'érection d'une statue à Danton (28. Dezember 1887), in: CMRD, Année 1887, Imp. N° 42, S. 1-4, hier S 1. Vgl. undatiertes Schreiben des Komitees an den Präsidenten des Conseil général de la Seine, AN F" I 168 Dossier: mars 1882-février 1884, érection d'une statue à Ledru-Rollin, place Voltaire. Ahnlich das Initiatorenprofil des »Comité du Monument Sadi-Camot et de l'Alliance Franco-Russe« um das am Ende gescheiterte Projekt fur den ehemaligen Staatspräsidenten Sadi Carnot; vgl. Souscription nationale pour l'érection à Paris d'un monu-
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das große Denkmalprojekt zugunsten des republikanischen Ministerpräsidenten Gambetta, das ein Komitee aus 30 Senatoren und 50 Deputierten - darunter die späteren Staatspräsidenten Sadi Carnot und Félix F aure und der künftige Ministerpräsident Charles Floquet - sowie aus sechs Conseillers Municipaux, acht Vertretern großer Pariser Zeitungen und 15 Vertretern von Provinzzeitungen verfolgte190. Erweitert um Künstler und Angehörige der freien Berufe, entsprach diesem Erscheinungsbild auch das Stifterprofil im Umfeld der 1889 eingeweihten Rousseau-Statue191. Gelegentlich entstanden auf diesem Wege eindeutig politische Profile, wenn etwa das Denkmal für den Ministerpräsidenten Charles Floquet, das 1909 am Boulevard Richard-Lenoir enthüllt wurde, der Parti Républicain Radical Socialiste und damit eine Partei der linksrepublikanischen Mitte betrieb192. In diesem Sinne verstanden sich auch die Initiativen der republikanischen Ligue Française de l'Enseignement, die zunächst im Juli 1900 mit Jean Macé ihren Gründer193 und zehn Jahre später den republikanischen Ministerpräsidenten Ferry feierte194. Für das Denkmal zugunsten des Ministerpräsidenten WaldeckRousseau von 1910 im Jardin des Tuileries setzte sich die Alliance républicaine démocratique ein, die er selbst im Oktober 1901 als lose Gruppierung finanzkräftiger und einflußreicher gemäßigt linksrepublikanischer Kräfte ge-
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ment à la mémoire de Sadi-Camot, DAC Dossier: Sadi Carnot; AN F21 4855 Dossier: Monument de Sadi Carnot et de l'Alliance franco-russe 18 oct.-27 nov. 1913 [up], Vgl. Le Temps, 22. März 1883, S. 2. Eine lange Vorgeschichte von Anläufen zur Denkmalerrichtung seit Rousseaus Tod 1778 ging voraus. Zu den drei Initiativen (1790, in den Jahren II und VII) vgl. auch Les soussignés (...), séance du 27 février 1879, in: CMPV, Année 1879, 1" sem., S. 215. Vgl. Armand AMANN, Les monuments à Jean-Jacques Rousseau, où la sculpture pérsécutée, in: C'est la faute à Rousseau. Révolution, Romantisme, République. L'image de Jean-Jacques Rousseau, Chambéry, Genève 1990 [ΑΚ Musée Savoisien Chambéry, Musée d'Art et d'Histoire Genève], S. 13-17; zur Revolutionsphase Gisela GRAMACCINI, Sur le projet d'élever un monument en l'honneur de Rousseau, in: [Musées nationaux,] La Révolution Française et l'Europe 1789-1799, Bd. 3, Paris 1989, S. 893-902; Ernest HAMEL, La statue de Jean Jacques Rousseau, Paris 2 1868, S. 6 - 9 , 15, 20-26; zum Komitee: Concours pour l'érection d'une statue à Jean Jacques Rousseau, AN F 21 4856 Dossier: Monument Jean-Jacques Rousseau; CASTELLANI", Centenaire de la Révolution, S. 73-75. Ihm gehörten nun 37 Senatoren (darunter Scheurer-Kestner, Schoelcher, Carnot u. a ), 38 Abgeordnete (darunter Clémenceau, Henry Maret, Marmottan u. a.) sowie 40 Conseillers généraux de la Seine und Conseillers municipaux aus Paris, 8 weitere Munizipalbeamte und 26 Publizisten, Literaten und Künstler an. Als Exekutivkommission wirkte außerdem eine vom Abgeordneten Jules Steeg geführte Gruppe mit dem Präsidenten der Pressegewerkschaft, zwei Conseillers und ein Ingénieur des Ponts et Chaussées. Vgl. Mitteilung des Ministre de l'Instruction publique vom 2. September 1908, AN F 21 4855 Dossier: Monument Floquet, par Jean Descamps, statuaire, 23 mars 1907-16 septembre 1908. Vgl. Renvoi (...), séance du 13 juin 1898, in: CMPV, Année 1898, 1er sem., S. 610. Vgl. [An.,] Cérémonie de la Sorbonne en l'honneur de Jules Ferry (20 décembre 1906), Corbeil 1907 [up].
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gründet hatte195. Einseitig am linken Rand des politischen Spektrums blieb im Vergleich dazu das Initiatorenprofil um den Mur des Fédérés, an dem 1871 aufständische Kommunarden von den Versailler Regierungstruppen erschossen worden waren und die 1908 durch Anbringung einer Plakette zum Denkmal umfunktioniert wurde. Hier bildeten ehemalige Kommunarden die treibenden Kräfte 196 , bevor v.a. der Sozialist Joffrin im Namen des Parti ouvrier und eines Comité central révolutionnaire als Fürsprecher des Plans auftraten197. Darüber hinaus erwies sich die republikanische Presse gelegentlich nicht nur als Unterstützer oder Mit-, sondern auch als Hauptinitiator und verfuhr dann umso erfolgreicher, je eher es ihr gelang, renommierte Republikaner fur ein Unterfangen anzuwerben198. Eher einschlägig akademische Profile aus dem Milieu renommierter Wissenschaftsinstitutionen prägten demgegenüber das Erscheinungsbild der Stiftergruppen, die zur Ehrung von Forschern und Naturwissenschaftlern antraten. So wurde das Claude Bernard-Denkmal vor dem Collège de France von 1886 von der Société Biologique initiiert199, das Denkmal fur den Psychiater und Mediziner Philippe Pinel von der Société Médico-Psychologique 200 , während die Académie des sciences als Initiatorin der Monumente für die Chemiker Lavoisier201 und Leblanc 202 auftrat und dabei auch englische, deutsche und belgische Industrielle anwerben konnte203. 195
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Vgl. Camot an den Secrétaire des Beaux-Arts am 20. Februar 1907, AN F 21 4853 Dossier: Monument à Waldeck-Rousseau, par Marqueste, sculpteur, 6 mars 1906; 4 décembre 1904-15 mai 1926. Vgl. auch Comité du Monument Waldeck-Rousseau. 17 Rue de la Rochefoucauld, Paris, 6 juillet 1910. Vgl. Ordre du jour (...), séance du 7 décembre 1880, in: CMPV, Année 1880, S. 783-787. Vgl. Proposition de M. Joffrin, séance du 5 novembre 1883, in: CMPV, Année 1883, 2' sem., S. 469-471; Discussion de la proposition de M. Joffrin, séance du 23 décembre 1883, in: Ibid. S. 1164. Die Denkmalerrichtung für den Poeten Jean Béranger ging von der Zeitung L a Chanson aus; vgl. L a Chanson, 16. Februar 1879, S. 133-135, AN F 21 4855 Dossier: Monument à la mémoire de Béranger 16 février 1879-12 mai 1885, poète. Vgl. auch die Beteiligung namhafter republikanischer Gazetten an der Denkmalerrichtung für den Journalisten und Mediziner Théophraste Renaudot, [An.,] Inauguration de la statue de Théophraste Renaudot (1585-1653), Fondateur du Journalisme et des consulations charitables pour les pauvres malades, 4 juin 1893, Paris 1893, S. 3f.; [Eugène HATIN], Enfin! Théophraste Renaudot, aura-t-il la statue qu'il mérite à tant de titres!, Paris 1892, S. 2. Vgl. [An.,] Souscription publique pour élever un monument à Claude Bernard, Paris 1878, [up]· Vgl. Le Petit Journal, 15. Juli 1885, S. 1. Vgl. Protokoll des Komiteesekretärs Moissan, 7. Februar 1898, AN F 21 Dossier: Statue de Lavoisier par Barrías, sculpteur, 21 juillet 1894-9 juillet 1900. Vgl. Le Temps, 29. Juni 1887, S. 2. Vgl. [An.,] Inauguration de la statue de Nicolas Leblanc à Paris le 28 juin 1887, Paris 1887 (Institut de France. Académie des Sciences), S. 16. Die Initiative zum Denkmal fur den Naturwissenschaftler Le Verrier 1889 vor dem Observatoire ging von der 1864 durch Le Verrier gegründeten und seit 1870 als gemeinnützig anerkannten Association scientifi-
II. Strukturelle Kontexte: Erinnerungsräume und Stifterprofile
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Ab den 1880er Jahren machten sich gelegentlich leichte soziale Weitungen der Initiatorengruppen bemerkbar. Singular blieb die Involvierung von Arbeitern in Denkmalinitiativen: Im September 1881 adressierte ein Arbeiter Steckle aus dem 5. Arrondissement einen Brief an den Président du Conseil Municipal, in dem er auf das Schicksal des im 16. Jahrhundert von einer inquisitorischen Kirche auf der Place Maubert verbrannten Druckers Etienne Dolet hinwies und die Idee einer Denkmalerrichtung aufbrachte204, auf die sich der Präsident in der Tat einließ205. Das 1889 errichtete Denkmal fur den Quarantehuitard François Raspail ging auf ein Komitee zurück, dem neben 15 Abgeordneten, zwei Mitgliedern des Conseil général de la Seine und zwei des Conseil Municipal auch ein Unternehmer, drei Kaufleute, zwei Mechaniker, ein Tischler, ein Handelsvertreter und ein Handelsangestellter angehörten206, so daß das Profil hier zugunsten wiitschafts- und kleinbürgerlicher Gruppierungen geweitet schien207. Diesem Trend stand aber umgekehrt durchaus auch wieder eine Akzentuierung elitärer Grundzüge entgegen, wenn etwa dem Komitee zur Errichtung des Denkmals für Admirai Gaspard de Coligny 1889 Mitglieder der Société de l'histoire du Protestantisme Français und der Académie
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que de France aus. Vgl. Communication du comité, in: CMPV, Année 1878, S. 152. Das Denkmal fur die beiden Chemiker Pelletier und Caventou vom gleichen Jahr entstand aus einer Initiative im Kreis der Société de Prévoyance des Pharmaciens und wurde von einem vor allem aus Medizinern und Pharmazeuten bestehenden Komitee, darunter Delegierten der Pharmazieschulen in neun weiteren französischen Städten betrieben. Vgl. Souscription pour élever un monument à la mémoire de Le Verrier, o. O. o. J., AN F21 I 168 Dossier ibid. S. If. Auch nicht-naturwissenschaftliche akademische Institutionen und Gesellschaften traten als Denkmalstifter auf. Die Initiative für ein im Oktober 1897 errichtetes Denkmal fur Guy de Maupassant ging ebenso von der Société des gens de lettres aus wie diejenige zugunsten eines Monuments fur Alphonse Daudet, das Ende Mai 1902 im Jardin des Champs Elysées eingeweiht wurde. Vgl. Brief des Präsidenten der Société an den Innenminister vom 15. Mai 1897, AN F 2 ' 4860 Dossier: Monument G. de Maupassant, 25 juin 1894-4 janvier 1898; Brief des Präsidenten der Société Abel Hermant an den Innenminister vom 19. Mai 1902, AN F lc I 170 Dossier: 16 janvier 1902-17 mai 1902 Érection d'un monument à Alphonse Daudet. Unter der Leitung von Émile Zola war es wiederum die Société, die sich für ein Statue Honoré de Balzacs einsetzte, die im November 1902 auf der Avenue Friedland enthüllt werden konnte. Vgl. Brief des Vorsitzenden der Société des gens de lettres Emile Zola an den Innenminister vom 14. März 1892, AN F ,c I 169 Dossier 14 mars-5 avril 1892 Érection d'une statue à Balzac. Vgl. auch zum Folgenden Le Temps, 19. Mai 1889, S. 2. Vgl. Mise au concours, séance du 9 avril 1884, in: CMPV, Année 1884, Γ sem., S. 906f. Vgl. Comité pour l'érection d'une statue à Paris à F.V. Raspail, AN F 2 ' 4856 Dossier: Monument de F.V. Raspail, par le statuaire Morice, 18 juin 1888-18 juillet 1889; [An.,] La statue de Raspail. Son inauguration à Paris le 7 juillet 1889, Paris 1890, S. 6. Vgl. das Komitee, das unter Führung der republikanischen Ligue des droits de l'homme ein Denkmal für deren Gründer Ludovic Trarieux betrieb. Vgl. Ligue Française pour la défense des droits de l'homme et du citoyen, 2 mai 1904. Le Monument Trarieux, Paris 1904, AN F 2 ' 4857 Dossier: Monument Trarieux par Jean Boucher, 25 juin 1906-4 juillet 1907 [up]; Comité du Monument Trarieux. Appel, ibid.
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Einleitung
des sciences, drei Senatoren, drei Barone und ein Graf, der Generaldirektor der Weltausstellung von 1889 Georges Berger und der französische Botschafter in London William Waddington angehörten208. Militärisches Personal tauchte demgegenüber grundsätzlich selten bei den Denkmalstiftungen auf. So gehörten zum Komitee, das die Errichtung eines Denkmals fur den Maler Ernest Meissonier betrieb, drei Generale209, ein weiterer General jeweils auch zum Komitee für das Le Verrier-210 oder das Coligny-Denkmal211. Insgesamt selten, aber am häufigsten im Falle von Monumenten für nicht-französisches Personal standen schließlich private Donatoren im Hintergrund von Denkmalerrichtungen212. 2.2. Berlin 1. Bereits vor 1871 erwiesen sich Berliner Denkmalsetzungen zum Teil als dezidiert bürgerliche Unternehmungen. Die Initiative zu einem Denkmal König Friedrich Wilhelms III. im Tiergarten, das 1849 enthüllt werden konnte, ging bereits 1841 von »Bewohnern Berlins« aus, die sich am 3. August 1841 zu einem Komitee zusammengefunden hatten, den Aufstellungsort vorschlugen und Sammlungen in die Wege leiteten213. Das Komitee umfaßte »hohe Staatsbeamte und Offiziere, den Oberbürgermeister und Vertreter der städtischen Selbstverwaltung, Handwerksmeister, Buchhändler (...), den Protagonisten der Berliner metallverarbeitenden Industrie, Maschinenbaumeister Borsig und Tuchbereiter Kalckbrenner«214 und markierte somit nicht nur die erste nicht-monarchische Stiftungsinitiative nach der Revolution von 1848, sondern stand auch fur das Stifterprofil anderer Unternehmungen, das von hohen und
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Vgl. Bulletin historique et littéraire de la Société de l'histoire du Protestantisme Français 38 (1889) S. 55f. 209 Vgl. Comité du monument Meissonier, AN F21 4853 Dossier: Monument Meissonier 22 juillet 1891-31 mars 1896. 210 Vgl. Souscription pour élever un monument à la mémoire de Le Verrier, o. 0 . o. J., AN F21 I 168 Dossier ibid. S. If. 2,1 Vgl. Bulletin (...) de la Société de l'histoire du Protestantisme Français 38 (1889) S. 55f. 212 So handelte es sich bei dem 1895 auf der Place des États-Unis errichteten Denkmal für Marquis de Lafayette und George Washington um eine Schenkung des New Yorker Privatmannes Joseph Pulitzer an die Stadt Paris. Vgl. Le Temps, 2. Dezember 1895, S. 2. Die Statue für Benjamin Franklin auf der Place du Trocadéro schenkte ein amerikanischer Bankier; vgl. Brief von John H. Haijes an den leitenden Direktor der Services d'Architecture et des Promenades in Paris am 23. Mai 1905; Bulletin Municipal Officiel, 1. Mai 1906, AP VM 92/5 Dossier: Jardin du Trocadéro. 213 Vgl. Komiteemitglieder an den König, 8. August 1841, GStA I. HA Rep. 89 Nr. 20914, Bd. 1, Bl. 24. Enthalten sind nur Namen, keine Berufsbezeichnungen. 214 Vgl. FADEN, Zur politischen Geschichte, S. 92. Faden datiert die Einweihung des Denkmals fälschlich auf den 9. August.
II. Strukturelle Kontexte: Erinnerungsräume und Stifterprofile
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mittleren staatlichen und städtischen Beamten, Bildungs- und in kleinerem Umfang auch Wirtschaftsbürgertum und vereinzelten Militärs bestimmt war215. Einen nicht nur militärischen, sondern auch eminent politischen Entstehungungskontext besaß demgegenüber die 1854 errichtete Invalidensäule. Ihr Bau ging auf einen Anfang März 1849 lancierten Aufruf des Vorsitzenden eines ausschließlich aus Militärs gebildeten »Comités zur Unterstützung der Angehörigen der in Berlin, Posen, Mainz, Frankfurt und Schleswig-Holstein gebliebenen, sowie der verwundeten und vermißten Preußischen Krieger«, Christian Harkort aus Westfalen zurück, in dem ein Denkmal für die Soldaten gefordert wurde, die bei den Barrikadenkämpfen im März in Berlin getötet worden waren. Daß der initiierende Unterstützungsverein, der sich bislang für die Versorgung von Kriegsinvaliden und hinterbliebenen Familien engagiert hatte, bereits über ein weites Aktivitäts- und Kommunikationsnetz verfugte216, mußte der Breitenwirkung des Appells zuträglich sein und verhalf ihm zu Resonanz auch in anderen preußischen Provinzen wie außerhalb Preußens217. 2. Auch nach 1871 verdankten sich zahlreiche Denkmalinitiativen dem Engagement städtisch-bürgerlicher Gruppierungen. Dies galt auch fur die kleineren Dynastendenkmäler im städtischen Randbereich. Die Initiative zur Errichtung eines Denkmals fur den Kurfürsten Joachim II. in Berlin-Spandau etwa ging aus den Reihen der kirchlichen Hierarchie hervor. Hier war es der Referent des Königlichen Konsistoriums der Provinz Brandenburg, der das Monument als Reminiszenz an die Einfuhrung der Reformation in Brandenburg anregte218. Für ein 1880 eingeweihtes Denkmal zu Ehren der Königin Luise im Tiergarten setzten sich zum einen ein »Verein der Conservativen der Luisen215
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Ein bildungs- und kleinbürgerliches Festkomitee stand auch hinter dem 1858 in Oranienburg errichteten Denkmal fur die preußische Königin Luise. Ein ähnliches Stifterprofil zeigt die Initiative für Beuth. Vgl. Anzeige und Subskriptionsaufruf vom 7. Oktober 1853, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20894, Bl. 2; Aufruf des Central-Komités zur Errichtung eines Monumentes fur den Wirklichen Geheimen Rath Beuth vom Dezember 1853, beide GStA PK I. HA Rep. 93 Β Nr. 2363, Bl. 45 Rs.; Programm für die Feierlichkeiten bei der Enthüllung des Luisen-Denkmals zu Oranienburg, ibid. Bl. 56; Brief des Magistrats der Stadt Oranienburg vom 31. März 1858 an den König, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20903, Bl. 5Of. Vgl. den Spendenaufruf für die Belange der Invaliden- und Hinterbliebenversorgung BLHA Rep. 30 C, Nr. 2917, Bl. 9. Vgl. G. RAHN, Das National-Krieger-Denkmal im Invalidenpark zu Berlin, Berlin 1854, S. 5. Jenseits eines militärischen Kontextes ging über den Berliner Raum hinaus auch die Initiative zugunsten eines Anfang 1860 zustandegekommenen Denkmals fur den landwirtschaftlichen Reformer Thaer. Vgl. den Bericht vom 2. März 1843, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20893, Bl. 3-4. Vgl. Memorandum an den König vom 11. Juni 1887, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20904, Bl. 79 und NPKZ, 31. Oktober 1889, S. 3. Auch hinter dem 1902 in Rixdorf errichteten Reiterdenkmal für Wilhelm I. stand 1895 ein kommunales Komitee mit dem Bürgermeister von Rixdorf an der Spitze. Vgl. Brief des Innenministers an Wilhelm II. vom 13. Februar 1901, GStA PK ibid. Bl. 6.
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Einleitung
Stadt von Alt-Cölln und St. Jakoby« ein, »an dessen Spitze achtbare und der conservativen Sache ergebene Personen« standen219, zum anderen eine weitere städtische Initatorengruppe220, die neben Mitgliedern von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung auch beamtete Vertreter des gehobenen und mittleren Bildungsbürgertums, des Wirtschaftsbürgertums und der freien Berufe umfaßte221. Auch jenseits der monarchischen Monumente dominierten wie in den Reihen der Komitees zur Errichtung eines Denkmals fur Friedrich Ludwig Jahn222 1872, für Schiller223 1871 und für Goethe224 1880 bildungs-, wirtschafts- und kleinbürgerliche Mitglieder. Von diesem Erscheinungsbild wich die Initiative für ein Lessing-Denkmal225 nur ab, weil parallel dazu, aber mit einem analogen Profil, ein ausschließlich jüdisches Denkmalkomitee entstand, das seine 219
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Vgl. Bericht des Kultusministers Falk an Wilhelm I. vom 20. Dezember 1875, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20903, Bl. 119. Vgl. Bericht vom 14. April 1880, ibid. Bl. 205-207, hier Bl. 205f. und Communal-Blatt, 1. April 1877, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 2381 [up], Vgl. Communal-Blatt, 16. April 1876, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 2831. Dazu zählten vier Universitätsprofessoren (darunter Mommsen), acht (Geheime) Kommerzienräte, drei Geheime Regierungsräte, ein Oberkonsistorialrat, ein Generalsuperintendent, ein Stadtgerichtsrat, der Direktor eines Gymnasiums, zwei Distriktvorsteher, der Königliche Gartendirektor, ein Schriftsteller, zwei Cheftedakteure, der Direktor der Akademie der Künste Anton von Werner, ein Hof-Buchhändler, ein Bankier, zwei Rentiers, der Unternehmer Werner Siemens und ein Civil-Ingenieur. Dem Komitee zur Errichtung eines Denkmals für Kaiserin Augusta unter der Leitung des Berliner Oberbürgermeisters von Forckenbeck gehörten auch mehrere Militärs (drei Generale der Infanterie, zwei Generalleutenante z.D., ein Oberst z.D., ein General der Kavallerie z.D., ein Oberstleutnant a.D., ein Generalmajor) und ein katholischer Geistlicher an. Vgl. Aufruf zur Errichtung eines Denkmals weiland Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin Augusta vom 7. Januar 1891, LAB A Rep. 00002-01 Nr. 1631, Bl. 101 und GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20904, Bl. 214. VZ, 11. August 1872, 4. Beilage, S. 1-2, hier S. 2. Vgl. Dieter DÜDING, Organisierter gesellschaftlicher Nationalismus in Deutschland (1808-1847). Bedeutung und Funktion der Turner- und Sängervereine fur die deutsche Nationalbewegung, München 1984 (Studien zur Geschichte des 19. Jahrhunderts, 13), S. 76-78; Aufruf zu Sammlungen fur ein Denkmal des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn in Berlin, 18. Juni 1861, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20835, Bl. 107-108, hier Bl. 108 Rs. Vgl. Der Beobachter an der Spree, 12. November 1871, in: [An.,] Schiller-Denkmal Berlin 1871, Bd. 1, Bl. 4. Vgl. [An.,] Zwei Actenstücke betreffend die Errichtung eines Denkmals für Goethe in Berlin nebst unmassgeblichen Vorschlägen fur die Vertheilung der einzelnen Mitglieder des Comités in vier Abtheilungen und einen leitenden Ausschuss, Berlin 1860, S. 3-6. Vgl. Einladung an die Mitglieder des Schiller- und des Goethe-Comité (...), in: [Ausschuß des Lessing-Comités,] Aktenstücke und Beläge, die am 6. November 1861 Allerhöchst genehmigte Vereinigung der Standbilder Lessing's, Schiller's und Goethe's vor dem königlichen Schauspielhause zu Berlin betreffend (Vom Anfange 1861 bis 12. November 1867). Im Auftrage des Lessing-Comité, Berlin 21870, S. 8-9, hier S. 9; Immediat-Eingabe an Se. Majestät den König, 24. Juli 1861, in: ibid. S. 21-22, hier S. 22; Öffentlicher Aufruf zur Errichtung des Lessing-Standbildes in Berlin, 10. Januar 1862, ibid. S. 39-41, hier S. 4041.
II. Strukturelle Kontexte: Erinnemngsräume und Stifterprofile
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Initiative ausdrücklich nicht mit dem Willen zur »Absonderung«, sondern mit einer besonderen Verpflichtung der »Juden« gegenüber Lessings ToleranzErbe begründete226. Auch das 1890 konstituierte Komitee zur Errichtung eines Bismarck-Monuments entsprach der gängigen Praxis, zeichnete sich aber zum einen dadurch aus, daß Reichstagsmitglieder und Minister dominierten, zum anderen ein vergrößerter Partizipationsradius erreicht wurde, indem seine Mitglieder nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Köln, Hamburg, Düsseldorf, Augsburg und Frankfurt227 stammten228. Von den landesweit errichteten Bismarckdenkmälern hob es sich insofern ab, als in Berlin nun zum einen nicht wie andernorts eher kleinbürgerliche Stifter dominierten und zum anderen auch ein preußisch-etatistischer Entstehungszusammenhang dominant war, der den reichsweiten Initiativen häufig fehlte229. Schließlich trat, auch dies gemessen am reichsweiten Bismarckkult ungewöhnlich, Wilhelm II. als »Protector« an die Spitze des Berliner Unternehmens230.
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Vgl. Aufruf an die jüdischen Verehrer Lessings, Februar 1862, ibid. S. 42-3; Vossische Zeitung, 2. November 1880 (1. Beilage), S. 3. Das Stifterprofil im Umkeis des 1895 eingeweihten Luther-Denkmals variierte ebenfalls nur durch eine einschlägig konfessionellkirchliche Prägung, indem nun höherrangige Vertreter der protestantischen Kirche in Gestalt eines Konsistorialrats, dreier Generalsuperintendenten und eines Predigers das Erscheinungsbild prägten. Vgl. Aufruf fur das auf dem Neuen Markt in Berlin zu errichtende Luther-Denkmal, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20887, Bl. 42. Vgl. Brief des provisorischen Komitees an Wilhelm II. vom 1. April 1890, GStA PK ibid. Bl. 10-13 Rs. Eine erste Initiative zu einem Bismarck-Denkmal gab es längst zu Lebzeiten des Kanzlers. 1884 erbot sich ein Kaufmann Rudolph Hertzog beim Kaiser, mit einer Million Mark in Vorleistung für ein Bismarckmonument zu gehen, dessen Konzept und Standort der Monarch bestimmen sollte. Zu Zeiten Wilhelms I. blieb das Ansinnen unberücksichtigt. Vgl. Schreiben Rudolph Hertzogs an Wilhelm I. vom 6. April 1884, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20896, Bl. 4. Vgl. dazu HARDTWIG, Erinnerung, Wissenschaft, Mythos, S. 249f. und HEDINGER, Bismarck-Denkmäler, S. 282f. Vgl. Brief des Kabinettsrats von Lucanus an das provisorische Komitee vom 9. April 1890, GStA PK ibid. Bl. 15. Dies galt auch für den Verein, der die »Bismarck-Warte« 1900 betrieb; vgl. RENISCH, Überblick über die Geschichte des Vereins »Bismarck-Warte« während seines fünfjährigen Bestehens 1899-1904 mit besonderer Berücksichtigung der Grundsteinlegung und Einweihung der Bismarck-Warte auf den Müggelbergen, Coepenick 1904, S. 8. Über die Berliner Komitees um die Roon- und Moltkedenkmäler liegen eher spärliche Informationen vor. An der Spitze des im Sommer 1901 gebildeten RoonKomitees stand der dafür eigens angeworbene Regent des Herzogtums Braunschweig Prinz Albrecht von Preußen. Im geschäftsführenden Ausschuß beteiligten sich Reichskanzler von Bülow, der preußische Kriegsminister von Goßler und der Präsident der Seehandlung Havenstein. Vgl. Zusage des Prinzen vom 28. April 1901, BArch R 43/2388, Bl. 15 und Roon-Denkmal! Unter dem Protektorate Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Albrecht von Preußen, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20838, Bl. 43; Schreiben des geschäftsfuhrenden Ausschusses vom 8. November 1901, GStA PK I. HA Rep. 93 Β Nr. 2366, Bl. 4. Das um 1904/05 vor dem Generalstabsgebäude piazierte Denkmal für Moltke ging auf die Initiative von Mitgliedern des nationalliberalen Wahlvereins von Breslau um den Prokuristen
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Einleitung
Gelegentlich gingen Initiativen aus den Reihen von Berufsverbänden hervor, wenn sich etwa die Stifter eines Werner von Siemens-Denkmals aus dem Berliner Bezirksverein deutscher Ingenieure rekrutierten 231 . Mitunter traten an der Grenze z w i s c h e n akademischen Wissenschaftsinstitutionen und Politik Vernetzungseffekte z w i s c h e n renommierten Stiftern auf, die in mehreren Komitees vertreten waren und am Ende zum Teil selbst Denkmäler erhielten. D i e s e s Phänomen ergab sich etwa, als im Mai 1859 und nach einem ersten Fehlschlag erneut zehn Jahre später mit ähnlichem Komiteeprofil eine Initiative zur Errichtung eines Monuments für den Forscher Alexander von Humboldt von dem Pathologen und liberalen Abgeordneten Rudolf Virchow an der Spitze einer Gruppe von 31 Kollegen und Freunden ausging 2 3 2 . Der Kern der Initiatorengruppe um Virchow, von Siemens, Helmholtz und den Physiologen Emil D u Bois Reymond fand hier nicht neu um den Anlaß der Denkmalerrichtung zusammen, sondern war längst vorher über Mitgliedschaften im Preußischen Landtag 233 , in der Berliner Physikalischen Gesellschaft und der Königlichen Akademie der Wissenschaften 2 3 4 eng sozial vernetzt 235 . Helmholtz' Denkmal
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Wilhelm Bauer zurück. Bauer war 1860 geboren, evangelisch und Sohn eines Fabrikbesitzers und Hoflieferanten, vgl. Mitteilung des Regierungspräsidenten Ernst von Heydebrand u.d. Lasa an von Lucanus am 19. Oktober 1899, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20837, Bl. 273; Bauer an Kabinettschef von Lucanus am 22. Mai 1897, GStA PK, ibid. Bl. 141. Vgl. National-Zeitung, 19. Oktober 1899 (Α.), S. 2. Ähnlich brachte der Verein deutscher Eisenhüttenleute und der nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller das Denkmal für den Schwerindustriellen Alfred Krupp auf den Weg; vgl. ibid. Vgl. An das Hohe Zollparlament, Petition vom 16. Juni 1869, zit. nach: DU BOISREYMOND, Die Humboldt-Denkmäler, S. 109-110. Die Petition unterzeichneten u. a. die Botaniker Alexander Braun und Nathanael Pfringsheim, der Naturforscher von Dachröden, der Anatom und Physiologe Karl Bogislaus Reichert, der Verleger Georg Reimer und der Mineraloge Gustav Rose. Nach einem ersten Fehlschlag lancierte Virchow erneut eine Komiteegründung mit einem ähnlichen Profil. Vgl. Sitzung des Zoll-Parlaments vom 21. Juni 1869, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Zollparlaments, Berlin 1869/70, S. 245-246, hier S. 245; An das deutsche Volk!, Subkriptionsaufruf vom 2. Juli 1869, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20835, Bl. 188. Vgl. Helmut RECHENBERG, Persönlichkeiten aus der Frühgeschichte der PhysikalischTechnischen Reichsanstalt: Werner von Siemens, Hermann von Helmholtz, Friedrich Kohlrausch und Emil Warburg, in: Wilhelm TREUE, Gerhard HILDEBRANDT (Hg.), Berlinische Lebensbilder. Naturwissenschaftler (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, 60), Berlin 1987, S 45-60, hier S. 47. Vgl. Klaus WENIG, Rudolf Virchow und Emil du Bois-Reymond. Briefe 1864-1894, Marburg/Lahn 1995, S. 50-54; DERS., Rudolf Virchow und die Humboldt-Denkmaler vor der Berliner Universität, Berlin 1995 (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Wissenschaftshistorische Manuskripte, 4), S. 5-6. Vgl. ibid. S. 56.
II. Strukturelle Kontexte: Erinnerungsräume und Stifterprofile
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kam allerdings nicht im Rahmen dieses Netzwerks, sondern durch kaiserliche Stiftung zustande236. Auch die Monumente für renommierte Linksliberale, die gegen Jahrhundertende verwirklicht werden konnten, wiesen kein anderes Stifterprofil auf. Das Komitee, das sich mit dem Ziel einer öffentlichen Denkmalerrichtung fur den Mitbegründer des Deutschen Nationalvereins und der Deutschen Fortschrittspartei Hermann Schulze-Delitzsch Anfang der 1860er Jahre konstituierte, unterschied sich vom Gros üblicher Initiatorenkreise kaum; besonders erschien nur die starke Präsenz von Verbandsdirektoren genossenschaftlicher Vereine und zwei Vorstandsmitgliedern des Berliner Arbeitervereins. Ungewöhnlich blieb demgegenüber die regionale Reichweite der Mitgliedschaften, indem neben einer Überzahl Berliner Komiteemitglieder hier nun Vertreter aus allen deutschen Staaten vertreten waren237. Das Denkmal für den linksliberalen Fortschritts-Politiker Franz B. L. Waldeck kam auf Betreiben des Berliner Arbeitervereins und der Mitglieder der traditionsreichen linksliberalen HirschDunckerschen Gewerkvereine zustande238. Über eine vage angedeutete soziale Öffnung nach unten kamen damit auch die Initiatoren der dezidiert linksliberalen Denkmäler nicht hinaus. 2.3. London 1. In London prägte früher als in den beiden Vergleichsstädten ein erstes Großprojekt schon die erste Phase des Betrachtungszeitraums. Das in den 1840er Jahren sukzessive abgeschlossene Nelson-Monument auf Trafalgar Square betrieb ein Nelson Memorial Committee mit sieben Admirälen, 13 Kapitänen und einem Leutnant. Sobald man per Rundbrief239 Mitinitiatoren anwarb, weitete sich der Kreis auch nach der zivilen Seite hin, blieb allerdings sozial weithin elitär. Dem Komitee gehörten bis zum Sommer 1838 über 50 Adlige an, darunter 22 Oberhausmitglieder, weiter 14 Unterhausmitglieder und diverse Militärs einschließlich des Duke of Wellington240. Ein ebenso militäri-
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Vgl. Bericht von Delbrücks vom 15. Dezember 1894, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20837, Bl. 87 und Aufruf zur Errichtung eines Denkmals von Helmholtz, 11. März 1895, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20837, Bl. 99-99 Rs. Vgl. Subskriptionsaufnif des Comités zur Errichtung eines Denkmals für SchulzeDelitzsch, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20837, Bl. 11-12 Rs. Generell dominierten hier Mitglieder des Reichtags und des preußischen Abgeordnetenhauses, daneben höhere Beamte und freie Berufe. Vgl. Schreiben des Vorsitzenden des Berliner Arbeitervereins an die Stadtverordnetenversammlung von Berlin am 8. Februar 1890, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1634, Bl. 203. Vgl. Nelson Memorial Committee. Minute Book 1838-1844, PRO Work 6/119, Meeting 22 February 1838. Vgl. Report from the Select Committee on Trafalgar Square; together with the evidence taken before them and Appendix, 27. Juli 1840, in: HoC Parliamentary Papers Bd. 12
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Einleitung
sches wie vor allem parlamentarisch geweitetes Initiatorenprofil zeichnete sich auch hinter dem Ende 1867 aufgestellten Monument für Kriegsminister Lord Sidney Herbert ab241. Als unmittelbares Parallelunterfangen zum Pariser Larrey-Denkmal erwies sich nicht nur der Programmatik, sondern auch dem Initiativkontext nach das Denkmal fur den Militärarzt James McGrigor, zu dessen Errichtung sich um 1861 ein Memorial Committe aus den Reihen des Royal Army Medical Corps an der Schnittstelle zwischen medizinischen und militärischen Gruppen gebildet hatte242. Über ein transnationales InitiatorenProfil verfugten demgegenüber wie etwa im Falle der Initiative für eine Statue des Mediziners Edward Jenner243 ausschließlich Stiftergruppen, die renommierte Wissenschaftler ehrten. Schließlich traten bereits 1850 erstmals auch Vertreter der City als Initiatoren auf und engagierten sich fur eine monumentale Würdigung des Premierministers Robert Peel244. 2. Zahlreiche der in und nach den 1870er Jahren zustandegekommenen Londoner Denkmalprojekte fußten auf dezidiert politischen Zusammenschlüssen. So gehörten dem Komitee zur Errichtung eines Denkmals für Lord Derby, das 1874 auf dem Parliament Square aufgestellt werden konnte, vor allem politische Weggefährten und Freunde des konservativen Premiers an245. Daneben
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(1840). Reports from the Committees (Metropolis Improvements), N° 548, 1-40, hier S. 32-33. Zu den Unterstützem des Projekts zählten zunächst neben drei Generalen weitere sieben Generalleutenante, zehn Generalmajore, zwei Colonels, der Generaldirektor des Militärkrankenhauses und ein Militärgeistlicher. Beteiligt waren dann aber auch knapp 40 Unterhausmitglieder, darunter die Liberalen Palmerston und Russell und der Lord Mayor von London, sowie 16 Oberhausmitglieder. Vgl. Memorial to the late Lord Herbert. Report of the proceedings at the public meeting held at Willi's Rooms, King Street, St. James's on Thursday 28th November 1861. His Royal Highness the Duke of Cambridge, K.G. in the Chair, London 1862, S. 4-6. Vgl. Schreiben des Komitees an das Office of Works am 25. Januar 1861, PRO Work 20/29. Vgl. zum Larrey-Denkmal bereits Kapitel III.2.1. Vgl. Brief des Chairman des Komitees, John Conolly, an das Office of Works, 12. August 1857, PRO Works 20/33. Das Komitee bestand dann aus einem Mitglied des Repräsentationsorgans der City (Alderman), einem Geistlichen, mehreren Parlamentsmitgliedern, dem Chairman der East India Company, dem Deputy-Governor der Bank of England und Bürgern der Stadt. Vgl. The Daily Telegraph, 23. Juli 1855, S. 2; The Times, 14. November 1853, S. 10. Prominent beteiligt waren Repräsentanten der City auch am Zustandekommen eines ersten Denkmals für den Prince Consort Albert 1863. Vgl. The Art Journal 5 (1853) S. 298; The Times, 28. Oktober 1853, S. 7, 2. November 1853, S. 8; ibid. 8. November 1853, S. 5. An Parlamentsabgeordneten zählten dazu neben Disraeli überwiegend Konservative, darunter der spätere Lord Mayor Robert N. Fowler, der Liberal-Conservative und spätere First Commissioner of Works Lord Henry Lennox, drei Colonels und ein Captain; dazu kamen ein Duke, sechs Earls, ein Sir, acht Lords, ein Marquis, sowie 10 weitere, titellose Mitglieder. Vgl. The Times, 14. Dezember 1869, S. 4. Ein dominant konservatives Profil prägte auch die Initiatorengruppe um das Denkmal für den Tory Sir Robert Peel. Vgl. The Peel Statue - Resolution, HoC, 25. Juni 1868, in: Hansard 3rd s., Bd. 192 (1868) Sp.
II. Strukturelle Kontexte: Erinnerungsräume und Stifterprofile
117
kamen aber auch politisch vergleichsweise aufgelockerte Stifterkonstellationen zustande, wenn etwa ein Komitee zur Ehrung des liberalen Begründers des obligatorischen Grundschulsystems in Großbritannien, W. E. Forster, Mitte der 1880er Jahre ebenso liberale wie konservative Parlamentarier umfaßte246. Ebenso fanden sich 1898 Liberale wie Konservative zur Beteiligung an einer Denkmalinitiative zugunsten Premierministers Gladstone bereit247. Singular blieb demgegenüber, daß sich im Zusammenhang mit dem Plan eines Monuments für den Expeditionsforscher James Cook vor dem Ersten Weltkrieg ein politisch rechtslastiges Komitee konstituierte, dem sich mehrere Mitglieder der aktivistischen imperialen, dem Sozialprofil nach vor allem im Bereich der »middle class« einzuordnenden und politisch elitär zusammengesetzten British Empire League anschlossen248. Auch im Hintergrund der Denkmalerrichtungen für Militärs standen ebenso militärisch wie zivil geprägte Stifterkreise. So gehörten zum Denkmalkomitee fur General James Outram neben hochrangigen Veteranen und Offizieren auch zwei Literaten, ein Vertreter der Metropole, ein konservativer und ein liberaler Parlamentarier249. In einigen Fällen zeichnete sich dabei ein Zusammenspiel mit der City ab, wenn etwa die Initiative zur Errichtung eines Denkmals für den 1885 im Sudan gefallenen General Gordon auf ein unter Leitung des Lord Mayors von London und des Prince of Wales gegründetes »Mansion House Committee« zurückging250, das darüber hinaus eine renommierte Teilnehmerliste vorzuweisen hatte, auf der sich der anglikanische Erzbischof von Canterbury ebenso eingetragen hatte wie der ultramontane Kardinal Henry E. Manning und der konservative Premier Lord Salisbury251. Überhaupt engagierten sich
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2138-2150, hier Sp. 2143; Lord Cardwell an den First Commissioner of Works Cowper, 25. Mai 1863, PRO Work 20/31 [up], Vgl. The Times, 2. August 1890, S. 5; Sitzung des MBW vom 29. Juli 1887, in: Minutes of Proceedings of the MBW Juli-Dezember 1887, 207/70 und MBW Presented Papers 604, Bd. 388, Nr. 70. Vgl. The Manchester Guardian, 4. November 1905, S. 7. Im Komitee vertreten waren der Liberale und langjährige Kolonialminister Lord Kimberley oder Sir Jospeh Pease ebenso wie der Konservative und Unionist Lord Curzon. Vgl. The Times, 29. Juni 1914, S. 5; ibid. 8. Juli 1914, S. 10. Vgl. John M. MACKENZIE, Propaganda and Empire, S. 151-152. Vgl. u. a. Brief an Frank Baines vom 2. Juli 1914, PRO Work 20/79 [up]. Kirchliche Initiatorengruppen waren demgegenüber stärker unter den Stiftern der 1884 eingeweihten Statue für den englischen Reformer Tyndale vertreten. An der Spitze des Komitees, dem weitere, darunter hochrangige Geistliche wie der Erzbischof von Canterbury und mehrere Mitglieder der British and Foreign Bible Society angehörten, stand der anglikanische Geistliche Dean Stanley. Vgl. MBW, Presented papers 496, Bd. 280, Nr. 39; The Times, 26. April 1879, S. 11; ibid. 26. Juni 1879, S. 7; ibid. 3. April 1882, S. 8. Vgl. [An.,] Outram Testimonial, London 1861, S. 21. Vgl. ibid. Ahnliche Konstellationen prägen die Initiative für das Denkmal zur Erinnerung an Feldmarschall Robert C. Napier; vgl. The Morning Post, 9. Juli 1891, S. 2. Vgl. The Times, 3. März 1885, S. 8.
118
Einleitung
regelmäßig Mitglieder der königlichen Familie für die Denkmalwürdigung von militärischem Personal 2 5 2 . D a g e g e n blieben Schenkungen w i e im Falle eines der Prince Consort-Denkmäler, das im Januar 1874 ein anonymer Privatier der Stadt überließ 253 , und des Denkmals für den schottischen Literaten Robert Burns, das 1884 der schottische Kaufmann John Gordon Crawford initiierte 254 , eher selten. Nicht anders als in Berlin kamen Monarchendenkmäler in London nicht nur aufgrund monarchischer, sondern auch privater oder städtischer Initiativen zustande. A m Jubilee Memorial Committee, das sich Anfang der 1890er Jahre um die Errichtung eines Denkmals für Queen Victoria nahe des Kensington Palace bemühte 2 5 5 , beteiligten sich erneut v.a. konservative und liberale Parlamentarier neben mehreren hochrangigen Militärs. Außergewöhnlich und symptomatisch für das politische Prestige der Geehrten nahm sich hier j e d o c h die Teilnahme auswärtiger Politiker w i e des ehemaligen kanadischen Premiers Sir Charles Tupper und des südafrikanischen Staatsmannes John J. Merriman
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So gehörten dem Komitee, das sich Mitte der 1890er Jahre um ein Reiterdenkmal zugunsten des Feldherrn Sir Hugh Rose, Baron Strathnairn, bemühte, Mitglieder der königlichen Familie und des Militärs an. Vgl. The Daily Telegraph, 20. Juni 1895, S. 4; The Morning Post, 20. Juni 1895, S. 2. Ebenso trat der Prince of Wales als Vorsitzender eines Exekutivkomitees zur Errichtung eines Denkmals für den Kolonialpolitiker und Gouverneur Sir Bartie Frere auf. Vgl. Sitzung des MBW am 11. Juli 1884, in: Minutes of the Proceedings of the MBW Juli-Dezember 1884, 89/47; Sitzung vom 7. Januar 1887, in: ibid. JanuarJuni 1887, 16/33; The Times, 6. Juni 1888, S. 12. Eine entsprechende Protektorenrolle blieb nicht auf militärisches Personal beschränkt. Etwa konnte man auch als Vorsitzenden des Generalkomitees zur Errichtung des Gladstone-Denkmals den Prince of Wales und späteren König Edward VII. gewinnen. Vgl. The Manchester Guardian, 4. November 1905, S. 7.
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Vgl. Description of the Equestrian Statue of the Prince Consort erected in Holborn Circus and to be unveiled in the presence of His Royal Highness the Prince of Wales on Friday 9th January 1874, London 1874, CLRO, Papers relating to the Prince Consort Memorial, Holborn Circus c. 1872-1874, Holbom Valley Box 9.8 [up], Vgl. Sitzung des MBW vom 1. Dezember 1882, in: Minutes of Proceedings of the MBW Juli-Dezember 1882, 845/29; MBW Presented Papers 550, Bd. 334, S. 29; Sitzung des MBW vom 30. Mai 1884, in: Minutes of Proceedings of the MBW Januar-Juni 1884, 918/53 u.ö. Vgl. The Daily Telegraph, 29. Juni 1893, S. 5. Vgl. The Morning Post, 29. Juli 1893, S. 5; Notiz aus dem Office of Works vom 25. Juni 1893, PRO Work 20/77 [up]. So war es auch die Londoner City of London Corporation, die sich fur die Überarbeitung und Neuaufstellung der Queen Anne-Statue 1886 vor der St.Paul's-Kathedrale einsetzte. Vgl. The Times, 16. Dezember 1886, S. 10; Metropolis Queen Anne's Statue, St.Paul's Churchyard, Sitzung des HoC vom 2. August 1875, Hansard Bd. 226 (1875) Sp. 371; The Times, 16. Dezember 1886, S. 10. Bei den übrigen Initiativen für Monarchendenkmäler dominierten demgegenüber deutlich lokalere Stifterkreise. Dies gilt für das Queen Victoria-Denkmal, das 1904 im Londoner Stadtteil Kensington entstand ebenso, wie für das Queen Alexandra-Denkmal im Innenhof des London Hospital im East-End von 1908 und die im Borough von Wandsworth entstandene Initiative für ein
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II. Strukturelle Kontexte: Erinnerungsräume und Stifterprofile
119
Eine seltene Öffnung für weibliches Personal trat schließlich im Falle der Denkmalstiftung für John Stuart Mill 1878 auf, indem dem entsprechenden Komitee unter den Publizisten, Autoren, Sozialreformern und Akademikern vereinzelt auch Frauen angehörten257. Entsprechende Inklusionsphänomene blieben allerdings weithin Episode.
3.
Vergleich
Die administrative und kompetenzrechtliche Infrastruktur in den drei Hauptstädten hat in der Regel der staatlichen Autorität ein Höchstmaß an Handlungsspielraum und Interventionsrechten gewährt. Der französische Staatspräsident bzw. Innenminister und Préfet de la Seine, der preußisch-deutsche Monarch und meist auch das königliche Office of Works fungierten regelmäßig als Letztinstanzen. Die britische Monarchie hat unterdessen jedenfalls über den größten Teil des Betrachtungszeitraums hinweg nicht auch nur annähernd so viel Interesse an symbolpolitischen Akten gezeigt, wie dies zur gleichen Zeit bei den preußischen Regenten erkennbar war. Entsprechend selten intervenierten britische Monarchen in bereits laufende Projekte. Jedoch hat das Office of Works direkt oder durch die nachträgliche Übernahme von Denkmälern in seinen Verfügungsbereich durchaus auch Symbolkontrolle betrieben, die freilich weniger insistierend als in Berlin durchgeführt worden ist. Darüber hinaus haben in London die städtischen Gremien infolge des parochialen Föderalismus tendenziell mehr als in Berlin und Paris Entscheidimgskompetenz behalten. Es zeichnete sich aber nicht ab, daß deshalb in nennenswert stärkerem Maße als dort das städtische Terrain zur Aufstellung privater oder städtischer Denkmäler genutzt worden wäre. Der Conseil Municipal von Paris hat verglichen mit der Berliner Stadtverordnetenversammlung eine deutlich aktivere Rolle im öffentlichen Denkmalbau gespielt. Von Vorteil war hier der Umstand, daß sich anders als in
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Edward VII.-Denkmal 1911. Vgl. Kensington Local Memorial to her late Majesty Queen Victoria, Kensington Local Studies Central Library, 731.76 Vie. 518; zum AlexandraDenkmal vgl. The Daily Telegraph, 11. Juli 1908, S. 6, zum Edward VII.-Denkmal The Standard, 6. November 1911, S. 4. Neben dem Whig-Minister George D. Campell, Duke of Argyll, dem Herausgeber des The Economist Walter Bagehot, dem Sozialreformer Edwin Chadwick, dem langjährigen Radical MP für Chelsea und politischen Freund des französischen Republikaners Gambetta, Charles Dilke, dem Liberalen Henry Fawcett, dem liberalen irischen Historiker und Essayisten William E.H. Lecky, dem Philosophen Herbert Spencer, mehreren namhaften Wissenschaftlern und Arthur Arnold vom Reform Club, der Keimzelle der liberalen Partei, waren dies die Philantropin und Literatin Frances P. Cobbe, und die in der Frauenrechtsbewegung prominent engagierte Millicent Fawcett. Vgl. The Daily Telegraph, 28. Januar 1878, S. 3.
120
Einleitung
Berlin nicht ein fortschrittlich-linkes städtisches Gremium und eine autoritärkonservative Staatsautorität, sondern auf städtischer wie staatlicher Seite Akteure freilich unterschiedlicher republikanischer Couleur gegenüberstanden. In dieser Konstellation lagen ebenso Chancen zu mehr Konvergenz wie umgekehrt auch Auslöser fur symbolpolitische Profilierungsakte eines tendenziell von der radikalen Linken dominierten Conseil gegenüber den moderateren Regierungskräften. Mit der Zunahme und Vertiefung innerrepublikanischer Binnendifferenzen und der Intensität öffentlicher Symbolpolitik konnte hier das Kollisionspotential durchaus steigen - und hat dies, wie im Vorgriff zu sagen ist, auch in erheblichem Maße getan. Dem Kompetenzarrangement nach allerdings zeichnete sich dies zunächst nicht ab. Der Zugriff der preußisch-deutschen Monarchen auf die öffentliche Symbollandschaft wurde demgegenüber früher und deutlich rigider geübt und bezog sich weit über die Monarchendenkmäler hinaus auch auf die Statuen von Militärs oder zivilen Bürgern. Die monarchische Reglementierung erfolgte dabei nicht nur in Gestalt beträchtlicher Obstruktion, wie sie sich im Blick auf die Denkmäler fur die Linksliberalen abzeichnete. Sie schlug sich auch bereits mehr oder minder latent in der schleichenden Involvierung und schließlich Überformung bereits laufender Projekte nieder. Vergleichbare Phänomene sind zwar sowohl in Paris als auch in London aufgetreten, blieben dort aber vergleichsweise singulär. Zwar konnte die Stadtverordnetenversammlung unter diesen Bedingungen nicht die Rolle eines wahrnehmbar eigenständigen Akteurs spielen. Private, auf akademische, professionelle, soziale und politische Vernetzungen aufbauende Denkmalinitiativen, an denen sich namhafte Repräsentanten des Gremiums je neu beteiligten, sind dessen ungeachtet genauso wie in den beiden Vergleichsfallen zu beobachten. Der Umstand, daß in London und z.T. Paris anders als in Berlin Berufsangaben und damit soziale Statusmarkierungen auf den Mitgliederlisten der Vereine oder lockeren Gruppierungen häufig fehlten, ist im Blick auf die Initiatorenprofile bereits ein erster Befund. Er legt nahe, daß die symbolische Einbindung in das Unternehmen nationaler Konsensbekundung, als das sich die Denkmalinitiativen subjektiv verstanden, in Berlin mehr als in den europäischen Hauptstädten unter dem Vorzeichen sozialer Statusdifferenzierung vonstatten ging. Mit der Ausblendung von Berufsangaben auf den Mitgliederlisten französischer und englischer Komitees schien demgegenüber das Kriterium sozialer Ungleichheit programmatisch und im Sinne der nationalen Homogenitätsfiktion übergangen worden zu sein. Unelitärer oder bemerkenswert inklusiver stellten sich, sofern sie näherungsweise ausgemacht werden können, die Initiatorenprofile in Paris oder London deshalb aber keineswegs dar. Unterbürgerliche Gruppierungen und Frauen blieben jedenfalls mit wenigen Ausnahmen weithin konsequent ausgegrenzt, während in Paris am ehesten, aber
II. Strukturelle Kontexte: Erinnerungsräume und Stifterprofile
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nach wie vor selten, Aufweichungen zugunsten kleinbürgerlicher Formationen auftraten. Generell entstanden die meisten Denkmäler in den drei Städten durch die Konstituierung von Komitees, die ausschließlich auf die Aufgabe und Planung der jeweiligen Denkmalsetzung fixiert waren, dabei aber berufliche, akademische und politische Vernetzungen aktivierten, um Mitglieder anzuwerben. Im Vorfeld von Denkmalerrichtungen fur Wissenschaftler und Forscher hingegen gingen entsprechende Initiativen oftmals aus dem institutionellen Kontext bereits etablierter, in der Regel akademisch elitärer Institutionen und Vereinigungen hervor, die neben ihrer professionellen Arbeit nun auch die Monumentalisierung organisierten. Hier bestand auch am ehesten die Chance, daß solche Netzwerke sich deutlich außerhalb der hauptstädtischen oder der gesamtstaatlichen Reichweite bewegten und sogar internationale Initiatorenkreise entstanden. In allen Städten dominierten Parlamentarier und ministerielle Amtsträger die Initiatorengruppen, mit deren Namhaftigkeit in der Regel zugleich das Prestige der Projekte stieg; die Parlamentsnähe wurde damit zu einem beherrschenden Signum hauptstädtischer Stifterprofile. Von einer defizitären Rolle des deutschen Bürgertums im Rahmen der Denkmalunternehmungen kann daher angesichts evidenter und dominanter Staatsnähe auch englischer und französischer Stiftergruppen nicht gesprochen werden. Militärische Profile kamen demgegenüber nicht in Berlin, sondern tendenziell am ehesten in London zustande, erwiesen sich hier aber regelmäßig als durchaus kompatibel mit den gängigen zivilen und politischen Komiteemitgliedern. Stärker als in London und Berlin sind darüber hinaus in Paris Journalisten der republikanischen Presse zumindest als Mitinitiatoren aufgetreten. Hierin, wie in der besonders intensiven Aufmerksamkeit, die das Thema öffentlicher Denkmalerrichtungen in der veröffentlichten Meinung Frankreichs erreichte, waren sie zugleich ein Symptom für früh geschärfte und sensibilisierte Blicke einer politisierten publizierenden Öffentlichkeit auf Fragen monumentaler und national konnotierter Deutungsmacht im städtischen Raum. Damit dominierten letztlich in Berlin staatsnahe (bildungs)bürgerliche Formationen als Hauptakteure der Denkmalunternehmungen, die sich gegenüber unterbürgerlichen Gruppen abschlossen und die national konnotierte Geste der Denkmalsetzung insofern auch als Bestandteil ihres Status erachteten. Alle Kennzeichen einer politischen, in der Regel aber nicht-adligen, großbürgerlichen Eliten-Gruppierung258 zeigten zwar auch viele der französischen Stiftergruppen, waren aber anders als deutsche und englische Komitees gelegentlich eher nach unten geöffnet. Als Spezifikum Londoner Initiatorenzirkel war 258
Vgl. Hartmut KAELBLE, Französisches Bürgertum und deutsches Bürgertum 1870-1914, in: KOCKA (Hg.), Bürgertum 1, S. 107-140.
122
Einleitung
schließlich in fast allen Projekten eine erhebliche Beteiligung adliger Formationen an den Mitgliederversammlungen und konstituierenden Sitzungen zu beobachten, die auf eine besondere Affinität zwischen »middle« und »upper classes« zu verweisen schien259. Ein überparteiliches oder parteilich neutralisiertes Erscheinungsbild wurde hier zu einem Signum der Denkmalkomitees und ließ die entsprechenden Vereinigungen damit auch als eine Art moralischen Hort eines national konnotierten Gemeininteresses erscheinen260. Neben einer charakteristischen »Mittelklasse«-Bindung erwies sich demzufolge die soziale Exklusion nach unten mit Ausnahme weniger französischer Fälle als Kennzeichen der hauptstädtischen Denkmalbewegung.
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Vgl. Eric J. HOBSBAWM, Die englische middle class 1780-1920, in: KOCKA (Hg.), Bürgertum 1, S. 79-106; Willibald STEINMETZ, Gemeineuropäische Tradition und nationale Besonderheiten im Begriff >MittelkassePrince of Peace< (...) shall reign for ever and ever.« Vgl. Francis Turner PALGRAVE, Modern Monoliths, in: London Review 15. März 1862, R A Vic. Add. H 1, Bl. 1 0 9 - 1 1 0 , hier Bl. 110.
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Vgl. Schreiben Greys im Auftrag der Queen an Eastlake vom Komitee, 19. April 1862, ibid. Bl. 211. Vgl. Charles Baylis, Esq. suggesting model cottages & baths & workhouses for memorial, 23. April 1862, ibid. Bl. 230. Vgl. R. Cook an Eastlake vom Komitee, 24. April 1863, ibid. Bl. 249. Vgl. Henry COLE, Memorial to His Royal Highness the Prince Consort, 31. Dezember 1861, RA Vic. Add. H. 2, Bl. 2 und DERS. in einem Leserbrief an die Times, 6. Januar 1862, S. 9.
II. Nation und monarchische Staatsordnung
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Prince Consort als großer Philanthrop und nationaler Erzieher dauerhaft dokumentieren könne199. Im Grunde stellten dergleichen Vorschläge die Aussagekraft und Sinnhaftigkeit der traditionellen öffentlichen Denkmalidee radikal infrage, indem sie eine unmittelbare pragmatische und dem Monument bereits inhärente Einlösung der vermeintlich nationalen, hier überwiegend sozialreformerischen Programmatik forderten. Politische Praxis sollte demnach ikonographische wie rhetorische Absichtserklärungen ersetzen. Bei zahlreichen Entwürfen blieb daneben die Intention bestimmend, die Pazifismus- und internationale Fortschritts- und Kooperationsidee im Geiste der Weltausstellung wiederzubeleben, wenn etwa an Säulenkonstruktionen gedacht wurde, die in Gestalt eines überdimensional breiten Sockels fur zahlreiche internationale Widmungsinschriften Raum bieten sollten200, oder wenn die Innenausstattung gigantischer Säulenkörper mit Museen und Theatern erwogen wurde, die die Ausstellungsidee von 1851 gleichsam perpetuieren wollten201. Der Intervention der Queen war es geschuldet, daß diese Alternativkonzepte am Ende zugunsten jenes Entwurfs übergangen wurden, der die unter einem reich verzierten Baldachin übergroß thronende Gestalt Alberts zeigte202. Der Architekt George Gilbert Scott beabsichtigte, durch den gotischen Stil, den der Prince Consort besonders geschätzt habe, zu einer schreinartigen Konstruktion zu gelangen, die den kultischen Gestus des Gesamtdenkmals unterstützen würde203. Darüber hinaus legten sich die Initiatoren inschriftlich auf ein Höchstmaß an integrativer Programmatik fest, indem sie - am Tatbestand einer eigentlich höchst exklusiven Initiative vorbei - »Queen Victoria and her people« als gleichberechtigte Stifter des »national memorial« und konstitutive Teile der Nation nannten204.
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Vgl. Rev. F.A. JOHNSON, The Prince Consort Memorial. The proposed scientific College for Suffolk, shewn to be a necessity, and the carrying out of the national designs of His late Royal Highness, with the reasons why it should be generally supported, London 2o. J. , S. 4. Vgl. C. Henry an Eastlake, 24. April 1862, RA Vic. Add. H 2, Bl. 248. Vgl. Henry Fry an Sir Charles Phipps, 12. Februar 1862, ibid. Bl. 255. Vgl. Grey im Namen der Queen an Eastlake, 22. April 1863, ibid. Bl. 438. Vgl. George Gilbert SCOTT, Explanatory Remarks on the designs submitted for the Memorial to His Royal Highness the Prince Consort and the proposed Hall of Science, o. J. [1863], RA Vic. Add. H. 2, Bl. 491-494, nach separater Paginierung S. 3-18, hier S. 5-6. Vgl. auch EPSILON [i.e. John BELL], That the sentiment of the statue of the Prince in the National Prince Consort Memorial should be devout, and in harmony with the sacred character of the structure it is to occupy - which is a colossal shrine - and that the statue should be of marble, and not in bronze gilt. A letter to the editor of the Journal of the Society of Arts, N° 2, o. 0 . o. J. Vgl. G.G. SCOTT, Prince Consort Memorial. Report January 1869, RA Vic. Add. H. 4, Bl. 3-53.
184
Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 1870
In der Tat überwog in der veröffentlichten Meinung diese euphorische Rezeption des Denkmals, in der sich devote Verehrungsformeln und promonarchisches Bekenntnis mischten205. Spuren öffentlicher Kritik an der Denkmalwürdigkeit des Prince Consort und der nationalen Relevanz der Figur zeichneten sich nicht mehr ab. Eher deuteten später mehrfach Klagen über den äußeren Verfall des Prince Consort Memorials und das Ausbleiben restauratorischer Maßnahmen seitens des Staates darauf hin, daß die Öffentlichkeit mehr als die offiziellen Denkmalstifter um die Wahrung der Symbolfunktion des Monuments bemüht schien206.
4. Vergleich
In Frankreich nach 1851 und Preußen-Deutschland waren es bevorzugt die starken Exekutiven, die sich den nationalen Gedanken zu eigen machten, um Loyalität fur die autoritäre Herrschaft einzuwerben. Der nationale Diskurs in England war demgegenüber nicht nur erheblich stärker als auf dem Kontinent nach dem Parlament, sondern zusätzlich auch stärker zum politischen Liberalismus hin verlagert. Die schwindende Macht der Krone und eine deutlich geringere Ambition Queen Victorias selbst, sich zum Inbegriff der Nation zu stilisieren, lenkten entprechende Kultbemühungen hier verstärkt auf den Prince Consort ab. Anders als dies für die aufwendige Inszenierung der Weltausstellungen 1855 und 1867 in Paris gelten konnte und vor allem anders als im Rahmen der vom 205
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Vgl. William Thomas KlME, Albert the Good. A Nation's tribute of affection. To the memory of a truly virtuous Prince, London 1862, S. 37-38; James W. DEAN, National Memorial to H.R.H. the late Prince Consort. »Treu und fest«: a poem in two books, London 1865, S. 15; [An.,] Handbook to the Prince Consort National Memorial, published by authority of the Executive Committee, London 1874, S. 3; The Times, 14. November 1873, S.3. Vgl. The Times, 1. Juni 1882, S. 7; ibid. 13. Februar 1901, S. 7; Daily News, 21. März 1890; The Times vom Oktober 1901, PRO Work 20/13 [up], Daß das Monument bis 1914 polizeilich bewacht wurde, sollte weniger dezidierte Denkmalgegner abschrecken als der Prävention gegen einen weithin unpolitischen, diffusen Vandalismus dienen; vgl. Notiz aus Whitehall an das Office of Works vom 4. Februar 1887, The Star, 7. Dezember 1889; Bericht von Scotland Yard an das Office of Works vom 17. Februar 1913, PRO Work 20/12 [up], - Dem reduzierten monarchischen Kult mochte es geschuldet sein, daß ein Bedarf an historisch-mythischer Kontinuitätsstiftung entstand. Mit der Errichtung eines Denkmals für den mittelalterlichen Regenten und Kreuzfahrer Richard I. Löwenherz (Richard Cœur de Lion) blieb der Versuch historisierender Mythosbildung allerdings marginal. Vgl. The Times, 3. Juni 1853, S. 6; 6. Juni 1853, S. 8; 10. Juni 1853, S. 5; 7. November 1860, S. 7; The Standard, 6. Juni, S. 1; The Daily News, 6. Juni, S. 5; Charles Barry an George Rüssel, Esq., am 11. August 1856, PRO Work 20/28.
II. Nation und monarchische Staatsordnung
185
Empire pompös ausstaffierten »Fête impériale« am 15. August jeden Jahres207, verzichtete Napoleon III. in der Regel darauf, öffentliche Denkmäler in der Hauptstadt aufwendig zu inszenieren und stattete die Nation eher auf dirigistischem Wege mit den von der Staatsführung erwünschten Symbolen aus. Entsprechend schwach blieb allerdings selbst in einer bis in die Spätphase des Regimes weithin kontrollierten Presse das öffentliche Echo auf die Zeichensetzungen. Die Expansion der imperialen Nation sollte unterdessen nach 1848 zum neuen Thema in der Monumentlandschaft der Hauptstadt stilisiert werden, dies wie zum Zeichen fur eine späte Wiedergutmachung der ersten traumatischen Niederlagenerfahrung Frankreichs aus dem frühen Jahrhundert zum einen und für einen demonstrativen Rückgriff auf die napoleonische Vergangenheit Frankreichs zum anderen. Zur Überwindung des frühen Zusammenbruchstraumas wurde gleichsam symbolisch die Reaktivierung napoleonischer Herrschaftstradition verordnet. Im Rahmen der napoleonisch verfügten Denkmalprojekte in Paris wurde nicht anders als später in Berlin auch eine Frauengestalt in nationaler Absicht denkmalwürdig. Die Denkmalstiftung für die Kaisergattin Joséphine, die das einzige nationalpolitisch konnotierte Frauendenkmal vor dem Systemumbruch von 1871 in Paris blieb, erschien ganz der nationalen Sinnschöpfung aus der »épopée napoléonienne« untergeordnet und entbehrte jeder emanzipatorischen oder partizipatorischen Note im Blick auf ihr Geschlecht. Gleichwohl suchte man von der Weiblichkeit als nationalem Attribut zu profitieren, indem emotionalisierende und sakralisierende Sinnaufladungen stärker als auf jede männliche Kultfigur projiziert wurden. Ein ungleich höheres Maß an populärmythischem Assoziationsvorrat konnte demgegenüber das freilich nicht zentral, sondern im stadtfemen Oranienburg und auch nicht im Rahmen staatlicher, sondern städtischer Initiativen entstandene Luisendenkmal auf sich vereinen. Auch hier blieb die zeitgenössisch seltene Inklusion der Frau in die Riege der Denkmalwürdigen auf dynastisches Personal begrenzt und an Emotionalisierungs- und Sakralisierungsgesten gebunden. Während aber Joséphine in Frankreich als Versatzstück des Napoleon-Kults zu Ehren kam, veranschaulichte die Oranienburger Luise-Figur gerade den antinapoleonischen Impetus preußischer Nationsbildung. Joséphines Tod 1814 las sich ihren Deutern zufolge als Parabel auf den märtyrerhaften Niedergang des napoleonischen Ersten Empire, während Luise nach der Niederlage und Demütigung noch zumindest die moralische Rekonvaleszenz Preußens begleitete und damit über den Niederlagentopos hinaus die innere Regeneration der preußischen Nation bezeugen sollte, dabei aber nicht anders als ihr französisches Pendant Teil eines übergeordneten Konstrukts von Nationalgeschichte blieb, indem ihre Stif207
Vgl. Programme officiel du 15 août, Paris o. J.; vgl. TRUESDELL, Spectacular politics, S. 136-155.
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Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 1870
ter die Revolutionszäsur von 1848 im reaktionär-monarchischen Sinne verleugneten. Der Statuenaustausch auf der Pariser Vendömesäule schließlich machte in Paris im Rahmen eines beispiellosen Verfahrens den vermeintlichen Zeugen und Begründer nationaler Kontinuität zum Kultgegenstand. Dabei eignete sich der regierende Empereur den Napoleon-Mythos an, dessen Legitimations- und populäres Konsenspotential abgeschöpft, der aber zugleich mit imperialem und bellizistischem Impetus erneuert werden sollte. Im Namen der Nation wurde nicht die Rettung revolutionärer Freiheits-Errungenschaften, sondern die Reaktivierung der »gloire militaire« zur Quintessenz der Napoleon-Erinnerung. Die monarchische Selbstinszenierung Napoleons III., die durch die Ankopplung an dieses Erbe erfolgte, blieb damit kaum weniger als die preußischen Monarchendenkmäler in Berlin weit davon entfernt, die politische Binnenausstattung der Nation jenseits ihrer Fixierung auf die Herrscherautorität zu thematisieren. Währenddessen standen in Paris wie Berlin machtpolitischautoritäre und militärische Traditionsbildung im Zentrum nationaler Sinnkonstrukte. Indem die staatliche Denkmalpolitik nicht nur in Paris bis zum Ende des Zweiten Empire um eine sorgsam kontrollierte Streuung nationaler Symbole bemüht war208, deren Einnerungswert von jeder Anknüpfbarkeit an revolutionäre Konnotationen frei sein und eng mit der politischen Ordnung und den militärischen Errungenschaften des Ersten Empire209 assoziiert bleiben sollte, und indem die staatlich dekretierte Denkmalpolitik sonst nur weitgehend unpolitische Denkmalsetzungen210 duldete, lagen die Parallelen zur Berliner Denkmallandschaft während der 1850er bis 1870er Jahre offen zutage. Auch in Berlin begünstigte die Verdrängung des revolutionären Erbes den Rekurs auf historisches Herrschaftspersonal, an das zu appellieren opportun erscheinen mußte, um die Kontinuität einer großen Geschichte der Nation zu thematisieren. Während die Denkmalstiftung fur Friedrich Wilhelm III. im Tiergarten dabei noch 1849 alle Spuren einer Verbürgerlichung trug und den Dynasten mehr mit der Metropole als mit der preußischen Nation in Verbindung brachte, entstand mit dem Friedrich II.-Denkmal Unter den Linden bis 208
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Der Plan, die Champs Elysées beidseitig mit einer Statuenreihe zu flankieren und so zu einer klassischen »Via Triumphalis« zu gelangen, wie sie unter spezifisch dynastischen Vorzeichen in Berlin mit der Siegesallee um die Jahrhundertwende entstand, schlug Mitte der 1850er Jahre in Paris fehl und wurde offenbar von Napoleon III. nicht protegiert. Vgl. Uwe WESTFEHLING, J.I. Hittorffs Pläne fur ein Denkmalsforum in Paris, in: WRJb 36 (1974) S. 273-294, hier u. a. S. 284f. Vgl. Katrin SIMONS, Vom Triumph der Republik zur Apotheose Napoleons. Überlegungen zur Ikonographie der Revolution und des Konsulats am Beispiel einiger Gemälde von Jacques Louis David und Jacques Réattu, in: WRJb 43 (1982) S. 207-230. Vgl. fur Paris u. a. das Grabmonument für den jüdischen Komponisten Fromentel Halévy auf dem jüdischen Friedhof von Montmartre, Inaugurationsbericht im Artiste 5 (1. April 1864), S. 152f.
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1851 das eigentliche Antirevolutionsfanal in der metropolitanen Denkmallandschaft. Schon im vorrevolutionären Kontext war die Initiative unter unnachgiebiger Führung durch Friedrich Wilhelm III. wieder aufgegriffen und der monarchische Leitungsvorbehalt vehement selbst gegen materielle Partizipationswünsche der Provinzialstände verteidigt worden. Mit der gleichen Rigidität zog Friedrich Wilhelm IV. bereits die Inszenierung der Grundsteinlegungsfeier 1840 an sich, die allerdings ungeachtet militärischer Elemente die Nation durchaus als ständisch gegliederte Gesellschaft anvisierte und dabei auf Initiative der Stadt hin von sozialen Fürsorgemaßnahmen im Namen eines paternalistischen Königtums flankiert war. Anläßlich der Denkmaleinweihung 1851 dominierte demgegenüber das militärische und ein dezidiert preußisch-nationales Erscheinungsbild, während das ausdrückliche Verbot aller revolutionären Symbolik den Tenor der Feier vorwegnahm. Der rituellen entsprach eine programmatische Differenz: 1840 war die preußische Nation noch als Amalgam von »Volk« und »Monarch« definiert, eine inklusiv-harmonische Idee der preußisch-nationalen Gesellschaft beschworen und auf eine Traditionsbildung abgestellt worden, die sich an den Reformen des frühen Jahrhunderts orientierte. Dazu beschwor das Zitat des Befreiungskriegsmythos die Idee von der kriegsgeborenen Nation, nach der die französische Bedrohung von außen die Nation zum homogenen Verband zusammengeschweißt hatte. Demgegenüber repräsentierte der preußische Monarch 1851 nicht mehr zuerst den Friedensregenten, Mäzen und reformerischen Impulsgeber, sondern den Militärbefehlshaber. Zudem verlagerten die Denkmaldeuter das Bedrohungsszenario gleichsam nach innen und identifizierten mm die Revolutionsgegner als Kern der wahren preußischen Nation. Von der französischen Denkmalpolitik des Empereur unterschied sich das preußische Prozedere 1851 damit nicht nur durch eine deutlich aufwendigere öffentliche Inszenierung, sondern auch im Blick auf die programmatisch anvisierte machtpolitische Reichweite der Nation, die nämlich nur dem Empereur zufolge tendenziell imperiale Dimensionen annahm, während sie sich im Berliner Arrangement auf die Ausdehnimg von Preußen begrenzte. Eine offiziöse Diktion allerdings, die die Nation zuerst autoritär und militärisch konnotierte, prägte durchaus beide Zuschreibungsverfahren. Ritus und Programmatik der Einweihung Londoner Albert-Denkmäler lagen nun in mehrfacher Hinsicht quer zum französischen Inszenierungsverzicht und den deutschen Feiern. Zunächst stellten sie keine gleichrangigen Pendants zu den kontinentalen Herrscher-Monumenten dar, sondern - eher als Parallele zu den Denkmälern für Eugène, Joséphine und Luise - gleichsam sekundäre Kultfiguren, deren Errichtung anstelle monarchischer Abbilder sich aus Queen Victorias spezifischer Kultabstinenz bereits vor und allemal nach Alberts Tod 1861 erklärte. Dennoch trugen sie angesichts einer entsprechenden Involvierung der Krone die Handschrift monarchisch initiierter oder beeinflußter Sinn-
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Stiftungen und bildeten insofern durchaus Versatzstücke einer auf die monarchische Staatsordnung zentrierten Inszenierung der Nation. Während selbst das große Hyde Park-Denkmal für Albert bis Mitte der 1870er Jahre lediglich zeremonielos aufgestellt wurde, entfaltete sich im Umfeld der Einweihung einer ersten Albert-Statue 1863 eine durchaus ausgedehnte Festkultur. Vor allem im Rahmen der Festprozession wurde die Nation dann als Summe metropolitaner, regionaler und staatlicher politischer und gesellschaftlicher, ziviler ebenso wie militärischer Kompetenzträger visualisiert. Zugleich blieb dieser Zug aber elitär, indem nur prominente Kunst- oder wissenschaftliche Vereine, nicht aber kleinbürgerliche Formationen wie in Berlin 1840 und 1851 vertreten waren. Klassenindifferente Homogenität und friedlich-produktive Konkurrenz sowie internationale Offenheit und Transparenz kennzeichneten das auf die Weltausstellung von 1851 fixierte nationale Selbstbild, das vor dem Projektionshintergrund der Albert-Figur geprägt wurde. Seiner ebenso pazifistischen wie globalen und schließlich auch auf Momente der Binnenkonstituierung der Nation abhebenden Orientierung nach schien es im deutschen wie französischen Vergleich zunächst singulär. Allerdings forderten die heftigen Popularitätseinbußen, denen Albert unter dem Eindruck der Krimkriegkrise in den 1850er Jahren unterlag, vorübergehend eine aggressive und hermetische Exklusionspolemik zutage, in deren Zuge Albert stigmatisiert und seine nationale Zugehörigkeit in Zweifel gezogen wurde. Die öffentliche Diffamierungskampagne entlarvte die Vordergründigkeit vorheriger Inklusionsrhetoriken, blieb langfristig aber Episode. Die Ambition, den Prince Consort nicht nur im Rahmen eines stellvertretenden Monarchiekults, sondern auch als Repräsentant der sozial kohärenten Nation zu inszenieren, bestimmte schließlich die Initiative für das große Hyde Park-Denkmal des Prince Consort. Der ehemalige Exklusions- verwandelte sich nun in einen demonstrativen Inklusionsdiskurs, in dessen Verlauf auch ein auf Albert projizierter Nationsbegriff weiter Konturen gewann. Konstitution, Liberalismus und Freiheit firmierten demzufolge als Eckwerte britischnationaler Identität und leiteten im europäischen Vergleich zur zeitgenössischen Selbstdiagnose an, einen »particular path« zivilisatorisch-freiheitlicher Nationswerdung zu beschreiten. Im Unterschied zu Deutschland und Frankreich während der 1850er und 1860er Jahre wurden die Londoner Denkmalstiftungen verstärkt im Rahmen eines kritischen publizistischen Diskurses erörtert. In dessen Verlauf stand die Motivation von Denkmalstiftem ebenso zur Diskussion wie die prinzipielle Eignung des öffentlichen Monuments zum nationalen Kult, das bisweilen dem unumwunden geäußerten Verdacht quasi-absolutistischer Manipulation unterlag. Auch die Einweihungsfeier wurde stärker als bei deutschen oder französischen Feiern einer öffentlichen konzeptionellen Kritik unterzogen, indem liberale Zeitungen den exklusiven Aufstellungsort und die Ausgrenzung eines un-
II. Nation und monarchische Staatsordnung
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privilegierten Publikums als Perversion einer phrasenhaften nationalen Inklusionsprogrammatik anprangerten. Außergewöhnlich blieb im Vergleich, in welchem Maße die linke Presse den Nationsbegriff nachdrücklich politisierte, die Homogenitätsfiktionen mit dem Verweis auf die reale soziale Ungleichheit in der englischen Gesellschaft unterlief und selbstbewußt Partizipationsansprüche im Namen der von Albert verkörperten Nation anmeldete. Wiederum anders als in Deutschland oder Frankreich nahmen in England schließlich weitere Teile der publizierenden Öffentlichkeit an einer Diskussion um ein adäquates Formkonzept vor allem für das Hyde Park-Memorial teil und verrieten damit ein zeitgenössisch bemerkenswertes Sensorium fur die Halbwertszeit monumentaler Zeichen, an deren Stelle daher nicht selten für karitative Einrichtungen oder Bildungsinstitutionen im Sinne pragmatisch-partizipatorischer Denkmal-Konzeptionen plädiert wurde. Ein ähnliches Problembewußtsein für die Frage nach dem Funktionieren und Wirken nationaler Symbole ließen so weder die Berliner noch die Pariser Denkmalstifter erkennen. Singulär blieb schließlich während der frühen zweiten Jahrhunderthälfte das Ausmaß, in dem auch die Stadt London sich quasi-monarchisches Personal anzueignen wußte, indem sie, eingebettet in ein aufwendiges »civic ritual«, die Prinzenfigur gleichermaßen zum Projektionshintergrund für metropolitanes Selbstbewußtsein und monarchische Loyalitätsbekenntnisse machte. Besondere Bedeutung gewann nun angesichts der oben genannten Parallelen zwischen preußischem Monarchen- und französischem Empirekult die singulare symbolpolitische Umtriebigkeit der republikanischen Opposition in Paris, die zwar erst in der späten Liberalisierungsphase des Zweiten Empire möglich wurde, zu der nun aber im synchronen Vergleich jedes Pendant in Berlin wie in London während der ausgehenden 1860er Jahre fehlte. Unterhalb dieser Differenzschwelle bestanden aus einer diachronen Vergleichsperspektive Verfahrensähnlichkeiten mit den gescheiterten Berliner Versuchen zur monumentalen Gedächtnisstiftung für die Märzrevolution. Die linke Opposition gegen die konservative Reaktion in Preußen 1848/49 mußte nämlich nicht anders als die französische republikanische Opposition 1868/69 gegen das autoritäre Kaiserreich auf das städtische Friedhofsareal als Ort des Gegenkults ausweichen. In beiden Fällen war sie darüber hinaus zugleich energischen Versuchen der Ordnungsmacht zur totalen Terrain- und Symbolkontrolle ausgesetzt. Im Ergebnis kamen die Initiatoren des Baudin-Denkmals, das im weitesten Sinne der Revolutionserinnerung zuzurechnen war, weil es den Zusammenbruch republikanischer Anfänge unter der rigiden Militanz des Staatsstreichs memorieren sollte, über die Berliner Initiative nicht hinaus, da die Denkmalsetzung in beiden Fällen verhindert wurde. Dies, obschon die französische Initiative zwanzig Jahre später als die preußische mit subtileren Kultmethoden arbeitete, indem sie geschickt das christlich-religiöse Totengedenken als Anknüpfungspunkt für ihre politische Agitation zu nutzen versuchte, um Popularitätseffekte für den
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politisch-oppositionellen Märtyrerkult abzuschöpfen und den Zugriff der staatlichen Ordnungsmacht auf das am Feiertag sakral besetzte Friedhofsterrain zu erschweren. Gleichwohl gelangten nicht nur die Initiatoren, sondern auch eine zunehmend weniger kujonierte liberale Presse, anders als dies fur den Diskussionsstand vom März 1848 fur Berlin gelten konnte, im Zusammenhang mit dem Pariser Baudin-Projekt von 1868 zu ungleich weiterreichenden programmatischen Grundaussagen: Die Nation konzipierten sie partizipatorisch, demokratisch und plural, im versuchten Denkmalkult erkannten sie eine Art Grundrecht auf rituelle Selbstbildstiftung und in der Opposition eine nicht zuletzt zur freien Gedächtnisstiftung befugte Institution. Dem Empereur wurde demgegenüber bestritten, Traditionsbildung auf dem Wege offiziöser Geschichtsklitterung und unter dem Vorzeichen einer eklektischen Siegergeschichte erzwingen zu können. Diachrone Ähnlichkeiten wiesen wiederum die Reaktionen der autoritären Herrschaftssysteme auf, sofern selbst das in der Liberalisierung begriffene Empire nicht anders als die Repräsentanten der Ordungsmacht in Berlin sich der ungebetenen Nationsdeutungen auf dem Wege der Kriminalisierung ihrer Verfechter zu entledigen versuchten und damit vorerst auch erfolgreich verfuhren.
III. NATION UND MILITÄR
1. Paris (1851-1870): Nation und die Niederlage von 1815: Anläufe zur Rehabilitierung der »gloire militaire«
Während des Zweiten Empire vollzog sich hauptstädtische Repräsentationspolitik unter maßgeblicher Einwirkung des Préfet de la Seine Eugène Haussmann eher im Bereich der Stadtplanung. Dort führte sie nach der Fertigstellung des Louvrekomplexes auch zur Ausdehnung der Ost-West- wie der Nord-SüdAchsenstraßen und zu einer umfassenden Sanierung und Auflockerung der eng bebauten historischen Kernstadt. Der Empereur und sein ehrgeiziger Präfekt wurden dabei gleichermaßen vom Vorbild Londons wie von der Überlegung angetrieben, die sozialen und politischen Sprengstoff bergenden Ballungsräume durch großzügige Boulevards zu parzellieren und somit Krisenpotentiale zu beseitigen, die als Bedrohung der Machtzentrale wahrgenommen worden waren1. Gegenüber diesem Vorhaben geriet eine dezidierte national konnotierte Politik individueller Denkmalsetzungen in den Hintergrund2. Als zentrales Thema öffentlicher Standbilder vor allem für in den napoleonischen Kriegen verdiente Militärs erwies sich zusehends die Verarbeitung des Zusammenbruchs des Ersten Empire von 1814/15. Zu den wenigen öffentlichen Personendenkmälern, die während des Zweiten Empire entstanden, zählte dabei zunächst die Statue fur Maréchal Michel Ney, der nach der ersten bourbonischen Restauration im April 1814 erst auf die Seite des dynastischen Regimes gewechselt war, bevor er im März 1815 zu den Wegbereitern der napoleonischen Hunderttageherrschaft zählte und dafür nach der zweiten Restauration auf Drängen der Ultraroyalisten am 7. Dezember 1815 exekutiert worden war3. Als das Denkmal für Ney Anfang Dezember 1853 an der Avenue de l'Observatoire eingeweiht wurde, kam damit zugleich eine bereits auf die Zweite Republik zurückgehende, freilich im Sinne des Empire erheblich modifizierte Initiative an ihr Ende. Ein Dekret des Gouvernement Provisoire vom 1
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Vgl. u.a. David JORDAN, Die Neuerschaffung von Paris. Baron Haussmann und seine Stadt, Frankfurt 1996 [engl.: Transforming Paris. The life and labours of Baron Haussmann, 1995], S. 265-331. Zum unter Napoleon III. an der Außenfassade des Louvre ergänzten Skulpturenschmuck vgl. Marie-France LEMOINE-MOLIMARD, Le décor extérieur du Nouveau Louvre sous Napoléon III: la série des Hommes illustres, in: Revue du Louvre 28 (1978) S. 374-379; PINGEOT, Le rattachement, S. 183-191. Vgl. Volker SELLIN, Die geraubte Revolution. Der Sturz Napoleons und die Restauration in Europa, Göttingen 2001, S. 176-179, 1 8 l i ; Jean TULARD, Frankreich im Zeitalter der Revolutionen, 1789-1851, Stuttgart 1989 (Geschichte Frankreichs, 4), S. 313.
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18. März 1848 nämlich hatte eine Denkmalehrung genau an der Stelle geplant, an der Ney 1815 hingerichtet worden war4, damit aber vor allem Sympathie mit dem Opfer monarchischer Gewalt ausdrücken wollen. Als Napoleon III. 1850 das liegengebliebene Projekt wiederaufzugreifen begann, pflichtete sein Innenminister Ferdinand Barrot dem Motiv bei, sich eines der »plus vifs et des plus profonds sentiments du pays« anzunehmen5. Er unterstützte die präsidiale Überlegung, zunächst jede Form offener bonapartistischer Provokation zu vermeiden und die populäre Sympathie für das Opfer der Restauration aufzugreifen6. Als auch von republikanischer Seite geteiltes Verdikt gegen die Restauration würde das Denkmal, so das Kalkül, zur Loyalitätswerbung zugunsten Napoleons Gelegenheit bieten, der hier gleichsam ein monumentales Erbe der frühen Zweiten Republik bewahrte. Die konservativ-autoritäre Wandlung der politischen Ordnung Frankreichs im Anschluß an den Staatsstreich im Dezember 1851 und die Verfassungsgebung vom Januar 1852 hinterließen allerdings Spuren im inzwischen weiterverfolgten Denkmalprojekt. Bereits im März des gleichen Jahres befürwortete der neue Innenminister gegenüber Napoleon III. grundlegende Modifikationen, damit das Denkmal nun auch als »une sorte d'hommage rendu à la mémoire de nos plus grandes gloires militaires« erscheinen würde7. Zum sensiblen Umgang mit der öffentlichen Meinimg und den republikanischen Mehrheiten bestand kein Anlaß mehr, und so sollte von nun an mit dem Ney-Denkmal einem bonapartistisch-militärischen Heroentum gehuldigt werden. Die Denkmaleinweihung am 7. Dezember 1853 vollzog sich nach einem zuvor detailliert geregelten Programm8 und im Rahmen einer eigens geladenen Festgesellschaft. Um die Statue herum waren mit Fahnen und goldenen Adlern geschmückte Trophäen aufgebaut, auf denen mit Beginn der etwa einstündigen Feier neben Napoleon unter anderem sein Kriegsminister Leroy-de-SaintArnaud, der Oberkommandierende der Nationalgarde, zahlreiche Marschälle, Admírale, Generale und weitere hohe Offiziere an der Seite der Senatoren, Deputierten, Staatsräte und anderer Staatsbeamter Platz fanden9. Als Ausdruck der vom napoleonischen Regime gesuchten Nähe zum katholischen Klerus 4
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Vgl. den undatierten Rapport au Prince Président des Innenministers, AN F21 583 Dossier II: Monument du Maréchal Ney, 1850-1854, place de lObservatoire/Construction de la statue et de son piédestal [up]. Rapport au Président de la République des Innenministers Barrot vom 5. März 1850, AN F21 583 Dossier ibid. »Vous n'avez pas voulu, Monsieur le Président, que le monument (...) fut considéré comme la marque publique d'un irritant souvenir, mais seulement comme le signe d'une réhabilitation proclamée déjà par le cri de la conscience publique.«, so Barrot an Napoléon, ibid. Rapport au Prince Président de la République vom Innenminister, 22. März 1852, AN ibid. Vgl. das undatierte Programm beim Innenministerium (»L'inauguration de la statue du Maréchal Ney«), AN F21 583 Dossier II: Monument Ney, Inauguration 1853 [up], Vgl. Le Siècle, 9. Dezember 1853, S. If.
III. Nation und Militär
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eröffnete der Erzbischof von Paris die Zeremonie10, als er sich mit einer Gruppe metropolitaner Geistlicher vor die Statue begab, um sie zunächst unter Chorgesang, dann begleitet von Trommelwirbeln und Fanfarenklängen und schließlich gefolgt von Kanonensalven einzusegnen. Nachdem die Denkmalhülle unter dem Applaus und den »Vive l'Empereur!«-Rufen des Publikums gefallen war, folgten diverse Ansprachen, bevor eine Abordnung von Bürgern aus Neys Geburtsort Sarrelouis, der nach 1815 an Preußen gefallen war, einen Kranz niederlegten und die Truppen am Denkmal vorbeidefilierten. Die offizielle Gesellschaft verließ daraufhin den Festplatz und gab ihn damit zugleich für die »multitude de citoyens« frei, die im Verlauf des übrigen Tages noch zum Monument strömte11. Den militärischen Charakter der Feier verstärkten die feierlichen Ansprachen. Assoziiert wurde vor allem die Phase innerer Zerrissenheit Frankreichs nach der Niederlage bei Waterloo, die als Schmach empfundene Besetzung von Paris durch die Alliierten und die Proskription der Marschälle und Generale, die sich Napoleon angeschlossen hatten. Damit bildete der Zusammenbruch napoleonischer Herrschaft den Denkmaldeutern zufolge die eigentliche traumatische Urerfahrung Frankreichs und den Ausgangspunkt für jede nationale Selbstdefinition. Beide Redner brandmarkten, daß Neys Versuche, vor der Pairskammer zu einem gerechten Verfahren zu kommen, mit einem Todesurteil zunichte gemacht worden seien und erkannten darin den verschwörerischen Erfolg von Royalisten und Alliierten12. Saint-Arnaud, ein Jahr zuvor Schlüsselfigur des Staatsstreichs an der Seite Napoleons, sah in Ney das Opfer der »discordes civiles« zwischen Verteidigern der revolutionären Errungenschaften und Anhängern der Monarchie, »qui, en 1814 et 1815, pesèrent sur la France plus encore peut-être que les armées étrangères«13. Damit erschien Neys Erschießung nicht nur als politische Ermordung durch die »réaction politique«, sein Schicksal bildete zugleich den Zustand einer heillos fraktionierten Nation ab. Umgekehrt rehabilitierte die Denkmalsetzung Ney und signalisierte, daß die nun geeinte Nation willens war, den Protagonisten ihrer »gloire
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Dieser Programmpunkt war kurz vor dem Inaugurationstermin eingefugt worden, vgl. Anweisung an den Préfet de la Seine am 2. Oktober 1853, AN F2' 583 Dossier II: Monument Ney, Inauguration 1853. Vgl. die Feierszene nach [An.,] Discours prononcés à l'occasion de l'inauguration de la statue du Maréchal Ney, surnommé le Brave des Braves, o. 0 . o. J. [1853; up, Folio], Vgl. auch Histoire du Maréchal Ney, duc d'Elchingen, prince de la Moskowa. Inauguration de sa statue, Lyon 1854, S. 4; Le Siècle, 9. Dezember 1853, S. If.; L'Union, 8. Dezember 1853, S. 2. Vgl. [An.,] Discours, ibid. Discours de M. le ministre de la guerre, in: Le Siècle, 9. Dezember 1853, S. 2.
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militaire« zu erinnern. Entsprechend empfahl der Kriegsminister das Denkmal besonders der französischen Armee an14. Neys ehemaliger Verteidiger Dupin griff den Tenor der Ansprache auf und steigerte ihre Aussage ins Grundsätzliche: mit der Denkmalerrichtung stand im Kern die Frage der Authentizität nationaler Geschichte, ihres Erinnerns oder ihrer Verdrängung ins Vergessen an: »il s'agit de la vérité sur les choses, et cette vérité il faut bien la dire pour conserver aux événements historiques leur immuable caractère, et ne fût ce aussi que pour apprendre à nos oublieux contemporains à détester les funestes résultats des discordes civiles à toutes les époques et sous tous les régimes«15. Die wahre Geschichte Frankreichs um die Figur des Maréchal offenzulegen wurde damit zum Gebot für eine nach Einigkeit strebende Nation, deren Zerstrittenheit wiederum in der Mißdeutung ihres eigenen historischen Erbes begründet lag. Ney nämlich war die »victime de la haine implacable qu'une faction antinationale portait aux illustres chefs de cette grande armée (...), l'holocauste offert en expiation des gloires militaires de l'Empire«16. Das Denkmal als Signum der einigen Nation, als Versöhnung mit dem glorreichen militärischen Erbe, erschien nun in Dupins Rede als Werk des Empereur Napoleon, der mit der »statue du héros« gleichsam der Nation die Deutungskompetenz über ihre eigene Geschichte zurückgegeben hatte. Daß die Initiative für ein Ney-Denkmal bereits von der provisorischen Regierung der Zweiten Republik ausgegangen war und ursprünglich keineswegs auf den militärischen Helden, sondern auf das Opfer des monarchistischen Komplotts gezielt hatte, ließ Dupin ungeachtet seiner gerade vorgetragenen Einsicht in die politisch bedingte Vergeßlichkeit seiner Zeitgenossen unerwähnt. Statt dessen pries er die angeblich wiedergewonnene Einigkeit, mit der sich die Nation nun, versöhnlich gestimmt im Rahmen der weniger substantiell als atmosphärisch wichtigen »cérémonies consolantes de la religion«, zu ihrem neu erstandenen Heroen bekannte17. Im republikanischen Siècle wertete Louis Jourdan in einem ausführlichen Kommentar die Denkmalerrichtung als »réhabilitation officieuse«18. Die eigentliche Tragweite dieser Rehabilitierung erschloß sich ihm vor dem Hintergrund eines von Umbrüchen und Diskontinuitäten geprägten Verlaufs der französischen Geschichte, deren »défaites« unversehens zur »victoire« umgedeutet werden konnten: Die Revolution hatte zunächst die Bourbonen verjagt, aber
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»La gloire du maréchal Ney appartient à la France, mais elle est d'abord le patrimoine de l'armée.« Ibid. [DUPIN,] Discours de M. Dupin, prononcé à la cérémonie de l'inauguration de la statue du maréchal Ney, sur l'esplanade du Luxembourg, le 7 décembre 1853, Paris o. J. [1853, up]; DERS., Discours, in: Le Siècle, ibid. Ibid. Vgl. ibid. Vgl Le Siècle, 8. Dezember 1853, S. 1.
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die Restauration gelang später doch; über ein halbes Jahrhundert war die Republik Anathema, und wurde doch 1830 und 1848 wieder geschichtsmächtig und schließlich folgte die Proklamation des Empire 1852, dessen Sympathisanten lange in der Opposition ausgeharrt hatten. Das Schicksal der Napoleon-Statue auf der Colonne Vendôme19 diente Jourdan als Illustration solcher historisch-politischen Wechselfälle der französischen Nation: »En 1815, on renverse l'ogre de Corse du haut de la colonne, en 1821, cet ogre redoutable meurt à Saint-Hélène (...). En 1832, le bronze vainqueur remonte sur le faîte de la spirale d'airain; en 1840, en peuple entier bat des mains au retour des cendres de l'empereur«20. Zehn Jahre bevor auch Napoleon III. die Vendömesäule mit einer neuen Napoleon-Figur krönte, summierte Jourdan hier die Entfernung der Statue nach der Restauration und ihre erneute Plazierung durch den Bürgerkönig als Stationen eines über allen Zäsuren und Schnitten der französischen Geschichte nie ganz versiegten NapoleonKults, dem er sich freilich kaum anschloß. Jourdan zufolge veranschaulichte auch die Geschichte der Ney-Deutungen eine von Umbrüchen und erfundenen Kontinuitäten gekennzeichnete französische Nationalgeschichte. Zugleich blieb er reserviert gegenüber solchen Umwertungen und plakativen Umetikettierungen, in deren Zuge die »infames de la veille« bald als »héros du lendemain« wiedererstehen konnten21. Schließlich steigerte sich Jourdan von der subtilen Kritik zur regelrechten Drohung gegen das autoritäre Empire, gebündelt im Lehrsatz von der Geschichte, die immer zeige, »que tous les régimes tombés n'ont été frappés que par les vengeurs de leurs victimes«22. Ein Regime, so hieß dies in deutlicher Anspielung auf die Verhaftung und Exilierung republikanischer und liberaler Oppositioneller seit dem Herrschaftswechsel von 1851/52, konnte sich Opfer nicht leisten, wenn es nicht von deren Rächern zerschlagen werden wollte. Daher gipfelte Jourdans publizistischer Kommentar anders als alle offiziellen Reden am Denkmal im Plädoyer für eine freiheitlichere Politik, in eine »leçon de bonne politique«, die keine Opfer provozierte und deshalb auch kein Aufbegehren Unterdrückter fürchten mußte23. Darüber hinaus forderte Jourdan provokant eine zusätzliche »hommage«, die auch im Interesse Neys selbst wünschenswert sei: »II serait beau que, pour glorifier le héros du 7 décembre, on plaçât sous le socle de la statue un décret d'amnistie. La France (...) patriotique (...) battrait des mains«24. Die Amnestieforderung zugunsten der vom autoritären Regime verfolgten republikanischen 19 20 21 22 23 24
Vgl. dazu Teil I, Kapitel II. 1.2. Ibid. S. 2. Ibid. Ibid. Vgl. ibid. Ibid.
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Oppositionellen hielt sich hier 1853 an die Logik des Arguments, daß die in der Geschichte bislang politisch Unterlegenen ohnedies nie dauerhaft hatten ausgeschlossen werden können. Zugleich konterkarierte sie die bombastische militärische Inszenierung des Denkmals, das sie nicht als Zeichen fur die »gloire militaire« Frankreichs, sondern als Fanal für eine freiheitliche Politik in der »France patriotique« uminterpretierte25. Damit leuchtete Jourdans Kommentar im Siècle am Ende die Grenzen der Inszenierungsmacht des Empire aus. Militärischer und Napoleon-Kult wurden mit Grundsatzüberlegungen zu Kunstgriffen nationaler Geschichtskonstruktionen unterlaufen, die dokumentierten, daß mindestens Teile der republikanischen Opposition sich den offiziösen Deutungen entziehen und sich der selektiven Gedächtnisstiftung und einem eindimensionalen Nationsbild verweigern konnten. Der Niederlagentopos, den die Denkmalstifter in den Mittelpunkt gestellt hatten, wurde aufgegriffen, aber nun ausschließlich auf den Zusammenbruch der Republik 1851/52 angewandt und zugunsten der republikanischen Opposition umgedeutet. Daß Nationsbildentwürfe des Zweiten Empire an zentraler Stelle unter dem Eindruck eines Niederlagenmythos entstanden, dokumentierte schließlich auch die »Défense de la Barrière de Clichy«, mit der 1869 ein weiterer Militär des Ersten Empire erinnert wurde. Auf der Place de Clichy am Boulevard des Batignolles galt das Monument dem Maréchal Jeannot de Moncey, der hier 1814 gegen die auf Paris vorrückenden Alliierten erbitterten Widerstand geleistet hatte26. Anders als das Ney-Denkmal vom Conseil initiiert, erlangte das Monument keine breite Aufmerksamkeit, da es nicht öffentlich eingeweiht wurde. Ein Lobgedicht, das anläßlich der Aufstellung auf der Place de Clichy erschienen war, evozierte das Bild der attackierten Kapitale und besang den märtyrerhaften Opfertod de Monceys, der in heldisch treuem Gehorsam gegenüber dem Befehl Napoleons I. gleichermaßen fur die »ville« wie die »nation entière« gefallen war27. Es endete mit der fiktiven aktualisierten Selbstverpflichtung aller Franzosen zu Gehorsam und siegreicher Verteidigung und ließ daher zu wenig mehr Raum als zur Assoziation der Nation als einem Kollektiv ergebener Befehlsempfanger28. Die Reminiszenz an die wehrhafte Kapitale während des Ansturms der Alliierten sollte im übrigen - anders als die Erinnerung der Belagerung durch die Deutschen 1871 - auch während der Dritten Republik kaum legitimatorisches Potential entfalten: Eine öffentliche Denkmalsetzung zugunsten des Generals 25 26
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Vgl. ibid. Vgl. L. M I C H A U X , Places, Squares, Avenues, II. Place de Clichy, in: Inventaire général des richesses d'art de la France. Paris. Monuments civils, Bd. 2, Paris 1889, S. 35f. Vgl. [AUBRY-VÉZAN,] La Barrière de Clichy au Maréchal Moncey à l'occasion de l'érection du monument de la Place Clichy, Paris o. I. [up]. Vgl. Le Temps, 15. Dezember 1869, S. 2.
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Pierre Daumesnil 1873, der sich 1815 um die Verteidigung von Vincennes verdient gemacht hatte, drang nicht bis in den Kern des Stadtareals vor, sondern blieb in Vincennes ein marginales und von der Presse weithin übergangenes Ereignis, zu dem zwar auch ein größeres Truppendefilee vor dem Denkmal gehörte, das aber nicht durch die Gegenwart hochrangiger Vertreter der Republik sanktioniert wurde29.
2. Berlin: Zwischen reaktionärem Militarismus und historischer Reminiszenz
2.1. Das antirevolutionäre Bekenntnis als Programm
Noch bevor im März 1848 in Berlin Initiativen fur die Bestattung und Ehrung der Märzgefallen erkennbar waren, wurden analoge Forderungen zugunsten der in Berlin gefallenen Soldaten laut. Zunächst beschränkte sich der Plan eines offiziös zelebrierten Soldatengedenkens auch hier auf die Bestattungsfrage, wuchs sich allmählich aber zu einem Denkmalprojekt aus. Erste Deutungsmuster kündigten sich bereits im Rahmen der separaten Soldatenbeisetzung in Berlin an. Erst zwei Tage nach der Beisetzung der gefallenen Barrikadenkämpfer nämlich trug man zeitig am 24. März 1848 vom Garnisonslazarett am Brandenburger Tor aus kommend und durch die Luisenstraße fünfzehn tote Soldaten durch die Stadt und bestattete sie auf dem Invalidenfriedhof30 in einem Massengrab. Schützengilde, Bürgerwehr, Vertreter der Studentenschaft und Arbeiter, daneben die Militärgeistlichen, Offiziere und eine Deputation der städtischen Behörden folgten dem Zug von acht Leichenwagen31, so daß sich das Profil der Teilnehmer zunächst einmal nicht wesentlich vom Zug zugunsten der zivilen Barrikadenopfer unterschied. Dennoch wichen die beiden Beisetzungsriten voneinander ab. Denn zum einen dominierten bei der Soldatenbestattung auf dem Invalidenfriedhof die Militärs, zum anderen hatte der 29
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Vgl. Le Temps, 28. Mai 1873, S. 3. Ohne erkennbare Inszenierung durch das Zweite Empire blieb auch die 1855 errichtete Colonne de la guerre de Crimée auf den Square des Arts et Metiers, die von einer bronzenen, die französische Flagge haltenden Viktoria-Figur überragt wurde. Als Triumphmonument sollte sie die französischen Siege von 1855 im Krimkrieg erinnern, dessen Entscheidungsschlachten eine Inschriftentafel im einzelnen nannte. Vgl. die knappe Beschreibung der Säule bei MICHAUX, Places, S. 35. Vgl. Laurenz DEMPS, Der Invalidenfriedhof. Denkmal preußisch-deutscher Geschichte in Berlin, Berlin 1996, hier S. 40-42 knapp zum Invalidendenkmal. Vgl. RAHN, Das National-Krieger-Denkmal, S. 7f. und [SCHNEIDER,] Die Denksäule, S. 21. Bereits am 19. März waren zwei Offiziere auf dem Offizier- und zwei Grenadiere auf dem Garnisonsfriedhof in Berlin beigesetzt worden.
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Trauerzug zum Friedrichshain durchaus eine breitere Öffentlichkeit mobilisieren können, indem sich ihm zahlreiche Deputationen auch aus anderen Städten, Vertreter von Stadtverordneten und Magistrat, Repräsentanten der Universität, angeführt von Alexander von Humboldt, und der Akademie sowie geschlossene Formationen der Kaufmannschaft, der Handwerker und Maschinenbauarbeiter angeschlossen hatten32. Das verspätete Soldatenbegräbnis, zu dessen Ablauf nun anders als ursprünglich vorgesehen nicht mehr ein Zug außerhalb der Stadtmauern zählte33, und das in frühmorgendlicher Abgeschiedenheit die Konfrontation mit einem breiten Publikum mied, nahm sich dabei nicht als triumphale Symbolhandlungen aus34. Auch programmatisch hielt man sich bedeckt. So würdigte ein Gamisonsprediger die Toten auf dem Invalidenfriedhof als »Söhne des Vaterlandes«, ging aber weder zur Kritik am revolutionären Gegner über noch adressierte er die Versammlung als Parteigänger des preußischen Staates, sondern ausschließlich als »Verwandte« der Toten35. Mit Ausnahme von Hochrufen auf das Militär wurde eine weitergehende Politisierung eher gemieden. Zugleich waren Pläne zur Errichtung eines Denkmals fur die Berliner Soldaten zunächst vereinzelt in der Preußischen Nationalversammlung vertreten worden. Hier hielt sich auch bis zum Sommer zumindest als Minderheitsvotum die Idee einer separaten Denkmalehrung fur die Barrikadenkämpfer und die Soldaten. Zu honorieren sei auf diesem Wege nicht die soldatische »Pflichterfüllung«, sondern der »Konflict [des] politischen Bewußtseins mit der beschworenen Treue«36. Jenseits der politischen Realität der Märztage von 1848 wurde so suggeriert, daß auch die Soldaten der revolutionären Programmatik gegenüber durchaus aufgeschlossen, umgekehrt aber auf die Verteidigung der Monarchie verpflichtet gewesen seien. In der nicht aus der Mitte der Nationalversammlung, sondern aus den Reihen eines Vereins hervorgehenden Denkmalinitiative tauchten dergleichen Argumente nicht wieder auf37. Die Initiative eines westfälischen Unterstützungsvereins vom März 1849 zur Errichtung eines Soldatendenkmals auf dem Invalidenfriedhof38 führte dann 32 33 34 35 36
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Vgl. BRASS, Berlin's Barrikaden, S. 113-118. Vgl. [SCHNEIDER,] Die Denksäule, S. 13. Vgl. RAHN, Das National-Kriegerdenkmal, S. 6 und [SCHNEIDER,] ibid. S. 3. Vgl. RAHN, ibid. S. 8. Decretum. Abschrift der Verhandlungen der Nationalversammlung vom 30. Juni 1848, GStA PK I. HA Rep. 169 B4, Nr. 10, Bl. 21-24, hier 23 Rs. Der vom Abgeordneten der Nationalversammlung Richter vertretene Antrag auf ein Soldatendenkmal unterlag in den Beratungen sowohl im Juni als auch im Oktober 1848. Vgl. Decretum vom 30. Juni 1848, ibid. Bl. 24 und Bericht der Centralbtheilung vom 24. Oktober 1848, ibid. Bl. 68. Vgl. Subskriptionsaufruf des Comités zur Unterstützung der Angehörigen der in Berlin, Posen, Mainz, Frankfurt und Schleswig-Holstein gebliebenen, sowie der verwundeten und vermieten Preußischen Krieger unter Leitung von Christian Harkort aus Westfalen vom
III. Nation und Militär
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1850 rasch zur Grundsteinlegung, die einem monarchisch genehmigten Programm gemäß feierlich begangen wurde. Eine Konzert in der Garnisonskirche am Vortag erfüllte nicht nur den praktischen Zweck, den Erlös aus dem Verkauf der Eintrittskarten dem Denkmalfonds zuzuführen, sie rückte zugleich das Denkmalfest in die Nähe des protestantisch-sakralen Raums39. Den Festakt selbst bestimmte militärisches Zeremoniell, indem Kanonensalven ihn eröffneten und preußische Fahnen und Standarten auf dem Weg vom Invalidenhaus zum Aufstellungsort vorangetragen wurden. Allerdings fanden auch zivile Elemente ihren Platz, indem neben Offizieren, Abordnungen der freiwilligen Jäger-, Landwehr- und Krieger- auch Schützenvereine Berlins und der Provinzen sowie Deputationen der »vaterländischen« und »patriotischen Gesellschaften« und verschiedener »conservatives Berliner Vereine sich anschlossen40. Wie bei jeder anderen Festlichkeit, die der Monarch durch persönliche Gegenwart legitimierte, zelebrierten Abgeordnete des Festkomitees den Ritus der Herrschereinholung41, indem sie das unter Akklamationen eingetroffenen Königspaar empfingen und ins Zentrum des Festplatzes führten. Das Zeremoniell suchte nun nicht anders als die Berliner »Friedrichsfeier« von 185142 und die späteren Feiern Berliner Monarchendenkmäler43, die enge Anlehnung an den kirchlich-protestantischen Ritus: Choräle und konzertante Kirchenmusik eröffneten und beschlossen den Festakt, auf dem einzig der Feldpropst eine längere Rede hielt, den Bauort weihte und einen Schlußsegen sprach44. Erschien die Festgesellschaft nicht nur streng hierarchisch angeordnet, sondern bis auf wenige Exponenten ähnlich passiv wie die Tribünenzuschauer, so agierten an zentraler Stelle neben den Geistlichen die leitenden Initiatoren des Denkmals und der König, dem mit den Hammerschlägen auf den Grundstein der zentrale Symbolakt oblag. Irrelevant für den Verlauf des eigentlichen Zeremoniells, war darüber hinaus die Königin im Anschluß an den Festakt für die
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10. März 1849, BLHA Rep. 30 Berlin C Polizeipräsidium, Nr. 2917, Bl. 2. Vgl. bereits Einleitung, Kapitel II.2.2. Vgl. zum Folgenden RAHN, Das National-Krieger-Denkmal, S. 15f.; [SCHNEIDER,] Die Denksäule, S. 38; Album, gewidmet den in den Jahren 1848 und 1849 treu ihrer Pflicht für König und Vaterland gefallenen Söhnen des Preußischen Heeres, bei Gelegenheit der Grundsteinlegung der diesen Treuen geweihten Denksäule im Königlichen Invaliden-Park zu Berlin am 18. Juni 1850, o. O. o. J., S. 21-23. Vgl. RAHN, ibid.; WOLFF, Berliner Revolutionschronik, Bd.l, S. 414-425. Ebenso beteiligten sich die Hinterbliebenen der Toten, Geistliche, Deputationen der Universität und der Akademie der Künste und Wissenschaften sowie Staatsminister, eine Deputation der Stadt und verschiedene Handwerkerinnungen. Vgl. Klaus TENFELDE, Adventus. Zur historischen Ikonologie des Festzuges, in: HZ 235 (1982) S. 4 5 - 8 4 .
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Vgl. dazu bereits Teil I, Kapitel II.2. Vgl. dazu im Folgenden Teil II, Kapitel II.2. Vgl. RAHN, Das National-Krieger-Denkmal, S. 17, 21; [SCHNEIDER,] Die Denksäule, S. 36-48.
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emotionale Betreuung ihrer Untertanen zuständig, indem sie die Angehörigen persönlich ihrer Anteilnahme versicherte45. Am abendlichen Empfang für die Festteilnehmer, der abschließend im Königlichen Opernhaus stattfand, nahm der Monarch indessen nicht teil. Hier wurde nun, inspiriert von tableaux vivants des künftigen Denkmals und einer Szenenfolge, die die preußische Geschichte als Sequenz siegreicher Schlachten und kriegsbewährter Monarchen seit dem 18. Jahrhundert feierte46, neben verschiedenen »Volksgesängen« auch die Preußenhymne »Heil dir im Siegerkränz« angestimmt47. Auf dieses zweigeteilte Festmuster von monarchisch geprägter offizieller Zeremonie zum einen und bürgerlicher Feier zum anderen sollten Berliner wie überhaupt deutsche Denkmalfeste während der zweiten Jahrhunderthälfte noch wiederholt zurückgreifen. Die Feier der Einweihimg der Invalidensäule 1854 schließlich perpetuiate die eng mit dem Monarchen im Vorfeld abgestimmten Muster der Grundsteinlegungsfeier48. Die konservative Kreuzzeitung war daher auch geneigt, hierin bereits ein Indiz fur die »Reue Berlins (...) über seine Haltung in jenen Märztagen« zu erkennen und wertete das Denkmal als das des »getreuen Preußischen Volkes«49. Die Festreden anläßlich der Grundsteinlegung wie der Einweihimg führten aber noch deutlich über das hinaus, was sich schon im Zeremoniell abgezeichnet hatte. Dezidierter als die Rede des Propstes identifizierte der laut verlesene Text der Grundsteinlegungsurkunde 1850 die Invalidensäule als »NationalMonument«, das die soldatische »Treue in den Kämpfen der Jahre 1848/49 gegen Aufruhr und Anarchie«50 bezeugte. Die Verlautbarung unterstellte eine Dichotomie von »preußischen Kriegern« einer- und »Anarchisten« andererseits und diffamierte letztere, um sie aus dem Geltungsbereich der Nation auszuschließen. Auch die geistliche Festansprache polarisierte. Hier wurde nun das »Vaterland« monarchisch (»König und Vaterland«), militärisch und christlich bestimmt und erschienen die Tugendpostulate von »Treue«, »Tapferkeit«, »Gehorsam und Ordnung«, »Gottesfurcht und Frömmigkeit« als Kriterien der Zugehörigkeit, »Aufruhr«, »Lügenkünste«, »Verrath« und »Treuebruch« als solche des selbstverschuldeten Ausschlusses51. Jenseits sol45 46
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RAHN, ibid. S. 22; Album, S. 27. Vgl. Album, S. 30. Die »Lebenden Bilder« zeigten unter anderem: »Szene: des Königs Friedrich Wilhelm's III. Aufruf an mein Volk«, »Blücher und Wellington nach der Schlacht bei Belle-Alliance«. Vgl. RAHN, Das National-Krieger-Denkmal, S. 22-24; [SCHNEIDER,] Die Denksäule, S. 48f.; Album, S. 28. Vgl. NZ (M.), 19. Oktober 1854, S. 1; VZ, 19. Oktober 1854, S. 4. NPKZ, 19. Oktober 1854, S. 2. RAHN, Das National-Krieger-Denkmal, S. 18f. Vgl. bereits Manfred HETTLING, Bürger oder Soldaten? Kriegerdenkmäler 1848 bis 1854, in: JELSMANN, KOSELLECK (Hg.), Der politische Totenkult, S. 147-193, hier S. 185-191. Vgl. RAUN, ibid. S. I8f.
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eher defensiven Selbstversicherungen blieb das konservativ-monarchische »Vaterlands«-Programm hingegen vage. Der Vergleich des Truppensiegs im Bürgerkrieg mit den Triumphen über das Napoleonische Frankreich 1815 sollte nicht nur legitimatorisch wirken und den inneren Feind gezielt diffamieren, indem er die französischen mit den innenpolitischen Bürgerkriegsgegnern gleichsetzte. Ebenso war beabsichtigt, die preußischen Siege zum Erweis von »Gottes Hülfe zum Heile des Vaterlandes«52 zu verklären. Die rückwärtsgerichtete Reduzierung der Revolution auf einen »gottlosen« Umsturz der monarchischen Ordnung sollte diese Diskreditierung erleichtern, ohne darüber hinaus in eine zukunftsorientierte Programmatik münden zu können. Als der gleiche Feldpropst vier Jahre später im Rahmen der Einweihung der Invalidensäule erneut eine Rede vortrug, entfaltete er nur kurz den längst bekannten Formelkanon, um dann darüber hinauszugehen53. Inbegriff der monumental verewigten Krieger-Nation war demnach nicht länger nur »Preußen«, sondern speziell das dem »preußischen Thron« ergebene »Preußenvolk«, unter das die Gefallenen wie die versammelte Festgesellschaft im inklusiven »Wir« subsumiert wurden. Nun wurde aber nicht nur die nationale Gemeinschaft ebenso vage wie realitätsfern harmonisch beschrieben, sondern auch die Bandbreite der dem »Preußenvolk« zugeordneten Konnotationen erweitert, die neben »Ordnung« und »Recht« nun auch »Freiheit«, »Gerechtigkeit«, »Friede und Wohlstand« einschlossen. Mit dergleichen Topoi sollte der Gegensatz von monarchisch orientiertem »Preußenvolk« und revolutionärer »Pöbelherrschaft« ausgeglichen werden. Die eigentliche Pointe der Ansprache bestand aber schließlich darin, daß der Propst jetzt das Heer als »Kern« und Retter des »preußischen Volks« und »deutschen Vaterlandes« definierte. Die Parole »Preußens Heer ist aber Preußens Volk und preußische Soldatentreue ist preußische Bürgertreue«54 versuchte die Dichotomie von Heer/Soldat und Volk/Bürger gänzlich aufzuheben, um als »Vaterland« eine ebenso militärische wie »bürgerliche« Ordnung zu imaginieren, die freilich nur als jene Übertragung soldatischer Tugenden auf den »Bürger« denkbar war, wie sie im Neologismus der »Bürgertreue« zum Ausdruck kam. Gedacht war an eine Nation, die nicht aus »Soldaten« mit bürgerlichen Rechten, sondern aus »Bürgern« bestand, die auf monarchische und militärstaatliche Loyalität verpflichtet und gleichsam entpolitisiert waren. An die Stelle des bürgerlichliberalen politischen Emanzipationsprogramms der Märzrevolution sollten preußische Militärtradition und glorifizierte Kriegsgeschichte als monumental vermittelte Identitätsangebote treten. Erst nachdem die »aufrührerische« und »gottlose«55 Märzrevolution politisch wie moralisch-christlich diskreditiert 52 53 54 55
Vgl. [SCHNEIDER,] Die Denksäule, S. 40, 42. Vgl. zum Folgenden ibid. S. 54-58. Ibid. S. 57. Ibid. S. 41.
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und ihre demokratischen und freiheitlichen Aspirationen komplett übergangen worden waren, mündete die Festansprache in die versöhnliche Vision von der Handreichung über den Gräbern der toten Soldaten, freilich nicht der toten Revolutionäre. Diese Quintessenz offiziöser Deutungen schlug sich schließlich auch in der Wahl der Symboldaten nieder, die mit dem Monument in Verbindung gebracht wurden. Verwies die Grundsteinlegung am 18. Juni (1850), wie später wieder die Einweihung des Oranienburger Luisendenkmals (1858)56 auf den Jahrestag der preußischen Siege bei Fehrbellin 1675 unter dem Großen Kurfürsten und Belle-Alliance 1815 (sowie auf die allerdings rasch überwundene preußische Niederlage bei Kolin 1757 gegen Österreich), so legte man die Einweihung der Invalidensäule am 18. Oktober (1854) auf den Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig 181357. So wurde Kontinuität ausschließlich zur ruhmreichen preußischen Militärgeschichte, nicht hingegen zur frühnationalen Bewegung hergestellt, die im Gefolge der Befreiungskriege in den deutschen Staaten Auftrieb erhalten hatte. Als Triebkraft der Inklusion und Kohärenz im Namen konservativer Werte sollte sich auch die Warnung vor äußerer Bedrohung in »sturmbewegter Zeit«58 erweisen. Angespielt wurde damit auf den Krimkrieg, der inzwischen bereits England und Frankreich und nun auch Preußen zu antirussischen Koalitionären gemacht hatte und die Pentarchie-Konstellation unter den europäischen Großmächten mit zunächst unabsehbaren Folgen aufzuweichen begann59. Daß die Attackierung Rußlands nicht nur einen außenpolitischen Verunsicherungsfaktor darstellte, sondern reaktionäres Unbehagen angesichts der Bedrängnis weckte, in die hier ein autoritäres Regime geriet, deutete sich vage an. Der Soldatenfreund, Publikationsorgan fur Mannschaften und Unteroffiziere60, orientierte sich statt dessen vor allem an der innenpolitischen Logik der Inszenierung und Reden, indem er das Denkmal als Zeichen des »Sieg[es] des Königthums über die Revolution fur alle Zeiten«61 oder mehr noch dafür wertete, »daß in Preußen keine Revolution stattgefunden« habe, worin er »recht eigentlich die innerste und richtigste Bedeutung dieses Monuments«62 erkannte. Demnach war mit der Invalidensäule die These von der Unvereinbarkeit von preußischer Nation und Revolution zum Monument geronnen. Daß für ein militärisches Siegerdenkmal Mitte der 1850er Jahre allerdings kein uneinge-
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Vgl. dazu bereits Kapitel II.2. Vgl. [SCHNEIDER,] Die Denksäule, S. 35f. NPKZ, 19. Oktober 1854, S. 2. Vgl. u.a. A. J. P.TAYLOR, The struggle for mastery in Europe, 1848-1918, Oxford '1990, S. 59-81. Vgl. HETTLING, Bürger oder Soldaten, S. 163. [SCHNEIDER,] Die Denksäule, S. 36. Ibid. S. 33 und 69.
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schränkter öffentlicher Konsens zu erhalten war, reflektierten Denkmalstifter und ihre Sympatisanten durchaus mit63. Wenig später konnten die konservativen Denkmalstifter noch einmal im Umfeld der Invalidensäule die militärisch-preußische Nation inszenieren, als am 24. November 1854 die in Berlin gefallenen und bislang in einem Massengrab beerdigten Soldaten zwischen der Säule und ihren Umfassungsmauern beigesetzt wurden. Für das Prozedere galten rigide Detailanweisungen des preußischen Königs64. Die Feier hatte einen exklusiv militärischen Charakter, zumal kein öffentliches Publikum und nur wenige nicht-militärische Amtsinhaber neben dem König einbezogen waren65. Mehr als jede inhaltliche Bestimmung des »Vaterlandes« stand nun die erwiesene Bereitschaft soldatischer Pflichterfüllung bis in den Opfertod im Mittelpunkt einer knappen Ansprache. Die militärische, konterrevolutionäre Aufladung des Begriffs sollte jetzt offenbar selbst konfessionelle Differenzen ausgleichen, denn die unmittelbar vor der Säule aufgestellten, schwarz-weiß geschmückten Särge segneten ein protestantischer und ein katholischer Geistlicher gemeinsam ein66. Zumindest im Spiegel der Berliner Denkmallandschaft war der Deutungsvorsprung des autoritären Systems bei der Bestimmung des Verhältnisses von Nation und Revolution unter diesen Umständen eklatant. Dies galt umso mehr, als die Reaktion ihren Protagonisten - wie vereinzelt die Sympathisanten der Revolution - auch außerhalb Preußens67 Denkmäler setzen konnte. Sie tat dies darüber hinaus noch vor der Reichsgründung auch direkt in der Kapitale mit dem Monument für General Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg 1862 auf dem Leipziger Platz. So ehrte sie einen der Protagonisten der Gegenrevolution in Berlin, den Friedrich Wilhelm IV. zum Ministerpräsidenten ernannt hatte, um eine konstitutionelle Vereinbarung mit dem Parlament zu umgehen68. Mit einem Monument für den Militär Wrangel sollte das Kaiserreich an die 63
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Vgl. ibid. S. 51: »Leute, denen das Denkmal (...) ein Dorn im Auge und ein Stachel im Fleische ist, gab es damals genug und ist auch noch heut zu Tage kein besonderer Mangel daran.« Vgl. das königliche Schreiben vom 11. November 1854, GStA I. HA Rep. 77 Titel 330b, Bd. 2 (1856-1859), Bl. 255. Vgl. [SCHNEIDER,] Die Denksäule, S. 70. Vgl. VZ, 25. November 1854, S. lf.; Kreuzzeitung, 25. November 1854, S. 2. Mehrere Kriegerdenkmäler zum Gedenken an 1848 entstanden in Schleswig Holstein. In Mainz, Frankfurt a.M. und Erfurt wurden Säulen errichtet, in Breslau und Dresden Obelisken, in Baden neben dem Preußendenkmal in Karlsruhe mehrere kleinere Monumente auf Schlachtfeldern und Friedhöfen. Anders als in Berlin (und Karlsruhe) wurden alle Denkmäler von den jeweiligen Regimentern initiiert und finanziert. Vgl. HETTLING, Bürger oder Soldaten, S. 171-179. Der König hatte sich hier eine private Stifterinitiative angeeignet und am Ende dafür Sorge getragen, daß eine Monumentalisierung in enger Absprache mit ihm stattfand. Vgl. Schreiben Friedrich Wilhelms IV. an das Komitee am 29. März 1851, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20835, Bl. 18.
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Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 187.0
Logik konterrevolutionär-preußischer Nationskonzepte Anfang der 1880er Jahre wiederanknüpfen 69 .
2.2. Arrondierungen Die Invalidensäule blieb bis in die 1870er Jahre hinein das mit Abstand am aufwendigsten inszenierte und programmatisch aufgeladene militärische Denkmal konservativer Denkmalstifter und des preußischen Königs, der sich sonst eher auf die Fertigstellung und Ausdehnung bereits angelegter Denkmalensembles und Ikonographien verlegte. Bereits weniger als ein Jahr nach der Errichtung der Invalidensäule folgte am 21. Mai 1855 auf Betreiben Friedrich Wilhelms IV. die Neuaufstellung der beiden Denkmäler fur die Militärs Yorck von Wartenburg und Neidhardt von Gneisenau im Einzugsbereich der Neuen Wache. Auch damit wurden aber nur Projekte unmittelbar an den Linden abgeschlossen, die der preußische Regent bereits seit Anfang der 1840 Jahre betrieben hatte. Schon zu Beginn des Jahrhunderts waren in unmittelbarer Nähe der zwischen 1816 und 1818 entstandenen Neuen Wache 70 zwischen Humboldt-Universität und Zeughaus mit den von Friedrich Wilhelm III. initiierten Statuen für die preußischen Heeresreformer und Militärs Gerhard von Scharnhorst (1822)71 und Bülow (1822) sowie auf der gegenüberliegenden Seite für Fürst Blücher (1826) Reminiszenzen an die militärischen Leistungen des preußischen Reformstaates im Zuge der Befreiungskriege in Marmor gebannt worden72. Hier bildeten sie einerseits ein eigenes Ensemble im Vorfeld der monarchisch konnotierten Schloßbrücke73. Andererseits standen die Einzelfiguren im Schatten einer wuchtigen Repräsentationsarchitektur. Diese dominierte das Terrain zum einen in Gestalt des bereits aus der Mitte des 18. Jahrhunderts datierenden Forum Friderizianum am heutigen Opern- bzw. Bebelplatz, das mit Universität, Bibliothek, Oper und St. Hedwigskirche zugleich als städtebauliches Fanal aufklärerischen Geistes in Kunst, Forschung und Religionsausübung konzipiert war74. Architektonisch bestimmend blieb zum anderen der
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Vgl. zum Wrangel-Denkmal Teil 2, Kapitel III.2. Vgl. v.a. zur Rezeption im 20. Jh. Stefanie ENDLICH, Die Neue Wache 1818-1993. Stationen eines Bauwerks, in: Deutsche Nationaldenkmale, S. 101-113. Vgl. Marie-Nicolette HOPPE, Beiträge zum Schamhorst-Bild im 19. Jahrhundert (18131871). Persönlichkeit und Werk in der frühen Rezeption, Bonn 1995, S. 197-223. Vgl. ARNDT, Denkmaltopographie, S. 175. Vgl. VON OLFERS, Die Marmor-Gruppen auf der Schloßbrücke in Berlin, Berlin 1862, [up]; generell Peter SPRINGER, Schinkels Schloßbrücke in Berlin. Zweckbau und Monument, Frankfurt a.M., Berlin, Wien 1981, S. 27-28, 49, 120. Vgl. KAUFFMANN, Berliner Baukunst, S. 31. Vgl. auch Martin ENGEL, Fragen zur Entstehungs- und Bedeutungsgeschichte des Forum Friderizianum, in: ENGEL, RlBBE (Hg.), Hauptstadt Berlin, S. 89-99.
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dem Forum gegenüberliegende und während der gesamten folgenden Jahrhunderthälfte weiter ausgebaute Schloßbezirk mit Stadtschloß, Dom, Altem und Neuem Museum und der Nationalgalerie um den Lustgarten. Mit ihrer Aufstellung beiderseits der Blücher-Statue vor der Neuen Wache im Mai 1855 trat nun hinter den Yorck- und Gneisenau-Denkmälern eine Stifterambition zutage, die auch den etwa zur gleichen Zeit fertiggestellten Schloßbrückenfiguren und der restaurierten Generalstandbildergruppe auf dem Wilhelmplatz zugrunde lag: Der König betrieb hier eine denkmalpolitische und auf die preußische Militärgeschichte fixierte Traditionsstiftung, indem er die monumentalen Projekte seines Vorgängers komplettierte75. Die Generalstatuen wurden dabei 1855 nicht mit einem besonderen Zeremoniell gewürdigt, sondern statt dessen unmittelbar in das preußisch-militärische Ritual einbezogen, indem wenige Stunden nach ihrer öffentlichen Aufstellung eine Parade der Berliner Garnison als alljährlicher Abschluß der militärischen Frühjahrsübungen vom König abgenommen wurde, der sich zu diesem Zweck in »GeneralsUniform«, begleitet von den Prinzen und der »Generalität« vor dem Statuenensemble postiert hatte. Ihm unmittelbar gegenüber und also mit Blick auf die neue Denkmalgruppe wurden Kadetten und Unteroffiziere piaziert76. Die Visualisierung preußischer Historie durch eine Art szenische tableau-vivantNachbildung, die den Monarchen für die Dauer der Parade umringt von lebenden und bronzenen Militärs zeigte, war hier einer aufwendigeren Einweihungsfeier vorgezogen worden, die die Programmatik der Monumente hätte vermitteln können. Die publizistische Reaktion auf die neuen Standbilder blieb verhalten. Die Vossische Zeitung und die Nationalzeitung erwähnten die Enthüllung »in aller Frühe« nur knapp, um dann statt dessen ausfuhrlich von der Truppenparade Unter den Linden zu berichten, die der König dort vor der Statue des konservativen Generals Blücher, des triumphalen Siegers von Waterloo 1815, abgenommen hatte77. Damit funktionierte die veröffentlichte Wahrnehmung immerhin ganz im Sinne der königlichen Bildregie, der sie so weit folgte, daß sie die beiden neuen Generalsdenkmäler - entsprechend ihrer betont kleineren Ausführung im Vergleich zum Blücher-Standbild - maximal als symbolische Accessoires zu letzterem zur Kenntnis nahm und also den König immer nur »vor dem Standbilde des Fürsten Blücher«78 ausmachte. Auf diesem Wege konnte das bürgerlich-egalitäre und partizipatorische Potential übergangen werden, das der Militärreform zu Jahrhundertbeginn eigentlich zugrundegele75
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Ob die lange Verzögerung beider Projekte auf eine bis dahin königliche Ablehnung des revolutionären Gedankens der Volksbewaflhung zurückging, für den beide Generale standen, muß offen bleiben. Vgl. die Hypothese auch bei ARNDT, Denkmaltopographie, S. 175. Vgl. VZ, 22. Mai 1855, S. If. Vgl. ibid. undNZ (Α.), 21. Mai 1855, S. 4; ähnlich NPKZ, 22. Mai 1855, S. 2. NZ, 21. Mai 1855, S. 4.
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gen hatte und als deren Exponenten erst Scharnhorst, dann Yorck und Gneisenau aufgetreten waren, wenn sie die allgemeine Wehrpflicht als sichtbaren Ausdruck patriotischer Motivation und zur Einebnimg ständischer Privilegierungen forderten79. Indem er die Truppenparade auch im übertragenen Sinne an den neuen Denkmälern vorbeiziehen ließ, betrieb Friedrich Wilhelm IV. hier rund 50 Jahre nach der preußischen Heeresreform eine symbolische Umwertung des Militärs von der freiheitlich-nationalen Legitimation zur monarchisch überformten Militarisierung der Nation. Zwar zeichnete sich das Verfahren anders als die später unter Wilhelm I. noch folgenden Projekte durch eine zeremonielle Umrahmung aus, blieb aber bezeichnend monarchie- und militärlastig. Von Festszenarien in anderen deutschen Einzelstaaten - wo etwa im Zuge der Frankfurter Schützenfeste zumindest als ephemerer Festschmuck eine Germania auftauchte, deren politische Konnotierung offen und jedenfalls nicht monarchisch fixiert blieb, und mit der sich die Forderung nach nationaler Einigung verband80 - blieben die Berliner Inszenierungen damit jedenfalls deutlich entfernt. Mit der unter Friedrich Wilhelm IV. fertiggestellten Figurenkonstellation auf der Schloßbrücke, die den Krieg mit antiken Figuren und abstrakten Symbolen thematisierte, korrespondierte schließlich eine Gruppe von Generalstandbildern auf dem Wilhelmplatz: Nachdem Friedrich Wilhelm IV. entsprechende Maßnahmen schon 1855 erwogen hatte81, ließ Wilhelm I. im Sommer 1862 die noch aus dem 18. Jahrhundert datierenden, stark verwitterten Marmorausfuhrungen82 der Standbilder fur von Schwerin, von Winterfeldt, von Seydlitz und von Keith sowie fur Zieten und den Fürsten von Anhalt-Dessau83 in Bronze nachbilden und erneut aufstellen84. Zum Zeitpunkt ihrer ersten Aufstellung in Berlin im ausgehenden 18. Jahrhundert hatten diese Figuren der Generale des Siebenjährigen Krieges, als Reminiszenz an den Kabinettskrieg des aufgeklär79
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Vgl. Ute FREVERT, Die kasernierte Nation. Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland, München 2001, u.a. S. 33-39; Heinz STÜBING, Die Wehrverfassung Preußens in der Reformzeit. Wehrpflicht im Spannungsfeld von Restauration und Revolution 1815-1860, in: Roland G. FOERSTER (Hg.), Die Wehrpflicht. Entstehung, Erscheinungsformen und politisch-militärische Wirkung, München 1994 (Beiträge zur Militärgeschichte, 43), S. 3953. Vgl. LANGEWŒSCHE, Kulturelle Nationsbildung, S. 50 und 58. Vgl. Bericht an den König vom 24. Mai 1855, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20835, Bl. 47. Vgl. Lothar LAMBACHER, Die Standbilder preußischer Feldherren im Bodemuseum: ein Berliner Denkmalensemble des 18. Jahrhunderts und sein Schicksal, Berlin 1990. Das Schwerin-Standbild wurde 1769 aufgestellt, 1777 folgte von Winterfeldt, 1781 von Seydlitz, 1780 von Keith, 1794 Zieten und 1800 bzw. 1828 Fürst von Anhalt-Dessau. Nach Hans MACKOWSKY, Die vorbereitenden Entwürfe Schinkels und Rauchs zum Denkmale Friedrichs des Großen in Berlin, Inaugural-Dissertation, Berlin 1894, S. 13, fand der Transfer der Dessauer-Statue am 4. September 1828 statt. Vgl. Dioskuren, 6. Juli 1862, S. 210, ibid. 7. Dezember 1862, S. 282; ibid. 28. Dezember 1862, S. 305-306.
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ten Absolutismus85 von Friedrich dem Großen initiiert und gestiftet, ein nichtfürstliches Denkmalensemble gebildet, das im städtischen Zentrum erstmals das Monopol des öffentlichen Herrscherdenkmals aufbrach86. Die Originale der Statuen wurden nun 1862 an die Kadettenanstalt in GroßLichterfelde weitergegeben, wo sie zunächst in der Vorhalle der evangelischen Kirche, später im Feldmarschallsaal und schließlich im dortigen Vorhof piaziert wurden87. Entsprangen die frühen Überlegungen zur Neuaufstellung und Verlegung der Statuen noch eher konservatorischen Ideen, so ließ diese Plazierung der Marmororiginale von 1862 weitergehende politische Intentionen erkennen: Statt der zunächst anvisierten musealen Verwahrung im Zeughaus deutete die erneute Exponierung im Außenraum der Kadettenanstalt als einer militärischen Erziehungsinstitution auf den Versuch, dort den militärischen Exempelcharakter und die Appellfunktion der Feldherrengruppe zu erhalten. Die Anverwandlung der Friderizianischen Militärtradition, die bereits Friedrich Wilhelm IV. mit dem Friedrich II.-Denkmal 1851 betrieben hatte, setzte der ehemalige »Kartätschenprinz« hier konsequent, obschon im Rahmen eines kaschierten und nicht zeremoniell aufgeladenen Symbolaktes fort88. Insgesamt ließ also Friedrich Wilhelm IV., nachdem er das Soldatenkriegerdenkmal auf dem Invalidenfriedhof unterstützt hatte, mit den vor der Neuen Wache ergänzten Standbildern für York und Gneisenau einen eher zurückhaltenden öffentlichen Inszenierungseifer zugunsten des Befreiungskriegsmythos erkennen89. Vergleichbare zeremonielle Akte blieben dann zunächst in der frühen Regentschaftsphase Wilhelms I. seit 1861 ganz aus oder bezogen sich, didaktisch ambitionslos, kaum auf denselben Mythos. Nun mochte sich dieser 85
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Vgl. Gerhard RITTER, Staatskunst und Kriegshandwerk. Das Problem des >Militarismus< in Deutschland, Bd. 1: Die altpreußische Tradition (1740-1890), München 1954, S. 4549. Mit dem Transfer des ursprünglich auf der südlichen Seite des Lustgartens aufgestellten Dessauer-Standbilds zur Wilhelmplatzgruppe war zugleich der unmittelbare Schloßbereich für die dort künftig monopolartig betriebene Monumentalisierung der preußischen Monarchen geräumt worden. Vgl. VOMM, Reiterstandbilder, Bd. 1, S. 47-50; BLOCH, Denkmäler in Berlin, S. 47; Ulrich BISCHOFF (Hg.), Skulptur und Plastik, Stuttgart 1985 (Kunsttheorie und Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Texte und Dokumente, 3), S. 29f. Vgl. MERCKLE, Das Denkmal König Friedrichs des Großen, S. 149, Anm. 2. Vgl. zum Verbleib Bernhard MAAZ, Denkmalverständnis und Denkmalpflege im 19. Jahrhundert am Beispiel der Generalsstandbilder vom Wilhelmplatz, in: JbPK 34 (1997) S. 237-260, hier S. 255, 259 mit Anm. 67. Die politische Intention deutete sich an im Dankesschreiben für die Überweisung der Marmorstatuen nach Lichterfelde, die als »Vorbilder der Tapferkeit (...) die Gefühle der Vaterlandsliebe, die Begeisterung für Heldenruhm (...) wach erhalten« sollten; zit. nach MAAZ, Denkmalverständnis 257, Anm. 26. Zur ambivalenten Mythosfunktion der Befreiungskriege in Memoiren, didaktischer Literatur und Publizistik vgl. Ferdi AKALTIN, Die Befreiungskriege im Geschichtsbild der Deutschen im 19. Jahrhundert, Freiburg 1997.
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Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 1870
beiläufige symbolpolitische Rückgriff auf die Befreiungskriege und ihre Militärs daraus erklären, daß mit dem Kreuzbergdenkmal90 eine entsprechende Inszenierung in der Hauptstadt längst stattgefunden hatte und hier der antinapoleonische »Volks«-Krieg unter monarchischer Führung schon zum Inbegriff preußisch-nationaler Wehrhaftigkeit stilisiert worden war. Dennoch betrieb Wilhelm I. die Gedächtnisstiftung an die absolutistischen Kabinettskriege mit der Generalsstandbildgruppe auf dem Wilhelmplatz ohne erkennbaren Ehrgeiz zu einer ähnlichen nationalen Mythosbildung.
3. London: Militärische Selbstbilder der Seemacht
3.1. Schlaglichter auf eine Kultmisere 3.1.1. Nelson, oder: Mythosverschleiß und dynamische Verfremdung Die noch in den 1840er Jahren entstandenen großen Denkmäler fur Horatio Nelson und den Duke of Wellington in London erwiesen sich kaum als populäre Kultfiguren. Die von organisatorischen und konzeptionellen Querelen begleiteten, im ersten Falle ganz ausgelassenen öffentlichen Inszenierungen setzten ihre Bild- und politischen Programmatiken eher einer sozialpolitisch und ökonomisch in tiefem Wandel befindlichen Gesellschaft aus, als um Konsens fur Nationsentwürfe zu werben. Der spätestens seit Jahrhundertbeginn vielfach geprägte Mythos von der kriegsgenerierten britischen Nation91, den die Monumente pauschal als Sinndeutungsmuster anboten, konnte jedenfalls in einer Zeit, in der die Bodenwellen der revolutionären Erschütterungen vom Kontinent her zu spüren waren, nicht verfangen. Angesichts einer über mehrere Phasen sich hinziehenden und inszenierungsarmen Entstehung des Nelson-Denkmals zwischen 1838 und 1867 blieben auch Intention und Rezeption des Denkmals nur punktuell erkennbar92. Die 90 91 92
Vgl. BLOCH, Das Kreuzberg-Denkmal, S. 142-159. Vgl. COLLEY, Britons, passim. Die Initiative kam z.T. auch auf von der Jahrhundertwende datierende, formal und programmatisch eher utopistische Erwägungen zu einem nationalen Triumphmonument zurück. Vgl. John FLAXMAN, A letter to the Committee for raising the naval pillar or monument, under the patronage of His Royal Highness the Duke of Clarence, London 1799 [suggesting the erection of a colossal figure of Britannia on Greenwich Hill]; Alexander DUFOUR, Letter to the Nobility and Gentry composing the Committee for raising the Naval Pillar or Monument under the Patronage of His Royal Highness the Duke of Clarence; in answer to the Letter of John Flaxman, Sculptor, to the Committee on that Subject, London 1800; John OPIE [professor of painting to the Royal Academy], Lectures on painting, deli-
III. Nation und Militär
209
Errichtung der eigentlichen Säule, die sich auf Trafalgar Square etwa in gleicher Entfernung zum Buckingham Palace nach Westen und zu den Houses of Parliament nach Süden befand, erfolgte sukzessive zwischen 1843 und 184993, während die Nelson-Statue am 3. und 4. November 1843 ohne Feierlichkeiten auf ihrer Spitze piaziert wurde. Anfang Dezember 1849 folgte dann das zentrale Relief am Sockel (»Death of Nelson«), der aber erst im Mai 1854 mit dem St. Vincent-Relief ganz fertiggestellt war. Auch die der Säule vorgelagerten Löwenfiguren94 wurden am 31. Januar 1867 zeremonielos ergänzt95. Nur das Gentleman 's Magazine lobte später die Gestalt des Helden auf der Säulenspitze, »the intrepid firmness if his mind - the determination to achieve his purpose, anawed by any terrors«96 und assoziierte das Bild des sterbenden Admirals, der noch im Verbluten um das Wohl seines Landes besorgt war. In der Statue sah es übereinstimmend mit den Initiatoren den »heartfelt and enduring tribute of a nation's gratitude and praise«, erkannte also in Nelson den Retter der Nation gegen feindliche Übergriffe. Der Spectator hingegen hatte nur Spott übrig fur die Nelson-Figur, die man mit dem endgültigen Transfer auf die Säule nurmehr der berechtigten Kritik entziehe97. Zum leisen Nachhall, den die Ergänzung der vier Löwen 1867 nach sich zog, gehörte später lediglich ein provokantes Gedicht, das die Erweckung der Figuren zum Leben und ihr Wirken als Protagonisten politischer Reformen fur die »working classes« fingierte98. Jenseits aller programmatischen Überhöhimg des Monuments wurde hier ein Votum zur politischen und sozialen Konstituiertheit der Nation abgegeben und der Anspruch auf Partizipation und Egalität geltend gemacht. Eine Reminiszenz an Nelson, seinen Heldenmythos und die maritime Nation indes-
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vered at the Royal Academy of Arts, with a letter on the proposal for a public memorial of the naval glory of Great Britian, London 1809; [An.,] The voice of the people as to the Waterloo Monument with observations on its principles and objects, its funds and management and the beneficial effects which may be derived from it, London 1816; William WOOD, An Essay on national and sepultural monuments, London 1808. Vgl. Pall Mall Gazette vom 21. Oktober 1902, PRO Work 20/118; The Times, 25. September 1843, S. 4. Vgl. zur Auftragsvergabe für die Löwenfiguren The Times, 16. August 1858, S. 7. Vgl. Pall Mall Gazette, ibid.; The Times, 14. August 1858, S. 9; 1. Februar 1867, S. 7. Seit dem 27. Oktober 1843 war die Kolossalfigur Nelsons bereits zu ebener Erde neben der Säule ausgestellt, bevor der Transport auf die Säulenspitze Anfang November erfolgte, der sich angesichts eines die Sicht versperrenden Gerüsts um die Säule und der erneuten Zerstückelung der Figur für den Transport wenig spektakulär ausnahm und erst durch das Hissen des Union-Jack über dem Gerüst überhaupt sichtbar wurde Vgl. The Times, 26. Oktober 1843, S. 6; ibid. 6. November 1843, S. 5. The Gentleman's Magazine 20 (December 1843) S. 630. Vgl. The Spectator, 4. November 1843, S. 19. Vgl. [An.,] The Trafalgar Square Lions, o.O. o. J. [up]: »The working classes shall have reform / they swear they'll stick to (...) Bright / and fight for Reform with all their might / They'll smash all the Tories so 'tis said.«
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Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 1870
sen unterblieb ebenso wie eine konzise Rezeption des Nelson-Denkmals in den Jahren seiner Entstehung. Als programmatisch gleichsam ergiebiger erwies sich demgegenüber die frühe Enstehungsphase des Denkmals. Denn die anläßlich eines 1839 öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerbs vorgelegten Modelle motivierten das Monument durchaus in nationaler Hinsicht. Ihre Urheber waren gemeinhin bestrebt, Nelson einer »great nation« angemessen als »hero« zu verewigen und sein Exempel der »posterity« anzuempfehlen". Nelson repräsentierte nicht nur die »naval greatness of England« und »the only nation upon earth that has claimed and maintained the wide dominions of the seas«100, sondern wurde zum nationalen Sinnstifter gerade auch über seinem unerschrocken-pflichtbewußt erlittenen Opfertod fur die Nation101. Massive architektonische Grundformen sollten auf die Stabilität und Stärke der Nation verweisen, dazu militärischer Triumph und die gleichzeitige Friedensbereitschaft einer weltweit konkurrenzlosen Seemacht demonstriert werden102. So sollte ein neu erwachendes »national feeling« ausgedrückt werden, aus dem heraus nun der Zäsur von 1815, dem Triumph bei Waterloo, Rechnung getragen würde, mit dem die seit 1793 andauernde Kriegsphase mit Frankreich dank militärischer und ökonomischer Überlegenheit hatte beendet werden können103. Den Entwürfen zufolge thematisierte das Nelson-Monument kaum mehr als die militärisch siegreiche britische Nation im allgmeinen und die »naval nation« im besonderen. Floskeln wie diejenige vom Wunsch eines jeden »true-born Englishman« nach Monumentalisierung des Helden blieben zu schwach, um Werte zu evozieren, 99
Vgl. Thomas HOPPER, Model N° 2, in: The Civil Engineer and Architect's Journal 1839/11 (August 1839) [künftig: CEAJ], S. 290-297, hier S. 290; Henry CASE, Memorial of the Achievements of Horatio Lord Nelson, London 1839 [Folio, up]; DERS., Model N° 46, in: CEAJ, S. 293. ,0 ° T. BUTLER, Model N° 3, ibid. S. 290f„ hier S. 290, R E. GAVEY, Design N° 110, ibid. S. 297; James THRUPP, Design N° 117, ibid. 101 Vgl. J. TAYLOR, jun., Design N° 144, ibid. S. 296. 102 Vgl. John GOLDICUTT, F.R.I.B.A., Model N° 7 and Designs N°s 73&74, ibid. S. 291; William GROVES, Model N° 19, ibid. 103 Vgl. Thomas BELLAMY, Model N° 64, ibid. S. 294-295, hier S. 294. Zugleich planten einzelne Wettbewerbsteilnehmer einen touristischen Effekt mit ein, indem sie ihre Denkmäler begehbar gestalteten, so daß sich von deren Ballustraden und Gallerien aus beeindruckende Blicke auf die Stadt bieten sollten. Vgl. GOLDICUTT, Model N° 7, ibid. S . 291; CASE, Model N° 46, ibid. S. 293; William BEHNES, The »Nelson Testimonial«, A letter to the Committee appointed to select a design for a Memorial of the achievements of the late Admiral Lord Viscount Nelson, London 31. January 1839, S. 7. Auf einen politisierten Wirkeffekt zielten andere, die weniger den Panoramablick als die Machtdemonstration gegenüber fremden Besuchern der Metropole einkalkulierten. Vgl. so [M.M.,] Description of a Drawn Model (N° 113) proposed for THE MONUMENT intended to be erected in Trafalgar Square to the memory of Lord Nelson, with some collateral remarks, London 1839, S. 5 [Den Text hat Rodney MACE, Trafalgar Square. Emblem of Empire, London 1976, S. 268-277, ediert].
III. Nation und Militär
211
die die innere Ordnung und Konstituiertheit der Nation betrafen. Derartige programmatische Aussagen unterblieben auch in Bezug auf die »naval men«104, die außer den militärischen Amtsinhabern oder Monarchen neben Nelson bildprogrammatisch immerhin berücksichtigt wurden105. Allerdings provozierte die Frage der Denkmalgestaltung einen eigenen Diskurs über den Begriff des Nationaldenkmals. Dabei gab es zum einen die Erwartung, daß ein entsprechendes Monument die Nation unterschiedslos anzusprechen habe und für sie verständlich sein müsse106, zum anderen die Idee, daß ein Nationaldenkmal grundsätzlich durch öffentliche Subskription finanziert und unter maßgeblicher Leitung des Monarchen, der Regierung und des Parlaments Zustandekommen müsse107. In seiner rigoristischsten Version wurde dies von Andrew Robertson vertreten, demzufolge A monument erected by domestic affection, friendship or admiration, by subscribers, does not become a public or national monument, merely because it is set up in a church or a square, or other conspicious place. It manifests only the affection, &c. of those who erected it, be their number^rcat or small. A monument raised by the state records the appropriation of the whole nation
In diesem Sinne konnten die fur Nelson wie Wellington bereits errichteten Denkmäler in London und andernorts in Großbritannien nicht als »National Monuments« bezeichnet werden »being erected by individuals, and not by the nation«109. Die zeitgenössische Definition verfuhr hier kurzschlüssig: Einerseits wußte sie subtil zwischen Denkmalstiftem und dem nicht engagierten Teil der Gesellschaft zu unterscheiden und erkannte im Monument zunächst nur die Zeichensetzung seiner Initiatoren. Andererseits setzte sie Initiative und Finanzierungsbeteiligung von staatlicher Seite unversehens mit einem nationalen Konsens gleich und stilisierte damit Staat und Parlament zur verbindlichen Letztinstanz des nationalen Willens110. England wurde dabei sowohl im innerbritischen111 als auch im europäischen Vergleich als rückschrittlich kriti104
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John BRITTON, F.S.A, Brief account of a design for the Nelson Cenotaph and the British Naval Museum, as submitted to the committee for the Nelson Testimonial, January 1839, in: T.E. JONES (Hg.), A descriptive account of the literary works of John Britton, F.S.A., being the second part of his Auto-Biography, London 1849, S. 60-64, [vgl. ebenfalls bei MACE, Trafalgar Square, S. 277-281, mit Auslassungen ediert. Zitiert wird hier nach dem Original], S. 62. Vgl. HOPPER, Design for the Nelson Testimonial, S. 10; GRANVILLE, A Letter to his Grace the Duke of Wellington, S. 32. Vgl. so v.a. bei J.G. LOUGH, Model N° 38, in: CEAJ, S. 292. Vgl. so bei [M.M], Description of a Drawn Model (N° 113), S. 5. Andrew ROBERTSON, The Parthenon, adapted to the purpose of a National Monument to commemorate the victories of the late war, proposed to be erected in Trafalgar Square or Hyde Park, London 1839, S. 8. Ibid. [H. i. 0 . ] Vgl. ibid. S. 13. Vgl. ibid. S. 14f. mit der Unterscheidung von »English«, »Scottish« und »Irish Nation«.
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Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 1870
siert: Schottland hatte bereits ein Nelson-Denkmal in Edinburgh, ebenso Irland seine Nelson's Column und ein Wellington-Denkmal in Dublin, und Paris verfugte über zahlreiche nationale Monumente, während es in London lediglich zum privaten Wellington-Denkmal in Hyde Park gereicht habe. Robertson wertete diesen Umstand indessen nicht als Defizit an nationaler Gesinnung in England, sondern als Effekt mangelnden Engagements der staatlichen Verwaltung und des Parlaments im besonderen112. In der Tat stand Robertson mit diesem Kritikpunkt nicht allein. Noch eindringlicher argumentierte der Architekt Thomas Hopper gegen handlungslähmendes kollektives Desinteresse in der Denkmalfrage und eine aus seiner Sicht heillose Verstrickimg der Regierung in Parteiengezänk. Nur indem sie ihre Aufsplitterung in Interessengruppen überwand, so lautete hier die Prognose, würde die Nation zur Monumentalisierung ihrer Helden schreiten können113. Damit setzte der Akt nationaler Denkmalsetzung voraus, daß von der faktischen Disparität der nationalen Gesellschaft zugunsten der »national honour« abstrahiert wurde. Robertson wiederum erachtete als einzige Nationaldenkmäler in London diejenigen in St. Paul's Cathedral und Westminster Abbey, die ihrerseits vom Parlament mitfinanziert worden waren114. Selbst die Queen wollte er für einen neuen Anlauf zu einem Nationaldenkmal zu Ehren Nelsons in die Pflicht nehmen, für das sie sich nicht materiell, wohl aber ideell verwenden sollte115. Letzte Anstrengungen würden schließlich von der Öffentlichkeit Englands ausgehen müssen, die - in der Logik von Robertsons Argument und Begrifflichkeit - nicht auf dem Wege der öffentlichen Subskription »which tax only the generous few«, sondern »by Petition to Parliament«116 das Nationaldenkmal als »duty and province of Parliament«117 einfordern könne. Der Umstand, daß Robertson nicht bereit war, die Initiativen für das Nelsonoder das Wellington-Denkmal als »national« sondern lediglich als »private monumentfs]«118 zu erachten, ließ seine rigide Differenzierung als Minderheitenvotum erscheinen in einer Phase, in der die zahlreichen Teilnehmer am Wettbewerb für das Nelson-Denkmal ihre Projekte längst überwiegend als Modelle zu einem »national monument« bezeichnet hatten, obgleich sich eine Subvention durch die Regierung bis dahin noch nicht abzeichnete.
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Vgl. S. 13f. Vgl. HOPPER, Design for the Nelson Testimonial, S. 4: »This lamentable apathy upon the subject (...) can be traced in a great measure to the degraded state of our legislation, arising from our being wholly absorbed in the various questions of political and polemical controversy (...), careless (...) of the maintenance of the national honour.« Vgl. ROBERTSON, The Parthenon, S. 15. Vgl. ibid. S. 17. Ibid. S. 20 [H.i.O.]. Ibid. S. 17 und 29. Ibid. S. 17 und 28.
III. Nation und Militär
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Einen deutlich weniger rigiden Nationaldenkmalbegriff benutzte mit William Behnes einer der Wettbewerbsteilnehmer: Any testimonial to the merit of a public man erected by an individual, or any testimonial erected by a body of individuals however respectable and numerous, and not erected at the united expense of the whole nation, or at all events by the contribution of the majority of that portion of the nation, which can estimate the worth of the party commemorated and afford to express their gratitude cannot be properly considered as a >National< testimonial
Zunächst übereinstimmend mit Robertsons Gleichsetzung von nationalstaatlicher Initiative und Finanzierung einerseits und nationalem Konsens andererseits betrieb Behnes hier nun eine doppelte Relativierung: Statt uneingeschränkter Beteiligung und also nationaler Einmütigkeit aller war nurmehr an ein mehrheitliches Votum gedacht, schließlich nur an die Mehrheit jenes Teils der Nation, der sich nicht nur ideell zu dem fraglichen Gedächtnis bekannte, sondern auch materiell zur Teilhabe in der Lage war. Behnes' »National testimonial« begab sich mithin der rigoristischen und fiktiven Partizipationsklausel, die Robertson über die parlamentarische Initiative eingelöst wissen wollte und näherte sich der längst betriebenen Denkmalerrichtungspraxis, die bisher wie danach keine flächendeckend konsensuale oder egalitäre Beteiligung vorsehen konnte. Ungeachtet solcher Realitätsnähe drang auch Behnes nicht zu der Einsicht vor, daß sich der nationale Konsens- und Affmitätseffekt des monumentalen Zeichens schlechterdings nicht in seiner Plazierung im öffentlichen Raum erschöpfte, sondern das Denkmal die Beweislast nationsweiter Gültigkeit und Akzeptanz im Zug einer entsprechenden Rezeption erst noch zu tragen hatte. Dennoch wurden die konzeptionellen Grundsatzüberlegungen zu strukturellen Voraussetzungen und medialem Vermögen des »national monument« mit Behnes' Analyse auf einen neuen Stand gebracht. Die rigide Position, wonach als Nationaldenkmal nur das von staatlich-parlamentarischer Seite initiierte und finanzierte Projekt anzuerkennen sei, blieb eine schon im Verlauf des Wettbewerbs übergangene Minderheitenposition. Realitätsnäher nahm sich demgegenüber der Defmitionsversuch aus, wonach bereits eine entsprechende Konnotierung und also nationale Intention der Denkmalsetzer den Sinnbezug zur Nation herstellen konnte. Daß das Denkmal auch kritisch rezipiert werden könnte, blieb allerdings auch hier ausgeblendet. Der definitorische Exkurs über das Konzept des Nationaldenkmals mochte prinzipiell fur die zeitgenössische Praxis öffentlicher Denkmalehrang ertragreich sein, einem überzeugenden Deutungsmuster speziell fur das Nelson-Denkmal war auf diesem Wege allerdings nicht zum Durchbruch zu verhelfen120. 119 120
BEHNES, The »Nelson Testimonial«, S. 5. Programmatische Erläuterungen zum Nelson-Monument erschöpften sich unterdessen in Verlautbarungen wie der Rede des Duke of Wellington 1838 vor einer Versammlung des Denkmalkomitees, die auf die enge Verknüpfung Nelsons mit dem »great and memorable war« von 1815 abzielte, mit dem die »safety and honour of the nation« gesichert worden
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Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 1870
Fehlte schon der sukzessiven Errichtung des Nelson-Denkmals bis Ende der 1840er Jahre jede öffentliche Emphase, machten sich darüber hinaus bis zum Jahrhundertende rasch Banalisierungseffekte bemerkbar, von denen etwa die Klage eines Sympathisanten der nationalen Denkmalidee zeugte, der sich über den Mißbrauch der Säule als Reklamefläche echauffierte121. Aus der Sorge um einen würdigen Zustand des Denkmals heraus häuften sich schließlich auch die »in the name of patriotism« erhobenen Forderungen nach Instandhaltung der stark korrosionsgeschädigten Nelson-Statue122. Jenseits einer derart deutlichen Erosion des Symboleffekts zum einen und letzten Residuen einer nationalpolitischen Konnotierung des Denkmals zum anderen waren es eine neue soziale Umtriebigkeit in nächster Nähe der Nelson Column bei gleichzeitiger programmatischer Sinnentleerung des monumentalen Zeichens, die den polaren Spannungsrahmen bildeten, in den das Denkmal nach seiner Fertigstellung ab den 1850er Jahren im öffentlichen Raum einbezogen blieb. Daß es unmittelbar in politische Demonstrationen und sozialen Protest involviert wurde, bedingte keineswegs die Denkmalprogrammatik oder -ikonographie an sich als vielmehr seine zentrale Position auf Trafalgar Square, der seit den 1820er Jahren in der Stadtmitte neben dem Hyde Park zum bevorzugten Ort öffentlicher Aktionen avanciert war123. So kam es während der »Trafalgar Square Riots« in den Märztagen 1848, inspiriert von den kontinentalen Revolutionen124, unter »hundreds of young men and boys, of the most dissolute class« anläßlich einer Demonstration von Radikalen und Chartisten zu tumultartigen Szenen, in deren Verlauf eine um die Nelson-Säule gebaute Absperrung niedergerissen und ihre Bruchstücke zu Wurfgeschossen gegen die Polizeikräfte umfunktioniert wurden125. Daß sich die Radikalen nicht etwa auf einen vom Nelson-Denkmal manifestierten Konsens beriefen, sondern es ausschließlich taktisch in ihren Protest miteinbezogen, ließ die Nelson Column eher als symbolische Leerstelle erscheinen. Denn das von ihr illustrierte Thema maritimer und militärischer Glorie schien vom Sozialkonflikt so weit entfernt wie in der Tat der auf die Säulenspitze entrückte Nelson. Der ursprünglich suggerierte Konsens einer militärisch siegesgewissen Nation jedenfalls konnte augenfälliger kaum konterkariert werden.
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sei. Vgl. The Times, 2. August 1838, S. 3. Dem Bericht zufolge waren vor allem »merchants« und »influential persons in the city« zugegen. The Times, 23. Oktober 1894, S. 10. Vgl. Leserbrief von John Richard Davey, in: The Daily Chronicle, 5. Januar 1902, PRO Work 20/15 [up], Vgl. Public Meetings in the Metropolis. Resolutions, Sitzung des HoC, 1. März 1888, in: Hansard 322 (1888) Sp. 1879-1954. Vgl. QUINAULT, 1848 and Parliamentary Reform, S. 831-851; Iorwerth PROTHERO, Chartism in London, in: P&P 44 (1969) S. 76-105.
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Vgl. The Standard, 8. März 1848, S. 1. Vgl. auch MACE, Trafalgar Square, S. 134-138.
III. Nation und Militär
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Nachdem noch 1866 im House of Commons die Ansicht vertreten worden war, daß Demonstrationen auf Trafalgar Square geduldet werden müßten, sofern sie gewaltfrei blieben126, wiederholten sich vergleichbare Zwischenfälle im August 1871 anläßlich von Demonstrationen republikanischer Splittergruppen um Charles Bradlaugh, als Redner wie Zuhörer die Sockeltreppen und die Löwenfiguren am Denkmal erklommen, um sich Gehör zu verschaffen oder bessere Sicht zu erhalten127. Die Presse kritisierte mehrheitlich gegen diese für sinnwidrig gehaltene republikanische Okkupation des Monuments und forderte effektiveren Polizeischutz128. In der Tat benutzten die Demonstranten das Nelson-Denkmal eher als Plattform, während nur die Kritiker ein Gespür für den Symbolaffront zu bewahren schienen. Bei neuerlichen Demonstrationen in den 1880er Jahren, etwa 1886 bei von den Liberal und Radical Clubs organisierten Kundgebungen gegen die Irlandpolitik der Regierung und dann 1887 bei den von den Sozialisten initiierten Versammlungen gegen sozialen Notstand und Arbeitslosigkeit, schritt die konservative Regierung schließlich rigide ein. Sie sprach ein prinzipielles Demonstrationsverbot für Trafalgar Square aus, das zwar wiederholt gebrochen wurde, aber die Übergriffe auf die Nelson Column doch deutlich eindämmte129. Dem Bedeutungsverlust und der Zweckentfremdung durch die Sozialprotestbewegung wirkten andererseits mehrere seit dem ausgehenden Jahrhundert unternomme Versuche entgegen, die ursprüngliche Sinnstiftungsidee hinter dem Denkmal öffentlichkeitswirksam wiederaufzugreifen. Die für massive Flottenaufrüstung als Garantie maritimer Suprematie Großbritanniens und des Empire agitierende und also primär um ein außenpolitisches Leistungsprofil der Nation besorgte Navy League nämlich begann bereits im Jahr nach ihrer Gründung 1895, »Trafalgar Day« am 21. Oktober als Jahrestag der Schlacht auszurufen, Kränze zu Füßen des Denkmals niederzulegen und damit einen dezidiert nationalen Nelson- und Denkmalkult anzustoßen130. Sie suchte sich 126 127
Vgl. Public Meetings in the Metropolis, HoC, 1. März 1888, s.o., Sp. 1886. Vgl. The Daily Telegraph, 1. August 1871, S. 6; Metropolis. Meeting in Trafalgar Square. Question, Sitzung des HoC, 1. August 1871, in: Hansard 3RD s. 208 (1871) Sp. 654-657; Fergus A. D'ARC Y, Charles Bradlaugh and the English Republican Movement 1868-78, in: H J 2 5 ( 1 9 8 2 ) S. 3 6 7 - 3 8 3 .
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Vgl. The Daily Telegraph, ibid. Vgl. Public Meetings, HoC, 1. März 1888, Sp. 1888-1889. Zu den Zusammenstößen von 1887 vgl. [An.,] Remember Trafalgar Square! Tory Terrorism in 1887, Extrausgabe der Pall Mall Gazette, London 1887, passim. Einige Demonstrationen erwähnt MACE, Trafelgar Square, S. 155-207. 1892 wurden die Demonstrationsbedingungen gemildert, vgl. Trafalgar Square, Anordnung des First Commissioners of Works Shaw-Lefevre, 26. Oktober 1892, PRO Work 20/16 [up], Vgl. u.a. Pall Mall Gazette, 22. Juli 1896, S. 3 und [An.,] Anniversary of Trafalgar. Nelson's Monument, o. O. o. J., [up] sowie The Times, 2. Oktober 1903, S. 7, mit einem Aufruf des Sekretärs der League, sich mit Kränzen oder Spenden an den Feiern zu beteiligen. Zur Initiierung von »Trafalgar Day« durch die Navy League vgl. auch Linda COLLEY,
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Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 1870
zugleich einer konkurrierenden Anwartschaft auf das monumentale Zeichen durch politisch linke Gruppen zu erwehren, indem sie sich im Rahmen einer öffentlichen Resolution für die Sperrung der Denkmalplattform aussprach, die zu unrecht »as a platform for political, Anarchical, Socialistic, an other public meetings«131 mißbraucht würde und verteidigte demgegenüber ihre traditionale Deutungsversion: »The column is intended to honour the memory of our greatest admiral, and its employment as a rostrum for political and even disloyal agitation is an obvious departure from the purpose for which it was erected, and is inconsistent with the decoration which has now become an annual national custom«132. Die Stigmatisierung der linkspolitischen Aktionen auf Trafalgar Square als »desecration« unterstrich den Anspruch der League, für die Nation zu sprechen, der die monumentale Trophäe der »naval nation« als Unterpfand ihres traditionalen Selbstverständnisses diente. Später gelang es dem Präsidenten der Navy League, der erneut gegen die Vereinnahmung der Säule »for the purpose of propagating views subversive of law and order« protestierte, von den Rednern die Zusage zu erhalten, daß sie das Denkmal räumen würden, wenn man ihnen erlaubte, Tribünen auf Trafalgar Square zu errichten133. Es waren dann die metropolitanen Polizeikräfte, die eine Intervention mit dem Argument ablehnten, daß »the use of the plinth in such occasions has become a traditional right«134. Folglich verhallte auch eine erneute Bitte an das Office of Works 1913 um ein Verbot der mißliebigen Demonstrationen am Denkmal ungehört135. Daß die Nelson-Säule bis zum Ersten Weltkrieg im Zentrum tagespolitischer Kontroversen blieb, war also weniger dem Monument selbst geschuldet als seiner Plazierung in einem zwischen politischer Protestbewegung und staatlicher Ordnungsmacht oder imperialistischen Interessenvertretungen wie der Navy League umstrittenen öffentlichen Raum. Unterdessen versuchten staatliche Autoritäten einschließlich der First Commissioner, die radikale Agitation einzudämmen und auf die andernfalls verletzte Aura des national intendierten Denkmals hinzuweisen, während die rechtsnationale League einer aggressiv-linken Symbolunterwanderung entgegentreten wollte. Wie schon die Denkmalerrichtung mangels öffentlicher Inszenierung und relativer öffentlicher Teilnahmslosigkeit von einer konzisen
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Whose nation? Class and national consciousness in Britain 1750-1830, in: P&P 113 (1986) S. 97-117, hier S. 105f. Leserbrief des Secretary der Navy League, W.M. Caius Cnitchley an die Times am 26. September 1899, S. 4. Ibid. Vgl. Schreiben des Präsidenten der Navy League an das Board of Works am 3. Dezember 1909, PRO Work 20/16. Brief des Commissioner of Police vom 7. Dezember 1909 und ähnlich des Chief Clerk der Polizei an das Board of Works vom 16. Dezember 1909, PRO Work 20/16. Vgl. Schreiben vom 29. Mai 1913 an das Office of Works und Antwortschreiben vom 30. Juni 1913, PRO Work 20/16.
III. Nation und Militär
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Kultstiftung denkbar weit entfernt blieb, in deren Mittelpunkt der Mythos von der nationalen Geburt aus dem Krieg gegen Frankreich und vom Sieg bei Trafalgar hatte stehen sollen, setzten politische Zweckentfremdungen oder schlichte Bedeutungserosion die regelrechte Kultmisere noch über die gesamte zweite Jahrhunderthälfte hin fort. 3.1.2. Wellington, oder: Zur Halbwertszeit von Siegermythen Bevor ein weiterer Ausbau von Trafalgar Square zum monumentalen Forum militärischer Heroen der Nation erfolgen sollte, drängte 1846 noch vor der Ehrung in St. Paul's Cathedral136 zunächst die inzwischen nun schon dritte hauptstädtische Denkmalsetzung fur den anderen großen militärischen Protagonisten der Nation, den Duke of Wellington, die fur Hyde Park Corner vorgesehen war. Ein erstes Denkmal für den Duke war, seinerseits an der südöstlichen Ecke von Hyde Park Corner, in Gestalt eines kolossalen antiken Achilles bereits 1822 zustandegekommen. Diese Statue blieb aber ein ästhetisch durchaus umstrittenes und lediglich episodenhaftes Beispiel für die Partizipation von aristokratischen Frauen am nationalen Heldenkult, indem es sich der Initiative der evangelikalen Gattin des zweiten Earl of Spencer verdankte137. Außerdem war bereits ein zweites Monument auf Betreiben der City als Reiterdenkmal 1844 vor dem Royal Exchange138 entstanden139. Ende September 1846 wurde nun ein weiteres Reiterdenkmal für Wellington vom Atelier des Bildhauers Matthew C.Wyatt im Rahmen eines etwa eineinhalbstündigen, militärisch geprägten Festzugs zu seinem Aufstellungsort nach Hyde Park Corner transferiert und dort auf dem Triumphbogen piaziert140. 136
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Die Genese des St. Paul's-Projekts begann bereits in den 1850er Jahren, eine provisorische Errichtung der Reiterstatue von Alfred Stevens fend aber erst 1877 statt. Vgl. u.a. [An.,] On the designs of the Wellington Monument, by one of the people, London 1857; [An.,] To Horatio Viscount Nelson and Baron Nelson. The Lord Mayor, Aldermen and Common Council of the City of London, have caused this monument to be erected etc. [A description of Nelson's Monument in St.Paul's Cathedral], London 1818; The Daily Telegraph, 20. Oktober 1888, S. 4; ibid. 23. Januar 1903, PRO Work 6/134/3, S. 10; John PHYSICK, The Wellington Monument, London 1970. Vgl. The Times, 10. Juli 1822, S. 3; Marie F. Busco, The >Achilles< in Hyde Park, in; Burlington Magazine 130 (1988) S. 920-924. Vgl. u.a. [An.,] A Minute Book of the Committee under whose superintendence the subscription was raised and the statue in honour of the Duke of Wellington erected in the city of London, London 1845. Außerhalb der Kapitale erhielt Wellington öffentliche Denkmäler in Glasgow (1844), Edinburgh (1852), Leeds (1855), Manchester (1856) und Liverpool (1863); vgl. Benedict READ, Victorian Sculpture, New Haven und London 1982, S. 5-7, 113, 167. Der Hyde Park Corner Arch war Mitte der 1820er Jahre als Triumpheingang für die Straße zwischen den Palästen von St. James's und Kensington Gardens konzipiert worden und sollte ursprünglich von einer von George IV. gelenkten Quadriga überragt werden, die dann aus Kostengründen entfiel. Insofern lag die Idee der Krönimg des Bogens durch eme Figu-
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Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 1870
Programmatische Verlautbarungen dazu blieben selten. Im Kommentar der Presse spiegelte sich nicht anders als in verschiedenen Publikationen und den Parlamentsdebatten die Verlagerung des Diskurses auf Fragen des ästhetisch angemessenen Kults wider, ohne daß die Denkmalwürdigkeit Wellingtons grundsätzlich in Zweifel gezogen worden wäre141. Unter anderem übte der linksorientierte Examiner Kritik an den mißratenen Proportionen der Statue und erklärte ironisch überspitzt das Arrangement auf dem Triumphbogen als Illustration der »hidden moral (...) to exhibit the great man as too great for his position in this small world«142. Daß es zum Kalkül der Denkmalstifter gehörte, mit Gigantomanie und gezielter Disproportionierung die Sprengkraft militärischen Heldentums zu demonstrieren, blieb nach Einschätzung des Examiner die höchst zweifelhafte Programmatik des Denkmals143. Die politische oder militärische Rolle Wellingtons konnte angesichts solcher Verwerfungen kaum mehr gewürdigt werden. Heftige Kritik begleitete die Reiterstatue auch lange über den Zeitpunkt ihrer öffentlichen Aufstellung hinaus. Im November 1846 instruierte der First Commissioner Lord Morpeth nach Rücksprache mit Queen Victoria und der Regierung daher das Komitee, das Denkmal auf eigene Kosten wieder vom Triumphbogen zu entfernen und statt dessen auf einen Sockel auf Waterloo Place zu transferieren144. Das Komitee indessen befürchtete für diesen Fall drastische Prestigeeinbußen nicht nur zu Lasten des Denkmals, sondern auch des Duke of Wellington selbst145. Während die öffentliche Skepsis weithin
rengruppe durchaus in der Logik des Baukonzepts; vgl. YARRINGTON, The commemoration of the hero, S. 243-244; PHYSICK, Wellington Monument, S. 1-19. Vgl. zum Transfer The Daily News, 30. September 1846, S. 3; The Examiner, 3. Oktober 1846, S. 9; The Standard, 29. September 1846, S. 3; ibid. 30. September 1846, S. 3; ibid. 1. Oktober 1846, S. 2; The Times, 1. Oktober 1846, S. 8. Berittene Leibgarde-Regimenter und Pioniere gingen voraus, während hunderte von Soldaten verschiedener Einheiten dem Zug folgten. 41
142 143 144
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Vgl. [An.,] Reflections in Rhyme on the Wellington Memorial and the Column of Napoleon, London 1839, u.a. S. 3: »Honour to Wellington! I join the shout; / 'Tis not the worship, but the form I doubt. /(...) 'tis every Briton's right.« Vgl. auch Sitzung des HoC am 18. März 1847, in: Hansard 3rd s. 91 (1847) Sp. 147-149; The Daily News, 30. September 1846, S. 2; The Spectator, 3. Oktober 1846, S . l l . The Examiner, 3. Oktober 1846, S. 1. Vgl. sonst The Standard, 30. September 1846, S. 3. Vgl. The Times, 12. November 1846, S. 4; ibid. 14. November 1846, S. 4; The Wellington Statue.(...), Sitzung im HoC vom 16. März 1847, in: Hansard 3rd s. 91 (1847) Sp. 18-19, hierSp. 18. Vgl. The Times, 2. Juli 1847, S. 5: »They [i.e. the committee, H,R ] assterted that to overthrow the monument in the duke of Wellington's very sight' would be a most offensive and wanton affront. (...) it will be deeply felt throughout the whole British Empire, (...) throughout Europe, and by all the Governements of the nation which he had contributed to save.«< Vgl. auch die Debatte im HoC, 15. Februar 1847, in: Hansard 3rd s. 89 (1847) Sp. 1355-1356, hier Sp. 1355: »Among the ancients, it was held to be a great indignity to an
III. Nation und Militär
219
anhielt146, blieb aber konsensfähig, daß die Querelen nicht den nach wie vor parteiübergreifenden Willen zum monumentalen Kult Wellingtons, sondern zunächst vor allem Aspekte des Verfahrens und der Konzeption betrafen147. Die Detailprobleme öffentlicher Inszenierung eines national intendierten Monuments spalteten die Diskutanten allerdings in der Tat entlang parteipolitischer Konfliktlinien: Tendenziell votierten Konservative wie Peel und der Protektionist Lord George Bentinck148 eher dafür, die Reiterstatue auf dem Triumphbogen zu belassen, während Liberale wie Palmerston149 und später Premierminister Russell150 sie dort nicht länger dulden wollten. Von diesem meinungspolitischen Schema wichen andererseits Einzelvoten ab, wenn etwa der Tory Sir Robert Inglis'51 die Wellington-Figur zumindest an ihrem derzeitigen Standort ablehnte, während sich die »London Radicals« wie Joseph Hume152 für das Arrangement aussprachen. Diese Kongruenzen mit parteipolitischen Optionen ließen den Disput nun doch als Weiterfuhrung der Tagespolitik mit symbolpolitischen Mitteln erscheinen: Vor allem gab er den Liberalen Gelegenheit, alte Ressentiments nicht gegen den Sieger von Waterloo, wohl aber gegen den intransigenten Reformverweigerer der 1830er Jahre zumindest dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß man den Singularitäts-Topos, den die Konservativen für den Duke geltend machten, demonstrativ unterlief. Nicht nur Wellington selbst war sich dieses Diskussionshintergrunds nur allzu deutlich bewußt, indem er registrierte, daß dem Denkmal die erbittertste Opposition von Seiten der »Whig officials« entgegenschlug153. Auch Lord Bentinck,
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individual, either during his life or after his death, to remove any statue or trophy erected to his honour.« Vgl. Equestrian Statue to the Duke of Wellington, HoC, 21. Mai 1846, in: Hansard 3rd s. 86 (1846) Sp. 960-962; The Times, 25. Mai 1846, S. 5; vgl. [An.,] Scraps relative to the Memorial to the Duke of Wellington, proposed to be erected on the Arch of Hyde Park Corner, London 1846 [up]; Equestrian Statue to the Duke of Wellington, HoC, 21. Mai 1846, in: Hansard 3rd s. 86 (1846) Sp. 961; zu Brougham: The Wellington Statue, HoC, 8. Juli 1847, in: Hansard 3rd s. 94 (1847) Sp. 13-17, hier Sp. 14f.; The Times, 27. Mai 1846, S. 6; The Wellington Statue, Sitzung des HoC vom 17. August 1846, in: Hansard 3"1 s. 88 (1846) Sp. 755-757, hier Sp. 757. Vgl. The Statue of the Duke of Wellington, HoC, 24. Juli 1846, in: Hansard 3rd s. 87 (1846) Sp. 1408-1417. Vgl. u.a. The Wellington Statue, HoC, 1. Juli 1847, in: Hansard 3rd s. 93 (1847) Sp. 1079-1080, hier Sp. 1079. Vgl. The Statue of the Duke of Wellington, HoC, 24. Juli 1846, in: Hansard 3rd s. 87 (1846) Sp. 1408-1417, hier Sp. 1415. Vgl. dazu weiter unten. Vgl. Inglis's Stellungnahme in der Parlamentsdebatte HoC, 24. Juli 1846, in: Hansard 3rd s. 87 (1846) Sp. 1408-1417, hier Sp. 1415-1416. Vgl. The Wellington Statue, Sitzung des HoC vom 1. Juli 1847, in: Hansard 3rd s. 93 (1847) Sp. 1079-1080, hier Sp. 1080; Bentinck an Croker, 30. Juni 1847, in: The CROKER Papers, hg. JENNINGS, Bd. 3, S. 129-130, hier S. 129. Vgl. Wellington an Croker, 21. November 1846, ibid. S. 124-125.
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Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 1870
der seit dem politischen Zerfall der Konservativen im Sommer 1846 einen rasanten Karriereschub bis an die Spitze der protektionistischen Fraktion erfuhr, machte die Denkmalfrage zum Fixpunkt parteitaktischen Kalküls, das auf die Diskreditierung und sogar den Sturz der liberalen Regierung unter Rüssel abzielte: My idea is that the discussion [über die Frage der Entfernung der Wellington-Statue vom Triumphbogen, H.R.] would have damaged Lord John Russell and Lord Morpeth more than anything that has occured, either during this or any preceding Whig Government. I believe we should have raised the blood of the whole country against them
Daß Bentinck die Denkmalfrage nachdrücklich in den Mittelpunkt einer Strategie stellte, die auf den Regierungswechsel zielte, zeugte nicht nur von der Ambition eines modernisierten Konservativismus, die öffentliche Meinung auf seiner Seite zu wissen. Die Taktik ließ zugleich erkennen, daß die Inszenierung eines national intendierten Heldenkults unter den Bedingungen wenn auch zunächst nur schleichender Demokratisierung das öffentliche Votum ernst zu nehmen hatte. Am Ende war es Wellington selbst, der den kritischen Kurs der liberalen Regierung langfristig intolerabel erscheinen ließ und sie zum Einlenken nötigte, nachdem er sich lange auf demonstrative Indifferenz zurückgezogen hatte155. Auf eine offizielle Anfrage des Premiers Russell hin gab Wellington zu Protokoll, in der Tat große Bedenken gegen eine verordnete Denkmalentfernung zu haben. Dabei unterschied er geschickt zwischen »individual« und »public grounds« seines Arguments, um zu signalisieren, daß nicht etwa persönliche Eitelkeit, sondern die Antizipation einer öffentlichen Fehlrezeption der Denkmalentfernung ihn antrieben, die als nachträgliche Degradierung des Duke durch die Monarchie mißverstanden werden könne156. Unter dem Eindruck dieses Votums sah sich Russell gezwungen, im Namen der liberalen Regierung einzulenken und Garantieerklärungen für den Erhalt des Denkmals abzugeben157. Währenddessen gehörte die Times zusammen mit anderen Kommentatoren158 bald zu den Verteidigern der schließlich gefundenen Entscheidimg. Sobald sich abzeichnete, daß die Reiterstatue den Triumphbogen weiterhin krönen würde, entschloß sie sich, vom ästhetischen zugunsten eines programmatischen Urteils, von der Kritik zum Kult zurückzukehren und den öf-
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Bentinck an Croker, 10. Juli 1847, ibid. S. 130. Vgl. u.a. Wellington an Croker, 18. Mai 1846, ibid. S. 122; Lord George Bentinck an Croker, 10. Juli 1847, in: The CROKER Papers, hg. POOL, S. 213; The Wellington Statue, HoC, 9. Juli 1847, in: Hansard 3rd s. 94 (1847) Sp. 102-104. Vgl. The Wellington Statue, HoC, 12. Juli 1847, in: Hansard 3rd s. 94 (1847) Sp. 183. Vgl. Russell, ibid. Sp. 183; The Times, 13. Juli 1847, S. 5. Vgl. besonders vehement VIATOR, Why remove the statue? o. O. o. J. [1846], S. 5; [DERS.,] The Duke of Wellington Statue. Second letter from the Viator, o. O. o. J. [1847], S. 3 und 5.
III. Nation und Militär
221
fentlich geäußerten Wunsch des Duke zum Richtwert für den Gedächtnisort an Hyde Park Corner zu machen159. Die Debatte beruhigte sich einmal mehr nach Wellingtons Tod. Sein Staatsbegräbnis im November 1852, das als zeremonielle und programmatische Replik auf den »retour des cendres« Napoleons I. in den Pariser Invalidendom 12 Jahre zuvor inszeniert worden war160, löste eine neue Kultwelle aus, die selbst die einstigen Kritiker des Reiterdenkmals ergriff. Wellington wurde jetzt vielfach als durch göttliche »Providence« bestimmter Garant von »his country's safety, the freedom of his countrymen, [and] the honour of his Sovereign« gesehen, demgegenüber sich die Nation als huldigende Kultgemeinschaft aus der »Queen and her people« konstituierte161. Die Kultrhetorik zielte mithin ausschließlich auf das weithin unstrittige militärische Verdienst Wellingtons vom Anfang des Jahrhunderts zum einen und auf seinen religiössittlichen Exempelcharakter als »Christian Believer« und sozialkonservativer »English Nobleman« zum anderen162. Während strittige Aspekte seiner innenpolitischen Rolle als Staatsmann während der 1830er und 1840er Jahre ausgeblendet blieben, überwog die Bereitschaft, ihm »national greatness« zuzuerkennen und sie kollektiv durch einen einmütigen Kult zu bezeugen163. Dieser selektive Zuschnitt des Wellingtonbildes vermochte selbst die an der Monumentalsprache orientierten Denkmalkritiker zumindest in der Öffentlichkeit zu beschwichtigen. Die Denkmäler für Nelson und Wellington offenbarten die Ambition der Denkmalstifter, die längst schon seit dem 17. Jahrhundert geläufige Identitätsprojektion für die durch glorreiche Abwehr des katholischen Frankreich konstituierte protestantische Inselnation zumindest noch einmal als Reminiszenz bereitzustellen164. Die ambivalente, wenig emphatische Rezeption der Statuen schon seit den 1840er Jahren legte allerdings nahe, daß der zu Jahrhundertbeginn noch populäre Identitätsmythos rasch verblaßte. Der Bedarf nach konfessionell exklusiver nationaler Selbstdefinition blieb zwar im Rahmen der Ir159 160
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Vgl. The Times, 13. Juli 1847, S. 5. Vgl. Iain PEARS, The Gentleman and the Hero: Wellington and Napoleon in the Nineteenth Century, in: Roy PORTER (Hg.), Myths of the English, Cambridge, Oxford 1992, S. 216236, hier S. 218-221. Vgl. Rev. Charles BOUTELL [M.A., Curate of Litcham], The hero and his example: a sermon preached on the Parish Church of Litcham, in the country of Norfolk, on the Evening of Thursday, November 18th 1852, together with a national anthem (...) on the occasion of the public funeral of the late Arthur Duke of Wellington, London 1852, S. 5f. Vgl. ibid. S. 12. Vgl. ibid. S. 14: »What is national greatness but the accumulated worthiness of each separate member of the community? And can individuals hope to attain to personal distinction, unless the nation be ready and glad to recognize superior merit? Public recognition of inividual merit, and national exaltation through a diffusive sympathy with the eminently meritorious, must ever exercise reciprocal influences.« Zum Topos vgl. v.a. COLLEY, Britons, S. 322 und passim.
222
Nationaler Diskurs und Nationskonzepte bis ca. 1870
landpolitik akut, hatte aber mit der Catholic Emancipation Ende der 1820er Jahre an Dringlichkeit verloren, obschon trotz der formalen Reintegration des Katholizismus in Bildungssystem, Ämterlaufbahnen und das Parlament durchaus informelle Obstruktion und Ausgrenzung weiterbestanden. Daß die Errichter der Wellington-Denkmäler weit in der zweiten Jahrhunderthälfte das Argument dezidierten Antikatholizismus' nicht forcierten, den der Duke als Staatsmann und Politiker besonders authentisch verkörpert hatte, entsprang dem Kalkül, politische Offenheit zu demonstrieren, reduzierte allerdings womöglich auch die Attraktivität der Denkmalfigur fur konservative Anhänger des Duke165. Das von den Stiftern der Nelson- wie der Wellington-Denkmäler suggerierte Bild der längst integrierten, multinationalen Nation, deren homogener Bestand gesichert war, seit sie sich ihres traditionellen äußeren Feindes bei Waterloo glorreich entledigt hatte, schien jedenfalls im Kontext vielfacher Krisenphänomene und politischer Konflikte während der 1840er Jahre nicht mehr überzeugend.
3.2. Die Nation als legitime
Kolonialmacht
Zwischen 1855 und 1871 wurde das Statuenarrangement von Trafalgar Square schrittweise komplettiert und zugleich ein neues Denkmalforum am nahe gelegenen Waterloo Place eröffnet. Zwar thematisierten beide Denkmalareale weiterhin die militärische Konstituierung der Nation, hoben nun aber auf die militärische Etablierung kolonialer Dependencen im allgemeinen und des indischen Kolonialbesitzes im besonderen ab. Damit blieben die monumentalen Selbstbildentwürfe anhand des öffentlichen Denkmalpersonals nach wie vor militärisch orientiert, zielten aber weniger auf den Mythos der Nation, die aus dem Kampf mit der rivalisierenden Kontinentalmacht Frankreich hervorgegangen war, sondern verlegten sich darauf, die koloniale Arrondierung der Nation zu legitimieren. Die kolonialen Heldenfiguren auf beiden Plätzen veranschaulichten zugleich, daß große Teile der nicht im Rahmen allgemeiner Wehrpflicht konstitutierten britischen Armee spätestens seit 1815 vor allem in den überseeischen Kolonien eingesetzt wurden166 und sich zahlreiche Militärs ge165
166
Diesen politischen Zusammenhang deutete auch ein zeitgenössischer Kommentar von vor 1815 an, der in einem fingierten Dialog zwischen Nelson und Wellington den Duke Klage fuhren ließ: »I believe that England was so greatly Protestant.« Andererseits gebe es ein »strong feeling abroad in favour of what is called >Civil and Religious LibertyEhernes Zeitalten, S. 233 und passim. Vgl. Le Radical, 14. Juli 1882, S. 1. Vgl. zur Einweihung am 9. August: Le Petit Journal, 11. August 1885, S. 1-2; Le Temps, 10. August 1885, S. 1; ibid. 11. August 1885, S. 3. Vgl. Le Temps, 15. Mai 1899, S. 1. Vgl. La Bataille, 10. August 1885, S. 1 [LlSSAGARAY], Vgl. Le Temps, 15. Mai 1899, S. 1.
I. Nation, Revolution und Umbruch
281
blikanismus erscheinen lassen. Das symbolische Oszillieren des Gedächtnisortes Père Lachaise und seiner zeremoniellen Nutzung zwischen radikalen und moderat-linken Sinnstiftungsentwürfen und Kultfigurinszenierungen hatte insofern einen flexiblen Deutungshorizont eröffnet, in den die Initiatoren des Mur des Fédérés-Projekts die Kommunarden-Erinnerung rücken konnten.
1.1.2. Die Erinnerung des Zusammenbruchs von 1851/52: Baudin als Märtyrer der republikanischen Nation Traditionsstiftung wurde nicht nur im Blick auf die Opfer der Commune von 1871, sondern auch in Anlehnung an die Gegner des Empire 1851/52 unternommen. Eine erste, maßgeblich von der radikal-republikanischen Presse getragene Initiative fur ein Denkmal zugunsten des während der Pariser Barrikadenkämpfe gegen den napoleonischen Coup d'État im Dezember 1851 in Paris ermordeten Alphonse Baudin war 1868 gescheitert. Das Projekt hatte aber einen oppositionellen öffentlichen Diskurs provozieren und zumindest den Anspruch auf Memorialisierung historischer Verliererfiguren erheben können111. Die sich gerade erst formierende republikanische Gegenöffentlichkeit konnte hier aber noch keine hinreichende Deutungsmacht entfalten. Nun gelang in der unmittelbaren Konstituierungsphase der Dritten Republik vor dem Hintergrund des neuerlichen Systemumbruchs, der die Verlierer oder Märtyrer zu einer Art republikanischen Avantgarde aufwertete, zumindest die semiofßzielle Rehabilitierung Baudins. Zum symbolträchtigen Jahrestag des Staatsstreichs am 2. Dezember 1872 wurde ihm auf Initiative eines republikanischen Komitees hin im Rahmen eines bescheidenen Zeremoniells eine Statue auf dem Cimetière Montmartre im nordwestlichen Teil des 18. Arrondissement gewidmet112. Die Geste demonstrativer Zurückhaltung angesichts der tumultuösen innenpolitischen Situation nach dem nicht einmal zwei Jahre alten Übergang zur Republik erwies sich als Reverenz seitens des Komitees gegenüber der Mitte-Links-Regierung unter Thiers. Dabei gehörten ihm neben Gambetta und dem Mitglied der Provisorischen Regierung von 1848, Adolphe Crémieux, durchaus radikale Anhänger der republikanischen Ordnung einschließlich versprengter Sympathisanten der Commune an113. Demgegenüber scheiterte Ende der 1880er Jahre der Versuch zur Stiftung eines kollektiven Gedächtnisortes für die Opfer des autoritären Systemumbruchs unter inzwischen gänzlich anderen politischen Umständen. Verfechter 111 112
1,3
Zum gescheiterten Projekt fur ein Baudin-Denkmal vgl. Teil 1, Kapitel II. 1.3. Etwa 100 Anhänger zählte Le Temps, 4. Dezember 1872, S. 2. Der Avenir National vom 4. Dezember 1872, S. 1, sprach von 300-400 Besuchern der Grabstätte, L'Union, 4. Dezember 1872, S. 2, von knapp 150 Personen. Vgl. L'Avenir National, ibid.; L'Union, ibid.
282
Nationskonzepte in den öffentlichen Denkmälern bis 1914
eines republikanischen Nationsmusters setzten sich hier für die Stiftung eines Opfergedächtnisses zugunsten der ermordeten Staatsstreichgegner vom 2. Dezember 1851 ein. Daß sie dabei erfolglos blieben, verdankte sich der Hochkonjunktur des rechtspopulistisch-nationalistischen und militaristischen Boulangismus, der, Auffangbecken gleichermaßen von Legitimisten, Royalisten und Teilen eines autoritären Radikalismus, eine entsprechende Okkupation des Nationsbegriffs unternahm und der gemäßigten Republik zusetzte114. Im April 1889 kam es im Conseil Municipal zu einer turbulenten Diskussion über eine Monumentalisierung der Staatsstreichopfer, nachdem bereits im Februar 1887 eine Denkmalsetzung zugunsten von 96 »victimes du coup d'État« gefordert worden war, die auf dem Pariser Cimetière du Nord begraben lagen. Nim wurde das Anliegen erneut vorgetragen und die Denkmalsetzung als Warnzeichen gegen die Usurpation der »libertés nationales« und jedwedes »pouvoir césarien« gefordert115. Wenige Monate nach der erzwungenen Auflösung der rechtsnationalen Ligue des Patriotes, aber noch knapp ein halbes Jahr vor dem Zusammenbruch der antiparlamentarischen, in kruder Mischung ebenso sozialistischen wie autoritär-militaristischen und nationalistischen boulangistischen Bewegung, konstatierte der Conseiller Simoneau eine »analogie frappante« zwischen den rechtspopulistischen Attacken auf die Republik und den »perfides manœuvres« von 1851116. Die Anwartschaft der populistischen Gruppierung und ihres Generals auf politische Führung der Nation wurde so nicht nur brüsk zurückgewiesen, sondern als illegitim diffamiert. Den Einwand der Bonapartisten und Parteigänger der boulangistischen Bewegimg aus dem Conseil, Marius Martin und Maurice Binder, daß der regierende Republikanismus kein »monopole de la démocratie« und damit auch kein Deutungsmonopol über das der Nation angemessene politische Regime geltend machen könne, wollte Simoneau nicht gelten lassen117. Mit dem Kollektivdenkmal-Projekt sollte eine moderat republikanische Lesart der Nationalgeschichte seit der Jahrhundertmitte monumental festgeschrieben werden, in der dem Empire das Verdikt der »démocratie césarienne« und der Commune der Vorwurf anarchistischer Verirrung entgegengehalten wurde118. Demgegenüber machten die Vertreter des konservativen Lagers geltend, daß die republikanische Partei im Conseil inzwischen auf eine knappe Mehrheit zusammengeschmolzen sei, so daß seine Deutungen an Repräsentativität
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Vgl. GEORGE, MOLLIER, La plus longue des Républiques, S. 163-187; William D. IRVINE, Royalists and the politics of nationalism, in: TOMBS (Hg ), Nationhood, S. 108120. Vgl. Érection d'un monument, Γ avril 1889, in: CMPV, Année 1889, 1er sem., S. 4 2 4 427. Vgl. ibid. S. 424. Vgl. ibid. S. 425. Vgl. ibid. S. 425.
I. Nation, Revolution und Umbruch
283
eingebüßt hätten119. Am Ende der erhitzten Debatte nahm man den Denkmalplan zwar mehrheitlich an, darauf kam aber keine der späteren ConseilSitzungen mehr zurück. Die starke Dissoziierung des linken politischen Spektrums im ausgehenden Jahrhundert und die rasche Absorption der Frage durch das dringlicher gemachte Projekt einer öffentlichen Memorialisierung der Kommunarden von 1871 schnitten den Streit um die Empire-Opfer einigermaßen abrupt ab. Im Zusammenhang mit dem zweiten Memorierungsversuch deutete sich damit ein heftiger argumentativer Kampf um den Zugriff auf die nationale Vokabel an. Die rechten Gegner des Denkmalprojekts bezogen einerseits eine Vetoposition gegenüber der ausschließlich republikanischen und freiheitlich-antimonarchischen Konnotierung des Nationsbegriffs. Andererseits blieb ihre Einflußnahme darauf beschränkt, das Projekt zu hintertreiben, während keine eigene konservative Zeichensetzung stattfand. Im Kontext wiederum neuer Diskurskonstellationen gelang erst knapp 40 Jahre nach dem ersten Monumentalisierungsakt auf dem Friedhof Montmartre und 12 Jahre nach der Pantheonisierung Baudins eine Denkmalsetzung im öffentlichen Raum der Kapitale, diesmal nicht nur auf Betreiben und unter der Leitung, sondern auch auf dem Terrain der Stadt. Am 22. Dezember 1901 fand auf der Avenue Ledru-Rollin, am historisch authentischen Ort im Faubourg Saint-Antoine nahe der Bastille und der Stelle, an der Baudin 1851 im Barrikadenkampf gefallen war, die Enthüllung einer Statue statt, die in offizielle Staatsfeierlichkeiten im Rahmen eines »Cinquantenaire de Baudin« eingebunden war und insofern die demonstrative Aneignung der vom Empire verfemten Figur durch die Republik erkennen ließ. Querelen im Planimgsstadium und während der Feier selbst machten sichtbar, daß eine regelrechte Konkurrenz um die Exklusivrechte an der Symbolfigur zwischen moderaten Republikanern und sozialistischen Linken ausgebrochen war. So versuchten die Denkmalinitiatoren aus dem 12. Arrondissement dem Conseil-Präsidenten Louis Dausset, seines Zeichens Antidreyfusard und rechtsnationales Mitglied der Ligue de la patrie française und im Zuge eines neuen Rechtstrends seit den Wahlen 1900 an der Spitze des bislang überwiegend linksrepublikanischen Conseil Municipal, das Rederecht während der Feier zu verweigern120. Anläßlich einer nur zwei Tage vor der Feier stattfindenden Diskussion im Conseil herrschte der Eindruck vor, daß die politischen GTäben zwischen »républicains socialistes« und »républicains radicaux« auf der einen Seite und rechtsnationalem Konservativismus auf der anderen so tief waren, daß eine geschlossene Teilnahme des Conseil nicht praktikabel erschien121. Sprecher der Gruppe um Dausset identifizierten Baudin als den 119 120
121
Vgl. ibid. S. 426f. Vgl. Communication, séance du 20 dèe. 1901, in: CMPV, Année 1901, 2 e sem., S. 15311546, hier S. 1531-1535. Zu Dausset vgl. Dictionnaire biographique, hg. JOLY, S. 120. Vgl. Communication, S. 1538.
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Nationskonzepte in den öffentlichen Denkmälern bis 1914
Verteidiger von Freiheitsrechten und mutigen Staatsstreichgegner und kündigten an, daß auch sie der Feier beiwohnen würden, ohne sich dem Exklusiondiktat der radikalen Conseil-Mehrheit zu unterwerfen122. Die Reklamierung Baudins als Märtyrer für die Sache der Sozialisten sollte nach dem politischen Willen der Rechtsnationalen von vornherein unterbunden werden. Am Festtag selbst erschien auf dem weiträumig abgesperrten Festgelände neben den Präsidenten des Senats und der Kammer, zahlreichen Parlamentsmitgliedern und sogar dem Staatspräsidenten Loubet eine Abordnung des Conseil, die den allgemeinen Aufbruch der Staatsgäste am Ende der Feier dazu nutzte, tun die Tribüne zu erreichen und von Dausset eine Erklärung verlesen zu lassen, in der er sich zum Denkmal im Namen der Stadt Paris bekannte. Daussets Rede ging indessen in Tumulten unter, weil linke Gegner ihn von der Tribüne drängten und der Polizeipräfekt die Musikkapelle zum Spiel aufforderte, so daß der Lärm Daussets Worte überlagerte123. An diesem unkoordinierten Bild der feiernden Nation vorbei deuteten die offiziellen Regierungsvertreter Baudin ungerührt als verbindlichen Inbegriff der gemäßigtrepublikanischen Nation124. Ministerpräsident Waldeck-Rousseau forderte darüber hinaus auch den antisozialistischen Konsens der Nation und grenzte neben dem rechten »césarisme« genauso die linksrevolutionäre »démagogie« aus deren Geltungsbereich aus125. Der Rekurs auf die Bedrohtheit nationaler Souveränität nicht nur durch den konservativen Autoritarismus, sondern auch durch den linksextremen Anarchismus spiegelte die zugespitzte KonkurTenzsituation zwischen gemäßigtem Republikanismus und Sozialismus in der Dritten Republik um die Jahrhundertwende wider und nahm Baudin mehr als je zuvor für eine gemäßigte republikanische Mitte in Anspruch126. Unter dem Eindruck der Eklats, die der Einweihung vorausgingen, sie zumindest am Rande begleiteten und ihr folgten, tendierte die Presse dazu, die Inszenierung der Baudin-Figur als Sinnbild der innerhalb des republikanischlinken Lagers extrem verfeindeten Nation zu deuten. Le Temps erklärte Baudin entschieden zum Repräsentanten einer gemäßigten Mitte und verurteilte den »exclusivisme« der Radikalen, den sie nur während der Maikrise 1877 und in den Jahren des Boulangismus aufgegeben hatten, als der Nation die autoritäre Überformung von rechts drohte127. Desmoulins vom konservativen Gaulois
122 123 124 125 126 127
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
ibid. S. 1539. Le Temps, 23. Dezember 1901, S. 1-2; Le Gaulois, 23. Dezember 1901, S. 2. Le Temps, ibid. S. 2. ibid. ibid. ibid. 22. Dezember 1901, S. 1, 23. Dezember 1901, S. 1, 24. Dezember 1901, S. 1.
I. Nation, Revolution und Umbruch
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hingegen belobigte Dausset für seinen Versuch, Baudin im Namen der Konservativen zu ehren128. Sowohl der gemäßigte Republikanismus als auch die rechtsnationale Fraktion verfolgten demnach im Blick auf die memoriale Verarbeitung des Systemumbruchs von 1851/52 die Strategie, der Linken nicht unwidersprochen die Deutungshoheit zu überlassen und das Kultpotential der republikanischen Märtyrerfigur durch die Anmeldung konkurrierender Rezeptionsansprüche zu mindern. Inhaltlich und verfahrenstechnisch spiegelte der verspätete BaudinKult nicht anders, als dies für den Diskurs um die Bestimmung nationaler Traditionsanteile der beiden Revolutionen galt, die starke Position des in sich durchaus uneinigen, aber längst in der Formierung begriffenen Sozialismus wider, der sich in die nationalen Sinnstiftungsunternehmungen mit dem Ziel identitärer Verankerung in der Nationalgeschichte einmischte. Im Zuge der Baudin-Ehrung brach damit zwar Deutungsdissens auf. Die antirepublikanische Rechte trat nun aber anders als noch Ende der 1880er Jahre nicht mehr an, die dezidiert nationale Würdigung des antimonarchischen Oppositionskämpfers zu hintertreiben, sondern konkurrierte jetzt mit der radikalen Linken um den Zugriff auf die Kultfigur. Im Deutungskampf blieb sie allerdings unterlegen.
1.2. Die memoriale Bewältigung der Revolutionen
1.2.1. Nation und Revolution 1789: »révolution en bloc« oder sezierte Revolutionserinnerung - umstrittene Vorläufer und Protagonisten Vorläufer und Repräsentanten der Revolution von 1789 gehörten zum ebenso bedeutsamen wie umstrittenen Kultpersonal der Dritten Republik, das seit Mitte der 1880er Jahre mit öffentlichen Denkmälern zu Ehren kam. Vergleichsweise reibungslos, wenn auch nicht kritikfrei geschah dies im Falle der Diderot-Statue von 1886, während die Rousseau-Inszenierungen von 1889 zwar zeremoniell generöser wirkten, aber selbst dann noch Spuren eines langjährigen Dissenses trugen. Als geistige Wegbereiter der Revolution und damit jener zum nationalgeschichtlichen Urereignis des 18. Jahrhunderts aufgewerteten Zäsur firmierten sie indessen bei Stiftern und kritischen Rezipienten gleichermaßen. Endgültig turbulent verliefen schließlich die Denkmalprojekte, die nicht länger ein als revolutionäre Avantgarde zitiertes Personal, sondern vor allem mit Marat und Danton die Revolutionäre selbst betrafen und dann polemische Grabenkämpfe zwischen Revolutionsskeptikern und -euphorikern pro128
Vgl. Le Gaulois, 22. Dezember 1901, S. 1 [L. D E S M O U L I N S ] , 23. Dezember 1901, S. 1 [ D E R S . ] , 24. Dezember, S. 1 [François C O P P É E ] .
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vozierten und so das historische Ereignis zum äußerst umstrittenen Traditionsbildner der französischen Nation machten. Während bereits in diesen Fällen langjährige Querelen, zermürbende Verweigerungen und Deutungsdissens zutage traten, verhinderte die Kollision von Deutungsmustern schließlich das letzte große Denkmalprojekt zugunsten Maximilien Robespierres noch nach der Jahrhundertwende. Am 13. Juli 1886 eröffnete eine Statue die Denkmalserie für das Revolutionspersonal, die Denis Diderot zu seinem 102-jährigen Todestag auf der Place Saint-Germain-des-Prés im 6. Arrondissement erhielt. Bei der Einweihungsfeier wurde ein republikanisches und dezidiert national konnotiertes Festprogramm routiniert absolviert, indem renommiertes politisches Personal teilnahm129, die Denkmalhülle zu den Klängen der Marseillaise fiel und wenigen Reden ein Defilee um die Statue und Kranzniederlegungen von mehreren Vertretungen der republikanischen Freidenker (Sociétés de Libre-Pensée) folg.130 ten Man identifizierte Diderot als Kämpfer gegen Ignoranz und Vorurteil, der mit seiner Encyclopédie Schneisen fur die Revolution geschlagen hatte, wenngleich es bislang erst zur Schleifung der materiellen, nicht aber der intellektuellen »Bastille monarchique« in Frankreich gekommen sei. Diese Diagnose bezog sich auf die boulangistische Bewegung, die antiparlamentarische Ressentiments bediente und sich nun mit konservativ-autoritärer Ambition in den nationalen Diskurs einmischte. Mit der Metapher von der »Bastille monarchique« entwertete der Präsident des Denkmalkomitees Lefevre den Boulangismus zum Hort von Konterrevolution und monarchistischer Tyrannis und rief indirekt zu einem neuerlichen, nunmehr imaginären Bastillesturm, mit dem die politische Reaktion entmachtet werden sollte131. Demgegenüber erschöpfte sich das Denkmalfest konservativen Kommentaren wie im Monde zufolge in einer subversiven »fête de l'athéisme«132. Daß weder von konservativer noch von katholischer Seite Zustimmung zum monumentalen Kultunterfangen hatte eingeworben werden können, da dort die Infiltrierung der nationalen Vokabel mit unerwünscht partizipatorischen Vorstellungen geargwöhnt wurde, ließ das Denkmal - im Vorgriff auf die Repräsentanten der Revolution, die in den folgenden Jahren noch auf Sockel gehoben werden sollten - als maximal gesinnungspolitisches, nicht aber nationsweites Zeichen erscheinen. 129
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Vgl. so u.a. der Präsident des Conseil Municipal Hovelacque, der Präsident des Denkmalkomitees André LefevTe, Präfekt Poubelle und die radikalen Deputierten Yves Guyot und Dutailly. Vgl. auch zum Folgenden Le Temps, 14. Juli 1886, S. 4; Le Petit Journal, 15. Juli 1886, S. 2. Vgl. ibid.; Le Radical, 15. Juli 1886, S. 2. Vgl. Le Temps, 14. Juli 1886, S. 4; Le Petit Journal, 15. Juli 1886, S. 2; Le Radical, 15. Juli 1886, S. 1-2 [Tony RÉVILLON]. Vgl. ibid. und ähnlich La Croix, 13. Juli 1886, S. 1-2.
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Eine quälend lange Verschleppung bis zur Errichtung seines Denkmals 1889 kennzeichnete dann die öffentliche Rousseau-Rezeption, deren Anfänge im Grunde bis in die Französische Revolution von 1789 zurückreichten133, ohne daß die schließlich erfolgte Denkmalsetzung eine umfassende Verständigung über das revolutionäre Erbe der französischen Nation bedeutet hätte. Bereits in der Endphase des Zweiten Empire hatte sich der republikanische Oppositionelle, Historiker und Rousseau-Biograph Ernest Hamel vehement für die Errichtung eines Rousseau-Denkmals eingesetzt134. Daß insbesondere keinem der beiden Kaiserreiche an einer Ehrung Rousseaus lag, diente Hamel gleichsam als politisch-ideologischer Lackmustest und zur Enttarnung der politischen Legende von Bonaparte als »héritier direct de la Révolution«135. Die Frage nach dem Kultstatus Rousseaus ging in der langwierigen Gründungsphase der Dritten Republik zunächst unter und tauchte erst in der Stabilisierungsphase nach der gelungenen Vereitelung des reaktionären Umsturzversuchs 1877 und der Kommunardenamnestie von 1880136 wieder auf. Als sich im Rahmen der Planungen zum kombinierten Voltaire- und Rousseau-Feiertag 1878 auch eine Gruppe im Conseil Municipal für die finanzielle Unterstützung des Rousseau-Kultes aussprach, stand an ihrer Spitze als Mitglied des republikanischen Stadtrats erneut Hamel137. Rousseau- und Voltaire-Kult sollten ihm zufolge nicht konkurrierend, sondern komplementär wirken: Vertrat Voltaire rationales Aufklärertum und laizistischen Antitraditionalismus, stand Rousseau stärker fur die gleichsam basisdemokratische Anwartschaft des »peuple« auf den Status des Souveräns138. Obgleich der öffentliche Kult nach dem Scheitern der anfangs anvisierten kombinierten Hundertjahrfeier fur Voltaire und Rousseau 1878 nur separat zustande kam139, behielten beide Figuren diese ein-
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Vgl. HOUDON, Réflexions sur les concours en général et sur celui de la statue de JeanJacques Rousseau en particulier, Paris o. J. [1791]. Vgl. u.a. JOURDAN, Le culte des grands hommes, S. 165Í, 169, 175 und 177f.; GRAMACCINI, Sur le projet, S. 896. Vgl. HAMEL, La statue, S. 3-29. Zu den Anfangen des Rousseau-Kults während der Revolution vgl. PAPENHEIM, Erinnerung und Unsterblichkeit, S. 277-278. Vgl. HAMEL, La statue, S. 30-32. Vgl. MAYEUR, Les débuts de la IIIe République, S. 47-54. Vgl. Proposition, séance du 18 juin 1878, in: CMPV, Année 1878, S. 510f., hier S. 511. Vgl. zuvor bereits J.-B.-P. TOUQUET, Souscription pour l'érection d'un monument à la mémoire de Voltaire et de J.-J. Rousseau, Paris (3 janvier) 1822. Ibid. 510: »Si, en effet, le premier [i.e. Voltaire, H.R.] a employé toute la force de son génie à (...) propager la tolérance, le second [i.e. Rousseau, H.R.] a mis toute la puissance du sien au service des déshérités de ce monde, qu'il a rappelé au peuple les titres oubliés de ses destinées, qu'il l'a sacré souverain, qu'il est, dans un mot, le véritable fondateur de la démocratie moderne.« Vgl. Jean-Marie GOULEMOT, Éric WALTER, Les centenaires de Voltaire et de Rousseau. Les deux lampions des Lumières, in: NORA (Hg.), Les lieux I, S. 381-420; MOLLENHAUER, Auf der Suche, S. 202-205; Georges BENREKASSA, Entre l'individu et l'auteur: Jean Jacques Rousseau, grand écrivain national (1878-1912), ou >dans quel état
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ander ergänzende Referenzfunktion auf das Erbe von 1789, das sie rückwärtig in einen Kontinuitätszusammenhang mit der Aufklärung und nach vom gewandt in eine historische Traditions- und Legitimationsgeschichte bis zur Dritten Republik brachten140. Als der nicht länger nur von Hamel verfochtene Denkmalplan141 1882 im Conseil zur Sprache kam, firmierte Rousseau erneut als Verkörperung der egalitär-demokratischen, sozialen142 und gelegentlich auch der dezidiert antinapoleonischen Nation143. Eine Standortdebatte im Conseil Municipal Anfang 1883 brachte neben der komplementären aber auch eine nach wie vor kontroverse Deutung der Rousseau- und Voltaire-Figuren zum Vorschein144. Gegen Rousseau wurde jetzt der Vorbehalt laut, einer nahezu dogmatischen Religiosität das Wort geredet zu haben145. Spiritualistischer Deismus als Konterkarierung des aufklärerischen ratio-Postulats, vor allem aber politischer Extremismus und ein autoritäres Demokratieverständnis - zugleich als langfristige Ursache fur die gewalttätige Entgleisung der Revolution ausgemacht - bildeten die schwerwiegenden Einwände gegen die Tauglichkeit Rousseaus als nationale Kultfigur. Im Zuge eines Schlichtungsversuchs entwarf Conseiller Abel Hovelacque von der Extrême gauche einen gänzlich neuartigen Denkmalplan, der die kollektive Ehrung der »préparateurs de la Révolution« Voltaire, Rousseau, Diderot und D'Alembert zum einen und der revolutionären Protagonisten wie Danton, Robespierre und Marat zum anderen in zwei Monumenten vorsah146. Konsens sollte durch eine Interpretation der Revolution als nicht weiter sezierbares historisches und symbolisches Traditionskorpus herbeigeführt werden. Andere Conseil-Mitglieder empfahlen, sich an der Kult- und Symbolpraxis Englands zu orientieren: »Pourquoi ne pas suivre l'exemple des Anglais qui, dans le Palais Westminster-Abbey, pour réaliser la synthèse de leur patrie, ont réuni tous leurs grands hommes, ne craignant pas de placer côté à côté Fox et
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on entre dans l'histoireMarat< bis >ThermidorLa République< de Jean-François Soitoux, in: GBA 105 (1963) S. 229-238, hier S. 232-236.
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nationalen Gedächtnisses anbot85. So traf das Angebot des Ministers rasch auf Zustimmung86. Die Einweihungsfeier im Februar 1880 mitten auf dem halbkreisförmigen Platz vor dem Institut de France am Quai Conti im 6. Arrondissement rehabilitierte dann zwar das ehedem von der bonapartistischen Reaktion abgedrängte Denkmal, der triumphalen Idee trug man indessen keinerlei Rechnung, weil eine offizielle Einweihung zugunsten einer formlos-eiligen Aufstellung um sieben Uhr morgens entfiel87. Das eklatante Zeremoniedefizit bestärkte die konservative Presse in heftiger Kritik88. Der antike Darstellungsstil verwies Le Monde zufolge ohnedies auf eine neue Entchristlichung und einen archaischen Gewaltbegriff89. Vor dem Hintergrund eines katholischen Selbstverständnisses der nationalen Tradition Frankreichs wurden Militanz und säkulares Sektierertum geargwöhnt. Die »Marianne inoffensive, inaugurée sans brut«90 war demnach nur das Resultat eines mißglückten Kompromisses. Damit wiederholte sich 1880 die Konstellation von 1878, indem die Sinnstiftungsvorgabe der moderaten offiziellen Republik vor allem seitens eines katholischen Konservativismus zurückgewiesen wurde. Die 1883 folgende Statue auf der Place de la République profitierte dank der Einbeziehung in die Feiern zum Nationalfeiertag am 14. Juli zwar vom bislang fiir eine République-Allegorie einzigartigen rituellen Aufwand. Zugleich stand hier nun zum ersten Mal nicht länger die opportunistische, gemäßigt republikanische Staatsfiihrung, sondern die linksrepublikanische Elite der Kapitale fur die mit der Allegorie verknüpften Nationsideen ein. Eine massive Fraktionierung von Nationsdeutungen zum einen und Querelen zwischen Staat und Stadt zum anderen ließ sich allerdings kaum überlagern91. Bereits die offizielle Teil85 86
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Jobbé-Duval, Rapport, ibid. S. 4. Vgl. Castagnary als Präsident des Conseil Municipal an den Sous-secrétaire de l'État des Beaux-Arts Edmond Turquet vom 4. April 1879, AN F , c I 168 [up]; Lettre de M. le Ministre de l'Instruction publique et des Beaux-Arts concernant la statue de la République par Soitoux [du 6 avril], séance du 8 avril 1879, in: CMPV, Année 1879, 1er sem., S. 387. Vgl. Le Monde, 28. Februar 1880, S. 1-2, hier S. 1. Le Monde, 26. Februar 1880, S. 1. Vgl. Le Monde, 28. Februar 1880, S. 1-2. Ibid. Die programmatischen Vorgaben der Conseil-Initiative wurden in der Planungsphase deutlich. Der ironische Vorschlag, die République-Statue direkt unter dem Arc de Triomphe zu errichten, war im Sinne des antimonarchischen Fanals gedacht. Vgl. Programme du concours, 11. März 1879 in: CMPV, Année 1879, 1er sem., S. 255f., hier S. 256. Als Standort wurde auch die Place de la Concorde nach Entfernung des Obelisken erwogen. Vgl. Programme du concours, 18. März 1879, in: CMPV, Année 1879, 1er sem., S. 290-298, hier S. 291. Ebenso dachte man an eine Plazierung bei den Tuilerien, wo die Statue demonstrativ das Gelände des »ancien palais des rois et des empereurs« fur die Republik in Beschlag nehmen sollte. Demgegenüber sprach für die Place de la République am Ende vor allem die symbolische Nähe zur Bastille, die das Denkmal unmittelbar auf die revolutionären Ideale von 1789 beziehen würde. Die Standortdebatte dokumentierte, daß die Zeichensetzung
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nehmerliste signalisierte innenpolitische Kontroversen: Der einzige offizielle Regierungsvertreter vor Ort war der Préfet de la Seine Oustry, nachdem Ministerpräsident Jules Ferry, dessen Teilnahme Staatspräsident Grévy ursprünglich zugesichert hatte, sich kurzfristig dispensiert hatte, um seinem Mißfallen an einer Passage in der Einweihungsrede des Conseil-Präsidenten Ausdruck zu verleihen92. Noch bevor Ferry absagte, zog sich mit Joffrin auch ein Mitglied des Conseil und der revolutionären sozialistischen Arbeiterpartei von der Veranstaltung zurück, an der er nicht neben denjenigen Regierungsvertretern teilnehmen wollte, die für die Erschießimg der Kommunarden mitverantwortlich seien93. Die demonstrative Abwesenheit signalisierte in diesem zweiten Fall sozialistische Kritik am Conseil und seinem Denkmal und zielte - lange Jahre vor der Begründung des Mur des Fédérés - darauf, das Gedächtnis an die Kommuneopfer zu bewahren94. Verlauf und vor allem Rezeption der Denkmalfeier illustrierten die vielfachen politischen Friktionen im Blick auf politische Ausrichtung und historische Verankerung der republikanischen Nation, die sich so bereits angekündigt hatten. Bereits am Morgen des Tages sammelten sich die verschiedenen sociétés auf den um die Place de la République liegenden Boulevards und nahmen die ihnen im Rahmen städtischer Festregie zugewiesenen Plätze ein95. Schließlich begann zum Festauftakt ein detailgenau vorbereitetes langes Defilee der Gruppen, sociétés und Korporationen am Denkmal vorbei96. Zivile und militärische
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nicht einfach einer Siegerlogik folgte, indem man die Place de la Concorde als zentralsten Platz der Kapitale in Beschlag nahm. Eher setzte man ein traditionelles topographisches Arrangement von Gedächtnis- und Symbolorten in der Kapitale fort, wonach das Republikdenkmal im traditionell linksrepublikanischen Ostteil der Stadt zu stehen kommen sollte. Vgl. zur gauche/droite- bzw. est/ouest-Konfiguration in der Stadttopographie AGULHON, Paris, S. 889; Ernst SEIDEL, Grand Axe - Paris, in: ENGEL, RlBBE (Hg.), Via triumphalis, S. 131-145. Zur Inauguration vgl. Bois, Histoire des 14 Juillet, S. 123-178; zur République-Statue von 1883 AGULHON, Marianne au pouvoir, S. 72-74 und S. 89; knapp GÈ-DÈA, The past in French History, S. 39. Vgl. Le Radical, 6. Juli 1883, S. 2. Vgl. L'Union, 15. Juli 1883, S. 2. Ibid. Vgl. Le Radical, 12. Juli 1883, S. 3, ibid. 15. Juli 1883, S. 2; Le Petit Journal, 16. Juli 1883, S. 1-2, hier S. 1; Le Temps, 15 /16. Juli 1883, S. 2. Das Defilee wurde angeführt von einem vom Pantheon her kommenden Schulbataillon des fünften Arrondissements, das als Vertreter jener seit dem Gesetz vom Sommer 1882 neu eingeführten Institution neuerdings in diesem Rahmen öffentlich eingesetzt wurde. Ihm schlossen sich - ähnlich wie bei den Einweihungen der Quarantehuitard-Stataea - mehrere Vereine zum Gedenken an die Opfer des Empire wie die »Familie des proscrits de 185158« an, »Sociétés d'Alsace-Lorraine«, Turnervereine (»Sociétés de gymnastique«), Veteranenverbände (»Société des volontaires de 1870«), berufsständische und Vereinsdelegationen wie der Libre pensée, Freimaurer, industrielle, koloniale und politische Vereine. Insgesamt waren das 170 Gesellschaften, Gruppen oder Korporationen, dazu 25 verschiedene Musikkorps und so schätzte das Petit Journal die Zahl der insgesamt Involvierten auf etwa 10.000 Personen. Vgl. Le Petit Journal, ibid. S. 1 und 2 und Le Temps, ibid.
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Formationen der Gesellschaft traten im Festbild nebeneinander auf, waren aber vor allem nach der zivilen Seite hin innerhalb der formalen Inklusion berufsständisch-hierarchisch angeordnet und wurden symbolträchtig von einer Schülergruppe angeführt, die die Verankerung des nationalen Kults über die Generationen hinweg verbürgen sollte. Programmatisch nahm sich die Beteiligung der militanten und politisch rechten Gruppierungen einschließlich der Ligue des Patriotes aus, die anders als die konservativen Royalisten die Symbole der republikanischen Nation absorbierten. Damit schien die Ligue, die nur ein Jahr zuvor gegründet und von Vertretern und Sympathisanten der offiziellen Republik wie Ferry und Hugo als Speerspitze eines sozial und regional integrativen, die Jugend mobilisierenden, populären Nationalismus eigens anerkannt worden war, noch ganz im republikanisch orientierten Nationskult aufzugehen97. Daß ihr politischer und strategischer Kopf Paul Déroulède zu diesem Zeitpunkt längst die rechtsnationale Überformung der opportunistischen Republik anvisierte, von der er sieben Jahre später erst durch die zeitweilige Ausschaltung der Ligue abgehalten werden sollte98, war der symbiotischen Eingliederung in die Festszene jedenfalls nicht zu entnehmen. Dem zeitgenössischen Bewußtsein für die unmittelbare Symbolkraft ritueller Inszenierungen und denkmaltopographischer Verbindung von Gedächtnisorten trug das Festprogramm mit einer großräumigen Prozessionsroute Rechnung, die die zentralen Symbolorte nationaler Geschichte verknüpfte, indem man sich vom Pantheon aus, das nach der Rekatholisierung durch Napoleon III. erneut dem republikanischen Kult zugeführt worden war, in Bewegung setzte und zur Place de la République zog. Die Festregie führte über den Denkmalplatz sogar hinaus: Zum einen verließen am Ende des Fests die elsässischlothringischen Vereine und die Ligue des Patriotes den Platz in Richtung Hôtel de Ville und begaben sich von dort auf die Place de la Concorde vor die Statue de Strasbourg, wo sie Fahnen, Wappen und Kränze niederlegten99. Zum anderen zogen die übrigen Vereine von der Place de la République zur Place de la Bastille, umrundeten die Julisäule und teilten sich dann in verschiedene Gruppen auf, die im Rahmen von Festbanketts die Feier fortsetzten100. Die paramilitärischen und rechten Formationen, die schon seit den frühen 1880er Jahren die rituelle Geste vor der Statue de Strasbourg nachgerade in der Manier eines Gegenkultes nutzten101, erhielten dadurch auch 1883 Gelegenheit, das Be97
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Vgl. Zeev STERNHELL, La droite révolutionnaire, 1885-1914. Les origines françaises du fascisme, Paris 1978, S. 77-145. Vgl. Bertrand JOLY, Déroulède: L'inventeur du nationalisme français, Paris 1998, hier u.a. S. 66-68 zur Gründung und S. 155-159 zur Auflösung der Ligue. Vgl. Le Petit Journal, 16. Juli 1883, S. 1-2; Le Temps, 15 /16. Juli 1883, S. 2. Vgl. ibid. Die Stilisierung der Statue de Strasbourg zum Gedächtnisort der schmachvollen Niederlage speiste sich seit Ende der 1880er Jahre zugleich auch aus politischen Frustrationen der Rechtsnationalen darüber, aus dem militärischen Kult der Nation in Gestalt der Paraden
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kenntnis zur republikanischen Nation mit einer dezidierten Revanchismusgeste zu verbinden102. Die zivilen und gemäßigten oder linksrepublikanischen Festteilnehmer hingegen blieben ganz im republikanisch-revolutionär geprägten Ostteil der Stadt und huldigten letztlich vor der Julisäule nicht nur den freiheitlichen Errungenschaften am mythischen Gedächtnisort der geschleiften Bastille, sondern auch den dort begrabenen Revolutionären von 1830. Daß eine derartige Diversifizierung von Gedächtnistraditionen und Symbolhandlungen den gemeinsamen Festrahmen sprengen mußte, signalisierte die Teilung des Festzugs und der weiteren Festpraxis. Die Denkmaleinweihung konnte mithin nicht darüber hinwegtäuschen, daß die nationale Memoria der Festgemeinde faktisch bereits zwischen linksrepublikanischem Revolutionsund rechtsorientiertem Revanchekult dissoziiert war. Die Ordnungsfiktion, die noch wenig zuvor am Festplatz demonstriert worden war, mochte sich insofern als temporär und brüchig erweisen, erschien andererseits aber auch als denkbar elastisch und inklusiv fur eine ganze Fülle unterschiedlich nuancierter nationaler Assoziationen103. In den Reden kollidierten nun städtische und staatlich-offizielle Deutung des Denkmals in doppelter Hinsicht. Zum einen galt dies für die Frage der Traditionsbildung, die der Präsident des Conseil Municipal Mathé durch den Verweis auf die Revolution von 1789 unternahm, während Seinepräfekt Oustry zum revolutionären Umbruch auf Distanz ging. Zum anderen deutete sich ordnungspolitischer Dissens an, indem die hauptstädtischen Initiatoren und Stifter zum Verdruß der Regierung den Festakt dazu nutzten, einen größeren Auto-
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von Longchamps ausgeschlossen worden zu sein. Vgl. dazu VOGEL, Nationen im Gleichschritt, S. 236. Den Paradeplan von Longchamps skizziert Le Radical, 15. Juli 1886, S. 4. Vgl. zur Praxis der Kranzniederlegungen vor der Statue de Strasbourg am Nationalfeiertag zu den Klängen der Marseillaise und mit zum Zeichen der Trauer schwarz verhüllten Bannern durch die »Alsaciens-Lorrains« und zahlreiche andere revanchistische und VeteranenVereinigungen Le Temps, 17. Juli 1882, S. 2; Le Radical, 17. Juli 1883, S. 2; Le Petit Journal, 9. Juli 1883, S. 2. Seit Mitte der 1880er Jahre mischte sich die rechtsnationale Ligue des Patriotes unter die Demonstranten, vgl. Le Petit Journal, 16. Juli 1885, S. 2; Le Radical, 16. Juli 1886, S. 3. In den Jahren nach der Auflösung der Ligue und dem Ende der Boulanger-Krise bestimmte massives Polizeiaufgebot die Szene auf der Place de la Concorde und signalisierte drastisch den Kontrollbedarf seitens der offiziellen Republik; vgl. Le Radical, 16. Juli 1891, S. 2. Um die Jahrhundertwende mischten sich zwar auch »comités gambettistes« und andere republikanische Vereinigungen in das Kultgeschehen ein, die inzwischen wieder aktivierte Ligue des Patriotes blieb aber weiter dominant; vgl. Le Temps, 13. Juli 1900, S. 3; ibid. 15.-16. Juli 1900, S. 1; Le Gaulois, 15. Juli 1900, S. 2; Le Petit Journal, 14. Juli 1907, S. 1; ibid. 15. Juli 1907, S. 2; ibid. 15. Juli 1908, S. 1. Für den ungebrochenen nationalistisch-rechten Zugriff auf das Denkmal, stand auch der Vorstoß des nationalistischen Deputierten André Castelin von 1895, einen Fonds zu eröffnen, mit dem ein neuer Bronzeguß der Statue de Strasbourg finanziert werden sollte; vgl. Chambre des Députés, sixième législature, session de 1895, Annexe au Procès-Verbal de la séance du 25 mai 1895, N° 1333, AN F lc I 169 [up], Le Petit Journal, 16. Juli 1883, S. 2; Le Temps, 15 /16. Juli 1883, S. 2.
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nomiestatus zugunsten der Kapitale und ihre administrative Entkopplung vom staatlichen Zugriff öffentlich anzumahnen104. In der Tat war es diese Sequenz der Ansprache, die Ferry aus dem Redemanuskript gestrichen wissen wollte und die ihn schließlich dazu bewogen hatte, nicht zu erscheinen105. Er erkannte darin Provokationen eines linksrepublikanischen Conseils, der Autonomiezugewinne vom republikanischen Staat zu erkämpfen suchte. Damit blieb die Frage des munizipalen Status der Hauptstadt im nationalen Gesamtverband akut, sofern Paris anders als die französischen Provinzstädte keinen eigenen Bürgermeister erhielt, sondern weiterhin dem Préfet de la Seine unterstellt blieb, weil die Kapitale seit jeher unter Radikalismusverdacht stand106. Mathés Rede war es geschuldet, daß der permanente Konfliktherd nun auch auf die nationale Symbolsetzung abstrahlte und sich schließlich auch in einem kontroversen Pressevotum widerspiegelte. Die linke Presse ging mit dem Festakt vergleichsweise hart ins Gericht. La Bataille unterstrich, daß die von staatlicher Seite beschworene Nation nicht schon existiere, sondern auf den sozial homogenen Staatsbürgerverband erst noch hinzuarbeiten sei107. Der Constitutionnel argwöhnte dagegen gerade die linksradikale Überformung der Republik durch die auf städtische Autonomie zielenden Sympathisanten der Kommunarden und forderte ein autoritäreres Auftreten der staatlichen Regierung108. Er schritt zum »bilan de la R.F.«, zur Generalabrechnung mit der republikanischen Nation, der er attestierte, verschuldet zu sein, der Gesellschaft ein atheistisches Bildungssystem aufzunötigen und das »démembrement douloureux« von Elsaß und Lothringen nicht rückgängig gemacht zu haben109. Über dieser Kritik geriet der Nationalfeiertag samt der Denkmaleinweihung zu einer vordergründigen »représentation de clôture«, zum Kehraus einer heruntergewirtschafteten, statt zum symbolischen Initialakt einer gefestigten Republik und zu einer neuerlichen Offenbarung heilloser Zersplitterung110. Die Festszene entsprach dieser Diagnose zu Teilen durchaus. Bereits der Einweihungsritus am Denkmal wies mit dem Auftreten vereinzelter linker
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Vgl. u.a. Le Petit Journal, ibid. S. 1; Le Temps, ibid.; Le Radical, 16. Juli 1883, S. 1-2; L'Union, 16. Juli 1883, S. 2f. Zur Feier von 1790 in Paris vgl. BOIS, Histoire des 14 juillet, S. 54-57 . Vgl. Le Radical, 13. Juli 1883, S. 1; ibid. 15. Juli 1883, S. 1. Vgl. zum administrativen Arrangement vgl. Einleitung, Kapitel II. 1.1. Vgl. La Bataille, 14. Juli 1883, S. 1 [LlSSAGARAY] und 17. Juli 1883, S. 1 [LlSSAGARAY]. Vgl. Le Constitutionnel, 14. Juli 1883, S. 1 und ibid. 16. Juli 1883, S. 2. Ibid. 15. Juli 1883, S. 1. Ibid.: »Et en dépit du bronze menteur inauguré ce jour (...), à raison même de cette statue, qui prétend affirmer la pérennité de la République, mais qui n'atteste rien autre chose que ses incurables divisions, (...) nous saluons, aujourd'hui 14 juillet 1883: La représentation de clôture des fêtes nationales de la République.« Vgl. ähnlich Le Monde, 15. Juli 1883, S. 2; ibid. 16. Juli 1883, S. 2; L'Union, 15. Juli 1883, S. 1; ibid. 16. Juli 1883, S. 3.
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Demonstranten und der Verteilung der Festgesellschaft auf unterschiedliche Symbolorte auf Fragmentierungen hin. Einen offenen Symbolkonflikt wußte die Regierung zwar schon im Vorfeld zu verhindern, indem sie sich weitgehend von der Feier zurückzog. Eine ganze Serie kritischer Kommentare in der tagespolitischen Presse legte aber das weite Spektrum nahezu unversöhnlicher Voten offen. Autokratieneurosen der Linken und Radikalisierungsängste der Konservativen nährten sich erkennbar von Feindbildern der jeweiligen politischen Gegenseite und ließen dauerhaften Konsens weit entfernt erscheinen. Mit dem allegorischen »Triomphe de la République«, der in einer Gipsversion bereits 1889 aufgestellt und in die offiziellen Hundertjahrfeiern der Revolution einbezogen worden war111, wurde am 19. November 1899 schließlich die letzte der Pariser République-Allegorien auf der Place de la Nation (ehemals Place du Trône) eingeweiht. Den Planungen des Conseil entsprechend112 wurden Arbeitersyndikate an prominenter Stelle in die Feier einbezogen, um sie erneut für die Republik zu gewinnen, nachdem die innenpolitischen Zerreißproben der letzten Jahre die Arbeiter vom republikanischen System eher entfernt hatten113. Hinter dem Vorhaben verbargen sich konkrete Konfliktkonstellationen: Im Schatten der Dreyfus-Affäre war die französische Öffentlichkeit seit Mitte der 1890er Jahre in die unversöhnlichen Lager derer gespalten, die die SpionageAnschuldigungen gegen den jüdischen Artilleriehauptmann für Verleumdung und seine Deportation und lebenslängliche Haft als antisemitische Drangsalierung attackierten, während seine Gegner das Komplott zur antisemitischen Hetzkampagne und zur Propagierung der ethnisch exklusiven Nation zu nutzen suchten114. Seit Beginn 1899 hatten sich zahlreiche rechtsnationale Ligen gebildet, die auf den Sturz der Republik hinzuarbeiten schienen. Noch im Februar hatten dann Bonapartisten wie traditionelle Orleanisten der rechten Patriotenliga Déroulèdes die Unterstüzung entzogen. Dennoch schien die bis zum Sommer des Jahres unter Waldeck-Rousseau konstitutierte Regierung wenig zur Beruhigung der innenpolitischen Spannungen beitragen zu können, die
111
Vgl. ANGENOT, Le centenaire, S. 4; ORY, Le centenaire, S. 528, 536. Vgl. [PARENT, Ulysse,] Rapport présenté au nom de la 5E Commission sur l'acquisition d'un groupe allégorique de Jules Dalou, dont l'esquisse a figuré à l'Exposition du concours pour l'érection d'une statue monumentale de la République, Paris 1880 (Conseil Municipal de Paris 1880). Zum Folgenden vgl. Le Temps, 20. November 1899, S. 1-2; [An.,] Dalou - sa vie et ses Œuvres. Le Triomphe de la République. Inauguré solonellement par la Ville de Paris le 19 novembre 1899, Paris 1899; [An.,] Le triomphe de la République. Fête d'inauguration de ce monument, érigé Place de la Nation. Compte rendu officiel, Paris 1900 (Conseil Municipal de Paris), S. 11. 1,3 Vgl. ibid. S. 13. "" Vgl. u.a. Michel DROUIN (Hg.), Dreyfus de A à Ζ, Paris 1994. 112
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intensiver als je zuvor auf dem Wege öffentlicher Demonstrationen ausgetragen wurden115. Die Teilnahme zahlreicher Delegationen vor allem aus dem Lager der Arbeiterbewegung diente demnach weniger der Veranschaulichimg der partizipatorischen als der symbolischen Rekonstituierung der republikanischen Nation nach ihrer teilweisen Überlagerung durch einen aggressiven Antirepublikanismus. Das leitende Büro des Conseil Municipal erließ daher kurz vor der Denkmaleinweihung einen öffentlichen Aufruf, der die offizielle Deutung des Denkmals und seiner Inszenierung verbindlich vordefinierte: »Citoyens, en transformant l'inauguration du monument (...) en une manifestation populaire, vous voulez montrer que les républicains sont en éveil et qu'ils savent s'unir lorsque, par ruse ou par violence, des criminels veulent porter atteinte à la liberté«116. Der Aufruf präfigurierte die offiziellen Deutungsmuster, indem er festlegte, wer sich im Denkmal würde wiederfinden und folglich der Nation zugehören können und wer von ihr auszuschließen war: »Les réacteurs coalisés, monarchistes, cléricaux, césariens ou plébiscitaires comprendront que les républicains ne veulent pas se laisser arracher ce qui leur a coûté tant d'efforts. (...) la République seule (...) peut assurer l'essor du progrès humain«117. In dieser Charakterisierung spiegelten sich die »deux France« als die seit der Dreyfus-Affare festgefahrene Fundamentalopposition von rechten und linken Kräften wider, die im Rahmen der Denkmaleinweihung weniger besänftigt als bekräftigt werden sollte. Auch das Einweihungsfest am 19. November 1899 folgte den Vorgaben des Conseil. Im Vorfeld sammelten sich auf den umliegenden Boulevards SaintMartin, Voltaire, Richard-Lenoir sowie dem Quai de Valmy und der rue du Faubourg-du-Temple die zahlreichen Delegationen, die am Festumzug teilnehmen wollten. Während der Aufstellung nach einer detailliert vorbereiteten Ordnung wurden allerdings die Marseillaise ebenso wie der Chant des Nations und die Carmagnole gesungen, so daß bereits die Konkurrenz der populären Gesänge zur Hymne symbolische Konkurrenzen ankündigte118. Besonderen Zuspruch erhielt eine Gruppe von etwa 60 Frauen, deren prominente Rolle in der französischen Festkultur um die Denkmäler einmalig blieb, indem sie sich ähnlich wie in den Tagen der Revolution 1848 mit dem revolutionären Symbol des »bonnet rouge« unter die Teilnehmer mischten119. Den Reden folgte schließlich das exakt geplante Defilee der Deputationen. Selbst der offizielle 115 116 117 118
119
Vgl. BECKER, AUDOIN-ROUZEAU, La France, S. 191-194. [An.,] Le triomphe de la République, S. 14. Ibid. S. 14f. VOVELLE, La Marseillaise, S. 121-122; Axel KÖRNER, Das Lied von einer anderen Welt. Kulturelle Praxis im französischen und deutschen Arbeitermilieu 1840-1890, Frankfurt, New York 1997 (Historische Studien, 22), S. 238f. Vgl. [An.,] Le triomphe de la République, S. 17 und 33.
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Festbericht vermerkte, daß in der Festszene neben den Bannern der Arbeitervereine vereinzelt auch rote Fahnen auftauchten, die als sozialistische Symbole eigentlich verboten waren. Die Polizeipräfektur hatte indessen das Tragen der Fahnen gestattet, sofern sie mit den Namen der Korporationen versehen waren120. Der ausladende Zug, der in den an die Place de la Nation angrenzenden Boulevards und Plätzen regelrecht durch die Hauptstadt mäanderte, brauchte am Ende volle fünf Stunden121, tun am Denkmal vorbeizudefilieren, und weitete das Fest damit zum beispiellos exzessiven Spektakel aus, von dem sich freilich die politischen Ehrengäste einschließlich des Président de la République Loubet, der Senats- und Kammerpräsidenten und der Parlamentsmitglieder bereits nach etwa einer halben Stunde zurückzogen122. Dem Zug gehörten insgesamt 286 Syndicats ouvriers wie etwa Abordnungen der Bäcker, Fleischer, Tischler, Floristen etc. an, weiter 135 Syndicats patronaux wie die Deputationen mehrerer Unternehmen aus verschiedensten Branchen, 61 Associations coopératives de production, 47 Konsumgesellschaften, 31 Logen, weiter 143 politische Komitees einschließlich zahlreicher republikanischer Zirkel aus einzelnen Pariser Arrondissements wie aus der Provinz, 105 verschiedene weitere Gruppierungen wie Freidenkervereinigungen oder Veteranenverbände, und schließlich die 123 Associations post-scolaires wie die Ehemaligenvereine von Schulen123. Unter den politischen Gruppierungen waren die gemäßigt republikanischen Progressistes ebenso vertreten wie die Ligue française pour la défense des droits de l'homme et du citoyen unter der Leitung des Senators Trarieux, die zu den ersten gemäßigt-republikanischen intellektuellen Vergesellschaftungsformen zählte, die sich im Gefolge der Dreyfiis-Krise zur Unterstützung der Revisionisten um Zola gebildet hatten. Der Tag schloß mit einem Bankett im Hôtel de Ville, in dessen Rahmen die Kapitale Vertreter der Kommunen aus den Provinzen einlud124. Insgesamt stellte die Feierszene die nationale Gesellschaft als berufsständisch gegliedert und politisch differenziert dar. Dabei wurde durchaus mit stillschweigenden Ausgrenzungen gearbeitet, indem sich etwa den radikal laizistischen Freimaurerlogen und der Libre-Pensée125 breiter Repräsentationsraum bot, andererseits etwa katholische oder politisch konservative Interessen nicht vertreten waren. Ebenso war unter den zahlreichen politischen Gruppierungen keine der rechtsnationalen Ligen vertreten, die im Gefolge der DreyfusAffare neu entstanden waren. Der szenische Nachvollzug der aus der sozialen, 120 121 122 123 124 125
Vgl. ibid. S. 35. Vgl. ibid. S. 37. Vgl. ibid. S. 66. Vgl. ibid. S. 37-66. Vgl. ibid. S. 69-71. Vgl. zur Rolle der Libre Pensée seit dem Beginn der Dritten Republik als Rückhalt des Republikanismus MAYEUR, Les débuts de la IIIe République, S. 144-145.
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politischen, ökonomischen und moralischen Vielfalt der modernen Gesellschaft konstituierten Nation in der Festprozession unterlag hier deutlich den reglementierenden Regieanweisungen der offiziellen Republik. Lucipia, seines Zeichens nicht nur Conseil-Präsident, sondern auch amnestierter Kommunarde, gab mit seiner Rede den offiziösen Deutungstenor vor. Einigermaßen übergangslos attackierte er die Versuche des Rechtsnationalismus, der es wagte, »de faire l'appel à la force pour détruire nos institutions démocratiques« 126 . Damit brach sich binnen weniger Sätze eine Verteidigungsrede Bahn, in der sich die erneute politische Existenzkrise widerspiegelte, in die die Dritte Republik 1898/99 im Zuge der Dreyfus-Affäre geraten war, als die Rechte im Bund mit reaktionären Kräften auf den Umsturz hingearbeitet hatte und die erst seit Mitte des Jahres im Zuge der rechtskräftigen Ausschaltung der agitatorischen Ligen wieder republikanisch domestizierbar schien127. Die republikanische Nation schrumpfte zur Verteidigungsgemeinschaft gegen den inneren, rechten Feind128. Erst später reichte Lucipia positive Sinnstiftungsangebote nach und verlegte sich von der Feindbildprägung auf die Binnenkonstitution der Nation, die er in der Ikonographie des Monuments verheißungsvoll abgebildet sah, indem hier eine Arbeiterfigur die auf dem Triumphwagen stehende République eskortierte, weil der Triumph der Republik vor allem in der »glorification éclatante du travail« seinen Ausdruck fand 129 und die republikanische Nation nicht anders denn als sozial inklusiver Verband zu denken war. Seinepräfekt de Selves unternahm es schließlich, rechtliche, soziale, politische, ökonomische und religiöse Egalität und Inklusion als Eckwerte eines republikanischen Nationskonzepts zu benennen, dessen Umsetzung zu Teilen erst noch stattzufinden habe 130 . Die Presse zeigte sich von der aufwendigen Inszenierung der Denkmaleinweihung beeindruckt, ohne den Blick dafür zu verlieren, daß sich die Teilnehmer nicht streng an die offiziellen Programmvorgaben und Verhaltensmaßregeln gehalten hatten. Le Temps berichtete von einem Zwischenfall, der das Prekäre der Konsensinszenierung deutlich machte: als die hohen Staatsrepräsentanten mit Loubet den Platz schon früh nach dem Beginn der Prozession verließen, näherte sich seinem Wagen eine sozialistische Gruppierung aus dem 12. Arrondissement mit einer roten Fahne und konfrontierte ihn mit aggressiven Hochrufen auf die »Sociale« und eine ihnen folgende Gruppe hielt Loubet 126 127 128 129 130
[An.,] Le triomphe de la République, S. 24. Vgl. R E B É R I O U X , La République radicale, S. 15-19. Vgl. [An.,] Le triomphe de la République, S. 24. Vgl. ibid. S. 26. Ibid. S. 29f.: »(...) l'égalité des citoyens, devant la loi, (...) l'abolition des privilèges, le droit pour tous les Français, d'accéder aux emplois publics et aux grades de l'armée, la liberté du travail, l'équitable répartition de l'impôt librement consenti, l'indépendance de la pensée, la liberté des opinions religieuses et la souveraineté de la Nation d'où émane toute autorité légitime.«
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unter den gleichen Rufen gar die schwarze Anarchistenfahne entgegen131. Der ungeplante Auftritt der Gruppen mündete in einen kurzen Tumult, in dessen Verlauf Polizeikräfte die Fahnen konfiszierten und die Staatsvertreter hastig verschwanden. Die Episode zeigte, daß das Konzept der republikanischen Nation, das munizipale Denkmalstifter und Regierungsvertreter gleichermaßen zu propagieren suchten, ebenso Anfeindungen seitens eines subversiven Rechtswie eines vehementen Linksradikalismus ausgesetzt war. Darüber hinaus kam es nach dem Rückzug der offiziellen Staatsvertreter zu Rangeleien, nachdem Polizeikräfte erneut einer an der Tribüne der Ehrengäste vorüberziehenden sozialistischen Gruppe die rote Fahne abzunehmen versuchten, daran aber ausgerechnet vom Pariser Préfet de Police Lépine gehindert wurden mit dem Hinweis, daß die Fahnen der Festanordnung gemäß mit dem Sektionsnamen ihrer Träger beschriftet waren132. Der Symbolverwirrung entsprach ein geteiltes öffentliches Echo der Feier. Le Temps honorierte den Versuch der politischen Immunisierung der republikanischen Nation gegen die rechten Kräfte, forderte aber zugleich die Exklusion auch der extremen Linken aus dem nationalen Verband133. Dem Gaulois stellten sich die Repräsentanten der gemäßigten Republik als übereilte Koalitionäre der Sozialisten dar. Von den Konsensfiktionen der Denkmalikonographie und einzelner Redepassagen blieben dererlei Deutungen gleich weit entfemt134. Die ikonographische Omnipräsenz, durch die sich die République-Figur in Paris nicht anders als landesweit auszeichnete, war an teils evidente, schon ins Bildprogramm integrierte, teils subtile, erst in den programmatischen Sinnzuschreibungen oder den Symbolakten erkennbare Polysemien gebunden. Seit der ersten République-Statue kontrastierten jedenfalls regelmäßig Inszenierungen und Rezeption. Bereits die konsensual gefeierte Statue vom Mai 1878 auf dem Marsfeld hatte Ausgrenzungsängste auf der Seite der konservativen Presse offengelegt, 131 132
133 134
Vgl. Le Temps, 20. November 1899, S. 2; ibid. 21. November 1899, S. 1. Le Gaulois, 20. November 1899, [Paul ROCHE]: »Chaque régime a son couronnement: (...) pour la république, c'est le désordre, la révolte, l'anarchie.« Vgl. auch ibid. 19. November 1899, S. 1 [Paul PERRET]; Le Gaulois, 20. November 1899, S. 1 [L. DESMOULINS]. Vgl. Le Temps, 20. November 1899, S. 2; ibid. 21. November 1899, S. 1. Bereits einen Tag nach der Einweihung wollte der Abgeordnete Alicot im Abgeordnetenhaus geklärt wissen, ob die sozialistische Symbolik künftig von der Republik geduldet würde. Vgl. Le Journal Officiel, 20. November 1899, S. 1871-1875, hier S. 1871. Obschon Waldeck-Rousseau zufolge in der Tat nur die Trikolore öffentlich anerkannt war, beschwichtigte dieser zugleich die Bedeutung der Symbolkollision vom Vortag, indem er auf die klare Dominanz der Trikoloren in der Festszene verwies. Alicots Antrag auf Verbot des »drapeau rouge« lehnte er ab. Diese Haltung entsprach der politischen Strategie, die Abschottung der Republik eher nach rechts zu betreiben und nach der linken Seite hin Überwerfungen zu vermeiden. Vgl. Le Temps, 22. November 1899, S. 1; Le Gaulois, 21. November 1899, S. 1 [L. DESMOULINS].
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die sich anläßlich künftiger Denkmalfeste bisweilen zum Umsturzhonror und massiven Exklusionsvorwürfen steigerten. 1880 gelang zwar die Kompensation eines autoritären Symbolverbots mit der nun endlich erfolgten Plazierung der bereits von 1848/49 datierenden Soitoux-Version der République. Der rituelle Verzicht ließ aber Akzeptanzdefizite erkennen und wurde im konservativen Meinungslager prompt als Hinweis auf legitimatorische Schwachstellen der laizistischen republikanischen Nationsprogrammatik gewertet. 1883 trat erstmals der linksrepublikanische Conseil stärker als die opportunistische Staatsführung als Nationsdeuter an, während sich umgekehrt erstmalig die gerade gegründeten rechtsnationalen Formationen am Kult von Nation und Republik beteiligten. Die programmatische Verquickung der konträren Deutungsgruppen war nur durch eine zeremonielle Auffächerung zu gewährleisten, die beiden eine symbolische Kombination mit inzwischen je eigenen Kultorten erlaubte. Der Versuch der städtischen Stifter, Autonomiepostulate zugunsten der Kapitale im Nationsbild unterzubringen, blieb unterdessen umstritten. Das 1883 massiv und schließlich 1899 ins Gigantomanische gesteigerte rituelle Aufgebot enthielt schon durch vereinzelte Inszenierungsbrüche, vor allem aber im Spiegel der zunehmend inhomogenen öffentlichen Rezeption Spuren von Deutungskonflikten, die nicht nur die je neuen République-Statuen, sondern auch den Versuch der verbindlichen Institutionalisierung des Nationalfeiertags betrafen, dessen revolutionärer Erinnerungstradition sich Konservative und Katholiken verweigerten135. Die Einbeziehung der Gewerkschaftsgruppen in den großen Umzug von 1899 signalisierte, daß zumindest bis zur Jahrhundertwende die rituelle Inklusion der politischen Linken in den Kult der Nation dem politischen Willen des regierenden Liberalismus entsprach und einer schleichenden Distanzierung der Sozialisten vom 14. Juli zugunsten einer konkurrierenden Kultpraxis am 1. Mai entgegenwirken sollte136. Die linksextremen und anarchistischen Kräfte widersetzten sich indessen zu Teilen und forderten eine stärkere Linksorientierung der nationalen Ordnimg ein. Daß rechtsnationale Formationen anders als noch 1883 an Inszenierung und Programmatik der republikanischen Nation nun 1899 nicht länger beteiligt waren, dokumentierte gleichermaßen die Ausgrenzung durch die linke Republik wie eine selbstgewählte Distanzierung von ungewollten Deutungsmustern.
135
136
Zur konservativen Kritik am Nationalfeiertag vgl. auch AMALVI, Le 14 juillet, S. 434 und DERS., L'impossible consensus autour de la Révolution. L'Album du centenaire édité en 1889 par Désiré Lacroix et Auguste Challamel, in: CHARLE u.a. (Hg.), La France démocratique, S. 259-265. Zur ab 1906 massiv betriebenen Etablierung des 1. Mai-Feiertags durch den französischen Sozialismus vgl. DERS., Le 14 juillet, S. 445.
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2. Berlin: Nation und preußisch-kleindeutsche Monarchie nach 1871
Neben den in der Regel abstrakten Sieges-Denkmälern zum Gedenken an den Kriegstriumph und die Reichsgründung von 1871 waren es zunächst die Monarchenmonumente, die nicht nur in Berlin, sondern reichsweit im Fokus öffentlicher Denkmalerrichtungen standen. Die bis 1914 etwa 300 errichteten Monumente fur Wilhelm I. kamen massiert allerdings nur in Preußen zustande, davon die finanziell und ästhetisch aufwendigsten in den industriellen Ballungszentren in der Rheinprovinz und in Westfalen. Vom Phänomen früher Denkmalehrungen noch zu Lebzeiten Wilhelms I., die andernorts sporadisch vorkamen, blieb die preußische Hauptstadt - auch entsprechenden Anweisungen des Regenten zufolge - ausgenommen137. In den Jahren nach der Reichsgründung entstanden nun auch in Berlin über zehn Monarchendenkmäler, davon zunächst auf Initiative Wilhelms I. hin fiir Friedrich Wilhelm III. (1871) und Friedrich Wilhelm IV. (1886). Nach zwei eher marginal gebliebenen, nicht-monarchischen Stiftungsunterfangen fiir den frühneuzeitlichen Hohenzollernfursten Joachim II. (1889) und Friedrich III. in Spandau (1892) bildete das besonders pompöse Wilhelm I.-Denkmal auf der Schloßfreiheit (1897) den Höhepunkt der kaiserlich initiierten Herrscherapotheose, bevor im Zentrum und an der Westseite der Berliner Repräsentationsachse gleich drei neue, freilich programmatisch gezielt redundante Kaiser Friedrich III.-Monumente (1903, 1904, 1905) neben diversen vereinzelten Projekten folgten. Zwar zielte auch das Berliner Bismarck-Denkmal (1901) auf die Kopplung von nationaler und staatszentrierter Aussage, folgte aber einem distinkten Deutungsmuster.
2.1. Kultmatrix und
Deutungsschablonen
Die Einweihung des Reiterstandbildes für König Friedrich Wilhelm III. am 16. Juni 1871 war unmittelbar in die pompösen offiziellen Feierlichkeiten anläßlich des Einzugs der siegreichen Truppen in Berlin eingebunden. Einer Verquickung von Adventus- und Triumphuselementen folgend hatte der Monarch selbst die gesamte zur »via triumphalis«138 stilisierte Strecke bis zur Tem-
137
138
Vgl. NIPPERDEY, Nationalidee und Nationaldenkmal, S. 543; ALINGS, Monument und Nation, S. 80-88, 108-109, 113. Weder in der bayerischen Residenzstadt München noch in der Stadt Hannover entstanden Wilhelm-Denkmäler; das erste bayerische Reiterstandbild fiir Wilhelm I. in Nürnberg datierte erst von 1905. Vgl. auch Otto KUNTZEMÜLLER, Die Denkmäler Wilhelms des Großen in Abbildungen mit erläuterndem Text, Bremen 1902, passim; Fritz ABSHOFF, Deutschlands Ruhm und Stolz. Unsere hervorragendsten Denkmäler in Wort und Bild, Berlin 1904, passim. Vgl. NPKZ, 16. Juni 1871, S. 1.
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Nationskonzepte in den öffentlichen Denkmälern bis 1914
pelhofer Chaussee zurückgelegt, um von dort aus den Truppeneinmarsch in die Stadt durch das Brandenburger Tor und bis zum Denkmal Friedrichs II. Unter den Linden anzuführen139. Die Triumphstraße griff eine lange Tradition vergleichbarer Inszenierungen seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert auf140 und sollte zugleich die Etappen des deutschen Feldzuges von 1870/71 symbolisch illustrieren141. Aufwendige abendliche Illuminationen der Innenstadt und der zentralen Achsenstraßen und Vergnügungsangebote wie auf dem zur Tanzfläche hergerichteten Dönhoffplatz enthielten zwar auch volksfesthafte Elemente, die militärische Triumphgeste dominierte indessen fast uneingeschränkt. Die nachmittägliche Einweihung des Monarchendenkmals im Lustgarten war damit gleichermaßen ikonologischer und zeremonieller Bestandteil eines militärisch überformten Ritus142. Die Darstellung der Triumphstraße kulminierte nach zwei Richtungen hin: Zum einen befand sich eine provisorische Kolossal-Germania vor dem Schloß, der die Allegorien von Elsaß und Lothringen zur Seite standen, während das aufwendige Sockelprogramm die Mobilmachung nach dem königlichen »Aufruf an mein Volk« vom März 1813 illustrierte. So sollte die Inszenierung von 1871 Legitimation und Kontinuität über den Rekurs auf die Legende von der populären Kriegseuphorie anläßlich der Befreiungskriege herstellen143. Die traditionelle Germania-Allegorie144 war seit ihrer prominenten Verwendung während der 1840er Jahre als Verkörperung der geeinten deutschen Nation145 und als tendenziell nationaldemokratisches Symbol aus der Ikonographie des Monarchendenkmals selbst verdrängt. Zur Suggestion der gleichsam volksnahen Nationsidee schien sie sich aber zumindest noch als ephemerer Festschmuck zu eignen. Zum anderen arrangierte die offizielle Bildregie den dem Schloß schräg gegenüberliegenden Lustgarten zum zweiten Symbolhöhepunkt der Triumphstraße, indem sich hier das noch verhüllte Reitermonument fur den Monarchen befand, dessen Bildprogramm mit seiner Reminiszenz an die Freiheitskriege146 nach der Einweihung mit der Germania-Symbolik korre139
140 141 142 143
144 145 146
Vgl. NPKZ, ibid. und 18. Juni 1871, S. 1-2; Germania, 18. Juni 1871, S. 1-3, hier S. 2; NAZ, 18. Juni 1871, S. 1. Zum Festzug vom 16. Juni in Berlin vgl. bereits TENFELDE, Adventus, S. 70-73. Vgl. Werner KNOPP, Kulisse der Macht, S. 47-60. Vgl. u.a. NAZ, 18. Juni 1871, S. 3; NPKZ, 16. Juni 1871, S. 1-2. Vgl. zum Folgenden NPKZ, 18. Juni 1871, S. 2; Germania, 18. Juni 1871, S. 2-3. Vgl. NPKZ, 16. Juni 1871, S. 2; Die Gartenlaube, Jg. 1871, S. 772f.; zum Symbolarrangement auch BECKER, Bilder von Krieg und Nation, S. 484-486. Vgl. BRUNN, Germania, S. 113. Vgl. GALL, Die Germania als Symbol nationaler Identität, u.a. S. 44-45. Unter anderem zeigte die Sockellängsseite nach Osten Richtung Dom die Erhebung Preußens 1813 als Reliefszene. Hier stand eine kolossale Borussia-Allegorie mit Helm und Lorbeerkranz und einem Schwert in der rechten Hand auf gebrochenen Ketten. Vgl. den Entwurf Albert Wolffs vom 23. Dezember 1861, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20916, Bl. 38-39 Rs; NAZ, 18. Juni 1871, S. 3; NPKZ, B. zum 22. Juni 1871, S. 5. Vgl. auch
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spondierte. Befreiungskriege und Reichseinigung lagen damit bereits im Inszenierungskontext als historische, Militär und Monarchie als ordnungspolitische Referenzpunkte fur die offizielle Deutung des Denkmals Friedrich Wilhelms III. fest. Der eigentliche Einweihungsakt komprimierte Kulthandlungen und Symboliken, die gleichsam eine rituelle Matrix vorgaben, an der sich künftige Denkmalfeste preußisch-deutscher Monarchen in Berlin orientieren sollten. An der Feier nahmen zahlreiche Truppenverbände mit Fahnen und Standarten und Militärkapellen sowie ranghohe Militärs in den Reihen der Ehrengäste teil. Das zivile Erscheinungsbild der Versammlung prägten demgegenüber die Staatsminister, Deputationen der Stadt und der Kirche. Zum Zeichen absoluter Privilegierung Wilhelms I. war fur den Regenten, die königliche Familie und fürstliche Gäste eigens ein Pavillon aufgebaut worden147. Tambourtrommeln und Chorgesang leiteten zu einem vom Feldpropst der Armee gesprochenen Gebet über, bevor die Enthüllung des Denkmals bei gesenkten Fahnen und Standarten, unter Hurra-Rufen und schließlich zu den Klängen der inzwischen zur Kaiserhymne erhobenen Preußenhymne »Heil Dir im Siegerkranz«, Kanonensalven und stadtweitem Glockengeläut erfolgte. Zur abschließenden sakralen Überhöhimg der ebenso militärischen wie religiösen Festliturgie endete die Feier mit einem Choral148. Weniger mit dem ikonographischen Beiprogramm als mit der skizzierten Kulthandlungsfolge etablierte die monarchische Feier von 1871 eine von der Verkettung militärischer und religiöser Akte geprägte Kultmatrix, an die sich sämtliche folgenden Monarchendenkmaleinweihungen bis über die Jahrhundertgrenze hinweg mit vergleichsweise geringen Modifikationen oder bescheideneren Ausmaßen halten würden. Im Gebet des Feldpropstes wurden die Reichsgründung und die am Jahrhundertanfang liegenden Befreiungskriege ebenso selbstverständlich wie unbegründet als kriegerische Kulminationspunkte eines göttlich präjudiziellen, linearen Verlaufs der deutschen Nationalgeschichte ausgewiesen149. Die Segensformel assoziierte nach dem »theuern Kaiser« »Fürsten und Stämme« und schließlich das vom »Volk« gewürdigte »deutsche Kriegsheer«150. Damit erschöpfte sich die Rolle des »Volks« zugleich im Akt der Akklamation. Die Qualifikationen, denen sie galt, bestanden in christlich-soldatischen Tugenden und militärischem Verdienst, nicht hingegen in der Zuerkennimg oder Garantie von Rechten und Kompetenzen.
147 148 149 150
den undatierten Entwurf von Leopold von Ranke [Abschrift], GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20916, Bl. 26-28 Rs, und von Bethmann Hollweg, Vorschlag zum Denkmal König Friedrich Wilhelms III., GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20916, Bl. 24-25. Germania, 18. Juni 1871, S. 2. Vgl. ibid. Vgl. ibid. Ibid.
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An die das Denkmal umstehenden Deputationen gewandt, sprach direkt nach dem Geistlichen der als authentischer Deuter der eigenen Inszenierung auftretende Kaiser. Besonders adressierte er die Träger des Eisernen Kreuzes aus den napoleonischen Kriegen, das Friedrich Wilhelm III. unmittelbar vor seinem Kriegsaufruf 1813 gestiftet hatte151, und konstruierte eine Kontinuität göttlicher »Vorhersehung« vom Sieg über Napoleon I. bis zum Triumph über Napoleon III.152. Auch hier überwog der Rekurs auf die äußere Nationsbildung durch antifranzösische Kriege und die teleologische Verklärung preußischdeutscher Geschichte. Über der Kriegszäsur von 1871 waren die monarchische Stifterambition und das mit der Kultfigur assoziierte Nationsbild durchaus modifiziert worden. Dominant militärisches Ritual und kriegerischer Erhebungsmythos als verbindliche Kontinuitätskonstruktion hatten sich zwar auch bereits anläßlich der akribisch vom Monarchen geplanten Feier153 der Grundsteinlegung zum Denkmal Friedrich Wilhelms III. am 17. März 1863 abgezeichnet. Anders als 1871 und mithin ohne apotheotischen Fixpunkt waren sie aber noch von einem wenn auch tendenziösen Reflex auf die Binnenkonstituierung der Nation ergänzt worden154. Der Urkundentext von 1863 nämlich perpetuierte die preußische Legende, wonach der Ruf Friedrich Wilhelms III. zum Aufbegehren gegen das napoleonische Frankreich im Rahmen des Aufrufs »An mein Volk« am 17. März 1813 den Beginn der patriotischen Erhebung markierte155. Vom »Volk« nahm die Legende allerdings nurmehr als militärisch organisierte Einheit Kenntnis. Dabei kam der Legendenbildung zugute, daß der Aufruf zum patriotischen Krieg als Krieg für das Volk in der Tat ebenso neu war wie die patriotische Emphase, die die preußische Öffentlichkeit und mindestens eine elitäre Publizistik der Jahre zu bestimmen begann. Daß Preußen hier allerdings vor allem an der Seite Rußlands stand, das sich unter seinem Zaren zur Fortsetzung des Krieges entschlossen hatte und es allen voran General Yorck war, der dem zögerlichen Monarchen zunächst sogar zuwider handelte, indem er (mit der Konvention von Tauroggen) das Ausscheiden Preußens aus der französischen Allianz besiegelte156, mußte zur Aufrechterhaltung des Mythos von der monarchisch initiierten Erhebung ausgeblendet bleiben. Ebenso einseitig blieb die Legende vom Mobilisierungseffekt der patriotischen Euphorie. Sie ließ außer Acht, daß der individuelle Rücktritt 151
152 153
154 155 156
Vgl. Thomas STAMM-KUHLMANN, König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III., der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992, S. 389-393. Vgl. Germania, 18. Juni 1871, S. 3. Vgl. u. a. Vorschlag zur Anordnung der Feier der Grundsteinlegung (...), GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20916, Bl. 81-82. Vgl. NZ, 18. März 1863, S. 3-4, hier S. 3; NPKZ, 19. März 1863, S. 1-2. Vgl. Königlich-preußischer Staatsanzeiger, 18. März 1863, S. 510-511, hier S. 511. Vgl. NIPPERDEY, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, S. 83f; SELLIN, Die geraubte Revolution, S. 52.
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von der allgemeinen Wehrpflicht rigide sanktioniert und der Opferelan des »Volkes« mithin diktiert worden war157. Daß vom Sieg gegen Napoleon schließlich unmittelbar zunächst einmal die deutschen Landespatriotismen, weniger indessen ein fiktiver gesamtdeutscher Nationalismus profitierte, blieb ebenfalls unerwähnt. Nicht der Versuch authentischer Geschichtsinterpretation der Zäsur von 1813/15, sondern deren einschlägige Aufbereitung zum Erhebungsmythos wurde demnach bereits im Rahmen der Grundsteinlegungsfeier als Motivation für die königliche Denkmalstiftung erkennbar. Zum Erhebungsmythos kam eine ebenso tendenziöse Deutung der preußischen Reformen. Der Monarch erschien als Protagonist der Reformen, um »die noch gebundenen Kräfte in der Nation (...) zum (...) selbständigen Dienst für gemeinsame Zwecke des Vaterlandes heranzubilden«158. Bauernbefreiung und Agrarreform, die den »Bürgerstand« begünstigende Städteordnung und Verwaltungsreform, Heeres-, Bildungs- und Gewerbereform firmierten als Resultate monarchischer Emanzipationspolitik, die die »Befreiung des Vaterlandes« gleichsam im Vorgriff auf die Kriege bereits nach innen hin leistete. Das »Volk« erschien allerdings anders als später 1871 nicht nur in williger Soldatengefolgschaft gegenüber dem kaiserlichen Befehlshaber, sondern dem Urkundentext von 1863 folgend in der Tat in »Ackerbau, Gewerbe und Handel« involviert, am »Wohlstand des Landes« beteiligt und zu »umfassender ächter Bildung« befähigt159. Gleichwohl blieb diese Deutung der Reformen mythisierend verfremdet. Ein überschaubar eng definiertes Maß an staatsbürgerlicher Partizipation war in der Politik der defensiven Modernisierung zwar enthalten gewesen, die Mobilisierung von Ressourcen und der Abbau des Legitimationsdefizits, der nach dem Zusammenbruch von 1806 erforderlich wurde, hatte indessen weithin auf einen sozioökonomischen Bereich begrenzt werden können. Den Elogen auf den Wandel in der Reformära war jedenfalls nicht zu entnehmen, daß sich die monarchisch eher geduldete als aktiv geschulterte, gleichsam als Revolutionsprophylaxe betriebene »Reform von oben« mehrfach den Konstitutionalisierungsversuchen der Reformer entzog, so daß die langfristige Verweigerung politischer Emanzipation hier anders als in den süddeutschen Staaten zu den schweren Hypotheken staatlicher Politik zählte160. Bei aller Verbrämung enthielt die offizielle Motivierung des Monarchendenkmals 1863 damit aber zumindest eine Ordnungsidee, in der das Volk auch in ziviler Funktion und nicht 157 158 159 160
Vgl. STÜBIG, Die Wehrverfassung Preußens, S. 45-46. Vgl. Königlich preußischer Staatsanzeiger, 18. März 1863, S. 511. Vgl. ibid. Vgl. Paul NOLTE, Staatsbildung als Gesellschaftsreform: politische Reformen in Preußen und den süddeutschen Staaten 1800-1820, Frankfurt a. M., New York 1990; Elisabeth FEHRENBACH, Verfassungsstaat und Nationsbildung 1815-1871 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 22), München 1992, u.a. S. 104; STAMM-KUHLMANN, König, S. 416-476.
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ausschließlich autoritätsgeleitet, sondern zu einer wenn auch begrenzten Partizipation berechtigt erschien. Demgegenüber kamen in der Programmatile der ohnedies knapperen offiziellen Verlautbarungen von 1871 vergleichbare emanzipatorische Ingredienzen nicht mehr vor. Schon im Urkundentext von 1863 war angeklungen, daß der Monarch »Seines Volkes Beruf für Deutschland« im Sinne einer preußischen Mission für die deutsche Nation auffaßte. Diese Zukunftsvision schien 1871 Wirklichkeit geworden und veranlaßte nun zur Überblendung von »preußischer« und »deutscher« Nationsidee. Daß das preußische Königtum nicht etwa partikularstaatlich begrenzt, sondern gerade im Zuge einer erfolgreichen Konsolidierungspolitik in Preußen eine unitarisch-deutsche Dimension der Nation immer schon antizipiert hatte, bildete aber bereits das Credo borussianischer Geschichtsteleologie, an die sich schon die Denkmalinszenierung 1863 hielt. Von einer unter dem Eindruck des Sieges gegen Frankreich 1871 gewandelten Selbstinszenierung des Monarchendenkmals zeugt schließlich auch der Vergleich mit dem ursprünglichen Festprogramm für den Einweihungstag, der vor dem Krieg auf den 3. August 1870 anberaumt worden war. Geplant war, neben militärischen Formationen das zivile Element auch durch Abordnungen der »Gewerke« zu beteiligen161. Noch im Mai 1870 hatte der König Wert darauf gelegt, »daß Mein Volk (...) an jener Feier würdigen Antheil nehme« und zu diesem Zweck auf eine hinreichende Vertretung der »alten Provinzen« gedrungen, die jeweils nicht nur mit ihren Oberpräsidenten und Landtagsmarschällen, sondern auch mit »Deputirten aus jedem Stande oder in sonst geeigneter Weise« repräsentiert werden sollten162. Im Festakt vom Juni 1871 blieb fur eine Repräsentation des Handwerks jedenfalls in unmittelbarer Denkmalnähe angesichts der massiv aufgestockten Vertretung des Militärs kein Raum mehr. Indem darüber hinaus keine weiteren preußischen Provinzvertreter geladen waren, wurde 1871 mm auch eine allzu deutliche Zuspitzung der Szene auf Preußen vermieden. Verglichen insbesondere mit der argumentativen Turbulenz, die sich in der französischen Presse regelmäßig nach der Einweihung sowohl von Monumenten für die République als auch für deren Minister abzeichnete, blieb das deutsche Presseecho durchgängig nah am Tenor der offiziösen Verlautbarungen und erwies sich damit, parallel zur Stiftungs- als eine Art Rezeptionsmatrix für künftige Monarchendenkmäler 163 . Auch die katholische Germania kommentierte Truppeneinmarsch und Denkmaleinweihung emphatisch als In161
162
163
Vgl. Ordnung für die Enthüllungsfeier des Standbildes Seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm III. am 3. August 1870, GStA PK I. HA Rep. 151 I C Nr. 8321, Bl. 108111, hier Bl. 108 Rs und Bl. 109 Rs. Vgl. Mitteilung Wilhelms I. an das Staatsministerium, 25. Mai 1870, GStA PK ibid. Bl. 103. Vgl. NPKZ, 22. Juni 1871 (B.), S. 5.
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diz fur die »allgemeine Betheiligung aller Stände« und legte Wert auf den Umstand, daß auch die katholischen Gemeinden sich an der Siegesfeier mit einem Pontifikalamt in der St. Hedwigskirche und einer abendlichen Veranstaltung beteiligten164. Am 10. Juni 1886 trat Wilhelm I. zum zweiten Mal als offiziöser Denkmalund nationaler Sinnstifter im Zuge der Einweihung eines Reiterdenkmals fur Friedrich Wilhelm IV. auf dem Podest der Freitreppe vor der Nationalgalerie und somit im Blickfeld des vom Geehrten gestifteten neuen Museums auf. Die minutiöse Programmplanung, die selbst die Roben der geladenen Gäste festlegte165, sah zumindest eine periphere symbolische Reminiszenz an den Nationalstaat vor, indem an zwei hohen Masten neben dem Denkmal nicht nur die Fahne Preußens, sondern auch die Flagge des Deutschen Reiches gehißt worden war166. Unter den Ehrengästen167, unter denen die an der Errichtung beteiligten Arbeiter die einzigen Vertreter ihrer sozialen Schicht blieben, dominierte einmal mehr das militärische Element168. Teil dieses Arrangements war, daß beiderseits des Monuments die Freitreppe zum Museum zur sinnfälligen Demonstration einer hierarchisch bereitstehenden militärischen Generationenfolge mit Abordnungen des Kadettenkorps und Veteranen besetzt war. Die Festakte169 wiederholten ansonsten das bereits 1871 etablierte Kultmuster. Im abschließenden Rundgang, den der Kaiser dann anders als 1871 vornahm, dokumentierte er personale Nahbarkeit und paternalistische Fürsorge und gab Gelegenheit zu untertäniger Loyalitätsbekundung170. In einer Festrede171 feierte der Hofprediger nur knapp die von Friedrich Wilhelm IV. beförderte »Eintracht der Stände«, und warb so eher für eine sozial ungleiche und nach Privilegien gestaffelte als für eine egalitäre Staatsbürger-Gesellschaft. Die liberale Presse machte auf dergleichen Einseitigkeiten keineswegs aufmerksam172. Etwa die Vossische Zeitung mühte sich um die Rehabilitierung des Monarchen, der den politischen Ansprüchen seiner Zeit als »Romantiker« nicht gewachsen schien173. Damit trug sie einerseits dem Umstand Rechnung, 164 165 166
167
168 ,69 170 171 172
173
Vgl. Germania, 18. Juni 1871, S. 3. Vgl. VZ, 8. Juni 1886, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20420, Bl. 188. Vgl. auch zum Folgenden VZ, 10. Juni 1886 (B.), S. 1; Berliner Tageblatt, 10. Juni 1886, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1634, Bl. 135-136; NPKZ, 10. Juni 1886, S. 2. Erschienen waren neben Staatsministern und Präsidenten des Reichs- und des Landtages weitere staatliche Beamte und städtische Vertreter unter Führung des Oberbürgermeisters von Forckenbeck, der Rektor der Universität, die Dekane in akademischem Ornat, Akademieprasidenten, mehrere Geistliche sowie der ausführende Künstler Calandrelli; vgl. ibid. Vgl. NZ, 10. Juni 1886 (Α.), S. 1-2, hier S. 1. Vgl. ibid. Vgl. ibid. Vgl. zum Folgenden VZ, 10. Juni 1886 (B.) und die genannten Artikel. Vgl. Berliner Tageblatt, 10. Juni 1886, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1634, Bl. 135-136, hier Bl. 135. Vgl. VZ, 10. Juni 1886 (A ), S. 1.
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daß Friedrich Wilhelm IV. aus der persönlichen Überzeugung vom Gottesgnadentum heraus einer Zeit politisch nicht mehr Herr zu werden vermocht hatte, in der die Idee staatsbürgerlicher Partizipation Zulauf erhielt, während sich der Monarch das Volk nurmehr ständisch hierarchisiert »vor den Stufen des Thrones«174 vorzustellen bereit war. Daß eben dieses Denkkonzept den Monarchen im März 1848 zu einer massiven Fehleinschätzung der (Berliner) Revolution verleitet hatte, bis seine Zögerlichkeit ihn zum Agenten der Reaktion machte und er sich zum Protagonisten des Verfassungsoktrois aufschwang175, kam im Artikel nicht vor. Indem die Vossische Zeitung den Hinweis darauf vermied, daß Friedrich Wilhelm IV. als Vetomacht gegen die liberalen Erneuerungsversuche aufgetreten war, folgte sie der offiziösen Geschichtsdeutung, aus der die Revolution und die liberalen Entwicklungsalternativen, die sie mindestens für die preußische Geschichte bereithielt, ausgeklammert blieben. Lediglich die National-Zeitung evozierte noch einmal die antiabsolutistischen Liberalisierungs- und Konstitutionalisierungshofïhungen, die sich mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. verbunden hatten, um dann doch vom romantisch-rückwärtsgewandten Konservativismus des Königs enttäuscht zu werden176. Daß die monarchische Politik die in sie gesetzten Hoffnungen nicht nur verriet, sondern reaktionär pervertierte, wurde leise angedeutet, aber nicht anklagend mit einem entsprechenden politischen Kalkül des Monarchen, sondern entschuldigend mit seinen charakterlichen Neigungen erklärt. Diese Inteipretationsfigur erlaubte es der National-Zeitung, einerseits an der durchaus despektierlichen Bilanz der Regierungszeit als steckengebliebenem Konstitutionalisierungversuch festzuhalten, andererseits den Affront mit einer Art psychologisierenden Deutung zu kaschieren177. Der Status der nationalen Kultfigur nivellierte sich zumindest im liberalen Kommentar bis zur ästhetisierten Unverbindlichkeit. Dem militärischen Glanz, der das Festbild dominierte, vermochte sich die National-Zeitung nicht zu entziehen, unterschied sich von den übrigen Kommentaren aber immerhin dadurch, daß sie seine Opulenz überhaupt registrierte178.
174
175
176 177 178
[Friedrich Wilhelm IV.,] Zwei Reden des Königs Friedrich Wilhelm IV. Vom Throne gesprochen am 15. Oktober 1840 bei der Huldigung in Berlin, Berlin 1840, S. 3, zit. nach Dirk BLASIUS, Friedrich Wilhelm IV. Persönlichkeit und Amt, in: HZ 263 (1996) S. 589607, hier S. 595. Vgl. David E. BARCLAY, Frederick William IV and the Prussian Monarchy, 1840-1861, Oxford 1995, S. 127-152; Frank-Lothar KROLL, Monarchie und Gottesgnadentum in Preußen 1840-1861, in: Peter KRÜGER, Julius H. SCHOEPS (Hg ), Der verkannte Monarch. Friedrich Wilhelm IV. in seiner Zeit, Potsdam 1997, S. 45-70. NZ, 10. Juni 1886, S. 1. Vgl. ibid. Vgl. NZ, 10. Juni 1886 (Α.), S. 1: »Es war ein Schauspiel militärischen Gepränges (...). Das bürgerliche Element hatte bescheiden in den Hintergrund zu treten.«
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2.2. Gigantomanie und programmatischer
Stillstand
Den eigentlichen Höhepunkt kaiserlicher Nationsinszenierungen bildete mit weitem Abstand zumindest im Berliner Raum das am 22. März 1897 eingeweihte, architektonisch pompös umrahmte und auf das Stadtschloß hin orientierte Reiterdenkmal Kaiser Wilhelms I. auf der Schloßfreiheit.179 Die Einweihung war ähnlich wie die Inszenierung 1871 Bestandteil eines ausladenden Festprogramms anläßlich des 100. Geburtstages Wilhelms I. Seit der Reichsgründung war der 22. März längst auch außerhalb Preußens begangen, innerhalb des Landes und in Berlin aber im Kontext einer ambitionierten öffentlichen Repräsentationspolitik und einer demonstrativ inszenierten Kaisermystik durch Wilhelm II. mit besonderem Aufwand zelebriert worden 180 . In der Zentenarfeier 1897 sollte der vom regierenden Kaiser verordnete Kult um seinen Vorfahren kulminieren 181 . Unter anderem hatte Wilhelm II. zum besonderen Tag eine Erinnerungsmedaille gestiftet, dazu an die Mitglieder des Heeres in Preußen und in den übrigen Bundesstaaten die »deutsche«, schwarz-weiß-rote Kokarde als Symbol des »gemeinsamen Vaterlandes« verleihen lassen182, um die seit der Reichsgründung nur zögerlich als nationale Farben gehandelte Symbolik verbindlich in der Armee zu verankern. Festbanketts, die zum einen der Kaiser im Schloß, zum anderen Reichskanzler Hohenlohe und der Reichstag in der Kuppelhalle des Reichstagsgebäudes gaben, sowie die Feiern der Universität und der Schulen zeugten von einer weitgehenden Infiltrierung des öffentlichen Lebens, die abendlichen stadtweiten Illuminationen vom Versuch » 183 imposanter Inszenierung Für die Jubiläumsfeierlichkeiten war erneut das Zentrum des monarchischen Repräsentationsforums vom Brandenburger Tor über das Denkmal Friedrichs II. bis zum Schloß als »Feststraße« hergerichtet184. Gegenüber der Schloßbrücke verwiesen die Flaggen der vier deutschen Königreiche und der übrigen 22 deutschen Staaten auf die nationale Einheit. Auf einem Obeliskrelief stieg darüber hinaus eine Germania mit der Kaiserkrone in der Hand über 179
180 181
182 183 184
Vgl. Das National-Denkmal >Kaiser Wilhelm des Großengrößeres D e u t s c h l a n d s weil wir ein freies Vaterland wollen (...). Diese neue Zeit erwarten wir nicht von den Einrichtungen eines viel gepriesenen, aber unberechenbar fernen Staatengebildes sozialdemokratischer Utopien, sondern für heute vom heutigen Staat. Für diesen Frieden sind wir bereit, das Schwert zu tragen
222
°
Der Nationsbegriff wurde hier nicht nur von einer eindeutigen Festlegung auf die Monarchie entkoppelt, sondern auch entmythisiert, indem die Nation nunmehr zunächst einmal den realpolitischen Rahmen abgab, in dem die eigentlichen programmatischen Ziele des freilich vage definierten »Sozialen« und der »Freiheit« nicht in visionärer Zukunft, sondern im kaiserzeitlichen Deutschland unmittelbar verfolgt werden sollten. Vor allem aber klagte Bousset mit dem Begriffspaar eine nachholende soziale und politische Modernisierung der Nation ein, die er eingangs als industriekapitalistische Marktgesellschaft identifiziert hatte. Mit seiner Differenzierung zwischen ökonomischem Fortschritt und soziopolitischem Machtgefuge und mit der Diagnose ihrer Ungleichzeitigkeit stieß Bousset zu einem analytischen Niveau hinsichtlich der Nation vor, die weder die liberale noch die konservative Presse im Zusammenhang mit dem Kaiserdenkmal 1897 problematisiert hatte. Die politische Selbstverortung des linksliberalen Autors ging zugleich mit einer harschen Abgrenzimg von der Sozialdemokratie einher, deren a-nationale Loyalitätsorientierung auf einen internationalistischen Ordnungszusammenhang hin abgelehnt, dergegenüber dann sogar die Identifikationsbereitschaft mit der Nation bis zur Mitwirkung an ihrer militärischen Außenverteidigung vehement bekundet wurde. Die Forderung nach soziopolitischem Progreß verband sich mit dem Bekenntnis zum ökonomisch expansiven nationalen Machtstaat. War das Bekenntnis zur Monarchie 220 221 222
Ibid. S. 5. Ibid. [H. i. O.]. Ibid. [H. i. 0.].
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also anfangs gleichsam elliptisch offengelassen worden, setzte Bousset es nun indirekt an den Schluß seiner Ausführungen, nicht ohne die »Gegensätze« seines Votums zu bekennen, sie aber als unvermeidliches Phänomen historischer Evolution hinzunehmen223. In der gleichen Ausgabe der Zeitschrift bestritt schließlich ein Artikel Wilhelm I. jegliche nationale Integrationskraft: »Obere Schicht« und »Masse« blieben demzufolge disparat und der Konsens über eine gemeinsame »nationale Größe« fehlte224. Mithin wurden die offiziösen Reden von der bereits erreichten Einheit der Nation ebenso als Fiktion entlarvt, wie die am Ende erfolglose Selbstinszenierungskampagne im Rahmen der Sedanfeste225. Nach der Diagnose blieb der Artikel seine Empfehlung zur Kur solcher Dissoziiertheit der nationalen Gesellschaft nicht schuldig: Partizipation des Volks an der Staatsmacht226 vor allem in Form der sozialen und politischen Begünstigung einer gegenüber dem »besitzenden Bürgerthum«, dem »gewerblichen Fortschritt« und dem »Unternehmerthum« als den ökonomischen Gewinnern der Reichsgründung bislang marginalisierten »Arbeiterschaft« - so lautete die Handlungsanleitung zur Herbeiführung der inklusiven Nation227. Während Bousset die Funktion des Kaisers marginalisierte und seinen Kultstatus zugunsten von Freiheits- und sozialen Werten zurückstellte, rang der Autor des zweiten Artikels um die Symbiose von monarchischem Machtstaat und Demokratisierungsdruck, blieb aber ein schlüssiges Argument für den Kultstatus des Monarchen in der fortschrittlichen Nation schuldig. Beide Kommentare signalisierten allerdings nicht anders als die zurückhaltenderen Auslassungen der Vossischen Zeitung, daß die öffentliche Rezeption von Denkmal und offiziell propagierter Nationsidee durchaus rasch an affirmative Grenzen stieß. Der sozialdemokratische Vorwärts hatte bereits anläßlich der Grundsteinlegung eher despektierlich vom »Viermillionendenkmal für den Heldengreis« im August 1895 Kenntnis genommen228. Anläßlich der Denkmalerrichtung 1897 übte sich das Blatt nun in forcierter Antilegendenbildung229. Zitiert wurden mehrfach Redesequenzen Wilhelms I., die sein antiparlamentarisches, unkonstitutionelles Votum bekräftigten sollten, wonach sich der Regent gegenüber Partizipationsansprüchen auf sein theokratisches Machtverständnis zurückzog230. Die Einweihung des Denkmals auf der Schloßfreiheit wurde auf eine 223 224 225 226
227 228 229 230
Vgl. ibid. Die Hilfe 3/12 (1897) S. 3-4, hier S. 3. Vgl. zum Sedantag die im Forschungsüberblick zum Nationalfeiertag genannte Literatur. »Ein solches Staatsgefuhl kann aber nur da entstehen, wo das Volk am Staat beteiligt ist (...).«; vgl. Die Hilfe 3/12 (1897) S. 3f. Vgl. ibid. Vgl. Vorwärts, 20. August 1895, S. 3. Vgl. ibid. 21. März 1897, S. 1. Vgl. ibid.
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Kette militärischer Befehle reduziert, um die Dominanz des militärischen Rituals zu entlarven 231 . Auch suchte der Vorwärts nach Indizien fur eine Verweigerung des offiziös verordneten Kults. Er fand sie in dem Umstand, daß ungeachtet des »sanften polizeilichen Wink[s]«, mit dem die per Aufruf durch den Magistrat232 eigens eingeforderte allgemeine »Illumination« der Berliner Wohnhäuser fur den Festabend des 22. März angeordnet worden war, die Arbeiterviertel im Osten, Norden und Nordosten der Stadt mit punktuellen Ausnahmen weithin dunkel blieben 233 . Ein Artikel zählte die beleuchteten Häuser akribisch nach Straßenzügen und führte die vereinzelten Beleuchtungen auf die wenigen »Hauswirthe« und »kleine[n] Beamte[n]« zurück, die anders als die Arbeiter den offiziellen Verordnungen Folge leisteten234. Damit diente die Praxis der »Illumination« nicht nur als Kriterium der forcierten oder freiwilligen Assoziierung mit der staatlich verordneten nationalen Ideologie, sondern auch als Mittel sozialer und politischer Differenzierung zwischen klein- und nicht-bürgerlichen Sozialformationen. Aus seinen Beobachtungen leitete der Vorwärts jedenfalls ab, »daß das Proletariat von Berlin über eine solche patriotische Feier hinaus gewachsen ist, und daß das geschäftsführende Kleinbürgerthum sich nach der Kundschaft richtet. Der Patriotismus ist äußerlich, unwahr, Geschäftssache« 235 . Selbst die verstreuten Illuminationen in den überwiegend von Arbeiterbevölkerung bestimmten Stadtvierteln war der Vorwärts nur als vordergründige Zeichen zu werten bereit und untergrub damit die offiziöse Suggestion breiter sozialer Reichweite der nationalen Kultpraxis einmal mehr 236 . Daß die Arbeiter nicht nur durch Unterlassung der Illuminationen Distanz zur »militärisch-bourgeoisen Feier« einschließlich ihrer Monumentalsymbolik suchten, sondern auch demonstrativ am 22. März den revolutionären Symbolort der Märzgefallenengräber auf dem Friedrichshain aufsuchten, um dort zwar ohne Konfrontation mit den vorsorglich bereits eingesetzten Polizeikräften, aber eben doch im Sinne eindeutiger Gegenkultakte eine alternative, auf die Protagonisten der Revolution von 1848 gerichtete Gedächtnispolitik zu betreiben, erwähnte der Vorwärts nachdrücklich 237 . Obgleich also in der Tat eine überwiegende Zahl von Presseorganen die offiziöse Diktion übernahm und das Wilhelm I.-Denkmal von 1897 als »National-Denkmal« zu apostrophieren geneigt war, verharrten lediglich die
231
232 233 234 235 236 237
Vgl. ibid. 23. März 1897 (1. B.), S. 1. Die Notiz bestand aus der einigermaßen sinnlosen Wiedergabe der militärischen Kaiserbefehle. Vgl. Gemeinde-Blatt der Haupt- und Residenzstadt Berlin, 14. März 1897, S. 1. Vgl. Vorwärts, 23. März 1897, S. 4. Vgl. ibid. Ibid. Vgl. Vorwärts, 23. März 1897 (B.), S. 1. Vgl. ibid.
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konservativen Blätter bei einer propagandistischen Inklusionsidee238. Bereits in den traditionell liberalen Zeitungen kündigten sich unterhalb der Begriffsoberfläche subtil Einwände gegen die Einheitsfiktion an239, während schließlich mit der politischen Linksorientierung die Bereitschaft zur Skepsis gegenüber der offiziösen Terminologie240 bis zur mehr oder minder offenen Verweigerung der Begriffsadaption wuchs241. Von einer kritikfreien und unreflektierten Absorption offiziöser Nationskonzepte in der Presse war unter diesen Umständen nicht zu sprechen242. Zu den Inszenierungen, die Wilhelm II. neben dem »Kaiser Wilhelm Nationaldenkmal« auf der Schloßfreiheit bei gleichwohl stagnierender Programmatik betrieb, zählte wenig später zwischen März 1898 und Dezember 1901 die beiderseitige Ausstaffierung der »Siegesallee« mit mehr als 30 überlebensgroßen Standbildern brandenburgischer und preußischer Regenten zwischen Kemper- und Königsplatz im Westen der Stadt243, die die Reichsgründung als Resultat einer dynastischen Erfolgsgeschichte ausweisen sollte244. Während die obrigkeitliche Schenkung des Ensembles an die Stadt Berlin den Magistrat und die Stadtverordneten zu einer unterwürfigen Dankesadresse veranlaßte,
238
239 240 241 242
243
244
Vgl. NPKZ, 22. März 1897, S. 1; NAZ, 21. März 1897 (M), S. 1; Germania, 24. März 1897, S. 2. Vgl. VZ, 22. März 1897 (1. B. zur Α.), S. 6; NZ, 22. März 1897 (A ), S. 4. Vgl. Die Hilfe 3/12 (1897) S. 4. Vgl. Vorwärts, 18. August 1895 (2. B.), S. 1. Ein weiteres Wilhelm I.-Denkmal entstand mit einem Kaiser Wilhelm-Turm am 9. Juni 1899 im Grunewald auf Initiative des Kreises Teltow anläßlich der Zentenarfeier. Seine Programmatik unterschied sich deutlich von der des »Nationaldenkmals.« Neben der Sicht auf das Monument wurde hier nun auch der Panoramablick von ihm weg bedeutsam, indem der Turm scheinbar eine Art ästhetisch-visuelle Nähe zum Kaiser und seiner märkischen »Heimath« herstellte. Damit wurde der Turm zu einer Art affektivem Erlebnisort stilisiert, an dem sich gleichsam Intimes über den Kaiser als Inbegriff der wehrhaften Nation erschloß. Diese Deutung blieb an die stadtferne, landschaftliche Aufstellung gebunden. Vgl. NPKZ, 10. Juni 1899 (1. B ), S. 1-2, hier S. 1; VZ, 9. Juni 1899 (1. B ), S. 2-3, hier S. 2; Freisinnige Zeitung, 22. März 1899 (1. Bbl.), S. 1. Vgl. auch UTTEL, Monumentaldenkmäler, S. 232. Marginal blieb das Wilhelm I.-Reiterdenkmal auf dem Hohenzollernplatz im später 1920 eingemeindeten Stadtteil Rixdorf, vgl. VZ, 22. März 1902 (Bbl.), S. 5; NPKZ, 22. März 1902, S. 2. Im Jahr der Umbenennung zu Neukölln folgte dort im Juni 1912 ein Denkmal für Friedrich Wilhelm I., das böhmische Emigranten zum Gedenken an die königliche Gründung von Böhmisch-Rixdorf 1755 initiierten. Vgl. NPKZ, 2. Juni 1912 (1. B.), S. 1 und VZ, 2. Juni 1912 (M), S. 1. Vgl. Gustav ALBRECHT, Die Denkmäler in der Siegesallee zu Berlin in ihrer Bedeutung für die vaterländische Geschichte, 2 Hefte, Berlin 1898; [An.,] Die von Seiner Majestät dem Kaiser Wilhelm II. gestifteten Denkmäler in der Sieges-Allee zu Berlin, Berlin 1900; Richard STERNFELD, Die Siegesallee. Amtlicher Führer durch die Standbildergruppen, Berlin 1900. Vgl. Erlaß Wilhelms II., 27. Januar 1895, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20837, Bl. 94.
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die das monarchische Geschichtsbild nur wiederholte245, blieb die öffentliche Rezeption weitaus verhaltener246. Anläßlich der insgesamt 17 Einweihungstermine, die für die Standbildgruppen angesetzt wurden, entfielen in der Regel ohnehin programmatische Darlegungen. Wilhelm II. demonstrierte unterdessen mehr als zuvor auch öffentlich die konzeptionelle und künstlerische Direktive des Monarchen, beauftragte gelegentlich unmittelbar im Rahmen der Feiern weitere Künstler mit den nächsten Figuren und belehrte sie noch einmal über die geforderte Bildprogrammatik247. Kaum anders als die Kreuz-Zeitung zerstreute trotzdem auch die Vossische Zeitung Zweifel an der Gesamtkonstruktion, indem sie deren Ästhetik über Gebühr lobte und programmatisch-inhaltliche Aspekte verdrängte249. Kritik richtete sich eher gegen eine als fatal erachtete Dogmatisierung der monotonunoriginellen Darstellungsweise, die die »Kunstentwicklung« lähme und öffentlich diskreditiere250. Unterhalb der Argumentationsebene ästhetischer Kritik kam zwar bisweilen der programmatische Einwand gegen die Darstellung der »Geschichte Brandenburgs« als »Geschichte eine Dynastie« zum Tragen251 und wurde die fast hermetische Exklusion des »Volks« aus dem Nationswerdungsmythos beklagt. Die teleologische Abfolge von den Askaniern über die Wittelsbacher und Luxemburger bis zu den Hohenzollern und schließlich zur Reichsgründung und damit die Logik des bis in das frühe 12. Jahrhundert zurückreichenden borussianischen Geschichtsmythos stand nicht ausdrücklich zur Diskussion. Marginal blieb demgegenüber Anfang Mai 1904 die Feier eines Denkmals auf der Luiseninsel, das Wilhelm I. als Prinzen zeigte. Die jugendliche Darstellung der Figur sollte erneut Kontinuitäten zur »Zeit der Befreiungskriege« herstellen252 und die dichte Beiordnimg zu den Monumenten Friedrich Wilhelms III. und Königin Luises unterstrich diese Konstruktion in doppelter Hinsicht: So entstand erneut ein genealogisches Ensemble, das den späteren Kai245
246
247
248 249 250
251 252
Vgl. Dankesadresse (...) an den König vom 1. Februar 1895, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 31799, Bl. 66. Berliner Tageblatt, 20. Februar 1895, GStA PK I. HA Rep. 89 ibid. Bl. 73-74, hier Bl. 73. Zur Einweihung der ersten drei Statuen der Markgrafen Otto I., Otto II und Albrecht II. und der beiden sie jeweils begleitenden Hermen an der westlichen Alleeseite nahe dem Königsplatz am 22. März vgl. NPKZ, 22. März 1898 (A ), S. 1; VZ, 22. März 1898, S. 3. Bisweilen stieg die Bedeutung militärischer Anteile am Zeremoniell; vgl. die Inauguration der Statuen von Karl IV. und Friedrich II. am 26. August 1899 nach NPKZ, 27. August 1899, S. 2. Vgl. NPKZ, 22. März 1898 (M.), S. 2. Vgl. VZ, 23. März 1898 (1. B. zur M.), S. 2. Vgl. so u.a. Wilhelm HOLZAMER, Die Siegesallee. Kunstbriefe an den deutschen Michel, Leipzig 1902, S. 10 und 20. Ibid. S. 27f. NPKZ, 3. Mai 1904, S. 2; VZ, 3. Mai 1904 (1. B.), S. 5.
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ser mit seinen Eltern verband, während beide Monarchenfiguren zugleich vom Luisenmythos und damit in der Tat von der identifikatorischen Bedeutung der Befreiungskriege als Initialereignis in der Geschichte der Nationswerdung profitieren sollten. Das Einweihungszeremoniell blieb ungeachtet der Anwesenheit des Kaiserpaars, namhafter Minister und städtischer Deputierter eher bescheiden. Durch die demonstrative Einbeziehung des Kronprinzen auch in den Auftrittsritus auf dem Festplatz, wo er noch vor seinem Vater allein eintraf, vervollständigten die feiernden Dynasten die genealogische Reihe der Monumente bis in die Gegenwart, während bei der Uniformierung die militärische Konnotation des eingeweihten Denkmals aufgriff. Huldigungsakte seitens der versammelten Festgesellschaft standen dann im Vordergrund, während die nur allzu evidente Programmatik der Feier nicht mehr eigens durch Festansprachen verbalisiert werden mußte 253 .
2.3. Kultvarianten Zu den Monarchendenkmälern, die im Berliner Umland nach dem Thronwechsel im Reich zustandekamen, zählten neben den monarchisch initiierten auch städtische Projekte. An vergleichsweise marginalem Standort, aber mit dem inzwischen gängigen Kultmuster aus militärischen und religiös-kirchlichen Elementen fand zunächst Anfang November 1889 die feierliche Einweihung eines Denkmals für den Hohenzollem-Kurfürsten Joachim II. auf dem Reformationsplatz vor der Nikolaikirche im Berliner Vorort Spandau statt, der 350 Jahre zuvor den Übertritt der Mark zur evangelischen Konfession vollzogen hatte254. Die Festansprachen zielten ganz auf das Initiationsereignis der märkischen Reformation in Form des Abendmahls in beiderlei Gestalt ab, das Joachim II. 1539 zum Zeichen seines Konfessionswechsels in der St. Nikolaikirche empfangen hatte. Nationale Relevanz »weit über die Grenzen der Mark und unseres preußischen Vaterlandes hinaus« 255 erhielt das Ereignis durch die verbindliche Festlegung, die Joachim für das Hohenzollerngeschlecht und die künftigen Könige und Kaiser getroffen zu haben schien. Der Konfessionswechsel hatte »politische Bedeutung« gewonnen, weil die deutschen Regenten zu Garanten nicht nur der nationalen Ordnung, sondern gleichsam auch des
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Vgl. ibid. Noch Ende des gleichen Monats sollte ein Denkmal fur den Großen Kurfürsten als Kurprinz im Tiergarten an der Ecke Lenné- und Königgrätzer Straße dieses Terrain zu einem neuen Schwerpunkt monarchischer Repräsentation zwischen Königsplatz und dem Westende der triumphalen Lindenallee ausbauen. Vgl. NPKZ, 30. Mai 1904, S. 1; VZ, 30. Mai 1904 (Α.), S. 2. Das Festprogramm blieb nahe an der bekannten Kultmatrix. Vgl. NPKZ, 1. November 1889, S. 1. NPKZ, 1. November 1889, S. 1.
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Seelenheils gerieten und die evangelische Konfession einen konstitutiven Teil jener borussischen Geschichtsteleologie bildete, die »auf dem wunderbaren welthistorischen Wege der märkischen Hohenzollem aus Brandenburg nach Preußen, zum deutschen Reich und zur mächtigen Mitwirkung an der Bestimmung der Geschichte aller Völker«256 führte. Die märkische Reformation zum einen, die überpointiert nicht prozessual, sondern äußerst punktuell auf die Symbolgeste des Abendmahlsempfangs durch den Landesherrn reduziert wurde, und die Reichsgründung zum anderen verschmolzen damit zu einem doppelten, politisch-religiösen Initialakt, an dessen Ende die deutsche Reichsnation stand. Umgekehrt wurde neben der dezidiert nationalstaatlichen Ausrichtung die regional-»märkische« Dimension der Denkmalfigur ausdrücklich präsent gehalten und im Sinne der historischen Klimax-Fiktion vom Aufstieg der späteren Herrscher des Reichs aus der Mark gleichsam organisch mit eingebunden257. Daß der Spandauer Akt nicht auch nur annähernd so demonstrativ ausgefallen war und der Umschwung des brandenburgischen Kurfürsten zur evangelischen Konfession schon aus politischem Kalkül - etwa aus Interesse an der Mitbelehnung mit dem Herzogtum Preußen durch den polnischen König - deutlich zögerlicher verlief, als das Denkmal und seine Initiatoren nun glauben machten258, wurde zum Vorteil der Legende übergangen259. Erst zwei Jahre später publizierte die sozialdemokratische Rundschauzeitsschrift Die Neue Zeit einen Artikel, in der sie der Mythenbildung widersprach, die »märkische Reformation (...) als eine Plünderung des märkischen Kirchenguts« bezeichnete und sich gegen die »obligate patriotische« Deutung des Ereignisses verwahrte260. Der kritischen Lesart nach rührte der reformatorische Eifer nun eher von politischem Opportunismus und materiellem Kalkül her. Das historische Amalgam von deutscher Nation und Protestantismus wurde so aufgelöst, die Stilisierung der Reformation zur »großen, nationalen That«261 zurückgewiesen. Als besondere Pointe wußte die Neue Zeit sich dabei den Umstand zunutze zu machen, daß ausgerechnet die Kreuz-Zeitung in den zurückliegenden Monaten kritische Artikel zur Geschichte der desaströsen Haushaltspolitik der
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Ibid. Vgl. so auch bereits der Subskriptionsaufruf von 1887, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20904, Bl. 121 und der Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 17. April 1888, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1634, Bl. 159. Vgl. Ingo MATERNA, Wolfgang RLBBE (Hg.), Brandenburgische Geschichte, Berlin 1995, S. 268-273. Vgl. NPKZ, 31 .Oktober 1889, S. 3. Selbst die katholische Germania, 3. November 1889, S. 3, versuchte angestrengt, die Inauguration in dieser Deutungsvariante zu akzeptieren. Vgl. Die Neue Zeit 10 (1891-92) S. 417-421, hier S. 417. Ibid.
II. Nation und Staat
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Mark in der Reformationszeit publiziert hatte262. Daß hinter den Attacken antisemitische Tiraden gegen den »Juden Lippold« standen, dem die fiskalische Auszehrung eigentlich zur Last gelegt wurde, legte die Neue Zeit nun offen, um sich von dergleichen »Judenhaß« zu distanzieren. In der tendenziösen Kritik der Kreuz-Zeitung erkannte die Neue Zeit einen nachträglichen verbalen »Sturz eines Standbildes« und bescheinigte ihr, »das Denkmal Joachims II. in Spandau gründlicher zerstört [zu haben], als die Pariser Kommune die Vendöme-Säule zu zerstören vermochte«263. Auch wenn die Mythenkritik des konservativen Blatts anders motiviert war, triumphierte die Neue Zeit angesichts der diskursiven Denkmaldemontage, mit der sie der Idee vom überkommenen Nationalprotestantismus entgegentrat. Hatten sich das Wilhelm I.-»Nationaldenkmal« auf der Schloßfreiheit und die Siegesalleegruppen zur Propagierung der preußisch geprägten und vor allem militar- und machtstaatlich ausgerichteten Nation geeignet, kehrte mit einer ganzen Serie von Friedrich III.-Denkmälern das Phänomen entpolitisierter Deutungen zurück. Obgleich im Zuge des Dynastenkults für obligat erachtet und mehrfach zustandegekommen, haben sich die Berliner Denkmäler für Friedrich III. am wenigsten zur Perpetuierung der gängigen Nationsdeutungen geeignet und sind argumentativ von ihren offiziösen Stiftern eher mit Verbürgerlichungs-, Entpolitisierungs- oder nachträglichen Militarisierungsstrategien verbunden worden. Im abgelenkten Diskurs spiegelte sich die Ambivalenz einer Figur wider, die nicht nur aufgrund ihrer extrem kurzen Regentschaft kaum zu Herrscherprofil hatte kommen können, sondern immer auch Züge eines Hoffnungsträgers des politischen Liberalismus aufgewiesen hatte, die die Stifter nicht thematisieren wollten. Erst anläßlich des letzten Monuments in der Berliner Denkmalreihe 1904 klang die Assoziation erstmals auch in Pressekommentaren an. Nicht im unmittelbaren städtischen Repräsentationszentrum, aber in Anwesenheit Wilhelms II. war zunächst im Oktober 1892 das König Friedrich III.Denkmal auf der Charlottenbrücke in Spandau gemäß der längst etablierten Kultroutine eingeweiht worden264. In der Weiherede eines Hofpredigers waren allerdings argumentative Vermeidungsstrategien erkennbar, die die besondere Brisanz der Kultfigur erhellten. Das Spektrum der Assoziationen zur Monarchenfigur blieb anfangs weit, schloß den »leutselige[n] Monarch[en]« und die »volksthümliche Friedensgestalt« ebenso ein wie den »Förderer von Kunst und 262 263 264
Vgl. ibid. S . 418f. Ibid. S. 421. Vgl. Berliner Tageblatt, 19. Oktober 1892, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1627, Bl. 102; Deutscher Reichsanzeiger, 18. Oktober 1892, LAB ibid. Bl. 101; NPKZ, 19. Oktober 1892, S. 2; VZ, 19. Oktober 1892 (1. B.), S. 2; NPKZ, 18. Oktober 1892, S. 1-2; VZ, 18. Oktober 1892 (Α.), S. 2. Als Symboldatum verwies der 18. Oktober gleichermaßen auf die Leipziger Völkerschlacht, den Kaisergeburtstag und Wilhelms I. Krönungstag 1861.
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Wissenschaft«. Jenseits des nahbaren und partiell verbürgerlichten Regenten an der Spitze der friedliebenden, kulturbeflissenen und christlichen Nation war aber auch vom »siegreichen Helden« die Rede und verdichteten sich die Sinnzuschreibungen rasch nach der militärischen Seite hin265. Indem er ausgerechnet den eigentlich Bismarck-kritischen und gegenüber einer ausschließlich kriegerischen Nationsidee skeptischen Kronprinzen und späteren Monarchen Friedrich zum Kriegsherren uminterpretierte, ordnete der Hofprediger die Kultfigur ganz dem Mythos der Nation als Geburt der »Einigungskriege« miter. Darüber hinaus bescheinigte man der Kultfigur einen hohen Inklusionseffekt, sofern Friedrich III. als »Musterbild des deutschen Volkes« gleichermaßen für den »Soldat[en], Arbeiter« und »Bürger der Stadt«266 repräsentativ wirkte. Daß Friedrich III. als Kronprinz seit den 1860er Jahren fur eine dem bürgerlichen Liberalismus gewogene parlamentarische Version der Monarchie gestanden und damit seinen Anhängern als Repräsentant einer Alternative zum autoritären Herrschaftssystem gegolten hatte, klang in den Inklusions- und Verbürgerlichungstopoi nur schwach an. Damit blieb eine rhetorische Distanz zum militaristischen Gepräge der Feier gewahrt, ohne zum politischen Argument gegen das autoritäre Kaisertum ausgebaut zu werden. Dem Spandauer Projekt folgte 1903 die Enthüllung eines Denkmals für Kaiser Friedrich III. und seine Frau Viktoria am Jahrestag seiner Geburt und dem Krönungstag Wilhelms I. (18. Oktober) und bildete damit eine Art symbolisches Scharnier zwischen der Statuenreihe auf der Siegesallee und dem östlichen Repräsentationsschwerpunkt um das Brandenburger Tor und dessen Verlängerung entlang der Lindenallee bis zum Schloß267. Zugleich erfolgte so eine Art Symbolarrondierung des monarchischen Repräsentationsareals an der Westseite der Linden268. Erst im Rahmen eines nachmittäglichen Festbanketts im Schloß, an dem nur Mitglieder der königlichen Familie und die bereits bei der Enthüllungsfeier anwesenden auswärtigen Militärdeputationen teilnahmen, hielt Wilhelm II. eine Rede, in der er die offiziöse Deutung der neuen Monumente einem elitären Kreis von Zuhörern gegenüber vornahm. Während er die
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Vgl. Deutscher Reichs-Anzeiger, 18. Oktober 1892, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1627, Bl. 101; NPKZ, 19. Oktober 1892, S. 2. Ibid. Vgl. zum Folgenden NPKZ, 19. Oktober 1903 (Α.), S. 1-2, hier S. 1; NZ, 19. Oktober 1903 (2. Bbl.), S. 1. Vgl. Allerhöchste Bestimmungen (...) 18. Oktober 1903, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 31804, Bl. 105. Fürstliche Ehrengäste dominierten, dazu kamen neben Reichskanzler von Bülow zahlreiche Minister, Beamte und der Polizeipräsident. Am Zeremoniell war nur neu, daß das Kaiserpaar selbst Kränze an den beiden Denkmälern niederlegte und so den dynastischen Verwandten seine Reverenz erwies. Vgl. NPKZ, 19. Oktober 1903 (Α.), S. 1-2, hier S. 1; NZ, 19. Oktober 1903 (2. Bbl ), S. 1. Darüber wurde eme neue Symbiose von Herrscherhaus und Caritas demonstriert, indem sich auf dem Festplatz auch Abordnungen mehrerer nach Victoria benannter sozialer Institutionen einfanden.
II. Nation und Staat
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Figuren der Siegesallee der »Geschichte« und den »Taten« zuordnete, sah er Friedrich III. und seine Gemahlin nurmehr als »Ideen«-Träger eines Reichs der »Sage«269. Die Beschwörung von Realitätsferne hatte Methode: Sie gestattete es, beide Figuren der Nation zuzuordnen, ohne politische Aspirationen zu wecken. Statt dessen pries Wilhelm II. das Regentenpaar als Repräsentanten einer »schwärmerischen, illusionsreichen Jugend des Deutschen Reiches und als leuchtende Personifikationen der Kulturbegeisterung«270. Der freilich monarchisch überformte gouvernementale Liberalismus des Kaiserpaars wurde hier zur politikfernen Euphorie umgedeutet, während Wilhelm verdrängte, daß beide durchaus auch bei staatsnahen Liberalen Hoffnung auf eine Alternative zu Militarismus und politischer Reaktion geschürt hatten271. Damit war auch die These von der »Kultur«-Nation, die das Kaiserpaar zu inkarnieren schien, zumindest hier eher rhetorischem Reduktionismus zu danken272. Schon ein Jahr später sollten sich Verfahren und Programmatik wenig modifiziert wiederholen, als am 18. Oktober 1904 zum Jubiläum des kaiserlichen Geburtstages ein Reiterdenkmal für Kaiser Friedrich III. vor dem ebenfalls neu inaugurierten Kaiser-Friedrich-Museum an der Museumsstraße gefeiert wurde273. Eine öffentliche Festansprache blieb wie bereits 1903 aus, da sich die elitäre Festversammlung am Ende des Zeremoniells in die Basilika des Museums zurückzog. Die Deutung, zu der Wilhelm II. dann erneut nur vor einem exklusivem Zuhörerkreis ansetzte, wiederholte die bereits 1903 ausgegebenen Sinnparolen oder hielt sich mit einer der ungezählten Darlegungen seiner eigenwilligen Kunstauffassung auf, verfemte die Secession274 und verlangte nach der »einheitlichefn] Weiterentwicklung der Kunst auf nationaler Grundlage«275. Auch hier hatte die Abschweifung Methode, erlaubte sie Wilhelm II. das altbekannte eklektische Deutungsverfahren im Hinblick auf einen gleichsam dekontextuierten Friedrich III., so daß das Plädoyer für die Bildung der Nation aus dem Geist und der Tradition ihrer Kunst nicht nur genuiner Programmatik, sondern eher kompensatorischer Rhetorik entsprang. Anders als 1903 wurde nun aber deutlich, daß sich der Monarch damit in der Tat über Deutungsalternativen hinwegsetzte. Vom Ton der ursprünglich städtischen Initiative, wie er erstmals im September 1888 angeschlagen worden war, blieb 269 270 271
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Vgl. ibid. S. 2; Germania, 20. Oktober 1903, S. 1. Ibid. Vgl. Wolfgang J. MOMMSEN, Bismarck ließ verbreiten, die Engländerin habe eine Meise im Ohr, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. August 2001, S. 42. Vgl. zum schwachen publizistischen Echo NPKZ, 19. Oktober 1903 (A ), S. 1-2; NZ, 18. Oktober 1903 (M.), S. 1; VZ, 19. Oktober 1903 (2. B.), S. 1. Vgl. zum Folgenden NPKZ, 18. Oktober 1904, S. 1, 2, hier S. 1; VZ, 18. Oktober 1904 (1. B.), S. 4-5, hier S. 4; Germania, 19. Oktober 1904, S. 1. Vgl. Peter PARET, Die Berliner Secession. Moderne Kunst und ihre Feinde im Kaiserlichen Deutschland, Berlin 1981, S. 17-46. Vgl. NPKZ, 18. Oktober 1904, S. 1; VZ, 18. Oktober 1904 (I. B.), S. 4.
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nämlich keinerlei Nachklang. Dort hatte man sich an zentraler Stelle auf den preußischen Kronprinzen und kurzzeitigen Regenten als den am Innenleben der nationalen Gesellschaft interessierten Politiker bezogen, der die »soziale Frage« ernst nahm und auf »Heilung der Schäden (...) in unserer gesellschaftlichen Ordnung« bedacht war 276 . In den Festansprachen von 1904 kam statt dessen jene machtstaatliche Distanz zur ehedem (sozial)politisch konzipierten Figur zum Ausdruck, die Bismarck in der weiteren Planungsphase des Projekts bereits im Sommer 1889 zu Protokoll gegeben hatte. Bismarck hatte hier auf die »bedauerliche aber geschichtliche Thatsache« verwiesen, daß »der Hohe Herr nach Gottes Rathschluß in Seiner Stellung als Kaiser nicht in der Lage gewesen ist, Regierungshandlungen zu vollziehen, welche ein Kaisermonument rechtfertige«, und daher ein Friedrich-Denkmal nur dann für denkbar gehalten, wenn es sich auf den »Kronprinz[en]« als »eine große Figur in der deutschen Kriegsgeschichte« beziehe277. Die Einweihungsreden propagierten zwar anders, als Bismarck geraten hatte, und auch anders, als es die Ikonographie des regelrechten Feldherren-Monuments hätte nahelegen können, nur zum Teil ein ausgesprochen militärisches Leistungsprofil Friedrichs III., bezogen sich dann aber in der Tat weniger auf die Kaiser- als auf die KronprinzenFigur, um den Wilhelm I. vorbehaltenen Kaisermythos unangetastet zu lassen und blendeten Friedrichs politische Rolle konsequent aus. Während in der tagespolitischen Presse gemeinhin Zustimmimg bekundet wurde278, reduzierte sich das Prozedere in den Augen des Vorwärts auf »sehr viel Absperrung, sehr viel Militär und Festreden« 279 und damit auf symbolische wie faktische Exklusion, rituellen und sprachlichen Militarismus und offiziöse Propaganda. Ebenso wurde betont, daß die Inszenierung von 1904 mit jener »Erinnerung«, die zumindest im Todesjahr des Kaisers 1888 »namentlich im freisinnigen Bürgertum« aufgeleuchtet war, nichts mehr gemein habe. Damals nämlich sei die Reminiszenz an Friedrich III. so brisant erschienen, daß Wilhelm II. sich auf die Huldigungsadresse der mehrheitlich liberalen Stadtverordnetenversammlung unter Forckenbeck hin die Kontrastierung seiner eigenen Person mit der des verstorbenen Kaisers indigniert verbeten hatte280. Daß nun 1904 keine partizipatorischen Erwartungen mehr mit Friedrich III. verbunden wurden, schrieb der Vorwärts obrigkeitsstaatlicher Deutungszensur 276
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Vgl. Auszug (...), 27. September 1888, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1627, Bl. 7-8, hier Bl. 7 und Rs. Vgl. Votum des Präsidenten des Staatsministeriums Fürst von Bismarck vom 30. August 1889, GStA PK I. HA Rep. 93 Β Nr. 2376, Bl. 5-7, hier Bl. 5 Rs, Bl. 6; auch BArch R 1501/115007 [up]. Zu Bismarcks Vorbehalt vgl. schon ALINGS, Monument und Nation, S. 84. Vgl. NPKZ, 18. Oktober 1904, S. 1; VZ, 18. Oktober 1904) (1. B.), S. 4; Germania, 19. Oktober 1904, S. 1-2. Vorwärts, 19. Oktober 1904, S. 3. Vgl. ibid.
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zu: »Niemand zitiert mehr Kaiser Friedrich. Sein Andenken ist auch in der freisinnigen Bourgeoisie verblaßt und wirkt nichts Lebendiges mehr« 281 . Die Diagnose barg den Vorwurf des Traditionsverrats gegen den Liberalismus, der sich die Gedächtnisstiftung zugunsten eines seiner frühen Hoffhungsträger verbieten lasse. Unter diesen Umständen endete die Monumentalisierung der Figur aus der Sicht des Vorwärts im nachgeahmt grandiosen »Pseudostil«, der maximal dazu angetan sei, das »Stadtbild [zu] verhäßlichen«282. Die Ästhetik des Denkmals wurde hier zum unmittelbaren Reflex der manipulierten Programmatik und Semantik der Festreden, deren politische Profillosigkeit gemessen am historisch-politischen Rang der Person auch das Monument zur »physiognomielos[en]« Konstruktion verflacht habe 283 . Indessen blieb das sozialdemokratische Organ mit seiner Kritik allein284.
2.4. Neue Akzente des Bismarck-Mythos: Der volksnahe Reichsgründer Berlin blieb nicht lange ausgenommen vom Bismarck-Kult, der nach dem Tod des Kanzlers 1898 aufkam und sich in einer immensen Zahl von Biographien und literarischer Panegyrik ebenso niederschlug wie in den zahllos kursierenden Bildreproduktionen unterschiedlichster Art285. Dazu zählten auch die Bismarckdenkmäler, von denen bis zum Kriegsausbruch im gesamten Reich fast 700 geplant und etwa 500 gebaut wurden, so daß die Kultfigur zumindest in den demographischen Zentren des Reichs ausschließlich Bayerns, Württembergs und Hannovers nahezu omnipräsent wurde 286 . In Berlin entstanden nun zwei Denkmäler, die die spezifische Ambivalenz des Bismarck-Kults erkennen ließen, indem das erste starke Tendenzen zur Verbürgerlichung aufwies, während das zweite bereits Spuren einer Überhöhung ins Gigantisch-Mythische zeigte und damit wesentliche Elemente des landläufigen populären und die Denkmalflut begünstigenden Bismarck-Mythos aufwies. Publizistische Kommentare machten allerdings durchaus eng gesteckte Kultgrenzen sichtbar.
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Ibid. Vorwärts, 20. Oktober 1904 (Unterhaltungsblatt), S. 2. Vgl. ibid. Vgl. zum Friedrich III.-Reiterdenkmal, das Ende Mai 1907 am Luisenplatz vor dem Charlottenburger Tor folgte, NPKZ, 27. Mai 1905, S. 1; VZ, 28. Mai 1905 (5. B.), S. 1-2, hier S. 1.
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Vgl. MACHTAN, Bismarck-Kult, S. 1 9 - 2 3 .
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Vgl. die im Forschungsüberblick genannte Literatur zu deutschen Bismarck-Denkmälern. Vgl. auch Max EHRHARDT, Bismarck im Denkmal des In- und Auslandes, Bd. 1: 166 Denkmäler, Eisenach, Leipzig 1903. Der quantitativen Auswertung von ALINGS, Monument und Nation, S. 85-86, 134-136, zufolge, entstanden Bismarck- anders als Kaiserdenkmäler auch in den außerpreußischen Gebieten des Reichs in beträchtlicher Zahl. Vgl. auch Hermann ROBOLSKY, Bismarck und die deutsche Nation, Leipzig 1890.
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Im Mai 1897 erhielt Bismarck zunächst eine Statue am Rand des Grunewalds. Die Einweihung trug erkennbar die Züge einer lokalen bürgerlichen Feier287. Die demonstrativ entpolitisierte, verbürgerlichte Darstellung der als einfacher Spaziergänger erscheinenden Kanzlerfigur fand ihren unmittelbaren Niederschlag in den Reden. Der Komiteevorsitzende betonte, daß das Denkmal sich auf das Verdienst Bismarcks beziehe, der Kolonie Grunewald zum Aufbau verholfen zu haben und eben daher auch auf militärische Konnotationen verzichtete, statt dessen den ehemaligen Kanzler im »schlichten Bürgerrocke« darstellte »zum Zeichen friedlicher Erfolge«288. Gleichwohl entfiel die nationalpolitische Sinnzuschreibung nicht ganz. Sie klang vielmehr an, sofern die pazifistisch-reichsferne Auffassung des Kanzlers die Redner zu einer indirekten Rechtfertigimg ihrer eklektischen Deutung nötigte und damit die Entpolitisierung gleichsam zum Politikum aufwertete289. Die Presse indessen wußte mit der Feier des »bürgerlichen Bismarck« wenig anzufangen290. Die betont auf die Friedensthematik abstellenden Ansprachen war man hier nicht als Anfrage an die gängigen Bismarck-Topoi zu verstehen bereit. Grundsätzlich anderen Inszenierungs- und Deutungsverfahren folgte am 16. Juni 1901, dem 30. Jahrestag des Truppeneinzugs in Berlin nach dem Sieg über Frankreich, den Reichskanzler von Bülow entgegen den ursprünglichen Vorschlägen des Denkmalkomitees als Einweihungstermin favorisiert hatte291, die Einweihung des großen Bismarck-Denkmals auf dem Königsplatz vor dem Reichstag. Zu den vom Kaiser eigens geladenen Ehrengästen zählten neben Bismarcks ältestem Sohn Fürst Herbert Bismarck und Reichskanzler von Bülow diverse amtierende und ehemalige Staatsminister, Mitglieder des Bundesrates und etwa 200 Mitglieder des Reichstages einschließlich ihres Präsidenten und zugleich Fraktionsvorsitzenden der Zentrumspartei Franz von Ballestrem. Vor der in die Festplatzkulisse einbezogenen Freitreppe des Reichstagsgebäudes hatte man Schulkinder und Studenten postiert; dazu kamen auf dem Festplatz Vertreter der Berliner Kaufmannschaft, der Börse, der Universitäten und anderer Hochschulen in Amtstracht sowie des Magistrats und der Stadtverordneten. Gegenüber dem großen Aufgebot an Vertretern der städtischen und staatlichen zivilen Gesellschaft erwies sich mit Generalität und Admiralität, weiteren Militärs, deren Ladung der Kaiser eigens verfugt hat-
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Vgl. auch zum Folgenden NPKZ, 11. Mai 1897 (1. B), S. 1; VZ, 11. Mai 1897 (3. B. zur M.), S. 7. Vertreten waren neben den Mitgliedern des Denkmalausschusses diverse Räte, ein Architekt, ein Theater-Direktor und Schülerinnen der Grunewalder Höheren Töchterschule. Vgl. NPKZ, ibid.; VZ, ibid. Vgl. ibid. Vgl. ibid. Vgl. undatierte Mitteilung von Bülows, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20896, Bl. 220.
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te292, und Abordnungen der Kriegervereine mit ihren Feldzeichen das militärische Element zunächst nicht als dominant293, wurde aber unterstützt vom Kaiser, der in Generalfeldmarschall-Uniform und unter den Klängen eines Präsentiermarsches auftrat294. Die kaiserliche Zentralität wurde erneut hergestellt, als Wilhelm II. als erster am Denkmal einen Kranz niederlegte und damit als authentischer Deuter des Monuments auftrat, indem die Schleifenaufschrift auf einer deutlichen Unterordnung des Kanzlers unter den Monarchen beharrte, indem »Des großen Kaisers großem Diener« gedacht und Bismarck also auf die vielzitierte Paladinrolle reduziert wurde295. Das Denkmalkomiteemitglied Albert von Levetzow, ehemaliger konservativer Abgeordneter des Reichstags und bis Mitte der 1890er Jahre auch dessen Präsident, titulierte das Bismarck-Monument in seiner Eröffnungsansprache ausdrücklich als »National-Denkmal«, das unter internationaler Mitwirkung, vor allem aber unter dem »Protektorat« des Kaisers zustandegekommen sei, und mühte sich so gezielt um eine versöhnliche Inklusion des Monarchen in das Projekt. Harmonistisch nahm sich auch seine Verortung des neuen nationalen Symbols im monumentalen Kontext des Königsplatzes aus, sofern er die Statue unterschiedslos mit Siegessäule und Reichstagsgebäude in Verbindung brachte, ohne zu klären, wie die politisch polar besetzten, zum einen dominant machtstaatlich-militärisch, zum anderen eindeutig konstitutionell-parlamentarisch geprägten Repräsentationsbauten zusammenzuzwingen waren296. Zu allererst brachte Levetzow Bismarck nun mit dem »Volk« in Verbindung, dem
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Vgl. Telegramm Wilhelms II. vom 30. Mai 1901, GStA PK ibid. Bl. 236. Die Vertreter der Kriegervereine hatten von sich aus Anträge auf Berücksichtigung im Zeremoniell gestellt, vgl. die Anfrage des Kriegervereins Fürst Bismarck vom 2. April 1901, GStA PK, ibid. Bl. 215. Weiter gehörten zu den Gästen der ehemalige Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfurst, Vertreter beider Kammern des preußischen Parlaments, Angehörige des Schwarzen Adlerordens und des Ordens pour le mérite und neben den Schöpfern des Monuments Begas und Cauer auch Mitglieder des Zentralkomitees des Denkmal Vereins. Vgl. zum Folgenden Deutscher Reichsanzeiger, 17. Juni 1901, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1635, Bl. 203; NZ, 17. Juni 1901 (Α.), S. 2-3, hier S. 2; VZ, 17. Juni 1901 (Α.), S. 1-2; Germania, 18. Juni 1901, S. 1; Freisinnige Zeitung, 18. Juni 1901 (Bbl.), S. 1; Vorwärts, 18. Juni 1901, S. 1; NPKZ, 17. Juni 1901 (Α.), S. 1-2. Der Reichsanzeiger bezifferte die Gesamtzahl der Feiergemeinde auf 8.000 Teilnehmer, die Germania auf 10.000. Der Vossischen zufolge hatten bis zum Abend des Tages etwa 20.000 Menschen das Denkmal besichtigt. Die Denkmalhülle fiel anders als etwa bei der Einweihung der Monarchendenkmäler und womöglich, um eine gewisse zeremonielle Nachrangigkeit zu dokumentieren, nicht unter den Klängen der »Nationalhymne«, sondern erst, als diese verklungen war. Vgl. ibid. Kränze spendeten mit der Nationalliberalen Partei Deutschlands, mehreren Universitäten und Bildungsanstalten, Bismarck- und Veteranenvereinen zivile wie militärische Formationen. Vgl. Deutscher Reichsanzeiger, 17. Juni 1901, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1635, Bl. 203; NZ, 17. Juni 1901 (Α.), S. 2-3, hier S. 2; Freisinnige Zeitung, 18. Juni 1901, S. 1 und die oben genannten Artikel.
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er die Bismarck-Figur derart wesensmäßig zuschrieb, daß eine unterlassene Denkmalstiftung von regelrechter Selbst-Vergessenheit des Volkes gezeugt haben würde297. Erst in zweiter Linie erfolgte die Zuordnung zum Kaiser, als dessen »Diener«, »Rather« und »Helfer« Bismarck in der gewohnten, kaiserlicher Propaganda entspringenden Weise298 dem Bild des Handlangers Wilhelms I. entsprach. Die Reichsgründung erschien als Werk dieses Monarchen und seines Mithelfers, die die Nation »zusammenschmiedeten«, wie es die am Sockel des Denkmal beigeordnete Allegorie der Schmiedfigur vorführte, während die Rolle des Militärs unerwähnt blieb. Die Reichsgründung als »eiserner Kanzler« und eine mythische Nähe zur »Volksseele« fundierten somit Bismarcks Status als »nationaler Heros«. Als solcher stand er auch für die machtambitionierte, verteidigungs- und expansionsbereite Nation, der er mit dem markigen Spruch von den »Deutschen«, die außer »Gott (...) niemanden] auf der Welt«299 fürchteten, vorangestellt wurde. In einer Betrachtungsweise, die den Lobrednern anläßlich der Feier von Monarchendenkmälern immer fremd geblieben ist, reflektierte demgegenüber Reichskanzler von Bülow durchaus auch die heterogene Binnenstruktur der zeitgenössischen Nation, die er »in politischer, wirtschaftlicher und konfessioneller Beziehung (...) von Gegensätzen durchzogen« sah300. Umso mehr stilisierte er Bismarck zum internen Reichseiner und feierte ihn als Inkorporation »der ganzen Nation«: Keine Partei kann den Fürsten Bismarck für sich allein mit Beschlag belegen (...). Er gehört keiner Koterie, er gehört der ganzen Nation, er ist ein nationales Eigenthum. (...) In ihm kann sich wie in einem Spiegel die Nation selbst beschauen, denn er war vor allem ein Deutscher im vollsten Sinne des Wortes. Er ist nur auf deutschem Boden denkbar, nur fur den Deutschen ganz verständlich
Das gerade noch mitreflektierte Homogenitätsdefizit der Nation nach innen wurde dann nicht mehr weiter problematisiert. Der Hinweis auf Spuren interner Dissoziation der Nation blieb Episode, während Bülow sich schließlich zu bombastisch-mythischer Metaphorik verstieg, derzufolge das Monument künftig daran erinnerte, daß der verklärte Bismarck »als Feuersäule vor unserem Volk [herzog].« Die Metapher nahm sich wie ein Zitat jener Aufrufe der deutschen Studentenschaft aus, die seit 1898 mit dem Begriff der »Feuersäule« die martialischen Bismarck-Türme meinten, zu deren Errichtung als Fanale für den Kult des »Eisernen Kanzlers« sie in großem Stil aufgerufen hatten302. Iko297 298
299 300 301 302
Vgl. ibid. Die Titulierung Bismarcks als Werkzeug des Kaisers propagierte Wilhelm II. erstmals in seiner Rede am 26. Februar 1897 vor dem brandenburgischen Provinziallandtag, vgl. PÖLS, Bismarckverehrung, S. 192. Vgl. NZ, 17. Juni 1901 (Α.), S. 2. Vgl. ibid.; VZ, 17. Juni 1901 (Α.), S. 1-2; Germania, 18. Juni 1901, S. 1. Ibid. Vgl. HEDINGER, Bismarck-Denkmäler, S. 279; McGUIRE, Bismarck in Walhalla, S. 149152.
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nographisch war das Berliner B i s m a r c k - D e n k m a l v o n dieser enthistorisierenden Monumentalität durchaus n o c h entfernt 3 0 3 , semantisch schien B i i l o w sie hier s c h o n mit z u assoziieren. D i e Festreden entwarfen mithin e i n BismarckBild, das zwar auch, aber eher am Rande auf die militärisch potente, sonst aber vor a l l e m a u f die geeinte und machtbewußte N a t i o n zielte und p o c h t e n in einer latenten G e g e n b e w e g u n g g e g e n die Stilisierungen W i l h e l m s I. durch d e n K a i ser auf d e m historischen Anteil Bismarcks an der Reichsgründung. K l a n g e n i m Bismarck-Kult u n d in der Programmatik zahlreicher Denkmäler, die z e i t g l e i c h und später i m R e i c h entstanden, gelegentlich kaiserkritische T ö n e an 3 0 4 , b e dingte die sonst i m R e i c h untypische Staatsnähe 3 0 5 , in der das Berliner M o n u ment zustandekam, daß dergleichen Konnotationen in Berlin ausblieben. D i e R e s o n a n z der politischen Tagespresse eröffnete e i n durchaus breites Meinungsspektrum. D i e National-Zeitung
ordnete das n e u e D e n k m a l e b e n s o
d e m konstitutionell konnotierten Reichstag w i e der militärisch besetzten Siegessäule zu 3 0 6 , verklärte Bismarck aber vor allem z u m Befreier der Nation: Er hat die Schranke, die uns als Nation von dem Leben in der Welt, von der Theilnahme an den Weltangelegenheiten, von der Bethätigung unseres Volksthums in der Weltwirtschaft und dem Welthandel trennte, gebrochen. (...) Deutsche Schiffe bedecken die Meere und der Nation
303
304 305 306
Das 1901 auf dem Königsplatz enthüllte Bismarck-Denkmal zeigte die über 6 Meter hohe Bronzefigur des Kanzlers in Kürassieruniform. Vgl. NZ, 16. Juni 1901 (M.), S. 1-3; Germania, 19. Juni 1901 (B.), S. 2; [An.,] Das Bismarckdenkmal vor dem Reichstagsgebäude, Berlin o. J., hier S. 5-11. Das Postament umgaben vier allegorische Nebenfiguren. Der Reichstagsfront zugekehrt schmiedete eine Siegfried-Gestalt das Schwert, »mit dem die deutsche Einheit erkämpft worden ist«; vgl. Adolf ROSENBERG, Die Entwürfe für das Bismarckdenkmal in Berlin, in: Kunstchronik 9 (1897/98) Sp. 37-41, hier Sp. 41. Vgl. auch [An.,] Zum Bismarckdenkmal vor dem Reichstagsgebäude, Berlin 1901; Entwuerfe zu dem Denkmal fuer Seine Durchlaucht den Fuersten Bismarck in der Reichshauptstadt, Berlin 1895 (Sammelmappe hervorragender Concurrenz-Entwuerfe) und Bruno GARLEPP (Hg.), Bismarck-Denkmal für das deutsche Volk, Berlin 1915. In Augenhöhe des Betrachters illustrierte eine Reliefsequenz auf dem Postamentunterbau die Stationen der Nationswerdung episodenhaft anhand der populären Figur des Deutschen Michel, auf der Rückfront anhand der Germania-Figur. Die Ikonographie zielte auf die Reichseinigung als insbesondere von Bismarck bewerkstelligten Akt ab. Unklar blieb die Bedeutung des Schriftstücks oder der »Staatsurkunde« (Germania, ibid.), die der bronzene Kanzler in der Hand hielt. Keine der zeitgenössischen Beschreibungen assoziierte jedenfalls die Verfassung des Reiches oder nutzte das Versatzstück, um über die Konstitution zu räsonieren. Ansonsten entsprach die figurale Darstellung durchaus zahlreichen früheren Kanzlerdenkmälem, die v.a. nach Bismarcks Tod 1898 boomartig das Reich überschwemmten. Vgl. HEDINGER, Bismarck-Denkmäler, S. 279-280 und GALL, Die Germania als Symbol nationaler Identität, S. 53. Vgl. GALL, Die Deutschen und Bismarck, S. 528-529; PÖLS, BisJmarckverehrung, S. 197. Vgl. dazu Einleitung, Kapitel II.2.2. j NZ, 16. Juni 1901 (M.), S. 1: »Die Siegessäule, das Haus des Reichstages, das Standbild Bismarcks - es giebt Keinen (...), der von diesem Dreiklang nicht ergriffen würde. In diesem Akkord ist die Gründung des neuen deutschen Reiches zusammengefaßt.«
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der >Denker und Dichten schreibt die Eifersucht und die Sorge der Nachbarn Welteroberungsgedanken zu
Ethnozentrische Selbstbespiegelung (»Volksthum«) und machtpolitisch offensives Bekenntnis zum Imperialismus erschienen damit verknüpft. Bismarck stand für den Wandel der ehedem kompensatorisch auf Kulturwerte kaprizierten zur nun auch expansionswilligen Nation. Die imperialistische Dimension, der der Nationsbegriff auf diesem Wege zugeordnet wurde, zeugte zugleich von der spezifischen Empfänglichkeit des Nationalliberalismus für die Idee einer Art weltpolitischen Mission der deutschen Nation. Das nationalliberale Blatt argumentierte damit ganz in den Bahnen eines kritiklosen BismarckMythos, der sich nicht nur mit der Priorität des Einheits- und Machtstaates abgefunden, sondern der auch den freiheitlichen Wertekanon des Liberalismus gleichsam als Traditionsballast abgestreift hatte und jedenfalls nicht mehr dazu benutzte, ein alternatives Nationsbild zu imaginieren308. Die liberale Vossische Zeitung thematisierte demgegenüber nicht nur die anfangliche und langjährige Umstrittenheit der politischen Figur, sondern auch in besonderer Weise die ehemalige Gegnerschaft der »liberale[n] Partei«309. Daß sie hatte aufgegeben werden können, wurde hellsichtig darauf zurückgeführt, daß die Liberalen die »Thätigkeit des Fürsten Bismarck auf dem Gebiete der inneren Politik«, wo in der Tat »manches hätte anders werden können und sollen, als es wurde«, nachrangig gewichteten gegenüber »seiner Großartigkeit in der Diplomatie und der schöpferischen Kraft der Staatsbildung.« Die Anerkennung dieser Prioritätenfolge und der Verzicht auf die freiheitliche Programmatik des Liberalismus bildeten eingestandenermaßen die Prämisse für einen liberalen Bismarck-Kult, während im »nationale[n] Gedanke[n]« die alles überragende Konsensidee zwischen dem Kanzler und den Liberalen ausgemacht wurde310. Mit dieser Deutung war die Vossische Zeitung längst auf eine gleichsam resignative Sicht eingeschwenkt, die ihr noch zwei Jahre nach der Reichsgründung durchaus fern gelegen hatte. Anläßlich des militärischen Pomps, mit dem die Siegessäule zur Erinnerung der Reichseinigungskriege am Sedantag 1873 eingeweiht worden war, hatte die Vossische nämlich nicht vergessen, auf den nach wie vor drängenden »Willen (...) der Nation« zu verweisen, »neben der nationalen Einheit auch die volle Frucht wahrhaft constitutioneller Freiheit« herbeizuführen311. 1901 hingegen unterblieb der Rekurs auf die Tradition von Freiheitswerten. 307 308
309 3,0 311
Ibid. Vgl. Wolfgang HARDTWIG, Erinnerung, Wissenschaft, Mythos. Nationale Geschichtsbilder und politische Symbole in der Reichsgründungsära und im Kaiserreich, in: DERS., Geschichtskultur, S. 224-263, hier S. 243. VZ, 16. Juni 1901, S. 1. Vgl. ibid. Vgl. VZ, 2. September 1873, S. 1; vgl. auch Germania, 18. Juni 1901, S. 2.
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Die linksliberale Freisinnige Zeitung sah sich noch nachdrücklicher gezwungen, die langjährige Parteinahme des Linksliberalismus gegen das bismarcksche System in Erinnerung zu rufen, »welches alle Freisinnigen als (...) dem Liberalismus entgegengesetzt, im Interesse von Volk und Vaterland zu bekämpfen stets für ihre patriotische Pflicht erachtet haben«312. Hier wurde nun behauptet, daß die innenpolitische Nationskonzeption des Liberalismus mit der Bismarckschen keinesfalls kompatibel gewesen sei. Dem BismarckMythos konnte die Freisinnige Zeitung unter diesen Umständen nicht folgen313. Rigoroser nahm sich am Ende nur das Votum des Vorwärts aus. Hier wurde zunächst die denkmaltopographische Stimmigkeit von Reichstagsgebäude und Kanzlermonument am Königsplatz geleugnet, sofern der »Reichstag (...) in seiner Mehrheit ebenso wenig bismärckisch, wie Bismarck jemals parlamentarisch gesinnt« gewesen sei314. Bismarck erschien dem Vorwärts als »einer der erfolgreichsten und gewaltthätigsten Routiniers der rohen Machttaktik«, der Außen- wie Innenpolitik gewaltsam betrieb, so daß sich zu seiner Verehrung nur »die Schürer politischer und socialer Unterdrückung, die Prediger brutaler Gewalt zum Heile der Besitzenden« bereitfinden konnten, während »chauvinistischer Nationalstolz und Rassenhetze grassierten«315. Vor allem brandmarkte der Vorwärts die politische Kehrtwende des »Bürgertums«, das in der Machtallianz mit Bismarck »den einstigen Liberalismus« verraten und der Bildimg eines »reaktionär verstümmelten« Nationalstaats zugestimmt habe. Demgegenüber erweise sich einzig die Sozialdemokratie als Hort des »Kulturidealismus« und würde - wie der Vorwärts im Rahmen einer mit dem Borussianismus konkurrierenden Teleologie unterstellte - am Ende die Avantgarde einer »modernen Entwicklung (...) zur internationalen Demokratie und zum Socialismus« bilden . »Proletariat« und »Arbeiterklasse« , für die die »Sozialistengesetze« eine dauerhafte Erinnerung an die Exklusion aus dem nationalen Verband bedeuteten, konnten sich demnach im Kult der bismarckschen Nation keinesfalls wiederfinden. Weniger pompös inszeniert und ausführlich kommentiert nahm sich demgegenüber schließlich die im Spätjahr 1904 außerhalb des Urbanen Raums in den nordwestlich von Berlin gelegenen Müggelbergen eingeweihte Bismarck-Warte als Pendant zum im südwestlichen Grunewald aufgestellten Kaiser Wilhelm-Turm aus319. Hier gelangte allerdings nur ein kritiklos-emphatischer Bis3.2 3.3 314 315 316 317 318 319
Freisinnige Zeitung, 16. Juni 1901, S. 1. Vgl. ibid.; ähnlich Die Hilfe 25 (23. Juni) 1901, S. 2. Vgl. Vorwärts, 16. Juni 1901, S. 1. Ibid. Vgl. ibid. und Vorwärts, 16. Juni 1901, S. 2. Vorwärts, 16. Juni 1901, S. 1. Vgl. Die Neue Zeit, 19. Jahrgang, Bd. 2, Nr. 36 (1900-1901) S. 289-292, hier S. 291. Vgl. NZ, 17. Oktober 1904 (Α.), S. 2. Es nahmen neben regionalen Vereinen aus den Kreisen Teltow und Nieder-Bamim auch der Oberpräsident der Provinz Brandenburg Beth-
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marck-Mythos zur rhetorisch-semantischen Neuauflage, wonach die mit Bismarck konnotierte Nation allem voran die Heraufkunft exzeptioneller »Größe des Vaterlandes« erwarten durfte320. Die Deutungsmuster waren im Vergleich mit dem, was noch 1901 vor dem Urbanen Denkmal auf dem Königsplatz geäußert worden war, drastisch simplifiziert und militaristisch vereindeutigt. Aspekte der Binnenkonstituierung der Nation gingen demgegenüber in einer absorbierenden »Volks«- und »Einheits«-Idee unter321. Enthistorisierung und Abstraktheit der Form erwiesen sich hier ähnlich wie bei den landesweit entstandenen Bismarck-Säulen als Versuch der Konsenswerbung, während programmatisch wie schon beim Berliner Bismarck vor dem Reichstagsgebäude der »Volks«-Begriff zum numinos-mystischen Sinnbezug bestimmt wurde. Daß die Steigerung zur martialischen Form mit einem 1901 so noch nicht artikulierten Bewußtsein einherging, wonach die von Bismarck glorreich verkörperte Nation womöglich im kollektiven Opfergang gewaltsam verteidigt werden mußte, entsprach Bedrohungsassoziationen, Krisenempfindungen und einem erhöhten »nationalen« Selbstvergewisserungsbedarf, wie sie auch bereits als entscheidende Motivationen in der landesweiten Errichtungswelle von Bismarck-Türmen ihren symbolischen Niederschlag gefunden hatten. Als »Denkmal der nationalen Sammlung«, als das Nipperdey in seiner klassischen Typologie die Bismarck-Denkmäler generell qualifiziert hat322, konnten die Berliner Monumente höchstens partiell gelten. Zwar stilisierten die Redner vor allem 1901 - im Sinne des Nipperdeyschen Typus - den Kanzler zu einem »gemeinschaftsstifitenden Ursymbol der Nation« und zielten auf einen integrativen Effekt vor allem durch den Appell an die »Volks«-Nation, während demgegenüber das Pathos hinsichtlich der Kaiserfigur peripher erschien. Andererseits machte bereits die Rezeption im Spiegel der veröffentlichten Meinung nur allzu deutlich, daß der Popularitätstopos mindestens im linksliberalen und sozialdemokratischen Meinungslager nicht verfing. Erst mit dem Müggelberger Bismarck-Turm schloß man ikonographisch und programmatisch dichter zur reichsweiten Bismarck-Kultbewegung auf, indem nun Enthistorisierungstopoi und martialisch-abstrakte Form die Nationsidee zum Platzhalter mythisch-vager Größenerwartung machten.
320 321 322
mann-Hollweg und Regierungspräsident von der Schulenburg teil. Vgl. den Sammelaufruf der v. a. bildungsbürgerlichen Initiatoren (»Verein Bismarck-Warte Westend«) GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20897, Bl. 59. Vgl. RENISCH, Überblick, S. 29-36, und hier v.a. S. 33; NZ, 17. Oktober 1904 (Α.), S. 2. Vorwärts, 18. Oktober 1904 (2. B.), S. 3. Vgl. NIPPERDEY, Nationalidee, S. 573 und 577.
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3. London: Victoria-Kult zwischen Affekt und Empire
3.1. Einübung der öffentlichen Emotionale und metropolitane
Kultgeste: Akzente
Denkmäler für Queen Viktoria sind in London ähnlich wie landesweit erst kurz vor der Jahrhundertwende und damit deutlich später als in Berlin zustandegekommen 323 . Unterdessen hatte sich allerdings längst mit den seit den 1860er Jahren entstandenen Albert-Denkmälern eine Art kaschierter Monarchenkult abgezeichnet, indem diese sich entweder vom Projektstadium bis zur öffentlichen Inszenierung ohnedies dem Engagement Victorias verdankten oder von den städtischen oder privaten Denkmalstiftern mit Loyalitätsbekundungen gegenüber der Monarchin so eng verquickt erschienen, daß sie ungeachtet eigener Themenschwerpunkte als quasi-monarchische Zeichensetzungen beabsichtigt waren und wahrgenommen wurden324. Die vier Londoner Denkmäler, die nach 1893 für Victoria entstanden, dokumentierten mm einen neuen Boom monarchischer Repräsentation und Inszenierungsambition, der sich erst seit den späten 1880er Jahren unter dem Eindruck der erfolgreichen Orchestrierung der beiden Thronjubiläen 1887 und 1897 in Großbritannien wieder abzuzeichnen begonnen hatte. Nach ihrer von national-politischen Hoffnungen begleiteten Thronbesteigung 1837 hatte sich Victoria rasch im Prestigeschatten ihres politisch umtriebigen Gatten Albert wiedergefunden 325 . Bis über seinen
323
324
325
Von den sieben in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. in London entstandenen Monarchendenkmälern waren nur drei nicht Queen Victoria, sondern eine Edward VII., eine zweite seiner Gattin Alexandra und eine weitere der Queen Anne gewidmet (vgl. zu beiden Kapitel VIII.3). Bis die ersten Victoria-Denkmäler entstanden, verfügte London bereits über zahlreiche Monarchendenkmäler. Von 1676 stammte das Denkmal für Charles I. an Charing Cross, von 1685 dasjenige James' II. in Whitehall; es folgten u.a. 1712 die Statue für Anne vor St. Paul's und 1748 das Reiterstandbild für George I. in Leicester Square. Dazu kamen 1808 das Denkmal für William III. auf St. James's Square und 1836 für George III. am Ostende von Pall Mall. Vgl. dazu [An.,] Correspondence and documents respecting the proposed monument to the memory of His Late Majesty King George III. Printed from the Committee Books. For the use of the Committee alone, London 1822. Bereits während Victorias Regentschaft waren 1843 ein George IV.-Denkmal am nordöstlichen Ende von Trafalgar Square und 1844 ein Monument für William IV. an der King William Street aufgestellt worden. Vgl. The Standard, 15. Mai 1911 [»Royal Statues«] und Public Statues &c., in: HoC PP Paper N° 366, Bd. 30, S. 593; weiter BLACKWOOD, London's immortals, S. 16-54. Anders als CANNADINE, The context, u.a. S. 124, mit seiner These zum monarchischen Ritus nahelegt, begann von daher die Stilisierung der Krone zum »unifying symbol« als Versuch der Kompensation sozioökonomischen und politischen Wandels im Rahmen öffentlicher Denkmalsetzungen mindestens indirekt bereits in den 1860er Jahren. Vgl. [An.,] The patriot Queen, London 1837, S. 71-82 und [An.,] Letter to the Queen on the state of the monarchy, by a friend of the people, London 41838, S. 45f.
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Tod hinaus blieb sie Ziel republikanischer Attacken gegen dessen konstitutionell angeblich ungesicherte Position und den Kostenfaktor, mit dem die Monarchie den reformbedürftigen Staat belastete. Erst durch ihre Rückkehr aus der weitgehenden und vielkritisierten Isolierung von der Öffentlichkeit326 hatte Victoria allmählich wieder Popularität zurückgewonnen327. Ende Juni 1893 noch zu Victorias Lebzeiten konnte nun in den Kensington Gardens in der Nähe jenes Palastteils, in dem die Monarchin geboren worden war, die erste der bereits seit den 1860er Jahren landesweit zustandegekommenen328 und nun zahlreich auch als Innenmonumente aufgestellten Londoner Statuen für Queen Victoria enthüllt werden329. Am Festtag waren lange vor der Ankunft der Königin, die die Enthüllung selbst vornehmen sollte, die Zufahrtsstraße zu den Kensington Gardens und der Fahrweg in der Anlage bis zum Denkmal mit Trophäen und Flaggen zu einer Feststraße geschmückt. Zum Festszenario gehörte umtriebiger Souvenierhandel mit Portraitbildern der Königin und des Duke of York, dazu Plaketten und Schleifen und schließlich auch das Programm zur anstehenden Feier330. Der Kult um die Monarchin, den selbst ihr Gatte Albert jedenfalls zu Lebzeiten so nicht erfahren hatte, wurde anders als bei öffentlichen Denkmalstiftungen sonst üblich, nicht erst im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Monument gestiftet, sondern ging der Enthüllungsfeier in seiner ebenso populären wie durchaus trivialisierten Variante in Gestalt des Verkaufs von Memorabilien voraus. Nach beiden Seiten hin 326
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Vgl. [An.,] Remarks on certain anonymous articles designed to render the Queen unpopular with the explosure of their authorship, Gloucester 1864, S. 89 u.ö.; [An.,] Letter to the Queen on her retirement from Public Life, by one of Her Majesty's most loyal subjects, London 1875. Zur Kritik am Rückzug vgl. auch HOMANS, Royal representations, S. 5867. Vgl. [An.,] What is the use of Kings? and how the question was answered: a national ballad (...), London 1872, S. 7: »The nations, like man, have a soul / - Nations are not dead - / ( . . . ) And round a good Monarchy they live and move - / And that is the use of Kings!« [H. i. O.] Vgl. sonst CANNADINE, The context, passim; zur republikanischen Kritik WILLIAMS, The contentious crown, S. 93-106. Zum Effekt der »Jubilees« vgl. die bereits im Überblick zur Festforschung genannte Literatur. Auf die Kontinuität der Parlamentseröffnungen verweist Walter L. ARNSTEIN, Queen Victoria opens Parliament: the Disinvention of Tradition, in: HR 63 (1990) S. 178-194. Auch in den Provinzstädten hatten Monarchendenkmäler erst seit den 1870er und 1880er Konjunktur. Landesweit bezogen sich etwa 25 und damit mehr als alle zuvor entstandenen Victoria-Denkmäler gezielt auf die Feier des »Golden Jubilee« von 1887; zwischen dem »Diamond Jubilee« von 1897 und 1924 folgten allein in England noch einmal fast 100 Statuen; vgl. DARBY, Statues of Queen Victoria and Prince Albert, S. 30-31; RICHARDS, The image of Victoria, S. 17; READ, Victorian Sculpture, passim (vgl. dort das Register). Neben dem Mausoleum in Frogmore bei Windsor entstanden u.a. öffentliche Denkmäler in Leeds (1905), Liverpool (1869/70 und 1906), Manchester (1901) und Dublin (1908). Vgl. auch The Times, 7. Oktober 1887, S. 7 [New statues of the Queen], Vgl. zum Folgenden The Daily Telegraph, 29. Juni 1893, S. 5; The Evening Standard, 28. Juni 1893, S. 5; The Morning Post, 29. Juni 1893, S. 5. Vgl. ibid.
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erlaubte dies Inklusionen: Einerseits erhöhte sich so die Zahl der Kultfiguren um als besonders monarchietreu geltendes Personal, andererseits brachte der Souvenierhandel die sonst auf einen reinen Zuschauerstatus reduzierte und hinter Barrieren zurückgehaltene Menge in den Besitz von Abbildungen der monarchischen Kultfigur. Der Handel machte also Erinnerungszeichen zugänglich, die von ihren Käufern später je neu wieder mit dem Tag der Denkmalenthüllung in Verbindung gebracht werden konnten. Im hohen Kultaufwand spiegelte sich damit nicht nur der Selbstdarstellungsehrgeiz des Kensingtoner Stadtteils wider, sondern auch das öffentliche Interesse am Auftritt der Queen, dem seit ihrer Rückkehr aus der selbstgewählten Zurückgezogenheit Mitte der 1870er Jahre je neu Züge einer nachgerade mystischen Wiederkehr und einer erlösenden Kompensation lange entbehrter Verkörperung und Visualisierung der Nation durch die Monarchin anzuhaften schienen331. Die Statue selbst war mit einem riesigen Union-Jack verhüllt und von zwei berittenen Gardesoldaten bewacht und auf diese Weise nicht nur den Blicken der Wartenden entzogen, sondern bereits als national intendiertes Symbol ausgewiesen 332 . Soldaten der Garde umstanden weiträumig den Festplatz, während beiderseits der Zufahrtsstraße zum Denkmal je zwei Festzelte für die Ehrengäste bereitgestellt wurden 333 . Nach dem Herrscherempfang durch einen Abgeordneten und das Denkmalkomitee am Bahnhof 334 geleitete man die Regentin in einer königlichen Kutsche mit berittener Eskorte zum Festplatz, wo sich die Förmlichkeit des Zeremoniells indessen zusehends verflüchtigte. Vor dem Denkmal erfolgte die Begrüßung der seit Alberts Tod in schwarze Witwentracht gekleideten Königin durch ihre Kinder Prinzessin Louise und den Prince of Wales. Die Willkommensadresse vom konservativen Parlamentsabgeordneten des Kensington Borough und Eigentümer der Morning Post Sir Algernon Borthwick erwiderte die Queen mit einer kurzen Replik, bevor die Enthüllung unter den Klängen der Nationalhymne, Hochrufen der Zuschauer und dem Salut der Truppen vorgenommen wurde 335 .
331
332 333 334 335
Vgl. [An.,], Letter to the Queen on her retirement, S. 16: »The want of a personal representative is urgently felt by the nation at large. (...) [That] the inhabitants of one country [need to] have recourse to imagery is testified by the habit into which painters and writers have fallen of symbolizing the nation they describe or depict under some ideal form, either that of a conventional figure, as a Britannia, or John Bull, or the British Lion, or of some living notability, as the ruler of the particular State which they wish to personify. Now the advantage, nay the necessity, of having some one individual to speak and act for the people is never so apparent as on the occasion when (...) the Sovereign in person (...) can be alone empowered to act for the nation.« Vgl. The Morning Post, 29. Juni 1893, S. 5. Vgl. ibid. Vgl. ibid. Vgl. ibid.
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Schließlich wurden der Monarchin nicht nur die Mitglieder des Denkmalkomitees vorgestellt, sondern auch die überwiegend adligen Frauen und Mütter von Kindern, die zuvor Blumen am Denkmal niedergelegt hatten336. Diese Geste verlieh den Frauen zum einen außergewöhnliche rituelle Prominenz im Festprogramm und schien zum anderen darauf gerichtet, fast gleichnishaft die Mutterrolle widerzuspiegeln, über die hier auch Victoria mehr als über jede politische Konnotation wahrgenommen werden konnte. Als letztes Indiz für dieses Deutungsmuster erwies sich der weitere Verlauf der Feier, die vollends familiären Charakter anzunehmen schien, indem sich nun auch die zahlreichen näheren und ferneren Mitglieder der königlichen Familie um Victoria scharten und dergleichen Begrüßungen mehr Zeit in Anspruch nahmen, als alle übrigen Programmpunkte337. Die Exklusivität des Zeremoniells, in dessen Verlauf die Königin am meisten ihre eigenen Angehörigen, am Rande auch das Komitee, nicht indessen ausdrücklich die Zuschauermenge adressierte, blieb in krassem Mißverhältnis zum Aufwand, mit dem die Ankunft der Monarchin vorbereitet worden war, während sie nach kurzem Auftritt in der königlichen Kutsche und unter dem Spiel von Militärkapellen den Festplatz zügig wieder verließ und abreiste. Borthwicks Grußadresse namens der Einwohner von Kensington wartete mit sprachlichen Huldigungsgesten angesichts einer fur göttlich gesegnet und gut befundenen monarchischen Regierung auf338. Die Denkmaifeier motivierte er mit dem Bedürfiiis nach einer eigenen Ehrung des Thronjubiläums von 1887 und als Ausdruck emotionaler Verbundenheit und einer »loyal and deep gratitude« gegenüber dem »much-loved Sovereign«339. Indem sie programmgemäß kurz auf die Begrüßimg reagierte, wahrte die Monarchin den gleichsam intimen Charakter des Schenkungsaktes, umging alle politischen Implikationen ihrer Rolle oder der Monarchie und erwiderte die Gabe ihrerseits mit emotionsbezogenen Dankesformeln340. Die kurzen, dialoghaft angeordneten Reden folgten nicht nur der Rollenlogik von Untertanen und Regentin, sie sparten ein nationalpolitisches Vokabular regelrecht aus und verlegten sich statt dessen beiderseits darauf, gleichsam apolitische Vertrautheit und Nähe zu bekunden und damit die monarchische Loyalität unausgesprochen zur einer nicht hintergehbaren Disposition zu erklären, die nicht nur für die Bewohner von Ken-
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Vgl. ibid. Dem Daily Telegraph, 29. Juni 1893, S. 5, zufolge dauerte die interne Begrüßungszeremonie etwa 20 Minuten und damit länger als der gesamte rituelle Vorspann. Vgl. ibid. Ibid. Vgl. ibid.: »I thank you very heartily for your loyal address (...). It gives me great pleasure to be here on this occasion, in my dear old homes.«
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sington galt, sondern auf die Gesamtgesellschaft des Landes wie des Empire hochgerechnet werden sollte341. Vor allem die konservativen Organe erkannten im Zeremoniell eine Art veröffentlichten Privatakt, der dazu angetan war, Loyalität für die Monarchin als Privatperson und Familienvorstand einzuwerben: »Any event that concerns the domestic life of the Queen and her family is certain to interest the people at large - >the masses< as well as >the classes«No Sovereign^« Vgl. The Manchester Guardian, 17. Mai 1911, S. 8. Vgl. Paul WARD, Red Flag and Union Jack. Englishness, Patriotism and the British Left, 1881-1924, London 1998, S. 102-118. Vgl. The Standard, 15. Mai 1911, S. 7.
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Vetomacht der Lords einherging399, bildete die Negativfolie regelrecht überschwenglicher Kaiser-Elogen: The rise and progress of the German Empire have occured under what is an almost absolute monarchy. No democracy can match the German achievement to-day. (...) the welfare, puissance, and prosperity of Germany is due to her Emperor (...). The English nation must provide his Imperial Majesty with a continually surprising spectacle (...): the people have elected to power a clique of democrats who are openly engaged in setting up an oligarchy. (...) Germany has risen and flourished under the operation of very different principles. Among them is the maxim recently enunciated by the German Chancellor, that nations which are too lazy to provide for their own defence must eventually fall a prey to the stronger
Denkmaleinweihung und Kaiserbesuch provozierten den Standard fast zu einer rechtskonservativen Philippika gegen die demokratisch ambitionierte, seiner Diagnose nach in einer Krise befindliche Nation, die sich in Egalisierungsanstrengungen verlor und im weltmachtpolitischen Konkurrenzkampf ins Hintertreffen zu geraten drohte. Autoritarismus und Militarismus des Reichs wurden nicht zum Gegenstand der Kritik, sondern der Anerkennung, weil sie die außen- und militärpolitische Effizienz der deutschen Nation steigerten401. Daß der Standard nach langen Jahren des deutsch-englischen Antagonismus bereits die Annäherungsphase der Staaten nutzte, ausgerechnet das sonst einer »inferior civilisation«402 und unlauterer Machtambitionen verdächtigte Reich und seinen autoritären Exponenten zur vorbildhaften Nation zu stilisieren, und der provokante Ton, in dem dies geschah, waren deutliche Indizien für die Verhärtung der innenpolitischen Fronten zwischen liberalen und konservativen Kräften und für den Dissens über ein ideales Nationskonzept, das zur Verwirklichimg anstand. An zwei Stellen setzte der Standard zur Fundamentalkritik an: Zum einen sah er die politische und wirtschaftliche Kultur des Liberalismus diskreditiert, die die Gesellschaft invidualisiere und atomisiere, statt sie hinter einem gemeinsamen nationalen Interesse zu scharen. Zum anderen forderte er mit dem Hinweis auf das Verfahren im deutschen Kaiserreich dringend die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht403, die ebenso effizienzsteigernd wie integrierend wirken würde. Das Postulat autoritärer Durchstrukturierung des zivilen wie des militärischen Teils der Nation verband sich mit unverblümter Parlamentarismus- und Demokratiekritik und resultierte aus massivem Ungenügen am klassischen liberalen Paradigma von politisch partizipatorischer und ökonomi-
399
400 401 402 403
Vgl. u.a. G.R. SEARLE, Critics of Edwardian Society: The case of the Radical Right, in: Alan O'DAY (Hg ), The Edwardian Age, London und Basingstoke 1979, S. 79-96. The Standard, 15. Mai 1911, S. 7. Vgl. ibid. Ibid. Vgl. ibid. Zum Postulat der »nation in arms« als Integrationsmodus vgl. Anne SUMMERS, Edwardian militarism, passim.
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scher laisser-faire-Gesellschaft. Das belegten die Exkurse zu den freilich sozialkonservativ idealisierten Verhältnissen im Reich: We have not yet come to understand that the immense and swift progress of Germany is largely due to the identification of the State with the people. In Germany every department of national activity is not the private affair of a section of the community but a national concern. (...) the individual is subordinated to the State
Mit der Fiktion einer modernen Nation, in der der Staat und seine scheinbar monolithische Gesellschaft kongruent erschienen, die organisch konstituiert, nach innen interventionistisch zu lenken und nach außen machtpolitisch zu repräsentieren war, machte sich der Standard endgültig Argumente eines radikalen Konservatismus zu eigen, der die Liberalen nicht anders als die unter Balfour schwächelnde konservative Opposition treffen sollte405. Im eigentlichen Kommentar zum Denkmalfest rang sich der Standard kurzfristig zu einem positiven Votum zur »Victorian Era« durch406, um den Tenor seiner Kritik aber unvermittelt wiederaufzugreifen407. Der Anblick des Monarchendenkmals reizte den vom Radikalkonservativismus infiltrierten Standard mithin weniger zu einem emphatisch-traditionalen als zu einem Nationsentwurf, der mit Reformforderungen nach den Kriterien einer Effizienz-Ethik nach der zivilen wie der militärischen Seite der nationalen Ordnung hin verbunden war. Hierin spiegelte sich die Frustration über die militärische Krise wider, die zu Jahrhundertbeginn der Burenkrieg provoziert hatte, nicht anders als über die tiefe Krise des Konservativismus, dem seit 1905 aufgrund interner Fraktionierung kein Wahlsieg mehr gelungen war. Innerhalb eines vielstimmigen Presseechos blieben die sozialimperialistischen Töne des Standard zwar isoliert, die öffentliche Rezeption der Feierlichkeiten verharrte aber generell keinesfalls im Stadium einhelligen Monarchenkults. Statt dessen bot sie insbesondere im konservativen Meinungslager Anlaß zu Verfallsdiagnosen und der Entwicklung einer massiv Parlamentarismus· und demokratieskeptischen Zielutopie der Nation. Aus der Summe der Victoria-Monumente und ihrer Inszenierungen ergab sich damit ein facettenreiches Nationsbild. Die Idee der quasi-familiären Affektgemeinschaft blieb dabei als Grundtenor im Hintergrund erhalten. Eine geschlechtsstereotype Sonderrhetorik um die weibliche Kultfigur unterstützte diese Konnotation aber eher in der früheren Kultphase in London Anfang der 1890er Jahre und er404 405
406 407
Ibid. Vgl. u.a. BAUERKÄMPER, Die »radikale Rechte«, S. 23-55; Ulrike KlRCHBERGER, The German National League in Britain an Ideas of a German Overseas Empire, in: EHQ 29 (1999) S. 451-483. Vgl. The Standard, 17. Mai 1911, S. 8. Ibid.: »We (...) shall have to establish the ethical State, to regard society as an organism, not as a collection of unrelated units, to realise that a nation is bound together by a nexus of obligations and services. We must get rid of the Victorian hard, mechanical utilitarianism and exchange it for a faith at once more human and more scientific.«
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klärte sich dann ganz erheblich aus dem Umstand, daß das erst seit den Jubiläumsfeierlichkeiten von 1887 definitive Ende des Rückzugs Victorias aus der Öffentlichkeit noch neu war und entsprechend emphatisch quittiert wurde. Städtische Stifter unterstrichen die Kompatibilität von metropolitanem Sonderbewußtsein und nationalem Kult und assoziierten das Bild der regional und lokal zwar binnendifferenzierten, gleichwohl aber kohärenten Nation. Die offiziös-monarchische Selbstinszenierung hingegen akzentuierte 1911 deutlich stärker imperiale, militärische und gelegentlich konfessionelle Konnotationen. Inszenierung und Programmatik des Monarchenkults folgten nach dem Tod Victorias zwar schon allein der extrem kurzen Regentschaft Edwards VII. und der noch nachwirkenden dominanten Popularität der verstorbenen Monarchin wegen notwendig anderen Regeln. Gleichwohl kam neben der späteren offiziösen noch vor dem Krieg erneut eine dezidiert lokale Initiative zum Zuge. Nur ein halbes Jahr nach der Einweihung des Victoria Memorial vor Buckingham Palace konnte bereits ein Standbild für ihren Anfang Mai 1910 verstorbenen Sohn Edward VII. in Tooting Broadway im Borough von Wandsworth im südwestlichen Stadtgebiet gefeiert werden, während ein zentral positioniertes »national memorial« in Waterloo Place erst 1921 fertiggestellt wurde. Das Fest von 1911 blieb dabei eng in lokalem Rahmen408. Der Mayor von Wandsworth äußerte sich erfreut darüber, daß nun dort das erste öffentliche Denkmal für Edward VII. in der »metropolitan area« entstanden sei, das womöglich schulbildend wirken würde und jedenfalls eine spezifische Loyalität des Boroughs gegenüber dem Regenten zum Ausdruck bringe. Edward VII. bezeichnete der Redner mit einer verbürgerlichenden Semantik als »English gentleman of the noblest type, an honourable sportsman, and a great philanthropist with even a thought for the poor«409 und rückte ihn damit gleichsam in die lebensweltliche Nähe zur bürgerlichen Mittelklasse und ihren Leitwerten und Normen. Lokaler Initiativkontext und der lange Schatten pompösen Viktoria-Kults ließen das Unterfangen allerdings marginal erscheinen. Daß mit dem seit den 1890er Jahren in London auflebenden monarchischen Ritual nicht einfach ein kultischer Bann gebrochen war, sollte sich rasch erweisen. Nach dem Tod Edwards nämlich hatte sich zwar auch auf offizieller Ebene eine Denkmalinitiative zugunsten des verstorbenen Regenten abgezeichnet410, fuhr sich aber in den Jahren vor 1914 in einer mühseligen Debatte um den Standort des »national memorial« regelrecht fest411. Unklarheiten über das Konzept des nationalen Denkmals noch vor Kriegsausbruch veranlaßten darüber hinaus die liberale Regierung Asquith, im Rahmen einer öffentlichen 408
409 410 411
Vgl. The Standard, 6. November 1911, S. 4. Es waren unter den etwa 8.000 Personen v.a. zahlreiche Repräsentanten der lokalen Verwaltung und Vertreter aus dem LCC zugegen. Vgl. ibid. Vgl. The Times, 2. Dezember 1910, S. 13. Vgl. die Leserbriefserie in The Times v.a. von März bis Mai 1911.
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Stellungnahme von der Idee eines zentralen, als national apostrophierten Monuments zugunsten einer landesweiten Streuung von »local memorials« abzurücken und nur in diesen Dimensionen dann auch eine Denkmalerrichtung in der Kapitale betreiben zu wollen412. Damit stand die regierungsoffizielle Stellungnahme im Begriff, mit dem traditionsreichen Konzept des monarchischen Nationaldenkmals zu brechen, als dessen einzig angemessener Ort bislang London veranschlagt, dessen Primärfimktion darin erkannt worden war, bereits im Planungsstadium landesweite Partizipation im Subskriptionsverfahren zu provozieren, und das sich schließlich aus der Fiktion speiste, Konsens und Homogenität der monarchischen Nation symbolisch sichtbar machen zu können. Zwar ging die aufgeregt-vielstimmige Diskussion um Formkonzepte und Standorte über die Verlautbarung hinweg und hantierte ungeachtet dessen immer wieder mit dem Begriff des »national memorial«413. Auch war die konzeptionelle Diskussion an sich wenig neu, sofern sie bereits die Planung des Albert Memorial im Hyde Park in den 1870er Jahren begleitet hatte414. Zudem einigte sich das Londoner Komitee rasch auf die Formel, daß das Denkmal zunächst in Form einer Statue entstehen sollte, während zusätzliche Projekte weiter als sekundärer Bestandteil des »memorial« erwogen werden konnten415, so daß sich das Verfahren mehr der anhaltenden Standortdebatte als der Konzeptfrage wegen verzögerte. Gleichwohl signalisierte die neuerliche Diskussion, daß Begriff und programmatische Fiktion des Nationaldenkmals selbst in Gestalt eines Monuments für den Monarchen zumindest in Form des reinen Personendenkmals als ergänzungsbedürftig erachtet wurden. Mochten vergleichbare Überlegungen nach dem Tod Queen Victorias infolge einer singulären Popularität der Monarchin ausgeblieben sein, tauchten sie nun angesichts deutlich geringerer Kultpotentiale Edwards VII. erneut auf. Nach Meinung zumindest vereinzelter Diskutanten sollte das Denkmal besser oder wenigstens zusätzlich in Gestalt einer öffentlichen, philanthropischkaritativen oder pädagogischen Institution als in der eines Personendenkmals umgesetzt werden. Die Alternativ- oder Ergänzungsprojekte legten dabei nahe, daß die Vorschläge aus einem diffusen Unbehagen an der faktischen Heterogenität der als Nation imaginierten Gemeinschaft, an anhaltender sozialer Ungleichheit, uneingelösten Partizipationsversprechen und mangelnder Integration des vielbeschworenen »Empire« erwuchsen. Nur so erschien jedenfalls 412
413 4.4 4.5
Vgl. Lloyd's Weekly Newspaper, 7. August 1910, S. 10: »His Majesty's Government (...) are disposed to think that the object in view would best be secured by local rather than national memorials.« Vgl. u.a. The Times, 24. März 1911, S. 8 und 31. März 1911, S. 7. Vgl. Teil 1, Kapitel II.3.1. Vgl. Mitteilung des Komitees an den First Commissioner of Works Earl Beauchamp, 8. November 1910, PRO Work 20/63 [up].
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plausibel, daß etwa in einem frühen Stadium der Planungen der Vertreter des Emigration Committee of the Central (Unemployed) Body of London G. Α. Williamson unter der Rubrik eines »fitting memorial of a great monarch« die Einrichtung von »Memorial Training Farms« propagierte, in denen junge Menschen vor allem aus den Urbanen Zentren der Kolonien systematisch in die Landwirtschaftsmethoden Großbritanniens eingeführt werden sollten, um ihnen die Integration in den britischen Agrarmarkt zu eröffnen und einer Überschwemmung der Industrie mit kolonialen Arbeitskräften entgegenzusteuem Weniger auf das Empire als auf das Mutterland selbst konzentrierte sich der Vorschlag der National League for Physical Education and Improvement, als Edward-Memorial landesweit und eben auch in London Hygiene- und Gesundheitsmuseen einzurichten, von deren Pädagogik »the largest possible number of the poorer and more suffering classes« profitieren und zu deren Hauptaufgaben eine effiziente Tuberkulose-Prävention gehören sollte417. Mit beiden Projekten wurde letztlich nicht nur eine ausschließlich monumentale Symbolik für unzureichend erklärt, sondern auch latent Integrationsund Egalitätsdefizite thematisiert und ihr Ausgleich im Gedächtniszeichen selbst angemahnt. Bis nach dem Krieg und im Vorfeld der Vollendung und Einweihung des Denkmals für Edward VII. im Juli 1921 allerdings setzte sich dieser Diskussionsansatz nicht durch. Das Verfahren wurde wieder aufgenommen, indem man die ebenfalls bis zuletzt umstrittene Standortfrage zugunsten von Waterloo Place klärte, obschon dafür der Transfer der Statue Lord Napiers of Magdala in Kauf zu nehmen war, und entschied sich im demonstrativen Rückgriff auf die monumentalen Fomtraditionen für ein Reiterdenkmal418. Die Idee einer Art sozial und politisch interaktiven Symbolik, die Erinnerungsleistung und pragmatischen Nutzeffekt miteinander kombinierte, ging darüber verloren.
416 417
418
Vgl. The The Times, 5. August 1910, S. 7. Vgl. auch [An.,] Proposal for a scheme of National Health Promotion as a Memorial to King Edward VII, London o. J. (The National League for Physical Education and Improvement), S. 5-7. Vgl. auch The Times, 25. März 1911, S. 9. Vgl. The Times, 16. August 1920, S. 7.
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4. Vergleich
Besonders auffällige Differenzen zwischen den drei Fällen ergaben sich zunächst im Blick auf die Chronologie der Kulte. Während der offiziöse Monarchenkult in Berlin bereits 1871 begann, entstand das erste Denkmal fur einen republikanischen Ministerpräsidenten in Paris erst 1888. Allerdings waren bis dahin bereits 1878, 1880 und 1883 drei der insgesamt vier République-Statuen errichtet worden. Gemessen an der späten Folge weiterer republikanischer Ministerdenkmäler in Paris erst nach der Jahrhundertwende nahm sich die Verspätung des royalistischen Kults in London deutlich weniger gravierend aus, zumal vor dem großen National Memorial vor Buckingham Palace 1911 bereits 1893, 1896 und 1904 Ehrungen kleineren Stils fur Queen Victoria erfolgt waren. Im Berliner Fall verdankte sich die extrem prompte Errichtung des Friedrich Wilhelm III.-Denkmals 1871 der Kontinuität eines politischen Systems, das bereits vor 1871 den Herrscherkult betrieb, und dem Umstand, daß hier ein Projekt zu Ende gebracht werden konnte, das bereits über 10 Jahre zuvor initiiert worden war. Immerhin folgte das pompöseste der Berliner Monumente für Wilhelm I. auch erst 1897. Die Gewichtung von Chronologien bleibt ohnedies ein zweifelhaftes Kriterium, indem hier der Beginn der Initiative mindestens ebenso zu berücksichtigen ist wie das Einweihungsdatum und zumindest die großen Projekte (Gambetta, Wilhelm I. auf der Schloßfreiheit, Victoria vor Buckingham Palace) faktisch im Durchschnitt bereits etwa 10 Jahre zuvor auf den Weg gebracht wurden. Nicht unerheblich ist schließlich das ebenso banale wie realitätsnahe Argument zu gewichten, daß Regenten und anderes Personal in der Regel erst posthum zu größter monumentaler Ehre gekommen sind, so daß hier biographische Zufälligkeiten Bedeutung erhielten, die nicht notwendig bereits für den Kultstatus einer Figur aussagekräftig waren. Victorias späte große Ehrung war dann maximal einer Art biographisch bedingtem Erinnerungsnachteil geschuldet, der indessen analytisch nicht veranschlagt werden kann. Zum Vergleich auf rituell-symbolischer Ebene zählt zunächst die Identifizierung der Festgesellschaften, die sich in den Hauptstädten um die monarchischen und republikanischen Monumente sammelten. Die Berliner Feiern waren hier in besonderem Maße militärisch geprägt, indem regelmäßig eine beträchtliche Zahl von Truppen, Veteranen, Kriegervereinen und ranghohen Militärs unter den elitären Gästen die Szene bestimmte, die die ebenfalls anwesende zivile Festgesellschaft meist quantitativ erheblich übertraf. Die Festplatzdekoration mit Standarten und die Untermalung mit Trommelwirbeln und Kanonensalven konnten diesen Eindruck nur unterstützen. Demgegenüber blieb in Paris die Einbeziehung militärischer Formationen im Rahmen der Gambetta-Feier 1888 weithin Episode. Allerdings sollte die
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regelmäßige Einbeziehung von Schulbataillonen und Tumervereinen die kollektive moralische und paramilitärische Mobilisierung der französischen Gemeinschaft zur Revanche illustrieren. Parallelen zeigten sich allerdings eher zwischen der Berliner Kultpraxis und dem Zeremoniell vor dem Londoner Victoria Memorial von 1911, indem nun auch in London das Militär markant die Szene beherrschte. Einzelne Truppenkontingente sind darüber hinaus bereits bei der Feier des Victoria-Denkmals in Kensington 1893 zugegen gewesen, ohne hier freilich Paraden vorzuführen oder außerhalb der Militäreskorte fur die königliche Karosse eine prominente Rolle im Ablauf der Feier zu erhalten. Das Profil der nicht-militärischen Festteilnehmer in Paris, Berlin und London differierte demgegenüber weniger. In Paris und Berlin waren mehrfach Festprozessionen von Vereinen und Gruppierungen zu beobachten, die eher berufsständisch differenziert auftraten. Die Einbeziehung von Arbeitern ist in Berlin nach den 1860er Jahren (vgl. das Thaer-Denkmal) und in London nicht erfolgt, blieb aber auch in Paris ein Phänomen, das ausschließlich auf die République-Feiern und selbst hier höchstens auf die Spätphase des Kults 1899 beschränkt blieb, als man die Arbeitersyndikate demonstrativ in die Feiern einbezog, um sie dem Rechtsnationalismus abzuwerben. Inklusionseffekte waren dennoch auch in Berlin zu verzeichnen, indem etwa 1897 katholische Vereine als Indiz für die Anpassungsambition von ehedem zu »Reichsfeinden« Deklarierten in einem bürgerlichem Festzug auftauchten. Frauen sind in allen drei Fällen nicht als Zelebranten und also genuine Nationsdeuter im Blick auf die monarchischen oder republikanischen Denkmäler aufgetreten: Dies gilt mit einer Ausnahme selbst für London, wo die Queen nur im Rahmen der Feier des ersten, Kensingtoner Denkmals 1893 das Wort ergriff, um dann aber kaum als programmatische Deuterin des nationalen Symbols aufzutreten. Umgekehrt sind im Rahmen der gleichen Londoner Feier die Mütter der defilierenden Kinder zu besonderer Ehre gekommen, indem sie unmittelbar mit der Monarchin in Kontakt kamen; die spezifische Voraussetzung der Geste war allerdings die das Fest prägende familiär-affektive Konnotierung der Nation, die in dieser Form auch in London singulär blieb. Im Blick auf die Zeremonien war zweitens die Prominenz unterschiedlich, die die politische Führung im Rahmen der Denkmalfeste für monarchisches oder republikanisches Personal und die Allegorien einnahm. In Berlin traten die regierenden Monarchen nicht nur als akribische Programmplaner, sondern auch als dominante Zelebranten und nach der Jahrhundertwende wiederholt auch als einzige authentische Deuter der offiziös verkörperten Nation auf. Darüber hinaus gerierten sie sich durch Uniformierung, die Leitung des Zeremoniells per militärischem Kommando und das Abnehmen von Truppenparaden demonstrativ als militärische Oberbefehlshaber und veritable Heerkaiser. Die französischen Ministerpräsidenten und noch mehr die ohnedies extrem
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selten anwesenden Staatspräsidenten haben sich demgegenüber höchstens durch Festansprachen, keinesfalls aber durch Uniformierung ausgezeichnet und am Ende keine Militärparaden abgenommen, sondern maximal Defilees, in denen militärische Formationen neben zivilen integriert waren. In London differierte der monarchische Status im Festgeschehen zwischen Queen Victoria einer- und ihren Nachfolgern nach 1901 andererseits. Zunächst fiel schon aufgrund der geringeren Anzahl von Monarchendenkmälern in der zweiten Jahrhunderthälfte die Präsenz der Queen wenig dominant aus, zumal sie nur bei der Einweihung des ersten Londoner Denkmals 1893 persönlich anwesend war. Mit dem Militär hatte sie dann keinerlei Berührungspunkte und erschien darüber hinaus ohnedies nicht in offizieller Staatsrobe, sondern im politisch nicht konnotierbaren Trauerhabit. Anders als in Berlin trug die Anwesenheit der Queen eher zu einer Famiiiarisierung und rituellen Entmilitarisierung des Fests bei. George V. indessen ist anläßlich der Inauguration des National Memorial von 1911 nicht nur gemeinsam mit dem deutschen Kaiser in Militäruniform aufgetreten, sondern hat auch zusammen mit ihm die Truppenparade am Ende des Zeremoniells abgenommen, so daß das Londoner Ritual sich hier unter dem Eindruck der persönlichen Anwesenheit Wilhelms II. erheblich militarisiert hat. Die monarchische und militärische Kultdominanz rückte die Londoner hier nahe an die Berliner Riten heran. In beiden Fällen endeten die Zeremonien häufig mit der monarchischen Inspektion und Umgehung des Denkmals und führten so eine maximale, selbst Formsprache und Ästhetik des Monuments betreffende Kultkompetenz der Regenten bzw. in England anderen fürstlichen Personals vor, oft gekoppelt an eine kurze Konversation mit Angehörigen eines Geehrten, Komiteemitgliedern und dem jeweiligen Künstler, um vorübergehend persönliche Nahbarkeit zu demonstrieren und Gelegenheit zum untertänigen Loyalitätserweis zu geben. Hinter einem spezifisch neuen Inklusionserfordernis, das sich so weder in Paris noch in London gestellt hat, der Anforderung nämlich, auch die außerpreußischen Teile des Reichs mindestens symbolisch zu repräsentieren, sind die Berliner Denkmalfeiem mit einer dominant preußischen Symbolik häufig zurückgeblieben. Der Verweis fehlte entweder ganz oder fand nur lapidar unter Verwendung der allerdings bis kurz vor der Jahrhundertwende noch nicht offiziellen Reichsflagge statt. Nur 1897, als die höchsten Repräsentanten der deutschen Einzelstaaten neben dem Kaiser zur Verkörperung der Reichsnation persönlich anwesend waren, ist die Inklusionsgeste zumindest nominell erfolgreich gewesen. Andererseits sind auch in französischen Feiern der Républiqueoder Ministerdenkmäler und in den englischen Monarchenfeiern die Regionen und Städte außerhalb der Kapitale in der Regel über die symbolische Inklusion vermittels der nationalen Flagge hinaus kaum eigens als konstitutiver Teil der Nation veranschaulicht worden. Das Defilee der Schulkinder aus allen franzö-
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sischen Departements vor dem Feny-Denkmal 1910 zählte hier durchaus zu den Ausnahmen regional inklusiver Festszenarien. Legitimatorische Impulse sind drittens bei den Denkmalfeiem in den drei Kapitalen aus der Verwendung zusätzlicher Nationalsymbolik in unterschiedlichem Maße bezogen worden. Angesichts der mißlungenen Verankerung eines Nationalfeiertags durch einen kulturkämpferischen Protestantismus standen Optionen wie die Kopplung von Einweihimg und Nationalfeiertag in Berlin nicht zur Verfugung. Auch in London sind derartige Zusammenlegungen bei der Enthüllung von Monarchendenkmälern nicht zustandegekommen. Andererseits wurden die Adhäsionskräfte, die von der Koinzidenz von Einweihung und Nationalfeiertagen erwartet wurden, im Rahmen der Pariser Feiern nicht nur nicht automatisch entfaltet, die Kopplung wirkte bisweilen kontraproduktiv, indem sie Revolutionsneurosen der Konservativen Vorschub leistete und jedenfalls die Akzeptanz entsprechender Denkmäler höchstens seitens derer erhöhte, die ihre Nationsidee ohnedies schon in den Denkmalfiguren abgebildet sahen. Umgekehrt sind die Berliner Festprogramme v.a. von 1871 und 1897, die die Triumphfeiern nach dem gewonnenen Krieg bzw. den Kaisergeburtstag zum exzessiven Rahmenprogramm für die Einweihungen der Denkmäler fur Friedrich Wilhelm III. und Wilhelm I. ausgebaut haben, mit ihrem verschwenderischen Aufwand an ephemerer Dekoration, Triumphstraßenarrangements und ikonographischer Didaxe zur Vermittlung des borussianischen Geschichtsmythos durchaus nicht hinter den Inszenierungen des französischen 14. Juli zurück-, gemessen an den periodisch wiederkehrenden Feiertagen dort aber ungleich sporadischer geblieben. Darüber hinaus haben Flaggen und Hymnen auch in den Berliner Festen eine zentrale Rolle gespielt, blieben hier aber denkbar eng auf die preußischen Traditionen fixiert, so daß als »Hymne« in der Regel das Preußenlied »Heil Dir im Siegerkranz« galt, das von der Tagespresse oder in den Festprogrammen immer auch schon als »Nationalhymne« apostrophiert wurde. Für Londoner Monarchinnendenkmäler ist die Flagge nur 1893 prominent eingesetzt worden, indem die Statue mit ihr drapiert war, während man 1911 aus Sorge um die Mißverständlichkeit des Symbols des fallenden Union Jack auf eine Wiederholung der Geste verzichtet hat. Als besondere Differenz zwischen deutschen zum einen und französischen sowie zum Teil englischen Feiern zum anderen erwies sich viertens die für die Berliner Monarchendenkmal-Feste symptomatische Verquickung von militärischen und religiösen Elementen. Die Berliner Festszene bestimmten mindestens protestantische und gelegentlich auch katholische Geistliche, die häufig im Rahmen programmatischer Weihegebete aktiv beteiligt waren. Dem entsprachen auf französischer Seite maximal die in der Tat zahlreichen Vertreter der Freidenkervereine (Libre pensée), die allerdings gerade keine sakrale Überformung der Feste betrieben, sondern das Laizismusbekenntnis der Repu-
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blik verkörperten oder artikulierten. Semantiche Sakralisierungsgesten und quasi-religiöse Hypostasierungen haben dessenungeachtet genauso zu den zentralen Versatzstücken republikanisch-laizistischer Kultrhetoriken gezählt, weil sie zu den Grundmustem nationaler Konnotierung gehörten. Die religiöse Durchformung der Berliner Monarchendenkmal-Feste erwies sich verglichen mit England keinesfalls als Sonderphänomen, sondern kehrte dort mit zahlreichen Parallelen in komprimierter Form anläßich des großen Denkmalfestes von 1911 wieder. Andererseits ist die Übereinstimmung auf dieses eine Zeremoniell beschränkt geblieben, während anläßlich anderer Monarchendenkmalfeiern Geistliche zwar zugegen waren, aber keine herausgehobene Rolle im Ritus übernahmen. Die intensive Überblendung des Einweihungsaktes mit Gebeten und Chorälen und eine nachgerade liturgisch-religiöse Festform blieb im Berliner Rahmen exzeptionell. Markante Unterschiede ergeben sich schließlich fünftens im Blick auf das Phänomen öffentlicher Störungen und kultischer Friktionen im Zuge der verhandelten Personenkategorie. In einem in Berlin wie London unbekannten Ausmaß versuchten sich in Paris je neu Gegner der offiziösen Sinndeutungen mit gezielten Störungen des Rituals öffentlichkeitswirksam Gehör zu verschaffen. Während der Rechtsnationalismus in Gestalt der Ligue des Patriotes 1888 vor dem Gambetta-Denkmal seine Umdeutungsversuche noch auf nachträgliche Akte beschränkt hatte, intervenierten rund zwanzig Jahre später monarchistische Demonstranten unmittelbar im Rahmen der Denkmalfeste für WaldeckRousseau und Ferry. Die Verfechter eines militant-rechtsradikalen Nationsentwurfs suchten inzwischen nicht mehr an die republikanische Nationsidee Anschluß, sondern gingen auf Konfrontationskurs. Mit der Einweihung des Floquet-Denkmals 1909 formierten sich darüber hinaus nun auch links vom opportunistisch-liberalen Republikanismus Opponenten des offiziösen Nationsbilds, indem nun sozialistische Gruppierungen als Demonstranten auftraten. Der republikanische Nationskult wirkte unter diesen Umständen ungesichert und blieb mit symbolischen Brüchen behaftet. Im Rahmen der République-Feiern traten mit Ausnahme der sozialistischen und anarchistischen Demonstrationen 1899 weniger Interventionen als Friktionen auf. Dies war besonders 1883 der Fall, als die ausladende Festprozession im Anschluß an den Einweihungsakt zwar einerseits die zentralen republikanischen Symbolorte der Kapitale zu einem expansiven »lieu de mémoire« verband, sich in den separaten Prozessionswegen andererseits aber Differenzen zwischen revolutionär-linkem und revanchistisch-rechtem Nationskult ankündigten. Freilich sind die Demonstranten in Paris ein minoritäres Phänomen geblieben und haben ihren Widerspruch nur temporär und symbolisch, nicht aber etwa durch Gegenreden (zu denen man freilich in Bezug auf anderes Kultpersonal durchaus vorgedrungen ist) demonstrieren können. Auch haben sie sich ungeachtet diverser Eklats nie bis zum nachträglichen Denkmalsturz
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vorgewagt. Inwiefern sich außerdem Spuren nonkonformen Verhaltens in Berlin zeigten, ist schwer zu bestimmen. Immerhin deuteten sich entsprechende Verhaltensmuster an, wenn anläßlich der Einweihungsfeier des Denkmals fur Wilhelm I. auf der Schloßfreiheit 1897 Arbeiter, deren Erscheinen im offiziellen Festprogramm nicht vorgesehen war, den Gegenkultort der Märzgefallenengrabmäler am Friedrichshain aufsuchten, obschon man hier nicht bis zur oppositionellen Kundgebung vordrang. Ob etwa 1897 die Verweigerung der Teilnahme unterbürgerlicher Stadtbewohner an den nächtlichen Illuminationen ebenfalls eine subtile Form passiven Protests darstellte, oder aber von der sozialdemokratischen Presse lediglich als solche stilisiert wurde, muß offen bleiben. Nicht anders als bei der Gegenüberstellung der Kultpraxis erschwert auch den programmatischen Vergleich der mit den Denkmälern assoziierten Nationskonzepte der Umstand, daß die französischen und mehr noch englischen Feste keine konzise oder starre Kult- und Programm-Matrix entwickelt haben, wie dies für Berlin beobachtet werden konnte, so daß das Vergleichsergebnis fallspezifisch unterschiedlich ausfallen muß. Die Denkmäler für die Republikaner an der Spitze der Staatsnation von 1871 entfalteten einen durchaus heterogenen Themenkomplex, justierten gleichsam die republikanische Nationsidee im Kontext aktueller tagespolitischer Entwicklungen. Den mit Abstand weitesten Assoziationsradius deckte zunächst die Programmatik der Stifter des Gambetta-Denkmals 1888 ab. Hier artikulierte sich die Idee von der Nation als Republik, als ebenso antimonarchische wie antireaktionäre und jedenfalls katholizismusferne Ordnung und als ordnungspolitischer Kontrapunkt zum Zweiten Empire, dem die Kriegsniederlage als nicht kompensierbare historische Hypothek zur Last gelegt wurde. Diskreditierung des Empire und Niederlagenmythos bildeten mithin den Hintergrund für die Stilisierung der letzten Kriegshandlungen Frankreichs 1871 zur emphatisch-revanchistischen Geburt und Erhebung einer Nation, die sich vorwärtsgewandt auf Partizipationsprogrammatiken hin orientierte. Die Rhetorik zum Gambetta-Denkmal stand damit zugleich ganz im Zeichen republikanischer Selbstvergewisserung und Selbstverteidigung gegen den populistischen Rechtsnationalismus eines Boulanger. Während die Konsensformeln um den Gründer-Heroen Gambetta noch weithin verfingen, dokumentierte die erst knapp 20 Jahre später wiederaufgenommene Reihe von Denkmalfesten für die großen Republikaner, daß der republikanisch-liberale Nationsentwurf sich nicht nur gegenüber rechter, sondern auch und in steigendem Maße gegenüber radikal-linker Opposition zu behaupten hatte. Dies galt zum Teil für die monumentale Ehrung Jules Simons 1903, der hinter dem Laizismus linksradikaler Kritiker zurückgeblieben war, und traf wieder anläßlich der Feier Floquets 1909 zu, den die Sozialisten nicht nur einem korruptiven System zurechneten, sondern indirekt auch mit der Hy-
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pothek eines rechten Radikalrepublikanismus belastet sahen, der während der Boulanger-Krise temporäre Allianzen mit dem Rechtsnationalismus eingegangen war und damit nach Ansicht seiner sozialistischen Kritiker den Anspruch auf authentische Repräsentation einer auf den »peuple« ausgerichteten Nation eingebüßt hatte. Damit gab Floquets Denkmal nicht mehr zu einer einheitlichen linken Nationsvision Gelegenheit. In der linken Kritik an den Nationsbildern der etablierten Republik spiegelte sich Ungenügen an einer trotz radikaler Infiltrierung fur zu wenig egalitär, partizipatorisch und demokratisch erachteten Nationsordnimg wider. Dazu kam nun aber auch rechte Kritik am offiziellen republikanischen Nationsbild. Anläßlich der Waldeck-Rousseau-Feier 1910 prallte der Versuch der republikanischen Stifter, noch einmal linke wie moderat-rechte Kräfte für ihr Projekt anzuwerben, umso härter an einer neuen biologistisch-exklusiven Semantik ab, derer sich rechte Kommentatoren zur Aufkündigung der angebotenen Konsensvision bedienten. Auch die Inszenierung Ferrys als Repräsentant der laizistisch-republikanischen Nation provozierte im gleichen Jahr rechten Widerspruch, mit dem sich erneut konkurrierende Deutungsanwartschaften eines an Einfluß gewinnenden Rechtsnationalismus eindringlich bemerkbar machten. Der republikanisch-moderate Nationsbegriff, den Denkmalsetzer wie republikanische Kommentatoren vertraten, war insofern nach der Jahrhundertwende einer doppelten, sozialistischen wie reaktionären Kritik ausgesetzt. Formell blieb das republikanische Deutungsmonopol unbeeinträchtigt, zumal die Rechtsopposition nie bis zur Errichtung eigener Monumente in Paris vorgedrungen ist und daher nicht zu aktiver Symbolmacht gelangte. Faktisch aber zeichnete sich - wie sich nicht nur in der Kategorie der Ministerdenkmäler zeigen wird - spätestens nach der Jahrhundertwende eine Art subkutane Trendwende ab: nach dem überwunden geglaubten populistisch-radikalen Boulangismus tauchte nun eine neue Variante des Rechtsnationalismus auf, die die republikanischen Repräsentanten der Nation öffentlich desavouierte. Nur weil der Affront in einen pluralen Meinungskontext eingebunden blieb und keine rechte Symbolmacht erlangt wurde, fehlte dem Phänomen die Eigenschaft einer trennenden Zäsur und eines punktuellen Umschwungs vom linken zum rechten Nationalismus. Die Reichweite der republikanischen Nationsidee mußte unter diesen Umständen gleichwohl reduziert erscheinen. Auch die ikonographische Omnipräsenz, durch die sich die RépubliqueFigur in Paris nicht anders als landesweit auszeichnete, konnte über einen konfliktreichen Verlauf des nationalen Diskurses im Spiegel der öffentlichen Denkmäler nicht hinwegtäuschen. Seit der ersten Errichtung einer RepublikStatue kontrastierten jedenfalls regelmäßig festliche Inszenierungen und publizistische Rezeption. Konsensuale Töne dominierten vor allem die Einweihung der République von 1878 auf dem Marsfeld, die ähnlich wie die Londoner Albert-Denkmäler
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von der Euphorie, den universalen Fortschritts- und globalen Pazifismusideen und Homogenitätsfiktionen um die Weltausstellung profitierte und in deren Verlauf die Mitglieder der Nation als teilhabeberechtigte »concitoyens« angesprochen wurden. Dessenungeachtet provozierte das Fest ähnlich wie nach der Aufstellung der République-Statue 1880 Ausgrenzungsängste, indem Allegorie und Hymne im konservativen und katholischen Meinungslager unter Revolutionsverdacht gerieten. Demgegenüber war die Einweihung der République von 1883 als antimonarchisches Fanal konzipiert und reflektierte auf diesem Wege die reaktionären Umsturzversuche, die bis Ende der 1870er Jahre die Existenz der Dritten Republik je neu zu gefährden schienen. Der Eklat, den der linke Conseil durch seine Autonomiepostulate mit der opportunistischen Staatsfuhrung provozierte, wurde allerdings zu einem erheblichen Belastungsfaktor fur die öffentliche Rezeption des Denkmals. 1899 schließlich stand die wiederum auf Integrations- und Egalitätsbekenntnissen basierende Programmatik von Dalous République-Allegorie zunächst so stark unter dem Eindruck der politischen Krise und Attackierung der Dritten Republik durch einen militanten Rechtsnationalismus, daß innere Feindbildprojektionen gegen den »césarisme« der Rechten zu überwiegen drohten. Zeugte die Intervention von Sozialisten und Anarchisten 1899 in die Festszene von deren lautstarkem Dissens mit einer Nation, die sich ihrer Einschätzung nach nicht hinreichend gegen rechte Überformung zur Wehr setzte, dokumentierte die Kritik der konservativen Presse, daß die um die vier République-Allegorien entfaltete nationale Vision auf dieser Seite des politischen Spektrums nicht angekommen war. Die ikonographische Omnipräsenz der République konnte demnach traditionsgestützte Assoziationen wecken und resultierte offenbar je neu aus dem Ehrgeiz, die republikanische Nation zu imaginieren - eine Garantie fur Konsens über die Verheißungen ihrer Stifter war sie nicht und einen subkutanen rechten Antidiskurs, wie er später nach der Jahrhundertwende wieder im Zusammenhang mit den Ministerdenkmälern sichtbar werden sollte, konnte sie ebensowenig kaschieren. Parallel zur Kultmatrix entstanden in Berlin seit dem Reiterdenkmal fur Friedrich Wilhelm III. im Lustgarten Deutungsschablonen, die im Verlauf des Jahrhunderts je neu wiederauftauchen sollten, während sie nicht auch nur annähernd so provokant und scharfzüngig wie in Frankreich, gelegentlich aber eben doch auch von der deutschen Presse modifiziert oder - am ehesten im Echo der linken Pesse - offen kritisiert wurden. Zentral war die borussianische Denkmalfigur, nach der sich die Reichseinigung einem machtpolitisch und militärisch starken Preußen und seinen heldenhaften Monarchen verdankte, die im Besitz aller Legitimität und göttlicher Sanktionierung das Volk von der ersten nationalen Erhebung in den Freiheitskriegen bis in die »Einigungskriege« der 1860er Jahre und schließlich zur Reichsgründung führten. Mithin verdankte sich die Konstituierung der Nation 1871 zunächst dem Krieg, dann der
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Autoritätentrias von Gott, Armee und - darin immer eine antibismarckianische Spitze enthaltend - Monarch, während dem »Volk« Partizipation am ehesten im Rahmen einer Art mystischen Teilhabe an der Aufstiegs- und militärisch konnotierten »Befreiungs«-Legende zugesagt wurde. Ansonsten blieb es auf militärische »Treue«-, »Helden«- und »Opfer«-Leistungen oder die Unmündigkeit implizierende »Landeskinder«-Metapher verwiesen, ohne Rechte in Aussicht gestellt zu bekommen. Die militärische Einseitigkeit der Verheißung unterschied sich von den Partizipationsprogrammen, die wenigstens rhetorisch im Zuge der französischen Feiern entfaltet wurden. Der Kontrast von Grundsteinlegungsfeier (1863) und Einweihimg (1871) des Friedrich Wilhelm ΠΙ.-Denkmals illustrierte die programmatische Engfuhrung über der Zäsur von 1871, die den »Bürgerstand«, Reformassoziationen und überhaupt die Frage ziviler Binnenkonturierung der Nation aus den Sinnstiftungskonzepten der überwiegend monarchischen Stifter von Herrscherdenkmälern verdrängte. Wo die Binnenperspektive thematisiert wurde, bezog man sich maximal auf die Nation als eine privilegiengestaffelte Ständegesellschaft. Zumindest anläßlich der Einweihung des Friedrich Wilhelm IV.-Denkmals 1886 sind Teile der liberalen Presse erstmals aus dem Inszenierungsschatten der monarchischen Initiatoren herausgetreten, um verpaßte Liberalisierungsund Konstitutionalisierungschancen anzudeuten, ohne den Monarchen freilich für ihre Auslassung in die Pflicht zu nehmen. Auf dem Höhepunkt apotheotischen Monarchenkults mit dem Kaiser Wilhelm I.-Denkmal auf der Schloßfreiheit 1897 sind die offiziösen Deutungsmuster weniger programmatisch nachgerüstet als rituell gebläht worden. Dennoch haben martialische Denkmalikonographie wie überbordende Festregie zur »Zentenarfeier« zu diskursivem Wandel im Rahmen der öffentlichen Rezeption geführt. Zum einen ließen sich neuerdings agitatorisch-reaktionäre Stimmen vernehmen, die auf eine qualitativ neue Form der Hypostasierung der monarchischen Kultfigur hinarbeiteten, indem sie ein ominös-mythisches Volkskaisertum assoziierten und damit erstmals eine schleichend enthistorisierte Nationslegende anboten. Zum andern wurde aber auch Unbehagen an der bombastisch-pompösen Monarchozentrik des offiziösen Nationsbilds zur Sprache gebracht. Als Mythenkritiker par excellence profilierte sich die sozialdemokratische Presse, die sich sonst darauf verlegte, den Pomp um die Monarchendenkmäler durch beharrliche Nichtbeachtung oder sarkastische Bemerkungen zu diskreditieren, nun aber zum Entwurf eines konkurrierenden Nationskonzepts vorstieß. »Nationale Größe« bildete zwar auch hier einen Fixpunkt der Deutung, schien nun aber im Rahmen einer Art nachholender politischer und sozialer Modernisierung und durchaus auch ökonomisch motivierter Expansion angestrebt werden zu müssen. Ahnlich dem konservativen Lamento in der französischen Presse schlossen sich hier nun von links her Klagen über die Redundanz
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des Nationalfeiertags und ähnlicher Festivitäten an, die nicht geeignet schienen, ein wünschenswertes Nationsbild populär zu machen. Die Forderung nach Partizipation des »Volks« an der »Staatsmacht« als Therapieempfehlung blieb zwar vage und führte nicht etwa zur ausdrücklichen Assoziation der egalitären Staatsbürgernation, stellte aber mindestens auf eine vollständige Inklusion der »Arbeiterschaft« in den nationalen Verband ab. Im Zusammenhang mit dem Dynastenensemble der Siegesallee ist darüber hinaus auch in der liberalen Presse der Ruf nach mindestens symbolischer Einbeziehung des »Bürgers« in die monumentale Formsprache verhalten laut geworden. Auch im Blick auf die Friedrich III.-Denkmäler klangen in der öffentlichen Rezeption Korrekturen am gängigerweise mit den Monarchen assoziierten Nationsbild an. Daß der politische Liberalismus Traditionsverrat an den eigenen freiheitlichen Werten begangen hatte und nicht einmal zur Modifikation der bestehenden Nationsordnung im Sinne alter Ideale angetreten war, bildete aber keineswegs einen Teil politisch-liberaler Selbsterkenntnis, sondern lediglich linker Kritik in der Presse. Im Vergleich zu den Londoner und Pariser Denkmälern und ihrer Programmatik wiesen die Berliner Bismarck-Denkmäler tendenziell die gleichen Ähnlichkeiten und Unterschiede auf, die auch bereits die Monarchendenkmäler charakterisierten. Weniger aus der vergleichenden, wohl aber aus der binnennationalen Perspektive wurde im Umfeld vor allem des großen Berliner Bismarck-Denkmals von 1901 darüber hinaus noch einmal ein durchaus distinktes Deutungsmuster entfaltet. Zwar blieb der Kult unterhalb der Enthistorisierungsschwelle, die den Boom der martialischen Säulen und gigantischen Denkmale andernorts prägen sollte. Der Kanzler wurde aber gleichsam zu Lasten des Kaisers durchaus zum dominanten Faktor der nationalpolitischen Ordnung und verlieh der von ihm begründeten Nation damit den Status einer tendenziell überzeitlichen, jedenfalls überlegenen Ordnung. Der Blick auf eine dunkel und vage geargwöhnte Konkurrenz und Bedrohung für die Reichsnation von außen wurde zum festen Bestandteil der Festrhetorik. Ähnlich wie im Bezug auf die Monarchendenkmäler unternahm die nationalliberale Presse keine Anstalten, die Nationswerdung mit bürgerlich-liberalen Werthaltungen in Verbindung zu bringen, während sie umgekehrt die Absorption der Nationsidee durch den Machtstaat und das Konstrukt genialischer Größe und Energie, wie sie Bismarck verkörperte, ebenso zuließen wie durch eine mindestens ethnisch angehauchte und expansionistische Nationsidee. Linksliberalismus und Sozialdemokratie hingegen distanzierten sich von den Deutungsschablonen und wiesen auf die selektiver Erinnerungsstrategie geschuldeten Leerstellen im offiziösen Bismarck-Bild hin. In deutlichem Unterschied zu den Berliner Denkmalfesten für Monarchen sind die Londoner Äquivalente disparater geblieben und können deshalb ihrerseits nur durch Differenzierung verglichen werden. Das Programm des Ken-
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singtoner Victoria-Monuments 1893 erwies sich als singulär, indem es der Veranschaulichung der Nation als emotional verankerter Solidargemeinschaft diente. Die Weiblichkeit der monarchischen Kultfigur spielte allerdings in keinem anderen Zeremoniell mehr eine auch nur annähernd ähnlich prominente Rolle, so daß die Emotionalisierung der Nationsidee keinen gleichsam automatischen Effekt des Kults um eine weibliche Figur darstellte. Die Denkmalfeier von 1896 gab demgegenüber vor allem zu metropolitaner Selbstdarstellung und Selbstverortung der Kapitale in der nationalen Ordnung Anlaß. Eine Monarchenehrung auf städtische Initiative hin ist zwar auch in Berlin - etwa im Falle der Spandauer Initiativen für die Joachim II.- und Friedrich III.Denkmäler - zustande gekommen, hat hier aber nicht zu ähnlichen programmatischen Zuordnungen geführt. Daß auch in London ein kultischer Vorbehalt zugunsten der wohlhabenden und politisch mächtigen City wirkte, erhellte bereits der Umstand, daß andere Borough-Initiativen wie diejenige von Kensington 1904 nicht über eine der »Capital of the Empire«-Formel vergleichbare starke Repräsentation verfugten, sondern ähnlich wie die Berliner Projekte eher als Devotionsgesten von Untertanen gedacht waren. Daß man sich freilich mit dem »local memorial« der Nation gerade zuordnete und nicht etwa lokales Sonderbewußtsein zum Ausdruck bringen wollte, betonten die Londoner Stifter besonders und zelebrierten so Kompatibilität von lokaler und überlokalnationaler Dimension. Programmatische Überschneidungen mit den Berliner Denkmälern hat es am ehesten im Blick auf die Programmatik des National Memorial vor Buckingham Palace von 1911 gegeben, weil hier in besonderem Maße Kontinuitätskonstruktionen über die Filiation der Dynasten hergestellt wurden und die machtpolitische Außendarstellung des Nationalstaats besonderes Gewicht erhielt. Dabei haben sich aber die englischen Kontinuitätsthesen immer nur auf die Dynasten oder die lange Regentschaft Victorias, nicht hingegen auf eine Sequenz von Kriegen wie in Deutschland oder von Revolutionen wie in Frankreich bezogen. Anders als in Berlin war die Idee gesicherter Kontinuität der Nation außerdem durchaus an die Einsicht in notwendigen und schon erfolgten Wandel gebunden. Mit der Dichotomie von »tradition« und »changed conditions« sprach sich in der Londoner Programmatik 1911 ein realitätsnaher Reflex auf die vielfachen Wandlungsprozesse der Moderne aus, die in den vergleichsweise starr und schablonenhaft repetierten Sinnformeln im Rahmen Berliner Feiern so nicht anklang. Den mit weitem Abstand intensivsten Rekurs auf das Phänomen von Wandel und Umbruch als Bestandserschwernis für die Nation in der Auseinandersetzung mit linken wie rechten Sinnstiftungskonkurrenten wiesen schließlich die französischen Festreden und Kommentare zu den Pariser Denkmälern für die Ministerpräsidenten und die République auf. Während im Rahmen der Berliner Feiern die koloniale Expansion höchstens gelegentlich anklang, bildete sie in London einen ikonographisch, kultisch und
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rhetorisch zentralen Fixpunkt der Sinnzuweisung. Victoria verkörperte die Nation vor allem als inklusives, rassen- und regionenindifferent gleich mächtiges Empire. Das Affektmotiv, das für den frühen Victoria-Kult wichtig war, blieb dabei zwar präsent, aber an die Idee der Trauer als Motiv für die Konstituierung der Nation als Affektgemeinschaft gekoppelt, wie sie in Paris auch von den Stiftern des Gambetta-Monuments thematisiert worden ist. Im deutlichen Unterschied zu den Berliner Denkmälern bewog das National Memorial von 1911 seine Deuter allerdings ähnlich wie in Paris zu einem erheblich intensiveren Reflex auf die Binnenstruktur der Nation und zielte als erstes auf die Verfassimg als traditionalen Inbegriff für die Garantie von Freiheitswerten. Die Assoziationsbreite weitete sich im Spiegel der öffentlichen Voten zum Denkmal, die kontrovers, aber anders als bisweilen im Zuge der konservativen Kommentare zu den Pariser republikanischen Monumenten nicht systemoppositionell ausfielen. Daß die britische Nation in der Monarchie nicht aufging, sondern Verfassung und verantwortliche Minister als Symptome eines funktionierenden Parlamentarismus zu den zentralen Ordnungsstützen zählten, war konsensfähig. Mit dieser Einschätzung gingen Kommentatoren unterschiedlicher Couleur zugleich über die Diktion der konservativen und großer Teile der liberalen Presse in Deutschland entscheidend hinaus. Eine vergleichbare Monarchozentrik blieb in London ebenso fremd, wie im Rahmen der französischen Reden, in denen - ausdrücklicher noch als in England - die Binnenausstattung der Nation je neu wieder zum Thema wurde. Die mangelnde Inklusion des Publikums avancierte zwar ebenso wie das militärische Zeremoniell zu einem Kritikpunkt der linken Presse in England. Umgekehrt fand der solidarische Auftritt des Kaisers 1911 Beifall, weil er für eine erwünschte transnationale Solidarität Großbritanniens anstelle eines imperial engstirnigen Jingoismus zu stehen schien. Als Symptom der Kritik am regierenden Liberalismus und eines populären Imperialismus verwahrten sich umgekehrt Teile der konservativen Presse gegen die Politik der Egalisierung und empfahlen unter dem Schlagwort der Effizienz eine Orientierung am autoritären deutschen Kaiserreich. Mit dieser Position blieben sie aber isoliert. Anders als vor allem in Berlin hat sich ein besonders kritischer Reflexionsstand zeitgenössischer Denkmalstifter für Monarchen in London im Zusammenhang mit der ausladenden Projektdiskussion im Vorfeld der Denkmalerrichtung für Edward VII. noch vor dem Krieg 1914 gezeigt. Daß der mediale Effekt des simplen Denkmals erschöpft und daß die moderne Gesellschaft mit ihren Partizipations- und Inklusionsansprüchen Bedürfnisse hegte, die im Rahmen konventioneller Erinnerungszeichen nicht mehr adäquat befriedigt werden konnten, blieb der schwerwiegende implizite Kritikpunkt diverser Vorschläge. Während sich also deutsche Denkmalsetzer zur gleichen Zeit gelegentlich in der Assoziation mystischer Identitäten von nationaler Kultfigur und »Volk« verloren, drohte das Konzept des öffentlichen Personendenkmals aufgrund
II. Nation und Staat
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hellsichtiger Analyse seines beschränkten medialen Vermögens und einer womöglich längst nicht mehr opportunen Formsprache in England zumindest in eine Krise zu geraten. Ein höheres Maß an realhistorischem und politischem Bewußtsein konnten englische Diskutanten kaum an den Tag legen und waren hier dann auch vergleichbaren Projekten in Frankreich überlegen,
III. NATION UND KRIEG
1. Paris: Zwischen Niederlagentrauma und neuer Traditionsbildung
1.1. Die Memorialisierung der Niederlage von 1870/71 Die Erinnerung an die Kriegsniederlage von 1871 ist zum monumentalen Tenor zahlreicher Denkmalstiftungen und -rezeptionen während der Dritten Republik geworden. Sie beeinflußte nicht nur an zentraler Stelle etwa die spezifische Form, in der der Jeanne d'Arc-Mythos reaktiviert wurde. Es entstanden überdies bis in die frühen 1880er Jahre hinein auch öffentliche Monumente und ein allmählich institutionalisiertes Niederlagen-Gedenken sowohl landesweit1 als auch in Paris selbst, die das Verhältnis von Nation und Krieg nicht nur mitreflektierten, sondern ausschließlich und direkt thematisierten. Ab Ende der 1880er Jahre folgten Denkmäler, die die Logik der Niederlagenerfahrung hinter sich zu lassen versuchten, um das Verhältnis von Nation und Krieg bzw. Militär jenseits der Zäsur von 1871 neu zu bestimmen. Ein Kriegerdenkmal besonderer Prägung stellte ein Mitte August 1876 im Hof der École nationale des Beaux-Arts errichtetes Monument dar, das an den Maler Henri Regnault und die zusammen mit ihm im Januar 1871 im letzten verzweifelten Gefecht gegen die Deutschen vor der endgültigen Kapitulation von Paris bei Buzenval getöteten Schüler erinnerte2. Mit der Anwesenheit des Ministre de l'Instruction publique Jules Simon und des Préfet de la Seine Ferdinand Duval bezeugten Staat wie Stadt offizielles Interesse an dem Monument, zumal es in enger Kooperation mit den Vertretern des Staates entstanden war3. Die nationalpolitische Aufladung des Themas hatte Simon bereits im Vorfeld geleistet, indem er Regnault als »héros« und Opfer »pour la plus sainte des causes« apostrophierte und mit dem Monument die programmatische Hoffnung verknüpfte: »Quelque sinistre que soit le moment que nous traversons, j'espère du fond de mon cœur que c'est une nation nouvelle qui sortira de ces désastres«4. Damit wurde die monumentale Ehrung des renommierten '
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Vgl. die im Forschungsüberblick genannte Literatur zu den französischen Kriegerdenkmälern und ROTH, La guerre de 1870, S. 680-708. Neben den im folgenden genannten Pariser Monumenten wurde auch 1896 auf der Place Denfert Rochereau eine Replik des »Lion de Beifort« von Bartholdi aufgestellt, vgl. ibid. S. 683. Vgl. Le Petit Journal, 14. August 1876, S. 2. Vgl. Le Temps, 13. August 1876, S. 2. Vgl. [An.,] Monument élevé à Henri Regnault, pensionnaire de l'Académie de France à Rome, et aux élèves de l'École des Beaux-Arts, morts sur les champs de bataille 18701871,o. O. o. J. [Ms, up].
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Nationskonzepte in den öffentlichen Denkmälern bis 1914
Künstlers und Repräsentanten einer traditionsreichen kulturellen Institution Frankreichs als Teil der nationalen Gesamtregeneration nach dem Krieg begriffen. Vor allem aber ging die Erinnerung an die kriegsgeschundene Nation, die Regnault verkörperte, mit der Hoffnung auf eine kollektive Katharsis der »nouvelle nation« einher, die umso glorreicher sein würde, je apokalyptischer sich das Zusammenbruchsszenario im Vorfeld ausgenommen hatte, so daß sich die rückwärtige Untergangsvision mit nachgerade messianischen Zukunftserwartungen verband5. Bereits in der frühen Entstehungsphase des Monuments wurde Regnaults »testament moral« fur seine »citoyens-martyrs« veröffentlicht, in dem er programmatisch gefordert hatte, der »Patrie« und der »Humanité libre« mit Leib und Leben Tribut zu zollen6. Im gleichen Zusammenhang wurde das programmatische Anliegen dieser Schrift wie des später entstehenden Monuments bereits festgehalten: »La revanche morale commence (...): >Non, la France n'est pas morte, puisque nous savons nous souvenirs«7 Unbesiegt geblieben war die Kompetenz zur Erinnerung und die Potenz des kollektiven Gedächtnisses, mit dessen Hilfe die Nation nicht nur wieder zu sich und zu Selbstachtung finden, sondern auch zur Revanche am deutschen Feind Kraft sammeln konnte. Das Regnault-Denkmal meldete damit gleichermaßen die moralische Restituierung der zerschlagenen Nation wie Revancheansprüche an. Über zehn Jahre nach dem Ende des Krieges gegen Deutschland folgte ein umfassender Versuch memorialer Bewältigung der Kriegsniederlage von 1870/71. Im August 1883 und also nur einen Monat nach Errichtung der République-Statue auf der Place de la République, konnte auf Initiative der Stadt Paris die allegorische Gruppe »Défense de Paris« auf dem Rond-point de Courbevoie, in der Achse der großen Avenuen, die von Westen her auf den Triumphbogen mündete, enthüllt werden8. Das Zeremoniell fiel nun anders als noch 1876 nicht nur aufwendiger, sondern auch dezidiert militärischer aus. Das Erscheinen des Innenministers Waldeck-Rousseau an der Spitze der hochrangigen Gäste9 wurde von Marseillaise und Artilleriesalven begleitet, 5
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9
Vgl. Wolfgang SCHIVELBUSCH, Die Kultur der Niederlage. Der amerikanische Süden 1865. Frankreich 1871. Deutschland 1918, Berlin 2001, S. 32. Vgl. Lettre de H. Regnault, in: Louise BADER, La couronne civique. A la mémoire de Henri Regnault et des combattants morts pour la France dans la guerre de 1870-1871, Paris 1872, S. 11, 12. Préface [G. RICHARDET], in: ibid. S. 7f. Vgl. zum Folgenden Le Temps, 14. August 1883, S. 3; Le Radical, 14. August 1883, S. If. Vgl. auch Patrick CHAMOUARD, Un après-midi d'été 1883: l'inauguration de la statue, in: Georges WEILL (Hg.), Le perspective de La Défense dans l'art et l'histoire, Nanterre 1983, S. 157-165. Es nahmen weiter ein Oberstleutnant, der Präsident des Conseil général de la Seine Forest, mehrere Deputierte, die Mitglieder des Conseil général, der Polizeipräfekt Camescasse, der Gouverneur von Paris General Leeoiste neben Offizieren und weiteren Generalen teil. Vgl. Le Temps, 14. August 1883, S. 3; Le Radical, 14. August 1883, S. If.
III. Nation und Krieg
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und im Anschluß an die Rede des Präsidenten des Conseil général Forest defilierten zahlreiche Truppen und Vereine unter ständiger Wiederholung der Hymne vor dem Monument. Den Zug führten mehrere Regimenter der Armee an, deren Offiziere die Statue im Vorübergehen mit dem Säbel grüßten, gefolgt von über 60 auch zivilen sociétés wie Arbeitervereinen, berufsständischen Verbänden und gewerkschaftlichen Abordnungen, ebenso aber auch der Société d'Alsace-Lorraine und Veteranenverbänden. Dazu kamen zum Zeichen der Inklusion in die republikanische Nation so diverse Gruppierungen wie eine Delegation der wenige Jahre später am rechten Meinungsrand profilierten Ligue des Patriotes und eine Abordnung der laizistisch-republikanischen Libre Pensée. Entgegen der Absicht der Denkmalstifter, die politische Demonstrationen im Rahmen der Feier hatten unterbinden wollen, unterliefen linke Gruppierungen die Uniformität der offiziellen Zeichen und bekundeten mit roten Fahnen nicht nur Teilhabe an der hier zelebrierten historischen Niederlagen-Erinnerung, sondern auch ausdrücklich linksrepublikanische Erwartungen an die künftige politische Orientierung der Nation. Hatte sich die staatliche Elite der Symbolkonkurrenz im Rahmen der Einweihung der République-Statue einen Monat zuvor nicht ausgesetzt, indem sie sich fernhielt, war nun vor allem Waldeck-Rousseau als offizieller Regierangsvertreter mit ihr konfrontiert. Den unerwünschten Zeichen entzog er sich, indem er die mit Beginn des Defilees der Regimenter und Deputationen und ihren Trikoloren ehrerbietig entfernte Kopfbedeckung angesichts der roten Fahnen rasch wieder aufsetzte10. In seiner Rede identifizierte Forest den Denkmalstandort mit dem Punkt, von dem aus in der Nacht vom 18. auf den 19. Januar 1871 die Bataillone einen letzten verzweifelten Versuch gemacht hatten, die Hauptstadt gegen die deutschen Belagerer zu halten11. Paris brachte so aber auch die Solidarität mit den »communes suburbaines« zum Ausdruck, die damals an seiner Seite und im Sinne der Défense kämpften. Die Erinnerung an die historische Konstellation des Kriegsausbruchs von 1870 verband Forest mit klaren Schuldzuweisungen an Deutschland, das Frankreich gegen dessen Willen und ohne die Chance auf Prävention mit Krieg überzogen habe12. Daß Bismarcks Kalkül im Zusammenhang mit der spanischen Thronkandidatur im Juli 1870 ihn zwar in der Tat bewog, ein Kriegsrisiko einzugehen, umgekehrt aber Napoleon ΙΠ. nicht nur aus Furcht vor dem Erstarken Preußens kriegsbereit war, sondern sich auch einen kompensatorischen Legitimitätszugewinn im instabil gewordenen Inneren Frankreichs erhoffte, blieb außerhalb von Forests Analyse. Umso mehr hob er hervor, daß sich die Kapitale, die eine Besatzung von fünf Monaten zu 10 11
Vgl. Le Temps, ibid. Vgl. ibid. 14. August 1883, S. 3; Le Radical, H.August 1883, S. 2. Vgl. Patrick CHAMOUARD, La guerre de 1870-71 et la défense de Paris, in: WEILL (Hg.), La perspective de la Défense, S. 9 5 - 1 2 0 .
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Vgl. Le Temps und Le Radical ibid.
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durchleiden hatte, ehrenvoll wehrte, bis über sie nicht etwa der deutsche Feind, sondern die Hungersnot triumphiert habe 13 . Forests Rede, mehrfach von »Vive la République«-Rufen unterbrochen, traf den Nerv einer Zuhörerschaft, die sich mit dem Deutungsangebot der im Krieg zu patriotischer Größe gekommenen Nation zu identifizieren bereit zeigte. In der Presse stieg die Akzeptanz des Denkmals im linken Meinungslager, während von liberaler Seite gemahnt, von konservativer kritisiert wurde. Der linke Radical deutete das Monument nicht nur aus hauptstädtischer Perspektive als »preuve impérissable du courage et du patriotisme de la grande cité«, sondern vor allem auch als »symbole de la République sauvant la Patrie« 14 . Daß der Radical eine allzu klare historische Präzisierung derer mied, die auf der Seite der »Patrie« standen, entsprach der geschickten Strategie, den Begriff der Vaterlandsverteidiger und Patrioten auch fur die Träger der roten Fahnen und Sympathisanten der Kommunarden offenzulassen. Das monumentale Vermächtnis war demnach gleichermaßen auf die Nachahmimg der Verteidigungsleistung zugunsten der Nation wie auf die nachträgliche Rehabilitierung der Kommune-Kämpfer zu beziehen 15 . Der liberale Temps konnte sich zunächst nicht eines Kommentars über den Denkmalsockel enthalten, auf den Napoleon III. ehedem die von der Vendömesäule abgenommene Statue seines großen Vorbilds ausgelagert hatte, bevor auch sie den Ereignissen um die Commune zum Opfer fiel16. Das Blatt nutzte die Gelegenheit, die Gerüchte um den Verbleib der hierher nach Courbevoie transferierten Napoleon-Bildes von Seurre zu beenden, indem es klarstellte, daß die Empereur-Figur, die die Menge am 4. September zum Pont de Neuilly geschleift und dort in die Seine geworfen hatte, inzwischen unter der Regierung Thiers wieder geborgen und in ein staatliches Skulpturendepot nahe dem Marsfeld verbracht worden sei17. Der thematische Exkurs diente nicht nur einer neuerlichen Kritik am autoritären napoleonischen Regime. Er war zugleich ein Symptom für die noch nach zwölf Jahren ungebrochen weiterwirkende Symbolmacht der inzwischen längst nicht mehr vorhandenen, ehedem ausgelagerten Napoleon-Statue von Courbevoie. Ansonsten wurde weniger über die Kriegserlebnisse von 1870/71 als über das seither Erreichte räsoniert und zur Bewahrung der parlamentarischen Republik als optimalem Ordnungszusammenhang fur die französische Nation geworben. Auch der Constitutionnel assoziierte mit dem Monument zunächst die Napoleon-Figur, die auf dem Sockel ursprünglich gestanden hatte18. Anders als in 13
Vgl. ibid.: »Paris n'a été vaincu que par la famine.« Le Radical, 10. August 1884, S. 1. 15 Vgl. ibid. 14. August 1883, S. If., hier S. 2. 16 Vgl. Le Temps, 14. August 1883, S. 3. 17 Vgl. ibid. " Vgl. Le Constitutionnel, 15. August 1883, S. 1. 14
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Le Temps mündete der Rückblick aber in massive Anschuldigungen gegen die Republikaner, die die Statue am 4. September 1871 gestürzt hatten. Die von Thiers veranlaßte Bergung des Denkmals aus der Seine wurde als leidenschaftslose Wiedergutmachung eines Ikonoklasmus, eines Sakrilegs gegen den »grand Empereur« gedeutet, dessen Abbild seinem Volk dennoch dauerhaft entzogen blieb. Was die Dritte Republik anstelle Napoleons monumentalisierte, nahm sich in den Augen des Constitutionnel erbärmlich aus: »Là où le plus grand souverain d'une nation se dressa est accroupi le plus grand ennemi de notre nation!«19 Indem der Constitutionnel entschlossen war, in der Soldatenfigur, die im Bildarrangement des Monuments neben der Paris-Allegorie niedersank20, den Repräsentanten der Kommune zu erkennen, dem er die Anwartschaft auf eine nationale oder patriotische Tat vehement bestritt, geriet die Einweihungsfeier als Kompensation eines nie offiziell bedauerten oder gar korrigierten Denkmalsturzes zur Perversion einer nationalen Denkmalerrichtung. Den Gipfel der »apostasie historique« mußte das Blatt in der Mitwirkung der Armee bei der Einweihungsfeier mit dem Plazet des republikanischen Kriegsministers Jean Thibaudin erbücken, der die historische Fälschimg damit autorisierte21. Der Widerwille gegen die Denkmaleinweihung kulminierte in der Ablehnung der fite nationale selbst, mit der die Republik nicht auch nur annähernd an die populären Feste zum 15. August während des Zweiten Empire heranreichte. So optierte der Constitutionnel am Ende unverhohlen fur die »idée impériale« und das »empire chrétien et autoritaire« als Gegenentwurf zur Sinnstiftung, die die offizielle Republik am 14. Juli betrieb22. Von einem Deutungsmonopol des republikanischen Staates konnte insofern kaum die Rede sein. Widerspruch aus dem linken wie aus dem rechten politischen Lager untergruben statt dessen ihre Sinnstiftungen. Die Verbindlichkeit des Niederlagenmythos begann unter diesen Umständen abzunehmen: nicht weil er an Bindekraft verloren hätte, sondern weil die Zukunftserwartungen an die aus dem Zusammenbruch hervorgegangene Nation stark zwischen gemäßigter Republik, linksradikaler und schließlich autoritär-konservativer Opposition dissoziierten. 19 20
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Ibid. Das Barrias-Denkmal der »Défense de Paris en 1870« zeigte eine Dreiergruppe, mittig die Allegorie der Stadt Paris mit dem antiken Stadtsymbol als Kopfschmuck. Sie hielt ein Schwert und stützte sich auf eine Kanone. Zu ihren Füßen war ein verwundeter und mit letzter Kraft noch kampfbereiter Soldat niedergesunken, der mit ihr zusammen Anstrengungen zu unternehmen schien, die französische Trikolore in ihrer Mitte zu verteidigen, während im Hintergrund eine magere Mädchengestalt die Entbehrungen der Zivilbevölkerung erinnerte. Vgl. Le Temps, 14. August 1883, S. 3; LAVALLE, Le monument de La Défense, in: WEILL (Hg.), La perspective, S. 133-141. Vgl. Le Constitutionnel, 15. August 1883, S. 1. Vgl. ibid.
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Nationskonzepte in den öffentlichen Denkmälern bis 1914
Auch nach der Jahrhundertwende blieb der Niederlagentopos fur den nationalen Diskurs im Spiegel öffentlicher Denkmäler akut und mündete nun in die Monumentalisierung des italienischen Revolutionärs Giuseppe Garibaldi, mit dem zugleich einer der wenigen Nichtfranzosen einer nationalen Legitimierung dienstbar gemacht werden sollte23. Die Genese der am 13. Juli 1907 auf dem Square Cambronne im 15. Arrondissement eingeweihten Statue begann bereits 1882, als sich zugleich die argumentativen Positionen abzuzeichnen begannen, die den öffentlichen Diskurs über die Figur und ihre Relevanz für die französische Nation bis in die Jahre der Denkmalerrichtung hinein prägen sollten. Während eine Petition republikanischer Journalisten und Deputierter von Paris beim Conseil zugunsten einer Garibaldi-Statue als Reminiszenz an den »défenseur de la France« von 1870/71 zunächst zur weiteren Beratung aufgeschoben worden war24, entbrannte in der gleichen Sitzung des Pariser Stadtrats im Juni 1882 eine heftige Kontroverse darüber, ob sich Paris mit einer Delegation an den offiziellen Begräbnisfeierlichkeiten für Garibaldi in Rom beteiligen sollte. Bevor man am Ende der Session mehrheitlich dafür stimmte, prallten kontroverse Einschätzungen aufeinander. Unterstützt vom Préfet de la Seine, sprach sich eine Reihe linksrepublikanischer Conseillers zugunsten der Delegation aus. Sie sahen Garibaldi ähnlich wie in der Petition zugunsten des Denkmals in der Rolle des »défenseur«, der nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen Thiers und Bismarck im Winter 1870 Truppenkontigente in Burgund gegen Deutschland befehligt und Dijon zurückerobert hatte, um im Januar 1871 dann doch dem übermächtigen Widerstand zu unterliegen25. Die Konservativen im Conseil begriffen den Plan als Kampfansage. Für sie war Garibaldi im Gegenzug ein politischer Verschwörer gegen Frankreich, der seit 1860 die Rückkehr Nizzas und des piemontesischen Savoyen nach Italien propagiert und deren sezessionistische Bestrebungen gegen Frankreich unterstützt hatte. Das Verdikt traf neben dem »séparatiste acharné« auch den Revolutionär, der 1849 gegen Frankreich Krieg gefuhrt und 1871 erfolglos operiert hatte26. Damit wurde die Geschichte des napoleonischen Empire mehr als diejenige der entstehenden Dritten Republik erinnert, um sich mit den Restaurationsversuchen zugunsten der weltlichen Macht des Papstes vom Juni 1849 gegen die Politik der italienischen Republikaner solidarisch zu erklären. Die 23
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Freilich folgte man damit in Paris einer Kultwelle, die das gesamte Land nach Garibaldis Tod 1882 ergriffen hatte, etwa auch am Ort seines militärischen Ruhms in Dijon und in seiner Geburtsstadt Nizza in die Errichtung von Denkmälern mündete und den Pariser Stadtrat darüber hinaus zur Benennung einer Straße nach dem Freiheitskämpfer bewogen hatte. Vgl. AGULHON, Der Mythos Garibaldi, S. 170-172. Vgl. Renvoi à la l4™ commission, séance du 5 juin 1882, in: CMPV, Année 1882, 1" sém., S. 840. Vgl. ROTH, La guerre de 1870, S. 224-226, 288-289. Vgl. Ouverture de crédit, 5 juin 1882, in: CMPV, Année 1882, 1" sém. S. 830-840, hier S. 831.
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Attraktivität der Figur für das republikanische Lager im Conseil erklärten die Konservativen nicht zuletzt mit dessen Profilierung als »ennemi du clergé«27 und schließlich auch »ennemi de la France«28, der nämlich den Kirchenstaat im Namen der »idées républicaines« bedroht und sich damit der monarchischen Nation zurecht verhaßt gemacht habe. Daß die republikanische Nation sich dem revolutionären Freiheitskämpfer anderer Nationalität mehr verpflichtet fühlen sollte, als dem Katholizismus französischer Prägung, fanden die Konservativen skandalös29. Die italienische Gegenwehr gegen die französische Militärintervention in Italien vom Juni 1849 und die letzten Gefechte von Garibaldis Freischaren an der Seite der Vogesenarmee vom Winter 1870/71 blieben die historischen Eckdaten kontroverser nationalgeschichtlicher Relevanz, auf die sich der öffentliche Diskurs um die Garibaldi-Figur auch in den kommenden Jahren konzentrierte. Erst im November 1890 brachte Marx' Schwiegersohn, der ehemalige Kommunarde und radikal-sozialistische Conseiller Charles Longuet die Debatte erneut auf, indem er an seinen bereits zuvor geäußerten Vorschlag anknüpfte, den Conseil angesichts schleppender Subskriptionen zu einer Subvention des geplanten Garibaldi-Denkmals in Paris zu bewegen. Longuet verteidigte den bewaffneten Kampf von Garibaldis Verbänden gegen die französischen Truppen im Jahre 1849 als Verteidigung des »droit du peuple italien« gegen den »pouvoir temporel de la papauté« und damit, daß die französischen Truppen nicht für die republikanische Nation, sondern für die »France réactionaire ... ou bonapartiste« Napoleons III. gekämpft hätten30. Die republikanische Nation eignete sich hier erneut die Garibaldi-Figur als militanten Revolutionär von 1849 und aufopferungswilligen Kombattanten in der traumatischen Défense nationale von 1871 an. In entscheidenden Punkten ging die Debatte von 1890 über den Stand der Diskussion von 1882 hinaus. Dies galt zunächst für das republikanische Argument Longuets, der für die Denkmalerrichtung erstmals die außenpolitische und diplomatisch-taktische Erwägung geltend machte, auf dem Wege der öffentlichen Monumentalsymbolik gezielt eine Annäherung an Italien zu betreiben31. Longuet spielte vage auf das außenpolitische Ziel einer langfristigen Herauslösung Italiens aus der Dreibundkonstellation an, die nach dem Abtritt Bismarcks im März des Jahres die beginnende Erosion seines kontinentalen Bündnissystems zugunsten Frankreichs unterstützen sollte. Zum neuen taktischen Argument kam zweitens ein deutlich verschärfter Angriff auf Papismus und Klerikalismus durch die Denkmalstifier, die die Affinität des »parti clérical« zum römischen Papsttum als den eigentli27 28 29 30 31
Ibid. S. 838. Ibid. S. 839. Vgl. ibid. Vgl. Adoption, 14 nov. 1890, in: CMPV, Année 1890, 2 e sem., S. 589-594, hier S. 589. Ibid. S. 591; AGULHON, Der Mythos Garibaldi, passim.
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chen Hinderungsgrund der Moderaten und Konservativen fur eine Zustimmung zum republikanischen Monument im Conseil ausmachten32. Damit verweigerte sich der ultramontane Katholizismus aber nun gleich zwei republikanischen Nationen und konnte so als mit jedem republikanischen Nationalismus unvereinbar entlarvt werden. Eine Replik der Attackierten erfolgte allerdings auch diesmal prompt. Für sie bekundete Denys Cochin, der sich in den Vorjahren als katholischer Dreyfusard profiliert hatte, daß ihre Zustimmung zu einem Garibaldi-Denkmal solange zu haben war, wie es sich auf dessen militärische Intervention zugunsten der »France brisée [et] mutilée« von 1870/71 bezog. Daß nun aber Garibaldi zu den Protagonisten der Einigung Italiens zählte, mußte ihn zugleich zum Exponenten des »allié de la Prasse« machen, und es war diese bündnispolitische Nähe zu Preußen-Deutschland, die der Denkmalsetzung zutiefst zu widersprechen schien33. Mehr als der Affront gegen den als un-national diffamierten Katholizismus reizte die Konservativen demnach die übereilte Verehrung eines militärischen Helden, dessen Loyalität zu Frankreich unter dem Eindruck eines nach wie vor akuten deutschen Feindbildes fraglich erscheinen mußte34. In den folgenden Jahren hielt der Streit über die Garibaldi-Figur an35. Als das Denkmal nach der Jahrhundertwende im Conseil noch einmal zum Thema wurde, blieben tiefgreifende Kontroversen allerdings aus36. An der Einweihungsfeier am 13. Juli 1907 im unmittelbarsten Vorfeld der Feierlichkeiten zur »fête nationale« nahm ausnahmsweise selbst der Präsident der Republik Fallières teil37. Vor allem aber erschienen unzählige uniformierte Veteranen der garibaldischen Vogesenarmee, Kombattanten aus der Lombardei und verschiedene italienische Sektionen mit ihren Bannern, die das Zeremoniell mit einem Defilee beendeten38. Die offiziellen Ansprachen repetierten den republikanischen Konsens über den »ami fidèle de la France« und die »fraternité des races latines«, auf den man sich mühsam im Vorfeld hatte einigen können. Die Nationswerdimg Frankreichs und Italiens wurde von dem der Gauche radicale zugehörenden Senator Gustave Rivet als Resultat der »luttes
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38
Vgl. ibid. Vgl. Adoption, 14 novembre 1890, in: CMPV, Année 1890, Τ sem., S. 592f. Ibid. S. 593. Vgl. zur republikanischen Lesart u.a. M.A. GROMIER, En l'honneur de Garibaldi (à propos de sa Campagne en France), Paris 1891, S. 3-8 und für die konservativen GaribaldiGegner Autunois G. THEYRAS, Garibaldi en France 1870-1871, Paris 21891, S. 249, 255, 668-679. Vgl. auch AGULHON, Der Mythos Garibaldi, S. 173-182. Vgl. Concession, séance du 24 juin 1907, in: CMPV, Année 1907, Γ sem., S. 1718. Daneben waren der Präsident des Senats, Dubost, und der Chambre, Brisson, anwesend, ebenso Ministerpräsident Clemenceau, der Minister fur Auswärtiges Pichón und eine große Zahl von Senatoren, Deputierten, Generalen, Offizieren und verschiedene italienische Delegierte. Vgl. Le Temps, 14. Juli 1907, S. 1 und 2; Le Petit Journal, 14. Juli 1907, S. 1-2. Vgl. ibid.
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de l'indépendance et de la liberté«39 identifiziert und eine geschichtsmächtige Konvergenz beider Staaten konstruiert, deren Genese mit emanzipatorischen und daher gerechtfertigten Gewaltakten und Umstürzen begonnen habe, um in einem friedvollen Kontinuum erlangter Volkssouveränität und Freiheit zu enden40. Auf dem langjährigen Diskussionshintergrund war wenig Uberraschend, daß die republikanischen Blätter die Denkmalprogrammatik ausdrücklich übernahmen41, während sich die konservative Presse bedeckt hielt42. Nur der Gaulois ließ die alte Kontroverse wieder aufleben und stellte fest, daß die republikanische Regierung Garibaldi auf Kosten des Katholizimus zum nationalen Helden ernannt habe43. Faktische und geargwöhnte Exklusionsdiskurse blieben damit noch über die Denkmalerrichtung hinaus prägend und verhinderten ungeachtet eines formal konsensualen Festverlaufs eine einhellige Verständigung. Im Lager der Konservativen wog das Argument einer Heroenrolle Garibaldis in den Tagen des französischen Desasters von 1871 und also die Identifikation der Nation mit dem Niederlagentrauma jedenfalls nicht stark genug, um Vorbehalte gegen den Revolutionär und mutmaßlichen Anti-Katholiken zu besänftigen.
1.2. Neubestimmungen
der »gloire
militaire«
Als Projektionshintergrund für die Verhandlung der Kriegsthematik erschienen unterdessen nicht nur einschlägiges Personal oder allegorische Abstraktionen. Auch einige Künstlerstatuen, die seit den 1880er Jahren zahllos in der Hauptstadt entstanden, sonst allerdings überwiegend auf kulturelle Inklusion abzielten, erwiesen sich als monumentale Etappen bei dem Versuch, zu einer unbelasteten militärischen Traditionsstiftung vorzudringen. Erkennbar wurde dies anläßlich der Denkmaleinweihung im November 1889 für den Maler Alphonse de Neuville auf der Place Wagram. Man feierte dort in erster Linie den »peintre militaire«, der sich in der Tat schon rasch nach dem Ende des Krieges gegen Deutschland 1871 mit Bildern vom letzten Widerstand der Franzosen gegen den Feind und die Kämpfe um Lothringen hervorgetan hatte44. In einer programmatischen Rede würdigte Gustave Larroumet in seiner Eigenschaft als Directeur des Beaux-Arts den Geehrten als einen Pa39 40 41 42 43
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Ibid. Vgl. ibid. Vgl. Le Petit Journal, 13. Juli 1907, S. 1. Vgl. Le Constitutionnel, 14. Juli 1907, S. 1; ibid. 17. Juli 1907, S. 2. Vgl. Le Gaulois, 13. Juli 1907, S. 1: »(...) ce que M. Fallières va tout à l'heure honorer (...) c'est le grand anticlérical, le grand anticatholique et le grand révolutionnaire.« Vgl. ROTH, La guerre de 1870, S. 686f.
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trioten, der es verstanden habe, auf dem Wege der Kunst der nationalen Moral nach der Kriegsniederlage von 1871 aufzuhelfen45. Die französische Malerei hatte die Themen der »guerre« und der »soldats« immer schon als genuin nationale verhandelt; erst de Neuville aber gelangte zu neuen Ausdrucksformen der durchlittenen »humiliation«, indem er nicht mehr triumphierende Generale, sondern »les uniformes simplifiés (...), l'officier et le soldat confondu dans l'égalité de la défaite« zeigte46. Dem Bild der kriegsgeschundenen Nation, die nun in ihrer gleichmachenden Zerrüttung egalitär erschien, verlieh er einen würdevoll-stolzen Ausdruck und wurde darüber regelrecht zum visuellen Gründer der neuen Armee47. So schien de Neuville die moralische Depravation ohne Verdrängungen bildhaft zu überwinden und ließ nationale Traditionsstiftung selbst über der Katastrophenerfahrung von 1871 gelingen48. Gelobt wurde freilich die Visualisierung nicht der Staatsbürgernation, sondern eines Frankreich, das militärischer Verankerung bedurfte und dem der gehorsame Soldat Rückhalt bot. Mit de Neuville thematisierten die Denkmalstifter mithin die Nation, deren Ressourcen im individuellen Opferwillen ihrer Soldaten liegen würde. Ahnliche Denkfiguren sollten sich im Zusammenhang mit der Errichtung eines Denkmals zugunsten des Genremalers Denis-Auguste Raffet wiederfinden, das Anfang November 1893 im Jardin de l'Infante am Louvre etwa auf der Höhe des Pont des Arts enthüllt wurde49. Im Gegensatz zur Neuville-Feier mühten die Stifter sich hier nun aber, von der Niederlagenassoziation vollends wegzukommen und in Raffet den künstlerischen Kronzeugen für die genuin militärische Qualifikation der Nation zu erblicken50. Auch Raffet visualisierte die Nation primär als Armee und versicherte sie anhand zahlreicher Bildsequenzen, die bis in die Erste Republik zurückreichten, einer ebenso von Ruhm wie von Niederlagen, am Ende aber von »gloire« gekrönten Tradition51. Ein tinmittelbar ähnlicher Modus der Traditionssuche lag schließlich der Errichtung einer Statue für den Maler Emest Meissonier zugrunde, die Ende Oktober 1895 am gleichen Ort und in ungewöhnlich prominentem Besucherkreis in Gegenwart des Unterrichtsministers Raymond Poincaré sowie des Denkmalkomitee-Präsidenten Jules Simon enthüllt wurde52. Erneut huldigte man dem Maler, der sich ganz auf die »épopée napoléonienne« festgelegt hatte53. Über der Intensität, die Meissoniers Bilder ausstrahlten, überschlug sich 45 46 47 48 49 50 51 52 53
Vgl. Le Temps, 19. November 1889, S. 2-3, hier S. 2. Ibid. Ibid. S. 3: »II fondit la jeune armée dans les rangs de la vieille.« Ibid. Vgl. Le Temps, 4. November 1893, S. 2-3, hier S. 3. Ibid. Vgl. ibid. Vgl. Le Temps, 26. Oktober 1895, S. 2-3, hier S. 2. Vgl. ibid.
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einer der Redner mit emphatischen Ausrufen, die kaum mehr den Maler, umso mehr aber sein napoleonisches Sujet trafen: »Et il voit l'empereur! (...) il revêt la redingote grise (...). Et, miracle, c'est l'empereur lui-même qui renaît sous son pinceau!«54 Meissonier avancierte zum Reanimator der bildhaften Präsenz des ersten Empereur und mit ihm des Ersten Empire als eines Kapitels nationaler Geschichte, in der Frankreich Napoleon noch als Inbegriff der populären, legendenhaften Soldatenfigur huldigte. Zwar dämpfte Poincaré den emphatischen Ton, indem er in Meissonniers »cycle napoléonien« nicht nur die Erinnerung an eine Siegergeschichte, sondern auch an die »tristesses passées« sah und Meissoniers Vorliebe fur die militärischen Themen nicht nur dem Gespür fur das Große, sondern auch für das Pittoreske zuschrieb55. Den ebenso zum Militärischen wie zum NapoleonKult hin vereinseitigten Nationsbegriff der Denkmaldeuter balancierte Poincaré damit allerdings nur verhalten aus. Im Gesamtbild blieben diese Denkmalunterfangen aber ohnedies marginale Phänomene, ihre Programmatiken tastend-unstete Versuche einer neuen, positiven militärischen Traditionsschöpfung. Zu den Symbolfolgen der Niederlage gegen Deutschland zählte in Paris nach 1871, daß öffentliche Denkmäler für militärisches Personal selten blieben. Wenigstens seit den 1880er Jahren war dies wohl nicht zuletzt ein Reflex auf die politische Sensibilisierung des nationalen Diskurses für den Militarismus angesichts von internen Umsturzszenarios im Gefolge der Boulanger-Krise, die militärische Potenz nicht nur als Faktor der Außenverteidigung, sondern auch innerer Aufreibung und Bedrohung der Republik erscheinen lassen konnte. Die ersten Personendenkmäler, die nach 1871 wieder an militärische Erfolge erinnerten, bezogen sich dann zwar auf wenige Exponenten kolonialer Expansion, kamen aber angesichts einer die ersten Dekaden der Dritten Republik bestimmenden ausgesprochenen Skepsis gegenüber dem Kolonialismus, die Jules Ferry nach der Timesischen Expedition 1881 das Amt gekostet hatte, erst signifikant später und mit einem markant geringeren Inszenierungsaufwand als in Großbritannien zustande. Zu den ersten monumentalen Reminiszenzen an die koloniale Expansion Frankreichs im letzten Jahrhundertdrittel gehörte mit einem spezifisch hauptstädtischen Akzent eine Statue für den 1885 bei Tuyen-Quan im Zuge der Pazifizierung der neuen französischen Protektorate in Indochina gefallenen Unteroffizier Jules Bobillot, die am 15. Juli 1888 auf dem Boulevard RichardLenoir nahe der Place de la Bastille im 11. Arrondissement eingeweiht wurde, weil Bobillot hier geboren worden war. Das Zeremoniell nahm sich beschei-
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Ibid. Vgl. ibid. S 3.
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den aus56; allerdings endete die Veranstaltung mit einem fast einstündigen Defilee und zahlreichen Kranzniederlegungen von Truppen und Vereinen am Denkmal57. Kurze Reden variierten je neu das Thema soldatisch-treuer Opferbereitschaft für die Nation58 und sahen hier eine besonders ruhmvolle und demonstrativ statusindifferente Form der Inklusion in die Nation veranschaulicht59. Seitdem blieb das Monument fester Bestandteil der populären Feierlichkeiten am 14. Juli in Paris. Etwa legten 1891 ehemalige Unteroffiziere Palmzweige und alte Veteranen einen Kranz am Denkmal nieder. Derartige feierliche Akte begleiteten aber in der Regel keine offiziellen Reden60. Gleichwohl ließ die rituelle Kopplung von Kultakten am Denkmal mit dem Nationalfeiertag die Ambition erkennen, die koloniale Expansion nach der Niederlage von 1871 zum neuen Ausdruck militärischer Potenz der Nation zu stilisieren. Die Einbeziehung blieb freilich im Vergleich mit der ungleich prominenteren Funktion der Statue de Strasbourg61 im Rahmen der Nationalfeiertage nachrangig. Damit erschien die Reminiszenz an das unprominent-aufopferungsvolle Heldentum in der kolonialen Phase nationaler Entwicklung deutlich sekundär gegenüber Kultgesten, die den Gedanken von Niederlage und Revanche perpetuierten62. Als Vertreter einer imperialen Kolonialpolitik wurde schließlich 1898 auch der Expeditionsforscher und Marineleutnant Francis Garnier in ähnlichem Sinne wie Bobillot in Anerkennung seines »Opfertodes« fur die Nation geehrt. Die Errichtung seines Denkmals auf dem Platz vor dem Observatorium am 14. Juli des Jahres zeugte vom Versuch, die in großem Stil von den regierenden Opportunisten wiederaufgenommene Kolonialpolitik Frankreichs demonstrativ zu belobigen. Daß damit in der frühen Phase der Dritten Republik mit wenig öffentlicher Gegenliebe seitens radikaler Gruppen einerseits und des 56
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Vgl. Le Temps, 15. Juli 1888, S. 1; Le Radical, 17. Juli 1888, S. 2. Der Radical bezifferte die Zahl der Teilnehmer auf 30.000 Personen. Vgl. ibid. Dabei wirkten unter anderem Partisanenverbände und Schützenvereine mit. Die Festgesellschaft rekrutierte sich weniger aus elitären Ehrengästen als aus zahlreichen »travailleurs« und »ouvriers« aus den republikanisch geprägten östlichen Stadtvierteln. Vgl. Le Temps, 15. Juli 1888, S. 1; Paul DE TOURNEFORT, Au Sergent Bobillot. Poésie dite à Paris, le 4 avril 1886, à la matinée organisée au Théâtre des Folies-Bergère, par le comité de souscription au monument, Paris 1886 [up], Vgl. Le Temps, 15. Juli 1888, S. 1. Le Radical, 16. Juli 1891, S. 2. Vgl. bereits Teil II, Kapitel II. 1.1. Im Juli 1886 war im Zuge einer »hommage spontanée« schon einmal eine provisorische Büste des Sergent Bobillot an der rue Antoine im Faubourg du Temple unter großer Anteilnahme der »population ouvrière« gefeiert worden. Vgl. Le Petit Journal, 16. Juli 1886, S. 2; ibid. 13. Juli 1888, S. 3; Le Radical, 16. Juli 1886, S. 3. Jahre vor der definitiven Denkmalerrichtung 1888 war Bobillot damit auch als Figur metropolitan geprägten Imperialismus-Kults ausgewiesen, mit der vor allem der republikanische Osten der Stadt seinen Beitrag zur kolonialen Expansion monumental erinnert sehen wollte.
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konservativ-rechten Lagers andererseits zu rechnen war, wurde an dem Umstand erkennbar, daß der Initiative der späten 1890er Jahre ein erster Anlauf wenige Jahre nach Gründung der Republik vorausging, der sich damals als nicht durchsetzungsfähig erwiesen hatte63. Der Ministre de la Marine et des Colonies, dessen Ressort um Unterstützung des Projekts gebeten worden war, hatte sich damals reserviert geäußert64. Mit seinem ebenso vagen wie ablehnenden Bescheid hatte der Minister dem Umstand Rechnung getragen, daß Garnier, der bereits während des Empire an Militäroperationen in Cochinchina teilgenommen und Expeditionen geleitet hatte, 1873 im Auftrag von Geschäftsleuten, die an verbesserten Handelsbeziehungen zu China interessiert waren, beauftragt worden war, von Hanoi aus die Öffnung des Gebiets fur den französischen Handel zu ermöglichen, sich dann aber unautorisiert vor Ort zur Einnahme der Zitadelle von Hanoi entschlossen hatte und dafür kurze Zeit später von chinesischen Rebellen ermordet worden war65. Mithin stand Garnier für ein Phänomen, das später im britischen Imperialismus etwa in Gestalt General Gordons wiederkehren sollte, indem auch hier die Überreizung von Befehlskompetenzen zur Katastrophe geführt hatte66. Die Kritik in den Reihen der Marine wie des Centre-droit verhinderte damit den frühen Monumentalisierungsversuch. Die öffentliche Debatte um die Legitimierung von nationaler Expansion in Fernost schien sich mm seit der Reaktivierung kolonialer Expansionspolitik unter dem von den Gambettisten unterstützten Minister Ferry Anfang der 1880er Jahre zu wiederholen. Die inzwischen erfolgte Umwandlung von Annam und Tonking in französische Protektorate67 und ihre allmähliche Befriedung bis etwa 1890 bereiteten den Boden für einen neuerlichen Rekurs auf die Garnier-Figur. Auf dem Hintergrund einer nun von einer breiten öffentlichen Zustimmung getragenen kolonialen Initiativpolitik68 war das Projekt am Ende doch durchsetzbar. Zum Einweihungsfest 1898 fanden sich diverse Perönlichkeiten aus dem diplomatischen Korps und der Kolonialpolitik sowie der Präsident der Garnier nahestehenden Pariser Société de géographie ein, die sich nicht anders als ihre zahlreichen regionalen Ableger zu einem energischen Kolonialismus zum 63
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Bereits im April 1874 hatte der Conseil Municipal in Gamiers Geburtsort Saint-Etienne sich mit dem Plan einer entsprechenden Denkmalehrung getragen. Vgl. Extraits du registre des délibérations du CM de Saint-Etienne, séance du 15 avril 1874. AN F , c I 170 Dossier: 30 décembre 1896-5 mai 1897 Érection d'un monument à Francis Garnier [up]. Vgl. Schreiben des Ministre de la Marine et des Colonies an den Innenminister vom 11. Mai 1874, AN ibid. Vgl. Jacques VALETTE, L'expédition de Francis Garnier au Tonkin à travers quelques journaux contemporains, in. RHMC 16 (1969) S. 189-220. Vgl. Kapitel III.3. Vgl. Raoul GIRARDET, L'idée coloniale en France de 1871 à 1962, Paris 1972, S. 44. Vgl. MOLLER, GEORGES, La plus longue des Républiques, S. 227-243.
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Zweck des politischen Prestigegewinns einer nach 1871 moralisch angeschlagenen »nation« aufgerufen sah69. Kolonialminister Georges Trouillot rühmte Garniers Engagement zugunsten der »patrie« als »conquérant« und »colonisateur.« Stellvertretend für ein weithin zustimmendes Presseecho unterstützte auch der Temps die Ehrung70. Offensichtlich wurde dabei, daß hinter der neu entfachten Kolonialismuseuphorie, für die Garnier hier zur Ikone wurde, neben dem Primärziel der Wiedergewinnung der 1871 schmachvoll eingebüßten »grandeur« nicht zuletzt die Rivalität mit Großbritannien stand71. Daß die Denkmalsetzung fur Garnier kurz vor der Jahrhundertwende ungeachtet anhaltenden Disputs immerhin möglich war, ließ zugleich erkennen, daß die tiefen Risse zwischen Radikalen und regierendem Opportunismus, die das Thema Kolonialpolitik Mitte der 1880er Jahre als Nachklang der Expedition in Tunesien 1880/81 und Indochina 1883/85 noch provozierte, bis zur Jahrhundertwende konsensualer gehandhabt wurde. Zumindest innerhalb des republikanischen Lagers war die ehedem umstrittene Idee der Kolonialnation inzwischen weniger im Blick auf das ökonomische Argument der Schaffung von Absatzmärkten, als unter der Annahme möglich geworden, daß kolonialer Erfolg der machtpolitischen Rehabilitierung der Nation zuträglich sei.
2. Berlin: Stagnation und Absorption
Die Inszenierung der Nationswerdung aus dem Geist des Krieges erwies sich als prominentes Thema Berliner Denkmalbauten. Bereits die am Sedantag 1873 auf dem Königsplatz eingeweihte Siegessäule, die in Säulenunterbau und der Sockelrundhalle Szenen der deutschen »Einigungskriege« von 1864, 1866 und 1871 abbildete72, feierte den »preußischen« Triumph über Frankreich und 69
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Vgl. Le Temps, 15./16. Juli 1898, S. 2; BECKER, AUDOIN-ROUZEAU, La France, S. 160163; GIRARDET, L'idée coloniale, S. 24-93. Vgl. Le Temps, 15 /16. Juli 1898, S. 1. Vgl. C M. ANDREW, A.S. KANYA-FORSTNER, The French >Colonial partyc its composition, aims and influence, 1885-1914, in: HJ 14 (1971) S. 99-128, hier S. 99-101. Vgl. u.a. W. WASSERMANN, Die Enthüllung des Sieges-Denkmals zu Berlin am 2. September 1873. Vollständige Darstellung der Geschichte und Ausfìihrung des Denkmals, seiner Reliefs und Gemälde, sowie der Enthüllungsfeierlichkeiten, Berlin s 1873; Herrmann HOFFMEISTER, Das National-Siegesdenkmal der Deutschen Kaiserstadt in Photographie nebst einer volksthümlichen Darstellung des Entwicklungsganges der dem Berliner neuen Siegesdenkmal zu Grunde liegenden deutschen Einheitsidee. Ein Gedenkbuch für das deutsche Volk, Berlin 1871; Ausfùehrliche Erklaerungen der vier Reliefs sowie des grossen (Anton v.) Wernerschen Rundgemaeides an dem Siegerdenkmal auf dem Königsplatze zu Berlin, Berlin 1874; Deutschlands Siegessäule auf dem Königsplatze in Berlin zum Gedächtnis der Kriegsjahre 1864, 1866, 1870-71, Berlin o. J.; [ADOLF
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führte die Apotheose machtstaatlicher Größe vor73. Daß neben dem architektonischen Bau vor allem die Berliner Monarchendenkmäler gleichermaßen in Kultpraxis und Programm das Kriegsthema weiter ausprägten, wirkte sich absorbierend auf das übrige Denkmalterrain aus. Nur so ist zu erklären, daß ungeachtet einer massiv kriegsbezogenen Propaganda, wie sie zu den Herrscherfiguren zählte, Denkmäler für Militärs in der Hauptstadt nur verstreut und ohne auch nur annähernd gleichen Kultaufwand und mit wenig konzeptionellem Progress im Blick auf die Nation entstanden sind74. Die nationale Konnotierung von Militärs diente nicht nur der Beschwörung des nationalen Kriegsmythos im Blick auf 1871, sondern kompensierte auch noch einmal die unwillkommene Revolutionserfahrung. Das zeichnete sich ab, als im Zuge einer massiv militärisch geprägten Feier am 1. November 1880 auf dem Leipziger Platz das Denkmal für den preußischen Generalfeldmarschall Wrangel nur drei Jahre nach dessen Tod enthüllt wurde75. Seine brandenburgischen und ostpreußischen Regimenter und weitere Soldaten und Kadetten sollten in der Festszene »die ältesten und die jüngsten Vertreter des Kriegsheeres« und also die Kontinuität der militärischen Nation veranschaulichen76. Kriegsminister Georg von Kameke wertete das Denkmal den Umständen der Initiative nach offen als monarchisches Auftragswerk, mit dem »treue Dienerschaft« und »braves Soldatentum« und zusammen mit dem gegenüberstehenden Denkmal für den Grafen von Brandenburg die »Vorbilder für die Armee« im Kontext der in Berlin niedergeschlagenen Revolution von 1848 honoriert wurden77. Wrangeis militärischer Ruhm potenzierte sich durch den Beitrag,
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SCHULZE,] Deutschlands Siegessäule auf dem Königsplatze in Berlin zum Gedächtnis der Kriegsjahre 1864, 1866, 1870-1871, Berlin o. J. - Zur Entstehungsgeschichte des Denkmals vgl. Klaus DEITMER, Die Grundsteinlegungsurkunden der Siegessäule. Drei Begründungen für ihren Bau und eine fur ihren Standortwechsel, in: Berlin in Geschichte und Gegenwart, Berlin 1984, S. 49-69; zu ikonographischem Programm und Inauguration vgl. Reinhard Alings, Die Berliner Siegessäule, Berlin 1990. Die Verlegung der Siegessäule vom Königsplatz zum Großen Stern fand 1938/39 im Zuge nationalsozialistischer Umgestaltungspläne für »Germania«/Berlin statt. Vgl. ibid. In Berlin entstanden nach 1871 lokale Kriegerdenkmäler, anders als in Paris v.a. auf Initiative weniger der Gesamtstadt als einzelner Stadtkreise. Einweihungsdaten und eine schriftliche Überlieferung fehlen weitgehend. Auf der Basis von Denkmalführern des frühen 20. Jhs. oder moderner Forschungsliteratur vgl. WEINLAND, Kriegerdenkmäler in Berlin. Vgl. zum Folgenden NPKZ, 2. November 1880, S. 1; Deutscher Reichs-Anzeiger, 1. November 1880, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 1634, Bl. 46; NAZ, 1. November 1880 (A.),S. 1. Vgl. das von Wilhelm I. minutiös ausgearbeitete Festprogramm: Gouveraements-Befehl vom 30. Oktober 1880, GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 20836, Bl. 78 und Programm, wie es nach dem Befehle Seiner Majestät des Kaisers und Königs bei der Enthüllung des Graf Wrangel-Denkmals am 1. November 1880 gehalten werden soll, ibid. Bl. 79. Vgl. zum Folgenden NPKZ, 2. November 1880, S. 1.
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den er darüber hinaus im Umfeld der »Wiederaufrichtung des deutschen Reiches« zu leisten vermochte, indem er nach ersten Kriegserfahrungen 1806, dem Einsatz während der Befreiungskriege und vor allem als harter Antirevolutionär eine legitimatorische Entwicklungslinie verkörperte, in der die Revolution von 1848 als Akt historischer Entgleisung, ihre Niederschlagung hingegen als logisches Versatzstück einer militärhistorisch akzentuierten Nationalgeschichte erschien. Die Sequenz vor allem der von Bismarck lancierten, 1864 wie 1866 nur unter spezifischen internationalen Konstellationen überhaupt praktikablen preußischen Staatskriege wurde hier zu einer Folge und Klimax dessen umdeklariert, was sie höchstens zum kleineren Teil waren: zu emphatisch und einhellig gewünschten Nationalkriegen, an deren Spitze im Namen des Königs Wrangel sich verdient gemacht hatte78. Die Neue Preußische Kreuz-Zeitung stellte einen unmittelbaren Symbolzusammenhang mit dem gegenüberstehenden Denkmal des Grafen von Brandenburg her, indem sie hier nun die »beiden festen Säulen der Hohenzollernkrone« und also konservativ-militärischen Stützen der preußischen Monarchie als national bedeutsame Monumente etabliert fand 79 . Daß Wrangel in seiner Funktion als Oberbefehlshaber in den Marken 1848 an der Spitze der Regierungstruppen in Berlin einmarschiert war, unter Androhimg militärischer Gewalt die im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt tagende Nationalversammlung aufgelöst und mit der Belagerung Berlins begonnen hatte, wurde noch einmal honoriert80. Mit der Wrangel zugewiesenen Parole vom gebotenen Widerstand »gegen die Feinde in unserer eigenen Brust«81 geriet er zum Repräsentanten nicht nur der militärisch-machtstaatlichen, sondern einer nach innen zutiefst exklusiven Nation, die berechtigt war, den als Feinden Identifizierten die Teilhabe zu verweigern 82 . Erst nach der Jahrhundertwende sollte militärisches Personal noch einmal gesondert gewürdigt werden, als wenige Tage nach der Einweihung des Denkmals Friedrichs ΠΙ. vor dem Museum 1904 eine Statue für den Generalfeldmarschall und ehemaligen Kriegsminister Albrecht Graf von Roon an der Nordseite des Königsplatzes in der Mittelachse der Alsenstraße in Blickrichtung auf die Siegessäule und damit direkt im Assoziationszirkel und Wirkkreis des voluminös-abstrakten Triumphmonuments aufgestellt wurde 83 . Zum militä-
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Vgl. ibid. Vgl. auch zum Folgenden ibid. Ibid. Ibid. Vgl. ähnlich NAZ, 1. November 1880 (Α.), S. 1; sonst VZ, 2. November 1880 (2. B.), S. 2-3; ibid. 2. November 1880 (1. Bbl ), S. 1; NZ, 1. November 1880 (A ), S. 2-3. Vgl. zum Folgenden NPKZ, 24. Oktober 1904, S. 1-2, hier S. 1; VZ, 24. Oktober 1904 (A ), S. 4-5, hier S. 4; NZ, 24. Oktober 1904 (Α.), S. 3.
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risch geprägten Denkmalfest84 schuf das Kaiserpaar mit seinem Anfahrtsweg zum Festplatz eine Art verbindliches Symbolitinerar, indem es unmittelbar vom inzwischen 1901 inaugurierten Bismarck-Denkmal85 her kam und damit beide Monumente sinnfällig verband, bevor der Kaiser dann nach der im Zuge der Monarchendenkmalfeste etablierten Praxis das Zermoniell leitete86. Während die Einweihungsreden der Sache nach längst bekannte Sinntopoi zur militärisch bewehrten Nation variierten, leiteten sie ihre Deutungen besonders nachdrücklich und unmittelbar aus der Denkmaltopographie der Hauptstadt ab. Kriegsminister Karl Wilhelm von Einem bezog sich auf die Aura des Symbolortes, an dem mit dem Bismarck-Denkmal und dem vor dem Generalstabsgebäude auf der gegenüberliegenden Seite des Königsplatzes in Kürze entstehenden Moltke-Denkmal bald eine monumentale Heroentrias erstand87. Entsprechend ordnete er Roon einer vom Kaiser gestifteten »ruhmvollen Dreieinigkeit« aus »politische[r] Führung«, »Strategie« und »organisatorische[r] Schöpferkraft« zur Vergegenwärtigung der militärisch-strategisch bewerkstelligten Nationalstaatsgründung und ihres eternalisierten Gültigkeitsanspruchs zu88. In dieser der christlichen Trinitätsdogmatik nachempfundenen Stilisierung schlug sich das Bewußtsein nieder, daß die Nationswerdung in dergleichen Qualitäten vollkommen aufging und eine rein zivile oder die soziale Beschaffenheit der Nation reflektierende Dimension nicht eigens thematisiert werden mußte. Eine zweite denkmaltopographische Kontextuierung leistete von Einem im Hinblick auf das Monarchendenkmal Friedrich Wilhelms III. im Lustgarten, indem er die dort im Sockelprogramm sich aufrichtende Borussia als Initialgestalt nationaler Erhebung auf das neu entstandene Denkmalforum am Königsplatz bezog und darin den monumentalen Nachvollzug einer linearevolutionären Nationsgeschichte von »Tilsit« bis »Versailles«, von der vertraglich besiegelten Zerschlagung und Degradierung Preußens 1807 bis zur triumphalen Proklamation des preußischen Königs zum deutschen Kaiser 1871, erkannte. Damit wurde ausdrücklich das traditionale monarchische Re84
85 86 87
Es nahmen u.a. uniformierte Offiziere des Großen Generalstabes, Beamte des Kriegsministeriums, Generale und Admírale der Berliner Garnison, Offiziere und Abordnungen diverser Regimenter und Deputationen der Kriegervereine teil. Mit zwei ranghohen protestantischen Geistlichen und einem katholischen Feldpropst, dem Vizepräsidenten des Herrenhauses von Manteuffel und Vertretern des preußischen Herren- wie des Abgeordnetenhauses, sämtlichen Ministem und zahlreichen Landtags- und Reichstagsabgeordneten sowie Repräsentanten der Universitäten und der Stadt in Amtsomat waren allerdings auch zahlreiche zivile Ehrengäste vertreten. Vgl. dazu Kapitel II.2.4. Vgl. NPKZ, 25. Oktober 1904, S. 3. Seit der Planungsphase des Bismarck-Denkmals hatte es Erwägungen gegeben, auf der westlichen Seite des Königsplatzes eine Statue auch fur Moltke zu errichten. Vgl. Adolf ROSENBERG, Die Entwürfe fiir das Bismarckdenkmal in Berlin, in: Kunstchronik 9 (1897/98) Sp. 3 7 - 4 1 .
88
Vgl. u.a. NZ, 24. Oktober 1904 (A ), S. 3.
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Präsentationszentrum im alten Stadtkern über die gesamte Westachse der Linden bis zum neuen Reichsforum um Siegessäule und Bismarck-Denkmal in die offiziöse Sinnkonstruktion miteinbezogen. Die suggerierte Symbolexpansion vollzog sich zugleich scheinbar mühelos an den zahlreichen anderen in Berlin inzwischen entstandenen, auch zivilen Monumenten und nicht zuletzt am Reichstagsgebäude vorbei89. Das neue Denkmalensemble und Roon als seine vorläufige Krönung erneuerten die Vision der ebenso monarchischen wie militaristischen und tendenziell antiparlamentarischen Nation. Die Neue Preußische Kreuz-Zeitung90 stellte unmittelbar den Kontext zum preußischen Verfassungskonflikt her, wo Roon an der Seite des Prinzregenten und späteren Königs Wilhelm I. für die Zerschlagung der nach dem Prinzip des »Bürgers in Waffen« konzipierten alten Landwehr und die Überantwortung militärischer Befehlsgewalt an Berufsoffiziere, vor allem aber für ein Ende der Budgetkontrolle durch das Abgeordnetenhaus agiert hatte. Sie deutete Roon damit als Mann der Militärkamarilla, als Befürworter von reaktionären Staatsstreichplänen und einer extrakonstitutionellen Stellung des preußischen Heeres91. Während die Vossische sich zurückhielt92 und der Vorwärts das Denkmalfest demonstrativ überging, wies die linksliberale Freisinnige Zeitung im Blick auf den preußischen Verfassungskonflikt darauf hin, daß sich die litaneiartige Konsensbeschwörung unredlich ausnehme, da Roon im Spätjahr 1862 durchaus zu den Verfechtern eines Kompromisses gezählt habe, nicht hingegen statisch den reaktionären Ultras zuzurechnen sei, als deren Exponent von Einem ihn zu feiern versuchte93. Bis zur offenen Diskreditierung des offiziellen Deutungsmusters wagte man sich freilich nicht vor, so daß der Widerspruch unscheinbar blieb. Gemessen am militärischen Pomp im Umfeld der Monarchendenkmäler blieb die Ehrung von Militärs am Ende vergleichsweise bescheiden und drohte programmatisch zu stagnieren. Selbst die offiziösen Deuter brachten aber Vision und Deutungsverfahren nicht zur Deckung, indem sie die eigenen selektiven, auf Kriege und Monarchen zielenden Kontinuitätskonstruktionen unterliefen und sich eben doch wieder an Revolution und (Verfassungs-)Konflikt als den offenkundig zentralen Brüchen jüngerer Nationsgeschichte abarbeiteten.
89 90 91 92 93
Vgl. ibid. NPKZ, 24. Oktober 1904, S. 1-2; ähnlich NZ, 24. Oktober 1904 (A ), S. 3. Vgl. FREVERT, Die kasernierte Nation, S. 194-207. Vgl. VZ, 24. Oktober 1904 (A ), S. 4-5. Vgl. Freisinnige Zeitung, 24. Oktober 1904 (Bbl ), S. 1.
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3. London: Machtpolitische Konturen der Empire-Nation
Aufwendigere öffentliche Inszenierungen und zum einen aggressiv wie missionarisch zugespitzte, zum anderen defensiv legitimierte Programmatiken prägten die Denkmäler fur die Repräsentanten des Imperialismus, die seit Ende der 1880er Jahre in London entstanden. Anfang Juni 1888, genau vier Jahre nach der öffentlichen Beisetzung des ersten High Commissioner von Südafrika, Sir Bartie Frere, in London und mitten in der Regierungsphase der Konservativen unter Salisbury, wurde eine Frere-Statue im Westteil der Victoria Embankment Gardens eingeweiht und erfuhr dabei schon aufgrund der Anwesenheit des Prinzen und der Prinzessin von Wales öffentliches Interesse94. Dem Prince of Wales, unter dessen Schirmherrschaft der Frere-Fund die Gelder für das Denkmal gesammelt hatte, oblag es als einzigem Redner, das Denkmal offiziell auf die Nation zu beziehen. Zu diesem Zweck rekapitulierte er zunächst als Inbegriff der »public and philanthropic services« die Stationen von Freres militärischer Karriere in den Diensten der Krone von seinen Anfängen als Kadett bei der East India Company über zahlreiche Posten in Indien, wo er sich während der Mutiny nach den Worten des Prinzen bewährt hatte, und belobigte den Eifer, mit dem Frere für die Abschaffung des Sklavenhandels eingetreten war95. An der Stelle, an der die Chronologie der Ereignisse einen Exkurs zur ebenso rabiaten wie langfristig zweifelhaften Südafrika-Politik erfordert hätte, für die Frere in der herausragenden Position des Gouverneurs der Kapkolonie verantwortlich zeichnete, beschloß der Prinz, nicht alle Karrierestationen Freres im Dienste der Nation weiter aufzuzählen. So mied er eine offizielle Beurteilung von Freres Politik, der gegen Anweisungen seines Kolonialministers, aber durchaus ganz im Sinne des aggressiven Imperialismus, für den Disraeli stand, 1877 einen ersten kriegerischen Vorstoß nach dem Transvaal unternahm, den Großbritannien zwar sieg-, aber auch verlustreich beendet hatte96. Daß sich Freres Politik im Einklang mit berechtigten imperialistischen Interessen der Nation im unter den Kolonialmächten heftig umkämpften Afrika befand, sollte der Frage nach Angemessenheit und Strategie machtpolitischer Mittel klar vorgeordnet bleiben.
94
95 96
Vgl. zum Folgenden The Times, 6. Juni 1888, S. 12. Anwesend waren u.a. der Erzbischof von Canterbury, der Lord Mayor, der Duke of Cambridge, der später selbst mit einem Denkmal geehrte Feldmarschall Lord Napier of Magdala, weitere Militärs und Parlamentsmitglieder. Vgl. ibid. Vgl. Ronald ROBINSON, John GALLAGHER, Africa and the Victorians. The official mind of Imperialism, London und Basingstoke 1978, S. 63; PEARCE, STEWART, British political history, S. 155.
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Während die Times sich auf die einigermaßen unoriginelle Wiedergabe der Floskeln beschränkte 97 , deckte der Standard den in der Prinzenrede übergangenen Konfliktstoff auf, den eine Inszenierung Freres als nationale Kultfigur bergen mußte 98 . Vorausgeschickt wurde das politische Bekenntnis zur expansiven Kolonialpolitik, die Großbritannien von der Kapkolonie an der Südspitze Afrikas aus vornahm, um die beiden seit der Jahrhundermitte bestehenden Burenstaaten, den Oranje-Freistaat und den seiner immensen Bodenschätze wegen begehrten Transvaal, zu annektieren. Im Einklang mit der Festrede wurde davon ausgegangen, daß Großbritannien im »scramble for Africa« seinen Platz behaupten und den strategisch wichtigen Verbindungspunkt über den seit 1869 geöffneten Suezkanal nach Indien als dem Herzstück des Empire auch mit militärischen Mitteln erstreben mußte 99 : Accustomed from youth to deal with inferior and subject races, he [i.e. Frere, H.R.] could not conceive of any tribe, or race, or people confronting British power with any chance of success. His one duty in life was to compel those who obeyed the sceptre of England to continue to obey it, and to bring to their knees those who did not at once recognise its authority. (...) it was the destiny of the British Empire not to shrink but to expand. He regarded its growth and expansion as an unqualified benefit to mankind, and no one could ever have persuaded him that the Sovereignty of (...) Boers was preferable to the Sovereignty of England
Tendenziöser als dies je im Zusammenhang mit der Inszenierung der MutinyHelden während der 1860er Jahre der Fall gewesen war, fußte das Bekenntnis zum autoritären und militanten Kolonialismus nur allzu deutlich auf der Unterstellung einer grundlegend differenten rassischen Wertigkeit britischer Nationalität einer- und indigener ethnischer Verbände andererseits, deren mögliche Anwartschaft auf Nationsbildung jenseits des Diskussionswürdigen lag. So überzeugt war der Standard vom imperialistischen Dogma, daß er die Nation überhaupt nur noch als Empire zu konzipieren bereit schien und diesen Umstand als durchaus humanitären Zugewinn in globalem Maßstab wertete. Er bekannte sich nicht nur zur einigermaßen intransigenten ImperialismusVersion Freres, sondern verteidigte sie auch gegenüber der antizipierten Kritik purer Gewaltherrschaft, indem Frere auch zivilisatorische Ambitionen zugeschrieben wurden, sofern er den kolonialisierten Gebieten durchaus »social order and social freedom«, freilich unter den nicht näher präzisierten Rahmenbedingungen der »Dependency«, zuzuerkennen bereit gewesen sei101.
97
The Times, 6. Juni 1888, S. 12. Vgl. zum Folgenden The Standard, 6. Juni 1888, S. 5. 99 Vgl. Colin NEWBURY, Great Britain and the partition of Africa 1870-1914, in: PORTER (Hg.), The nineteenth century, S. 624-650, hier S. 629; Christopher SAUNDERS, Ian R. SMITO, Southern Africa 1795-1910, in: ibid. S. 597-623, hier S. 604 und 614; ROBINSON, GALLAGHER, Africa and the Victorians, S. 1-26. 100 The Standard, 6. Juni 1888, S. 5. "" Vgl. ibid. 98
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Erst im Anschluß an diese klare Parteinahme trug der Standard jene Aspekte nach, die der Prince of Wales in seiner Rede ausgelassen hatte: Die liberale Administration unter Gladstone bezichtigte der Standard dann, Freres Expansionismus diskreditiert zu haben, der inzwischen in einen Krieg gegen die den Annexions- und Konföderierungsplänen der Imperialmacht abgeneigten Zulus gemündet war102. Dies war in der Tat nicht erst seit dem Regierungswechsel 1880, sondern bereits in der Endphase des Wahlkampfs geschehen, als Gladstone während einer seiner plebiszitär inszenierten Auftritte im schottischen Midlothian nicht nur gegen Disraelis aggressiven Imperialismus agitierte, sondern eine geradezu humanitäre Revision der Machtpolitik in Aussicht stellte103. Gleichwohl nahm Gladstone, wie der Standard noch einmal hervorhob, die Annexion von Transvaal keineswegs zurück und habe damit jene Rebellion der Buren provoziert, die 1881 mit der Zuerkennung einer Teilunabhängigkeit fur den Burenstaat endete104. Verrat an der zutiefst nationalen Politik Freres und seiner konservativen Anhänger und vollständiges Scheitern einer vollmundig angekündigten Politikwende lauteten die Vorwürfe, die daher vehement gegen die Liberalen und Gladstone vorgebracht wurden. Mit den Anschuldigungen verband der Standard den Versuch, gleichsam eine Grundausstattung an sozialen Freiheitsrechten selbst fur die von Frere verfochtene imperial-autoritäre Herrschaftsordnung geltend und den Status-Erhalt als Empire-Nation unter den rivalisierenden, kolonisierenden Nationalstaaten dringlich zu machen105. Formelle und tendenziell autoritär-rigide Herrschaftssicherung erschien als nicht mehr hintergehbares Prestigeerfordernis und dringliche Erfüllung einer öffentlichen Erwartungshaltung. Bereits das nächste in London eingeweihte Denkmal setzte die Inszenierung einer Art imperialen Heldentums fort, unterbrach dabei aber die gerade gestiftete Deutungstradition eines aggressiven Rassismus. Mitte Oktober des gleichen Jahres nämlich enthüllte man im Zentrum des Trafalgar Square die Statue des Major General Sir Charles Gordon, der 1885 bei dem Versuch gefallen war, das sudanesische Khartum fur die britische Kolonialmacht gegen Aufständische zu halten106. Die erst sehr kurzfristig angekündigte Enthüllung nahm der konservative First Commissioner of Works David R. Plunket ohne 102 103
104
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106
Vgl. ibid. Vgl. HOPPEN, The Mid-victorian generation, S. 632-635; SAUNDERS, SMITH, Southern Africa, S. 607. Vgl. The Standard, 6. Juni 1888, S. 5; vgl. zum Kontext M. D. BLANCH, British Society and the War, in: WARWICK, SPIES (Hg.), The South African War, S. 210-238. Vgl. auch ibid.: »His [i.e. Frere's, H.R.] anxiety (...) is to make the best laws (...) and to see that such laws are administered, without distinction of colour, race, or creed, by good and impartial Judges.« Vgl. zum Folgenden The Daily Telegraph, 17. Oktober 1888, S. 3; wenig im Evening Standard, 16. Oktober 1888, S. 1; Morning Post, 17. Oktober 1888, S. 7; The Standard, 17. Oktober 1888, S. 2.
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eigenes Zeremoniell im Kreise einer äußerst überschaubaren Festgemeinde 107 vor . Der Daily Telegraph veröffentlichte im Anschluß an einen kurzen Bericht über den öffentlichen Akt den Leserbrief eines anonymen »Heroworshippers«, der sich enttäuscht darüber äußerte, nicht mit einem »national spectacle« bedient worden zu sein. Weil die Regierung ungeachtet ihrer federführenden Initiative zum Projekt keine öffentliche Feier angekündigt hatte, wurde unterstellt, daß sie umtriebige öffentliche Versammlungen zu meiden versuchte108. Auch wurde provokant gemutmaßt, daß die Londoner Streiks von 1886 und 1887 als Symptome einer ungelösten sozialen Frage 109 den Staat zu einer rigiden Kontrolle des öffentlichen Raums veranlaßten und sogar seinen Kultradius einschränkten. Darüber hinaus gab der Telegraph dem Autor Gelegenheit, Rahmendaten für eine alternative, gleichsam nachholende öffentliche Kultpraxis publik zu machen, indem er den im Brief enthaltenen Vorschlag zitierte, künftig anläßlich von Gordons Todestag am 26. Januar eigens vor dem Denkmal zusammenzukommen, um dem Helden die »honour« zuteil werden zu lassen, die ihm nach Meinung des Schreibers jedenfalls im Rahmen der Einweihung nicht auch nur annähernd zuteil geworden war 110 . Mit einem eigenen Kommentar setzte der Daily Telegraph nach, bezeichnete das Prozedere vom Vormittag in scharfem Ton als »maimed rite« und implizierte mit der Verkrüppelungs-Metapher die Vorstellung von der dauerhaften Funktionsschädigung, die dem gesellschaftlichen Organismus unter dem Eindruck verordneter Sprachlosigkeit beigebracht wurde 111 . Daneben brach sich massive Kritik am Umgang der liberalen Gladstone-Regierung mit dem General Bahn. Belobigt wurde Gordons Ansinnen, sich von der britischen Regierung entsenden zu lassen, um den Verselbständigungstendenzen entgegenzuwirken, die der ebenso religiös wie nationalistisch motivierte Mahdi-Aufstand im ehedem ägyptisch kontrollierten Sudan entfesselt hatte. Statt nun aber zur Kenntnis zu nehmen, daß Gordons Auftrag in der Tat defensiver Natur war und zunächst nur dem Abzug der letzten ägyptischen Truppenteile aus dem Land dienen sollte, unterschlug der Daily Telegraph, daß der General sich entgegen dieser Anweisung zur selbstgewählten Mission aufschwang, Khartum gegen den aufständischen Mahdi zu halten, dazu aber aufgrund der spontanen Strategieänderung erst verspätet militärischen Rückhalt aus dem britischen
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109 1,0 111
Vgl. ibid. Vgl. ibid. Zum literarischen Gordon-Kult vgl. MACKENZIE, Heroic Myths of Empire, S. 125-130; Douglas H. JOHNSON, The death of Gordon: A Victorian Myth, in: Journal of Imperial and Commonwealth History 10 (1982) S. 285-310. Vgl. FEUCHTWANGER, Democracy and Empire, S. 206. Vgl. The Daily Telegraph, 17. Oktober 1888, S. 3. Vgl. ibid. S. 4.
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Mutterland erhielt und infolgedessen bei der Erstürmung Khartums fiel112. Die Kausalitäten stellte das Blatt indessen anders her. Sie ergaben sich seiner Darlegung zufolge aus der programmatischen Orientierungslosigkeit der zwischen 1880 und 1885 regierenden Liberalen, die zunächst gegen Disraelis Expansionismus polemisiert hatten, um ihn nach ihrem Regierungsantritt ebenso unvermindert wie erfolglos fortzusetzen. Nicht die Autarkieanwandlungen des Heroen Gordon, sondern schwerwiegende Konzeptionspannen der imperialen Politik Gladstones provozierten dieser Logik nach das Martyrium des Generals, des »hero sacrificed at party needs« 113 . Der kärgliche Enthüllungsakt, so war sich das Blatt sicher, stand in keinem Verhältnis zur »universal love and reverence«, die die Nation dem »great Englishman« eigentlich entgegenbrachte. Verbal holte der Telegraph den Gordon-Kultus umso wortgewaltiger nach, sah in ihm den »humble and earnest Christian« verkörpert, »whose heart went out to the poor and needy, who gathered little ragged children around him and taught them the love of Christ«114, und verfiel unversehens in den Duktus des Hagiographen. Dann war Gordon nicht nur den anerkannten Nationalheroen Nelson und Wellington gleichzustellen, er schien ihnen infolge einer überwältigenden christlichen Moral, rigoristischer Simplizität und Entsagungseifers noch überlegen 115 . Selbst die Exempel-Figur des seiner göttlichen Sendung gewissen Cromwell übertraf Gordon nach Einschätzung des Daily Telegraph: This gentler, purer, and nobler Cromwell, however, was incapable of the cruelties that marked the older Puritan. No massacre of Irish garrisons because they were Papists stains his name. He held the issues of life and death in his hands in many great wars, but mercy to the vanquished was always his abiding principle
Damit war die Gordon-Figur nachgerade entmilitarisiert und entkonfessionalisiert und schien einen schlechterdings feindbildlosen Nationalismus zu verkörpern. Der Abgrenzung von den militärischen Heroen des eigenen Jahrhunderts zum einen und dem Glaubenshelden aus der Nationalgeschichte zum anderen folgte schließlich in einem dritten Schritt die Distanzierung von den zeitgenössischen Kolonialhelden. Gordon war am Ende nämlich auch utterly destitute of that arrogance of race which is at the heart of so much of the wickedness of war. The poorest Chinaman, the weakest Arab, the lowest Negro of the Soudan was in his
112
113 114 115
1,6
Vgl. ROBINSON, GALLAGHER, A f r i c a a n d the Victorians, S. 145 und 1 5 1 - 1 5 4 ; JOHNSON,
The death of Gordon, passim. The Daily Telegraph, 17. Oktober 1888, S. 3. Ibid. Vgl. ibid.: »To do some good in the world, to accept all things as appointed by GOD, to care nothing for ease, comfort money, or life, compared with the faithful discharge of his duty, such were his aspirations and ideas.« [H. i. 0.] Ibid.
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eyes a man to be treated with severity if needful, but at all times with justice. (...) for the poor of every land (...) he had boundless sympathy and love
Das von Gordon exemplifizierte nationale Heldentum erlaubte mithin auch nicht die Vorstellung ethnischer Superiorität, wie sie von den Denkmalstiftern des Frere-Monuments noch wenige Monate zuvor bei ähnlicher Gelegenheit propagiert worden war. Statt dessen standen außer dem christlichen Werteraster kaum mehr Anknüpfungspunkte für die nationale Sinnzuschreibung zur Verfugung. Als Träger dieses Gordon-Kults identifizierte das Blatt ausdrücklich keine politische Partei, sondern »Patriotic Englishmen« und mit den Unionists liberale wie konservative Gegner von Gladstones Home Rule-Politik, die jeder Form geargwöhnter politischer Dissoziierung des britischen Nationalstaats entgegenzuwirken suchten118. Der Mythifizierung des Helden entsprach so das Schmieden einer nationalen, imperialen Allianz von Kräften nicht nur jenseits, sondern unter ausdrücklicher Verachtung des »party system«, sofern parlamentarische Spielregeln und parteipolitisches Kalkül einem entschlossenen Regierungshandeln »purely on principles«, nämlich unter ausschließlicher Veranschlagung von »national safety and honour«, zu widersprechen schienen119. Der antiparlamentarische Affekt erwies sich hier als konstitutiver Bestandteil eines zwischen Milde und Rigorismus changierenden christlichmythischen Kultfigur-Entwurfs und ungeachtet des ausdrücklichen RassismusVerzichts ausschließlich auf ein christliches britisches Empire hin ausgerichteten Nationskonzepts. Die Kommentare sowohl der linken als auch der konservativ orientierten Presse zeugten in der Tat von weitgehendem Konsens. Die Idee eines christlich motivierten Märtyrertums im Dienste der Nation und die nachgerade missionarische Dringlichkeit »to make the present and future generations of people in Africa better and more civilized, in the christian sense (...) for the benefit of the people, for the advantage of Egypt, and for the honour and credit of England«120 wurde zum festen Versatzstück der Deutungen121. Zivilisatorischreligiöses Selbstbewußtsein und gleichsam nachholender, kaschiert-aggressiver Expansionswille prägten insofern jenseits des parteipolitischen Haders die publizistische Rezeption der zeremonielosen Denkmalaufstellung.
1,7 118 1,9 120 121
Ibid. Vgl. ibid. Vgl. ibid. Vgl. The Standard, 17. Oktober 1888, S. 5. Vgl. Lloyd's Weekly Newspaper, 21. Oktober 1888, S. 6; The Times, 17. Oktober 1888, S. 10; The Standard, ibid. S. 4-5; Rev. George Wyndham KENNION, Courage. Sincerity. Faith. A sermon preached at Christ Church, Mayfair, on Septuagésima Sunday 1902, in commemoration of the death of General Gordon, London 1902, v. a. S. 5-7.
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Spuren eines populären öffentlichen Kults tauchten in der Tat am Denkmal auf, indem - wie im vom Daily Telegraph veröffentlichten Leserbrief angekündigt - Gordons Todestag selbst über die Zäsur der Kriegsjahre hinweg Anlaß zu Kranzniederlegungen bot, die von einer schwindenden Zahl von Teilnehmern mitverfolgt wurden 122 . 1892 sorgte indessen in einigen Gazetten fur Aufsehen, daß der First Commissioner of Works Plunket die öffentlichen Kulthandlungen seiner Kontrolle unterzog, indem er festlegte, daß die etwa 812 Kränze, die üblicherweise vor der Statue niedergelegt wurden, bis zum Abend des Vortags beim Office abgegeben werden mußten, um am Jubiläumstag offiziell deponiert zu werden. Vorausgegangen waren Klagen über unorthodoxe Praktiken der Gordon-Verehrer, die gelegentlich schon niedergelegte Kränze zugunsten der eigenen entfernten oder nicht genehme Kranzschleifen abrissen123. Trotzdem war die mehrfach geäußerte Befürchtung, daß spontane Symbolakte, wie sie bis dahin üblich waren, auf dem Wege staatlicher Aufsicht reglementiert werden sollten124. Eine parteipolitische Ambition zur Symbolkontrolle war hier allerdings nicht erkennbar, denn die Neuregelung der symbolischen Praxis ging der Regierungsübernahme der Liberalen unter Gladstone im August des Jahres voraus. Parteipolitisch bedingter Dissens hielt gleichwohl bis über die Jahrhundertwende hinweg an. Noch 1907 reichte ein Gordon-Verehrer öffentliche Klage darüber ein, daß eine von ihm eigens angebrachte Kranzschleife entfernt worden sei, obwohl er den gleichen Text mit leichten Variationen seit 1886 alljährlich verwendet habe 125 . In der Tat hatte der First Commissioner die Inschrift entfernen lassen, die in Form eines Zitats des sozialistischen Gesellschaftskritikers und Fabian John Ruskin gegen die liberale Regierung von 1885 schwere Schuldvorwürfe erhob, indem sie die alte Debatte um Gordons Mission in Khartum wieder aufrollte und das Ministerium des Verrats aus Inkompetenz zieh126. Der Vorfall blieb ein Indiz nicht nur fur die tiefe Verwurzelung des Gordon-Kults auch auf Seiten der extremen Linken, sondern auch 122
123 124 125
126
Vgl. The Times, 27. Januar 1892, S. 9; ibid. 27. Januar 1914, S. 9; ibid. 2.6. Januar 1915, S. 11; ibid. 27. Januar 1917, S. 3; ibid. 27. Januar 1919, S. 5; ibid. 26. Januar 1920, S. 9. Die Kranzniederlegungen waren in der Regel vom Gordon Boys Home organisiert, jener Schule in Chobham, Surrey, die unter der direkten Patronage der Queen und der Präsidentschaft u.a. des Prince of Wales kurze Zeit nach Gordons Tod gegründet worden war; vgl. The Standard, 30. Mai 1888, S. 2; ibid. 31. Mai 1888, S. 3. Vgl. The Daily Telegraph, 23. Januar 1892, PRO Works 20/50 [up], Vgl. Pall Mall Gazette, 22. Januar 1892, ibid. Vgl. Brief eines Professor Roberti de Lessert aus Forest Hill an das Office of Works vom 30. Januar 1907 und Replik aus dem Office noch vom gleichen Tag, ibid. Vgl. das Zitat der Kranzschleifenaufschrift im Bericht des First Commissioners vom 25. Januar 1907, ibid.: »>I am edified by the chorus of praise and honour of Gordon (...) who never ceased to warn his country against leaving the path of Truth (...) but whose advice was received with howls and hisses by a ministry that had deserted him.< - John Ruskin.«
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für eine Kultpraxis, die nicht konsensfähig wurde. Gleichwohl resultierten Unstimmigkeiten am wenigsten aus Dissens über eine dezidiert zivilisatorische und religiöse Mission des Empire, sondern betrafen stärker politische Voten zur Katastrophe von Khartum. Gegner des Imperialismus jedenfalls meldeten sich anläßlich der Denkmalerrichtung nicht hörbar zu Wort. Bis zum Jahrhundertende hin machte sich rhetorischer Verschleiß im Zusammenhang mit der Denkmalkultur bemerkbar, von dem die publizistischen Kommentare schließlich fast überlagert wurden. Betroffen war das Anfang Juli 1891 bereits ein Jahr nach seinem Tod eingeweihte Reiterstandbild für Feldmarschall Robert Cornells Napier of Magdala am Südende des Waterloo Place zur Pall Mall hin, direkt gegenüber dem Crimea Guard's Memorial, nahe den Denkmälern für Lord Clyde, Sir John Franklin, John Burgoyne und der Duke of York Column127. Die mittägliche, zeremoniell unaufwendige Einweihung leitete erneut der Prince of Wales, der die Festansprache hielt und die Enthüllung des Denkmals eigenhändig vornahm. Damit war der feierliche Akt vergleichsweise abrupt zu Ende und die Angehörigen des Königshauses zogen sich unvermittelt wieder nach Marlborough House zurück128. Der Prinz summierte detailreich die Stationen der Heldenkarriere Napiers als »military engineer«, der jahrelang in Indien gedient und als Leiter des Public Works Department in der neu eroberten Provinz Punjab für zahlreiche strategisch wichtige Kanalbauten verantwortlich gezeichnet hatte. Unarrogante Nähe zu den arbeitenden Unterschichten129 suchte der Prinz dabei ebenso zu suggerieren wie Professionalität und militärischen Kampfgeist und rückte Napier schließlich in die Nähe der Mutiny-Helden und ihrer renommierten Heldenaura. Als der Daily Telegraph eigens betonte, daß die Rede des Prince of Wales keinen »mere perfunctory discourse« und also keine vordergründige Rhetorik dargestellt habe130, wirkte dies wie eine antizipierende Rechtfertigimg und Ausdruck der Sorge, daß sich die Heldenvita, die die Rede über weite Strecken entfaltete, eben doch redundant, als nurmehr schablonenhafte Neuauflage dessen ausnehmen konnte, was auch vor anderen Denkmälern längst zu hören gewesen war. Im gleichen Maße, in dem der Daily Telegraph antrat, um auf dem Kultfigurstatus zu beharren, argumentierte er schon defensiv. Daß bis zum Jahrhundertende längst ein programmatischer und zeremonieller Verschleiß öffentlicher Monumentalsymbolik und Kultpraxis eingetreten war, konnte eindrücklicher - und unfreiwilliger - kaum demonstriert werden131. 127
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Vgl. zum Folgenden The Morning Post, 9. Juli 1891, S. 2; The Daily Telegraph, 9. Juli 1891, S. 4; The Evening Standard, 8. Juli 1891, S. 2. Vgl. ibid. Vgl. ibid.: »(...) thrown into intimate relations with the agricultural classes of India.« Vgl. The Daily Telegraph, 9. Juli 1891, S. 6. Vgl. ibid. Vgl. ähnlich The Morning Post, 8. Juli 1891, S. 4-5, hier S. 5; The Standard, 9. Juli 1891, S. 5; The Evening Standard, 9. Juli 1891, S. 4.
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Als späte, neu konnotierte, obschon denkmaltopographisch distanzierte Ergänzung zum während der 1860er Jahre entstandenen Forum fur die Militärs an Waterloo Place, erwies sich im Juni 1895 das bronzene Reiterdenkmal Feldmarschall Lord Strathnairns an der Kreuzung der Hammersmith- und Brompton Road im Stadtteil Knightsbridge südlich des Hyde Park, nahe der vom Wellington-Denkmal dominierten Hyde Park Comer132. An der wenig feierlich wirkenden Einweihung nahmen zahlreiche Generale, darunter viele ehemalige Kameraden Strathnairns teil, von denen die meisten dem Denkmalkomitee angehörten133. Feldmarschall Lord Roberts, der seinerseits zur Riege der durch die Militäreinsätze in Indien populär gewordenen christlichen Soldaten-Heroen zählte, sich vor allem aber als Befehlshaber im Burenkrieg profiliert hatte und nach der Jahrhundertwende den Vorsitz der für allgemeine Wehrpflicht agitierenden nationalistischen National Service League übernehmen sollte134, erinnerte an Strathnairns Generalkonsulat über Syrien, den Aufstieg zum ersten Botschafter in Konstantinopel unter der Protektion Palmerstons, seine militärischen Erfolge im Krimkrieg und bei der Niederschlagung der Indian Mutiny 1857 an der Spitze der Field Force. Indem er eine Würdigung Strathnairns vom vier Jahre zuvor monumentalisierten Lord Robert Napier of Magdala zitierte, autorisierte er zum einen das nationale Votum und stiftete zum anderen einen virtuellen denkmaltopographischen Zusammenhang zwischen Knightsbridge und Waterloo Place, von dem die Strathnairn-Statue zwar deutlich entfernt stand, mit deren Helden-Forum sie nun aber unmittelbar assoziiert wurde. Die Assoziation einer krisenhaften Entwicklung der Empirepolitik just in den Jahren des Indischen Aufstands Ende der 1850er Jahre, die immerhin sogar die Inschrift weckte135, wurde gemieden, um statt dessen die Monumentalisierung des Militärs zur symbolischen Fortschreibung der Geschichte von Nation und Empire als Sukzession diplomatischer, vor allem aber militärischer Siege zu betreiben. Das Pressevotum wurde unter tagespolitischen Vorzeichen abgegeben. So verband der Daily Telegraph die Feier weniger mit der imperialen Politik Großbritanniens als mit dem Faktor Irland136. Daß Strathnairn sich zunächst mit militärischen Kommandos in Irland profiliert, dort Ende der 1830er Jahre Aufstände niedergeschlagen und eine von England aus definierte öffentliche 132
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Vgl. The Daily Telegraph, 20. Juni 1895, S. 4; The Evening Standard, 19. Juni 1895, S. 4; The Morning Post, 20. Juni 1895, S. 2. Knappe Terminplanung verursachte zunächst eine erhebliche Verspätung des Festbeginns, denn zum vorgesehenen Zeitpunkt stand die Reiterfigur noch gar nicht auf dem Sockel. Vgl. ibid. Vgl. Anne SUMMERS, The character of Edwardian Nationalism: Three popular leagues, in: KENNEDY, NICHOLLS (Hg.), Nationalist and racialist movements, S. 68-87, hier S. 69f. Die Inschrift sprach immerhin von »>a most critical epoch in the history of the British Empireembodiment< [of] some one idea that was grateful to the English people« und Disraeli als Inbegriff und Einer der Nation, der die »idea of nationality, of national greatness, and of the unity of the country« in Zeiten ihrer Bedrohung vor Dissoziierung bewahrt habe230. Mit der Zuordnung Dis227 228
229
230
Ibid. und Evening Standard, 20. April 1883, S. 8. Northcote wies darauf hin, daß ein offizielles Staatsbegräbnis nur ausgeblieben war, weil Disraeli seine Beisetzung anders verfugt hatte, während in Westminster Abbey ein Monument zu seinen Ehren entstanden war. Das Londoner Monument bezeichnete Northcote als Apotheose aller bislang vorgenommenen Ehrungen, sofern es sich am authentischen Ort des politischen Wirkens Disraelis befand. Vgl. The Morning Post, 20. April 1883, S. 7. Vgl. ibid.: »I do not think I misjudge the people of this country when I say that the time is far distant when they will fail to see in the honour bestowed upon their great men, and in the inspirations drawn from the records of their prudence, their courage, their statesmanship, their devotion, their eloquence and their magnanimity a treasure greater, a force more important to this kingdom than the amplest wealth, or the most extended commerce, or the most powerful army and navy.« Vgl. ibid. und Evening Standard, 20. April 1883, S. 8.
IV. Nation und politische Deutungsmuster
525
raelis zur Queen als ihr »most devoted and most beloved servant« wurde zudem noch einmal die dezidiert monarchische Prägung der Nation unterstrichen, für die Disraeli stand. Verwendeten Northcote und Salisbury alle rhetorischen Anstrengungen darauf, jene identifikatorische Kopplung von monumentalisierter Figur und Nation plausibel zu machen, von deren Nachweis sie sich einen Sinnstiftungseffekt erhofften, der über den Moment der aktuellen Feier hinausreichen sollte, war es erstmals der Konservative Lord John Manners, der sich näher zum Gehalt eines Nationskonzepts äußerte: »The safety, the increased stability of the empire, and the promotion of the social, the physical and the moral well-being of its toiling population were the objects which he [i.e. Disraeli, H.R.] ever placed before his practical view«231. Manners griff hier auf, daß Disraeli sich seiner Wählerschaft in der Tat vor allem als Förderer des Empire und schließlich auch Vorkämpfer sozialer Reformen empfohlen hatte, verharrte indessen auf einem eher propagandistischen Niveau, indem er den in der Tat zahlreichen innenpolitischen Reformmaßnahmen eine konzise Strategie zum Wohle der Nation unterstellte, mit denen die Disraeli-Regierung faktisch allerdings kein stimmiges Politikprogramm umgesetzt, sondern vor allem situativ, bisweilen defensiv auf außerparlamentarischen Druck reagiert oder politische Richtlinien weiterverfolgt hatte, die bereits von den liberalen Vorgängern 232
stammten Im Spiegel der Festreden begann der politische Konservativismus mit dem Disraeli-Kult, das Definitionsmonopol über den Nationsbegriff zu reklamieren und den Konnex zum Empire programmatisch in den Mittelpunkt seiner Programmatik zu rücken. Die Anwartschaft des Liberalismus auf das Konzept der Reformnation wurde konsequent ignoriert, wie überhaupt die Aufmerksamkeit von der Binnenkonstitution weg auf die außenpolitische Dimension und eine spezifische Nähe der Empire-Nation zur Monarchie verlagert wurde. Die demonstrative Aneignung des Empress of India-Titels durch Queen Victoria, der 1876 in den parteipolitischen Lagern jedweder Couleur233 nicht anders als in der politischen Presse234 zu gedämpfter Emphase Anlaß gegeben hatte, wurde zwar auch hier lediglich indirekt thematisiert, blieb aber gleichwohl als triumphale Assoziation von Monarchie und Empire und als Synonym für einen diffusen Garantiemachtstatus der Konservativen für diese Werteallianz im Zentrum der vor dem Disraeli-Monument propagierten Nationsidee virulent.
231 232 233 234
Ibid. Vgl. dazu hier nur PEARCE, STEWART, British political History, S. 74-83. Vgl. TAYLOR, The British Empire, S. 119; PUGH, The Tories and the people, S. 75. Vgl.The Times, 13. März 1876, S. 8; The Guardian, 20. März 1876, S. 8; Lloyd's Weekly Newspaper, 19. März 1876, S. 6.
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Nationskonzepte in den öffentlichen Denkmälern bis 1914
Der Standard übernahm die Rhetorik der Zelebranten235 und honorierte als »genuinely national and populär«, daß die Festgesellschaft auch außerhalb der Absperrungen als vorbildlich disziplinierte »compact and most orderly mass of humanity«236 in Erscheinung getreten sei. Nicht als plurale Gesellschaft, sondern als ebenso uniforme wie pittoresk aufgemachte Menge war die Teilhabe der Nation am Fest gelitten. Nicht allein, daß sich Handwerker eigens aus dem Londoner East-End zum feierlichen Anlaß in der Menge einfanden, sondern vor allem, daß sie dank der Schlüsselblumen, die auch sie symbolisch trugen, in der vom »genuine patriotism« ergriffenen Masse untergingen, wurde beifällig erwähnt237. Damit wurde an der Symbolik mehr der Uniformierungseffekt als die partizipatorische Geste begrüßt. Disraelis nationaler Exempelcharakter ergab sich unterdessen nicht nur aus seinem konsequenten »battle for the just influence of the Crown«, sondern auch aus seiner spezifischen Auffassung von »English history« und »English traditions«, wonach mit der Nation zuallererst »the England of the English people, the English nobles, the English Church and the English Crown«238 gemeint war und also eine im von Staatskirche und Krone markierten Ordnungsrahmen sozial klar hierarchisierte Gesellschaft. Indem zu dieser Nationsauffassung Disraelis »unwavering faith for the Conservative instincts of the working classes« gerechnet wurde, suchte der Standard zu suggerieren, daß das sozialkonservative Ordnungsmodell durchaus auch fur die nicht-privilegierten Schichten attraktiv erscheinen mußte, die von einer Disraelischen Sozialreformpolitik zumindest eine graduelle Konsolidierung ihrer Lebensverhältnisse zu erwarten hatten. Um parteipolitische Ausgrenzungen kam der Standard trotz der im Einklang mit den Reden selbst auferlegten Konsensrhetorik schließlich nicht herum und nahm sie gleich in dreifacher Weise vor. Zum ersten distanzierte er sich vom englischen Nonkonformisten und radikalen Mitinitiator der Anti-Corn-LawLeague Bright239, um den konservativen Nationsbegriff von fur radikal erachteten Partizipationserwartungen oder gar Aspirationen auf eine barrierelose Massendemokratie ausdrücklich frei zu halten. Der Distanzierung vom liberalen Radikalismus folgte zweitens jene vom traditionalen Whig-Liberalismus und seiner antimonarchischen Version der englischen Nationalgeschichte, wonach die Protagonisten der Revolution von 1688 eine Tradition des Freiheitskampfes begründeten, dem sich Parlamentssouveränität und konstitutionell garantierte Freiheitsrechte als legitimatorische Bezugspunkte auch des moder-
235 236 237 238 239
Vgl. The Standard, 20. April 1883, S. 5. Ibid. Vgl. ibid. Ibid. Vgl. ibid.
IV. Nation und politische Deutungsmuster
527
nen Liberalismus verdankten 240 . Demgegenüber machte sich der Standard implizit das konservative historiographische Gegenmodell zu eigen, wonach das anarchistische, die gewachsene Staatsordnung bedrohende Potential der Revolutionäre im 17. Jahrhundert der Krone unerwünschte Autoritätseinbußen gebracht habe 241 . Eine dritte Distanzierung erfolgte vom während der frühen 1880er Jahre noch weithin marginalen und Mittelklasse-zentrierten politischen Sozialismus, dem nicht nur anarchisches Sektierertum und Aufkündigung der organischen Gesellschaftshierarchie, sondern auch erhebliche Loyalitätsdefizite gegenüber der Nation zugunsten transnationaler Zukunftserwartungen zur Last gelegt wurden 242 . Die Panegyrik der Festredner hatte der Standard damit unterlaufen und die Assoziation von Deutungskämpfen um ein Nationskonzept zugelassen, die unter der Oberfläche der Konsensrhetorik weiter anhielten. Im liberalen Meinungslager kam kein stimmiges Echo auf die Monumentalisierung Disraelis und die demonstrative Programmatik der »konservativen Nation« zustande. Der Daily Telegraph gestand nicht nur Disraeli die Aufnahme in das »open-air Pantheon« auf dem Parliament-Square zu 243 . Er bekannte sich auch zu der Form, in der Disraeli die Nation an prominenter Stelle als »Empire« begriffen hatte, »that has interests and dangers, neighbours and enemies in every sea, and almost on every coast«, und bedauerte schließlich, daß diese Prämisse nationalen Denkens nicht einhellig akzeptiert sei244. Die Pointe enthielt einen Seitenhieb auf die amtierende liberale GladstoneRegierung, die ihren Wahlkampf wesentlich auf die Kritik der militant imperialen Politik Disraelis abgestellt hatte, während ihre eigene, eher pazifistische Außenpolitik spätestens seit dem Burenaufstand in Transvaal noch im Jahr der Regierungsübemahme ins Kreuzfeuer der Kritik durchaus auch aus den Reihen Liberaler geraten war 245 . Insofern näherte sich das liberale Organ hier in der Tat dem konservativen, imperialistisch geprägten Nationsbegriff an. Daneben waren aber gelegentlich kritischere Töne zu hören. Gladstones ehemaliger Privatsekretär Edward Hamilton etwa nahm im Rahmen seiner Tagebuchaufzeichnungen nur knapp und spöttisch die Begründung des Disraeli-
240 241
242 243 244 245
Vgl. ibid. Es war der Widerspruch zu konservativen Deutungsmustern der britischen Nationalgeschichte, der den Standard die rhetorische Contenance verlieren und polemisch werden ließ. In bemerkenswerter Übereinstimmung mit der angefeindeten Whig-Historiographie galten dabei die Revolutionen des 17. Jhs. als zentrale Krisen- und Umbruchserfahrungen und nicht hintergehbare Zäsurdaten der Nationalhistorie. Zugleich wurde erkannt, daß mit einer royalistischen oder parlamentarischen Revolutionsdeutung Vorentscheidungen über den von hier aus geprägten Nationsbegriff fielen. Vgl. ibid. Vgl. The Daily Telegraph, 19. April 1883, S. 6. Vgl. ibid. Vgl. aber auch die Polemik im Pamphlet This is the tree that Ben has raised. A political satire. Dedicated without permission on the G.M.O., London o. J. [up].
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Nationskonzepte in den öffentlichen Denkmälern bis 1914
Kults als öffentlich gepflegtes »sentimental hobby« zur Kenntnis und karikierte die Primrose-Symbolik als »marvellously inappropriate and unEnglish«246. Mit der politisch linken Tendenz der Presse wuchs die Bereitschaft, der Idee von Disraelis nationaler Repräsentanz von Grund auf zu widersprechen. So wurden im Spectator Zweifel an der litaneiartig vorgetragenen Beteuerung angemeldet, daß Disraeli zum affektiven Bezugspunkt der Nation habe geraten können, und statt dessen geargwöhnt, Disraeli habe das englische Volk niemals ganz verstanden und sei seinerseits eher befremdet und durchaus mißtrauisch wahrgenommen worden247. Skeptisch behauptete auch der linke Nonconformist and Independent, daß Disraeli selbst in den eigenen Reihen den Status des Außenseiters nicht nur nie losgeworden sei, sondern seiner jüdischen Abkunft wegen - ungeachtet seiner Zugehörigkeit zur anglikanischen Kirche - auch selbst kultiviert habe248. Eine in der Verschiedenartigkeit der »race« bestehende Differenz hatte dem Nonconformist zufolge Disraeli selbst auf höchst un-englische Weise zwischen sich und das Land gesetzt und verdankte seinen politischen Aufstieg eher seinem Machtinstinkt denn irgendeiner nationalen Repräsentanz. Hinter den konservativen Demokratisierungsabsichten wähnte der Nonconformist ohnedies Manipulationsambitionen, hinter dem imperialen Außenpolitikprogramm eine Vertröstungsstrategie gegenüber den politisch und sozial Marginalisierten249. Ähnlich wie der Spectator umriß der Nonconformist von hier aus ein anders gelagertes Nationskonzept, indem er die Nivellierung sozialer »inequalities« forderte250. Die populäre linke Presse Schloß sich den Voten der distinguierteren, von einem mit Abstand elitäreren Mittelklassepublikum rezipierten linksliberalen Blättern indessen nicht an. Lloyd's Weekly Newspaper gestand zwar ein, daß »good Liberais« mit Disraelis Politik im allgemeinen und seiner fast schon reaktionären Demokratiefeindlichkeit im besonderen schlechterdings nicht konform gehen konnten, und apostrophierte ähnlich wie die kritischen Zeitungen Disraeli seiner jüdischen Abkunft wegen als »alien in race«251. Derglei246
247
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249 250 251
Vgl. Dudley W.B. BAHLMAN (Hg.), The Diary of Sir Edward Walter HAMILTON 18801885, Bd. 1 (1883-1885), Oxford 1972, S. 425. Vgl. The Spectator, 21. April 1883, S. 4: »Just as he was a student of England (...), so England in her turn was to the end rather absorbed in studying Lord Beaconsfield than in either obeying him or trusting him. He was a pleasant enigma to us, which was never solved, though we believed (...) that his power was too much limited by the character of the medium in which it moved, to endanger greatly our safety and our welfare.« Vgl. The Nonconformist and Independent, 26. April 1883, S. 373: »He cultivated and insisted on the differences which nature and history have placed between his race and ours. (...) He led them [i.e. the parties, H.R.] by a way and to an end which he knew but did not disclose. A more un-English proceeding cannot be conceived, for among us the essence of public life is frankness.« Vgl. ibid. Vgl. ibid. und ähnlich The Manchester Guardian, 20. April 1883, S. 5. Vgl. Lloyd's Weekly Newspaper, 29. April 1883, S. 6.
IV. Nation und politische Deutungsmuster
529
chen Relativierungen hinderten das Blatt aber keineswegs daran, in der Primrose in der Tat das Symbol dafür zu sehen, daß sich um Disraeli ein von parteipolitischen Ränken absehender »English people« als Nation konstituierte. Dergleichen Deutungsmuster funktionierten allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die Programmatik der Denkmalstiftung im Detail ausgeblendet und ein politisch komplett neutralisierbarer Nationsbegriff unterstellt wurde, der offenbar jene Gemeinschaft charakterisieren sollte, deren Gemeinsamkeit sich in einer diffusen Vaterlandsliebe (>love of the countrya world Venice with the sea for streets.< By the sea our Empire is divided and by the sea it is also held together«117. Expansion und Festigung der imperialen Weltmachtstellung wurden damit nicht nur erneut als unabdingbare Voraussetzung nationaler Statuswahrung gewichtet, sondern mit der Venedig-Metapher zugleich ästhetisiert und dem traditionsreichen Bild von der insularen Sonderexistenz Großbritanniens und nun eben auch des Empire einverleibt. In der Presse war für die Inszenierung zunächst breite Zustimmung zu ernten. Repräsentativ nahm sich der Artikel des Daily Telegraph aus, der Cook als Gründer und Mehrer der Empire-Besitzungen und daher als »good and faithful servant of the nation« titulierte, darüber hinaus aber auch als international bedeutsamen Vertreter wissenschaftlichen Fortschritts118. Anzeichen nicht nur genereller Denkmalmüdigkeit, sondern auch anhaltender Skepsis gegenüber der imperialen Euphorie, die im Umfeld des Denkmals erneut auszubrechen schien, waren hingegen im linken Guardian erkennbar, der zur »League that looks after the British Empire for us« ebenso auf Distanz ging wie zu jenem »good deal of Imperialistic eloquence«, zu dem sich die Festredner verstanden hatten. Durch seinen lakonischen Ton jedenfalls signalisierte der Guardian, daß er das Monument höchstens als Projektionsfläche der League, nicht indessen als national verbindliches Symbol anzuerkennen bereit war119. Bei aller selbstsicher und weithin konsensual vorgetragenen EmpireRhetorik blieben konkrete Feindbildassoziationen, die sich aus dem Postulat eigener Machtreichweite hätten ergeben können, zumindest anläßlich der Denkmaleinweihung aus; auch die Flottenagitation blieb im Rahmen der Hin115
Vgl. zum Cook-Mythos Marshall SAHLINS, HOW »Natives« think, About Captain Cook for example, Chicago 1995. Vgl. kritisch Gananath OBEYESEKERE, The apotheosis of Captain Cook. European mythmaking in the Pacific, Princeton 1997, S. 3, 7f., 49-60; William H. SEWELL JR., Eine Theorie des Ereignisses. Überlegungen zur »möglichen Theorie der Geschichte< von Marshall Sahlins, in: Andreas SUTER, Manfred HETTLING (Hg.), Struktur und Ereignis, Göttingen 2001 (GuG Sonderheft, 19), S. 46-74, hier S. 50. 1,6 Vgl. The Daily Telegraph, 8. Juli 1914, S. 14. 117 Ibid. 1,8 Ibid. " 9 Vgl.The Guardian, 7. Juli 1914, S. 8.
VI. Nation und Fortschritt
603
weise auf den britischen Seemachtstatus implizit. Selbst die imperiale Emphase des Denkmalfestes wurde sprachlich durchaus weniger aggressiv vermittelt, als dies noch fur die programmatischen Verlautbarungen anläßlich der Denkmäler fur die Militärs seit Ende der 1880er Jahre der Fall gewesen war. Der Universalitätsschub, den die Idee von Forscher- und Entdeckertum vor allem in Frankreich dem Nationsbegriff hatte verleihen können, war andererseits von keinem Londoner Denkmal in der heterogenen Reihe von Fällen programmatisch genutzt worden und erschien nun 1914 ohnedies von imperialer Rhetorik überlagert120.
4. Vergleich
Ein wirkliches Zeremoniell kam in London bei den Denkmalerrichtungen für die Vertreter des Fortschritts nicht zustande und hielt sich auch in Paris in äußerst bescheidenen Grenzen. Den ebenso exklusiven wie artifiziell-theaterhaften und routinierten Charakter Pariser Inszenierungen, der freilich nicht an das spezifische Personal gebunden war, sondern hier nur gelegentlich markanter hervortrat, dokumentierte die Einweihung des Leblanc-Denkmals Ende der 1880er Jahre, bei der es gleichsam auf Publikumswunsch zu einer »Wiederholungsvorstellung« kam, mit der kurzzeitig ein gewisses Maß an Öffentlichkeit hergestellt wurde, bevor die Elite sich erneut zurückzog. Um die Jahrhundertwende erlebten die Pariser Denkmalfeste etwa im Rahmen der PasteurFeier mit einer größeren Festgesellschaft und mehr öffentlichem Nachhall noch einmal eine regelrechte Konjunktur. In Berlin zählten die Denkmäler für Repräsentanten des Fortschritts anders als in Paris durchaus zu den prominenter inszenierten Monumenten. Die Einweihung der Humboldt-Denkmäler ließ der Kaiser in der Nähe des monarchischen Repräsentationszentrums Unter den Linden zu, hielt sich aber zunächst bedeckt, um am Ende doch die Festszene mit einem Kurzauftritt zu beherrschen. Ungeachtet militärischer Festgäste und Marschmusik nahm das Programm dennoch keine dominant militärischen Züge an, während der Flaggenschmuck die über Preußen hinausreichende Dimension der Nation andeutete, die gefeiert werden sollte. Anläßlich der Enthüllung des Helmholtz-Denkmals trat der seltene Fall der Leitung des Zeremoniells durch die Kaisergattin auf, der aber nicht etwa programmatisch fur geschlechtsspezifische Emanzipation 120
Außerhalb der Denkmalkultur hat es aber im England der 2. Hälfte des 19. Jhs. durchaus nicht anders als in Frankreich und Deutschland eine propagandistische Nationalisierung der Wissenschaft gegeben, vgl. Ludmilla JARDANOVA, Science and nationhood: cultures of imagined communities, in: CUBITT (Hg.), Imagining nations, S. 192-211.
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Nationskonzepte in den öffentlichen Denkmälern bis 1914
stand. Darüber hinaus entfielen militärische Festelemente, während statt dessen Lorbeerkränze und Palmwedel am Denkmal niedergelegt wurden. Mit militärischer Symbolik kamen allerdings die Siemens- und Krupp-Denkmäler durch den nachträglichen Auftritt des Kaisers doch mittelbar wieder in Berührung. Im für Berlin anders als für Paris seltenen Fall der rituellen Dissoziierung vor dem Senefelder-Denkmal spiegelten sich erstmals konfligierende Kulterwartungen der politischen Linken wider, die mit dem traditionellen Mittel der Kranzschleifeninschriften alternative Deutungen fur das Monument namhaft zu machen versuchte. Daß in der transnationalen Deutungsoption, die im Blick auf das Fortschritts-Personal zu entwickeln war, Sprengkraft fur die politische Opposition auch im Kaiserreich lag, blieb hier ebenso vage wie episodenhaft angedeutet. Die Konjunktur naturwissenschaftlicher Forschung und technologischen Fortschritts und ihr Legitimationspotential fur das Selbstbild der modernen Nation haben sich jedenfalls in den Denkmallandschaften aller drei Kapitalen programmatisch nachdrücklich niedergeschlagen. Argumentativ schlüssige Verbindungen mit Modernitäts- und universalen Humanitätskriterien der Nation und eine entsprechend transnationale Ausrichtung nach außen und zumindest rhetorische soziale Inklusion ließen den nationalen Diskurs im Kontext dieser Denkmalkategorie vor allem in Paris zunächst als einen der offensten und unparteiischsten erscheinen. Als prominent erwies sich der Exempelstatus renommierter Mediziner, deren Therapieerfolge je neu den Progreß von einer dubios-veralteten Heilkunde hin zu einer effizienten medizinischen Diagnostik dokumentierten, oder der Chemiker, die der modernen Nation zu autarker Ressourcenmobilisierung verhalfen. Beide verkörperten die Nation als karitativhumanitäre, solidarische und international vorbildliche Gemeinschaft. Freilich erschien die nationale Formel im programmatischen Zusammenhang der Pariser Denkmaleinweihungen bisweilen auch gesucht und kaschierte gelegentlich den Umstand, daß Initiatoren das nationale Etikett unter Anpassung an politische Konjunkturen dazu nutzten, ihre Projekte erfolgreich zu betreiben, während sich umgekehrt städtische und staatliche Autoritäten mit der Gewährung der Initiativen zugleich zu Objekten öffentlicher Respekts- und Loyalitätsbekundungen machten und die Festivitäten dann auch zum öffentlichen Auftritt in eigener Sache nutzten. Diese doppelte Vehikelfunktion der Nation-Fortschritts/Wissenschafts-Thematik und ihres Personals stieß indessen rasch an rezeptive Grenzen. Den Eindruck konsensträchtiger nationaler Kultfiguren konterkarierten nämlich häufig öffentliche Kommentare, die die nationale Verbindlichkeit angesichts spezifischer politischer oder areligiöser Prägungen für problematisch erachteten. Namentlich die konservative und katholische Presse vermißte ungehalten christliche Sinnhorizonte und argwöhnte metaphysikfeindlichen Rationalismus. Die republikanischen Presseorgane unterdessen wachten sorgsam dar-
VI. Nation und Fortschritt
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über, daß sich über die Fortschrittsemphase keine unreflektierten oder manipulativen Idealisierungen der Revolution von 1789 in die Denkmalprogrammatik einschlichen und klopften selbst die profiliertesten Forscherviten auf politische Affinitäten zum autoritären Empire ab, um ungewollten Legitimierungen oder Kontinuitätskonstrukten Einhalt zu gebieten. In beiden Fällen signalisierte der Einspruch, der mit Voranschreiten des Jahrhunderts immer öfter erhoben wurde, eine steigende Sensibilität fiir Deutungshoheiten zum einen und gleichsam zulässige oder erwünschte Loyalitätsamalgame im nationalen Diskurs zum anderen. Internationalismus, globaler Fortschrittsoptimismus und humanitäre Vision blieben aber dessenungeachtet die zentralen Sinnbezüge für die national konnotierten Forscherdenkmäler in Paris, die mit der Jahrhundertwende und vor allem mit der Pasteur-Feier noch einmal einen regehechten Boom erlebten, dabei allerdings je neu wieder nach den alten Kriterienrastern durchleuchtet und entsprechend kritisiert wurden. Die wirklich globalen Projekte für eine international konzipierte Feier von Newton und Galilei erwiesen sich, mutmaßlich auch aufgrund der Nationalität der anvisierten Kultfiguren, als nicht realisierbar; damit schien das visionäre Potential der transnationalen Rhetorik doch überlastet. Berliner Denkmalsetzer tasteten sich an wissenschaftliches Personal zum Zweck nationaler Konnotierung deutlich langsamer heran, als dies fiir Paris gelten konnte. Die doppelte Denkmalehrung fiir die Humboldtbrüder Anfang der 1880er Jahre gab Gelegenheit, neben den preußischen Reformen auch Wissenschaft und Fortschritt als Symptome der Vitalität und Modernität der preußischen und nun der Reichsnation zu identifizieren. Der Bezug der solchermaßen verhandelten Nationsidee zur Monarchie blieb ambivalent. Einerseits sparten die Reden die Assoziation des Kaisers nicht nur aus, sondern lieferten eine Synopse der zeitgenössischen Denkmaltopographie, in dem die Monarchenmonumente gar nicht vorkamen; andererseits war die Plazierung des Denkmals nahe des monarchischen Repräsentationszentrums überhaupt nur mit monarchischem Plazet denkbar und beherrschte am Ende der Kaiser die Festszene. Eine ausgefeilte Programmatik zur Nationalisierung der Wissenschaft, wie sie allerdings auch in Paris erst Ende der 1880er Jahre allmählich in größerem Stil entwickelt worden war, blieb hier noch aus. Der Appell an emanzipatorische Potentiale der Bildung und internationale Kooperation im Zeichen der Wissenschaft prägte nur die Reden in der späteren, nicht mehr im Anblick der Monumente stattfindenden Humboldt-Feier. Auch die liberale Presse reichte eine Politisierung der Kultfiguren auf der Seite der liberalen und antireaktionären Nation nach und griff zugleich den Gedanken universaler Freisetzung jenseits staatlicher oder nationaler Verengung auf. Mit dem Berliner GerlachDenkmal traten demgegenüber deutliche Ähnlichkeiten mit dem monumentalen Diskurs in Frankreich auf, indem die Kopplung von Wissenschaft und Na-
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tion gleichermaßen zur Selbstverortung der Forscher in der modernen Nation wie zum Entwurf eines global-offenen Nationsbilds diente. Ebenfalls ähnlich wie in Frankreich bestand hier die Neigung, Fortschrittserfolge nun nicht der republikanischen, sondern der monarchischen Nation zuzuschreiben und der Feier empirisch-rationaler Forschungserfolge zugleich Legitimationsargumente für die politische Gegenwart abzugewinnen. Die Assoziation von Kaisertum und Reich erfolgte unter der neuen Themenvorgabe zunächst jenseits machtund militärstaatlicher Konnotierungen und eröffnete von daher einen gleichsam entmilitarisierten Blick auf die politische Nation; diese Deutungsoption ist aber nicht gezielt weiterverfolgt worden. Eine ähnlich idealistisch bereinigte Nationsidee lag der Helmholtz-Feier zugrunde, deren Diktion zufolge ihre Bestimmung am ehesten im universalen Geistesdiskurs lag, während sie sich zu weit verflüchtigte, um inneren oder äußeren, politischen und institutionellen Konturen nach sichtbar zu werden. Noch Ende der 1890er Jahre kippte aber der Diskurs um die Berliner Siemens· und Krupp-Denkmäler zu einer pragmatisch und dezidiert machtpolitisch inspirierten Idee von der Nation, der produktive Energien zu ökonomischer Expansion und machtpolitischem Bedeutungszugewinn verhalfen und die das internationale Terrain weniger als Chance zum globalen Austausch denn als Parkett fiir rigide Einflußwettbewerbe nutzen mußte. Die Belastung des Leitbilds transnationaler Kooperation durch einen ausgeprägten imperialen Ehrgeiz erwies sich somit bereits am Vorabend des Krieges als Spezifikum deutscher Denkmaldeutungen121. Die Gleichberechtigung der Technikheroen mit den Dichtern und Denkern als nationale Kultfiguren wurde bewußt als Abkehr von einer machtpolitisch lähmenden, kompensatorischen Kulturnationsidee und als eine Art quantitativer Umschlag nationaler Entwicklung stilisiert, indem Kreativität nur noch zählte, wenn sie sich materialisieren ließ und Konkurrenzpotentiale mit dem Ziel der Dominanz vermittelte. Anders als in Frankreich blieb Kritik am neuen Deutungsmuster aus, indem weder Metaphysikverlust einer konfessionell konnotierten Nationsidee noch vorzeitige Solidarisierung mit dem monarchischen Staat im Zuge der Fortschrittsrhetorik problematisiert wurden. In weniger euphorischem Maßstab als anläßlich der Pariser Newton- und Galilei-Projekte, aber mit ähnlich transnationaler Stoßrichtung versuchten auch in Berlin Sozialdemokraten das Senefelder-Denkmal zur Projektionsfläche einer internationalen Solidaritätsgemeinschaft zu machen. Während die Pariser Initiative nie umgesetzt wurde, gelang in Berlin die nachträgliche Umdeutung
121
Dieser Befund konvergiert mit der Diagnose Föllmers zum Nationsbild deutscher und französischer Industrieller vor 1914, vgl. Moritz FöLLMER, Die Verteidigung der bürgerlichen Nation. Industrielle und hohe Beamte in Deutschland und Frankreich 1900-1930 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 154), Göttingen 2002, S. 95.
VI. Nation und Fortschritt
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kaum, blieb ein konservativ geprägter Deutungskontext ausschlaggebend, der die Fortschritts- und Erfindungsleistung auf die monarchische Nation festlegte. Demgegenüber lag die Fortschrittsthematik in der öffentlichen Denkmallandschaft Londons über weite Strecken brach und deutete sich lediglich in vereinzelten Projekten an. Die einzige große Inszenierung, die zu einer ähnlichen Personenkategorie zustandekam, unterlag mit dem Cook-Denkmal 1914 allerdings längst einer dominanten Überformung des Entdecker-Topos mit imperialistischen Floskeln, indem noch massiver als im Zusammenhang mit den Berliner Krupp- und Siemens-Denkmälern, allerdings auch in viel immittelbarerer Nähe zum Kriegsausbruch, Internationalität nicht als globale Diskursoption, sondern als Eröffnung einer neuen Machtkampfarena eingestuft wurde.
Abb. 3
Abb. 4
Abb. 7 Abb. 8
Abb. 9
ILLUSTRATI;!)
Abb. 10
Abb. 13
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ΥΠ. NATION UND KULTUR
1. Paris: Zwischen universaler Inklusion und politischem Bekenntnis
Seit den frühen 1880er Jahren entstanden in Paris öffentliche Denkmäler für Literaten und Künstler. Meist in bescheidenem Festrahmen, feierte man hier das kulturelle Erbe der Nation mit inklusiven Visionen, zu denen soziale Diversifikation nach innen und nationalstaatliche Grenzen nach außen gehörten, während militärische Assoziationen nicht vorkamen. Etwa die Stifter eines Denkmals für den Romancier Alexandre Dumas auf der Place Malesherbes im November 1883 hoben vor einer kleinen, vor allem aus Künstlern bestehenden Festgemeinde1 darauf ab, daß Dumas' Name nicht nur in Frankreich Klang hatte2. Der nationale Verdienst des Literaten bestand gerade darin, als ein über die nationalen Grenzen hinauswirkendes, werbendes Prinzip eine universale literarische Kunst zu vertreten, die im internationalen Urteil auf den »génie« Frankreichs zurückstrahlte. Schichtenübergreifende Rezeption innerhalb Frankreichs und transnationale Attraktivität seiner Literatur im Ausland motivierten die Denkmalsetzung für den literarischen Patrioten. Akzentuiert wurde darüber hinaus die innerfranzösische Wirkung des Romanciers als Konsensfigur jenseits innenpolitischer Fraktionierungen, deren Frankreich bedurfte und in denen es sich geeint wiederfand3. Das universalistisch-inklusive Deutungskonzept stand selbst nicht-französischem Personal offen. Es bestimmte etwa die Errichtung einer ShakespeareStatue Mitte Oktober 1888 an der Avenue Messine im 8. Arrondissement4. Die Shakespeare-Figur, die dem Conseil Municipal geschenkt worden war, verwies der Inszenierung zufolge völkerverbindend auf den »respect pour le génie humain«5. Universale Werte der Humanität und Kunst schufen dieser Diktion zufolge Loyalitäten jenseits nationaler Zugehörigkeit und zugleich erwies sich diejenige Nation als universalistisch und freiheitlich, die selbst das andersnationale Genie in ihre Kultur zu inkorporieren wußte. Die drastische Häufung monumentaler Künstler-Ehrungen verwässerte die Programmatik der Projekte mitunter erheblich. Etwa 1902 kamen drei Künst1 2 3 4
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Vgl. Le Temps, 6. November 1883, S. 2. Vgl. [An.,] Le monument d'Alexandre Dumas, S. 3. Vgl. ibid. S. 25. Acceptation d'une statue (...), séance du 22 juin 1888, in: CMPV, Année 1888, 1er sem., S. 969f. Rapport de M. Emile Richard sur l'offre d'une statue de William Shakespeare, faite par M. Knighton à la ville de Paris, in: CMRD, Année 1888, Imp. N° 68, S. 1-2.
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Nationskonzepte in den öffentlichen Denkmälern bis 1914
lerdenkmäler6, 1906 sogar vier7 zustande. Überlastungserscheinungen vor allem in Parks und Grünflächen bewogen den Conseil Municipal im Zusammenhang mit der Errichtung des Denkmals für den Komponisten Benjamin Godard im Sommer 19068, den Parc Monceau und die Champs Elysées fur weitere öffentliche Denkmäler zu sperren, da sie sich andernfalls in »véritables nécropoles« zu verwandeln drohten9. Mit der wachsenden Zahl der Künstlerehrungen dominierten weitgehend entpolitisierte Zeremonien. Die Konnotierung mit der republikanischen Nation büeb zweitrangig, ohne jedoch aus dem Blickfeld zu verschwinden. So erachteten die Stifter einer Büste fur den Literaten Ferdinand Fabre den Jardin du Luxembourg als »Westminster en plein air«10, oder die Initiatoren eines Honoré de Balzac-Denkmals dessen Standort auf der Place du Palais Royal als »Panthéon à ciel ouvert«11, als quasi-sakralen Hort der Kulturheroen, die Frankreich in Konkurrenz zu England ebenfalls für sich reklamieren wollte12. Prominent blieb bei den Literatenehrungen der Rekurs auf die französische Sprache als dem konstitutiven Medium der Nation. So stand etwa Gabriel Vicaire seinen Stiftern zufolge für die
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Im Mai 1902 erhielt Alphonse Daudet eine Statue im Jardin des Champs Elysées. Vgl. Brief vom Präsidenten der Société des gens de lettres an den Innenminister, 19. Mai 1902, AN F lc I 170 Dossier: 16 janvier 1902-17 mai 1902. Erection d'un monument à Alphonse Daudet. Im Oktober des Jahres ehrte man Gabriel Vicaire mit einer Büste im Jardin du Luxembourg. Vgl. Inauguration du buste de Gabriel Vicaire dans le Jardin du Luxembourg à Paris, le 23 octobre 1902. Discours et vers, Bourg-en-Bresse 1902. Am 22. November bekam Honoré de Balzac eine Statue an der Avenue de Friedland im westlichen 8. Arrondissement. Vgl. L'Événement, 19. Juni 1891, Le Figaro, 19. Juni 1891, AN F21 4855 Dossier: Monument Balzac, place du Palais Royal, 6 août 1888-7 mars 1904; 14-21 avril 1936 [up]. Vgl. dazu Jacques DE CASO, Rodin and the cult of Balzac, in: Sculpture Review 47 (1998) S. 279-284. Am 23. Februar 1906 wurde eine Statue für Alfred de Musset im Parc Monceau eingeweiht. Vgl. u.a. Erection sur la place du Théâtre Français (...), séance du 11 juillet 1904, in: CMPV, Année 1904, 2 e sem., S. 260. Dazu kam am 27. Mai 1906 ein Standbild fur Corneille auf der Place du Panthéon. Vgl. [An.,] Inauguration du monument élevé à Pierre Corneille, à Paris, le dimanche 27 mai 1906, Paris 1906. Ein weiteres Dumas-Denkmal folgte am 12. Juni 1906 auf der Place Malesherbes. Vgl. Le Temps, 18. Juni 1906, supplément, S. 1-2 und [An.,] Inauguration de la statue d'Alexandre Dumas à Paris, le mardi 12 juin 1906, Paris 1906. Dazu kam schließlich am 22. Juli 1906 ein Denkmal fur Armand Silvestre im Jardin Cours-la-Reine. Vgl. Memorandum vom 3. Mai 1906, AN F 2 ' 4865 Dossier: Monument Benjamin Godard [up]. Vgl. Rejet (...), séance du 19 avril 1905, in: CMPV, Année 1905, 1ersem., S. 597-598. Le Temps, 15. Juni 1903, S. 3. Érection, place du Palais Royal, de la statue de Balzac, séance du 17 juin 1891, in: CMPV, Année 1891, 1ersem., S. 890-893, hier S. 892. Vgl. Le Temps, 15. Juni 1903, S. 3 und [An.,] Le Monument de Ferdinand Fabre, 14 juin 1903, Paris 1903, S. 12, 15.
VII. Nation und Kultur
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Langue de notre patrie! (...) Elle reflète l'histoire humaine d'un pays (...). Elle est fait de la vie profonde et lointaine d'une collectivité d'êtres et de la vie courante. (...) Elle est l'expression enthousiaste, passionnée des souvenirs, des douleurs, des joies et des espérances !
Die französische Sprache erschien damit als ebenso rationales wie affektives Medium nationaler Verständigung und Kontinuitätsstiftung über die Generationen hinweg; sie ermöglichte, konstituierte die Nation als kommunikative und Erinnerungs-Gemeinschaft. Für die Stiftung zahlreicher Literatendenkmäler erwies sich dieses Deutungsmuster als repräsentativ. Jenseits der inflationären Denkmalschwemme entstanden mit distinkten Deutungsmustern Monumente fur die großen politischen Geister der Epoche, die gleichermaßen als Intellektuelle wie als kritische Republikaner öffentliches Profil gewonnen hatten. So konnte Ende Februar 1902 ein Denkmal für den renommierten Schriftsteller und engagierten Republikaner Victor Hugo auf dem gleichnamigen Platz im 16. Arrondissement eingeweiht werden. Die Stilisierung Hugos zur Kultfigur der republikanischen Nation war zu diesem Zeitpunkt freilich bereits seit dem dramatisch inszenierten Staatsbegräbnis vom Juni 1885 präfiguriert14. Die Denkmaleinweihung vom Frühjahr 1902 war nun ihrerseits rituell in die landesweit durchgeführte Hundertjahrfeier zu Ehren Hugos eingebunden. Zunächst war eine Hugo-Büste im Pantheon als neuerliches Kultobjekt im Beisein der politischen und militärischen Elite der Republik einschließlich des Staatspräsidenten Loubet gefeiert worden15. Später enthüllte man ein Denkmal auf der Place Victor Hugo in Anwesenheit des Ministerpräsidenten WaldeckRousseau und des Staatspräsidenten sowie weiterer Minister, Parlaments- und Conseil-Mitglieder16. Sie brach die Exklusivität des offiziellen Staatsaktes im Pantheon wieder zugunsten der Feier im öffentlichen Raum auf. Erinnert wurde an Hugos Rückkehr aus dem Exil 1871 und sein Engagement fur die »France républicaine (...) réuni[e] et uni[e]« als Abgeordneter und später Senator. Darüber hinaus stand er inzwischen den Rednern zufolge als »apôtre social« längst für eine auf »égalité« und »fraternité« verpflichtete Nation17. Die Konsensrhetorik ermutigte bisweilen sogar dazu, nun auch Hugos Rolle während der Julimonarchie und der Revolution von 1848 durchaus kritisch zu 13 14 15 16
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Vgl. [An.,] Inauguration du buste de Gabriel Vicaire, S. 9. Vgl. BEN-AMOS, Les funérailles de Victor Hugo, passim. Vgl. Le Siècle, 27. Februar 1902, S. 1-2. Vgl. ibid. S. 2; Le Temps, 27. Februar 1902, S. 2. Vgl. auch Monument de Victor Hugo. Médaillons de Charles Hugo, François-Victor Hugo, Paul Meurice, Auguste Vacquerie. Cérémonie d'inauguration 20 juin 1910, Paris 1910. Das am 28. September 1909 im Garten des Palais Royal eingeweihte Hugo-Denkmal von Rodin war eine staatliche Auftragsarbeit; vgl. Le Gaulois, 25. September 1909, S. 1 [G. DROUILLY], Vgl. aus kunsthistorischer Perspektive Ruth BUTLER, The politics of public monuments. Rodin's Victor Hugo and Balzac, in: Sculpture Review 47 (1998) S. 8-15. Vgl. Le Temps, 27. Februar 1902, S. 2.
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kommentieren. So wurde nun daran erinnert, daß Hugo durchaus zu den großen Schöpfern der »épopée impériale« gezählt hatte, zu den Legendenschmieden der »gloires napoléoniennes« während der 1830er Jahre, die dem Revolutionsvollender und Reformer Napoleon I. galten18. Als politische Fehleinschätzung wurde ebenso offen Hugos Votum zugunsten der Präsidentschaftskandidatur des Prinzen Louis-Bonaparte in der Zweiten Republik qualifiziert. Dergleichen Vorwürfe trafen indessen die historische Figur, die sich von dieser politischen Vorgeschichte gleichsam in einem Akt der Sühne im Exil abwandte, um als Apologet der republikanisch verfaßten Nation wiederzukehren. Gerade deshalb verkörperte Hugo die Nation am Ende umso authentischer und versöhnlicher, weil seine eigene Vita die Regimebrüche und Diskontinuitäten und die widerstreitenden »émotions de trois générations d'hommes« nicht nur widerspiegelte, sondern durch ein biographisches Kontinuum und die dabei durchlebte »transformation« politischer Überzeugungen verband19. Erst lange nach dem Ersten Weltkrieg sollte mit dem Denkmal fur Emile Zola 1924 eine Figur vergleichbaren Renommees und nationaler Valenz geehrt werden. Die Initiative dazu war allerdings noch deutlich vor dem Krieg zustandegekommen, indem sich im Dezember 1902 aus den Reihen der republikanischen Ligue des droits de l'homme ein Komitee unter der Präsidentschaft des Vorsitzenden der Ligue Francis de Pressensé bildete, dem weiter Ludovic Trarieux und Oberstleutnant Picquard angehörten20. Schon die personelle Zusammensetzung des Komitees machte den Motivationszusammenhang mit der Dreyfus-Krise als dem großen Diskurs über die ethnisch-religiös exklusive Nation deutlich. Pressensé klagte in der Tat über Schwierigkeiten bei dem Versuch, eine städtische oder staatliche Genehmigung für einen Standort zu erhalten, so daß ihm die Nation für die Ehrung des »grand serviteur du droit« politisch noch nicht reif genug schien21. Daß die organisatorischen Hemmnisse, die sich der Denkmalerrichtung in den Weg stellten, faktisch auf eine Obstruktion gegen den »auteur de >J'accusegermanischeGemüthsHasses< und ohnedies unter den Kriegsbedingungen mit ihrem Volk leidend den Opfergang antrat, um günstige Friedensbedingungen fur ihr Land zu erbitten, hatte sie dem Mythos zufolge zur Märtyrerin gemacht. Daß sie sich im veröffentlichten Brief nun zu ihrer Feindseligkeit gegen Napoleon und zur Bitterkeit über die ihr abverlangte Geste bekannte, die sie gleichwohl »mit der Würde der Preußischen Königin« zu ertragen bereit war, sollte das längst etablierte Deutungsmuster bekräftigen. Das auf diesem Wege entworfene Idealbild schwankte zugleich zwischen dieser Stilisierung zur »Auserwählten« und dem eher bürgerlichen Werthaltungen folgenden Lob als »Muster der reinsten Weiblichkeit«, das sie als »Frau, Mutter und Gattin« abgegeben habe 23 . Während sie der Missions- und Opfermythos entrückte, band sie der bürgerliche und spezifisch weibliche Sittenkodex wieder näher an das »Volk«, mit dem sie über Verhaltensnormen einschließlich ihrer »königlichen Pflicht für den Staat«, vor allem aber über ih-
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Zu den Ehrengästen zählten neben Fürsten und Fürstinnen Generale, Deputationen von Magistrat und Stadtverordneten sowie Vertreter der Friedrich-Wilhelm-Universität. VZ, 10. März 1880 (M.), S. 1. Vgl. Regina SCHULTE, Der Aufstieg der konstitutionellen Monarchie und das Gedächtnis der Königin, in: HA 6 (1998) S. 76-103, hier S. 91. Vgl. VZ, 10. März 1880 (M.), S. 1. Vgl. ibid.
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re Empathie und ihren »Dank für die Opfer des Volks« eng verbunden gedacht werden konnte24. Damit nahm sie sich am Ende bei aller mystischen Überhöhung als eine spezifisch nahbare, emotionsbesetzte Kultfigur aus, über die man an die Nation zunächst als historische Leidens- und nach den Befreiungskriegen als Triumphgemeinschaft anknüpfen konnte. Neben der »geschichtlichen Größe der Königin« blieb der »Zauber der Frau«, neben der historisch-politischen die weiblich-moralische Qualität die eigentliche Quintessenz ihrer Exempelfunktion und das Spezifikum einer Figur, die sich mehr und anders als jedes männliche Pendant dazu zu eignen schien, der feiernden Nation nicht nur bewunderndes Erinnern abzuverlagen, sondern auch gleichsam ein affektives Identifikationsangebot zu unterbreiten. Die antinapoleonische Wendung und also ein dem französischen durchaus vergleichbarer Niederlagentopos war zugleich konstitutiver Bestandteil des Luisenkults, denn die Retterfigur brillierte einmal mehr als große Antagonistin des brutalen Bezwingers Preußens. Der Kommentar der Neuen Preußischen Kreuz-Zeitung wich von diesen Sinnzuschreibungen nicht wesentlich ab, legte aber zugleich größeren Wert darauf, das Luisendenkmal konstitutiv in die bereits etablierte Denkmallandschaft einzubeziehen und brachte es daher gleichermaßen mit der ViktoriaAllegorie auf dem Brandenburger Tor und dem »landesväterlichen Königsbild« Friedrich Wilhelms III. im Tiergarten als Symbolen triumphaler Preußenmacht und eines seinerseits nahbar-bürgerlich gedeuteten Königtums in Verbindung25. Die affektive Komponente trat hinter machtpolitisch-historischen Assoziationen zurück, indem als Quintessenz des Luisenkults die Stiftung des Eisernen Kreuzes am Geburtstag der Königin durch Friedrich Wilhelm III. erschien, die Wilhelm I. im Juli 1870 wiederaufgegriffen hatte, um diejenigen auszuzeichnen, die sich wie die mittelalterlichen Ritter im »Kampfe gegen Unchristen und Undeutsche« als dem Inbegriff des Feindbildes der Nation bewährt hatten. Die Assoziation des karitativen Luisenordens und der Tätigkeit seiner weiblichen Mitglieder im Sanitätsdienst während der Befreiungskriege und im Krieg 1870/71, die neben der Stiftung des Eisemen Kreuzes die zweite zentrale, auf die Kultfigur gegründete Traditionsstiftung darstellte, wurde von der Kreuz-Zeitung gemieden, und somit die militärische gegenüber der emanzipatorischen Traditionsbildung deutlich favorisiert. Dies, obschon im Bildprogramm des Denkmalsockels gerade diese Sonderrolle Luises ausdrücklich thematisiert wurde26 und ein entsprechender Verweis auf die Ikonographie 24 25 26
Vgl. ibid. Vgl. NPKZ, 11. März 1880, S. 1. Die Relieflblge entlang des Rundsockels, auf dem die Luisenfigur stand, zeigte Szenen aus den Freiheitskriegen, darunter als »Bild der Frauenthätigkeit« im Krieg die Pflege der Verwundeten und spielte damit auch auf die historische Rolle des Luisenordens als Beförderer
VIII. Nation und Geschlecht
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hätte naheliegen können. Umgekehrt erwies sich die Kreuz-Zeitung durchaus als Chronist der politischen Rolle Luises, indem sie an die Rückberufimg Hardenbergs durch den preußischen Regenten und an den refombedingten Leistungsschub des allmählich regenerierten Preußen erinnerte und dafür Luise mit verantwortlich machte27. In Reden und Kommentaren zum Denkmal wurde somit die weibliche Qualität der Figur nicht im Hinblick auf die Inklusion von Frauen im Rahmen des Luisenordens gedeutet. Sie diente eher dazu, bürgerliche Funktionszuschreibungen und Moralkodizes im Hinblick auf die »Frau, Gattin und Mutter« abzurufen. Damit sind in der Tat nur im Rahmen einer umfassenden zeitgenössischen Vortrags- und Aufsatz-Literatur längst kanonisierte Deutungsmuster wiederaufbereitet worden. Bereits im Rahmen der Feiern zum 100. Geburtstag der Königin im März 1876 hatte nämlich Heinrich von Treitschke seine Festrede dazu genutzt, selbst der gefeierten Repräsentantin ihres Geschlechts politisch aktive Teilhabe an der Nation unwiderruflich zu bestreiten: Wie die Reformation unserer Kirche das Werk von Männern war, so hat auch dieser preußische Staat (...) allezeit einen bis zur Herbheit männlichen Charakter beansprucht. (...) Keine aus der langen Reihe begabter Fürstinnen (...) hat unseren Staat regiert. Auch Königin Luise bestätigt nur die Regel. Ihr Bild (...) ward eine Macht (...), doch nie mit einem Schritte übertrat sie die Schranken, welche der alte deutsche Brauch ihrem Geschlechte setzt .
Demgegenüber veröffentlichten in der Flut der Luisenliteratur nach der Jahrhundertwende die liberalen Grenzboten einen Artikel, der Treitschkes Deutungsmuster unterlief und Mythenkritik betrieb. Die Vita der Königin wurde nun nach den »Beweisen starker Selbstbethätigung auf politischem Gebiete«29 abgesucht und die Überwindung anfänglicher »unheilvollefr] Passivität« gerade zu einer Art Peripetie innerhalb einer fortan primär politischen Biographie gedeutet. Luise changierte so zum Prototyp der »Germanenfrauen«30 und erhielt, was Treitschke ihr im Namen des Mythos verweigert hatte: »einen Platz in der ersten Reihe derer (...), die den preußischen Staat haben bauen helder Wehrhaftigkeit Preußens an. Vgl. Germania, 10. März 1880, S. 3; [A. TRENDELENBURG,] Ansprache (über die Denkmäler der Königin Luise und der Freiheitskriege in Berlin), Berlin 1914 (B. zum Jahresbericht des Friedrichs-Gymnasiums. Ostern 1914. Die Feier des 10. März) S. 11-13; MÜLLER-BOHN, Die Denkmäler, S. 42f. Vgl. zum Sockelprogramm Jutta VON SlMSON, Das Denkmal der Königin Luise in Berlin. Ein Beitrag zur Luisenverehrung im 19. Jahrhundert, in: L. GRIESEBACH, K. RENGER (Hg.), FS fiir O.S. zum 65. Geburtstag, Berlin 1977, S. 516-530, hier S. 524-525; SIMON, Die Bildpolitik, S.255-256. 27 28
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Vgl. NPKZ, 11. März 1880, S. 1. Vgl. Heinrich VON TREITSCHKE, Königin Luise. Vortrag, gehalten am 10. März 1876 im Kaisersaale des Berliner Rathauses, in: Preußische Jahrbücher 37 (1876) S. 417-429, und wieder in: DERS., Historische und politische Aufsätze, Bd. 4, Leipzig 1897, S. 310-324, hier S. 311. Die Grenzboten 63 (1904) S. 729-740, hier S. 730. Ibid. S. 735.
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fen«31. Demgegenüber ließen die Berliner Denkmalstifter von 1880 die politisch-emanzipatorische Funktion der Figur in der Folge einer namhaften Deutungstradition weithin außer Acht. Luise blieb nicht die einzige weibliche Kultfigur auf Berliner Denkmalterrain: Ende Oktober 1895 wurde fünf Jahre nach ihrem Tod ein Denkmal fur die Gattin Wilhelms I., Kaiserin Augusta, auf dem Opernplatz eingeweiht32. Mit der Positionierung inmitten des monarchischen Repräsentationsareals deutete sich der Versuch einer Politisierung der Gestalt bereits an und unterschied sich zugleich von der Aufstellung des Luisendenkmals, das im Tiergarten auf den zwar ebenso politisierten, zugleich aber mythisch entrückten Charakter der Kultfigur verwiesen hatte. Staatsminister, Vertreter der städtischen Behörden, Militärs, protestantische und katholische Geistliche, und hier nun erst- und letztmals in vergleichbarem Rahmen öffentlich sichtbar ein Rabbiner, verfolgten neben den Komiteemitgliedern das Festgeschehen33. Die unaufwendig kurze Zeremonie wurde am Ende aber anders als die Luisenfeier erheblich militärisch überformt, denn während Vertreter und Vertreterinnen gemeinnütziger Vereine Kränze am Denkmal niederlegten, formierte sich die Infanterie zu einem abschließenden Parademarsch, bevor der Kaiser, gezielt die Triumphstraßenarchitektur betonend, den Festplatz im Vierspänner über die Linden Richtung Brandenburger Tor verließ34. Die Rede des Stadtverordnetenvorstehers Styck ordnete den neuen AugustaKult ganz in die offiziellen Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum der Reichsgründung und in die öffentlich inszenierten Loyalitätsbeweise und Huldigungsakte gegenüber Wilhelm I., dem regierenden Monarchen, den »Heerführer^]« und »Staatsmännern[n]« ein35. Damit stellte er die Figur zunächst den männlichen Repräsentanten der militärischen und zivilen Reichsnation gleichberechtigt zur Seite, verlegte sich dann aber ganz auf die Rolle Augustas als Organisatorin einer »freiwillige[n] Krankenpflege« an der Spitze des von ihr 1866 begründeten Vaterländischen Frauenvereins, dem sich inzwischen längst Frauenwohltätigkeitsvereine auch aus anderen deutschen Einzelstaaten angeschlossen hatten, so daß hier gleichsam die weibliche Kriegsvorbereitung professionalisiert erschien36. Ihr »großes Verdienst um das deutsche Volk« 31 32
33 34 35
36
Ibid. S. 740. Vgl. zum Folgenden Berliner Tageblatt, 21. Oktober 1895, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 2381 [up], und Programm zur Feier der Enthüllung des Denkmals weiland Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Augusta, ibid. Vgl. ibid. Vgl. ibid. Vgl. zum Folgenden Berliner Tageblatt, 21. Oktober 1895, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 2381 [up]; Rede des Herrn Dr. Stryck, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 2381 [up], Vgl. Ute PLANERT, Vater Staat und Mutter Germania: Zur Politisierung des weiblichen Geschlechts im 19. und 20. Jahrhundert, in: DIES. (Hg.), Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegung und Nationalismus in der Moderne, Frankfurt, New York 2000,
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beschränkte sich der Rede zufolge gleichwohl auf die Demonstration gewissenhafter Caritas zugunsten der »erkrankten und verwundeten Krieger« sowie auf die Rolle als Erzieherin der »weiblichen Jugend« zur Krankenpflege und also gleichsam als Sekundantin der siegreichen Kriegsnation und Muster einer bürgerlichen Frauenrolle. Die Konnotation von »Volk« blieb im gleichen Maße stark selektiv, sofern es nur entweder in Gestalt der kämpfenden Soldaten oder der in der Verwundetenpflege mit »Pflichttreue und Opferwilligkeit« arbeitenden Frauen thematisiert wurde. Jenseits der ausgemachten humanitärpädagogischen Qualifikation der Monarchin stilisierte man sie ohnedies vor allem zum Kultobjekt der »Liebe und Ehrfurcht«37, so daß sie ähnlich wie Luise zuallererst als affektiver Projektionshintergrund des nationalen Kults dienen sollte38.
3. London: Ableger des Monarchinnenkults
Ein dynastischer Repräsentationsvorbehalt galt bis vor Kriegsausbruch auch in London fur die Frauen, die zu Denkmalehre gelangten. Unscheinbar blieb die ganz dem »civic ritual« verhaftete Aufstellung der Replik einer ursprünglich bereits 1712 piazierten Queen Anne-Statue Mitte Dezember 1886 vor der St. Paul's-Kathedrale39. Die knappen Reden zum unauffälligen Akt erschöpften sich im Repetieren von Traditionsformeln, die den konservativen Bund von Staatskirche und Monarchie betrafen, oder Devotionsformeln, die sich an die regierende Monarchin wandten und also damit bereits den Victoria-Kult aus einer dezidiert hauptstädtischen Perspektive antizipierten, ohne über die institutionellen Sinnbezüge für die nationale Ordnung hinauszugelangen40. Eine Sonderfunktion der immerhin bis dahin seltenen Frauenfigur als nationaler Referenzpunkt wurde nicht thematisiert. Präzisere Deutungsmuster wurden demgegenüber erkennbar, als im Juli 1908, während der monumentale Victoria-Kult auch in London längst begon-
37 38 39
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S. 15-65, hier S. 39; Karen HAGEMANN, »Deutsche Heldinnen«: Patriotisch-nationales Frauenhandeln in der Zeit der antinapoleonischen Kriege, in: ibid. S. 86-112; Ute PREVER!, Nation, Krieg und Geschlecht im 19. Jahrhundert, in: HETTLING, NOLTE (Hg.), Nation und Gesellschaft in Deutschland, 1996, S. 151-170. Rede des Herrn Dr. Stryck, LAB A Rep. s.o. Vgl. Berliner Tageblatt, 21. Oktober 1895, LAB A Rep. 000-02-01 Nr. 2381 [up], Vgl. zum Folgenden The Morning Post, 6. Juni 1888, S. 7; The Times, 16. Dezember 1886, S. 10. Vgl. Terry F. FRIEDMAN, Foggini's statue of Queen Anne, in: Klaus LANKHErr, Kunst des Barock in der Toskana. Studien zur Kunst unter den letzten Medici, München 1976, S. 39-56. Vgl. The Morning Post, 6. Juni 1888, S. 7; The Times, 16. Dezember 1886, S. 10.
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nen hatte, eine Statue für die Gattin Edwards VII. Queen Alexandra eingeweiht werden konnte. Sie wurde im Haupthof jenes London Hospital im EastEnd piaziert, als dessen Präsidentin sie gewirkt und das sie mit karitativem Engagement unterstützt hatte41. Die Denkmalhülle fiel unter den Klängen der Nationalhymne, so daß trotz Abwesenheit von Vertretern der Regierung oder des Parlaments eine dezidiert nationale Symbolik durchaus intendiert schien. Die kurzen Reden stellten darauf ab, daß Alexandra nicht nur die medizinische Ausstattung des Krankenhauses verbessert, sondern in den Jahren des Burenkrieges auch auf ihre Kosten Krankenschwestern nach Südafrika zur medizinischen Versorgung der Soldaten an der Front hatte entsenden lassen42. Im Spiegel des Monuments trat nicht nur eine ebenso patriotisch wie human motivierte Caritas der Geehrten, sondern auch das Leid militärischer wie ziviler Teile der Gesellschaft in den Blick, dessen Linderung gefördert zu haben emotional einnehmend wirkte: The Queen had endeared herself to all English women and English men by her ready, sincere, and genuine sympathy with suffering and misery in any form. (...) We had a long line of illustrious consorts, (...) yet there was not one in that illustrious line who had been so enthroned in the heart of the nation as Her Majesty Queen Alexandra .
Mit der symbolischen Verortung der Königin im emotionalen Innersten der »nation« war nun endgültig ein Deutungsmuster gewählt worden, das Affinitäten mit dem preußisch-deutschen Luisenmythos zeigte. Auch hier wurden quasi-hagiographische Topoi mobilisiert und schematisch feste narrative Stufen beschritten vom ersten Erscheinen Alexandras in der Zeit eines »deep sorrow of the nation« - das hier von der Trauer um den Prince Consort herrührte - zur Spende ebenso kollektiven Trostes fur »court and people« in ihrer Rolle als Gattin des Prince of Wales, bis zum selbstlosen Engagement für den notleidenden Teil der militärischen und zivilen Gesellschaft, das aufgrund persönlicher Leiderfahrung der königlichen Retterin besonders authentisch wirkte44. Die Plazierung des Alexandra-Denkmals in der Krankenhausanlage geriet unter diesen Voraussetzungen zu einer Symbolhandlung, die über die unmittelbare Motivierung dieser Ehrung mit der königlichen Präsidentschaft und Unterstützung für das London Hospital hinausreichte, indem sie Leidpotentiale und Linderungsbedarf als eine Art humane Konstante der nationalen Gesellschaft implizierte45. Gleichwohl schlugen solche Beobachtungen nicht etwa in die Forderung nach Angleichung sozialer Lebensverhältnisse um, zumal ein
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Vgl. The Daily Telegraph, 11. Juli 1908, S. 6; The Standard, 11. Juli 1908, S. 9. Vgl. ibid. Ibid. Vgl. ibid.: »Forty-five years ago she came to these shores at a time of deep sorrow for the nation. (...) She had herself known sorrow, (...), and it was fitting there should be such a memorial to her.« Vgl. ibid.
VIII. Nation und Geschlecht
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Zusammenhang mit dem verarmten Londoner Eastend als dem Sitz des Krankenhauses nicht ausdrücklich hergestellt wurde. Auch die weithin kommentarlos berichtende Presse stellte entsprechende Verbindungen nicht her. Der Daily Telegraph etwa bezeichnete das London Hospital zwar als Sammelstelle nicht nur gesundheitlichen Elends in einem »congested district«46. Armut und Krankheit wurden indessen nicht in ein kausales Verhältnis gesetzt, die »poor« und »suffering« schafften eher das depravierte Betätigungsfeld und den Leidenshintergrund, vor dem sich Alexandra gleichsam als humanitäre Heldin bewähren konnte.
4. Vergleich
Daß in Paris anders als in London und Berlin zahlreiche Projekte für Frauendenkmäler scheiterten, änderte nichts an dem Umstand, daß andere, weniger politisierte Projekte in der Tat gelangen und die Pariser Denkmallandschaft mit den weiblichen République-Allegorien immerhin über eine idealisierte Frauengestalt als Staatsemblem und mit den Jeanne d'Arc-Denkmälern über eine gleich von mehreren Kultstiftem in Anspruch genommene Heroin verfugte. Faktisch unternahmen überhaupt nur in Paris Denkmalstifter den Versuch, weibliches Personal nach gleichen Kriterien wie ihr männliches Pendant monumental zu ehren und damit dezidiert politische Konnotationen zu verbinden. Im Falle des Louise Michel-Projekts war wohl eine Kombination aus allgemeinem Ressentiment gegen die gleichberechtigte Frauenehrung und vor allem politischer Mißliebigkeit der Sozialistin, der im übrigen auch mit keiner männlichen Kultfigur in Paris durchsetzungsfähig wurde, für die Verhinderung des Unterfangens verantwortlich. War hier noch der politische Vorbehalt womöglich gleichauf mit dem geschlechtsspezifischen, zeugte spätestens das Projekt des »Monument de la Femme Française« von dem Umstand, daß Helden- und Märtyrertopoi von Frauen nicht in gleichem Maße reklamiert und in öffentlicher Anerkennung perpetuiert werden konnten, wie dies für Männer galt. Die aktive Teilhabe an der memorialen Bewältigung der Niederlage von 1871 wurde den Frauen damit verweigert. Die Vereitelung des Royer-Denkmals war demgegenüber wohl eher den Kriegswirren zuzuschreiben, in denen das langsam angelaufene, aber bereits weit gediehene Projekt nicht mehr zu Ende gebracht werden konnte. Selbst angesichts der mißlungenen Projekte nahm sich die Pariser Denkmal(projekt)landschaft damit zumindest virtuell deutlich emanzipatorischer aus, als das Symbolterrain der beiden anderen Hauptstädte, 46
Vgl. The Daily Telegraph, 11. Juli 1908, S. 6.
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wo vergleichbares Personal nicht auch nur entfernt als denkmalwürdig anvisiert worden ist. An den Berliner Monarchinnendenkmalfesten nahm der Kaiser persönlich teil und verlieh den Festen damit einmal mehr den Charakter pietätvoller monarchischer Stiftung. Während der Kaiser fur die sakral geprägte Einweihung des Luisendenkmals die Famiiiarisierung der Nation im Zeichen ihres Kults anordnete und auf militärische Symbole und Rituselemente verzichtete, hielten in die Feier des Augusta-Denkmals 15 Jahre später zum Zeichen vorangeschrittener demonstrativer Militarisierung der Kaiseraura militärische Kultelemente mit der abschließenden Truppenparade Einzug. Die Programmatik des Denkmals für Luise lag nahe bei derjenigen, die man in Berlin bereits Ende der 1850er Jahre in Oranienburg an entlegenerer Stelle hatte beobachten können. Sakralisierung der Volksheiligen zum einen und Verbürgerlichungstopoi zum anderen markierten die Bandbreite von Bedeutungsassoziationen. Zugleich wurde einmal dezidiert auf die preußische Nation nicht nur als monarchisch und christlich-religiös konnotierte Ordnung, sondern auch als Leidenserfahrungsgemeinschaft und gleichwohl zu Erhebung und machtstaatlicher Emanzipation berufenes Volk abgehoben, zum anderen und unvermittelt daneben aber auch die Nation als bürgerliche Werte- und Tugendgemeinschaft und Luise als Exempel eines weiblichen Sittenkodex imaginiert. In der öffentlichen Rezeption durch den politischen Konservativismus blieb das Luisendenkmal in der von den Stiftern intendierten Weise eklektisch, indem Luise als Affektgestalt, nicht aber als Begründerin einer hochgradig emanzipatorischen CaritasArbeit angesprochen wurde. Im Rahmen der Augusta-Feier erwiesen sich diese Deutungsmuster wiederum als gültig, zumal die Kaisergattin nicht über den Nimbus der providentiellen Preußenretterin verfugte, sondern in der Tat eher nach bürgerlichen Verhaltensnormen um ihrer Caritas willen belobigt wurde. Die linke Vision von der tatkräftig-gleichberechtigten Frauengestalt blieb demgegenüber Episode. Ein äußerst ähnlicher Würdigungsmodus galt in London. Während die Plazierung der Anne-Statue noch ein extrem formalisierter Akt blieb, in dessen Zug die Metropole ihre monarchische Loyalität bekundete, wies die Ehrung Queen Alexandras große Affinitäten zum preußisch-deutschen Luisenkult auf. Die Alexandra-Legende mußte indessen schon allein deshalb dem LuisenMythos unterlegen bleiben, weil die englische Königin-Witwe zum Zeitpunkt der Ehrung noch lebte, so daß sich etwa quasi-religiöse Epiphanie-Visionen verbaten. Ebenso differierte die Dimension kollektiver Leiderfahrung, vor deren Hintergrund sich das erste Auftreten der säkularen Heiligen vollzog: die Kopplung der Luisenlegende an das preußische Desaster von 1806/07 nährte kompensatorische nationale Heilserwartungen und Revanchefiktionen, die der Alexandra-Figur selbst unter den Bedingungen des zwischenzeitlich unpopulär gewordenen, am Ende aber gewonnenen Burenkrieges fremd bleiben mußten.
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Das Grundmuster der weiblichen Kultfigur freilich, nach dem nicht gute Regentschaft, politisches oder gar militärisches Vermögen, sondern monarchische Abkunft, Caritas und Emotion als Leistungsmerkmale zählten, die die Figur mit der Nation affektiv ins Verhältnis setzten, waren hier wie da überdeutlich.
IX. AUSBLICK: KONTUREN DES MONUMENTALEN NATIONSDISKURSES IM KRIEG BIS 1918
1. Paris: Neue Hermetik und Inklusion
Eine markante Trendwende etablierter Deutungsmuster zeichnete sich unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges ab. Noch vor Kriegsende kam fur den Chemiker und Mitte der 1890er Jahre amtierenden Außenminister Marcelin Berthelot ein Denkmal auf dem gleichnamigen Platz vor dem Collège de France im 5. Arrondissement zustande und konnte mitten im Krieg am 20. Mai 1917 eingeweiht werden. An dem von der republikanischen Ligue Française de l'Enseignement organisierten Festakt beteiligten sich Staatspräsident Poincaré, zahlreiche Regierungsmitglieder und Vertreter des »corps universitaire« sowie Schüler der Stadt und - in auffälligem Gegensatz zur bisherigen Praxis, nach der militärische oder militärnahe Gruppierungen zwar gelegentlich an Denkmalfeiern, nie aber an den Einweihungen der Forscher-Denkmäler teilgenommen hatten - einige Sociétés de préparation militaire1. Damit hinterließ die Kriegssituation schon im Zeremoniell deutliche Spuren. Besonders schlug sich der Kriegskontext aber in einer spezifischen Würdigung Berthelots nieder, die entschieden mehr dem Wissenschaftler als dem Politiker galt. Der Direktor der Académie Française Emile Boutroux transponierte die deutsch-französische Kriegskonstellation auf die Ebene der naturwissenschaftlichen Forschung wie der Philosophie überhaupt: Die Prätention der »pensée allemande« bestand generell darin, »[de] régenter l'être des choses jusque dans son fond«, während Berthelots »pensée classique« ungleich sublimer und humanitärer auf die »union cordiale avec la vivante et profonde nature des choses« gezielt habe2. Selbst die Denkart des feindlichen Deutschland nahm sich als Beleg einer rücksichtslosen Sucht nach Dominanz, die französische Denkweise hingegen als traditionsreich-klassisches Verfahren subtiler Ergründung aus. Gelegentlich wurde die Feindidee auch in der Reminiszenz an die deutsche Besetzung und das Bombardement von Paris 1870/71 gebündelt, während der nicht nur die Kapitale der Nation, sondern auch deren renommierte Wissenschaftsinstitutionen attackiert worden seien, so daß hierin ein 1
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Vgl. dazu und zum Folgenden Le Temps, 21. Mai 1917, S. 4. Das militärische Element kehrte wieder, als nach der eigentlichen Feier im großen Amphitheater der Sorbonne die staatlichen Ehrengäste vor dem Collège dem Defilee der Schulkinder und jungen Soldaten beiwohnten. Vgl. Discours prononcés à l'inauguration du monument élevé à la mémoire de Marcelin Berthelot à Paris, le dimanche, 20 mai 1917, Paris 1917 (Institut de France), S. 11-12.
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neuerlicher Nachweis fìir die »brutalité de nos sauvages ennemis et des intellectuels« zu liegen schien3. Kriegsminister Paul Painlevé faßte die Monumentalisierung des Chemikers und republikanischen Politikers just während der »épopée meurtrière et grandiose« dieser Tage als Symptom jenes ganz Frankreich beherrschenden »souci de vaincre« auf, seines unbestechlichen Willens »à accroître la puissance de la nation (...), à diriger son héroïsme«4. Die Praxis öffentlicher Denkmalsetzung spiegelte hier den stolzen Behauptungswillen der Nation ebenso direkt wider wie ihre Bedrängnis während der »guerre farouche.« Die Schrecknisse des Krieges kehrten hier als Lähmung des öffentlichen Kults der nationalen Heroen wieder und umso triumphaler mußte nun die Denkmalsetzung »en pleine guerre« für Berthelot wirken5. Von moralischen Diskreditierungen, wie sie der deutschen Wissenschaft angelastet wurden, nahmen die Redner Berthelot mit dem Argument aus, daß er einem Wissenschaftsverständnis verpflichtet gewesen sei, das nicht auf Destruktion, sondern auf zukunftsträchtige »civilisation« und die Grundlegung einer solidarischen »organisation juste et rationnelle« der Gesellschaft ausgerichtet sei6. Daß die Festreden stark unter dem Eindruck kriegsgenerierter Feindbildprojektionen standen und deutliche Anklänge an die nach 1870/71 so häufig gebrauchte »Barbaren«-Metapher zur zivilisatorischen Diskreditierung des deutschen Gegners erkennen ließen7, bedeutete zugleich eine erhebliche Entfernung vom programmatischen Ausgangspunkt der Stifterinitiative der Ligue Française de l'Enseignement. Nach den Worten Senator Bourgeois' beim Komiteetreffen 1908 nämlich, mit dem die Subskription eröffnet worden war, hatte sie anfangs darauf gezielt, den »caractère international« des Unterfangens kenntlich zu machen. Berthelot sollte - ganz im Stil paralleler Projekte der Zeit - nicht nur als nationale Figur, sondern auch als Repräsentant transnational verbindlicher humanitärer Prinzipien erinnert8 und in der »science« als Qualifikationsmerkmal der Kultfigur vor allem der Nachweis universaler Befähigung erkannt werden: »Quel que soit l'idiome du savant, la langue que parle la science est universelle. Il n'y a qu'un esprit devant la vérité«9. Mit dem Krieg hatte sich die Thematik nun deutlich verlagert. Das Kampfszenario weckte die Erinnerung an die Erniedrigung von 1871 und intensivierte die Bereitschaft, vor dem Negativhintergrund des Feindbildes vom bru-
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Vgl. ibid. S. 26. Vgl. ibid. S. 3. Vgl. ibid. S. 4. Vgl. ibid. S. 5-10. Vgl. JEISMANN, Das Vaterland der Feinde, S. 133, 232, 356-357 zur Barbarenmetapher. Vgl. [An.,] Monument Marcelin Berthelot. Cérémonie à la Sorbonne, 3 octobre 1908, Paris 1908, S. 5. Ibid.
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tal-herrschsüchtigen, barbarisch-unzivilisierten Deutschland zur Selbstdefinition als ebenso traditionsreiche wie fortschrittsorientierte, humanitäre französische Nation zu gelangen. Hatte der Diskurs um die Exponenten der Wissenschaft in den 1880er Jahren und bis über die Jahrhundertwende hinaus am ehesten den Bruch mit nationalen Stereotypen begünstigt und die Idee einer Internationalisierung von Aufklärung und Fortschritt favorisiert, wurde er in den Kriegsjahren wieder hermetisch. Die internationale Bedeutungsdimension, die die Repräsentanten einer globalen scientific community wie kaum eine andere Denkmalfigurengruppe verkörpert zu haben schienen, brach unter dem Eindruck des Krieges nach 1914 jäh zugunsten feindbildzentrierter Exklusionsrhetoriken in sich zusammen. Das erste öffentliche Personendenkmal, das in Paris unmittelbar nach Kriegsende entstand, war im Juni 1920 der Engländerin Edith Cavell gewidmet, die als Leiterin der École d'infirmières bis zur Besetzung Belgiens im Land geblieben und in Brüssel im Oktober 1915 von den Deutschen erschossen worden war. Bereits einen Monat später hatte sich die Zeitung Le Maiin zum Fürsprecher einer Denkmalinitiative gemacht, so daß schon bis Jahresende ein Komitee unter Leitung des Ministre de l'Instruction et des Beaux-Arts Paul Painlevé bestand und ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben werden konnte 10 . Anläßlich der Denkmaleinweihung hatten sich ministerielle Vertreter Großbritanniens und Belgiens und der Militârattaché der Vereinigten Staaten von Amerika eingefunden. Für den Sprecher der englischen Gastdelegation Lord Burnham repräsentierte Cavell gerade als Frau den »héroïsme« und »le martyre parmi les femmes non seulement de notre siècle, mais de tous les siècles«11. Sie personifizierte gleichsam das Leiden nicht nur der gesamten zivilen, sondern vor allem des weiblichen Teils der Gesellschaft am Leiden und Sterben. An der Opfermystik des patriotischen Soldatentodes partizipierte sie dann als »sainte«, changierte mithin zur Heiligen und christlich inspirierten Erbarmerin12. Denkmalwürdig erschien in der Rede des Ministers André Maginot darüber hinaus, daß Cavells Opfer mit dem belgischen einem Volk galt, dem die englische Patriotin nicht angehörte. Maginot sah die Figur mit den französischen Nationalhelden kommensurabel und unterstellte sie zugleich deren Kultaura, indem er die Cavell- nun mit der Jeanne d'Are-Figur verglich13. Mit der Apotheose der Edith Cavell und ihrer Aneignung durch die französische Nation im Namen von Opfermut und christlicher Tugendleistung verschärfte sich zugleich das Verdikt gegen die deutschen Kriegstreiber, die »ennemis«, die mit 10
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Vgl. Le Temps, 13. Juni 1920, S. 6. Vgl. dazu auch BRESC-BAUTŒR, PlNGEOT, Sculptures Bd. 2, S. 361-362. Le Temps, 13. Juni 1920, S. 6. Vgl. ibid. Vgl. ibid.
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dem Krieg »la pire et la plus flagrante des entreprises de domination« unternommen hätten und ihrerseits als reine Negation jener Werte erscheinen mußten, für die Cavell einstand. Vor dem Hintergrund des deutschen Gegenbildentwurfs standen die französische Nation und ihre neue Kultfigur dann endgültig auf der Seite eines transnationalen Humanitäts- und Christlichkeitsideals und waren nun anders als 1871 wieder siegreich und durch die in beispiellos exzessivem Ausmaß kollektiv durchlittene »horreur tragique (...) [de] la masse de combattants«14 moralisch saturiert. Unter dem Eindruck einer totalen, nun aber anders als 1871 aus der Siegerperspektive zu bewältigenden Kriegserfahrung ist hier die Inkorporierung selbst der Ausländerin als Kultfigur in den Traditionsvorrat der Nation möglich geworden. War mit dem gescheiterten Projekt für die »Femme Française« 1908 noch die Einbeziehung von weiblichem Kultpersonal in die Reminiszenz an die Kriegsniederlage verweigert worden, fand die symbolische Integration nun unter ausdrücklicher Veranschlagung der Opfermystik, wohl aber auf dem Hintergrund eines gewonnenen Krieges statt.
2. Berlin: Heroenkult und Demoralisierung
Am Jahrestag der Schacht von Tannenberg, die im Spätsommer 1914 mit der siegreichen Abwehr des russischen Ansturms auf Ostpreußen durch deutsche und österreichisch-ungarische Truppen geendet hatte, wurde schließlich im September 1915 auf dem Königsplatz eine ephemere Holzstatue des Feldmarschalls Paul von Hindenburg errichtet und später mit Nägeln beschlagen, die zuvor gegen eine Spende an die Nationalstiftung für die Hinterbliebenenversorgung erworben werden mußten15. Die einigermaßen befremdliche Praxis der »Kriegsnagelungen« leitete sich einem erklärenden Artikel der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung zufolge vom religiös-mystisch motivierten Brauchtum her, mit der Nagelung den Besuch des kultischen Ortes zu dokumentieren16. Im Falle des Hindenburg-Denkmals war beabsichtigt, durch die drastische Geste »Ehrfurcht und Hingebung zu Kaiser und Reich äußerlich Ausdruck zu verleihen«. Zugleich war sie mit dem fiskalischen Zweck verbunden, eine »Opfergabe« für jeden eingeschlagenen Nagel einzuziehen, der der Kriegsfinanzierung zugute kommen sollte. Der »genagelte Holzkörper« war der offiziellen Symbolpolitik zufolge »zugleich 14 15
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Ibid. Vgl. zum Folgenden VZ, 4. September 1915 (Α., Β.), S. 1; NPKZ, 4. September 1915 (Α.), S. 3; Germania, 4. September 1915 (Β.), S. 1; NAZ, 5. September 1915, S. 1. Vgl. NAZ, 4. September 1915, S 3.
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ein Erinnerungsmal an den vaterländischen Geist« und sollte als solcher ungeachtet des provisorischen Gesamtcharakters möglichst lange erhalten bleiben17. Bereits vor dem Beginn der Feier waren mehrere Regimenter auf den Königsplatz aufmarschiert und hatten sich um die mit vier russischen Beutegeschützen umgebene Statue gesammelt, dazu kamen »Kriegsgenesende« aus den Lazaretten und Pfadfinder. Schließlich trafen als offizielle Festgäste neben Mitgliedern der Familie Hindenburg unter anderem der uniformierte Reichskanzler Bethmann Hollweg, Generaloberst von Moltke und der Kommandant von Berlin, von Böhm, ein18. Während der Festreden schwebte als Resultat eigener Dramaturgie ein Zeppelin über dem Festplatz und schwenkte in Richtung des Bismarck-Denkmals ab, um das ephemere mit dem dauerhaften Monument und den Nimbus der Kanzler-Figur mit dem neuen Mythos des Kriegshelden visuell zu verbinden. Unter den Bedingungen des Krieges war nun, wie sonst selten, in Gestalt der »Prinzessin August Wilhelm« eine Frau am Ritus aktiv beteiligt, die der Enthüllung des Denkmals unter den Klängen des »Deutschlandlieds« stattgab. Sie schlug auch den ersten goldenen Nagel in den Sockel ein, bevor Reichskanzler, Oberbürgermeister und die übrigen Festgäste einschließlich der »Damen« ihr darin folgten19. Zuvor ordnete der Reichskanzler in seiner Ansprache den hölzernen Hindenburg der Siegessäule und dem Bismarck-Monument am Königsplatz zu, um das gesamte Symbolareal auf die aus »Kriegerfn]«, »Soldaten«, »Heere[n]« und »Führer[n]Kaiser Wilhelm des Großen«. Nach Original-Aufnahmen, o. O. o. J. Das National-Denkmal auf dem Kreuzberge bei Berlin. Mit dem vom Denkmal aus sichtbaren Panorama von Berlin, Berlin 1901. NAUMANN, Emil, Deutschlands musikalische Helden in ihrer Rückwirkung auf die Nation. Vortrag, gehalten am 15. Februar 1873 im Wissenschaftlichen Verein zu Berlin, Berlin 1873.
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